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UNIVERSITY OF MICHtGAN
Inhalt
Erstes Heft.
Originalien. seit.*
Ober die logische Stellung der Kriminologie zur Psychopathologie. Mit
besonderer Berücksichtigung des sogenannten moralischen Schwach¬
sinns. Von Dr. med. et phil. Arthur Kronfeld-DaMdori . 1
Ober Kopfhautfalten und Haarlinien. Von Dr. Rudolf Ganter-Wormditt.
Mit 2 Abbildungen. G3
Ein Beitrag zu den Beziehungen zwischen bösartigen Geschwülsten und
Geisteskrankheiten. Von Dr. Emst AfwMcr-Waldbröl. 72
Ein Veronaldelirium. Von Kurt Schneider- Köln. 87
Erfahrungen über die Entlassung Geisteskranker gegen ärztlichen Rat.
Von Dr. Treiber- Görden bei Brandenburg. 100
Kleinere Mitteilungen.
Deutscher Verein für Psychiatrie. 180
Nekrolog Robert Thomsen. Von Wühelmy-Bonn . 109
Nekrolog Franz Fischer junior. Von Äirfto-Pforzheim. 110
Nekrolog Emst Veit. Von Heboid-Wühl garten. 115
Die Vereinigung kath. Seelsorger an deutschen Heil- und Pflegeanstaltcn 11G
Die Geisteskranken in den Irrenanstalten Preußens im Jahre 1912.116
Verein zum Austausch der Anstaltberichte. 118
Personalnachrichten. 118
Zweites Heft.
Originalien.
Geisteskrankheiten und Krieg. Von Dr. Heinrich Resch- Bayreuth. 121
Ein Fall von Unfallnourose. Von Dr. Hans LaeÄr-Schwcizerhof. 134
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
IV
Inhalt
Seite
Verhandlungen psychiatrischer Vereine.
92. Ordentliche Generalversammlung des Psychiatrischen Vereins der
Rheinprovinz am 20. Juni 1914 in Bonn.
Westphal-Bonn : Über Fehlen aller Sehnenreflexe ohne nachweisbare
Erkrankung des Nervensystems (Krankendemonstration). 171
Wassermeyer- Bonn: Über pathologischen Rausch. 173
Rülf-Bonn : 1. Ein Fall von familiärem Rindenkrampf. 174
2. Durch Suggestion behobener Fall von Amenorrhoe.. 175
Lückerath- Bonn: Gehirndemonstration. 177
Werner- Bedburg: Psychiatrische Reiseeindrücke aus England und
Schottland. 178
Hühner- Bonn: Uber paranoide Erkrankungen. 179
Kleinere Mitteilungen.
Heinrich Laehr-Stiftung.. 184
ScÄü'Ze-Jnbiläum. 184
Nekrolog Knecht . 184
Mitteilung Prof. E. Stranskys . 189
Personalnachrichten. 189
Drittes Heft.
Originalien.
Über Rechtsfragen aus den Grenzgebieten von Tabes dorsalis und De¬
mentia paralytica. Von Dr. ATrewser-Winnental. 191
Zur Lehre von den psychischen Entwicklungsstörungen (Infantilismus).
Von Dr. Otto JttlmsZmr^er-Steglitz-Berlin. 200
Kleinere Mitteilungen.
Ministerialerlaß. 247
Die deutschen Anstalten für Geisteskranke und der Krieg . 247
Psychopathia gallica. Von Hans Laehr . 250
Kreisanstalt Günzburg a. d. Donau. 276
Schutz der Kinder gegen Alkohol. 276
Personalnachrichten. 276
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Inhalt.
V
Soite
Viertes Heft.
Originalien.
Ober paranoische Geistesstörungen. Von Professor Dr. Emst Emil
Moravcsik- Budapest. 279
Unfall und Paranoia. Von Dr. W. Tinfemann-Osnabriick. 305
Psychosen bei Frauen im Zusammenhang mit dem Kriege. Von
W. Buckau-Frankfurt am Main. 328
Psychiatrische Vorschläge für die Zeit nach dem Kriege. Von Geh. Sani¬
tätsrat Dr. Th. Benda -Berlin. 356
Kleinere Mitteilungen.
Kriegstagung des Deutschen Vereins für Psychiatrie. 370
Deutscher Verein für Psychiatrie: Rechnungsabschluß für 1915 . 370
Heinrich XacÄr-Stiftung . 371
Vereinigung mitteldeutscher Psychiater und Neurologen. 372
Nochmals Psychopathia gallica. Von Dr. Heß-Görlitz... 372
Personalnachrichten. .... 373
Fünftes und sechstes Heft.
Orginalien.
Zu den Änderungen im Auftreten und Verlauf der allgemeinen progres¬
siven Paralyse während der letzten Jahrzehnte. Von Heinrich
Dübel-Tannenhof. 375
Zum manisch-depressiven Irresein. Von Karl .Birnbaum-Buch. 439
Ober einen von einem Geisteskranken ausgeführten Raubmord. Von
Harald Siebert -Libau. 485
Verhandlungen psychiatrischer Vereine.
93. Ordentliche Generalversammlung des Psychiatrischen Vereins der Rhein¬
provinz am 26. Juni 1916 in Bonn. 496
Westphal: Ober Kriegsneurosen, insbesondere über Gehstö rangen
auf psychogener Basis. (Demonstrationsvortrag.). 497
& Lob- Ahrweiler: Krankenvorstellung. 508
G. Vo/J-Dtisseldorf: Uber chronischen Tetanus (mit Krankenvorstellung) 610
Jahnel-F rankfurt: Darstellung von Spirochäten bei Paralyse. 510
Lückerat A-Bonn: Über Militärpsychosen. 512
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
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VI Inhalt
Seit«
Aschaffenburg : Ein Beitrag zur Lehre vom Gedächtnis. (Behinde¬
rung des Wiederauflebens optischer Erinnerangsspuren nach
Schädelverletzungen.). 516
Hübner-Bonn: Die strafrechtliche Begutachtung von Soldaten. 518
TWtte-Bedburg: Über anatomische Veränderungen am Zentralnerven¬
system bei Tetanus traumaticus. 521
Raether-Bonn: Über die Beurteilung der Erwerbsfähigkeit bei Kriegs¬
neurosen . 522
AförcAen-Wiesbaden: Das Fehlen traumatischer Neurosen bei Kriegs¬
gefangenen. 524
Kleinere Mitteilungen.
Vorein abstinenter Ärzte. 527
l’crsonalnachrichten. 527
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Uber die logische Stellung der Kriminologie zur
Psychopathologie.
Mit besonderer Berücksichtigung des sogenannten moralischen
Schwachsinns.
Von
Dr. med. et phil. Arthur Kronfeld-Dalldorf (z. Z. im Felde).
Vorbemerkung. Das Grundproblem aller Kriminologie, zu
dem auch diese Studie einen geringen Lösungsbeitrag liefern will,
ist die unter bestimmten unpsychologischen Gesichtspunkten ein¬
geengte Teilfrage des allgemeineren soziologischen Problems: ob
lieh Gesetze der Beziehung zwischen psychologischer Artung, Milieu
und Lebensgestaltung aufstellen lassen. Typen dieser Beziehung
lacht die Kriminologie aufzufinden, und zwar im Hinblick auf ein
best im mtes Tun, welches sie als den Ausdruck dieser Lebensgestal-
tung auffaßt: das antisoziale. Die Bestimmungsstücke dieses anti¬
sozialen Tuns sind letzten Endes immer negative Merkmale, abgeleitet
aus den Nonnen strafrechtlicher Kodifikation. Diese Typen eines
ltai8, definiert an den Strafrechtsbestimmungen, und Typen oder
Einheiten nur im Sinne dieser Definitionsgrundlage, enthalten nun
pur keine Beziehung zu irgendwelchen psychologischen Einheiten,
i weiche die Beschreibung gewinnt und aufstellt. Die Kriminologie
| loü zwischen diesen beiden methodisch ganz inhomogenen Teilen
dhe Beziehung stiften, welche beide in besonderen Gesetzen zusammen-
Wngt. Dem Nachdenkenden ist von vornherein klar, daß sich hier
Methodologische Fragen von großer Schwierigkeit und Bedeutung
aofwerfen, von deren klarer Beantwortung der Erfolg jeder krimi-
Mlogischen Einzeluntersuchung, ja der Kriminologie selber abhängt,
.anreit sie über äußerlich-praktische Bedürfnisse hinaus Anspruch
Unf theoretische und wissenschaftliche Sicherheit erhebt.
für Psychiatrie. LXXII. 1.
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i
Original from
UNIVERSITY OF MICHIGAN
2
Kronf eld,
Lange Jahre hindurch habe ich in der Erkenntnis der hier vor¬
liegenden Probleme vergeblich in der kriminologischen Literatur
um Rat gesucht. Der Eifer des Materialsammelns auf einem wenig
beackerten Gebiet überwog hier die methodische und prinzipielle
Selbstbesinnung; sogar Meister der Forschung wie Aschaffenburg,
welche diese Probleme wohl sehen, überhoben sich bei ihrer produktiven
Arbeit ihrer besonderen Behandlung. Allmählich aber ist die Material¬
fülle so reich geworden, daß die Verarbeitung stockt; nicht das Material,
die Gesichtspunkte beginnen zu fehlen und werden immer mehr ver¬
äußerlicht.
Da erschien es mir angebracht, als ich selbst mich vor eine krimi¬
nologische Einzelaufgabe gestellt sah 1 ), meinerseits den Versuch zu
machen, den Methodenproblemen der Kriminalpsychologie prinzipiell
nachzugehen. Im Zentrum dieser Probleme stand für mich die Frage,
wieweit generell das soziale Verhalten zu einem Kri¬
terium psychischer Typik zu werden vermag. Denn hier
ist der eine Brückenpfeiler methodisch verankert, der die Brücke
tragen soll, die von der psychologisch abgegrenzten Struktureinheit
des Täters zu der strafrechtlich abgegrenzten Begrifiseinheit des
Deliktes geschlagen werden muß. Eine methodische Vorfrage dieses
Problems bildet die nach der logischen Struktur psychischer Typen¬
bildung. Als ich vermeinte, auf diese beiden Fragen befriedigende
Antworten gefunden zu haben, war die weitere Aufgabe eine metho¬
dische Fundierung des zweiten Tragpfeilers der wissenschaftlichen
Kriminalpsychologie; der erste stützte den Weg, der als ein Kon¬
tinuum von den psychischen Wesenseinheiten zu den Einheiten
sozialen Verhaltens führte; der zweite — der sich mir im Begriff
der Milieuabhängigkeit darstellte — trug von den Einheiten sozialen
Verhaltens hinüber zu den außerpsychischen Bedingungsreihen
kriminellen Tuns.
Mit der methodologischen Klärung dieser Sachlage wurde mir
gleichsam mit einem Schlage der Charakter der Gesetze klar, sowie
die heuristischen Gesichtspunkte und die Fragestellungen, die in der
Kriminalpsychologie fruchtbar und bedeutsam sind. Ich habe nun
J ) Nach dem Kriege soll eine Arbeit erscheinen über Gewohnheitsver¬
brecher, die wieder sozial werden. Ihr gehören die im folgenden erwähnten
Fälle Respel und Grün an.
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Über die logische Stellung der Kriminologie zur Psychopathologie. 3
diese Ergebnisse und die dabei entwickelten methodologischen Ge¬
sichtspunkte nicht sogleich generell gewonnen, sondern heuristisch
mir am Falle der sog. moral insanity sukzessive abgeleitet. Dieser
Begriff, von dem man nicht weiß: gehört er in die Psychopathologie,
gehört er in die Kriminalpsychologie, stehen seine normativen Merk¬
male in faßbarer Beziehung zu seinen deskriptiven usw. ? — dieser
umstrittenste Begriff des Grenzgebietes mehrerer Disziplinen ist so
recht ein Schulbeispiel für die Schwierigkeit der Beziehung des so¬
zialen Verhaltens zur seelischen Struktur. Ist die einheitliche Anomalie
des sozialen Verhaltens auf eine einheitliche abnorme Seelenstruktur
reduzibel, oder ist sie selber unmittelbar die „Krankheit“, oder ist
diese Begriffsbildung unter rein normativen Gesichtspunkten erfolgt
und darum deskriptiv nichtssagend, oder ist sie trotzdem psycholo¬
gisch zulässig oder nötig?
Ich habe es für wichtig genug erachtet, bei meiner Darstellung
der methodischen Sachlage von einer exakteren Analyse der im mora¬
lischen Schwachsinn enthaltenen Fragestellungen auszugehen.
Freilich darf man auf diesem Gebiet keine Entdeckung neuer
Fakten erwarten. Derartiges liegt nicht im Wesen einer kritischen
Betrachtung, einer methodologischen Selbstkontrolle. Was diese
leisten soll, ist vielmehr eine Sicherung und Fundierung des bisherigen
Erkenntnisbestandes und seine Befreiung von Unklarheiten und
Äquivokationen. Ihr Ziel ist eine Verwissenschaftlichung des schon
Erreichten bis zur Höhe theoretischer Durchbildung. Wir wissen
wohl, daß manche Forscher, die auf diesem Gebiete gearbeitet haben,
sich über die in Rede stehenden Probleme ganz ähnliche Gedanken
gemacht haben wie diejenigen, die wir in theoretisch einwandfreier
Weise auszusprechen glauben; das macht unsere Arbeit nicht über¬
flüssig, sondern nur um so nötiger.
Die logische Struktur psychopathologischer Typen¬
bildung.
Die psychopathologisehe Artung eines Menschen ist immer psycho¬
logisch eindeutig determiniert und durch ein reales psychisches Sonder¬
gesetz in allen ihren Auswirkungen in identischer Weise bestimmt.
Es liegt hierin kein Widerspruch dazu, daß sie nicht restlos und glatt
in einem der psychopathologisehen Ordnungstypen aufzugehen braucht,
l*
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UMIVERSITY OF MICHIGAN
4
Kronf eld.
die man landläufigerweise zu trennen pflegt. Daß es zwischen diesen
Ordnüngstvpen Zwischen- und Mischformen gibt, ist allgemein bekannt;
ebenso, daß vom einzelnen Typus jeweils Übergänge zum Normalen
führen. Eine jede solche Mischform — sie scheine so zusammen¬
gesetzt wie sie wolle — ist aber in ihrem Wesen psychologisch ebenso
einheitlich und scharf begrenzt wie die eigentlichen Grundtypen.
Um das einzusehen, muß man sich den methodischen Weg vergegen¬
wärtigen, der zu dem Behuf e der Bildung solcher Typen begangen wird.
Es soll dabei an dieser Stelle jedes Eingehen auf die Funda¬
mentalfragen psychologischer Tatsachenerkenntnis, auf das Wissen
vom fremden Ich und seine Grundlagen, auf die neuere sogenannte
verstehende Psychologie etc. ebenso vermieden werden wie die Beant¬
wortung der Probleme der Normalität und des Pathologischen 1 ).
Lediglich die logische Stellung des geistigen Prozesses, dessen Ergebnis
die bekannten und hier vorausgesetzten Typen psychopathischer
Persönlichkeiten sind, soll kurz gekennzeichnet werden. Man sagt
hierüber nämlich meist, diese Typen beruhten auf „Abstraktionen 41 .
Aber das ist nicht richtig; ebensowenig wie der Normaltypus, der
„Gesunde“, eine Abstraktion ist — etwa gemäß der statistischen
Breite des Vorkommens seiner Eigenschaften, wie man gerne behauptet.
Vielmehr wenn man diese Typen bildet, so will man damit ein Geset z
für das Zusammenwirken ihrer seelischen Funktionen ausdrücken
und den Begriff dieses Gesetzes kurz bezeichnen. Man kennt dieses
Gesetz nämlich nicht so, daß es sich bestimmt und explizit aussprechen
ließe; man weiß nur, hinter dem Wesen jedes Typus steht eine Einheit,
welche das Ineinander- und Zusammenwirken seiner Abläufe in be¬
stimmter, von anderen Einheiten unterschiedener Weise regelt.
Welches diese Einheit ist, vermag man direkt nicht anzugeben; aber
man erkennt sie aus ihren Erscheinungsweisen und ihren Wirkungen.
Man kann auch die eine oder die andere ihrer Voraussetzungen inner¬
halb des psychischen Substrates, auf das sie sich anwendet, direkt
erkennen: man kann in der relativen Stärke der psychischen Grund¬
funktionen selber oder in ihren qualitativen Relationen Besonder¬
heiten erkennen und ähnliches. Gesetze, die für ein empirisches
Material gelten, beruhen auf Induktionen. Das gilt auch für die
x ) Vgl. hierzu mein Buch: „Grundlinien der Phänomenologie“,
Verlag von J. Springer, Berlin.
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Ober die logische Stellung der Kriminologie zur Psychopathologie. 5
Gesetze der psychopathologischen Artung. Jene Typenbildungen
sind genau so Induktionsergebnisse wie es die Gesetze der einzelnen
psychotischen Prozesse sind.
Es hat aber natürlich seinen Grund, daß diese Gesetze, welche
durch die psychopathischen Typen jeweils bezeichnet werden, in
ihren wesentlichen Bestimmungsstücken um soviel ungreifbarer
sind als etwa die Gesetze echter Krankheiten, seien diese nun körper¬
licher oder psychischer Art. Die Krankheitsgesetze sind letzten
Endes — d. h. sobald aus einem vollständigen Induktionsmaterial
geschlossen wird — genetisch-ätiologischer Art. Bei den bloß
nosologisch oder gar nur klinisch bestimmten Krankheitsgesetzen
bleibt die Wissenschaft lediglich dann stehen, wenn die ätiologischen
Bestimmungsstücke noch nicht in ihrer Hand sind; wenn die Forschung
sie noch sucht. Das bedeutet, daß in solchen Fällen das Induktions-
material noch unvollständig ist. Die Aufstellung klinischer Ein¬
heiten bedeutet ein Wissen um das Bestehen eines bestimmten ein¬
deutigen Kausalzusammenhanges und die deskriptive Aufzählung
aller der Phänomene, die offenbar irgendwie mit ihm zu tun haben;
aber weder ist dieser Kausalzusammenhang, dieses Gesetz der Krank¬
heit schon in seinen Bestimmungsstücken erfaßt, noch ist eine Zu¬
sammenordnung der unter ihm stehenden Phänomene gemäß dieser
Kausalrelation möglich; sie bleibt vorerst eine äußerlich-deskriptive
Sammlung. Die Aufstellung der nosologischen Einheiten gibt
bereits eine in ihren kausalen Relationen geordnete Zusammenstellung
ihrer Glieder; aber das Gesetz der Erkrankung selber ist in seinen
Merkmalen noch nicht bestimmt. Erst die pathogenetische Er¬
kenntnis erfüllt diese letzte Forderung. Man denke beispielweise
etwa an die Krankheitseinheit des Abdominaltyphus vor und nach
Auffindung des Bazillus Koch-Gaffky. Zwischen der nosologischen
und der pathogenetischen Definition einer Krankheit besteht der
gleiche Unterschied wie zwischen unvollständiger und vollständiger
Induktion. Hat man die nosologische Einheit erfaßt, so bietet sie
den heuristischen Gesichtspunkt, unter dem man die pathogenetische
sucht. Im Gebiet der Psychosen ist das Beispiel der pathogenetischen
Einheit die progressive Paralyse, das Beispiel der nosologischen
die Hebephrenie. Die klinische Einheit, welche noch durch kein
ausreichendes nosologisches Material gestützt wird, ist eine Vorbe-
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UNIVERSETY OF MICHIGAN
6
Kroaf eld.
reitungsstufe der nosologischen. Es werden in dem Chaos der un¬
geordneten Materie einheitliche Zusammenfassungen versucht. Denn
dies — die Auffindung von Gesetzen — ist die Aufgabe der Forschung.
Heuristisches Prinzip ist zunächst nur. daß es, soll eine Wissenschaft
überhaupt möglich sein, in dieser ungeordneten Materie Gesetze geben
muß. So ordnet man klinisch das deskriptiv Gleiche zusammen,
sei es nach Zustandsbild oder Verlauf. Da nun in der psychiatrischen
Materie kein Fall dem anderen gleicht, so muß von dem Besonderen
und Zusammengesetzten der einzelnen Individualität immer mehr
oder weniger weitgehend abstrahiert werden. Diese Abstraktionen
nun, das vorbereitende Hilfsmittel der angestrebten induktiven
Forschung, erfolgen gemäß dem Stande unserer Erkenntnis von den
Elementen und Funktionen des psychischen Lebens überhaupt.
Es ist nun klar, daß der Gesichtspunkt dieser Abstraktionen, welcher
aus der normalen Psychologie übernommen wird, willkürlich und
irrig sein kann und dem realen Zusammenhang der Phänomene nicht
zu entsprechen braucht. Die auf diese Methode aufgebaute Induktion
strebt also zwar eine reale Einheit an, ist aber in diesem Streben nicht
gegen Irrtum gesichert. Daß dennoch die Krankheitseinheiten auch
unter klinischen Gesichtspunkten reale Inbegriffe von Gesetzen und
keine willkürlichen Phantasiegebilde sind — bei aller Möglichkeit
des Irrtums —, das muß man, so selbstverständlich es klingt, doch
gegenüber dem wiederaufkommenden relativistischen Standpunkt,
es handle sich nur um „Symptomverkuppelungen“ oder um metho¬
disch geforderte „Gesichtspunkte der Zusammenfassung“, betonen.
Solche klinischen Einheiten sind im Gebiete der Psychiatrie
etwa „die“ Paranoia und „die“ Epilepsie. Hierher gehören nun auch
alle Einheiten psychopathologischer Typenbildung. Bei den letzteren
kommt nun aber noch eine zwiefache Schwierigkeit hinzu. Nämlich
erstens sind sie pathogenetisch gar nicht, wie die psychotischen Prozesse,
verifizierbar. Ihre Pathogenese ist an sich keine einheitliche, auch
nicht für den einzelnen Typus. Ferner ist sie vollständig unklar.
Und, was das Wichtigste ist, auch wenn sie eine bekannte und einheit¬
liche wäre, so wäre sie für das Gesetz des einzelnen Typus völlig belang¬
los. Für die wissenschaftliche Durchbildung der psychopatholo-
gischen Typen kommt es nur darauf an, ihre klinische Einheit zum
Hange einer nosologischen zu erheben. Warum die Pathogenese
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UNI ^^TYOF MICHIGAN
Ober die logische Stellung der Kriminologie zur Psychopathologie. 7
dieser Typen eine so nebensächliche Rolle spielt, dies zu begründen
bedürfte einer breiten Erörterung über den Konstitutionsbegriff, die
hier nicht gegeben werden kann; überdies liegen ihre Ergebnisse
für jeden Kenner der einschlägigen Probleme nahe. Die Grundfrage
der psychopathologischen Typenbildung ist die: welche Gesetze und
Zusammenordnungen psychischen Geschehens bestehen, wenn in den
einzelnen Funktionen und ihren Relationen Intensitätsänderungen
jeweils vorausgesetzt werden; oder, da wir nicht systematisch, sondern
von der Mannigfaltigkeit des empirischen Materials ausgehen: welche
Gesetze gelten unter der gemachten Voraussetzung für dieses? Mit
der Einführung der genannten Voraussetzung aber entsteht die zweite
Schwierigkeit, von der wir sprachen. Denn um zu jenen Funktionen
und. der für sie oder ihre Wechselbeziehung postulierten Störung
zu gelangen, wüssen wir abstrahieren. Und zwar abstrahieren in einem
ganz anderen und viel weitergehenden Sinne, als wir es bei der Sym¬
ptomatologie der eigentlichen Psychosen tun müssen. Bei dieser genügt
es, jedes Symptom auf seine eigenen funktionalen Wurzeln zurück¬
zuführen. Jede Abstraktion ist ebenso unabhängig von der anderen,
wie jedes Primärsymptom es vom anderen ist. Mit anderen Worten:
für die Psychosen im engeren Sinne wird keine psychologisch
einheitliche Störung der Funktionen gefordert. Das liegt im inneren
Wesen des psychotischen Prozesses, der die psychische Kontinuität
destruiert. Diese Forderung ist aber für die Psychopathien eine un¬
erläßliche Vorbedingung ihrer wissenschaftlichen Bearbeitung. In
ihr, und in der durch sie veranlaßten psychologischen Abstraktions-
weise, ist aber der Schlüssel zur Methode psychopathologischer Typen¬
bildungen zu erblicken. Insofern trifft die landläufige Auffassung,
diese Typen „seien“ Abstraktionen, nicht allzuweit an der Sache
vorbei, wenn sie auch ihr Wesen nicht erfaßt. Denn dieses besteht
in der unvollständigen Induktion aus diesem Abstraktionsmaterial
auf ein gesetzmäßiges psychisches Sondergeschehen.
Abstraktion ist Vereinfachung. Die Zahl der psychopathischen
Individuen ist mannigfaltig, die fundierenden Funktionsanomalien
sind systematisch nicht übersehbar. Die abstraktiven Vereinfachungen
werden daher leicht zu weit getrieben, so daß sie der mannigfaltigen
Abstufung der wirklich vorhandenen Typen nicht genügen. Das
Gesetz jedes Typus ist aber ein nur für ihn gültiges reales Sonder-
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Original ftom
UNIVERSITY OF MICHIGAN
8
Kronield,
gesetz. Man darf auch nicht übersehen, daß Kombinationen und
Variationen mehrerer Funktionsanomalien aufeinander treffen können,
deren Resultante wiederum ein in sich einheitliches Gesetz besonderen
psychischen Ablaufens sein muß. So erklärt sich das Bestehen von
Mischformen. Mischformen sind diese nur für die relativ rohe
Willkürlichkeit unserer Vereinfachungen und deren Bezeichnung;
tatsächlich sind es reale besondere Bildungen in ihrem besonderen
Eigengesetz, auf das die Methode unseres Abstrahirens aus anderen
Gründen nicht adäquat eingestellt ist. Etwas anders verhält es sich
mit den sogenannten Übergängen, die vom Normalen zum einen
oder zum anderen Typus führen. Sie erklären sich daraus, daß die
Intensität jeder Funktion oder jeder Funktionsanomalie sowie jeder
qualitativen Änderung im Verhältnis der Funktionen zueinander
nach Graden abstufbar ist.
Wir wollen an dieser Stelle noch einige Worte sagen über die jüngst
aufgekommene Auffassung, als handle es sich bei den psychopatholo-
gischen Typenbüdungen um Verfahrensweisen der sogenannten „ideal*
typischen Begriffsbildung“. Jaspers l ) hat sie für die Psychiatrie zuerst
behauptet. Wir halten sie für irrig. Sie geht aus von Darlegungen Max
Webers *). Um sie zu verstehen, muß man sich vergegenwärtigen, daß
die Psychopathologie menschlicher Charaktere von diesen Forschern als
ein Teil der Gruppen- oder Individualpsychologie angesehen wird und
daher der historischen Individualpsychologie analogisiert wird, im Gegen¬
satz zur naturwissenschaftlichen Elementarpsychologie induktiver und
konstruierender Art. Diese Auffassung ist auch sicher richtig; und ebenso
ist die Methode des historisch-psychologischen Erfassens von der natur¬
wissenschaftlichen Elementaranalyse unterschieden. Nur erstreckt sich
nach meiner Meinung dieser Unterschied nicht auf dieArt derGesetz-
erkenntnis in beiden Fällen. Vielmehr, wo überhaupt allgemeine Urteile
über empirische Abläufe gebildet werden, geschieht dies im Wege der
Induktion. Es heißt an den Grundlagen der Logik und Erkenntniskritik
rütteln, wenn man das für einen Teil empirischer Phänomene aufhebt.
Weber nun tut dies tatsächlich, und zwar im Anschluß an Rickertsche
Gedankengänge. Wir können uns hier nicht auf eine Kritik der Funda¬
mente dieses Verfahrens einlassen; sie wird an anderer Stelle von mir
gegeben werden; wir müssen uns mit einigen immanenten Argumenten
ad hominem begnügen. Weber meint, in den historisch bedeutsamen
Abläufen ist diese besondere Bedeutsamkeit nicht aus Gesetzen deduzier-
*) Allgemeine Psychopathologie, 1913 S. 270.
*) Die Objektivität sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer
Erkenntnis. Archiv f. Sozialwissenschaft, 1914, S. 22 ff.
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UN ’■£
Original from
■JTY OF MICHIGAN
über die logische Stellung der Kriminologie zur Psychopathologie. 9
bar, sondern hängt an der qualitativen Färbung des Einzel Vorgangs.
Eine psychologische Analyse nach Art der naturwissenschaftlichen würde
für das Wesen solcher Abläufe nicht mehr besagen, als etwa chemische
Daten für die Biogenese. Man könnte das Spezifische aus ihnen nicht
deduzieren; die Verständlichmachung von Grund und Art dieser Bedeut¬
samkeit fehlte. Die Bedeutsamkeit eines Vorgangs setzt die Beziehung
desselben auf einen Wert voraus. Sie fällt daher nicht mit dem Gesetz
desselben zusammen. (Uns scheint dies überhaupt ein außertheoretischer
Gesichtspunkt zu sein.) Historische Erkenntnis aber ist die Erkenntnis
einer in diesem Sinne bedeutsamen Erscheinung. Sie fragt nach der
individuellen Kausalität derselben, welche das Gesetz niemals bezeichnet.
(Der Begriff der individuellen Kausalität, wie ihn Rickert geschaffen hat,
enthält eine contradictio in adjecto: der Kausalbegriff, als der Inbegriff
der Form des Gesetzes für die Erfahrung überhaupt, ist immer allgemein.
Einzelnes kann durch Einzelnes verursacht sein; die Art dieser Verur¬
sachung ist eine gesetzmäßige, d. h. allgemein und notwendig gültige.
Will man ihr diesen Anspruch nehmen und sie ebenfalls individualisieren,
so raubt man ihr ihren Gesetzescharakter und ihrer Erkenntnis demgemäß
die Geltung der Wissenschaftlichkeit.) Nun sind nach Weber unter den
unendlich vielen Bedingungen eines Phänomens unter diesem Gesichts¬
punkt nur diejenigen wissenswert, welche zu seiner Bedeutsamkeit in kau¬
saler Beziehung stehen; also die Ursachen seiner „wesentlichen“ Bestand¬
teile; nicht das Gesetz, sondern der einzelne Zusammenhang. Daraus
folgt: es ist „Zurechnungsfrage“, welcher individuellen Konstellation
ein Phänomen seinem Zusammenhang nach angehört. Zur Beantwortung
dieser Frage muß man sich fortwenden von der Reduktion des Phänomens
auf allgemeine, „inhaltleere“ Gesetze. Man muß aus der Phänomenfülle
..kraft der Wertideen“ das Moment, den „winzigen Bestandteil“ heraus¬
heben, „auf dessen Betrachtung es allein ankommt“ *). Das „Persönliche“
an wissenschaftlichen Werken ist das allein wertvolle. Die „subjektive
Gebundenheit“ liegt dabei in der Anerkennung bestimmter Wertideen.
Trotzdem ist diese Erkenntnis eine kausale. (??)
Es gibt nun nach Weber ein evidentes Verstehen individueller Ab¬
läufe im Gegensatz zu einer Erklärung („Deduzierbarkeit“) aus Gesetzen.
Dieses Verstehen geht aus auf die „Idee“ eines historischen Zusammen¬
hangs, auf eine Utopie, die „durch gedankliche Steigerung bestimmter
Elemente der Wirklichkeit gewonnen ist“ *). Es ist eine „Veranschau¬
lichung am Idealtyp“. Diese idealtypische Begriffsbildung ist keine Hypo¬
these, sondern „ein Ausdrucksmittel der Darstellung“. Sie beruht auf
einseitiger Steigerung eines oder mehrerer Gesichtspunkte an Einzel¬
erscheinungen. Sie ist ein rein idealer Grenzbegriff; sie versucht historisches
*) A. a. O. S. 56.
*) Desgl. S. 64.
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Kroof eld.
Geschehen „in genetische Begriffe za fassen“. (?) Sie ist nicht mit der
Bildung des Gattungsbegriffs identisch.
Jaspers hat diesen Begriff des Idealtypus ein wenig verändert in
die Psychopathologie übernommen. „Idealtypen sind umfassende Ein¬
heitsbildungen, die zwar bei Gelegenheit der Erfahrung, aber nicht durch die
Erfahrung, vielmehr aus wenigen gegebenen Voraussetzungen mit aprio¬
rischen Mitteln (??) konstruiert werden.“ „Aus dem Wesen des Ideal¬
typus ergibt sich, daß sie zunächst gar keine empirische Bedeutung haben,
daß sie aber der Maßstab sind, an dem wir die wirklichen Einzelfälle
messen. Soweit diese dem Idealtypus entsprechen, begreifen wir sie.“
„Wo die Wirklichkeit dem Idealtypus nicht entspricht, fragen wir weiter
woher das kommt; entspricht die Wirklichkeit aber völlig, so ist die
Erkenntnis auf eigenartige Weise befriedigt, und wir fragen nur (?) nach
der Ursache des Ganzen *).“
Soviel Worte, soviel logische Irrtümer. Eine Begriffsbildung, welche
auf Steigerung eines Merkmals beruht, unter Absehen von den übrigen, und
welche dennoch nicht Abstraktion sein und zu Gattungsbegriffen führen
solll Ein Begriff a priori von empirischen Gegenständen! Ein Begriff,
der etwas „genetisch“ faßt — eine Aufgabe, die bisher dem kausalen
Urteil Vorbehalten war! Zugrunde liegt alledem die Riekertsche ominöse
Verwechselung von Begriff und Gesetz. Begriffe an sich sind immer
problematisch, gelten nie für sich, sondern stets in ihrer Verbundenheit
zu einem Urteil; d. h. natürlich, dieses Urteil gilt. Was Weber unter ge¬
netischen Begriffen versteht, ist völlig unklar. Natürlich sind seine
idealtypischen Begriffsbildungen Abstraktionen; und der heuristische
Gesichtspunkt für die Bildung dieser Abstraktionen ist die „Bedeut¬
samkeit“ des herausgehobenen Merkmals für einen subjektiv voraus¬
gesetzten Wert. Ob so etwas in der Historie notwendig oder wünschenswert
ist, geht uns hier nichts an — die Sachlichkeit Rankes scheint diese Not¬
wendigkeit hinreichend zu widerlegen. Daß diese Methode in der Psycho¬
pathologie nichts zu suchen hat, eigibt sich schon daraus, daß diese keine
Wertwissenschaft ist und auch kein Derivat einer solchen, sondern ihrem
idealen Ziel nach reine deskriptive und genetische Theorie. Woher sollte
denn der vorausgesetzte Wert, im Hinblick auf den die einzelnen psycho¬
logischen Phänomene in jeweils besonderer Weise „bedeutsam“ sind,
genommen werden? Aus der Ethik, aus der Ästhetik oder aus irgend
einer sozialen Teleologie? Im letzteren Falle wäre es also Sache des poli¬
tischen Bekenntnisses, wie man letzten Endes psychopathologische Typen
fundierte! Und auch im ersteren träte eine unerwünschte Relativierung
und Subjektivierung unserer Wissenschaft ein, die ihr jedes Kriterium
des objektiven Fortschrittes entzöge. Weber sagt ganz richtig, es sei
„Zurechnungsfrage“, wie man solche Typen bilde. In der Tat ver-
*) A. a. O. S. 270.
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Über die logische Stellung der Kriminologie zur Psychopathologie. H
lieren die psychopathologischen Typen und sogar die Krankheitseinheiten
ihren Sinn als Ausdruck realer gesetzmäßiger Zusammenhänge; sie werden
zur Sache des Gesichtspunktes; und seine Gesichtspunkte hat bekanntlich
jeder Mensch für sich. Der Sinn der Wissenschaft hört hier für unsere
Arbeit auf zu bestehen.
Solche begrifflichen und methodischen Verirrungen sind gerade in
der Psychopathologie begreiflich als Reaktionsprodukte auf die Sterilität
und die Trivialitäten einer nur auf die Elementaranalyse gerichteten
Experimentalpsychologie. Man sollte aber das Kind nicht mit dem Bade
ausschütten und sich von der naturwissenschaftlichen Arbeitweise und
ihrer logischen Fundierung überhaupt abwenden, bloß weil eine einzelne
Methode versagt.
Für unseren praktischen Zweck kommt zur Beurteilung dieser
idealtypischen Begriffsbildung noch besonders in Frage, daß sie das Ver¬
ständnis für Mischformen zwischen den psychopathologischen Typen
ausschließt. Den „Idealtypus“ von Mischformen kann man nicht bilden,
solange der Idealtypus der reinen Formen deren adäquaten Erkenntnis¬
ausdruck bildet. Die Mischform ist dann etwas, das sich weder dem einen
noch dem anderen Idealtypus rein angleicht, ohne daß sie doch ihren
eigenen Idealtypus hätte. Die Abweichungen nun, welche die Mischforin
vom Idealtypus zeigt, können darnach nur als zufällige individuelle Be¬
sonderheiten bewertet werden, da doch gerade der Idealtypus selber im
Hinblick auf einen Wert geschaffen wurde und demgemäß nur das ihm
Entsprechende des seelischen Einzelfalles „bedeutsam“ ist. Für diese
Auffassung muß somit die Mischform eigentlich eine individuell zufällige
und unerfreuliche Komplikation sein; daß die Vertreter dieser Lehre
sie tatsächlich anders auffassen, entspringt nur einer Inkonsequenz, die
der psychologisch verständnisvolle Praktiker wider den irrenden Theore¬
tiker begeht, deren widerspruchsvolle Eigenschaften sich in diesen Forschern
beisammen finden. In Wirklichkeit ist die Mischform eine den „reinen“
Typen koordinierte, qualitativ anders geartete reale Einheit, die wir
mangels differentieller Abstraktionen bloß nicht genau bezeichnen können.
Die naturwissenschaftliche Betrachtungsweise wird also auch im Effekt
den Phänomenen mehr gerecht als jenes sogenannte „verstehende“ „Er¬
fassen des Individuellen“. Die Existenz der Mischform ist ein tatsächlicher
vernichtender Schlag gegen die Lehre von der „Gesichtspunkt“struktur
der psychopathologischen Typenbildungen und ihrer „idealtypischen“
Bildungsart.
Wir fassen zusammen: Jeder psychopathologische Typus ist der
Ausdruck einer induktiv gewonnenen, gesetzmäßigen realen Einheit.
Doch ist das Sondergesetz psychischen Geschehens, das er darstellt,
nicht aus seinen konstitutiven Merkmalen in abstracto und theoretisch
darstellbar. Zu seiner Vergegenwärtigung, die nur in concreto möglich
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ist, bedient man sich daher deskriptiver Materialdaten und roher,
ad hoc gemachter Abstraktionsbezeichnungen, die eine klinische
Verständigung ermöglichen, ohne das psychologisch-theoretisch Wesent¬
liche zu enthalten. Normative Gesichtspunkte finden sich in diesem
ganzen geistigen Prozeß nicht; er verbleibt völlig innerhalb der beob¬
achtenden und beschreibenden Psychologie.
Die theoretischen Probleme des sogenannten moralischen
Schwachsinns.
Es wurde im Vorherigen festgestellt, daß das deskriptive Material,
welches den auf Typenbildung abzielenden Induktionen der Psycho¬
pathologie zugrunde liegt, aus den jeweiligen Besonderheiten der
psychischen Funktionen und ihrer Beziehungen besteht. Alle
direkt beobachtbaren psychischen Phänomene und Erlebnisse erfahren
zum Zweck der Zusammenordnung unter ein psychopathologisches
Gesetz eine Reduktion auf die Funktionen, durch deren Wirksamkeit
und Verbindung sie erzeugt wurden. Für diese Reduktion der Phäno¬
mene auf die Funktionen kommen naturgemäß in erster Linie die¬
jenigen Phänomene in Betracht, welche methodisch isolierbar und
direkt demonstrabel sind und einen unmittelbaren Index der Leistungs¬
größe und Qualität der fundierenden Funktion oder Funktionsgruppe
bilden. Darüber hinaus aber bildet das ganze psychische Leben einen
— allerdings sehr abgeleiteten und verwickelten — Ausdruck der be¬
sonderen Artung seelischen Funktionierens, die im Einzelfalle vorliegt
und ihn von anderen unterscheidet. Ein nicht scharf abgrenzbarer
Teil dieses psychischen Gesamtseins ist das soziale Verhalten. Setzt
man die Abgrenzung psychopathologischer Typen lediglich auf Grund
der direkt beobachteten Funktionsarten als bereits vollzogen voraus,
so wird auf Grund dieser fertigen Erkenntnis auch eine Unregelmäßig¬
keit des sozialen Verhaltens aus dem Wesen des betr. Typus her¬
aus verständlich, so indirekt und verwickelt die einzelnen Zusammen¬
hänge auch sein können. Tatsächlich aber ist die Problemlage für
die Wissenschaft eine andere: die Typen sind keineswegs vorgegeben,
sondern sollen erst noch exakt erfaßt und fundiert werden; und zu
diesem Zweck liegt neben dem psychologisch direkt beobachtbaren
Material auch der äußere soziale Lebensgang der einzelnen Fälle zur
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Über die logische Stellung der Kriminologie zur Psychopathologie. 13
Untersuchung vor. Dieser soziale Lebensgang aber ist nun nicht
ohne weiteres einer begrifflichen Fassung und Bearbeitung zugänglich, *
deren Elemente aus der Psychologie stammen; Abweichungen von
der sozialen Norm sind nicht identisch mit Abweichungen von der
psychischen Norm; und daraus ergibt sich die methodische Frage,
wieweit das soziale Verhalten von Individuen überhaupt Material
zum Aufbau psychischer Typen darstellen kann und darf.
Dasjenige Gebiet der Psychopathien, für welches diese Frage
am brennendsten ist, ist die sogenannte moral insanity Prichards 1 ).
Denn an direkt beobachtbaren Funktionsanomalien herrscht hier
rechter Mangel; und es ist das soziale Verhalten in einer allerdings
ganz einheitlichen und konstanten Besonderheit, welches allein oder
doch in überwiegendem Maße das Material zur Aufstellung dieses
Typus liefern muß.
Prichard bildete diesen Typus ganz unbefangen und direkt auf Grund
des sozialen Verhaltens. Moral insanity bedeutet: Irresein des Verhaltens;
im englischen Sprachgebrauch des Wortes moral liegt nicht der engere
deutsche Sinn „moralisch“, sondern der weitere des Verhaltens, des
Charakters und Benehmens überhaupt. Für Prichard konnte also das
äußere Verhalten gleichsam als ein einheitlicher Bestandteü der Seele
erkranken; daß die Kriterien des Abweichens von der Norm für das soziale
Verhalten durchaus keine psychologischen, sondern eben soziale sind,
übersah er; direkt greifbare psychologische Krankheitszeichen brauchten
nicht da zu sein: das auffällige soziale Verhalten „ist“ das Irresein.
Dieser Begriff hat nun sehr mannigfache Abwandlungen erfahren,
an denen sich die prinzipielleren methodologischen Fragen des Zusammen¬
hangs zwischen sozialem Verhalten und psychischem Typus gut verfolgen
lassen. Ein Teil der Forscher hat versucht, die Abweichungen des sozialen
Verhaltens in ihrer Spezifität aus anthropologisch-somatischen Gesichts¬
punkten heraus zu fundieren, etwa durch Hereditätsanomalieen oder
Degeneration oder sonstige „angeborene Anlage“ pathologischer Art,
und sie so unter ein einheitliches Gesetz zu bringen. Ein anderer Teil
hielt mit der Widerlegung dieser Versuche auch die Typenbildung moral
insanity für widerlegt. Ein anderer TeU suchte nach psychologisch direkt
beobachtbaren Nebenbefunden, die zugleich mit der sozialen Anomalie
bestanden; so kam man auf den „Schwachsinn“ der moral insanes. Andere
Forscher wollten diesen Schwachsinn nur in bezug auf moralische UrteUe
und Entschließungen wirksam wissen, ohne sich zu fragen, wie Derartiges
psychologisch möglich sei, und was das dann für ein „Schwachsinn“ sei,
*) Prichard , Treatise on insanity etc. 1835.
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den man sonst nicht merke. Immerhin ist hier bereits die Tendenz einer
psychologischen Reduktion des sozialen Verhaltras anf psychische Funk¬
tionen im allgemeinen deutlich, wenngleich noch nicht recht geklärt.
Wieder andere Forscher glauben, Moral bestehe in Gefühlen, und sehen
in Gefühlsdefekten die direkte psychische Basis der moral insanity. Andere
bestreiten die psychologische Einheitlichkeit des seelischen Gegebenseins
von Moral und sind daher Gegner der Typenbildung moral insanity,
obwohl, wenn Moral auch nichts- psychologisch einheitlich Repräsentiertes
zu sein braucht, der Typus des moral insane durchaus eine Einheit sein kann.
Andere endlich lehnen die Existenz der Erkrankung „moralischer Schwach¬
sinn“ ab, halten aber die Typenbildung deshalb noch nicht für falsch,
sondern bestreiten nur ihre Subsumierbarkeit unter die Typenbildungen
der Psychopathien. So lehnt Aschaffenburg die Krankheit moral insanity
ab 1 ), und diagnostizierte in einem bestimmten Falle: „nicht geisteskrank,
moralischer Schwachsinn“. Das ist durchaus nicht inkonsequent, wie
es vielleicht zuerst scheinen könnte: es legt nur die Frage nahe: welchen
Kriterien gehorcht denn diese Typenbildung, wenn nicht denen der Psycho¬
pathologie? Gehören die Kriterien dieses Typus nicht wenigstens teil¬
weise der Psychologie an? Und wohin gehört der Typus, wenn er auf
diese Weise den psychopathologischen Typen ausgereiht wird?
Alles das sind nur theoretische Fragen. Für die Praxis genügen
Herze s 2 ), Antons 3 ) und Liepnmnns 4 ) mehr umschreibende Abgren¬
zungen des moralischen Schwachsinns; und für die praktisch-foren¬
sischen Gesichtspunkte werden einstweilen die Grundlinien maßgebend
sein müssen, die Berze in seiner vortrefflichen Studie gezogen hat.
Jedoch die theoretischen Fragen haben auch ihre Bedeutsamkeit,
und zwar hier eine gleichsam paradigmatische, indem die Beziehung
zwischen der Einheit psychischer Artung und Funktionsbesonderheit
einerseits, der „Einheit“ sozialen Verhaltens andererseits gerade
beim moralischen Schwachsinn zu einer besonders problematischen
Zuspitzung kam. Wenn daher die theoretische Bearbeitung auch
keine neuen Tatsachen zutage fördert, so klärt und vertieft sie doch
unser Verständnis der alten. Ich glaube daher an einige der hierher
gehörigen Probleme rühren zu sollen, nicht um das fast undurch-
l ) Aschaffenburg, Das Verbrechen u. s. Bekämpfung, 1903, r S. 164.
*) Berze, Über die sog. moral insanity und ihre forens. Bedeutung.
Groß' Archiv Bd. 30, S. 123 ff.
*) Anton, Deutsche med. Wochenschrift 1910, Nr. 6.
4 ) Liepmann, Die Beurteilung psychop. Konstitutionen. Ztschr. f.
ärztl. Fortbildung 1912, S. 134 ff.
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Uber die logische Stellung der Kriminologie zur Psychopathologie. 15
dringliche Gestrüpp von anthropologischen, psychologischen, ethischen,
metaphysischen, psychiatrischen und forensischen Fragen zu bear¬
beiten, die in der moral insanity Zusammentreffen, sondern um die
begriffliche Vorarbeit im Hinblick auf das mehrfach präzisierte Problem
etwas zu fördern. Was wir hier am moralischen Schwachsinn als
an einem praktischen Beispiel durchführen, wird dann in den späteren
Kapiteln dieses Teiles ganz abstrakt und prinzipiell in seinem metho¬
dologischen Bestände erörtert und begründet.
Zunächst muß man berücksichtigen, daß die Frage nach der
Existenz von moralisch Schwachsinnigen durch direkte Beobachtung
allein beantwortet werden kann und heute schon eindeutig bejahend
beantwortet ist. Das Wesen des moralischen Schwachsinns und
seine psychologische Fundierung aber macht neben der Be¬
obachtung noch eine Reihe weitgehender Abstraktionen erforderlich,
die sorgsame Kritik verlangen.
Über die Existenz von moralisch Schwachsinnigen kann in der
Tat etwas ausgemacht werden, auch wenn diese zweite Frage noch
ungeklärt ist; denn hierzu genügen die „hinreichenden Merkmale“,
aus denen Gegenstände als einem Begriff zugehörig erkannt werden,
auch wenn dieser hinsichtlich seiner wesentlichen und notwendigen
Merkmale noch problematisch und dunkel ist.
Ein solches Kriterium, wonach jemand als moralisch Schwach¬
sinniger zu erkennen ist, und das doch außerhalb des psychologischen
Tatbestandes im engeren Sinne liegt, hat schon Kurelia 1 ) angegeben
und Longard wiederholt; es ist zugleich dasjenige, welches ganz
äußerlich eine Verbrechergruppe umreißt: Die Unverbesser¬
lichkeit. Der in jedem Milieu unverbesserliche Rückfallskriminelle
ist in diesem Sinne der moralisch Schwachsinnige, gleichviel wie er
sonst konstituiert sein mag. Zweierlei würde diese äußerlich kriminal¬
soziologische Abgrenzung des moralischen Schwachsinns besagen:
einmal, daß ein Mensch dauernd in jedem Milieu dem Gesetz zuwider¬
handelt, zweitens, daß er auch durch Strafmaßnahmen nicht beein¬
flußbar ist. Beides sind direkt am äußeren Verhalten des Betreffenden
beobachtbare Tatsachen. Sie sieht der Richter so gut wie der zuge¬
zogene Fachmann. Von letzterem will er den Grund wissen, warum
U Kurella, Naturgeschichte des Verbrechers, Stuttgart 1893.
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das so ist. Dieser Grund, sollte man meinen, könnte nun nur in ein¬
heitlichen psychologischen Tatbeständen liegen, welche die
Struktur dieser Gruppe als zusammengehörig bestimmen.
Anstatt aber diesem Problem genauer nachzugehen, schließt
man vorsichtigerweise aus dem immer wieder erfolgenden Rückfall
darauf, daß das Milieu keine Mitschuld trifft. Und da die Begriffe
Milieu und Anlage in vollständiger Disjunktion den Inbegriff sämt¬
licher Bedingungen sozialen Verhaltens umfassen, so folgt aus dem
Ausschluß des Milieus konsequent die „kriminelle Anlage“ 1 ). Noch
ganz in diesem Sinn fragt auch Aschaffenburg *): „Worin kann diese
Unverbesserlichkeit bei Ausscheidung der körperlichen und geistigen
Gebrechen, was wohl in diesem Falle identisch mit Invalidität und
Geisteskrankheit ist, worin kann sie anders bestehen, als in der indi¬
viduellen Veranlagung?“
Die Tatsache der besonderen Anlage kann man dann noch durch
weitere indirekte Kriterien stützen: hier findet die Hereditätsforschung
und das Problem der Degenerationszeichen eine Stelle.
Bei diesem Stand der Frage zeigen sich deutlich zwei vonein¬
ander unabhängige Seiten. Nach der einen ist das Problem scheinbar
gelöst, und zwar außerhalb aller Psychologie, mit rein „anthropo¬
logischen“ Mitteln. Es genügt, die Gleichartigkeit des sozialen Ver¬
haltens — den ständigen Rückfall in Kriminalität — und die Einfluß -
losigkeit des Milieus darzutun und nebenbei womöglich aus indi¬
rekten anthropologischen Faktoren die Wirksamkeit der Anlage zu
erschließen. Damit wäre die Gruppe als kriminalanthropologische
Einheit umgrenzt. Und doch taucht hinter diesem einen Gesichts¬
punkt der zweite, psychologische unabweisbar als der wichtigere
wieder auf. Die anthropologische Rechnung hat nämlich ein Loch
— ganz abgesehen davon, daß sie in ihrer Äußerlichkeit dem wissen¬
schaftlichen Bedürfnis nicht genügen kann. Die Lücke wird sehr
klar schon durch Aschaffenburgs Wort „Ausscheidung der geistigen
Gebrechen“ bzw. der Geisteskrankheit. In der Tat gehört also als
negatives Kriterium dieser Gruppe die Ausschaltung geistiger Ano¬
malien und Defekte, die mit solchen Nichtkrimineller identisch sind,
*) Kurelia, a. a. O. Vgl. auch Sommers Klinik f. psych. u. nervöse
Krankh. Bd. VII, 3, S. 267 ff.
*) A. a. O.
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Über die logische Stellung der Kriminologie zur Psychopathologie. 17
zu ihrer Umgrenzung hinzu, und schon damit tritt eine psychologische
Fragestellung in den bisherigen Gesichtspunkt hinein; und mit ihr
erheben sich auch alle positiven Probleme der psychischen Artung
dieser Menschen, und ob da» wirklich eine Einheit, ein psychischer
Typus vorliegt. Nun könnte man erwidern, letzteres sei gar nicht
nötig, und es genüge, jene genannten Kriterien der kriminalanthro¬
pologischen Typik in der Hand zu haben. Allein diese tragen nicht
weit; gerade die indirekten Kriterien der abnormen Anlage und Here¬
dität finden wir auch bei nicht kriminellen Psychotischen; statistische
Häufigkeitsverhältnisse entscheiden nie etwas über den einzelnen
Fall; und so bleibt tatsächlich nur der ständige Rückfall als Er¬
kennungsgrund dieser Gruppe übrig. Allein der einzelne Rückfalls-
kriminelle ist nicht in jedem Milieu, sondern in seinem Milieu
unverbesserlich; und wenn wir diese Unverbesserlichkeit dennoch
verallgemeinern, so tun wir dies nicht auf Grund der für ihn vorliegenden
äußerlich- kriminologischen Tatsachen, die doch zu allermeist nur
recht zaghafte Induktionen gestatten sollten, sondern auf Grund
des psychischen Wesens und Verhaltens des Einzelnen; und das geht
auch den begeistertsten Anthropologen so. Woher denn sonst die
Bezeichnung dieser Kriminellen aus Anlage als „moralischer Schwach-
sinn“ ? Dadurch, daß der Begriff der Moralität und des Schwachsinns
hier auftreten, wird das Bedürfnis nach einer psychologischen
Erklärung für die unverbesserliche Rückfallkriminalität zugestanden.
Und gleichviel, ob diese Erklärung psychologisch befriedigt oder nicht,
so enthält sie doch das grundsätzliche Zugeständnis, daß die „Anlage“
bestimmte und einheitliche psychologische Strukturen erzeugt haben
muß, und daß diese es sind, von denen das soziale Verhalten in seiner
Besonderheit abhängig ist. Es ist nun doch gar nicht einzusehen,
warum die Forschung gehalten sein soll, sich an ein in seinem Wesen
so nebelhaftes Ding wie die Anlage zu klammem, um die Einheit¬
lichkeit dieses kriminologischen Typus zu rechtfertigen — oder auf¬
zugeben; vielmehr liegt entweder auch eine psychologische
einheitliche Typik vor — dann soll man sie umgrenzen; oder sie liegt
nicht vor, — dann soll man versuchen, den praktisch-krimino¬
logischen Typus des unverbesserlichen Rückfallverbrechers in
seine psychologisch zugrunde liegenden verschiedenen Typen
aufzuspalten. Es ist nicht uncharakteristisch für das Unbefrie-
Zeitschrift für Psychiatrie. LXXII. 1 . 2
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digende der anthropologischen Gruppenbildung, daß sie seit KureUa l )
die Basis für einen Streit über die Zurechnungsfähigkeit derartiger
unverbesserlich Antisozialer abgegeben hat. Hier, in diesem Streit,
kehren doch notwendigerweise alle die »Probleme der psychologischen
Klärung und Fundierung dieser Typen wieder, welche die apsycho-
logische Bezeichnung der kriminell Veranlagten ausgeschaltet hatte,
ln diesem Sinne drückt Aschaffenburgs Diagnose: „nicht geisteskrank,
moralischer Schwachsinn“ die ganze Verworrenheit des Gegenstandes
trefflich aus.
Ich weis sehr wohl, daß ähnliche Gedankengänge in der Literatur
des Problems der moral insanity nicht neu sind; sie wurden aber
im Laufe der Diskussion immer ins Einseitige verschoben. Diese
Diskussion endigte für gewöhnlich mit einer mehr oder weniger
weitgehenden Verwerfung der somatisch-anthropologischen For¬
schungsrichtung. In der Tat ist die apsychologische Wendung der
Lehre vom moralischen Schwachsinn durch den Forschungsgeist
Lonibro8os entstanden. Wir erfahren in seinem Werk von der eigent¬
lichen seelischen Struktur seines reo nato immer nur recht summarische
Behauptungen Uber die Analogien mit dem primitiven Menschen.
Es ist selten, daß einmal etwas psychologisch Tiefergreifendes über
die seelische Struktur seines ungeheuren Materials geäußert wird
— außer der Beschreibung der Handlungen des betreffenden Falles
und Angaben wie Reuelosigkeit oder Roheit, welche ihrerseits psycho¬
logische Fragen nicht beantworten, sondern aufgeben. Dennoch wäre
es völlig verfehlt, aus dieser grundsätzlichen Tendenz, außerhalb
des Psychologischen zu verbleiben, auf die Wertlosigkeit dieser Gruppen¬
bildung und der Forschungen, die zu ihr führten, schließen zu wollen.
Das ist — zum Teil auf Grund der vorher entwickelten Gedanken¬
gänge — ja vielfach geschehen. Aber das Gegenteil ist richtig; nur
diese Forschungen allein hielten doch ständig das Wissen um die
Existenz von Menschen wach, die kriminologisch wirklich eine
besondere Gruppierung erfordern, und stellten damit zwar keine irgend
wie geartete „anthropologische“ Lösung ihrer Aufgabe zur Diskussion,
wohl aber nötigten sie zur Anerkennung des Bestehens einer Aufgabe
l ) KureUa, Zurechnungsfähigkeit, Kriininalanthropologie, 1903.
Siehe auch Binswanger, über den moralischen Schwachsinn, Berlin 1905.
9; 34 ff.
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Ober die logische Stellung der Kriminologie zur Psychopathologie. 19
für die Psychopathologie. Diese kann nicht mit einer theoretisch
begründeten Ablehnung über die Tatsache der kriminologischen
Sonderstellung dieser Gruppe hinweggehen.
Das Wissen um die Existenz solcher vom Milieu fast unbeein¬
flußbarer Antisozialer hat in der Tat der Praktiker und Gutachter
schon lange gehabt; jeder von uns Psychiatern kennt solche Fälle.
Um einige markante Beispiele aus der Literatur herauszugreifen,
erinnere ich nur an die Sanderschen Fälle 1 ), an die besonders reiche
Materialsammlung von Longard 2 ), einen Teil der schönen Fälle Baers 3 )
und an den neuen, außerordentlich bedeutsamen Fall von Mayer*)
mit seinen exakten Feststellungen zur Heredität. Wenn ein Forscher
wie Kraepelin sich „dem gewaltigen Eindruck nicht entziehen“ kann,
„den der gleichzeitige Anblick einer größeren Zahl von Zuchthaus¬
gefangenen“ in diesem Sinne auf ihn gemacht hat, so will das schon
etwas für die Existenz des reo nato sagen. Ebenso, wenn Longard
den erschütternden Gesammteindruck seiner Fälle in den Worten
zusammenfaßt: „Wer als Gefängnisarzt und Gerichtsarzt an einem
großen Materiale dem Ursprung des Verbrechertums und der Natur
und dem Werdegang des Verbrechers nachgeht, dem drängt sich
allerdings, je vertrauter er mit diesen Verhältnissen wird, immer
mehr die Überzeugung auf, daß es nicht berechtigt ist, der Lombroso-
schen Lehre sich so ablehnend gegenüberzustellen, wie dies von
vielen Seiten auch heute noch geschieht. Daß es geborene Verbrecher
gibt, Individuen, welche durch ihre fehlerhafte Anlage instinktiv
auch ohne Hinzutritt äußerer ungünstiger Verhältnisse zu einer
asozialen und antisozialen Lebensführung gedrängt werden, das ist
mir nicht der mindeste Zweifel.“ B )
Ein solcher Zweifel bestand aber lange Zeit, und gerade bei den¬
jenigen Forschern, deren psychologische Tendenz besonders deutlich
war. Er richtete sich wider die Berechtigung der psycholo-
*) Sander-Richter, Die Beziehungen zwischen Geistesstörung u.
Verbrechen, Berlin 1886, I u. II der Gutachten.
*) Longard , Über moral insanity. Archiv f. Psychiatrie Bd. 43.
*) Baer, Über jugendliche Mörder und Totschläger. Groß’ Archiv
XI, S. 103 ff.
4 ) Mayer , Moralische Idiotie, Festschrift für Forel, Journal f. Psych.
u. Neur. Bd. XIII.
») A. a. O. S. 227.
2 *
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gischen Begriffseinheit des moralischen Schwachsinns. Man
sah ein, daß diese Bezeichnung, solange sie der psychologisch einheit¬
lichen Fundierung ermangelte, ein leeres äußerlich anhaftendes Etikett
war, das über das Wesen des betr. Menschen und dessen Be¬
ziehung zur Antisozialität gar nichts ausmachte, das also krimi¬
nalpsychologisch keinen Fortschritt brachte. Und nun nahm
man sich den psychologischen Begriff des moralischen Schwachsinns
vor und stellte fest, daß er einen Grund für das Versagen gegenüber
moralischen Anforderungen gar nicht enthalten könne, denn um
einen solchen Grund zu enthalten, müßte er zur Voraussetzung haben,
daß Moralität eine in sich geschlossene psychologische Funktion oder
Eigenschaft sei, wie z. B. das Gedächtnis oder die Sinneswahrnehmung.
Das sei aber nicht der Fall. Mithin könne es auch keinen Defekt in
dieser fiktiven psychischen Funktion geben. Und wenn jemand
dauernd unmoralisch handele, so müsse das seinen Grund in seinen
übrigen seelischen Fähigkeiten haben und sich auch in ihnen äußern,
z. B. als allgemeiner Intelligenzdefekt oder dergleichen. Ein isolierter
moralischer Schwachsinn ohne weitere seelische Anomalien sei jeden¬
falls psychologisch unmöglich.
Es ist, soviel ich sehe, nur Bleuler x ) gewesen, der in einer sehr
bedeutsamen Arbeit diese Argumentation vom Standpunkte der
Psychologie aus zu erschüttern versuchte.
Obwohl er zunächst auch die anthropologisch-somatischen Lehren
Lombrosos gegen die Angriffe damaliger Kritiker zu verteidigen unter¬
nahm — und zwar mit Erfolg —, so war ihm doch klar, daß das Wesen
der Lehre vom reo nato in dessen „Auffassung als psychologisch definierte
Gruppe“ *) gipfeln mußte, womit alle anthropologisch-somatischen Fragen,
die Lehre von den Degenerationszeichen etc., — gleichviel ob haltbar oder
nicht — von „sekundärer Bedeutung“ werden mußten. Bleuler gibt auch
ohne weiteres zu, daß Moral nichts Angeborenes sei; die moralischen
Vorstellungen und die daran geknüpften Gefühle würden erworben,
entstammten somit dem MUieu. Er unterscheidet aber von diesen Inhalten
und Bestandteüen der Moral, die nicht angeboren sind, die Fähigkeit, sie
im Leben verwerten zu können. Diese kann defekt, „und dieser Defekt
kann angeboren sein“ •). „Wer also den Schluß zieht, weil die Moral nicht
angeboren ist, deshalb gibt es keinen geborenen Verbrecher, der macht
x ) Bleuler, Der geborene Verbrecher. München 1896.
2 ) A. a. O. S. 14.
*) A. a. O. S. 20.
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Über die logische Stellung der Kriminologie zur Psychopathologie. 21
sich der gleichen Erschleichung schuldig, wie der, welcher behaupten
wollte, weil die Sprache nicht angeboren sei, gebe es keine geborenen
Stummen *).“
Ebenso wendet sich Bleuler gegen die Behauptung, es sei psycholo¬
gisch gefordert, daß ein solcher Defekt sich auch außerhalb des moralischen
Vorstellungs- und Gefühlslebens bemerkbar mache und sich nicht hier
isoliere. Er behauptet demgegenüber, es gebe „besondere“ Funktionen
der Hirnrinde, „welche in ihrer Gesamtheit den Charakter und die Moral
des Individuums bestimmen“, und diese „können isoliert defekt sein“ *).
Zur Begründung verlangt er von dem Zweifler zuerst den Beweis des
Gegenteils. Dann zeigt er ganz richtig, daß Intellekt und Moral unabhän¬
gig voneinander in der Höhe ihrer Ausbildung variieren können, kommt
darauf zurück, daß eine angeborene Anlage von Fähigkeiten da sein muß,
um die moralischen Inhalte erwerben und verwerten zu können, und tut
dar, daß diese Anlage nicht die „Intelligenz“ zu sein braucht; „es gehört
merkwürdig wenig Intelligenz dazu, um sich eine gute Moral zu verschaffen“.
Hieraus folgert er dann: „Wir sehen also, daß die Moral sich ganz verhält
wie die anderen psychischen Eigenschaften; Gedächtnis, Intelligenz,
Gemüt, Phantasie, ästhetische Begriffe und Gefühle, Affekte, Selbst¬
beherrschung etc. sind ganz unabhängig voneinander... Ein Parellelis-
mus in der Entwickelung dieser verschiedenen Eigenschaften ist nur insofern
vorhanden, als bei Schädigung des ganzen Gehirns alle inferior sein müssen,
wenn auch in sehr verschiedenem Grade, und als bei starkem Defekt der
einen die Wahrscheinlichkeit für Intaktheit der andern sehr gering ist.“
„Wenn nun die Moral unabhängig von den intellektuellen Eigenschaften
innerhalb sehr großer Grenzen variiert, so ist nicht abzusehen, warum
sie nicht in manchen Fällen, wo der Verstand sich innerhalb der Breite
des Gewöhnlichen hält, so tief sinken könne, daß das Individuum...
Versuchungen nicht widerstehen kann und zum Verbrecher wird. Solche
Leute nennt Lombroso rei nati, manche Psychiater nennen sie moralisch
Irre oder moralisch Imbezille, moralische Idioten.*)“
l ) A. a. O. S. 21.
*| A. a. O. S. 21.
3 ) A. a. O. S. 24. Bleuler gebraucht hier, wie wir es auch taten,
die Bezeichungen reo nato und moralisch Schwachsinniger synonym. Das
ist ungenau. Ersteres hat den Sinn einer kriminologischen, letzteres den
einer psychologischen Einheit; erstere ist normativ, letztere deskriptiv
begründet. Praktisch ist die Synonymie deshalb nicht schlimm, weil
wir die kriminologische Einheit des reo nato auf die psychologische des
ethischen Schwachsinns zurückbeziehen und erklären. Aber beide Begriffe
decken sich nicht. Es ist auch ein reo nato denkbar, der durch andere
psychologische Defekte zu seiner kriminellen Rolle gekommen ist; ebenso
wie nicht jeder moral insane kriminell zu werden braucht. Aber das sind
vorwiegend theoretische Bedenken 1
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Kronfeld,
Hierzu ist nun folgendes zu bemerken: Zweifellos wäre die
Bleulersche Lösung des Problems der moral insanity ebenso endgültig
und befriedigend wie sie konsequent ist, wenn sie nur wirklich irgend
etwas Positives darüber ausmachte, was Moral ihrem psychologischen
Wesen nach eigentlich ist und durch welche „besondere“ Funktionen
sie bewußt und praktisch verwertbar wird. Leider sagt Bleuler hier¬
über nichts. Er kommt über bloße gelegentliche Bemerkungen nicht
hinaus. Es geht nicht an, daraus, daß der Stand der Intelligenz mit
dem „Besitz von Moral“ nichts zu tun habe, zu schließen, daß die
Fähigkeit zum Erwerb von Moral an eine besondere psychische Funktion
geknüpft sei. Bleuler hat freilich Kecht, wenn er vom Bestreitenden
den Beweis des Gegenteils verlangt. Er hat überhaupt in einem großen
Teil seiner Behauptungen Recht. Doch müßte der Beweis hierfür
durch einige theoretische Erwägungen besonders zu führen sein.
Um an Bleulers Analogie anzuknüpfen: Moral ist nicht wie Sprache
ein Komplex, der psychologisch auf eine große Reihe einzelner Inner¬
vationen und ebenso einzelner kinästhetischer Innervationsbewußt¬
heiten zurückgeht, die ihrerseits mit akustischen Einzelinhalten und
den auf sie bezüglichen Bedeutungserlebnissen verknüpft sind; ein
Komplex, der in allen seinen Einzelheiten einübbar und vergeßbar
ist und dessen Funktionieren überdies an eine Reihe von Hirnapparaten
gebunden ist, die den elementaren sensorischen, Verknüpfungs- und
Innervationsfunktionen in eindeutiger physiologischer Weise zugrunde
liegen.
Eben weil Moral ihrer ganzen Struktur nach etwas völlig Anderes,
formal und inhaltlich viel weniger Greifbares und Umrissenes und
vielmehr innerhalb der Subjektivität der einzelnen Psyche sich Aus¬
bildendes ist (wobei freilich die objektiven Geltungskriterien der
Moral, die hier nicht zur Diskussion stehen, sorgfältig abzulösen sind
von der psychologischen Bewußtseinsvertretung und Ausbildung
der Moralelemente in der einzelnen Seele) —, darum kann der Bleuler-
sche Vergleich der Amoralität mit den Aphasien niemals mehr bedeuten
als ein geistreiches Bild, das uns über den allgemeinen und gewiß
von niemand bestrittenen Satz belehrt, daß auch erworbene psychische
Inhalte entsprechende angeborene Funktionsweisen zur Voraus¬
setzung haben. Um sich gegenseitig zu verständigen, muß man von
den Bedeutungen, die im gewöhnlichen Sprachgebrauch des Wortes
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Über die logische Stellung der Kriminologie zur Psychopathologie. 23
Moral ziemlich verschmolzen gemeint sind, einige sorgfältig von¬
einander trennen.
Zunächst gehört hierzu das objektive Prinzip des sittlichen
Handelns überhaupt. Die Begründung und die Kriterien dieses
Prinzips sind Aufgabe der praktischen Philosophie und Ethik; und
eben dahin gehört auch das Problem der transzendentalen Freiheit
als Grund der Möglichkeit, das ethische Gesetz, welches jenseits aller
Erfahrung gründet, in der rein empirisch determinierten Seele aus¬
schlaggebend zu machen. Es ist an dieser Stelle überflüssig zu erörtern,
wieweit die tranzendentale Kritik dieser Probleme sich empirisch
psychologischer Methoden zu bedienen hat.
Hier kommt dieser ganze Begriff von Moral nicht in Frage, sondern
vielmehr die beiden folgenden Bedeutungen.
Zweitens ist unter Moral zu verstehen eine Summe von Anschau¬
ungen, Meinungen und Werturteilen über das Verhalten des Einzelnen
innerhalb der Sozietät und den Wert bestimmter Motive dieses Ver¬
haltens. Eine solche Summe von Meinungen, ohne alle Rücksicht
auf die Art ihrer Begründung, bildet sich in jeder sozialen Vergemein¬
schaftung heraus; sie ist inhaltlich abhängig von der Erfahrung,
der psychologischen Artung und Ausbildungshöhe ihrer Glieder,
von den in Frage kommenden einzelnen Interessen etc. Infolgedessen
schwankt sie zeitlich und örtlich in den einzelnen Verbänden und
Kulturkreisen.
Drittens verstehen wir unter Moral die psychische Fähigkeit
des einzelnen Menschen, moralischen Antrieben in seinem Handeln
Folge zu geben. Die moralischen Antriebe sind hierbei wieder in
einem doppelten Sinne begriffen: einmal im Sinne des moralischen
Prinzips, zweitens im Sinne der zweiten Bedeutung von Moral. In
der Tat besteht nämlich eine bestimmte objektive Beziehung zwischen
der ersten und zweiten Bedeutung von Moral, insofern, als das sittliche
Prinzip als solches das von aller Erfahrung imabhängige Kriterium
der Berechtigung jener empirischen Moralbildungen ist. Denn diese
sind nicht zufällige soziale Produkte, unabhängig vom wahren mora¬
lischen Prinzip, sondern entstehen unter dem Gesichtspunkt, daß
das sittliche Prinzip in seiner apriorischen Allgemeinheit, um inner¬
halb der einzelnen empirischen Situationen, bestimmte Anwendungs-
möglichkeiten zu finden, sich aus den Voraussetzungen dieser empi-
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24
Kronf eld.
rischen Situationen jeweils mit Inhalten beladen muß. Auf Grund
dieses Erfordernisses kommt es überhaupt erst zur Bildung von Moral
in der zweiten Bedeutung. Und es ist hierbei sowohl klar, wie die
sozialen Zustände und Interessen jeweils verschiedene Inhalte dieser
Moralbildungen erzeugen können, als auch — besonders wenn das
moralische Prinzip selbst nicht hinreichend deutlich im individuellen
Bewußtsein der Glieder jener Sozietäten zum Durchbruch kommt
— Inhalte entstehen lassen, die mit dem sittlichen Prinzip gar nichts
zu tun haben oder ihm gar widersprechen 1 ). Dennoch bleibt das
sittliche Prinzip das Korrektiv derartiger Moralen.
Vor dem Bewußtsein des Einzelnen — was an dieser Stelle allein
interessiert — äußert sich das so, daß er glaubt moralisch zu handeln,
wenn er der für ihn herrschenden generellen Moral in seinem eigenen
Handeln folgt, ohne Rücksicht auf Schaden oder Nutzen, oder wenn
er ihr zuwiderhandelt auf Grund einer Überzeugung davon, daß die
generelle Moral dem moralischen Prinzip, so wie es ihm bewußt ist,
widerspricht. Der Einzelne kann also wider die Moral in der zweiten
Bedeutung und doch moralisch in der ersten Bedeutung handeln.
Diese inhaltlich etwas verwaschene und sehr weit umgrenzte
Bedeutung wohnt dem Begriff der moralischen Antriebe inne. Es
fragt sich für die dritte Bedeutung des Wortes Moral, was es psycho¬
logisch besagt, moralischen Antrieben bei seinem Handeln Folge
geben zu können. Denn hier liegen die Wurzeln der Moralität des
Einzelnen; und ein Defekt der Moralität müßte auch im Sinne von
Bleuler ein Defekt in diesen psychologischen Wurzeln sein. Eine
psychologisch erschöpfende Antwort auf diese Frage könnte nur aus
einer psychologischen Theorie des Entschlusses abfolgen. W T ir wollen
uns hier aber nicht theoretisch festlegen, soweit ist der Bearbeitungs-
stand dieser Materie noch nicht gediehen; wir w r ollen uns mit der
Aufzeigung einiger für unseren Zweck hinreichender Merkmale be¬
gnügen, auf die Gefahr hin, mit ihnen das eigentliche Wesen der Sache
nicht restlos zu treffen.
Unterscheiden wir das Handeln auf Grund von Trieben von dem
Handeln nach Antrieben, die ihrerseits als Motive des Handelns im
Bewußtsein sind. Sind diese letzteren Antriebe mit einem bestimmten,
l ) Strandrecht. Brigantenfrömmigkeit. Jus primae noctis.
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Ober die logische Stellung der Kriminologie zur Psychopathologie. 25
nicht ohne weiteres anschaulich vorstellbaren Inhalt versehen, so
ist ein Bewußtsein von ihnen nur durch Reflexion möglich.
Beim Handeln nach Trieben, wenn man will bei „instinktivem“
Handeln, kann der die Handlung bewirkende Trieb oder Impuls auch
im Bewußtsein sein; aber stets als unmittelbares Erlebnis, niemals
reflektiert; erst nach der Handlung kann dann auf dieses unmittelbare
Erlebnis auch reflektiert werden. Der Trieb braucht aber gar nicht
ins Bewußtsein zu treten. Wäre nun das reine moralische Prinzip
des Guten, welches als apriorischer Begriff gar nichts Anschauliches
hat, der Antrieb des Handelns, so wäre dieses eigentlich und absolut
sittliche Handeln immer ein solches, dessen Motiv in reflektiertem
Bewußtsein gegeben wäre. Für diesen Grenzfall sittlichen Handelns
wäre die Aufzeigung der psychologischen Voraussetzungen also klar:
das Individuum müßte in der Lage sein, das sittliche Prinzip sich
durch Reflexion ins Bewußtsein zu heben, d. h. es bedürfte einer
bestimmt ausgebildeten Verstandeshöhe; es müßte ferner imstande
sein, dies Prinzip auf eine bestimmte Situation anzuwenden, wozu
eine weitere Verstandesarbeit gehört; es müßte endlich imstande sein,
dies Prinzip zum Motiv seines Handelns zu machen; d. h. die übrigen
Triebe und Antriebe, die auf das empirische Bedürfnis und Gefühls¬
leben zurückgehen, dürften nicht so stark sein, daß der die Handlung
erzwingende Wille nicht stärker wäre, und dieser andererseits müßte
von der Reflexion, welche dies Prinzip ins Bewußtsein gehoben hat,
zielrichtend geleitet werden können. Wir sehen also hier, bei der
eigentlichen und im engsten Sinne moralischen Handlung, eine ganze
Reihe psychologischer Voraussetzungen, deren jede, falls sie fehlt,
sowohl die Moralität der Handlung in Frage stellen würde, als auch
sich in anderen psychischen Wirkungen äußern müßte. Sind die In¬
stinkte und elementaren Grundtriebe in ihrer Wirkung auf das Willens¬
leben so abnorm mächtig, daß sie den Einfluß der Reflexion para¬
lysieren, so kommen die verschiedenen Formen affektiver Anomalien,
der hysterische und epileptoide Charakter, zustande — je nach der
speziellen Ausgestaltung des Verhältnisses der Triebe zueinander
und deren Art. Ist der Wille abnorm schwach, so ergeben sich manche
Typen psychopathischer Haltlosigkeit. Versagt die Reflexion, so
müssen sich Schw'achsinnsformen ergeben. In keinem Falle entsteht
ein spezifischer Moraldefekt; die moralische Minderwertigkeit ist
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26
Kronf eld,
immer nur ein besonderer Ausdruck einer allgemeineren und direkt
faßbaren psychischen Anomalie. Die Forderung Berte s 1 ), „direkte,
aus der Erscheinungsweise des Defektes selber abgeleitete Kriterien“
für das Vorliegen eines Moraldefekts als allein maßgeblich anzustreben,
kann also gar nicht erfüllt werden; und wir wissen uns mit diesem
Forscher einig, wenn er nachweist, derartige Versuche „können kein
brauchbares Ergebnis liefern“. Andererseits hat er Hecht damit,
wenn er ausführt, der Schwachsinn (und ebenso die affektiven und
Willensanomalien) seien ein „indirektes“ Beweismittel, $as „fälschlich
zum Range eines direkten“ für das Vorliegen von moralischem Schwach¬
sinn erhoben werde 2 ).
Nun war allerdings der besprochene Fall einer im engsten Sinne
und absolut moralischen Handlung nur ein Grenzfall; und wir müssen
uns sorgsam vor jeder Schematisierung hüten, sobald wir an die
Beurteilung des wirklichen Lebens herantreten. Für dieses ist Moral
eben nicht das reine Prinzip, sondern der Inbegriff eines ziemlich
komplizierten Konvoluts von Dingen, die wir oben im Umriß dar¬
gelegt haben. Diese stehen auch als Antriebe von Handlungenjin
einem viel unklareren, vielfältigeren und verwischteren Verhältnis
zum Bewußtsein, zur Reflexion und zum Handeln, als es das reine
Prinzip in unserem Grenzfalle tat. Hiervon muß im folgenden noch
einiges in Erwägung gezogen werden.
Das Bewußtsein nämlich um alle jene Meinungen, Wertungs-
wreisen und Motive, deren Summe wir als Moral in der zweiten Be¬
deutung zusammengefaßt haben, ist in ziemlich weitem Maße unab¬
hängig vom Bewußtsein um das reine sittliche Prinzip. Letzteres
kommt freilich immer nur reflexionell zustande. Der erstgenannte
Inbegriff von Moral, die Zeit moral, wie sie im folgenden genannt
sei, kann auf mannigfach andere Weise als durch eigene subjektive
*) A. a. O. S. 128.
*) Logisch wäre auch der Fall denkbar, daß das apriorische Moral -
prinzip in der Organisation des Geistes überhaupt fehlte. Allein mit der
Annahme dieser logischen Möglichkeit würde ein unlösbares philosophisch -
ethisches Problem gesetzt — dem hier nicht gefolgt werden kann —, und
überdies würde das Zutreffen dieser Annahme im einzelnen Falle niemals
empirisch entscheidbar sein. Die Diskussion dieser vierten Möglichkeit
entfällt daher für den vorliegenden empirisch'psychologischen Zweck.
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Cher die logisch* Stellung der KrhBioelogie. 'zur PswA'OpjuMögiK. 27
Reflexion;, die ja Ejg&flM^Uug damtelli.
jq seinen '_ ^«02 7 *^r t€$w$#e befc'tißL
gemacht wwtei Erwerb MtbLdin Vnf-f,-'
wertung der Zeittnoral im Leben nicht wesentlich.- leichter und inchr
Individuen zugängfidi. als das nur durch eigene geistige'Arbeit erziel¬
bare Bewußtsein des Sittengeaetzes, -W-.-so it-iMte apsnahmlos bpi
jedem Menschen beides nebeneinander bestehen. Dann aber müßte
hbnsequeijterieeise dje Zeit moral einen grüßen; Ted ihtfls X\>rte^ Mr
den einzelnen Menschen verlieren, da er ja an? Wissen um das wahrhaft
Sittliche fcineii Wfdire-n Maßstab allen Tuns und .Lasse«*- hatte: und
ferner dürfte es dann überhaupt keine 2 ^'tm.ntat gehen, die dem sitt *
liehen Prinzip m irgend ttewn da riach
dieser -Unterstellung jeder Einzelne udv dieses Prittzip ebenso wußte,
wje uni dje Zeürfiiör, w Mite er jg stets die ^gtjehkeit deren I «hajt;
an ihm zu messe« und zu kenigiMm , i
Xu« ist das alter zweifcLohnc nicht $% Etruqal finden wir viele
Inhalte der Zeit moral vui» versebfedenet? geographische« und histo¬
rische« Kulturkreisen mstereißander widerspreehend und vm» -nnira:*
IMeit Ideid verschieden weit -entfernt: zweitens aber gibt cs nur
relativ Belten Fälle, wo eine der Zeit inoral zu widerlauf ende Einzel
Handlung dennoch subjektiv 'moralisch bleibt. Wir haben schon
oben dargelegt, daß die fisychbloj^sche Voraussetzung eines solchen
als moralisch empfundene« Widerspruchs zur Zeit moral im Besitze des
Bewußtseins uni dak .rfttltclie Prinzip besteht, dem irgend eine Wertung
der Zeit moral nicht entspricht. Daß .solch ein Widerstreit hur relativ
selten und nur bei solchen Menschen vorkommt. die im Verhältnis
zu der soziale« Gemeinschaft ein besonders hindi entwickeltes geistiges
und .eit-t liebes- Niveau - haben, das beweist schon, daß das Bewußtsein
des reinen Mora]prin2Üps und seine Betätigung neben und über der
Zcitmoral ein Pins 00 gddiger LeistüHg erfordert gegenüber d»*r
Aneignung undS^stmor^I. Letzteres ist psychologisch
wesentlich einfacher. Es bleibt dabei der philosophbehe« Ethik und
Mondkritlk libinrlawusei*zu IiestihnJine'ri:* wieweit man hei der Betatigmür
der Zeitiimral überhaupt von. Moralität im strengen Sinne reden darf .;
w ir haben es hier mit den psyehologischeßoGrnndlageti einer Betätigung
zu tnic welche- in der Praxis des Lehens--eben auch ab muraiLdu-
Verhalte« bezeichnet wird: Wir stellen Mir fest; c ; .
»ViÄby.Go gle -
28
Kronf eld,
gischen Grundlagen die Ausbildung der geistigen Funktionen und
speziell des selbständigen Denkens weit weniger in Anspruch nehmen,
als die absolut sittliche Betätigung auf Grund autonomen Pflicht¬
bewußtseins. In diesem Sinne nannten wir vorhin das absolut mora¬
lische Handeln einen psychologischen Grenzfall.
Das Bewußtsein der Zeitmoral ist also dem Einzelnen weit leichter
zugänglich. Das hat zwei Gründe. Beide stehen in einer klaren Be¬
ziehung zueinander. Der eine ist die Struktur der Zeitmoral, der
andere die Art, wie sie überliefert wird.
Über die Struktur der Zeitmoral soll fragmentarisch nur soviel
gesagt werden, als für unsere psychologischen Folgerungen unbedingt
wesentlich ist. Da ist «zuerst zu berücksichtigen, daß sie eine deutliche
teleologisch begründete Tendenz zur Erhaltung des Gemeinschafts¬
bestandes ist, für den sie gilt, und zwar in der zeitlichen gegenwärtigen
Beschaffenheit ihrer Geltung. D. h. sie nimmt inhaltlich alle die¬
jenigen bereits bestehenden Meinungen als Grundlagen ihres Wertes
mit auf, die hinsichtlich der Psychologie des Einzelnen ganz zufällig
sind und von ihm äußerlich angenommen und befolgt werden müssen,
ohne daß sie in irgend eine Beziehung zu seinem subjektiven Wesen
zu treten oder gar dessen Ausdruck zu sein brauchen. Und ferner:
zur Sicherung der Verbindlichkeit ihrer Inhalte appelliert sie nicht
an irgend eine moralische Reflexion des Einzelnen, sondern vorwiegend
an eine gefühlmäßige moralische Gestimmtheit, die letzten Grundes
in den sozialen Trieben und Instinkten, dem Schwächegefühl des
Einzelnen gegenüber der Masse und dem Wunsch unerschwerter
Bedürfnisbefriedigung wurzelt. In diesem Sinne haben die englischen
Empiristen schließlich Recht, daß sie seit Shaftesbury von „moralischen
Gefühlen“ reden; bloß daß der altruistische Charakter dieser Gefühle
erst ein sekundäres Produkt sozialer Domestizierung durch die Wirk¬
samkeit der Zeitmoral ist. [Über den Ressentimentcharakter dieser
altruistischen Bildungen, den zuerst Nietzsche psychologisch erfaßt
hat, vergleiche man die vortrefflichen phänomenologischen Unter¬
suchungen Schelers 1 ) und FurtrniUlers a )]. Wenngleich dieser ganzen
Struktur objektiv ein teleologisches Moment innewohnt, so ist — das
l ) Ressentiment u. moral. WerturteU, Leipzig 1912. Sympathie¬
gefühle und Liebe etc. Halle 1913.
*) Psychoanalyse und Ethik, München 1912.
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Ober die logische Stellung der Kriminologie zur Psychopathologie. 29
braucht wohl nicht erst gesagt zu werden — dasselbe der subjektiven
Seinsweise im einzelnen Bewußtsein durchaus fremd; wenigstens *
in den meisten Fällen. Die gefühlmäßige moralische Gestimmtheit,
welche wir als den subjektiven Grund der Verbindlichkeit der Zeit-
rnoral für den Einzelnen erkannt haben, ist ein höchst verwaschenes
assoziatives Produkt aus Instinkten, Trieben, Gegenantrieben und den
durch den Domestikationsprozeß gesetzten Umbildungen primärer
psychischer Faktoren.
Aber das gehört schon zum zweiten Grund der subjektiven Wirk¬
samkeit von Zeitmoral: der Art, wie sie ins einzelne Bewußtsein
überpflanzt wird. Auch hiervon soll nur soviel angedeutet werden,
als notwendig ist, um die subjektiven Voraussetzungen von Moralität
im Sinne der Zeitmoral für unseren Zweck sichtbar zu machen.
Die Zeitmoral wird anerzogen. Die Inhalte ihrer Bestimmungen
werden dem heranwachsenden Kinde eingeprägt und die Unterwerfung
der Handlungen unter sie durch die Macht der Umwelt, Beispiel,
Lohn, Strafe und Zwang erreicht. Demgemäß braucht das Wissen um
die Inhalte der Zeitmoral beim einzelnen Falle durchaus noch nicht
auf reflexioneller Arbeit zu beruhen, sondern kann ein einfacher
reproduktiver Akt sein. Auch das Verstehen dieser Bestimmungen
braucht sich durchaus nicht reflexionell zu vollziehen; es kann an
der Hand anschaulich erlebter Beispiele, die reproduziert werden,
an der Hand eigener erfahrener unliebsamer Folgen bei Nichtbe¬
achtung dieser Bestimmungen gegeben sein. Die Inhalte der Zeitmoral
können also in einem viel größeren Umfang anschauliche, erlebnisartige
und direkt reproduzierte Elemente ins Bewußtsein des Einzelnen
treten lassen, als das bei dem Urteilscharakter dieser Inhalte von
vornherein zu erwarten wäre. Schon dies ist sehr wichtig zur genaue¬
ren Bestimmung der Art des Antriebes bei moralischem Verhalten
im Sinne der Zeitmoral. Das Bewußtsein des Antriebs braucht hier
durchaus kein reflektiertes zu sein; diese Antriebe sind als unmittelbar
bewußt für die Handlung gegeben. Dadurch entsteht eine Analogie
der in diesem Sinne moralischen Handlungen mit den instinktiven,
besonders bei steter Einübung. Natürlich können auch reflexioneile
Momente für das Erfassen der Inhalte hinzutreten; aber diese brauchen
sich nicht wesentlich über die primitiven Leistungen alltäglicher
einzelner Zweckurteile hinauszuerstrecken. Es handelt sich ja im
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Kronfeld,
wesentlichen immer um einfachste Dinge: zu bedenken, ob Schädi-
* gungen anderer an Leib und Eigentum durch irgendein Tun ent¬
stehen können. Schon aus dieser Bestimmung über die Bewußt¬
seinsart der Inhalte von Zeitmoral ersieht man, eine wie geringe in¬
tellektuelle Leistung sie erfordern. Und hieraus würde für den mora¬
lischen Schwachsinn in der Tat die Bleülersche Feststellung einer
weitgehenden Unabhängigkeit der Moral von der Intelligenz sich
ergeben. Mindestens in dem Sinne, daß weitgehender intellektueller
Schwachsinn sich dennoch die Inhalte der Zeitmoral zu eigen machen
kann; der zweite Teil des Nachweises dieser Unabhängigkeit der
Moralität von der Intelligenz: daß nämlich bei relativ genügender
Intelligenzentwicklung ein moralischer Defekt bestehen könnte,
ist damit noch nicht beantwortet. Hierfür liegt die Entscheidung
gänzlich bei den psychologischen Gründen für die Verbindlichkeit
der zeitmoralischen Normen.
Bevor wir dies erörtern, seien noch zwei Bemerkungen gestattet.
Nämlich erstens glaube ich Berze s Dreiteilung der subjektiven Grundlagen
von Moral in „Gefühlsmoral“, „Verstandesmoral“ und „Pseudomoralische
Hemmungen“ l ) durch die erörterte Zweiteüung ersetzen zu sollen. Diese
entspricht faktisch eher dem Wesen der psychologischen Wirksamkeit
von Moral. Das Bewußtsein um die Norminhalte, welches Berze als Ver¬
standesmoral bezeichnen würde, ist eben zum größten Teile nicht Funktion
des Verstandes. Und soweit dieser dabei beteiligt ist, wirkt er meist in
dem, was Berze pseudomoralische Hemmungen nennt, mit. Aber es gehen
auch Teile der „Gefühlsmoral“ in dieses Bewußtsein mit ein. Auf der
anderen Seite entspricht das Anerkennen der Verbindlichkeit dieser
Normen durch die moralische Haltung nicht restlos, wenn auch großen¬
teils, dem Berzeschen Begriff der Gefühlsmoral; jedoch kommen auch hier
teilweise „pseudomoralische Hemmungen“ hinzu.
Zweitens zeigt auch diese theoretische Überlegung wieder, daß
dem Begriff der Einsicht in die Strafbarkeit einer Handlung, wie er als
Bestimmungsstück des § 56 RStGB. fungiert, nicht die Auslegung einer
Kenntnis der Strafbarkeit gegeben werden sollte, wie dies die Ent¬
scheidungen des Reichsgerichts zeitweise taten. Denn diese bloße Kennt¬
nis setzt, wie wir nach den obigen Erörterungen sagen dürfen, nur die
elementarsten Äußerungen geistiger Tätigkeit voraus, die auch ein sehr
schwachsinniges Kind haben kann; sie eximiert also gar nicht diejenigen
von der Verantwortlichkeit, die trotz der Kenntnis des Inhalts der Norm
keine psychologische Möglichkeit haben, die Verbindlichkeit derselben
für das eigene Verhalten zu erfassen und anzuerkennen.
*) A. a. O. S. 137.
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Ober die logische Stellung der Kriminologie zur Psychopathologie. 31
Um nun auf die Gründe der Verbindlichkeit von Zeitmoral
einzugehen, so kommen sie in ihrer Gesamtheit ungetrennt zu un¬
deutlichem Bewußtsein; wir bezeichneten das vorher als moralische
Gestimmtheit. Die subjektive Seite dieser Gestimmtheit geht uns hier
nicht weiter an; objektiv kann man sie in solche Faktoren zerlegen,
deren positives Vorhandensein eo ipso zur Geltung der Zeitmoral
beiträgt, und zweitens in solche den Triebregungen ungehörigen
Faktoren, deren Realisierung in irgend einer sozialen Situation der
Zeitmoral widerspräche, die also fehlen oder überwindlich sein müssen,
damit die subjektive Geltung der Zeitmoral gesichert ist. Wir werden
diese beiden Faktorengruppen als positive und negative psychische
Bedingungen der subjektiven Geltung von Zeitmoral bezeichnen.
Die positiven psychischen Bedingungen der Verbindlichkeit
von Zeitmoral zerfallen wieder in solche, die innerlich in der Anlage
jedes Menschen von vornherein gegeben sind; die Kenntnis der
Zeitmoral trifft in ihnen auf präformierte psychische Gebilde, kraft
deren sie eine besondere subjektive Bedeutung erlangt, behalten, weiter¬
verarbeitet und für Entschluß und Handlung fruchtbar gemacht wird.
Wir bezeichnen sie nicht ganz genau als Gefühlsgrundlagen der
Verbindlichkeit von Zeitmoral. Hinzu kommen zweitens äußerlich
erzeugte psychische Faktoren, deren Möglichkeit zwar dispositionell
gesichert sein kann, ohne daß aber diese Dispositionen irgend etwas
gleichartiges oder auch nur typisches zu haben brauchen. Erziehung
und andere Momente äußerer Einwirkung aktualisieren aus ihnen
eine Reihe psychischer Gebilde, welche besonders als Gegenantriebe
und Hemmungen im Entschluß wirksam werden. Wir bezeichnen
sie daher ebenfalls nicht ganz genau als die Hemmungsgrundlagen
der Geltung von Zeitmoral.
Unter die Gefühlsgrundlagen ordnen wir alle diejenigen Momente
ein, die man als „soziale Instinkte“ zusammenfassen könnte. Hierher
gehört der Geselligkeitstrieb Burlce s und der alten Engländer. Er
entspringt aus den Tendenzen einer möglichst erleichterten und
gesicherten Bedürfnisbefriedigung. Hierher gehören auch alle Siche¬
rungen und Ressentiments der Ohnmacht des einzelnen gegenüber
der Gesamtheit; aber auch Faktoren wie Bequemlichkeit und Suggesti-
bilität. Psychologisch läßt sich über die subjektiven Weisen des
Bewußtseins dieser Gefühlsgrundlagen recht wenig weiter aussagen.
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Kronf eld,
Bei den Hemmungsgrundlagen muß man die durch Erziehung
gesetzten von den durch die Umstände der sozialen Situation erzwun¬
genen unterscheiden. Die von der Erziehung geleistete Arbeit besteht
im wesentlichen darin, die Kenntnis der zeitmoralischen Normen
zu vermitteln und für ihre Beachtung an die Gefühlsgrundlagen in
geeigneter Weise zu appellieren. Dadurch werden diese dem Subjekt
wichtig und im Entschluß ausschlaggebend. Es handelt sich dabei
nicht nur um eine intensive Verstärkung der Gefühlsgrundlagen,
sondern um eine Hemmung und Ausschaltung der Triebe und Antriebe,
die ihnen entgegenstehen. Welches diese sind, davon ist unten bei
den negativen Bedingungen der Geltung von Zeitmoral die Rede.
In dem Sinne dieser Hemmungserzeugung ist Erziehung Willens¬
bildung. Das Kind lernt sich zu beherrschen; und zwar indem als
Erfolg dieser Willensanspannung das Bewußtsein der Moralität resp.
Legalität seinem Selbstgefühl schmeichelt, den oben angedeuteten
Bessentiments huldigt, und endlich indem andere und gleichstarke
Wünsche, die nur nicht aktuell waren, durch die Aussicht auf Lohn
ideell befriedigt werden; auch wenn dieser Lohn — religiös motiviert —
erst im Jenseits verheißen ist oder in der Wertschätzung der Allge¬
meinheit liegen soll.
Das suggestible Moment gerade der kindlichen Psyche wird
durch die Autorität des Erziehers für die Verbindlichkeit der Zeitmoral
fruchtbar gemacht.
Hinzu treten im weiteren Leben die Zwangsmittel der Sozietät
und insbesondere die Gesetze des Staates. Sie gehen alle nicht auf
die Gesinnung, sondern auf die Handlung im Sinne der Zeitmoral aus.
Dennoch fördern sie mit dem zeitmoralischen Handeln in der weitaus
größten Mehrzahl der Fälle eo ipso das Bewußtsein und die Aner¬
kennung der Zeitmoral. Sie appellieren vorwiegend an teleologische
Momente, besonders an die Furcht. So setzen sie weitere Willens¬
hemmungen, sowohl solche der einfachsten Reflexion in singulären
Zweckurteilen, als auch affektive.
Die Strafe, die soziale Ächtung, die Verschlechterung der Lebens¬
haltung bei Verstößen gegen die Zeitmoral, und umgekehrt die soziale
Sicherung und Hebung bei ihrer Anerkennung wirken zugleich mächtig
im Sinne der Erhöhung der Gefühlsgrundlagen für die Geltung der
Zeitmoral.
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Ober die logische Stellung der Kriminologie zur Psychopathologie. 33
Zu den negativen Bedingungen für die Verbindlichkeit von
Zeitmoral gehört das Fehlen oder die Unterdrückbarkeit aller Trieb -
regungen, deren Verwirklichung ihr widerspräche. Hierzu rechnen
vor allem die sthenischen Affekte, deren Intensität nie größer werden
darf als die Resultante der Wirksamkeit der ersten Gruppe. Hierzu
rechnet das Selbstgefühl und seine Neigung, sich schrankenlos durch¬
zusetzen 1 ), hierzu rechnen ferner die elementaren Triebe bei erschwer¬
ter oder verzögerter Befriedigungsmöglichkeit oder bei dispositionell
erhöhter Intensität: Nahrungs- und Geschlechtstrieb. Triebregungen,
wie Grausamkeit oder Hang zur Lüge, sind erst sekundäre Produkte,
Modifikationen primärer Elementartriebe. Z. B. die Grausamkeit
eine bestimmte sekundäre Verschmelzung pervertierter sexueller
Triebregungen mit sthenischen Grundaffekten, allgemein erhöhter
motorischer Erregbarkeit und Derivationen eines irgendwie beein¬
trächtigten Selbstgefühls, das sich auf einem Umweg entlädt; der
Hang zur Lüge das typische Ressentimentprodukt verdrängten Ohn¬
machtgefühls, welches daher immer mit kritikloser Selbstüberschätzung
und berechneter Demonstration der eigenen Wichtigkeit einhergeht;
ein asthenisches Gebilde. Zur Aktualisierung solcher Triebregungen
ist immer ihre Überwertigkeit gegenüber der ersten Gruppe erforderlich.
Dm alles ist hier nur insofern wichtig, als zur Entscheidung all dieser
Triebe faktisch nur die von uns als primär bezeichnete Triebbasis
angenommen zu werden braucht, aus der alle anderen erst hervorgehen.
In diesem Sinne gilt Goethes wahrhaftiges Selbstbekenntnis, er fühle
in sich die Anlage zu allen Verbrechen, von jedem; wobei nicht ge¬
leugnet werden soll, daß die Intensität und die sekundäre Pervertier -
barkeit der elementaren Triebregungen dispositionell absolut ver¬
schieden und bei einzelnen Menschen in höchstem Maße pathologisch
sein kann.
Das Kriterium der Verbindlichkeit von Zeitmoral ist also zwar
*) Daß dieses Selbstgefühl ein primäres Triebphänomen ist, habe
ich bei ganz schweren Idioten gesehen, die zu keiner psychischen Leistung
fähig waren, als sinnliche Eindrücke zu haben, Schmerz zu fühlen, zu
essen, zu schlafen und zu onanieren, und die den ganzen Tag dasaßen
und bei der Annäherung irgendeines Menschen freudestrahlend auf sich
zeigten und unartikulierte Laute ausstießen, 'solange der Betreffende im
Zimmer war.
Zeitschrift für Psychiatrie. LXXII. 1 . 3
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Kronf eld,
ein relatives, aber relativ nur hinsichtlich des Verhältnisses dieser
Triebregungen zur Gruppe der positiven Bedingungen von Zeitmoral;
und insofern ist es durchaus psychologisch bestimmbar.
Was folgt aus diesen Darlegungen für die Möglichkeit und das
psychologische Wesen des moralischen Schwachsinns?
Die Frage ist, ob isolierte Defekte in einer dieser Gruppen von
Grundlagen der Moralität psychologisch bestehen können. Oder
natürlich auch, ob sich isolierte Defekte mehrerer Gruppen zu einer
einheitlichen Wirkung hinsichtlich des moralischen Verhaltens ver¬
binden können. Und wichtig ist für die psychologische Begriffsbe¬
stimmung des moralischen Schwachsinns noch, daß die Wirkung
dieser Defekte auf die Anomalie im moralischen Verhalten die einzige
oder doch zum mindesten die weitaus hervorstechendste Folge¬
erscheinung ihres Bestehens sein muß. Denn sonst hätte die Ein¬
engung der Bezeichnung des Defektes als „moralischer“ Schwach¬
sinn keine Berechtigung. Nun ist zwar die Antimoralität, die sich
aus Defekten in dem psychologischen Unterbau des dargestellten
Geltungsfundaments von Zeitmoral ergibt, nur eine zufällige Folge
dieser Defekte, die sich z. B., wenn das betreffende Individuum auf
einer einsamen Insel lebte, gar nicht geltend zu machen brauchte.
Und sie steht insofern im Gegensatz etwa zu den echten psychotischen
Prozessen, die auf einer einsamen Insel genau so gut psychotische
Prozesse bleiben würden, wie sie es in der Sozietät, in den Anstalt-
räumen und in der Isolierzelle sind. Allein mag die Antimoralität,
als Ergebnis eines von immerhin zufälligen äußeren Umständen und
Forderungen abhängigen Verhaltens, nicht der unmittelbarste und
notwendigste Ausdruck psychischer Anomalie sein: so könnte sie doch
im Leben die einzige psychische Folgewirkung derartiger Anomalie
sein, die sich außerhalb ihrer überhaupt nicht manifestierte. Und
sie muß es sogar sein, wenn anders der Begriff des moralischen Schwach¬
sinns überhaupt einen psychologischen Sinn haben soll.
[julUnd das ist tatsächlich möglich. Freilich: die pathologische
Intensität der elementaren Triebregungen, die zu ihrer Unbeherrschbar¬
keit durch den Willen führt, ist, soweit sie überhaupt isoliert vorkommt,
immer auch direkt nachweisbar, jenseits des bloß antimoralischen
Verhaltens. Wir denken hier besonders an die Menschen mit gestei¬
gertem Selbstgefühl und Machtwillen, die Eitlen etc. einerseits, die
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Über die logische Stellung der Kriminologie zur Psychopathologie. 35
Menschen mit pathologisch gesteigertem und qualitativ perversem
Geschlechtstrieb andererseits, von denen wir zunächst hypothetisch
unterstellen, daß sie im übrigen normal sind. Von einer grundsätz¬
lichen Antimoralität, einem moralischen Schwachsinn, kann doch
in solchen Fällen keine Rede sein; außerhalb der Triebbefriedigung,
die natürlich zu „affektiven“ Verstößen gegen die Zeitmoral führen
kann, können sie durchaus der Zeitmoral unterworfen sein. Und
wenn zu dem pathologisch gesteigerten Triebleben noch Anomalien
im Zusammenspiel desselben mit dem Gefühls- und Willensleben
hinzutreten, so resultieren einige Formen der sogenannten erethischen
Imbezillität und Spielarten der epileptoiden Degeneration, deren
Folgewirkungen ebenfalls nicht allein auf dem Gebiet des moralischen
Verhaltens liegen, sondern direkt als psychische Anomalien in Er¬
scheinung treten. Ähnlich liegen die Dinge da, wo ein gesteigertes
Selbstgefühl zugleich mit einer relativen Überwirksamkeit gefühls¬
betonter Phantasie- und Begehrungsvorstellungen einhergeht: beim
hysterischen Charakter, und, wenn das Selbstgefühl durch Ressen¬
timents verstärkt wird und in anderen Formen auftritt, beim Pseudo-
logisten. Auch hier kann eine fast vollständige Antimoralität im
Verhalten die Folge sein; aber sie braucht es nicht durchaus zu sein,
und neben ihr gibt es noch andere, psychologisch unmittelbarere
und direktere Erscheinungsweisen dieser abnormen seelischen Struk¬
turen. Und ganz Analoges gilt auch von den Typen der pathologischen
Willensschwäche.
Will man also mit dem Begriff des moralischen Schwachsinns
wirklich etwas psychologisch Direktes, eine reale psychische Struktur¬
einheit, die auch theoretisch standhält, bezeichnen, so muß man diese
Typen alle als ihr zwar mehr oder weniger nahe verwandt, aber doch
nicht eigentlich zu ihr hinzugehörig auffassen. Und somit bleibt .
nur noch das letzte Gebiet psychischer Strukturen übrig, in welchem
Defekte ein antimoralisches Verhalten als einziges isoliertes Symptom
bei sonstiger völliger psychischer Intaktheit zur Folge haben können:
Wir meinen die Gefühlsgrundlagen für die Verbindlichkeit zeit¬
moralischer Normen. Hier kann in der Tat die Abwesenheit oder
qualitative Perversion jener Grundinstinkte, die wir oben an ent¬
sprechender Stelle bezeichnet haben, ein solches Bild erzeugen. Und
das wäre im eigentlichen psychologischen Sinn mora-
3*
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Kronf eld,
lischer Schwachsinn bei sonstiger Unversehrtheit alles
psychischen Lebens.
Als Erster hat wohl Liepmann diesen Sachverhalt klar erfaßt und
ausgesprochen. Er unterschied bereits 1908 *) begrifflich sehr klar, aber
freilich ohne genauere Begründung „zweierlei: so etwas wie eine sittliche
Farbenblindheit, d. h. ein wirkliches Fehlen aller der Gefühle, auf denen
unser sittliches Zusammenleben beruht — dieses wirkliche Fehlen kommt
vor, aber ist etwas verhältnismäßig Seltenes. Dabei können die moralischen
Begriffe erhalten sein; aber diese Begriffe wecken nichts Gefühlmäßiges
in ihnen, sind daher totes Wissen. Nun gibt es aber eine weit häufigere
Kategorie von Menschen, ... die nicht eigentlich aller altruistischen Ge¬
fühle entbehren, die es nur dadurch zu keiner Moral bringen, daß ihnen
jede Konstanz fehlt... Sie sind ein Spielball der Stimmungen, die Rück¬
sicht auf höhere Pflichten läßt sich gegenüber den Leidenschaften des
Moments nicht zur Herrschaft bringen“. Ebenso führt Liepmann in einer
Veröffentlichung*) aus: „Es sagt sich ja von selbst, daß Instabilität,
Unstetigkeit, Willensschwäche, Affekterregbarkeit ein Leben der Pflicht¬
erfüllung und der Moralität ausschließen. Man denkt aber, wenn man von
amoralischen Degenerierten spricht, gewöhnlich an etwas anderes. Man
hat die moralischen Kerngefühle, die altruistischen Gefühle... im Auge.
Es gibt in der Tat eine Anzahl Dägänäräs, bei denen diese Gefühle voll¬
kommen fehlen oder wenig entwickelt sind. Das sind die moralisch
Anästhetischen. Mit der Zeit hat sich dieser Begriff der moral insanity...
so eingeengt, daß man dabei nur an die moralischen Monstra denkt,
welchen von Geburt an jede altruistische Regung fehlt, die sittlich Farben¬
blinden. Es ist sehr viel darüber gestritten worden, ob es so etwas gibt.
Man muß sagen, ganz isoliert ist es selten, meistens sind die Betreffenden
auch schwer imbezill, und meist haben sie weitere Züge der Dögönörös,
die Instabilität, nervöse Zufälle etc. Aber es sind doch von ersten Autoren
Fälle beschrieben worden, bei denen man mit der Laterne besonders nach
intellektuellen Mängeln suchen mußte; und diese repräsentieren den
geborenen Verbrecher im engsten Sinne; wenn diese Fälle auch selten
sind, so ist doch damit prinzipiell die Frage zugunsten einer moralischen
Idiotie gelöst.“
Zu ähnlichen Feststellungen kommt auch Anton in seiner schon
zitierten Arbeit. Moral insanity beruht auf dem „Mangel derjenigen
Gefühle und Gemütsregungen, welche für das menschliche Zusammensein
notwendig sind oder durch das Zusammensein erst entstehen“. Freilich liegt
ihm der Versuch einer psychologischen Begründung ganz ferne; und er
vermischt diesen von ihm abgegrenzten Bereich auch sogleich wieder mit
1 ) Nach dem mir gütigst überlassenen Stenogramm eines Kollegs.
*) Die Beurteilung psychopathischer Konstitutionen, Ztschr. f.
ärztl. Fortbildung 1912, S. 135.
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Über die logische Stellung der Kriminologie zur Psychopathologie. 37
den Gebieten derjenigen Fälle antimoralischen Handelns, welche auf
Störungen in den Hemmungsgrundlagen zurückgehen; mit den Defekten
imbeziller Erethiker u. dergl.
Erst auf einem solchen Umwege also erfüllt sich die Bleulerache
Konzeption mit einem psychologisch möglichen Sinn; und das auch
in begrenzterer Weise, als er und alle diejenigen Autoren annehmen,
die solche erethischen Imbezillen und hysterischen Charaktere ( Lon -
gard) und solche Pseudologisten ( Delbrück) zu ihr hinzurechnen,
bei denen ihr antimoralisches Verhalten besonders oft zu Konflikten
mit dem Gesetz führt. Das ist ja psychologisch zufällig. Und will
man Persönlichkeiten, die psychisch irgendwie und in ganz hetero¬
gener Weise abnorm sind und wiederholt rückfällige Verbrecher,
aus praktischen Gründen als moralisch schwachsinnig bezeichnen,
so ist psychologisch nichts gewonnen, man muß vielmehr diese Typen
aus denjenigen Typen psychischer Struktur, zu denen sie eigentlich
gehören, nur auf Grund ihrer Kriminalität ausreihen und zu einer
recht willkürlichen Gruppe, nach ganz schematischen Kriterien,
zusammenbringen. Auch kriminalätiologisch ist so nichts getan,
und man gerät in Gefahr, nur auf Grund der bisherigen Unverbesser¬
lichkeit, auch an der künftigen Unverbesserlichkeit ohne zureichenden
Grund zu zweifeln; daß damit wenigstens in einzelnen Fällen ein
Irrtum begangen wird, lehrt z. B. der Fall Respel (s. S. 2, Anm.) und
dessen völlige Rückkehr zur sozialen Norm, die selbst eine Autorität
wie Aschaffenburg für ausgeschlossen erklärt hatte, indem er ihn als
moralischen Schwachsinn bezeichnet hatte, nur weil man eben nicht
diese psychischen Typen von dem hier abgegrenzten moralischen
Schwachsinn im engsten wirklich psychologischen Sinne trennt.
Ob der so zunächst theoretisch abgegrenzte psychische Typus
des moralischen Schwachsinns im Leben vorkommt oder nicht, das
Ist eine rein empirische Tatsachenfrage. Man darf doch nicht ver¬
gessen, daß derartige Typenbildungen stets auf unvollständigen Induk¬
tionen beruhende konstruktive Gebilde sind, zu deren Ermöglichung
von einem großen Teil des individualpsychischen Tatsachenmaterials
im einzelnen Falle abstrahiert werden muß. Jedenfalls scheint dieser
Typus recht selten zu sein 1 ) und bei genügend genauer psycho-
*) Das sagt auch Kauffmann, Psychologie des Verbrechens, 1912
8. 31.
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Kronf eld,
logischer Durcharbeitung der fraglichen Fälle sich immer mehr
einzuengen.
Ich habe bei der Durchsicht der allerdings nicht genügend klar
dargestellten Lombrososchen Fälle kaum einen gefunden, der rein zu ihm
paßte. Hingegen entspricht ihm der im Anhang seines Werkes mitgeteilte
Fall von Lindau ganz und gar — nur ist dieser leider nicht von einem
Fachmann beobachtet und zuverlässig. Von dem Material Delbrücks,
Longards und Mayers scheint ein Teil diesen Defekt in den Gefühlsgrund*
lagen in der Tat aufzuweisen, aber wohl kaum isoliert, sondern verbunden
mit hysterischen, pseudologistischen oder erethischen Zügen. Daß hier
ein nahes Verwandtschaftsverhältnis bestehen kann, soll nicht in Abrede
gestellt werden; das ergibt sich ja auch schon aus unseren theoretischen
Festlegungen. Aber diese Verwandtschaft ist keine Identität.
Für die weitere Forschung ergibt sich aus alledem als Forderung
und als Maxime der Arbeit die Notwendigkeit psychologischer
Spezialisierung dieser Fälle. Heuristisch bleibt der reine Typus
des moralischen Schwachsinns, wie wir ihn psychologisch definiert
haben, ein Grenzfall, dessen Verwirklichung im lebenden Menschen
durch immer genauere Arbeit eingeengt werden soll.
So liegt die rein wissenschaftliche Seite des Problems. Nun
besteht aber noch eine Schwierigkeit hinsichtlich der praktischen
Anwendung. Berze hat sie treffend formuliert x ): „Wenn man auch
zugeben muß, daß die moral insanes durch ihre fehlerhafte Anlage zum
Verbrechertum prädestiniert sind, so wäre doch die Annahme durch¬
aus irrig, daß ein Individuum, das an einem Defekte der eigentlichen
Moral leidet und sei er auch noch so sicher pathologisch, darum schon
unbedingt kriminell werden muß, daß das Kriminellwerden gleichsam
in allen Fällen das notwendige Ergebnis dieses Defektes ist, ein Er¬
gebnis, gegen welches das Individuum gar nicht ankämpfen kann,
wie es ja auch eine durchaus irrige Annahme ist, daß die Moral es ist,
was die große Mehrzahl der Menschen hindert, kriminell zu werden.“
Auch psychologisch ist nach unseren Darlegungen nicht unbedingt
erforderlich, daß jeder im engsten Sinne moralisch Defekte nun auch
antisozial sein muß. Was ihm an Gefühlsgrundlagen für die Aner¬
kennung der Zeitmoral fehlt, vermag er durch sein Urteil und durch
die Hemmungsgrundlagen für sein soziales Verhalten durchaus zu
ersetzen.
l ) A. a. O. S. 137.
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Über die logische Stellung der Kriminologie zur Psychopathologie. 39
Man kann sogar paradoxerweise behaupten, daß, je klüger und
affektiv ruhiger der moral insane ist, um so weniger er sich sozial
verrät.
Er ist in dieser Hinsicht weit weniger gefährdet als diejenigen
Typen, deren Hemmungsgrundlagen mangelhafte sind: der erethisch
Imbezille und der Hysteriker. Allein diese sind doch im Besitz der
Gefühlsgrundlagen von Moral und bleiben daher trotz aller affektiven
Verstöße prinzipiell immer zur Moralität und zu sozialem Verhalten
erziehbar. Die eigentlichen unverbesserlichen Rückfallkriminellen
aus Anlage sind diejenigen, bei denen sowohl die Gefühls- als die
Hemmungsgrundlagen pathologisch verändert sind: die erethischen
Imbezillen mit eigentlichem moralischen Defekt dabei, also
ein Teil der Fälle Longards und der Fall Mayers. Freilich ist da, wo
Anomalien der Hemmungsgrundlagen bestehen, immer nur sehr
schwer zu sagen, ob und wieweit noch ein Defekt in den Gefühls¬
grundlagen der Moralität zugleich besteht, da dieser ja außerhalb
der Moralität keinen weiteren Ausdruck findet und die Moralität
durch die anomalen Triebregungen hier ohnedies alteriert ist.
Was aber den Berze sehen Einwand anlangt, so folgt daraus in
der Tat, daß uns an der Hand des sozialen Verhaltens durchaus nicht
alle moraJisdi Schwachsinnigen erkennbar werden. Indessen muß man
doch bedenken, daß den praktischen Anlaß zum Suchen nach der¬
artigen Anlagen nicht die sozial Unauffälligen, sondern diejenigen
Rückfallkriminellen geben, deren Antisozialität man sich durch
bloße Milieuwirkung gamicht erklären kann. Die Diagnose macht
sich hier durch ein indirektes Verfahren: man schließt anamnestisch
alle Milieufaktoren aus und sondert psychologisch die Mitwirkung
pathologischer Triebregungen und Urteilsdefekte ab: dann bleibt
jene Gruppe übrig, die wir als moral insanity im Sinne einer psycho¬
logischen Einh eit bezeichnen müssen, ohne diese Einheit doch anders
als theoretisch fundieren und praktisch an einem so vagen und viel¬
deutigen Kriterium wie dem moralischen Verhalten erweisen zu
können. Eine direkte psychologische Beschreibung des Defekts und
seiner Seinsweisen vor dem Bewußtsein wird uns bei dieser Lage
der Sache wohl stets unmöglich sein.
Für die Beurteilung der Zurechnungsfähigkeit dieses Typus
wird man von Fall zu Fall entscheiden müssen, wieweit die Aus-
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K r o n f e 1 d,
nutzung der Verstandes- und Hemmungsgrundlagen zu einem vikari¬
ierenden Eintreten für den Gefühlsdefekt im sozialen Verhalten h&tte
führen können.
Das soziale Moment als Kriterium psychischer Typik.
I. Über den Begriff der Reaktivität.
Die bisherigen Erörterungen sollten gleichsam paradigmatisch
die Behandlung eines Problems vorwegnehmen, dessen grundsätzliche
Bedeutung wir nunmehr in abstracto zu beleuchten haben werden.
Zu diesem Problem gehört als eine Teilfrage die Möglichkeit der Ein¬
reihung der verschiedenen psychopathischen Typen in die Kriminolo¬
gie; das heißt, es ist das prinzipielle Methodenproblem, dessen Beant¬
wortung über die Möglichkeit wissenschaftlicher Kriminalpsychologie
entscheidet. Dieses Problem nun ist die Frage nach den Kri¬
terien eines psychischen Typus überhaupt; und zwar in
dem speziellen Sinn, wieweit das soziale Verhalten des
Menschen ein Kriterium des Typus abzugeben vermag.
Wir haben bisher diese Frage als in dem Sinne entschieden voraus¬
gesetzt, daß wir die psychischen Typen im allgemeinen als auf direkten
psychologischen Kriterien aufgebaut ansahen und im sozialen Ver¬
halten nur ein zusammengesetztes und indirektes Kriterium des
Typus erblickten. Denn das soziale Verhalten eines Menschen ist
nicht der konstante Effekt immer gleichartiger Funktionen und
Dispositionen, mithin kann das antisoziale Verhalten nicht ohne
weiteres als der Effekt von psychologisch konstanter Störung in
diesen Funktionen und Dispositionen aufgefaßt werden.
Man muß das Bestehen dieser Störung auch außerhalb des so¬
zialen Verhaltens an direkten psychischen Wirkungen erweisen.
In der Tat würde damit das soziale Verhalten als einziges Kriterium
für den Aufbau und die Abgrenzung solcher Typen entfallen. Aber
auch als bloßes Kriterium der Subsumption eines Menschen unter
einem Typus wäre es gefährdet. Denn die Bedingungen der sozialen
Situation sind niemals wesentlich gleich; mithin läßt sich auch die
Reaktionsweise des reinsten psychischen Typus auf die Einwirkungen
und Beschränkungen der Sozietät nicht als eine ein für alle Mal kon¬
stante fixieren.
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über die logische Stellung der Kriminologie zur Psychopathologie. 41
Wäre diese Überlegung richtig, so entfielen Begriffe wie „ge¬
borener Verbrecher“ oder „Antisozialität“ als etwas im psy¬
chischen Wesen eines Typus Liegendes oder aus ihm zu Er¬
schließendes.
Derartige Begriffe wären dann nicht solche psychologischer
Beschreibung, sondern es wären Begriffe einer Bewertung. Sie
dienten nicht zur Klassifizierung bestimmter Arten von psychischer
Struktur, sondern vielmehr bestimmter, gleichartiger Verhaltungs¬
weisen gegenüber der Sozietät, die aber weder psychologisch gleich¬
artig fundiert noch motiviert zu sein brauchen und auf durchaus
verschiedene psychische Typen zurückgehen.
Wir meinen: ein und derselbe psychologisch-deskriptive Typus
— z. B. der Hysteriker, oder der Instable, oder der Epileptoide —
könnte sowohl ständig sozial als auch ständig antisozial sich ver¬
halten als auch bald sozial bald kriminell sein. Identische Motive
können sozial durchaus verschiedenwertige Handlungen hervorrufen;
die gleiche antisoziale Handlung kann die verschiedensten psycholo¬
gischen Grundlagen haben. Ordnen wir die Menschentypen nach
ihrem sozialen Verhalten, so ist das Grundmaß dieses Ordnens der
Typus der Tat; und zwar gemäß dem sozialen Wert dieses Tattyps.
Die Dinge liegen hierbei also prinzipiell ähnlich wie in der Mehrzahl
der strafrechtlichen Kodifikationen, die ihre Materie ebenfalls nach
Tatbegriffen einteilen; nicht nach Täterstrukturen. Diese Analogie
gilt nicht nur vom Begriffe des reo nato, sondern auch etwa vom
Begriffe der Gemeingefährlichkeit; sie gilt aber auch von solchen
psychiatrischen Begriffsbildungen, denen man die praktisch-soziale
Provenienz nicht so ohne weiteres anmerkt: der „psychopathischen“
oder „affektiven“ etc. „Minderwertigkeit“, dem Begriffe des „Halt¬
losen“, der „Puellennatur“ etc. Doch besteht natürlich ein großer,
wenn auch nur gradueller Unterschied zu den exakten Tatbegriffen
der Strafgesetzgebung: es wird hier kein Tattyp in abstracto heraus-
gearbeitet; auch wird keine Einzelhandlung an sich schon immer
zur Unterordnung des Täters unter diese Gruppenbildungen führen.
Es wird überhaupt nioht, wie in der Strafrechtsprechung, eine logisch
exakte Subsumtion der einzelnen Handlung unter einen womöglich
definit orisch festgelegten Deliktbegriff vorgenommen. Sondern es
ist erforderlich eine statistische Anhäufung gleichartiger Delikte — oder
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Kronf eld,
zum mindesten, bei nur einem Delikt, eine besondere Artung und
Schwere desselben —, um aus den einzelnen Taten einen Tattyp, aus
dem Tattyp eine Verhaltungsweise oder eine Reaktionsform, und
hieraus schließlich einen menschlichen Typus abzuleiten und fest¬
zulegen. Daß dies unter Umständen gewagt ist, zeigt z. B. die Bildung
des Begriffs der Unverbesserlichkeit, wofern damit eine Gruppe
kriminalpsychologisch zusammengehöriger Individuen gekenn¬
zeichnet werden soll; in den Voraussetzungen dieser Begriffsbildung
läuft eine anfechtbare, psychologisch durchaus nicht einheitlich
zutreffende Ansicht vom Strafzweck, nämlich über seine bessernde
Wirkung, unter.
Man könnte nun zwar fragen, was es denn schade, wenn unsere
psychopathologischen Typenbildungen, soweit sie die Kriminologie
angehen, nicht rein deskriptiv-psychologisch gewonnen werden,
sondern noch Wertmerkmale enthalten, die auf soziologischer Be¬
trachtung beruhen.
Darauf wäre zu erwidern: es kommt auf die Aufgabe an, die
man sich stellt. Die Psychopathologie beschreibt Krankheitszustände
und Persönlichkeitstypen, welche als psychologische Einheiten, aus
dem Gesetz ihrer inneren Struktur, begriffen werden. Wie sich der
Einzelne in seiner Umwelt verhält, ist aus dem immanenten Gesetz
seines psychischen Typs verständlich, aber dem sozialen Wert nach
individuell zufällig, da die in seiner Umwelt liegenden Bedingungen
seines Tuns nicht von ihm abhängig sind. Typische Weisen sozialen
Verhaltens sind also nicht notwendig psychischen Strukturtypen
eindeutig zugeordnet. Die Kriminalsoziologie hingegen stellt Typen
sozialen — oder vielmehr antisozialen — Verhaltens auf. Die Norm
dieses Verhaltens hat im wesentlichen die negativen Merkmale der
strafgesetzlichen Bestimmungen; die Qualitäten der Abweichungs¬
arten von dieser sozialen Norm entsprechen — natürlich nur ungefähr
und mit den oben gemachten Einschränkungen — den im Strafgesetz
bestimmten einzelnen Delikttypen oder Gruppen derselben. Diese
Delikttypen sind psychologisch zufällig; sie erwachsen durchaus auf der
dogmatischen Hinnahme der Einteilung des geltenden Strafrechts,
welches man seinerseits aus den politischen und ökonomischen Zu¬
ständen der Gesellschaftsordnung herleiten, aber doch wahrhaftig
nicht psychopathologisch fundieren kann. Nun kommt die Kriminal-
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Über die logische Stellung der Kriminologie zur Psychopathologie. 43
Psychologie, welche sich aufs Innigste mit der Psychopathologie
verquickt, und will für ein bestimmtes Menschenmaterial, das den
beiden genannten Betrachtungsweisen unterliegen kann, Einheiten
schaffen, deren Merkmale aus beiden Gesichtspunkten in gleicher
Weise gewonnen werden. Ein solches Verfahren, welches doch, wie
es schon in seinem Namen liegt, einer wissenschaftlich-psycholo¬
gischen Aufgabe angemessen sein will, läuft Gefahr, daß über den
kriminologisch-sozialen Wertmerkmalen die deskriptiv-psychologischen
Einheiten verloren gehen können. Es wäre doch bloßer Zufall, wenn
sich bei den kriminalpsychologischen Kategorien die sozialen Wert¬
einheiten mit den deskriptiven decken würden.
Um es generell auf eine — nicht ganz exakte, aber zum Ver¬
ständnis genügende — Formel zu bringen: die kriminologischen
Typen verhalten sich zu den psychologischen wie Norm zu Natur¬
gesetz. Die kriminologischen Typen messen soziale Verhaltungsweisen
an einer — nur negativ bestimmten und weder psychologisch noch
sozial einheitlichen — Norm. Die psychologische Typik ordnet
auf Grund beschreibender Beobachtung die seelischen Strukturen
nach — nur unvollständig induktiv bestimmten — Einheiten,
in denen sie nicht weiter zurückführbare Gesetze seelischen Zu¬
sammenhanges sieht. Die Frage ist nun die: können, unter kriminal¬
psychologischem Gesichtspunkt, unsere psychopathologischen Typen-
begrenzungen ausschließlich auf solcher beschreibenden Beobachtung
aufgebaut werden, oder gehen normativ-soziale Bestimmungsstücke
notwendig mit in sie ein; und welches ist die Sphäre der Mittelbegriffe,
durch deren Bildung jene normativ-soziologischen Einheiten sich
den deskriptiv-psychologischen Einheiten zuordnen lassen 1 )?
I
x ) Es ist einigermaßen erstaunlich, wie die Kriminalpsychologie
an diesem Problem, von dessen Beantwortung doch ihre wissenschaftliche
Möglichkeit in ziemlichem Grade abhängt, bisher vorbeigegangen ist.
Man findet bei Homburger (s. u.) und einmal bei Aschaffenburg (S. 8)
eine klare Andeutung davon, daß diese Forscher es überhaupt sehen ;
sonst aber hat es in der doch nicht kleinen Literatur überhaupt keine
Stelle! 4)Und auch Aschaffenburg spricht späterhin immer wieder von den
„kriminellen Neigungen“ seiner Fälle, als ob diese Neigungen etwas
psychologisch Einheitliches wären. Das Problem wäre aber gerade, diese
Neigungen psychologisch so aufzuspalten, wie wir es mit den „antimora¬
lischen“ Tendenzen oben versucht haben. Um grundsätzlichen Erör-
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Man muß sich nur die Tragweite dieser Frage für die ganze ein¬
teilende Praxis der Kriminalpsychologie klar machen. Es könnte
ja der Begriff des geborenen Verbrechers, des unverbesserlichen Rück¬
fallkriminellen sich halten lassen, nicht als psychologisch gewonnene
Deskription, sondern als Ausdruck sozialer Bewertung; nicht als
Gesetz für Psychisches, sondern als Norm, gemäß der soziales Ver¬
halten beurteilt wird. Freilich schwankt sein Wertungssubstrat von
Milieu zu Milieu, und seine Anwendung auf die seelischen Eigen¬
schaften des Einzelnen täte diesem, in dem Augenblick, wo uns sein
Lebenszusammenhang, seine Umwelt und seine Motive genügend
deutlich werden, wohl immer irgendwie unrecht — in demselben
Sinne unrecht, in welchem von der Subsumption eines jeden Einzel¬
falles etwa unter eine strafrechtliche Tatnorm das tiefe Wort gilt:
summum jus summa injuria. Jedoch trotzdem angenommen, ein
solcher kriminologischer Begriff ließe sich halten: so tritt seine Unver¬
einbarkeit mit psychologischen Strukturbegriffen klar zutage, sobald
ein Mensch, dessen Verhalten den Kriterien dieser Bewertung in
stärkstem Maße entsprach, in einem anderen Milieu, ohne sich
psychologisch in seinem Wesen oder ih seinen Moti¬
ven im geringsten zu ändern, dieser Bewertung in keiner
Weise mehr unterliegt.
Ergibt sich aber erst einmal die Unmöglichkeit der empirischen
Anwendung einer derartigen Bewertung, so entfalt damit auch der
Wertbegriff: da er zu praktischen Zwecken geschaffen ist, genügt die
praktische Unbrauchbarkeit, um ihn zu zerstören. Daß Respel und
Grün (s. S. 2, Anm.) zur sozialen Lebensführung zurückgekehrt sind,
wäre in dieser Richtung ein bedeutsamer Fingerzeig.
Es klafft hier also zwischen der Betrachtungsweise, deren sich
die Kriminologie bedienen muß, und derjenigen, welche der Psycho¬
pathologie eigentümlich ist, eine tiefe Kluft. Und vergeblich
muß scheinbar der Versuch der Kriminalpsychologie bleiben, beide
Betrachtungsweisen zu einer Einheit zu verbinden.
Und doch gibt es hier einen methodischen Ausweg. Freilich
terungen aus dem Wege zu gehen, beruft man sich gerne auf einen in jeder
Weise unzulänglichen Aufsatz Windelbands, der aber gerade die hier
in Frage stehenden Dinge nur an der äußersten Oberfläche streift. (Über
Norm und Normalitäten, Aschaffenburgs Monatsschr. Bd. III, 1.)
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Ober die logische Stellung der Kriminologie zur Psychopathologie. 45
muß man sich sehr klar über ihn sein und die Tragweite der durch
ihn ermöglichten kriminalpsychologischen Arbeit sehr genau über¬
sehen: sonst gerät man in jenes uferlose anekdotische Gerede, welches
heute einen Teil auch der guten „kriminalpsychologischen“ Literatur
ausmacht und das sich neben der exakten Kriminalstatistik eben so
wertlos ausnimmt wie die alten anthropologischen Konstruktionen,
die auch immer noch umherspuken.
Dieser Ausweg liegt in einer doppelten Erwägung. Einmal nämlich
geht die Kriminalpsychologie zwar von empirischen und zufällig
abgegrenzten Tattypen aus; allein diese sind doch nicht weniger
menschliche Handlungen und als solche Vorwürfe für eine motivierende
Psychologie, als beliebige andere Handlungen oder Reizreaktionen.
Es ist a priori nicht abzuweisen, daß man die verschiedenen seelischen
Verursachungen und Motivationen für diese Tattypen sammeln und
vergleichen kann. Und es ist zum mindesten eine mögliche Frage¬
stellung, zu untersuchen, wieweit die Psychologie der Tat zugleich
eine Psychologie des Täters ist. Da die Anzahl der deskriptiv-psycho¬
logischen Typen — bei aller individuellen Mannigfaltigkeit der Men¬
schen — doch immer eine begrenzte ist, so wäre es zum mindesten
ein wertvoller heuristischer Gesichtspunkt, Parallelen und Zuordnungen
wenigstens zu versuchen, die einerseits zwischen diesen psychologisch¬
typischen Einheiten, andererseits den ihrem Vollzüge nach gleich¬
artigen Delikten, oder den gleichartigen Motivationen kriminellen
Handelns, oder den zu Delikten führenden objektiven Situationen
bestehen. In diese Linie zielen auch die Einteilungen der Kriminellen,
welche Aschaffenburg*) und die Internationale Kriminalistische Ver¬
einigung 2 ) geben; letztere erfüllen freilich insofern nicht gerade eine
kriminalpsychologische Aufgabe, als sie zur Feststellung der Ge¬
fährdung der Rechtssicherheit seitens ihrer einzelnen kriminellen
Typen nicht beschreibende, sondern normative Kriterien benutzen:
nämlich die Bewertung der Fähigkeit, sich einzuordnen, sich Gesetzen
zu unterwerfen, sich auf Strafen hin zu bessern — als ob diese „Fähig¬
keit“ etwas psychologisch Einheitliches wäre.
Ein zweiter Weg könnte von der beschreibenden psychopatho-
*) A. a. O. S. 167.
*) Mitteilungen derselben Bd. VI. S. 582.
□ igitlzed by Go gle
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logischen Typik ausgehen, indem er deren Besonderheiten am Einfluß
der sozialen Umwelt prüft; indem er also quasi das Milieu als ein
kompliziertes Reagens benützt, an welchem jeder psychopathologische
Typ einmal das Zusammenwirken seiner Sonderzüge beim sozialen
Verhalten demonstriert und zweitens zugleich seinen sozialen Wert
bemessen läßt.
Es ist aber nicht verbürgt, daß die Befolgung dieser beiden
heuristischen Leitlinien zu irgend welchen generellen Feststellungen
führt; wenigstens nicht zu solchen, die von anderer Struktur und
minder zufälliger Geltung wären als die kriminalstatistischen, die
dabei den Vorzug größerer Exaktheit haben. Denn das Milieu, das wir
als Reagens für die Persönlichkeitsartung benützen, ist nichts kon¬
stantes und homogenes, und um die Varianten des Einzelfalles und
seine Fehlerquellen auszugleichen, sind ja die statistischen Methoden
erfunden worden.
Ebenso auf der anderen Seite: die Verschiebungen von den Tat¬
einheiten zu den Motiveinheiten, von diesen zu den Einheiten des
sozialen Verhaltens überhaupt und von diesen zu den Tätertypen
gehorchen keiner Regel. Es spricht also nichts dagegen, wenn die
Kriminalpsychologie versucht diese beiden Wege zu gehen; aber es
ist höchst fragwürdig, ob sie dabei zu irgend einem Ziele zu kommen
vermag.
Und wenn man sich gerade in die besten der hierher gehörigen
Werke der kriminalpsychologischen Literatur der letzten Jahre ver¬
tieft, so wird einem diese Aussichtslosigkeit erschreckend deutlich.
Welch eine Fülle sorgsam zusammengetragenen Einzelmaterials
ist etwa in den Arbeiten Moelis 1 ), Baers *), von Grabes *) Grüble s 4 ), Hom-
burgers*), und vieler anderer Forscher angehäuft 1 Und wie wenig ist
davon im eigentlichen Sinne kriminalpsychologisch verwertbart Ent*
weder es handelt sich vorwiegend um die psychiatrische Diagnostik oder
forensische Begutachtung der einzelnen Fälle und ihre äußerliche Zu-
a ) Moeli , Über irre Verbrecher, Berlin 1888.
*) Baer, Über jugendl. Mörder u. Totschläger, Groß ’ Archiv 11. S. 103 ff.
# ) v. Grabe , Prostitut., Kriminal., Psychopath. Groß ’ Archiv 48.
S. 135 ff.
4 ) Grüble, Die Urs. der jugendl. Verwahrlosung und Kriminal.
Berlin 1912.
*) Homburger, Lebensschicksalegeisteskr. Strafgefangener, Berlin 1912.
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Uber die logische Stellung der Kriminologie zur Psychopathologie. 47
sammenordnung nach klinischen Gruppen, wobei alle tieferen Zusammen¬
hänge zwischen psychischer Artung und sozialer Haltung nicht heraus¬
gearbeitet, sondern schon vorausgesetzt werden oder an sich evident sind,
je nach dem einzelnen Falle (Siefert 1 ), Wilmanns'), Rüdin*), etc.). Oder
es werden direkte kriminalsoziale Gesetzbildungen auf psychologischer
Basis intendiert. Hierbei aber kommt es nur zu zahlenmäßigen Zusammen¬
fassungen, die bisweilen einen gekünstelten Charakter tragen, von Be¬
griffen, die gar keinen theoretischen oder gar psychologischen Unterbau
haben, hinter denen oftmals ein Prinzip wissenschaftlicher Induktion
vermißt wird, die vielmehr alles Problematische als gelöst vorwegnehmen.
In allen diesen gewiß wertvollen großen Arbeiten ist das Bleibende sta¬
tistisch errechnet und macht etwas über Spielarten der Milieuwirkung
aus. Die psychologische Verknüpftheit der Persönlichkeitstypen mit ihrem
Milieu wird in keine Regel gebracht, höchstens einmal an Einzelfällen,
die in der Luft hängen, illustriert. Es geht dann gern die Rede, man
arbeite für die Praxis; und das trifft auch z. B. auf Moelis oder Sander-
Richters Werke voll zu; — oder man wolle ja auch nur Material für eine
künftige Forschung sammeln. Aber eine wesentliche Anbahnung und
Fundierung dieser Forschung wird gar nicht erst versucht. Oder man
behauptet, wie Longard, daß eine Gruppe besonders gefährlicher Verbrecher
aus Anlage auch kriminalpsychologisch eine Einheit bilde; und muß sich
gefallen lassen, daß Baer auf Grund einer ganz ebenso trefflich beobachteten
gleichartigen Gruppe jugendlicher Mörder diese kriminalpsychologische
Einheit leugnet. Oder man publiziert, wie von Grabe , sein schönes Mate¬
rial, um dann die Frage, ob es eine deskriptive kriminalpsychologische
Einheit der geborenen Puellennatur gäbe, unentschieden zu lassen und
nur vor dem nichtssagenden Degenerationsbegriff *) der Psychopathologie
eine Verbeugung zu machen.
•
') Siefert, Über die Geistesstörungen der Strafhaft, Halle 1907.
') Wilmanns , Zur Psychopathol. des Landstreichers, Leipzig 1906.
*) Rüdin, Über d. klin. Formen d. Gefängnispsychose. Allgem.
Zeitschr. f. Psych. 18. S. 447 ff.
4 ) Wir haben die Verwertung des Entartungs- und Degenerations-
begriffes für die Kriminalpsychologie bisher mit guten Gründen vermieden.
Ohne restlos den ablehnenden Standpunkt Kauffmanns (a. a. O. S. 23 ff.)
zu teilen, meinen wir doch, daß es für psychologische Zwecke, wie schon
Ängiolella (Aschaffenburgs Monatsschrift I, S. 207) ausgeführt hat, ledig¬
lich darauf ankommen dürfte, ob er mit einem bestimmten psycholo¬
gischen Sinn erfüllt ist oder nicht. Er dient nun aber, wenigstens zur¬
zeit, nicht als Erkenntnismittel, sondern als Verschleierungsmittel
psychologischer Tatbestände, das immer da angezogen wird, wo die psycho¬
logische Bearbeitung derselben versagt oder unzulänglich wird.
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Kronf eld,
Doch besteht die Möglichkeit, durch Einschiebung eines prinzi¬
piellen psychologischen Gesichtspunktes den beiden gekennzeichneten
Forschungsrichtungen einer möglichen Kriminalpsychologie wirk¬
lichen Rückhalt zu geben. Dieser Gesichtspunkt läßt sich umschreiben
als das Problem der Reaktivität
Man kann sich nämlich fragen, wieweit denn überhaupt, nicht
bloß unter kriminalsychologischem Gesichtspunkt, die deskriptiven
psychopathologischen Charaktere durch direkte psychische Merk¬
male abgegrenzt sind; wieweit nicht soziale Kriterien zu ihrer Ab¬
grenzung mitbenutzt werden. Bei der Stellung dieser Frage handelt
es sich um den Begriff der sozialen Kriterien nicht im Sinne einer
Formation, sondern in deskriptivem Sinne, als Merkmale sozialen
Verhaltens, deren Oberbegriff die Reaktion auf Reize über¬
haupt ist. Die Voraussetzung psychopathologischer Forschung
bleibt bei dieser Fragestellung bestehen: daß jeder Typus eine de¬
skriptive Einheit sein muß; die Frage aber ist, ob diese Einheit der
Beschreibung zugänglich ist, ohne daß man auf die soziale Verhaltens¬
weise als Index der Reaktivität zurückzugreifen braucht.
Denkt man beispielhalber an den Typus des Rentenkampfhyste-
rikers, so ist klar, daß seine soziale Rolle und Einordnungsart, als
wesentlicher Ausdruck seiner Reaktivität, das direkt beherrschende
Kriterium seiner psychologischen Einheitlichkeit ist. Neben diesem
kommt das psychologisch unmittelbar erhältliche Material kaum in
Frage. So wie er abgegrenzt ist, müßten es nun auch die kriminal¬
psychologischen Typen im engeren Sinne sein!
In die organischen Psychosen, in die Dementia praecox und in
manche psychopathologischen Typen (z. B. die Zyklothymen) geht
sicher kein soziales Merkmal mit ein. Ist das aber bei allen Typen so ?
Wie kann z. B. ein erethisch Imbeziller überhaupt einheitlich
beschrieben werden, ohne daß man den sozialen Maßstab seiner beson¬
deren Art von Außerdurchschnittlichkeit heranzieht? Daß dahinter
eine auch direkt greifliche psychologische Einheit steht, das „fühlt“
man zwar, aber objektiv darstellen kann man sie nicht. Die de¬
skriptive Charakteristik auf Grund direkter psychologischer Kriterien
mag eine Forderung der Psychopathologie bleiben. Ob sie in jedem
Falle erfüllbar ist, ist zweifelhaft. Aber für die Kriminalpsychologie
besteht sie nicht. Erblickt man im sozialen Verhalten unter den ein-
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Über die logische Stellung der Kriminologie zur Psychopathologie. 49
zelnen sozialen Handlungen auf Grund sorgsamer Individualpsycho-
logie den Ausdruck der besonderen Reaktivität eines psychischen
Typus, so ist ein bestimmter psychologischer Gesichtspunkt für die
Kriminalpsychologie gewonnen.
Das soziale Verhalten fungiert dann nämlich in doppelter Be¬
deutung. Erstens ist es das normative Substrat der wertenden Krimi¬
nologie, deren Normgründe — wie oben ausgeführt — im geltenden
Strafrecht und im sozialen Ganzen liegen. Zweitens ist es der deskriptiv
zugängliche Ausdruck einer psychologischen Einheit, der Reaktivität,
die wir im Wege psychologischer Untersuchung auf Wesens- und
Artungsgrundlagen psychischer Typen, die ihrerseits deskriptiv unter¬
scheidbar sind, gesetzmäßig zurückbeziehen können. Damit, und
damit allein, ist die Brücke geschlagen zwischen den soziologischen
und den psychologischen Arbeitsweisen der Kriminologie; damit
erhält die Kriminalpsychologie ihr eigentliches Arbeitsfeld: die ver¬
schiedenen Weisen sozialen Verhaltens, soweit sie der adäquate Aus¬
druck der Reaktivität psychologischer Einheiten sind. Damit, daß
wir den Reaktivitätsbegriff hier besonders herausheben, vollziehen
wir gewiß nichts Neues. Aber das ist auch nicht unsere Absicht.
Nicht um neue Fakten handelt es sich ja in diesen Methodenfragen,
sondern um wissenschaftliche Sicherung und Fundierung der alten.
Und so vielfach über den Begriff der psychopathischen Reaktivi¬
tät geschrieben worden ist, so ist doch für die Kriminalpsychologie
bisher fast nichts herausgekommen, wenn man von der Psychologie
der Haftpsychosen und einigen anderen mehr psychopathologischen
Einzelfragen absieht, die nur zufällig auch von kriminalpsycholo¬
gischem Belang sind. Unabhängig von solchen Spezialproblemen
hat Birnbaum l ) ihn jüngst in eine logisch eindeutige Beziehung zu
den Begriffen der Konstitution und der seelischen Eigenart gestellt;
und Homburger 2 ) hat ihn zuerst in klarer und einwandfreier Weise
für kriminalpsychologische Fragestellungen schlechthin aufgenommen,
allerdings nur in einem kleinen Teilgebiete seiner Arbeit.
Homburger definiert Reaktivität als Aktivität im Verhältnis
zu psychisch wirksamen Geschehnissen; er unterscheidet an ihr eine
1 ) Birnbaum , Der Konstitutionsbegriff in der Psychiatrie. Zeitschr.
f. d. ges. Neur. u. Psych. 2. S. 520 ff.
*) A. a. O. S. 148 ff.
Zeitschrift für Psychiatrie. LXXII. 1 . 4 f
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Kronf eld,
qualitative Richtungskomponente und eine quantitative Starkekom¬
ponente; beide wirken in der Reaktion, der jeweiligen Einzelhandlung,
zusammen. Horribwrger erkennt klar, „daß die Reaktivität
eines Individuums ein Ganzes ist, ein relativ Abge¬
schlossenes, Einheitliches, somit auch ein relativ Kon¬
stantes und Berechenbares“ 1 ). Sie erwächst aus dem Ver¬
hältnis der im Entschluß jeweils zusammenwirkenden Verstandes -
mäßigen und affektiven Faktoren. Entsprechend der Art, wie dieses
Verhältnis konstitutionell präformiert ist, hält die Richtung der
Reaktivität gewöhnlich eine „Hauptorientierungslinie“ inne. Jedoch
kann jenes Verhältnis ein labiles sein — wobei wieder die Art der
Labilität auf psychologische Einheiten zurückfUhrbar ist: — dann
ergibt sich eine bestimmte Abwegigkeitsbreite in der Richtung der
Reaktivität. Die Stärke der Reaktivität ist ebenfalls das Ergebnis
mehrerer Umstände, deren einer in der auslösenden äußeren Ursache
des Reagierens liegt. Die anderen sind rein psychischer Art. Auch
der erstere ist natürlich bis zu einem hohen Grade von der seelischen
Artung des Menschen abhängig, auf den er trifft.
„Alle diese Faktoren sind quantitativ variabel und umschließen
in ihren graduellen Abstufungen eine unendliche Reihe (?) mannig¬
faltiger Zusammenordnungen... Innerhalb einer weiten Exkursions -
breite stellen sie die Fähigkeiten und Möglichkeiten dar für eine ge¬
ordnete und stetige Existenz ohne Kollision mit den bestehenden
Rechtsnormen. In ihren Auswirkungen treten sie, in beweglicher
Distanzierung (?) zu einem idealen Durchschnittstypus, zu mehr
oder weniger umschlossenen, .mehr minder festgefügten Verbänden
zusammen, den Individualitäten und Charakteren. Ihr Verhalten
nennen wir dann normwidrig, wenn sie den Anforderungen der Ein¬
fügung in den sozialen Zusammenschluß und der Betätigung inner¬
halb desselben widerstreben, sie verneinen, bzw. ihnen vorübergehend
oder dauernd nicht zu genügen vermögen 2 ).“
Am letzten Satze ist interessant und bedeutsam, mit welcher
intuitiven Sicherheit der Autor das Wesentliche der kriminalpsycho¬
logischen Typenbildung erfaßt hat: ihren Wert Charakter. Die Ver-
U A. a. O. S. 149.
*) Homburger, a. a. O. S. 154.
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Über die logische Stellung der Kriminologie zur Psychopathologie. 51
bände von „Individualitäten“ und „Charakteren“, also die Typen-
bildungen sind noch rein deskriptiv gewonnene psychologische Form¬
gruppen der Reaktivität.
Unter dem Gesichtswinkel ihrer „Einfügung in den sozialen
Zusammenschluß“ tritt sogleich der Normbegriff auf. Die deskriptiv
gewonnenen Reaktivitätstypen brauchen keine weitere Umformung
zu erfahren; sie bilden unmittelbar die Einheiten des Subsumptions-
materials unter diesem Normbegriff. Sie gehen direkt als Elemente
in die normative Bearbeitung der Kriminalpsychologie über. Eoin-
burger vermeint zwar mit der Bewertung als normwidrig nichts gerade
Kriminalpsychologisches zu sagen; er denkt allgemeiner an den Begriff
des Pathologischen. Diese Behauptung ist irrig und dürfte aus dem
schon als fehlerhaft bezeichneten Aufsatz Windelbands hergeleitet
sein. Der Begriff des Pathologischen ist ein Normbegriff nur im Sinne
einer immanenten Teleologie des psychischen Geschehens. Der teleo¬
logische Gesichtspunkt aber kann und muß sogar für jede vortheo¬
retische Deskription ausgeschaltet werden. Auch bei solch einer
rein deskriptiven Bearbeitung müssen die Kriterien des Pathologischen
schon implizite vorhanden sein. Ihre Unterstellung unter einen nor¬
mativen Krankheitsbegriff entspringt aus einer irrigen Ansicht über
das Wesen der Wissenschaft von individuellem psychischen Geschehen.
Das zeigt sich auch an Hamburgers Behauptung über den normalen
Durchschnittstyp. Ich verweise hier nur auf die Ausführungen in
Kap. V meines Buches: Grundlinien der Phänomenologie, Springer 1915.
Aber, was hier allein wichtig ist: für die kriminalpsychologische Be¬
trachtungsweise gilt durchaus, was Hamburger für die psychopatho-
logische schlechthin aufgestellt hat. In seinen zitierten Ausführungen
liegt der wahre Grund der Möglichkeit von Kriminalpsychologie;
hier liegen die Sicherheiten wie die Grenzen ihres wissenschaftlichen
Anspruchs.
Es ändert an dieser Sachlage nichts, wenn für eine große Reihe
von Typen das direkt deskriptive Fundament heute noch keineswegs
zureicht, sondern stets aus dem sozialen Verhalten ergänzt werden
muß; ja daß die Bildung einiger Typen — wie z. B. des moralischen
Schwachsinns und anderer — einzig und ausschließlich auf das letztere
basiert werden kann, weil direkte psychologische Kriterien für diese
Typen fehlen. Denn diese Frage der Erkennbarkeit ist keine prinzipielle
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Kronf eld.
Frage des Sachverhalts. In solchem Falle wird man das Tatsachen¬
fundament, wie wir es getan haben, aus dem beobachteten sozialen
Verhalten rückschließend konstruieren müssen. Jedenfalls bleibt
es heuristisches Prinzip dieser Forschung, daß eine reale psycholo¬
gische Einheit da sein muß, wenn man die Berechtigung haben soll,
Typen zu bilden. Das Zusammenordnen nach dem zufälligen äußeren
Schicksal ist unpsychologisch, und nur wo die äußere Lebensführung
der Ausdruck einer einheitlichen Reaktivität ist — mag diese auch
nicht direkt faßbar sein, z. B. beim moralischen Schwachsinn — ist
sie gestattet.
Wir wollen ferner an dieser Stelle nicht in eine Detailunter¬
suchung darüber eintreten, ob Homburger* zwei Bestimmungsstücke
der Reaktivität psychologisch erschöpfend sind: die verstandes¬
mäßigen und die affektiven Abläufe. Wir wollen nur generell sagen:
Reaktivität ist der Inbegriff der psychologischen Be¬
dingungen des Handelns, des Sichverhaltens. Dies ist, wie wir
schon an dem besonderen Beispiel des moralischen Verhaltens erörtert
haben, abhängig von der Art, wie refiexionelles Zweckbewußtsein,
reaktive Affekte, Interessen, Triebe gefühlsmäßige Reminiszenzen etc.
den Willen beeinflußen.
Neben den beiden Komponenten Homburger* muß also zum
mindesten noch der Wille in seiner besonderen Eigenart in Rechnung
gestellt werden (Beeinflußbarkeit, Willensschwäche etc.). Aber
auf die absoluten Verhältnisse der einzelnen Funktionen kommt es
hier nicht so sehr an: da auch Homburger betont, daß die Reaktivität
einen einheitlichen und abgeschlossenen Charakter habe, so handelt
es sich dabei um das Ergebnis der präformierten Beziehung zwischen
den Funktionen. Reaktivität ist die Resultante des Funk¬
tionszusammenhanges, im Hinblick auf die Handlung
als psychischen Effekt.
Eine Reihe von Formen der Reaktivität hat man deskriptiv
zusammengestellt, und zwar nach ihrer Hauptrichtung oder „Haupt¬
orientierungslinie“ im Sinne von Homburger. „Man spricht in diesem
Sinne von konstitutioneller Verstimmung, von sanguinischer und
phantastischer Minderwertigkeit, pathologischen Schwindlern, Halt¬
losen, von hysterisch-exzentrischen, paranoiden und epileptoiden
Typen.
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Über die logische Steilung der Kriminologie zur Psychopathologie. 53
Die Gruppencharakteristika besagen, daß solche Individuen
vorwiegend in dieser Richtung eingestellt sind, ohne daß Ausschläge
in anderem Sinne ausgeschlossen wären. Wie es Psychopathen gibt,
welche affektbetonte Ereignisse nahezu stets und von Anfang an mit
depressiver Verstimmung beantworten, verfallen andere in unmutige,
zornige, selbst gewalttätige Erregung und schlagen dann vielleicht
später in depressivem Sinne um. Nun ist die Lage aber gewöhnlich
derart, daß der affektiVe Charakter eines Ereignisses eine in gleicher
Richtung orientierte Persönlichkeit besonders affiziert, so daß zwischen
Ursache und Wirkung eine innere Übereinstimmung besteht, welche
nicht erst in komplizierten psychologischen Zwischenvorgängen zu
suchen ist, sondern ganz unmittelbar zutage tritt 1 ).“
Die angegebenen Einteilungen sind zunächst solche von de¬
skriptiv unterscheidbaren Charakteren, wenn man will, von psycho¬
pathischen Typen. Ein wesentliches Merkmal dieser Unterscheidung
aber, bei einigen das allein entscheidende Merkmal, bildet ihre ver¬
schiedene Reaktivität. Diese ist das Ergebnis des jeweils verschie¬
denen Ineinandergreifens der psychischen Grundfunktionen. Letztere
sind an sich nicht überall direkt beobachtbar, sondern müssen zum
Teil rekonstruiert werden. Dies ist eine Aufgabe der Psychopatho¬
logie, deren Lösung zum Teil noch in weiter Ferne steht. Aber das
geht uns an dieser Stelle nichts an. Direkt beobachtbar ist jedenfalls
die Reaktivität, spezifisch wie sie jeweils ist; und diese direkt beob¬
achtbare spezifische Konstante liefert uns den oftmals entscheidenden
Anhaltpunkt für die Trennung psychopathologisoher Typen von
einander, auch da. wo wir die Möglichkeit exakter be¬
grifflicher Determinierung des Charakters aus seinen
funktionalen Grundlagen noch nicht besitzen. Das soziale
Verhalten endlich ist ein Index für die Reaktivität, an dem sie auch
dann noch beobachtbar ist, wenn andere unmittelbarere, etwa experi¬
mentelle Reize versagen, weil sie qualitativ nicht speziell genug ab-
stufbar sind. Es ließe sich zwar die Möglichkeit denken, daß es einer
differentiellen Psychologie gelänge, experimentelle Reizvarianten von
solcher Feinheit auszuarbeiten, daß durch sie die einzelnen typi¬
schen Reaktionsformen ebenfalls nach allen Richtungen hin unter -
I ) Hornburger a. a. O. S. 150.
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*
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schieden werden können. Aber tatsächlich ist das noch nicht der
Fall; und da steht uns das soziale Verhalten als vielseitigste und
komplexeste Ausdrucksart typischen menschlichen Reagiere ns auch
für unsere deskriptiven Zwecke allein zu Gebote.
Dies soziale Verhalten nun läßt sich nach seinen verschiedenen
Weisen noch unter einen anderen Gesichtspunkt bringen: den der
kriminologisch-sozialen- Norm. Und damit ist die Grundfrage, die
am Eingang dieses Kapitels gestellt wurde, hinreichend beantwortet:
inwiefern das soziale Moment zum Kriterium psychologischer Typik
zu werden vermag. Diese Frage war uns identisch mit der nach der
wissenschaftlichen Möglichkeit von Kriminalpsychologie. Was den
rein methodischen Gesichtspunkt anlangt, so liegen für den psycho¬
logischen Teil dieser Frage nunmehr keine Schwierigkeiten mehr
vor. Es besteht eine Kontinuität von den kriminologisch abgeteilten
Formen sozialen Verhaltens bis zu ihrer Fundierung durch den zu¬
gehörigen deskriptiven psychologischen Typus. Ob aber eine krimino-
logisch-normativ ausgebildete Einheit sozialen Verhaltens auch eine
deskriptiv einheitliche Basis hat, das entscheidet sich danach, wie
weit sie der Index einer psychologisch typischen Reaktivitätseinheit
ist. Und das ist direkt beobachtbar. Ist das soziale Verhalten
der Ausdruck einer solchen psychologisch einheitlichen
Reaktivität, so muß es als kriminalpsychologisches Aus¬
gangsmaterial angesetzt werden, ohne einer weiteren
Zurückführung zu bedürfen. Ist es das nicht, so muß es auf
die verschiedenartigen Reaktivitätsgrundlagen zurückbezogen werden,
denen es in gleicher Weise entsprechen könnte. Das geschieht einmal
durch die Analyse der jeweiligen Reaktionsbedingungen, d. h. des
Milieus, zweitens von der Seite der Individualpsychologie her.
Daraus folgt z. B., daß der Begriff der kriminellen Neigung
kriminalpsychologisch keine Stelle hat. Es folgt ferner z. B.,
daß der Begriff des phantastischen Schwindlers eine kriminalpsycho-
logische Einheit bildet. Es folgt endlich, daß der Begriff des Affekt-
Verbrechens, wenn er auch noch keine endgültig formulierte kriminal¬
psychologische Einheit ist, doch sicherlich in solche Einheiten auf-
spaltbar ist, je nach den Reaktivitätstypen, denen die kriminologischen
Arten des Affektdelikts adäquat sind. Möglicherweise bleibt hier
ein psychologisch nicht glatt subsumierbarer Rest. Und endlich,
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Über die logische Stellung der Kriminologie zur Psychopathologie. 55
um auf den Begriff des geborenen Verbrechers zurückzukommen,
von dem wir ja ausgegangen waren, so liegen die Verhältnisse hier so:
er ist ganz zweifellos keine kriminalpsychologische Einheit, insofern
wir bei der oben durchgeführten psychologischen Analyse verschiedene
und verschiedenartige psychische Typen fanden, die zu dem gleichen
sozialen Verhalten führen konnten, aber nicht zu führen brauchten;
dennoch ist er als eine solche kriminalpsychologische Einheit brauch¬
bar, wenn man ihn auf zwei dieser Gruppen zurückführt: den mora¬
lischen Schwachsinn (ohne Gefühlsgrundlagen) und den erethiseh
Imbezillen (ohne Hemmungsgrundlagen der Verbindlichkeit von
Zeitmoral).
Beide Typen sind zwar charakterologisch verschieden struktu¬
riert; aber der Effekt der verschiedenartigen Strukturen, soweit
er sich in der Reaktivität äußert, ist der gleiche.
II. Über den Begriff der Milieuabhängigkeit.
Nicht ganz so klar, wie der methodische Weg jetzt sein dürfte,
welcher vom sozialen Verhalten zum menschlichen Typus führt,
ist der andere, welcher vom sozialen Verhalten zu den Tattypen geht.
In den Tattypen steckt noch ungegliedert und unberücksichtigt das
persönliche Moment von Täter und Motiv und das Milieumoment
von Situation und objektiver Bedingung. Im sozialen Verhalten
hingegen, wofern es auf die Einheiten gebracht ist, von denen bisher
die Rede war, und die für die Kriminalpsychologie erforderlich sind,
spielt das Milieu die Rolle einer praktisch zu vernachlässigenden
Konstanten. Und um die Einseitigkeit dieses Gesichtspunktes aus¬
zuschalten und das Milieu in die ihm zukommende ätiologische Rolle
einzusetzen, ohne doch kriminalpsychologische Errungenschaften
aufzugeben, ist es notwendig, die kriminalpsychologisehen Einheiten
des Verhaltens in ihrer Beziehung zum Milieu schlechthin zu unter¬
suchen. Wir führen sie unter dem vergleichenden und einheitlichen
Gesichtspunkt ihrer Milieuabhängigkeit zusammen. Es sei von
vornherein bemerkt, daß der Begriff der kriminalpsychologisehen
Reaktivität und der Begriff der Milieuabhängigkeit einander nicht
entsprechen. Aber freilich steht die Art der Milieuabhängigkeit in
psychologischer Verknüpfung mit der Reaktivität. Mehrere verschieden¬
artige Reaktionsformen können sich in bezug auf Art und Grad der
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Kronf eld,
Milieuabhängigkeit gleich verhalten, ln den Arten der Milieuab¬
hängigkeit haben wir den direkten kriminalätiologischen
Faktor rein herausgearbeitet. Seine psychologischen wie seine
kriminalsozialen Anteile sind beide mittelbarer Art und in dem Medium
einer dritten, direkt ätiologischen Betrachtungsweise aufgegangen,
die ihrerseits dabei aus rein deskriptivem Material gewonnen ist.
Von dieser Begriffsbildung, die in der gegenwärtigen Kriminalistik
noch nicht die ihr gebührende methodische Rolle spielt, sondern
meist als unwesentlicher Teil der Kriminalpsychologie abgehandelt
wird, soll im folgenden einiges Wenige gesagt werden.
Der Vorteil, der durch die Anwendung des Begriffs der Milieu¬
abhängigkeit in dem von uns gemeinten Sinne erzielt würde, bestünde
unseres Erachtens besonders darin, daß der Unklarheit ein Ende
gemacht würde, die in dem bisherigen Begriffe der exogenen Ursache
liegt. Der Unterschied der exogenen von den endogenen Momenten
ist zwar theoretisch klar, bereitet aber in seiner Anwendung große
Schwierigkeiten. Die Tatsache, daß jemand in erhöhtem Maße durch
exogene Reize bestimmbar und beeinflußbar ist, ist ihrerseits doch
nicht exogen, sondern endogen präformiert. Hier liegt ätiologisch
eine kaum behebbare Bedenklichkeit für die sogenannten reaktiven
Psychosen und pathologischen Reaktionen. Denn auch wenn man
diese gemäß obiger Erwägung nunmehr durch vorwiegend endogene
Faktoren bedingt betrachten würde, so wäre wiederum der zeitlich
bestimmte Ausbruch der Psychose (in der Haft, nach einem Unfall),
ihr besonderer inhaltlicher Typus und ihr Verlauf jeweils ganz uner¬
klärt. Man kann ja natürlich von Fall zu Fall abzuschätzen versuchen,
mit welchen Stärkegraden exogene und endogene Faktoren mitein¬
ander oder besser ineinander wirken; und so geht man ja auch meist
vor. Aber hierbei kommt die gesetzmäßige Notwendigkeit
und Einheit dieses Ineinanderwirkens nicht zum Ausdruck. Und
daher lassen sich auch keinerlei Gesetze über diese Wechselwirkung
aufstellen, was doch erstes Erfordernis einer Kriminologie wäre. Daß
ein reizbarer Mensch tatsächlich nur gereizt ist, wenn das Milieu ihn
reizt, und daß theoretisch ein Milieu denkbar wäre, in dem der reiz¬
barste Mensch niemals gereizt wäre, dies ist trivial. Was aber folgt
daraus an gesetzmäßiger Beziehung zwischen exogenem und endogenem
Faktor ? Doch nur die trivialen und dabei nicht einmal ohne weiteres
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Ober die logische Stellung der Kriminologie zur Psychopathologie. 57
vereinbaren Sätze, daß das Milieu immer „schädlich“ ist, und daß
jemand, der gereizt ist, wenn es ein anderer noch nicht wäre, wohl
besonders reizbar sein muß. So naiv dieses Beispiel eines Schlu߬
verfahrens. klingt, so muß man doch sagen: viel mehr hat man in
diesem Gebiet bisher nicht ausgerichtet. Und doch besteht eine ge¬
wisse Möglichkeit hierzu. Einmal darin, daß, wie wir schon ausführlich
dargestellt haben, die Reizbarkeit in diesem Beispiel ohne alle Rück¬
sicht auf die äußeren Anlässe, unter denen sie sich äußerte, aus der
Reaktivität in dem von uns definierten Sinn als aus ihrem psycho¬
logischen Gesetz begriffen wird. Auf diese Weise würde erklärt, warum
ein bestimmter psychischer Typus gerade gereizt reagiert, nicht etwa
traurig oder lachend oder phantastisch. Zweitens aber muß ebenso
gesetzlich begriffen werden, was für Faktoren nach Qualität und
Art eine Reaktion erzwingen. Und zwar nicht absolut: denn da dürfte
es überhaupt keinen einzigen Reiz geben, der nicht psychisch irgendwie
wirkte; und bei der Mannigfaltigkeit äußerer Reize und psychischer
Strukturen käme da überhaupt nichts Übersehbares oder gar Gesetz¬
mäßiges heraus. Vielmehr gilt diese Frage in einer mehrfach ein¬
geengten Bedeutung: von den Reizen kommt nur derjenige Komplex
in Frage, der durch das soziale Zusammenleben in seinen gegen¬
wärtigen ökonomischen, rechtlichen und gesellschaftlichen Formen
Umrissen wird; dieser allerdings vor jeder bestimmten Gliederung,
welche die Kriminalstatistik an ihm vornehmen muß. Hinzu kommt
aber noch die besondere jeweilige Reaktivität selber in ihrer psycholo¬
gischen Bestimmtheit. Nur dann ist Aussicht auf Gliederung und
damit auf Gesetzmäßigkeit gegeben. Das Problem der Milieuab¬
hängigkeit kommt also auf die Frage hinaus, wie die Reaktivitäts-
formen in einem als ungefähr gleichartig vorausgesetzten Milieu
sich qualitativ und quantitativ aktualisieren; es ist identisch mit
der Frage der exogenen Bestimmbarkeit für die vorausgesetzten
Reaktivitätstypen, aber nicht der Bestimmbarkeit schlechthin, sondern
nur so weit sie das soziale Verhalten anlangt. Diese Bestimmbarkeit
hat nicht nur, wie es zuerst scheinen könnte, Grade — die etwa der
Leichtigkeit entsprächen, mit der die einzelne Reaktivitätsart sich
realisiert; denn das würde ja nicht wesentlich über den Reaktivitäts¬
begriff hinausführen; sondern diese Bestimmbarkeit hat auch quali¬
tativ verschiedene Arten — denn einmal erfordert jede Reaktivi-
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tätsform ihrer eigenen Qualität nach verschiedene und andere Milieu -
bedingungen, um wirksam zu werden. Zweitens aber darf man nicht
vergessen, daß der Zweck dieser ganzen Erwägungen ein kriminolo¬
gischer ist. Hiernach handelt es sich nicht um jedes beliebige soziale
Reagieren, sondern um ein solches, das Verstöße gegen — freilich
apsychologisch fundierte — Normen enthält oder mittelbar nach
sich zieht. Solche Verstöße sind nur möglich, wenn vom Gesichts¬
punkte des Milieus aus ihr Gegenteil ebenso möglich wäre, aber im
realen Falle nicht eingetreten ist. Diese erklärungsbedürftige Tat¬
sache bedingt ja unsere Fragestellung. Es muß dann also so sein,
daß es im Wesen bestimmter Milieusituationen liegt,
qualitativ eigenartige Reaktivitätsformen zu qualitativ
divergenten Reaktionen zu veranlassen.
Hieraus folgt: die Arten der Milieuabhängigkeit ergeben
sich einmal aus den Arten der Reaktivität, welche nur
mit bestimmten Milieureizqualitäten adäquat reagieren:
zweitens aus den Arten der Milieureize, die zu einer
antisozialen, beziehungsweise normwidrigen Reaktion be¬
sonderer Reaktivitätsqualitäten bedürfen. Diese beiden
Gesichtspunkte durchdringen sich in unserem Begriff der Milieu¬
abhängigkeit. Man könnte prinzipiell daran denken, jeden dieser
beiden Gesichtspunkte rein für sich herauszuarbeiten. Aber damit
käme man zu Grenzbegriffen, die ihrerseits keine Realität haben:
vom Milieugesichtspunkte aus, unter Vernachlässigung seiner Be-
zogenheit auf Reaktivitätsformen, käme man zum Begriff von Milieu¬
situationen, die unter allen Umständen antisoziale Reaktionen er¬
zwingen, oder solchen, die solche unter keinen Umständen bedingen:
beides sind irreale Konstruktionen; und für das, was zwischen diesen
beiden Extremen liegt, fehlte jedes Kriterium der Gliederung. Genau
die gleiche Konstruktion ließe sich auch vom Gesichtspunkt der
Reaktivitätsform machen, führte jedoch bei Vernachlässigung der
Milieusituation ebenfalls zu fiktiven Gebilden: nämlich einem unter
allen Umständen und prinzipiell immer antisozialen Reagieren einer¬
seits, zu seinem Gegenteil andererseits. Für das Dazwischenliegende
gibt es überhaupt keine Einteilung außerhalb des Milieugesichts¬
punktes: denn wenn ein Reaktivitätstyp sich „bald“ antisozial ver¬
hält, „bald“ nicht, so liegt bei identischem Typus die unterscheidende
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Über die logische Stellung der Kriminologie zur Psychopathologie. 59
Bedingung im Milieu. Weil derartige theoretische Gebilde fiktiv sind,
und weil auch tatsächlich ihr Bildungsgesichtspunkt ein unnatürlicher
ist, darum gehen wir eben bei der Bestimmung der Milieuabhängigkeit
von dem Gesichtspunkt der verschiedenen Beziehungs¬
qualitäten zwischen Reaktivität und Reaktionsform aus,
die sich durch die Zwischenschaltung der Milieubedingungen ergeben.
Wir vermeiden aber hierbei die Schwierigkeit, die exogenen Faktoren
direkt neben die endogenen zu stellen, weil uns durch diese Frage¬
stellung das unlösbare Problem, welcher Bedingungsreihe gesetz¬
mäßig der Vorrang zukommt, entsteht.
Diese logischen Bestimmungen ließen sich noch viel genauef
und in größerer Breite entwickeln; indessen glauben wir an dieser
Stelle darauf verzichten zu sollen. Uns liegt mehr daran, innerhalb
des so gewonnenen Begriffs der Milieuabhängigkeit noch eine quali¬
tative Unterteilung vorzunehmen, die praktisch von unmittelbarerer
Wichtigkeit ist als die prinzipiellen Entwicklungen.
Man wird rein deskriptiv mehrere Arten von Milieuabhängigkeit
unterscheiden können, wenn man als deren äußeres Kennzeichen
vorwiegend das Verfallen in Antisozialität benützt. Bei der ersten
Art wird das Individuum — als eine passive, sozusagen amorphe,
plastische Masse — von jedem Milieu und Milieuzufall ständig und bis
auf die formalen Fundamente herab um- und neugebildet.
Die zweite Art der Milieuabhängigkeit erstreckt sich nicht auf die
Gesamtheit psychischer Bildung, sondern nur auf bestimmte und be¬
grenzbare Weisen seelischer Tätigkeit und sozialen Verhaltens. Und
diese sind auf Charakteranomalien und -Unstimmigkeiten zurück¬
zuführen, die zwar präformiert sind, aber latent und inhaltleer ver¬
bleiben könnten, wenn nicht das Milieu sie zugleich aktualisierte und
mit jeweils besonderen Inhalten und Merkmalen versehen würde.
Die dementsprechenden besonderen Folgewirkungen sind also zwar
reine Milieuwirkungen, und sie sind auch je nach dem Milieu von
einander völlig verschieden: und dennoch eignet ihnen eine gemein¬
same formale psychische Basis, deren Existenz vom Milieu unab¬
hängig ist, so fest verankert ihre Funktionsmöglichkeit an der Vor¬
aussetzung des auslösenden Milieus ist. Diese besondere psychische
Basis bleibt auch trotz aller Milieuwirkungen unverändert bestehen.
Bei einer dritten Art von Milieuabhängigkeit ist die Möglichkeit
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Kronfeld,
gegeben, daß — die psychische Basis sei sonst wie sie wolle — der
Einfluß des Milieus niemals ein so großer wird, daß nicht andere den
Willen bestimmende Faktoren stärker wären. Hiernach ist eine Kon¬
stanz des sozialen Verhaltens gewährleistet, welche auch in einem
sozial schädlichen Milieu das Zustandekommen antisozialen Ver¬
haltens verhindert. Und diese Konstanz ist nicht ein Effekt äußerer
Furcht, sondern der adäquate Ausdruck des psychischen Wesens
dieser Menschen, soweit dasselbe innerhalb der Sozietät reagiert.
Es gibt natürlich Übergänge zwischen diesen drei Gruppen.
Aber an sich sind sie durch bloße Beobachtung unterscheidbar. Daß
sie bestehen, liegt an den jeweiligen Besonderheiten der ihnen zu¬
grunde liegenden Reaktivitätsformen, speziell an der Art, wie sich
diese im sozialen Verhalten aktualisieren. Diese Arten der Milieu¬
abhängigkeit lassen sich also zwar nicht auf psychologische Einheiten,
nämlich auf solche der Reaktivität, zurückbeziehen; aber das Aktu¬
alitätsmoment der verschiedenen fundierenden Reaktivitätsformen
ist für jede Gruppe im Effekt jeweils das gleiche.
Für die dritte Gruppe ist dieser Nachweis am leichtesten zu führen.
Zu ihr gehört die Mehrzahl der sozial lebenden Menschen. Wie ver¬
schieden diese in ihrer seelischen Konstitution auch sein mögen, immer
sind sie vor einem Hineingleiten in antisoziales Verhalten durch diese
ihre Konstitution geschützt; wider ihre natürliche Resistenz in dieser
Beziehung vermag auch ein schädigendes Milieu nichts. Es soll dabei
gar nicht verkannt werden, daß tatsächlich die Mehrzahl der Menschen
nicht nur hierdurch, sondern zugleich auch durch ihre ökonomische
Lage und ihre sonstige äußere Situation vor dem Rechtsbrechertum
bewahrt bleibt; das hindert nicht, daß diese Resistenz — auf so ver¬
schiedene psychologische Einheiten sie zurückführbar ist — als gemein¬
samer Reaktivitätseffekt hinzukommt und ein besonderes Merkmal
bildet, während auch ein günstiges Milieu die Angehörigen der beiden
anderen Gruppen nicht vor Rechtsbruch zu bewahren braucht. Natür¬
lich gilt all dieses nicht absolut; diese Resistenz gegenüber dem Milieu,
soweit es zur Antisozialität führen könnte, kann verschiedene Grade
haben, und Gelegenheits-, Not- und Affektdelikte treffen auch bei
diesem Typus der Milieuabhängigkeit wohl einmal zu. Aber vom
Einzelfall aus gesehen, hat die Kriminalität dieser Gruppe nichts
mit dem Wesen der Charaktere zu tun, die ihr angehören.
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Ober die logische Stellung der Kriminologie znr Psychopathologie. 61
Ein wenig schwieriger liegen die Verhältnisse schon bei der erst¬
genannten Gruppe von Milieuabhängigkeit. Ihre Einheit liegt in der
abnorm großen exogenen Bestimmbarkeit der Reaktivität, und zwar
in ihrer qualitativ allseitigen Bestimmbarkeit. Es ist keine
einheitliche „Hauptorientierungslinie“ der Reaktivität da, oder
wenn eine da ist, so sind doch die Milieumomente von stärkerer
richtungbestimmender Kraft. Das kann auf verschiedenen Anlage -
anomalien beruhen, mögen wir diese nun als Suggestibilität oder
als Willensschwäche oder als gefühlmäßige Gleichgültigkeit und Stumpf¬
heit oder als torpiden Schwachsinn voneinander trennen. Die Form
der Milieuabhängigkeit, die als gemeinsamer Effekt dieser verschieden¬
artigen psychischen Strukturen und ihrer Verbindungen herauskommt,
ist die der Haltlosigkeit. Der Begriff des Haltlosen oder Instable
ist also kein im engeren Sinne psychopathologischer, sondern ein
auf verschiedene psychopathologische Einheiten zurückgehender
Misch begriff, der erst dann möglich wird, wenn der Begriff der Milieu-
abhängigkeit als Einheit vorausgesetzt wird. Die Kriminalität dieses
Typus hat bei aller Vielseitigkeit auch das eine gemeinsame Merkmal,
welches aus der besonderen Art der Milieuabhängigkeit folgt. Sie
ist reines Milieuprodukt. Zu den aktiven energischen Verbrechern
gehört dieser Typus niemals, oder doch nur innerhalb einer verbreche¬
rischen Gemeinschaft, einer Bande, und auch da nie als Führer.
Am verwickeltsten liegen die Verhältnisse bei der zweiten Art
von Milieuabhängigkeit, die wir unterschieden haben. Bei ihr liegt
eine elektive Abgestimmtheit von besonderen Milieu¬
situationen mit besonderen einzelnen psychischen Zügen
vor, gleichviel ob diese für das Wesen des Typus, dem sie angehören,
belangvoll sind oder nicht. Es ist klar, daß sich hier eine große Zahl
von graduellen Unterstufen dieser Milieuabhängigkeitsart ergeben
muß, je nach der Zahl und dem Charakter der Milieusituationen,
denen jene Reaktivitätszüge besonders entsprechen, und je nach der
Intensität dieser Züge und ihrem Vorwiegen in der Gesamtreaktivität.
Wenn man dies Wechsel Verhältnis nach seiner psychologischen Seite
hin verfolgt, so findet man auch hier keinerlei Einheit. Aber man kann
doch Gruppen von Zusammengehörigem umschreiben, die den gleichen
Aktualitätseffekt der Reaktivität herbeiführen. So werden es, um
bei primitiveren Funktionen zu beginnen, Triebanomalien besonderer
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62 Kronfeld, über die logische Stellung der Kriminologie usw.
Art (z. B. sexuelle ) sein, deren Wirksamkeit durch besondere Reize
der Umwelt geweckt und mit Inhalten versehen wird. Auch allerlei
andere dispositionelle Faktoren sind denkbar, deren Aktualisierung
an besondere Milieuzustände und Zufälle gebunden ist. Bei kompli¬
zierteren psychischen Strukturen — und das ist das Häufigere —
kommen vor allem jene besonderen Anomalien der Funktionen und
Funktionszusammenhänge in Frage, deren Aufwendung das Ich in
der Umwelt bei irgend einer besonderen Gelegenheit braucht, um
sich — und sei es nur vor dem eigenen Selbstgefühl — durchzusetzen.
Geltungsbewußtsein. Erfolgsfreude und auch ganz elementare Funk¬
tionslust sind anfangs der Lohn, später das Motiv zur Weiterent¬
wicklung dieser Züge: und die Umwelt und jene „besondere Gelegen¬
heit“ setzt Richtung und Besonderung jener Entwicklungen. Unter
sehr vielen anderen Gruppen gehören auch diejenigen hierher, deren
Kriminalität durch ein besonderes äußeres Erleben provoziert wird:
Michael Kohlhaas und Schillers ..Verbrecher aus verlorener Ehre '.
Daß beim realen Einzelfall die geschilderte Wechselwirkung noch
komplizierter liegt, daß primitivere und verwickeltere Strukturen
sich verbinden, daß gegen ethische und andere Gegeneinflüsse des
Milieus abgewogen wird: dies alles mag für unsere generelle Um¬
schreibung außer Anschlag bleiben. Der Art nach bildet jedenfalls
das Aktualitätsmoment all der hierher gehörigen verschiedenartigen
Reaktivitätstypen eine Einheit, die allerdings graduell abstufbar ist.
Hierher gehören die meisten Psychopathien ihrer Kriminalität nach,
insbesondere ein großer Teil der hysterischen und pseudologischen
Charaktere.
Zum Schlüsse möchte ich Herrn Professor Lieptmnn (Herzberge)
herzlich danken für seine überaus wertvollen und fördernden Rat¬
schläge bei der Darstellung der Gedankengänge dieser Arbeit, sowie
für das stets freundliche Interesse, daß er ihnen entgegengebracht hat.
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Über Kopfhautfalten und Haarlinien.
Von
Dr. Rudolf Ganter, Wormditt.
Mit 2 Abbildungen.
Über dieses Thema habe ich in der deutschen Literatur, soweit
ich sie zu übersehen vermag, noch nichts gelesen. Dagegen haben
zuerst italienische und dann auch englische Autoren über Kopfhaut-
falten geschrieben.
Den ersten Fall schüderte Poggi 1884 bei einem Lypemanischen:
zahlreiche tiefe Furchen verliefen von vorn nach hinten über den Kopf
bis in die Hinterhauptgegend. Lombroso fand bei einem 20 Jahre alten
Mörder zwei sehr tiefe parallel verlaufende Furchen in der Gegend des
linken Stirnhöckers, ferner eine Furche bei einem Kretinen, die den rechten
Augenbrauenbogen senkrecht durchschnitt. Paraoicini veröffentlichte
zwei Fälle im Jahre 1902. Sie betrafen einen mikrokephalischen Idioten
und einen Imbezillen mit zahlreichen Degenerationszeichen. In dem
letzteren Falle verliefen vier sehr tiefe Furchen in der Fronto-Parietalgegend
parallel von vorn nach hinten bis inj die Hinterhauptgegend, die zwei
mittleren begannen schon über der Nasenwurzel. Die Kopfhaut war
verschieblich und nicht verdickt. Besta sah solche Furchen bei zwei
mikrokephalischen und idiotischen Brüdern. Gatti brachte zwei Fälle,
die einen mikrokephalischen Idioten und einen Kranken mit manisch-
depressivem Irresein betrafen. Bravetta beschrieb drei Fälle: Bei einem
Idioten mit vielen Degenerationszeichen zeigten sich zahlreiche Furchen
in der Parieto-Okzipitalgegend. Das Hinterhaupt war flach. Der 2. Fall
betraf einen Degenerierten mit Furchen in der Okzipitalgegend. Im 3. Fall
endlich handelte es sich um einen chronischen Alkoholiker und Syphili¬
tiker mit sechs langen Furchen: Die zwei äußeren begannen schon am
äußern Augenbrauenrande, durchschnitten die Stirnfurchen und er¬
streckten sich bis zum Hinterhaupt. Die vier andern liefen über die Höhe
des Kopfes weg zum Hinterhaupt.
Von englischen Autoren gaben Cowan, Robertson , Mc. Dow all derartige
Fälle bekannt. Mc. Dowaü, dem wir die literarischeil Daten entnommen
haben, schilderte eingehend den Fall eines mikrokephalen EpUeptikers
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Gan t e r
Ober Kopfhautfalten und Haarlinien.
65
Strabismus divergens des linken Auges. Ohren anliegend, schief
angewachsen, sonst o. B. Zähne defekt. Stirn quer gerunzelt. Beine und
Pubes gut behaart, Haarstraße bis zum Nabel, nur wenige Haare um
die Brustwarzen. Hinterhaupt flach, Stirn fliehend.
Kopfmaße: LD 17,5, U 50, SB 28, QD 12,5, FB 27, TP 12, Kg 166 *).
Kopfhautfalten (s. Bild): Hinter der Kranznaht beginnend laufen
über das Hinterhaupt weg nach unten sechs tiefe Falten. Am ausgepräg¬
testen sind sie am hintern obern Teil des Kopfes (der Kopf ist leicht nach
hinten geneigt). Die 3. und 4. Furche gabelt sich nach unten, die 6. nach
vorn, wo sie seitlich entlangzieht bis gegen das Stirnbein zu. Die Furchen
lassen sich nur sehr wenig verstreichen, die zwischen ihnen liegenden
Wülste fühlen sich dick und derb an. Die Kopfhaut ist in mäßigem Grade
verschieblich.
2. H. B. 31 Jahre alt. Angeblich keine Erblichkeit. Kopf schon
bei der Geburt spitz und klein. Lernte erst im 3. Jahre gehen und sprechen.
Bildungsunfähig, gedächtnisschwach, im Zorn bösartig, nur zu ganz
gewöhnlichen Arbeiten zu verwenden.
Gaumen und Zähne o. B. Kräftiges Gebiß. Ohren o. B. Geringer
Nystagmus rotatorius. Einige erbsengroße Naevi pigmentosi auf Brust,
Bauch und Rücken. Pubes und die Gegend bis zum Nabel stark behaart.
Lange schwarze Haare um die Brustwarzen. Arme spärlich behaart,
reichlicher wieder die Schulterhöhe, die Schulterblätter, die Kreuzbein-
und hintere Lendengegend. Ziemlich dichte Barthaare. Hinterhaupt
flach, Stirn fliehend, Stirn quer gerunzelt. Kinn etwas zurück.
Kopfmaße: LD 15,5, U 49, SB 28, QD 12, FB 28, TP 12, Kg 154.
Kopfhautfalten: Am Hinterhaupt sind zwei etwa 8 cm lange
Falten zu bemerken, die aber viel weniger ausgeprägt sind wie im vorher¬
gehenden Falle. Viel auffälliger als die Faltung ist das dichte Zusammen¬
stehen der Haare, so daß sie sozusagen zwei Straßen bilden. Die eine
Falte zieht vom Wirbel nach unten, die andere läuft links von ihr in der
Medianlinie des Kopfes. Eine 3. neben ihr verlaufende ist nur etwa halb
so lang und eben noch als Haarstraße erkennbar. Eine weitere Haar¬
straße von 8 cm Länge verläuft in nach oben konkavem Bogen an der
ersten Hinterhauptnackengrenze etwas schief von oben außen nach innen
unten. Biegt man den Kopf etwas zurück, so entsteht da eine Falte.
Kopfhaut von mittlerer Dicke, gut verschieblich.
Der eine unserer Fälle betraf also einen mikrokephalischen Idioten
und Epileptiker, der andere einen mikrokephalischen Idioten. Der
letztere Fall, bei dem die Faltung eben noch angedeutet war, bildet
den Übergang zu einer von uns in fünf Fällen beobachteten Haar-
J ) LD = Längendurchmesser, U = Umfang, SB = Sagittalbogen,
QD = Querdurchmesser, FB = Frontalbogen, TP = Distanz der Tubera
parietalia, Kg = Körpergröße.
Zeitschrift für Psychiatrie. LXXII. 1. 5
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Ganter,
66
Stellung (Haarlinien oder Haarstraßen), bei der keine Faltenbfldong
mehr zu sehen war 1 ). In den zwei Fällen mit Falten standen die Haare
dieht in der Furche und bildeten, was besonders nach dem Kurz¬
schnitt auffällig war, schwarze Straßen oder Linien. Jetzt finden
wir die gleiche Gruppierung von Haaren, aber bei glatter Kopfhaut.
So bemerken wir, wie Haare zu einer von vorn nach hinten ziehenden
Linie sich ordnen. In einigen Fällen standen die Haare einfach dichter
geordnet, doch scheint diese Linienbildung bisweilen auch, was be¬
sonders bei dem einen Idioten betreffenden Fall (Nr. ö) hervortrat,
durch schiefe Stellung der Haare zustande zu kommen. Es zeigt
sich dann ein Bild, ähnlich dem, wie wenn Soldaten ihre Gewehre
oder Landleute ihre Garben gegeneinander in einer Reihe stellen.
Wir wollen die fünf Fälle näher beschreiben.
1. A. P., Epilepsie und Imbezillität. 24 Jahre alt. Vater trunk¬
süchtig, ein Bruder des Patienten Idiot. Krämpfe mit 8 Jahren. Schul¬
besuch mit wenig Erfolg. In den letzten Jahren häufig Anfälle, meist
serienweise auftretend. Starker Stimmungswechsel.
Rechte Gesichtshälfte etwas kleiner. Ohren anliegend, schief an-
gewachsen. Läppchen in die Wange sich hinziehend. Zähne o. B. Unter¬
schenkel stark behaart, Arme wenig, Brust nicht. Kopfhaare vorn und
seitlich weit in die Stirne. Hinterhaupt flach, Stirn fliehend.
Kopfmaße: LD 17,5, U 55, SB 31, QD 14, FB 31, TP 14, Kg 159.
Haarlinien: In der Haarwirbelgegend zwei 3—4 cm lange Haar¬
linien, rechts und links davon je eine solche von 1—2 cm Länge. Kopfhaut
mäßig verschieblich.
2. F. W. Idiotie und Epilepsie. 14 Jahre alt. Unehelich. Soll
im 1. oder 2. Lebensjahr an Windpocken und Diphtherie erkrankt sein.
Danach Krämpfe. Reinlich, bildungsunfähig, undeutliche Sprache,
nur fähig zu ganz einfachen Arbeiten. Im Monat 2—3 Anfälle.
Mittlere obere Schneidezähne schaufelförmig. Ohrläppchen an¬
gewachsen, Anthelix hervortretend. Strabismus convergens. Stirn
niedrig, fliehend, Hinterhaupt gewölbt.
Kopfmaße: LD 15,5, U 48, SB 27, QD 11, FB 27, TP 12, Kg 149.
Haarlinien: Von der Haarwirbelgegend gehen 5—6 Haarlinien
von 1—2 cm Länge nach unten ab. Kopfhaut mäßig verschieblich.
3. L. O. Epilepsie mit sekundärem Schwachsinn. 49 Jahre alt.
Vater epileptisch. P. besuchte die höhere Knabenschule. Krämpfe mit
13 Jahren. Zeitweise gehäufte Anfälle, in letzter Zeit weniger.
x ) Die oben erwähnten Autoren sprechen nur von Falten, nicht
aber von Haarlinien.
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Uber Kopfhautfalten and Haarlinien.
Ohren aFdäftgenxl. Anthelix vertretend. Zählte fehlen. Bsihe und
Ptvbes gut hdltfcSft. Tbehso die Vorderarme, Brust nicht behaart:, >&ögfcn-*'
brauen buschig, msa turne nsioOend. ‘Vhiw^Jheudi
der darüber gelegene Teil flach-
Kopftnaße v LP td,6, ü 57, SB ÄO, QD 14, FB
Haarlinieri: Links vom Haarwirbel verläuil eine H&arlinie über
den hintern oberu Teil des Kopfes, eine kürzere Linie verläuft rechts vom
Haarwirbel, Kopfhaut hinten oben, gut beweglich..' ' :'V
4. 3. & Bpü» j j>sie mit Schwadisinir miiBigen Orydoi. 51 Jaivfe oJt.
Eisler Unfall mit39 Jahren. P. ist verheiratet, hat einen jungen, der
sehr schwer lernt. I—2 schwerere und iinfäHe im Monat.
Gaunjen breit, «ehe- .breites Gesteht.. Haif/üße.- Zahlreiche bis
taubeju igröße «shwmtmnge Hautgeschwbistc am gtäsm -Körper, Liloter-
haupt mäßig flatb. Stkv fliehend. ; j 'T „ V"t/V' -
Kopfmaßo; UMS, t 08, äu. QD H, FH 31, TP H,5 f Kg 159.
Haarlinlen r Lütte vom^
länge Haarliriie bi der Kichtimg von'vorn•nach hinten. Kopfhaut. des
HüÜerkbpfes gut verschieblich.
5. A. B. Idiot. t3. Jahre’alt Kan-, nur mit Mühe geben, kann
uieht äfiFBtibhn, u#ettdfc!}y miiß in slleiu gewertet Averdeii, Min geistiger
Fiüike vorhon der».
Gaumen scfimal, hu<ib. Zöhnu des Bnterkiefers
.jj|I lippipiip | Jj.■■ I
vor denen des OberUit'f^b^l.W^.^'i«',l!eii den Zähnen. Ohren anliegend.
AniJieli* wulstig vor ^^stagtihis', : hMrdes Levator
paipeörae superioris. Germgh PlhttfhÖä Hpdensapk leet.
Säbelschieidenförmige UeterscheDkel.
68
Ganter,
Kopfmaße: LD 16,5 U 52, SB 31, QD 11,5, FB 31, TP 14, Kg 104.
Haarlinien: Zwischen den Tubera parietalia zwei Haarwirbel, von
deren Berührung aus verläuft längs der Pfeilnaht eine nicht ganz gerade,
wie ein Grat sich erhebende Haarlinie bis zur Haar-Stirngrenze, wo sie in
einem nach rechts umbiegenden Haarwirbel (Frontalwirbel) endet. Siehe
Abbildung Nr. 2.
Kopfhaut ziemlich dünn, straff anliegend 1 ).
Nun tritt die wichtige Frage an uns heran: Wie sind diese Falten
und Haarlinien entstanden, und welches ist ihre Bedeutung? Was
zunächst die Falten betrifft, so war es, da sie vor allem bei mikro-
kephalen Idioten gefunden wurden — auch unsere zwei Fälle gehören
dahin —, das Einfachste anzunehmen, daß nach dem Stillstand des
Schädelwachstums die Haut weiter wachse, und da sie zu weit wurde,
sich in Falten lege ( Poggi ). Diese Theorie wurde widerlegt, als, wenn
auch vereinzelt, solche Falten auch bei normalem Schädelwachstum
gefunden wurden. Auch gibt es Mikrokephale hohen Grades, die eine
mitteldicke, verschiebliche Kopfhaut haben, ohne die geringste Spur
einer Faltenbildung. Einer der von uns untersuchten Idioten bot
folgende Kennzeichen: Kopfumfang 44 cm, Stirn fliehend, Hinter¬
haupt hinten oben flach, Kopfhaut von mittlerer Dicke, dichtes Haar,
Kopfhaut gut verschieblich und 2 cm abhebbar. Trotzdem man hier
die Haut als zu weit bezeichnen kann, fehlte jegliche Faltenbildung.
Das Gegenstück zu diesem Falle bilden vier andere Fälle von Idiotie
und Mikrokephalie verschiedenen Grades (Kopfumfang 48, 50, 53,
54 cm), deren Kopfhaut eine mittlere Dicke zeigte und nicht verschieb-
*) Wir beobachteten auch einen schwachsinnigen, aber nicht mikro-
kephalen Epileptiker, bei dem unter dem Haarwirbel eine 4—5 cm lange
Haarlinie wagerecht verlief, von der zwei kürzere senkrechte nach unten
abgingen. Links davon verliefen schräg zwei etwa 1—2 cm lange Haar-
linien, die aber sicher durch Narbeneinziehungen zustande gekommen
waren. Auch ist es nicht ganz ausgeschlossen, daß die andere Haarlinie
ihre Entstehung einem früheren Trauma verdankte, wenn auch an der
Haut nichts zu sehen war.
Mittlerweile haben wir noch einen Fall bei einem 6 jährigen an¬
scheinend nicht schwachsinnigen Knaben gesehen. Es bestand ein Hydro -
cephalus mäßigen Grades. Zwischen den 2 Haarwirbeln zog ein ausge¬
prägter 6 cm langer Haarkamm nach vorn. Im übrigen waren nur un¬
bedeutende Degenerationszeichen zu sehen, wie angewachsenes Ohr¬
läppchen, Aufbeißen der Zahnreihe.
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Uber Kopfhaatfalten and Haarlinien.
69
lieh war: Es war also trotz Stillstandes des Schädelwachstums die
Haut nicht zu weit geworden. Und in der gleichen Weise wie die Haut
bei einem mikrokephalen Schädel bald unverschieblich und anliegend,
bald verschieblich und abhebbar ist, kann sie bald das eine, bald das
andere auch bei normalem Schädelwachstum sein. In 28 Fällen von
Epilepsie und 20 Fällen von Idiotie mit innerhalb der Grenze des
Normalen schwankenden Kopfgrößen fanden wir die Kopfhaut von
mittlerer Dicke und gut verschieblich. In einem Falle von Diplegia
infantilis spastica und Schwachsinn war die Haut dünn und 2—3 cm
abhebbar. Wir konnten also keine besonderen Beziehungen zwischen
der Beschaffenheit der Kopfhaut mit und ohne Faltenbildung und
der Größe und Form des Schädels feststellen. Nur in Fällen von
beträchtlichem Hydrocephalus ist die Ausdehnung der Kopfknochen
von Einfluß auf die Haut: In drei Fällen von Hydrocephalus mit
einem Kopf umfang von 64, 69 und 75 cm fanden wir die Kopfhaut
dünn und straff anliegend.
Poggi äußerte auch die Meinung, es handle sich bei der Falten -
bildung um Hauthypertrophie, Amadei sprach von Elephantiasis.
Paravicini , Lombroso und Gatti erblickten in den Kopfhautfurchen
Fortsetzungen der Stirnfurchen, wie sie von der Glabella ausgehen. Und
in der Tat sind ja Furchen beschrieben worden, die sich von der Nasen¬
wurzel oder dem äußern Lidrand bis zum Hinterhaupt erstreckten. Aller¬
dings eine Erklärung war das noch nicht.
Bravetta wollte in der Faltenbildung eine atavistische Erscheinung
erkennen, da sie besonders bei Idioten und Degenerierten vorkämen und
auch bei Tieren sich fänden, wie bei Hunden, Katzen, Affen. Sie kommen
hier durch Kontraktion der Supraaurikularmuskeln zustande. Gatti
beobachtete einen solchen Fall beim Menschen, wo das Ohr nach vorn
und hinten bewegt werden konnte.
Paravicini untersuchte dem Lebenden entnommene Stückchen
Kopfhaut, konnte aber keine Abweichungen vom Normalen feststellen.
Etwas mehr Licht kam in das Dunkel der Frage, als die Autoren
die Untersuchungen Langer* über die Spaltbüdungen und den Faser¬
verlauf der Haut zu Rate zogen, wodurch wenigstens die Anordnung und
der Verlauf der Falten dem Verständnis näher gebracht wurden.
Keine der Theorien befriedigt unser Erklärungsbedürfnis ganz,
aber da und dort liegt ein Körnchen Wahrheit. Sehen wir zu, wo
sonst noch am Körper Faltenbildungen entstehen, so finden wir sie
über den Gelenken und an Orten, wo Muskeln die Haut immer in einer
bestimmten Richtung bewegen (an Stirn, Augenlidern, Mund, Hand-
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70
Ganter,
teller, Hodensack): Falten der Ortsbewegung. Diese Falten verlaufen
in der Faserrichtung der Haut. Hier setzt die atavistische Theorie
ein: In Urzeiten konnte der Mensch die Kopfhaut mit dem Btaeps
epicranii und den Ohrmuskeln ebenso gut bewegen wie die oben ge¬
nannten Tiere. Jetzt freilich sind diese Muskeln verkümmert und
funktionsunfähig, aber gerade ihre traurigen Reste sprechen
eine beredte Sprache. Man wird kaum viel gegen diese Theorie sagen
können, und doch gefällt sie uns nicht ganz.
Die Mikrokephalie wurde früher auch einmal als Atavismus an¬
gesehen, und ist es nicht. So könnte es auch mit den Kopfhautfalten
gehen. Sehen wir, ob nicht eine andere Erklärung mehr für sich hat.
Die Faserrichtung der Haut verläuft in bestimmten Richtungen.
Wie nun, wenn im Laufe der Entwicklungszeit durch irgendwelche
uns unbekannte Ursachen eine Verlagerung oder Hypertrophie
gewisser Hautelemente zustande käme. Erinnern wir uns an unsem
ersten Fall: Die Wülste fühlen sich dick und derb an, die Furchen
dagegen dünner. Entweder haben da die Hautfasern in einer
bestimmten Richtung eine Zusammendrängung erfahren, oder sie sind
hypertrophiert, oder, was allerdings wegen der Derbheit weniger
wahrscheinlich ist, es hat sich — man denke an die faltenbildenden
Fetthälse — in größerer Menge Fett eingelagert. Wir hätten es
demnach mit einer Anlageanomalie der Hautelemente
zu tun. Es gibt ja auch noch andere Bildungsanomalien der Haut,
z. B. ihre übergroße Dehnbarkeit, wie sie uns einmal als Merkwürdigkeit
von Prof. Wiedersheim in Freiburg i. B. an einem herumziehenden
Menschen gezeigt worden war. Wie die Kopfhautfalten, müssen
auch die Haarlinien oder Haarstraßen zu den Bildungsanomalien
der Haut gerechnet werden. Sie sind sozusagen die Miniaturausgabe
der Falten. Entweder stehen hier die Haarpapillen dichter zusammen¬
gedrängt, oder sie sind schief gegeneinander gerichtet, letzteres wohl
in Fall 5. Für die Annahme einer Bildungsanomalie spricht weiter der
Umstand, daß die Kopfhautfalten bisher nur bei mikrokephalen
Idioten und Epileptikern und bei sonst stark degenerierten Individuen
beobachtet worden sind, Individuen, die, wie auch unsere Fälle, zudem
noch eine erhebliche Anzahl von Degenerationszeichen, worunter
auch anderweitige Anomalien der Behaarung, aufweisen. Des¬
gleichen betreffen unsere fünf Fälle mit Haarlinien Individuen mit
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Über Kopfhautfalten und Haarlinien.
71
noch andern Degenerationszeichen, mögen sie auch teilweise, wie in
Fall 3 und 4, nicht so zahlreich und schwer sein wie in den
übrigen Fällen.
Den letzten Grund der genannten Bildungsanomalien vermögen
wir ebensowenig zu erkennen, wie wir zu begreifen vermögen, warum
der eine Mensch ein angewachsenes Ohrläppchen hat, der andere
nicht, warum der eine ein dickes, der andere ein dünnes Schädeldach
sein eigen nennt etc. Wohl aber sind wir imstande, auf Grund von
Erwägungen und Vergleichen einen Befund einer bestimmten Gruppe
von ähnlichen Erscheinungen einzureihen und sie so unserem Ver¬
ständnis näher zu bringen. In diesem Sinne geben uns unsere
Untersuchungen die Berechtigung, die Kopfhautfalten
und Haarlinien der großen Familie der Degenerations¬
zeichen zuzurechnen.
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Ein Beitrag zu den Beziehungen zwischen bös¬
artigen Geschwülsten und Geisteskrankheiten.
Von
Dr. Ernst Müller, Oberarzt an der Heilanstalt Waldbröl.
Da infolge von bösartigen Geschwülsten des Körpers Melan¬
cholien oder solchen des Gehirns Epilepsien und andere Geisteskrank¬
heiten erwiesenermaßen entstanden sind, möchte ich an der Hand
eines einjährigen Beobachtungsmaterials (Oktober 1912 bis Oktober
1913) aus der Heilanstalt Waldbröl einige Beispiele hinzufügen, die,
* wenn sie auch weniger die Entstehung oder Förderung einer seelischen
Erkrankung durch einen malignen Tumor erweisen, doch die viel¬
fachen Beziehungen dartun, welche solche Neubildungen, wenn sie
während einer Geistesstörung auftreten, für den Körper und die Psyche
des Kranken entstehen lassen.
Bevor ich auf die einzelnen Fälle eingehe, möchte ich etwas über
die Literatur der bösartigen Geschwülste als solche bringen, weü ich die
dann später zu behandelnden Tumoren meist mikroskopiert habe, so daß
um so leichter vom allgemeinen Überblick aus die Art, Örtlichkeit und
Wirkung der Geschwülste verständlich erscheine.
Lewin schreibt der Erblichkeit der bösartigen Geschwülste keine
nennenswerte Rolle zu; die Erblichkeit in Familien sei mehr bloß eine
scheinbare und eher durch Ansteckung zu erklären. Die Möglichkeit
einer Ansteckung sei erwiesen. Sogar Krebsendemien — Krebs wird hier
als Sammelbegriff für Karzinome und Sarkome gebraucht — kämen vor.
Ob ein Krebstoxin existiere, das die Krebskachexie hervorruft, stehe
noch nicht fest. „Die mangelnde Nahrungsaufnahme, sei es infolge mecha¬
nischer Hindernisse durch den Sitz der Geschwulst, sei es infolge der psy¬
chischen Depression, ein Moment, das v<n Leyden immer betont, hat
eine derartige Schwächung und Benachteiligung aller Körperfunktionen
zur Folge, daß wir häufig nicht mehr unterscheiden können, was die Folge
der Krankheit und ihrer spezifischen Einwirkung und was als Begleit¬
erscheinung aufzufassen ist. Die chemisch-biologische Erforschung hat
uns nur gelehrt, daß der Stoffwechsel des Krebskranken eine spezifische
Erscheinung nicht zeigt, und daß der Chemismus der Krebszelle abnorm
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Ein Beitrag zu den Beziehungen zwischen bösartigen Geschwülsten usw. 73
ist. Ob diese Veränderung des Chemismus der Krebszelle aber eine Ursache
oder eine Folge der Krebskrankheit ist, das bedarf noch weiterer Fest¬
stellungen.“ Was die Ätiologie der malignen Tumoren beträfe, so kämen
mehrere Momente in Betracht: 1. die Tuberkulose: „In der Hälfte aller
Fälle tritt die Karzinombildung lediglich zu alten, in Heilung begriffenen
tuberkulösen Prozessen hinzu. Es kann aber auch eine alte Tuberkulose
zu neuer Eruption durch die Karzinombildung angefacht werden. Die
Tuberkulose schafft in manchen Fällen eine Disposition zu bösartigen
Geschwülsten, wie aus dem Befunde von Karzinomen und in seltenen
Fällen auch von Sarkomen auf dem Boden lupöser Erkrankungen hervor-
geht.“ 2. Die Syphilis: Es treten maligne Tumoren im Anschluß an
hereditäre Lues oder luische Prozesse auf. 3. Würmer. 4. Mikroorganis¬
men. 5. Die Wirkung durch einen Reiz und dadurch zunächst bedingte
Zellveränderung. 6. Die Disposition. — Lewin unterscheidet bösartige
Geschwülste der Bindesubstanz = Sarkome, und bösartige epitheliale Neu¬
bildungen = Karzinome.
Löwenthal : „In vielen Fällen entsteht die erste Grundlage zur Ge¬
schwulstbildung durch eine einmalige traumatische Einwirkung. Gliome
des Gehirns haben vorzugweise an solchen Teilen desselben ihren Sitz,
welche leicht einem Trauma ausgesetzt sind.“
H. Hoff mann: Diffuse Karzinommetastasen kommen in der Pia
mater vor und können Meningitis verursachen. „Die Häufigkeit von
zerebralen und meningealen Symptomen bei ausgedehnter Metastasierung
von Karzinomen und anderen malignen Tumoren, bei denen sich auf dem
Sektionstisch und auch unter dem Mikroskop keine Veränderung am
Gehirn und den Meningen nachweisen ließ, führte Oppenheim unter
anderem zu der Annahme rein toxisch bedingter Gehirnerscheinungen
auch für Fälle, in denen sich nur geringe oder der Lokalisation oder dem
klinischen Bilde nicht entsprechende starke Veränderungen vorfanden.“
Gotting: „Es können unabhängig voneinander Tumoren der ver¬
schiedensten Art, bindegewebiger und epithelialer Herkunft, benigner
und maligner Natur, sich in einem Organismus kombiniert vorfinden.“
Lindemann: Das Karzinom kann schon im jugendlichen Alter
entstehen.
Hansemann: Bei Tumoren können Verkalkungen auftreten, auch
wenn sie zu dem Knochensystem gar keine Beziehungen haben. Aus¬
gedehnte solche Verkalkungen, die mit dem Knochensystem nicht im
Zusammenhang stehen, sind in bösartigen Geschwülsten ziemlich selten.
„Je stärker die Anaplasie (= der Grad der Abweichung vom Mutterge¬
webe), um so größer die Neigung zur Metastasenbildung.“
Ackermann: „Die Zellen der Sarkome sind nichts anderes als ge¬
wöhnliche oder hypertrophische Bindegewebszellen.“
Ziegler: „Im allgemeinen scheint bei der Bildung eines Sarkoms
das einmalige Trauma, bei der Entstehung eines Karzinoms der chronische
Reiz die gewichtigere Rolle zu spielen.“
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74
Müller,
Über die Beziehungen bösartiger Geschwülste zu Geisteskrank¬
heiten bringt die Literatur:
Ploenies sah bloß mäßige Depressionszustände ■ im Anschluß an
Magenkrebs; über psychische Folgezustände bei anderen Magenläsionen,
aus denen zum Teil ja auch Karzinome entstehen können, berichtet er:
Magenkranke können infolge ihres Leidens so heftige Zwangsvorstellun¬
gen haben, daß sie fürchten geisteskrank zu werden. 5 Frauen, die am
Magen litten, waren geisteskrank geworden. Bei einigen Fällen verschwand
die Psychose bei Heilung des Magenleidens. „ Hartenberg hebt hervor,
daß viele Psychoneurosen durch geringe körperliche Leiden ausgelöst
werden können und erst mit der Heilung der somatischen Leiden ver¬
schwinden. Die Steigerung der psychischen Erregbarkeit durch gastro-
gene Toxine, wie sie gleichzeitig vorhandene Gährungs- und Zersetzungs-
prozesse bei Magenläsionen bilden, spielt eine große Rolle bei der Hervor -
rufung der Zwangsvorstellungen. Wir haben also leider'in den Folgen
der Magenerkrankungen, der Toxinbildung und der Läsionsreizung, zwei
außerordentlich wichtige Faktoren vor uns, Psychosen schon bei nicht
psychopathisch Belasteten, umsomehr erst bei psychopathisch Belasteten
hervorzurufen. Von jeher hat man in der Unterernährung und der Anämie
die hauptsächlichste materielle körperliche Grundlage für die Psychosen
erblickt. Beim Krebs ist die psychische Einwirkung nicht so groß wie bei
anderen Magenläsionen. Das Karzinom mit seinen zum Untergang der
Nerven führenden Wucherungen bietet in seinen durch nachträglichen
Zerfall entstandenen Läsionen keinen so günstigen Boden für reflektorische
Reizerscheinungen dar, wie die gutartigen Magenläsionen.“
Elzholz: „Psychosen bei Karzinom sind ein äußerst seltenes Vor¬
kommnis, demgemäß sind auch die darauf bezüglichen Literaturangaben
sehr dürftig.“
Esquirol verzeichnet unter einer erheblichen Anzahl von obdu¬
zierten Fällen, die das Bild der Verworrenheit darboten, vier Fälle von
Karzinom verschiedener Abschnitte des Intestinaltraktus.
Friedreich berichtet über einen von Matthe mitgeteilten Fall einer
bis zum Exitus dauernden Tobsucht bei einem mit Skirrhus des Pylorus
behafteten Weibe.
Berthier stellte im Jahre 1869 ein kankeröses Irresein auf; seine Fälle
betrafen Geistesstörungen bei enzephalem Krebse.
Karzinommetastasen im Gehirn, ausgegangen von einem primären
Magenkarzinom, in einem Falle Percy Smiths, täuschten das Bild einer
progressiven Paralyse vor.
Griesinger betont das seltene Vorkommen von Magenkrebs bei
Irren und erwähnt nebenbei, daß krebsige Degenerationen der männlichen
und weiblichen Genitalien bei Irren Vorkommen.
Sponholz beobachtete in zwei Fällen Karzinom bei Verrückten. Ein
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Ein Beitrag zu den Beziehungen zwischen bösartigen Geschwülsten usw. 75
ätiologischer Zusammenhang zwischen Karzinom und der Psychose
kommt mit Rücksicht auf die Natur der letzteren nicht in Betracht.
p. Krafjt-Ebing findet, daß nur selten die bösartigen Neubildungen
zu psychischen Störungen führen.
Kräpelin nennt bei Besprechung des Einflusses der Stoffwechsel¬
krankheiten auf die Gehirnernährung unter anderem das Karzinom:
L. Mayer, Ripping und Hergt berichten über einzelne Fälle von
Geistesstörung bei bösartigen Degenerationen der Genitalsphäre. Mayer
beschrieb einen Fall von Tobsucht, Ripping einen Fall von Melancholie.
In einem Fall von Hergt erkrankte die an periodischer Tobsucht leidende
Patientin beim Ausbruch des Karzinoms an Melancholie. Hergt ist nicht
geneigt, einen Zusammenhang zwischen Psychose und Karzinom zu
akzeptieren, Elzholz fügt hinzu, in seinem Fall wohl auch mit Recht.
Bei einer Reihe anderer hervorragender Autoren älterer und neuerer
Zeit sucht man vergebens nach einem Hinweis bezüglich des Einflusses
karzinomatöser Leiden auf die Psyche.
p. Krafft-Ebing betont, daß die bösartigen Neubildungen höchstens
im Stadium des Marasmus zu Inanitionsdelirien führen.
Beequet erwähnt in seiner Arbeit „Du delire d’inanition dans les
maladies“ einen mit Magenkrebs behafteten Koch, der ein zweitägiges
Delir vor dem Tode hatte.
Vielleicht sind in den Schilderungen der Psychosen, wie sie bei
chronischen Inanitionen, einem anerkannten ätiologischen Moment für
Hervorrufung von Geistesstörungen, zur Entwicklung gelangen, von den
Autoren auch jene Krankheitsbilder einbezogen, die auf dem Boden einer
Karzinomkachexie erwachsen. Schule macht für seine Gruppe mit Er¬
scheinungen einer stupiden Melancholie Inanitionsvorgänge verantwortlich.
Elzholz macht einen Fall bekannt, der mit Karzinom eines Bron-
chiolus, von Lymphdrtisen der Halsgegend, sekundärem Karzinom der
Lendenwirbelsäule und Delirien, Gesichtstäuschungen und Angstgefühlen
einherging und mit dem Tode endigte, ferner weitere Karzinomfälle bei
Psychosen. Der zweite Fall betraf einen Pyloruskrebs mit Stenosierung
and Kompression des Ductus choledochus und Dilatation der großen
Gallenwege (Icterus gravis) — es bestanden Halluzinationen, Verwirrt¬
heit und motorische Erregtheit —, der dritte ein Rektumkarzinom mit
Delirien depressiven Inhalts. Es war außerdem ein oberflächlicher Er¬
weichungsherd im Gehirn vorhanden, eine jauchige Periproktitis, eine
Phlegmone in den Leistengegenden und eine Nephritis. Die Person war
im Anschluß an eine wegen ihres Karzinoms gemachte Kolotomie geistes¬
gestört geworden, hatte einen Selbstmordversuch gemacht und Gegenstände
zertrümmert. Gestützt wird die Annahme, daß in den beiden letzten Fällen
das Karzinom die Schädigung im Zentralnervensystem und die Störung
im Zentralorgan des Bewußtseins bewirkte, durch die ätiologischen Be¬
funde im Rückenmark, die den von Lubarsch über Rückenmarksverände-
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Müller,
rungen bei Karzinomatösen gemachten Angaben entsprechen, ln Fall 1
fanden sich degenerierte Fasern in den hinteren Wurzeln des Halsmarks,
im zweiten Falle Degenerationen in der Höhe des zweiten Zervikalnerven
in den Fasern der hinteren Wurzeln, ferner in den Fasern beider Hinter¬
stränge und des rechten Seitenstrangs. Elzholz bemerkte auch ähnlichen
Krankheitsverlauf der drei an Sinnestäuschungen, Verwirrtheit und
Depression leidenden, im vorgerückten Alter stehenden Fälle und Krank¬
heiteinsicht in den freieren Intervallen. Der Ikterus, die Eiterung und die
Nephritis brauchen nicht die Ursache der beschriebenen Geistesstörungen
zu sein.
Lubarsch hat die dem Karzinom zukommende Oligämie und Hy-
drämie, die Giftwirkung der in den Kreislauf aufgenommenen Zerfall¬
produkte des Krebses und die an Magen oder Darm bei dort lokalisiertem
Sitze des Karzinoms vor sich gehenden Zersetzungen und Autointoxi¬
kationen als Ursache für Rückenmarksveränderungen herangezogen.
Nach dieser einleitenden Betrachtung gehe ich zu unseren Er¬
krankungsfällen über.
1. Fall. — Der Kranke S., ein Schuhmacher, starb am 24. X. 12
im Alter von 69 Jahren an Magenkrebs. Er litt schon als Kind an epilep¬
tischen Anfällen, später außerdem an Gehörstäuschungen, hypochondrischen
Wahnvorstellungen und Größenideen. Zeitweise war er sehr gereizt und
neigte zu Tätlichkeiten gegen seine Umgebung. Allmählich verblödete er,
so daß er schließlich ganz gleichgültig war. S. wurde marastisch und im
Gesicht leicht gelb. Als er am 22. X. einen epileptischen Anfall hatte,
trat danach ein kollapsartiger Zustand ein. Am folgenden Tage besserte
sich das Allgemeinbefinden, doch blieb der durch Arteriosklerose schon
an und für sich veränderte Puls schlecht. Am 24. X. nahm er mittags
und abends noch flüssige Kost, erbrach aber nach dem Abendessen kaffee¬
satzartig und starb nach einigen Stunden. Die Diagnose Magenkrebs
wurde bei der Leichenbesichtigung gestellt, indem die gelbliche Verfärbung
des ganzen Körpers und die kurz vor dem Tode erbrochene bräunliche, aus
Nase und Mund ergossene Flüssigkeit dieselbe nahelegten. Die Diagnose
wurde durch die Sektion bestätigt. Es fand sich ein Pyloruskrebs vor,
indem die Magenwand an der betreffenden Stelle bis auf 1 cm verdickt,
grauweißlich verfärbt, derb, auf dem Durchschnitt gallertig glänzend
und ihre Schleimhaut teilweise unterminiert war. Allerdings wurde die
Diagnose in dem Fall bloß makroskopisch, aber'zweifellos richtig gestellt.
Dieselbe wurde vollends durch die gleichzeitig vorhandene Magener¬
weiterung bestätigt. Differentialdiagnostisch käme höchstens ein Ulcus
callosum in Betracht, aber die geschwürigen Schleimhautpartien zeigten
nichts von der dem Ulcus callosum anhaftenden Härte.
Nach dem Krankheitsverlauf muß angenommen werden, daß der
epileptische Anfall am 22. X. deshalb von so verderblicher Wirkung
werden konnte, weil der Körper schon durch den Krebs geschwächt war.
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Ein Beitrag za den Beziehungen zwischen bösartigen Geschwülsten usw. 77
Auffallend ist, daß bei dem Kranken vor dem 24. X. nie Erbrechen, Stuhl-
Unregelmäßigkeit oder Schmerzäußerungen beobachtet wurden. Daß er
keine Schmerzen äußerte, hängt einerseits mit seiner Stumpfheit, anderer¬
seits damit zusammen, daß Karzinome ähnlich wie die Tuberkulose an¬
fänglich keine Schmerzen zu verursachen brauchen. Man erinnere sich
nur, daß Blutspucken oder Blutabgang aus dem After manchmal der
erste Fingerzeig sind, daß eine schon fortgeschrittenere Lungentuber¬
kulose beziehungsweise ein schon fortgeschrittenerer Darmkrebs vor¬
handen sind. Aus dem Ganzen geht hervor, daß nicht nur äußere, sondern
auch innere Reize auf die sensibelen Nerven des Patienten eine geringere
Wirkung hervorbrachten, als das beim geistig normalen Menschen der
Fall gewesen wäre. Die Stumpfheit vieler Geisteskranken läßt diese die
Speisen, auch wenn sie noch heiß sind, gierig verschlingen, der Magen
gewöhnt sich an die derbe Behandlung und wird seinerseits nicht bloß
gefühlloser, sondern reagiert im Verein mit anderen, später zu besprechen¬
den Ursachen, indem es zur Geschwulstbildung kommt. Nur so kann
das Ausbleiben des Erbrechens erklärt werden, indem eine Unterempfind¬
lichkeit der Magennerven angenommen werden muß. Zweifellos dürfte
eine wie im vorhandenen Fall vorliegende Verblödung auch eine gewisse
Rückwirkung auf die Körpernerven im allgemeinen ausüben, denn sonst
wäre es unerklärlich, wie ein so schweres Leiden so wenig empfunden
und dem Vorhandensein desselben so wenig Beachtung von seiten des
Patienten geschenkt werden konnte. Wenn man bedenkt, wie empfindlich
der menschliche Magen gegen Wärme und Kälte und ein Zuviel an Speisen
ist, so leuchtet ohne weiteres ein, daß derjenige Geisteskranke, dem in
seiner Stumpfheit dieses Gefühl allmählich verloren geht, durch Einver¬
leibung zu warmer oder zu vieler Speisen seinem Magen einen chronischen
Reiz setzt, der zur Krebsentwicklung förderlich sein kann.
2. Fall. — Der Kranke R. starb am 30. X. 13 im Alter von 70 Jahren
und zwar nicht an einer Todesursache allein, sondern, wie das bekanntlich
öfters der Fall ist, an mehreren, die zusammen wirkten. Er hatte infolge
eines Amputationsstumpfes am rechten Bein und als Ortsarmer jahrelang
in einem Krankenhaus gelebt und war da mit seinem Stelzfuß umher¬
gegangen. Anfang Januar 1913 fiel er durch unruhiges Wesen und Unrein¬
lichkeit auf und kam deshalb in unsere Anstalt, wo der Grund des wahr¬
scheinlich bloß exazerbierten geistigen Leidens klar wurde; R. brachte
eine Lungenentzündung mit. Der Kranke bot das Bild der Dementia
senilis dar. Gleich bei seiner Aufnahme klagte er über Magenschmerzen
— die Zunge war stark belegt — und äußerte Lebensüberdruß. Fieber
bestand nicht, doch kann man wohl an Kollapstemperaturen denken.
In der Pylorusgegend war eine deutliche Geschwulst fühlbar und ein Teil
derselben als vergrößerte, verschiebliche Drüse zu erkennen. Die Haut
des Patienten zeigte leichte gelbliche Verfärbung. R. klagte manchmal
über Verstopfung, obwohl das Abdomen weich war, hatte später zweimal
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Müller,
nachts vier epileptiforme Anfälle, war dann einige Zeit leicht benommen
und bekam nach Ablauf des akuten Stadiums der Lungenentzündung ein
Rezidiv. Er wurde teilnahmloser und verblödete immer mehr. Seine
chronischen entzündlichen Veränderungen in den Lungen verursachten ihm
asthmatische Beschwerden. Schließlich starb er an pleuritischen Ergüssen,
Magenkrebs und Altersschwäche. Die Sektion bestätigte die Diagnosen.
Der Magen war in mittlerem Grade erweitert, die Schleimhaut im all¬
gemeinen glatt und die Magenwand normal, bloß die Pförtnergegend
deutlich intumesziert. Das mikroskopische Präparat des Pylorusab-
schnitts zeigte typischen Magenkrebs.
Bei Betrachtung seines Intestinalleidens ist zunächst zu bemerken,
daß er leicht über Verstopfung klagte, und zwar auch dann, wenn keine
solche nachweisbar war. Offenbar hatte er die enge Pyloruspassage mit
Obstipation verwechselt 1 ).
Erbrechen wurde nie beobachtet, eine Erklärung dieses seltsamen
Phänomens habe ich oben gegeben. Auffallend war, daß der Kranke, als
er in die hiesige Anstalt kam, von Lebensüberdruß sprach; ich möchte
in der Beziehung dem Karzinom deshalb eine ursächliche Rolle mit zu-
schreiben, weil nur zu gut bekannt ist, daß Krebse, namentlich Magen¬
krebse, eine traurige Verstimmung verursachen können. Ich erinnere
mich einer in der Jenenser Irrenklinik Verstorbenen, die an Melancholie
gelitten hatte und bei der Obduktion ein beginnendes Magenkarzinom
auf dem Boden eines Geschwürs darbot. Die epileptiformen Anfälle
wird man auf Rechnung der Dementia senilis und nicht der Krebskachexie
setzen; denn über letztere ist man noch wenig unterrichtet, während es
bekannt ist, daß bei dem Altersschwachsinn sehr wohl, auch ohne bei der
Sektion makroskopisch nachweisbare Ursachen zu zeigen, epileptiforme
Anfälle auftreten können. Solche Anfälle werden sich um so leichter ereig¬
nen, wenn, wie hier, körperliche Gebrechen (Magenkrebs, chronische
Lungenindurationen) kollapsartige Zustände begünstigen. Auch hier
bemerken wir wieder das Ausbleiben des Erbrechens; der ebenfalls ver¬
blödete Kranke hat wenigstens die Empfindung einer Störung in seinem
Magendarmtraktus gehabt, so daß man in diesem Fall eine geringere Un¬
empfindlichkeit der inneren Nerven annehmen muß. Das entspricht auch
ganz dem gegenüber Fall I geringeren Grad des Schwachsinns. Der andere
Patient war durch Wahnideen, die auch aufs religiöse Gebiet hinüber -
spielten, ganz abgelenkt.
Was die Ätiologie dieser beiden Krebse betrifft, so kann man deshalb
l ) Einen ganz ähnlichen Fall erlebte ich in einer hessischen Irren¬
anstalt, wo eine ältere Epileptische, sobald sie vom Arzt angesprochen
wurde, von Verstopfung sprach und sicher öfter grundlos — auch sie
erlag nach einiger Zeit einem Magenkrebs und hatte, wie Fall I, bloß ein¬
mal vor ihrem Tode erbrochen.
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Ein Beitrag zu den Beziehungen zwischen bösartigen Geschwülsten usw. 79
wenig über dieselbe sagen, weil wir keine ausgiebige Anamnese vor uns
haben und der Vererbung, wenn auch keine große, doch manchmal eine
gewisse Rolle zukommt. Was die Annahme betrifft, das Hinabschlingen
zu heißer Speisen durch die Kranken trage zur Bildung der Magenkrebse
bei, so kann ich dem um so mehr beistimmen, als ich mehrfach Magenkrebse,
wenn auch nur als Nebenbefund, bei Sektionen von Paralytikern fand,
welche Art von Geisteskranken das gierige Herabschlingen der Speisen
allerdings an sich hat, und bei welcher man eine Unterempfindlichkeit
der Magennerven wohl annehmen darf. Jedenfalls dürfte dieser Umstand
auch bei unseren beiden Fällen als disponierendes Moment für die Krebs -
bildung in Betracht kommen. Da als zweite begünstigende Ursache
das Alter hinzukam, bedurfte es nur noch des spezifischen mikroben
Krankheitserregers, daß es zur Geschwulstbildung kam; und daß der
Krebs in den meisten Fällen durch einen Mikroorganismus entsteht, möchte
ich aus Analogie z. B. mit der Tuberkulose (Bauchfelltuberkulose und
•krebs, Metastasierung) unbedingt annehmen.
3. Fall. — Die Arbeiterfrau M. erkrankte im Alter von 52 Jahren
im Anschluß an eine erotische Vergangenheit im Gefängnis, und ihr Leiden
erwies sich als Dementia senilis. Sie war verwirrt, unruhig, erotisch und
neigte zeitweise zu Gewaltakten, beruhigte sich aber allmählich und
beschäftigte sich regelmäßig mit Handarbeiten. Am \8. III. 09 war
sie in die hiesige Anstalt aufgenommen worden; seit etwa Mitte September
1912 zeigte sie eine Anschwellung der linken Halsseite und sichtliche
Schwäche der linken Körperhälfte. Das rechte Ohr sezernierte Eiter.
Die Kranke lag stumpf und apathisch da und gab keine Auskunft. Schon
im September wurde an einen von der Wirbelsäule ausgehenden Tumor
gedacht. Allmählich trat Fluktuation hinzu und traten Schmerzen
ein, die namentlich bei Bewegung heftig waren. Der körperliche Befund
gestaltete sich nun folgendermaßen:
29. X. 12. Geschwulst am Hals hinten faustgroß, links etwas nach
vorn reichend, im hintersten Teile oberflächlich gerötet. Schlaffe Lähmung
des linken Armes. Die Beine bewegt sie, wenn auch wenig, das rechte
nach Aufforderung weniger lebhaft wie das linke. Patellarreflexe ver¬
schieden, der linke normal, der rechte verstärkt. Strabismus divergens,
das linke Auge weicht nach außen ab, beiderseits Nystagmus. Wehleidiger
Gesichtsausdruck, volles Gesicht, mittlerer Ernährungszustand.
2. XI. 12. Die Pupillen sind mittelweit, gleich, leicht entrundet
und reagieren langsam und wenig ausgiebig auf Lichteinfall. Facialis o. B.
Kniereflexe wie am 29. X., auch sonst der gleiche Befund.
10. XI. 12. Geschwulst am Hals weicher, reicht links bis zurSupra-
klavikulargrube. Achillessehnenreflex: rechts heftiger Klonus, links
normal. Trizepsreflex rechts und links negativ.
Schmerzempfindlichkeit überall stark herabgesetzt, auch im Gesicht.
Exostose unter dem rechten Knie.
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Müller,
Am 19. XI. 12 trat der Tod ein, nachdem die Kräfte allmählich
immer mehr abgenommen hatten und in den letzten 14 Tagen Kontrak¬
turen in den beiden Ellenbogengelenken eingetreten waren. Die Sektion
ergab zunächst eine Rückenmarksgeschwulst. Diese hat ihren Sitz hinten
am Halsmark und greift nach rechts vorn etwas herum, fühlt sich weich
an und ist mit der Dura spinalis innig verwachsen beziehungsweise ver¬
schmolzen. Die Ausdehnung beträgt 3 cm in der Länge und 1 cm im
breitesten Durchmesser. Die Geschwulst ist zylindrisch, hat abgerundete
Enden und kann oben von der Dura spinalis mit Gewalt abgezogen werden,
ihre Farbe ist rötlichgrau. Das Rückenmark ist in der Mitte der Länge
des Tumors von vorn nach hinten komprimiert und weicher als normal,
seine Zeichnung daselbst verwaschen. Die Geschwulst steht, wahrschein¬
lich durch einen Defekt in einem Zwischenwirbelraum, durch feine netz¬
artige Ausläufer mit einem anderen Tumor in Verbindung, der vom Sehnen-
und Muskelgewebe der benachbarten Halspartie ausgegangen, von Eiter
umspült ist und sich hart anfühlt. Das die Eiterhöhle umgebende Gewebe
ist zerklüftet, zum Teil verdickt und enthält Buchten.
Im übrigen ist aus dem Sektionsbericht erwähnenswert: der Schädel
ist ziemlich dick, bei reichlicher Diploe, das Schädeldach unsymmetrisch.
Keine erheblichen Verwachsungen zwischen der Dura und den anderen
Hirnhäuten. Geringe Pachymeningitis haemorrhagica interna. Hirn¬
oberfläche sulzig durchtränkt, trübe Flüssigkeit in den Furchen. [ Etwas
Hydrocephalus externus. Die Pia haftet fester an der Oberfläche. Etwas
Gehirnödem. Weiße und graue Substanz gut unterscheidbar, Zeichnung
des verlängerten Markes weniger deutlich. Beide Lungen zeigen Verwach¬
sungen und narbige Einziehungen an der Spitze. Herz klein, braun, atro¬
phisch. Milz mittelgroß. Aorta reichlich gelb gefleckt.
Die mikroskopische Untersuchung der Muskel- und Sehnen- be¬
ziehungsweise Rückenmarksgeschwulst ergab jedesmal einen ganz gleichen
Tumor, nämlich ein kleinzelliges Rundzellensarkom. An den makrosko¬
pischen Zusammenhang der beiden Geschwülste konnte auch deshalb
nicht gezweifelt werden, da feine, netzförmige, von der Rückenmarks¬
geschwulst aus verfolgbare Ausläufer gefunden wurden, die sich in der
Wirbelwand verloren. Der Muskel- und Sehnentumor erstreckte sich
andererseits bis zu der Wirbelsäule heran, teilweise in Eiter eingeschmolzen.
Die primäre Geschwulst ist natürlich die letztere, die eitrig veränderte,
sonst würde erstere wohl auch größere Dimensionen und das Bestreben,
naheliegende Bezirke zu destruieren, gezeigt haben. Syphilis kann deshalb
ausgeschlossen werden, da Wassermann sowohl des Blutes als der Zere¬
brospinalflüssigkeit negativ war und sonst wenig Anhaltpunkte für
Lues vorhanden sind; das wüste sexuelle Vorleben der Kranken, die
gering entwickelte Pachymeningitis, mäßige Arteriosklerose und eine
Exostose brauchen keineswegs unbedingt eine spezifische Erkrankung
anzuzeigen. Gegen Tuberkulose spricht die ganze Tumoranlage und
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Ein Beitrag za den Beziehungen zwischen bösartigen Geschwülsten usw. gl
das Fehlen von Tuberkelbazillen im Eiter der einen Geschwulst. Die Ver¬
wachsungen und Einziehungen an den Lungenspitzen legen allerdings
die Annahme eines Residuums alter verheilter Lungenspitzentuberkulose
nahe.
Da die Patientin erst im 53. Lebensjahre mit einer Geisteskrankheit
und zwar einer Gefängnispsychose erkrankte — sie war wegen Kuppelei zu
1 Jahr Gefängnis verurteilt worden — reagierte sie mit einer Dementia
senilis.
Was nun die Wirkung der Geschwülste auf den übrigen Organismus
anbetrifft, so ist darüber bereits alles erwähnt; hervorgehoben zu werden
verdient die Lähmung des linken Armes, die Schwäche der Beine, Schmerz¬
haftigkeit bei Bewegungen, leichte Benommenheit und die Herabsetzung
der Schmerzempfindlichkeit der Haut. Daß bloß der linke Arm gelähmt
war, spricht dafür, daß die Quetschung des Rückenmarks im Halsteil
so tief und so saß, daß das rechte Rückenmarksarmzentrum nicht betroffen
wurde. Die Lähmung des linken Armes muß durch Druck des eitrig er¬
weichten Muskel-Sehnentumors erklärt werden, der im Verein mit der
Rückenmarksläsion seine Wirkung ausübte.
Der Einfluß der Geschwülste auf die Psyche der Kranken drückte
sich dadurch aus, daß dieselbe mit dem Eintreten der Tumoren allmählich
geistig ganz versagte; ein eigentliches DeMrium trat nicht ein, aber man
kann sehr wohl an eine auf das Gehirn ausgeübte Toxinwirkung denken.
Denn interessanterweise ging einer Unterempfindlichkeit der äußeren
Haut, wie das bei Rückenmarkslähmungen gewöhnlich der Fall ist, eine
Oberempfindlichkeit z. B. bei Lageveränderungen parallel, die man sich
durch das Zentralorgan vermittelt denken muß.
4. Fall. — Ich gelange zu der erblich stark belasteten Kaufmanns¬
frau S., die am 23. II. 11 hier aufgenommen wurde und am 26. X. 13 starb.
Bei ihr interessiert besonders der Sektionsbefund, so daß ich mich mit
dem übrigen kurz fassen kann. Vom 18.—25. Jahr war sie stark bleich¬
süchtig. Mit 28 Jahren bekam sie bereits einen Schlaganfall, der sie link¬
seitig lähmte. Infolgedessen verbrachte sie die nächsten Jahre in Kranken¬
häusern beziehungsweise Irrenanstalten. Sie war zeitweise erregt, litt
an Kopfschmerzen, verweigerte vielfach die Nahrung, arbeitete nicht
and bedurfte der Bettruhe. Am 5. XII. 12 klagte sie über heftige Schmerzen
im Magen; die Gallenblasengegend war druckempfindlich, ohne eine
Resistenz darzubieten, und es bestand Ikterus. Sie kam durch Nahrungs¬
verweigerung körperlich immer mehr herunter und war um so schwieriger
zu behandeln, als sie zwar oft jammerte und stöhnte, aber nie den Grund
hierfür angab.
Die Obduktion ergab:
Schlaffes Herz, Herzthromben, beiderseits Schluckpneumonie, starkes
Emphysem.
Magen stark erweitert, dünnwandig, in der Mitte zwischen Pylorus
Zeitschrift für Psychiatrie. LXXII. 1. 6
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Möller,
und großer Kurvatur sauduhrförmige Einschnürung, wahrscheinlich
durch altes Ulcus, aber weder von einem Ulcus noch von einer Narbe
etwas zu sehen. Dagegen halblinsengroßes Duodenal-Geschwür mit leicht
intumeszierten Rändern. Pylorus etwas eng, aber ziemlich weich. Magen¬
inhalt: säuerlich, Rotweinreste. Gallenblase atrophisch, ohne Ausführungs-
gang, im Inneren zähe, gelbbraune Massen und drei weiche, rundlich
würfelförmige Steine, ein ähnlicher weicher Stein, zylindrisch, weniger
geformt, im Ductus choledochus, leichten Ikterus erzeugend. Größeres
Gefäßangiom der Leber. Milz vergrößert, Kapsel gerunzelt.
Schädel mitteldicht, stark asymmetrisch. Pachymeningitis haemor-
rhagica interna, besonders an Konvexität und Sichel. Hydrocephalus ex
vacuo. Windungen teilweise verschmälert. Im rechten Großhirn pflaumen¬
kerngroße Höhle (in der inneren Kapsel) nahe den Stammganglien, Höhle
erfüllt mit hellgelber, klarer Flüssigkeit, Ränder graugelblich. (Lähmung
des linken Armes.)
Die Engigkeit des Pförtners und Erweiterung des Magens ließen
an eine Geschwulst denken; die mikroskopische Untersuchung des Pylorus
ergab auch ein Karzinom. Aus dem Vorhergehenden erhellt, daß die
Kranke schon lange über Magenschmerzen geklagt hat; selbst zugegeben,
daß man dieselben zum Teil auf Veränderungen im Gallensystem beziehen
kann, muß dem Pförtnerkrebs und der Magenerweiterung, die die Folge
des ersteren war, doch sicher der Hauptanteil an der Ursache für die
Schmerzen zugeschrieben werden. Zweifellos wurde die Kranke mit
dem Elintreten des Krebses reizbarer und unzugänglicher. Merkwürdiger¬
weise erbrach auch sie nie, für welches Phänomen ich also dieselbe Ursache
wie früher zugrunde legen muß. Von Toxinwirkung des Krebses kann
keine Rede sein, denn das geistige Niveau der an postapoplektischer
Demenz leidenden Patientin blieb dauernd dasselbe, auch trat kein einer
Benommenheit gleichkommender Zustand ein. Das erklärt sich auch
durch den relativ leichten Grad der krebsigen Erkrankung. Bemerkens¬
wert ist der Befund einer zum größten Teil verkalkten Drüse, deren übriges
Gewebe den typischen Bau tuberkulöser Drüsen zeigte (epitheloide Zellen).
Wir haben also einen in Heilung begriffenen tuberkulösen Herd vor uns.
Daß diese Ausheilung nicht ohne Beziehung zu dem entstehenden Karzi¬
nom ist, möchte ich annehmen. Wenn man einerseits sagt, Tuberkulose
disponiere zu Krebs, so kann man ebensogut behaupten, daß tuberkulöse
Erkrankungen durch einen hinzugekommenen Krebs günstig beeinflußt
werden. Ich erinnere mich einer weiblichen Kranken aus einer württem-
bergischen Irrenanstalt, die an Unterleibskrebs starb und Residuen ab¬
geheilter Lungentuberkulose zeigte, und an einen noch instruktiveren
Fall aus einer hessischen Irrenanstalt, wo eine Frau an Magenkrebs starb,
bei der tuberkulöse Darmgeschwüre in Heilung begriffen waren, was ich,
obgleich ich schon viele Sektionen gesehen habe, nie beobachtet hatte.
Wenn erst der einsetzende Krebs die Tuberkulsose heilt, so ist damit
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Ein Beitrag m den Beziehnngen zwischen bösartigen Geschwülsten nsw. g3
dem Kranken nicht geholfen, indem dann gleichsam der Teufel nur durch
Beelzebub ersetzt ward. Aber sind diese Fälle nicht wertvolle Fingerzeige für
eine künftige Serumbehandlung der Tuberkulose? Natürlich darf das
Serum dann keinen Krebs erzeugen.
5. Fall. — Zum Schluß interessiert uns die an Dementia paranoides
leidende, am 3. X. 13 im Alter von 68 Jahren gestorbene ledige Kranke R.
Von väterlicher Seite her erblich belastet, erkrankte sie im Klimakterium
mit paranoischen Ideen, zeigte sich verwirrt, menschenscheu und ver¬
wahrlost und hatte später Sinnestäuschungen. Am 4. III. 01 wurde sie
aus einer anderen Anstalt in die unsrige überführt. Sie arbeitete etwas,
war aber zurückhaltend und zeitweise unwillig und unzugänglich. Am
2. III. 09 erlitt sie einen Ohnmachtanfall, später hatte sie deren mehrere.
Sie aß zeitweise weniger und zeigte Zustände von Herzschwäche. All¬
mählich wurde sie stumpfer und unsauber. Am 18. IV. 13 traten Ödeme und
Zyanose der Füße auf, etwa Mitte September Gelbsucht, und es wurde
eine Unterleibsgeschwulst palpiert, die auf Druck mäßig schmerzhaft
war. Der Ikterus nahm zu und die Patientin wurde zusehends hinfälliger.
Einen Tag vor dem Tod, am 2. X. 13, erfolgte Erbrechen schwarzer kaflee-
satzartiger Massen und schwarzgefärbter Stuhlgang.
Die Sektion ergab alte Narben an beiden Lungenspitzen, eine härt-
liebe Stelle in der einen Lunge und eine das Pankreas durchsetzende und
bis zum Duodenum vorgedrungene Geschwulst, die auf der Schleimhaut
des letzteren noch ein fünfmarkstückgroßes Geschwür bildete. Der
Ductus choledochus war in die Tumormasse einbezogen, die Gallenblase
durch dunkelgrüne Galle prall gefüllt, die Leber zirrhotisch, die Mesen¬
terialdrüsen mehrfach geschwollen.
Das Mikroskop erwies die Geschwulst als Krebs, der, weil er beim
Pankreas weiter vorgeschritten war und beim Zwölffingerdarm erst die
Schleimhaut ulzeriert hatte, ohne weiter ins Darmlumen vorzudringen,
sicher von der Bauchspeicheldrüse ausgegangen war. Pankreas-Krebse
sind auch öfter der Ausgangspunkt für Karzinome als das Duodenum.
Die härtliche Stelle in der einen Lunge erwies sich als Krebsmetastase,
ebenso eine der geschwollenen Drüsen.
überblicken wir die ganze Krankheitsgeschichte, so sehen wir, daß
früher einmal eine Lungenaflektion gespielt hat, wahrscheinlich Tuber¬
kulose. Wann diese zum Stillstand kam, läßt sich nicht ermitteln, wir
beobachten nur wieder, daß ein Krebs da ist und eine Tuberkulose nicht
vorhanden beziehungsweise geheilt ist. Die Ohnmachtanfälle, die im
Jahre 1909 auftraten, und denen Anfälle von Herzschwäche folgten,
möchte ich als erste Anzeichen des späteren, schweren körperlichen Ge¬
samtleidens ansehen. Die Zyanose und Fußschwellung zeigte dann ganz
deutlich den beginnenden Verfall an. Auffallend ist wieder, wie spät
trotz des großen Duodenalgeschwürs Erbrechen eintritt; einen Tag vor
dem Tode. Die schwarzgefärbten Stuhlmassen sind auf eine Blutung
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Müller,
aus dem Geschwür zurückzuführen. Auch hier nehmen wir wahr, wie
die Empfindungslosigkeit körperlichen Schmerzen gegenüber der zuneh¬
menden Stumpfheit parallel geht. Ja, die Kranke war sogar zuletzt
ruhiger und freundlicher wie früher; von einer Beeinflussung der Psyche
kann also wohl die Rede sein, man muß an eine leichte Toxinwirkung
denken, die diese Euphorie erzeugte. Die körperliche Erkrankung wurde
noch dadurch im schlechten Sinne gefördert, daß sie, auf eine Stimme
hörend, die ihr das Essen verbot, seit dem ersten Ohnmachtanfall
schlechter aß.
Da sich unter meinen fünf Fällen drei Pyloruskrebse bei Geistes¬
kranken gefunden haben, möchte ich darauf hinweisen, daß dieser
Befund kein seltener ist und bei genauer Sektion sicher öfter, als man
vielleicht gemeiniglich annimmt, bei Geisteskranken erhoben werden
kann, namentlich bei Paralytikern, wie ich gesehen habe — ein
an Magenkrebs verstorbener Paralytiker konnte leider nicht seziert
werden, deshalb habe ich, weil ich dieses striktesten Beweises entbehrte,
diesen Fall nicht angeführt —; daß dabei das Herabschlingen vieler
oder zum Teil noch heißer Speisen mitwirken und so einen Locus mi-
noris resistentiae an der Magenschleimhaut schaffen kann, möchte
ich keineswegs leugnen. Ich glaube, daß aus Gründen der Analogie
neben dieser Reizhypothese für alle Arten bösartiger Geschwülste
hinsichtlich ihrer Entstehung die bazilläre Ursache dereinst als das
wichtigste Agens erkannt werden dürfte, und Geisteskranke sind
eben wie zur Tuberkulose — besonders Dementia praecox-Fälle — so
zu Krebskrankheiten besonders disponiert, wie ja auch die reziproke
Beziehung besteht, daß Kinder eines tuberkulösen oder karzinoma-
tösen Vorfahren leichter geisteskrank werden. Schon die Disposition
zur Tuberkulose oder Krebskrankheit der Eltern scheint in dem
Sinne für die Kinder verderblich zu wirken, indem der Vater oder die
Mutter öfter erst tuberkulös oder karzinomatös werden, nachdem
das Kind, das später geistig erkrankt, längst geboren ist. Das heißt,
es tritt eine Schwächung des Gesamtorganismus ein, sowohl bei Ver¬
erbung von tuberkulösen oder karzinomatösen Vorfahren als auch
durch Geisteskrankheiten, so daß Kinder tuberkulöser oder karzinoma-
töser Vorfahren für Geisteskrankheiten und Geisteskranke für Tuber¬
kulose und bösartige Geschwülste prädisponiert erscheinen. Letzteres
stimmt zu meinem Resultat, insofern es sich um fünf Fälle bösartiger
Geschwülste während einer einjährigen Beobachtungszeit handelt,
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Eia Beitrag zu den Beziehungen zwischen bösartigen Geschwülsten usw. 85
doch schon eine ziemliche Anzahl bei einem Bestand von 852 Kranken,
nämliöh 0,59 % der Kranken und 6,8 % der in diesem Zeitraum Ver¬
storbenen (73).
Ich gebe zu, daß aus äußeren Gründen nicht alle Verstorbenen
seziert werden konnten und man also, wie in dem erwähnten Fall,
annehmen muß, daß einige Neubildungen bei Geisteskranken der
Beobachtung entgangen sind; aber da ich in dem betreffenden Zeitraum
eine relativ beträchliche Anzahl Tumoren nachweisen konnte, dürfte
vielleicht doch eine mittlere Jahresmenge vorliegen. Bei der absolut
geringen Anzahl von Fällen möchte ich meinen Schlüssen und Hypo¬
thesen keine wesentliche Bedeutung beimessen und wäre dem gütigen
Kollegen dankbar, der mich in bezug auf meine Ausführungen eines
Besseren belehrte; ich hielt es nur für wichtig genug, auf die relative
Häufigkeit der Krebse in Irrenanstalten und die Beziehungen zwischen
bösartigen Geschwülsten und Geisteskrankheiten hinzuweisen, werde
die Frage im Auge behalten und bin gern bereit, später meine Angaben
durch weiteres Material zu stützen. Wenn Griesinger im Gegensatz
zu mir das seltene Vorkommen von Magenkrebs bei Irren erwähnt,
so rührt das einmal daher, daß inzwischen die Zahl der Geisteskranken
und somit auch der unter ihnen an Magenkrebs leidenden zugenommen
hat. ferner daher, daß bösartige Geschwülste bei psychisch Kranken
um so leichter der Beobachtung entgehen, als nicht alle Geisteskranken
seziert werden, die malignen Tumoren bei der Sektion übersehen werden
können und die Diagnose manchmal erst durch das Mikroskop gestellt
werden kann. Den von Elzholz beschriebenen und kritisch beleuch¬
teten Fällen habe ich nichts hinzuzufügen.
Benutzte Literatur.
1. Lewin, Bösartige Geschwülste, 1909.
2. Löwenthal, Traumatische Entstehung der Geschwülste, Dissertation,
1894.
3. Ho ff mann, Krebsmetastasen in den Hirnhäuten. Zeitschr. f. Krebs¬
forschung Bd. 7, III, 1909.
Götting , Multiplizität primärer Karzinome. Zeitschr. f. Krebsforschung
Bd. 7, III, 1909.
5. Lindemann, Karzinom im jugendlichen Alter. Zeitschr. f. Krebs¬
forschung Bd. 7, III, 1909.
6. Hansemann, Mikroskopische Diagnose der bösartigen Geschwülste
2. Aufl. 1902.
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7. Ackermann, Histogenese und Histologie der Sarkome, 1883.
8. Ziegler, Beziehungen der Traumen zu den malignen Geschwülsten,
Münchener med. W. 1895, Nr. 27.
9. Ploenies, Das Vorkommen und die ursächlichen Beziehungen der
psychischen Störungen, besonders der Zwangsvorstellungen und
Halluzinationen, bei Magenkrankheiten etc., Archiv f. Psychiatrie
XLVI 3. p. 1136, 1910.
10. Elzholz, Über Psychosen bei Karzinomkachexie. Wien. med. Wochen-
sehr., 1898.
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Ein Yeronaldeliriam 1 )*
Von
Kort Schneider) Köln.
Den einzigen Fall von Psychose nach chronischem Veronal-
gebrauch hat Hans Laehr beschrieben 2 ). Die Krankengeschichte war
kurz zusammengefaßt folgende:
Eine bei Beginn der Beobachtung etwa 53 jährige Dame, die stets
sehr lebhaft und leicht verstimmt war, nahm mit etwa 45 Jahren,
% Jahr nach Eintritt der Menopause, anschließend an die sie sehr mit¬
nehmende Ehescheidung der Tochter wegen Schlaflosigkeit zum erstenmal
Veronal, das sie von da ab 6 y 2 Jahre lang regelmäßig gebrauchte; sie
stieg während der Zeit von 0,5 bis 1,5 g Veronal bzw. Medinal abends.
In dem letzten Jahr vor der Aufnahme war die Stimmung vielfach ge¬
drückt, gelegentlich lebensüberdrüssig. Am 3. April wurde die Kranke
in das Sanatorium aufgenommen; wahrscheinlich ist sie von da ab, ganz
sicher aber erst vom Abend des 6. April ab veronalfrei gewesen. Ärzt¬
licherseits wurden seit der Aufnahme keinerlei Schlafmittel mehr gegeben.
Am nächsten Tage (7. April) war sie verstimmt, unzufrieden, reizbar;
schon in der Nacht vom 7. auf 8. April hörte sie verdächtige Geräusche,
es müsse wohl jemand gestorben sein. Am 8. April behauptete sie, es
sei Quecksilber im Bade, roch Phosphor und Schwefel im Zimmer, war
aber im übrigen noch ganz geordnet. In der Nacht zum 9. April begannen
ausgesprochene Delirien, Gesichts- und Gehörstäuschungen traten auf,
die Orientierung fehlte zeitweise, allerlei wahnhafte Erlebnisse wurden
vorgebracht, welche die Kranke wegen ihrer Merkwürdigkeit beunruhigten,
aber mit ihrer Person selbst nichts zu tun hatten. Mitunter suchte sie
allerlei in ihrem Bett, sah auf Bulbusdruck verschiedene Dinge, delirierte
mit wiederholter Unterbrechung' von einigen Stunden Schlaf mehrere
Tage. Dabei fehlte aber nicht ein gewisses Krankheitsgefühl, sie bezeichnete
ihren Zustand selbst als ein „wüstes Chaos“, war dazwischen auch wieder
1 ) Aus der Psychiatrischen Klinik der Akademie für praktische
Medizin zu Köln (Professor Dr. G. Aschaffenburg).
*) Allgemeine Zeitschrift für Psychiatrie Bd. 69, S. 529, 1912.
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Schneider,
kurz orientiert, blieb empfänglich für wirkliche Eindrücke. Vom 14. April
ab wurde sie ruhiger, doch folgte noch ein mit massenhaften Gehörs -
täuschungen verbundenes wahnhaftes Erlebnis, in dem ihr Sohn zuletzt
erschossen wurde. Am 16. April verloren sich die Sinnestäuschungen
fast plötzlich, der Inhalt der Delirien wurde sofort korrigiert, nur Einzel¬
heiten wirkten noch einige Zeit nach. In mehreren Nächten trat noch
etwas Angst auf, der Schlaf besserte sich aber rasch, und am 3. Juni
wurde die Kranke geheilt entlassen.
In der Besprechung dieses Krankheitsbildes betont Laehr seine
große Ähnlichkeit mit dem Delirium tremens und — im zweiten
Teil — der akuten Halluzinose der Trinker, doch konnte es sich darum
auf keinen Fall handeln, denn die Kranke hatte Alkohol nie in
größeren Mengen oder gewohnheitmäßig getrunken.
Auch in Einzelheiten der Psychose, besonders in dem nicht egozentri¬
schen Charakter der Wahnerlebnisse, und in dem Fehlen von Störungen
der Kreislauf- und Verdauungsorgane sah er Unterschiede gegenüber
alkoholischen Erkrankungen. Positiv für Veronalismus sprach ihm
die Muskelunruhe, das allerdings nur ganz leichte Zittern, Reflex-
anomalien, die lallende Sprache, die glänzenden Augen, die Rötung
des Kopfes, die Erschwerung des Schreibens, die Möglichkeit, sich
für kurze Zeit zusammzuraffen, Dinge, die auch in den anderen acht
beschriebenen Fällen von Veronalismus mehr oder weniger bemerkt
wurden. Da endlich schon zu Hause die Versuche, der Kranken das
Veronal abzugewöhnen, zu deliriumartigen Zuständen geführt hatten
und deshalb aufgegeben worden waren, kam Laehr auf Grund aller
dieser Erwägungen zu der Ansicht, daß man „mindestens eine mittel¬
bare Wirkung derVeronalentziehung auf den Ausbruch der Psychose“
annehmen müsse, einen Schluß, den man, wenn man die ausführliche
Krankheitsgeschichte liest, sicher als sehr vorsichtig und zurück¬
haltend bezeichnen darf, denn der ursächliche Zusammenhang zwischen
Veronalabstinenz und Psychose kann kaum bezweifelt werden. Jeden¬
falls erscheint die Meinung Rehms 1 ), daß es sich um eine „ängstlich
dclirante Phase einer Manisch -Depressiven 4 ‘ gehandelt haben könnte,
als recht gekünstelt, denn solche Delirien mit massenhaften Sinnes¬
täuschungen liegen — wenigstens nach der üblichen Umgrenzung —
doch völlig außerhalb des Manisch-Depressiven. Auch die depressive
Konstitution der Kranken kann kaum in dieser Richtung verwertet
J ) Zeitschr. f. d. ges. Neurologie u. Psychiatrie, Ref. Bd. 5, S. 942.
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Ein Veronaldelirium.
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werden. Ihre Vorgeschichte zeigt nichts weiter, als daß sie Psycho¬
pathin ist, und eine psychopathische Konstitution wird man für den
Veronalismus so gut wie für den Morphinismus und andere Suchten
als Grundlage annehmen müssen. Auch aus der Bemerkung, daß
die lungenkranke Mutter „im Winter immer gelegen und im Sommer
sich erholt“ habe, eine „offenbar zirkuläre Belastung“ abzuleiten,
erscheint mir als sehr gewagt.
Im folgenden sei nun eine Beobachtung mitgeteilt, die die von
Lnehr mitgeteilte in weitestem Maße bestätigt.
51 jährige Frau. Der Vater starb an Magenkrebs, die Mutter ist 81 j.,
geistig und körperlich rüstig. Zwei Brüder starben klein, eine schwach¬
sinnige Schwester starb mit 19 Jahren an Lungenschwindsucht, eine
andere mit 15 Jahren infolge eines Unglücksfalles. Pat. hat dreimal ge¬
boren; der eine der Söhne lebt und ist gesund, der zweite ist schwach¬
sinnig in einer Heilanstalt, der dritte nahm sich aus nicht ganz geklärten
Gründen das Leben.
Der Mann schüdert die Kranke als stets sehr lebhaft, erregbar,
Iteftig. Sie hatte viele geistige Interessen, trieb gern Musik. Sie heiratete
mit 19 Jahren; die Ehe war, obgleich die Ehegatten nicht recht zusammen-
paßten, nicht unglücklich. Die Frau war aber nie recht zufrieden, regte
sich sehr leicht auf, machte viele Szenen, drohte oft bei Kleinigkeiten
mit Selbstmord; sonst galt sie als klug, liebenswürdig und heiter.
Die Erregbarkeit nahm, als im 44. Jahr die Menopause eintrat,
zu. Der Schlaf begann zu leiden, und wenn die Kranke lange nicht ein-
schlafen konnte, weinte sie laut, rieb unruhig den Kopf auf den Kissen,
lief jammernd durch die Zimmer. Der Arzt verordnete Veronal mit
der ausdrücklichen Weisung, nur in Notfällen davon Gebrauch zu machen,
doch nahm sie bald täglich 0,5 g Veronal. Ein sechswöchiger Sanatoriums¬
aufenthalt besserte gar nichts; gegen die Schlaflosigkeit war nicht anzu-
kommen, und so kam die Kranke vom Veronal nicht los. Vor 5 Jahren
kam dann der Tod des dritten Sohnes, von da ab wurde der Veronal-
gebrauch noch größer und hielt sich seither stets auf der Höhe von 1 Yz g p. d.
Außerdem trank die Kranke damals ziemlich viel Wein und Bier.
Auch in den letzten Jahren trank sie, obschon der Alkoholkonsum wieder
nachgelassen hatte, 4—5 Flaschen Bier täglich; sehr selten Wein, nie
Liköre. Reisen und gesellschaftliche Zerstreuungen änderten wenig,
ebenso die noch mehrfach aufgesuchten Sanatorien. Die Kur war immer
vergebens, immer wieder kehrte man, da natürlicher Schlaf sich nicht
einstellte und nichts anderes half, zum Veronal zurück. Seit etwa 1 y 2 Jahren
wurde die Sprache schlechter, und im letzten Jahr stellten sich noch ver¬
schiedene andere Erscheinungen ein: auf der Straße wurde die Kranke
unsicher, sie schrak zusammen, wenn Fuhrwerke kamen, wobei dann
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Schneider,
oft plötzlich die Beine versagten. Sie kam deshalb vor einem Jahr in Be¬
handlung eines Hypnotiseurs, doch wurde der Zustand schlimmer. Häufig 1
trat beim Gehen plötzliches Zusammenzucken auf; die Kranke stand ein
paar Sekunden fast unbeweglich da, bis sie wieder weiter konnte; mitunter
fiel sie auch hin. Seit etwa einem Jahr mußte sie ständig geführt werden.
Die Haushaltung besorgte sie seit vielen Jahren nicht mehr, auch die
Geselligkeit mußte immer mehr eingeschränkt werden, doch merkte man
der Kranken im Gespräch nicht viel an, auch ihre Interessen pflegte sie
wieder, doch wurde sie verlogen und unzuverlässig. Trotz der allabend¬
lichen Dosis von iy t g Veronal schlief sie stets nur ganz kurz. Ersatz¬
präparate wurden nicht genommen, nur eine kurze Zeitlang Medinal.
Die in den letzten Jahren meist sehr reizbare und streitsüchtige Stimmung
wich im letzten Vierteljahr immer mehr einem Verzagtsein und einer
großen Hoffnunglosigkeit.
Etwa 8 Wochen vor der Aufnahme in die Klinik wurde die Kranke
von ihrem Sohn in ein Pensionat an der Riviera begleitet. Er blieb die
ersten 5 Wochen bei ihr, und es gelang ihm, den Veronalgebrauch auf
0,65 p. d. herunterzudrücken. An Alkohol nahm sie tagüber eine Flasche
Wein, nachts eine Flasche Bier. Nach einer unwesentlichen Aufregung
kam sie in 2—3 Tagen wieder zu 2,0 Veronal und trank auch wieder mehr.
Der Sohn reiste dann ab und war erst die letzten 5 Tage vor dem Beginn
der Beobachtung wieder bei ihr. Der Veronal-Tagesverbrauch war 2,0
geblieben, doch soll Pat. kurz vor seiner Ankunft — wie sie sagte, in selbst¬
mörderischer Absicht — einen Abend 4,0, den anderen 7,0 g genommen
haben. An Alkohol trank sie tagüber durchschnittlich %—1 Liter Wein,
1—2 Liter Bier, nachts y 2 —1 Flasche Wein, worin sie das Veronal nahm.
In den letzten vier Tagen nahm sie nachts keinen Alkohol mehr; der
Veronalkonsum war 1,5 g im Tag. Den Alkohol habe sie erstaunlich gut
vertragen, sie sei stets völlig gesellschaftfähig geblieben und habe sich
gut und gebildet unterhalten.
27. VI. 1914. Wird von Mann und Sohn direkt vom Bahnhof
zugeführt. Macht den Eindruck einer Betrunkenen, ohne nach Alkohol
zu riechen: lallende schwerfällige Sprache, glänzende verglaste Augen,
rotes Gesicht. Das Benehmen ist geordnet, der Gang so unsicher, daß
sie rechts und links gestützt werden muß. Auf dem Weg zur Abteilung
zuckt sie plötzlich zusammen, bleibt stehen, um dann nach wenigen Se¬
kunden weiterzugehen; sie spricht dabei, das Bewußtsein scheint nicht
verändert. Nach der Verabschiedung der Angehörigen ist sie sehr mi߬
mutig, will sich nicht ausziehen und baden, tut es erst nach wiederholtem
Zuspruch. Der körperliche Befund ist folgender:
Gut genährte Frau von gutem Kräftezustand. Etwas gerötetes
Gesicht. Die Pupillen sind weit und reagieren prompt auf Licht und
Akkomodation. Augenbewegungen ungehindert. Fazialis gleichmäßig
innerviert. Zunge o. B. Sprache schwerfällig, schmierend. Reflexe überall
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Ein Veronaldeliritun.
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normal auslösbar. Kein Babinski. Nervenstämme nirgends druckempfind¬
lich. Romberg stark positiv. Kein Tremor der Hände. Gang weder
spastisch noch ataktisch, doch ängstlich und unsicher. — Herz: normale
Grenzen und Töne. Puls kräftig, regelmäßig, nicht beschleunigt. Re-
spirations- und Digestionstraktus o. B. Urin: o. B.
Abends dringendes Verlangen nach Veronal, es sei eine Unver¬
schämtheit, daß man ihr gar nichts gebe. Kein Schlaf, verbringt die
Nacht im Bad.
28. VI. Die Stimmung ist besser, die Sprache fast normal. Schreibt
gegen Abend einen nach Form und Inhalt völlig geordneten Brief an
den Mann und wirft ihm vor, daß er sie in eine Irrenanstalt gebracht
habe. Abends wieder sehr ungeduldig, sie halte nicht noch einmal eine
schlaflose Nacht aus, sie leide unsäglich, es sei eine Grausamkeit, ihr
alles auf einmal wegzunehmen. Kein Erbrechen, keine Erscheinungen
von seiten des Herzens, im Bad abends Schwächezustand ohne Bewußt¬
seinstrübung. In der Nacht kaum eine Stunde Schlaf; lebhaftes Stöhnen
und Unruhe.
29. VI. Ruhigeres und freundlicheres Verhalten. Unterhält sich
mit den anderen Kranken, ist gegen Abend auffallend euphorisch,
bittet nur noch um Baldrian. In der Nacht kein Schlaf. Als der Arzt
nach Mitternacht auf die Wachabteilung kommt, sitzt sie im Bett, ruft
ihn nicht wie sonst her, sondern winkt ihm lachend zu.
30. VI. Am Morgen begrüßt sie die Tagespflegerin als ihr Dienst¬
mädchen: „Elise, da sind Sie ja, wo haben Sie sich herumgetrieben die
ganze Nacht; ich habe schon nach Ihnen geschellt.“ Sie erzählt ihr, sie
habe in der Nacht, sobald sie die Augen geschlossen habe, furchtbare
Gestalten im Zimmer gesehen, sie wisse nicht mehr, wo sie sei, sie habe
ein komisches beklemmendes Gefühl im Kopf. Dann befiehlt sie der
Pflegerin, sie sofort anzuziehen, sie in den Salon zu führen, Sekt und Bier
zu bringen. Den ganzen Tag über sitzt sie noch mit den anderen Damen
zusammen, unterhält sich aber völlig verwirrt. Den Arzt erkennt sie
zwar als solchen, weiß aber nicht, daß sie in Köln ist; sie glaubt sich zu
Hause. Andererseits sagt sie aber, nach dem Zweck des Hierseins gefragt:
.Mir ist gesagt worden, man soll vom Veronal abkommen.“ Auf die
Frage nach Erscheinungen sagt sie: „Nur in der vorigen Woche habe ich
einen Tag gehabt, wo ich so Schatten gesehen habe, es war, glaub' ich,
an den zwei Tagen, wie ich das Veronal ausließ“. Gefragt, ob die Er¬
scheinungen deutlich waren, meint sie, sie habe gedacht: „Du könntest
was draus machen, vielleicht Gestalten, wenn ich viel Phantasie hätte.“
Sie erzählt, die Leute draußen kenne sie „flüchtig, weil ich sehr viel fort
bin“; trotz wiederholter Versicherung, daß sie in Köln im Krankenhaus
sei, schwankt sie dauernd, ob sie nicht doch zu Hause sei. „Zu Haus oder
im Krankenhaus, wie Sie wollen, das kann ich nicht so fein definieren,
das müssen Sie doch eigentlich mehr definieren. Ich weiß, ich bin im
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Schneider,
Krankenhaus oder zu Haus; das weiß ich nicht, ob ich das sagen kann.
Ich kann es eben nicht so genau definieren.“ Die Stimmung ist weder
ängstlich noch euphorisch, nur etwas ratlos. Das äußere Benehmen fällt
durch nichts auf. Sie sieht bei Bulbusdruck Blumen, liest Worte von der
leeren Wand.
Es wird 0,5 Veronal gegeben, nach dem sie spontan gar nicht mehr
verlangte. Kein Schlaf, doch bis 3 Uhr morgens ruhig. Verläßt dann
das Bett, kriecht aus dem Einzelzimmer in den Wachsaal, schreit
laut, schlägt nach der Pflegerin, kommt ins Bad.
1. VII. Vormittags im Bad. Spricht und lacht fortgesetzt
vor sich hin. Kein Tremor, kein Beschäftigungsdrang. — Stenogramm:
„[Wo sind Sie hier?] In der Badeanstalt — im Sanatorium vielleicht.
Ich bin ja erst einen Tag hier, noch nicht mal einen Tag. Heute morgen
um 5 bin ich aufgestanden. Das war der erste Tag, da sind wir durch¬
gefahren die Nacht. [Wann sind Sie gekommen?] Wir sind gekommen —
Samstag abend muß es gewesen sein (stimmt). [Was ist das hier für eine
Stadt?] Lugano. [Kennen Sie mich?] Sie sind Arzt. [Von was?] Aus
Köln. [Was tu ich denn in Lugano ? ] Das kann ich mir nicht zusammen¬
reimen. Sie können ja vielleicht eine kleine Lustpartie — oder für mich,
in meinem Interesse — das weiß ich nicht. [Sie sind hier im Kranken¬
haus.] Das ist eben das Auffallende, daß ich Sie hier finde; ich kann
nicht dahinterkommen, ich weiß nicht, wie das Ganze zusammenhängt;
mein Mann schreibt mir nicht. [Sind Sie krank?] Wir haben doch den
letzten Abend .. wie Sie noch immer sagten, ich hätte so umflorte Augen —
da haben wir doch aufgenommen den Bestand. Das sagte mein Mann
immer, ich hätte die eigentümlichen Erscheinungen — Rosen machten
wir doch. Ich mußte zählen, wieviel blaue und wieviel rote Rosen, dann
mußte ich sagen, wie groß die Rosen waren, und was an der Wand ge¬
schrieben stand. [Wann ist das alles gewesen?] Ich meine, Freitag abend
(war am Diestag). [Was ist heute?] Sonntag, denk ich (Mittwoch).
[Wie ist das Datum?] Weiß ich nicht, wir reisen jetzt so umher. [Sie
sind hier in Köln.] Ich habe ein Pulverchen bekommen, Freitag abend
habe ich ein kleines Pulverchen bekommen, in D. auf dem Bahnhof.
Unser Mädchen hat es mir gegeben; sie hat es von Ihnen. Mein eigenes
Mädchen, unser Dienstmädchen. [Das war eine Pflegerin.] Die ist immer
nur zur Aushilfe Samstags bei mir. [Haben Sie Angst?] Weil die mir
so furchtbar weh getan haben, sonst brauche ich nicht zu schreien. Ich
habe ja noch nichts gegessen. Ich komme an abends — wann sind wir
angekommen? Um 8 Uhr glaub ich. [Haben Sie Angst?] Nein — wieso
meinen Sie? [Weil Sie manchmal so schreien.] Wenn ich so schreie,
habe ich nur Angst, daß ich nach der Person hier 'raus wollte, die hat
mich den ganzen Tag so furchtbar unterhalten. [Haben Sie Stimmen
gehört?] Das ist gänzlich vorbei, was ich neulich mal sagte. [Haben Sie
Tierchen gesehen?] Das ist gänzlich vorbei, die letzten Tage waren völlig
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Ein Veronaldeliriwn.
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frei. [Haben Sie es denn einmal gehabt?] Einen einzigen Tag; das war
den Abend vorher, den 3. Abend, wie ich Entziehung gemacht hatte bei
Ihnen. Das war eigentümlich, wie große Hunde und Katzen — so eigen¬
tümliches Gefühl. [Haben Sie das ganz deutlich gesehen?] Ich lag im
Bett und hatte noch was gelesen. Was hatte ich noch zu lesen ?.. ich
hatte mir einzelne kleine Sachen von Goethe .. und da lag ich so, auf
einmal guck ich nach dem Bett, da ist am Fußende was Dunkles, das ging
immer hin und her. Ich guck ein paarmal hin, das bewegt sich immer
wieder so ... Ich war so bange; das war jedenfalls etwas, was nur in
meiner Phantasie bestand.“
Auf Bulbusdruck sieht sie ein Blatt, das sich fortwährend ver¬
ändert, erst wie ein Ring aussieht, dann wie ein kleines rotes Korallen -
kettchen, dann sieht sie gelbliche Fäden, an denen eine kleine Perle hängt.
Von der weißen Wand liest sie: „Maximilian Imperator, Maximilian
Imperator“. Das seien immer dieselben Worte, und ab und zu Blumen
dazwischen; weiter unten seien kleine Pünktchen. Dagegen gelingt es
nicht, sie von einem leeren Blatt Papier ablesen zu lassen, ihr vermeint¬
liche Gegenstände in die Hand zu geben oder sie etwas im Wasser suchen
zu lassen.
Nachmittags im Bett, rutscht aber viel auf dem Boden herum,
verkennt die anderen Patientinnen, bittet die eine, ihre Schwester möge
mit ihr nach O. gehen, sie sei eingeladen und müsse sich endlich
anziehen. In der Nacht ganz schlaflos, aber ziemlich ruhig im Bett. Spricht
fortwährend leise vor sich hin oder mit der Pflegerin. Das Gesprochene hat
wenig Zusammenhang. Sie spricht von Personen, mit denen sie allein
noch in Lugano zusammen war, dazwischen äußert sie Angst, „das stöhnt
ja schon die ganze Nacht in allen Ecken“; die Pflegerin redet sie wieder
als ihr Dienstmädchen an: „Elise, Elise, rette sich wer kann; ich will
hier heraus, hol einen Wagen.“ Dann wieder „Bist Du der Satan? bist
Du der Teufel? willst Du mich ersäufen im großen Kübel?“ Manchmal
glaubt sie, im Zug zu sitzen; sie fragt wiederholt, welche Station denn sei.
Verschiedenemal versichert sie, heute habe sie nichts getrunken, oft durch¬
sucht sie ihr ganzes Bett nach Pulvern, einmal unterhält sie sich mit
jemand, der angeblich unter dem Bett sitzt.
2. VII. Der Zustand ist unverändert. Obschon in der Rede apha-
sische Entgleisungen vorzukommen scheinen (vgl. Stenogramm), ergibt
die Prüfung mit Gegenständen nur richtige Antworten. Die Pupillen
scheinen mitunter nicht ganz prompt zu reagieren. Wassermannsche
Reaktion im Blut negativ. Augenhintergrund normal. Als sie vom Augen¬
spiegeln zurückkommt, sagt sie zur Pflegerin: „Nun war ich beim Papst,
ich war so fürchterlich aufgeregt; der hat sich so für mich bemüht.“
Appetit gut. Ziemlich ruhig im Bett, meist spricht sie leise vor sich hin,
verlangt gelegentlich Bier, befiehlt, sie anzuziehen, erzählt, sie sei mit
ihrem Sohn hierhergefahren, glaubt sich meist in Lugano, ganz selten
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Schneider,
behält sie, wo sie ist. Dagegen sagt sie wiederholt, sie sei wegen ihrer
Veronalsucht hier. Auch ein gewisses Krankheitsgefühl ist vorhanden,
sie versichert wiederholt, daß sie sich nicht mehr auskenne; die Stimmung
ist meist heiter.
In der Nacht etwa 2 Stunden Schlaf, im übrigen ziemlich laut, zer¬
wühlt ihr Bett, läßt es nicht richten. Verlangt öfters Bier, glaubt Rot¬
wein zu haben, stößt lachend mit der Pflegerin an. Sagt, sie habe eine
halbe Zeitung im Halse, die müsse sie runterwürgen. Als die Pflegerin
meint, es könnte sich um ein Gebiß handeln, sagt sie zutreffend: „Das
hab ich ja gar nicht, eine andere Schwester hat es in Verwahr genommen.“
3. VII. Erzählt am Morgen, sie habe sehr gut geschlafen. Kommt
wiederholt aus dem Bett, kriecht durch den Saal, greift auf den Tisch
und nimmt etwas weg. Das sei Pulver. Schüttelt dann Hand, Bettuch
und Tischtuch ab und scharrt mit. den Händen auf dem Boden etwas
zusammen. Das sei öl und wirke genau wie Veronal. Sagt gegen Abend,
ihr Mann habe sich erschossen, und als ihr Sohn das gehört habe, habe
er dasselbe getan. Nun stehe sie ganz allein auf der Welt und wisse nicht,
wovon sie leben solle. Appetit mittags gut, abends schlecht.
Liegt nachts verkehrt im Bett, spricht mit der Pflegerin wieder wie
mit ihrem Mädchen. Dazwischen beschimpft sie ihren Mann, den sie
unter der Bettstelle sucht, er solle nicht alles allein trinken. Der Pflegerin,
die nachschreibt, sagt sie: „Höre auf, Elise, du verdirbst dir deine Augen.
Hol’ dir die Kerze aus meinem Schlafzimmer oder setze deine Brille auf
deine Nase. Wofür habe ich sie dir denn gekauft.“ Dann greift sie sie
plötzlich schreiend an, sucht ihr die Schlüssel „vom Bierkeller“ zu ent¬
reißen, ruft: „Karl, du gemeiner Bengel, du säufst das ganze Bier, Else,
du ekelhafte Person, du frißt das ganze Veronal I“ Sie will ihre Kleider
und ein Auto, fordert die Pflegerin auf, sich zu ihr ins Bett zu legen, sonst
komme ihr Mann, der jetzt in der Ecke liege, wird dann unruhiger, durch¬
sucht alle Betten und Nachtkästchen nach Veronal und dem Schlüssel
zum Keller, sucht auch unter den Betten, schimpft, ihr Mann habe sie
in eine Trinkerheilanstalt getan, sie werde es in die Zeitung bringen.
Schläft dazwischen 2% Stunden.
4. VII. Ruhiger, ißt gut, immer noch völlig verwirrt. Schrift
schwer lesbar, aber nicht zittrig, verschreibt sich dauernd. Gegen Abend
sind die Pupillen fast starr und sehr weit. Wenige Minuten nach dieser
Feststellung schwerer epileptiformer Anfall: fällt um, ist blau im
Gesicht, zuckt mit Armen und Beinen; Pupillenstarre; Einnässen. Nach
wenigen Minuten Erholung; die Pupillen reagieren sofort wieder gut.
Puls dauernd kräftig. Nachher wird 1,0 g Veronal gegeben. Urin o. B.
In der Nacht 2% Stunden Schlaf, im übrigen unruhig. Kramt
beständig im Bett herum, scharrt aus Bettzeug und Leibwäsche Veronal
zusammen, sieht in der Ecke drei Kannen Bier stehen, schickt ihren Sohn
mit 100 M. in die Apotheke, um Veronal einzukaufen; das Pulver zu 20
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Ein Veronaldelirium.
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oder 30 Pf. Trägt häufig das Bettzeug herum, das sei alles, was sie habe
retten können, alles andere sei verbrannt; kriecht in die Decke gewickelt
über den Boden, sucht den Luftschacht zu öffnen, da müsse sie sich im
Falle der Not verkriechen, will dann die Möbel umwerfen; erzählt gegen
Morgen, ihr Mann sei dagewesen und habe sie erschienen wollen, draußen
habe noch zur rechten Zeit ein Hund gebellt, und ihr Mann sei verschwunden,
so feige sei er.
5. VII. Unverändert. Appetit gut. Meist im Bett, doch mitunter
sehr unruhig. Schläft gegen Abend etwas.
6. VII. Immer noch verwirrt, kriecht zu anderen Patienten ins
Bett. Schläft nachts wenig, lacht vor sich hin, schreit teilweise laut auf,
legt sich auf den Boden, zerwühlt das Bett, macht es einmal naß mit Urin.
7. VII. Sehr laut, läuft fortgesetzt herum, schlägt und schreit,
verlangt Bier, gießt den Kaffee auf die Erde. Abends von 10 x / 2 Uhr
ab Schlaf.
8. VII. Schläft den ganzen Tag.
9. VII. Wacht heute klar auf, fragt, wo sie ist. Sie weiß noch,
daß sie in Lugano abgereist ist; an die Ankunft hier, an die Tage vor Aus¬
bruch des Deliriums, an den Brief an den Mann fehlt jede Erinnerung.
Auffallenderweise redet sie dennoch den Arzt mit seinem Namen an;
sie kann nicht glauben, daß sie ihn in Köln zum erstenmal gesehen hat,
sie sei doch auf Reisen mit ihm zusammengewesen. Die Stimmung ist
gereizt, sie wolle von ihrem Mann Aufklärung haben, warum man sie in
allen möglichen Städten herumgeschleppt habe. Sie wird wieder auf die
Pensionärabteilung verlegt; die Leute oben kommen ihr bekannt vor,
sie meint sie auf Reisen schon gesehen zu haben. — Nachts kein
Schlaf.
10. VII. Liegt im Liegestuhl auf der Terrasse. Etwas gedrückte
Stimmung; fragt, ob ihr Mann nicht tot sei, ob sie überhaupt wieder hier
herauskomme. Obschon ihr niemand etwas erzählt, findet sie, wie sie sich
ausdrückt, die Vergangenheit „Faden um Faden“ wieder. Sie kann sich
die Tage bis Ausbruch des Deliriums wieder ganz genau denken, weiß
aber auch aus dem Delirium verschiedenes, so, daß der Arzt ihr die Augen
zugehalten und sie allerlei gesehen habe.' In der Hauptsache ist aber die
Erinnerung an diese Tage sehr mangelhaft: sie habe immer Reisen gemacht
in alle möglichen Orte, sie sei bei Nacht gefahren; der Arzt sei immer dabei
gewesen und habe ihr Pulver gegeben. Sie weiß auch, daß sie sehr viel
Angst gehabt habe, ihr Mann sei gestorben.
Die Sprache ist ganz tadellos, der Gang noch ängstlich. Sie muß
geführt werden, doch genügt es, wenn sie eine Person mit einem Finger
stützt. Die Stimmung wird besser. Nachts wieder kein Schlaf.
11. VII. Fühlt sich unglücklich wegen der schlaflosen Nächte;
sie könne das nicht aushalten. Läßt sich leicht aufheitern, bittet um
Besuch. — Nachts von 4 Uhr ab Schlaf.
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j r
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Schneider,
12. VII. Sehr munter, besser gelaunt. Will immer noch kaum
glauben, daß sie erst 14 Tage hier ist. Gang immer noch ängstlich. —
Schläft die ganze Nacht; schreit ein paarmal im Schlaf.
13. VII. Ist sehr frisch; die Erinnerung macht keine weiteren Fort¬
schritte mehr. — Nachts kann sie lange nicht einschlafen, worüber sie sich
sehr aufregt; ihr Mann werde sie doch nicht ewig hier lassen wollen.
14. VII. Ist auf und völlig geordnet. Bekommt ein eigenes Zimmer.
Schläft leidlich.
15. VII. Auf Ermunterung energische Gehversuche; der Gang
ist jetzt tadellos.
23. VII. Anhaltende Genesung. Meist im Garten. Macht keinen
ganz aufrichtigen Eindruck. Da sie zwei Patienten, die freien Ausgang
haben, bittet, ihr Schlafmittel zu besorgen, wird sie in Quarantäne auf
den Wachsaal gelegt. Leugnet entschieden, schreibt entrüstet ihrem
Mann. Schläft nachts von 4—8 y 2 Uhr.
24. VII. Immer noch auf der Wachabteilung. Den ganzen Tag
über munter. Nachts sehr gut geschlafen. Geht wieder in den Garten.
Sehr erregbar, leicht gekränkt.
26. VII. Wieder im eigenen Zimmer. Erzählt der Pflegerin viel
erotische Erlebnisse aus ihrer Vergangenheit, macht einen sehr wenig
guten Eindruck. Ist sehr wechselnd in ihren Stimmungen, gegen das
Personal teils übertrieben zutraulich, teils schroff und rücksichtlos. Schimpft
und klatscht viel hintenherum, ist unaufrichtig, mißtrauisch; erinnert sehr
an eine moralisch defekte Morphinistin. Verspricht alles für die Zukunft,
hat aber im Grunde wenig Einsicht. Gedächtnis und Merkfähigkeit sind
ungestört, irgendwelche psychotischen Symptome sind nicht vorhanden.
Es handelt sich, kurz zusammengefaßt, demnach um eine aus
belasteter Familie stammende und selbst zweifellos psychopathische
Dame, die mit 44 Jahren infolge von Schlaflosigkeit und klimakteriellen
Unruhezuständen beginnt, gewohnheitmäßig Verona! zu nehmen.
Anschließend an ein schmerzliches Erlebnis in der Familie (sie ist
damals 46 Jahre) steigert sich der Veronalmißbrauch, und sie beginnt
auch zu trinken. Der Alkoholkonsum geht zwar wieder etwas zurück,
doch bleibt sie nun schon 6 1 / 2 Jahre lang bei einem täglichen Veronal-
quantum von durchschnittlich 1H g, das in allerletzter Zeit auf 2 g
ansteigt. In den letzten 1 )■> Jahren werden Sprache und Gang schlechter,
die nervösen Erscheinungen nehmen zu, der Allgemeinzustand geht
immer mehr zurück.
Sie ist 53 Jahre, als sie in die Klinik aufgenommen wird. Das
Veronal wird sofort entzogen. Am Abend des dritten Tages beginnen
deliriöse Erscheinungen, die rasch zu einem ausgebildeten Delirium
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Ein Veronaldelirium.
97
führen mit zahlreichen Sinnestäuschungen auf dem Gebiete des Gehörs
und Gesichts, Desorientiertheit, Personenverkennungen, lebhaftem
Verlangen nach Veronal und Alkohol. Es fehlt ein nennenswerter
Tremor, auch von einem richtigen Beschäftigungsdelirium ist keine
Rede; fast jede Nacht schläft die Kranke mehrere Stunden. Am
5. Tag des Deliriums erfolgt ein isolierter epileptischer Anfall, am
Abend des 8. Tages tritt fast plötzlich Schlaf ein, aus dem die Kranke
nach etwa 36 Stunden erwacht. Es ist alles vorüber. Zunächst besteht
noch eine Amnesie für die Zeit des Deliriums, die retrograd noch
einige Tage zurückgreift. Die retrograde Amnesie hellt sich nach
einem Tag völlig auf, dagegen bleibt die Erinnerung an die deliriösen
Erlebnisse sehr mangelhaft. Nach wenigen Tagen stellt sich auch
natürlicher Schlaf ein, und es erfolgt rasche Genesung. —
Zunächst wäre zu erwägen, ob die Erkrankung, die sehr an das
Delirium tremens der Trinker erinnert, nicht tatsächlich auf den
Alkohol zurückzuführen ist.
Daß die Frau getrunken hat, ist sicher, aber dennoch sprechen
eine ganze Reihe von Punkten gegen die Annahme eines Trinker¬
deliriums.
Die Kranke hat, wie vom Mann und Söhn versichert wird, nie
Schnäpse oder Liköre getrunken. Auch Wein hat sie während
der letzten Jahre nur in den letzten Wochen in größeren Mengen ge¬
nossen. Was sie seit Jahren trank, war Bier. Nun ist es aber an
und für sich schon recht ungewöhnlich, daß Biergenuß allein zum
Delirium tremens führt, und zudem war in dem vorliegenden Fall
der Biergenuß schwerlich derartig übermäßig.
Ferner müßte es sich, da die Kranke 2 Tage vor Ausbruch der
Psychose keinen Alkohol mehr bekommen hatte, um ein Alkohol-
abstinenzdelirium handeln, was zum mindesten eine sehr große
und ebenfalls angezweifelte Seltenheit wäre.
Vor allem spricht aber das Fehlen tremorartiger Erschei¬
nungen, die nach Schröder 1 ) „stets vorhanden“ sind, gegen ein
Delirium tremens.
Ein weiterer Grund gegen die Auffassung des Zustandes als
Trinkerdelirium ist, daß die Kranke zwischenhinein immer wieder
1 ) Intoxikationspsychosen. Handbuch der Psychiatrie, 1912, S. 232.
Zeitschrift für Psychiatrie. LXXII. 1 . 7 f
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98
Schneider,
mehrere Stunden schlief, was ebenfalls beim Delirium tremens
nicht der Fall zu sein pflegt.
Endlich ist auch die Dauer von 8*4 Tagen etwas, was außerhalb
der beim Trinkerdelirium gemachten Erfahrungen fällt; nach Bon-
hoeffer ist der Durchschnitt 3—5 Tage. Schon 6 Tage sind eine Selten¬
heit; ein länger dauerndes Delirium geht schon in die protrahierten
Formen über, endet nicht kritisch und ist prognostisch ungünstig.
Dann ist aber auch auf den erwähnten Fall Laekrs hinzuweisen,
bei dem Alkoholmißbrauch sicher ganz ausgeschlossen war, und der
dem unsern sehr ähnelt. Auch dort handelt es sich um eine psycho¬
pathische Frau, die kurz nach Eintritt der Wechseljahre Veronalistin
wird. Beide sind es 6 x /i bis 7 Jahre lang, beide nahmen zuletzt etwa
1*4 g, in beiden Fällen spielen schmerzliche Familienereignisse eine
gewisse Rolle. Die eine kommt mit 53 Jahren, die andere mit 51 zur
Entziehung. Beide sind in den ersten Tagen völlig geordnet, bei
beiden beginnt dann schleichend ein deliriöser Zustand mit spontanen
und suggerierten Sinnestäuschungen, wahnhaften Erlebnissen, Angst,
dazwischen besteht ein gewisses Krankheitsgefühl. Bei jener dauert
dieser Zustand 9, bei dieser 8 Tage, dann tritt in dem einen Fall ein
beinahe, in unserem ein' völlig kritischer Abschluß der Psychose ein.
Beide korrigieren und genesen.
Ob man, wie Laehr es tut, bei der Differentialdiagnose so großen
Wert auf die körperlichen Symptome legen darf, scheint mir fraglich.
Namentlich werden Störungen des Kreislaufs und des Digestions-
traktus auch beim Delirium tremens gelegentlich fehlen können.
Am wichtigsten ist sicher die lallende Sprache; alle anderen bei Veronal-
intoxikation beobachteten Erscheinungen sind mehr oder weniger
allgemeiner Art. Häufig erwähnt wird die Unsicherheit des Ganges.
Es wird sich schwer entscheiden lassen, ob dies eine primäre Er¬
scheinung ist oder nicht vielmehr eine sekundäre Folge der Benommen¬
heit, was mir als wahrscheinlicher vorkommt. In unserem Falle liegt
der Verdacht, daß die ausgeprägte Gehstörung psychogenen Ursprungs
ist, nahe. Die Abhängigkeit von äußeren Einflüssen, namentlich
vom Schreck, die Tatsache, daß die Kranke im Delirium mitunter
l ) Die akuten Geisteskrankheiten der Gewohnheitstrinker. Jena
1901.
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Ein Veronaldeliritun.
99
ohne Hilfe ging, endlich die Art, wie sie nach dem Delirium ging und
wieder völlig gehen lernte, sprechen zum mindesten für eine starke
Beteiligung psychogener Momente. Die beschriebenen „Anfälle“,
in denen sie plötzlich zusammenzuckte und erst nach einigen Sekunden
wieder weiter ging, sind mit Sicherheit psychogen zu deuten.
Besonderer Besprechung bedarf der epileptiforme Anfall Es ist
bekannt, daß solche isolierte epileptische Anfälle bei verschiedenen
Intoxikationsdelirien vorkamen, namentlich auch beim Paraldehyd-
delirium ( Probst x ), Kehrer 2 )). Kreß 3 ) hat einen Fall von chronischem
Veronalismus beschrieben, der im Status epilepticus zugrunde ging;
der Fall ist aber klinisch nicht klar, und es ist wahrscheinlich, daß die
Kranke kurz vor dem Tode noch eine ungewöhnlich große Menge
Veronal genommen hat.
Mit dem Paraldehyddelirium scheint das Veronaldelirium auch
darin übereinzustimmen, daß es im Abstinenzstadium auftritt.
Vielleicht tut man deshalb gut, allmählich zu entwöhnen. Daß in
unserem Falle die nach Ausbruch des Deliriums gegebenen geringen
Veronalmengen nichts mehr ändern konnten, wird nach den sonstigen
Erfahrungen bei Abstinenzpsychosen nicht verwundern können.
Aus der Beobachtung, daß Veronaldelirien Abstinenzdelirien
sind, wird es verständlich, daß sie sehr selten gesehen werden. Ich
glaube, daß es eine ganze Menge von mehr oder weniger ausgeprägten
chronischen Veronalisten gibt, selten aber wird der Veronalismus so
hochgradig sein, daß eine Entziehung notwendig wird, und daß dann die
Entwöhnung zu Abstinenzerscheinungen führt. Daß es bei starkem
jahrelangem Veronalismus nach plötzlichem Aussetzen
des Mittels zu Abstinenzdelirien kommen kann, ist wohl
nicht mehr zu bezweifeln.
1 ) Probst, Monatschrift für Psychiatrie Bd. 14, 1903, S. 113.
*) Kehrer, Zeitschrift für die gesamte Neurologie und Psychiatrie
Bd. 3, 1910, S. 485.
*) Kreß, Therapeutische Monatshefte Bd. 19, 1905, S. 467.
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' * ; Original frcm
UNIVERS1TY OF MICHIGAN
Erfahrungen über die Entlassung Geisteskranker
gegen ärztlichen Rat 1 )*
Von
Dr. Treiber, Görden bei Brandenburg.
In zahlreichen Fällen ist der Anstaltsarzt genötigt, dem unein¬
sichtigen Drängen Angehöriger auf Entlassung ihrer Kranken aus
ärztlichen Gründen und solchen der öffentlichen Sicherheit entgegen¬
zutreten. Hält der Anstaltsleiter die in Frage kommenden Kranken
für gefährlich, so stehen ihm die Bestimmungen des Ministerialerlasses
vom 18. Juni 1901 zur Seite, nach denen derartige Geisteskranke
nicht entlassen werden dürfen, bevor dem Landrate bzw. der Orts-
polizeibehörde des künftigen Aufenthaltsortes Gelegenheit zur Äußerung
gegeben ist. In vielen Fällen aber treffen diese Voraussetzungen
nicht zu. Bedürfen derartige Kranke nun nach ärztlicher Auffassung
noch unbedingt der Anstaltsbehandlung und bestehen die Angehörigen
trotz eindringlichen Abratens auf ihrer Entlassung, so bleibt der
Anstalt nichts anderes übrig, als sich durch einen „Revers“ gegen
unangenehme Folgen der zu frühen Herausnahme zu schützen.
Nun erleben wir aber häufig, daß es mit Kranken, die wir noch
unbedingt für anstaltbedürftig gehalten haben, draußen viel besser
geht, als man vorher annehmen konnte, ja, daß Schwerkranke, denen
wir nach aller ärztlichen Erfahrung eine schlechte Prognose bezüglich
baldiger Genesung stellen mußten, nach ihrer Entlassung rasch ge¬
sunden oder wenigstens wesentlich besser werden. Resigniert müssen
wir uns angesichts solcher Überraschungen immer wieder eingestehen,
wie wenig sichere Zeichen wir haben, aus denen eine einigermaßen
zuverlässige Voraussage über den Verlauf einer Psychose geschlossen
werden kann. Solange wir die Ursachen der Geisteskrankheiten
nicht besser kennen und nicht tiefer in deren Wesen einzudringen
1 ) Aus der Landesirrenanstalt Landsberg a. W.
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Original fro-m
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Erfahrungen über die Entlassung Geisteskranker gegen ärztlichen Rat 101
vermögen, bleibt uns nichts anderes übrig, als den klinischen Verlauf
der einzelnen Psychosen genau zu verfolgen, um hieraus Anhalts¬
punkte für unsere Prognosenstellung zu gewinnen. Dabei dürfen
aber nicht nur die in der Anstalt verbleibenden Kranken berück¬
sichtigt werden, es müssen vielmehr auch die Entlassenen in den Kreis
unserer Betrachtung gezogen werden. Durch Erhebung von Katam-
nesen bei entlassenen Kranken werden wir nicht nur einen wissen¬
schaftlichen Gewinn erzielen, sondern zugleich auch zur Lösung der
oft ebenso schwierigen wie wichtigen Entlassungsfrage beitragen.
Es erschien mir daher verlohnend, nachzuprüfen, welche Er¬
fahrungen die Anstalt Landsberg mit den gegen ärztlichen Rat Ent¬
lassenen gemacht hat, und zu untersuchen, ob sich hieraus irgend¬
welche allgemeine Lehren für die Entlassung der Kranken aus der
Anstalt ergeben würden.
In der Literatur konnte ich über das gleiche Thema nur zwei Arbeiten
Anden. Tomaschny *) fand für Treptow a. R., daß von der Gesamtzahl
der Entlassungen in einem Zeiträume von 10 Jahren 5 % der Männer
und 12 % der Frauen gegen Revers die Anstalt verließen. Von diesen
mußten gegen 6 % Männer und 12 % Frauen innerhalb von acht Tagen
der Anstalt wieder zugeführt werden, während ein großer Teü ganz gut
längere Zeit draußen leben konnte und der bei weitem größte Teü bis
zum Abschlüsse der Arbeit überhaupt nicht mehr anstaltbedürftig wurde.
Die Befürchtungen und Bedenken, die gegen die Entlassung der Kranken
gehegt wurden, hatten sich also in den meisten Fällen als unnötig erwiesen.
Dies hatte auch Geltung, wie Tomaschny besonders hervorhebt, für die
Melancholiker. VonlO gegen Revers entlassenen Melancholikern (2 Männer,
8 Frauen) kamen überhaupt nur zwei Frauen wieder in die Anstalt zurück.
Tomaschny kommt zu dem Ergebnis, daß man mit der Entlassung
der Kranken im allgemeinen nicht zu ängstlich zu sein braucht, daß es
in vielen Fällen außerhalb der Anstalt weit besser gehe, als man vorher
annehme.
Zu dem gleichen Resultate gelangte Uhlmanri *) auf Grund katam-
nestischer Erhebungen über das Schicksal der aus Schussenried in den
Jahren 1902—1912 ungeheilt und meist wider ärztlichen Rat entlassenen
Kranken. Dieser Kategorie gehörten rund 14 % des Gesamtabganges
in obigem Zeiträume an. Mit Hilfe eines Fragebogens konnte über 177
Personen (84 Männer, 93 Frauen) Auskunft erhalten werden. Von diesen
waren bei Abschluß der Beobachtung 90 = 56,5 % wesentlich gebessert
*) Tomaschny, Erfahrungen über Entlassung von Kranken „gegen
Revers“. Psych.-neürol. Wschr. 1912, Nr. 53.
*) Uhlmann, Zur Frage der vorzeitigen Entlassung von Geistes¬
kranken aus der Heilanstalt. Psych.-neurol. Wschr. 1914/15, Nr. 5, 6, 7.
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102
Treiber,
oder geheilt. Arbeitfähig wurden 117 Kranke = 66 %. 34 Fälle ver¬
schlimmerten sich bald nach der Entlassung, und 39 erlitten später Rück¬
fälle bzw. erkrankten von neuem. Ein Katatoniker endete zwei Monate
nach der Entlassung durch Strangulation. Sechs Personen heirateten
nach ihrem Austritte aus der Anstalt. Die Ehen sollen sehr gut ausgefallen
sein. Acht weibliche Kranke machten nach ihrer Entlassung 12 normale
Geburten durch, ohne von neuem zu erkranken. Drei Personen kamen
mit dem Strafgesetze in Konflickt, zwei durch Diebstahl, eine durch
Verstoß gegen die Sittlichkeit.
Uhlmann hält das Resultat seiner Untersuchungen für recht er¬
freulich und bestätigt das Ergebnis Tomaschnys , daß man meist viel zu
ängstlich über das Schicksal der Frühentlassenen sei.
Meine eigenen Untersuchungen erstrecken sich über die aus der
Landesirrenanstalt Landsberg a. W. in der Zeit vom 1. Januar 1904
bis zum 31. Dezember 1913 gegen ärztlichen Rat entlassenen Kranken.
Eine persönliche Nachuntersuchung der einzelnen Fälle war aus
verschiedenen Gründen unmöglich. Ich mußte mich darauf beschränken,
an die zuständigen Behörden (Magistrate, Polizeiämter) Fragebogen zu
versenden mit der Bitte, diese möglichst genau auszufüllen. Wenn auch
ein derartiger Modus uns keinen sicheren Aufschluß über den jeweiligen
klinischen Befund geben kann, so vermögen wir auf diese Weise doch
einen genügenden Einblick in mancherlei Tatsachen zu gewinnen, die
für die ganze Entlassungsfrage von Wichtigkeit sein können. Vor allem
können wir erfahren, ob die betreffenden Kranken sich draußen gehalten
haben oder wieder anstaltbedürftig geworden sind, ob sie ihre Arbeit-
fähigkeit vollständig oder teilweise erlangt haben, ob sie sich oder anderen
gefährlich geworden und ob sie mit dem Strafgesetze in Konflikt ge¬
raten sind.
In den Jahren 1904—1913 wurden aus der Anstalt im ganzen ent¬
lassen 768 Männer und 534 Frauen. Von diesen wurden gegen ärztlichen
Rat abgegeben 40 Männer = 5,2 % und 80 Frauen = 14,9 % der Gesamt¬
entlassungen.
Auf die einzelnen Psychosen verteilen sich die gegen ärztlichen
Rat entlassenen Fälle folgendermaßen:
Männer Frauen
Dementia praecox . 17 35
manisch-depressives Irresein .. 6 28
Paralyse. 5 5
Imbezillität und Idiotie . 1 2
Epilepsie. 5 2
senile Psychosen. 2 4
Alkoholismus. 2 1
Hysterie. 2 3
40 80
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Original fro-m
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Erfahrungen über die Entlassung Geisteskranker gegen ärztlichen Rat. 103
Nach kürzerer oder längerer Zeit mußten in die Irrenanstalt wieder
zurückgebracht werden 11 Männer und 24 Frauen. Von diesen litten an:
Männer Frauen
Dementia praecox . 6 14
manisch-depressivem Irresein. 1 5
Paralyse. 2 2
Imbezillität und Idiotie . — 1
Epilepsie. — 1
seniler Psychose. 1 1
Alkoholismus. 1 —
U 24
Männer Frauen
Innerhalb der ersten 10 Tage mußten wieder auf¬
genommen werden. 2 6
Bis zu y 4 Jahr hielten sich draußen . 2 7
Bis zu einem Jahre konnten außerhalb der Anstalt
bleiben . 4 8
Bis zu 3 Jahren blieben zu Hause. 3 2
Über 3 Jahre hielten sich außerhalb der Anstalt — 1
Wenn die Kranken innerhalb der ersten 10 Tage nach ihrer Ent*
lassung wieder zur Anstalt zurückgebracht werden, können wir woh
annehmen, daß die Prognose von uns richtig gestellt war, die Heraus¬
nahme aus der Anstalt sich also nicht bewährt hat. Dasselbe dürfte auch
wenigstens für einen Teil derjenigen Kranken gelten, die sich bis zu einem
y 4 Jahre draußen gehalten haben. Immerhin muß zugegeben werden,
daß in diesen Fällen unsere Voraussage nicht ganz zutraf, indem wider
unser Erwarten die betreffenden Patienten wenigstens einige Wochen
außerhalb der Anstalt bleiben konnten.
Was nun die Art der Psychosen anlangt, die zur raschen Wieder¬
aufnahme kamen, so gehören sechs von den in den ersten 10 Tagen der
Anstalt .zugeführten Kranken der Dementia praecox an. Diese konnten
wegen großer Unruhe und Neigung zu Gewalttätigkeiten zu Hause nicht
gehalten werden.
Ein Fall von Melancholie mußte wegen ihres ängstlichen Wesens
und der bestehenden Suizidgedanken nach 10 Tagen wieder aufgenommen
werden.
Eine Paralyse kam nach 6 Tagen wegen ihres ungeordneten, auf
Sinnestäuschungen beruhenden Verhaltens und großer Unsauberkeit
wieder.
Bis zu einem Vierteljahre hielten sich draußen 5 Fälle vom Dementia
praecox, einer von manisch-depressivem Irresein, zwei Paralysen und
eine Dementia senilis.
Vergehen zwischen Entlassung und Wiederaufnahme viele Monate
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Original fro-m
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Treibe r,
und seihst Jahre, so müssen wü* annehmen.jdaß \vir ia difis&n Fällen m
ängstlich waren, als wir sie nur gegen Re\%rs ä%eheh ^u Jtnüneft ^laubien.
Von den hier in fiet.r&cht'kommenden kranken (DemmUm praecox 9;
manisch-depressives Imrssi» 4; .Paralyse- Imfaetzüütät, Epilepsie, Alko-
holismus, aiteriosklmdischegIrresein je :*) Et nach der Enilassmig nie»
tnaud ganz gesund geWorä.ön. T>öeh trat Imi alpern Teil: wenigstens eine
so. waitgeheraifc Besse^iig ein, daß die Eatiönteo sieh weder etwas be¬
schäftigten kein nteci.
Betfachteu wir nur» das Schicksal derjfcriigen It ranken, die gegen
ärztlichen Itat entlassen wurden, aber trotzdem nicht mehr o ach einer
Irrenanstalt zurüCkgebrächt werden mußlöti.. Im ganzen sind es 29 Männer
und Stv Frauen. Ober *> Mämier und ebensoviole Frauen kannten wir nichts
mehr erfahren, weil entweder die ersuchten Behörden überhaupt nicht
afitWürtüt^n oder die betreffendem Kranken verschollen waren.
Die Ergebnisse unserer Umfrage mögen zunächst in Form einer
Tabelle vetähschäuüejit werden*
vdoicb-
göbUetjen
»tß*
«turßen
WiW*
lffeU rij».
Oenioniiä ppimeox
.Mail -ifi'pi lica^iii .
lotbe^iijlitäl »i. lihnti'
rrusenUe und sfeniie*
- P‘SvjÜU'-'.4»Vt / ... ,. ...,
XiK.eieiti'df-rii.i.-. .
: 1 J. ; V* 1 /?|V| ^NV-^.V-
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Von insgesamt <3 Kranken 023 Mätmei;, 50 Fräuvn);süid älsb 9
styä'be». Eine ' f^hizophrCiie erlAg : euierrt ilerzlvidon, zwei Epileptiker
gingen an livivn Krämpfen. zugrunde. Von den übrigen l’alienfivn \Vis^en
vViv dm Todesursadie nicht
.Selbst morde wordennicht. genmld-i Dagegen .erfahrmi wir von
etiier im ithfigeiiT gdhossorten Mclatitbülikörin. daß §U‘ ;<unig*? MrdvvB^UtW-
utni-iokeii viußeritv
Fine Gpileptikeriii soll üfJiow Vor wimlndtszusLipde bekon.niet,,
m denen -M.- 1 1 *<*s coi.zwoi >< lilug't. sich die Kleider vom Leibe reißt uml
mit lieit Haaren suli ?,u worden versucht,
Areii irii Ft.-fiOm.>. e. l.iliTlidi Winde ein Ifebeptwcnc, der min. e
\fi-ed'k<dl.:;.>eiv voi? dem er m übler Weise gereizt war. derart .schlug.
(laß dpiseedeü öridfedeli Seriidzungcnerhig.
r . ' • ‘
Co gle '
Erfahrungen über die Entlassung Geisteskranker gegen ärztlichen Rat. 105
Ein Schizophrene kam mit dem Strafgesetze in Konflikt und wurde
wegen Bedrohung zu 5 M. Geldstrafe verurteilt.
Vollständig geheilt sind nach den eingegangenen Berichten 7 Männer
und 25 Frauen. Bei der geheilten Paralyse dürfen wir wohl eher eine
weitgehende Remission annehmen. Ebenso kann bei der zur Gruppe der
senilen Psychosen gehörenden Frau von einer Heilung im klinischen
Sinne wohl nicht gesprochen werden.
Gebessert wurden 7 Männer und 12 Frauen. Von diesen erlangten
volle Arbeitfähigkeit 3 Männer (Dementia praecox) und 3 Frauen (2
manisch-depressive, 1 Hysterie), während teilweise nur erwerbfähig
wurden 3 Männer (Dementia praecox) und 6 Frauen (4 Dementia praecox,
1 manisch-depressives Irresein, 1 Dementia senilis).
Unter den Gleichgebliebenen, finden wir einen hysterischen Mann
und eine imbezille Frau, die nach Ausweis der Berichte voll arbeitfähig
wurden. Ein manisch-depressiver Mann und zwei dieser Gruppe an-
gehörende Frauen wurden teilweise erwerbfähig.
Bei den übrigen Kranken erfahren wir entweder nichts über ihre
Arbeitfähigkeit oder aber wir finden den Vermerk „arbeitsunfähig“.
Verschlimmert haben sich nur zwei Kranke, ein Epileptiker und
eine Paralytikerin.
Im übrigen erfahren wir noch, daß zwei männliche Kranke (Dementia
praecox und Paralyse) nach ihrer Entlassung entmündigt wurden.
Zwei Frauen (Hysterie und Dementia praecox) heirateten. Die
Ehen scheinen gut ausgefallen zu sein.
Drei Frauen gebaren nach ihrer Entlassung fünfmal, ohne in ihrer
Gesundheit beeinträchtigt zu werden.
Eine geheilte Katatonikerin überstand eine Gallensteinoperation
vorzüglich.
Von den gegen Revers entlassenen und nicht wieder zur Anstalts-
aufnahme gelangten 73 Personen wurden also insgesamt 40 voll arbeit ¬
fähig. Rechnen wir die nur teilweise erwerbfähigen noch hinzu, so
ergibt sich, daß 52 Personen oder über 71% ihre Arbeit- und Erwerb-
fähigkeit vollständig oder wenigstens zum Teil wieder erlangt haben.
Auch in der Anstalt wäre nun sicher ein Teil dieser Kranken über
kurz oder lang so weit gebessert worden, daß er diese mehr oder
minder arbeitfähig hätte verlassen können. Unter allen Umständen
aber hätte unsere Beurteilung des jeweiligen Falles eine Verlängerung
des Anstaltsaufenthaltes bedeutet. Daß aber die Verzögerung der
Entlassung um einige Wochen, um die es sich doch wohl in den meisten
Fällen gehandelt hätte, in wirtschaftlicher Beziehung für die Kranken
und deren Angehörige nicht gleichgültig ist, leuchtet ohne weiteres ein.
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
106
Treiber,
Wurden bisher alle bei den Frühentlassenen festgestellten Psy¬
chosen ohne Auswahl statistisch verwertet, so müssen wir jetzt noch
die zwei sowohl numerisch als auch durch ihre Bedeutsamkeit für
die vorliegende Frage an erster Stelle stehenden Krankheiten, die
Dementia praecox und das manisch-depressive Irresein, gesondert
betrachten.
Von 46 für unsere Zwecke verwertbaren Schizophrenen kamen
20 = 43 % wieder nach der Anstalt zurück, 4 allerdings erst nach etwa
einem Jahre. 26 = 56 % hielten sich draußen. Von diesen wurden 12
geheüt. (Ich brauche nicht zu betonen, daß dabei von einer Heilung
im klinischen Sinne nicht die Rede sein kann.) 10 wurden gebessert,
2 blieben gleich und 2 starben nach ihrer Entlassung. Inwieweit die später
wieder in Anstaltsbehandlung Gekommenen zu Hause arbeitfähig waren,
läßt sich aus den Krankengeschichten nicht mehr genau ermitteln. Nur
von einigen wenigen heißt es, daß es anfangs gut mit ihnen gegangen sei
und sie sich beschäftigt hätten.
Von den 26 nicht mehr in die Anstalt zurückgekehrten wurden 22
ganz oder teüweise erwerbfähig.
Aus der Gruppe des manisch-depressiven Irreseins konnten
33 Fälle in Betracht gezogen werden. Davon kamen 6 = 18 % wieder
in die Anstalt zurück, 3 aber erst nach zwei und mehr Jahren.
27 = 86 % sind bis heute nicht wieder zur Aufnahme gelangt. Von
diesen wurden 14 geheilt, 6 gebessert, 4 sind gleichgeblieben und 3 ge¬
storben. Volle oder teilweise Arbeitfähigkeit erlangten 21, während bei
einigen im Fragebogen nichts über diesen Punkt angegeben ist.
Wir sehen also, daß von den zum manisch-depressiven Irresein
und zur Dementia praecox gehörenden, gegen ärztlichen Rat entlassenen
Kranken ein recht hoher Prozentsatz sich außerhalb der Anstalt
halten konnte, und daß von diesen wieder weitaus die meisten ganz
oder teilweise arbeitfähig wurden.
Wenn man bedenkt, daß eigentlich nur Schwerkranke gegen
Revers entlassen werden, solche, die sich in hochgradigen Erregungs¬
zuständen befinden, Neigung zu Gewalttätigkeiten zeigen, stark unter
dem Einflüsse von Sinnestäuschungen und Wahnideen stehen, oder
aber hochgradig ängstliche Patienten, die selbstmordverdächtig sind
bzw. schon ernstgemeinte Suizidversuche gemacht haben, so muß
man sich immer wieder wundern, wie gut es doch mit vielen von der¬
artigen Kranken draußen geht. Trotzdem eine große Reihe sehr
gewalttätiger und suizidaler Kranker gegen ärztlichen Rat von uns
entlassen werden mußte, ist doch draußen sehr wenig passiert; denn
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Erfahrungen über die Entlassung Geisteskranker gegen ärztlichen Rat. IQ?
in den eingelaufenen Berichten finden wir nur, daß eine Frau öfters
Selbstmordgedanken äußerte, und daß ein Schizophrene einen Arbeits¬
kollegen, von dem er schwer gereizt wurde, erschlagen hat.
Aus alledem müssen wir folgern, daß wir vielfach bei der Ent¬
lassung unserer Kranken einen zu strengen Maßstab anlegen, daß
unsere Befürchtungen, die wir gegen die Herausnahme mancher
Kranken hegen, unbegründet sind, und daß wir, wie auch Tomaschny
und Uhlmann annehmen, bei der Entlassungsfrage nicht zu ängstlich
zu sein brauchen.
Gewiß sollen wir nun nicht ins Gegenteil Umschlägen. Wir werden
in jedem einzelnen Falle sowohl den Zustand des Kranken als auch
die Umgebung, in die er kommen soll, genau berücksichtigen. Anderer¬
seits aber müssen wir uns beim Drängen der Angehörigen auf Ent¬
lassung ihrer Familienmitglieder die Tatasche vor Augen halten,
daß es mit vielen Kranken außerhalb der Anstalt weit besser geht,
als wir anzunehmen geneigt sind, ja daß es für manche Geisteskranke
(ich denke speziell an Schizophrene) eine therapeutische Maßnahme
zu bedeuten scheint, wenn sie wenigstens für einige Zeit dem Anstalts-
milieu entrissen werden 1 ). Notwendig bleibt dabei, daß die Wieder¬
aufnahme von Kranken, die sich draußen nicht halten können, mög¬
lichst vereinfacht wird, so daß diese jederzeit ohne Erfüllung umständ¬
licher Formalitäten zur Anstalt zurückgebracht werden können.
1 ) Vgl. auch Bleuler, Frühe Entlassungen. Psych.-neurol. Wschr.
1905, Nr. 45. Schoder, Todesursachen schizophrener Frauen. Zeitschr.
f. d. ges. Neurologie u. Psychiatrie Bd. 25, H. 1 u. 2.
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Kleinere Mitteilungen
Deutscher Verein für Psychiatrie. — In Anbetracht der
durch den Krieg veränderten Lage wird von der Abhaltung der Jahres¬
versammlung 1915 vorläufig abgesehen. Nach Beendigung des Krieges
wird der Vorstand weiteres veranlassen.
Der Jahresbeitrag zur Vereinskasse, der seit langer Zeit stets auf
5 M. festgesetzt worden ist und wegen Ausfalls der Versammlung Satzung -
gemäß nicht abgeändert werden kann, wird auch in diesem Jahre in gleicher
Höhe eingezogen werden. Die Mitglieder werden den Beitrag um so lieber
zahlen, wenn sie erfahren, daß aus den laufenden Mitteln und dem Spar¬
kassenguthaben des Vereins bisher zugeflossen sind
dem’Roten Kreuze .1000 M.,
der Nationalstiftung für Hinterbliebene der im Kriege
Gefallenen.1000 „
der Sammlung für die Geschädigten in Ostpreußen... 500 „
und der für die Geschädigten in Elsaß-Lothringen ... 500 „
zusammen.. 3000 M.
Deutscher Verein für Psychiatrie: Rechnungs-Abschluß
für das Jahr 1914.
A. Kassenbestand vom Vorjahr: 12 881,61
B. Einnahmen:
a) 569 Mitgliederbeiträge für 1914 zu 5 M.: 2 845,—
Je 1 Beitrag zulO und zu 12M. für 1914: 22,—
1 Beitrag für 1915: 5,—
b) Überschießendes und wiederersetztesPorto 21,70
c) Zinsen aus 3000 M. 3 y 2 % Pfandbriefen
für 1914: 105,—
Zinsen aus 2500 M. 3 % Pfandbriefen
für 1914: 75,—
Zinsen aus 5500 M. 4 % Reichsanleihe
für 1914: - 210,—
d) Nachgelassene Forderung: 344,60
zusammen: 3 628,30
Bestand und Einnahmen: 16 509,91
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C. Ausgaben:
a) Geschäfte des Vorstands: 15,60
b) Geschäfte der Schriftleitung: 344,60
e) Geschäfte der Kassenführung: 82,14
d) Kosten der Jahresversammlung in Straß-
bürg: 196,10
e) Wohltätige Beiträge: 3 000,—
f) Vereinigungen an Referenten: 700,—
zusammen: 4 338,44
Überschuß: 12 171,47
D. Vorhanden in:
Nom. 3 000 3*4% Pfandbriefen im Ankaufs¬
wert von: 2 930,85
Nom. 2 500 3 % Pfandbriefen im Ankaufs¬
wert von: 2168,35
Nom. 5 500 4% Reichsanleihe im Ankaufs¬
wert von: 5 586,70
Nom. Sparkasseneinlage: 800,—
Barbestand: 685,57
12 171,47
Winnental, den 9. Februar 1915.
Z. B.
Der Kassenführer:
Obermedizinalrat Dr. Kreuser.
Anmerkung: Von einer Anzahl der im Felde stehenden Mitglieder
sind Beiträge bis jetzt nicht einzubringen gewesen. Es wird versucht
werden, sie mit dem Jahresbeiträge für 1915 zu erheben. Ein solcher
erscheint in der bisherigen Höhe notwendig, um dem Vereine auch für
die nächste Zeit wieder wohltätige Beiträge zu ermöglichen.
Nekrolog Robert Thomsen. — Am 26. Oktober 1914 starb in
Bonn Medizinalrat Professor Dr. Robert Thomsen, leitender Arzt der
Dr. Hertzschen Privat-Heil- und Pflegeanstalt, Mitglied des Medizinal-
Koüegiums der Rheinprovinz.
Ein hervorragender Vertreter der Wissenschaft, ein vortrefflicher
Arzt und edler Mensch ist mit ihm aus dem Leben geschieden.
Geboren am 15. Juli 1858 zu Hamburg, widmete sich Thomsen dem
Studium der Medizin auf den Universitäten Tübingen, Leipzig und Göt¬
tingen und promovierte an letzterer im Jahre 1881. Nach bestandenem
Staatsexamen war er 2 Jahre Assistent bei Ludwig Meyer in Göttingen
und Reye in Hamburg und kam 1882 zu Westphal an die psychiatrische
Klinik der Charitö in Berlin. Dort habilitierte er sich im Jahre 1886 und
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wurde dann 2 Jahre später als Leiter an die Dr. Hertz sehe Privat-Heil -
und Pflegeanstalt zu Bonn berufen, ln dieser Stellung, welche er bis zu
seinem Tode innehatte, hat er die von ihm geleitete Anstalt zu hohem
Ansehen gebracht. Im Frühjahr 1911 wurde Thomsen zum Mitglied des
Medizinal-Kollegiums der Rheinprovinz ernannt.
Thomsen hat eine große Anzahl wertvoller wissenschaftlicher Ar¬
beiten geschrieben, welche während seiner Berliner Tätigkeit vorzug-
weise das Gebiet der pathologischen Anatomie des Zentralnervensystems
betrafen. In Bonn beschäftigte er sich mehr mit klinischen Arbeiten.
Besonders hervorzuheben sind vor allem seine Veröffentlichungen über
Zwangsvorstellungen und verwandte psychische Zustände, ein Gebiet,
welches ihn stets ganz besonders interessiert hat, sodann über die akute
Paranoia und die Prognose des manisch-depressiven Irreseins.
Als Mitglied des Medizinal-Kollegiums der Rheinprovinz hatte er
naturgemäß viel Gelegenheit zur Betätigung in der forensischen Psychiatrie,
welche auch u. a. einen Gegenstand seiner Lehrtätigkeit bildete. Seine
scharfsinnigen Gutachten zeichneten sich durch Klarheit und Über¬
zeugungskraft aus.
Thomsen war ein Mann von einer nie ermüdbaren Arbeitskraft und
größter Vielseitigkeit, von einer seltenen umfassenden Allgemeinbildung
und einer erstaunlichen Belesenheit auf allen Gebieten. Er war ein gerader,
aufrechter Charakter, dabei von gütigem Herzen, unermüdlich und mit
aller persönlichen Hingabe auf das Wohl seiner Kranken bedacht, welche
mit der größten Verehrung an ihm hingen. Ungezählten von ihnen ist
er im späteren Leben ein treuer Freund und Berater geblieben.
Seine begeisterte Vaterlandsliebe veranlaßte ihn bei Ausbruch des
Krieges, schon den Keim des Todes in sich tragend, seine Kraft in den
Dienst der Verwundetenpflege zu stellen.
Ein schweres Leiden, eine Neubildung der Nieren, bereitete dem
arbeitreichen Leben dieses seltenen Mannes ein allzu frühes Ende.
[ Wilhelmy- Bonn.
Nekrolog Franz Fischer junior. — Am 7. Dezember 1914 starb
ganz plötzlich und unerwartet, anscheinend in bestem Wohlbefinden,
der Direktor der Großh. Heil- und Pflegeanstalt in Pforzheim (Baden),
Geheimer Medizinalrat Dr. Franz Fischer junior.
Mit ihm hat die deutsche Psychiatrie und im besonderen die badische
Irrenfürsorge einen bedeutenden Mann von eigener Wesensart verloren,
von dem es mir als Freund und Nachfolger im Amt gestattet sei, hier
ein kleines Lebensbild zu entwerfen.
Franz Fischer wurde geboren am 19. Februar 1851 in der schon
damals weit über die Grenzen unseres kleinen badischen Landes als Muster-
. wist alt bekannten Großh. Heil- und Pflegeanstalt Illenau als Sohn des
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als Anstaltsarzt daselbst wirkenden, vortrefflichen Psychiaters Franz
Fischer sen., der im Jahre 1859 als Direktor an die Großh. Heil- und
Pflegeanstalt Pforzheim übergesiedelt und dort am 1. Juni 1881 gestorben
ist. ln der, unserm jungen Franz Fischer zur zweiten Heimat gewordenen,
durch ihre hochentwickelte Goldwarenindustrie weltbekannten Stadt
Pforzheim besuchte er das Pädagogium (jetzt Gymnasium), um später
sich in den Oberklassen des Lyceums (jetzt ebenfalls Gymnasium) der
nahegelegenen Residenzstadt Karlsruhe das Zeugnis der Reife zum Univer¬
sitätsstudium zu erwerben. Er studierte sodann in Heidelberg Medizin
(1870—1875). Sein eiserner Fleiß, die rasche Auffassungsgabe und ein
fast phänomenales Gedächtnis befähigten ihn, wie seine humanistischen
so auch seine medizinischen Studien mit glänzendem Erfolg zu betreiben.
Im Winter 1874/75 machte Fischer in Heidelberg sein Staatsexamen und
promovierte am 5. März 1875 „insigni cum laude“ zum Doctor medicinae.
Von 1874 bis zum Sommer 1875 bei Erb in Heidelberg als klinischer
Assistent tätig, eignete er sich eine gründliche Ausbildung in der Nerven¬
heilkunde an, dem damals noch jungen Zweige der medizinischen Wissen¬
schaft, dann widmete er sich, seiner vom Vater ererbten Neigung folgend,
ausschließlich der Psychiatrie. Zuerst einige Monate als Volontärarzt
in Illenau wirkend, wurde er im November 1875 Hilfsarzt an der unter
der Leitung seines Vaters, des Geheimen Hofrates Dr. Franz Fischer sen.
stehenden Anstalt Pforzheim. Nachdem er vom Spätjahr 1884 an noch¬
mals der Anstalt Illenau als Hilfsarzt angehört hatte, wurde er am
21. August 1889 zum Direktor der Anstalt Pforzheim ernannt und be¬
kleidete somit fortan dieselbe Stelle, die sein, um die Psychiatrie und
die badische Irrenfürsorge ebenfalls hochverdienter Vater von 1859 bis
1881 eingenommen hatte.
An der durch ihr hohes, bis auf das Jahr 1322 zurückgehendes
Alter ausgezeichneten Pforzheimer Anstalt wirkte nun Franz Fischer jun.
in ersprießlichster Weise. Er bemühte sich, soweit es unter den gegebenen
Verhältnissen möglich war, die Anstalt den Anforderungen der modernen
Irrenbehandlung und Irrenpflege anzupassen, und hatte, dank der klaren
Einsicht und dem verständnisvollen Entgegenkommen der badischen
Regierung dann auch schöne Erfolge zu verzeichnen. Ganz besonders
erfüllte es ihn mit Freude und Genugtuung, als es ihm möglich gemacht
wurde, Wachabteilungen einzurichten und der Bäderbehandlung eine
etwas breitere Grundlage zu geben. Soweit es immer geschehen konnte,
suchte Fischer den Interessen seiner Kranken gerecht zu werden, ohne
in den Fehler zu verfallen, eine Neuerung etwa deshalb einzuführen, um
sich den Ruhm des „modernen“ Psychiaters zu erwerben, oder gar aus
Besorgnis, wegen Nichteinführens des „Allerneuesten“ als „rückständig“
zu gelten. Nur wenn er einen therapeutischen oder organisatorischen
Vorschlag als gut und zweckmäßig zu erkennen glaubte, suchte er ihn
auch an seiner Anstalt zu verwirklichen.
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Damit sind wir schon in die Zeichnung des Charakters von Franz
Fischer jun. eingetreten. Und sein Charakter verdient es in hohem Maße,
mit einigen Strichen hier dargestellt und festgehalten zu werden.
Beherrscht wird das Bild Fischers von den Zügen der Freundlichkeit,
Güte und stillen Bescheidheit. Die Letztere ließ ihn so selten als möglich
in der Öffentlichkeit hervortreten. Und wenn er trotzdem mehr als 20 Jahre
hindurch regelmäßig Geschäftsführer der Wanderversammlung der süd¬
westdeutschen Neurologen und Irrenärzte war, so hat er dieses Ehren¬
amt, das er stets mit lebhaftem Eifer und großer Gewandtheit versah,
nicht aus Eitelkeit übernommen, sondern aus Interesse für die Sache und
weil er es in seiner Gutmütigkeit und Gefälligkeit nicht übers Herz bringen
konnte, seinen Freunden und Fachgenossen einen Wunsch abzuschlagen.
Erst seit er etwas stärker leidend wurde, sehen wir ihn, zum größten Be¬
dauern aller, das Amt des Geschäftsführers der „Badener Versammlung“
nicht mehr bekleiden (vom Jahre 1905 an). Auf seine große, allmählich
beinahe an Schüchternheit grenzende, bescheidene Zurückhaltung ist
es auch zurückzuführen, daß Fischer, der so federgewandte Mann, sich
mit Ausnahme seiner jüngeren Jahre nur selten als Vortragender oder
als Fachschriftsteller betätigte. Allerdings war er auch in den späteren
Jahren immer mehr der Ansicht geworden, es werde ohnehin viel zuviel
geschrieben, und da wolle er, wie er schalkhaft lächelnd zu sagen pflegte,
das Übel nicht auch noch vergrößern helfen. (Das Verzeichnis seiner
wissenschaftlichen Arbeiten folgt am Schlüsse dieser Darstellung.)
Seine Freude und Erholung von des Amtes Mühen und des Lebens
Verdrießlichkeiten suchte und fand Fischer bei Goethe. Diesem Geistes-
heroen galt seine volle Verehrung. Er brachte es zu hohem Ansehen als
Goethe-Kenner und beschäftigte sich auch mit der Goethe-Forschung,
ohne allerdings damit öffentlich besonders hervorzutreten. Das hätte
ja seinem bescheidenen Wesen widersprochen. Eine Lieblingsbeschäftigung
Fischers war auch die Pflege der Botanik. In dieser hatte er sich schon
sehr früh so umfassende Kenntnisse erworben, daß er schon als Ober¬
sekundaner eine „Flora von Pforzheim“ verfassen und herausgeben
konnte (1867).
Die große Bescheidenheit ließ Fischer, von der Großh. Regierung
übrigens wiederholt mit Titeln und Orden ausgezeichnet, in keiner Weise
nach äußeren Ehrungen streben. Darum war es auch außerordentlich
schwer, ihn zur Entgegennahme der in Anbetracht der schweren Kriegs -
Zeiten in der allereinfachsten und schlichtesten Form geplanten Anstalts¬
feier zu Ehren seines 25 jährigen Direktoren-Jubiläums (am 21. August
1914) zu bewegen. Jede Veröffentlichung darüber hatte er sich strengstens
verbeten.
Auch sonst gehörte Fischer zu den stillen Naturen. Er liebte es
nicht, Gesellschaften oder Festlichkeiten aufzusuchen, blieb vielmehr
stets zu Hause in seiner gemütlichen Familienhäuslichkeit, ohne deshalb
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jedoch das Interesse für die Vorgänge in der Welt, insbesondere auch
in der Politik zu verlieren. Er war glühender Vaterlandsfreund und ein
begeisterter Verehrer Bismarcks.
Es ist nur natürlich und ganz selbstverständlich, daß die reich
entwickelten Züge der Liebenswürdigkeit, Freundlichkeit und Güte,
die Fischers Charakterbild in so hohem Maße auszeichnen, ihm überall
große Zuneigung und freundschaftliche Gesinnung erweckten. Und diese
Freundschaften pflegte er sorgsam, wenn auch in seiner stillen Art.
Sein liebenswürdiges und menschenfreundliches Wesen befähigten
Fischer neben seinem tiefen und umfangreichen Wissen und seinem prak¬
tischen Sinn ganz besonders zum Irrenarzt. Mit unermüdlicher Geduld
hörte er die Klagen und die Wünsche der Kranken an, gab er jedem einen
guten Rat oder doch ein beruhigendes Wort. Seine Sorge für die Geistes¬
kranken erstreckte sich aber nicht nur auf die in der Anstalt befindlichen,
sondern auch auf die als genesen oder gebessert entlassenen Kranken.
Darum hat sich Fischer dann auch große Verdienste erworben um die
Neubegründung und den weiteren Ausbau des Badischen Hilfsvereins
für entlassene Geisteskranke.
Auch den Ärzten, Beamten und Angestellten der Anstalt bewies
er stets in reichem Maße die Güte seines Herzens. Wer sich an ihn wandte,
sei es mit einer Bitte, sei es mit einer Beschwerde, er durfte sicher sein,
bei Fischer ein geneigtes Ohr und stete Hilfsbereitschaft zu finden. Sein
gutes Herz nicht minder als der Ruf seines großen ärztlichen Wissens
und Könnens machten ihn zu einem in den weitesten Kreisen hochge¬
schätzten und gesuchten Arzt für Nerven- und Geisteskranke.
Dieser freundliche, gemütvolle Mann mit seiner heitern Goetheschen
Lebensphilosophie hätte es verdient, daß ihm dauernd ein sonniges und
sorgenfreies Familienleben beschieden gewesen wäre. Das war aber leider
nicht der Fall. Wohl durfte er sich, in glücklichster, harmonischer Ehe
lebend, zweier Söhne und einer Tochter erfreuen, an denen er mit zärt¬
licher Liebe und fast ängstlicher Fürsorge hing. Allein schon in früher
Kindheit starb sein ältester Sohn, und bei seiner tatkräftigen, lebens¬
frohen und an Herzensgüte ihm ebenbürtigen Gemahlin entwickelte
sich bald ein langjähriges körperliches Leiden. Im Januar 1913 riß sie
der Tod von seiner Seite. Diesen Schicksalsschlag hat Fischer niemals
ganz überwunden. Er selbst kränkelte wiederholt — es handelte sich
im wesentlichen um nervöse Beschwerden, teilweise wohl auf arterioskle¬
rotischer Grundlage — und hatte auch noch das Unglück, während einer
11 Monate dauernden Krankheit im Jahre 1902 seine einzige Schwester
zu verlieren, der nach wenigen Jahren auch sein einziger Bruder ( Richard
Fischer, Erbauer und Besitzer der Privatirrenanstalt in Neckargemünd)
im Tode nachfolgte. Tief haben ihn alle diese Verluste getroffen und
geschmerzt, verdüstert oder verbittert haben sie ihn aber nicht, dank
vor aUem der ihm von seiner treubesorgten Gattin und den von seinen
Z*it«ehrUt für Payohiatri«. LXXtl. 1. 8
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beiden Kindern stets erwiesenen zärtlichen Liebe und Aufmerk¬
samkeit.
Die letzten Monate seines Lebens wurden dem allem Kampf abholden
und jedem Streit aus dem Wege gehenden Mann getrübt durch den unserm
deutschen Vaterlande aufgedrungenen schweren Krieg und durch die
Sorge um seinen als Reserveleutnant gegen Rußland tapfer kämpfenden
Sohn, an dem allerdings sein Vaterherz auch die große Freude erleben
durfte, daß derselbe mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet wurde. Und
noch wenige Stunden vor seinem Tode hatte Fischer, der warmherzige
Vaterlandsfreund, die erhebende Freude, die Glocken seiner geliebten
Stadt Pforzheim erklingen zu hören zur Feier des großen Sieges unseres
genialen Heerführers Hindenburg über die Russen bei Lodz.
Mitten in dieser freudig gehobenen Stimmung, als noch die Sieges¬
fahnen in den Straßen flatterten, trat plötzlich der Tod an Fischer heran
(es war am 7. Dezember 1914) und schloß dem herzgewinnenden Mann
— im 40 ten Jahre seines irrenärztlichen Wirkens — für immer die freund¬
lichen Augen. Eine Herzlähmung machte seinem stillen und doch so
arbeits- und segensreichen Leben ein jähes, schmerzloses Ende. Sanft
wie er selbst war auch sein Tod.
Für alle, die das Glück hatten, Franz Fischer jun. im Leben näher
treten zu dürfen, wird das Wort seine Geltung behalten:
,,Sein Andenken bleibt im Segen.“
Fischers Schriften:
1. Flora von Pforzheim (1867).
2. Beschreibung einer Hemmungsbildung des Gehirns (Doktordisser¬
tation. — Arch. f. Psych. 1875. Bd. V).
3. Eine interessante Hemmungsbildung des kleinen Gehirns. (Ebenda.)
4. Zwei Fälle von Neuritis. (Berl. klin. W.-Schr. 1875. Nr. 33.)
5. Ein Fall von Aortenaneurysma, behandelt mit Galvanopunktur nach
Ciniselli. (Ebenda 1875. Nr. 45.)
6. Zur Frage der hypnotischen Wirkung der Milchsäure. (Allg. Zeitschr.
f. Psych. 1876. Bd. 33.)
7. Epileptoide Schlafzustände. (Arch. f. Psych. 1877. Bd. VIII.)
8. Über den Einfluß des galvanischen Stromes auf Gehörshalluzinationen.
Vortrag. (Ebenda 1878. Bd. IX.)
9. Über die elektrische Erregbarkeit bei den Rückenmarkserkrankungen
der Dementia paralytica, nebst einem Beitrag zur pathologischen
Anatomie und Pathologie derselben. (Ebenda 1880. Bd. XI.)
10. Zur Lehre von den Lähmungen des Nervus radialis. (Dtsch. Arch.
f. klin. Med. 1880. Bd. XVII.)
11. Zur Lehre vom Pyothorax subphrenicus. (Ebenda.)
12. Die allgemeine Faradisation. (Arch. f. Psych. 1881. Bd. XII.)
13. Zur Lehre vom epileptischen Irresein. (Ebenda 1884. Bd. XV.)
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14. Über die sogenannte photographische Gleichheit aller Irrseinsanfälle
bei demselben Epileptiker. (Berl. klin. W.-Schr. 1884. Nr. 4.)
15. Über Polsterzellen. Referat. (Allg. Zeitschr. f. Psych. 1884. Bd. 40.)
16. Einige Bemerkungen zu den von Jolly und Pelman gemachten Vor¬
schlägen, die Fürsorge für Epileptische betreffend. (Ebenda. Bd. 40.)
17. Über einige Veränderungen, welche Gehörshalluzinationen unter
dem Einfluß des galvanischen Stromes erleiden. (Arch. f. Psych.
1887. Bd. XVIII.)
18. Über die Wirkung übermäßiger Dosen von Sulfonal. (Neurol. Zen-
tralbl. 1889. Nr. 7.)
19. Über Ammonshornveränderungen bei Epileptischen. (Festschrift
zum 50 jährigen Anstaltsjubiläum von Illenau. 1892.)
20. Über den weiteren Ausbau der Irrenfürsorge. Korreferat. (Allg.
Zeitschr. f. Psych. 1898. Bd. 55.)
Barbo -Pfor zh e i m.
Nekrolog Ernst Veit. — Am 21. Dezember 1914 starb der Oberarzt
der Berliner städtischen Anstalt für Epileptische Dr. Ernst Veit an den
Folgen einer chronischen Nierenentzündung.
Er war geboren den 25. Juni 1866 zu Berlin, besuchte daselbst das
Königliche Wilhelmgymnasium und studierte seit 1886 zu Berlin und
Bonn Medizin. Er war dann 1892 ein halbes Jahr Assistent am Patho¬
logischen Institut zu Breslau, danach Volontärarzt im städtischen Kranken-
hause Moabit zu Berlin, 1893 in Neapel auf der zoologischen Station
und als stellvertretender Arzt des Deutschen Krankenhauses beschäftigt.
Nachdem er kurze Zeit auf der inneren Station des Berliner Kranken¬
hauses Bethanien und der gynäkologischen Poliklinik seines Bruders,
derzeit Professors in Leiden, in Stellung war, begann er seine psychiatrische
Tätigkeit als Volontärarzt in Jena 1896 und ist der Psychiatrie seitdem
treu geblieben. Er war weiterhin eine Zeitlang an der Irrenanstalt der
Stadt Frankfurt a. M. und in der psychiatrischen Klinik der Königlichen
Charitö tätig und trat dann als Assistenzarzt der Anstalt Wuhlgarten
in den Berliner städtischen Dienst am 14. Oktober 1902 und rückte am
1. Juli 1906 in eine Oberarztstelle dieser Anstalt.
Veit war sein Lebensweg nicht leicht gemacht. Er litt von Kindheit
an an asthmatischen Beschwerden und später vielfach an Bronchitis.
Um so höher war es zu veranschlagen, daß er mit zäher Willenskraft
seinen Beruf, der ihm durch Familienüberlieferung nahe lag, aufgenommen
hat und immer von gleichmäßigem liebenswürdigen Wesen und an¬
sprechender Lebensauffassung blieb.
Er hatte immerhin auch noch Zeit, sich wissenschaftlichen Arbeiten
zu widmen, und hat die Früchte dieser Bestrebungen in verschiedenen
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Veröffentlichungen aus dem engeren Gebiete seiner ärztlichen Tätigkeit
der Allgemeinheit zugänglich gemacht.
Vielfach war er als Sachverständiger in gerichtlichen und Unfall-
sa chen in Anspruch genommen.
In hoher Pflichttreue hat er bis 8 Tage vor seinem Tode trotz seiner
Kränklichkeit und trotzdem er den Emst seines Leidens kannte, allen
seinen Obliegenheiten gerecht zu werden gewußt, indem er seine Zeit
zwischen der Berufserfüllung und Erholung genau und weise einteilte.
So ist er eigentlich mitten aus seiner Tätigkeit abgerufen worden.
Er war ein Mann von edelster Gesinnung und reinstem Streben.
Alle, die ihn kennen lernten, mußten ihn schätzen, die ihm näher
traten, ihn liebgewinnen. Sein Gedächtnis wird bei Mitarbeitern und
Unterstellten ein unverlöschliches sein. Hebold -Wuhlgarten.
Die Vereinigung kath. Seelsorger an deutschen Heil-
und Pflegeanstalten 1 ) sollte am 4. August 1914 in Innsbruck zu¬
sammentreten. Der Krieg kam dazwischen. Der (als Manuskript) ge¬
druckte Jahresbericht der Vereinigung enthält das für die Versammlung
bestimmte Referat von Dr. Ig. FamiUer -Regensburg über „Die tägliche
Krankenvisite des Hausgeistlichen an den Heil- und Pflegeanstalten,
2. Teil“, dem man ebenso zustimmen kann wie dem im Jahre vorher
vorgetragenen 1. Teil, und die kurze Inhaltangabe eines anderen Vortrags,
den der gleiche Verfasser über „Das Heiligenleben in den Abirrungen
moderner Psychopathographie“ angekündigt hatte, und der ausführlich
im Verlage Pustet-Regensburg erscheinen soll.
Die Geisteskranken in den Irrenanstalten Preußens i. J.
1912 nach der „Statistischen Korrespondenz“. — Die Zahl der in den
Irrenanstalten Preußens aufgenommenen Geisteskranken hat auch im
Berichtjahr 1912, wie schon in einer längeren Reihe vorhergehender Jahre,
eine beträchtliche Zunahme aufzuweisen. Es betrug nämlich die Zahl
der in den Anstalten behandelten Krankheitfälle
i. J. 1902: 78 704,
1903: 88 892,
1904: 92 720,
1905: 98 008,
i. J. 1906: 103 355,
1907: 108 721,
1908: 113 318,
1909: 125 181,
i. J. 1910; 127 914,
1911: 132 982,
1912: 135 079.
J ) S. diese Ztschr. Bd. 71, S. 191 u. 533.
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3. Imbezillität(angeborene),
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1 259
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4. Epilepsie mit und ohne
Seelenstörung.
3 303
1 376
340
225
10,29
16,35
5. Hysterie .
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1 746
19,
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1 333
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9. Andere Krankheiten des
Nervensystems.
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1. Morphinismus und an¬
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226
96
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2. Andere Krankheiten..
1 192
1 215
33
52
2,77
4,28
Zusammen...
32 889
22 440
1 915
1 194
5,82 |
5,32
Dem Verein zum Austausch der Anstaltberichte ist die
Großh. Heil- und Pflegeanstalt bei Konstanz beigetreten.
Personalnachrichten.
Dr. Kurt Goldstein, Prof., bisher in Königsberg, ist als Vorsteher der
Abteilung für Pathologie in das Neurologische Institut zu
Frankfurt a. M. eingetreten.
Dr. Arthur Barbo, Med.-R., bisher Oberarzt der Landesanstalt Pforz¬
heim, ist zu deren Direktor,
Dr. Julius Claus und
Dr. Ludwig Loder, Anstaltsärzte in Neuruppin,
Dr. Ernst Liehr, Anstaltsarzt in Teupitz,
Dr. Oskar Rein, Anstaltsarzt in Landsberg a. W., und
Dr. Georg Liebert, Anstaltsarzt in Lübben, sind zu Oberärzten an ihren
bisherigen Anstalten ernannt worden.
Dr. Wilhelm Sieben, bisher Oberarzt in Lengerich, ist nach Nieder¬
marsberg,
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
Kleinere Mitteilungen.
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Dr. Fr. Jos. Widmann, bisher Abteilungsarzt in Niedermarsberg, nach
Warstein,
Dr. Leonhard Rosen , bisher Oberarzt in Landsberg a. W.,
Dr. Georg Treiber , bisher Anstaltsarzt in Landsberg a. W., und
Dr. Walter Spliedt, Oberarzt, zuletzt dirig. Arzt der Heilstätte Wald-
frieden, sind nach Görden bei Brandenburg,
Dr. Oskar Kurrer, bisher Oberarzt in Conradstein, ist nach Neustadt
W.-Pr.,
Dr. Richard Hantel , bisher in Neustadt W.-Pr., ist als Oberarzt nach
Conradstein versetzt worden.
Dr. Alexander Wilhelmy, bisher Oberarzt der Dr. Hertzschen Anstalt, und
Dr. Hans König, bisher Priv.-Doz. in Kiel, haben die ärztliche Leitung
der Dr. //ertzschen Anstalt in Bonn übernommen.
Dr. Artur Hübner , Prof., Oberarzt der Klinik in Bonn, ist zum Mitglied
des Med. Kollegiums der Rheinprovinz ernannt worden.
Dr. Kurt Berliner , Priv.-Doz. in Gießen, und
Dr. Joh. Jansky, Priv.-Doz. in Prag sind zu ao. Professoren ernannt.
Dr. J. H. Schulz, Ass.-Arzt der psychiatr. Klinik in Jena,
Dr Hans Willige, Oberarzt der psychiatr. Klinik in Halle, und
Dr. Heinrich Bickel, Ass.-Arzt der psychiatr. Klinik in Bonn, haben sich
als Privatdozenten habilitiert.
Die Privatdozenten
Dr. Karl Kleist in Erlangen,
Dr. Felix Plaut,
Dr. Ernst Rüdin und
Dr. Wilhelm Specht in München haben den Titel Professor erhalten.
Dr. Eugen Krebs, Oberarzt in Allenberg,
Dr. Emil Br atz, Oberarzt in Dalldorf,
Dr. Paul Junius und
Dr. Richard Werner, Oberärzte in Buch, und
Dr. Hermann Schmidt ,Oberarzt inWuhlgarten, haben denTitelSanitäts-
rat erhalten.
Dr. Carl Moeli, Prof., Geh. Obermedizinalrat in Berlin W 30, Bamberger-
straße 15, hat den Roten Adlerorden 2. Kl. mit Eichenlaub,
Dr. Wilhelm Sander, Geh. Med.-Rat in Charlottenburg, Fasanenstr. 31,
den Kronenorden 2. Kl.,
Dr. Franz Tuczek, Prof., Geh. Med.-Rat in Marburg, den Kronenorden
3. Kl. erhalten.
Dr. Arthur Titius, Oberarzt in Allenberg,
Dr. Willy Squar, Anstaltsarzt in Kortau,
Dr. Wolfgang Hieronymus, Oberarzt in Lauenburg,
Dr. Hubert Ermisch, Oberarzt in Treptow a. R.,
Dr. Franz Encke, Dir. in Ückermünde,
Dr. Karl Freiherr o. Blomberg, San.-Rat, Dir. in Kosten,
Dr. Johannes Bresler, Oberarzt in Lüben,
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UNIVERSETY OF MICHIGAN
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Kleinere Mitteilungen.
I>r. Josef Reis, Arzt der Dr. Kahlba umschen Anstalt in Görlitz,
Dr. Hermann Schmidt, Oberarzt in Wuhlgarten,
Dr. Oskar Kluge, Dir. d. Prov.-Anstalt in Potsdam,
Dr. Eberhard Rauch, Anstaltsarzt in Neuruppin,
Dr. Arved Hohlfeld, dirig. Arzt in Schweizerhof,
Dr. Willibald Häuptner, Anstaltsarzt in Jerichow,
Dr. Franz Kleiminger und
Dr. August Metz, Oberärzte in Neustadt i. Holstein,
Dr. Rudolf Scherenberg, Oberarzt,
Dr. Franz Maurer und
Dr. Karl Paasche, Abteilungsärzte, alle drei in Warstein,
Dr. Wilhelm Siebert, Oberarzt in Marsberg,
Dr. Karl Blümcke, Oberarzt in Bethel,
Dr. Ernst Müller, Oberarzt in Waldbröl,
Dr.‘ Max Dost, Oberarzt am Sonnenstein,
Dr. Sievert, Arzt der mit dem Sonnenstein verbundenen Nervenheilanstalt
Maria-Anna-Heim,
Dr.' Siegfried Maaß, Anstaltsarzt in Dösen,
Dr. Amandus Menche, Abteilungsarzt in Hildburghausen,
Dr. Heinrich Göring , Priv.-Doz. in Gießen,
Dr. Seißer, Assistenzarzt in Erlangen,
Peiser, Med.-Praktikant in Kaufbeuren,
Dr. Ernst Werner in Winnental und
Dr. Bruno Warth, Ass.-Arzt in Konstanz, sind mit dem Eisernen Kreuze
ausgezeichnet worden.
Dr. Albrecht Paetz, Geh. San.-Rat, Dir. von Altscherbitz, hat die
Rettungsmedaille am Bande erhalten.
Dr. Eugen HaUervorden, Priv.-Doz. in Königsberg, ist am 22. September
im Alter von 62 Jahren,
Dr. Robert Thomsen, Prof., dir. Arzt der Dr. Herrschen Privatanstalt
in Bonn, am 26. Oktober im vollendeten 56. Lebensjahre,
Dr. Frans Fischer, Geh. Med.-Rat, Dir. d. Landesanstalt Pforzheim,
am 6. Dezember,
Dr. Wilhelm Tigges, Geh. Med.-Rat, früherer Dir. des Sachsenbergs,
am 13. Dezember, fast 85 Jahre alt,
Dr. Ernst Veit, Oberarzt in Wuhlgarten, am 21. Dezember im 49. Lebens¬
jahre,
Dr. Leopold Laquer, San.-Rat, Nervenarzt in Frankfurt a. M., geboren
1857 in Namslau (Schlesien), am 28. Januar nach schweren Leiden,
Dr. Zirkel, Anstaltsarzt in St. Getreu zu Bamberg, als Oberarzt der
Reserve im Lazarett zu Bamberg und
Dr. Friedrieh Plaseller, Oberarzt in Hall (Tirol) als Ass.-Arzt der Reserve
am 17. Februar in den Militär-Infektions-Lazaretten zu Mitrowitza
(Slavonien) gestorben. \ .
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
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Geisteskrankheiten und Krieg 1 )*
Von
Dr. med. Heinrich Besch.
Seit Krieg8begmn ist schon eine reichhaltige Literatur über
Geisteskrankheiten im Kriege, sei es in wissenschaftlichen, sei es in
belletristischen Zeitschriften oder in Tageszeitungen erschienen. Die
letzteren haben durchweg die Tendenz, aufklärend und zum Teil be¬
ruhigend auf die Leser zu wirken. Und das ist sicherlich nicht un¬
nötig. Denn nehmen wir nur die Tageszeitungen der ersten Mobil¬
machungstage her, da lesen wir von vielen Selbstmorden, von vielen
Geistesstörungen, die aus Sorge um ins Feld ziehende Angehörige und
aus Angst vor dem Einfall der Feinde in deutsches Land geschehen
oder entstanden sein sollten. Wir lesen unter den Todesanzeigen von
dem plötzlichen und unerwarteten Tod eines jungen, kräftigen Offiziers
oder eines erprobten Militärbeamten.
Hat ein Krieg wirklich Einfluß auf die Erkrankungen an Geistes¬
störung ?
Die Frage ist unbedingt mit ja zu beantworten. Überall in der
Literatur finden wir eine Steigerung der Zahl bestätigt. Und tritt die
Zunahme in auffallender Weise erst nach dem Kriege, wie 1872 in
Frankreich, auf, so liegt es daran, daß während des Krieges andere
Aufgaben vordringlicher sind als gerade die Sorge um die armen
Geisteskranken. Eine ähnliche Erscheinung haben wir bei großen
politischen Umwälzungen und großen Unglücken (Erdbeben usw.).
*] Aus der oberfränk. Heil- und Pflegeanstalt Bayreuth (Direktor
Dr. Hock) und dem Reservelazarett Bayreuth I (Chefarzt Dr. Doering). —
Nach einem am militärärztlichen Abend der Garnison Bayreuth am
19. Februar 1915 gehaltenen Vortrag.
Zeitschrift für Psychiatrie. LXXII. 2.
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122
Resch,
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In der Heil- und Pflegeanstalt Bayreuth stellen sich die Zugänge vom
1. August bis 31. Dezember 1913 auf 34 Männer und 38 Frauen, für die
gleiche Zeitspanne 1914 auf 66 Männer und 29 Frauen. Uns inter¬
essiert vor allem die Frage, wie es mit der Armee in der Beziehung
steht.
Die Statistiken aus früheren Kriegen sprechen alle dafür, daß wir
eine Steigerung der Geisteskrankheiten im Heer zu erwarten haben. 1870/71
ist die Zahl der Geisteskranken von 0,37°/^ auf 0,54%«, gestiegen, im Jahre
1873 sogar auf 0,92P! m . Erst 1873 kehrt die Zahl wieder auf 0,2%o zurück.
Auch die modernen Kriege haben das gleiche gelehrt: im China¬
feldzuge finden wir 0,76°/oo, im Hottentottenfeldzug in Südwestafrika
sogar 5°/ro Geisteskranke. Diese hohe Zahl wird allgemein auf die außer¬
ordentlich großen Anstrengungen im ungewohnten Klima und auf die
rohe Art der Kriegführung durch die wilden Völkerstämme zurückgeführt.
Im Burenkriege verzeichnen die Engländer eine erhebliche Zunahme
der Geisteskrankheiten bis 2,5%o- In der amerikanischen Armee steigt
im Kriege gegen Spanien die Zahl von 0,8%o auf 2,7%o, und schließlich
im russischen Heer während des Krieges gegen Japan von 0,7°/«, auf 2°/ 00 .
Von Interesse für uns ist auch die Zahl der Geisteskranken im deut¬
schen Heere in den letzten Jahren. Seit 1870/71 können wir eine langsame,
aber stete Zunahme beobachten: in der preußischen (sächsischen und
wiirttembergischen) Armee von 0,3°;^ 1874/75 auf l,3%o 1913 und in
Bayern von 0,4°/oo *880 auf l,6%o 1913. Die Zunahme wird allgemein
auf die bessere psychiatrische Ausbildung von Militärärzten zurückgeführt.
Eine größere Rolle spielt wohl auch der Umstand, daß größere Anforderun¬
gen an den einzelnen Mann gestellt werden, und schließlich darf nicht ver¬
gessen werden, daß die Zahl der psychiatrisch Erkrankten überhaupt im
Steigen begriffen ist. In der Marine, die größeren Anstrengungen und
Gefahren ausgesetzt ist, gibt es mehr Geisteskranke als im Heer. Das
größte Kontingent stellen die Arbeiterabteilungen und die Strafanstalten:
40—68%,,.
In dem uns verbündeten Heere Österreich-Ungarns haben wir die
gleichen Verhältnisse, ebenso in Italien und Rußland. Frankreich ver¬
zeichnet zwar auch eine dauernde Zunahme, die Zahl hält sich aber bei seiner
Territorialarmee niedriger als bei uns. Das liegt sicherlich daran, daß alle
zivilgerichtlich oder militärgerichtlich vorbestraften Leute der Kolonial¬
armee zugeteilt werden.
Die Söldnerheere Englands und Amerikas, ebenso auch das
belgische Heer haben einen durchschnittlich höheren Zugang an
Geisteskranken als die andern Armeen.
Während in Friedenszeiten das Soldatenleben wohl keine größeren
Gefahren für die geistige Gesundheit mit sich bringt als andere Berufe,
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Geisteskrankheiten und Krieg.
123
sind die Schädlichkeiten eines Krieges, vor allem eines so lange dauern¬
den, nicht gering anzuschlagen. Die ungeheure Spannung der letzten
Tage vor der Mobilmachung: Wie wird es? haben wir alle kennen
gelernt. Ich glaube, auch den Ruhigsten hat da manchmal eine innere
Unruhe gepackt. Kaum ist die Spannung gelöst, die Mobilmachung
da, heißt es für den Soldaten, den Reservisten, den Landwehrmann
Abschied nehmen von Eltern und Geschwistern, Frau und Kind.
Wenn auch die allgemeine Begeisterung den Mann mit fortreißt, diesen
Aufregungen und Sorgen kann er sich doch nicht entziehen, und sie
werden ihn überallhin verfolgen.
Dann der Feldzug selbst! Die größten körperlichen Anstrengungen
werden von den Leuten verlangt, Gewaltmärsche, Anlegen von
Schützengräben; sie sind verbunden mit der größten seelischen Span¬
nung. Olt heißt es tagelang im Schützengraben untätig unter feind¬
lichem Feuer liegen, ohne daß eine Ablösung möglich wäre, ohne
daß ein Vorstürmen andern Erfolg verspräche, als den Tod
aller. Die Eindrücke, die auf den einzelnen einstürmen, sind mannig¬
fach, oft Schrecken und Abscheu erregend. Die Hinterlist der Be¬
völkerung heißt die Soldaten auch weit hinter der Schlachtlinie ständig
auf der Hut sein. Aul den Offizieren lastet die schwere Verantwortung,
je höher hinauf, um so größer. Es ist sicherlich keine Kleinigkeit,
rasch die Entscheidung zu treffen über Leben und Tod so vieler Men¬
schen, ohne zu wissen, wie es hinausgeht, gut oder schlimm. Bei
raschem Vorgehen fehlt es oft an richtiger Nahrung, der Schlaf ist un¬
genügend, dann kommen die Schädigungen der Witterung hinzu.
Im Sommer sind es vor allem die Hitzschläge, die großen Schaden an-
richten. Die En- und Epidemien, die glücklicherweise in diesem Feldzug
keinen allzu großen Umfang anzunehmen scheinen, vor allem der
Typhus, schädigen auch das Zentralnervensystem. Und nicht zuletzt
müssen die mannigfachen Traumen erwähnt werden, die den Schädel
treffen, von der leichtesten Gehirnerschütterung bis zur schweren
Schußverletzung. Ein großer Feind wurde glücklicherweise für die
erste Zeit wenigstens aus dem Heere verbannt, der Alkohol. Er hätte
sicherlich noch viele Opfer gefordert. Nicht zu vergessen ist die psychi¬
sche Infektion, die oft Paniken hervorzurufen vermag, allerdings keine
länger dauernde Störung, wenigstens bei geistig Normalen, auszu-
lösen scheint.
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R e s cb,
Je länger der Krieg dauert, um so mehr häufen sieh die Schädi¬
gungen und können schließlich auch relativ gesunde Leute angreifen.
Gibt es bei all diesen Schädigungen, die wir doch im gewöhnlichen
Leben nicht kennen, wenigstens nicht in der Größe, eine eigentliche
Kriegspsychose? Die Frage ist viel erörtert worden, und schließlich
hat man sie in den letzten Jahren immer verneint. Es lassen sich die
Fälle, die in der Literatur beschrieben sind, bequem unter die bestehen¬
den Krankheitsbegriffe einordnen. Auch der Inhalt der Wahnideen
deutet im großen und ganzen selten auf die Ursache der Erkrankung
hin. Die Kriegsereignisse spielen in dem Gedankenkreis der Kranken
eine geringe Bolle. Aber selbst wenn man bei der Mehrzahl der Kranken
Ideen kriegerischen Inhalts nachweisen könnte, hätte das selbstver¬
ständlich auf die Klassifizierung der Krankheit keinen Einfluß.
Eines haben die Fälle nach den Angaben der Literatur offenbar
gemeinsam, eine große Einförmigkeit in ihrem Verlauf. So heißt es
in einem Feldbrief auf 1870/71, den ich dem Sanitätsbericht entnehme:
^Interessante psychische Fälle habe ich nioht gesehen. Geisteskranke
kirnen zur Genüge vor“ usw. Als weiteres gemeinsames Merkmal
werden im gleichen Werke „eine auffallende psychische Schwäche“
„mit raschem und sicherem Übergang in psychische Erschöpfung“
gekennzeichnet. Die gleiche Erfahrung hat man auch bei späteren
Kriegen, besonders dem russisch-japanischen, gemacht: „eine rasche
Entwicklung der Demenz und große Seltenheit einer Remission“.
Welche Krankheitsformen werden hauptsächlich beobachtet ?
Auf dem Schlachtfelde selbst kommen vielfach hysterische Erregungs¬
zustände vor; weiter treffen wir Neurasthenie und Unfallpsychosen,
Störungen nach Gehirnerschütterung und Schädeltraumen, Epilepsie,
Paralyse, Jugendirresein, Alkoholpsychosen und nicht zuletzt Er¬
schöpfungspsychosen. Die hysteriformen Störungen spielen bei der
Expedition nach China eine große Rolle, die Erschöpfungspsyohosen
in Südwest. Im russisch-japanischen Kriege sind die Offiziere relativ
häufiger geistig erkrankt als die Soldaten. Bei den Offizieren machen
die Alkoholpsychosen */* aller Fälle aus; es folgen Paralyse, neurastheni-
sche und degenerative Psychosen. Unter den erkrankten Soldaten
gehören 1 / 3 zu den hysterischen und epileptischen Krankheitsformen.
Dann kommen Alkoholpsychosen, Jugendirresein, manisch-depressive
Störungen usw.
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Geisteskrankheiten and Krieg.
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Ich darf hier vielleicht meine Erfahrungen aus der Heil- und
Pilegeanstalt und dem Lazarett anfügen.
In der Anstalt leben zurzeit noch 7 Kriegsteilnehmer von 1870/71
und 1 von der China -Expedition. Bei letzterem liegt Dementia praecox vor,
ein Fall, der nach den Aufzeichnungen sehr rasch in tiefe Verblödung ge¬
kommen ist. Er hat schon vor der Abreise nach Ostasien ein sonderbares
Benehmen gezeigt, vielleicht in krankhafter Regung sich zur Expedition
gemeldet. Bei den andern 7 handelt es sich 4x um Dementia praecox.
3 sind sofort nach dem Krieg erkrankt, 1 nachweisbar erst 1886. Auch
bei diesen bestätigt sich die Erfahrung von der raschen Zunahme der
Demenz. Ein Psychopath ist erst 1895 wegen Exhibitionismus einge¬
liefert worden, soll aber schon vor Paris „trübsinnig und voll Selbstmord¬
gedanken“ gewesen sein. 1 ist Epileptiker und 1 gehört zur Gruppe der
Dementia senilis. Bei diesem erblich belasteten Manne, der erst 1911 auf¬
genommen wurde, wird man wohl schwerlich den Krieg als Hauptursache
bezeichnen dürfen. Über die Stellung der Kranken zu den jetzigen kriege¬
rischen Ereignissen ist wenig zu sagen. Die Verblödeten reagieren gar nicht
oder mit Schimpfen auf eine Erzählung vom Krieg, eben wie auf jeden
andern Reiz. Der Psychopath registriert genau alles und hält den andern
Kranken der Abteilung Vorträge, denen sie sich aber vielfach zu entziehen
suchen. Von einer großen Urteilskraft ist bei diesen Vorträgen nichts
zu finden.
Die Kranken, welche im Lazarett zur Beobachtung kamen, möchte
ich in zwei Abteilungen trennen. In der ersteren erwähne ich die, welche
infolge der Mobilmachung oder während des Dienstes in der Garnison er¬
krankten oder auch während der Ausbildung als abnorm auffielen. 1 gehört
zur Gruppe des manisch-depressiven Irreseins, 3 zum Jugendirresein,
4 zur Epilepsie, 6 in die Klasse der Imbezillen oder Psychopathen, 2 zu
den Alkoholpsychosen, 1 zur traumatischen Hysterie*. Bei ihm sind
schwerere hysterische Anfälle beobachtet worden. Unter den Imbezillen
haben wir 1 moralisch und 4 geistig minderwertige. Alle haben mit Aus¬
nahme eines Schwachsinnigen körperliche Fehler aufzuweisen. Der
Psychopath hat ausgesprochene Zwangsideen: er muß z. B. immer wieder
nachsehen, ob er das Gaslicht ausgelöscht hat, ohne daß er nachher zur
Ruhe kommt, weil ja doch irgend etwas noch fehlen könnte. 9mal ist
erbliche Belastung nachgewiesen. 3 sind in die Anstalt eingewiesen worden,
und zwar die 3 Fälle von Dementia praecox. Bei keinem Falle findet
sich etwas für die Zeit der Entstehung Charakteristisches.
Die 2. Gruppe sind Teilnehmer am Feldzug selbst. Hier haben wir
2 Fälle von manisch-depressivem Irresein, 2 von Dementia praecox,
8 Epüeptiker, 10 traumatische Neurosen, bei denen zwar die nervösen
Symptome tiberwogen, die aber auch psychisch nicht mehr intakt waren,
1 Imbezillen oder Psychopathen, bei dem der Alkohol auch eine gewisse
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Rolle spielt, der eine lange Strafliste im Zivil- und Militärleben hat, und
1 Psychose nach Schußverletzung des r. Felsenbeins.
Hier ist 12mal erbliche Belastung nachgewiesen. Sonst wird in ätio¬
logischer Beziehung von einem Epileptiker angegeben: er sei durch den
Luftdruck bei einer Granatexplosion in die Höhe geschleudert worden,
bei den Fällen von traumatischer Neurose: Schreck durch Granatexplo¬
sion, 7tägiges Liegen im Granatfeuer, Verschüttung durch Granate und
Hitzschlag. Die 2 Fälle von Dementia praecox scheinen beide auf dem
Boden einer Imbezillität entstanden. Der eine, ein Bäcker, ist vor dem
Kriege viel auf Wanderschaft gewesen, „hat es schon öfter im Kopf gehabt“.
Der andere hat von Douai und Godesberg die Diagnose „angeborner
Schwachsinn“ mitgebracht.
Von den Epileptikern hat nur 1 den ersten Anfall im Felde erlitten,
ohne daß er eine Ursache dafür wußte. Alle übrigen haben schon vorher
längere Jahre an Anfällen gelitten, hatten den Umstand zum Teil wohl
bei der Einstellung im August verschwiegen, um nicht zurückgewiesen
zu werden. 1 allerdings war trotz eines ärztlichen Attestes als felddienst¬
fähig erklärt worden. 1 hat den ersten Auszug und die Strapazen scheinbar
gut überstanden. Erst die Aufregung über das zweite Ausrücken nach
Heilung einer geringfügigen Schußverletzung löst einen langdauernden
Dämmerzustand aus. Ein Landsturmmann hätte gern die Gelegenheit
benutzt, eine Rente mit seiner Epilepsie herauszuschlagen, wenn nicht
Erhebungen das lange Bestehen der Krankheit bestätigt hätten. Elin
Kaufmann, Reservist, der 1 Jahr vor dem Krieg epileptische Anfälle
gehabt haben will, hat eigentümliche, ticartige Zuckungen in der Mus¬
kulatur des Gesichtes, Halses und der Extremitäten geboten, die ihn kaum
zur Ruhe kommen ließen. Beim Nachlassen der Zuckungen erleidet er
einen Anfall, der leider nicht von einem Arzt beobachtet, aber von einem
Irrenpfleger als sicher nicht epileptisch beschrieben wird.
Ein Kranker bringt in seinen Wahnideen die Franzosen als seine
Verfolger. Bei den „Nervösen“ spielen vielfach schwere Träume und
nächtliche Angstzustände, bei denen sie in einer Schlacht zu sein glauben,
eine gewisse Rolle. Sonst unterscheiden sich die Fälle nicht von andern
Nervösen und Geisteskranken.
Von den Zugängen aus dem Heer in die Anstalt sind 1 Alkoholiker
und 1 Fall von Jugendirresein während der Mobilmachung eingeliefert,
3 Fälle von Jugendirresein während der Ausbildungszeit in der Garnison
oder beim Garnisondienst als Reservist erkrankt. Der Alkoholiker — es
handelt sich um Delirium tremens — ist bereits entlassen und soll feld-
dienstfähig erklärt worden sein.
Vom Felde oder wenigstens aus dem Aufmarschgebiet wegen Krank¬
heit zurückgekommen sind 4 Fälle von Neurosen, 1 Alkoholiker, 3 Manisch-
Depressive und 7 Fälle von Dementia praecox. 7 Fälle aus der Anstalt
sind schon oben bei den Kranken aus dem Lazarett erwähnt. 1 Fall von
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Geisteskrankheiten und Krieg.
127
Dementia praecox gehört dem französischen Heeresverband an. 2 sind
bereits wieder entlassen, der Alkoholiker und 1 Fall von Neurose. 1 Neur¬
astheniker sollte entlassen werden. Als er hörte, daß er zu seinem Ersatz¬
truppenteil komme, hat er sich derart über den Gedanken erregt, daß ein
Rückfall ein trat: Ängstliche Spannung, Unruhe, Beteuerungen, daß
er nicht schwindle usw. NB. Simulation ausgeschlossen.
5mal ist in der Vorgeschichte von erblicher Belastung die Rede.
Als besondere Ursachen werden Aufregung bei der Mobilmachung, Hitz-
schlag, Verwundung, Prellung am Hinterkopf angeführt.
Im wesentlichen unterscheiden sich die Kranken nicht von andern.
Nur einer klagte mir neulich auf meine Frage: er habe einem Franzosen
den Schädel mit dem Gewehrkolben zertrümmert, und den schrecklichen
Anblick bringe er nicht los. Sonst bieten die Kranken ziemlich häufig:
nervöse Symptome.
Wir haben aus den bisherigen Ausführungen entnommen, daß die
Zahl der Geisteskranken in unserem jetzigen Kriege höchstwahrschein¬
lich nicht gering sein wird. Da drängt sich unwillkürlich die Frage auf,
wie für diese Armen gesorgt wird.
Darf ich auch hier kurz Geschichtliches erwähnen! Besondere Ein¬
richtungen zur Behandlung und Versorgung von Geisteskranken finden
wir zum ersten Male im russisch-japanischen Krieg auf russischer Seite;
auch hier erst im Frühjahr 1904, unter dem Zwange der Verhältnisse
entstanden. Dicht hinter der Front ist eine psychiatrische Feldambulanz
errichtet worden, die von Spezialisten geleitet und mit geschultem Personal
reichlich versehen war. Diese Ambulanz hat die Kranken in ein Zentral¬
lazarett für Psychosen in Charbin eingeliefert, in dem zahlreiche Psychiater
und Irrenpfleger angestellt waren. Eigens eingerichtete Eisenbahnwagen
haben dann die transportfähigen Kranken unter ärztlicher Begleitung
nach Europa gebracht und hier in die heimischen Anstalten verteilt. Auf
Einzelheiten kann ich hier nicht weiter eingehen.
Unsere Heeresleitung hat sich selbstverständlich auch die Erfahrun¬
gen früherer Kriege zunutze gemacht. Eine wichtige Rolle spielt bei der
Bekämpfung der Geisteskrankheiten im deutschen Heere die Prophylaxe.
Nach Anlage 1, Nr. 15, 16, 17 und 18, D.-V. 319 (Dienstanweisung zur
Beurteilung der Militärdienstfähigkeit) machen „überstandene oder noch
bestehende Geisteskrankheiten sowie angeborner Schwachsinn und krank¬
hafte seelische Veranlagung, die die Ausbildung oder Ausübung des Militär¬
dienstes verhindern“, nachgewiesene Epilepsie, chronische Gehirn- und
Nervenkrankheiten, andere chronische Nervenkrankheiten ernsterer Art
völlig dienstunfähig. Außerdem sind unter Anlage 1 Z 15 „Krankheiten des
Nervensystems“ erwähnt, die zeitig untauglich machen, und in Anlage
1 L 18 chronische Nervenkrankheiten, die den Dienst mit der Waffe aus¬
schließen. So werden tunlichst die Geisteskrankheiten von vornherein
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128
Resch,
von dem Heere fernzuhalten gesucht. Natürlich kommen trotzdem
Geisteskranke ins Heer, wie wir schon gehört. Daß sie rechtzeitig erkannt
und entfernt werden, sind nicht nur Militärärzte vielfach zur Ausbildung als
Psychiater an Kliniken und Anstalten kommandiert, sondern auch eigene
Beobachtungsstationen bei größeren Lazaretten errichtet.
Eine große Schwierigkeit bietet sich bei all den Vorschriften nur
für die Entlassung der Epileptiker. „Nachgewiesene Epilepsie“ setzt
nämlich nach Ziff. 178 D.-V. 319 das Vorkommen wiederholter Anfälle
mit charakteristischen Symptomen voraus. Sie ist bei einem ausgebildeten
Soldaten erst dann als festgestellt anzusehen, „wenn sich die Anfälle über¬
haupt wiederholen“ und „wenn ein Militärarzt einen solchen Anfall ganz
oder teilweise gesehen und als epileptischen erkannt hat“. Diese Be¬
stimmung sollte wohl revidiert werden, da doch Epilepsie auch aus andern
Symptomen erkannt wird. Wir haben uns einmal geholfen, daß wir statt
Anlage 1 U 16 Anlage 1 U 17 setzten.
Aber diese prophylaktische Tätigkeit muß auch in Kriegszeiten, ich
möchte sagen, in gesteigertem Maße fortgesetzt werden. Die Erfahrungen
lehren uns, daß die Geisteskranken gegen Ende eines Krieges und in der
ersten Zeit nach dem Kriege besonders zahlreich sind. Das liegt zum Teil
an der allgemeinen Ermüdung und Erschöpfung der Soldaten, zum größe¬
ren Teil vielleicht aber daran, daß bei längerer Kriegsdauer um so mehr
körperlich und geistig weniger leistungfähige Mannschaften eingestellt
werden müssen. Hier die richtige Auswahl zu treffen, obliegt den Ärzten
in der Heimat. Dabei ist nach meiner festen Überzeugung unbedingt
nötig, daß man sich möglichst von Simulantensucherei fernhält. Bei
meiner Einstellung hat mich davor der damalige Chefarzt gewarnt und
dabei gesagt, daß in unserer jetzigen großen Zeit Simulation jedenfalls
sehr selten sei.
Wir brauchen jeden Mann. Aber ein geistig minderwertiger kann
uns nichts nützen. Er schadet mindestens durch sein Beispiel auch anderen,
wenn er nicht gar einmal draußen im Felde durch eine Erregung oder in
einem Dämmerzustand großes Unheil anrichtet. Ich erinnere mich hier
eines Falles. Der Mann wird uns wegen Simulation eingeliefert. Bald
stellt sich heraus, daß er körperlich wenig leistungfähig ist und in psychi¬
scher Beziehung den moralisch Minderwertigen zugerechnet werden muß.
Vielleicht hat er durch Aggravation versucht, vom Dienst loszukommen.
Aber anderseits hat ihn selbst der Mittelarrest nicht abgeschreckt, zu
klagen und zu jammern. Wir haben das Dienstunbrauchbarkeitsverfahren
beantragt. Bei einem andern Falle, bei dem die Minderwertigkeit mehr auf
intellektuellem Gebiet liegt, haben wir die Verwendung im inneren Dienst
empfohlen.
Nun zur Behandlung der Psychosen im Felde! Zuerst muß hier
Rücksicht auf die Allgemeinheit genommen werden. Unter keinen Um¬
ständen darf die Truppe durch einen Geisteskranken gestört werden in
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Geisteskrankheiten and Krieg.
129
ihren Bewegungen. Da muß eventuell zu Gewaltmitteln gegriffen, der
Kranke mit Stricken gefesselt werden. Dann möglichst rasche Ent¬
fernung aus der Front. Die Ärzte haben Morphium bei sich zu führen;
bei den Sanitätskompagnien und den Feldlazaretten findet sich Hyoszin.
So können erregten Kranken auch Einspritzungen gemacht werden. Im
Feldlazarett können außer Beruhigungsmitteln (Trional, Veronal, Mor¬
phium ) Packungen gemacht werden. Im Notfall wird man aber auch hier
noch zur Zwangsjacke und sonstigen mechanischen Beschränkungen
greifen müssen.
In der Etappe obliegt es dem Etappenarzt, im Notfall beim Kriegs¬
lazarett eigene Abteilungen für Geisteskranke einzurichten. Ein Teil der
Ärzte und des Pflegepersonals soll mit der Irrenpllege vertraut sein. Bei
den Güterdepots der Sammelstationen sind je 12 Wannen für Dauer¬
bäder, 20 Kasten-und Gitterbetten, unzerreißbare Schuhe und Anzüge,
Torfmullklosetts bereitgestellt.
Für den Rücktransport in die Heimat können Eisenbahnwagen ent¬
sprechend hergerichtet werden. Für die Unterbringung in der Heimat
haben die Reservelazarette zu sorgen. Die Zahl der vorhandenen Betten
ist besonders zu melden. Die Kranken sind in den Lazaretten oder in Heil-
und Pflegeanstalten unterzubringen. Dann ist möglichst rasch das Dienst¬
unbrauchbarkeitsverfahren einzuleiten, selbst wenn baldige Genesung in
Aussicht stehen sollte. Nach Anlage 1 U 18 schließt ja auch überstandene
Geisteskrankheit vom Heeresdienst mit Recht aus. Wir müssen daran
festhalten, wenn auch die Geschichte uns ein Beispiel von glänzender Feld¬
herrntätigkeit nach überstandener Psychose bringt, den alten Feldmar¬
schall Blücher.
Mit einigen Worten will ich von der Prognose sprechen. Im Sani¬
tätsbericht von 1870/71 steht die Bemerkung, daß viele leichtere Störungen
in dem Lazarettregime die Bedingungen zur Genesung fanden. Das ist
gewiß richtig. Ich möchte hinzufügen, vielleicht auch unter den Kameraden
in der Garnison. Ich erinnere mich vieler Kranken, die in gedrückter
Stimmung ohne Interesse für die Umgebung waren beim Eintritt ins Laza¬
rett. Einer mit dem Eisernen Kreuz an der Brust gibt kaum Antwort,
ist mürrisch, ohne Freude über die Auszeichnung. Erst nach einigen
Tagen — er war durchaus nicht körperlich schwer krank — kehrt die
Lebenslust wieder. Er erzählt mit Freude, wie er sich das Eiserne Kreuz
verdient hat. Ein anderer, den ich im Zivilleben als heiteren, tüchtigen
Menschen kenne, liegt wegen eines oberflächlichen Streifschusses bei uns.
Die Wunde ist verheilt. Er jammert über Kopfschmerzen. Objektiv
kein krankhafter Befund. Er soll entlassen werde" Da bestürmt er mich
fast grob, er sei noch krank. Ich höre ihn an, ohne viel zu entgegnen, und lasse
die Meldung nicht rückgängig machen. 14 Tage später ruft mir einer auf
der Straße überglücklich zu: „Morgen geht’s fort.“ Unter den Kameraden
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Resch,
ist ihm der Mut, das Selbstvertrauen wiedergekommen, und er hat die
vorige Stimmung nicht mehr verstanden.
Im Gegensätze dazu ist die Prognose der eigentlichen schwereren
Geistesstörungen schlecht. Die Erschöpfung ist zu groß, und der
Schädlichkeiten sind es zu viele gewesen, die auf die Armen ein¬
gestürmt sind.
Was soll mit den Ärmsten geschehen? Hier kommt zunächst die
Frage der Dienstbeschädigung . Als Dienstbeschädigung gilt nicht
nur die Entstehung eines Leidens im Dienst, sondern auch die Verschlimme¬
rung eines bestehenden.
Nach 1870/71 ist man mit der Anerkennung der Dienstbeschädigung
sehr weitherzig verfahren. Noch lange nach dem Präklusivtermin zur
Erhebung von Ansprüchen sind Pensionen genehmigt worden. Ein
Psychiater hat die Forderung aufgestellt, daß eine Pension genehmigt
werden soll, wenn nicht unzweifelhaft der Krieg als ursächliches Moment
ausgeschlossen werden könne. Dieser Satz ist aber schon von zeitgenössi¬
schen Irrenärzten abgelehnt worden. Die gewährten Pensionen sind durch¬
schnittlich sehr reichlich gewesen. So beziehen 3 unserer Patienten in der
Anstalt monatlich 102 M., 1 54 M. monatlich, 1 120 M. jährliche Reichs¬
beihilfe, 1 nichts; von 1 ist es mir unbekannt. Der Teilnehmer am China¬
feldzug bekommt monatlich 102 M., obwohl anamnestisch der Krank¬
heitsbeginn vor den Krieg datiert werden kann.
Wie aus der Literatur hervorgeht, steht man heute auf einem strenge¬
ren Standpunkt. In der allgemeinen Unfallpraxis verhält man sich bei
einzelnen Krankheiten im allgemeinen folgendermaßen, wenn es gilt, fest¬
zustellen, ob eine äußere Schädlichkeit, ein Unfall die Psychose ausgelöst
hat. Zum Ausbruch der traumatischen Neurose genügen oft geringfügige
Einwirkungen. Bei diesen Kranken ist der Boden ja meist vorbereitet.
Das Vorkommen der traumatischen Neurose im Kriege wird von manchen
Autoren bestritten. Wollenberg erwähnt sie indessen in einer Abhandlung
in der feldärztlichen Beilage zu M. M. W. und meint, „daß die Begehrungs¬
vorstellungen hier nicht auf die Erlangung einer Rente, sondern auf die
Befreiung von der militärischen Dienstpflicht gerichtet sind“.
Die progressive Paralyse: Hier kann ein Trauma, das den Kopf trifft,
oder große Überanstrengung, körperliche Erschöpfung wohl als auslösen¬
des Moment angesehen werden. Man hat sogar behauptet, daß die An¬
strengungen des Krieges eine frühere Entstehung der Paralyse be¬
günstigen.
Zur Auslösung des manisch-depressiven Irreseins, der Dementia
praecox, der Hysterie, Epilepsie genügt nach der allgemeinen Auffassung
schon ein intensiver Schreck, wieviel mehr erst Anstrengungen, Er¬
schöpfung, Traumen. In den letzten Jahren hat die Abderkaldensche
Serumuntersuchung, wie sie Fauser in die Psychiatrie eingeführt hat, über
die Ursachen dieser Krankheiten manche Aufklärung gebracht. Auch wir
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Geisteskrankheiten und Krieg.
131
haben in unserer Anstalt einige wenige Untersuchungen unternommen.
Aber die Ergebnisse sind noch nicht derart abschließend, daß wir sie jetzt
schon allgemein verwenden dürften. Schließlich klären auch sie nicht die
letzte Ursache auf.
Erschöpfungspsychosen, traumatische Psychosen, Psychosen nach
Epidemien usw. müssen selbstverständlich als durch Dienstbeschädigung
entstanden anerkannt werden.
Senile, präsenile, arteriosklerotische Erkrankungen, Paranoia können
wohl auch in vielen Fällen auf Kriegsstrapazen zurückgeführt werden.
Für alkoholische Störungen wird man selten Dienstbeschädigung
annehmen. So ist in einem Fall von unserer Anstalt die Frage der Dienst -
beschädigung verneint worden.
Um die ganze Frage der Dienstbeschädigung prüfen zu können, ist
vor allem eine ziemlich genaue Vorgeschichte zu erheben. Die Familien*
Verhältnisse, das frühere Leben des Kranken, seine Entwicklung, seine
Berufstätigkeit, sein Verdienst, Familienleben, sexuelle Infektion, Alkohol-
mißbrauch, das alles soll bekannt sein; dann womöglich auch die angeblich
letzte Ursache der Erkrankung-. Es genügt durchaus nicht, daß man sich
über den augenblicklichen Zustand klar ist.
So haben wir einen Fall beobachtet, der dann in die Anstalt überführt
wurde. Er ist oben schon erwähnt. Es handelt sich bei ihm zweifellos um
Jugendirresein, bei dem ich den bestimmten Eindruck hatte, daß es auf
dem Boden einer Imbezillität entstanden sei. Er gab selbst an, viel auf
der Walze gewesen zu sein und es schon öfter im Kopf gehabt zu haben.
Zur Entscheidung, ob hier Dienstbeschädigung vorliegt oder nicht, wie
hoch die Rente zu bestimmen ist, sind unbedingt Erhebungen nötig, ob die
Angaben des Kranken auf Wahrheit beruhen. Nur dann können wir beiden
Parteien, dem Staat und dem Kranken, in unseren Gutachten gerecht
werden.
Oder der Epileptiker, bei dem die ticartigen Zuckungen aufgetreten
sind! Hier können nur Erhebungen über Vorleben und eine längere Be¬
obachtung Klarheit bringen.
Bei Leuten, die vor dem Kriege schon krank waren, und deren Leiden
nicht verschlimmert ist, werden wir keine Entschädigungsansprüche aner¬
kennen, so bei den vielen Epileptikern, die wir zu beobachten Gelegenheit
hatten.
Ist eine Verschlimmerung, zu verzeichnen, so muß wohl Dienstbe¬
schädigung anerkannt, bei Festsetzung der Rente aber der Verdienst un¬
mittelbar vor Kriegsausbruch berücksichtigt werden.
Bei Geisteskrankheit wird nach der Dienstanweisung für die Beur¬
teilung der Militärdienstfähigkeit D.-V. 319 völlige Erwerbunfähigkeit bei
Anstaltbedürftigkeit anerkannt. In andern Fällen kann bis zu 50%
herabgegangen werden. Es darf ferner den Anstaltbedürftigen oder auch
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Re sch,
nur fremder Pflege Bedürftigen eine einfache Verstümmlungszulage ge¬
währt werden, wenn Dienstbeschädigung vorliegt. Diese Zulage kann bis
zum doppelten Betrag erhöht werden, wenn der Betrag zur Deckung der
Pflegekosten nicht ausreicht.
Die Frage, ob bei Kranken, bei denen Dienstbeschädigung nicht an¬
erkannt wird, der Staat nicht lieber die Kosten der Verpflegung über¬
nehmen sollte, damit die kleinen Gemeinden etwas entlastet würden, wage
ich nicht zu entscheiden.
Zum Schluß möchte ich nicht versäumen, darauf hinzuweisen, daß
wir nicht zu schwarz zu sehen brauchen bezüglich der Zahl der Geistes¬
kranken im jetzigen Kriege. So schreibt Wellenberg in Nr. 13 der
Feldärztlichen Beilage zur M. M. W., daß bis dahin die psychiatrische
Klinik in Straßburg zur Aufnahme für die Geisteskranken genügt
habe, und daß von dem Lazarett für „Nervöse“ mit 280 Betten nie
mehr als Vs belegt war.
Literatur.
1. Kraepelin , Psychiatrie I, 1909.
2. SaHüle, Handbuch der Geisteskrankheiten, 1878/;
3. Allg. Zschr. f. Psych. XXX. Dick, Geisteskranke als Opfer des letzten
deutsch-franz. Krieges.
4. Id. XXXVI. Fröhlich, Über Psychosen beim Militär.
5. Id. XXXVII. Lochner , Psychosen beim Militär nach Feldzügen.
6. Id. XXXIX. Schwadb, Versorgung geisteskr. Invaliden des Krieges
1870/71.
7. Id. XLIV. Dietz, Geistesstörungen in der Armee im Krieg und
Frieden.
8. Id. LXIV.
9. Specht, Krieg und Geistesstörung. Prorektoratsrede 1913.
10. Münch, med. Wchschr. 1910, 48, S. 2550 : 4. Int. Kongreß zur Für¬
sorge für Geisteskranke.
11. Id. 1913, 27, S. 1496: Glas, Über geistige Erkrankungen und Fürsorge
für psychisch Erkrankte im Heer.
12. Id. 1914, 42/43. Weygand, Geisteskrankheiten im Krieg.
13. Id. 1914, 44. Wollenberg, Nervöse Erkrankungen bei Kriegsteil¬
nehmern.
14. Id. 1914, 45/46. Hott, Über Kriegsverletzungen des Nervensystems.
15. Id. 1914, 51. Reckzeh, Die durch den Krieg auf dem Gebiete des
Versicherungswesens geschaffenen Änderungen.
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Geisteskrankheiten und Krieg.
133
16. Psych.-neur. Wchschr. 1914/15, Nr. 37/38. Horstmann , Zur trau¬
matischen Neurose.
17. Psych.-neur. Wchschr. 1914/15, Nr. 39/40. Birnbaum, Kriegs¬
psychosen ?
18. Lewandowsky,
19. Sanitätsbericht über die deutschen Heere 1870/71, VII.
20. Kriegssanitätsordnung.
21. Dienstanweisung zur Beurteilung der Militärdienstfähigkeit.
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Ein Fall von Unfallneurose.
Von
Dr. Hans Laehr-Schweizerhof.
, In einer sehr lesenswerten Schrift ') stellt P. Ham als Ergebnis
eigner und von andern ausgeführter Erhebungen fest, daß „die Heilungs¬
aussichten der Unfallneurosen im Falle rechtzeitiger Kapitalabfindung
ganz überraschend günstige sind“, und daß die einmalige Kapital¬
abfindung bei nervösen Unfallfolgen diejenige Entschädigungsart ist,
die „im Interesse des Pat. sowohl wie in demjenigen des Haftpflichtigen
von jedem objektiv urteilenden Gutachter anzustreben ist, ein Stand¬
punkt, der wohl kaum auf ernstlichen Widerstand mehr stoßen dürfte“.
Da nun nach § 843 BGB. nur der Verletzte berechtigt ist, den Antrag
auf Kapitalabfindung anstatt einer Rente zu stellen, und von diesem
Rechte im Verlauf des Prozesses nur selten Gebrauch gemacht wird,
hält Horn eine Ergänzung jenes Paragraphen dahin für erforderlich,
daß „auch auf alleinigen Antrag des Haftpflichtigen hin dem Gerichte
die Möglichkeit zur Zuerkennung einer Abfindung gegeben sein sollte
oder die Art des Entschädigungsmodus (Rente oder Abfindung) ohne
Rücksicht auf die Parteianträge vollkommen dem freien richterlichen
Ermessen Vorbehalten bliebe“.
Horn hat vor allem die Eisenbahnunfälle im Auge, auf die auch
seine eigenen Untersuchungen sich beziehen, und er betont „die ge¬
waltige praktische Tragweite der ganzen Neurosenfrage und insbe¬
sondere auch der zahllosen Simidationsversuche“, die auch darin zu¬
tage trete, „daß gerade die nervösen Eisenbahnunfallverletzten bisher
ganz enorme Entschädigungsforderungen zu stellen pflegten, und daß
x ) Paul Horn , Über die neuere Rechtsprechung bei Unfallneurosen
mit besonderer Berücksichtigung der Entscheidungen des Reichsgerichts
und des Reichsversicherungsamtes; Berlin 1915.
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Ein Fall von Unfallneorose.
135
es noch immer in außerordentlich zahlreichen Fällen nicht zu einer
gütlichen Einigung, sondern zu langwierigen Haftpflichtprozessen
kommt“. Um nun auch diese Prozesse mit ihren üblen Folgen für die
Unfallverletzten zu verhindern, schlägt er bei Eisenbahnunfällen vor, in
der Art, wie es bereits bei den Unfallversicherungsgesellschaften mit
sehr gutem Erfolg geschieht, die Regelung der Entschädigungsansprüche
einem ärztlichen Schiedsgericht anzuvertrauen, bestehend aus je
einem Vertrauensarzt des Pat. und des Haftpflichtigen und einem von
beiden Vertrauensärzten zu wählenden Obmann; um dies von der
freien Vereinbarung unabhängig zu machen, könne „in der Eisenbahn¬
verkehrsordnung, die ja u. a. auch das gegenseitige Vertragsverhältnis
zwischen Fiskus und Fahrgast regelt, eine dahingehende Bestimmung —
Unterwerfung bei Schadensfällen unter ein ärztliches Schiedsgericht —
aufgenommen werden“. Die Zulässigkeit des Ausschlusses gericht¬
licher Klage durch die Eisenbahnverkehrsordnung ergibt sich aus
§1025 ZPO.; die Erweiterung der EVO. durch einen besonderen Ab¬
schnitt hierüber dürfte grundsätzlichen Bedenken nicht begegnen.
Beide Vorschläge Horm scheinen sehr beachtenswert. Ihre Aus¬
führung würde manche Verschlimmerung und Verschleppung von
Unfallneurosen verhindern und ebenso dem Verletzten wie dem Haft¬
pflichtigen zugute kommen. Ich möchte nun den Gründen, die für jene
Vorschläge sprechen, noch einen hinzufügen, den Verf. nicht berührt,
weil er nicht auf seinem Wege liegt. Daß das langwierige gerichtliche
Verfahren zur Feststellung der Unfallentschädigung für Nerven¬
kranke unzweckmäßig ist, darüber herrscht ja im großen und ganzen
Übereinst immung . Meist werden jedoch, wie auch vom Verf. jener
Schrift, unberechtigte Begehrungsvorstellungen als Ursache dafür an¬
genommen, daß der Unfallverletzte so oft auch billigen Einigungs¬
vorschlägen sich verschließt. Es ist aber nicht unwichtig, demgegen¬
über hervorzuheben, daß auch die Krankheit selbst die Ursache ent¬
halten kann, so daß nicht eine von der Krankheit unabhängige Über¬
treibung des Verlangens nach Gewinn, sondern eine aus der Krankheit
hervorgehende Unfähigkeit zum Entschluß, den als unheilvoll erkannten
Prozeß aufzugeben, schuld an dessen Fortführung und der damit zu¬
sammenhängenden Verschlimmerung der Krankheit ist. Denn wenn
es sich herausstellt, daß nicht nur Begehrungsvorstellungen, die als
Schuld des Unfallverletzten aufgefaßt werden können, sondern auch
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krankhafte Vorgänge in ihm vielfach die Verschleppung von Haft¬
pflichtprozessen bewirken, so muß dies jeden Vorschlag unterstützen,
der eine rasche und doch sachgemäß^ Erledigung der Entschädigungs¬
ansprüche auch ohne Zustimmung des Kranken ermöglicht.
In einem Falle, der auch sonst des Interesses nicht entbehrt, ist
mir der Zusammenhang besonders deutlich entgegengetreten, der
zwischen Krankheit und Ablehnung jeden Vergleichs bestand. Es
handelte sich um eine Hysterika, die eine wesentliche Verschlimme¬
rung ihres Leidens dadurch erlitt, daß das vordere Brett eines Bahn¬
hofklosetts abbrach und Pat. hierdurch nach vorn auf den schmutzi¬
gen Fußboden fiel. Hier zeigte sich der unheilvolle Einfl uß des langen
Haftpflichtprozesses ebenso klar, wie das Widerstreben gegen eine gütliche
Einigung auf die Krankheit der Pat. zurückgeführt werden konnte, und
gerade, weil es sich um Verhältnisse handelt, die bei Hysterie recht
gewöhnlich sind, aber nicht immer so offen zutage liegen, scheinen mir
die über den Fall erstatteten Gutachten der Mitteilung wert. Zugleich
ist die Harmlosigkeit, mit der Pat. sich auf der Grenze zwischen Simu¬
lation und Übertreibung bewegte (s. S.146—150), bemerkenswert, weil
auch hier der Zusammenhang mit der Krankheit deutlich hervortrat.
Frau X., geb. 1870, in Schweizerhof zur Beobachtung 19. 9.—26. 10.
1912. Eine Schwester nervös. Pat., seit 1895 verheiratet, hat 2 normale
Entbindungen und 1 Fehlgeburt durchgemacht; 1 Kind klein gestorben,
das andere zwölfjährige gesund. Am 26. 9. 1908 fuhr Pat. nach Berlin und
benutzte während eines Aufenthalts in F. den dortigen Bahnhofabort,
der ihr wegen des ungewöhnlichen, alles bedeckenden Schmutzes Ekel
einflößte. Kaum hatte sie sich gesetzt, so hatte sie das Gefühl, als ob der
Abortsitz sich etwas nach vorn senkte, fühlte plötzlich das vordere Brett,
das sich vom Sitze losgelöst hatte, an den Beinen und brach nun vor
Schreck ohnmächtig zusammen. Nach kurzer Zeit erwachte sie weder,
raffte sich mit Mühe und Not hoch, ließ alles stehen und liegen, ging hinaus
und setzte sich in den zur Abfahrt bereitstehenden Zug. Pat. ergänzt diese
Schilderung in ihrer eidlichen Aussage so: Als sie sich des Schmutzes
halber in unbequemer Stellung hingesetzt hatte, da hörte sie etwas knarren
und hatte dann das Gefühl, daß der Sitz sich nach vorn senkte. „Ich weiß
dann, daß ich vor Schreck das Bestreben hatte, hinauszukommen, und daß
wohl, während ich mich erheben wollte, etwas zwischen die Beine oder
Füße kam, worauf ich dann hinstürzte. Alles das spielte sich in einem
Zeitraum von wenigen Sekunden ab. ... Ich habe zunächst noch halb
benommen am Boden herumgetastet und mich an der Türklinke dann
aufgerichtet. Ich hatte vor Schreck noch Schaum vor dem Munde und
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Ein Fall von Unfallneorose.
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hatte gleich Schmerzen an den Füßen, im Steiß und im Genick und sehr
heftiges Herzklopfen.“ Die Schmerzen und das Herzklopfen, verbunden
mit Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit, blieben bestehen, dazu traten all¬
mählich stumpfes Gefühl in den Füßen, Zucken im Gesicht, Gedanken¬
schwäche, Vergeßlichkeit, unangenehme Gefühle der Beklemmung in der
Herzgegend, Mattigkeit, Unlust zur Arbeit, Schwindelanfälle mit Flimmern
vor den Augen und migräneartige Kopfschmerzen. Gestützt auf das
Zeugnis des Dr. T. und des Kreisarztes Dr. W. verlangte der Gatte der
Pat. am 11. 10. 08 Schadenersatz, wurde vom F.er Landgericht abgewiesen
und legte Berufung ein an das Kammergericht, das am 24. 1. 11 entschied,
„daß der Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger die Kur- und Heilungs¬
kosten sowie im Umfange des § 845 BGB. den Schaden, der ihm durch
den Unfall seiner Frau vom 26. 9. 08 entstanden ist und entstehen wird,
zu ersetzen“, und die Sache wegen der Höhe des Anspruchs an das Gericht
1. Instanz zurtickverwies. Die vom Fiskus eingelegte Revision wurde vom
Reichsgericht zurückgewiesen. Nun klagte Herr X., der aber keinen Schritt
ohne Zustimmung der Pat. tat, auf einmalige Zahlung von rund 7800 Mk.
und eine jährliche Rente von 2400 Mk. Nachdem der Fiskus sich bereit
erklärt hatte, die Kosten eines Beobachtungsaufenthaltes in Schweizerhof
zu zahlen, stellte das Gericht dem Kläger anheim, seine Ehefrau zur Auf¬
suchung der Anstalt zu veranlassen, und so kam Pat., nachdem sie mehr¬
mals abgeschrieben hatte, schließlich am 19. 9. 12 hierher. Ich lasse nun
das auf Grund der hiesigen Beobachtung abgegebene Gutachten folgen:
„Frau X., geboren 1870, hielt sich in der hiesigen Nervenheilanstalt
vom 19. 9. bis 25. 10. 12 auf. Ihre Klagen betrafen besonders Kopf-,
Kreuz- und Gelenkschmerzen, Schwindel, Zittern und Zucken in Armen
und Beinen, Angst, Erschwerung der Auffassung, der Erinnerung und des
Denkens, Empfindungslosigkeit der Hände und Beine, Erschwerung des
Sehens durch Trübungen, Flimmern, Unfähigkeit, nach oben zu sehen
und Farbenblindheit, Ohrensausen und -pfeifen und Schlaflosigkeit.
Die Untersuchung der großen, in gutem Ernährungszustand befind¬
lichen, blassen Frau läßt krankhafte Veränderungen der Brust- und Unter¬
leibsorgane nicht erkennen. Der meist regelmäßige, häufig zu Anfang
einer Untersuchung raschere Puls betrug für gewöhnlich zwischen 72
und 88, selten bis 102 Schlägen in der Minute. Urin klar, sauer, frei von
Eiweiß und Zucker. Die Schilddrüse ist in ihren Seitenlappen unbedeutend
vergrößert, weich und nicht druckschmerzhaft, Halsumfang darüber
36 cm. Die Zunge ist nicht belegt, wird gerade und ohne Zittern heraus¬
gestreckt. Die Augen stehen nicht hervor, zittern auch in seitlicher Stellung
nicht, das Oberlid bedeckt den Augapfel bei Bewegungen in gewöhnlichem
Umfang. Pat. schielt (Strabismus divergens oculi dextri; Pat. hat früher
eine Schieioperation durchgemacht). Die Ohrläppchen sind angewachsen,
der Schädel symmetrisch .und ohne besonderen Befund, Kopfumfang
55 cm, Längslinie vom Hinterhauptvorsprung zur Nasenwurzel 34 cm.
Zeitschrift für Psychiatrie. LXX1L 2. 10
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L & e h r,
Weder Beklopfen noch Druck auf Schädel oder Wirbelsäule ist schmerzhaft;
auch sonst wurden nirgends besondere Druckschmerzpunkte gefunden;
auch die innen schmerzenden Gelenke waren von außen nicht druck¬
schmerzhaft. Es besteht an der Brust Nachröten der Haut, das langsam,
dann aber stark auftritt; an andern Körperstellen ist es viel weniger aus¬
gesprochen. Die Kniereflexe waren anfangs erheblich verstärkt, später
viel weniger; im übrigen boten Sehnen-, Haut- und Schleimhautreflexe
nichts Ungewöhnliches.
Um so eigenartigere Befunde ergaben sich in bezug auf Bewegungen
und Empfindungen. Der Händedruck ist kaum spürbar; in Rückenlage
vermag Pat. das ausgestreckte Bein nur ganz langsam und wenig vom
Boden zu erheben (größte Entfernung des Hackens von der Unterlage zirka
5 cm) , es tritt dabei plötzlich starkes Zittern, aber kein Abweichen in der
Richtung ein, dann aber hält Pat. das Bein in der erreichten Höhe über
eine Minute lang mit abnehmendem Zittern. Dagegen vermag Pat. das
Bein bei dem geringsten Widerstand überhaupt nicht zu heben, sogar
dann nicht, wenn die Hand ohne jeden Druck auf den Unterschenkel gelegt
wird. Der Versuch, die Hacken auf das Knie des andern Beins zu legen,
gelingt nicht, weil Pat. den Hacken nur bis zur Mitte des Unterschenkels
bringen kann, indem sie ihn langsam auf dem Schienbein emporschiebt.
Wegstoßen des im Knie gebeugten Beines ist ihr selbst bei leisestem
Widerstand unmöglich; auch als der Widerstand plötzlich aufgegeben wird,
bleibt das Bein gebeugt. Mit dem Zeigefinger kann Pat. bei geschlossenen
Augen sowohl rechts wie links einen Kreis beschreiben, ohne zu zittern,
aber nur ganz langsam. Auf Aufforderung, bei geschlossenen Augen den
Zeigefinger an die Nase zu führen, bewegt Pat. den gestreckten Finger
langsam der Nase zu; plötzlich setzen zuckende Bewegungen des Fingers
ein (nicht seitliche, sondern in der Richtung zur Nase hin); kurz vor der
Nasenspitze hört das Zittern auf, der Finger weicht langsam von der
richtigen, bisher eingeschlagenen Richtung nach der Seite ab und trifft
auf meinen Finger, der das Auge der Pat. bedeckt; von da aus führt Pat.
ihren Finger langsam zur Nase; der ganze Versuch nimmt r. 24", 1. 17 ",
dann bei Wiederholung r. 27 ", 1. 23 " in Anspruch. Ebenso braucht der
Zeigefinger, um zum gleichseitigen Ohr zu gelangen, r. 19 ", 1. 8 ", zum
anderseitigen Ohr r. 13 ", 1.10 ". Dabei wackelt die Hand gleich nach dem
Erheben stark und beruhigt sich erst allmählich. Mit dem Fuß kann Pat.
keinen Kreis beschreiben, da sie seitliche Beinbewegungen nicht ausführen
könne. Sie hebt den Fuß nur ein wenig und bewegt ihn auf- und abwärts,
erst ganz ohne Zittern, dann kommt starkes Zittern, das schließlich wieder
aufhört. Passive Bewegungen der Beine, besonders rasche Beugung des
Knies, sind meist erschwert, der Widerstand bei langsamen ist ruckweise
oder dauert von Anfang bis zu Ende an. Nur passive Zehenbewegungen
sind ungehindert. Doch gelang es bisweilen, ungehemmte Bewegungen
auch im Fußgelenk, einmal auch die erste Kniebeugung ohne Widerstand
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Ein Fall von Unfallneurose.
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vorzunehmen, während die zweite dann starkem Widerstand begegnete.
Beim Stehen Fuß bei Fuß mit geschlossenen Augen kein Schwanken.
Gehen etwas langsam, aber sicher, ebenso Umdrehen. Auf den Stuhl
steigen ohne Hilfe der Hände nicht möglich, das Knie schmerze zu sehr;
das 1. Bein wird schließlich auf den Stuhl gesetzt; das r. kommt nur
zur halben Höhi; in dieser Haltung legt Pat. die Hände auf das r. Knie«
das schmerze furchtbar, hebt und senkt das frei schwebende Knie mehr¬
mals ein wenig höher und tiefer, kommt aber trotz langem Fortsetzen
des Versuchs nicht weiter hinauf.
Die Hautempfindlichkeit verhielt sich nicht immer gleichmäßig.
Erheblichere Störungen derselben fehlten an Kopf und Rumpf. An den
Beinen nahm die Empfindlichkeit von oben nach unten ab, und zwar
so, daß Knie- und Fußgelenke Gebiete größerer und geringerer Empfind¬
lichkeit abgrenzten. Größere Schwankungen zeigten die Füße, doch nahm
auch hier die Unempfindlichkeit im allgemeinen von oben nach unten zu.
Hier zeigten sich auch weitere Eigentümlichkeiten. Das eine Mal war der
r. Fuß vom Fußgelenk an gegen Pinselstrich, Nadelkopf und Nadelstich
angeblich ganz unempfindlich, selbst wqnn der Stich Rötung des Gesichts
bewirkte, ein anderes Mal erstreckte sich die Empfindungslosigkeit nur
auf die große Zehe; hier aber bewirkte der Stich mehrmalige krampfhafte
Bewegungen im Fußgelenk, ohne daß Pat. ihrer Angabe nach etwas spürte,
dagegen konnte Pat. zwar Wärme und Kälte an der (ganzen oder auch
nur der halben) Sohle und an den Zehen nicht unterscheiden, empfand
aber hierbei die Berührung überall, auch an der großen Zehe, da sie auch
hier auf warme und kalte Berührungen, die absichtlich in verschiedenen
Zeitabständenf erfolgten und auf andere Art von mir nicht angedeutet
wurden, mit „ich weiß nicht“ antwortete. An den Armen war ein Vier¬
eck um den r. Ellenbogen für Pinselstriche unempfindlich, während diese
am Rande des unempfindlichen Vierecks Brennen hervorriefen. Regel¬
mäßig war die Empfindung an den Endgliedern der Finger herabgesetzt,
aber auch hier in eigentümlicher Art, indem z. B. bei derselben Unter¬
suchung das Endglied desselben Fingers einmal Pinselstriche empfand,
dann nach Prüfung anderer Stellen nicht mehr, oder Pinselstriche als
nicht empfunden angegeben wurden, die zwar in der Hauptsache das un¬
empfindliche Glied betrafen, aber auf der empfindlichen Nachbarschaft
begonnen hatten. Bei passiven Bewegungen der großen Gelenke konnten
die betroffenen Gelenke sowohl wie die Bewegungsrichtung zutreffend an¬
gegeben werden, mit Ausnahme der Fußgelenke, bei denen nur das Gelenk,
eicht aber die Richtung der Bewegung genannt wurde. Bewegungen der
Zehen wurden ungleichmäßig empfunden, auch bei derselben Zehe bald
nur die Richtung, bald nur die Zehe, bald beides oder keines von beiden
angegeben, stets mußte aber die Bewegung ausgiebig sein, um eine Emp¬
findung zu veranlassen. Bei der großen Zehe ward nur die Richtung der
Bewegung bisweilen empfunden, nicht aber die Zehe selbst angegeben.
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Laehr,
Bewegungen der Daumen werden richtig empfunden; bei Bewegungen der
übrigen Finger kann weder der betroffene Finger noch die Richtung der
Bewegung angegeben werden, obwohl die entsprechenden Hautempfindun¬
gen keineswegs nach Möglichkeit ausgeschaltet wurden.
Die Hörfähigkeit war vielleicht ein wenig, sicher nur unbedeutend
herabgesetzt, leise Flüstersprache wurde verstanden. Dagegen klagte
Pat. über alle möglichen subjektiven Geräusche: diese seien wie dicht an
der Muschel, als ob ein richtiger Schlag an das Trommelfell schlage, direkt
auf dem Trommelfell; neulich habe sie auch ein Pfeifen gespürt, so daß
nichts zu hören war; dies Pfeifen auf beiden Ohren werde immer häufiger
in letzter Zeit, es fange mit einem Knall an, als ob jemand auf das Trommel¬
fell schlage, dann komme das Pfeifen, manchmal furchtbar ‘laut; beim
Sprechen sei es ihr oft, als wenn das Ohr verstopft sei, sie höre trotzdem,
was man sage, nur wenn sie mit ihren Gedanken wo anders sei, verstehe
sie es nicht, nicht aber wegen schlechten Hörens.
Die Augenuntersuchung war zunächst unmöglich. Erst nach Wochen,
als Pat. ruhiger geworden war, die Augen auch bei der Untersuchung
einigermaßen öffnete und nicht sofort die Blickrichtung wechselte, gelang
es, den Augenhintergrund flüchtig zu sehen und beiderseits eine deutliche
Abgrenzung der Papille sowie normale Form und Farbe derselben festzu¬
stellen. Die Pupillen reagierten auf Licht, auch bei wechselnder Belichtung
des andern Auges, und auf Nahesehen. Das Gesichtsfeld wurde wiederholt
am Perimeter aufgenommen, und wenn Pat. auch namentlich anfangs
schlecht fixierte und plötzlich das Auge bewegte, so gelang es doch all¬
mählich, gewisse Besonderheiten festzustellen. Vor allem eine erhebliche
Einschränkung des Gesichtsfeldes beiderseits. Bei diesen Untersuchungen
prüfte ich mit verschiedenen Farben, ohne dies der Pat. gegenüber zu
erwähnen, die mir nur in den ersten Tagen u. a. auch von ihrer Farben¬
blindheit gesprochen hatte, aber ohne daß ich darauf eingegangen war.
Die erste Prüfung am 11. und 12. 10. schien nun bestimmte, wenn auch
geringe Unterschiede für die einzelnen Farben zu ergeben, indem die
Grenzen, innerhalb deren die grüne Scheibe gesehen wurde, enger waren
als die für Weiß, und die Grenzen für Blau und Rot sich im ganzen zwischen
jenen hielten. Dies war keineswegs ausnahmlos, aber die Unstimmigkeiten
konnten wohl durch Augenbewegungen der Pat. erklärt werden, um so
mehr, als eine Grenzbestimmung für Blau und Weiß auf dem rechten Auge
gerade in den blinden Fleck fiel. Spätere Prüfungen am 16., 19. und 22. 10.
ergaben dann wieder eine starke Einschränkung des Gesichtsfeldes, aber
stets in verschiedener Ausdehnung (5—12°, die geringste Ausdehnung
nach oben, die größte im horizontalen Durchmesser), und für die einzelnen
Farben ebenfalls ganz verschiedene Verhältnisse, obwohl ich jetzt bei allen
zweifelhaften Ergebnissen mehrmals hintereinander prüfte und immer
-weder an die Fixation erinnerte. Objektiv die Fixation festzustellen war
nicht möglich, da Pat. die Augen nicht genügend weit öffnete und die Ver-
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Ein Fall von Unfallnearose.
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suche bei nicht zu großer Helligkeit und so angestellt werden mußten, daß
Pat. vom Fenster fortsah, da sie sonst über Blendung klagte.
Außer am Perimeter ward das Gesichtsfeld auch an ebener Tafel
geprüft, und zwar in zwei verschiedenen Abständen vom Auge, einmal
im gleichen Abstand wie am Perimeter, dann im dreifachen Abstand. Hier
an der Tafel konnte Pat. die Striche, durch welche ich die Grenzen für die
einzelnen Farben kenntlich machte, im Fortgang der Untersuchung sehen,
falls sie die Blicke umherschweifen ließ. Die Grenzen für die einzelnen
Farben fielen hier von Anfang an viel besser zusammen als am Perimeter,
der der Pat. jene Kontrolle verwehrte. Aber weder stimmte das am Peri¬
meter gewonnene Gesichtsfeld mit dem soeben in gleicher Entfernung an
der Tafel bestimmten überein, noch ergaben sich konstante Verhältnisse
zwischen ihnen. Ebensowenig waren konstante Verhältnisse zwischen den
an der Tafel in verschiedenen Abständen gewonnenen Befunden zu er¬
kennen, im besonderen waren die Gesichtsfelder bei dreifachem Abstand
weder dreimal so groß noch ebenso groß wie bei einfachem Abstand,^son¬
dern hielten sich zwischen diesen beiden Grenzen, von beiden aber deutlich
entfernt. Als das Gesichtsfeld, nachdem es zuerst in dreifacher Entfernung
auf der Tafel aufgenommen war, sodann auf unveränderter Tafel im
Perimeterabstand aufgenommen wurde, äußerte Pat. ihre Verwunderung
darüber, daß sie jetzt nicht so weit seitwärts sehen könne wie früher; sie
könne jetzt, wo sie so viel näher sitze, deutlicher und richtiger wahr¬
nehmen, vorher hätten wohl Fehler mitgespielt.
Am nächsten Tage sagte ich der Pat., ich müßte die Augen nochmals
auf Farbensehen prüfen, da sie bei der Untersuchung des Gesichtsfeldes
entschieden Unterschiede nach den Farben gemacht habe. Sie erwiderte,
sie habe überhaupt nicht gewußt, daß ich mit verschiedenen Farben geprüft
habe, sie habe immer nur eine, immer dieselbe Farbe zu sehen geglaubt,
„haben Sie denn wirklich verschiedene Farben genommen?“ Pat. erzählte
dann, daß sie ihren Sohn beinahe mit Grünspan vergiftet habe, weil sie
beim Kochen diesen nicht habe erkennen können. Auf meine Bemerkung,
es scheine mir, daß sie die Farben in größerer Entfernung eher unterscheide
als in geringerer, antwortete sie, das müsse Zufall sein, sie habe gestern
während der Probe überhaupt so viel Flimmern auf den Augen gehabt,
sie müsse sich versehen haben, sie könne weder nah noch fern Farben er¬
kennen. Als ihr nun die farbigen Scheiben, die zur Prüfung benutzt wurden,
vorgezeigt wurden, wies sie auf die weiße: „Das ist wohl weiß; d. h. ich
kann es nicht unterscheiden, ich denke mir es nur.“ Die andern Farben
bezeichnete sie als ganz gleich. Als ihr jedoch vorgehalten wurde, daß sie
sie bei der Gesichtsfeldbestimmung verschieden behandelt habe, meinte
sie: dann müsse sie dunklere und hellere unterschieden haben, sie wisse
es nicht, und unterschied nun, nicht nach der Farbe, sondern nur nach der
Helligkeit Gelb, Rot, Blau und Grün in der Nähe. In 90 cm Abstand er¬
schien ihr dann Weiß anders als die übrigen Scheiben, die andern einander
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UMIVERSITY OF MICHIGAN
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Laehr,
gleich; auf Einspruch bezeichnete sie Rot als dunkler wie Blau, aber Grün
und Gelb gleich Rot. ln 30 cm Abstand wurde dann Rot der Helligkeit
nach gleich Blau gesetzt und auch zwischen den andern Farben (Weiß
ausgenommen) kein Helligkeitsunterschied gefunden.
Am 22. 10. wurde vormittags nochmals das Gesichtsfeld an der Tafel
in beiden Entfernungen geprüft. Das Ergebnis war überraschend. Nicht
nur waren jetzt die Unterschiede für die einzelnen Farben nahezu ausge¬
glichen, sondern in beiden Entfernungen wurden zuletzt fast gleiche Gren¬
zen angegeben, d. h. das Gesichtsfeld hatte in beiden Entfernungen die¬
selbe Ausdehnung, es vergrößerte sich nicht mit wachsendem Abstand
vom Auge. Pat. blieb während der 1 ^ständigen Prüfung sehr aufmerksam.
Mehrmals schien sie unsicher und erklärte, sie sehe nicht recht, sobald
dann aber gewartet oder abgebrochen werden sollte, meinte sie: ach nein,
es gehe schon. In der zweiten Hälfte der Untersuchung hatte Pat. rote
und heiße Backen, aber die Angaben, die zuerst unsicher schienen und
nicht genau die gleiche Grenze für verschiedene Farben einhielten, wurden
immer sicherer, und immer entschiedener kamen die gleichen Grenzen hervor.
Da mir dies Verhalten und dieser Befund sehr merkwürdig vorkamen,
sagte ich der Pat., wir müßten die Prüfung am Nachmittag wiederholen,
da die Ergebnisse jetzt zwar größtenteils stimmten, aber einzelne Unter¬
schiede zwischen den Farben noch immer hervorträten. Ich benutzte nun
nachmittags dieselbe Tafel, auf der die Grenzen vom Vormittag her
noch aufgezeichnet standen, hatte aber vorher ohne Wissen der Pat. die
Striche für die 1. Seite des 1. Auges um 1 cm hinausgerückt, dort aber genau
so angekreidet wie vorher. Es fielen nun die Angaben genau den vor¬
handenen Kreidestrichen entsprechend aus, auch auf der 1. Seite des
1. Auges, und die Angaben für die verschiedenen Farben deckten sich fast
vollkommen, noch erheblich besser wie am Vormittag. Dagegen fiel die
gleich darauf vorgenommene Prüfung am Perimeter, wo Pat. keine Grenz¬
striche vor sich hatte, sowohl für die einzelnen Farben verschieden wie auch
abweichend vom Befunde an der Tafel aus. Die ganze Prüfung am Nach¬
mittag hatte eine Stunde gedauert, zuletzt war die Dämmerung herein¬
gebrochen, Pat. blieb aber aufmerksam und erklärte bis zuletzt, die Scheiben
noch deutlich zu sehen. Plötzlich gab sie an, daß sie manchmal allerdings
flüchtig Farben sehen könne, so habe sie neulich Farben erkannt, als die
Oberin bei ihr war, aber das sei immer nur ganz vorübergehend. Nach
Angabe der Oberin hatte Pat. am 9. 10. einige Schlipse angesehen und,
nachdem sie ihr erzählt, daß sie seit Jahren farbenblind sei, auf zwei
Schlipse gezeigt und dabei gesagt: „Sehen Sie, ist das nun Rotbraun oder
Grün? D. h. Sie könnten mir ebensogut sagen, daß das Grün ist“; „Ist
das Blau? Na sehen Sie, das habe ich mal geraten“. Rotbraun und Blau
waren richtig gewesen.
Störungen der Auffassung und des Denkens wurden nicht ge¬
funden, soweit nicht Mangel an Aufmerksamkeit mitwirkte. Im besonderen
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Ein Fall von Unfallneurose.
143
fehlten Sinnestäuschungen und Wahnideen. Nur war Pat. stets von der
Überzeugung beherrscht, schwer krank und leistungsunfähig zu sein, auch
dann, wenn ihr wechselvolles Verhalten mit dieser Überzeugung nicht
übereinstimmte. Widerspruchvoll waren die Ergebnisse betreffs Merk¬
fähigkeit und Gedächtnis. Ich teile die Aufzeichnung einer Unter¬
suchung vom 28. 9. mit:
1. Rechnen: „Ach, meine Erinnerung hat ja so gelitten, früher konnte
ich so gut rechnen. [Auf Erinnerung kommt es hier nicht so an. Wieviel
ist 28 + 67 ?] Ach, ich kann nicht denken. — 95. [Wieviel ist 97—39 ?J
39? 58 (20 Sek.). [16 x 8?] — Ich hab’s ja, dann entflieht es immer
wieder. 16 x 8, nicht? 128 (43 Sek.). [196 :14?] Ach, das schaffe ich
gar nicht mehr (lacht, dann ernst, Augen zu). — Ach, das Sprechen neben-
anl (Nebenan in der Tat lebhaftes Sprechen.) — 14 (52 Sek.). [182 + 69?]
113? Ja. — Es war doch 189? (50 Sek.) [182 + 69?] — 113? — Ach,
minus! Sie meinen plus 1 Ach, ich kann nicht denken.—151 — 251“ (2' 42“).
2. Merkfähigkeitsprüfung nach Vieregge:
2. Ilb: 8 542 706 (statt 83 542 176).
3. III a: Nein, das kann ich nicht.
4. III a: 441 769.
5. lila: 395 586.
6. II c: 4 217 695.
7. II c: Ich habe nicht aufgepaßt.
8. II c: 2 179 652. Mit tut der Kopf so weh.
Mit einer Minute Pause:
9. III a: — Ach, ich kann nicht mehr, ich weiß nicht mehr (25“)
(seufzt mehrmals) — 239 530. Das zuckt in mir so, hier im Kopf, das ist
zu gräßlich.
10. II c: Ich weiß nicht die zweiten Stellen — 7 Millionen (sieht
nach unten, schließt die Augen) — 7 Millionen 524, aber die Tausend
weiß ich nicht, die 2. Stelle habe ich vergessen.
11. II c: 6 914 485.
12. II c: Das weiß ich gar nicht mehr (nach 20"), ich weiß gar nichts
mehr von der Zahl.
13. III a: (Schüttelt mehrfach den Kopf, seufzt) Ich kann nicht
mehr denken. — 560 146. Der Kopf tut so weh vom Nachdenken. So
geht es mir ja auch beim Lesen. Ich muß so furchtbar aufpassen, und es
geht einem doch sogleich weg. Hier (Stirn) das ist dann so benommen,
daß ich es gar nicht fassen kann. Ich bin ja so — wenn bei uns etwas ge¬
kauft wird, und ich sage: wir werden 4 Pfund nehmen, und der Händler hat
nur 2 Pfund, dann zahle ich doch richtig 4 Pfund ...
14. III a: 823 942.
Mit einer Minute Pause bei Unterhaltung:
15. III b: 749 ... aber weiß ich nichts mehr (statt 437 965); ich
wußte es schon gleich nicht.
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Laehr,
16. III c: (Erzählt, wie sie ihrem Jungen im Französischen geholfen.)
Ich weiß die Zahl nicht mehr.
17. III c (vorher 1 y 2 Min. Pause, weil ich hinausgerufen war): Ich
weiß nicht. 5256. Jetzt bin ich wieder ein bißchen erholt.
18. III b: — 72 7 00, ja ich weiß 700, aber weiter weiß ich nicht.
19. III c: — Ach, ich weiß nicht, ich weiß nicht. —
Das Rechnen geht hiernach zwar langsam vor sich, die Ergebnisse
sind aber teilweis sogleich richtig, teilweis werden sie von selbst richtig¬
gestellt, auch, als Ablenkung durch lautes Gespräch nebenan nahegelegt ist.
Es wirkt hindernd und verlangsamend offenbar mehr der Gedanke der
Unfähigkeit zu Leistungen und zur Aufmerksamkeitanspannung als wirk¬
liche Unfähigkeit. Dasselbe geht aus der Prüfung nach Vieregge hervor.
Die Ergebnisse sind ganz verschieden. Pat. ist anfangs davon überzeugt,
daß Sie gar nichts kann, paßt auch nachher öfters nicht auf, aber, hiervon
abgesehen, sind die Leistungen durchaus nicht gering, eine siebenstellige
Zahl beim sofortigen Nachsprechen, eine sechsstellige beim Nachsprechen
mit einer Minute Pause und eine vierstellige nach einer Minute, die mit
ablenkender Unterhaltung ausgefüllt war, sind eine ganz gute Leistung der
Merkfähigkeit. Zum gleichen Ergebnis führen die sonstigen Beobachtun¬
gen, die gelegentlich über die Fähigkeit der Pat. zur Aufmerksamkeit
gemacht wurden. Ich erinnere an die zum Teil recht lange fortgesetzten
Gesichtsfeldbestimmungen, bei denen Pat. wiederholt glaubte, sie könne
nicht mehr, sobald ich aber sagte, wir würden gern warten, bis sie sich
erholt habe, sofortigen Weitergang der Untersuchung vorzog und durch-
führte. Hier war der Wunsch, bald mit der unangenehmen Untersuchung
fertig zu werden, mächtiger als der Gedanke der Leistungfähigkeit. Aber
auch sonst trat immer wieder der große Unterschied zutage zwischen den
wirklichen Leistungen und dem, was Pat. sich zutraute leisten zu können.
So erklärte sie anfangs, überhaupt nicht nach oben sehen zu können, und
wandte auf Aufforderung dazu den Blick erst nach unten, dann nach
r. und 1., brachte ihn aber trotz beständigen Umherzuckens nicht über die
Horizontale. Als ich hierauf das untere Augenlid abhob, ging der Blick
noch weiter nach unten und zuckte hier unregelmäßig umher, während das
obere Augenlid sich immer tiefer schob. Als ich dies nun hochhob, zuckte
der Blick hoch empor. Auf meine Bemerkung, daß es ja nun gehe, ant¬
wortete Pat. zwar: „Aber nur einen Moment“, das Aufwärtssehen ging
jedoch von da an wesentlich besser, und nach wenigen Tagen sah Pat.
ohne weiteres aufwärts, sobald sie nicht daran dachte, während der Ge¬
danke an ihre Unfähigkeit dazu diese Unfähigkeit sofort herstellte. Ebenso
glaubte Pat. nur ganz kurz gehen zu können, ging aber ohne Begleitung
öfters über eine Stunde spazieren, wobei mehrmals durch eine Pflegerin,
die ohne Wissen der Pat. sie beobachtete, festgestellt werden konnte, daß
sie anscheinend ohne Schwierigkeit ging, ohne sich auszuruhen. Sie glaubte
abends nicht ausgehen zu können, sie ging aber wiederholt noch in später
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Ein Fall von Unfallneurose.
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Dämmerung spazieren, war abends im Dorfe zu einer Aufführung und kam
erst im Dunkeln zurück, ging auch nach Geselligkeiten im Haupthaus der
Anstalt ohne Schwierigkeit abends in ihre Villa zurück. Einmal ließ ich
abends, als Pat. im Bade war, das Licht auf dem Flur und in ihrem Zimmer
ausdrehen; sie ging in der Dunkelheit ohne Schwierigkeit durch den Flur
auf ihr Zimmer, versuchte hier erst am falschen Ort das Licht anzudrehen,
sagte leise: „Ach so, das geht ja hier nicht“, ging dann zur richtigen Stelle
und machte Licht. Pat. glaubte Treppen kaum steigen zu können und
konnte in der Tat beim Versuch, den Fuß zu heben, diesen kaum so hoch
bringen, wie zum Treppensteigen erforderlich ist, ging auch, wenn sie die
Treppe zum Untersuchungszimmer hinaufstieg, in größter Langsamkeit
hinauf und hinunter, stieg dagegen z. B. einmal mit mir, als ich sie vom
Spaziergang in das Haus holte, die Stufen zur Veranda wie jede andere
hinauf. Sie glaubte nur einsame Wege gehen zu können, wo sie niemand
treffe, und doch traf ich sie gleich am zweiten Tage am Eingang des Parkes
mitten zwischen Hausmädchen und Handwerkern stehend; sie erschrak
allerdings bei meinem Anblick sehr und eilte nun unter starkem Zucken
im Gesicht zurück. Sie glaubte keine Nadel halten zu können, trennte
aber ein Kleidungsstück auf und nähte es wieder zusammen, auch hierbei
anscheinend erschrocken, als sie überrascht wurde, und nun ihre Un¬
fähigkeit lebhaft zeigend und sich gewissermaßen wegen ihrer Leistung
entschuldigend.
Umgekehrt war das Zittern der Hände, das Zucken im Gesicht und
in den Extremitäten oft deutlich von der Aufmerksamkeit abhängig; war
diese abgelenkt, so fehlten diese Erscheinungen, und Pat. konnte dann
verrichten, was unmöglich schien, solange Pat. an das Zittern dachte.
Das Gefühl war in doppelter Hinsicht verändert. In geringerem
Maße durch Angst, über die Pat. zwar oft sehr klagte, und die sie lebhaft
schilderte, die aber nie in erheblichem Grade beobachtet wurde; stärker
durch leichte Ansprechbarkeit des Gefühls, die zweifellos bestand und sich
teils in raschem Stimmungwechsel, teils in Ärger, Unwillen, Heftigkeit
äußerte, wobei diese Gefühle weit über das gewöhnliche Maß hinaus¬
gingen, im allgemeinen aber auch rasch wieder abklangen.
In ähnlicher Weise vielfach wechselnd, rasch aufflackernd und rasch
vergehend, verhielten sich im allgemeinen auch die Wünsche und der
Wille. Was Pat. jetzt wünschte, wünschte sie kurz darauf oft nicht
mehr, was sie eben beschlossen hatte, warf sie oft gleich darauf wieder um.
So kam es einerseits zu bisweilen starker Unentschlossenheit, andrerseits
trug diese Unstetigkeit der Wünsche wesentlich bei zu der plötzlich kom¬
menden und gehenden Abhängigkeit des Verhaltens von bestimmten Vor¬
stellungen und damit zu der starken Ungleichmäßigkeit der Leistungen.
Der Wunsch, spazieren zu gehen, einen Vortrag, einen Musikabend mitzu¬
machen usw., gab plötzlich auch die Kraft dazu, indem die Vorstellung
des Nichtkönnens beiseite gedrängt wurde; ebenso rasch konnte dann aber
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auch wieder der Wunsch, nicht für leistungfähiger angesehen zu werden,
als der eigenen Grundansicht entsprach, das Bild verändern, besonders
wenn der Gedanke, beobachtet zu werden, diese Grundansicht lebhafter
hervortreten ließ.
Hier komme ich auf die Frage der Simulation, deren Annahme
eine ganze Reihe von Widersprüchen im Verhalten der Pat. und in den
Krankheiterscheinungen am einfachsten aufklären würde. An eine ziel¬
bewußte, dauernd gewollte Simulation ist freilich nicht zu denken. Läge
sie vor, so hätte Pat. die zahlreichen Widersprüche zwischen ihren An¬
gaben und Leistungen zweifellos zu einem guten Teile vermieden. Sie
würde sich z. B. nicht das Haar gemacht haben, nachdem sie erklärt, dazu
nicht imstande zu sein, auf die Gefahr hin, eine Zeitlang mit ungeordnetem
Haar umherzugehen; sie würde bei der Untersuchung nicht die Muskel¬
schwäche in der Weise übertrieben haben, daß danach überhaupt ein
zweckmäßiger Gebrauch der Glieder unmöglich erschien, oder aber sie
würde auf selbständiges Gehen, Essen, Anziehen usw. verzichtet haben.
Denn daß sie sich in vielen Fällen über diesen Widerspruch klar war,
ging aus ihrem Verhalten unzweideutig hervor. So trat mehrfach beim
Essen und Anziehen, sobald Pat. sich beobachtet wußte, starkes Zittern
des Armes auf, aber es verging wieder, als anscheinend nicht darauf geachtet
wurde, und Pat. setzte, wenn sie selbst darauf aufmerksam gemacht hatte,
bald die begonnene Verrichtung fort. Sie verlangte Nähnadeln und Ösen,
bestellte sie dann aber wieder ab, weil sie ja doch nicht nähen könne,
war später sehr betroffen, als sie bei Auftrennung ihres Mantels und
weiterhin beim Nähen überrascht wurde, und klagte mir am nächsten Tage,
sie habe beim Nähen alles doppelt gesehen und sich furchtbar dabei auf-
ger^jt, sei heute noch ganz kraftlos und könne nichts, erklärte sich aber
gleich darauf zur Untersuchung am Perimeter bereit. Ich erinnere auch
an ihre Klage über Farbenblindheit und die gelegentlich damit in Wider¬
spruch stehenden Angaben. Für einen gesunden und schon längere Zeit
eingeübten Menschen, der auf dies Ziel eingestellt ist, wäre es an sich nicht
so schwer gewesen, derartige Entgleisungen zu unterlassen. Pat. benannte
einzelne Farben aber richtig, nachdem sie eben ihre Farbenblindheit hervor¬
gehoben. Eine dauernde Simulation wäre der Pat. allerdings auch gar
nicht möglich gewesen, weil die Stimmung und damit auch die herrschenden
Vorstellungen zu leicht wechselten, als daß sie dauernd ein festes Ziel hätte
verfolgen können. Muß ich also eine dauernde überlegte Simulation aus¬
schließen, so trat doch sehr deutlich eine große Neigung zur Übertreibung
der Klagen hervor, die sich nicht nur auf die Stärke, sondern auch auf die
Dauer der Beschwerden erstreckte. Die furchtbaren und unerträglichen
Schmerzen, die stets da sein sollten, hinderten Pat. nicht, zeitweise ganz
behaglich und auch vergnügt zu sein. Sie erklärte, beständiges Flimmern
vor den Auge zu haben und gar nicht lesen und kaum schreiben zu können,
las aber zu andern Zeiten und schrieb eine Reihe von Briefen und Karten,
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Ein Fall von Unfallneurose.
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ohne daß die Handschrift irgendwie beeinträchtigt gewesen wäre, ja sie
bestellte sich sogar die heimische Zeitung, die sie dann auch regelmäßig
las. Sie klagte, daß plötzlich auf den leisesten Anlaß und auch ohne solchen
Schwindel und Angst aufträten, aber sie ging trotzdem auf eigenen Wunsch
allein ins Freie, auch in der Abenddämmerung, ohne daß die nach den
Klagen zu erwartenden Zufälle auftraten. Sie gab an, stets nur in der
Einsamkeit sich wohl zu fühlen und Menschen nicht ertragen zu können,
und kam zuerst in der Tat nur zögernd der Aufforderung nach, mit andern
zusammenzukommen, später aber klagte sie, als sie einmal (auf eigenen
Wunsch) während der Stunde badete, wo vorgelesen wurde: es sei ihr so
schwer, ohne die Lesestunde auszukommen, jede Zerstreuung fehle; ein
anderes Mal wünschte sie ins Dorf zu gehen, und gelegentlich ertrug sie
auch Menschenmengen ohne Schwierigkeit. Aber sie zeigte auch, daß sie
sich des Widerspruchs bewußt war: als auf einem Vortragabend musiziert
wurde, holte sie ihr Taschentuch hervor, wischte sich auffällig die Augen
und äußerte auf die Frage der Oberin: »Also Sie merken doch auch, daß
es mir zu viel ist; diese großen Geselligkeiten sind für mich doch nichts«,
dann aber war die Sache abgetan und sie blieb ohne Schwierigkeit bis zu
Ende. Auch die in ihren Grenzen wechselnde Unempfindlichkeit der Haut
und der Finger- und Zehengelenke möchte ich unter diese Übertreibungen
rechnen, wenn es auch zunächst naheliegt, hier an bloße Simulation zu
denken. Wenn Pat. sogar starke mechanische Reize an der großen Zehe
angeblich gar nicht empfand und ebensowenig Wärme und Kälte, dann
aber leise Berührungen mit dem warmen oder kalten Glase mit »ich weiß
nicht« (ob kalt oder warm) beantwortete, also doch die Berührung selbst
empfinden mußte, so könnte dieser Widerspruch so gedeutet werden, daß
Pat. am großen Zeh schwächer und anders empfand und bei der Prüfung
mit Nadel und Pinsel nur stark übertrieb, aber diese Übertreibung wäre
so stark, daß sie sich der reinen Simulation näherte. Das gleiche gilt für
die Beobachtung, daß Stiche am Fuße nicht nur Bewegungen im Fu߬
gelenk, dessen Bewegungen Pat. sonst empfand, sondern einmal sogar
Rötung des Gesichts hervorriefen, ohne daß Pat. ihrer Angabe nach irgend
etwas fühlte. Damit stimmt weiter überein, daß Pat. Pinselstriche auf
angeblich empfindungslosen Hautstellen auch dann als nicht empfunden
angab, wenn sie auf der empfindlichen Nachbarschaft begonnen hatten,
und daß die Grenzen der unempfindlichen Stellen ungewöhnlich und un¬
regelmäßig wechselten. Dagegen spricht der letztgenannte Wechsel der
Empfindlichkeit an derselben Hautstelle, der sich in gleicher Weise auch
bei der Gelenkempfindlichkeit zeigte, gegen überlegte Simulation und
ebenso gegen überlegte Übertreibung. Hätte Pat. eine solche durchführen
wollen, so hätte sie, wie an den Beinen die Empfindung von Gelenk zu
Gelenk abnahm, so die Zehen alle oder den großen Zeh von einem bestimm¬
ten Gelenk ab als empfindungslos hinstellen können und es dann nicht
schwer gehabt, dabei zu bleiben. Daß sie das nicht tat, daß vielmehr darin
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Laehr,
ein häufiger und unregelmäßiger Wechsel zutage trat, beweist, daß die
zweifellos vorhandene Übertreibung nicht vorher beabsichtigt war und
nicht aus einem dauernden Willen zur Simulation hervorging, sondern
planlos Augenblicksregungen entsprang. Den gleichen Eindruck machten
die plötzlich einsetzenden und allmählich abnehmenden Zitter- und
Wackelbewegungen und Richtungsänderungen bei der Prüfung der Be¬
wegungen. Überall gewissermaßen ein Nachhelfen, weil die Erschei¬
nung, die Pat. ihrer Überzeugung nach eigentlich bieten muß, gerade
dann ausbleibt, wenn es darauf ankommt, sie zu zeigen. Pat. übertreibt,
weil sie ihre Überzeugung, schwer krank zu sein, auch dem untersuchenden
Arzte aufdrängen will, aber sie legt keinen Wert darauf, daß ihre Angaben
zueinander stimmen, ihre Krankheit muß sich ihrer Überzeugung nach
ja doch heraussteilen. Es handelt sich also auch hier um ein unüberlegtes,
sprunghaftes Wollen. Die Farbenblindheit wäre nach dieser Voraus¬
setzung aus der Übertreibung wirklich undeutlicher oder vorübergehend
aufgehobener Farbenunterscheidung hervorgegangen; diese hätte die
Vorstellung völliger Farbenblindheit erzeugt, die nun ihrerseits wiederum
auf die Farbenauffassung erschwerend einwirkte; da Pat. nun einerseits
mindestens zeitweise Farben unterschied, wenn auch wohl in wechselnder
Deutlichkeit, andrerseits sich ihrer Farbenblindheit bewußt war, kam sie
dazu, diese als dauernd und völlig auszugeben, also zu übertreiben, ohne
aber sich ängstlich hieran zu halten.
Am meisten scheinen gegen die hier vertretene Auffassung und für
reine Simulation die Ergebnisse der- Gesichtsfelduntersuchung zu sprechen.
Die Prüfung am Perimeter [= I], an der ebenen Tafel in Perimeterabstand
[=11] und an der ebenen Tafel in dreifachem Perimeterabstand [= III]
lieferten ganz verschiedene Bilder. Daß die Angaben bei I für die ver¬
schiedenen Farben verschieden, bei II und III von Anfang an viel ähn¬
licher, zuletzt für die verschiedenen Farben fast gleich ausfielen, hängt
offenbar damit zusammen, daß Pat. bei I die vorher erhaltenen Ergebnisse
nicht sehen konnte, während sie das bei II und III, sicher wenigstens mit
Hilfe leichter Augenbewegungen, sehr wohl vermochte. Bei II und III
kann also das Bestreben der Pat., ihre Farbenblindheit zu erweisen, oder
die durch die aufgezeichneten Striche hervorgerufene Vorstellung, bis zu
diesen Strichen hin sehen zu können, oder aber beides zusammen die
Übereinstimmung der Grenzen des Gesichtsfeldes für die verschiedenen
Farben bewirkt haben. Dagegen finde ich für den zum Teil erheblichen
Unterschied der Gesichtsfeldgrenzen für die einzelnen Farben bei I —
der weder auf Unaufmerksamkeit zurückzuführen ist, da Pat. sich wirklich
Mühe zu geben schien, noch auf zunehmende Ermüdung, die eine fort¬
schreitende Einengung des Gesichtsfeldes bewirkt hätte — allein die Er¬
klärung, daß Pat. hier übertrieben hat: sie wollte die bestehende, schon
früher, z. B. von Dr. S., festgestellte und daher der Pat. bekannte Ein¬
schränkung des Gesichtsfeldes mir deutlich machen und schätzte daher
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Ein Fall von Uaf&llneurose.
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nur ab, wie weit sie glaubte sehen zu dürfen. Zugunsten dieser Annahme
sprechen drei weitere Befunde, einmal die Verschiedenheit der Größe des
Gesichtsfeldes zwischen I und II, wo eine Abschätzung infolge des Fehlens
von Anhaltpunkten verschieden ausfallen mußte, zweitens die zunehmende
Gleichheit der Gesichtsfelder zwischen II und III, wo jene Abschätzung
infolge der hier vorhandenen Anhaltpunkte gleich ausfallen konnte, und
drittens die Anpassung der Gesichtsfelder an die von mir insgeheim vor- ,
genommene Verschiebung der Grenze im Versuch vom 22. Okt. (S. 142). ln
diesem Falle könnte freilich auch der suggestive Einfluß der aufgezeichneten
Striche die Angaben beeinflußt haben. Am meisten Gewicht lege ich auf
den zweiten Punkt. Bei der ersten Prüfung, die eine nicht der Norm ent¬
sprechende, aber doch immerhin erhebliche Verkleinerung des Gesichts¬
feldes mit der Abnahme der Entfernung ergab, hatte Pat. dies selbst wahr-
genommen und sich darüber gewundert (S. 141), bei späterer Wiederholung
war das Gesichtsfeld bei beiden Entfernungen gleich. Dies läßt kaum
einen andern Schluß zu als den, daß Pat. die Grenzen willkürlich festsetzte.
Freilich kann es sich auch hier nicht um überlegte Simulation handeln,
denn dabei würde Pat. einen so sichtlichen Widerspruch mit ihren früheren
Angaben und Nebenbemerkungen leicht vermieden haben, sondern es
kann wieder nur das unüberlegte, sprunghafte Wollen in Frage kommen,
das schon bei früheren Gelegenheiten hervorgetreten war, und als Motiv
dazu sehe ich in diesem Falle den Wunsch an, möglichst bald von den
lästigen, unbequemen Untersuchungen befreit zu werden. Pat. hatte von
mir gehört, daß die Verschiedenartigkeit der Ergebnisse eine neue Unter¬
suchung erforderlich gemacht habe, und so benutzte sie denn als Mittel,
um bald von all dem loszukommen, die willkürliche Gleichmachung der
bei der früheren Prüfung verschiedenen Angaben. Die Richtigkeit dieser
Annahme wird dadurch bestätigt, daß die Verwunderung der Pat. bei der
ersten Untersuchung über die Verschiedenheit der Ergebnisse in ver¬
schiedener Entfernung unverständlich wäre, wenn sie bei der Prüfung in
geringerer Entfernung die Striche hätte wahrnehmen können, durch
welche das Gesichtsfeld bei größerem Abstand festgelegt worden war.
Bei normaler Größe des Gesichtsfeldes hätte sie auch in der geringeren
Entfernung jene Striche sehen müssen und hätte zu jener Verwunderung
gar keinen Anlaß gehabt; hatte sie aber bei deren Festlegung schon eine
bestehende Verengerung des Gesichtsfeldes übertrieben, so konnte die
Überraschung darüber, daß sie jetzt die Striche nicht wahrnahm, und die
Genugtuung, auf so unerwartete Weise die Einengung des Gesichtsfeldes
stärker zu finden, als sie selbst geglaubt, sich nicht gut in natürlicherer
Weise äußern, als durch ihre oben wiedergegebene Bemerkung. Zugleich
stimmt, wenn man bewußte Übertreibung annirnrnt, die Große des wirk¬
lichen Gesichtsfeldes besser mit der Angabe von Dr. S. uberein, der das¬
selbe — allerdings nur ganz ungefähr — auf etwa zur Hälfte verkleinert
geschätzt hatte <s. S. 155), während ich eine viel größere Einengung fand.
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Ich komme also zum Schlüsse, daß gerade auch die Ergebnisse der
Gesichtsfelduntersuchung der Annahme bloßer Simulation nicht günstig
sind und dafür sprechen, daß Pat. wohl übertrieb, aber doch nur einen
wirklich vorhandenen Mangel deutlicher machen wollte, und daß sie nach¬
her aus Ungeduld und in dem Wunsche, bald die Unannehmlichkeit der
Untersuchung hinter sich zu haben, das angab, was sie als von mir ge-
• wünscht betrachtete.
So ergibt das Eingehen auf die Frage der Simulation nicht nur die
Gewißheit, daß Pat. krank ist und aus krankhaften Motiven übertreibt,
sondern weist auch zwei feste Punkte inmitten ihrer wechselnden Krank¬
heiterscheinungen auf: die abnorm leichte Erregbarkeit des Gefühls
und Willens und die herrschende Stellung der Überzeugung, schwer
krank zu sein.
Aus diesen zwei Wurzeln erwächst eine große Zahl von Einzel¬
erscheinungen, denen wir an der Pat. begegnet sind: der große Wechsel
der Affekte, der Stimmung, der Aufmerksamkeit, des Handelns, das Vor¬
herrschen der Unlustgefühle, die aber plötzlich von Heiterkeit unter¬
brochen werden konnten, die Unfähigkeit, etwas Gewolltes nun auch
dauernd durchzuführen, die bisweilen große Ablenkbarkeit, der Gedanke,
zu allen Leistungen unfähig zu sein, und daher das gewöhnliche Nichtstun,
auch dies plötzlich unterbrochen von eifriger, aber kurzer Tätigkeit, die
von der Pat. als mit ihrer Krankheit eigentlich nicht vereinbar empfunden
und deshalb möglichst verheimlicht wurde, endlich.die Neigung zu Über¬
treibungen, die sich leicht herausbildet, wenn jemand seine Krankheit,
die er als schwere Last empfindet, von andern nicht recht anerkannt glaubt
und nun den Beweis der Krankheit recht augenfällig zu erbringen sucht.
Aber andere, ebenso auffallende Krankheitzüge lassen sich aus jenen
beiden Wurzeln nicht ableiten, nämlich zunächst alle oben beschriebenen,
infolge der Übertreibung ungleichmäßigen und nach Grad und Umfang
nicht genau zu bestimmenden, daher anfechtbar erscheinenden Bewegung-
und Empfindungstörungen: Zittern und krampfartige Erscheinungen,
Muskelschwäche, Abschwächung der Haut- und Gelenkempfindungen,
Schmerzen und Abnahme der Schmerzempfindlichkeit an bestimmten
Stellen, subjektive Geräusche und Gesichtserscheinungen, Einengung des
Gesichtsfeldes, völlige oder beschränkte oder wechselnde Farbenblindheit;
dazu die Reizbarkeit des Blutgefäßsystems, die sich im Nachröten, der
Leichtigkeit der Pulsvermehrung und der plötzlich wechselnden Blutfülle
des Gesichts zeigte; endlich die Abhängigkeit der Leistungen von gefühls¬
betonten Vorstellungen, die den großen Wechsel im Können der Pat.
erzeugte, je nachdem die stark gefühlsbetonte Vorstellung der Krankheit
und der Leistungsunfähigkeit oder aber ein damit in Widerspruch stehen¬
der, lebhaft aufsteigender Wunsch das Handeln der Pat. bestimmte.
Alle genannten Erscheinungen lassen sich nun der Hysterie unter¬
ordnen, und es wird daher Hysterie festzustellen sein, wenn es sich in diesem
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Ein Fall von Unfallneurose.
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Falle Oberhaupt um eine funktionelle Nervenerkrankung allein handelt,
d. h. um eine Erkrankung, bei der nur die Nerventätigkeit, nicht das
Nervengewebe selbst verändert gefunden wird. Zur Annahme einer
Schädigung des Nervengewebes könnten vielleicht die Störungen der
Empfindung und des Sehens führen. Aber die Grenzen der Empfindungs¬
störungen entsprechen weder der Verteilung der Empfindungsnerven noch
dem Bilde, das bei einer Schädigung des Gewebes im Rückenmark oder
Gehirn zu erwarten ist, sondern durchaus einem solchen, wie es funktio¬
neile Nervenerkrankungen hervorzubringen pflegen, und selbst wenn wir
eine weitgehende Empfindunglosigkeit der Haut an den Extremitäten -
enden und der Gelenke an Fingern und Füßen annehmen — eine sichere
Entscheidung ist bei der Übertreibung der Pat. nicht möglich —, so be¬
weist doch die Möglichkeit, durch einen Stich in die empflndunglose Zehe
Bewegungen im Fußgelenk und Rötung des Gesichts hervorzurufen, im
Verein mit der Fähigkeit der Pat., bei geschlossenen Augen und aneinander¬
gestellten Füßen ohne Schwanken zu stehen, daß die Nervenbahn vom
Fuß zum Zentralnervensystem und wieder zurück frei ist, und die Fähig¬
keit, zweckmäßige Bewegungen auszuführen, die nicht ohne Mitwirkung
der anscheinend geschädigten Empflndungsnervenbahn möglich sind, daß
auch im Großhirn die Leitung von der Empflndungsnervenbahn auf die
Bewegungsnervenbahn nicht unterbrochen ist. D. h., die Haut- und
Gelenkreize dringen zwar nicht mit voller Wirkung bis zu den Stellen
der Großhirnrinde vor, deren Erregung für die Empfindung jener Reize
notwendig ist, aber doch so weit, daß zweckmäßige Bewegung, welche
ohne die der Empfindung entsprechenden Hirnrindenerregungen nicht
stattfinden könnte, dadurch ermöglicht wird. Auch die Art der Seh-
störungen macht die Annahme, daß hinter ihnen eine organische Nerven¬
krankheit verborgen sei, sehr unwahrscheinlich; in Verbindung mit den
eben erwähnten Störungen der Empfindung macht sie die rein funktionelle
Nervenkrankheit Hysterie fast gewiß. Andere Hinweise auf eine organische
Nervenkrankheit fehlen aber. Wir werden also nur zu sehen haben, ob
eine Erkrankung anderer Organe in Frage kommt.
Da bietet sich nur eine Möglichkeit, nämlich die, von der Vergröße¬
rung der Schilddrüse auszugehen und sie mit der häufigen Beschleunigung
des Pulses, dem Nachröten der Haut und der allgemeinen Nervosität zum
Bilde der unvollständigen Basedowschen Krankheit zusammen¬
zufassen. Diese Möglichkeit hat deshalb etwas Bestechendes, weil in der
Vergrößerung der Schilddrüse, der Steigerung der Pulszahl und dem
Nachröten objektive Krankheitzeichen gegeben sind, während man das
große Heer der übrigen Erscheinungen nur dann genau feststellen kann,
wenn Pat. der Prüfung guten Willen entgegenbringt. Und da die seeli¬
schen Eigentümlichkeiten der Pat. nur durch längere Beobachtung zu er¬
fassen sind, ist es natürlich, daß jemand, der Pat. nur einmal zu unter¬
suchen Gelegenheit hatte, wie Dr.|F. (S. 154), der Annahme unvollständiger
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s
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Laehr,
Basedowscher Krankheit zuneigt. Gegen diese Annahme spricht m. E.
1. die Geringfügigkeit der Vergrößerung der Schilddrüse. Vergröße¬
rungen geringen Grades finden sich nicht so selten auch bei funktionellen
Nervenerkrankungen und können zu verschiedenen Zeiten verschieden
stark sein. Ich halte es daher für sehr wahrscheinlich, daß die Verschieden¬
heit der Befunde der einzelnen Gutachter sich hieraus erklärt, und daß
im November 1909 (Untersuchung durch Dr. W. [S.154]) und im April 1910
(Untersuchung durch Dr. Y. [S. 154]) die Vergrößerung erheblicher war als im
Januar 1912 (Untersuchung durch Dr. S. [S. 155]) und im September/Ok¬
tober 1912 (Untersuchung durch mich).
2. Die Nichtbeteiligung der Augen und des Herzens. Wer Pat. nur
einmal untersucht und daher die Häufigkeit des Herzschlags nur aus der
Zeit der Erregung kennt, wird die Herztätigkeit leicht als dauernd gesteigert
ansehen, während längere Beobachtung ergibt, daß eine Pulszahl von
72—88 Schlägen das Gewöhnliche ist und nur sehr leicht auf Grund auch
leichtester Erregungen überschritten wird. Selbst wenn Pat. an das Puls¬
zählen desselben Beobachters gewöhnt ist, pflegt zu Beginn des Zählens
die Pulszahl größer als später zu sein. Die Beschleunigung der Herztätig¬
keit braucht also nicht mit der Schilddrüse Zusammenhängen, sondern es
genügt zu ihrer Erklärung der labile Gemütszustand der Pat. Da zurzeit
auch die früher einmal gefundene Zitterbewegung des Auges nicht mehr
vorhanden ist, glaube ich, daß jetzt der Befund an Augen und Herz gegen
Basedowsche Krankheit spricht.
3. Die nervösen Erscheinungen, die eine längere Beobachtung der
Pat. erkennen läßt, entsprechen durchaus dem Bilde der Hysterie, und
nur manche davon, wie Erscheinungen an den Gefäßen und die gemüt¬
liche Erregbarkeit, können ungezwungen auch von Basedowscher Krank¬
heit abgeleitet werden.
.Da hiernach die Annahme der Basedowschen Krankheit nicht not¬
wendig ist und nur einen Teil der Krankheiterscheinungen erklären würde,
glaube ich sie ablehnen und mich auf die Feststellung einer Hysterie be¬
schränken zu müssen, die alle Erscheinungen ohne weiteres deckt.
Ich komme jetzt zur Beantwortung der mir vom Gericht ge¬
stellten Frage, „ob die Ehefrau des Klägers — Frau X .— sich seit dem
26. September 1908 und infolge des damals erlittenen Unfalls in einem
Zustande dauernder, nicht wohl auszugleichender Gesundheitstörung be¬
findet, bei dem Anwendung regelmäßiger Stärkungsmittel, Antritt jähr¬
licher Erholungsreisen und fortgesetzte ärztliche sowie sonstige Heil¬
behandlung (Massieren) nötig ist, und bei dem die Ehefrau des Klägers
eine geregelte Tätigkeit im Haushalt und die Besorgung ihrer Wirtschafts¬
geschäfte nicht wahrnehmen kann, ob sogar eine dauernde Unterbringung
in einem Sanatorium sich als nötig herausstellen kann (Behauptung des
Klägers), oder ob das Leiden der Ehefrau des Klägers vorübergehender,
nicht schwerwiegender Natur ist und die in der Klageschrift geschilderten
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Ein Fall von Unfallnenrose.
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Aufwendungen nicht nötig macht, sowie ob die Ehefrau des Klägers
bereits vor dem Unfall kränklich oder in einem Zustande war, daß ein
Teil der angeblichen Aufwendungen schon durch ihren sonstigen Gesund¬
heitzustand unabhängig von dem Unfall vom 26. September 1908 und
seine Folgen geboten war (Behauptung des Beklagten)“.
Ich bespreche zunächst die Beziehungen zwischen dem Unfall
und der Erkrankung der Frau X.
Dafür, daß der Unfall durch innere Verletzung, Erschütterung oder
dergleichen unmittelbar geschädigt hätte, liegt gar kein Anhalt vor, da
die Ohnmacht der Pat. nach deren eigener Darstellung nicht die Folge,
sondern der Anlaß ihres Niederstürzens war, und da sich alle Erscheinun¬
gen durch die psychische Wirkung allein erklären. Somit ist die mit dem
Unfall verbundene Gemütsbewegung, hauptsächlich Schreck und Ekel,
allein für die Wirkung auf Pat. verantwortlich zu machen. Daß diese
Wirkung eine so starke und langdauernde war, wird dadurch verständlich,
daß sie eine bereits nervenkranke Person betraf.
Daß Frau X. in der Tat bereits vor dem Unfall nervenkrank war,
geht aus der Aussage des Dr. T. hervor, der Pat. seit 1907 an einem Kehl¬
kopf- und Lungenkatarrh behandelt, aber auch schon früher gekannt hat.
Nach ihm ist Pat. nervös belastet, ihre Schwester nervös; Pat. selbst
klagte regelmäßig über Schlaflosigkeit und Herzklopfen, hatte damals be¬
reits eine leicht vergrößerte Schilddrüse und -klagte auch nach der Heilung
des Katarrhs — aber vor dem Unfall — über ihre Nervosität. Hiernach
bestand schon vor dem Anfall ausgesprochene Nervosität, nicht etwa bloß
Anlage zu solcher.
Die Erscheinungen einer Erkrankung durch Schreck können sehr
verschiedenartig sein, sie werden eben im wesentlichen durch die Eigenart
der infolge des Schrecks erkrankten Person bestimmt. Finden wir daher
jetzt eine ausgeprägte Hysterie bei Frau X., so können wir mit großer
Wahrscheinlichkeit annehmen, daß auch die Nervenkrankheit, an der sie
vor dem Unfall litt, Hysterie gewesen sei, daß also durch den Unfall nicht
«ine neue Erkrankung hervorgerufen, sondern die schon vorher bestehende
Hysterie verschlimmert worden ist. Daß diese Verschlimmerung erheblich
war und bis jetzt fortbestanden hat, geht aus allen Berichten hervor. Dr. T.
bezeugt, daß Pat. am 29. September 1908 — also 3 Tage nach dem Unfall —
über sehr heftiges Herzklopfen, Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit in einem
Maße klagte, wie sie früher nie daran gelitten hätte. Ihm fiel das gegen
sonst aufgeregte Wesen und die hohe Pulsfrequenz von 130 Schlägen in
der Minute auf. Am 22. Oktober 1908 stellte sich Pat. von neuem vor
und gab ferner an, daß sie neben den vorher erwähnten Beschwerden über
Steiß-, Rückenschmerzen, Ekelgefühl und Verstärkung ihrer Halsschmerzen
klage. — Dr. B., der Pat. vor und nach dem Unfall bis Januar 1910 be¬
handelt hat, schildert die Wirkung dahin, daß Pat. infolge Zerrüttung des
Nervensystems lange Zeit das Bett hüten mußte; die Krankheiterscheinun-
Z«it»chrih für Psychiatrie. LXXII. 2. 11
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Laebr,
gen bestanden in starken Kopfschmerzen, in Schlaflosigkeit, nervöser Er¬
regbarkeit bei den kleinsten Anlässen, die sich bis zu Schwindelanfällen
steigerte, starken Herzklopfanfällen mit Todesangst; zeitweise zeigte sich
vollständige Apathie gegen alle Vorgänge und vollständige Lähmung in
allen Gliedern, die sie tagelang ans Bett fesselte; erst nach mehreren Tagen,
manchmal Wochen, erholte sie sich; zurückblieb eine auffallende Gedächt¬
nisschwäche, Gleichgültigkeit gegen alles, eine Abneigung gegen die Um¬
gebung, Pat. kümmerte sich nicht um die Wirtschaft, auch nicht um die
Erziehung des Knaben — was sie beides vorher getan —, sie suchte
die Einsamkeit auf, da ihr alles Ekel einflößte. — Dr. W. fand am 8. No¬
vember 1909, also gegen Ende der von Dr. B. geschilderten Zeit, nervöse
Beschwerden der verschiedensten Art, Herzklopfen, Zittern der Glieder,
Unfähigkeit, längere Zeit zu stehen oder zu gehen, Schwindelgefühl, Angst¬
gefühl, Gedankenschwäche, so daß sie nicht imstande sei, ihrer Wirtschaft
ordentlich vorzustehen, da sie übermüdet sei und trotzdem richtigen Schlaf
nicht finden könne; Hautfarbe blaßgrau, die sichtbaren Schleimhäute
blaßrot, die Haltung etwas schlaff, Kräfte- und Ernährungszustand be¬
friedigend, der Puls lebhaft beschleunigt, 120 Schläge in der Minute; die
Augenlider hängen schlaff herab, Pupillen = , Reaktion auf Licht langsam
und wenig ausgiebig; starkes Zittern der Zunge und der gespreizten Finger;
Kniesehnenreflex lebhaft gesteigert; außerdem leichte Schwellung der
Schilddrüse, welche den Kehlkopf bedrückt und die nervösen Symptome
vermehrt. — Dr. Y. fand am 29. April 1910 ziemlich guten Ernährungs¬
zustand, wechselnde Gesichtsfarbe (bald rot, bald weiß während des Ge¬
sprächs), geringe Schwellung der Schilddrüse, 132 Pulsschläge in der
Minute, unreinen ersten' Ton an der Herzspitze, Klopfempfindlichkeit des
Schädels, besonders r.h., Gleichheit und prompte Verengerung der Pupillen
bei Lichteinfall und Blick in die Nähe, Zittern der Augen, und zwar r.
besonders bei Blick nach )., 1. besonders bei Blick nach r. (Nystagmus
horizontalis), Zittern der vorgestreckten Zunge und der gespreizten Finger;
dieses Zittern besteht auch in der Ruhe und nimmt bei beabsichtigten Be¬
wegungen (Fingerfinger- und Fingernasenversuch) ab. Die Austrittstelle
der r. sensiblen Gesichtsnerven ist sehr druckempfindlich, außerdem be¬
stehen lebhafte Kniesehnenreflexe (Patellarklonus und Fußklonus). endlich
starkes Nachröten der Haut. ... Eine einfache Aufgabe aus dem großen
Einmaleins löste Frau X. nicht, wiederholte dagegen 6 vorgesprochene
Zahlen stets richtig, hatte aber eine gestellte Aufgabe bald wieder vergessen.
— Auf Dr. T. machte Pat. am 23. Juni 1910 einen wesentlich gebesserten
Eindruck. Der Puls war damals 80 in der Minute, wie Dr. T. auch bei
Untersuchungen vor dem Unfall normale Pulsfrequenz festgestellt hatte. —
Dr. S. hat Frau X. vom 22. Januar bis 1. Oktober 1912 in seiner Anstalt
beobachtet. Die Zusammenziehung der Pupillen bei Lichteinfall war lang¬
sam und wenig ausgiebig, die beim Nahesehen ausgiebiger. Ein Hin- und
Hergehen des Augapfels (Nystagmus) war nicht vorhanden. Die Augen-
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Ein Fall von Unfallneurose.
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bewegungen waren frei bis auf die von Jugend auf bestehende, früher durch
Schieioperation gebesserte Schwäche des r. Auges beim Blick nach innen.
Die herausgestreckte Zunge zitterte nicht; die ausgestreckten Hände
zeigten dagegen ein grobes Zittern, das in der Ruhe und bei anders be¬
schäftigter Aufmerksamkeit nicht vorhanden war. Beklopfen und Druck
auf die Wirbelsäule empfand sie schmerzhaft. Die Sehnenreflexe an den
Knien waren sehr stark, und zwar 1. noch stärker als r. Beide Füße gerieten
in rhythmische Zuckungen, wenn man sie kräftig nach oben beugte und
dann in dieser Stellung festhielt. An der Haut der gesamten Körperober¬
fläche zeigte sich auffallend starkes Nachröten. Pat. las die erste Reihe
der großen Buchstaben auf der Probetafel nur auf 2 m Entfernung statt
normal 36 m, sie erkannte die Finger nur auf 5 m Entfernung statt normal
60 m, sie erkannte das Zifferblatt der Uhr erst auf 15 cm und versagte bei
den kleinen Buchstaben ganz. Ein Unterschied der Augen ließ sich nicht
feststellen. Konvex- und Konkavgläser brachten keine Besserung der
Sehschärfe. Die Aufnahme des Gesichtsfeldes beider Augen vermittelst
des Perimeters war wegen Ungeduld und mangelnder Aufmerksamkeit
der Pat. nicht ausführbar, so daß man nur annähernd zu der Schätzung
kam, daß beide etwa auf den halben Umfang eingeschränkt waren. Ein
Farbensinn schien gar nicht vorhanden zu sein. Eine Vergrößerung der
Schilddrüse konnte nicht festgestellt werden. Puls 72—92. —
Aus diesen Zeugnissen geht zweifellos hervor, daß die nach dem Unfall
vom 26. September 1908 eingetretene Verschlimmerung der Nerven¬
krankheit der Frau X. bisher dauernd bestanden hat. Und ebensowenig
dürfte begründetem Zweifel begegnen, daß diese Verschlimmerung auf den
Unfall im Klosett zu F. zurückzuführen ist. Gegen diesen Zusammenhang
kann höchstens angeführt werden, daß Pat. 3 Tage nach dem Unfall, als
sie dem Dr. T. die Verschlimmerung ihres Leidens klagte, den Unfall nicht
erwähnte, und daß sie erst am 11. Oktober, fast 5 Wochen nach dem
Unfall, die Anzeige an die Eisenbahndirektion erstattete. Gewiß läge also
an sich die Möglichkeit vor, daß Pat. ein anderes Schreckerlebnis durch-
gemacht, dies verschwiegen und seine Folgen auf das F.er Abenteuer über¬
tragen hätte, um Entschädigungsansprüche geltend machen zu können.
Aber abgesehen davon, daß von einem andern derartigen Erlebnis nichts
bekannt ist, man also ganz auf Vermutungen angewiesen wäre, passen die
Krankheiterscheinungen, die Frau X. bietet, durchaus auf den F.er Unfall.
Durch ihn sind hauptsächlich die Beine und die Steißgegend betroffen
worden, dort hat die Berührung stattgefunden, die mit dem Schrecken
zugleich eintrat, dort die Beschmutzung, an der voraussichtlich auch
die Hände beim Hinfallen und beim Reinigen teilnahmen. Außer dem
Kopf betreffen die Schmerzen aber hauptsächlich Rücken und Beingelenke,
die Empfindungstörungen nehmen Hände und Beine ein, so daß auch von
hier aus der Zusammenhang mit dem Unfall in F. glaubhaft erscheint.
Andrerseits entwickeln diese Störungen nach Unfall sich oft erst all-
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L aehr,
mählich, und die krankhafte Unentschlossenheit der Pat. mag sowohl die
erste Mitteilung wie noch mehr die Anzeige lange verhindert haben. Ich
sehe daher den Zusammenhang zwischen Unfall und Krankheitverschlim¬
merung als gegeben an.
Diese durch den Unfall bewirkte Verschlimmerung der Hysterie
besteht der Hauptsache nach bis jetzt. Einzelne Erscheinungen haben sich
jedoch gebessert. Die starke Steigerung der Pulszahl auf 130 Schläge
(29. September 1908, Dr. 7\), 120 Schläge (8. November 1909, Dr. W.),
132 Schläge (29. April 1910, Dr. Y.) ist später nicht mehr beobachtet
worden, Dr. T. fand am 23. Juni 1910 nur 80 Schläge, Dr. S. während der
Beobachtung vom 22. Januar bis 1. Februar 1912 zwischen 72 und 92 und
ich während des hiesigen Aufenthalts vom 19. September bis 25. Ok¬
tober 1912 zwischen 72 und 102 Schlägen in der Minute. Die Schilddrüsen¬
vergrößerung, die schon vor dem Unfall bestand (Dr. T.), die aber im
November 1909 nach Angabe von Dr. W. den Kehlkopf bedrückte und im
April 1910 bei Y. zur Annahme der Basedow sehen Krankheit führte, wurde
von Dr. S. im Januar 1912 gar nicht und von mir im September 1912 nur
in ganz unbedeutendem Maße vorgefunden. Das Zittern der vorge¬
streckten Zunge (Dr. W., November 1909; Dr. Y., April 1910) und das
seitlich gerichtete Augenzittern (Nystagmus, Dr. Y., April 1910) fehlten im
Januar 1912 bei Dr. S. und im Herbst 1912 bei mir. Die früher wenigstens
mehrfach beobachtete Verlangsamung der Pupillenreaktion auf Licht
(Dr. W., November 1909, Dr. S., Januar 1912) konnte ich im September
und Oktober 1912 bei wiederholten Prüfungen nicht feststellen. Ebenso¬
wenig die Klopfempfindlichkeit des Schädels und die Druckempfindlich -
keit an der Austrittstelle der sensiblen Gesichtsnerven, die Dr. F. im April
1910, und die Klopf- und Druckschmerzhaftigkeit der Wirbelsäule, die
Dr. S. im Januar 1912 beobachtet hatte. Die von Dr. B. für die Zeit bis
Januar 1910 bezeugte vollständige Apathie und vollständige Lähmung
an allen Gliedern, die Pat. tagelang an das Bett fesselte, und von der sie
sich erst nach mehreren Tagen, manchmal Wochen, erholte, wird später
nicht mehr erwähnt und konnte weder von Dr. S. noch hier trotz längerer
Beobachtungzeit festgestellt werden. Ebenso kamen stärkere Angst¬
zustände, die früher von andern angegeben wurden, hier nicht zur Beob¬
achtung, und ebensowenig Störung der Nahrungaufnahme und Ekel¬
gefühle.
Andere Erscheinungen sind nicht verschwunden, haben sich aber als
besserungfähig erwiesen. Die von Dr. W., Dr. Y., Dr. S. und anfangs
auch von mir gefundene Steigerung der Sehnenreflexe sowie das Zittern
und Zucken in Gesicht und Extremitäten wurde während der hiesigen
Beobachtung deutlich geringer, und das seelische Befinden hob sich
wesentlich bis kurz vor dem Fortgang der Pat., dessen Erwartung dann
wieder eine Verschlechterung hervorrief. Daß es gelang, das Gesichtsfeld
zu untersuchen und in einzelnen Fällen auch Farbenwahrnehmungen fest-
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Ein Fall von Unfallneurose.
157
zustellen, was noch im Januar bei Dr. S. nicht glückte, ist auf Rechnung
jener Besserung des seelischen Befindens zu setzen, die hier infolge der
viel längeren Dauer des Anstaltaufenthalts eintrat.
Die hier als verschwunden oder als besserungfähig aufgeführten Er¬
scheinungen sind nun zum Teil gerade die objektiv feststellbaren Zeichen,
welche man häufig als Folgen eines mit Schreck verbundenen Unfalls
bei Nervösen oder nervös Veranlagten auftreten sieht: dauernde Steigerung
der Sehnenreflexe, Zittern und Zucken der Muskeln, Änderungen der Licht¬
reaktion der Pupillen, gesteigerte Erregbarkeit des Herzens und der Ge¬
fäße. Andere Erscheinungen, die damit verbunden zu sein pflegen, aber
nicht von außen festgestellt werden können, bestehen anscheinend fort,
besonders die Schmerzen teils im Kopf, teils in der Gegend — Becken und
Beine —, die mit der Erinnerung an den Unfall am nächsten verbunden
ist. Daß die Schmerzen das Gehen wenigstens jetzt nicht behindern,
was früher (nach Dr. W.) der Fall war, beweisen die hiesigen oft ziemlich
langen Spaziergänge. Die Empfindungstörungen der Haut und Gelenke,
die Ohrgeräusche und Sehstörungen übergehe ich hier, da deren Ausdeh¬
nung und etwaige Verringerung nur durch zuverlässige Mitwirkung der
Pat. festgestellt werden kann, diese aber durch die ganze Art ihres jetzigen
Denkens und Fühlens dazu nicht imstande ist. Denn auch jetzt sind noch
stark vorhanden das Gefühl schwerer Krankheit und Unfähigkeit, die
seelische Erregbarkeit und die deutliche Abhängigkeit der Schmerzen und
sonstigen Störungen von der jeweiligen Stimmung.
Ich schließe aus diesen Ausführungen, daß Frau X. an einer durch
den Unfall bewirkten, auch jetzt noch bestehenden Verschlimmerung
ihrer Hysterie leidet, daß diese Verschlimmerung ihren Höhepunkt bereits
überschritten hat, und daß gerade die Erscheinungen, die am wahrschein¬
lichsten durch den Unfall bedingt sind, Neigung zur Besserung zeigen,
während andere Erscheinungen, die mehr aus der Veranlagung heraus-
gewachsen und durch den Unfall voraussichtlich nur verstärkt sind, jene
Neigung bisher nicht oder doch weniger deutlich zeigen.
Damit wende ich mich der Frage zu, ob die durch den Unfall
erlittene Verschlimmerung des Zustandes dauernder Natur
ist und als nicht ausgleichbar angesehen werden muß.
Ich gehe davon aus, daß die Erscheinungen, die man ohne weiteres
mit dem Schreck in Verbindung zu bringen geneigt sein wird, und die zu¬
gleich weniger unmittelbar mit dem seelischen Befinden der Pat. Zu¬
sammenhängen, Tendenz zur Besserung zeigen. Es fragt sich nun, wodurch
kann die weitere Besserung gefördert werden, und welche Hindernisse
stehen dem entgegen? Die Förderung würde hauptsächlich darin be¬
stehen, daß der Pat. seelische Ruhe, gleichmäßige, dem jeweiligen Zustand
angepaßte Tätigkeit und zweckentsprechende Ablenkung von den Ge¬
danken an sich und ihre Krankheit gegeben wird. Dem stehen aber jetzt
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die schwersten Hindernisse entgegen. Solange Pat. in den schwebenden
Prozeß verwickelt ist, solange von ihr und ihrem Befinden Wichtiges
oder doch ihr wichtig Erscheinendes abhängt, solange immer neue Unter¬
suchungen und Erkundigungen über ihren Krankheitzustand und über
ihre Leistungfähigkeit notwendig werden, sind jene zur Besserung geeigne¬
ten Verhältnisse nicht herzustellen. Wie soll Pat. zur seelischen Ruhe
kommen, wenn sie mit ihrer krankhaften Reizbarkeit in solcher unabge¬
schlossenen Lage sich befindet, die auch Gesunde erregen kann? Wie soll
sie in ihrer Unentschlossenheit zu gleichmäßiger Tätigkeit kommen, wenn
sie weiß, daß gerade Tätigkeit und nun gar regelmäßige Tätigkeit ihrem
Prozeßvorteil zuwiderläuft? Wie sollen die Gedanken an die eigene
Person und die Krankheit zurücktreten, wenn sie beständig durch die
Verhältnisse in den Mittelpunkt gerückt werden? Ich bin dabei keines¬
wegs der Ansicht, daß bei Pat. unmittelbar der Wunsch nach Geldent¬
schädigung bewußt oder unbewußt mitwirkt, daß sie an „Rentenhysterie“
leidet, wie man wohl gesagt hat. Aber das Krankheitbewußtsein und der
Trieb, das schwere Leiden auch von andern anerkannt zu sehen, drängt
unwillkürlich, wenn vielleicht auch dieser Zusammenhang der Kranken
nicht bewußt wird, dem Prozeß, den damit in Verbindung stehenden Unter¬
suchungen und nun gar erst einer etwaigen Rente, mag diese noch so gering
sein, eine Bedeutung auf, die nicht den Wert des etwa zu erringenden Ge¬
winns, sondern allein der durch all dies ausgedrückten Schätzung der
Krankheit entspricht. Der Unfall hat dem Krankheitbewußtsein der Pat.
einen Mittelpunkt gegeben, an den sich die von früher her bestehenden
Beschwerden anranken und stärken konnten; der Prozeß hat dafür
gesorgt, daß sie im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit blieben und so den
Boden immer fruchtbarer machten. Solange er dauert, oder auclf, wenn
Pat. eine Rente erhält, deren Fortbezug von dem Stande ihrer Krankheit
und Leistungfähigkeit abhängt, halte ich eine weitgehende Besserung,
etwa so weit, daß der Zustand vor dem Unfall hergestellt wird, beinahe
für ausgeschlossen. Erst wenn der Prozeß endgültig erledigt ist und kein
Anspruch mehr erhoben werden kann, ist m. E. eine derartige Besserung
möglich, dann aber auch wahrscheinlich.
Anwendung regelmäßiger Stärkungsmittel, Massieren oder der¬
gleichen ist ohne Wirkung auf den jetzigen Krankheitzustand. Bei uns
habe ich von vornherein derartige Mittel fortgelassen, Pat. hat die gewöhn¬
liche Anstaltkost genossen, und ihr Befinden ist dadurch sicher nicht
verschlechtert, abgesehen von den letzten Tagen sogar gebessert worden.
Das Körpergewicht, das am 19. September 69 kg betrug, war Ende Sep¬
tember = 68,7 kg, am 11. Oktober = 69 kg und am 25. Oktober trotz
den Erregungen durch die bevorstehende Abreise = 69,2 kg. Die Leistun¬
gen haben sich in dieser massagelosen Zeit nicht verringert, sondern deut¬
lich vermehrt. Damit soll natürlich der suggestive Wert, der jenen Ma߬
nahmen auch im vorliegenden Krankheitfalle innewohnen kann, ebenso-
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Ein Fall vtfn Unfallneurose.
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wenig bestritten werden, als daß zu einer andern Zeit vorübergehend
auch Stärkungsmittel oder Massage zweckdienlich erscheinen konnten.
Jährliche Erholungsreisen werden durch die Erkrankung nicht er¬
forderlich und können sie sogar verschlimmern. Ein Sanatoriumsaufent¬
halt ist nur dann zu empfehlen, wenn Pat. sich dem Arzte vertrauensvoll
fügt und die oben erwähnten drei Förderungsmittel im Sanatorium ver¬
wirklicht werden. Vor endgültigem Abschluß des Prozesses halte ich jeden
Sanatoriumsaufenthalt für zwecklos, glaube aber, daß später eine viertel-
bis halbjährige Anstaltbehandlung unter den genannten Voraussetzungen
rascher zur Besserung bis zum Zustand vor dem Unfall führen wird als der
Aufenthalt zu Hause, wo Pat. sich mehr selbst überlassen ist und die Er¬
innerung an die letzten Jahre lebhafter an sie heran tritt. Ein dauernder
Sanatoriumsaufenthalt wird m. E. durch die jetzige Erkrankung bei einiger¬
maßen verständiger Behandlung nicht erforderlich werden.
Fortgesetzter ärztlicher Behandlung bedurfte Pat. bereits vor dem
Unfall, dieses Bedürfnis besteht auch jetzt.
Zur geregelten Tätigkeit im Haushalt und zur dauernden Besorgung
der Wirtschaftsgeschäfte ist Pat. zurzeit noch nicht imstande. Zu wün¬
schen ist ihr, daß sie sich immer mehr an regelmäßige Tätigkeit gewöhnt,
die ich als Bedingung der Genesung in diesem Falle ansehe, aber Regel¬
mäßigkeit kann von Pat. jetzt nur allmählich eingeübt werden, und ich
halte Pat. dieser Einübung für unfähig, solange der Prozeß seine unheil¬
volle Wirkung ausübt. Denn Frau X. ist schwer krank, ihr mangeln nicht
die körperlichen, aber die seelischen Kräfte zur Durchführung des zu
ihrer Besserung notwendigen gleichmäßigen und regelmäßigen Verhaltens,
und diese können sich nur äußerst schwer wiederherstellen, solange die
Verhältnisse hierfür so ungünstig wie jetzt liegen. Gebessert haben sich
bisher die sozusagen mehr äußerlichen Krankheiterscheinungen, und
diese Besserung läßt bei Fortfall der jetzigen Hindernisse Erfolg auch im
übrigen erwarten; vorläufig dürfte aber die mit dem Innern der Pat. am
stärksten verwachsene krankhafte Denk- und Gefühlsrichtung, die durch
den Unfall eine so wesentliche Verstärkung erfahren hat, allen Besserungs¬
versuchen trotzen, solange die äußeren Umstände die Fort Wirkung des
Unfalls auf das Denken und Fühlen der Pat. lebendig erhalten.
Ich fasse meine Ausführungen dahin zusammen,
„daß Frau X. an einer Hysterie leidet, die bereits vor dem Unfall
bestand, durch den Unfall aber erheblich verschlimmert worden ist,
daß diese durch den Unfall bewirkte Verschlimmerung des Aus¬
gleichs fähig ist, allerdings erst nach endgültiger Erledigung der auf den
Unfall begründeten Entschädigungsansprüche,
daß Anwendung regelmäßiger Stärkungsmittel, Massieren und der¬
gleichen, sowie jährliche Erholungsreisen durch den jetzigen Krankheit¬
zustand nicht erfordert werden, wohl aber fortgesetzte ärztliche Behänd-
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Original frcm ***
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Laehr,
lung, die durch die Krankheit an sich auch ohne die durch den Unfall her¬
vorgerufene Verschlimmerung nötig gemacht wird,
daß eine dauernde Unterbringung in einem Sanatorium durch die
vorliegende Erkrankung aller Voraussicht nach nicht nötig werden wird,
daß aber eine viertel- bis halbjährige Anstaltbehandlung später sich voraus¬
sichtlich als zweckmäßig erweisen wird,
daß eine geregelte Tätigkeit im Haushalt und die regelmäßige Be¬
sorgung der Wirtschaftgeschäfte der Pat. zurzeit nicht möglich ist“.
Auf Grund dieses Gutachtens verurteilte das Landgericht F., nach¬
dem neue Vergleichsverhandlungen gescheitert waren, im Dezember 1913
den Fiskus zur Zahlung einer einmaligen Summe von 4500 M. und einer
jährlichen Rente von 1000 M. bis zum 60. Lebensjahre der Frau X. Der
Kläger legte Berufung an das Kammergericht ein, und dieses beschloß
eine nochmalige Beweiserhebung über die einzelnen Ausgaben und forderte
auf Grund derselben ein weiteres Gutachten, das ich mit Auslassungen
wiedergebe:
„In Sachen X. gegen Eisenbahnfiskus erstatte ich über die Frage,
ob alle Aufwendungen, welche der Kläger in Rechnung stellt, zur Hebung
der Folgen des Unfalls vom 26. September 1908 notwendig oder wenigstens
zweckentsprechend waren, eventuell in welchem Umfang sie dies waren,
folgendes Gutachten:
I. Ich gehe zunächst die einzelnen Ausgaben bis Ende 1911 im
Anschluß an die Berufungsbegründung des Klägers durch, bemerke aber
im voraus, daß ich es für unmöglich halte, die Scheidung zwischen den
Aufwendungen, die auf die Verschlimmerung der schon vorher bestehen¬
den Krankheit auch ohne den Unfall nötig geworden wären, überall durch¬
zuführen.
1. Gleich bei den Arztkosten leuchtet diese Unmöglichkeit ein.
Frau X. würde wahrscheinlich auch ohne den Unfall hin und wieder
ärztliche Hilfe in Anspruch genommen haben . Da aber ärztliche
Behandlung zum Versuch, die Folgen des Unfalls zu heben, notwendig
war und sicher der größte Teil dieser Behandlung nur durch die Unfall¬
folgen, nicht auch durch die Grundkrankheit veranlaßt ist, so glaube ich
zwar sicher zu sein, daß ein kleiner Teil der Arztkosten auch ohne den
Unfall ausgegeben worden wäre, kann aber dies nur als wahrscheinlich
bezeichnen und nun die Abgrenzung dieses Teils unterlassen, da jeder
Anhaltpunkt fehlt.
2 a. Dasselbe gilt für die Medikamente .
2 b. Anders steht es mit der Somatose. Ich bezweifle nicht, daß
auch diese ihr ärztlich verordnet worden ist, und diese Verordnung mag
auch zweckentsprechend gewesen sein, als sie das erstemal gegeben wurde.
Sicher aber war es nicht notwendig oder auch nur zweckentsprechend,
daß Frau X. so lange hintereinander und so massenhaft Somatose ver¬
brauchte . Was über die Zeit von 6 Wochen hinausgeht, halte ich
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Ein Fall von Unf&llneurose.
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für überflüssig, und bei Frau X. sogar für zweckwidrig, weil durch den
langen Gebrauch von Kräftigungsmitteln bei ihr die Vorstellung ihrer
Schwäche nur festeren Fuß fassen und ihr Fühlen und Denken stärker
beeinflussen mußte, ohne daß in Wirklichkeit eine weitere Kräftigung
erzielt wurde. Als Hilfsmittel zur seelischen Beeinflussung im gewünschten
Sinne konnte die Somatose nur vorübergehend wirken. Rechne ich also
6 Wochen und täglich 20,0 Somatose als zweckentsprechend, was beides
recht hoch gerechnet ist, so beläuft sich die in dieser Zeit möglicherweise
verbrauchte Somatose auf 840,0 g, deren Preis sich auf 42 M. stellt. Was
darüber ist, kann ich als zweckentsprechend nicht anerkennen.
2 c. Genau das Gleiche gilt für sonstige Kräftigungsmittel.
Mögen sie zu einer bestimmten Zeit zweckentsprechend gewesen sein,
sei es als Mastkur, sei es zur seelischen Beeinflussung, so war es sicher
nicht zweckentsprechend, daß Frau X. sich dauernd so ernährte, und ich
kann den Fortgebrauch der Kräftigungsmittel über 6 Wochen hinaus
weder als notwendig noch als zweckentsprechend bezeichnen_
2 d. Mit der Massage verhält es sich ähnlich. Der Unfall an sich
machte sie nicht nötig, wohl aber konnte die durch ihn herbeigeführte
Verschlimmerung der Grundkrankheit eine seelische Beeinflussung durch
Massage zweckdienlich erscheinen lassen, jedoch nur auf kurze Zeit;
längere Fortsetzung mußte die Wirkung ins- Gegenteil verkehren. Wenn
ich also die Zeit vom 29. Oktober 1908 bis Ende 1908 als zweckentsprechend
annehme, so ist dies sehr reichlich bemessen .
2 e. Ich kann die Reisen der Frau X. nicht als notwendig oder
zweckentsprechend ansehen, gebe aber zu, daß namentlich anfangs eine
Aufenthaltsveränderung als zweckmäßig erscheinen konnte....
3. Daß Frau X. Hilfe im Haushalt brauchte und weiter braucht,
solange die Verschlimmerung ihrer Krankheit infolge des Unfalls besteht,
sehe ich als zweifellos an und halte auch die Aufstellung des Klägers für
begründet, der mit Recht darauf verweist, daß der ortsübliche Lohn für
eine Hilfskraft hier nicht ausreiche, weil Frau X. infolge ihrer Krankheit
Ansprüche an die Helferin stelle, die sich nicht jede gefallen lasse.
Hiernach sind durch den Unfall bis Ende 1911 veranlaßt und können
als notwendig oder doch zweckentsprechend zur Hebung der Unfallfolgen
gelten folgende Ausgaben:
1. Für ärztliche Behandlung . 997,20 M.
2 a. „ Medikamente . 182,80 ,,
b. „ Somatose. 42,— „
c. „ sonstige Kräftigungsmittel. 70,— ,,
d. „ Massage. 81,—
e. „ Reisen . 84,30 „
3. „ Hilfe im Haushalt. 2839,20 ,,
zusammen .. 4296,50 M.
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162
Laehr,
Hierzu käme noch der Verlust des Klägers durch Aufgabe der Milch¬
wirtschaft, falls das Gericht auch hierfür Entschädigung zubilligt. Daß
Frau X. infolge des Unfalls unfähig war und ist, eine Milchwirtschaft
dauernd zu leiten, sehe ich als sicher an.
II. .Für die Festsetzung einer Rente möchte ich folgenden
Gesichtspunkt voranstellen: Ist die Fortgewährung der Rente in der üb¬
lichen Art vom Fortbestehen der Unfallfolgen abhängig, so halte ich eine
Heilung von Frau X. für ausgeschlossen. Nicht weil ich annehme, Frau X.
werde vom Verlangen nach Rente an sich unmittelbar in ihren Krankheits¬
äußerungen beeinflußt. Aber durch die Rente wird nicht nur die Hysterie,
die so oft von der Umgebung nicht recht als Krankheit anerkannt und
daher leicht dem Kranken als ein „Sichgehenlassen“ halb zum Vorwurf
gemacht wird, als Krankheit beglaubigt, sondern auch der Unfall gewisser¬
maßen als auf die Dauer fortwirkend anerkannt. So bleibt Pat. andauernd
unter dem Einfluß des Unfalls, indem die auf ihn sich gründende Rente
sie nicht nur als schwer krank, sondern auch als Opfer des Unfalls vor sich
und andern hinstellt. Darin liegt, daß der Pat. die Möglichkeit der Heilung
ein nicht nur angenehmer Gedanke ist, sondern eine unangenehme Bei¬
mischung erhält durch den dann eintretenden Fortfall der Rente, die Pat.
sich durch ihr Leiden gewissermaßen verdient zu haben glaubt. Zudem ist,
je weniger sich Pat. zu leisten zutraut, der Wert, den sie sich wirtschaftlich
beimißt, auf das Fortbestehen der Rente begründet, und um so weniger
kommt die Hoffnung gegen die Furcht auf, den Halt, den ihr Selbstbe¬
wußtsein an der Rente findet, mit der Genesung zu verlieren. So wirkt die
Rente viel weniger durch ihren Geldwert als dadurch, daß sie ein Gegenge¬
wicht bildet gegen das Bewußtsein der Unbrauchbarkeit und zugleich als
Beweis und als Sinnbild dafür, daß nicht Pat. durch Hingeben an die
Krankheit, sondern andere schuld sind an dem Unglück, das in der
Krankheit sie und ihre Familie getroffen hat. Wo aber mit der Genesung
oder Besserung ein wenigstens in der Schätzung der Kranken schwerwie¬
gender Nachteil verknüpft ist, versagt unwillkürlich und unbewußt die
Mitwirkung der Kranken, die bei solchen Nervenleiden dem Arzt zum Er¬
folge nötig ist, und wenn es auch in manchen Fällen gelingt, auf Umwegen
jene Mitwirkung doch hervorzurufen, so scheint mir diese Möglichkeit
hier, wo jetzt schon 6 % Jahre seit dem Unfall verstrichen sind und wo
die Unfallfolgen in der Verschlimmerung einer noch länger bestehenden
Nervenkrankheit sich äußern, mehr als sonst ausgeschlossen. Dagegen
halte ich eine Besserung bis zur Beseitigung der Unfallfolgen sogar für
wahrscheinlich, wenn Pat. eine Abschlagzahlung erhält und ihr damit
endlich gemütliche Ruhe ermöglicht wird, weil gar nichts mehr in dieser
Richtung zu hoffen oder zu fürchten steht. Ich habe mich hierüber schon
im früheren Gutachten ausgesprochen (S. 157—158) und verweise darauf.
Dementsprechend habe ich noch kürzlich die Aufnahme der Frau X. in unsere
Anstalt als zwecklos so lange abgelehnt, als der Prozeß nicht endgültig ent-
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Ein Fall von Unfallneorose.
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schieden ist und mit der Heilung irgendein Nachteil — wozu auch der
Verlust einer, wenn auch dem Ehemann abgetretenen Rente gehören
würde — für die Kranke verbunden ist. Und als ebenso zwecklos be¬
trachte ich inzwischen alle andern Heilungsversuche.
Hieraus folgt für mich, daß eine Rente, die im Fall von Besserung
vermindert wird und im Fall der Genesung wegfällt, die Besserung un¬
möglich und Heilversuche zwecklos macht. Sie muß die Vertretung der
Pat. in der Wirtschaft ermöglichen, während ärztliche Behandlung, Medika¬
mente, Massage, Stärkungsmittel, Badereisen, Sanatoriumsaufenthalt und
dergleichen zur Hebung der Folgen des Unfalls vom 20. September 1908
unter den gegebenen Verhältnissen als zwecklos auszuscheiden haben.
Ich kann mich hier auch ganz auf den Standpunkt des Dr. S. stellen,
der im Jahre 1912 bei seinen Verordnungen davon ausging, daß Frau X.
durch ihre Krankheit nicht genötigt sei, in ihrer Ernährung über den
Rahmen ihrer sonstigen Lebensgewohnheiten hinauszugehen. Daß sie
gelegentlich ärztliche Behandlung und _ Medikamente, vielleicht auch
Stärkungsmittel, Massage, Badereisen und Sanatoriumsaufenthalt be¬
nötigen wird, ist damit natürlich nicht ausgeschlossen; nur zur Hebung
der Folgen des Unfalls sind sie m. E. nicht notwendig und nicht zweck¬
entsprechend, wie notwendig und zweckentsprechend sie auch aus andern
nicht vorherzusehenden Gründen sein mögen.
Ich sehe als Unterlage für eine Rente von den als notwendig be¬
zeichnten Ausgaben daher nur die Einstellung von Hilfskräften an, die mit
873 M. veranschlagt ist.
Zum Schluß hebe ich, wenn es auch aus meinen Ausführungen von
selbst hervorgeht, noch besonders hervor, daß in der Art der Erkrankung
der Frau X. und der Verknüpfung dieser Krankheit mit der Erinnerung
an den Unfall und mit einer etwaigen Rente ein wichtiger Grund für den
Kläger vorliegt, eine Abfindung in Kapital zu verlangen.“
Seitdem sind neue Verhandlungen zwecks gütlicher Vereinbarung
geführt, aber auch jetzt nicht zum Abschluß gelangt, so dringend ich auch
der Pat. auf wiederholte Anfragen geraten habe, das Anerbieten des Fiskus,
der sich schon 1913 vergeblich bereit erklärt hatte, die jährliche Rente
durch eine einmalige Zahlung von 11 000 M. abzulösen, und jetzt diesen
Vorschlag unter Verminderung der Summe auf 10 000 M. wiederholte,
schon mit Rücksicht auf ihre Gesundheit ohne weiteres anzunehmen. So
sehr Frau X» davon durchdrungen war, daß der Prozeß ihr äußerst
schädlich sei, sie konnte^sich doch nie zum Vergleich entschließen.
Wenn irgendwo, gilt hier der Satz: Kleine Ursache, große Wirkung.
Ein schlecht gereinigtes Klosett gab den Anlaß zur Verschlimmerung
einer Hysterie, die nicht nur dem Staate große Kosten, sondern auch
der Kranken viel Qual eingetragen hat. Zugleich ergibt sich einmal,
daß ohne die heutige Unfallgesetzgebung ein großer Teil dieser Folgen
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164
Laeh r,
ausgeblieben wäre, sodann aber, daß ein Zusammenhang, der nicht
nur diesem Einzelfall eigentümlich ist, zwischen der Krankheit und
jenem ungünstigen Einfluß der Unfallgesetzgebung besteht.
Daß in diesem Falle die Unfallentschädigung nach 6% Jahren
noch nicht endgültig festgesetzt ist, liegt zum großen Teil daran, daß
Pat., obwohl sie selbst einsieht, daß der Prozeß für sie unheilvoll ist,
in ihrem Wollen hin und her schwankt und sich nicht endgültig zu
dem Entschluß aufraffen kann, auf durchaus entgegenkommende Ver¬
gleichsvorschläge einzugehen. Will man dies krankhafte Entschlu߬
unfähigkeit nennen, so zeigte die hiesige Beobachtung, daß solche
nicht auf einer Hemmung des Denkens und Wollens beruhte, sondern
auf einer abnorm großen Bestimmbarkeit desselben durch das jeweilige
übermäßig leicht erregbare Gefühl, so daß das Tun der Pat. sich in
Widersprüchen bewegte und das Ziel beständig wechselte. War ihr
etwas lästig oder kam ihr ein Wunsch, so war der Gedanke an ihren
Vorteil oder an das, woran ihr sonst lag, vergessen oder doch un¬
wirksam gegen den Reiz des Augenblicks. Sie vermochte nicht ein
Wollen festzuhalten und durchzuführen und war nur in diesem Sinne
zu einem Entschluß unfähig, der nun wirklich ihr Handeln festgclegt
und das Schwanken des Wollens wenigstens auf kurze Zeit abge¬
schlossen hätte. Aber lästig war ihr der Prozeß sicher, und wenn
nicht etwas anderes dem widerstrebt hätte, wäre es gerade infolge
ihres sprunghaften Handelns wahrscheinlich gewesen, daß sie auf
einen Vergleich einging, freilich nur, um ihn nachträglich, wenn es
noch möglich war, wieder zu verwerfen. Daß sie dazu nicht kam,
sondern gerade in diesem Punkte zögerte, muß demnach einen andern
Grund haben. Sie schrieb mir noch kürzlich: „Wenn ich im Januar
Zusagen wollte, hielt mich etwas Unheimliches zurück. Ich konnte
nicht. Jetzt sind furchtbare Zeiten für uns [Vermögensverluste durch
den Krieg], und wie furchtbar ist es mir, daß der Vergleich scheiterte.“
Weshalb konnte hier Pat. nicht, die doch während ihrer Beobachtungs¬
zeit in Schweizerhof, um kleinen Unbequemlichkeiten bei der Unter¬
suchung zu entgehen, allerlei aufgeben konnte, dessen Durchführung
ihr sonst am Herzen lag? Befürchtungs- und Begehrungsvorstellun¬
gen in dem Sinne, daß der Gedanke an Mittellosigkeit und der Wille
sie bestimmt hätte, möglichst großen Vorteil aus der gegebenen Lage
allein des Gewinnes wegen zu erzielen, hätten damals und früher jenen
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Ein Fall von Unfallneurose.
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Einfluß nicht gehabt, wenn sie auch neuerdings infolge von Ver¬
mögensverlusten mittelbar mitsprechen mögen. Wesentlich ist doch,
daß Pat. dem Unfall nicht unbefangen gegenübersteht, daß das Gefühl
hier in krankhafter Weise die Vorstellung bestimmt und eine auch
nur annähernd sachliche Beurteilung ausschließt. Die Auffassung,
daß der Unfall sie dauernd siech gemacht und damit ihr ein Recht
gegeben habe, vom Fiskus sehr viel zum Ersatz ihrer Gesundheit zu
verlangen, wird verstärkt durch alle einzelnen Leiden, die eben in dem
Unfall eine gemeinsame Unterlage gefunden haben. Wenn die Be¬
schwerden auf fremde Schuld oder Nachlässigkeit zurückgeführt
werden, so muß hierdurch die Bedeutung derselben um so höher an¬
schwellen und die Notwendigkeit einer nach dem Gefühl der Pat. dem
Schaden angemessenen Sühne immer zwingender werden. Wie fest
Pat. von dieser Notwendigkeit überzeugt war, zeigen ja gerade die un¬
überlegten und ganz vom Augenblick abhängigen Übertreibungen, in
denen sie sich gefiel, ganz unbekümmert uni die Gefahr, als Simulantin
aufgefaßt zu werden, die zu nahe lag, als daß sie ihr trotz ihrer Be¬
schränktheit entgehen konnte. Daneben abef zeigt sich ein anderer
Zugammenhang. Pat. kann sich durch eigene Kraft nicht beherrschen,
und sie ist zu ihren früheren Leistungen unfähig. Sie bedarf für beides
einer Entschuldigung vor sich und andern, und diese ist in ihrer Krank¬
heit gegeben. Je mehr diese anerkannt wird, um so mehr ist Pat.
gerechtfertigt und kann sich ohne Bedenken gehen lassen. Jetzt hat
sie Anwartschaft darauf, daß ihre Krankheit eine greifbare Aner¬
kennung in der Rente erhält, und diese Anerkennung ist um so schlagen¬
der, je höher die Rente bemessen wird. So wird ihr diese zum Symbol,
rum sichtbaren Zeichen ihrer Krankheit, zur Begründung und Recht¬
fertigung ihrer krankhaften Unfähigkeit, sich zu zügeln und für die
Ihrigen zu sorgen, über die sonst Zweifel auftauchen können, und je
mehr sie die Berechtigung und Notwendigkeit empfindet, sich mit der
Krankheit zu decken, weil sie nur in ihrem Schutze die Achtung
anderer bewahren kann, um so mehr muß sie an der möglichst hohen
Bewertung des Unfalls festhalten, und zwar womöglich in der Form
einer dauernden Rente, die diesen Zusammenhang immer von neuem
vor Augen stellt. Dies namentlich dann, wenn sie — wie in diesem
Falle vielleicht nicht ohne Grund — befürchtet, man werde sie all¬
mählich immer mehr als Last betrachten und auf die Krankheit allein
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Laehr,
keine Rücksicht nehmen. Je höher also die Geldentschädigung, wo¬
möglich in Form der Rente, die auch später noch ihre Untüchtigkeit
als krankhaft und unverschuldet beglaubigt, um so größer die Achtung
anderer und um so fester ihre Stellung in der Familie. Aber auch für
die eigene Einschätzung ihres Wertes ist die Höhe der Entschädigung
nicht belanglos; zeigt sie doch nioht nur, was Pat. gelitten, sondern
auch, was sie geleistet hat und noch leisten könnte, wenn unverschulde¬
tes Unglück sie nicht betroffen hätte. So bedeutet die Entschädigung
viel mehr als eine bloße Geldsumme, in ihr ist der Wert der Pat. selbst
verkörpert, und wenn ihr zugemutet wird, auf eine Einigung einzu-
gehen, also auf weitergehende Ansprüche zu verzichten, so empfindet
sie das als Forderung, sich selbst in ihren und anderer Augen herab¬
zusetzen; nicht um einen Vermögens vorteil handelt es sich, sondern
die eigene Person wird angetastet. Dies sind gewiß nicht klare Über¬
legungen, aber sie liegen dem Widerstand gegen einen Verzicht auf
das, was Pat. erwartet und durch schwere Leiden rechtmäßig verdient
zu haben glaubt, zugrunde. Und gerade, weil sie dies nicht im einzelnen
erwägt und in klarer Überlegung durchdenkt, sondern, wie sie allein
kann, „mit dem Gefühl urteilt“, und zwar mit einem vorwiegend de¬
pressiven Gefühl, das alles schlimmer erscheinen läßt und Gegen-
gründe ausschließt, deshalb ist das, was sie vom Vergleich zurückhält,
ihr „unheimlich“; sie ahnt, es stecke mehr dahinter, als es scheint,
ohne daß sie sich recht deutlich machen kann, was es eigentlich ist.
Frau X. ist eine einfache, nicht besonders kluge und wenig denk¬
geübte Frau, die trotz ihrer Hysterie bis zum Unfall für ihre Familie
tätig gewesen ist, durch Instandhaltung der Milchwirtschaft mit zum
Verdienst beigetragen, sonst aber wenig Interessen gehabt hat. Da¬
durch vereinfacht und vergröbert sich das, was für die inneren Vor¬
gänge in ähnlichen Fällen typisch ist. Sie zeigt in einfachen Umrissen,
daß das Verlangen nach möglichst hoher Rente nicht nur in Habsucht
wurzeln muß, wie sie auch in jedem Gesunden mehr oder weniger leicht
geweckt wird, wenn die Gelegenheit zu ihrer scheinbar anständigen
Befriedigung sich bietet, auch nicht einfach in dem Mißtrauen in die
künftige eigene Kraft und Leistungfähigkeit, das durch die jetzige
Unfähigkeit hervorgerufen und durch die depressive Stimmung ver¬
größert wird, sondern auch in dem dunkeln Bewußtsein, daß die Krank¬
heit eine erniedrigende Lage schaffe, der gegenüber der Kranke einer
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Ein Fall von Unfallneurose.
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Stütze bedarf, um nicht zu versinken. Eine solche Stütze, die ihm die
Achtung — je nach seiner Veranlagung mehr die anderer oder die
Selbstachtung — erhält, indem sie seine Krankheit bezeugt und ihn
als unschuldig an ihr und an seinem Verhalten und als unglückliches
Opfer fremder Gewalten beglaubigt, wird ihm die Unfallentschädigung
und zumal die Rente. Er erstrebt dann in ihr also nicht nur eine Ent¬
schädigung für unverschuldete Ausgaben und entgangenen Gewinn,
sondern zugleich einen, sei es moralischen oder gesellschaftlichen, Halt
und wird sich, je mehr ihm hieran liegt, und je mehr er dessen zu be¬
dürfen glaubt, um so fester an die Aussicht auf eine möglichst hohe
Entschädigung klammern, da er in ihr die Anerkennung und den Maß-
stab seines früheren Wertes erblickt. Das schmerzliche Bewußtsein
seiner jetzigen Wertlosigkeit und der Trieb, dieser tatsächlichen Wert¬
losigkeit wenigstens den ideellen Wert entgegenzusetzen, der für ihn
in der Rente enthalten ist und der verlorenen Wirklichkeit entspricht,
führt dann zur Unfähigkeit, auch auf billige Vergleichsvorschläge ein¬
zugehen, in denen der Kranke eine Unterschätzung seiner Krankheit
und seiner Person erblickt. Hier sind nicht „Befürchtungs- und Be-
gehrungsvorsteUungen“ „in hypochondrisch-querulatorischer Rich¬
tung“ wirksam, sondern starke, durch das umnittelbare Hineinspielen
der eigenen Person erregte Gefühle.
Wie sehr gerade die Unfallneurose diese Verschiebung begünstigt,
liegt auf der Hand. Das lebhafte Gefühl der Leistungunfähigkeit,
der auf dem Kranken lastende gemütliche Druck, seine Erregbarkeit
und Ängstlichkeit, die stete Beschäftigung mit den krankhaften Ver¬
änderungen, die er an sich spürt, alles das muß den Gedanken der
Wertlosigkeit nicht nur hervorrufen, sondern auch besonders peinigend
machen. Es braucht dann nur zugleich hysterische Veranlagung zu
bestehen, die jene Erscheinungen verstärkt und nicht abklingen läßt,
zugleich von ihnen gesteigert wird, den Einfluß des Gefühls auf die
Vorstellung vermehrt und so eine sachliche Beurteilung der Lage
verhindert, die Wichtigkeit der eigenen Person erhöht und die größten
Ansprüche als selbstverständlich erscheinen läßt — und die Entschädi¬
gung wird, sobald erst einmal die Einschätzung der eigenen Krankheit
und der eigenen Person in Betracht kommt, aus einer Geldirage eine
Frage des persönlichen Wertes und gewinnt damit eine ganz andere
gefühlsmäßige Bedeutung. Andrerseits wird aber hier die Schätzung
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der eigenen Person leicht an Stelle der Schätzung des erlittenen Scha¬
dens treten, weil gerade bei Hysterischen die persönliche Auffassung
die sachliche verdrängt und weil bei ihnen Nachrichten über andere
Fälle, in denen die Entschädigung besonders hoch ausgefallen ist,
kritiklos auf den eigenen Fall übertragen und die so angeregten Vor¬
stellungen mit außerordentlicher Hartnäckigkeit festgehalten werden.
Das Gefühl spielt eben hier eine ganz besondere Rolle und verhindert
mit der Einsicht auch das Eingehen auf einen verständigen Vergleich.
Liegt aber in vielen Fällen der Grund, weshalb zum Schaden des
Kranken und des Haftpflichtigen eine Einigung nicht zustande kommt
und somit die Krankheit verlängert und oft erschwert wird, nicht in
Begehrungsvorstellungen, die neben der Krankheit einhergehen, son¬
dern in solchen, die aus der Krankheit mit einer gewissen Wahrschein¬
lichkeit hervorgehen, so stützt dieser Zusammenhang die Bestre¬
bungen, die Regelung der Entschädigung von der Zustimmung des Un¬
fallverletzten selbst unabhängig zu machen, sobald nur eine sachgemäße
Erledigung gewährleistet scheint. Ich sehe also auch aus diesem
Grunde die Horaschen Vorschläge als sehr berechtigt an. Ihre An¬
nahme würde einen großen Fortschritt gegen das jetzige Verfahren
bedeuten und viel unnütze Kosten, viel Zeit und namentlich den
Kranken viel Kämpfe und Leiden ersparen. Solange das Gerichts¬
verfahren oder später die Gefahr, bei wachsender Leistungfähigkeit
die Rente zu verlieren, dem Kranken den Gedanken an dem Unfall
immer wieder aufdrängt und es ihm zugleich vorteilhaft erscheinen
läßt, sich gehen zu lassen, was ihm ja ohnedies nahe liegt, ist er schon
hierdurch einem unheilvollen Einfluß preisgegeben, der den Willen,
gesund zu werden, und allen Heilungsversuchen entgegenwirkt. Aber
dieser Einfluß wird mächtig gesteigert, wenn in jenen Gedanken auch
die Wertschätzung der eigenen Person verflochten wird. Wird nach
den Vorschlägen Horm die Möglichkeit gegeben, diesen Vorstellungen
die Wurzel abzuschneiden, aus der sie ihre Kraft saugen, so ist die
Lage wesentlich günstiger. Bei jenen Kranken, auch den hysterischen,
sofern die Hysterie nicht in ausgesprochene Psychose übergegangen
ist, ist ja die Fähigkeit nicht ganz erloschen, über die augenblicklich
gefühlsbetonten Vorstellungen hinaus auch einen weiteren Zusammen¬
hang zu überblicken und von den mit ihm verbundenen Gefühlen sich
in seinem Verhalten leiten zu lassen. Duldete doch sogar Frau X., die
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Ein Fall von Unfallnenrose.
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so ganz von Gefühlswallungen in ihrem Tun beherrscht wurde, die.
ihr sehr lästigen, weil eine gewisse Aufmerksamkeit erfordernden
Untersuchungen weiter und forderte sogar zu ihrer Fortsetzung auf,
wenn ihr klar wurde, daß sie sonst am nächsten Tage von neuem auf-
genommen würden. Und wie oft gelingt es, Hysterische durch eine
leise Andeutung, daß etwas, was ihnen unangenehm ist, beim Versagen
dieses oder jenes Mittels notwendig würde, nach einer bestimmten
Richtung gefügiger zu machen. Die Mithilfe des Kranken, die der
Arzt zu wecken sucht, wird bei Annahme der floraschen Vorschläge
gerade von der Seite her gefördert, von der unter den gegenwärtigen
Verhältnissen der Widerstand ausging, und die Heilungsbestrebungen
können an die natürlichen Regungen anknüpfen, die jetzt künstlich
in eine falsche Richtung gelenkt werden. Der Unfallneurotiker ist
eben in seinem Fühlen und daher auch in seinen Entschlüssen vielfach
krankhaft beeinflußt, und je klarer sich der Zusammenhang hiervon
mit seinem Verhalten in der Entschädigungsfrage herausstellt, um so
eher wird es gelingen, die so segensreiche Unfallgesetzgebung, die in
diesem Punkte von falschen Voraussetzungen ausging, von den hier¬
durch hervorgerufenen Mängeln zu befreien.
Ich fasse zusammen: Die Ablehnung auch billiger Vergleichs¬
vorschläge von seiten Unfallverletzter und das hartnäckige Streben
nach unverhältnismäßig hoher Rente ist vielfach nicht oder doch nicht
vorwiegend auf das Verlangen nach Geldgewinn zurückzuführen. Mit
der Vorstellung der Rente verbinden sich leicht in ungünstiger Weise
zwei andere, stark gefühlsbetonte Vorstellungen, die der eigenen
Krankheit und die der eigenen Person: die Rente beglaubigt immer
von neuem die Schwere der Krankheit und den früheren, nicht nur
wirtschaftlichen, sondern auch moralischen Wert der eigenen Person.
Ist dieser Zusammenhang eingetreten, so erschwert er ein ruhiges Er¬
wägen und kann dem hysterischen Unfallverletzten den Entschluß
unmöglich machen, einem billigen Vergleich zuzustimmen. Da hier¬
durch langwierige Prozesse mit ihren unheilvollen Folgen veranlaßt
werden, ist auch von diesem Gesichtspunkt aus P. Horns Vorschlag
größter Beachtung wert, da dessen Durchführung dem Unfallver¬
letzten auch ohne seine Zustimmung und ohne Prozeß eine ange¬
messene Entschädigung gewährleisten würde.
Zeitschrift für Psychiatrie.
LXXII.
2 .
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Verhandlungen psychiatrischer Vereine.
92. Ordentliche Generalversammlung des Psychia¬
trischen Vereins der Rheinprovinz am 20. Juni 1914
in Bonn-
Anwesend sind: Adams, Aschaffenburg, Bernard, Beyerhaus, Bickel,
Deiters, Dietrich, v. Ehrenwatt, Erlenmeyer, Fabricius, Fuchs, Gerhartz,
Gudden, Günther, Hackländer, Herting, Herzfeld, Hübner, Kirsch, Liebmann,
Lückerath, Mappes, Melsheimer, Meerchen, Afuüer-Waldbröl, Neu, Neuhaus,
Orthmann, Peipers, Pelman, Peretti, Pottitz, Pottmann, Rülf, Sauermann,
Schaumburg, Schmitz, Schreiber, Schroeder, Sioli, Sommer, Steinbrecher,
Thomsen, Thywissen, Umpfenbach, Ungar, von der Helm, Wahn, Waäser-
meyer, Werner-Andernach, Werner - Bedburg, Weslphal, Wex, Wiehl,
Wilhelmy.
Als Gäste anwesend: Dr. Bitten- Bonn, Dr. Jos. v. Ehrenwall- Ahr¬
weiler, Frl. E. Künzel- Bonn, Dr. Forirocfc-Grafenberg.
Bei Beginn der Sitzung begrüßt Thomsen im Namen der Anwesenden
den Vorsitzenden Herrn Geh. Rat Pelman, unter dessen Leitung der Psychia¬
trische Verein sich in den letzten 25 Jahren immer weiter entwickeln konnte.
,, Der Vorsitzende macht dann Mitteilung von dem am 7. Dezember
1^3 erfolgten Ableben des langjährigen stellvertretenden Vorsitzenden
des Vereins, des Geh. Sanitätsrats BernardOebeke in Bonn (2. XII. 13), und
des' Kreisarztes Medizinalrat Thiele- Cochem (7. III. 14). Dr. Brandt-
PötSdam ist ausgetreten. An Stelle des Geh. Rat. Oebeke wird Geh. Rat
ProfessorPerett i in den Vorstand gewählt. — Zur Aufnahme in denVerein
haben sich gemeldet: Dr. Jos. v. Ehrenwall, Oberarzt der v. Ehrenwall-
sch W Anstalten in Ahrweiler, und Dr. Fritz Jadoby, Irrenarzt in Sayn.
Auf Antrag von Mcerchen -Ahrweiler soll in Zukunft den Kollegen in
. Form von kurzen Mitteilungen Gelegenheit gegeben werden, über Erleb¬
nisse aus der Praxis, aktuelle Tagesfragen oder dergleichen zu berichten.
Doch Sollen diese kurzen Mitteilungen vorher beim Schriftführer ange-
meldet werden und nicht mehr als 5 Minuten in Anspruch nehmen.
Für die Herbstsitzung ist in Aussicht genommen ein Referat über
die Bedeutung der Affekte für die Entstehung der Wahnideen, und für
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Psychiatrischer Verein der Rheinprovinz.
171
die Sitzung im Juni 1915 über die bisherigen Erfahrungen über die Ehe¬
scheidung bei Geisteskranken.
Neu aufgenommen werden: Dr. Dietrich , Anstaltsarzt der Prov.-
Heilanstalt in Bonn, Havestadt, Assistenzarzt der Prov.-Heilanstalt
Galkhausen, Paul Jacoby, Volontärarzt der Prov.-Heilanstalt in Bonn,
Köster , Assistenzarzt der Prov.-Heilanstalt Grafenberg, und Melsheimer,
dir. Arzt der Irrenanstalt Ebernach bei Cochem a. d. Mosel. . „
Es folgen die Demonstrationen und Vorträge:
Westphal- Bonn: Über Fehlen aller Sehnenreflexe ohne
nachweisbare Erkrankung des Nervensystems (Kranken¬
demonstration).
Der 60jährige B. Fr. befindet sich seit 27 Jahren in der Bonner
Anstalt. Über hereditäre Belastung ist ebensowenig wie über eine syphi¬
litische Infektion etwas bekannt. Schon bei der Aufnahme des Pat.
im Jahre 1887 wurde Fehlen der Patellarreflexe konstatiert.
Über das Verhalten der andern Sehnenreflexe finden wir in der damaligen
Krankengeschichte keine Angaben. Alle anderweitigen Zeichen einer
Erkrankung des Nervensystems, insbesondere auch neuritische Erschei¬
nungen, fehlten. Was das psychische Verhalten des Pat. anbetrifft, han¬
delte es sieb um einen Schwachsinn, der sich im 20. Lebensjahre bei dem
Pat. entwickelt haben und langsam zugenommen haben soll. Die weitere
Entwicklung des Leidens, die im Laufe der Jahre zu völliger Gemüts¬
stumpfheit mit ausgesprochenen Stereotypien in Worten und Handlungen
geführt hat, zeigte, daß Pat. an Dementia praecox leidet. Die somatische
Untersuchung ergibt jetzt Fehlen aller Sehnenreflexe an oberen und unteren
Extremitäten. Die Kniephänomene sind bei zahlreichen Untersuchungen
niemals, auch bei Anwendung aller Kautelen und bahnenden Reize (kalte
Bäder) auch nur spurweise hervorzurufen gewesen. Eine eingehende
Untersuchung des Nervensystems zeigt sonst keine Abweichung von der
Norm, insbesondere verhalten sich die Pupillen, die Sensibilität, Blasen-
und Mastdarmfunktion völlig intakt. Es handelt sich also um einen Fall,
bei dem seit fast drei Dezennien das Fehlen aller Sehnenreflexe die einzige
Abnormität am Nervensystem darstellt, wenn wir von den psychischen
hebephrenischen Störungen absehen. Ein Zusammenhang zwischen dieser
Psychose und dem Fehlen der Sehnenreflexe ist nicht anzunehmen.
Es handelt sich demnach bei dem p. Fr. sehr wahrscheinlich um ein
angeborenes Fehlen der SehnenrefleXe, und es wirft sich die Frage auf, ob
nicht vielleicht irgendein Zusammenhang dieser auffallenden Erscheinung
mit einer weit zurückliegenden syphilitischen Infektion 1 ), in dem vor-
x ) Diese Frage erscheint von besonderem Interesse, nachdem in
jüngster Zeit Meggendorfer (Deutsche Ztschr. f. Nervenheilkd. 51. Bd. 1914)
auf Grund seiner Erfahrungen wiederum den Gedanken anregt, ob nicht
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Origiral frem
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Verhandlungen psychiatrischer Vereine.
liegenden Falle, also wohl mit einer hereditären Lues, anzunehmen ist, in
ähnlicher Weise wie in nicht so seltenen Fällen die reflektorische Pupillen¬
starre als einziges Zeichen einer vorausgegangenen Syphilis des Zentral¬
nervensystems angetroffen wird.
Es wurde auf Grund dieser Überlegung auf meine Veranlassung das
Blut und der Liquor des Pat. im letzten Jahre mehrfach sorgfältig durch
• Herrn Oberarzt Dr. Sioli untersucht. Das Resultat dieser Untersuchungen
war, daß die Wa.-R. im Blut und im Liquor auch bei der Auswertungs¬
methode mit größeren Liquormengen negativ war und auch nach pro¬
vokatorischen Salvarsaninjektionen, die auf Anraten von Herrn Kollegen
E. Ho'ffinann vorgenommen wurden, negativ blieb. Ebenso fiel die Re¬
aktion nach Nonne-Apelt negativ aus; eine Pleozytose ließ sich nicht kon¬
statieren. Der Nachweis einer syphilitischen Infektion war also in dem
vorliegenden Falle nicht zu erbringen, so daß die schon früher von Oppen¬
heim. 1 ), Sommer a ) und Kölpin*) in analogen Fällen ausgesprochene An¬
sicht an Wahrscheinlichkeit gewinnt, daß wir es mit einer angeborenen
Anomalie, vielleicht auf erblicher Degeneration beruhend, zu tun haben.
Wir müssen uns nur darüber klar sein, daß mit der Annahme einer hereditär
degenerativen Grundlage des Fehlens der Sehnenreflexe, die eigentliche
Ursache der Reflexstörung, insbesondere die Frage, ob dieselbe eine funk¬
tioneile oder eine organisch bedingte ist, nicht klargelegt wird. Die ana¬
tomische Untersuchung des Rückenmarks in Fällen mit fehlenden Sehnen-
reflexen ohne sonstige nachweisbare Erkrankung des Nervensystems ist
die notwendige Vorbedingung zur Beantwortung der aufgeworfenen Frage,
deren Klarlegung bei der außerordentlichen Seltenheit der einschlägigen
Fälle nicht so leicht zu erzielen sein wird. Wie selten diese Fälle sind,
geht wohl aus der Ausführung Oppenheims (a. a. O.) hervor, welcher sagt:
,-,Aus ganz vereinzelten Beobachtungen [Bloch, Oppenheim, Weimers¬
heim, Mainzer) scheint es hervorzugehen, daß das Kniephänomen auch
einmal von Geburt an fehlen, das Westphalsche Zeichen zu den angeborenen
Stigmata degenerationis gehören kann. Es trifft das aber jedenfalls so
überaus selten zu, daß mit dieser Tatsache in praxi kaum zu rechnen ist.“
Der vorliegende Fall ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil er —
soweit ich die Literatur übersehen kann — die einzige über eine so lange
gewisse Fälle von Dementia praecox infolge von Keimschädigung durch
Lues der Eltern determiniert sein können, und dazu auffordert, die neuen
feinen Methoden (Wa.-R. und Luetin-Reaktion) zur Beantwortung dieses
Problems heranzuziehen.
1 ) Oppenheim, Lehrbuch der Nervenkrankheiten 1913, I. T., S. 139.
*) Sommer, Über das Westphalsche Zeichen als Merkmal der erb¬
lichen Degeneration. Mtschr. f. Psychiatrie Bd. 10.
*) Kölpin, Fehlen der Sehnenphänomene ohne nachweisbare Erkran¬
kung des Nervensystems. D. med. Wchschr. 1907, Nr. 44.
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Zeit — fast drei Dezennien hindurch — fortgesetzte Beobachtung dar-
stellt, in der das Fehlen der Sehnenreflexe die einzige klinisch nachweisbare
Erscheinung einer Erkrankung des Nervensystems geblieben ist.
Wassermeyer- Bonn: Über pathologischen Rausch.
Die Beobachtungen erstrecken sich auf 20 Marineangehörige, die in
der psychiatrischen und Nervenklinik in Kiel beobachtet und begut¬
achtet wurden. Es handelt sich um 13 Mannschaften und 7 Offiziere bzw.
Offiziersaspiranten. Bei ersteren verlief der pathologische Rausch in Form
heftiger Erregung mit sinnlosem Wüten und Angriffen auf die Umgebung,
bei letzteren als Dämmerzustand mit Begehung sexueller Delikte teils
perverser Art. Als Disposition lag bei den Mannschaften 4mal Epilepsie,
je 3mal Hysterie, Imbezillität und Psychopathie vor, dazu kamen als er¬
schwerende Momente: Trauma, körperliche Erkrankungen, Arreststrafen.
6 waren erblich belastet, bei 4 war der Vater Potator, 1 war unehlich
geboren. 5 waren chronische Alkoholisten, 6 alkoholintolerant. Bei den
Offizieren fanden sich 3 Neurastheniker, je 1 Hysterischer und Imbeziller
und 2 Psychopathen; die Disposition verstärkend wirkten Trauma, körper¬
liche Erkrankung, Depressionen, Überarbeitung, vorangegangene Alkohol¬
abstinenz. 6 waren erblich belastet, beim 7. bestand Blutsverwandtschaft
der EUtern, 3 waren chronische Alkoholisten, 4 intolerant gegen Alkohol.
Nur 2 von den 20 waren von der Umgebung für schwerer angetrunken
gehalten worden, die meisten erschienen nur angeheitert, leicht ange¬
trunken, 4 wurden als nicht betrunken bezeichnet. Bei 5 Mannschaften
und 4 Offizieren sind auch früher schon Zustände beobachtet worden, die
den Verdacht auf pathologischen Rausch erwecken.
(Erscheint in extenso an anderer Stelle.)
In der Diskussion sagt
Moerchen -Wiesbaden: Von besonderem Interesse erscheint die Mit¬
teilung des Vortr., daß von 7 Offizieren mit pathologischen Rauschzu¬
ständen 6 homosexuelle Delikte begingen, ohne daß sie sonst Zeichen
von wirklicher Homosexualität geboten hatten. Mir sind einige analoge
Fälle bekannt: Männer, die im nüchternen Zustand niemals Neigung zu
pseudohomosexuellen Notakten oder ähnlichem zeigten, geschweige denn
an echter Homosexualität litten, machten in der Trunkenheit alle mög¬
lichen obszönen Geschichten mit jungen Burschen und brachten sich da¬
durch in die größten Unannehmlichkeiten, teilweise auch gerichtlicher
Natur. Es erinnert das an die Fälle „tardiver Homosexualität“ bei Tabi¬
kern, deren ich 2 in der Ztschr. f. Sexualwissenschaft beschrieben habe.
Was allen diesen Fällen m. E. gemeinsam ist, das ist eine gewissermaßen
retrograde sexuelle Entwicklung unter dem Einfluß von zentral wirkenden
Schädigungen: die ursprüngliche bisexuelle Anlage, die durch Ausbildung
höherer sexueller Charaktere bei gesunder Persönlichkeitsentwicklung
zugunsten einer rein heterosexuellen Neigung unterdrückt wurde, macht
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sich wieder geltend, wenn die letztere durch gewisse zentrale Veränderungen
an Prävalenz verliert. — Solche Fälle haben ein nicht geringes wissen¬
schaftliches und auch praktisches Interesse besonders forensischer Art
und sollten gründlich beobachtet werden.
Riitt-Bonn: I. Ein Fall von familiärem Rindenkrampf.
Vortr. stellt einen jungen Mann aus einer Familie vor, in welcher
eine Anzahl Mitglieder an einer eigentümlichen Krampfform leidet. Der
Krampf tritt hauptsächlich ein, wenn Pat. sich plötzlich von der Stelle
bewegen soll. Es beginnt mit einem „Ziehen“ im linken Fuß, das sich
ins Bein fortsetzt, auf die entsprechende Rumpfhälfte übergeht, dann in
den linken Arm bis zur Hand ausstrahlt, manchmal auch die linke Ge¬
sichtshälfte befällt und in Mund und Zunge endigt. Der Krampf ist bei
dem vorgestellten Familienmitglied ein rein tonischer. Das Befallen-
werden der einzelnen Gliedabschnitte in der aufgezählten Reihenfolge
weist darauf hin, daß wir es nicht mit einem peripher, sondern einem
zentral ausgelösten Krampf zu tun haben. Doch ist die Ursache des
Krampfes nicht eine organische Veränderung im motorischen Zentrum,
wofür Anhaltpunkte nicht vorliegen und was auch schon das Ergriffensein
von 4 Familienmitgliedern durch dieselbe Krampfform von vornherein
unwahrscheinlich macht. Wir haben vielmehr einen funktionellen Reiz¬
zustand im motorischen Zentrum anzunehmen, der beim Vater der Familie
und dreien seiner Kinder zu den Krämpfen führt und der besonders bei
plötzlicher oder längerer Inanspruchnahme der motorischen Zentren —
schnell einsetzender oder länger fortgesetzter Gehakt — auftritt. Die
Krämpfe sind nicht als hysterische im eigentlichen Sinne aufzufassen,
wenn auch psychogene Momente bei deren Auslösung manchmal eine
Rolle spielen. Die Krämpfe befallen auch nicht jedesmal die Gesamtheit
der Gliederabschnitte einer Körperhälfte, häufig beschränken sie sich
nur auf das Bein oder den Arm, sie gehen aber auch manchmal auf die
andere Körperhälfte über. Eine Schwester des vorgestellten Pat. bekommt
häufig nur tonischen Krampf in den Armen, z. B. bei längerem Klavier¬
spielen oder beim Auswringen der Wäsche. Sehr grotesk gestaltet sich
der Krampf bei einem Bruder des Pat., den wir zu Gesicht bekamen.
Als er im Wartezimmer sitzend vom Vortr. plötzlich zum Eintreten ins
Untersuchungszimmer aufgefordert wurde, stand er vom Stuhl auf, wankte
und stolperte mit eingeknickten Knien, als wenn er zu Fall kommen
wollte, ins Zimmer herein, richtete sich dann an der gegenüberliegenden
Wand, zum Stillstand kommend, wieder auf und schlug dann y 2 —% Mi¬
nuten lang mit den Armen wild um sich. Die psychogene Komponente
machte sich bei diesem Krampfanfall in der ungeregelten Form des
Krampfes kund. Seine Lebensführung kennzeichnet ihn als Psycho¬
pathen. Beim Vater, dessen Krämpfe den Kindern noch lange verborgen
blieben, als schon bei diesen die Krämpfe ausgebrochen waren, so daß
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aus diesem Grunde eine psychische Infektion übrigens ausgeschlossen
erscheint, beschränkt sich der tonische Krampf allein auf den linken Fuß.
Eine Tochter, die im Gegensatz zu ihrer vom Krampf befallenen Schwester
ausgesprochen hysterischen Charakter zeigt, bleibt von den Krämpfen
verschont. Bemerkenswert aus der Anamnese der Familie ist, daß der
Großvater väterlicherseits Alkoholist war, und daß in einem Seitenzweig
der Krampffamilie ein Fall von Epilepsie vorhanden ist. Vortr. hält es
für möglich, daß durch den Potus des Großvaters eine Überreizbarkeit der
motorischen Region gesetzt wurde, die in der einen Linie der Abkömmlinge,
wie gewöhnlich, zur Epilepsie, in der andern nur zu einem funktionellen
Reizzustand der motorischen Region führte, der sich dann bei einer ganzen
Anzahl von Deszendenten zugleich bemerkbar macht. — Einen ähnlichen
Fall von familiär auftretenden Krämpfen hat Trömner beobachtet, der
aber seinem Fall eine andere Deutung gibt. Es gelang bei dem vorge¬
stellten Pat., Krämpfe sowohl im linken Fuß wie im linken Arm auszulösen.
Der Fall dieser Krampffamilie ist vom Vortr. ausführlich veröffentlicht
unter dem Titel: Der familiäre Rindenkrampf. Archiv für Psychiatrie
Bd. 52, Heft 2.
2. Durch Suggestion behobener Fall von Amenorrhoe.
Pat., 30 Jahre alt, unverheiratet, ist im Juli vorigen Jahres auf dem
Felde von einem Schmied überfallen worden. Sie wurde durch eine Anzahl
Schläge mit dem Schmiedehammer auf den Kopf und ins Gesicht, wodurch
ihr die Vorderzähne des Oberkiefers ausgeschlagen wurden, betäubt und
sodann geschlechtlich mißbraucht. Sie war bis zum Abend bewußtlos und
hat die folgenden Tage erbrochen. Sie klagt über eine Reihe von Be¬
schwerden, Schmerzen im Leib, Kopfschmerzen, Schwindel, schlechten
Schlaf, aus dem sie häufig aufschreckt, Zittern, Appetitlosigkeit usw.,
sie habe ein elendes Gefühl am Herzen und müsse immer an das ihr zuge¬
stoßene Unglück denken. Außerdem ist seit der Zeit die Regel ausge¬
blieben, so daß Pat. fortdauernd von der Angst geplagt wird, sie wäre
gravid. Auch die gynäkologische Untersuchung, welche völlig normalen
Befund und keine Anzeichen für Gravidität ergab, konnte sie hierüber
nicht beruhigen. Da sie sich immer elender fühlte, alle Kuren aber, welche
mit ihr vorgenommen wurden, zu keinem Erfolg führten, entschloß sie sich,
die hiesige Poliklinik für Psychisch- und Nervenkranke aufzusuchen. Die
körperliche Untersuchung ergab, außer herabgesetzter Schmerzempfin¬
dung am ganzen Körper, recht lebhaften Reflexen, beschleunigter Herz¬
tätigkeit (120 Pulsschläge pro Minute) und auffallend feuchten Händen,
die auch in der Folge stets zu konstatieren waren, nichts Wesentliches.
Von Stigmaten ist nur der Globus zu erwähnen, über den Pat. klagte.
In ihrem Wesen hatte sie etwas Weiches, Eindruckfähiges, und dieser
Umstand veranlaßte Vortr., der Pat. eine stationäre Behandlung in der
Nervenklinik vorzuschlagen in der Absicht, durch suggestive Therapie
eine Besserung, womöglich Heilung herbeizuführen. Pat., die dem Rate
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folgte und am 14. V. d. J. in die Klinik eintrat, erwies sich auch hier für
hypnotische Beeinflussung sehr zugänglich. Es gelang bald, durch die ent¬
sprechenden Vorstellungen ihre Stimmung zu heben und vor allem die
zwangsmäßig auf das an ihr verübte Stuprum gerichteten Gedanken zu
beseitigen. Vortr. bediente sich dazu des Hinweises auf ihre Unbescholten¬
heit und Schuldlosigkeit an dem ihr widerfahrenen Unglück und auf die
Achtung, die man ihr vor wie nach der Vergewaltigung entgegenbringt.
Nachdem es so gelungen war, Pat. in ruhige Stimmung zu versetzen, ver¬
suchte Vortr. sie auch von der noch immer — 10 Monate nach dem
Stuprum 1 — vorhandenen Angst vor Gravidität zu befreien. Eis schien
dafür kein besseres Mittel zu geben, als durch hypnotische Beeinflussung
die Menstruation hervorzurufen, wie es nach glaubwürdigen Mitteilungen
in der Literatur bereits in einer Anzahl von Fällen gelungen war. Am
27. V. wurde Pat. wieder in Hypnose versetzt und ihr suggeriert, daß sie
in 3 Tagen sich unwohl fühlen und die Regel wieder eintreten werde. Als
am 3. Tage Vortr., der wegen des zweifelhaften Ausganges kaum noch an
den suggerierten Befehl dachte, Pat. wieder besuchte, empfing sie ihn
sofort mit der Nachricht, daß die Regel wieder eingetreten wäre. Sie
dauerte etwa 3 Tage, war nicht besonders stark — Pat. will nie stärker
menstruiert gewesen sein —, war aber unzweifelhaft, wie die unauffällige
Kontrolle durch die Schwester bestätigte, vorhanden. Vortr. weist auf die
physiologische und psychologische Seite der gelungenen Beseitigung der
Amenorrhoe hin. Was die erstere betrifft, so scheint dem Vortr. nach den
Erfahrungen, welche man neuerdings mit der suggestiven Beeinflussung
angiospastischer Phänomene gemacht hat, ein Versiändnis für den physio¬
logischen Vorgang gegeben zu sein. Wie an andern peripheren Stellen des
Körpers, Gesicht und Händen durch starke asthenische Affekte angio-
spastische Phänomene (Erbleichen) eintraten, so könne man sich wohl
vorstellen, daß durch den Affekt des Entsetzens bei der Ausübung des
Stuprum in der Uterinschleimhaut, die ja auch in gewissem Sinne als
peripheres Organ betrachtet werden könne, ein angiospastisches Phä¬
nomen auftrete, das sich dauernd etabliere und zu dem Menstruations-
vorgange nicht kommen lasse. Durch die hypnotische Beeinflussung läßt sich
die Lösung des Angiospasmus und die Blutung erklären. Etwaige Schwie¬
rigkeiten, die sich aus den neueren Theorien über den zeitlichen Zusammen¬
hang zwischen Ovulation und Menstruation für die Erklärung eines auf
suggestivem Wege herbeigeführten bestimmten Menstruationstermins
ergeben, müssen wir natürlich der Theorie zu lösen überlassen. Wir haben
uns zunächst an die Praxis zu halten, die eben die Möglichkeit zeigt, Men¬
struation suggestiv auf einen bestimmten Tag hervorzurufen. Was die
psychologische Seite betrifft, so weist Vortr. darauf hin, daß wohl durch
keine der sonstigen psychotherapeutischen Methoden ein derartiger Effekt
hervorgerufen werden könnte. Weder die Breuersehe kathartische Me¬
thode. die übrigens in gewissem Sinne mit den ersten Hypnosen vom
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Vortr. auch angewandt wurde, noch die Freudsche psychoanalytische
Methode, für deren Anwendung in dem vorliegenden Falle gar keine Ver¬
anlassung vorliegt, noch die Duboissche Methode der Überzeugung, für
welche sich in unserem Falle ebensowenig eine Handhabe bietet, noch
überhaupt irgendeine andersartige psychische Heilmethode ist imstande,
einen solchen Effekt herbeizuführen. Damit erweist sich die Hypnose
von neuem als ein in bestimmten Fällen unersetzbares und wissenschaftlich
berechtigtes Heilverfahren.
Pat. ist inzwischen noch 3mal menstruiert, so daß jeder Zweifel an
dem Erfolg der Hypnose ausgeschlossen ist. D e 3 Menstruationen traten
in Abständen von 3 Wochen von der ersten suggestiv herbeigeführten
Menstruation auf. Auch früher soll die Regel alle 3 Wochen eingetreten
sein. Pat., die erst am 21. VII. die Klinik endgültig verließ, bekam jedes¬
mal einige Tage vor Eintritt der Regel spezifisches Unwohlbefinden; das
letzte Mal mußte sie sich zu Bett legen. Nur war die Blutung geringer als
das erste Mal, die Ausscheidung selbst farbloser. Vielleicht wird sich
durch Wiederholung der hypnotischen Beeinflussung, deren Nachwirkung
mit der Zeit sich abschwächen dürfte, eine'Verstärkung der Blutung herbei¬
führen lassen. Pat. wird noch weiter poliklinisch beobachtet.
Lückerath-Bonn demonstriert das Gehirn eines an Magenblutung
gestorbenen Pat. der Bonner Anstalt. Der erblich schwer belastete Mann
hatte sich im Jahre 1886 im Alter von 41 Jahren in einem melancholischen
Stadium 3 Revolverkugeln in den Kopf geschossen. Nachdem die ersten
akuten Erscheinungen (Bewußtlosigkeit, Pulsverlangsamung) geschwunden
waren, blieb ein eigenartiger Zustand von geistiger Schwäche, der sich
nicht auf alle geistigen Gebiete erstreckte, mit katatonen Symptomen,
Manieriertheit, Stereotypie usw. lange Jahre bestehen. Merkwürdig war
eine partielle retrograde Amnesie; so wußte der Pat. z. B. nicht mehr,
daß er seit Jahren verheiratet war. Etwa 5 Jahre nach der Schußver¬
letzung traten Anfälle von Bewußtseinstörung (Schwindel und epileptische
Krampfanfälle) auf; anfangs ein- bis zweimal im Jahre, später etwas
häufiger. Regelmäßig trat bei den Anfällen eine mehrere Stunden dauernde
Anästhesie des ersten und zweiten linken Trigeminusastes auf. In den
letzten Jahren verblödete der Pat. immer mehr. Es hat sich wohl um eine
Katatonie gehandelt, die mit mehrfachen melancholischen Verstimmungen
begonnen hat, und deren Verlauf durch die Schädelverletzung wohl nur
wenig beeinflußt worden ist. Die Anfälle von Anästhesie der beiden Tri¬
geminusäste wiesen auf eine Läsion des Ganglion Gasseri hin.
Die Obduktion ergab ein Stück Metall von fast Linsengröße im
vorderen Abschnitt der rechten mittleren Schädelgrube; es lag fest im
Knochen. Auf der linken Seite befand sich an der Spitze der Schläfenbein¬
pyramide ein bräunliches Metallstück dicht unter dem Knochen in der
Gegend des Ganglion Gasseri. Schließlich befand sich eine Kugel im
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hinteren Abschnitt des linken Schläfenlappens dicht unter der Pia. An
der Basis waren beide Schläfenlappen in fast Dreimarkstückgröße zerstört.
Die mikroskopische Untersuchung steht noch aus; ob sie einen ein¬
deutigen Befund ergeben wird, ist fraglich, da senile Veränderungen bei
dem Pat., der an Magenblutung infolge von arteriosklerotischen Ver¬
änderungen gestorben ist, wahrscheinlich vorliegen.
' Werner -Bedburg schildert seine Eindrücke beim Besuch von 15 engli¬
schen Irrenanstalten und zwei Ausflüge ins Gebiet der schottischen Irren¬
pflege.. In England und Schottland herrscht fast überall noch im Anstalts¬
bau das Korridorsystem mit sehr großen Blocks, allerdings ist die Innen¬
einrichtung vorzüglich und der Blumenschmuck auch auf den Wach-
sälen verschwenderisch. Bequeme Liege- und Polsterstühle sparen viel
Bettbehandlung. Wie bei uns der Hauptwert auf die Badetherapie gelegt
wird, so in England auf die Freiluftliegekur, die in breiten und schönen
Veranden und Gartenhäuschen betrieben wird. Überhaupt wird viel mehr
Raum gegeben als bei uns. Der Bettabstand betrug in einigen Anstalten
1,80—2,00 m. Die Behandlung unterscheidet sich von der unsrigen durch
die oft angewandte Isolierung, nötigenfalls in gepolsterten Gummizellen,
die aber stets gut imstande waren. Dagegen ist die Packung gesetzlich ver¬
boten und daher unbekannt; dafür findet aber wieder gelegentlich me¬
chanische Beschränkung statt. — In England schlafen die Pflegerinnen
stets in besonderen nurse-homes, die recht gut, in Schottland luxuriös
eingerichtet sind. In Schottland wird nämlich jeder bettlägerige Kranke
von weiblichem Personal gepflegt, von dem zwei Drittel den gebildeten
Ständen angehören. Dieses Personal wird sorgfältig geschult, muß zwei
Examina bestehen und bezieht hohes Gehalt. Die Stellung der Ärzte ist
schlechter wie bei uns: keine feste Anstellung, Familienwohnung bisweilen
nur für den Direktor, höchstens noch die beiden Oberärzte, ein Arzt kommt
auf 300—400 Kranke. Gehaltsverhältnisse etwa den unsrigen entsprechend,
doch steigt das Direktorgehalt von 11 000—20 000 M. Bei der schottischen
Familienpflege scheidet der Kranke aus der psychiatrischen Behandlung
aus, die der Ortsarzt für ein Pauschale von 20 M. übernimmt. Für die
sonstigen Bedürfnisse sorgt ein Inspector of poor der Zentralverwaltung.
Bei Glasgow werden Geisteskranke und Invaliditätskranke in denselben
Familien untergebracht, ohne daß dadurch Schwierigkeiten entstehen,
doch sind die Kranken da zuweilen arg zusammengepfercht. Die Krimi¬
nellen kommen in Schottland in das Annex vom Gefängnis zu Perth, in
England in besondere Anstalten. Die neueste Anstalt, erst zum Teil belegt,
Rampton, ist nicht modernen Anschauungen entsprechend erbaut und
befriedigt wenig; es sollen 800 Kranke dorthin kommen.
(Der Vortrag erscheint anderweitig ausführlich.)
Auf Anregung von Ungar -Bonn findet dann ein lebhafter Meinungs¬
austausch statt über die Gestaltung der von den öffentlichen Irrenanstalten
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gemäß § 81 StPO, und § 656 ZPO. zu erstattenden Gutachten. An der
Diskussion beteiligen sich: Ungar, Hübner, Aschaffenburg, Lücherath,
Thomsen, Peretti, Herting, Fabricius, Sauermann.
Hübner- Bonn: Über paranoide Erkrankungen.
Seit der großen Debatte im Jahre 1894 (Cramer-Boedeker) ist das
Problem der Abgrenzung der paranoiden Erkrankungen nie ganz zur Ruhe
gekommen. In den letzten Jahren haben Specht, Bleuler, Bonhoeffer,
Birnbaum, Sieffert u. a. dazu Stellung genommen. Eine umfangreichere
und regere Aussprache schloß sich dann an die Ausführungen Kraepelins.
Es ist nun bemerkenswert, daß auch diese Studien zu keiner Einigung
geführt haben. Während einige Autoren fast uneingeschränkte Bestäti¬
gungen der Ansichten Kraepelins brachten (z. B. v. Hoesslin), wichen andere
(Stransky) in ihren Ergebnissen erheblich von denen K .s ab.
H. meint, daß die Verschiedenheit der Ergebnisse mindestens zum
Teil durch Besonderheiten des studierten Krankenmaterials bedingt seien.
Das zeige sich z. B. auch bei Durcharbeitung der Bonner Kranken¬
geschichten.
Die Bonner Anstalt und Klinik bekommt ungefähr zur Hälfte Gro߬
städter, zum andern Teil Landbewohner zur Aufnahme. Paranoide Er¬
krankungen sind dabei nicht allzu häufig, kommen aber öfter vor als in
andern Gegenden.
H. hat sich nun 4 Fragen vorgelegt:
I. Gibt es eine akute (besser gesagt: heilbare Form der)
Paranoia ? H. hat einige Fälle gesehen,die nicht zum zirkulären Irresein
gehörten, später ausheilten und symptomatologisch von einem paranoi¬
schen Symptomenkomplex beherrscht wurden.
2. Welche Merkmale sind der chronischen Paranoia zu¬
zubilligen? Die Persönlichkeiten, welche später.von einer Paranoia
befallen werden, stellen einen einheitlichen Typ nicht dar. In' der Aszen-
denz der Kranken fanden sich oft Psychopathen, seltener ausgesprochen
Geisteskranke.
Die Entwicklung des Leidens erfolgte aus inneren Ursachen heraus.
Sie beginnt mit einer „Veränderung der Eigenempfindung“ (Moeli),
basierend auf einer Änderung der Erregbarkeit des Gehirns.
Psychologisch entstehen die Wahnideen aus der Charakteranlage
heraus, auf parakritischem Wege (Stransky), nicht immer nur langsam,
sondern mitunter innerhalb weniger Wochen. Trugwahrnehmungen
fehlten in keinem unserer Fälle. Ihr Nachweis war mitunter schwer. Es
handelte sich teils um Illusionen, teils um Halluzinationen. Ein Zusammen¬
hang der Sinnestäuschungen mit dem „System“ war nicht immer zu er¬
kennen (ein Umstand, der u. E. keinen Grund für die Abtrennung dieser
Fälle von der Paranoia abgibt).
Größen- und Verfolgungswahn sind koordinierte Erscheinungen. Das
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Mischungsverhältnis beider hängt wohl von der Verschiedenheit der Cha-
rakterveralangung ab.
Der Verlauf der Fälle war fast ausnahmlos ein chronischer. Einige
Male wurden schubweise Verschlimmerungen beobachtet. Gelegentlich
traten die Halluzinationen etwas zurück.
Die Unerschütterlichkeit des Wahns bildete die Regel. Bisweilen
wurde vorübergehende und unvollständige Krankheitseinsicht beobachtet.
Heilung wurde nie festgestellt, ebensowenig Verfall in Demenz. Mit
zunehmendem Alter verfocht der größere Teil der Kranken seine Wahn¬
vorstellungen allerdings nicht mehr mit der gleichen Lebhaftigkeit wie im
Beginn des Leidens.
3. Wenn wir die Paranoia in dem eben skizzierten Sinne abgrenzen,
dann bleiben zahlreiche Fälle übrig, die nicht dazu gehörenl Wie sollen
diese nun rubriziert werden? Kraepelin hat sie in der Gruppe der
Paraphrenien zusammengefaßt und vier Unterabteilungen unterschieden.
Unser Material, das, wie besonders betont sei, ziemlich gleichartig ist,
würde einstweilen etwa folgende Einteilung rechtfertigen:
a) Der Paranoia chronica am nächsten stehen die von Friedmann,
Gaupp u. a. beschriebenen Formen, gekennzeichnet dadurch, daß Personen
mit abnormer Charakterveranlagung (ein Teil von ihnen wäre im Sinne
von Gaupp als depressiv-paranoisch veranlagt zu bezeichnen) bald rasch,
bald langsam auf parakritischem Wege zu einem zirkumskripten Wahn-
system gelangen, das im Höchststadium auch mit Sinnestäuschungen
einhergehen kann. Nach einiger Zeit blaßt der die Krankheit begleitende
Affekt ab, die Pat. handeln nicht mehr ihrem Wahn gemäß, es kommt
u. U. zur Korrektur eines Teiles der pathologischen Vorstellungen, man
vermißt auch die Weiterentwicklung. Restlose Heilung im klinischen
Sinne tritt aber nicht ein. Bemerkenswert ist, daß der einmal ausgebildete
Wahn nicht so unerschütterlich ist. Auch auf dem Höhestadium der Er¬
krankung gelingt es mitunter, den Pat. in seinem Urteil, wenn auch nur
vorübergehend, schwankend zu machen.
Wenn der Wahn auf das Handeln der Kranken seinen ursprüng¬
lichen Einfluß verliert — wie Gaupp mit Recht betont —, so ist deshalb
aber nicht etwa eine „Verblödung“ im Sinne der Dementia praecox ein-
getreten. Dafür spricht schon der Umstand, daß ein großer Teil dieser
Fälle entweder überhaupt nicht in die Anstalt kommt oder doch wenig¬
stens rasch wieder entlassen werden kann, daß viele von ihnen trotz der
unvollständigen Korrektur des Wahns ihrem Beruf nachgehen, ohne daß
die Umgebung etwas von der Krankheit merkt, daß die Pat. auch am Leben
Anteil nehmen und doch, abgesehen von ihren pathologischen Vorstellun¬
gen, in sich geschlossene Persönlichkeiten bleiben, die allerdings verschro¬
ben erscheinen können.
Bei einem kleinen Teil der Fälle ist diese Verschrobenheit so stark
ausgeprägt und verbindet sich so mit starkem Mißtrauen, daß der Kranke
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dauernder Anstaltspflege bedarf. Die ewigen kleinen Reibereien auf der
Abteilung und die Art, wie der Kranke sich auf der Abteilung beschäftigt,
beweisen dann aber immer wieder, daß ein Zerfall der Persönlichkeit nicht
eingetreten ist.
Mit Friedmann ist ferner hinzuzufügen, daß einige dieser Fälle später
zu einem starren paranoischen Wahnsystem gelangen. Bei einem unserer
Kranken geschah das in der Weise, daß er nach einem akuten Stadium
den Wahn teilweise korrigierte, ruhiger wurde, in den Beruf zurückkehrte,
also im Friedmannschen Sinne geheilt war, und nach 1 1 / 2 Jahren all¬
mählich wieder kränker wurde, bis schließlich ein richtiges unerschütter¬
liches chronisches Wahnsystem vorhanden war.
Einen Teil der geschilderten Fälle könnte man in der von Kraepelin
als Paraphrenia systematica bezeichnete Gruppen unterbringen, wenn man
in der später erfolgenden Abblassung des Affektes ein Zeichen von geistiger
Schwäche sehen will, was ich nicht ohne weiteres tun möchte.
b) Das Gegenstück zu den bisher besprochenen Fällen bilden solche,
in denen das Krankheitsbild von Halluzinationen beherrscht wird. Auch
da kommt es zu einer gewissen Systematisierung. Ein Zerfall der Per¬
sönlichkeit bleibt aus, im Gegenteil ziehen mitunter die Kranken aus
ihren Wahnvorstellungen und Halluzinationen recht bedenkliche Kon¬
sequenzen und setzen sich mit ihren Stimmen stets mit dem gleichen
Affektaufwand auseinander.
In nicht wenigen Fällen handelt es sich inhaltlich um sexuelle Vor¬
stellungen.
Hierher gehören, wie ich glaube, die Involutionsparanoia Kleists,
ferner die von Seelert u. a. beschriebenen Fälle. Gemeinsam ist diesen
Krankheitbildern, daß sie zu den Involutionsvergängen, vielleicht auch
zu Alterserkrankungen des Gefäßsystems in Beziehung zu stehen scheinen.
Schließlich sind auch wohl nicht wenige der von Kraepelin als Para¬
phrenia phantastica, von andern Autoren als paranoide Demenz be-
zeichneten Fälle unterzfibringen, nämlich die, bei denen zwar die Wahn¬
bildung und der Inhalt der Halluzinationen ungeheuerliche Formen an¬
nimmt, ohne daß deshalb die der Dementia praecox eigentümliche Ver¬
änderung der Persönlichkeit und katatone Erscheinungen auftreten.
Da es sich auch bei dieser Gruppe vielfach um Menschen handelt,
die von Jugend auf psychopathische Züge aufwiesen, so darf man sich
nicht wundern, daß in den späteren Stadien der Erkrankung bisweilen
Verschrobenheiten auffallen, die zu Verwechslungen mit schizophrenen
Symptomen Anlaß geben können, wenn man nur das Zustandsbild und
nicht die ganze Biographie des Kranken berücksichtigt.
c) Waren es in den bisher besprochenen beiden Gruppen der Wahn
und die Trugwahrnehmungen, welche dem Krankheitbilde seine Eigenart
verliehen, so ist jetzt der Paraphrenia expansiva Kraepelins zu ge¬
denken, bei der eine mäßige Erregung und manisch gefärbte Stimmung,
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mitunter sogar eine gewisse an Ideenflucht erinnernde Sprunghaftigkeit
des Denkens mit Verfolgungs- und Größenwahn sowie Sinnestäuschungen
verbindet, ohne daß man wirkliche Beweise für die Zugehörigkeit zum
zirkulären Irresein hätte, denn es handelt sich, wie Kraepelin richtig
hervorhebt, um einmalige Erkrankungen. Die Wahnvorstellungen be¬
stehen dauernd und bleiben unkorrigiert. Es fehlen Stimmungsschwan¬
kungen im Sinne des manisch-depressiven Irreseins.
Mit Stransky möchte ich übrigens bei dieser Gruppe hinzufügen,
daß es neben den expansiven Psychosen auch depressive gibt, die nicht
zum zirkulären Irresein zu rechnen sind und hierher gehören.
d) Mit den eben geschilderten drei Gruppen ist unser eigenes Ma¬
terial fast erschöpft. Einen der konfabulierenden Paraphrenie im strengen
Sinne gleichenden Fall haben wir unter unseren Kranken nicht gehabt.
Ich möchte aber nicht unterlassen, hinzuzufügen, daß wir zweimal aus
einem Ganserschen Dämmerzustände heraus sich ein paranoides Zu¬
standsbild entwickeln sahen, in dem Konfabulationen eine beträchtliche
Rolle spielten.
Hinzuzufügen ist dieser Einteilung noch zweierlei, nämlich 1. daß
diese Psychosen der Paranoia trotz mancher Unterscheidungsmerkmale
ziemlich nahe stehen, und 2. daß es zwischen den einzelnen Unterabteilun¬
gen Übergangsfälle gibt.
Die Querulanten, welche bisher nicht erwähnt wurden, gehören zum
kleinsten Teil zur echten Paranoia, die größere Mehrzahl verteilt sich auf
die Paraphrenien, die psychogenen Störungen und die abnormen Charaktere.
4. Was bleibt schließlich von der Dementia paranoides
übrig ?
Die hierzu gehörigen Krankheitbilder möchte Vortr. folgender¬
maßen charakterisieren:
1. Am reinsten sind wohl die nicht sehr häufigen Fälle, in denen sich
zunächst, vorwiegend kombinatorisch, jedoch «mter raschem Hinzu-
treten von Halluzinationen, eine Art Wahnsystem herausbildet, das nach
einigen Monaten, mitunter auch erst nach mehreren Jahren, bald rascher,
bald langsamer, zu völligem Zerfall der Persönlichkeit führt. Es sind
vorwiegend jugendliche Individuen, die uns mit derartigem Krankheit¬
verlauf begegnet sind. Die von Flügge seinerzeit beschriebenen Fälle
gehören hierher.
2. Weiterhin sind die Fälle zu erwähnen, in denen eine Reihe an¬
fangs vielleicht noch zusammenhängender, aber rasch zerfallender Wahn¬
ideen fortbestehen, neben mehr oder minder ausgesprochenen Zeichen
des Zerfalls der Persönlichkeit. Dazu kommen dann sonstige Symptome
der Dementia praecox, wie Stuporzustände, Manieren, Stereotypien usw.
Die Abgrenzung der ersten Gruppe von den Paraphrenien ist nicht
immer leicht, namentlich, wenn man nur auf das Zustandsbild angewiesen
ist. Vielleicht werden wir aber durch das Studium der körperlichen Er-
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Psychiatrischer Verein der Rheinprovinz.
183
scheinungen der jugendlichen Verblödung weiterkommen und so Symptome
finden, deren Vorhandensein entscheidend für die Diagnose wird. —
Bei dem sich anschließenden Festessen feiert Peretti in beredten
Worten die Verdienste des Vorsitzenden Herrn Geh. Rat Pelman um den
Psychiatrischen Verein der Rheinprovinz, dessen Leitung seit dem 22. Juni
1889 ununterbrochen in seinen Händen ist. Als sinnliches Zeichen der
Dankbarkeit der Mitglieder überreichte er dem Jubilar einen Prunk-
becher. Umpfenbach.
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Die Heinrich Laehr-Stiftung hat im Rechnungsjahr Ostern 1914
bis Ostern 1915 an Priv.-Doz. Dr. Ißerlin -München 1000 M. zur Förderung 1
psychologisch-phonetischer Untersuchungen gezahlt. Das Vermögen der
Stiftung bestand am 1. April 1915 ays
5 000 M. 3 % Preuß. Konsols
100 000 M. 3 y 2 %
37 000 M. 4 % „ „
eingetragen im Staatsschuldbuch
und der Darlehnskasse Berlin ver¬
pfändet.
96 500 M. 5% Deutsche Reichsanleihe (1. Kriegsanleihe), eingetragen
im Reichsschuldbuch und später wieder der Darlehnskasse
Berlin verpfändet, um 70 000 M. 2. Kriegsanleihe zu zeichnen.
4 142 M. Guthaben bei der Darmstädter Bank.
Demgegenüber standen 92 300 M. Schulden an die Darlehnskasse
Berlin.
Am 11. Januar d. J. feierte Geheimrat Dr. Schule sein 25jähriges
Jubiläum als Direktor der Landesanstalt Illenau. Von einer größeren
Feier war mit Rücksicht auf die Zeitlage abgesehen. Es fand nur eine
kleine Feier statt, bei welcher die Anstaltbeamten dem Jubilar gratulierten
und Oberarzt Med.-Rat Thoma eine kurze Ansprache hielt.
Nekrolog Knecht. Am 14. März 1915 starb in Halle a. S. im
Ruhestand der Geheime Sanitätsrat Dr. A. Knecht, früher Direktor der
Provinzialheilanstalt bei Ückermünde. Das Leben eines trefflichen Arztes,
der an verantwortungsreichen Stellen lange Jahre unablässig geschafft
und schöne Erfolge errungen hatte, erlosch in der Stille. Hier seiner Per¬
sönlichkeit und seines Wirkens zu gedenken, ist Pflicht der Dankbarkeit.
Adolf Knecht wurde am 17. Mai 1846 in Hennersdorf im sächsischen
Erzgebirge als Sohn eines evangelischen Pfarrers geboren. Bis zum
15. Lebensjahre wurde K. von seinem Vater, dann auf der Kreuzschule in
Dresden unterrichtet. Ostern 1865 bezog er die Universität Leipzig, um
Medizin zu studieren. Im Frühjahr 1869 wurde er approbiert, im Sommer
zum Dr. med. promoviert. Im September 1869 trat er als Hilfsarzt unter
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Kleinere Mitteilungen.
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Reimer auf dem Sachsenberg bei Schwerin in die psychiatrische Praxis.
Mit dem Eifer und der Gründlichkeit, die ihn stets auszeichneten, vertiefte
er sich hier in die Krankenbeobachtung und Behandlung. Davon zeugt
seine Arbeit über die subkutane Morphiumtherapie der Psychosen, welche
aus dieser Zeit stammt (Arch. f. Psych. Bd. III). Bemerkenswert ist,
daß schon diese Arbeit K.s in die Mahnung ausklingt, auch die chroni¬
schen Kranken in unsern Anstalten mehr der wissenschaftlichen Beob¬
achtung und damit rationellen therapeutischen Versuchen zu unterstellen —
eine Forderung, für welche K. später bei seinen Ärzten nicht nur durch
wiederholte Anmahnung, sondern durch sein eigenes, in der Stetigkeit
der Versuche anfeuerndes Beispiel immer wieder eingetreten ist.
Der Krieg von 1870 unterbrach dann auch für K. die irrenärztliche
- Tätigkeit. Ende August zog er als freiwilliger Arzt hinaus, gehörte der
Belagerungsarmee von Metz an, begleitete Verwundetenzüge in die Heimat
und war nach vorübergehender Krankheit im Reservelazarett in Rawitsch
in Posen tätig. Von dort ging K. im März 1871 als Assistenzarzt an das
städtische Krankenhaus St. Georg zu Hamburg. Hier hat er auf der
inneren und auf der chirurgischen Station gründliche Kenntnisse ge¬
sammelt, die ihm in seinen späteren Stellungen ausgezeichnet zustatten
kamen.
Anfang August 1872 trat K. in den sächsischen Staatsdienst. Die Re¬
gierung suchte für das große Zuchthaus in Waldheim einen psychiatrisch
vorgebildeten Arzt. Als solcher wurde K. gewählt. Bis 1882 in dieser
Stellung tätig, wurde er zu einem der besten Kenner der Kriminalanthropo¬
logie und Kriminalpsychiatrie. 1876 wurde in Waldheim die erste
Krankenstation für geisteskranke Verbrecher in Deutschland
eröffnet (40 Plätze für Männer). Im 37. Bande dieser Zeitschrift berichtet
K. über seine Erfahrungen auf dieser Station. Er war keineswegs be¬
friedigt über die Verbindung von Irrenanstalt und Strafanstalt und sagte
für die Zukunft voraus, daß die praktische Erfahrung immer wieder dazu
führen werde, wenn überhaupt besondere, dann selbständige oder wenig¬
stens mit Irrenanstalten verbundene Asyle für geisteskranke Verbrecher
zu errichten. Im wesentlichen hat sich die Entwicklung der vielfach dis¬
kutierten Frage der Unterbringung der geisteskranken Verbrecher ganz
nach seiner Vorhersage gestaltet. — Als K. in Waldheim arbeitete, waren
umfassende Untersuchungen über die körperlichen Eigenschaften der
Verbrecher in Deutschland noch nicht angestellt. K. unterwarf daher
1214 männliche Verbrecher einer genauen Untersuchung, wobei er be¬
sonders die sogenannten Degenerationszeichen beachtete. In einer größeren
Arbeit legte er seine Beobachtungen nieder („Über die Verbreitung
psychischer Degeneration bei Verbrechern und die Beziehung zwischen
Degenerationszeichen und Neuropathie“ diese Zeitschrift Bd. 40). Vor¬
sichtig und maßvoll zieht er hier seine Schlüsse. Ein verwandtes Thema
hat K. viele Jahre später behandelt, als er 1897 auf der Jahresversamm-
Zeitschrift für Psychiatrie LXXll. 2. 13
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Iuttg des ßeuisolietvV^r^iH? fiir Psyiiftiakne das Referat „jDfcer den Wert,
der DejjC'i)er:tlivHisj;eiobeti bei {xejsti^krM^et}^ -mtuliele. Anschsuufig
ging dahin, daß sich unter dea Verbreche!»! eine erheblich*" Ansiähi Ent¬
arteter,- auch solche 'mi Hnatbitmeh#- Eiitariungi^eiehnö» befinde, daß
die Entailuiag dieselndmdueh '»i Zustande ; brkigV Welche leicht die
Häüdftuigöi werden.; Edien gaogebyi'eriön
Trieb’* /,utn Verbrechen lehnte er:ab und wollte die Bezeichnung „geborener
wissen ",tr... y. -■+ .
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?j\iK} 1. Januar 1882 wurde A* als Ohct:arB and. Stellvnrrtreter des
Direktors arv ;dij? Mfddlti versetit, Su’yyobl hier wie-
früher-in ÄVahltodri« ivar'/f, grmdigi, jrti ausgedehnter Weise mduu der
A ixu i nt .■> K I .■-*<■. > v . _ . I •, «c-. t 4 t , i. - ' : 1'x' 1. . * V. . _. WÖi *r'. Ü"i ,2
-.ouiler^ in kbni.v heu Fragen.. Bekannt ist yj a. seiine aus dieser Zeit stau«•
mernit} Mitteilung über katatoriisehv ßrschoiuurigen bei Paralyse (diese
Zeitschrift Bd. ; i2) und-die von ihm veraite>Ultete deutsche Aufgabe «ks
kltrtisdhei) v Lehrbüy^.' deii Gekdcsk rank heit eh von Sßungc (fibfvb Dies
mcht gerade durch Urtindlkdikcd.aUa^-zei. hnete Buch hatte A wohl durch
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■ • •S'GW.tVEflSr^ OF MlCfHtGAW.
Kleinere Mitteilungen.
187
die lebendige, leicht fließende Darstellung und durch die eingestreuten
praktischen Winke angezogen. K. hat die deutsche Ausgabe vielfach er¬
gänzt und ganze Kapitel neu eingeschaltet, besonders auch die Therapie
nach eigenen Erfahrungen beschrieben. Er zeigt sich hier als warmer An¬
hänger hydrotherapeutischer Behandlungsmethoden. In der allgemeinen
Praxis hatte er die günstigen Erfolge kennen gelernt, welche sächsische
Kurpfuscher mit der Wasserbehandlung erzielten, war hierdurch ver¬
anlaßt worden, sich gründlich in die Hydrotherapie einzuarbeiten und sie
bei Psychosen anzuwenden. Zeitlebens blieb K. ein Freund ausgedehnter
hydriatischer Behandlung (vgl. auch seine Mitteilung über feuchte Ein¬
packungen bei Psychosen, Psych.-neurol. Wschr. 1903).
Mit dem 1. Oktober 1887 trat K. in den erfolgreichsten Abschnitt
seines Lebens ein: er übernahm als Direktor die Leitung der Provinzial-
heilanstalt bei Ückermünde in Pommern. Fast 23 Jahre hat er hier mit
nie ermüdender Gewissenhaftigkeit seines Amtes gewaltet. Die Anstalt
verfügte 1887 nur über 330 Plätze und befand sich in ihren baulichen Ein¬
richtungen nicht mehr auf der Höhe der Zeit. K. zeigte bald sein Organisa¬
tionstalent, indem er zweckmäßige Freilegungen, Umformungen der alten
Gebäude, vor allem aber umfassende, zeitgemäße Neubauten anregte.
Sie sind in schöner Weise ausgeführt. Zu Ende seiner Amtstätigkeit besaß
die Anstalt in drei Verpflegungsklassen 624 Krankenplätze und alle Ein¬
richtungen für Überwachung, Hydrotherapie, freie Behandlung und Be¬
schäftigung der Kranken, wie sie die Neuzeit verlangt. Seit 1899 betrieb K.
eifrig die Angliederung einer Familienpflege in dem benachbarten Dorf
Liepgarten. Nach wenigen Jahren waren bereits 130 Kranke dort unter¬
gebracht.
K .s Verhalten gegen seine Kranken und das Personal war durch die
größte Humanität gekennzeichnet. Er beklagte es oft, daß bei der jetzigen
Massenansammlung der Kranken in großen Anstalten, bei der zunehmenden
Ausdehnung der psychiatrischen Laboratoriumsarbeit, die feine Kunst
der psychischen Behandlung von der jüngsten Generation unserer Psy¬
chiater nicht mehr jene Bewertung erhalte, wie zu früherer Zeit. Als eine
wesentliche Hemmung für die Vertiefung der psychischen Behandlung
empfand er andauernd den Umstand, daß die Krankenpflege in unsern
Anstalten zumeist in der Hand junger und ungebildeter Personen liegt.
Für eine stärkere Heranziehung gebildeter weiblicher Pflegekräfte, wie sie
in manchen Privatanstalten durchgeführt ist, setzte er sich ein. Die in
Ückermünde mit Heranziehung einer auswärtigen Schwesternschaft ange-
stellten Versuche führten indessen noch zu keinem befriedigenden Re¬
sultat. K. nahm die Beschäftigung mit dieser Frage, die ihm besonders am
Herzen lag, mit in den Ruhestand» und er hat mir auch dann noch wieder¬
holt in Briefen seine Vorschläge zur Ausführung empfohlen.
Den überzeugenden Anregungen K .s ist es auch zu verdanken, daß
in Pommern die Fürsorgeerziehungsanstalten fortgesetzt psychiatrisch
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beraten werden und eine psychiatrische Untersuchung der Zöglinge statt¬
findet. Er selbst hat im Aufträge der Provinzialverwaltung 1909 die
ersten mühevollen Untersuchungen an 222 männlichen und 95 weiblichen
Zöglingen ausgeführt und darüber ausführlich berichtet (Psych.-neurol
Wschr. 1910/11).
Im Januar 1909 wurde K. während seines Rundgangs im Hause der
Unruhigen von einem an lebhaftem Verfolgungswahn leidenden Kranken
überfallen, zu Boden geworfen und mißhandelt. Die hierdurch ent¬
standene körperliche und seelische Erschütterung wirkte offenbar be¬
schleunigend auf den Verlauf einer bei ihm bereits vorhandenen Arterio¬
sklerose. In der nächsten Zeit schien er den Freunden schneller zu altern,
obgleich er unvermindert tätig blieb. Am 5. September 1909 wurde er,
ohne das Bewußtsein zu verlieren, von einem Schlaganfall mit Sprach-
verlust und halbseitiger Lähmung betroffen. Obgleich sich sein Befinden
bald besserte und die von ihm energisch durchgeführten Kuren sichtliche
Fortschritte machten, konnte er seine Dienstgeschäfte nicht übernehmen
und ging am 1. November 1910 in den Ruhestand. Zunächst wählte er
Neuruppin zum Wohnort, wo sein einziger Sohn als Psychiater tätig war.
Hier beschäftigte er sich mit historischen Studien, u. a. mit der Entwick¬
lung der Irrenfürsorge in der Kurmark. Eh* wies nach, daß die 1801 in
Neuruppin eröffnete Landirrenanstalt die erste in Deutschland war, die
als solche neu erbaut wurde und daß sie in der Art des Betriebes in
vielen Hinsichten ihrer Zeit voraus war (vgl. Psych.-neurol. Wschr. 1913,
Nr. 21 und 22).
Ende 1913 siedelte K. nach Halle über. Hier ist er am 14. März 1915
unerwartet an Herzschlag verschieden.
K. war ein ernster, aufrechter Charakter. In der Verteidigung seiner
Anschauungen und Wünsche zeigte er große Zähigkeit., ging auch bis¬
weilen zu einer gewissen Schärfe über, die ihm sonst fern lag. Er verfügte
über eine große allgemeine Bildung, die er bis an sein Lebensende uner¬
müdlich zu vertiefen bemüht war.
In seinem Privatleben war er schlicht und anspruchlos. Obgleich
manche schwere Sorge durch Krankheit in seiner Familie auf ihm lastete,
ließ er sich nicht niederbeugen. Restlose Pflichterfüllung, ein unversieg¬
barer Optimismus und seine religiöse Weltanschauung erhielten seine Ar¬
beitsfreudigkeit. .Seine Freunde erfreute er durch warme Teilnahme und
zeigte für ihm erwiesene Aufmerksamkeiten eine rührende Dankbarkeit.
Für Geselligkeit und Frohsinn hatte er volles Verständnis, kollegiale Ver¬
sammlungen besuchte er gern. Auf Reisen und Wanderungen war er ein
prächtiger Kamerad, auch im Alter jugendfrisch in der Aufnahmefähigkeit
und Unternehmungslust. — Sein Gedächtnis wird von allen, die ihn kann¬
ten, in Ehren gehalten werden! Mercklin, Treptow a. Rega.
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Kleinere Mitteilungen.
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Prof. Dr. Erwin Stransky in Wien bittet zur Kenntnis zu nehmen,
daß er, veranlaßt durch die fortgesetzten Maßregelungen österreichischer
und reichsdeutscher Gelehrter durch französische gelehrte Gesellschaften,
an die Sociötö mödico-psvchologique in Paris, die ihn 1904 zu ihrem
membre associö ötranger gewählt hat, durch einen neutralen Fach-
genossen die Bitte gerichtet habe, ihn aus ihren Listen zu streichen.
Personalnachrichten.
Dr. Ehrhardt Bieberbach , Geh. Med.-Rat, Dir. d. Landesanstalt Heppen¬
heim, ist in den Ruhestand getreten.
Dr. Adolf Dannemann, ao. Prof. u. Med.-Rat, bisher Dir. d. Philipps¬
hospitals in Goddelau, ist zum Direktor der Anstalt Heppen¬
heim,
Dr. Hermann Schneider, Med.-Rat, Oberarzt im Philippshospital zu God¬
delau, ist zum Direktor dieser Anstalt ernannt worden.
Dr. Erich Gerstenberg, Geh. San.-Rat, Dir. der Prov.-Anstalt Hildesheim,
tritt am 1. Okt. in den Ruhestand.
Dr. Hans Schröder, Oberarzt in Lüneburg, ist zum Direktor der Prov.-
Anstalt Hildesheim,
Dr. Hermann Grimme, Abt.-Arzt der Prov.-Anst. Hildesheim, zum Ober¬
arzt derselben,
Dr. Friedrich Hagemeister, Anstaltsarzt in Neuruppin, zum Oberarzt
daselbst ernannt worden.
Dr. Philipp Jolly in Halle hat sich als Privatdozent habilitiert.
Dr. Fr. W. Quensel, Priv.-Doz. in Leipzig, und
Dr. Erwin Stransky in Wien sind ao. Professoren geworden.
Dr. Fritz Gerlach, Dir. in Königslutter und Mitglied des Landesmedizinal-
kollegiums, hat den Titel Geh. Sanitätsrat erhalten,
Dr. Adolf Lindenborn, Oberarzt im Philippshospital zu Goddelau, ist
Medizinalrat,
Dr. Hermann Petersen, Dir. der Prov.-Anst. zu Brieg, Geh. Sanitätsrat
geworden,
Dr. Johannes Bresler, Oberarzt in Lüben,
Dr. Ludwig Wicht, Abteilungsarzt in Freiburg (Schlesien),
Dr. Alfred Linke, Dir. d. Prov.-Anst. Kreuzburg (Schlesien),
Dr. Karl Ortmann, Dir. d. Prov.-Anst. Johannistal b. Süchteln,
Dr. Friedrich Schaumburg, Dir. der Privatanst. Waldbröl,
Dr. Paul Dabeistein, Dir. der Prov.-Anst. Neustadt (Holstein),
Dr. Herrn. Simon, Dir. der Prov.-Anst. Gütersloh, und
Dr. Reinh. Krauß, Dir. der Privatanstalt Kennenburg, haben den Titel
Sanitätsrat erhalten.
Zeitschrift für Psychiatrie. LXXII. 2.
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Dr. Ehrhardt Bieberbach, Geh. Med.-Rat, bisher Dir. in Heppenheim, hat
das Ehrenkreuz des Verdienstordens Philipps des Gro߬
mütigen,
Dr. Max Dost, Oberarzt am Sonnenstein, jetzt Oberstabsarzt, das Ritter -
kreuz 1. Kl. mit Schwertern des sächs. Albrecht-
ordens,
Dr. Franz Viedenz, Oberarzt,
Dr. Karl Sitzler und
Dr. Georg Schulze, Anstaltsärzte in Eberswalde,
Dr. Wilh. Schott, Anstaltsarzt in Sorau,
Dr. Felix Großmann,
Dr. Walter Knape und
Dr. Kurt v. Leupoldt, Anstaltsärzte in Teupitz,
Dr. Hans Behrendes, Anstaltsarzt im Wilhelmsstift zu Potsdam,
Dr. Max Kaufmann, Priv.-Doz. in Halle, und
Dr. Hans Clemen, Abteilungsarzt in Eickelborn, haben das Eiserne
Kreuz,
Dr. Erwin Stransky, Prof, in Wien, das Ritterkreuz des Franz-
Josefordens am Bande des Militärverdienstkreuzes
in Anerkennung tapferen und aufopferungsvollen Verhaltens
vor dem Feinde erhalten.
Dr. Adolf Knecht, Geh. San.-Rat, früher Dir. der Prov.-Anst. Uckermünde,
ist am 4. März,
Dr. Martin Bernhardt, Geh. Med.-Rat, ao. Prof., geb. am 10. 4. 1844 in
Potsdam, ist am 17. März an Herzschlag,
Dr. W. Reip, Geh. San.-Rat in Arendsee, und
Dr. A. Lilienfeld, San.-Rat in Lichterfelde, sind gestorben.
Dr. V iktor Vogel, Anstaltsarzt in Kolditz, ist einer schweren Verwundung
erlegen, die er als Stabsarzt in Ausübung seines Berufes für
das Vaterland erhalten hatte.
Dr. Rudolf Bundschuh, Oberarzt in Illenau, wo er seit 1903 ärztlich tätig
gewesen war, im jetzigen Kriege mit demEisernenKreuzunddem
Orden vom Zähringer Löwen mit Eichenlaub und Schwertern
ausgezeichnet, fiel, bei Ausübung seiner Berufspflicht im
Schützengraben von einem Granatsplitter getroffen, am
26. April.
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Über Rechtsfragen ans den Grenzgebieten von
Tabes dorsalis und Dementia paralytica.
Von
Obermedizinalrat Dr. Krenser, Winnental.
Tabes dorsalis und Dementia paralytica sind, darüber ist man sich
heutzutage einig, Krankheitbilder, die, verschieden in ihrer äußeren
Erscheinung, aus dem gemeinsamen Ursprung einer syphilitischen
Ansteckung hervorgehen. Erstere beschränkt sich an sich auf körper¬
liche Störungen, deren anatomische Grundlage in einer Entartung
der Hinterstränge des Rückenmarks zu suchen ist; letztere ist eine
Form von Geisteskrankheit mit nachweislichen Veränderungen vor¬
zugsweise in der Großhirnrinde. Wesensgleich ist die Natur der Ent¬
artungsvorgänge in Elementarbestandteilen des Zentralnervensystems;
verschieden der Sitz, an dem sie zur Entwicklung gelangen. Beide
Krankheiten sind Spätwirkungen einer syphilitischen Ansteckung;
meist setzen sie mit leichten Funktionsstörungen fast unmerklich ein,
am sich in langsamem Verlaufe weiter zu entwickeln, die Gehirn¬
krankheit meist rascher als die des Rückenmarks.
Jedes der beiden Krankheitbilder kann ohne das andere Vor¬
kommen. Namentlich bleiben Tabiker auch bei sehr langer Krank-
heitdauer häufig frei von allen geistigen Störungen und, wenn sie von
solchen befallen werden, so müssen sie nicht notwendig in den Formen
der Paralyse zutage treten. Selten nur bleiben Paralytiker ohne
Kückenmarkserscheinungen; nicht immer sind aber gerade die Hinter-
Stränge allein oder so vorzugsweise beteiligt, wie dies der Tabes eigen¬
tümlich ist. Man spricht darum auch kaum je vom Hinzutreten einer
Kückenmarkskrankheit zur Paralyse, faßt die Rückenmarkstörungen
vielmehr stets als Teilerscheinung derselben auf: sie ist der umfassendere
Begriff und die verhängnisvollere Krankheit. Schon das Leben wird
[ Ztitaehrift lOr Psychiatrie. LXXU. 3. lg
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Kreuser,
durch sie mehr verkürzt, vor allem aber auch zerstört sie frühzeitig die
Persönlichkeit. Bei der Tabes kann diese recht lange noch sehr wohl er¬
halten bleiben, und zerfällt sie schließlich doch in Form einer Paralyse,
so ist das für die klinische Betrachtungsweise zwar ein aus der Natur
des Leidens abzuleitendes Geschick, in den Augen nicht Eingeweihter
aber muß eine solche Wendung geradezu als eine zur ersten hinz u -
gekommene zweite Erkrankung erscheinen. Bedeutet es doch auch
für das praktische Leben einen gewaltigen Unterschied, ob bei einem
Menschen lediglich körperliche Gebrechen vorliegen, die sein eigenes
Befinden noch so sehr schwer beeinträchtigen, seine Beweglichkeit und
körperliche Leistungsfähigkeit noch so empfindlich schädigen mögen,
die ihm aber geistige Arbeit kaum weniger als bisher gestatten, und die
alle erforderlichen Maßnahmen der Behandlung in den häuslichen oder
sonst beliebig gewählten Verhältnissen ganz unbedenklich ermöglichen,
oder ob eine Geisteskrankheit zum Ausbruch kommt, die wie kaum
eine andere die gesellschaftliche Stellung und die Geschäftsfähigkeit
des davon Befallenen untergräbt, so wenig er sich vielleicht selbst
krank fühlt, so sehr er sich über alle seitherigen Verhältnisse erhaben
wähnt. Nicht rasch genug kann in der Regel ein solcher Kranker von
daheim weg in die Verpflegung einer Anstalt gebracht werden, soll
er nicht selbst schweren Schaden leiden und noch weiteren stiften.
Körperliche Veränderungen offenbaren sich bei ihm zunächst meist
nur einer sorgfältigen ärztlichen Untersuchung; sind sie erst stärker
ausgeprägt, so bedeuten sie auch schon den Anfang vom Ende, wird
dem Leben binnen weniger Jahre das Ziel gesetzt sein.
Nur soweit sie eine kausale ist, kann die Behandlung bei beiden
Krankheiten von gemeinsamen Gesichtspunkten ausgehen und nach
denselben Mitteln greifen. Noch schärfer trennt sich natürlich bei
beiden Krankheiten die Stellung der daran Leidenden zu allen recht¬
lichen Angelegenheiten. Während durch die Tabes als solche auch
nicht die geringste Verschiebung nach dieser Hinsicht eintritt, wird
eine Paralyse stets zu den krankhaften Störungen der Geistestätigkeit
zählen, die eine freie Willensbestimmung ausschließen, und die zur Be¬
sorgung der Angelegenheiten unfähig machen.
So einfach und klar die Dinge bei irgendwie feststehender
Diagnose liegen, so schwierig kann es werden, zwischen beiden Er¬
krankungen den Trennungsstrich zu ziehen, wenn wie nicht so ganz
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Über Rechtsfragen ans den Grenzgebieten von Tabes dorsalis usw. 193
selten za einer Tabes Erscheinungen von Geistesstörung sich hinz u -
gesellen, ob sie nun alsbald bezeichnender Art für die Paralyse sind, oder
ob sie zunächst unter andern Zustandsbildem auftreten. Auch in letzte-
remFalle wird die Kenntnis von derWesensgleichheit beider Krankheiten
stets paralytischen Charakter der Psychose befürchten lassen müssen,
wenn auch pathognomonische Störungen noch fehlen. Für die Entschei¬
dung von Rechtsfragen ist aber in der Regel nicht die Prognose, sondern
der zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehende Zustand maßgebend.
Auf der 33. Versammlung südwestdeutscher Irrenärzte hat Rühle *)
über zwei Fälle aus meiner Beobachtung berichtet, bei denen die klini¬
sche Selbständigkeit von Psychosen neben Tabes in Frage kam. Der
zweite derselben, über zwei Jahre lang ein Depressionszustand ohne
nachweisbare paralytische Kennzeichen, hat sich späterhin doch noch
als die verderbliche Gehimkrankheit entpuppt, die sie schließlich mit
der schon wesentlich länger währenden Tabes unter demselben klini¬
schen Gesichtspunkte betrachten lassen mußte. Noch keineswegs war
das jedoch der Fall, als um der ein Jahr übersteigenden Krankheit¬
dauer willen der betreffende Beamte in den Ruhestand versetzt werden
sollte. Über diese Rechtsangelegehheit konnte und mußte mit ihm ver¬
handelt werden. Dabei hat er sich nicht nur durchaus angemessen ver¬
halten, sondern alle einschlägigen Verhältnisse so klar und besonnen
beurteilt, auch die einschlägigen Gesetzesbest immung en so sicher be¬
herrscht, daß er den mit seiner Vernehmung beauftragten Kommissar
nicht nur in Erstaunen, sondern fast in Verlegenheit versetzt hat. So
war denn auch seine Geschäftsfähigkeit trotz des bestehenden De¬
pressionszustandes nicht zu bezweifeln, eine Beurteilung, die doch wohl
ausgeschlossen gewesen wäre, wenn irgendwelche Anzeichen damals
schon die Paralyse, auf deren Differentialdiagnose das Augenmerk
natürlich stets gerichtet geblieben war, hätten erkennen lassen.
Schwieriger noch muß die Begutachtung werden, wenn es sich um
Geisteszustände handelt, die nicht unmittelbar beobachtet werden
konnten, die aus dem späteren Verlauf auf einen früheren Zeitpunkt
zurückschauend beurteilt werden sollen. In einem solchen Falle hat
sich Rieger *) zur Frage der Rechtsgültigkeit eines von einem Para-
*) Allg. Zeitschrift für Psychiatrie Bd. 60, S. 219.
*) Vierteljahrschrift für gerichtl. Medizin und öffentl. Sanitäts¬
wesen 3. Folge XIV, 2.
15*
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194
Kreaser,
lytischen abgeschlossenen Hauskaufs dahin ausgesprochen, daß eine
maniakalische Erregung, wie sie 6 oder 8 Tage nach dem Abschluß des
Kaufs zu heftigstem Ausbruch gekommen war, nicht ausreicht, um
auch schon für den Zeitpunkt des Rechtsgeschäfts einen solchen Mangel
an Vernunft annehmen zu lassen, daß der Käufer zum Abschluß von
Verträgen unfähig gewesen wäre, obwohl er sich der Auffassung der
übrigen Begutachter, daß bei dem seit Jahren schon unzweifelhaft an
Tabes leidenden Kranken auch damals schon paralytische Erscheinun¬
gen vorhanden gewesen sein mußten, rückhaltlos anschloß. Obschon
ich mit zwei andern Kollegen immerhin mit einigem Vorbehalt andere
Schlüsse gezogen hatte, stehe ich nicht an, zuzugeben, daß unbedingt
schlüssige Beweise dafür nicht Vorgelegen hatten, daß ein in dubio pro
aegroto dabei mit in die Wagschale gefallen ist. Auch heute noch
würde ich mich durch die Ausführungen Riegers zu anderer Stellung¬
nahme wohl kaum bestimmen lassen.
Wo der zuletzt genannte Gesichtspunkt beim Rechtsstreite außer
Betracht bleibt, fällt lediglich den Parteien die Beweislast zu. So in
einem Falle jüngster Beobachtung, in dem es sich darum handelte,
welche Krankenkasse für die Verpflegungskosten eines Paralytikers
einzutreten habe, der im November v. J. schon wegen tabischer Be¬
schwerden in ärztlicher Behandlung gewesen war, am 22. Juni d. J.
aber wegen Paralyse gegen seinen Willen einer Anstalt übergeben
werden mußte. Noch in der zweiten Hälfte des Mai hatte er selbst
wegen seiner Rückenmarkserscheinungen sich neue ärztliche Ver¬
ordnungen erbeten; am 31. Mai aber hatte er im subjektiven Gefühl
vollkommener Heilung Wohnsitz und Arbeitsgelegenheit gewechselt.
Niemand hatte dabei zunächst an der Freiheit dieser Willensent¬
schließung gezweifelt; nachträglich erst sind Zweifel daran geltend
gemacht worden. Klinisch kann hier kein Zweifel sein, daß ein einheit¬
licher Krankheitprozeß vorliegt; Aufgabe eingehenderer Erhebungen
über das Verhalten und die Leistungen des Kranken während der Zeit
'seines Arbeitswechsels wird es sein müssen, mehr oder weniger sicher
nachweisen zu lassen, ob und inwieweit dabei schon krankhafte Beweg¬
gründe maßgebend gewesen waren 1 ). Auf den Tag hin wird sich aller-
*) Anm. b. d. Korr.: Die freie Selbstbestimmung des Kranken bei
seinem Wohnsitzwechsel ist inzwischen anerkannt worden.
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Über Rechtsfragen ans den Grenzgebieten von Tabes dorsalis usw. 195
dinge der Beginn der Paralyse kaum je festsetzen lassen, während ein
Rechtsbescheid unter Umständen solch scharfe Grenzen fordert.
In eine nach mehr als einer Hinsicht äußerst verwickelte Straf¬
sache hat dieselbe Frage hineingespielt. Ein 39 jähriger Mechaniker,
in 3. Ehe lebend und Vater von Kindern aus 2 Ehen, vor 19 Jahren
einmal gerichtlich bestraft, war wegen einer ungemein raffiniert
verübten Brandstiftung in der Schweiz verurteilt worden. Aus der
Strafhaft entwichen, hatte er in seiner deutschen Heimat bald Arbeit
gefunden, Tüchtiges geleistet und sich durchaus unauffällig verhalten.
Sein Aufenthalt wurde jedoch nach einiger Zeit ermittelt; Auslieferung
des deutschen Staatsangehörigen konnten die schweizerischen Behörden
nicht verlangen, wohl aber seine Strafverfolgung wegen desselben Ver¬
brechens durch ein heimisches Gericht. Während der Untersuchungs¬
haft kamen geistige Störungen zum Ausbruch, die Anlaß zur An¬
staltsbeobachtung wurden. Zunächst ergab sich, daß schon der Ver¬
urteilung vor fast 2 Jahrzehnten eine Beobachtung gemäß § 81 in der
Heidelberger Klinik vorausgegangen war. Auf Grund von Ausschreitun¬
gen in Baccho et Venere, wobei es auch zu einer luischen Infektion
gekommen war, hatte sich nach dem Gutachten der Klinik ein Zustand
von Neurasthenie mit affektiver Erregbarkeit entwickelt, der jedoch
nicht als Geisteskrankheit im Sinne des § 51 StGB, zu erachten gewesen
war. Nach erstandener Freiheitstrafe hatte der Mann dann auch eine
äußerlich geordnete Lebensführung gezeigt unter mancherlei wechseln¬
den Geschicken. Von der ersten Ehefrau hatte er sich offenbar aus
triftigen Gründen scheiden lassen, die zweite hatte er durch den Tod
verloren; in der dritten Ehe, einer Vernunftheirat, hatte es über die
Erziehung der Halbgeschwister öfters Meinungsverschiedenheiten ge¬
geben; ein Versuch, den wirtschaftlichen Verhältnissen durch ein
geschäftliches Unternehmen aufzuhelfen, war mißglückt, und schlie߬
lich hatte die persönliche Leistungsfähigkeit unter den Beschwerden
einer beginnenden Tabes notgelitten. Hatte er sich an seinem schweize¬
rischen Wohnort auch nicht viel Freunde gewonnen, so wurden doch
seine geschäftliche Tüchtigkeit und seine Sorglichkeit als Familien¬
vater trotz aller Wechselfälle anerkannt. — Wegen seines Leidens war
ihm von der Krankenkasse ein Kuraufenthalt bewilligt worden; mit
seiner ganzen Familie hatte er einen entfernten Landaufenthalt bei
Verwandten aufgesucht. Um sich beim Kassenvorstand vorzustellen,
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Kreuzer
war er Vorübergehend allem nach seinem Wohnsitz zurückgekehrt.
4 Tage nach seiner Wiederabreise brach in der Wohnung, die nur er
benutzt hatte, ein Brand aus. Verhältnismäßig rasch war gelöscht
worden. So war es möglich, die ganzen Veranstaltungen zur Brand¬
legung nachzuweisen und zu rekonstruieren. Mit den Drähten der
elektrischen Lichtleitung war ein eigens dazu hergerichtetes Uhrwerk
so in Verbindung gebracht worden, daß nach Tagen erst der zündende
Funke ausgelöst und auf die in den Möbeln aufgehäuften, leicht brenn¬
baren Stoffe fallen mußte. — Bei der Lage der Verhältnisse konnte
kein anderer Täter in Betracht kommen. Nach längerem Leugnen
hatte er auch in der Schweiz schon ein Geständnis abgelegt, dieses aber
am folgenden Tage widerrufen; durch das Drängen des Verhörrichters
wollte er dazu gepreßt worden sein. Zur Beobachtung auf seinen Geistes¬
zustand war er in eine Anstalt verbracht worden. Hatte er doch geltend
gemacht, daß er zu der Tat in einem Zustande von geistiger Ver¬
wirrung gekommen sei, den er auf das einmalige Austrinken eines
Lebenselixiers zurückführte, wie es ihm zum Gebrauch in kleinen
Gaben gegen sein Rückenmarksleiden empfohlen worden sei. Ärztlich
war eine Tabes dorsalis festgestellt worden, für eine krankhafte Störung
der Geistestätigkeit hatten sich keinerlei Anhaltspunkte ergeben.
Auch während der in Deutschland geführten Voruntersuchung hat
er nach anfänglichem hartnäckigen Leugnen eines Tages ein Geständnis
abgelegt des Inhalts, daß ein anderer mit seinem Vorwissen den Brand
in seiner Wohnung eingelegt habe. Er müsse damit herausrücken, weil
er es nicht länger aushalte, die steinerbarmenden Hilferufe seiner Frau
Tag und Nacht anzuhören, die ebenfalls hier in Haft sei, und die man
daselbst foltere und mißhandle, um von ihr für ihn belastende Aus¬
sagen zu erlangen. Angeblich nachdem ein inzwischen eingetroffener
Brief seiner Frau ihn von der Unrichtigkeit dieser Vorstellungen über¬
zeugt habe, hat er auch dieses Geständnis wieder zurückgenommen.
Die vom Gerichtsarzt angenommene akute Haftpsychose konnte durch
die Anstaltsbeobachtung bestätigt werden. Gehörshalluzinationen,
dauerten auch hier noch eine Zeitlang fort, verloren sich aber bald
unter sichtlicher Besserung des Allgemeinbefindens. Noch innerhalb
der Beobachtungsfrist kam es zu einer durchaus befriedigenden Ein¬
sicht für die neuerdings aufgetretenen geistigen Störungen. Die tabi-
gchen Erscheinungen bestanden ungefähr in gleicher Weise, wie sie
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Ober Rechtsfragen aus den Grenzgebieten von Tabes dorsalis osw. 197
von der schweizerischen Anstalt geschildert worden waren. Irgend¬
welche Anzeichen einer paralytischen Geistesstörung waren nicht nach-
znweisen, ja sie konnten für die Zeit der Beobachtung, wie für die
dar Tat bestimmt ausgeschlossen werden, während mit der jeder-
zeitigen Möglichkeit ihres Ausbruchs natürlich zu rechnen war. An der
strafrechtlichen Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten war in Überein¬
stimmung mit den schweizerischen Kollegen festzuhalten, und sein
Verhalten bei der Hauptverhandlung konnte diese Auffassung nur
noch bekräftigen.
Ein gewisses Gegenstück zu den Zweifeln, die sich bei der Be¬
urteilung von Tabeskranken ergeben können, bei denen eine Paralyse
wohl zu befürchten, aber nicht nachzuweisen ist, findet sich in den
Verlegenheiten, in die man durch erhebliche Bemissionen der Paralyse
versetzt werden kann. Wenn auch nicht allzu häufig, so kommt es
doch immer wieder einmal vor, daß die psychischen Erscheinungen
der Krankheit so zurücktreten, daß diese sich selbst genesen fühlen,
auch bei ihrer engeren und weiteren Umgebung diesen Eindruck er¬
wecken; ja der Arzt selbst kann psychopathologische Erscheinungen,
sei es auch nur eine leichte Abschwächung der geistigen Fähigkeiten,
nicht mehr nachweisen; nur einige leichte, an sich fast belanglose
Störungen von seiten des Bückenmarks müssen auch ihn von der An¬
nahme einer Genesung abhalten. Aus seiner Erfahrung kennt er aber -
das Damoklesschwert, das unsichtbar über dem Haupte der anscheinend
Wiederhergestellten schwebt; aus ihr heraus zögert er, sie aus der
Behandlung zu entlassen, wohl wissend, wie rasch in der Begel diesen
Scheingenesungen der Bückfall folgt, sobald das Leben wieder irgend¬
welche Anforderungen an ihre Widerstandsfähigkeit stellt. Werden
die ärztlichen Mahnungen zur Vorsicht in den Wind geschlagen, so
kann die Entlassung nicht wohl verweigert werden. Den Kranken
selbst kann aus Bücksichten der Menschlichkeit der ganze Emst ihrer
Zukunft nicht wohl geoffenbart werden; bei ihren Angehörigen herrscht
die Freude über die eingetretene Besserung viel zu sehr vor, um auf einen
Kassandraruf zu hören. Mit Sorgen im Herzen wird man solche Patienten
ziehen lassen, nie ohne eigene Bückendeckung durch einen Bevers.
Ernstlicher noch tritt die Verantwortlichkeit der Entscheidung
vor Augen, wenn über das Privatleben eines solchen Kranken hinaus
auch noch rechtliche Beziehungen in Frage kommen. So war einer
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Kreuser,
meiner früheren Kranken, ein Beamter, während einer anscheinend
raschem Verfall entgegenführenden Paralyse in den Ruhestand versetzt
worden. Wider Erwarten kam es zu einer ungewöhnlich vollständigen
Remission, in der er nach Hause entlassen werden konnte. Doch bald
wollte ihm das Stilleben in den ländlichen Verhältnissen seiner Heimat
nicht mehr behagen. Er suchte um Wiederverwendung im Staats¬
dienste nach und betrieb seine Ansprüche in dieser Richtung trotz
mehrfacher abschlägiger Bescheide mit allergrößtem Nachdruck.
Seine Eingaben zu diesem Zweck überraschten die Vorgesetzten Be¬
hörden, indem sie nach Form und Inhalt alle seine früheren dienst¬
lichen Leistungen merklich übertrafen. Auch die ärztliche Nachunter¬
suchung war nicht imstande, aus seinem psychischen Verhalten eine
Fortdauer der Paralyse zu verfechten. Wohl aber ließen sich bei sorg¬
fältigster Prüfung noch einige ihrer körperlichen Erscheinungen nach-
weisen. Für sich betrachtet, konnten sie nur noch auf Veränderungen
im Rückenmark hinweisen, hätten sie einen Anlaß zur Diagnose einer
Paralyse nicht abzugeben vermocht. Als Überreste einer solchen
dagegen mußten sie eine Heilung der Krankheit ausschließen und die
Wiederverwendung nicht empfehlen lassen. Wenn diese Ansicht durch¬
gedrungen ist, so mag dafür entscheidend gewesen sein* daß der be¬
treffende Kranke vor seiner Erkrankung durch seinen Alkoholismus
sich längst ein Ultimatum zugezogen hatte, so daß man wohl froh
war, irgendwelche Verpflichtungen ihm gegenüber nicht anerkennen
zu müssen.
Zugunsten eines Angeklagten konnte die Fortdauer in einem andern
Falle geltend gemacht werden, bei dem ebenfalls nur noch Rücken¬
markstörungen an einen vor 9 Jahren überstandenen paralytischen
Erregungszustand erinnerten. Damals wie jetzt war der Kranke wegen
Sittlichkeitsvergehen an Kindern in gerichtliche Untersuchung geraten.
War das erste Mal der Nachweis einer Paralyse mühelos zu führen ge¬
wesen, so mußte er sich das zweite Mal nahezu ausschließlich auf den
körperlichen Befund stützen. Auch dieser war so geringfügig, daß er
ebensowenig wie die Geistesbeschaffenheit ein Hindernis gebildet hatte,
in der Zwischenzeit den Beruf eines Briefträgers auszuüben. Immerhin
war er ausreichend, um die Diagnose einer Form von Geisteskrankheit
aufrechtzuerhalten, bei der eine freie Willensbestimmung ausge¬
schlossen werden muß. Der lange Zwischenraum zwischen den beiden
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Über Rechtsfragen ans den Grenzgebieten von Tabes dorsalis usw. 199
rechtswidrigen Vorkommnissen wurde aber ein Hindernis, um den
Kranken für gemeingefährlich erklären zu lassen.
Erhebliche Remissionen im Verlauf einer Paralyse werden gar
manchen Anstaltsarzt schon in die Lage versetzt haben, unsicher zu
werden in der Beurteilung etwaiger Rechtsfragen. Stand die Diagnose
einer paralytischen Erkrankung einmal fest, so werden wir ziemlich
aosnahmlos berechtigt sein, alle von ihr noch nachweisbaren Er¬
scheinungen im Sinne der Fortdauer des Krankheitsprozesses zu deuten
und gegebenenfalls auch in der Anwendung auf etwa anfallende Rechts¬
fragen zu verwerten. Auch körperliche Erscheinungen, die für sich
allein nur auf ein Rückenmarksleiden hinweisen, reichen angesichts
ihrer ‘Wesenseinheit mit dem einmal aufgetretenen Gehimleiden hin,
um dieses nicht als erloschen bezeichnen zu lassen, wenn es auch zeit¬
weise keine offensichtlichen Erscheinungen mehr macht. Stimmen
doch alle bisherigen Erfahrungen darin überein, daß wirkliche Heilun¬
gen der Paralyse, wenn sie überhaupt Vorkommen, so verschwindend
selten sind, daß sie, wo es sich um Entscheidung praktischer Fragen
handelt, nicht in Aussicht genommen werden können.
Eröffnet uns auf der andern Seite die jetzt wohl nicht mehr zu
bezweifelnde Tatsache, daß es ohne frühere luische Infektion weder zur
Tabes noch zur Paralyse kommt, die Aussicht, beiden Erkrankungen
künftig mehr als seither Vorbeugen zu können, zumal seit Einführung
neuer Mittel in die Syphilisbehandlung, so darf uns die Einheitlichkeit
des Krankheitsprozesses nicht dazu verleiten, aus früheren Folge¬
erscheinungen auch auf die Unausbleiblichkeit der später etwa mög¬
lichen zu schließen. Insbesondere bedingt die Tabes nicht auch schon
eine Paralyse, ist nicht einmal jede geistige Störung, die sich zu jener
hinzugesellt, als Weiterentwicklung zur Gehimkrankheit auf gleicher
Grundlage zu deuten. So große Bedeutung jede klinische Erkenntnis
für die Bemessung des zukünftigen Schicksals der Erkrankten hat, so
darf sie doch auch nie überschätzt werden, darf insbesondere der Boden
der Tatsachen nicht verlassen werden, wenn unser Wissen auf prak¬
tische Fragen des Lebens und seiner Rechtsverhältnisse Anwendung
finden soll. Die Wesensgleichheit verschiedener Krankheitserscheinun-
gen hebt die Notwendigkeit nicht auf, das jeweilige Krankheitbild für
sich ins Auge zu fassen und nach seiner zeitweiligen Rückwirkung auf
die Persönlichkeit zu beurteilen.
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Zur Lehre von den psychischen Entwicklungs¬
störungen (Infantilismus).
Von
Dr. Otto Juliusburger-Steglitz-Berlin.
Die beiden Fälle, welche Gegenstand meiner Begutachtung waren,
sind geeignet, eine Fülle wertvollen Materials beizubringen, so daß
ihre Mitteilung schon aus diesem Grunde berechtigt erscheint. Wie
immer man sich zu meinen Schlußfolgerungen auch stellen mag, so
wird man mir darin recht geben, daß man bei der Beurteilung der
pathologischen Persönlichkeiten die psychischen Entwicklungsstörun¬
gen, die diffusen und die partiellen, mehr als bisher zu berücksichtigen
hat. Hierbei kommt die Ontogenese sowie die Phylogenese in Betracht.
Ich verweise auf meine eingehende Arbeit über diesen Gegenstand in
der Zeitschrift für Sexualwissenschaft 1. Band, 5. Heft, August 1914:
„Zur Lehre vom psychosexuellen Infantilismus.“ Ich glaube, daß ich
den beiden Gutachten, welche ich nun folgen lasse, nichts hinzuzu¬
fügen brauche.
Fall I. Ärztliches Gutachten über den Geisteszustand des Herrn
J. B., Bankbeamter, geb. 7. Oktober 1870.
Ich lasse zunächst die eigenen Angaben des Herrn B. über sein
eigenartiges Seelenleben folgen. Die Aufzeichnungen lauten:
„Mein qualvolles Leben.
Als neunjähriges Kind hatte ich das Unglück, von der herabfallenden
Eisenstange eines Torweges auf den Kopf getroffen zu werden. Ferner
wurde mir die Spitze des Zeigefingers der linken Hand gequetscht, was
noch heute zu sehen ist. Es ist kein Zweifel, daß dieser Umstand auf mein
Geistesleben oder auf meinen Geisteszustand von schädlicher Wirkung
war, oder besser, noch ist. Wenn auch dumme Jungenstreiche im Knaben¬
alter wohl eben nur als Jungenstreiche angesehen werden mögen, so ver¬
dienen die meinigen doch wohl eine nähere Betrachtung.
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Zur Lehre von den psychischen Entvicklangsstörangen (Infantilismus). 201
Wir hatten als Jungen viel Freiheit, wurden im allgemeinen aber
streng erzogen. Ich besuchte das Gymnasium zu Halle a. S. und wurde
von meinen Eltern zur Arbeit angehalten; aber außerhalb der Schule war
ich in tollen Streichen geradezu erfinderisch und zeichnete mich in sehr
unvorteilhafter Weise in bezug auf das Gemüt eines Knaben aus. Wenn
ich auch zuweilen recht weich von Gemüt war — das ist auch immer der
Grundzug meines Herzens gewesen und ist es auch heute noch — ich ging
als 14jähriger, ja bis lüjähriger Schüler ohne Antrieb des Sonntags oft zur
Kirche und weinte und unterhielt mich stets mit meinem Gott — warum,
weiß ich nicht und ist mir ein Rätsel geblieben —, so konnte ich mich doch
von gewissen Roheiten nicht losmachen; z. B. ich schnitt den Pferden
einmal den Schweif ab als 14jähriger Junge, oder schoß die Fenster meiner
Schule entzwei (was auch angezeigt wurde; der Verdacht fiel wohl auf
mich, ich wurde aber nicht gefaßt), ich fertigte mir einen sogenannten Kata¬
pult an und schoß damit Menschen und Tiere aus dem Bodenfenster.
Namentlich machte es mir als 16jährigem Schüler in der Sekunda noch
Vergnügen, die Pferde zu schießen, deren Führer sich das plötzliche
Scheuen nicht enträtseln konnte, oder wir Jungen kauften uns eine
Pistole, schossen in eine einsame Gegend, ich fiel zur Erde und stellte mich
tot, es versammelten sich viele Leute, plötzlich sprang ich auf und lief
davon. Weiter hatte ich einmal einem Bierkutscher während seiner Fahrt
den Hahn eines Bierfasses aufgedreht, so daß der Inhalt herauslief; solche
Streiche habe ich viele vollführt.
Daneben aber kamen auch wieder Momente über mich, in denen ich
melancholisch war, oft tagelang; wie gesagt, ging zur Kirche, weinte,
ohne zu wissen, weshalb, auch im Bett des Nachts. Stahl mich heimlich,
namentlich des Sonntags abends, von Hause fort und wanderte stunden¬
lang wie im Traumzustande in der näheren Umgebung der Stadt umher —
unglücklich ohne Ursache —; einmal begegnete mir ein weinender Bettler,
und ich gab ihm meine ganze Barschaft: So, armer Mann, nimm hin, ich
brauche kein Geld; und ich weinte mit ihm. Aus den Mädels machte ich
mir nichts; ich habe bis zu meinem 20. Jahre keinen weiblichen Verkehr
gehabt, auch keinen Sexualtrieb.
Ich verließ das Gymnasium (Obersekunda), weil ich nicht recht fürs
Studium geeignet schien, und wurde Bankbeamter. Ich kam zu einem
sehr strengen Chef und habe mir auch während dieser dreijährigen Lehrzeit
nichts zuschulden kommen lassen.
Meine Militärzeit als Einjährig-Freiwilliger gestaltete sich etwas
bewegter. Anfangs mit großer Lust und Liebe, nein, ich will sagen, ich
war stets ein Soldat mit Lust und Liebe. Trotzdem habe ich aber während
dieser Zeit Momente erlebt, die auf einen krankhaften Geisteszustand
schließen ließen. Auch als Soldat hatte ich oft Anfälle von Schwermut
und Melancholie. Auf Wache habe ich stets des Nachts, den Blick nach
oben, mich in den Himmel versetzt gewähnt und Gott ganz nahe bei mir
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Qriginal fro-m
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202
Juliusbarger,
gefühlt, bei stürmischer Nacht am meisten. Die Eidesformel ist das Erste,
was der Soldat auswendig lernen muß; sie ist leicht zu erlernen, jeder,
auch der dümmste Rekrut, lernt sie. Für mich, als gebildeter Mensch,
war das natürlich nicht schwer — trotzdem verließ mich einmal, als ich
sie hersagen wollte, vollständig das Gedächtnis; ich war nicht imstande,
sie zu sagen. Ich hätte mich in dem Moment töten mögen vor Scham.
Obgleich ich nun sehr tüchtig war, so kann ich noch heute nicht be¬
greifen, wie ich dazu kam, einmal die Andacht zu stören während der Kirche,
indem ich meinen Helm mit lautem Getöse zur Erde fallen ließ — es war
mir, als ob mir etwas ins Ohr raunte: Paß’ auf, wie sie sich alle umdrehen
werden. Obgleich es mir eigentlich unangenehm war, so hatte ich doch
den unwiderstehlichen Drang, das zu tun. Nachher schämte ich mich
vor mir selbst und bat Gott, mir zu verzeihen.
Ein zweiter Streich konnte mich Zeit meines Lebens unglücklich
machen. Ich verließ einmal nach einer Übung des Scharfschießens heimlich,
als hinter der Front marschierender Unteroffizier, meine Kompagnie, um
bequemer nach Hause zu kommen mit der Bahn. Man hatte das bemerkt
und dem Hauptmann gemeldet. Das geschah auch mit großem Unbehagen,
aber unter Ausschluß meines normalen Denkvermögens, unter einem
plötzlichen Drange. Wirklich reumütig hörte ich die Strafpredigt des
Hauptmanns mit an — nachher lachte ich darüber wie ein Narr.
Auch als Soldat hatte ich nicht das Gefühl einer normalen Sinnlich¬
keit; es fiel mir auf, daß ich oft impotent war, ohne viel Geschlechtsverkehr
gehabt zu haben; ich war darüber manchmal unglücklich.
Ich habe auch noch andere dumme Streiche begangen, deren ich
mich aber nicht mehr entsinnen kann.
Als verheirateter Bankbeamter mit 25 Jahren begann für mich nun
eine Zeit, an die ich mit Grauen denke. Da ich sehr viel in meinem Leben
gearbeitet habe, öfter bis nachts 1 Uhr % Jahr lang, so wurde ich noch
nervös, und ich vermute, daß durch diese Nervosität auch meine bis dahin
verhaltene Sinnlichkeit zum Ausbruch kam. In den ersten Jahren meiner
Ehe war mein Sexualgefühl normal. Aber je mehr meine Nervosität
zunahm, desto sinnlicher wurde ich*. Meine dummen Streiche hörten auf,
aber eine Wandlung auf sexualem Gebiete trat bei mir ein. Ich habe
meine Frau stets geliebt, konnte mich aber nicht enthalten, außer dem
ehelichen Beischlaf, der rapide nachließ, mich anderswie zu befriedijgen.
Es war eigentlich keine Befriedigung, sondern nur ein qualvoller Drang,
dem ich trotz allen Widerwillens unterlag. Willenlos fing ich an, Onanist
zu werden. Immer tiefer und tiefer, je nervöser ich wurde, sank meine
Energie, wenn ich überhaupt welche hatte — nein! Im Geschäft war ich
tüchtig; in meiner freien Zeit war ich kein Mann, sondern ein Kind. Meine
Onanie trieb mich hinaus ins Freie, an einsame Stellen — ich kam mir vor
wie ein Blödsinniger —, nur in der freien Zeit hinaus; was da geschehen
sollte — ich weiß es noch nicht, aber es sollte und mußte etwas geschehen.
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Zur Lehre von den psychischen Entwicklungsstörungen (Infantüismus). 203
Als ob ich hypnotisiert worden wäre, so stellte ich mich in das Gebüsch
und onanierte vor Mädchen und Frauen, die da vorüberkamen. Mit qual¬
voller Angst und nachheriger Scham. Ich hatte meinen ganzen sittlichen
Halt verloren; meine Frau hatte keine Ahnung. Ich trieb das so lange,
bis ich gefaßt wurde. Ich verlor meine gute Stellung als Kassierer der D.
Bank in Hannover. Es kam aber auch meine Frau nicht auf die gesunde
Idee, mich heilen zu lassen. Wir waren ohne Verkehr und blieben für
uns. Wir sind brave und redliche Menschen, aber waren damals ver¬
schüchtert, und aus Angst haben wir wohl nichts unternommen, um meine
Heilung zu erlangen. Wir mußten Hannover verlassen und fuhren nach
Halle zu unseren Verwandten. Hier wurde ich von meiner Frau streng
bewacht und hatte ich die feste Absicht, nie wieder so etwas zu tun, sondern
arbeitete eifrig an der Erlangung einer neuen Stellung, was mir indes so
leicht nicht gelang. Trotzdem einige Monate ruhig verlaufen waren,
erfaßte mich der unglückselige Trieb wieder. Es mag wohl auch zum Teil
an meiner Frau gelegen haben, daß sie sich nicht genügend Mühe gab,
mich an sich zu fesseln, d. h. öfter sich mir hinzugeben — wenn ich nicht
zu ihr kam —, sie hatte mich nur selten animiert. Ich kann nicht sagen,
daß ich keine Zuneigung zu meiner lieben Frau gehabt hätte — ich meine
in geschlechtlicher Beziehung, nein —, wir haben uns sehr lieb, aber
komischerweise fehlt bei uns der gegenseitige Antrieb, unsere Gefühle
ineinanderfließen zu lassen in dieser Hinsicht. Kurz, meine Melancholie
machte sich wieder bemerkbar und das Gefühl, daß ich im Grunde un¬
glücklich war, teils aus verfehltem Berufe. Unbewußt trieb es mich wieder
zu abendlichen Wanderungen an; ich unternahm wieder träumerische
Spaziergänge in denselben Gegenden des Abends, die ich als Knabe vor-
oahm. Ich war wieder der Onanie verfallen, und ich war dabei glücklich
und tief unglücklich; ich tat es öfter, um mir wehmütige Gefühle zu ver¬
schaffen ; ich befand mich in einem Taumel, in einer Fülle von gemischten
Gefühlen, ich war geisteskrank.
In diesem Zustande geschah das Unglaubliche, daß ich wieder vor
Frauen onanierte und zum zweiten Male gefaßt wurde. Nach meiner Ver¬
urteilung ging ich hinaus auf den Friedhof und — onanierte; ich wurde
in ganz erschöpftem Zustande auf einem Grabe aufgefunden. Man sperrte
mich ein, ich verbüßte meine Strafe in Berlin. Kein Mensch außer meiner
Gattin wußte davon.
Mit äußerster Anstrengung fand ich bald eine Anstellung, und es
schien fast, als ob meine Vernunft zurückgekehrt sei oder besser, als ob
ich endlich ein normaler Mensch werden würde. 10 Jahre lang habe ich
mich als fleißiger Beamter bewährt. Ich hatte die Fähigkeit in mir, meine
Gedanken beisammenzuhalten, und obgleich wir geschlechtlich nur etwa
achttägig verkehrten, so schien das alles gut zu sein. Indes vor 2 Jahren
fiel ich mit dem Kopf auf den Rand der Badewanne, und ich fühlte nach
und nach wieder eine Wandlung mit mir eintreten. Ich liebe die Natur
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204
JuliuBburger,
und habe bedeutenden Schönheitssinn. Während der ganzen Jahre meines
Hierseins habe ich diesen Schönheitssinn für die Natur mit meiner Gattin
sehr gepflegt. Jeden Sonntag sind wir draußen; ich interessiere mich für
das Sammeln von Käfern und Schmetterlingen und betreibe diesen Sport
auch heute noch. Dieser übergroße Schönheitssinn für alles, in dem die
Schönheit zu finden ist, veranlaßt wohl meine Melancholie und hängt sehr
mit meinem Sexualleben zusammen. Aber durch den unglücklichen Fall
ist, wie gesagt, wieder eine Wandlung in mir vorgegangen.
Meine Wunde drohte wieder aufzubrechen, es kamen wieder Momente
über mich, die mich unglücklich machten. Nicht nur meine Jungenstreiche,
nein, auch sexuelle Verirrungen quälten mich von neuem. Langsam,
immer mehr und mehr, als 40jähriger Mann hatte ich wieder unter dem
Drucke der krankhaften Störung meiner Geistestätigkeit zu leiden. Trotz
energischer Gegenwehr fing ich wieder an, dumme Jungenstreiche zu voll¬
bringen. Z. B. machte ich mir einen Katapult, um allerhand Allotria zu
treiben; ich schoß nach den Laternen, nach den Vögeln usw. Meine Frau
verbrannte das Ding.
Beim Käfersammeln, wenn ich allein war und ich lag zum Ausruhen
auf einer Wiese, überkam mich Melancholie und Lebensmüdigkeit; ich lag
auf der Erde und schaute gen Himmel, bat Gott und erflehte Ruhe im
Herzen, sprach mit ihm: „Sieh*, alles um mich her erfreut sich der schönen
Natur, Deiner Schöpfung, die Käfer, alle Insekten sind fröhlich und fliegen
im Sonnenschein, weshalb liege ich hier so grundelend — ich, der ich
doch tausendmal höher stehe, ich, der ich Dein Ebenbild sein soll 1 Mache
mich zu einem vernünftigen Menschen, gib mir die Vernunft l“ Oft
habe ich so gelegen und bitterlich geweint — doch die ersehnte Gesundung,
sie kam nicht. Ich trug immer den Drang mit mir herum, etwas zu erfinden,
etwas zu unternehmen, etwas mußte geschehen. Ich belauschte draußen
im Walde Liebespaare, wurde aber meistens entdeckt, und schamrot hatte
ich dann viele unangenehme Situationen zu bestehen. Ekel erfaßte mich
vor mir selbst. Auf der einen Seite von großem, übergroßem Schönheits¬
sinn beseelt, andrerseits fähig, die ekelhaftesten, unnatürlichsten Dinge
zu treiben. Wie oft habe ich während der Fahrt im „Hundekupee“ das
Schild „Für Reisende mit Hunden“ herumgedreht usw., die Tür während
der Fahrt geöffnet und heraushängen lassen, warum nur?
Auch heute noch habe ich oft den Drang, mich im Walde vor Frauen
hinzustellen.
Im vorigen Jahre nun kaufte ich meiner Frau eine größere Puppe,
damit sie damit spiele, obgleich ich kein Kinderfreund bin. Das geschah,
von einer plötzlichen fixen Idee erfaßt, die ich nicht wieder loswerden
konnte. Die Leute sahen mich in dem betreffenden Geschäft groß an, und
ich wußte eigentlich nicht, was ich kaufen wollte.
Während des letzten Sommers hatte ich mir wieder einen Katapult
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Zur Lehre von den psychischen Entwicklungsstörungen (Infantilismus). 205
gemacht, um zum Fenster hinunter auf die Straße zu schießen. Meine Frau
überraschte mich und verbrannte das Ding wieder.
Auch leide ich seit einiger Zeit an Kleptomanie; ich habe den Dieb¬
stahl gehaßt; nie in meinem Leben habe ich mich mit fremdem Eigentum
bereichert. Ich gehe nie mehr allein in ein Geschäft, um etwas zu kaufen,
ich weiß bestimmt, daß ich dann stehlen muß.
öfters habe ich den unwiderstehlichen Drang, zum Fenster hinunter¬
zuspringen; meine Frau hütet mich davor.
Auch habe ich in der letzten Zeit, so oft ich zum Fenster hinuntersah,
die Passanten mit „pst 1“ angerufen, sahen die hinauf, dann rief ich ihnen
„Guten Tagl“ zu, oder ich verschwand vom Fenster. Warum? Ich
spüre daran eigentlich kein Vergnügen, sondern immer nur unangenehme
Seelenqualen. Auf der Straße, auf dem Heimweg, sehe ich die Nummern
der Straßenbahnen und fange an, dieselben zu addieren, bis ich, erschöpft,
die Summe, die dann in die Hunderttausende geht, nicht mehr behalten
kann, und so beschäftigen meinen Geist unter einem Zwange die unglaub¬
lichsten Wahnideen.
Neulich nun hatte ich eine Vision. Ich wurde von einem Etwas,
das mich angrinste, ich kann nicht sagen, war es eine bestimmte Gestalt —
nein, es überkam mich eben ein grinsendes Gefühl, ich stand an einem
Automaten und hörte das unheimliche, rätselhafte Surren desselben,
dieses grinsende Gefühl und nebenbei eine wie unsichtbare Hand drängten
mich dazu, da hinein auch etwas zu stecken, wie es das Etwas auch tat.
Ich wehrte mich vor der Ausführung des Gedankens wohl noch in dem
Bewußtsein, daß das doch nicht anständig sei, jedoch der Gedanke hatte
sich in mich festgekrallt und ließ mich nicht mehr los. Anfangs wollte ich
Steine, Sand hineinstecken. Meine erfinderische Idee aber fiel auf Blech¬
münzen, die ich wider Willen mir anfertigte bzw. Bleimünzen. Ich suchte
mir altes Blei zusammen, und um den Münzen die ungefähre Form eines
Groschens zu geben, entsann ich mich auf ein Experiment, welches uns
als Schüler in der Schule gelehrt wurde. Mittels eines Gipsabgusses ver¬
fertigte ich mir die äußerst ungeschickte und plumpe Form eines Groschens
— zufällig auch hatte ich einige Tage vorher mir etwas Gips gekauft und
Zement, um eine schadhafte Stelle in der Wand meiner Küche selbst aus¬
zubessern — die ich selbstverständlich nicht verwenden konnte, denn es
war mir längst klar, daß man auf die Weise, wie ich es tat, indem ich Blei
in die Gipsform goß, keinen Groschen erzielen konnte. Ich schlug nun
erst das Bleistück breit und bearbeitete dasselbe nun mit einer Feile unter
langer, langer, mühevoller Anstrengung, so daß ich, nachdem ich etwa
15—20 hergestellt hatte, einsah, daß das Unsinn sei. Ich hatte nun auch
gar nicht am andern Tage die Absicht, wenigstens sträubte ich mich davor,
die Dinge zu verwenden. Aber der unwiderstehliche Drang kam wieder,
ich zerkratzte mir den Kopf, hatte keine Ruhe, simulierte und dann verlor
ich ganz das Bewußtsein einer bösen Tat. Ich verwendete anscheinend
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Original frorn
UMIVERSITY OF MICHIGAN
206
Juliusburger,
keine richtigen Groschen, da ich die Untergrundbahn wenig benutze und
ich auch nicht gewußt hätte, was ich mit den Karten anfangen soll. Das
Etwas sagte mir, „du brauchst dich ja gar nicht zu bemühen, das lohnt
doch gar nicht, versuch es nur, stecke sie doch nur ruhig hinein“, und ich
unterlag auch. Die wenigen Karten der Untergrundbahn, die ich zog,
habe ich vor Scham sofort zerrissen und weggeworfen. Ich fiel unglück¬
licherweise an einem der nächsten Tage von der Stufenleiter auf den
Rücken und Kopf und lief wie im Taumel umher. In dieser Zeit geschah
es, daß ich in völliger Geistesumnachtung bzw. in krankhaftem Zustande
meines Geistes die Tat noch einmal an einem Briefmarkenautomaten
beging, wobei ich ertappt wurde. Ich habe das aufrichtige Gefühl, daß ich
mich nicht bereichern wollte um die lumpigen Groschen, sondern im
unwiderstehlichen Drange, von der fixen Idee erfaßt, gehandelt habe.
Ich habe gar keine Korrespondenz und die Marken und Karten zur momen¬
tanen Benutzung nicht nötig gehabt; ich habe mich stets in geordneten
Verhältnissen befunden und war zurzeit im Besitze von etwa über 100 M.
Bargeld. Möge Gott, der mich so hart prüft und straft, verhüten, daß ich
als Dieb gebrandmarkt werde, sondern den guten Menschen die richtige
Erkenntnis geben, daß ich im krankhaften Geisteszustände gehandelt habe.
Ihr guten Mitmenschen, helft mir, es ist Eure heilige Pflicht. Zieht mich
zu Euch hinauf; ich will der Menschheit ein nützliches Mitglied sein, das
ist mein ehrlicher Wille. Ich küsse Euch die Hände.
Sollte ich für die wahnsinnige Tat wieder bestraft werden, dann
verzichte ich auf ein Weiterleben und möge dann Gott meiner Seele gnädig
sein.“
„Seit mehr als 20 Jahren verspüre ich auf dem Kopfe ein eigenartiges
Gefühl, anscheinend die Folge der unruhigen Geistestätigkeit. Lange,
lange Zeit, namentlich im Dunkeln, sitze ich stumpfsinnig in der Ecke des
Sofas und grüble über etwas nach. Ich kann jedoch niemals einen Ge¬
danken richtig ausdenken, da ich infolge des prickelnden Kitzels auf
meiner Kopfhaut mir Wunden gekratzt habe (mindestens 20 Jahre alte),
die verheilen und immer wieder von neuem aufgekratzt werden, obgleich
ich mir der Gefährlichkeit recht bewußt bin und meine Frau immer und
immer wieder die Hand herabzieht, bin ich nicht imstande, das zu
unterlassen.“
„Meine Eltern sind beide tot. Mein Vater starb an Rheumatismus
und Arterienverkalkung, war Bierbrauereibesitzer und später Rentner.
' Ich hatte zu demselben keine Zuneigung und keine Kindesliebe, da er
sehr, sehr strenge war und mich als Kind fast barbarisch gezüchtigt hat,
und zwar öfter wegen kleinen Vergehens, so z. B. hatte ich als zwölfjähriger
Knabe den Drang, mich in der Umgebung meiner Vaterstadt herumzu¬
treiben und allerlei dumme Jungenstreiche zu vollführen. Z. B. ich stand
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Zur Lehre von den psychischen Entwicklungsstörnngen (Infantilismus). 207
auf einer Eisenbahnbrücke und schoß mittels eines Katapultes Steine oder
Bleikugeln in den Schornstein der unter mir hindurchfahrenden Loko¬
motive oder schoß auf den gewöhnlich auf dem letzten Wagen sitzenden
Beamten eines Güterzuges, schoß nach den Vögeln und überhaupt auf
alle Leute, die mich nicht erwischen konnten, z. B. über die Saale nach
den am gegenüberliegenden Ufer spazieren gehenden Leuten, namentlich
aber sehr gern nach den Polizisten und freute mich dann ihrer Ohnmacht.
So trieb ich mich denn auch bis spät in die Nacht hinein auf den Jahr¬
märkten herum. Einmal stand ich den ganzen Tag bis um 12 Uhr nachts
am Kaspertheater, wo mich mein Vater aufsuchte; ich bekam dann zu
Hause solch barbarische Schläge mit dem eichenen Spazierstock, daß ich
von meiner Mutter halb tot ins Bett getragen wurde und krank wurde.
Ich liebte meine Mutter sehr und war schon als Kind erfüllt von kindlicher
Dankbarkeit für alle die Sorge und Pflege, die meine Mutter mir ange¬
deihen ließ. Sie erkannte mein weiches, dankbares Gemüt, und so war ich
auch ihr Lieblingskind. Indes konnte ich bei meiner allzu großen Be¬
scheidenheit, fast möchte ich sagen Blödheit, meine Liebe zu ihr nicht so
von mir geben, sondern ich trug diese Liebe still in meinem Herzen; auch
heute noch bin ich bei meinem allzu großen Schönheitssinn, der mich ja
Gott so nahe bringt, von einer sehr sensiblen Natur.
Ich liebe meine Mitmenschen und beklage, daß sie nicht alle glücklich
sind; ich beklage das viele große Elend unter der Menschheit und kann
nicht begreifen, weshalb Gott die Menschen, die doch sein Ebenbild sein
sollen, so hart prüft. Ich habe das Gefühl, als ob Gott gerade den Menschen,
die er liebt; ein hartes Los hier auf Erden beschert, so auch mir — und das
allein ist ein schwacher Trost für mich, daß ich mich Gott so nahe fühle.
Meine Geschwister sind gesund, bis auf meinen mißratenen jungen
Bruder, der auch das Bankfach erlernte, äußerst tüchtig war, jedoch durch
seinen großen Leichtsinn, Trunksucht und Hang zu liederlichen Frauen¬
zimmern, gewissenlosem Schuldenmachen ein abenteuerliches Leben führt
und der mit mir in keinerlei Beziehungen steht. Meine jüngste Schwester,
die in Halle eine Privatklinik besitzt, ist pervers veranlagt. Sie hat nur
Damenverkehr und sind ihr die ganzen Geschwister gleichgültig.
Als Knabe hatte ich leichte Auffassungsgabe, kam jedoch nicht in
der Schule recht vorwärts, da ich die zu Hause gelernten Aufgaben nicht
im Gedächtnis behalten konnte; ich litt zuweilen an großer Gedächtnis¬
schwäche, auch habe ich heute noch kein gutes Gedächtnis; ich wurde des¬
halb von meinem Vater mit dem Reifezeugnis zum Einjährigen vom Gym¬
nasium genommen und ich wurde Bankbeamter, da mein Vater glaubte,
daß ich nicht fürs kaufmännische öffentliche Leben geeignet sei, da er
also glaubte, ich würde mich nicht als selbständig behaupten können.
Als Kind schon hatte ich (z. B. als 14jähriger Knabe) melancholische
Anfälle; so schenkte ich z. B. einmal bei meinen abendlichen Streifzügen
in der Umgebung einem alten weinenden Bettler meine ganze Barschaft
ZmUehrift für Pqrohiatrie. LXXII. S. 16
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208
Julinsburger,
und weinte auch mit ihm und fühlte mich selbst so unglücklich wie dieser.
Ich hatte niemand davon erzählt, sondern fühlte mich allein glücklich,
da ich weiß, daß man sich seiner schönen Tat nicht rühmen soll, erst dann
findet sie bei Gott Wohlgefallen. Diese melancholischen Anfälle und reli¬
giösen Selbstgespräche, Unterhaltung mit Gott, habe ich auch heute noch.
Seit vielen Jahren schon onaniere ich, nicht indem ich mir etwas
dabei vorstelle, etwas Sinnliches, z. B. einen schönen Frauenkörper oder
dergleichen, nein, nur aus eigenem inneren Drange angespornt, nur um
mir selbst zu genügen; ich liebe meinen eigenen gutgebauten Körper.
Haare kann ich nicht leiden auf demselben, z. B. am Geschlechtsteil,
sie sind häßlich und verunstalten den Körper, dagegen auf dem Kopfe
sind Haare schön, und ein Kopf mit vollem Haarwuchs ist für mich etwas
Schönes und ruft gewissermaßen sinnliche Gefühle in mir hervor. Da ich
die Haare am Geschlechtsteil nicht leiden mag, so rasiere ich mir dieselben
stets ab.
Ebenso ist ein schönes Auge für mich der Inbegriff aller göttlichen
Schönheit. Es ist mir z. B. öfter passiert, daß, wenn ich in ein schönes
Auge sehe, gleichviel ob in ein männliches oder weibliches, ich von einem
unbeschreiblich seeligen, glücklichen Gefühl erfaßt werde, wie in den
Himmel getragen, von einer himmlischen Macht gehoben, bete ich die
Schönheit an. Gleichzeitig fühle ich mich nicht als Mensch, sondern als
die Sinnlichkeit selbst, und heiße Schamröte bedeckt mein Gesicht und
habe geschlechtliche Erektionen.
Auch leide ich an Kleptomanie schon seit langen Jahren. Ich habe
auch bereits einen Gegenstand, es war einer, den ich absolut nicht ver¬
werten konnte, ein ganz billiger Artikel, ein Kindernotizbuch, in der Hand
gehabt, um ihn zu entwenden, aber ich konnte mich noch rechtzeitig be¬
herrschen und legte ihn wieder hin. Seitdem gehe ich möglichst nicht
allein in ein Geschäft, sondern lasse alles von meiner Frau besorgen oder
gehe mit ihr, denn ich weiß genau, daß ich stehlen muß.
Ich beobachte auch im Walde die Liebespaare, obgleich mir das
seelische . Qualen bereitet, denn ich werde doch meistens zur Rede gestellt
und gesehen; einmal war es mir aber doch gelungen, eine Geschlechtsszene
mit anzusehen, was mir Erektion verursachte; ich onanierte dann sofort,
als ich das Taschentuch des betreffenden Mädchens, womit diese sich
gereinigt hatte, aufhob — unästhetische Handlungsweisen von meinen
Mitmenschen sind mir zuwider — und es lange berochen hatte. Ich in¬
kliniere überhaupt für sinnliche Gerüche, z. B. starke, süß duftende Par¬
füms erigieren mich, auch der Geruch der Geschlechtsteile.
Für Bier habe ich keine Neigung ; ich trinke sehr selten Bier, dagegen
esse ich viele, viele Süßigkeiten, Schokolade, Bonbons; wenn ich nichts
gleich zur Hand habe, dann esse ich auch Zucker. Dagegen rauche ich viel
und finde in dem Genuß der Zigarre ein sinnliches Betäubungsmittel.
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Zur Lehre von den psychischen Entwicklungsstörangen (Infantilismus). 209
Einmal vor einem Jahre kaufte ich mir eine Puppe, um vielleicht
selbst damit zu spielen, schenkte sie dann aber meiner Frau.
Ein schöner Körper, gleichviel ob weiblich oder männlich, erigiert
mich, z. B. bin ich im Theater und sehe die Beine der Balletteusen, dann
muß ich auf dem Abort onanieren, öfter auch sofort, indem ich auf
meinem Platze die Hände in der Hosentasche habe.
Ich habe schwere Träume: ich befinde mich oft in einer engen Gas¬
rohre, die öfter auf den Straßen liegen, so daß ich mich nicht bewegen
kann und dann fühlen muß, wie ich langsam immer mehr und mehr er¬
sticke. Ich springe aber auch öfter des Nachts aus dem Bett mit dem
Kopfkissen unter dem Arm und will zur Schule gehen und würge auch
meine Frau des Nachts; öfter sitze ich auch des Nachts plötzlich auf dem
Sofa, ohne es zu wissen. Als zehnjähriges Kind wurde ich des Morgens
oft in der Wiege meiner kleinen Schwester zusammengekauert gefunden,
ohne zu wissen, wie ich da hineinkam. Im Traum falle ich sehr oft vom
Himmel zur Erde und habe dabei wollüstige Empfindungen, indem mir
die Luft ausgeht.
Ich habe wollüstige Gefühle, wenn ich unter der Gewalt eines mir
sympathischen Menschen stehe, der mir befiehlt, das oder jenes zu tun.
Auch heute noch habe ich den Drang, irgendeinen dummen Jungen¬
streich auszuführen, ohne zu wissen, warum.
Zum Spielen bin ich sehr geneigt. Hätte ich Bleisoldaten, dann
würde ich mich ganz sicher damit beschäftigen. Neben allem diesen bin
ich sehr geschickt, z. B. habe ich mir einen Schrank mit 36 Kästen sauber
angefertigt, gebeizt und poliert, mit Glasfenstern, zum Zwecke der Auf¬
bewahrung meiner Insektensammlung. Ich beschäftige mich des Sonntags
in der Natur mit Insektenfang und bin in der Wissenschaft des Insekten-
lebens ziemlich gut orientiert. Ich betreibe diesen Sport mit allem Ernst,
indem ich mich bei der Beschauung der schönen Natur, in der Anbetung
derselben Gott so nahe fühle, und habe auch hier oft, indem ich auf einer
einsamen Wiese oder am Waldesrand liege, religiöse Anwandlungen. Aber
beim Beobachten des Insektenlebens habe ich auch erregte Momente,
*• B. bei der Begattung eines Bockkäfers beobachte ich so oft, wie der
Begattungsakt vor sich geht; es ist ein Gewaltakt, indem das Männchen
das Weibchen mit aller Gewalt festhält und vergewaltigt; es läßt ihm nur
einige Minuten Ruhe, um ein Ei abzulegen und wiederholt dann sofort
den Gewaltakt, und so fort bis zum 10. Male. Man kann die Geschlechts -
•eile sehen und den Penis des Männchens in Erregung sehen. Dabei errege
ich mich selbst und kann von dieser Beobachtung nicht loskommen.
Neulich, vor ca. 14 Tagen, hatte ich eine Vision oder befand mich
® «inem halb wachen Traumzustande. Ich sah eine Hand vor mir, welche
■weh auf einen Automaten wies, eine weiße, geisterhafte Hand. Dann
sah ich ein geisterhaftes Gesicht, aber nicht in einer deutlichen Form vor
nur. welches mich zu einem Automaten trieb, mich überkam ein nicht
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210
Juliusbarger,
wiederzugebendes, eigenartiges Gefühl, und ich befand mich im Banne
dieser Vision, welcher ich mich völlig unterwerfen mußte, gleichsam als
ob ich im Befehle einer Macht stände. Der Automat rollte, indem etwas
da hineingesteckt wurde, viel mehr und immer mehr; ich sah deutlich,
wie der Automat funktionierte, hundertmal hörte ich das Klingeln, wenn
jedesmal eine Karte herausfällt. Ich ging in ein Geschäft unter dem magi¬
schen Eindruck dieser Inspiration. Der Gedanke an den Automaten,
den ich auch am Tage immer wieder im Geiste sah, beschäftigte mich
während der Arbeit fort. Beim Nachhausewege, auf welchem meine Ge¬
danken, losgelöst von der Arbeit, sich in allen möglichen Unmöglichkeiten
und Dummheiten bewegten, ist in mir der Gedanke aufgetaucht, auch
möglichst Viel in den Automaten zu stecken, was, ist einerlei, Steine,
Sand odei* dergleichen. Zu Hause nun, nach dem Abendessen, setzte ich
mich in meine Grüblerecke des Sofas, und bei heftigem Widerwillen
wurde der Gedanke reif, auf alle Fälle den Automaten zum immerwähren¬
den Funktionieren zu bringen. Da mir einleuchtete, daß das nicht mit
Sand, Steinen geschehen konnte, ich aber auch nicht wußte, was ich mit
den vielen Karten beginnen sollte, wenn ich 10-Pfennigstücke hineinwarf,
und um meiner Erfindendes zu genügen, so entsann ich mich auf eia
Experiment in der Schule, daß man mittels Gipsabdrucks doch wohl eine
Scheibe aus Blei herstellen könne. Ich machte also den Abdruck eines.
10-Pfennigstücks mittels Gips und goß altes Blei hinein. Da sich nun
in den gewonnenen plumpen Formen einige Abzeichen des 10-Pfennig¬
stückes zeigten, so feilte ich diese ab, weil es mir peinlich war oder ich
nicht vor mir selbst als Fälscher erscheinen wollte, und schlug die Formen
erst ganz breit und feilte sie zurecht. Nun hatte ich ungefähr 15 Stück;
einige übrige wollte ich gar nicht weiter anfertigen, da es mir doch zu
schwierig war; ich genierte mich nun den nächsten Tag, meinen Plan zur
Ausführung zu bringen, sondern hatte diese Scheiben einen ganzen Tag;
in der Tasche. Auf dem Nachhausewege aber des Abends bekam ich doch
den unwiderstehlichen Drang, diese Dinger in den Automaten zu stecken
(oder war es am nächsten Morgen, das weiß ich nicht mehr genau), der
Gedanke hatte mich aber mit aller Gewalt gepackt, und ich konnte mich
nicht mehr erwehren, den Dummenjungenstreich auszuführen.
Ich hatte das Bewußtsein einer bösen Tat völlig verloren, ich wollte-
niemand betrügen oder schädigen, nur einen meiner Jungenstreiche aus¬
führen. Ich verwandte also einige dieser Scheiben, und ein glückliches
Gefühl überkam mich, daß es mir gelungen war, eine Gegenerfmdung-
gemacht zu haben. Zugleich aber hatte ich auch das Gefühl, daß ich
unrecht gehandelt hatte, und zerriß diese Karten sofort. Die eine, welche
bei mir gefunden wurde, wird wohl nicht davon sein, da ich mir auch vorher
2 Stück gekauft hatte, aber nur eine benutzt hatte, diese sollte zur Rück¬
fahrt dienen. Das weiß ich nicht mehr genau. Ich hatte nun die Absicht,
das nicht mehr zu tun, trug aber immer noch ca. 9 Stück mit mir herum.
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Zur Lehre von den psychischen Entwicklung Störungen (Infantilismus). 211
1 oder 2 Tage darauf, als ich mittags aus dem Geschäft kam, benutzte ich
nun nicht, wie gewöhnlich, den Autoomnibus Nr. 9, der mich nach Hause
bringen sollte, sondern ging zur Königstraße hinunter. Am Postamt blieb
ich stehen und entsann mich ganz plötzlich, daß da ein Automat steht.
Es zog mich in unwiderstehlichem Drange dahin, und ich mußte wieder
einige, drei Stück, Scheiben da hineinwerfen. Mit vielen Seelenqualen
tat ich das, da ich doch nun einmal schon das getan hatte. Ich wurde
dabei gefaßt und angezeigt; ich hatte zwei 5-Pfennigmarken gezogen und
zwei 10-Pfennigmarken, die ich sofort in meiner Aufregung verlor bis auf
eine 5 -Pfennigmarke. Ich wußte nicht, warum ich gerade Marken zog,
da ich keine Korrespondenz zu erledigen hatte.
Am Morgen des Tages, an welchem ich die letzte Tat Hhfipfr hatte
ich das Unglück, von der Stufenleiter zu fallen, auf den Rücken]Cnd fcchlug
mit dem Kopf auf die Erde auf. Ich vermute, daß mir der Umstahd alle
Überlegung und Besinnung raubte, sonst hätte ich es wahrscheinlich das
zweite Mal unterlassen.
Ich wende mich nun zur Mitteilung der diese umfassenden Selbst -
angaben des Herrn B. ergänzenden Bemerkungen, die in der hier über
Herrn B. geführten Krankheitsgeschichte enthalten sind.
Anamnese: Vater 59jährig an Arterienverkalkung gestorben (war
Brauereibesitzer); Potator; war sehr leidenschaftlich. Mutter 63jährig
an Erkältung. 7 gesunde Geschwister; 1 Bruder hat sehr ausschweifend
gelebt — war ins Ausland gegangen. Mißraten.
1913. 25. XI. Wurde heute aus der Nervenheilstätte hierher
verlegt, weil er gehemmt erschien und Äußerungen von Lebensmüdigkeit tat.
Spricht sich hier auch hoffnungslos aus: es sei ihm alles verloren nun —
er könne nicht mehr in die Höhe kommen.
Spricht leise, ziemlich monoton — liegt im Bett nach der Wand
zugekehrt —, will nicht essen, da er keinen Appetit habe.
26. XI. Hat die Nacht gut geschlafen, klagt aber über Schwindel -
gefühl.
Erzählt von seinen Träumen: von der Tonröhre (vgl. Autoanam¬
nese; die Röhre sei so gewesen, wie sie immer auf der Straße liegen—zirka
von seiner gewöhnlichen Größe; die Röhre sei immer enger geworden).
Von dem Fallen (s. ebenda): sein Gefühl dabei sei ängstlich und
schön zugleich gewesen, kitzelnd, Art Wollustgefühl; er fliege eine Zeit
in der Luft herum, komme dann sanft zur Erde. Sei dabei im Hemd
gewesen.
Selten von Tieren geträumt: von seinen Käfern — wie er solche
fange —, recht viele seltene fange.
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212
Juliusburger,
Auch mal von weiblichen Wesen: das auf seinem Schoß sitze, das er
umarme ohne sexuelles Gefühl: das komme dann später.
Er leide am Trieb, Gegenstände sich anzueignen — ganz gleich, was,
es reizt der Gedanke, „einen Streich zu vollführen“. Nehme gern Damen¬
strümpfe: Farbe einerlei; die schöne Form reize ihn, besonders wenn er
aufgezogen sei. Auch seidene Hemden, Korsetts — alles weibliche Unter¬
zeug* Bleibe lange bei solchen Auslagen stehen, habe Erektion dabei —
möchte alles haben.
Habe auch solche Sachen gekauft und angezogen, z. B. weibliche
Hemdhose; wenn seine Frau nicht da sei, ziehe er es schnell an, stehe vor
Spiegel, freue sich an seinen eigenen schönen Formen. Onaniere dann.
Tue das auch nackt.
Habe auch Unterrock seiner Frau angezogen, sei im Zimmer damit
umhergegangen, um sich Wollustgefühl zu verschaffen. Er fühle sich
direkt als Weib (schon seit einigen Jahren); denke z. B., er habe weib¬
liche Geschlechtsteile, das Gefühl befriedige ihn, er fühle sich dabei glück¬
lich. Er bestreiche sich, fasse seine Formen, bilde sich ein, ein Weib zu sein.
Habe das Gefühl, als sei er zufrieden, wenn er vergewaltigt werde,
z. B. von ihm selbst in der Eigenschaft als Mann. Denke sich, er werde
zu Boden geworfen — aufs Bett gedrückt—, man fessele ihn, vergewaltige
ihn, und zwar er sich selbst — nicht ein Fremder.
Er fühle das dann auch am ganzen Körper, besonders im Kopfe.
Sei dabei glücklich. Fühle auch den Geschlechtsakt selbst, denke sich
ganz in die Situation des Weibes hinein.
Zu Ejakulation komme es dabei nicht, nur zu Erektion.
An Selbtkindbekommen denke er nicht.
Weibliche Neigungen habe er sonst nicht, nur die, sich so zu bekleiden.
Habe mal daran gedacht, so gekleidet auszugehen; der Gedanke sei wieder
weggegangen.
Völlig bekleide er sich nicht mit weiblicher Kleidung; dann habe er
keine Befriedigung mehr, „weil die Schönheitsformen dann wegfallen,
verdeckt werden“.
Habe viel gelesen: Klassiker, Romane (Liebesromane), russische
Sachen: von Sacher-Masoch. Wie er darauf gekommen, wisse er nicht.
Finde auch Gefallen an Schilderungen aus dem amerikanischen Sklaven-
leben: denke sich dabei immer in der Rolle des (gemißhandelten) Sklaven.
Habe sich oft Bilder von Geschlechtsakten gekauft, besonders
nach Vergewaltigungsszenen gesucht.
Auch selbst solche gezeichnet (auf Bank liegendes Weib, das ge¬
züchtigt wird; dachte sich in deren Rolle hinein), auch Geschlechtsakte
zwischen Mann und Weib, regte sich dabei geschlechtlich auf.
Anonyme Karten oder Briefe habe er nicht geschrieben. Habe aber
mal (im Geschäft) Schilderung verfaßt: Schreiben eines Mannes an sein
Mädchen mit Beschreibung, wie sie sich treffen und was sie dann alles
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Zur Lehre von den psychischen Entwicklungsstörungen (Infantilismus). 213
für geschlechtliche Akte miteinander machen wollten; habe den Brief auf
die Straße geworfen, sei in der Nähe geblieben, um zu sehen, wer ihn auf-
hebe. Wollte dann dessen geschlechtliche Erregung beobachten. Nachdem
erst ein Herr den Brief aufgehoben und wieder weggeworfen, habe ihn
eine. Dame aufgehoben, die ihn dann auf einer Bank in den Museums -
anlagen unter vielem Kopfschütteln gelesen habe.
Er habe dann später noch einmal einen ähnlichen Brief geschrieben»
dann aber nicht abgeschickt oder dergleichen, sondern wieder vernichtet.
28. XI. Die Haare seien ihm seit 5—6 Jahren ergraut. Als Soldat
sich sehr gut geführt.
Seine Genitalhaare rasiere er seit 5—6 Jahren. Abneigung gegen
Behaarung, schon immer; habe auch den Schnurrbart immer kurz ge¬
tragen — nur der Frau wegen nicht abrasiert.
1896 Heirat. Keine Kinder: wollte keine (geringes Gehalt), taten
aber nichts dagegen.
Auf den zurechtgemachten Metallplatten sei keine Zahl gewesen:
habe sie weggefeilt. Tat das Ganze, um einen Streich zu spielen — „aus
Freude, etwas zu erfinden, was der Erfindung des Automaten ein Schnipp¬
chen schlagen kann“, eine Gegenerfindung. — Habe erst nicht gewollt,
sich gegen den Gedanken gewehrt.
Die Hand, die er damals gesehen, sei ihm eine weiße Gespensterhand
gewesen, die sich vor ihn stellte und ihn auf den Automaten hinwies. Das
geschah zu Hause. Sah den Automaten ganz deutlich, hörte das Schnurren:
das regte ihn besonders an — eine Art Lustgefühl, etwas zu unternehmen.
Habe erst nicht daran gedacht, den Streich zu machen, sei ins Ge¬
schäft gegangen ; erst nach der Rückkehr habe er dann die Bleistücke zu
machen begonnen.
Das Brüllen der wilden Tiere im Zoologischen Garten mache auf ihn
Eindruck, erfülle ihn mit Art Wehmut.
Könne keine Musik hören, ohne wehmütig zu werden.
Mit dem Katapult habe er nach Laternen geschossen.
Vor 2 Jahren habe er oft klingende Nägel vor Leute auf der Straße
geworfen: sie sollten erschrecken — sich umsehen. Jetzt habe er oft
Leute durch „Pst!“ angerufen: „um die Leute nach mir hinzulenken“;
er habe eigentlich nichts davon. Früher auch Trieb, Klingeln zu ziehen.
Als er neulich mit seiner Frau abends nach Hause kam, wollte er durch
Einklemmen eines Streichholzes die Treppenbeleuchtung dauernd machen,
damit immer Licht sei.
Gelegentlich Lust, falsche Bestellungen zu machen — habe es nicht
ausgeführt.
Sei 10 Jahre bei der Bank, habe jedes Jahr Zulage bekommen. Er¬
halte jetzt 3400 M., habe Buchhalterarbeit — nur Zahlenarbeit. Sei
nicht energisch — vielleicht infolge der Onanie.
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214
Juliusburger,
Freunde habe er eigentlich nicht: er vertraue seine Geheimnisse nicht
an; finde niemand, weil er meine, sich nicht aussprechen zu können.
Vor ca. y 4 Jahr habe er sich mal seine Handfläche mit Kreide be¬
schmiert und dann auf dem Rücken eines Dritten abgedrückt.
Bestraft: vor 10 Jahren wegen Onanie im Badezimmer bzw. auf
dem Balkon mit 50 M.; ein junges Mädchen habe das sehen können, wenn
,es das Opernglas benutzte; habe das auch getan. Wisse nicht, wie er
dazu gekommen. Dann kam wieder der Trieb stärker, sich abends herum¬
zutreiben: onanierte im Gebüsch. Schutzmann sah es, zeigte ihn an:
bekam 4 Wochen Gefängnis, die er in Tegel verbüßte, damit es in Halle
nicht bekannt wurde.
Seit 3 Jahren habe er wieder mehr Neigung zu Streichen.
(Irrtum/Lüge?) (besinnt sich lange): Lüge etwas, was nicht wahr
ist, Irrtum eine Meinung, die wirklich — man sich einbildet, was nicht der
Fall ist.
(Krug geht usw.) man tut etwas Unrechtes, bis man schließlich
so viel Schuld auf sich gehäuft, daß es doch ans Tageslicht kommen muß.
(frisch gewagt usw.) (gut definiert).
(Reichstag/Landtag?) — Reichstagsabgeordnete, die die Wünsche
der Bürger zur Sprache bringen, Landtag — bin ich nicht so orientiert.
(Wahl zum Reichstag?) geheime Abstimmung.
(zum Landtag?) — öffentlich.
(Fluß/Meer?) fließendes — stehendes Gewässer.
(steht die Nordsee?) ja — es ist kein Abfluß da.
(Charfreitag?) Christi Kreuzigung.
(Vorher?) Gründonnerstag — Christus auf dem ölberg.
(evang. Religion seit?) seit Luther.
(Luther lebte wo?) Worms — nein-Weimar.
(auf Wartburg?) ach Wartburg, ganz recht.
Pat. ist über mittelgroß, kräftig gebaut. Haupthaar schon ver¬
hältnismäßig stark ergraut. Ernährungszustand gut. Gesichtsausdruck
leidend, fast* finster. Spricht mit schwacher, leicht heiserer Stimme. Die
Genitalhaare sind ganz kurz: nachgewachsen, nachdem sie (wie er angibt)
vor etwa 8 Tagen abrasiert wurden. Genitalien o. B. Deutliche Stärker¬
entwicklung der Mammae, die starken Hof zeigen und daran starke Be¬
haarung. Hüftbreite geringer als Schulterbreite. Kopfperkussion nicht
schmerzhaft; am Hinterkopf etwas empfindlich. Wirbelsäule nicht druck¬
empfindlich. Dermographie deutlich. Motilität ohne Störung. Grobe
Kraft an Armen und Beinen gut. Pupillen reagieren auf L. und A. Augen-
bewegungen frei. Geringes Lidzittern beim ÄomAergschen Versuch: dieser
schwach positiv. Zunge gerade vor, zittert nicht. Gaumen o. B. VII. eher
Differenz. Bauchdecken-, Patellar-, Achilles- und Kremasterreflexe von
normaler Beschaffenheit. Keine Störungen der Sensibilität und Schmerz¬
empfindlichkeit. Reflexe an der oberen Extremität o. B. Geringer Tremor
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Zur Lehre von den psychischen EntwicklnngsStörungen (Infantilismus). 21Ö
digitorum. Lunge: normales Atemgeräusch. Herztöne rein. Puls regel¬
mäßig, nicht besonders beschleunigt (Bk —38 Schläge). Urin frei von
Eiweiß und Zucker. Auf dem behaarten Kopfe finden sich mehrere Borken,
von selbst erzeugten Kratzwunden herrührend.
Zum Schlüsse füge ich noch einige Mitteilungen an, welche mir die
Ehefrau des Herrn Johannes B., Frau B. B., in einem Brief an mich
niedergelegt hat. Frau B. schreibt:
„Meines Mannes ganzes Tun und Wesen kann wirklich keines nor¬
malen Menschen sein. Sein immerwährendes Vorsichhinstarren und
-sprechen und sich dabei die Haare bündelweise Herausreißen — die Hand
ist ftnmer auf dem Kopfe —, und frage ich: Was hast Du nur? dann kann
er mir nicht antworten. Auch des Nachts springt er auf und läuft im
Zimmer auf und ab, oder er faßt mich um den Hals oder sonstwo und
schüttelt mich grob hin und her. Dann sagt er wieder: Sieh, jetzt müßte
ich eigentlich sterben, wenn alles richtig zuginge. Und das geschieht so
«ft, ach so oft, dieses ruhelose Herumlaufen. Geht er nun auf den Balkon,
dann sagt er: Meine Füße heben sich, ich muß herunter, da werde ich schon
gesund werden. Und dann neckt er wieder die Leute und sagt ihnen „Guten
Tag!“ oder spricht: Ich kenne Sie ja gar nicht. Eines Tages überrasche
ich ihn dabei, wie er mit einer Schleuder auf die Laternen zielt. Zwei
davon habe ich schon verbrannt. Ich frage: Was machst Du nur? Warum
machst Du.das? Antwort: Ja, warum mache ich das? Kann ich nicht
um ihn sein, bin ich in Sorge und Angst. Auch sitzt er bis spät in der
Nacht auf und sagt: Ich muß was schaffen; ich habe meinen Beruf ver¬
fehlt. Da hat er Gips und Brotteig und macht allerhand Figuren. Eines
Tages kommen Bretter aus einer Fabrik, um sich einen Schrank zu bauen.
Herr Doktor, es sind so viele Sachen, die kein erwachsener normaler
Mensch macht. Sein schlimmstes Leiden ist wohl die Selbstbefriedigung.
Wie oft, ach wie oft muß ich das mit sehen. Glaubt er sich unbeobachtet,
dann macht er solche Sachen. Die ersten Jahre machte ich ihm Vorwürfe
darüber, da war er wohl beschämt und weinte wohl auch. Aber er kann
und konnte es nicht lassen; zumal vor zwei Jahren fiel er von der Bade¬
wanne. Er stand auf dem Rande derselben, um vom Hängeboden etwas
zu nehmen; da rutschte er ab und schlug mit dem Kopf auf den Rand der
Wanne. Ich fand, daß seit dieser Zeit sein Zustand immer schlechter
wurde. Und so gingen die jungen Jahre dahin. Ich habe alles getan,
was ich konnte, aber es blieb. Er konnte es wohl nicht lassen. Und nun
bitte ich Gott, daß er für seine Taten nicht bestraft wird. Ist er nicht
«hon so beklagenswert und unglücklich? Geehrter Herr Doktor, nicht
wahr, es wird Ihnen zu wenig sein, was ich schrieb. Bitte sehen Sie es
doch in den wenigen Worten, was ich Ihnen noch alles sagen möchte.
Sein ganzes Wesen und Leben ist mir ein Rätsel.“
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216
Juliusburger,
Analyse des Falles. — Der Bankbeamte Herr B., geboren am
7. Oktober 1870 zu Halle a. S., verheiratet, zuletzt wohnhaft in Berlin,
.. kam am 24. November 1913 in die Nervenheilstätte zu
Lankwitz.
Herr B. zeigte eine außerordentlich niedergedrückte, weinerliche und
durchaus ratlose Stimmung. Ich sah ihn verzweifelt die Hände ringen,
und immer wieder brachte er zum Ausdruck, daß er sich als unbegreifliches
Rätsel vorkomme und seine Handlungsweise ihm unverständlich bleibe.
Herr B. erzählte ohne jeden Rückhalt die ihm zur Last gelegte Handlung
und beteuerte unter Tränen, daß es ihm durchaus ferngelegen habe, sich
irgendwie Unrechtes Gut aneignen und damit bereichern zu wollen. Er
weist darauf hin, daß er seit langen Jahren in geordneter Vermögenslage
lebe und eine angesehene Stellung innehabe. Schon mit Rücksicht' auf
sein auskömmliches und völlig ausreichendes Gehalt erscheine ihm seine
Tat durchaus widersinnig und unfaßlich. Zur Zeit, wo er die in Frage ste¬
hende Handlung ausführte, habe er ein ganz ansehnliches Barvermögen
besessen, so daß auch nicht im entferntesten eine Notlage oder auch nur
eine materielle Schwierigkeit in seinen Verhältnissen bestanden hätte.
Dazu kommt, daß er die Untergrundbahn, in deren Fahrkartenautomat
er die nachgemachten Geldstücke hineingeworfen hatte, nur sehr selten
benutzte; vielmehr fuhr er von der Bank, wo er beschäftigt war, wenn er
eben eine Fahrgelegenheit benutzte, mittels des Autobus nach seiner
Wohnung. Nicht minder sei es ihm rätselhaft, wie er in den Briefmarken¬
automaten die aus Blei geformten Stücke habe werfen können. Natürlich
sei er in der Lage gewesen, über das geringe Geld zur Bestreitung der
Briefmarken, die er bei seiner geringen Korrespondenz benötigte, jederzeit
zu verfügen. Wie habe er nur so handeln können? Er, der sich einer
geachteten Stellung erfreut und ein ausreichendes Einkommen genießen
kannl Dafür habe er nur die Erklärung, daß er in der Tat einem krank¬
haften Trieb erlegen sei.
Herr B. hat nun in umfassender Weise sein Seelenleben enthüllt,
und die oben mitgeteilten Aufzeichnungen §ind als das Ergebnis der ein¬
gehenden Unterredungen anzusehen, die ich mit Herrn B. hatte. Die
niedergedrückte und die unglückliche Stimmung, die Herr B. am ersten
Tage seines Hierseins darbot, steigerte sich am 25. November gegen Abend
derart, daß er es offen aussprach, er wolle sich das Leben nehmen. Als
ich Herrn B. in der Abendstunde noch besuchte, fand ich ihn in Tränen
und in großer Verzweiflung. Sofort kam mir der Gedanke, daß Herr B.
von sehr trüben und schweren Gedanken erfüllt sei. Ich öffnete die
Schieblade seines Nachttisches und fand ein aufgeklapptes Rasiermesser.
Daraufhin schlug ich Herrn B. vor, freiwillig auf die geschlossene Ab¬
teilung der hiesigen Anstalt für Gemütskranke sich zu begeben, damit er
vor sich selbst geschützt werde. Herr B. folgte meinen ihn beruhigenden
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Zur Lehre von den psychischen Entwicklungsstörungen (Infantilismus). 217
und tröstenden Worten, und so war es gelungen, einen meiner Ansicht
nach entschieden ernsthaft geplanten Selbstmord zu verhindern.
Nun kann man in diesem Trachten, sich selbst das Leben zu nehmen,
nicht Angst und Furcht vor zu gewärtigender Strafe erblicken, denn
Herr B. selbst — und in dem ergreifenden Briefe seiner Ehefrau wird es
von ihr bestätigt — wurde schon früher von Zeit zu Zeit von einem Trieb
erfaßt, seinem Leben ein Ende zu machen. Derartige lebensfeindliche
Impulse finden wir häufig genug bei Naturen von der Eigenart und Be¬
schaffenheit des Herrn B., und, um es vorwegzunehmen, diese Selbst¬
mordtendenzen erwachsen auf dem Boden einer krankhaften Persönlichkeit.
Der psychischen Behandlung gelang es, Herrn B. zu beruhigen und seine
schwere depressive Stimmung zu sänftigen, doch blieb sie merklich ernst.
Wenn man auf das Delikt des Herrn B. mit ihm zu sprechen kommt,
so erscheint immer wieder ein charakteristischer Affekt. Man erkennt,
daß er nicht von dem nagenden Gefühl der Reue oder etwa der Zerknir¬
schung erfüllt ist. Natürlich treten ihm die Tränen in die Augen, und
lieber wäre es ihm, die Tat wäre ungeschehen; aber was das Charakteristi¬
sche und Bezeichnende ist, Herr B. sieht sich immer wieder einem Rätsel,
einer ihm unverständlichen, unfaßbaren Tatsache gegenübergestellt. Man
sieht in der Tat, wie Herr B. in seinem Innern ringt, und diese Antriebe,
die aus dem Untergründe seines Seelenlebens gegen die Oberfläche drängen,
werden, wie wir es ihm glauben können, von Zeit zu Zeit tatsächlich die
Oberhand gewinnen. Er schildert uns, wie ihn eine eigenartige Vision,
eine merkwürdige Gestalt mit ausgestreckter Hand, an den Automaten
hingedrängt habe. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß diese Vision
der in ein sinnliches Bild gekleidete Antrieb war, welcher den in ein Symbol
gehüllten Zwang darstellte, eben in den Automaten ein dem Geldstück
an Schwere gleiches Metallstück hineinwerfen zu lassen. Wie ist nun
diese Handlung und der ihr zugrunde liegende, entschieden zwangmäßige
Antrieb zu erklären?
Zunächst noch ein Wort über die Vision.
Es handelt sich bei der oben geschilderten Vision nicht um eine
eigentliche Halluzination, vielmehr haben wir es mit einem Traumgebilde
zu tun, welches wahrscheinlich beim Übergänge des Schlafens zum Wachen
sich eingestellt hat. In den Träumen kehren aber sehr leicht in bildlicher
Darstellung Wünsche und Triebe der träumenden Persönlichkeit wieder.
Es ist sehr begreiflich, daß bei der eigenartigen Seelenverfassung des
Herrn B., auf die wir ja eingehend zu sprechen kommen werden, der merk¬
würdige Trauminhalt noch sein Wachbewußtsein beschäftigt haben wird.
Die Ehefrau des Herrn B., Frau B., sagt in ihrem Schreiben ganz
zutreffend: „Herr Doktor, es sind so viele Sachen, die kein erwachsener
normaler Mensch macht.“ Ich möchte schon hier das Wort „erwachsen“
stark unterstreichen. In der Tat, Herr B. ist eine Mischlingsnatur. Es
liegt etwas Zwiespältiges und Disharmonisches in seinem Wesen. Sein
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218 .
Juliusburger,
Charakter trägt gleichsam zwei Antlitze, von denen das eine vorwärts in
die Entwicklung des reifen Alters schaut, während das andere rückwärts
in die Jugendzeit gewendet bleibt. Der geistige Defekt des Herrn B. ist
nicht in einem Ausfall des Gedächtnisschatzes oder der Merkfähigkeit für
frische Eindrücke und Wahrnehmungen zu suchen. Die Aufmerksamkeit,
mit der Herr B. den Unterhaltungen, die mit ihm gepflogen werden, folgt,
ist nicht gestört. Der formale Gang der Vorstellungen bleibt geordnet und
ruhig, sofern er nicht von dem depressiven Affekt der Ratlosigkeit und
Niedergeschlagenheit gestört wird. Wohl können wir Herrn B. glauben,
daß er in der Schule nicht schwer aufgefaßt, aber rasch wieder das Ge¬
lernte vergessen hat. Es wird schon stimmen, daß sein Vater ihn nicht
fürs kaufmännische öffentliche Leben geeignet hielt, da er glaubte, er
würde sich nicht selbständig behaupten können. Der geistige Defekt bei
Herrn B. liegt auf dem Gebiete der Entwicklung zu einer ausgereiften und
geschlossenen Persönlichkeit, deren Fähigkeiten nicht nur, sondern in
erster Linie deren Streben und Zielsetzung der Bedeutung und dem Ernste
des vorgeschrittenen Lebensalters nicht voll und ganz entsprechen. Bei
Herrn B. finden wir, wenn wir uns in sein Seelenleben vertiefen, einen un¬
verkennbaren Infantilismus. Damit will ich sagen: Herr B. hat noch
nicht den Knaben und Jungen in sich überwunden. Seine Jugendzeit
ragt als ein ganzes Stück in das Mannesalter hinein. Der ausgelassene,
auf Scherz, Albernheiten, Jugendstreiche gerichtete Hang ist erhalten
und fixiert geblieben, wie wir sagen können, zum Unheil und zum
Verhängnis des Herrn B. Er bezeichnet sein Tun und Treiben selbst
ganz richtig als „Dummejungenstreiche“. Wenn ein erwachsener Mann
es über sich bringt, Leute auf der Straße anzuulken, aus einem Ver¬
steck heraus das bekannte „Pst, pstl“ ihnen nachzurufen, um dann
sich den Anschein zu geben, als sei man nicht der Rufer und Necker;
wenn ein erwachsener Mann vom Fenster seiner Wohnung aus auf die
Straße Metallstücke wirft, um die vorbeigehenden Leute zu erschrecken
und in Erstaunen zu versetzen, wenn ein erwachsener Mann sich immer
wieder eine Schleuder zurechtmacht, um auf Laternen zu zielen, obwohl
die Ehefrau wiederholt die Schleudern verbrennt, so haben wir in diesen
Torheiten und Albernheiten den unverkennbaren und unzweifelhaften
Ausdruck eines Restes von Jugendschnurren vor uns. Das ist die Be¬
tätigung eines lockeren, ausgelassenen Schlingels; und wenn solches Wesen
bei einem erwachsenen Manne auftritt, der sonst ein ordentlicher und
fürsorglicher Ehemann ist, des ferneren seit Jahr und Tag in geachteter
Stellung zur Zufriedenheit seiner Vorgesetzten seine Arbeit erfüllt, so
kann man das sonderbare Treiben nur als krankhaft und abnorm ansehen.
Für mich besteht kein Zweifel, daß es sich hier um durchaus krankhafte
Antriebe und in der Tat der eigentlichen Persönlichkeit des Herrn B.
fremdartige Impulse handelt. Herr B. erzählte uns, daß er als Soldat
durch diese Zwangsantriebe in bedenkliche Situationen geraten sei, die
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Zur Lehre von den psychischen Entwicklungsstörangen (Infantilismus). 219
für ihn eine geradezu verhängnisvolle Wendung hätten nehmen können.
Ich erinnere nur daran, wie Herr B. sich nicht bezwingen konnte, dem
Antriebe zu widerstehen, in der Kirche während des Gottesdienstes den
Helm herunterzuwerfen, um die Andacht der andern zu stören und die
Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Herr B. konnte die schwerste Strafe
hierfür erfahren, und trotzdem konnte er dem Kitzel nicht widerstehen;
der Helm fiel klirrend zu Boden. Dabei ist Herr B. zweifellos auf der andern
Seite auch eine ernste, religiöse und feinfühlende Natur. Ich komme noch
darauf zu sprechen, wie er — allerdings in krankhaftem Mitleid und Mit¬
gefühl — über seine Verhältnisse an arme Menschen weggab. Wir haben
es hier offenbar mit einer krankhaften Sentimentalität zu tun und werden
wenigstens in Andeutung das Gegenstück zu dieser weichlichen Gemüts -
regung finden; doch vorerst möchte ich noch auf einige infantile Züge
hinweisen.
Herr B. hat es ja in seinen Angaben eingehend geschildert, und die
Ehefrau hat es bestätigt, daß er immer und immer wieder der Onanie
unterliegt und, obwohl er verheiratet ist, von dieser Sexualbetätigung
dennoch nicht loskommen kann. Dieses Beibehalten einer Sexualbetäti¬
gung, wie sie im Jugendalter nur allzu häufig geübt wird, diese starre
Fixierung des infantilen Sexualtriebes, der von der reifen Persönlichkeit
des B. nicht überwunden werden kann, spricht klar und deutlich für meine
Behauptung, daß eben Herr B. eine zwiespältige Natur ist, in der Jugend
und reifes Alter miteinander unausgeglichen in Konflikte geraten, ln
der Werde- und Reifezeit des Sexualtriebes ist dieser zuerst auf sich selbst
gerichtet, um erst später das normale Objekt zu finden. In letzterem
Falle sprechen wir vom Allerotismus, von der erotischen Neigung, die
sich in der Umwelt Ziel und Gegenstand sucht. Findet der Sexualtrieb
nur die Richtung auf die eigene Persönlichkeit, bleibt er hierauf beschränkt
und dauernd gerichtet, so haben wir es mit der Erscheinung des Auto-
erotismus zu tun. Der Autoerotiker hat immer Züge des Kindlichen und
Unentwickelten. Selbst wenn der Autoerotiker zu Jahren kommt, läßt
seine Tatkraft und seine Energie im Gegensatz zum Allerotiker mehr oder
weniger merklich zu wünschen übrig. Nicht infolge der Onanie werden
die Leute vielfach im Leben unsicher, haltlos, schwach, willensunkräftig,
sondern beide Erscheinungen, die Onanie und die Willensschwäche, ent¬
wachsen dem gleichen Untergründe, nämlich: der Fixierung des auto-
erotischen Triebes. Herr B. schildert ja in charakteristischer Weise, wie
er an seiner eigenen Figur Genüge findet. Wir lernen aus seinen Darstellun¬
gen die merkwürdige Tatsache kennen, daß das Betasten und der Anblick
seiner eigenen Körperformen vor dem Spiegel ihn in Freude und wollüstige
Erregung versetzt, so daß er sogar unter diesen Umständen, in lustvollen
Selbstbetrachtungen versunken, masturbiert. Gelegentlich zieht er sich
zu diesem Zwecke weibliche Kleidungsstücke an, wie er schildert, damit
seine Körperformen durch die prall anliegenden Sachen gleichsam plastisch
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220
Juliasburger,
hervortreten. Es scheint auch, daß bei Herrn B. transvestitische Neigungen
bestehen. Darunter versteht man bekanntlich den eigenartigen Hang
gewisser Individuen, sich mit weiblichen Neigungen zu identifizieren und
auch nach weiblicher.Art bekleidet zu gehen. Herr B. äußerte sich: er
versetze sich gelegentlich mittels seiner Phantasie in eine weibliche Rolle,
wobei er sich in weiblicher Geschlechtsbetätigung fühle. Die transvestiti¬
sche Neigung des Herrn B. erklärt sich zu einem Teile aus der bisexuellen
Veranlagung des Menschen. Während aber bei normaler Entwicklung des
Mannes der in ihm vorhandene weibliche Anteil der psychosexueilen
Persönlichkeit entweder niedergehalten oder zu höheren, feineren Formen
der Empfänglichkeit und zarteren Empfindung umgewandelt und gesteigert
wird, bleibt er bei Naturen wie der des Herrn B., welche in der Entwick¬
lung stehen bleiben, gleichfalls auf einer unentwickelten und undifferen¬
zierten Stufe zurück. Vielleicht auf der physiologischen bisexuellen Ver¬
anlagung sich allein aufbauend, vielleicht auch wenigstens durch den be¬
kannten kindlichen Spieltrieb und Nachahmungshang, dem bekannten
Streben der Kinder, sich mit erwachsenen Personen der Umgebung zu
identifizieren, mindestens angeregt oder ausgelöst, finden wir nicht selten
bei Kindern die Freude, sich zu verkleiden und in den Kostümen auch
andersgeschlechtiger Personen aufzutreten. Ich zweifle nicht, daß bei
Herrn B. auch dieser kindliche Spieltrieb einen Anteil an seiner Neigung
genommen hat, sich weibliche Kleidungsstücke anzulegen. Es scheint
mir auch, daß der jedenfalls bei Herrn B. stark hervortretende Wunsch,
sich mit Hilfe seiner Phantasie in die Rolle einer Frau zu versetzen, eine
Quelle ist, aus der seine masochistische Neigung Nahrung nehmen wird.
Denn mit der Identifizierung der männlichen Persönlichkeit mit einer
weiblichen Individualität ist natürlich auch das Streben gegeben, die
weibliche Passivität nachzuempfinden und nachzuahmen. Wie gesagt,
in dem unüberwindlichen Hang zur Onanie haben wir einen infantilen Rest,
eine fixierte infantile Sexualbetätigung vor uns.
Von diesem Gesichtspunkte wird es auch verständlich, daß Herr B.
eine unüberwindliche Abneigung gegen die Behaarung seiner Genital¬
gegend besitzt. In der Tat erscheint diese Gegend durch Rasieren voll¬
ständig von Haaren entkleidet. Ich glaube nicht fehlzugehen, wenn ich
sage: in dieser merkwürdigen Maßnahme offenbart und symbolisiert sich
gewissermaßen der Hang des Herrn B., trotz seines Mannesalters noch
ein Kind zu bleiben.
Dieser eben geschilderte psychosexuelle Infantilismus ,der meiner
Auffassung nach bei Herrn B. unverkennbar immer wieder in die Er¬
scheinung tritt, gibt uns nun auch den Schlüssel zum Verständnis der
Handlungen, die Herrn B. zur Last gelegt werden. Ich halte es für aus¬
geschlossen, daß er, aus dem verwerflichen Streben, sich zu bereichern,
die Metallstücke formte und sie dann in Automaten warf, um unrecht Gut
sich anzueignen. Vielmehr bin ich fest überzeugt, daß es sich auch hier
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Zur Lehre von den psychischen En twicklungsstö rangen (Infantilismas). 221.
lediglich um einen infantilen Spieltrieb handelt, ebenso wie in den Fällen,
wo er mit der Schleuder nach der Laterne wirft oder vorübergehende Leute
auf der Straße nach unreifer Buben Art anulkt und neckt. Der erwachsene
B. kann eben den Jungen in sich nicht überwinden; er bleibt der spielerische
and Kinderstreichen zugeneigte Mensch, selbst im reifen Lebensalter.
Wenn wir das in den Mitteilungen des Herrn B. geschilderte Sexualleben
Aberblicken, so drängt sich auch hier immer wieder in den Vordergrund
das Spielerische, Unreife, Unentwickelte der Sexualbetätigung.
Nun wird sich die Frage erheben: War B. in der Lage, diese infan¬
tilen, knabenartigen Antriebe und Neigungen durch die Persönlichkeit des
erwachsenen Mannes zu überwinden und zu beherrschen? Dazu war er
offenbar nicht fähig; denn das Bleiben und die Fixierung des Infantilis¬
mus im Seelenleben des B. verhinderte, daß seine Persönlichkeit in vollem
Umfange ausreifte und zu einer in sich gefestigten und geschlossenen sich
erheben konnte. In der Tat, wie ich es schon eingangs darlegte, Herr B.
ist eine zwiespältige Natur; er ist ein disharmonisches Wesen und besteht
tatsächlich aus zwei Hälften: einer jugendlichen Infantilität, die ihre
Freude an Neckereien und unnützen Streichen hat, und einer erwachsenen
Persönlichkeit, die zwar im Leben auskommt und sich halten kann, aber
vergeblich ihre oben geschilderte zweite Natur niederzuhalten sucht, im
Gegenteil, nur allzu oft und in verhängnisvoller Weise von ihr bezwungen
wird. Herr B. hat schon einmal die Strenge des Gesetzes erfahren. Er
hat die Neigung, Liebespaare zu belauschen und neugierig mit seinen
Blicken zu verfolgen; doch es blieb nicht bei dieser gleichfalls entschieden
kindlichen Neugierde. Er betätigte sich selbst in der ihm eigenen infantilen
Art und Weise, so daß er hierbei festgenommen wurde. Wir haben es bei
Herrn B. auch mit der Erscheinung des Exhibitionismus zu tun. Dieser
Exhibitionismus ist mindestens zu einem sehr großen Teile sicherlich ein
Überrest aus der Kindheit, wo ungeniert und spielerisch die eigenen Geni¬
talien gezeigt werden, und wo die infantile Lust und Neigung sich offen oder
versteckt kundgibt, das Liebesieben anderer und namentlich der Erwachse¬
nen zu erhaschen und zu erfahren. Es handelt sich hier um die erhaltene
infantile Schaulust an sexueUen Dingen. Damit steht im Zusammenhänge,
daß bei dem erwachsenen B. das Auge in einer Art und Weise zur Quelle
von mindestens stark sexuell gefärbten Lustgefühlen wird, wie es nicht
der Norm einer erwachsenen und ausgereiften Persönlichkeit entspricht.
Herr B. entwirft ja eine ganz bezeichnende Schilderung, wie stark bei ihm
das Auge in Beziehung zur sexueUen Erregung steht. Charakteristisch ist
auch hier die übertriebene und überschwängliche Schilderung, die geradezu
jagendliche Schwärmerei; der erwachsene B. läuft eigentlich wie ein Junge
® spielerischer Liebesregung seinem angebeteten Gegenstände nach.
Wir haben es aber noch weiter mit bekannten krankhaften Ab¬
kochungen des Sexualtriebes bei Herrn B. zu tun. Er hat die Phantasien
der Vergewaltigung bei der Sexualbetätigung, was bis zu einem gewissen
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Juliusburger,
Grade mit seinem eigentümlichen Hange in Zusammenhang steht, sich mit
der Rolle des weiblichen Partners zu identifizieren. Es steckt aber auch
offenbar in diesem Triebe ein entschieden masochistischer Anteil. Hiermit
steht sein oben gekennzeichnetes weiches Gemüt in Verbindung, seine
krankhafte Sentimentalität, seine Rührseligkeit und seine Neigung, über
seine Verhältnisse in sichtbar krankhafter Mitleidsanwandlung wegzu¬
geben. Die von Herrn B. hierüber mitgeteilten Erlebnisse tragen den
Stempel des Sentimentalen und Ungesunden an sich. Wir haben es nicht
zu tun mit dem Ausfluß der kräftigen und starken, werktägigen Unter¬
stützung des Nächsten. Wie recht ich mit meiner Auffassung habe, erhellt
aus dem Gegenstück des masochistischen Gelüstes bei Herrn B. Er
schildert in charakteristischer Weise, wie er den Geschlechtsakt bei Käfern
beobachtet, und hierbei tritt deutlich hervor, daß er sich an dem gewalt¬
samen Akte erregt und erfreut. Das ist die sadistische Komponente, die
wir kaum vermissen in den Fällen, wo masochistische Gelüste sich regen.
An dieser Stelle möchte ich noch kurz auf eine Abnormität des Herrn B.
hinweisen. ln seiner Selbstcharakteristik spricht er einmal davon, wie er
sich das Tuch angeeignet, das die weibliche Person bei ihrer Sexualbetäti¬
gung benutzt hatte. Nach vielen analogen Fällen wird es sich hierbei um
eine Geruchsperversion gehandelt haben. Taschentücher und andere
ähnliche Stücke werden nicht selten von derartigen Individuen als Fetisch
entwendet, und es läßt sich unschwer nachweisen, daß eine Wurzel dieses
Fetischismus in der abnorm gerichteten Riechlust der Persönlichkeit
zu suchen ist.
Die kurz zuvor geschilderte sentimentale Neigung des B. ist gleich¬
falls aufzufassen als der Ausdruck seiner unentwickelten und unfertigen,
eben stehengebliebenen einen Hälfte seiner Persönlichkeit. Gerade das
Fehlen des kraftvollen und energischen Elementes hierin bezeichnet so
recht deutlich den Infantilismus, um den es sich im Falle des Herrn B.
handelt.
Dieser Infantilismus kommt auch in der auffallenden Neigung zur
Naschhaftigkeit des Herrn B. zum Ausdruck. Er schildert in glaub¬
würdiger Weise, wie er in einer seinem Alter keineswegs entsprechenden
Art nach Süßigkeiten und Näschereien Verlangen habe. In erster Linie
geht sein Sinn auf Schokolade und Bonbons, und in Ermangelung davon
greift er zum Zucker. Natürlich nur die übertriebene Liebe zu diesen
Süßigkeiten, die offenbar an die Stelle des zu erwartenden Genusses alko¬
holischer Getränke bei Herrn B. trat, ist als Ausdruck kindlicher Neigungen
aufzufassen und zu verstehen. An dieser Stelle möchte ich noch auf die
von Herrn B. selbst als Kleptomanie bezeichnete Neigung mit wenigen
Worten hinweisen.
Er schildert uns, wie ihn häufig in Kaufläden und Warenhäusern
ein unbegreiflicher und nur mit großer Mühe und Anstrengung nieder¬
zuhaltender Trieb überkomme, Kleinigkeiten und kaum einen nennens-
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Zur Lehre von den psychischen Entwicklungsstörungen (Infantiiismus). 223
werten Wert betragende Gegenstände einzustecken. Immer gelang es
ihm bis jetzt, Herr der Situation zu bleiben und die seiner sonstigen Per¬
sönlichkeit durchaus fremden und widrigen Triebe zu unterdrücken upd
zu beherrschen. Es sei vorgekommen, daß er einmal ein ganz wertloses
Kindernotizbüchlein sich einstecken wollte. Es bedarf wohl keiner längeren
Anseinandersetzung, daß wir es bei Herrn B. keineswegs mit einem raf¬
finierten und gewitzigten Diebe zu tun haben, sondern ohne jeden Zweifel
handelte es sich auch hier wieder um einen krankhaften Impuls, dem Herr
B. glücklicherweise in der Mehrzahl der Fälle bisher Widerstand bieten
konnte. Wenn wir uns aber erinnern, daß Herr B. spontan zugab, er
habe sich gelegentlich gerade ein Kindernotizbüchlein aneignen wollen,
so werden wir nicht fehlgehen, auch hier wieder nur den Ausdruck einer
kindlichen Art und Weise zu sehen. Herr B. benimmt sich, als wenn ein
Kind schnell und heimlich ein Stückchen Zucker aus der Zuckerdose ent¬
wendet. Dieser bei den Kindern und in der Jugend häufig genug auf-
tretende Trieb, der freilich letzten Endes nur entwicklungsgeschichtlich,
psychogenetisch, im Sinne eines Atavismus zu begreifen ist, kehrt in dem
Bilde des bereits gekennzeichneten Infantilismus des Herrn B. wieder.
Bezeichnend für den übriggebliebenen und fixierten Kindersinn des
Herrn B. ist es auch, daß „er häufig während der Fahrt im Hundecoupö
das Schild „Für Reisende mit Hunden“ herumgedreht, die Tür häufig
während der Fahrt geöffnet und heraushängen lassen hat“. Der er¬
wachsene Anteil im Seelenleben des Herrn B. begriff diese Handlungs¬
weise natürlich nicht und konnte sie nur als fremdartig betrachten. Aber
gerade im Hinblick auf die disharmonische Veranlagung der Gesamtper¬
sönlichkeit, ihre Zerspaltung in einen zurückgebliebenen infantilen und
einen fortgeschrittenen reifen Anteil, gerade diese eigenartige Seelen-
Verfassung des Herrn B. verhinderte es, die infantilen Züge auszulöschen
und die aus der Kindheit stammenden Triebe und Lüste niederzuhalten.
Nicht minder lehrreich für die Beurteilung der kindlichen Eigenart
des Herrn B. ist auch der von ihm mitgeteilte Einkauf einer Puppe für
seine Frau, während er zugibt, eigentlich dabei an sich Selbst gedacht zu
haben, um mit diesem Gegenstand kindlicher Freude sich zu vergnügen.
Zusammenfassung. Ich komme daher zu dem Schlüsse, daß bei
Herrn B. anfallweise und zwangweise Triebe auftreten, welche er nicht
beherrschen und überwinden kann. Die Impulse, die Herrn B. schon einmal
mit dem Gesetze in Konflikt gebracht und ihn nun wiederum in eine ernste
Lage versetzt haben, entstammen einer krankhaften Zwiespältigkeit seines
Wesens, einem Reste von Jugendlichkeit, ja Kindlichkeit. Diese eigen¬
artige Spaltung der Persönlichkeit des Herrn B. ist unter allen Umständen
als krankhaft anzusehen, und zwar derart, daß für die spezielle Tat die
freie Willensbestimmung bei ihm als ausgeschlossen angesehen werden muß.
Zeitschrift für Psychiatrie. LXXII. 8. 17
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224
Juliusbarger,
Fall II.
Ich gebe zunächst die ausführlichen Angaben, die mir Herr R. über
seine Persönlichkeit gemacht hat, im folgenden wieder, um dann an die
Analyse des Falles zu gehen.
(Ihr Name?) A. R.
(Wie alt?) 35 Jahre.
(Wo geboren?) Goyaz (Brasilien).
(Welche Schule haben Sie besucht?) Das Gymnasium.
(Und kamen wie weit?) Bis zum Lyzeum, das ist das Obergym¬
nasium, zur Hochschule.
(Fiel Ihnen das Lernen leicht?) Außergewöhnlich leicht. Nur im
Rechnen war ich nie besonders.
(Waren Sie für etwas Besonderes begabt?) Für Geographie, Ge¬
schichte, Gesang, Zeichnen, Sprachen ganz besonders.
(Sie sprechen jetzt?) Deutsch, Spanisch, Portugiesisch, Englisch,
gut Italienisch, lese und verstehe Latein und Französisch und eine Indianer¬
sprache, die in meiner Heimat sehr viel gesprochen wird.
(Was wurden Sie in Amerika? Besuchten Sie die Hochschule?)
Nein, ich ging dann heim. Ich wollte erst Ingenieur werden. Dann starb
der Vater, und ich wandte mich dem kaufmännischen Berufe zu und wurde
dann selbständiger Händler in einheimischen Produkten.
(Mit wieviel Jahren?) Etwa im 23. Jahre fing ich an, blieb dann
bis zum 28. Jahre in Südbrasilien und Argentinien, kam dann nach Deutsch¬
land, um hier wieder den Ingenieur aufzunehmen, als Maschinenbauer.
(Wann kamen Sie nach Deutschland?) Das war vor 7 Jahren. Und
dann lernte ich meine Frau kennen, ging dann nach meiner Heimat und
ordnete die Verhältnisse und ließ sie kommen, und wir heirateten. Dann
wurde sie nach einem halben Jahre schwer malariakrank, und ich mußte
sie zurückbringen in ein stationäres Klima. Die Ärzte sagten, das sub¬
tropische Klima würde sie nie heilen, und dann wohnten wir hier. Erst
gingen wir nach dem Schwarzwald zu ihrer Heilung und dann gingen
wir nach Berlin, und ich kam zu S.
(Wann kamen Sie zu S.?) 2 y 4 Jahre bin ich bei S. als Korres¬
pondent und für den Empfang und die Begleitung südamerikanischer
Kundschaft in den Werken. Und nun jetzt, während des Krieges,
bin ich zur Finanzbuchhaltung, und zwar zum schwersten Kontokorrent,
gekommen. Ich führte früher für eigenen Bedarf wohl doppelte Buch¬
führung für mich; aber das steht ja in keinem Verhältnis zu den Hunderten
von verschiedenen Konten, die man hier führen muß. Jeder Kunde hat
andere Zahlungsbedingungen, die Zinsen, die Kurse, alle möglichen Gelder
der Welt; da hat man sehr viel Verantwortung.
(Fühlten Sie sich denn für diesen Beruf fähig?) Nein, ich fühlte
mich nicht fähig. Ich nahm ihn widerwillig, nur weil die Korrespondenz
zu Ende war und ich mußte. Es blieb mir nichts anderes übrig. Ich
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Zur Lehre von den psychischen Entwicklungsstörungen (Infantilismus). 220
wurde auch etwas geschmeichelt durch die Hoffnungen des Vorgesetzten,
ich würde ein so schweres Ressort ausfüllen können. Und ich gab mir
denn auch alle unmenschliche Mühe, hineinzukommen.
(Aber?) Es geht, Herr Doktor, aber der Kopf, meine Nerven. Ich
komme aus dem Kopf nicht heraus. Die Nächte sind schlaflos und voll
schwerer Träume.
(Was für Träume ?) Früher hatte ich häufig das Fallen in der Nacht.
Ich stürzte und dachte ... auch wenn ich in der Luft schwebte. Nun kam
dazu, in Wirklichkeit, daß ich plötzlich erschrak vor etwas, ehe ich mir’s
erklären konnte. Ich ging über eine Straße, und es war mir, als ob irgend¬
eine Gefahr drohe. Ich wurde mir aber gar nicht erst bewußt, was es war;
ob es ein Wagen war, ob sich etwas vor mir öffnete. Beim Ansprechen
zum Beispiel — in unseren Bureaus geht es sehr geräuschvoll zu, wie auf
der Börse. Wir müssen ungemein firm sein in der Arbeit. Wenn ich nun
unterbrochen wurde, gerate ich in einen Schreckzustand.
(Was waren sonst noch für Träume?) Jetzt träume ich immer.
Ich erlebe das da wieder, und ich zwinge mich, und ich will widerstehen,
und dann erwache ich halb, und ich habe etwas und bin schon weggegangen,
und dann will ich wieder hin, und immer wieder wiederholt sich das ...
(Nein, vorhin sprachen Sie noch von schweren Träumen, ehe das
geschah.) Vorher, da rechnete ich die ganze Nacht. Da waren nicht
solche Träume, nein.
(Waren Kriegsträume?) Auch der Krieg; aber ich erinnere mich
nicht, daß ich gerade davon geträumt hätte. Gewiß, er beeinflußt mich
in hohem Grade.
(Inwiefern?) Weil den ganzen Tag davon die Rede ist.
(Inwiefern berührte Sie der Krieg?) National; ich bin Deutsch-
Brasilianer, von Rasse Deutscher. Hier bei Anfang des Krieges reisten alle
Brasilianer der lusitanischen Abstammung fort; erstens wegen ihrer
dunkleren Färbung und der mangelhaften Sprachkenntnis; es war für sie
wesentlich schwerer, die deutsche Sprache sich anzueignen. Die Deutsch-
Brasilianer, heller von Farbe, alles germanische Typen, blieben. Ich habe
viel Angst gehabt, Brasilien könnte sich durch die Luso-Brasilianer, die
dort die Herren im Lande sind, bestimmen lassen, Frankreich den Vorzug
zu geben. Da habe ich schon Angst gehabt. Aber in die Träume hat sich
das nicht eingeschlichen. Gewiß, ich habe lebhaft debattiert, gehofft und
gefürchtet; aber in die Träume ist es nicht hineingekommen.
(Sie brauchten nicht dienen?) Nein, wir haben Söldner. Ich bin
von Nationalität brasilianischer Staatsbürger. Seit 5 Jahren bin ich
schon eingetragen auf unserem Generalkonsulat.
(Sind Sie energischer oder schüchterner Natur?) Früher war ich
sicher energisch; aber die Krankheit hat mich vollständig ...
(Wann haben Sie die Lungenkrankheit gehabt?) Vor einem halben
Jahre bin ich aufgestanden; ich habe mich nicht wieder erholt.
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Original fram
UNIVERSfTY OF MICHIGAN
Juliasburger,
226 *
(Das ist eine Lungenentzündung gewesen?) Ja.
(Wann war das?) Vor einem Jahr. Ich lag 3 Monate im Bett; in»
ganzen war ich 4 Monate krank.
(An welchem Tage gingen Sie zu Wertheim?) Das kann ich nicht
mehr sagen, mit dem besten Willen. Ich bin ungemein vergeßlich. Wenn
ich mich in eine Sache ... Etwas, was ich früher gelernt habe, das haftet
ganz famos; aber besonders Sachen, die ich mit Scham bekennen mußte —
ich habe kein Gedächtnis, ich weiß es nicht. Ich habe die Sachen nach
Hause gebracht und habe mich geniert. Fragte meine Frau, so habe ich
gesagt, ich habe die Sachen gekauft. Ich habe ihr immer gern etwas mit-
gebracht, Blumen, kleine Geschenke, Schokolade.
(In welchem Monat ist es denn gewesen?) Das war im April.
(Aber den Tag wissen Sie nicht? Wissen Sie noch die Zeit? War
es Nachmittag oder Abend?) Abends; nachmittags habe ich keine Zeit.
(Wann ungefähr?) Um 7.
(Wie oft waren Sie dort ? Dreimal ?) Ja, es mag dreimal gewesen sein.
(Weshalb sind Sie hingegangen ?) Um mich zu zerstreuen. Ich fuhr
in die Stadt — ich habe den Untergrundbahnhof in nächster Nähe — und
wollte nicht in die Warenhäuser, sondern in die Stadt. Ich wollte vier
Menschen sehen, mich zerstreuen; ich hatte rasendes Kopfweh mitunter.
Und ging dann in das Restaurant. Dort ist Musik.
(Bei Wertheim?) Ja. Da sind viele Menschen.
(Haben Sie da Bier getrunken?) Ja, aber nur wenig. Es regt mich
furchtbar auf.
(Haben Sie auch Liköre genommen? Kognak?) Nein.
(Und von der Bierabteilung gingen Sie wohin?) Dann ging ich
spazieren durch die Räume.
(Und kamen?) Nach dem Bilderabteil.
(Ganz zufällig?) Das ist wohl in der unmittelbaren Nähe.
(Nun, was stand da?) Da lagen die Bilder herum.
(Was waren das für Bilder?) Kleine gerahmte Landschaften.
(Nun schildern Sie mal, wie das über Sie kam.) ... Ich sah diese
Bildchen liegen — sie hatten alle Goldrähmchen —, es waren so freund¬
liche Bildchen, und ich sah sie an und ging wieder. Wollte Weggehen.
Aber sie waren hübsch. Ich wollte sie kaufen. Und da sah ich, daß nie¬
mand herum war — und da nahm ich die Bilder schnell zusammen und
steckte sie unter den Arm, blieb aber stehen vor Furcht, vor Angst, wollte
sie wieder weggeben; aber dann bin ich weggegangen. Einmal habe ich die
Bilder weggelegt und bin fortgegangen — ging hinaus. Ich habe die Bilder
irgendwo hingelegt, gar nicht in der Bilderabteilung, ich weiß nicht mehr, wo.
(Beim ersten Mal ? Wieviel waren es denn ?) Zwei oder drei Bildchen.
(Wo Sie sie hingelegt haben, wissen Sie nicht?) Wohl in unmittel¬
barer Nähe. Ich habe sie gleich weggelegt und ging hinaus und fuhr heim.
Die zwei andern Male ...
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Zur Lehre von den psychischen En twicklungs Störungen (Infantilismus). 227
(Wie lange später war das?) Das war wohl eine Woche später.
(Warum gingen Sie wieder hin ?) Ja, ich wollte auch nicht hingehen.
(Dachten Sie noch an die Bilder?) Nein, ich dachte wohl kaum
an die Bilder mehr.
(Warum gingen Sie wieder hin?) Ich steige nämlich dort aus in der
Stadt; um in der Stadt spazieren zu gehen, steige icKaus der Untergrund¬
bahn vor Wertheim aus — auf der Linie zum Alexanderplatz zu. Ich
weiß nicht, ich mag wohl dem Augenblick nachgegeben* haben und ging
da hinein.
(Warum sind Sie wieder hineingegangen?) Um mich zu zerstreuen.
(Gingen Sie wieder erst Bier trinken?) Ich ging erst in das Re¬
staurant. Ich ging jedesmal in das Restaurant. Die Bilderabteilung
stößt wohl daran. Und dieses Mal nahm ich wohl von diesem Genre Bild¬
chen zwei mit.
(Warum?) Warum, Herr Doktor? Wenn ich mich da gefragt hätte
— wegen dieser Lappalie. Wenn ich mich gefragt hätte, warum, dann
hätte ich sicher es nicht vollbringen können. _ Ich kann es nicht. Ich
habe Werte, große Werte in Händen gehabt; mit wenig Gefahr hätte ich
sie beseitigen können und unterschlagen. Nein.
(Nun nahmen Sie die Bildchen?) Ich nahm die Bildchen und ging
fort.
(Wie war Ihnen da zumute?) Das ist nun ganz merkwürdig. So
etwas habe ich in meinem Leben noch nicht gefühlt. Ich weiß es nicht.
Ich weiß es nicht — das ist etwas, als ob däs zusammenhinge mit einem
Sexualreiz. Ich kann mir gar nicht denken. Nämlich, Herr Doktor,
das ist so etwas — nicht der Besitz des Bildes an sich, sondern der Reiz,
das zu nehmen, und der andere hat’s nicht gesehen. So ungefähr. Es hat
einen Reiz. Und wie ich dann fortging, dann fühlte ich etwas wie ein
Prickeln: hat’s niemand gesehen, hat’s niemand gesehen, und ging. Und
ich behielt es.
(Was hat das mit dem Sexualreiz zu tun ?) Ich meine ... ich kann
es gar nicht anders schildern ... gar nicht anders verstehen.
(Waren Sie gleichzeitig sexuell erregt?) Wie soll ich das nur schil¬
dern? Wie soll ich das schildern ... Nun, etwas wie eine süße Wonne,
etwas zu besitzen, ohne daß der andere es merkt. Ich will nicht sagen,
daß ich glaube, daß es damit ... oder daß das Gefühl verglichen werden
könnte, sondern ich empfand dabei ein Gefühl, das ich niemals hatte.
(Ja, wie kommen Sie auf den Sexualreiz?) Ja, vielleicht ist der
Ausdruck nicht gut.
(Waren Sie denn gleichzeitig sexuell erregt?) Es ist mir, als ob
•ch etwas empfunden hätte, was der Wollust gleichkommt. Aber
jetzt kann ich das nicht schildern, weil ich vollständig ganz außerhalb
der Tatsachen lebe. Aber ich weiß, es war so etwas, als ob es mir Ver¬
gnügen, Wonne bereitete, und wenn es nur eine Kleinigkeit wäre, von
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Jnliusburger,
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diesem Vielen, Vielen, wo alles nur herumlag zu Haufen, da etwas zu
nehmen. An Stehlen dachte ich nicht. Daran, mich dadurch zu be¬
reichern, daran dachte ich nicht. Sondern was ich dachte, — es war ein
Spielen, stets ein Spielen, und fort. Ich muß mich sehr ungeschickt an-
gestellt haben.
(Das war das zweite Mal. Das dritte Mal ...?) War es ebenso.
(Wo war das?) Das dritte Mal war es am Alexanderplatz, in einem
dieser Kaufhäuser von Wertheim, da war ich an diesem Abend. Eine
wahre Gier hatte mich da ergriffen, ich ging in alle beide. Ich hatte zu tun
in der Innenstadt und an der Bahn am Alexanderplatz. Und dann wollte
ich mit der Untergrundbahn heimfahren. Da kommt man vorbei an dem
großen Warenhaus von Wertheim oder Tietz. Und außen schon kämpfte
ich: soll ich? Da kam 1 mir das schon eher zum Bewußtsein. Es war mir
peinlich; ich hatte eine Angst vor meiner Willensschwäche. Aber ich ging
hinein und ging gleich hinauf, da wurde oben gespielt, in dem Restaurant.
Da blieb ich einige Zeit und ging dann und kam auch in ein nahes Departe¬
ment, da liegen so Galanteriewaren aus gebronztem Blech, und dort habe
ich einen Aschenbecher genommen und auch einen Siegellackstempel, der
dabei lag.
(Nun schildern Sie mir da mal Ihren Seelenzustand.) Auch da, Herr
Doktor, war es ähnlich.
(Nämlich? Schildern Sie’s mal.) Herr Doktor, ich muß um der Wahr¬
heit willen sagen, daß ich nicht mehr sagen kann, wann ich diese Nüancen
fühlte, das kann ich nicht mehr. Aber das war so, das war so der Vorgang
und das Gefühl, das mich bei dem Ganzen beherrschte: In dem Warenhaus
ist Zerstreuung. Ich kam heraus und wollte fortgehen; aber sofort fesselt
mich, wenn in großer Fülle Sachen beisammen sind, das zieht mich an.
Im Kleinen, so etwas, das fesselt mich zum Anschauen, um mich daran zu
ergötzen, und ich beobachtete mit Freude. Aber viel verwirrt. Und ich sah
immer diese Sachen an und befühlte sie, und sah diesen Aschenbecher,
den wollte ich kaufen. Wenn ich das wünschte und fragen wollte, was der
Preis ist, da war niemand da, und da war der Aschenbecher und die Siegel¬
lackstange, und da nahm ich es und steckte es in die Tasche und ging fort.
(Was hatten Sie dann für ein Gefühl?) Wissen Sie, Herr Doktor,
manchmal, wenn ich die Treppe — ob da, in diesem Augenblick, bei dieser
Tat, kann ich nicht sagen —, aber wenn ich die Treppe herunterging —
dieses Besitzgefühl, diese Freude, nur eine Kleinigkeit zu haben, das jetzt
zu haben 1 Und dann wieder das Ermahnen: Halt, geh rasch, leg’s wohin,
und davonlaufen. Ich wollte es auf die Treppe legen und da\onlaufen;
da kamen Leute, das ging nicht. Wieder hinaufgehen? Mein Gott, da
werde ich ertappt! Und so ging ich fort und behielt es.
(War da auch wieder so ein Wonnegefühl?) Das war stets dabei.
(Schildern Sie das noch einmal.) Wenn ich es nur so schildern
könnte! mit der Kraft, wie es kam und immer intensiver wurde, so stark,
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Zur Lehre von den psychischen Entwicklungsstörungen (Infantilismus). 229
das: Ich muß es haben, ich muß es haben! Und dann die Ruhe, wie eine
Agonie. Ich dachte lange, lange nicht darüber nach, ob mir das nützen
kann, ob es mir Vorteil bringt, welches der Wert sein könnte — ich dachte
gar nicht daran. Ich habe für solche Kleinigkeiten überhaupt keine Liebe;
ich habe nur für große, schöne Sachen einen Sinn.
(Nun? als Sie nach Hause kamen?) Und wie ich nach Hause kam,
da wurde es mir — da mußte ich es zuerst irgendwo verbergen vor meiner
Frau. Meine Frau hatte keine Ahnung. Wie da an diesem Abend — wie
da die Leute kamen, brach meine Frau zusammen. Ich wunderte mich,
als sie am andern Tage kam und ich sofort freigelassen wurde. Ich glaubte
nicht anders, als es müsse zur Scheidung kommen. Aber sie hatte es wohl
erkannt. Ich hätte mich schon lange sonderbar benommen, sie selbst
sagte es, daß ich etwas anderes antwortete, als ich gefragt wurde.
(Nach der ersten Tat ?) Ja, in dieser Periode und in der Zwischenzeit.
Ich sei ihr auch sonst sonderbar vorgekommen, habe viel verloren in der
Zeit. Ich habe z. B. Papiergeld verloren, wußte nicht, wo. Kam abends
nach Hause, hatte vielleicht 8 M. zu bezahlen im Bureau ... in einem Fall
weiß ich — sonst habe ich nie verloren, war immer vorsichtig — und hatte
das Geld nicht mehr in der Tasche, als ich ins Caf6 ging. Nun wußte ich
nicht mehr. Ich wußte sonst ganz genau, was ich Geld habe. Am Abend,
wenn ich mich auszog, legte ich das Geld auf das Nachttischchen, um in
der Frühe es wieder zu nehmen'und einzustecken. In diesen Wochen
verlor ich jede Übersicht. Ich hatte vor lauter Arbeit ... Herr Doktor,
ich war stets bei der Arbeit; ich habe Taels ausgerechnet, mexikanische
Pesos und alle möglichen Geldarten hatte ich im Kopf. Ich war manchmal
nicht fähig, an einer Unterhaltung teilzunehmen.
(Als nun die Verhaftung stattgefunden hatte und Sie wieder frei-
gelassen waren, waren Sie dann wieder ruhig? besonnen ?) Ja, da kam eine
große, große Ernüchterung. Ich will das erzählen. Ich mußte damals,
was mir am meisten zu schaffen machte, was ich nie im Leben kaum gehört
hatte, aber man sagte mir immer: bei Ihrer Intelligenz, Sie müssen es
machen. Ich sagte, ich will. Ich wollte auch nicht zugestehen, daß es mir
so schwer wurde, und so habe ich mir die größte Mühe gegeben.
(Nun, nachdem Sie entlassen waren aus der Haft?) Herr Doktor,
nun, wie ich zur Polizei gebracht wurde, fuhr ein Detektiv von dem Kauf¬
haus mit. Drei Herren von der Kriminalpolizei waren in meiner Wohnung,
und nun fanden sie aber nur, weil diese Bilder nicht von diesem Hause
waren, fanden sie nur eine Siegelstange, sonst nichts; und nun fragten sie.
Nun hatte ich schon gesagt, gebeten: „Um Gotteswillen, nehmen Sie!
Ich bezahle Ihnen alles; ich gebe nicht bloß zurück; ich zeige Ihnen jeden
Gegenstand; ich zahle es gleich und werde suchen, Beweise zu geben von
einer krankhaften Neigung. Aber gut. Nun war ich auf der Polizei und
die Leute waren in meiner Wohnung. Und in meiner Wohnung sieht es
nicht aus, als ob etwas unrecht genommen werde. Alles ist in großer
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23Q
Juliusburger,
Ordnung, Und da lief denn ‘einer von den Herren nach einem Lpkal
herunter und rief durch das Telephon, ich sollte doch ans Telephon kommen.
Oh, ich habe sofort gesagt, ich habe das und das genommen. Nur Bilder.
Das war das Letzte. Nun sagte ich ihm durch das Telephon, die Bilder
sind diese Bilder, die sollen sie nehmen. Ich sagte es freiwillig. Und in
dieser Nacht blieb ich. Ich bat wohl, man möchte mich frei lassen; aber
ich sollte diese Nacht noch bleiben und am andern Morgen vorgeftthrt
werden. Am andern Morgen kam dann meine Frau sehr früh, und ich
wurde herausgelassen. Und der eine Herr war wohl dagegen; aber der
andere war wohl der maßgebende und sagte: Nein, wir lassen ihn sofort
frei. Hier handelt es sich wahrscheinlich um eine krankhafte Sache; wir
lassen ihn augenblicklich frei. Da meinte der andere, wir haben schon
unzählige solcher Fälle gehabt. Der andere aber: Nein, wir lassen ihn sofort
frei. Der Herr nahm das Protokoll auf, ich sagte ihm das nämliche, die
Wahrheit, es ist nichts darin, was ich widerrufen müßte. Dann war
ich drei Tage krank zunächst. Im Bett. Vor Zittern.
(Und dann.?) Ich wollte schon ... Dr. L. hatte mir gesagt, ich solle
mich ja zusammennehmen, ich sei an den Nerven sehr angegriffen.
(Nach den 3 Tagen nun? Sie sprachen von Ernüchterung, was
meinen Sie damit?) Ach ja. Nun könnte ich nicht sagen, welchen
Eindruck — nein! Nun werde ich von vornherein die Gelegenheit meiden.
Es graut mir. Ich habe einen solchen physischen Ekel empfunden, daß
ich mich brechen mußte vor mir selbst. — einen physischen Ekel.
(Sie fragten sich, wieso, warum, wie komme ich dazu?) Ja.
(Nun,*und dann?) Nun, Herr Doktor, nun bin ich nicht mehr in
die Stadt gekommen, und ich werde es wohl nie wieder. Werde überhaupt
keine Einkäufe besorgen. Ich fürchte mich, ln diesen Momenten, wie ich
da diese Gegenstände genommen, wie überhaupt in der letzten Zeit, wenn
ich aufgeregt bin, tritt mir Schweiß auf die Stirn und in den Nacken.
Immer... Sogar an den Schultern fühle ich den Schweiß.
(Ist denn eine sehr starke sexuelle Erregung bei Ihnen?) Nein,
Herr Doktor. Wie ein Huschen, hier herauf.
(Nein, ich meine sonst. Sind Sie sonst sehr sexuell erregbar?) Früher
wohl, jetzt nicht mehr. Aber immerhin, ich bin sehr leicht ... ich muß
einen Augenblick ... in den letzten Wochen wohl nicht mehr, aber vorher,
während ich — sagen wir — jetzt habe ich nämlich die größten Schwierig¬
keiten doch überwunden; aber im Anfang, da hatte ich fast jede Nacht
zwischen diesen Schreckträumen, zwischen diesem Fallen hatte ich Im¬
pulsionen. Das ist sogar meiner Frau aufgefallen; sie hat mich danach
gefragt. Sonst war ich so müde, so niedergeschlagen, so ermattet. Wie
ich Ihnen schon sagte, die Lungen sind so schwach, daß ich mich mit¬
unter — daß ich das gebieterische Gefühl habe, mich hinzulegen. Nur
der Kopf. Der Körper ist matt und müde, nur der Kopf ist exzitiert.
Jetzt in den Träumen noch. Jetzt, Herr Doktor, ist mir oft im Traume,
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Zar Lehre von den psychischen Entwicklungsstörungen (InfantUismus). 231
daß ich im Warenhaus bin, und ich stehe wieder vor den Bildern und den
andern Gegenständen, vor allem möglichen. Und dann, wenn ich nicht
zugreife — plötzlich ist etwas anderes da, verlockender noch, und aus dem
Wachen, das bißchen Wirklichkeit und — ich weiß nicht, wie ich es sagen
soll — das bißchen im Schlafe vorhandene Vernunft sagt dann: Nein,
nein, nein — und ich stehle doch, ich nehme.
(Und was haben Sie dann für ein Gefühl im Traume? Spüren Sie
Erregung? Erwachen Sie?) Dann erwache ich sofort.
(Und was sagen Sie dann?) Was ich sage? was ich fühle? Eine
Traurigkeit, Apathie, Niedergeschlagenheit. Und wenn ich wieder ein-
schlafe, dann sehe ich mich wieder in der Fortsetzung, in dieser merk¬
würdigen Behandlung. Diese armseligen Menschen, die da in das Polizei¬
gewahrsam gebracht werden — sind alles arme Leute, man sieht ihnen an,
die haben’s notwendig gehabt, finden keine Arbeit, müssen etwas tun, um
sich wieder durchzufristen bis zum nächsten Tage, und die sind noch lustig
dabei und suchen Gelegenheit, miteinander zu reden zwischen den Ver¬
schlügen, während man sich selber verkriechen möchte. Und dann muß
man Weggehen und wird peinlich, der Name hundertmal, aufgeschrieben
und registriert, was jeder Geld in der Tasche hatte ... Alles das sehe ich
wieder — wie sie sich ausziehen müssen, wie ich davon verschont bleibe;
wie einer sagt — wahrscheinlich ein Oberaufseher: Nein, es ist nicht nötig.
Wie er die Zellentür aufmacht und ich im Finstern bitte, mir zu sagen,
wo das Bett ist und Klosett. Das erlebe ich auch alles wieder.
(Kommen auch direkt sexuelle Träume?) Nein, gar nicht.
(Früher?) Ja. Früher ja. Da war ich stark genug, um Impulsionen
zu verhindern. In der Regel war die Natur nicht schwach genug, sondern
ich konnte die Täuschung erraten. Ich konnte auch manchmal die Träume
registrieren.
(Was waren das für sexuelle Träume?) Ach, die gewöhnlichen,
nicht wahr. Abirren, glaube ich, werde ich nie. Ich bin aus einer Bauern¬
familie. Mein Vater war wohl Bergbauingenieur; aber er war hauptsächlich
Ökonom.
(Sind Sie eine religiöse Natur?) Ohne an eine positive, hier oder
dort verankerte Führung zu glauben, bin ich vielleicht im Grunde recht
religiös. Ich möchte an etwas glauben — ich möchte, ich möchte —, ich
möchte so gern an einen Gott glauben. Aber diese kalten, vernichtenden
Vernunftgründe — alles, was sich ereignet an Widersprüchen, das hält
mich davon eher ab, als es mich dazu hinwenden kann. Aber ich liebe
religiöse Musik über alles, und ich glaube eben gerade deswegen. In der
Jugend war ich religiös; durch die Erziehung, nicht wahr.
(Sie sagen. Sie lieben Musik; welche Musik?) Schwere, religiöse
Musik, nichts Leichtes.
(Gehen Sie in die Kirche ?) Manchmal,-ich hätte gern — wie
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Juliusburger,
ich sage — ich hätte gern; aber ich kann nicht. Aber die Musik kann
mich hinziehen.
(Wo suchen Sie die Musik auf?) Früher ging ich gern in die Phil¬
harmonie. Jetzt aber — ich spiele selbst etwas Harfe; nicht viel; ich
singe auch etwas.
(Was haben Sie da für Gefühle, wenn Sie in die religiöse Musik ein-
dringen?) Der Erbauung, der Trauer — Erwachen der Nächstenliebe —
Läuterung — Reinigung.
(Bei der Musik kommt nie sexuelle Erregung?) Gar nicht.
(Bei andern Anlässen? Bei Gerüchen?) Ja. Bei mir spielt der
Geruch eine Rolle; eine große Rolle.
(Welcher Geruch?) Ich glaube, ich rieche sehr scharf, kann gut
unterscheiden. Welcher Geruch, was ich gern rieche? Frische Gerüche,
Parfüms rieche ich ganz gern. An mir nicht. An mir vermeide ich Parfüms.
(Warum?) Ich weiß es nicht, es ist mir zu weichlich.
(Bei andern lieben Sie Parfüms?) Bei Männern nicht; bei Frauen
sehr. In meiner Heimat benutzen die Luso-Indianer viel Parfüms für sich.
Die Herren. Die pudern sich auch. Das ist uns Germanen nicht sehr an¬
genehm. Aber die Frauen, da habe ich es ganz gern.
(Lieben Sie Farben?) Oh, Farben liebe ich über alles. Das ist es
vielleicht. Wenn etwas schön ist — ich habe selber schon gemalt und
gezeichnet — wenn etwas schön ist, für das kann ich Wohlgefallen haben,
und ich muß es zum Ausdruck bringen; ich muß. es loben.
(Sind es bestimmte Farben, die Sie anziehen?) Am meisten liebe
ich wohl Gold, Altgold, — Nuancen in Blau mit Rot. Am liebsten Nuancen
solcher Art, Gold und Gold, keine ausgesprochene Farbe. Weinrot; ein
Gemisch von Rot und Blau, matt aufgetragen, das sind wohl meine Lieb¬
lingsfarben. Blau ist mein liebstes; Gold, Altgold.
(Haben Sie Vorliebe für gewisse Stoffe?) Nuancen, Herr Doktor.
Blau. '
(Bestimmte Trachten?) Schlank. Alles, was schlank ist, ganz
schlank.
(Keine ausgesprochene Neigung für bestimmte Kleidungsgegen¬
stände? In Damenkleidung? In Herrenkleidung?) In Herrenkleidung?
Ach nein, Herr Doktor. In Damenkleidung? In meiner Kleidung? Ich
lasse meine Frau wählen. Sehen Sie, um es zu dokumentieren, ich liebe
zum Beispiel lange Krawatten. Dieses unscheinbare Blau, mit ein bischen
Schwarz.
(Sind Berührungsempfindungen vorhanden?) Bei Männern bin
ich sehr scheu, zurückhaltend. Mir ist ein Händedruck schon sehr viel.
Wenn ich einem Kameraden die Hand gebe, dann verpflichte ich mich
ihm schon. Bei Frauen ist die Empfindung für mich sehr — wenn nicht
gerade — nein, das will ich nicht sagen, daß es schon ein Gefühl der Wonne
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Zur Lehre von den psychischen Entwicklungsstörungen (Infantilismas). 233
aaslöst. Aber je nachdem, kalte Hände schrecken mich sehr ab; warme
Hände habe ich sehr gern.
(Stimmen?) Die Liebe zu welcher Stimme.
(Übt die Stimme irgendeinen Eindruck auf Sie?) Gewiß, Herr
Doktor. Wie ich eben überhaupt ungemein dem ersten Eindruck unter¬
worfen bin. Zum Beispiel, lerne ich eine Frau kennen, die sehr schön sein
mag, und sie spricht dann und hat eine tiefe Stimme, dann schwindet
alles, was vorher an Reiz zur Geltung kommen konnte. Ich habe gern
eine hellklingende Stimme.
(Sind Sie überhaupt sehr eindruckfähig?) Gewiß, Herr Doktor, ja.
Auch sehr phantasiereich. Ich habe viele Phantasie. Ich habe schon
öfter ... ich bin nie zum Spiritisten gekommen, mein Leben ist zu einsam;
aber ich habe mir schon immer die Frage vorgelegt, ob ich nicht einmal
in einen spiritistischen Zirkel gehen soll, um nur zu sehen, welcher Art die
Eindrücke dort sind. Ich habe es schon fertiggebracht und setze mich in
ein halbdunkles Zimmer — nicht dunkel, halbdunkel — und sehe vor mich
hin, und sehe so lange vor mich hin, bis ich in der Ecke ganz deutlich meine
Mutter sehe. Ganz deutlich. Es sind nur wenig Menschen, die ich so,
so zitieren kann; meine Mutter, ich sehe sie ganz genau. Ich sehe, wie aus
dem Halbdunkel sich die Fäden zusammenziehen, und das gibt dann eine
matte, neutrale Farbe, nicht etwa weiß und rot das Gesicht, sondern alles
so rotbraun-bleich. Ich sehe sie ganz genau, und ich kann sie lächeln
machen und durch meinen eigenen Willen kann ich sie weinen machen,
ganz nach und nach. Es strengt mich etwas vielleicht an; aber ich bringe
es fertig.
(Was fühlen Sie dabei ?) Wehmut — Wehmut und Liebe.
(Haben Sie vielleicht an sich gewisse kindliche Züge beobachtet?
Spieltrieb zum Beispiel?) Mit Kindern mache ich alles, Herr Doktor.
Ich habe aber nur eins gehabt, das ist uns gestorben, mit 10 Monaten.
Wir haben es so gern gehabt, und es ist so plötzlich gestorben. Ich bin
ungemein kinderlieb.
(Wie kommen Sie sich dabei vor?) Wenn ich das da außen hörte,
mit den Kindern sprechen, und wie ich schon sehe, daß die Kinder um Sie
herum trotz der täglichen Tätigkeit patriotische Lieder brüllen und singen
dürfen, das bereitet mir Wonne.
(Wie fühlen Sie sich denn selbst dabei?) Wenn ich mit Kindern
spiele?
(Ja.) Glücklich. Ich kann Kinder — wir haben — in unserem Hause
wohnt ein Ingenieur, ein Kamerad. Er ist eingezogen worden, ist in Polen,
und die Frau ist niedergekommen. Sie bringt nun an jedem Tage 4 , 5 Stun¬
den bei uns zu. Wenn ich das Kind im Arm habe — ich kann’s 4 , 5 Stunden
haben, ich geb’s nicht mehr weg. Das Kindchen zu herzen, den frischen
Kindergeruch — das ist etwas Wonniges — etwas Wonniges! Ich möchte
selbst Kinder haben; aber meine Frau ist zu leidend, zu schwächlich, durch
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Julinsburger,
die Malaria, durch dieses lange Wechselfieber, das kommt und geht, so
leidend geworden. Nun kam dieser furchtbare Schlag, da hat sie wieder
in kurzer Zeit vielleicht um 10 Pfund abgenommen. Wenn Sie sie sehen
würden, Herr Doktor 1 Sie wollte mitkommen. Klein, zierlich, schwach,
mit wunderbaren, seelenvollen Augen. Ich habe ihr sonst noch keinen
Kummer gemacht; aber das war ein furchtbarer Schlag. Ich glaubte, sie
würde sich von mir trennen. Ich kann mir gar nicht denken — ich sehe
dem ganz apathisch entgegen.
(Haben Sie selbst Lust am Spiel?) O ja, o ja, Herr Doktor, aber ich
meide es. Ich habe große Lust am Spiel, und habe schon viel verspielt.
Auch wette ich hoch, und da — es verläßt mich die Energie leicht. Wenn
hohe Einsätze stehen, und ich kann sie durch Zusatz gewinnen.
(Wo? Bei einem Kartenspiel, oder was meinen Sie?) Kartenspiel
weniger. Wie gesagt, das war drüben.
(Was meinen Sie mit dem hohen Einsatz?) Drüben in Südamerika
wird viel gespielt: Bakkarat.
(Meinten Sie das von früher?) Ja, von früher. Ich war damals wohl¬
habend. Ich hatte einen gut bestellten Bauernhof und hatte ein gutes
Einkommen pro Monat, ein Conto du reste von 1000—1200 M. Und dort
wurde sehr viel gespielt, viel Lotterie.
(Haben Sie jetzt noch die Neigung zum Spiel?) Ich hätte sie; aber
ich meide sie. Ich komme gar nie ins Wirtshaus, ich gehe jeden Abend
um 10 Uhr zu Bett.
(Aber in der Phantasie?) In der Phantasie wohl.
(Wie das?) Dann löst es ähnliche Empfindungen aus wie das, was
ich getan habe. Wenn ich am Spieltisch sitze und sehe das viele Geld,
dann, ja dann kommt mir schon die Lust an, zu gewinnen; aber weitaus
nicht dieser Drang, Geld zu haben, als gerade diese Gegenstände zu haben.
Ich habe Lust zu wetten und zu spielen.
(Kommen auch so in der Phantasie große Pläne?) Gewiß, wenn ich
allein gehe, dann mache ich für mich in Weltgeschichte. Ich habe den
Krieg schon auf einsamen Spaziergängen im Park in allen Nuancen durch-
spielen lassen, die Völker in Bewegung gesetzt und die Germanen wachsen
lassen ins Ungeheure. Das ist immer für mich eine Lieblingsbeschäftigung,
etwas in der Phantasie für mich selbst aufzuhäufen, daß es schließlich so —
und dann mit Kriterium. Ich sagte mir zum Beispiel — ich weiß nicht,
ob ich Sie dadurch ...
(Bitte, bittet) ... An einem Abend eben kam uns die Meldung
von einem Sieg. Ich habe viel über den Krieg nachgedacht. Mit ganzer
Seele hänge ich an der deutschen Heimat. Ich stamme selbst aus 'Öster¬
reich, aus Steiermark. Es leben noch von meiner Mutter Namen vier
große Bauernhöfe da unten. Das habe ich sehr gern gemacht, das Träumen,
nicht bloß in der Kindheit; später hatten diese Träume mehr Sinn. Ich
gruppierte mir die Armeen nur für mich, auf den Spaziergängen, und ließ
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Zur Lehre von den psychischen Entwicklungsstörungen (Infantilismus). 235
die Bulgaren dann eingreifen. Ich ließ die Griechen bis zur Vernichtung
schlagen, Nationen, die uns nicht wohl wollten. Ich ließ die Türken siegen
und gestaltete für mich — ganz Europa bekam ein anderes AntUtz.
(Kamen Sie sich auch als Kaiser vor?) Nein, das nicht, Herr Doktor,
aber es schmeichelte mir schon, mich als einen Politikus zu fühlen oder
gar einen Heerführer; ja, das schmeichelte mir schon.
(Haben Sie solche Phantasien auch als Kind gehabt?) Als Kind
hatte ich enorme Phantasien.
(Erzählen Sie doch, welcher Art die Träume waren.) Ich war als
Knabe wohl sehr kriegerisch veranlagt. Da hatten wir die Botokuden und
andere Stämme in unmittelbarer Nähe, und unsere alten Bauern erzählten
uns sehr viel von den Indianerstämmen und den Gefechten mit ihnen.
In dieser einen Schlacht fiel auch mein Vater. Die Sibirten waren aufge¬
standen und wollten Rio erobern, und damals waren es die deutschen
Bauern in den Bergen, die den Anprall aufhielten, allerdings mit unge¬
heuren Verlusten, und da ist auch mein Vater erschlagen worden. Das
war nun eine Schreckenszeit. Das mag wohl ärger gewesen sein wie heute
in Rußland, wo die Russen hinkommen. Denn diese Waldneger, diese
Mulatten, waren ein so grausames Gesindel, die schlachteten die Weiber
uud Mädchen alle ab, nachdem sie vergewaltigt worden waren, und typisch
wurde allen die Kehle durchschnitten. Damals war ich 6 Jahre alt. Diese
Erzählungen, die waren natürlich immer des Abends, ich möchte sagen,
das war die Abendunterhaltung.
(Nun, und?) Und auf diese bauten sich denn auch meine phan¬
tastischen Träume meistens auf.
(Nämlich? Was spielten Sie da für eine Rolle?) Ich spielte die Rolle
als einer, der anfing, eine Gruppe zu sammeln und immer mächtiger zu
werden und seinem Volk viel zu nützen.
(Und solche Phantasien haben Sie auch jetzt ? Kommen die unwill¬
kürlich oder suchen Sie sie herbei?) Ich bin ihnen geneigt, ich suche sie
herbei. Diese Phantasien sind mir mitunter so treu, daß ich ganz genau
weiß, also ich bin da und da stehen geblieben, Deutschland reichte damals
bis dahin und Frankreich war gekürzt bis dahin, von Italien war nur
mehr das übrig, jetzt geht’s da weiter, das weiß ich alles. Diese Lieblings-
ideen, die setzen sich ganz fest.
(Was meinen Sie damit, die setzen sich fest?) So daß ich gleich
wieder weiß, damit es interessant bleibt, damit ich nicht wieder dasselbe
für mich baue.
(Dann bauen Sie weiter auf?) Ja, ich baue weiter auf.
(Und was empfinden Sie da?) Ja, ein Gefühl, als ob ich vorwärts -
hasten soll, mehr zu machen, mehr zu gestalten. Es ist mir dabei ein an¬
genehmes Gefühl; ich bringe mich freiwillig auch in Gefahr dabei. Es ist
in der Gestaltung so gedacht, daß ich zugrunde gehe in der Ausführung
irgendeines Wagnisses.
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Juliusburger,
(Was empfinden Sie da ? Beim Zugrundegehen ?) Wie soll ich sagen ?
Wenn ich es wohl selber mir so vorgestalte — als ob ich an einem Abgrund
entlang. Ich zwinge mich da schließlich selber beinahe, es zu denken —
ein fatalistisches Qefühl, es muß so sein.
(Was geschieht denn da, beim Zugrunde'gehen ?) Sagen wir, wir
werden umzingelt und zusammengehauen, wir gehen zugrunde.
(Erfüllt Sie das auch mit einem freudigen Gefühl? Dies Zugrunde-
gehen?) Nein, mit Trauer.
(Lieben Sie Rauschgefühle?) Ja, Herr Doktor, ich bin sehr mäßig.
.(Nein, ich meine nicht mit Getränken; ich meine, in der Phantasie.)
Ja, das liebe ich. Für mich ganz allein. Aber die Phantasien sind derge¬
stalt, daß ich — so phantastisch, so bunt — die Lust, es mitzuteilen, einem
andern das zu malen, nein, die habe ich nicht.
(Nur selbst genießen?) Ja, selbst genießen.
(Machen Sie das zu Hause?) Ich weiß etwas, Herr Doktor, das ist
vielleicht wesentlich. Wie ich so schwer krank war, sollte ich nicht reden,
nur still liegen, den ganzen Tag auf dem Rücken, und da kam mein Freund,
und da war ich sehr erregt. Und der wollte wieder gehen, und ich hielt
ihn fest, er solle sich an mein Bett setzen. Auch damals phantasierte ich
wach und schlafend — furchtbare Phantasien. Nun, ich hielt ihm einen
Vortrag damals darüber, damals war noch nicht Krieg. Ich sprach von
diesem Kriege, daß ganz Europa gegen Deutschland aufstünde. Und es
vergingen darüber 3 % bis 4 Stunden. Ich redete mich in die höchste
Erregung hinein, mein Kopf schäumte, der Körper war in Schweiß gebadet.
Ich ließ ihn nicht los, ich wollte seine Meinung hören. Ich sagte, wenn
auch Frieden ist, ob es das nicht geben kann. Ich sprach damals von
diesem Kriege.
(Wenn Sie sonst Phantasien suchen, gehen Sie dann spazieren?)
Ganz einsam spazieren.
(In den Straßen?) Nein, dann ging ich in den Charlottenburger
Park. Da bin ich unzählige Male am Abend gewesen. Dann ist es mir unlieb,
wenn mir jemand begegnet. Ganz allein will ich dann sein mit meinen
Phantasien. Wenn ich in die Stadt ging, dann ging ich, um mich zu zer¬
streuen, dann wollte ich was anderes sehen, viel Lärm, abgebrochene Musik,
durcheinandergehetzte und -gejagte Bilder, das wollte ich haben.
(Als ich vorhin vom Spiel sagte, meinte ich eigentlich nicht Gewinn-
spiele; ich meinte kindliche Spiele. Ist da eine Neigung bei Ihnen vor¬
handen zu kindlichem Spiel?) Ja, Herr Doktor.
(Welcher Art war z. B. das? Haben Sie die Neigung, wie Kinder
zu spielen, zu bauen, mit Soldaten zu spielen, zu schnitzen?) Ja, ich
mache zu Hause allerlei, was schließlich einem Spiel gleichkommt. Ich
schnitze und säge Laub, modelliere ein bißchen, bin zum ersten Mal durch
dieses hinausgetreten aus meinen Gewohnheiten.
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Zur Lehre von den psychischen Entwicklungsstörongen (Infantilismus). 237
(Wodurch?) Durch dieses In-die-Stadt-gehen. Bin dadurch voll¬
ständig hinausgetreten.
* (Haben Sie auch manchmal die Neigung, Scherze zu machen, wie
Kinder?) O ja, ich bin sonst, wenn ich nicht überlastet bin und über¬
arbeitet, bin ich fröhlicher Natur, mache gern einen Scherz.
(Spielt in den Phantasien auch der Tod irgendeine Rolle?) Ja. Ich
habe schon erzählt, als Kind, ich brauchte lange Jahre, ich wurde 14 Jahre
wohl gut, bis ich diese Schreckgesichter überwand. -Ich war als Knabe
ungemein schreckhaft. Ich sah überall den Tod, ich sah überall Ge¬
spenster.
(Wie kamen Sie darauf?) Als Kind? Man brauchte mich nur in ein
Zimmer hineinzustellen, in dem es nicht ganz hell war. Dann blieb ich
zunächst stehen und sah überall hin und vergewisserte mich, ob niemand
da war, ob kein Geist da war.
(Wie kamen Sie darauf? Wurde Ihnen das erzählt?) Ja, die alten
Leute erzählten wohl häufig auch solche Gespenstergeschichten.
(Oder hat irgendein Erlebnis einen Eindruck gemacht?) Herr
Doktor, ich will etwas erzählen, was Ihnen vielleicht dienen kann. Ich
war Student, war 18 Jahre alt. Da war ich in Sanct Paulo am Lyceum
Anglo-Brasiliano. Da hatten wir eine fröhliche Zusammenkunft, wir
Studenten, und gingen etwa um *412 aus dem Lokal. Dort wird Bier
nicht getrunken. Das ist sehr teuer und in Flaschen. Das Brauen in
Fässern kannte man dort nicht der Temperatur wegen. Wir tranken
Orangenwein. Der steigt ziemlich zu Kopf, und die Nachwirkung ist in
der Regel ganz furchtbar in Orangenwein. Nun lösten wir uns allmählich
auf; die einen gingen dahin, die andern dorthin. Ich und noch zwei Kame¬
raden hatten am weitesten, nach einem Stadtteil, der heißt .
Zwischen diesem Stadtteil und dem Ort, wo wir gerade waren, liegt ein
großer Friedhof. Die Mauer ist unendlich lang. Wir mußten also — wir
standen hier — und Silva Maria liegt hier drüben, und die Kirchhofmauer
geht so rüber und so rüber. Da sagte einer: „Wenn der fatale Kirchhof
nicht wäre, würden wir in einer Viertelstunde zu Hause sein.“ Da sagte
ich: „Was kümmert mich der Kirchhof! Ich gehe durch den Kirchhof;
ich fürchte mich nicht vor Toten.“ Die andern lachten und meinten: „Du
warst doch als Kind so’n großer Hasenfuß.“ — „Gut, aber jetzt nicht
mehrl Ich will durch den Kirchhof gehen!“ Und wir machten, nach
Studentenart, eine kleine Wette. Einer stieg auf den andern, erklomm die
hohe Mauer — wir waren zu Dritt —, einen ließen wir unten, um wieder
absteigen zu können. Aber nun machten wir aus, wenn ich ungefähr in
der Mitte bin, sollten die andern machen, daß sie rüber kommen, damit sie
mir drüben heraushelfen. Der Kirchhof war sehr groß, in der Mitte stand
das Leichenhaus. In Brasilien liegen die Leichen in offenen Särgen, un¬
bedeckt, und die Lichter bleiben stehen, die Nacht hindurch, man kann
also ganz klar sehen. Als Kind habe ich einen furchtbaren Schrecken vor
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238
Juliusburger,
Leichen gehabt. Aber der schien sich ganz verloren zu haben. Und da
sprang ich nunter. Und schon, wie ich absprang, sprang ich so weich,
und ich hatte ein Gefühl furchtbaren Schreckens, aber ich ermannte mich
und ging fort. Und da ging ein Gang gerade hinüber; links und rechts
waren die Steine. Und da war einige Tage vorher gewesen Allerheiligen,
das Gedächtnisfest, und da winden die Brasilianer weiße Schleier um die
Steine. Und nun ging ich und rief noch zurück und machte einen Scherz.
Aber wie die zu reden auf hörten, wie ich die nicht mehr hörte, bemächtigte
sich meiner wieder dieses Angstgefühl, und auf einmal stieg etwas auf aus
dem Grabe — es war wohl nur der Schleier —, aber ich sah etwas, als wie
ein Leichentuch, und das fiel mir um das Gesicht, und ich stürzte zusammen.
Das war die einzige Ohnmacht, die ich im Leben gehabt habe. Da sprangen
die Kameraden herunter und holten mich zurück. Mit Hilfe des Leichen-
Wärters zogen sie mich auf die Mauer. Die Wette habe ich damals gleich
bezahlt. Das Angstgefühl war doch zu groß.
(Das muß ja furchtbar gewesen sein?) Ja, das war ein furchtbares
Gefühl.
(Spielt auch jetzt noch der Tod eine Rolle?) Nein, jetzt nicht.
(Auch in der Phantasie nicht?) Wenig.
(Sie sind 35 Jahre?) Ja.
(Seit wann sind Sie ergraut?) Das ist auch in den letzten Wochen
gekommen und so schnell; gerade da, wo ich den Kopfschmerz habe.
(Nach dieser Geschichte?) Nein, nein; vor 6 Wochen, kann man
sagen.
(Vor der Sache?) Ja, ja. Das werden jetzt her sein — das kam
so schnell — das kam vor 5, 6 Wochen, da hatte ich immer solchen ein¬
seitigen Kopfschmerz.
(Wann war die erste Sache?) Mitte April.
(Sind in Ihrer Familie Nervenkrankheiten oder Geisteskrankheiten
vorgekommen?) Mein Vater ist so früh gestorben, daß ich von ihm fast
gar nichts weiß. Da war ich 6 Jahre alt. Er war noch jung; erst 28 Jahre
alt. Meine Mutter starb bald nach meiner Geburt, die habe ich nur in den
Bildern der Familie.
(Und nach diesen Familienbildern zaubern Sie sie sich vor?) Ja.
Sie war ein sehr schönes Mädchen; die Familie hatte Hoffnungen darauf
gesetzt, sie wurde in Bildern festgehalten.
(Erstreckt sich die Liebe nicht auch auf die zweite Mutter?) Die
zweite Mutter hat zu mir wenig Liebe gehabt. Da sind zwei weitere Kinder
da. Die sah nur auf die Interessen ihrer Kinder. Deswegen habe ich auch
das Studium unterbrechen müssen.
(Konnten Sie als Kind zur zweiten Mutter uicht recht Fühlung be¬
kommen?) Ich war als Kind immer für mich, einsam.
(Suchten Sie keinen Anschluß an andere Kinder?) Ja; bei den
Indianerspielen, die bei uns noch beliebter sind wie irgendwo. Da war
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Zur Lehre von den psychischen Entwicklnngsstörangen (Infantilismus). 239
ich wohl meistens der Anführer. Aber sonst war ich immer allein, hatte
viel Freude am Lesen und Schreiben, am Studium.
(Sie hatten als Kind schon diese Phantasien? Fühlten sich schon
unglücklich als Kind ?) Ja, ein glückliches Gefühl hatte ich nie. Ich hatte
immer ein Sehnen nach etwas, was sich nicht erfüllen mag oder erfüllen
kann.
(Haben Sie das heute noch?) Immer.
(Und das befriedigen Sie dann in diesen Phantasien?) Ja.
(Früher war nie so eine Neigung aufgetreten, etwas zu besitzen?)
Niel Absolut niel Gar nicht.
(Irgendein Sammeltrieb?) Nein, für Sammlungen habe ich nichts
übrig. Es ist mir die Zeit vertrödelt.
(Rauchen Sie?) Rauchen? Gar nicht.
(Biertrinken?) Gar nicht. Höchst selten.
(Früher auch nicht?) Ich bin immer mäßig gewesen. Das Essen
hat bei mir nie eine große Rolle gespielt. Ich vertiefe mich nicht in das
Essen. Hingegen in die schöne Natur oder sonst etwas Schönes, schöne
Einrichtungen, schöne Gegenstände, oh, die habe ich sehr gern. Schöne
Menschen, gescheite Menschen, habe ich sehr gern. Aber sammeln, Münzen
oder —. Ich bin auch nicht besonders sparsam und ökonomisch veranlagt.
Wenn ich meine Frau nicht hätte, die das Geld ganz und gar verwaltete —.
Nur meine kleinen Nebeneinkünfte für Übersetzungen —
(So führt Ihre Frau mehr das Regiment?) Jawohl, Herr Doktor.
Das führt sie. Sie ist eine kleine, kluge, überaus edle Frau, bedeutend
jünger als ich; sie ist 27 Jahre; aber in wirtschaftlichen Dingen viel klüger
als ich. Ich bin für vieles interesselos. Ich wüßte gar nicht, was dies und
jenes kostet, z. B. Lebensmittel. Ich verlasse mich ganz und gar auf meine
Frau. Bin auch sonst absolut nicht habgierig. Im Spiel gönne ich jedem
herzlich den Gewinn; ich beneide den andern nicht um die kleineren oder
größeren Vorteile, die ihm eine Stellung bietet. Nein, ich habe keine Zeit.
Ich komme kaum dazu, meine Phantasien sind mein Reich; das Reich
meiner Ideen ist mir viel lieber, das ist für mich eine Erholung.
(Welches Reich der Ideen?) Ganz T allein zu gehen oder zu sitzen
zu Hause. Sehen Sie, Herr Doktor, meine Frau hat ihre eigenen An¬
schauungen. Sie ist sehr religiös, hoch sittlich, und ich habe es nie gewagt
und nie versucht, ihr Argumente zu stellen, die sie schließlich wankend
machen könnten. Sie lebt ihr eigenes Leben und ich meins.
(Sie wollten gerade erzählen; das Reich Ihrer Ideen?) Ja. Ob ich
zu Hause bin, wenn ich mich unterhalte, so lebe ich oft nebenbei noch in
meinen Phantasien weiter. Ich kann dann nur nicht so acht geben auf das,
sondern nehme nur oberflächlich teil. Aber meine geliebten Ideen 1 Das
ist die Basis, das ist der Grundstrom, der immer vorhanden ist.
(Welche Ideen?) Ideen, in denen ich glücklich-bin, und in denen
ich die Menschen glücklich machen kann, die ich lieb habe.
Zeitschrift für Psychiatrie. LXXIT. S.
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240
Juliusburger,
(Nämlich?) Meine Frau.
(Was für Ideen ?) Ach, Herr Doktor, sehen Sie, ich denke mir dann —
ich hatte zum Beispiel eine Lieblingsidee: ich könnte das wiedergewinnen,
was ich verloren habe, und im stillen brasilianischen Hinterwald, wo so
viele, viele meiner Verwandten sitzen, wieder einen Bauernhof haben,
einen gut bestellten, wieder Landwirtschaft machen, wieder handeln und
mein Frauchen dort haben. Das umkleide ich dann mit einer unend¬
lichen Sorgfalt, bis auf das Kleinste.
(Was haben Sie denn verloren ?) Ich habe das gehabt, was ich sagte,
einen gut bestellten Bauernhof.
(Wieso haben Sie den verloren?) Durch Spiel — die Krankheit
meiner Frau. Ein halbes Jahr war sie schwer krank, und ich konnte meinen
Geschäften nicht nachgehen.
(Und Spiel, sagen Sie?) Vorher schon habe ich zum Teil verspielt.
Wenn ich spielte, dann spielte ich nur auf ungewöhnlich hohe Einsätze.
Nur das hatte Reiz. Kleine Einsätze zu machen, das hatte nicht die An¬
ziehung.
(Kartenspiel?) Ja. Wir nennen es drüben Bakkarat.
(Seit wann spielen Sie nicht mehr?) Seit dieser Zeit.
(Wieviel Jahre ist das her?) Sechs Jahre, nicht mehr. Wir spielen
zu Hause; aber das kann man wohl nicht ein kindliches Spiel nennen.
Ja doch, mitunter ist es kindlich. Wir haben ein großes Rennspiel zu
Hause; da kommen dann ein paar Freunde mit ihren Frauen, und da hat
jeder einen Gaul. Ich habe mir das bei Wertheim gekauft. Es kostet
12 M. Es ist sehr schön, damit die Illusion vorhanden war.
(Welche Illusion?) Die Illusion, auf dem Rennplatz zu sein. Das
Spiel ist sehr schön und groß; es sind Jockeis drauf, und da haben die
Freunde und ihre Gattinnen je einen Renngaul, und da setzen wir uns
manchmal abends zusammen, es werden kleine Einsätze gemacht und wird
gespielt. Das macht mir Freude; aber den andern merkwürdigerweise
auch. Ich weiß nicht, ob man es unter kindliche Spiele rubrizieren darf.
Wenn man auch nur 10 Pfennige einsetzt, es hat allerlei Reiz, das zu
gewinnen. Für mich hat es einen sehr hohen Reiz, 20 Pfennige zu gewinnen,
wenn ich schon 10 Pfennig eingesetzt habe. Aber dann, wenn ich ge¬
winne — ich bin, wie gesagt, nicht habgierig, sondern wenn ich mehrmals
gewonnen habe, setze ich dasselbe wieder als Preis aus.
(Spielen Sie noch ähnliche Spiele, um zu gewinnen?) Nein. Ins
Gasthaus gehe ich also gar nicht; ins Cafö gehe ich auch fast gar nicht.
Nur wenn ich gezwungen bin, mit Kollegen eine Zusammenkunft zu haben.
(Wie ist Ihnen augenblicklich zumute?) Ja, Herr Doktor, sehen
Sie, das ist nun schwer zu schildern. Ich habe Ihnen gesagt von einer
Apathie und von einem Fatalismus. Der Fatalismus ist mir überhaupt
eigen gewesen im Leben. Ich möchte — mich schmerzt’s meiner Frau
wegen — vor allem meiner Frau wegen schmerzt es mich, die meinen
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Zur Lehre von den psychischen Entwicklnngpstörangen (Infantilismus). 241
Namen hat und die ihn mit solchem Stolz trägt und getragen hat. Wenn
Sie sie sehen könnten, Herr Doktor, würden Sie sich ihrer erbarmen, als
Menschenfreund, der Sie ja sind. Wenn Sie die Augen sehen — aber ich
kann mich über diesen Schlag — wie ich damals so viel Geld verspielte —,
es beherrschte mich ein Gefühl des Fatalismus, der Gedanke: es kann
nicht anders sein, das ist Schicksal, es mußte so kommen.
(Warum?) Ich weil^nicht, warum. Gewiß, ich muß mir sagen, ich
bin selbst schuld; der Wille war nicht stark genug, um diesen traumhaften
Zustand zu beseitigen, zu verscheuchen.
(Sie sprachen eben von einem traumhaften Zustand. Haben Sie
vielleicht irgendwie Zustände gehabt, sagen wir, sind Sie irgendwohin
gefahren oder gegangen, und nachher fragten Sie sich: zu was?) Jawohl,
Herr Doktor, in der letzten Zeit oft genug. Im Geschäft, im Bureau stand
ich in der Registratur — bin zwei Stock hoch hinaufgeklettert, wollte
etwas verlangen. Dann — ja, zu was bin ich jetzt hierhergegangen ? — Ich
weiß es nicht.
(War das vor der Tat oder nach der Tat?) Vor und nach. Die
Gedankenlosigkeit ist auch jetzt noch, nur das Pensum behalte ich jetzt
besser. Vor der Tat stieg auch die Nervosität aufs höchste.
(Sind Sie auch irgendwohin gefahren und wußten nicht, warum?)
Ja, ich bin auch schon in die Bahn eingestiegen und von der Jungfern-
heide mit der Ringbahn nach Friedenau gefahren. Und dann saß ich im
Wagen und weiß nicht, was ich dachte. Dann sah ich immer hinaus, muß
ich aussteigen, kam nicht ganz in die Wirklichkeit, muß ich aussteigen?
Nein. Schließlich kam ich in Wilmersdorf-Friedenau an. Ja, zu was
bin ich denn -eigentlich hierhergefahren?
(Wann war das? Auch am Abend?) Am Abend war es immer am
hochgradigsten.
(Wohin wollten Sie denn fahren?) In die Stadt vielleicht, nach
Lehrter Bahnhof da hinaus zu.
(Aber wie Sie in den Zug eingestiegen sind, wußten Sie gar nicht?)
Nein, ich war vollständig gedankenlos. Ich kann die Beispiele gar nicht
alle anführen.
(War das auch früher?) Erst seit der angestrengten Arbeit; ich habe
sonst die Gedanken vollständig beisammen gehabt. Erst seitdem ich die
Arbeit gewechselt habe.
(Kam es auch vor, daß Sie nicht ins Geschäft fuhren?) Da sorgte
meine Frau dafür. Die schickte mich da schon.
(Das kam nicht vor, daß Sie da falsche Wege einschlugen?) Nein,
da nicht. Da wurde ich auch schon immer erwartet in unmittelbarer Nähe
des Hauses von Kameraden. Wir gehen durch den Wald. Aber das, daß
ich zum Beispiel meine Frau rief oder jemand rief und dann — jetzt ist’s
viel besser — ich rief ihn an: Schnell, schnellI Und nun war er da — ein
Laufbursche —. Holen Sie mir mal — na, da wußte ich’s wieder nicht und
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242
Juliusburger,
sagte, ich werde mir’s selber holen. Und nun stand ich da: ja, was wollte
ich. — Eins, Herr Doktor, eins, eins ist für Sie vielleicht ein Anhaltpunkt.
Ich habe schon, nicht in dieser letzten Periode, sondern früher — habe ich
oft eine wunderbare Translation des Schlafes, des Traumes, gehabt. Das
war so. Ich hatte einen schönen Traum. Der Traum war wunderbar.
Und wie ich erwachte, da hatte ich das Gefühl, das Nachgefühl, etwas
Schönes gesehen zu haben, aber ich wußte picht, was. Immer wieder
wollte ich das Wiedersehen oder wollte ich wissen, was da vorgekommen
war — ich kam nicht darauf. Ich war im Geschäft und diktierte einer
Dame. Auf einmal kommt der Traum mir in die wache Wirklichkeit,
vormittags um 9 Uhr, 10 herum, nachdem ich vielleicht 4 Stunden wach
gewesen war. Das ist mir oft gekommen.
(Was war das für ein Traum? Es war wohl meistens sexuell?) Ich
glaube meistens, oder etwas Ähnliches, in der Frauen eine Rolle spielen.
Es kam mit solch wunderbarer Genauigkeit wie eine Fata Morgana. Ich
habe öfter Fata Morganas gesehen und wollte Vergleiche ziehen. Richtig,
das war eine parable Fata Morgana. Ich setzte aus, plötzlich, da ver¬
dichtete sich der Schleier, und ich sah das Bild genau so, wie es im Traum
war. Nicht den ganzen Traum, sondern eine Figur. Ich habe viel herum¬
gefragt— des Interesses halber; ich habe niemand gefunden, der das hatte.
Später konnte ich das nicht mehr, wenn es nicht freiwillig kam ; selbst
hernach, nachdem diese Fata Morgana erblaßt, dann gelang es ja, ich hatte
die Kopie davon; aber es war viel realer, viel nüchterner, nicht mit diesem
Gefühl der Wonne.
(Kamen denn auch Phantasien, Gedanken des Sich-Opferns, Sich-
Hingebens?) Ja.
(Für wen?) Für Frau.
(Inwiefern?) Vielleicht, Herr Doktor, nicht wahr, ich habe vielfach
Anwandlungen, die mich in solche Trauer bringen, daß ich den Verzicht
auf das Leben wiederholt ins Auge faßte.
(Warum?) Das ist in Stunden großer Trauer, die ich mir selbst
nicht erklären kann — einer großen, großen Trauer, in der ich alles, alles
überdenke, was eben an Trostlosem sich ereignen kann. Die Kämpfe —
man kämpft doch eigentlich hier recht mühsam um sein Brot — und
zurückzukehren — jetzt — ist eben auch eine sehr schwere Sache. Bei
uns drüben — entweder muß einer ein wohlhabender Bauer sein —
(Was kommt Ihnen wegen des Opferns, meine ich?) Sehen Sie,
Herr Doktor, in den letzten Tagen kam mir öfter der Gedanke, ob es nicht
doch besser wäre, ich würde vielleicht fortgehen und irgendwo mich —
entweder Gift nehmen — diese Idee, die kommt mir oft.
(Erst nach der Tat oder vorher?) Nach der Tat wohl, aber vorher
auch. Aber nicht so intensiv.
(Was hat das aber mit einem Sich-Opfern zu tun?) Ja, Logik ist
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Zur Lehre von den psychischen En twicklungsstö rangen (Infantilismus). 243
da wohl keine dabei; aber sie kommen, diese Gedanken, in Stunden der
Trauer.
(Sie sprachen vorhin, einer Frau sich opfern?) Um sie zu befreien,
um sie zu zwingen, nochmals das Schicksal zu bewegen, vielleicht, daß
sich ihr andere Aussichten ergeben. Denn ich habe mir — ich habe sie
jedenfalls getäuscht. Sie glaubte in mir viel größere Fähigkeiten — aber
sie sagt es nicht.
(Das bezieht sich auf diese Frau. Bezog sich das früher auch auf
andere Frauen?) Nein, nur auf diese. Ich habe noch nie eine Frau
kennen gelernt, die mich andauernd durch Edelmut an sich fesselte und
in Staunen versetzt und zur Dankbarkeit zwingt. Ich wäre in der Liebe
vielleicht unstät. Ich glaube, Treue wäre bei mir eine schwere Sache,
wenn ich nicht einen so überaus edlen Menschen vor mir hätte, der nur
Verzeihung kennt und nur liebt und immer wieder sorgt. Keine Vor¬
würfe. Meine Frau ist ein sehr liebes, einfach bürgerlich erzogenes Mädchen
mit soliden, festen Grundsätzen. ,
Wir wollen uns nunmehr zur Erörterung des Falles wenden, um dann
die Frage zu beantworten, ob ihm für die strafbaren Handlungen der Schutz
des § 51 zugebilligt werden darf.
Eine eingehende Untersuchung der Persönlichkeit des Herrn R. ließ
mich nicht den geringsten Zweifel gegen die Wahrheit seiner oben nieder -
gelegten Angaben erheben. Ich habe von ihm einen durchaus günstigen
Eindruck gewonnen, der verstärkt wurde, je mehr ich mich in das Seelen¬
leben des Herrn R. vertiefte. Er versuchte nicht im geringsten, irgend¬
welche Erscheinungen einer Geisteskrankheit zur Irreführung vorzu-
täuschen. Nicht einmal als erheblich belastet suchte er sich darzustellen.
Herr R. gab sich von vornherein als durchaus natürlich, ungezwungen,
und seine Darstellungen waren sichtlich frei von jeder Übertreibung, von
jeglicher Beimischung täuschenden Materials. Daher glaube ich auch
Herrn R., wenn er angibt, daß er in keiner Weise vorbestraft sei. Ich
schenke seiner Angabe, daß seine Verhältnisse peinlich geordnet, seine
Ubensgewohnheiten einfach und einwandfrei waren, vollen Glauben.
In körperlicher Hinsicht erscheint Herr R. etwas aufgeschossen,
seine Statur ist schlank und zart, er trägt offenbar die Zeichen körper¬
licher und auch psychischer Schwäche und leichter Ermüdbarkeit an sich.
Herr R. erzählte, daß er vor einem Jahre an einer schweren Lungen¬
entzündung erkrankt sei, die ihn drei Monate ans Bett gefesselt hätte.
Noch in diesem Jahre, insbesondere zur Zeit der Begehung der strafbaren
Handlungen, hätte er an den Nachwehen der Lungenentzündung gelitten
und die durch diese Erkrankung herbeigeführte körperliche und seelische
Schwäche in ausgesprochenem Maße noch empfunden. Auch diese Angabe
des R. erscheint durch seine Darstellung glaubwürdig; sie wird aber durch
den objektiven Befund erhärtet, insofern noch heute in der linken seit-
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244
Juliasburger,
liehen Brustwand die Auskultation deutliche Reibegeräusche, also ent¬
zündliche Veränderungen des Rippenfells, ergeben hat. Daher müssen
wir dem R. durchaus glauben, wenn er eine körperlich bedingte Schwäche
seines Organismus behauptet.
Es finden sich aber noch weitere wichtige und charakteristische
Symptome eines schwachen Zustandes des Nervensystems, der, wie fast
immer in solchen Fällen, gleichzeitig mit einer gewissen Reizbarkeit und
abnormen Erregbarkeit einherzugehen pflegt.
Die Pulszahl beträgt heute, vor Beginn der Untersuchung, 80—90,
um nach kleinen körperlichen Anstrengungen merkbar in die Höhe zu
gehen und nach mehrmaligem Kniebeugen bis auf 120 Schläge und darüber
anzuschwellen. Bei geschlossenen Augen trat lebhaftes Lidflattern ein.
Vor allen Dingen aber trat sofort ein höchst bedenkliches Schwanken und
eine derartige Störung des Gleichgewichts ein, daß Herr R. vor einem Hin-
fallen bewahrt werden mußte. Die Kniesehnenphänomene zeigten eine
auffallend lebhafte Steigerung. Die Rückenhaut ließ das bekannte Phä¬
nomen der Dermographie erkennen, also das lebhafte Nachröten der Haut
nach mechanischer Reizung.
Alle diese zuletzt aufgeführten Erscheinungen weisen mit Sicherheit
auf eine krankhafte Veränderung, die sogenannte reizbare Schwäche des.
Nervensystems, hin.
Es ist nicht anzunehmen, daß dieser jetzt festgestellte nervöse Zu¬
stand erst nach Begehung der strafbaren Handlungen bei dem R. sich
eingestellt hat. Denn wie schon gesagt, handelt es sich nicht um die
körperlichen Ausdrucksformen verhaltener Angst und zurückgedämmter
innerer Erregung im Hinblick auf geschehene und kommende Ereignisse,
sondern die festgestellten Symptome sind lediglich aufzufassen als charak¬
teristisch für eine sicherlich schon längere Zeit bestehende nervöse Er¬
krankung, die, wenn sie schon vorher vorhanden gewesen sein sollte, wie
sehr wohl möglich, durch die schwere Lungenentzündung und ihre noch
heute nachzuweisenden Reste sicherlich eine Steigerung und Verschär¬
fung erfahren haben wird.
Zu dieser, sicherlich zur Zeit der Begehung der strafbaren Handlung 1
vorhandenen, geistig-körperlichen Schwäche des Organismus kommt die
vorangegangene Überanstrengung und Überbürdung, welcher der R. in
seinem Berufe während der Zeit des Krieges ausgesetzt war. R. selbst
schilderte, daß er sich einer neuen Tätigkeit in seiner Stellung zu unter¬
ziehen hatte, weil seine eigentliche Arbeit, die Korrespondenz mit dem
Ausland, durch den Kriegsausbruch aufgehört hatte und er als Finanz-
buchhalter beschäftigt werden mußte. R. fühlte sich dieser Arbeit nicht
gewachsen. Er konnte sie nicht ablehnen, weil von seinem Vorgesetzten
das Vertrauen zu der ihm übertragenen neuen Leistung in ihn gesetzt
wurde und er schließlich auch seinen Ehrgeiz geschmeichelt fühlte, nun
etwas Besonderes leisten zu können. Wir werden nicht fehlgehen in der
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Zur Lehre von den psychischen Entwicklungsstörungen (Infantilismus). 245
Behauptung, daß durch die Gestalt der Arbeitleistung, durch den ange¬
spornten Eifer die geistig-körperliche Schwäche seines Organismus noch
weiter gefördert wurde. Wir müssen es R. glauben, daß die Zahlen ihm
den Schlaf erschwerten und in die Träume folgten. So hat der Schlaf
seine erfrischende und kräftigende Wirkung bei ihm sicherlich nicht in
vollem Umfange auszuüben vermocht, und R. wird am Morgen nicht
erfrischt in den Dienst gegangen sein.
In glaubwürdiger Weise versicherte R., daß er, um seine Frau zu
schonen, in sexueller Hinsicht Zurückhaltung geübt hätte, die ihm nach
seiner Schilderung nicht leicht gefallen ist. Ich habe die Überzeugung
gewonnen, daß auch von der Sexualität her die geistig-körperliche Schwäche
des R. wiederum eine Verstärkung erfahren hat.
Wenn wir die oben dargelegte Schilderung des R., wie er die Tat
in den Warenhäusern vornahm, uns vergegenwärtigen, so gewinnen wir
leider nicht den Eindruck, den ich bei der mündlichen Darstellung des R.
gewonnen habe. Ich werde nie wieder diese greifbare Deutlichkeit und
im höchsten Maße charakteristische Klarheit vergessen, womit R. mich
in seinen Seelenzustand blicken ließ. Ich kann es nicht anders ausdrücken
als: R. durchlebte vor meinen Augen noch einmal alles das, was er kurz
vor und zur Zeit der Begehung der Straftaten seelisch durchgemacht hat.
Mit unerschütterlicher Kraft drängte sich mir die Überzeugung auf, daß
R. nicht die Absicht hatte, sich an fremdem Gute zu bereichern, und also
ein einfacher Dieb wurde, sondern es gingen in ihm seelische Vorgänge
vor sich, die ohne jeden Zweifel als krankhaft angesehen werden müssen.
Wenn wir jetzt die obige Darstellung lesen, müssen wir die Überzeugung
gewinnen, daß der Diebstahl in einer engen Beziehung zur Sexualität
des R. steht. Es war eine Art wollüstiger Rausch über ihn gekommen
der, ausgestattet mit einem unwiderstehlich zwangartigen Impuls, den
ohnedies geistig-körperlich geschwächten R. zu der Tat führte. Die
Hemmungsmechanismen waren vollständig ausgeschaltet. Es handelte
sich bei ihm gewissermaßen um die Ausschaltung der alltäglichen Per¬
sönlichkeit und die Einschaltung einer durchaus krankhaft veränderten
Individualität, welche von dem unwiderstehlichen Triebe erfüllt war, in
einem dem Sexualrausch äquivalenten Zustande das Lustgefühl zu kosten,
eben etwas zu tun, was sonst seiner Persönlichkeit durchaus fern lag.
Neben dieser sexuellen Wurzel stoßen wir aber unschwer noch auf
eine andere Quelle, aus der der krankhafte Impuls bei R. geflossen kam.
Höchst charakteristisch für Persönlichkeiten von der Art des R.
ist sein offenbar erhaltener kindlicher Trieb und sein Hang zu kindlichem
Gespiel. Wir finden in der oben niedergelegten Wiedergabe der Erzählung
des R. den unzweifelhaft pathologischen Hang, im Wachen zu träumen
und an den ausschweifendsten Phantasiegebilden Lust und Genüge zu
linden. Ganz nach Kinderart baut sich der Erwachsene seine Luft¬
schlösser und bevölkert sie mit den Gebilden seiner krankhaft schweifen -
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246 Juliasbarger, Zur Lehre von den psychischen Entwicklungsstörungeo.
den Phantasie. Ein auf der Stufe der Kindlichkeit stehen gebliebener
Wille zur Macht offenbart sich durchweg in all diesen Ausgeburten einer
pathologischen Geistesveranlagung. Und dieser kindliche Wille zur Macht,
etwas zu besitzen, etwas zu bekommen, spielt sicherlich auch eine Rolle
bei der Begehung der Diebstähle, insofern es der veränderten Persönlichkeit
Freude bereitete, in einen Besitz zu gelangen und dadurch eine Macht¬
äußerung zu offenbaren. Ein großes Stück Kindlichkeit lugt aus allen
Erzählungen des R. deutlich genug hervor und findet seine Verkörperung
in der höchst charakteristischen Erzählung, wie R. die Einsamkeit auf¬
sucht und dann durch Anspannung seiner krankhaften Phantasie das Bild
seiner verstorbenen Mutter sich sinnlich greifbar vorzaubert.
Man vergegenwärtige sich ferner die Fülle der Einzelheiten, die in
der oben niedergelegten Wiedergabe der Untersuchung der Persönlichkeit
des R. enthalten sind, und man muß zu dem zwingenden Schlüsse kommen,
daß R. eine entschieden krankhafte Persönlichkeit ist.
Man bedenke seine freudlose Jugend, die ungenügende und mangel¬
hafte Einwirkung auf die ganze geistige Entwicklung des heranwachsenden
Menschen, so wird man begreifen, daß eine unglückliche Veranlagung nicht
die Zügelung und den Ausgleich einer liebevollen elterlichen Erziehung
gefunden hat. Dazu kommt die durch die schwere Lungenentzündung
herbeigeführte Schwächung des Organismus. Man erinnere sich ferner
an die neue, ungewohnte und wohl über seine Kräfte gehende Arbeit, die
dem R. seit Kriegsbeginn anvertraut war, und so wird man die wichtigen
Momente beisammen haben, welche eine akut einsetzende Veränderung
der Persönlichkeit des R. durchaus erklärlich erscheinen lassen; denn die
Schilderungen, die er von der Zeit vor und während der Begehung der
strafbaren Handlungen entworfen hat, lassen, wie gesagt, nicht den
geringsten Zweifel übrig, daß die Kontinuität seines ohnehin schon mit
pathologischen Elementen reichlich durchsetzten Bewußtseins unter¬
brochen wurde und ausgesprochen krankhafte Triebe, Vorstellungen und
Gefühle die Oberhand und die Führung gewannen. — Ich komme daher
zu dem Schluß, daß R. zur Zeit der Begehung der strafbaren Handlungen
in der Tat in einem Zustande sich befunden hat, worin seine freie Willens¬
entschließung als aufgehoben angesehen werden muß. Die Voraus¬
setzungen des § 51 sind somit gegeben.
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Kleinere Mitteilungen
Der Minister des Innern. Berlin, den 14. August 1915.
M. 1227. (Min.-Bl. f. Med.-Angel. 1915, S. 291).
Durch den Erlaß vom 20. Dezember v. J. — M. 3055 (Min.-Bl. f. Med.-
Angel. 1915, S. 6) — ist erläuternd angeordnet worden, daß die während
des Krieges in Krankenanstalten aufgenommenen Militärpersonen nicht in
die durch Bundesratsbeschlüsse vom 24. Okt. 1875 und 12. Dez. 1901 vor¬
geschriebene Heilanstaltstatistik aufzunehmen sind. Hierzu rechnen auch
die während des Krieges als geisteskrank in die Behandlung von öffent¬
lichen oder privaten Heilanstalten eingetretenen Militärpersonen.
Die Beobachtungen über diese Personen sind jedoch für die Psy¬
chiatrie und die allgemeine Fürsorge in wissenschaftlicher wie in praktischer
Hinsicht wichtig. Um sie nutzbar machen zu können — sei es in den
späteren Anstaltberichten, sie es in einer besonderen Zusammenfassung —
sind genügende Aufzeichnungen auch über diese bei der Anstaltstatistik
nicht zu berücksichtigenden Kranken erforderlich.
Eure Durchlaucht (Exzellenz) ersuche ich ergebenst, der Provin¬
zialverwaltung zur Erwägung zu geben, ob die ihr unterstellten Anstalten
auf diese Aufgabe nicht ausdrücklich aufmerksam zu machen seien.
Im Aufträge
An die Herren Oberpräsidenten. Kirchner.
Vorstehender Ministerialerlaß, der zwar nur für Preußen gilt, dessen
Ziel aber voraussichtlich auch die übrigen deutschen Staaten ins Auge
fassen werden, gibt dem Vorstande des Deutschen Vereins für Psychiatrie
willkommene Veranlassung zur Bitte an die Fachgenossen, für eine Zu¬
sammenstellung des Anteils, den die deutschen Anstalten für Geisteskranke
an den Kriegsfolgen und der Kriegsfürsorge genommen haben und weiter
nehmen, schon jetzt die Unterlagen vorzubereiten. Auch wenn die
erforderlichen Aufzeichnungen mancherorts in Anstaltberichten oder in
sonstigen EinzelveröiTentlichungen verwertet werden, dürfte eine zu¬
sammenfassende Bearbeitung bestimmter Ereignisse für das ganze Reichs-
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Original from
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248
Kleinere Mitteilungen.
gebiet sich empfehlen, um die Leistungen der psychiatrischen Anstalten
während dieser schweren Zeit in einem Gesamtüberblick zu vereinigen
und in ihrer Bedeutung festzuhalten.
Zu diesem Zweck schlagen wir die Beachtung folgender Punkte vor:
I. Kriegsfolgen.
A. Wieviel Ärzte (und Ärztinnen),
„ Pfleger (und Pflegerinnen),
„ sonstige Angestellte
sind für die Anstalt vorgesehen?
waren zur Zeit des Kriegsausbruchs vorhanden?
2. Welche Ärzte (namentlich).
Wieviel Pfleger,
„ sonstige Angestellte
— mit Angabe ihrer Stellung im Betriebe der Anstalt—
sind
zum Dienst mit der Waffe,
als Armierungssoldaten,
zum Sanitätsdienst,
zu sonstigen Hilfeleistungen
eingezogen oder
haben sich als Freiwillige gemeldet?
3. Von diesen sind
welche Ärzte,
wieviel Pfleger,
„ sonstige Angestellte
gefallen ?
sonst im Heeresdienste gestorben?
verwundet ?
geschädigt?
gefangen ?
mit dem Eisernen Kreuz oder
sonstigen (welchen?) Auszeichnungen belohnt?
B. Hat die Anstalt mit ihren Insassen sonst unter dem Krieg
unmittelbar zu leiden gehabt (Einnahme durch den Feind,
Gefährdung durch nahe Kämpfe, Fliegerbomben u. a.) ?
II. Kriegsfürsorge.
A. Hat die Anstalt ein Lazarett eingerichtet?
ein allgemeines oder nur für bestimmte Formen (Nerven
kranke, Beschäftigungstherapie usw.)?
wann eröffnet und wann geschlossen?
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Kleinere Mitteilungen.
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wieviel Kranke im Höchstfall?
„ „ im ganzen verpflegt?
„ entlassen
a) als dienstfähig?
b) in andere Behandlung?
c) als dienstunbrauchbar?
d) gestorben?
B. Wieviel Militärpersonen sind in die Anstalt selbst (nicht in
das Lazarett) eingetreten (darunter wieviel im Offiziersrange)
1. zur Beobachtung? Davon
a) geistesgesund?
b) geisteskrank befunden?
2. als geisteskrank?
3. als Psychopathen?
Von 2. und 3. wieviel
a) entlassen als felddienstfähig?
b) als garnisondienstfähig?
c) nach Hause?
d) in eine andere Anstalt?
e) in eine fremde Familie?
f) noch in der Anstalt?
g) gestorben?
C. Hat die Anstalt als poliklinische Beratungs- und Behandlungs-
stelle für nerven- und psychisch-kranke Militärpersonen
gedient ?
Wieviel Zugänge?
D. Sind Kriegs- oder Zivilgefangene in die Anstalt oder in die
poliklinische Behandlung eingetreten?
Wieviel in die Anstalt?
„ in poliklinische Behandlung?
Nähere Mitteilungen im Anschluß an dieses Schema, insbesondere
über die Kollegen und ihre Erlebnisse, werden dankbar begrüßt und wenn
möglich, benutzt werden.
Wir beabsichtigen Fragebogen etwa vorstehenden Inhalts zur ge¬
gebenen Zeit an alle deutschen Anstalten zu senden und bitten, etwaige
Vorschläge zur Abänderung oder Vervollständigung der gestellten Fragen
an Dr% HansLaehr , Schweizerhof zu Zehlendorf-Wannseebahn, einzusenden.
Der Vorstand des Deutschen Vereins für Psychiatrie.
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250
Kleinere Mitteilungen.
Paychopathia gallica. — Die Sturmflut der Erregung, die im
Beginn des jetzigen Weltkrieges unser Volk durchbrauste und neben
großen und segenvollen Erscheinungen auch manche vorschnelle Wirkung
hervorbrachte, hat naturgemäß auch vor uns Psychiatern nicht Halt
gemacht, und so mochte die Frage nach dem Ursprung der unglaublichen
Verkennung deutschen Wesens und des maßlosen Hasses gegen unser
Volk, den wir bei unsern Gegnern, namentlich den Franzosen, mit immer
neuem Erstaunen erlebt haben, manchem von uns den Gedanken an eine
Massen-, eine Volkspsychose nahelegen. Dieser Gedanke erinnert zwar
an die oberflächliche Art der Betrachtung, die nach 1848 den Morbus demo-
craticus Groddecks auftauchen ließ; da aber im Gegensatz zu damals jetzt
zwei ernst zu nehmende Fachgenossen, die als Sachverständige nicht ab-
gelehnt werden können, auf Groddecks Spuren wandeln, nur daß sie nicht
die Anhänger einer politischen Partei, sondern ein ganzes Volk oder den
größten Teil desselben als z. Z. geisteskrank zu erweisen sich bemühen, dürfte
eine Wiedergabe und Prüfung ihrer Ausführungen nicht überflüssig er¬
scheinen.
Zunächst unterzog Löwenfeld- München das französische Volk aus
Anlaß des jetzigen Krieges psychiatrischer Beurteilung. Sein Aufsatz x )
ist am 1. November 1914 abgeschlossen, also in einer Zeit entstanden,
in der die Wogen der Erregung noch hoch gingen. Von vornherein sei
bemerkt, daß Löwenfeld nicht in der plumpen Weise unseres französischen
Fachgenossen Toulouse vorgeht, der zumal auf Grund der damaligen
Zeitungslügen über deutsche Greuel in Belgien alle für Massenpsychosen
charakteristischen Erscheinungen, dazu Größen- und Verfolgungswahn
beim deutschen Volk entdeckt hatte. Löwenfeld gibt zunächst, sorgfältig
abwägend, eine geschichtliche Unterlage. Er geht davon aus, daß in
Frankreich eine Mischung der drei europäischen Hauptrassen — der
mittelländischen, dunkelhaarigen Langköpfe, der alpinen Kurzköpfe und
der germanischen, blonden Langköpfe — stattfand, daß die Gallier wesent¬
lich germanischer Abstammung, aber bereits zu Cäsars Zeit durch Mischung
mit Elementen anderer Rassen von den Germanen verschieden waren, und
daß später trotz der Überflutung Galliens mit rein germanischen Stämmen
die Eigenschaften der alpinen Kurzköpfe in der Vererbung sich hart¬
näckiger erwiesen und immer entschiedener das Übergewicht erlangten.
Nicht die Unstetheit und Neuerungsucht, nicht der Unabhängigkeitsinn
und die Kriegslust der alten Gallier sei bei der Masse der heutigen Fran¬
zosen zu Anden, sondern im Grunde herrschten konservative, friedliebende,
bedientenhafte und materieller Wohlfahrt günstige Neigungen vor. Ge-
l ) L. Löwenfeld- München: Über den Nationalcharakter der Fran¬
zosen und dessen krankhafte Auswüchse (die Psychopathia gallica) in
ihren Beziehungen zum Weltkrieg. — Grenzfragen des Nerven- und Seelen¬
lebens, Heft 100. Wiesbaden. Bergmann, 1914.
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Kleinere Mitteilungen.
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blieben seien den Franzosen von den Galliern her nur „Eitelkeit und Prahl-
sucht, Eigenschaften, die auf Selbstüberschätzung und Mangel an Wahr¬
heitliebe beruhen“, sowie die gemütliche Erregbarkeit durch Gefühle, die
das eigene Ich oder — im Zusammenhang mit der Eitelkeit — die natio¬
nale Ehre und Unehre betreffen. Dazu komme ein Hang zur Grausamkeit,
der nicht nur aus der Geschichte vom Mittelalter bis in unser Jahrhundert,
sondern auch aus Vorkommnissen des jetzigen Krieges nachgewiesen wird.
..Von den angeführten Eigenschaften haben sich die Eitelkeit, die erhöhte
Emotivität und Suggestibilität mehr und mehr zu einer das politische
Leben der Nation in weitgehendem Maße bestimmenden Macht entwickelt.“
Diese drei Züge, besonders aber die erhöhte Emotivität und Suggestibilität,
gewinnen aber „dadurch noch eine besondere Bedeutung, daß sie die Ent¬
wicklung psychopathischer Zustände bei dem französischen Volk erleich¬
tern, d. h. eine psychopathische Disposition begründen“. Sie bewirken,
daß „Vorgänge von untergeordnetem Interesse bei den Massen eine gemüt¬
liche Erregung hervorzurufen vermögen, die erheblich über das Normale
hinausgeht und die Urteilsfähigkeit derart beeinträchtigt, daß die Unter¬
scheidung von Trug und Wahrheit unmöglich wird, womit ein krankhafter
Geisteszustand gegeben ist.“
„Die erhöhte Suggestibilität der Franzosen betrifft jedoch nicht
gleichmäßig Vorstellungen jeder Art, sondern vorzugweise, wenn nicht
ausschließlich, solche von allgemeiner Bedeutung und starker Gefühls¬
betonung.“ Daher die Herrschaft der „Schlagwörter, wie man zu sagen
pflegt“: Vaterland, Freiheit, Gleichheit, nationale Ehre, nationaler Wohl¬
stand usw. Man kann diese Vorstellungen zu den überwertigen Ideen
zählen, und diese können ebensowohl pathologisch wie normal sein. „Patho¬
logische Eigenschaften gewinnt die überwertige Idee, wenn die Stärke ihres
Gefühlstons in keinem Verhältnis zu ihrem Inhalt steht, wenn sie durch
logische Gegenvorstellungen unbeeinflußbar ist, sich anscheinend spontan
in das Bewußtsein immer wieder eindrängt und aus demselben nicht will¬
kürlich entfernt werden kann, also einen gewissen Zwangcharakter auf-
weist und auf den Verlauf des Denkprozesses einen weittragenden Einfluß
ausübt.“ „Überwertige Ideen können auch als Suggestion bezeichnet
»erden, wenn sie durch Eingebung von dritter Seite zustande kommen.“
Es wird nun eine große Anzahl von Beispielen für die erhöhte Suggestibilität
der Franzosen vom Mittelalter an beigebracht, zuletzt die Heranzüchtung
der Idee der Gloire seit Ludwig XIV. Sie konnte 1870/71 den Niederlagen
gegenüber nicht mehr vollständig aufrechterhalten werden. „Die Ver¬
blendung, welche sie und die damit zusammenhängende Eitelkeit erzeugt
hatten, gebar dafür eine neue, wahnhafte, überwertige Idee, in der man
gewissermaßen einen Trost für die peinliche, nicht zu bestreitende Sach¬
lage suchte“: die Idee, daß die Niederlage Frankreichs nur durch Verrat
zustande gekommen sei. Dazu kam im letzten halben Jahrhundert die
überwertige Idee der Revanche.
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Kleinere Mitteilungen.
„Man kann den Gedanken, der nach dem Kriege alle Kreise erfüllte,
an dem deutschen Volke für das Erlittene zu geeigneter Zeit Rache zu
nehmen, als eine an sich durchaus normale Reaktion auf ein sehr pein¬
liches Erlebnis betrachten.“ „Die Gefühlsbetonung der Revancheidee,
welche ihr den Charakter einer überwertigen Idee verlieh, hätte jedoch
unter normalen Verhältnissen und ohne stetige neue Anfachung im Laufe
der Zeit so abnehmen müssen, daß diese Idee sich als tatsächlicher Wunsch
nur hätte erhalten können, wenn sie durch nüchterne, logische Erwägungen
gestützt worden wäre.“ Logische Erwägungen aber hätten zu der Einsicht
führen müssen, „daß das Festhalten an der Revancheidee, d. h. die Absicht,
nicht in ferner Zukunft, sondern in absehbarer Zeit einen Revanchekrieg
zu führen, mit den Interessen des Landes nicht vereinbar sei.“ Solche Er¬
wägungen blieben aber machtlos. „Dies läßt sich nur dadurch erklären,
daß durch die Hetzereien dekadenter und verschrobener Individuen und
wahrscheinlich auch die psychopathische Konstitution eines Teiles der
politisch prominenten Persönlichkeiten die Gefühlsbetonung der Revanche¬
idee in einer Stärke erhalten wurde, welche eine nüchterne, sachliche Beur¬
teilung der Vor- und Nachteile feindlicher Absichten gegen Deutschland
unmöglich machte. Durch diesen, die Intelligenz schädigenden, i. e.
verblendenden Einfluß ist der pathologische Charakter der Revancheidee,
soweit diese für das politische Verhalten Frankreichs bestimmend war,
genügend gekennzeichnet.“
Sehr ausführlich wird nun der Fall Dreyfus behandelt mit Rücksicht
auf „das psychopathologische Interesse, welches der Affäre als Ursache
einer epidemischen Geistesstörung in Frankreich zukommt. Man darf
wohl sagen, es ist eine ebenso merkwürdige wie lehrreiche Tatsache, daß
ein einfacher Rechtsfall ... die weit überwiegende Mehrheit des französi¬
schen Volkes in Aufruhr versetzen und damit der Zurechnungsfähigkeit
berauben konnte, eine Tatsache, die sich nur aus dem französischen Na¬
tionalcharakter erklären läßt und zugleich den Beweis dafür liefert, daß
dieser ... Elemente in sich schließt, welche eine psychopathische Dis¬
position begründen.“ „Wären die Franzosen weniger suggestibel, und
hätte die Revancheidee nicht ihre Urteilsfähigkeit beschränkt sowie ihre
an sich schon erhebliche gemütliche Erregbarkeit gesteigert, der Fall
Dreyfus hätte sich nie zu einer Affäre entwickeln können, welche die Be¬
völkerung Frankreichs in zwei Lager spaltete.“
„Das in politischer Hinsicht folgenschwerste Produkt der Revanche¬
idee bildet jedoch das Bündnis mit Rußland und die Gestaltung, welche
dasselbe bis in die jüngste Zeit annahm.“ Die Entwürdigung durch das
Vasallenverhältnis der Republik zum absolutistischen Rußland wurde
hingenommen „nicht, weil die Not des Landes sie erheischte, sondern
lediglich, weil sie eine Aussicht auf Befriedigung der Revancheidee er-
öffnete“. „Die intellektuelle und moralische Minderwertigkeit, welche die
Revancheidee in Frankreich verursacht hatte, konnte sich kaum deutlicher
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Kleinere Mitteilungen.
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ausprägen/* Als weitere Beweise, welche Verheerung „die Revanche- und
Größeniden“ selbst in den Köpfen Gebildeter anrichteten, führt Löwenfeld
die bekannten Äußerungen Bergsons, Toulouses und Pelletans sowie fran¬
zösische Zeitungstimmen an, denen ja auch manche aus neuerer Zeit bei¬
zufügen wären.
Aus all diesen Ausführungen schließt Löwenfeld nun nicht, daß „das
französische Volk im ganzen, noch dessen führende Kreise geisteskrank
im wissenschaftlichen Sinne“ seien, „obwohl die Äußerungen des Matin
und Peüetans die Versuchung sehr nahe legen, wenigstens bezüglich der
führenden Kreise etwas Derartiges anzunehmen. Allein zwischen geistiger
Gesundheit und geistiger Krankheit gibt es einen Mittelzustand oder,
wie man gewöhnlich sagt, ein Grenzgebiet, das alle jene zahlreichen seeli¬
schen Störungen umfaßt, die nicht als Symptome von Geisteskrankheiten
wissenschaftlich betrachtet werden.“ „Was an seelischen Anomalien
bei dem französischen Volke und insbesondere seinen führenden Elementen
derzeit sich bemerklich macht, gehört dem erwähnten Grenzgebiete an,
dessen Erscheinungen man als Psychopathie, psychopathische Minder¬
wertigkeiten, psychopathische Zustände usw. bezeichnet.“ Man könne
also gegenwärtig von einer Psychopathia gallica sprechen, deren
Prognose Verf. aber nicht als ungünstig erachtet, falls der Ausgang des
Krieges sich so gestaltet, wie wir Deutsche hoffen. Die Einsicht, daß die
Revancheidee unermeßliches Unglück über Frankreich gebracht habe,
und daß dauernder Friede in Europa und Frankreichs Wohlfahrt nicht
vom Fortbestände eines Bündnisses mit England und Rußland, sondern
von einer Verständigung mit Deutschland zu erwarten seien, könne dann
siegen und dazu führen, „daß nach dem Kriege früher oder später der
gesunde Sinn bei unsern westlichen Nachbarn wieder zum Durchbruch
gelangt und die Oberhand über Eitelkeit und Rachsucht behält“.
Zu einem auf den ersten Blick ähnlichen Ergebnis kommt auch
Renda-Berlin 1 ), der die gleiche Frage im Sommer 1915 behandelt hat.
Gr glaubt sogar, daß er sich, abgesehen von der Prognose, die er als recht
ungünstig ansieht, mit Löwenfeld „in den wesentlichen Punkten in Über¬
einstimmung befinde“. Bei näherer Betrachtung zeigt sich allerdings trotz
im ganzen gleicher Ausgangpunkte ein sehr erheblicher Unterschied der
Auffassung.
Benda beginnt damit, daß man sich in einem Gutachten darüber,
«b bei einem Verbrecher die Bedingungen des § 51 StGB, erfüllt sind, die
frage stelle: Liegt ein krankhafter Zustand des Gehirns vor? Nun gebe
es zwar zweifellos eine Volksseele als Erzeugnis der seelischen Eigentüm¬
lichkeiten der Einzelmenschen, aber kein Volksgehirn. „Wenn man es also
unternimmt, aus den Reaktionseigentümlichkeiten eines Volkes auf
Benda-Berlin: Ist das französische Volk zurechnungsfähig?
Köln. Zeitung Nr. 865 vom 26. August 1915.
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krankhafte Züge seiner Volksseele zu schließen und diese in bezug auf die
Zurechnungsfähigkeit in analoger Weise wie beim Einzelmenschen zu
bewerten, so muß man sich klarmachen, daß das Ergebnis dieser Behand¬
lung nicht buchstäblich zu nehmen ist, sondern daß ihm natürlich nur
eine übertragene Bedeutung zukommen kann.“ Es handelt sich also nur
um einen Vergleich: gleich als ob das französische Volk ein Einzelmensch
wäre, will Benda in „dem großen Weltbrandstiftungsprozeß gegen England,
Rußland, Frankreich und Genossen vor dem Weltgericht über den Geistes¬
zustand des französischen Volkes“ ein Gutachten erstatten. Nun sollte
man denken, in jenem Vergleich müßten dem Gehirn des Einzelmenschen
die leitenden Persönlichkeiten des Volkes entsprechen; so will es aber
Benda nicht. Er faßt zum Schluß sein Gutachten dahin zusammen, daß
zwar das französische Volk nicht als verantwortlich zu betrachten sei,
wohl aber diejenigen, die Frankreichs Geschicke geleitet haben. „Die
höheren Schichten, insbesondere die Regierenden und die Intellektuellen,
die den Volkswillen bestimmend beeinflussen, haben durch ihre mit sug¬
gestiver Kraft wirkende, jahrzehntelang betriebene Hetzarbeit die krank¬
hafte Eigenart des französischen Volkes mißbraucht, um ihre verbreche¬
rischen Pläne zur Ausführung zu bringen.“ Er unterscheidet also das
französische Volk von den leitenden Kreisen Frankreichs: diese sind voll
verantwortlich, jenes ist vergleich weise durch § 51 gedeckt. Wir haben
es bei ihm „mit einem vererbten hysterischen Zustand zu tun, der beson¬
ders charakterisiert ist durch eine große Eitelkeit, Selbstgefälligkeit,
Launenhaftigkeit, Reizbarkeit und Impulsivität, gepaart mit einer bom¬
bastischen, schwülstigen Ausdrucksweise, die die Wahrheit färbt. Auf
diesem hysterischen Boden hat sich aber im Laufe der letzten Jahrzehnte
unter dem Einfluß eines großen, katastrophalen Ereignisses eine geistige
Störung entwickelt, gekennzeichnet durch die affektbetonte, überwertige
Idee der Revanche, der Wiedererlangung der alten Gloire und der verlore¬
nen Provinzen, auf die als Produkt einer Autosuggestion ein historischer
Anspruch erhoben wurde. Hierzu haben sich moralische Defekte und
gewisse Züge von Schwachsinn hinzugesellt.“ So hat diese geistige Störung
das kranke Volk zwar nicht unmittelbar zur verbrecherischen Tat geführt,
sie aber ermöglicht infolge der Suggestibilität, durch die es das Opfer
eines fremden, verbrecherischen Willens, nämlich dessen seiner Regierenden
und Intellektuellen, geworden ist.
Löwenfeld und Benda stimmen darin überein, daß beim französischen
Volke auf Grund einer ererbten Eigenart, die jener als psychopathische
Disposition, dieser als hysterischen Zustand bezeichnet, sich die über¬
wertige Revancheidee entwickelt habe, die deshalb als krankhaft zu be¬
trachten sei, weil sie eine sachliche Beurteilung der Verhältnisse aus¬
schließe. Der wesentliche Unterschied zwischen beiden besteht aber darin,
daß Benda die Volksführer als voll verantwortlich ansieht und nur für
das übrige Volk, das sich von jenen in das Verbrechen des Weltkrieges
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hineinziehen ließ, den Freispruch auf Grund geistiger Störung beantragt,
während Löteenfeld das gesamte Volk als Opfer psychopathischer Minder¬
wertigkeit auffaßt. Und dieser Gegensatz wird noch größer dadurch, daß
Lfaenfeld die seelischen Anomalien insbesondere bei den Volksführern
findet und sich sogar beinahe versucht fühlt, gerade bei ihnen etwas wie
Geisteskrankheit in wissenschaftlichem Sinne anzunehmen. Woher diese
Verschiedenheit in der Beurteilung der leitenden Kreise?
Benda übergeht den Umstand, daß auch die Führer dem Volk ent¬
stammen, bei dem sich auf ererbtem hysterischen Zustand eine krankhafte
Störung der Geistestätigkeit entwickelt hat. Wenigstens sagt er nicht,
weshalb die „affektbetonte überwertige Idee der Revanche“, in der jene
krankhafte Störung hauptsächlich zum Ausdruck kommt, nicht auch bei
den Führern als pathologisch gelten soll. Ich vermute, weil er bei diesen
die „Züge von Schwachsinn“ vermißt, die er bei der Masse des Volkes
findet. Er sagt: „Elin Volk, das sich angesichts der durchgreifenden Er¬
folge seiner Gegner noch immer mit solchen nichtssagenden Redensarten
abspeisen läßt, das noch immer keine Verlustlisten verlangt und keine
Aufklärung über den wirklichen Stand der Dinge fordert, trotz der gewalti¬
gen Verluste und Mißerfolge, das sich noch immer am Narrenseile herum-
ziehen läßt, während es früher aus geringfügigen Ursachen heraus eine
Änderung der bestehenden Verhältnisse herbeizuführen die Kraft und
Entschlußfähigkeit besaß, ein solches Volk zeigt, daß bei ihm bereits
Zeichen einer geistigen Stumpfheit zutage getreten sind. De Omnibus
dubitandum lehrte einst Descartes seine Landsleute. Heute aber schenken
sie blindlings Glauben den Lügen ihrer Presse, ihrer Regierung; sie wollen
nicht zweifeln, sie wollen getäuscht sein.“ Dieser Stumpfsinn, der darin
besteht, daß die Franzosen getäuscht sein und nicht zweifeln wollen, um
sich nicht gegen die Regierung auflehnen zu müssen, ist aber doch wohl
nach Benda eine Folge der „affektbetonten überwertigen Ideen“ der
Revanche und Gloire; der Franzose, der von diesen erfüllt ist, d. h. der
Frankreichs Ruhm und Rache von diesem Kriege erwartet und ersehnt
nnd dem Einfluß widersprechender Vorstellungen unzugänglich ist, wird
eben alles, was mit jenen Ideen nicht übereinstimmt, also auch die Erfolge
der Gegner und die eigenen Verluste, als belanglos für das Ziel betrachten
und Lügen, die im Sinne jener überwertigen Ideen verbreitet werden,
blindlings glauben oder wenigstens geneigt sein, ihnen zu glauben, und
jeden Zweifel, soweit irgend möglich, ablehnen, vielleicht auch mancher
Maßregel, von deren Nutzen er nicht überzeugt ist, wenigstens äußerlich
«stimmen, um die Einigkeit im Volke nicht zu gefährden, die er als not¬
wendige Voraussetzung des künftigen Erfolges erkennt, und um der Re¬
gierung keinen Stein in den Weg zu werfen, die er vom gleichen Willen
zur Durchführung des Rachekrieges beseelt weiß. Besteht hierin der
Stumpfsinn des Volkes, so sehe ich nicht, weshalb er nicht auch den Führern
«gebilligt werden soll, warum nicht auch diese durch jene überwertigen
Wtiehrift für Psychiatrie. LXXIT. 3. 19
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Ideen in ihrem Urteil verblendet und somit durch Leidenschaft betrogene
Betrüger sein können. Nicht alle Maßregeln der Regierung, nicht alle
Mitteilungen der Presse, die im Dienste der Unwahrheit stehen, mögen
durch jene überwertige Idee psychiatrisch gedeckt sein, auch bewußte
Lüge wird sich eingemischt haben, um die Sache der Revanche und der
„heiligen Einigkeit“ zu fördern oder aufrechtzuerhalten, Selbstsucht,
kühle Berechnung des eigenen Vorteils und die Gleichgültigkeit des Leicht¬
sinns gegen das Schicksal des eigenen Volkes und erst recht der andern
Völker mag manchen minder Verblendeten, minder „Stumpfsinnigen“
zu dem großen Va-banque-Spiel ebenso und vielleicht mehr getrieben
haben wie die überwertige Idee, aber sollte solche Gesinnung nur in den
Führern, nicht auch in der Masse des Volkes verbreitet und wirksam sein?
Sollte hierauf ein Unterschied zwischen Volk und Führern sich auf bauen
lassen? Die Berechtigung hierzu kann ich wenigstens den Ausführungen
Bendas nicht entnehmen.
Aber auch Löwenthal gerät an diesem Punkte, obwohl oder vielleicht
gerade, weil er tiefer eindringt, in einen gewissen, wenigstens scheinbaren
Widerspruch mit ihm selbst. Er sagt (S. 33), man könnte seine Be¬
hauptung, daß die kriegerischen Neigungen der alten Gallier im National¬
charakter der Masse des französischen Volkes der Gegenwart nicht mehr
vertreten seien, durch die Tatsache als widerlegt erachten, daß sich die
Revancheidee in Frankreich bis in die jüngste Zeit erhalten hat. Man
müsse aber die große Masse des Volkes, bei der die Revancheidee allmählich
den Charakter eines bloßen Wunsches angenommen habe, und die fanati¬
schen Vertreter der Revancheidee unterscheiden. Dort hielt man „zwar
an dem Glauben fest, daß es einmal zu einem Rachekriege, natürlich mit
günstigem Ausgang für Frankreich, kommen werde, man wünschte auch
einen solchen Krieg, aber keineswegs in der Gegenwart, sondern in einer
fernen, nicht näher bestimmbaren Zukunft. ... Dazu kommt wohl auch
der Umstand, daß man trotz aller Kriecherei vor dem nordischen Despoten
aufrichtige Sympathie zu dem russischen Verbündeten nicht empfinden
konnte und wenig geneigt war, für denselben die Kastanien aus dem Feuer
zu holen. Die fanatischen Vertreter der Revancheidee, bei denen die oben
erwähnte intellektuelle und moralische Minderwertigkeit bestand, d. h.
diejenigen, die einen Rachekrieg nicht in ferner Zukunft, sondern bei
günstiger Gelegenheit jederzeit wünschten und deshalb es für ihre Pflicht
hielten, die Entwicklung günstigerer Beziehungen zu Deutschland zu
verhindern, fanden sich hauptsächlich in den gebildeten Schichten des
Mittelstandes. Es waren Berufspolitiker, Parlamentarier und Partei-
häuptlinge, großmäulige Advokaten und der überwiegende Teil der Presse.“
So erkläre sich, daß die Mobilisierung, besonders auf dem Lande und in den
kleinen Städten, nicht Juhel, sondern Bestürzung hervorrief. „Es war
klar: während die Regierenden die Vorbereitungen für den Revanchekrieg
unausgesetzt betrieben, war die Masse des Volkes keineswegs geneigt, auf
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die Segnungen des Friedens zu verzichten. Ja, es mag sein, daß mau den
fortwährend sich steigernden Aufwand für die Rüstungen als eine Art
Böigschaft für die Erhaltung des Friedens betrachtete. Daher die Be¬
stürzung, als man sich plötzlich aus der lieben Gewohnheit und ruhigen
Existenz gerissen und genötigt sah, dem Rufe zu den Waffen Folge zu
leisten.“ Hiernach fehlte beim Ausbruch des Krieges der Masse des fran-
lösischen Volkes das pathologische Element der überwertigen Revanche¬
idee: weder stand die Stärke ihres Gefühlstons außer Verhältnis zu ihrem
Inhalt — denn daß ein überwundenes Volk, das einen ihm seit lange zu¬
gehörigen Landstrich dem Sieger überlassen mußte, den Wunsch und die
Hoffnung festhält, falls sich ihm in einer nicht näher bestimmbaren Zukunft
hierzu günstige Gelegenheit biete, das verlorene Gebiet zurückzuerobern,
wird man nicht ohne weiteres als eine Störung des gemütlichen Gleich¬
gewichts betrachten können —, noch war die Revancheidee durch logische
Gegenvorstellungen unbeeinflußbar — sonst wäre der Gedanke ihrer Aus¬
führung ja nicht in eine ferne Zukunft verlegt worden —, noch wies sie
Zwangcharakter auf oder übte auf den Verlauf des Denkprozesses weit-
tragenden Einfluß aus — das zeigt die Bestürzung, als nun die Zeit der
Rache kam und der Sieg mehr als je gesichert schien durch die unerme߬
lichen Heere Rußlands und die Flotte und das Geld Englands. Es war
bei der Masse des französischen Volkes in der Tat eingetreten, was nach
Löwenthal „unter normalen Verhältnissen und ohne stetige neue Anfachung
im Laufe der Zeit“ (S. 23) hätte eintreten müssen, und es war eingetreten
trotz stetiger neuer Anfachung: die Revancheidee lebte zwar noch fort,
aber ihre Überwertigkeit war nicht mehr pathologisch, nicht stärker als
bei andern überwertigen Ideen, etwa denen der nationalen Wohlfahrt oder
der Segnungen des Friedens; man ließ sich durch sie wie durch andere
Schlagwörter gelegentlich entflammen, aber der Wille, sich selbst für sie
«inzusetzen, fehlte. Damit stimmt überein, wenn Löwenfeld den patho¬
logischen Charakter der Revancheidee nur, „soweit diese für das politische
Verhalten Frankreichs bestimmend war“, genügend gekennzeichnet sieht
(S. 24). Denn das politische Verhalten Frankreichs wurde ja nicht von
der Masse des Volkes auf dem Lande und in den kleinen Städten, sondern
durch die führenden Kreise der Hauptstadt bestimmt, und so bleibt nach
Löwenfelds Schilderung die Masse des französischen Volkes nur belastet
durch Eitelkeit, erhöhte Emotivität und Suggestibilität, welche „die Ent¬
wicklung psychopathischer Zustände erleichtern, d. h. eine psychopathische
Disposition begründen.“ Diese psychopathische Disposition der Masse
des französischen Volkes wird aber auch nach einem völligen Siege der
deutschen Sache nicht verschwinden, und die günstige Wirkung eines
solchen Sieges könnte also nur darin bestehen, die pathologisch über¬
wertige Idee der führenden Kreise, die in ihnen eine Verblendung über
die wirkliche Lage und durch den Ausbruch des Krieges hervorrief, zu
beseitigen oder doch ihres pathologischen Charakters zu .entkleiden und
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so eine Berichtigung der aus ihr hervorgehenden Vorstellungen zu ermög¬
lichen. Hiernach ließe sich sowohl die Diagnose wie die günstige Prognose
der Psychopathia gallica, falls sie als krankhafter Zustand, nicht als Dis¬
position dazu gedacht ist, nur auf die führenden Kreise, nicht aber aut
die breiten Schichten des Volkes beziehen; sollte sie dagegen als Disposition
zum psychopathischen Zustand gedacht sein, so würde sie zwar das ganzo
Volk betreffen, aber der günstigen Prognose ermangeln, die Löwenfeld ihr
stellt, so daß dies nicht gemeint sein kann.
Eine genauere Überlegung zeigt freilich, daß dieser Einwurf voreilig-
und der innere Widerspruch einer Psychopathia gallica, die doch das-
ganze Volk umfassen sollte und bloß einen kleinen Ausschnitt desselben
umfaßt, nur scheinbar ist. Auf die Frage, die Löwenfeld (S. 1) aufwirft:
„Handelt es sich bei allen Beteiligten um Äußerungen eines normalen
Geisteszustandes, bildet insbesondere die Kette von Handlungen, welche-
dem Ausbruch des Krieges vorhergingen und als Anlässe desselben be¬
trachtet werden dürfen, den Ausfluß normaler Vorstellungen und Gefühle,,
oder spielten dabei zum Teil wenigstens krankhafte psychische Prozesse
eine Rolle?“ lautet die Antwort im Sinne des Verf., wenn ich ihn recht
verstehe: Die Handlungen, welche den Krieg veranlaßten, sind, soweit
sie Frankreich zur Last fallen, die Folge eines psychopathischen Zustandes,
der aber nur einen kleinen Teil des Volkes, die leitenden Schichten, erfaßt
hatte; die führenden Männer verstanden es aber, nachträglich die im
übrigen Volke vorhandene, aber bei Ausbruch des Krieges schlummernde
psychopathische Disposition in Bewegung zu bringen und die bis dahin
bei ihm noch in den Bereich des Normalen fallende überwertige Revanche¬
idee ins Pathologische zu steigern, wie sie das schon öfters, z. B. während
des Dreyfus-Prozesses, verstanden hatten; es handelt sich also jetzt auch
bei der Masse des französischen Volkes nicht mehr bloß um eine psycho¬
pathische Disposition, sondern um einen psychopathischen Zustand, und
dieser psychopathische Zustand des französischen Volkes wird voraus¬
sichtlich nach einem deutschen Siege zur Heilung kommen und nur die
Disposition zu späteren Ausbrüchen hinterlassen, wie das auch nach dem
Kriege 1870/71 und nach der Dreyfus-Affäre geschehen ist. Daß dieser
Gedankengang nicht klar zum Ausdruck kommt, liegt daran, daß Löwen¬
feld den Gegensatz, den er zwischen der friedliebenden Masse des Volks-
und den von der Revancheidee verblendeten Führern festgestellt hat, in
den Schlußseiten seines Aufsatzes fallen läßt und statt dessen von „seeli¬
schen Anomalien bei dem französischen Volke und insbesondere seinen
führenden Elementen“ spricht, ohne auszuführen, wie die Ausgleichung
jenes Gegensatzes zustande gekommen ist. Hierzu aber mag er verleitet
sein durch den zwischen noch normal und schon krankhaft schillernden
Charakter der überwertigen Revancheidee, der zwischen der bloßen Dis¬
position zum psychopathischen Zustand und dem psychopathischen Zu¬
stand selbst vermittelt.
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Dieser schillernde Charakter ist zwar jeder überwertigen Idee eigen,
insofern sie, die doch dem mit ihr zusammenhängenden Denken die Rich¬
tung weist, selbst dem Einfluß von Gegenvorstellungen (wenn sie normal
ist) schwer oder (wenn pathologisch) gar nicht unterliegt, in ganz beson¬
derem Maße aber der Revancheidee, die als Ziel nicht das Heil des eigenen,
sondern die Niederlage eines fremden Volkes aufstellt, also von vornherein
und weit mehr noch als ihre Mutter, die Gloireidee, den in der Politik einzig
berechtigten Standpunkt verschiebt, somit bei nüchterner Prüfung ihrer
Grundlage überhaupt nicht entstehen kann. Es muß demnach das politi¬
sche Urteil vom Gefühl schon stark überwuchert sein, wenn die Revanche-
idee die Herrschaft gewinnen und erhalten soll. Sie nähert sich daher
schon durch ihren Ursprung dem Pathologischen und macht, um nicht
ganz hineinzugeraten, ein sachliches Urteil über die Möglichkeit ihrer Durch¬
führung doppelt notwendig. Dies dürfte auch dazu beigetragen haben, daß
sowohl Lötvenfeld wie Benda, um das Pathologische in der Revancheidee
nachzuweisen, den Mangel an nüchterner Überlegung, an verstandes¬
mäßiger Abwägung der wirklichen Lage so ausführlich darzutun
versuchen. M. E. schätzen sie dabei die Fähigkeit der Masse des
Volks zu hoch ein. Man kann vielleicht bei geistig Hochste¬
henden, zumal bei den Führern, die Möglichkeit voraussetzen,
nicht nur sich ein annähernd richtiges Urteil über die poli¬
tische Lage zu bilden, sondern auch, was oft schwieriger ist, die
dazu nötigen tatsächlichen Unterlagen sich zu verschaffen; die Masse
des Volkes erfährt von politischen Vorgängen und Verhältnissen im allge¬
meinen nur das, was die Regierung und das Parlament, die Parteiredner
und vor allem die Zeitungen ihm zuführen, und sie erhält diesen politischen
Stoff in der Auswahl und Zubereitung, die die Führer ihm geben. Von
diesen hängt aber auch im wesentlichen die Auffassung und Beurteilung
politischer Ereignisse durch die Volksmasse ab, und nur darin, daß die
Führer voneinander abweichen, von verschiedenen Gesichtspunkten aus
berichten und zusammenstellen, ist der Masse, soweit sie ein Bedürfnis
dazu fühlt, die Möglichkeit eigener Gestaltung und Ordnung des Stoffes
in begrenztem Umfang gegeben. Auch die politischen Gefühle und Stim¬
mungen, Gemütsbewegungen und Strebungen werden von den Führern
angeregt, aber hier setzt zugleich der Einfluß der Masse ein: je nachdem
diese Anregungen von ihr aufgenommen und verstärkt werden oder in
ihr keinen oder geringen Widerhall finden, werden sie politisch wirksam
oder unwirksam, denn die Masse wirkt nun hierin zurück auf die Führer.
Der Einfluß der Führer wird jedoch besonders ausschlaggebend sein bei
einem Volke mit jener psychopathischen Disposition, die zur weitgehenden
Abhängigkeit von politischen Schlagwörtern führt und schon hierdurch
eine nur auf Tatsachen beruhende Beurteilung der in Betracht kommenden
Verhältnisse für gewöhnlich ausschließt. Andrerseits werden diejenigen
Fühler die größte Aussicht haben, ihre Beurteilung der Lage und die ihr
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entsprechenden Gefühle in die Masse des Volkes hineinzutragen, die es
am meisten verstehen, ihre Auffassung der Menge mundgerecht zu machen
und die Leidenschaften aufzuregen, das aber ist leichter, wenn dabei schon
ausgeschliffene Bahnen betreten und Grundgedanken benutzt werden,
deren fortreißende Macht bereits erprobt ist, so daß es mehr auf geschickten
Aufbau und glänzende Einkleidung ankommt als auf die Übereinstimmung-
mit der Wirklichkeit. Denn Denkgewohnheiten sind in den Massen beson¬
ders mächtig, und nicht ohne Grund spricht Lombroso von der Neophobie
der Menge und sagt Pelman, daß die Masse im Grunde konservativ und
jedem Fortschritt abgeneigt ist, daß Demokratie und Fortschritt zu¬
sammen kaum denkbar sind und die Majorität hier dem Beharrungs¬
gesetze folgt, das die gesamte Natur durchzieht 1 ); für die Masse des fran¬
zösischen Volkes hebt zudem Löwenfeld den ihr innewohnenden konserva¬
tiven Zug besonders hervor. Neue wirksame Ideen einer solchen Masse
einzupflanzen oder festgewurzelte Ideen ihr zu entreißen, wird kaum je
auf Grund nüchterner Erwägung gelingen, viel eher, zumal wenn ein¬
druckvolle Ereignisse mitwirken, durch Umbiegung der Leidenschaften
in eine neue Richtung. So haben besonnene französische Politiker ver¬
sucht, die von ihnen als verderblich erkannte Revancheidee dadurch un¬
schädlich zu machen, daß sie den ihr zugrunde liegenden Drang nach
Ruhm und Macht auf koloniale Erwerbungen ablenkten und so in nütz¬
licherer Weise betätigten, aber ihre Gegner hatten es leicht, sie zu stürzen,
weil die ältere Gewohnheit des Denkens und Fühlens sie unterstützte
und die Macht des prunkenden Schlagworts Revanche festeren Boden gab
als die neuen Vorstellungen, die sich doch noch mehr an den Verstand als
an das Gefühl wandten. Auf diese Weise entstand ein verderblicher
Kreislauf zwischen Führern und Volksmasse, der das Ausbiegen der politi¬
schen Bestrebungen in andere Richtungen verhinderte und die Revanche-
idee immer aufs neue anregte und wirksam erhielt, und es rächte sich der
erste falsche Schritt, der die Politik aus ihrem natürlichen Mittelpunkt
entfernt hatte: das Wohl des Vaterlandes war ein zu selbstverständliches
und vergleichweise nüchternes Ziel und konnte, nachdem es einmal seine
überragende Stellung verloren, nicht wieder aufkommen gegen die grelleren
Wirkungen der Schlagworte Gloire und Revanche. Zudem ist die Re¬
vancheidee gegen Vernünftgründe, die den Glauben an die Möglichkeit
ihrer Durchführung erschüttern könnten, dadurch gefeit, daß diese Gründe
sich auf die gegenwärtige Lage und deren wahrscheinliche Änderungen
beschränken müssen. Wird ihr dieser Boden zu heiß, so flüchtet sie sich
in die fernere Zukunft und wird dadurch zwar anscheinend weniger be¬
drohlich, aber nicht unwirksam und nie ganz ungefährlich, denn es gilt,
auch dann gerüstet zu sein, wenn die entscheidende Stunde schlägt, und
eine nie rastende Vorarbeit ist eine Bedingung des Erfolgs. Diese Vor¬
bereitung mit der Sorge für das Wohl des Staates zu vereinen, ist die
schwere Aufgabe des Revanchepolitikers, und er wird nur zu leicht strau-
*) C. Pelman, Psychische Grenzzustände; Bonn, 1909, S. 55.
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cheln, indem die Hoffnung auf die Zukunft den Blick für die Gegenwart
blendet. Schon aus all diesem erklärt sich die Zähigkeit der Revancheidee
und erhellt zugleich, wie schwierig es für den von ihr Befangenen ist,
in der Beurteilung ihrer Aussichten und der Mittel, die ihrer Verwirklichung
dienen sollen, der Stimme des ruhig abwägenden Verstandes zu folgen.
Dazu kommt, daß die Politik Frankreichs, soweit sie von der Re¬
vancheidee beeinflußt wurde, doch auch noch einem andern Beweggrund
entsprang, dessen Würdigung dazu führen dürfte, die Revancheidee
minder pathologisch erscheinen zu lassen.
Den pathologischen Charakter der Revancheidee folgert Zäwenfeld
u.a. aus der Tatsache des unnatürlichen Bündnisses mit Rußland. Er
sagt (S. 33): „Die Gestaltung, welche dieses Bündnis allmählich annahm,
läßt keinen Zweifel darüber, daß die Revancheidee die große Nation in
intellektueller und moralischer Hinsicht derartig beeinflußte, daß sie zu
einer sachlichen Beurteilung der Position, in welche sie sich Rußland gegen¬
über begab, ganz und gar unfähig wurde ... Die Fügsamkeit und Unter¬
ordnung unter die Wünsche und Pläne der moskowitischen Machthaber
ging allmählich so weit, daß Frankreich auf jede Selbständigkeit in der
äußeren Politik verzichtete und sich in die Rolle eines Vasallen seines
Verbündeten ohne Bedauern und Widerstreben fand. Die Speichellecke¬
reien, mit welchen die Präsidenten dem russischen Despoten bei Zusammen¬
künften mit demselben und andern Gelegenheiten aufwarteten, waren um
so mehr geeignet, den Ekel aller nüchtern Denkenden außerhalb der
beiden verbündeten Länder wachzurufen, als den Franzosen die pan-
slawistischen Absichten der Moskowiter und die dadurch für die Kultur
Europas bedingte Gefahr keineswegs entgehen konnte. So kam es, daß
die große, auf ihre nationale Ehre so ungemein bedachte Nation, welche
die Demütigung von 1870/71 nicht vergessen wollte, die Schmach nicht
scheute und nicht empfand, die sie sich selbst durch ihr Vasallenverhältnis
iu Rußland und die Kriecherei vor dessen Machthabern zufügte, auch die
Gefahren ganz unberücksichtigt ließ, welche der Völkerfreiheit in Europa
und damit auch ihren eigenen Institutionen seitens einer russischen Vor¬
macht drohten.“ Von einem ähnlichen Gesichtspunkte führt Benda aus,
daß im Dienste der Revancheidee Maßnahmen getroffen wurden, „die
ein normales Denken als unzweckmäßig hätte verurteilen müssen. Frank¬
reich mußte z. B. daran denken, da seine Bevölkerungszahl ohnehin schon
von Jahr zu Jahr zurückgeht, daß bei den ungeheuren Verlusten in einem
modernen Krieg und gerade derjenigen, die auf die Bevölkerungsziffer
den Haupteinfluß besitzen, ein nie wieder gut zu machender Fehlbetrag
herbeigeführt werden würde, selbst bei einem siegreichen Ausgang. Frank¬
reich mußte wissen, daß England sein alter Erbfeind ist, der nur auf die
Gelegenheit gewartet hat, sich wieder auf dem Festland einzunisten; aber
es ließ sich trotzdem von ihm umgarnen und zum Kriege treiben, den es
roit Rußland allein voraussichtlich nicht unternommen haben würde.
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Wäre es aber unter diesen Umständen geglückt, Deutschland zu besiegen,
worin hätte für Frankreich die seit so langer Zeit heiß ersehnte Gloire
bestanden, welcher Bruchteil wäre wohl im günstigsten Falle auf seine
Rechnung gekommen? Frankreich mußte wissen, daß es sein schwinden¬
des Prestige nur durch sich allein wieder erlangen konnte.“ Wir können
bei dieser Zusammenstellung davon absehen, daß Löwenfeld hier vornehm¬
lich die führenden Kreise im Auge hat, da nach ihm ja die Masse des Volkes
das russische Bündnis sich wohl gefallen ließ, aber „aufrichtige Sym¬
pathien zu dem russischen Verbündeten nicht empfinden konnte und
wenig geneigt war, für denselben die Kastanien aus dem Feuer zu holen“,
während Benda bei seiner Erörterung, zu welchen Ergebnissen Frank¬
reich bei normalem Denken hätte gelangen müssen, offenbar mehr die
Volksmasse meint, da er die Führer als verantwortliche Verbrecher und
nur das Volk als krankhaft gestört und durch die überwertige Idee im
Denken beeinträchtigt betrachtet. Diesen Unterschied können wir deshalb
vernachlässigen, weil es hier nur darauf ankommt, zu prüfen, ob Frank¬
reichs Politik die Annahme einer pathologischen Steigerung der Revanche-
idee nahelegt.
Sowohl Löwenfeld wie Benda urteilen von der Voraussetzung aus,
daß Frankreichs Rüstungen und Bündnisse allein von der Revancheidee
eingegeben seien, während die geheime Furcht vor Deutschland und vor
einem deutschen Angriff, die einen nicht minder wirksamen Beweggrund
zu jenen Maßnahmen abgab, von beiden übersehen wird. Gewiß war
Deutschland weit entfernt von kriegerischem Ehrgeiz und hat gerade
Frankreich gegenüber seine Friedensliebe in einem Maße betätigt, das
mehrmals bis an die Grenze des eben noch Zulässigen ausgedehnt wurde.
Aber gibt das ruhige und stets gleichmäßig friedliche Verhalten eines
mächtigeren Nachbars die Gewähr, daß er nicht doch bei einer nicht voraus¬
zusehenden Gelegenheit seine Übermacht mißbrauchen wird? Andere
Herrscher, andere Regierungen können anders gesinnt sein, und wer will
es einem Volke, das von seiner eigenen Bedeutung durchdrungen ist, ver¬
denken, wenn es sich gegen solche Möglichkeiten schützt? Gilt doch
Mißtrauen nicht nur als eine demokratische, sondern auch als eine politische
Tugend, und es wäre vom französischen Standpunkt aus in der Tat unver¬
antwortlich gewesen, im Vertrauen auf die bisher bewiesene Friedens¬
liebe Deutschlands die eigene Rüstung zu vernachlässigen. Will man aber
einem Stärkeren gewachsen sein, so muß man bessere Waffen haben und
deshalb größere Vorbereitungen treffen als dieser. Und da andrerseits
Deutschland sich nicht überflügeln lassen durfte und zugleich auch noch
zum Kampf im Osten gewappnet sein mußte, so ergab sich das vielbeklagte
Wettrüsten, das durch eine Verständigung zwischen beiden Reichen viel¬
leicht gemäßigt, aber nicht vermieden worden wäre. Denn Deutschland
hätte schon mit Rücksicht auf Rußland und England Heer und Flotte
weiter verstärken müssen und durfte, selbst im günstigsten Fall eines
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Schutzbündnisses mit Frankreich, bei dessen bekanntem Volkscharakter
die Möglichkeit eines plötzlichen Umschwungs nicht außer Berechnung
lassen, da heutzutage eine wirksame Heeresverstärkung sich nicht in kurzer
Zeit durchführen läßt. Aber einer Verständigung wird eher der- Sieger als
der Besiegte geneigt sein, und ein Volk, das mehr vom Gefühl und von Denk¬
gewohnheit als von nüchterner Erwägung bestimmt wird, konnte weder
in der Erinnerung an die Vergangenheit noch im Hinblick auf die
Gegenwart sich vorurteillos dem Nachbar nähern, der ihm nicht nur Sieg und
Land, sondern auch die führende Stellung unter den Staaten des euro¬
päischen Festlandes entrissen hatte. Auch im gewöhnlichen Leben wird
ein Emporkömmling meist nicht mit günstigen Augen angesehen, selbst
wenn er mit ehrenhaften Mitteln seine neue Stellung erworben hat und sie
maßvoll ausnutzt. Denn was von seiner Seite und auf Grund der neuen
Lage maßvoll erscheint, überschreitet, von der andern Seite gesehen und
bier unwillkürlich vom Standpunkt der früheren Verhältnisse aus beur¬
teilt, leicht die Grenze' desSen, was allenfalls noch als berechtigt anerkannt
wird. Das Mißtrauen gegen Deutschland fand zudem kräftigen Schutz
in der Unwissenheit über deutsche Verhältnisse, die in Frankreich größer
war als in andern europäischen Ländern, selbst England nicht ausge¬
nommen, und einer Berichtigung nationaler Vorurteile und schiefer Auf¬
fassung hindernd im Wege stand. Ein übermächtiger Gegner aber, dessen
Entwicklung und dessen Triebkräfte man nicht kennt, wirkt unheimlich,
und man versieht sich nichts Gutes von ihm. Deutschlands kriegerische,
wissenschaftliche und technische Tüchtigkeit ward allmählich mehr an¬
erkannt, sein Wille zum Frieden unterschätzt, so konnte die Sorge, daß
ein kleiner Anlaß aufs neue einen Zusammenstoß beider Völker herbei¬
führen werde, und damit zugleich die, wenn auch bei der Eitelkeit des
französischen Volkes nicht laut eingestandene Furcht vor einem unglück¬
lichen Ausgang nicht fehlen.
Wenn so schon die Sorge um die Sicherheit Frankreichs, auch ab¬
gesehen von der Revancheidee, die stete Kriegsbereitschaft heischte und
das Wettrüsten veranlassen konnte, so mußte ein Zusammeniließen beider
Beweggründe erfolgen und die Revancheidee vom französischen Stand¬
punkt aus berechtigt erscheinen von dem Augenblick an, wo infolge des
drohenden Bevölkerungsrückgangs und der Erkenntnis, daß eine weitere
Kraftanspannung auf die Dauer nicht durchzuführen sei, die Aussicht eines
französischen Sieges aus eigener Kraft sich um so mehr verminderte, je
länger der gefürchtete Krieg auf sich warten ließ. Denn nun verlangte
das Wohl Frankreichs, das nicht vom unsicheren Willen Deutschlands
abhängig gemacht werden durfte, die Zertrümmerung der deutschen Über¬
macht in absehbarer Zeit. Und derselbe Sieg, welcher die deutsche Gefahr
beseitigte, brachte zugleich die verlorenen Provinzen und wohl auch das
übrige linke Rheinufer an Frankreich und diesem hiermit einen Bevölke¬
rungszuwachs, der besser als alle Kolonien geeignet war, den drohenden
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Geburtenrückgang auszugleichen. Die Revanche beschwor also nicht nur
die äußere, sondern auch die innere Gefahr. Aber die letzte, äußerste
Kraftanstrengung, die dazu nötig war, durfte unter keinen Umständen
mißlingen. Hiergegen bot das Bündnis mit Rußland, das ursprünglich
zum Schutze gegen einen Angriff Deutschlands abgeschlossen war, bei
dem Rückhalt, den Deutschland an Österreich hatte, keine ausreichende
Sicherheit, wenn Rußlands unermeßliche Hilfsquellen nicht weit stärker
entwickelt wurden, als bisher der Fall. Eine Milliarde nach der andern
ward diesem Zwecke geopfert, aber der Erfolg entsprach nicht ganz den
Erwartungen. Erst die Annäherung an England konnte die Niederwerfung
Deutschlands gewährleisten. Mochte der Bund mit Rußland und die
Freundschaft mit England unnatürlich erscheinen und auf die Dauer dem
Vorteil Frankreichs zuwiderlaufen, für den Augenblick gaben sie die
Überlegenheit, die zur Niederringung Deutschlands nötig war, und dienten
somit dem Wohle Frankreichs, d. h. seiner Sicherung durch die Revanche.
War mit vereinten Kräften die deutsche Gefahr beseitigt, Deutschlands
Übermacht gebrochen, dann konnte es als Pufferstaat gegen Rußland
dienen und ein gern gesehener, weil nicht mehr gefährlicher Bundesgenosse
werden, also etwa die Rolle spielen, die manche von uns Frankreich in
einem späteren Kampfe gegen England zugedacht* haben. Mochten die
Regierenden immerhin dem Zaren schmeicheln, wenn er nur dadurch
bewogen wurde, im geeigneten Augenblick Deutschland anzugreifen und
mit seiner gewaltigen Heeresmacht den Sieg zu sichern, und mochten immer
neue Milliarden dazu gehören, jener gewaltigen Heeresmacht die nötige
Ausrüstung zu verschaffen, wenn sie nur reichlich flössen und schließlich
doch ihren Zweck erfüllten. Beide Opfer waren ja nur vorübergehend zu
bringen, und das Rußland geborgte Geld ergab neben reichlichen Zinsen auch
eine immer stärkere finanzielle Abhängigkeit Rußlands von Frankreich,
das es somit in der Hand hatte, nach der Vernichtung Deutschlands den
Goldstrom zu sperren und damit die Wehrkraft Rußlands minder furchtbar
zu machen. Dazu England mit seinem Reichtum und seiner Seemacht,
seinen wirtschaftlichen Hilfsquellen und seiner Handelsflotte — wie sollte
da Deutschland widerstehen können, dem in solchem Ernstfall nur Öster¬
reich, schwerlich das von der See aus gefügig zu machende Italien, wirksam
zur Seite stehen würde? Daß England sich auf dem Festland einnisten
könne, war bei einem siegreichen Ausgang des Krieges nicht zu erwarten.
Seine Überlegenheit beschränkte sich auf das Meer; auf dem Lande konnte
es unterstützen, aber nicht den Ausschlag geben und bedrohlich werden.
Die Frage aber, welcher Bruchteil der Gloire beim siegreichen Ausgang
des Krieges auf Frankreichs Rechnung komme, verliert ihre Bedeutung,
wenn man die Revancheidee, so sehr sie ursprünglich aus dem Verlangen
nach Ruhm und Schädigung des Gegners hervorgegangen ist, als neuer¬
dings notwendige Folge des Strebens nach dauernder Sicherung Frank¬
reichs gegen Deutschlands Übermacht erkannt hat, natürlich vom fran¬
zösischen Standpunkt aus gesehen.
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So konnte jetzt die Revancheidee ihre politische Berechtigung aus
der Sorge um die Sicherheit Frankreichs herleiten: logische Erwägungen
erwiesen sie als notwendig für den künftigen Schutz des Landes, und
eine nüchterne Beurteilung der Machtmittel, die sich aus der Steigerung
der Wehrkraft im Mutterlande und den nun auch für die Revancheidee
nutzbar gemachten Kolonien, aus dem Bündnis mit Rußland und der Ein¬
kreisungspolitik Englands ergaben, schien ihre Durchführbarkeit zu ver¬
bürgen. Indem sie aber festen Grund fand, streifte sie den pathologischen
Charakter ab, den man ihr nur zusprechen kann, wenn sie im Widerspruch
mit zwingenden Verstandesgründen festgehalten wird. Damit soll nicht
gesagt sein, daß jene Wendung überall klar erkannt wurde. Wäre das der
Fall gewesen, so wäre die Bestürzung der Volksmasse bei Ausbruch des
Krieges unbegreiflich. Der furchtbare Ernst der Revancheidee mußte von
den Führern verhüllt werden, bis der Augenblick der Durchführung ge¬
kommen war; nur so konnte die unzuverlässige Menge gehindert werden,
entweder zu früh den Funken ins Pulverfaß zu werfen oder durch unheil¬
volle Spaltung in Anhänger und Gegner das ganze Unternehmen zu ge¬
fährden. Mochte die Masse mit dem Gedanken spielen und im Grunde
Rüstungen und Bündnisse und die hierzu erforderlichen gewaltigen Aus¬
gaben als Bürgschaften und Versicherungskosten eines dauernden Friedens
betrachten, so war das nur vorteilhaft: die Revancheidee blieb lebendig,
stieß im Lande auf keine Hindernisse, und der Feind, an den Anblick
ihrer hin und wieder auflodernden und wirkunglos verpuffenden Glut
gewöhnt, konnte sich über den Ernst der Lage täuschen; war der Krieg da,
so würde die Not des Augenblicks auch die zuerst widerstrebenden Ele¬
mente zum Schutz des Landes heranzwingen und die Revancheidee ihre
lockende Kraft entfalten, indem sie, wie ein farbenprächtiger Mantel um
das tragende, aber für die Masse des französischen Volkes zu nüchterne
Gerippe der Kriegsgründe geworfen, die Sinne entflammte und die Herzen
über alle Bedenken hinwegriß.
War aber einmal die verhängnisvolle Bahn betreten, die entweder
zum Untergange des Deutschen Reichs oder — zum VerderbenTrankreichs
führte, so gab es kein Zurück, wollte man nicht die gefürchtete Überlegen¬
heit Deutschlands von neuem, und zwar in weit höherem Grade und für
alle Zeit, herbeiführen und so Frankreich dauernd gefährden. Die überaus
günstigen Aussichten, die der Dreiverband bot, konnten nicht auf lange
festgehalten werden, und einen zweiten Anlauf verbot die fortschreitende
Geburtenabnahme. Deshalb mußten, solange es ging, immer neue Milliarden
den ersten nachgesandt werden, wenn diese nicht genügten, und die Furcht,
daß Rußland doch noch im letzten Augenblick dem goldenen Netz ent¬
schlüpfen und sich dem Kampf mit Deutschland versagen könne, mag
viel zu der „Fügsamkeit und Unterwürfigkeit unter die Wünsche und
Pläne der moskowitischen Machthaber“ beigetragen haben. Aber diese
.Entwürdigung und Erniedrigung“ diente nicht lediglich der Revanche-
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idee, sondern schien zugleich durch die Not des Landes geboten. Ich kann
daher Löwenfeld darin nicht beistimmen, daß die Revancheidee, soweit
sie für das politische Verhalten Frankreichs bestimmend war, die Intelligenz
in solchem Grade geschädigt habe, daß hierdurch ihr pathologischer Cha¬
rakter genügend gekennzeichnet sei.
Und die Masse des französischen Volkes? Gewiß hat bei ihr nach
Ausbruch des Krieges die Revancheidee ihre fortreißende Macht bewährt,
aber pathologischen Charakter kann man ihr hier noch weniger als bei den
Führern zuerkennen. Die Vorteile und Nachteile eines Krieges mit
Deutschland abzuwägen, dazu war es zu spät. Das Gewicht der Gründe,
die die Regierung für ihre Revanchevorbereitung gehabt hatte, mußte jetzt,
wo der Krieg entfesselt war, für die Durchführung der Revanche entschei¬
dend sein und dies dem Volke bei verständiger Überlegung einleuchten.
Und dazu kam ein weiterer Umstand. Deutsche Heere zogen durch Luxem¬
burg und Belgien und bedrohten die ungeschützte Nordgrenze Frankreichs.
Mag die Berechtigung dazu auch später einmal von französischen Geschicht¬
schreibern zugegeben werden, zunächst mußte die für Frankreich so gefähr¬
liche Verletzung neutralen Gebietes dem französischen Volke als völker¬
rechtwidrige Gewalttat erscheinen, die zeigte, was man von diesem Gegner
erwarten konnte, und nicht mehr nur für Frankreichs, sondern für Europas
künftige Sicherheit die Zertrümmerung Deutschlands notwendig machte.
So fand die Revancheidee auch Wrin eine neue Rechtfertigung. Und
ihre Durchführbarkeit konnte jetzt trotz dem Vorteil, der den deutschen
Heeren aus dieser Gewalttat zunächst erwuchs, selbst nüchternem Urteil
kaum als fraglich gelten, da Deutschland, von allen Seiten bedroht und
von aller Zufuhr abgeschnitten, den Verzweiflungskampf um sein Dasein
wohl eine Zeitlang siegreich führen konnte, allmählich aber der Übermacht,
der wirtschaftlichen Erschöpfung und dem Hunger erliegen mußte. Es
geht deshalb nicht an, das Aufflammen der Revancheidee im französischen
Volke deshalb als pathologisch zu werten, weil ihr Ziel sich bei näherer
Überlegung als unerreichbar oder unvereinbar mit dem Wohle Frankreichs
hätte erweisen müssen.
Diese Erkenntnis wird vielleicht nach einem endgültigen Siege
Deutschlands von vielen einzelnen gewonnen werden. Ob freilich die
Masse des französischen Volkes dadurch auf die von Löwenfeld erhoffte
heilsame Art beeinflußt werden wird, dürfte vom Verhalten der Führer
abhängen. Für eine Niederlage Frankreichs Anden sich in diesem Kriege
viel näher liegende und einleuchtendere Gründe als die Vorstellung des
Verrats 1870/71, da jetzt die Schuldigen nicht nur im eigenen Volke, sondern
auch bei den Verbündeten, und zwar hier mit einer gewissen Berechtigung,
gesucht werden können. Wohl aber könnte dies dazu führen, daß die Re¬
vancheidee ihre Spitze künftig statt gegen Deutschland gegen England
kehrt, das im Fall der Niederlage zum Verräter an der gemeinsamen Sache
und an Frankreichs Größe zu stempeln keine Schwierigkeit bieten dürfte.
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Die Revancheidee selbst ist aber zu tief mit dem französischen Volke
verflochten und hat ihre Zugkraft zu oft bewährt, als daß machtlüsterne
Führer künftig auf ihre Unterstützung verzichten werden, zumal ja die
schlimmste gegenwärtige Lage, die jede Möglichkeit eines Rachekrieges
auf absehbare Zeit ausschließt, die leidenschaftliche Hoffnung auf eine
günstigere Zukunft nicht beseitigen und sogar steigern kann. Glaube ich
also auch nicht an die Einsicht der Volksmasse in die Schädlichkeit der
Revancheidee, so könnte eine Ablenkung auf England doch immerhin für
längere Zeit eine Verständigung mit Deutschland ermöglichen. Das würde
aber keine Heilung im Sinne Löwenfelds bedeuten.
Eher könnten als krankhaft jene Ausschreitungen angesehen werden,
die von Löwenfeld und Benda angeführt werden, und deren sich nicht nur
die Volksmassen, sondern auch die Gebildeten schuldig machten. Freilich
fallen sie nicht der Revancheidee in dem bisher festgehaltenen Sinne zur
Last, da sie nicht auf die Zertrümmerung Deutschlands abzielen. Aber
daß die entfesselte Leidenschaft die Schranken des Völkerrechts und der
Menschlichkeit überflutete und so seltsame Blasen aufwarf, wie sie in den
Reden sonst nüchterner und selbst wissenschaftlich bedeutender Männer
zum Vorschein gekommen sind, hängt zweifellos mit der „Eitelkeit,
Emotivität und Suggestibilität“ des französischen Volks zusammen und
mag zunächst als Steigerung dieser Eigenschaften ins Pathologische er¬
scheinen. Aber was ich oben (S. 259) ausführte, gilt auch hier, und zwar
in weit höherem Grade als in gewöhnlicher Zeit. Ist da schon das Volk
auf den Stoff angewiesen, den die Führer ihm bieten, wieviel mehr im
Kriege, wo nur die Nachrichten sich verbreiten, die die Zensur erlaubt,
und eine Widerlegung dessen, was die Zeitungen als Tatsachen bringen,
meist unmöglich ist. Und wie genau mit allen Einzelheiten wurden die
deutschen Greuel geschildert, Augenzeugen berichteten davon, und was
auf den ersten Blick unmöglich erschien, ward durch andere Erzählungen
gestützt, die die entsetzliche Roheit und Grausamkeit der deutschen
Truppen bestätigten. Französische Unwissenheit über deutschen Geist
und deutsche Art, gefördert durch einen, falschem Patriotismus dienstbar
gemachten Schulunterricht, der in Geschichte und Volkskunde den deut¬
schen Volkscharakter als minderwertig hinstellte, half kräftig mit, denn
infolge davon konnte auch gebildeten Kreisen als möglich erscheinen,
was sonst doch wohl als unzulässige Verallgemeinerung einzelner Vor¬
kommnisse beurteilt worden wäre. Dazu kam die „Suggestibilität“ des
französischen Volkes, die das, was den meisten zunächst nur als möglich
erscheint, in gegenseitiger Steigerung rasch zur Wirklichkeit wandelt,
wenn ein lebhaftes Gefühl mitspricht. Das aber war hier im vollsten Maße
der Fall, und bald erschienen die Deutschen als die wilden Hunnen, die
unmenschlich in gesegneten Gauen zivilisierter Länder hausten, ja schlim¬
mer als diese, da sie, mit allen Mitteln der Wissenschaft ausgerüstet, einen
sittlichen Tiefstand bekundeten, der seinesgleichen in der Geschichte
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nicht fand. Wenn da hochstehende Männer der Wissenschaft, von der
allgemeinen Empörung mit fortgerissen, sich niedrige Beschimpfungen
erlaubten, wenn die Grausamkeit, die Löwenfeld als charakteristische
Eigenschaft der französischen Volksseele hervorhebt, sich gegen Wehr¬
lose wandte und an einzelnen Orten wahrhafte Orgien feierte, so war das
doch vom Standpunkt derer, die sich an diesen Ausschreitungen beteiligten,
begründet in der Unmenschlichkeit der Deutschen, die die Empörung
herausforderte und Grausamkeit als ebenmäßige Rache erscheinen ließ.
Daß diese wahllos an denjenigen Deutschen genommen wurde, die gerade
zur Hand waren und sich nicht schützen konnten, auch wenn diese an den
vermeintlichen Greueln sich gar nicht beteiligt haben konnten, ist doppelt
verwerflich und gemein, aber etwas Pathologisches kann ich auch hierin
nicht finden. Nicht ein überspanntes Gefühl machte die Unterscheidung
von Wahrheit und Trug unmöglich. Mochte die gemütliche Erregung
auch den Irrtum begünstigen, erwachsen ist er aus Unwissenheit und
Leichtgläubigkeit, und er konnte sich ungestört entwickeln, weil eine Auf¬
klärung und Berichtigung äußerst erschwert war. Gerade dieser Irrtum
konnte dann aber das leidenschaftliche Volk, das trotz aller Anstrengungen
und Opfer blühende Provinzen in der Hand des verhaßten Gegners lassen
mußte, zu voreiligen Schmähungen, in seinen rohen Elementen zu jenen
Mißhandlungen Wehrloser, in seinen rohesten zu Verbrechen verführen,
die ewig eine Schande Frankreichs bilden werden.
Die Annahme eines krankhaften Geisteszustandes des französischen
Volkes glaube ich durch diese Betrachtungen auch im Sinne Löwenfetä
und Bendas als unbegründet nachgewiesen zu haben. Wenn Löwenfeld.
der die besonderen Eigenschaften des französischen Volkes m. E. zutreffend
geschildert hat, der Revancheidee eine pathologische Überwertigkeit zu¬
spricht, so liegt das, wie mir scheint, daran, daß er vom deutschen, nicht
vom französischen Standpunkt aus urteilt und deshalb die Furcht vor
Deutschland unterschätzt, die freilich bei der Eitelkeit der „großen Nation"
selten unverhüllt zutage trat, aber unverkennbar den bestimmenden
Unterton mißgünstiger Verdächtigungen und prahlender Überhebungen
abgab. Zu diesen Prahlereien, die das Gefühl der Sicherheit wohl nicht
nur vortäuschten, sondern in einem Volke, das sich leicht von hochtönenden
Worten hinreißen läßt, auch — wenigstens vorübergehend — herbeiführen
und so das Unbehagen, das ihnen zugrunde lag, zugleich beschwichtigen
konnten, gehörte auch das laute Anklingen der Revancheidee, die ja den
Trost enthielt, daß Frankreich vom Druck, der seine Zukunft bedrohte,
zuletzt doch einmal frei werden würde. Den naheliegenden Einwurf, daß
diese Auffassung die pathologische Überwertigkeit, von der sie die Idee
der Revanche entlastet, auf die mit ihr zusammenhängende der Bedrohung
Frankreichs durch Deutschland abwälze, halte ich nicht für gerechtfertigt.
Die Vorstellung, daß Deutschland ohne ausreichenden Grund Frankreich
angreifen könne, mag man eine überwertige Idee nennen, insofern sie, in
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der wirklichen Sachlage nicht begründet, das Gefühl mehr wie billig
aufregte. Aber pathologische Macht besaß sie nicht, da sie das politische
Handeln nicht einseitig bestimmte. Im besonderen lagen für das
Bündnis mit Rußland denn doch noch andere, stichhaltigere Gründe vor.
Tatsächlich hätte es Frankreich wohl in der Hand gehabt, sich statt dessen,
ähnlich wie Österreich, an Deutschland anzuschließen und damit aller
Voraussicht nach sich und Europa einen dauernden Frieden zu sichern.
Aber gerade der Vergleich mit Österreich zeigt die Schwierigkeiten, die
dieser Lösung entgegenstanden. Für Deutschland und Österreich bestand
das gemeinsame Bedürfnis einer Sicherung gegen Rußland; Frankreich
konnte unmittelbar nur von Deutschland bedroht werden, da England
nur für die Kolonien, nicht aber für das Mutterland gefährlich war. Der
Bond mit Deutschland schützte Frankreich somit nur vor Deutschland,
leistete also nicht mehr als das russische Bündnis, und dieses hätte ohne
Englands Hinzutritt den europäischen Frieden kaum gestört. Aber
neben der augenblicklichen Lage sprechen auch bei den Entscheidungen
der Völker gefühlsbetonte Erinnerungen mit. Sobald Österreich aus dem
Verbände des Deutschen Reiches ausgeschieden war und die führende
Stellung in diesem an Preußen abgetreten hatte, fielen die Gründe fort,
die bis dahin seinem dauernden Zusammenschluß mit Preußen im Wege
gestanden hatten, und nun fand das Bündnis mit Deutschland eine kräftige
Stütze in dem nicht mehr durch Eifersucht beeinträchtigten Bewußtsein,
gleichfalls Träger und Verbreiter deutscher Kultur zu sein. Die Wunde
aber, die Österreichs Stolz bei Königgrätz erlitten, konnte rasch zur Heilung
kommen, weil der Sieger in kluger Voraussicht auf jeden Landgewinn ver¬
zichtet und sich mit einer unbedeutenden Geldentschädigung begnügt
batte. Ganz anders schmerzten in Frankreich die Kriegsteuer der fünf
Milliarden und der Verzicht auf Elsaß-Lothringen und die Rheingrenze,
die den Verlust der Vorherrschaft in Europa begleitet hatten. Daß in
dieser Lage und aus solchen Erinnerungen heraus Frankreich dem Bei¬
spiele Österreichs nicht folgte und die Anlehnung an Rußland vorzog,
mag die Folgezeit als unklug erwiesen haben, aber verständlich ist es auch
ohne die überwertige Idee, daß Deutschland auf den Untergang Frank¬
reichs sinne.
Mir scheinen somit die großen Richtlinien der französischen Politik,
wenn man sie, wie billig, vom französischen Standpunkt aus betrachtet,
den gegebenen Verhältnissen genügend angepaßt zu sein, um die An¬
nahme einer übermäßigen Beeinflussung durch überwertige Ideen, noch
dazu von pathologischem Charakter, entbehrlich zu machen. Der Teil
der Verantwortung für den Weltkrieg, der der französischen Regierung
zufällt, muß von ihr ohne die Deckung durch einen krankhaften Geistes¬
zustand getragen werden; soweit stimme ich Benda zu. Daß ich allerdings
die französische Politik, die den Weltkrieg ermöglichte, nicht als ver¬
brecherisch ansehen kann, geht aus meinen Ausführungen hervor. Von
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verbrecherischer Politik könnte man eher schon im Hinblick auf England
sprechen — das aber überschreitet den Rahmen dieser Betrachtung.
Wenn ich aber auch die „überwertigen Ideen“ der deutschen Gefahr
und der Revanche, soweit sie für die französische Politik bestimmend
waren, nicht als pathologisch ansehe, so will ich damit keineswegs leugnen,
daß sie in dem leicht erregbaren und beeinflußbaren Volke zeitweis
eine Macht erlangt haben, die weit über das hinaus geht, was wir
bei uns zu sehen gewohnt sind. Der germanische Volkscharakter
ist eben ein anderer; weniger leicht von Ideen erhitzt, pflegen
wir ruhiger darüber zu urteilen, so daß nur die uns erfassen, die unserem
gesamten Denken und Fühlen mehr entsprechen, mit unserem ganzen
Wesen mehr verwachsen können und uns daher zwar dauernder beherrschen,
aber weniger zügellose Ausbrüche hervorrufen. Und da zugleich der
einzelne bei uns im allgemeinen selbständiger, eigenwilliger und in seinem
Denken weniger von der Masse abhängig ist, so erscheint uns die Wirkung
jener Ideen auf die Masse des französischen Volks bisweilen so übertrieben
und maßlos, daß wir an krankhafte Geisteszustände denken. Dazu kommt
bei der Revancheidee, daß sie, wie oben (S. 259) dargelegt, einen falschen
Gesichtspunkt in die Politik einführt, der höchstens vorübergehend dem
natürlichen^iele aller Politik, dem Wohle des Vaterlandes, dienen kann,
aber, davon losgelöst, nur verderblicher Wirkungen fähig ist.
Aber welchen Sinn hat es überhaupt, die dem Einzelleben ent¬
nommenen Begriffe geistiger Gesundheit und Krankheit auf das Völker¬
leben zu übertragen ? Benda geht nicht weiter darauf ein, sondern begnügt
sich mit der Bemerkung, daß bei dem Schluß auf krankhafte Züge einer
Volksseele und bei ihrer Prüfung auf Zurechnungsfähigkeit eben nur eine
übertragene Bedeutung in Betracht kommen kann. Löivenfeld verweist
zwar mehrfach auf Friedmanns Abhandlung „Über Wahnideen im Völker¬
leben“ 1 ), aber gerade in jener Grundfrage weicht er offenbar von der
vorsichtigeren Auffassung Friedmanns ab. Dieser hatte den Namen Wahn¬
ideen oder Wahngebilde im Völkerleben als „heute ziemlich allgemein“
verbreitete Bezeichnung für solche Vorstellungen übernommen, welche in
großen und kleinen Kreisen eine starke Herrschaft geübt und teils in ihren
Folgen sich grauenhaft und verderblich erwiesen haben, teils mehr lächer¬
lich und kindisch uns anmuten“ (S. 203). Er will aber seine Betrachtung
nicht beschränken „auf die epidemischen Wahnbildungen, welche mit
schweren Intelligenz- und Bewußtseinsstörungen einhergehen bzw. dem
Krankheitbilde der sogenannten großen Hysterie zuzurechnen sind. Ein
wahres psychologisches Verständnis der epidemischen Ausbreitung ex¬
orbitanter Vorstellungen im Völkerleben läßt sich nur dann erreichen,
wenn wir sie gewissermaßen in eine Pathologie der Volksseele einreihen.
*) M. Friedmann, Über Wahnideen im Völkerleben. Heft 6 u. 7 der
„Grenzfragen des Nerven- und Seelenlebens“. Wiesbaden, Bergmann, 1901.
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Kleinere Mitteilungen«
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Ohnehin konnten die tiefergreifenden Störungen nur erwachsen auf dem
Boden von allgemein in den Massen des Volkes sich ausbreitenden erregen¬
den Geistesströmungen absonderlichen Inhalts“ (S. 206). Diesen erregen¬
den Geistesströmungen absonderlichen Inhalts ist der Hauptteil der Ab¬
handlung gewidmet; zu ihnen, den „Wahnideen im Völkerleben auf einfach
suggestiver Grundlage“, gehört auch der „politische Wahn“. Man spreche
zwar hier meist nur von „nationalen und politischen Leidenschaften“,
doch auch z. B. vom gallischen Größenwahn (S. 259). Friedmann über¬
nimmt also wohl die Ausdrücke: Wahnideen, Größenwahn und dergleichen
für Ideen im Völkerleben, die im Gegensatz zu den berechtigten „Idealen“
auf Abwege führen und den pathologischen Wahnbildungen des einzelnen
darin gleichen, „daß ihnen eine frappierend ungenügende Motivierung zu-
kommt“, und daß sie „eine impulsive Tatkraft und einen Opfermut ent¬
fachen, vermöge welcher unzählige Male mit Leichtigkeit das eigene Leben
preisgegeben worden ist“ (S. 302), und er spricht, wenn er eine selbstgeprägte
Bezeichnung anwendet, von „perversen“ Ideen und Impulsen oder von
Phantomen, die ebenso wie die Ideale im Völkerleben sich nur dadurch
durchsetzen, daß sie Gefühl und Phantasie oder aber die Leidenschaft kraft¬
voll zu erregen vermögen. Aber er sieht die davon ergriffenen Völker des¬
halb nicht als krank an. Denn „in jedem Volk und zu jeder Zeit kann
irgendein noch so sinnwidriger und in seinen Zielen häßlicher Fanatis¬
mus eingepflanzt werden, wenn es die Agitatoren nur verstehen <
die richtige Seite des Volksgeistes anzuschlagen, und wenn ihnen
die Regierung dabei freie Hand läßt“ (S. 207). Die subjektive Über¬
zeugung werde eben verhältnismäßig selten durch kritisches, wissen¬
schaftliches Denken gestützt, das Abwehr jedes subjektiven Faktors beim
Denken fordert, erst anerzogen und eingeübt werden muß und daher im
einzelnen Falle unvollkommen ist; die meisten Urteile und Ideen werden
ohne logische Reflexion gebildet und angenommen, und ihre Verbreitung
erfolgt durch Suggestion; „die Vorstellung an und für sich ist eine starke
psychische Kraft oder Macht, sie drängt, ohne daß irgendeine Reflexion
beteiligt zu sein braucht, sowohl zu überzeugenden Assoziationen und
Ideen als zu impulsiven Handlungen (S. 231). So können zahlreiche Ideen
ohne positive Motivierung vom menschlichen Geiste Besitz ergreifen und
ihn zu leidenschaftlicher Betätigung treiben, falls keine offenen Wider¬
sprüche vorhanden sind, und die Hemmung durch diese ist um so geringer,
je kleiner die Summe positiver Errungenschaften ist, welche auf dem
Gebiete der geistigen Forschungsarbeit vorliegt oder welche der einzelne
Mensch besitzt. Außerdem pflegen intellektuelle Hemmungen nur so lange
'Wirksam zu sein, als eine Bewegung wenige Anhänger hat. „Denn, die'
weitaus stärkste Hemmung für jeden einzelnen Menschen ist die Rücksicht
auf die ihn umgebende öffentliche. Meinung; durch dieses in erster Linie
wieder suggestive, aber doch auch sehr starke praktische Moment wird
der einzelne von der Geltendmachung, ja sogar von der eigenen Verfolgung
Zeitschrift für Psychiatrie. LXXII. 3. 20 t
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Kleinere Mitteilungen.
solcher Ideen abgehalten, die für töricht und verderblich gelten würden.
Und darin scheint mir (Friedmann) auch ein sehr wesentlicher Grund zu
liegen, warum wir abnorme Ideenbildungen, die bei einzelnen sich ereignen,
in intensiver und die Person durchaus beherrschender Ausbildung eigentlich
nur auf geistig krankhafter Basis zu treffen pflegen, während eine noch
physiologische Exaltation genügt, um ganz ähnliche Gedankenrichtungen
in einer kompakteren Gruppierung von Personen zum vollen Durchbruch
zu bringen“ (S. 233). Wenn solche perversen Ideen in jedem Volke und
zu jeder Zeit eingepflanzt werden können, und wenn eine noch physio¬
logische Exaltation genügt, um sie entstehen zu lassen, so erhellt hieraus,
daß jF riedmann ein Volk oder eine Volksmasse, die unter der Herrschaft
solcher „Wahnidee“ steht, nicht als geisteskrank ansieht und diese Wahn¬
ideen nicht auf „krankhafte psychische Prozesse“ zurückführt. Seine
ganze Erörterung geht darauf aus, zu zeigen, daß gerade die ursprüng-
, lichsten und allgemeinsten, „menschlichsten“ Eigenschaften jene Massen¬
bewegungen ermöglichen. Er findet, daß „die Sache eine nicht zu leug¬
nende Verwandtschaft mit der Dressur höherer Tiere hat, und das ist an
sich gar nichts Herabsetzendes. Die Suggestivwirkung ist eine primitive
geistige Potenz, das logische und kritische Denken dagegen das Produkt
höchstentwickelter intellektueller Erziehung, in erster Linie des ganzen
Menschengeschlechts, in zweiter Linie jedes einzelnen“ (S. 280). „Für
die Ausbreitung von ideellen Bewegungen ist ... der Grad der Suggesti-
bilität von entscheidender Bedeutung. Das wäre noch mehr der Fall,
wenn nicht ... eine starke suggestive Empfänglichkeit stets in den Massen
vorhanden wäre. Innerhalb des Begriffes der Suggestibilität sind nämlich
wieder zwei Momente zu unterscheiden, und zu diesen kommt als drittes
und pathologisches Moment noch die vielfach zutreffende Eignung zü
hypnotischer Überreizung hinzu“ (S. 303). Jene ersten zwei Momente,
die bei den politischen „Wahnideen“ im französischen Volke allein mit¬
sprechen, nämlich erstens „der Grad der Erregbarkeit des Vorstellens,
also sowohl das Maß von plastischer Anschauungs- und Gestaltungskraft
als der Grad der Gemütsbetonung und Leidenschaftlichkeit, welcher den
Vorstellungen beiwohnt“, und zweitens „das Maß des Widerstandes, der
Hemmung, womit die Personen einer Suggestion imstande sind sich zu
widersetzen“, sind somit bei den verschiedenen Völkern nicht gleich,
aber diese Ungleichheit führt, soweit sie Völker betrifft, nicht ins Gebiet
des Pathologischen. Die Ähnlichkeit der „Wahnideen im Völkerleben“
mit den Wahnideen des Geisteskranken ist eben durchaus äußerlich,
während sie in ihrem Wesen und nach ihrer suggestiven Entstehung
ganz anderer Art sind und der Dressur höherer Tiere näher stehen.
Ich gehe auf die seTir gehaltvolle Friedmannsche Abhandlung, die
für viele Erscheinungen gerade der jetzigen Zeit fruchtbare Gesichts¬
punkte aufstellt, hier nicht weiter ein, da es mir nur darauf ankam, die Ver¬
schiedenheit der Auffassung Friedmanns von der Löwenfelds aufzudecken.
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Diese Verschiedenheit hindert nicht, daß auch Friedmann von der Er¬
ziehung des französischen Volkes spricht „sowohl zur grenzenlosen natio¬
nalen Eitelkeit als zu jenem egoistischen Wahn, es sei seine politische
Aufgabe, sich durch große Stücke des germanischen Nachbarlandes zu
bereichern und dieses überhaupt zur dauernden politischen Ohnmacht
und Zerrissenheit zu verurteilen“, ja, daß er „für das Verhalten der Fran¬
zosen nach dem 70er Kriege kein anderes Wort als das der wahnhaften
Verblendung“ findet (S. 264). Ihm kommt es eben viel weniger auf den
Gegensatz zwischen krank und gesund an als auf die Darlegung, wie jene
Massenbewegungen entstehen und sich ausbreiten, und er glaubt sich
wohl auch durch seine anfängliche Erklärung, daß er den Ausdruck „Wahn¬
ideen im Völkerleben“ gebrauche, weil er hergebracht sei, vor Mißdeutung
gesichert. Dagegen gibt seine Behauptung, daß die Suggestividee ohne
jede logische Begründung von der Masse übernommen werde, den aus
solchen Suggestivideen hervorgehenden Massenbewegungen in der Tat eine
leicht ans Pathologische streifende Färbung, die zumal dann sich geltend
macht, wenn jener Mangel an logischer Begründung die Idee und zwar
besonders die politische Idee eines Kulturvolkes betrifft. Ich halte jene
Behauptung zudem, so viel Wahres ihr auch zugrunde liegt, in der schar¬
fen Fassung, die Friedmann ihr gibt, für zu weitgehend. Mir scheint sie
zwar für Naturvölker und für Glaubenssachen, in denen naturgemäß der
Verstand weniger mitspricht, im ganzen zuzutreffen, in viel geringerem
Grade aber für politische Bestrebungen in Kulturvölkern. Es ist richtig,
daß suggestiv wirkende Vorstellungen das politische Leben auch dieser
Völker in weitem Umfang beherrschen, und daß sie, um zur Herrschaft
zu gelangen, der Einpflanzung und Erregung durch fremde geistige Kraft,
nämlich der „mit dem Einfluß der Priesterschaft zu vergleichenden“ Werbe¬
arbeit der Parlamentarier, Berufspolitiker und Zeitungschreiber bedürfen
{Friedmann S. 261), aber sie vermögen bei einer Volksmasse, die sich nicht
im Naturzustände befindet und eine größere Anzahl mehr oder weniger
gebildeter Elemente in sich schließt, tiefgehende Erregungen und große
Kriege ohne logische Begründung kaum hervorzurufen. Daß die logische
Begründung nur dasjenige Wissen als Unterlage nehmen kann, das der
Masse von früher her eigen ist oder ihr während der Werbearbeit zugeführt
wird, verringert die Macht der Überlegung, schaltet sie aber da nicht aus,
wo eben eine gewisse Summe von Kenntnissen und Erfahrungen schon
vorhanden ist. Überrumpelungen der Einsicht sind natürlich möglich,
und der Treppenwitz kommt zu spät, wo augenblickliche Entscheidungen
nötig sind, aber da, wo erst vorbereitet und Stimmung gemacht werden
muß, ist die logische Anknüpfung der neuen gefühlsstarken Idee an andere
Vorstellungen, auch solche materieller und praktischer Art, um so not¬
wendiger, je tiefer Leben und Güter des einzelnen in die Angelegenheit
verflochten werden. Gewiß, „nach den maßlosen Orgien der demokra¬
tischen Idee gelang es dem Genie eines Napoleon relativ leicht, die Fran-
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zogen nach den Grundsätzen des aufgeklärten Absolutismus zu regieren,
indem er ihren Geist durch die Idee der Gloire an Stelle des Freiheitge¬
dankens erfüllte** (S. 305), aber dies wäre auf die Dauer kaum gelungen,
wenn Napoleons Herrschaft nicht zugleich den endgültigen Abschluß
einer Bewegung bedeutet hätte, die das Leben und die Wohlfahrt des
einzelnen bedrohte, und wenn nicht die Direktorialregierung zur Beruhi¬
gung des Landes unfähig gewesen wäre. Und ebenso erwuchs den Bestre¬
bungen des dritten Napoleon eine wesentliche Hilfe daraus, daß das
Kaiserreich auch hier innere Ruhe und Schutz vor den gerade kurz vorher
sehr gefährlichen sozialistischen Umtrieben erhoffen ließ. In dieser Auf¬
fassung, daß politische Erregungen ohne logische Begründung in Kultur¬
völkern nicht ohne weiteres zustande kommen, berühre ich mich offenbar
mit Löwenfeld und Benda, die ja gerade aus dem vermeintlichen Mangel
solcher Erwägungen den pathologischen Charakter der Revancheidee
erweisen wollen. Was mich von ihnen trennt, ist eben die Frage, ob solche
Anknüpfungen im gegebenen Falle vorhanden waren.
Die Heranziehung der Friedmannschen Abhandlung löst also die
Frage nicht, welchen Sinn es haben könne, den Begriff einer geistigen
Krankheit auf das, Völkerleben anzuwenden. Auch der Vergleich mit
Volkskrankheiten wie Aussatz, Pest, Cholera führt in diesem Falle nicht
weiter, da Löwenfeld und Benda nicht darauf, daß eine Anzahl Franzosen
geisteskrank oder Psychopathen sind, ihre Diagnose der Psychopathia
gallica stützen, sondern das Volk, ganz abgesehen von jenen einzelnen,
als krank hinstellen. Gehen wir also etwas näher auf den Sinn ihrer Be-
griffsübertragung ein.
Bezeichnet man als Krankheit solche Veränderungen eines Organis¬
mus, die seine Leistungfähigkeit vermindern 1 ), so würden als Geistes¬
krankheit diejenigen Veränderungen zu gelten haben, die die geistige
Leistungfähigkeit herabsetzen. Von dem in Gemeinschaft und zumal in
staatlichem Verbände lebenden Menschen werden aber Leistungen nicht
nur zu seiner eigenen Erhaltung gefordert, sondern sie sollen auch zum
Wohle der Gemeinschaft und des Staates dienen oder wenigstens diesem
gemeinsamen Zwecke nicht zuwiderlaufen. Die seelischen Veränderungen,
die die Leistungen zur eigenen Erhaltung herabsetzen, betrachten wir
als krankhaft, diejenigen Handlungen, die, ohne aus Krankheit hervor¬
zugehen, dem Wohle der Gemeinschaft oder des Staates zuwiderlaufen,
als unmoralisch oder verbrecherisch. Den alten Griechen, die das, was
wir Geistesstörung nennen, als rein körperliche Veränderung, zwar nicht
des Gehirns, sondern der Säftemischung, des „Temperaments“, auffaßten,
war der Vergleich sittlicher Tüchtigkeit mit der Gesundheit, sittlicher
Schlechtigkeit mit einer Krankheit sehr geläufig. Auch wir könnten
*) Vgl. H. Ribbert, Lehrbuch der allgemeinen Pathologie u. pathol.
Anatomie; Leipzig, Vogel; 2. Aufl. 1905.
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Kleinere Mitteilungen.
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allenfalls — und zwar nicht nur vergleichweise, wie sie — sittliche Schlech¬
tigkeit als krankhaft bezeichnen, weil die aus ihr hervorgehenden Hand-
luugen geeignet sind, eine Rückwirkung von seiten der Gemeinschaft
und des Staates gegen den Urheber zu veranlassen, ihn somit mittelbar
zu schädigen und seine Leistungfähigkeit zu verringern; wir lehnen aber im
allgemeinen diese Erweiterung des Krankheitbegriffes ab und halten schon
aus praktischen Gründen an der Unterscheidung zwischen krank und
schlecht oder verbrecherisch fest. Nun gibt es zwar auch Staatengemein¬
schaften und die Anfänge eines Völkerrechts, aber es fehlen praktische
Gründe für die Unterscheidung zwischen krankhaften und verbreche¬
rischen Handlungen eines Volks. Schadet ein Volk sich oder andren, so
muß es die Folgen seiner Handlungen tragen, die Macht Verhältnisse ent¬
scheiden, und wenn diese auch durch völkerrechtliche Anschauungen
beeinflußt werden, so enthalten hier die Rechtsanschauungen doch nicht
den Unterschied zwischen Geisteskrankheit und Verbrechen, sondern be¬
urteilen nur das Verhalten eines Volkes andren Völkern gegenüber ohne
Rücksicht auf etwaige geistige Erkrankung. Unser Verhalten Frankreich
gegenüber bleibt das gleiche, ob wir das französische Volk als krankhaft
ansehen oder nicht, und ebensowenig wird unsere Ansicht darüber, auf
welche Weise einmal die Revancheidee ihre Herrschaft verlieren könne,
dadurch beeinflußt, daß wir sie nicht nur im allgemeinen als schädlich für
Frankreich und für uns, sondern etwa noch im besondren als krankhaft
oder verbrecherisch ansehen. Da nun auch unsere Erkenntnis nicht ge¬
fördert wird, wenn wir ein Volk deshalb als geisteskrank bezeichnen,
weil sein Verhalten dem eines einzelnen Geisteskranken verglichen werden
kann, so vermag ich einen Nutzen oder einen begründeten Sinn derartiger
Betrachtungen nicht zu entdecken, es sei denn die ästhetische Freude
wie bei jedem gut durchgeführten Vergleich, der den Geist eine Zeitlang
beschäftigt und anregt. ,
Vielleicht könnte ja im vorliegenden Falle das Schlagwort Psycho-
pathia gallica auch ohne ausreichende Begründung die Empörung gegen
Frankreich in Mitleid umwandeln und den Verstand dazu anspornen,
im Falle eines entscheidenden deutschen Sieges die Friedensbedingungen
^ zu gestalten, daß sie geeignet scheinen, eine gründliche Heilung des
französischen Volkes zu ermöglichen. Eine gesunde deutsche Politik wird
aber allein das Wohl und die Sicherung Deutschlands ins Auge fassen,
und wenn dieses Ziel sich gegenwärtig in einer Hinsicht mit dem der
Heilung Frankreichs von „Revanche-, und Größenideen“ deckt, so dürfte
doch der Selbsterhaltungstrieb in unsrem Volke kräftig genug sein, um
sich auch ohne die Unterstützung durch das Mitleid mit einem fremden
Volke durchzusetzen; ja, die Wirkung des Mitleids auf die Politik würde
deren natürliche Grundlage ebenso verschieben wie der Einfluß der Re¬
vancheidee. Und so scheint mir denn auch von diesem Gesichtspunkt
aus der Wunsch berechtigt, die Psychopathia gallica möge den Rahmen
<'ines geistreichen Gedankenspiels nicht überschreiten. Hans Laehr.
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Die mit einem Aufwand von 3 y 2 Millionen Mark gebaute bayrisch-
schwäbische Kreisirrenanstalt Günzburga. d. Donau ist eröffnet worden.
Die Anstalt besteht aus 55 Baulichkeiten nach dem Pavillonsystem und
bietet Platz für 1200 Kranke.
Schutz der Kinder gegen Alkohol. — Darf eine Polizeiver¬
ordnung die Verabfolgung von Alkohol verbieten ? Diese Frage hat dieser
Tage das Kammergericht im Gegensatz zur Vorinstanz bejaht. Der Fall,
in dem diese sozial wichtige Frage entschieden wurde, war folgender:
Durch die Polizeiverordnung des Regierungspräsidenten zu Liegnitz
vom 11. Mai 1889 ist, wie in Arielen gleichartigen Verordnungen, verboten,
Kindern unter 15 Jahren innerhalb und außerhalb von Lokalen und Ver¬
gnügungsstätten geistige Getränke, sei es zum eigenen Konsum oder aof
Bestellung für andere, zu verabfolgen. Dann enthält die Verordnung
noch einige Spezialbestimmungen. Wegen Übertretung der Verordnung
war der Gastwirt Schreier in Görlitz angeklagt worden, weil er einem
Kinde Schnaps verabfolgt habe, den es für seine Eltern holte. Die Straf¬
kammer in Görlitz als Berufungsinstanz sprach den Angeklagten fiel,
indem sie die Verordnung des Regierungspräsidenten für ungültigerachtete,
weil sie auch die Verabfolgung der Getränke auf Bestellung für andere
verbiete. Das gehe zu weit. Damit würde es Eltern auch unmöglich ge¬
macht werden, Spirituosen in geschlossenen Flaschen durch ihre Kinder
holen zu lassen. Das Kammergericht hob jetzt auf die Revision der Staats¬
anwaltschaft das Urteil auf und verwies die Sache zu nochmaliger Ver¬
handlung und Entscheidung an die Strafkammer zurück. Begründend
wurde ausgeführt: Die Vorentscheidung sei nicht haltbar. Mit Unrecht
erachte die Strafkammer die Polizeivorschrift, welche die Abgabe geistiger
Getränke an Kinder verbiete, für ungültig. Die Vorschrift sei vielmehr
rechtsgültig. Sie wolle die Kinder vor Schaden an ihrer Gesundheit be¬
wahren. Sie finde darum die Rechtsstütze in § 6 f des Polizeiverwaltungs¬
gesetzes und in § 10 Teil 2, Titel 17 des Allgemeinen Landrechts, wonach
es Aufgabe der Polizei sei, das Publikum, wozu auch die Kinder gehörten,
vor bevorstehenden Gefahren zu schützen. Zu dem Zweck müsse auch
verboten werden können, die geistigen Getränke an Kinder auf Bestellung
für andere abzugeben. (Holitschers Korrespondenz.)
Personalnachrichten.
Dr. Johannes Feldkirchner, Med.-Rat, Direktor der Kreisanstalt Regens¬
burg, ist unter Verleihung des Titels und Ranges eines Kgl. Ober¬
medizinalrats in den Ruhestand getreten.
Dr. Bernhard Schauen, San.-Rat, Dir. der Prov.-Anstalt Schwetz, ist ium
Direktor der Prov.-Anstalt in Neustadt W.-Pr.,
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Kleinere Mitteilungen.
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Dr. Emil Heinze, San.-Rat, Oberarzt in Neustadt W.-Pr., zum Direktor
der Prov.-Anstalt Schwetz,
Dr. Friedrich Ast, Oberarzt in Haar, zum Direktor der Kreisanstalt
Werneck,
Dt. Georg Hußel, Anstaltarzt an der Kreisanstalt Ansbach, zum Ober¬
arzt daselbst,
Dr. Korbinian Brodmann, Oberarzt und ao. Prof, in Tübingen, zum Pro-
sektor der Landesanstalt Nietleben ernannt worden.
Dr. Karl Esser, Abt.-Arzt der Bezirksanstalt Saargemünd, ist aus dem
Anstaltsdienst ausgeschieden.
Dr. Martin Pappenheim hat sich als Privatdozent in Wien habilitiert.
Dr. Ernst Bischoff, Priv.-Doz. in Wien, und
Dr. Max Isserlm, Priv.-Doz. in München, sind ao. Professor,
Dr. Wilhelm Peter ßen-Börstel, Dir. der Prov.-Anstalt Plagwitz, und
Dr. August Mercklin, Dir. der Prov.-Anstalt Treptow a. R., Geh. Sani¬
tätsrat geworden.
Dr. Julius Braune, Dir. der Prov.-Anstalt Conradstein,
Dr. Otto Elias, Oberarzt der Prov.-Anstalt Rybnik,
Dr. Ottomar Schmidt, Oberarzt der Prov.-Anstalt Tost,
Dr. Wilhelm Ziertmann, Oberarzt der Prov.-Anstalt Bunzlau,
Dr. Georg Marthen, Dir. der Landesanstalt Landsberg a. W.,
Dr. Oskar Kluge, Dir. der Landesanstalt Potsdam,
Dr. Matthias Schmitz, Oberarzt der Landesanstalt Neuruppin,
Dr. Max Edel, leit. Arzt der Dr.-Edefcchen Privatanstalt in Charlottenburg,
Dr. Hermann Mucha, Dir. der Privatanstalt in Franz.-Buchholz,
Dr. Theodor Schneider, Oberarzt der Prov.-Anstalt Eickelborn,
Dr. Otto Brunner, leit. Arzt der Privatanstalt Neuemühle bei Kassel,
Dr. Franz Adams, Dir. der Prov.-Anstalt Andernach,
Dr. Paul Werner, Oberarzt der Prov.-Anstalt Andernach,
Dr. Gustav Flügge, Dir. der Prov.-Anstalt Bedburg-Hau, und
Dr. Ernst Beyer, leit. Arzt der Nervenheilstätte Roderbirken, haben den
Titel Sanitätsrat erhalten.
Dr. Ramön y Cajal, Prof, in Madrid, ist zum auswärtigen Ritter des Ordens
pour le märite ernannt worden.
Dr. Erich Gerstenberg, Geh. San.-Rat, bisher Dir. der Prov.-Anstalt Hildes¬
heim, hat den Kronenorden 3. Klasse,
Dr. Aroed Hohlfeld, leit. Arzt der Privatanstalt Schweizerhof, den kgl.
sächsischen Albrechtorden 1. Klasse,
Dr. Paul Holthausen, Dir. der Prov.-Anstalt für Schwachsinnige zu
Rastenburg, das Eiserne Kreuz 1. Klasse,
Dr. Max Laehr, San.-Rat, Prof., leit. Arzt der Heilstätte Haus Schönow,
Dr. Max Arndt, leit. Arzt der Privatanstalt Waldhaus in Nikolassee, und
Dr. Franz Weißenhorn, Arzt der Landesanstalt Pforzheim, das Eiserne
Kreuz erhalten.
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278 Kleinere Mitteilungen.
Dr. Max Rothmann, Prof. u. Priv.-Doz. in Berlin, ist, 47 Jahre alt, am
12. August,
Dr. Gustav Rabbas, Med.-Rat, Dir. der Prov.-Anstalt Neustadt W.-Pr.,
59 Jahre alt, ist plötzlich am Herzschlag,
Dr. Paul Länderer , Hofrat, von 1876 bis 1907 Besitzer und Leiter der
Priv.-Anstalt Kennenburg, 72 Jahre alt, am 7. Oktober an einem
Schlaganfall und
Dr. Alois Alzheimer, Prof, in Breslau, 51 Jahre alt, nach längerer Krank¬
heit am 21. Dezember gestorben.
Dr. Gustav Zander, ord. Arzt der Landesanstalt Nietleben, Ritter des
Eisernen Kreuzes, ist den Heldentod für das Vaterland ge¬
storben.
bv Google
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ALLGEMEINE ZEITSCHRIFT
FÜR
PSYCHIATRIE
UND
PSYCHISCH-GERICHTLICHE MEDIZIN
HERAUSGEGE BEN VON
DEUTSCHLNADS IRRENÄRZTEN
UNTER DER ÄUTREDAKTION VON
BONHOEFFER KKEUSER PELMAN SCUÜLE
BERLIN WINNENTAL BONN ILLEN All
DURCH
HANS LAEHR
SCHWEIZKRHOR
ZWEIUNDSIEBZIGSTER BAND
VIERTES HEFT
AtlSGEGEBEN AM 17. JUNI
ImMl :>>}{<
BERLIN W. 10
DRÜCK UND VERLAG VON GEORG REIMER
1910
Preis des Bandes von 8 Heften (6 Hefte Ctoginnlien und 2 Hefte Literxturhericht) 32 Mark.
\ r : •' * V 4 ' ‘Original frc.fr
Go »gle
Über paranoische Geistesstörungen.
Von
Professor Dr. Ernst Emil Moravcsik, Budapest.
Der Umstand, daß die anatomische Grundlage der Geistesstörun¬
gen in der Mehrzahl der Fälle nicht nachweisbar ist, erschwert nicht
nur die präzise Umschreibung besonderer einheitlicher Krankheit¬
formen, sondern erklärt auch die sich in der klinischen Beschreibung
der meisten Psychiater zeigende Verschiedenheit der Auffassungen.
Noch mehr wurde diese Verschiedenheit der Auffassungen befördert
durch die sich auf Jahrzehnte erstreckende Erfahrung, daß der Cha¬
rakter der einzelnen psychischen Krankheiten sich mit der Zeit ändert,
was wieder teils von der ererbten Eigenart des individuellen Organis¬
mus, teils von einer Modifikation der Reaktionsfähigkeit auf die Ein¬
wirkung äußerer Reize bedingt ist. Individuelle Charakterzüge und
das Milieu, in welchem der Kranke lebt, pflegen sich im Rahmen des
Krankheitsbildes scharf auszuprägen und können eine Viel¬
gestaltigkeit der Symptomen Variationen hervorrufen. Auf physio¬
logische und pathologische Einwirkungen pflegen nicht nur das In¬
dividuum, sondern auch die einzelnen Teile des Nervensystems ver¬
schieden zu reagieren, und wie Nißl u. a. nachgewiesen haben, greifen
toxische Substanzen (Alkohol, Blei usw.) sowie auch infektiöse Stoffe
nur gewisse Teile der Nervenelemente an. Zweifellos gibt es gewisse
Krankheiten, welche in den Nervenzellen der Hirnrinde ganz spezifische
Veränderungen hervorrufen (so z. B. lassen sich bei der Alzheimer -
sehen Form der senilen Demenz mit der Bielschowsky&chen Methode
schleifen- und korbartige Gebilde der dunkler fingierten Fibrillen
nachweisen, oder bei der amaurotischen Idiotie nicht bloß ballonartige
Quellungen des Zellkörpers, sondern auch seiner Dendriten) —, je¬
doch in den meisten Fällen läßt Form und Art der Nervenzellen-
Zeitschrift für Psychiatrie. LXXH. 4. 21
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Original from
UNIVERSETY OF MICHEGAN
280
Ernst Emil Moravcsik,
degeneration — als Ausdruck des psychischen Verfalles, des geistigen
Defektes — doch keine Schlüsse zu auf die spezielle Art der geistigen
Krankheitform. Eher noch gibt uns eine mehr minder umschriebene
Lokalisation gewisser pathologischer Veränderungen der Hirnrinde
einigermaßen verwertbare Fingerzeige, so z. B. können pathologisch
veränderte Nervenzellen, Form, Anordnung und Zahl der Nerven¬
fasern, Verhalten, Proliferation oder Verminderung der Glia, Ver¬
änderung der Blutgefäße, Anhäufung gewisser Formelemente usw.
etwa auf paralytische oder senile Demenz, auf Epilepsie, auf arterio¬
sklerotische Demenz hinweisen.
Bei dem so häufigen Mangel der sicheren anatomischen Basis
kann es derzeit bloß die genaue klinische Untersuchung und Beob¬
achtung sein, welcher die führende und leitende Rolle bei der Aus¬
gestaltung der psychischen Krankheitformen zukommen muß. Die
neuere psychiatrische Untersuchungsart jedoch begnügt sich nicht,
im Gegensätze zur älteren Schule, mit der einfachen Separierung von
charakteristischen Symptomen oder Symptomengruppen, sondern
richtet ihr Augenmerk auch auf die ätiologischen Momente, auf den
Verlauf der Krankheit, auf Krankheitdauer und Art und Form des
Krankheitausganges. Auch nimmt die neue Schule die in jüngster
Zeit verfeinerten Untersuchungsmethoden in Anspruch und analysiert
die psychischen Besonderheiten mit psychologischen und psycho¬
physischen Untersuchungen. Ungeachtet dessen bleiben noch viele
Fragen offen, deren Lösung wohl erst einer ferneren Zukunft Vor¬
behalten sein dürfte, und in deren Kreise sich noch gewaltige Unter¬
schiede der Auffassungen ergeben. Immerhin aber können wir mit
Genugtuung konstatieren, daß so manche alte Unterschiede der Auf¬
fassungen geschwunden sind, und daß in den letzten Jahren einzelne
Krankheitformen mit sicheren Grenzen auf einer festen Grundlage
ruhen. Hierbei gebührt unstreitig das größte Verdienst Kraepelin
und seiner Schule, deren Auffassung selbst von der bisher so fern*
stehenden französischen und englischen Psychiatrie geteilt wird. Ab¬
gesehen von dem wohlumschriebenen Krankheitbilde der progressiven
Paralyse, in deren vereinzelten zweifelhaften Fällen die sero- und
zytologische Untersuchung die Stützpunkte einer differentiellen
Diagnose sichert, sind es namentlich die manisch-depressive und die
schizophrene Geistesstörung (Dementia praecox), welche sich einen
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Über paranoische Geistesstörungen.
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fast allgemein anerkannten Platz unter den psychischen Krankheit¬
formen gesichert haben.
So wie aber die Einführung der psychologischen Richtung und
Untersuchungsmethoden für die Wertung der psychischen Abnormi¬
täten neue Gesichtspunkte aufgestellt hat, wurde andrerseits ein Teil
der Fachmänner zu mit überflüssiger Minutiosität erreichten unseligen
Kombinationen verführt, welche, fast hypertheoretische Folgerungen
darstellend, einen scheinbar bereits festgefügten Bau in seiner Grundlage
abermals aufrührten und verwirrten. Dasselbe Schicksal ereilte auch
die in der Vergangenheit vielumstrittene und neuerlich wieder gründ¬
lich erschütterte Frage der Paranoia.
Als wesentliches Kennzeichen der Paranoia betrachtete man lange
Zeit hindurch die primär, also ohne Stimmungsveränderung, sich selb¬
ständig entwickelnden fixierten Wahnvorstellungen. Griesinger, ein Grund¬
leger der Psychiatrie, betrachtete sie als eine sekundäre Krankheitform,
welche aus einer abgeklungenen akuten Geisteskrankheit (Melancholie,
Manie) entstanden sei, während Snell, Westphal, Sander sie als primäre
Krankheit bezeichneten; Sander betont dabei namentlich die sich in früher
Jugendzeit, mit dem psychischen Leben gleichzeitig entwickelnde und
mit der Wahnvorstellung einer höheren Abstammung verbundene originäre
Form. Einzelne (Kahlbaum, Esquirol, Griesinger, Westphal usw.) be¬
trachten sie als partielle Geistesstörung, welche in einer Alterierung der
intellektuellen Sphäre zum Ausdruck gelange. Erkrankungen, bei welchen
die Wahnvorstellungen sich ohne Sinnestäuschungen entwickeln, be¬
zeichneten sie als Paranoia simplex; zeigten sich aber auch letztere, so
sprachen sie von einer Paranoia hallucinatoria und unterschieden auch die
mit besonders lehbaften Sinnestäuschungen und Verwirrtheit komplizierte
Paranoia hallucinatoria acuta, welche letztere später Meynert in das
meisterhaft konstruierte Krankheitbild der Amentia umwandelte. Wäh¬
rend man anfangs eine akute und heilbare Form der Paranoia für möglich
hielt, wurde später eben der chronische Verlauf als besonders charak¬
teristisch hervorgehoben, und nur in neuerer Zeit setzen sich einzelne
Forscher, z. B. Stransky, für die Möglichkeit des ersteren Verlaufes ein.
Der Rahmen des Krankheitbildes wurde immer erweitert, und wohl
diesem Umstande ist es zuzuschreiben, daß die Zahl der Paranoiafälle in
den Anstaltstatistiken immer mehr zunahm.
Kraepelin griff mit starker Hand in dieses Chaos systemlos ver¬
worrener Krankheitsymptome und begann bereits im letzten Dezennium
des vorigen Jahrhunderts auf Grund einer langen Beobachtung, bei Ver¬
gleich von Ätiologie, Verlauf, Krankheitdauer und Ausgang, das Krankheit-
büd der Paranoia zu umschreiben. Er betonte den chronischen Verlauf
derselben und hob als bezeichnendes Kennzeichen die bei unverändertem
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Ernst Emil Moravcsik,
Denken, Wollen und Handeln sich langsam vollziehende Umgestaltung
der ganzen psychischen Persönlichkeit und die Entwicklung eines uner¬
schütterlichen Systems von Wahnvorstellungen hervor. Er eliminierte
die nicht dorthin gehörenden Fälle und faßte die in Verblödung übergehen¬
den Formen unter dem Namen der Dementia paranoides zusammen.
Als Grundzug der noch nicht so engumschriebenen Paranoia betrachtete
ein Teil der Psychiater [Mendel, Schule, Salgo, Koch, Hitzig, im Anfänge
auch Kraepelin u. a.) in Übereinstimmung mit Griesinger die Geistes¬
schwäche, welche in eine Abstumpfung der intellektuellen und gemütlichen
Sphäre, in einer Lückenhaftigkeit und Einseitigkeit der Denkungsweise,
logischer Folgerung und Kritik, und in einer Mangelhaftigkeit der Ele¬
mente des Selbstbewußtseins-Inhaltes zum Ausdrucke gelange. Dem
gegenüber stand die Ansicht von Westphal, Sandberg, Neißer, nach welcher
die Entwicklung der Wahnideen nicht eine Erscheinung der intellektuellen
Abstumpfung darstellt, sondern eher ein Zeichen der in der Beurteilung
des krankhaften Zustandes sich äußernden Beeinflußbarkeit bzw. der
mangelnden Krankheiteinsicht ist. Neißer konzediert bloß soviel, daß
ein Teil der Fälle in geistige Schwäche übergeht.
Bezüglich der Herleitung der Wahnideen entstanden zweierlei
Hypothesen: die eine auf rein psychologischer, die andere auf anatomischer
Grundlage. So traten in den Vordergrund die primäre Störung des Intellektes
(Westphal), das abnorme Spiel der Phantasie (Cramer), der Einfluß der Reiz¬
barkeit der Gefühlssphäre auf die pathologische Gestaltung der Phantasie
(Moeli), der Einfluß, welchen die Zwangsgedanken, die aus lebhaft affekt¬
gefärbten Erlebnissen entstandenen, energetisch überwertigen und das
Bewußtsein verfälschenden Vorstellungen auf den Gedankeninhalt und auf
die Lockerung der Assoziationsverbindungen, auf die Entstehung der
Sejunktion ausüben (Neißer, Wernicke). Ein Teil der Forscher suchte die
in umschriebenen Erkrankungen einzelner Rindenpartien (namentlich in
jener der supponierten Erinnerungsbilderzentren) die Ursache des ver¬
änderten Ichbewußtseins (Meynert, Wernicke), andere wieder nahmen an
eine Verletzung der Assoziationsbahnen (Hitzig), der Flechsigschen Körper¬
fühlsphäre (Bresler), oder aber eine pathologische Steigerung der As¬
soziationstätigkeit (Friedmann). Nach einzelnen entsteht das paranoische
Mißtrauen sowie die unmotivierte Eigenbeziehung der perzipierten Ge¬
schehnisse und der Beobachtungswahn aus der nervösen Überreizbar¬
keit und aus den negativen, unlustbetonten Empfindungen, während
Sandberg, Westphal u. a. die Grundlage dieser Erscheinungen darin er¬
blicken, daß der Kranke die Ursache der empfundenen krankhaften Ver¬
änderung in die Außenwelt projiziert. Nach Lechner „entstehen aus krank¬
haften Impressionen und aus krankhaften Revelationen leicht Wahnideen,
welche sich stabilisieren, für die Einsicht unzugänglich bleiben, durch die
sie verarbeitende geistige Tätigkeit in ein System verbunden werden, in
den Gesamtinhalt des Bewußtseins übergehen und schließlich die gesamte
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Ober paranoische Geistesstörungen.
283
Persönlichkeit psychisch gänzlich umgestalten“. L. bezeichnet die Im¬
pressionen als solche apperzeptionelle Sinneseindrücke, welche neben un¬
genügender oder mangelhafter Reizaufnahme aus überstarken, aber kon¬
gruierenden Reflexreaktionen entstehen; als Revelationen bezeichnet er
ähnliche Erscheinungen, doch entstehen diese aus unvollständigen Re¬
produktionsgebilden, auch nehmen letztere zumeist die Form der einen
Affekt begleitenden Reaktion an.
In neuerer Zeit tritt Specht nicht bloß energisch ein für das Ent¬
stehen der Paranoia auf affektiver Grundlage, sondern weist sie direkt
der Krankheitgruppe des manisch-depressiven Irreseins zu, wofür auch
noch die beiden gemeinsame hereditäre Belastung spreche. Er betont, daß
die Depression die Aufmerksamkeit auf die Ichpersönlichkeit, die Exaltation
hingegen auf die Außenwelt lenkt; der paranoische Größenwahn ist die
Folge eines gesteigerten Selbstbewußtseins und ergibt auch Verfolgungs¬
ideen. Für den Grundzug des Mißtrauens nimmt er eine gemischte
affektive Grundlage an. Fixierung, Protrahierung und Intensitätsteigerung
derartiger Affektzustände ist nach S. bei Paranoikern oft nachweisbar.
Er weist auch darauf hin, daß quärulierende Paranoiker in ihrer Sprache
eine ganze Serie manischer Zustände aufweisen, so in der Hastigkeit der
Sprache, in der fieberhaften Tätigkeit, in der Ausbreitung und Erweiterung
des Gedankenganges. Bresler schließt sich der Ansicht Spechts an und sup-
poniert, daß infolge Disharmonie der spezifischen Nervenreizbarkeit und
des Allgemeinbefindens die angenehmen und unangenehmen Empfindun¬
gen in nicht adäquater Form in das Bewußtsein treten. Margulies, Pick
u. a. akzeptieren ebenfalls den Einfluß der affektiven Grundlage, zumindest
für den Ausgangspunkt der Paranoia. Pick und Linke erblicken den pri¬
mären Faktor in dem ungewissen Gefühl der gespannten Erwartung,
demgegenüber Berze in einer Störung der Apperzeption und in einer psychi¬
schen Hyperästhesie. Lehmann, welcher aus der Gruppe der Paranoia
die mit Halluzinationen und Größenwahn einhergehenden Formen elimi¬
nieren will, läßt den Gedanken der Beeinflussung und Verfolgung ebenfalls
aus einer Störung der affektiven Sphäre entstehen. Bleuler teilt nicht die
Spechtsche Auffassung, nach seiner Ansicht sind sowohl das Mißtrauen
als auch die Wahnideen in erster Reihe Resultate des intellektuellen Pro¬
zesses und können von Gefühlsschwankungen höchstens begleitet sein.
Der Mechanismus ist bei den Irrungen des physiologischen Individuums
derselbe wie beim Entstehen der Wahnideen einer an Paranoia oder an
Dementia praecox leidenden Person: sie haben ihren Ausgangspunkt in
einem gefühlsbetonten Vorstellungskomplex, und die Suggestion spielt
mit hinein.
Das Bestreben, das Krankheitbild der Paranoia gänzlich aufzulösen,
kommt in der Stellungnahme verschiedener Autoren zum Ausdruck.
So gelangt Bumke zu dem Schluß, daß das manisch-depressive Irresein
uad die Paranoia quaerulatoria nicht scharf voneinander getrennt werden
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Ernst Emil Moravcsik,
können, und daß diese, im Verein mit der Hysterie und den Degenera¬
tionspsychosen, der Gruppe der endogenen Krankheiten angehören. Auch
Wilmanns erblickt in ihr kein einheitliches Krankheitbild, sondern bloß
eine Art des degenerativen Irreseins, ebenso wie auch etwa die Haftpsychose.
Maier betont, daß wir den Einfluß der durch Affekte stärker gefärbten
Vorstellungskomplexe nicht bloß bei der Entstehung der Wahnideen,
sondern auch bei andern krankhaften psychischen Funktionen vorflnden,
und er proponiert deshalb eine feinere Unterscheidung in dem Sinne, es
sei „für die psychopathologischen Erscheinungen, für deren Anordnung
und inhaltliche Ausgestaltung Wunsch- und Angstaffekte oder ambi¬
valente Strebungen im Zusammenhänge mit bestimmten Vorstellungs¬
komplexen ausschlaggebend oder mitbestimmend sind, die Bezeichnung
„katathym“ zu wählen“. Bei den katathymen Wahnideen schließt sich der
leitende Affekt an ganz besondere, spezifische Vorstellungen an, während
bei dem manisch-depressiven Irresein Depression und Euphorie ganz
allgemein sind. Nach Maier gelangt in der Kraepelinschen Paranoia die
katathyme Wahnbildung in der ausgesprochensten Weise zum Ausdruck,
ohne gleichzeitige Vermengung mit andern pathologischen Erscheinungen,
doch sei dies kein einheitliches Krankheitbild, sondern bloß ein Typus des
Verlaufes und der Symptome. Böge möchte die Paranoia in die Gruppe der
„konstitutionellen Psychopathie“ einschmelzen.
So sehr auch die Auffassung der Psychiater bezüglich Wesen und
Entwicklung der Symptome divergiert, namentlich infolge mangelnder
anatomischer Basis, ist doch die Überzeugung allgemein verbreitet, daß
die Paranoia dem degenerativen Boden der hereditären Belastung ent¬
springt. Immerhin aber gibt es Hirnkrankheiten mit materieller Ver¬
änderung (Arteriosklerose, Hirnblutung, Hirngeschwulst, Hirnlues, mul¬
tiple Sklerose, Chorea Huntington, progressive Paralyse, Tabes, senile
Veränderungen des Hirnes), ferner Intoxikationszustände (Alkoholismus,
Kokainismus, Morphinismus, Bleivergiftung), welche paranoiaartige Er¬
scheinungen hervorrufen können, und welche als paranoide Formen
losgetrennt werden müssen. Man pflegt auch bei Psychosen derartigen
Ursprunges die vorhandene Disposition anzunehmen, doch hält es ein
Teil der Psychiater ( Redlich , Häßlin) für möglich, daß exogene Faktoren,
welche das Gehirn angreifen, auch als solche allein verschiedene Psychosen
hervorzurufen vermögen.
Hat sich auch ein großer Teil der Forscher den Kraepelinschen
Prinzipien angeschlossen, so Anden wir doch in der Beurteilung einzelner
Fälle abweichende Auffassungen. So wollen manche jene Fälle aus dem
Rahmen der Paranoia ausschließen, in welchen die Wahnideen mit Hal¬
luzinationen einhergehen, wohingegen andere in der Anwesenheit solcher
keinen genügenden Grund zur Ausschließung erblicken. Es werden akut,
periodisch, mild, atypisch, abortiv verlaufende Fälle beschrieben. Kleist
spricht von einer besonderen Involutionsparanoia, unter welchem Namen
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Über paranoische Geistesstörungen.
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er jene Fälle zusammenfaßt, wo im Rückbildungsstadium des Gesamt¬
organismus keine Zerstörungen des Gehirns erfolgen, sondern wo auf
Grund einer sich bereits früher in Reizbarkeit, Empfindlichkeit, Stutzig-
keit, Hartnäckigkeit, Mißtrauen und Selbstbewußtsein zeigenden — und
von Kleist als hypoparanoisch bezeichneten — Disposition, Halluzinationen,
Illusionen, Erinnerungsverfälschungen, nicht systematisierte (namentlich
Beeinträchtigungs-) Wahnbildungen, Stimmungsveränderungen sich ent¬
wickeln. Birnbaum will die wahnähnlichen Phantasiegebilde, welche sich bei
Degenerierten, besonders während der Strafhaft, zeigen, von der Kraepelin-
schen Paranoia lostrennen, ganz besonders wegen ihres wechselnden, unbe¬
stimmten, beeinflußbaren Charakters, wegen ihres geringen reellen Wertes
und wegen ihrer Oberflächlichkeit.
In seiner Arbeit „Über paranoide Erkrankungen“ (Zeitschr. f. d.
ges. Neurol. u. Psych. 1912, Orig.-Bd. 11 H. 5) präzisiert Kraepelin seinen
neuesten Standpunkt und faßt die Grenzen der Paranoia noch enger zu¬
sammen. Als charakteristisch betont er, daß sich auf Grund der psycho¬
pathischen Belastung nicht so sehr bei pathologischen, vielmehr bei Per¬
sonen, welche sich unter dem Einflüsse der gewohnten Reizeinwirkungen
des normalen Lebens abnorm, psychisch falsch entwickelten, unter der
Einwirkung innerer Ursachen und im Verlaufe des Kampfes um das Leben
langsam, auf kombinativer Basis, ein unerschütterlicher Wahn entwickelt,
wobei die Harmonie der Gesamtpersönlichkeit vollkommen erhalten bleibt.
Man müsse annehmen, daß sich die Krankheit aus einer ganz eigenartigen
paranoiden Veranlagung entwickelt, welche übrigens auch in der maßlosen
Selbstüberschätzung und im Mißtrauen zum Ausdruck gelangt. Ein Zug
von Größenwahn dominiert über dem gesamten Bilde, welcher nach
inneren Kämpfen und Gestaltungen als geheimer Wunsch, Sehnsucht und
Traum auftritt. Die Kranken — so sagt Kraepelin — fühlen sich als
Weltbeglücker, Erfinder, Entdecker, Religionsstifter, Staatsmänner,
Thronforderer und erheischen diese ihre Ansprüche auf Grund ihrer Ver¬
dienste, ihrer göttlichen Mission oder geheim gehaltener Abstammung. Sie
verteidigen ihren Wahn mit motivierter und hartnäckiger Ausdauer, be¬
wahren aber dabei die Fähigkeit, die gesellschaftliche Ordnung und die
Schranken des Gesetzes anzuerkennen, trotzdem ihre Lebensweise als
absonderlich erscheint. Nur wenn sie vermeinen, auf unüberwindliche
Hindernisse zu stoßen, kommen sie ausnahmweise in Kollisionen. Ihre
vielfachen Enttäuschungen, die steten Reibungen mit der Umwelt führen
zur Ausbildung von Beeinträchtigungswahn, doch wird derselbe niemals
zu einem herrschenden Element im Krankheitrahmen. Der Grundzug
bleibt die vollkommene Überzeugung ihrer hervorragenden Persönlichkeit.
Als dem Krankheitbilde der Paranoia nahestehend bezeichnet
Kraepelin die quärulante Form. Auch hier ist der innere Zusammen¬
hang des geistigen Lebens unversehrt, Denken und Handeln sind — ab¬
gesehen vom Einflüsse des Wahnes — geordnet. Sinnestäuschungen fehlen
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Ernst Emil Moravcsik,
vollkommen, aber Erinnerungsfälschungen können Vorkommen, der Wahn
besteht Jahre hindurch systematisiert, aber die besondere Gestaltung der
Umstände vermag einen gewissen Verfolgungszug hineinzumengen. Bloß
nach jahrelangem Bestand entwickelt sich eine Einengung des Vorstel¬
lungskreises, eine Abstumpfung der gemütlichen Regsamkeit und eine
Erlahmung des Willens. Nach Kraepelin könnte man diese als jene Form
der Paranoia bezeichnen, welche sich nicht unter dem Einflüsse der Lebens¬
verhältnisse und Lebenskämpfe, sondern bloß einseitig unter dem Ein¬
flüsse eines Konfliktes mit der Rechtsordnung entwickelt.
Ebenso hat Kraepelin auch den Begriff der Dementia praecox paranoi¬
des enger umschrieben, welche sich bekanntlich aus teils der Paranoia,
teils andern paranoiden Krankheitformen entnommenen Symptomen -
komplexen zusammensetzt; ihr Charakteristikum ist eine besondere
Spaltung des inneren Zusammenhanges der geistigen Persönlichkeit und
eine ausgesprochene Schädigung des gemütlichen Lebens und des Wollens.
Die Ergebnisse einer jahrelangen Beo.bachtung berechtigen zu
der Auffassung, daß es ganz begründet ist, wenn man aus dem Rahmen
der Paranoia mit Rücksicht auf die Ätiologie, auf die Eigenart, Grup¬
pierung und Evolution der Symptome, dann mit Rücksicht auf den
Verlauf und Ausgang eine Zahl der Fälle ausscheidet, und daß ferner
die Einschmelzung derselben in die paranoide Form das klinische
Bedürfnis nicht befriedigen kann. Es erscheint also begründet, der
Paranoia ähnliche, mit derselben aber nicht gänzlich identische Psy¬
chosen mit der Bezeichnung paranoider Geisteskrankheiten in
eine besondere Gruppe einzureihen, wie dies Kraepelin bei der Auf¬
stellung des Paraphreniebegriffes getan. Da man aber das be¬
zeichnendste Symptom der Paranoia, die Wahnbildung, in verschiede¬
nen Psychosen vorfindet, während der anatomische Befund entweder
negativ ist oder doch nicht genügt, die klinische Differenzierung
gänzlich zu decken, und da die auf der Abderhaldemchen Theorie
basierte serologische Dialysierungs- und Polarisierungsmethode noch
keine allgemein anerkannten Resultate produziert, welche uns über
die Natur gewisser Krankheitformen einen sicheren Stützpunkt liefern:
so muß diese gesuchte Gruppierung derzeit ausschließlich auf der
klinischen Grundlage erfolgen. Dabei kann aber natürlich eine über¬
triebene Analyse der Symptomengruppen, die jedes Bedürfnis der
Differenzierung überschreitende Wertung irgendeines ähnlichen oder
fremdartig erscheinenden Zuges nicht zum Ziele führen. Wir sehen
nicht bloß bei den somatischen, sondern auch bei den psychischen
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Ober paranoische Geistesstörungen.
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Erkrankungen so manche gemeinsame Züge verschiedener Krank¬
heiten sowie auch so manches ungewohnte Symptom innerhalb eines
Krankheitbildes. Speziell bei den psychischen Erkrankungen kann
der individuelle Charakter, die spezifische Reaktionsfähigkeit des
Gehirns recht vielgestaltig zum Ausdruck kommen und zahlreiche
feinere Färbungen der Erscheinungen hervorrufen. Somit können und
müssen die allgemein charakteristischen Züge als richtunggebend be¬
trachtet werden.
Ich kann mich nicht dem Standpunkt anschließen, daß die
Paranoia, namentlich aber die als deren Typus zu betrachtende quä-
rulierende Form, in das Krankheitbild der Manie gehöre. Es kann
nicht bezweifelt werden, daß Specht mit Grund so manchen gemein¬
samen Zug hervorhebt, 60 namentlich die Hastigkeit der Sprache,
des Handelns und Schreibens, ebenso auch die Reizbarkeit und die
Ablenkbarkeit des Gedankenganges, dann die Ähnlichkeit des
namentlich bei der chronischen Manie oft hervortretenden Größen-
und sekundären Verfolgungswahnes, welche zu Reibungen mit der Um¬
welt führen können; jedoch — wie dies auch Kraepelin betont — fehlt
in der Paranoia die Unermüdbarkeit, Gereiztheit und impulsive Un¬
bedachtheit der Handlungen und entwickeln sich in der Manie die
Wahnideen nicht langsam und konsequent. Die Wahnbildungen sind
hier Folgeerscheinungen des gehobenen Selbstbewußtseins, der ge¬
hobenen Stimmung, sie stellen hier episodische Produkte einer aktu¬
ellen und intensiveren Färbung des Gefühlskomplexes dar, sind kaum
oder gar nicht fixiert und verflüchtigen sich so rasch, wie sie entstehen.
Oft bezeichnet dieselben der Kranke selbst als sinnlose, unwahre
Gedanken. Höchstens bei der chronischen Manie sind sie manchmal
anhaltend, entbehren aber auch hier des inneren Zusammenhanges
mit der Persönlichkeit. Wenn der Querulant in dem Bestreben, seine
vermeintliche Rechtschädigung zum Rechte zu führen, zeitweise eine
gewisse psychische und motorische Hastigkeit äußert, so ist dies noch
lange kein Beweis der manischen Verwandtschaft. Wir begegnen ja
derselben Erscheinung auch unter physiologischen Verhältnissen, wenn
im Rahmen heftiger Diskussionen die Verteidigung eines Stand¬
punktes überaus energisch erkämpft werden muß. Ebenso sehen wir
häufig, daß, wenn sich jemand in einen Gedankenkreis hineinlebt und
nach langem Grübeln und Nachdenken gewisse Fakta und Gesetz-
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Ernst Emil Moravcsik,
mäßigkeiten anzunehmen sich als berechtigt betrachtet, er bei Dar¬
legung seines Gedankenganges nicht bloß redselig und fieberhaft hastig
wird, sondern auch einerseits eine sich auf unwesentliche Umstände er¬
streckende Weitschweifigkeit zeigen kann, andrerseits auch in seinem
Vortrag, eben durch Überspringen der als allgemein be- und anerkannt
vermeinten Hauptzüge, oft lückenhaft und oberflächlich erscheint.
Wie häufig sehen wir auch, daß der mit hypochondrischen Gedanken
saturierte, schweigsame, lustlose Neurastheniker einen fast unbezähm¬
baren Redeschwall entwickelt, sobald er Gelegenheit findet, seine
Klagen und Empfindungen darzulegen.
Bekanntlich kommen paranoiaähnliche Erscheinungen bei mehre¬
ren Psychosen vor und können auch gewisse Erkrankungen, z. B.
Dementia paralytica, Dementia praecox, unter so charakteristischen
Eigentümlichkeiten einleiten, daß sie sogar die klinische Diagnose
ungewiß gestalten können, und nur der weitere Verlauf und die be¬
gleitenden Symptome geben uns die Grundlage zu einer richtigen
Beurteilung. Abgesehen davon, daß bei der progressiven Paralyse
der sinnlos hypochondrische, nihilistische oder Größenwahn ganz
systemlos ist und vom Kranken absolut nicht motiviert werden kann,
erfolgt das Auftreten und Verschwinden desselben ganz rapid, und
neben der fortschreitenden Demenz werden uns die Lähmungs- und
sonstigen somatischen Erscheinungen bald den richtigen Weg weisen.
Ebenso unterstützen uns die tabischen Erscheinungen, wenn es sich
' darum handelt, die aus den spezifischen Krankheiterscheinungen ent¬
springenden Beeinflussungs- und Verfolgungswahnbildungen (so klagte
z. B. einer meiner Kranken darüber, daß seine Feinde ihm den Sehnerv
verdorrten, seinen Körper mit glühendem Draht stächen, ihn beim
Gehen herumzögen) oder auch Äußerungen von Größenwahn infolge
Kortikalerkrankung richtig zu deuten. Die direkt luischen Hirn-
erkrankungen (Gummen, Endarteriitis syphilitica) können bekanntlich
mit solchen Symptomen einhergehen, daß sie an paralytische Demenz
erinnern. In zweifelhaften Fällen wird uns die sero- und cytologische
Untersuchung den richtigen Weg weisen. Bei solchen paranoiden
Erscheinungen, deren Ursache der Mißbrauch von Alkohol ist, werden
uns der anamnestische Nachweis eines übertriebenen Alkoholgenusses
und die den chronischen Alkoholismus bezeichnenden körperlichen
Erscheinungen wertvolle Fingerzeige geben.
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Ober paranoische Geistesstörungen.
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Bei manchen Krankheitformen jedoch sind die paranoiden Er¬
scheinungen nur begleitende, episodenhafte und nicht charakteristische
Symptome und beherrschen das Krankheitbild nicht in dem Maße,
wie bei den wirklichen paranoischen Erkrankungen.
Viele Psychiater erheben lebhaften Einspruch gegen den von
Kraepdin so eng umschriebenen Begriff der Paranoia. So betont
z. B. Hößlin, daß er 16 000 Krankengeschichten einer eingehenden
Nachprüfung unterzogen habe, unter welchen er beiläufig 1200 para¬
noide Formen fand, doch keine einzige, welche in den Kähmen der
von Kraepdin festgestellten Paranoia sich einfügen ließe. Eisalh
erwähnt, daß aus dem Krankenmaterial der tiroler Irrenanstalt zu
Hall unter den Krankengeschichten der Jahre 1903/1913 von 3500
Fällen 75 als Paranoia diagnostiziert wurden, doch nach genauer
Durchsicht fand sich bloß ein einziger, welcher als Paranoia im Sinn
Kraepelin s anzusprechen wäre, doch auch dieser einzige nicht mit
voller Bestimmtheit! Seiner Ansicht nach müßte der Begriff der
Paranoia erweitert werden und in denselben alle Fälle der Paraphrenia
systematica eingereiht werden, welche nicht zur Verblödung führen.
Wohl akzeptiert er die von Kraepelin festgestellten Kennzeichen der
Paranoia, hält es aber für nötig, hinzuzufügen, daß die Wahnideen
nicht bloß auf kombinatorischem Wege, sondern auch aus Halluzina¬
tionen entstehen können.
Neuerdings hat Birnbaum die Frage der Paranoia einer eingehen¬
den Analyse unterzogen und wünscht die Annahme einer neuen Grund¬
lage, derjenigen des eigenartigen paranoischen Wahntyps. Man müsse
von den bisher angenommenen Kennzeichen der Paranoia absehen, als
welche zu betrachten wären der besondere Verlauf, Ausgang, Aus¬
lösungsart, wie denn auch die somatischen Entzündungsprozesse
einzelner Organe verschiedenen Verlauf (akuten, subakuten, chroni¬
schen), Schwankungen, Ausgänge (volle Heilung, Defektheilung,
Dauerveränderungen) aufweisen können, ohne daß die Krankheit¬
form, ihre Einheit und Charakter bezweifelt werden dürften. Er hebt
ferner hervor, daß die Paranoia eigentlich nicht durch einen einheit¬
lichen Verlauf und Ausgang, sondern durch die Fähigkeit zu den ver¬
schiedensten Ablaufsformen gekennzeichnet wird. Nach seiner Ansicht
wären in die Paranoiagruppe alle jene Krankheitfälle einzubeziehen,
„bei denen es auf einem pathologisch vorbereiteten Boden von be-
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Ernst Emil Moravcsik,
stimmter psychologischer Eigenart (Verschiebung der seelischen Gleich¬
gewichtsverhältnisse) zu einseitig fixierter Gefühlsbetonung und damit
zu ständiger Heraushebung und inhaltlicher Verfälschung gewisser
Vorstellungskreise kommt, jede weitere logische und assoziative Ge¬
dankenarbeit nun im Sinne und zugunsten dieser einseitig heraus¬
gehobenen Fehlanschauungen erfolgt und so mit psychologischer Folge¬
richtigkeit sich immer weitergehende Urteilsfälschungen entwickeln,
ohne daß der Krankheitprozeß während seines ganzen Verlaufes durch
Elemente beeinträchtigt würde, die seiner eigenartigen Grundlage und
seinen Mechanismen wesensfremd sind. Ein bestimmter Verlauf und
Ausgang liegt nicht im Wesen dieser Krankheitform, ebensowenig
wie eine bestimmte degenerative Grundlage und das Bestehen oder
Fehlen eines auslösenden psychischen Faktors zu den unbedingten
Voraussetzungen der Erkrankung gehören“.
Nach meiner Ansicht, welche ich bereits an anderer Stelle dar¬
gelegt habe, ist es dem derzeitigen klinischen Bedürfnis vollkommen
entsprechend und motiviert, jene Krankheitfälle, in denen das vor¬
herrschende Symptom die Wahnbildungen sind, in drei Gruppen
einzuteilen, und zwar wären zu unterscheiden: die Paranoia, die
paranoide Geistesstörung oder die Paraphrenie, und schlie߬
lich die paranoide Form der Dementia praecox. Aber gegen¬
über der Auffassung Kraepelins muß der Begriff der ersteren erweitert,
derjenige der zweiten etwas eingeengt werden. In das Krankheitbild
der Paranoia gehören auch alle jene Fälle, welche mit Halluzinationen
einhergehen, ansonsten aber den Charakter derselben aufweisen, also
auch die Paraphrenia systematica Kraepelins. Auch bei dieser finden
wir die für die Paranoia so bezeichnenden, sich auf endogener Grund¬
lage langsam und ständig entwickelnden Wahnbildungen von wel¬
chen — nach Kraepelin — zuerst der Verfolgungswahn auf tritt, dem
sich erst später der Größenwahn, ohne Auflösung der psychischen
Persönlichkeit, zugesellt. Die primäre Entwicklung des Verfolgungs¬
wahns kann aber um so weniger ein differentielles Zeichen sein, weil
derselbe bekanntlich mit dem Größenwahn gleichzeitig und koordi¬
niert, einer vom andren unabhängig, in wechselnder Reihenfolge und
zumeist ohne Erklärungsversuche, ohne Forschen nach einem ursäch¬
lichen Zusammenhang auftreten kann. Auch diese Form kann, wie
Kraepelin in der 8. Ausgabe seines Lehrbuches angibt, längere Zeit,
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über paranoische Geistesstörungen.
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Jahrzehnte hindurch unverändert bestehen und erst um vieles später
ohne anscheinende Störung des Willens und ohne gemütliche Ver-
stumpfung in ein psychisches Siechtum übergehen. Aber genau dieselbe
Einschrumpfung der psychischen Sphäre gibt er auch zu bei der die
Paranoiasymptome am reinsten und charakteristischsten darstellenden
quärulierenden Form, indem er in seiner obenerwähnten Arbeit „Über
paranoide Erkrankungen“ wörtlich sagt: „Erst nach langjähriger Dauer
findet eine Einengung der Vorstellungskreise, eine gewisse Abstumpfung
der gemütlichen Regsamkeit und ein Erlahmen des Willens statt.“ Im
Wesen ist aber all dies nichts anderes als ein verschönerndes Synonym
eines Erschlaffens der geistigen Kraft, einer Dekadenz, einer weit¬
umgrenzten, vielfältige Färbungen aufweisenden psychischen Ab¬
schwächung. Jene gemütlichen Schwankungen, wechselnden Hand¬
lungsreaktionen, welche Kraepelin im Verlauf der Paraphrenia syste-
matica beschreibt, können sich zeitweise unter dem Einfluß einer jeden
paranoischen Wahnbildung einstellen. Ich teile gänzlich die Er¬
fahrung Hößlms, wonach wir kaum einen reinen Paranoiafall finden
können, in welchem Halluzinationen oder Illusionen nicht in geringe¬
rem oder höherem Grade nachweisbar wären. Ja, ich vermochte die¬
selben während meiner langjährigen forensischen Tätigkeit auch bei
einem Teile der quärulierenden Formen wenigstens spuren weise auf zu-
finden.
Die Paranoia ist trotz ihres mangelnden anatomischen Sub¬
strates eine wohlumschriebene Krankheitform von endogener Natur.
Ihre Grundlage ist — was ich auf Grund vieljähriger Erfahrung auch
meinerseits bestätigen kann — die psychopathische Konstitution,
deren vom normalen psychischen Durchschnitt abweichende Be¬
sonderheit sich bereits in frühen Jahren zeigen kann, aber erst in einem
gewissen psychischen Entwicklungstadium, wenn neben den erworbe¬
nen Kenntnissen die kombinative Tätigkeit schärfer wird, einen sich
in charakteristischen Erscheinungen äußernden pathologischen Grad
erreicht. Der Kranke verliert nicht die Lebhaftigkeit der Auffassung
und Perzeption, doch leidet seine Fähigkeit, die erworbenen Ein¬
drücke richtig zu werten, aber auch dies nicht vollständig und nach
jeder Richtung, sondern bloß in den seine Persönlichkeit in positivem
oder negativem Sinne betreffenden Beziehungen. Immerfort schreibt
er den Reizen einen zu großen oder zu geringen Inhalt zu. Die irreale
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Ernst Emil Moravcsik,
Wertung derselben bringt nun einen durch Umstände und Verhältnisse
nicht bedingten Zug der Selbstüberschätzung hervor, und er sieht die
Fäden dieser hypertrophierten Subjektivität weit über die erlaubten
Grenzen der Norm verbreitet. Oft projiziert er die Empfindungen und
Gedanken seiner veränderten Individualität in die Außenwelt und
supponiert dort die fördernden und hemmenden Faktoren derselben.
Das Wesen der Paranoia ist in einer primären Veränderung des intel¬
lektuellen Kreises zu suchen, welche nicht als eine, im alltäglichen
Sinne genommen, geistige Schwäche anzusprechen ist, weil ja der
Kranke zu einer Entwicklung seines geistigen Lebens, zur Erwerbung
und Bewahrung der seiner Bildung und Erziehung entsprechenden
Kenntnisse, zur Aneignung von neueren, zu präzisen Assoziations-
schlüssen, zu geordneten Reaktionen des Willens und Handelns be¬
fähigt ist. Infolgedessen eignet sich der Kranke längere Zeit zur Er¬
füllung eines gewissen Arbeitskreises und zur Einfügung in eine soziale
Ordnung. Der affektive und Gefühlsfaktor ist bloß sekundär, haftet
jedoch innig an der geformten Vorstellung. Die Grundbedingungen
der physiologischen und pathologischen Irrungen sind wohl verschie¬
den, aber ihr Mechanismus bleibt der gleiche. Erstere werden durch
eine sich in physiologischen Grenzen haltende Disposition (Empfind¬
lichkeit des Charakters, Voreingenommenheit, Vorurteil usw.), letztere
durch eine speziell vorbereitete pathologische Basis gefördert. Bei
der physiologischen Irrung schließt sich der an die assoziative Kette
herantretende Reiz an irgendeine Vorstellung, welche eine innere oder
äußere Verwandtschaft oder Ähnlichkeit besitzt, aber das verfälschte
Urteilsprodukt wird unter dem Einfluß später auftretender Motive
korrigiert; bei der pathologischen Irrung aber ist die Grundlage ent¬
weder irreell oder sehr trüb, und gewinnt die gemachte Schlußfolge¬
rung einen unabänderlichen, endgültigen Wert. Eine in größerer Ge¬
sellschaft gemachte unschuldige und humoristische, keineswegs auf
Anwesende gemünzte Bemerkung über einen körperlichen oder sonsti¬
gen Fehler betrachtet der zufällig ähnlich Behaftete als Anspielung
und Verhöhnung. An diese primäre intellektuelle Aktion schließt sich
unmittelbar sekundär die negative Empfindung an, welche je nach dem
individuellen Temperament zu verschiedenen Affektfärbungen ansteigen
kann, insbesondere dann, wenn auf Grund der Irrung der Ursprung
der gehörten Bemerkung, ihr Verhältnis zur eignen Person, Absicht
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Über paranoische Geistesstörungen.
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und kausaler Nexus zum Gegenstand eingehender Erwägung gemacht
werden. Sobald aber die Irrung durch entsprechende Motive ihre Grund¬
lage einbüßt, verschwindet die korrigierte Vorstellungserie aus dem Be¬
wußtsein. Die abnorm konstruierte und reagierende Psyche des
Paranoikers aber folgert aus den für ihn eigentlich ganz indifferenten
Beizen, Erscheinungen und Geschehnissen, welche mit seiner Person
in keinerlei Zusammenhang stehen, ihn speziell betreffende Beziehun¬
gen und ist nicht imstande, seinen Irrtum zu korrigieren. Der Para¬
noiker reagiert auf die durch aktuelle Perzeption gegebenen, aber
fälschlich beurteilten Eindrücke in ebensolcher Weise, wie dies im
normalen physiologischen Zustande geschieht, doch bloß in inten¬
siverer Weise, wodurch die Eindrücke in seiner Erinnerung stärker
haften und sich mit größerer Energie an die Bewußtseinsschwelle
drängen. Es ist ja eine Erfahrungstatsache, daß die Reize um so
stärkere Eindrücke im Gehirn hervorrufen, je lebhaftere Affel^e sie
begleiten. Beim Paranoiker ist aber die Gefühlsbetonung um
vieles stärker als beim normalen Individuum, und damit ist auch
die Reaktion der Stimmung eine lebhaftere. Und auf diese Weise
geschieht es, daß die Fähigkeit zur realen Wertung der Reizeindrücke
beim Paranoiker bedeutend geringer ist.
Auf die Entwicklungsrichtung der Krankheit im Sinne des Inhalts
der Wahnbildungen sind in erster Reihe die individuellen Besonder¬
heiten von Einfluß. Ist der paranoische Habitus durch rechthaberische,
unfriedfertige, rabulistische, haarspalterische, sich Motiven nie er¬
gebende, präpotente Charakterzüge vorbereitet, dann pflegt sich die
quärulierende Form zu entwickeln, wozu noch die verschiedenen
Phasen des Prozessierens die günstigste Gelegenheit bieten. Wie
Hitzig richtig bemerkt, ist der Grund der Krankheitentwicklung nicht
in den Reibungen, welche sich während der Rechtspflege ergeben,
noch in den sich der persönlichen Geltendmachung entgegenstellen¬
den Hindernissen gelegen, sondern in der endogenen Disposition, auf
Grund welcher das Gehirn bereits in dem Sinne pathologisch vor¬
bereitet ist, daß eine Gelegenheitsursache den Wahn der Rechtschädi¬
gung zur Auslösung bringt und mit ganz eigenartiger Färbung und
Inhalt versieht. In einer von früher Kindheit an mißtrauischen, arg¬
wöhnischen, verschlossenen Person kommt später der Verfolgungs¬
wahn, bei sich in phantastischen Träumereien ergehenden, mit den
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£rnst Emil Moravcsik,
bestehenden gesellschaftlichen, moralischen und religiösen Welt¬
anschauungen unzufriedenen und dies in weitschweifigen Denkschriften
zum Ausdruck bringenden Personen kommt der Größenwahn zum
Ausdruck, wie dies ja in vielen Fällen das eingehende Studium der
Vorgeschichte beweist. Mitunter aber kommen beide Färbungen zum
Vorschein, entweder koordiniert oder aber im Wege einer logischen
Verbindung und Erklärung (z. B. die Suche nach der Ursache der
Verfolgungen). Bei der abnorm konstruierten paranoischen Psyche
werden phantastische Wünsche, Sehnsüchten, Bestrebungen in der
sich sukzessive umgestaltenden Seelenwelt langsam als realisierte
Vorstellungen fixiert, und diese verfälschen das Bewußtsein. In
diesem Sinne werten sie nun die Geschehnisse der Außenwelt und be¬
ziehen dieselben auf sich entweder als günstiger oder ungünstig nach
Form und Inhalt. Die Lockerung der realen Urteilsfolgerung wird
dann^noch durch Traumbilder verstärkt, welche sich zu besonderem
Wert erheben und in die tatsächlichen Ereignisse verwoben werden.
Die paranoischen Wahnbildungen entwickeln sich langsam auf kom¬
binativem Wege, formieren sich dann, in jedem Detail ausgearbeitet,
zu einem System, und der Kranke ist bestrebt, dieselben mit seinem
Vorleben, Verhältnissen und Zukunftsträumen in Zusammenhang zu
bringen. Sie werden mit seiner Persönlichkeit innig verschmolzen;
Verwirklichungsbedingungen und Hindernisse seiner seelischen
Kämpfe, Träume, Bestrebungen gelangen in ihnen zum Ausdruck und
so. lenken sie immer mehr sein Denken, Wollen und Handeln. Aber
trotz veränderter Weltanschauung findet kein Zerfall der psychischen
Einheit statt, normale und pathologische Eigentümlichkeiten halten,
innig miteinander verschmolzen, dieselbe zusammen, und der Kranke
ist zu geordneter, zielbewußter, psychischer und motorischer Funktion
befähigt. Die Wahnideen bestehen gewöhnlich während des ganzen
Lebens mit einer unerschütterlichen Hartnäckigkeit, bloß im Verlauf
der Jahre kann es zu einer geringen Abblassung kommen, wobei der
Gedankenkreis der Kranken eingeengt und ihre psychische Fruchtbar¬
keit vermindert erscheinen kann. Der Verlauf der Paranoia ist chro¬
nisch. Die Wahnideen bilden sich primär aus und werden höchstens
von Halluzinationen und Illusionen unterstützt. In manchen Fällen
treten die Halluzinationen überhaupt nicht oder bloß verblaßt und
seltener auf, während dieselben sich in andern Fällen stärker zeigen
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Ober paranoische Geistesstörungen.
295
und die Wahnideen lebhaft färben und inhaltreicher gestalten. Außer
den körperlichen Anzeichen der Degeneration pflegen bei der Paranoia
motorische und sensible Ausfallerscheinungen, wie Störungen der
Motilität, der Sensibilität und der reflektorischen Erregbarkeit nicht
vorzukommen, oder solche tauchen bloß als akzidentelle Erschei¬
nungen auf.
Die paranoide Geistesstörung oder Paraphrenie ist wohl
ähnlich der Paranoia, unterscheidet sich aber von derselben sowohl
in der Ätiologie als auch durch die eigenartige Entwicklung der Krank¬
heiterscheinungen, durch ihre Natur und Ausgang. Dieses Leiden ent¬
wickelt sich zumeist bei einem prädisponierten, vulnerableren Gehirn,
manchmal auf Grund eines psychischen Defektes, andermal auf der
Grundlage der senilen Rückbildung, klimakteriellen Involution oder
aber arteriosklerotischer, syphilitischer, toxischer (zumeist Alkohol,
Morphin, Kokain) Veränderungen oder psychischer Einwirkungen.
Die das Krankheitbild charakterisierenden Wahnideen entwickeln sich
nicht mit jener ausgemessenen Konsequenz und Sicherheit wie bei
der Paranoia, sondern entstehen und verschwinden oft plötzlich ohne
jedes vorbereitende Stadium, und wenn sie sich auch fixieren, sind sie
kaum oder überhaupt nicht so systematisiert, wie bei der Paranoia, in
keinem harmonischen Zusammenhang mit der Persönlichkeit, an
welche sie bloß durch lose Fäden geknüpft erscheinen. Meist sind sie
in Zusammenhang mit Erinnerungsfälschungen, Halluzinationen und
Illusionen, werden durch Halluzinationen und aktuelle Wahrnehmun¬
gen erweckt und geleitet (so z. B. bemerkte einer meiner Kranken, als
er die stark vorgewölbte Spitze an den Schuhen des Arztes erblickte,
daß dieser die geraubten Goldstücke dort berge; ein anderer hörte
in der Klinik die Stimme und das Schluchzen seiner Tochter, was
momentan jenen Wahn hervorrief, daß man seine Tochter dort ein¬
gekerkert, geschlagen und gequält habe); auch sind die Wahnideen
meist vielgestaltig, sinnlos, abenteuerlich, mystisch, verbleiben aber
auch in einzelnen Fällen in isolierter Form und mit ebensolchem
Inhalt während des ganzen Krankheitverlaufes. Dabei können die
Kranken, abgesehen von der Wahnbildung, ziemlich lange eine an¬
scheinend normale Ungestörtheit des Denkens und Ordnung im
Handeln bewahren, auch leiden weder Auffassung noch Erinnerungs¬
fähigkeit in auffallender Weise. Während der Paranoiker seine durch
ZmUohrift fttr PtyohUtri«. LXXII. 4 22
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Ernst Emil Moravcsik,
die Wahnideen bedingten Ansichten und Handlungen in einer seinem
Standpunkt entsprechenden Art zu motivieren weiß, geschieht dies
bei der Paraphrenie unvollkommen, oft unlogisch, unsinnig, unan¬
nehmbar, mitunter auch überhaupt nicht. Der Paranoiker bewahrt
lange die Fähigkeit zur Selbstdisziplin, beschränkt sich lange auf das
bloße Beobachten der seine Person und die Außenwelt betreffenden
vermeintlichen Veränderungen, reagiert höchstens mit Mißtrauen und
Verschlossenheit, und erst in späteren Stadien der Krankheit zeigen
sich lebhaftere Affekte, Ausbrüche von aggressiven oder verteidigenden
Handlungen. Bei dem Paraphreniker aber lösen die auftauchenden
Halluzinationen und Wahngebilde sofort lebhafte motorische und
Stimmungsreaktionen aus, und es zeigen sich unter ihrem Einfluß Auf¬
regungen, Depressionen, gehobene Stimmung; die Kranken lamentieren,
fordern, verlangen Genugtuung. Sie verheimlichen nicht ihre Ge¬
danken, Empfindungen und Pläne und sind bestrebt, dieselben auch
in gewalttätiger Weise zu verwirklichendes mangelt ihnen die alle
Verhältnisse und Umstände erwägende paranoische Bedachtheit und
mißtrauische Zurückhaltung. Erst in späteren Stadien der Krankheit
verfallen sie in einen Zustand der Passivität und erklären ganz in¬
different, daß sie auf die unangenehmen Bemerkungen bereits keinerlei
Gewicht legen. Dabei aber kann man, insbesondere zur Zeit der
Demenzentwicklung, bemerken, daß die Stimmung nicht mit dem
Inhalt der Halluzinationen und Wahnbildung harmoniert, indem die
Kranken ihre unangenehmen Sinnestäuschungen und die verschieden¬
sten Verfolgungen mit heiterer Miene und lächelnd erzählen. Dem
gegenüber jedoch ist die expressive Reaktion des Paranoikers stets
adäquat dem aktuellen psychischen Inhalt. Die Paraphrenie kann
auch akut verlaufen und in Heilung übergehen, ist aber zumeist
chronisch, zeigt häufige Schwankungen, Abblassungen oder subakute
Nachschübe und endet stets mit einer mehr minder ausgesprochenen
Demenz.
Die paranoide Form der Dementia praecox ähnelt in
der Art der Entwicklung, der phantastischen und wechselnden Form
der Wahnbildungen und schließlich bezüglich des dementen End¬
stadiums in vielem der Paraphrenie, jedoch tritt hier der geistige Ver¬
fall, die eigenartige, eben für die Dementia praecox bezeichnende
Form der Demenz viel rascher ein, welche sich in einer Abstumpfung
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Ober paranoische Geistesstörungen.
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der Empfindungen und des gemütlichen Lebens, in einer Trübung des
Mitgefühls, des sozialen Anstands- und Schicklichkeitsgefühls, des
Pflichtgefühls, der ziel- und zweckbewußten Handlungen und der
Empfänglichkeit für harmonisches Handeln und Streben, schließlich
in unzweckmäßigen, unzeitgemäßen, unmotivierten, unerwartet auf¬
brausenden Denkungs- und Handlungsbezeigungen und Ausbrüchen
äußert. Der Kranke vermag aber eine größere Menge der erworbenen
Kenntnisse zu bewahren, dieselben auch durch neue zu vermehren,
Merkfähigkeit und Erinnerung können ziemlich gut bleiben, wobei er
mit sinngemäßen Handlungen und Äußerungen die unsinnigsten ver¬
mengen kann. Nur im Endstadium des recht langwierigen Krankheit-
Verlaufes wird der geistige Verfall ein allgemeiner und intensiver. Die
Dementia praecox entwickelt sich meist in jüngerem Alter, vor dem
25. Lebensjahr, während die Paraphrenie meist in vorgeschrittenem
Alter zum Ausbruch gelangt; auch wird die erstere oft von stürmischen,
an andere psychische Erkrankungen (z. B. an manisch-depressives
Irresein) gemahnende Erscheinungen eingeleitet. Die Grundlage der
Entwicklung liegt meist in der angeborenen hereditären Belastung,
in Hirndefekten mit geistiger Schwäche, ferner in verschiedenen
äußeren Ursachen (Schädelverletzung, Lues, Infektionen usw.). Die
Wahnideen sind meist vielgestaltig, vielfach gefärbt, rhapsodisch
wechselnd, phantastisch, unsinnig, bizarr, haben einen hypochondri¬
schen, Verfolgungs-, Größen-, erotischen und hauptsächlich sexuellen
Inhalt, und losen Zusammenhalt. Ganz besonders eigenartig fällt in
die Augen der häufige sexuelle Zug, welcher sich zwar auch in anderen,
so auch in den vorerwähnten Geistesstörungen zeigen kann, nie aber
mit einer so bizarren, abstoßend zynischen Widerwärtigkeit wie bei
der Dementia praecox. Einer meiner männlichen Kranken onanierte
z. B. vor seinen Mitkranken, was er ohne jedes Schamgefühl und Be¬
troffenheit lächelnd damit motivierte, daß er seiner Umgebung eine
Unterhaltung bereiten wolle. Eine andere, weibliche Patientin strickte
vor den Augen der andern Patientinnen männliche Geschlechtsorgane.
Von der ihr oft recht ähnlichen Paraphrenie unterscheidet sich
diese Psychose einerseits durch die eben erwähnten Besonderheiten,
namentlich aber durch die sich in den verschiedenen Krankheit¬
stadien oft in grober Weise zeigenden schizophrenen Symptome (Ab¬
stumpfung des emotiven, sozialen, Scham- und Ekelgefühls, Manieriert -
22 *
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heit, Bizarrheit, Zerfahrenheit des Gedankenganges, rhapsodisches
Handeln, Willenstörungen, zeitweise auftauchende Stereotypien,
Negativismus, katatone Erscheinungen usw.) Fauser, Kaffka u. a.
halten in zweifelhaften Fällen eine mit der Abderhaldenschen Methode
nachweisbare Stoöwechselstörung für diagnostisch wertvoll, deren
Grundlage in einer bei der Dementia praecox supponierten Dysfunk¬
tion der inneren Geschlechtsdrüsen (Ovarien, Hoden) und der Schild¬
drüse zu suchen wäre.
Wesentliche Unterschiede ergeben bei der Paranoia und den
beiden andern psychischen Erkrankungen die Assoziationsprüfungen.
Dieselben erinnern bei der Paranoia in vielen Beziehungen an die
Resultate bei normalen Personen. Im allgemeinen charakterisiert
den normalen Menschen die Reaktion mit kurzen Worten und bewegt
sich der Durchschnitt derselben zwischen 0,5 und 1,5 Sekunden.
Der Paraphreniker, in dem von mir oben beschriebenen und
umgrenzten Sinne, webt in die zumeist umfangreichen Reaktions¬
antworten seine Halluzinationen und Wahnideen hinein, wobei die
Aufmerksamkeit unter dem Einfluß derselben leicht abgelenkt werden
kann. Dieser letztere Umstand, ebenso auch die zeitweise schärfere
und affektive Stimmungsreaktion bewirken oft eine merkbare Ver¬
längerung der Reaktionszeiten. Im späteren Stadium oder bei vor¬
geschrittenem geistigen Verfall zeigt sich die Einschränkung des Vor¬
stellungskreises und die rasche Ermüdbarkeit in einer echoartigen
(Wiederholung des gehörten Wortes), perseverierenden, verneinenden
oder bejahenden, eventuell leeren (antwortlosen) Reaktion. Bei den
schizophrenen Zuständen, also auch bei der paranoiden De¬
mentia praecox, Anden wir häufig eine Vermengung sinngemäßer Worte
mit sinnlosen, grammatikalische oder syntaktische Variationen,
bizarre Redewendungen, Wortspiele, Wortergänzungen, Gekünstelt¬
heit, einen humoristischen und schamlosen Zug, oft anderssprachige
Antworten, manchmal auch Beziehungen auf zeitweise auftauchende
Halluzinationen und Wahnideen. Bei stärker ausgesprochenen Ver¬
blödungszuständen finden wir häufiger leere, bejahende oder ver¬
neinende Reaktionen.
Zum Vergleich reproduziere ich nachstehende Daten aus meinen
eigenen Untersuchungen. Bei diesen benutzte ich die akustische
(Wort-) Methode, und die Kranken mußten auf das ausgesprochene
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Über paranoische Geistesstörungen.
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Reizwort sofort das antworten, was ihnen eben einfiel. Die Reaktions¬
zeit, welche zwischen Aussprache des Reizwortes und der erfolgten
Antwort verstrich, haben meine Assistenten mit der Fünftelsekunden¬
uhr festgestellt. Speziell will ich noch betonen, daß — wie dies immer
der Fall ist—ich besonders darauf bedacht war, jeden störenden Faktor,
jede suggestive Beeinflussung auszuschließen und möglichst voll¬
kommene Ruhe und den geeignetsten Zustand der Kranken zu wählen.
Der Negativismus der Dementia praecox, ebenso auch ein Aufregungs-
zustand bei der Paraphrenie, können jedes orientierende Ergebnis aus-
schließen. *
I. Paranoia (gewerbetreibender Mann).
Reaktionszeit
Reizwort in Sek. Antwort
Traurigkeit. 1,6_ Lustigkeit.
Schmerz. 1,4 .... Kummer.
Leiden. 1,2_ Sorge.
Unglück. 1,0 _ Freude.
Elend. 2,0_Glückseligkeit.
Bettelstab. 2,0_ Herrscherstab.
Beerdigung. 1,4 _ Geburt.
Grab . 1,8 _ heult.
Tod. 2,4_ Heirat.
Sünde. 1,6_Tugend.
Strafe . 1,4_ Öelobung.
Verachtung. 1,8 .... Lob.
Gute Laune. 1,6 _ Traurigkeit.
Freude.1,0_ Kummer.
Gelächter . 1,2 _Weinen.
Glück. 2,2_ Unglück.
Reichtum.1,6 .... Armut.
Vermögen. 2,0_ Vermögenslosigkeit.
Unterhaltung. 2,0 .... Traurigkeit.
Hochzeit. 1,6_ Begräbnis.
Tanz . 2,2_ Sitzung.
Langes Leben. 1,2 .... kurzes Leben.
Belohnung. 1,2 _ Strafe.
Auszeichnung . 1,8 _ Zurechtweisung.
Stube . 1,2 .... Fenster.
Tisch. 1,0_ Tür.
Stuhl. 1,0 .... Hof.
Bett. 2,6 _Mensch.
Fenster. 1,2_ Speichel.
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Ernst Emil Moravcsik,
Reaktionszeit
Reizwort in Sek. Antwort
Spiegel . 1,0_ Ecke.
Kiesel . 1,8_ Tisch.
Kot. 1,4. Fluß.
Schnee.1,2_ Regen.
II. Paranoide Geistesstörung. Paraphrenie (Handwerkersfrau).
Reaktionszeit
Reizwort in Sek. Antwort
Traurigkeit. 2,4 _ich verstehe djps alles.
Schmerz. 2,4 .... keinerlei Schmerz, bloß das, was Sie mir
hier in das Gesicht machten.
Leiden. 2,2_sehr viel.
Unglück. 2,4 _warum?
Elend . 5,2_ davon habe ich wahrlich genug.
Bettelstab . 3,6_jawohl, Bettlerin.
Beerdigung. 2,2 _weil ich zur Beerdigung meiner Mutter
' 20 Gulden gegeben habe.
Grab . 5,2_ja, das Grab machen Sie nur recht tief.
Tod.4.8 _ den habe ich nicht, im Krankenhaus.
Sünde. 1,2 . auch das, wenn sich der Mensch von Gott
entfernt.
Strafe. 1,1 .... wenn es Gott beliebt, sie aufzuerlegen.
Verachtung. 1,8_wem? dem Gott?
Gute Laune. 1,2_ich will dem Herrn dienen.
Freude. 1,8_ Freude und nicht Lustbarkeit.
Gelächter. 2,2_ Lachen.
Glück. 1,8_ das Glück ist mitunter kokett.
Reichtum. 1,8 .... Reichtum.
Vermögen. 3,2_habe ich sehr viel.
Unterhaltung .2,8_ nach dem heiligen Willen des Herrn.
Hochzeit. 0,3_genau vor 29 Jahren.
Tanz. 1,0_unterbrochen.
Langes Leben. 1,0_wenn es dem Herrn beliebt.
Belohnung. 0,5 .... Geschenk.
Auszeichnung. 1,5 _ bitte anzusehen, wie meine Schürze zer¬
fetzt ist.
Haus. 1,0_ Stube.
Stube. 4,0_ (wendet eine Zeit ihren Kopf beiseite,
lächelt, halluziniert) — Stube.
Garten. 1,5 _ die Hälfte gehört mir.
Hof. 1,0_geht mich nichts an.
Spiegel. 1,5_ Spiegel.
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Ober paranoische Geistesstörungen.
301
Reaktionszeit
Reizwort in Sek. Antwort
Spaten. 1,0_„motika“ (slawisch), gehört zum Graben.
Schuh. 1,2_ Stockträger.
Tischdecke. 2,0_dort sind deren neun.
Kiesel. 1,0 .... Kiesel bleibt Kiesel.
Kot. 1,5_jetzt gibt es keinen.
Bach. 1,5_kleiner Bach, großer Bach.
Schnee. 1,0_gut, mag es schneien.
III. Dementia praecox paranoides (Universitätshörer).
Reaktionszeit
Reizwort in Sek. Antwort
Traurigkeit. 1,5_Fliegenpilz.
Schmerz. 2,3 .... dolor.
Leiden. 2,5 .... Sie sind ein ritterlicher Mann ?
Unglück. 2,0_Unglück? Gestern gab es einen herr¬
lichen Regenbogen.
Elend. 2,5_ Nachtasyl.
Bettelstab. 2,1 .... bin ich selbst.
Beerdigung. 2,4 .... Beethovens Trauermarsch.
Grab (ung. „slr“) ... 1,3_sir? Sir, mein Herr, ja. (Spricht das
Wort mit englischer Aussprache aus.)
Tod. 4,0_Heine oder ein syphilitischer Fisch.
Sünde. 3,0_ Schade (ung. „kär“), Descartes, Pekär
(Name eines ungarischen Schriftstellers).
Strafe. 2,5_ die ägyptische Strafe, sind Sie der Sohn
Pharaos ?
Verachtung. 2,5 .... bumm.
Gute Laune. 2,2_ Lilienthal.
Freude (ung. „öröm“) 2,5_gut, gut Nagel (ung. „köröm)“.
Gelächter. 4,0 .... Nervenanfall, periodische Herzkrämpfe.
Glück. 3,0_Apoplexie.
Reichtum. 2,4 .... t izö, t toj (sinnlos) oder wie?
Vermögen. 2,6_ also beginnen wir vorne. Macchiavelli.
Unterhaltung. 1,4 _ man muß alles mit Wollust tun.
Hochzeit .5,0_ Mädchenmarkt (auch Titel einer ungari¬
schen Operette), sieht meiner Braut
ähnlich.
Tanz. 3,0 .... davon war bereits die Rede, rhythmische
Bewegung.
Langes Leben. 2,0_ nur einpacken.
Belohnung. 2,1 .... alle drei wurden gehängt.
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302
Ernst Emil Moravcsik,
Reaktionszeit
Reizwort in Sek. Antwort
Auszeichnung.2,5_ tausend Goldstücke hat Doktor Samson
erhalten, das war ich.
Haus. 1,2 .... war ein Jahr hindurch in Kufstein ein¬
gekerkert.
Stube. 2,0_ R&köczi-Marsch.
Garten. 2,5 _ hier unten ist auch einer.
Hof. 2,2 _ Fliegender Holländer.
Spiegel. 3,0_ Augenspiegel, Helmholtz.
Spaten. 2,5 _ Alpha ist gleich mit Omega.
Schuhe. 5,0 .... jetzt langweilt mich schon die Geschichte.
Krokodile kommen mir in den Sinn.
Tischdecke. 2,1 .... tosz (Reim auf „abrosz“).
Kiesel. 2,5 .... drinnen, Saphir ist in. Smaragd uni-
gesetzt.
Kot.2,5 .Odontin.
Bach. 3,0 .... Möwen, Schlangen, Walküre.
Schnee. 2,5_ Schnee, Edelweiß.
Im Paranoiafalle ist die Reaktionszeit ziemlich normal und bewegt
sich im Rahmen des Durchschnittes, wohingegen sie in beiden andern
Fällen stark schwankt, weil sowohl Halluzinationen als auch einzelne
stärker gefühlsbetonte Vorstellungen die Aufmerksamkeit ablenken.
Es fällt ferner namentlich bei der Paraphrenie die stark zerfließende
Reaktionsantwort auf. Letztere verrät auch an mehreren Stellen den
im Krankheitbilde ausgesprochenen religiösen und Verfolgungswahn
wie auch die Halluzinationen. Die Kranke behauptet nämlich, daß
man ihr Gesicht nachts mit ätzendem Fett, mit Benzin beschmiere,
weshalb sie sich abends vor das Gesicht eine Papiermaske bindet,
dann, daß man in ihre Speisen Urin, Salmiak und Speichel hinein¬
gibt, daß man sie verfolgt, beschimpft, verhöhnt, daß sie auch die
Stimme Gottes hört, dessen Auserwählte sie ist. Der an Dementia
praecox leidende Kranke, welcher verschiedene lose zusammenhängende
erotische, hypochondrische, Verfolgungs- und Größenwahnideen hat
und halluziniert, läßt namentlich die verschiedenen schizophrenen
Züge in bezeichnender Weise zum Ausdruck kommen. Die Antworten
würden einigermaßen an einen manischen Zustand gemahnen, doch
wird die Manie durch eine nie ermüdende, meist heitere Erregung und
eine unhemmbare Neigung zur Assoziation, zur Gedankenflucht und
Verflachung derselben charakterisiert. Aus diesen Gründen ist dort die
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Ober paranoische Geistesstörungen.
303
Assoziationsreaktion außerordentlich weitschweifig. Die den geschilder¬
ten ähnlichen Daten geben die an Dementia praecox leidenden Kranken
ohne jede Emotion, meist mit wichtigtuerischer Miene.
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Unfall und Paranoia.
Von
Dr. med. W. Tintemann,
Oberarzt der Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt zu Osnabrück.
Mendel 1 ) hat 1909 versucht, den Querulantenwahnsinn und die
„Neurasthenia querulatoria“ bei Unfallverletzten nicht dem Unfall
als solchem, sondern dem Unfallversicherungsgesetz zur Last zu legen.
Er führte aus, daß ein Unfall bei einem bis dahin gesunden und spe¬
ziell psychisch intakten Individuum eine Paranoia querulatoria nicht ver¬
ursachen, daß dagegen wohl ein Trauma eine bestehende, doch vielleicht
noch schlummernde Paranoia verschlimmern könne, und empfahl in allen
Fällen, in denen eine „traumatische Neurose“ mit einiger Sicherheit Unfall¬
gesetzfolge und nicht Unfallfolge ist, Ablehnung der Rentenansprüche.
Die Frage der „latenten Geistesstörung“ und ihrer Beziehungen zum Unfall
ist schon vorher in einem Referat über die akute Verschlimmerung von
Geistesstörungen durch Unfälle von Weber *) ausführlich behandelt worden.
Der Autor kommt zu dem Schluß, daß objektive Beweise dafür, daß eine
funktionelle Psychose schon vor dem Unfall vorhanden war, in den meisten
Fällen nicht zur Verfügung stehen und deshalb auch der Begriff der Ver¬
schlimmerung hier nicht angewendet werden kann, daß vielmehr, wenn
überhaupt ein Zusammenhang zwischen Unfall und Psychose zu erweisen
ist, dem Unfall die ganze Schuld an der Erkrankung beizumessen ist. „Nur
bei einer Psychose von querulatorischem Charakter, die auf dem Boden
der Degeneration und leichter geistiger Schwäche nach Unfällen gelegent¬
lich entsteht, kann man den tatsächlichen Verhältnissen manchmal dadurch
Rechnung tragen, daß man eine Verschlimmerung annimmt.“
Im allgemeinen aber will Weber die Degeneration oder degenerative
Anlage nicht an sich als psychischen Krankheitszustand betrachtet wissen,
aus dem sich die spätere Psychose auch ohne weiteres Zutun fortent¬
wickelt hätte, da nie ganz die Möglichkeit auszuschließen sei, daß der
Kranke gesund geblieben wäre, wenn ihn kein Unfall getroffen hätte.
*) Mendel, Über Querulantenwahnsinn usw. Neurol. Ztlbl. 1909.
*) Weber, Internationaler Kongreß für Versicherungsmedizin 1906.
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306
W. Tintemann,
Wenn überhaupt ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Unfall und
Psychose nachzuweisen ist, so muß man seiner Auffassung nach in den
meisten Fällen über den Begriff der Verschlimmerung hinausgehen und
den Unfall für die gesamten Krankheitserscheinungen und ihre Folgen
verantwortlich machen, wenn er auch in Wirklichkeit nur ein auslösendes
Moment ist. Im Jahre 1907 habe ich dann auch zwei dahingehörende
Krankheitsfälle beschrieben und die Bedeutung von Degeneration und
geistiger Schwäche für das Zustandekommen und die Beurteilung der¬
artiger Krankheitsbilder im Zusammenhänge mit Versicherungsansprüchen
besprochen x ).
Die Auffassung, daß in der Mehrzahl der Fälle die Frage kom¬
plizierter liegt, als sie die von Mendel aufgestellten Sätze erscheinen
lassen, daß der Zusammenhang zwischen der betroffenen Persönlich¬
keit, dem Unfall und Rentenquerulantentum ein verwickelterer ist,
hat sich mehr und mehr Bahn gebrochen. Die Bedeutung der „psycho¬
pathischen Persönlichkeit“ ist auch in dieser Frage immer mehr ge¬
würdigt worden.
Stertz 2 ) hat direkt die Vermutung ausgesprochen, daß Mendel in
seinen Fällen die degenerative Anlage nicht genügend berücksichtigt habe.
Schultze 3 ) hat in einer größeren Arbeit die Zusammenhänge zwischen
Unfall und Rentenkampf besprochen, er hebt hervor, daß oft schon die
Erhebung der unbegründeten Ansprüche ein Symptom der später immer
deutlicher werdenden Geistesstörung und nicht ihre Ursache ist.
Aus der neuesten Zeit liegt eine zusammenfassende Behandlung der
Frage des Zusammenhanges zwischen Trauma und Psychose von Berger
vor 4 ). Auch hier wird hervorgehoben, daß neben dem Unfall die Bedeutung
der „psychopathischen Persönlichkeit“, welche von dem Unfall betroffen
wird, nicht hoch genug angeschlagen werden kann. Speziell bezüglich
der paranoischen Erkrankungen wird am Schluß zusammenfassend gesagt:
„Die Annahme, daß die Paranoia querulatoria nach Unfall eine Unfall¬
gesetzpsychose darstelle, entspricht also durchaus nicht den psychiatrischen
Erfahrungen, und wir haben allen Grund, dieser falschen Auffassung, die
eine schwere Benachteiligung dieser Kranken zur Folge haben könnte,
mit aller Entschiedenheit entgegenzutreten. Eine nach einem schweren
Schädeltrauma im zeitlichen Zusammenhang mit demselben oder im An-
x ) Tintemann , Querulatorische Psychosen im Zusammenhang mit
der Arbeiterversicherung. Münch, med. Wschr. 1907.
a ) Stertz, Psychogene Erkrankungen und Querulantenwahn usw.
Ztschr. f. ärztl. Fortbildung 1910.
3 ) Schultze, Der Kampf um die Rente ... in der Rechtsprechung
des Reichsversicherungsamtes. Halle 1910.
4 ) Berger, Trauma und Psychose. Berlin 1915.
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Unfall und Paranoia.
307
Schluß an eine traumatische Neurasthenie oder eine traumatische Hysterie
sich entwickelnde chronische Paranoia ... ist als mittelbare Unfallfolge
im Sinne der Unfallgesetze zu betrachten und dementsprechend voll zu
entschädigen, wobei in der Mehrzahl der Fälle eine Vollrente erforderlich
und oft auch wegen der Gemeingefährlichkeit die Unterbringung in einer
geschlossenen Anstalt notwendig sein wird.“
Gerade bei der Querulantenparanoia im Anschluß an Unfälle wird
es aber mit Rücksicht darauf, daß in der Mehrzahl der Erkrankungen
das betroffene Individuum eine nicht vollwertige Persönlichkeit ist,
gar nicht einmal des Vorhandenseins eines schweren Schädeltraumas
bedürfen, um zu der Schlußfolgerung eines entschädigungspflichtigen
Zusammenhanges zwischen Unfall und Psychose zu kommen.
Die Entwicklung solcher Psychosen kann außerordentlich ver¬
schiedene Bilder nacheinander zeigen und unter Umständen, wenn die
Bedeutung der psychischen Abnormität nicht früh genug in vollem
Maßstabe gewürdigt wird, im Verlaufe des Rentenverfahrens die ver-
wickeltsten Situationen herbeiführen.
Ein hierher gehörender Rentenkampf von bald lojähriger Dauer
sei im Nachstehenden wiedergegeben, da die bei ihm eingetretenen
Verwicklungen besonders vielseitige sind und daher allgemeines Inter¬
esse beanspruchen:
Der Fabrikarbeiter X. Y., geboren im Dezember 1864, angeblich
nicht belastet und nie ernstlich krank gewesen, erlitt am 14. Januar 1902
einen Unfall dadurch, daß er von einer 10 Ztr. schweren Spindel im Rücken
getroffen, dadurch zu Boden geschleudert und dann an der linken Hand
verletzt wurde. Er wurde an demselben Tage ins Krankenhaus aufgenommen
und dort bis zum 6. II. 02 behandelt. Die Entlassung erfolgte an diesem
Tage auf eigenen Wunsch des Verletzten als fast geheilt.
Bei der Aufnahme klagte Y. über Schmerzen in der linken Hand,
die eine große Wunde auf dem Rücken bis auf die Knochenhaut des III.
Mittelhandknochens und einen Bruch des II. Mittelhandknochens zeigte,
in der linken Hüfte und der rechten Schläfe. Die Gegend der linken Hüfte
war leicht geschwollen, die Knochen unverletzt, über dem rechten Schläfen¬
bein oberhalb des Jochbogens war Fingerdruck schmerzhaft, der Knochen
zeigte auch dort keine Verletzung.
Bei der Entlassung war die Wunde an der Hand geheilt, der Knochen
konsolidiert, die Finger beweglich, jedoch in der Beugung und Streckung
behindert, die Hand konnte nicht zur Faust geschlossen werden. In der
Hüfte bestanden noch unbedeutende Schmerzen. In der Schläfe bestanden
noch Schmerzen besonders beim Kauen, ein objektiver Befund an den
Knochen konnte dort nicht erhoben werden.
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308
W. Tintemann,
Y. wurde als noch erwerbsunfähig bezeichnet, Massage und mediko-
mechanische Behandlung wurden angeraten.
Am 27. II. 02 wurde wegen der noch immer vorhandenen Schmerzen
in der Schläfe ein Gutachten eines Spezialarztes für Ohrenkrankheiten
eingeholt, der Zustand wurde als Neuralgie des Kiefergelenkes bezeichnet,
ein Zusammenhang mit dem Unfall angenommen, die Prognose als zweifel¬
haft hingestellt.
Am 16. IV. 02 wurde ein Gutachten des mediko-mechanischen In¬
stitutes, in dem L. wegen der Funktionsstörung der Hand bis dahin noch
behandelt war, eingeholt. Es kommt zu dem Schluß:
„Durch die Verletzung der linken Hand ist die Gebrauchsfähigkeit
derselben noch beeinträchtigt. Der Daumen ist völlig gebrauchsfähig,
der Zeigefinger und Mittelfinger dagegen zeigen noch eine Verminderung
der Gebrauchsfähigkeit. Der 4. und 5. Finger sind offenbar wesentlich
gebrauchsfähiger, als Y. zugibt. ... Y. hält sich insbesondere mit Rücksicht
auf die Verletzungen der übrigen Körperteile noch für völlig arbeitsunfähig.
Er will an Atemnot leiden und zuweilen heftige Hustenanfälle bekommen....
Zwar bestehen bei Y. Symptome, die auf eine gesteigerte Erregbarkeit des
Nervensystems hindeuten, und die man als Anfänge einer traumatischen
Neurose erklären könnte, es wäre jedoch sehr verfehlt, diesen allzuviel
Gewicht beizulegen. Es ist dringend erwünscht, daß Y. wieder zu arbeiten
anfängt, und daß man ihn nicht in seiner Neigung zur Übertreibung seines
Krankheitsgefühls unterstützt. Es dürfte genügen, wenn man diesen
Empfindungen durch Gewährung einer mäßigen Übergangsrente zur Er¬
leichterung der Wiederaufnahme der Arbeit Rechnung trägt. Ich halte
eine Rente von 33 1 /» % für diesen Zweck für völlig ausreichend.“ Gegen
diese Festsetzung legt Y. im Juni Berufung ein, sein Schreiben, anschei¬
nend nicht von ihm selbst verfaßt, beginnt mit: Gründe. Er gibt darin
an, daß er Schmerzen im Rücken und Brust, namentlich beim Atemholen,
häufig Erbrechen mit Blutspucken habe, daß seine Hand noch nicht zu
gebrauchen sei. Er bittet um Untersuchung durch einen Professor oder
Königl. Physikus, aber nicht durch einen Vertrauensarzt der Berufs¬
genossenschaft.
Er wird daraufhin im September durch einen andern Arzt untersucht.
Diesem gegenüber bringt Y. nach dem über ihn erstatteten Gutachten
eine große Reihe von subjektiven Beschwerden vor. Er klagt über Schwin¬
del beim Gehen, als ob die Erde unter ihm fortliefe, in den Ohren saust es,
in der rechten Schläfe tobt und brennt es. Beim Essen tut ihm das rechte
Kiefergelenk weh, er könne nicht schlafen, habe immer Angstgefühle.
Nachts sei er so aufgeregt, er habe immer das Gefühl, als sei er bei einem
Verbrechen abgefaßt. Das Kreuz sei so schwer, als habe er einen Zentner
darin, er könne nur oberflächlich atmen. Beim Husten, Niesen, Bücken
tue der ganze Brustkasten weh. Er habe fast immer kurzen, trocknen
Husten ohne Auswurf, oft auch Neigung zum Brechen usw. Bei der ob-
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Unfall und Paranoia.
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jektiven Untersuchung wird geröteter Kopf und Schleimhäute, ganz
geringe Verdickung am rechten Jochbein, ganz oberflächliche und schnell
aufeinanderfolgende Atemzüge, „und zwar 24—30 in der Minute“, fest¬
gestellt. Die Differenz des Brustumfanges zwischen Ein- und Ausatmung
beträgt nur y 2 cm. „Bei einer Untersuchung hustete Y. eine kleine Portion
Schleim aus, der teils schaumig-weiß, teils rostbraun gefärbt war. An der
linken Hand wurde eine Beweglichkeitsbeschränkung der Finger fest¬
gestellt. Das Gutachten kommt zu dem Schluß, daß bei Y. eine herab¬
gesetzte Gebrauchsfähigkeit der Hand, ein geringer Grad von traumatischer
Neurose, eine beschleunigte Herztätigkeit und Atmung, eine Blutüber¬
füllung des Kopfes und der Brustorgane bestehe. Zu dem letzten Punkt
finden sich folgende Ausführungen: Die oberflächliche Atmung verhindert
den normalen Blutaustausch, das Blut wird arm an Sauerstoff, d. h. nicht
normal. Bei krankem Blut wird allmählich der Mensch krank und dann
nicht arbeitsfähig. Es liegt ..., sondern auch objektiv nachweisbare
Störungen der Atmung, des Herzens und des Blutkreislaufes im Kopf
(geröteter Kopf) und Brust vor, welche den Verletzten als einen ganz
arbeitsunfähigen Menschen erscheinen lassen.“
Als der Spezialarzt für Orthopädie gegen die Ausführungen dieses
Gutachtens Einwände erhebt und bewußte oder unbewußte Aggravation
für sehr naheliegend hält, wird Krankenhausbeobachtung beschlossen.
Das große Heer seiner subjektiven Beschwerden bringt Y. auch hier vor.
Hervorgehoben aus ihm sei: Gleich nach dem Unfall sei auch Bluthusten
aufgetreten, der sich allmählich immer mehr verschlimmert habe, das Blut
komme jetzt alle 3—4 Tage. Während der Untersuchung war Y. unab¬
lässig bemüht, den Arzt auf alle möglichen Beschwerden aufmerksam zu
machen, und brachte im Lauf der Beobachtung die wunderlichsten Klagen
vor. Den Assistenzarzt fragte er häufig, ob auch alles richtig gemeldet
sei, was er vorher angegeben hatte. Es fiel ein beständiges nervöses Hüsteln
auf, „welches in dieser Konsequenz unmöglich simuliert sein konnte“.
Herz und Lunge waren gesund, Anfälle von Atemnot wurden nie beob¬
achtet. Y. erbrach häufig und hatte Blut in seinem Speiglase. Er saß
häufig mit rotem Kopfe auf seinem Bette und würgte, bis etwas herauskam.
Der Kopf zeigte eine gewisse Blutüberfüllung der Haut und Schleimhäute,
am rechten Mundwinkel bestanden fibrilläre Muskelzuckungen. Beim
Gehen hinkte Y. mit dem linken Bein, der linke Patellarrellex war stark
gesteigert, anfangs bestand auch Fußklonus. Y. konnte auf keinen Stuhl
steigen: Ich kann mich so kaum halten, viel weniger kann ich mich auf
einen Stuhl stellen. Selbst das Bein brachte er nicht auf den Stuhl: Da
leidet das Kreuz zu schrecklich darunter. Wenn er die Beine überein-
anderschlagen sollte, hob er sie gewöhnlich mit den Händen in die Höhe.
Wenn Y. sich in das Bett legen sollte, so geschah das steif und schwer¬
fällig und unter beständigen Klagen über Schmerzen im Kreuz. Der
Schluß des abgegebenen Gutachtens lautet: Y. macht einen hochgradig
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W. Tintemann,
nervösen und ängstlichen Eindruck. Er ist zweifellos nicht nur in körper¬
licher, sondern auch in seelischer Beziehung stark zerrüttet. Daß seine
Beschwerden nicht bloß der Ausdruck von Hypochondrie und Über¬
treibungssucht sind, geht aus dem Vorhandensein einer Reihe objektiver
Erscheinungen hervor, von denen die Erregbarkeit des Herzens, die starke
Steigerung der Reflexe an den Beinen, und zwar links stärker als rechts,
das Auftreten von Faserzuckungen im Gesicht, an den Augenlidern und
an der Zunge, das häufige, nicht selten mit Blut vermischte Erbrechen
und das nervöse Husten genannt sein mögen. Von einer Erwerbsfähigkeit
kann augenblicklich nicht die Rede sein.
Auf dieses Gutachten wird Vollrente festgesetzt (Dezember 1902).
Die Rente beträgt monatlich 76 M.
Im März 1904 findet in demselben Krankenhaus eine Nachunter¬
suchung statt mit dem Ergebnis, daß objektiv nachweisbare direkte Unfall¬
folgen nur noch an der linken Hand des Verletzten festgestellt werden
können. Sie sind aber so geringfügig, daß sie irgendeine höhere Einbuße
an Erwerbsfähigkeit nicht bedingen können. Dagegen ist in der schweren,
durch den Unfall bedingten Nervenzerrüttung keine nennenswerte Besse¬
rung eingetreten. Y.s Klagen sind dieselben, er hat ein richtiges Sengen
und Brennen in der rechten Schläfe, hat einen fistligen Husten, der zeit¬
weise so heftig auftritt, daß er sticken muß, hat viel Erbrechen, dem
manchmal Blut beigemischt ist, er kann den Rücken nicht bewegen,
es ist, als ob das ganze Kreuz schwären täte.
In demselben Monat richtet Y. ein Schreiben an die Berufsgenossen¬
schaft, in dem er die Geburt einer Tochter anzeigt und bittet, seine Rente
zu erhöhen, da er mit der jetzigen (912 M.) seine Familie nicht ernähren
könne, zumal eine 17jährige Tochter schwachsinnig sei. Er wird abge¬
wiesen, ihm aber anheimgestellt, zu beweisen, daß er ohne fremde Wartung
und Pflege nicht auskommen könne, er damit Anspruch auf Hilflosenrente
habe.
Y. behauptet, daß er ohne fremde Wartung nicht fertig werden könne,
und beantragt erneute Untersuchung. Sein Antrag wird abgelehnt.
Im April 1906 wird Y., der inzwischen im März 1906 in eine andere
Stadt verzogen, aufgefordert, sich in Leipzig-Stötteritz untersuchen zu
lassen. Seine Frau antwortet mit einem Brief, in dem sie um Kleidung,
Schuhe und Reisegeld für ihren Mann bittet. Es wird Y. Reisegeld zuge¬
billigt und ihm nunmehr aufgegeben, sich umgehend in das Krankenhaus
zu begeben, widrigenfalls aus seinem Benehmen für ihn ungünstige Schlüsse
gezogen werden müßten.
Die Antwort ist ein (mit der Schreibmaschine geschriebener) Brief,
daß er die Reise nicht ohne Begleitung machen könne. Fahrkarte und
Zehrgeld für den Begleiter werden bewilligt. Als Antwort erfolgt wieder
ein Brief, daß er wegen Mangels an Kleidung und Schuhen sich nicht
stellen könne (mit der Schreibmaschine geschrieben); ein zweiter Brief
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Unfall and Paranoia.
311
mit demselben Inhalt folgt 8 Tage später. Die Berufsgenossenschaft holt
darauf Auskunft durch die Polizei ein, diese lautet dahin, daß nicht nur
der in sehr schlechtem Zustande befindliche Anzug sowie die defekten
Stiefel schuld daran seien, sondern nach des Polizeibeamten Wahrnehmun¬
gen Y. auch wegen seines körperlichen Leidens sowie der sehr heftig auf¬
tretenden Hustenanfälle nicht imstande sei, eine so weite Reise machen
zu können.
Y. wird darauf aufgefordert, sich zu einem in seinem Wohnort
befindlichen Nervenarzt zur Untersuchung zu begeben (30. Mai 1906).
14 Tage später wird er nochmals aufgefordert, sich zur Untersuchung zu
stellen und sich, falls er den Weg nicht zu Fuß machen könne, fahren oder
tragen zu lassen. Die Kosten werden garantiert. Daraufhin kommen
zwei Briefe von der Ehefrau des Verletzten im Juni, in deren erstem steht,
daß ihr Mann bei jeder Aufregung bricht und deshalb auch in einer Erb¬
schaftssache nicht habe vernommen werden können, in deren zweitem sie
mitteilt, daß sie ihren Mann ohne Zeug nicht fortschicke.
Die Berufsgenossenschaft nimmt an, daß Y. eine erneute ärztliche
Untersuchung absichtlich vereiteln will, um im längeren Besitz der Voll¬
rente zu bleiben, und entzieht ihm die Rente (Juni 1906). Dagegen lfegt Y.
Berufung ein mit der Angabe, daß er sich der ärztlichen Untersuchung
nicht entziehe, es möge aber ein Arzt in seine Wohnung geschickt werden,
da er nicht transportfähig sei. Dann verzieht Y. wieder an seinen früheren
Wohnort, woraus die Berufsgenossenschaft folgert, daß er sehr wohl im
stände sei, eine Reise zu unternehmen, und auch im Besitze von Kleidungs¬
stücken sei. Sie will ihn deshalb nun nach Leipzig zur Untersuchung
schicken. Es wird aber von dieser Maßnahme abgesehen, nachdem die
Ehefrau des Y. mitgeteilt, daß ihr Mann die Reise nach O. zurück nicht
freiwillig, sondern auf Veranlassung des Armenverbandes gemacht habe
und sehr schwer transportfähig sei. Y. wird in M. ärztlich untersucht,
äußert die große Reihe der alten Klagen. Er wird als Unfallhysteriker von
auffallend geringer Energie angesprochen, der übertreibt und nicht dauernd
im Bett zu liegen braucht, und Krankenhausbeobachtung beantragt. Sie
ergibt:
Der alte Schwall von Klagen besteht noch. Y. hat im Kopfe fort¬
währendes Sausen und Dröhnen sowie Schmerzen und Schwindel, so daß
er aufrecht nicht stehen kann. Im ganzen Rücken und im Kreuz besteht
das Gefühl von Kribbeln, als ob Ameisen darin wären oder der Rücken
schwäre. Die rechte Brustseite sei ihm eingedrückt, und im Leibe bestehe
das Gefühl, als ob es dränge. Wenn das Essen an diese Stelle komme,
müsse er brechen. Der Arme bemächtige sich häufig ein Krampf, im
linken Arm bestehe außerdem ständig ein Kältegefühl. Er müsse die
Arme immer gerade halten, weil er sonst Schmerzen bekäme. Ebenso
sei es in den Beinen, seit 4 Wochen könne er deshalb nicht laufen. Die
Augen schmerzten ihn und wollten hinten durch den Hinterkopf durch-
Zeitschrift für Psychiatrie. LXXII. 4.
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312
W. Tintemann,
jagen. ... Die letzten Jahre habe er meist im Bett gelegen und sei nur
aufgestanden, wenn er einmal einen notgedrungenen Weg hatte. Y. habe
nach seinem Unfall noch zwei gesunde Kinder gezeugt, das dritte sei
unterwegs. Die Zeugung fällt in die Zeit, seit der Y. behauptet, so schwach
zu sein, daß er sich im Bett allein kaum aüfrichten könne. Im Kranken¬
haus hat er sogar die Schwestern genötigt, ihm das Speiglas zu halten.
Auf diese Widersprüche aufmerksam gemacht, erklärt er, daß gerade bei
Erkrankungen wie der seinigen die Geschlechtsfunktionen gut imstande
seien, und daß der Reiz vielfach auch von seiner Frau ausgehe. Die Mit¬
teilungen seiner Beschwerden begleitet er mit unaufhörlichem Husten,
der sich bei Beobachtung steigert, aber auch des Nachts störend vorhanden
ist, so daß Y. in ein Einzelzimmer verlegt werden muß. Hier verlangt er
dringend unter allerlei „Anspielungen, als ob er vergiftet oder sonst etwas
Unrechtes mit ihm vorgenommen werden solle, die Rückverlegung und
enthält sich 36 Stunden völlig der Nahrung, so daß schließlich seinem
Wunsche nachgekommen werden muß.
Y. richtet sich im Bett nicht selbst auf, läßt sich waschen und pflegen
wie ein Schwerkranker. Wenn er aus dem Bett gebracht werden soll,
hält er die linke Hand meist steif ausgestreckt usw. In seinen Äußerungen
machte er häufig den Eindruck wie ein von Verfolgungs-, insbesondere
von Vergiftungsvorstellungen Heimgesuchter. Er erklärte, er wisse schon,
was man mit ihm vorhabe, und nahm niemals Wasser von der Schwester
an, sondern ließ es sich von seinen Mitkranken aus einem Hahn eingießen.
In der Nacht zum 27. IX. 06 fand ihn die Schwester ganz aufgeregt auf
der Bettkante sitzen, mit einer Schachtel Moorsalz in der Hand, die er
mit seinen Fingern selbst geöffnet hatte, er rief in heftigem Tone: „Nehmen
Sie doch das verfluchte stinkige Zeug weg, ich weiß schon, was Sie wollen,
daß Sie mir das unter die Nase halten.“ Das Kistchen hatte in einiger
Entfernung von ihm auf einem Tischchen an der Wand gestanden. Der
Schlußsatz des Gutachtens lautet dahin, daß das ganze Krankheitsbild,
das Y. darbietet, durch Züge der Übertreibung so stark verwischt ist, daß
eine Entscheidung über den Grad seiner Erwerbsbeschränkung schwer zu
treffen ist. Jedenfalls macht er immer noch einen stark nervösen Eindruck
und dürfte zu irgendwelchen gewerblichen Arbeiten nicht zu gebrauchen
sein. Vollständig hilflos und ständiger Wartung und Pflege bedürftig ist
Y. nicht.
Daraufhin wird Y. die Vollrente weiter bewilligt, er zugleich unter
ärztliche Kontrolle gestellt (15. XI. 06). Der Arzt untersucht ihn zweimal
und berichtet dann an die Berufsgenossenschaft, daß er Y. zweimal im
Bett angetroffen habe. Die Untersuchung ergab außer einer starken Er¬
regbarkeit des Herzens keinen krankhaften körperlichen Befund. Y. war
ständig sehr aufgeregt, besonders schienen ihn aber die Auslassungen des
letzten Gutachtens über seine geistigen Fähigkeiten aufgebracht zu haben.
„. . . Während meines Aufenthaltes bekam er einigemal die schon früher
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Unfall und Paranoia.
313
geschilderten Hustenerstickungsanfälle. Im Anfang des letzten, den ich
anhörte, redete ich ihm zu, er solle doch dabei nicht so laut schreien, er
mache sich sonst kaput. Sofort unterbrach er den Anfall und sagte zu
mir: „Verlassen Sie meine Wohnung, Sie regen mich unnütz aufl“ Darauf
wurde der Hustenanfall fortgesetzt.“ Das Gutachten endet: „Meine Be¬
obachtungen legen nahe, daß Y. ein ausgeprägter Unfallhysteriker ist,
der unter dem Einfluß gewisser Beeinträchtigungsvorstellungen steht und
bei dem der jetzige Kampf um die Rente wieder verschlimmernd einge¬
wirkt. Eine Behandlung könnte nur noch in einer geschlossenen Nerven¬
heilanstalt ausgeführt werden.“
Darauf beschließt die Berufsgenossenschaft erneut, Y. in einer
Unfallnervenklinik zur Behandlung aufnehmen zu lassen (Januar 1907),
weil die Art des Leidens Ansprüche an die Behandlung stellt, denen in der
Familie nicht genügt werden kann. Darauf antwortet Frau Y. wieder
(alle folgenden Briefe sind sicher von Y". selbst geschrieben), daß ihr Mann
nicht transportfähig sei; zugleich findet sie sich sehr beleidigt, daß die Be¬
rufsgenossenschaft schreibt, ihr Mann kriege von ihr seine richtige Auf¬
wartung nicht, und macht Enthüllungen, wie ihr Mann im Krankenhause
schlecht behandelt sei: „Mein Mann sagt, ich lasse mich von keinem Frem¬
den vergiften ... und wer sich hierin beleidigt fühlt, der trägt die Ver¬
antwortung, so brinkt er die Sache nun Entlieh die Öffentlichkeit, was
mit ihm gemacht ist....“
In einem zweiten Schreiben 2 Tage später heißt es: „Auch sein Essen
hat er stets im Liegen einnehmen müssen, da hat sich keiner darum ge¬
kümmert, daß Ihn das Essen Imer an den Hals runder gelaufen ist ...
aber wenn er Wasser drinken wollte, da waren die Schwestern gleich da,
und wenn er zwei haben wollte aber nur von der Küche wenn er das nicht
wollte haben, die Schwester im den Rücken zu gewand waruhm mein
Mann ist da hintergekommen was man mit ihn Vorhabe und habe sie auch
dabei erdabt, wer wahr derjenige der diese scheußliche angabe gemacht
sollte die Sache ins Rollen kommen so wird mein Mann die ganze Geschichte
in die Öffentlichkeit bringen, mein Mann knn sich heute noch nicht
darüber zufrieden geben was mit ihm Gemacht ist, er hat es gefunden
was ihm zu Schaden wahr und auch eine Piobe sorchfältig aufbewahrt
bis die Sache zu Klagen kommt, wo er die Probe auch in die Öffentlichkeit
bringt, die ihm im Krankenhaus in die Hende gefallen ist_“ In einem
weiteren Briefe vom 17.1. 07 denunzieren die „Eheleute Y.“ einen Ar¬
beiter X., daß er zu Unrecht eine Rente beziehe, Y. will vor 10 Gerichten
beschwören, daß dieser schon vor dem Unfall nicht zu jeder Arbeit fähig
war, er kennt den X. von Kopf bis zu den Füßen, da er mit ihm sogar
schon in einem Bett geschlafen habe. Weiter heißt es in dem Briefe:
,.sollten Sie denn von der Sache nichts wissen der X. hat eine Erbschaft
vor 12 Jahren gemacht wo er schon in den Unfall war“.
Im folgenden Briefe (2. II. 07) melden die Eheleute Y., daß ihr
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jüngstes Kind gestorben: „und wir Anden uns auch gleichfals Veranlast
da dies Kind eine von den 2 Gesunden Kindern wie es scheint kommt das
2te Gesunde Kind was nachdem Geboren auch wohl bald mit dem Tode
davon das ist doch durch einen Arzt bestätigt soche Rache Akten, wir
sind fest davon Überzeugt das die ... Berufsgenossenschaft mehr Beschei t
über Y. seinen Krankheits Zustant weiß als derjenide der solche Rache
Akten in die Weid gesetzt hat wir wissen es recht gut das Y. kein Dummer
Junge ist und sucht sein Recht bei der Sektion und wird ihn wohl Nie ab¬
gesprochen wenn wier uns keine Scherereien mit der Sechsjohn machen
wollten so hätten wier die Rache Akten zu jeder Manns Ansicht preis¬
gegeben...“ Am Schluß des Briefes erkundigen „die Eheleute Y.“ sich,
wie weit es die Tochter des denunzierten Arbeiters X. mit ihrem Nadel¬
verschlucken gebracht hat, ob ihr eine Unfallrente zudiktiert ist. „wier
werden erst abwarten was komt so haben wier da man uns auch gedenfaiz
von Persönlichkeiten bei der Seksjohn schwarz gemacht wird habe die
ganze Sache scheint uns so, haben wier auch schon 2 Mann die unsern
Erbetruch begangen haben, der Infallität zur Anzeige Gebracht, es Anden
sich wohl noch mehr raus die nun nicht mehr nötig haben. ... Beispiel
auch H. X. bezieht seine Unfall Rente von 1896 wie ihn eine Erbschaft
36 000 in die Hände gefallen ist.“
Die Berufung des Y. gegen die Aufnahme in die Klinik wird zurück¬
gewiesen, am 26. II. 07 Y. nochmals aufgefordert, sich zu stellen und mit
Entziehung der Rente für 6 Monate gedroht. Die Folge sind ■wieder
zwei Briefe der Eheleute Y., in denen beugen dafür angeboten werden,
daß der Mann nicht transportfähig ist, und der Arzt, der die Aufnahme
in die Klinik beantragt hat, denunziert wird: „Derselbe hat 3 Besuche
bei uns gemacht nur zwei Untersuchungen in einer dunklen Ecke hinter
der Thühr in einen Zeit Raum von 2 Minuten hat oder will er alles gefunden
haben. Aber der geheime Medizinahl Rath hat Stets einen Halben Monat
gebraucht ... ich stelle hiermit fest das der Herr Dr. D. nur einen Rache
Akt auf meinen Mann Ausgeübt hat ... wir wollen das Ihnen noch mahl
zu wissen thun das sich dieser Artzt so pAäzig Benommen hat das mein
Mann mir Gesacht hat bitte Entferne mir den Mann das er ihn so in Auf¬
regung versetzt hat und sich wieder übergeben muste der ist soga der
Erste Zeuge und hat es sogahr 2 Mahle gesehn nur in die baar Minuten
Besuch Zeit.“
Es wird darauf eine erneute Untersuchung durch zwei Ärzte ange¬
ordnet zur Feststellung, ob Y. transportfähig ist. In den Berichten darüber
heißt es:
„Wir fanden am genannten Tage (24. III. 07) den Y. im Bette liegend
vor und wurden von ihm sofort in roher Weise mit Schimpfereien emp¬
fangen. Er verweigerte jede Untersuchung. ... Es half alles nicht,
Y. forderte uns in brutaler Weise auf, das Zimmer zu verlassen. ... Einmal
begann Y. auch, wahrscheinlich zur Bekräftigung seines Leidens, laut auf-
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Unfall und Paranoia.
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zuschreien und zu würgen, zum Erbrechen kam es nicht. Während ...
rief er noch aus dem Zimmer heraus: „Ihr wollt mich jetzt nach 6 Jahren
gesund machen, wo es doch den Ärzten früher nicht gelungen ist. Ihr
seid wohl verrückt? Ihr habt wohl einen Vogel?“
Am 30. III. 07 wird Y. auf die Dauer von 6 Monaten die Rente ent¬
zogen, ihm aber nochmals anheimgestellt, sich umgehend in die Klinik
zu begeben unter Zusicherung, daß Kosten für Traggelegenheit und Be¬
gleiter von der Berufsgenossenschaft übernommen würden.
Darauf erwidern die Eheleute Y.:
„Inerwiederung ihres Schreiben was mein Mann zugegangen is
werden wir den Artzt der vons von Ihnen Geschikt soll sein nach sich getzt
wegen der Beleidigung vor Gericht Verantworten Indem er sich hat zu
schulden kommen lassen mein Mann mache ein gekinsteltes Husten und
Erbrechen welches er als Verstellung Bezeichnet. ... Y. frächt an was er
Ueberhaupt nach einer Nerfen Anstalt Respektif einer Verikten Anstalt
machen soll mein Mann Leidet an seine Zerdrükten Knochen aber an
keinen Verükten Kopf wier wollen Ihne schon die Zeugen getzt bringen
woran mein Mann Leidet wier wollen Ihnen schon die beiden Doktor mit
schimpf und Schande hinstellen. ... Nehmen Sie man dis Richtigen
Akten von Herrn Provessohr zur Hand so können Sie Unmöglich auf einen
andern Gedanken kommen denken Sie den das wier es nicht wisse das Sie
die Richtigen Akten von Provessohr Verheimlichen wier sind dahinter
gekommen jetzt werden wier Ihnen Erst richtige Zeungen bringen. Nemlich
Sie wollen unsere Zeugen nicht Anerkenen so sind wier auch nicht in der
Lage Ihre Zeugen anzuerkennen ich bringe Ihnen jetzt 6 Zeugen die nicht
sagen können Y. Macht ein Gekinsteltes Husten und Erbrechen ich will
Ihnen schon mit Ihren Beleidigungen den Richtigen Weg zeigen wenn das
Schiedsgericht uns noch Beschwerde Zusetzt finde ich mich genötigt
Klage beim Reichsversicherungsamt ... “
Am 20. VI. 07 reicht Y. eine erneute Beschwerde gegen die Berufs-
g nossenschaft ein, die formell und orthographisch richtig, ihm offenbar
von geübter Hand aufgesetzt ist, von Y.s Hand ist ihr ein Attest von
einem fremden, mit den Vorgängen nicht bekannten Arzt, Dr. N., in Ab¬
schrift angefügt, dahingehend, daß Y. zurzeit absolut nicht imstande ist,
eine Reise zu unternehmen. Am 14. VIII. beantragt Y. wieder durch
fremde Hand die Bescheide bezüglich der Rentenentziehung aufzuheben,
unter Berufung auf das vorstehende Gutachten.
Nun beauftragt die Berufsgenossenschaft den Kreisarzt der Stadt
mit einer nochmaligen Untersuchung des Y. be üglich seiner Transport¬
fähigkeit. Bei derselben zeigte Y. wieder „die so oft geschilderten Würg¬
anfälle“. Er setzte sich allein auf, und zwar ziemlich rasch, seine Gattin
unterstützte ihn erst nachher und hielt ihm den Speinapf vor. Zuerst
ging er auch ganz ruhig i uf die Fragen des Arztes ein, als seine Angaben
aber nicht kritiklos hingenommen wurden, wurde er gereizt, und im Laufe
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W. Tintemann.
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der weiteren Untersuchung sagte er zu seiner Frau: „Der ist vom Unfall
geschickt, du siehst, wo es hinwill.“ Nach den Gründen seiner Transport¬
unfähigkeit befragt, konnte er keine angeben, sondern blieb dabei: „Ich habe
das Zeugnis von Dr. N., der will es beschwören, daß ich nicht kann.“ Der
Arzt erhielt von ihm den Eindruck der Nervosität, aber nicht von großer
Hinfälligkeit, er bejaht die Transportfähigkeit, wirft aber die Frage auf,
ob eine Unterbringung in der beabsichtigten Weise zweckmäßig sei. Bei
den Beeinträchtigungsideen des Y., von denen noch festzustellen sei, ob
es sich um eine Neurose oder schon um eine Psychose handle, erscheine
ein Suizidium nicht ausgeschlossen. Die Folge dieser Untersuchung ist
wieder eine große Beschwerdeschrift der Eheleute Y. an den Kreisarzt,
in der es unter anderem heißt: „... wenn der Herr Sanitätsrat glaubt
er habe das recht gegen Y. solche Spitzen meinen Mann in das Gesicht zu
schleudern er solle sich nicht so anstrengen mit seinen Erbrechen solche
Bemerkungen oder Äußerungen läßt sich mein Mann nie gefallen Sie tun
ja nach Ihren Äußerungen als wenn Sie die Rechte hätten solche Eußerun-
gen zu machen Mein Mann kann sich doch Erbrechen nicht befördern
wenn er will wenn Sie mit solche Geschichten anfangen da Steigert sich
erst recht der Körper oder Aufregung und Neigung zum Erbrechen. ..
2tens warum Weigert sich der Herr Sanitätsrat für unser Eigenen Kosten
ein Ärztliches Attest da zu lassen was meinen Mann schon zum 2ten mahl
nicht gewährt wirden soll wenn Herr Doktors N. ein Attest konnte dalassen
also was Herr Dr. N. kann muß uns auch von Ihnen zustehen wier be-
behaupten das wier schon mehrfach die Gutachten nicht gekricht haben
die uns Zustehn und wenn Sie ein noch so Gutes Zeugniß meinen Mann
Ausstellen und er Kricht es nicht in die Hände so bleibt er Stets der
Dumme darum ist Y. sein Einsger Wunsch das ein Attest vor ihn Aus¬
gestellt wird Sie Herr Sanitätsrat haben meinen Mann Erst recht Inauf¬
regung Versetzt also ein Attest wollen Sie nicht zurück Lassen und den
Erlauben Sie sich noch Obendrein auch noch das Attest von Dr. N. Mit¬
zunehmen ... ich finde mir selbst Beleidigt wie Sie bei den Ersten Besuch
die Äußerung Abgaben um das Erbrechen könnne der Tranzbort doch
geschehen das Beschwöre ich vor Gericht Sie haben auch Gesagt da dann
könnten 2 Mann Mitgeschikt werden und beim 2ten Besuch Behaupten
Sie hätten das Überhaupt nicht Gesacht wier stellen uns gegenüber der
Sektion Ebenbürtig. ... Y. draut Heutkeinen Menschen mehr. ... Wier
haben Hern Doktor N. auf sämdliche Fehler aufmerksam Gemacht oder
Angegeben das Erbrechen durch die Kwetschung der rechten Brustseite
und das Ganze Kreuz Verletzung des Rechten Jochbein Knochens und
Schmerz Stets in Beiden Augen Stets ein Brennen und einen Schlach vor
das rechte Schinbein und am Linken Bein Oben im Gelenk an der Hüfte
Bruch des Mittel Fingers und Ersten Zeigefinger ist das Gelenk Kaput
geschlagen so das durch die Kwetschung die ganze Hand nicht Geschlossen
werden kann. ... Auch das Herz Hauptsächlich und die Lunge Versetzen
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meinen Mann in solche großen Schmerzen das er nicht weiß was er noch
anfangen soll mit den Erbrechen wenn der Herr Sanitätsrat schon ge¬
brochen hat so wird es Ihnen auch nicht Fremd sein das mann bei Er¬
brechungen einen Schweren Kampf hat und Schmerzen nun ist es um so
Bedauerlicher wenn das Erbrechen bei meinen Mann Auftritt mit seinen
Herzen und der Lunge so Entschuldigen wir uns bei Herrn Sanitätsrat
wenn mein Mann Ihnen zu Nahe getreten sein sollte. ..(26. VIII. 07.)
Am 18. IX. 07 geht ein Schreiben an die Berufsgenossenschaft ab:
„Die Eheleute Y. geben hier in doppelter Ausführung an, das Y. von
keiner Seite eine Weitere Heilung zuerwahrten hat eine Heilung auf
\erfen Anstalten hat Y. nichts zu suchen und die Knochenheilungen
würd mit dem Bemerken von Herrn Geheimer Medizinal Rat ... gegeben
Y.s Kaputt Geschlagene Knochen können wier ihnen wohl Heilen aber
nicht wieder ganz machen nun Gehen Sie zu Hause Sie kriegen Ihre Rente
weiter im Jahre 1902. ...“
Einige Tage später heißt es: „Die Eheleute ... geben dem Schieds¬
gericht vom heitigen Tage bekannt das wier auf weitere Hilflosen Rente
verzichten und glauben wenn das Schdgr. sich mit uns gänzliche Abfinden
thät Gründe halber die nicht von uns Genant sein wollen da der Plahn
nach St. hiermit von uns Streng zurückgewiesen ist und durchaus keine
Heilung mehr angenommen wird auch Steht hinter uns ein Riesen Geldso
sind wier jetzt in der Hilflosen Rente anderer Ärmemer Leute zu geben
so möge die Sektion sich die Sache Reiflich Überlegen ob Sie die Vollrente
weiter Zahlen will oder Y. gänzlich abfindet also Zwank von unserer seite
gibt es nicht ... auch Höchstwahrscheinlich wird Y. den gnädigen Herrn
ein Schnippen schlagender es gemacht und Y. in den Akten zu schreiben
er leide an Verfolgungs Wahn. ...“
Am 29. IX. 07 erklären zwei Beamte des Schiedsgerichtes, daß sie
den Y. auf der Straße bzw. auf der Treppe gehen sahen, ohne das geringste
Auffällige an ihm zu bemerken. In der Sitzung des Schiedsgerichtes vom
28. IX. wird die Berufung Y.s gegen die Rentenentziehung zurückgewiesen.
Am 27. IX. zieht der Arzt Dr. N., der Y. für transportunfähig erklärt
hatte, sein Gutachten zurück, nachdem er den Kranken hatte besuchen
wollen und erfuhr, daß er mit seinen Kindern ausgegangen sei.
Y. wendet sich nun berufend an das Reichsversicherungsamt in
zwei Schreiben, in dem ersten heißt es unter anderem: „So wurde Y.
beim Schiedsgericht den 28ten Oktober 1907 geladen woselbst dem Herrn
Regierungsrat auffiel es mit ansehen mußte wo der Y. durch die Anstren¬
gung wiederum mit Erbrechen anfing und der Herr Regierungsrat an zu
schimpfen fing wenn Y. doch das fühle so müsse er doch gleich rausgehen
und nicht alles vollbrechen, aber er wußte wohl nicht das Y. nicht so schnell
laufen konnte um das Erbrechen zu verhindern. ... “
In dem zweiten findet sich folgendes: „... wennn uns könnte die
Luft genommen werden könnte, so würde es wohl auch noch getan, so bin
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W. Tintemann,
ich denn für meinen Mann verantwortlich, oder ich war dennoch wohl
schuld, daß er krank ist, und kann ich denn wohl mit ihm langsam auf
sichen mit samt den armen Würmern, es ist ganz gut, daß der Unfall ins
Leben gerufen ist aber wieviel Menschen haben aber nach unserer Auf¬
fassung durch Hunger die Schwindsucht oder Hungertyphus müssen
verloren gehen, wenn es mit allen so gemacht wird so bin ich Frau Y.
der Überzeugung was ich denn selbst aus der Ärzte Mund gehört, daß mein
Mann keine Heilung noch sonst etwas zu erwarten habe und daß er jeh
zu einer Arbeit oder Diensten Verwendung finde ist der Reichs-Versiche¬
rungsamt durch die Akten verständlich gemacht, daß es ist doch nirgends
eine Heilung zu erwarten, die Gutachten der Ärzte sind doch zur Stelle,
warum muß so ein armer Mann in seiner Krankheit noch hungern, ich
kriege jetzt von keiner Seite Vorschuß oder Armenunterstützung, wo
könnten auch die Eheleute Y. den Regierungspräsidenten auf die Füße
treten und wollen ihn in der Knyrim’schen und Lorenzschen Erbschafts¬
sache verwickeln, so ist es uns auch nicht schwer festzustellen wer uns so
knebelt und in Bann hält. Wenn man das einem vernünftigen Menschen
erzählt, sein Mann ist in 1 */ 2 Jahr dreimal die Rente zurückbehalten,
jedesmal wenn ein Arzt zur Untersuchung kam oder in Krankenhaus
wurde sofort sämtliche Rente nachgezahlt, waren es ein par Wochen her
so ging die Geschichte von neuen los, aber was ist die Schuld. Das Reichs¬
versicherungsamt scheint hier gar nicht zu wissen warum in O. mit dem
armen Y. solche Komödie gemacht wird hier scheint es so als wenn Ärzte
weniger glaubhaft sind als Leute die anzunehmen an Y. eine Rache aus¬
zuüben um ihn gegen diese gänzlich unschädlich zu machen und ihn mit
Gewalt die Unfallrente zurückzubehalten damit er kein Geld in die Finger
bekommt um einen Klageantragt gegen diese zu Unternehmen, denn es
steken in dieser Erbverwicklung hohe hohe Regierungsbeamte, so bitten
wier nun doch so schnell wie es geht doch eine Regelung. ... “
Das Reichsversicherungsamt weist die Berufung des Y. am 4. IV. 08
zurück, da es gleichfalls die Überzeugung gewonnen, daß die bei dem Kläger
als Unfallfolge noch bestehende nervöse Erkrankung durch eine ordnung¬
gemäß durchgeführte Behandlung in einer Heilanstalt sicherlich in das
rechte Licht gestellt und gebessert werden kann.
Vom 1. April 1908 erhält Y. nach Ablauf der 6 Monate wieder Rente
und wird zugleich aufgefordert, sich dem Arzt zu einer erneuten Unter¬
suchung vorzustellen. Darauf die Eheleute Y.: „In der Unfallsache des ...
wieder die ... Berufsgenossenschaft Fühlen wier uns Abermahls Beleidigt
Indem die Sektion Stets u. das Sie das Gutachten sucht zu Stellen und
dadurch unser Gutachten außer kraft zubringen, sind wier nicht in der
Lage und beharren mit Fester Überzeugug da wier unser Geld nicht auf
der Straße gefunden haben um noch weitere Gutachten heranzuziehen,
da wier Überhaupt Entschlossen sind die Klage nun Entlieh der Staads¬
anwaltschaft Zuübergeben, da von seiten der Ärzte von der Berufsge-
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nossenschwehre Beleidigungen Zuverzeichnen sind, wenn nun Y. Aber¬
malz ein Neues Gutachten Einsendet so stellt die Sektion Abermalz den
Antrag Y. solle sich von den Betreffenten Artst Untersuchen Lassen den
Sie wiederum Vorschlägt, und die Drangsahl und Bestürmung nimmt kein
Ende ... da wier die Sache hinterkommen sind auf welche Weise diese
Geschichten an uns Vorgenommen wurde wenn nun die Sektion ein Gut¬
achten von Dr. D. wünscht so verweisen wier sich doch an das Erste Gut¬
achten wo den auch die Rente wieder anerkannt wurde, warum, suchte
die Sechsgohn schon im Nächsten Monat die Rente wieder an sich zu
halten, warum schickte sie ohne unseres Wissen oder Willen Abermahlz
Dr. D ., indem er Vorgab er wolle Y. mahl was vor die Nerfen vorschreiben
wehr war das der Dr. D. angegeben das er mit solcher Politik ein Närfen-
heilverfahren suchte Anzubandeln um die möglichkeit herbeizuführen
das eine Närfenheilung im Hause nicht Vorgenommen werden könne, wehr
hat überhaupt den NerfenArtst Dr. D. zu einer Nerfenheilung verlankt,
hat Y. Überhaupt einen blassen Schimmer von Nerfenkrankheit, hat die
Sektion schon Überhaupt mahl einen richtigen Nerfenkranken gesehn
so bedauert Y. sehr das an Ihn ein Nerfenkranker gesucht wird.
Der Voreingenommenheit des Y. gegen den Dr. D. nachgebend,
fordert die Berufsgenossenschaft Y. am 25. V. 08 auf, sich zur Beob¬
achtung ins Krankenhaus zu O. zu begeben, dessen Leiter noch nichts
mit der Sache zu tun gehabt hat, übernimmt die Transportkosten und
will Y.s diesbezügliche Wünsche berücksichtigen. Die Eheleute Y. be¬
dauern, krankheitshalber nicht nachkommen zu können und verlangen
„Persöhnlich vor Gericht zu Treten zum Schwmhr“.
Am 20. VI. beschließt nun die Sektion daraufhin, das Heilverfahren
wieder aufzunehmen und Y. einer Landes-Heil- und Pflegeanstalt zur Be¬
handlung zu überweisen auf ein Gutachten des Dr. D., in dem ausgeführt
ist, daß Y. ein Unfallhysteriker ist, der seine Beschwerden wesentlich
übertreibt, daß bei ihm ferner der Verdacht besteht, daß er unter dem
Einfluß gewisser Beeinträchtigungs- und besonders Vergiftungsideen steht;
eine Behandlung zu Hause sei zwecklos, vor allem auch wegen des un¬
günstigen Einflusses der Ehefrau, die „mindestens ebenso erbittert den
Kampf um die Rente führt wie Y. selbst“. Das Leiden müsse endlich in
das rechte Licht gestellt werden, denn noch heute könne man nicht mit
Bestimmtheit sagen, bezieht Y. seine Vollrente zu Recht oder nicht. „Der
Komödie muß ein Ende bereitet werden. In zahlreichen Briefen und Ein¬
gaben beteuern die Eheleute Y. auf das entschiedenste, daß Y. dauernd
bettlägerig sei und trotz größter Vorsichtsmaßregeln das Bett nicht ver¬
lassen könne.... Und doch sieht man, wie Y. zu einer Erbschaftsregulierung
nach H. fährt, wie er in O. die Wohnung wechselt, wie jeder andere Mensch
auf der Straße und auf Treppen sich bewegt und sogar im Schiedsgerichts¬
termin persönlich erscheint. ... Ohne andere Zwangsmaßregeln wird sich
eine Willensänderung und Unterbringung Y.s in eine Anstalt nicht bewerk-
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W. Tintemann,
stelligen lassen, einerlei, ob dieser Wille krankhaft beeinflußt oder ein böser
ist. Die Berufsgenossenschaften sind schon häufig in solche oder ähnliche
Lagen versetzt und haben sich hie und da an die Staatsanwaltschaft
gewandt, um eine Entmündigung und dadurch die Möglichkeit, einen
Verletzten in einer Anstalt zwangweise unterzubringen, herbeizuführen,
sind aber wohl meist mit der Begründung abgewiesen, daß ein öffentliches
Interesse nicht vorliegt. In unserem Falle ist vielleicht ein ähnlicher Ver¬
such bei der Armenverwaltung angebracht, der Y. wiederholt, zuletzt im
Jahre 1907 zur Last gelegen hat, und die meines Wissens einen Entmündi¬
gungsantrag stellen kann, wenn jemand durch Verschwendung sich oder
seine Familie der Gefahr des Notstandes aussetzt.“
Die Armenverwaltung weist einen dahin gestellten Antrag der Be¬
rufsgenossenschaft ab, da sie sich nicht für befugt hält, die Unterbringung
des — nicht geisteskranken — Y. zu veranlassen. Auch Anstalt und
Landeshauptmann lehnen die Aufnahme des Y. zunächst ab und geben
anheim, ein Gutachten zu beschaffen, aus dem die Anstaltspflegebedürftig¬
keit hervorgeht.
Auch die Eheleute Y. legen Berufung ein (Juli 1908):
„Das durch Gutachten des Herrn Dr. N. nicht der Geringste Ahalt
einer Überführung meines lieben Mannes in einer Anstalt auch sei es in
einem Krankenhaus auch nicht in St.: Ihr Mann durchaus nichts heilentes
zuerwarten hat Frau Y. es ist höchst lachhaft was soll denn ihr Mann bloß
in St. Frau Y. und Herr Y. es ist jede Hilfe ausgeschlossen, das Doktern
hat keinen Zweck mehr, sparen Sie ihr Geld da es Ihnen doch nichts mehr
nützt, Herr Y. zeigen Sie mir mal ihre Hand ich will den Pulst mahl fühlen.
Au Au nah Herr Y., den Pulst da können Sie ja doch wohl nichts daran
machen, Au so ein Schwehr Herzkranker Mann will man noch nach St.
bringen, ich bewundere bloß Frau Y. wie ihr Mann das hat bloß aushalten
können die 7 Jahr ... wenn die Berufsgenossenschaft die Dr Gutachten
hochhält so bitten wier das auch Herr Dr. N. mit seinem Gutachten nicht
verworfen wird. ... “
In der Anlage liegt, wie fast jeder der letzten Eingaben, das Gut¬
achten des Dr. N. bei, das von diesem Y. privatim seinerzeit ausgestellt
worden ist (s. S. 315) und ihn für transportunfähig erklärt.
Zur Sicherheit wendet sich Y. gleichzeitig an das Arbeitersekretariat,
das gleichfalls eine Eingabe an die Berufsgenossenschaft macht, da sich
der Arbeitersekretär durch einen Besuch überzeugt hat, daß Y. keinesfalls
einer Heilbehandlung gerade in U. bedarf.
Die Eingaben haben den Erfolg, daß das Schiedsgericht beschließt,
daß Y. sich auch im Krankenhaus zu O. untersuchen und behandeln lassen
kann (19. XI. 08).
Auch hiergegen legt Y. Berufung ein, „da der Zustand noch derselbe
is, wie ihn Dr. A\ Befunden auch ist im Gutachten Dr. A\ Nirgens eine
Heilung min noch angebracht wie Herr Dr. A r . mir selbst Gesacht Frau Y.
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an ihren Mann ist nichts Heilendes Mehr es hilft weder Kuhr oder Metode
auch keine Operatsjohn nitzt ihren Mann an ihren Mann ist nichts zu
Offerieren ... so haben wier uns den Schutz des Herrn Polizei-Präsident U.
und auch des Herrn Polizei-Kriminal Dr. V. nachgesucht und ist nun
auch mehrfach geprift daß das Krankheits-Bild des Y. nun doch keine
Verstellung waren und das Erbrechen nun doch in Wirklichkeit nicht nur
ein Husten ist ... ich habe keinen Verrückten auch keinen Splönigen
oder Hochgradigkeits Nörfößen Mnn, ... und es war meine Flicht mich
der Polizei Anzuschließen. ... “
Am 30. XII. 08 wird darauf Y. die Rente auf 9 Monate entzogen.
Jetzt legt Y. Berufung dagegen durch einen Rechtsanwalt ein, nach¬
dem seine Berufung durch das Schiedsgericht abgewiesen. Die Berufung
wird im November 1909 vom Reichsversicherungsamt zurückgewiesen.
Vom 1. Dezember 1909 erhält Y. wieder Rente, gleichzeitig wird
der Kreisarzt aufgefordert, ihn unvermutet in seiner Wohnung aufzu¬
suchen und ein ausführliches Gutachten über seinen Zustand und darüber
abzugeben, ob durch eine Unterbringung des Verletzten in einer geschlosse¬
nen Anstalt mit Wahrscheinlichkeit eine nennenswerte Besserung in dem
Zustande erzielt werden kann. ... Der Kreisarzt wird gebeten, bei der
Sachlage den Besuch gemeinsam mit Dr. D. zu machen. Er berichtet im
Januar 1910, daß sie zwei vergebliche Besuche gemacht hätten. Bei dem
ersten Besuch sei ihnen überhaupt nicht aufgemacht, bei dem zweiten
hätten sie Y. wohl und gesund aussehend im Bett liegend gefunden. Er
hatte eine Weste und anscheinend auch eine Hose an, doch konnte man
das nicht genau sehen, da er krampfhaft das Bettdeck festhielt und sich
jede Untersuchung, ja jede Berührung verbat. Er schalt sofort auf Dr. D.,
sprach klar und flüssig, nur selten von Hüsteln unterbrochen. Auch der
Kreisarzt glaubt, daß bei Y. eine schwere Unfallhysterie vorliegt, die am
besten in einer geeigneten Anstalt behandelt werde. Daraufhin beschließt
die Berufsgenossenschaft erneut die Unterbringung in einer Landes-Heil-
und Pflegeanstalt, doch könne sie auch im Krankenhaus zu O. durch¬
geführt werden.
Dementsprechend wird beschlossen.
Y. sendet den dahingehenden Bescheid zurück (Februar 1909):
„Gegen die Sektion II. Wird Ihnen das Schriftstück durch Zusend aber-
mahlz zurückgesand und Belästigen Sie uns nicht mehr mit Dr. D. uns
Steht er nicht zu Diesen Verwenden Sie ihn wo Sie wollen auch Sehen Sie
zu was Sie mit dem Schriftstück des Dr. D. Anfängen, die Sache war
den doch ein bisgen über den Strich, solche Behandlung sind wir nicht
gewöhnt, da missen Sie den doch Anderweitig mit ihren Anträgen und
Drohungen vor gen, wir sind es Satt, wir Zeigen Ihnen Getzt vor Bestimmt
wo Y. hingehört, da misten wohl keine Gesetze und andere Ärste nicht
mehr da sein ... und Verlangen die Sechs Monat Rükstand 1. Oktober
07 —1. April 08 und vom 1. April bis 1. Dezember 09 und von andern
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W. Tintemann,
Drohung suchen wir unser REchtauf einen andern Weg mage es ausfallen
wie es will ... “Am 23. II. 09 fordert der Staatsanwalt in einem Vorver¬
fahren gegen den praktischen Arzt Dr. D. wegen Beleidigung des Y. die
Akten der Berufsgenossenschaft ein.
Im April zum Schiedsgerichtstermin geladen, senden die Y. die Auf¬
forderung zurück, da sie die Klage gegen die Berufsgenossenschaft bei der
Staatsanwaltschaft anhängig gemacht hätten. „In doppelter Ausführung
durch Einschreibbrief die Eheleute Y.“ In einem weiteren Briefe heißt es:
„...müssen wier bedauerlicherweise (den Termin) ablehnen, da ein Ver¬
fahren gegen die Sektion und ihre Vertrauten schon eingeleitet ist und wir
das Hungern nicht mehr ertragen können. ... Diese Treiberei geht nun
ununterbrochen schon von April 1906! — So mag die Sektion vor dem
Königl. Staatsanwalt aussprechen, wer ihr zu solchen Beleidigungen und
Strafverpannungen die Berechtigung gab, und gegen Y. getrieben hat,
die Sache muß ihren Abschluß finden, solchen Schandfleck dulden wir
unter keinen Umständen in unserer Familie, das Sie dies stets verheim¬
lichten, so sind wir nun direkt in der Lage, es Ihnen vor der K. Staats¬
anwaltschaft aussprechen zu können, und Sie mit Schimpf und Schande
vor aller Welt dastehen. Es wird Ihnen hiermit kund getan, daß die Sache
bereits vor der K. Staatsanwaltschaft liegt und keine schiedsgerichtlichen
Verhandlungen mehr stattfinden können.“
Mit Ablauf April 10 wird die Rentenzahlung wieder eingestellt für
18 Monate.
Am 20. Januar 1911 teilt der Schutzmann X. mit, daß er bei seinen
wiederholten Besuchen den Y. stets außerhalb des Bettes angetroffen, bei
seinem letzten Besuche habe Y. mit einem Stock in der Hand die Tür
geöffnet und ihm gesagt, er verkehre nur mit höheren Instanzen.
In einem Schreiben vom 29. I. 11 teilt der Polizeipräsident mit, er
habe die Ehefrau Y. aufgefordert, wegen der Rente nochmals vorstellig zu
werden. „Wenn Y. sich bei seiner Armut eine so hohe Rente entgehen läßt,
so ist das nur damit zu erklären, daß er geistig nicht normal ist, als geistig
normaler oder weniger geisteskranker Mensch würde er sich der Anstalts¬
behandlung nicht entziehen. Wenn auch die Annahme des Reichsver¬
sicherungsamtes richtig sein mag, daß die bei Y. als Unfallfolge bestehende
nervöse Erkrankung durch eine ordnunggemäße Behandlung in einer
Heilanstalt gebessert werden kann, so hätte es doch bei richtiger Würdigung
des angegebenen Gesichtspunktes zu einem andern Ergebnis kommen
müssen. § 23 Abs. 2 des Gewerbe-Unfallversicherungsgesetzes kann m. E.
keine Anwendung finden, denn der Verletzte entzieht sich der Maßnahme
der Berufsgenossenschaft nicht freiwillig und ohne triftigen Grund, es liegt
vielmehr ein subjektiv und objektiv triftiger Grund für Y. vor, er hält sich
für geistig normal, und der Gedanke an eine Anstaltsbehandlung ver¬
schlimmert seinen ohnehin hochgradig nervösen Zustand“.
Die Berufsgenossenschaft bedauert, der Anregung nicht folgen zu
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Unfall and Paranoia.
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können, da Zweifel bestehen, ob Y. wirklich in so nennenswertem Grade
durch Unfallfolgen behindert ist, wie er es nachgewiesenermaßen vorzu¬
täuschen versucht. Die Ehefrau hat offenbar keinen günstigen Einfluß
auf ihn. Der einzig gangbare Weg scheint zu sein, daß Y. auf Grund seines
Verhaltens und der Tatsache, daß er seine Familie schwer schädigt, ent¬
mündigt und für ihn ein Pfleger — aber nicht seine Ehefrau — bestellt
wird. Dann müßte er sich einer Behandlung fügen (Februar 1911).
Am 16. III. 11 erklärt Frau Y. zu Protokoll, daß ihr Ehemann sie
durch Schlagen derartig mißhandelt hat, daß es ihr unmöglich ist, ihn
längere Zeit im Hause zu behalten. Er bekommt des öfteren Wutanfälle_
Die Berufsgenossenschaft schreibt darauf an das Amtsgericht und
bittet unter Vorlegung eines Gutachtens, Y. zu entmündigen auf Grund
des § 144 des Gewerbe-Unfallversicherungsgesetzes. In diesem Gutachten
heißt es unter anderem:
„Leider hat die Ehefrau trotz der wohlwollenden Einflüsse ... ihren
Mann stets in seinem Verhalten unterstützt und hat an Stelle der hohen
Rente ... lieber Fabrikarbeit geleistet, um sich und ihre Familie zu er¬
nähren. Den Grund hat sie mir nun in einer gestrigen Unterhaltung
gestanden. Sie hat Furcht vor ihrem Manne. Sie gibt jetzt zu, daß er
ständig in Ideen lebe, daß er vergiftet werde und betrogen, er ist besonders
in der letzten Zeit deswegen und wegen eines Erbschaftsprozesses, den er
führt, außerordentlich erregt. Er schlägt Frau und Kinder und beschimpft
die Nachbarn. Eine Behandlung muß versucht werden und kann nur
zwangweise nach Entmündigung geschehen. ... “
Von jetzt an verweigert Y. die Annahme aller Briefe und Ein¬
schreibbriefe.
Einen Arzt, der ihn am 22. IX. 11 nochmals untersuchen soll, weist
er hinaus. Das Gutachten des Arztes kommt zu dem Schluß, daß auch
jetzt bei dem vorzüglichen Ernährungszustand des Y. Besserung in einer
Nervenheilanstalt noch zu erwarten sei. H. leide an Unfallhysterie.
Y. wird wieder aufgefordert, sich im Krankenhaus zu melden, es
wird mit Entziehung der Rente auf 3 Jahre gedroht. Eine Zustellung des
Bescheides an Y. ist unmöglich, da auch Frau Y. die Annahme des Ein¬
schreibbriefes verweigert.
Y. wird entmündigt und am 25. VI. 12 ein Vormund für ihn bestellt.
Die Vormundschaft scheint der Berufsgenossenschaft erst im Januar 1915
bekannt geworden zu sein, denn in einem Gutachten von Dr. D. vom August
1914 erwähnt dieser, das Verfahren scheine eingestellt zu sein. Zum Ent¬
mündigungstermin sei Y. nicht erschienen, die Gerichtspersonen habe er
genau so aus seiner Wohnung expediert wie die Ärzte. Nach seiner
Meinung sei Y. ein geisteskranker Mensch, der wohl körperlich leistungs¬
fähig sei, den aber psychische Hemmungen daran verhinderten, die vor¬
handene Betätigungsfähigkeit auszunutzen. Diese Hemmungen würden
in der Häuslichkeit in ungünstiger Weise beeinflußt. Sie zu beseitigen
sei allein langdauernde Anstaltsbehandlung in der Lage.
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W. Tintemann,
Darauf wird das Heilverfahren im August 1914 wieder aufgenommen
und Y. wieder auf ge fordert, sich in die Anstalt zu begeben. Die Bescheide
werden von Y. nicht angenommen.
Im April 1915 wird berichtet, daß der Vormund beabsichtige, die
Behandlung eventuell zwangweise durchführen zu lassen.
Am 28. VIII. 15 verschwindet Y. mit seinem 13jährigen Sohn aus O.
und bleibt zunächst verschwunden. Am 17. X. 15 wird auf dem Bahnhof
in S. ein Mann festgenommen, der ohne Papiere ist und einen Jungen bei
sich hat. Beide verweigern jede Auskunft. Endlich nach mehreren Tagen
gibt der Junge beider Personalien an, und es stellt sich heraus, daß es sich
um Y. handelt. In O. eingezogene Erkundigungen führen zu seiner Auf¬
nahme in die hiesige Anstalt. Auch hier verweigert Y. jede Auskunft, er
begründet das damit, er könne nur einer Partei angehören. Er ergeht sich
in allerlei geheimnisvollen Andeutungen, bittet, ihm sein Verhalten nicht
übelzunehmen, aber er dürfe keine Auskunft geben. Wenn es heraus wäre,
dann freue er sich schon, Auskunft geben zu können. Sein Verhalten
bleibt unverändert, auch als seine Vorgeschichte bekannt geworden ist
und ihm davon Mitteilung gemacht ist. Er macht immer geheimnisvolle
Andeutungen: er habe sich einer andern Behörde angeschlossen und dürfe
deshalb nicht aussagen. Später würde alles herauskommen. Außerdem
wüßten die Ärzte ja doch Bescheid. Jeder Person seiner Umgebung
gegenüber ist er außerordentlich mißtrauisch; als ein anderer Kranker
ganz indifferente Schreibarbeiten auf der Station bekommen hat, wird er
erregt und bittet um Verlegung von der Station, da dieser Kranke zur
Aufsicht bestimmt sei. Was er damit meint, gibt er wieder nicht an, der
Arzt werde schon wissen. Er sähe ein, daß der Anschluß an den Arzt
nicht richtig sei. Als er aus dem Wachsaal herausgelegt werden soll, gerät
er in sehr lebhaften Affekt: er wolle dort in der Mitte liegen bleiben, damit
jeder ihn sähe, was er täte. Nach Hause zurückzukehren weigert er sich
gleichfalls mit lebhaftem Affekt, er müsse seine Reise fortsetzen. Eines
Abends explodiert er. Er hält den Direktor, der zufällig auf der Station
ist, wichtig und lebhaft zudringlich fest mit der Mitteilung, daß er ihm
alles anvertrauen wolle. Er schlägt ihm vor, sie beide wollten Zusammen¬
halten und Zusammenarbeiten. Es handle sich um eine Erbregulierung.
Der Spediteur X., dessen Vater ein Cousin seiner Mutter gewesen wäre,
sei vor einer Reihe von Jahren gestorben und habe über ein Million hinter¬
lassen. Die andern Erben, 9 Parteien, hätten ihr Teil bekommen, wie sie
ihm selbst gesagt, ihm würde es vorenthalten. Sein Teil läge auf dem
Rathause, seine Frau hätte schon heimlich davon bekommen. Er pro¬
zessiere schon lange. Aber alle ließen ihn im Stich. Da habe er ins Ausland
gewollt, um es dort in die Presse zu bringen. Er sei an der Grenze aber
festgenommen worden. .Wenn der Direktor auf seine Seite treten wolle,
solle er Zins und Zinseszins des Kapitals haben. Außerdem bekäme er
noch von 9 Monaten 78 M. Unfallrente, davon solle der Direktor die Hälfte
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Unfall und Paranoia.
325
•haben. Die nächsten Tage ist Y. sehr lebhaft, läuft unruhig im Garten
umher und macht viele unverständliche Andeutungen. Er beobachtet
seine Umgebung fortdauernd auf das genaueste, mischt sich in alles ein,
sieht in allem Beleidigungen, ruft das Wartpersonal zum Zeugen auf
bezüglich beleidigender Äußerungen, die der Arzt seiner Meinung nach
gegen ihn tut, droht auch mit Anzeigen beim Staatsanwalt, läßt sich
Papier geben, schreibt den ganzen Tag, versteckt seine Elaborate stets
unter dem Kopfkissen, zeigt sie niemandem. Eines Tages muß er, da er
sich in Anordnungen mischt, zwangweise unter heftigen Protesten aus
dem Saal entfernt werden und stößt sich dabei etwas am Bein, seitdem
hinkt er demonstrativ.
Von seinen früher geklagten Beschwerden, Husten, Blutspucken,
Schwäche usw., ist nichts mehr vorhanden, er bewegt sich schnell und
gewandt. Auch als mit ihm über seine früheren Beschwerden zu sprechen
versucht wird, kehrt keine derselben wieder.
Eine Intelligenzprüfung eingehenderer Art mit ihm anzustellen,
gelingt leider nicht. Körperlich ist Y. ein kleiner, gut genährter Mann
mit einer Reihe von Degenerationszeichen und Spuren alter Rachitis.
Eine von der Ehefrau des Kranken eingezogene Auskunft besagt,
daß Y. wirklich eine Erbschaftssache anhängig gemacht hat, daß dieselbe
aber keine großen Fortschritte mache, da man ihn für verrückt halte.
Daran, daß Y. geisteskrank ist, an einer chronischen Paranoia
leidet und zurzeit anstaltspflegebedürftig ist, kann nicht der geringste
Zweifel bestehen.
Zugleich ist mit der Aufnahme in die Irrenanstalt auch der Zweck
des Kampfes, den die Berufsgenossenschaft die letzten Jahre mit dem
Verletzten führte und nach der Sachlage führen mußte, endlich, wenn
auch in etwas weitläufiger Weise, erreicht, die Situation ist geklärt.
„Der Komödie ist ein Ende bereitet.“ Es entsteht die Frage, ob dies
nicht einfacher, kürzer und mit weniger Aufregungen, Arbeit und
Ärger für beide Parteien möglich gewesen wäre. Die Berufsgenossen¬
schaft ist, das muß hier ausdrücklich hervorgehoben werden, mit
einer ganz außerordentlichen Geduld, Langmut und Milde gegenüber
dem Verletzten vorgegangen, um eine Nachuntersuchung möglich zu
machen, und doch waren alle angewandten Mittel unnütz und mußten
versagen, weil sich Y. damals, als er anfing, sich methodisch gegen
jede Untersuchung und Beobachtung in einem Krankenhaus zu wehren,
bereits im Anfangsstadium einer ausgesprochenen Geisteskrankheit
befand. Man kann in den Akten, ich möchte sagen, Schritt für Schritt
verfolgen, wie aus dem Verfolgten der Verfolger wird, wie alle die
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326
W. Tintemann,
psychogenen Züge in seinem Krankheitsbild der ersten Zeit von ihm
abfallen und immer reiner die Paranoia zum Vorschein kommt. Er
spuckt nicht mehr, er bricht nicht,mehr, er hustet nicht mehr und
hinkt nicht mehr, aber er bleibt jeder Belehrung unzugänglich, jeder
Arzt ist sein Feind, er sieht in Allem Machenschaften gegen sich, äußert
Vergiftungs- und sonstige Wahnvorstellungen. Schon 1906/07 sind
beide in ihren Anfängen nachweisbar. Die von ihm geäußerten Beein¬
trächtigungsvorstellungen sind auch schon früh aufgefallen, aber eine
lange Zeit nicht in ihrer Bedeutung voll gewürdigt worden. Der
Hauptnachdruck ist immer im Krankheitbilde auf die Hysterie gelegt
worden. Das ist auch, wenn man die ganze Entwicklung des Krank¬
heitbildes verfolgt, erklärlich. Man muß ohne weiteres zugeben, daß
im ersten Teil des Krankheitbildes, in dem die hysterischen (psycho¬
genen) Symptome so ganz außerordentlich überwogen, der Verdacht
einer Übertreibung und selbst einer Simulation außerordentlich nahe
lag, gegenüber dem objektiven Befunde. Aber diese Übertreibung
war nur ein Krankheitsymptom. Auch das ist bald erkannt worden,
dagegen blieb lange unerkannt, daß diese Unfallhysterie nur das
Bindeglied zur Entwicklung einer Paranoia chronica war.
Es lassen sich in dem ganzen Krankheitbilde des Y. sehr gut
zwei verschiedene Stadien unterscheiden, in der ersten Zeit ein hysteri¬
sches, mit leise anklingenden Beeinträchtigungsvorstellungen, dann
die Entwicklung zur Paranoia mit einem schließlich fast völligen
Zurücktreten der hysterischen Symptome und Wahnideen, die über
den ursprünglichen Kreis der Beeinträchtigungsvorstellungen bereits
hinausgehen. Die querulatorischen Züge spielen im ganzen Verlauf
nur eine untergeordnete Rolle, Y. queruliert eigentlich nur, wenn er
angegriffen wird.
Die jetzt vorliegende psychische Erkrankung muß als Unfallfolge
angesehen werden. Es liegt ein Trauma mit einer erheblichen Er¬
schütterung des Körpers (und Beteiligung des Schädels?) vor, bald
nach dem Unfall wird eine gesteigerte Erregbarkeit des Nervensystems,
„die man als Anfänge einer traumatischen Neurose“ erklären könnte,
festgestellt, von ihr laufen zunehmende Brückensymptome hin zur
ausgesprochenen Geisteskrankheit. Vor dem Unfall war Y. völlig
erwerbsfähig.
Das Bindeglied zwischen beiden darf auch in diesem Falle, ohne
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HBIffll. ITY OF MICHIGAN
Unfall and Paranoia.
327
zu sehr ins Gebiet der Hypothese zu gehen, in einem Zustande der De¬
generation und geistigen Schwäche gesucht werden, obwohl die An¬
stellung einer Intelligenzprüfung zurzeit nicht möglich ist. Y. hat
eine schwachsinnige Tochter. Sein ganzes Verhalten und Benehmen
selbst, seine Eingaben bieten nicht nur die Kennzeichen einer sehr
geringen Bildung, sondern offenbaren auch eine sichtliche geistige
Schwäche.
Die angestrebte Besserung durch Behandlung in einer geschlosse¬
nen Anstalt wird kaum zu erzielen sein. Eine Kapitalabfindung zur
richtigen Zeit hätte vielleicht vermocht, dem Verlauf eine andere
Wendung zu geben.
Die Frau, der ein ungünstiger Einfluß auf den Krankheitzustand
ihres Mannes zugeschrieben wird, ist aller Wahrscheinlichkeit nach
— ebenso wie der Sohn — induziert, nach einem Briefe hält sie offenbar
auch heute noch nicht die Wahnvorstellungen Y.s bezüglich der
Millionenerbschaft für krankhaft.
Zeitschrift für Psychiatrie. LXXII. 4.
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Psychosen bei Frauen im Zusammenhang mit
dem Kriege.
Von
W. Suckau, Assistenzarzt in Frankfurt a. M.
Bei einer Zusammenstellung von Kriegsneurosen und Psychosen
auf Grund der gegenwärtigen Kriegsbeobachtungen liegt die Frage
nahe, was man überhaupt von den Kriegsbeobachtungen an allge¬
meinen Erkenntnissen auf dem Gebiete der Neurosen und Psychosen
erwarten darf. Soviel läßt sich schon jetzt übersehen, daß wir kaum
neue Krankheitstypen finden werden, vielmehr werden die pathogenen
Schädlichkeiten des Krieges den bereits bekannten zum mindesten
der Quantität nach entsprechen.
Wir können die Neurosen und Psychosen des Krieges einteilen in
solche, die im Felde, und solche, die in der Heimat erworben wurden,
und bei letzteren Männer und Frauen gesondert betrachten. Im
Folgenden will ich nur auf die Psychosen der Frauen eingehen, soweit
der Krieg auf sie eingewirkt zu haben scheint, vorher aber kurz die
Literatur berühren.
Was das Allgemeinpsychologische und Pathopsychologische anbe¬
trifft, so sagt Birnbaum * über die allgemeinen psychischen Verände¬
rungen, die unter dem Einflüsse des Krieges und insbesondere des
Kriegsausbruches zustande kamen, folgendes:
Wollte man versuchen, all diese plötzlichen und weitgehenden seeli¬
schen Umgestaltungen einheitlich zu fassen, so ließe sich dies wohl am
ehesten durch Heraushebung eines Phänomens, des akuten Überwertig¬
werdens des Kriegskomplexes, ermöglichen. Die starke Heraushebung
und die absolute Vorherrschaft dieses einen, Vorstellungskreise von aller-
stärkstem Gefühlswert umfassenden, Gedankenkomplexes im Bewußtsein
und überhaupt im ganzen seelischen Leben, wie sie das W'esen der Über¬
wertigkeit ausmacht und — zum mindesten am Anfang des Krieges — in
ausgeprägtester Weise hervortrat, erklärt die verschiedensten Erscheinun¬
gen, so die völlige Beherrschung der Gedankenwelt, die nur auf ihn gerichtet
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Psychosen bei Frauen im Zusammenhang mit dem Kriege. 329
war, nun alles nur unter diesem einen Gesichtspunkt betrachtete und damit
in Verbindung brachte; die vollkommene Absorption des Interesses, das
nunmehr keine andern Interessen mehr kannte und selbst von den wichtig¬
sten, bisher dominierenden persönlichen Dingen ganz abgelenkt und weg¬
gezogen wurde. Der allgemeine ethische Hochschwung, der mit dieser
Außerachtlassung der Sorge um das eigene materielle und körperliche Wohl
Hand in Hand ging, ist besonders aufgefallen.
Die Nichtbeachtung der eigenen körperlichen Beschwerden, des
Hauptinteressenkreises für viele, hat nach Leppmann 14 selbst im Gefängnis
trotz gleichbleibender Kopfzahl der Gefangenen die Zahl der Vormeldungen
zum Arzt vom 1. Kriegstage an mit einem Ruck auf die Hälfte und tiefer
zurückgehen lassen und nach Hocke * die Luxussanatorien geleert, so daß
von einer Besserung des nervösen Durchschnittszustandes in gewisser
Richtung bei der Zivilbevölkerung die Rede sein könnte. Weiter erklärt
sich aus dieser Überwertigkeit des Kriegskomplexes jene Umwälzung im
Wertungsbereich, jene Nivellierung aller bisherigen Werte, jene Verschie¬
bung aller sonst geltenden Wertmaßstäbe und Aufhebung sämtlicher
Wertabstufungen, die alle bisher schwerwiegenden Unterschiede, alle
bisher hochgehaltenen Differenzen und Gegensätze im sozialen, wirt¬
schaftlichen, konfessionellen, politischen Leben auf einmal umwarf und
zum Schwinden brachte. Auch der ungewöhnlich starke und lebhafte
Gefühls- und Willensimpuls, der überall da zur Geltung kam, wo dieser
nunmehr allein noch bedeutsame, alles beherrschende Lebenswert in
Frage kam (Kriegsfreiwillige 1), läßt sich zwanglos auf diese Verschiebung der
seelischen Maßbeziehungen zugunsten eines Inhalts, die Monopolisierung
der Gefühlstöne für diesen einen Komplex zurückführen.
Bonhoeffer 4 weist auf die durch die starken Aflektstöße beim Kriegs¬
ausbruch erzeugte Störung des Affektgleichgewichts hin und sagt: wenn
man der Symptomatologie der eigenartigen, damals auf der Straße herr¬
schenden Stimmung nachgeht, so ist es interessant, daß sie in den wesent¬
lichsten Zügen das zeigt, was wir beim Einzelindividuum aus der Patho¬
logie des Affektes bei den überwertigen Ideen kennen. Es gab da eine Fülle
von Mißdeutungen, welche damals die harmlosesten Erscheinungen im
Sinne der vorgestellten Gefahren auf fassen ließen. Es war das nichts
anderes, als was wir unter dem Einfluß gesteigerter oder krankhafter
Affektwirkung als Beziehungswahn kennen. Die drei Spione, die mir
damals zur Beurteilung kamen, geben charakteristische Beispiele dafür.
Der erste war vom Publikum ergriffen und als Spion entsprechend be¬
handelt worden, weil er coram publico auf eine Mauer geklettert war, um
in einen Kasernenhof hineinzusehen. Man hätte sich bei geringerer Affekt¬
spannung sagen können, daß der gewählte Weg nicht der bei einem Spion
vorauszusetzenden Schlauheit entsprach. In der Tat hatte es sich um
einen Imbezillen gehandelt, der schon früher in Behandlung gewesen war.
Für die Festnahme des zweiten Spions hatte es genügt, daß er in seinem
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330
W. Suckau,
Äußeren den polnischen Juden und den Ausdruck hilfloser Angst zu er¬
kennen gab, bei dem dritten hatte die Tatsache, daß er viel gereist, beruflos
war und bei mäßiger Equipierung verhältnismäßig viel Geld besaß, aus¬
gereicht, die Verhaftung zu veranlassen.
Eine zweite zu dem Gebiete der Massenpathopsychologie gehörende
Erscheinung erwähnt Bonhoeffer noch, nämlich die erstaunliche Leichtig¬
keit, mit der sich im Publikum Gehörtes in kürzester Zeit in der Erinnerung
umgestaltete und einen der gerade überwertigen Idee entsprechenden,
mit dem Gehörten oft nur entfernt ähnlichen Inhalt annahm, so z. B., daß
die Nachricht der Niederlage der aus Beifort gegen Mülhausen vorge¬
rückten französischen Truppen mit größter Geschwindigkeit trotz aller
inneren Unwahrscheinlichkeiten die Nachricht von dem Falle Beiforts
wurde.
Im Hinblick auf jene Phänomene hält Roth 22 die durch die Affekt-
erregung gesteigerte Empfänglichkeit weiterer Kreise für Ideenübertragjun¬
gen für geistige Infektion, Stelzner 28 spricht sogar direkt von „aktuellen
Massensuggestionen“.
Von den Beobachtungen über die natürlichen seelischen Wirkungen
der Kriegserregungen beim Heere im Felde sagt Birnbaum *, daß sie so
gut wie ganz fehlen, wenngleich es von besonderem Werte wäre, wenn
geübte Fremd- und Selbstbeobachter neben den aus Feldpostbriefen be¬
kannten seelischen Äußerungen des Mutes, der Tapferkeit, des Gleich¬
muts, der Geistesgegenwart usw. auch jene schildern würden, denen man
sonst bei katastrophalen Ereignissen in Leib und Leben bedrohenden
Situationen immer wieder zu begegnen pflegt, und die pathogenetisch
schwerer ins Gewicht fallen.
Weygandt 27 erwähnt Selbstbeobachtungen von Kämpfern, bei denen
im Kugelregen die Affekte ganz zurücktratf n, und bringt dies in Be¬
ziehung mit dem lekannten Auslöschen der Affekte, jenem eigentümlichen
Gleichmut und Apathie, wie sie bei Katastro hen (Erdbeben, Eisenbahn¬
unglücken, Grubenunglücken und dergleichen) von Balz, Stierlin**,
d’Abundo 1 und Kreuser 11 und andern bes hrieben wurde.
Aus Münzers 19 direkt im Felde gewonnenen psychologischen Beob¬
achtungen ersehen wir, daß auf dem Schluhlfelde eine Reihe von Ein¬
drücken von wechselnder Art und Stärke auf den Verwundeten einwirken,
so der Wundschmerz, Fehlen von Speise und Trank, Ausharren im Kugel¬
regen usw.
Neumann 20 erwähnt auf Grund seiner Feldbeobachtungen, wie durch
Kleinigkeiten (Eintreffen der Post, Witze usw.) die Stimmung der Kom¬
pagnie gehoben werden konnte, und teilt zur Charakteristik der psychischen
Wirkungen der Krie sereignisse mit, daß ein übler Trinker während einer
heftigen Kanonade in einem vollen Weinkeller saß und nichts trank.
Roth 22 weist auf den Zufluß an Nervenenergie hin, den Zuwachs an
Nervenspannkraft, der dem Heere aus der allgemeinen Begeisterung und
andern geistigen und ethischen Kräften Zuströme.
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Psychosen bei Frauen im Zusammenhang mit dem Kriege. 331
Auf die einzelnen Krankheitsformen, wie sie bei den Soldaten des
Feldheeres aufgetreten sind, näher einzugehen, würde zu weit führen, ist
auch nicht die Aufgabe dieser Arbeit, da hier uns die Zivilbevölkerung,
speziell die weibliche, interessiert. Ich weise auf die Aufsätze von Mendel u .
Wollenberg **, Bonhoeffer 8 , Oppenheim fl , Meyer ls , Singer 14 und Hahn *
hin, die die einzelnen Krankheitsformen bei den Soldaten (psychogene
Störungen, Schreckneurosen, hysterische Zustände, traumatische Neurosen,
Neurasthenie und psychisch-nervöse Erschöpfungszustände, Alkoholismus,
Epilepsie, progressive Paralyse, Dementia praecox, manisch-depressives
Irresein, Imbezillität, symptomatische Psychosen und andere funktionelle
Nervenstörungen) genau beschrieben haben.
Über die Häufigkeit der Psychosen und Neurosen im gegenwärtigen
Kriege kann man selbstverständlich noch keine erschöpfende Statistik
aufstellen. Der allgemeine Eindruck bei den Beobachtungen im Felde
sowohl wie in der Heimat ist der, daß sie viel seltener Vorkommen, als
man erwarten mußte. Während nun vorauszusehen ist, daß bei den
Kriegsteilnehmern, wie im Burenkriege und im russisch-japanischen
Kriege, auch in diesem Feldzug eine Zunahme der psychischen Störungen
erst gegen Ende des Krieges oder nachher erfolgen wird, ist anzunehmen,
daß bei der Zivilbevölkerung eine Steigerung der Erkrankungszahl während
der Mobilmachungsperiode zu verzeichnen sein wird. Gerade die Mobil¬
machungsperiode hat auf die Zivilbevölkerung besonders erregend gewirkt,
und da der Krieg anerkanntermaßen ein starker Reizfaktor ist, so
sind im Zusammenhang mit ihm abnorme Ausprägungen psycho¬
pathischer Veranlagungen, ungewöhnliche Verstärkungen bestehender
psychopathischer Züge sowie psychopathische Reaktionen auf natürliche
Reize genügend aufgetreten. Solche Erregungs- und Verwirrtheitszu¬
stände zum Teil hysterischen Charakters, Phobien, Angst- und depressive
Zustände, wie sie von Hoche 9 und Bonhoeffer 4 beschrieben werden, werden
wir in den Krankengeschichten, die am Schluß dieser Arbeit angeführt
werden, finden. Interessant sind auch die Ausführungen von Wollen-
berg" und Singer * 4 über die Erregungszustände der Zivilbevölkerung in
der Zeit der Mobilmachung. Wollenberg führt speziell in dieser Periode
aufgetretene Erregungszustände der Psychopathen an, die sich meist durch
schwere Angstaffekte auszeichneten und zuweilen mit religiös exaltierter
Färbung und pathetischer Redeweise einhergingen. Der Gedanke, für einen
Spion gehalten und erschossen zu werden, spielte dabei eine große Rolle.
Meist beruhigten sich solche Kranken sehr bald. Es handelte sich in solchen
Fällen meist um krankhaft veranlagte, mehr oder weniger schwachsinnige
Individuen, bei denen noch als Nebenursache der Alkoholmißbrauch eine
Rolle mitspielte. Singer ** erwähnt Erregungszustände, in deren Verlauf
Schlaflosigkeit, Beklemmungsgefühle, funktionelle Krämpfe auftraten.
Er erzählt von zwei erblich belasteten Jungen von 16 und 17 Jahren, die
in der Mobilmachungsperiode jede Nacht pavor nocturnus-ähnliche An-
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332
W. Suckau,
fälle bekamen, wobei sie unter ängstlicher Erregung aus dem Bett sprangen,
die Arme zum Schießen anlegten und unter dem Ruf: „Die Russen 1“ auf
den Ofen einhieben. Nachher fehlte beiden die Erinnerung an das Vor¬
gefallene. Kaie 11 führt Beobachtungen von Angstzuständen an mehreren
6—10 Jahre alten Kindern, vorwiegend Mädchen, an, die mehr oder
weniger schwer belastet, aber bisher völlig gesund, durch Erzählungen
vom Kriege und seinen Greueltaten geängstigt worden waren und infolge¬
dessen daran denken mußten. Die Kinder wurden blaß und schlaff mit
müdem, melancholischem Gesichtsausdruck, hörten von Zeit zu Zeit mit
Spiel oder irgendeiner anderen Beschäftigung auf, träumten vor sich hin
oder liefen unruhig hin und her. Nach einiger Zeit, 5—15 Minuten, be¬
gannen sie wieder mit ihrer Tätigkeit. Katz 11 beobachtete auch in dieser
Zeit äußerst häufig Fälle von Enuresis nocturna und Pollakiurie und
glaubt, daß diese Fälle psychischen Ursprungs seien.
Auch Cimbal • und Fuchs 7 sprechen von Mobilmachungspsychosen;
interessant sind uns besonders die Ausführungen von Fuchs, der die Dia¬
gnose „Mobilmachungspsychose'* ätiologisch-symptomatologisch aufgefaßt
haben will. Man muß daher annehmen, daß er damit eine besondere Krank¬
heitsform bezeichnet. Er nimmt an, diese Mobilmachungspsychose sei
eine Geisteskrankheit, die aus einer primären, durch die Mobilmachung
erzeugten Erregung hilfloser Angst mit einer Art von logischer Steigerung
herausgewachsen ist. Er sieht also in der Mobilmachungspsychose eine
Art psychogener Störung besonderer Färbung, die unter dem Einfluß der
Mobilmachungsaufregung und durch sie symptomatologisch bestimmt ist.
In einem neueren Aufsatz von Meyer 19 über den Einfluß kriegerischer
Ereignisse auf die Entstehung geistiger Störungen in der Zivilbevölkerung
handelt es sich um eine äußerst interessante Erkrankung dreier Familien¬
mitglieder, Flüchtlinge aus Memel beim Russeneinfall, die von einer der
akuten Halluzinose der Trinker entsprechenden Störung gleichzeitig be¬
fallen wurden. Schwere körperliche und seelische Erschöpfung wirkten
hier offenbar nicht psychogen, sondern wie ein körperliches Leiden mit
dem gleichen Effekt. Die Krankheit verlief im wesentlichen als traum¬
hafte Bewußtseinstrübung mit sehr zahlreichen, außerordentlich lebhaften
Sinnestäuschungen auf allen Gebieten, mit besonders vielfachen illusio¬
nären Ausdeutungen und Wahnideen, starker Angst und Erregung; beson¬
ders bezeichnend war die eigenartige wahnhafte Verfälschung der gesamten
Vorkommnisse, alles erschien ihnen geheimnisvoll, voll dunkler Andeutun¬
gen und Beziehungen, verändert, wie weit entfernt wirklich und doch un¬
wirklich, wie auf der Bühne. Dabei haben die wahnhaften Andeutungen
im Verein mit den Halluzinationen und Illusionen sich zu einem Wahn¬
system zusammengeschlossen, in dem alle die an sich rätselhaften Vor¬
kommnisse für die Kranken innerlich zusammenhängend und logisch be¬
gründet erschienen. Dabei war anscheinend stets die Orientierung zur
Person, meist auch die über Ort und Zeit erhalten, und das äußere Ver¬
halten, abgesehen von zeitweisen Erregungen, im wesentlichen geordnet.
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Psychosen bei Frauen im Zusammenhang mit dem Kriege. 333
Järger 10 veröffentlicht Krankengeschichten von 17 Fällen, bei denen
das Auftreten eines katatonischen Anfalls auf das psychische Trauma der
Mobilisierung mit ihren Aufregungen zurückgeführt werden mußte. In
allen Fällen konnte die Diagnose auf Schizophrenie schon aus der Anamnese
gestellt werden; es handelte sich teils um Personen, die schon lange vorher
manifest krank waren, teils um solche, die sich im Remissionsstadium be¬
fanden, als der neue Anfall einsetzte, teils endlich um solche, die früher
praktisch als gesund galten. Der Anfall äußerte sich als leichter Dämmer¬
zustand mit stets ängstlicher Aufregung. Diese Arbeit ist für uns deshalb
insbesondere interessant, weil hier 4 Frauenfälle mit angeführt werden,
die mit den später zu beschreibenden gewisse Ähnlichkeiten besitzen;
auch hier ging der Anfall in ein mehr oder weniger chronisches Stadium
über, während er bei den Männern rasch abklang.
Der Einfluß des Krieges auf schon bestehende Geisteskrankheit bei
den Soldaten ist von den obenerwähnten Autoren genau beschrieben,
ln diesem Falle waren meist Verschlechterungen des Zustandes, Ver¬
stärkung und Häufung von Anfällen und sonstigen episodischen Störungen
bei Psychopathie, Epilepsie, Hysterie, psychogener Disposition eingetreten.
Bei der geisteskranken Zivilbevölkerung erwies sich der Einfluß des Krieges,
der im Gegensatz zum Felde nur ein ganz begrenzter und rein psychischer
sein kann, verhältnismäßig als ein ganz geringer. Unter diesem Gesichts¬
punkte sind von Meyer 17 die Geisteskranken der Königsberger Klinik
untersucht worden, wie weit die Wellen der Erschütterung, die mit dem
Kriege die gesamte Bevölkerung trafen, diese Psychosen erreichten und
beeinflußten. Die Bedingungen für eine solche Beobachtung waren inso¬
fern günstig, als es sich hier um eine große Festung, nicht weit von der
russischen Grenze entfernt, handelte. Das Ergebnis der Untersuchung
von 53 Kranken der verschiedensten Art war dies, daß eine nach außen
bemerkbare Beeinflussung durch den Kriegsausbruch bei schon bestehender
Psychose in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle nicht nachweisbar
war, einerlei, welche Krankheitsform vorlag, höchstens bei einem oder
zwei der ziemlich zahlreichen Depressionszustände, die ins Gebiet des
manisch-depressiven Irreseins, der klimakteriellen, senilen und arterio¬
sklerotischen Prozesse gehörten, machte sich eine Steigerung der Angst
und Unruhe bemerkbar. Allerdings kamen, wenigstens bei den ausge¬
prägtesten Fällen dieser Art, hinzu, daß der Heimatsort und damit eigene
Habe ganz besonders gefährdet war. Gegenüber diesem Fehlen einer
äußerlich erkennbaren Einwirkung auf die Kranken war nachzuweisen,
daß der Ausbruch des Krieges als solcher oder zum mindesten der Umstand,
daß etwas Besonderes vor sich ging, in der überwiegenden Mehrzahl zur
Auffassung gekommen war, doch hatten die Kranken den Kriegskomplex
nicht verarbeitet, wenn von den erwähnten melancholischen und vielleicht
einem Paralytiker, der mit der Idee eines schußsicheren Panzers wieder
hervortrat, abgesehen wird. Meyer erklärt diesen mangelnden Einfluß
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334
W. Suckau,
daraus, daß es sich hier nicht um Einzelerlebnisse handle, die im allge¬
meinen bestimmend und richtunggebend für den Inhalt der Wahnideen
zu werden pflegen. Im einzelnen trat bei chronischem Alkoholismus und
ebenso bei Paralyse und Dementia praecox der Ausfall auf affektivem
Gebiete, das Bestehenbleiben der krankhaften Betonung des Ichkomplaxes
klar hervor, bei letzterer insbesondere wieder der Zwiespalt zwischen
gemütlicher Ansprechbarkeit und dem übrigen psychischen Geschehen,
der Gegensatz zwischen mehr oder weniger sachlicher Überlegung und
Mangel der entsprechenden AfTektbetonung. Bei den manisch gefärbten
Krankheitsbildern bestand Teilnahme, aber nicht tief, bei Melancholischen
hinderte die hochgradige depressive Gefühlsfärbung jede Beeinflussung.
Das gleiche Ergebnis hatte auch die Untersuchung von noch 70 weib¬
lichen Kranken der Anstalt Tapiau, nachdem diese tagelang unter schwerem
russischen Geschützfeuer gestanden hatte, mehrfach getroffen war und
einige Tote und Verwundete bekommen hatte. Von diesen Kranken,
meist alten Schizophrenen, sprachen am nächsten Morgen nur einzelne
vom Schießen, einige wollten abends unter das Bett kriechen, zum Teil
wußten sie auch vom Kriege Bescheid, aber eine wirkliche Beeinflussung
bestand trotz schwerer direkter Kriegseinwirkungen auch hier nicht.
Wir kommen nun zu der Frage: Gibt es eine Kriegspsychose im
wahrsten Sinne des Wortes ? Eine lediglich durch den Krieg hervor¬
gerufene Geistesstörung eigener Art? Diese Frage wird von allen
Autoren, Bonhoefjer 4 , Oppenheim 21 , Meyer 1 *, Wollenberg 88 usw.,
strikt vereint.
So wenig es eine Wochenbettpsychose im Sinne einer psychiatrischen
Entität gibt, gibt es eine Kriegspsychose. Der Begriff der Kriegspsychose
stammt aus der Zeit, in der nach dem Inhalt der Wahnvorstellungen ein
religiöser, ein erotischer, ein hypochondrischer, ein Erfinder-, ein Größen¬
wahn als gesonderte Krankheiten gälten. Da während eines Krieges natur¬
gemäß auch der Inhalt der Vorstellungen des Geisteskranken vielfach dem
Kriege und seinen Erlebnissen entnommen wird, so schien es naheliegend,
von Kriegspsychosen in diesem Sinne zu sprechen. Immerhin wird doch
manches Charakteristische an den im Kriege entstandenen psychischen
und nervösen Störungen angeführt, was sie von den unter andern Verhält¬
nissen zustande gekommenen Erkrankungen gleicher Art abhebt.
Da es nun bekannt ist, daß affektbetonte seelische Inhalte die
Tendenz haben, innerhalb einer bestehenden Psychose zur Geltung zu
kommen und sich in den verschiedensten Symptomen und mannig¬
faltigsten pathologischen Formen niederzuschlagen, und da man ohne
weiteres annehmen kann, daß der Kriegskomplex im Symptomenbilde
der Kriegspsychosen entsprechend wirksam wird — dies ist schon
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Psychosen bei Frauen im Zusammenhang mit dem Kriege. 335
durch frühere Kriegserfahrungen (Awtokratow 2 usw.) hinreichend be¬
stätigt worden —, so kann man als Symptomenbezeichnung durch
den Krieg von einer „Kriegsfärbung“ sprechen. Gerade bei den Sol¬
daten ist diese Kriegsfärbung der Symptome, speziell der Sinnes¬
täuschungen und Wahnideen, aber auch des sonstigen Gedanken¬
inhaltes, wodurch der inhaltliche Zusammenhang mit den Kriegs¬
erlebnissen bezeichnend zum Ausdruck kommt (Mendel 14 , Singer 24 ,
Samuel* 3 , Meyer 16 ), vielfach nachgewiesen worden. Auch bei Jörgers
Beobachtungen läßt sich an den Schizophrenien der Mobilmachungs¬
erregung eine gewisse Kriegsfärbung im Inhalt der Halluzinationen
und Wahnideen herauserkennen.
Wenn nun bei dem Manne, speziell bei dem Soldaten dieses Heraus¬
erkennen der Kriegsfärbung keine besonderen Schwierigkeiten macht
und meist deutlich zutage tritt, ist dies bei der Frau in der Heimat
meist nicht so leicht. Denn sie kommt ja mit dem Kriege direkt gar
nicht in Berührung und hört nur indirekt durch ihren Ehemann, Bruder
usw., Lektüre oder übertriebene Gerüchte vom Kriege, seinen Greuel¬
taten und seinen Schrecknissen.
Deswegen ist es auch interessant, solche geisteskranken Frauen
kennen zu lernen und zu sehen, inwieweit der Krieg auf die Psychosen
solcher Frauen eingewirkt hat.
Ich bringe nun 16 Krankengeschichten durchweg solcher Frauen,
deren Ehemänner sich im Felde befinden, bzw. schon gefallen sind 1 ).
Fall 1. Frau K. S., 46 Jahre alt, seit 6 Jahren verheiratet. Mann
zurzeit im Felde. Mutter schwachsinnig, Vater kein Potator.
Pat. leidet schon seit mehreren Jahren an Herzkrämpferi, sie verliert
das Bewußtsein, läßt sich vom Stuhl fallen. Es macht nach Aussagen von
Bekannten den Eindruck von Verstellung. Sie hat sich nie in die Zunge
gebissen, nie benäßt. So ein Zustand dauert nur ganz kurz; wenn sie einen
Anfall gehabt hatte, so schickte sie alle weiblichen Personen weg, wollte
nur Männer in ihrer Nähe haben. Sie trinkt ziemlich stark, nur Schnaps,
ißt nur wenig. Seitdem der Mann im Felde ist, führt sie mit einem Gesellen
die Schlosserei. Pat. hatte ihre Werkstatt dem Militär zur Verfügung
gestellt, es arbeiteten da drei Soldaten für das Heer. Seitdem die Soldaten
dort arbeiten, bekam sie häufig Anfälle, sie ließ sich von den Soldaten ins
Bett bringen. Es wird von den Nachbarn gemutmaßt, daß sie sich mit
Soldaten eingelassen habe und in andern Umständen sei. Eines Tages
l ) Diese Fälle entstammen der Irrenklinik zu Frankfurt a. M. (Dir.
Prof. Dr. Sioli).
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W. Suckau,
wurde sie bewußtlos aufgefunden, die Gashähne waren aufgedreht. Sie
hatte einen sehr verworrenen Brief hinterlassen, es stand darin einiges
von einem Unteroffizier K. (dieser hat öfters bei Pat. revidiert). Am
Tage vor dem Selbstmordversuch waren ihr die Soldaten entzogen worden,
weil sich diese mit ihr zu viel beschäftigen mußten (Kohlentragen, für das
Kind sorgen und dergleichen). — Pat. hat zwei Kinder, das jüngste ist
8 /« Jahre alt, das andere 2 y 2 Jahre; dieses ist schon längere Zeit wegen
Lungenkrankheit im Krankenhause. Pat. äußerte öfters Selbstmord¬
ideen, ließ sich auch manchmal Salzsäure holen. Pat. lebte in ihrer Ehe
nicht glücklich, machte sich Vorwürfe, daß sie keine bessere Partie gemacht
habe. Pat. stillt, hat dadurch gestörte Nachtruhe, hat viel Arbeit und
Aufregung durch das Geschäft. Als Kind war sie kräftig, lernte in der
Schule gut, war 19 Jahre lang Krankenschwester und hatte Freude an
diesem Beruf. — Somatischer Befund: Mittelgroße, kräftige Frau, gut
genährt, innere Organe o. B. Würgreflex fehlt. Dermographismus vor¬
handen. Pupillen und Gang o. B. Zunge gerade heraus. Reflexe etwas
lebhaft. — Während ihres Aufenthaltes im Krankenhause verhält sich
Pat. ruhig, nimmt genügend Nahrung zu sich. Wird nach 8 Tagen ge¬
bessert entlassen.
Fall 2. Frau A. H., 45 Jahre alt. Mann im Felde gefallen. Über
das Vorleben der Pat. nichts bekannt. Seit 11 Jahren verheiratet, 2 Kinder
von 10 und 4 Jahren, gesund, keine Mißfälle. Pat. war stets eine fleißige
und ordentliche Frau, immer gesund, tat nie etwas Auffälliges, stets ver¬
gnügt. Der Mann fiel vor 4 Wochen; vor einigen Tagen bekam Pat. die
Nachricht, regte sich sehr darüber auf, äußerte keine Suizidideen. Eines
Mittags kamen plötzlich die Kinder der Pat. zu einer ihr bekannten Frau
und brachten einen Brief und den Wohnungsschlüssel. In dem Briefe bat
Pat., für die Kinder zu sorgen, sie könne es nicht mehr ertragen, sie wolle
vereint mit ihrem Manne sein; man eilte in ihre Wohnung, fand Pat. be¬
wußtlos, die Gashähne waren aufgedreht. Pat. wurde in die Irrenanstalt
aufgenommen, war in der ersten Zeit sehr unruhig.
Auf unsere Fragen antwortete Pat. ruhig und prompt: [Namen?]
A. H. [Wie geht es Ihnen?] Ich habe etwas Kopfschmerzen und habe
eben gebrochen, aber sonst geht’s mir ganz gut. [Alter?] 45 Jahre. [Wo
sind Sie hier?] Im Irrenhaus. [Warum sind Sie hier?] Mein Mann ist
gefallen. [Haben Sie sich darüber aufgeregt?] Jal [Was haben Sie
sonst gemacht?] Nichts mehr! [Haben Sie nicht den Gashahn aufge¬
dreht?] Nein! [Wollten Sie nicht sterben?] (Schüttelt den Kopf.) Ich
hab’ doch 2 Kinder, da darf ich doch nicht, die muß ich doch großziehen.
[Was haben Sie heute gemacht ?] Es waren Besuche da, haben kondoliert!
[Wieviel Kinder haben Sie?] Zwei! [Wann ist Ihr Mann gefallen?]
Am 5. März. [Wo?] In Rußland! [Wann haben Sie es erfahren?]
Heute vor 8 Tagen. [Warum sind Sie hier?] Ich weiß nicht! [Haben
Sie wirklich nichts gemacht?] Nein — nein! [Haben Sie heute einen
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Psychosen bei Frauen im Zusammenhang mit dem Kriege. 337
Brief geschrieben?] Nein, gestern abend an alle Leute, die mir kondoliert
haben.
Somatischer Befund: Mittelkräftige Frau, mittelstarker Knochenbau,
mäßiger Ernährungszustand, Würgreflex fehlt, innere Organe o. B. Pup.
reag. prompt auf Licht und Konvergenz. Fac. symmetrisch, Motilität
frei und Kniephänomene sehr lebhaft. Gang sicher. Pat. verhält sich
während ihrer Behandlung im Krankenhaus ruhig, nimmt genügend
Nahrung zu sich, schläft gut. Zur Charakteristik ihres Zustandes sei ein
Brief erwähnt, den sie aus dem Krankenhaus an ihren Bruder schrieb.
„Lieber Karll Für deine aufrichtige Teilnahme aus dem Feld sage
ich Dir meinen innigsten Dank. Du weißt ja, was ich verloren habe, und
brauche die frischen Wunden nicht von neuem aufzureißen. Leider bin
ich nicht so leicht darüber hinweggekommen, aber jetzt muß ich tapfer
sein, der lieben Kinder wegen. Lieber Karl, ich werde Dir später von
Josephs traurigem Ende erzählen, jetzt in meinem tiefen Weh ist es mir
nicht möglich, hoffentlich können wir uns später nach dem Kriege die
Hände drücken.
Mit dem Wunsche, daß bald Friedensschluß ist, und Du alle Deine
Lieben wieder siehst, möchte ich schließen und hoffe, daß es Dir bis dahin
gut geht. Mit stillem Gruße:“ Unterschrift.
Fall 3. R. R. 30 J. alt, Ehemann im Krieg. Die älteste Schwester
der P. seit ungefähr 20 J. in einer Irrenanstalt. Die Mutter der P. hat
starke Neigung zu Schwermut. Bei entfernten Verwandten der Mutter
sind 3 Fälle von Geisteskrankheit vorgekommen. Vater gesund. P. war
immer gleich sehr erregt. Als Kind sehr eigensinnig, lernte in der Schule
gut. Seit 6 Jahren verheiratet. Ein Kind von 4 J.; dies sehr zornig, legt sich
auf den Boden und schreit stundenlang, wenn ihm sein Wille nicht getan
wird. Der Mann der P. steht seit der Mobilmachung im Felde. Seit dieser
Zeit ist sie sehr niedergeschlagen, weinte viel, kochte nicht mehr, äußerte,
sie wolle sich mit ihrem Kinde verhungern lassen, wollte fortlaufen, war
besonders abends sehr unruhig. Vor 8 Tagen war der Mann der P. 3 Tage
lang hier auf Urlaub, als er fortging, war sie sehr erregt, erklärte, sie könne
nicht mehr leben, sie habe starke Kopfschmerzen. Es erfolgte darauf Auf¬
nahme ins Irrenhaus. Auf unsere Fragen anwortet P. wie folgt: [Name?]
R. R. [Alter ?] 30 Jahre. [Warum sind Sie hier ? ] Soviel geweint habe ich
und ich möchte doch gerne wieder zu meinem Kind, und tue auch nicht
mehr weinen, ach tun Sie mir doch den Gefallen und lassen Sie mich fort.
Ich muß doch auch arbeiten. Ich habe nur geweint, weil mein Mann fort
ist in den Krieg. Er hat mich jetzt besucht und ist wieder fort und da
habe ich ein Wort gesagt, das war doch nicht so gemeint, meine Schwäge¬
rinnen haben das anders aufgefaßt, man sagt doch viel. [Was haben
Sie gesagt?] Ich müßt’ sterben, icht wollt’ sterben, wenn mein Mann
nicht mehr wiederkommt. Ich tät’ nicht mehr kochen! Wie mein Mann
fort war, habe ich immer wieder geweint, aber ich tu’s nicht mehr, ich
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W. Suckau,
hab’ mir’s gestern vorgenommen. Abends, wenn ich gebetet habe, habe
ich viel geweint, seit dem Kriege, und dann konnte ich nicht schlafen.
Ich und mein Mann hatten uns arg gern, und da fällt’s halt schwer, wenn
er fort ist. Aber ich habe meine Arbeit immer gemacht, war Putzfrau,
und meinen Haushalt habe ich immer gut besorgt; bloß in der letzten
Zeit nicht, da hatte ich Husten, da habe ich ja im Hause alles liegen lassen,
habe gerade nur das Notwendigste für das Kind besorgt.
Somat. Befund: Klein, mittelstarker Knochenbau, mittlerer Er¬
nährungszustand, innere Organe o. B. Refl. lebhaft. Pup. reag. prompt
auf Licht und Konv. Fac. symmetrisch. Zunge gerade heraus. Pat. ist
während ihrer Behandlung im Krankenhaus immer sehr niedergeschlagen,
zeitweise sehr erregt, weint sehr viel, selten macht die Traurigkeit einem
stillen Vergnügtsein, bei dem sie sich unterhält und mit Hausarbeit be¬
schäftigt, Platz.
Nach 3monatiger Behandlung wird sie auf Wunsch ihrer Verwandten
entlassen, doch gegen Revers, da der Entlassung Bedenken entgegenstehen.
In diesen 3 Fällen handelt es sich um Hysterische. Während nun
bei Fall 1 als Krankheitursache der Alkoholmißbrauch hauptsächlich
in Betracht kommt und von einer Kriegsfärbung nicht viel zu ent¬
decken ist, können wir bei den beiden andern Fällen ohne weiteres
annehmen, daß der Krieg das auslösende Moment für die Krankheit
war. Bei Fall 3 kommt noch die hereditäre Belastung hinzu. Hier
geht auch die Kr ankh eit tiefer, so daß der Heilungsprozeß nur lang¬
samen Verlauf nimmt und die melancholische Depression nur schwer
weicht. Nach ca. 8 Monaten erfahren wir von dem Ehemanne, daß
es der Pat. wieder recht gut gehe. Sie habe keine Kopfschmerzen mehr,
fühle sich nicht mehr müde und sei auch nicht mehr furchtsam.
Fall 4. Frau B. G., 30 Jahre alt. Ehemann im Felde. Seit 4 Jahren
verheiratet. Von der Jugendzeit der Pat. kann man nichts erfahren. Der
Mann, der zurzeit auf Urlaub ist, erzählt uns folgendes von dem Beginn
der Erkrankung: Samstag bekam Ref. einen Brief, die Großmutter der
Pat. habe einen Schlaganfall erlitten, worauf sie sofort hinreiste und schon
gestern abend wieder zurückkehrte. Nachts um 2 Uhr stand Pat. plötzlich
auf, stellte sich im Hemd und Mantel vor ihren Mann hin und sagte: „Ich
frisiere mich, früher hatte ich einen Scheitel, jetzt mache ich keinen
Scheitel, da sehe ich schöner aus. Auf Vorhalten des Ref. legte sie sich
wieder zu Bett, sagte: „Die Hex’“ (spuckte aus) „jagt die Hex’ hinaus, ich
schieß’ sie tot.“ Nachher war Pat. bis zum Morgen ruhig. Morgens sagte
sie: „Ich gehe in mein Geschäft, ich kenn’ die Sprach’“ (glaubte, wenn
die Leute husteten, hätte das etwas zu bedeuten, das ginge auf sie). Als
Ref. mittags heimkam, hörte er, Pat. sei im Hofe herumgetanzt und sei
ausgezogen. Zu ihrem Manne sagte sie: „Ich habe ein Geheimnis, ich will
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mein Geheimnis behalten, ich hab’ mein Geheimnis in der Tasche meines
Mantels'(holte aus dem Mantel einen Rosenkranz). Ich habe mein Ge¬
heimnis verraten, weil du mein Mann bist, die Hex’ aber schieß ich tot.“
Ref. rief einen Arzt, der sie in die Irrenanstalt einwies. Pat. ist früher
immer ordentlich gewesen. Nur während der Periode sehr aufgeregt.
Die Antworten der Pat. selbst sind folgende: „[Namen?] Ich habe
keinen Namen, aber ich habe ein großes Geheimnis, ich bin verheiratet,
sagen Sie meinem Mann, er muß kommen, das ist mein guter Schatz, er
muß kommen, er ist unschuldig, das ist mein Geheimnis. [Ist Ihrem
Mann etwas passiert?] Nein (zeigt auf eine Pflegerin, die zur Tür hinaus¬
geht), die muß Ihnen sagen, er muß kommen, der hat ein Geheimnis.
Es wird mir ja schlecht, ich kann nichts vertragen (zeigt auf die andern
Patienten), seht mal, denen geht es gerade so. [Alter?] Ich weiß es ja
gar nicht, ich bin noch so schwach, ich habe Hunger, es ist mir wohl nicht
gut. [Haben Sie schon Stimmen gehört ?] (Pat. ist motorisch sehr erregt,
schwingt die Arme hin und her.) Rufen Sie doch meinen Mann, der muß
kommen (fängt an zu singen, redet dann gleich wieder von ihrem Manne,
schreit). Laßt meinen Mann herein, er ist draußen. Georg, komm’
herein! [Warum sind Sie hier?] Ich weiß nicht! [Sind Sie krank?]
Ja, und ich bin doch nicht krank, es fehlt mir nichts, warum die Ehre,
die Gnade, die Liebe, der Reichtum, das Herz. Jetzt haben sie mich so
gequält, bis aufs Blut, wahnsinnig können sie mich doch nicht machen.
Wenn man einen so quält, und man hat schon so viel Attacken mitgemacht,
und da soll ich mir das auch noch gefallen lassen, nein, das brauch’ ich
nicht! Ach, es war ein Traum!'(ringt die Hände). [Was haben Sie für ein
Geheimnis ?] Nichts habe ich, der da ist, der muß mir die Qual bezahlen,
der Heinrich (zeigt auf eine Patientin ihr gegenüber). [Was hat der getan? ]
Der ist es schuld. [Wie heißt der Herr noch?] Der weiß es, mit 3 Mark
bin ich nicht zufrieden. Ich versündige mich nicht, ich hab’ ein gutes
Gewissen. [Was hat der Herr getan?] Der hat getan, was er will, das
geht mich nichts an“.
Die übrigen Fragen beantwortet Pat. nur durch Mienenspiel und
Bewegungen, reagiert oft auch gar nicht, spricht leise vor sich hin, gri-
massiert lebhaft, singt und pfeift und paßt die Bewegungen der Melodie an.
Somat. Befund: Mittelgroß, mittelstarker Knochenbau, mittlerer
Ernährungszustand, mittlerer Fettansatz. Innere Organe o. B. Refl.
lebhaft. Pup. reag. prompt auf Licht und Konv. Zunge gerade heraus.
Fac. symmetrisch.
Fall 5. Frau J. R., 27 Jahre alt. Ehemann im Dezember 1914
gefallen. Eltern sind gesund. Keine Heredität. Ist schon seit 1 Jahre
krank. Früher stets gesund. Hat sich über den Tod des Mannes sehr auf¬
geregt, lief viel in die Kirche, schlief nachts schlecht. Nahrungsaufnahme
sehr gering. Äußerte Größenideen. Sagte bei jeder Gelegenheit zu ihren
Bekannten: „Du verstehst alles falsch, das muß so gemacht werden“,
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W. Suckau,
meinte, Christus habe so gelitten, da müsse sie auch leiden, sie müsse beten,
damit sie wieder gesund würde. Lief heute vom Hause fort zum Pfarrer
in die Wohnung, sprach dort von Jesus usw., wurde von dort von der
Rettungswache nach der Irrenanstalt gebracht.
Aufnahmebefund: Pat. spricht unaufhörlich vor sich hin: „Die Witwe
des'Vorstehers I. R. (ihres Mannes) liegt hier auf dem Friedhof auf dem
ersten Platz, wissen Sie, ich habe heute morgen schon einen Weinkrampf
gehabt. Schreiben Sie nur alles richtig auf, ich will auch gestatten, daß
ich hier in einem Krankenhaus bin. Der Witwenstand ist ein schwerer.
Am Samstag nachmittag ist mein Mann geholt worden, ich bin zu seinem
Chef gegangen. Ich sage Ihnen ganz offen und ehrlich, daß ich weißen
Fluß habe, deshalb wollte ich mich gestern bei den Schwestern auswischen
lassen; ich sage Ihnen ganz offen und ehrlich, meine Mutter hat meine
Krankheit für Gehirnschwindsucht angesehen. Neulich war ich mal auf
dem Friedhof, da habe ich gesehen, was durch Vaterlandsliebe geschieht.
Morgens ist mein Mann immer zur Kirche gegangen und war dann gleich
ungeduldig. Schreiben Sie das noch alles auf und damit Schluß, und
dann soll die Schwester an die Sanitätswache telephonieren, damit ich
nach Hause abgeholt werden kann. [Warum sind Sie zum Pfarrer ge¬
gangen?] Weil ich die Vaterlandsliebe hochschätze. Sie können mir
Ihre Wohnung sagen. Sehen Sie, die zieht sich vor dem Spiegel an. Die
Dame kann sich ja ruhig ausziehen. Die ehrwürdige Mutter Oberin ist
auch zu den Kranken gegangen, ich habe keinen Mann, er liegt im trüben
Wasser. Für mein feines Gesicht ist das Wasser zu hellblau. Wo sind
denn die andern, die Flundern? Du bist ja verrücktI Meine Füße sind
bei dem Winter ganz blau, weil mein Mann nicht da ist. Ich habe alles
mit goldener Absicht getan, es wird immer finsterer, entweder es donnert
oder es läuten die Glocken. Wie traurig sind die Menschen! Was Du
denn schon wieder schreibst, verstehst denn nicht mein Geburtszeichen?
Du dürrer afrikanischer schwarzer Jud’I Lauf doch in die Küche, ob die
Milch nicht überläuft. Ich dreh mich um, ich ärgere mich, wenn ich was
Böses denke. In meinem Schlafzimmer waren 2 Franziskuspersonen. Ich
will es auch einem jungen Priester sagen. Geh mal naus, ich möcht’ ein
paar Brötchen essen, auch Kriegsbrot. Ehe ich meinen Kaffee trink’,
beten wir. Wenn wir unter uns sind, verrate ich dir ein Stückchen. Sie
sind doch meine Schwester, meine Judenschwester? Da laß dich morgen
mittag vom Doktor photographieren. Dein Kleid hat ja einen Flecken.
Jung Großmutter, dein’ Schürz’ ist rußig. Mein junger Beichtvater läuft
wegen mir auch so rum. Die kleinen Kinder, die schieben, die großen
aber noch mehr. Du bist jek, ich habe einen betrübten Onkel. Die Leute
sagten immer, nehme es nicht so ernst. Englisch bist du mit mir im
Wasser verbunden. An dere ihre Augen gehen die Spatzen. Du bist null,
weil du hinter mir sitzt, jeder seinen Stand. Im englisch 14. Meine
Schwester ist in der Ostendstraße im Geschäft“.
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Psychosen bei Frauen im Zusammenhang mit dem Kriege. 341
Somat. Befund: Blasse, hagere Frau, schwächlicher Körperbau,
innere Organe und Nervenstatus o. B. Pup. reagieren prompt auf Licht
und Konv., Fac. symmetrisch. Zunge gerade heraus.
Fall 6. Frau L. H., 21 Jahre alt, 2 Jahre verheiratet, Ehemann
im Felde. Keine Heredität. Eltern und 9 Geschwister leben, alle gesund.
Pat. früher stets gesund. Lernte in der Schule gut. Lernte dann Nähen
und Bügeln, heiratete mit 19 Jahren. Ein Kind lebt und ist gesund.
Keine Aborte. Im Juli kam Pat. ins städt. Krankenhaus, angeblich wegen
Nierenentzündung. Nach Aussage der Mutter hat sie im Mai einen Ver¬
wundeten aus Berlin kennen gelernt, mit dem sie ein intimes Verhältnis
angeknüpft hat. Als die Mutter ihr Vorwürfe darüber machte, ging Pat.
nach F., wo sie bald ins städt. Krankenhaus kam. Dort hat sie Briefe
von ihrem Liebhaber erhalten. Nach Aussagen der dortigen Kranken¬
schwester hat Pat. stets von ihrem Liebhaber phantasiert. In der Ehe
gab es keine auffallenden Vorkommnisse. Krampfanfälle sind nicht be¬
obachtet. Vater kein Potator.
Wenn Pat. über ihren Mann gefragt wird, weint sie. Auf die Frage,
ob er schon einmal Urlaub hatte, sagte sie: „Gehört habe ich ihn schon
öfters, aber noch nicht gesehen. Am Tage und nachts. Meine Ange¬
hörigen waren draußen und haben mit ihm gesprochen. Sie haben
Schlechtes über mich gesprochen. Ich habe die Möbel bezahlt, und das
Kind habe ich in Pflege gegeben. Was sie gesprochen haben, war wahr.
Sie haben auch gesprochen, was ich geträumt hätte. [Glauben Sie, daß
die Abreise Ihres Mannes ins Feld der Grund ist, daß Sie hierher gekommen
sind?] Nein, ich habe mich mit Verwundeten eingelassen, und da habe
ich gekündigt bekommen, die Möbel geteilt und das Kind in Pflege gegeben
und ging in Stellung als Köchin. Später war ich in der N.-Straße und
habe dort genäht. Dort wurde ich krank. Es fing mit Kopfschmerzen an
und Erbrechen. Kam ins städt. Krankenhaus. Dort habe ich heimlich
gelesen, daß ich Blasenentzündung und doppelseitige Nierenentzündung
hätte, und dann hat der Doktor gesagt bei der Visite, daß ich Syphilis
hätte. Darüber habe ich mich sehr aufgeregt. [Warum sind Sie hierher
gekommen ? ] Ich glaube nicht, daß es eine Irrenanstalt ist. [Haben Sie
in letzter Zeit Stimmen gehört?] Ja, meine Mutter und mein Vater und
mein Mann und mein Schwager, auch mein einer Bruder, die stehen doch
jetzt alle hier vor der Tür draußen, und vor dem Fenster hier war mein
Schwager. Die Leut’ hier haben doch gesagt, ich wäre gestorben, und da
ist er gekommen. [Was sprachen denn Ihre Eltern oben?] Sie wollten
mich draußen haben, sie wollen mich lieber umbringen, sagen sie eben,
als daß ich in den Keller kommen soll. [Was sonst noch ?] Mein’ Mutter
sagt, ich wäre ein dummes Mensch, wenn ich mich verstechen ließ, aber
ich wär’ schon umgebracht worden draußen“.
Somat. Befund: Schwächliche, schlecht ernährte, blasse Frau,
Knochenbau mittelstark, innere Organe o. B. Reflexe lebhaft. Motilität
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W. Suckau,
frei. Fac. symmetrisch. Zunge gerade heraus. Pup. reagieren prompt auf
Licht und Konv.
Zur Charakteristik ein Brief der Pat. an ihren Mann: „Lieber Mann!
Deinen lieben Brief gestern mit Freude erhalten, meinen besten Dank.
Nur auf Dein Willen und Schreiben hin, will ich mir wieder Mut fassen,
gesund zu werden; sagte gestern noch zu Herrn Professor wegen dem
Berichte, würde mich sehr freuen, Dich, mein lieber Mann, wieder zu sehen,
da ich Dich doch seit 2. August 1914 nicht sah und die Sehnsucht, Dich
zu sehen und zu hören, mir keine Ruhe läßt. Jedoch bin ich immer noch
im Zweifel, ob ich Dich gehört habe oder nicht. Bitte Dich herzlich um
Verzeihung. Jedoch kann ich es nie, nie mehr gut machen, was ich getan,
zu spät!
Leider muß ich Dir die traurige Mitteilung machen, daß ich seit
Mitte Juli in andern Umständen bin, findest Du es noch der Mühe wert,
mir zu antworten, dann will ich mir Mühe geben, um gesund zu.werden,
andernfalls hat für mich das Leben keinen Wert mehr.
Auf baldige Antwort hoffend, verbleibe ich unter herzlichen Grüßen
Deine Dich liebende Frau L. H.“
Fall 7. Frau J. S., 37 Jahre alt. Mann steht im Felde. Vater
starb an Gehirnschlag, Mutter starb vorigen Monat im Siechenhaus an
Schlaganfall. Pat. ist 11 Jahre verheiratet, ein Kind bei der Geburt ge¬
storben. Keine Mißfälle. Pat. war früher nie krank. Seit dem Tode der
Mutter ist sie krank, äußert immer, was die Mutter ihr auf dem Totenbett
gesagt hat: „Du bist versorgt“; sieht nachts die Mutter liegen und das
Bild der Mutter an der Wand hängen (welches gar nicht vorhanden ist),
glaubt, sie und ein Mann, mit dem sie ein Verhältnis gehabt haben will,
seien an dem Tode der Mutter schuld, glaubt immer, der Mann stände
vor der Tür, man sollte ihn hereinrufen. Wenn es klopft, sagt sie: „Der
Tod hat geklopft, ich sehe den Tod vor Augen, aber ich will doch nicht
sterben, ich will nur für meinen Mann leben. Will jedermann in die Augen
sehen.“ Sie wird sehr erregt auf ärztliches Anraten in die Irrenklinik
gebracht. Auf unsere Fragen antwortet sie folgendermaßen: „[Name?]
J. S. [Alter?] (Nach einer kleinen Pause bei wiederholter Frage) Ach so,
ich habe einer inneren Stimme gefolgt (schreit laut auf), dem Teufel
wegen, dem Teufel wegen (fährt mit leiser Stimme fort), nein, ich könnt*
nicht jammern, ohne der Mutter alles zu sagen. Ja, jetzt könnt ihr singen,
jetzt könnt ihr singen. Ja, jetzt ist die Mutter erlöst. Ja, kommen Sie,
jetzt können Sie den Herrn D. rufen, jetzt können Sie den D. rufen, den
wollt’ ich bezwingen, ich fühle meine Stirn sehr kalt, nicht jammern,
nicht jammern. [Wer ist Herr D.?] Nicht jammern, nein, nein, nicht
jammern, ich weiß alles, was Sünde ist. Ich habe in ihren Augen gesehen,
ich muß mich jetzt an die Wand lehnen. Ja, er steht vor der Tür, ich weiß
es ganz bestimmt (laut schreiend). Au, schnell, aber schnell, aber schnell
(fährt leise fort), nein, mein Mann steht vor der Tür. Nein, es war nicht
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Psychosen bei Frauen im Zusammenhang mit dem Kriege. 343
der Tod verloren (atmet tief), ja, ja, es ist besser, wenn die Schwester
kommt, ja, ja!.“
Pat. spricht bald mit lauter, bald mit leiser Stimme, macht beim
Sprechen Pausen, reagiert nicht auf Zwischenfragen, schreit bisweilen
laut auf, macht theatralische Handbewegungen. Nahrungsaufnahme
schlecht, Schlaf nur auf Narkotika, muß katheterisiert werden.
Somat. Befund: Kleine, mittelkräftige, leidlich ernährte Frau, mit
kräftigem Knochenbau. Guter Fettansatz. Innere Organe o. B. Refl.
deutlich vorhanden. Motilität frei. Pup. reag. prompt auf Licht und
Konv. Fac. symmetrisch. Zunge gerade heraus.
Fall 8. Frau A. R., 35 Jahre alt. 10 Jahre verheiratet. Der Mann
im Felde. Ein Stiefbruder von ihr (vom selben Vater) war geistesgestört.
Sonst in der Familie keine Geisteskrankheiten. Pat. früher stets gesund,
immer eine ruhige Frau, manchmal auch etwas aufgeregt. Seit etwa einer
Woche spricht Pat. wirr, schläft nachts nicht, läuft umher, äußert, die
Polizei verfolge sie, sie käme ins Gefängnis. Sie telephonierte dem Arzt:
„Es kommt der erste Akt der Vorstellung.“ Heute morgen versuchte sie
ein Fläschchen mit absolutem Alkohol auszutrinken.
Mit ruhigem, traurigem Gesichtsausdruck gibt Pat. Antwort:
„[Name?] A. R. Ich habe ja alles hergeben müssen, gestern abend, und
alles liegen lassen, als ich mich ausgezogen hatte, ach es ist arg. [Alter?]
35 Jahre. [Wo sind Sie hier ?] Ich weiß nicht, bei soviel Leut’. [Warum
sind Sie hier?] Ich weiß ja selbst nicht, ich habe vor ein paar Wochen,
da konnte ich auf einmal nicht mehr laufen, da hatt’ ich so Schmerzen am
Fuß, da mußt’ ich’s einjoden. Die Zehen einjoden, der Fuß war ganz
weiß, da mußt’ ich nachher den Fuß einjoden. Es war so ein Krampf im
Fuß, und nachdem ich’s eingejodet hatte, ist es wieder in Ordnung ge¬
kommen. Ich weiß nicht, wie das war. [Sind Sie verfolgt worden?]
Verfolgt? Ich weiß nicht. [Hat Ihnen jemand etwas antun wollen?]
Nein, in letzter Zeit da kam ein Buch „Eine gute Botschaft“, und ich
wollte doch, daß der Fuß gut würde, und da habe ich das gelesen, und
weil ich dachte, das ist gut dafür — was hab’ ich eben gesagt? -— Ja, und
da hat drin gestanden: „Schafft euch gesundes BlutI“. Und was war
denn noch? Ja, ich weiß gar nicht mehr. Schafft euch gesundes Blut.
Nährsalz 1 und 2, das gibt gesundes Blut. Dadurch würde das Blut
gesund! '[Warum sind Sie so traurig?] Ja, ach, weil, ich weiß selbst
nicht, warum, weil ich gestern abend, ich hab’ gestern abend meine Kleider
mitgebracht, und da hat das Fräulein gesagt, ich soll baden, ja, und da
habe ich auch gebadet, weil das Fräulein es gesagt hat, aber ich glaube,
ich hätte es nicht tun sollen. [Warum ?] Ja, zu Haus habe ich mich doch
schon gewaschen im Gesicht und ich weiß nicht, warum. Dann war ich
auch durch die Bücher ganz dumm geworden, weil da steht, man soll das
Fleisch einschränken, man darf nicht so viel Fleisch essen“.
Somat. Befund: Mittelgroße, mittelstarke Frau von mittlerem Er-
Zeitschrift für Psychiatrie. LXXII. 4. 25
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344
W. Suck&u,
nährungszustand, innere Organe o. B. Refl. lebhaft, Gang sicher, Motilität
frei, Pup. reag. auf Licht und Konv., Fac. symmetrisch, Zunge gerade
heraus.
Während ihrer Behandlung im Krankenhaus ist Pat. meist unruhig,
spricht verwirrt, nimmt wenig Nahrung zu sich, weint viel, verlangt nach
ihrem Manne, schläft nur auf Schlafmittel. Wird nach 3 Wochen gegen
Revers als ungeheilt entlassen. Nach einem halben Jahre wird sie wieder
in die Anstalt eingewiesen, da sie einen Selbstmordversuch gemacht hat,
indem sie sich aus dem Fenster stürzen wollte.
„[Wann waren Sie schon einmal hier?] Das weiß ich nicht mehr
genau. [Ungefähr?] Ich glaube vor Ostern. [Wie ging es Ihnen seit¬
her ? ] Ich habe meine Arbeit gemacht. [Warum sind Sie jetzt wieder hier ? ]
Ich weiß nicht, mein Kopf war einmal — ganz recht, dann war er wieder ...
[Was war mit Ihrem Kopfe?] Ich konnte nicht recht denken. [Haben
Sie sich Gedanken gemacht ? ] Ja, ich weiß es nicht. [Wie war Ihr Schlaf ? ]
Ja, sehr gut, nur die letzte Zeit nicht, da bin ich immer wieder gleich wach
geworden. [Hatten Sie schwere Träume?] Ja, manchmal. [Wovon?]
Ich. weiß nicht mehr, ich wollte zuletzt meine Arbeit machen, aber ich
konnte nicht mehr. [Haben Sie die Arbeit nicht mehr begriffen?] Ja,
ich wollte zu meinem Mann in die Werkstatt gehen und wollte das Bureau
sauber machen, das wollte ich schon vor einem Jahre sauber machen.
[Und dann?] Ich weiß es nicht mehr. [Machen Sie sich noch Gedanken
wegen dem Kochen und Fleischessen?] Nein, ich wollte doch meinem
Mann und meinem Kinde gesund bleiben und wollte doch arbeiten. [Haben
Sie Stimmen gehört?] Nein, ich weiß nicht, ich bin doch, ich will doch
meine Arbeit wieder tun. [Haben Sie körperliche Schmerzen?] Nein,
ich bin wohl“.
Fall 9. Frau L. W. wird mit Unterkieferbruch in die Irrenanstalt
gebracht, nachdem sie einen Selbstmordversuch gemacht, indem sie aus
dem Fenster des 3. Stockwerkes sprang. Seit 7 Jahren verheiratet, 2
Kinder, der Mann ist seit Beginn des Krieges im Felde. Sie habe immer
mit Leuten verkehrt, die nicht zu ihrem Stande paßten. Sie stamme aus
einer besseren Bauernfamilie. Die Eltern und Geschwister sind gesund.
Ein Bruder soll sich erhängt haben. Sie soll unlängst einen Mißfall gehabt
haben. Die Leute hätten ihr daraufhin eingeredet, sie sei geschlechts¬
krank, das habe sie auch geglaubt und nun Angst gehabt, sie würde den
Mann anstecken. Ein ärztliches Attest, daß sie gesund sei, habe nicht
auf sie eingewirkt.
Pat. macht einen traurigen apathischen Eindruck, gibt auf Fragen
zunächst keine Antwort, muß gefüttert werden, da sie die Nahrungsauf¬
nahme verweigert, behauptet, daß man ihr Gift gebe usw. Auf die Frage,
warum sie Selbstmord begehen wollte, antwortet sie: „Weil ich einen
Fehler begangen habe. [Was für einen Fehler?] Schlechtigkeiten ge¬
trieben, Verkehr gehabt. [Mit wem ? ] Mit einem G. L. [Woher kannten
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Psychosen bei Frauen im Zusammenhang mit dem Kriege. 345
Sie ihn?] Von hier aus. Wo ist denn mein Mann? [Wissen Sie nicht,
daß Ihr Mann im Felde ist?] Man sagt, es wäre Krieg, ich weiß nicht.
[Warum essen Sie nicht?] Ich kann nichts essen“. — Auf weitere Fragen
antwortet Pat. nicht mehr.
Somat. Befund: Blasse, schlecht ernährte, schwache Frau. Innere
Organe o. B. Refl. deutlich vorhanden. Pup. reag. auf Licht und Konv.
Fac. symmetrisch.
Fall 10. Frau A. S., 23 Jahre alt, seit 1 y 4 Jahr verheiratet. Der
Mann steht als Infanterist im Felde. 1 Kind, % Jahr alt, gesund. Pat.
ist seit April gravid. Seitdem der Ehemann einrücken mußte, ist sie ge¬
drückt und trauriger Stimmung, spricht fast nichts, sitzt still da, weint
viel und starrt in eine Ecke. Nahrungsaufnahme sehr schlecht, besorgte
ihren Haushalt und das Kind nur noch sehr schlecht, ging nie aus. Soll
vor ca. 2 Mon. einen Suizidversuch gemacht haben, hatte am Hals einen
roten Streifen, doch ist es nicht bekannt, was Pat. gemacht hat, da sie
allein in der Wohnung war. Auch in der letzten Zeit äußerte sie öfters
Selbstmordgedanken, wolle in den Main gehen, sich aus der Welt schaffen
usw. Früher war sie stets gesund und hat nie einen solchen Zustand durch¬
gemacht. — Pat. macht einen sehr deprimierten Eindruck. Spricht mit
sehr leiser Stimme, macht bei jeder Antwort sehr lange Pausen, antwortet
sehr einsilbig. „[Name?] A. S. [Alter?] 23 Jahre. [Datum?] (Keine
Antwort.) [Monat?] Juli. [Welches Jahr schreiben wir jetzt?] 1915.
[Wo sind Sie hier?] Im Krankenhaus. [Sind Sie krank?] (Pat. seufzt,
spricht nicht). [Warum sind Sie hier?] Ich war so aufgeregt daheim.
[Warum?] Weil mein Mann in den Krieg muß. [Wann?]-[Sind Sie
schwanger?] Ja. [Seit wann?] Ich weiß nicht. [Warum sind Sie so
traurig?] Weiß nicht (fängt an, heftig zu weinen). [Haben Sie ein Kind?]
Ja. [Haben Sie sich mal etwas antun wollen?] Ja. [Was?] (Keine
Antwort. Pat. weint und schüttelt verneinend den Kopf.) [Warum
haben Sie nichts mehr gegessen?] (Keine Antwort.)“ — Auf weitere
Fragen antwortet Pat. nicht mehr.
Somat. Befund: Mittelgroße, mittelkräftige Frau von etwas redu¬
ziertem Ernährungszustand. Innere Organe o. B. Refl. sehr lebhaft.
Gang o. B. Pup. reag. auf Licht und Konv. Fac. symmetrisch. Zunge
kommt gerade heraus.
Fall 11. Frau Th. A., 29 Jahre alt, Lehrersfrau. Der Mann steht
im Felde. Keine Heredität. Eltern und Geschwister gesund. Ein Kind
rnit 2 Jahren gestorben. Pat. war als Kind nicht auffällig. Hat in der
Schule gut gelernt, war bis zum 17. Jahre ganz kräftig, kam dann in das
Institut, wurde dort schwächer, hatte nicht genug zu essen. Pat.
war von Kind auf still und immer allein. Später im Institut hatte
sie eine Freundin, mit der sie bis jetzt verkehrt hat. Seit 6 Jah¬
ren verheiratet. Glückliche Ehe. 2 Kinder von 2 und 7 Jahren,
gesund. Pat. hat große Freude an ihnen. Seit Kriegsausbruch ist Pat.
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346
W. Suckau,
sehr verändert, regte sich über ihre neuen Pflichten sehr auf; sie ließ
Stühle neu überziehen, verdarb einen davon und ärgerte sich sehr darüber.
Sie sammelte Geld für die Kriegsfürsorge, machte sich Gedanken, man
halte sie für eine Bettlerin, sie sei blamiert, wolle sterben, lief mit dem
Kopf gegen die Wand, drohte, sie stürze sich zum Fenster hinaus; lief
nachts umher, behauptete, sie sei vergiftet. Für ihre Kinder hatte sie in
letzter Zeit kein Interesse und mochte nicht mehr arbeiten; bat selbst
darum, man solle sie in eine Anstalt bringen.
Pat. verhält sich ruhig; beginnt man, mit ihr zu sprechen, so verlangt
sie immerfort nach Hause, spricht in weinendem, klagendem Ton, macht
nervöse, unruhige Bewegungen; sie hätte gesagt, sie wolle das Gas auf¬
drehen, habe das aber nicht ernsthaft gemeint. Auf unsere Fragen ant¬
wortet sie meist mit blödein Lächeln. „[Name?] Th.A. [Alter?] 29Jahre.
[Wo sind Sie hier?] (Weint.) Ich bin mit Unrecht hierher gekommen,
ich gehör ja gar nicht ins Irrenhaus. [Warum sind Sie hierher gekommen ? ]
Ich soll mich hier erholen, telephonieren Sie an meinen Vater, er soll mich
wieder holen, ich möchte wieder fort von hier. [War gestern etwas vorge¬
fallen?] Ich hatte nur gesagt, ich wollte den Gashahn aufdrehen (lächelt),
das will ich nicht mehr tun (weint), ich will wieder nach Hause (steht auf,
macht nervöse Bewegungen, setzt sich wieder hin). Meinen Sie nicht
daß mich mein Vater wiederholen wird ? [Warum wollten Sie denn den
Gashahn aufdrehen?] Ich hab’s nur so gesagt (lächelt blöde). [Wollten
Sie es gar nicht tun?] Nein. [Warum haben Sie es gesagt?] Weil mir
allerhand passiert ist; wenn ich doch nur wieder bei meinen Eltern wärel
[Was ist Ihnen denn passiert?] (Steht auf, geht unruhig hin und her,
reibt sich das Gesicht mit den Händen, kaut an den Lippen, arbeitet
nervös an der Schnur des Unterrocks, setzt sich wieder hin, weint leise,
hört gleich wieder auf.) [Was war passiert?] Mit dem Stuhlsitz war mir
etwas passiert, ich habe Wasser darauf laufen lassen. [War der Stuhlsitz
verdorben?] Ja. [Soll Ihnen deshalb was passieren?] Nein. [Sind Sie
verfolgt worden?] Nein. [Haben Sie Stimmen gehört?] Nein, bei mir
ist sonst gar nichts, deshalb möchte ich zu meinen Eltern“.
Somat. Befund: Kleine Frau mit mittelstarkem Knochenbau, mitt¬
lerem Ernährungszustand, mäßigem Fettansatz. Innere Organe o. B.
Motilität frei, Refl. normal, Pup. reagieren prompt auf Licht und Konv.,
Zunge gerade heraus, Fac. symmetrisch.
Während des Aufenthaltes im Krankenhaus ist Pat. ziemlich ruhig.
Schlaf anfangs schlecht, später besser. Appetit gut. Manchmal unruhig,
geht dann aus dem Bett, will nach Hause, verlangt Mittel zum Sterben,
ihre Stimmung wechselt sehr oft, einmal sehr vergnügt, ein andermal sehr
niedergeschlagen; hat sie Besuch gehabt, so ist sie tagelang sehr traurig,
weint viel und will nicht mehr leben. Mit der Zeit schwindet die Nieder¬
geschlagenheit, sie wird wieder ganz vergnügt, schließt sich auch den
andern Kranken an, neckt sich gern mit ihnen und beschäftigt sich fleißig
mit Nähen und Stopfen. Sie wird nach 5 Mon. als gebessert entlassen.
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Psychosen bei Frauen im Zusammenhang mit dem Kriege. 347
Wenn man diese Katatonien und Depressionszustände einem ge¬
naueren Studium unterzieht, so wird es zunächst schwerfallen, irgend¬
eine Kriegsfärbung herauszuerkennen. Bei den Fällen 4, 7 und 8
wird auch kaum der Krieg als krankheitauslösendes Moment gewirkt
haben, sondern es kommen hier andere Ätiologien in Betracht. Anders
ist es bei den Fällen 5, 6, 9,10 und 11; hier muß man annehmen, daß
der Krieg auf die Entwicklung der Psychose von Einfluß gewesen ist.
Hier spielt der im Anfang erwähnte „Kriegskomplex“ eine Rolle. —
Die Sorge um den Ehemann, den diese Frauen in Not und Gefahr
wissen, lassen bei ihnen keinen klaren Gedanken aufkommen; ihr
ablehnendes Verhalten, die Verkennung der Umgebung, die Äußerung
krankhafter Ideen lassen auf tiefere Erkrankung schließen, so daß
die Besserung nur recht langsam vorwärtsschreitet. Deshalb sind
diese Fälle prognostisch auch nicht als zu günstig zu bezeichnen, und
man muß befürchten, daß sie mehr oder weniger in ein chronisches
Stadium übergehen werden.
Fall 12. Frau N. G., 31 Jahre alt. Der Mann ist seit Anfang des
Krieges zur Marine eingezogen. Heredität nicht vorhanden. Pat. seit
3 Jahren verheiratet. Früher stets gesund, etwas aufgeregt zuweilen,
empfindlich, konnte sich über jede Kleinigkeit ärgern. 3 Kinder im Alter
von 6 und 2 Jahren und 2 Mon. Keine Mißfälle. Seit etwa 3 Wochen auf¬
geregt. Sie glaube, die Leute sprechen und spötteln über sie; zog sich von
jedem Verkehr zurück, wollte mit niemandem etwas zu tun haben. Heute
kam ihr Mann auf Urlaub, als er die Wohnung betrat, merkte er, daß es
stark nach Gas roch. Der Gashahn war aber bereits zugedreht, das älteste
Kind war bewußtlos, die andern Kinder waren munter. Darauf wurde
Pat. sofort in die Irrenklinik eingewiesen. Anfangs im Krankenhause sehr
ablehnend, beginnt erst nach längerer Zeit auf Fragen zu antworten.
„[Wie geht es Ihnen?] Ganz gut. [Wo sind Sie hier? 1 ] Ich weiß es nicht.
[Seit wann sind Sie hier?] Ich habe keine Ahnung, ich habe alles ver¬
gessen. [Wo ist Ihr Mann?] Ich weiß es nicht. [Wie fing Ihre Krankheit
an?] Wie soll ich Ihnen das sagen? (Weint.) [Wo war Ihr Mann?]
Mein Mann war fort im Kriege. [Was bemerkten Sie zu Hause?] Ich habe
Vermutungen gehabt. Ja, Gott, es ist alles Mögliche gesprochen worden
vom Kriege, alles Mögliche. Sie haben mir Pakete vor die Fenster gestellt.
Sie wußten nicht, was sie machen sollten. [Fühlten Sie sich unglücklich?]
Ich war auf einmal ... ich könnt’ mir nicht mehr helfen. [Wissen Sie
noch, was Sie da machten?] Ja, das weiß ich noch. [Sie drehten den
Gashahn auf?] Ja. [Wer kam dazu?] Es wurde geschellt, nachher
wurden die Scheiben eingeschlagen. [Wer war es?] Ich dachte, es ist
mein Mann. [Wie kam es, daß Sie den Entschluß faßten?] Ich konnte
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348
W. Suckau,
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mich nicht mehr halten, ich weiß nicht, wie es kam. Ich habe mich immer
so aufgeregt, ja, ich kann nichts dafür. Wenn jemand spricht, da geb’
ich Antwort“.
Auf weitere Fragen antwortete Pat. nur: „Ich weiß es nicht.“ Später
zeitweise heftig erregt. Bezieht Gespräche von Patientinnen und Pflege¬
rinnen auf sich und ist leicht aggressiv, allmählich wird sie ruhiger und
erzählt uns, im Dezember vorigen Jahres sei der Kaiser bei ihr gewesen,
er brachte von Darmstadt eine Möbelversicherung mit, er wäre erschossen
gewesen, am linken Auge habe sie bei ihm die Schußwunde gesehen. Er
sei am Bett der Kinder gewesen, habe Zivil angehabt, sei ein großer,
schöner, schlanker Mann, sie habe ihm selbst das Geld gegeben. Die Men¬
schen wären alle so komisch gewesen. Darauf habe sie das Gas aufgedreht;
die Briefe, die ihr Mann geschrieben hätte, seien ganz verändert gewesen.
Somat. Befund: Kleine Frau von mittelstarkem Knochenbau, mäßi¬
gem Ernährungszustand, innere Organe o. B., Refl. normal, Pup. reag.
prompt auf Licht und Konw, Fac. symmetrisch, Zunge gerade heraus.
Fall 13. Frau K. K., 33 Jahre alt, seit 5 Jahren verheiratet.
Mann steht im Felde. Keine Geisteskrankheiten in der Familie. Ein
Bruder hat sich mit Lysol vergiftet. Pat. war früher nicht auffällig, ruhiger
Natur, besorgte den Haushalt sehr gut. Vor 2 Jahren glaubte sie, sie würde
von einem Mädchen schlecht gemacht und würde bei ihrem Manne ver¬
dächtigt. Diese Einbildung verlor sie bald wieder. Seit August 1914 ist
der Mann im Felde. Vor 9 Wochen kam er auf Urlaub hierher. Als er
wieder fort mußte, hat Pat. sehr gejammert. Einige Wochen später begann
sie plötzlich verwirrt zu reden, worauf sie in die Irrenanstalt eingewiesen
wurde. Sie hatte bis vor kurzem gestillt. Pat. gibt uns folgende Ant¬
worten: „[Name?] K. B. ist mein Mädchenname, so heiß’ich nicht, Gott
spricht, du heißt K. B. [Sind Sie verheiratet?] Jetzt bin ich verheiratet,
heiße L. K., so werde ich immer gerufen, und so schreibe ich unwillkürlich.
[Wie lange sind Sie hier?] Wo ich bin, weiß ich noch nicht, gesagt wurde
es mir nicht, es klingt wie auf Schloß Mevos zu Lieden am Bodensee. [Sind
Sie hier auf Schloß Mevos?] Zu Hause bin ich nicht, wo ich sonst bin,
weiß ich nicht, ich soll ein Stern sein, die Sonne sein, ich sollte leben bleiben,
ich hätte verschiedenes angestellt, das ist nicht wahr, das konnte ich nicht
vertragen. [Was haben Sie angestellt?] Ich hätte jemanden betrogen,
ich hätte verschiedenes aufgeschrieben, was ich nicht erhalten habe, es
war nicht ganz meine Schuld, aber auch ich habe manches gefehlt. [Wie¬
so?] Ich habe sonst nichts getan. [Hat man Ihnen Schlimmes nachge¬
redet?] Ja, sehr viel, ich würde nicht bezahlen. [Wer sagte das?] Von
wo es ausgegangen ist, weiß ich nicht, auch deshalb kann ich es nicht
sagen. [Was glauben Sie, wer Ihnen etwas nachgeredet hat ? ] Die Men¬
schen im allgemeinen. Es ist ein Hausmädchen, in der L.straße, ob sie
ganz allein schuld ist, weiß ich nicht. [Wer kommt noch in Betracht?]
F. J., auch ein Hausmädchen. [Sind Sie nicht mehr aus dem Hause ge-
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Psychosen bei Frauen im Zusammenhang mit dem Kriege. 349
gangen?] Nein, es war mir zu schwer, ich wurde krank (lacht), es hatte
mir gepaßt, ich erschreck’ bei allem, und da ich keine Hilfe fand, mußt’ ich
selbst allein bleiben, ich war allein mit meinen Kindern. Mein Mann
mußte ins Feld. [Wovor erschrecken Sie?] Vor all dem Schrecklichen,
was nun gekommen ist, auch das soll Gott tilgen, daß wir glücklich leben
können, alle zusammen. Es hat mir gegraut —. [Wovor hat es Ihnen
gegraut?] Ich glaubte, meine Mutter sei nicht da, und dann fühlte ich,
daß sie meine Schuld wüßte, ich mußte meine Briefe einschreiben, sonst
hätte ich sie nicht bekommen, von meinem Mann nicht und von meinen
Verwandten auch nicht, ich habe sie noch nicht alle, die müßt* ich noch
haben und die Pakete, es ist so viel ausgesagt worden. [Was?] Ich hätte
angegeben, mein Mann und ich seien unedel, was nicht sein darf. [Warum
haben Sie die Briefe eingeschrieben?] Meine Post wurde festgehalten,
ich war in Gefangenschaft der Menschen. Gott war bei mir, ich war in
Gottes Händen, ich war in der Hand der Menschen, das ist nicht schlimm.
Der liebe Gott schüttelte mich, ich sollte die Menschen zu Rate anhalten,
das habe ich getan, die Menschen glaubten, ich wäre übergeschnappt
(lacht). Ich rufe den Menschen zu, sie sollen sich beruhigen, sie sollen
einig sein, sonst passiert ein großes Unglück. Mein Mann hatte Patronen
im Hause, er mußte sie dalassen, ich wußte es nicht, wenn er nicht ge¬
kommen wäre, hätte ich müssen eine Patrone nehmen, es wäre noch sehr,
sehr schlimm gekommen“.
Somat. Befund: Mittelgroße, mittelkräftige Frau von etwas redu¬
ziertem Ernährungszustand, innere Organe o. B. Refl. lebhaft, Pup. reag.
prompt auf Licht und Konv., Zunge gerade heraus, Fac. symmetrisch.
Fall 14. Frau M. B., 45 Jahre alt. Mann steht im Felde, seit
16 Jahren verheiratet. Ein Kind starb im Anfang der Ehe. Vor ca. 10—12
Jahren eine Frühgeburt. Vor 8 Jahren machte Pat. eine Unterleibsopera¬
tion durch. Vor 2 y 2 Jahren normale Geburt, das Kind lebt und ist gesund,
ln der Schule lernte sie gut. Hatte keine Krampfanfälle. Suizidgedanken
hat sie nie geäußert. Vater Potator, nahm sich vor 4 Jahren das Leben.
Pat. wohnte bisher in Rußland. Dort hatte auch ihr Mann seine Beschäfti¬
gung als Elektrotechniker. Am 25. Dezember ist sie von Rußland hierher
gekommen, nachdem ihr Mann schon bei Kriegsausbruch nach Frankreich
ins Feld gerückt war. Seit dieser Zeit sehr aufgeregt. Vor allen Dingen
deshalb, weil ihr Mann nicht auf Urlaub kommen kann. In den letzten
Wochen verschlimmerte sich ihr Zustand, sie gab plötzlich an, eine be¬
stimmte Person (wer es ist, ist nicht festzustellen, weil sie nicht darüber
sprechen dürfe) sei schuld daran, daß ihr Mann nicht kommen könnte,
sie äußerte, diese Person erstechen zu wollen. Des Nachts ist Pat. schlaflos,
wandert umher und ruft beständig nach ihrem Manne. Bisweilen scheint
Pat. zu glauben, ihr Mann werde nur von ihr ferngehalten, sei jedoch in
der Nähe. Obwohl ihr Mann ihr noch vor 10 Tagen geschrieben hat, ist
sie selbst seit März nicht dazu zu bewegen, ihm wieder zu schreiben. Sie
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350
W. Suckau,
äußerte, ihr Mann sei ihr untreu geworden. Pat. trägt in allen ihren Be¬
wegungen sowie in ihrem Verhalten etwas Hastiges und Zerfahrenes zur
Schau. Seufzt, spricht leise usw. Sie beantwortet unsere Fragen prompt.
„[Name?] M. B. [Alter?] 45 Jahre alt. [Welches Datum schreiben wir
heute?] Ich weiß es nichtI [Wo sind Sie hier?] Irrenanstalt! [Warum
sind Sie hier?] Wegen Nerven,’ich war sehr aufgeregt. [Warum?] Die
Verhältnisse bringen das so mit sich. Wegen dem Kriege, mein Mann ist
seit August im Felde. [Haben Sie Kinder?] Ja (weint), ein Söhnchen
von 2 Jahren. [Warum weinen Sie?] Ach, wenn man Familie hat, ist
das ganz anders, als wenn man alleinsteht; ich hab’ so Angst. [Wovor?]
Ich weiß es nicht! [Haben Sie gemerkt, daß Ihr Gedächtnis abgenommen
hat?] Zeitweise ist mein Kopf sehr angestrengt, dann bin ich auch wieder
sehr ruhig. [Hören Sie Stimmen?] Heute ist es mir vorgekommen, als
hätte ich Musik gehört, ganz leise, manchmal im Traum, Erscheinungen,
höhere Personen, die ich früher schon gesehen habe. [Wer zum Beispiel?]
Der Kronprinz! [Haben Sie ihn schon früher gesehen?] Ja, aber nur in
der Kriegszeit. [Noch jemanden?] Noch einen höheren Herrn, ich glaube,
er ist kommandierender General, doch den Namen weiß ich nur zeitweise.
Heute kann ich mich nicht irren. [Wen noch?] Ich sehe Personen, die
mit dem Kriege was zu tun haben“.
Somat. Befund: Mittelgroße, mittelkräftige Frau von leidlichem Er¬
nährungszustand, innere Organe o. B., Refl. lebhaft, Motilität frei, Fao.
symmetrisch, Pup. reag. prompt auf Licht und Konv., Zunge gerade heraus.
Sensibilität an den unteren Extremitäten sehr herabgesetzt.
Fall 15. Frau M. S., 32 Jahre alt. Geschwister nervenkrank.
Ehemann im Felde. Periode stets regelmäßig. 2 gesunde Kinder. Keine
Aborte. Keine Trunksucht, Suizidgedanken nicht geäußert. In der Schule
mittelmäßig gelernt, keine Krampfanfälle, in der letzten Zeit starke Ver¬
geßlichkeit. Todesursache der Eltern unbekannt. Pat. war vor 6 Jahren
im Krankenhause wegen Zuckerkrankheit und Blutarmut. Sie mußte
daraus wegen Erregungszustände entlassen werden. Hat andauernd
Eifersuchtszenen gemacht, behauptete, sie hätte ein Verhältnis mit einem
Arzt, war im ewigen Streit mit den Hausgenossen und drohte mit tätlichem
Angriff. Aggressiv ist sie nie vorgegangen mit Ausnahme von beständi¬
gem Prügeln ihres eigenen Kindes. Sieht andauernd männliche und weib¬
liche Personen, die gar nicht vorhanden sind, wird ständig mit Salzsäure
vergiftet. Zeitweise ruhig, doch kommen die Erregungszustände sehr
plötzlich. Nachts schläft sie schlecht, steht auf und will mit einem Besen¬
stiel die Geister unter dem Bett vertreiben. Sie gibt folgende Antworten:
„[Name?] M. S. [Alter?] 32 Jahre. [Wo sind Sie hier?] Wo ich hier
eigentlich bin, weiß ich selbst nicht. Ich scheine auf einem ganz rätsel¬
haften Platz angelangt zu sein. [Wo glauben Sie denn?] Ich weiß es
selbst nicht, ob es ein städtisches Krankenhaus ist, aber so schlecht wird
man doch da nicht behandelt, so erholen könnte ich mich zu Hause auch.
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Psychosen bei Frauen im Zusammenhang mit dem Kriege. 351
[Warum sind Sie hier ? ] Das wissen Sie vielleicht besser wie ich. Fragen
Sie das Fräulein, das mich in die Badewanne gestopft hat. [Haben Sie
mal Stimmen gehört?] Ja, so etwas derartiges schon, aber ich spreche
nicht darüber, weil man hier so schlecht behandelt wird. [Ist Ihnen mal
etwas zu Hause zugestoßen?] Das ist immer so eine Zieherei nach der
verkehrten Seite, da spricht man am besten nicht davon. [Welche Zie¬
herei?] Wenn man einem das Kreuz herauszieht, da spricht man am
besten nicht davon. [Verfolgt Sie jemand?] Ach, Sie wissen das ja besser,
darüber kann ich nichts sagen, man könnte hier schließlich noch mehr
verfolgt werden. [Von wem?] Das habe ich noch nicht gesehen. [Woher
wissen Sie das?] Es gibt eine sichere Persönlichkeit, das muß der Herr
Doktor besser wissen“. — Auf alle weiteren Fragen antwortet Pat. nur:
„Fragen Sie das Fräulein, das mich in das Bad hineingetan hat, die
weiß es.“
Pat. äußert spontan Eifersuchts- und Vergiftungsideen. Wird sie
jedoch darüber befragt, ist sie sehr zurückhaltend und gibt nur kurze,
abweisende Antworten.
Somat. Befund: Kleine, kräftige Frau von gutem Ernährungs¬
zustand. Innere Organe o. B. Reflexe lebhaft. Bewegungen frei. Pup.
reag. prompt auf Licht und Konv., Fac. symmetrisch, Zunge gerade heraus.
Fall 16. Frau M. H., 30 Jahre alt. Der Mann steht in Belgien.
Pat. unehelich geboren. Ist schon längere Zeit krank, Verschlimmerung
der Krankheit seit einigen Wochen. Seit 7 Jahren verheiratet. Ihre
Mutter soll infolge eines Hitzschlages gestorben, bei den übrigen Familien¬
mitgliedern Nerven- und Geisteskrankheiten nicht vorgekommen sein.
Kind von 7 Jahren ist gesund. 4 Fehlgeburten. Früher immer gesund,
jedoch stets träge und willenlos, bekümmerte sich wenig um den Haushalt.
In der letzten Zeit kümmerte sie sich um gar nichts mehr, kochte und be¬
aufsichtigte ihr Kind nicht mehr. Sie spricht öfters verwirrt. Sagt z. B.,
sie habe jemanden mit einem schwarzen Hut gesehen und davon Kopf¬
schmerzen bekommen. Wenn sie Briefe schreibe, würden die gegenüber¬
liegenden Leute das Licht anstecken; von Sinnestäuschungen soll sie nie
gesprochen haben. Sie klagte häufig über Kopfweh und große Müdigkeit.
Nie Krampfanfälle.
Auf unsere Fragen antwortet sie folgendermaßen: „[Name?] M. H.
[Alter?] 30 Jahre. [Wo sind Sie hier?] In der Nervenheilanstalt.
[Warum sind Sie hier?] Wegen Kopfleiden, weil ich immer Kopfweh
hatte, es hämmert im Kopf einen halben Tag lang, in der Nacht hört es
meist wieder auf. [Haben Sie Gestalten gesehen?] Es kommt mir so
vor, in der Wohnung hat es so geschmort, so komisch, wie wenn jemand
in der Wohnung wäre. [War jemand in der Wohnung?] Nein, es dreht
sich etwas, als wenn ein Rädchen wär’. Es ist scheinbar Holz oder so
etwas. [Haben Sie jemanden gesellen?] Ja, man erschrickt ja manchmal,
manchmal hat es mir so geflimmert, ich habe gedacht, ich sehe jemand im
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W. Sack an,
Nachbarhof wie eine Gestalt; aber es war nur ein Tuch, da muß man sich
so fürchten. [Wenn Sie schrieben, haben da die Leute die Lichter ange¬
steckt?] Nein, meistens sind die Autos vorbeigefahren, oder wenn ich
Zeitung gelesen habe, da ist jemand vorbeigefahren. [Was hat das für
eine Bedeutung?] Ja, das weiß ich auch nicht, es ist mehr schwarz-weiß,
ich weiß selbst nicht. [Was bedeutet schwarz-weiß?] Man sagt immer,
die Fahne ist schwarz-weiß-rot. Schwarz-weiß ist Trauerfarbe, ich weiß
es selbst nicht. [Haben Sie Briefe bekommen?] Ja, ich weiß nicht, wenn
ich einen Brief von daheim bekommen habe, hatte ich immer Kopfweh,
ich weiß nicht, was das zu bedeuten hat. [Haben Sie Stimmen nachts
gehört?] Manchmal hat es auf der Straße geschrien, einmal habe ich von
meinem Manne phantasiert und gedacht, er wäre vor mir; wie ich wieder
aufwachte, habe ich über mich nachgedacht; neulich kam es dann ganz
unerwartet. [Ist Ihnen jemand auf der Straße nachgegangen?] Ja,
wenn ich auf der Straße ging, da habe ich mich immer umgedreht, weil
ich dachte, es würde mir jemand nachlaufen; das sind die Nerven, das ist,
daß ich so aufgeregt bin. Meistens ist auch sein Bub’ mir nachgegangen.
Somat. Befund: Mittelgroße, mittelkräftige Frau von etwas redu¬
ziertem Ernährungszustand, innere Organe o. B. Dermographismus vor¬
handen. Gang sicher, Refl. lebhaft, Bewegungen frei, Pup. reag. prompt
auf Licht und Konv., Zunge gerade heraus, zittert; Fac. symmetrisch.
Betrachtet man die Fälle 12, 13, 14, so erkennt man, daß es sich
hier um Gemütsdepressionen mit Sinnestäuschungen handelt, welche
mit allerlei Erregungszuständen und krankhaften Ideen einhergehen,
doch so, daß die Kranke verhältnismäßig gut Auskunft über sich
geben kann. Wenn bei Fall 12 und 13 der Krieg nicht gerade
das Leiden hervorgerufen hat, so hat er immerhin die Entwick¬
lung desselben begünstigt. Anders ist es bei Fall 14, hier ist der
Krieg auf die Entstehung der Psychose von großem Einfluß ge¬
wesen; die Kranke hatte ja auch in diesem Falle zu den kriege¬
rischen Ereignissen in direkter Beziehung gestanden, da sie sich bis
zum 15. Dezember 1914 im Operationsgebiet aufgehalten hatte. Was
nun die Dementia paranoides (Fall 15) und die Dementia praecox
(Fall 16) anbelangt, so liegt bei beiden der Anfang der Psychosen
mehrere Jahre zurück, so daß hier ätiologisch der Krieg als Krank¬
heitsursache oder auslösendes Moment nicht angenommen werden
kann; indessen ist es sicher, daß durch die Kriegsumstände die Psy¬
chosen sich verschlimmert haben, so daß man auch in diesen Fällen
mit dem Stellen einer unbedingt günstigen Prognose sehr vorsichtig
sein muß.
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Psychosen bei Frauen im Zusammenhang mit dem Kriege. 353
Unterziehen wir nun die gesamten hier angeführten Fälle einer
Durchsicht, so kommen wir zu der Erkenntnis, daß, wie bei den männ¬
lichen Geisteskranken im Felde, so auch bei den weiblichen in der
Heimat von einer Kriegspsychose im wahrsten Sinne des Wortes nichts
zu finden ist, wir können uns nur der Meinung der oben erwähnten
Autoren anschließen, die von einer Kriegsfärbung sprechen.
Diese 16 hier angeführten Kriegsfälle stellen nur eine kleine Zahl
der gesamten 412 Aufnahmen des Jahres 1915 dar. Was das Alter
der angeführten Frauen anbelangt, so ist es bei einer größeren Anzahl
derselben ein schon über die eigentlich jugendlichen hebephrenischen
Jahre hinaus vorgerücktes; dieser Umstand könnte vielleicht eine
Erklärung für den Ausbruch der Psychose abgeben.
Eine Zusammenstellung der Fälle nach Diagnose, Alter und
Krankheitsdauer bis zum Tage meiner Beobachtung ergibt folgende
Tabelle.
Fall
Alter
Diagnose
Krankheitsdauer
bis zum Tage der
Beobachtung
1
46 J.
Hysterie
Ale. chron.
mehrere Jahre
2
45 J.
Hysterie
V 2 Jahr
3
30 J.
Hysterie
1*4 Jahr
4
30 J.
Katatonie
% Jahr
5
27 J.
Katatonie
1 Jahr
6
21 J.
Katatonie
y 4 Jahr
7
37 J.
Katatonie
y 4 Jahr
8
35 J.
Katatonie
y 4 Jahr
9
36 J.
Katatonie
Depress.-Znstand
3 Wochen
10
23 J.
Katatonie
3 / 4 Jahr
11
29 J.
Katatonie,
depressiver Zustand
14 Monate
12
31 J.
Dementia paranoides
V 2 Jahr
13
33 J.
Dementia paranoides
1 Jahr
14
45 J.
Dementia paranoides
1 Jahr
15
32 J.
Dementia paranoides
6 Jahre
16
30 J.
Dementia praecox
mehrere Monate
Die meisten Fälle sind recht langwierig und haben auch nachher
eine längere Dauer gezeigt.
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W. Suckau,
Wie steht es nun mit der Zahl solcher ätiologisch durch den Krieg
bedingten Geisteserkrankungen in der Zivilbevölkerung? — Im Juni
1915 wurde in der Zeitschrift für ärztliche Fortbildung folgende Be¬
hauptung aufgestellt:
„In dieser allerersten Zeit des Krieges brachen allerdings nahezu
ausnahmlos bei vordem schon psychisch Wurmstichigen in der Zivil¬
bevölkerung zahlreiche Geistesstörungen aus, so daß viele Anstalten
überflutet wurden.“
Über diese Überflutung vieler Anstalten wurde eine Ermittlung
versucht durch eine Umfrage, welche an ca. 150 Anstalten für Geistes¬
kranke gesandt wurde. Man erhielt darauf etwa 130 Antworten; von
diesen beantworteten nur 12 Anstalten die Umfrage im positiven Sinne,
indem sie angaben, daß eine geringe Zunahme der frisch erkrankten
Zivilbevölkerung in den Kriegsmonaten stattgefunden hatte, alle
übrigen sprachen nicht allein von einer gleichen Anzahl von Zugängen,
sondern manche hatten sogar einen Rückgang der Psychosen zu ver¬
zeichnen.
Die Frankfurter Irrenklinik hatte in Friedenszeiten durchschnitt¬
lich 1400 Aufnahmen von Geisteskranken bzw. Nervenkranken im
Jahre. Im Kriegsjahre 1915 betrug die Zahl der Geisteskranken 1595
einschließlich 481 geisteskranken Soldaten, so daß auch hier von einer
Überflutung nicht die Rede sein kann. — Alles in allem ein untrüg¬
liches Zeichen für die Nervenkraft unseres deutschen Volkes.
Literatur.
1. d'Abundo, Riv. ital. diJNevropat. Psich. ed Elettroterap. 2, 1909, 2.
2. Awtokratow, Die Geisteskranken im russ. Heere im russisch-japanischen
Kriege. Allg. Ztschr. f. Psych. 64.
3. Birnbaum , Kriegsneurosen und Psychosen auf Grund der gegenwärtigen
Kriegsbeobachtungen. Ztschr. f. d. ges. Neur. u. Psych. Bd. 11
Hft. 5.
4. Bonhodffer, Psychiatrisches zum Kriege. Mtschr. f. Psych. u. Neur. Bd. 36,
Hft. 6, 1914.
5. Bonhoeffer, Fälle von sogenannten Granatexplosionslähmungen. Vor¬
trag. Ref. Neur. Ztlbl. 1915, Heft 2.
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Psychosen bei Frauen im Zusammenhang mit dem Kriege. 355
6. Cimbal, Psychosen und Psychoneurosen im 9. Armeekorps seit der
Mobilmachung. Ärztl. Verein z. Hamburg, 23. 2. 15.
7. Fuchs, Mobilmachungspsychosen. Ärztl. Sachv.-Ztg. 1915, Nr. 3.
8. Hahn, Kriegspsychosen. Ärztl. Verein in Frankfurt a. M. Sitzung
v. 21. 12. 14. Ref. Münch, med. Wschr. 1915, Nr. 8.
9. Hocke, Kriegs- und Seelenleben. Freiburg i. B. 1915.
10. Jörger, Mobilmachung als krankheitauslösendes Trauma bei Demen¬
tia praecox. Korrbl. f. Schweiz. Ärzte 1914, Nr. 50.
11. Katz, Nervöse Störungen bei Kindern. Berl. klin. Wschr. 1914,
Nr. 47,
12. Kreuser, Psychische Wirkung des Erdbebens v. 16. 11. 11. Psych.-
Neur. Wschr. 1912—13, Nr. 32, S. 369.
13. Leppmann, Psychiatrische und nervenärztliche Sachverständigentätig¬
keit im Kriege. Kriegsärztl. Abende Berlin, 26. 1. 15. Ref.
Berl. klin. Wschr. 1915, Nr. 6.
14. Mendel, Psychiatrisches und Neurologisches aus dem Felde. Neurol.
Ztlbl. 1915, Hft. 1.
15. Meyer, Psychosen und Neurosen in der Armee während des
Krieges. Dtsch. med. Wschr. 1914, Nr. 51.
16. Meyer, Der Einfluß kriegerischer Ereignisse auf] die Entstehung
geistiger Störungen in der Zivilbevölkerung. Arch. f. psych.
u. Nervenkrankh. Bd. 56, Hft. 1.
17. Meyer, Der Einfluß des Krieges, insbesondere des Kriegsausbruches
auf schon bestehende Psychosen. Arch. f. Psych. u. Nervenhlk.
55, Hft. 2, 1915
18. Meyer, Krankendemonstrationen. Berl. klin. Wschr. 1915, Nr. 4.
19. Münzer , Die Psych. d. Verw. Berl. klin. Wschr. 1915, Nr. 10.
20. Neumann, Psycholog. Beobachtungen im Felde. Neurol. Ztlbl. 1914.
21. Oppenheim, Zur Kriegsneurologie. Berl. klin. Wschr. 1914, Nr. 48.
22. Roth, Kriegsgefahr und Psyche. Ärztl. Sachv.-Ztg. 1915, Nr. 1.
23. Samuel, Wissenschaftl. Verein d. Ärzte zu Stettin. Sitz. v. 3. 11. 14.
Ref. Berl. klin. Wschr. 1915, Nr. 4.
24. Singer, Wesen und Bedeutung der Kriegspsychosen. Berl. klin.
Wschr. 1915, Nr. 8.
25. Stelzner, Aktuelle Massensuggestionen. Arch. f. Psych. u. N.erven-
krankh. 55, Hft. 2, 1915.
26. Stierlin, Nervöse und psychische Störungen nach Katastrophen. ' D.
med Wschr. 1911, 2028.
27. Weygandt, Geistesstörungen im Kriege. Münch, med. Wschr. 1914,
Nr. 42—43.
28. Wollenberg, Nervöse Erkrankungen bei Kriegsteiln. Münch, med.
Wschr. 1914, Hft. 44.
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Psychiatrische Vorschläge für die Zeit nach
dem Kriege.
Von
Geh. Sanitätsrat Dr. Th. Benda*Berlin.
Wenn auch das früher viel gebrauchte Schlagwort von der De¬
generation des Volkes angesichts seiner jetzigen kraftvollen Leistungen
bedeutunglos geworden ist, so unterliegt es doch keinem Zweifel, daß
unter dem Einfluß der enormen Anforderungen, die auf allen Gebieten
menschlichen Wissens und Könnens der beispiellose „Kulturauf¬
schwung“ des letzten Jahrhunderts an das Nervensystem gestellt
hatte, dasselbe in seiner Reaktion verändert, reizbarer, ruheloser,
labiler geworden war. Normalerweise hätte sich nun dieses veränderte
Nervensystem den neuen Reizen allmählich angepaßt, hätte man ihm
nur dazu Zeit gelassen. Durch die plötzliche Welterschütterung, durch
den Kampf um Sein oder Nichtsein der Individuen wie der Völker
wufde es aber wie ein Seismograph in ein Schwanken und Zittern
versetzt, daß eine lange Zeit vergehen dürfte, ehe die Nadel wieder zur
Ruhe gekommen sein wird. Es steht zu fürchten, daß das Heer der
Nerven- und Geisteskranken nach dem Kriege erhebliche Vergrößerung
erfahren wird. Besonders zahlreich werden auch, nach den Erfahrun¬
gen der siebziger Jahre zu urteilen, die Opfer der Paralyse sein. Wenn
aber von Mendel 1 ) im Kriege 1870/71 als wirksame Schädlichkeiten
bei Soldaten namentlich „der Belagerungsdienst, die Tag und Nacht
monatelang dauernde Unsicherheit“ angenommen worden sind *), so
wird man sich fragen, was wollen diese Faktoren, die noch dazu eine
verhältnismäßig kurze Zeit wirksam gewesen sind, bedeuten gegen-
•-
M Mendel, Die progressive Paralyse der Irren. Berlin 1880.
l ) Der syphilogenen Komponente der Paralyse vindiziert Mendel
schon damals eine nicht unerhebliche Bedeutung.
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Psychiatrische Vorschläge für die Zeit nach dem Kriege. 357
über den gewaltigen physisehen, psychischen und moralischen Er¬
schütterungen, denen heute das Nervensystem unserer Krieger, und
schon seit so langer Zeit, ausgesetzt ist ? Aber auch die Nerven derer,
die weitab vom Schlachtendonner ihren Geschäften nachgehen, werden
in Mitleidenschaft gezogen durch die Angst um das Schicksal der An¬
gehörigen, durch die Sorge um die Existenz, durch die elektrische
Spannung der politischen Atmosphäre 1 ). Viele, die jetzt während
des großen Eingens noch notdürftig durchhalten, wird man als hilf¬
lose Wracks auf der geglätteten Flut antreffen 2 ). Während aber
früher der Überfluß an kräftigen, gesunden Existenzen so groß war,
daß der kleine, wenn sich auch stetig vergrößernde Prozentsatz der
durch geistige Erkrankung Zerrütteten volkswirtschaftlich nicht in
Betracht kam, wird, nachdem so viele wertvolle Kraft vernichtet ist,
noch sparsamer und liebevoller, als dies ohnehin wenigstens bei uns
schon der Fall war, mit dem Menschenmaterial umgegangen werden
müssen, und alles wird zu geschehen haben, um noch mehr als bisher
sowohl die Gesunden vor Krankheit zu schützen als auch den Kranken
die schnellste Rückkehr in die Gesundheit zu ermöglichen. So wird
sich die Psychiatrie voraussichtlich vor riesengroße Aufgaben gestellt
sehen. Es sei im folgenden gestattet, auf einige Punkte, deren Ver¬
wirklichung ihre Arbeit vielleicht erleichtert, des näheren einzugehen.
Eine wirksame Behandlung kann bekanntlich in der großen Mehr¬
zahl der Erkrankungen nur in der Anstalt, schon allein durch den
Schutz, den sie dem Kranken gegen seine meist unverständige Um¬
gebung gewährt, ermöglicht werden. Das Vorurteil gegen das „Irren¬
haus“ ist indessen leider noch immer die Klippe, an der so manche
Hoffnung zerschellt. Die Irrenanstalt ist in den Augen des Publikums
noch immer nichts als ein Ort, in dem gefährliche Menschen unschädlich
gemacht werden, im günstigsten Falle betrachtet man sie als Pflege-
anstalt für Unheilbare. Es kommt aber darauf an, daß dem Volk der
Glaube beigebracht wird, daß auch ein Geisteskranker geheilt, voll-
x ) Daß bei jüngeren Frauen zuweilen auch die Folgen der aufge¬
drungenen Abstinenz und andrerseits Heue und Scham wegen eines be¬
gangenen Fehltritts von Bedeutung sind, haben mir die Erfahrungen aus
meiner Praxis wahrscheinlich gemacht.
*) Naumann gebraucht in seinem vorzüglichen Buch: „Mitteleuropa“
bei der Besprechung der wirtschaftlichen Verhältnisse ein ähnliches Bild.
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358
Th. Benda,
kommen geheilt werden kann, und daß die Hauptaufgabe der Irren¬
anstalt in erster Linie darin besteht, kranke Menschen zu heilen 1 ).
Ich glaube aber, die unglücklichen, auch wissenschaftlich ver¬
alteten Bezeichnungen „geisteskrank“ und „Irrenhaus“ tragen sehr
viel dazu bei, im Volke diesen Glauben nicht aufkommen zu lassen.
Die Bezeichnung „geisteskrank“ ist unter allen Umständen eine
Trotz ihrer glänzenden wissenschaftlichen Stellung, die sich die
Psychiatrie im Laufe der letzten 50 Jahre durch systematische ätiologische,
klinische, anatomische, experimental-psychologische, psycho-analyti-
sche, Studien errungen hat, wird der Irrenheilkunde mehr als irgendeinem
andern Zweige der Medizin ein unberechtigtes Mißtrauen entgegengebracht.
Es ist richtig, mit Maßnahmen von so fundamentaler Bedeutung, wie sie
andere Gebiete aufzuweisen haben — ich erinnere nur an die Einführung
der Serumtherapie bei Diphtherie —, kann sie nicht aufwarten. Es gelingt
ihr vorläufig weder pharmakologisch noch serologisch noch psychologisch
einen einwandfreien Einfluß auf die Krankheit selbst auszuüben, auch
wenn diese uns ätiologisch vertraut geworden ist. Ob die durch Hyperpyrese
und antisyphilitische Behandlung teils für sich allein, teils in kombinierter
Anwendung bei Paralyse erzielten Erfolge mehr als eine Remission, die auch
sonst vielleicht eingetreten wäre, darstellen, ist doch wohl nicht mit Sicher¬
heit zu entscheiden. Immerhin sind die jüngst auch von Hudovernig im
Neur. Ztlbl. 1916 Hft. 2 mitgeteilten Erfolge beachtenswert. Iin allge¬
meinen behandelt aber die Psychiatrie durch Narkotika, Dauerbäder,
Bettruhe u. a. in erster Linie nur Symptome; und trotzdem ist der Prozent¬
satz der Heilungen im Vergleich zu den schweren körperlichen Erkrankun¬
gen durchaus kein kleiner. Wenn z. B. bei dem akuten manischen Anfall
sowie bei der akuten Demenz 80% der Erkrankten zu vollkommener
Wiederherstellung gelangen, so gibt es nicht viele schwere körperliche Er¬
krankungen, bei denen ein solches Resultat zutage tritt. Von den großen
Volksseuchen, bei denen 50—80 % allein zugrunde gehen, ganz abgesehen,
ist z. B. der Prozentsatz der vom Typhus Genesenden selbst heute, wo die
Typhusmortalität dank den Fortschritten der inneren Medizin erheblich
gegen früher herabgedrückt ist, doch noch zuweilen nicht viel größer als
bei der Manie. Betrug doch z. B. in Berlin im Durchschnitt der 3 Jahre
1909/11 die Typhusmortalität 18,9% (Statistisches Jahrbuch der Stadt
Berlin 1913). Von den nicht Gestorbenen erfreuen sich aber keineswegs
alle einer Restitutio ad integrum, da häufig genug Darm-, Nerven- und
Geistesstörungen für das ganze Leben Zurückbleiben. Auch die Gehirn-
und Rückenmarksleiden können in ihren Ausgängen trotz der chirurgischen
Unterstützung nicht viel höher bewertet werden als selbst die Paralyse,
die wenigstens in der Remission etwas besitzt, dem jene nichts an die Seite
zu stellen haben.
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Psychiatrische Vorschläge für die Zeit nach dem Kriege.
359
falsche. Von den uns bisher bekannten Erscheinungsformen des Psychi¬
schen, den Bewußtseins- und Unterbewußtseinsvorgängen, die wir als
solche von den Erscheinungsformen der physischen Welt unter¬
scheiden, haben wir keine räumliche Vorstellung, sondern wir können
sie nur innerhalb der Zeit wahrnehmen. Mit dem Begriff des Patho¬
logischen verbinden wir nun aber immer die Vorstellung von dem Ein¬
treten gewisser Veränderungen an einem räumlich Ausgedehnten, er
ist für uns aber unverständlich in bezug auf Vorgänge rein zeitlicher
Natur. Darum können wir nicht von einer kranken Psyche sprechen,
wenn wir die in die Erscheinung tretenden Bewußtseinsvorgänge in
anderer als der gewohnten Form sich vollziehen sehen. Für denjenigen,
der auf dem Standpunkte der Identität des Physischen und Psychi¬
schen steht, der das Psychische lediglich als eine Gehimfunktion oder
als Kraftäußerung der Materie, analog etwa der elektrischen Kraft¬
äußerung, ansieht, ist es selbstverständlich, daß man, wenn man von
einer erkrankten Psyche spricht, darunter eine physische Erkrankung
wie irgendeine andere versteht. Aber auch, wer sich Physisches und
Psychisches als etwas voneinander Verschiedenes, entweder als in
Wechselwirkung oder in einem Parallelverhältnis zueinander stehend,
vorstellt, oder wer spiritistisch denkt, der wird, wenn sich das Psychi¬
sche in andern Erscheinungsformen als gewöhnlich äußert, immer nur
der körperlichen Komponente des Organismus das Attribut des Krank¬
haften beilegen können; bei der spiritistischen Auffassung würde aber
außerdem die Vorstellung eines kranken, unsterblichen Geistes nicht
der Komik entbehren. Für uns gilt es heute als etwas Selbstverständ¬
liches, nicht Diskutierbares, daß, was auch immer das Psychische sein
mag, die sogenannten psychischen Erkrankungen genetisch an die
Tätigkeit des Gehirns geknüpft sind, mag dasselbe durch anatomische
oder physikalische Veränderungen seiner Struktur oder anderer Organe
oder durch einen gestörten Chemismus innerhalb des Betriebes des
Organismus zu anormalen Reaktionen veranlaßt werden. Für uns
sind geistige Erkrankungen deshalb lediglich Gehirnerkrankungen,
die sich nur durch das stärkere oder ausschließliche Hervortreten von
Veränderungen der Bewußtseinsvorgänge der verschiedensten Art
von andern Krankheiten des Gehirns, bei denen dies weniger oder gar
nicht der Fall ist, unterscheiden.
Deswegen sollte man es aber vermeiden, diese speziellen Formen
Zeitschrift für Psychiatrie. LUII. 4. 26
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360
Th. Benda,
von Gehknerkrankungen vor dem Volke in Gegensatz zu den körper¬
lichen Erkrankungen zu setzen und sie dadurch mit dem Odium des
ganz Besonderen zu belasten. Man verzichtet ja doch auch sonst viel¬
fach, wo es sich nicht gerade um wissenschaftliche Spezialgesichts¬
punkte handelt, bei der Benennung von Krankheiten auf die für den
Begriff natürlich notwendige Differentia specifica und subsumiert sie
unter die Kategorie, zu der sie anatomisch oder funktionell gehören.
Warum bezeichnet man nicht auch den Geisteskranken nach dem
Organ, das die Krankheit vermittelt, als gehirnkrank oder genereller
nach dem Organsystem, zu dem das Gehirn gehört, als nervenkrank? *)
Gleichzeitig mit der Verbannung des Wortes „geisteskrank“ gebe
x ) Dieser Vorschlag steht allerdings im Gegensatz zu den Bestrebun¬
gen derer, die das Wohl der Allgemeinheit über das des Individuums zu
setzen für geboten halten, die im Interesse eines gesunden Nachwuchses
als Vorbedingung einer Heirat z. B. die Bescheinigung der geistigen (und
körperlichen) Gesundheit der Partner und deren Familien erstreben. Sie
würden wahrscheinlich in der eventuellen Attestierung „nerven- oder
gehirnkrank“ statt „geisteskrank“ eine Verschleierung erblicken. Bei
der wissenschaftlichen Überzeugung, die wir Ärzte von dem Wesen der
Psychosen haben, läge eine solche natürlich nicht vor, auch wenn
das spezifische Unterscheidungsmerkmal nicht besonders betont wird.
Aber hiervon abgesehen, halte ich es für unmöglich, daß die Ideen jener
Schwärmer jemals verwirklicht werden könnten, solange die ärztliche
Tätigkeit nicht monopolisiert ist. Solange ein persönliches Vertrauens¬
verhältnis zwischen einem Arzt und seinem Patienten besteht, wird für
den Arzt — er mag das Wohl der Allgemeinheit noch so hoch einschätzen —
das Interesse des Kranken, der sich ihm anvertraut hat, unter allen Um¬
ständen die Richtschnur seines Handelns bleiben, und mit Entrüstung
würde er jede Zumutung eines Vertrauensbruchs zurückweisen müssen.
Und was nun die Sache selbst betrifft, so ist die Vererbung zwar eine
Tatsache, an der nicht zu rütteln ist, aber sie ist doch kein Gesetz, „das
in jedem Einzelfall gültig wäre“ (Kraepelin)-, vor allen Dingen besitzen
wir kein wissenschaftliches Kriterium, um ein eventuelles Auftreten
„psychischer“ Störungen in der Deszendenz mit Sicherheit Voraussagen
zu können. Wird doch auch zumeist nur die Prädisposition übermittelt.
Und die Gesundheit der Familie? Es dürfte nicht viele geben, die in der
Lage wären, über eine lückenlos „normale“ Aszendenz mehrere Genera¬
tionen hinauf verfügen zu können. Und haben selbst diese wenigen Glück¬
lichen die Gesundheit ihrer Deszendenz etwa verbrieft ? Bei so schwachen
Voraussetzungen würde in einem gesunden Staatswesen niemals die Zu¬
stimmung zu so eingreifenden Maßregeln gegeben werden können.
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Psychiatrische Vorschläge für die Zeit nach dem Kriege.
361
man auch der atavistischen Bezeichnung „Irrenanstalt“ den Laufpaß.
Die Stadt Berlin hat in anerkennenswerter Weise dem Umstande, daß
sich in der Idiotenanstalt auch eine größere Zahl bildungsfähiger Ele¬
mente und intellektuell nicht geschwächter Psychopathen befindet,
Rechnung getragen, indem sie nach dem Grundsatz „de potiori fit
denominatio“ die Elimini erung des Namens Idiotenanstalt und ihre
Umwandlung in eine „Heil- und Erziehungsanstalt“ vorgenommen
hat. Man kann „das Wesen gewöhnlich aus dem Namen lesen“; das
Publikum wenigstens verknüpft mit dem Namen Irrenanstalt den
Begriff des Unheilbaren. Man gebe aber zu erkennen, daß der Haupt¬
zweck der Anstalt die Heilung sein soll, und wandele deshalb die Irren¬
anstalt allgemein in eine Heilanstalt, eventuell auch in eine Heil-
und Pflegeanstalt um. Die große Masse des Volkes wird sich dann
früher, als wie es heute geschieht, bereit finden, einen erkrankten Ange¬
hörigen über die Schwelle eines Hauses zu geleiten, das nicht mehr
wie bisher für sie die Inschrift trägt „Laßt alle Hoffnung draußen,
wenn ihr hier eintretet“.
Sehr wünschenswert wäre es auch, wenn die Psychiater mehr als bis¬
her aus ihrer Reserve heraustreten und das Volk durch Vorträge über
wichtige Fragen aus ihrem Gebiet belehren würden, in ähnlicher Weise,
wie es schon lange von seiten der „Inneren“ geschieht. So manches
Mißverständnis würde beseitigt, viele Vorurteile erschüttert und der
Weg zum Vertrauen würde angebahnt werden.
Ich möchte nun einige Punkte besprechen, die meines Erachtens
bei der Behandlung berücksichtigt werden könnten.
Eine recht erfreuliche Erscheinung, die der Krieg gezeitigt hat,
ist die, daß gebildete junge Mädchen sich in reichlicher Zahl in den
Dienst der Krankenpflege gestellt haben, in selbstloser, aufopferung-
voller Tätigkeit ein nicht zu unterschätzendes Arbeitsquantum leisten
und die überbürdeten Ärzte je nach dem Maß ihres Könnens zu ent¬
lasten vermögen. Es wäre nun sehr zu wünschen, daß nach dem Kriege
solche wertvollen Kräfte auch in den Dienst der Irrenpflege gestellt
werden würden. Man hat in den Anstalten, der Not gehorchend, nicht
dem eigenen Trieb, auch in den Männerabteilungen Wärterinnen
anstellen müssen. Diese haben sich im allgemeinen in ihre neue Tätig¬
keit recht gut gefunden; von geringen Ausnahmen abgesehen, scheinen
sich nicht, wenigstens nicht in dem Maße die Mängel herausgestellt zu
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Th. Benda,
haben, die man a priori anzunehmen berechtigt war (fehlende Körper¬
kraft, sexuelle Belästigung durch die Kranken u. a.).
Warum sollten nun in Zukunft nicht auch gebildete weibliche
Personen in Anstalten dauernd Verwendung finden, um mutatis mu-
tandis die Funktion der Gesellschaftsdamen in den Sanatorien einzu¬
nehmen ? Es kann sich hierbei nur um solche Mädchen und Frauen
handeln, die in erster Linie Liebe und Lust zu dem neuen Beruf drängt,
nicht etwa eine hysterische Laune, die gesund und kräftig sind, und die
theoretisch und praktisch einen Vorbereitungskursus in der Psychiatrie
durchgemacht haben müssen.
Wie die Dinge heute liegen, so sind die Kranken in der ganzen
Zeit, die außerhalb der ärztlichen Visiten liegt, entweder sich selbst
oder der Obhut ungebildeter Pfleger und Pflegerinnen überlassen,
deren Aufgabe doch nur darin besteht, für das leibliche Wohl im
weitesten Sinne zu sorgen, deren Einfluß auf die Psyche vielfach
ungünstig, im besten Falle gleich Null ist. Hier scheint mir eine Lücke
zu klaffen, die vielleicht von der neuen Kategorie von Pflegerinnen
ausgefüllt werden könnte. Es versteht sich von selbst, daß diese den
gewöhnlichen Pflegern gegenüber nicht eine übergeordnete Stellung
mit dem Charakter des Vorgesetzten einzunehmen hätten, weil sonst
störende Reibereien an der Tagesordnung wären. Es versteht sich
ferner von selbst, daß die neuen Helferinnen z. B. unruhige, ängst¬
liche, halluzinierende Kranke nicht durch Gespräche belästigen, über¬
haupt nicht eigenmächtig, sondern nur nach ärztlicher Ordination
psychisch einzuwirken und eventuell zu einer Beschäftigung anzu¬
leiten versuchen.
Namentlich der gebildetere Kranke wird, wenn die Wahnvor¬
stellungen verblassen, die manische oder deprimierte Stimmungslage
der Norm zustrebt, wenn er sich aber noch aus einem gewissen
Gefühl der Scham heraus, einem Zeichen der wiederkehrenden Gesund¬
heit, gehemmt fühlt, gern jemand um sich haben, der ihm aus der
Zeitung, einem Buch vorliest, mit ihm Schach und dergleichen spielt,
ihn bei Ausgängen begleitet, mit dem er sich besprechen und aus¬
sprechen kann; er wird der Teilnahme, die ihm die taktvolle Helferin
entgegenbringt, und die er als solche empfindet, nicht gleichgültig
gegenüber bleiben. Die von der Helferin zu ihm geschlagene Brücke
wird dann dem Arzt den Verkehr mit dem Kranken erleichtern. Aber
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Psychiatrische Vorschläge für die Zeit nach dem Kriege. 363
auch bei den chronischen Fällen und den mit Defekt geheilten, die der
Anstaltsbehandlung dauernd bedürfen, wird der wohltuende Einfluss
der Helferin nicht unbemerkt bleiben. Nicht gering möchte ich auch
die moralische Beeinflussung der ganzen Krankenabteilung durch die
Autorität der gebildeten Frau bewerten. Durch ihre Anwesenheit
allein würde z. B. ein stärkerer Impuls den Hemmungsvorstellungen
des Wachtpersonals zugeführt werden, dessen Umgangsformen den
Kranken gegenüber — bei aller Achtung vor den auföpferungvollen
Leistungen der Wärter und Wärterinnen sei es gesagt — doch noch
verbesserungsbedürftig sind.
Es bedarf wohl nicht der Erwährung, daß das, was ich empfehle,
nicht mit der Wirksamkeit der Schwestern in katholischen Ländern
in Parallele gesetzt werden kann. Diese haben ganz andere Pflichten
und Ziele, ihre Aufgabe besteht der Hauptsache nach in der Beauf¬
sichtigung der ihnen unterstellten Abteilung. Daß ihr stilles Walten,
ihr sanftes, religiös gefärbtes Wesen auf manche empfängliche Kranke
zuweilen günstig zu wirken vermag, soll nicht bestritten werden,
bestärkt aber gerade meine Ansicht.
Nun einige Worte zur Familienpflege.
Wie die Verhältnisse heute liegen, so darf man wohl behaupten,
daß die jetzige Einrichtung, namentlich in hygienischer, sozialer,
moralischer, nicht zu vergessen rassenhygienischer Beziehung große
Mängel aufzuweisen hat. Daß auch die Pfleger sich nur zum kleinsten
Teil selbst bei dem minderwertigen Material, das ihnen heute über¬
geben wird, für eine so bedeutende Aufgabe, wie die ihnen gestellte,
qualifizieren, geht aus der Schilderung Bernhardts 1 ), die Berliner Ver¬
hältnisse betreffend, klar hervor. Und doch wäre es wünschenswert,
wenn der gesunde Gedanke, der der Familienpflege zugrunde liegt,
dazu benutzt würde, die Mängel nach Möglichkeit zu verbessern und
die Einrichtung weiter auszubauen. Es läge dies in gleicher Weise
im Interesse der Kranken wie der stark belasteten Anstalten.
Das Material, das heute der Familienpflege übergeben wird,
besteht zum großen Teil aus Imbezillen. Es wäre aber zu bedenken,
ob man in Zukunft nicht in größerer Menge als bisher auch solche
Kranke in Pflege gibt, bei denen, um Bernhardts Ausdruck zu gebrau-
l ) Bernhardt , Die großstädtische Versorgung Geisteskranker in Fa¬
milienpflege. Halbmonatsschr. f. soz. Hygiene usw. 1914.
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Th. Benda,
ohen, es eben einmal versucht wird, ob sie sich außerhalb der Anstalt
halten können, gewisse Katatoniker, Querulanten u. a. Vor allen
Dingen müßte aber in der Familienpflege auch für die heilbaren Kran¬
ken, wenn sie sich im letzten Stadium der Rekonvaleszenz nach akuten
Störungen befinden, eine Durchgangstation in die freien Lebens- und
Wirtschaftsverhältnisse geschaffen werden.
Der Ausbau der Familienpflege erscheint mir gegenwärtig jeden¬
falls von um so größerer Bedeutung, als in den letzten Jahren von ver¬
schiedenen Seiten auf Grund gemachter Erfahrungen eine frühere
definitive Entlassung aus der Anstalt für nicht so bedenklich gehalten
wird, als man gemeinhin annimmt, indem ein nicht geringer Prozentsatz
der Entlassenen sich draußen wider Erwarten gutgehalten hat und arbeits¬
fähig geworden ist 1 ). Ich warne dringend davor, dies etwa zu ver¬
allgemeinern. „Laßt uns nicht weise sein wollen, wo wir nichts als
glücklich gewesen“. Es ist auch zu berücksichtigen, daß die beste
Waffe, die wir im Kampf gegen die Krankheit besitzen, die Anstalt,
diskreditiert werden muß, wenn das Publikum aus falschen Prämissen
heraus zu dem Schluß kommt: „Es geht auch so.“ Ganz anders liegen
aber die Verhältnisse bei der Familienpflege. In diese kann man eben
die Kranken früher entlassen, da sie dort doch noch unter dem Schutz
der Anstalt verbleiben.
Die Hauptschwierigkeiten des Ausbaues der Familienpflege liegen
nicht darin, daß es an geeignetem Krankenmaterial fehlt, sondern in
dem Mangel eines geeigneten Pflegermaterials und geeigneter Pflege¬
stätten.
Gerade für die Kategorien von besserungsfähigen Kranken eignet
sich aber m. E. nur ein Pflegermaterial, dem der Umgang mit Geistes¬
kranken kein Novum, sondern etwas durch langjährige Übung und
Erfahrung in Fleisch und Blut Ubergegangenes und Vertrautes ge¬
worden ist.
Diese Voraussetzungen finden wir aber in erster Linie bei den¬
jenigen, die entweder noch in Anstalten als Pfleger oder Pflegerinnen
1 ) Tomaschny , Erfahrungen über Entlassung von Kranken gegen
Revers. Psycho-neur. Wschr. 1912. — Uhlmann , Zur Frage der vorzeitigen
Entlassung von Geisteskranken aus der Heilanstalt. Psych.-neur. Wschr.
1914/15. — Treiber, Erfahr, über die Entlassung Geisteskranker gegen
ärztl. Rat. Allg. Ztschr. f. Psych. Bd. 72, 1915.
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Psychiatrische Vorschläge für die Zeit nach dem Kriege.
365
beschäftigt sind oder früher beschäftigt waren und sich verheiratet
haben. In Berlin ist es nicht erlaubt, Kranke zu noch in der Anstalt
tätigem Wärterpersonal in Pflege zu geben, während in der Provinz
dies vielfach geschieht. Ich halte in Anstalten beschäftigtes Personal
auch nicht für geeignet, weil der Kranke durch den ihm bekannten
Wärter zu sehr an die Anstalt erinnert wird und dadurch das Freiheits¬
gefühl, dem wohl ein Heilung beförderndes Moment nicht abgesprochen
werden kann, erheblich herabgestimmt wird. Aber erprobte, tüchtige,
moralisch einwandfreie ehemalige Wärter oder Wärterinnen dürften,
insbesondere, wie gesagt, für die heilbaren Kranken, prinzipiell das
geeignetste Pflegermaterial abgeben.
Für die andern unheilbaren Kranken muß, sofern nicht geeignete
ehemalige Wärter vorhanden sind, mehr als bisher auf die Qualität
der Pfleger, namentlich in moralischer Hinsicht, gesehen werden.
Betreffs der Wohnungsverhältnisse und Schlafgelegenheiten verdient
der hygienische Gesichtspunkt die vollste Berücksichtigung, auch die
Arbeit muß beaufsichtigt werden, um der gewerblichen Ausbeutung
der Pfleglinge zu steuern. Daß andrerseits nur körperlich Gesunde,
besonders nicht Kranke mit offener Tuberkulose, in Pflege gegeben
werden dürfen, versteht sich von selbst.
Vollkommen machtlos sind wir natürlich gegen die Konsequenzen
der geschlechtlichen Betätigung der Pfleglinge, so sehr dies vom rassen¬
hygienischen Standpunkt auch zu beklagen sein mag. Der § 176
StrGB. gewährt in dieser Hinsicht natürlich nur geringen Schutz,
denn abgesehen davon, daß unter ihn nicht die kranken Männer fallen,
wird ein Mann, der mit einer Imbezillen verkehrt, meist gar nicht in
der Lage sein, den kranken Zustand beurteilen zu können; die Kenntnis
eines solchen Zustandes bildet aber die Voraussetzung des § 176.
Gegenüber den sonstigen Schädigungen der menschlichen Gesellschaft
in rassenhygienischer Beziehung ist aber der Schaden, der durch die
verhältnismäßig wenigen imbezillen Pfleglinge angerichtet wird, kein
ins Gewicht fallender, wenn man bedenkt, daß unzählige Psycho¬
pathen, Schwachsinnige, Schizophrenen jeder Kategorie, die nie in
Anstaltsbehandlung kommen, sich meist schrankenlos geschlechtlich
betätigen dürfen.
Noch einige Worte zur Prophylaxe, der natürlich in Zukunft
die größte Bedeutung zukommt. Vernünftigerweise hat eine solche
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Th. Benda,
bei der Jugend einzusetzen. Und in richtiger Erkenntnis dieses Um¬
standes war man ja schon in dem letzten Friedensjahrzehnt bemüht,
der Ausbildung des Körpers, die man so lange vernachlässigt hatte,
zu ihrem Rechte zu verheilen. Turnen, Spiel, Sport wurden — fast zu
viel schon — gepflegt, auch die Wandervereine jeglicher Art standen
in hoher Blüte. Dazu ist aber jetzt noch die militärische Jugendvor¬
bereitung gekommen, die an die Körperkraft nicht unerhebliche An¬
forderungen stellt. Wenn nun, wie es zu erwarten steht, diese zu
einer obligatorischen Einrichtung wird, so wird darauf zu sehen
sein, daß eine körperliche Überanstrengung vermieden und den
jungen Leuten ein zwangloses Genießen der wenigen ihnen in ihren
Jugendjahren zur Verfügung stehenden freien Stunden nicht zu sehr
verkürzt wird. Weiß man doch nicht, ob und wie vielen ein
solches Genießen im späteren Leben gewährt sein wird! Dazu kommt
aber noch, daß nach dem Kriege die einige Zeit zurückgedrängten
Forderungen der Schule nach einem Mehr in wissenschaftlicher Hinsicht
wiederum erhoben und auch noch neue Unterrichtsfächer mit heran¬
gezogen werden sollen. Dabei schwebt aber der „Abbau“ der Schul¬
hygiene, insbesondere der Unterrichtshygiene, vielen als Ideal vor.
Mit dem Prinzip der „Verweichlichung“ der Jugend — der Krieg hat
diesen Vorwurf nicht gerade gerechtfertigt! — soll definitiv gebrochen
werden. Es ist dies um so bedauerlicher, als, wie ich in früheren Ar¬
beiten nachgewiesen habe, nur 5% der Schüler aus eigener Kraft
in der vorgeschriebenen Zeit und ohne Schädigung der Ge¬
sundheit den Anforderungen der Schule zu entsprechen vermögen 1 ).
Wenn man aber dem noch in der Entwicklung begriffenen Organismus
eine intellektuelle, gemütliche und körperliche Inanspruchnahme zu¬
mutet, die weit über die physiologische Leistungsfähigkeit hinaus¬
geht, wenn man die Ruhepausen verkürzt, den Sonntag seines Feier¬
tagscharakters beraubt, wenn das „hygienische Gleichgewicht“, um
einen Ausdruck von Kemsies 2 ) zu gebrauchen, gestört wird, dann wird
man sich nicht wundern dürfen, wenn die Nervenkraft vor der Zeit
l ) Benda, Maß der Lehrpensen und Lehrziele an höheren Unter¬
richtsanstalten. Ztschr. f. Schulgesundheitspflege 1904. — Derselbe,
Sonderklassen für die Schwachbegabten auf den höheren Schulen.
Ztschr. f. Schulgesundheitspflege 1907.
*) Kemsies, Die vaterländische und militärische Erziehung der
Jugend. Leipzig, Leopold Voss, 1915.
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Psychiatrische Vorschläge für die Zeit nach dem Kriege. 367
verbraucht wird und später keine Reserven mehr zur Verfügung
stehen, wenn es sich darum handelt, dem gewaltigen Ansturm der
politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Aufgaben, die unser
nach dem Kriege harren, gewachsen zu sein. Also wohl Anspannung
der geistigen und körperlichen Kräfte der Jugend, aber keine Über¬
spannung!
Das xaX&v xeqaööv, das Ideal der humanistischen Erziehung,
kann nur auf dem Boden geistiger und körperlicher Gesundheit und
vernunftgemäßer Freiheit erwachsen.
Ein weiterer wichtiger Punkt der Prophylaxe betrifft die Ein¬
dämmung der Syphilis durch zweckentsprechende Belehrung der
Jugend. Wenn, wie ich aus dem Munde von Schulmännern gehört
habe, der Prozentsatz der Primaner, die sich geschlechtlich noch nicht
betätigt haben, ein erstaunlich kleiner ist, so ist es Aufgabe der Schule,
der Volksschule, sowohl wie der höheren, durch ärztliche Belehrung
bereits frühzeitig die Schüler auf die Gefahren aufmerksam zu machen,
die speziell auch ihrem Nervensystem durch Infektion mit Syphilis
drohen. Nicht hoch genug kann auch die ungeheure Tätigkeit be¬
wertet werden, die die Militärverwaltung sowie die Reichsversiche¬
rungsanstalt und die Landesversicherungsanstalten zusammen mit
der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrank¬
heiten im Kampfe gegen diese Volksseuchen entfalten. Es steht
zu hoffen, daß sie ähnliche Erfolge zeitigen wird, wie es zurzeit bei der
Antialkoholbewegung der Fall war *).
War schon vor dem Kriege dem nervösen, neurasthenischen,
hysterischen Minderbemittelten viel zu wenig Gelegenheit gegeben,
*) Der Alkohol wirkt auf den heutige Menschen offenbar ganz
anders, als er in früheren Zeiten gewirkt haben kann. Würden z. B.
beim alten Germanen, der ganz kolossale Mengen solcher Getränke ver¬
tilgt haben soll, alle die schädlichen Wirkungen, die wir heute dem Alkohol
zuschreiben, sich bereits geltend gemacht haben, so wären die Nachkommen
zweifellos ganz ungeheuer entartet, und die germanische Kultur hätte sich
schwerlich zu ihrer jetzigen Höhe emporheben können. Unser heutiges
nervöses Geschlecht verträgt aber wohl den Alkohol sowohl qualitativ als
quantitativ schlechter als seine derbnervigen Vorfahren, und darum ver¬
dient der Kampf gegen den Genuß des Alkohols besonders im jugendlichen
Alter volle Beachtung und allseitige Unterstützung, insbesondere auch
von seiten der Nervenärzte.
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368
Th. Benda,
in geeigneten Nervenheilanstalten sich behandeln zu lassen, so wird
nach dem Kriege dieser Mangel sich noch weit fühlbarer machen.
Die wenigen bestehenden, diesen Zwecken dienenden Anstalten haben
schon dem bisherigen Bedürfnis in keiner Weise genügt. Daß nicht
jede Neurasthenie oder Hysterie durch eine vierwöchige Behandlung
geheilt werden kann, ist selbstverständlich. Wenn aber in über 80%
der Fälle eine Besserung erzielt wird, die es dem Betreffenden ermög¬
licht, seinem Berufe weiter nachgehen zu können, so wird man für die
Dauer von dieser Wohltat nicht so viele Bedürftige ausschließen können.
Die betreffenden Behörden werden, um so mehr, als es auch in ihrem
eigensten Interesse liegt, den Irren- und Armenetat zu entlasten, nicht
umhin können, offene Nervenheilanstalten, die einen verhältnismäßig
wohlfeilen Betrieb haben, in größtem Umfange zu errichten. Man
wird sich für die Dauer der Einsicht nicht verschließen dürfen, daß
die großen Nervenseuchen eine starke Beeinträchtigung der Volks¬
wohlfahrt herbeiführen. Die Zahl der Jahre und Jahrzehnte Kränkeln¬
den, Klagenden, Verzweifelnden und invalide Gewordenen ist jetzt
schon eine bedeutende und wird in Zukunft voraussichtlich noch er¬
heblich steigen, so daß auch eine Schädigung des Nationalwohlstandes
durch die Ausschaltung so vieler Arbeitskraft gerade in der Zeit der
höchsten Lebensbetätigung die Folge sein muß. Und dem nach Mög¬
lichkeit wirksam entgegenzuarbeiten, erfordert, nach dem Kriege mehr
denn je, das Lebensinteresse unseres Volkes.
In dieser Hinsicht erscheint mir noch ein Punkt von besonderer
Bedeutung. Ohne an dieser Stelle auf die angesichts der zahlreichen
Kriegsneurosen im Augenblick wieder lebhaft diskutierte Frage nach
der Entstehung und der Natur der „traumatischen Neurose“ einzu¬
gehen und mich für die eine oder andere Ansicht zu entscheiden, halte
ich nach wie vor daran fest, daß in der großen Mehrzahl der Fälle den
Neurosen nach entschädigungspflichtigen Unfällen, auch denen, die
etwa nicht psychogen entstanden sind, erst durch die ihnen aufge¬
pfropfte Rentenneurose ihr hartnäckiger und bösartiger Charakter
aufgedrückt wird 1 ). Es muß, um der kausalen Indikation zu genügen,
daher nach dem Vorbild anderer Länder auch bei uns von einer ver-
nunftg mäßen Kapitalabfindung, etwa in dem Sinne, wie es für die
l ) Benda, Einige Vorschläge zur Unfallversicherungspraxis. Mtschr.
f. Unfallheilkd. 1914.
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Psychiatrische Vorschläge für die Zeit nach dem Kriege.
369
Kriegsbeschädigten und Kriegerwitwen vorgesehen ist, Gebrauch
gemacht werden.
Krankheiten gänzlich zu verhüten, wird ein frommer Wunsch
bleiben, Störungen aller Art werden sein, solange organische Wesen
sein werden. Auch wenn die Rassenhygiene ihre Ideale verwirklicht
haben wird, kräftigere und widerstandfähigere Geschlechter die Erde
bewohnen, die Temperamente gleichartiger, Neigungen und Leiden¬
schaften geläuterter sein werden, an Stelle unserer heutigen künst¬
lichen, äußerlichen Zivilisation echte innere Kultur eine Pflanz¬
stätte gefunden haben wird, werden doch die vervollkommneten
Maschinen reparaturbedürftig und Abnutzung unausbleiblich sein.
Die Gegenwart aber mit ihren ins Unermeßliche gesteigerten
seelischen Erschütterungen zwingt uns mehr noch als früher, jedes
Mittel wahrzunehmen, von dem man hoffen darf, daß es für die
Hebung und Stärkung der geistigen Kraft des Volkes von Vorteil ist.
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Kleinere Mitteilungen.
Der Deutsche Verein für Psychiatrie wird am 21. September
1916 eine Kriegstagung in München abhalten, für die folgende Berichte
vorgesehen sind: 1 . Bonhöffer-Berlin : Erfahrungen aus dem Kriege über
die Ätiologie psycho-pathologischer Zustände; 2. JFt/manns-Heidelberg:
Dienstbrauchbarkeit der Psychopathen; 3. E. Meyer- Königsberg: Die
Frage der Dienstbeschädigung bei den Psychosen. Für den 22. Sept. ist
eine Beteiligung an den Verhandlungen der Gesellschaft Deutscher Nerven¬
ärzte über Neurosen nach Kriegsbeschädigungen in Aussicht genommen. —
Es wird gebeten, eigene Erfahrungen nicht in Form von Sondervorträgen,
sondern in der Besprechung der vorgesehenen Berichte mitzuteilen. Ge¬
schäftliche Angelegenheiten werden, da es sich um eine außerordentliche
Sitzung handelt, bis zur nächsten ordentlichen Jahresversammlung zurück¬
gestellt.
Deutscher Verein für Psychiatrie: Rechnungs-Abschluß
für das Jahr 1915.
A. Kassenbestand vom Vorjahr: 12 171,47
B. Einnahmen:
a) 2 Mitgliederbeiträge für 1914 zu 5 M.: 10,—
538 „ „ 1915 „ 5 „ 2 690,—
2 „ „ 1916 „ 5 „ 10,—
b) Porto-Überschuß und -Ersatz 19,30
c) Kapitalzinsen aus 3000 M. 3 \' z % Pfand¬
briefen: 105,—
Kapitalzinsen aus 2500 M. 3 % Pfand¬
briefen: 75,—
Kapitalzinsen aus 5500 M. 4 % Reichs¬
anleihe: 220,—
Kapitalzinsen aus 2000 M. 5% Kriegs¬
anleihe II auf 1. I. 1916: 50,—
d) Zurückgezogene Sparkassen-Einlage nebst
Zinsen: 1 490,—
zusammen: 4 669,30
Bestand und Einnahmen: 16 840,77
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Kleinere Mitteilungen.
371
G. Ausgaben:
a) Kosten der Kassenführung: 89,44
b) Ankauf von nom. 2000 M. Kriegsanleihe
II: 1 947,20
Ankauf von nom. 1000 M. Kriegsanleihe
III: 965,40
zusammen: 3 002,04
Überschuß: 13 838,73
D. Vorhanden in:
Nom. 3 000 M. 3 y 2 % Pfandbriefen; Ankaufs¬
wert: 2 930,85
Nom. 2 500 M. 3 % Pfandbriefen; Ankaufs¬
wert: 2 168,35
Nom. 5 500 M. 4 % Deutsche Reichsan¬
leihe; Ankaufswert: 5 586,70
Nom. 2 000 M. 5% Kriegsanleihe II; An-
kaufswert: 1 947,20
Nom. 1 000 M. 5% Kriegsanleihe III
(steht noch aus): 965,40 13 598,50
Barbestand der Kasse: 240,23
zusammen: 13 838,73
Winnental, den 3. März 1916.
Der Kassenführer:
Obermedizinalrat Dr. Kreuser.
Anmerkung: Der Jahresbeitrag für 1916 mit 5 M. wird im April
eingezogen werden, um Zeichnung auf die Kriegsanleihe IV zu ermög¬
lichen. Pünktliche Einzahlung ist des Zweckes wegen dringend erwünscht.
Die Heinrich ZaeAr-Stiftung hat im Rechnungsjahr April 1915 bis
April 1916 Prof. Dr. /sserlm-München zur Fortsetzung seiner psychologisch-
phonetischen Untersuchungen 1000 M. überwiesen. Das Vermögen der
Stiftung bestand am 1. April 1916 aus:
5 000 M. 3 % preuß. Konsols 1 | eingetragen im Staatsschuldbuch
100 000 „ 3 y 2 % preuß. Konsols > ■! und der Darlehnskasse Berlin ver-
37 000 „ 4 % preuß. Konsols ( pfändet.
96 500 „5 % 1. Kriegsanleihe | [ eingetragen im Reichsschuldbuch
70 000 „ 5 % 2. ,, , ■ u. der Darlehnskasse Berlin ver-
| pfändet.
52 000 „5 % 3. „ , der Darlehnskasse Berlin zugunsten der
4. Kriegsanleihe verpfändet.
6 758 „ Guthaben bei der Darmstädter Bank.
Demgegenüber standen 210 640 M. Schulden an die Darlehnskasse Berlin.
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372
Kleinere Mitteilungen.
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Die Vereinigung mitteldeutscher Psychiater und Neuro¬
logen hält am 22. Oktober 1916 eine Kriegstagung in Dresden ab. Ein
Referat über „Die Geistesstörungen und Neurosen des Heeres zur Kriegs¬
zeit, ihre Art, ihre Dauer, ihre Ursache“, sowie eine Anzahl von Vorträgen
sind gesichert. Etwaige Anmeldungen zu weiteren Vorträgen an Geh. Rat
Dr. Ganser, Dresden-A., Lüttichaustr. 25 erbeten.
Nochmals Psychopathia gallica.— Bis zu Groddeck, dem Ent¬
decker des Morbus democraticus von anno 48, ging Hans Laehr zurück,
um einen Vorläufer für Löwenfeld und Benda zu finden. Sie haben aber
noch einen späteren Vorgänger, der allerdings auch schon vor fünfundvier¬
zig Jahren auftrat, er ahnte nicht nur ihre Lehre voraus, sondern nahm
sie ihnen gleich im vollen Umfang vorweg. Im Jahre 1871 ließ Karl Stark
(1836—1897), der, ein geborener Sachsen-Weimaraner, damals Direktor
der Privatanstalt in Kennenburg in Württenberg war, eine Schrift erschei¬
nen : „Die psychische Degeneration des französischen Volkes, ihr patho¬
logischer Charakter, ihre Symptome und Ursachen. Ein irrenärztlicher
Beitrag zur Völkerpathologie“ (Stuttgart, 1871 ) 1 ). Über den Inhalt
unterrichtet der Titel zur Genüge. Nebenher ergibt sich die überraschende
Tatsache, daß, was man 1871 Degeneration nannte, heute Psychopathie
heißt; wenn vielleicht in der Sache nicht viel weiter, so sind wir immerhin
in der Bezeichnung vom Lateinischen aufs Griechische zurückgekommen.
Zwei Jahre später übersiedelte Stark dann selbst als zweiter Arzt der
Bezirksirrenanstalt Stephansfeld, deren erster deutscher Direktor und
Chefarzt Karl Pelman war, nach dem Elsaß, 1876 wurde er Pelmans Nach¬
folger. Er hatte in seiner neuen Stellung reichlich Gelegenheit, Franzosen
und französisches Wesen im persönlichen Verkehr kennen zu lernen; die
Folge war, daß er seine Kampfschrift nicht mehr aufrechterhielt. Johan¬
nes Vorster (1860—1904), Starks Schwiegersohn und Nachfolger in Stephans¬
feld, der, von der Hand eines Kranken gefällt, nun auch schon zwölf Jahre
im Grabe ruht, sagt in seinem Nekrolog über Stark (Allg. Zeitschr. f.
Psych. 54. Bd., S. 737) zu diesem Kapitel: „In einer Zeit, in der die Wogen
der politischen Leidenschaften hochgingen, schrieb Stark die kleine, aber
Aufsehen erregende Schrift: „Die psychische Degeneration des franzö¬
sischen Volkes“. Er selbst äußerste später halb zur Erklärung, halb zur
Entschuldigung, daß er diese Schrift in einer Zeit ruhiger Überlegung
nicht geschrieben haben würde, daß er aber damals, wo das ganze Volk
gemütlich erregt war, speziell noch durch den Verlust eines nahen Ver¬
wandten auf dem Schlachtfelde schmerzlich getroffen war.“ Vielleicht
x ) Die auch in französischer Übersetzung erschienene Schrift war
mir unbekannt geblieben; ebenso war mir die scharfe, aber auch heute
noch lesenswerte Abweisung derselben durch C. Westphal im 3. Bd. des
Archivs f. Psych. entgangen, auf die mich Herr Koll. Pelman aufmerk¬
sam machte. H. L.
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Kleinere Mitteilungen.
373
werden Löwenfeld und Benda zur gleichen Einsicht kommen. Wir haben
es nicht nötig, die Angriffe von 'Toulouse ernst zu nehmen, der infolge
seiner Vielschreiberei und seiner Fixigkeit in den jeweils „neuesten Metho¬
den“ bei den deutschen Psychiatern bekannter geworden ist, als seiner
Bedeutung entspricht; die französischen Fachgenossen nehmen ihn lange
nicht so wichtig. E. Hess-Görlitz.
Personalnachirichten.
Dr. Friedrich Siemens, Geh. Med.-Rat, Dir. der Prov.-Anstalt Lauenburg
(Pommern), tritt am 1. Juli in den Ruhestand.
Dr. Oswald Bumke, Prof, in Rostock, hat einen Ruf nach Breslau als
o. Prof, und Dir. der psychiatr. und Nervenklinik angenommen.
Dr. Franz Encke, San.-Rat, Dir. von Neuhof bei Ückermünde, ist zum
Dir. der Prov.-Anstalt Lauenburg,
Dr. Paul'Albrecht, Oberarzt in Treptow a. R., zum Direktor d. Prov.-
Anstalt Neuhof,
Dr. Wilhelm Damköhler, Oberarzt in Klingenmünster, zum Direktor der
Kreisanstalt Günzburg,
Dr. Karl Eisen, Oberarzt in Kaufbauren, zum Direktor der Kreisanstalt
Regensburg ernannt worden.
Dr. Karl Brandt, Oberarzt in Eglflng, ist zur Kreisanstalt Haar,
Dr. Wilhelm Caselmann, Oberarzt in Homburg, zur Kreisanstalt Kauf-
beuren,
Dr. Oskar Rein, Oberarzt in Landsberg a. W., zur Landesanstalt Görden
bei Brandenburg,
Dr. Gustav Deutsch, Oberarzt in ückermünde, zur Prov.-Anstalt Treptow
a. R. versetzt worden.
Dr. Heise in.Landsberg a. W.,
Dr. Alfons Michalke und
Dr. Max Gillwald in Eberswalde,
Dr. Kurt von Leupoldt und
Dr. Felix Großmann in Teupitz und
Dr. Georg Treiber in Görden sind zu Oberärzten ernannt worden.
Dr. Max Kastan in Königsberg hat sich als Privatdozent habilitiert.
Dr. Fr. K. Walter in Gehlsheim, Priv.-Doz. an d. Univ. Rostock, hat den
Charakter als Professor erhalten.
Dr. Hans Laehr- Schweizerhof ist Geh. Sanitätsrat,
Dr. Justus Bödeker, Prof., leit. Arzt der Privatanstalt Fichtenhof,
Dr. Gustav Demohn, Oberarzt der Prov.-Anstalt Altscherbitz,
Dr. Moritz Muermann, Oberarzt der Prov.-Anstalt Aplerbeck,
Dr. Otto Mönkemöller, Dir. d. Prov.-Anstalt Langenhagen, und
Dr. Hans Schröder, Dir. d. Prov.-Anstalt Hildesheim, Sanitätsrat ge¬
worden.
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374
Kleinere Mitteilungen.
Dr. Robert Gaupp, Prof, in Tübingen, ist das Ehrenkreuz des Ordens der
württembergischen Krone verliehen.
Dr. Walter Schulze, Oberarzt d. Landesanstalt Potsdam,
Dr. Giese, Anstaltsarzt d. Landesanstalt Landsberg a. W.,
Dr. Karl Knorr , San.-R. und Dir. d. Landesanstalt Teupitz, und
Dr. Armin Steyerthal, San.-Rat und leit. Arzt d. Sanat. in Kleinen (Meckl.),
sind mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet worden.
Dr. Adolf Friedländer , Prof., Dir. d. Privatanstalt Hohe Mark,
Dr. Hugo Grunwald, Anstaltsarzt in Obrawalde,
Dr. Karl Zinn , San.-Rat, Dir. d. Landesanstalt Eberswalde,
Dr. Karl Knörr, San.-Rat, Dir. d. Landesanstalt Teupitz,
Dr. Arnold Riebeth, San.-Rat, Dir. d. Landesanstalt Görden, und
Dr. Hermann Tille, leit. Arzt d. Landessiechenanstalt Wittstock, haben
die Rote Kreuz-Medaille 3. Kl.,
Dr. Friedrich Vocke, Med.-Rat, Dir. d. Kreisanstalt Eglfing,
Dr. Hans Gudden, Prof.,
Dr. Max Isserlin, Prof., und
Dr. Walter Spielmeyer, Prof, in München,
Dr. Franz Blachian, Dir. d. Kreisanstalt Haar,
Dr. Josef Hoch, Dir. d. Kreisanstalt Bayreuth,
Dr. Adolf Herfeldt, Med.-Rat, Dir. d. Kreisanstalt Ansbach,
Dr. Oskar Otter, Dir. d. Kreisanstalt Kutzenberg,
Dr. Josef Klüber, Oberarzt in Erlangen,
Dr. Edwin Harlander, Oberarzt in Regensburg,
Dr. Karl Schwarz, Oberarzt in Bayreuth,
Dr. Friedrich Utz, Oberarzt in Ansbach,
Dr. Ferdinand Probst, Anstaltsarzt in Eglfing,
Dr. Joshf Wiesmütter, Anstaltsarzt in Deggendorf,
Dr. Ludwig Hügel, Anstaltsarzt in Klingenmünster, und
Dr. Josef Entres, Anstaltsarzt in Werneck, haben das König-Ludwig-
Kreuz für Heimatverdienste während der Kriegszeit erhalten.
Dr. Theodor Schneider, San.-Rat, Oberarzt in Eickelborn, ist am 25. Jan.,
49 J. alt,
Dr. Max KSppen, ao. Prof, in Berlin, am 14. Febr., 57 J. alt,
Dr. Paul Schürmann, Dir. d. Landeshospitals Heina, am 17. Febr., 43 J.
alt,
Dr. Ernst Storch, Priv.-Doz. in Breslau, am 28. Febr., 50 J. alt,
Dr. Wilhelm Siebert, Oberarzt d. Prov.-Anstalt Marsberg, am 1. März als
Stabsarzt d. L. in einem Kriegslazarett im Osten an Fleckfieber
und
Dr. R. Walker, 2. Arzt der Waldau und Priv.-Doz. in Bern, 50 J. alt, ge¬
storben.
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Zur Ausfuhr zuReUxsen
It« Vcrflig. d. Sanität sä rat es der mH* Inst
v. 19* Aitg. 1916. No. 1096 Z-
PSYCHIATRIE
PSYCHISCH-GERICHTLICHE MEDIZIN
HERAUSGEGEBEN von
DEUTSCHLNADS IRRENÄRZTEN
UNTER DER MITREDAKTION VON
PELMAN SCHÜLE
ILLENAÜ
B0NBOEFFER KREUSER
BERLIN WINNENTAL
BONN
DURCH
HANS LAEHR
SCHWEIZERHOF
ZWEIUNDSIEBZIGSTER BAND
FÜNFTES U. SECHSTES HEFT
AI’SGEGEBgN AM 8. SEPTEMBER
BERLIN W. 10
VERLAG VON GEORG REIMER
1916
DRÜCK UND
f0 ° H Heften Helte Onginalieu >ip'A Z Hefte Lüer&trjrbericht) 52 Mark
Zu den Änderungen im Auftreten und Verlauf
der allgemeinen progressiven Paralyse während
der letzten Jahrzehnte 1 )*
Von
Heinrich Dübel, Assistenzarzt der Anstalt Tannenhof.
Mit 2 Kurven und 1 Zeichnung.
Vor allen Geisteskrankheiten hat wohl die Paralyse in den letzten
100 Jahren das fachmännische Interesse erregt, was seinen Ausdruck
findet in ihrer gewaltigen Literatur. Während zu Beginn des 19. Jahr¬
hunderts die Krankheit noch fast unbekannt war und man erst im
Laufe der ersten fünf Jahrzehnte nach lebhaften Meinungsverschieden¬
heiten und mancherlei Irrtümern zu der grundlegenden Erkenntnis
gelangte, daß es sich um eine bestimmte Krankheitsform mit beson¬
deren Symptomen und pathologisch-anatomischem Befund handle,
hat die seitdem einsetzende allseitige und intensive Forschung zur
Folge gehabt, daß wir heute einigermaßen mit dem Wesen der Para¬
lyse vertraut sind. Aber schon frühzeitig, als noch viele Fragen hin¬
sichtlich dieser Krankheit nicht geklärt erschienen, erhoben sich
Stimmen, die auf Wandlungen hinwiesen, die sich sowohl in ihrem
Auftreten als auch ihrem klinischen Verlaufe bemerkbar machen
sollten. Gegen Ende des Jahrhunderts begannen diese Fragen das
allgemeine Interesse zu erregen, und seitdem hat sich eine Reihe von
Forschern mit ihnen in statistischen Untersuchungen beschäftigt.
Da die Meinungen über manche Punkte noch vielfach auseinander¬
gehen, schien es mir nicht unbegründet, auch meinerseits mich diesen
Fragen zuzuwenden. Nun ist über den Wert von statistischen Unter¬
suchungen ja schon viel gestritten worden; man mag jedoch darüber
*) Statistischer Beitrag ans der Anstalt Tannenhof bei Lüttringhansen
im Rhld.
Zeitschrift für Psychiatrie. LXXII. 5/6. 27
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376
Heinrich Dübel,
denken, wie man will, niemand wird bestreiten können, daß sieh
manche Fragen überhaupt nicht anders lösen lassen als auf statisti¬
schem Wege. Das Wort Virchows aber, mit dem er in seiner Eröff¬
nungsrede bei der Begründung der „Pathologischen Gesellschaft“ den
statistischen Untersuchungen überhaupt das Verdammungsurteil
sprach: „Perpendendae, non numerandae sunt observationes!“ kann
auch auf die statistischen Untersuchungen selbst seine Anwendung
finden, indem man die Schlußfolgerungen aus diesen nicht einfach
als Rechenexempel betrachten darf. Nach Art und Umfang des zu¬
grunde liegenden Materials, nach Genauigkeit der Untersuchung sind
sie zu wägen. Und wenn dann auch die gewissenhafteste Unter¬
suchung des einzelnen Autors noch keinen Anspruch auf Allgemein¬
gültigkeit erheben darf, so bildet sie doch einen Stein zum Gebäude
der Erkenntnis.
Mein Material stammt aus der evangelischen Heil- und Pflegeanstalt
Tannenhof bei Lüttringhausen, die von der Inneren Mission der Rhein¬
lande gegründet und im Frühjahr 1896 eröffnet wurde. Grundsätzlich
werden dort Kranke aus allen Schichten der Bevölkerung aufgenommen,
doch gehören die meisten Patienten den mittleren und höheren Gesell¬
schaftsklassen an, da die unteren Stände größtenteils die Provinzialanstalten
aufzusuchen pflegen. Wie natürlich, stammen die meisten Fälle aus den
Nachbargebieten der Anstalt, also Rheinland und Westfalen: eine geringere
Anzahl kommt auch aus entfernteren Gegenden, doch sind ihrer nur ver¬
hältnismäßig wenige, die dazu zum großen Teil ihre ursprüngliche Heimat
ebenfalls in den obengenannten Gebieten haben. Was mein Vorgehen bei
der Arbeit anlangt, so habe ich das Jahr 1896 völlig aus meinen Unter¬
suchungen ausgeschieden, da die Anstalt, den eingegangenen Verpflichtun¬
gen gemäß, bei ihrer Eröffnung 200 ihr von der Regierung zugewiesene
Pfleglinge übernahm, unter denen sich auch eine Reihe Paralytiker be¬
fanden. Aus diesem lediglich nach Willkür der betreffenden Provinzial¬
anstalten zugesandten Material waren natürlich keine Schlüsse auf die in
der Allgemeinheit herrschenden Verhältnisse zu ziehen. In den folgenden
Jahren, wo es sich nur um Auffüllung des vorhandenen Bestandes han¬
delte, also nur eine verhältnismäßig sehr geringe Anzahl von Paralytikern
in Frage kam, fiel dies Moment weniger ins Gewicht, so daß ich es in An¬
betracht der großen Schwierigkeit, die betreffenden Fälle auszusondern,
vernachlässigen zu dürfen glaubte. Das Allgemeinresultat wird dadurch
kaum verändert worden sein. Aus technischen Gründen habe ich sodann
meine Zusammenstellungen nicht nach Geschäftsjahren der Anstalt, d. h.
vom 1. April bis 31. März, sondern nach Kalenderjahren geordnet. Aus
dieser Beobachtungszeit von 18 Jahrgängen habe ich nun, nach Ausschei¬
dung der zweifelhaften Fälle, 267 männliche und 34 weibliche Paralysen
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Änderungen der progressiven Paralyse.
377
verwerten können. Um meinen Untersuchungen ein möglichst großes
Material zugrunde zu legen, habe ich mich nicht nur auf die verstorbenen
Paralytiker beschränkt, sondern auch die nicht bis zum Tode beobachteten
Fälle verwendet, soweit sie nach den Hilfsmitteln der Diagnostik als sichere
Paralysen erschienen. Wo es nötig war, habe ich natürlich nur die Ergeb¬
nisse bei den verstorbenen Kranken benutzt, bzw. sie zum Vergleich heran¬
gezogen. Im übrigen werden bei der heutigen Kenntnis der Paralyse kaum
große Fehler durch dieses Vorgehen entstanden sein. Soweit noch er¬
klärende Bemerkungen nötig sind, werde ich sie bei den entsprechenden
Abschnitten einfügen.
I. Schon frühzeitig ist auf die zunehmende Häufigkeit der
Paralyse hingewiesen worden.
Um einige Beispiele zu nennen, machte bereits in den 60er Jahren
Lunier 1 ) für Frankreich diese Beobachtung, in den 80er Jahren Regis *),
der angab, daß die Anzahl der Paralytiker in einigen Anstalten Frank¬
reichs um 33% zugenommen habe. Für England wies Althaus *) nach,
daß während des Zeitraums von 1838 bis 1871 in den englischen Irren¬
anstalten die Zahl der Paralytiker ein stetiges Anwachsen gezeigt habe,
und zwar von 12,61% auf 18,11% der Gesamtzahl aller Geisteskranken.
Von deutschen Autoren sei zunächst Huppert *) genannt, der darauf auf¬
merksam machte, daß nach den Ergebnissen der sächsischen Pflege¬
anstalten die Paralyse in allen Klassen der Bevölkerung, auch in den Land¬
wirtschaft und Ackerbau treibenden Schichten, in der Zunahme begriffen
sei. Späterhin veröffentlichte Thomsen 5 ), daß in der Berliner Charitö die
relative Zahl der Paralytiker in den Jahren 1880 bis 1885 von 28% auf
35%, in der Folge auf 45,6% stieg, und in der bayrischen Anstalt Deggen¬
dorf •) steht sogar einer Prozentzahl der männlichen Paralysen von 9,3
in der Periode von 1869 bis 1874 die 2 %mal so große Zahl von 23,2% in
den Jahren 1885 bis 1890 gegenüber. Ferner haben noch Mendel, der 1898
besonders die zunehmende Häufigkeit der weiblichen Paralysen betonte,
Krafft-Ebing und viele andere (z. B. Fürstner, Hoppe, Behr ) ähnliche Be¬
obachtungen gemacht. Anderseits hat es aber auch nicht an Stimmen
gefehlt, die das GegenteU behaupteten. So bestritt z. B. Simon 1 ) für
Hamburg eine Zunahme der Paralyse während des Zeitraums von 1860
bis 1870, nach Fränkel *) ging in Anhalt während der Jahre 1875 bis
J ) Zit. bei Baer.
*) Zit. bei Obersteiner.
*) Zit. bei Mendel, Monographie.
*) Zit. bei Mendel, Monographie.
*) Zit. bei Obersteiner.
•) Zit. bei Baer.
*) Zit. bei Mendel, Monographie.
•) Zit. bei Mendel, Monographie.
27*
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378
Heinrich Döbel,
1877 die relative Zahl der männlichen Paralytiker von 18,5% auf 12,36%
zurück, Stewart x ) stellte für England eine ständige Abnahme der Para¬
lyseziffer, besonders in den niederen Klassen, für die Jahre 1892 bis 1897
fest. Ferner seien noch Eickholdt-Gr&tenberg, Stark, Baer, Joachim-Ste-
phansfeld, Junius und Arndt-Dalldorf in diesem Sinne erwähnt.
Über die Tannenhofer Verhältnisse in dieser Beziehung gibt zu¬
nächst folgende Tabelle Aufschluß:
Jahre
Gesamtaufnahmen
Paralysen
Prozentanteil der
Paralysen
M.
Fr.
tot.
M.
Fr.
tot.
M.
Fr.
tot.
1897.
73
48
121
13
3
16
17,81
6,25
13,22
1898.
50
54
104
11
2
13
22,00
3,70
12,50
1899.
39
57
96
12
1
13
30,77
1,75
13,54
1900.
58
66
124
16
2
18
27,59
3,03
14,52
1901.
51
57 .
108
8
3
11
15,69
5,26
10,19
1902.
67
65
132
14
1
15
20,90
1,54
11,36
1903.
69
76
145
14
3
17
20,29
3,95
11,72
1904.
73
102
175
19
4
23
26,03
3,92
13,14
1905.
87
85
172
18
2
20
20,69
2,35
11,63
1906.
69
103
172
14
4
18
20,29
3,88
10,47
1907.
72
93
165
13
1
14
18,06
1,08
8,48
1908.
115
76
191
24
1
25
20,87
1,32
13,09
1909.
80
75
155
12
1
13
15,00
1,33
8,39
1910.
74
64
138
14
0
14
18,92
0
10,14
1911.
90
61
151
20
2
22
22,22
3,28
14,57
1912.
78
54
132
13
3
16
16,67
5,56
12,12
1913.
93
51
144
16
1
17
17,20
1,96
11,81
1914.
77
56
133
16
0
16
20,78
0
12,03
Summa
1315
1243
2558
267
34
301
20,30
| 2,74
11,77
Sowohl bei den Paralytikern als auch bei den Gesamtaufnahmen
habe ich jeden Fall, der wiederholt in Tannenhof aufgenommen wurde,
nur einmal in Rechnung gesetzt, und zwar unter dem Jahre der ersten
Aufnahme. Damit vermied ich eine in manchen andern Statistiken
sich findende Fehlerquelle, wo die mehrmals aufgenommenen auch
ebensooft gerechnet wurden.
Daß diese Fehlerquelle nicht unerheblich ins Gewicht fallen kann,
mag die Tatsache erweisen, daß unter den seit 1898 in Tannenhof zur
Aufnahme gekommenen männlichen Kranken 192 sich befanden, die
früher schon ein- oder mehreremal ebendort gewesen waren. Unter diesen
192 Patienten befanden sich nur 48 Paralytiker; es ergibt sich also ein
l ) Zit. bei Obersteiner.
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Änderungen der progressiven Paralyse.
379
Verhältnis von etwa 1 : 4, während das Durchschnittsprozentverhältnis
der männlichen Paralytiker 20,30%, also etwa 1 : 5 beträgt. Das ist aller¬
dings noch wenig im Vergleich mit den Resultaten von Junins und Arndt,
die an dem Material der Anstalt Dalldorf feststellten, daß in den Jahren
1899, 1900 und 1901 unter den mehrmals aufgenommenen Patienten nur
13,1%, 11,7% und 6,3% Paralytiker waren, während der Durchschnitts¬
prozentsatz der Paralysen unter den Gesamtaufnahmen bei ihnen 26,5%
betrug. Allerdings sind das die Zahlen für beide Geschlechter zusammen.
Auch bei mir würde sich bei der geringen Anzahl der in Tannenhof zur
Beobachtung gekommenen weiblichen Paralysen das erwähnte Verhältnis
für beide Geschlechter zusammen sicherlich ganz bedeutend niedriger
stellen. Junius und Arndt, die diese Fehlerquelle nicht umgangen haben,
meinen nun zwar, daß sie nicht allzu sehr ins Gewicht fiele bei einem fort¬
laufenden Vergleich, da der Fehler in den einzelnen Jahrgängen so ziemlich
konstant bleiben würde. Letztere Annahme konnte ich an meinem Ma¬
terial nicht bestätigt finden, wo sich in den einzelnen Jahrgängen recht
große Schwankungen in dieser Beziehung bemerkbar machten, so daß sich
manchmal doch nicht ganz unbeträchtliche Fehler hätten ergeben können.
Aus obiger Tabelle sieht man, daß die Ziffern der Gesamtauf¬
nahmen, die in den ersten drei Rubriken angegeben sind, in den einzel¬
nen Jahren zwar sehr wechseln, aber im ganzen schließlich doch keine
große Steigerung gegenüber der ersten Zeit erfahren. Auch die Höhe
der Paralytikeraufnahmen wechselt, jedoch nicht im gleichen Ver¬
hältnis wie die Gesamtaufnahmen, was deutlich aus den Prozent¬
zahlen in den letzten drei Rubriken hervorgeht, die starken Schwan¬
kungen unterworfen sind. Zum Beispiel zeigt sich 1899 die höchste
Prozentziffer der männlichen Paralysen mit 30,77 und bereits 1901
die zweittiefste mit 15,69; bei den Frauen 1897 die höchste mit 6,25%,
1910 und 1914 die tiefste mit 0, und zwischen ihnen, 1912, die zweit¬
höchste mit 5,56%. Diese Schwankungen finden sich nun bei beiden
Geschlechtern nicht zur gleichen Zeit, sondern oft steht in demselben
Jahre einer verhältnismäßig sehr niedrigen Prozentzahl bei den Män¬
nern eine besonders hohe bei den Frauen gegenüber, wie die Betrachtung
der Jahrgänge 1897,1901 und 1912 deutlich zeigt. Diese Tatsache ist
jedenfalls auffallend, ohne daß ich aber eine Erklärung für sie wüßte.
Um Schwankungen national- und sozialökonomischer Art, wie Mohr
sie erwähnt, kann es sich nicht handeln, sie könnten sich bei beiden
Geschlechtern nicht in diametral entgegengesetztem Sinne bemerkbar
machen. Übrigens finden sich solche scheinbar regellosen Schwankun¬
gen in vielen Statistiken. Ob es sich hier einfach nur um Fehler-
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380
Heinrich Dübel,
quellen handelt, läßt sich schwer entscheiden. Jedenfalls dürften sich
heutzutage diagnostische Fehlerquellen, wie schon von anderer Seite
mit Recht betont worden ist, kaum noch in derartig starkem Maße
geltend machen. Der Hinweis Starks 1 ), daß die Wirkungsintensität
der die Krankheit hervorrufenden Ursachen und die Widerstandskraft
der Individuen sowie die Häufigkeit der zufälligen und gelegentlichen
Schädlichkeiten zu verschiedenen Zeiten eine verschiedene sei und
daher Schwankungen in den Paralyseziffern hervorrufen müsse, ist
gewiß einleuchtend, jedoch wird manchmal wohl auch die verhältnis¬
mäßig geringe Größe des benutzten Materials, die naturgemäß Zu¬
fälligkeiten größeren Spielraum bietet, für die erwähnten Schwankun¬
gen bis zu einem gewissen Grade mit verantwortlich zu machen sein.
Das regellose Auf und Ab der Prozentziffern, in der obigen Tabelle
erschwert nun die Prüfung der Frage sehr, ob die relative Höhe der
Paralytikeraufnahmezahl im Laufe der Zeit Änderungen erfahren hat.
Dem mag zunächst eine Kurvenzeichnung abhelfen:
Jahrgänge
97369900010203(*05060706 0910 ff 12 i3
_ Kurve 1.
*) Zit. bei Baer.
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Änderungen der progressiven Paralyse.
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Sofort springt die absteigende Tendenz der obersten Kurve in
die Augen, die die Verhältnisse der männlichen Paralysen darstellt.
Die mittlere Kurve verbildlicht die Ziffern für beide Geschlechter zu¬
sammen. Hier zeigt sich ein Abstieg bis zum Jahre 1909, von da an
aber wieder eine aufsteigende Richtung, so daß das Gesamtresultat
ungefähr einer Horizontalen entsprechen würde. Die unterste Kurve
endlich bringt die Prozentwerte der weiblichen Paralysen zur An¬
schauung. Ebenso wie bei den Männern ist eine deutlich absteigende
Tendenz erkennbar. Der Nullpunkt wird aber schon im Jahre 1910
erreicht, worauf ein schroffer Anstieg bis zum Jahre 1912 erfolgt, wo
die Kurve beinahe wieder zu ihrer Anfangshöhe gelangt, und sodann
wieder ein ebenso steiler Abfall bis zum Jahre 1914, und zwar zur
gleichen Tiefe wie 1910. Auf diesen auffallenden Gipfelpunkt zwischen
den Jahren 1910 und 1914 habe ich ja oben schon hingewiesen; eine
Erklärung ist dafür nicht zu geben. Im übrigen geht aus dem Vergleich
zwischen der männlichen und weiblichen Kurvenlinie deutlich die ent¬
gegengesetzte Schwankungsrichtung bei beiden Geschlechtern hervor,
indem fast durchweg ein Gipfelpunkt bei den Männern einem Tief¬
punkt bei den Frauen entspricht und umgekehrt. Die aus den Kurven
hervorgehende Abnahmetendenz in der relativen Aufnahmeziffer der
männlichen und weiblichen Paralytiker kommt nun auch klar zum
Ausdruck bei den Zahlen selbst, wenn man die für die einzelnen Jahr¬
gänge gefundenen Werte zu mehreren Perioden von je 6 Jahren zu¬
sammenfaßt, wie es in folgender Weise geschehen ist:
Jahres -
Perioden
Gesan
M.
ntaufnahmen
| Fr. | tot.
Paralysen
M. Fr. | tot.
Prozentanteil der
Paralysen
M. j Fr. | tot.
1897—1902
338
347 |
685
74
12
86
21,89 ,
3,46
12,55
1903—1908
485
535
1020
102
15
117
21,03
2,80
11,47
1909—1914
492
361
853
91
98
18,50
1,94
11,49
Summa
1315
1243
2558
267
34
301
20,30 |
2,74
11,77
Es zeigt sich auch hier, daß die Paralytikeraufnahmen die Schwan¬
kungen bei den Gesamtaufnahmen hinsichtlich der Qualität mitmachen,
aber nicht in gleichem Maße wie sie. Das tritt dann in den Prozent¬
zahlen in Erscheinung, die bei Männern und Frauen eine fortschreitende
Abnahmetendenz zeigen. Bei den totalen Ziffern findet, was gegen-
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382
Heinrich Dübel,
über den gesonderten Ergebnissen bei Männern und Frauen etwas
paradox erscheint, ein Absinken nur in der zweiten Periode statt,
während die dritte Periode fast genau denselben Prozentwert aufweist
wie die zweite.
. Der erleichterten Darstellung halber will ich im folgenden nun
die Verhältnisse bei beiden Geschlechtern gesondert besprechen, wie
ich es dann immer im ferneren Verlauf der Arbeit getan habe.
Was zunächst die männlichen Paralytiker anlangt, so ist der
Abfall von der ersten zur zweiten Periode erheblich geringer als der
von der zweiten zur dritten, nämlich 0,86 Prozenteinheiten gegenüber
2,53. Von dem Durchschnittswert von 20,30% entfernen sich, wie zu
erwarten, beide Ziffern in annähernd gleichem Maße. Diese Abnahme
der relativen Aufnahmezahl der männlichen Paralytiker um 3,39 Pro¬
zenteinheiten im Laufe von 18 Jahren ist mit Rücksicht auf die ver¬
hältnismäßige Höhe der in Betracht kommenden Zahlen nun gewiß
nicht sehr erheblich, immerhin ist eine Abnahmetendenz aber vor¬
handen, und somit steht mein Resultat im Widerspruch zu den Ergeb¬
nissen einer großen Zahl von andern Autoren.
Außer den .bereits in der Einführung zu diesem Kapitel angeführten
Beispielen sei hier Greidenberg erwähnt, der an dem Material der Anstalt
Symferopol in der Krim während der Jahre 1885 bis 1890 einen Prozent¬
anteil der männlichen Paralytiker von 10,7 feststellte, der sich in dem
Zeitraum von 1891 bis 1895 auf 19,2% steigerte. Diese Steigerung auf
beinahe das Doppelte in einem verhältnismäßig so kleinen Zeitraum ist
freilich eigentlich zu enorm, um sie allein auf das Konto der Ausbreitungs¬
tendenz der Paralyse setzen zu können. Eine derartig starke Zunahme
in so kurzer Zeit haben die meisten andern Autoren nicht gefunden, jeden¬
falls nicht in der Literatur, die ich berücksichtigt habe. So fand Snell
z. B. für die Provinzialanstalt Hildesheim in dem Zeitraum von 1857 bis
1886, also innerhalb 30 Jahren, eine relative Zunahme der männlichen
Paralyse von 11,2% auf 19,1 %, Buchholz , der allerdings die Paralytikerzahl
zur BevölkerungszifTer in Beziehung setzte, für den Regierungsbezirk
Kassel im Zeitraum von 1877 bis 1897 ein Anwachsen um 32,8%, also um
knapp ein Drittel. Wie schon erwähnt, hat es nun nicht an gegenteiligen
Stimmen in der Literatur gefehlt. Im Gegensätze zur preußischen Sta¬
tistik für die Rheinlande, nach der die ProzentzifTer der Paralytiker von
8,1 im Jahre 1876 auf 14,4 im Jahre 1881 stieg, konnte Eickholt für Grafen¬
berg in dem Zeitraum von 1876 bis 1882 eine ständige Abnahme des
Prozentanteils der Paralytiker verzeichnen. Da die Zusammensetzung der
Bevölkerung, die der Anstalt Grafenberg das Krankenmaterial liefert,
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Änderungen der progressiven Paralyse.
383
annähernd die gleiche sein wird, wie die der für Tannenhof in Betracht
kommenden, setze ich die Zahlen Eickholts zum Vergleich hierher. Die
relative Aufnahmezahl der Paralytiker betrug nach seiner Aufstellung:
im Jahre
1876 ....
• • 17%
1877 ....
• • 18%
1878 . . . .
. . 18%
1879
. . 16%
1880
. . 15%
1881
• • 15%
1882 ....
• • 13%
Für die 3 ersten Jahre ergäbe sich somit eine durchschnittliche Pro¬
zentziffer von etwa 17,7 %, für die 4 letzten eine solche von etwa 14,75%,
im ganzen also ein Unterschied von ungefähr 3%. Da es sich um einen
erheblich geringeren Zeitraum handelt als bei meinen Untersuchungen,
würde das also eine noch viel bedeutendere Abnahme der Paralytikerauf¬
nahmen darstellen als die für Tannenhof gefundene. Nun darf man natür¬
lich in Anbetracht der verschiedenartigen Anstaltsverhältnisse die Ziffern
Tannenhofs nicht direkt zu denen Grafenbergs in Beziehung setzen, immer¬
hin ist es aber für die hier in Betracht kommenden Fragen nicht unwichtig,
daß sich schon damals bei einer gleichartigen Bevölkerung eine ständige
relative Verringerung der Paralytikeraufnahmen zeigte. Auch Baer stellte
für Stephansfeld eine sich in größeren Zeiträumen von je 8 bis 10 Jahren
bemerkbar machende ständige Abnahme der relativen männlichen Para¬
lytikerzahlen fest, und zwar ging der Prozentsatz von 20,7 % im Zeitraum
von 1872 bis 1880/81 auf 14,8% in der Jahrperiode 1888/89 bis
1899/1900 zurück. Joachim, der Baers statistische Untersuchungen an
der Anstalt Stephansfeld fortsetzte, fand für den Zeitraum von 1899/1900
bis 1909/10 eine weitere Verminderung der männlichen Paralytiker auf
13,5%. Auch für die Anstalt Saargemünd und die Straßburger Klinik
konstatierte Joachim eine relative Abnahme der Paralytikeraufnahmen,
und zwar betrug für Saargemünd der Unterschied zwischen den beiden
Jahrzehnten 1887/96 und 1898/09 2,7%, während in der Straßburger
Klinik die Prozentziffer von 8,2% in der Periode 1898/1901 auf 5,4% in
dem Zeiträume von 1906/09 herunterging. Auch die von Süßmann in der
psychiatrischen Klinik zu Kiel gefundenen Zahlen lassen eine relative Ver¬
minderung der Paralytikeraufnahmen deutlich erkennen. Da Süßmann
selbst, mir völlig unerklärlich, eine Zunahme der Paralysen aus seinen
Ziffern herausliest, gebe ich sie hier wieder:
1901 (letztes Quartal)
gestorben 1902 1903 1904 1905 1906 1907 1908
Männer. 14,6% 10,1% 10,9% 9,9% 11,3% 7,9% 7,5%
Männer u. Frauen 10,6% 8,1% 8,9% 8,5% 8,3% 6,6% 6,7%
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bv Google
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384
Heinrich Dübel,
Meiner Meinung nach läßt sich da nur eine Abnahme der Paralysen
herauslesen, und auch bei den Frauen allein kann, wie ich nachher noch
dartun werde, von einer Zunahme kaum gesprochen werden. Kaes konnte
an der Anstalt Friedrichsberg bei Hamburg in der Zeit von 1870 bis 1889
ebenfalls keine Zunahme der Paralysen konstatieren. Den Beschluß der
Beispiele mögen nun noch die Resultate von Junius und Arndt machen,
die für den Zeitraum von 1892/93 bis 1901/02 statistische Untersuchungen
an dem großen Material der Anstalt Dalldorf angestellt haben. Geistes¬
kranke Männer überhaupt wurden dort in dem genannten Zeitraum 8170
aufgenommen, von denen 2425 Paralytiker waren. Dies Material ist so
groß, daß man die Gefahr von Fehlerquellen infolge irgendwelcher Zu¬
fälligkeiten nahezu als ausgeschlossen betrachten muß. Allerdings muß
ich vorausschicken, daß sich unter diesen Zahlen alle von den Jahres¬
berichten der Anstalt Dalldorf als Paralytiker bezeichneten Kranken
befinden, also auch die diagnostisch zweifelhaften Fälle. Ferner sind
auch die mehrmals aufgenommenen Kranken nicht nur einmal aufgeführt,
sondern jedesmal wieder mitgerechnet. Indessen muß man in Anbetracht
der Größe des Untersuchungsmaterials doch annehmen, daß sich die tat¬
sächlichen Verhältnisse bis zu einem gewissen Grade in den angegebenen
Zahlen widerspiegeln werden. Ich habe nun die einzelnen Jahre des
von Junius und Arndt bearbeiteten Jahrzehnts in drei Perioden zusammen¬
gefaßt und die Prozentwerte für diese Abschnitte ausgerechnet. Demnach
waren von allen in Dalldorf aufgenommenen männlichen Geisteskranken
paralytisch:
von 1892/1893 bis 1895/96 = 33,43%
von 1896/1897 bis 1898/99 = 31,32%
von 1899/1900 bis 1901/02 = 24,76%
> Junius und Arndt.
Also auch hier zeigt sich im Laufe der Jahre eine deutliche Ver¬
minderung des Prozentanteils der männlichen Paralytiker, die sogar zwi¬
schen der ersten und letzten Periode eine Differenz von 8,67 % ergibt.
Junius und Arndt geben nun auch noch die Prozentzahlen für beide Ge¬
schlechter zusammen aus der Anstalt Herzberge wieder, bei denen sich
während des Zeitraums von 1896/97 bis 1901/02 ebenfalls eine fortschrei¬
tende Verminderung der Paralytikeraufnahmen zeigte.
Aus den angeführten Beispielen ergibt sich die nicht unwichtige
Tatsache, daß an den verschiedenartigsten Anstalten mit der Be¬
völkerung nach ganz andersartigem Krankenmaterial wie Tannenhof,
Dalldorf und Herzberge, Kiel und den elsaß-lothringischen Anstalten
in neuerer Zeit nicht nur nicht eine Vermehrung der Paralyse, sondern
direkt das Gegenteil beobachtet worden ist. Auch Kraepelin, der 1899
Mendel noch in bezug auf die zunehmende Häufigkeit der Paralyse
zustimmte, mußte späterhin (1910) an seinem Münchener Kranken-
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Änderungen der progressiven Paralyse.
385
material eine erhebliche Abnahme der Paralysen konstatieren. Aller¬
dings leitet er selbst keine Schlüsse daraus ab, sondern führt diese Er¬
scheinung auf seine im Laufe der Jahre immer vorsichtiger gewordene
Diagnosenstellung zurück. Seine dabei ausgesprochene Annahme, daß
im Hinblick auf die Erfahrungen in den Großstädten eine gewisse Zu¬
nahme der Paralyseerkrankungen sehr wahrscheinlich sei, wird durch
die Untersuchungsergebnisse an dem großstädtischen Material der
Anstalten Dalldorf und Herzberge für die neuere Zeit jedenfalls nicht
mehr bestätigt. Die von mehreren Seiten beobachtete Abnahme im
Verhältnis der Paralytiker zu den Gesamtaufnahmen glaubt Kraepelin
jedoch möglicherweise auf das Anwachsen anderer Formen des Irre¬
seins (z. B. Alkoholismus) oder auch lediglich auf das erleichterte Zu¬
strömen derselben zurückführen zu können. Gegen diese Vermutung
spricht bei den Ergebnissen von Junius und Arndt die Tatsache,
daß sich auch im Verhältnis der Paralysen zur Bevölkerungsziffer
eine Abnahme zeigte. Während die Bevölkerung Berlins sich innerhalb
6 Jahren um 11,76% vermehrte, stieg die Aufnahmeziffer der Para¬
lytischen an den beiden Berliner städtischen Irrenanstalten nur um
4,81%. Wenn nun auch die Bevölkerungszunabme zu einem nicht
unerheblichen Teil durch Personen veranlaßt wird, die nach ihrem
Alter (Kinder, Greise) für die Erwerbung der Paralyse wenig in Frage
kommen, so machen Junius und Arndt doch mit Recht darauf auf¬
merksam, daß die Vermehrung der Bevölkerung gerade in der Gro߬
stadt nicht nur durch Geburten, sondern auch durch Zuzug, und zwar
von im kräftigsten Alter stehenden Leuten, wie Dienstmädchen, Sol¬
daten, Arbeitern aller Art usw. geschieht. Speziell für Tannenhof kann
ich die Wirksamkeit der von Kraepelin angeführten Gründe bestimmt
verneinen, denn einmal findet, wie aus der obigen Tabelle hervorgeht,
nur von der ersten zur zweiten Jahrperiode eine erhebliche Zunahme
der männlichen Gesamtaufnahmen statt, während sie in der zweiten
und dritten Jahrperiode annähernd auf derselben Höhe bleiben, obwohl
die relative Paralytikerzahl gerade in dem letzteren Zeitabschnitt die
stärkste Verminderung zeigt. Andrerseits weiß ich aus persönlicher
Erfahrung, wie wenig Alkoholisten und Epileptiker, welche Kate¬
gorien wohl besonders für eine größere Aufnahmehäufigkeit in neuerer
Zeit in Betracht kommen, im Tannenhofer Krankenmaterial vertreten
sind. Was das erleichterte Zuströmen anlangt, falls es sich bei andern
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386
Heinrich Dübel,
Anstalten bemerkbar macht, so wird es übrigens auch bei den Para¬
lysen zur Wirkung kommen müssen. An dieser Stelle will ich nun
gleich erwähnen, daß ich auch an den rheinischen Provinzialanstalten
eine geringe Abnahmetendenz der Paralytikeraufnahraen während der
letzten beiden Jahrzehnte an Hand einer Statistik feststellen konnte,
die ich nach den Jahresberichten des Provinzialausschusses der Rhein¬
provinz zusammengestellt und am Schlüsse dieses Kapitels eingefügt
habe. Da es sich um ein großes, dichtbevölkertes Gebiet mit einer
recht hohen Zahl von Geisteskranken handelt, läßt sich diese Tat¬
sache nicht einfach beiseite schieben. Die neuerdings schärfere Dia¬
gnosenstellung und Ausscheidung der zweifelhaften Fälle, die Kraepelin
für die an seiner Münchener Klinik beobachtete Abnahme der Para¬
lytiker verantwortlich macht, kann hier nicht als wirksames Moment
in Frage kommen, da in den Zahlen der Jahresberichte sicherlich
auch die zweifelhaften Fälle mit enthalten sind. Auch das erleichterte
Zuströmen von Geisteskranken kann nicht als alleinige Ursache an¬
gesehen werden, wie ich später noch dartun werde. Es müssen also
noch andere Gründe dabei eine Rolle spielen. Wie lassen sich nun die
Widersprüche in den Ergebnissen der verschiedenen Autoren erklären ?
Daß die Paralyse früher tatsächlich in zunehmendem Maße in Erschei¬
nung getreten ist, kann nicht gut bestritten werden. Ein Beweis
dafür ist schon die fast völlige Unbekanntheit der Krankheit vor dem
Beginn des 19. Jahrhunderts. Die weitere Zunahme der Paralyse
wird dann in der Folge von so zahlreichen Stimmen in der Literatur
bezeugt, daß das ohne einen tatsächlichen Zusammenhang undenkbar
wäre. Mendel erklärte sich diese Erscheinung durch die Ausbreitung
der Syphilis und die Zunahme der psychischen Schädlichkeiten. Es
ist klar, daß die besonders in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahr¬
hunderts wachsende Genußsucht, die erhöhten Anforderungen an die
geistige Leistungsfähigkeit, der erschwertere Kampf ums Dasein usw.
als für die Paralyse disponierende Momente im Sinne einer Zunahme
dieser Erkrankung ihre Wirkung zeigen mußten. Andrerseits werden
auch die wohl nicht ganz unrecht haben, die die Zunahme der Para¬
lyse zum Teil als eine nur scheinbare erklärten, indem sie sie bis zu
einem gewissen Grade auf die fortgeschrittenere Erkenntnis der Krank¬
heit und die daraus resultierende Diagnostizierung mancher früher
nicht erkannten Fälle sowie auf das mehr und mehr schwindende Miß-
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Änderungen der progressiven Paralyse. 387
trauen gegen die Anstalten zurückführten, was eine häufigere Über¬
weisung an diese von früher in den Familien gepflegten ruhigeren
Kranken zur Folge gehabt habe. Es ist nunmehr wohl nicht unmöglich,
daß die steigende Wirkung dieser ursächlichen Momente bis zu einem
gewissen Höhepunkt gelangt ist, so daß sie konstant bleibt und ein
Stillstand in der Zunahme der Paralyse infolgedessen sich bemerkbar
zu machen beginnt. Vielleicht mag auch die Abschwächung des
syphilitischen Giftes oder, wie man es auch auf fassen kann, die im
Laufe der Zeit größer gewordene Widerstandskraft des Organismus
gegen seine Einwirkung bei den neuerdings sich anscheinend häufenden
Beobachtungen von einem Bückgang der Paralytikeraufnahmen als
ursächlich in Frage kommen. Von einer solchen Vermutung bis zu
einer erwiesenen Tatsache ist ja nun noch ein langer Weg, der erst
durch zahlreiche andere bestätigende Untersuchungen geschaffen
werden muß. Leider wird hier aber wohl der Weltkrieg jeden Ver¬
gleich unmöglich machen. Die nervenzerrüttende Wirkung des mit
allen Hilfsmitteln der Vernichtung geführten jahrelangen, furchtbaren
Kampfes, die zahlreichen Kopfverletzungen und sonstigen Erschütte¬
rungen des Zentralnervensystems, die gewaltig erhöhte geschlechtliche
Infektionsgefahr, die für manche Kreise enorm erschwerten Daseins¬
bedingungen lassen mit Sicherheit ein mächtiges Emporschnellen der
Paralyseziffem in der kommenden Zeit erwarten. Möglicherweise mag
ja die erwähnte Abschwächung des syphilitischen Virus insofern mil¬
dernd zur Geltung kommen, als verhältnismäßig nicht so viele Personen
an Paralyse erkranken werden, als es in früheren Jahrzehnten nach
einem gleich furchtbaren Kriege geschehen wäre, die Ernte, die diese
verderbliche Krankheit aller Voraussicht nach im Gefolge dieses
Krieges halten wird, wird trotzdem wahrscheinlich immer noch groß
genug sein, um die bisherigen Verhältnisse im Auftreten der Paralyse
von Grund auf zu verändern.
Zum Schluß will ich noch kurz auf die Höhe des für die männlichen
Paralytiker in Tannenhof gefundenen Prozentanteils an sich eingehen.
Er beträgt, wie aus obigen Tabellen ersichtlich ist, im Durchschnitt 20,30 %.
Das ist gegenüber den für Anstalten mit großstädtischem Material gefunde¬
nen Zahlen nicht viel. Junius und Arndt fanden z. B. für die männlichen
Paralytiker als Durchschnittsatz 29,7%, Krafft-Ebing gibt für den Zeit¬
raum 1888 bis 1892 als durchschnittlichen Prozentsatz der Paralytiker
in der Irrenanstalt Pest 36,5%, in Berlin 34,5%, in München 36,3% an,
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Heinrich Dübel,
Kaes für Friedrichsberg bei Hamburg allerdings nur 21,99%. Gegenüber
den von öffentlichen Anstalten mit gemischten Bevölkerungsbezirken ge¬
fundenen Werten ist der Tannenhofer Durchschnittssatz etwas höher.
Zum Beispiel fand Eickholt für Grafenberg 17%, Baer für Stephansfeld
16,8%, Joachim für dieselbe Anstalt neuerdings 13,5%, Snell für Hildes¬
heim (1882 bis 1886) 19,1 %. Für den ganzen Zeitraum von 1857 bis 1886
ergibt sich bei ihm sogar nur ein Durchschnittsprozentsatz von 15%. In
der psychiatrischen Klinik zu Kiel ist der Durchschnittssatz für die männ¬
lichen Paralytiker nach Süßmann gar nur 9,9%. Immerhin ist in Anbe¬
tracht der Tatsache, daß in Tannenhof vorwiegend Patienten aus den
mittleren und höheren Gesellschaftsschichten aufgenommen werden, bei
denen sich ja die Paralyse verhältnismäßig häufig Anden soll, der von mir
gefundene Prozentsatz nicht allzu hoch. Fand doch Hoppe für Alt-Scher¬
bitz, dessen Krankenmaterial, wie ich später noch zeigen werde, den
sozialen Schichten und der Bevölkerung nach ziemlich ähnlich zusammen¬
gesetzt zu sein scheint, als Durchschnittssatz der männlichen Paralytiker
28,7%.
Was nun die Ergebnisse bei den Frauen anlangt, so ist die Ab¬
nahmetendenz innerhalb der drei Jahresperioden annähernd gleich¬
mäßig. Diese Abnahme mit 0,66% bzw. 0,86%, zusammen also
1,52%, ist an sich nicht sehr hoch, in Anbetracht der überhaupt nur
sehr geringen Prozentziffern aber relativ höher als bei den Männern.
Das ist gegenüber der in der Literatur gerade für die Frauen betonten
starken Zunahme der Paralyse ziemlich auffallend. So behauptete Mendel
1898, daß die Zunahme der Paralyse beim weiblichen Geschlecht ganz
evident sei; Greidenberg stellte sogar an seinem Material gegenüber einer
Zunahme der männlichen Paralysen auf das Doppelte, eine solche bei den
Frauen auf das Dreifache fest. Raecke konstatierte an dem Material der
psychiatrischen Klinik zu Tübingen ein Anwachsen der relativen Auf¬
nahmezahl der weiblichen Paralysen von 0,8% im Jahre 1895 auf 4,8%
im Jahre 1901. Besonders soll sich die Zunahme der Paralyse bei den
Frauen auch im Verhältnis zu den Männern zeigen. Beim Überblick über
die Angaben der Literatur während der verschiedenen Jahrzehnte ist auch
eine deutliche Änderung in diesen relativen Beziehungen ganz unverkenn¬
bar. Während Neumann l ) 1859 das Vorkommen der Paralyse
bei Frauen überhaupt noch leugnen konnte, scheint Kornfeld *) mit
der gleichen Hypothese in den 70er Jahren schon ziemlich vereinzelt da¬
zustehen. Nach Obersteiner bezifferte sich in den preußischen Anstalten
Ende der 70er Jahre das Verhältnis der Männer- zur Frauenparalyse wie
8:1, in den englischen ebenfalls wie 8 :1, in den nordamerikanischen
*) Zit. bei Baer.
*) Zit. bei Mohr.
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Änderungen der progressiven Paralyse.
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wie 9:1. Sioli *) gab 1877 dies Verhältnis für die Berliner psychiatrische
Klinik auf 7:1, Fritsch *) in einer Wiener Anstalt für 1876 bis 1878 auf
6 :1 an. In den 80er und 90er Jahren wird dann ziemlich allgemein das
Verhältnis 4—5 :1 oder 3—4 : 1 gefunden. Idanoff *) gibt 1894 als
durchschnittliche Verhältniszahl für Deutschland 1 :3,8 an. Einige
Autoren finden sogar noch ein bedeutend höheres Verhältnis, z. B. Greiden¬
berg 2:1, Joachim neuerdings 2,45 :1, Junius und Arndt gar 1,40 :1,
was allerdings auf das Konto der großstädtischen Bevölkerung zu setzen ist.
All diesen Beobachtungen stehen nun also meine Resultate wieder in ab¬
weichendem Sinne gegenüber. Zunächst ist schon der sehr geringe Prozent¬
anteil an sich auffallend, der mit 2,74 % von den Ergebnissen vieler anderer
Autoren recht erheblich abweicht. Zum Beispiel fand Wollenberg für die
Berliner psychiatrische Klinik einen durchschnittlichen Prozentsatz von
16,5%, Junius und Arndt für Dalldorf 21,2%; von andern Autoren mit
nicht rein großstädtischem Krankenmaterial sei noch Hoppe mit 6,7 %
und Joachim mit 5,5% genannt.
Der Grund nun für diese geringe Beteiligung der Frauen an den
Tannenhofer Paralysefällen mag in dem Charakter Tannenhofs als
Privatanstalt liegen. Wie sich in dem entsprechenden Abschnitt
meiner Arbeit noch zeigen wird, ist die unterste soziale Schicht im
Tannenhofer Krankenmaterial nur in sehr geringem Maße vertreten,
also gerade die Gesellschaftsklasse, in der nach den bisherigen Er¬
fahrungen die weibliche Paralyse relativ die meiste Verbreitung hat.
Das muß dann natürlich bei den Zahlen herabmindernd zum Ausdruck
kommen. Bei den Männern macht sich dies Moment in umgekehrtem
Sinne bemerkbar, so daß eine bezüglich der Frauen niedrige Verhältnis¬
zahl zwischen beiden Geschlechtern resultieren muß. Aus den Durch¬
schnittszahlen von 20,30% bei den Männern und 2,74% bei den Frauen
ergibt sich das Verhältnis 7,41 :1.
Nach Mendel betrug Ende der 70er Jahre das Verhältnis der para¬
lytischen Männer zu den paralytischen Frauen in den Privatanstalten
Preußens 9,52 :1, Colovitch 4 ) rechnete für die französischen und deutschen
Privatanstalten das Verhältnis 20 : 1 aus, nach Erlenmeyer und Martini 6 )
kamen gar in Privatanstalten für wohlhabende und höhere Klassen auf
100 geisteskranke Männer 34 Paralytiker, dagegen auf 117 geisteskranke
*) Zit. bei Wollenberg.
*) Zit. bei Wollenberg.
*) Zit. bei Baer.
*) Zit. bei Greidenberg.
5 ) Zit. bei Greidenberg.
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Heinrich Dübel,
Frauen nur 1 Paralysefall, was einem Verhältnis von 40 :1 entsprechen
würde. Gegenüber diesen ZifTerp würde das von mir gefundene Verhältnis
ja eher noch zu hoch als zu niedrig sein, indessen muß man bedenken,
daß es sich bei jenen Zahlen wohl in ganz überwiegendem Maße um Privat¬
anstalten mit einem nur aus wohlhabenden und höheren Ständen stammen¬
den Material gehandelt hat, während in Tannenhof auch z. B. Patienten
aus Handwerkerkreisen in nicht ganz unbeträchtlicher Menge zur Auf¬
nahme gelangen. Ferner stammen jene Zahlen schon aus ziemlich ent¬
fernten Zeiten, so daß sich seitdem auch in Privatanstalten die Verhält¬
nisse vielleicht etwas geändert haben werden. Wie noch erwähnt sein
mag, fand Sprengeler an der Göttinger psychiatrischen Klinik im Zeitraum
von 1866 bis 1898, also bis in die neuere Zeit hineinreichend, ein fast
ständiges Verhältnis von 7:1, obwohl an seiner Anstalt die unteren und
untersten Schichten ein verhältnismäßig erheblich größeres Kontingent
zu dem Krankenmaterial stellen als in Tannenhof. Doch steht diese
Verhältniszahl unter den öffentlichen Anstalten ziemlich vereinzelt da.
Ich wies schon darauf hin, daß die Prozentzahlen der para¬
lytischen Frauen in Tannenhof relativ mehr abgenommen haben
als die der Männer. Dementsprechend muß auch das Verhältnis
beider Geschlechter zueinander eine Abnahmetendenz zeigen. Es
ergeben sich nun für die oben gegenübergestellten drei Jahrperioden
folgende Verhältniszahlen:
1896 bis 1902 = 6,33 : 1
1903 bis 1908 = 7,51 : 1
1909 bis 1914 = 9,54 : 1
Durchschnitt = 7,41 ; 1.
Solche Verhältniszahlen können bei oberflächlicher Betrachtung
eine Änderung in der Anzahl der weiblichen Paralysen Vortäuschen,
wo es sich in Wahrheit nur um eine solche der männlichen Pa¬
ralysen handelt.
Das zeigt sich z. B. an den statistischen Untersuchungen über die
Anstalt Stephansfeld von Baer und Joachim, wo der Prozentanteil der
Frauen ziemlich konstant blieb, infolge der Abnahme der männlichen
Paralytiker aber eine Verschiebung in den Verhältniszahlen im Sinne
einer Erhöhung eintrat. Anderseits blieb bei dem Material von Reinhard-
Friedrichsberg das Verhältnis ziemlich konstant, während in Wirklichkeit
beide Geschlechter eine Zunahme der Paralysefälle aufwiesen. Eine
direkte Abnahmetendenz der weiblichen Paralysen habe ich nun in der
Literatur sehr selten gefunden. Das von Siemerling x ) für die Jahre 1884,
1 ) Zit. bei Wollenberg.
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Änderungen der progressiven Paralyse.
391
1885 und 1886 konstatierte Abfallen des Prozentverhältnisses der weib¬
lichen Paralysen zu den übrigen Geisteskranken konnte Wollenberg von
1887 an in derselben Anstalt (Berliner psychiatrische Klinik) nicht mehr
feststellen. Aus den Ziffern von Junius und Arndt läßt sich allerdings
eine geringe Abnahmetendenz herauslesen. Ich habe deren Ergebnisse
wieder in drei Jahrperioden zusammengefaßt und dann die Prozentwerte
dafür ausgerechnet. Es ergab sich folgendes:
1892/1893 bis 1895/96 = 22,17%
1896/1897 bis 1898/99 = 20,86% l Junius und Arndt.
1899/1900 bis 1901/02 = 20,35%
Eine gewisse Abnahmetendenz zeigt sich also, immerhin ist sie nicht
gleichmäßig und in Anbetracht der Höhe der Prozentziffern an sich nicht
sehr erheblich. Aber eine Zunahme der weiblichen Paralysen kommt dem¬
nach für Dalldorf sicher nicht in Betracht. Allerdings handelt es sich ja
bei Junius und Arndt um ein fast nur aus den mittleren und unteren Kreisen
stammendes Krankenmaterial, es könnte also in den höheren Kreisen
Berlins trotzdem noch eine Zunahme der weiblichen Paralysen stattge¬
funden haben. Daß eine solche aristokratische Tendenz bei der Paralyse
der Frauen besteht, ist ja von manchen Autoren (z. B. Greidenberg, Mohr)
behauptet worden. Immerhin ist es da beachtenswert, daß sich auch in
Anstalten wie Tannenhof, wo die sogenannten besseren Stände verhältnis¬
mäßig mehr zur Aufnahme gelangen, eine solche Zunahme neuerdings
nicht findet. Keine Zunahme der weiblichen Paralysen konnten ferner
konstatieren: Kaes für Hamburg, Berg und Mohr für Bonn, Baer für
Stephansfeld. Ich will hier auch noch die Zahlen von Süßmann wieder¬
geben, der, wie oben schon erwähnt, aus seinen Ergebnissen den Schluß
ziehen zu müssen meinte, daß die Paralysen an der Kieler psychiatrischen
Klinik eine Zunahmetendenz zeigten. Er fand folgende Prozentwerte;
1901 (letztes Quartal) + 1902 1903 1904 1905 1906 1907 1908
Frauen. 4,5 4,6 5,6 6,1 3.3 3,6 5,2
Verhältnis der Ge¬
schlechter ... 1 : 4,8 1 : 3,7 1 : 3,4 1 : 2,9 1 : 5,7 1 : 3,8 1 : 2,7
Das Richtigste wäre wohl, hier weder von einer Zunahme noch von
einer Abnahme zu sprechen im Laufe der Jahre, denn wenn man die Be¬
obachtungszeit in zwei Jahrperioden teilte und diese miteinander ver¬
gliche, so würde, je nachdem man das Ergebnis von 1905 (6,1 %) der ersten
oder zweiten Periode zuteilte, der höhere Wert der ersten oder zweiten
Gruppe zufallen. Schaltet man das Jahr 1905 ganz aus, so würde sich
sogar eine Abnahme der weiblichen Paralysen in der zweiten Periode
ergeben. Das Verhältnis der Geschlechter zueinander zeigt auch keine
reine steigende Tendenz, zudem ist es nicht aus dem Vergleich der Prozent¬
werte, sondern aus dem der absoluten Zahlen gewonnen, so daß auf eine
relative Zu- oder Abnahme nicht geschlossen werden kann. Auch Joachim
Zeitschrift für Psyohiatrie. LXXII. 5/6. 28
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392
Heinrich Dübel,
konnte für Elsaß-Lothringen eine faktische Zunahme der weiblichen Para¬
lysen nicht feststellen. Er führt das darauf zurück, daß die weiblichen
Bewohner Elsaß-Lothringens noch nicht, wie anderswo, der Industriali¬
sierung verfallen seien. Wenn diese Begründung richtig wäre,
müßte sich also in Großstädten und in sonstigen Gebieten mit viel In¬
dustrie, wie z. B. in der Rheinprovinz, auch jetzt noch eine Zunahme der
weiblichen Paralysen besonders bemerkbar machen. Für Dalldorf, dessen
relative Zahl der Frauenparalysen ja an sich sehr hoch ist, läßt sich eine
Zunahme, wie gezeigt, nicht mehr konstatieren. Und auch für die Rhein¬
provinz kann ich eine derartige Tendenz nicht feststellen, wenn ich aus
meiner erwähnten Statistik über die rheinischen Provinzialanstalten einen
Schluß ziehen darf. Daß das mächtige Aufblühen der Industrie in den
letzten 4 bis 5 Jahrzehnten und das Umsichgreifen des Ladenmädchen¬
berufs mit der beobachteten Zunahme in der Paralysemorbidität der Frauen
in Zusammenhang gestanden hat, ist wohl sicher. Aus den Dalldorfer
Ergebnissen und den Zahlen für die Rheinlande scheint aber hervor¬
zugehen, daß dies Moment nicht mehr in gleich steigendem Maße wirk¬
sam ist wie früher. Vielleicht mag das damit Zusammenhängen, daß die
Progressivität in der Ausbreitung der Industrie und speziell der Waren¬
häuser im Laufe der Jahre geringer geworden ist als in der Zeit des ersten
Aufblühens. Jedoch fehlen mir für diese Mutmaßung die statistischen
Unterlagen. Im übrigen kann man für einen etwaigen Stillstand in der
Zunahmetendenz der weiblichen Paralysen analoge Gründe wie bei den
Männern heranziehen. Bezüglich der Ansicht, es handle sich bei der be¬
obachteten Zunahme der Paralysefälle bis zu einem gewissen Grade um
eine Folge der fortgeschrittenen Diagnostik, mag bemerkt werden, daß
diese Annahme noch mehr für die Frauen paßt als für die Männer, insofern
der bedeutend ruhigere Verlauf der Krankheit bei den Frauen die Diagnose
früher in noch höherem Maße erschwert haben wird.
Zur Ergänzung dieses Kapitels will ich nun noch meine Statistik
über die Paralyseaufnahmen bei den rheinischen Provinzialanstalten
anfügen. Wie ich bereits oben bemerkte, habe ich die Zahlen aus den
Jahresberichten des Provinzialausschusses für die Rheinprovinz ge¬
wonnen, so daß wohl auch die diagnostisch zweifelhaften Fälle mit
einbegriffen sind. Ebenso werden darunter auch die Fälle mehrfach
aufgeführt sein, die im Laufe der Zeit wiederholt zur Aufnahme gelangt
sind.
Was mein Vorgehen bei der Aufstellung der Statistik anlangt, so sei
bemerkt, daß ich die erst in den beiden letzten Jahrgängen der Berichte
erscheinende Anstalt Bedburg nicht berücksichtigt habe, da das Kranken¬
material so kurze Zeit nach der Gründung doch noch kein richtiges Bild
von den tatsächlichen Verhältnissen geben konnte, zumal es zunächst aus
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Änderungen der progressiven Paralyse.
393
dem Überschuß der andern Provinzialanstalten gebildet sein wird. Ferner
habe ich auch die nur ganz vorübergehend in den Jahresberichten auf¬
geführten Anstalten Brauweiler, Cöln-Lindental und Aachen nicht in
meine Berechnungen mit einbezogen, da sie wegen der Kürze der Zeit
keine Vergleichsmöglichkeit boten, und sie außerdem nur Männer auf-
nahmen. Ihre Zahlen waren zudem so klein, daß ihr Fehlen an dem Ge¬
samtresultat nichts ändern kann.
Die bearbeitete Zeit umfaßt die Jahrgänge von 1896/97 bis 1912/13,
also ungefähr denselben Zeitraum, auf den sich die Tannenhofer Unter¬
suchungen beziehen.
Wie aus der folgenden Tabelle ersichtlich ist, habe ich nur die Pro¬
zentwerte wiedergegeben, die ich mir nach den Zahlenangaben der Jahres¬
berichte ausgerechnet habe. Für die Richtigkeit der Prozentzahlen — ab¬
gesehen von vielleicht hin und wieder vorgekommenen unbedeutenden
Rechenfehlern — verbürge ich mich natürlich. Auf der Tabelle sind also
die jährlichen Prozentziffern der einzelnen Anstalten für die männlichen
und weiblichen Paralytiker sowie für beide Geschlechter zusammen ange¬
geben. In den letzten vier Rubriken finden sich die Prozentwerte für die
Summe der Paralytikeraufnahmen aus allen Anstalten sowie das Ge¬
samtverhältnis der Geschlechter zueinander.
Eine allgemeine Betrachtung der Tafel zeigt, daß die in Tannen¬
hof und in andern Statistiken gefundenen Schwankungen auch hier
sich geltend machen. Die Schwankungsrichtung ist bei den verschiede¬
nen Anstalten oft nicht die gleiche, so daß ein gewisser Ausgleich die
Folge ist, der seinen Ausdruck in den weniger stark ausgesprochenen
Schwankungen der Gesamtzahlen findet. Die für Tannenhof beob¬
achtete umgekehrte Schwankungsrichtung der Paralyseaufnahmen bei
den beiden Geschlechtern zeigt sich hier nicht. Auffallend hoch ist
fast durchweg das Verhältnis der beiden Geschlechter zueinander.
Es bietet sich mir eine Vergleichsmöglichkeit bei der Anstalt Bonn,
über deren Paralysematerial in den vergangenen Jahrzehnten Arbeiten
von Berg und Mohr erschienen sind. Berg behandelt den Zeitraum von
1882 bis 1890 und Mohr denjenigen von 1891 bis 1900. Ersterer fand nun
eine Verhältniszahl der beiden Geschlechter von 5,4 :1, letzterer von 4,8 :1,
während die von mir für Bonn gefundene Zahl 2,43 :1 beträgt. Diese
starke Differenz wird wohl zum Teil dadurch bedingt sein, daß jene Autoren
aus ihrem Untersuchungsmaterial die zweifelhaften Fälle ausgeschieden
haben. Da bei dem weniger markanten Verlauf der Paralyse bei Frauen
die Schwierigkeit meist größer ist, eine sichere Diagnose zu stellen, werden
bei den Frauen wohl oft relativ mehr Paralysefälle als zweifelhaft ausge¬
schieden werden als bei den Männern. Die Folge muß dann ein bezüglich
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Original from
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Heinrich Dübel
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Falle in ihre Berer Inningen mit riid>e«ielif, niebf gleich das Urteil ge-
Äj-nnlieii. Die hier i. B. testgesteSlte VenniuJerimg des Dl ozentsafzes
der mämdit heit Parnlydiker.in Bonn wird durch die Tatsache, daß auch die
^veifclhüften Tülle roRgeret iuvd sind. .nncb mehr bekräftigt. Wenn, eine
Vdiiiähtiie der Paralyse s.iallgi tmideti hülfe, >o müßte sie gegenüber den
ms nur si< tieren Fällen gewonnener» Ergebnissen noch sPürker m Er-
si hcinuilg freien. Felder w.-rdeii sielt bei beiden V‘er{ ähren geltend wachen.'
indem bei dem einen 20 viel üml bei den» andern «y zeitig Fülle,
der Paralyse jtiige'reßlinFf werden, Wenn änilli' <ik% leDtnre Vejlf;Ijieh den
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396
Heinrich Dübel,
dasselbe Jahr fallen, so treten doch die dem Verlauf der Männerkurve
entsprechenden Höhen und Tiefen bei den Frauen dann regelmäßig
im folgenden Jahre auf. Es scheint also diesen Schwankungen eine
gewisse Gesetzmäßigkeit innezuwohnen, so daß man hier vielleicht an
die von Mohr erwähnten Schwankungen national-sozialökonomischer
Kurve 2.
Art denken könnte. Bezüglich der Tendenz der Kurven ist zu sagen,
daß sie trotz der Schwankungen einen deutlich abfallenden Verlauf
zeigen, wie es auch die Zahlenverhältnisse beim Vergleich größerer
Zeiträume noch bestätigen werden. Auf den folgenden Tafeln habe ich
die Ergebnisse der einzelnen Anstalten zu mehreren Jahrperioden zu¬
sammengefaßt :
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arktu.tigv.rit in andere JahrpertfMbm ein!eilen mußte, haim uh rio in
rine besonder« > Tabelle irebnuhr. Im übrigen kamrieb es n)ir >vohl
versagen. auf die'Ej^^lüi^etir^^wstelueii- Anstalten he?oneU‘3's elraur
geben., da ja Nur m vieh riif xiu
sÄDinienfMReiwi^eiiairt. daß $l^;i^g^lHl^|iii)ütgQde)i 2 der männliehen
Pairafy^a^ wenii atn'h bei dejMehrÄÄhi.BM doch nicht bei'allen An¬
stalten &K»ei>, i. ß...macht sieh bei sogar viMe gleirhmäUige
Zunahme bemerkbar-.. Dahingegen zeigt rieh bei den vreiWh heu Para¬
lysen in allen Anstalten eine gevrisse Abnahinel j'ndeßX/ Dt der folgen¬
den Tabelle habe ich die Tür die verschiedenen .laliKphriodep rieb er<
gebenden Werte de? Verhältnissen beider GüsstMedhter zncinamfer.<> .;
wiedergegeben..
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Heinrich Dübel
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Ditivbs.'-bi.irl j . ! ( .'.v:; i j l.s't; 1 J :>.) I * { :i. 74 : t | I { IM: L
Oer Zf'irratini Oe? eimelnen .Permcku ergibt sich aus den vorigen
Tabellen Äbnesc-Iitui von Bonn, wo sieh von der zweiten sur- driitcn
Periode ein«» Er|U;hmig des Verhältnis wert es bezüglich der Frauen
geigt.. maeUl «ich m atMk ejfjrV Atauahtoelendenz bemerkl«an
Endlich will ich nun noch d.ic Oesumtergcheisse aus «dien Anstalten
zu drei Jahrpenoden zusuiuiuenbi-sseinimi sie guf ihre Alinaltfiietemlenz
«ntt’THijL.e Kf*». c ^ gilii •li^diedn'tiefferiden Verftailtßts|«.
Aufschluß:
Rheinisch«' ProviiizialaiisloHcu.
Vbvi^li H,-
ii-j- (- 1 -.
schocht^t
t!nbeiiv;‘;Y(jrsfelUHjg y'wrßejp gtrgiundeliegenden Zahlen zu ggijcn
habe ich sie
diesmal mit angeführt'. Es zeigt sich, daß die OesaihtaiiB
hahineh tdjeB'^gfete&krhhkett^in". der zweiten Periode gang Frligblieh
ztigeiroinrueji haben, •■wnniit <iie f'aralysoaufnahmen nicht gleichen
Schritt halten. so d;tii ein Absmkeit des Pr*«zeiity^hältnissig dermänn-
Ikrhen Pandysen um .Pröitiriieih.|ie1ten{;, dar WeildU-figh um iJSft
Pvozeiiteiniu itoi; die Folge ist. ln der dritten Periode geht die Zahl
der Aufnahmen nüntiieher Oeisteskranken wieder etwas zurück, die
der i’arahvvo ebenfalls, jedoch in etwas sRirke'rem bade so daß ein
i r ’:;- • r;K
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Aj. • Fw 1-d.
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Ändeiuugefi ;tkr progressive« Prtmlvse
weiteres. aber nicht -sehr *r liebliches Abstnkeu üer%b*hht\vert*-- statt-
findet. l^wstankk &iuafrök' aller Öeitfteüdkranken iit'dV^rt iE^ty*;>di*
Ist mm.'ÄU'jn preßen Teil auf die Eniffmsng der Anstalt Julmu>m!.:b
zur ik kzufUIwoir. Man könme also bei. dem. gerade in der
Periode, überwiegend in Erscheinung: tretenden Absingen des Pnaem-
anteil* dw Paralytiker mi de» ÄVor^b,/scheit Ein wand denken, daß
ein erleichterte;.- ■/'üMrünten der. Geisteskranken-evi'uf weil ein.; Yer-
'minderuiie des 1-Yozen lau teils der Paralytiker hejrbeifiiijroß kann, Um
dies zu pHiiehv habe ich noch eine
Previiizialaiistalten ohne Oolh'kmm» und Jm>rnbfyfal a«i<re«U‘l|t. wie
folgende Tafel'zeigt' . , > • • / ’ 1 . .
pTOVHiziHlansndlj'i' «luws 0Alkhüiwß -ünit 4nt«w;iW'fe'lat..
In dieser Bet eel
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Bonn, liuren. tiriik
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400
Heinrich Dübel,
ringerung des Prozentanteils der Paralytiker nicht verantwortlich zu
machen. Ob das unverhältnismäßige Anwachsen besonderer Gruppen
von Geisteskranken (z. B. Alkoholiker) als Ursache mit in Frage
kommt, konnte ich bei dieser Statistik nicht mehr berücksichtigen.
Angesichts der Berechnungen von Junius und Arndt, die, wie schon
erwähnt, auch im Verhältnis zur Bevölkerung ein Absinken des rela¬
tiven Anteils der Paralytiker fanden, und meinen Tannenhofer Er¬
fahrungen scheint mir das jedoch fraglich. Zum Schluß will ich nun
noch die Gesamtergebnisse der vollständigen Statistik zu zwei gleich¬
großen Jahrperioden (von 9 Jahren) zusammenfassen und sie mit
den Resultaten Tannenhofs in entsprechenden Zeiträumen vergleichen:
Tannenhof Rheinprovinz
M. Fr. M. Fr.
erste Periode. 22,05% 3,44% 13,42% 6,49%
zweite Periode. 18,98% 2,05% 11,32% 4,43%
Differenz. 3,07% 1,39% 2,10% 2,06%
Die relative Abnahme der Paralysen, d. h. im Verhältnis zur Höhe
der Prozentziffern, ist demnach in Tannenhof der Abnahme in den
Provinzialanstalten fast genau gleich. Ziehe ich nun das Fazit aus
diesen Ergebnissen, so kann ich behaupten, daß die Paralyse in den
letzten beiden Jahrzehnten weder bei Männern noch bei Frauen in
Tannenhof und in den rheinischen Provinzialanstalten eine Neigung
zur größeren Ausbreitung gezeigt hat, vielmehr ist eine, wenn auch
nicht erhebliche, so doch deutliche Abnahmetendenz zu konstatieren.
II. Hinsichtlich der Berufs- und Standesverhältnisse
der Tannenhofer Geisteskranken habe ich schon erwähnt, daß die
mittleren und höheren sozialen Schichten in überwiegendem Maße
vertreten sind. Das muß dann natürlich auch bei den Paralytikern
zum Ausdruck kommen:
1. höhere Beamte, Gelehrte .= 21 = 7,9%
2. Offiziere.= 7 = 2,6%
3. Fabrikanten, Ingenieure.= 23= 8,6%
4. Kaufleute.= 97 = 36,3%
5. mittlere Beamte, Schreiber, Seminarlehrer.= 40= 15,0%
6. Gastwirte, Kellner, Branntweinbrenner.= 11 = 4,1%
7. Handwerker, Gewerbetreibende.= 53= 19,9%
8. Arbeiter, Diener, Unterbeamte.= 11 = 4,1%
9. Sonstige .= 4= 1,5%
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Änderungen der progressiven Paralyse.
401
Wie aus dieser Aufstellung hervorgeht, sind die Kaufleute mit
36,3% aller Paralytiker (Männer) bei weitem überwiegend. Die
nächsthöchste Gruppe wird durch die Handwerker und Gewerbe¬
treibenden dargestellt, worauf die der mittleren Beamten usw. folgt.
Am kleinsten ist, von Nr. 9 abgesehen, die Gruppe der Offiziere,
was nicht erstaunlich ist in Anbetracht der zur Masse der Bevölkerung
verhältnismäßig geringen Zahl der Vertreter dieses Berufes. Auch sind
in der obigen Tabelle bei den übrigen Ständen meist mehrere Berufe
zu einer Gruppe zusammengefaßt, was natürlich die Entstehung größe¬
rer Ziffern begünstigt. Auffallend ist, daß der landwirtschaftliche
Beruf sich überhaupt nicht unter den Tannenhofer Paralytikern findet.
Das entspricht ja allerdings der Erfahrungstatsache der relativ seltenen
Paralysemorbidität der ländlichen Bevölkerung, auch ist ja in unseren
Gegenden der landwirtschaftliche Beruf zugunsten der Industrie mehr
zurückgedrängt als anderswo, aber das gänzliche Fehlen eines Land¬
wirts oder eines landwirtschaftlichen Arbeiters unter 267 Paralytikern
und während eines Zeitraums von 18 Jahren ist doch merkwürdig.
Bei entsprechender Zusammensetzung der das Krankenmaterial
liefernden Bevölkerung können sich natürlich auch recht hohe Beteiligungs-
Ziffern für die Landwirtschaft ergeben, wie die Zahlen von Kundt- Deggen¬
dorf und Afüffer-Gabersee beweisen, von denen der erstere unter 193 Para¬
lytikern 73 Landleute = 37,8% fand, der letztere unter 77 Paralytikern
24 jenes Berufes feststellte = 31,2 %. Sprengeler konstatierte dagegen
unter 295 Paralytikern der Göttinger psychiatrischen Klinik nur eine Zahl
von 7 Landleuten, also 2,34%, und unter 427 männlichen Paralytikern
der Anstalt Alt-Scherbitz waren nach'//oppe nur 26 Landwirte bzw. land¬
wirtschaftliche Arbeiter = 6,1 %. Da die von Hoppe angegebenen Zahlen
eine gewisse Ähnlichkeit mit den Tannenhofer Ziffern zeigen, setze ich sie
zum Vergleich hierher:
Alt-Scherbitz (1876 bis 1893)
Gelehrte, höhere Beamte, freie Berufe. 7,0%
sonstige Beamte.. 12,3 %
Offiziere. 2,3 %
niedere Militärs . 1,6%
Kaufleute. 20,1 %
Handwerker . 22,5 %
Landwirte, landwirtschaftliche Arbeiter usw. 6,1 %
Wirte, Kellner, Brauer. 4,9%
Summa 76,8%.
Die Übereinstimmung ist bemerkenswert, und sie wird noch größer,
wenn ich die Gruppe der niederen Militärs zu den „sonstigen Beamten“
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402
Heinrich Dübel,
hinzurechne, die ja zum nicht geringen Teil aus dem Unteroffizierstande
hervorgehen. Eine größere Verschiedenheit ergibt sich nur aus der Gruppe
der Kaufleute, die hier zwar auch neben der Handwerkerklasse vorherr¬
schend ist, aber doch bei weitem nicht in so starkem Maße wie in Tannen¬
hof. Der Grund hierfür ist wohl in der größeren Ausbreitung von Handel
und Industrie in unserer Gegend, zum Teil auch in dem Charakter von
Alt-Scherbitz als öffentlicher Irrenanstalt, zu suchen. Ein Teil der besser
situierten Kaufleute wird eben Privatanstalten aufsuchen. Die landwirt¬
schaftliche Gruppe in Alt-Scherbitz entspricht in ihrer Höhe ungefähr der
industriellen Gruppe (Fabrikanten und Ingenieure), die ich entsprechend
dem industriellen Charakter des Landes besonders aufstellen konnte. Aller¬
dings befinden sich unter dieser Kategorie keine Industriearbeiter, die bei
mir in Gruppe VIII aufgeführt sind. Ihre Zahl war überhaupt sehr gering,
im ganzen nur 2. In der obigen Aufstellung yon Hoppe sind nun nur an¬
nähernd % seines Paralytikermaterials berücksichtigt, die übrigen 23,2 %
gehören also wohl der Arbeiterklasse an, was er zwar nicht besonders er¬
wähnt, jedoch aus seiner weiteren Darstellung hervorzugehen scheint.
Daß sich in dieser Beziehung das Alt-Scherbitzer Krankenmaterial vom
Tannenhofer unterscheidet, ist bei dem verschiedenen Charakter der
beiden Anstalten nicht verwunderlich. Die im übrigen bestehende Über¬
einstimmung wird wohl auf die insofern ähnliche Zusammensetzung der
für beide Anstalten in Betracht kommenden Bevölkerung zurückzu¬
führen sein, als es sich in beiden Fällen um gemischte Bezirke handelt,
d. h. Großstadt-, Kleinstadt- und Landbevölkerung. — Wie noch kurz
erwähnt sein mag, besagt das Fehlen eines katholischen Geistlichen unter
den Tannenhofer Paralytikern nichts, da unsere Patienten, von ganz
wenigen Ausnahmen abgesehen, evangelischer Konfession sind. Jedoch
mag darauf hingewiesen werden, daß auch keine evangelischen Geist¬
lichen, die unter den übrigen Tannenhofer Geisteskranken mehrfach ver¬
treten sind, unter den Paralytikern waren.
Es wäre nun zu prüfen, ob sich in Tannenhof Änderungen im Laufe
der Jahre hinsichtlich der Beteiligung der einzelnen Berufsgruppen
geltend gemacht haben. Zu diesem Zweck will ich zwei Perioden von
je 9 Jahren einander gegenüberstellen:
1897 bis 1905 1906 bis 1914
1. Gelehrte, höhere Beamte .
2. Offiziere..
3. Fabrikanten, Ingenieure.
4. Kaufleute.
5. mittlere Beamte usw.
6. Gastwirte usw'.
7,1%
3,1 ° 0
8,7 °o
35,4%
n,o%
6,3%
21,3%
8,6%
2,2%
8,6%
37,1 %
18,6%
2,1%
18,6%
7. Handwerker, Gewerbetreibende ...
8. Arbeiter usw.
4,7%
3,6%
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Änderungen der progressiven Paralyse.
403
Eine erheblichere Änderung, und zwar im Sinne einer Zunahme,
zeigt sich nur bei der Gruppe der mittleren Beamten usw. Vielleicht
ist hierfür eine relative Vergrößerung der Beamtenzahl innerhalb der
Bevölkerung verantwortlich zu machen, z. B. infolge des Ausbaus der
sozialen Fürsorge. Außerdem könnte man vielleicht daran denken,
daß die im Laufe der letzten Jahrzehnte immer stärker sich geltend
machende allgemeine Teuerung, mit der die Einkünfte besonders der
mittleren Beamten nicht gleichen Schritt hielten, eine gewisse Rolle
dabei gespielt hat. Immerhin kann das nur eine ungewisse Vermutung
bleiben.
Vergleichende Zusammenstellungen hinsichtlich etwaiger Änderungen
in der Beteiligung der einzelnen Berufsgruppen an der Paralyse im Laufe
der Jahre finden sich auch in der Arbeit von Joachim. Für Stephansfeld
ergibt sich da gegenüber dem Zeitraum von 1872 bis 1900 in der Zeit von
1900 bis 1910 ein Absinken der prozentualen Beteiligung der höheren und
mittleren Stände, während sich besonders bei der Arbeiterschaft eine ver¬
hältnismäßig bedeutende Zunahme bemerkbar macht. Merkwürdiger¬
weise zeigen die Zahlen der Straßburger Klinik, die Joachim für zwei Zeit¬
räume (1894 bis 1900 und 1900 bis 1910) wiedergibt, fast genau die umge¬
kehrte Tendenz. Joachim erklärt das mit der besonderen Lage und den
Aufnahmeverhältnissen der Straßburger Kl<nik.
Daß sich an dem Tannenhofer Paralytikermaterial keine Ab¬
wanderung in die niederen Klassen zeigt, wird noch deutlicher, wenn
ich die Paralytiker den sozialen Schichten nach in zwei große Gruppen,
eine höhere und eine niedere, teile und diese auf Änderungen im Laufe
der Jahre hin prüfe. Zu Klasse I habe ich Gruppe I—V, zu Klasse II
Gruppe VI—VIII gerechnet. Wenn auch einige Fälle der drei letzten
Gruppen hinsichtlich ihrer Lebenslage vielleicht eher zu der ersten
Kategorie zu zählen wären, so wird doch im großen und ganzen diese
Gegenüberstellung das Richtige treffen:
1897 bis 1905 1906 bis 1914
Klasse 1. 65,3% 75,1%
Klasse II. 32,3% 24,3%.
Die Gruppe „Sonstige“ habe ich hier ausgeschaltet, was die Tat¬
sache erklärt, daß in der ersten Jahrperiode die Summe der Prozent-
werte = 97,6 ist, in der zweiten aber = 99,4. Es zeigt sich bei Be¬
trachtung der obigen Gegenüberstellung, daß Klasse I in der zweiten
Jahrperiode eine Zunahme um nahezu 10 Prozenteinheiten erfahren
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404
Heinrich Dübel,
hat, Klasse II dagegen eine Abnahme von 8 Prozenteinheiten. Eine
zunehmende Demokratisierung der Paralyse hat sich demnach in
Tannenhof nicht bemerkbar gemacht. Immerhin lassen sich bei den
besonderen Verhältnissen Tannenhofs nicht allzu weitgehende Schlüsse
aus den angeführten Ergebnissen ziehen, vielmehr mag diese Zunahme
zum Teil auf Neubauten zurückzuführen sein, durch die besonders für
Patienten aus den mittleren und höheren Ständen neue Plätze ge¬
schaffen worden sind. Davon bleibt jedoch das Auffallende der Tat¬
sache unberührt, daß gerade die mittleren Beamten sich diese Ver¬
größerung der Anstalt zunutze gemacht haben.
Im Anschluß hieran will ich gleich die Besprechung des Fa¬
milienstandes unserer männlichen Paralytiker folgen lassen. Viele
Autoren haben einen verhältnismäßig hohen Anteil der Ledigen an
den Paralyseerkrankungen gefunden, z. B. Mendel , Obersteiner ,
Kraepelin, Hirschl 1 ). Bis zu einem gewissen Grade mag nun diese
Erscheinung vielleicht dadurch bedingt sein, daß Ledige, falls sie nicht
noch bei den Eltern wohnen, doch sicher weniger häufig in Familien¬
pflege behalten werden als Verheiratete. Anderseits muß man aber
in Betracht ziehen, daß die Paralyse gewöhnlich in einem Lebensalter
zum Ausbruch gelangt, in dem die verheirateten Leute bei weitem über¬
wiegen. Ob nun dabei besondere Gründe, z. B. die stärkere Gefährdung
der Ledigen hinsichtlich der syphilitischen Infektion, eine Rolle spielen,
ist schwer zu sagen. Letzteres Moment kann jedenfalls bei einem Ver¬
gleich der Zahl der Ledigen mit der der Verheirateten unter den An¬
staltsparalytikern oft aus dem Grunde nicht richtig zum Ausdruck
kommen, daß mancher, der sich seine Lues als Lediger erworben hat,
schon längst verheiratet ist, wenn er als Paralytiker in eine Anstalt
kommt.
Übrigens stehen den relativ hohen Zahlen mancher Autoren, wie
Mendel mit 27,1%, Obersteiner mit 31,2%, Hirschl mit 25%, bedeutend
niedrigere Resultate anderer Untersucher gegenüber. Zum Beispiel fand
Gudden gegenüber 1092 verheirateten, verwitweten oder geschiedenen
Paralytikern 218, die ledig waren, = 16,63%, Junius und Arndt berechne¬
ten den Anteil der Ledigen auf 16,7 %, Hoppe auf 15,4 %, Süßmann nur auf
12,1%. Auch Joachim stellte für Elsaß-Lothringen einen viel geringeren
Prozentsatz fest.
M Zit. bei Junius und Arndt.
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Änderungen der progressiven Paralyse.
405
Für Tannenhof gestalten sich die Verhältnisse folgendermaßen:
männliche Paralytiker:
Tannenhof Alt-Scherbitz
verheiratet. 77,8% 80,8%
ledig. 16,2% 15,4%
verwitwet. 4,7% 3,0%
geschieden. 1,2% 0,7%.
Also auch in Tannenhof ist der Anteil der Ledigen viel geringer
als der von den zuerst genannten Autoren gefundene. Zum Vergleich
habe ich die Ziffern von Alt-Scherbitz daneben gesetzt, wobei sich auch
hier annähernd gleiche Verhältnisse bei beiden Anstalten ergeben.
Junius und Arndt suchen nun die Widersprüche zwischen den Ergeb¬
nissen der einen und der andern Autoren damit zu erklären, daß die
Untersucher, die, wie z. B. Mendel, einen erheblich höheren Prozent¬
satz der Ledigen gefunden haben, vielleicht ein wesentlich aus höheren
und besser situierten Bevölkerungsschichten stammendes Material
hatten. Dieser Annahme würden die Tannenhofer Ergebnisse wider¬
sprechen, die an einem Krankenmaterial gewonnen sind, das auch
zum größten Teil aus Ständen stammt, in denen erst verhältnismäßig
spät geheiratet wird. Um nun festzustellen, ob der an einer Anstalt
gefundene Prozentanteil der ledigen Paralytiker relativ hoch ist,
müßte man ihn, wie Junius und Arndt es getan haben, mit dem Prozent¬
anteil der Ledigen aus den in Frage kommenden Altersklassen inner¬
halb der das Krankenmaterial liefernden Bevölkerung vergleichen.
Leider fehlen mir dazu die statistischen Unterlagen. Junius und Arndt
fanden, daß innerhalb der Bevölkerung die Ledigen unter den Männern
von 30 bis 50 Jahren, also den Altersklassen, die hauptsächlich für die
Paralyse in Betracht kommen, etwa 17% ausmachten. Das entsprach
also fast genau dem von ihnen unter den Paralytikern festgestellten
Prozentanteil, der also somit keineswegs hoch genannt werden konnte.
Da in einer Großstadt wie Berlin sicher verhältnismäßig mehr Ledige
sein werden als in den für Tannenhof in Betracht kommenden Gegen¬
den, würde sich ergeben, daß der Tannenhofer Prozentsatz, der dem
von Junius und Arndt ja absolut fast gleich ist, relativ höher ist als
letzterer. Mit aller gebotenen Vorsicht könnte also daraus geschlossen
werden, daß unter den Tannenhofer Paralytikern mehr Ledige waren,
als es den tatsächlichen Verhältnissen innerhalb der Bevölkerung ent¬
spricht. Immerhin muß man dabei bedenken, daß es sich bei Junius'
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406
Heinrich Dübel,
und Arndts und meinen Untersuchungen um verschiedene Zeiten
handelt, so daß sich die Verhältnisse innerhalb der Bevölkerung in¬
zwischen verschoben haben können. Es ist nun zu prüfen, ob mit der
Zeit Änderungen hinsichtlich des Anteils der Ledigen an der Paralyse
eintreten. Zu diesem Zweck seien hier die Ergebnisse Joachims und
die meinigen nebeneinandergestellt:
Stephansfeld und Straßburger Saargemünd
Rufach Klinik
97/00 01/05 06/10 97/00 01/10 97/00 01/05 06/10
verheiratet .
75,9 %
74,6% 71,1%
75,0% 72,0%
83,0%
77,8%
75,8%
ledig.
20,3 %
15,3% 21,9%
20,8% 22,9%
10,6%
17,5%
19,4%
verwitwet..
2,5%
9,9% 5,3%
4,1% 2,0%
6,4 %
4,8%
3,2%
geschieden .
1,3%
0,7% 1,8%
— 2,0%
—
—
1,6%
Tannenhof
97/04 05/14
81,3% 74,8 ° 0
15,0 % 17,32 %
3,7 % 5,5 %
— 2,4 -
Joachim zieht aus seiner Tabelle den Schluß, daß ein allmähliches
Anwachsen des Anteils der Ledigen stattgefunden habe, und wie die
Ziffern zeigen, ist diese Zunahmetendenz in Saargemünd sogar recht
beträchtlich. Ebenso ist für Tannenhof eine im Laufe der Zeit wach¬
sende prozentuale Beteiligung der Ledigen zu konstatieren, und zwar
in ähnlichem Maße, wie in der Straßburger Klinik. Joachim führt
diese Zunahmetendenz darauf zurück, daß im Laufe der Zeit der
Beginn der Erkrankung früher fällt oder der Termin der Verheiratung
später, oder beides zusammen wirksam ist. Daß die Heiratsmöglich¬
keit für viele bei dem erschwerten Kampf ums Dasein heutzutage
später vorhanden ist als in früheren Zeiten, ist wohl unbestreitbar,
ob aber diese Hinausschiebung des Heiratstermins noch in den für die
Paralyse hauptsächlich in Frage kommenden Altersklassen wirksam
ist, ist doch zum mindesten fraglich. Höchstens kann man wohl an¬
nehmen, daß überhaupt weniger geheiratet wird als früher. Eine
Vermehrung oder Verstärkung der für Paralyse disponierenden Ge¬
fahren zuungunsten der Ledigen als Grund anzunehmen, scheint mir
nach den Tannenhofer Ergebnissen auch nicht angängig, denn bis
zu einem gewissen Grade müßte sich diese Erhöhung der Gefahren
doch auch bei den Verheirateten geltend machen. Wie gezeigt, hat
aber die Paralysemorbidität in Tannenhof eher ab- als zugenommen.
Was den früheren Beginn der Erkrankung als mögliche Ursache an¬
langt, so sprechen die Resultate, die Joachim in dieser Beziehung
gefunden hat, wenig für diese Annahme, und auch ich konnte am
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Änderungen der progressiven Paralyse.
407
Taimenhofer Material keinen früheren Beginn der Paralyse im Laufe
der Zeit feststellen. Übrigens sind andere Untersucher zu einem ab¬
weichenden Ergebnis gekommen. Aus den Zahlen von Gudden , die er
für die Jahre von 1888 bis 1893 angibt, habe ich die Prozentwerte für
je drei Jahre ausgerechnet und miteinander verglichen. Es ergab sich
für die Jahre 1888 bis 1890 ein Prozentwert von 21,8 für die Ledigen,
für 1891 bis 1893 dagegen nur 18,2%, somit eine Differenz von 3,6%
im Sinne einer Abnahme. Auch Kaes konnte keine Zunahme des rela¬
tiven Anteils der Ledigen im Laufe der Zeit konstatieren.
Die Berufs- und Standesverhältnisse der Paralytikerinnen
in Tannenhof stellen sich folgendermaßen dar: höhere Beamtenfrau 1,
Ingenieursfrau 1, Kaufmannsfrauen 6, mittlere Beamtenfrauen 3, Rentner¬
frauen 2, Bauunternehmerfrau 1, Handwerkerfrauen 5, Arbeiterfrau 1,
Büglerin 1. Also auch hier haben die Kaufmanns-, Handwerker- und
mittleren Beamtenkreise den größten Anteil. Die unterste Bevölkerungs¬
schicht, also die Arbeiterklasse, ist nur in sehr geringem Maße vertreten.
Wenn ich die Büglerin dazu rechne, gehörten ihr nur 2 Patientinnen an.
Allerdings fehlen mir von 12 Patientinnen die Standesangaben; sie waren
lediglich als Ehefrauen bzw. Witwen bezeichnet. Da aber von ihnen 8 in
der II. und nur 4 in der III. Verpflegungsklasse untergebracht waren,
gehörten sie wohl zum größten Teil den bessergestellten Bevölkerungs¬
kreisen an. Auf eine Gegenüberstellung von zwei Zeitperioden mußte ich
in Anbetracht der geringen Zahl der Patientinnen und der großen Anzahl
der in Frage kommenden Rubriken als zwecklos verzichten.
Sämtliche Paralytikerinnen waren verheiratet bzw. verwitwet.
Die meisten von den ledigen Paralytikerinnen gehören überhaupt eben
wohl den niederen Bevölkerungsklassen an, da diese bedeutend mehr der
syphilitischen Infektion ausgesetzt sind, als es bei den Mädchen der mittle¬
ren und höheren Kreise der Fall ist. Also auch hier ist der Grund, ebenso
wie bei den Standesverhältnissen, in dem besonderen Charakter der Anstalt
zu suchen, so daß ein Schluß auf die Verhältnisse innerhalb der Bevölkerung
kaum möglich ist. Die Gefahren der sogenannten Emanzipation, die
Mendel bei der Zunahme der weiblichen Paralysen als möglicherweise
wirksam ansah, können also im Tannenhofer Material nicht gut zum
Ausdruck kommen, da die „Emanzipation“ sich ja in überwiegendem
Maße auf die unverheirateten Personen erstreckt.
III. Nunmehr will ich mich der Krankheit selbst zuwenden und
die Frage prüfen, welche Altersklassen am meisten bei der Er¬
krankung an Paralyse beteiligt sind. Nach den einen Autoren x ) fallen
die meisten Erkrankungen in die Zeit vom 41. bis zum 45. Jahre,
*) Hirschl, Ascher, Eickholt u. a.
Zeitschrift für Psychiatrie. LXXII. 5/6. 29
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408
Heinrich Dübel,
nach den andern ( Mendel , Obersteiner, Sprengeler, Hoppe, Junius und
Arndt) in die vom 36. bis zum 40. Darin scheint jedoch ziemlich all¬
gemeine Übereinstimmung zu herrschen, daß im Alter zwischen 35
und 45 Jahren die meisten Paralysen zum Ausbruch kommen, wie es
ja bei der Eigenschaft der Paralyse als Hirnkrankheit natürlich ist,
daß die Zeit der größten Inanspruchnahme des Gehirns auch die
meisten Erkrankungen zeitigt. Auf die Schwierigkeit nun, den Beginn
des Leidens festzustellen, ist schon oft hingewiesen worden. Die
anamnestischen Angaben der Angehörigen sind meist zu unsicher,
aber selbst dem Fachmann wird es ja oft schwerfallen, die ersten An¬
zeichen der beginnenden Paralyse als solche zu erkennen. Bei den
allerersten Prodromalsymptomen wird niemand mit Sicherheit ent¬
scheiden können, ob es sich nicht noch um Erscheinungen einer Neur¬
asthenie oder Zerebrasthenie handelt, zumal ja oft erst die Paralyse
auf dem Boden einer solchen Krankheit entsteht. Faktisch ist eine
Paralyse überhaupt erst vorhanden, wenn pathologisch-anatomische
Veränderungen des Gehirns in Entstehung begriffen sind. Der Zeit¬
punkt des Beginns solcher Veränderungen wird aber in den seltensten
Fällen, wenn überhaupt, festzustellen sein. Bei der vorliegenden Frage
suchen die einen Autoren (z. B. Bekr, Ascher ) die Schwierigkeit da¬
durch zu umgehen, daß sie ihren Untersuchungen die Zeit des Todes
der Paralytiker zugrunde legen. Bei der verhältnismäßig kurzen
Dauer der Paralyse werden dadurch ja auch nicht allzu große Fehler
entstehen, wo, wie hier, geprüft werden soll, in welches Lebensjahrfünft
oder -jahrzehnt die meisten Paralysen fallen. Zudem hat dies Verfahren
den großen Vorzug, daß tatsächlich einwandfreie Angaben gemacht
werden. Aber es hat auch den Nachteil, daß viele, sonst verwertbare,
Fälle aus den Untersuchungen ausgeschieden werden müssen, über¬
dies wird mit dieser Vorsichtsmaßregel praktisch wenig erreicht, denn
auch wenn man die Zeit des deutlichen Ausbruchs der paralytischen
Symptome als Grundlage für seine Untersuchungen wählt, wie es andere
Untersucher getan haben, werden sich Fehlerquellen nicht allzusehr
geltend machen, sobald man, wie hier, der Bestimmung des zeitlichen
Auftretens der Krankheit einen Spielraum von mehreren Jahren
läßt. Bei der Wahl der letzteren Methode wird man dem richtigen
Resultat sogar um einige Jahre näher kommen. Ich habe mich deshalb
für diesen Weg entschieden und die Zeit des deutlichen Ausbruchs
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Änderungen der progressiven Paralyse.
409
paralytischer Symptome meinen Untersuchungen zugrunde gelegt.
Für Tannenhof fand ich nun folgende Ergebnisse:
Es erkrankten:
vor dem 25. Jahre. 1 = 0,4%
im Alter von 26—30 Jahren. 5= 1,9 %
43 = 16,7 %
72 = 28,0 ° 0
50 = 19,4 ° 0
50 = 19,4%
23= 8,9%
9= 3,5%
nach dem 60. Jahre. 4 = 1,6?^.
Am meisten beteiligt ist also die Altersklasse von 36 bis 40 Jahren.
Es folgen die beiden nächsten Lustra, die eine gleiche Anteilshöhe auf-
weisen, und alsdann der Abschnitt vom 31. bis zum 35. Jahre, der eine
etwas geringere Beteiligungsziffer zeigt als die beiden letzteren. Alle
vier Zeiträume zusammen, die den Lebensabschnitt vom 30. bis zum
50. Jahre umfassen, weisen einen Prozentsatz von 83,5% auf. In
diesen Zeitraum fallen also fast 5 /« aller Erkrankungen an Paralyse.
Diese überwiegende Beteiligung der genannten Altersklasse an den
Paralyseerkrankungen entspricht ja auch den allgemeinen Erfahrun¬
gen. Ebenso stimmt die geringe Anzahl der über 60 Jahre alten
Paralytiker und der Erkrankungen vor dem 25. Jahre mit den bis¬
herigen Beobachtungen überein. Der älteste Paralytiker war im
Beginn seiner Erkrankung 64% Jahre alt, der jüngste 16%. Bei
letzterem handelte es sich somit um einen Fall von juveniler Para¬
lyse, der mit seinen paralytischen Anfällen, klassischen körperlichen
Symptomen und sogar exzessiven schwachsinnigen Größenideen neben
fortschreitendem Blödsinn keinen Zweifel an der Diagnose Paralyse
ließ. Ehe ich meine Ergebnisse mit den Resultaten anderer Autoren
vergleiche, will ich sie noch durch umstehende Zeichnung verbildlichen:
Die überragende Stellung des Lebensabschnittes vom 36. bis zum
40. Jahre und weiterhin die ganz überwiegende Beteiligung desjenigen
vom 30. bis zum 50. Jahre wird durch die Zeichnung drastisch zum
Ausdruck gebracht, so daß sich eine weitere Besprechung der Ver¬
hältnisse erübrigt. Im folgenden will ich nun die Resultate einer Anzahl
Autoren zum Vergleich nebeneinanderstellen:
29*
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Original fro-rri
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Heinrich Biibef
MMm
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Zeichnung tu $. 40S-
bebejibUtor
Juniüjs Ober- lf<00 Sprengeler Eickholt Tannen-
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luTvorgohL der AWitniit vorn- bis zum 40, Juhrv dor am meisten
bcdeiligtK Der aätftsft», in »ter lb-ilu-iiMgv tgf dann meist derjenige
vom 4L bis zum iö. ,!ah/;-. »hm». wiirerlim dm Aifmkfa&p.YOn HJ bis
oder flio yiöni 46 Im bO am nächstov kommt fbrnbiftfuim ist
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Änderungen der progressiven Paralyse.
411
allen diesen statistischen Aufstellungen der ganz überwiegende Prozent¬
satz des Zeitraums vom 30. bis zum 50. Lebensjahre. Meine Resultate
unterscheiden sich von den Ergebnissen der übrigen Autoren nur da¬
durch, daß auf das Lustrum vom 46. bis zum 50. Jahre die gleiche
Zahl von Erkrankungen fällt wie auf das vorhergehende. Vergleicht
man aber die Erkrankungsziffern für das ganze Jahrzehnt vom 41. bis
zum 50. Jahre, so ergibt sich eine fast zahlenmäßige Übereinstimmung
zwischen den Resultaten von Obersteiner , Junius und Arndt, Sprengeier
und Tannenhof. Auch im übrigen fällt diese oft fast genaue Gleichheit
zwischen den Ergebnissen der einzelnen Untersucher auf. Da auch
Müller für Gabersee, dessen Krankenmaterial aus einer überwiegend
ländlichen Bevölkerung stammt, zu ganz ähnlichen Resultaten gekom¬
men ist, so deutet diese stark ausgeprägte Übereinstimmung zwischen
den bezüglich des Krankenmaterials verschiedenartigsten Anstalten
darauf hin, daß die Art der Bevölkerung, mag sie großstädtisch,
ländlich oder gemischt sein, auf das zeitliche Auftreten der Paralyse
keinen Einfluß auszuüben scheint. Von Krafft-Ebing und Obersteiner
ist nun die Ansicht geäußert worden, daß die Paralyse immer mehr
bereits in jüngeren Jahren auf trete. Diese Annahme konnte ich an
meinem Material nicht bestätigt finden, wie folgende Tabelle beweist,
wo ich zwei Perioden von je 9 Jahren miteinander verglichen habe:
Zeitliches Auftreten der Erkrankung:
unt.25 26-30 31-35 36-40 41-45 46-50 51-55 56-60 üb. 60
1897 bis 1905 %0,8 1,7 16,5 28,9 19,8 19,0 8,3 3,3 1,7
1906 bis 1914 — 2,2 16,9 27,2 19,1 19,9 9,6 3,7 1,5
Eine Änderung im Laufe der Jahre in dem erwähnten Sinne läßt
sich also nicht herauslesen, sondern eher das Gegenteil. Vergleicht
man nämlich die Lebensabschnitte bis zum 40. Jahre und die nach
demselben bei den beiden Perioden, so zeigt sich, daß in der Zeit von
1897 bis 1905 bei 47,9% der Paralytiker die Krankheit bis zum 40. Jahre
auftrat, bei 52,1% nach demselben. In dem Zeitraum von 1906 bis 1914
dagegen erkrankten nur 46,3% der Paralytiker vor dem 40. Jahre
und 53,8% später. Es hat demnach eine geringe Verschiebung nach
den höheren Altersklassen zu stattgefunden. Während das durch¬
schnittliche Lebensalter bei Beginn der Erkrankung während der
ganzen Zeit etwa 41 Jahre 9 Monate war, betrug es in der Zeit von
1897 bis 1905 41 Jahre iy 2 Monate, im Zeitraum von 1906 bis 1914
4l Jahre 10% Monate.
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412
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Zu ähnlichen Ergebnissen sind übrigens auch andere Autoren ge¬
kommen. Gudden z. B. prüfte an dem männlichen Paralytikermaterial
der Charitö nach, in welchem Lebensalter die Krankheit während der Jahr¬
perioden 1874 bis 1879, 1880 bis 1884 und 1888 bis 1892 auftrat. Er legte
seinen Untersuchungen dabei die Zeit der Aufnahme der Kranken in die
Charitö zugrunde. Die einzelnen Altersklassen zeigten während der drei
Jahrperioden keine wesentlichen Verschiedenheiten. Stets waren die
meisten Erkrankungen im Alter von 36 bis 40 Jahren zu verzeichnen,
es folgten der Höhe der Beteiligung nach die Lustra vom 41. bis 45., 31. bis
35. und 46. bis 50. Jahre. Das blieb sich in allen drei Jahrperioden gleich.
Faßt man aber bei den Guddenschen Resultaten, ebenso wie ich es für
Tannenhof getan habe, die Zeit vor dem 40. Lebensjahre zu einem Ab¬
schnitt zusammen und stellt ihr die Prozentzahl der Erkrankungen nach
dem 40. Jahre gegenüber, so ergibt sich, daß vor dem 40. Jahre zur Auf¬
nahme kamen 1874 bis 1879 52%, 1880 bis 1884 47,1% und 1888 bis 1892
49,1%. Gegenüber dem Zeitraum von 1874 bis 1879 hatte also später
eine Verschiebung nach den höheren Altersklassen zu stattgefunden.
Gudden gibt auch die durchschnittlichen Erkrankungsalter für die einzelnen
Jahre von 1888 bis 1893 an, wobei sich zeigt, daß das Durchschnittsalter
bis 1890 stets unter, nach 1890 stets über 42 Jahren war. Eine noch viel
erheblichere Verschiebung nach den höheren Altersklassen zu konnte
Pilcz konstatieren, der die von 1870 bis 1875 und nach 1900 an beinahe
der gleichen Anzahl von Kranken (annähernd 200) in Wien gemachten
Beobachtungen verglich. Nach seinen Angaben erkrankten:
im Alter von 26-30 31-35 36-40 41-45 46-50 51-55 56-60 61-65 66-70 üb. 70
Jahren
1870—75 10 35 46 47 29 23 6 — — 1
nach 1900 11 14 46 47 36 22 18 3 2 —
Es zeigt sich also eine besonders starke Verminderung der Erkran¬
kungsfälle in der Altersklasse vom 31. bis zum 35. Jahre, und zwar zum
größten Teil zugunsten der Altersklassen von 56 bis 60 und 46 bis 50 Jahren.
Während ferner in der ersten Periode nur 1 Fall von über 60 Jahren beob¬
achtet wurde, finden sich nach 1900 deren 5. Vor dem 40. Jahre erkrankten
1870 bis 1875 91 Paralytiker = 46,2%, in der zweiten Periode 71 = 35,7 %.
Auch Joachim hat das Material der hier schon öfter genannten elsaß-
lothringischen Anstalten nach dieser Richtung hin geprüft. Er fand in
der Tat bei den einzelnen Anstalten Änderungen in dem einen oder andern
Sinne, konnte aber bei der Zusammenfassung der Resultate sämtlicher
Anstalten feststellen, daß die Schwankungen, die im einzelnen die Dezen¬
nien im Verlaufe der Jahre zeigten, sich zusammen ausglichen und sich
überhaupt erhebliche Veränderungen in dem Anteil der verschiedenen
Jahrzehnte nicht nachweisen ließen. Ebenso konnten Mendel , Behr und
Fürstner eine Neigung der Paralyse, in jugendlicherem Alter aufzutreten
als früher, durch ihre Erfahrungen nicht bestätigt finden. Derselben
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Änderungen der progressiven Paralyse.
413
Ansicht neigen auch Junius und Arndt zu. Nach alledem scheint es also
recht zweifelhaft zu sein, ob die erwähnte Ansicht von Kra'fft-Ebing und
Obersteiner Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben kann.
Bei den Frauen gestalten sich die Verhältnisse hinsichtlich des zeit¬
lichen Auftretens der Paralyse folgendermaßen in Tannenhof:
Es erkrankten:
im Alter von 26—30 Jahren
1 » »>
„ 31—35
„ 36—40
„ 41—45
„ 46—50
„ 51—55
„ 56—60
>)
1= 3,2%
1 = 3,2%
10 - 32,2%
5 = 16,1%
5 = 16,1%
6= 19,4%
3= 9,7%
Die Krankengeschichten, bei denen die Anhaltpunkte fehlten, mußte
ich ausscheiden. Ebenso wie bei den Männern weist also auch bei den
Frauen der Lebensabschnitt vom 36. bis zum 40. Jahre die größte Zahl
von Krankheitsfällen auf. Im übrigen scheint aber das stärkste Auftreten
der Krankheit um eine Klasse nach dem Alter zu verschoben, so daß also
das Gros der Erkrankungen nicht zwischen dem 30. und 50. Jahre, sondern
zwischen dem 35. und 55. Jahre liegt. Vor dem 40. Jahre waren 38,7%
der Frauen erkrankt, bei den Männern 47,1 %. Das spräche also tatsächlich
dafür, daß der Beginn der Krankheit bei den Frauen durchschnittlich etwas
später fällt als bei den Männern. Eine Reihe von Autoren hat sich ja in
diesem Sinne ausgesprochen (z. B. Sander, Mendel, Kraepelin). Meist
werden als Grund für diesen späteren Beginn die Einflüsse des Klimak¬
teriums angegeben. Vielleicht dürfte bei meinem Material auch von Einfluß
sein, daß es sich durchweg um verheiratete Frauen handelt, die im allge¬
meinen die Lues etwas später erwerben werden als unverheiratete. Von
ziemlich vielen Seiten wird nun betont, daß von den Frauen die jugend¬
licheren Altersklassen mehr bevorzugt werden als von den Männern, was
an dem späteren durchschnittlichen Beginn nichts zu ändern braucht.
Demgegenüber ist auffallend, daß beim Tannenhofer Material die Alters¬
klasse von 31 bis 35 Jahren fast vollständig fehlt. Es ist anzunehmen,
daß hier der Zufall eine gewisse Rolle gespielt hat, was bei der geringen
Anzahl von weiblichen Paralysen, die mir bei meiner Statistik zur Ver¬
fügung standen, ja leicht möglich ist. Eine gewisse Zunahme der Er¬
krankungen nach dem 50. Jahre, auf die Kaes hingewiesen hat, und die
später auch Wollenberg, Mohr und Hoppe fanden, zeigt sich auch bei
meinen Ergebnissen. Allerdings konstatierten Kaes und Mohr sie in der
Altersklasse vom 56. bis zum 60. Jahre, während diese vermehrte Häufig¬
keit der Krankheitsfälle nach den Beobachtungen von Wollenberg, Hoppe
und mir in das 11. Lebensquinquennium fiel. Ob es sich, wie Hoppe an¬
nimmt, um Zufälligkeiten handelt oder andere Gründe — Kaes führt z. B.
die Erscheinung auf die nicht unerhebliche Anzahl von weiblichen Trinkern
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
414
Heinrich Dübel,
im höheren Alter zurück — in Frage kommen, wage ich nicht zu entschei¬
den. Die oben mitgeteilte Ansicht, daß die Frauen durchschnittlich etwas
später erkrankten als die Männer, wird übrigens von andern Autoren
durchaus nicht geteilt; z. B. äußern sich Siemerling, Wollenberg, Behr,
Junius und Arndt im abweichenden Sinne. Letztere fanden sogar, daß
das Durchschnittsalter der Frauen mit 40 Jahren 4 Monaten noch um ein
geringes niedriger war als bei den Männern (40 Jahre 11% Monate). Hin¬
sichtlich etwaiger Änderungen bezüglich des Erkrankungsalters im Laufe
der Jahre hat Wollenberg eine Zunahme der weiblichen Paralysen in den
jugendlicheren Altersklassen konstatiert, die sich beim Vergleich von drei
Jahrperioden zeigte. Während bei ihm 1877 bis 1881 der Anteil der Fälle
im Alter von 20 bis 30 Jahren 3 % beträgt, steigt er 1882 bis 1886 auf 17 %
und 1887 bis 1890 auf 19%. Die Altersklasse von 31 bis 45 Jahren nimmt
dementsprechend ab, während die Fälle zwischen 46 und 60 Jahren unge¬
fähr auf der gleichen Anteilshöhe verharren. Auch bei Behrs Material
stieg die Zahl der weiblichen Paralysen unter 35 Jahren von 16,2% in den
ersten beiden Dezennien auf 21,1 % in den letzten 20 Jahren des von ihm
berücksichtigten Zeitraums. Bezüglich des Durchschnittsalters (42 Jahre)
konnte er allerdings im Laufe der Zeit keine Änderung feststellen. Mohr
konnte keine Änderung in der erwähnten Hinsicht bemerken, auch Junius
und Arndt neigen zu der Ansicht, daß jetzt keine Abwanderung der weib¬
lichen Paralysen in die jugendlicheren Altersklassen mehr anzunehmen
sei. Für Tannenhof bin ich zu folgenden Resultaten gekommen:
Es erkrankten
im Alter von
1897 bis 1904 (17 Fälle)
1905 bis 1914 (1
26—30
Jahren . 1 = 5,9%
0=0%
31—35
. o — 0%
1 = 7,1%
36—40
. 5=29,4%
5 = 35,7%
41—45
.. 4 = 23,5%
1= 7,1%
46—50
. 2 = 11 , 8 %
3 = 21,4%
51—55
„ . -3=17,6%
3 = 21,4 %
56—60
„ . 2 = 11 , 8 %
1 — 7 i o/
1 - /o*
4 Fälle)
Wenn man sich die Prozentzahlen allein betrachten würde, könnte
man allerdings herauslesen, daß die Erkrankungsziffer in den jugendlicheren
Altersklassen gestiegen sei, insofern in der ersten Periode 35,3% vor dem
40. Jahre erkrankten und in der zweiten Periode 42,8%. Jedoch ist dieser
hohe Prozentunterschied ja nur eine Folge der geringen Größe des Be¬
obachtungsmaterials. Die absolute Zahl der Paralysen vor dem 40. Jahre
ist in beiden Perioden genau gleich, was hier doch wohl als maßgebend an¬
zusehen ist. Würde nur ein Fall weniger vor dem 40. Jahre zur Beobach¬
tung gekommen sein,w r as doch sehr vom Zufall abhängig ist, so wäre der
Prozentsatz für diese Altersklasse in der zweiten Periode schon geringer
als in der ersten. Das Durchschnittsalter ist in der zweiten Periode
allerdings etw 7 as geringer als in der ersten. Während es in letzterer 44 Jahre
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Änderungen der progressiven Paralyse.
415
9% Monate beträgt, sinkt es zwischen 1905 und 1914 auf 44 Jahre 3 V a Mo¬
nate. Da man aber bei der Feststellung des Krankheitsbeginns mit Fehler¬
quellen mindestens über Monate hinaus rechnen muß, kann man keine
weitergehenden Schlüsse aus dieser nicht sehr erheblichen Differenz ziehen.
— Wie noch erwähnt sein mag, beträgt das Durchschnittsalter für die
ganze Beobachtungszeit 44 Jahre 6 S /, Monate.
IV. Wenn man die Dauer der Krankheit berechnen will, so
fällt die Schwierigkeit, den genauen Beginn festzustellen, viel störender
ins Gewicht. Man wird schließlich auch nicht umhin können, den
Ausbruch deutlicher paralytischer Symptome zum Ausgangspunkt
seiner Berechnungen zu nehmen, muß sich aber darüber klar sein,
daß die wirkliche Dauer der Krankheit so nie festgestellt werden kann,
sondern natürlich länger sein wird. Wissenschaftlich ist das ein Mangel,
während es sich praktisch doch wohl meist erst nach dem Ausbruch
der deutlichen Symptome darum handeln wird, die Prognose zu stellen.
Man kann nun noch im Zweifel sein, ob man bei der statistischen Be¬
rechnung der Dauer der Krankheit alle ad exitum gekommenen Fälle
mit einbeziehen soll oder nur, wie z. B. Pilcz es verlangt, diejenigen
Fälle, die unmittelbar an Paralyse, also im paralytischen Anfall oder
terminalen Marasmus zugrunde gegangen sind. Vom rein theoreti¬
schen Standpunkt aus wäre letzteres allerdings richtiger. Andrer¬
seits muß man die Komplikationen, die so ungemein häufig den Tod
der Paralytiker herbeiführen, als eine direkte Folge der Paralyse an-
sehen, da ohne die Erkrankung an Paralyse das betreffende Individuum
ihnen vermutlich auch nicht zum Opfer gefallen wäre. Praktisch ge¬
nommen kann man diese die Krankheit abkürzenden Komplikationen,
wie Pneumonien, Phlegmonen, Dekubitusbildungen usw., ja selbst
Suizide, doch wohl als zum Bilde der Krankheit gehörig betrachten,
zumal man sie doch, wenn man die wahrscheinliche Lebensdauer
eines Paralytikers vorherbestimmen will, mit in Rechnung ziehen muß.
Ich habe deshalb, wie andere Autoren es auch getan zu haben scheinen,
alle in Tannenhof verstorbenen Paralytiker berücksichtigt.
Die Dauer der Paralyse ist nun im Laufe der Zeit ziemlich verschieden
angegeben worden. Bayle und Calmeil gaben sie noch mit 10 und 13 Mona¬
ten, Parchappe mit 1 Jahr 4 Monaten 11 Tagen an, währenddie späteren
Autoren eine viel längere Krankheitsdauer fanden. Mendel suchte für
diese Differenz nicht nur einen milderen Verlauf der Krankheit, sondern
auch eine gewisse WUlkür bei Bestimmung des Krankheitsausbruches
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UNIVERSETY OF MICHtGAN
416
Heinrich Dübel,
sowie eine durch die verbesserte Anstaltsbehandlung erzielte Verlängerung
der Krankheitsdauer verantwortlich zu machen. Von anderer Seite ist
auch darauf hingewiesen worden, daß später die bessere Kenntnis der
Initialsymptome auch eine frühere Feststellung der Paralyse ermöglicht
hat, wodurch die Bemessung der Krankheitsdauer länger wurde. Nach
diesen Anschauungen würde also für den auffallenden Unterschied zwischen
den Ergebnissen der ältesten und der späteren Autoren keine wirkliche
Änderung des Krankheitsverlaufs als Ursache in Frage kommen.
In Tannenhof betrug die durchschnittliche Dauer der Krankheit
bei den männlichen Paralytikern 2 Jahre 6 Monate. Im einzelnen
ergeben sich folgende Verhältnisse:
Die Krankheit dauerte
bis
%
Jahre bei
6 Paralytikern
=
3,4%
11
Yt
11
11
6
11
=
3,4%
i i
1
11
ii
19
11
—
10,7%
ii
iy 2
11
ii
32
11
=
18,1%
2
ii
11
24
11
=
13,6%
i i
2 Yz
11
11
24
11
=
13,6%
n
3
11
11
20
11
=
U,3%
ii
3 /2
11
ii
14
11
=
7,9%
ii
4
ii
ii
8
11
=
4,5%
4 Yt
ii
ii
4
11
=
2,3%
n
5
ii
ii
7
11
=
4,0%
ii
5K
ii
ii
4
11
=
2,3%
ii
6
ii
ii
3
11
=
1,7%
? j
7
ii
ii
1
11
=
0 ,6%
n
8
ii
11
4
11
=
2,3%
über
8
ii
ii
1
11
=
0 ,6%
Am meisten Paralytiker starben demnach im dritten Halbjahr;
von da an nehmen die Todesfälle wieder langsam ab. Vom 2. bis
6. Halbjahr gingen, wie aus der Aufstellung hervorgeht, über 2 / 3 aller
Paralytiker zugrunde. Innerhalb der ersten 2 Krankheitsjahre starben
87 Kranke von 177 in Tannenhof ad exitum gekommenen = 49,2%,
innerhalb der ersten 3 Jahre 131 = 74,0%, nach 4jähriger Krankheit
153 = 86,4%. Über 6 Jahre dauerte die Krankheit nur bei 6 Fällen =
3,4%. 1 Paralytiker ging erst nach 12jähriger Krankheit zugrunde.
Mendel gibt 1880 an, daß 34,7% seiner Paralytiker während der ersten
2 Krankheitsjahre verstarben, 80% nach 4jähriger Krankheit. Spätere
Autoren fanden meist bedeutend mehr Todesfälle während der ersten
beiden Jahre, nämlich annähernd die Hälfte, ebenso wie ich es für
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Original from
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Änderungen der progressiven Paralyse.
417
Tannenhof beobachtet habe. Zum Vergleich stelle ich hier wieder die
Ergebnisse einer
Reihe Autoren nebeneinander:
Oskar Müller
Hoppe
Sprengeler
Behr
(1883—97)
(1876—93)
(1866—98)
(1858—99)
Es starben:
im 1 .
Jahre ...
. 23,6%
19,9%
18,1 %
22 , 2 %
„ 2 .
M ...
. 30,9%
30,3%
26,3%
29,4%
„ 3.
77 ...
. 25,5%
23,6%
30,1 %
22 , 2 %
„ 4.
77 ...
. 9,1 %
10,4%
16,9%
10 , 0 %
„ 5.
77 ...
. 5,5 %
6 , 6 %
7,0%
8 , 0 %
„ 6 .
'7 ...
. 1 , 8 %
4,0%
0 , 8 %
4,6%
„ 7.
77 • • •
. 3,6%
1 , 2 %
0 , 8 %
über 6 J. 3,7%
,, 8 .
77 • • •
. 0 %
2 , 1 %
0 %
—
nach 8
Jahren ..
. 0 %
2 , 1 %
0,4%
—
Heilbronner Junius u. Arndt
Joachim
Tannenhof
(1874—94) (1892—1902) (1897—1909) (1897—1914)
im 1 .
Jahre....
.. 19,35%
19,0%
22 , 2 %
17,5%
„ 2 .
77 . . . .
.. 23,82%
26,7%
22,4%
31,7%
„ 3.
77 . . . .
.. 21,09%
27,9%
22,4%
24,9%
„ 4.
77 ....
. . 16,62%
12 ,6%
13,7%
12,4%
,, 5.
77 ....
.. 8,68%
6 ,6%
8,4%
6,3%
nach 5
Jahren ..
.. 10,42%
7,1 %
10 ,8%
7,5%
Zur Erklärung sei zunächst gesagt, daß ich die hier aufgeführten
Prozentziffern bei Behr nach seinen Zahlenangaben selbst ausgerechnet
habe, bei Joachim sind von mir die durchschnittlichen Prozentwerte aus
den Prozentzahien der von ihm einander gegenübergestellten drei Jahr¬
perioden ermittelt worden. Die Angaben der übrigen Autoren habe ich
teilweise insofern modifiziert, als ich sie nach Bedarf in eine andere Ein¬
teilung übergeführt habe, also z. B. aus Halbjahrsabschnitten in solche
für ganze Jahre usw.
Der Vergleich zwischen den Resultaten der einzelnen Autoren
ergibt insofern eine gewisse Übereinstimmung, als bei den meisten
annähernd die Hälfte aller Fälle innerhalb der ersten beiden Krank¬
heitsjahre starben. Die geringsten Ziffern weisen dabei Heilbronner
mit 43,17% und Joachim mit 44,6% auf. Auch für die ersten 3 Jahre
ergeben sich meist ziemlich ähnliche Resultate. Zum Beispiel starben
innerhalb dieser Zeit bei Koppe , Behr, Sprengeler, Junius und Arndt sowie
in Tannenhof annähernd 74%, von den Paralytikern aus der Anstalt
Gabersee 80%, bei Heilbronner 64,26% und bei Joachim 66,0%. Die
letztgenannten beiden Autoren kommen damit den Mendels chen Re¬
sultaten sehr nahe, von dessen Paralytikern 64,2% in den ersten 3
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Original fro-rri
UNIVERSITY OF MICHIGAN
418
Heinrich Dübel,
Krankheitsjahren starben; innerhalb 4 Jahren ging bei ihnen ebenfalls
fast der gleiche Prozentsatz zugrunde wie bei Mendel, nämlich 80,88%
bzw. 80,7%. Was die durchschnittliche Dauer der Krankheit anlangt,
so wurde von Krafjt-Ebing und Simon 1 ) eine mittlere Dauer von
3 Jahren angenommen, Ziehen 2 ) setzte sie auf 3 bis 5 Jahre fest,
Crichton Brown 3 ) auf 4 Jahre. Diese Angaben beziehen sich alle auf
die Zeit vor 1880. Von den oben aufgeführten neueren Autoren fand
0. Müller eine durchschnittliche Dauer von 2 Jahren 1% Monaten,
Sprengeler 2 Jahren 6 Monaten, Behr 2 Jahren 6 Monaten, Heilbronner
2 Jahren 7% Monaten, Junius und Arndt 2 Jahren 4,1 Monaten,
Joachim 2 Jahren 7 Monaten, Obersteiner 2 Jahren 6 Monaten. Junius
und Arndt ermittelten aus einer Zusammenstellung der statistischen
Ergebnisse von Kundt, Heilbronner, Kaes, Müller, Sprengeler, Ascher
und Oaupp eine durchschnittliche Krankheitsdauer von 2 Jahren
5% Monaten. Die neueren Autoren haben also mit großer Überein¬
stimmung eine durchschnittliche Krankheitsdauer von ungefähr
2 Jahren 6 Monaten bei den männlichen Paralytikern festgestellt.
Damit stimmt das für Tannenhof gefundene Resultat genau überein.
Wenn man nun die Ergebnisse der älteren Autoren (vor 1880) — von
den ältesten wie z. B. Bayle und Calmeil natürlich abgesehen — mit
denen der Neueren vergleicht, so macht es fast den Eindruck, als ob
die Krankheitsdauer mit der Zeit eine kürzere geworden wäre. Inner¬
halb der Ergebnisse der in der obigen Tabelle aufgeführten neueren
Autoren macht sich allerdings eine solche Tendenz nicht mehr be¬
merkbar, wie ein Vergleich zwischen den einzelnen Untersuchern
ergibt.
Wie schon erwähnt, stimmen die Resultate von Heilbronner , der den
Zeitraum von 1874 bis 1894 bearbeitet hat, mit den von Joachim in der Zeit
von 1897 bis 1909 gefundenen ziemlich genau überein. Anderseits hat
Oskar Müller bei seinem Material aus den Jahren 1883 bis 1897 eine durch¬
schnittliche Krankheitsdauer von 2 Jahren 1 % Monaten festgestellt gegen¬
über 2 Jahren 7 Monaten bei Joachim (1897 bis 1909) und 2 Jahren 6 Mona¬
ten in Tannenhof (1897 bis 1914); ferner stimmen die Resultate von Hoppe
wieder mit denen von Tannenhof ziemlich überein, obwohl sie ebenfalls
aus ganz verschiedenen Zeiträumen stammen. Also hier läßt sich eine
*) Zit. bei Mendel.
*) Zit. bei Obersteiner.
3 ) Zit. bei Mendel.
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Änderungen der progressiven Paralyse.
419
Gesetzmäßigkeit in der erwähnten Richtung nicht erkennen. Behr, der
auch in dieser Beziehung die Quinquennien von 1858 bis 1899 einander
gegenübergestellt hat, zieht aus dieser Zusammenstellung den Schluß,
daß irgendwie bemerkenswerte Verschiebungen hinsichtlich der Krank¬
heitsdauer im Laufe der Jahre nicht stattgefunden haben. Joachim glaubt
sogar aus seiner Aufstellung vielleicht eine geringe Verlängerung der Dauer
herauslesen zu können. Doch ist bei ihm auch eine ziemlich starke pro¬
zentuale Verringerung der Fälle von länger als 4 Jahren Dauer zu be¬
merken. Pilcz stellte ebenfalls eine Verlängerung der durchschnittlichen
Krankheitsdauer fest, und zwar in der Zeit nach 1900 gegenüber der Zeit
von 1870 bis 1875. Während in der ersten Periode von 197 Kranken
innerhalb der ersten 2 Jahre 148 = 75,1% starben, kamen in der zweiten
Periode von 199 Kranken nur 93 = 46,7% ad exitum. Bis zu 4 Jahren
dauerten 1870 bis 1875 192 Fälle = 97,5%, nach 1900 169 Fälle = 84,9 %.
Länger als 4 Jahre dauerte 1870 bis 1875 die Krankheit bei nur 2,5% der
Kranken, nach 1900 dagegen bei 15%.
Um das Tannenhofer Material auf diese Frage zu prüfen, habe
ich zwei Tabellen angelegt, von denen die eine die absoluten Zahlen,
die andere die Prozentwerte enthält. Diesmal sind von mir 4 Jahr¬
perioden einander gegenübergestellt worden, und zwar 3 zu 4 und 1
zu 6 Jahren. Letztere mußte ich im Verhältnis zu den übrigen länger
gestalten, da eine relativ recht große Anzahl von den Paralytikern der
letzten beiden Jahre noch nicht ad exitum gekommen war, so daß die
Zahl der übrigbleibenden Fälle gegenüber den übrigen Jahrgängen
zu klein gewesen wäre.
Absolute Zahlen.
Jahr¬
perioden
un¬
ter
%
j.
bis
Vt
J.
bis
1
J.
bis
l>/2
J.
bis
2
J.
bis
2>/ 2
J.
bis
3
J.
bis
3/2
J.
bis
4
J.
□
bis
5
J.
bis
5'/2
J.
bis
6
J.
bis
7
J.
bis
8
J.
Uber
8
J.
Summa
Zahl
Fälle
0—2 J.
der
von
1 0—4 j.
1897—1900
0
n
2
9
6
6
3
5
2
i
2
2
1
1
44
18 {
34
1901—1904
1
3
7
6
11
0
3
3
i
2
2
0
0
0
43
Bl
37
1905—1908
3
G
6
4
6
3
9
2
2
2
0
0
2
0
1
0
41
K9
36
1909—1914
2
B
8
12
6
4
8
4
1
0
3
0
0
0
0
0
49
29
46
Summa
T
19
32
24 | 24
20
TT
8
4
7
T
3
1
"4
1
177
87
153
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
420
Heinrich Dübel.
Prozentzahlen.
Jahr¬
perioden
u-
ter
*4
J.
bis
J*.
bis
1
J.
bis
J.
bis
2
J.
ins
2 l «
J.
bis
3
J.
bis
3'i
J.
bis
4
J.
bis
4*2
J.
bis
5
J.
bis
5»,
J.
bis
6
J.
bis
7
J.
bis
8
J.
über
8
J.
* a
0 9
£ m
2 = ® g
£ S
> £ g
S«o
N
O k.
au-a
Prozent ■
anteil
der Fälle
bis
2 J. 4 J.
1897—1900
K3
2,3
4,5
20.5
13.6
13,6
6,8
11,4
4,5
2,3
2,3
SB
4,5
2,3
24,9
40,9 77.3
1901—1904
2,3
7.0
7.0
16,3
14.0
25.6
0
7.0
7,0
2.3
4,7
0
ü
2,3
24,3
46,5 86.0
1905—1908
7,3
2,4
14.6
9.8
14.6
7.3
22,0
4.9
4,9
4,9
0
0
4,9
0
2,4
23,2
48,8 87,8
1909—1914
4,1
2.0
16.3
25.5
12.2
ö—
16,3
8,2
2,0
■1
6,1
0
0
0
Kl
0
27,7
59,2 93.9
Durch¬
schnitt
3,4
10.7
18,1
13,6
13,6
11,3
E
4,5
ffl
4,0
2,3
1,7
0,6
2,3
0,6
100,0
49,2 86.4
Was die Einteilung der Tabellen anlangt, so ist sie aus den bei¬
gefügten Bezeichnungen klar ersichtlich; nur auf die beiden letzten Ko¬
lumnen möchte ich besonders aufmerksam machen, wo die Zahlen der
Todesfälle bis zum 2. bzw. bis zum 4. Krankheitsjahre angegeben sind.
Betrachtet man die Angaben der Tabellen im einzelnen, so sieht man x )
die regellosen Schwankungen der Zahlenhöhen während der ver¬
schiedenen Jahresperioden. Es zeigt sich nur insofern eine Gesetz¬
mäßigkeit, als die absoluten Zahlen über 5, die relativen über 11,4%
sich stets innerhalb der Rubriken für das 2. bis 6. Halbjahr halten.
Eine Tendenz der Zu- oder Abnahme läßt sich aus den einzelnen Ziffern
schwer herauslesen. Betrachtet man jedoch die Zahlen für die Todes¬
fälle bis zum Schluß des 2. bzw. 4. Krankheitsjahres, so sieht man
besonders deutlich auf der Tabelle für die Prozentwerte, daß die Zahl
der Todesfälle innerhalb der ersten beiden Krankheitsjahre im Laufe
der 4 Jahrperioden ständig zugenommen hat. Am stärksten zeigt sich
diese Zunahme bei der vierten Periode, die gegenüber der vorher¬
gehenden Periode eine Erhöhung um 10,4% aiifweist. An zweiter
Stelle steht die Zunahme von der ersten zur zweiten Periode von
40,9% auf 46,5%, während die Steigerung in der dritten Periode mit
2,3 Prozenteinheiten am geringsten ist. Die Summe der Todesfälle
bis zum Schluß des 4. Krankheitsjahres ist infolgedessen natürlich auch
größer geworden, jedoch nicht die der Fälle, die länger als zwei Jahre
lebten. Während nämlich die Differenz zwischen der Zahl der Todes¬
fälle bis zum Schluß des 2. Krankheitsjahres und der für die Summe
*) Vom 4. Halbjahr abgesehen.
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Original fro-rri
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Änderungen der progressiven Paralyse.
421
der bis Ende des 4. Krankheitsjahres verstorbenen Paralytiker in der
ersten Jahrperiode 36,4 Prozenteinheiten beträgt, ist sie in der vierten
Periode nur = 34,7%, d. h. die Todesfälle zwischen dem 2. und 4.
Krankheitsjahre haben im Laufe der Jahre sogar etwas abgenommen.
Die Zunahme der Todesfälle innerhalb der ersten 2 Krankheitsjahre
ist jedoch im wesentlichen auf Kosten der länger als 4 Jahre dauernden
Fälle erfolgt. Während in der ersten Jahrperiode noch 22,7% der
Fälle länger als 4 Jahre dauerten, waren es in der zweiten Periode
nur noch 14%, in der dritten 12,2% und in der vierten 6,1%. Die
Fälle von mehr als vierjähriger Dauer haben somit in dieser Zeit um
16,6 Prozenteinheiten abgenommen, sind also auf beinahe ein Viertel
zusammengeschrumpft, ln der gleichen Zeit haben die Fälle mit einer
Dauer bis zu zwei Jahren um 18,3 Prozenteinheiten zugenommen, d. h.
fast um die Hälfte. Entsprechend diesen Resultaten weist auch die
durchschnittliche Krankheitsdauer bei den männlichen Paralytikern
in Tannenhof während der vier Jahrperioden eine Abnahme auf.
Sie betrug:
von 1897 bis 1900 . 3 Jahre 2 Monate
„ 1901 „ 1904 . 2 „ 5
„ 1905 „ 1908 . 2 „ 5
„ 1909 „ 1914 . 2 „ 2 „
Es wäre jedoch nicht richtig, von diesen Resultaten auf eine wirk¬
liche, ihnen voll entsprechende Verkürzung der Krankheitsdauer zu
schließen. Von den Paralytikern der letzten Jahre nämlich leben
natürlich mit längerer Krankheitsdauer noch eine ganze Anzahl, so
daß sie aus der Berechnung ausgeschieden sind. 5 von diesen sind sogar
schon über 4 Jahre krank, so daß die Statistik von ihnen nicht un¬
wesentlich würde beeinflußt worden sein, wenn sie mit eingerechnet
hätten werden können. Für die auffallend hohe durchschnittliche
Krankheitsdauer in der ersten Jahrperiode weiß ich keine sichere
Erklärung zu geben. Vielleicht hat zufällig eine häufigere Überweisung
von langjährigen Pfleglingen aus den Provinzialanstalten stattgefunden,
was ja in den ersten Jahren nach der Gründung am meisten in Frage
kommt. Mit Berücksichtigung dieser Einwände möchte ich aus den
obigen Ergebnissen nicht ohne weiteres auf eine Verkürzung der
Krankheitsdauer schließen, wohl kann ich aber sagen, daß für die
Annahme einer Zunahmetendenz der Krankheitsdauer die Tannen-
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Original from
UNIVERSITY OF MICHIGAN
422
Heinrich Dübel,
hofer Ergebnisse nicht sprechen. Betrachtet man nun zum Schluß
den Unterschied zwischen der von den älteren gegenüber den neueren
Autoren gefundenen durchschnittlichen Krankheitsdauer im Lichte
der hier besprochenen Resultate der verschiedenen Autoren, so ist es
doch wahrscheinlicher, daß andere Gründe dafür verantwortlich zu
machen sind als eine wirkliche Änderung im Bilde der Paralyse. Viel¬
leicht ist das Resultat zufälliger Natur, vielleicht auch ist die Art des
Materials oder die Willkür bei Bestimmung des Krankheitsausbruches
die Ursache, zumal der Unterschied ja auch nicht allzu groß ist.
Die Dauer der weiblichen Paralysen in Tannenhof stellt sich nicht
unerheblich länger als die der männlichen, sie beträgt im Durchschnitt
3 Jahre6 7 /ioMonate gegenüber2 Jahren6Monaten bei denMännern. über
die Verhältnisse im einzelnen gibt folgende Tabelle Aufschluß:
Es starben:
Frauen
Männer
im 1. Jahre.
1= 5%
17,5%
9
n m .
4= 20%
31,7%
„3. „ .
4 = 20 %
24,9%
12,4%
n »» .
3= 15%
M 5. ,, .
o
cs
II
io
6,3%
6 - „ .
1= 5%
4,0%
„7. ..
1= 5%
0 ,6%
„8. ..
1 = 5%
2,3%
nach dem 8. Jahre .
—
0 ,6%.
Wie der Aufstellung zu entnehmen ist, standen mir für diese Be¬
rechnung nur 20 Fälle zur Verfügung. Die Möglichkeit für Fehlerquellen
wird also noch bedeutend größer als bei den bisherigen Berechnungen für
die Frauen. Bei der geringen Anzahl macht ein Fall mehr oder weniger
schon einen so erheblichen Unterschied bei der prozentualen Berechnung
aus, daß auf die genaue Höhe der Prozentwerte in den einzelnen Rubriken
nicht so viel zu geben ist. Man kann aber aus obiger Tabelle ersehen, daß
ebenso wie bei den Lebensaltern bei Ausbruch der Krankheit auch hier
eine Verschiebung nach oben um eine Station gegenüber den Männern zu
bemerken ist. Vielleicht mag dieser Parallelismus mit dem höheren Lebens¬
alter Zusammenhängen, in dem die Krankheit bei unseren Frauen zum
Ausbruch kam, entsprechend der Ansicht*), daß bei älteren Personen die
Krankheit einen milderen und protrahierteren Verlauf nimmt. Von den
Frauen starben innerhalb der ersten beiden Krankheitsjahre nur 25%
gegenüber 49,2 % bei den Männern, bis zu 4 Jahren lebten 60 % der Frauen,
86,4 % der Männer. Letzterer Prozentwert wird von den weiblichen Para-
*) Zit. bei Oberateiner.
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Original fro-m
UMIVERS1TY OF MICH^AN
Änderungen der progressiven Paralyse.
423
lytikern erst annähernd mit Schluß des 5. Jahres erreicht, nämlich 85%,
ebenso wie die Prozentzahl der Fälle bis zu dreijähriger Dauer mit 45%
ungefähr der Prozentzahl entspricht, die von den männlichen Fällen bis
zu zweijähriger Dauer erreicht wird. Ähnliche Feststellungen sind schon
häufig in der Literatur gemacht worden. Mendel gibt z. B. an, daß die
mittlere Krankheitsdauer sich bei den Frauen um 1 Jahr erhöht. Ziehen,
der für die Männer eine mittlere Dauer von 3 bis 5 Jahren annimmt, be¬
rechnet sie bei den Frauen auf 5 bis 6 Jahre. Sprengeler stellte bei den
Männern eine Dauer von 2 Jahren 6 Monaten, bei den Frauen eine solche
von 3 Jahren 5 y 2 Monaten fest, Baer 2 Jahre 9 Monat? bzw. 3 Jahre
11 Monate. Ferner konnten auch Behr, Mohr, Greidenberg, Gaupp x ) eine
etwas längere Dauer bei den Frauen konstatieren. Anderseits gibt es auch
eine Reihe von Autoren, die diese Beobachtungen nicht bestätigen konnten,
z. B. Kraepelin, Wollenberg, Hoppe, Jahrmärker, Berg u. a. Einige kommen
sogar zu dem Resultat, daß die weibliche Paralyse eine kürzere Dauer auf¬
weist, so z. B. Kaes, der bei den Männern eine mittlere Krankheitsdauer
von 34,05 Monaten und bei den Frauen eine solche von 21,05 Monaten
konstatierte. Junius und Arndt fanden für die Männer 2 Jahre 4,1 Monate
und für die Frauen 2 Jahre, Jolly 34 Monate bzw. 21 Monate. Heilbronner
rechnete zwar für die Männer 2 Jahre 7 Monate 3 Wochen aus und für die
Frauen 2 Jahre 11 Monate, betonte dabei aber, daß die Annahme eines
langsameren Verlaufs der Paralyse bei Frauen irrig sei, da die Dauer der
Krankheit bei nicht an Komplikationen, sondern direkt infolge von Para¬
lyse verstorbenen Männern sogar länger war als bei den Frauen. Eine
Übereinstimmung besteht also in dieser Beziehung nicht in der Literatur.
Vielleicht mögen die Differenzen damit Zusammenhängen, wie z. B. Baer
annimmt, daß die Krankheit bei den Frauen oft relativ spät erkannt wird,
da sie im allgemeinen mildere Erscheinungen macht und diese außerdem
bei den einer Berufstätigkeit in der Mehrzahl entweder überhaupt oder
doch einer solchen mit höheren geistigen Anforderungen fernbleibenden
Frauen nicht so frühzeitig auffallen. Änderungen bezüglich der Dauer der
weiblichen Paralysen im Laufe der Jahre scheinen bisher kaum beob¬
achtet worden zu sein. Mein Material ist eigentlich zu klein, um eine Prü¬
fung in dieser Hinsicht zuzulassen. Der Vollständigkeit halber habe ich
aber doch eine derartige Aufstellung gemacht und gebe sie hier wieder:
Es starben: 1897 bis 1903 1904 bis 1914
im
1. Jahre ..
—
1
= 10%
2. „ ..
....'. 2
cH?
o
cs
II
2
o-°
©
es
II
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4. „
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= 10%
2
= 20%
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5.
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i
= 10%
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6. „ ..
—
i
= 10%
>>
7. „ ••
—
i
= 10%
»J
00
. 1
c?
o
II
—
*) Zit. bei Junius und Arndt .
30
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
424
Heinrich Dübel,
Bis zum 4. Krankheitsjahre kamen demnach in der ersten Periode
9 Patientinnen zu Tode, in der zweiten 8 Fälle, so daß von einer wesent¬
lichen Änderung nicht gesprochen werden kann. In der durchschnittlichen
Krankheitsdauer ließ sich eine geringe Änderung im Sinne einer Verminde¬
rung konstatieren; sie betrug in der ersten Periode 3 Jahre 8% Monate,
in der zweiten 3 Jahre 4*/* Monate. Würde es sich um ein größeres Material
handeln, so würde dieser Befund gegen die oben erwähnte Annahme
sprechen, daß infolge der seltenen Berufstätigkeit der Frauen die Krank¬
heitserscheinungen bei ihnen erst später auffallend würden, was eine
kürzere Dauer der Krankheit vortäusche. Da gerade im letzten Jahrzehnt
die Frauen sich immer mehr einer beruflichen Tätigkeit zugewandt haben,
hätte in der erwähnten Beziehung eher ein Ausgleich eintreten müssen.
Bei der geringen Größe meines Materials muß ich jedoch diese Frage dahin¬
gestellt sein lassen.
V. Im folgenden will ich nun die Frage untersuchen, ob die klini¬
schen Verlaufsformen der Paralyse im Laufe der Zeit Ände¬
rungen erfahren haben. Mendel sprach bereits 1880 in seiner Mono¬
graphie die Vermutung aus, daß die Zeit unzweifelhafte Änderungen
und Transformationen der verschiedenen Formen der Paralyse hervor¬
bringe, wobei er sich auf die Angaben Culmeils und Luniers bezog, von
denen der eine ein häufigeres Auftreten der melancholischen Formen
bemerkt hatte, der andere, daß die langsamer verlaufenden und de¬
pressiven Formen sich öfter zeigten. Nachdem auch von anderer Seite
{Pick 1 )), ferner in der 33. Versammlung des Vereins der Irrenärzte
Niedersachsens und Westfalens 2 ) auf anscheinend sich geltend
machende Änderungen im klinischen Verlauf der Paralyse hingewiesen
worden war, kam Mendel 1898 auf diese Frage zurück und machte neben
andern Veränderungen besonders darauf aufmerksam, daß ein Zurück¬
treten der klassischen Form der Paralyse gegenüber der dementen Form
festzustellen sei. Von den Autoren, die sich nach Mendel dann noch
mit diesen Fragen beschäftigt haben, seien Behr, Gaupp, Fürstner ,
j Raecke, Jolly, Junius und Arndt , Pilcz und Joachim genannt. Teils
haben sie sich der Meinung Mendels angeschlossen, teils haben sie
seine Beobachtungen an ihrem Material nicht bestätigt gefunden.
Wenn ich mich nun zunächst meinen Ergebnissen zu wende, so sei
vorerst über die Einteilung der Paralyse in verschiedene Formen
etwas gesagt. Die verschiedenen Autoren, nicht nur die eben erwähn-
*) Zit. bei Pilcz.
*) Zit. bei Behr.
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Änderungen der progressiven Paralyse.
425
ten, gehen hier nicht einheitlich vor. Obersteiner z. B. unterscheidet
8 verschiedene Formen, andere teilen sie in 5 bis 6 Formen ein,
Kraepelin dagegen stellt nur vier Hauptformen auf, bei denen er dann
noch einige Nebenformen unterscheidet. Binswanger 1 ) verwirft das
Einteilen der Paralyse in Formen überhaupt. Jedenfalls haben alle
Einteilungen et^as Künstliches an sich und dienen nur dazu, die
Übersicht zu erleichtern. Dementsprechend finden sich oft Übergänge
zwischen den einzelnen Formen, so daß der gewissenhafte Untersucher
häufig in Zweifel gerät, welcher Form er die einzelnen Fälle zuzählen
soll. Besonders, wenn man nur nach Krankengeschichten urteilen
soll, wo also der unmittelbar persönliche Eindruck fehlt, stößt man
auf Schwierigkeiten. Am weitesten kommt man noch, wenn man,
wie Behr es getan hat, sich nach dem vorherrschenden Grundzuge
richtet. Zum Beispiel gibt es ja viele Fälle, bei denen hin und wieder
Größenideen auftreten, die man aber unmöglich als expansiv bezeichnen
kann, da sie im übrigen ganz ruhig verlaufen. Kraepelin zählt solche
Fälle ja auch der dementen Form zu. Wenn man dagegen alle Fälle
mit Größenideen einer bestimmten Gruppe zuteilen will, so hebt man
damit keine klinische Verlaufsform mehr, sondern nur ein Symptom
hervor. — Für die vorliegende Frage, wo es sich im wesentlichen darum
handelt, ob die erregteren Verlaufsformen gegenüber den ruhigeren
abgenommen haben, mag es nun wohl genügen, wenn man die Kraepe-
linsehe Einteilung in 4 Hauptarten wählt. Ich habe demgemäß bei
meinen Untersuchungen eine agitierte, expansive, demente und de¬
pressive Form unterschieden. Die Richtlinien, die ich dabei inne¬
gehalten habe, sind folgende: Der agitierten Form habe ich alle Fälle
zugezählt, die unter häufigen und langdauernden Erregungszuständen
verliefen, auch wenn manchmal die Größenideen weniger in Erschei¬
nung traten. In der expansiven Klasse befinden sich bei mir die Fälle
mit exzessiven Größenideen und manischen Zuständen auf vorwiegend
euphorischer Basis. Unter die dementen Formen habe ich die ruhigeren
Fälle mit deutlich fortschreitendem Blödsinn eingereiht, auch wenn
hin und wieder kurzdauernde Erregungen vorkamen und schwachsin¬
nige Größenideen geäußert wurden, und der depressiven Form endlich
sind die Fälle zugerechnet worden, bei denen melancholisch-hypo-
J ) Zit. bei Junius und Arndt
30*
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426
Heinrich Dübel,
chondrische Vorstellungen und Verkleinerungsideen vorherrschten.
Gemischte Formen habe ich je nach dem überwiegenden Grundzug
der einen oder andern Klasse zugeteilt. Was den allgemeinen Eindruck
anlangt, den ich von meinem Material erhalten habe, so ist mir, ebenso
wie Joachim bei dem seinigen, der überwiegend ruhige Verlauf der
Krankheitsfälle aufgefallen. Selbst bei den Fällen, die ich der expan¬
siven Form zuzählen zu müssen glaubte, tritt manchmal der manisch-
euphorische Grundzug nicht allzu stark in Erscheinung. Diesem auf¬
fallend ruhigen Verlauf der Paralyse in Tannenhof entsprechend habe
ich auch nur verhältnismäßig wenige Fälle von agitierter Paralyse
gefunden. Kurzdauernde Erregungen kamen übrigens auch bei den
ruhigeren Formen in einer Anzahl Fälle vor, doch waren sie meist nicht
sehr nachhaltig. Zum Teil mag dieser ruhige Verlauf auf die in Tannen¬
hof ausgiebig angewandten klinischen Beruhigungsmittel und -maß-
nahmen zurückzuführen sein, unter denen besonders systematisch
angewandte Darmeingüsse günstige Erfolge zu zeitigen schienen. —
Um nun auf meine Resultate im einzelnen einzugehen, so habe ich
zunächst die Ergebnisse von je 3 Jahren zusammengefaßt und gebe
die absoluten Zahlen dafür in folgender Tabelle wieder:
Jahrperioden
Agit.
F.
Exp.
F.
Dem.
F.
Depr.
F.
Summa
1897 bis 1899 ....
—
7
24
5
36
1900 bis 1902 _
2
7
25
4
38
1903 bis 1905 ....
2
14
30
4
50
1906 bis 1908 ....
1
13
31
6
51
1909 bis 1911 ....
3
9
28
5
45
1912 bis 1914 ....
3
6
32
3
44
Summa | 11
56
170
27
264
Vier Fälle, bei denen die Entscheidung zu schwierig war, sind bei
der Untersuchung ausgeschieden worden. Betrachtet man vorerst die
Ergebnisse für den ganzen Zeitraum, so zeigt sich der ganz überwiegend
große Anteil der dementen Form, die mit 170 von 264 Fällen 64,4%
aller männlichen Paralytiker für sich in Anspruch nimmt. Im weiten
Abstande folgen ihr die expansive Form mit 56 Fällen = 21,2%, die
depressive mit 27 Fällen = 10,2% und zuletzt die agitierte Form mit
11 Fällen = 4,2%. Eine so starke Beteiligung der dementen Form
ist von vielen Autoren nicht gefunden worden. Obersteiner, der außer
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Änderungen der progressiven Paralyse.
427
diesen 4 Formen allerdings noch 4 andere unterscheidet, zählt der
dementen Form nur 44% der Fälle zu, der klassischen (expansiven)
Paralyse 27%, der depressiven 12%, der manischen (agitierten) 6%.
Mendel konstatierte die demente Form in 36,1%, die expansive da¬
gegen in nur 12,4%, Junvus und Arndt fanden in 37,25% die demente
Form, die expansive in 26,73%. Raecke stellte sie gar nur in 12,7%
der Fälle fest, was im Vergleich zu andern Autoren allerdings auf¬
fallend wenig ist. Dagegen fand Behr in den letzten Jahren des von
ihm beobachteten Zeitraums demente Fälle in 58%, expansive in
35,4%. Die verhältnismäßig hohe Ziffer der letzteren mag zum Teil
dadurch entstanden sein, daß Behr für die depressive Form keine be¬
sondere Rubrik aufgestellt hat. Joachim stellte in den Anstalten
Elsaß-Lothringens während der Jahrperiode 1906—1910 die demente
Form sogar in 68% der männlichen Paralytiker fest, die expansive
nur in 20,9%. Das wäre also ein ganz ähnliches Ergebnis wie das für
Tannenhof gefundene. Hinsichtlich der starken Beteiligung der de¬
menten Form an sich würde also das Tannenhofer Resultat der Mendel-
schen Behauptung entsprechen, eine wesentliche Änderung aber im
Sinne einer Zunahmetendenz der dementen Form und einer Abnahme¬
tendenz der expansiven Form konnte innerhalb des von mir bear¬
beiteten Zeitraums nicht festgestellt werden. Schon eine Betrachtung
der obigen Tabelle zeigt das, wo nur in den letzten 3 Jahren eine deut¬
lichere Änderung zu bemerken ist. Im übrigen zeigen die Ziffern der
expansiven Form während der 6 Jahre von 1903 bis 1908 sogar nicht
nur ein absolutes, sondern auch ein relatives Anwachsen gegenüber
der dementen Form. In der folgenden Tabelle, wo ich die Prozent¬
zahlen für 3 Perioden von je 6 Jahren wiedergegeben habe, treten diese
Verhältnisse noch deutlicher in Erscheinung:
Jahrperioden
Agitierte
F.
Expan¬
sive F.
Demente
F.
Depres¬
sive F.
1897 bis 1902 ....
2,7
18,9
66,2
12,2
1903 bis 1908 ....
3,0
26,7
60,4
9,9
1909 bis 1914 ....
6,7
16,9
67,4
9,0
Durchschnitt
4,2
21,2
64,4
10,2
Es überwiegt also hiernach die demente Form von vornherein in
noch stärkerem Maße als es in der mittleren Prozentzahl für die ganzen
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428
Heinrich Dübel,
18 Jahre zum Ausdruck kommt. Von der ersten zur zweiten Periode
folgt dann ein ziemlich starker Abfall, der in der dritten Periode einem
noch etwas stärkeren Anstieg weicht, so daß schließlich eine kleine
Zunahme (um 1,4 Prozenteinheiten) gegenüber der ersten Periode
resultiert. Bei der expansiven Form gestalten sich die Verhältnisse
genau umgekehrt. Hier erfolgt von der ersten zur zweiten Periode ein
starker Anstieg, und von der zweiten zur dritten ein noch stärkerer Ab¬
fall, so daß der Endeffekt eine um 2 Prozenteinheiten geringere Prozent¬
ziffer als die in der ersten Periode ist. Die depressive Form nimmt
ständig ab; die Prozentziffer der dritten Periode ist bei ihr um 3,2
Prozenteinheiten kleiner als die der ersten. Am auffälligsten ist das
Verhalten der Prozentzahlen bei der agitierten Form, die in der dritten
Periode ein Mehr von 4 Prozenteinheiten gegenüber der ersten Periode
auf weist. Faßt man also zusammen, so hat sich bei der dementen Form
allerdings eine geringe Zunahme ergeben. In Anbetracht der großen
Höhe der betreffenden Prozentzahlen aber ist die Steigerung so gering,
daß sie praktisch = 0 zu setzen ist. Die Abnahme bei der expansiven
Form ist zwar relativ erheblicher, aber auch nicht allzu groß, und bei
Berücksichtigung der starken Schwankung in der zweiten Periode
wohl mehr als zufällig zu betrachten. Zudem steht zu einer Annahme
eines weiteren Zurücktretens der erregteren Formen die verhältnis¬
mäßig starke Zunahme der agitierten Fälle, die Kraepelin zum Beispiel
mehr als eine Unterform der expansiven Form bezeichnet, in direktem
Widerspruch. Diese Steigerung in der Zahl der letzteren gleicht den
Rückgang der expansiven Formen so ziemlich aus. Man kann also
wohl den Schluß ziehen, daß bei dem Tannenhofer Material eine Ände¬
rung im Sinne einer Zunahme der dementen Formen auf Kosten der
erregteren nicht mehr stattgefunden hat. Um zu untersuchen, ob
nicht infolge der Berücksichtigung aller Fälle, also auch der nicht bis
zum Tode beobachteten, sich Fehlerquellen geltend gemacht haben,
habe ich nun auch noch eine besondere statistische Berechnung für
die verstorbenen Paralytiker allein angestellt. Es ergaben sich jedoch
keine wesentlichen Verschiedenheiten dabei, so daß es genügen mag,
die mittleren Prozentwerte aus beiden Berechnungen einander gegen¬
überzustellen :
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Änderungen der progressiven Paralyse.
429
nur verstorbene Fälle
alle Fälle
Ag. Form
3,8%
4,2%
Expans. -Form
21,4%
21,2%
Dem. ,,
63,7%
64,4%
Depress. „
n,o%
10,2%
Es ergibt sich also eine fast zahlenmäßig genaue Übereinstimmung,
ein Beweis dafür, daß die Verwendung des gesamten Materials für das
Gesamtresultat nicht nachteilig gewesen ist.
Was nun die in der Literatur veröffentlichten Ergebnisse anlangt,
so hat ja, wie schon erwähnt, vor allem Mendel auf das Zurücktreten der
typischen Form der Paralyse und das Anwachsen der dementen Fälle auf¬
merksam gemacht. Er wies dabei darauf hin, daß die älteren Autoren,
z. B. Brierre de Boismont, unter 100 Fällen 64mal, Calrneil unter 62 Fällen
25mal, Bayle unter 85 Fällen 52mal die typische Form feststellten. Camuset
konstatierte unter 173 Paralytikern nur in 25,4% die demente Form.
Mendel hatte noch 1880 unter 180 eigenen Fällen 55mal die typische und
nur 37mal die demente Form gefunden, während Scholinus, der Leiter
von Mendels früherer Anstalt, in den Jahren von 1890 bis 1898 unter
194 Paralytikern nur 24 typische Fälle, dagegen 70 demente feststellen
konnte. Mendel meint sogar, daß die Zahl der dementen Fälle in Wahr¬
heit noch viel höher wäre, da nicht alle dementen Paralytiker in Anstalten
gebracht würden. In der Folge wurde Mendels Annahme von Behr durch¬
aus bestätigt. Dieser konnte in dem Material der Anstalt Hildesheim
während der Zeit von 1858 bis 1899 eine beständige relative Zunahme
der dementen Fälle beobachten, und zwar war der Prozentwert für das
erste Quinquennium = 22,5%, in den Jahren 1898/99 aber = 58,0%. Die
dementen Fälle hatten also in den 40 Jahren um das 2 Hfache zugenommen.
Die typischen Fälle hatten sich in derselben Zeit von 50% auf 35,4% ver¬
mindert, die agitierten von 27,5% auf 6,4%. Das wären also ganz be¬
trächtliche Änderungen im Laufe der Zeit. Nach Pilcz, der allerdings eine
etwas andere Einteilung wählt, gingen die einfachen dementen Formen
von 21,8% in der Zeit von 1870 bis 1875 auf 28,1 % nach 1900 herauf,
während die megalomanischen Formen (alle Fälle mit Größenideen) von
56,3% auf 38,7% heruntergingen. Der Prozentwert der agitierten Fälle
betrug in der ersten Periode 12,2 %, in der zweiten 11,1 %. Also auch hier
eine Zunahme der ruhigen und eine Abnahme der erregteren Formen.
Joachim, der die Prozentwerte für die elsaß-lothringischen Anstalten
(Stephansfeld-Rufach, Saargemünd, Straßburger Klinik) zusammen in
3 Jahrperioden angibt, konnte feststellen, daß die dementen Fälle von
53,1% in der Zeit von 1897 bis 1900 (erstePeriode) auf 68,0% in derZeit
von 1906 bis 1910 (dritte Periode) gestiegen, die expansiven in derselben
Zeit von 29,3% auf 20,9%, die agitierten von 8,8% auf 7,7% und die de¬
pressiven Fälle von 8,8 % auf 3,7 % zurückgegangen waren. Allerdings
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430
Heinrich Dübel,
waren an diesen Resultaten, wie Joachim angibt, nicht alle Anstalten in
gleichem Maße beteiligt, sondern die Ziffern der Straßburger Klinik zeigten
sogar eine direkt entgegengesetzte Tendenz, was Joachim durch die Kürze
der Beobachtungszeit in der Klinik zu erklären sucht. Kraepelin, der 1899
die Zahl der dementen Fälle mit etwa 40 % angibt, teilt neuerdings nach¬
träglich für Heidelberg 53%, für München (Männer) 56% als Anteil der
dementen Form mit. Die Mendefschen Beobachtungen haben nun eine
Reihe anderer Autoren nicht bestätigt finden können; z. B. Fürstner,
Gaupp, Raecke. Auch Junius und Arndt entnehmen aus einem Vergleich
mit den von Ascher in der Zeit von 1880 bis 1888 an der Anstalt Dalldorf
gefundenen Resultaten, daß seitdem die demente Form in Dalldorf keine
Zunahme erfahren habe. Man kann sich aber doch dem Eindruck nicht
verschließen, daß die demente Form während der letzten Jahrzehnte
häufiger in den Anstalten als früher beobachtet worden ist. Ob es sich hier
nun tatsächlich um eine Änderung der klinischen Verlaufsformen handelt,
wie Mendel annimmt, oder andere Gründe mehr äußerlicher Art als ursäch¬
lich gewirkt haben, ist wohl noch nicht als ganz geklärt anzusehen. Jolly 1 )
führt ja z. B. gegen die Mendels, che Hypothese an, daß früher die wichtig¬
sten Krankheitszeichen (reflektorische Pupillenstarre, FFestpAafcches
Zeichen) noch nicht bekannt gewesen wären und infolgedessen die chronisch
demente Form seltener diagnostiziert worden sei.
AU äußerte in der oben erwähnten Versammlung der Irrenärzte
Niedersachsens und Westfalens die Ansicht, daß keine eigentliche Ver¬
änderung der klinischen Form vorliege, sondern daß die bessere mo¬
derne Behandlung und die frühere Überweisung in eine Anstalt den
Verlauf der Krankheit mildernd beeinflußt habe. Junius und Arndt
führen auch ähnliche Gründe an und meinen außerdem, daß auch die
willkürliche Rubrizierung der klinischen Verlaufsformen, die dem sub¬
jektiven Belieben ziemlich großen Spielraum läßt, bei den verschiedent-
lichen Resultaten mit als ursächlich in Betracht zu ziehen sei. Nach
den Tannenhofer Resultaten möchte ich auch mehr dazu neigen,
mich den von Alt geäußerten Gründen anzuschließen. Es zeigt sich
zwar auch an dem Tannenhofer Material, daß neuerdings die demente
Form vorzuherrschen scheint, da aber keine weitere Zunahme mehr
stattgefunden hat, mag diese dominierende Stellung der dementen
Form durch Gründe veranlaßt worden sein, die in der letzten Zeit nicht
mehr steigernd wirken. Zum Beispiel wird die Anstaltsbehandlung
der Paralytiker in den letzten beiden Jahrzehnten sich kaum noch
wesentlich verändert haben, infolgedessen ist auch die erzielte Be-
1 ) Zit. bei Junius und Arndt.
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
Änderungen der progressiven Paralyse.
431
ruhigung der Fälle konstant geblieben. Die in Tannenhof beobachtete
paradoxe Zunahme der agitierten Fälle wird auch in diesem Lichte
leichter verständlich, denn bei stark ausgeprägten agitierten Fällen
werden auf die Dauer alle Beruhigungsmittel erfolglos bleiben. —
Zum Schluß möchte ich noch den Hinweis von Haßmann (Feldhof bei
Graz) erwähnen, der auf ein häufigeres Auftreten von epileptoiden
Zuständen bei der Paralyse in den letzten Jahren aufmerksam macht.
Beim Durchlesen der Tannenhofer Krankengeschichten ist mir etwas
Derartiges nicht aufgefallen, jedoch wird es überhaupt zu schwierig
sein, lediglich aus Krankengeschichten epileptoide Zustände zu dia¬
gnostizieren, wenn die betreffenden Beobachter auf diesen Punkt nicht
ihr besonderes Augenmerk gerichtet hatten.
Bei den weiblichen Tannenhofer Paralysen übervvogen die demen¬
ten Fälle in noch höherem Maße als bei den Männern; 80% der Kranken
waren dieser Form zuzurechnen, während die expansive und die depressive
Form nur je mit 10% beteiligt waren, agitierte Fälle überhaupt nicht kon¬
statiert werden konnten. Im ganzen konnte ich 30 Fälle bei der Unter¬
suchung verwerten. Das Überwiegen der dementen Form trat gleich von
vornherein in Erscheinung, so daß eine Zunahme der dementen Form inner¬
halb des von mir bearbeiteten Zeitraumes nicht beobachtet werden konnte.
Die wenigen expansiven Fälle (nur 3!) zeichneten sich durch ihre vor¬
wiegend ruhige Form aus. Im Grundsatz würde dies Resultat ja den
bisher von anderer Seite gemachten Beobachtungen entsprechen, insofern
der Paralyse bei Frauen allgemein ein ruhigerer Verlauf als bei Männern
zugeschrieben wird. Schon Sander hat ja auf den langsameren Verlauf
und das Übergewicht der dementen Form bei den weiblichen Paralysen
hingewiesen. In bezug auf die Höhe der von mir für die demente Form
gefundenen Prozentziffer übertrifft allerdings mein Resultat die Ergebnisse
der meisten andern Autoren bei weitem. Nur Kraepelin kommt ihm ziem¬
lich nahe, indem er neuerdings 73% seiner Paralytikerinnen der dementen
Form zuzählen konnte. Jahrmärker konstatierte letztere in 59,3% seiner
Fälle, Behr in 53,7%. Andere Autoren kommen noch zu weit geringeren
Resultaten; z. B. zählt Mohr, der ein Überwiegen der dementen Form
bei den annähernd 50 Fällen, die er untersucht hat, feststellt, ihr trotzdem
nur 31 % seiner Fälle zu. Junius und Arndt konnten 40,93 % zur dementen
Klasse rechnen, also nicht viel mehr als bei den Männern; überhaupt
differieren auch bei den übrigen Formen ihre Ergebnisse nicht sehr von
den bei den männlichen Paralysen gefundenen. Einer Zunahme der de¬
menten Form stehen Junius und Arndt auch bei den Frauen sehr skeptisch
gegenüber. Auch Behr, der doch bei den Männern eine so in die Augen
fallende wachsende Zunahme der dementen Form fand, konnte das gleiche
für die Frauen nicht feststellen, ebenso wie er bei der Beteiligung der typi-
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UMIVERSITY OF MICHIGAN
432
Heinrich Dübel,
sehen Form im Laufe der Zeit keine wesentlichen Unterschiede kon¬
statierte. Eine Zunahmetendenz der dementen Form der Paralysen bei
Frauen scheint demnach recht zweifelhaft zu sein.
VI. Mendel hat nun noch das häufigere Auftreten von erheblichen
Remissionen betont. Zu demselben Resultat gelangt auch Pücz,
der für 1870 bis 1875 bei annähernd 200 Kranken nur 21 erhebliche
Remissionen feststellte, nach 1900 dagegen ceteris paribus 42mal Re¬
missionen fand. Also eine Steigerung auf das Doppelte! Bekr kon¬
statierte in den ersten beiden Jahrzehnten des von ihm bearbeiteten
Zeitraums nur 4mal Remissionen = 2,13%, in den letzten beiden Jahr¬
zehnten dagegen in 16 Fällen = 4,08%. Joachim gibt für drei auf¬
einanderfolgende Jahrperioden 1,4%, 1,7% und 4% an, so daß also
auch bei seinem Material eine Zunahmetendenz der Remissionen zu
bemerken ist. Junius und Arndt kommen auf Grund ihres Materials
zu keiner Entscheidung hinsichtlich dieser Frage. Für Tannenhof ließ
sich ebenfalls eine geringe Zunahme bei einem Vergleich zwischen
drei 6jährigen Perioden feststellen:
1897 bis 1902 = 12,2%
1903 bis 1908 = 14,9%
1909 bis 1914 = 13,5%
durchschnittlich 13,6%.
Gesamtzahl der Rem. = 36
Sehr erheblich kann man diese Zunahme um 1,3% allerdings nicht
nennen in Anbetracht der Höhe der Prozentziffern überhaupt. Als
einen Beweis für die wachsende Häufigkeit der Remissionen kann man
demnach dieses Resultat nicht ansehen. Relativ am häufigsten zeigten
sich die Remissionen bei der expansiven Form, was ja mit den allge¬
meinen Erfahrungen übereinstimmt. Der Durchschnittsprozentsatz
von 13,6% erscheint im Vergleich mit den Resultaten von Behr und
Joachim ziemlich hoch, zumal ich nur ganz deutliche und erhebliche
Remissionen gerechnet habe, in denen die Kranken nach Hause zurück¬
kehren konnten und wieder arbeitsfähig wurden. Gaupp 1 ) fand
wesentliche Besserungen in nicht ganz 10%, sehr tiefgreifende nur in
1% der Fälle. Hoppe stellte dagegen in 16,8% ausgeprägte Remissio¬
nen fest, Acker unter 14 Fällen 2 = 14,3%.
Bei den Frauen konnte ich nur bei 2 von 31 Fällen eine Remission
konstatieren = 6,5%. Im Vergleich mit andern Autoren erscheint dieser
*) Zit. bei Kraepelin, Lehrbuch, 1910.
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Änderungen der progressiven Paralyse.
433
Prozentsatz ziemlich gering. Von diesen fand Jahrmärker in 14,8%,
Hoppe in 14,9%, Mohr in 19,0% und Berg in 18,4% der Fälle deutliche Re¬
missionen. Matthey stellte unter 14 Fällen allerdings nur 1 = 7,1 % fest.
Die Frage einer eventuellen Zunahme läßt sich bei meiner geringen Zahl
nicht entscheiden.
Im Anschluß an die Mendel sehen Ausführungen hat Kraepelin
1898 nun auch die Behauptung aufgestellt, daß die paralytischen
Anfälle in der Abnahme begriffen seien.
Diese Beobachtung hat von vielen Autoren nicht bestätigt werden
können. Mendel selbst sprach sich gegen eine Änderung in dieser Hinsicht
aus. Behr kommt sogar zu einem entgegengesetzten Resultat, indem bei
ihm Anfälle während der letzten Jahrzehnte in mehr als der Hälfte der
Paralysen, früher dagegen (von dem ersten Quinquennium abgesehen) in
nur 31 bis 42 % der Fälle auftraten. Er sieht den Hauptgrund dieser nicht
unerheblichen Zunahme in dem häufigeren Auftreten der dementen Fälle.
Auch Pilcz hat eine größere Häufigkeit der Anfälle in der neueren Zeit
festgestellt, und zwar hatten 1870 bis 1875 von etwa 200 Paralytikern
57 epileptiforme Anfälle, nach 1900 bei derselben Gesamtzahl 72. Die
Zahl der Paralytiker mit apoplektiformen Anfällen blieb sich in beiden
Perioden annähernd gleich. Junius und Arndt finden bei einem Material
von 1036 männlichen Paralytikern Anfälle in 52,3%, glauben aber, daß
die Anfälle in Wahrheit noch viel häufiger Vorkommen, weil in einer ganzen
Anzahl ihrer Fälle eine genaue Anamnese nicht vorhanden war; auch wird
nach ihrer Meinung mancher Anfall unbeobachtet bleiben und mancher
beobachtete nicht in die Krankengeschichte eingetragen werden. Sie
schätzen, daß beinahe % aller Paralytiker im Laufe ihres Leidens von
irgendeinem Anfall betroffen werden. Nach Obersteiner s Ansicht bleiben
bei genauer Beobachtung sogar nicht viel mehr als 10% der Fälle übrig,
die ganz ohne Anfall vom Beginn bis zum letalen Ausgang verlaufen. Ähn¬
liches wie Junius und Arndt führt auch Heilbronner aus, der in 59,3%
seines Materials Anfälle konstatierte. In der von mir berücksichtigten
Literatur fand nur noch Joachim eine Abnahme der Anfälle, die allerdings
auch nicht erheblich war, und zwar wurden von ihm für 1897 bis 1900 in
21,8%, für 1901 bis 1905 in 21,9% und 1906 bis 1910 bei 17,6% Anfälle
konstatiert. Von einer kontinuierlichen Abnahmetendenz kann aber nicht
gesprochen werden, da die Verringerung der Anfälle sich erst in der dritten
Periode zeigt. Auffallend ist bei Joachim der überhaupt niedrige Prozent¬
satz der Anfälle.
Was die Tannenhofer Ergebnisse anlangt, so habe ich es für
richtiger gehalten, bei dieser Berechnung nur die bis zum Tode be¬
obachteten Fälle zu berücksichtigen, da ja gerade gegen Ende der
Krankheit häufig Anfälle aufzutreten pflegen. Dabei ergab sich fol¬
gendes :
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434
Heinrich Dnbel.
1897 bis 1902 = 60.6 %
1903 bis 1908 = 69,2 %
1909 bis 1914 = 62.7%
Durchschnitt = 64,6%.
Von einer gesonderten Rechnung für die epileptiformen und apo-
plektiformen Anfälle, wie ich sie ursprünglich beabsichtigt hatte, bin
ich wegen der Schwierigkeit, sie mit Sicherheit ihrer Art nach aus den
Krankengeschichten zu erkennen, ebenso wie Junius und Arndt, im
Laufe meiner Untersuchungen abgekommen. Aus dem Vergleich der
oben aufgeführten Jahrperioden ist zu ersehen, daß sich bei meinem
Material nicht nur nicht eine Abnahmetendenz, sondern im Gegenteil
eine geringe Zunahme gezeigt hat. Aber auch diese ist nicht erheblich
genug, um aus ihr irgendwelche Schlüsse ableiten zu können. Die
verhältnismäßig große Höhe der durchschnittlichen Prozentziffer
spricht gegen die Ansicht, daß Beruhigungsmaßnahmen einen min¬
dernden Einfluß auf das Auftreten von Anfällen ausüben könnten,
denn in Tannenhof werden ja, wie schon erwähnt, klinische Beruhi¬
gungsmittel und -maßnahmen im ausgedehnten Maße angewandt.
Auch Junius und Arndt glauben nach ihren Erfahrungen Beruhigungs¬
mitteln usw. einen Einfluß in dieser Hinsicht absprechen zu müssen,
während Kraepelin allerdings der systematisch durchgeführten Bett¬
behandlung, welcher Annahme auch Kemmler 1 ) zustimmte, für die
von ihm beobachtete Abnahme der Anfälle einen ursächlichen Einfluß
zuschrieb. Neuerdings scheint übrigens Kraepelin von seiner Ansicht,
daß die Anfälle in der Abnahme begriffen seien, wieder abgekommen
zu sein, denn er gibt an, daß in München bei 65% der Paralytiker An¬
fälle bereits vor der Aufnahme festgestellt worden seien, während in
Heidelberg bei überhaupt nur 30 bis 40% von ihm Anfälle konstatiert
wurden.
Bei den Frauen kamen in Tannenhof in 64,5% der Fälle Anfälle
vor, also fast genau so oft wie bei den Männern. Auch Junius und Arndt
fanden bei beiden Geschlechtern ungefähr den gleichen Prozentsatz, näm¬
lich etwa 53%, ebenso Heilbronner mit 60%. Anderseits konstatierte
Greidenberg, der der Sanderschen Hypothese von der Seltenheit der para¬
lytischen Anfälle bei Frauen entgegentrat, dennoch bei den letzteren nur
M Zit. bei Kraepelin, Lehrbuch, 1910.
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Änderungen der progressiven Paralyse.
435
. solche in 26,5 % der Fälle gegenüber 36,7 % bei den Männern, wie auch
Hoppe sie bei den Frauen nur in 29 %, bei den Männern aber in 43% fest¬
stellte. Dehr fand umgekehrt Anfälle bei 58,3% der weiblichen Para¬
lytiker gegenüber 51,3% bei den Männern. Bezüglich einer Änderung im
Auftreten der Anfälle bei den weiblichen Paralysen meint Behr vielleicht
eine kleine Abnahme der Anfälle konstatieren zu können, ohne indessen
daraus irgendwelche Schlüsse ziehen zu wollen. — Was das Tannenhofer
Material anlangt, so konnte ich eher eine Zunahme als eine Abnahme der
Anfälle bemerken.
Ich fasse die Ergebnisse meiner Arbeit folgendermaßen zu¬
sammen :
I. Eine Zunahme der Paralyse hat sich bei beiden Geschlechtern
weder in Tannenhof noch in den Provinzialanstalten der Rheinprovinz
während der letzten beiden Jahrzehnte bemerkbar gemacht. Es zeigte
sich sogar eine geringe Abnahmetendenz.
II. Eine zunehmende Demokratisierung der männlichen Para¬
lysen konnte in Tannenhof nicht beobachtet werden. In bezug auf
eine aristokratische Tendenz der Paralyse bei den Frauen konnten
keine Untersuchungen angestellt werden.
III. Ein geringes Anwachsen des Prozentanteils der ledigen Männer
war festzustellen. Die Frauen waren sämtlich verheiratet.
IV. Wesentliche Änderungen im Laufe der Jahre bezüglich des
Lebensalters, in dem die Krankheit zum Ausbruch kommt, traten nicht
ein. Bei den Frauen waren die höheren Lebensalter mehr bevorzugt
als bei den Männern. Das durchschnittliche Lebensalter war bei den
Frauen 44 Jahre 6 5 /« Monate gegenüber 41 Jahre 9 Monate bei den
Männern.
V. Die durchschnittliche Dauer der Krankheit betrug bei den
Männern 2 Jahre 6 Monate, bei den Frauen 3 Jahre 6,7 Monate. Bei
den Männern war eine Abnahmetendenz der Dauer zu bemerken, die
aber möglicherweise auf äußere Gründe zurückzuführen ist.
VI. Der Verlauf der Krankheit war in Tannenhof auffallend ruhig.
Die demente Form überwog bei beiden Geschlechtern von Anfang an
bei weitem, ohne jedoch im Laufe der Zeit eine wesentliche Zunahme¬
tendenz zu zeigen. Ebenso ging die expansive Form in ihrem Prozent¬
anteil nur wenig zurück, was überdies durch die Zunahme der agi¬
tierten Form wieder ausgeglichen wurde. Nach den Tannenhofer Re-
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436
Heinrich Dübel,
sultaten scheint es sich bei dem neuerlichen Überwiegen der dementen .
Form nicht um eine wirkliche Änderung des klinischen Krankheits¬
bildes, sondern mehr um eine Folge der früheren Überweisung der
Patienten an eine Anstalt und der zweckmäßigeren modernen Be¬
handlungsweise zu handeln.
VII. Remissionen waren bei den Männern relativ häufig, bei den
Frauen seltener. Eine geringe Vermehrung der Remissionen im Laufe
der Zeit war bei den Männern festzustellen.
VIII. Paralytische Anfälle fanden sich bei Männern und Frauen
sehr häufig und in gleichem Maße. Es zeigte sich eine geringe Zu¬
nahmetendenz.
Literatur.
1. Acker, Ludwig, Zur Kasuistik der progressiven Paralyse. Allg. Ztschr.
f. Psych. Bd. 44.
2. Arndt, Max, und Junius, Paul, Beiträge zur Statistik, Ätiologie, Sym¬
ptomatologie und path. Anatomie der progress. Paralyse. Arch.
f. Psych. Bd. 44.
3. Ascher, Beitrag zur Kenntnis des Verlaufs und der Ätiologie der allg.
Paralyse. Allg. Ztschr. f. Psych. Bd. 46.
4. Baer, Lucian, Die Paralyse in Stephansfeld. Inaug.-Diss., Stra߬
burg 1900.
5. Behr, H., Beobachtungen über die progressive Paralyse während der
letzten 4 Jahrzehnte. Allg. Ztschr. f. Psych. Bd. 57.
6. Berg, H., Beobacht, üb. d. progr. Paral. b. Frauen. Inaug.-Diss.,
Bonn 1891.
7. Buchholz, Stat. Mitteil. üb. d. Verbreit, d. Dem. paralytica im Regbz.
Kassel und den Fürstentümern Waldeck und Pyrmont. Allg.
Ztschr. f. Psych. Bd. 56.
8. Eickholt, Zur Kenntnis der Dementia paralytica. Allg. Ztschr. f. Psych.
Bd. 41.
9. Fürstner, Zur Pathologie der progr. Paralyse. Mtschr. f. Psych. u.
Neurol. Bd. 12.
10. Greidenberg, B., Über d. allg. progr. Paral. d. Irren bei Frauen. Neurol.
Ztlbl. Bd. 17, S. 341.
11. Gudden, Hans, Zur Ätiologie u. Symptomatlg. d. progr. Paral., mit be¬
sonderere Brücksichtigung des Traumas u. d. im jugendl. Alter
vorkomm. Fälle. Arch. f. Psych. Bd. 26.
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Änderungen der progressiven Paralyse.
437
12. Haßmann, Beitrag zur Kenntnis d. Verlaufsformen d. Paralys. progr.
Psych.-Neurol. Wschr. 1913/14, Nr. 1.
13. Heilbronner, Über Krankheitsdauer u. Todesursachen bei d. allg.
Paral. Allg. Ztschr. f. Psych. Bd. 51.
14. Hoppe, Adolf, Statist. Beitrag zur Kenntnis d. progr. Paralyse. Allg.
Ztschr. f. Psych. Bd. 58.
15. Jahrmärker, Beitrag zur Dem. paralytica beim weibl. Geschlecht.
Allg. Ztschr. f. Psych. Bd. 58.
16. Joachim , Hans, Stat. u. klin. Beob. über Veränd. im Vorkommen u.
Verlauf d. progr. Paralyse in Elsaß-Lothringen. Allg. Ztschr.
f. Psych. Bd. 69, H. 4.
17. Jolly, Ph., Zur Statist, der Ätiol. u. Syrnptomatol. d. progr. Paralyse.
Arch. f. Psych. Bd. 44.
18. Junius, Paul, siehe Arndt.
19. Kaes, Beiträge zur Ätiol. d. allg. Paral. nebst einleit. allg. stat. Bemerk.
Allg. Ztschr. f. Psych. Bd. 49.
20. Kaes, Stat. Betracht, üb. Ausbruch, Verlauf, Dauer u. Ausgang d.
allg. Paral. usw. Allg. Ztschr. f. Psych. Bd. 51.
21. Kraepelin, Bemerkungen zum Mendelschen Vortrag. Neurol. Ztlbl.
1898, S. 1066.
22. Kraepelin, Lehrbuch f. Psych., 1899.
23. Kraepelin, Lehrbuch f. Psych., 1910.
24. Kraft-Ebing, Die progr. allg. Paralyse. Spez. Pathol. u. Ther. v.
Nothnagel, 1901, IX, 3.
25. Matthey, Bericht in der Allg. Ztschr. f. Psych. Bd. 58.
26. Mendel, Die progr. Paralyse der Irren. Berlin 1880.
27. Mendel, Welche Änd. hat d. klin. Bild d. progr. Paral. in d. letzt.
Dezenn. erf.? Neurol. Ztlbl. Bd. 17, S. 1035.
28. Mohr, Friedrich, Beob. üb. d. progr. Paral. bei Frauen. Inaug.-Diss.,
Bonn 1902.
29. Müller, Oskar, Stat. Betracht, üb. allg. Paralyse. Allg. Ztschr. f.
Psych. Bd. 54.
30. Obersteiner, H., Die progr. allg. Paralyse d. Irren. Wien u. Leipzig 1908.
31. Pilcz, Über Änd. d. klin. Bildes d. progr. Paralyse in d. letzt. Dezenn.
Wiener med. Wschr. 1908, S. 40.
32. Provinzialausschuß der Rheinprovinz, Jahresberichte 1896/97 bis
1912/13.
33. Raecke, Stat. Beitrag zur Ätiol. u. Syrnptomatol. d. progr. Paralyse.
Arch. f. Psych. Bd. 35.
34. Reinhard, Beitrag z. allg. progr. Paralyse, mit bes. Berücksicht, d.
Syph. Allg. Ztschr. f. Psych. Bd. 41.
35. Sander, Die paralvt. Geistesstör. b. weibl. Geschl. Berl. klin. Wschr.
1870.
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438 Heinrich Dübel, Änderungen der progressiven Paralyse.
36. Snell , Otto, Die zunehmende Häufigkeit d. Dem. paralyt. Allg. Ztschr.
f. Psych. Bd. 44.
37. Sprengeler, Hans, Beitr. z. Stat. d. Ätiol. u. Symptomatol. d. progr.
Paral. usw. Allg. Ztschr. f. Psych. Bd. 56.
38. Süßmann, Stat. Beitr. z. Ätiol. u. Symptomatol. d. progr. Paral.
Inaug.-Diss., Kiel 1910.
39. Wollenberg, R., Statist, u. Klinisch, z. Kenntn. d. paralyt. Geistesstör.
b. weibl. Geschl. Arch. f. Psych. Bd. 26.
bv Google
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Zum manisch-depressiven Irresein nnd seiner
Wahnbildung.
Von
Karl Birnbaum, Berlin-Buch.
Der folgende Fall x ) bietet mancherlei Besonderheiten, so daß er
mir eine Heraushebung aus der gleichförmigen Masse alter Anstalts¬
fälle, eine ausführliche Wiedergabe und trotz dieser Ausführlichkeit
auch die Lektüre zu verdienen scheint. Er gibt im übrigen durch eine
sich über nahezu vier Jahrzehnte erstreckende psychiatrische Beob¬
achtungszeit, durch sorgfältige anamnestische Angaben sowie durch
zahlreiche klinisch belangvolle objektive Feststellungen aus allen
Zeiten seines Lebens und Phasen seiner Krankheit ein ungewöhnlich
reiches, in bezug auf Vollständigkeit und Einwandfreiheit allen not¬
wendigen klinischen Anforderungen genügendes Material und gestattet
somit — die erste und selbstverständliche Voraussetzung für eine ka¬
suistische Publikation — dem Leser durchaus eine selbständige und
abschließende Beurteilung.
E. R., Justizrat, geb. 1851.
Heredität und Familieneigenart: Großmutter mütterlicher¬
seits nach Wochenbett vorübergehend geisteskrank, deren Schwester in
höherem Alter psychotisch. In der Familie des Vaters vielfach Schwer¬
hörigkeit vertreten, ein Bruder des Vaters hat getrunken. Der Vater
selbst, Jurist, eine ernste, alles schwer nehmende Natur, der sich aber sehr
wohl auch über Kleinigkeiten freuen konnte; in älteren Jahren schwer¬
hörig, starb an Phthise. Die Mutter ganz normal, verständig und ruhig.
Von 5 Geschwistern starb eins in der Kindheit, eine Schwester war jahre¬
lang infolge Rückenmarksleiden gelähmt; ein Bruder war leichtsinnig,
energielos, ohne Arbeitslust, durch Freunde leicht beeinflußbar, machte
kein Examen und wechselte den Beruf. Manische Züge, gehobene Stim¬
mung, Unruhe, Betätigungsdrang und dergleichen hatte er nicht. Ein
*•) Aus der Irrenanstalt Buch der Stadt Berlin (Direktor Geh. Rat
Dr. Richter).
Zeitschrift für Psychiatrie. LXXII. 5/6. 31
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440
Karl Birnbaum,
anderer Bruder normal, nur weniger begabt wie die übrigen Geschwister,
eine Schwester nervös. Im allgemeinen sind gute Begabungen in der
Familie. Irgendwelche Stimmungsanomalien fehlen durchaus.
Zu erwähnen ist hier noch aus der Familiengeschichte ein äußerer
Vorgang, der in der Krankheitsgeschichte des Pat. eine eigentümliche
Rolle spielt: die Mutter war viele Jahre in der Familie des Komponisten
Meyerbeer im Haushalt tätig, der wohl kaum jüdisch-rituell geführt wurde.
Sie hatte es dort sehr gut. Als sie einmal an chronischem Durchfall er¬
krankte, ging sie mit einem Familienmitglied nach Salzbrunn zur Kur.
die ihr auch gut bekam, so daß sie das Leiden los wurde. Ein Jahr vor der
Geburt des Pat. — die Kinder waren schnell nacheinander gekommen —
wurde sie nochmals auf ärztliches Anraten — der Grund ist unbekannt —
nach Salzbrunn geschickt. Auch diese Kur ist ihr gut bekommen, sie
erholte sich gut.
Entwicklung und geistige Eigenart: Pat., der als Säugling
sehr schwere „Gehirnentzündung“ mit soporösem Atmen durchmachte,
später als Kind an krampfhaftem Husten litt, entwickelte sich körperlich
und geistig regelrecht, kam auf dem Gymnasium regelmäßig vorwärts,
machte mit 20 Jahren das Abiturientenexamen, studierte dann in Greifs¬
wald und Berlin und bestand mit 23 Jahren die Referendarprüfung. Da¬
nach war er bei den verschiedenen Gerichten tätig, von denen im allge¬
meinen laut Akten seine Fähigkeiten und Leistungen anerkennend beur¬
teilt wurden.
Als Kind war er so artig, daß es später beim Rückblick allen unnormal
erschien. Er war sehr feinfühlend, beschäftigte sich mit ernsten Dingen
und dachte über vieles andern Kindern Fernliegende nach. Er wurde des¬
halb beispielsweise auch — im Gegensatz zu seinem älteren Bruder — zur
Einsegnung zu einem freisinnigen Theologen gegeben, damit er keine Ge¬
wissensbedenken hätte. Doch war er auch heiter, freute sich über vieles
und war ein recht vergnügter Student, gesellig und der denkbar liebens¬
würdigste Hausgenosse. Von anderer Seite wird immerhin angeführt, daß
er still gewesen, wenig Verkehr gepflegt, auch vor sich hingebrütet habe
mit der Begründung, er denke innerlich. Seine Stimmungslage soll einer
gleichmäßigen Durchschnittsstimmung entsprochen haben, es bestand
weder auffallender Stimmungswechsel noch motivlose Heiterkeit oder
Traurigkeit. Trübes wollte er allerdings schwer genommen haben, doch
machte er sich etwa keine Zukunftsorgen. Auch in der Studentenzeit
lebte er nicht weiter auffallend, weder duckmäuserisch noch unsolide, in
Greifswald soll er allerdings nach einzelnen Angaben in Baccho et Venere
exzediert haben. Pat. machte im allgemeinen nicht den Eindruck eines
nervösen Menschen, war allerdings, da er sich nicht ganz wohl fühlte, seit
der Studentenzeit um seine Gesundheit besorgt, aber ohne hypochondrische
Übertreibungen.
Frühere, insbesondere nervöse Erkrankungen: Mit
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Zorn manisch-depressiven Irresein.
441
13 Jahren war Pat., als sein Vater aus dem bisherigen Wohnort nach
Berlin zog, angeblich aus Heimweh einige Zeit sehr niedergeschlagen, nahm
körperlich ab und klagte über Schwäche. Der Zustand besserte sich in
einigen Wochen unter guter Ernährung.
Als im Jahre 1866 der €ine Bruder an Cholera erkrankte, bekam R.
solche Angst, daß täglich abends alle möglichen Medikamente an sein
Bett gestellt werden mußten. Er fürchtete sich zwar nicht, zu ihm zu
gehen, bildete sich aber ein, er bekäme die Halsschwindsucht und würde
so schnell sterben, daß er den Einzug der siegreichen Truppen nicht mehr
erleben würde. Das verlor sich von selbst wieder. Er kam dann zur Er¬
holung nach seiner Geburtsstadt. Nach der Rückkehr von dort war er
sehr nervös und litt an hartnäckiger Verstopfung. Im übrigen soll er schon
als Primaner geäußert haben, er könne seine Gedanken nicht fassen, und
war selbst mit seinen Arbeiten unzufrieden.
1868 klagte er über Ohrensausen, das ihn auch später nicht recht
verließ und dessentwegen er auch eine Kur in Salzbrunn durchmachte.
Badekuren (in Kissingen, Nauheim usw.) hat er auch späterhin — 1871,
72, 75 — mit wechselndem Erfolge versucht. 1870 machte es ihn unglück¬
lich, daß er wegen seiner Krankheit vom Kriege fortbleiben mußte, und
ebenso auch, daß sein Wunsch, zur Marine zu gehen, wegen ungenügenden
ärztlichen Attestes nicht in Erfüllung ging.
Erste geistige Erkrankung.
Beginn : Pat. hatte in den 70er Jahren mehrere Male heftige Gonor¬
rhöen gehabt und wegen einer Striktur längere Kuren durchmachen
müssen, wodurch er sehr deprimiert geworden war. 1875 bekam er einen
schweren und lange eiternden Bubo, infolgedessen sein Kräftezustand
auffallend reduziert wurde. Im Herbst 1875 wurde er ärztlich wegen seiner
geschwächten Kräfte und seiner bedeutenden Nervosität nach Helgoland
geschickt. Von da kehrte er so gestärkt zurück, daß er seine juristische
Tätigkeit wieder aufnehmen konnte. Bald stellte sich jedoch sein Leiden,
das hauptsächlich in arbeitstörendem Ohrensausen und Druck in der
Schläfengegend bestand, wieder ein. Ärztliche Atteste aus dieser Zeit
sprechen von nervösem Kopfschmerz und Zerrüttung des Nervensystems,
an der hauptsächlich die Kopf- und Rückennerven beteiligt seien. Die
Beschwerden verstärkten sich schließlich so, daß R. Ende 1876 aus eigenem
Antrieb ohne ärztliche Verordnung eine Kaltwasserheilanstalt aufsuchte.
„Das ist der letzte Versuch, den ich mache,“ erklärte er, „ich will gesund
werden, um meiner Mutter und meinen Schwestern eine Stütze zu werden.“
Er forcierte die Kur einige Monate hindurch sehr stark, verlobte sich im
übrigen, wiewohl er früher geäußert, er würde sich vor beendeter Karriere
nie auf einen solchen Schritt einlassen, mit der Tochter des Anstaltsarztes —
und kam anscheinend sehr wohl und neu ermutigt und leistungsfähig
zurück. Doch bald kehrten die Kopfbeschwerden in erhöhtem Maße wieder.
Sie hinderten ihn an jeglicher Tätigkeit, an jeder Lektüre, überhaupt,
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442
Earl Birnbaum.
wie er sich ausdrückte, an jedem Denkvermögen. Er wurde stärker de¬
primiert und machte sich die größten Sorgen um die Zukunft, da er nie
wieder arbeiten zu können glaubte, seine pekuniären Mittel durch die
Kuren und dergleichen sehr verringert sah und er zudem jene Verlobung
eingegangen war. Der Zustand verschlimmette sich dann so, daß er nachts
nicht schlafen konnte, auch aufgeregt war, nicht allein sein mochte, weil
er sich ,.vor seinen Gedanken fürchte". Abends beim Einnehmen des
Schlafmittels mußte die Schwester, an der er mit großer Zärtlichkeit und
Leidenschaftlichkeit hing, an seinem Bett sein, als ob er Schutz bei ihr
suchte. Er machte sich Vorwürfe, daß er mit der Verlobung ein fremdes
Leben an sich gebunden, bat die Schwester, abzuschreiben, versuchte auch
zweimal, sich das Leben zu nehmen, was er für seine Pflicht hielt, da sich
ihm weiter keine Aussicht für die Zukunft biete. Der behandelnde Arzt fand
ihn sehr elend und körperlich reduziert. Er klagte nun hauptsächlich über
Beschwerden in den Geschlechtsorganen, Ziehen, Druck und Schmerz in den
Hoden, wollte ganz abnorme Erscheinungen in bezug auf die Geschlechts¬
funktionen entdeckt haben und hielt sich für unheilbar impotent infolge
seines früheren Lebenswandels. Da er sich dessen bewußt sei, müsse er
sich schämen und könne sich nirgends sehen lassen. Sein Kopfleiden ent¬
springe hieraus. Er glaubte, es könne nicht mehr lange mit ihm dauern.
Er blieb den ganzen Tag im Bett oder lief viel unruhig umher, wobei die
Schwester ihn begleiten mußte. Er soll auch inbrünstig gebetet, zuweilen
plötzlich ein grinsendes Lachen geboten haben: „Ich merke es, ich kann
es nicht mehr aushalten.“ „Da kommen wieder die bösen Gedanken.“ —
„Ach, lieber Gott, schicke mir den Friedensengel, daß ich nicht Hand an
mich lege,“ äußerte er u. a. Er sprach auch oft Worte zehnmal hinter¬
einander, da er das richtige Wort nicht finden konnte, und fragte immer,
wie ist die Sache. Schließlich wurde Anstaltsbehandlung nötig. Ende
März 1877 ging er freiwillig in die Kahlbaumsche Anstalt, nachdem er
einige Tage in einer andern gewesen, von dort aber wegen des Zusammen¬
seins mit schweren und ungebildeten Kranken dringend fortgestrebt hatte.
Höhestadium.
Das Krankheitsbild, das R. während des nun folgenden fast einjähri¬
gen Anstaltsaufenthalts bot, ergibt sich in Umrissen aus einem von Kahl¬
baum selbst im April 1878 kurz vor R.s Entlassung abgegebenen ärztlichen
Gutachten:
„Herr Referendar E. R. aus Berlin kam am 27. März 1877 zur Kur
in meine Anstalt. Er war schlecht genährt, anämisch, organische Störungen
waren nicht aufzufinden. Er klagte namentlich über allerlei schmerzhafte
Beschwerden im Unterleib, aber von wechselndem Charakter
und hysterischer Form, ferner über abnorme Sensationen im
Kopf und im gesamten Körper, ebenfalls wechselnd und in
hysterischer Ausprägung. Dabei machte er sich Vorwürfe, daß er
seine Zeit stets sehr schlecht benutzt habe, daß er liederlich gelebt habe
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Zum manisch-depressiven Irresein.
443
und daß er stets ein unliebenswürdiger und sehr ungenügend begabter
Mensch gewesen wäre, ganz entgegengesetzt dem Urteile seiner Ange¬
hörigen. Ferner klagte er über Mangel an Schlaf, behauptete zuweilen,
gar nicht geschlafen zu haben, obwohl wiederholt konstatiert werden
konnte, daß er geschlafen habe. Sein Schlaf war aber in der Tat meist
sehr leise und auch oft ungenügend. Er blieb gern lange zu Bett und be¬
wegte sich entweder gar nicht oder wurde unruhig im Garten oder Korridor
auf und ab getrieben. Gesellig war er meist sehr nett, zugänglich
u nd verständig. Ferner klagte er über vollständigen Mangel an Ap¬
petit und Geschmack und nahm sehr ungern, oft nur unter dringender
Nötigung, Nahrung zu sich. Selbsttötungsgedanken kamen zeitweise mehr
oder weniger dringlich vor und forderten zu sorgfältiger Bewachung auf....
Es zeigte sich ein gewisser Wechsel in seinen krankhaften Ideen und
Stimmungen und eine wechselnde Intensität in ihrer Äußerungsweise;
doch war eine steigernde Besserung nicht zu erzielen, und seit Januar d. J.
hat sich die ganze Geistestätigkeit auf eine Idee konzentriert,
sein ganzer Organismus sei vom Mutterleibe her verdorben, und zwar da¬
durch, daß die Mutter vor seiner Geburt den Salzbrunner Brunnen gebraucht
habe. Sein Körper habe dadurch die Disposition erhalten, zu versteinern.
Diese Idee wurde im wesentlichen auch dadurch nicht geändert, daß ihm
die Mutter den Nachweis führte, daß seine Voraussetzung völlig falsch sei,
die Idee, versteinert zu sein oder in der Versteinerung begriffen zu sein und
als solcher ein Wunder der Natur darzustellen, ist. bei ihm fest geblieben
und hat sich mit seinen übrigen melancholischen Ideen eng verknüpft.“
Diese allgemeine Schilderung sei durch folgende Einzelheiten ergänzt:
Bei der Aufnahme März 1877 hatte R. selbst das Bedürfnis, sich
über seine Krankheit auszusprechen, über deren Entstehung und
Verlauf er, wie das Überweisungsschreiben des Hausarztes besagt, selbst
die genausten und zuverlässigsten Angaben macht. In einer kurzen Mit¬
teilung an die Angehörigen schrieb er über seinen Aufenthalt: „Man
hat hier die beste Aufnahme von der Welt, die Gesunden fühlen sich alle
recht wohl, wollte Gott, ich gehörte dazu; hoffentlich wird das noch
kommen.“ Er klagte über Schmerzen im Magen, Völle im Unterleib,
wollte nicht geschlafen haben, erging sich in ausführlichen Ergüssen, er
habe viel gesündigt, er hätte sich schon längst das Leben nehmen sollen,
aber die Liebe zu seiner Mutter und seine Charakterschwäche hätten ihn
davon abgehalten. Man solle sich nicht wundern, wenn er mal im Starr¬
krampf läge.
Im April schrieb er in einem Briefe: „Vor meinem gräßlichen Ende,
das mit jeder Stunde näherrückt, mit der sicheren Aussicht auf den
ewigen Tod bin ich hier eingesperrt. Der lebendige Gott hat mich allein
von allen Menschen verflucht und mit Leib und Seele dem ewigen Tode
überliefert. Seit vier Wochen bereits bin ich ein faulender Leichnam.
Mein Schicksal ist, bei lebendigem Leibe den Würmern und Maden zur
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444
Karl Birnbaum,
Speise zu dienen. — Ich habe nur noch dumpfes Bewußtsein. Das Gericht
Gottes ist mir aufgegangen, seitdem weiß ich, was mir bevorsteht. Ich bin
schon vernichtet innerlich durch die ewige Angst vor dem ewigen Tode, dem
ich nicht entrinnen kann.“ — Dabei ließ er sich durch Einwendungen
etwas beruhigen und wurde auch durch freundliche Annäherung angenehm
beeinflußt. Sein Verhalten war wechselnd, bald lag er den ganzen Tag
im Bette und erwartete das Ende, bald war er tagüber auf und war munter.
Er drängte nach Hause, um vor seinem jeden Augenblick zu erwartenden
Ende seine Angehörigen noch einmal zu sehen. „Er machte“, heißt es in
der Krankengeschichte, „diese Mitteilungen in eigentümlich ruhigem, man
möchte sagen, kaltem Ernst; die dagegen geäußerten Trostesworte, die
Versicherung, daß er bestimmt noch einmal gesund werde, nahm er an¬
scheinend gern an.“ Gelegentlich spielte er Karten, Billard, ging mit andern
Patienten spazieren, unterhielt sich und war überhaupt angeregter und
geweckter. Zum Essen mußte er öfter genötigt werden. Einmal fand man
ihn kniend im Bett, die Hände schwebend über der Lehne
und-den Oberkörper rechts und links wiegend. Zum Arznei-
nehmen sperrte er hierbei den Mund auf, schluckte herunter
und ließ sich in der Wiegebewegung nicht stören. Ähnliche
Bewegungen sollen auch sonst schon öfter beobachtet worden
sein. Zu anderer Zeit rannte er fortwährend — wie er sagte, „rasend“ —
auf dem Korridor umher. Wenn er auf war, war er ebenso schwer ins Bett
zu bringen wie umgekehrt aus dem Bett. Er machte zu Zeiten einen
freieren Eindruck, lächelte auch, rauchte Zigarren, brachte aber auf Be¬
fragen seine Ideen wieder vor.
Im Mai schrieb er: „Ich habe niemals Leben in mir gehabt und
sinke immer tiefer in den geistigen Tod, nur noch ein schwacher Schimmer
von Licht in meinen Augen. Hätte ich wie alles Erschaffene vom ersten
Augenblick an Liebe zu allem, was mich umgab, gehabt, ich hätte wie ihr
und alle das ewige Leben; so ist mir der ewige Tod bestimmt; bald wird die
Welt das Unerhörte hören, daß einer von allen Menschen bei lebendigem
Leibe verwest ist. Euch allen blüht ja ewiges unendliches Glück im Verein
mit allem Lebendigen. Vom Augenblick meiner Geburt bin ich hinge-
gesunken in den ewigen Tod, stets nur an mich denkend, weder Eltern noch
Geschwister noch die andern Menschen liebend und darum nichts erfassend,
nichts erkennend von dem unendlichen Reichtum des Lebens.“ — Er
stand auch nachts öfter auf und w T anderte im Zimmer umher, oder er ging
den ganzen Tag in der Stube umher und meinte, es könne am Ende auf
die Augen schlagen. Einmal kratzte er auch, im Bette kniend,
auf dieses. Beim Arzneinehmen erklärte er gelegentlich, er könne den
Betrug nicht länger fortsetzen, daß er ein lebendiger Mensch sei, er sei
lauter Materie. Bei Tische äußerte er, er wolle eingegraben sein, wenn er
dann wenigstens so klares Wasser bekäme wie hier. Auf den Einwand:
begraben würde er doch nichts zu trinken haben, gab er zur Antwort:
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Zorn manisch-depressiven Irresein.
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Das müßte er sich dann auch schon gefallen lassen. Einmal saß er im Bett,
beide Hände in den Haaren, den Kopf nach vorn gezogen.
Von den andern abgesondert sitzend und dem Arzt freundlich entgegen¬
lächelnd, erklärte er auch, er sei zu keiner Entwicklung gekommen, er sei
nur Materie. Er sei das böse Prinzip, sagte er ein andermal.
Im Juni beteiligte er sich in Gesellschaft beim Vorlesen, schoJ>. auch
Kegel, spielte Billard und machte überhaupt im ganzen einen freundlicheren
Eindruck. Andrerseits lief er auch die ganze Nacht im Hemd umher oder
wiegte sich im Bett. Wenn Stühle rings herum im Zimmer gestellt
wurden, wand er sich dann vorsichtig zwischen durch. Zeitweise war er
mürrischer, unzufriedener. Beim Nötigen zum Klystier erklärte er: „Da
kommen ja meine Henker.“
Im Juli sprach er zu andern voller Hohn von seinem bevorstehenden
Geburtstage, er werde ein großes Fest geben. Am Geburtstage selbst
machte er eine Spazierfahrt und war ziemlich munter, wollte auch gut
geschlafen haben, während er sonst immer volle Schlaflosigkeit behauptete.
Im Gegensatz zu seiner früheren Bitte, man möge ihn, weil nicht Mensch,
lebendig begraben, äußerte er jetzt davor eine ängstliche Besorgnis. Er
versuchte u. a. einen Brief an seine Angehörigen herauszubefördern, über¬
ließ aber dann dem Arzt, was er bezüglich der Absendung für richtig halte.
Er erklärte des weiteren, er habe keine Verdauungsorgane; die Ausleerun¬
gen enthielten die unveränderten Speisen. Als der Arzt versprach, sich
davon zu überzeugen, war er ganz beruhigt und sagte dann einem andern
Patienten, er drücke ihm wohl das letzte Mal die Hand. Wenn der Arzt
sich durch Untersuchung des Stuhls überzeugt habe, daß er keine richtigen
Verdauungsorgane habe, werde er heute abend fortgebracht werden. Auf
die Gegenfrage: Wenn aber normaler Stuhlgang festgestellt werde? ant¬
wortete er :„Dann würde er mich zum glücklichsten Menschen machen.“ —
Beim Krocketspiel meinte er, als seine Partei verlor, die Partei, mit der er
spiele, könne überhaupt nicht gewinnen. Einmal sagte er: „Meine Mutter
kann von mir nichts wissen, ich weiß nichts von ihr, ich habe gar nicht
mit ihr zusammengelebt.“
Im August war er zeitweise heiterer, erklärte selbst, es ginge besser,
machte Witzchen und war bei einem größeren Ausflug meist vergnügt und
gesprächig. Nachher äußerte er, er sei jedesmal, wenn er ein Stück Welt
gesehen hätte, sehr traurig, und er wüßte nicht, ob er die Schönheit der
Welt jemals würde genießen können. Im Gespräch mit einem andern
Patienten erzählte er, er sei in jeder Beziehung von der Natur vernach¬
lässigt, eine Mißgeburt der Schöpfung mit zu wenig Adern, Hirnmasse,
Nerven, ohne Eingeweide usw. Er fühle das Essen auf den Boden der
Höhle im Bauch herunterfallen. Es werde sich bald jemand seiner er¬
barmen und ihn in einen tiefen Abgrund schleudern. Aller dieser Dinge sei er
erst klar geworden, als er anfing, ein wenig selbständig zu denken, d. i.
im ersten Universitätssemester.
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446
Karl Birnbaum,
Bei einem Versuch, die Anstalt zu verlassen, überrascht, stellte er
ihn ärgerlich in Abrede, war dann nachts unruhig, stand auf, schlug sich
mit den Händen an den Kopf und klagte nachher über Kopfschmerzen.
Zu andern Zeiten klagte er über brennende Hitze im Kopf und im ganzen
Körper oder über innere Unruhe. Er meinte vor innerer Hitze zu ver¬
brennen, er sei ganz ausgetrocknet. Trotzdem nahm er auch an einer
Bergbesteigung teil. Bei einem andern längeren Spaziergang war er teil¬
weise sogar recht angeregt. Seine Angehörigen, denen er lange nicht ge¬
schrieben hatte, wollte er unter allen Umständen noch einmal sehen.
Im September blieb er einmal tagüber im Bett, kniete stunden¬
lang darin, las Flocken, Fädchen aus dem Bettbezug heraus,
rollte die Bettdecke bald zu sich heran, bald von sich weg
und stopfte das Bettuch sorgfältig über das rotgestreifte Unterbett, indem
er erklärte, Rot und Weiß könne er nicht ansehen. Er behauptete, nicht
lesen, nur buchstabieren zu können, diktierte aber dabei einem Patienten
eine ganz korrekte Schenkungsakte fließend. Den Arzt quälte er um
ein Lehrbuch der Physiologie. Statt brennender Hitze klagte er
vorübergehend über starkes Frostgefühl, so daß er sich früh morgens einen
dicken Winterrock anzog. Nachher war ihm wieder sehr heiß. Gelegentlich
war er heiter und erzählte Anekdoten von sich selbst. Zeitweise fühlte er
sich matt, lief vor Angst im Zimmer umher, war deprimiert, beängstigt,
unglücklich, verzweifelt, wünschte seine Mutter zu sehen, glaubte, binnen
Jahresfrist als besondere Merkwürdigkeit in Kastans Panoptikum zu kom¬
men, während er dann wieder bei Spazierfahrten sehr munter war, abends
Billard spielte, sich sehr lebhaft unterhielt, viel lachte usw.
Im Oktober lief er nach einer tags vorher unternommenen Spazier¬
fahrt in großer Verzweiflung und in halbem Weinen im Zimmer umher und
brachte seine alten Hirnideen wieder vor: Nächstens gehe die neue Phase
seines Lebens los, er werde in ein tiefes Loch geworfen, wo er bis in den
Mittelpunkt der Erde fallen werde und ewig pendeln und brennen müsse. —
Bei Gelegenheit eines Gespräches mit einem andern Patienten
über die weibliche Periode fragte er, ob die Frauen dies vor¬
her wüßten, und als jener das bejahte, fuhr er auf mit den
Worten: Na, dann habe er nicht Schuld, dann sei es Schuld
seiner Eltern. Er wünschte dann seine Mutter zu sprechen, er habe
ihr eine delikate Frage vorzulegen: Warum sie ein solches Unglückswurm
wie ihn in die Welt gesetzt habe? — In einem Briefe schrieb er damals
u. a.: „Ich bin kein Mensch, überhaupt kein lebendes Wesen. Die ewige
Verdammnis, die Gott über mich verhängt hat, steht unwiderruflich fest,
doch weiß ich nicht, ob ich von Anfang an boshaft mit Be¬
wußtsein das göttliche Geschenk des Lebens selbst ver¬
nichtet habe oder mein Schicksal eine bloße Laune der Natur,
ein Zufall ist, was ich jetzt annehmen muß, nachdem ich ver¬
geblich mein Denken aufgewendet habe, um meine Schuld
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Zum manisch-depressiven Irresein.
447
an meinem Schicksal zu erkennen.“ Auch ist in dieser Zeit ebenso
wie in den folgenden Monaten von teilweise gutem Schlaf, engem Verkehr
mit andern Patienten, Billardspiel, reichlicher Lektüre, animierter Unter¬
haltung z. B. über studentische Verhältnisse, Exkursionen, munterer Teil¬
nahme an Abendgesellschaft mit Theatervorstellung usw. die Rede, um¬
gekehrt freilich auch von schlechtem Schlaf, Klagen über innere Hitze und
dergleichen.
Anfang 1878 entwarf er einem Patienten eine Zeichnung von der
Entstehung des Menschen: a bedeute den Entstehungsort, b die Menschen,
die nichts Gutes im Leben zu erwarten haben, c die guten Tage der Men¬
schen und die dazu Auserwählten, d ihn allein unabhängig von allen andern.
Des weiteren äußerte er sich dahin: „Ich würde gern das Opfer annehmen,
das mir meine Mutter mit dem hiesigen Aufenthalt bringt, wenn ich die
Hoffnung haben könnte, es einmal zu vergelten. Es muß mich ja jeder für
eigensinnig und niederträchtig halten. — Ich möchte mit meiner Mutter
Rücksprache nehmen, um sie nach vielem einzelnen zu fragen und um ihr
vieles ins Gedächtnis zurückzurufen, daß ich die ganze Zeit, seit ich ge¬
boren bin, kein Lebenszeichen von mir gege¬
ben habe, daß ich mit der Familie nicht zu¬
sammen gelebt habe, daß ich kein Interesse
für sie gehabt habe“ usw. Dabei sprach er
mit einem andern Patienten ganz klug über
juristische Dinge, diktierte ihm Briefe und $
dergleichen. Für seine Krankheit, die
Notwendigkeit .seines Anstaltsaufenthalts
zwecks Heilung zeigte er kein Verständnis.
Er fragte den Arzt, wie lange er ihn eigentlich noch dabehalten wolle. —
Mit einem unendlich freundlich bittenden Gesuch bat er einmal den
Arzt, doch seinen Urin zu untersuchen, damit die andern gerettet
würden, es sei ihm ja ganz gleich, er möchte nur, daß aus dem großen
Unheil, das er habe, wenigstens den andern ein Vorteil erwüchse. Er
befinde sich in einem Zustande der Versteinerung, er habe erst ge¬
glaubt, daß er bei seiner Geburt etwas versehen habe, aber
das sei ja lächerlich und unmöglich, er sei dadurch ver¬
steinert, daß seine Mutter vor seiner Geburt in Salzbrunn
eine Kur gemacht habe und durch den Salzgebrauch jede
nötige Schleimabsonderung bei ihr aufgehört habe.- Er sei ein
Opfer der Naturgesetze. Wegen dieser hypochondrischen Verrückt¬
heitsspekulation oft von einem anderen Patienten verhöhnt, ließ er sich das
ziemlich gefallen, gab zuweilen aber auch ein derbes Wort zu hören und
bat hinterher um Verzeihung. Auch sonst erzählte er seine Leidens¬
geschichte und sagte u. a.: „Und die es verschuldet hat, lebt in Herrlich¬
keit, und ich bin zu ewiger Qual verdammt.“ Er verlangte ein Neues
Testament, um in der Offenbarung Johannis zu forschen, und schrieb
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Karl Birnbaum,
in einem Briefe an seine Angehörigen, indem er in der erwähnten Art die
Ursache seines Leidens schilderte: „Was in der Offenbarung Johannis
geweissagt, ist eingetroffen, das Tier mit den tönernen Füßen ist
gekommen, ich bin es und werde geworfen werden, da, wo das ewige Feuer
brennt, das heißt, da von einer Auflösung bei mir niemals die Rede sein
kann, wird man mich in irgendeinen Abgrund, eine Kloake werfen, wo
mich die Wut der Elemente in Ewigkeit quälen und zermalmen wird.“ Er
verlangte dabei, daß seine Angehörigen ihn sofort holten, damit seine Ge¬
schichte in Berlin bekannt werde und nicht noch ein zweites Opfer falle.
Den ausführlichen, von den Angehörigen geführten brief¬
lichen Nachweis des - faktisch Unrichtigen der Unterlagen
für seine selbstquälerischen Spekulationen beantwortete er
mit charakteristischer Dialektik. Als einmal von ärztlicher Be¬
stimmung und Hausordnung die Rede war, erklärte er: „Jaja, ich weiß
schon, das ist auch ein Arzt gewesen, der mich um alles
Glück gebracht hat.“ Manchmal hatte er sehr verzweifelte Tage.
Als er baden sollte, sagte er weinend, er könne nicht dableiben, er könne
den Anforderungen der Anstalt nicht genügen. Auf Rauchen legte er
großen Wert. Auf den Widerspruch mit seinen Ideen dabei hingewiesen,
meinte er zur Begründung, das sei noch die einzige Bewegung, die er habe.
Bei Gelegenheit eines Geburtstages verfaßte er übrigens einmal ein Gedicht.
Aus den allgemeinen Monatsüberblicken der Äa/diaumschen Krank¬
heitsgeschichte sei schließlich noch zur Charakteristik von R.s psychischem
Verhalten der Bericht vom Februar 1878 angeführt: „Betrübt, sonst ruhig
und zugänglich für freundliche Annäherung. Hält sich für ein Opfer
der Zivilisation, trägt aber sein Geschick mit Ruhe und
Würde. Die Wahrheit seiner Behauptungen werde schon eines Tages
ans Licht kommen. Pat. denkt viel und ist in der Unterhaltung mit andern
Bekannten auch durchaus nicht wortkarg. Er zeigt dabei Klarheit und
ein gutes Gedächtnis. Er erwähnt in seinen Gesprächen öfter seine Ange¬
hörigen und hat jedenfalls bedeutendes Interesse für geistiges Leben, wenn
er auch vor der Hand nicht den Trieb hat, etwas zu lesen und zu schreiben.
Pat. bewegt sich viel, meistens jedoch im Zimmer. In der letzten Zeit
geht er aber auch regelmäßig im Garten spazieren, wobei er sich mit einigen
näheren Bekannten ganz nett unterhält. Die Abendstunden verbringt er
auf dem Korridor in derselben Weise wie im Garten, promenierend und
plaudernd.“.
Besonders bezeichnend ist ein von R. selbst verfaßter Krankheits¬
bericht:
„Görlitz am 5. Februar 1878.
Aufgefordert von Herrn Direktor Dr. Kahlbaum, schreibe ich folgen¬
des nieder:
Ich befinde mich seit meiner Geburt in dem Zustande
geistiger und körperlicher Leblosigkeit. Ich kenne nichts weiter
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Zum manisch-depressiven Irresein.
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alseinen Schimmer von hell bei Tage, von undurchdringlicher
Finsternis des Nachts, ein Gefühl entweder von furchtbarer
Hitze oder großer Kälte, je nachdem die mich umgebende
Temperatur warm oder kalt ist. Dabei leide ich an einer voll¬
ständigen Blutleere, Saft- und Kraftlosigkeit: alles in allem muß ich be¬
haupten, daß ich eine Negation alles Lebens bin, alles Wachsens, Ent¬
stehens und aller Bewegung. Mein Körper hat niemals Stoffwechsel gehabt;
es sind überhaupt von Anfang an gar keine Stoffe in ihm gewesen, wie sie
überall in der Welt, und hauptsächlich in der animalischen vorhanden sind.
Mein scheinbarer Körper ist mit einem Worte eine unauflösliche Masse,
ohne jeden Zusammenhang mit der Welt und dem ewigen Kreislauf und
Wechsel der Kräfte und Stoffe in der Natur.
So habe ich das Dasein von Anfang an als eine grauenhafte endlose
Qual, als einen entsetzlichen hoffnungslosen Zustand, als schreckliche Ver¬
einsamung und Armut empfunden, habe von der Welt und dem Leben
vor meiner Entstehung und während der Zeit, daß ich hier existiere, keine
Ahnung, bin kaum mit jemand in Berührung gekommen, kenne nichts als
Einsamkeit, Grauen, Hoffnungslosigkeit, ewige Nacht und Abgeschiedenheit.
Lange, lange habe ich mich vergebens gequält mit der
Ergründung, woher denn dieses Elend für mich entstanden, während
sonst alles geboren wird zum Leben, zum Glück und zur Freude. End¬
lich glaube ich das Richtige gefunden zu haben.
Meine Mutter ist von Hause aus schwächlich gewesen. In ihrer
Jugendzeit, ich glaube zwischen dem 16. und 20. Lebensjahre, wurde sie,
weil sie, soviel ich weiß, an heftigem Darmkatarrh litt, nach Salzbrunn in
Schlesien in das Bad geschickt. Es ist ihr das Bad damals sehr gut be¬
kommen, sie hat ihre Beschwerden damals vollständig verloren. Mit dem
28. Jahre verheiratete sie sich mit meinem Vater, dem bereits verstorbenen
Justizrat R., einem in jeder Beziehung bedeutenden Manne. Vor mir
erzeugten beide 5 Kinder, von denen das älteste bald verstarb. Zwei
Schwestern und zwei Brüder von mir sind am Leben und in jeder Beziehung
taugliche, brauchbare, ja hochbegabte Menschen.
Meine Mutter hat schon oft geäußert, daß sie niemals sich so wohl
befunden, wie während der Zeit ihrer Schwangerschaften, und habe sie
niemals dabei über irgend etwas zu klagen gehabt. Es ist also wohl anzu¬
nehmen, daß ihr Körper damals durchaus gesund und normal gewesen ist.
Das letzte der bezeichneten 5 Kinder ist im September 1849 geboren. Im
Juli 1850 ging meine Mutter, selbst vollkommen gesund, wieder nach Salz¬
brunn, weil ihr ältestes Töchterchen, welches hals- und brustleidend war,
die dortigen Quellen gebrauchen sollte. Meine Mutter hat damals — ob
auf Verordnung des Hausarztes Dr. G., welcher heute noch in Grünberg in
Schlesien lebt, weiß ich nicht, ich glaube das aber kaum, — weil der
Brunnen ihr vor langen Jahren, als sie wirklich leidend war, so vortreffliche
Dienste getan, ohne jede weitere Veranlassung die dortige Hauptquelle
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450
Karl Birnbaum,
getrunken. Der Erfolg hat gelehrt, daß ihr derselbe durchaus geschadet
hat. Es hat sich seitdem bei ihr eine so vollkommene Verstopfung einge¬
stellt, daß sie regelmäßig nur alle 8 Tage nur einmal zu Stuhle geht, sie
leidet seitdem an einer merkwürdigen Schwerfälligkeit und Schwäche, ist
durchaus schlecht ernährt, obgleich sie stets guten Appetit hat, leidet viel
an Brust- und Rückenschmerzen, an Alpdrücken des Nachts. Meine
Meinung geht nun dahin, daß der Gebrauch der Salzbrunner Quelle —
weil meine Mutter damals vollkommen gesund gewesen, und am aller¬
wenigsten an einer Überproduktion der Schleimhäute gelitten hat, die
Schleimhäute ihres Körpers vollständig erschlafft und dadurch den Stoff¬
wechsel in ihrem Körper so gut wie aufgehoben hat. Dieser Zustand hat
sich zunächst der Schleimhäute des Gebärapparats bemächtigt und dort
an entscheidender Stelle den zum Entstehen des neuen Lebens durchaus
notwendigen Stoffwechsel aufgehoben, d.h. die bereits vom Eierstock
losgelöste Zelle ist durch die Eintrocknung der sie umgeben¬
den und fortbewegenden Schleimhäute selbst vertrocknet, sie
hat zunächst nicht via menstruationis entfernt werden können. Noch ehe
der nötige Fluß an der betreffenden Stelle wieder eingetreten, hat die Be¬
gattung stattgefunden, und es hat der männliche Same mit der
vertrockneten Zelle zu der unauflöslichen Masse sich ver¬
bunden, die ich vorstelle.
Es klingt dies gewiß unglaublich, ja unmöglich. Der
lebende Mensch, zumal der Arzt, wird sagen und hat mir
gesagt: Das ist unmöglich, es ist noch nie vorgekommen und
kann deshalb nicht geschehen, weil es eine Abweichung wäre
von dem ewigen unverrückbaren Naturgesetz.
Daß bis jetzt in der bekannten Welt ein solcher Fall
noch nicht vorgekommen, glaube ich selbst: es wäre bekannt
geworden, so wie es mit meinem Falle geschehen wird.
So bin ich der erste und gewiß auch der letzte; denn nachdem die
Richtigkeit meiner Behauptungen konstatiert sein wird und der Welt klar
vor Augen gelegt sein wird, wird auch die Ursache dieses grauenvollen
Schicksals erkannt werden, und es wird ein zweiter derartiger Fall durch
Beobachtung der nötigen Vorsichtsmaßregeln unmöglich.
Deshalb bitte ich immer und immer wieder um die Untersuchung
meines Urins, meines vermeintlichen Kotes, um mikroskopische Unter¬
suchung meiner Haare, um Okularinspektion meiner Augen usw. Wie
leicht, wenn diese Bitte unerfüllt bleibt, kann einen Zweiten
dasselbe Schicksal treffen. Wäre ich doch verschont geblieben,
lebte ein glückliches Geschöpf als Mensch oder Gewürm in Gottes schöner
Welt im Verein mit allem Lebendigen ein herrliches, ewiges Leben, während
so vor mir und hinter mir liegt die Ewigkeit voll Nacht und Grauen, Angst,
Einsamkeit und endlosen stets wachsenden Folterqualen.
Und ich weiß, welch tückischer Zufall mir dieses Schick-
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Zum manisch-depressiven Irresein.
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sal bereitet, welch teuflisches Spiel das mir bestimmte ewige
Licht in ewige Nacht verwandelt hat. Noch lebt meine Mutter,
um meine Angaben zu bestätigen, noch lebt der frühere Hausarzt in Grün¬
berg, noch also ist es Zeit, diese Lücke im menschlichen Wissen auszu¬
füllen, damit nur ein Opfer fällt und das noch Ungeborene bewahrt bleibt.
Mich konnte keine Macht der Erde retten, die Vorsehung wollte mein Elend,
um andere zu bewahren. So bin ich doch wenigstens zu etwas gut.
Wo die Kraft der Natur erstickt wird durch Gewaltmittel in dem
Augenblick, wo sie neues Leben schaffen will, da muß auch sie unterliegen,
und ewiges Elend entsteht statt einer Welt voll ewigen Glückes und ewiger
Freude.
Ich bin verloren, begraben im Weltall für alle Zeit, losgelöst aus dem
großartigen ewigen Kreislauf.
Was mir erspart geblieben wäre, wenn es einen anderen
vor mir getroffen hätte, durch mein Schicksal soll es allen
kommenden Geschlechtern erspart bleiben.
Alles Wissen ist nur Sache der Erfahrung, der Anschau¬
ung. Kommt und überzeugt euch, was mit mir geworden,
rettet, was sonst auch verloren sein kann.
Ich habe keine Stätte, keine Heimat, keine Ruhe, kein Licht, kein
Glück und keinen Frieden in alle Ewigkeit. Ernst R.“
Anfang April 1878 wurde R. schließlich auf Kahlbaums Rat nach
Hause genommen. Kahlbaum hielt es, wie er sich gutachtlich äußerte,
,,bei dem sehr dringenden Verlangen des Patienten, zu seiner Mutter zu
kommen, für des Versuchs wert, durch Erfüllung seines Wunsches und
Versetzung in die längere Zeit entbehrten Familienverhältnisse mächtig
auf sein Gemüt einzuwirken und so eine vorläufige Besserung zu erzielen“.
Eine Diagnose findet sich in der Kahlbaumschen Krankengeschichte
nicht. Kahlbaum selbst spricht in seinen ärztlichen Attesten von hypo¬
chondrischer Nervenkrankheit, tiefer Nerven Verstimmung und dergleichen.
R.war nur ein paar Wochen zu Hause, war traurig gestimmt, weinte,
wenn er Klavier spielen hörte, lag viel im Bett und mußte nachts wegen
seiner Schlaflosigkeit jemand bei sich haben. Er hatte für nichts Interesse,
sprach vom ewigen Stein- und Feuertode usw. Dem leichtsinnigen Bruder
redete er ins Gewissen, er sollte umkehren und der Mutter eine Stütze sein;
denn er selbst wäre doch kein Mensch. Da es länger zu Hause nicht ging,
brachte man ihn schon Ende April 1878 in die Nervenklinik der Kgl.
Charitö.
In der Charitö gab er an, er habe niemals sich beschäftigen, denken
oder arbeiten können, habe nicht mit andern Kindern spielen können, sei,
hinausgeschickt, immer gleich wiedergekommen, habe fast nur Lesen und
Schreiben gelernt, in den Sprachen nur Fortschritte gleich Null gemacht.
Das Examen habe er zu seiner eigenen Verwunderung gemacht. Er habe
als Student höchstens mit einem, den er schon früher kannte, verkehrt,
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Karl Birnbaum,
in seinem ganzen Leben sei er höchstens mit 1000 Menschen in Berührung
gekommen'. Er sei zuweilen zu Frauenzimmern gegangen, habe jedoch
sonst keine Neigung zu geschlechtlichem Verkehr gehabt.
Er habe von Anfang an nichts als Angst und Grauen gekannt, weder
Freude noch Scherz. Das Dasein der Welt sei ihm überhaupt erst in der
letzten Zeit zum Bewußtsein gekommen. Er habe von vornherein nie eine
Bewegung in seinem Körper verspürt und habe keine Sinneswahrnehmun¬
gen. Er kenne nur Zeit, Gefühl von Hitze oder Kälte und einen Schimmer
von Hell oder absolute Finsternis. Er kenne nur die Zeit als solche,
die Zeit sei der einzige Artikel, der nicht geschaffen zu werden brauche.
Das Gefühl der Langenweile drücke ihn. Er komme sich wie in einer
Kapsel steckend vor, er müsse noch eine Wanderung zu den
Unterirdischen antreten, und zwar müsse er deshalb auf irgendeine
Weise unter die Erde, doch sei es eigentlich keine Wanderung, da er ja
eine Veränderung nicht erleiden könne.
„Ich. stehe außer allem Zusammenhang des organischen Lebens.
Sobald wie etwas aus meinem Gesichtskreis entschwunden ist, ist es mir
unmöglich, eine Vorstellung davon zu machen; ich kann mir überhaupt
in diesem Zimmer nichts vorstellen, es ist eine große Leere. Ich kann
nicht mehrere Stimmen zugleich hören. Mein Ohr war von Anfang an
nur imstande, die allernächstliegenden Geräusche aufzufassen; es gibt
für mich keine Unterscheidung von menschlichen Stimmen. Blumen
rieche ich so gut wie gar nicht, doch schlechte, unangenehme Gerüche;
ebenso ist mein Geschmack völlig unausgebildet, ich kann höchstens süß
und sauer unterscheiden. Es ist mir ganz einerlei, was ich esse. Das
Mittagessen einzunehmen ist mir fast unmöglich; ist es etwas warm, so
ist es mir zu heiß, umgekehrt empfinde ich ein unangenehmes Gefühl von
Kälte; Hunger und Durstgefühl habe ich nur wenig; sobald ich etwas
zu mir genommen habe, beschwert es mich auch, und ich muß zu Stuhl
gehen, ebenso ist es nach dem Trinken mit dem Urinlassen. Beim Atmen
habe ich stets ein Gefühl der Beklemmung, des Zugeschnürtseins, ver¬
bunden mit Angst. Ich fühle ein ganz schwaches Herzschlagen, doch vom
Strömen des Blutes habe ich kein Gefühl, ich habe überhaupt fast gar kein
Blut oder ganz wenig. Unangenehme Eindrücke, Stechen, Kneifen usw.
empfinde ich, doch habe ich stets unangenehme Empfindung der Leere
und Angst. Genügen dürfte noch der Hinweis, daß ich sowohl Sonne wie
Mond und Sterne in der Höhe von vielleicht einem vierstöckigen Hause
über mir sehe, und daß mir das Gestirn des Tages nichts als eine namenlose
brennende Qual verursacht. Sobald dasselbe herniedergegangen, gibt es
in meinem Innern nichts als undurchdringliche Finsternis; sobald es wieder
aufgeht, verursacht mir seine Helle grauenhafte, ewig marternde Qualen.“
„Ich bin weder krank noch gesund, sondern ich bin ganz losgelöst.
Ich bin kein Organismus, ich bin Vegetation jedes Lebens, der ganzen
Schöpfung. Den Eindruck der Versteinerung für meinen Zu-
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Zum manisch-depressiven Irresein.
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stand habe ich schon längst zurückgenommen, da er nicht
deckend ist. Es ist absolut unmöglich, daß man mich tötet; da ich
nichts bin, kann ich auch nicht verschwinden, sonst würde ich schon längst
meinem Dasein ein Ende gemacht haben. Ich habe diese Gedanken immer
gehabt, in der letzten Zeit, wo ich mehr mit dem Leben zusammenkam,
sind sie mir deutlicher geworden. Als ich die Versuche machte, mir das
Leben zu nehmen, glaubte ich noch, daß es möglich sei. Schon als Kind
habe ich zu meinen Eltern gesagt, es ist alles graue Finsternis in mir und
um mich. Ich werde bis in die Ewigkeit so fortexistieren.“
„Was ich sage, ist kein verrücktes Zeug, das wird sich
schon herausstellen. Die Ärzte glauben immer, so auch hier,
ich litte an fixen Ideen. Das wird auch nicht eher anders
werden, als bis ich ordentlich untersucht werde mit Augen-,
Ohren-, Kehlkopfspiegel usw. Besonders möchte ich bitten, daß mein
vermeintlicher Kot genau chemisch untersucht würde, es wird sich heraus¬
stellen, daß er aus den Speisen, wie ich sie zu mir genommen, besteht.“
Im übrigen brachte R. die gleichen Äußerungen wie früher über
seine eigentümliche Beschaffenheit als „unauflösliche Masse“, über seinen
Ursprung als „Loslösung der Urzelle“ und über deren Ursache, die schäd¬
liche Salzbrunner Kur der Mutter usw. vor. In seinem Namen schrieb
sein Bruder eine Darstellung seines Leidens nieder, die im wesentlichen
sich mit der vorher auf Kahlbaums Veranlassung verfaßten deckt und in
der es u. a. weiter heißt:
„Elend und unglücklich in Ewigkeit, wie ich bin, handle ich nicht
für mich, wenn ich vorstehendes zu Papiere bringen lasse. Ich selbst bin
von meinem grauenvollen Schicksale nicht zu retten und wünsche nur
anderen die ewige Qual, der ich verfallen bin, zu ersparen.
Ich glaube, durch genaue, nicht oberflächliche Untersuchung meines
sogenannten Körpers wird es sich sehr bald heraussteilen, daß für den
denkenden Arzt und Physiologen eine vollkommene Abnormität sich in
mir zeigt. Hat doch schon Dr. V. in E. — Besitzer der Wasserheilanstalt
daselbst und geschätzter Arzt, wenn auch Wasserarzt — nachdem ich
acht Wochen seiner Behandlung unterlegen, erklärt, daß ich in meiner
Persönlichkeit ihm rätselhaft sei, ja mit kurzen Worten, daß in meinem
vermeintlichen Körper überhaupt kein Leben vorhanden sei.
Leider muß ich mit ihm vollkommen in jeder Beziehung überein¬
stimmen.
Die vollkommene Abnormität meines vermeintlichen menschlichen
Körpers zu erweisen, bin ich zu jeder Probe bereit und kann die Autori¬
täten der Psychologie im Interesse der kommenden Geschlechter nicht
genug bitten, das, was ich sage, nicht für Einbildung eines überspannten
Gehirns zu halten, sondern sich von der Wahrheit meiner Behauptungen
durch geeignete Operationen zu überzeugen.
Umgeben von einer liebevollen Mutter und ebenso liebevollen un-
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Karl Birnbaum,
eigennützigen Geschwistern — zwei älteren Schwestern und zwei älteren
Brüdern —, während meine Mutter nach mir — obgleich erst 28 Jahre alt
bei meiner Geburt — kein Kind mehr geboren, befinde ich mich seit jetzt
iy 2 Jahren auf Grund obiger Auslassungen und Behauptungen in ver¬
schiedenen Irrenhäusern, indem man a priori diese Auslassungen für die
Erzeugnisse eines krankhaft erregten Gemütes resp. zerrütteten Geistes
betrachtet. Leider ist dies nicht der Fall und habe ich obige Auslassungen
meinem Bruder Karl in die Feder diktiert (weil selbst nicht mehr in Stande,
dieselbe zu führen) in der Hoffnung, daß endlich wissenschaft¬
liche Autoritäten der Physiologie in dem Bestreben, einzig
und allein der Wahrheit die Ehre zu geben, es nicht zu viel
finden werden, sich in der von mir näher anzugebenden Art
und Weise von der Wahrheit meiner Behauptungen durch
vielseitige, streng wissenschaftliche Experimente zu über¬
zeugen und dadurch das noch Ungeborene vor dem grauen¬
haften ewigen Schicksal der Materie ohne Geist und Leben
für alle Zeiten zu bewahren.“
Ein aus dieser Zeit stammender Brief lautet:
„Am 7. Mai 1878
Irrenabteilung der Kgl. Charite.
Lieber Karl!
Ich habe Dich heute vergeblich hier erwartet, obwohl Du Deinen
Besuch durch Herrn Dr. Sioli, derOberarzt hierselbst, mir hast ankündigen
lassen.
Ich kann freilich nicht verlangen, daß Du mich hier aufsuchst, da
Du mir ebenso fern stehst wie jeder beliebige Sterbliche, auch brauche ich
absolut nichts, wie Du recht wohl weißt.
Dennoch wird noch einmal eine Unterredung mit Dir nötig sein,
es sei denn, die Frau Justizrat R. in der Lichtenbergerstraße Nr. 3 1 ) sei
fest entschlossen, mich für immer hier zu belassen.
Mit welcher Absicht und zu welchem Zwecke das geschehen könnte,
vermag ich wirklich nicht einzusehen.
Wissen doch die Herren Ärzte hier ebensowenig, was mit mir anfangen,
wie ich selber, und konnte ich Herrn Prof. Westphal auf seine heutige Frage,
wie lange ich denn noch hier zu bleiben gedächte, nur antworten, ich wüßte
das eben auch nicht.
Der Zweck, die Ruhe der Familie nicht weiter gestört
zu sehen, ist allerdings durch Eure Manipulationen erreicht,
er würde aber schon viel früher für immer erreicht werden,
wenn Ihr Euch der Wahrheit der von mir behaupteten Tat¬
sache nicht in der eigensinnigsten Weise verschließen wolltet.
*) seine Mutter
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Zum manisch-depressiven Irresein.
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Ich kann hier so wenig bleiben, wie sonst irgendwo. Geschehene
Dinge sind nicht zu ändern.
Ich will Dir nun in aller Kürze nur mitteilen, daß nach des Herrn
Oberarztes Dr. Sioli mir gegebener Erklärung es Dir an jedem Nachmittag
freistehen wird, mit mir hier zu konferieren, sofern Du Dich auf diesen
Herrn selbst bei dem Portier und der Inspektion beziehst.
Wenn Du wüßtest, wie jeder Tag, jede Stunde, jede Minute, sich
zu immer qualvolleren Ewigkeiten für mich ausdehnt, würdest Du nicht
gemächlich mit dem Besuche zögern.
Vielleicht findet sich ein Funke Mitleid in Deinem Herzen für mich,
der ich durch den Unverstand und die Pflichtvergessenheit
eines Menschen um die ewige Götterherrlichkeit gebracht
und zu ewiger Nacht und ewiger Qual aus dem Buche der
Natur und des Lebens ausgestrichen worden bin. Im ent¬
gegengesetzten Falle würde mir das nicht fehlen, ich meine: das Mitleid.
Ernst R.“
Die psychiatrische Beurteilung, die der Fall in der Charitä
erfuhr, ist aus den verschiedenen ärztlichen Äußerungen ( Westphal , Sioli) zu
erkennen. Im Oktober 1878 heißt es u. a.: „Der p. R. zeigt eine Summe
von Wahnvorstellungen, die er zu einem System sich zurecht¬
gelegt hat. Er glaubt ohne Mithilfe eines Mannes aus einem versteinerten
Ei geboren zu sein und deshalb überhaupt kein Mensch, sondern ein Nichts
ohne alle Empfindung, Leben und Denkvermögen zu sein, das auch nicht
sterben könne. Im Sinne des Gesetzes ist er blödsinnig.“ — Immer und
immer wieder wird in den verschiedenen Mitteilungen an Behörden, An¬
gehörige, den früheren Vormund usw. darauf hingewiesen, daß er an
chronischer Verrücktheit leide und als unheilbar zu bezeichnen
sei. Ende November 1878 wurde er als ungeheilt und unheilbar
entlassen. Als Diagnose findet sich in den Krankenakten: chronische
Verrücktheit, auf dem Kopfbogen: sekundäre Seelenstörung.
Einige Zeit später wurde R. dann auch auf das Gutachten der Charitö
hin wegen unheilbarer Geisteskrankheit aus dem Justizdienste entlassen.
Rückbildung:
In die Familie zurückgekommen, hielt R. noch an seinen Ideen
fest. Er sagte beispielsweise der Mutter, sie brauche ihm keinen
Anzug mehr zu kaufen, er sei doch kein Mensch. Er lebte
aber im übrigen doch wie ein Mensch, las Bücher, ging spazieren,
ging abends auch mit einem Freunde aus, spielte Klavier, Dame usw.
Er wäre überhaupt nicht aufgefallen, wenn er nicht immer
wieder die Ideen geäußert hätte, die er allerdings ,,ohne
Nachdruck und Aufregung“ vorbrachte. Er war auch nicht
mehr niedergedrückt. — Damals fiel ein Studienfreund im Assessorexamen
durch und wollte ihn als Begleiter nach Hause haben. R. blieb mit diesem
über Weihnachten weg, besuchte auch auf der Reise u. a. den Arzt der
Zeitschrift für Psychiatrie. LXXII. 5/6. 32
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Karl Birnbaum.
Kaltwasserheilanstalt, in der er früher zur Kur gewesen war, und als er
zurückkam, äußerte er nichts mehr von seinen Ideen. Man fragte ihn
auch nicht danach. Seine Stimmung war eine durchschnittliche. „Seit
der Rückkehr des R. in den Schoß seiner Familie“, heißt es in dem Bericht
seines früheren Vormundes, eines hohen Regierungsbeamten, aus dieser
Zeit, „hat sich eine völlige Reaktion herausgestellt, so daß zunächst die
Mutter und Geschwister, demnächst aber auch ich selbst den Glauben
an eine Genesung gewann. Der junge Mann sprach und dachte klar, ja er
ist jetzt sogar ohne jede sichtliche Erregung imstande, sein Geistes¬
leiden zu schildern und zu erklären. Unter diesen Umständen
trifft ihn ganz besonders hart, daß das Kgl. Kammergerichtspräsidium
auf Grund der dorthin gerichteten Anzeige von der Unheilbarkeit seines
Zustandes seine Entlassung aus dem Justizdienst ausgewirkt hat, denn der
28 Jahre alte Mann sieht sich nunmehr — nicht ohne Grund — als aus¬
gestoßen aus der bürgerlichen Gesellschaft und jeder Aussicht auf eine
selbständige Existenz beraubt an.“ — R. sah übrigens selbst die Schwierig¬
keiten seiner Lage ein und bemühte sich, wieder in den Staatsdienst zu
kommen. Es erfolgte zu diesem Zwecke dann eine erneute psychiatrische
Untersuchung, und Mitte März 1879 gab Westphal nun folgendes Gut¬
achten ab: „Durch wiederholte Untersuchung des p. R. nach seiner Ent¬
lassung aus der Charitö hat sich w’ider Erwarten eine so nachhaltige
Besserung seines früheren geisteskranken Zustandes herausgestellt, indem
die hypochondrischen Vorstellungen, die früher sein ganzes Wesen be¬
herrschten, in den Hintergrund getreten sind, daß ein Wiedereintritt in
den Justizdienst ärztlicherseits für unbedenklich erachtet w’erden kann.“
Erstes gesundes Intervall.
Im April 1879 wurde R. nun wieder in den Justizdienst aufgenommen.
Er hat dann in der nachfolgenden Zeit, 1879 und 1880, wie aus den Per¬
sonalakten hervorgeht, mit Eifer, Fleiß und Gewandtheit die einzelnen
juristischen Stationen absolviert, wie auch von den Vorgesetzten lobend
anerkannt wird. Gelegentlich ist von seinem leidenden körperlichen
Zustand die Rede. Im Hinblick auf die durchgemachte Geisteskrankheit
wird darauf hingewiesen, daß er verhältnismäßig wenig vergessen zu haben
scheine und jetzt mit großem Eifer und günstigem Erfolge das Fehlende
nachzuholen bemüht sei. Auch seine Führung war eine gute, nur einmal
bekam er einen Verweis wegen Kritik eines erledigten Ehrenhandels und
taktloser Auflehnung gegen den nächsten Vorgesetzten. Den Angehörigen
erschien er in keiner Weise, weder in der Stimmungslage noch im Vor¬
stellungsleben noch durch irgendwelche Beschwerden, auffallend. Er w’ar
„vollkommen gesund“.
Zweite geistige Störung.
Im Mai 1881 wurde R. einem Anwalt zur weiteren Beschäftigung
überwiesen. Im Gegensatz zu den anerkennenden Urteilen in den bis¬
herigen juristischen Stationen schreibt dieser im August 1881: Die Hoff-
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nung, daß R. sich die Qualifikation zur Ablegung der zweiten Prüfung
verschaffen werde, scheine leider nicht in Erfüllung zu gehen. Trotz an¬
erkennenswerten Eifers ließen seine Leistungen jede Konzentration auf
den Gegenstand und die Art seines Arbeitens jede Fähigkeit zu anhaltender
Sammlung der Kraft vermissen. — Im Sommer 1881 war R. dann auch
nach den Angaben seiner Wirtin aufgeregt und schlief schlecht. Er nahm
nun einen Urlaub zu einer Kur in Pyrmont. Von dort verschwand er
plötzlich. Am nächsten Tage erfuhr man, daß er in der Nacht umher¬
irrend und ohne Hut und in verwirrtem Zustande in der Nähe von Kehl
am Rhein aufgefunden worden sei. Nach eigenen, später gemachten An¬
gaben hat er sich im Juni krank gefühlt, einen Verfall seiner physischen
Kräfte bemerkt, große Mattigkeit, Apathie gegen alles, fürchterliche Un¬
ruhe zum Reisen verspürt, deshalb einen dreimonatigen Urlaub erbeten
und ist auf Veranlassung des Hausarztes nach Pyrmont gefahren, von wo
er sich nach Davos zu einem Freunde begeben wollte. Dort habe ihn
große Angst und Unruhe befallen, so daß er schon nach 2 Tagen weiter
wollte. Er sei nicht imstande gewesen, sich seine Reiseroute weiter zu
entwerfen. In seiner Angst — er glaubte, es ginge mit ihm zu Ende —
bestellte er einen Extrazug ( ?). Unterwegs auf der Fahrt nach der Schweiz
(ein andermal gab er an, er sei von Pyrmont zu Fuß losgezogen) sei er
ausgestiegen, weil er nicht weiter habe fahren können. In abwesendem
Zustand sei er dann nachts umhergeirrt, bis er schließlich aufgegriffen
wurde. Er wurde von der Schwester nach Berlin zurückgeholt. Nach
deren Angaben war er damals weder in der Gemütsverfassung der
ersten Erkrankung noch äußerte er die früheren Ideen. Er
war auch durchaus nicht lustig oder ausgelassen, sprach
auch nicht viel, machte keine Witze, zeigte keine Bewegungs¬
unruhe und dergleichen. Dagegen war er leicht erregbar,
hatte Sinnestäuschungen, erzählte der abholenden Schwester, wer
alles bei ihm in Kehl gewesen sei, sah einen Leichenzug, hörte Stimmen,
verkannte Personen. Er sprach zum Teil verworren, erzählte vom
Himmel usw. In Berlin auf dem Bahnhof meinte er, es sei ja hier ein Auf¬
erstehungsgeruch. Zunächst zu Hause untergebracht, warf er einem Leier¬
mann einen Taler herunter, legte die Uhr der Schwester in der Badeanstalt
ins Wasser u. ä. Er kam dann in eine Privatirrenanstalt, deren Krank¬
heitsgeschichte leider nicht mehr erhalten ist. Späteren Krankenakten ist zu
entnehmen, daß Halluzinationen, Wahnideen und Verwirrtheit
damals das Bild beherrschten. Er sah Leichenzüge, konnte in
den Himmel sehen, er erklärte, er habe bei der Schöpfung mitgeholfen,
sei erlöst usw. Nach 4 Wochen entwich er aus der Anstalt und wurde nun
nach Dalldorf (Ideler, Richter ) überführt.
Hier bot er keine akuten Erscheinungen mehr. Er trat sehr rede¬
gewandt und sicher auf, hatte anspruchsvolle Wünsche, speziell in seinen
Briefen, gab detaillierte Darlegungen seines Zustandes und seiner Er-
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Karl Birnbaum,
krankung. Er führte diese auf falsche Behandlung durch Mutter und
Familie zurück, wie er überhaupt gegen die Angehörigen, insbesondere die
Mutter, wegen der angeblich ungerechtfertigten Internierung gereizt war.
Er war dabei einsichtslos, lamentierte über die verlorene Zeit, die Mono¬
tonie bringe ihn noch mehr herunter. Die früheren Wahnideen, erklärte er,
entsprächen seinem früheren Zustande. Jetzt wollte er solche nicht haben,
dagegen klagte er in absurden Ausdrücken über glühende innere Hitze,
„Nervenglühen“, Gefühl, als ob er die Lunge im Unterleib hätte, Druck
über den Augen, in den Ohren und über dem ganzen Körper usw., hatte
aber Einsicht, daß es nur ein Gefühl sei. Die abnormen Sensationen be¬
ständen seit der Kindheit, deshalb könne er sie nicht als zu seiner Krank¬
heit zugehörig anerkennen. Auch seine persönlichen Verhältnisse und Be¬
ziehungen beurteilte er anfangs sehr uneinsichtig und verständnislos.
Später zeigte er ein vernünftigeres, seiner Lage angemesseneres Verhalten.
Anfang November 1881 äußerte sich Direktor Ideler im Hinblick auf das
schwebende Entmündigungsverfahren folgendermaßen über ihn: ,,p. R. bot
bei seiner Aufnahme hierselbst Erscheinungen hochgradiger Nervosi¬
tät dar und litt an krankhaften Sensationen mannigfachster Art.
Namentlich aber war es die schiefe Auffassung der Entstehung seines
kranken Zustandes, die Einsichtslosigkeit in denselben, die falsche Beur¬
teilung seiner eigenen Lage und seines Verhältnisses zur Familie, zur An¬
stalt und zu Personen, mit denen er in Verbindung stand (bei einem ziem¬
lichen Grade von Prätention und Selbstüberschätzung), welche einen
tiefen Defekt seiner Intelligenz bekundeten. Gegenwärtig nach
längerem Aufenthalt in der Anstalt erscheint R. ruhiger und besonnener,
das formale Denken ist nicht wesentlich gestört bei ihm, er beurteilt seine
Lage richtiger und zeigt seiner Familie gegenüber ein angemesseneres
Verhalten.
Wenn auch der bisherigen Beobachtung zufolge eine eigentliche
Heilung des Patienten ausgeschlossen werden muß, so kann doch
noch eine wesentliche Besserung bei ihm erzielt werden, und erscheint es
im eigensten Interesse desselben geboten, daß das Entmündigungsver¬
fahren noch hinausgeschoben wird.“
Im Entmündigungstermin Ende November 1881 wurde R. als
völlig geistig gesund anerkannt. Der gerichtliche Sachverständige
erklärte: R. zeige jetzt keine Spuren oder Zeichen einer geistigen Störung
derart, daß er als unvermögend erklärt werden könne, die Folgen seiner
Handlungen zu überlegen. Indessen ergäben doch seine eigenen Schilde¬
rungen, wie die früheren ärztlichen Atteste, daß er noch vor verhältnis¬
mäßig kurzer Zeit einen Komplex von Krankheitserscheinungen darge¬
boten habe, welche die irren- und gerichtsärztliche Wissenschaft als hypo¬
chondrische Verrücktheit bezeichne. Nach medizinischen Erfahrun¬
gen sei volle Genesung von dieser Krankheit und überdies innerhalb so
kurzer Zeit ein mindestens ganz ausnahmsweises glückliches Vorkommnis.
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Demgemäß halte er eine nochmalige Exploration nach 6 Monaten für
nötig, um ein definitives Urteil zu begründen. — Die Entmündigung wurde
durch rechtskräftigen Gerichtsbeschluß abgelehnt und R. nunmehr Anfang
Dezember 1881 aus der Anstalt Dalldorf entlassen. — Als Diagnose wurde
periodische Manie genannt.
Zweites Intervall.
R. nahm nunmehr seine juristische Vorbereitung wieder auf, er war
wiederum in den verschiedenen Stationen, wie ausdrücklich attestiert
wurde, mit großem Fleiß und Eifer sowie gutem Erfolg tätig, so daß ihm
sogar die Kammergerichtsstation geschenkt wurde. Auch sein allgemeines
Verhalten war durchaus natürlich, die Stimmung unauffällig und gleich¬
mäßig, er hatte Interessen, ging mit Freunden aus usw. Um seine Gesund¬
heit war er allerdings besorgt.
Mitte 1883 bestand er das Assessorexamen mit ausreichend, machte
dann eine Erholungsreise und ließ sich Anfang 1884 in einer kleinen Pro¬
vinzstadt als Anwalt nieder. Anläßlich eines bald darauf gestellten Antrags
auf Ernennung zum Notar erfolgten dann erneute Erörterungen über den
Stand seiner Gesundheit. Der befragte Arzt erklärte ausdrücklich, daß
er R., obwohl für etwas schwächlich, so doch für geistig wie körperlich
gesund halte, und daß eine noch in geringem Maße vorhandene Nervosität
sich bei einer geregelten Lebensweise unzweifelhaft verlieren werde.
R. hat dann in den nächsten Jahren wiederholt den Ort seiner Berufs¬
tätigkeit verändert, und zwar erfolgte dieser Wechsel im wesentlichen,
weil er so ein besseres Fortkommen zu finden hoffte. Die Niederlassung
und Berufstätigkeit betrieb er mit Ernst und Energie. Es ging ihm auch
an den verschiedenen Plätzen ganz gut. Einmal beantragte er auch seine
Wiederaufnahme in den Staatsdienst, da ihm die von der Nervenkrankheit
zurückgebliebene Nervosität die Anwaltstätigkeit erschwere. In den ganzen
Jahren bis 1890 war er in seinem geistigen Zustand und Verhalten im großen
ganzen gleichmäßig und unauffällig. Gelegentlich kamen wohl einmal
schwermütige Stimmungen, er schimpfte dann auf Leben und Praxis,
aber doch so, wie es jeden einmal überkommt, der kein ganz glattes Ge¬
schick gehabt hat. Auch sonst war er nicht weiter krank, hatte auch nicht
zu klagen, war nicht aufgeregt usw. Ideen nach Art der früheren brachte
er nicht vor. Er hatte wohl auch einmal selbst davon gesprochen und
sich gewundert, wie er darauf gekommen sei. Er lebte im übrigen gesellig.
Bier hat er wohl reichlich getrunken. An die Möglichkeit einer Neu-
erkrankung dachte man gar nicht mehr.
Dritte geistige Störung.
Im Sommer 1891, während R. zur Erholung an der Nordsee weilte,
veränderte sich sein Zustand. Er wurde sehr unruhig, aufgeregt, schlaflos,
unstet und in sich gekehrt. Auf der Rückreise hatte er noch dazu die Auf¬
regung, daß er von einem Juristen, vielleicht wegen seines veränderten
Wesens, für den Raubmörder Wetzel gehalten wurde und festgenommen
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Karl Birnbaum,
werden sollte. Zurückgekehrt war er aufgeregt, schwermütig, lebensüber¬
drüssig, mutlos, klagte, er könne nichts leisten, mußte angetrieben werden,
daß er überhaupt auf das Gericht ging. Immerhin arbeitete er noch einige
Monate weiter. Schließlich mußte er Ende 1891, da er einen Selbstmord¬
versuch machte, in eine Irrenanstalt aufgenommen werden. Daß man ihn
in eine solche brachte, darüber war er sehr böse, wie früher auch schon.
In der Anstalt hat er gleich von Anfang an die gleichen Ideen wie
früher geäußert, daß durch den Salzgehalt der Salzbrunner Quelle, die
seine Mutter seinerzeit gebrauchte, die Urzelle, das Eichen, aus dem er
entstanden, zu sehr ausgetrocknet und er daher gar nicht zum Leben ge¬
kommen sei usw. Er klagte über Mangel an Energie, innere Unruhe, die
ihn hin und her treibe. Wenn er die Augen zu schließen versuche, sei
rabenschwarze Nacht um ihn, er könne sich dann auf nichts besinnen,
es sei dann alles leer und hohl in ihm. Er habe keine Seele und nur einen
Körper, dem aber die Nerven fehlen. Das Gefühl habe er bereits auch in
gesunden Tagen gehabt. Die Sonne sehe er nur als helle, aber blasse
Scheibe, die kaum in doppelter Häuserhöhe über ihm stehe, er habe sie
von Kindheit an nur so gesehen. Die ganze Natur erscheine ihm anders
als andern Menschen. Er habe, ohne es je selbst empfunden zu haben,
das Gefühl, daß das Leben — nicht, wie er es kennt, sondern wie es in
Wirklichkeit sein muß — etwas Großes, Herrliches und Schönes sein müsse,
vorstellen könne er sich dieses Leben aber gar nicht. Er könne nur der
äußeren Form wegen als Mensch gelten, sei es aber in der Tat gar nicht,
sondern führe — in ewiges Dunkel als ein lebloses, von der lebenden
Schöpfung ausgeschlossenes Etwas gehüllt — ein ganz klägliches Schein¬
leben. Sein Körper bestehe nicht aus Organen, sondern aus einer für alle
Ewigkeit unauflöslichen und unzersetzlichen Masse. Von allem Leben und
der Welt habe er nur durch Hörensagen von seiner Umgebung Kenntnis
erhalten, denn schon in seiner Jugend habe er stets voll Angst und Grauen
in tiefer Nacht, von dem Anblick der Menschheit ausgeschlossen, in einer
Hinterstube gesessen. Außer einigen undeutlichen schwarzen Schatten
sehe er nichts in der ihn umgebenden Finsternis. Alle äußeren Eindrücke
bereiten ihm Pein und Plage. Außer Sand und Steinen kenne er nichts in
der Welt durch unmittelbare Sinneswahrnehmung, alles übrige ist ihm
unbekannt und verschlossen geblieben, so daß er etwa nur an hundert
Begriffe kenne und manchen Gegenstand nicht zu benennen vermöge.
Nach diesem traurigen irdischen Dasein harren seiner noch viel entsetz¬
lichere Qualen unter der Erde. Dort werde für seinen unzersetzlichen
Scheinleib eine ewige Stein- und Feuerqual anheben, aus der er nimmer
• befreit werden könne. Spazierengehen, Essen, Trinken und dergleichen
erquickt ihn nicht, sei ihm völlig nutzlos, ja geradezu lästig, wie alles,
was zum Leben gehörig und mit ihm Zusammenhänge. Auf sich ge¬
schossen habe er nur, um die Seinen zu überzeugen, daß die Kugel an
seinem Körper als einer völlig leblosen, undurchdringlichen Masse schadlos
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Zum manisch-depressiven Irresein.
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abprallen müsse. Beim Tode seiner Mutter (der während des An¬
staltsaufenthalts erfolgte) hoffte er, durch ihre Fürbitte bei Gott
in den vollen Besitz des ihm versagten Lebens gelangen zu
können, doch auch diese seine letzte Hoffnung ging leer aus. Seine
Äußerungen brachte Pat. in ,Ruhigem, fast traurigem, bescheidenem Ton“
vor. Den Namen R. lehnte er ab, er sei vor Jahren einer gewissen Frau R.
als ein Nichts aus dem Leibe gefallen. Vorübergehend erklärte er, sein
Ende stehe binnen zwei Tagen bevor, und erbat vom Arzt das Versprechen
der Sektion, was ihm zwar nichts nutzen könne, aber zeigen würde, daß
bei ihm nichts als das „rudimentäre Eichen“, das nicht zur Entwicklung
gelangt sei, zu finden sei. Einmal riß er sich vor innerer Unruhe die Bart¬
haare aus. Im übrigen war er niedergedrückter Stimmung, verhielt sich
ungemein still und passiv, war gern allein für sich, sehr wenig gesellig und
einsilbig, solange er nicht von sich reden durfte, „was er mit großer Vor¬
liebe zu tun pflegt“. Seine Lieblingsbeschäftigung war das Rauchen. Hin
und wieder las er auch ein wenig. Auf Spaziergängen, die er äußerst ungern
unternahm, benahm er sich ganz ruhig, doch auch völlig teilnahmlos. Der
körperliche Zustand, Schlaf und Appetit waren dabei im großen ganzen
zufriedenstellend.
Dieser Zustand hielt nun viele Jahre hindurch in
wesentlich gleicher Weise an. „Das Verhalten und die Äußerungen
des Pat. bleiben stereotyp gleich.“ — „Status idem“ —. „Dieselben Wahn¬
ideen, dasselbe Benehmen“ — „Zustand unverändert“ — „voll und ganz
derselbe“ sind Feststellungen, die in der Krankengeschichte sich über eine
lange Reihe von Jahren forterstrecken. Es wird im übrigen erwähnt, daß
er täglich vor jedermann, nicht bloß vor dem Arzt, sondern
auch vor Fremden, seine Wahnideen vorbringt und sich Mühe
gibt, den andern von der Realität zu überzeugen. Eine Zeit¬
lang drängte er auch sehr darauf — es war zurZeit der Röntgenschen Ent¬
deckung—, daß er mit Röntgenstrahlen photographiert würde,
um die abnorme Gestaltung seines Innern beweisen zu können (ein Wunsch,
den ihm übrigens seine Schwester und ein befreundeter Rechtsanwalt auch
wirklich erfüllen wollten), über sein sonstiges Verhalten heißt es u. a.:
,,R. verkehrt mit niemand, geht im Zimmer, Korridor oder Hof oft
stundenlang in ziemlich schnellem, ganz gleichmäßigem
Tempo, sich stets in derselben Bahn haltend, mit gesenktem
Blick auf und ab. Er spielt zuweilen Karten, Dame, liest auch täglich die
Zeitung, vernachlässigt sein Äußeres. Er raucht gern und
nimmt, wenn er gerade keine Zigarren hat, die von andern
in den Aschenbecher geworfenen Reste an sich, um sie zu
rauchen.“ — ,,Geistig geschwächt, von nihilistischen Wahnideen
beeinflußt, ernst, ruhig, lenksam, vielfach mit Lektüre beschäftigt“, besagt
ein ärztlicher Eintrag vom Jahre 1901. So geht es viele Jahre hindurch,
und noch Mitte 1904, also nach etwa 13jähriger ununterbrochener Krank-
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Karl Birnbaum,
heitsdauer, steht in der Krankengeschichte: „Seit Jahren stets sich gleich¬
bleibend. Zeigt nicht die geringste Abweichung von seinem gewohnten
Verhalten.“ Ende 1904 heißt es dagegen: „Unterhält sich mehr mit seinen
Mitkranken, spielt Unterhaltungsspiele“, und bald darauf: „Ist auch jetzt
viel zugänglicher“. Anfang 1906 dann weiter: „Äußert seine krankhaften
Ideen seltener, spielt viel mit seinen Mitkranken. Sucht mehr den Verkehr
mit seiner Umgebung, unterhält sich, läßt sich von seinen Ideen ablenken,
zeigt Interesse für Politik. Mitte 1906 wird festgestellt: ,,Pat. erkennt
seine Wahnideen als solche, erscheint ganz umgewandelt.
Hält sich reinlich, ordentlich, ist in guter Stimmung“. Bald darauf,
Juli 1906, wird er dann als geheilt nach Hause entlassen nach etwa
löjähriger Dauer der Erkrankung. Diagnose: Paranoia.
Von R.s Schwester, die ihn regelmäßig in der Anstalt besuchte und
die überhaupt einen psychologisch wertvollen katamnestischen Überblick
über das gesamte Krankheitsbild noch zuletzt gegeben hat, stammt fol¬
gende Schilderung dieser über 1 1 / 2 Jahrzehnte sich erstreckenden Krank¬
heitsepoche: Im großen ganzen war R.s Zustand in dem Zeitraum von etwa
1891 bis 1905 gleichmäßig und unverändert. Er sprach nur von
seinen Wahnideen und hatte das Bedürfnis, davon zu
sprechen. Wenn er davon sprach, war er vollkommen klar. Er erzählte
immer dieselben Sachen mit denselben Ausdrücken und regte sich manch¬
mal auf, wenn man ihm widersprach. Anfangs hatte man den Ein¬
druck, als ob die Gedanken ihn stärker beunruhigten und
quälten, später war er im ganzen gleichgültiger und ruhiger.
Er brachte dann die Ideen wie etwas auswendig Gelerntes
vor, er betete sie her, und weiter war nichts. Er schien sich nicht
mehr immer mit ihnen zu beschäftigen. Mürrisch war er dabei nicht.
Den Eindruck erschwerten Denkens und geistigen Gehemmt¬
seins machte er nicht. Irgendein Stimmungswechsel wurde
nicht beobachtet. Für andere Dinge interessierte er sich
überhaupt nicht. Er erkundigte sich nicht nach Praxis, Zukunft,
Außen Vorgängen, der Zusammenhang war unterbrochen. Das Gefühlsleben
war eigentlich gar nicht mehr vorhanden. Was ihm sonst lieb, wert und
wichtig war, gab es nicht mehr für ihn. Auch mit den Angehörigen fehlte
der innere gemütliche Zusammenhang. So sagte er z. B. 1894 der Schwester
bei einer Erkrankung: ,,Na, wenn du gestorben wärest, hätte es
mir auch weiter nichts geschadet“, während er früher bei einer
ähnlichen Gelegenheit sich um die Schwester sehr geängstigt hatte. Gegen
die Mutter war er direkt feindlich gesinnt, und als er sie 1893 vor ihrem
Hinscheiden noch einmal besuchen sollte, weigerte er sich trotz allen Auf¬
forderungen durch den ihm selbst befreundeten Arzt. Er hatte auch sonst
außerhalb seiner Ideen weder Klagen noch Wünsche, hielt sich
nicht über die Freiheitsberaubung auf, wurde 1894, als ein Anstaltswechsel
erfolgte, nicht im mindesten berührt, wollte auch weiter gar nicht heraus.
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Es war ihm ganz gleich, ob man ihn besuchte oder nicht. Er las nicht,
schrieb nie, nur rauchte er immer, ohne daß er aber Wünsche nach Zigarren
äußerte. Auf die Kleidung achtete er nicht; er hatte auch keine Lust,
sich zu waschen.
In den letzten Jahren von etwa 1905 an änderte sich sein Verhalten.
Er fing an, weniger von seinen Ideen zu sprechen, fragte nach Angehörigen
und Bekannten, erzählte auch, was er in der Zeitung gelesen und was ihn
besonders interessierte. Später brachte er auch kleine Wünsche vor nach
Büchern, Spielen, Toilettengegenständen usw. Er hielt mehr auf sein
Äußeres und war im ganzen natürlicher. Ausgelassen war er aber
nicht, überhaupt wurde keine unnatürliche Heiterkeit an
ihm bemerkt. Er schloß sich auch mehr an andere Patienten an und
verkehrte mit ihnen, während er anfangs sich allein gehalten hatte.
Zwischendurch kam auch wieder etwas von seinen Ideen vor, es wurde
aber immer weniger, bis es nachher verschwand. Der Zustand besserte
sich immer weiter, und schließlich war R. anscheinend so wie vor 15 Jahren.
Bezeichnend für die Eigenart des Krankheitszustandes in dieser Zeit
ist auch die zu R.s gerichtlichen Personalakten gegebene Schilderung eines
ihm befreundeten Anwalts, der ihn in der Anstalt regelmäßig besuchte:
„Hier fand ich ihn, abgesehen von einer einzigen unrichtigen Idee,
die sich seiner bemächtigt hatte, vollständig klar und unverändert. Er
erinnerte sich der früheren Vorgänge mit voller Deutlichkeit, ja, legte
hierbei eine bewunderungswürdige Schärfe des Gedächtnisses an den Tag.
Immer zeigte er sich über alle Ereignisse der Gegenwart unterrichtet.
Ich habe mich in alter Weise oft stundenlang unterhalten, ohne daß in
seinem Denken die geringste Anomalie hervorgetreten w r äre. Deshalb
mochte ich an eine wirkliche dauernde Erkrankung bei ihm immer noch
nicht glauben. Es überraschte mich daher im Grunde genommen nicht,
als R. mir im vorigen Jahre mitteilte, daß er aus der Anstalt entlassen
werden würde, da er sich gesund fühle.“
Drittes Intervall.
Nach der Entlassung richtete R. ein sehr ausführliches Bittgesuch
an den Kaiser zwecks Gewährung einer Unterstützung zu einer Erholungs¬
kur im Hochgebirge. Er schilderte darin sehr einsichtig sein Vorleben,
die früheren Krankheitsanfälle und ihren Verlauf, seinen gegenwärtigen
Zustand und die Situation, in der er sich mit 55 Jahren nach 15jährigem
Anstaltsaufenthalt befinde. Die Lebensverhältnisse, Berufs- und Familien¬
beziehungen, die Zukunftsmöglichkeiten usw. werden darin durchaus an¬
gemessen bewertet und gewürdigt. R. ging dann, nachdem er sich bis in
den Herbst bei den Angehörigen aufgehalten, zur Erholung in das Engadin,
wo er den Winter über blieb und verhältnismäßig einfach lebte. Briefe
aus dieser Zeit, welche mir Vorlagen, zeigen nichts Auffallendes, insbe¬
sondere keinen hypomanischen oder ähnlichen Einschlag. Nach der
Rückkehr beantragte er seine erneute Zulassung zur Anwaltspraxis, aus
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Karl Birnbaum,
der er 1895 gelöscht worden war. Im Oktober 1907 begutachtete ihn darauf¬
hin der Kreisarzt und stellte nach wiederholter Untersuchung und Einsicht
in die frühere Krankengeschichte fest, daß R. „körperlich rüstig und
gesund ist und sich geistig in einem durchaus normalen Zustande
befindet. Sein Körper- und Geisteszustand berechtigt zu der Erwartung,
daß er die Anwaltspraxis noch eine längere Reihe von Jahren wird dauernd
ausüben können“. Seinem Antrag wurde denn auch stattgegeben. R.
bereitete sich dann mit Ernst und Eifer auf seinen Beruf wieder vor,
arbeitete sich insbesondere schnell in das inzwischen eingeführte BGB.
ein und nahm dann die Praxis wieder auf. Seine Leistungen wurden ver¬
schieden beurteilt. Einzelne Berufsgenossen meinten, seine Leistungs¬
fähigkeit sei herabgesetzt gewesen, bei andern fand er Anerkennung.
Jedenfalls gelang es ihm wieder, in die Praxis sich hineinzufinden. Im
persönlichen Zusammensein war er unauffällig und nicht verändert. Er
war ruhig, aufmerksam, freundlich, liebenswürdig, nicht übertrieben lebens¬
lustig und betrübt höchstens, wenn er von seinem zerstörten Leben sprach.
Er hatte dafür eine feine Empfindung, wenn er so sah, wie die Studien¬
genossen vorwärtsgekommen und er es zu nichts gebracht hatte. Auch
aus dieser Lebensperiode habe ich Briefe an Angehörige gelesen, die nett
und voll warmen verwandtschaftlichen Gefühls gehalten sind und keinerlei
Auffälligkeiten darbieten.
Im Gegensatz zu diesem allgemeinen Verhalten und auch zu seinem
sonstigen Charakter steht nun freilich seine sonstige Lebensführung nach
der Entlassung. Er exzedierte in Baccho et Venere, gab sich mit
Frauenzimmern ab und hielt sich selbst im Hause seiner Angehörigen ein
Mädchen. Mehrfach blieb er die Nacht über weg und kam betrunken im
Auto zurück. Selbst bei Einladungen in fremde Familien ist er betrunken
hingekommen. Auf Vorhaltungen wurde er ärgerlich. Eine Zeitlang trank
er dann wieder gar nicht. Das verdiente Geld verschleuderte er in kürzester
Zeit und ging dann die Angehörigen um Geld an, wiewohl es ihm schwer
wurde, ihnen Sorge zu machen. Trotz dieses leichtsinnigen Umgehens
mit seiner Gesundheit war er dabei ängstlich um diese besorgt, pflegte
seinen Körper sehr mit gymnastischen Übungen, Essenzen, lehnte einmal
ein Bad aus Furcht vor Herzschlag ab usw.
Vierte Erkrankung.
Seit etwa Weihnachten 1911 zeigte R. wieder vorübergehende trübe
Verstimmungen, in denen er aber im großen ganzen arbeitsfähig blieb und
weder die hypochondrischen Ideen noch Selbstmordgedanken oder Selbst¬
vorwürfe äußerte. Der Zustand schwankte, verschlimmerte sich aber
schließlich im Frühjahr 1912 so, daß man ihn, mit seinem eigenen Ein¬
verständnis, von neuem in eine Anstalt, zunächst in eine private, dann in
eine Provinzialanstalt brachte. Bis kurz vor der Einlieferung soll er klar
und geordnet gewesen und erst wieder mit den gleichen Wahnideen wie
früher zusammengebrochen sein, als er von einem Kollegen, für den er
Gelder eingezogen hatte, um Zahlung moniert wmrde.
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Zum manisch-depressiven Irresein.
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Der Zustand R.s in der Anstalt war in den folgenden Jahren bis jetzt
im wesentlichen der gleiche wie früher. Er brachte wieder die früheren
Ideen mit den gleichen stereotypen Ausdrücken vor und begründete sie
auch in der gleichen Weise mit seiner Schöpfungs- und Befruchtungs¬
theorie, Einwänden dabei mit sophistischen Widerlegungen begegnend.
Er lag im übrigen viel im Bett, zeigte für nichts Interesse, kümmerte sich
nicht um die Angehörigen, oder aber war unruhig und unstet und ging auf
dem Korridor hin und her. Trotz seiner Wahnideen rauchte er mit
Behagen Zigarren. Sein AlTektleben war anscheinend der Intensität
und Färbung nach nicht immer gleich. Meist ist seine indolente Stim¬
mung hervorgehoben, die Affektlosigkeit, mit der er täglich immer
wieder die gleichen Ideen vorbrachte, das untätige, stumpfe Herum¬
sitzen auf immer dem gleichen Platze oder das stumpfsinnige
Umhertrippeln. „Im ganzen recht indolent“ — ,,kein ent¬
sprechender Affekt“ — ,,ohne jeden Affekt“ — ,,in seinem
Wesen stets sich gleichbleibend, Affekt nicht mehr nennenswert“
sind ärztliche Kennzeichnungen seines Zustandes in den folgenden Jahren
bis 1916. Immerhin hat er doch auch Zeiten stärkerer Affektivität gehabt
und in den ersten zwei Wochen nach der Verlegung aus der Privat- in die
Provinzialanstalt hat er Zustände ängstlicher Verstörtheit mit un¬
ruhigem Jammern, Selbstbeschuldigungen, Nahrungsverweigerung und
Unreinlichkeit dargeboten. Er erklärte, er hätte alles verschuldet, daß
die andern hier leiden müßten, er hindere alle am Fortkommen usw.,
jammerte, es ginge zu Ende, hatte Angst, allein weiterzugehen oder durch
eine Tür zu gehen, indem er glaubte, er käme nie wieder heraus, es sei
alles verschlossen. Draußen seien viele Autos da, man wolle ihn zum Straf¬
richter holen und ähnliches mehr. Später bot er dann unverändert das
oben gekennzeichnete Verhalten.
Von Einzelheiten aus dieser vierten Krankheitsepoche sei noch ange¬
führt: Seine Wahnideen erfuhren insofern eine Erweiterung, als
er die Schuld an seinem Ausfall aus der Schöpfung nun nicht
allein den Salzbrunner Brunnenkuren der Mutter, sondern
auch ihrem Aufenthalt in einem koscheren Haushalt beimaß.
Er äußerte auch, der Meyerbeersche Arzt sei von Salzbrunn aus
bestochen worden, daß er Badegäste hinschicke, und habe
deswegen die Kur empfohlen. Einmal berichtete er, er hätte nachts grä߬
liche Erscheinungen gehabt, die er gar nicht wiedergeben könne.
Er bat den Arzt, in Wort und Schrift Propaganda zu machen, daß ähnliche
Fälle wie er nicht mehr Vorkommen könnten. Dem Hinweis auf sein früheres
flottes Leben begegnete er damit, daß er es aus Verzweiflung und um sich
abzulenken geführt habe. Auf die Mitteilung, daß er einen Pfleger be¬
kommen habe, fragte er, ob er nun entmündigt sei (als Rechtsanwalt 1).
Die Eigenart seines Zustandes beleuchten auch folgende Äußerungen:
„Wir sitzen hier in der Falle, Herr Doktor, wir können nicht heraus,
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Karl Birnbaum,
es hilft nichts mehr, wir sind fertig.“ „Die Sache ist wohl so: DerMensch,
z. B. Sie, sitzen hier im Zimmer und in Ihrem Kopf ist die ganze
Welt und der Geist ist durch nichts eingeengt. Aber ich, wenn ich im
Zimmer bin, ich bin eingegittert, so daß ich nicht hinaus kann,
vollständig eingegittert.“ „Ich sitze hier mit diesen Massen (auf seinen
Bettteppich deutend) und komme nicht mehr durch.“
Zur Charakteristisk seien schließlich noch zwei aus dieser Zeit stam¬
mende Briefe angeführt:
L. D.
„E..., August 1912.
Dank für Deine Zeilen. Kämst Du noch einmal, Du hörtest nichts
anderes von mir als die grausige Wahrheit, die Du und kein Lebender
glaubt — weil Ihr Eures Lebens wegen dazu außer stände seid.
Ich habe stets Euch mit Sicherheit sagen können und müssen, daß
es einen Gott außerhalb der Welt nicht gibt. Es ist nur die Urkraft,
die auf Euch übergegangen ist, resp. jeder Mensch ist selbst Gott und als
solcher für sich allmächtig. Gäbe es aber selbst einen Gott außer der Welt:
was Eure Mutter mit Gewalt von der Welt abgesperrt hat — der Eierstock,
den sie mit mir hat erstarren lassen durch Vernichtung der Menstruations¬
säfte im Sommer 1850 — das könnte auch kein Gott mehr zum Leben
erwecken.
Die bodenlose Gewissenlosigkeit aller Beteiligten (des edlen G. 1 ),
Eures Vaters und Eurer Mutter) hat mich, anstatt mich zum Leben kommen
zu lassen, für die sämtlichen Ewigkeiten der Finsternis und dem ewigen
Stein- und Feuertode unter den Lavagluten der Erde überliefert.
Ein Ende gibt es nicht für mich. Mit jedem Augenblick wächst die
grausige Qual ins Unendliche. Von Uranfang an gab es nur einige Finsternis
und Stille für mich, von der ganzen Welt, von allem Lebenden nichts.
Vielleicht wird Dir nebenstehende Skizze ein Bild
machen von dem Unterschied zwischen Euch, allen Lebenden
und mir. Ich wundere mich, daß Du gegenüber diesen Tatsachen immer
noch Entschuldigungen findest für Deine Mutter. Eine Frau, die nach
5 Geburten sich erschöpft fühlt, dabei selbst immer über Kraftlosigkeit
*) der damalige Arzt
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Zum manisch-depressiven Irresein.
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geklagt hat, die mußte so weit von ihrem Verstände Gebrauch machen,
daß sie nicht eine säftezerstörende Quelle trank. Sie durfte das unter
keinen Umständen, bis nicht mit Ende der 40er Jahre ihre Perioden selbst
aufgehört hätten.
Soviel weiß jede gebildete Frau vom eigenen Körper. Sie wurde ja
überall als so gebildet und klug hingestellt.
Du und Anna, ihr habt unendliche Opfer für mich gebracht. Auch
Euer Leben ist zerstört worden durch die ewige Misere mit mir und
die ewigen vergeblichen Kosten. Wäre mir das Leben geworden, ich
hätte wie Ihr keinen in Anspruch genommen. Anna und Dir Gruß — aber
was besagt ein Gruß von etwas, das weniger ist als ein Stein, der auf
dem Felde liegt.
Annas frohe Zuversicht begreife ich jetzt. Eures Lebens kann ja
nur ewige Herrlichkeit hier und dort vorhanden sein. — Für mich war nie
etwas und wird nie etwas sein als das Gegenteil von allem.
Kein Organ, vom geringsten bis zum Gehirn nicht, eine unauflösliche
Masse ohne jeden Lebensstoff. Ernst R.“
Ein anderer Brief:
„Bestelle Deiner edlen Mutter meinen Dank für den Stein- und Feuer¬
tod unter der Erde, den sie mir gegeben, wenn Du sie im Himmel wieder¬
siehst.
Liebes Dorchen. Man drängt mich Dir zu schreiben.
Ich aber kann nichts weiter mitteilen, als was ich Dir und vielen
anderen so und so oft der grausigen Wahrheit entsprechend mitgetei^ habe.
Wenn ich allein, anstatt zum Leben erweckt zu sein, in grausiger
ewiger Finsternis und Höllenqual von aller Welt und allem Leben von
Anfang an ausgeschlossen wurde, so kann das nicht meine Schuld,
auch keine verdiente Strafe sein. Denn Strafe kann nur
bewußte böse Absicht treffen — ich aber wurde der Hölle
überliefert, ohne je das Licht der Welt erblickt zu haben —
ohne je Verbindung erlangt zu haben mit Geist und Leben.
Die Schuld trifft diejenigen, die mit beispielloser Gewissenlosigkeit
Deine Mutter die Stoffe zu sich nehmen ließen, welche meinen Eintritt,
resp. meine Aufnahme in die Welt und Lebensstoffe verhinderten. Ein
klein wenig Sorgfalt im Nachdenken, und ich wäre ein Nichts geblieben,
wie jedes Ei, das nicht mit dem männlichen Samen in Berührung kam.
Jetzt aber heißt es bei allen, die Ihr aufgenommen seid in die ewige
Herrlichkeit des Lebens, daß ich durch viehische Lüste und gemeine Ge¬
sinnung mein sogenanntes Schicksal verschuldet hätte.
Das ist aber überhaupt kein Schicksal, wie Ihr Menschen es meint —
es ist grauenhaft, daß die grauenhafteste Phantasie keine Ahnung davon
jemals sich machen kann.
Es ist eben das einzige, was man Hölle nennen kann. Sonst gibt es
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Karl Birnbaum,
keine Hölle im Weltall als die für mich von Anfang an bestimmte, mir
von Anfang an gewordene Trennung von jedem Sein und Leben.
Hätte Deine Mutter sich ein wenig zu beherrschen verstanden im
Gebrauch gänzlich unnützer, für jeden einfachen Menschenverstand nur
furchtbar schädlich für den eigenen Körper wirken müssender Faktoren,
so hätte sie durch Unterlassung was mit mir in ihrem Körper noch dem
Leben entgegenschlummerte auch seiner Bestimmung entgegenführt.
Die sichere ungestörte Weiterübertragung des Lebens hat die höchste
Macht eben auch unter vernünftiges Denken gestellt und würde Vernunft
und Gewissenhaftigkeit mich davor bewahrt haben, anstatt der Welt und
dem Leben zugeführt dem ewigenStein- und Feuertode unter der Erde
überliefert zu werden.
Dir und den Menschen brauche ich ja nichts zu wünschen. Ihr habt
ja mit dem Leben jede Herrlichkeit und Freude und unerschöpfliche
Weiterentwicklung in alle Ewigkeit.
Das traurige ewige Opfer von menschlichem
Leichtsinn und menschlicher Gewissen¬
losigkeit
Ernst.“
Als vorläufige Diagnose ist in der Krankengeschichte periodische
Melancholie, als endgültige Spätkatatonie (periodische Form)
angegeben.
Gegenwärtiger Zustand:
Das allgemeine Verhalten R.s entspricht im wesentlichen dem
eben geschilderten: interesselos, wunschlos, ohne Anteil an Angehörigen
oder der Umgebung liegt er viel im Bett, schläft ruhig, ißt aber schlecht.
Seine Stimmung ist nicht eigentlich schwer depressiv, sondern nur gedrückt,
bekümmert zu nennen. Erscheinungen einer deutlichen Hemmung sind
nicht nachzuweisen.
Im Vordergründe des Krankheitsbildes steht nach wie vor der
hypochondrisch-nihilistische Wahnkomplex. R. kommt sogleich
bei jeder Exploration ausführlich auf seinen unbelebten Zustand und dessen
Ursachen zu sprechen und entwickelt dabei wieder die zugrunde liegende
naturwissenschaftliche Zeugungstheorie. In seiner Selbstschilderung
kehren gewisse Ausdrücke ganz stereotyp wieder: „Unauflösliche Masse
ewiger Finsternis“ — „Opfer der Schöpfung, ewiges, grauenhaftes“ —
„ewiger Stein- und Feuertod unter der Erde ist, was mir bevorsteht“ usw.
Von selbst kennzeichnet er sich immer wieder voll Bitterkeit: „Die
Schöpfungszellen sind vernichtet, fertig, nicht mal Ei geworden geschweige
denn Mensch!“ „Das ewige Opfer der 12 Jahre koscheren Lebens, das
meine Mutter geführt hat!“ „Ewiges Opfer der koscheren Judenherrlich¬
keit und namentlich der zweiten Salzbrunner Quelle!“ Einwendungen
und Zweifeln gegenüber zieht er in entschieden lebhafter Weise und mit
unverkennbarem Reichtum an Worten und Gedanken Erläuterungen heran,
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Zorn manisch-depressiven Irresein.
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veranschaulicht beispielsweise in einer der früheren schematischen Skizze
ähnlichen Zeichnung seine Ausnahmestellung gegenüber dem Leben und
den Menschen. Er läßt sich durchaus auf eine richtige Diskussion ein.
erklärt: ..Ich bitte Sie, daß Sie das nicht einsehen wollen“ — ..Herr Dr.,
Sie werden doch nicht behaupten wollen!“ und sucht durch Vergleiche,
Beispiele und ähnliches Belege für die Richtigkeit seiner Anschauung zu
bringen. „Sehen Sie mal, es wird gesagt, Chinesen können sich nähren mit
ein paar Händen Reis und bestehen dabei. Ein Jude würde das wahrscheinlich
auch können, aber doch kein Deutscher. DieMutter hat sich von einer ganz
verfehlten Kost ernährt.“ Auf einen gelegentlich einmal erhobenen Einwand,
daß beidem christlichen Verkehr im Meverbeerschen Hause wahrscheinlich
*
gar nicht rituell gegessen wurde, kommt er sogar von selbst bei einer späteren
Gelegenheit zurück: „Wenn Sie glauben, daß die Leute nicht koscher ge¬
gessen haben wegen ihrer christlichen Beziehungen, so haben sie vielleicht
bei Gesellschaften anderes Essen gegeben, sonst aber mit ihrer jüdischen
Familie koscher gegessen. Also das macht den Kohl nicht fett.“ Gegenüber
Hinweisen auf das Unlogische seiner Äußerungen verteidigt er sich lebhaft.
Hält man ihm die Widersprüche zwischen seinem Verhalten und seinem
angeblich versteinerten Zustande vor, so wird er unwillig. — „Ja. wenn
Ihnen das solches Vergnügen macht, dann schreiben Sie es hin.“ Oder er
lehnt gereizt ab: „Interessiert mich nicht. Sie stehen auf einem falschen
Standpunkte.“ — „Ach Gott, Sie ändern doch mit all ihren Deduktionen
nichts an der grausigen Tatsache, die mir geworden ist, absolut gar nichts!“
Auf naturwissenschaftliche Gegengründe erklärt er, die Wissenschaft
könne das nicht feststellen, weil sie nur existierendes Leben beobachten
könne. Der Arzt selbst spreche es so kühn und leicht hin. er gehe eben so
selbstverständlich von den Dingen der Welt aus.
Auch die Hinweise auf die Zeiten, in denen er sich laut Kranken¬
geschichte anders verhalten und geäußert habe, läßt er nicht gelten:
„Wer das aufgeschrieben hat, hat eine gemeine Lüge aufgeschrieben. Das
ist ein Unsinn.“ (Warum hat man es getan?) „Weil die Phantasie der
Menschen jedenfalls sehr groß ist.“ — Selbstvorwürfe wegen seines
Zustandes weist er entschieden zurück: „Wie soll ich mir Vorwürfe machen,
ich habe sie (sc. die Mutter ) nicht in das Haus geschickt.“ Ebenso weist
er Versündigungsideen weit von sich: „Da hört alles auf, ich be¬
komme kein Leben, ewige Feuerqual unter der Erde und da
soll ich der Sünder sein!“ „Ich habe niemandem etwas Böses getan.
Ich habe überhaupt weder etwas Böses noch Gutes tun können. Nein, ich
bin das Opfer der Gewissenlosigkeit und Ehrlosigkeit deutscher Christen,
die ihre Kinder an das koschere Judentum verschachert haben.“ über
diesen Vorfall spricht er sich immer wieder mit großer Erbitterung aus:
„Das war aber der Tanz vor dem Mammon, erbärmliche! Ja, es ist grausig
zu denken, daß man daran zugrunde gehen muß, solche erbärmliche Ge¬
sinnung! Wenn das junge Mädchen in ein reiches christliches Haus ge-
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Earl Birnbaum,
kommen wäre, konnte so etwas nicht passieren, da wäre sie erstarkt zu
einer reichen Persönlichkeit. Es brauchte kein Millionenhaus zu sein, wenn
es eine einfache Familie war.“ — Als seine Mutter gelegentlich einmal
genannt wird, sagt er: „Das niederträchtigste Scheusal auf Gottes Erd¬
boden“. Auf der andern Seite läßt er aber gelten, daß nirgends böse Ab¬
sicht vorliege, daß jedenfalls kein Mensch auf so etwas kommen konnte,
und die Großeltern so etwas auch nicht getan hätten, wenn sie geahnt hätten,
daß es ihrem Kinde schaden könnte. Auch jedes religiöse Empfinden lehnte
er übrigens ab: „Ein nettes Gotteswalten, das das zugelassen hat!“ Wenn
er im übrigen sein Geschick auch für ein ganz einzigartiges hält, so gesteht
er doch zu, daß unter ähnlichen Bedingungen auch sonst noch andere
Fälle vorgekommen sein mögen.
Eine Feststellung seiner geistigen Fähigkeiten und Leistungen
(Gedächtnis, Urteil usw.) sowie der Eigenart und subjektiven Begleit¬
erscheinungen seiner seelischen Tätigkeit (Empfmdungs-, Wahrnehmungs¬
funktionen und dergleichen) bietet erhebliche Schwierigkeiten, da R. so
ziemlich alles im Sinne seiner Wahnanschauungen färbt und beantwortet.
„Es ist nichts aufzuklären, es ist eben nichts!“ — „Herr Oberarzt, und es
hilft nichts, und wenn Sie noch so viel bohren und bohren, vor Ihnen sitzt
der ewige Stein- und Feuertod.“ Er negiert tatsächlich alles: Geburt,
Kindheit, Tätigkeit, Leben usw. Er hat keine Organe, keinen Geist, ist
daher auch nicht geistig gestört („geisteskrank, wo niemals Geist gewesen!“),
„hat von nichts ein Wissen, ist überhaupt nicht geworden“, „überhaupt kein
Wesen“, ist „gar nicht aufgenommen ins Leben“, daher auch nie krank ge¬
wesen, denn „Krankheit ist auch ein Lebensprozeß“, es ist kein Zustand usw.
Fragt man ihn nach seinem Vorleben, so weiß er eigentlich über die Daten
recht gut Bescheid, selbst bis in Einzelheiten. Er gibt Auskunft, wann er seine
Examina gemacht hat, „ohne etwas zu wissen“, bei welchem „sogenannten“
Gericht er niedergelassen war, „ohne daß ich es je gesehen habe“, in welchem
Jahre man die „Lächerlichkeit“ begangen habe, „einer unauflöslichen
Masse den Justizrattitel anzuhängen“. Beim Militär ist er nicht gewesen,
ebensowenig in einer Verbindung. „Sehen Sie mich doch bloß an, ich glaube,
da brauchen Sie gar nicht zu fragen, haben Sie jemals ein solches Jammer¬
gestell gesehen, ein sogenannter Mensch, der 64 Jahre gelebt haben soll,
daß der aussieht wie ein Knabe von 10, 12 Jahren, vollständig unent¬
wickelt überhaupt ? Haben Sie jemals einen geistigen oder seelischen Aus¬
druck bei mir gefunden?“
Der Versuch, von ihm wenigstens Klarheit über primitivere Funktio¬
nen, speziell über die Besonderheiten seiner Sinnesempfindungen zu
bekommen, führt zu folgenden Äußerungen: Geschmack und Geruch habe
er überhaupt nicht. Wenn er ab und zu einmal geraucht habe, so könne
man das wohl nicht rauchen nennen, er habe nichts davon gemerkt. Von
sonstigen Empfindungen, Schmerz und dergleichen kenne er nur „Qual-
empfmdung“. Er höre nur in nächster Nähe und habe sonst von allen
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Zum manisch-depressiven Irresein.
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Lauten der Natur noch nie etwas gehört. Er sehe vom Arzt nur einen Teil,
höchstens den Kopf und auch den nur im Schattenumriß. Statt der Sonne
sehe er nur eine schwarze Scheibe, vom Himmel habe er noch nichts ge¬
sehen. Er wisse gar nicht, was das ist. Beim Zeitunglesen habe er nur so
getan, als ob er lese, er könne nur Buchstaben aneinanderreihen, aber es
entstehe kein Begriff, kein einziges Wort erwecke eine Vorstellung in ihm.
Von Farben kenne er nur Schwarz und Weiß (bei entsprechender Prüfung
bezeichnet er die verschiedenen Farben je nach ihrer Helligkeit durchweg
als schwarz oder weiß), von den Dingen sehe er nur schwarze und weiße
Striche. Ausdehnung und Form will er nicht kennen, zeichnet aber gleich¬
zeitig auf Aufforderung ein paar mathematische Figuren richtig.
Geschlafen will er niemals haben, ebensowenig Geschlechtsempfm-
dungen gehabt haben. Er sei überhaupt ganz impotent gewesen.
Von seiner Zukunft meint er: Wenn das bißchen scheinbare Leben
aufgehört habe, das bißchen Bewegung, dann verscharren sie ihn auf dem
Kirchhof und dann beginnt die furchtbare ewige Qual unter der Erde.
Das passiere schon in ein paar Tagen. Hier drücke ihn zunächst nur der
Fußboden mit jedem Schritt. Wenn er im Sarge liege, dann drücke es
von allen Seiten.
Vom körperlichen Befund ist zu erwähnen, daß Degenerations¬
stigmata sowie hysterische Erscheinungen fehlen, ebenso alle Zeichen
einer organischen Störung. Es besteht mäßige Arteriosklerose.
Bei einem Menschen ohne charakteristische erbliche Belastung,
aber mit anscheinend depressiv-hypochondrischem Wesenseinschlag
stellen sich dreimal im Laufe des Lebens — ungefähr in der Mitte der
20er Jahre, im 40. und 60. Lebensjahr — geistige Erkrankungen von
beinahe photographischer Ähnlichkeit ein. Allmählich mit depres¬
siver Verstimmung und abnormen körperlichen Sensationen einsetzend,
entwickeln sie schnell eine umfassende systematische Wahnbildung,
die fortan im wesentlichen das Krankheitsbild beherrscht. Die ganze
Geistestätigkeit konzentriert sich hauptsächlich auf die Idee, kein
natürliches lebendes Wesen, sondern eine tote, unbelebte Masse ohne
jede Entwicklung und Fähigkeiten zu sein, und fälscht dement¬
sprechend die auf die eigene Person bezüglichen Dinge der Gegenwart
und Vergangenheit. An diesen hypochondrisch-nihilistischen Wahn
knüpft sich ein Komplex von Erklärungswahnvorstellungen des
Inhalts: daß dieser unbelebte Zustand die Folge besonderer Schädi¬
gungen sei, denen vor Entstehung des Patienten die Zeugungsorgane
seiner Mutter durch Brunnenkuren und Aufenthalt in einem jüdischen
Haushalt ausgesetzt gewesen seien, und diese Ideen selbst stützen sich
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Karl Birnbaum,
wieder auf eine ausgebaute wahnhafte Zeugungs- und Befruchtungs¬
theorie. Dieser gesamte Wahnkomplex hält während der ganzen je¬
weiligen Krankheitsphase — das eine Mal an 15 Jahre — an und wird
dabei, wie bei paranoischen Kranken, immer wieder logisch begründet
und geschickt vertreten und verteidigt. Er weicht selbst beim Rück¬
gang der depressiven Verstimmung nicht und wird sogar trotz einer —
zumal in der 15jährigen Krankheitsphase — hervortretenden gemüt¬
lichen Indifferenz unverändert beibehalten. Schließlich kommt es aber
jeweils doch wieder zum völligen Schwinden des Wahnkomplexes wie
überhaupt zu einer so weitgehenden Wiederherstellung des Durch¬
schnittszustandes, daß Patient in den zum Teil recht langen Zwischen¬
zeiten durchaus zur Wiederaufnahme und Fortsetzung seiner beruf¬
lichen Studien bzw. Tätigkeit weiter fähig ist. Nur einmal — etwa
im 30. Lebensjahre — schiebt sich eine kurzdauernde psychotische
Episode mit Sinnestäuschungen und verworrenen Wahnideen in die
krankheitsfreie Zeit ein.
Der Fall gibt sowohl im Hinblick auf die Diagnose wie auf den
inneren Zusammenhang der einzelnen Krankheitserscheinungen zu
einigen Bemerkungen Anlaß.
Die Diagnose: periodische Melancholie bzw. manisch-
depressives Irresein drängt sich ohne weiteres auf. Die Entstehung
ohne besonderen äußeren Anlaß — nur bei der ersten Erkrankung läßt
sich die Annahme einer körperlichen Erschöpfung rechtfertigen, sonst
höchstens eine vermutete Überanstrengung heranziehen —, der peri¬
odische — besser: phasenweise Verlauf, die beinahe völlige Heilung
selbst nach langdauernder Krankheitszeit, dann weiter im Symptomen-
bild die primäre Depression mit Insuffizienzgefühlen, Selbstvor¬
würfen, Verschuldungsideen u. dergl., die zeitweise auftretende Angst
und Unruhe mit entsprechenden Angstvorstellungen, die hypochon¬
drisch-nihilistischen Ideen von charakteristischer Einförmigkeit und
Färbung u. a. m. erscheinen durchaus typisch und beweiskräftig.
Anderes, wie die stark hervortretenden Depersonalisationserscheinun¬
gen, lassen sich wenigstens zwanglos in den gleichen Krankheitsrahmen
einfügen. Manches paßt freilich nicht so glatt in das typische Bild
einer melancholischen Verstimmung. Daß gute und schlechte Tage
mit wechselndem Zustandsbilde — besonders in der ersten Krank¬
heitsphase — Vorkommen, mag noch angehen. Schwerer wiegt schon
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Zum manisch-depressiven Irresein.
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die allgemeine Eigenart des Zustandes und Verhaltens. „Gesellig war
er meist sehr nett, zugänglich und verständig,“ heißt es ausdrücklich
in Kahlbaums eigener Äußerung; „trägt sein Geschick mit Ruhe und
Würde“, besagt einer der Kahlbaumschen Monatsüberblicke. Das Be¬
hagen am Rauchen wird in allen drei Krankheitsanfällen als bezeich-
. nend hervorgehoben, das Fehlen des entsprechenden Affektes trotz
Wahnideen schwer depressiver Färbung immer wieder bei den ver¬
schiedensten Gelegenheiten in verschiedenster Weise gekennzeichnet.
Im Laufe der 15jährigen Krankheitsphase tritt sogar in den späteren
Jahren eine ausgesprochene Indifferenz und Gleichgültigkeit bzw.
Gefühlsstumpfheit hervor. Aber selbst in den Zeiten, wo die depressive
Verstimmung mit schwerem Insuffizienzgefühl unverkennbar zur
Geltung kommt, zeigen sich an der Stelle, die das ganze Gefühlsleben
an sich gezogen hat, Erscheinungen, die zu der Gemütslage nicht recht
stimmen wollen. Sobald der R. beherrschende Wahnkomplex in Frage
kommt — und hier dürfte wohl der beste Prüfstein für seine Affektivität
zu suchen sein —, sobald, sage ich, es sich um seine Wahnideen dreht,
zeigt er eine geistige Regsamkeit, eine Leichtigkeit in der Auffassung
und Beweglichkeit in der Gedankenarbeit, die zumal in der Diskussion
wegen des Gegensatzes zu der Grundstimmung verblüffend wirkt. Das
in aller Ruhe erfolgende gewandte Eingehen auf Ein wände aller Art,
die prompte Heranziehung und Verwertung von Gründen und Gegen¬
gründen, von Beweisen und Gegenbeweisen, von Beispielen, Ver¬
gleichen, Bildern, Erläuterungen u. dergl., die gute, oft spitzfindige
Kritik des fremden Standpunkts sowie der besonders in der schrift¬
lichen Darstellung hervortretende Gedanken- und Ausdrucksreichtum,
sind Erscheinungen, die nicht gerade als das übliche Zubehör melan¬
cholischer Bilder gelten können. Auch der Wahnkomplex selbst bietet
inhaltlich sowohl wie formal mancherlei vom Bilde der Melancholie
Abweichendes. Er geht inhaltlich über die gewöhnlichen melan¬
cholischen Selbstbeschuldigungs-, Versündigungs- und dergl. Ideen
hinaus, eigene Verschuldung und Strafe wird vielmehr mit Ent¬
schiedenheit, ja mit Bitterkeit abgelehnt, fremde Schuld dagegen oder
wenigstens fremde Fahrlässigkeit angenommen — und er baut in
formaler Beziehung den melancholisch-hypochondrisch-nihilistischen
Wahn systematisch aus, indem er zur Erklärung frühere Geschehnisse
bestimmter Art und zur Begründung eine ganze umfassende naturwissen-
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Karl Birnbaum,
schaftliche Theorie heranzieht, sie einheitlich durchgearbeitet und logisch
angegliedert in den Wahn mit einbezieht. Auch die lange Dauer
der Wahngebilde, ihr jahrelang unveränderter Bestand — hielten sie
doch das eine Mal an 15 Jahre an und dauern sie doch auch jetzt
zuletzt schon wieder 5 Jahre — muß doch wohl als ungewöhnlich
gelten. Schließlich fallen auch noch die eigenartigen Stereotypien in
Haltung und Bewegung, welche speziell die erste Krankheitsphase
auszeichneten (Wiegebewegungen des Körpers, automatisches Hin-
und Herrollen des Bettdecke usw.) aus dem Krankheitsbilde heraus.
Nun liegt es ja nahe, so manches von dem hier als atypisch Herausge¬
hobenen aus der Mitwirkung manischer Elemente zu erklären und
damit das abweichende Krankheitsbild einfach als einen Mischzustand
aufzufassen. Ich kann aber nicht sagen, daß diese Deutung, so einfach
und bequem sie an sich ist, mir nun ohne weiteres als erwiesen und
ausreichend erscheint. Gewiß wird zuzugeben sein, daß wahnhafte
Vorwürfe gegen andere, daß eine gewisse geistige Beweglichkeit, Ak¬
tivität und Produktivität bei der Ausarbeitung und Vertretung der
Wahnideen an sich manische Symptome sein können. Deshalb ist
man doch aber noch nicht gezwungen, sie in einem Falle so zu deuten,
der sonst eigentlich nichts recht von der Eigenart manischer Gedanken¬
bewegungen, nichts von Sprunghaftigkeit, Ablenkbarkeit usw. auf¬
weist, bei dem ruhelose Vielgeschäftigkeit in Wort und Schrift ganz
gewiß fehlen, und bei dem die Art der Verarbeitung und Begründung
der Wahnbildung sowie die Stellungnahme gegenüber äußeren An¬
griffen auf diese Wahngebilde in aller Ruhe und überhaupt nicht viel
anders erfolgt als sie sonst in Fällen reiner primärer Wahnbildung
vor sich geht. Darüber hilft einem auch nicht die Annahme von noch
so zirkumskripten manischen Partialstörungen hinweg. Daß auch die
Krankheitsepisode vom Jahre 1881 mit ihren Sinnestäuschungen und
verworrenen Wahnideen — soweit die allerdings etwas dürftige Kennt¬
nis derselben ein Urteil gestattet — nicht gerade einen sicheren Schluß
auf eine manische Erkrankung oder überhaupt eine zirkuläre Störung
zuläßt, ist auch noch zu berücksichtigen. Sodann darf auch nicht un¬
beachtet bleiben, daß Ärzte, die den Patienten Jahre hindurch in
seinem typischen Krankheitszustande beobachtet haben, zu andern
Diagnosen gekommen sind („Paranoia“, „Spätkatatonie“ usw.), und
daß Psychiater von der Bedeutung Kahlbaums und Westphak eine
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Zorn manisch-depressiven Irresein.
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andere Auffassung von dem Fall gewannen. In Kahlbaums mit be¬
wundernswerter Sorgfalt geführter Krankengeschichte findet sich aller¬
dings keine bestimmte Krankheitsbezeichnung, aber was sich sonst
aus ihr entnehmen läßt, der Hinweis auf hysterische Züge und die
Art der ärztlichen Behandlung des Patienten (weitgehendste Heran¬
ziehung zu allen Anstaltszerstreuungen, zu Ausflügen, Bergbesteigun¬
gen, ja selbst zu Wasserpartien!), läßt doch wohl den Schluß zu, daß
der Fall in Kahlbaums Augen keine Melancholie war. Westphal hat
die Erkrankung klipp und klar wiederholt als Paranoia hypochondrica
bezeichnet, die aus dieser Auffassung sich ergebende ungünstige Pro¬
gnose auch in praktisch folgenschwerer Weise in Mitteilungen an Be¬
hörden usw. zum Ausdruck gebracht und die nachträgliche Heilung
selbst als eine unerwartete anerkannt. Diese Tatsachen lassen sich
doch nicht einfach mit dem Hinweis auf die Unzulänglichkeiten der
damaligen Diagnostik abtun. Zur Erkennung eines melancholischen
Zustandsbildes hätte es wohl bei Autoren dieser Art auch noch gereicht,
und wenn sie wirklich — infolge allgemeiner Rückständigkeit der
Psychiatrie Ende der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts — zu dia¬
gnostischen Fehlschlüssen gekommen wären, dann doch wahrscheinlich
eher in dem Sinne, daß sie einmal eine Melancholie zu viel als zu
wenig diagnostiziert hätten. Alles dies legt einem im Verein mit den
obigen Unstimmigkeiten doch die Verpflichtung auf, bevor man sich
endgültig auf manisch-depressives Irresein festlegt, erst noch einmal
nachzuprüfen, ob sich das Krankheitsbild nicht etwa ungezwungener
in den Rahmen einer andersartigen Krankheitsform einfügt.
In der ersten Krankheitszeit und noch ziemlich weit darüber
hinaus hätte man sehr wohl an eine Dementia praecox denken
können. Der Beginn der Erkrankung in jugendlichem Alter, die ini¬
tiale Depression mit neurasthenisch-hypochondrischen Zügen, die
nachfolgenden absurden hypochondrisch-nihilistischen Wahnideen,
denen die allgemeine Affektlage und das sonstige Verhalten durchaus
nicht immer adäquat war, des weiteren auch die eigenartigen abnormen
Haltungen sowie die Bewegungsstereotypien legten gewiß den Verdacht
nahe. Die nach etwa 2 Jahren erfolgte Heilung sprach noch nicht da¬
gegen. Auch die halluzinatorische Episode einige Jahre später konnte
sehr wohl als neuer schizophrener Schub aufgefaßt werden. Und selbst
die dritte Erkrankung vom Jahre 1891 durfte in ihrem weiteren Verlauf
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Karl Birnbanm,
noch in diesem Sinne verwertet werden, denn das Bild, das R. schlie߬
lich während der 15 Jahre dauernden Krankheitsphase darbot: das
völlig affektlose, wunschlos-indifferente Verhalten, die weitgehende
Vernachlässigung des Äußeren, der Verlust der äußeren Haltung (Auf-
sammeln und Rauchen fremder Zigarrenstummel!), das einförmige
Verharren an derselben Stelle des Zimmers und Benutzen derselben "Wege
und schließlich und nicht zuletzt das monotone, automatisch-affekt¬
lose Herleiern der gleichen Wahnideen, alle diese Züge wiesen auf
einen Dauerzustand hin, wie er durchaus den abgelaufenen Endzu¬
ständen schizophrener Prozesse entspricht. Der weitere Verlauf hat
gelehrt, daß diese Diagnose nicht aufrechtzuerhalten, ja daß sie
wohl überhaupt nicht mehr diskutabel ist. Der enorme Rückgang der
scheinbar schon in einen definitiven Defektzustand ausgelaufenen
Erkrankung, den man beinahe als eine Heilung ansprechen darf, das
Fehlen jedes eigentlichen Persönlichkeitszerfalls, die Erhaltung der
geistigen und gemütlichen Ansprechbarkeit, die Fähigkeit zur An¬
passung an die längst entwöhnten Lebensverhältnisse, die ohne be¬
sondere Schwierigkeiten erfolgende Neuorientierung und Einfügung
im beruflichen und Privatleben, die fehlende Verstumpfung und Ver¬
sumpfung des seelischen Lebens trotz ununterbrochenen einförmigsten
Anstaltsaufenthalts von anderthalb Dezennien, und dies alles in den
Jahren physiologisch nachlassender geistiger Elastizität und natür¬
lichen Rückgangs der seelischen Kräfte: dies sind doch unverkennbare
Beweise dafür, daß ein seelischer Zerfallprozeß vom Charakter der
Dementia praecox — und selbst ein solcher leichteren Grades — nicht
gut Vorgelegen haben dürfte.
Auch eine paranoische Erkrankung selbständiger Art inuß in
Betracht gezogen werden. Nicht allein deshalb, weil äußerlich die
Wahngebilde dauernd die Szene beherrschen, weil sich um sie in so
ausgesprochener Weise das ganze geistige Leben dreht, daß die Ver¬
stimmung bei der Betrachtung des Zustandsbildes eher als etwas Se¬
kundäres, erst aus diesen Wahnvorstellungen Hervorgegangenes er¬
scheint, sondern vor allem darum, weil sich auch wesentlichere Eigen¬
schaften an diesem Vordergrundsyndrom finden, die man als typisch
paranoische anzusprechen gewohnt ist. Gerade für einen paranoischen
Prozeß ist ja bezeichnend, was sich unverkennbar hier feststellen läßt:
daß die geistige Arbeit in weitgehendem Maße im Dienste des Wahns
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Zum manisch-depressiven Irresein.
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steht und in seinem Sinne vor sieh geht, daß Urteilstätigkeit, Logik
und Kritik dem Ausbau, der Durcharbeitung, der Begründung und
Verfechtung der wahnhaften Ideen dienen, daß trotz ausreichend
erhaltener und bei andern Gelegenheiten auch ungestört vor sich
gehender Verstandesfunktionen ein Ausgleich und eine Korrektur der
verfälschten Ideen nicht erfolgt, vielmehr umgekehrt weitere Bewußt¬
seinsinhalte entsprechend beeinflußt, die Erinnerungen gefälscht, die
Auffassung von allerlei Vorkommnissen verändert werden. • Denkt man
nun noch an die übliche Kennzeichnung der Paranoia: eine aus ab¬
normer Selbstempfindung hervorgegangene Veränderung der Gesamt¬
persönlichkeit und damit verbundene Verschiebung des persönlichen
Standpunkts, so muß man eigentlich sagen, daß diese Charakteristik,
wenn je, dann hier zutrifft, wo auf dem Grunde krankhaft veränderter
Organ- und Allgemeinempfindungen usw. sich die wahnhafte Über¬
zeugung eines von allen Lebewesen völlig abweichenden Ichs erhebt
und demgemäß die gesamte Stellungnahme gegenüber allen Erschei¬
nungen verrückt wird. Die Betrachtung des Krankheitsbildes in allen
ihren Verlaufseigenheiten bringt einen von dem hier eingeschlagenen
Wege wieder ab. Selbst wenn man einen in ausgesprochenen Schüben
mit ausgesprochenen Intermissionen verlaufenden paranoischen Pro¬
zeß, eine Art „periodischerParanoia“, gelten lassen wollte, so kommt
man doch nicht darüber hinweg, daß die Auseinanderwicklung der
pathologischen Phänomene in den einzelnen Krankheitphasen immer
wieder die depressive Verstimmung als das Primäre, das Hauptmoment
und die Grundlage für die sonstigen Erscheinungen erkennen läßt.
Ihr gebührt daher aueh der Vorrang bei der pathognostisehen Be¬
wertung, ihr gegenüber verlieren die sekundären, vorzugsweise im
Vorstellungsgebiete sich abspielenden Symptome an diagnostischem
Wert, mögen sie auch im Krankheitsbilde selbst sich noch so sehr in
den Vordergrund drängen und damit dem Vorstellungsleben den
Hauptanteil am Krankheitsprozeß zu weisen.
Über das Vorliegen einer Hysterie wird man kaum ernstlich zu
diskutieren brauchen trotz Kahlbaums Hinweis aui die hypochondri¬
schen Sensationen und Beschwerden von hysterischer Form und Aus¬
prägung. Alles das, was man vielleicht heranziehen könnte, die ab¬
surden, durchaus nicht immer von adäquatem Affekt begleiteten, über¬
trieben anmutenden hypochondrischen Ideen, die gelegentliche Zu-
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Karl Birnbaum.
gänglichkeit für psychische Einflüsse, gewisse Schwankungen im
Zustandsbilde, die Rückbildung selbst nach jahrelangem Bestehen,
alles dies, meine ich, wiegt nicht schwer genug, um ernsthaft den Ge¬
danken an eine hysterische Störung nahezulegen. Im übrigen fehlen
alle für Hysterie typischen Erscheinungen, eine exquisite Labilität,
Flüchtigkeit, Oberflächlichkeit und Beeinflußbarkeit der Krankheits¬
züge, die charakteristischen Dissoziativ-, Spaltungs- und Suggestiv¬
phänomene • auf seelischem wie insbesondere auch auf körperlichem
Gebiete, die hysterische Daueranomalie in Form der entsprechenden
Charakterartung usw. Auch ätiologisch wären die Anfälle als hysteri¬
sche nicht recht verständlich, wenn man etwa die gegenwärtig so weit¬
gehend anerkannten Wunschmomente als die wirksamen pathogenen
Kräfte heranzieht. Es ist durchaus nicht erfindlich, was zu einer solchen
Flucht in die Krankheit, in den Wahn der Nichtexistenz geführt haben
könnte, zumal damit durchaus kein holder Selbstbetrug, wie bei vielen
sonstigen hysterisch-wahnhaften Einbildungen, sondern vielmehr ein
Übergang aus „Gottes ewiger Herrlichkeit“ (wie Patient selbst das
Leben nennt) in das qualvolle Bewußtsein eines elenden Nichtseins
verbunden ist. Wirtschaftliche Schwierigkeiten, die vielleicht nach
den wiederholten Erkrankungen und Anstaltsaufenthalten im späteren
Mannesalter als wirksames Motiv in Betracht kommen konnten, dürften
doch bei der ersten Erkrankung in der Referendarszeit kaum in Frage
gekommen sein. Aber auch sonst bliebe doch die Wahl der Zweck¬
psychose die denkbar unglücklichste und unzweckmäßigste. Um
diesen Widerspruch auszugleichen nun nach Schilder* Vorgang eine
mißglückte Flucht aus der Wirklichkeit ins rein geistige Leben an¬
zunehmen, erscheint mir nicht allein deswegen unangebracht, weil
damit eine doch wohl schon zu weitgehende Psychologisierung eines
an sich vielleicht innerhalb gewisser Grenzen richtigen und berechtigten
psychogenetischen Prinzips vorgenommen wird, sondern vor allem
auch darum, weil nichts, aber auch gar nichts an dem Falle selbst einen
Anhalt für diese Vermutung abgibt. Aber selbst wenn man trotz aller
Bedenken sich dazu entschließen würde, einen solchen Mechanismus
und solche psychische Triebkräfte der Entstehung der Erkrankung
zugrunde zu legen, so wäre es doch nicht recht verständlich, wie nun
die Rückbildung des Krankheitszustandes mittels analoger psychi¬
scher Kräfte erfolgte. Ungleich größer als die Schwierigkeiten, die
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Zum manisch-depressiven Irresein.
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beispielsweise mit 40 Jahren im besten Mannesalter die Flucht in die
Krankheit als den geeigneten Ausweg aus der Wirklichkeit finden ließen,
mußten doch die Erschwerungen sein, die mit 55 Jahren im beginnen¬
den Rückbildungsalter nach jahrelangem Anstaltsaufenthalt und längst
erfolgtem Abbruch aller Beziehungen zur bürgerlichen und beruflichen
Umgebung schließlich doch wieder die psychische Rückkehr in die
Wirklichkeit erlaubten.
Eine neurasthenische Psychose, eine Störung auf dem Boden
nervöser Erschöpfung kommt gleichfalls nicht recht in Betracht.
Die schwächenden körperlichen Erkrankungen, die der ersten psychoti¬
schen Störung vorangingen, und das neurasthenische Vorstadium mit
trüber Verstimmung und allgemeinen neurasthenischen und hypo¬
chondrischen Beschwerden, wie es besonders die erste Krankheitsphase
einleitete, lassen ja vielleicht daran denken. Das ganze übrige Krank¬
heitsbild führt aber in Symptomen wie Verlauf sowohl der Qualität
wie der Intensität und Dauer nach so weit von dem weg, was man bei
nervösen Erschöpfungszuständen und dergleichen anzutreffen pflegt,
daß eine differentialdiagnostische Abwägung der Einzelheiten ohne
weiteres sich erübrigt. — Auch die Annahme einer konstitutionellen
Psychopathie mit episodischen Depressionen reicht zur Er¬
klärung des Krankheitsbildes in seinem ganzen Umfange nicht aus.
Schon was man an Wahnbildungen gelegentlich bei solchen Zuständen
antrifft, sieht doch ganz anders aus. Es handelt sich dabei mit Vorliebe
um mehr oder weniger flüchtige, wahnhafte Eigenbeziehungen, um
Beachtungs-, Verachtungs-, Beeinträchtigungsideen und dergleichen,
vielleicht auch einmal um solche hypochondrischer Färbung, kaum je
aber wohl um Wahngebilde von solcher Schwere, Ausprägung, Aus¬
arbeitung und Dauer. Gegenüber diesen Differenzen in den vorherr¬
schenden Symptomen können ein paar übereinstimmende Einzelheiten
diagnostisch kaum etwas besagen. Das gleiche gilt auch für die An¬
nahme einer Psychasthenie mit episodischen Depersonalisa¬
tionszuständen. Gewiß läßt sich auch in diese Konstitutionsanomalie
mit ihren charakteristischen Störungen ebenso wie in die eben er¬
wähnte, ihr im Wesen ja recht nahestehende, um nicht zu sagen: iden¬
tische, so manches an dem Krankheitsbild ohne Schwierigkeit ein-
ordnen. So etwa der depressiv-hypochondrische Wesenseinschlag, die
Depressions- und Angstphänomene, gewisse an Zwangserscheinungen
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Karl Birnbaum,
gemahnende Äußerungen, zum Teil auch die eigentümlichen Haltungen
und Bewegungen, die wohl als Reaktionen auf hypochondrische Emp¬
findungen und Vorstellungen nach Art der hypochondrischen Anfälle
aufgefaßt werden können usw. Auch ein periodisches Auftreten von
Depersonalisationserscheinungen kommt ja bei Psychasthenikern vor,
und die aus ihren abnormen Körperempfindungen hervorgehenden Be¬
schwerden geben sie ja oft genug in ähnlichen Ausdrücken wie leblos,
wie tot sein und dergleichen wieder. Immerhin bleibt doch in diesen
Fällen das Krankheitsbewußtsein, das Bewußtsein des bloß subjek¬
tiven Charakters und Ursprungs der empfundenen Veränderungen im
allgemeinen erhalten, und daher bleibt es auch bei den bloßen Klagen
über das Gefühl, als ob sie unbelebt, als ob sie tot usw. wären,
kaum je aber kommt es — und zum mindesten nicht über einen so
langen Zeitraum — zu einem solchen schweren, umfassenden und
fixierten Wahn. Das Entscheidende erscheint mir aber auch hier
wieder, daß eine solche Auffassung des Falles die primären Depressions¬
erscheinungen in ihrer klinischen Bedeutung im Krankheitsbilde nicht
genügend und nicht richtig würdigt.
So führen schließlich auch die differentialdiagnostischen Er¬
wägungen zur Diagnose manisch-depressives Irresein zurück, und man
wird an dieser um so eher festhalten können, als das Krankheitsbild
wenn auch keine alltäglichen Züge, so doch immerhin im Grunde nichts
darbietet, was unbedingt gegen diese Diagnose spräche.
Ebenso wie die Feststellung der Krankheitsform unterliegt nun
auch die Klarlegung des inneren Zusammenhangs der einzel¬
nen Krankheitszüge, speziell soweit die Wahnphänomene in Be¬
tracht kommen, gewissen Schwierigkeiten.
Als Ausgangsmomente und Grundlage für diese Wahnerscheinun¬
gen müssen — das ist auf Grund der Tatsachen unbestreitbar — die
melancholische Verstimmung auf der einen, die Depersonalisations¬
symptome auf der andern Seite gelten. Nun läßt sich aus den das De¬
personalisationsbild zusammetisetzenden abnormen Empfindungen und
Beschwerden nicht viel mehr als die hypochondrischen Ideen in ihrer
Sondergestaltung, in Inhalt, Richtung und Färbung erklären. Da-
gegen ist schon das, was ihren Wahncharakter ausmacht, ihr unbeein¬
flußbarer Realitätswert, wie die Erfahrungen an den typischen Fällen
mit einfachen Depersonalisationssymptomen zur Genüge beweisen.
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Zum manisch-depressiven Irresein.
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nicht mehr aus diesen Störungen ableitbar. Aus der melancholischen
Verstimmung erklären sich gleichfalls ohne weiteres die entsprechend
depressiv gefärbten Ideen, aus ihr wird aber außerdem verständlich —
wenigstens soweit es sich um Depressionszustände von ausreichender
Ausprägung und Intensität handelt, daß die dieser Stimmung ad¬
äquaten Vorstellungen vollen Wirklichkeitscharakter erhalten. Was
nun aber am Wahnbild über diese beiden Einzelheiten hinausgeht, ist
durch diese beiden Grundstörungen nicht erklärt. Das gilt insbe¬
sondere von jenem Komplex von Erscheinungen, die im Vorhergehen¬
den bereits wiederholt als paranoisch anmutende herausgehoben
wurden und in der Darstellung selbst in Selbstschilderungen, Briefen
und dergleichen charakteristisch genug hervortraten, vor allem also
das Weitergreifen der primären melancholischen Wahnideen, ihr
systematischer Ausbau durch Angliederung von Erklärungs- und
sonstigen wahnhaften Anschauungen, die gründliche logische und
kritische, in sich ganz folgerichtige Vertretung und Verfechtung dieser
Ideen, wie überhaupt die ganze weitgehende Betätigung der Ver¬
standesfunktionen im Sinne des Wahns. Alle diese, wenn man so
sagen darf, paranoischen Bestandteile des Krankheitsbildes lassen
sich doch wohl nicht einfach mit dem Einwand abfertigen, daß mehr
oder weniger lange festgehaltene Erklärungs- und ähnliche Wahnideen
im Gefolge depressiver Wahnvorstellungen bei der Melancholie etwas
Alltägliches seien, denn was man sonst etwa an solchen Gebilden bei
Melancholien antrifft, läßt sich seinem Umfang, seiner Dauer, seiner
Ausprägung und Bedeutung innerhalb des Gesamtbildes nach doch
wohl nicht ohne weiteres in Parallele mit den hier vorliegenden Wahn¬
erscheinungen setzen. Zur Erklärung nun den üblichen Lückenbüßer,
eine Art hypochondrisch-paranoische Konstitution, heran¬
zuziehen, läge vielleicht im Hinblick auf die schon vor der ersten Er¬
krankung wie auch in den gesunden Intervallen hervortretenden hypo¬
chondrischen Neigungen nahe, immerhin dürfte auch sie zur Deutung
von Erscheinungen der hier gegebenen Art nicht voll genügen, wie sie
ja auch sonst nur gerade die Basis für übertriebene Krankheitsbefürch¬
tungen oder allerhöchstens für allerlei wahnhafte Krankheitsüber¬
zeugungen abgibt. Daß auch das Hineinspielen manischer Elemente
mir zur Erklärung dieses Falles noch nicht ausreichend und sicher
erscheint, wurde schon vorher erwähnt. Die Spechtschen Auseinander-
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Karl Birnbaum
Setzungen, bis zu einem gewissen Umfange gewiß berechtigt, treßen
im wesentlichen doch wohl für andersgeartete Wahngebilde zu. Er¬
leichtert würde freilich — das ist nicht abzuleugnen — das Verständnis
der noch nicht erklärten symptomatologischen Phänomene ganz er¬
heblich, wenn man in einem Umfange, den ich für viel zu weitgehend
halte, die Mitwirkung allerlei manischer Partialstörungen gelten läßt:
Inhalt, Färbung, Richtung der Ideen wäre dann von der Depression
sowie den Depersonalisationszügen bestimmt, der Wirklichkeits¬
charakter im wesentlichen von der Schwere der Verstimmung und alles
Formale, der Ausbau, die aktive Vertretung usw. vom manischen her.
Immerhin bliebe auch dann noch ein ungeklärter Rest, nämlich
Tenazität des Wahnkomplexes, seine Beibehaltung und Fest¬
haltung auch nach Zurücktreten des depressiven Affekts, wie es hier
unverkennbar der Fall ist. Man könnte direkt von einer Loslösung des
Wahns vom wahnbildenden und -erhaltenden Affekt reden, wenn man
sieht, wie beispielsweise in der ersten Krankheitsphase auch zu Zeiten
freier Stimmung und guten Aufgelegtseins die Wahngebilde vorge¬
bracht werden, wie der Patient kurz vor der Heilung von diesem ersten
Anfall nach den Schilderungen der Schwester in jeder Hinsicht, in
Stimmung, Verhalten, Tun und Lassen, wie jeder andere Mensch
erschien, und er überhaupt nicht aufgefallen wäre, wenn er nicht
immer noch die alten Wahnideen geäußert hätte, und wie er schließlich
in der 15jährigen Krankheitsphase trotz anhaltender Stumpfheit, In¬
differenz und Affektlosigkeit die Wahnideen unverändert beibehielt.
Mit dem depressiven Affekt stehen und fallen aber doch nun einmal
im allgemeinen bei melancholischen Zuständen die stimmungsadäquaten
Wahnvorstellungen. Für ihre mit mehr oder weniger großer Ent¬
schiedenheit vertretene Beibehaltung und Festhaltung müßte man
dann eben analog sonstigen Erfahrungen andersartige Momente zur
Erklärung heranziehen. Man müßte annehmen, mit der Fixierung und
der Ausbreitung der Wahnbildung sei zugleich eine solche Veränderung
der allgemeinen Verstandes- und gefühlsmäßigen Stellungnahme, eine
solche Verschiebung des persönlichen Standpunkts eingetreten, daß
von dem einmal gewonnenen und konsolidierten wahnhaften
Standpunkt aus nun dauernd alles angesehen wird. Das hieße dann
aber nichts anderes, als daß sich an den melancholischen Zustand
ein paranoischer angeschlossen hätte. Oder man müßte seine Zu-
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Zum manisch-depressiven Irresein.
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flucht zur Annahme eines Residualwahns nehmen, der gewisser¬
maßen aus alter Gewohnheit beibehalten und vielleicht durch die an¬
scheinend auch noch zurückgebliebenen Depersonalisationserscheinun¬
gen gegen den Verfall gestützt wird. Aber auch dann wäre nicht ver¬
ständlich, wie dieser ganz absurde, ständig mit allen Lebensäußerungen
in gröbsten Widerspruch tretende und durch sie stets von neuem
widerlegte Wahn bei sonst logischer und kritischer Gedankentätigkeit
nicht doch fallen gelassen oder so weit korrigiert wird, daß die sub¬
jektive Natur der ihm zugrunde liegenden abnormen Selbstempfindun¬
gen schließlich ebenso wie in andern Fällen von Depersonalisation
erkannt wird. Eine Lücke in der Auffassung der symptomatologischen
Zusammenhänge scheint mir also in jedem Falle zurückzubleiben.
Was nun speziell noch die Depersonalisationsphänomene
angeht, so ist von ihnen eigentlich — trotz ihres unverkennbar starken
Hervortretens im Krankheitsbilde — in klinischer Hinsicht nicht viel
zu holen. Differentialdiagnostisch helfen sie einem wohl überhaupt
nicht weiter — sie finden sich ja in analoger Weise bei den verschieden¬
sten hier zur Diskussion gestellten Störungen, bei der Psychasthenie,
der Dementia praecox usw. so gut wie bei der Melancholie; an den
Wahnsymptomen erklären sie, wie erwähnt, auch nicht viel, und
schließlich geben sie auch keinen weitgehenden Aufschluß über die
allgemeinen Eigenheiten dieser eigentümlichen Entfremdung des
eigenen Ichs und seiner Empfindungs- und Wahrnehmungswelt. Die
Ausbeute in dieser Hinsicht ist überraschenderweise viel geringer, als
cs der ungemeinen Ausprägung und Bedeutung der Erscheinungen
im vorliegenden Falle entspricht, und als sie in weniger prägnanten
Fällen zu sein pflegt. Daß alle die anerkannten und charakteristischen
Depersonalisationsphänomene: die Störungen in den körperlichen
Organ- und Allgemeinempfindungen, in den Begleitgefühlen der körper¬
lichen und geistigen Funktionstätigkeiten, der daraus sich ergebende
Realitätsverlust für das körperliche und geistige Ich, seine Lebens¬
betätigungen und seine Beziehungen zur Außenwelt, daß, sage ich,
alle diese verschiedenartigen Entfremdungsphänomene usw. durchweg
hier vorhanden sind, daran kann nach den bezeichnenden Selbst¬
schilderungen des Falles wohl kein Zweifel sein. In der allgemeinen
Darstellung sind sie zur Genüge herangeholt und herausgehoben
worden. Gegenüber dem Versuch einer systematischen Aufstellung
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und Klarlegung versagt freilich der Fall völlig. Alles, was man bei
dem Bestreben, die einzelnen Störungen planmäßig zu prüfen, erhält,
ist von vornherein so sehr durch die wahnhaften Anschauungen entstellt,
daß es keinesfalls als Ausdruck des tatsächlichen inneren Zustandes
und Erlebens gelten kann. So etwa, wenn Patient bei der Prüfung der
Gesichtswahrnehmungen behauptet, er sehe vom Arzte nur einen
Teil, höchstens den Kopf, und auch den nur im Schattenumriß, oder
er könne von Farben nur Schwarz und Weiß unterscheiden, und dies
bei der Probe auch entsprechend, wenn auch nicht in der Art wirklich
Farbenblinder, durchführt, und ähnliches mehr.
So ist und bleibt das epikritische Ergebnis des Falles im Grunde
recht dürftig. Doch war es nicht sowohl das, was sich über den Fall
sagen läßt, als vielmehr, was er von selbst darbietet, wodurch sich
mir die Veröffentlichung zu rechtfertigen schien.
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Uber einen Ton einem Geisteskranken ausge¬
führten Raubmord 1 )*
Mit kurzem Nachtrag über die Irrenverhältnisse Kurlands.
Von
Dr. med. Harald Slebert,
leitendem Arzt der städtischen Irrenanstalt in Libau.
Der großen Anzahl von Geisteskranken ausgeführter Verbrechen
glaube ich auch eine weitere kasuistische Mitteilung anschließen zu
dürfen.
Am Nachmittage des 27. März 1916 war der Althändler I. B. mit
einem seiner Umgebung unbekannten Manne von Hause fortgegangen,
um einen alten Schrank zu kaufen. Da er im Laufe des Tages und der
folgenden Nacht nicht heimkehrte, wandte sich die Frau des B. an die
Polizei, weil sie einen Unglücksfall oder ein Verbrechen vermutete; letzteres
wäre auch wahrscheinlich, da ihr Mann eine Summe im Werte von etwa
200 M. in barem Gelde bei sich führte. Zuletzt habe den B. eine ihr be¬
kannte Frau mit einem jungen Manne gehend gesehen, der letztere soll
angetrunken gewesen sein.
Die diese Angabe machende Frau konnte, als Zeugin vernommen,
ferner angeben, daß sie den betreffenden jungen Mann zusammen mit
einem andern am 28. März in ein in der Nähe ihrer Wohnung befindliches
Haus hineingehen sah. Bei der unverzüglich vorgenommenen Durchsuchung
des Hauses wurde in einer dunklen, kleinen Kammer die Leiche des ver¬
mißten B. gefunden. Die angestellten Ermittlungen ergaben, daß unzweifel¬
haft ein Raubmord vorlag, der in der Wohnung des Arbeiters und See¬
fahrers Johann K. verübt worden war. — K., ein in K.s Wohnung befind¬
licher, der gesamten Umgebung unbekannter Mann und die Ehefrau des K.,
welche gerade heimkehrte, wurden wegen dringenden Verdachts in Haft
genommen.
*) Veröffentlicht mit Genehmigung des Vorsitzenden des K. Deutschen
Bezirksgerichts.
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486
Harald Siebert,
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K., der noch betrunken war, wollte zuerst von einem Morde oder
von einer erschlagenen Person nichts wissen und behauptete (bei seiner
ersten Vernehmung), das zum Trinken gebrauchte Geld vom Verkauf
seiner Sachen zu haben, ohne daß er hiernach gefragt wurde. Erst als
ihm vorgehalten wurde, daß dann seine Ehefrau einen jüdischen Händler
umgebracht habe, gab er an, daß seine Ehefrau unschuldig sei, und daß
er die Tat allein ausgeführt habe. Morgen wolle er alles sagen.
Am 29. März erklärte K. bei der Leichenschau, daß er den Leichnam
des B. wiedererkenne. Eine Sektion wurde nicht ausgeführt.
Das kreisärztliche Gutachten erwähnte unter anderem auch folgende
Punkte: Im Gesicht rechts an der unteren Seite des Jochbeins in der Rich¬
tung von links oben schräg nach rechts unten eine etwa 2% cm lange,
durch Blutgerinnsel verklebte Wunde. Eine halb so große, gleichfalls durch
Gerinnsel verklebte Wunde befindet sich hinter dem linken Ohr an der
Grenze des Schläfen- und Hinterhauptbeines; am Halse auf beiden Seiten
Eindrücke einer Umschnürung durch einen breiten Strang. Voraussicht
liehe Todesursache: Betäubung durch Schläge oder Hiebe auf den Kopf
und, falls alsdann noch nicht durch starken Blutverlust der Tod eingetreten
ist, Erstickung durch ein um den Hals geschnürtes Handtuch oder breites
Band.
Laut Protokoll des K. Deutschen Bezirksgerichts machte K. am
30. März folgende Angaben, welche von mir in den für den Psychiater
wichtigen Punkten wiedergegeben werden.
„Geboren den 11. April 1892 (alter Zeit), lettischer Nationalität,
evangelisch-lutherischer Konfession. Von den russischen Gerichten nie
vorbestraft. Vor wenigen Wochen von der deutschen Polizei mit 20 M.
bestraft, weil ich in der Betrunkenheit Skandal gemacht. Mein Vater war
22 Jahre lang Expedient einer großen Bank und bekleidete an derselben
eine ganz gesicherte Stellung. Er starb vor etwa 2 Jahren. Vom 8. Lebens¬
jahre an besuchte ich eine Privatschule 3 Jahre lang, war dann bis zum
16. Lebensjahre Schüler der Kommerzschule (etwa Typus der Realschule).
Nachdem ich die 4. Klasse der Schule (etwa Untertertia) besucht, ging
ich zur See. Ich bin auf verschiedenen Segel- und Dampfschiffen gefahren,
bin in überseeischen Orten nur stunden- oder tageweise gewesen. Während
der Fahrten verdiente ich gut; seit Kriegsausbruch lebte ich, da ich keine
Beschäftigung hatte, mit meiner Mutter und meiner unlängst verstorbenen
Schwester zusammen. Wir haben im Laufe der letzten 1 1 / 2 Jahre mehrere
Wohnungen innegehabt, die ich aber alle nicht mehr genau bezeichnen
kann. Seit dem Herbst 1915, als meine Mutter die Stadt verließ, lebte ich
mit meiner jetzigen Frau zusammen. — Seit Kriegsausbruch habe ich zeit¬
weise Beschäftigung gehabt, dann aber wieder ohne solche gelebt. Nach
der Besetzung Libaus durch die deutschen Truppen im Mai 1915 habe ich
Taglöhnerdienste verrichtet. Da meine jetzige Frau mitverdiente, kamen
wir gut aus. Geheiratet haben wir am 20. Februar 1916. In der letzten
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Ober einen von einem Geisteskranken ausgeführten Raubmord. 487
Zeit ging es uns sehr schwer, da wir keine festen Arbeitsmöglichkeiten
fanden. Um existieren zu können, verkauften meine Frau und ich unsere
Sachen, ferner veräußerte ich auch Sachen meiner vom Ort verzogenen
Mutter. Ich verkaufte Sachen an den Althändler B., so auch am 27. März
Stiefel und einen Stuhl.
Von meinem Verdienst habe ich oft einen Teil vertrunken, oft aber
auch den größten Teil meiner Frau abgegeben. Zu trinken habe ich auf
den Schiffen angefangen, es wurde dort so viel getrunken, daß die Leute
ganz bewegungslos waren. Nach Kriegsausbruch habe ich in der ersten
Zeit gar nicht getrunken; Alkohol war ja damals verboten und im Handel
nicht zu haben. Dann habe ich wieder so recht zu trinken angefangen
seit Weihnachten 1915. Besonders trank ich den blauen Brenn¬
spiritus. Jeden Tag war ich nicht betrunken, dazu fehlte auch das Geld.
Ich bin mehrmals ärztlich behandelt worden, da ich bereits in der
Schule nervenkrank war. Vor Jahren war ich in der städtischen Irren¬
anstalt und in „Thabor“ bei Mitau. Die Ärzte verboten mir jeden Al¬
koholgenuß.
Am Montag dem 27. März haben meine Frau und ich Sachen verkauft,
weil wir die bereits oben erwähnte Geldstrafe von 20 M. bezahlen wollten,
damit ich nicht in Haft geriete. Für Stuhl und Stiefel erhielt ich etwa
2 y 2 M. Dieses Geld vertrank ich sofort. Meine Frau suchte dieses zu
verhindern, indem sie mich aus der Wirtschaft fortführen wollte, darauf
ging sie Arbeit suchen, während ich im unbezähmbaren Verlangen, noch
weiter zu trinken, mich zu Hause nach verkäuflichen Dingen umsah.
Ich hatte die Idee, alles zu verkaufen, um dann vom Ort fort¬
zuziehen und anderweitige Arbeit zu suchen. Ich wandte mich dann an
den Althändler B. und bat ihn, mich zu begleiten, um meine Sachen zu
kaufen. Zu Hause zeigte ich B. meine Einrichtung, er besah alles und
rückte diverse Sachen beiseite; hierauf bot er mir für den gesamten Inhalt
etwa -50 M. Er bot mir ein geringes Handgeld an, da er scheinbar begierig
war, die Sachen zu kaufen. Über dieses geringe Angebot war ich, wo ich
das Doppelte erwartet hatte, äußerst empört. Der Einzelheiten unserer
Verhandlung entsinne ich mich nicht mehr, nehme an, daß ich mich heftig
gezankt habe. Ich erinnere mich nur, daß ich plötzlich den Hammer
ergriff, der sich jetzt eben bei den Akten befindet; derselbe lag auf einem
am Fenster stehenden Geschirrschrank.
Wie ich den Hammer angefaßt, und ob ich mit der stumpfen oder
spitzen Seite geschlagen habe, erinnere ich mich heute nicht mehr. Ich
habe eben die Seite genommen, die mir gerade in die Hand kam, als ich
den Hammer ergriff. Hätte ich mir die Sache vorher überlegt und den
Hammer zurechtgestellt, dann hätte ich gewußt, welche Seite ich nehmen
sollte, und würde mich heute dessen erinnern. Nach meiner Erinnerung
habe ich B. auf die Schläfe geschlagen, ob links oder rechts, weiß ich nicht,
ebenso nicht, wie wir zueinander standen. Nachdem ich einmal auf ihn
Zeitschrift für Psychiatrie. LXXII. 5/6 ■ 34
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490
Harald Siebert,
auf Grund von Kleinigkeiten einsetzende Erregung steigert
sich dann gelegentlich, wie es beobachtet wurde, bis zur furibunden
Tobsucht. Auf Fragen erfolgen zutreffende Antworten, die Orientierung
ist ungestört. Ein Krankheitsgefühl besteht, eine Krankheitseinsicht fehlt.
Bei längeren Gesprächen läßt sich eine starke Verminderung und Ein¬
schränkung der geistigen Fähigkeiten nachweisen. Sinnestäuschungen
können nicht nachgewesen werden.
Wird nach „Thabor“ verlegt.“
Nachtrag: Etwa 1 (?) Jahr nach der Entlassung aus der städtischen
Anstalt in Libau soll K., der wieder zur See gegangen war, eine Messer¬
stecherei mit einem amerikanischen Matrosen vorgehabt haben. (Diese
Angelegenheit kann jedoch nicht durch Dokumente bestätigt werden, es
handelt sich hierbei um die Angaben eines Anstaltspflegers.)
Eine größere Betrügerei, welche K. etwa 6 Monate vor dem Morde
ausgeführt, bei der wesentlich interessant der Umstand erscheint, daß er
auch Möbel verkaufen wollte, vor Abschluß des Geschäfts jedoch den Alt¬
händler ersuchte, viel Geld mitzunehmen, kommt in dieser Arbeit für die
Beurteilung der Psyche des K. nicht weiter in Betracht. Von allen sonsti¬
gen Gerichtsverhandlungen, welche in Zeugenaussagen und Erklärungen
enthalten sind, ist nichts, was psychiatrischer Erwähnung bedarf. Be¬
achtenswert erscheint hingegen die Person von K.s Frau zu sein. Sie
ist etwas über 17 Jahre alt, repräsentiert den Typus des infantilen
Menschen: klein, zierlich gebaut, von blassem Aussehen. Eine enorm
lebhafte Erregbarkeit der Hautvasomotoren fällt einem sofort auf, wenn
man sie auch nur flüchtig betrachtet; innerhalb weniger Augenblicke
wechselt in ihrem Gesicht eine flammende Röte mit tiefer Blässe. Sie hat,
wie bereits oben erwähnt, vor Abschluß einer formellen Ehe bereits längere
Zeit mit K. zusammen gelebt, also gewissermaßen als halbes Kind schon
einen freien Lebenswandel begonnen. Sie ist in ihrem Wesen auch jetzt
noch das reine Kind; ihre Affekte sind leicht geweckt, nur sind sie ober¬
flächlich und ebenso labil wie ihre Stimmung. Sie hat angeblich sich
nicht den geringsten Gedanken darüber gemacht, daß ihr jetziger Mann
starker Trinker ist und früher bereits längere Zeit in Anstalten für Geistes¬
kranke untergebracht war.
Dieses sind im wesentlichen alle objektiven Tatsachen, die mir für
die Beurteilung der Persönlichkeit K.s zur Verfügung standen, sowohl in
bezug auf das Vorleben als auch in bezug auf den Mord selbst. Nach ein¬
gehender Untersuchung K.s erstattete ich folgendes Gutachten:
„K. ist genau von mir beobachtet worden. Auf körperlichem Gebiet
besteht als auffällige Erscheinung das Vorspringen beider Augäpfel. Dieses
Phänomen läßt in erster Linie daran denken, daß hier eine Basedoo'sche
Krankheit bestehe, doch spricht das völlige Fehlen aller sonstigen Symp¬
tome gegen die Annahme eines solchen Leidens. Die von K. öfters ge¬
machte Angabe, er hätte ein starkes Stechen im Herzen, ist als eine lediglich
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Uber einen von einem Geisteskranken aasgeführten Raubmord. 491
nervöse Empfindung zu deuten, da am Herzen keinerlei Störungen der
Funktion nachzuweisen sind. An den Hautdecken besteht eine allgemeine
Cberempfindlichkeit in allen Empfindungsqualitäten, sonst lassen sich von
Seiten des Nervensystems keine Störungen nachweisen.
Auf psychischem Gebiet haben wir es bei K. mit zwei schädi¬
genden Faktoren zu tun. In erster Linie ist es der endogene
Faktor, die Gehirnkrankheit, über deren nähere Entstehungs¬
ursachen die psychiatrische Wissenschaft zurzeit außerstande ist, exakte
Angaben zu machen. Durch ärztliche Aussage wissen wir, daß bereits im
etwa yj. Lebensjahre die Krankheit voll entwickelt war und K. bereits
damals auf psychischem Gebiet versagte. Es handelte sich bei ihm um
die sogenannte Dementia praecox, das Jugendirresein. Der Zustand hat
sich dann zeitweise scheinbar gebessert, dann aber wieder verschlechtert,
so daß wir es hier mit einem schubweisen Verlauf der Krankheit zu
tun haben.
Als zweites schädigendes Moment ist der exogene Faktor
zu erwähnen, der enorme Alkoholgenuß. K. hat besonders stark in
den Entwicklungsjahren getrunken, als das Gehirn bereits invalide war, und
in der letzten Zeit noch den methylalkoholhaltigen blauen Brenn¬
spiritus gebraucht. Eine alkoholische Seelenstörung habe ich bei K.
nicht nachweisen können, muß aber betonen, daß das Trinken bei bereits
bestehender Geisteskrankheit seinen schädigenden Einfluß in bedeutend
größerem Maße entfalten mußte.
Der Geisteszustand des K. weist folgende charakteristische Züge auf.
Hervorstechend ist eine völlige Apathie, eine Gleichgültigkeit. Es ist
schwer, ihn aus derselben aufzurütleln. — Das Gedächtnis ist gut, des¬
gleichen weist die Merkfähigkeit keine wesentliche Störung auf; immerhin
läßt sich dies schwer nachweisen, da K. von beiden Geistesqualitäten ungern
Gebrauch macht, weil seine Aufmerksamkeit enorm schnell ermüdet. Dies
ist auch der Grund, warum bei längerem Befragen die anfangs präzisen
Angaben späterhin immer spärlicher und ungenauer werden. Die Schul¬
kenntnisse sind ungenügend, entsprechen keineswegs dem, was er einst
gelernt. Die Kombinationsfähigkeit kann sich überhaupt nur in den
allerniedrigsten Grenzen bewegen. Die ethischen Empfindungen sind
stumpf. Teilnahmlos, wie er in seinem Betragen gegen seine Außenwelt
ist, verhält er sich auch jeder das innere menschliche Wesen angehenden
Angelegenheit gegegenüber. Mit Begriffen wie Liebe, Mitleid usw. operiert
er wohl, ohne daß dabei ein Affekt mitspielt. Er sagt, es sei ihm auch völlig
gleichgültig, ob B. lebt oder nicht. Es besteht bei K. ein Krankheitsgefühl,
nur verlegt er es fälschlicherweise in das ihm zuweilen Beschwerden be¬
reitende Herz, ein Krankheitsbewußtsein und eine Krankheitseinsicht
fehlen, da er sich strikt dagegen verwahrt, geisteskrank zu sein. Die
Orientierung, ist ungenügend, was aber wohl auch wieder eine Folge der
Aufmerksamkeitsstörung ist.
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Harald Siebert,
Diese Anzeichen erhärten in meinen Augen die Auffassung vom
Bestehen einer Dementia praecox bei K. Ich muß im Anschluß
hieran die bei dieser Krankheit oft vorkommenden plötzlichen Einfälle
und unvermittelten Wutausbrüche erwähnen, welche das Gesamtwesen
eines solchen Kranken momentan verändern können. Aus K.s Vorge¬
schichte sind dieselben öfters erwähnt. Im Angriff gegen B. lag kein un¬
motivierter Wutausbruch vor, sondern ein plötzlicher Einfall, um sich
durch B.s Betäubung oder Mord in den Besitz des Geldes zu setzen. Der
vorausgegangene Alkoholgenuß hat entschieden Einfluß auf die Tat gehabt,
die genossene Quantität hat jedoch keine wesentliche Bedeutung.,
Ich schließe aus allem, daß K. an einer krankhaften Störung der
Geistestätigkeit leidet und daß er die Tat im Zustande der Bewußtlosigkeit
begangen hat.“
Das Bezirksgericht erkannte hierauf sowie Bezug nehmend auf die
anfänglich von Dr. Chr. Siebert, als sachverständigem Zeugen, über K.s
Geisteskrankheit gemachten Angaben, auf Freisprechung auf Grund des
§ 39 des russischen Strafgesetzbuchs *) (analog dem § 51 des deutschen
Strafgesetzbuchs), veranlaßte jedoch die dauernde Unterbringung des K.
in einer geschlossenen Irrenanstalt.
Nachtrag. Die an und für sich betrübende Tatsache des Mordes
an B. hat aber ihre tieferliegenden Gründe. Im Laufe einer mehr¬
jährigen Tätigkeit als Sachverständiger an den früheren russischen
Gerichten habe ich in einer großen Anzahl von Mordversuchen, schweren
Körperverletzungen und groben Gewalttätigkeiten, die von Geistes¬
kranken, meist katatonischen, ausgeführt worden waren, mein psychi¬
atrisches Gutachten erstatten müssen. Es erfolgte dann stets die Frei¬
sprechung, bisweilen erst nach mehrmonatiger Beobachtung in einer
staatlichen Irrenanstalt, und dann wurde der unsoziale Geisteskranke
in die Freiheit gesetzt! Diese Tatsachen rechtfertigen es vielleicht
auch, wenn ich an dieser Stelle eine kurze Schilderung der Irren Verhält¬
nisse Kurlands gebe. Das Land ist 27 025 qkm groß und hatte vor
dem Kriege eine Einwohnerzahl’ von 734 300 Seelen.
Folgende Anstalten für Psychischkranke sind in Kurland vor¬
handen 2 ):
1. Das Kollegium der allgemeinen Fürsorge in Mitau.
das einzige staatliche psychiatrische Institut Kurlands. Es sind dort etwa
*) In Kurland und Litauen bedient sich die deutsche Zivilverwaltung
zurzeit des russischen Strafgesetzbuchs.
*) Vgl. H. Laehr, Die Anstalten für Psychischkranke. Berlin 1912. —
H. Hildebrand, Über den Stand der Irrenfürsorge in Kurland. Prot, des
I. kurl. Ärztetages. 1908. Petb. med. Wschr.
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Ober einen von einem Geisteskranken ansgeführten Raubmord. 493
120 Kranke untergebracht; stets mußten 10 Plätze für forensische Fälle
reserviert bleiben. Der Modus der Aufnahme in dieses Institut war ein
äußerst beschwerlicher, der angemeldete Kranke wurde als Kandidat auf
einen freien Platz unter eine lange Reihe von Namen eingetragen. 1907
betrug die Zahl der Aufnahmekan'didaten über 400 (!). Hierbei muß ferner
berücksichtigt werden, daß es sich bei den im Kollegium untergebrachten
Kranken meist .um chronische Zustände handelte, so daß eigentlich nur
der zufällige Tod eines Kranken dem Kandidaten die Aufnahme ermög¬
licht. Im übrigen ist das Kollegium, was seine Einrichtungen anbelangt,
ein Institut, das den Anforderungen, welche die moderne Psychiatrie
stellt, keineswegs gewachsen ist und bei einem eventuellen Neubau einer
Heil- und Pflegeanstalt in Kurland unbedingt vom Erdboden verschwinden
müßte.
2. Die der kurländischen Ritterschaft gehörende Heil- und Pflege¬
anstalt ,,Günthershof“ bei Mitau. Dieses Institut hat etwa 80
Plätze und ist nach allen Grundregeln der modernen Psychiatrie erbaut,
es steht unter der kundigen und erprobten Leitung des Herrn Dr. H. Hilde-
brand. Für die soziale Frage des Landes dürfte indes diese Anstalt nicht
in Betracht kommen, da sie nur eine erste und zweite Verpflegungsklasse
aufweist, so daß sie den ärmeren oder wenig bemittelten Bevölkerungs¬
schichten überhaupt nicht oder nur vorübergehend zugänglich ist, obgleich
der Verpflegungspreis etwa HO—150 M. monatlich für die Güte der Anstalt
nicht hoch bemessen ist.
3. Die Anstalt ,,Thabor“ bei Mitau, Eigentum der evangelisch¬
lutherischen Predigersynode. Dieses Institut beherbergt etwa 250 Kranke,
welche allerdings meist, aber nicht ausschließlich den ärmeren Bevölke¬
rungsschichten angehören. Ebenso wie „Günthershof“ ist „Thabor“
nicht nur Kurländern zugänglich, und aus dem benachbarten Livland
werden diese beiden Anstalten, teils wegen der Güte der Institute, teils
wegen der relativ billigen Verpflegungssätze, oft aufgesucht. Im übrigen
ist „Thabor“ nur für Epileptische und Schwachsinnige gedacht,
welche „ruhigen“ Charakters sind; es ist auch stets bei der Aufnahme
eine diesbezügliche ärztliche Bescheinigung einzureichen. Eine regel¬
rechte Heil- und Pflegeanstalt für Psychischkranke ist „Thabor“ dank
dieser die Aufnahme einschränkenden Klausel also nicht.
4. Die psychiatrische Abteilung am Stadtkrankenhause
in Libau, ein kommunales Institut, gedacht in der Art der in Deutsch¬
land üblichen Stadtasyle für Geisteskranke. Bei der Errichtung der
Anstalt vor 15 Jahren wurde mit dem Bau einer kurländischen Heil- und
Pflegeanstalt gerechnet, so daß dieses Asyl gewissermaßen das Geistes¬
krankenmaterial der Stadt Libau (90 000 Einwohner) sichten sollte. Vor
Kriegsausbruch hatte die russische Regierung, der schließlich die Fürsorge
der Geisteskranken in Kurland oblag, weder einen Ort für diese zu bauende
Anstalt ausfindig gemacht, noch auch annähernd Schritte getan, um die
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Harald Siebert,
eventuelle Finanzierung des Baus und des Unterhalts einzuleiten. Mithin
fiel für das Stadtasyl das damals gedachte Ventil fort, um sich stets zu
entlasten. Bei etwa 20 Plätzen fanden in den letzten Jahren bis 180 jähr¬
liche Aufnahmen statt, darunter als Folge einer See- und Hafenstadt 20%
Delirium tremens und 20% progressive Paralyse. Statt 20 mußten 30
und mehr untergebracht werden, während selbstmordgefährliche und
allgemeingefährliche Kranke aus der Stadt wegen extremer Überfüllung
keine Aufnahme finden konnten.
So ist es, im wesentlichen betrachtet, mit den Irrenverhältnissen
Kurlands bestellt. Auf den ersten Blick scheint ja alles recht zweck¬
entsprechend und günstig eingerichtet zu sein, zum Beispiel daß drei
psychiatrische Institute allein in Mitau (etwa 45 Ö00 Einwohner) sind.
Bei genauem Zusehen machen sich hingegen die Mißstände allseitig
bemerkbar. Würde auch in der Tat, z. B. in Mitau, eine größere und
allen sozialen Anforderungen entsprechende Heil- und Pflegeanstalt
eingerichtet werden, so würde damit das Übel noch lange nicht behoben
sein. Zurzeit wird im ganzen Lande jede Kommune, jede Land¬
gemeinde noch immer von der Erfahrung geleitet, daß zur Unterbrin¬
gung eines Geisteskranken in einer Anstalt Jahre (vgl. die oben er¬
wähnten 400 (!) Kandidaten) erforderlich sind. Aus der Umgebung
Libaus wurden geisteskranke Landbewohner oft in der Weise in die
psychiatrische Abteilung hineinbefördert, daß man sie zur Stadt
brachte, dort zeitweise bei Verwandten wohnen ließ und dann bei dem
geringsten Anlaß die Hilfe der beamteten Ärzte oder der Polizei in
Anspruch nahm; das Resultat war dann, daß der meist hochgradig
unsoziale Geisteskranke zwangweise der städtischen Irrenabteilung
überwiesen wurde. Hierdurch entwickelte sich eine extreme über-
füllung dieses Instituts, und aus der ursprünglich gedachten Durch¬
gangstation wurde allmählich eine Anstalt für chronische Geistes¬
kranke. Oft müssen daher aus rein äußeren Gründen Kranke aus der
von mir geleiteten Anstalt entlassen werden, die eigentlich durchaus
noch Objekte der Anstaltspsychiatrie sind, bloß um noch dringlicheren
Fällen Raum zu schaffen.
Andrerseits wäre mit dem Erledigen aller dieser Fragen allein
noch lange nicht das übel gänzlich beseitigt. In einem Lande, wo das
Publikum noch nicht gewöhnt ist, mit den Prinzipien der modernen
Psychiatrie in unmittelbare Fühlung zu treten, ist es schwer, eine große
Reihe von Kranken in ständige Behandlung zu bringen, die doch der-
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Uber einen von einem Geisteskranken ausgeführten Raubmord- 495
selben dringend bedürfen. Die sentimentalsten Gründe werden dann
stets vorgebracht, ferner Motive über Behandlung und Heilungs-
aussichten angeführt, die stets von der allerlaienhaftesten Un¬
kenntnis geleitet sind. Und doch kann das Publikum nur dadurch
für die Beurteilung des Wertes einer Irrenanstalt gewonnen werden,
daß es sich persönlich an der Hand von Erfolgen von dem Segen
der Anstalten überzeugt. Vor dem Kriege hatte Kurland schätzungs¬
weise (ich habe hierbei auch ein Referat Pellinga 1 ) im Auge) an 2000
Geisteskranke, doch dürfte diese Zahl wohl zweifellos zu niedrig ge¬
griffen sein, da es sich hierbei um Angaben der Gouvernements-Medi¬
zinalverwaltung handelte. Um sich von einem Heilverfahren über¬
zeugen zu können, muß man auch in der Lage sein, in gewisse
Verhältnisse Einblick zu gewinnen, und solch eine Möglichkeit ist
leider dem allergeringsten Teile der Bevölkerung Kurlands gegeben.
Für zahlungsfähige Kranke ist in „Günthershof“ stets in akuten Fällen
eine Aufnahmemöglichkeit vorhanden, und auch der ärmeren Be¬
völkerung Libaus steht bedingterweise diese Möglichkeit offen, hin¬
gegen ist dem gesamten Lande eine solche Möglichkeit nicht ge¬
geben. Abgesehen von den kümmerlichen Verbindungswegen, beson¬
ders den spärlichen Bahnlinien, ist es tatsächlich unausführbar,
Geisteskranke in entsprechenden Heilstätten unterzubringen, wie die
oben angeführten Tatsachen ja das ganze Bild illustrieren. Es sind
alles in allem etwa 450 Plätze vorhanden, davon ist noch ein Teil von
Nichtkurländern belegt, und schätzungsweise dürfen wir mit etwa
2000 Geisteskranken (vielleicht sogar noch mit mehr) rechnen. Die
Lage der meisten Geisteskranken, welche in primitiven Armen- und
Gemeindehäusern, in Ställen, Verschlagen, usw. untergebracht sind,
ist daher im höchsten Grade trostlos. Daraus ist zu ersehen, wie
reformbedürftig die Irrenfürsorge Kurlands ist. Es sollen hier natürlich
keine Vorschläge gemacht werden, in welcher Weise diesen Mißständen
am ehesten abzuhelfen sei, es soll lediglich auf diese brennenden Fragen
hingewiesen werden.
Hoffentlich schafft die Zukunft bald Verbesserungen!
l ) Protokolle des II. kurl. Ärztetages, 1910. Ptbg. med. Zschr.
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Verhandlungen psychiatrischer Vereine,
93. Ordentliche Generalversammlung des Psychiatri¬
schen Vereins der Rheinprovinz am 25. Juni 1916
in Bonn.
Anwesend sind: Adams, Aschaffenburg, Baucke, Beyer, Beyerhaus,
Deiters, v. Ehrenwall, Ennen, Fabricius, Förster, Flügge, Gerhartz, Gudden,
Herting, Herzfeld, Höstermann, Hübner, Jannes, Krapoll, Kellner, Liebmann,
Linzbach, Loeb, Lückerath, Märchen, Neuhaus, Niemeyer, Peipers, Pelman,
Peretti, Pfahl, Raether, Rieder, Rumpf, Sauermann, Schmitz, E. Schultze,
Sioli, Stallmann, Umpfenbach, v. d. Helm, Voß, Voßschulte, Wahn, Wasser¬
meyer, Westphal, Wiehl, Wilhelmy, Witte.
Als Gäste anwesend: Balkhausen -Neuenahr, Habermann- Bonn,
König- Bonn, Langheld-Coblenz, Marri- Bonn, Aoae/r-Coblenz, .SioZi-Frank-
furt a. M., Sostmann-Ahrweiler, WitaenrafA-Pützchen bei Bonn.
Zum Eintritt in den Verein hat sich gemeldet: Privatdozent Dr.
Aönig-Bonn.
Nach Begrüßung der Mitglieder und Gäste macht der Vorsitzende
Geh.-Rat Pelman davon Mitteilung, daß seit der letzten Vereinssitzung im
Juni 1914 gestorben sind: Geh.-Rat Kohlmann- Coblenz, Leers, Gerichts¬
arzt in Essen-Ruhr, Sanitätsrat Z-o/igard-Siegmaringen, Professor Steiner-
Cöln, Professor Thomsen-Bonn, Mitglied des Vorstandes des Psychiatrischen
Vereins, Geh.-Rat Ttgges-Düsseldorf, Oberarzt Werner-Andernach.
Durch Akklamation werden in den Verein aufgenommen: Dr. Fritz
Jacoby-Sayn, der Arzt der Kuranstalten in Ahrweiler Dr. Jos. v. Ehrenwall
und die Ärzte der Prov.-Heilanstalt Bedburg-Hau, Kreis Cleve, Dr. Lurz
und Dr. Tödter.
Die Ersatzwahl für das verstorbene Vorstandsmitglied Professor
Thomsen soll verschoben werden bis nach Schluß des Krieges, und macht
der Vorsitzende schon jetzt darauf aufmerksam, daß der Antrag gestellt
werden soll, § 3 der Statuten betr. Vorstandswahl zu ändern.
Es folgen die Demonstrationen und Vorträge:
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Psychiatrischer Verein der Rheinprovinz.
497
Westphal : Über Kriegsneurosen, insbesondere über Geh¬
störungen auf psychogener Basis. (Demonstrationsvortrag.)
Der Vortragende knüpft an einen im Beginn des Krieges gehaltenen
Vortrag 1 ) über nervöse Erkrankungen im Kriege an und führt aus, daß
seine weiteren Erfahrungen im wesentlichen die damaligen Ausführungen
bestätigt haben. Die nervösen Erkrankungen im Kriege zeigen nichts
prinzipiell Verschiedenes von den im Frieden zu beobachtenden Neurosen,
es muß aber zugegeben werden, daß gewisse Formen, wie z. B. die psycho¬
genen Störungen des Gehörs und der Sprache, in größerer Häufigkeit Vor¬
kommen, andere Symptome, wie das Zittern und seine Abarten, eine be¬
sondere Mannigfaltigkeit der Erscheinungen darbieten und begleitende
psychische Störungen mitunter eine charakteristische Färbung durch
die Kriegserlebnisse erkennen lassen. Wenn sich nun auch für die Symp¬
tomatologie der Neurosen keine wesentlich neuen Gesichtspunkte ergeben
haben, hat sich doch zweifellos infolge der überaus reichen, an den ver¬
schiedensten Stellen gemachten Erfahrungen das Interesse für das Studium
der Genese der nervösen Störungen vertieft, worauf die zahlreichen,
bereits zu einer umfangreichen Literatur angewachsenen Publikationen über
dieses Thema hinweisen. Im Rahmen eines Vortrages kann ich nicht des
näheren auf diese Veröffentlichungen und die sich an dieselben anschließen¬
den Diskussionen eingehen; ich möchte aus der Gesamtheit der nervösen,
durch den Krieg gezeitigten Erscheinungen hier eine bestimmte Gruppe,
die der Bewegungsstörungen an den unteren Extremitäten, herausgreifen
und an der Hand einer Reihe charakteristischer Fälle demonstrieren.
1. B. W., Musketier. Granateinschlag in den Keller eines Hauses,
wobei ihm ein Balken auf den Kopf fiel. Hierauf beim Weitermarsch starke
K opfschmerzen, Auftreten von Krampfanfällen. Wird in einem eigen¬
artigen Verwirrtheitszustand eingeliefert mit dem Verdacht auf Gehirn¬
abszeß. Unorientiert, amnestische Defekte, apathisches, stumpfes Wesen,
zwischendurch sonderbar läppisches Verhalten, gesucht unsinnige Ant¬
worten (Vorbeireden). Frage, ob Schizophrenie oder hysterischer Dämmer¬
zustand vorlag, blieb längere Zeit unentschieden. Bei allmählichem Zurück¬
treten der psychischen Störungen, Auftreten einer linksseitigen Hemi¬
parese, die nach Art der Ausbreitung der Lähmung und nach der Art der
Gangstörung eine organisch bedingte Hemiparese nachahmte. Links¬
seitige Analgesie, „Ovarie“, vasomotorische Störungen, Steigerung der
Sehnenreflexe. Pat. gibt an, 1907, als er von einem Wagen angefahren,
aber nicht überfahren worden war, von einer gleichen Lähmung befallen
worden zu sein, die jedoch bald wieder ganz geschwunden sei. Pat. ist
zurzeit psychisch völlig frei, es besteht Amnesie für die Zeit des Dämmer-
M über nervöse und psychische Erkrankungen im Kriege. Med.
Klin. 1915, Nr. 14.
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Verhandlungen psychiatrischer Vereine.
zustandes. Die Lähmung geht unter konsequent durchgeführter Übungs¬
therapie bei energischer suggestiver Beeinflussung allmählich zurück.
2. W. F., Landsturmmann. Eltern gesund, eine Tante nervös.
Sein Sohn soll zeitweilig auch nicht gehen können. Pat. selbst hat in der
Schule schlecht gelernt, viel an Kopfschmerzen gelitten. Seit dem Jahre
1912 will er zeitweilig an Schwäche in den Beinen gelitten haben, so daß
er nicht mehr gehen konnte und monatelang nicht gearbeitet hat. Am
20. Mobilmachungstage eingezogen, entwickelt^ sich allmählich auf Pa¬
trouillendienst die jetzige Gehstörung, die unter mancherlei Schwankungen
der Intensität noch fortbesteht. Gehen und Stehen ohne Krücken nicht
möglich, Pat. läßt beim Gehen die Beine wie zwei Stöcke unbeweglich in
charakteristisch übertriebener Weise nachschleifen. Die Muskeln können
willkürlich nicht innerviert werden, nur beim Versuch, die Zehe des rechten
Fußes zu bewegen, sieht man die Streckmuskeln am Fußrücken ganz
geringe Bewegungen ausführen, ohne jedoch einen Bewegungseffekt
hervorzurufen. Pat. bietet das Bild einer schlaffen Paraplegie der unteren
Extremitäten dar. Die Sehnenreflexe sind gesteigert. Es besteht strumpf¬
förmige Anästhesie beider Unterschenkel bis zum Kniegelenk. Kon-
junktival- und Kornealreflexe sind abgeschwächt. Im übrigen normaler
Befund am Nervensystem.
3. A. J., Musketier. Der Großvater nervös gewesen, viel „Herz¬
leiden“ in der Familie. Pat. erkrankte auf dem Marsche zur Stellung an
Anfällen, die sich im Lazarett häufig wiederholten. Zurzeit große hysteri¬
sche Anfälle mit Bogenbildung, abwechselnd mit stuporösen Zuständen.
Gang exquisit spastisch paretisch auf den Fußspitzen schleifend, ohne
Stock nicht möglich. Andeutung von Propulsion.
Patellarreflexe wegen Spannens schwer zu prüfen, sind vorhanden.
Kein Babinski, kein Oppenheim. Komplete Analgesie der Körperober¬
fläche. Es besteht eine doppelseitige schlaffe, nicht auf Krampfzustand
der Orbiculares beruhende Ptosis. Um sehen zu können, wirft er den
Kopf nach hinten herüber, wodurch sich die Ptosis verringert. Kein
Kontrakturzustand der Frontales.
Zeitweilig hysterischer Strabismus mit Doppelsehen. Es besteht
Mutismus, nur selten wird einmal ein tonloser Laut herausgebracht.
Ausgesprochen vasomotorische Störungen — Tachykardie, Urticaria
facti tiva.
4. F. W., Militärkrankenwärter. Angeblich keine nervöse Be¬
lastung. Am 2. März 1916 schlug eine Granate ein in den Wagen, in dein
Pat. fuhr. Er wurde in einen Graben geschleudert, verlor nicht das Be¬
wußtsein. Mit Ausnahme einiger leichten Quetschungen keine Verletzung.
Seit diesem Unfall hat Pat. „keine Kraft mehr in den Gliedern“, kommt,
auf 2 Krücken gestützt, in die Klinik. Der Gang ist ein ganz bizarrer.
Pat. hält sich windschief; die eine Schulter in die Höhe gezogen, die andere
gesenkt, bewegt er sich mit den seltsamsten Verdrehungen des Rumpfes
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Psychiatrischer Verein der Rheinprovinz.
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mühsam vorwärts. Pat. behauptet, nicht mehr gehen zu können, seitdem
ihm gesagt worden sei, er habe einige Rippen gebrochen. Infolge dieses
Rippenbruches habe der Körper keinen Halt mehr, so daß er sich nur mit
Krücken mühsam auf die beschriebene Weise vorwärtsbewegen könne.
Lebhafte Sehnenreflexe, Zittern der ausgestreckten Hände. Starke
Herabsetzung des Konjunktival- und Kornealreflexes. Durch Druck der
Krücken, auf die er sich besonders rechts krampfhaft stützt, neuritische
Erscheinungen im r. Ulnarisgebiet. Es wird dem Pat. nach eingehender
Untersuchung versichert, daß seine Rippen nicht geblichen seien, und
ihm am Röntgenbilde der intakte Zustand seiner Rippen demonstriert.
Danach sehr schnelle Besserung des Zustandes, so daß Pat. jetzt fast völlig
geheilt stundenlang ohne Krücken, nur noch mit leichter Schiefhaltung
des Rumpfes, spazieren geht.
5. M. P., Musketier. Angeblich keine nervöse Belastung. Alle
Märsche und drei Sturmangriffe gut vertragen. August 1915 durch eine
Granate verschüttet mit längere Zeit dauernder Bewußtlosigkeit. Danach
Schmerzen im ganzen Körper und Zittern in den Gliedern. Sehnenreflexe
gesteigert, 1. bei der Prüfung auf Fußklonus einige Klonusschläge. An
Rumpf und Extremitäten fast völlige Analgesie, öfters hysterische An¬
fälle von langer Dauer, Gehen und Stehen ist nur an zwei Stöcken möglich.
Der Gang ist dadurch bemerkenswert, daß der rechte Fuß beim Versuch,
einen Schritt zu machen, stark um ca. 90° nach außen gedreht und erst
beim Vorsetzen des Beines wieder nach innen rotiert wird. Besonders bei
Erregungen tritt diese Gangstörung, die bis jetzt in keiner Weise beein¬
flußt werden konnte, in sehr deutlicher Weise hervor.
6. W. K., Landsturmmann. Angeblich keine nervöse Belastung.
Erkrankte, nachdem er sich auf einem langen Marsche sehr angestrengt
hatte, mit zunehmendem Schwächegefühl in den Beinen. Depressive
Stimmung. Hypästhesie an den unteren Extremitäten, Tachykardie,
Gaüg nur an Stöcken möglich, ganz ähnlich wie der des soeben demon¬
strierten Pat., mit starker Abduktion des 1. Fußes, die sich bei ihm aber
nicht im Moment der Abwicklung der Sohle vom Boden, sondern erst später
bei der Ausführung des Schrittes in exzessiver Weise einstellt, um nach
ausgeführtem Schritte wieder zu verschwinden. Eine Ursache der eigen¬
artigen Stellungsanomalie des Fußes, wie Schmerzen,'Kontrakturen oder
dergleichen, war in diesen beiden Fällen nicht nachweisbar.
7. S., Kriegsfreiwilliger 1 ). Über hereditäre Verhältnisse nichts be¬
kannt. Pat. wurde durch einen Granateinschlag im Schützengraben ver¬
schüttet. Keine schweren Verletzungen, nur einige Kontusionen, besonders
des 1. Unterschenkels und Fußes, die besonders beim Versuch von Bewe¬
gungen schmerzhaft waren. Während der Behandlung in verschiedenen
*) Über diesen Fall habe ich in der Versammlung süddeutscher
Nervenärzte und Psychiater 3. Juni 1916 kurz berichtet.
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kolator :-0j$ XJrtjfwNdirftkois fiUtUi- sidi gespjf«ubot hncbb'tt'
Oru-U trat, n auf. Außerhalb •'-v Rofu > h.-.»;' St.-hn.; nr,.f
■Gehen .traf spfoct wieder dt« bes» b fiebern- ttirawv- \M?uh£ 4<‘>. Yuf^k ein
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Psychiatrischer Verein der Rheinprovinz.
501
an den Gelenken und Knochen keine Veränderungen erkennen. Psychisch
etwas theatralisches Wesen, lebhafter Stimmungswechel und abnorme
Reizbarkeit.
Die Behandlung war sehr langwierig und stieß auf große Schwierig¬
keiten. Hypnose-Versuche, elektrische Behandlung versagten völlig. Es
gelang schließlich nach Richtigstellung des Fußes in leichter Narkose,
durch Streckverbände die unter energischster Suggestion angelegt wurden,
die Störung ganz allmählich zu beseitigen, so daß Pat. als garnisondienst¬
fähig entlassen werden konnte und noch heute Dienst tut.
8. M., Reservist. Eine Schwester leidet an Krämpfen. Pat. stets
leicht erregbar, lernte schwer, macht etwas debilen Eindruck. Pat. blieb
mit dem r. Bein im Drahtverhau der eigenen Stellung hängen. Gleich
danach krampfartiger Zustand, Zittern, Gefühllosigkeit und Kälte im
r. Bein. Zurzeit noch leichtes Zittern und Schwächegefühl im r. Bein.
Objektiv r. nicht erschöpfbarer Fuß- und Patellarklonus.
Ein leichtes Herabziehen der Patella, ein Schlag mit dem Hammer genügt,
um rhythmische, gleichmäßige Zuckungen im M. quadriceps fern,
auszulösen, die sich nicht erschöpfen, sondern kontinuierlich andauern.
Die Erscheinung ist konstant, zu jeder Zeit nachweisbar. Auch der Fuß-
klonus zeigt den Charakter des nicht erschöpfbaren Fußzitterns.
Kein Babinski. Kein Oppenheim. Augenhintergrund normal. Befund am
Nervensystem bis auf Hypästhesie an der r. unteren Extremität und Tachy¬
kardie (210—180 Pulse), ohne Besonderheiten.
9. P., Reservist. Angeblich keine Heredität, stets erregbar, von
mäßiger Intelligenz. Schon früher bei Ermüdung öfters Zittern der Beine.
Zum ersten Mal dem feindlichen Feuer ausgesetzt, trat stärkeres Zittern
in den Beinen auf, welches in der Ruhestellung nachließ, ein Gefühl von
Schwäche in denselben blieb zurück und Neigung zum Zittern bei Erregun-
gen;zurzeit objektiv beiderseits nicht erschöpfbarer Fußklonus.
Sehr lebhafter Patellarreflex und ein erschöpfbarer Patellarklonus beider¬
seits. Rechts ausgesprochene Hypästhesie. Im übrigen normaler Befund.
10. F. K., Reservist. Vater gelähmt. Keine sonstige hereditäre
Belastung. Im Felde Sturz vom Pferde, danach Schmerzen in den Beinen.
Während der Lazarettbehandlung Auftreten von starkem Zittern im r.
Bein, welches allmählich auch die 1. Seite mitergriff. Objektiv in beiden
Beinen beim Liegen, Sitzen und Stehen tonische und klonische Zuckungen
mit lebhaftem Zittern, Erscheinungen, die beim Versuch zu gehen sofort
verschwinden, so daß der Gang nichts von pseudospastischen Erscheinun¬
gen oder Tremor darbietet, nur etwas ungeschickt und hinkend ist. Befund
am Nervensystem im übrigen negativ.
11. S. K., Fahrer. Angeblich keine hereditäre Belastung. War stets
nervös, leicht erregbar, nie ernstlich krank.
Im Felde 1915 fiel ihm ein Sack Hafer auf den Rücken, danach einige
Zeit bewußtlos, es sei ihm dabei hellrotes Blut aus dem Munde geflossen.
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Nach dem Schwinden dieser krankhaften Erscheinungen nach der Heimat
beurlaubt, wurde ihm auf der Fahrt dorthin von Kameraden gesagt. ,,er
sei schwindsüchtig“, weil er einen Blutsturz gehabt habe. Hierüber große
Aufregung und bald darauf Krampfanfälle, die sich in der Folgezeit noch
mehreremal nach psychischen Erregungen einstellten. Im Anschluß an
diese Anfälle entwickelte sich das heftige Zittern, wegen dessen Pat. in
die Klinik kommt.
Pat. kommt auf Stöcke gestützt, Gehen ohne Stütze nicht möglich.
Der Gang ist steif, spastisch paretisch, jedoch kein ausgesprochenes Schlei¬
fen auf den Fußspitzen. Bei jedem Versuch, aufzustehen und zu gehen,
lebhaftes Zittern der unteren Extremitäten, welches sich auch auf Rumpf
und Extremitäten fortpflanzt. Starkes Zittern der ausgestreckten Hände,
welches sich bei Zielbewegungen zu förmlichem Schütteln steigert.
Sehnenreflexe sehr lebhaft. Komplete Analgesie der Körperober¬
fläche.
Pat. klagt über Kopfschmerzen, Schmerzen im Nacken und Hinter¬
kopfe. Psychisch zeigte Pat. zuerst ein eigenartiges Verhalten, machte
einen etwas kindisch-läppischen Eindruck, gab falsche Antworten bei den
einfachsten Fragen. Auffallende Störungen des Gedächtnisses und der
Merkfähigkeit.
Der Verlauf zeigte, daß es sich um einen vorübergehenden Zustand
„hysterischer Pseudodemenz“ gehandelt hatte.
12. S. J., Wehrmann. Eltern sowie 12 Geschwister leben und sind
gesund. Pat. nie krank oder nervös gewesen.
September 1915 durch Granatenexplosion verschüttet. Keine äußere
Verletzung. Lag 3 bis 4 Monate zu Bett. Sofort nach der Verschüttung
starkes Zittern, besonders in den Beinen, heftige Rücken- und Kreuz¬
schmerzen. Die 1. Seite war wie gelähmt. Schlaflosigkeit, größere gemüt¬
liche Erregbarkeit.
Gehen breitbeinig, spastisch paretisch, nicht ohne Stütze möglich.
Sofort beim Aufstehen heftiges Zittern in den Beinen, welches sich bei
jedem Schritt steigert und schließlich den ganzen Körper ergreift.
Sehnenreflexe lebhaft. Allgemeine Hyperästhesie bei sensiblen Reizen.
Auffallende psychische Störungen. Pat. ist zeitlich unorientiert. Kann
Namen seiner Frau und Kinder erst nach langem Besinnen nennen. Kennt
den Namen seines Leutnants und Feldwebels, die Hauptstadt von Deutsch¬
land nicht. Bei einfachen Rechenaufgaben verblüffend falsche Angaben.
4x5 = 5, dann 4 usw. Stimmung deprimiert, ängstlicher Gesichtsaus¬
druck.
Das wechselvolle Verhalten dieser psychischen Störung, ihre Ab¬
hängigkeit von suggestiven Einflüssen zeigte, daß kein schizophrener Zu¬
stand, sondern „hysterische Pseudodemenz“ vorliegt.
13. K., Invalide. Am 14. August 1914 überfall in der Schlucht bei
Srhirmeck mitgemarht. Seitdem andauernd sehr aufgeregt. Bis 29. Januar
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1915 bei der Truppe. Dann wegen plötzlicher Aphonie ins Lazarett. Als
er im Mai 1915 im Erholungsurlaub war, bekam er angeblich zuerst „beim
Sitzen ein Springen des Oberkörpers“, nachdem er dies von einem andern
Kranken im Lazarett gesehen hatte. Später trat das Springen auch beim
Gehen auf. Pat. bietet zurzeit das Bild des sogenannten saltatorischen
Reflexkrampfes dar. Bei jedem Versuch, zu gehen, treten hüpfende Tanz¬
bewegungen auf, bei denen Pat. mit eigenartiger Erschlaffung der Gelenke,
ähnlich dem Verhalten beim Schuhplattein, im Doppelschritt durch das
Zimmer tanzt. Bei dem leisesten Geräusch Zusammenfahren mit fol¬
gendem In-die-Höhe-springen. Aphonie. Steigerung der Sehnenreflexe.
Sonst Befund ohne Besonderheiten.
Suchen wir die verschiedenen Gangstörungen, wie sie uns entgegen¬
getreten sind, in einzelne Gruppen zu trennen, so bieten die ersten drei
demonstrierten Kranken (Fall 1, 2, 3) funktionale Gehstörungen dar, die
in bemerkenswerter Weise organisch bedingte Lähmungen, eine Hemi¬
plegie, eine schlaffe und eine spastische Paraplegie, imitieren. Die
Art der Entstehung dieser Lähmungen, im Anschluß an einen hy¬
sterischen Dämmerzustand oder an hysterische Anfälle, das Vor¬
kommen ähnlicher vorübergehender, lähmungsartiger Zustände im
früheren Leben weisen in Verbindung mit charakteristischen Sensibili¬
tätsstörungen, bei dem Fehlen aller organischen Symptome, auf die
hysterische Grundlage der betreffenden Lähmungen hin.
Der dritte Fall ist besonders bemerkenswert durch Komplikation
mit hysterischen Erscheinungen von seiten der Augen. Es besteht zeit¬
weilig auftretender hysterischer Strabismus in Verbindung mit einer
doppelseitigen, schlaffen, nicht durch einen Orbiculariskrampf vorge¬
täuschten Ptosis, deren Entstehung und wechselvolles Verhalten zweifellos
auf die hysterische Natur der Erscheinung hinweist. Auch fehlt die bei
organisch bedingter Ptosis vorhandene Kontraktur des M. frontalis. Ein
sich der Gehstörung und den Symptomen von seiten der Augen zugesellen¬
der Mutismus vollendet hier das Bild einer „grande hysterie“.
Die folgenden 4 Fälle (Fall 4, 5, 6, 7) zeigen eigenartige Gehstörungen,
die keinem Bilde organischer Erkrankung, aber auch nicht dem einer der
gewöhnlichen psychogenen Gangstörungen entsprechen.
Fall 4 ging mit den wunderlichsten Verdrehungen und Verrenkungen
des Rumpfes und der Extremitäten, die sich vielleicht kinematographisch
fixieren, aber nicht durch eine Beschreibung wiedergeben lassen. *
Bemerkenswert ist die Entstehung dieses Falles im Anschluß an die
hypochondrische Vorstellung, daß die Rippen gebrochen und dadurch der
Körper seines Haltes beraubt sei, sowie die prompte Heilung der Geh¬
störung, nachdem es gelungen war, den Pat. durch Demonstration des
Röntgenbildes von seiner krankhaften Vorstellung zu befreien. Fall 5 und 6
Zeitschrift für Psychiatrie. LIXII. 5/0. 35
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fallen besonders auf durch eine exzessive Auswärtsdrehung eines Fußes
beim Gehen, die sich bei dem einen Kranken im Beginn der Abwicklung
des Fußes vom Boden, bei dem andern Kranken erst bei der Ausführung
des Schrittes einstellt. Durch diese in verschiedenen Phasen des Gehakte-;
auftretende Auswärtsrotation des Fußes bis zu 90° erhält die Gehstörunc
bei jedem dieser Kranken ihr besonderes Gepräge. In diesen beiden Fällen
ließ sich die Gangstörung nicht, wie in der vorhergehenden Beobachtung,
auf bestimmte, mit dem körperlichen Zustand eng zusammenhängend^
Vorstellungskomplexe zurückführen — ihre psychogene Grundlage jedoch
ist unverkennbar. Besonders interessante Verhältnisse bietet der folgende,
ein Unikum darstellende Fall 8 (vgl. Textßgur). Wir gehen wohl nicht
fehl in der Annahme, daß es sich hier um einen recht ungewöhnlichen
Kontrakturzustand von den Fuß nach außen drehenden Muskelgruppen
gehandelt hat. Auf den Reizzustand wiesen die erwähnten schmerzhaften
Muskelzuckungen, die besonders lebhaft im Stadium des Nachlassen? der
Kontraktur in die Erscheinung traten, mit Deutlichkeit hin. Der Beginn
der Stellungsanomalie des Fußes steht vielleicht mit Abwehrbewegungei,
desselben gegen durch die Kontusion hervorgerufene Schmerzen un>!
einer durch diese bedingten Zwangshaltung in Zusammenhang, welche
dann im Laufe der Behandlung durch autosuggestive Einflüsse hochgradig
gesteigert und in der abnormen Stellung fixiert wurde. Auf die psycho¬
gene Grundlage der Störung wiesen die anästhetischen Zonen, das hysteri¬
sche Wesen des Pat. sowie die vorwiegend auf suggestivem Wege erzielt-'
Heilung hin.
Bemerkenswerterweise konnte Pat. nach seiner Wiederherstellung
die abnorme Stellung des Fußes in keiner Weise mehr hervorbringen
ich hebe diesen Umstand besonders hervor, da auch unter physiologischen
Verhältnissen bei großer Übung ähnliche bizarre Fußstellungen und gr>-
teske Gangarten wohl hervorgebracht werden können, wie man es mit¬
unter bei Vorführungen von Clowns und Parterreakrobaten zu beobachtet-
Gelegenheit hat.
Die folgenden 5 Fälle (Fall 8—12) zeigen das bekannte Bild dt-
pseudospastischen Form mit Tremor (Fürstner, Nonne) bzw. das der
Myotonoclonia trepidans (Oppenheim), in verschiedener starker Aus¬
bildung der krankhaften Erscheinungen. Die Beobachtungen 8 und v
stellen gleichsam „formes Trustes“ dieser Erkrankung dar, da Zittern unc
Schwächeerscheinungen an den unteren Extremitäten nur wenig ausg»
sprechen sind. Besonders bemerkenswert sind sie aber durch die Erschei¬
nung* eines rhythmischen, durchaus unerschöpflichen, ein¬
seitigen Fuß- und Patellarklonus in Beobachtung 8, eine--
doppelseitigen, unerschöpflichen Fußklonus in Beobachtung**
Der Umstand, daß derartige Fälle auf Grund der klonischen Erscheinun
gen nicht selten mit der Diagnose eines organischen Leidens in die Klinik
geschickt werden, und daß auch in dem trefflichen Handbuch der Neun-
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logie von Lewandowsky ein rhythmischer, unerschöpflicher Patellarklonus
als „ein unbedingt sicheres Zeichen einer organischen Affektion der Pyra¬
midenbahn“ bezeichnet wird, ist der Grund der Demonstration dieser
beiden Fälle, die, sicher psychogener Natur, die klonischen Erscheinungen
in exquisitester Weise erkennen lassen. Zweifellos sind derartige Fälle,
welche einen scheinbar echten Klonus, nicht die so häufig nachweisbare
Erscheinung einiger erschöpfbarer klonischen Schläge zeigen, relativ seltene
Vorkommnisse, auf die aber bei der Häufigkeit der Beobachtung von
pseudospastischen Erscheinungen unter den nervösen Erkrankungen des
Krieges doch besonders hingewesen werden muß, da die falsche Beur¬
teilung des Symptoms in prognostischer und therapeutischer Hinsicht
unliebsame Konsequenzen haben kann. Daß durch sorgfältigste Unter¬
suchung alle andern, auf ein organisches Leiden hindeutenden Symptome
(Augenhintergrund, Babinski, Oppenheim, Bauchdeckenreflexe usw.)
auszuschließen sind, und auch die Entstehung des Leidens sowie seine
Begleiterscheinungen (Anästhesien usw.) auf die psychogene Natur des¬
selben hinweisen müssen, braucht kaum besonders betont zu werden.
Leider sind die exakten Methoden zur Unterscheidung des echten vom
falschen Klonus, wie die graphischen Methoden Weilers u. a., für den
praktischen Gebrauch noch nicht allgemein verwendbar.
In voller Ausbildung zeigen die folgenden 3 Fälle 10, 11 und 12 den
Symptomenkomplex der pseudospastischen Parese mit Tremor. Die von
Oppenheim x ) noch neuerdings wieder eingehend geschilderten Symptome
der klonischen und tonischen Zuckungen, des Tremors (Myotonoclonia
trepidans) und der durch sie bedingten charakteristischen Bewegungs¬
störung sind in allen 3 Fällen vorhanden mit dem auffallenden Unterschied,
daß die trepidanten Erscheinungen im Fall 10 nur beim Stehen auftreten,
beim Gehen verschwinden, daß es sich also um eine trepidante Astasie
handelt, während Fall 11 und 12 das typische Bild der trepidanten Abasie
darbieten.
Der letzte Fall (13) zeigt ein seltenes Bild einer Gehstörung auf
nervöser Grundlage, wie ich sie in gleicher Weise bei Kriegsteilnehmern
noch nicht beobachtet habe, einen sogenannten „saltatorischen Reflex¬
krampf“. Die hüpfenden und tanzenden Bewegungen dieses Patienten,
die beim Gehen auftreten, haben etwas Gesuchtes und Gemachtes, erinnern
an die Tanzbewegungen beim Schuhplatteln, sie scheinen jetzt — nachdem
Pat. für D. U. erklärt ist, nachzulassen und nur noch unter bestimmten
Bedingungen in der früheren grotesken Form aufzutreten. Auf die psycho¬
gene Grundlage des Leidens weist seine Entstehung durch psychische In¬
fektion auf dem Wege der Imitation, wie auch die begleitende hysterische
Aphonie hin.
Beim Rückblick auf die Gesamtheit der körperlichen Symptome,
*) Med. Künik Nr. 47, 1915.
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die uns bei den demonstrierten Kranken entgegengetreten sind, möchte
ich an dieser Stelle nur kurz auf die Häufigkeit des Vorkommens charak¬
teristischer hysterischer Sensibilitätsstörungen hinweisen. Ich halte die¬
selben in Übereinstimmung mit Binswanger 1 ), Nonne 2 }, Sänger 3 ) u. a.
für eines der wichtigen objektiven Krankheitszeichen der Hysterie, denen
ein diagnostischer Wert nicht abzusprechen ist, wenn uns auch ein Ver¬
ständnis für den „psychischen Mechanismus“ der Entstehung dieser Sensi¬
bilitätsstörungen noch fehlt und die Bedeutung suggestiver Einflüsse, vor¬
nehmlich für die Fixierung dieser Störungen, in manchen Fällen gewiß
nicht von der Hand gewiesen werden kann.
Was die psychischen, einige unserer Beobachtungen komplizierenden
Störungen betrifft, erwähne ich besonders die eigenartigen Zustände
„hysterischer Pseudodemenz“, die wir in Verbindung mit hysterischen
Dämmerzuständen (Fall 1), aber auch ohne anfallartige Zustände (Fall 11
und 12) auftreten sahen. Die schon von andern Autoren (Bonhöffer*),
Aschaffenburg u. a.) hervorgehobene Schwierigkeit, diese Fälle von schizo¬
phrenen Zuständen zu trennen, ist auch von uns wiederholt empfunden
worden.
Die Beurteilung der Affekterregbarkeit dieser Kranken, auf die es
in erster Linie ankommt, stößt oft auf große Schwierigkeiten, und nicht
selten ermöglicht erst die Beobachtung des Verlaufs des Falles eine sichere
Diagnose. Wir werden versuchen, objektive Methoden, wie die Unter¬
suchung der Pupillenunruhe nach Bumke, in ausgedehntem Maße für die
Beurteilung dieser Fälle heranzuziehen, fürchten aber, daß diese Unter¬
suchungen bei den in der Regel noch wenig vorgeschrittenen Krankheits¬
prozessen keine eindeutigen Resultate ergeben werden.
Wenden wir uns nach dieser Schilderung der klinischen Bilder den
ätiologischen Verhältnissen der uns beschäftigenden nervösen Störungen
zu, so sehen wir auch hier in Übereinstimmung mit unseren früheren Beob¬
achtungen, daß diese ganz vorwiegend auf dem Boden der nervösen Ver¬
anlagung zur Entwicklung kamen. Bei eingehendem Nachforschen findet
man bei der überwiegenden Mehrzahl der Fälle Angaben über Familien¬
belastung oder über nervöse Störungen im Vorleben der Patienten, die
mitunter mit den später im Felde aufgetretenen auch der Form nach,
wie z. B. das Wiederauftreten psychogener Lähmungen, übereinstimmen.
Aber zweifellos kommen Fälle vor, in denen ohne jede nachweisbare Ver-
*) Hystero-somatische Krankheitserscheinungen bei Hysterie. Mtschr.
f. Psych. u. Neurol. Bd. 38, H. 1 u. 2.
2 ) Verhandlungen im Hamburger Ärztl. Verein 1915/16.
3 ) Ibidem.
4 ) Die Differentialdiagnose der Hysterie und psychopathischen Kon¬
stitution gegenüber der Hebephrenie im Felde. Med. Klin. 1915, Nr. 32.
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anlagung nervöse Symptomenkomplexe zur Entwicklung kommen. Es
scheinen das vorwiegend Fälle zu sein, in denen eine Summation von
schädigenden Einflüssen oder besonders schwere Traumen (Verschüttun¬
gen, langanhaltendes Trommelfeuer usw.) auf ein vorher intaktes Nerven¬
system eingewirkt haben. Bei der großen Zahl der irgendwie nervös be¬
lasteten Patienten findet man jedoch, daß leichtere Traumen der aller¬
verschiedensten Art unter Umständen dieselben nervösen Störungen her-
vorrufen können wie schwere schädigende Einflüsse, von denen ich beson¬
ders die vielbesprochene „Granatkommotion oder -kontusion“ 1 * ) hervor¬
hebe. Wenn wir von den organischen Granatkommotionswirkungen hier
absehen, decken sich die nervösen Folgeerscheinungen derselben im wesent¬
lichen mit dem Begriff der traumatischen Hysterie und zeigen deren viel¬
gestaltige Bilder, ohne daß die Schwere der Krankheitserscheinungen und
die Schwere des Traumas Hand in Hand zu gehen brauchen. Die demon¬
strierten Fälle zeigen in deutlicher Weise die oft gleiche Wirkung ganz
leichter „banaler“ Traumen und schwerer traumatischer Einwirkungen,
sie weisen auf die große Bedeutung „der seelischen Stellungnahme“
(Gaupp) des Betreffenden zu dem Trauma hin. Wir fanden die mannig¬
fachsten psychischen Einwirkungen, Schreck, Sorgen, ängstlich gespannte
Erwartung, in einzelnen Fällen hypochondrische Vorstellungen (Fall 4)
oder psychische Infektion (Fall 13) als Ursachen der nervösen Symptomen¬
komplexe, neben denen aber in einer Reihe von Fällen auch körperliche
Erschütterungen und somatische Erschöpfungszustände ätiologisch in dem
Krankheitsbilde eine Rolle spielten. So konstatierten wir in unseren Beob¬
achtungen neben den das Krankheitsbild beherrschenden hysterischen
bzw. psychogenen Erscheinungen auch Symptome, die zu den neurastheni-
sehen gerechnet werden, wie Kopfschmerzen, Schwindel, Schlaflosigkeit
und in erster Linie vasomotorische Störungen, ohne daß sich jedoch
zwischen diesen Formen immer eine scharfe Grenze ziehen ließe. Die
Vorstellung von der Bedeutung psychischer Faktoren bei der Entstehung
der Kriegsneurosen erhält durch die interessanten Feststellungen Bon¬
höffers a ) und Märchens 3 ) an Kriegsgefangenen in jüngster Zeit eine
wichtige Stütze. In meiner früheren Veröffentlichung über Kriegsneurosen
(1. c.) wies ich auf die auffallende Tatsache hin, daß Horstmann 4 ) bei
einem großen Beobachtungsmaterial an Verwundeten „nicht ein
einziges Mal auch nur Andeutungen von Symptomen der traumatischen
l ) Vgl. Gaupp , Die Granatkontusion. Beiträge z. klin. Chir. Bd. 46,
H. 3, 1915.
*) Neurol. Ztlbl. 1916, Nr. 11, S. 476, Diskussionsbemerkung.
s ) Vortrag, gehalten auf der Vers, südwestdeutscher Nervenärzte,
4. Juni 1916.
4 ) Ärztl. Sachv.-Ztg. 1914, H. 22. Ref. Psych.-neurol. Wschr.
Bd. 16, S. 346.
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VertundhiDgeo psychiatrischer Ti
Neurose gefunden r^t'\ im Gegensätze za andern Autoren, die ..das unge¬
heure Heer der hysterischen und psychogenen Nervenaffektionen. wie sie
dieser Krieg in erstaunlicher Fülle zutage bringt“, beschreiben, und be¬
tonte die Wichtigkeit des Herbeibringens von Tatsachenmaterial, welches
geeignet wäre, zur Klärung dieser anscheinenden Widersprüche beizu-
tragen. Ich finde jetzt beim Na hs^ hlagen der Horstmanns*:hen Wr-
offentlichung. daß es sich in seinen Fällen in gleicher Weise wie in den
Beobachtungen Bonhöffers und Märchens ausschließlich um kriegsgefangene
Russen und Franzosen gehandelt hat. und daß Horstmann schon damals
auf die Bedeutung dieses Faktors als Bestätigung der Auffassung der
psychogenen Natur der Kriegsneurosen aufmerksam gemacht hat. Ich
habe in der ersten Zeit des Krieges zahlreiche verwundete Franzosen in
meiner Klinik zu beobachten Gelegenheit gehabt, jetzt sehe ich zahlreiche
Fälle psychischer Erkrankung bei Russen aus dem Gefangenenlager Wahn,
ohne jemals einen Fall von „traumatischer Neurose" unter ihnen zu finden.
Weitere Feststellungen 1 ) in dieser Hinsicht erscheinen nicht nur vom
praktischen, sondern auch vom theoretischen Gesichtspunkt aus wün¬
schenswert, da sie vielleicht geeignet sind zur Lösung der vielen Rätsel,
welche uns die Hysterie immer noch bietet, beizutragen.
Von der Voraussetzung der wesentlich psychischen Grundlage der
Kriegsneurosen werden auch die therapeutischen Maßnahmen auszugehen
haben. Welche Methode der Behandlung angewendet werden mag. immer
wird der Arzt das gesamte psychische Verhalten, die Persönlichkeit des
Kranken im weitesten Sinne des Wortes, mit Berücksichtigung seiner
äußeren und inneren Lebensbedingungen, ins Auge zu fassen haben, um
auf dem Boden einer richtigen psychologischen Bewertung des Falles eine
seinen individuellen Verhältnissen angepaßte Behandlungsweise einzu¬
schlagen. —
Dr. S. Loeb, Abteilungsarzt der Zweigstation von Ehrenwall des
Reservelazaretts Ahnveiler:
1. Brüder FL aus S., 26 und 24 Jahre alt. Beide leiden an Myotonia
congenita ( Thornsensche Krankheit). Außer den beiden Vorgestellten
leidet noch eine Schwester an dergleichen Krankheit. Von dem Vorkommen
der Krankheit in der Aszendenz nichts zu ermitteln. Typische Fälle.
Beginn in erster Kindheit. Muskelkraft bei Anfangsbewegung außer¬
ordentlich gering. Erhebliche Muskelsteifigkeit nach Ruhe. Gezeigt wird
die träge, tonische Anspannung des getroffenen Teiles der mechanisch
erregten Muskeln mit Nachdauer der Kontraktion. Diese Erregbarkeit
Anmerkung während der Korrektur. Inzwischen hat Oppenheim
(Neurol. Ztlbl. 1916, Nr. 13) nach seinen Erfahrungen in Kriegsgefangenen¬
lagern die Tatsache bestätigt und weitere Aufklärungen über dieselbe in
^ Aussicht gestellt.
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ist nicht in allen Muskelgruppen gleich. Von tiefer, langanhaltender
Dellenbildung in den Waden bis zur Reaktionslosigkeit im derbharten
Quadriceps femoris viele Übergänge. Gezeigt wird weiter die myotonische
Reaktion bei direkter galvanischer Reizung. Außer trägen, tonischen
Muskelzuckungen und rhythmischem Undulieren wird noch eine neue Re¬
aktionsform gezeigt: nach blitzförmiger Kontraktion (Vorschlag) kon¬
trahiert sich der gereizte Muskel noch einmal träge. Bei dem einen Kranken
fehlten die Achillessehnen- und Patellarreflexe, bei dem zweiten nur die
Achillessehnenreflexe. Bei beiden war das Gräfe sehe Symptom nachweisbar.
Fall 1 hatte Exophthalmus ohne Schilddrüsenvergrößerung. Fall 2 Schild¬
drüsenvergrößerung ohne Exophthalmus. Bei beiden waren die Kremaster¬
reflexe gesteigert. Der eine tat 5 Wochen, der andere ein halbes Jahr
Militärdienst.
2. Grenadier H. O., 21 Jahre alt, aus G. Durch Schuß durch die
linke Leiste war der N. femoralis getroffen. Am 19. 10. 15 Nervennaht;
danach war das linke Bein völlig gelähmt. Bei der Aufnahme in die Kur¬
anstalt ging O. an zw r ei Stöcken, trat mit dem linken Fuß überhaupt nicht
auf; daran hinderte ihn eine psychogene Lähmung, die sich durch Übungs¬
therapie heilen ließ. Gezeigt wurde die Femoralislähmung, die sich isoliert
erstreckte auf den M. sartorius, den M. vastus lateralis und M. rectus
femoris, die aber den Vastus medialis völlig freiließ. Reflexe am ver¬
wundeten Bein: Achillessehnenreflex vorhanden, Patellarreflex fehlt,
Kremasterreflex gesteigert.
3. 2 Fälle von Medianuslähmung. Dragoner G. und Musketier M.
Bei G. ist nach Plexusnaht am 13. 12. 15 eine langsame Besserung einge¬
treten. Von den vom N. medianus versorgten Muskeln sind nicht betroffen
die Mm. lumbricales 1 und 2, wohl die Pronatoren, außerdem der vom
N. ulnaris versorgte M. interosseus 4.
Bei M. ist der N. medianus erst unterhalb der Mitte des Unterarms
getroffen, infolgedessen sind die Pronatoren freigeblieben. Stark ist in
diesem Falle die bei Medianuslähmung häufig vorkommende trophische
Störung. Hand blau verfärbt, glänzend, leicht geschwollen, schwitzt stark.
4. jö Fälle von Gangstörungen bei Schreckneurosen. Es wird hinge-
vviesen auf die Häufigkeit der Plattfüße und auf vorangegangenen „Rheuma¬
tismus“ bei derartigen Störungen. Gemeinsam sind allen Kopf- und Kreuz¬
schmerzen, leichte Ermüdbarkeit und Schlafstörung. Die Gangart ist
bei allen verschieden. Der eine klebt mit den Füßen am Boden, der zweite
geht unsicher, wie über ein Seil, hält ruckweise Balance, der dritte ängstlich
mit kleinen, trippelnden Schrittchen, der vierte watschelnd spreizbeinig,
als ob er sich verunreinigt hätte, der fünfte ähnelt einem Tabiker, der
sechste geht spastisch, spreizbeinig, als ob die Beine durch eine Feder aus¬
einandergehalten würden. Letzterer fällt beim Versuch, die Beine zu
nähern, jedesmal in hysterischen Krampf. —
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510 Verhandlungen psychiatrischer Vereine.
G. Voß-D üsseldorf: Über chronischen Tetanus (mit Kranken¬
vorstellung):
J. G., 14. 8. 1914 in Belgien durch Granatsplitter verwundet. Kom¬
plizierte Fraktur des Unterschenkels, lange unverbunden gelegen. Schwere
Infektion. 28. 8. wegen Kaubeschwerden 10 ccm Tetanus-Antitoxin.
Wirbelsäule versteift. Krämpfe. 13. 9. Erscheinungen geschwunden.
Dauernde Eiterung der Wunde. 15. 6. 15 wieder Tetanuserscheinungen:
geringe Mundsperre, Rückensteifigkeit, ins Bein ausstrahlende Schmerzen.
Allmählicher Rückgang der Erscheinungen, vom 15. 7. wieder auf den
Beinen. 9. 11. Seit einiger Zeit zunehmende Versteifung und Verkrüm¬
mung der Wirbelsäule. 10. 12. Crefeld, Orthopädisches Lazarett von Dr.
Scheffen: Starke, gleichmäßig gerundete Krümmung der Wirbelsäule nach
hinten. Brust-und Lendenteil völlig steif, Hals teil frei beweglich. Gesamte
Muskulatur des Rumpfes und der Beine hart gespannt. Trismus. Allmähliche
Besserung bis Ende Februar 1916, dann erneute Verschlimmerung. 20. 3
erste neurologische Untersuchung: typisches Bild des schweren akuten
Tetanus + Kyphose. Im Laufe der nächsten Wochen (nach Serum¬
injektionen?) allmählicher Rückgang der Störungen. Augenblicklich bis
auf Andeutung von Mundsperre und fehlende Achillesreflexe neurologisch
nichts Auffälliges.
Eigentümlicher Fall von schwerem Tetanus, der nun fast 2 Jahre
dauert und mit Intermissionen und Remissionen einhergeht. Rezidive bei
Tetanus bekannt, aber nicht in dieser Form. Demontmirot hat chronischen
Tetanus beschrieben, aber in paraplegischer Form, mit Inkubationszeit
von 2—6 Wochen, Dauer der Erkrankung im ganzen bis zu 6 Monaten
etwa. Mehr lokaler Typus, keine Atemnot, wenig Kaubeschwerden.
Die Kyphose sonst nicht beobachtet, andere Ursachen (Tbk.) nach
Urteil der Chirurgen nicht anzunehmen. Verkrümmung allmählich ent¬
standen unter dem Einfluß dauernder Muskelspannung. Am Röntgenbild
keine deutlichen Veränderungen der Wirbelstruktur. Mit der Abnahme der
Tetanuserscheinungen jetzt Streckung der Wirbelsäule nachweisbar.
G. ist um etwa 3 cm in den letzten 2 Monaten gewachsen. —
Demonstration der Darstellung von Spirochäten bei Paralyse
für Herrn Dr. Franz /aAne/-Frankfurt a. M. —
In der Diskussion zu den Demonstrationen warnt Voß vor dem
Stadturlaub bei Zittern und ähnlichen Neurotikern, deren Häufung in
manchen Lazaretten einen Hinweis auf die Infektiosität solcher Fälle enthält.
Märchen -Wiesbaden betont, daß die vorgestellten Fälle von Kriegs¬
neurosen in ihrer Mannigfaltigkeit eine eingehende Feststellung für jeden
einzelnen Fall über den Beginn und die Entwicklung des Leidens wün¬
schenswert erscheinen lassen. Für diese wie auch für alle weiteren Beob¬
achtungen derart ist es von besonderem Interesse, zu erfahren, ob die
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511
Störungen in ihrer jetzigen Ausprägung sich unmittelbar an den er¬
littenen Schock angeschlössen haben und seitdem konstant bestehen,
oder ob sie erst allmählich, Tage oder Wochen nachher, in der Etappe
oder im Heimatlazarett usw. zur Entwicklung gekommen sind. Aus diesen
Eeststellungen lassen sich wichtige Schlüsse für das Wesen und die prakti¬
sche Beurteilung sowohl des einzelnen Falles als auch dieser Neurosen¬
formen überhaupt ziehen.
Loeb kann bestätigen, daß der Beginn derartiger Erkrankungen sofort
nach dem Trauma, häufiger aber später, auch erst wochenlang nachher
einsetzt.
Rieder- Coblenz schließt sich dem Urteil von Voß wegen Nichtbeur¬
laubung bzw. Beurlaubung der funktionellen Neurosen, besonders in den
Städten, nur in ganz begründeten Fällen, auf Grund seiner großen Er¬
fahrungen vollauf an. Gerade in Städten, wo leider das meiste Unver¬
ständnis für funktionelle Neurosen besteht, erlebt man, da die oberen
Zehntausend sich für diese so schwierigen Kranken meist sehr interessieren,
die unglaublichsten Sachen.
Beyer-. Die Anfrage des Herrn Märchen nach dem Beginn der ner¬
vösen Erscheinungen ist dahin zu beantworten, daß diese eintreten ent¬
weder unmittelbar nach dem Ereignis oder später im Lazarett, oder auf
einem Heimaturlaub, oder nach der Rückkehr zur Truppe oder auch noch
nach der Entlassung aus dem Militärdienst. Es kommt einfach alles vor.
Bezüglich der Entlassung der Kriegsbeschädigten mit hysterischen Er¬
scheinungen möchte ich betonen, daß man die Leute nicht endlos lange
in den Lazaretten sitzen lassen kann. Das würde für den Fiskus sehr
kostspielig, und nützen würde es auch nichts. Wenn man sie nicht in die
Heimat entlassen soll, so bleibt nur übrig, von Staats wegen besondere
Pflegeanstalten zu schaffen, in denen solche Fälle untergebracht werden,
um sie der Öffentlichkeit zu entziehen. Einstweilen müssen wir damit
rechnen, daß nach der Entlassung als D. U. die Kriegsbeschädigtenfür¬
sorge sich ihrer annimmt. Leider ist bei diesen Stellen nicht immer ge¬
nügend Sachkenntnis und Verständnis für die ärztliche Beurteilung zu
finden.
Aschaffenburg hat in letzter Zeit schwere Fälle von langdauernder
Zittemeurose in seiner Klinik sehr viel seltener beobachtet und schreibt
diese günstige Erfahrung der Beschäftigung zu, die das Einwurzeln krank¬
hafter Gewohnheitsbewegungen verhindert. Es ist ihm dadurch gelungen,
die Kranken verhältnismäßig leicht zu fleißigem Arbeiten zu bringen,
daß er nur ernste Arbeiten machen läßt und alles Spielerische vermeidet.
Die Wahl Werte schaffender Arbeiten ermöglicht eine reichliche Bezahlung,
und diese Aussicht auf Gewinn hat sich als der stärkste Beweggrund er¬
wiesen, auch solche Kranke zum Arbeiten zu bringen, die, wie z. B. die
Zitterer, überzeugt waren, nichts arbeiten zu können. Das Wiederher¬
stellen von Granatkörben z. B. ist eine sehr zweckmäßige Tätigkeit, weil
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512 Verhandlungen psychiatrischer Vereine.
es leicht zu erlernen ist und gut bezahlt wird. Manche Zitterer haben bei
uns täglich mit dieser Arbeit ohne große Mühe 3 M. und mehr verdient.
Wenn es vielleicht auch auf den ersten Augenblick unangebracht erscheint,
daß Kranke innerhalb der Lazarette so viel Geld verdienen, so kommt
doch ihre Tätigkeit insofern auch der Allgemeinheit zugute, als in der
Gewöhnung an Arbeit und der während der Arbeit wachsenden Über¬
zeugung, trotz der außerordentlich schweren Behinderung jeder Tätigkeit,
erwerbsfähig zu sein, ein mächtiger Heilfaktor liegt.
Außerdem beteiligt sich Liebmann an der Besprechung.
Dr. Lückerath-Bonn: Über Militärpsychosen.
In der Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt zu Bonn sind während des
Krieges kranke Soldaten verpflegt und behandelt worden; den folgenden
Ausführungen werden gut beobachtete Fälle zugrunde gelegt. (Etwa
50 Kriegsgefangene und einige andere Fälle werden ausgeschaltet, da sie
nicht ganz klar erschienen.)
Das Material kam in den ersten Kriegsmonaten oft direkt aus der
Front, später meist aus andern Lazaretten und von den Ersatzstamm¬
truppenteilen.
ln den ersten Monaten — 1914 und Anfang 1915 — zeichneten sich
die Psychosen durch die Intensität der Erscheinungen aus. Es wurden
außerordentlich heftige Tobsüchten, Verwirrtheits- und Angstzustände
beobachtet; das war übrigens auch bei den Aufnahmen aus der Zivil¬
bevölkerung der Fall damals. In der späteren Zeit war der Verlauf der
Psychosen wieder wie in Friedenszeit, und nur nach heftigen Kämpfen
häuften sich auch wieder die stürmischen Erscheinungen. Im allgemeinen
verliefen die Psychosen sogar milder wie im Frieden. Das liegt wohl daran,
daß die Fälle aus dem Felde und den Truppenverbänden schneller entfernt
werden wie sonst im Frieden aus den Gemeinden. Gründe der Disziplin
usw. verlangen natürlich eine schnellere Entfernung von geistig abweichen¬
den Individuen aus der Truppe, als dies sonst nötig ist.
Es hat sich auch jetzt nach fast zweijähriger Dauer des Krieges
herausgestellt, daß es eine eigentliche Kriegs-, eine Militärpsychose, nicht
gibt, so wenig wie eine besondere Psychose der Zivilbevölkerung oder wie
eine Psychose besonderer Stände. Die Ansicht von Bonhöffer, WoUenberg,
Weygandt, Meyer und andern hat sich durchaus bestätigt. Der Ausdruck
Militärpsychosen ist hier auch nur der Kürze wegen gewählt worden.
Was die Natur der beobachteten Erkrankungen angeht, so sind es
dieselben, wie wir sie auch in Friedenszeiten zu sehen gewohnt sind; be¬
sonders nach katastrophalen Ereignissen wie Eisenbahnunfällen, Erd¬
beben usw. Sie sind im Kriege nur in größerer Menge aufgetreten und
zum Teil mit heftigeren Erscheinungen.
Die folgende Tabelle gibt ein Bild über die beobachteten Fälle und
die Häufigkeit ihres Auftretens.
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Psychiatrischer Verein der Rheinprovinz.
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Dementia praecox 24,2%; davon im Felde erkrankt 16,3%, in der
Heimat 7,9%;
davon gehörten zur Gruppe der
Dementia praecox
14,6%;
dav. i.
Felde erkrankt
9,2%
i.d. Heimat
5,4%
Katatonie.
Dementia paranoi-
6,3%;
11 11
11
11
4,6%
11 11 ii
1,7%
des.
3,3%
11 11
11
11
2,5%
ii 11 11
0,8%
Hysterie.
12,6%
ii ii
li
11
11,3%
11 11 11
1,3 %
Alkoholismus.
manisch-depressives
10,5%
ii ii
»1
11
8,4%
11 li ii
2,1%
Irresein .
9,6%
? j i i
11
11
5,4%
11 11 11
4,2%
Epilepsie.
8,8 %
11 9)
11
11
6,7%
1111 ii
2,1 %
Depressionszustände
7,9%
J? 11
ii
ii
7 1 0/
'j 1 0
ii ii ii
0,8%
Imbezillität .
degeneratives Irre¬
7,1%
11 >1
11
11
1 7 0
ii 11 ii
5,4 %
sein .
4,6%
11 11
11
11
1 7 0;
*l' 0
ii li 11
2,9 %
Paralyse..
amentiaartige Zu¬
3,8%
11 11
li
ii
i;3%
ii 11 11
2,5%
stände .
3,3%
11 11
11
11
2,5%
1111 ?»
0,8%
Lues cerebri.
2,1 %
11 11
11
11
1,3%
11 >» 11
0,8%
Delirium acutum..
1,3%
11 11
11
11
o,o%
11 11 11
1,3%
nicht krank.
4,2%
>>
11
11
2,5%
11 11 11
1,7%
Summe 100 % 66,2% 33,8% #
Von den aufgenommenen Soldaten sind also etwa doppelt so viel
im Felde erkrankt wie in der Heimat. Dabei sind die Fälle, welche aus
Feindesland kamen, direkt hinter der Front waren, zum Felde gerechnet.
Eine nähere Betrachtung der Tabelle ergibt nun folgendes Bild. Von den
im Felde Erkrankten litt der größte Teil an Dementia praecox; dann folgt
die Hysterie, Alkoholismus, die Depressionszustände, Epilepsie, manisch-de¬
pressives Irresein usw. An Zahl der im Felde Erkrankten gegenüber den in der
Heimat Erkrankten überwiegen besonders die Fälle aus der Gruppe der De¬
mentia praecox, Hysterie, Alkoholismus, Depressionszustände, Epilepsie; von
den kleineren Gruppen ist zu beachten besonders das Auftreten von 3 Fällen
von Delirium acutum in der Heimat und die verhältnismäßig große Zahl
von Imbezillen, die aus der Heimat gebracht worden waren. Der Grund für
dieses verschiedene Verhalten liegt auf der Hand. Es bedarf keiner Er¬
läuterungen, warum so viele Fälle von Dementia praecox, von Hysterie,
von Epilepsie usw. aus dem Felde gekommen sind; auch der große Prozent¬
satz von Imbezillen, der von den Ersatzstammtruppenteilen geschickt
worden ist, ist erklärlich. Dabei handelte es sich um solche Individuen,
die bei ihrer Musterung als untauglich ausgemerzt worden waren, die aber
jetzt nachträglich eingezogen waren.
An sich boten die einzelnen Formen nichts besonders Auffälliges;
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einige Psychosen beanspruchen jedoch ein besonderes Interesse, da ihr
Vorkommen in Friedenszeiten selten ist.
1. In den ersten Kriegswochen kamen drei tödlich verlaufene Fälle
von Delirium acutum zur Beobachtung. Zwei von diesen Fällen sind
genau beobachtet und auch ihre Anamnese genau erhoben worden. Die
Betreffenden waren früher völlig gesund, keine Trinker; alle drei sind aus
ihrem Berufe herausgerufen worden durch die Mobilmachung und waren
auf dem Wege zu ihrem Gestellungsort, erkrankten unterwegs mit stürmi¬
schen Erscheinungen von Tobsucht und Verwirrtheit mit Sinnestäuschun¬
gen. Die körperliche Untersuchung ergab keinen besonderen Befund:
der Tod trat wenige Stunden nach der Aufnahme, ein bis zwei Tage
nach dem Auftreten der Krankheitserscheinungen, ein. Die Sektion
ergab starke Hyperämie des Gehirns; in einem Falle hat die von
Herrn Geheimrat Westphal vorgenommene mikroskopische Untersuchung
schwere Veränderungen an den Ganglienzellen ergeben; in den an¬
dern Fällen steht die Untersuchung noch aus. Der Begriff Delirium
acutum stellt einen Sammelbegriff dar und ist heute nicht mehr
gebräuchlich. Die Fädle sind aber vorläufig unter diesem Begriff zu¬
sammengefaßt, da sich keine genauere Diagnose bei ihnen stellen ließ.
2. Auffädlig war das häufige Auftreten von Dämmerzuständen, ohne
daß Zeichen von Hysterie oder Epilepsie jetzt oder in der früheren Zeit
nachzuweisen war. In einigen Fällen war ein psychischer Schock, in
andern eine Verwundung vorausgegangen; in einigen Fällen war außer der
m Erschöpfung durch die Kriegsstrapazen keine Ursache nachzuweisen. Ich
glaube, daß es sich in diesen Fädlen um Erschöpfungsdäunmerzustände
handelt (worauf Wollenberg aufmerksam gemacht hat). Die Prognose war
günstig; die Dämmerzustände gingen bald vorüber; für längere Zeit blieb
noch eine geistige und körperliche Müdigkeit und Erschöpfbarkeit zurück,
die aber nach längerer Erholung auch schwand. Besonders die später zu
erwähnenden Depressionszustände wurden in mehreren Fällen durch
solche Dämmerzustände eingeleitet; in diesen Fädlen dürfte ihre Zuge¬
hörigkeit zur Neurasthenie wohl nicht zu bezweifeln sein. f
3. Auffällig war das Auftreten von katatonen Erscheinungen ohne
Katatonie. Auf das Auftreten von katatonen Symptomen bei Hysterie
ist schon früher, unter andern auch von mir, hingewiesen worden. Hier
handelte es sich um Fädle, welche bei der Einlieferung den Eindruck
schwerer Katatonie machten. Ein Teil täuschte allerdings nur eine Kata¬
tonie vor; auf diese Fädle hat Hübner vor kurzem noch hingewiesen. Ein
Teil hatte aber schwere katatone Symptome, die nach wenigen Tagen
schwanden und einem Zustande von Wohlbefinden und Wohlverhalten
Platz machten. Ein großer Teil dieser Fälle ist monatelang beobachtet
worden, ohne daß irgendwelche Krankheitszeichen konstatiert werden
konnten; auch die nachträglich erhobene Anamnese ergab nichts, was zur
Klärung der Fälle herangezogen werden könnte. Die Fälle gehören sicher-
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Psychiatrischer Verein der Rheinprovinz.
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lieh nicht zur Katatonie und sind wieder ein Beweis dafür, daß die Krank¬
heitssymptome allein nicht maßgebend sind für die Diagnose, sondern
ganz besonders der Verlauf.
4. Die hier aus dem Felde meist direkt von der Front eingelieferten
Fälle von Depression waren zum Teil durch Erschöpfung, zum Teil durch
Verwundungen oder durch Erschütterungen verursacht. Bei den meisten
bestand eine Amnesie für die Zeit, in welcher sie abtransportiert worden
waren, wie sie in die Anstalt gekommen waren. Sie erinnerten zum Teil
an die Melancholia attonita, waren wie vor den Kopf geschlagen, erholten
sich aber schnell wieder. Der Zustand wurde bei einem Teil also mit einer
Bewußtseinsstörung eingeleitet. Die Fälle gehören klinisch wohl zu den
neurasthenischen Zuständen und sind nicht als Teilerscheinung des manisch-
depressiven Irreseins aufzufassen.
5. In einigen (2) Fällen hat sich an die oben erwähnte Bewußtseins¬
trübung, an die Dämmerzustände, eine Dementia paranoides angeschlossen.
Derartige Fälle sind mir zurzeit aus der Literatur nicht bekannt.
6. Besondere Berücksichtigung verdienen die Fälle von Hysterie.
Nur 1,8% waren in der Heimat erkrankt, 11,3% kamen aus dem Felde.
7,5% hatten einen Nervenschock erlitten, 2,5% waren verwundet worden,
0,8 % hatten keine andere Ursache aufzuweisen als die allgemeinen Strapazen
des Krieges. Bei den meisten ergab die Anamnese eine Belastung und das
frühere Auftreten von nervösen Erscheinungen. Es kamen Depressions-,
Angst-, Verwirrtheitszustände, Fälle von Zitterern und mit schweren An¬
fällen zur Beobachtung, wie sie in der Literatur des Krieges mehrfach be¬
schrieben worden sind. Die Prognose der Kriegspsychosen war im allgemeinen
nicht ungünstig. 33,1 % konnten als erwerbsfähig (oder doch teilweise er¬
werbsfähig) entlassen werden. 66,1 % sind nicht als erwerbsfähig zu be¬
zeichnen oder werden es voraussichtlich nicht werden.
Anders verhält es sich mit der Dienstfähigkeit. Nur 8,4% haben wir
wieder als dienstfähig bezeichnen können. Die Zahl wäre größer gewesen,
wenn nicht ein großer Teil der Soldaten erst nach Einleitung des D. U.-
Verfahrens zu uns gekommen wäre. Ein Teil dieser wäre unserer Ansicht
nach wieder dienstfähig geworden, wenigstens garnisondienstfähig oder
arbeitsverwendungsfähig. Die Bestimmung, daß überstandene Geistes¬
krankheit zum Militärdienst untauglich macht, ist in diesem Kriege durch¬
brochen worden; unserer Ansicht nach mit Recht; nur heißt es dann vor¬
sichtig individualisieren.
Was schließlich die Frage der Dienstbeschädigung angeht, so soll
diese nicht besprochen werden, da sie in einem andern Vortrag behandelt
wird; ich kann aber kurz erwähnen, daß von unseren Fällen bei 67,8% sicher
eine Dienstbeschädigung angenommen werden muß; es sind die Fälle,
welche im Felde waren, und bei denen es sich um das Auftreten von Psycho¬
sen oder um ihre Verschlimmerung durch den Krieg handelt.
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Verhandlungen psychiatrischer Vereine.
Auch auf die zahlreichen forensischen, hier begutachteten Fälle will
ich nicht eingehen, da sie Gegenstand eines andern Vortrages sein sollen.
An der Diskussion beteiligten sich: Rieder, Krapoll, von der Hehm.
Krapoll: Herrn Lückerath muß ich darin zustimmen, daß die Im¬
bezillen für die Truppe zu großer Plage werden können. Nur wenige von
ihnen lassen sich als „arbeitsverwendungsfähig“ im Innendienst (Hand¬
werker) oder bei der Armierung nutzbar machen. Drei von mir ein¬
gestellte Leute mit der erethischen Form des Schwachsinns wurden sehr
bald nach der Einstellung infolge der neuen, ungewohnten Eindrücke
durch Aufpfropfung eines Erregungszustandes unruhig und anstalts¬
bedürftig. Einpr davon war Hilfsschüler, Fürsorgezögling und auch schon
in Anstaltspflege gewesen. Im Vergleich mit dem zivilen Leben geht beim
Militär die Überführung in die zuständige Anstalt sehr prompt und schnell
vonstatten. Es fehlen die hemmenden Mütter und Tanten. Zur Auf¬
nahme genügt ein kurzes, militärärztliches Zeugnis über die beobachteten
Vorgänge.
Einzelne Imbezille erweisen sich für die Truppe dadurch als unbe¬
quem und unbrauchbar, daß sie grundlos den Dienst verlassen, den Gehor¬
sam verweigern, über Urlaub bleiben oder sich auch tagelang von der
Truppe entfernen. Sie werden ohne Ausnahme baldigst als dienstunbrauch¬
bar entlassen.
Den Bezirkskommandos darf man es nicht zum Vorwurf erheben,
daß sie solche Leute überhaupt zur Einstellung gelangen lassen. Der
Kriegszustand hat ganz neue, ungewohnte Verhältnisse herbeigeführt.
Infolge der Riesenzahl der Gestellungspflichtigen aller Jahrgänge ist ein
Durchsieben wie in Friedenszeiten zur Unmöglichkeit geworden. Vagabon-
dierende Schwachsinnige werden von der Polizei aufgegriffen und als
militärpflichtig dem nächsten Bezirkskommando zugeführt. Dann noch
ausgiebige Feststellungen über ihr Vorleben zu erheben, dazu mangelt es
wirklich an Zeit. Das besorgen später mit größter Ruhe und Vorsicht der
Ersatztruppenteil und der Truppenarzt, sobald auffallendes Benehmen
der Leute hierzu Veranlassung gibt.
Als sehr schlimmes Übel für die Truppe haben sich, wie der Vorredner
mit Recht betonte, die krankhaften Rauschzustände erwiesen sowohl bei
Offizieren wie Mannschaften. Es verbietet sich von selbst, näheres hierüber
der Öffentlichkeit zu übergeben.
Aschaffenburg: Ein Beitrag zur Lehre vom Gedächtnis.
(Behinderung des Wiederauflebens optischer Erinnerungs¬
spuren nach Schädelverletzungen.)
Vortr. erörtert die verschiedenen Merkwege, auf (Jenen die Erinne¬
rungsbilder — der Ausdruck ist nicht anatomisch, sondern funktionell zu
verstehen — gesammelt werden, und die Art, wie der Schatz an Erinnerungs-
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bildern verwertet werden kann. Durch die Erleichterung des Wieder-
erlernens völlig'vergessenen Wissens läßt sich nachweisen, daß auch solche
psychischen Erlebnisse Spuren hinterlassen haben, die auf andere Weise
nicht mehr erkennbar sind. Eine breite Zone trennt dieses ganz versunkene
Gedächtnismaterial von dem stets deutlich und leicht reproduzierbaren.
In dieser Zone können die Erinnerungsbilder nicht mehr ohne weiteres
durch Nachdenken und Suchen wieder zum Bewußtsein gebracht, ..ins
Gedächtnis gerufen“ werden, sondern werden in der Hauptsache nur durch
neues Vorführen wieder lebendig. Aus der Tatsache aber, daß wir bei
neuem Hören, Sehen, Erleben vieles sofort wiedererkennen, geht hervor,
daß nur der Weg zu dem noch fast ungeschmälert vorhandenen Gedächtnis-
material versperrt war; weiter ergibt sich aus der Tatsache, daß wir bei dem
Wiedererkennen auch Veränderungen gegenüber den früheren, scheinbar
entschwundenen Wahrnehmungen feststellen können, und zwar oft sehr
genau, daß diese Merkspuren vielfach sogar in erstaunlicher Zuverlässig¬
keit erhalten sind. Wir müssen deshalb zwischen dem in seinem Umfange
beschränkten verfügbaren (aktuellen) und dem sehr viel größeren Kreise
des nicht oder nicht ohne Nachhilfe reproduzierbaren (latenten) Ge¬
dächtnismaterials unterscheiden.
Gelegentlich findet sich als persönliche Eigenart, daß überhaupt
ganze Gebiete von Erinnerungsbildern nicht ins Gedächtnis zu rufen sind,
obgleich sie, wie das Wiedererkennen und Traumbilder beweisen, tatsäch¬
lich vorhanden sind. Vortr. selbst ist z. B. außerstande, sich irgend etwas,
sei es auch noch so bekannt, optisch vorzustellen oder zu beschreiben,
erkennt aber gleichzeitig Handschriften, Gesichter und dergleichen noch
nach langen Jahren wieder. Ohne Umsetzen in sprachliche Bezeichnungen
ist es ihm dabei schon nach wenigen Augenblicken unmöglich, etwas Ge¬
sehenes zu beschreiben. Ähnliche Beobachtungen sind auch auf akusti¬
schem Gebiete bekannt. Der Mangel reproduzierbarer visueller oder
akustischer Vorstellungen zwingt zum Ersatz, so daß bei langjähriger
Übung und Gewöhnung der Schaden gering ist. Sehr viel ernster ist die
Schädigung bei frisch erworbenen Ausfällen, die sich bei Schädelver¬
letzungen, auch außerhalb der Okzipitalregion, nicht selten finden.
Vortr. berichtet über einen 17jährigen kriegsfreiwilligen Setzer, der
nach einer rechtsseitigen Scheitelbeinverletzung einen ganz isolierten Ver¬
lust der vorher guten visuellen Reproduktionsfähigkeit erlitten hatte. Der
Kranke erkannte mit verschwindenden Ausnahmen alles gut wieder. Die
Prüfling mit den Heilbronnerschen Ergänzungsbildern fiel geradezu glänzend
aus; dagegen war er außerstande, eine einfache Figur nachzuzeichnen oder
mit Bauklötzen nachzubauen, sobald er die Vorlage nicht mehr vor Augen
hatte. Er fand trotz allen Suchens bei der Aufgabe, rote Gegenstände
und solche, die sich in einer Küche befinden, aufzuzählen, nur je einen
Gegenstand aus beiden Gebieten. Ein großes A und E in deutscher Druck¬
schrift konnte er auch mit Hilfe nicht nachzeichnen. Während er früher
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ohne Mühe Plakate im Kopf entwerfen und deren Wirksamkeit sich vor¬
stellen konnte, fehlte ihm jetzt jede Möglichkeit, solche und ähnliche Auf¬
gaben zu lösen. Er war auf tastende Versuche angewiesen.
Der Fall ist keine Ausnahme. Er ist nur insofern wichtig, als er
zeigt, daß isolierte Ausfallerscheinungen, die nur bei sehr genauer Unter¬
suchung zu finden sind, unter Umständen die Ausführung eines Berufs
unmöglich machen können. Ebenso wie der geschilderte Kranke infolge
seiner Reproduktionsstörung als Setzer in gehobener Stellung nichts mehr
leisten kann, richtet diese Störung überall da, wo der Beruf die Fähigkeit
voraussetzt, sich optisch Pläne und Muster vor Augen zu stellen, sich
gesehener Eindrücke lebhaft erinnern und sie im Geiste verändern zu kön¬
nen, wie z. B. bei Technikern, Baumeistern, Musterzeichnern, Malern,
großen Schaden an; auch Kaufleute, Mathematiker, die visuell zu rechnen
gewohnt sind, werden durch die Unzugänglichkeit der optischen Erinne¬
rungsbilder schwer geschädigt.
Der Fall ist aber weiter auch theoretisch von besonderem Interesse
als ein Beispiel erworbener Behinderung der Verfügung über die visu¬
ellen Erinnerungsbilder. Es ist unbedingt erforderlich, die Störung der
Reproduktionsfähigkeit schärfer von der Merkfähigkeit und dem Ge¬
dächtnisverlust durch Vernichten des Gedächtnismaterials zu trennen,
weil dadurch viele rätselhafte Erscheinungen der Pathologie des Gedächt¬
nisses leichter verständlich werden. Wahrscheinlich beruhen viele Amne¬
sien bei Dämmerzuständen, Korsakoff scher Psychose usw. nur auf der
Unzugänglichkeit der Erinnerungsbilder. Ein typisches Beispiel für
diese Art der Störung ist ferner die amnestische Aphasie. Wieweit
auch auf andere Formen der Aphasie und vielleicht auch auf zentrale
Lähmungen die hier vorgetragenen Gesichtspunkte Anwendung finden
können, bedarf noch weiterer Untersuchungen. Doch hält der Vortragende
es nicht für zweifelhaft, daß mindestens ein Teil dieser Störungen nicht
auf einer Zerstörung der Merkspuren beruht, sondern nur auf einer Erschwe¬
rung oder Aufhebung der Fähigkeit, sie wieder aufleben zu lassen. —
Hübner- Bonn: Die strafrechtliche Begutachtung von Sol¬
daten.
Aufgabe des Sachverständigen ist es nicht allein, Material für die
Beurteilung der strafrechtlichen Zurechnungsfähigkeit des Angeschuldigten
zu erbringen, sondern es sind auch diejenigen medizinischen Gesichts¬
punkte zu erwägen, welche dem Richter die Beurteilung des Tatbestandes
erleichtern.
1. Unerlaubte Entfernung (§ 64—69 StGB.).
Unter den Unzurechnungsfähigen befanden sich schwere Angst¬
psychosen mit Hemmung, poriomanische Zustände in Verbindung mit
epileptischen Anfällen, dipsomanische Attacken, Zustände pathologischer
Reizbarkeit und Neigung zu Verstimmungen, zum Teil gesteigert durch
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Alkohol, hysterische Dämmerzustände, Erregungszustände mit und ohne
Eifersuchtsvorstellungen. Dazu sind zu erwähnen: junge Leute, die durch
den Dienst während der Ausbildung stark mitgenommen, vorübergehend
psychisch krank werden, sich nachher aber wieder bessern. Bei ihnen
spielt der Schwachsinn gelegentlich auch eine gewisse Rolle.
Daß im übrigen auch hochgradig Schwachsinnige zu unerlaubten
Entfernungen neigen, ist aus den Friedenserfahrungen bekannt.
Unter den Zurechnungsfähigen befanden sich zahlreiche psycho¬
pathisch Minderwertige, bei denen zum Teil die unerlaubte Entfernung
ein „Verbrechen aus Heimweh“ darstellte, indem die Leute sich in die
neuen Verhältnisse des Militärlebens nicht einpassen konnten.
Unter den Zurechnungsfähigen spielten auch die chronischen Al-
koholisten eine gewisse Rolle.
Besonders erwähnt Vortr., daß ein Typ von Leuten einen bestimmten
Komplex von Delikten, nämlich unerlaubte Entfernungen, Selbstbeförde¬
rung zu höheren Chargen, Selbstverleihung von Ordensauszeichnungen und
Schwindeleien begeht. Bei ihnen ist nicht immer die Furcht vor dem
Schützengraben die Ursache ihrer Delikte, sondern oft auch Großmanns¬
und Renommiersucht. Von diesem Typ wurden sämtliche Fälle von den
Gerichten verurteilt.
2. Feigheit (§ 84—88 StGB.).
Feigheit ist Furcht vor persönlicher Gefahr. Diese Gefahr muß
Beweggrund der Handlung gewesen sein. Vortr. erörtert die Frage, wieweit
man die bei Neurasthenikern und Hysterikern im Schützengraben be¬
kanntermaßen vielfach vorhandenen Angstzustände mit dem Begriff Furcht
vor persönlicher Gefahr identifiziert hat. Er führt einen Fall an, in dem
die höhere Instanz annahm, daß die neurasthenischen Angstzustände
nicht unter den Begriff der Furcht vor persönlicher Gefahr fielen. Er
fügt hinzu, daß andere Gerichte anders geurteilt hätten.
In einem der Fälle, die H. begutachtet hat, entstand plötzlich eine
hysterische Lähmung beider Beine, die den Pat. hinderte, einen ihm eben
erteilten Dienstbefehl, der ihn in große Gefahr brachte, auszuführen.
In einem Falle, wo anfallweise hysterisches Zittern während eines
Gefechtes auftrat, hat das Gericht Feigheit als vorliegend angesehen.
Ebenso ist dem Vortr. ein Fall bekannt, wo nach einem der ersten
Gasangriffe der Engländer bei einem Mann, dessen Gasmaske nicht ganz
funktioniert hatte, trotzdem Feigheit angenommen wurde, weil er in die
hinteren Gräben gelaufen war. Objektive Symptome einer Gasvergiftung
waren nicht festgestellt worden.
3. Selbstverstümmelung (§ 81 MStGB.).
Der juristische Nachweis der Selbstverstümmelung ist sehr schwierig.
Besondere Schwierigkeiten bereiten die in den Nervenlazaretten
nicht selten auftauchenden Fälle, in denen Hysteriker sich artefizielle
Geschwüre beibringen.
Zeitschrift für Psychiatrie. LXXII. 5/6. 33
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Verhandlungen psychiatrischer Vereine.
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Vortr. hat einen besonders krassen Fall dieser Art gesehen, in dem es
trotz aller angewandten Mühe verschiedener Lazarette nicht gelang, den
Pat. zur Dauerheilung und damit ins Feld zu bringen. Eine Anklage
konnte gleichfalls nicht erhoben werden.
4. Strafbare Handlungen gegen die Pflichten der mili¬
tärischen Unterordnung.
Vortr. macht auf einen Typ von jüngeren Soldaten aufmerksam,
die zunächst eine Schützengrabenneurasthenie bekommen, auf Grund
deren sie dann zu Alkoholisten werden und einige Monate später entgleisen.
Im übrigen spielt bei diesen Delikten der sogenannte patho'ogisehe
Rausch eine große Rolle.
In einem Teil der Fälle war es leicht, aus der Menge und Art des ge¬
nossenen Alkohols einerseits, dem äußeren Verhalten des Pat. andrerseits
und der neurasthenisch-hysterischen Grundlage in 3. Linie den Schluß
auf das Bestehen eines pathologischen Rausches zu ziehen. Zu beobachten
war auch da, daß das äußere Verhalten der Pat. wechselte. Die Kranken
schwankten und lallten nicht dauernd, sondern schienen zeitweise äußer¬
lich durch die genossenen Alkoholmengen nicht tangiert.
Daneben fand sich eine ganze Reihe von Fällen, wo das Alkohol¬
quantum, welches genossen war, nicht sehr groß war, und trotzdem ein
krankhafter Zustand bestand, wie sich bei genauerer Analyse des Gesamt¬
vorganges aus der Tatsache ergab, daß anfallartige Zustände meist mitten
während des fraglichen Deliktes zur Beobachtung gekommen waren.
In einer 3. Gruppe von Fällen handelt es sich um sehr reizbare Neur¬
astheniker, die mäßige Mengen Alkohol genossen hatten, wodurch ihre
Reizbarkeit eine weitere Steigerung erfuhr.
Neben den bisher besprochenen Fällen fanden sich auch einige mit
epileptischen Verstimmungen und ein Fall von Schlaftrunkenheit, ge¬
steigert durch Alkohol, bei einem Imbezillen.
5. Wachvergehen (§ 141 MStGB.).
Vortr. hat einige Fälle begutachtet, in denen Mannschaften auf
Wache als betrunken bezeichnet worden waren, während die genossene
Alkoholmenge die Schwere des Zustandes nicht erklärte. Die nähere
Untersuchung ergab, daß es sich um anfallartige Zustände oder Bewußt¬
seinstrübungen gehandelt hatte.
Von den nach dem Reichsstrafgesetzbuch abzuurteilenden De¬
likten erwähnt Vortr. folgende:
Totschlag: Beobachtet wurden 6 Fälle, davon war einer ein Hal¬
luzinant, der 2. befand sich in einem durch Alkohol ausgelösten epilepti¬
schen Dämmerungsand, der 3. hatte 24 Stunden lang nichts gegessen, sich
den größten Teil der Zeit im Freien in größter Kälte aufgehalten und war
stundenlang auf einer Straße gefahren, die von dem Feinde eingesehen
werden konnte und beschossen wurde. Als er ins Warme kam und eine
kleine Menge Rum trank, versank er in sinnlose Betrunkenheit und schoß
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Psychiatrischer Verein der Kheinprovinz.
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auf eine Zivilperson, die in der Nähe war. In 2 andern Fällen handelte
es sich um rezidivierende Dämmerzustände mit Personenverkennung.
Bei der letzten der hierhin gehörigen Beobachtungen handelte es sich um
einen Mann, der früher mehrere Male in den Tropen gewesen war, Malaria
und Dysenterie gehabt hatte, direkt aus den Tropen in den Kriegsdienst
trat, sofort die größten Anstrengungen mit minimalstem Schlaf und
schlechter Ernährung durchzumachen hatte und infolgedessen aus krank¬
hafter Reizbarkeit heraus auf einen Mann seiner Umgebung schoß.
6. Sexualdelikte: Bei den meisten Fällen, welche begutachtet
wurden, spielt der Alkohol eine Rolle. Außerdem befand sich ein Pat.
darunter, bei dem es sich um eine seltene Mischung von Masochismus,
Koprophagie, Homosexualität und Onanie handelte, die bei einem hysteri¬
schen Menschen bestanden.
Zur Simulationsfrage berichtet Ref., daß eine Zeitlang bei den
Bonner Untersuchungsgefangenen die Neigung bestand, die Rückführung
aus der Untersuchungshaft in die Klinik durch Markieren von Erregungs¬
zuständen zu erzwingen. Nachdem einige Untersuchungsgefangene trotz¬
dem unter psychiatrischer Beaufsichtigung im Gefängnis blieben, hörten
diese Erregungszustände auf.
Schließlich erwähnt Vortr. noch, daß die psychogenen Krankheits¬
zustände vor Gericht mitunter kränker erscheinen, als sie in Wirklichkeit
sind. Wenn die Strafe milde ausfällt oder Freisprechung erfolgt, so sieht
man geradezu ruckartige Besserungen.
Hfüle-Bedburg berichtet über anatomische Veränderungen am
Zentralnervensystem bei Tetanus traumaticus. Es handelt
sich um 4 Fälle von Tetanus bei Kriegsteilnehmern, welche Extremitäten¬
verletzungen erlitten hatten; die Inkubationszeit betrug 5—8 Tage, die
Dauer der Krankheit 2*4, 3, 4 und 23 Tage. Alle sind mit Antitoxin be¬
handelt worden. In sämtlichen Fällen ist die nervöse Substanz des
Rückenmarks und Gehirns erkrankt, und zwar am stärksten Rückenmark,
Oblongata und Pons; überall finden sich an Ganglienzellen Verlagerung
des Kerns und Kernkörpers sowie Vergrößerung des Kernkörpers und
reichlich Lipochrom im Zelleib; an den motorischen Zellen, welche am
schwersten befallen sind, kommen dazu noch Verkleinerung der Zellen
mit Vergrößerung und Verklumpung der Nißl-Schollen. Die Erkrankung
der einzelnen Zellen ist nichts dem Tetanus Eigentümliches, aber charak¬
teristisch scheint das massenhafte Auftreten derartig erkrankter Ganglien¬
zellen zu sein. — Die Neurofibrillen sind intakt. An den markhaltigen
Nervenfasern findet sich regellos Zerfall der Markscheiden und Schwellung
der Achsenzylinder. Von Gliaveränderungen sieht man synzytialc Bildun¬
gen, in 3 Fällen reichlich amöboide Gliazellen im Rückenmark, Oblongata
und Pons, im 4. Falle feinkörnigen Zerfall der faserigen Glia im Rücken¬
mark und Oblongata. Die Gefäße sind normal ; im Rückenmark findet man
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im adventiticllen Raum einige Lymphozyten und kleine, albuminöse Ex¬
sudate im adventitiellen und perivaskulären Raum. In 3 Fällen sind
lipoide Abbauprodukte nachweisbar, am schwächsten im Rückenmark.
Miliare frische Blutungen bestehen an verschiedenen Stellen des Rücken¬
marks und der Oblongata. Es handelt sich um eine Allgemeinerkrankung
des gesamten Zentralorgans auf toxischer Basis, mit besonderer Bevor¬
zugung der motorischen Partien.
Außerdem bestehen in allen Fällen eine Reihe von Entwicklungs¬
störungen des Zentralnervensystems, und in einem der Fälle, dem einzigen,
bei welchem auch die Obduktion der übrigen Körperhöhlen vorgenommen
werden konnte, ein Status thymo-lymphaticus. Wenn dieser Befund kein
Zufallbefund bei einer kleinen Zahl von Fällen ist, so möchte man an¬
nehmen, daß solche nicht ganz vollwertige Organismen die Prognose des
Tetanus ganz besonders ungünstig gestalten, und daß sie vielleicht sogar
ein prädisponierendes Moment für diese Krankheit bedeuten.
Raether- Bonn: über die Beurteilung der Erwerbsfähigkeit
bei Kriegsneurosen.
M. H. Wegen der vorgeschrittenen Zeit verzichte ich auf den Vortrag
in extenso meiner Arbeit über die Beurteilung der Erwerbsfähigkeit bei
Kriegsneurosen, die sich auf das soldatisches Material der Psychiatrischen
Klinik in Bonn stützt.
Doch möchte ich wenigstens den Tenor meiner Materialsammlung
zur Diskussion aufwerfen und von dem Pro und Contra weitere Material¬
sichtungen meinerseits abhängig machen:
„Wäre es nicht möglich, die Subjektivität des ärztlichen Gutachters
dadurch auszuschalten, daß man, gestützt auf Tausende von guten
Krankengeschichten und militärärztlichen Beurteilungen zwecks Dienst¬
entlassung mit Versorgung, an einer Zentralstelle die Gesichtspunkte
und Symptome zur Beurteilung der Neurose und der prozentual festgeleg¬
ten Erwerbsbeschränkung sichtete und versuchte, gewisse Richtlinien,
womöglich tabellarisch, aufzustellen, an Hand deren man die Erwerbs¬
beschränkung bei Neurosen, ähnlich der für andere Leiden vorhande¬
nen, mehr oder weniger schematisch bemessen könnte.“
Beispiel: Von den Fällen von Hysterie, die außer hysterischen
Stigmaten auf körperlichem Gebiet nur leichten partiellen Tremor und
seltene Anfälle aufweisen, deren Erwerbsbeschränkung in den D. U.-
Zeugnissen zwischen 25 und 50% beurteilt wird, nehme ich die Mitte,
etwa mit 33 l / a %. — Oder: Ein Mann mit Stigmata, Körpertremor, schweren
Anfällen und psychogener Gehstörung ist 66 2 / a % erwerbsbeschränkt als
Durchschnitt von 1000 Fällen dieser Art bei schwankender Renten¬
bemessung zwischen 50 und 80%.
Und so fort je nach Zahl und Stärke der Symptome.
Ich gebe zu, daß dieser Versuch, ein Schema aufzustellen, sehr
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schwierig, ja gefährlich ist, da ja auch der jeweilige Beruf des Pat. eine
entscheidende Rolle spielt.
Immerhin halte ich die Frage der Diskussion wert und bitte daher
um das Urteil der Herren, die in der Beurteilung von Unfall- bzw. Kriegs¬
neurosen Erfahrungen gesammelt haben.
Rumpf pflifchtet Raether durchaus bei, daß es zweckmäßig ist, den
Verlauf der Kriegsneurosen ebenso zu verfolgen, wie Horn und er dies
bezüglich der Neurosen nach Eisenbahnunfällen getan haben. Für die
meisten Fälle wird aber zuvor die Frage der Kapitalabflndung für die ent¬
standene Schädigung zu erwägen sein, wobei allerdings, wie Rumpf schon
früher ausführte, der einzelne Fall sorgfältig zu beurteilen ist. Die Schreck¬
neurosen und einzelne Fälle von Hysterie geben prognostisch bei Kapital¬
abfindung eine bessere Prognose als bei Rentenbewilligung. Kontusions¬
neurosen und nervöse Erscheinungen nach Commotio cerebri sind pro¬
gnostisch weniger günstig. Für die Kriegsbeschädigten kann naturgemäß
vielfach eine Entschädigung durch Ansiedlung in Betracht kommen.
Immer aber steht die Wiedergewinnung der Arbeitsfähigkeit an erster
Stelle.
Rieder möchte den Antrag Raether dringend befürworten, ebenso
angeregt haben, daß in der Kommission für die Beurteilung der Renten¬
sache beim Sanitätsamt ein neurologisch-psychiatrisch vorgebildeter bzw.
erfahrener Arzt zu sitzen kommt.
Aawmnarm-Merzig: Das von Herrn Raether gewünschte Schema
dürfte während des Krieges kaum zur Anwendung gelangen können.
Seine Aufstellung ist — wenn überhaupt möglich — zu langwierig und
schwierig. Schon der Beruf z. B. bringt bei den gleichen Schädigungen
ganz verschiedene Bemessung der Erwerbsbeschränkung.
Dem von Herrn Rieder geäußerten Wunsche nach Mitwirkung von
Nervenärzten bei der Prüfung der Dienstunbrauchbarkeitszeugnisse wird
beim stellvertretenden XXI. (einschließlich XVI.) Korps dadurch ent-
gegenkommen, daß die Leute in der Nervenstation begutachtet werden,
auch dann, wenn nicht das Lazarett, sondern der Truppenarzt zur Aus¬
stellung des Zeugnisses verpflichtet sein würde.
Voß macht auf die große Schwierigkeit einer Sammelstatistik im
Sinne Raethcrs und ihre Unzuverlässigkeit aufmerksam und betont die
Gefahr einer Schematisierung, wo alles auf die Individualisierung des
Einzelfalles ankommt.
Beyer-, Wenn Herr Raether jetzt mit der Sammlung von Material
beginnen will, so ist das gewiß sehr verdienstlich. Wir müssen uns aber
darüber klar sein, wenn auch noch so viele Tausende von Fällen Zusammen¬
kommen, daß das alles einstweilen nur Urteile sind, deren Richtigkeit
nicht bewiesen ist. Zum Abschluß darf die Statistik nicht eher als frühe¬
stens fünf Jahre nach Beendigung des Krieges gebracht werden.
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Locb hält es für praktisch durchführbar und für die einheitliche
Begutachtung zweckmäßig, wenn dem Zeugnisaussteller jedesmal nach der
abschließenden Prüfung durch den Korpsarzt bzw. dessen fachärztlicheil
Stellvertreter eine Nachricht zukäme, die dem Aussteller seine Abschätzung
bestätigt oder diese richtigstellt.
Raethers Schlußwort in der Diskussion: Das Ideale wäre allerdings,
wie Herr Rumpf nach dem Vorgang von i/ocAe-Freiburg betont, die „ein¬
malige Abfindung“. Doch müssen wir für jetzt die bestehenden Renten¬
gesetze anwenden, die die einmalige Abfindung noch nicht vorsehen.
Die Gesichtspunkte der Herren Rieder, Beyer, Loeb, Voß und Sauer-
mann hatte ich in meinem heutigen Vortrage sämtlich berücksichtigt, und
ich möchte selbst nochmals betonen, daß meine heutige Anregung mehr
eine Anfrage sein sollte, um von dem Pro oder Contra weitere Material¬
sichtungen meinerseits abhängig zu machen.
Märchen- Wiesbaden: Das Fehlen traumatischer Neurosen
bei Kriegsgefangenen.
Die fast vollständig negativen Erfahrungen bezüglich des Vorkom¬
mens sogenannter traumatischer Neurosen bei Kriegsgefangenen
sind von größter Bedeutung sowohl für die wissenschaftliche Frage nach
dem Wesen dieser eigenartigen Störungen als auch für ihre praktische
Beurteilung. Vortr. hat seit 1 y 2 Jahren das Material des Kriegsgefangenen¬
lagers Darmstadt als Lagerarzt auf das Vorkommen traumatischer
Neurosen systematisch beobachtet und auch die entsprechenden Er¬
fahrungen der Kriegsgefangenenlager Limburg und Gießen durch ge¬
legentliche Besuche mitverwertet. Es handelt sich im ganzen um minde¬
stens 60 000, meist französische, Gefangene, von denen annähernd 10 000
in den Kriegsgefangenenlazaretten sich befanden. Dies Material enthält
auch die meisten der bei Verdun gefangengenommenen Franzosen, von
denen die Hälfte das Durchgangslager Darmstadt passiert hat und von dem
Vortr. gruppenweise auf ihren nervösen Gesamtzustand hin angesehen
werden konnte.
1 in ganzen sind bis jetzt in diesem großen Material, das mindestens
4000 Leichtverwundete enthält, 6 Fälle von ,,traumatischer
Neurose“ festgestellt worden, deren psychische Bedingtheit sich
leicht erweisen ließ. Dieses fast vollständige Fehlen der bei Nichtgefange-
nen so häufigen Reiz- und Lähmungszuständc durch psychische Erschütte¬
rung oder Kommotionswirkung suchten wir durch systematisches Befragen
einzelner Gefangener und besonders der mitgefangenen Ärzte zu erklären.
Es ergab sich bisher folgendes: Die Leute haben, besonders soweit sie in
den letzten Monaten gefangengenommen wurden, fast ausnahmslos bis
zur Gefangennahme in schwerstem Trommelfeuer gelegen. Viele waren
verschüttet, die meisten haben Granatkoinmotionen erlitten. Sowohl die
somatischen als die individuellen psychischen Reaktionen auf diese Schocks
treten anscheinend ebenso häufig und in derselben Weise ein, wie wir es
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von unseren Leuten wissen. Ein Abtransport nach rückwärts konnte
gerade in der Zeit unmittelbar vor der Gefangennahme nicht mehr statt-
finden, da das Sperrfeuer die rückwärtigen Verbindungen aufgehoben
hatte. Hinter der Front und im Heimatgebiet der Franzosen kommen
in Lazaretten usw. auch zahlreiche Fälle von Kriegsneurosen zur Beob¬
achtung, wobei die „hysterischen Kontrakturen“ die Hauptrolle zu spielen
scheinen. Die Gefangennahme dagegen bedingt ein fast soforti¬
ges Aufhören aller kriegsneurotischen Erscheinungen, soweit
sie sich unmittelbar nach dem Schock schon entwickelt haben. In der Ge¬
fangenschaft sodann kommt es nicht mehr zur nachträglichen Entwicklung
neurotischer Erscheinungen.
Als Grund hierfür müssen wir nach unserer Erfahrung in erster Linie
das ausgesprochene Entlastungsgefühl durch die Gefangennahme be¬
zeichnen. Die Leute, die, halb betäubt, schon gar nicht mehr mit der
Möglichkeit rechneten, aus dem Trommelfeuer lebend hervorzugehen,
sind ganz plötzlich nicht nur aus dieser „Hölle“ erlöst, sondern auch mit
Sicherheit vor jeder Rückkehr in diese Schrecknisse geschützt. Es ist ein
schwerer Druck von ihnen genommen, der Krieg ist für sie zu Ende, sic
haben ihr Leben gerettet. — Dies positive Glücksgefühl läßt alles andere
zurücktreten. In alledem sehen wir einen ausgesprochenen therapeuti¬
schen Faktor. Er läßt uns hoffen, daß das Kriegsende auch
für viele unserer Kriegsneurotischen ein heilendes Moment
bilden wird.
Daß in der Gefangenschaft die psychischen Dispositionen für
die nachträgliche Entwicklung seelisch nervöser Unfallfolgen nicht ge¬
schaffen werden, liegt wohl in erster Linie an dem Fehlen der Unter¬
suchungen hinsichtlich Dienstfähigkeit bzw. Dienstbeschädi¬
gung. Sodann fehlt für den hysterischen Einschlag in diesen Zu¬
ständen das Publikum, das leider nichtgefangene Kriegsnervenkranke
allzuoft ungünstig zu beeinflussen Gelegenheit hat. Schließlich haben die
Gefangenen keinen Anlaß zur Verdrängung von Angstvorstellungen
(teilweise auch Begehrungsvorstellungen) ins Unterbewußtsein, wo diese
psychisch krankmachend wirken könnten.
Bei der Entstehung bzw. Grundlegung der späteren Kriegsneurosen
durch körperliche oder seelische Schockwirkung handelt es sich wohl um
eine psychische Blockierung, Reiz- oder Lähmungsvorgänge be¬
stimmter Funktionskomplexe, um einen „Innervationsschock“.
Aberdas Psychogene, d. h. die Mitwirkung bewußter oder unterbewußter
gedanklicher Vorgänge, spielt seine Rolle erst später bei der psychi¬
schen Fixierung der gestörten Mechanismen und trägt vor allem dazu
bei, die so fixierten Innervationsstörungen therapeutisch mehr oder weniger
unbeeinflußbar zu machen.
Wenn es zu dieser falschen Einstellung psychomotorischer und
psychosensibler Funktionskomplexe, zu einer Blockierung psychogener
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Art gekommen ist, liegt ohne Frage ein Zustand vor, den wir richtiger
mit Psychose als mit Neurose bezeichnen. Er läßt sich am ersten ver¬
gleichen mit dem durch Hypnose erzeugten Geisteszustand eines unter
einer posthypnotischen Suggestion Stehenden. Die Wirksamkeit
stärkerer Gegensuggestionen in therapeutischer Hinsicht läßt sich mit
dieser erklären und verwerten. Auch hysterische und katatone Dispositio¬
nen mögen die individuelle psychische Reaktion bei Innervationsschock
beeinflussen.
Weitere wesentliche nervenärztliche Beobachtungen und Feststellun¬
gen am Gefangenenmaterial werden von dem Vortr. späterhin veröffentlicht
werden.
Der Vortrag erscheint ausführlich in der Münchner Medizinischen
Wochenschrift. Umpfenbach.
bv Google
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Kleinere Mitteilungen
Der Verein abstinenter Ärzte des deutschen Sprachgebiets
wird seine diesjährige Hauptversammlung am 23. September im Anschluß
an die Kriegstagung des Deutschen Vereins für Psychiatrie und der Ge¬
sellschaft Deutscher Nervenärzte zu München abhalten. Darin wird
Prof. Kräpelin über die von ihm angestellten Versuche über Treffsicher¬
heit von Schützen mit und ohne Alkohol berichten. Näheres in der Inter¬
nat. Monatsschrift zur Erforschung des Alkoholismus und Bekämpfung
der Trinksitten.
Personalnachrichten.
Dr. Karl Kleist, ao. Prof, in Erlangen, ist als o. Professor nach Rostock
und als Direktor an die Landesanstalt Gehlsheim berufen
und hat die Berufung angenommen.
Dr. Otto Schlüter, San.-Rat, Oberarzt in Gehlsheim, hat unter Verleihung
des Titels Medizinalrat den Abschied genommen.
Dr. Otto Hösel, Obermedizinalrat, Dir. von Zschadraß, ist zum Vortra¬
genden Rat im Kgl. Sächsischen Minist, des Innern mit dem
Titel Geh. Medizinalrat,
Dr. Heinrich Dehio, Dir. von Colditz, zum Direktor von Zschadraß,
Dr. Otto Gerling, Oberarzt in Merxhausen, zum Direktor der Landes¬
anstalt Haina,
Dr. Fr. K. Walter, Priv.-Doz. an der Univ. Rostock, zum Oberarzt der
Landesanstalt Gehlsheim ernannt worden.
Dr. Artur Pelz hat sich als Privatdozent in Königsberg niedergelassen.
Dr. Sigbert Ganser, Dir. d. städtischen Heilanstalt in Dresden,
Dr. Ludwig Edinger, Prof., und
Dr. Emil Sioli, Prof, in Frankfurt a.M., sind zum Geh. Medizinalrat,
Dr. Adolf Hofmann, Oberstabsarzt, leit. Arzt der Zweiganstalt für Gkr.
an der Strafanstalt zu Bautzen, und
Dr. Josef Peters, Oberarzt am Philippshospital in Goddelau, z. Z. Stabs¬
arzt beim Festungslazarett Mainz, zum Medizinalrat ernannt
worden.
Dr. Friedrich Siemens, Geh. Med.-Rat, Mitglied d. Pommerschen Med.-
Koll. und bisher Dir. d. Prov.-Anstalt Lauenburg, hat den
Roten Adlerorden 3. Kl. mit Schleife,
Zeitschrift für Psychiatrie LXXII. 5/6. 37
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Kleinere Mitteilungen.
Dr. Erwin Lauschner, Oberarzt d. Prov.-Anstalt Treptow, das Eiserne
Kreuz und das Kgl. Sächsische Ehrenkreuz für frei¬
willige Krankenpflege,
Dr. Otto Binswanger , Prof, in Jena u. Geh. Med.-Rat,
Dr. Emil Kräpelin, Prof, in München,
Dr. Carl Textor, Dir. d. Prov.-Pflegeanstalt Eberstadt, die Rote Kreuz¬
medaille 3. Kl.,
Dr. Sigbert Ganser, Geh. Med.-Rat, Dir. Arzt d. städt. Heilanstalt in
Dresden,
Dr. Gustav Hecker, San.-Rat, Dir. Arzt d. städtischen Heilanstalt in
Dresden,
Dr. Kurt Ackermann, Obermed.-Rat, Dir. d. Landesanstalt Großschweid¬
nitz, und
Dr. Wilhelm Sagel, Anstaltsarzt in Arnsdorf, das Kgl. Sächsische
Kriegs verdienstkreuz,
Dr. Joh. Bresler, Oberarzt d. Prov.-Anstalt Lüben, den K. österr. Franz-
Josef-Orden am Bande des Militärverdienstkreuzes und die
Rote Halbmondmedaille 1. Kl. erhalten.
Dr. Arnold Stegmann, Nervenarzt und Psychiater in Dresden, Berater
der Trinkerheilstätte Seefrieden, Ritter des Eisernen Kreuzes,
ist, wie erst jetzt sicher festgestellt wurde, am 7. Oktober 1914
bei Vauquois gefallen.
Dr. J. van Deventer, früher Dir. d. Anstalt Meerenberg, seit 1904 Staats¬
inspektor für das Irrenwesen in Holland, ist, 62 J. alt, im Fe¬
bruar 1916 an einem Herzleiden,
Dr. Paul Werner, San.-Rat, Oberarzt d. Prov.-Anstalt Andernach, im
49. Lebensjahre nach kurzer Krankheit am 23. April,
Dr. Franz Kleiminger, Oberarzt in Neustadt (Holstein), an den Folgen
einer schweren Verwundung auf dem westlichen Kriegsschau¬
platz im Feldlazarett am 8. Juni,
Dr. Adolf Luther, Oberarzt in Lauenburg, 42 J alt, am 27. Juni,
Dr. Ferdinand Karrer, Med.-Rat, Dir. d. Kreisanstalt Klingenmünster,
72 J. alt am 2 Juli gestorben.
Dr. Hugo Ermisch, Oberarzt d. Prov.-Anstalt Treptow a. R., Stabsarzt
d. R., ist am 10. Juli,
Dr. Hans Dieckert, Ass.-Arzt d. Prov.-Anstalt Schleswig, Stabsarzt d.
R., am 17. Juli,
Dr. Josef von Ehrenwall, Oberarzt d. Priv.-Anstalt Ahrweiler, Ass.-Arzt
im 1. Badischen Feldartillerie-Regt. Nr. 14, Inhaber d. Eisernen
Kreuzes, 32 J. alt, am 27. Juli auf dem westlichen Kriegs
Schauplatz gefallen.
Dr. Karl Bank, Obermed.-Rat, früherer Dir. d. Landesanstalt Weißenau,
ist gestorben.
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herausg. von W. Peters, Würzburg. Bd. 1, H. 6. Würzburg,
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Wiesbaden, C. F. Bergmann. 73 S.
408. Ziehen, Th., Leitladen der physiologischen Psychologie. 10. völlig
umgearb. Aufl. Jena, G. Fischer. 504 S. — 11 M. (S. 29*.)
409. Zühlsdorff, E., Die Psychologie als Fundamentalwissenschaft der
Pädagogik. Pädag. Bibi. Bd. 23.
Von zusammenfassenden Werken über das Gesamtgebiet liegen vor: Ziehen»
(408) bekanntes Buch in neuer Auflage; die neueste Literatur ist hier in starkem
Umfang berücksichtigt, der alte assoziationspsychologische Standpunkt beibehalten.
Messers (265) Darstellung orientiert besonders über die neuere Denkpsycho¬
logie, Psychologie der Gestalterfassung und ähnliches, Ebbinghaus' (84) kleiner
Abriß zeigt in der Neuauflage die alten Vorzüge. Rüttmanns (317) Ergebnisse
fassen vieles ganz brauchbar zusammen, sind aber bisweilen (besonders im Gebiet des
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Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
Pathologischen) dilettierend und unzuverlässig, Lipps ’ (230) Kleine Psychophysik
ist in der Neuauflage erweitert und recht brauchbar.
Die Methoden psychologischer Forschung erörtert in gemeinver¬
ständlicher und klarer Weise Külpe (216). Die Bedeutung von HusserJa Phänomeno¬
logie für die Psychologie wird von neuem durch Messer (265a) abgewogen. Zur
Methodik in der Tierpsychologie handelt Edinger (86).
Aus dem Gebiete der Sinnespsychologie sei vor allem auf die Arbeiten von
v. Frey hingewiesen, welche geeignet sind, die Lehre vom Kraftsinn in sehr
bedeutungsvoller Weise zu beeinflussen, v. Frey (117) beweist nämlich in seinen
sehr bemerkenswerten Untersuchungen die Existenz eines Kraftsinnes. Bei den
Untersuchungen ruhte der Arm der Vp. in einer Hülse, die ihn von der Schulter bis
zu den Fingerspitzen steif machte. Auf die Hülse wurden in 30 und 60 cm Abstand
Bügel befestigt, welche die zu vergleichenden Gewichte trugen. Die Prüfung der
Schwere erfolgt durch Hebung des Arms, der dem Blick der Vp. entzogen ist. Die
Versuche ergaben, daß im allgemeinen nur solche Gewichte für gleich gehalten
werden, welche das gleiche Drehungsmoment mit Bezug auf das Schultergelenk
besaßen. Es wird sehr fein unterschieden, relative Unterschiedsschwelle bei einer
Vp. Werden die Gewichte aber rasch gehoben, so erscheinen solche von gleichem
Drehungsmoment, aber verschiedenem Abstand vom Gelenk nicht mehr gleich —
Einfluß des Trägheitsmoments auf das Urteil; um so mehr, je größer die Winkel¬
beschleunigung.
Die Leistungen des Kraftsinns sind durch Druckempfindungen der Haut,
nicht bestimmt, wie nachgewiesen wird. Die Kraftempfindungen werden wohl
auch nicht durch Druckempfindungen in den Gelenken, sondern durch
rezeptorische Organe in Muskeln und Sehnen vermittelt.
v. Frey (116) gibt ein einfaches Verfahren zum Nachweis des Kraftsinns.
Auf den gestreckten, bekleideten Arm der Vp., der auf einer Unterlage nahezu
horizontal aufliegt, werden in 20 und 40 cm Abstand von der Schulter (Kreide¬
striche auf dem Rockärmel) Gewichte aufgesetzt oder angehängt. Arm durch
Vorhang dem Blick entzogen. Bei ruhendem Arm erscheinen mit Hilfe des Druck¬
sinns gleiche Gewichte gleich, unabhängig von der Entfernung der Schulter. Anders
bei Vergleichung durch langsames oder rasches Heben, wobei sogleich Drehungs¬
momente und Trägheitswiderstände ausschlaggebend werden.
Ein zusammenfassendes Referat über neuere tonpsychologische Arbeiten gibt
Stumpf (357).
ZurLehre der Aufmerksamkeit liegt die bekannte Monographie Dürre (83)
in neuer Auflage vor. Bei erheblicher Vermehrung des Inhalts sind die alten Grund¬
anschauungen beibehalten. Das Buch wird auch den fesseln und fördern, der diese
Grundansichten nicht teilt.
Die Gestalt Wahrnehmungen behandelt Benussi (29, 30), Zeitsinn
und Raumsinn in zusammenfassender Darstellung Buhler (61).
Zur Grundlegung einer Lehre von der Erinnerung liegt eine Monographie
von Oallinger (121) vor.
K. Honuitz (177) stellte Merkversuche an 27 Psychopathen und
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Isserlin, Psychologie und Psychophysik^
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Hysterikern an (zum Vergleich auch an 3 Gesunden). Dargeboten wurden
tachistoskopisch Buchstaben und Worte, akustisch Rauschburgsche Wortpaare.
Die Angaben wurden nach verschiedenen Zeiten gemacht (0 Sek., 50 Sek., 1% Min. ,
2 Min.); bei den Wortpaaren wurde das Trefferverfahren angewendet und die Re¬
produktionszeit gemessen. Die Zeit bis zur Reproduktion betrug hier 15 Sek. und
y% Std. Es wurde ohne und mit Ablenkung gearbeitet. Besonderes Interesse wurde
der suojektiven Sicherheit gewidmet. — Horwitz erhielt folgende Ergebnisse: Die
Merkleistung nahm bei den Gesunden erst nach 2 Min. leicht ab, bewahrte aber dabei
ihre Zuverlässigkeit. Eine ungünstige Wirkung der Ablenkung trat schon bei 50 Sek.
Pause hervor. Am frühesten unterlag die Stellung der Buchstaben dem Vergessen.
Hysterische und Psychopathen zeigten bei 2 Min. Pause ohne Ablenkung noch keine
Abnahme der Merkleistung bei guter Qualität der Leistung und entsprechendem
Sicherheitsbewußtsein. Ablenkung wirkte ungünstig auf die Leistung und minderte
die Zuverlässigkeit des Sicherheitsbewußtseins. Bei den Wortversuchen mit 2 Min.
Pause ohne Ablenkung lieferten die Kranken die größte Zahl der Angaben bei ge¬
ringerer Richtigkeit. Das Sicherheitsbewußtsein beim Merken der Worte wuchs
bei den Hysterischen mit der Schwierigkeit der Aufgabe; es war am höchsten bei
den Ablenkungsversuchen bei großer Richtigkeit der Angaben. Das Rauschburg-
sche Verfahren bestätigte im allgemeinen die Ergebnisse der anderen Methoden.
Eine nennenswerte Merkstörung fand sich bei einigen Hysterikern und Psycho¬
pathen mit Depression sowie bei Jugendlichen, die zu phantastischen Zügen neigten
oder labil waren.
Isserlin (184) weist in einem Nachtrag zu der Arbeit von Horwitz darauf hin,
daß bestimmte, den untersuchten Kranken eigene Fehlleistungen, die klinisch
sichtbar waren, im Versuch zum Teil nicht aufgedeckt werden konnten. Es handelt
sich hier offenbar um nicht konstante Erscheinungen, welche von der Einstellung
der Patienten abhängen. Diese wird von den Umständen des Lebens gesetzt und
müßte im Versuch durch besondere Veranstaltungen nachgeahmt werden.
Über den Vergleich erinnerter Objekte, insbesondere hinsicht¬
lich ihrer Größe, handelt auf Grund experimenteller Untersuchungen K. Rei-
chardt (308). Verglichen wurden farbige Rechtecke von verschiedener Gestalt und
Größe. Darbietung nach Metronomschlägen. Wichtigste Ergebnisse: Je länger
die Zeit zwischen der Darbietung des Objekts und dem Größenvergleich in der Er¬
innerung, desto schlechter die Vergleichsresultate. Der Vergleich erinnerter Objekte
ist abhängig von dem Grade der Einprägung. Disposition der Vp. wesentlich. Beim
Vergleich kleiner Objekte Ergebnisse besser als bei großen. Gestalteindruck
(„Schlankheit“ usw.) und Gesamteindruck („Kleinheit“ usw.) beim Vergleich von
Bedeutung. Gegenstände von lebhafter Farbe werden überschätzt. Der Größen¬
vergleich in der Erinnerung gibt schlechtere Resultate als der in der Wahrnehmung.
Der Vergleich erinnerter Personen vollzieht sich analog dem von Farben. Bei Per¬
sonen Vorstellung der Kopfhaltung wesentlich.
Peters und Nemecek (283) machten Massenversuche über Erinnerungs-
assoziationen, in Fortsetzung von früher von P. allein angestellten Untersuchun¬
gen. Aufgabe war, auf Zuruf eines Wortes ein persönliches Erlebnis zu erinnern.
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32*
Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
Vp. 146 Schüler von 10—24 Jahren (ca. 15 000 Erlebnisse erinnert). Weitaus die
Mehrzahl der erinnerten Erlebnisse war beim Erleben gefühlsbetont, der größere
Teil der gefühlsbetonten lustbetont, ein kleinerer unlustbetont. Die Erinnerungen
selbst waren häufiger gefühlsbetont als indifferent. Unlustbetonte Erlebnisse ver¬
lieren häufiger in der Zeit vom Erleben bis zum Erinnern ihren Gefühlston als lust¬
betonte. P. hatte schon früher von einer Tendenz zur Unlustminderung ge¬
sprochen in dem Sinne, daß unlustbetonte Erinnerungen leichter vergessen werden
als lustbetonte; der Wille, nicht zu erinnern, wirkt der Reproduktion entgegen. Die
Versuche an Kindern zeigten, daß mit zunehmendem Lebensalter immer mehr lust¬
betonte und weniger unlustbetonte Erlebnisse erinnert werden, daß also die Tendenz
zur Unlustminderung mit zunehmendem Alter zunimmt. Eine Ausnahme macht
die Pubertätszeit, in der unlustbetonte Erinnerungen häufiger sind.
Fritz Römer (312) hat an 27 männlichen und 43 weiblichen Hilfsschülem As¬
soziationsversuche angestellt. Zum Vergleich dienten auch Massenversuche mit
441 Volksschülem. Verf. fand, daß die geistig zurückgebliebenen Kinder seltener
„bevorzugteste“ Assoziationen (bei der größten Zahl Vp. gleichartige) hatten als
die normalen Kinder. Weiterhin waren die bevorzugtesten Assoziationen der Hilfs¬
schüler zum Teil andere als die der normalen Kinder. Die Häufigkeit der bevorzugte¬
sten Assoziationen nimmt bei den geistesschwachen Kindern mit zunehmendem
Alter nicht zu, im Gegensatz zum Verhalten bei normalen Kindern. Doch läßt sich
die Zunahme auch bei den schwachsinnigen nachweisen, wenn man das Intelligenz¬
alter nach Binet-Simon bestimmt. Sie entspricht dann diesem. Bei Berechnung
von „Normalmindestleistungen“ an bevorzugtesten Assoziationen für die einzelnen
Altersstufen der normalen Kinder und Vergleich mit den zurückgebliebenen zeigte
sich, daß diese letzteren die Normalmindestleistung ihrer Altersstufe nicht erreichten.
Doch war dies der Fall, wenn man die Zurückgebliebenen nach dem Intelligenzalter
gruppierte. Verf. glaubt deshalb die Häufigkeit der bevorzugtesten Assoziationen
als Prüfungsmittel in einem abgestuften Testsystem zur Prüfung der Intelligenz
verwerten zu können. — Die Assoziationszeiten der Zurückgebliebenen nehmen
sowohl mit zunehmendem Lebensalter wie auch zunehmendem Intelligenzalter ab.
Unter den Assoziationen der zurückgebliebenen Kinder sind Klangassoziationen sehr
zahlreich; daneben finden sich egozentrische, Perseverationen, Verlassen im Be¬
deutungskreis, Wortneubildungen. Einzelne Arten dieser Reaktionen sind für
manche geistig Zurückgebliebene kennzeichnend. Die Reaktionszeiten waren in
R .s Untersuchungen bei abnormen nicht länger als bei normalen Kindern. Die
Klangassoziationen haben bei den Zurückgebliebenen eine durchschnittlich kürzere
Reaktionszeit als die andern Assoziationen.
F. Hacker (135) hat Versuche über die Wirkung des Antikenotoxin (Weicharif)
auf den Menschen gemacht. H. verweist auf die Fehlerquellen früherer Versuche.
Er selbst konnte einen günstigen Einfluß des Antikenotoxins nach geistiger und
körperlicher Ermüdung nicht nachweisen.
H. Bickel (36) behandelt den Einfluß der Konstellation auf die sen¬
sorielle Wahlreaktion und auf die Resultate der Konstanzmethode.
In einer ersten Versuchsanordnung wurde auf Vorträge (gewöhnlich „rechts“-
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Isserlin, Psychologie and Psyehaphysik.
..liaks“) twt beiden Zeigefinger®reagiert. Die imvtrnktm« terkögt* Reaktion, nur
oatih einem VonlgJinl. Die Ve^m-hsaBpniming regelt« Ötetrhfdeitieii und Wechsel
Rewfolgo. bediente eich 'im bwc-öderen ,^blajäia4$t** ühd „ungleich*
!»H.niigei Jt Iiorksignfile. auf die nicht foagktt wbrilkft durfte, -- Es zeigte ‘ich, daß
ReizW/'disel die Reivktiousje.it meist rerlolfzt, Reizwiederholuhg sie meist vtirhin-
gurr. VeriL hält das iüf eine KonsteyMionswirkung durch den Begriff der Wahl-
reakfion. Die Vp. erwarten Rmwwhsd,
Analoge Ergebnisse erhielt B. auch hei Auflegen «• rsehieden langet Karton*
streifen mit der ICatith hdf die Biickseite des VnrderaiTrtB; d*r kürzere Streifen, kam
/bald an erster.. bald ah jawi/itdt $teUe- Bei Wiederholong thher Reizkmhlrinafciün
nahmen die Fälle zu; Auch hier meint, daß tlin Drf eil der Vp. euw Alternieren
neigte. Im allgeuieiaen ihein*' eV t „daß kehop die blyÖe MiigdcJikeit einer Andern
Denk- oder WiLIensrichtung ausr oiebt, um dem Denken und Wollen eine .*mdere
Richtung su gesur.v'
Benm Erd«n»m hgiidelt Von ^t Psyrhwldgte d4s Bigenöpiedheas.
• f,,Spimta»gpretthen")• Es umfasst* drei Jhwzesvc; 1 das stiHo, formulierte Denken,
1. die emotionelle Inimryatiijöider Sprachorganiv, A die Walimahmoog/iesOA'Sj'for.iie-
ne«. Der terste Proseß ist Vorhe.dingijtng für das tdon?<#e Eigemptvidien. Der au
formulierende- . Redputungsbestahd kann bewußt sein, voratellnngsiuäßig, oder die
Bodeutraigseroegimgeh mehr oder minder unbewußt. Das lormuiifcrtR .Denken
spielt weh öHÜsWiCu abstrakten Wörtvnrstdftmgen ah. Beim geläufigen Speech en
jedoch werden die Worte selten, vorher in stiller FormaJieriing bewußt. Die In-
itervanoc kommt dann dadurch zustande., ciiiü die BotlinrbjngsvfirstrUftngen dio
Detlächtnisteaadiifcn der spe^tßschmi. Wsrth lh reproduktiv® Bereitschaft versetaeß..
Die nm’htTiigLwhe kinästljetisi:h^kustfet.be. Wäiinjehjhung festigt den Bestand <w$j
Bonnulieraag. wiflct Torwhrts u«d rückwärts fepnuBikthA: analysiert, und prä-
aiwerr d**n lormuliem o Umbmkeu. Das Bild des Eigensprrchens wird ergänzt durch
die .Vusdniclisbewcgung'UK wcidi« besonder* den ernoiiormlioh Gehalt des ‘Bewußt-
seitia wiedeigebe.il. ; 0--'y
X.$ur. :GJ«V<!ii«,il'8'r#igk.t'f|dw Willen shandlnng*n bringt iW Jhwch (M)
BeiWÜgnuuf Grund gxperimfmthlltü' Dntidsdchungen. Seine wesentlieltsteh. Ergeb»
hisse sind: Wenn man einer größer«« Anzahl von VersuchsperKonen die Aufgabe
-eitoein ,;.V>eh^^E^t:^ > .:.A¥X^AAjg^p'(in^ t. Aus eine befiebige Bewegung unter
ßtäsröÖ&fB» ^ vnn den Versufthspersonnn
' gewählten’ tiinfting überein Es aeigen sieb wie ind 4w As^
s-nziaöaasversiirfinn bev-uzuetoste und weniger beeomigt« Reaktionen* Ehe bevor¬
zugteren Bewegung.'»»! hahe» größer« (keuhwindigkeit als die miuder bevorzugten./-;
Bevorzugter ist die Bewegung nach -midien Punkten, di** dem .Uugarigvpiiakt
ImTiai’hbaztet Mnd, gcgt-»$b*r der BcwJ*gimg tim.*h Punkten. die vom A usgUhgspunkt
mehr entfernt Kind. Bewegungen, dm io der Richtung nach dem Körper veilaufen.
yind bevorzugter fljHlI bevorzugter als
gungen vveriien Noirunfiwpjiducren !i*.’v*ir
■ ae de;. Ki'rvens zu gewch.Pjt sirid, scheuten
• *•
Co gle
34*
Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
Zeiten ist bei Assoziationsversuchen erheblich größer als bei einfachen Reaktionen,
die in bloßen Muskelbewegungen bestehen.
Benussi (28) hat Versuche über die Atmungssymptome der Lüge ange¬
stellt. Er suchte festzustellen, ob für lügenhafte bzw. aufrichtige Aussagen charak¬
teristische Atemkurven feststellbar wären, und wie sich die Verläßlichkeit der
Pneumogramme zu der einfachen Beobachtung verhielte. Bei dem Versuchsver¬
fahren erhielten die mit M arci/-Pneumographen versehenen Vp. Zettel mit Buch¬
staben und Zahlen. Bei einer Anzahl von Zetteln mußte die Vp. falsche Angaben
machen. Die Beobachter verzeichnen, ob sie die Aussage für wahr oder falsch
halten; das Verhältnis der richtigen zu den falschen Begutachtungen gibt ein Maß
für Verläßlichkeit der Gutachten und die Verstellungsfähigkeit der Vp. Die Ver¬
suche zeigten eine große Unverläßlichkeit der Begutachtungen. Es besteht die
Tendenz, leichter eine wahre Aussage für erlogen als eine erlogene für wahr zu halten.
Die Atmungskurven geben bei allen Vp. gute Anhaltspunkte. Bei der wahren Aus¬
sage ist die Inspiration in der Phase vor der Aussage verhältnismäßig langsamer
als in der Phase nach <jer Aussage, umgekehrt bei der Lüge. Eine Scheinlüge (bei
der die Begutachter wissen, daß Vp. Unwahres aussagt, und die Vp. auch diese
Tatsache weiß) hat die Atmungssymptome der wahren Aussage. Eine Vp., die sich
gut verstellen kann, kann darum noch nicht die Atmungssymptome verwischen.
Leschke (223) gibt auf Gnmd einer nochmaligen Durcharbeitung der Literatur
eine neue anschauliche Tabelle der Ergebnisse der bisherigen Untersuchungen über
die körperlichen Begleiterscheinungen seelischer Vorgänge in Puls, Blutverschie-
bung, Atmung. Etwa 30% der Ergebnisse stimmen überein, am meisten bei durch
einfache Reize leicht auslösbaren Vorgängen. Je verwickelter, gefühlsmäßiger die
Vorgänge sind, je mehr die gleichen Reize, je nach der Einstellung, verschiedene
seelische Wirkungen hervorrufen, um so abweichender werden die Ergebnisse.
L. verweist auf die Wichtigkeit der Instruktion, der Selbstbeobachtung und gibt
andere Hinweise zur Ausschaltung von Fehlerquellen.
Die Hauptgesetze des menschlichen Gefühlslebens behandelt das
umfangreiche Werk Lehmanns (222), die Beziehungen von Gemütsbewegungen zu
Sprachstörungen das Referat Gutzmanns (133).
Hirt bringt Untersuchungen über das Schreiben und die Schrift
(170).
Waiblinger (378) gibt Beiträge zur Feststellung des Tonfalls in den romani¬
schen Sprachen, welche wegen der Methodik und der allgemeinen Problematik auch
für die Psychopathologie von Interesse sind. Die Tonhöhenbewegung wurde aus
der graphischen Registrierung der Sprechschallbewegungen festgestellt, die Stärke¬
verhältnisse nach dem subjektiven Eindruck. W. konnte 46 verschiedene Formen
nach Tonhöhenbewegung und Dynamik feststellen, welche sich auf vier Grund¬
formen zurückführen lassen. Jeder sogenannte Sprechtakt besteht aus einer Stark-
und einer oder mehreren Schwachtonsilben, die sich in ihrer Tonhöhe entweder
über, unter oder neben der Starktonsilbe halten. Je höher sie bezüglich der Haupt¬
oder Starktonsilbe liegen, desto mehr Ausdruckswert hat der Takt. Je nach der
Art des Satzes ist sein An- bzw. Abklang steigend öder fallend. Hinsichtlich d es
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Wenden bürg, Gerichtliche Psychopathologie.
35*
Wertes der Starktonsilben eines mehrtaktigen Satzes stellte W. fest, daß die an
letzter Stelle stehende meist die wichtigste ist (Primsilbe). Sie ist aber keineswegs
immer die höchste. Vielmehr hat nach W. der Satz um so mehr Ausdruckswert,
je höher die Starktöne bezöglich der Primsilbe liegen. Besonders wertvolle Prim¬
silben werden besonders hoch gesprochen.
Eine brauchbare Einführung in die experimentelle Phonetik hat
PancosceUi-Calcia geschrieben (276).
Zur Traumpsychologie liegt die bekannte Buch Freuds (Traumdeutung) in
neuer Auflage vor (112). Genannt sei auch die Abhandlung von Aall (1).
Das Büchleim Amenis über die Seele des Kindes (10) ist in neuer Auflage
erschienen.
Die Ergebnisse langjähriger Untersuchungen über die Psychologie der
frühen Kindheit hat Stern neu zusammengefaßt (362).
2 . Gerichtliche Psychopathologie.
Ref.: Karl Wendenburg-Bochum.
I. Allgemeine gerichtliche Psychiatrie.
1. Birnbaum, K., Die psychopathischen Verbrecher. Handbuch für
Ärzte, Juristen u. Strafanstaltsbeamte. Berlin, P. Langen-
scheidt. 568 S. — 18 M. (S. 37*.)
2. Boden, Über historische und forensische Wahrheit und Wahr¬
scheinlichkeit. Arch. f. d. ges. Psychol. Bd. 31, H. 1 u. 2,
S. 1—26.
3. Burr, Ch. W. (Philadelphia, Pa.), Die Beziehungen der Aphasie
zu Geisteskrankheiten vom gerichtsärztlichen Standpunkt aus.
New York Med. Joum. 9. May.
4. Göring, M. U., Die Gemeingefährlichkeit in psychiatrischer, juristi¬
scher und soziologischer Beziehung. Hab.-Schrift Gießen.
Berlin, J. Springer. 149 S. — 7 M.
5. Graßmann, K. (München), Gute Ärzte — bessere Sachverständige.
ÄrztL Sachv.-Ztg. Nr. 3, S. 55.
6. Hamack, E., Die gerichtliche Medizin mit Einschluß der gericht¬
lichen Psychiatrie und der gerichtlichen Beurteilung von Ver-
sicherungs- und Unfallsachen. Leipzig. Akad. Verlagsges.
448 S. — 12 M. (S. 38*.)
c*
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
36*
Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
7. Hund, Josephine, Tentamen abortus provocandi deficiente gravidi-
tate. Inaug.-Diss. München.
8. Klieneberger, 0. (Göttingen), Wichtige Entscheidungen auf dem
Gebiete der gerichtlichen Psychiatrie. 13. Folge. Halle,
C. Marhold. 64 S. — 1 M. (S. 38*.)
9. Kolisko, A. (Wien), Beiträge zur gerichtlichen Medizin Bd. 2.
Leipzig u. Wien, Fr. Deuticke. 191 S. — 9 M. (S. 37*.)
10. Leppmann, A. (Berlin), Zur Begutachtung mystischer Heilmetho¬
den. Ärztl. Sachv.-Ztg. Nr. 15, S. 310. (S. 38*.)
11. Lobedank (Hagenau L E.), Das Wesen des menschlichen Geistes¬
lebens und das Problem der Strafe. Jur.-psych. Grenzfragen
Bd. 10, H. 1/2. (S. 38*.)
12. Mezger, E., Jurist und Psychiater. H. Groß’ Arch. Bd. 60, H. 1/2,
S. 1. (S. 37*.)
13. Mezger, E. (Stuttgart), Simulation und Dissimulation von Geistes¬
krankheiten. Mtschr. f. Kriminalpsych. u. Strafrechtsreform
Jahrg. 10, H. 10, S. 585. (S. 37*).
14. Nücke, P., Die gerichtliche Medizin und die Homosexualität. Arch.
f. Psych. Bd. 53, H. 1, S. 322.
15. Neumann, Otto (Elberfeld), Über Willensfreiheit. Med. Klin. Nr. 8,
S. 354.
16. Puppe, Die Stellung der gerichtlichen Medizin im künftigen Straf¬
recht. D. Strafrechtsztg. Nr. 1—3. (S. 37*.)
17. Reiß, E. (Frankfurt a. M.), Über Simulation und Geistesstörung.
Ztschr. f. d. ges. Strafrechtswiss. Bd. 35, p. 676.
18. Schäfer, G. (Hamburg), Simulation von Geisteskrankheit. Mtschr.
f. Kriminalpsychol. u. Strafrechtsref. 10. Jahrg., H. 10, S. 604.
19. Schultz, J. H. (Jena), Über Psychoanalyse in gerichtsärztlicher
Beziehung. Mtschr. f. Psych. u. Neurol. Bd. 36, H. 4, S. 258.
20. Schuppius (Breslau), Das Svmptomenbild der Pseudodemenz und
seine Bedeutung für die Begutachtungspraxis. Ztschr. f. d.
ges. Neurol. u. Psych., Orig.-Bd. 22, H. 4—5, S. 554.
21. Sommer, R. (Gießen), Das Verhältnis der psychiatrischen Begriffe
im Strafgesetzbuch und Bürgerlichen Gesetzbuch. D. Straf¬
rechtsztg. Jahrg. 1, H. 4—5, S. 207.
22. Stein (Leipzig), Über Jugendgerichte. Vjschr. f. gerichtl. Med.
u. öffentl. Sanitätsw., Suppl. 1, S. 291.
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
Wendenbarg, Gerichtliche Psychopathologie.
37*
23. VaUet, J., L’ali6n6 est-il un justiciable? Revue de mM. legale
no. 4, p. 97.
24. Zeitschrift für Sexualwissenschaft, herausg. v. Eulenburg , A., und
Bloch , J. Bonn, A. Marcus u. E. Weber. (S. 37*.)
Mezger (12) kritisiert die Literaturfehde zwischen Voß und Schäfer. Er betont,
daß Jurist und Psychiater bei Begutachtung gerichtlicher Fälle von zweifelhaftem
Geisteszustände nicht jeder seinen eigenen Weg gehen dürfe, sondern daß nur dann
etwas praktisch Brauchbares und der Sache Dienliches herauskommt, wenn jeder
sich die Erfahrungen des andern zunutze macht. Diese Notwendigkeit des verständ¬
nisvollen Zusammenarbeitens betont er an anderer Stelle noch einmal (13).
Im vergangenen Jahre sind zwei Zeitschriften neu herausgegeben, welche für
die gerichtliche Psychiatrie wichtige Gebiete behandeln: die Deutsche Strafrechts¬
zeitung (16) und die Zeitschrift für Sexualwissenschaft (24). Die erste Nummer
der Strafrechtszeitung bringt ein großzügiges Programm von Wilhelm Kahl und eine
ganze Reihe von Beiträgen über Strafrecht und Strafprozeß und seine Reform.
Neben dem Richter und Staatsanwalt "kommt auch der Verteidiger und Verwaltungs¬
beamte in dieser Nummer zu Wort, und auch der Gerichtsarzt liefert, zur Mitarbeit
aufgefordert, einen Beitrag, der die Notwendigkeit der Reform des gerichtsärzt¬
lichen Unterrichts, die Ausbildung und Anstellung besonderer Gerichtsärzte hervor¬
hebt. Der Inhalt ist also recht vielseitig und verspricht viel für die Zukunft. Das-
* selbe ernste Bestreben haben die Herausgeber der Zeitschrift für Sexualwissenschaft,
unter denen sich übrigens keiner der Professoren für Psychiatrie befindet, sonst
sind alle illustren Namen zu Mitarbeiterschaft herangezogen.
Eine umfassende Beschreibung der psychopathischen Verbrecher gibt uns
Birnbaum (1), der aus der Literatur über dieses Gebiet durch viele fleißige Einzel¬
arbeiten hinlänglich bek ann te Arzt der Irrenanstalt in Buch bei Berlin. Er nennt
sein großzügig angelegtes Werk ein Handbuch für Ärzte, Juristen und Strafanstalts¬
beamte, und ich glaube, jeder dieser Berufe wird von der eingehenden Darstellung
der ihn interessierenden Seite dieser großen Frage befriedigt sein. Das Buch ist in
vier große Abschnitte gegliedert. Der erste enthält eine allgemeine Orientierung
über den Begriff Psychopathie, die Bezeichnungsfrage und die Zusammenhänge
zwischen Verbrecher und Entartung. Der zweite bringt die Klinik der einzelnen
Krankheitsbilder, welche auf dem Boden der Entartung erwachsen, der dritte
befaßt sich mit dem Degenerierten während der Haft und im Strafvollzüge über¬
haupt, während der letzte der strafrechtlichen Behandlung und Versorgung der
kriminellen Psychopathen gewidmet ist. Ein ausführliches Sachregister beschließt
das Buch, das äußerlich alle Vorzüge der im Langensch eidtschen Verlage bisher
erschienenen Werke der Enzyklopädie der modernen Kriminalistik trägt.
Der 2. Band der Beiträge zur gerichtlichen Medizin, herausgegeben von Ko -
lisko (9), enthält 6 Beiträge. Die symmetrische Enzephalomalazie in den Linsen-
keroen nach Kohlenoxydgasvergiftung ist von Kolisko selbst bearbeitet, Raschkes
hat den Kohlenoxydnachweis im Blute nach dem Verfahren von Wachholz und
Sieradski nachgeprüft, Meixner erörtert die praktisch wichtige Frage der Geschlechts-
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
38*
Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
bestimmung bei Zwittern, und Beykovsky beschreibt die Klinik der tödlichen Unfälle
im Straßenverkehr. Jellinek beschäftigt sich mit der Rekonstruktion der Ent¬
stehungsweise des elektrischen Unfalles. Die VeronalVergiftung und der Nachweis
des Veronals in der Leiche und seine Verteilung in den Leichenteilen findet eine
eingehende Darstellung durch Jansch.
Emst Harnack (6) hat in Gemeinschaft mit Haasler und Siefert, dem leitenden
Arzt der Irrenabteilung bei der Strafanstalt zu Halle, ein Lehrbuch der gerichtlichen
Medizin herausgegeben, das für Ärzte und Juristen bestimmt ist. Es sieht seine
Hauptaufgabe darin, zwischen beiden Fakultäten das gegenseitige Verständnis zu
erleichtern, indem es den Mediziner mit den Begriffen des Rechtes, den Juristen
mit den naturwissenschaftlichen Begriffen dar Medizin vertraut macht. Aus diesem
Grunde ist die Darstellung nicht rein in fachtechnischen Ausdrücken, sondern mehr
allgemein verständlich gehalten. Den von der gerichtlichen Medizin handelnden
Teil hat Harnack verfaßt. Das Versicherungsrecht ist von Haasler bearbeitet, kurz
und doch vollkommen orientierend. Eine knappe Darstellung der gerichtlichen
Psychiatrie durch Siefert bildet den Beschluß des Buches, dem man eine gemein¬
verständliche und klare Art der Darstellung in allen seinen Teilen nicht absprechen
kann. Es wird deshalb seinen Zweck erfüllen.
In diesem Jahre hat sich Klieneberger (8) der dankenswerten Aufgabe unter¬
zogen, die wichtigen Entscheidungen auf dem Gebiete der gerichtlichen Psychiatrie
zusammenzustellen, und es sei hier auf diese reichhaltige Zusammenstellung beson¬
ders aufmerksam gemacht.
Eine hochinteressante Schilderung der Persönlichkeit und der Geistesverfassung
eines Kurpfuschers gibt A. Leppmann (10). Das Streben dieses Schädlings ging,
wie immer bei diesen Leuten, nach zwei Richtungen: nach mühelosem Gelderwerb
und Betätigung der Sinneslust. Leider ist es sehr schwer, den Unholden beizukom¬
men, wenn sie sich mystischer Heilmethoden bedienen und sich dabei hinter der
Religion verstecken.
Eine sehr schöne Einführung in das Wesen des menschlichen Geisteslebens
und das Problem der Strafe hat Lobedank (11) in den jur.-psych. Grenzfragen ver¬
öffentlicht. Lobedank ist überzeugter Determinist und verficht in seiner Schrift die
Lehren des Determinismus im Strafrecht hauptsächlich gegen Köhler, den Haupt¬
vertreter der alten Lehre von der Strafe als Sühne und der von physiologischen Vor¬
gängen des Gehirns unabhängigen Willensfreiheit. Die Art, wie Lobedank das
schwierige Problem darstellt, verdient vor allem hervorgehoben zu werden, denn
Lobedank besitzt die Gabe, leicht faßlich und auch dem Nichtspezialisten verständ¬
lich zu schreiben. Auf den reichen Inhalt selbst einzugehen, verbietet mir leider
der Mangel an Raum, deshalb sei die kleine Schrift jedem Interessierten zur Lek¬
türe empfohlen.
II. Psychiatrie und Strafrecht.
1. Fischer, 0. (Prag), Ein Beitrag zur forensischen Bedeutung der
histopathologischen Untersuchung des Gehirns. Prager med.
Wschr. Nr. 2.
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UNIVERSETY OF MICHIGAN
.Wendenburg, Gerichtliche Psychopathologie.
39*
2. Flinker (Czernowitz), Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des
Weibes. Vjschr. f. gerichtl. Med. u. öffentl. Sanitätsw., Suppl.
1, S. 300.
3. Golsong, Willibald, Zur Frage der Sittlichkeitsdelikte an Geistes¬
kranken. Inaug.-Diss. Würzburg.
4. Hansen, Karl, Ein Beitrag zur Lehre von den sexuellen Delikten
im Greisenalter auf der Grundlage arteriosklerotischen Schwach¬
sinns. Inaug.-Diss. Kiel.
5. Herold, Erich, Zwei Fälle von Brandstiftung bei Hysterie und Im¬
bezillität. Inaug.-Diss. Kiel.
6. Kalmus (Prag), Die Zurechnungsfähigkeit der degenerativen Phan¬
tasten. Vjschr. f. ger. Med. u. öffentl. Sanitätsw., 1. Suppl.,
S. 305.
7. Keller, Max, Beitrag zur Klinik und forensischen Beurteilung des
Querulantenwahns. Inaug.-Diss. Kiel.
8. Löwenstein, Otto, Die Zurechnungsfähigkeit der Halluzination nach
psychologischen Prinzipien beurteilt. Inaug.-Diss. Bonn.
9. Meyer, W., Dämmerzustände mit nachfolgender Amnesie bei
leichter Commotio cerebri. Deutsche med. Wschr. Nr. 1.
(S. 41*.)
10. Moeli, C. (Berlin), Zur Strafgesetzgebung. Ärztl. Sachv.-Ztg.
Nr. 3, S. 52.
11. Mönkemöller (Langenhagen), Simulation und Verhandlungsfähig¬
keit. Vjschr. f. ger. Med. u. öffentl. Sanitätsw. Bd. 48, H. 2 u. 4.
12. Mönkemöller (Langenhagen), Der pathologische Rauschzustand
und seine forensische Bedeutung. H. Groß’ Arch. Bd. 59,
H. 1, 2 u. 3. (S. 41*.)
13. Oppenheim, Max, Die forensische Bedeutung der Zwangsvor¬
stellungen. Inaug.-Diss. Marburg.
14. Pieper, Anton, Beitrag zur forensischen Beurteilung der Schwach¬
sinnszustände. Inaug.-Diss. Kiel.
15. Rebierre, P., La question de responsabilitä et l’expertise. Le timide
dälinquant. Paris, J. B. Bailiiere. 154 p. — 3,50 Fr.
16. Rixen, P. (Breslau), Zur Frage der Anrechnung des Irrenanstalts-
aufenthalts auf die Strafzeit. Ein Betrag zur Reform der
Strafprozeßordnung. Jur.-psych. Grenzfragen Bd. 9, H. 7—8.
Halle a. S., G. Marhold. 91 S. — 2,20 M. (S. 40*.)
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
40*
17. Schonlau, Otto, Zur strafrechtlichen Beurteilung des Eif ersuch ts-
wahns. Inaug.-Diss. Kiel.
18. Siege, Wilhelm, Ein Beitrag zur strafrechtlichen Bedeutung der
Hysterie. Inaug.-Diss. Bonn.
19. Sioli, Franz (Bonn), Die Behandlung des Alkoholismus im Vor¬
entwurf des Deutschen Strafgesetzbuches. Vjschr. f. gerichtl.
Med. u. öffentl Sanitätsw. Bd. 48, H. 2, S. 312. (S. 41*.)
20. Stein, F. W. (Prag), Ungewöhnlicher Fall von Diebstahl bei pro¬
gressiver Paralyse. Prager med. Wschr. Nr. 9.
21. Steyerthal, A. (Kleinen), Die Hysterie in foro. Ärzt. Sachv.-Ztg.
Nr. 8, S. 164, Nr. 9, S. 181. (S. 41*.)
22. Stiel, Ernst, Ein Beitrag zur forensischen Bedeutung der chroni¬
schen Paranoia. Inaug.-Diss. Kiel.
23. Strauß, Arnold , Zur forensischen Beurteilung von Brandstiftung
durch Geisteskranke. Inaug.-Diss. Kiel.
24. Tintemann, W., Ein Beitrag zur Psychologie der Verbrechen im
Bausch. Mtschr. f. krim. Anthr. u. Strafr.-Ref. Jahrg. 11,
H. 3, S. 166. (S. 41*.)
25. Türkei, Siegfr., Dr. jur. (Wien), Der Zurechnungsparagraph im
österreichischen Rechte. Jahrb. f. Psych. u. Neurol. Bd. 35,
H. 1, S. 59.
26. Türkei, Siegfr., Dr. jur. (Wien), Probleme der Zurechnungsfähig¬
keit. Jahrb. f. Psych. u. Neurol. Bd. 36, S. 257.
27. Wahl (Pontorson), Ali6n6s meconnues et condamnes observös ä
l’asile de Pontorson de 1830 ä 1867. Ann. med.-psych. voL 72,
p. 703.
28. Weygandt, W. (Hamburg), Zurechnungsfähigkeit und Rechts¬
sicherheit. Vjschr. f. gerichtl. Med. u. öffentl. Sanitätsw.
Bd. 47, H. 2. (S. 48*.)
Peter Rixen (16) hat in den juristisch-psychiatrischen Grenzfragen eine Ab¬
handlung über die Anrechnung des Irrenanstaltsaufenthalts auf die Strafzeit ver¬
öffentlicht. Die überaus fleißige Arbeit bringt alle Bestimmungen und Verhandlun¬
gen über diese Frage, würdigt die Literatur einer eingehenden Kritik und kommt
schliefilich zu dem Schlüsse, daß die Dauer des Anstaltsaufenthalts anzurechnen
ist, wenn nicht der Verurteilte mit der Absicht, die Strafvollstreckung zu unter¬
brechen, die Krankheit herbeigeführt hat. Eine Strafunterbrechung findet nicht
statt, wenn ein geistig erkrankter Verbrecher in eine Irrenanstalt überführt wird.
Bei dieser Fassung des § 493 würden ohne große Schwierigkeiten viele Personen
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Wendenbarg, Gerichtliche Psychopathologie. 41*
sozial gerettet, die jetzt unerbittlich der Kriminalität anheimlallen. In zahlreichen
Fällen würde der Ausbruch neuer Geistesstörungen verhütet werden. Die Fest¬
stellung, ob Simulation vorliegt oder nicht, wird freilich oft nicht leicht sein, ein
Punkt, auf den auch Hans Groß hinweist.
Sioli (19), der die bisher erschienene Literatur über die zukünftige Behand¬
lung der Trinker nach dem Vorentwurf einer genauen kritischen Durchsicht unter¬
zieht, sieht in den Bestimmungen des V. E. eine großzügige und folgerichtige Be¬
handlung des Alkoholismus. Bedingte Strafaussetzung bei erstmalig kriminellen
Trunksüchtigen, die freiwillig Enthaltsamkeit versprechen, scheint ihm wegen der
erzieherischen Wirkung außerdem noch notwendig.
Steyerthal (21) will den Begriff Hysterie in foro nicht gebraucht wissen, weil
dieser Begriff ungeklärt und mystisch sei und mit ihm nicht experimentiert werden
dürfe. Er ließe sich immer durch andere, klare und unzweideutige ersetzen.
Der pathologische Rauschzustand wird von Mönkemöller (12) an der Hand
der Literatur und einer recht großen Zahl selbstbeachteter Fälle auf seine psychiatri¬
schen Erscheinungen und forensischen Konsequenzen untersucht. Die Erscheinung
macht dem Gutachter zahlreiche Schwierigkeiten, man muß sich hüten, allgemein¬
gültige Regeln für seine Beurteilung aufzustellen. In allen Fällen muß außer dem
Alkoholgenuß nachgewiesen werden, daß der Untersuchte schon seiner Gesamtver¬
anlagung nach zu Zuständen neigt, die denen ähneln, die wir beim pathologischen
Rausch beobachten.
Tintemann (24) untersuchte einen Mann, der in der Trunkenheit in ein Haus
eingedrungen war, um die Ehefrau geschlechtlich zu gebrauchen, und den neben der
Ehefrau schlafenden Mann ohne jeden Anlaß erschossen hatte. Er kam zu der
Ansicht, daß nur Trunkenheit, aber kein pathologischer Rausch Vorgelegen hatte.
Das Gericht verurteilte wegen Totschlags.
Bei einer Frau, die bald nach einer körperlichen Mißhandlung durch den Ehe¬
mann ihre 4 Kinder in der Badewanne ertränkt hatte, nahm W. Meyer (9) das Vor¬
liegen eines „Affektdämmerzustandes“ nach Commotio cerebri an. Die Frau wurde
exkulpiert. Dem Dämmerzustand folgte eine Amnesie für mehrere Stunden.
III. Kriminalanthropologie und -psychologie.
1. Arsimoles et Halberstadt , Les psychoses pdnitentiaires. Arch.
intemat. de Neurol. 36® ann. vol. 1, no. 6, p. 341.
2. Ballet, G., La criminalitG morbide. Arch. d’anthropol. crim.
no. 242, p. 81.
3. Bechterew, W. v. (St. Petersburg), Das Verbrechen im Lichte der
objektiven Psychologie. (Deutsch von T. Rosenthal.) Wies¬
baden, J. F. Bergmann. 53 S. — 1,60 M.
4. Bischoff, un d Lazar, E. (Korneuburg), Psychiatrische Unter¬
suchungen in der niederösterreichischen Zwangsarbeitsanstalt
Korneuburg. Jahrb. f. Psych. u. Neurol. Bd. 36, S. 333.
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42*
Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
5. Boigey, M., Passion, crime et responsabilitö. Arch. d’anthropol.
crimin. vol. 29, no. 244, p. 287.
6. Boas, Kurl , Über Heptephilie. H. Groß’ Arch. Bd. 61, H. 1.
7. Briand, M., et Salomon , J., Un cas d’exhibitionnisme associö ä
l’inversion sexuelle. BulL de la Soc. clin. de m6d. ment. no. 2,
p. 55.
8. Briand, M., et Salomon, J., Iconoclastes justiciers protestataires
et mystiques. Bull, de la Soc. clin. de m6d. ment. 7, 154.
9. Byloff, Fritz , Zur Psychologie der Brandstiftung. H. Groß’ Arch.
Bd. 59, H. 1 u. 2.
10. Demay, (?., Psychose interprßtative et imaginative chez un vaga-
bond. Bull, de la Soc. clin. de m6d. ment. no. 1, p. 21.
11. Dolenc, Method, Ein Grenzfall — larvierte Epilepsie. Arch. f.
Kriminalanthropol. u. Krim. Nr. 57, S. 341.
12. Elzholz, A. (Wien), Der Fall Wurm. Jahrb. f. Psych. u. Neurol.
Bd. 36, S. 443. (S. 46*.)
13. Frank, Ludivig (Thurgau), Sexuelle Anomalien, deren psycho¬
logische Wertung und deren forensische Konsequenzen.
Berlin, Jul. Springer. 72 S. — 2 M.
14. Göring, M. H., Sittlichkeitsverbrechen von Frauen an Frauen.
Arch. f. Frauenkunde u. Eugenik Nr. 2.
15. Gotthold, K. (Frankfurt a. M.), Vergleichende Untersuchung über
die Tätowierung bei Normalen, Geisteskranken und Krimi¬
nellen. Klin. f. psych. u. nervöse Krkh., herausg. v. R. Sommer,
Bd. 9, H. 3.
16. Gruhle, H. W., Wülmanns, K., u. Dreyfuß, Säufer als Brandstifter.
Verbrechertypen, herausg. v. H. W. Gruhle u. Wetzel, Bd. 1,
H. 2. Berlin, J. Springer. 83 S. — 3,20 M. (S. 45*.)
17. Hahn, R., Ein merkwürdiger Fall von Diebstahl aus Gegenstands¬
fetischismus. H. Groß’ Arch. Bd. 60, H. 1 u. 2.
18. Hegar, Alfr., Zur chinesischen, deutschen und amerikanischen
Kriminalistik. Der Kampf gegen Minderwertigkeit und Ver¬
brechen. Wiesbaden, C. F. Bergmann. 34 S. — 1,20 M.
19. Hellwig, A. (Berlin-Friedenau), Moderne Medien. Ärztl. Sachv.-
Ztg. Nr. 14, S. 283.
20. Helhcig, A. (Berlin-Friedenau), Zur Lehre vom psychopathischen
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21. Heyder, Otto, Beitrag zur forensischen Beurteilung der Katatonie.
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23. Juquelier et Vinchon, L’histoire de la kleptomanie. Revue de
psych. no. 2, p. 64.
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28. Lamelotti, M. A., La criminalidad en Buenos Aires 1887 a 1912.
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29. Lazar, Erwin (Wien), Die nosologische und kriminologische Be¬
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atrisch-pädagogische Studie. Ztschr. f. Kinderheilk. Bd. 11,
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32. Marthen, G. (Landsberg a. W.), Psychiatrische Korrigendenunter¬
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relli. Genua, E. Olivieri & Co. 2105 S. — 6 L.
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35. Morselli, E., Le condizioni presenti delle dottrine Lombrosiane
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37. Raimann, E. (Wien), Über Haftpsychosen. Vjschr. f. ger. Med.
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38. Redlich u. Lazar (Wien), Über kindliche Selbstmörder. ZwangL
Abh. a. d. Grenzgeb. d. Pädag. u. Med. H. 3. Berlin, J. Sprin¬
ger. 90 S. — 2,40 M. (S. 46*.)
39. Reiß, Eduard, Über verminderte Zurechnungsfähigkeit von
Schwerverbrechern. Mtschr. f. krim. Anthr. u. Strafr.-Ref.
Jahrg. 11, H. 5/6, S. 308. (S. 45*.)
40. Rupprecht, K., Die Alkoholkriminalität der Jugend Bayerns.
Münch, med. Wschr. Nr. 13, S. 713.
41. Sabisch, Josef, Über einen Mordakt auf katatonischer Basis.
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42. Sadger, J. (Wien), Die Psychologie des Tunichtguts und des
Trinkers. Wien. klin. Rundsch. Nr. 20, S. 287.
43. Senf, M. R. (Schmölln), Fetischismus. Groß’ Arch. Bd. 60, S. 99.
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44. Sigg, Ernst (Zürich), Zur Kasuistik des Fetischismus. (Ref.
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45. Steckei, W., Zur Psychologie des Fetischismus. Ztschr. f. Patho-
psych., Erg.-Bd. 1, S. 134.
46. Stelzner, Helenefriederike (Berlin), Die Frühsymptome der Schizo¬
phrenie in ihren Beziehungen zur Kriminalität und Prostitu¬
tion der Jugendlichen. Allg. Ztschr. f. Psych. Bd. 71, H. 1,
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47. Strasser, Charlotte, Trotz, Kleptomanie und Neurose. H. Groß’
Arch. Bd. 59, H. 3 u. 4.
48. Stschegloff, A., Kriminellbiologische Anschauungen von Lombroso.
Rundsch. f. Psych., Neurol. u. exp. Psychol. Bd. 18, S. 665
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49. Viernstein, Th. (Kaisheim), Eigenschaften und Schicksale von
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Wendenburg, Gerichtliche Psychopathologie.
45*
40 lebenslangen Zuchthausgefangenen. Ztschr. f. Medizinal¬
beamte Nr. 2 u. 3.
50. Weygandt, W. (Hamburg), Uber die Psychologie des Verbrechers.
Mitt. a. d. Hamburgischen Staatskrankenanstalten Bd. 14,
H. 14. (S. 45*.)
51. Weygandt, W. (Hamburg), Entartete, irre und verbrecherische
Mütter. „Mutterschaft“, herausg. v. Adele Schreiber. Sonder -
abdruek. München, Alb. Langen. 14 S.
52. Witry, Un meurtre pseudo-homosexuel. Gaz. des hop. no. 15, 231.
53. Ziehen , T/i.f, Zur Ätiologie des sogenannten „moralischen Schwach¬
sinns“. Wiener med. Wschr. Jahrg. 64, S. 2242.
Die von Gruhle und Wetzel (16) herausgegebenen Verbrechertypen bringen
im 2. Heft des 1. Bandes 4 Fälle von Säufern als Brandstifter. Auf die Vorzüge
dieser mit großer Sorgfalt abgefaßten Verbrecherpsychologien ist schon im vor¬
jährigen Bericht hingewiesen. Die letzterschienene Abhandlung steht den früheren
nicht nach.
Eine kurze Psychologie des Verbrechers, die namentlich auch Nichtmedizinem
verständlich sein soll, gibt Weygandt (60) in Form eines Vortrages.
Eine Kriminalpsychologie des Diebstahls bei krankhaft veranlagten Leuten
stammt aus der Feder von Juquelier und Vinchon (24). Sie erörtern an der Hand
eines großen Pariser Materials eingehend die Beziehungen, welche zwischen Dieb¬
stahl und Geisteskrankheit und zwischen Diebstahl und denjenigen Formen geistiger
Veränderung bestehen, welche wir Deutschen als geistige Minderwertigkeit zu¬
sammenfassen.
Die 21 Fälle, die Kaslan (26) beschreibt, haben alle den Einfluß angeborener
psychischer Defekte auf die Kriminalität und die Entstehung von Psychosen zum
Gegenstände. Auch der Einfluß exogener Momente auf diese Menschen im Grenz¬
zustande wird eingehend gewürdigt.
Raecke (36) hat die Fürsorgezöglinge Frankfurts untersucht und dabei einen
engen Zusammenhang zwischen Kriminalität und Geistesstörung im Kindesalter
gefunden. Ausgesprochene Psychosen sind bei Kindern häufiger, als man gemeinhin
annimm t. Gefährlich ist besonders hysterische Veranlagung bei Mädchen, da sie
häufig zu falschen sexuellen Anschuldigungen unschuldiger Männer führt.
Reiß (39) hat 131 Zuchthäusler in Ludwigsburg auf verminderte Zurechnungs¬
fähigkeit untersucht und gefunden, daß 43 von ihnen normal waren, 62 pathologische
Züge aufwiesen und 36 besonders schwer defekt waren, so daß sie etwa als vermin¬
dert zurechnungsfähig anzusehen sind. Ein besonderer Strafvollzug für die v. Z.
wird sich auch in Zukunft kaum durchführen lassen. Die Einführung der Siche¬
rungshaft und ihre Verhängung durch ein besonderes gerichtliches Verfahren er¬
scheint die einzige Möglichkeit, die Gesellschaft vor diesen Elementen künftig zu
schützen.
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46*
Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
Redlich und Laear (38) haben 61 Kinderselbstmorde statistisch und psycho¬
logisch verarbeitet, und davon 9 eingehend beschrieben. Es ist zweifellos, daß die
Selbstmorde bei Kindern absolut und relativ an Häufigkeit zunehmen, doch ist die
absolute Zahl keineswegs erschreckend groß. Auffällig ist das Schwanken des Zahl;
zu manchen Zeiten häufen sie sich, zu andern kommen überhaupt keine Kinder¬
selbstmorde vor. Das Material der Verff. verteilte sich ungefähr gleich auf beide
Geschlechter und betraf ganz vorwiegend Kinder mit psychopathischer Konstitution.
Einen hochinteressanten Beitrag zum Kapitel der phantastischen Lügnerinnen
liefert Ekholz (12) durch die Veröffentlichung des „Falles Wurm“.
Senf (43) teilt die Geschichte eines Fetischisten mit, dessen Lieblingsgegen¬
stand Frauenunterröcke waren. Es handelte sich um einen Bauemburschen.
IV. Zivilrechtliche Psychiatrie.
1. Cristiani, A., La capacitä civile nelle remissioni della paralisi
progressiva. Riv. Ital. di neurop., psich. et elettroterap. fase. 1,
p. 24.
2. Heilbronner, K. (Utrecht), Selbstanklagen und pathologische Ge¬
ständnisse. Miinch. med. Wschr. Nr. 7, S. 345.
3. Jansky, J. (Prag), Progressive Paralyse und Bevormundungs-
frage. Revue v. neuropathol. Bd. 11, S. 161.
4. Ley et Menzerath, Le tömoignage des normaux et des aliGnes.
L’enfance anormale no. 25, p. 3.
5. Pick, A. (Prag), Pathologische Beiträge zur Psychologie der Aus¬
sage. H. Groß’ Arch. Bd. 57, S. 193.
6. Schilling, Karl (Berlin-Schöneberg), Ein kasuistischer Beitrag
zur Frage der Mängel im Entmündigungs- und Pflegschafts¬
verfahren. Ärztl. Sachv.-Ztg. Nr. 12, S. 246. (S. 47*.)
7. Schott, A. (Stetten), Aus der Praxis der Entmündigung wegen
Trunksucht. Allg. Ztschr. f. Psych. Bd. 71, H. 2, S. 213.
8. Weber, L. W. (Chemnitz), Hysterie und Ehe. Ärztl. Sachv.-Ztg.
Nr. 24, S. 437. (S. 46*.)
9. Weber, L. W. (Chemnitz), Die Fähigkeit zur freien Selbstbestim¬
mung bei der Wahl des Aufenthaltsorts. Allg. Ztschr. f. Psych.
Bd. 71, H. 2, S. 252.
10. Wilhelm, E. (Straßburg i. E.), Die Transvestiten und das Recht.
Sexualprobleme Jahrg. 10, S. 393. (S. 47*.)
L. W. Weher (8) fand bei einer getrennt lebenden Frau Beschränktheit im
landläufigen Sinne und Hysterie. Er gab sein Gutachten in einer Alimentations¬
klage dahin ab, daß die Frau bei ihrer Hysterie nicht ohne Gefahr für ihre Gesund-
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.Wen den bürg, Gerichtliche Psychopathologie.
47*
heit zum Manne zurückgehen könnte, da die Gefahr der Verschlimmerung des
Leidens auch bei der liebevollsten Behandlung bestände. Der hysterische Charakter
sei eben unberechenbar.
An der Hand von drei interessanten Fällen beleuchtet Schilling (6) die Mängel,
die unserer Zivilgesetzgebung über Entmündigung und Pflegschaft insofern an¬
haften, als sie besonders komplizierten seelischen Naturen nicht gerecht werden
können, und empfiehlt deshalb für sie eine partielle Entmündigung.
Wilhelm (10) untersucht die rechtliche Stellung der Transvestiten Magnus
Hirschfelds nach dem geltenden Recht, die Erlaubnis zup Tragen sexualkonträrer
Kleidung, die Möglichkeit der Namensänderung u. a. Er teilt auch neue Fälle aus
der älteren Literatur mit.
V. Irrenrecht. Verwehrungsmaßnahmen.
1. Bauer, 0., Bedingte Verurteilung der Trinker („Pollardsystem“).
Ztschr. f. d. ges. Strafrechtswiss. Bd. 35, S. 885.
2. Grabe, E. v. (Hamburg), Über Fürsorgezöglinge und Erfolge der
Fürsorgeerziehung. H. Groß’ Arch. Bd. 60, H. 3 u. 4.
(S. 48*.)
2 a. Hammer , W., Grundzüge der erzieherischen Behandlung sittlich
gefährdeter Mädchen in Anstalten und Familien. Frankfurt
a. 0., Max Richter. — 2,30 M. (S. 49*.)
3. Hegar, Aug. (Wiesloch), Über die Unterbringung geisteskranker
Rechtsverbrecher. Allg. Ztschr. f. Psych. Bd. 71, H. 4 u. 5,
S. 671.
4. Heutig, H. v. (München), Neues Irrenrecht in Bayern. Münch.
med. Wschr. Nr. 18, S. 994.
5. Mönkemöller (Langenhagen), Fürsorgeerziehung und Geisteskrank¬
heiten. Die Irrenpflege Nr. 5, 6.
6. Nelken, Jan (Lemberg), Die Verbrecherfrage und die Irrenfürsorge
in Galizien. Ein Beitrag zu der Gefahr der Haftpflicht der
Anstalten für Geisteskranke. Psych.-neuroL Wschr. Nr. 51,
S. 616.
7. North, Charles H. (Dannemora, N. Y.), A proposed change in thc
Criminal Law. The Americ. journ. of insanity voL 70, nr. 3,
p. 683.
8. Parant, V. (Toulouse), La loi sur le r^gime des aliönös devant le
S6nat. Ann. m&l.-psychol. no. 2, Fövr., p. 129.
9. Schnitzer, H. (Stettin), Bericht a. d. Herrn Landeshauptmann
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48*
Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
von Pommern über die psychiatrische Untersuchung und
Behandlung der Fürsorgezöglinge in den Erziehungsanstalten
bei Kückenmühle. Psych.-neuroL Wschr. Nr. 23/24, S. 251.
(S. 48*.)
10. Schnitzer, H. (Stettin), Forensische Psychiatrie und Fürsorge¬
erziehung. Ztschr. f. Psychother. u. med. Psychol. Bd. 6, H. 2.
11. Schnitzer, H. (Stettin), Psychiatrie und Fürsorgeerziehung. Ztschr.
f. d. ges. Erforsch, u. Beh. d. jugendl. Schwachs. Bd. 7,
H. 1-3, S. 74.
12. Schweighofer (Salzburg), Unsere Stellungnahme zum Fürsorge¬
erziehungsgesetz und dessen Durchführung. Psych.-neurol.
Wschr. Nr. 4, S. 37.
13. Starlinger, Jos. (Mauer-Öhling), Über den gegenwärtigen Stand
des Schutzes und der Fürsorge für Geisteskranke. Jahrb. f.
Psych. u. Neurol. Bd. 36, S. 49.
14. Wülmanns, K. (Heidelberg), Ein Beitrag zur Psychologie der
Kinderaussagen vor Gericht. Vjschr. f. gerichtl. Med. u.
öffentl. Sanitätsw. Bd. 47, H. 1, S. 102.
15. Zach, Anton, Die Geisteskranken im Verkehrsrecht des 19. Jahr¬
hunderts. Inaug.-Diss. Gießen, Jurist. Fak.
Im Anschluß an den Bremer Kindermord und die Tat des Lehrers Wagner erör¬
tert Weygandt (1128) die Unzulänglichkeit der jetzigen Verwahrungsmaßnahmen für
Verbrecher, die nach § öl freigesprochen sind. Er betont aber auch, daß dieser Un¬
zulänglichkeit zum Trotz die Verwahrungsmaßnahmen in der Praxis mit genügender
Strenge gehandhabt werden, um die Rechtssicherheit zu wahren. Namentlich seit
Erbauung der Irrenanstaltsadnexe für kriminelle Geisteskranke ist genügender
Schutz vor diesen Elementen garantiert. Die neuerdings in Hamburg mehrfach
geübte, auch vom Reichsgericht nicht bemängelte Methode, Entlassungsanträge
dort internierter Krimineller vor die ordentlichen Gerichte zu bringen, erscheint
ihm nachahmenswert, weil praktisch. Sie hat allerdings auch Schattenseiten. Die
größten Schwierigkeiten machen hier wie überall die geistig Minderwertigen, denen
erst das zukünftige Strafrecht die notwendige Behandlung und Verwahrung
garantiert.
Schnitzer (5)) betont, daß bei den kriminellen Fürsorgezöglingen nur selten mit
normaler Entwicklung und normalen Verhältnissen zu rechnen ist. Individuelle
Behandlung ist bei ihnen deshalb in jeder Beziehung besonders notwendig.
t’. (trabe (2) berichtet über das Schicksal von 100 weiblichen Fürsorgezög¬
lingen. Etwa 69% kamen wieder auf den rechten Weg, darunter sogar der größte
Teil der der Unzucht verfallen gewesenen. Bei 12% hatte die Fürsorgeerziehung
zweifelhaften, bei 19% keinen Erfolg. Vorgeschritteneres Alter bei Übernahme in
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Wen den bürg, Gerichtliche Psychopathologie. 49*
Fürsorgeerziehung scheint die Prognose für die Fürsorge keineswegs aussichtslos
zu gestalten.
Auf Hammer s (2 a) Grundzüge der erzieherischen Behandlung sittlich ge¬
fährdeter und entgleister Mädchen in Anstalten und Familien will ich hier hin-
weisen, weil man auch von jemand lernen kann, der einen von der Allgemeinheit
nicht geteilten Standpunkt einnimmt.
VI. Psychiatrie und soziale Gesetzgebung.
1. Charpentier, Jos. (Premontr6), Psychose interprStative aigue chez
un accident6 de travail. Ann. m6d.-psychol. no. 3, p. 308.
2. Engel, Herrn. (Berlin), Fingierter Unfall und Simulation schwerer
Unfallfolgen. Ärztl. Sachv.-Ztg. Nr. 16, S. 341.
2 a. Ewald, W., Soziale Medizin. Ein Lehrbuch für Ärzte, Studierende,
Medizinal- u. Verwaltungsbeamte, Sozialpolitiker, Behörden
u. Kommunen. Bd. 2. Berlin. 702 S. — 26 M.
3. Fehr, Heinr., Entlarvungsmethoden bei Simulation von Hör¬
störungen. Inaug.-Diss. Würzburg.
4. Honigmann, Franz (Breslau), Unfallneurose und Unfallversiche¬
rungsgesetz. Ärztl. Sachv.-Ztg. Nr. 8, S. 159.
5. Lüderitz, Otto, Zur Begutachtung der nach dem Unfall entstande¬
nen Psychoneurosen. Inaug.-Diss. Kiel.
6. Mönkemöller (Langenhagen), Die forensische Bedeutung der
Neurasthenie. Arch. f. Psych. Bd. 54, H. 2, S. 273.
7. Quensel, F. (Leipzig-Schkeuditz), Über Grundlagen und Bedeutung
der traumatischen Neurosen. Vjschr. f. gerichtl. Med. u.
öffentl. Sanitätsw., Suppl. 1, S. 104. (S. 49*.)
8. Verna, A. (Palermo), Respiratorische Neurosen traumatischen
Ursprungs und deren Simulation. Ztschr. f. d. ges. Neurol. u.
Psych., Orig.-Bd. 24, H. 5, S. 592.
9. Weber, L. W. (Chemnitz), Geistesstörung — Invalidität — Ent¬
mündigung? Ärztl. Sachv.-Ztg. Nr. 15, S. 335. (S. 50*.)
10. Weber, L. W. (Chemnitz), Müssen Unfälle nervöse Folgen haben ?
Ärztl. Sachv.-Ztg. Nr. 4.
Statistische Untersuchungen Quensels (7) über die Grundlagen und die Be¬
deutung der traumatischen Neurosen hatten zunächst das von andern Unter¬
suchungsresultaten erheblich abweichende Ergebnis, daß auf 4379 entschädigte
Unfälle 182 Neurosen entfielen. Ihr Anteil betrug also 4,16%. Von diesem ging
die überwiegende Mehrzahl auf Kopfverletzungen zurück, nämlich 110, während
Zeitschrift för Psychiatrie. LXXII. Lit. d
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50* Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
bei 72 Fällen Verletzungen anderer Körperteile als Ursache anzusehen waren. Von
den einzelnen Krankheitsformen war die sogenannte Kommotionsneurose mit
56 Fällen am häufigsten vertreten, ihr standen nur 62 aller andern Formen gegen¬
über. Reine Rentenkampfhysterie wurde nur zweimal festgestellt. Die Beschrän¬
kung der Erwerbsfähigkeit ging meist der Schwere der ursächlichen Verletzung
parallel, wenigstens bei den Kommotionspsychien, bei den Hysterien und den
neurasthenischen Krankheitsbildem, auf anderer Grundlage war aber ein derartiger
Parallelismus nicht regelmäßig festzustellen. Frühere nervöse Beschwerden, infolge
von Veranlagung anderer früheren Unfälle, wirkten stets recht günstig auf den
Verlauf traumatischer Neurosen. Der verschlimmernde Einfluß des Begehrens und
des Rentenkampfes steht außer allem Zweifel, namentlich bei den hysterischen Krank¬
heitsbildem. Die einfach nervösen Beschwerden haben erfahrungsgemäß nur einen
geringen Einfluß auf die Arbeitsfähigkeit, und deshalb soll man Neurosen von vorn¬
herein niedrig einschätzen. Aus denen nehmen sie einen günstigen Verlauf.
L. W. Weber (9) teilt mehrere recht interessante Fälle von Geisteskrankheit
mit, durch welche die äußere Ordnung des Gebarens nicht gestört wurde, und
macht auf die Schwierigkeiten aufmerksam, welche diese Fälle dem Gutachter
bieten, je nachdem er sie vom strafrechtlichen, zivilrechtlichen oder vom Stand¬
punkte der Arbeiterversicherung aus zu untersuchen hat. Ein Paranoiker kann
z. B. seinem Geistes- und Kräftezustande nach arbeitsfähig sein, muß aber in¬
validisiert werden, weil niemand mit ihm zusammen arbeiten will. Diese Personen
sind nicht imstande, die in den Formularen geforderte Vertretung ihrer Angelegen¬
heiten selbst vorzunehmen, da sie keine Krankheitseinsicht besitzen. Es muß also
ein Pfleger eingesetzt werden, schon lehnt aber das Amtsgericht die Pflegschaft ab,
desgleichen die Entmündigung und wieder die Pflegschaft. Die Rente wurde ihr
schließlich direkt bezahlt. Man sollte deshalb unterlassen, in solchen Fällen den
ganzen Apparat der Pflegschaft usw. in Gang zu bringen, denn praktisch geht es
ja auch so.
VII. Psychiatrie und Militär.
1. Consiglio, P., Studii di psichiatria inilitare. Kiv. speriraent. di
iren. vol. 40, p. 881—899.
2. Lefevre , Contribution k l’6tude des dülires oniriques dans le milieu
militaire. Le caduc6e no. 8, p. 103.
3. Liepmann, H. (Berlin), Psychiatrisches aus dem russisch-japani¬
schen Feldzuge (vgl. Autokraloio , Allg. Ztschr. f. Psych. 1907).
D. med. Wschr. Nr. 40, S. 1823.
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8. Petrazzani -Saccozzi, Sullo stato di mente delsoldato AugustoMa-
setti imputato di „Insubordinazione con vie di fatto verso
Superiore Ufficiale“. Riv. speriment. di fren. vol 40, p. 65—
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9. Sträußler , Über Selbstmorde und Selbstmordversuche beim Militär.
(Vortr. a. d. 50. Jahresvers. D. Naturforscher u. Ärzte in Wien.)
Militärmed. u. ärztl Kriegswiss. H. 5. Referat: Hauptmann-
Freiburg. Ztschr. f. d. ges. Neurol u. Psych. R. u. E. Bd. 10,
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10. Sünder, Bernhard, Querulantenwahn und Dienstfähigkeit. Tnaug.-
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11. Weyert, M. (Posen), Einweisung in militär-psychiatrische Statio¬
nen. D. militärärztl. Ztschr. Nr. 1, S. 23.
12. Weygandt, W. (Hamburg), Versorgung der Neurosen und Psychosen
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2. Abderhalden, E. (Halle a. S.), Der gegenwärtige Stand der Er¬
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I. Allgemeines.
J. Müller-Lyer (272) glaubt mit dem vorliegenden Bande den Grundstein zu
einer neuen Lehre, der Soziologie der Leiden, gelegt zu haben. Damit eine Wissen¬
schaft entsteht, muß der Stoff gesammelt und geordnet werden, es müssen die Be¬
ziehungen der Dinge festgestellt und schließlich aus dem Gefundenen die Nutz¬
anwendungen gezogen werden. So versucht Verf. in das Chaos der den Menschen
bedrohenden Übel oder Leiden Ordnung und Zusammenhang zu bringen. Er teilt
sie in zwei große Gruppen, nämlich solche, die vom Menschen selbst ausgehen, und
solche, die von der Umwelt drohen. Den Übeln gegenüber verhält sich der Mensch
verschieden, je nach der Entwicklungsstufe, auf der er steht. Er sucht sie durch
Beschwörungen, Opfer, Gebete abzuwenden, oder er fügt sich stumpfsinnig, oder
er greift tätig ein. Die Bemühung, der Übel Herr zu werden, ist gerade für unsere
Zeit charakteristisch. Ihr wichtigstes Hilfsmittel ist die soziale Organisation. Je
mehr die Erkenntnis der uns drohenden Übel wächst, um so eher sind wir imstande,
uns ihrer zu erwehren. Der Naturmensch stand dem Leiden, z. B. Krankheiten,
schlimmen Naturereignissen und dergleichen ziemlich hilflos gegenüber. Wir
dagegen haben schon vieles überwunden, wir werden auch der-zahlreich uns noch
bedrohenden Übel Herr werden, je mehr wir uns zu gegenseitiger sozialer Hilfe
zusammenscharen.
Das Buch ist flüssig geschrieben und liest sich angenehm. Der Arzt, der ja
auch seinen Teil zur Linderung der Leiden beiträgt, wird gern seinen Gesichtskreis
erweitern durch einen Blick in das soziale Getriebe, aus dem viele Krankheiten
hervorgehen, denen gegenüber er allein mehr oder weniger machtlos ist. Ganter.
Allgemeine Chirurgie der Gehimkrankheiten (67):
In dem großen Sammelwerk: „Neue deutsche Chirurgie“ ist der 11. Band
unter obigem Titel erschienen.
Kaufmanns Beitrag umfaßt die „Anatomie und Topographie des Ge¬
hirns und seiner Häute“. Unter Berücksichtigung der Erfordernisse, die di-
Arbeit als Teil eines chirurgischen Sammelwerkes bedingt, ist die Darstellung knapp
und bündig. Sie wirkt recht anschaulich und liest sich leicht. Vorzügliche Ab¬
bildungen, Photographien und schematische Zeichnungen, die zum größten Teüf
farbig gehalten sind, unterstützen diese Anschaulichkeit sehr.
Brodmann hat die Physiologie des Gehirns bearbeitet. Dies Wert
umfaßt mit 339 Seiten den größten Teil des Bandes. Obgleich auch hier auf vor-
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Schroeder, Allgemeine Psychiatrie.
85*
wiegend praktische Zwecke Rücksicht genommen werden mußte, ist es eine sehr
eingehende, das große Gebiet der Physiologie des Gehirns völlig umfassende Dar¬
stellung. Gleich in der Einleitung wird auf die anatomische und physiologische
Verschiedenheit der einzelnen Teile des Gehirns, wie sie die Forschung immer mehr
hat erkennen lassen, hingewiesen und betont, daß die Gehirnoberfläche kein Einzel¬
organ darstellt, sondern einen Organkomplex oder Gruppen von Organen einschließt.
Es werden dementsprechend die gesamten Lebenserscheinungen des Gehirns, wie
sie sich von selbst oder experimentell ergeben, ausführlich geschildert; es wird tief
in die Erfahrungen der Klinik hineingegriffen, und es ist dadurch ein Werk geschaffen,
das nicht allein dem Femerstehenden einen Überblick über die Funktionen des Gehirns
in seiner Gesamtheit und seinen einzelnen Teilen gibt, sondern auch dem Psychiater
und Neurologen ein unentbehrliches Nachschlagewerk werden wird. Entsprechend
der Natur dieses komplizierten und noch keineswegs völlig aufgeklärten Gebietes
werden nicht etwa nur Tatsachen gegeben, sondern es wird überall auf andere
Forscher hingewiesen, die wissenschaftliche Erörterung ausführlich berücksichtigt
und zum Schluß ein sehr reichhaltiges Literaturverzeichnis beigefügt. Im einzelnen
ist die Einteilung des Werkes folgende: Es werden zunächst die anatomischen
Unterschiede verschiedener Hirnteile, ihre Zell- und Faserstruktur, ihre Beziehungen
zum Leitungssystem besprochen, und im Anschluß hieran werden die Lebenserschei¬
nungen des Gehirns und ihre Lokalisation in bestimmten Organen geschildert. Der
anatomische Teil beginnt mit Brodmanns ureigenstem Gebiete, dem Zell- und
Faserbau der Rinde, dem sich eine Schilderung der Rindengliederung nach der
Markreifung und die eingehende physiologische Anatomie der Leitungsbahnen an¬
schließt. — Der zweite Teil: „Die spezielle Physiologie der einzelnen Hirnabschnitte“,
beginnt mit der Darstellung der motorischen Verrichtung des Gehirns, läßt die
Schilderung der sensiblen Verrichtungen folgen und geht dann über zu den Sinnes¬
verrichtungen, dem Gesichts- und Gehörssinn. Diesem schließt sich ein Kapitel
über das Stirnhirn an. Das 8. Kapitel gibt in knapper, aber anschaulicher Form
einen Überblick über die Agnosie und Apraxie; das 9. Kapitel behandelt „Die
Sprache und die Aphasie“. Bei der Apraxie unterscheidet B. die ideatorische und
die motorische, mit den beiden Unterformen, die ideokinetische und die gliedkineti¬
sche Apraxie. Die ideokinetische entspricht der Liepmannschen oder motorischen
Apraxie im engeren Sinne.
In dem Kapitel über die Aphasie geht B. von dem immer noch am meisten
das Verständnis fördernden Schema von Wer nicke und Lichtheim aus. Bei der
Verschiedenheit der Auffassung aphasischer Erscheinungen sei seine Einteilung
hervorgehoben: 1. Vollständige sensorische Aphasie (kortikale sensorische Aphasie
Wernicke s). 2. Reine Worttaubheit (subkortikale sensorische Aphasie). 3. Voll¬
ständige motorische A. (kortikale mot. Aphasie; Brokasche A.). 4. Reine Wort¬
stummheit (subkort. mot. A. Wernickes). 5. Die Totalaphasie. 6. Die Inselaphasie
(Leitungsaphasie Wernickes). 7. Die transkortikale A. Bei der schwierigen Frage
der Lokalisation der aphasischen Erscheinungen beschränkt sich B. unter Schilde¬
rung der hauptsächlichsten Sprachregionen rein auf die Erfordernisse der chirurgi¬
schen Praxis. Angegliedert ist diesem Kapitel eine Abhandlung über die Schrift-
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Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
spräche und ihre Störungen und über die musikalischen Fähigkeiten und die Amusie.
— Im 10. Kapitel wird das zentrale Mark mit der inneren Kapsel und dem Balken
behandelt. Dann folgt die Physiologie und Anatomie der zentralen Ganglien. Aus¬
führlich sind die sämtlichen klinisch-pathologischen Erscheinungen dieser Gebilde,
die feststehenden und die nur vermuteten, und die Ergebnisse der experimentellen
Forschung wiedergegeben. Dasselbe gilt von dem Kapitel über die Verrichtungen
des Kleinhirns und seiner Bahnen, das wieder mit einer ausführlichen Anatomie
beginnt. Die theoretischen Erörterungen über die Bedeutung des Kleinhirns nehmen
diesmal einen etwas größeren Raum ein. Es wird eine motorische, sensorische und
sensomotorische und koordinatorische Theorie besprochen. Im Gebiete der klinisch¬
pathologischen Physiologie des Kleinhirns werden die Baranyschen Untersuchungen
und Theorien eingehend berücksichtigt. Im 13. Kapitel werden die zerebralen Re¬
flexe behandelt, und zum Schluß wird noch einmal ein Überblick über die ver¬
schiedene Funktion der beiden Gehirnhälften und über die Stellung einer jeden
Gehirnhälfte zu der Motilität, der Sensibilität und den körperlichen Verrichtungen
gegeben.
Zahlreiche gute Abbildungen sind durch das ganze Werk verstreut.
Hauptmann hat als speziellen Teil das Kapitel über Hirndruck bearbeitet.
Nach einer Schilderung der Physiologie der Blut- und Liquorzirkulation, bei der auf
alle Anschauungen über die Entstehung des Liquors und der Zirkulation des Liquors
und des Blutes und auf die Ergebnisse experimenteller Untersuchungen hingewiesen
wird, bespricht Kaufmann den chronischen Hirndruck (Compressio cerebri) und
die akute Hirnpressung (Hirnerschütterung, Commotio cerebri). Über die Kom¬
pressibilität des Gehirns sagt K., daß die Gehirnsubstanz nicht kompressibel, das
Gehirn als Organ aber ausdrückbar sei. Die Volumverkleinerung kommt zustande
durch Auspressen der Gewebsflüssigkeit und durch das Auspressen der Gefäße.
In der Pathogenese des chronischen Liquordruckes werden eingehend die Ergebnisse
der von den verschiedensten Forschern angestellten experimentellen Untersuchun¬
gen geschildert und die eigenen Untersuchungen angeführt, durch die Kaufmann
feststellen will, ob die Himdruckerscheinungen eine Folge der Zirkulationsstörungen
in der Schädelkapsel sind oder ob sie durch eine Kompression der Gehirnsubstan/,
selbst verursacht sind. Es wird dann die Symptomatologie, die Diagnose und die
Therapie besprochen. — Die akute Hirnpressung, die Hirnerschütterung, die Com¬
motio cerebri wird als eine besondere Form des Himdrucks aufgefaßt. Ihre Symp¬
tome zeigen die Übereinstimmung mit den durch plötzliche Unterbrechung der
Zirkulation bedingten Kommotionssymptomen; ihr Wesen besteht in einer akuten
Druckerhöhung innerhalb der Schädelkapsel, die durch die elastische Nachgiebig¬
keit des Schädels zustande kommt. Es werden ausführlich die Ergebnisse der
experimentellen Untersuchungen über das Wesen der Himerschütterung und die
experimentellen anatomischen Arbeiten {Jacob) wiedergegeben. Es ist zweifelhaft,
ob es eine Form der Commotio gibt, die ihr Entstehen nur den Zirkulationsstörungen
verdankt; denn gerade die Untersuchungen Jacobs zeigen, daß es eigentlich bei
jeder Commotio zu anatomischen Verletzungen kommt. Grimme.
Stendel (399): Bei dem Interesse, das der Funktion der Hypophyse und ihrer
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Schroeder, Allgemeine Psychiatrie.
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Bedeutung für das psychische Leben des Menschen immer mehr entgegengebracht
wird, ist die Herausgabe einer vergleichenden Anatomie dieses Organes von großem
Werte. Es wird ausschließlich die Mikroskopie des Organes von dem ersten Erschei¬
nen bei den Wirbeltieren bis zu den Menschen hin behandelt. Diese Nebeneinander¬
stellung und die vergleichende Entwicklung des Organes liefert für die Fragen nach
der Bedeutung mancher Einzelheiten im Bau des Organes, z. B. des Zwischenlappens,
der Kolloidsubstanz u. a. wertvolle Hinweise. Eine besondere Abhandlung wird der
Rachenhypophyse gewidmet. Zum Schluß wird die ausschließlich mikroskopische
Beschreibung verlassen und noch eine Betrachtung über die Sekretwege hinzugefügt',
deren Verständnis auch durch die vergleichende Betrachtung erleichtert wird.
Das Werk ist mit zahlreichen, schwarz gehaltenen, sehr deutlichen mikro¬
skopischen Abbildungen und Zeichnungen versehen und hat zum Schluß ein sehr
reichhaltiges Literaturverzeichnis und Autorenregister.
Für klinische, physiologische Arbeiten wird das Werk eine wertvolle Unter¬
stützung liefern können. Grimme.
Jungs (188) akademischer Vortrag erscheint in zweiter Auflage. Der Zweck
des Vortrages war der: „dem gebildeten Laienpublikum einen Begriff vom psycho¬
logischen Standpunkt in der modernen Psychiatrie zu vermitteln“. Es geschieht dies
durch eine kurze, psychologische Analyse einiger kurzdauernder Psychosen und der
„unsinnigen“ Wahnideen bei einer wohl am besten in das Gebiet der Dementia
praecox einzureihenden chronischen Erkrankung. Die Beispiele und ihre Analyse
sind ohne Frage imstande, einen psychologischen Einblick in scheinbar völlig ver¬
wirrte psychische Zustände zu geben. Man mag zu der psychologischen Schule
stehen, wie man will; das eine muß man immer wieder zugeben, daß sie sehr be¬
fruchtend für das Verständnis manches Symptomes und mancher psychischen Zu¬
stände gewesen ist und auch weiterhin sein wird.
Diese zweite Auflage des Vortrages erscheint jetzt mit einem Nachtrage, in
dem Jung eine Erweiterung der psychologischen Forschung kurz skizziert. Es ist
dies eine sogenannte „konstruktive Methode“, die aus dem Bedürfnis erwachsen
ist, zu wissen nicht allein, wie das Werk entstanden ist, sondern auch, was es be¬
deutet. Denn wie die Seele des Menschen nicht nur etwas Gewordenes ist, sondern
auch etwas sein will, etwas Lebendes ist, das nicht mit der Kenntnis von seiner
Entstehung allein verstanden ist, so meint er, daß auch ein Wahnsystem nicht allein
durch die Zurückführung auf erste und primitive psychologische Störungen und
Entartungen verstanden wird, sondern daß der Kranke mit ihm etwas ausdrücken,
etwas erstreben will. Freuds Standpunkt ist ein retrospektiver und objektiver,
insofern er lehrt, daß das, was mit dem Wahnsystem zum Ausdruck kommen soll,
vielfach auf die phantastische Befriedigung infantiler Wünsche hinausläuft. Jung
sieht aber in dem Wahnsystem etwas Subjektives, insofern die Kranken geradezu
zwangsmäßig sich eine eigene Weltanschauung zu erwerben streben. Dieses „Wesen
der seelischen Strebung“ zu erforschen, soll Jungs konstruktive Methode dienen,
die in kurzen Umrissen skizziert wird. Grimme.
Anile, La salute del pensiero. Bari 1914. 181 S.
(10): Das Buch bildet einen Bestandteil der von dem Verlag Laterza heraus-
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Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
gegebenen „Goldenen Bücherei“. Es enthält eine geistreiche Darstellung über das
Denkvermögen, seine Entwicklungsgeschichte in der Menschheit und beim Indivi¬
duum, seine Beziehung zum Körper und Gehirn. Es schildert die Errungenschaften,
die wir dem Denken verdanken, es gibt Anweisungen zur Bildung und Pflege des
Denkvermögens. Es bespricht zum Schlüsse, allerdings mehr vom philosophischen
Standpunkt aus, die Störungen des Denkvermögens und die Aufgaben des Arztes.
Ganter.
Bunnemann (61). Abhandlung über die in der Literatur zur Veranschau¬
lichung der psychischen Tätigkeit gebrauchten Ausdrücke Kraft, Mechanik der
Seele und Energetik und Darlegung der eigenen Ansicht über die behandelten Pro¬
bleme. Grimme.
Horstmann (170) zeigt, wie unser ganzes Gefühls- und Vorstellungsleben von
gewissen Grundprinzipien der Gegensätzlichkeit beherrscht wird. Er spricht von
einer „Polarität der Bewußtseinserscheinungen“, die sich im Fühlen, Wollen und
Vorstellen kundgibt und „die Grundlage bildet für den Zug ins Negative, d. h.
sowohl für alle die Paradoxien, die wir täglich an Gesunden erleben, als auch für
alle konträren Auffassungen und Antriebe der kranken Seele“. Im Gefühlsleben
tritt diese Gegensätzlichkeit besonders deutlich hervor. Ein Gefühl wird in uns
nur lebhaft, wenn es in einen Gegensatz zu einem andern Gefühle tritt. Lust und
Unlust liegen dicht beieinander und sind oft miteinander verquickt. Die Steigerung
der Intensität der Empfindung kann aus einem Lust- ein Unlustgefühl machen.
Diese „Neigung zum Invertieren“ hält Horstmann für ein besonderes disponierendes
Moment für die Entstehung konträrer Strebungen. Auch bei der Entstehung einer
Willenshandlung spielt der sich ständig vollziehende Ausgleich von Gegensätzen
eine auffällige Rolle. Die Willenshandlung ist das Ergebnis eines Kampfes von
Antrieb und Gegenantrieb, von Begehren und Widerstreben, so daß Horstmann
von einer „Labilität des Gleichgewichtes der Willensfunktion“ spricht. Die kon¬
trären Strebungen sind beim Kinde besonders auffallend. Der Negativismus des
Kindes ist notwendig für den Ausbau seiner Persönlichkeit. Ebenso besteht im
Denken das Prinzip der Polarität. „In dem wachsenden Ausgleich inhaltlich diver¬
gierender Vorstellungen liegt der Fortschritt der Erkenntnis.“ In der Wirkung,
die der Gegensatz zweier Dinge zueinander immer auf unser Empfinden und Er¬
kennen auszuüben pflegt, erblickt Horstmann die Grundlagen für das Entstehen
der konträren Strebungen. Diese Grundzüge unserer Denkweise sieht Horstmann
in allen höheren geistigen Prozessen wieder, in sozialen und sittlichen Anschauungen,
in religiösen und mystischen Anschauungen, in der Dichtung und in der Kunst.
Grimme.
Bleuler (39). Vortrag über die eigentümliche Erscheinung der Gegensätzlich¬
keit im Denken und Gefühlsleben. Die Ambivolenz reicht weit in unser normales
Leben hinein, wenn man auch nicht überall von Ambivolenz sprechen kann, wo
sich Gegensätze zeigen, oder wo unser Hoffen und Streben durch das mehr oder
weniger deutliche Bewußtwerden des Entgegengesetzten oder Nichtvorhandenen
geleitet wird. Die Ambivolenz zeigt sich in der Sexualität, wo die Hemmungen
einen Bestandteil des positiven Triebes selber bilden; sie ist im Traum von größter
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Schroeder, Allgemeine Psychiatrie.
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Bedeutung, zeigt sich in der Dichtung und der Mythologie und ist in Gestalt der
psychischen Konflikte in vielen Fällen die Grundlage von Psychoneurosen. ln
der Schizophrenie ist sie so ausgeprägt, „daß man versucht ist, zu vermuten, es
seien ausschließlich ambivolente Komplexe, die sich Zugang in die Wahngedanken
verschaffen und eventuell sogar das Manifestwerden der Krankheit bedingen können“.
Grimme.
Stransky (405) hat sich die Aufgabe gestellt, auch dem Nichtpsychiater Ein¬
blick in die verschiedenen Arten krankhafter Ideenbildung und ihre Bedeutung
und ihren Zusammenhang mit andern psychischen Lebenserscheinungen zu geben.
Diese Aufgabe ist vorzüglich gelöst. In zwangloser Gruppierung werden alle in
Betracht kommenden Gesichtspunkte besprochen, die Bedeutung krankhafter
Ideenbildung entsprechend hervorgehoben und auf ihren innigen Zusammenhang
mit vielen Erscheinungen auch des nicht krankhaften Lebens hingewiesen.
Frankhauser (104) erklärt das Gedächtnis als eine unter dem äußeren Reiz
entstehende chemische Umsetzung der Zellflüssigkeit, die in abgeschwächter Form
den Reiz überdauert, bei der also Spaltungsprodukte, Energone, entstehen, die
ihrerseits den in den Nervenenden durch den von außen kommenden Reiz bewirkten
Erregungszustand gleichfalls in abgeschwächter Weise unterhalten. Hierbei ist
das Seelenleben an die Nervenendigungen gebunden, und die Zellen sind Kraft¬
spender, die das für die Erhaltung der Nervenenergie nötige Material zu liefern
haben. Die Nervenzellen unterliegen in ihrer chemischen Konstitution dem Gesetz
der spezifischen Energie; jede Zelle hat ihre spezifischen Energone. Der Komplex
der Energone, die infolge der assoziativen Verknüpfung der Zellen das gesamte Er¬
innerungsbild darstellen, also das durch die aktivierenden Energone bedingte Energie¬
system, wird Energid genannt. Im Mechanismus der Erinnerung ersetzt der Ener¬
gonenreiz den Originalreiz. Diese Energone werden durch die Keimzellen vererbt,
werden aber erst dann aktiv, wenn der Nachkomme das gleiche Entwicklungsstadinm
erreicht hat . wie der Vorfahr, als der Originalreiz die Energone bildete. Die Wirkung
der Energone wird verglichen mit der der Hormone, den Aktivierungskörperchen
der inneren Sekretion. Auch die Immunisierung beruhe auf Reizvorgängen, bei
denen die Energone eine Rolle spielen. Hier sind sie eine Folge des Verlustes an
Protoplasma, der dadurch entsteht, daß gewisse Zellbestandteile durch die Toxine
inaktiviert und für die Zelle damit wertlos werden. Dieser Verlust schafft einen
Regenerationsreiz, an dessen Stelle die Energone treten. Ebenso zeigt Frankhauser,
daß die Energonenlehre auch der Bastardforschung zugrunde gelegt werden kann.
Grimme.
Weygandt (441). Ausführliche Besprechung der Prognose der einzelnen
psychischen Krankheitsformen auf Grund der Ergebnisse der neueren Forschungen
und Behandlungsmethoden und kurze Übersicht über die wichtigsten Teile der
psychiatrischen Literatur des letzten Jahres.
Grimme.
Anion (11) behandelt in seinen „Vorträgen“ die Themen: „Gehirn¬
bau und Seelenkunde“, „über gefährliche Menschentypen“, „Wiederersatz der
Funktion bei Erkrankungen des Gehirns und Rückenmarkes“, „Ärztliches über
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Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
Sprechen und Denken", ..Geistige Artung und Rechte der Frauen“. Er wendet
sich mit seinen Ausführungen besonders an Ärzte, Erzieher und Ehern und orien¬
tiert in kurzer, knapper Form über aHe wichtigen, einschlägigen Fragen
Slelznen (398) Schrift ist eine sehr anregende und gewandt geschriebene
Arbeit, die als aktuelle Massensuggestionen namentlich die im Beginne des Krieges
in Deutschland aufgetretenen psychischen Epidemien, die Spionenfurcht, die Furcht
vor der Hungersnot, den Goldgeiz und den englischen Suffragettenskandal einer
Untersuchung unterzieht. Grimme.
Loemnfeld (237) unterwirft die Ereignisse, die sich seit Kriegsbeginn vor
unseren Augen abspielen, einer feinsinnigen Kritik; er erklärt und entwickelt sie
aus dem Nationalcharakter und seinen krankhaften Auswüchsen. Bei der Schilde¬
rung der nationalen Charakterzüge wird auf die Bedeutung der Eitelkeit, der er¬
höhten Emotivität und Suggestibilität der Franzosen für das politische Leben
der Nation gebührend hingewiesen.
Friedlimder (109) gibt in knappster Form eine kurze Übersicht über wichtige
neurologische und psychiatrische Fragen, wie sie täglich an den Feldarzt heran¬
treten können; er will damit auch den auf diesen Gebieten weniger Erfahrenen
instand setzen, sowohl in therapeutischer wie prophylaktischer Beziehung rasch
und sachgemäß zu handeln.
Stransky (406) widmet sein Lehrbuch der allgemeinen und speziellen Psychiatrie
Studenten und praktischen Ärzten. Die besondere Art der Darstellung, die leb¬
haften affektvollen Schilderungen gewinnen dem Buch sicher auch weitere Kreise.
Bei der kurzen, prägnanten Behandlung der allgemeinen Symptomatologie ver¬
dienen die zahlreichen geschickten Hinweise auf die Beziehungen der Symptome
zu den einzelnen Krankheitsbildem besonders hervorgehoben zu werden. Im
pharmakologischen Anhang gibt Karl Fern eine ausführliche, vorzügliche Über¬
sicht über alle für den praktischen Psychiater wichtigen Arzneimittel und ihre
Anwendungsweise.
Raecke s (326) Grundriß der psychiatrischen Diagnostik liegt in fünfter Auf¬
lage vor. Im Anhang sind auch die österreichischen Gesetzesbestimmungen kurz
berücksichtigt. Das überall eingeführte handliche und übersichtliche Buch bedarf
keiner besonderen Empfehlung mehr.
Rollen (341) Buch will dem angehenden Psychiater ein Führer, dem prakti¬
schen Arzt ein Wegweiser sein. Der erste Teil behandelt die „psychische Unter¬
suchung“ und gibt dabei eine kurze Darstellung von Zi&ens Assoziationspsycho¬
logie. Der zweite Teil macht auf alles aufmerksam, was für die körperliche Unter¬
suchung in Frage kommt. Die Übersicht über die Intelligenzprüfungsmethodea
und die Sprachstörungen verdienen besondere Beachtung.
Jolhj (182) hat sich die Aufgabe gestellt, eine zwischen den ausführlichen Dar¬
legungen der großen Lehrbücher und den kurzen Angaben der Kompendien dir
Mitte haltende Darstellung des Stoffes auf dem Boden eines mittleren Standpunkte«
unter Betonung der allgemein anerkannten Tatsachen und möglichster Vermeidung
theoretischer Erörterungen zu liefern. Man kann zweifelhaft sein, ob ein so umfang¬
reicher und schwieriger Stoff zweckmäßig in dieser Form bearbeitet wird. Immerhin
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Schroeder, Allgemeine Psychiatrie.
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muß anerkannt werden, daß der in erster Linie für den Studierenden und den prakti¬
schen Arzt bestimmte Leitfaden die obige Aufgabe erfüllt. Er behandelt nach einer
kurzen historischen Übersicht über die Entwicklung der Psychiatrie zunächst die
allgemeine Ätiologie, Symptomatologie, Diagnostik und pathologische Anatomie
der Geisteskrankheiten, schildert dann deren Verlauf und Prognose und allgemeine
Therapie. Im Anschluß hieran werden die wichtigsten, für den psychiatrischen
Sachverständigen in Betracht kommenden gesetzlichen Bestimmungen aufgeführt.
Der zweite Teil enthält die spezielle Psychiatrie und schildert die einzelnen klinischen
Krankheitsformen; gleichmäßig werden Ätiologie, Symptomatologie, Diagnose,
Prognose, pathologische Anatomie, Therapie und eventuelle forensische Bedeutung
gewürdigt. Der Leitfaden berücksichtigt besonders die Anschauungen der Kieler
und Hallenser Klinik.
Gregor (134) „will eine Anleitung geben, nach welchen Seiten die psychiatrische
Untersuchung vorgenommen werden soll, dem Anfänger zur Einstellung auf ab¬
norme psychische Phänomene verhelfen und ihn lehren, sein allgemein medizinisches
Wissen für psychiatrische Fragestellungen zu verwerten, objektive Befunde zu er¬
heben, Ätiologie und Anamnese auszunutzen“; er hat diese Aufgabe in hervorragen¬
der Weise gelöst. In anregender, kurzer, überaus klarer Form wird die allgemeine
und spezielle Diagnostik abgehandelt, und zwar im großen und ganzen nach KYae-
pelinsehen Anschauungen.
Pappenheim und Groß (302) geben eine kurze Darstellung der Neurosen und
Psychosen des Pubertätsalters und behandeln dabei ausführlicher die Psychopathien
und die Dementia praecox. Die Verf. wollen vor allem den Blick des Praktikers
für die treffend herausgehobenen Frühsymptome der Erkrankungen schärfen und
so dazu beitragen, daß bei auffälligen Symptomen die Kranken möglichst bald dem
sachkundigen Arzt zugeführt werden.
Klieneherger (206) geht kurz auf die Anatomie und Physiologie der Pubertät
ein, schildert dann die nervösen und psychischen Erscheinungen der Pubertät bei
normalen und pathologischen Individuen und berücksichtigt hierbei besonders die
Psychopathen. Beachtung verdient der Hinweis, daß die Erscheinungen und
Störungen der Pubertät oft so gering sind, daß sie nicht immer als Störungen im¬
ponieren; dann können sie vor allem durch zweckentsprechende Behandlung seitens
der Eltern und Lehrer in ihren Wirkungen und Folgen außerordentlich eingeschränkt
werden.
Hansemann s (142) Werk ist ein Band aus der großen Sammlung: „Aus Natur
und Geisteswelt“. Es erscheint in zweiter und weitgehend umgearbeiteter Auflage.
Das Buch entstand aus Vorträgen, die Hansemann auf Veranlassung des Vereins
für volkstümliche Kurse in Berlin hielt und in denen er sich an ein im allgemeinen
weniger vorgebildetes Publikum wandte. Er machte aber die Erfahrung, daß seine
Schrift von allen Volkskreisen begehrt wurde. Dies kann man verstehen, wenn man
die Reichhaltigkeit des Inhalts kennen gelernt hat. In den größeren Kapiteln: „Der
Aberglaube im allgemeinen und seine Entstehung“; „Aberglaube und Geburt“;
„Aberglaube und Krankheiten“ mit den Unterabteilungen „Aberglaube bei den
Geschlechtskrankheiten“ und „Aberglaube bei den Geisteskrankheiten“; „Aber-
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92* Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
glaube in der Heilkunst“; „Aberglaube und Kurpfuscherei“ werden so viel Einzel¬
heiten geboten, daß das Werk jedem empfohlen werden kann, der sich über das
Gebiet des Aberglaubens unterrichten will. Hansemann gibt aber nicht nur eine
Kritik, sondern sucht auch aufklärend zu wirken, indem er überall, soweit es möglich
ist, eine klare Auskunft über medizinische Dinge gibt. Die Sprache ist eine flüssige
und leichte. Grimme.
Sommer (387) hält eine Betrachtung abnormer Schädelformen nicht nur vom
Standpunkt der Statistik und unter dem Begriff eines Entartungszeichens, sondern
mehr noch vom Standpunkt der Erklärung ihrer Entstehung und des pathogeneti¬
schen Zusammenhanges mehrerer solcher Formen für nötig. Er hat hiernach eine
Gruppe abgesondert, be ; der als Kern einer ganzen Reihe von Abnormitäten eine
Verwachsung einer Koronarnaht, in einigen Fällen auch beider Koronarnähte sich
zeigt. An der Seite der Nahtverknöcherung ist das Stirnbein und Scheitelbein
weniger entwickelt, und die Pfeilnaht verläuft in der Weise schief, daß das vordere
Ende nach der der verknöcherten Koronarnaht entgegengesetzten Seite gerichtet ist.
Er gibt diesen Schädeln den Namen „pathologische Schiefköpfe“. In mehreren
Fällen fand sich diese Schädelform bei Kranken mit epileptischen und epileptoiden
Erscheinungen. Sommer bringt beides in Zusammenhang miteinander und hält
sie für morphologische und funktionelle Folgezustände einer in früherer Entwicklung
erworbenen Gehirnstörung, die sekundär das Schädelwachstum in Mitleidenschaft
gezogen hat. Derartige Krankheitsbilder müßten aus der Gruppe der genuinen
Epilepsie herausgenommen werden. Grimme.
Jaeger (179) hat mittels planimetrischer Messungen den Kubikinhalt der
Rinden- und Marksubstanz berechnet. Als durchschnittliche Werte für die Rinden¬
masse fand er 546—580 ccm, und für die Markmasse 400—490 ccm. Bei Kindern
ist die Marksubstanz gering entwickelt, während die Rindenmasse fast normale,
den Erwachsenen entsprechende Werte aufweist. Das normale Verhältnis von
Mark und Rinde beträgt 45,5 : 54,5. Bei den Paralysen ist teilweise eine Verschiebung
der Verhältniszahlen vorhanden. Es lassen sich Atrophien einzelner Teile sehr wohl
feststellen, und man kann herdförmige Schrumpfungen leicht lokalisatorisch be¬
stimmen. Das Kleinhirn und die zentralen Ganglien sind nicht mit berechnet.
Grimme.
Kisch und Remerte (202) kommen zu folgenden Ergebnissen: Bei gesunden
Menschen ist die Oberflächenspannung des Blutserums und des Liquors eine kon¬
stante Größe, auf die Alter und Geschlecht ohne Einfluß sind. Bei der Dementia
praecox,.der Epilepsie im anfallfreien Stadium, der Paralyse und der Taboparalyse
hat das Serum eine normale Oberflächenspannung. Die Wasser mannsche Reaktion
war ohne Einfluß auf die Oberflächenspannung des Serums und Liquors.
Grimme.
Loewy und Placsek (238) haben im pneumatischen Kabinett die Wirkung der
Luftverdünnung, die einer Höhenluft von 4000—4500 m entsprechen würde, auf die
psychische Leistungsfähigkeit untersucht. Bei Luftverdünnungen, bei denen körper¬
liche Veränderungen in zum Teil recht beträchtlichem Maße in Erscheinung traten,
blieben die psychischen Funktionen noch auffallend gut. Grimme.
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Schroeder, Allgemeine Psychiatrie.
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Münzer (273). Anregende Erörterung über die psychische und körperliche
Entwicklung des Menschen, veranlaßt durch Fälle, in denen ein grobes Mißver¬
hältnis zwischen der Entwicklung des Geistes und Körpers vorliegt und die zu der
Annahme zwingen, daß die endgültige Ausbildung des Gehirns unter ganz anderen
Bedingungen verläuft, als die der übrigen Körperorgane Es besteht nur eine schein¬
bare Kongruenz zwischen körperlicher und geistiger Reife. Grimme.
Mingazzini (262). Es handelt sich um eine kurze Betrachtung über die Gehirn¬
entwicklung bei genialen Menschen unter Erwähnung vieler anatomischer Befunde
und über die Stellung des Genies gegenüber der Degeneration. Lombrosos Lehren
werden bestritten. Grimme.
Fuchs (116). Sehr anregende Abhandlung über die Charakterentwicklung
des Einzelmenschen, des Durchschnittsmenschen und des Genies, der Entstehung
der Masse und ihr Verhältnis zu ihren Führern. Treffend ist die Schilderung der
Masse sowohl in ihrer stumpfen Ruhe wie in der Aktivität. Nur wird man ihm nicht
unbedingt zustimmen können, wenn er die Entstehung der Individualität nur ein
Zufallsprodukt nennt. Grimme.
Eulenburg (93) hat in den letzten vier Jahren alle Notizen über Selbstmord¬
fälle von Personen unter 20 Jahren aus den größeren Tageszeitungen gesammelt
und so 323 Fälle zusammenstellen können. Die interessanten Ausführungen geben
wertvolle Aufschlüsse bezüglich Alter, Geschlecht, Todesart und Motive und be¬
handeln auch die Frage, was zur Vorbeugung und Verhütung dieser traurigen Vor¬
kommnisse von Schule und Haus geschehen kann und muß.
Epsteins (92) Abhandlung hat die Auswanderung nach Amerika zum Gegen¬
stand, die seit Einführung der strengen Kontrolle der Auswanderer wegen der
Zurückweisung der Geisteskranken auch psychiatrisches Interesse gewonnen hat.
Epstein gibt Zahlen über das prozentuale Verhältnis zwischen der Zahl der Geistes¬
kranken und der der Auswanderer. Es kommen die Erkrankungen in Frage, die
schon bei der überfahrt entstehen, und die, die erst in den ersten Jahren nach der
Landung zum Ausbnich kommen. Auch diese geben den Amerikanern das Recht,
die Kranken wieder auszuweisen. Die Zahl der Erkrankungen ist bei den aus den
nordwestlichen Gebieten Europas stammenden Auswanderern größer als bei den
aus den südöstlichen Teilen kommenden. Den größten Prozentsatz geben die Juden
ab. Epstein glaubt unter den klinischen Formen besondere Typen unterscheiden
zu können, je nach der Entstehung der Erkrankung entweder ■während oder gleich
nach der Überfahrt oder erst nach längerem Aufenthalt iin Lande. Die ersteren sollen
einen amentiaartigen Charakter haben und die Erlebnisse der Fahrt widerspiegeln;
während die späteren Erkrankungen mehr manischen, depressiven oder paranoischen
Charakter haben sollen. Für die erste Gruppe wendet Epstein die Bezeichnung
„Auswandererpsychose“ an. Grimme.
Krueger (217) hat aus dem Krankenmaterial der Heil- und Pflegeanstalt
Königslutter an 68 Familien gewisse in das Gebiet der Vererbung der Geisteskrank¬
heiten gehörende Fragen zu beantworten versucht. In diesen 68 Familien wurden
213 Geisteskranke und 29 Psychopathen gezählt. Sie sind nach dem Verwandt¬
schaftsgrade eingeteilt in solche Familien, in denen Aszendenten und Deszendenten,
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94*
Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
solche, in denen Geschwister, und solche, in denen kollaterale Blutsverwandte er¬
krankt waren. Er fand, daß Aszendenten und Deszendenten in der Regel an un¬
gleichartigen Psychosen erkrankten, während Geschwister meist und Zwillinge fast
immer an den gleichen Geistesstörungen leiden. Die Vererbung erfolgt also nach
dem Prinzip des Polymorphismus, der die Tendenz zeigt, unter dem Nachkommen
prognostisch ungünstigere Krankheitstypen hervorzubringen. Die Stufenleiter
der psychischen Erkrankungen steigt an von den psychopathischen Grenzzuständen
zu den funktionellen Psychosen, weiter zu den endogenen Verblödungsprozessen und
schließt mit den angeborenen oder früh erworbenen Schwachsinnszuständen und
der Epilepsie. Hierauf folgt die Sterilität. Es werden also keine bestimmte Formen
vererbt, sondern nur die Disposition zu Geisteskrankheit überhaupt. Hierbei
überwiegt der väterliche Einfluß besonders bei der Übertragung auf Söhne, während
Töchter häufiger von seiten der Mutter belastet werden als ihre Brüder. Grimme.
Redlich (328) hat 6000 Fälle der Privatpraxis nach gewissen statistischen
Gesichtspunkten verglichen mit den Ergebnissen der Statistik anderer Verfasser
über die in den allgemeinen Krankenanstalten behandelten Nerven- und Geistes¬
krankheiten. Er richtete vor allen Dingen seine Aufmerksamkeit darauf, in welchem
Verhältnis die beiden Geschlechter erkrankten. Es sei folgendes aus den reichen
Ergebnissen hervorgehoben: Die Morbidität der Männer an Nerven- und Geistes¬
krankheiten ist im allgemeinen größer als die der Frauen. Besonders deutlich tritt
dies in der Privatpraxis hervor. Die Frauen erkranken dabei häufiger an Psychosen
und Psychoneurosen, was dem Durchschnitt der gesamten Nerven- und Geistes¬
kranken entspricht; an Nervenkrankheiten dagegen erheblich seltener. Die Männer
erkranken an jenen Krankheiten häufiger, für die exogene Schädlichkeiten ätio¬
logisch hauptsächlich in Frage kommen, während die Frauen relativ und absolut
dort eine größere Morbidität auf weisen, wo in erster Linie endogene Faktoren ma߬
gebend sind. 14% der gesamten Fälle der Privatpraxis waren syphilogene Er¬
krankungen. Das Verhältnis der Männer zu den Frauen betrug hierbei 100 :10.
Die Tabes war doppelt so stark vertreten wie die Paralyse. Bei den Frauen war
dagegen die multiple Sklerose die am meisten vorkommende Spinalerkrankung.
Die progressive Paralyse betrug ein Viertel der Fälle. Der Prozentsatz bei den Män¬
nern betrug 39,7%, bei den Frauen 4,4%. Das Überwiegen der multiplen Sklerose
spricht nach Redlich gegen die Annahme, daß chronische Vergiftungen, speziell
solche gewerblicher Natur, bei ihrer Entstehung eine wesentliche Rolle spielen.
Unter den Nervenerkrankungen überwog die Trigeminusneuralgie; bei den Frauen
mehr als bei den Männern. Bei der Arteriosclerosis ccrebri überwogen gleichfalls
die Erkrankungen bei den Männern; während die Basedowsche Krankheit zu den
„weiblichen“ Erkrankungen gehört. Unter den Psychosen spielten, abgesehen von
der Paralyse, die Depressionszustände, die dem manisch-depressiven Irresein zu¬
gerechnet werden mußten, eine große Rolle. Grimme.
Brero (51). Ausführliche Übersicht über die in den Tropen vorkommenden
Nerven- und Geisteskrankenheiten, in der manches erwähnt wird, was nicht allge¬
meiner bekannt sein dürfte. Es werden besprochen der Begriff des Tropenkollers,
eine Neurose, genannt Latah, bei der gegen den Willen und trotz lebhaften Unlust-
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Schroeder, Allgemeine Psychiatrie.
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gefühles der Kranken Bewegungen (Handlungen und Laute) zur Ausführung ge¬
bracht werden; dann eine Rhinitis spastica vasomotorica; ferner der Hitzschlag,
der Sonnenstich, die Hitzeerschöpfung, die Heizerkrämpfe und die Hitzepsychosen.
Unter den Geisteskranken werden die allgemeinen Psychosen besprochen, ferner als
besondere Eigentümlichkeiten der Amok und eine sexuelle Perversion, der Schama¬
nismus; unter der allgemeinen Ätiologie die Malaria, das Maltafieber, Beriberi,
Ankylostomiasis, der Haschisch, Alkohol und Opium. Grimme .
R. Müller-Freienfels (271). Psychologische Erklärung des Zustandekommens
einer Illusion nach den neueren Anschauungen, die die aus der Assoziationslehre
stammende Bedeutung der „Vorstellungen im Sinne der Reproduktion“ nicht
gelten lassen und diesen Begriff durch Ausdrücke wie „Gedanken“, „Einstellungen“
ersetzen wollen. Müller-Freienfels sieht das Eigenartige in diesen neuen Begriffen
in affektiven und motorischen Vorgängen. Eine Wahrnehmung kommt nicht zu¬
stande durch die Verbindung einer Empfindung mit einer Vorstellung, d. h. einer
reproduzierten Empfindung, sondern durch eine Stellungnahme unserer Person,
die passiv durch die Erregung unserer Gefühle im weiteren Sinne und aktiv infolge
einer motorischen Reaktion bedingt ist, einerlei, ob je eine Vorstellung von dem
betreffenden Objekte dagewesen ist oder nicht. Oft wird erst die Aufmerksamkeit
durch das Fehlen einer Vorstellung erregt. Die Illusion kommt hiernach nicht da¬
durch zustande, daß Vorstellungen zu den Empfindungen hinzutreten und sie äb-
ändem, sondern durch eine inadäquate Stellungnahme zu einem äußeren Eindruck,
die durch affektive Vorgänge bedingt ist. Ähnliches liegt der Personenverwechslung
und der eigentümlichen Täuschung, die darin besteht, daß man glaubt, bestimmte
Situationen schon einmal durchlebt zu haben, zugrunde. Grimme.
Wiersma (447) hat zur Erklärung der retrograden Amnesien Versuche darüber
angestellt, wie die Wahrnehmung eines schwachen Lichtreizes durch einen gleich
nachfolgenden starken Lichtreiz beeinflußt wird. Er konnte eine Hemmung dieser
Wahrnehmung feststellen. Er hält diese Hemmung für eine psychogene und nähert
sich damit der Auffassung von Möbius über das Wesen der Amnesien. Daß die
älteren Erinnerungen wieder in das Bewußtsein zurückkehren, hängt von den
mancherlei Verknüpfungen ab, die sie inzwischen eingegangen sind und durch die
sie aus dem „peripheren“ Bewußtsein wieder in das „zentrale“ zurückgerufen
werden. Die frischen Wahrnehmungen entbehren noch dieser Verknüpfungen.
Grimme.
Piek (319) zeigt an einem Kranken die interessante Erscheinung der doppel¬
sprachlichen Halluzination. Ein Tscheche halluziniert in Leipzig in seinem
mangelhaften Deutsch; in Prag aber tschechisch. Die in deutscher Sprache erschei¬
nenden Halluzinationen sind Kritiken seiner Person aus seiner deutschsprechenden
Umgebung heraus. Grimme.
Horlvik (172) schildert seine eigenen Synästhesien. — Schon seit Kindheit
bemerkte er, daß er zu einem Worte sich etwas ganz Fremdartiges vorstellt, was
in gar keiner Beziehung zu dem ersten Worte stand oder sich in eine solche durch
eingehendste Analyse bringen ließ. So z. B. bei der Zahl 5 ist dem Verf. das Wort
„minus“ in den Sinn gekommen, bei 6 „trockene Blätter“, bei 7 „helle grüne Farbe“,
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Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
bei 8 „etwas Rosiges, Lustiges, frohes Gesicht“, bei 9 „Falltür“, bei 10 „sich eröff¬
nende Mappe“, bei 11 „aufstehender Mensch“, bei 19 „Sonnenuntergang“ usw. Auch
bei fremdartigen Worten „assoziierte“ Verf. etwas ganz Fremdartiges, z. B. Pater
noster = Glöcklein, qui es in coelis = breiter, nach oben geöffneter Bogen, sancti-
ficetur nomen tuum = aufgehängte Fäden, oder: Pathologie = lange Holzstücke;
Chirurgie = Kügelchen auf der Schulrechenmaschine; Heroin = fröhlicher
Stimmung zu sein, und dergleichen mehr. — Autor ist der Meinung, daß — wie z. B.
bei Leuten mit „audition coloröe“ — auch bei ihm das Hörzentrum auf irgendeine
unregelmäßige Art und Weise mit der Sphäre des Vorstellungen- und Erinnerungen¬
vorrates verbunden ist. Jar. StuchlUc (Zürich).
Saathoff (352) hält eine größere Einheitlichkeit bei den Temperaturmessungen
für durchaus notwendig. Er empfiehlt die Messung im Rektum nach vollständiger
körperlicher und geistiger Ruhe von mindestens 20 Minuten und nur vor den Mahl¬
zeiten während der Verdauungsruhe. Die Grenze der normalen Temperatur nach
oben beträgt 37°. Grimme.
v. Sarbö (356). Seine Technik der Pupillenuntersuchung besteht darin, daß
er den Pat. in schiefem Winkel zur Lichtquelle setzt, an die Decke schauen und dann
die Augen fest zukneifen läßt. Nach einigen Sekunden muß er die Augen öffnen
und ins Weite (an die Decke) sehen. Normal sollen beim öffnen der Augen die Pu¬
pillen sich zuerst verengern und dann erweitern, während bei Beeinträchtigung der
Lichtreäktion die Verengerung unmerklich ist oder fortfällt. Grimme.
Piek (320) zeigt durch ausführliche Wiedergabe eines Untersuchungsbefundes,
wie die Perseveration zu Agrammatismus führen kann, eine Erscheinung, die in
Rücksicht auf lokalisatorische Bestimmungen bedeutungsvoll ist. Grimme.
G. Sterz (401) berichtet über die in der Psychiatrischen Klinik in Breslau aus¬
geführten Hirnpunktionen. Die Hirnpunktion wird bei einer beschränkten Indika¬
tionsstellung durchaus empfohlen. Wenn nicht das Tumorgewebe selbst getroffen
wird, so kann aus nachgewiesenen Reaktionsformen auf die Nähe des Herdes ge¬
schlossen werden. Grimme.
Pighini (321) kommt auf Grund seiner Untersuchungen zu dem Schlüsse,
daß die Nervenerregung und Leitung auf thermodynamischen Vorgängen beruhen.
Ganter.
Courbon (72): Ein Vorübergehender deutet mit dem Finger in der Richtung
nach der Leber des Kranken: der Kranke empfindet daselbst sofort einen Schmerz.
Ein Vorübergehender schneuzt sich: dem Kranken tut sofort die Nase weh. Diese
Erscheinung nennt Verf. Hallucination tölöalgösique. Er bemerkt, daß sie in die
Klasse der von Kahlbaum sogenannten Reflexhalluzinationen gehöre. Ganter.
Dunton (86): The association test as an aid in diagnosis. American journal
of insanity Bd. 70, Nr. 4, 1914.
In vielen Fällen, wo rasch eine Diagnose gestellt werden soll, und man zweifel¬
haft ist, hat sich dem Verf. diePrüfung mit dem Assoziationsverfahren gut bewährt.
So namentlich bei der beginnenden Dementia praecox und dem Schwachsinn.
Ganter.
Parhon et Zugravu (308) stellten Untersuchungen an über die Gewichtsver-
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Schroeder, Allgemeine Psychiatrie.
97*
hältnisse des Pankreas bei verschiedenen Formen von Geisteskrankheit. Als Durch¬
schnittsgewicht des Pankreas gelten beim Manne 70 g, beim Weibe 66 g, im gemein¬
samen Durchschnitt 68 g. Die Verf. fanden, daß das durchschnittliche Höchst¬
gewicht auf die alkoholistischen Geistesstörungen entfällt. Daran schließen sich in
absteigender Linie die Verwirrtheit, die progressive Paralyse und die Pellagra.
Man findet also die höchsten Gewichte in den Fällen, in denen es sich um eine Ver¬
giftung auf dem Wege der Verdauungsorgane handelt. Bei der Dementia praecox
nähert sich das Durchschnittsgewicht der Normalzahl. Die kleinsten Gewichts¬
verhältnisse entfallen auf die Dementia senilis. Hier muß man an atrophische Vor¬
gänge denken. Ganter.
Bleulers (37) Vortrag ist ein Mahnruf an die Ärzteschaft, wieder mehr die
Seelenzustände der Kranken zu berücksichtigen, um u. a. hierdurch auch dem
Kurpfuschertum entgegenzuwirken. Vorbedingung hierfür ist natürlich, daß der
Student schon in die Psychologie eingeführt wird. Dies ist aber nur dann möglich,
wenn die speziell ärztliche Psychologie ein besonderes Unterrichtsfach wird, das
alles umfaßt, was mit den Krankheiten im Zusammenhang steht. Grimme.
Hanes (141) führt eine Reihe von Fällen an, in denen der psychische Anteil
an wirklicher oder nur eingebildeter körperlicher Erkrankung von den praktischen
und Spezialärzten verkannt wurde, die Patienten demgemäß eine unrichtige Be¬
handlung erfuhren. Verf. gibt die Schuld der unzulänglichen Unterweisung der
Studenten in der Psychiatrie. Ganter.
Antoni (13) hat die Wirkung des Adrenalins auf die Pupille untersucht bei
Einträufelung in den Konjunktivalsack und bei Einlegen eines mit 1% Adrenalin¬
lösung getränkten Wattebäuschchens, wodurch eine leichte Epithelläsion gesetzt
wird. Bei 9 von 20 Paralytikern konnte er eine Erweiterung der Pupille feststellen.
Sie stand zur Lichtreaktion in keinem regelmäßigen Verhältnis. Die Erweiterung
beginnt innerhalb der ersten halben Stunde nach der Einträufelung und hält meistens
12 Stunden an. Beim Einlegen eines Wattebäuschchens trat die Erweiterung bei
einer größeren Zahl von Paralytikern auf, ferner bei einer ganzen Reihe von Schizo¬
phrenen, Epileptikern und senil-dementen Kranken, die sich bei Einträufelung
refraktär verhielten. Eine schwache, aber doch deutliche Erweiterung der Pupillen
konnte überhaupt allgemein im Gegensatz zu der landläufigen Meinung beobachtet
werden, nur trat sie erst nach 3—5 Stunden ein. Grimme.
Myerson (278): Der vom Verf. angegebene kontralaterale Periost-Armreflex
wird folgendermaßen ausgelöst: Der Pat. liegt flach auf dem Rücken mit leicht
gebeugten und erschlafften Armen. Nun wird mit dem Hammer auf die Mitte des
Schlüsselbeins geklopft, wobei gegebenenfalls eine Kontraktion des Bizeps und
Pectoralis maior der andern Seite ausgelöst wird. Gewöhnlich tritt auch auf der
gleichen Seite eine Zuckung auf, vielfach aber nur allein auf der entgegengesetzten
Seite. Gewöhnlich findet sich dieser Reflex bei den organischen Erkrankungen, die
überhaupt eine Reflexsteigerung aufweisen, besonders bei der progressiven Paralyse,
der Hemiplegie, multiplen Sklerose, dem Hirntumor und der Meningitis. Doch nur
in einer Minderzahl dieser Fälle. Gelegentlich kommt der Reflex auch vor bei der
Dementia praecox, dem manisch-depressiven Irresein und der Hysterie. Ganter.
Zeitschrift für Psychiatrie« Lit. LXXII. er
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Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
Justschenkos (189) Vorlesungen werden in dem vorliegenden Werke in abge¬
kürzter Form weiteren Kreisen zugänglich gemacht. Nach kurzem Hinweis auf
Umfang und Aufgaben der Psychiatrie gibt der Autor zunächst eine gedrängte
Übersicht über die Entwicklung der Psychiatrie von alters her und beschäftigt sich
dann etwas ausführlicher mit den verschiedenen Klassifikationen seelischer Störun¬
gen. Die pathologisch-anatomische und psychologische Forschungsmethode unter¬
zieht er kurzer kritischer Würdigung, um sich dann seinem eigentlichen Thema,
den biologisch-chemischen Untersuchungsmethoden zur Erforschung des Wesens
pathologischer Prozesse, die von seelischen Störungen begleitet werden, zuzuwenden.
Der Autor gibt eine gute Übersicht über alle einschlägigen Untersuchungsmethoden
und geht dabei auch auf den Zusammenhang der Geisteskrankheiten mit funktio¬
nellen Störungen der Drüsen mit innerer Sekretion etwas näher ein. Die Resultate
und Schlußfolgerungen aller dieser Untersuchungen werden kritiklos wiedergegeben.
Haymann (151) betont die Wichtigkeit der somatischen Forschungsrichtung
neben der psychologischen. „Bei den Psychosen handelt es sich um Allgemein¬
erkrankungen, bei denen das Gehirn am meisten ergriffen erscheint.“ „Welches
der primäre Herd der Erkrankung in jedem einzelnen Falle sein mag, der dann das
Gehirn in Mitleidenschaft gezogen hat, das eben soll durch die Erforschung der
körperlichen Zeichen ermittelt werden.“ „Daß dabei den Untersuchungen der
Drüsen mit innerer Sekretion und ihren Funktionen eine Hauptrolle zufällt, sei es
nach Abderhaldens Technik, sei es nach andern, neuen Methoden, das habe ich wohl
kaum hervorzuheben.“
Berze (30) bespricht in seinen Randbemerkungen einzelne wichtige Fragen
aus dem Gebiete der Vererbungslehre. Zunächst weist er auf die Bedeutung der
Keimschädigung hin. Viele Fragen in der Vererbungslehre könnten nicht eher
spruchreif werden, bevor nicht eine reinliche Scheidung zwischen den Wirkungen
der Vererbung und solchen der Keimschädigung sich gezeigt hat, was eigentlich mit
Recht auf Rechnung der ersten zu setzen ist. Zweitens hält er es für zweifelhaft,
ob die „Gesetze“ und „Regeln“ der allgemeinen biologischen Vererbung ohne weite¬
res auch auf die pathogenetische Vererbung übertragen werden können. Diese
Frage wird namentlich im Hinblick auf die Wechselverhältnisse zwischen den Funk¬
tionen der endokrinen Drüsen mit dem Einfluß von Störungen in diesen Beziehungen
auf die Funktionen mancher anderer Organe aufgeworfen. Die Einheitlichkeit der
Disposition zur Geistesstörung wird von ihm bestritten. Unter andern Gründen
hierfür weist Berze darauf hin, daß in so und so viel Fällen die Geistesstörung gar
nicht ihre Ursache in erster Linie in einer Erkrankung des Gehirns hat, sondern durch
Störungen anderer Organe bedingt ist. In der Frage, ob das Prinzip der gleichartigen
oder das der ungleichartigen Vererbung das geltende sei, zweifelt er, daß eine un¬
gleichartige Vererbung durch unsere heutige Diagnosenstellung bewiesen werden
könne. Denn nicht die symptomatologische Einheit sei maßgebend, sondern die
genetische. Eine Progressivität der Vererbung bestreitet er insofern,' als darunter
eine polymorphe Progressivität verstanden wird, die besagt, „daß in den aufeinander
folgenden Generationen ungleichartige Psychosen auftreten, wobei der Folge der
Generationen eine Progression der Schwere des Krankheitstypus entsprechen soll“.
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Scbroeder, Allgemeine Psychiatrie.
99*
Eine ganze Reihe von Komplikationen der Vererbung brächte es aber mit sich,
daß es sich nur um eine scheinbare Progressivität in der Vererbung in bestimmten
Fällen handle. Die Anwendung der Mendelschon Regeln auf den Menschen ist nicht
möglich. Zum Schluß kritisiert Berge eine zu sehr ausgedehnte Anwendung der
Lehre von den Störungen der inneren Sekretion auf pathologische Erscheinungen.
Die Ausführungen Berges sind äußerst anregend; es ist nur schade, daß das Lesen
der Abhandlung durch die Satzbildung, die Berge liebt, erschwert ist. Einen Satz
von 23 Zeilen müßte man vermeiden. Grimme.
Herfort und Brogek (156) gründeten 1913 eine eugenische Zentrale im Ernesti-
num zu Prag, zu dem Zwecke, durch Ausgabe genauer Fragebogen Stammbäume
von ihren schwachsinnigen Anstaltszöglingen zu gewinnen. Von 96 Fragebogen
wurden 56 beantwortet, von denen einige mitgeteilt werden. Die Verf. fanden,
daß der Schwachsinn von einer starken neuropathischen Belastung begleitet war.
Als selbständiges, angeborenes Merkmal trat er in keinem Stammbaum auf. Un¬
zweifelhaft ergibt sich, daß zwei neuropathische, aber nicht schwachsinnige Eltern
eine durchwegs neuropathische Nachkommenschaft haben. Von ihren Kindern kann
eins, bei geringer Kinderzahl sogar alle schwachsinnig sein. Hierin bestätigt sich
zunächst die Mendelsche Lehre, insofern als die neuropathische Tendenz mit ihren
zahlreichen Varianten als rezessives Merkmal vererbt wird. Ein genaueres Studium
der Verf. aber führte zur Erkenntnis, daß die Mendelsche Lehre noch der Erweiterung
bedarf (Gesetz der Polymerie nach Johannsen, Ehle). Diese Regel besagt, daß die
neuropathische Tendenz kein einfacher Erblichkeitszustand mit dem einfachsten
Frequenzverhältnis in F t , sondern ein ganzer Komplex der verschiedensten Degenera¬
tionszustände ist, die eine lange, ununterbrochene Variationsreihe von den einfach¬
sten bis zu den schwersten Erscheinungsformen bilden und durch eine gesetzmäßige
Kombinierung einer großen Zahl innerer erblicher Faktoren entstehen. Ganter.
Wangerin (431) gibt einen leicht verständlichen und leicht lesbaren Überblick
über die Abstammungs- und Vererbungslehre, die nicht wenigen willkommen sein
wird. Grimme.
Veit (424) ist mit Recht der Überzeugung, daß die Grundzüge einer Rassen¬
hygiene noch keineswegs so klar und folgerichtig ausgebaut sind, um daraus ein¬
wandfrei Anzeichen für Maßnahmen zu folgern, die auf eine Rassenverbesserung
im allgemeinen und auf die Verhütung der Entstehung einer körperlich oder psychisch
minderwertigen Nachkommenschaft im einzelnen Falle hinzielen. Auch das, was
für ein erkranktes oder in der Gefahr einer Erkrankung schwebendes Weib nützlich
sei, sei noch recht unsicher, so daß man nicht wisse, ob man durch einen künstlichen
Abort oder durch eine Sterilisation nicht gerade das Gegenteil erreiche. Grimme.
Wilhelm (448) gibt eine eingehende Übersicht über die Bestrebungen zur
Rassenhygiene, namentlich unter Schilderung der amerikanischen Gesetzgebung.
Wilhelm hält ein gesetzliches Einschreiten zur Förderung der Rassenhygiene für
durchaus nötig, verkennt aber nicht die Schwierigkeiten eines solchen Einschreitens.
Grimme.
Haberkant (139) hält die eigentümliche Geistesverfassung, in der sich Napoleon
im April 1814 auf der Reise nach Frejus-Elba befand, als er in Verkleidung vor der
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100* Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
Wut der Volksmenge floh, für einen epileptischen Dämmerzustand. Es ist zweifel¬
haft, ob seine Darlegungen aller Kritik standhalten können. Es ist meistens mißlich,
einen Geisteszustand auf Grund der vielfach recht dürftigen Grundlagen nach so
langen Zeiträumen zu beurteilen. Grimme.
Müller (269) führt uns die Charaktereigenschaften und die Abstammung der
römischen Kaiser und zum Teil auch ihrer Frauen vor. Die allgemeinen genealogi¬
schen Erörterungen sind etwas kurz ausgefallen. Der Übersicht halber hätten auch
Stammtafeln gebracht werden können. Der Verf. hat aber, wie ja schon die Über¬
schrift vermuten läßt, den Nachdruck darauf verlegt, die Charaktereigenschaften
der Kaiser zu ihren Bildnissen in Beziehung zu setzen. Man kann ja ohne weiteres
zugeben, daß der Charakter eines Menschen im großen ganzen sich in seinem Antlitz
widerspiegelt. Unsicherer ist schon die Frage, ob auch die Kopfbildung mit dem
Charakter in Verbindung steht. Warum sollen ein vorstehendes Kinn oder starke
Augenbrauenwülste besondere Kühnheit ausdrücken? Warum ein hochgewölbter
Schädel besondere Denkkraft, oder dicke Lippen Sinnlichkeit? Hierin liegt viel
Phantasie. Das meiste wird, da ja der Charakter bereits bekannt ist, in das Bild
hineingelesen. Ganter.
Zoepf (459): Es handelt sich um eine vom theologischen Standpunkt aus ge¬
schriebene Lebensgeschichte der Mystikerin Margareta Ebner und eine Schilderung
ihrer „Offenbarungen“. Das Leben der Ebner fällt in die Wende des 13. Jahr¬
hunderts. Verf. schildert uns jene Zeit als eine Zeit der Kriege, Krankheiten und
sonstiger Nöte, aber auch als eine Zeit intensiven Innenlebens und mystischen
Strebens nach der Vereinigung mit Gott. Besonders in den Klöstern waren Ver¬
zückungen, himmlische Erscheinungen, mystische Zustände aller Art an der Tages¬
ordnung. In eine derartige Umgebung kam auch die in Donauwörth geborene
Ebner, indem sie noch sehr jung in das Dominikanerinnenkloster zu Medlingen
eintrat. Nach einer Krankheit bekam auch die Ebner Verzückungen. Was sie
darin erlebte, teilt uns Verf. nach ihren eigenen Aufzeichnungen ausführlich mit.
Der Arzt kann hier die ganze Symptomatologie der Hysterie studieren: Krampf¬
zustände, Schwellung des Leibes und der Beine, Empfindungsstörungen, Halluzina¬
tionen (Visionen). Die Nonne stößt während der Messe durchdringende Schreie aus,
sie weist längere Zeit die Nahrung zurück, schwebt losgelöst von der Erde und der¬
gleichen mehr. Auch der sexuelle Hintergrund fehlt nicht: in ihrem verzückten
Zustand saugt sie an den Brüsten Jesu, vereinigt sich mit Jesu als ihrem Gemahl.
Wie erklärt nun der Verf. diese Erscheinungen? Wohl meint er, die Nonne habe
kurze Zeit an Hysterie gelitten, weiß aber damit nichts anzufangen. Er ist weit
entfernt, die Erscheinungen psychopathologisch deuten zu wollen oder zu können.
Die Versuche Pfisters, auf psychoanalytischem Wege im Sinne Freuds das Wesen
der Ebner sich verständlich zu machen, entsprechen nach Verf. nicht der Wirklich¬
keit. Wie nun? Beim Lesen der Betrachtungen des Verf. über die Äußerungen
der Ebner beschleicht einen das Gefühl, Verf. glaube an deren übernatürliche
Wirklichkeit, bis er am Schlüsse die Bemerkung macht: ... dafür geben die „Offen¬
barungen“ keinen Anhaltspunkt. Dann spricht er wieder von der subjektiven
Wahrheit des Gottschauens der Ebner, die sie zur objektiven Wahrung zu machen
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Schroeder, Allgemeine Psychiatrie.
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nicht imstande war, und sucht die Erklärung für alle diese Vorgänge in ihrer Hin¬
gabe an Gott, ihrer Sehnsucht nach Gott. Mit diesem ziemlich mageren Erklärungs¬
versuch müssen wir uns bescheiden. Ganter\
Jentsch (181): Wohl jeder weiß aus gelegentlichen Lesefrüchten, daß der
berühmte Entdecker des mechanischen Wärmeäquivalents geistig nicht normal,
vielleicht auch, daß er schon in einer Irrenanstalt war. Mit dieser Kenntnis mußte
man sich begnügen. Auch die kurze Berührung von Mayers Krankheit in Ostwalds
Buch: Große Männer wird am allerwenigsten den Psychiater wegen der wenig kriti¬
schen Benutzung der Literatur und des laienhaften Urteils befriedigen. Um so
mehr ist die fachmännische Darstellung von Mayers Krankheitsgeschichte und der
sonstigen Lebensumstände, wie sie uns Jentsch in seinem kleinen Werke bietet, zu
begrüßen. Jentsch zeigt uns, daß es sich um ein manisch-depressives Zustandsbild
handelte. Auch die Erblichkeit spielte eine Rolle. Die Krankheit war somit endo¬
gener Natur, während der Laie die Hauptursache in der anfänglich mangelnden
Anerkennung von Meyers großer Entdeckung erblickt. Mayer mußte zweimal i
wegen eines maniakalischen Anfalles die Irrenanstalt aufsuchen. An der Hand
dieser Tatsache lernen wir die damalige Behandlung der Geisteskranken wie auch
die schiefen Urteile der Zeitgenossen kennen. Man ist ordentlich froh, wenn da¬
zwischen auch wieder einmal eine vernünftige Ansicht sich hören läßt. Nicht zum
wenigsten interessant sind die Erörterungen, die Verf. an die Frage der Beziehungen
zwischen Genie und Geisteskrankheit knüpft. Sie sind frei von den Oberflächlich¬
keiten Lorribrosos. So möge das Buch aufklärend und belehrend wirken weit über die
psychiatrischen Kreise hinaus, damit jene immer weniger werden, die im Irren-
wesen nur ein Mittel zum Gruseligmachen erblicken. Ganter.
*
Wahl (429) entwirft ein Lebensbild der Mystikerin Katharina von Siena
(14. Jahrh.). Diese zeigte schon als Kind Wunderlichkeiten. Sehr frühzeitig trat
sie in ein Kloster ein und verfiel bald auch in die damals üblichen Verzückungen.
Das ganze Register der Hysterie wird aufgezogen: Ekstase, himmlische Erscheinun¬
gen, Krampfzustände, Empfindungsstörungen, Schweben und dergleichen mehr.
Wer das Leben einer dieser Mystikerinnen kennt, kennt sie alle. Die Katharina
erwies sich aber auch als hilfsbereit gegenüber den Armen und besuchte die Spitäler
der Leprösen und Pestkranken. Ganter.
Nelken (282). Außerordentlich interessante Angaben über die galizische
Landesirrenanstalt Kulparkow bei Lemberg. Diese Angaben lassen einen Tiefstand
der Irrenpflege erkennen, wie man ihn kaum für möglich halten sollte. Sie ist bei
rund 1100 Betten mit täglich rund 1800 Kranken belegt. Unter diesen nehmen
Verbrecher eine solche Zahl ein, daß auf 9,6 Kranke ein Verbrecher kommt. Des
Platzmangels wegen müssen diese Verbrecher immer wieder entlassen werden ohne
Rücksicht darauf, daß sie meistens alsbald wieder neue Verbrechen begehen. Atten¬
tate auf Ärzte sind nichts Außergewöhnliches. Grimme.
Schnitze (372) wiederholt seine Forderung: regelmäßige gynäkologische Unter¬
suchung und Behandlung der weiblichen Geisteskranken. „Erstes Erfordernis für
Einleitung entsprechender Behandlung ist die Diagnose. Ich schlage daher vor,
daß von jetzt an zum Befund über das körperliche Befinden der in die Irrenanstalt
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Bericht aber die psychiatrische Literatur 1914.
eintretenden Patientin der Regel nach auch der sachverständig in Narkose auf ge¬
nommene Befand der Beekenorgane gehört. Die für nötig erkannte Behandlung
soll dann, sobald der übrige Zustand es gestattet, meist ebenfalls in Narkose ausge¬
führt werden, und zwar in der Irrenanstalt selbst, damit während der Behandlung
und Nachbehandlung die psychiatrische Beobachtung nicht unterbrochen wird.“
„Kein alter Dammriß, keine parametrische Narbe oder Schwiele, kein Lazerations-
ektropium, kein Uteruskatarrh, keine Retroflexio Uteri darf übersehen werden.“
Harter (14b): Der Hund hat Hunde-, das Pferd Pferdeverstand, jedes Tier hat
gerade so viel Verstand, als es braucht, um die ihm von der Natur zum Kampf
ums Dasein gegebenen Waffen zweckentsprechend zu verwenden. Ein Tier mit
Menschenverstand wäre offenbar eine viel sinnlosere Mißgeburt, als sie z. B. die
Phantasie der Griechen in ihren Pferden mit Menschenköpfen ausgeheckt hat. Und
doch haben der „kluge Hans“ und seine Kollegen in Elberfeld, wie auch der Mann¬
heimer Briefe schreibende Hund wegen ihrer fabelhaften Intelligenz Gelehrte und
Ungelehrte auf die Beine gebracht und eine treue Gläubigenschar um sich ver¬
sammelt. Aber auch die Zweifler fanden sich ein. So wies Pfungst nach, daß die
Tiere auf die unbewußten Bewegungen des Lehrers reagierten. Der Verf. der vor¬
liegenden Broschüre weist ebenfalls sehr einleuchtend darauf hin, daß es sich um
keine Denkleistungen der Tiere handeln könne. Er vergleicht das Klopfen der Tiere
mit dem Klopfen des Tisches bei den spiritistischen Sitzungen. In beiden Fällen
sind die wirklich Antwortgebenden die Veranstalter. Wie werden nun die Tiere
zum Klopfen gebracht? Zur Erklärung greift Verf. auf die Theorie vom Ober¬
und Unterbewußtsein zurück. Das Unterbewußtsein arbeitet oft viel richtiger und
selbständiger als das Oberbewußtsein, so daß das Unterbewußtsein schon eine Frage
gelöst hat, ehe die Lösung dem Fragenden selbst zum Bewußtsein gekommen ist.
Das läßt sich ja noch einigermaßen begreifen, nun aber kommt der Pferdefuß. Wie
können die Tiere auf die Vorgänge im Unterbewußtsein des Fragenden reagieren?
Verf. meint, durch die — Telepathie, die übersinnliche Gedankenübertragung.
Nun haben wir glücklich eine noch viel verdrehtere, verzwicktere, widersinnigere,
mystischere Annahme, als wenn wir an die Menschenintclligenz der Tiere geglaubt
hätten. So treffend manche Bemerkungen des Verf. sind, wenn er z. B. in den Ant¬
worten der Tiere Wunschcrfüllungen des Fragenden sieht, so abgeschmackt ist der
von dem Spiritismus her geborgte Begriff der Telepathie. Auch die Beispiele, die
Verf. zum Beweise bringt, gehören doch wohl eher ins Gebiet der Ammenmärchen.
Könnten wir nicht lieber annehmen, daß auch vom Unterbewußtsein geringfügige
Muskelbewegungen im Sinne Pfungsts ausgehen, auf die die Tiere reagieren? Oder
noch einfacher: Der Fragesteller liest gemäß seiner Affektlage (es handelt sich ja
immer um übergroße Tierliebhaber) alles in das Geklopfe hinein, was einigermaßen
zur gegebenen Lage stimmt. Ganter.
II. Ätiologie.
Weygandt (442) stellt und beantwortet folgende Fragen:
1. Wie wirkt, die soziale Lage ein auf Verhütung, Entstehung und Verlauf
von psychischen und nervösen Störungen?
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Schroeder, Allgemeine Psychiatrie.
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2. Wie können diese Erkrankungen unsere soziale Lage beeinflussen?
3. Welche zweckmäßigen Maßregeln aller dieser Störungen ergeben sich aus
der Erkenntnis dieser Beziehungen? Grimme.
Reichardts (333) Vortrag ist eine eingehende Kritik der Beziehungen zwischen
psychischem Trauma und nachfolgender neurotischer oder psychotischer Erkran¬
kung. Er bestreitet entschieden, daß hier enge Beziehungen bestehen. Vor einer
Überschätzung eines einmaligen psychischen Traumas als Krankheitsursache warnt
er dringend.
Er geht aus von der Bedeutung des Himstammes als Sitz der nervösen Zentren,
die für das vegetative Leben von maßgebender Bedeutung sind und die den Hirn¬
stamm ungleich wichtiger für das Leben machen als die Hirnrinde; zumal auch der
ilirnstamm der Träger wichtiger psychischer Vorgänge, namentlich der Affekte, sei;
man könnte wegen der lokalisatorischen Nachbarschaft annehmen, daß starke
affektive Erregungen, wie sic bei Unfällen auftreten, diese vegetativen Funktionen
in beträchtliche Mitleidenschaft zögen. Doch trifft diese Annahme nach immer
wiederkehrender Erfahrung nicht zu. Einmalige psychische Vorgänge, die selbst
zu lebhaften und intensiven Affekten führen, sind bei einem auch nur einigermaßen
widerstandsfähigen Organismus nicht imstande, starke und langdauernde Krank¬
heitszustände auf körperlichem Gebiete herbeizuführen. Selbst die Annahme einer
Verschlimmerung von Erkrankungen (z. B. von Konstitutions- und Organerkrankun¬
gen wie Diabetes, Akromegalie, Paralysis agitans, Basedow) durch ein Trauma
verlangt den Nachweis, daß es sich wirklich auch um ein erhebliches und außer¬
gewöhnliches Trauma gehandelt hat. Es wirkt bei der Entstehung solcher Erkran¬
kungen der psychische Vorgang höchstens im Sinne eine? auslösenden Gelegenheits-
ursachc. Es ist der Tropfen, der den Krug überlaufen läßt. Auch die psychischen
Folgen schwerer Affekte werden überschätzt. Reichardl unterscheidet zwischen den
akuten und den länger dauernden Folgen. Akute psychische Veränderungen ira
Anschluß an Unfälle sind zwar häufig, gehen aber sehr bald zurück. Wie die Erfah¬
rungen bei schweren Katastrophen (Erdbeben in Messina, Grubenunglücke) be¬
weisen, sind selbst ganz außergewöhnliche Ereignisse, die zu stäiksten seelischen
Erregungen führen, weder imstande, chronische Veränderungen auf körperlichem
Gebiete, noch länger dauernde Psychosen oder schwere Neurosen zu bewirken. Die
psychische Komponente spielt in der Psychiatrie ätiologisch eine verschwindend
geringe Rolle. Wenn einzelne Menschen psychisch erkranken, so handelt es sich neben
andern Ursachen um eine in der Anlage angeborene fehlerhafte Disposition und
Organisation des Gehirns. Bei starker endogener Disposition zu Neurosen und
Psychosen kann allerdings ein heftiges und außergewöhnliches Trauma stärkere
Störungen der Himfunktion bewirken. Dann ist aber auch der zeitliche Zusammen¬
hang zwischen Trauma und Erkrankung ein besonders enger. Meistens ist das
Trauma nur eine auslösende Gelegenheitsursache und die innere krankhafte Ver¬
anlagung die eigentliche Ursache der Erkrankung. Vor der falschen und kritiklosen
Anwendung des Wortes Nervenschock ist sehr zu warnen. Alle Neurosen oder Psy¬
chosen mit langsamer Entwicklung ohne akute Symptome nach dem Unfälle sind
recht mit Vorbehalt als Unfallfolgen anzusehen. Die eigentlichen schweren Neu-
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Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
rosen sind fast ausnahmslos endogenen Ursprungs und nicht traumatische Er¬
krankungen. Die sogenannten Unfallneurosen sind — sofern sie keine-endogenen
Neurosen sind — gar keine Krankheitszustände im engeren Sinne, sondern normal
psychologisch zustande gekommene Produkte von Autosuggestionen. Grimme.
v. Hansemanns (143) Überblick über die durch infantilistische Erscheinungen
bedingten Krankheiten. Er erklärt Infantilismus als das Beharren auf einem kind¬
lichen Zustande, gerechnet von der Geburt bis zur Pubertät. Unterschieden wird
ein primordialer, durch Störungen in der Eiablage bedingter Infantilismus und ein
sekundärer, entstanden durch spätere Krankheiten, wie chronische Herzfehler,
Tuberkulose, Syphilis, Alkoholismus. Der Infantilismus kann sich auf den ganzen
Körper oder nur auf einzelne Teile beziehen. Hansemann bespricht den I. des
Skeletts, des Gefäßsystems, der Geschlechtsorgane. Bei dem I. des Skeletts ist die
Enge der oberen Brustkorböffnung für die Phthise von Bedeutung; ein Zurück¬
bleiben in der Entwicklung der Lendenwirbelsäule begünstigt ihre Erkrankung
an Tuberkulose. Beim Gefäßsystem schafft die Enge der Aorta allgemeine un¬
günstige Ernährungsbedingungen. I. des Herzens verhindert seine Hypertrophie.
Enge der Nierenarterien veranlaßt die Entstehung einer Granularatrophie im jugend¬
lichen Alter; Enge der Gehirngefäße begünstigt psychische Entwicklungshemmung.
Wichtig ist die geringe Ausbildung der Membrana elastica. Der Infantilismus der
Geschlechtsdrüsen wird, als allgemeiner bekannt, nur kurz geschildert. Grimme.
Hudtek (175) gibt in Seiner Monographie ein vollständiges Bild zahlreicher
Ursachen und Formen des Kopfschmerzes. Er teilt die Kephalalgien in folgende
9 Gruppen, je nach deren Vorkommen bei 1. Blutkrankheiten und Störungen des
Blutkreislaufs; 2. organischen Hirn- und Hirnhäuteerkrankungen; 3. funktionellen
Hirnkrankheiten, Neurosen und Psychosen; 4. Trigeminus- und Cervicoccipital-
neuralgien; 5. lokalen Schädelknochen- und Schädelweichteilveränderungen; 6.
Autointoxikationen, Stoffwechsel-, akuten und chronischen Infektionskrankheiten;
7. exogenen Vergiftungen; 8. reflektorische und 9. habituelle Kephalalgie. Jede
Gruppe ist ausführlich besprochen und an reicher Kasuistik demonstriert. Die
Arbeit des Autors ist nicht nur eine positive Bereicherung der tschechischen Literatur,
sondern ist — als eine einheitliche Bearbeitung eines in so vielen verschiedenen
Lehrbüchern behandelten Themas — auch von allgemeiner Bedeutung.
Jar. Stuchltk (Zürich).
Hesnard (158) gibt auf Grund der Schilderung von Augenzeugen und nach
seinen eigenen Untersuchungen eine Schilderung der nervösen und psychischen
Störungen, wie sie im Anschluß an die gewaltigen Explosionen auf den vor Toulon
ankernden Schiffen Jöna (1907) und Liberty (1911) bei der Mannschaft ausgebrochen
waren. Zunächst die leichteren Störungen bei einem Teil der gesunden, nicht prä¬
disponierten Mannschaft: Im Augenblick der Katastrophe handelte ein Teil wie in
einem somnambulen Zustande, tat automatenhaft mehr oder weniger Verkehrtes,
suchte wertlose Dinge zu retten, versteckte sich an gefährdeten Stellen an Bord,
rannte, einmal an Land, blindlings weiter. Manche wiederum blieben klar und
zeigten eine ihnen selbst merkwürdig erscheinende Gleichgültigkeit. Andere be¬
merkten nach der ersten Aufregung einen Gedächtnisausfall. Die Verwundeten
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Schroeder, Allgemeine Psychiatrie.
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zeigten schockartige Zustände, Ängstlichkeit, Schlaflosigkeit nachts und Schlaf¬
sucht am Tage, Störungen der Diurese. Bei einigen derjenigen Leute, die sich an
der Rettung beteiligt hatten, beobachtete man einen mehrere Wochen dauernden
Zustand von krankhafter Unruhe, Schreckhaftigkeit, Mutlosigkeit, Zwangsdenken
mit Bezug auf das Ereignis, Alpdrücken, Zerschlagenheit, Zittern, Steigerung der
Kniereflexe, Pulsbeschleunigung. Die ganze Bevölkerung von Toulon geriet infolge
der psychischen Ansteckung in einen Zustand nervöser Erregung und Unruhe, so
daß beim Leichenbegängnis der Verunglückten der Liberty ohne allen Grund eine
allgemeine Panik unter den Soldaten und Bürgern ausbrach, wie vor einem neuen
schrecklichen Ereignis: eine allgemeine Unordnung entstand, und Schreckensrufe
wurden ausgestoßen.
Von den eigentlichen Geisteskranken beschreibt Verf. 6 Fälle. Es handelte
sich, bei Prädisponierten, um eine allgemeine Verwirrtheit, eine Art Traumdelirium.
Dabei bestand Harnverhaltung bei gesunder Niere, ein Symptom, auf das Verf.
großen Wert legt, weil es die Annahme einer Intoxikationspsychose nahelegt. Der
Schock führt zu einer Stoffwechselstörung, wobei die Cytotoxine auf das Gehirn
wirken. Die Fälle heilten. Ganter.
Rohde (340) kommt in seiner recht eingehenden Untersuchung zu dem Er¬
gebnis, daß es eine allein durch den Beruf gegebene Nervosität der Lehrer nicht
gibt, sondern daß die Konstitution der einzelnen Persönlichkeiten und äußere
Dinge, wie Familiensorgen^ das Leben in der Kleinstadt, das Abgeschlossensein im
Dorfe, das Fehlen der Anregungen, Mißbrauch von Tabak und Nikotin, die eigen¬
tümliche Zwitterstellung, die die Lehrer in ihrem Dorfe oft einnehmen, ferner das
die Erholung einschränkende Übermaß von Nebenbeschäftigung bei dem Ent¬
stehen psychopathologischer Zustände Zusammenwirken. Charakteristisch war
vielfach das Überwiegen paranoischer Züge. Grimme.
J. Parhon et Mlle. Parhon (306) kommen nach ihren Untersuchungen zum
Schlüsse, daß die Drüsen mit innerer Sekretion in vielen Fällen von Geistes- und
Nervenkrankheiten eine wichtige Rolle spielen. Bezüglich der Pathogenese ist die
Abderhaldensche Reaktion aussichtsvoll. Ganter.
Spechts Prorektoiatsrede (392) wurde am 4. November 1913 gehalten. Es
konnte kaum ein Vortragsstoff in größerer Vorahnung kommender Ereignisse ge¬
funden werden als dieser über „Krieg und Geistesstörung“. In sehr gewandter und
flüssiger Sprache gibt Specht einen eingehenden kritischen Überblick über das, was
bisher über den Zusammenhang zwischen Krieg imd Geistesstörung bekannt ge¬
worden ist, um zum Schluß auf die Aufgaben einzugehen, die der psychiatrischen
Fürsorge im Kriege harren. Besonders aufmerksam sei auf seinen Vorschlag gemacht,
auch die Offiziere psychiatrisch zu orientieren, damit dadurch die Arbeit der Psy¬
chiater erleichtert und ergänzt werde. Es kann unseren ärztlichen Bestrebungen
nur förderlich sein, wenn sich dies einmal verwirklichen sollte. Grimme.
Buschan (64) bespricht die infolge des Krieges bei der Truppe vorkommenden
Psychosen auf Grund der Erfahrungen der letzten auswärtigen Kriege unter Hervor¬
hebung einer besonderen Kriegspsychose, die ,.im großen und ganzen an die zere¬
brale Neurasthenie erinnern, aber auch hysterische Symptome, Dämmerzustände
sowie Verwirrtheit einschließen soll“. Grimme.
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Bericht aber die psychiatrische Literatur 1914.
Bonhoeffer (46 ) schildert, was der Krieg au Geisteskrankheiten qualitativ und
quantitativ mit sich bringt, und zeigt, daß der Krieg ein eminentes Reagens ist,
um die psychopathische Konstitution zur Ausscheidung zu bringen. Eine spezifi¬
sche Kriegspsychose gibt es nicht. Unter den seit der Mobilmachung beobachteten
Psychosen überwiegen stark die psychopathischen Konstitutionen. Den Statistiken
nach ist eine Zunahme der psychischen Störungen erst gegen Ende und nach dem
Kriege zu erwarten. Auch die Frage der Behandlung der Psychopathen im Felde
wird kurz berührt.
Meyer (2hl) berichtet über die Erfahrungen der Königsberger Klinik, die
vertragsmäßig psychische und Nervenkranke aus der Feldarmee aufnimmt. Die
Psychosen im engeren Sinne sind gering an Zahl. Dementia praecox = 7,5%,:
manisch-depressives Irresein = 4° 0 ; Paralyse = 3.5° 0 . Weit größer ist die Zahl
der Fälle von Alcoholismus chron. = 16% aller Psychosen und Neurosen, dazu
kommen noch 5,5% akute alkoholische Psychosen, besonders hohe Werte weisen
Epilepsie und die große Gruppe der psychopathischen Konstitutionen und patho¬
logischen Reaktionen auf. Epilepsie = 11,5%; psychopathische Konstitutionen =
13,5%; pathologische Reaktionen — Psychogenie, Hysterie — = 18%; traumati¬
sche Neurose = 6%; Imbezillität = 8%. — 60,5% aller Erkrankungen betreffen
Reserve und Landwehr, wobei letztere stark überwiegt, 11,5% den Landsturm. 8%
die Ersatzreserve; 6,5% Kriegsfreiwillige; 5% Offiziere der Landwehr, Reserven
usw., 3,5% aktive Offiziere, 5% aktive Mannschaften und Unteroffiziere. Der
Autor faßt seine interessanten Ausführungen dahin zusammen: „Bisher ergibt sich
kein Anhalt dafür, daß schwere Psychosen chronischen Charakters infolge des
Krieges besonders zahlreich zur Beobachtung kämen; ebensowenig ist eine besondere
Färbung derselben erkennbar. Dagegen geben unzweifelhaft die kriegerischen Er¬
eignisse häufig den Anstoß zu akuten Psychosen auf alkoholischer und epileptischer
Basis, wirken verschlechternd auf die Epilepsie und führen ganz besonders oft. viel¬
fach bei einer gewissen Disposition, zu psychisch-nervösen Störungen psychogener
Art.
Wickel (446). Es gibt keine besonderen Kriegs-Geisteskrankheiten. Schilde¬
rung einzelner Fälle beim Militär und der bürgerlichen Bevölkerung. Grimme.
Senf (377) kommt, veranlaßt durch die Kritiken, wieder auf seine Anschauun¬
gen über den Ursprung der Homosexualität zurück. Er leitet die homosexuale
Neigung psychologisch aus der heterosexuellen her; er sieht in ihr das Resultat
einer psychischen Entwicklung, die das heterosexuelle Fühlen voraussetzt und von
ihm ausgeht. Hierzu ist ein langer, phylogenetischer Entwicklungsprozeß nötig,
der die Anlage schafft, die die Entstehung des homosexuellen Fühlens ermöglicht.
Die Auslösung der Neigung vollzieht sich in der Jugend bei dem einen fast von selbst,
bei dem andern erst nach mehr oder weniger verwickelten Assoziationen.
Auch die Erscheinung der „Bisexualität“ oder des „Doppeltriebes“, wie >.
sie bezeichnet, führt er auf eine phylogenetische Entwicklung und daneben auf eine
selbständige Fortentwicklung zurück, die eine Mischung des heterosexuellen Fühlens
mit dem homosexuellen bewirkt.
Mit dieser Veranlagung zum „Doppeltrieb“ bringt S. den periodisch oder
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alternativ variierenden homo- und heterosexuellen Trieb in Verbindung. Bei äußer¬
ster Schwächung des heterosexuellen Moments soll Frigidität mit Homosexualität,
beim Zurücktreten des homosexuellen Moments aber heterosexuelles Fühlen mit
nur ganz selten und kurz auftretenden Perioden homosexuellen Fühlens im einzelnen
Falle abwechseln. Grimme.
III. Pathologie.
Von Nißls (294) Beiträgen zur Frage nach der Beziehung zwischen klinischem
Verlauf und anatomischem Befund bei Nerven- und Geisteskrankheiten liegt das
2. Heft des 1. Bandes vor; es bringt 2 Fälle von Katatonie mit Himschwellung.
Beide Fälle werden in vorbildlicher, eingehendster Weise klinisch und anatomisch
beschrieben und kritisch gewürdigt. So wird ein lückenloses, klinisch-anatomisches
Gesamtbild geliefert, wie es in dieser Form noch nicht existiert. Es ist unmöglich,
die reiche Fülle des Gebotenen in einem kurzen Referat wiederzugeben.
Reichardt (331) berichtet zunächst über Störungen der Körpertemperatur
bei Himkrankheiten und hebt hervor, daß seinen Erfahrungen nach einzelne um¬
schriebene Stellen im Zentralnervensystem von besonderer Wichtigkeit für die
Körpertemperatur seih müssen; er betrachtet es als feststehend, daß es zerebrale
Temperaturanomalien gibt, sowohl im Sinne der Hyperthermie wie der Hypothermie.
Ein Teil der terminalen Temperatursteigerungen bei Himkranken ist mit der Hirn¬
krankheit direkt in Beziehung zu bringen. Bei der progressiven Paralyse hat es
sich gezeigt, daß der echte paralytische Marasmus, namentlich wenn er sich nach
endogener Mästung einstellt, fast niemals mit Hypothermien, sondern sehr häufig
mit Hyperthermien einhergeht. Hypothermien finden sich bei Paralytischen mit
reiner Hintei Strangerkrankung sowie im Zusammenhang mit katatonischen Sym¬
ptomen. Auch bei der echten Katatonie werden niedere Temperaturen in großer
Anzahl festgestellt. — Sodann behandelt Reichardt die Störungen der vasomotorisch-
trophischen Funktionen bei Himkrankheiten, die trophischen Hautzerstörungen
bei der progressiven Paralyse und bei den übrigen Psychosen und Neurosen, die
vasomotorischen Störungen bei der progressiven Paralyse und bei den sogenannten
einfachen Psychosen, die trophischen Störungen am Knochensystem, die individu¬
ellen Verschiedenheiten in einzelnen Funktionen vegetativer Systeme, den Einfluß
psychischer Vorgänge auf die vegetativen Funktionen des Körpers und erörtert die
klinischen Fragen, welche die klinische Beobachtung Geisteskranker in dieser Be¬
ziehung aufgibt. Der Autor zeigt, daß die trophischen Veränderungen an Haut
und Knochen wichtige Hirn- oder Rückenmarkssymptome sind, daß sie dement¬
sprechend auch größere Beachtung verdienen, daß der Einfluß einzelner psychischer
Vorgänge auf die vegetativen Funktionen im allgemeinen gering ist, sofern nicht
die psychischen Vorgänge zu Willenshandlungen führen, welche den Körper be¬
treffen oder schädigen. In seinen Ausführungen über die psychischen Ursachen
bei Psychosen und Neurosen kommt er zu dem Schluß, daß im allgemeinen die
einmaligen psychischen Ursachen wie überhaupt die exogenen Ursachen in der
Ätiologie der Neurosen und Psychosen nur eine geringe Rolle spielen; wichtiger ist
die endogene Ätiologie. — Der dritte Teil von Reichardt?, Untersuchungen beschäftigt
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108 * Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
sich mit den physikalischen Eigenschaften und Zustandsänderungen des Gehirns
und der Flüssigkeitsverhältnisse in der Schädelhöhle. Behandelt werden das Hirn¬
gewicht bei der Sektion, und zwar dasjenige des gesamten Hirns sowie das der Gro߬
hirnhemisphären und des Kleinhirns, die Flüssigkeitsverhältnisse im Schädelinnem
bei der Sektion, der Himdruck und die Himschwellung. Es wird gezeigt, daß außer¬
ordentlich verschiedenartige Einflüsse auf das Himgewicht einwirken können, daß
trotz der Kompliziertheit der Verhältnisse aber gewisse Beziehungen zwischen Hirn¬
gewicht einerseits und klinischer Symptomatologie andrerseits zu erkennen sind.
Besonders wichtig erscheint die Feststellung völliger Gewichtsgleichheit der Gro߬
hirnhemisphären bei Geistesgesunden. Paralyse und Dementia senilis führen meist
zu einem durchaus harmonischen Schwund beider Hemisphären. Nur in der Minder¬
zahl der Fälle führt die Paralyse zu einseitiger Hemisphärenverkleinerung, klinisch
pflegen dann Halbseitensymptome nicht zu fehlen. Auch zwischen Abnormitäten
des Liquorverhaltens und starken zerebralen klinischen Symptomen wird ein innerer
Zusammenhang festgestellt und dabei auf den vielfach gefundenen Gegensatz
zwischen Liquor und Hirnvolumen hingewiesen; bei geschwollenen Gehirnen fehlte
häufig der erwartete Flüssigkeitsüberdruck, während er bei verkleinerten Gehirnen
vorhanden war. Daß die Untersuchung des Gehirns an Frontalschnitten eine not¬
wendige Erweiterung der physikalischen Hirnuntersuchung an der Leiche ist, wird
weiter gezeigt. Verf. erwartet von solchen Untersuchungen wertvolle Aufschlüsse
auch in Fragen der Lokalisation psychischer Vorgänge. — Der vierte Teil der Unter¬
suchungen beschäftigt sich mit den normalen und krankhaften Vorgängen in der
Himsubstanz und behandelt die Lebensvorgänge im Gehirn, die physikalischen
Zustandsänderungen der Hirnmaterie, die dynamischen Wechselbeziehungen und
gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnisse unter den einzelnen Hirnteilen. Es wird
gezeigt, daß zu den Lebensvorgängen im Gehirn Volumensänderungen, Flüssigkeits¬
bewegungen und -Strömungen, Änderungen des Aggregatzustandes gehören, die
nicht stets das gesamte Hirn in gleicher oder gleichstarker Weise befallen, sondern
je nach dem Zustand von Ruhe und Tätigkeit, Gesundheit oder Krankheit nur
einzelne Teile des Gehirns, der Hirnrinde oder des Himstammes betreffen. Die
Kraftquelle für diese Veränderungen findet sich nicht nur in dem Vorhandensein von
Stoffwechselvorgängen im Gehirn, sondern vor allem auch in dem Zusammen¬
arbeiten der einzelnen Hirnteile im Sinne eines die Fähigkeit der Selbstregulation
besitzenden dynamischen Gleichgewichts.. Auch das Problem der Periodizität wird
berührt und dabei auf seine Bedeutung für die Frage der Ursachen und Entstehungs¬
bedingungen normaler und krankhafter Lebensäußerungen des Gehirns hingewiesen
und hervorgehoben, daß wahrscheinlich dem Rautenhirn, das diese Fähigkeit schon
normalerweise besitze, die Fähigkeit zur Periodizität auch unter krankhaften Be¬
dingungen in erhöhtem Maße zukomrae, und daß es wahrscheinlich auch einen
periodischen Einfluß auf das Großhirn ausüben könne. Bei der anschließenden Er¬
örterung des inneren Zusammenhanges zwischen Hirn und Seele wird betont, daß
nicht nur die Hirnrinde an dem Zustandekommen psychischer Vorgänge beteiligt
ist, daß vielmehr das Gehirn in seiner Gesamtheit als Träger psychischer Funktionen
betrachtet werden muß. Schließlich weist der Autor noch darauf hin, daß die gegen-
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Schroeder, Allgemeine Psychiatrie.
109 *
wärtig fast ausschließlich geübte histologische Untersuchung des Gehirns als einzige
Untersuchungsmethode nicht genügt, dazu müssen auch noch andere Methoden
der Hirnuntersuchungen treten. — Die mühevollen und schwierigen Untersuchungen
Reichardts sind eine außerordentliche Arbeitsleistung; sein Werk enthält eine Fülle
origineller, anregender Gedanken.
Reichardt (332) verteidigt sich gegen Äußerungen St. Rosenthals, die er dahin
verstanden hat, daß Rosenthal eine postmortale Gehimschwellung als überwiegend
wahrscheinlich halte. Reichardt selbst hat bis jetzt noch keine Anhaltspunkte dafür
gefunden, daß eine echte postmortale Himschwellung im physikalischen Sinne über¬
haupt vorkommt. Auch die Zeit der Sektion post mortem sei ohne erkennbaren
Einfluß auf das Volumen des Gehirns. Eine postmortale Himschwellung komme
nur unter ganz besonderen Bedingungen zustande, wenn sie überhaupt existiere.
Auch den Einwand Rosenthals, daß Reichardt noch nicht den Beweis für das Be¬
stehen einer Himschwellung als Lebenserscheinung und intravitalen Vorgang hätte
erbringen können, kann Reichardt unter Hinweis auf seine früheren Veröffentlichun¬
gen und die anderer Autoren über Vermehrung des Hirndruckes ohne Vermehrung
des Liquors entkräften. Grimme.
E. v. Klebelsberg (204) schildert eine Reihe von plötzlichen Todesfällen bei
Geisteskranken, bei denen sich bei der Sektion Hinweise auf einen Status lym-
phaticus oder thymolymphaticus fanden und deren Tod mit diesem Status in Be¬
ziehung gebracht wird. Pathologisch-anatomisch fand sich eine Schwellung des
lymphatischen Apparates, Enge der Aorta oder anderer Gefäße, Veränderungen
an den Nebennieren, Hypertrophie des Herzens, Bildungsanomalien, Hypertrophie
der Thymusdrüse. Es wird eingehend die Literatur über die Frage des Status lym-
phaticus und seine Folgen besprochen und der Zusammenhang zwischen dieser
pathologischen Erscheinung und dem Zentralnervensystem erörtert. Grimme.
Medow (253) hat zunächst die Erblichkeitsfragen an 46 männlichen, an De¬
mentia praecox leidenden Kranken untersucht. Er hat in ihrer Aszendenz in über¬
wiegendem Maße psychopathische Konstitutionen gefunden und kommt zu dem
Schluß, daß die meisten Fälle von Schizophrenie nicht vererbt, sondern ohne erb¬
liche Einflüsse neu erzeugt werden infolge der als Keimschädigung wirkenden
psychopathischen Veranlagung in der Aszendenz. Wo erbliche Übertragung
stattfindet, geht sie gleichartig und indirekt vor sich und folgt wahrscheinlich den
Mendelschen Regeln im rezessiven Typus.
Unter 23 Fällen des manisch-depressiven Irreseins fand er eine bedeutend
stärkere Belastung, und zwar mit gleichartigen Psychosen. Auch bei den psycho¬
genen und hysterischen Psychosen und bei der Affektepilepsie findet sich eine direkt
gleichartige Vererbung des gemeinsamen und für diese Erkrankungen charakteristi¬
schen reaktiv-psychopathischen Grundzustandes.
Für die genuine Epilepsie spielt die gleichartige Vererbung keine oder nur eine
geringe Rolle; dagegen bilden Keimschädigungen eine Prädisposition für diese Er¬
krankung. Bei den Formen des Schwachsinns, von dem er 15 Fälle untersuchte,
ist die Mehrzahl der Fälle ohne erbliche Einflüsse durch direkte, grobe Keimschädi¬
gung und Störungen der fötalen oder extrauterinen Entwicklung bedingt. Bei 5
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Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
Fällen konnten erbliche Einflüsse nachgewiesen werden; 2 hiervon beruhten auf
direkter gleichartiger erblicher Belastung.
Bei 20 Paralysen bestand nur in 5 Fällen eine direkte Belastung mit Psychosen;
eine wesentliche Bedeutung hat also die Erblichkeit für die Paralyse nicht.
Grimme.
Luthers (241) sehr eingehende Untersuchung erstreckt sich auf 105 Familien
mit 228 Einzelmitgliedera. Die Familien sind eingeteilt in eine Gruppe von Eltern
und Kindern, im ganzen 36, und eine zweite Gruppe von nur Geschwistern, im
ganzen 69. Von einem Gesetz der Gleichartigkeit der Psychosen bei Eltern und
Kindern kann nicht gesprochen werden. Manisch-depressive Eltern haben zur Hälfte
Kinder, die an andern Psychosen leiden, namentlich an Dementia praecox. Schizo¬
phrene Eltern haben dagegen überwiegend wieder schizophrene Kinder. Kinder
von Eltern mit Psychosen des Rückbildungsalters leiden fast ausnahmslos an
andern Störungen, meistens an Dementia praecox. Ünter Geschwistern findet man
fast in drei Vierteln der Fälle gleichartige Erkrankung. Manisch-depressives Irre¬
sein und Dementia praecox kommt familiär häufiger zusammen vor als jede dieser
Krankheiten für sich mit andern Psychosen. Der vererbende Einfluß der Mutter
ist im allgemeinen stärker als der des Vaters und überträgt sich mehr auf die Töchter.
Bei Kindern bricht in weitaus überwiegendem Maße die Psychose früher aus al<
bei den Eltern. Grimme.
Merklin (254) bespricht die aus den Jahren 1900—1913 stammenden Auf¬
nahmen von Kranken aus den Städten Treptow und Greifenberg in die Treptower
Anstalt als ein Gegenstück zu den Untersuchungen anderer Autoren über die aus
Großstädten stammenden Geisteskranken. Er stellt wieder fest, daß in ländlichen
t und kleinstädtischen Verhältnissen Geisteskranke viel länger in den Familien zurück¬
gehalten werden als in Großstädten. Ferner kamen aus den beiden Kleinstädten
sehr selten Paralysen, während eine große Rolle unter der Zahl der Aufnahmen
alkoholische Psychosen spielten. Auch Selbstmorde waren selten. Es überwogen
die Schizophrenen, die manisch-depressiven und die senilen Kranken. Grimme.
Orr and Rotvs (299); In früheren Arbeiten bewiesen die Verf., daß bei der
Infektion von Gehirn und Rückenmark die Lymphräume der Nerven eine wich¬
tige Rolle spielen. So entstehen wahrscheinlich die progr. Paralyse und die
Tabes dorsalis auf diesem Wege. Eine Infektion des Zentralnervensystems kann
aber auch auf dem Blutwege zustande kommen. Versuche, in denen Staphylo¬
kokken in Zelluloidinkapseln in die Bauchhöhle von Tieren eingebracht wuirden.
sollten das beweisen. Es zeigte sich, daß durch die Infektion des Bauchsvmpathiku*
und die dadurch bewirkte funktionelle Störung das Gefäßsystem in Mitleiden¬
schaft gezogen wurde, wodurch Veränderungen im Rückenmark bedingt wurden.
Diese waren degenerativer Natur: primäre Degeneration des Myelins, ödem, Wuche¬
rung der Neuroglia um die Gefäße, Anschoppung und Erweiterung der Gefäße,
hyaline Degeneration. Ganter.
Myerson and Eversole (280) fanden Fälle von progressiver Paralyse, bei denen
künstliches Licht keine Pupillenreaktion hervorrief, während die Pupille auf Tages¬
licht sich verengerte. Dies beruht nach den Verf. darauf, daß das diffuse Sonnen-
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Schroeder, Allgemeine Psychiatrie.
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licht einen allseitigeren Reiz auf die Retina ausübt, als es ein einzelner künstlicher
Lichtstrahl vermag. Zugleich erhob sich die Frage, ob die im Tageslicht vorhande¬
nen Strahlen verschieden wirken. Die Verf. experimentierten mit photographischen
Farbfiltern und untersuchten die konsensuelle Pupillenreaktion bei 40 Fällen von
Geistes- und Nervenkrankheiten auf Rot, Grün und Blau. Sie fanden, daß die
konsensuelle Reaktion auf diese Farben verschieden ausfällt. Die Reaktion auf
Blau fällt zunächst aus, wenn es sich um eine Erkrankung handelt, dann wahr¬
scheinlich Grün. Damit ist eine spezifische Farbenreaktion wahrscheinlich gemacht
und ein Mittel gegeben, frühzeitig Pupillenstörungen zu erkennen. Ganter.
Myerson (279): Bei der progr. Paralyse steht, was die Spinalflüssigkeit betrifft,
der Befund von Eiweiß, Globulin, Zellen und der Ausfall der Wassermannschen Re¬
aktion in einem gewissen Verhältnis zueinander. In der Remission verschwindet
zuerst die W.-Reaktion, der vermehrte Zellen- und Globulingehalt nimmt ab, wäh¬
rend dei Eiweißgehalt ziemlich hoch bleibt. Dies läßt vermuten, daß in dem Vor¬
läuferstadium die Zunahme des Eiweißgehaltes das erste Zeichen der Krankheit ist.
Bei der Korsakoffschen Psychose, bei gewissen Geschwülsten und andern organischen
Erkrankungen besteht ein Mißverhältnis zwischen Eiweiß und Globulin, insofern als
entweder eine starke Vermehrung des Eiweißgehaltes ohne eine solche des Globulins
stattfindet, oder eine starke Zunahme des Eiweißes von einer geringeren des Globulins
begleitet ist. Aus diesen Tatsachen kann man schließen, daß die Vermehrung des
Eiweißgehaltcs auf einer ursprünglichen Reaktion des Nervensystems beruht und
die erste und regelmäßigste in der Spinalflüssigkeit auftretende chemische und bio¬
logische Veränderung darstellt. Ganter.
Fuchs (114) hat festgestellt, daß Paraldehyd die positive Wassermanns che
Reaktion beeinträchtigen und sogar aufheben kann Bei Verminderung des Kom¬
plements wurden die beeinflußten Fälle wieder stark positiv. Grimme.
Firth (101): Auf Grund seiner literarischen Studien und eigener Untersuchun¬
gen über das Verhalten der Pupille bei den verschiedenen Formen von Geistes¬
krankheit kommt Verf. zu folgenden Ergebnissen: Das Verhalten der Pupille bei
der progr. Paralyse ist sehr verschieden, am häufigsten ist die reflektorische Pupillen¬
starre, weniger häufig ist auch das Fehlen der Akkomodation. Bei Geistesstörungen
auf Grund der Lues finden sich vorübergehend Störungen der Pupillenreaktion.
Bei den alkoholischen Geistesstörungen kommt vereinzelt Lichtstarre vor, träge
Reaktion ist nicht selten, Anisokorie ziemlich häufig. Alle diese Erscheinungen
wechseln. Die epileptische Geistesstörung zeigt Pupillensymptome während der
Anfälle. Bei den Schwachsinnsformen spielen Störungen der Reaktion keine nennens¬
werte Rolle, die Reaktion auf sensible und psychische Reize kann fehlen. Die De¬
mentia praecox kann die mannigfachsten Symptome aufweisen: Fehlen der Re¬
aktion auf sensible und psychische Reize, Ungleichheit der Pupillen und dergleichen.
Dasselbe gilt für die manischen und depressiven Formen des Irreseins. Ganter.
Pighini (322) hat seine Untersuchungen über die chemische Zusammensetzung
des Gehirns bei der progressiven Paralyse fortgesetzt. Er berichtet über die Unter¬
suchungen an 7 weiteren Gehirnen. Die Arbeit muß im Original nachgelesen werden.
Es sei nur einzelnes hervorgehoben. Für das normale Gehirn gilt, daß seine chemi-
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Bericht ober die psychiatrische Literatur 1914.
sehe Zusammensetzung, was die LipoidbestandteOe. die Masse von Eiweißsubstani
und den Wassergehalt betrifft, sich bei den verschiedenen Individuen derselben
Gattung ziemlich konstant erhält und während des Alters begrenzten Schwankungen
unterworfen ist. Bei dem Paralytikergehirn weist der gesamte Lipoidgehalt einen
beträchtlichen Mangel gegenüber dem des normalen Gehirns auf. Es ist reicher an
Wasser, Cholesterin und Eiweißsubstanz, ärmer an den andern Lipoidfraktionen.
Die ffimsubstanz der Paralytiker fällt lipolytischen Prozessen anheim. Diese
Hypothese wird gestützt durch die ausgedehnte Lipoiddegeneration, die bei der
histologischen Untersuchung angetroffen wird. Grimme.
Kaufmann (200; berichtet über eine perniziöse Anämie bei einem bisher ge¬
sunden 48jährigen Manne, die mit leichten psychischen Störungen und schwereren
Lahmungserscheinungen von seiten des Rückenmarks einherging. Es bestanden
Atrophie der Optici und Glaukom., Paresen im Fazialis, und im Rückenmark aus-
gedehnte Veränderungen vom Lendenmark bis zur Medulla oblongata, namentlich
der Hinterstränge. Die Veränderungen hatten sklerotischen Charakter: doch fanden
sich auch akute Veränderungen an den Achsenzvlindem und den Markscheiden.
Die Hirnrinde war diffus erkrankt; daneben bestand eine Meningitis. Grimme.
J. Varhon et Mlle. Marie Parhon (305): Unter 11 Fällen von affektiven Psy¬
chosen fiel 8mal die Reaktion nach Abderhalden positiv aus, ein Umstand, der die
Theorie von der Rolle der Schilddrüse und der Drüsen überhaupt für die Genese
dieser Psychosen stützt.
In 4 Fällen von Paralysis agitans erhielten die Verf. mit dem Schilddrüsen-
extrakt und auch dem anderer Drüsen ein positives Ergebnis. Somit hat auch für
diese Krankheit die Schilddrüse Bedeutung. Ganter.
Parhon und Salini (307) stellten in 54 Fällen, worunter 49 geisteskrank, die
Kutireaktion mit dem aus der Schilddrüse und dem Ovarium der Kuh gewonnenen
Extrakt an. Die Reaktion auf Schilddrüsenextrakt fiel in der Mehrzahl der Fälle
von periodischem und maniakalischem Irresein positiv aus. Ebenso in 2 Fällen
bei Frauen im klimakterischen Alter und in den Fällen von Dementia senilis. In
den Fällen von Epilepsie und progr. Paralyse war die Reaktion meist negativ. Mit
Ovarialextrakt zeigte sich die Reaktion bei der Dementia praecox 12mal (8 M. 4 Fr. i
T, 4mal (2 M. 2 Fr.) 3mal (3 Fr.) —. Ferner positiv bei einer Frau zur Zeit der
Menses, negativ bei einem von einer periodischen Psychose geheilten Mädchen,
positiv bei einem Imbezillen, bei einem Alkoholiker, in einem Fall von sekundärer
Demenz. Die Reaktion mit dem Ovarialextrakt ließ nichts für das weibliche Ge¬
schlecht Spezifisches erkennen. Ganter.
Vallorla (422) untersuchte die Ausscheidungsverhältnisse des Hamstickstoffes
und der Harnsäure in Fällen von Dementia praecox und manisch-depressivem Irre¬
sein. Während des Erregungszustandes war die Ausscheidung dieser Stoffe höher
als während des depressiven Stadiums. Der Unterschied in der Ausscheidung beim
tibergang vom depressiven zum Erregungsstadium fiel bei ein und demselben In¬
dividuum größer aus als der Unterschied bei den verschiedenen Individuen über¬
haupt. Verf. betrachtet diese Veränderungen im Hamstoffwechsel als sekundäre
Erscheinungen der psychischen Erkrankung. Ganter.
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Schroeder, Allgemeine Psychiatrie.
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Abderhalden (1) gibt im Ärztlichen Verein in Halle einen eingehenden Über«
blick über seine Methode. Er schildert die biologischen Grundlagen, geht aber auf
die Natur der Abwehrfermente nicht weiter ein und begnügt sich mit der Fest¬
stellung, daß die Leukozyten bei ihrer Entstehung von großer Bedeutung sind.
Auch auf die praktischen Ergebnisse geht er nicht ein, erwähnt aber, daß er versucht
hat, ein Serum zu bereiten, das gegen Tumoren eingestellt ist. In einzelnen Fällen
wurde das Allgemeinbefinden und in ganz vereinzelten auch der Tumor (Karzinom)
günstig beeinflußt. Unter Vorführung zahlreicher Apparate und unter Schilderung
der Methode in großen Zügen weist er den Vorwurf zurück, daß die Reaktion „auf
schwachen Füßen stehe“. Durch den ganzen Vortrag geht die Mahnung, peinlich
genau zu arbeiten und zunächst noch in der Beurteilung der Ergebnisse recht zurück¬
haltend zu sein. Grimme.
Nieszytka (291) berichtet über einen Vortrag über die Ergebnisse der Äbder-
haldenschen Methode für die Psychiatrie. Er hält die serologische Diagnose der
Dementia praecox für sicherer als die klinische und meint, daß das Dialysierverfahren
zurzeit das einzige Mittel sei, objektiv festzustellen, ob Geisteskrankheit oder Simula¬
tion vorliege. Selbst eine forensische Bedeutung erkennt er ihr zu. Seine eigenen
Untersuchungen haben es ihm wahrscheinlich gemacht, daß bei dem Versuch eine
Komplementbindung vor sich geht. Grimme.
Alutermilch (276): Schilderung der Methode Abderhaldens und Übersicht über
die deutsche Literatur. Grimme.
Alter (8) sieht in den Abwehrfermenten, die bei endogenen Erkrankungen im
Serum nachgewiesen werden, nicht die gleichen Elemente, wie sie bei der parenteralen
Zufuhr von artfremden Eiweißkörpern als eigentliche Abwehrfermente entstehen,
sondern Zellprodukte, Zytolysine, die als autolytische Fermente einen Bestandteil
des Zellorganismus bilden und infolge von gewissen schädlichen Prozessen innerhalb
der Zelle aus ihr frei werden und in den Säftestrom eindringen und nun einen Circulus
vitiosus begründen, wenn sie der Organismus nicht auszuschalten vermag. Die
Abwehrfermente gegen Geschlechtsdrüsen z. B. sind Zytolysine aus diesen Drüsen.
Das Auftreten verschiedener Abwehrfermente (im Sinne A.s) ist wahrscheinlich
nur die Folge einer Allgemeinerkrankung, die an verschiedenen Stellen gleichwertige
Folgerungen bedingt hat. A. hält es für verfrüht, aus dem gleichzeitigen Vorkommen
verschiedener Abwehrfermente wechselseitige Zusammenhänge, Krankheitsarten
und Ausgangsmöglichkeiten zu folgern. Grimme.
Bisgaad und Korsbjerg (36) haben das Dialysierverfahren nach Abderhalden
nachgeprüft. Sie sind zu negativen Ergebnissen gekommen. Ihre Schlußsätze
lauten: Wir haben die von Fauser mittels der A. B. ermittelten Resultate nicht
bestätigen können. Zur Feststellung der Proteasenwirkung scheint die Ninhydrin-
methode nicht fein genug. Wir haben bis jetzt nach neuen Methoden keine Ferment¬
wirkung im Blute von Geisteskranken entdecken können. Es ist anzunehmen, daß
Zufälligkeiten, wie etwa Staub, Unebenheiten oder ähnliches auf die Größe oder
Art der molekularen Partikeln, welche die Ninhydrinverbindung ausmachen, Einfluß
haben und somit die verschiedene Strahlenabsorption bedingen können. Grimme.
Schroeder (367) bespricht seine mittels der Abderhaldenschen Reaktion ange-
Zeitschrift für Psychiatrie. LXXII. Lit. h
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114 *
Bericht über die psychiatrische • Literatur 1914.
stellten Untersuchungen. Er hält die lproz. Peptonlösung für zu stark und hat
deshalb eine 1 /,proz. Peptonlösung als die zweckmäßigste festgestellt. Die Zuberei¬
tung der Organe hat er durch ein in besonderer Art konstruiertes Sieb sowie durch
eine Organzerkleinerungsmaschine gleichmäßiger und schneller erreicht. Ferner
schüttelte er die Organe vor dem Kochen mit Eisessig aus. Seine Ergebnisse stimmen
in der Hauptsache mit denen anderer Autoren überein. Grimme.
Fauser (97) gibt die Protokolle seiner Versuche der „passiven“ Übertragung
der Fermente von Geisteskranken auf Kaninchen. Er spritzte einem weiblichen
Kaninchen das gegen Ovarien reagierende Serum einer weiblichen Dementia praecox-
Kranken ein und einem männlichen Kaninchen das gegen Hoden reagierende Serum
eines männlichen Dementia praecox-Kranken und konnte dann nachweisen, dafc
das Serum der Tiere Ovarien und Hoden abbaute. Die Organ- wie Geschlecht >-
spezifität war gewahrt. Die Injektion von nicht fermenthaltigem Serum führte zu
keiner positiven Reaktion. Grimme.
Fauser (96) teilt den weiteren Verlauf einiger bereits früher veröffentlichter
Krankheitsfälle mit, in denen nach der Strumektomie eine Besserung im Befinden
und im serologischen Befund eintrat. Er macht wieder auf die Beziehungen zwischen
Schilddrüse und Geschlechtsdrüse aufmerksam. Als einen weiteren, recht günstig
durch die Strumektomie beeinflußten Fall schildert Fauser kurz den Befund bei
einer 45 Jahre alten Dame, die seit Jahren wegen Depressionszuständen in Anstalten
lebte. Auffallend ist hier der schnelle Eintritt des negativen serologischen Befundes
von seiten der Hirnrinde und der Schilddrüse. Bei einer andern Dame, die Gehörs-
täuschungen hatte, aber nicht unter ihrem Einfluß stand, war ebenfalls eine Struma
und eine schwach positive Reaktion mit Schilddrüse und Ovarium vorhanden. Bei
den Endzuständen der Dementia praecox hat Fauser vielfach nicht mehr eine posi¬
tive Reaktion der Hirnrinde bei Bestehenbleiben der positiven Reaktion der inner¬
sekretorischen Drüsen gefunden. Er spricht von einer „Toleranz“ der Hirnrinde in
solchen Fällen. Grimme.
Loeb (235) gibt zunächst einen sehr anschaulichen Überlflick über die Fer¬
mente im allgemeinen, geht dann auf die Abderhaldenschen Arbeiten und Anschauun¬
gen ein, bespricht in eingehender, klarer Kritik die Anwendung des Dialysierver-
fahrens zu serologischen Untersuchungen in der Psychiatrie. Er zeigt die Lücker
in den Hypothesen Abderhaldens , sieht sich aber auch nicht durch die Ergebnisse
befriedigt, sondern erblickt in mancher Schlußfolgerung und in der Art des Arbeiten>
einiger Autoren nur einen Circulus vitiosus. Trotzdem hält auch er an der Möglich¬
keit der Verwertung der Fermentmethoden in der Psychiatrie fest. Er ist überzeugt
daß die Schwierigkeiten in der Methodik selbst liegen. Ebenso kritisch beleuchtet*
er die jetzt schon gemachten therapeutischen Vorschläge. Grimme.
Kafka (193) gibt eine ausführliche Übersicht über die Abderhaldensehc Db-
lysiermethode und seine eigenen Untersuchungen. Tierorgane, deren Verwendbar¬
keit von anderer Seite bejaht ist, hat er nicht verwandt. Gute Dienste bei der Ent¬
blutung der Organe hat ihm die Goudsmilsche Wasserstoffsuperoxyd-Methode ge¬
leistet. Weiter hat er die Erfahrung gemacht, daß die Durchlässigkeit der Hülsen
im Laufe der Versuche eher ab- als zunimint. Für die Dialyse genügt 1 ccm Blut
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Schroeder, Allgemeine Psychiatrie.
115 *
doch sind so viel als möglich Kontrollen einzustellen. Die Frage der Spezifität
kann Kafka mit dem Hinweis auf seine Tierversuche bejahen. Körperlich gesunde
Menschen bilden keine Abwehrfermente gegen die untersuchten Organe. Bei Basedow
mit normaler Schilddrüse konnte ebenfalls keine Reaktion festgestellt werden.
Auch Störungen der Drüsen mit innerer Sekretion, die sich klinisch als Afunktion
äußern, führen nicht zur Bildung von Abwehrfermenten. An psychiatrischem
Material hat Kafka über 250 Fälle untersucht. Bei der Dementia praecox konnte er
die Ergebnisse Fausers bestätigen, hat aber als erster auch den Nebennierenabbau
festgestellt.
Beim manisch-depressiven Irresein fand er keine Abwehrfermente; nur zeit¬
weise bei Erregungszuständen Hirnabbau. Bei der Epilepsie konnte Kafka wieder
als erster den Abbau von Schilddrüse im Anfall feststellen. Bei der Paralyse fand
er Abwehrfermente gegen Gehirn, Schilddrüse, Niere, Leber; bei Lues cerebri nur
gegen Gehirn; bei der Tabes gegen Rückenmark; beim Hirntumor nur gegen Gehirn.
Bei den Alterspsychosen hält er das Dialysierverfahren für berufen, Untergruppen
erkennen zu lassen. Das nicht geisteskranke Senium führt nicht zur Bildung von
Abwehrfermenten, ebenso nicht die einfache, ruhige Imbezillität. Bei der Konstanz
seiner Befunde hat Kafka therapeutische Versuche angestellt, die aber in den meisten
Fällen keine Änderung des Blut- und klinischen Befundes brachten. Grimme.
Kafka (192) hat durch den Nachweis der Abderhaldenschen Abwehrfermente
im Urin die diagnostischen Hilfsmittel bedeutend bereichert. Der Urin wird im
Proskauerschen Dialysator 5—6 Stunden gegen fließendes Wasser einer Vordialyse
unterzogen. Saure Harne lassen sich gut verwenden, alkalische müssen neutralisiert
werden. Am geeignetsten sind die frischen Morgenhame, die in sterilen Gefäßen
aufgefangen werden.
Kafka hat 108 Harne von 99 Fällen untersucht. Es hat sich bestätigt, daß
man tatsächlich in der Lage ist, unter geeigneten Bedingungen im Urin spezifische
und inaktivierbare proteolytische Fermente nachzuweisen. Grimme.
Sioli (383) zeigt, daß die Befunde, die mit der Abderhaldenschen Methode er¬
hoben sind, zwar bei allen Untersuchern wiederkehrende Unterschiede in der Re¬
aktion bei manisch-depressivem Irresein und andern Psychosen zeigen, daß aber die
Befunde noch nicht so eindeutig sind, daß sie zur Diagnostik und Prognostik oder
zur Grundlage von pathogenetischen Erörterungen herangezogen werden können.
Wegener (433) berichtet über Untersuchungen mittels der Abderhaldenschen
Reaktion. Auffallend war, daß bei rein katatonischen Krankheitszuständen stets
Schilddrüse neben Hoden und Ovarien abgebaut wurde, während dies bei einfacher
Hebephrenie nie der Fall war. Waren beim Jugendirresein schon geistige Defekte
vorhanden, so wurde stets Gehirn abgebaut. Beim zirkulären Irresein wurden nega¬
tive Reaktionen gefunden. Bei der Differentialdiagnose zwischen Hysterie und
Epilepsie entschied Gehirnabbau für Epilepsie. Fand sich dieser auch im Intervall,
so wurde das Bestehen eines progredienten Krankheitsprozesses angenommen. Im
Bereich der degenerativen Psychosen fand sich bei Asthenikern neben Schilddrüsen¬
abbau auch Muskelabbau. Bei Paralyse, Lues cerebri und Tabes wurde Gehirn- und
Rückenmarksubstanz abgebaut. In vielen Fällen war die Abderhaldensche Reaktion
h*
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Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
ein feineres Reagens als die W.-R. Bei Meningitis, die vom Ohr aasging, wurde bei
Gehirnabbau auf Ergriffensein des Gehirns geschlossen. Bei chronischem Alkoholis¬
mus Leberabbau. Bei Paralysis agitans Abbau von Gehirn. Nerven. Rückenmark
und Muskel. Grimme.
Weyener (434) hat die Geschlechtsspezifität der Abderhaldenschen Abwehr¬
fermente wiederum festgestellt und am Tierexperiment die Beeinflussung der Abhau-
vorgänge durch Narkotika bewiesen. Hunde, denen Brom, Opium und Paraldehyd
gegeben waren, bauten Gehirn- und Nervensubstanz ab. Bei Alkohol zeigte sich
kein Einfluß. Grimme,
Kafka und Pförringer (194) haben im Tierversuch die Bildung der Abwehr¬
fermente studiert, indem sie Kaninchen intraperitonial Kaninchenorgane ein-
spritzten, die zerkleinert und entblutet, von Bindegewebe und andern fremden Ge¬
weben befreit waren und nicht mehr auf Ninhvdrin reagierten. Es traten absolut
organspezifische und geschlechtspezifische proteolytische Fermente auf. Wurden
die gleichen Organe verschiedener Arten (Kaninchen, Stier, Mensch) eingespritzt,
so wurden sie gleichmäßig abgebaut.
In einem zweiten Versuch studierten sie die Wirksamkeit der weißen Blutzellen
bei der Ferment bildung. Sie machten Kaninchen durch Einspritzung von Thorium X
leukozytenarm und stellten fest, daß keine Abwehrfermente gebildet wurden. Beim
nicht vorbehandelten Kaninchen trat nach Einverleibung des Antigens eine Ver¬
mehrung der weißen Zellen ein, die bald abklang. Wurde durch Natrium nucleinicum
die Zahl der weißen Zellen beim Kaninchen vermehrt, so reagierte es wie ein
Normaltier. Grimme.
Feiler (99) hat 11 Liquores, solche von Gesunden und solche von Kranken,
bei denen aber eine Beteiligung der Meningen nicht vorlag, untersucht und hat in
keinem dieser Fälle eine Hämolyse des Kaninchenblutes durch den Liquor feststellen
können. Das Verhältnis von Blut und Liquor betnig 1 :10. Er konnte also die
Annahme Zaloziecki* nicht bestätigen. Im menschlichen Serum kommen Kaninchen-
bluthämol vsine nicht seltener vor als Hammelbluthämolysine; beide können in einzel¬
nen Seris fehlen. Untersucht man einen ineningitischen Liquor in einem solchen
Falle, so wird man keine Hämolysine finden. Kaninchenblut kann aber nur da zur
B’ctl-A’a/A'oschen Reaktion herangezogen werden, wo außer den Ambozeptoren
des Serums noch genügende Mengen von Komplement übertreten und diese Ambo¬
zeptoren aktivieren; also nur bei akuten Meningitiden, während zur Diagnose der
Paralyse Kaninchenblut nicht brauchbar ist. Grimme.
(i'olla (124) berichtet über Untersuchungen mittels der Abderhaldenseher.
Reaktion in der psychiatrischen Klinik in Breslau. Er hat 1 ccm Serum verwandt
und dabei seltener positive Serumkontrollen gehabt. 12 Gesunde ergaben durchwes
negative Befunde, ebenso t> Fälle von Psychopathie und Hysterie, während 1 Psycho¬
pathie Abbau von Gehirn, Hoden und Leber und eine psychogene Depression
Ovariumnbbau zeigte. Beim manisch-depressiven Irresein konnte der FauseTscfc»
Reaktionstypus nicht immer bestätigt werden. Bei der Dementia praecox Überweg
der Abbau von Gehirn. Schilddrüse und Geschlechtsdrüsen. Es konnte aber ketiK
Konstanz im Abbau von Geschlechtsdrüsen festgestellt werden. Bei der Epilepsie
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117 *
wurden unregelmäßig Gehirn, Schilddrüse, Geschlechtsdrüse, Leber und Niere
abgebaut. £in Einfluß vorangegangener Anfälle ließ sich nicht erkennen. Bei der
Paralyse fehlte 6mal der Abbau von Gehirn; es fand sich daneben unregelmäßig
Abbau von Schild- und Geschlechtsdrüsen, Leber, Niere, Nebenniere, Rückenmark.
Bei Tabes überwog wieder die Reaktion auf Gehirn und Rückenmark, während bei
5 Fällen von Lues cerebrospinalis nur einmal Abbau von Gehirn stattfand.
Grimme.
Brückner (56) hat die WeiUKafkasche Hämolysinreaktion nachgeprüft und
gibt darüber ausführliche Protokolle. Er bestätigt die Untersuchungen Kafkas.
Die Hämolysinreaktion findet sich in der Regel bei Paralyse, vorausgesetzt, daß
der Ambozeptorgehalt im Serum ein hinreichend großer ist. Bei allen nicht luischen
Kontrollfällen war sie negativ. Viermal wurde sie beim Versagen der W.-R. positiv
gefunden, darunter zweimal als einzige der angewandten Reaktionen, abgesehen
von der Goldsolreaktion. Grimme.
Kastan (198) bespricht eine Reihe von Fragen, die durch die Tatsache der
Beziehungen der Abbauvorgänge zu den psychotischen Erscheinungen entstanden
sind. Er unterscheidet unter den Abbauvorgängen drei Gruppen, solche, die er
koordiniert oder pathognostisch nennt, solche, die subordiniert oder pathogen sind
und die Psychose verursachen, und drittens die Prozesse, die durch die Psychose
bedingt sind. Zu den koordinierten gehört der Abbau der Gehimsubstanz, wie er
in erster Linie bei der Paralyse besteht. Bei ihr gehören alle Abbauerscheinungen
der Gruppe der koordinierten an. Bei den Abbauvorgängen bei der Dementia prae¬
cox, die zu den pathogenen gerechnet werden, bespricht Kastan das Verhältnis der
schwindenden Thymus zu den sich entwickelnden Keimdrüsen. Hinsichtlich der
Entstehung der Dementia praecox hält es Kastan für entscheidend, daß die Krank¬
heit nur ausnahmsweise vor der Pubertät beginnt. Er bringt die Verwendung
nicht synthetisch verarbeiteter Nukleinsäure im Haushalt des Körpers mit der
Entstehung der Dementia praecox in Verbindung. Auch bei den symptomatischen
Psychosen werden unter Hinweis auf die Befunde an Lipämie, Hyperglykämie,
Milchzucker u. a. Störungen in den Abbauvorgängen, die pathogen wirken sollen,
vermutet. Zu der dritten Gruppe rechnet Kastan die Befunde beim manisch-depres¬
siven Irresein, den Abbau von Nebennieren, Leber, Keimdrüse, wie ihn Kafka ,
Binswanger und Wegener gefunden haben, indem er die Schädigungen dieser Drüsen
durch die Veränderungen in der Blutverteilung, die ihrerseits wieder eine Folge des
Affektes sei, begründet sieht. Grimme.
Mayer (251) berichtet über die an 138 Kranken angestellten Untersuchungen
mittels der Abderhaldenschen Reaktion. Seine Ergebnisse und die anderer Autoren
geben 'ihm keine Aufschlüsse über die Entstehung der Geisteskrankheiten. Bei
dieser pathogenetischen Unklarheit und Unsicherheit lehnt er therapeutische Ein¬
griffe bei Psychotischen, insbesondere chirurgische, ab.
Untersucht wurden: 12 geistig und körperlich gesunde Pfleger mit völlig
negativen Reaktionen. Bei 13 Fällen von Hysterie und Psychopathie ebenfalls
negative Reaktionen mit Ausnahme von 2 positiven mit Testikeln und Thyreoidea.
Auch 5 Fälle von paraphrenisch-paranoiden Erkrankungen waren im allgemeinen
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118* Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
negativ, desgleichen 16 Fälle von manisch-depressivem Irresein, auch bei stärkerer
Erregung. Die Dementia praecox ist nach dem Verlauf in 3 Gruppen eingeteilt.
Fast alle Fälle reagierten mit Geschlechtsdrüse positiv, zwei Drittel mit Schilddrüse
und ein Drittel mit Hirnrinde. Sieben Fälle der subakuten Form waren vollkommen
negativ. Von 15 Fällen im Endzustände der Dementia praecox waren 12 ebenfalls
ganz negativ. 12 Fälle von Paralyse reagierten sämtlich positiv mit Hirnrinde.
Die Verwendung tierischer Organe hält Mayer für angängig. Grimme.
Pesker (314) stellte bei Geisteskranken Untersuchungen an über die Lipase.
Amylase, das Zucker bildende Ferment und das Antitrypsin und über das Verhältnis
dieser fermentativen Prozesse zu den Ergebnissen der Abderhaldenschen Reaktion.
Der Antitrypsingehalt ist bei der Paralyse, Lues cerebri und Dementia praecox
erhöht. Er ist im allgemeinen erhöht bei solchen Krankheitsformen, bei denen im
Organismus ein energischer Eiweißzerfall vor sich geht. Bei der Paralyse und Lues
cerebri findet sich hauptsächlich Gehirnabbau; bei der Dementia praecox Abbau
von Geschlechtsdrüsen und erst sekundär von Gehirn. Bei den funktionellen Psy¬
chosen kein Abbau. Grimme .
Schultz (370). Blutuntersuchungen bei über 100 Geisteskranken. Die Unter¬
suchung des Blutes ergibt objektive Begleiterscheinungen von prognostischer und
diagnostischer Bedeutung bei der Dementia praecox und der Epilepsie. Beim
manisch-depressiven Irresein ist der Blutbefund ein normaler. Bei der Dementia
praecox ist der Befund ein verschiedener, je nach dem Stadium. Schultz unter¬
scheidet die Blutbilder bei den Erstattacken, den chronischen Fällen und den End¬
zuständen. Während der Stupor bei hysterischen und zirkulären Krankheits¬
formen normale Blutbilder zeigt, findet man beim Stupor der Dementia praecox
die „kapilläre Erythrostase“. Sie ist ein prognostisch ernstes Zeichen, das auch bei
Erstattacken und bei neuen Schüben chronischer Fälle sehr häufig ist und gelegent¬
lich den klinischen Erscheinungen vorangeht. Bei Zirkulären, Hysterischen, Epi¬
leptischen, Schwachsinnigen, Arteriosklerotikem und Paralytikern wurden normale
Erythrozytenzahlen gefunden. Bei der Dementia praecox ist die Ausbildung einer
„kapillären Erythrostase“, einer deutlichen Lymphozytose, das Zurücktreten der
Polynukleären und deutliche Schwankungen der Eosinophilen prognostisch un¬
günstig, während ein Normalbleiben des Blutes oder Rückbildung der „kapillären
Erythrostase“ und Konstanz der lymphozytären und eosinophilen Elemente pro¬
gnostisch günstig ist. — Im epileptischen Anfall findet man lymphozytäre Leuko¬
zytose mit Eosinogenie; er läßt sich hämatologisch von funktionellen und organischen
Konvulsionen mit. Ausnahme der Urämie, die im Anfall ein ähnliches Blutbild zeigt,
abgrenzen. Die organische Konvulsionsleukozytose ist eine Polynukleose. In vielen
Fällen gehen dem epileptischen Anfalle die Blutveränderungen stunden- oder tage¬
lang voraus. Grimme.
Ilten (176). Beiträge zu den Blutbefunden bei Schizophrenien und Epilepsie.
Bei den Schizophrenen zeigen die Hämoglobinwerte keine Abweichung. Die roten
Blutkörperchen sind oft vermehrt, und zwar namentlich bei katatonischen und stupo-
rösen Zuständen. Die Zahl der Leukozyten ist im allgemeinen erhöht; bei Hebe-
phrenen mehr als bei Katatonikern. Bei frischen Fällen und bei akuten Schüben
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Schroeder, Allgemeine Psychiatrie.
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kommt die Steigerung besonders häufig vor. Bei Verschlechterung des Zustandes
nimmt die Zahl der Lymphozyten auf Kosten der Neutrophilen und Eosinophilen zu.
Bei günstigem Verlaufe wurden entgegengesetzte Vorgänge beobachtet. Erregungs¬
zustände zeigten ein Ansteigen der Leukozyten unter vorwiegender Beteiligung
der Neutrophilen und wechselndem Verhalten der Eosinophilen. Die Lympho¬
zytose und Eosinophilie werden auf pathologische Funktion der Blutdrüsen zurück¬
geführt. — Bei der Epilepsie sind vor, zur Zeit und nach dem Anfalle die Gesaint-
leukozytenwerte erhöht. Nach dem Anfall verringert sich die Zahl der Lympho¬
zyten alsbald, während die Neutrophilie und Eosinophilie zunächst noch zunimmt.
Die Vermehrung der Lymphozyten geht dem Anfalle längere Zeit voraus. Diese
einleitende Lymphozytose spricht dafür, daß dem Anfall eine Anhäufung toxischer
Stoffe zugrunde liegt. Grimme.
Hirschfeld und Klinger (165). Die Untersuchungen betrafen die Beziehungen,
die zwischen der Komplementfunktion und den übrigen, nur dem aktiven Serum
eigenen Wirkungen bestehen. Grimme.
Grahe (130) hat die bekannten Methoden zur Bestimmung des Eiweiß- und
Globulingehalts in Liquor cerebrospinalis nachgeprüft und miteinander verglichen.
Von seinen Ergebnissen ist zu erwähnen: Dem Eiweißgehalt erkennt er eine physio¬
logische Breite von V*— 14% zu; unter */» sei normal, über y 2 % pathologisch.
In 84% der Fälle stimmte die Methode nach Nißl mit der nach Brandberg überein.
Feinere Schwankungen sollen in der Methode nach Nißl nicht zum Ausdruck kommen.
Bei der Bestimmung der Globuline zeigt die neuere Pandysche Reaktion gute Über¬
einstimmung mit der Nonne-Apelts chen. Der Globulin- und Eiweißgehalt geht im
allgemeinen miteinnader parallel. Für einzelne Krankheiten gibt es keinen charak¬
teristischen Globulin- und Eiweißgehalt. Grimme.
Hieronymus (162) hat den Gehalt an Komplement und Ambozeptor im Blut¬
serum auf einfache Weise untersucht. Zu abfallenden Dosen des aktiven Serums
0,5, 0,4, 0,3, 0,2, 0,1, 0,08, 0,06, 0,04, 0,02 setzt er 0,5 5% Hammelblutkörperchen-
aufschwemmung und füllt auf 2,5 Gesamtvolumen auf. Wasserbad 37° für 20 Mi¬
nuten. Findet sich in den oberen Röhrchen bis 0,2 Serumlösung, dann ist reichlich
Komplement und Ambozeptor vorhanden. Bei völliger oder teilweiser Hemmung
ist Schwund oder Verminderung des Komplements oder des Ambozeptor vorhanden.
Es wird zur Entscheidung zu jedem Röhrchen je 0,1 Immunambozeptor nach dem
Vorversuch zugesetzt. Tritt Lösung ein, dann hat Fehlen oder Verminderung des
Normalambozeptor Vorgelegen; bleibt die Hemmung, dann fehlt das Komplement
oder ist vermindert. In diesem Falle ist man noch nicht über den Gehalt an Normal¬
ambozeptor unterrichtet. Deshalb eine neue Versuchsreihe mit Zusatz von 0,05
Meerschweinchenkomplement. Untersucht wurden 610 Sera. Ergebnis: unter
33 Paralysen je 4mal Fehlen und Verminderung des Komplements und 7mal Fehlen
des Ambozeptor und 5mal Verminderung. Bei 14 Fällen von Lues cerebri 2mal
Fehlen des Komplements und Ambozeptors und lmal Verminderung des Kom¬
plements. Bei Alkoholismus je lmal Fehlen und Verminderung des Komplements
und 8mal Fehlen des Ambozeptors. Bei 304 Fällen von Dementia praecox lOmal
Fehlen und 15mal Verminderung des Ambozeptors und 17mal erhöhter Komplement-
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120* Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
gehalt. Völliger Mangel an Komplement geht mit völligem Fehlen des Ambozeptor*
einher. Völliger Komplementmangel nur in solchen Fällen von Lues, die mit den
Zeichen einer schweren Schädigung des Zentralnervensystems einhergehen (Be¬
stätigung der Befunde Kafkas). Verminderung des Komplements und des Ambo¬
zeptors findet sich relativ oft bei Syphilis und Metasyphilis (Kafka). Bei Schizo¬
phrenen und Epileptikern zum Teil eine Erhöhung des Komplementgehaltes. Bei
alkoholischen Psychosen in über 30% Schwund des Ambozeptors. H. legt sich die
Frage vor, ob nicht die Schädigung oder Vernichtung der hämolytischen Kraft bei
Lues und Alkoholismus auf einer Störung der Leberfunktion beruhe. Grimme.
Stuchlik (407) teilt zwei hierher gehörende Fälle mit. Im ersten Falle handelt
es sich um eine 62jährige Patientin, die klinisch als „Dem. senilis“ diagnostiziert
wurde. Diese erzählt, sie sei in Wirklichkeit nicht in der Anstalt, sondern zu Hause,
wo sie schläft und im Schlafe träumt, daß sie im Irrenhaus ist, dort arbeitet, ißt.
spricht usw. Der Pat. fehlt das Bewußtsein ihrer Handlungen als ihrer eigenen,
vom eigenen Willen und Streben ausgehenden — was ein Symptom der von Prof.
Heveroch aufgestellten Ichtumsstörung darstellt. Der zweite Patient, 21jährigei
Mediziner, leidet an Störung des Überzeugungsvermögens. Es handelt sich um
eine Übergangsform von gewöhnlicher „Nervosität“ zu typischer Form der Heveroch-
schen Störung. Jar. Sluchllk (Zürich).
Stuchlik und Netousek (408/283): Die zweite Arbeit ist ein Übersichtsreferat.
Die erste Arbeit behandelt das Thema: Über die Möglichkeit, Grenzen und gegen¬
wärtige Methoden der Erforschung von somatischen Veränderungen bei Geistes¬
krankheiten und die Beziehungen dieser Veränderungen zu den psychischen Symp¬
tomen der Erkrankungen. Besprochen sind neben der Abderhaldens chen Reaktion
verschiedene Modifikationen der W.-R. (mit Bezug auf ihre Verwertung in der
Psychiatrie), die „Psychoreaktion“ von Much. Holzmann, Weichhardtsche Reaktion
u. a. m. Neben den serologischen ist auch den biochemischen Untcisuchungen
(des Liquors und anderer Körpersäfte) ein Teil der Arbeit gewidmet.
Jar. Stuchlik (Zürich).
Münzer (274). Ausführliche und recht anschauliche Wiedergabe einer Er¬
krankung, die durch das Symptom des Verlustes des Ichbewußtseins gekenn¬
zeichnet war. Es ging nicht nur das Persönlichkeitsgefühl verloren, so daß die
Kranke sich selbst fremd wurde, sondern es änderten sich auch die Beziehungen
der Kranken zur Außenwelt, namentlich die zu ihren Angehörigen. Die Krankheit,
die nach einer Dauer von mehreren Monaten in Genesung überging, befiel eine
geistig hochstehende und geistig regsame junge Dame. Es werden die psychologi¬
schen Grundlagen, die der Störung zugrunde liegen könnten, erörtert und die Ein¬
reihung der Erkrankung in bekanntere Krankheitsbilder besprochen. Grimme.
Parhon (303) berichtet über 3 Fälle von einer besonderen Art Verfolgungs¬
wahnsinn mit Zominutigkeit bei Frauen. Diese Zornmutigkeit erinnerte an die
bei Basedowkranken und bei Frauen mit Insuffizienz der Ovarien vorkommenden.
In der Tat fand Verf. Mononukleose, wie sie sich bei Basedowkranken oder bei mit
Schilddrüsensubstanz behandelten Tieren findet. Damit hält es Verf. für erwiesen,
daß die psychischen Störungen (Zornmutigkeit) seiner Kranken ihre Ursache in
einer Erkrankung der Schilddrüse hatten. Ganter.
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Schroeder, Allgemeine Psychiatrie.
121 *
A. Pick (317) hat das Bella che Phänomen in Verbindung mit Blinzeln bei
einem an ansgebreiteter Encephalitis in der linken Großhimhälfte leidenden und
somnolenten Kranken beobachtet. Pick sieht darin die Bestätigung einer theoreti¬
schen Annahme. Grimme.
Schuppius (373) hat sich bei der Betrachtung seiner Fälle von Eifersuchts¬
wahn, die die verschiedensten klinischen Krankheitsbilder umfassen, die Frage vor¬
gelegt, „ob sich zwischen der einfachen wahnhaften Eifersucht und dem systemati¬
schen Eifersuchtswahn eine scharfe, auch klinisch zu rechtfertigende Trennung
durchfuhren läßt, d. h. ob sich in der Entstehung und Entwicklung des Wahns der
ehelichen Untreue bei beiden Formen Unterschiede ergeben, oder ob beide auf die¬
selben Elemente zuräckzufUhren sind“. Die Berechtigung zu dieser Trennung
wird verneint, und Schuppius hält die beiden Bezeichnungen nicht für zweckmäßig,
weil sie nur nach äußeren Gesichtspunkten bestimmt seien und über wesentliche
Punkte, namentlich über die klinische Zugehörigkeit des Einzelfalles und die Pro¬
gnose, nichts aussagten. Die Gründe für die Ausgestaltung der Eifersucht in eine
der beiden Richtungen erblickt Schuppius in der Besonderheit der zugrunde liegen¬
den Psychose. Ebenso wird mit Recht ein gesetzmäßiger innerer Zusammenhang
zwischen dem Alkohol und der Eifersucht verneint und angenommen, daß bei allen
Fällen eine besonders gesteigerte Affektivität, ein beliebig gearteter Anlaß und
vielleicht auch eine gewisse, in der Persönlichkeit liegende Disposition für die Ent¬
stehung einer krankhaften Eifersucht als Vorbedingungen Geltung hätten.
Grimme.
Haischeck (146). Angstzustände und Phobien einerseits, motorische Erregungs¬
zustände und triebartige Handlungen andrerseits werden aufgefaßt als phylo¬
genetische Reste von Flucht- und Abwehrreflexen, die mit der Entwicklung des
Großhirns zurückgedrängt wurden, bei der Beeinträchtigung der Großhimwirkung
aber wieder aufleben. Das Zusammenfahren beim Erschrecken wird als ein Rest
des Klettersprunges des flüchtenden Affen erklärt. Grimme.
Rothmann (346). Besprechung des Bdrdnyschen Zeigeversuches auf Grund
eines Krankheitsfalles, bei dem es sich um eine posttraumatische, subpiale Blutung
ungefähr im Gebiete des linken Gyrus supramarginalis, verbunden mit einem ödem
der Pia in der Umgebung, und um ein Aneurysma im hinteren Aste der linken Ar-
teria temporalis superfic. handelte. Abgesehen von einem leichten Schwindelgefühl,
bestanden keine zerebellaren Symptome. Klinisch wies bei der Untersuchung auch
nichts auf eine Störung in der Innervation der Arme hin. Abweichungen beim
Bdrdnyschen Zeigeversuch können bei Erkrankung des Kleinhirns fehlen und bei
Gesundsein des Kleinhirns auftreten. Auch bei Erkrankung des Großhirns kann
er Richtungsstörungen erkennen lassen; er kann hier gelegentlich sogar das einzige
nachweisbare Symptom einer Störung der Innervation der Extremitäten sein.
Grimme.
Sokolov (384) hat bei einer an Schizophrenie leidenden gebildeten Kranken
Untersuchungen über die experimentelle Auslösung von Gehörstäuschungen durch
periphere Reize angestellt. Er gibt darüber ausführliche Protokolle. Er hat die
Gehörstäuschungen durch akustische, taktile, kalorische galvanische Reize auslösen
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Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
können. Die akustischen Reize erwiesen sich als am geeignetsten. Zwischen der Ton-
höhe der akustischen Reize (Bezoldsche Tonskala) und der Tonhöhe der Gehörs¬
täuschungen besteht eine gesetzmäßige Abhängigkeit, so daß die Tonhöhe der Halluzi¬
nationen der Tonhöhe des Reizes entspricht. Dem Rhythmus des Reizes entspricht
ferner der gleiche Rhythmus der Gehörstäuschungen. Bei einem gleichzeitigen Auf¬
treten von optischen Halluzinationen konnte keine Abhängigkeit von der Tonhöhe
der Stimmgabel festgestellt werden; ebenso ist die Auslösung der Gehörstäuschun¬
gen unabhängig von der Art des angewandten elektrischen Stromes und seiner
Stärke. Grimme.
van der Scheer (358) führt in seiner sehr eingehenden Arbeit unter den Fällen
der nicht puerperalen Osteomalazie einen nur dem klinischen Bilde nach ähnlichen
Fall an, der durch hochgradige Osteoporose bedingt war und deutlich die Schwierig¬
keiten der klinischen Diagnose beweist. Daß bei der nicht puerperalen Knochen¬
erweichung das Becken freibleibt, hat v. d. Scheer nicht bestätigen können. Ein¬
gehend wird die Diagnose der Erkrankung auf Grund der Literatur besprochen.
Für die Störungen in der Bewegungsfähigkeit macht er neben den anerkannten
Ursachen auch noch eine allgemeine Muskelschwäche verantwortlich. Neben der
Muskelschwäche kann man unter der Summe der Erscheinungen eine erhöhte Reiz¬
barkeit des Nervensystems feststellen. Zurückzuführen sind diese Motilitätsstörun¬
gen in allen ihren Erscheinungsformen und mit allen ihren Begleiterscheinungen,
den Kontrakturen, Krämpfen, dem In tensionszittern, den Sensibilitätsstörungen,
den angiospastischen Erscheinungen, der Steigerung der Muskelerregbarkeit und
der Reflexe usw., in letzter Linie auf eine Störung des Kalkstoffwechsels, wie sie
bei der Osteomalazie besteht. Grimme.
Kastan (199). Es wird versucht, die Dysfunktion von Keimdrüsen und
Thyreoidea zu spezialisieren. Die Thyreoidendysfunktion ist die des Myxödems.
Die Keimdrüsendysfunktion beruht auf den Substanzen (Nuklein), die der Thymus
angehörten und bei der Pubertät von dort, in die Keimdrüsen übergeführt wurden.
Grimme.
W. Mayer (252) schildert zwei Fälle psychischer Erkrankungen mit nachweis¬
barer Dysfunktion von Drüsen innerer Sekretion (Schilddrüse und Keimdrüse ),
bei denen zwischen der Drüsenfunktion und der psychischen Erkrankung in dem
einen Falle sicher, im andern sehr wahrscheinlich ein ursächlicher Zusammenhang
befand. In beiden Fällen entsprachen die psychischen Symptome durchaus rein
endogenen Erkrankungsbildern. Unter kurzer Erwähnung der Bonhoeff ersehen
Lehre von dem exogenen Schädigungstypus, zu der schon Specht Stellung genommen
hat, wird im allgemeinen die Hypothese eines Zusammenhanges zwischen den soge¬
nannten endogenen Erkrankungen und einer Hyper- oder Hypofunktion (bei den
manisch-depressiven Zuständen) und einer Dysfunktion (bei der Dementia praecox)
des Drüsenapparates besprochen. Grimme.
Horwitz (173) hat in der Münchener Klinik die Merkfähigkeit bei der Hysterie
und der Psychopathie untersucht. Diese Krankheitsgruppen wurden wegen der
bei ihnen öfters vorkommenden Erimierungsfälschungen, phantastischen Lügen
und Schwindeleien zu dieser Untersuchung genommen. Die Arbeit muß im Original
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Schroeder, Allgemeine Psychiatrie.
123 *
nachgelesen werden. Es sei nur hervorgehoben, daß bei einzelnen labilen und phan¬
tastischen Jugendlichen und bei depressiven Psychopathen eine entschiedene
Merkstörung festgestellt wurde, während im allgemeinen die Ergebnisse von denen
bei Gesunden nicht sehr unterschieden waren. Grimme.
Mohr (265) hält das Bestehen eines hysterischen Fiebers für sicher. Er hat
bei einer Patientin durch hypnotische Suggestion ein seit längerem bestehendes
Fieber sofort zum Schwinden bringen und später wieder erzeugen können. Ebenso
konnte er durch Hypnose die Magensaftsekretion und einen katarrhalischen
Schnupfen beeinflussen. Grimme.
Heise (153). Das Ekzem entstand bei einer jungen, gesunden Pflegerin, die
in der vorangehenden Nacht von 3 Kranken überfallen war. Grimme.
Gaupp (118) hat auf der Verhandlung des Deutschen Kongresses für innere
Medizin in Wiesbaden (31. Kongreß) den ersten Teil des Referates über „Wesen und
Behandlung der Schlaflosigkeit“ übernommen. Er gibt zunächst eine allgemeine
physiologische und psychologische Einleitung über Wesen und Bedeutung des
Schlafes. Er verlangt eine deutliche Unterscheidung der Begriffe „Müdigkeit“ und
„Ermüdung“. Müdigkeit ist ein subjektives Gefühl, das anzeigt, daß unsere physi¬
sche und psychische Kraft abnimmt, Ermüdung ist der objektive Zustand dieser
Verminderung. Für das Verständnis der Schlafstörungen ist wichtig, daß das Ein¬
treten des Schlafes in erster Linie an die Müdigkeit, nicht an die Ermüdung gebunden
ist. Denn trotz großer objektiver Kraftausgabe kommt es nicht zum Einschlafen,
wenn das Gefühl der Müdigkeit verscheucht ist. Müdigkeit und Ermüdung, das
subjektive Gefühl und der objektive Zustand brauchen nicht miteinander parallel
zu gehen. Für die Kenntnis vom Wesen des Schlafes ist es von Bedeutung, daß
neuere Arbeiten erwiesen haben, daß Blutvolumen und Blutdruck des Gehirns
im Augenblick des Einschlafens eine Vermehrung und Erhöhung erfahren. Von
den zahlreichen Theorien über Wesen und Entstehung des Schlafes sind die neueren
chemischen und serologischen von Verworn und Weichhardt am einflußreichsten
gewesen. Aber auch sie stimmen nicht mit dem Tatsächlichen überein; denn körper¬
liche und geistige Überanstrengung verscheucht oft den Schlaf. Ebenso werden die
französischen Theorien, die den Schlaf als etwas Zweckdienliches auffassen, ihm den
Charakter des Instinktes verleihen, der sich ganz nach den Umständen, „nach dem
Gesetz des momentanen größten Interesses“ ändert, nicht allen Tatsachen gerecht.
Ausschlaggebend ist für die Stunde des Einschlafens die Beschaffenheit der Psyche.
Dies beweisen normale und psychologische Zustände. In der Symptomatologie
werden die Dauer und Tiefe und die verschiedenen Typen des Schlafes besprochen,
ferner das erschwerte Einschlafen, die frühzeitige und häufige Unterbrechung, die
Erscheinungen im Kindesalter und bei psychotischen und nervösen Zuständen.
Grimme.
Eulenburg (94) berichtet über einen Fall von Schlafsucht, der 4 V 2 Jahre an¬
gedauert hat. Die erste Mitteilung hierüber machte E. 1906 in Nr. 42 der M. Kl.
Es handelt sich um einen bei Beginn der Schlafsucht fast 45jährigen Beamten, der
in der letzten Zeit vor Beginn des Schlafes in seiner psychischen Leistungsfähigkeit
nachließ, ein Strafverfahren wegen Verdachts der Veruntreuung erwartete, auf dem
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124 * Bericht über die psychiatrische Literatnr 1914.
Wege zum Termin auf den Hinterkopf fiel, bewußtlos wurde und 10 Tage später
in den Schlafzustand verfiel. Ganz allmähliches Erwachen nach 4% Jahren. Wäh¬
rend des Schlafes Erhaltensein einer gewissen Bewegungsautomatie bei der Nahrungs¬
aufnahme sowie beim Aufsetzen im Bette, beim Gehen und Stehen. Der Kranke
konnte später wieder eine Stellung annehmen und befriedigend durchführen.
E. hält den Schlafzustand nicht für hysterisch; eine befriedigende Erklärung für
ihn hat er nicht. Die verschiedenen Theorien des Schlafes passen nicht für diese
„krankhaften, permanenten Schlafzustände 11 oder „hypnoiden Zustände“.
Grimme.
IV. Therapie.
Weygandt (446). Übersicht über die nervösen und psychischen Erkrankungen
im Felde und ihre Behandlung bis zur Einlieferung in die Anstalten. Grimme.
Heller (155) gibt auf Grund seiner reichen Erfahrung eine umfassende Dar¬
stellung der Therapie der verschiedensten geistigen Schwächezustände einschließlich
der nervösen und psychopathischen Konstitutionen. Kurze, treffende, psychologisch¬
pädagogische Betrachtungen der Krankheitsbilder leiten die einzelnen Kapitel ein.
Das Buch bildet eine Ergänzung des glänzend kritisierten Grundrisses der Heil¬
pädagogik desselben Verfassers.
Hauber (147) berichtet über therapeutische Versuche mit Nukleinsäureinjek¬
tion bei Psychosen. Die Versuche sind seit 1910 in Rufach angestellt bei Paralysen,
bei der Dementia praecox und dem manisch-depressiven Irresein. Die Ergebnisse
waren derart, daß von tatsächlichen Erfolgen nicht gesprochen werden kann. Das
Natrium nucleinicum ist bei entsprechender Auswahl der Fälle ein völlig unschäd¬
liches Präparat, das prompt Fieber und Hyperleukozytose erzeugt und eine anregende
roborierende Wirkung ausübt. Diese scheint den Boden für später auftretende
Remissionen vorzubereiten. Eine Unterstützung der Kur durch diätetische An¬
ordnungen, Liegekuren und auch durch eine Arbeitstherapie ist sehr zu empfehlen.
Bei der Paralyse wurde eine Vermehrung der Remissionen beobachtet; ein längerer
Stillstand der Erkrankung war aber nicht zu erreichen. Auch bei der Dementia
praecox gab es Besserungen; doch treten diese auch spontan auf. Immerhin wurde
der Eindruck gewonnen, daß die Nukleinbehandlung bei einzelnen Fällen von Nutzen
gewesen war. Dies gilt aber nur für relativ frische Erkrankungen. Bei den manisch-
depressiven Fällen war kein Einfluß festzustellen. Grimme.
Happich (144) geht davon aus, daß die während des Schlafes bestehende Er¬
weiterung der Gehirngefäße die Folge einer Herabsetzung des Tonus ist, während
die bei gesteigerter Aufmerksamkeit bestehende Erweiterung durch einen Erregungs¬
zustand des vasomotorischen Zentrums für Gefäßerweiterung herbeigeführt wird.
Er glaubt, daß die Schlafstörungen zellulärer oder vasomotorischer Natur seien
oder auf einer Störung der Beziehungen zwischen Himrindenzelle und Gefäßen
beruhten. Zum Eintritt und zur Fortführung des Schlafes ist ein ganz besonderes
Verhalten der Gehimgefäße nötig, dessen Bildung durch Impulse von den Hirn¬
rindenzellen aus oder durch Erregung oder Alteration des Gefäßsystems selbst ver¬
hindert werden kann. Die Behandlung muß darauf hinzielen, einen Zustand von
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Schroeder, Allgemeine Psychiatrie.
125 *
Reizlosigkeit psychisch und somatisch zu schaffen. Der Hauptangriffspunkt bei der
Behandlung ist für Happich das Gefäßsystem. Ist die Automatie des Einschlafens
verloren gegangen, so ist sie wiederherzustellen; die Kranken müssen das Einschlafen
wieder lernen. Zum Schluß bespricht Happich einzelne Schlafmittel besonders.
Grimme.
Goett (122) nimmt in seinem sehr lesenswerten Vortrag über die Psychotherapie
in der Kinderheilkunde kritisch zu den verschiedenen psychotherapeutischen Ver¬
fahren Stellung, die in der Kinderpraxis angewandt werden können. Die Methode
Dubois ’ in Bern, sich an den Verstand der Kranken zu wenden, ihm durch Überreden
eine andere Überzeugung beizubringen, wird unter Umständen von ihm nicht ver¬
schmäht. Der Fmtdschen Psychoanalyse erkennt er nur einen bedingten Wert zu,
während das kathartische Verfahren Franks ihm eher empfehlenswert erscheint.
Grimme.
Birnbaum (35) hat das Valamin, den Isovalerianester des Amvlenhydrats, in
der gynäkologischen Praxis erprobt und bei nervösen Verstimmungen und Erregungs¬
zuständen, bei nervöser Schlaflosigkeit und andern derartigen Störungen recht
bewährt gefunden. Grimme.
Solomon (353). Phenoval, ein dem Phenazetin und der Baldriansäure
verwandtes Präparat (chemisch: a-Brom-isovaleryl-paraphenetidin) ist ein
neues Beruhigungsmittel, das bei J. Riedel fabriziert wird. Es wirkt nach den
Untersuchungen Solomons günstig bei Kopfschmerz, vor Operationen aufgeregter
Kranker, ferner schmerzlindernd bei Zahnschmerzen und als Schlafmittel in allen
Fällen, in denen körperliche Schmerzen den Schlaf stören. Die Dosen betragen
0,6—1,0 g. Grimme.
Reichel (334) versuchte Medinal bei 39 Pat., die schon meist an andere Hyp-
notika gewöhnt waren, so daß neben der gewöhnlich ausreichenden 0,5 g-Dosis
öfters die 1,0 g-Dosis gegeben werden mußte. Der Schlaf dauerte die ganze Nacht;
auch dann, falls kein Schlaf eingetreten ist, blieben die Pat. ruhig und still auf dem
Bett. Extrem selten reagierten einige Pat. auf die 1,5 g-Dosis; bei solchen hat sich
dann zweistündige Ordination von 0,26 g-Dosen bewährt. Irgendwelche unan¬
genehme Folgen hat Verf. nicht beobachtet, trotzdem er das Präparat auch bei
Tuberkulösen, Nephritikem, Arteriosklerotikern, Herzkranken usw. angewendet
hat. Ebenfalls keine Angewöhnung konnte konstatiert werden; manche Pat.
schliefen nach 30—lötägiger Behandlung auch nach gewöhnlichen Dosen gut ein.
Jar. StuchWc (Zürich).
Zuelchaur (460) hat das von der Gesellschaft für chemische Industrie in Basel
in den Handel gebrachte neue Schlafmittel Dial-Ciba-Diallylbarbitursäure bei
Neurosen, Neurasthenie, Hysterie und bei Psychosen ausprobiert. Es wirkt in
kleineren Dosen als Veronal und ist etwas billiger als andere Originalpräparate.
Es kommt in Tabletten in der Stärke von 0,1 in den Handel. Bei leichteren Fällen
von Schlaflosigkeit wirken schon 1— iy 2 Tabletten; bei stärkeren Störungen, wie
sie bei Psychosen Vorkommen, müssen 2—4 Tabletten gereicht werden. Auch als
Sedativum war es in der Dosis von 3mal täglich 1 Tablette wirksam. Grimme.
Wemecke (439) berichtet über Dial-Ciba, das er an 34 Fällen von Geisteskrank-
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Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
heit probiert hat. Es ist bei leichteren und mittelschweren Fällen von Schlaflosigkeit
in Dosen von 0,1—0,3 ein brauchbares SchlafmitteL Bei schweren Erregungen
versagt es zum großen Teil und ruft auch vorübergehend Nebenerscheinungen
hervor. Grimme.
C. Schmidt (363) berichtet günstig über das neue Schlafmittel Dial-Ciba bei
Psychosen. Bei Paralytikern, arteriosklerotisch Dementen und hochgradig manisch
Erregten war die Wirkung weniger gut. Als Schlafmittel wirkte es in der Dosis
von 0,1—0,2. Grimme.
Juliusburger (186) berichtet über seine Versuche mit dem neuen Schlafmittel
Dial-Ciba. Bei schwereren Erregungszuständen psychomotorischer Art sah ei keine
nennenswerte Wirkung, eine gute dagegen bei Angstzuständen in der Dosis von
0,05—0,01 3mal täglich. Auch als Schlafmittel wirkte es meistens schnell und
nachhaltig in der Stärke von 0,1. Grimme.
Lob (236) hat Untersuchungen über das Schicksal des Phenovals im Körper
angestellt. Phenoval, ein neues, von Riedel hergestelltes Beruhigungs- und Schlaf¬
mittel, enthält Brombaldriansäure und Phenazitin. Es wird wahrscheinlich un¬
verändert resorbiert und erst später in die beiden Bestandteile gespalten. Hierbei
wird Bromvalerianasäure weiter oxydiert. Das Brom wird zum Teil mit den Fäzes
alsbald wieder ausgeschieden, während bei mehrmaliger Darreichung es zunächst
stark zurückgehalten und nur nach und nach wieder ausgeschieden wird. Grimme.
Lienau (232) nimmt unter gewissenhaftester Beachtung der ärztlichen In¬
dikationsstellung, der rechtlichen, moralischen und ethischen Begriffe in der Beur¬
teilung der Einleitung eines Abortes bei geisteskranken Frauen einen etwas weiteren
Standpunkt ein als mancher andere Psychiater. Er sagt, daß dem bona fide ausge¬
führten Abort rechtliche und sittliche Bedenken nicht entgegenstehen. Er sei bei
Psychosen in allen Fällen angezeigt, wo das Fortbestehen der Schwangerschaft die
Psyche der Mutter ernstlich und dauernd gefährdet und wo der behandelnde Arzt
und der Psychiater durch Unterbrechung der Schwangerschaft die Gefahr für die
Mutter beseitigen zu können glauben. Der Standpunkt, nach dem der künstliche
Abort bei den „echten“ Geisteskrankheiten kaum in Betracht komme, sei imhaltbar.
Gerade bei diesen sollte häufiger als bisher ein Versuch der Rettung unternommen
werden. Dagegen sei bei der schweren Depression der Psychopathen in gewissen
Fällen die Erzwingung der Anstaltsbehandlung dem künstlichen Abort vorzuziehen.
Grimme.
Meyer (256) hat schon wiederholt zu dieser Frage Stellung genommen; er
setzt seinen bekannten Standpunkt nochmals auseinander und begründet ihn;
er will bei der Indikation des künstlichen Abortes wegen psychischer Störung bei
aller Bewertung der individuellen und allgemeinen Verhältnisse doch auf die Diagnose
das Hauptgewicht gelegt wissen. „Die Wesensänderung ist keine isolierte Er¬
scheinung, sondern nur als ein Symptom der betreffenden Krankheitsform von
Bedeutung.“ „Der künstliche Abort ist nur dann indiziert, wenn das Fortbestehen
der Schwangerschaft die dringende Gefahr in sich schließt, daß ein dauerndes
schweres Nervenleiden entstehen wird, das auf keine andere Weise zu beseitigen
ist und von dem man mit Bestimmtheit erwarten kann, daß es durch die Unter-
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Umpfenbacb, Funktionelle Psychosen. 127 *
brechung der Schwangerschaft geheilt bzw. in der Entwicklung für die Dauer
gehemmt wird.
Weygandt (440). Vortrag über die Anwendung der Dauerbäder und die Ein¬
richtungen hierfür in den Anstalten unter Hinweis auf die Schaffung reichlicher
Badegelegenheiten in den neuen Teilen der Friedrichsberger Anstalt. Grimme.
Thumm (414) hat im Lindenhaus bei Lemgo Versuche mit intramuskulären
Injektionen von Magnesiumsulfat angestellt, aber bei psychischen Erregungs¬
zuständen keinen wirksamen Erfolg gesehen. Ebenso versagte das Magnesiumsulfat
als Antispasmodikum bei Epilepsie. Nur bei einigen Fällen von Idiotie mit motori¬
schen Erregungszuständen waren günstige Erfolge zu verzeichnen. Grimme.
Robertson (338) befürwortet die ausgedehnte Anwendung der Serumtherapie
in den Irrenanstalten. Für die verschiedensten Infektionskrankheiten gibt es bereits
wirksame Impfstoffe. Auch auf dem Gebiete der Geisteskrankheiten hat sich diese
Therapie vielfach bewährt, noch mehr aber gilt es hier zu erforschen. Ganter.
Gordon (128): Von dem Gedanken ausgehend, daß die toxischen Elemente
des einen Epileptikers den toxischen Elementen eines andern Epileptikers entgegen¬
wirken und damit die Himreizung herabsetzen, hat Verf. den durch Punktion bei
einem Epileptiker gewonnenen Liquor cerebrospinalis einem andern subkutan ein¬
gespritzt, und zwar jeweils 3, auch 6 ccm, etwa 2mal wöchentlich. 4 Fälle wurden
so behandelt. Die Anfälle verminderten sich und wurden leichter, die Stumpf¬
heit wich. Ganter.
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a) Manisch-depressives Irresein.
Ällers (4) bringt hier ein ausführliches Referat über die bisherigen Arbeiten
betr. Stoffwechsel beim manisch-depressiven Irresein. Er schließt, daß sich von
keiner Seite aus stichhaltige Einwendungen erheben lassen gegen die Auffass ung ,
daß die Stoffwechselveränderungen beim manisch-depressiven Irresein Folgen des
psychotischen Zustandes sind.
Bonhomme (21) will durch Verabreichung eines Brechmittels (Tart. stib. 0.05,
Ipecac. pulv. 1,0, in 3 Teilen zu nehmen) oft manische Erregungszustände im Beginn
unterdrückt haben, oder wenn dies nicht gelang, die Anfälle wesentlich gemildert
haben. Auch in einigen Fällen von Verwirrtheit hatte er damit Erfolg, dagegen
bei Melancholie nicht.
Brown (24) weist an der Hand von 8 Krankheitsfällen von langer Dauer darauf
hin, daß manche Fälle von manisch-depressivem Irresein nicht in Heilung über¬
gehen, sondern es tritt ein mehr oder weniger großer geistiger Verfall ein, ein Zu¬
stand, der in gewisser Beziehung Ähnlichkeit hat mit den Zuständen, die man bei
länger dauernder Epilepsie beobachtet. Vielleicht spielen in solchen Fällen besondere
ätiologische Momente mit.
Strohmeyer hat hier (226) für die Grenzfragen des Nerven- und Seelenlebens
(herausgegeben von Loewenfeld) das manisch-depressive Irresein für einen weiteren
Leserkreis dargestellt. Er folgt in allen Stücken Kraepelin.
Zimmermann (245) konnte bei seinen manisch-depressiven Psychosen in 80%
und darüber eine Belastung durch den Erbgang feststellen. Die Periodiker stammen
meist aus Familien, in denen ein gehäuftes Auftreten von Geisteskrankheiten vor¬
kommt. Die Psychose verhält sich anscheinend dominant, während die Dementia
praecox mehr einen rezessiven Typ vorstellt. — Es muß aber auch betont werden,
daß periodische Seelenstörungen sicher in nicht erblich belasteten Familien Vor¬
kommen. Ein großer Teil der Manisch-Depressiven erweist sich schon während der
Schulzeit als in die Kategorie der mehr oder weniger leicht abnormen Kinder gehörig.
Ein eigentümlicher Zusammenhang scheint zwischen der Psychose und den Vor¬
gängen des Geschlechtslebens zu bestehen, wie denn auch in den Entwicklungs-
j ähren die Ziffern der zum ersten Mal Erkrankten sogleich gewaltig in die Höhe
geht, um noch einmal im Klimakterium einen leichten Anstieg zu zeigen.
b) Paranoia.
Riebeth (181) vermehrt die Literatur des induzierten Irreseins um 6 Fälle.
Eine primär geistig erkrankte Person kann sekundär bei einer andern Prädisponierten
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Umpfenbach, Funktionelle Psychosen.
145*
eine psychische Störung durch emotionelle Einwirkung hervorrufen, deren Be¬
schaffenheit durch die Disposition bestimmt wird, ohne daß eine Übertragung statt¬
findet. Bei der Übertragung (Induktion) handelt es sich um Überpflanzung von
Symptomenkomplexen, und zwar in der Kegel paranoiden Inhalts. Die Übertragung
von Stimmungsanomalien depressiver Natur mit konsekutiven Wahngebilden ist
jedenfalls sehr selten. Durch Induktion werden bei den Sekundärerkrankten
psychogene Krankheitsformen hervorgerufen, dazu ist aber eine psychogene Dis¬
position (Suggestibilität) nötig, die mit Debilität, Imbezillität, psychopathologischer
Minderwertigkeit vereint sein kann. Besonders häufig ist die Induktion des 'Queru-
lantenWahnsinns. Wahrscheinlich wird auch die Paranoia im engeren Sinne sekundär
hervorgerufen werden können. Auch bei den organisch bedingten Psychosen inkl.
Dementia praecox-Gruppe ist bei der Induktion eine psychogene Veranlagung sehr
wahrscheinlich. Eine Übertragung von psychopathologischen Elementen kommt
auch bei Geistesgesunden vor; auch Querulantenwahnsinn kann bei solchen in¬
fizierend wirken. Eine Übertragung einer Psychose auf eine geistig gesunde Person
durch Induktion ist nicht bewiesen.
Sehnizer (203), der hier die Krankengeschichten eines Ehepaares bringt,
kommt zu folgenden Schlössen: Es gibt eine selbständige paranoische Wahn¬
bildung, die nicht nur ein Zustandsbild im Ablauf einer andern Krankheitsart ist.
Sie entsteht auf endogenem Boden, reaktiv und psychogen. Ihre Erscheinungen
sind: reine kombinatorische Wahnbildung aus überwertiger Idee, Affekt, Eigen¬
beziehung, Mißdeutungen, Erinnerungsfälschungen und Systematisierung sind
durch diese Idee zentriert und umgrenzt. Es handelt sich um eine abnorme Ent¬
wicklung psychopathischer Individuen unter imgünstigen äußeren und inneren
Lebensbedingungen. Entstehung und Art der Wahnbildung sind die wesentlichen
Merkmale dieser Krankheitsart, die Wahnfabel ist nebensächlich. Unter dem Ver¬
folgungswahn, Querulanten-, Erfinder- und sonstigem Größenwahn findet man
gleichberechtigte Erscheinungsformen dieser Krankheit. Aus Zweckmäßigkeits¬
gründen ist diesem Krankheitsbilde die Bezeichnung Paranoia auch weiter zu
belassen.
Willige (241) teilt seine kasuistischen Beiträge ein in: akute paranoische Er¬
krankungen bei exogenen Vergiftungen, bei inneren Erkrankungen usw., bei De¬
generierten (Epileptiker, Hysterische, Haftpsychosen, Querulanten, Induzierte,
Schwachsinnige), akute paranoische Psychosen ohne deutliche Ätiologie (idio¬
pathische ? Paranoia). Er bespricht nur diejenigen nicht chronischen paranoischen
Zustände, die als selbständige psychische Erkrankungen auftreten. In den meisten
Fällen ist freilich eine einheitliche Ätiologie nicht nachzuweisen, sondern es spielen
mehrere ätiologische Faktoren eine Rolle. Von den exogenen Giften kommt nur
dem Alkohol eine größere ätiologische Bedeutung für die Entstehung akuter para¬
noider Zustände zu. Auch bei inneren Krankheiten kommen diese Zustände nur
ganz vereinzelt vor. Dagegen sind hierbei das Rückbildungs- und das Greisenalter
von wesentlicher Bedeutung. Doch sind alle diese ätiologischen Faktoren nicht die
Grundursache der akuten paranoischen Psychosen, dieselbe ist vielmehr zu suchen
in einer primären paranoischen Veranlagung des betreffenden Individuums, eine
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latente Veranlagung, die durch eine der erwähnten ätiologischen Faktoren manifest
wird. Deutlicher wird dieser ätiologische Zusammenhang bei den akuten para¬
noischen Psychosen der Degenerierten aller Art. W. verlangt das Vorhandensein
einer speziellen paranoischen psychopathischen Konstitution. Dieselbe ist freilich
oft nicht nachweisbar infolge mangelhafter Anamnese usw. Immerhin gibt W. die
Möglichkeit zu, daß akute paranoische Psychosen als selbständige Erkrankungen
bei nicht paranoisch Veranlagten in seltenen Fällen Vorkommen, wenn auch in der
Hallenser Klinik ein solcher Fall einer wirklich idiopathischen Paranoia acuta im
Sinne Thomsen s nicht nachzuweisen war. Solche Fälle dürften dann mit Vorliebe
während der Involution auftreten (akute Involutionsparanoia).
c) Dementia praecox.
Coriat (33) verspricht sich in bezug auf Dementia praecox nicht viel von den
pathologisch-anatomischen Forschungen, von der psychopathologischen Analyse
alles. Daher beschäftigt er sich hier ausführlich mit Bleulers Monographie.
Ehrniger (49) fand bei seinen Geisteskranken überhaupt 3—3,6 gesunde Ge¬
schwister auf ein krankes, bei Schizophrenen aber nur 2,3—3,0. Er verfügt über
26 Familien mit je 4 Kindern, von denen immer nur eines schizophren war. Also
die Afendefeche Proportion. Die Eltern waren in diesen Familien geistig gesund.
Das Merkmal Schizophrenie ist in diesen Eltern latent enthalten und vererbt sich
regressiv. E. kommt zu folgenden Ergebnissen: Die Schizophrenie verhält sich
gegenüber der geistigen Gesundheit regressiv. 1. Bei dem Zusammentreffen eines
gesunden und kranken Keimes entsteht ein geistig gesundes Individuum, die schizo¬
phrene Anlage ist latent. 2. Beide Eltern sind heterozygot gesund. Die gesunden
und schizophrenen Kinder zeigen das Verhältnis von 3 :1 (Af endefache Proportion).
3. Ein Elter ist homozygot gesund, der andere ist schizophren. Die Kinder sind
alle gesund, aber heterozygot. 4. Ein Elter ist heterozygot gesund, der andere ist
schizophren. Die Hälfte der Kinder ist heterozygot gesund, die andere ist schizo¬
phren. 6. Beide Eltern sind schizophren. Sämtliche Kinder sind schizophren. —
E. will auch oft den Eindruck gehabt haben, als ob die im höheren Alter auftretende
senile Himatrophie die schizophrene Anlage mobilisiere, wodurch dann der senile
Verfolgungswahn entsteht, während die einfache senile Verblödung nur bei homo¬
zygot Gesunden auftritt.
Giese (61) fand unter 347 Fällen von Schizophrenie bei 63,4% bereits im
Kindesalter irgendwelche Anomalien auf psychisch-neurotische Geburt, meistens
schizophrene Frühsymptome. Gewisse Anomalien sind mit Spasmophilie in Ver¬
bindung zu bringen. Man darf nicht alle epileptischen Symptome in der Vor¬
geschichte der Schizophrenen auf die Schizophrenie zurückführen, als Frühsymptome
ansehen. 8—9% der Fälle von Giese haben im Kindesalter bereits an Krämpfen
irgendwelcher Art gelitten. Als Frühsymptom der Schizophrenie wird man epi¬
leptische Syndrome dann nicht ansehen dürfen, wenn zur Zeit ihres Auftretens
manifeste Erscheinungen der Schizophrenie noch nicht vorhanden sind oder auch
nicht kurze Zeit nachher sich bemerkbar machen. Für die Annahme einer Kom¬
bination von Epilepsie und Schizophrenie ist zu fordern eine gewisse Unabhängig-
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Umpfenbach, Funktionelle Psychosen.
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keit der einzelnen Teilphase des gesamten Krankheitsbildes, so daß jede der beiden
während eines längeren Krankheitsabschnittes wenigstens in ungetrübter Reinheit
nachweisbar ist. Es scheint irgendein innerer Zusammenhang in der Reihe Spasmo-
philie — Epilepsie — Schizophrenie vorhanden zu sein. In einzelnen Fällen der
Kombination Epilepsie-Schizophrenie kann die Epilepsie exogen bedingt sein.
Auch kann durch Alkoholismus ein kombiniertes Bild entstehen. Nur solche Fälle
können als Kombination angesprochen werden, in denen zuerst während eines
längeren Zeitraums die Epilepsie für sich bestanden ha,t; Fälle, in denen beide
Krankheiten gleichzeitig eingesetzt haben oder die Epilepsie später als die Schizo¬
phrenie aufgetreten ist, können nu; dann als Kombinationen in Betracht kommen,
wenn sich die Epilepsie mit Sicherheit auf bestimmte exogene Momente zurückführen
läßt. In allen übrigen Fällen muß die Epilepsie als Symptom der Schizophrenie
angesehen werden. Handelt es sich demnach in der Regel anfangs immer um eine
sukzesssive Kombination, so kann, nachdem die Schizophrenie manifest geworden ist,
das Bild der simultanen Kombination längere Zeit bestehen. Kommt es zu einem
weitergehenden Zerfall der Persönlichkeit oder zu einer ausgesprochenen schizo¬
phrenen Demenz, so werden durch diese die psychisch-epileptischen Symptome in
der Regel verdeckt. Dagegen können schizophrene Psychosen mit relativ günstigem
Ausgang nach ihrem Abklingen das ursprüngliche Bild eines imbezill-epileptischen
Zustandes nur wenig verändert wieder zum Vorschein kommen lassen.
Goldstein und Reichmann (63) raten, den Blutbefund nur mit großer Vorsicht
für die Diagnose der Dementia praecox zu verwerten. Blutbildverschiebungen
kommen z. B. auch bei manisch-depressivem Irresein vor. Doch darf die Vereini¬
gung niedriger, absoluter Erythrozytenzahlen mit relativer Erythrozytensteigerung
bei hohen Erythrozytenwerten und die durch Erregungszustände ausgelöste absolute
Leukozytose mit Hypoglobulin als wahrscheinlich der Dementia praecox allein
zugehöriger Blutbefund aufgefaßt werden.
Charakteristisch für die Dementia praecox scheint die Beeinflußbarkeit des
Blutbildes durch minimale Adrenalin- und Pilokarpindosen zu sein. Verf. kon¬
statierten eine elektrische anodische Übererregbarkeit bei Dementia praecox, die
als konstantes und gegenüber andern Psychosen mit ähnlichen Zustandsbildem
wohl differentialdiagnostisch verwertbares Zeichen aufgefaßt werden darf. Dies
weist, wie bei der Spasmaphilie, auf eine Störung der Nebenschilddrüsentätigkeit
hin. Der Blutdruck wird durch Adrenalin nicht gesteigert.
Räuber (78) hat außer bei Paralyse auch in 20 Fällen von Dementia praecox
Nukleinsäure-Injektionen gemacht. Er hat den Eindruck, daß in einzelnen Fällen,
in relativ frischen Fällen, ein Nutzen nicht zu verkennen war, namentlich sah er
bei Pfropfhebephrenie, allerdings Nuklein mit einer Thyreoidinkur, recht gute Re¬
missionen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß durch eine solche Behandlung eine
Steigerung der Remissionsfähigkeit erzielt werden kann. Bei 6 Fällen von manisch-
depressivem Irresein sah U. keine wesentliche Beeinflussung des Krankhoitsver-
lanfes, meistens verweigerten übrigens diese Kranken die Injektion.
E. Mayer (139) spricht sich hier für die Ansichten von Bleuler und seine
Schüler inbetreff der Schizophrenie aus.
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Mollweide (148) hat bereits in einer früheren Arbeit die Dementia praecox den
endogenen Aufbrauchskrankheiten Edingen zugewiesen. Die von Londe, Jen-
drdssik , Higier und Bing aufgestellten Gesetzmäßigkeiten, welche für die Ein¬
ordnung einer Erkrankung in die faradofamiliäre Gruppe gefordert werden müssen,
nämlich: Vorherrschen der homologen Heredität, innerhalb derselben Generation
homochrone Heredität, endogene Grundlage und Progressivität des Krankheits¬
prozesses, weist Jf. hier auch für die Dementia praecox nach. Bei beiden Krank¬
heiten spielen weiterhin Keimschädigungen eine große Rolle. Für die Dementia
praecox sprechen im Sinne der Aufbrauchshypothese die psychopathischen Züge
im Vorleben der Dementia praecox-Kranken, das häufige Auftreten der Erkrankung
im Gefängnis.
Gegen die Fausersche Theorie einer primären Dysfunktion des innersekretori¬
schen Anteils der Keimorgane und einer sekundären Dysfunktion der Hirnrinde
spricht noch M., daß der Abbau der Geschlechtsdrüsensubstanz sich auch bei
andern Krankheiten findet, z. B. Basedow. Und während bei den uns bekannten
Erkrankungen endokriner Organe diese letzteren anatomische Anomalien zeigen,
welche den Hinweis auf das jeweils vorwiegend erkrankte Organ geben können,
ist dies bisher bei der Dementia praecox für die Keimdrüse nicht der Fall. Die
Osteomalazie kommt bei allen möglichen Psychosen vor, nicht nur bei Dementia
praecox, und tritt bei letzterer oft erst viel später als die Psychose auf. Stoffwechsel¬
störungen kommen allerdings bei Dementia praecox häufig vor, doch bleibt dabei
immer die Möglichkeit, daß eine primäre Erkrankung der Hirnrinde sekundär zu
Störungen der mit ihr funktionoll verknüpften Organe und innerer Sekretion führt.
Auch besteht noch die dritte Möglichkeit, daß es sich bei den nachgewiesenen Abbau¬
produkten der Ovarien um normale Sekrete handelt, welche infolge der Erkrankung
der Hirnrinde in derselben nicht mehr verwertet werden können und deshalb in
vermehrter Menge im Blute zirkulieren.
Muth (161) berichtet hier über pädagogische Versuche, die er bei einem
16jährigen Dementia praecox-kranken Jungen der besseren Stände angestellt hat.
Die Versuche fielen mehr oder weniger negativ aus. Die höchst interessanten Be¬
obachtungen und Ausführungen eignen sich nicht zu einem kurzen Referat.
Olerholsers (156) jahrelange Beobachtungen von Schizophrenen sprechen
für die Gleichartigkeit der Vererbung. Wenn in der Aszendenz eines Menschen
Dementia praecox vorkam, so kommt es in der Nachkommenschaft, wenn andere
belastende oder keimschädigende Momente fehlen und keine andern krankhaften
Anlagen eingeführt werden, stets nur zu schizophrenen Erkrankungen. Die Frage,
wieviel Schizophrene in gleichem Sinne belastet sind und wieviele ihrer Kinder
wiedererkranken, will 0. noch offen lassen. Die schizophrene Erkrankung hat er in
überwiegender Mehrzahl sowohl auf der väterlichen wie auf der mütterlichen Seite
wiedergefunden, wenn auch nur in den Seitenlinien. Es überwiegt in der Genealogie
die nach außen als sprunghaft imponierende Vererbung; Generationen und ganze
Linien können übersprungen werden und die Erkrankung sich nur in den Seiten¬
linien wiederfinden.
Bei 0 .s Material sind meist beide Eltern gesund; doch findet sich die Krankheit
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Umpfenbach, Funktionelle Psychosen.
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in Aszendenz und Seitenlinien wieder. Nur selten fand 0. bei einem schizophrenen
£lter, vorausgesetzt, daß der andere Elter gesund war, praecox-kranke Kinder.
Weiterhin untersuchte 0., in welcher Zahl die Kinder überhaupt erkranken,
und fand, daß die Verhältniszahlen genau dieselben sind, wie sie Mendel bei seinen
Pflanzenversuchen gefunden hat. Die schizophrene Veranlagung vererbt sich nach
dem Mendels chen Gesetz wie ein rezessives Merkmal. Ein schizophrenes Individuum
hat die Anlage von seiten beider Eltern, der heterozygotische Gesunde nur von
einer Seite. O. versucht dann weiterhin, den Menc(elismus mit den übrigen Tat¬
sachen in Einklang zu bringen; er zeigt auch, weshalb bei Inzucht eine Zunahme
der schizophrenen Erkrankung statthat. 0. kann bestätigen, daß bei Paarung zweier
heterozygotisch gesunder Eltern zumeist auf je 2 Kinder 1 krankes kommt.-
Die geistig Gesunden der O.schen Genealogien sind zweierlei Natur: die homo-
zygotisch und die heterozygotisch Gesunden, welch letztere das schizophrene Gen
ebenfalls besitzen. Diese letzteren sind nicht immer gesund, sondern genießen, wie
0. sagt, ihre Gesundheit häufig mit einer mehr oder weniger großen Beeinträchti¬
gung. Viele Geschwister der Schizophrenen haben einen „Knacks“ weg. Daraus
rekrutieren sich teilweise die abnormen Charaktere, die Sonderlinge, Trinker, Selbst¬
mörder, Hypochonder usw. Viele von den der Dementia praecox Verdächtigen
gehören zu den Heterozygoten.
Pellacani (170) experimentierte mit dem Extrakt von Hoden, Hypophyse,
Thyreoidea und Hirnrinde von jugendlichen Dementia praecox-Kranken. Bei 22
an Dementia praecox Leidenden fielen die Versuche im Blutserum und Liquor
negativ aus.
Nach Bosental (187) ist das Auftreten der Himschwellung im Reichardlschen
Sinne bis jetzt noch nicht völlig klargelegt. Die Hirnschwellung ist ein physikali¬
scher Sektionsbefund. Der Beweis dafür, daß es intravitale Hirnschwellungsvorgänge
gibt, ist bis jetzt nicht erbracht worden. Es läßt sich nicht ausschließen, daß eine
Himschwellung nach flem Tode entstehen kann; dies kommt dann in Betracht,
wenn sich in einem geschwollenen Gehirn bei der histologischen Untersuchung
amöboide Umwandlung der Neuroglia findet, weil diese histologische Veränderung
Beziehungen zu abnormen Flüssigkeitsverhältnissen in Gewebe aufweist und auf
postmortalen Veränderungen beruhen kann.
Es gibt verschiedenartige histologische Befunde, welche eine Erklärungs¬
möglichkeit für eine Volumsvermehrung des Gehirns geben; einerseits ist es die
amöboide Umwandlung der Neuroglia, anderseits aber auch Strukturveränderun¬
gen, welche entschieden nur auf intravitalen Krankheitsvorgängen im Gehirn be¬
ruhen können.
Schmidt (200) hat bei 70 Krankheitsfällen Versuche mit Adrenalin gemacht,
34 Fälle von Dementia praecox (Katatonie und Hebephrenie) und 36 Fälle von
psychisch Gesunden und Psychosen anderer Art (Alkoholiker, Epileptiker, Zirku¬
läre und Paralytiker). Bei allen untersuchten Katatonikem und Hebephrenen blieb
die Injektion von Adrenalin ohne Einfluß auf den Blutdruck. Dagegen reagierten
die andern 36 Fälle ohne Ausnahme mit der üblichen Blutdrucksteigerung. Je
frischer und je intensiver die klinischen Erscheinungen der Dementia praecox,
desto ausgesprochener diese Unempfindlichkeit.
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Schneider (202) weist zunächst darauf hin, daß man katatone Erscheinungen
auch bei Geistesgesunden sieht, namentlich in Ermüdungszuständen, daß man solche
Erscheinungen bereits in der Kinderstube beobachtet, vor allem kataleptische. Aus
der Literatur weist er weiterhin nach das Vorkommen dieser Erscheinungen bei zahl¬
reichen somatischen Erkrankungen und wohl bei allen geistigen Krankheitszustän¬
den, ausgehend von Imbezillität bis zu den funktionellen Psychosen. Ausführlich
kommt das Verhältnis zwischen Epilepsie und Katatonie zur Sprache. Danach
kann es bei jeder Form geistiger Erkrankung vorübergehend zu katatonischen Zu-
standsbildem kommen, wenigstens zu Perseveration, sprachlichen und motorischen
Stereotypien, Echoerscheinungen, Stupor und Katalepsie; andere katatone Er¬
scheinungen beobachtet man fast nur in epileptischen Zuständen.
Sch. bespricht dann die Versuche, die gemacht wurden, für diese im engeren
Sinne katatonen Erscheinungen, die man so häufig zusammen trifft, eine gemein¬
same Grundlage zu finden. Die Perseverationstendenz ist ein physiologisches Phä¬
nomen ( Müller-Silzecker ). Diese Tendenz ist in ermüdetem Zustand vermehrt. Die
falsche perseverierende Vorstellung ist nach Heilbronner gewissermaßen nur ein
Lückenbüßer, welcher für die aus irgendeinem Grunde ausfallende richtige eintritt.
Das Primäre des perseveratorischen Systems ist in einem primären Ausfall zu suchen.
Kommt zu den Perseverationsbedingungen der Rededrang, so ist die Verbiparations-
erscheinung da, kommt andererseits der Bewegungsdrang hinzu, so hat man die
motorische Stereotypie. Die Echoerscheinungen kann man als Schwäche und Aus¬
fallerscheinung auffassen; sie sind nur eine besondere Form der Perseveration.
Wie Kinder zeigen, besteht auch eine physiologische Echotendenz. Von der Heil-
bronnerschen Perseverationstheorie aus lassen sich die Akinese und Mutazismus
erklären, schwieriger die Katalepsie. Nach Raynar Vogt ist die physiologische Per¬
severationstendenz der Vorstellungen um so größer, je leerer das Bewußtseinsfeld
von nachfolgenden Vorstellungen ist. Bei den Katatonikem ist das Bewußtsein
verengert. Daher neigen Benommenheitszustände besonders zum Auftreten von
katatonen Symptomen. Daher auch die katatonen Zustandsbilder bei somatischen
und im engeren Sinne organisch-nervösen Erkrankungen usw. usw., auch bei Geistes¬
gesunden im Ermüdungszustand. Katatone Zustandsbilder können überall Vor¬
kommen, wo Störungen des Vorstellungsablaufes bestehen.
Schröder (206) zählte unter 606 Verstorbenen rund ein Drittel Schizophrene.
67% aller schizophrenen Verstorbenen starben an Tuberkulose. Die katatonische
Form der Schizophrenie disponiert in ungewöhnlichem Grade zu Tuberkulose. Die
Bekämpfung der Tuberkulose ist bisher wenig erfolgreich gewesen, zum großen Teil
deshalb, weil die Krankheit sich der frühzeitigen Erkennung entzieht. Bei früh¬
zeitiger Diagnose wäre eine Trennung von den Gesunden sehr vorteilhaft, daher
rät Schröder, alle Schizophrenen in kurzen Zwischenräumen zu wiegen und
zu messen, und bei Konstatierung der Tuberkulose möglichst baldiger Ent¬
lassung aus der Anstalt. — Nächst der Tuberkulose ist Marasmus die häufigste
Todesursache bei Schizophrenie. Trat der Verfall früh ein, so handelte es sich um
die katatonische Form. Auch bei Marasmus rät Schröder zu möglichst früher Ent¬
lassung aus der Anstalt.
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Sioli (216) teilt, nach ausführlicher Aufführung der Befunde in der psychiatri¬
schen Literatur, eigene Untersuchungen mit, die im Original nachgelesen werden
müssen. Seine Befunde zeigen einen unverkennbaren Unterschied von manisch-
depressiven und andern Psychosen; mit den Fauserschen Reaktionstypen stimmen
sie anderseits durchaus nicht überein.
Zimmermann (244) hat seine Versuche bei 50 Praecox-Kranken aller Art
gemacht, meist in der Türfeschen Zählkammer. Er verwendete die Türfesche Zähl¬
flüssigkeit. Bei allen Patienten wurden viermal Untersuchungen vorgenommen.
Es ergab sich: Bei der relativen Leukozytose handelt es sich fast immer um eine
Lymphozytose. Bei weit über 100 Untersuchungen wurde die Vermehrung der
kleinen Lymphozyten nur einmal vermißt. Die Vermehrung der kleinen Lympho¬
zyten ist in dem Verhältnis zu ihrem normalen Vorkommen nicht selten eine hoch¬
gradige. In */io der Fälle beteiligten sich an der Leukozytose auch die großen mono¬
nukleären Zellen und die Übergangszellen. Auffallend stark, ungofähr in */, der
Untersuchungen, fand sich eine hin und wieder stark ausgesprochene Eosinophilie.
Diese Vermehrung der Lymphozyten, Mononukleären und Eosinophilen voll¬
zieht sich auf Kosten der neutrophilen Zellen, deren Zahl ungefähr in 95% der Fälle
herabgesetzt angetroffen wird.
In einer Reihe von Fällen kam es zu einer sehr mäßigen Vermehrung der
Basophilen.
Die Lymphozytose, Mononukleose und die Eosinophilie scheinen nur geringen
Schwankungen ausgesetzt zu sein, während die absolute Zahlenmenge der meisten
Blutkörperchen in nicht selten weiten Grenzen zu schwanken scheint. Für die
Prognose sind aber diese Befunde allein nicht verwertbar, Lymphozytose und Ver¬
mehrung der großen Mononukleären findet sich bei den schwersten Verblödungs¬
formen und bei Fällen, die wesentlich gutartiger verlaufen. Von denjenigen Kranken,
bei denen die Eosinophilie anscheinend anhielt, betraf das Höchstkontingent stark
verblödete Patienten. Es muß aber betont werden, daß sich mitunter bei schwer
dementen Kranken Blutbefunde erheben lassen, die aber auch in keiner Weise sich
wesentlich vom Normalen, wenn man die Lymphozytose abrechnet, unterscheiden.
d) Sonstiges.
Albrecht (2) berichtet hier kurz über 138 Fälle von Involutionspsychosen. Er
beschäftigt sich nur mit den funktionellen Erkrankungen des Rückbildungsalters,
die Frauen befinden sich alle post cessationem mensium. Arteriosklerotische oder
Herderkrankungen sind ausgeschlossen. Die Fälle sind eingeteilt in Melancholie
(einfache Melancholie, agitierte [Angst-jMelancholie, depressiver Wahnsinn), Manie,
präseniler Beeinträchtigungswahn, präsenile Paraphrenie (Involutionsparanoia
Kleist). 114 Fälle gehören der Melancholie an, für Manie und präsenilen Beein¬
trächtigungswahn fehlen A. die Fälle.
Albrecht will die Melancholie des Rückbildungsalters als selbständige Krank¬
heitsform aufrechterhalten, sie gebt nicht restlos in das manisch-depressive Irresein
auf. Die agitierte Melancholie ist symptomatologisch nicht sicher von der einfachen
Melancholie zu trennen; in Rücksicht auf ihren Verlauf und Ausgang stellt sie viel-
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Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
leicht eine besondere Krankheitsform dar. Der depressive Wahnsinn ist zweck¬
mäßig als Unterform der Melancholie beizubehalten. Es gibt eine Reihe von Melan¬
cholien im Rückbildungsalter, die in Demenz ausgehen, ohne daß eine Arterio¬
sklerose für diesen Ausgang ursächlich verantwortlich gemacht werden kann. —
Fälle von isoliert stehender Manie im Rückbildungsalter sind zum mindesten äußerst
selten.
Der präsenile Beeinträchtigungswahn Kraepelins ist als selbständige Krank¬
heitsform nicht aufrechtzuerhalten, er ist vor allem ein passageres Zustandsbild im
Verlauf einer chronischen, mit Wahnvorstellungen und Sinnestäuschungen einher¬
gehenden, an die Rückb'ildungsjahre gebundenen Geistesstörung, die A. als prä¬
senile Paraphrenie bezeichnen möchte (Involutionsparanoia). Wahrscheinlich ist
dieselbe als eine besondere Krankheitsform, vielleicht auch nur als eine praktisch
bedeutsame Unterform der Paraphrenie Kraepelin s aufzufassen.
GoUa (64) hat seine Versuche auf die meisten Psychosen ausgedehnt, auch
auf die organischen Erkrankungen des Zentralnervensystems außer Lues und
Metalues.
Gordon (66) bringt hier eine reichliche Kasuistik. Bei einer ganzen Reihe der
Fälle bestanden seit Jahren nur Halluzinationen. In andern Fällen handelt es sich
um zwanghafte Halluzinationen. Die Zwangsvorstellungen sind das Primäre, erst
später treten Halluzinationen auf. Derartige Zustände können auch in wirkliche
Psychosen übergehen.
Itten (100) beschäftigt sich mit Dementia praecox, Epilepsie, Psychopathien,
Imbezillität und Idiotie. Hämatologische Untersuchungen ergaben bei weitaus
der Mehrzahl der Schizophrenien von der Norm abweichende Befunde. Das Blutbild
wechselt mit dem Zustandsbilde. In manchen Fällen nehmen mit der Besserung die
mononukleären Zellen ab, die polynukleären (Neutrophilen und Eosinophilen) zu,
bei Verschlechterung dagegen die Mononukleären zu auf Kosten der Neutrophilen,
meist auch der Eosinophilen. Daneben gibt es auch Fälle von Remissionen ohne
Zurückgang der Mononukleose. Völlige Heilung ohne Blutbesserung sah Itten nie.
Pathologische Befunde kommen bei allen Formen der Schizophrenie vor. Die
Schwankungen im Blutbild sind bei Paranoiden seltener als bei Katatonikern und
Hebephrenen. Frisch erkrankte oder akute Schübe weisen oft eine Leukozytose
auf mit gleichzeitiger Beteiligung der Neutrophilen und Lymphozyten, auch ohne
Erregung. Chronische Fälle aller Gruppen zeigen in ca. 4 / 6 der Fälle eine Lympho¬
zytose. Lymphozytose und Eosinophilie sowie gelegentliche körperliche Symptome
von der Art des Status thymico-lymphaticus deuten mit aller Wahrscheinlichkeit
auf eine pathologische Funktion der Blutdrüsen.
Mayer bringt hier (140) zwei sehr interessante Krankengeschichten. Im ersten
Falle handelt es sich um ein 19jähriges, bisher gesundes Mädchen mit akuter Er¬
krankung der Schilddrüse und der Ovarien, vielleicht auch der Nebennieren, das
zunächst das Bild des partiellen Stupors zeigt, bei Behandlung der erkrankten
Schilddrüse aber ein anderes Zustandsbild bot, das teilweise einer heiteren Manie,
in der Hauptsache aber einer echten Katatonie glich. Mit der Änderung im Ver¬
halten der erkrankten Drüsen ging die Änderung des psychischen Bildes einher.
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Mit dem Abklingen der Psychose funktionierten auch die Drüsen wieder normal.
Demnach bleibt nur die Möglichkeit eines Kausalzusammenhangs.
Im zweiten Falle, der einen 34jährigen Mann betraf, handelt es sich um einen
akuten Basedow, der psychisch, abgesehen von Katatonie, eigentlich alle Krankheits¬
bilder der gesamten Psychiatrie bot. Den Schluß machte ein länger dauernder,
ängstlich-weinerlicher, depressiver Zustand. Ätiologisch kommt auch hier nur die
Schilddrüse in Betracht.
Moravesik beginnt (149) eine Serie von klinischen Mitteilungen mit der richti¬
gen Begründung, daß es nicht wertlos ist, wenn interessante und lehrreiche Beob¬
achtungen auch ohne größeren literarischen Hintergrund der Öffentlichkeit über¬
geben werden. M. berichtet hier über Geistesstörungen nach Hirnblutung, Lyssa,
operativen Eingriffen. Sehr interessant sind die Beiträge zu den künstlich hervor¬
gerufenen Halluzinationen, Beiträge zu den Zwangsvorstellungen, ein Fall von Syn¬
ästhesie, paraphrenische Symbolisierung, Fälle von Alzheimerscher Krankheit.
Mit Pappenheim und Groß (167) beginnen die Zwanglosen Abhandlungen aus
den Grenzgebieten der Pädagogik und Medizin, herausgegeben von Th. Heller-
Wien und G. Leu&iwcÄer-Meiningen. Verff. wenden sich dem Zweck der Abhand¬
lungen entsprechend vorzugsweise an den praktischen Arzt bzw. Kinderarzt und an
die Pädagogen. Nach einer Einleitung, die sich mit den Pubertätsjahren im allge¬
meinen beschäftigt, werden die leichten Formen des Schwachsinns, die psycho¬
pathischen Persönlichkeiten, das manisch-depressive Irresein, die Epilepsie, die
Dementia praecox und die exogenen Neurosen und Psychosen besprochen.
Römer (184) verfügt über 3 eigene Fälle von Sonnenstich. Unter Berück¬
sichtigung der beigebrachten Literatur kommt er zu folgendem Ergebnis: 1. Die
anatomische Grundlage des Sonnenstiches ist eine Meningitis (bzw. Meningo-encepha-
litis) acuta mit Drucksteigerung und pathologischen Zellen und Eiweißvermehrung
im Liquor cerebrospinalis. 2. Die Veränderungen werden hervorgerufen durch
direkte Einwirkung der strahlenden Sonne auf die Hirnhäute und das Gehirn, und
zwar kommen zur Wirkung: a) direkte Wärmestrahlen, deren Durchdringungs¬
fähigkeit erwiesen ist; b) sekundäre Wärmestrahlen, die leitende Wärme von den
Bedeckungen aus; 2c) direkte Lichtstrahlen, welche bei geschädigten Bedeckungen
bis zur Himoberfläche eindringen können; d) sekundär, durch Umwandlung aus
kurzwelligen Lichtstrahlen in der Haut entstandene langwellige Strahlen.
Southard und Bond bringen hier (218) 25 Fälle von Psychosen, meist De¬
pressionszustände mit Wahnideen; Schizophrenie, Arteriosklerose, Paralyse und
Alkoholismus sind nicht vertreten. Bei ca. 70% der Fälle Halluzinationen, meist
des Gesichts. Die Bezeichnung Involutionspsychose paßt den Verff. nicht. Es fand
sich Pigment in den Gliazellen, selten in den Haarzellen, anscheinend je älter die
Fälle, desto mehr Pigment.
Wümanns (242) bespricht hier auch die Zyklothymie und die degenerativen
Haftpsychosen.
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5. Idiotie, Imbezilität, Debilität, Psychopathie.
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Schütte, Idiotie, Imbezilität, Debilität, Psychopathie. 159*
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160 *
Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
I. Allgemeines.
Eine zusammenfassende Darstellung der Defektzustände des Kindesalters,
der Idiotie und Imbezillität hat Weygandt (68) in dem von Aschaffenburg heraus¬
gegebenen Handbuche der Psychiatrie gegeben.
Entsprechend den auf diesem Gebiete gemachten großen Fortschritten konnte
eine Einteilung in klinische Gruppen durchgeführt werden, wenn auch ein streng
wissenschaftliches Prinzip noch nicht in allen Punkten aufzustellen ist.
Die einzelnen Formen der Idiotie' sind in mustergültiger Weise eingehend
unter Beifügung guter Abbildungen besprochen, auch die Frühformen von Psy¬
chosen und Psychoneurosen haben gebührende Würdigung gefunden.
Ein weiteres Kapitel ist den körperlichen Symptomen bei den jugendlichen
Defektzuständen gewidmet. Hier bringt besonders die Besprechung der Schädel¬
anomalien sehr interessante Einzelheiten. Der Erörterung der psychischen Sym¬
ptome sind auch Ausführungen über die Kriminalität der Imbezillen, die Sexualität
und das Vorkommen besonderer Talente bei Schwachsinnigen angeschlossen. Bei
der Schilderung der Debilität warnt Weygandt mit Recht davor, hier die Grenze
zu sehr in die sogenannte physiologische Breite des Normalen hinein auszudehnen.
Die dann folgenden Kapitel über Diagnose, Prognose und Therapie geben eine er¬
schöpfende Darstellung über alles Wissenswerte. Bei der körperlichen Behandlung
sind alle bisher versuchten operativen Maßnahmen aufgezählt, zu deren aussichts¬
vollsten der Balkenstich zählt. Die psychische und heilpädagogische Behandlung
ist ebenfalls eingehend erörtert, auch die Frage der Unterbringung der sittlich ge¬
fährdeten oder entarteten Kinder hat ihren Platz erhalten. Das Weyyandfeche
Werk enthält alles Wissenswerte in klarer Darstellung und verrät in jedem Kapitel
die außerordentliche Erfahrung seines Verfassers.
Nach der Definition von Stauffenbergs (63) ist Infantilismus eine kongenitale,
allgemeine Entwicklungsstörung des gesamten Organismus oder ausgedehnter
Organkomplexe desselben, der eine Schädigung oder Erschöpfung des Keimes zu¬
grunde liegt, die entweder eine gleichmäßige primäre Wachstumschwäche oder
eine durch besondere Bildungsstörung hochwertiger Produktivorgane bestimmter
Systeme ungleichmäßige Entwicklungshemmung bedingen. Man unterscheidet
einen glandulär dystrophischen, einen rein dystrophischen und einen rein psychischen
Infantilismus.
Von 371 Fürsorgezöglingen, die Raecke (49) untersuchte, hatten 292 Kinder
bis zu 16 Jahren bereits kriminelle Handlungen begangen, und zwar hatten sich
die meisten, 176, eines Eigentumsvergehens schuldig gemacht. In zweiter Linie
kamen Verstöße sexueller Natur. Nur in einem knappen Viertel aller Fälle war
nichts Pathologisches nachweisbar; fast in der Hälfte der Zahl bestanden intellek¬
tuelle Defekte. Bemerkenswert war, daß bei Eigentumsvergehen die Gesunden
mehr zur Zusammenrottung und Bandenbildung neigten als die Schwachsinnigen.
Bei den sexuellen Delikten der gesunden Kinder bildete Verführung die Haupt¬
ursache, dagegen war bei den Psychopathen die Hälfte eigenen sexuellen Antrieben
gefolgt, bei den Hysterischen alle, bei den Schwachsinnigen die überwiegende
Majorität.
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Schütte, Idiotie, Imbezilität, Debilität, Psychopathie.
161 *
Santo de Sanctis (54) gibt eine Übersicht über die Methoden der Intelligenz¬
prüfung, er selbst hat ein besonderes Schema für diese Zwecke zusammengestellt.
Als sehr wertvoll bezeichnet er das empirische Verfahren, alle Schüler, die zum
zweitenmal repetieren, und alle, welche sich nach 3 Monaten der Schuldisziplin
nicht angepaßt haben, auszuschließen. Für diese soll dann durch Hilfsschulen und
mediko-pädagogische Institute gesorgt werden.
Femald (21) erörtert die Diagnose in den Fällen von stärker ausgeprägtem
Schwachsinn und gibt ein Schema für die Untersuchung sowie eine Reihe von
praktischen Winken.
Lomer (35) hat an einer größeren Anzahl von Fällen die graphologischen Kenn¬
zeichen des Schwachsinns untersucht. Als Hauptsymptome fand er eine große
Getrenntheit der Schrift, Tremor verschiedenen Grades, schulmäßige Schrift, Ab¬
weichungen von der geraden Linie in Zeilenführung und Buchstabenbildung, Ataxie
der Wort- und Satzelemente und schließlich mangelhafte oder fehlende Inter¬
punktion. Dabei war ein prinzipieller Unterschied zwischen angeborenem und er¬
worbenem Schwachsinn nicht zu konstatieren. In einer weiteren Arbeit setzt Lomer
(36) diese Untersuchungen fort; er fügt als weitere charakteristische Momente
hinzu eine unordentliche Aufmachung des ganzen Schriftstückes und auffällige
Schriftgröße, die besonders bei geringeren Graden des Schwachsinns hervortreten.
Als wichtiger grapho-psychologischer Komplex in der Schrift Dementer fielen
schließlich noch die graphischen Äquivalente für Heuchelei und Verlogenheit, nämlich
geschlossene Formen, Arkaden, doppelte Bogenbindung und Fadenschrift auf.
II. Ätiologie.
Spezielle Pathologie und pathologische Anatomie,
Therapie.
Weygandt (69) hat die wichtigeren Formen von Zwerg- und Minderwuchs auf
ihren Zusammenhang mit geistiger Gesundheit geprüft. In ätiologischer Hinsicht
kommen in Betracht: 1. Tuberkulose der Wirbelsäule oder der Extremitäten, 2.
Rachitis, 3. Chondrodystrophie, 4. Turmschädel, 6. Hypothyreoidismus, 6. Hypo¬
pituitarismus, 7. Thymusexstirpation bei Hunden, 8. Dysadrenalismus, 9. Gifte wie
Alkohol, Blei usw., 10. Infektionskrankheiten, z. B. Tuberkulose, Syphilis, 11. Er¬
krankungen des Zentralnervensystems wie progressive Muskelatrophie, Polio¬
myelitis ant. chron., 12. Störungen im Zirkulationsapparat, besonders schwere
Herzfehler, 13. Ernährungsstörungen, 14. Mongolismus, 15. schwere Himerkrankun¬
gen wie Hydrozephalie, deren Gemeinschaft mit Zwergwuchs durch den Einfluß
auf die Hypophyse zu erklären ist, ferner Mikrozephalie, enzephalitische Mikro-
encephalie, Porencephalie und zerebrale Kinderlähmung. Erwähnt müssen ferner
zwei Gruppen von Minderwuchs werden, bei denen die Psyche normal ist. Es sind
dies die als Nanismus infantilis zu bezeichnenden Fälle, die normal geboren sind,
aber im Laufe der Kindheit im Wachstum gehemmt werden. Hierher gehört ein
großer Teil der in Liliputanertruppen vorgeführten Zwerge. Die zweite Gruppe,
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162 *
Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
der sogenannte Nanismus primordialis, umfaßt die Fälle, bei denen schon bei der
Geburt Zwergwuchs ausgesprochen war.
Rätselhaft ist bisweilen die Verteilung der Zwergfälle in einer Familie. So
konnte Verf. beobachten, daß unter sechs Brüdern der 1., 3. und 6. körperlich und
geistig gehemmt waren. Auch für die Fälle, in denen die Wachstumshemmung
plötzlich durchbrochen wird, fehlt eine Erklärung. So fing ein von Weygandt beob¬
achteter Zwerg mit 30 Jahren an zu wachsen, und zwar um 36 cm.
Dieterle, Hirschfeld und Klinger (18) wenden sich gegen die von Bircher ver¬
tretene Theorie der Entstehung des endemischen Kropfes, nämlich daß bestimmte
geologische Formationen an das Wasser eine kolloidale Substanz abgeben, welche
die Ursache des Kropfes sein soll. Nachuntersuchungen in den in Frage kommenden
Orten haben die Birchersche Auffassung nicht bestätigt.
Eine Anzahl von Arbeiten beschäftigt sich mit der tuberösen Sklerose. Ein
von Berg (6) beobachtetes, völlig idiotisches Kind mit Naevus sebaceus (Typus
Pringle), das im Alter von 8 Jahren starb, zeigte eine hochgradig entwickelte Form
der tuberösen Sklerose. Ferner waren in der Herzmuskulatur einzelne lipomatöse
Herde vorhanden, in der Rinde der linken Niere ein kirschkemgroßes Angiofibrom.
Besonders interessant war, daß der Großvater des Kindes, der geistig völlig gesund
war, in hohem Alter an einem Nierentumor gestorben war. Der Vater dagegen
war seit dem 3.—4. Lebensjahre ebenfalls mit Naevus sebaceus behaftet, er litt
seit einem Unfall an epileptischen Krämpfen und starb an einem Nierentumor.
Die mikroskopische Untersuchung des Gehirns ergab Gliawucherungen in der Rinde
und an den Wänden der Seitenventrikel.
Verf. weist darauf hin, daß der Begriff „tuberöse Sklerose“ sich als zu eng
erweist, da außer am Gehirn noch Veränderungen anderer Organe Vorkommen
können, die sogar den Hauptbefund bilden können. Bei zwei Fällen des Verf., die
der tuberösen Sklerose stark verdächtig sind, konnten eine neuritische Atrophie
bzw. eine Chorioiditis nachgewiesen werden, es kann also auch das Auge ergriffen
werden.
In einer weiteren Abhandlung betont Berg (7) das Vorkommen anderer krank¬
hafter Veränderungen des Körpers neben dem Gehimbefund. Diagnostisch beson¬
ders wertvoll sind die Nierentumoren, ferner die Veränderungen der Haut, unter
denen der Naevus sebaceus (Pringle sehe Krankheit) am wichtigsten ist. 4 von dem
Verf. beobachtete Kranke zeigten außerdem noch andere Hautanomalien, wie Pig¬
mentierungen, Depigmentierungen und flächenhafte Naevi. Auch eine blaßbraune,
bandartige, erhabene Hautpartie an der Stirn ist beobachtet worden. Es ist anzu¬
nehmen, daß auch diese Veränderungen in Beziehungen zur tuberösen Sklerose
stehen. Weiter führt der Verf. 4 Krankengeschichten an, in denen neben schweren
zerebralen Störungen (Epilepsie und Demenz) sich an der Haut Anzeichen von
Neurofibromatosis finden, und weist darauf hin, daß diese oft mit tuberöser Sklerose
vergesellschaftet ist. Man würde also diese Gruppe von Kranken schon bei Leb¬
zeiten von der genuinen Epilepsie abtrennen können. Eine endgültige Entscheidung
würde hier aber erst das Ergebnis der Sektion bringen.
Nieuwenhuijse (41) hat 3 Fälle von tuberöser Sklerose und einen Fall von
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Schütte, Idiotie, Imbezilität, Debilität, Psychopathie.
163*
multipler Neurofibromatose untersucht. Er kommt zu dem Ergebnis, daß beide
sowohl klinisch wie anatomisch durchaus verschieden sind. Die Hautfibrome haben
für jede dieser Krankheiten ihre besondere Eigenart. Die Recklinghausenache
Krankheit ist nur selten von Himveränderungen begleitet; wenn diese aber vor¬
handen sind, so stimmen sie mit den Befunden bei tuberöser Sklerose keineswegs
überein. Sie bestehen in multiplen kleinen Zellgruppen in allen Teilen der Rinde
und auch im Marke, die charakterisiert sind durch die wechselnde Größe der Zellen,
die unscharfe Begrenzung des Protoplasmas und die Vielgestaltigkeit der Kerne.
Dazu kommt eine abnorme Markscheidenbildung um die Zellgruppen herum und
teilweise in den Zellgruppen selbst, ferner Gefäßveränderungen, Bindegewebsknoten
und gliöse Tumoren der Hirnrinde. Die Himveränderungen bei tuberöser Sklerose
führt der Verf. auf Entwicklungsstörungen an multiplen Stellen des Gehirns
zurück.
Gegen diese Ausführungen wendet sich Bieloschowsky (8). Er vertritt die
Ansicht, daß die tuberöse Sklerose zwar zu den embryonalen Entwicklungsstörungen
gehört, daß aber diese Störung vorwiegend in der blastomatösen Entwicklungs¬
tendenz der gliösen Elemente liegt und nicht in einer primären Mißbildung der
Parenchymteile. Er betont, daß die Hautveränderungen bei tuberöser Sklerose
nicht prinzipiell von denen der Recklinghausenachen Krankheit verschieden sind.
Bei der allgemeinen Fibromatose st imm en ferner gewisse Typen „großer“ Zellen
vollkommen mit denjenigen der tuberösen Sklerose überein. Die von Nieuwenhuijse
angeführten multiplen kleinen Zellenherde besitzen alle wesentlichen Eigenschaften
der tuberösen Knoten, sie bestehen aus „großen“ gliogenen Zellen, aus proliferierten
Gliakemen und Gliafasern. Auch die Gefäßveränderungen beim Morbus Reckling¬
hausen sind in analoger Weise schon von Bielschowsky bei tuberöser Sklerose be¬
schrieben worden. Die Rindenflecke sieht der Verf. nicht als eine abnorme Pro¬
duktion von Markscheiden, sondern als ein durch die Färbetechnik bedingtes Kunst¬
produkt an. Tuberöse Sklerose und Recklinghausenache Krankheit haben also so viel
Gemeinsames, daß sie auf eine einheitliche pathogenetische Grundlage gestellt
werden müssen. Beide basieren auf gleichartigen fötalen Anlagefehlem, aus denen
blastomatöse Prozesse hervorgehen.
Frhr. v. Blomberg (12) beschreibt eingehend Schädel und Gehirn einer im
Alter von 16 Jahren verstorbenen Idiotin mit starkem Hydrocephalus. Der Kopf¬
umfang betrug in der Höhe der beiden am meisten hervorragenden Teile der Schläfen¬
beinschuppen 58 cm. Die beiden Schläfenschuppen und Stimbeinhöcker waren stark
aufgetrieben; die große Fontanelle war offen. Die Thymus war erhalten, sie wog
60 g. Die Menge der Hirnflüssigkeit betrug 1150 cm, trotzdem wog das Gehirn noch
1250 g. Die Parietalrinde war stark verschmälert, die wesentlichen Bestandteile
waren aber hier erhalten, während sich im Temporalhim eine deutliche Entartung
der Ganglienzellen, Wucherung der Glia und Ausfall der Achsenzylinder fand. Eine
sichere Ursache der Krankheit war nicht zu ermitteln.
Parhon und Dan (44) stellen einen 31 Jahre alten schwachsinnigen Kranken
mit ausgedehnter Ichthyosis vor. Die Thyreoidea war nicht zu fühlen, der Blutdruck
erschien herabgesetzt, die mononukleären Leukozyten stark vermehrt. Es ist anzu-
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164 *
Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
nehmen, daß alle diese Störungen einer Hypofunktion der Schilddrüse ihren Ur¬
sprung verdanken.
Stieda (65) berichtet über Erfolge des Balkenstichs, der an 17 Fällen 19mal
ausgeführt wurde. Infolge des Eingriffes ist kein Patient gestorben oder nach¬
weislich geschädigt, dagegen wurde fast bei allen Fällen von Epilepsie mehr oder
weniger erhebliche Besserung erzielt; bei einem Falle von Jacksonscher Epilepsie
verloren sich die Anfälle gänzlich, auch die bestehende Stauungspapille verschwand
dauernd. Zumeist fand man nach Eröffnung der Dura nur geringe oder fehlende
Hirnpulsation, nach Ablassung von nur wenigen Kubikzentimetern Flüssigkeit
traten wieder Hirnbewegungen auf.
Oswald (42) hat in zwei Fällen von endemischem Kretinismus durch Behand¬
lung mit Jodthyreoglobulin (Thyrakrin) auffallende Besserung erzielt. Bei beiden
Kranken war die Schilddrüse nicht fühlbar. Ein Versuch, auch Individuen mit
Mongolismus sowie kleinem familiären Körperwuchs in gleicher Weise günstig zu
beeinflussen, mißlang.
Williams (70) beschreibt zwei Fälle von nächtlichen Angstzuständen, die
durch psychische Therapie geheilt wurden. Im Anschluß daran erwähnt er kurz
mehrere Beobachtungen, die er über die günstige Wirkung der Psychoanalyse bei
jugendlichen Individuen gemacht hat.
III. Fürsorge für Schwachsinnige
und Psychopathen. Fürsorgeerziehung. Prophylaxe.
Eine gute Übersicht über den Stand der sozial-hygienischen Fürsorge für
psychopathische Kinder im Jahre 1913 gibt Schilling t561. Er weist auf die große
Lücke hin, welche in der praktischen Fürsorge für die psychopathischen Kinder
der Unbemittelten noch klafft. Die Deutsche Zentrale für Jugendfürsorge hat aller¬
dings das erste Heilerziehungsheim für Psychopathen in Templin eröffnet, doch be¬
trägt das jährliche Pflegegeld immer noch 900 M. Schilling wünscht daher eine
staatliche Einrichtung, ein Erziehungsheim, dem die schulpflichtigen Kinder nötigen¬
falls zwangsmäßig überwiesen werden können.
Über die Beziehungen zwischen Psychiatrie und Fürsorgeerziehung hat
Schnitzer (57) eine lesenswerte Arbeit geliefert. Er bespricht zunächst die gesetz¬
lichen Grundlagen, dann die geistige Beschaffenheit der Fürsorgezöglinge, den Gang
und die Ergebnisse der Untersuchungen. Die Einrichtung von Sonderabteilungen
in größeren Erziehungsanstalten hält Verf. für unbedingt nötig. Bei der Fürsorge
für entlassene krankhafte Zöglinge wird die Entmündigung sehr gute Dienste leisten
können. Interessant ist hier die Mitteilung, daß im letzten Berichtsjahre in Pommern
sämtliche Entmündigungsanträge erfolglos geblieben sind. Hier müßte allerdings
ein Wandel eintreten. Weiterhin tritt Verf. für die Einrichtung von Erzieherschulen
und Seminaren in großem Maßstabe ein. Schnitzer (58) berichtet weiter über die
psychiatrische Untersuchung und Behandlung der Fürsorgezöglinge in den Er¬
ziehungsanstalten bei Stettin. Von den im abgelaufenen Jahre untersuchten
207 Zöglingen waren 60,87% nicht normal. Im ganzen waren erblich belastet 40,1%
und von diesen 68,67% durch Alkoholismus. Von den abnormen Zöglingen waren
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Schütte, Idiotie, Imbezilität, Debilität, Psychopathie. 165*
26,57% männliche und 13,53% weibliche meist in direkter Linie erblich belastet.
Gerichtlich bestraft waren von den normalen weiblichen 12,3%, von den abnormen
weiblichen 14%, von den normalen männlichen waren 18,6% und von den abnormen
männlichen 25,3%.
Barr (48) bringt den Jahresbericht 1913/14 der Schule für Schwachbegabte
Kinder in Pennsylvania. Der Zugang betrug 51 (24 Knaben und 27 Mädchen),
der Abgang betrug 36 (17 Knaben und 19 Mädchen), die Zahl der Todesfälle 12.
Am Schluß des Berichtsjahres hatte die Anstalt 1075 Insassen — 676 Knaben und
499 Mädchen. Von den Aufgenommenen erwiesen sich nur 2 Knaben und 7 Mädchen
als nicht bildungsfähig. In der Behandlung der Tuberkulösen wurden gute Resul¬
tate erzielt. Die Einteilung der Kinder in verschiedene Klassen je nach ihrer Bil¬
dungsfähigkeit wurde fortgesetzt, besonderer Wert wurde auf die praktische Be¬
schäftigung gelegt.
Schnitzer und Pensky (59) haben zum 50jährigen Jubiläum eine Geschichte der
Kückenmühler Anstalten geschrieben und geben eine Schilderung der Entwicklung
aus kleinen Anfängen bis zu einer Zahl von 1139 Kranken. Außer Schwachsinnigen
und Epileptikern enthält die Anstalt auch Fälle von Hysterie, Dementia praecox,
manisch-depressivem Irresein und Paralyse. Eine Abteilung für psychopathische
Fürsorgezöglinge ist geplant. Das Anstaltsterrain umfaßt jetzt 560 Morgen mit 75
Anstaltsgebäuden im Pavillonstil. Medizinisch bemerkenswert ist die Behandlung
des Status epilepticus mit Aderlaß, Kochsalzinfusion und Amylenhydrat per Klysma.
Seit Einführung dieser Behandlung sind Todesfälle im Status nicht mehr vorge¬
kommen. Auch die Alsterdorfer Anstalten (1) haben das Fest ihres 50jährigen Be¬
stehens feiern können.
Mit der rechtzeitigen Erkennung der Schwachbegabten in den öffentlichen
Schulen beschäftigt sich Barnes (4). Er verlangt Untersuchung aller irgendwie
verdächtigen Schüler und empfiehlt die Methode von Binet-Simon. Kinder, welche
aus irgendeinem äußeren Grunde zurückgeblieben sind, sollen in besonderen Klassen
unterrichtet werden; die wirklich Schwachsinnigen dagegen, welche etwa 2% der
Schüler ausmachen, sollen geeigneten Anstalten übergeben werden. Von der Sterilisa¬
tion hält Barnes nicht viel, da gerade die auf der Grenze stehenden Individuen,
welche die gefährlichsten sind, nicht zu erreichen sind. In den 8 Staaten, in welchen
die Sterilisation eingeführt ist, haben sich irgendwelche Erfolge noch nicht gezeigt.
Die Ursachen der Geistesschwäche werden von Fernald (20) eingehend be¬
sprochen. Er verlangt energische Abhilfe durch Heiratsverbote; kein Geistes¬
schwacher soll heiraten; normale, aber aus belasteten Familien stammende Indivi¬
duen sollen sich nur mit Abkömmlingen aus ganz gesunden Familien verheiraten.
Weitgehende Aufklärung der Eltern durch die Ärzte ist dringend notwendig; ferner
müssen schon die Studenten der Medizin besser in der Erkennung und Behandlung
der geistigen Schwächezustände unterrichtet werden, da ein frühzeitiges Feststellen
der leichteren Grade des Schwachsinns sehr wichtig ist. Von der Sterilisation ver¬
spricht Fernald sich wenig Erfolg.
Kehoe (28) schildert die Gefahren der Degeneration, welcher die Menschheit
durch Schwachsinnige, Degenerierte, Alkoholiker, Syphilitiker und Nervöse aus-
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166 *
Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
gesetzt ist, in übertriebener Weise, obwohl er sich selbst als größten Optimisten
bezeichnet. Seine sehr allgemein gehaltenen Vorschläge betreffen Unschädlich¬
machung der genannten Individuen durch Internierung und Sterilisation. In einer
zweiten Schrift zählt Kehoe (29) die Ursachen geistiger Erkrankung auf und fordert
zwangsweise Behandlung der Trinker, Verbot der Ehe bei Geschlechts- und Geistes¬
krankheit, Internierung und Sterilisation der Schwachsinnigen.
Schenk (55) empfiehlt Arbeitslehrkolonien für an der Grenze der Bildungs¬
fähigkeit stehende Kinder, später könnten die Arbeitskräfte dieser Individuen dann
in geeigneten Anstalten noch nutzbringend verwendet werden.
In einem Vortrag vor der Hauptversammlung des Lippischen Lehrervereins
bespricht Alter (2) die Anzeichen, welche bei Schulkindern auf die Möglichkeit eines
abwegigen oder minderwertigen Geisteszustandes schließen lassen, und gibt eine
Reihe von Anweisungen für die Praxis.
Kellner (30) beschäftigt sich mit der Frage der ärztlichen Versorgung der
Anstalten für Schwachsinnige und Epileptiker. Er wünscht neben der Ausbildung
in Psychiatrie auch vorherige Beschäftigung mit Chirurgie und Augenheilkunde.
Winke und Ratschläge für die Erziehung des blinden Kindes im Eltemhause
hat Rappatvi (60) in einer empfehlenswerten Abhandlung gegeben. Derselbe Verf.
(61 u. 62) schreibt über Naturfreuden der Blinden und ferner über Geistesleben
der Blinden.
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Aller (3) berichtet ausführlich über die von ihm unternommenen Versuche
einer Behandlung der progressiven Paralyse. Das Wesentliche an seinen Eingriffen
ist, daß er auf möglichst vielen Wegen die wichtigen Antiluetika dem Patienten
einverleibt. Auch verlangt der Verf. Geduld und Ausdauer. Verf. hält es für aus¬
schlaggebend, daß Kombinationen verschiedener Mittel angewandt werden, und
erklärt das Salvarsan allein außerstande, die in Angriff genommene Aufgabe zu
lösen. Für die Spätformen empfiehlt A. das atoxylsaure Quecksilber. A. geht in
den einzelnen Fällen streng individuell vor und kontrolliert ständig die wichtigen
Vorgänge im ganzen Organismus. Von einer Heilung kann bei der progressiven
Paralyse heute noch kaum die Rede sein, wohl aber ein Bremsen im Fortschreiten
der Erkrankung. A. berichtet kurz über einige von ihm behandelte Fälle. Er tritt
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192*
Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
dafür ein, daß die antUnetische Behandlung auf allen Wegen versucht werden müsse,
um den luetischen Anteil an dem Prozeß auszuschalten. Der Erfolg einer stufen¬
weise ansteigenden Therapie durch Anwendung mehrerer antiluetischer Mittel kann
sehr wohl zu einer Inaktivierung, vielleicht sogar Beseitigung der Spirochäten führen.
A. hofft auch, daß andere zu Hilfe genommene Methoden regressive Wirkungen
unterstützen könnten, so eine Heilbehandlung.
Pilcz (228) gibt in seinem Vortrag eine Übersicht über die neuen Fortschritte
der Paralyseforschung. Auch die modernen therapeutischen Bemühungen werden
ausführlich behandelt.
Lauschner (143) faßt seine Ansichten über die Frage der leichten Lues und
der späteren Paralyse in folgenden Leitsätzen zusammen:
Der Satz, die leichte Lues prädestiniere zur Paralyse, läßt sich in dieser all¬
gemeinen Form weiter nicht halten.
Außereuropäische Statistiken über Paralyse und Syphilis und deren Verlaufs¬
art sind kein einwandfreies Beweismaterial.
Aus dem Fehlen von syphilitischen Residuen zu entnehmen, daß die Krank¬
heit, wenn sie überhaupt bestanden, nicht besonders schwer gewesen sein kann,
ist unrichtig.
Die nicht gleichartige Anfangsbehandlung der Lues beeinträchtigt auch eine
einheitliche Beurteilung der ersten Stadien.
Gemäß dem konstitutionellen Charakter der Frühsyphilis muß auch in den
leichten Fällen mit internen Lokalisationen gerechnet werden.
Es bleibt abzuwarten, ob positive Befunde im Liquor, die refraktär gegen¬
über antisyphilitischer Behandlung sind, einen frühen Hinweis auf Paralyse bilden.
Tertiäre Erscheinungen vor Ausbruch der Paralyse sind nichts weniger als
Seltenheiten, wenn man die Lues nicht nur vom dermatologischen Standpunkt
auffaßt, sondern sie als chemische Infektionskrankheit betrachtet und je mehr man
von dem Begriff der Parasyphilis abkommt.
Auch die Mehrzahl der anscheinend latenten Kranken weist Veränderungen
an den inneren Organen auf.
Die Frage nach der leichten oder schweren Form der Lues wird wesentlich
durch die Chronizität der Krankheit erschwert.
Die relativ geringe Zahl der Tuberkulösen bei Paralyse erklärt sich aus andern
Gründen als aus der bei Phthisikern häufiger vorkommenden Verlaufsart der Lues
mit Rezidiven.
Spezielle Untersuchungen über die Verlaufsart der in der Kindheit und im
späteren Alter erworbenen Syphilis in bezug zur Paralyse sind vielleicht lohnend,
stehen aber noch aus.
Der Annahme, daß die leichte Lues die Lues nervosa sei, ist noch zu wider¬
sprechen.
Alter (4) mahnt, bei Spätlues und überhaupt bei allen luetischen Erkrankun¬
gen, die mit nervösen oder psychischen Veränderungen kombiniert sind, eine spe¬
zifische Behandlung nicht Qinzuleiten, bevor eine genaue Untersuchung des Liquor
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Pförringer, Organische Psychosen.
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cerebrospinalis stattgefnnden hat. Auch ist während der Behandlung der Befund
weiter zu beobachten.
Runge (259) hält bei der an sich so schlechten Prognose der Paralyse eine
zielbewußt ausgeführte Behandlung mit Salvarsan für durchaus angebracht, da es
neben dem Tuberkulin das einzige Mittel ist, das tatsächlich zu Erfolgen führen
kann. Ä. will das Mittel nicht nur an initialen Fällen angewandt haben, sondern
empfiehlt es auch bei noch nicht zu alten Fällen mit schweren Symptomen. Die
verwandte Dosis mufi eine möglichst hohe sein und sich je nach der Toleranz des
Pat. bis zu 10 g erheben. Durch die Salvarsanbehandlung wird vor allem die Wahr¬
scheinlichkeit weitgehender Remissionen, sogar mit erhaltener Arbeitsfähigkeit,
wesentlich erhöht.
Marinesco und Minea (174) injizierten den Liquor cerebrospinalis eines vom .
Vater her syphilitischen jungen Mannes in das Scrotum von 3 Kaninchen. Eines
dieser Tiere bekam einen typischen Schanker am Scrotum. Die Verf. sehen darin
den Beweis des Vorhandenseins und der Virulenz lebender Spirochäten und erkennen
die juvenile Paralyse als aktive Spirillose an.
Marinesco und M,inea (175) besprechen zunächst die historische Entwicklung
der intralumbalen Applikation von Salvarsan bei Tabes und Paralyse und be¬
sprechen dann ihre eigenen neuen Versuche. In den meisten Fällen benutzten die
Autoren als Vehikel des Salvarsans das eigene Serum des Pat. Sie machen darauf
aufmerksam, daß das in vitro , ,salvarsanisierte‘‘ Serum die Spirochäten schneller
unbeweglich macht als das in vivo „salvarsanisierte“, und empfehlen entsprechend
die erste Methode. Vor allem sollen auch zur Erzielung eines Erfolges geringere
Mengen nötig sein. Einige Tabiker wurden allerdings nur einige Wochen beobachtet.
Die Verf. empfehlen übrigens, Kombinationen von intralumbalen und intravenösen
Injektionen vorzunehmen.
2 Paralytiker wurden mit Einspritzungen von 0,02 Salv. in 2 ccm Serum in
der Gegend der 2. linken Frontalwindung behandelt. Daraufhin traten bei beiden
sehr bald epileptiforme Krämpfe auf. Solche wurden übrigens bei einem andern,
ebenso behandelten Taboparalytiker beobachtet. Die Wassermannache Reaktion
wurde nie beeinflußt. Ihre Erfahrungen waren im großen und ganzen folgende:
Von 19 mit Salvarsaninjektionen subarachnoidal behandelten Patienten bekamen 4
Komplikationen; nämlich 3 epileptiforme Anfälle, 1 eine brachiale Monoplegie.
Von den übrigen 15 Fällen haben sich 4 etwas gebessert, die andern sind stationär
geblieben. Die Verf. halten bessere Erfolge bei häufigeren Injektionen für/möglich,
ähnlich wie bei der Behandlung mit Tuberkulin, bei der auch häufigere Eingriffe
notwendig sind. Wenn man tatsächlich etwas erreichen will, so muß man — so
äußern sich die beiden Autoren — durch subarachnoideale, zerebrale, spinale und
intravenöse Injektionen beizukommen suchen. Die an sich deutlich pessimistische
Anschauung wird noch verschärft dadurch, daß neue biologische Untersuchungen
( Abderhalden ) neue Momente in die Frage hineinbringen und die Frage erschweren.
Eine leise Hoffnung lassen sie durchblicken: ihre Versuchspersonen waren weit¬
gehend fortgeschritten; sie hoffen, daß man in ganz frischen Fällen durch eine
energische Behandlung in der angegebenen Richtung Erfolge vielleicht erzielen
könnte.
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194* Bericht über die psychiatrische Literatar 1914.
Hevnicke und Kürnel (102a) haben an Paralytikern die in der letzten Zeit von
mehreren Seiten empfohlene Tuberkulin-Quecksilberbehandlung angewandt. Das
Resultat war: einmal eine Remission, die fast einer Heilung glich; 4 Fälle zeigten
deutliche Besserungen, die aber nach kurzer Zeit wieder zurückgingen; 3 Fälle
zeigten während der Behandlung Verschlechterung. Auffallend war, daß gerade
ein relativ frischer Fall sich verschlechterte, während ein seit 6% Jahren erkrankter
Paralytiker relativ weitgehende Besserungen zeigte. Die Verf. befürworten die
weitere Erprobung der Tuberkulin-Quecksilberbehandlung.
Kaplan (124) stellt an der Hand einer Reihe von Untersuchungen den Satz
auf, daß die vollständige Ausflockung des kolloidalen Goldes in den höheren Kon¬
zentrationen, unter Bildung einer typischen treppenartigen Kurve, für die pro¬
gressive Paralyse charakteristisch sei. Die Arbeit enthält eine genaue Schilderung
der Untersuchungstechnik. -
Rohde (246) stellt 2 Fälle von Paralyse einander gegenüber, die beide in ihrem
Verlaufe eigenartig waren. In beiden Fällen handelt es sich um ein „Vergessen
des Lebensinhalts“, doch ist die Entstehungsweise dieser Erscheinungen eine ganz
verschiedene. In dem einen Falle bildet sich der Kranke eine fixe Idee, der er in
den Lücken seiner Erinnerung weitgehend Rechnung trägt. In dem andern Falle
tritt ein auffallend starker Negativismus hervor, der unrichtigerweise den Eindruck
eines Zerfalles des Lebensinhalts erweckt. Interessant ist, daß an beiden Fällen,
die doch eine organische Grundlage haben, Schwankungen der Erinnerungsfähigkeit
auftauchen, und daß lange Zeit schlafende Erinnerungsbilder plötzlich klar in
Erscheinung treten.
Vavrouch (Prag) (320). Unter den Psychosen, bei welchen Autor Stimrunze-
lung beobachtet hat, ist Tabes dorsalis hervorzuheben (2 eingehend beschriebene
Fälle). Autor analysiert die anatomische Grundlage derselben und sieht in der
Runzelung eine Paralysierung der durch Serotoparese verursachten Ptosis.
Jar. Stuchlik (Zürich).
Nonne (204) berichtet über den seltenen Fall, daß es ihm glückte, einen Mann
zur Sektion zu bekommen, der längere Zeit an schweren nervösen Erscheinungen
gelitten hatte. Lues, etwa 10 Jahre vorher, war zugegeben. Somatisch war auf
Paralyse Hinweisendes nicht zu finden; wohl aber ergab die Blut- und Liquorunter¬
suchung einen für Paralyse kennzeichnenden Befund. Die anfänglich schwankende
Diagnose zwischen Neurasthenie plus Lues latens und beginnender Paralyse neigte
nun natürlich mehr zur Paralyse hin. Da der Kranke, in der Verzweiflung über
seinen plötzlichen geschäftlichen Zusammenbruch zum Selbstmord schritt, konnte
in diesem relativ frühen Stadium die genaue mikroskopische Untersuchung des
Gehirns und Rückenmarks vorgenommen werden. Mehrere Untersucher stellten
übereinstimmend beginnende Paralyse fest. Im Rückenmark wurden Gefäßscheiden¬
infiltrate, aus Leukozyten und einzelnen Plasmazellen bestehend, über graue und
weiße Substanz des Rückenmarkquerschnitts ausgehnt, festgestellt, entgegen den
sonst bei inzipienter Tabes beobachteten Infiltrationen der Meningen. N. betont,
daß Liquorbefunde, wie in dem vorliegenden Falle, nach seinen Erfahrungen bei
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Pförringer, Organische Psychosen.
195*
dem Vorliegen von Spätlues stets der Ausdruck syphilogener Erkrankungen des
Zentralnervensystems sind. *
Marie , A. (163) hat die Gehirne von 9 Paralytikern, die zum größten Teil an
Anfällen plötzlich gestorben waren, möglichst rasch nach dem Tode untersucht.
Er fand bei den 9 Gehirnen 8mal die Spirochaeta pallida, und zwar unter Benutzung
des Ultramikroskops, während er im Silberpräparat nur einen positiven Fall fest¬
stellen konnte. In einem Falle wurden Spirochäten auch im Ventrikelliquor gefun¬
den. Der Verf. empfiehlt dringend die ultramikroskopische Untersuchungsmethode
nach Fontana.
Meyer, E. (184) betont, daß der Nachweis der Spirochäten am Paralytiker¬
gehirn frühere Erkenntnisse über das Wesen und die Einbeziehung des paralytischen
Prozesses nicht umstoße. Nach wie vor bliebe die Paralyse der Ausdruck einer
Stoffwechselstörung. Auch jetzt noch bleibe die Frage offen, ob die Voraussetzungen
zum Ausbruch einer Paralyse in der Art der Mikroorganismen, in der des Individuums
oder in der Art beider liege. Verf. hält eine günstige Beeinflussung des Verlaufes
der Tabes und der Paralyse bei richtiger Auswahl der Fälle und der Behandlungs¬
methoden für möglich.
Nach einigen statistischen Angaben über den Verlauf der Paralyse sprechen
Banse und Roderburg (12) über das Vorkommen von Halluzinationen bei Paralyse.
Auf Grund ihres Beobachtungsmaterials kommen sie zu dem Resultat, daß Hal¬
luzinationen des Gehör- und Gesichtsinnes selten und dann meist nur vorübergehend
auftreten. Die Fälle, bei denen die Halluzinationen eine größere Rolle spielen,
teilen die Verf. in 3 Gruppen ein: in Psychopathen, Alkoholiker und Kranke, die
kurz vor Ausbruch der Paralyse ein Kopftrauma durchgemacht haben.
Hieronymus (108) gibt eine ganze Reihe praktischer Winke für die Anstellung
und Beurteilung der Wassermannseken Reaktion. Im letzten Teile seiner Arbeit
berichtet Verf. über eine große Anzahl von Untersuchungen auch an nicht para¬
lytischen Geisteskranken, Idioten, Psychopathen, Senilen, Alkoholikern und auch
an Angehörigen von Paralytikern. Es ist über die Erfahrungen an einem großen
Material übersichtlich referiert.
Bei der Untersuchung von paralytischen Gehirnen war aufgefallen, daß Spiro¬
chäten in der Nähe von Blutgefäßen sehr selten gefunden wurden, obwohl die starke
Beteiligung der adventitiellen Lymphscheiden am paralytischen Prozeß bekannt
war. Spätere Untersuchungen ergaben aber doch positive Resultate, und Marcus
(161) gelang es, Spirochäten, in enger Beziehung zu Plasmazellen stehend, nach¬
zuweisen. Verf. nimmt an, daß die Plasmazellen als Träger der Spirochäten bei
Entstehung der Paralyse eine große Rolle spielen. Er vermutet, daß sie einerseits
Reaktionszellen zur A ufnahm e oder Zerstörung der Spirochäten sind, andrerseits
als Träger von Spirochäten in das Gewebe in Betracht kommen.
Maaß (157) fand bei 24 Seren, die Wassermann-positiv waren, lOmal bei
quantitativer Serumabstufung Abschwächung der Reaktion nach Verabreichung
von Amylenhydrat oder Paraldehyd. Diese Abschwächung bewegte sich in nur
sehr engen Grenzen. Die Beobachtung ergab weiter, daß die Sera gewöhnlicher
Luetiker leichter reagierten als die Sera von Paralytikern. Verf. führt diese Er-
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196*
Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
scheinung auf die stärkere Reaktionsfähigkeit ersterer zurück. Der praktische Wert
dieser Erscheinungen ist nicht groß. '
Nonne (202) bespricht in seinem Vortrage die Luesparalyse nach allen Richtun¬
gen hin und bringt neben seinen großen persönlichen Erfahrungen eine außerordent¬
lich große Reihe deutscher und ausländischer Arbeiten auf diesem Gebiet heran.
Der Vortrag zeigt deutlich die großen Schwierigkeiten, die der Lösung des Pro¬
blems, auch nach der therapeutischen Seite hin, heute noch entgegenstehen.
Markus (162a) berichtet über 2 Fälle, bei welchen klinische Erscheinungen
und pathologisch-anatomischer Befund miteinander in Widerspruch standen. Bei
dem ersten Falle wurde aus dem klinischen Bilde die Diagnose auf wahrscheinlich
traumatische Hirnblutung in der rechten Hemisphäre gestellt. Die Reaktion aber
und die mikroskopische Untersuchung ergab paralytische Veränderungen, die in
stark überwiegendem Maße im rechten Hirn ausgebildet waren. Im 2. Falle lagen
dagegen die Verhältnisse umgekehrt. Klinisch mußte auf Grund der körperlichen
und psychischen Erscheinungen eine Paralyse angenommen werden. Die Wasser-
manns che Reaktion war im Blute negativ. Die mikroskopische Untersuchung
ergab jedoch tuberkulöse Herde in der Pia und im Himgewebe. Auch wird noch ein
3. Fall erwähnt, bei welchem die Diagnose auf Paralyse gestellt war. Die Sektion
ergab eine eitrige Meningitis und einen auf der Sella turcica sitzenden kleinapfel¬
großen Tumor.
Zimkin (385) versucht mit Hilfe einfacher psychologischer Untersuchungs¬
methoden und sorgfältiger Analysen, den Grad und die Art der Intelligenzstörang
zu erforschen. In seinem Vortrag berichtet Z. über 2 Versuche an einem Falle von
Lues cerebri und an einem Falle von progressiver Paralyse. Nach der von Z. an¬
gegebenen Nomenklatur handelt es sich — wie aus dem Ebbinghaus&chen Versuch
hervorgeht — im 1. Falle um eine Kombinationsstörung, verursacht durch mangel¬
hafte Urteilsfähigkeit, im 2. um eine sekundäre Kombinationsstörung infolge eines
Intelligenzdefektes. Beide Kranke wurden mit 7 Salvarsaninjektionen behandelt;
danach die 2. Untersuchung. Die Analyse der Leistungen nach der Behandlung
unterläßt Z. Es scheint sich um Besserungen gehandelt ?u haben. Eine Schwäche
der Methode dürfte in der Möglichkeit einer subjektiven Beurteilung der Fehler
und Lücken durch den Untersucher bestehen.
Quensel (232) berichtet ausführlich über einen gerichtlichen Fall, in dem es
sich darum handelt, festzustellen, ob ein schwerer Unfall mit Schädeltrauma bei
dem vor dem Unfall schon luetischen Manne als ursächliches Moment für den
Ausbruch einer Paralyse verantwortlich gemacht werden konnte. Verf. entschied,
entgegen dem Gutachten eines andern Sachverständigen, in positivem Sinne. Das
Gericht entschied dementsprechend, so daß also der Tod an Paralyse noch -nach
16 Jahren als Unfallfolge anerkannt wurde.
Damaye (48) schildert 2 Fälle von progressiver Paralyse, die er mit Erfolg
behandelt hat; jedenfalls kam es auf eine konsequente Behandlung hin zu Besse¬
rungen, die an Heilung grenzten. D. gab Quecksilber, Jod, Atoxyl und andere Mittet
Er hebt ganz besonders hervor, daß der allgemeine Zustand in erster Linie gehoben
werden muß, bevor eine energische antisyphilitische Behandlung in Angriff genom-
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Pförringer, Organische Psychosen.
197*
men wird. Ans den Ausführungen des Verl, geht hervor, daß er die Lues nur als die
häufigste Ursache, nicht als die imbedingte Voraussetzung für das Entstehen der
Paralyse ansieht. Salvarsan scheint nicht angewandt worden zu sein.
Antoni (6) berichtet über außerordentlich interessante Gebilde der sensiblen
und sensorischen Neuronen. A. nimmt an, daß der tabische Krankheitsprozeß sich
über das ganze sensible Nervensystem mit Einschluß der Kopfganglien ausdehnt.
Dabei braucht anatomisch und klinisch ein Faserausfall noch nicht nachzuweisen
zu sein. Verf. ist der Überzeugung, daß die pathologisch-anatomischen Befunde bei
der Paralyse mit tabischen Zeichen vergesellschaftet sind.
Reckzeh (235) bespricht die Bedeutung der Paralyse gegenüber der Reichs¬
versicherungsordnung, der Arbeiterversicherung und der Unfallgesetzgebung. Als
möglichen Zwischenraum zwischen Unfall und Ausbruch der Paralyse nimmt R.
höchstens 2 Jahre an. Eine sehr wichtige Rolle spielt die Syphilis bzw. Paralyse
in der Lebensversicherungsmedizin, da das Übersehen einer Syphilis die Lebens¬
dauer verkürzt.
Pighini und Barbiert (226) beschäftigen sich in ihrer Arbeit mit den Versuchen,
die quantitativ und qualitativ nachgewiesenen Veränderungen der Lipoidstoffe
im Paralytikergehim auch auf histochemischem Wege nachzuweisen. Die Arbeit
bringt eine Reihe neuer Beobachtungen und die Kritik älterer Anschauungen. Zu
einem kurzen Referat eignet sie sich nicht, man muß sie im Original lesen.
Weygandt und Jakob (326a) beschreiten den Weg des Tierexperiments, um dem
Verständnis der Gesetze, denen der Weg der Syphilis, besonders in bezug auf das
zentrale Nervensystem, folgt, näherzukommen. Die Versuche wurden an syphi¬
litisch infizierten Kaninchen in großer Zahl angestellt. Das Ergebnis der ausführlich
geschilderten Untersuchungen war im ganzen folgendes: Das Nervensystem der
Kaninchen ist in vielen Fällen, auch frühzeitig, einer syphilitischen Infektion zu¬
gänglich. Die Ergebnisse der histologischen Untersuchung sind bei intravenöser,
testikulärer und intrazerebraler Applikation des Syphiliserregers im ganzen die
gleichen. Ein Unterschied besteht insofern, als bei manchen Tieren die meso¬
dermalen Hüllen und die Gefäße exsudativ-infiltrative Erscheinungen zeigen, bei
andern wurden meningo-encephalitische Veränderungen beobachtet, welche das
ganze Zentralnervensystem, besonders die Hirnrinde, betrafen. Auch perniziöse
Parenchymerkrankungen wurden festgestellt. Eine weitere Beobachtung war die,
daß einzelne Kaninchen nervengesund blieben, andere nervenkrank wurden, obwohl
sie mit dem gleichen Stamme geimpft waren. Über die Ursache dieser Erscheinung
ist Endgültiges noch nicht zu sagen. Stark virulente Pallidastämme scheinen früher
und eingreifender auf das Nervensystem zu wirken als weniger virulente. Was das
histologische Bild betrifft, sind sie der Meningoencephalitis des Menschen ähnlich;
oft auch paralytischen Veränderungen (diffuse Schädigung, primäre Parenchym¬
degeneration). Interessant ist, daß auch in diesen Versuchen das frühzeitige Be¬
fallensein der Meningen und des Gehirns nachgewiesen wurde. Der Prozeß heilt
entweder aus oder kommt zu einer weiteren Entwicklung. Daß eine Sensibilisierung
des Zentralnervensystems zum Ausbruch einer Erkrankung nötig sei, scheint nach
einigen Versuchen der Verf. nicht nötig zu sein, wenn auch ein lange dauerndes
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Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
Wirken des toxischen Anteils wohl vorbereitend auf das Zentralnervensystem
wirken kann. Die Versuche werden fortgesetzt.
iBoveri (26) gibt eine neue Reaktion der Zerebrospinalflüssigkeit an. In ein
Reagenzglas gibt man 1 ccm Zerebrospinalflüssigkeit, setzt 1 ccm 0,1 proz. über¬
mangansaures Kali zu, indem man die Lösung langsam einsickem läßt. Steht das
Gläschen aufrecht, so zeigt sich eine Färbung an der Berührungsfläche der beiden
Flüssigkeiten, die gelb oder gelblich ist. Diese Reaktion stellt sich bei Gesunden
nicht ein. Deutlicher als diese „zonale“ Form ist die „globale“, die nach Schütteln
des Gläschens und Vermengung der Flüssigkeiten eine Farbveränderung der Flüssig¬
keit hervorruft. In pathologischen Fällen wird die Flüssigkeit hellgelb, in gesunden
bleibt die Farbe rosaviolett. Die Reaktion soll empfindlicher als andere (z. B. die
Vonnesche) Reaktionen sein und weist auf eine Veränderung des Liquors hin. Mit
Zunehmen des Eiweißgehaltes des Liquors wird die Reaktion positiv, allerdings
mit Ausnahmen. Die Reaktion mit übermangansaurem Kali geht der Lympho¬
zytose des Liquors nicht parallel. Bei Rückenmarksentzündungen wurden die Re¬
aktionen am deutlichsten festgestellt. B. glaubt, daß diese Reaktion das Anzeichen
von Störungen der Zellentätigkeit der Eiweißsubstanzen seL
Walter (321) knüpft an die Mitteilung der Krankengeschichten von 12 Fällen
von Hirnlues Überlegungen über die verschiedenen Ansichten bezüglich des Auf¬
tretens von Psychosen bei Hirnlues. Sein Material teilt er in 2 Gruppen. 1. Chroni¬
sche Defektzustände. Die Fälle zeigen den Korsakowschen Symptomenkomplex,
der sich durch Einförmigkeit und Mangel an Produktivität auszeichnet. 2. Akute
Psychosen, die als akute Halluzinationen, in 2 Fällen als Angstpsychose bzw. als
Dämmerzustand in Erscheinung traten.
Damaye (47) berichtet, wie in andern Arbeiten, weiter über Erfolge in der
Paralysebehandlung und hebt dabei imm er besonders die Hebung des Allgemein¬
zustandes als Vorbedingung für einen Erfolg hervor. Er will vor allem erreichen,
daß energische Quecksilberdosen gut vertragen werden, und wendet neben diesem
Mittel fiebererregende Mittel und Jod an.
Alter (4) tritt dafür ein, daß in keinem Falle von Spätlues mit bedeutenderen
nervösen oder psychischen Störungen Salvarsan angewandt werden dürfe, bevor
nicht der Liquor cerebrospinalis untersucht sei. Während der Behandlung müsse
er weiter beobachtet werden.
Die Arbeit von Kafka und Rautenberg (122) erstrebt die weitere Förderung
der Kenntnisse über die verschiedenen im pathologischen Liquor vorkommenden
Eiweißstoffe. In den vorliegenden Auseinandersetzungen wurde vor allem das Ver¬
halten der Eiweißstoffe im Liquor gegenüber verschiedener Ammoniumsulfat¬
sättigung festgestellt, ebenso wie die Beziehungen des Antikörpergehalts zur En¬
globulinreaktion. Die Verf. zeigen, daß bei der Paralyse eine charakteristische Er¬
höhung der Gefäßpermeabilität besteht. Die Verf. nehmen an, daß diese durch
äußere oder innere Momente gesetzte Veränderung einen bestimmten Teil der Lui-
schen zu Paralytikern macht. Die Fälle der Einzelbeobachtungen und -erfahrungen
läßt sich in einem kurzen Referat nicht wiedergeben.
Taussiga (313) eigene Untersuchungen betreffen die Viskosität, Ober-
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Pförringer, Organische Psychosen.
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flächenspannung und chemische Beschaffenheit des Liquors und beschäftigen sich
mit der stalagmometrischen Reaktion von AscoH-lzar. Die Grenzen der Viskosität
liegen zwischen 1,01—1,06 (für Wasser = 1,00), wie schon richtig Bor eilt und Datie
(u. a.) gezeigt haben; die Angaben von Fuchs-Rosenthal sind als unzutreffend zu
bezeichnen. Bei verschiedenen Psychosen bietet die Zerebrospinalflüssigkeit nichts
Spezifisches. Interessant ist, daß bei 2 Epileptikern, bei welchen Kraniotomie mit
partieller Himrindenexzision gemacht wurde, die Viskosität abnorm klein war, 0,98;
nach 4 Wochen stieg sie aber zu normalem Werte (1,02). Die Oberflächenspannung
ist etwas kleiner als beim Wasser und bewegt sich normal oder bei Psychosen
zwischen 101—105 Tropfen des Stalagmoiüeters. Die Meiostagminreaktion
zeigt nichts Charakteristisches; sogar nur 2mal unter 8 luetischen Liquoren konnte
Verf. eine Erniedrigung der Oberflächenspannung konstatieren. Von den Globulin*
reaktionen gab die nach Nonne-Appeli die besten Resultate, die nach Noguchi die
schlechtesten. Tabellenartige Übersicht sämtlicher Reaktionen ergänzt die Arbeit.
Jar. Stuchlik (Zürich).
2. Arteriosklerose, Senilität, Tumoren, Herderkrankungen,
Kleinhirnerkrankungen.
Schlesinger (271) berichtet über einen Soldaten, der infolge eines Schädel¬
schusses eine linksseitige Hemiplegie hatte. In Besserung begriffen, bekam der
Pat. plötzlich allgemeine Krämpfe und sprach nicht mehr. Seine Stimmung erschien
dabei heiter. Eine Suggestivbehandlung brachte Heilung. Es hatte sich um einen
hysterischen Mutismus gehandelt.
Arsimoles und Legrand (7) bringen die Krankengeschichte eines Falles von
Presbyophrenie mit Polyneuritis. Sie erklären, das Nebeneinanderstehen beider
Erkrankungen berechtige nicht zum Stellen einer Diagnose auf chronische Psycho-
polyneuritis. Wernickes Presbyophrenie hebe sich deutlich von der Korsakowschen
Psychose ab und sei als eine Form der senilen Demenz anzusehen. In dem beschriebe¬
nen Falle sei die Polyneuritis durch Alkoholismus hervorgerufen worden.
Quensel (231) bringt die Schilderung eines Falles, in welchem bei einem 28-
jährigen Manne sich eine linksseitige Hemiplegie mit Schmerzen, halbseitigen
Empfindungsstörungen und einer rechtsseitigen Oculomotoriuslähmung allmählich
ausbildet. Diese Erscheinungen bildeten sich später etwas zurück, andere traten
hinzu, so Paresen in dem Gebiete der Himnerven. 3 Jahre nach Bestehen der Er¬
krankung traten nur Krampfanfälle im linken Arm und linken Bein ein. Die Auf¬
fassung über das Wesen des Prozesses war bei verschiedenen Gutachtern — es
handelte sich um eine Unfallsache — eine verschiedene. Am nächsten lag die Wahr¬
scheinlichkeit einer Erweichung oder Blutung in der Gegend des r. Pedunculus
cerebri, auch eine multiple Sklerose wurde in Betracht gezogen. Eigenartig an dem
Falle ist das Auftreten einer Hemiparese mit Aktionskrämpfen, die Ähnlichkeit
sowohl mit myotonischen wie mit tetanischen Störungen zeigten. Qu. bespricht
eingehend frühere Erfahrungen über das Vorkommen myotonischer Erscheinungen
bei Hemiplegien, nimmt an, daß die myotonieartige Teilerscheinung ein Lokal¬
symptom darstellt.
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Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
Sigg (288a) hat 13 Gehirne von Senilen untersucht. Er kommt zu folgenden
Resultaten: Die senile Demenz im alten weiteren Sinne beruht auf einem Rinden¬
schwund infolge arteriosklerotischer oder atrophischer Prozesse oder infolge der
Sphärotrichie. Alle zeigen die für die organischen Psychosen typischen Symptome.
Dem äußeren motorischen Verhalten nach können wir die drusenhaltigen als agi¬
tierte, die drusenlosen als torpide bezeichnen. Diese Gruppen scheinen sich auch
in der Beschaffenheit der Basalgefäße zu unterscheiden. Es gibt selten ausge¬
sprochene Fälle von Sphärotrichie, bei denen eine typische senile Demenz klinisch
noch nicht zu konstatieren ist. Zur einfachen senilen Demenz können sich organisch
bedingte, z. B. depressive, Zustände hinzugesellen (senile Melancholie). Solange die
organischen Symptome vorherrschen, müssen solche Fälle der senilen Demenz zu¬
gezählt werden. Andernfalls handelt es sich wohl um anderweitige oder um Ex¬
azerbationen latent gewesener Psychosen.
Rumpf (268) schildert 2 Fälle, die beide nach schwerem Unfall arterioskleroti¬
sche Veränderungen im Gehirn zeigten. Im ersten Falle handelt es sich um ein
schweres Schädeltrauma, das zunächst keine auffälligen, klinisch nachweisbaren
Symptome schuf. Es blieben subjektiv nur Kopfschmerzen und Neigung zu Schwin¬
del bestehen. Nach 3 Jahren wurde der Schwindel stärker. Das Nächstliegende
war, an eine Kleinhimerkrankung zu denken. Schließlich trat eine weitere Ver¬
schlimmerung der Erscheinungen ein, der Pat. wurde traurig verstimmt und endete
durch Suizid. Die Sektion des Gehirns ergab: Knochenverdickungen und Ver¬
wachsungen der harten Hirnhaut, besonders an der Schädelbasis. In der rechten
vorderen Schädelgrube fand sich ein stark ausgeprägter Knochenwulst, der auf die
Sella turcica zuläuft und als Narbe eines alten Bruchs der Schädelbasis angesehen
werden muß. Die rechtsseitige Art. profunda zeigt arteriosklerotische Veränderun¬
gen. Im 2. Falle handelte es sich um einen schweren Sturz, der eine typische links¬
seitige Hemiplegie zur Folge hatte. Der Zustand blieb konstant, bis der Pat. häufige
Schwindelanfälle bekam. Kopfschmerzen stellten sich ein und gelegentlich Bewußt¬
losigkeit. Später traten epileptische Anfälle auf, deren einer den Tod herbeiführte.
Die Obduktion zeigte eine Blutung an der Capsula int. Außerdem waren sämtliche
Arterien des Gehirns arteriosklerotisch verändert. Aorta und Koronararterien
zeigten nur ganz geringe arteriosklerotische Veränderungen. In beiden Fällen bringt
Verf. Unfall und Arteriosklerose in ursächlichen Zusammenhang und betont die
Seltenheit solcher Fälle.
In der Besprechung der Symptome der Kleinhimerkrankungen betont Roth-
mann (266) im wesentlichen folgendes: Erkrankungen des Wurmes lassen sich
durch den zerebellaren Gang erkennen. Dieses Symptom ist häufig vergesellschaftet
mit eigentümlicher Haltung des Kopfes, der Asynergie c£r6beileuse. Bewegungen
des Kopfes und Gesichtes und der Sprache sind verlangsamt. Die Erkrankungen
der Kleinhirahemisphäre zeigen vor allem Abweichungen der Extremitäten beim
Zeigeversuch. Die Erscheinungen sind vielfach einseitig, deutliche Gleichgewichts¬
störungen und Schwindel treten charakteristisch bei der Erkrankung der Kleinhira-
keme auf; daneben bestehen Krämpfe, Zwangshaltungen und kataleptische Sym¬
ptome. Da die Erkrankungen des Kleinhirns sehr häufig Kombinationen verschiede-
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Pförringer, Organische Psychosen.
201*
ner, aus diesem typischen Rahmen herausfallender Erscheinungen zeigt, ist die
Diagnose häufig erschwert. R. erhofft weitere Fortschritte durchs Experiment nur
durch die Z uhilfenahm e der Baranysch.cn Methoden zur Prüfung der Richtungslinien.
3. Tumoren.
Mattauschek (181) berichtet in erster Linie über Gehirngeschwülste in der
hinteren Schädelgrube ohne Stauungspapille, in zweiter Linie über Kavernome im
Gehirn. Auch M. betont die Schwierigkeiten der Diagnose von Tumoren im Gebiete
des 4. Ventrikels, da charakteristische Erscheinungen meist fehlen. In dem Fall von
Kavemom saß die Geschwulst im Thalamus. Nach den Untersuchungsergeb¬
nissen war sie angeboren. Infolge äußerer Umstände kam es wahrscheinlich zur
Bildung von Zysten, die ihrerseits erst deutliche Himsymptome veranlaßten.
Markus (176a) berichtet über einen Fall von diffuser Sarkomatose der Pia
mater, der unter der Form einer progressiven Paralyse verlief.
Oppenheim (210) bespricht 2 Fälle von Hypophysentumor, die klinisch als
Tabes und Paralyse diagnostiziert waren.
4. Aphasie.
Goldstein (89) berichtet über eine 63jährige Frau, welche die Symptome der
Aphasie und doppelseitiger ideatorischer Apraxie sowie Störungen der Tiefensensi¬
bilität und des Tastsinns aufwies. In der linken Hemisphäre bestand eine große Er¬
weichungszyste. Herde in der linken Hemisphäre zeigen, besonders wenn sie in der
Nähe des Gyrus supramarginalis sitzen und durch ihre Anwesenheit auch weitere
Schädigungen der linken Hemisphäre mit sich bringen, das Bild der ideatorischen
Apraxie. Die Vergesellschaftung der Aphasie mit ideatorischer Apraxie ist außer¬
ordentlich charakteristisch. Die Aphasie im vorliegenden Falle war die Folge der
Druckwirkung des Herdes. Sehr eigenartig war die Sprachstörung, die in geringer
Neigung zum Sprechen bestand. Dabei kamen kurze Worte und Sätze immer
wieder. Das Sprachverständnis war nur für einfache Worte erhalten, das Nach¬
sprechen sehr gestört, das Spontansprechen so gut wie ganz aufgehoben. Nach¬
schreiben von Buchstaben ging unter Fehlem in der Form. Lesen war unmöglich.
Der Sprechakt selbst war nicht gestört, dagegen bestand eine schwere Beeinträchti¬
gung der Sprachvorstellungen. Verf. führt diesen Verlust auf eine Schädigung der
Insel zurück. Verf. verlegt den zentralen Sprachapparat in die Insel. Das Erhalten¬
sein der Sprache, allerdings in sehr geringem Umfang, weist der Verf. der Eigen¬
leistung des motorischen Sprachfeldes zu. Besondere Beachtung verdient, daß
ein Teil des Sprachverständnisses erhalten war. Für den vorliegenden Fall
findet Verf. die Erklärung darin, daß trotz der schweren Schädigung der vorderen
und mittleren Teile der Insel doch das Verstehen einzelner Worte möglich war,
zumal von den Assoziationsfasera zwischen Insel und Schläfenlappen und der Hemi¬
sphäre ein Teil erhalten geblieben war. Die Aufhebung der Fähigkeit des Gegenstand-
bezeichnens führt Verf. auf die Beeinträchtigung des Sprach- und Begriffsfeldes
zurück, die Schreibstörung auf die Sprachstörung. Weiterhin war an dem Falle
bemerkenswert die beiderseitige Tastlähmung. Der Befund weist neuerdings
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202*
Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
darauf hin, daß auch die linke Hemisphäre von Bedeutung ist für das Tastver¬
mögen und die Bewegungsempfindungen der linken Hand. Er hebt weiter hervor,
daß die Tastmerksysteme des linken Hirns auch für das Tasten mit der linken Hand
von Bedeutung sind, daß aber auch ein Tasten unter Ausschalten des linken Tast¬
feldes durch direkte Verbindungen zwischen dem Tastfelde des rechten Hirns und
dem Begriffsfelde des linken Hirns möglich ist und daß das Tasterkennen erst im
Begriffsfeld zustandekommt.
Heveroch (107). An der Hand von 4 Fällen kommt der Verf. zu folgenden
Schlüssen bez. der Anarithmetik: die Fähigkeit, zu rechnen, kann durch verschieden¬
artige Umstände gestört sein. Der im Sprachmechanismus Gelähmte kann nicht
laut rechnen. Schließlich kann der nicht rechnen, dessen rechte Hand gelähmt ist.
Es handelt sich hier vor allem darum, daß die Unfähigkeit besteht, die mathemati¬
schen Kenntnisse zum Ausdruck zu bringen. Die Anarithmetik entsteht entweder
aus Störungen im Gedächtnis oder aus Störungen der Urteilskraft, die sich auf die
Mathematik bezieht.
Heveroch (107a) analysiert die klassische Lehre über Aphasie, nach welcher
unsere Sprache durch Verbalvorstellungen bedingt ist, und kommt zu dem Schluß,
daß nicht die Verbalvorstellungen, sondern eine Reihe automatischer, zu dem
Zwecke erworbener Funktionen unsere Sprache bedingt. Die automatischen Funk¬
tionen sind bei allen Leuten nicht gleich gegliedert, weil die Gliederung von der Art
der Erlernung abhängig ist. Die komplizierteren Funktionen leiden bei Erkrankung
beträchtlicher als die die einfachen oder besser erlernten. Deshalb beobachtet man
bei Krankheiten (oder analog bei der Ermüdung), daß zuerst Stilstörungen, dann
Störungen der Sätzebildung und zuletzt Störungen der Wortbildung, bis sogar des
Silben- oder Buchstabenaussprechens auftreten. Die Automatismen kann man
nicht nur durch Willen, sondern auch durch andersartige Reize erwecken, wie es
die Aphatiker, die auf Befragen das notwendige Wort nicht kennen, aber im Gespräch
es ohne weiteres anwenden, deutlich zeigen. Die Funktionen: sich zu äußern und das
Geäußerte zu verstehen, sind x sehr mannigfaltig zusammengeknüpft; deshalb ist das
klinische Bild der Sprachstörungen so mannigfaltig. Jar. Slttchlik (Zürich).
Wohlwill (332a) demonstriert 3 Patienten mit aphasischen Störungen
infolge von Kopfschüssen.
1. Verletzung durch einen Granatsplitter, der, am linken Stirnbein einge¬
drungen, vor dem Pol des linken Schläfenlappens liegt. Nur ganz geringe Halb¬
seitenerscheinungen. Totale motorische Aphasie von vorwiegend subkorti¬
kalem Charakter, insofern das Schreiben, auch das spontane Schreiben, bedeutend
besser erhalten ist. Anfangs auch Symptome von Apraxie: bei sonst vollkommen
intaktem Sprachverständnis wurden Aufforderungen, die sich auf Bewegungen am
eigenen Körper sowie auf Gesten und Symbolhandlungen bezogen, vielfach nicht
oder in verfehlter Weise ausgeführt. Nach Trepanation Besserung der apraktischen
Symptome.
2. Streifschuß über dem linken Scheitelbein. Im Anschluß daran totale rechts¬
seitige Hemiplegie und motorische Aphasie. Schneller Rückgang der Erscheinungen.
Auffallend war das Vorhandensein einer Alexie im Sinne einer vollständigen
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Pförringer, Organische Psychosen.
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Fähigkeit, Gelesenes zu verstehen, auch wenn Pat. es selbst annähernd richtig laut
gelesen hatte, obwohl weder eine Störung des Sprachverständnisses noch
eine Hemianopsie vorhanden war.
3. Steckschuß durch Infanteriegeschoß, eingedrungen am linken Schläfenbein,
jetzt Qber dem linken Felsenbein hegend. Keine Halbseitenerscheinungen. Es
besteht eine amnestische Aphasie, daneben auch sonst erhebliche Störungen
des Gedächtnisses und der Merkfähigkeit, starke Erschwerung der Orientierung im
Kaum, absolute Aufhebung der früher vorhanden gewesenen Fähigkeit, zu singen
und Melodien zu erkennen.
Wohlivill weist darauf hin, daß die Symptome bei Himschüssen nicht zu lokal*
diagnostischen Zwecken verwertet werden können, da auch weit ab von dem Schu߬
kanal noch erhebliche Alterationen der Himsubstanz Vorkommen können.
Die große Zahl auch neuer Gedanken, die Nießl v. Mayendorf (210a) in seinen
Ausführungen über das Geheimnis der menschlichen Sprache zum Ausdruck bringt,
verhindert, in einem kurzen Referat den Versuch zu machen, dieses oder jenes
herauszuheben. Der Vortrag muß gehört oder die Arbeit gelesen werden. Die
Schlußworte des Verf. aber seien wörtlich hierher gesetzt: Nicht monistische Über¬
hebung kam mich an, als ich mich unterfing, Du Bois-Reymonds sechstes Welt¬
rätsel zu lösen wollen. Der große, vor dem Inneren der Natur Halt machende und
Halt gebietende Denker mußte das Problem der Vernunft und das mit diesem
eng verbundene der Sprache für transzendent erklären, weil ihm das Problem der
Empfindungsfähigkeit als unlösbar erschienen war. Für uns ist nur der hypothetische
Reiz, der von der Körperperipherie in die Gehimsubstanz sich fortsetzt, transzendent,
das Wesen und die letzte Ursache der Reaktionsfähigkeit des Zentralnerven¬
systems in seiner Wirkung auf sich selbst außerhalb der Grenzen des
Naturerkennens, die Erscheinungen des Seelenlebens jedoch selbst und ihr
gesetzmäßiges Nebeneinandergehen zu dem Ablauf der Reizvorgänge
in faßbaren Hirnbahnen eine der vornehmsten Aufgaben der Natur¬
forschung. Wir suchen den gesetzmäßigen Ablauf und die Entwicklung an den
Äußerungen der tätigen Maschine aus ihrer Struktur zu begreifen, ohne die von
außen hineingetragene oder aus ihr hervorgegangene und in ihr wirkende Kraft,
ihrem Wesen nach, begreifen zu wollen.—Mit dieser Einschränkung ist die Erschei¬
nung der menschlichen Sprache als ein objektiv Gegebenes auf die Besonderheit des
menschlichen Gehirnbaus und die Entwicklung seiner Leistungen wohl begründbar.
Goebel (87) faßt seine Ausführungen folgendermaßen zusammen: Die Anlage
verschiedener Erinnerungs- und Vorstellungszentren einmal für Musik, dann für die
Sprache ist letzten Endes veranlaßt durch die Existenz verschiedener Aufnahme¬
apparate einerseits für Töne, d. h. für regelmäßige Schallwellen, andrerseits für Ge¬
räusche, d. h. für regellose, komplizierte Schallbewegung.
Kleist (131) macht darauf aufmerksam, daß bei der Erforschung der Sprach¬
störungen die Beobachtung sich nicht auf die Herderkrankungen des Gehirns be¬
schränken darf, sondern vor allem auch auf die Geisteskrankheiten ausgedehnt
werden muß. Bei Beachtung dieser Forderung erhofft K. vor allem Fortschritte in
der Aphasieforschung.
Zeitschrift für Psychiatrie. LXXII. Lit. p
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Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
Die Sprache baut sich in mehreren Schichten verschiedener Kompliziertheit
auf: Die Schichten sind Laute und Lautfolgen, Wortschatz und Wortgebrauch, die
sekundären Wortgebilde (Zusammenszetungen) und alle Typen der Wortfolgen.
K. erklärt nun die Möglichkeit des Nachweises isolierter Störungen in jeder einzelnen
jener Schichten. Außerdem wird festgestellt, daß in jeder einzelnen Schicht des
Sprachaufbaues zwei Arten von Störungen auftreten. Diese sind engraphischer
und koordinatorischer Art. Gleiche Störungen waren bei Herderkrankungen nicht
nachweisbar. K. erläutert in seiner Arbeit diese Störungen näher in ihrem Einfluß
auf die oben genannten 4 Stufen des Sprachaufbaues.
5. Verschiedenes.
Ranke (233) behandelt eingehend die Histologie und Histopathologie der
Blutgefäßwand, speziell die des Zentralnervensystems. R. glaubt, daß die Erkennt¬
nis über normale und pathologische mesenchymale Strukturen durch die Ansicht
die Zelle sei der Elementarorganismus, gelitten habe. Die Grundlage jedes mesenchy¬
malen Gewebes ist das Plasmanetz, ln diesem Netze geht eine morphotische und
chemische Differenzierung vor sich. Auch die Grundlage der fertigen Blutgefäßwand
bildet das plasmatische Bindegewebsnetz; auch die krankhaften Veränderungen
gehen hier vor. Imprägnationsänderungen sind häufig pathologische Reaktionen
des medialen und intimalen Bindegewebsnetzes. Die Membrana elastica interna
größerer Arterien zeigt als pathologisches Merkmal sehr häufig eine Aufblätterung
in Partiallamellen. Bei den meisten endarteriitischen Prozessen werden Delamina-
tion der Membran mit Muskularisation der Intima sowie Bildung von fibroplastischec
Netzen in der Intima beobachtet.
An der Hand von 6 Fällen kommt Schröder (280) zu diesem Resultat: Der
histopathologische Befund in der Rinde bei amyotrophischer Lateralsklerose und
bei einfacher Unterbrechung der Pyramidenbahn in tieferen Teilen des Zentral¬
nervensystems ist der gleiche. Die Veränderungen beschränken sich auf das kortikale
Ursprungsgebiet der Pyramidenbahn. Die Himrindenveränderungen sind durch
die Pyramidendegeneration bedingt, also bei der amyotrophischen Lateralsklerose
sekundärer Art.
Oppenheim (212) schließt sich nach Erfahrungen an 3 weiteren Fällen von
Pseudosklerose der Ansicht an, diese Erkrankung und die Wilsonsche in einer Gruppe
nebeneinanderzustellen. Rigidität und das extrapyramidale Wesen ist, wenn auch
an verschiedenen zahlenmäßigen Abstufungen, bei den Erkrankungen gemeinsam.
Auch die psychischen Störungen bilden keine wesentlichen Unterscheidungspunkte.
Verf. erkennt die beiden Erkrankungen als zwei ungleichartige Variationen des
gleichen Leidens.
Sittig (294) berichtet über 3 Fälle, die sich durch die auffallend übereinstim¬
menden Lokalisationen von Parästhesien auszeichneten. In allen Fällen handelte es
sich um zerebrale Affektionen. Im ersten Falle handelte es sich um eine Herdpara¬
lyse, im zweiten um eine luetische Himerkrankung und im dritten um eine Er¬
weichung. Von den Parästhesien waren stets ein Mundwinkel und gleichzeitig dir
gleichseitige Hand oder ein Teil derselben beteiligt. Es geht daraus hervor, daß
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Pforringer, Organische Psychosen.
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das sensible Zentrum für die Hand (Daumen) neben dem für den Mundwinkel liegt
und daß dieses dem für den Nasenflügel angrenzt.
Rinderspacher (243) empfiehlt bei der Begutachtung von Kopfverletzungen
die Lumbalpunktion, besonders die Druckmessung dann, wenn Simulationsverdacht
besteht oder zwischen objektivem Befund und den subjektiven Beschwerden keine
Übereinstimmung besteht.
Eskuchen (65) empfiehlt dringend die Goldsolreaktion und hält die technischen
Schwierigkeiten für gering. Er betont vor allem, daß zahlreiche Nachprüfungen
besonders bezüglich der multiplen Sklerose notwendig seien.
Hosemann (110) wendet bei subduralen Blutungen, die kein umschriebenes
Hämatom bilden, also sich diagnostizieren bzw. lokalisieren lassen, die Lumbal¬
punktion an. Es können so subarachnoidale Blutungen nachgewiesen werden.
Daneben zeigten sich, auch bei schweren Fällen, subjektive und objektive
Besserungen.
Atter (4a) verwendet bei den Untersuchungen von Serum und Liquor nicht
Pipetten, sondern Spritzen mit langen Kanülen, und zwar je nach der Feinheit der
Untersuchung Rekordspritzen mit vernickelten Kanülen oder Spritzen aus Jenaer
Glas mit Platinkanülen und Glasansatzstück. Verf. erkennt als die Vorteile der
Methode: größte Sauberkeit, Sparsamkeit und Zuverlässigkeit.
Schönfeld (276) fand als Todesursachen bei Geisteskranken: ein Drittel der
Psychosen stirbt an Tuberkulose, 18,7% an andern Lungenerkrankungen (Pneumo¬
nie); 11,1% an Darmerkrankungen. In 6% der Fälle sind Herz- und Gefäßerkran¬
kungen die Todesursache, ebensooft die Krankheiten des Gehirns. Maligne Neu¬
bildungen wurden in 2% gefunden, 1% ging durch Unfälle zugrunde. Die übrigen
erliegen Stoffwechselstörungen, der Erschöpfung, selteneren Krankheiten oder
enden durch Selbstmord. Bei den Gehimwägungen ergab sich: Durchschnittsgewicht
bei geisteskranken Männern 1328,7 g, bei geistesgesunden 1800 g; bei geisteskranken
Frauen 1205,3 g, bei geistesgesunden Frauen 1276 g.
Schröder (279) fand in den Gehirnen Anämischer kleine miliare Herdchen, die
andern Erkrankungen zu fehlen scheinen. In irgendwelchen Beziehungen zu den
Lichtheimschen anämischen Herden stehen sie nicht. Diese werden nur im Rücken¬
mark, jene im Großhirn beobachtet. Die Herde sind außerordentlich klein, sind
außerordentlich einfach gebaut und neigen nicht zum Konfluieren. Eigentümlich
ist, daß jedes Herdchen eine Kapillare umschließt. Die Herde finden sich am meisten
an den obersten Schichten der Markleiste, dicht unterhalb der Rinde; gelegentlich
finden sie sich auch tiefer. Die Zellen der Herde sind Gliazellen und sind in der Form
von Ringwällen angeordnet. Das kuglige Zentrum besteht aus einer körnigen Masse,
die Fibrin enthält und von mäßigen Mengen normaler Achsenzylinder und Mark¬
scheiden durchzogen wird. Wichtig ist, daß sich bei sehr vielen Herden Ansammlun¬
gen von roten Blutkörperchen finden. Bezüglich der Entstehung der Ringwall-
herdchen stellt sich Verf. auf einen andern Standpunkt als Iller, der die Ringwall-
herdchen mit andern Ringblutungen glcichstellt. Verf. hält sie im Gegensatz dazu
für eine sekundäre Erscheinung, die neben der Entstehung des Herdes einhergeht.
Auch daß Wucherungen und Schwellungen des Gefäßbindegewebsapparates fehlen,
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Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
spricht gegen primäre Blatangen. Ob dem Vorhandensein dieser Herde im Gehirn
klinische Erscheinungen vergesellschaftet sind, steht noch nicht fest.
Dreyfus und Traugott (65a) schildern den Fall einer in dritter Schwangerschaft
befindlichen Frau, bei welcher im Verlauf einiger Wochen schwere zerebrale Sym¬
ptome entstanden (u. a. Benommenheit, Erbrechen, Xerm^sches Symptom, abge¬
schwächte Reflexe, Babinslri). Der Eiweißgehalt des Liquor cerebrospinalis war
vermehrt, der Druck wechselnd gesteigert. Der bedrohliche Zustand läßt zur Unter¬
brechung der Schwangerschaft schreiten, die eine sofortige wesentliche Besserung
hervorruft. Eine Neuritis optica bildet sich nur sehr langsam zurück. Der Druck
der Lumbalflüssigkeit, die Eiweißvermehrung im Liquor und die Kopfschmerzen
bleiben bestehen. Es handelt sich um das Bild des Hydrocephalus chronicus ex-
teraus, die Ursache der zerebralen Veränderungen war die Schwangerschaft. Wahr¬
scheinlich handelt es sich um Störungen in der inneren Sekretion, worauf die Ver¬
größerung der Schilddrüse hinweist.
Quinke (232a) empfiehlt die Anwendung der Lumbalpunktion als therapeuti¬
sches Mittel in all den Fällen, wo bei einer das Leben bedrohenden zerebrospinalen
Drucksteigerung ein Flüssigkeitseiguß als wesentlich beteiligt angesehen werden
muß. Die Lumbalpunktion bringt in weniger schweren Fällen Linderung der Be¬
schwerden, so auch in akuten Fällen einfacher seröser Transsudation. In rezidivieren¬
den Fällen kann die Punktion wiederholt werden. Günstig wirken wiederholt?
Punktionen bei eitriger Zerebrospinalmeningitis, selten bei tuberkulöser. Verf. hält
das Vorhandensein von Hirntumoren nicht für einen Hinderungsgrund, die Lumbal¬
punktion vorzunehmen.
Sittig (293) fand in einem Falle von tuberkulöser Meningitis eine bi temporal
hemianopische Pupillenreaktion. Die Sektion ergab eine starke entzündliche In¬
filtration der Meningen am Chiasma. In der Sehbahn war eine Degeneration nicht
festzustellen.
An der Hand von 20 Fällen kommt Schönfeld (274) zu folgenden Resultaten:
Die Sphärotrichie stellt einen besonderen charakteristischen Befund in der Hirn¬
rinde dar, der vorwiegend zwischen dem 60. und 80. Lebensjahr angetroffen wird
Der Verf. hat die Sphärotrichie niemals in Fällen klinisch sicherer Presbyophrenie
vermißt, dagegen fand er sie bei 4 Fällen, die keine Presbyophrenie waren.
Loewy (152) schildert einen Fall, bei dem eine im 3. Lebensjahr „Kinder¬
lähmung“ festgestellt wurde, und zwar des linken Beines. Mit ungefähr 20 Jahren
trat Schwäche im rechten Bein auf und allgemeine Schwäche. An der Diagnose
multiple Sklerose war nicht zu zweifeln. Verf. läßt die Frage, ob es sich um die
Kombination zweier Erkrankungen handelt oder beide Erkrankungen als multiple
Sklerose anzusehen sind, offen. Trotz der Schwere der Erkrankung ging der Kranke
seinem juristischen Berufe nach.
Der 12. Band der Neuen Deutschen Chirurgie, herausgegeben von P. c. Bruns
Ü36), enthält die allgemeine Chirurgie der Gehirakrankheiten. Das Hirn öden:
behandelt »4. Haupt tnann, die Klinik der Hirngeschwülste L. Bruns, den Pseudo¬
tumor cerebri .Yonne, diagnostische und therapeutische Hirnpunktion F. Hausier.
den Balkenstich Anton , diagnostische und therapeutische Lumbalpunktion sowie
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S n e 11, Intoxikations-Psychosen.
207*
die Immunitätsreaktionen in Beziehung zu Erkrankungen des Zentralnervensystems
Holtmann, die Röntgendiagnostik der Gehirnkrankheiten Schüller, die kranio-
zerebrale Topographie F. W. Müller, und Trepanation, Osteoplastik und Dura-
plastik Fedor Krause. Das Werk enthält eine Fülle des Wissens, der Aufbau des
Buches ist klar und übersichtlich, die Literaturübersichten, die reichhaltig sind,
erhöhen seinen praktischen Wert, die Illustrationen sind gut.
7. Intoxikations-Psychosen.
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Sn eil, Intoxikations-PsychoBen.
215*
a) Alkoholismus.
Weygandl (110) betont die Gefährlichkeit des Alkohols in der Pubertätszeit.
Während kein Zweifel mehr darüber besteht, daß für Kinder der Alkohol immer
schädlich ist, werden in der Lehrlingszeit und den oberen Gymnasialklassen von
den Erziehern mancherlei Konzessionen gemacht. In der Regel wird der Trank in
mäßiger Weise bewilligt, aber vielfach schon recht unmäßig geübt. Und doch werden
die von der Natur gegebenen Eigentümlichkeiten des Entwicklungsalters: Lockerung
des Vorstellungszusammenhanges, Reizung der Phantasie und Weckung der Sexual¬
empfindung, durch Alkoholzufuhr gesteigert. Die Kriminalstatistik lehrt, daß der
Hang zum Verbrechen bei Jugendlichen unverkennbar im Zunehmen begriffen ist,
und zwar besonders die Gewalttätigkeitsverbrechen. In dieser Hinsicht wird nun
gerade die jugendliche Impulsivität durch die erregende Wirkung des Alkohols ge¬
steigert. Deshalb muß auch in den Entwicklungsjahren die Jugend alkoholfrei
bleiben.
Frowein (34) teilt die Krankengeschichten von 10 Patienten mit, die an akuter
Alkohol-Halluzinose litten. Das hervorstechendste Symptom sind die Gehörs¬
täuschungen. Daneben besteht häufig Gedankenlautwerden. Etwa bei der Hälfte
der Fälle ließen sich Gesichtstäuschungen feststellen, 2mal war der Geruch, lmal
der Geschmack beteiligt. Die Wahnideen sind am häufigsten Verfolgungsideen;
auch Eifersuchtsideen und Beziehungswahn sowie Erklärungswahn kommen vor.
Größenideen sind selten. Der Affekt ist meist ängstlich; Bewußtsein und Orientierung
ungestört. Die Dauer der Erkrankung schwankte zwischen 9 Tagen und 2 Monaten.
Die Prognose ist gut. Ferner wird ein Fall von chronischer Alkohol-Halluzinose
mitgeteilt, der nach l%jähriger Dauer keine Neigung zur Besserung zeigte.
Röper (78): Alkoholismus bei Frauen ist in Deutschland verhältnismäßig
selten. Die trinkenden Frauen, die geistig erkranken, sind größtenteils psycho¬
pathische Individuen. Ihre Minderwertigkeit ist nicht durch den Alkoholismus
bedingt, sondern der Alkoholismus ist ein Zeichen ihrer psychischen Abnormität.
Die schweren Formen alkoholistischer Geistesstörung entstehen nicht ohne endo¬
genen Faktor. Dieser besteht in den meisten Fällen in einer angeborenen geistigen
Minderwertigkeit, er kann aber auch erworben sein, vor allem durch schwere
Schädeltraumen oder erschöpfende Krankheiten.
Baecker (3) hat 84 Krankengeschichten von 56 Frauen bearbeitet, die während
der Zeit vom 1. Oktober 1901 bis Anfang Mai 1912 in der Kieler psychiatrischen
Klinik wegen Alkoholismus aufgenommen wurden. Schnaps war von 46 Frauen
getrunken worden, Bier von 30, Wein von 17. Unter den Ursachen der Trunksucht
spielt die Erblichkeit eine große Rolle. In 42,9% der Fälle fand sich Trunksucht
in der Familie, Geistes- und Nervenkrankheiten in 32,1%. Mit einer ererbten oder
angeborenen Schwäche behaftet waren 63,5%. Unter den 84 Aufnahmen befanden
sich 13 akute Psychosen, davon 10 Fälle von Delirium tremens, 2 Fälle von Delirium
gingen in Korsakowsche Psychose über.
Schultz (86) teilt die Krankengeschichte eines Mannes mit, der wegen Paranoia
mit lebhaften Sinnestäuschungen wiederholt in die Psychiatrische Klinik zu Kiel
aufgenommen wurde. Da Heredität oder starke Gemütsbewegungen als Ursachen
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Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
nicht in Betracbf knnörtfe«, S^f'Ä der dsr<4fri«”lie Aifc«hoit»iwx>
als HauptlYi* die Entstehung.'.der EsyohnM?
fM&ikmhnit; itpl ßrvjrvi xahiteieiier fyiBilicngestWchtre. uim Sehttz*'*
>hil.i <- Mi hiiriu» Aik*ih‘iltsi(iusim} derartige htayuiphthcrrkehe Wftkttcg: handeln kanc
«Ina itittr, die crefe Eitiaigepefatlwi bptjrÄf/— insofern
es sjch in vorauigphcndeo Cemaraiiooi<n. timIhdiyidttPii haiiöeit f bpi welchen mau
mmn-ah- Lot Wicklung genetischer Zöllen iumehnmu kann — erstreckt sich Ah
^ittjtate^Vijrkji'M^ 0c)it. —• l)xe:?w«itglß.ehfehfjtföh bei normalem Leben emzeim'r
Miigliish'f »«»ei. nur geringe AlorhidirM; nur di«' Nachkommen epileptischer, iiü-
hcsüteri und tii^gl v Vvirhihr«! zeigen einen mtcflütvcrcn Einfluß der Hereditär. AH
hnhoiixiiiiiK i« ii«>f ?,weiten mul in f«Igejide»'Generationen wirkt aber sehr mmtst*
und \ eriirs'acftt äbtmlute Degeneration bzw, Aussterben der Familie. Die Reg*it«*Yd'
tinn fot bei fclwitmWften ,|? : achkomiaeh, die Degcxieratioiü bei trinkend«) Nadikomm-'r
• die Hegei. (StudtUk^Täneh-)
-SelnfuU (Kit halt die BehutuUnng des Delirium tremens mit Pauertdktr.n
l'öv iiitzwcekiniillig. Dagegen behandelt er jeden fall mit einem Digit tdispnijiiuwt
am lostet» Ainaf täglich 20 Tropfen Digai.-u innerlich, Alkohol als Stimulan.*-. hadr
er hir ciitbehrlith, empfiehlt aber. Medikamente. (Digalen. Verona!j in g-r *-• ,■
Meng.'ii Vi»n Aikohoi zu reichen. Grdßete Menge»)/von Alkohol halt et in deöjenigf'ft
M-Itvyeren Fällen für indiziert, in ilenen pM.h'.'Ns.dmwig^aufnahroe verweigert wird
sieh. die. Zuführung von Kalorienin irgendwelcher Form als imirvftndig «rwwRi;
Sfchtkjder ipky .; widersprich 1 diehtri "ha di» ;^(jjt«ltii»tnscljwr t
Klinik de/ Köln Worden im
alle 31 th-jiranfpn ..mit Ikuerbtuleru ohne Alkohol und ohne iscldatduit«! behaipd/th
•nhftf daß «in Tbdosliill vorknm. Slap opiü dem Ivrnttkeh möglichste iiewegsus^t*
t i edieif. lassen. Die freie Bewegung im Ha de raum ist besser als die Rückkehr $niei
Helji'fiaiim.
Schantht: (R4) wendet- dagegen ein. daß 'das Herim>lauicnla'sseti'rnt^tlerhiMi>“
dftfijb;^ ^l/igiii'hkgit;^» Au^lctfeus gefährlich und für andere Insassen ikss t^UM -,
bädc* isfeh/ilitÄtig ist. Er halt daher das Isolivramunt'r fair tlao geringere VhekA ik)
I, ’ Ar 'T&Jwrijiijplii 1 schildert <iii*äji/di>^ 1 Jftpskujjnfr Pr.HLüaostalteh
net» fSäinpe iö»- <!.»;>■ auf de« A»faßen aidu'ele-.a-fn'ii rrvuikeneo IVr-ufori F?ewobeib* !•■
wiAhihhih/behalt er» liii Jüirre RäjO beltuk i8u ?.afcit
hier llrherHütgleu 041130, zwei Juhh) »pshcj stieg, sie auf Hä 5)31 . i)«* «tsebt'
'ft, aä% wäli/ehd dV ehtsprpchtmdwn Vtrhafthfek*’
in tieft«» Wii>. 1 Ar* in Wi«n t : 1020. ui Daii.s f : X0 hti'g jgri'riitren:
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Sn eil, Intoxikations-Psychosen.
217*
fine Krankheit, sondern für eine Erscheinung in dem gewaltigen Prozeß der De¬
generation. Immer deutlicher wird die Trunksucht als Ursache der Degeneration
und dadurch indirekt des Alkoholismus in den folgenden Generationen erkannt.
Der Alkoholismus macht in den meisten Fällen das degenerierende Individuum erst
sozial unbrauchbar, er ist aber auch derjenige Punkt, an dem der Circulus vitiosus
am ehesten durchbrochen werden kann. Jeder Alkoholiker ist eine Gefahr und
eine Last für,die Gesellschaft, in der er lebt, und er wird auch meistens kommenden
Geschlechtern zum Verhängnis. Deshalb ist die Bekämpfung der Trunksucht eine
der dringendsten und aussichtsreichsten Aufgaben der Rassenhygiene. Meistens
entwickelt sich die Trunksucht auf dem Boden irgendeiner angeborenen oder er¬
worbenen geistigen oder körperlichen Schwäche. Als das wesentliche Moment der
Trunksucht wird die Unfähigkeit bezeichnet, alkoholische Getränke in relativ mäßi¬
gen Mengen zu genießen; dabei kann eine pathologische Überempfindlichkeit (In¬
toleranz) bestehen oder fehlen. Die wesentliche Aufgabe der Alkoholikerbehandlung
besteht darin, den Trunksüchtigen zu der Erkenntnis zu bringen, daß er dauernd
abstinent leben muß, und ihm zu zeigen, daß er es auch kann. Die lebenslängliche
Enthaltsamkeit von allen alkoholischen Getränken ist der einzige Weg zur Rettung
der Trunksüchtigen. Die Wirkung des Alkohols auf das Nervensystem ist wesentlich
lähmender Art und entspricht einer in die Länge gezogenen Chloroform- oder Äther¬
narkose. Der Süchtige begeht, auch ohne berauscht zu sein, triebhafte Handlungen
aller Art, namentlich auch Verbrechen. In der Schweiz konnten 1892 etwa y» bis */*
aller Verbrechen mit Trunk in Verbindung gebracht werden. Bei den Arbeits¬
häuslern wirkte Trunk in */ 4 bis */ f der Fälle mit. In den Korrektionshäusem sind
vor allem Gewohnheitstrinker. Im Jahrfünft 1892—1896 betrug der Anteil des
Alkoholismus an den Vergehen und Verbrechen gegen die öffentliche Ordnung
54,8%, an den Vergehen und Verbrechen gemeingefährlicher Art 33,7%.
Die meisten berufsmäßigen Landstreicher sind trunksüchtig und abnorm; ihnen
gegenüber versagt die Methode immer wiederholter Freiheitsstrafen vollständig.
Die Ausgaben für alkoholische Getränke betragen in der Schweiz jährlich 300 bis
400 Millionen Franken, also etwa 100 Franken auf den Kopf der Bevölkerung. An
Alkoholismus starben in der Schweiz jährlich 1570 Männer und 289 Frauen, also
1859 Erwachsene. Jeder 13. tödliche Unglücksfall erfolgt in berauschtem Zustande.
Bei fast einem Drittel der Selbstmorde mit bekannter Ursache war 1896 Alkoholis-
mus im Spiel. In Genf waren 1901 bis 1910 ein Drittel der geschiedenen Ehemänner
trunksüchtig. In der Schweiz gibt es ungefähr 30 000 Geisteskranke. In den kanto¬
nalen Irrenanstalten litten 1901—1905 21,2% der Männer und 3,8% der Frauen
an alkoholischen Geistesstörungen. Die Hälfte der Alkoholiker war erblich belastet.
Ein Drittel aller Alkoholiker wurde in die Irrenanstalten erst eingeliefert, nachdem
die Krankheit schon mehr als 5 Jahre gedauert hatte. Im Interesse der Trunk¬
suchtsbekämpfung wird eine gründliche Reform der kantonalen Wirtschaftsgesetz¬
gebung verlangt. Besondere Trunksuchtsgesetze werden nicht für notwendig ge¬
halten. Das schweizerische Zivilgesetzbuch verpflichtet die Behörden zu fürsorge¬
rischem Eingreifen. Jeder ausgesprochen Trunksüchtige kann entmündigt werden
mit der Möglichkeit nachheriger Einweisung in eine Trinkerheilanstalt. Der Vor-
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Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
entwurf zu einem schweizerischen Strafgesetzbuch enthält wertvolle Neuerungen,
vor allem die Einweisung in eine Trinkerheitanstalt mit Strafaufschub und den be¬
dingten Straferlaß bei Abstinenzverpflichtung. Zur zweckmäßigen Behandlung
der Trunksucht ist ärztliche Untersuchung und Erziehung zur Abstinenz und zur
Arbeit erforderlich. Unheilbare Trinker müssen zu ihrem eigenen und der Gesell¬
schaft Schutz dauernd in einer geschlossenen Anstalt versorgt werden. Zur Durch¬
führung der Alkoholikerfürsorge sind Trinkerfürsorgestellen unentbehrlich. Sie
müssen allgemeines Vertrauen genießen und mit Behörden, Anstalten und den
übrigen Fürsorgebestrebungen in ständiger Fühlung stehen.
Ne ff (68) verlangt zur wirksamen Behandlung der Trunksucht Anstalten, die
über genügende Ländereien zur landwirtschaftlichen Beschäftigung und über Ein¬
richtungen zur ausgiebigen Beschäftigung in Werkstätten verfügen und außerdem
die Trennung der frischen Fälle von den schwereren und den hoffnungslosen er¬
möglichen. Außerdem ist Überwachung und Behandlung der Trinker erforderlich,
die keine Anstaltsbehandlung brauchen, und eine ärztliche Überwachung der Ge¬
fängnisse.
Waldschmidt (109) bespricht „die bestehenden Möglichkeiten zur Unter¬
bringung trunksüchtiger Personen“. Es gibt in Deutschland 46 Trinkerheilanstalten
oder Spezialanstalten für Alkoholkranke, wie sie besser benannt werden sollten,
mit 1904 Betten. Mit einer einzigen Ausnahme sind sie offene Anstalten. Dringend
erforderlich ist die Schaffung einer gesetzlichen Möglichkeit zur schleunigen Unter¬
bringung. In allen Trinkerheilstätten ist die Durchschnittsdauer des Aufenthaltes,
wenn sie von den Pfleglingen selbst bestimmt wird, zu kurz. Auch die Angehörigen
neigen in den meisten Fällen dazu, den Aufenthalt zu früh abzubrechen. Die
Trinkerheilanstalten sollten als Krankenanstalten angesehen und unter psychiatri¬
sche Leitung gestellt werden. Jede Trinkerheilstätte soll zudem den Ausgangs¬
punkt für eine erweiterte Trinkerfürsorge, ein festes Bollwerk im Kampfe gegen die
Trunksucht bilden.
b) Korsakowsche Psychose.
Meyer (63) berichtet über einen Fall von Korsakowscher Psychose mit trau¬
matischer Ätiologie. Eine 47jährige Frau erlitt durch Sturz von der elektrischen
Straßenbahn eine Schädelbasisfraktur. Nach zweitägiger Bewußtlosigkeit trat ein
Zustand von leichter Benommenheit mit deliranter Unruhe ein. Sie war über Ort
und Zeit desorientiert und zeigte große Gedächtnisdefekte. Diese Gedächtnis¬
lücken suchte sie durch Konfabulation auszufüllen.
c) Morphinismus.
Moravcsik (64) gibt eine kurze, aber doch gründliche Darstellung der jetzt
herrschenden Anschauungen über den Morphinismus. Unter den mitgeteilten
eigenen Beobachtungen ist ein Fall von Morphinismus, der vollkommen den Eindruck
der progressiven Paralyse machte.
König (53) hält die ungünstige Prognose, die von den meisten Ärzten dem
chronischen Morphinismus gestellt wird, nicht in allen Fällen für gerechtfertigt.
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Sn eil, Intoxikations-Psychosen.
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Er teilt die Kranken in drei Gruppen ein: 1. Kranke mit chronischen, schmerz¬
haften Erkrankungen, wie Tabes, Neuralgien und schmerzhaften peritonealen Ver¬
wachsungen, 2. solche, die wegen einer akuten, schmerzhaften Erkr ankung zum
Morphium gegriffen und nicht wieder davon gelassen haben, z. B. Kranke mit
Gallen- oder Nierensteinen, und schließlich 3. solche, die, ohne körperlich krank
zu sein, ohne physische Schmerzen zu haben, zur Beseitigung psychischer Unlust-
gefühle oder zur Erzielung von Schlaf zum Morphium gegriffen haben. Für die
zweite Gruppe ist die Prognose relativ günstig zu stellen. Von den 11 beobachteten
Fällen dieser Gruppe blieben mindestens 20% dauernd geheilt.
Remertz (76) erörtert die Schwierigkeiten, die jetzt der erfolgreichen Be¬
kämpfung des Morphinismus in den meisten Fällen entgegenstehen, und wünscht,
daß eine gesetzliche Bestimmung geschaffen würde, nach der es möglich wäre, eine
Entmündigung auszusprechen über Menschen, die infolge gewohnheitsmäßigen Mi߬
brauches von Nervengiften sich oder ihre Familie der Gefahr des Notstandes preis¬
geben oder die Sicherheit anderer gefährden, damit beizeiten gegen den Morphium¬
süchtigen, bevor er zum chronischen Morphinisten geworden ist, vorgegangen
werden könnte.
Dominick (23) teilt zwei Fälle von Morphiumentziehung mit, bei denen psy¬
chotische Erscheinungen während der Entziehung beobachtet wurden. In dem einen
Falle trat Ernährungsverweigerung und gereizte Stimmung auf, wohl das Bild einer
Hysterie, die bei einer von Haus aus psychopathisch veranlagten Person durch die
Morphiumentziehung zum Ausbruch kam. Bei der andern Patientin, die durch
eine stets nervenkranke, leicht aufregbare Mutter erblich belastet war, trat in der
S. Woche der Entziehungskur ein Zustand von zunehmender Verstimmung und
innerer Unruhe ein. Sie wurde schwer besinnlich, auffallend desorientiert und
geriet in einen deliranten Zustand. Nach etwa einer Woche kehrte das Bewußtsein
zur Norm zurück, aber erst nach weiteren 7 Wochen trat eine erhebliche Besserung
im Schlaf und Allgemeinbefinden ein.
d) Andere Gifte.
Vallon und Bessiere (104) berichten über Geistesstörungen nach Kokain-
raißbrauch. In Frankreich hat seit einigen Jahren die Verbreitung des Kokainismus
sehr zugenommen. Die meisten Kokainisten waren vorher schon Morphinisten.
Der Kokainrausch verläuft ebenso verschiedenartig wie der Alkoholrausch. Meistens
lassen sich zwei Stadien unterscheiden, das erste mit vermehrtem Kraftgefühl und
Bewegungsdrang, das zweite mit angenehmen Träumen bei motorischer Ruhe. Der
chronische Kokainismus ruft einen Zustand hervor, der dem chronischen Alkoholis¬
mus ähnlich ist. Die Träume der Kokainisten gehen leicht in Halluzinationen über.
Von Kokainpsychosen gibt es 2 Formen. Entweder entwickeln sich in chronischem
Verlaufe Sinnestäuschungen und Wahnideen, besonders Verfolgungs- und Eifer-
siyihtsideen, seltener hypochondrische und Größenideen, oder es treten akute Er¬
regungszustände mit gänzlicher Verwirrtheit und schreckhaften Sinnestäuschungen
auf.
Grafe und Homburger (40) berichten über die Krankheit eines 46jährigen
Zeitschrift für Psychiatrie. LXXII. Lit. q
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220* Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
Mannes, der in einer chemischen Fabrik täglich etwa 16001 Nitrobenzol abzufüllen
hatte. Er erkrankte mit Bewußtlosigkeit, Zuckungen, äußerst erweiterten Pupillen,
beschleunigtem und unregelmäßigem Puls. Am folgenden Tage Abgespanntheit,
Kopfschmerzen und Teilnahmlosigkeit. Es blieb apathisches, teilnahmloses Wesen
und schwere Störung der Merkfähigkeit, so daß er sich an Erlebnisse am folgenden
Tage nicht mehr erinnern konnte.
Hirsch (46) berichtet über 7 Kranke, die langdauerader Bleieinwirkung aus¬
gesetzt waren. Sie klagten über Kopfschmerzen, morgendliches Erbrechen und
Leibschmerzen. Es bestand depressiver Stimmungszustand, leichte Erregbarkeit
und Schreckhaftigkeit. Außer Bleisaum, erhöhten Patellarreflexen, Händezittern
und Dermographismus fehlte jeder somatische Anhaltspunkt. Indifferente Therapie
hatte schnellen Heilerfolg.
Boveri (9) untersuchte bei Kranken, die an chronischer Bleivergiftung litten,
ohne Symptome von Meningitis zu zeigen, die Zerebrospinalflüssigkeit und fand
Drucksteigerung, Erhöhung des Eiweißgehaltes und Vermehrung der weißen Blut¬
körperchen.
Friedmann (33) beobachtete bei 8 Postbeamten Quecksilbervergiftung. Zwei
von ihnen boten schwere nervöse Störungen, die sich im Verlauf einiger Jahre bis
zur dauernden Dienstunfähigkeit steigerten. In dem einen Falle bestand große
seelische Erregbarkeit. Aus kleinsten Anlässen entstanden Ausbrüche wilder Ver¬
zweiflung mit heftigem Weinen, Zittern am ganzen Körper, sinnlosen Anklagen
gegen sein Schicksal, seine Umgebung, die Postverwaltung und mit Selbstmord¬
gedanken. Ebenso plötzlich trat dann Beruhigung ein mit mangelhafter Erinne¬
rung an den Erregungszustand.
Pürekhauer und Mauß (74): Eine 57jährige Frau wurde wegen Tabes dorsalis
mit intravenösen Infusionen von Neosalvarsan behandelt. Nach der 2. Infusion
von 0,45 Neosalvarsan trat Druckempfindlichkeit der Nerven und Muskeln, Nystag¬
mus und rasch zunehmende motorische Schwäche auf; dabei hochgradige Störung
der Merkfähigkeit, Gedächtnisschwäche besonders für Jüngstvergangenes und
mangelhaftes Orientierungsvermögen bei ruhigem und geordnetem Verhalten und
relativer Krankheitseinsicht. Nach 17 Tagen Exitus letalis.
v. Muralt (66) beobachtete einen erblich belasteten, jüdischen Kaufmann,
der 15 Jahre lang Schlafmittel nahm, in den letzten 3 Jahren etwa 300 g Veronal
und 600 g Trional. Es trat ein dem Delirium tremens ähnlicher Zustand mit Sinnes¬
täuschungen des Gehörs und Gesichtes auf, vorwiegend schreckhafter Art. Starker
Tremor und Muskelunruhe bei Erhaltung der Muskelkraft und der groben Koordina¬
tionen. In 3 Tagen klang das Delir ab, und nach einem freien Zwischenraum von
weiteren 3 Tagen traten motorische Anfälle von Jacksonschem Typus auf. Es ent¬
wickelte sich rasch ein Status epilepticus bei erhaltenem Bewußtsein, der unter Be¬
handlung mit Amylenhydrat und Bromnatrium in 3 Tagen heilte.
Über einen Fall von Bromuralismus berichtet Zeüin (114). Eine aus
einer neuropathischen Familie stammende Patientin, die auch gegen ungünstige
Verhältnisse schwer zu kämpfen hatte, nahm zur Beschwichtigung ihrer Angst¬
zustände regelmäßig Bromural ein, und zwar zunächst 3—4, später aber 20—30
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Tabletten pro die. Nach diesen Bromuralgaben fühlte sie sich vortrefflich, sie konnte
arbeiten, geistreich sein, sie spürte Tatendrang usw. Dagegen schien es ihr, daß
sie ohne Bromural nicht leben könnte. Nach zwei Jahren solcher Lebensweise
begann Pat. sich schläfrig und betäubt zu fühlen und mußte die Bromuraldosen
immer mehr steigern. Es zeigte sich ein Hautausschlag, der sich zu einem Bromo-
derma pustulo-tuberosum vegetans entwickelte. Pat. wurde dann in eine Anstalt
aufgenommen, in der Bromural sofort ausgesetzt wurde. Es wurde zunächst Brom¬
natrium und später Kochsalz verabreicht. In der ersten Zeit hatte Pat. stark ge¬
litten. Später erholte sie sich unter einer allgemeinen roborierenden und psycho¬
therapeutischen Behandlung. (Fleachmann-Kim .)
Kolossow (55) beobachtete 12 Fälle von seelischen Störungen, die durch Ergo-
tismus hervorgerufen waren. Auf Grund der Analyse seiner Fälle und der in der
Literatur angegebenen Tatsachen kommt Verf. zu dem Schluß, daß diese bei Ergotin-
vergiftungen ziemlich häufige Komplikation auch bei solchen Personen entstehen
kann, bei denen weder hereditäre Belastung vorliegt noch Lues oder Alkoholismus
vorangegangen sind. Besonders häufig werden jüngere Leute betroffen. Das
klinische Bild wechselt je nach der Schwere der Vergiftung und dem Grade der
Empfindlichkeit des erkrankten Individuums gegen das betreffende Gift. Der Inhalt
der seelischen Störung ist sehr verschieden und keineswegs irgendwie typisch, so
daß von einer charakteristischen Ergotinpsychose nicht die Bede sein kann. Die
ersten Zeichen der Psychose können bereits in der ersten Krankheitswoche auf-
treten. Plötzlich einsetzende Psychosen gehen sehr oft rasch vorüber. In den
meisten Fällen ist die seelische Störung mit objektiven Veränderungen seitens
des Nervensystems verbunden. (FietscÄmann-Kiew.)
Buir (11) beobachtete bei einem 14jährigen Knaben eine Ptomainvergiftung
durch konservierten Lachs mit epileptiformen Anfällen und zerebellarer Ataxie,
nach der dauernder Schwachsinn zurückblieb.
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251a. Webner, Georg, Beitrag zur Lehre der sexuellen Neurasthenie.
Inaug.-Diss. Kiel. (S. 241*.)
252. Werner, H. (Hamburg), Morbus Basedomi bei Beriberi. Arch. f.
Schiffs- u. Tropenhygiene Nr. 8.
253. Wilde, Alb. F. W. (Kiel), Hysterische Krampfanfälle als Unfall¬
folge erkannt. Med. Klin. Nr. 5, S. 204.
253a. Williams, Tom A. (Washington), The traumatic neuroses.
Amer. journ. of med. Sciences vol. 148, nr. 4, p. 567. (S. 240*.)
253b. Williams, Tom A. (Washington), Some remarks, with illustra¬
tive cases, concerning the pathogenesis of certain neuralgias
in relation to inflammation, toxicosis and neurosis. The
Lancet-Clinic, Dec. 12, 1914. (S. 241*.)
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240*
Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
253 c. Wollenberg , R. (Straßburg), Nervöse Erkrankungen bei Kriegs¬
teilnehmern. Münch, med Wschr. Nr. 44, S. 2181. (S. 240*.)
254. Wrede, Martin , Paralysis agitans post trauma. Inaug.-Diss.
Freiburg.
255. Zander , P., Neurasthenie und Unfall. Med. Klin. Nr. 2, S. 70.
A. Neurosen.
Wolletiberg (253c) fand nach den ersten 6 Wochen des gegenwärtigen Krieges
seine Erwartung, daß die Zahl der psychisch Erkrankten sehr hoch sein werde,
nicht bestätigt. Er teilt die von ihm beobachteten Fälle ein in 1. die Erkrankten
der Mobilmachungsperiode, unter denen sich besonders die Alkoholdelirien und
dann gewisse mehr episodenhafte Erregungszustände bei Psychopathen abhoben,
ln die zweite Gruppe reiht er die Beobachtungen ein, in denen die Aufregungen des
Kampfes unmittelbar psychische Störungen hervorgerufen haben. Hier handelt es
sich im wesentlichen um hysterische Schreckpsychosen, ferner um Störungen, die
auf Erschöpfung beruhen, und um neurasthenische Depression. Die dritte Gruppe
umfaßt Kranke, die im Zusammenhang mit einer Verwundung, meist der peripheren
Nerven, eine ausgesprochene Hyperästhesie aufweisen. Eine besonders für den
Krieg spezifische Psychose oder Neurose gibt es nicht.
Von dem Wesen der traumatischen Neurose gibt Williams (253a) eine packende
Schilderung. Er beginnt seine Ausführungen mit der Feststellung, daß die Bezeich¬
nung „traumatische Neurose“ eine durchaus verkehrte ist. Der Zustand ist nicht
nervös, sondern er ist psychogen, und das Trauma ist nicht psychisch. Eine Ver¬
letzung kann keine „Neurose“, besser gesagt, Psychose bedingen; der Zustand ist
einzig und allein dadurch hervorgebracht, daß der Patient, über seinen Unfall
grübelnd, der Einbildung unterliegt, schwer erkrankt zu sein. Tatsächlich kann der
Gedanke an einen Leidenszustand die Begleiterscheinungen des Leidens hervor¬
bringen, in erster Linie die Depression vegetativer Funktionen. Das geschieht, weil
die emotionelle Reaktion unzertrennlich ist von der Vorstellung, die die Erfahrung
mit ihr verbindet. Diese Tatsachen beweisen, in welchem Grade irrtümlich die
landläufige Meinung ist, daß die Vorstellung wirksamer Affekte, im Sinne der
Schmerzempfindung, zu ihrer Auswirkung einen vorhergegangenen Krankheits¬
zustand verlangt. Allerdings ist es möglich, daß der Patient, ein Opfer seiner Ein¬
bildung, in Wirklichkeit psychisch erkranken kann, aber die Erkrankung ist immer
nur psychogenetischer Natur, und es sind die suggestiven Psychosen mit ihren ex¬
orbitanten Folgen, deren Beseitigung bei einer Behandlung zunächst ins Auge gefaßt
werden muß. Besonders die im sozialen Sinne gefährlichen Entschädigungs- und
Rentenpsychosen müssen auf das nachdrücklichste bekämpft werden.
Meitzer (162) führt aus, daß die sogenannten objektiven Symptome der
Neurasthenie an sich noch nicht zur Annahme einer Beschränkung der Erwerbs¬
fähigkeit berechtigen. Die erstmalige Beurteilung der Erwerbsfähigkeit soll stets
erst nach längerer Beobachtung, am besten in einer Klinik erfolgen, und es soll
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stets nur eine zeitige Erwerbsbeschränkung — zunächst auf nur ein Jahr — ange¬
nommen werden.
Neubers (175a) Dissertation handelt von Neurosen nach elektrischen Unfällen.
Sechs Fälle sind untersucht und sie sind derart zusammengestellt, daß von der voll¬
kommenen Zusammenhangslosigkeit der Krankheit mit dem elektrischen Unfall
beginnend, eine stets größere Abhängigkeit von Unfall und Neurose festgestellt wird.
Eine Untersuchung der Sehnenreflexe während und gleich nach der Einwirkung
eines elektrischen Stromes hat Swift (236 a) vorgenommen. Er fand, daß normale
Reflexe in über der Hälfte der Fälle verstärkt wurden. Gesteigerte Reflexe am Arm
blieben unbeeinflußt, am Bein dagegen traten sie noch mehr hervor mit Ausnahme
des Achillessehnenreflexes. Fehlende Reflexe konnten auf diese Weise bisweilen
noch hervorgerufen werden, besonders Patellar- und Achillessehnenrefiexe. In
einer weiteren Arbeit empfiehlt Swift (236b) die Elektroden ober- und unterhalb
der Stelle der Reflexreizung anzulegen und den Strom nur so stark zu wählen,
daß er keinen Schmerz verursacht, da sonst Muskelkontraktionen den Erfolg beein¬
trächtigen. Die Richtung und Art des Stromes, ob galvanisch oder faradisch, ist
ohne Belang.
Williams (253b) beschreibt 3 Fälle, in denen schwere Neuralgien durch ent¬
sprechende Zahnbehandlung geheilt wurden. In der einen Beobachtung war es zu
schweren psychischen Symptomen gekommen, die prompt verschwanden, als ein
kranker Zahn extrahiert war.
Webner (251a) bringt 13 Fälle von sexueller Neurasthenie, die nichts Besonderes
bieten.
Dreyfus und Schürer (59a) haben beobachtet, daß es nach einer leichten Diph¬
therie zu einer l / 4 Jahr währenden, progredient verlaufenden leichten Polyneuritis
kam, die sich vorwiegend auf sensiblem Gebiete abspielte. Nach der Tonsillektomie
trat sehr rasch Heilung ein. Man muß also bei postdiphtherischen Lähmungen
genau auf den Zustand der Tonsillen achten und eventuell ihre Entfernung vor¬
nehmen.
Eine Anleitung zur Diagnostik der verschiedenen Formen des Kopfschmerzes
gibt Lobedank (140). Das kurzgefaßte Buch enthält ein Schema zur Befragung
und Untersuchung mit den nötigen Erläuterungen und eine Übersichtstafel mit
allen Krankheitszuständen, welche als Ursache für Kopfschmerzen in Betracht
kommen. Auch die Differentialdiagnose wird eingehend berücksichtigt. Das Werk
ist für den Praktiker bestimmt und bietet ihm ein gutes Hilfsmittel.
An der Hand von 3 Fällen und eingehender Würdigung der Literatur be¬
spricht Löwy (144) die „meteoristischen Unruhebilder“ und die „Unruhe im allge¬
meinen“. Er weist darauf hin, daß Unruhe bei Magendarmstörungen vorkommt,
und zwar besonders bei solchen, welche mit Meteorismus einhergehen. Am häufig¬
sten entspricht die meteoristische Unruhe körperlichen bewußten Sensationen der
Beklommenheit, der Enge, des Druckes im Leibe. Diese werden im allgemeinen
durch das Gefühl unbestimmter Unruhe ausgelöst, gehen mit ihm einher und werden
mit ihm im Bewußtsein assoziiert. Sind sie aber durch die Aufblähung des Leibes
und nicht durch den Unruheaffekt gegeben, so erwecken diese Sensationen nun in
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retrograder Assoziation ihrerseits das Gefühl der unbestimmten Unruhe und dessen
psychische Folgeerscheinungen bei den Meteoritischen. Ob die bei Dickdarm-
katarrh, bei Magenstörungen usw. beobachteten Verwirrungszustände einfach
durch eine retrograd-assoziativ entstandene Unruhe bzw. reflektorisch durch den
Schmerz entstehen können, läflt sich noch nicht entscheiden.
Bueura (43) vermutet, dafl die nicht seltenen Mißerfolge bei der Eierstock*
therapie hauptsächlich auf mangelhafter Gewinnung der Präparate beruhen. Er
nimmt an, dafl dem Follikel die hauptsächlichste Hormonbildung zuzuschreiben ist,
das Corpus luteum ist nur als ein vom Ei befreiter innensekretorischer Anteil des Fol¬
likels anzusprechen, die interstitiellen Drüsen dagegen sowie auch die „innere
Sekretion“ der Plazenta, Dezidua u. a. sind nur als eine Ovarialhormonspeicherung,
ein^Depot, anzusehen, ln 3 Perioden ist der Eierstock arm an Hormon, nämlich
im^Puerperium, der Laktation und in der zweiten Hälfte der Gravidität; zu diesen
Zeiten wären also die Ovarien wenig geeignet zur Gewinnung von Eierstockhonnor.
Die Kuh ist nicht zu empfehlen, da intakte Tiere selten zur Schlachtung kommen,
besser liegen die Verhältnisse beim Schaf und am günstigsten beim Schwein. Es
bleibt, wenn man die Zeiten der fehlenden oder mangelhaften Hormonproduktion —
jugendliches Alter, vorgeschrittene Gravidität bis zur nächsten Brunst, prä- und
postklimakterisches Alter — ausschliefit, nur eine kurze Periode zur Gewinnung
des Ovarins übrig. Verf. empfiehlt die Ovarintherapie bei künstlichem und natür¬
lichem Klimakterium, Amenorrhoe und Fettsucht genitalen Ursprungs. Bei Psv-
chosen kann man keine Heilung erwarten.
Nach Kellner (117 a) ist eine Zunahme der Selbstmorde unverkennbar, auch
die Zahl der Kinderselbstmorde ist gewachsen. Übrigens ist die germanische Rass**
hervorragend beteiligt, Deutschland und hier Sachsen nimmt die erste Stelle ein.
Es ist nachgewiesen, dafl in vielen Fällen ein Zustand mehr oder weniger ausge¬
prägter geistiger Unfreiheit oder geistiger Erkrankung besteht. Die melancholischen
Krankheitsbilder geben meist die Ursache ab, zuweilen beginnt auch die Dementia
praecox mit Selbstmordneigung. Das größte Kontingent stellen aber auf der
Grenze geistiger Gesundheit stehende Individuen und Alkoholisten. Bei der Sektion
vieler Selbstmörder wurden akute fieberhafte Krankheiten gefunden, ferner bei
Frauen Menstruation, Schwangerschaft oder Wochenbett. Bei Jugendlichen war
auffallend oft das Fortbestehen kindlich-embryonaler Verhältnisse, Unterentwick¬
lung des Blutgefäßsystems oder eine lymphatische Konstitution festzustellen. Verf.
sieht die Zunahme der Selbstmorde nicht als Zeichen einer Degeneration, sondern
als Begleiterscheinung einer höheren Kulturentwicklung an.
B. Epilepsie.
Jödieke (113) hat die allgemeinen Verhältnisse: Ätiologie, Lebensdauer,
Alter, Sterblichkeit, Todesursache und Sektionsbefunde bei 309 in der Anstalt
Tabor verpflegten und verstorbenen Epileptikern statistisch zusammengestellt und
zahlreiche Einzelbeobachtungen eingestreut. Die Ergebnisse seiner Untersuchungen
weichen in einzelnen Zahlen etwas von den Feststellungen anderer Autoren ab,
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Schütte, Neurosen und Schilddrüsenerkrankungen.
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was sich ohne Schwierigkeit erklären läßt, stimmen aber in der Hauptsache mit
andern Resultaten der Epilepsiestatistik überein und bringen für manche Verhält¬
nisse interessante und beweiskräftige Illustrationen. Er findet etwa bei der Hälfte
seiner Fälle erbliche Belastung (was natürlich bei der Verschiedenheit in der Auf¬
fassung des Begriffes „erbliche Belastung“ nicht von besonderer Bedeutung ist)
und legt den Hauptnachdruck auf die deletäre Wirkung der psychopathischen Be¬
lastung und auf den Einfluß des Alkoholabusus der Vorfahren. Aus seinen Fällen
hat er sich die Anschauung gebildet, daß auf dem Boden der Keimschädigung
häufig kleine, exogene Gelegenheitsursachen genügen, um die epileptischen Erschei¬
nungen zum Entfalten zu bringen; meningitische oder enzephalitische Prozesse
sind dazu nicht in jedem Falle erforderlich. Die somatischen Erkrankungen haben
eine große Bedeutung als anfallauslösendes Moment; traumatische Einwirkungen
sind darunter in 4,5% vertreten. Kasuistisch interessant sind 2 Fälle, in denen
Kohlenoxydgasvergiftung als Ursache der Epilepsie anzunehmen ist, wobei aller¬
dings durch die Sektion diese Pathogenese nicht geklärt wurde.
Bei der Erörterung des Lebensalters, in dem die Epilepsie ausbrach, betont J.
seine Anschauung (entgegen Thienich und andern), daß zwischen Spasmophilie und
echter Epilepsie kein genereller Unterschied besteht. Für besonders wichtig halte
ich auch die erneute Feststellung auf Grund dieser Statistik, daß eine nach dem
30. Lebensjahr auftretende Epilepsie immer eine symptomatische ist und zum
Suchen nach einem körperlichen Grundleiden auffordert. Bei der Sterblichkeit
wird vor übermäßiger Brombehandlung gewarnt und betont, daß eine rationelle
Bromtherapie stets eine kochsalzarme Diät voraussetzt. Die Sektionsergebnisse
zeigen einige interessante Fälle von starker Hirnatrophie und betonen die Häufigkeit
der Gefäßerkrankungen. TVe&er-Chemnitz.
Bollen (34) hat einer Arbeit den Titel gegeben: „Die Erklärung der epileptischen
Erscheinungen“. Er führt folgendes aus: Bei vielen organischen Himerkrankungen
(z. B. Hydrozephalus int., Tumor, Lues, zerebrale Kinderlähmung u. a.) treten
Anfälle auf; als ihre Ursache wird aber bald die zugrunde liegende herdförmige
Gehiroerkrankung erkannt. Deshalb dürfen diese Erkrankungen überhaupt nicht
als Epilepsie bezeichnet werden. Dann bleibt noch eine Gruppe übrig, die man
gewöhnlich als „genuine E.“ bezeichnet. Aber auch diese Gruppe enthält zwei ganz
verschiedene Krankheiten, nämlich solche, die durch diffuse primäre Himerkran¬
kungen, besonders meningoenzephalitischer Natur, entstanden sind, wie sich aus
der Anamnese, den Symptomen oder dem Sektionsbefund nachweisen lasse, und
solche, bei denen eine solche organische diffuse Himerkrankung fehlt und die nach
B. durch eine Autointoxikation des Körpers infolge von Stoffwechselstörungen
entstanden sind; als solche Stoffwechselstörung kommt nach B. fast ausschließlich
eine Hypofunktion der Schilddrüse, vielleicht auch der Thymus und der Hypophyse
in Betracht. Die erste Gruppe bezeichnet er als zerebrale oder symptomatische E.,
während die zweite Gruppe die der echten oder genuinen E. sei. Er gibt aber zu,
daß klinisch beide Fälle meist nicht voneinander zu trennen seien, weil sie in ihrem
Verlauf und auch in bestimmten Äußerungen, wie Charakterveränderungen, Ver¬
blödung, sieh gar nicht voneinander unterscheiden. Als differentialdiagnostisches
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Moment führt er nur an: bei der symptomatischen Form die aus der Anamnese,
einzelnen klinischen Symptomen und dem Sektionsbefund nachzuweisende zere¬
brale Erkrankung, für die genuine Form die von ihm festgestellte Tatsache, daß die
rektale Einführung von frischem Schilddrüsenpreßsaft weitgehende Besserung
oder sogar Heilung dieser Fälle ermöglicht.
In der Aufstellung Boltens ist zunächst ein logischer Fehler, den er in seiner
Arbeit einem andern Forscher, Redlich, wiederholt vorwirft. Denn während B. in
seiner Einleitung die durch grobe Himerkrankungen (Tumoren, Hydrozephalie,
Enzephalitis) bedingten, mit Anfällen einhergehenden Erkrankungen ausdrücklich
von der Bezeichnung „Epilepsie“ ausschließt, tauchen diese Erkrankungen später
(S. 601) auf einmal wieder auf bei der zerebralen E. und werden ausführlich er¬
örtert, weil sie gelegentlich durch das Symptom der Stauungspapille oder andere
Herdsymptome von der genuinen E. abzutrennen seien. Mit dieser Wiederauf¬
nahme muß aber B. zunächst einmal zugeben, daß er nichts anderes vorbringt als
die uralte Einteilung der E. in solche, bei der sich eine organische Himerkrankung
anamnestisch oder autoptisch nachweisen läßt, und solche, bei der man mangels
dieses Nachweises seine Zuflucht zu der beliebten Autointoxikation nimmt. Und
dann muß man weiter die alte Unterscheidung machen, daß ein Teil dieser zere¬
bralen Fälle nur zu Her Symptomen und Krämpfen führt, während ein anderer
Teil — warum ? — zu den typischen Verlaufserscheinungen und psychischen Ver¬
änderungen der echten E. führt. Denn die Begründung, die B. für diesen Teil seiner
„zerebralen“ Fälle gibt, daß infolge enzephalitischer Prozesse Stoffwechsel- und
Abbauprodukte der Hirnrinde selbst und die narbige Verlegung der Blut- und
Lymphbahnen an dieser Stelle an der Autointoxikation der Hirnrinde schuld seien,
erscheint zu gekünstelt und wird durch den autoptischen Befund nicht gestützt.
Auch ist der aus der Anamnese geführte Beweis eines stattgehabten enzephalitischen
Prozesses in vielen Fällen zu unsicher. Noch weniger kann man die Diagnose
einer durch Stoffwechselstörungen entstandenen E. lediglich auf den Umstand
gründen, daß Schilddrüsentherapie für kürzere oder längere Zeit eine Besserung
bedingte, zumal da, wie mir Nachprüfungen gezeigt haben, diese therapeutischen
Erfolge recht zweifelhaft sind. Es wird also vorläufig doch dabei bleiben müssen,
daß Fälle von E. den gleichen Verlauf nehmen, obwohl sie ätiologisch ganz ver¬
schieden begründet sind. Die Arbeit des Verf., die mit so viel Selbstbewußtsein
andere Untersuchungen kritisiert, hat uns jedenfalls die in der Überschrift^ vei -
sprochene „Erklärung der Erscheinungen der E.“ nicht gebracht. Weher-Chemnitz.
Engelhard (67) hat in der Heübronnerschen Klinik in Utrecht zahlreiche Fälle
mit sogenannten „gehäuften kleinen Anfällen“ untersucht und kritisch bearbeitet.
Die gehäuften kleinen Anfälle, auch „narkoleptische A.“ genannt, können sympto¬
matisch den „Absenzen“ der echten E. mit ungünstigem Verlauf gleich sein. Aber
nicht alle Fälle gehören dieser echten E. an. Der Verf. hat seine Fälle so gruppiert,
daß er einen Teil zur Hysterie rechnet, weil die Anfälle einer suggestiven Einwirkung
zugängig sind. Auch bei Erwachsenen kommen diese Anfälle auf dem Boden der
Hysterie und der Neurasthenie vor. Bei einer 2. Gruppe liegt diesen Anfällen eine
psychopathische Konstitution zugrunde. Diese Gruppe hat Beziehungen zu der
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Schütte, Neurosen und Sefailddrüsenerkrankungen. 245*
Affektepilepsie von Brak ; die Suggestibilität ist nicht so stark ausgesprochen wie
bei den zur Hysterie gehörigen Fällen. Auch bei diesen Fällen ist die Prognose im
ganzen günstig. Bei einer 3. Gruppe kann weder Hysterie noch psychopathische
Konstitution nachgewiesen werden; aber der günstige Verlauf, der Mangel an
psychischen Veränderungen trennt diese Fälle ebenfalls von den echt epileptischen.
Bei einigen Fällen sind Symptome der spasmophilen Diathese (Fazialisphänomen,
erhöhte galvanische Erregbarkeit) festzustellen; aber die Frage der Zugehörigkeit
zu der sp. D. ist noch nicht entschieden. Der Verf. hat auch die Fälle der Literatur
übersichtlich zusammengestellt und versucht, sie in seine Gruppeneinteilung zu
bringen. We&er-Chemnitz.
C. Meyer (162a) berichtet aus der Kieler Klinik über 4 Fälle von Epilepsie,
die mit Schwangerschaftsvorgängen in ursächlichem Zusammenhang stehen. Im
1. Falle war vor der 1. Gravidität im 20. Lebensjahre kein Anfall beobachtet worden,
Der 1. Anfall trat 3 Wochen nach der 1. Entbindung auf; in den 3 folgenden
Schwangerschaften je 1 Anfall vor und nach der Geburt; dazwischen keine Er¬
scheinungen von E. Im 2. Falle trat eine typische E. mit progredientem Verlauf
während der 1. Schwangerschaft im 27. Lebensjahre auf und blieb auch in der
schwangerschaftsfreien Zeit bestehen. Der 3. Fall ist eine seit dem 15. Lebensjahre
bestehende typische E., die während der Schwangerschaften Vermehrung und
Erschwerung der Anfälle zeigte; einmal trat nach Entbindung durch Kunsthilfe
ein Verwirrungszustand mit katatonen Symptomen auf. Auch der 4. Fall ist eine
echte, seit der Pubertät bestehende E.; hier wurde bei 6 Schwangerschaften eine
Herabsetzung der Zahl der Anfälle während der Gravidität beobachtet; nach der
6. Entbindung trat ein länger dauernder Verwirrungszustand mit paranoischen
Symptomen auf.
Irgendwelche allgemeineren Schlußfolgerungen lassen die beobachteten Fälle
nicht zu; die Arbeit enthält außerdem das übliche Literaturreferat über das be¬
sprochene Thema. Weier-Chemnitz.
Redlieh (193) untersucht das Vorkommen von Epilepsie bei Tumoren der
Hypophyse an der Hand einer Anzahl eigener Beobachtungen; die genaue klinische
und zum Teil anatomische Schilderung dieser Fälle ist auch für die Diagnostik der
Hvpophysentumoren interessant und lehrreich. Außerdem zeigt er aber, daß
ziemlich häufig bei dieser Erkrankung als Frühsymptom epileptische Anfälle Vor¬
kommen, auch zu einer Zeit, wo die übrige Symptomatologie noch sehr dürftig ist.
In der Mehrzahl der Fälle handelt es sich dabei um ein Allgemeinsymptom des
Tumors durch Raumbeengung, manchmal auch um Lokal- oder Nachbarschafts¬
symptome — Nähe des Ammonshomes, Anfälle mit Geruchsaura. Eine Wirkung
des Tumors in dem Sinne, daß die veränderte Funktion der Schilddrüse durch
Störungen der inneren Sekretion die Anfälle auslöse, ist nicht sicher erwiesen,
kann höchstens indirekt in Frage kommen. We&er-Chemnitz.
Ammann (6) hat bei den Kranken der Züricher Epileptikeranstalt Zahl,
Art und Schwere der Anfälle in Jahres- und Tageskurven aufgezeichnet und sie
verglichen einerseits mit den aus der Kriminalpsychologie bekannten Jahreskurven
(Empfängnis, Sittlichkeitsverbrechen, Affekt- und Vorbedachtsverbrechen, Selbst-
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Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
mord, körperliche und geistige Entwicklung u. a.), anderseits mit den Kurven
meteorologischer Vorgänge. Seine Untersuchungen ergeben folgendes Resultat:
Die Häufigkeit der epileptischen Anfälle in Zürich läßt eine jährliche Periode erken¬
nen mit einem Minimum im Juni—Juli und einem Maximum im November und
im Februar. Mit ähnlichen Wendepunkten im Sommer und im Winter verlaufen
die erwähnten krimmalpsychologischen Kurven sowie diejenigen der Bewölkung,
der nebligen, trüben und heiteren Tage. Das weist auf die Sonnenstrahlung hin.
Die Luftelektrizität und der Erdmagnetismus verhalten sich genau wie die Anfalls¬
kurve. Die Nachtkurve der Anfälle zeigt 2 Höhepunkte, abends 10 Uhr und morgens
4 Uhr. Sie stehen in Verbindung mit der größten Schlaftiefe und mit dem täglich«
Wendepunkt im Gange der luftelektrischen Elemente. Zur Zeit der Wendepunkte
der Anfallskurve erreichen die psychischen Äquivalente der Epileptiker je ein«
Tiefpunkt ihrer Häufigkeit. Ebenso verhalten sich die Brandstiftungen.
W eöer-Chernnitz.
Fischer (73) hat festgestellt, daß die durch Amylnitrit bei Tieren experimentell
hervorgerufenen Krämpfe durch Ausfall von Schilddrüse und Epithelkörperch«
verstärkt, durch Ausfall von Nebenniere vermindert werden. Tiere mit Störung«
im polyglandulären Apparat verhalten sich also einer bestimmt« Wirkung eines
Mittels gegenüber anders als gesunde Tiere. Vielleicht wirft diese Tatsache auch
ein Licht auf das innere Wesen der sogenannten Idiosynkrasien.
W efter-Chemni tz.
Alter und Thumm (6) haben die von Ullrich, Wyß und von den Velden aufge¬
stellte Theorie über die antagonistische Wirkung von Brom und Chlor im Organismus
der Epileptiker experimentell nachgeprüft. Nach der Auffassung der eben genannt«
Autoren soll eine Überladung des Blutes mit Chlorionen allein (Kochsalzüber¬
häufung) die epileptischen Anfälle auslösen, während das Brom nur die Wirkung
habe, die Ausfuhr des Chlors aus dem Blute zu beschleunig«, aber selbst keine
krampfhindemde Wirkung ausübe. AUer und Thumm haben bei weiblichen Epi¬
leptikern starke Kochsalzlösungen intravenös gegeben, ohne daß der geringste
Einfluß auf Zahl und Schwere der Anfälle ausgeübt wurde. Sie haben ferner per oe
in 19 Tagen sehr große Kochsalzmengen (500 g in 10 Tagen) gegeben, wobei eben¬
falls die Anfälle nicht verschlimmert wurden, keine Verwimmgszustände eintrat«,
in einigen Fällen sogar eine Besserung erzielt wurde. Wenn also durch Kochsalz-
entziehung eine bessere Bromwirkung erzielt wird, so liegt dies nur daran, daß
infolge des Salzhungers der Zelle die Avidität für Bromsalze gesteigert wird, während
umgekehrt die günstige Einwirkung der Kochsalzzuf^hr auf den Bromismus dadurch
zustande kommt, daß das Kochsalz das Brom schneller aus seinen Verbindung«
verdrängt, als es ohne Kochsalz ausgeschied« würde. Nur insoweit als eine Ände¬
rung im Salzgehalt der Nahrung auch die Dannverhältnisse ändert, hat sie ein«
Einfluß auf den Verlauf der E.; dies ist der Fall bei der mit der kochsalzaxm«
Ernährung meist verbundenen lakto-vegetabilen Diät. Von dem Kochsalzgehalt
des Blutes selbst ist der Mechanismus der E. nicht abhängig. Weöer-Chemnits.
Oordon (86) kommt bezüglich der epileptischen Demenz zu fo!g«d« Resul¬
taten, die teils nicht neu, teils nicht richtig sind: Eine E. kann mit normaler geistiger
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Schütte, Neurosen and Schilddrüsenerkrankungen,
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Leistungsfähigkeit verlaufen, besonders wenn die Anfälle nicht häufig sind. Die
mit häufigen Anfällen einhergehenden E. üben einen schädigenden Einfluß auf den
Geisteszustand aus, indem sie eine fortschreitende Abnahme der Intelligenz hervor-
rufen. Im jugendlichen Alter entstehende E. führt zu dem klinischen Bilde der
Dementia praecox, im Mannesalter zu paralytischer, im Greisenalter zu seniler
Demenz (?). Aber die Einzelheiten des psychischen Zustandes lassen die epilep¬
tische Natur der Demenz erkennen. Die meisten Fälle epileptischer Demenz ent¬
stehen auf dem Boden familiärer neuropathischer Disposition. Weber-Ch.
Abbot (1) beschreibt die psychische Erkrankung eines 38jährigen Mannes:
Ohne jemals Krampfanfälle gehabt zu haben, leidet er seit seinem 25. Jahre an
periodisch auf tretenden Zuständen von Verwirrtheit, Halluzinationen, deliranten
Wahnideen, begleitet von Störungen der Sprache und der Bewegungen, die einige
Ähnlichkeit mit katatonen Symptomen haben. Den Attacken geht gewöhnlich
ein Zustand von Verstimmung, Denkhemmung, Kopfschmerzen einher, der wie
eine Aura den Eintritt der schwereren psychischen Veränderung anzeigt. Der Verf.
bespricht die Differentialdiagnose gegen andere psychische Erkrankungen: manisch-
depressives Irresein, Dementia praecox, Hysterie, toxische Psychosen, und kommt
nach Ausschluß aller dieser Formen zu dem Resultat, daß eine rein psychische Epi¬
lepsie vorliegen muß. Weher-Chemnitz.
Oberhoher (178) schildert die Aufhellung einer Amnesie, die nach einem durch
äußere Vorgänge provozierten epileptischen Erregungszustand auf trat. Dabei
zeigte sich, daß das stark affektbetonte Ereignis, welches die Ursache der Erregung
war, am hartnäckigsten der Wiedererinnerung entzogen war. Auch die Wieder¬
erinnerung der übrigen Ereignisse geschah nach einer bestimmten Reihenfolge,
wobei die mehr oder weniger starke Unlustbetonung maßgebend war. Es liegen
also hier dieselben gesetzmäßigen Beziehungen vor, die Freud für das Versehen
und Vergessen im geistig normalen Zustand festgestellt hat. Außerdem weist Verl
darauf hin, daß auch beim echt epileptischen Dämmerzustand psychogene Momente
sowohl für das Zustandekommen wie für die Aufhellung von Bedeutung sein können,
ohne daß dieser psychogen beeinflußbare Anteil des Dämmerzustandes als hysterisch
bezeichnet werden darf. We&er-Chemnitz.
Fuchs (78) gibt eine übersichtliche Darstellung der Epilepsiebehandlung be¬
sonders der in der Anstalt untergebrachten Epileptiker. Von den medikamentösen
Maßnahmen empfiehlt er die Brompräparate, warnt dabei mit Recht vor den eine
Zeitlang üblichen hohen Bromdnsen, schildert weiter den Wert einer kombinierten
Behandlung mit verschiedenen Medikamenten: Brom, Opium, Hyoszin, Atropin,
Veronal, Thyreoidin. Besonders eingehend wird die Luminalbehandlung geschildert
und empfohlen. Der Bedeutung der kochsalz- und fleischarmen Therapie steht er —
mit Recht! — skeptisch gegenüber, wenigstens was ihre ausschließliche Anwendung
betrifft. In einzelnen Kapiteln werden der Verlauf der epileptischen Anfälle, Ver-
wirrungs-, Erregungs- und Dämmerzustände, der epileptische Charakter und die
epileptischen Psychosen geschildert und dabei allenthalben Bemerkungen über ihre
Behandlung und Prophylaxe, nicht nur mit arzneilichen oder diätetischen Ma߬
nahmen, sondern hauptsächlich auf psychischem Wege durch umfassende Aus-
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Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
nutzung der Anstaltsverhältnisse, zweckmäßiges Verhalten des Arztes und des
Pflegepersonals eingestreut. Wefcer-Chemnitz.
Derselbe Verfasser (79) hat in Emmendingen 30 Epileptiker mit Luminal be¬
handelt. Etwa zwei Drittel der genauer beobachteten Patienten sind mit Erfolg
behandelt worden. Eine Dosis von 2 x 0,16 erscheint ausreichend. Bedenklich ist,
daß bei der Luminalentwöhnung gelegentlich schwere Zustände auftreten, doch
wirkt hier eine prophylaktische Bromdarreichung günstig. Die große Mehrzahl der
Fälle erfährt eine erhebliche Verringerung oder sogar ein gänzliches Fortbleiben
der Anfälle; die Wirkung des Mittels auf den epileptischen Charakter ist weniger
sicher.
Michdlek (163) behandelt in seiner zusammenfassenden Übersichtsstudie die
verschiedenen Arten von Brombehandlung, der diätetischen und chirurgischen
Behandlung der Epilepsie und schildert die historische Entwicklung aller Formen
der Therapie. Als Postulat seiner Kritik empfiehlt Autor baldiges Beginnen mit
der Brombehandlung. In dem Falle, daß man intensiver den Gang der Krankheit
beeinflussen will, muß man salzarme bzw. in schwersten Fällen salzlose Kost ver¬
schreiben. Milch- und vegetarische Diät allein, ohne Brom, beeinflußt die Anfälle
nicht. Chirurgische Behandlung kommt fast ausschließlich in Fällen mit bekanntem
Ausgangspunkt der Krämpfe in Betracht. Jar. Stuchlik (Zürich).
Mangelsdorf (148) hat seine Erfahrungen über die innerliche Anwendung von
Brompräparaten insbesondere bei der Epilepsie in einer größeren Arbeit nieder¬
gelegt. Er bespricht zunächst die zur Verwendung kommenden Brompräparate.
Er hat ebenfalls die Erfahrung gemacht, daß das Bromkalium erheblich besser
wirkt als das Bromnatrium, auch schneller und stärker ausgeschieden wird, aller¬
dings unter der Voraussetzung einer einwandfreien Nierenfunktion. Das Brom¬
ural hat eine weite Verbreitung gefunden, es ist völlig ungiftig; bekannt ist seine
gute Wirkung bei der Seekrankheit. Besonders empfehlenswert ist das Sedobrol
wegen seiner raschen und ausgiebigen Resorption. Der Opium-Brombehandlung
nach Flechsig vermag der Verf. nach ausgiebigen Versuchen nicht das W T ort zu
reden. Ein weiterer Abschnitt ist der Wirkung des Broms und der Indikation für
den Gebrauch dieses Mittels gewidmet. Es wird festgestellt, daß bei Beobachtungen,
die sich auf eine lange Reihe von Jahren erstrecken, die Chancen der Heilbarkeit
der Epilepsie durch Brom recht gering, wenn nicht überhaupt als null anzusehen
sind. Den Schluß der interessanten Arbeit bildet eine Beschreibung der Brom¬
nachweismethoden.
Damaye (64) hat bei der Behandlung des Status epilepticus mit Chloral gute
Erfolge erzielt. Er gibt 6 g in heißer Milch mit der Schlundsonde, in schweren
Fällen bis zu 8 g. Geringere Dosen sind bei älteren Personen und nicht intaktem
Herzen angezeigt. Eventuell muß man auch Digitalisinfusionen anwenden.
Ausgehend von der Ansicht, daß gewisse Formen von genuiner Epilepsie und
harnsaurer Diathese auffallende Ähnlichkeit besitzen, hat Münch (171) Formal-
dehyd-Natriumbisulfit bei 10 Epileptikern intravenös injiziert (Antiepilepticum
Dr. Münch). Bei den meisten Patienten ließen die Anfälle nach 2—3wöchiger Be¬
handlung auffällig nach, um dann völlig zu verschwinden. Einzelne Kranke zeigten
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Schütte, Neurosen und Schilddrüsenerkrankungen.
249 *
nach Beseitigung der Attacken Ausfallserscheinungen wie Müdigkeit, Kopfweh usw.
Das Mittel ist absolut unschädlich.
Bei der 46jährigen Pat. Lieber» (222 a) stellten sich täglich bis 10 Anfälle ein.
Weil luetische Organerkrankungen gefunden wurden, hat man Jodkalium (6,0 g
pro die) verwendet; die Anfälle verschwanden binnen einer Woche. Seit dieser Zeit
ist die Pat. anfallsfrei. Es handelte sich vermutlich um einen syphilitischen Prozeß
in der Gegend des rechten Gyrus centralis. — Bei einem andern Falle von Prof.
Heveroch operierte man wegen vermutlichen Tumor cerebri einen Luetiker, der an
Epilepsie litt, und fand inoperables großes Angiom. Merkwürdig ist, daß seit der
Operation sich der Pat. wohl und gesund fühlt. Jar. Stuchlik (Zürich).
Als hereditär bezeichnet Stuchlik (231) nur solche Eigenschaften, die durch
das Keimplasma übertragbar sind, also eine konstitutionelle Veränderung
desselben verursacht haben, die sich in folgenden Generationen zu wiederholen
pflegt. Alkohol kann — wie es physiologisch, pharmakologisch und mikroskopisch
nachgewiesen wurde — eine solche Veränderung verursachen: Blastophthorie im
Sinne Forels. ln folgender Generation äußert sich dann diese Schädigung durch
verschiedenartige Erkrankungen des Organismus; eine dieser Nachkrankheiten,
deren Beschaffenheit wir voraus nicht bestimmen können, und ziemlich häufige,
ist die Epilepsie. Es ist also biologisch das Zustandekommen der Epilepsie bei
den Kindern von Alkoholikern gut denkbar, und die Hypothese, daß sowohl Al*
koholismus als auch Epilepsie gleichwertige Äußerungen einer psychopathischen
Anlage seien, überflüssig, nichts erklärend. Jar. StuchWc (Zürich).
Bei Hydrozephalus, bei manchen Hirngeschwülsten und bei genuiner und
organischer Epilepsie empfiehlt Anton (8) die von ihm und Bramann ausgearbeitete
Methode des Balkenstiches, kleine Trepanationsöffnung des Schädels etwas seitlich
von der Scheitelhöhe, Spaltung der Dura; dann kommt man mit einer Hohlkanüle
unter Führung der Sichel auf den Balken des Gehirns. Dieser wird durchstoßen,
so daß sich die Ventrikelflüssigkeit frei in den Subduralraum entleeren kann; bei
stärkerem Druck bleibt die Öffnung monatelang offen und ermöglicht einen Aus¬
gleich der Druckverhältnisse durch regelmäßigen Flüssigkeitsabfluß. In mehreren
Fällen schwerer Epilepsie wurde Besserung durch die Operation konstatiert.
Ferrari (71a) beschäftigt sich an der Hand eines Epilepsiefalles mit den Be¬
ziehungen zwischen Hirnschädigung und Anomalien innerer Organe. Es bestand
Verkümmerung der linken Hemisphäre, Hydrocephalus internus, und es fanden sich
hemilaterale Anomalien sowohl in bezug auf Schädelbildung und Knochenbau als
auch Unvollkommenheiten in der Entwicklung der inneren Organe. Die rechte
Lunge ist weniger entwickelt als die linke, das Herz klein mit wenig ausgebildeter
Muskulatur, das rechte Ovarium atrophisch mit geringer Zyste. Das klinis che Bild
hatte ebenfalls Besonderheiten gezeigt, die die Minderung der Funktionen der rechten
Seite dartaten. Besonders gibt der Zustand der Ovarien zu denken, und hier knüpft
Verf. an die Schlußfolgerungen Cents an, daß eine Gehirnschädigung stets mit einer
Rückwirkung auf die Generationsorgane verbunden sei* wobei jedoch die Annahme
sich verbiete, bestimmte Zentren des Hirnmantels seien an diesen Vorkommnissen
beteiligt, denn es würden die gleichen Resultate mit Schädigung der verschieden-
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250 *
Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
sten Zonen erreicht. Ferrari hatte in seinem Falle eine rechtsseitige Atrophie des
Ovariums vor sich im Gegensätze zur linksseitigen Schädigung der Hemisphäre,
und er kommt zu der Ansicht, daß die Anomalie des rechten Ovariums, Atrophie
und Zystenbildung, bewirkt wird durch die linksseitige Gehirnschädigung, und
zwar auf dem Wege der Zentren der Ganglienkette des Sympathikus und der benach¬
barten Nervenzentren, denen der Aufbau sämtlicher inneren Organe obliegt.
Sehr eingehende histologische Untersuchungen bei epileptischen Krankheits-
bildera hat Volland (249) in 24 Fällen angestellt. Er fand die chronische Epilepsie
charakterisiert durch die Ausbildung des Chasltn-Bleulerschen Randgliafilzes, eine
subependymäre Gliose und eine Gliafaser- und Spinnenzellenentwicklung in der
Marksubstanz. Je nach der Schwere der chronisch-gliösen Prozesse zeigte sich in
der Regel die Hirnrinde namentlich in den Pyramidenzellenschichten verödet. Eine
Anzahl von Beobachtungen wies ein- oder doppelseitige Ammonshornsklerose auf.
Die Achsenzylinder waren vielfach im Zustande der Quellung und des körnigen
Zerfalls. Zahlreiche amöboide Gliazellformen zeigten Beziehungen zu den Gefä߬
wänden und nervösen Elementen, sie waren am zahlreichsten im Großhirn, aber
auch im Kleinhirnmark anzutreffen. Lipoide Abbauprodukte lagen in den adven-
titiellen Lymphräumen, einfach basophile, körnige und fibrinoide Substanzen in
den perivaskulären Räumen. Die amöboide Umwandlung der Glia ist nicht charak¬
teristisch für Epilepsie. Bei Patienten, die an einem einzelnen oder an gehäuften
Anfällen gestorben waren, konnten Mastzellen an den Gefäßwänden der Hirnrinde
gefunden werden; Plasmazellen wurden niemals gefunden. Verf. glaubt, daß bei der
Entstehung der echten chronischen Epilepsie toxische Einwirkungen in Frage
kommen. Das sehr häufige Vorkommen der Cajal-Fetziusschen Zellen in der äußer¬
sten Rindenschicht in Verbindung mit Anomalien im Zentralnervensystem und
andern Organen lassen an eine erhöhte Prädisposition zur epileptischen Erkran¬
kung denken.
Grabe (90) beschreibt 2 Fälle, in denen echte Tetanie mit nervösen bzw. hyste¬
rischen Symptomen vereinigt war. In der ersten Beobachtung, die eine 42jährige
Frau betraf, wurde neben den tetanischen Krämpfen ein nervös-spastischer Py-
lorusverschluß konstatiert. Das Trousseausche Phänomen war deutlich nachweis¬
bar, ebenso das Chvosteksche Zeichen. Die längere Zeit bestehende Magenstörung
war offensichtlich die Veranlassung zum Ausbruch der Tetanie. Im zweiten Falle
bestand eine deutliche Mischform von Hysterie und Tetanie. Die Kalziumtherapie
erwies sich bei beiden Kranken als wirksam.
Die Beziehungen zwischen Tetanie und Altersstar sind von Fischer und
Trielenstein (74) eingehend untersucht. Von 68 Patienten mit senilem und prä¬
senilem Star boten 60 = 88,2% sichere Erscheinungen von latenter Tetanie. Eine
Bevorzugung des weiblichen Geschlechts war nicht zu folgern. Kontrolluntersuchun-
gen an Individuen entsprechenden Alters ohne Linsentrübungen ergaben, daß die
Latenzzeichen der Tetanie sich bei den Leuten mit Altersstar öfter zeigen als bei
solchen mit klaren Linsen. • Zwischen beiden Krankheitsbildern muß ein patho¬
genetischer Zusammenhang bestehen. Da die Frage nach Krampfzuständen in der
Jugend fast stets verneint wurde, war es wahrscheinlich, daß die Tetanie und somit
die Insuffizienz der Epithelkörperchen erst im Alter entstanden ist.
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Schütte, Neurosen and Schilddrüsenerkrankungen. 251*
C. Chorea und andere motorische Neurosen.
Kiesselbach (118) hat eine an Huntingtonscher Chorea leidende Patientin be¬
obachtet und das Gehirn eingehend untersucht. Es fand sich eine weitverbreitete
Atrophie der nervösen Elemente des ganzen Zentralnervensystems, besonders waren
die kleinen Zellen der Putamina und Schwanzkeme entartet, weniger die Sehhügel,
der Nucleus dentatus und die Stimhirnrinde. Außerordentlich vermehrt waren die
kleinen Gliazellen, die sich vielfach um mehr oder weniger stark veränderte Ganglien¬
zellen in Häufchen angesammelt hatten. Eigentümliche kalkartige Einlagerungen
waren im Streifenhügel und im vordersten Abschnitt des Thalamus opticus zu sehen.
Verf. führt weiter aus, daß alle genauer untersuchten Fälle darin übereinstimmen,
daß die Basalgahglien und unter diesen wieder die Streifenhügel erkrankt waren.
Swift (235) hat vermittelst des Kymographen die Stimme bei Chorea unter¬
sucht. Er fand, daß die choreatischen Bewegungen Erhöhung des Tones und der
Intensität bei der Hervorbringung von Vokalen verursachen, besonders bei Wieder¬
gabe des Vokals a. Dies Symptom ist so konstant, daß es durchaus Beachtung
verdient. Derselbe Verfasser (236) beschreibt weiter seine Untersuchungen, die er
an 20 Fällen von Chorea in über 600 Beobachtungen angestellt hat. Er fand hier
das choreatische Stimmsymptom in 2 von 3 Fällen.
Über das Vorkommen von Paralysis agitans und Myxödem berichtet Vdiesen
(248). Er konnte in 3 Fällen beide Erkrankungen bei demselben Individuum fest¬
stellen, in einem 4. Falle fand er Paralysis agitans mit einer regressiven Form von
Struma verbunden. Als Ursache nimmt er an, daß in den Glandulis parathyreoideis
ähnliche Veränderungen wahrscheinlich regressiver Natur auitreten wie in der
Thyreoidea, und so die Paralysis agitans bewiiken. Im Einklang mit dieser An¬
sicht steht, daß die Organotherapie mit Parathyreoidsubstanz bei der Paralysis
agitans zweifellose Erfolge zu verzeichnen hat. Ferner läßt sich auf operativem
Wege eine Form parathyreoidaler Insuffizienz bei Tieren hervorbringen, die klinisch
der Paralysis agi ans des Menschen sehr ähnlich ist.
Jedlicka( 110a) bespricht auf Grund einer Reihe von Fällen die Ätiologie, Sympto-
matohgie und Therapie von Ticks und weist nam ntlich auf die Imitation als
wichtiges ätiologisches Moment hin. Jar. Stuchlik (Zürich).
D. Hysterie.
Das Fehlen sämtlicher Reflexe im hysterischen Dämmerzustände bei einem
neuropathisch disponierten 33jährigen Beamten konnte v. Ehrenwall (65) fest¬
stellen. Im Anschluß an eine schwere körperliche Erkrankung und ein psychisches
Trauma traten zuerst im 12. Lebensjahre Zustände von Bewußtlosigkeit auf. Die
Anfälle waren als hysterisch zu bezeichnen. Zuletzt wiude nach einer heftigen
Gemütsbewegung ein Dämmerzustand mit totaler Areflexie beobachtet. Die maximal
erweiterten Pupillen waren völlig starr auf Lichteinfall; die Patellar- und A<hillcs-
sehnenreflexe, ferner alle übrigen Schleimhaut-, Haut- und Periostreflexe fehlten.
Allmählich erst kehrten die Reflexe entsprechend der Aufhellung des Bewußtseins
wieder und wurden sogar teilweise recht lebhaft. Die Ursache der Pupillenstarre
Zeitschrift fttr Psychiatrie. LXXII. Lit. s
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252 *
Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
sucht Verf. in einem Beizzustande des sympathischen Nervensystems. Auch das
Fehlen der Patellarsehnenreflexe ist zweifellos ganz funktionell.
Hallervorden (100) beschreibt eingehend eine hysterische Psychose mit alter¬
nierenden Bewußtseinszuständen. Die 41jährige Patientin erkrankte in ihrem
18. Lebensjahre. Sie bekam heftige hysterische Krampfanfälle, Sprach- pnd Seh¬
störungen sowie Verwirrtheitszustände. Später traten alle diese Erscheinungen
zurück, es blieben aber Perioden, in denen die Patientin sich verfolgt glaubte und
die Personen ihrer Umgebung verkannte. Nach einer normal durchschlafenen Nacht
erwachte sie dann gesund, es bestand völlige Amnesie für die ganze Krankheits¬
phase. Während des nächsten Zustandes war sie aber imstande, sich an alles, was
sie in kranken und gesunden Zeiten erlebt hatte, zu erinnern. Nach dem Erwachen
knüpfte sie mit ihrer Erinnerung unmittelbar an die letzte gesunde Zeit an. Gewisse
Beziehungen zwischen den Zuständen und dem Geschlechtsleben der Patientin
waren unverkennbar. Das ganze Krankheitsbild bleibt rätselhaft, höchstens könnte
man an ein getrenntes Funktionieren der beiden Hirnhälften denken.
E. Schilddrüse, Thymus.
C. J. Parhon et Mme. C. Parhon (184) berichten über die Hyperthyroidisation
der Vögel und die Widerstandskraft dieser Vögel gegen allgemeine Infektionen.
Es wurden ausgewachsene Hühner und Enten während eines Jahres mit
Schilddrüsenpräparaten behandelt. Am Ende des Jahres brach eine Choleraepidemie
unter den Tieren aus. Von den mit Schilddrüsenpräparaten behandelten 'Heren
erkrankten einige überhaupt nicht und 40% kamen mit dem Leben davon; von den
nicht behandelten Tieren erkrankten alle, und nur 11,11% kamen mit dem Leben
davon.
Diese Tatsache scheint zu bestätigen, daß die Schilddrüse eine wichtige Rolle
in der Immunität spielt, was von einigen Autoren gebilligt, von andern bestritten
wird.
Es wird noch erwähnt, daß am Anfänge der Behandlung eins der jüngeren
Tiere an Anämie starb, während ein anderes Tier an Anämie erkrankte, sich aber
wieder erholte, als die Behandlung ausgesetzt wurde.
Man kann bei diesen beiden Fällen an Hämorrhagien der inneren Organe den¬
ken, welche man auch bei Fällen von Hyperthyroidismus findet.
Durch WeJer-Chemnitz.
C. J. Parhon et Mlle. Marie Parhon (184 a) berichten über die Abderhaldensehe
Seroreaktion bei Myasthenie.
Darnach spielen die Schilddrüse, die Thymus und die Epithelkörperchen eine
Rolle bei dem Syndrom der Myasthenie. Diese Reaktion zeigt auch, daß sich im
Blute Muskelalbumen befindet. Lundberq sei derselben Ansicht. Die Autoren
haben mit Goldstein und Michailesco durch Experimente Beweise dafür geliefert,
welche Markeloff auch bestätigt hat.
Die Resultate erlauben nicht, festzustellen, welcher Art die Beziehungen der
verschiedenen Sekretionsstörungen unter sich und zu den Muskelstörungen sind.
Dazu bedarf es neuerer Untersuchungen. Durch We&er-Chemnitz.
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Schütte, Neurosen und Schilddrüsenerkr&nkungen.
253 *
C. J. Parhon und Odobesco (183) berichten über eine psycho-endokrinisches
Syndrom, welches sich als ein paranoider Zustand mit Störungen der Schilddrüse
und der Eierstöcke präsentiert. Es handelt sich um 3 Fälle, bei denen man nicht
systematisierten Verfolgungswahn und heftige Erregungszustände konstatiert.
Dann körperlich Amenorrhoe in 2 Fällen und Unregelmäßigkeiten der Periode in
einem Falle. Man findet dieselben Erregungszustände und die Störungen der
Periode bei der Basedowschen Krankheit. Die Zählung der Leukozyten ergibt eine
Mononukleose; welche sich ebenfalls bei der Basedowschen Krankheit findet. Die
Abderhalden sehe Reaktion ist stark positiv. Sie ist es ebenfalls für die Gehimsubstanz
und in 2 Fällen für den Eierstock. Die Tatsache, daß die Äbderhaldensche Reaktion
für die Gehimsubstanz positiv ist, spricht dafür, daß die Drüsenstörungen die ersten
waren, auf die dann später die psychischen Störungen folgten. Prognostisch hat
sie eine schlechte Bedeutung. Die Autoren nehmen an, daß es eine Form der De¬
mentia praecox (paranoides) sei, oder sind eigentlich noch mehr geneigt, sie als
eine besondere Gruppe zu betrachten, auf welche sie die Aufmerksamkeit der
Psychiater lenken wollen. Durch Weier-Chemnitz.
Friedemann und Kohnslamm (75) haben eine an Basedow leidende 40jährige
Lehrerin behandelt. Sie nehmen an, daß die Störung der Schilddrüsensekretion
in diesem Falle durch fortgesetzte seelische Depressionen und Aufregungen ent¬
standen ist. 4 Monate nach der Strumektomie war der Zustand der Patientin noch
eher verschlechtert als gebessert, erst eine hypnotisch-suggestive Behandlung führte
zu einer Besserung der Basedowsymptome. Besonders hypnotische Schlafetappen
erwiesen sich als wirkungsvoll. Die Verf. sind Anhänger des psycho-analytischen
Verfahrens, ihre Methode schließt sich an die Breuer-Freudsche an.
Über die operativen Erfolge bei der Behandlung des Morbus Basedowii hat
Klinke (123) eine von der AföWus-Stiftung preisgekrönte Arbeit geschrieben. Wenn
er auch die Erfolge der Chirurgen anerkennt, so berechnet er doch nur etwa 20—25%
Heilungen bei einer Mortalität von 3,06%. Dabei ist noch nicht einmal bekannt,
wie viele dieser angeblich geheilten Kranken später wieder erkrankt sind, oder wie
viele der Gebesserten sich wieder verschlechtert haben. Die operativen Eingriffe
vermögen häufig nur einzelne Symptome und diese nur vorübergehend zu bessern,
während die Erfolge der inneren Behandlung durchaus nicht gering sind. Neuer¬
dings hat man mehr und mehr der Thymus seine Aufmerksamkeit zugewendet und
gefunden, daß in den meisten Fällen von Morbus Basedowii die Thymus persistiert
bzw. hyperplastisch ist. Aus diesem Grunde hat man öfter mit gutem gutem Erfolge
die Thymus reseziert. Entfernt man die Thymus, so kann die bei Morbus Basedowii
vorhandene Lymphozytose sich bessern. Ist es richtig, daß die Thymushyperplasie
primär, die Basedow-Struma sekundär ist, so kann man schließen, daß die Ursache
der Sekretionsanomalie der Thyreoidea in einer primären Störung des endokrinen
Systems liegt, wofür auch die Befunde am Adrenalsystem sprechen. So findet die
alte Theorie, daß die Schilddrüsenerkrankung auf eine primäre Affektion des Sym¬
pathikus zurückzuführen ist, eine Stütze. Verf. steht auf dem Standpunkte, daß der
Chirurgie die Hauptrolle in der Behandlung des Morbus Basedowii nicht zugewiesen
werden darf. Die Schlußfolgerungen des Verf. beruhen auf einer eingehenden
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254 *
Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
Prüfung der Literatur und Bewertung der Statistik. Alles Wissenswerte über Opera¬
tionsresultate, experimentelle Forschungen, pathologische Anatomie und Therapie
ist sorgfältig und übersichtlich zusammengestellt.
Grumme (95) stellt auf Grund theoretischer Erwägungen die Sätze auf, daß
die erste Ursache des Myxödems Mangel an Jod in der Nahrung ist, während die
Basedowsche Krankheit durch eine funktionsschwachc Schilddrüse bei ausreichen¬
dem oder zu reichlichem Jod in der Nahrung entsteht. Wesensursache des endemi¬
schen Kretinismus ist, wie bei Myxödem, ein Mangel an Jod in der Nahrung des
Kindes und bei kongenitalem Kretinismus in der Nahrung der Mutter. Kretinismus
und Myxödem werden günstig beeinflußt durch organisches Thyreoideajod, ebenso
endemischer Kropf. Bei Basedow schadet jedes Jod, ebenso bei anscheinend ein¬
fachem Kropf, der besonders im Flach- und Vorlande vielfach eine Vorstufe von
Basedow ist.
Anläßlich zweier beobachteten Basedow-Fälle mit einseitigen Augensymp¬
tomen hat Troell (239) die Landströms che Basedow-Hypothese in Erwägung ge¬
nommen. Zunächst fand er bei einer Durchmusterung des ganzen Basedow-Materials
des Seraphina-Lazaretts — 165 Fälle —, daß mindestens 16 dieser Patienten
(= 10%) einseitige oder vorwiegend einseitige Augensymptome darboten. Mit
dieser Tatsache konnte er nun die L.sche Theorie nicht im Einklang bringen. Und
zwar nicht, weil der L.sche Muskel nicht existieren sollte — obgleich wohl die Aus¬
breitung und Anheftung desselben nicht eben die von L. behaupteten waren —,
sondern wegen klinisch und experimentell festgestellter Fakta. Denn einerseits
war es nicht zu erklären, warum — nach der Aföfousschen Schilddrüsentheorie —
eine durch die Zirkulation vermittelte Giftwirkung von der kranken Schilddrüse
her zuweilen auf den Halssympathikus nur der einen Seite beschränkt sein sollte. Und
andererseits ließ sich auch nicht die zunächststehende Erklärungsmöglichkeit er¬
halten, daß nämlich die Halssympathikusreizung (durch welche die Kontraktion
des L.schen Muskels und somit die Augensymptome ausgelöst werden sollten) von
einem leichten mechanischen Druck einer auf der einen Seite des Halses gegen die
Tiefe hin am stärksten ausgesprochenen Vergrößerung der Schilddrüse verursacht
würden. Denn, von andern Umständen abgesehen, wäre es ja dann unbegreiflich,
warum Pupillenerscheinungen fast nie bei Morbus Basedowii Vorkommen, während
dagegen bei experimentellen elektnschen — vom Verf. und früher von anderen ge¬
machten — Reizungen eines Halssympathikus stets sowohl Pupillenvergrößerung
als Lidspaltenerweiterung auftreten (und Durchschneiden des Halssympathikus
eine Pupillenverengerung und Lidspaltenverminderung hervorrufen).
(Autoreferat.)
Auch Matti (157) ist der Ansicht, daß die hyperplastische Thymus bei Morbus
Basedowii aktiv beteiligt ist, sie ist als eine der Schilddrüsenveränderung parallel
laufende Erscheinung aufzufassen, die aber nicht kompensatorisch wirkt. Mit
Thymushyperplasie ist häufig eine Hypoplasie des Nebennierenmarkes verbunden,
es erscheint daher die Vorbehandlung solcher Patienten mit Adrenalin angezeigt.
Zeigt die Schilddrüse nur geringe Veränderungen, während die Thymus deutlich
hyperplastisch ist, so kommt eine primäre Resektion der letzteren in Betracht.
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Schütte, Neurosen und Schildrüsenerkrankungen. 255*
Auch die Lymphozytose bei Basedow kann durch Thymusresektion beeinflußt
'werden. Jedenfalls muß die Forschung die Rolle der hyperplastischen Thymus
weiter aufklären, besondere Berücksichtigung verlangen auch das Nebennieren¬
mark, die Keimdrüsen, Hypophyse und die Epithelkörperchen.
Buckley (42 a) berichtet in einer Studie über die Beziehungen zwischen Hyper«
thyroidismus und Nervensystem, über Forschungen auf diesem Gebiet innerhalb
der letzten 20 Jahre mit dem Ergebnis, daß in einer überwiegenden Mehrzahl von
Fällen der Hauptfaktor der Erkrankungen in einer Überempfindlichkeit bzw.
Schädigung des Nervensystems zu suchen ist, andrerseits aber zu beachten ist, daß
die primäre Ursache sowohl in der Einwirkung des Nervensystems auf die Hyper¬
funktion der Schilddrüse bestehen, als auch, entgegengesetzt, die Reizung des
Nervensystems durch die Schilddrüsentätigkeit verursacht werden kann, somit
die primäre Ursache schwer erkennbar ist. An Graveschen und andern Erkrankun¬
gen, auch an einem eigenen Falle, erörtert Verf. das Nähere, verweist auf die heredi¬
tären Verhältnisse und kommt zu der Ansicht, daß erst dann über die fraglichen
Beziehungen Klarheit herrschen wird, wenn die Wirkung des Schilddrüsensekrets
auf Personen einwandfrei festgestellt ist, die weder Hypo- noch Hyperthyroidismus
zeigen.
Korcsynski (126 a) beschreibt einen Fall von Dercumscher Krankheit bei
einer 63 Jahre alten Frau, in deren Familie die Neigung zum Fettwerden ein erb¬
liches Übel darstellt und sich über 4 Generationen erstreckt. Schon viele Jahre vor
dem Erscheinen der eigentlichen Adipositas dolorosa bestand gewöhnliche Fett¬
leibigkeit. Im Blute waren die mononukleären und eosinophilen Zellen vermehrt,
außerdem kamen sogenannte Lymphoblasten vor, auch die basophilen Leukozyten
hatten an Zahl zugenommen. Die Behandlung mit Ifercfechem Thyreoidin und
Uteramin brachte subjektive Erleichterung, Besserung des Pulses und eine günstigere
Zusammensetzung des Blutbildes, besonders eine starke Abnahme der basophilen
Leukozyten.
Nach Goldstein (84) zeigen Menschen mit einer angeborenen Hypoplasie der
Genitalien häufig auch Wachstumsanomalien, entweder ein abnormes Längen¬
wachstum oder starke Fettleibigkeit. Der Verf. beweist an einer Anzahl von ihm
untersuchter Fälle, daß diesen Störungen eine Hypoplasie oder Dysplasie mehrerer
Drüsen mit innerer Sekretion zugrunde liegt; so fanden sich die Hypophyse und die
Schilddrüse verändert neben den hypoplastischen Genitaldrüsen. So läßt sich ein
Krankheitsbild aufstellen, das je nach dem verschiedenen Betroffensein der einzel¬
nen Drüsen verschiedene Symptomenkomplexe aufweist; in den meisten Fällen
sind diese Krankheitsbilder auch durch eine Hypoplasie des Gehirns und durch
familiäres Auftreten charakterisiert. Wefer-Chemnitz.
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personals. Psych.-neurol. Wschr. Nr. 17, S. 204. (S. 267*. i
Alter (3) bespricht die neue Anstaltsordnung im Königreich Sachsen und
kommt zu der Überzeugung, daß die sächsische Staatsverwaltung dem sächsischen
Irrenwesen mit der mustergültigen Anstaltsordnung eine nachhaltige und dankens¬
werte Förderung erwiesen hat.
Stansfield (50) ist ein warmer Fürsprecher des Villa- und Koloniesystems bei
der Anlage von Anstalten. Er schätzt, daß unter den 90% chronischen Kranken,
die nach den 10% akut Kranken, die in geschlossenen Häusern behandelt werden
müssen, verbleiben, sich ein großer Teil für die freie Behandlung eigne. Er schildert
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Sn eil, Anstaltswesen und Statistik.
261 *
die erfreulichen Zustände im Bexley-Asylum, gibt von seinen Besuchen in Deutsch¬
land Kenntnis, woselbst er in Alt-Scherbitz, Uchtspringe, Galkhausen, Eglfing
und an andern Orten die besten Vorbilder der freien Behandlung fand, und kommt
zu folgenden Schlüssen: Das gesellige Leben in einem dörflichen Gemeinwesen ist
das Ideal tür den chronisch Kranken. Das Villa- oder Cottagesystem, das sich den
dörflichen Verhältnissen am weitesten nähert, bietet die beste Gelegenheit zur Bei
schäftigung des Kranken und ermöglicht ihm das größte Maß persönlicher Freiheit.
Vom wirtschaftlichen Standpunkte aus ist das System der Barackenanlage vorzu-
ziehen. Die Behaglichkeit, die durch die Anpassung an das System erreicht wird,
soll sich auch auf die Verwaltungsgebäude erstrecken. Die Verwaltung ist nicht
schwieriger als bei andern Systemen.
Gaupps (15) treffliche Darlegungen, erschienen in einem der gelesensten süd¬
deutschen Blätter, dem „Schwäbischen Merkur“, sind veranlaßt durch den „Fall
Wagner“ und dienen der Beruhigung und Aufklärung der Bevölkerung über die
scheinbare Gefahr, daß infolge der gesetzlichen „Straffreiheit des Geisteskranken“,
an sich eine der höchsten Errungenschaften der Kultur, ein gefährlicher verbreche¬
rischer Geisteskranker seinen Mitmenschen wieder gefährlich werden könne. Weiter¬
hin spricht Gaupp sich über Mittel und Wege aus, um die Gesunden vor kriminellen
Kranken überhaupt in möglichst vollkommener Weise zu schützen. Die Tragweite
des $ 51 RStGB. und seine Behandlung wird eingehend erörtert, seiner besseren
Ausgestaltung im zukünftigen DStGB. (Fassung des Paragraphen im Vorentwurf
von 1909) gedacht und nachdrücklich hingewiesen auf ein zuverlässiges „Sicherungs¬
verfahren“ (Ausdruck Prof. Schultee-Göttingen). Es wird gezeigt, daß der beste
Schutz vor gefährlichen Handlungen Geisteskranker in dem rechtzeitigen Erkennen
der beginnenden geistigen Erkrankung liegt, in der rechtzeitigen Abwendung der
Gefahren für die Umgebung. Hier sei es Aufgabe des praktischen Arztes und anderer
Organe des öffentlichen Lebens, in kleineren Gemeinden, Vorsteher und Geistlicher,
für rechtzeitige Behandlung und Überführung in eine öffentliche Anstalt Sorge zu
tragen. Vor allem aber seien die Ursachen der zu Geisteskrankheit führenden Ent¬
artung zu bekämpfen.
Edith Kathleen Jones (21) schildert in anziehender Weise den Wert guter
Büchereien für die öffentlichen Anstalten. Sie sollen nicht nur den Gebildeten
unter den Kranken eine Wohltat sein, sondern sie sollen auch den Mindergebilde¬
ten besonders denen, die infolge der Arbeitstherapie über Tags beschäftigt sind, zur
Ausfüllung ihrer Erholungszeit mit Nutzen dienen. Für das Personal sollen sie
eine Quelle der Belehrung und Fortbildung sein, geeignet zur Hebung des Standes
beizutragen. Dementsprechend werden nicht nur reine Unterhaltungsbücher
geboten werden müssen, sondern es soll auch auf eine sorgfältige und zeitgemäße
Auswahl auf belehrendem Gebiet gesehen werden. Ebenso ist auf eine übersicht¬
liche Klassifizierung in der Bücherei selbst Wert zu legen, auf ein gefälliges Äußer?
der Bücher und auf eine anheimelnde Aufstellung häufig wechselnder Serien in den
Erholungsräumen.
In einem andern Schriftchen (22) führt die gleiche Verfasserin, die Biblio¬
thekarin des Mc. Lean-Hospitals ist, ihre Ansichten über den Wert der Bücherei
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262 *
Bericht über die psychiatrische Literator 1914.
für das Personal weiter aus und spricht daran anschließend ober die Abhaltung
von den Verhältnissen angepaßten Korsen ober Literator- and Kunstgeschichte,
die besonders vom weiblichen Personal der Anstalt gern besucht worden. Die erst
einjährigen Erfahrungen lassen ein abschließendes Urteil kaum zu. Jedoch ist zn
sagen, daß der erzieherische Wert solcher Korse, die dadurch a ng e st r ebt e Hebung
des Bildungsniveaus der Hörer, nicht von der Hand zu weisen ist. Sie werfen wohl
auch auf die Patienten ihren erfreuenden Abglanz.
Nach Schütze (45), fußend auf Behlas Med.-Statistischen Nachrichten von 1912.
sind in Preußen 28% der vorhandenen 3120 Heilanstalten in Privatbesitz. Ständig
tauchen neue Privatanstalten auf, stets verschwindet eine große AnzahL Kost¬
spielige Institute werden gegründet und gehen wieder ein, weil — sie zu kostspielig
sind. Häufig werden Paläste, schloßartige Gebäude auf teurem Grund und Boden
«richtet. Architektur, innere Einrichtung äußerst splendide, ja oft geradezu
fürstlich. Ein kostspieliger therapeutischer Apparat wird angeschafft. Wer trägt
die Kosten? Der Kranke. — Wir müssen abrüsten, die Forderungen wachsen sonst
ins Ungemessene. Der großen Masse des Mittelstandes muß es ermöglicht werden,
Aufenthalt zu erschwinglichen Preisen in Anstalten zu finden. Zweckmäßige Ein¬
richtungen sind nützlicher als glänzende Äußerlichkeiten. Der Arzt mit seiner Per¬
sönlichkeit und mit seiner Tüchtigkeit soll der erste therapeutische Faktor sein und
nicht die zwecklos blendende Umgebung, so arteilt der Verfasser.
Eisath (9) geht bei seinen Mitteilungen von dem 1818 bei Fr. Ch. Wilh. Vogel
in Leipzig gedruckten Lehrbuch der Störungen des Seelenlebens von Heintvik
aus, in dem eine allgemeine Irrentherapie, die „Hevristik“, einen umfangreichen
Platz einninimt. Dort wird jene Unzahl von Mitteln und Maßnahmen angeführt,
mit denen die Kranken jener Tage behandelt und gemartert wurden. Daß damals
so traurige Verhältnisse auch anderswo herrschten, geht ans Esquirol s Bericht vou
1803 hervor, der Irrenanstalten in 33 französischen Städten besuchte. Auch Beü
zu Halle beklagte die Barbarei jener Zeit, bis es den Bestrebungen Pinels und Ezqui-
rofe gelang, den Sinn für humane Behandlung zu wecken. Ein bedeutender Auf¬
schwung datiert mit Griesinger. Zellenbehandlung und Zwangsmittel verschwinden
immer mehr, Aufklärung und Belehrung tun das ihre, die Behörden zeigen gro߬
zügiges Entgegenkommen, und so ging man Zeiten entgegen, in denen die Wissen¬
schaft stolz auf den Ausbau des irrenärztlichen Heilverfahrens zurürkblicken kann.
Dennoch aber kann und muß noch vieles geschehen. Nicht nur eine lediglich symp¬
tomatische Behandlung muß ausgeübt werden, sondern eine kausale muß größeren
Raum gewinnen. Das Einweisungsverfahren ist verbesserungsfällig; die störenden
Elemente, nicht nur die kriminellen, müssen von andern Kranken abgesondert
werden. In Österreich soll man nicht erst ein neu zu schaffendes Irrengesetz ab-
warten, sondern dafür sorgen, daß „schon in den Gesetzesvorlagen für Jugend- und
Trinkerfürsorge, für das Entmündigungsverfahren, die Verbesserung des Straf¬
rechts usw., der Krankenhauscharakter der öffentlichen Heilanstalten voll und
ganz zur Geltung und zum Ausdruck gelangt“.
Amtlichen Veröffentlichungen entnimmt Werner (60) einen schönen Bericht
über das belgische Irrenwesen, der Bemerkenswertes über die Organisation der An-
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Snell, Anstaltswesen and Statistik.
263 *
stalten, die Stellung des belgischen Anstaltsarzt es, über das Pflegt personal, die sehr
ausgebildete Familien pflege und sonst Einschlägiges enthält. An statistischen
Angaben findet sich folgende Zusammenstellung: Bevölkerungsziffer 1911: 7 490 411,
in Irrenanstalten untergebracht 19 021 = 2,54%*. in der eigenen Familie 4896 =
0,6ö%o- Unterhaltungskosten der einheimischen Geisteskranken 5 761 739 M.,
für die in der eigenen Familie Verpflegten 1 023 260 M. Aufgenommen 6030, ent¬
lassen 2867, gestorben 1831 (Selbstmord 5), unter Entlassenen geheilt 1023, ge¬
bessert 669, unverändert 1175. Alkoholiker aufgenommen 810; bei einem Bestand
von 2086, entlassen geheilt 209, gebessert 119; gestorben 208. Mit dem Strafgesetz
in Konflikt 168, freigesprochen wegen Geisteskrankheit 107. Verurteilte am 31. XII.
1915 inMons undToumai 161 (160 m., 11 w.), Freigesprochene 295 (260 m., 46 w.).
ln der Kolonie Gheel, der größten Anstalt Belgiens, 2313 Geisteskranke; insgesamt
42 Anstalten. Familienpflege hauptsächlich in Gheel und Lierneux, eine dritte
Kolonie der Anstalt Mons geplant. Die Zahl der in Familienpflege Untergebrachten
ist seit 1907 mit 1819 gestiegen auf 2312 im Jahre 1911, davon 347 holländischer
Staatsangehörigkeit. Versuche mit Unterbringung von Alkoholikern und anormalen
Kindern sind günstig ausgefallen. Mortalität in Gheel 6%, gebessert und geheilt
entlassen 25%. Entweichungen, Trunksucht, Vergehen kaum bekannt.
Englische Irrenanstalten besuchte Werner (61) im Oktober 1913. Er findet,
daß die englische Irrenpflege je nach Lage und dem Charakter der einzelnen An¬
stalten viel größere Unterschiede aufweist als die deutsche. Die schottischen Ein¬
richtungen — dort die so gerühmte Familienpflege und das luxuriöse „nurses“-
Wesen in den Anstalten — unterscheiden sich wesentlich von den rein englischen.
Die Arztverhältnisse sind nicht günstig: in England 1 Arzt auf 300 Pat., in Deutsch¬
land 1 : ca. 100. Statistische Daten sind aus dem Bericht der Grafschaft London
für 1911 aufgeführt: 10 Anstalten mit 20111 Betten, 8 Anstalten hatten 2000 bis
2400 Kranke. Geisteskranke gezählt 28 011, davon in den 10 Anstalten 20 429,
weitere 7100 in städtischen Anstalten, 483 in Armenhäusern oder bei Verwandten.
Jährlicher Zuwachs im Durchschnitt 529. Gesamtausgabe 13514 502,88 M. In
England wird nicht teurer gewirtschaftet als bei uns, in manchem sogar etwas
billiger.
Watlenberg (58) berichtet über die neuerbaute Heil- und Pflegeanstalt Lübeck-
Strecknitz. Diese ist an Stelle der seit 1788 bestehenden lübeckischen Irrenanstalt
getreten und im Oktober 1912 dem Betrieb übergeben. Erbaut für 287 Kranke,
ist sie erweiterungsfähig auf eine Belegung mit 500 Kranken. Das Gesamtareal
beträgt 26—27 ha, davon bebauter Grund und Boden rund 7 ha, bei 600 Betten
werden 16 ha erforderlich sein bei 1000 qm Platzausdehnung für jeden Kranken.
Die Heilanstalt ist im Pavillonsystem erbaut und besteht aus 28 Einzelgebäuden,
von denen 11 Krankenhäuser sind. Schlichte Putzbauten mit mansardenartig
ausgebauten Pfannendächern, offenen Veranden und Liegehallen, grüne Fenster¬
läden geben freundlichen Anstrich. Die baulichen Erfahrungen der neueren An¬
stalten wurden verwendet, vollkommen neu sind die Grundrisse der Aufnahme*-
abteilungen, und zwar sind sie so gewählt, daß Behandlung, Pflege und Beaufsichti¬
gung nach Möglichkeit erleichtert wird und sparsam gewirtschaftet werden kann.
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264 *
Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
Für Absonderung bei Infektionserkrankungen ist in der Aufnahmeabteilung für
unruhige Kranke eine besondere Infektionsabteilung vorgesehen mit eigenem
Zugang. 4 feste Räume für die sichere Aufbewahrung von nicht akut erkrankten,
psychopathisch Minderwertigen und Imbezillen mit gefährlichen Neigungen sind
eingerichtet, im sonstigen keine Isolierräume. Kächenanlagen, maschinelle Ein¬
richtung, Lüftung, Heizung, Beleuchtung sind nach neuesten Erfahrungen sorg¬
fältig berücksichtigt. Die Baukosten betragen, vorbehaltlich endgültiger Ab¬
rechnung, ohne Inventarbeschaffung ca. 2 Mill. M. Kosten des Bettplatzes zurzeit
6800 M., nach Vollausbau ca. 6300 M.
v. Schuckmatm (44) berichtet über das im Juni 1913 eröffnete feste Haus in
Plagwitz (Bober), das zur Unterbringung von 60 verbrecherischen Kranken be¬
stimmt ist. Nach 4monatlichem Betrieb hat sich die technisch in mustergültiger
Weise ausgestattete Anlage durchaus bewährt. Ein Grundriß des Erdgeschosses
läßt die ungemein übersichtliche Anordnung der Räumlichkeiten ersehen. Der
respektable Bau, die inneren Einrichtungen, vollends die Vorkehrungen zur Ver¬
hinderung von Entweichungen und Revolten werden eingehend geschildert und ah
vorbildlich gerühmt.
Rodiet (39) klagt sehr über die Überfüllung der Pariser Irrenanstalten. In
Villejuif ist die Belegung so hoch, daß erst auf 600 Kranke ein Arzt kommt. Die
Zahl der Kranken im Greisenalter betrug früher 1 / 10 , jetzt dagegen */s des Kranken¬
bestandes. Die Zahl der Geisteskranken im Seine-Departement stieg im Laufe des
Jahres 1912 von 15 643 auf 15 934, also um 391 Kranke. Er verlangt Entwicklung
der Familienpflege und der kolonialen Verpflegung der Geisteskranken.
Hösel (17) berichtet über die Erfahrungen, die in der Kgl. Sächsischen Heil-
und Pflegeanstalt Zschadraß bei Colditz mit der weiblichen Pflege auf der Männer¬
abteilung gemacht wurden. Seit April 1913 wurden Versuche mit der Schwestern¬
pflege gemacht, und zwar zunächst in drei Häusern: einem Haus für hinfällige und
sieche Kranke, einem für ruhige Männer der Pensions- und der oberen Verpflegs-
klasse und einem Haus für ruhige, arbeitende Kranke der unteren Klasse. Da
dieser Versuch gelang, wurde die Schwesternpflege ausgedehnt, so daß am Ende
des Jahres 1913 von 11 Krankenhäusern mit männlichen Kranken 8 in den Händen
von weiblichem Personal waren. Im Laufe des Jahres 1914 kam hierzu noch ein
weiteres Krankengebäude mit 100 Betten. Von den 12 Krankengebänden der
Männerabteilung mit einer Belegbarkeit von 500 Betten stehen also 9 Gebäude mit
300 Krankenbetten unter weiblicher Krankenpflege. Unter männlicher Pflege stehen
je ein Haus für unruhige Männer der unteren und oberen Verpflegungsklasse und
die Aufnahme- und Wachabteilung mit"zusammen 200 Betten. Die gesamte Männer¬
abteilung mit allen ihren Einzelpavillons, die ausschließlich von weiblichem Personal
versorgt werden, wurde einer Oberin unterstellt. Ihr untersteht das gesamte Per¬
sonal, auch das männliche, soweit es nachts dienstlich auf der Abteilung sich auf¬
hält. In jedem Hause sind von den Krankenabteilungen abgetrennte Stübchen
für Schwestern und Hilfswärterinnen eingerichtet, und zwar in dem Erdgeschoß,
während die Schlafräume für die Kranken in diesen Häusern im Obeigeschoß liegen.
In oder neben den Schlafsälen der Kranken schlafen abwechselnd „Regiewärter*'.
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Sn eil, Anstaltawesen und Statistik.
265 *
das sind Wärter, die als Vorarbeiter in den Werkstätten und bei den landwirtschaft¬
lichen Arbeiten dienen und die in Sachsen nicht als Krankenwärter voll ausgebildet
sind. Das System hat sich in jeder Beziehung bewährt und wird deshalb zur Nach¬
ahmung empfohlen.
Fischer (12) gibt zu, daß der beamtete Arzt zur Zeugen- und Gutachtertätigkeit
verpflichtet ist. Dagegen will er sich in der Frage der Herausgabe der in den ärzt¬
lichen Krankengeschichten und in eigenen Aufzeichnungen unserer Patienten und
anvertrauten Privatgeheimnisse unter Berufung auf § 96 letzten Satz und § 97
StPO, desto ablehnender verhalten. „Dem Standpunkte der Staatsbehörden und
der Rechtspflege bei Verfolgung ihrer Ziele müssen wir hier, auch in unserer Stellung
als staatliche Beamte und Behörden, unser ärztliches Berufsgeheimnis entgegen¬
halten, das gleichfalls ein anerkannter und unentbehrlicher Grundbestand unserer
Rechtsordnung ist. In bezug auf die Krankengeschichten und ihre Anlagen, die uns
kraft unseres Berufes und unserer ärztlichen Vertrauensstellung, also im Vertrauen
auf Geheimhaltung, überantwortet worden sind, haben wir dasselbe Recht und
dieselbe Pflicht auf Wahrung der Verschwiegenheit wie der Privatarzt auch.“
Slarlinger (51) legt dringend die reichere Ausgestaltung des Schutzes und der
Fürsorge für Geisteskranke ans Herz. Trotzdem vieles in dieser Richtung geschehe,
des Hochstandes des staatlichen Anstaltswesens gedenkend, gebe es doch manche
Lücke, die auszufüllen dringendes Bedürfnis sei und den Wunsch nach intensiverem
Ausbau des Spezialanstaltenwesens ganz besonders rege werden lasse. Für Al¬
koholkranke, Deliranten, Schwachsinnige und Psychopathen müsse noch viel mehr
getan werden als bisher. In erster Linie komme hier die öffentliche Wohlfahrts¬
pflege in Betracht, und es sei zu begrüßen, daß vielerorts auch hier Erhebliches ge¬
schaffen sei. Besonders rühmend gedenkt Starlinger der Mauer-Öhlinger Fürsorge-
Organisation, und nach solchen Normen rät er, im weitesten Sinne für eine moderne
Fürsorge für Geisteskranke und Geistesschwache zu wirken. — Die Bedeutung
des Pflegepersonals öffentlicher Anstalten für die Fürsorge der Kranken wird ge¬
streift, und es werden die wahrhaft klassischen Worte gesprochen: „Eine moderne
Anstalt charakterisiert heute nicht mehr so sehr ein moderner Bau als ein modernes
Pflegepersonal.“
Uhlmann (55) hat katamnestische Erhebungen über das Schicksal der aus der
Kgl. Heilanstalt Schussenried in den Jahren 1902—1912 ungeheilt, meist wider
ärztlichen Rat, entlassenen Kranken. Von 201 ungeheilt nach Hause Entlassenen
blieben 24 für die Nachforschungen unerreichbar, während über 177 Auskunft zu
erlangen war. Von diesen 177 Kranken wurden 90 wesentlich gebessert oder geheilt,
das sind 66,6%. 117, also 66%, wurden wieder arbeitsfähig. Nur ein Selbstmord
kam vor. 3 Kranke kamen mit dem Strafgesetz in Konflikt. Diese günstigen Ergeb¬
nisse lassen es als den richtigsten Weg erscheinen, in geeigneten Fällen eine früh¬
zeitige Beurlaubung zu versuchen, wodurch es möglich wird, die Kranken probe¬
weise ungeheilt zu entlassen, ohne die Kontrolle über sie gänzlich zu verlieren.
3 v» KoUers (27) Studie ist im Zusammenhang mit statistischen Zusammenstellun¬
gen für die Landesausstellung in Bern entstanden. Sie gibt eine kritische Sichtung
des vorhandenen Materials und bietet recht interessante Aufschlüsse. Die in der
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266 * ‘Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
Schweiz bis jetzt durchgeführten Irrenzählungen haben ungefähr 1% der Bevölke¬
rung an Geisteskranken und Geistesschwachen eigeben. Die relative Zahl Er¬
krankter zu ergründen ist ein äußerst wichtiges Problem, mit dem Mayer sich be¬
schäftigt hat. Dieser kommt, fußend auf seine Untersuchungen der Ergebnisse
der sanitären Eintrittsmusterung der Schweizer Rekruten der Jahre 1883—1911,
wobei 1,867% aller Untersuchten infolge geistiger Defekte, einschließlich Alkoholis¬
mus, und Krankheiten des Nervensystems als dienstuntauglich befunden wurden,
zu di m Schlüsse, daß die Zahl psychisch Defekter der Bevölkerung größer sein muß
als 1%> hingi gen unter Berücksichtigung aller einschlägigen Faktoren auf 2%—2%%
angenommen werden muß. Die Ausführungen über Anstaltsstatistisches bieten
reiches Zahlt nmaterial. Sie führen zu dem Ergebnis, daß die Zahl der Irrenanstalten
der Schweiz sich in den zur Untersuchung herangezogenen 40 Jahren 1873—1912,
beinahe verdoppelt, die Bettenzahl sich aber um ein beträchtliches mehr vergrößert
und die Zahl der Aufnahmen, der Abgänge und der Schlußbestand sich in diesen
vier Dezennien mehr als verdreifacht hat. Um einige Zahlen herauszugreifen,
betrug der Patientenbestand der öffentlichen Irrenanstalten bei einer Wohnbevölke¬
rung der Schweiz von 2 333 863 im Jahre 1646 6—600 Pat. = 0,22%o; 1876 bei
2 733 980 E. 2983 Pat. = 1,09%; 1886 bei 2 874 038 E. 3909 Pat. = 1,36%,; 1896
bei 3 113 891 E. 6669 Pat. = 1,82%,; 1910 bei 3 763 293 E. 9366 Pat. = 2,61 # /„.
Die Zahl der Todesfälle macht in dem untersuchten Zeitraum stets 7u—Vu> meist
7t, des Gesamtbestandes aus. — Das Platzbedürfnis ist mit 1 :400, jetziger Stand,
noch lange nicht befriedigt, man wird mit 4,6 Betten auf 1000 Einwohner oder
1 Bett auf 220 Einwohner rechnen müssen, bis den Oberfüllungen Einhalt geboten
sein wird. — Über die Privatpflegeanstalten lagen statistische Berechnungen nicht
vor, abgesehen von den Bestandszahlen an Kranken, und zwar 1888 mit 439 Kr..
1894 mit 666 Kr. Was die Kosten der Unterhaltung der Geisteskranken in den
kantonalen Anstalten anbetrifft, so ergibt sich, d; ß die Staatszuschüsse in den 40
Jahren nahezu verfünffacht werden mußten; die relativen Auslagen, die 1876 pro
Kopf der Bevölkerung 60 Cts. betrugen, sind bis 1910 auf 179 Cts. gestiegen. In
bezug auf Familienpflege fehlen Zahlen; nur wird gesagt, daß die Familienpflege,
die seit 10 Jahren besteht, eine wertvolle Ergänzung der Anstaltspflege bildet.
Sehr erheblich sind die Leistungen der Hilfsvereine für Geisteskranke; sie veraus¬
gabten an Unterstützungen seit 1876: 1612 126 Fr., darunter Beiträge für Ent¬
lassene im Betrage von 308 783 Fr.
Alter (2) gibt noch eine kurze Vergleichung zur Irrenstatistik in England und
Deutschland, wobei er von den Untersuchungen Hortons in Nr. 43, Jahrg. 1913/14
der Psych.-neurol. Wschr. ausgeht. Einige interessante Zahlen, die Alter anführt,
mögen hier wiedergegeben werden: ln Preußen waren am 10. Dez. 1910 unter
40 166 219 E. 160 001 Geisteskranke und -schwache; in England unter 36 919 393 E.
170 201; davon in Anstalten in Preußen 92 064, in England 90 676. Auf 10 000 E.
berechnet in Preußen überhaupt 39,84, davon in Anstalten 22,92; in England 46,10
und 29,68. Demnach in Anstaltspflege in Preußen 67.64%, in England 64,38%.
Auf 100 geistig abnorme Männer kommen in Preußen 90,6, in England 115,3 Frauen.
Die Notwendigkeit einer Reform der offiziellen Irrenstatistik beschäftigt seit
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Sn eil, Anstaltswesen und Statistik.
267 *
Jahren die Fachschriftsteller und Psychiater. H. Römer (41) hat der Lösung dieser
Aufgabe von jeher in hervorragender Weise sich gewidmet, und er gibt auch neuer¬
dings wieder umfangreiche und wertvolle Arbeiten (40, 41) über dieses Gebiet heraus.
Diesem Verf. kommt es insbesondere auf die wissenschaftliche Verwertbarkeit der
Irrenstatistik'an, und er stellt besondere Leitsätze auf, die in bezug auf die Methodik
der Irrenstatistik durchaus annehmbar sein würden. Als Hauptaufgabe sieht er
die Erfassung der demographischen Verhältnisse der Anstaltsaufnahmen an, aus
denen der Einfluß gewisser allgemein wirksamer komplexer Ursachen zu erkennen
ist; Formeln für eine allgemeine Irrenstatistik, wie sie der Deutsche Verein für
Psychiatrie plant. Diese Angaben müßten während eines bestimmten Zeitraums
von allen Kliniken und Anstalten gleichmäßig ausgefüllt und mit Beziehungen auf
die geographisch und zeitlich entsprechenden Bevölkerungseinheiten versehen,
einer Zentralstelle zur weiteren Bearbeitung überreicht werden. Diese Zentral¬
stelle würde aber nicht lediglich eine Addition der Anstaltsstatistiken vorzunehmen
haben, sondern sie würde die Entzifferung der Zählkarten sämtlicher Aufnahmen
innerhalb eines Landesverbandes (Staat, Provinz) in einheitlicher Weise, als
einheitliches Ganzes bearbeiten müssen, besonders auch in bezug auf Ent-
aufnahmen, Überführungen und Wiederaufnahmen, damit wiederholte Zählungen
derselben Person vermieden werden. Weiter würde eine Vereinbarung für eine
zeitgemäße Einteilung der Krankheitsformen notwendig sein, die weiter reicht als
das offizielle Schema der Beichsmedizinalstatistik — und hier empfiehlt Römer
das Ülenau-Heidelberger Schema, das im praktischen Gebrauch sich bewährt hat.
Zur Sicherung der Vergleichbarkeit würde sich ferner die Erhebungs- und Ver¬
arbeitungsweise der Irrenstatistik an das Muster der Bevölkerungsstatistik an¬
schließen müssen, also in bezug auf Angaben über Alter, Familienstand, Beruf
Wohnort usw. Eine der wichtigsten Aufgaben der allgemeinen Irrenstatistik be¬
ruhe fernerhin darin, zur Klärung der Frage beizutragen, ob die Geisteskrank¬
heiten im Zunehmen begriffen sind. Zu diesem Zweck seien nicht nur sämtliche
Aufnahmen, sondern auch, und zwar gesondert, die Erstaufnahmen, und unter
diesen wieder getrennt die in den betreffenden Landesteilen Wohnhaften oder Ge¬
borenen zur Bevölkerungsziffer fortlaufend in Beziehung zu setzen. Die irren¬
statistische Zählkarte hätte also zu enthalten: 1. die Personalien nach Schema der
Berufszählungen, 2. Angaben über die Aufnahme, ob erstmalig usw., und 3. Angabe
der Krankheitsfcrm nach dem zu vereinbarenden Schema. Auf Grund einer ein¬
heitlichen Gestaltung der Statistik der Deutschen Irrenkliniken und Anstalten
•würde ein weiterer Ausbau anzustreben sein. Und zwar in der Richtung der Inten¬
sität durch die statistische Erfassung des freilebenden Geisteskranken und durch
Aufstellung einer zentralen Stammliste aller amtlich bekannt werdenden Fälle von
Geisteskrankheit, zum andern in der Richtung der Extensität, durch Anbahnung
einer internationalen Irrenstatistik.
Schloß (43) beschäftigt sich ebenfalls mit Fragen der Irrenstatistik und
macht Vorschläge zur Änderung des österreichischen offiziellen Diagnosenschemas.
Die Frage der Ausbildung des Pflegepersonals ist in den letzten Jahren weniger
Gegenstand der Erörterung gewesen. Tomaschny (64) sowohl wie Wickel (63) sind
Zeitschrift für Psychiatrie. LXXII. Lit. t
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268 *
Bericht öber die psychiatrische Literatur 1914.
neuerdings Vorkämpfer auf diesem Gebiet. Tomaschny gibt seinem Gedanken¬
gange über eine zweckmäßige Ausgestaltung der Pflegerkurse Ausdruck. Die Aus¬
bildung muß sich ohne einseitige Bevorzugung sowohl auf theoretische Belehrung
wie auf praktische Unterweisungen erstrecken. Pflegerschulen seien abzulehnen,
jede Anstalt bilde sich ihr Personal selbst heran, wie es auf den Versammlungen
zu Heidelberg (1896) und Hannover (1897) schon als wünschenswert bezeichnet
wurde; jedoch dürfte es, wenigstens innerhalb der einzelnen Landesteile (Staat,
Provinzen), an regelnden Bestimmungen nicht fehlen. Ein in seinem Beruf intensiv
ausgebildetes Personal werde diesem treuer bleiben, und man würde eher dahia
gelangen, die Schaffung eines Standes wirklicher Berufspfleger, hauptsächlich auch
bei dem immer noch sehr zum Wechsel neigenden weiblichen Personal, zu fördern.
Wickel (63) schließt sich den Ausführungen Tomasdmy s im wesentlichen an,
wünscht aber die Einführung eines obligatorischen Examens. Beide rühmen der
Leitfaden für Irrenpflege von Scholz.
II. Anstaltsberichte.
64. Alsterdorfer Anstalten in Hamburg-Alsterdorf. Bericht über
das Jahr 1913. Dir. Oberarzt Dr. Kellner. (S. 295*.)
65. Bayreuth, Oberfränkische Heil- und Pflegeanstalt. Bericht für
1913. Kgl. Dir.: Dr. Hock. (S. 301*.)
66. Bergmannswohl, Unfall-Nervenheilanstalt der Knappsch&fts-
B.-G. Schkeuditz (Bez.Halle a. S.). Bericht für 1913. Dir.:
Dr. Quensel. (S. 297*.)
67. Berlin. Bericht der Deputation für die städtische Irrenpflege.
Berichte über die Anstalten Dalldorf, Herzberge, Buch und
Wuhlgarten. Verw.-Bericht des Magistrats zu Berlin. Etats¬
jahr 1913. (S. 277*.)
68. Boston State Hospital. Second annual report of the Psycho¬
pathie Department, 5 th report of the B. St. H. for the year
ending Nov. 30, 1913. (S. 312*.)
69. Brandenburgischer Provinzialausschuß. Berichte über
die Anstalten Eberswalde, Sorau, Landsberg, Neuruppin,
Teupitz, Wittstock, Lübben, Anstalt für Epileptische, Görden.
Palmnicken. Auszug aus dem Verwaltungsbericht vom 6. Febr.
1914. Mit Anlage: Festschrift aus Anlaß des 25jährigen Be¬
stehens (1888—1913) der Brandenburgischen Landesirren¬
anstalt zu Landsberg a. W. (S. 276*.)
70. Breslau. Städtische Heilanstalt für Nerven- und Gemütskranke.
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Snell, Anstaltswesen and Statistik.
269 '
Bericht für 1913. Dir.: Primärarzt San.-Rat Dr. Hahn.
(S. 278*.)
71. Brieg. Provinzial-Heil- u. Pflegeanstalt. Bericht für 1913.
Dir.: San.-Rat Dr. Petersen. (S. 278*.)
72. Burghölzli. Zürcherische kantonale Irrenheilanstalt. Bericht
für 1913. Dir.: Professor Dr. Bleuler. (S. 307*.)
73. Cery. Rapport de l’asile. 1913. Dir.: Dr. Mahaim. (S. 311*.)
74. Conradstein, Westpreußische Provinzial-Heil- u. Pflegeanstalt.
Bericht für 1913. Dir.: Dr. Braume. (S. 274*.)
75. Danemora, State Hospital, N. Y; 14‘ h report, for 1913. Dir.:
Charles H. North. M. S. M. D. (S. 313*.)
76. Dziekanka, Provinzial-Irrenanstalt. Bericht für 1912/13. Dir.:
‘Geh. San.-Rat Dr. Kayser. (S. 282*.)
77. Eglfing bei München, Oberbayer. Heil- u. Pflegeanstalt. Bericht
für 1913. K. Dir.: K. Med.-Rat Dr. Vocke. (S. 299*.)
78. Ellen (Bremen), St. Jürgen-Asyl für Geistes- und Nervenkranke.
Bericht für 1913. Dir.: San.-Rat Dr. Delbrück. (S. 295*.)
79. Ellikon a. d. Thur, Trinkerheilstätte. Bericht für 1913. (S. 307*.)
80. Feldhof zu Graz, Landes-Irren-Heil- u. Pflegeanstalt. Bericht
für 1912—1913 im Aufträge des steiermärkischen Landes¬
ausschusses. Zugleich Bericht der Landes-Irren-Siechen-
anstalt Schwanberg. Dir.: Dr. 0. Haßmann. (S. 304*.)
81. Freiburg, Schlesien, Provinzial-Heil-u. Pflegeanstalt. 21. Jahres¬
bericht (Rechnungsjahr 1913). Dir.: San.-Rat Dr. Buttenberg.
(S. 280*).
82. Friedmatt (Basel), Kantonale Heil- u. Pflegeanstalt. Berichte
für 1913 u. 1914. Dir.: Professor Dr. G. Wolff. (S. 307*.)
83. Gabersee, Oberbayerische Heil- u. Pflegeanstalt. Bericht für
1913. Dir.: K. Med.-Rat Dr. Dees. (S. 3C0*.)
84. Gehlsheim bei Rostock i. M., Großherzogi. Mecklenburgische
Irren-Heil- u. Pflegeanstalt. Bericht für 1913. Dir.: Geh.
Med.-Rat Dr. Schuchardt. (S. 293*.)
85. Göttingen, Provinzial-Heil- u. Pflegeanstalt. Bericht für 1913/14.
Dir.: Geh. Med.-Rat Dr. Schnitze. (S. 285*.)
85a. Provinzial-Verwahrungshaus. Bericht für 1913/14. Dir.
i. V.: Dr. Richard. (S. 285*.)
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270 *
Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
86. Haar bei München, Oberbayerische Heil- u. Pflegeanstalt. Bericht
für 1913. K. Dir.: Dr. Blaehian. (S. 300*.)
87. Hall in Tirol, Landes-Heil 1 u. Pflegeanstalt für Geisteskranke.
Bericht für 1912/13. Dir.: Dr. H. Wassermann. (S. 305*.)
88. Hamburg, Die Irrenanstalten Friedrichsberg (Dir.: Professor
Dr. Weygandt) und Langenhorn (Dir.: Professor Dr. Neu¬
berger.) Aus dem Jahresbericht des Krankenhauskollegiums
für 1913. (S. 294*, 295*.)
89. „Haus Schönow“ in Zehlendorf, Heilstätte für Nervenkranke
Bericht für 1913. Dir.: Prof. Dr. M. Laehr. (S. 278*.)
90. Herborn, Landes-Heil- u. Pflegeanstalt. Bericht für 1913.
Dir.: San.-Rat Dr. R. Snell. (S. 290*.)
91. Hessen (Großherzogtum), Hilfsverein für die Geisteskranken in
Hessen. Bericht für 1913. (S. 314*.) .
92. Hildesheim, Provinzial-Heil- u. Pflegeanstalt. Bericht für
1913/14. Dir.: Geh. San.-Rat Dr. Gerstenberg. (S. 285*.)
93. Hördt, Gemeinsame Irrenpflegeanstalt. Bericht für 1913/14.
Dir.: Dr. Haberkant. (S. 298*.)
94. Homburg, Pfalz, Heil- u. Pflegeanstalt. Bericht für das Jahr
1913 (Manuskript). Dir.: Dr. Höllerbach. (S. 302*.)
95. Indiana Hospital for the Insane. Indianopolis Ind. Report
for 1911/12. Dir.: Geo. F. Edenharter, M. D. (S. 313*.)
96. Isenwald bei Gifhorn (Hann.), Stift für Alkoholkranke. Be¬
richte für 1912/13—1914/15. (S. 287*.)
97. Kaufbeuren, Kreis-Heil- u. Pflegeanstalten. Bericht für 1913.
Dir.: K. Med.-Rat Dr. Priming. (S. 300*.)
98. Königsfelden (Aargau), Kantonale Heil- u. Pflegeanstalt.
Bericht für 1913. Dir.: Dr. Frölich. (S. 310*.)
99. Kosten, Provinzial-Irren-u. Idiotenanstalt. Bericht für 1912/13.
Dir.: San.-Rat Dr. Freiherr v. Blomberg. (S. 283*.)
100. Kremsier, Mährische Kaiser Franz Josef I.-Landes-Heilanstalt.
Bericht für 1913. Dir.: K. K. Med.-Rat Dr. Ndvrat. (S. 304*.)
101. Kreuzburg (Schlesien), Provinzial-Heil- u. Pflegeanstalt. Be¬
richt für 1913. Dir.: Dr. Linke. (S. 281*.)
102. Kiickenmühler Anstalten in Stettin. Bericht für 1913/14.
Ärztl. Leiter: Dr. Jödicke. (S. 284*.)
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Sn eil, Anstaltswesen and Statistik.
271 *
103. Kutzenberg, Oberfränkische Heil- u. Pflegeanstalt. Bericht
für 1913. Dir.: Dr. Oetter. (S. 302*.)
104. Langenhagen, Provinzial-Heil- u. Pflegeanstalt für Geistes¬
schwache mit Filiale Himmelsthür bei Hildesheim und der
Beobachtungsstation für Hannover. Bericht für
1913/14. Dir.: Dr. MönkemöUer. (S. 287*.)
105. Leubus in Schlesien, Provinzial-Heil- u. Pflegeanstalt. Bericht
für 1913. Dir.: Kgl. San.-Kat Dr. Dinter. (S. 279*.)
106. Lewenberg, Kinderheim zu Schwerin, Großherzogi. Heil-
u. Pflegeanstalt für geistesschwache Kinder. Bericht für
1913/14. Dir.: Med.-Rat Dr. Jem. (S. 294*.)
107. Lindenhaus bei Lemgo, Fürst! Lippische Heil- u. Pflege¬
anstalt. Bericht für 1913. Dir.: Med.-Rat Dr. W. ÄUer.
(S. 296*.)
108. Lüben in Schlesien, Provinzial- Heil- u. Pflegeanstalt. Bericht
für 1913/14. Dir.: Dr. Schubert. (S. 280*.)
109. Lüneburg, Provinzial-Heil-u. Pflegeanstalt. Bericht für 1913/14.
Dir.: San.-Rat Dr. 0. SneU. (S. 286*.)
110. Lohr a. M., Unterfränkische Heil- u. Pflegeanstalt. Bericht über
das Jahr 1912 u. 1913. K. Dir.: Dr. Ungemach. (S. 301*.)
111. Mariaberg, Kgl. Württ. Oberamt Reutlingen, Heil- u. Pflege¬
anstalt für Schwachsinnige. Bericht vom Jahre 1913/14.
(S. 303*.)
112. Münsterlingen, Thurgauische Irrenanstalt. Bericht für 1913.
Dir.: Dr. H. Wüte. (S. 309*.)
113. Neustadt in Holstein, Provinzial-Heil- u. Pflegeanstalt. Bericht
für 1913/14. Dir.: San.-Sat Dr. Dabeistein. (S. 284*.)
114. Neustadt in Westpreußen, Westpreußische Provinzial-Heil- u.
Pflegeanstalt. Bericht für 1913. Dir.: San.-Rat Dr. Rabbas.
(S. 275*.)
115. New Jersey State Hospital, Trenton N. J. Annual Report
for the year ending Oct. 1913. Dir.: Henry A. Cotton, M. D.,
M. D. (S. 313*.)
116. Niedernhart in Linz, Oberösterr. Landes-Irrenanstalt. Bericht
für 1913. Dir.: Dr. Schnopfhagen, k. k. Sanitätsrat. (S. 303*.)
117. Niederösterreich, Die Landes-Irrenanstalten und die Für¬
sorge des Landes Niederösterreich für schwachsinnige Kinder.
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272* Behebt über die-yychielrieehg Lkerfr 1914.
Bericht für 1913, erstattet vom Referenten H. Bidohlatcrl-.
(S. 303*.)
118. Obrawalde, Provinzial-Irrenanstalt, Bericht für 1912/13. Dir.
San.-Rat Dr. Dluhosch. (S. 282*.)
119. Osnabrück, Provinzial-Heil- u. Pflegeanstalt. Bericht für
1913/14. Dir.: San.-Rat Dr. Schneider. (S. 286*.)
120. Ostpreußen, Provinzial-Heil- u. Pflegeanstalten Allenberg,
Kortau und Tapiau. Bericht für 1913. (S. 274*.)
121. Owinsk, Provinzial-Irrenanstalt. Bericht für 1912/13. Dir:
San.-Rat Dr. Werner. (S. 283*.)
122. Pr6fargier, Maison de SantA 65 me rapp. Exerc. 1913. Dir.:
Dr. Georges Sandoz. (S. 310*.)
123. „Rasemühle“, Nerven-Sanatorium der Provinz Hannover.
Jahresbericht 1913. Leit. Arzt: Dr. Quaet-Faslem. (S. 287*.)
124. Rheinprovinz, Provinzial-Heil- u. Pflegeanstalten Andernach,
Bedburg-Hau, Bonn, Düren, Galkhausen, Grafenberg, Jo¬
hannistal, Merzig und Brauweiler. Bericht für 1913/14. Düssel¬
dorf: Der Landeshauptmann der Rheinprovinz. (S. 291*.)
125. Rheinprovinz, Hilfsverein für Geisteskranke. Bericht für
1913. (S. 314*.)
126. Rock winkel bei Bremen, Sanatorium für Nerven- und Gemüts¬
kranke. Bericht für 1913. Dir.: Dr. Walter Bennvng. (S. 295*. >
127. Roda, Herzogi. Sächsisches Genesungshaus. Bericht für 1913.
Dir.: Med.-Rat Dr. Schäfer. (S. 296*.)
128. Roda, Herzogi. Sächsisches Martinshaus, Idiotenanstalt für
Knaben und Mädchen von 6—16 Jahren aus dem Herzogtum
Sachsen-Altenburg und dem Großherzogtum Sachsen-Weimar.
Bericht für 1913. Dir.: Med.-Rat Dr. Schäfer. (S. 296*.)
129. Rosegg,-Heil- u. Pflegeanstalt im Kanton Solothurn. Bericht
für 1913. Dir.: Dr. Greppin. (S. 308*.)
130. Ruf ach, Oberelsässische Bezirks-Heil- u. Pflegeanstalt. Bericht
für 1913. Dir.: Dr. Groß. (S. 298*.)
131. Sachsenberg bei Schwerin, Großherzogi. Mecklenburgische
Irrenanstalt. Bericht für 1913. Dir.: Obermedizinalrat Dr.
Matusch. (S. 293*.)
132. Schleswig, Provinzial-Heil- u. Pflegeanstalt. Bericht für
1913/14. Dir.: Prof. Dr. Kirchhaff. (S. 284*.)
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UNIVERSITY.Q£MICHIGAN
Snell, Anstaltswesen und Statistik.
273*
133. Schleswig, Provinzial-Heil- u. Pflegeanstalt für Geistes¬
schwache (früher Provinzial-Idiotenanstalt). Bericht für
1912/13. Dir.: Dr. Zappe. (S. 285*.)
134. Schwetz, Westpreußische Provinzial-Heil- u. Pflegeanstalt.
Bericht für 1913. Dir.: San.-Rat Dr. Schauen. (S. 275*.)
135. Scotland, General board of Commissioners in lunary. 65. an-
nual report. 1913. (S. 311*.)
136. Sonnenhalde bei Riehen (Basel), Evangelische Heilanstalt für
weibliche Gemütskranke. Bericht für 1913/14. (S. 308*.)
137. Stephansfeld bei Straßburg i. E., Bezirksheilanstalt. Bericht
für 1913/14. Dir.: San.-Rat Dr. Ransohoff. (S. 297*.)
138. „Steinmühle“ Obererlenbach, Arbeitslehrkolonie und Be¬
obachtungsanstalt. Bericht für 1911/12. (S. 291*.)
139. Stetten im Remstal, Württemberg, Heil- u. Pflegeanstalt.
Bericht für 1913/14. Leit. Arzt: Oberarzt Dr. Schott. (S. 302*.).
140. St. Pirminsberg (St. Gallen), Heil- u. Pflegeanstalt. Bericht
für 1913. Dir.: Dr. Haeberlin. (S. 309*.)
141. Strecknitz (Lübeck), Heilanstalt. Bericht für 1913. Dir.:
Dr. Wattenberg. (S. 2£6*.)
142. Strelitz (Alt-), Mecklenburg-Strelitzsche Landes-Heil- u.
Pflegeanstalt. Bericht über die Jahre 1912 und 1913. Dir.:
Dr. Starke. (S. 294*.)
143. St. Urban (Luzern), Kantonale Irrenanstalt. Bericht für 1912
u. 1913. (S. 310*.)
144. Tannenhof bei Lüttringhausen (Rheinland), Evangel, Heil- u.
Pflegeanstalt für Gemüts- und Geisteskranke. Bericht für
1913/14. Leit. Arzt: Dr. Beelitz. (S. 292*.)
145. Tost, Oberschlesien, Provinzial-Heil- u. Pflegeanstalt. Bericht
für 1913. Dir.: San.-Rat Dr. Schütze. (S. 281*.)
146. Waldau, Münsingen und Bellelay, Bernische kantonale
Irrenanstalten. Bericht für 1913. (S. 306*.)
147. Waldhaus (Chur), Kantonale Irren- u. Krankenanstalt. Be¬
richt für 1913. Dir.: Dr. Jörger. (S. 307*.)
148. Wehnen, Großherzogi. Oldenburgische Heil- u. Pflegeanstalt.
Bericht für 1913. Dir.: Medizinalrat Dr. Brümmer. (S. 297*.)
149. Weilmünster, Landes-Heil- u. Pflegeanstalt. Bericht für 1913/
1914. Dir.: San.-Rat Dr. Lemtzim-Beninga. (S. 290*.)
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274*
Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
150. Wernigerode-Hasserode, „Zum guten Hirten“, Erziehungs¬
haus für schwach- und blödsinnige Mädchen. Bericht fiir
1913/14. (S. 297*.)
151. Westfalen, Berichte über die Provinzialheilanstalten Marsberg.
Lengerich, Münster, Aplerbeck, Warstein, die Provinzial-Heil-
u. Pflegeanstalt zu Eickelborn und die Provinzialanstalt St.
Johannesstift zu Marsberg. Geschäftsjahr 1912. (S. 288*. •
152. Wil (St. Gallen), Kantonales Asyl. Bericht für 1913. Dir.:
Dr. Schiller. (S. 309*.)
In den ostpreußischen Anstalten Allenberg, Kortau, Tapiau (12o>
im Berichtsjahre Gesamtanfangsbestand: 3174 Kr. Gesamtschlußbestand 3233 Kr.
inkl. des Bestandes von 24 Pat. (13 M. 11 Fr.) der Universitätsirrenklinik zu
Königsberg, entsprechend einem Mehr von 69 gegen das Vorjahr, bei einer Durch-
schnittszunahme von 98 Kr. laut der Übersichtstabelle der Krankenbewegung in
den Provinzialanstalten seit 1887. Im Berichtsjahre Anfangsbestand in Allen¬
berg 954 Kr. (476 M. 478 Fr.), davon in Familienpflege 85 (47 M. 38 Fr.). Zugang
273 (169 M. 104 Fr.). Abgang 253 (154 M. 99 Fr.). Bleibt Bestand 974 (491 11.
483 Fr.), davon in Familienpflege 89 (50 M. 39 Fr.). Entlassen genesen 23 = 8,4* ,
der Aufnahmen, gebessert 112; ungeheilt 35; nicht geisteskrank 4. — Gestorben
79 = 6,4% der Verpflegten. — In Kortau Anfangsbestand 895 (441 M. 454 Fr.),
davon in Familienpflege 63 (41 M. 22 Fr.). Entlassen genesen 36 = 9,45% der
Aufnahmen, gebessert 140; ungeheilt 47; nicht geisteskrank 3. — Gestorben 95 =
7,43% der Verpflegten. In Tapiau Anfangsbestand 1325 Kr., davon im Bewahr¬
hause 68 M., in Familienpflege 20 (7 M. 13 Fr.). Zugang 178 (75 M. 103 Fr.) Ab¬
gang 226 (96 M. 129 Fr.). Bleibt Bestand 1278 Kr., davon im Bewahrhause 68 M..
in Familienpflege 35 (8 M. 27 Fr.). Entlassen geheilt 8, gebessert 62, ungebessert 4;
nicht geisteskrank 5. Gestorben sind 131. — In der Universitätsklinik verblieben
14 P. (13 M. 1 Fr.). Gesundheitszustand in den Anstalten im allgemeinen gut:
in Allenberg Tuberkulose zurückgehend, in Kortau 2, in Tapiau 3 Typhusfälle,
gut verlaufen. — Das Provinzialgut Hubenhof hat 7566,78 ha nutzbare Ackerflächen.
Conradstein(74):'Anfangsbestand 1438(776M. 662 Fr.). Zugang227 (118 M.
109 Fr.). Abgang 289 (155 M. 134 Fr.). Bleibt Bestand 1376 (739 M. 637 Fr.
davon in Familienpflege 116 (55 M. 61 Fr.). Vom Zugang litten an einfacher Seelen¬
störung 158 (71 M. 87 Fr.), paralytischer 21 (18 M. 3 Fr.), Seelenstörung mit Epi¬
lepsie 18 (12 M. 6 Fr.), angeborenem Schwachsinn 11 (1 M. 10 Fr.), Alkoholismu-
12 (11 M. 1 Fr.), Morphiumsucht 2 M. Zur Beobachtung 6 (3 M. 2 Fr.), davon
entlassen 4. Krankheitsdauer vor der Aufnahme bis 1 Monat 40 = 17,6%, 2 Monate
11 = 4,9%, 3 Monate 11 = 4,9%, 6 Monate 18 = 7,9%, bis 1 Jahr 24 = 10,6%
2 und mehr Jahre 123 = 54,2%. Erbliche Belastung bei 82 (37 M. 45 Fr.). Mir
dem Strafgesetz in Konflikt 49, davon bestraft 38 vor, 3 nach Erkrankung, darunter
24 Vergehen an Mord, Körperverletzung, Mißhandlung, Sachbeschädigung. Ent¬
lassen geheilt 28 (18 M. 10 Fr.), gebessert 96 (49 M. 47 Fr.), ungeheilt 35 (23 M.
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12 Fr.). Gestorben sind 123 (68 M. 66 Fr.), davon an Blutvergiftung, Eiterungen 4,
Entkräftung 11, Hirnlähmung, gehäufte Krampfanfälle, Hirnblutung 10, Krank¬
heiten der Atmungsorgane 30, Tuberkulose 27, Herzschwäche 14, Typhus und Bauch¬
fellentzündung 10, Krebs 3, Selbstmord 2. Typhus epidemisch wieder aufflackemd
im Verlauf des Jahres mit 64 Fällen, höchste Krankheitsziffera Juli, August, Februar
mit 14,11,16, auch unter dem Personal (es verstorben am Typhus 7 Geisteskranke,
3 M. 4 Fr.). 20 neue Bazillenträger ermittelt und mit Autovakzine behandelt und
isoliert, am Schluß des Jahres 64 Bazillenträger. Infolge der epidemischen Er¬
krankungen fand Aufnahme geisteskranker Personen in möglichst beschränktem
Maße statt, so daß der Krankenbestand um 62 Köpfe zurückging (Anfangsbestand
1438 P., Schlußbestand 1376). Ebenso war eine geringere Belegung der Familien¬
pflege damit verknüpft: Rückgang von 161 Kranken auf 116. — Monatsdurchschnitt
der Arbeitenden 471,14 P. — Bestellt wurden 224,11 ha. Gesamtausgabe:
821 668,33 M.
Neustadt, Westpr. (114): Anfangsbestand 691 (292 M. 299 Fr.). Zugang
177 (95 M. 82 Fr.). Abgang 123 (69 M. 64 Fr.). Bleibt Bestand 645 (318 M. 327 Fr.),
davon in Familienpflege 33. Vom Zugang litten an einfacher Seelenstörung 122
(49 M. 73 Fr.), paralytischer 22 (20 M. 2 Fr.), an Epilepsie, Hysteroepilepsie 12
(7 M. 6 Fr.), Imbezillität 7 M., Alkoholismus, Delirium pot. 7 (6 M. 1 Fr.); nicht
geisteskrank 7. Krankheitsdauer vor der Aufnahme bis 1 Monat bei 44, 2 Monate
8, 6 Monate 24, bis 1 Jahr bei 18, 2 und mehr Jahre bei 76 P. Erblich belastet 63
(33 M. 30 Fr.) = 36,6% der Aufgenommenen. Mit dem Strafgesetz im Konflikt
38. In Beobachtung 13, davon 9 gemäß § 81 StPO. Entlassen geheilt 19 (10 M.
9 Fr. = 26,8%), gebessert 28 (16 M. 12 Fr.) = 39,4%, ungeheüt 19 (10 M. 9 Fr.) =
26,8%, nicht geisteskrank 5. Gestorben 52 (29 M. 23 Fr.), davon an Herzlähmung 10,
Lungenentzündung 9, je 7 an Erschöpfung und Lungentuberkulose, je 3 im para¬
lytischen Anfall und an einem Herzfehler, 2 an Himlähmung, je 1 an Hirngeschwulst,
Lungen- und Darmtuberkulose, Typhus und Altersschwäche usw. Todesfälle =
6,8% der Verpflegten. Nach dem durchschnittlichen Krankenbestande arbeiteten
34,97% gegen 34,48% im Vorjahre. Bestellt sind 51,76 ha. Gesamtausgabe:
428 078,28 M.
Schwetz (134): Anfangsbestand 866 (468 M. 397 Fr.). Zugang 163 (99 M.
64 Fr.). Abgang 160 (93 M. 67 Fr.). Bleibt Bestand 868 (464 M. 394 Fr.), davon
in Familienpflege 49. Vom Zugang litten an einfacher Seelenstörung 108 (55 M.
63 Fr.), an paralytischer Seelenstörung 12 (11 M. 1 Fr.), Imbezillität 6 (4 M.
1 Fr.), Epilepsie mit und ohne Seelenstörung 9 (5 M. 4 Fr.), Alkoholismus 8
(6 M. 3 Fr.), Idiotie und Imbezillität 3 M.; Untersuchungsgefangene zur Beob¬
achtung 9 M., auf Antrag der Landesversicherung 9 (7 M. 2 Fr.). Unter den 108
an einfacher Seelenstörung Erkrankten fand sich Dementia praecox bei 41, manisch-
depressives Irresein bei2 , akutes halluzinat. Irresein bei 13, zirkuläres bei 4, Melan¬
cholie 9, degeneriertes Irresein bei 5, Paranoia 18, traumat. Irresein bei 4, Neurasthe¬
nie 1, sekundäre Demenz 2, arteriosklerotische 1, senile bei 8. Krankheitsdauer vor
Aufnahme bis 1 Monat bei 27 (16 M. 11 Fr.), 1—-6 Monate bei 23 (9 M. 14 Fr.),
6—12 Monate 13 (9 M. 4 Fr.), 1—6 Jahre bei 48 (26 M. 22 Fr.), über 6 Jahre
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Bericht über die psychiatrische .Literatur 1914.
bei 11; Krankheitsdauer unbestimmt bei 33, von Jugend an 8. FamilinuBhp
bei 28 M. 27 Fr., ursächliche Einwirkungen bei 138 (73 M. 66 Fr.). Mit den
Strafgesetz in Konflikt gekommen 22 M. 1 Fr., 3 Fr. vorher der Zwangspflege
überwiesen. Entlassen als geheilt 6 (4 M. 2 Fr.), gebessert 39 (19 M. 20 Fr.),
ungeheilt 21 (9 M. 12 Fr.); andern Anstalten zugeführt 6 (6 M. 1 Fr.). Von den
Geheilten hatten gelitten an Hebephrenie 2, Katatonie 3, Dementia paranoides 1.
Gestorben sind 68 = 6,7®/« der Verpflegten (8,6% im Vorjahre), darunter 8 Tuber¬
kulosefälle; unter den sonstigen Krankheitsformen höchstbeziffert Gehirnlähmaag
mit 16 Fällen, Erschöpfung 7. Unter den Erkr ankung en 2 Typhusfälle, 13 Lungen¬
tuberkulose. — Gesamtausgabe 495 160,66 M., davon Bauausgaben 45 193,78 3L
Der Auszug aus dem Verwaltungsbericht des Brandenburgischen Pro¬
vinzialausschusses (69) für das Etatsjahr 1913 enthält eine Zahlenübersicht
für Geisteskranke, Idioten und Epileptische in den gesamten Anstalten und Privat¬
anstalten der Provinz über die Jahre 1893—1912 mit Kopfzahlen (für 1893 =
2926, für 1912 = 8938), Prozentzahlen der Steigerung und Bewegung im Ver¬
hältnis zur Einwohnerzahl und zeigt hier beispielsweise für 1894 eine Steigerung
der Krankenzahl von 8,34% zum Anwachsen der Bevölkerungsziffer um 3,67%.
und für 1910 entsprechende Zahlen von 6,83% zu 3,22•/,. Ferner werden Angaben
gemacht über das Anwachsen der Zahl der Geisteskranken in den Irrenanstalten
Preußens überhaupt, und zwar stieg im letzten Jahrzehnt seit 1901 mit 73 966
diese auf 132 982 (73 963 m. 69 029 w.) im Jahre 1911. Provinzseitig wurde diesem
Anwachsen (1913 ein Mehr von 363 Kr.) durch Mehreinstellung von 600 Betten
für den Etat 1914 Rechnung getragen sowie durch Überführungen in die neue Anstalt
Palmniken bei Fürstenwalde und, wie im Vorjahre, Unterbringung von Provinzial-
kranken in der Heilstätte Waldfrieden (dort 110 Trinker), im Naämisstift in Guben
und in den Samariteranstalten Fürstenwalde. Trotzdem besteht fortwährend erheb¬
licher Platzmangel, der zum Teil durch die Belegung der neuen Landesanstalt in
Görden (Eröffnung vorgesehen Herbst 1914) seine Behebung finden wird.
Die Krankenbewegungstabelle für die Anstalten Eberswalde, Sorau.
Landsberg, Neuruppin, Teupitz, Wittstock, Lübben, Anstalt fftr
Epileptische, Görden, Palmnicken (letztere schon belegt mit 32 bzw. 28 Kr.)
zeigt einen Gesamtanfangsbestand von 8350 (4337 m. 4013 w.) Kr. Zugang 3124
(1746 m. 1379 w.). Abgang 2644 (1468 m. 1176 w.). Bleibt Bestand von 8830
(4614 m. 4216 w.) und, nach Hinzufügung der ig Familienpflege und in den Privat¬
anstalten Befindlichen: Gesamtschlußbestand von 9622 (4998 m. 4624 w.), ais¬
sprechend einem Mehr von 608 Kr. gegen den Gesamt-Anfangsbestand (inkL Fa¬
milienpflege und Privatanstalten) von 9014 (4711 m. 4303 w.). Geheilt und ge¬
bessert entlassen sind 721 (431 m. 290 w.), ungeheilt entlassen 263 (131 m. 132 er.),
an andere Anstalten überwiesen 627 (376 m. 262 w.), in Familienpflege gegeben 288
(102 m. 126 w.), durch Tod ausgeschieden 806 (429 m. 376 w.). Gemäß i 81 StPO,
waren 32 P. aufgenommen, 20 davon krank erklärt, 12 verantwortlich und nebst 4
der als krank begutachteten der Bestrafung zugeführt, freigesprochen 9. —
Für die an „Alkoholismus“ erkrankten und entlassenen Männer ist der durchschnitt¬
liche Aufenthalt auf 11 Monate gegen etwa 6 Monate in den Vorjahren angewachsen;
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an einfachen, funktionellen Seelenstörungen Erkrankte and Entlassene zeigen
kürzere Aufenthaltsdauer, entsprechend dem Bestreben nach möglichster Ver¬
kürzung des Anstaltsaufenthalts. Entwicklung der Familienpflege erfreulich:
Gesamtschluflbestand 471 (225 m. 246 w.) gegen 436 (206 m. 230 w.) im Vorjahre,
hieran besonders Landsberg beteiligt. — Die angefügte Festschrift zum 25jährigen
Bestehen (1888—1913) der Landesirrenanstalt zu Landsberg a. W., aus der
Feder des Direktors Dr. med. Riebeth, reich an statistischem Material und Ab¬
bildungen, gibt interessante Aufschlüsse, namentlich über Familienpflege und
kriminelle Kranke.
Nach dem Verwaltungsbericht des Magistrats zu Berlin (67) über die städti¬
sche Irrenpflege war der Gesamtanfangsbestand an Kranken 8563 (4627 m. 3936 w.).
Zugang 4335 (3201 m. 1134 w.). Abgang 4570 (3455 m. 1115 w.). Schlußbestand
8328 (4373 m. 3955 w.), davon in Familienpflege 665 (358 m. 307 w.). Vom Ge-
samtschlußbestand entfielen auf
Dalldorf: 2884 (1440 m. 1444 w.), davon in der Hauptanstalt 1195 (665 m,
530 w.), Idiotenanstalt 160 (102 m. 58 w.), in Privatanstalten 1159 (469 m. 690 w.).
Familienpflege 370 Kr.
Herzberge: 1672 (899 m. 773 w.), davon Hauptanstalt 1227 (714 m. 513 w.),
Privatanstalten 320 (109 m. 211 w.), Familienpflege 135 Kr.
Buch: 2337 (1176 m. 1161 w.), davon Hauptanstalt 1782 (947 m. 835 w.),
Privatanstalten 393 (158 m. 235 w.), Familienpflege 162 Kr.
Wuhlgarten: 1436 (858 m. 677 w.), davon Hauptanstalt 1190 (651 m.
639 w.), Idiotenanstalt 88 (61 m. 27 w.), Privatanstalten 149 (139 m. 10 w.), Fa¬
milienpflege 8 Kr.
Krankheitsformen der Gesamtaufnahme (4335 Kr.): einfache Seelenstörung
bei 2163 (45% der m., 64% der w. Aufnahmen), paralytische Seelenstörung bei 493
(12% m. 11% w.), Seelenstörung mit 721 (18% m. 12% w.), desgl. mit Epilepsie
und Hysterie 96 (2% m. 2% w.), Idiotie, Imbezillität 308 (6% m. 9% w.), chron.
Alkoholismus 495 (15% m. 1% w.); zur Beobachtung 59 (2% m. 1% w.). Von den
Aufgenommenen waren mit dem Strafgesetz in Konflikt geraten 1400 (42•/* m.
5% w.), gewohnheitsmäßig dem Alkoholmißbrauch ergeben 1718 (62% m. 4% w.).
Insgesamt entlassen, geheilt oder gebessert 2877 (71% m. 46% w. des Gesamt-
abgangs), angeheilt 578 (11% m. 18% w.), nach Beobachtung 56 (2%, m. 1% w.);
durch Tod schieden aus 919 (16% m. 35*/« w.), davon infolge Altersschwäche 13%,
Erschöpfungszuständen 9%, Herzschwäche und Herzleiden 29%, Hirnkrank¬
heiten, paralytischer Anfall 17*/«, Schwindsucht, Tuberkulose 8%, Speiseröhren¬
krebs 8%; Selbstmord 1 w.
Unter den in Wuhlgarten aufgenommenen Epileptikern und an Hysterie
and Hysteroepilepsie Leidenden 603 (505 m. 98 w.), davon 547 reine Epileptiker,
befanden sich 351 m. 1 w. Trinker. Krankheitsbeginn fiel in das Alter bis 10 Jahren
bei 15% der M., 39%% der Fr., 91%% der Kn. und 100% der Md., bis zu 20 Jahren
bei 29% M., 26%% Fr., bis zu 30 Jahren bei 24% M., 8%% Fr.; bis zu 40 Jahren
bei 20%% M., 8%% Fr., bis zu 60 Jahren bei 7 l /*% M. und 77,% Fr., über 60 Jahren
bei 3%*/* M., 2%% der Fr., fraglich bei 67 ,% Fr-, 87,*/o der Knaben. Erbliche Be-
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Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
lastung, hauptsächlich trunksüchtige Eltern, nachweisbar bei 56*/ 4 # / 0 der M.. 31*;'«*,
der Fr., 50% der Kn., 44*/*% der Md., außerdem Familienanlage bei l3*/ 0 M.. 11* /,
Fr., 16*/,% Kn., 11% Md.
Gesamtausgabe für sämtliche Anstalten, exkl. Idiotenanstalt, 7 945 271.57 M.
„Haus Schönow“ (69): Anfangsbestand 102 (59 m. 43 w.). Zugang SOI
(490 m. 301 w.). Abgang 803 (484 m. 319 w.). Bleibt Bestand 100 (65 m. 35 w..
Geheilt bzw. gebessert entlassen sind 651 (391 m. 260 w.), imgebessert 150 (92 m.
58 w.); gestorben 2 (1 m. 1 w.). Prozentual: geheilt, gebessert entlassen 81,1V
(80,8 m. 81,5 w.), ungebessert 18,9% (19,2 m. 18,5 w.), oder abzüglich der inner¬
halb der ersten 2 Wochen entlassenen: geheilt, gebessert 87,7% (85,8 in. 90.7 w. •.
ungebessert 12,3% (14,2 m. 9,3 w.). Von den Entlassenen litten an peripherischer
Nerven- und Muskelkrankheiten 2%, davon gebessert 94%; organischen Erkrankun¬
gen des Zentralnervensystems 11%, davon gebessert 70,5%; an Neurosen 73%
davon gebessert 92%; Psychosen 12%, gebessert 35,5%; inneren und äußern.
Erkrankungen 2%. Poliklinisch sind behandelt 111 (66 M. 46 Fr.), darunter peri¬
pherische Nervenerkrankungen 4 (2 M. 2 Fr.); organische Erkrankungen des Zentral¬
nervensystems 12 (8 M. 4 Fr.); Neurosen 54 (28 M. 26 Fr.); Psychosen 30 (2U M.
10 Fr.); innere und äußere Erkrankungen 11 (7 M. 4 Fr.).
In ßirkenhof: Anfangsbestand 10 (2 m. 8 w.). Zugang 129 (54 in. 75 w l
Abgang 132 (53 m. 79 w.). Bleibt Bestand 7 (3 m. 4 w.); von den 139 Pfleglingen
kamen aus Haus Schönow 85 (37 m. 48 w.).
Breslau (70): Anfangsbestand 182 (84 m. 96 w.). Zugang 1085 (714 rc.
371 w.). Abgang 1065 (707 m. 358 w.). Bleibt Bestand 202 (94 m. 108 w. ), davon
in Familienpflege 14. Vom Zugang litten an einfach erworbenen Psychosen 215
(96 m. 119 w.), konstitutionellen Psychosen 116 (63 m. 62 w.), epileptisch-hysteri¬
schen Formen 115 (74 m. 41 w.), alkoholischen u. a. intox. Psychosen 406 (357 m.
49 w.), paralytischen, senilen und sonstigen org. Geisteskrankheiten 234 (124 m.
110 w.). Entlassen geheilt 17,8%, gebessert 31%, ungeheilt 23,8%; gestorben
8 ,2%; in Pflege geblieben 16%; nicht geisteskrank 3,2%; an andere Anstalten
überführt 174. Poliklinisch behandelt wurden 101 (40 m. 61 w.). Vorbestraft
wegen Gewalttaten 15 M.; mit dem Gesetz in Konflikt geraten 146; wegen Trunk¬
sucht entmündigt 12, in Haft erkrankt 4, vorhergehende Selbstmordversuche 20. —
Beratungsstelle für Alkoholkranke, weniger aufgesucht als im Vorjahre, 104 Kon¬
sultationen (98 m. 6 w.). Krankheitsformen: einfach chron. Alkoholismus 2^
(25 m. 3 w.), chron. Alk. mit Erregungszuständen 31 (29 m. 2 w.). periodische
Trunksucht 10 M., Dipsomanie 1 M., Alkoholpsychosen 3 M., keine Anzeichen 1 Fr.
Erbliche Belastung durch Trunksucht vom Vater her bei 27, von Mutterseite 4.
von beiden Eltern 6, in nächster Verwandtschaft 16; durch Geisteskrankheit bei 12. —
Gesamtausgaben 296 958,61 M.
Brieg (71): Anfangsbestand 699 (290M. 309 Fr.). Zugang 109 (58 M. 61 Fr.).
Abgang 136 (67 M. 69 Fr.). Bleibt Bestand 566 (278 M. 288 Fr.), davon in Fa¬
milienpflege 48 (28 M. 20 Fr.). Vom Zugang litten an einfacher Seelenstörung
78,50%, paralytischer 12,16%, Epilepsie mit Seelenstörung 2,8%, Imbezillität.
Idiotie 5,61%, Alkoholismus 1 M. Aus Gefängnissen kamen 16 (11 M. 6 FV.),
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Snell, Anstaltswesen und Statistik.
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darunter 2 Beobachtungsfälle, aus andern Irrenanstalten 34 (14 M. 20 Fr.). Ledige
= 4ö% der Aufnahmen, Verheiratete 37,38®/*, Verwitwete 16,82%, letztere im
Verhältnis von 1 M.: 5 Fr. (Verhältnisse im Vorjahr 43,04%, 41,77%, 12,66%).
Krankheitsdauer vor der Aufnahme bis 1 Monat bei 16, 1—6 Monate 23 (bis zur
durchschnittlichen Heilbarkeitsdauer von 6 Monaten 36,45% gegen 30,38% im
Vorjahre), 6—12 Monate 7, 1—2 Jahre 12, 2—10 Jahre 30, über 10 Jahre 6, von
Jugend auf 6; unbestimmte Dauer 7. Erbliche Belastung der Aufnahmen bei
44,86% (46,43% M. 43,14% Fr.) gegen 40,51% (41,11% M. 40% Fr.) im Vorjahr;
Alkoholmißbrauch bei 9,34% Trunksucht Familienangehöriger in 12 Fällen. Syphi¬
lis ursächliches Moment allein bei 10 (9 M. 1 Fr.), neben Erblichkeit bei 2 M. =
92,31 % der Syphilisfälle. Mit dem Strafgesetz in Konflikt gewesen 17,76% (25%
der Männer) der Aufnahmen. 6 P. zur Beobachtung, davon geisteskrank oder
minderwertig 4. Geheilt entlassen 8 (2 M. 6 Fr.) = 1,56% des Durchschnitts¬
bestandes (im Vorj. 2,08%), gebessert 24 (16 M. 8 Fr.). 40,44% des Abgangs er¬
folgten innerhalb der ersten 6 Monate des Anstaltsaufenthalts (im Vorj. 43,18%).
Gestorben 52 (24 M. 28 Fr.) = 8,11% des Verpflegtenbestandes (im Vorj. 4,48%),
davon an Tuberkulose 7,69% (21,43% der an Tuberkulose Verstorbenen im Vorjahr);
2 Todesfälle durch Unfall, 1 Selbstmord. Gesamtsterblichkeit gegen das Vorjahr
um fast das Doppelte gestiegen. Grund: hohe Zahl von Paralytischen und über
60 Jahre alter Leute. — Einige Typhusfälle in der Infektionsabteilung behandelt. —
Gesamtausgabe 333 195,25 M.
Leubus (105), öffentliche Anstalt: Anfangsbestand 834 (440 M. 394^Fr.).
Zugang 254 (137 M. 117 Fr.), davon aus andern Anstalten 101 (56 M. 46 Fr.). Ab¬
gang 175 (98 M. 77 Fr.). Bleibt Bestand 913 (479 M. 434 Fr.), davon in Familien¬
pflege 9 M. Vor der Aufnahme krank bis 1 Monat 25 (8 M. 17 Fr.), 1—3 Monate
22 (9 M. 13 Fr.), 3—6 Monate 33 (10 M. 23 Fr.), 6-12 Monate 21 (16 M. 5 Fr.),
1 —5 Jahre 69 (49 M. 20 Fr.), über 5 Jahre 66 (32 M. 34 Fr.), von Kindheit an 12
(7 M. 5 Fr.); unbekannte Dauer bei 1 M. Erbliche Belastung und Familienanlage
zu Geisteskrankheit bekannt geworden bei 46 M. 42 Fr. Als sonstige Krankheits¬
ursachen angegeben u. a. Alkoholmißbrauch bei 7, Syphilis 13, Kopfverletzung 6,
Strafhaft 3, Erschöpfung, hohes Alter 7, Schwangerschaft, Wochenbett, Klim¬
akterium 4. Von den Aufgenommenen litten an einfacher Seelenstörung 191 (91 M.
100 Fr.), paralytischer 27 (23 M. 4 Fr.), an Imbezillität, Idiotie 10 (6 M. 4 Fr. >.
Epilepsie mit und ohne Seelenstörung 16 (9 M. 7 Fr.), Neurasthenie 5 (3 M. 2 Fr.):
nicht geisteskrank 5 M. Aufgenommene Paralytiker 10,6% der Aufnahmen, gegen
8 ,6% im letzten, 9,7% des vorletzten Jahres. Mit dem Strafgesetz im Konflikt
waren 37 M. 5 Fr. = 16,5% aller Aufgenommenen. Gerichtseitig eingewiesen zur
Begutachtung 7 M. 1 Fr., davon geisteskrank 2 M. Entlassen geheilt 6 (2 M. 4 Fr.),
gebessert 57 (22 M. 35 Fr.), ungeheilt 25 (13 M. 12 Fr.), nicht geisteskrank 6 M.
Gestorben 82 (66 M. 26 Fr.), davon an Altersschwäche 4 M., progressiver Paralyse
21 (16 M. 5 Fr.), Epilepsie 3 (1 M. 2 Fr.), sonstigen Hirnleiden 6 (2 M. 4 Fr.), Herz¬
erkrankungen 9 (6 M. 3 Fr.), Erkrankungen der Lunge, des Brustfells 9 M., des
Magens, Darms, Bauchfells 7 (5 M. 2 Fr.), an Tuberkulose 15 (7 M. 8 Fr.), Eiter¬
vergiftung 2, Ruhr 4, Krebs, Erstickung je 1. Sterblichkeit 7,8% der Verpflegten,
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Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
46,9*/ 0 der Abgegangenen. Tuberkulöse Erkrankungen, außer den Verstorbenen,
noch 9 M. 17 Fr. Vor der Aufnahme tuberkulös 14. — ln der Pensionsanstah:
Anfangsbestand von 66 (30 H. 36 D.). Zugang 11 (7 H. 4 D.). Abgang 12 (6 H.
6 D.). Bleibt Bestand 65 (31 H. 34 D.). Erbliche Belastung bekannt geworden
bei 3 H. u. 3 D. des Zugangs; sonstige Krankheitsursachen Lues bei 1 H., Senium
1 H. 1 D., Kopfverletzung 1 H., körperl. Erkrankung 1 D.; vom Zugang litten u
einfacher Seelenstörung 5 H. 4 D., paralytischer 1 H., an Kokainismus 1 H. Ab¬
gegangen als gebessert 5 (1 H. 6 D.), ungeheilt 4 (2 H. 2 D.). Gestorben 3 H..
und zwar an progressiver Paralyse. — Gesamtausgabe: 602290,69 M.
Löben (108): Anfangsbestand 1094 (612 M. 682 Fr.), davon in Familien-
pflege 43 (10 M. 33 Fr.). Zugang 262 (148 M. 114 Fr.). Abgang 259 (161 M.
98 Fr.). Bleibt Bestand 1007 (471 M. 636 Fr.); davon in Familienpflege 65 (10 M.
46 Fr.). Krankheitsformen der Auf genommenen: einfache Seelenstörung bei 170
(82 M. 88 Fr.), paralytische 36 (31 M. 4 Fr.), epileptische 16 (7 M. 9 Fr.);
Imbezillität, Idiotie bei 20 (11 M. 9 Fr.), multiple Sklerose 2 M., Alkoholismus
7 M.; Hysterie 4 Fr.; nicht geisteskrank (Beobachtungsfälle) 4M. — Als Krank¬
heitsursache angegeben: Strafhaft bei 2 M., Trunksucht 29 M. 3 Fr., Gemüts¬
erschütterung bei 5 M. 12 Fr., Kopfverletzungen 1 M. 1 Fr., Tropenaufenthalt
1 M., Schwangerschaft, Wochenbett, Wechseljahre 11 Fr., Greisenalter bei 5 M.
4 Fr., Syphilis bei 23 M. 1 Fr. Erblich belastet 104 (61 M. 33 Fr.). Gerichtlich
bestraft 39 M. 7 Fr.; mit dem Strafgesetz in Konflikt gewesen unter den Beobach¬
tungsfällen 4, davon Entscheidung nach $ 61 StPO, in 1 Fall. Krankaeitsdauer
vor der Aufnahme bis 1 Monat bei 32 (16 M. 26 Fr.), bis 3 Monate 33 (17 M. 16 Fr.).
6 Monate 24 (14 M. 10 Fr.), 1 Jahr 26 (19 M. 7 Fr.), 2 Jahre 18 (12 M. 6 Fr.),
5 Jahre 10 (26 M. 14 Fr.), über 5 Jahre 42 (22 M. 20 Fr.), von Kindheit an
bei 24 (13 M. 11 Fr.), nicht festzustellen bei 9 (5 M. 4 Fr.). Entlassen geheilt 28
(12 M. 16 Fr.), gebessert 67 (43 M. 24 Fr.), ungeheilt 38 (26 M. 13 Fr.), davon
nach andern Anstalten überführt 17 (11 M. 6 Fr.), nicht geisteskrank 4 M. Ge¬
storben 122 (77 M. 46 Fr.) gegen 111 Kr. im Vorjahre. Unter den Todesursachen
Tuberkulose bei 22 (13 M. 9 Fr.), progressive Paralyse bei 36 (28 M. 8 Fr.). —
Gesamtausgabe: 497 946,89 M.
Freiburg, Schlesien (81): Anfangsbestand 726 (343 M. 383 Fr.). Zugang
190 (101 M. 89 Fr.). Abgang 181 (98 M. 83 Fr.). Bleibt Bestand 692 (318 M.
347 Fr.), in Familienpflege 60 (24 M. 26 Fr.), beurlaubt 42 (28 M. 14 Fr.). Vom
Zugang litten an Idiotie 6, Idiotie mit Epilepsie 2, Imbezillität 13, Imbezillität mit
Epilepsie 1, Epilepsie mit und ohne Seelenstörung 28, an einfacher Seelenstörung
120 (56 M. 64 Fr.), paralytischer 16 (13 M. 3 Fr.), an traumatischer Neurose, Neur¬
asthenie 2 M.; nicht geisteskrank 2 M. Erbliche Belastung und Familienanlage
durch Trunksucht bei 20, Nerven- u. Geisteskrankheiten 23. Mit dem Strafgesetz
in Konflikt gewesen 26 (19 M. 7 Fr.); gerichtseitig zur Beobachtung überwiesen
4 M., davon geisteskrank 2. Krankheitsdauer vor der Aufnahme bei einfacher
Seelenstörung und Paralyse, bis 3 Monate bei 46 (24 M. 22 Fr.), 3—6 Monate 24
(8 M. 16 Fr.), 6—12 Monate 12 (6 M. 6 Fr.), 1—2 Jahre 24 (14 M. 10 Fr.),
über 2 Jahre 30 (17 M. 13 Fr.), bei Epilepsie bis 1 Jahr 1 M., 1—3 Jahre 3 M..
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-3—10 Jahre 16 (10 M. 6 Fr.)* 10—20 Jahre 6 (3 M. 3 Fr.), über 20 Jahre 3
(1 U. 2 Fr.). Al» Krankheitsursachen angegeben u. a. Alkohol bei 10, Lues 3,
Haft 3, Kopfverletzung, Unfall 7. Entlassen geheilt 32 (13 M. 19 Fr.), gebessert
63 (34 M. 29 Fr.), ungeheilt 24 (18 M. 6 Fr.) Gestorben 62 (33 m. 29 w.), Todes¬
ursache Gehirnlähmung bei 16 (10 M. 6 Fr.), Gehimgeschwulst, Apoplexie je 1,
epileptischer Anfall 3, Herzlähmung, Herzschwäche 17 (10 M. 7 Fr.), Altersschwäche,
Entkräftung 8, Tuberkulose 3. — Gesamtausgaben 316 639,67 M.
Kreuzburg (101): Anfangsbestand 646 (377 M. 269 Fr.). Zugang 163
(95 M. 68 Fr.). Abgang 158 (99 M. 69 Fr.). Bleibt Bestand 651 (373 M. 278 Fr.),
davon in Familienpflege 48 (28 M. 20 Fr.) gegen 26 (10 M. 15 Fr.) im Anfang.
Krankheitsformen der Aufgenommenen: einfache Seelenstörung bei 111 (59 M.
52 Fr.), paralytische 14 (9 M. 5 Fr.), Epilepsie mit Seelenstörung 12 (8 M. 4 Fr.),
Hysterie 1 Fr., Alkoholismus 6 M., Imbezillität 9 (6 M. 4 Fr.), Neurasthenie
I M.; nicht geisteskrank 2 M., zur Beobachtung 7 (5 M. 2 Fr.). Mit dem Straf¬
gesetz in Konflikt 26 M. 2 Fr. Sonstige Krankheitsursachen Syphilis bei 2 M.,
Trunksucht bei 17 M. 2 Fr., Unfälle 3 M., Wochenbett 2 Fr., Morphium-Kokain
bei 1M. Erbliche Belastung bei 32 M. 27 Fr. — Krankheitsdauer vor der Aufnahme
bis zu 1 Monat bei 32 (18 M. 14 Fr.), bis 3 Monate 20 (10 M. 10 Fr.), 6 Monate
12 (5 M. 7 Fr.), bis 1 Jahr 16 (9 M. 6 Fr.), bis 2 Jahre 12 (8 M. 4 Fr.), 5 Jahre
13 (6 M. 7 Fr.), mehr als 5 Jahre 23 (16M. 8 Fr.), seit Kindheit 12 (7 M. 5 Fr.).
Entlassen geheilt 13 (8 M. 5 Fr.), gebessert 27 (19 M. 8 Fr.), ungeheilt 20 (9 M.
II Fr.); nicht geisteskrank 2 M., aus der Beobachtung 9 (7 M. 2 Fr.), in andere
Anstalten versetzt 12 (11 M. 1 Fr.). Gestorben sind 75 (43 M. 32 Fr.) gegen
56 im Vorjahre. Todesursachen: Paralyse bei 15, infolge der großen Zahl und hin¬
fälligen Zustandes eingelieferter Erkrankter; Tuberkulosefälle 8. Beschäftigt
32,8% M. 61,5% Fr. des Durchschnittsbestandes (gegen 36% bzw. 63,6% im
Vorjahre). — Gesamtausgabe 378 501,41 M.
Tost (145): Anfangsbestand 639 (318 M. 321 Fr.). Zugang 153 (109 M.
44 Fr.). Abgang 112 (75 M. 37 Fr.). Bleibt Bestand 680 (352 M. 328 Fr.),
davon in Familienpflege 5 (1 M. 4 Fr.). Krankheitsfoimen der Aufgenommenen:
einfache Seelenstörung 110 (75 M. 35 Fr.), paralytische 12 (11 M. 1 Fr.), Epi¬
lepsie mit und ohne Seelenstörung 20 (16 M. 4 Fr.), Hysterie 1 Fr., Imbezillität,
Idiotie 6 (4 M. 2 Fr.), Neurasthenie 2 M.; nicht geisteskrank 1 M. Krankheits¬
dauer vor der Aufnahme bis 1 Monat 23 (14 M. 9 Fr.), 1—3 Monate 31 (22 M.
9 Fr.), 3—6 Monate 9 (5 M. 4 Fr.), 6—12 Monate 12 (10 M. 2 Fr.), 1—2 Jahre
14 (10 M. 4 Fr.), 2—10 Jahre 25 (19 M. 6 Fr.), über 10 Jahre 24 (19 M. 6 Fr.),
von Jugend auf 8 (6 M. 3 Fr.), unbekannt bei 5. Erblich belastet 42 (29 M.
13 Fr.). Neben erblicher Belastung Trunksucht bei 10 M., Gemütsbewegung 15
(10 M. 6 Fr.), Strafhaft 6 (4 M. 2 Fr.) Unfall- und Kopfverletzung 10 (9 M.
1 Fr.), Tropenklima 1 M. Krankheitsursache. Mit dem Strafgesetz in Konflikt 37
(34 M. 3 Fr.), davon 4 M. auf Grund $ 81 StPO, aufgenommen. Entlassen geheilt
13 (10 M. 3 Fr.), gebessert 27 (16 M. 11 Fr.), ungeheilt 5(1 M. 4 Fr.), in andere
Anstalten verbra ht 25 (24 M. 1 Fr.); nach geschlossener Beobachtung entlassen
16 M.; nicht geisteskrank 2 (1 M. 1 Fr.). Gestorben 34 (17 M. 17 Fr.), davon
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Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
infolge progressiver Paralyse 9 (7 Fr. 2 M.), Epilepsie 2 (1 M. 1 Fr.), Gehirnleiden
1 M., Gehirnschlag 3 Fr., Tuberkulose 6 (2 M. 4 Fr.). Sterblichkeit 6,43% aller
Verpflegten gegen 3,24% im Vorjahre. Beschäftigung der Männer 47%, der Frauen
51%. Gesamtausgabe: 329 714,80 M.
Dziekanka (76): Anfangsbestand 703 (362 M. 341 Fr.). Zugang 183
(98 M. 86 Fr.), Abgang 215 (125 M. 90 Fr.). Bleibt Bestand 671 (335 M. 336 Fr.).
Vom Zugang litten an einfacher Seelenstörung 140 (66 M. 76 Fr.), paralytischer
17 (16 M. 1 Fr.), alkoholischer 7 M., epileptischer 1 Fr., hysterischer Seelen¬
störung 3 (1 M. 2 Fr.), Imbezillität, Idiotie 13 (9 M. 4 Fr.); nicht geisteskrank 2.
Krankheitsdauer vor der Aufnahme bis 1 Monat 48 (22 M. 26 Fr.), 2 Monate 16
(8 M. 7 Fr.), 3 Monate 11 (7 M. 4 Fr.), 6 Monate 16 (11 M. 4 Fr.), bis 1 Jahr 10
(7 M. 3 Fr.), 2 Jahre 13 (6 M. 7 Fr.), 3 Jahre 6 (4 M. 2 Fr.), 6 Jahre 11 (4 M.
7 Fr.), 10 Jahre 14 (7 M. 7 Fr.), über 10 Jahre 13 (6 M. 7 Fr.), angeboren 6
(6 M. 1 Fr.), unbekannt 19 (11 M. 8 Fr.). Erblichkeit erwiesen bei 64 = rund
35%. Mit dem Strafgesetz in Konflikt geraten 12 M. 8 Fr. Beobachtung 6 M.
2 Fr. Entlassen geheilt 33 (16 M. 18 Fr.), gebessert 46 (28 M. 17 Fr.), unge-
heilt 102 (60 M. 42 Fr.), davon in andere Anstalten überführt 64 (43 M. 21 Fr.),
nicht geisteskrank 2. Gestorben sind 33 (22 M. 11 Fr.), davon an Lungentuber¬
kulose 6 (4 M. 1 Fr.), Lungenentzündung 4 (1 M. 3 Fr.), Herzleiden 6 (3 M.
2 Fr.), Typhus 1, Krebs 3, Altersschwäche 1 M. 1 Fr., Hirnlähmung 7 M., im para¬
lytischen Anfall 2. Typhus mit 8 Fällen, davon 1 tödlich. — Landwirtschaft mit
125,3798 ha mit 115,708 ha Ackerfläche. Gesamtausgabe 420026,90 M.
Obrawalde (118): Anfangsbestand 886 (471 M. 416 Fr.). Zugang 316
(154 M. 162 Fr.). Abgang 192 (101 M. 91 Fr.). Bleibt Bestand 1010 (624 M.
486 Fr.). Vom Zugang litten an einfacher Seelenstörung 211 (83 M. 128 Fr.),
paralytischer 21 (18 M. 3 Fr.), alkoholischer 11 M., epileptischer 31 (15 M. 16 Fr.),
hysterischer Seelenstörung 3 (2 M. 1 Fr.l, Imbezillität, Idiotie 37 (23 M. 14 Fr.);
nicht geisteskrank 2 M. Krankheitsdauer vor der Aufnahme bis 1 Monat 34 (14 M.
20 Fr.), 2 Monate 14 (6 M. 8 Fr.), 3 Monate 8 (3 M. 5 Fr.), 6 Monate 19 (7 M.
12 Fr.), 12 Monate 20 (5 M. 15 Fr.) bis 2 Jahre 18 (10 M. 8 Fr.), 5 Jahre 24
(14 M. 10 Fr.), 10 Jahre 49 (20 M. 29 Fr.), über 10 Jahre 31 (23 M. 8 Fr.), an¬
geboren 31 (23 M. 8 Fr.), unbekannt 21 (13 M. 9 Fr.). Erbliche Belastung fest¬
gestellt bei 115 (54 M. 61 Fr.). Mit dem Strafgesetz in Konflikt gekommen 40 M.
Entlassen geheilt 17 (12 M. 5 Fr.), gebessert 37 (18 M. 19 Fr.), ungeheilt 30 (19 M.
11 Fr.), nicht geisteskrank 2 M. Zur Beobachtung eingewiesen 6 (5 M. 1 Fr.),
davon 2 M. geistig minderwertig, nicht geisteskrank, übrige geistesschwach und
geisteskrank. Gestorben 106 (50 M. 66 Fr.), davon an Tuberkulose 33 (14 M.
19 Fr.), Magenkrebs 4 M., Herzleiden 9 (2 M. 7 Fr.), Altersschwäche 8 (3 M. 5 Fr.),
Erschöpfung 2 Fr., fortschreitender Paralyse 9 (8 M. 1 Fr.), Epilepsie 3 (1 M.
2 Fr.), Hirngeschwulst 2 M., Ertrinken 1 M. Todesfälle 8% der Verpflegten gegen
6 % im Vorjahre. Tuberkulose in 31°/« der Todesfälle Todesursache. Erhöhung des
Todesfallprozentsatzes zurückzuführen auf Übernahme von 150 körperlich Siechen
aus andern Provinzialanstalten. — Dritter Erweiterungsbau mit u. a. 2 Laza¬
retten zu je 40 Betten, 2 Infektionsbaracken mit je 62 Betten fertig im Rohbau.
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Landwirtschaft mit 153,1130 ha, davon 120,67 ha bebaute Fläche. Gesamtaus¬
gabe 483 610.73 M.
Kosten (99): Anfangsbestand 699 (389 M. 310 Fr.). Zugang 134 (84 M.,
50 Fr.). Abgang 161 (66 M. 86 Fr.). Bleibt Bestand 682 (408 M. 274 Fr.), dar-
unter 215 (147 m. 68 w.) Jugendliche (minderwertige Idioten und Epileptiker).
Vom Zugang litten an einfacher Seelenstörung 34 (12 m. 22 w.), paralytischer Seelen¬
störung 6 (4 m. 1 w.), Epilepsie u. Hysteroepilepsie 27 (16 m. 11 w.), Idiotie, Im¬
bezillität 51 (38 m. 13 w.), Idiotie und Imbezillität mit Epilepsie 16 (14 m. 2 w.);
nicht geisteskrank 1 w. Hauptsächlich Epileptiker und in ihrer geistigen Ent¬
wicklung Zurückgebliebene aufgenommen; 3 M. 8 Fr. mit günstiger Aussicht für
weiteren Krankheitsverlauf. Krankheitsdauer vor der Aufnahme bis 1 Monat bei
9 (3 m. 6 w.), 1—6 Monate 10 (2 m. 8 w.), 6—12 Monate 3 (2 m. 1 w.), 1—2 Jahre
4 (3 m. 1 w\), mehr als 2 Jahre 101 (69 m. 32 w.); unbekannte Dauer 6 (6 m.
1 w.) Erbliche Belastung in 40 Fällen, davon durch Trunksucht der Eltern u.
Großeltern 13 m. 7 w. Mit dem Strafgesetz in Konflikt geraten 13 m. 2 w. Trunk¬
sucht vorhanden bei 6 M. Entlassen wurden 24 (12 M. 12 Fr.), davon geheilt 8,
in andere Anstalten übergeführt 92 (36 M. 56 Fr.). Gestorben 30 (12 m. 18 w.) =
3,6 # /o der Verpflegten, Todesfälle an Tuberkulose = 46,67*/ 0 der Verstorbenen.
Tuberkuloseerkrankungen unter den Jugendlichen besonders häufig; zu den i. J.
1911 durch Prüfungen nach Pirquet und nach Calmeüe festgestellten (inkl. Tuber¬
kulose-Verdächtigen) 107 (58 m. 49 w.), hinzugekommen 24 (10 m. 14 w.), unter
denen 1 m. 2 w. Hilfspflegepersonen. Nach Abzug der infolge Tuberkulose Ver¬
storbenen verblieben noch 58 m. 52 w. Tuberkulosekranke in der Anstalt. Granulöse
mit 47 Fällen infolge Einschleppung aufgetreten. Eryispel 3 Fälle. Angina
follicularis 12 Fälle. Schulbesuch in der Idiotenanstalt durch 36 Schüler im
Anfang, Endbestand 54. — Gesamtausgabe: 351 292,92 M.
Owinsk (121): Anfangsbestand ausschl. der Beurlaubten 748 (341 M. 407 Fr.)
Zugang 154 (69 M. 85 Fr.). Abgang 216 (107 M. 109 Fr.). Bleibt Bestand 686
(303 M. 383 Fr.). Vom Zugang litten an Melancholie 10 (2 M. 8 Fr.), Manie 11
(6 M. 5 Fr.), Dementia praecox 40 (17 M. 23 Fr.), Paranoia 29 (7 M. 22 Fr.),
Amentia 1 Fr., impulsivem Irresein 1 M., Alkoholismus 7 (3 M. 4 Fr.), Epilepsie
mit Seelenstörung 4 (1 M. 3 Fr.), hysterischem Irresein 6 Fr., Dementia paralytica
16 (15 M. 1 Fr.), Dementia senilis 9 (5 M. 4 Fr.), Imbezillität 11 (7 M. 4 Fr.),
Idiotie 1 M. 1 Fr. Nicht geisteskrank zur Beobachtung untergebracht 4 M. 3 Fr.
Voraussichtlich heilbar waren 41 (17 M. 24 Fr.). Krankheitsdauer vor der Auf¬
nahme bis 1 Monat 23 (11 M. 12 Fr.), 2 Monate 16 (5 M. 11 Fr.), 3 Monate 6
(4 M. 2 Fr.), 3—6 Monate 17 (7 M. 10 Fr.), 6—12 Monate 17 (8 M. 9 Fr.),
1—2 Jahre 23 (12 M. 11 Fr.), 2—5 Jahre 27 (9 M. 13 Fr.), über 6 Jahre 1 M.
8 Fr., von Kindheit an 14 (8 M. 5 Fr.), unbekannte Dauer 1 Fr. Erblichkeit
erwiesen bei 9 M. (13 a /o)> 22 Fr. (25,9°/ 0 , zusammen 31 P. (20,l # / o ). Mit dem Straf¬
gesetz in Konflikt 19 M. 7 Fr. Zur Beobachtung seitens der Gerichte überwiesen
9 M. 4 Fr. Entlassen geheilt 25 (17 M. 8 Fr.), gebessert 51 (20 M. 31 Fr.), ungeheilt
80 (42 M. 38 Fr.), davon nach Obrawalde überführt 60 (30 M. 30 Fr.). Gestorben
52 (23 M. 29 Fr.), davon infolge Lungentuberkulose 8. 2 Typhuserkrankungen.
Beschäftigt 47°/ 0 der Kranken. Gesamtausgabe: 390 031,48 M.
Zeitschrift für Psychiatrie. LXXII. Lit-
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Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
Kückenmühler Anstalten (102): Anlangsbestand 1140 (692 m. 648 w.).
Zugang 166 (73 m. 83 w.), davon über 16 Jahre alt 84 (38 m. 46 w.). Abgang
173 (92 m. 81 w.). Bleibt Bestand 1123 (673 m. 660 w.). Unter den Aulge¬
nommenen fanden sich Komplikationen bei den Schwachsinnigen u. a. chronischer
Alkoholismus bei 1 w., Dämmerzustand 1 w., Hydrozephalus 1 m., Kryptorchismus
1 m., Mongolismus 1 m., Chorea 1 w.; bei den Epileptikern u. a. Dementia bei 4 m.
8 w M Imbezillität 2 m. 1 w., Idiotie 6 m. 6 w. Von den Aufnahmen waren Für¬
sorgezöglinge 26 (11 m. 16 w.), Heredität der Aufnahmen bei den Schwachsinnigen
16,38°/o m., 13,46°/o w., bei den Epileptikern 6,13°/ 0 m M 7,06% w. Entlassen geheilt
1 w., gebessert 26 (20 m. 6 w.), ungebessert 67 (29 m. 38 w.). Gestorben 79 (43 m.
36 w.), davon infolge Lungentuberkulose 14. — Die Kückenmühler Anstalten be¬
stehen nunmehr 60 Jahre als Fürsorge-Erziehungsanstalt; neu ist die Aufnahme
von Psychopathen. Gesamtausgabe: 880 017,39 M.
Neustadt, Holst. (113): Anfangsbestand 967 (662 M. 406 Fr.). Zugang
327 (201 M. 126 Fr.). Abgang 166 (89 M. 77 Fr.). Bleibt Bestand 1118 (664 M.
464 Fr.), hiervon in Familienpflege 110 (42 M. 68 Fr.). Von den Aufgenommenen
litten an einfacher Seelenstörung 206 (117 M. 89 Fr.), paralytischer 22 (12 M.
10 Fr.), an Imbezillität, Idiotie, Kretinismus 46 (32 M. 13 Fr.), Epilepsie mit und
ohne Seelenstörung 26 (17 M. 9 Fr.), Hysterie 4 F., Alkoholismus 18 (17 M. 1 Fr.);
zur Beobachtung 6 M. Entlassen geheilt 10 (4 M. 6 Fr.), gebessert 76 (43 M.
32 Fr.), ungeheilt 37 (18 M. 17 Fr.), davon nach andern Anstalten 23 (12 M. 11 Fr.),
nicht geisteskrank 6 M. Erblichkeit der Aufnahmen 16,4°/o M., 23°/ 0 Fr., Potus
11,4% M. 1,6% Fr., vorbestraft 29,4% M. 0,8% Fr. Im festen Haus untergebracht
72 Kr. Gestorben 41 (19 M. 22 Fr.), davon an Lungenschwindsucht 6, Lungen¬
entzündung und Katarrh 3, Herzleiden 7, Gehirnerweichung 7, Schlaganfall 3,
Altersschwäche 6. 18 Fälle von Tuberkulose (12 M. 6 Fr.), 7 Erysipel (2 M.
5 Fr.). Landwirtschaftl. Areal 108*4 ha, davon Pflugland 71% ha. Gesamtaus¬
gabe: 660532,78 M.
Schleswig, Provinzial-Heil- u. Pflegeanstalt (132): Anfangsbestand 1212
(617 M. 696 Fr.). Zugang 360 (176 M. 184 Fr.). Abgang 368 (217 M. 161 Fr.).
Bleibt Bestand 1204 (676 K. 628 Fr.). Vom Zugang litten an einfacher Seelen¬
störung 278 (124 M. 164 Fr.), paralytischer Seelenstörung 22 (16 M. 6 Fr.), Seelen¬
störung mit Epilepsie 12 (9 M. 3 Fr.), Imbezillität, Idiotie 32 (12 M. 20 Fr.),
Delirium potat. 13 (12 M. 1 Fr.); nicht geisteskrank 3 M. Aus der Kieler Klinik
aufgenommen 41 M. 19 Fr. (im Vorjahre 64 M. 77 Fr.); zur Beobachtung 12 (8 M.
4 Fr.), davon nicht geisteskrank 2 M. Wahrscheinliche Krankheitsursache der
Aufgenommenen: Familienanlage bei 134 (57 M. 77 Frl), deprim. Gemütsaffekte
26 (7 M. 19 Fr.), Trauma 4 M., Senium 12 (6 M. 6 Fr.), Lues 8 M., Alkoholismus
22 (20 M. 2 Fr.), fieberhafte Erkrankung 5(2 11 3 Fr.), Wochenbett, Schwanger¬
schaft 3 Fr.; unbekannt bei 143 (69 M. 74 Fr.). Wahrscheinlich heilbar 73 (32 M.
41 Fr.). Geheilt entlassen 42 (25 M. 17 Fr.), gebessert 121 (69 M. 52 Fr.), un¬
geheilt 107 (73 M. 34 Fr.); in Privat-Pflegeanstalten versetzt 36, aus ihnen ge¬
kommen 42 (im Vorjahre 42 bzw. 36). Gestorben 96 (47 M. 48 Fr.), davon an
Paralyse 21 (16 M. 6 Fr.), im Vorjahre 16 (14 M. 1 Fr.), an Lungentuberkulose 12
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Sn eil, Anstaltswesen and Statistik.
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(6 M. 6 Fr.), daran behandelt 28 (14 M. 14 Fr.), im Vorjahre gestorben 13,
behandelt 36. Gesamtausgabe: 913 044,44 M.
In der Anstalt für Geistesschwache in Schleswig (133): Anfangsbestand
368 (219 m. 149 w.). Zugang 57 (35 m. 22 w.}, darunter 8 (5 m. 3 w.) unter
6 Jahren. Abgang infolge Entlassung zur Familie 9 (6 m. 4 w.), durch Tod 14
(5 m. 9 w.). Bleibt Bestand 402 (244 m. 158 w.), davon in Familienpflege 4
erwachsene, 2 schulpflichtige Pfl. Vom Zugang litten an Idiotie 22 (13 m. 9 w.),
Imbezillität 34 (22 m. 12 w.), Kretinismus 1 w. Unter den zur Familie entlassenen
6 (1 m. 4 w.) gebessert. Unter den Todesursachen Lungentuberkulose, epilepti¬
scher Anfall, Epilepsie je lmal, Entkräftung 2, Erysipel 3, akuter und fieberhafter
Darmkatarrh 2mal. Schulbesuch von 83 gegen 87 Pfl. im Vorjahr, Abt. für Sach-,
Sprech- und Werkunterricht 21 gegen 26. Beschäftigung in Werkstätten, Haus¬
und Gartenwirtschaft 59 Pfl. Wirtschaftlicher Ertrag 4605,42 M. Gesamtausgabe:
247 427,61 M.
Göttingen (85): Anfangsbestand 521 (350 M. 171 Fr.). Zugang 296
(170 M. 126 Fr.). Abgang 270 (148 M. 122 Fr.). Bleibt Bestand 647 (372 M.
175 Fr.). Zur Begutachtung aufgenommen in schwebendem Strafverfahren 10,
aus Haft 7, aus Moringen 11 M., ferner 9 w. Fürsorgezöglinge u. 2 Fr. aus Moringen
zur Beobachtung. Zugang an Kriminellen 18, davon arbeitsfähig 6. Gesamt¬
bestand an Kriminellen 26 mehr als im Vorjahre. Entlassen geheilt 23 (16 M.
8 Fr.), gebessert 100 (69 M. 41 Fr.), ungeheüt 79 (41 M. 38 Fr.); nicht geistes¬
krank 16 (6 M. 9 Fr.). Nach andern Anstalten gebessert und ungeheilt über¬
führt 52 (26 M. 26 Fr.). In Familienpflege durchschn. pro Tag 68. Gestorben 53
(27 M. 26 Fr.).
Im Provinzialverwahrungshause, Göttingen (86 a ): Anfangsbestand 60.
Zugang 8. Abgang 8. Bleibt Bestand 50, davon aus andern Anstalten zugeführt 8,
Von den 58 Behandelten mit dem Strafgesetz im Konflikt 54, davon nach § 51
StGB', freigesprochen und überwiesen 12, verurteilt und in Strafhaft erkrankt 23,
früher verurteilt und nach § 61 eingewiesen 13. An ausgesprochenen Psychosen
litten 42, Grenzzustände 4, Idiotie, Imbezillität 12. Entlassen zum Strafvollzug 3,
nach andern (offenen) Anstalten 5. Beschäftigt durchschnittlich von 50 Kr. = 36,
im Einzelzimmer 11.
Hildesheim (92): Anfangsbestand 676 (396 M. 279 Fr.). Zugang 306
(163 M. 143 Fr.). Abgang 278 (160 M. 128 Fr.). Bleibt Bestand 703 (409 M.
294 Fr.). .Krankheitsformen der Aufgenommenen: einfache Seelenstörung bei
201 (90 M. 111 Fr.); Paralyse 44 (33 M. 11 Fr.); Hysterie oder Epilepsie mit
Seelenstörung 21 (13 M. 8 Fr.), Imbezillität, Idiotie 21 (12 M. 9 Fr.); zur Be¬
obachtung 19 (16 M. 4 Fr.), davon gerichtseitig zugewiesen 6 M. 4 Fr. Krank¬
heitsdauer vor der Aufnahme: bis 3 Monate bei 82 (38 M. 44 Fr.), 3—6 Monate
27 (14 M. 13 Fr.), 6—12 Monate 14 (6 M. 8 Fr.), 1—2 Jahre 69 (30 M. 29 Fr.),
über 2 Jahre 88 (62 M. 36 Fr.), angeboren 18 (11 M. 7 Fr.), unbekannt 1. Als
Krankheitsursache angegeben Heredität bei 55 (24 M. 31 Fr.), uneheliche Geburt
6 Fr., Haftstrafe 3 (2 M. 1 Fr.), Alkoholmißbrauch 16 (11 M. 6 Fr.), Syphilis
21 (16 M. 6 Fr.), Apoplexie 1 M. 1 Fr., Trauma 17 (12 M. 6 Fr.), psychische Ur¬
sache 3 Fr., Arteriosklerose 2 M., Pubertät 2 M. 2 Fr., Senium 30 (9 M. 21 Fr.),
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Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
Klimakterium 7 Fr., Wochenbett 5 Fr. Aus andern Anstalten übernommen IS
(10 M. 8 Fr.); aus dem Militärstande stammend 6 (4 Landheer, 2 Marine). Ent¬
lassen geheilt 17 (9 M. 8 Fr.), gebessert 64 (36 M. 28 Fr.), ungeheilt 118 (62 AL
56 Fr.), davon in andere Anstalten überführt 94 (48 M. 46 Fr.). Gestorben Tf.
(42 M. 34 Fr.), davon infolge Paralyse 23, Altersschwäche 10, an Tuberkulose 4
(2 M. 2 Fr.) = 5,6°/o aller Todesfälle. Gesamtausgabe: 810273,08 M.
Lüneburg (109): Anfangsbestand 970 (610 M. 460 Fr.). Zugang 36c
(175 M. 183 Fr.), davon aus andern Anstalten 6 (4 M. 2 Fr.). Abgang 356
(156 M. 199 Fr.). Bleibt Bestand 973 (529 M. 444 Fr.). Vom Zugang litten an
einfacher Seelenstörung 227 (90 M. 137 Fr.), paralytischer Seelenstörung 27
(21 M. 6 Fr.), Epilepsie mit Seelenstörung 21 (9 M. 12 Fr.), Imbezillität, Idiotie
20 (12 M. 8 Fr.), Alkoholismus und Delirium potat. 24 (22 AL 2 Fr.), Hysterie.
Neurasthenie 9 (3 M. 6 Fr.), Hirnblutung 3 Fr.; Landiysche Paralyse, Karzinom
im Gehirn, Tabes dorsalis, Opiumsucht, Infektionsdelirium je 1 Fr.; zur Beobach¬
tung 22 (18 M. 4 Fr.), davon 12 M. 2 Fr. gerichtseitig eingeliefert, 7 Al. 2 Fr.
zurechnungsfähig. Heredität 57 (20 M. 37 Fr.); Alkoholmißbrauch 45 (42 AL
3 Fr.), Syphilis bei 28 (22 M. 6 Fr.) Krankheitsursache. Krankheitsdauer vor
der Aufnahme unter 3 Monate bei 110 (55 M. 56 Fr.), 3—6 Monate 31 (12 AL
19 Fr.), 6—12 Monate 21 (7 M. 14 Fr.), 1—2 Jahre 36 (21 M. 15 Fr.), über
2 Jahre 101 (46 M. 66 Fr.); angeboren 23 (13 M. 10 Fr.), unbekannt 36 (22 AL
14 Fr.). Entlassen geheilt 22 (9 M. 13 Fr.), gebessert 84 (47 M. 37 Fr.), unge¬
heilt 158 (55 M. 103 Fr.), davon nach andern Anstalten überführt 115 (36 AL
79 Fr.), nicht geisteskrank 11 (8 M. 3 Fr.). Gestorben 77 (34 AL 43 Fr.), davon
infolge Paralyse 15 (12 M. 3 Fr.), an Tuberkulose 17 (6 M. 12 Fr.). Gesamt¬
ausgabe: 1 774 006,61 M.; Reingewinn des landwirtschaftlichen Betriebes rechnungs¬
mäßig: 74 131,12 M. bei 188 588,99 M. Ausgaben.
Osnabrück (119): Anfangsbestand 389 (179 AL 210 Fr.). Zugang 188
(103 M. 85 Fr.). Abgang 181 (89 M. 92 Fr.). Bleibt Bestand 396 (193 M.
203 Fr.). Vom Zugang, 47% des Durchschnittsbestandes, litten an einfacher Seelen¬
störung 158 (80 M. 78 Fr.), paralytischer 7 (6 M. 1 Fr.), epileptischer 7 (4 M.
3 Fr.), hysterischer Seelenstörung 1 Fr., an Idiotie 6 M., Alkohol 8 (6 AI. 2 Fr. »;
nicht geisteskrank 1 M. Zur Beobachtung nach § 81 StPO. 4 M. 1 Fr., davon
geisteskrank, 3 M. 1 Fr.; zur Begutachtung 1 M. 2 Fr., davon 2 Fr. krank. Alit den»
Strafgesetz in Konflikt gewesen 21 (17 M. 4 Fr.). Dauer der Krankheit vor der
Aufnahme weniger als 3 Alonate bei 63 (32 M. 31 Fr.), 3—6 Monate 17 (10 M.
7 Fr.), 6—12 Monate 15 (10 M. 5 Fr.), 1—2 Jahre 15 (7 M. 8 Fr.); länger als
2 Jahre 67 (37 M. 30 Fr.), angeboren 10 (6 M. 4 Fr.). Mutmaßliche Krankheits¬
ursache u. a. Alkoholismus bei 13, Lues 7, Haft 4; erbliche Belastung ohne sonstige
Ursache bei 36 (19 M. 17 Fr.) (bzw. 25 Fr.). Entlassen geheilt 4 (3 M. 1 Fr. i,
gebessert 77 (41 M. 36 Fr.), nicht gebessert 49 (20 M. 29 Fr.), davon nach andern
Anstalten überführt 29 (9 M. 20 Fr.). Gestorben sind 49 (23 M. 26 Fr.) = 8,5%
der Verpflegten (8,2% M. 8,9% Fr.), davon an Gehirnerweichung 6 (4 Al. 2 Fr.»,
Hirnhautentzündung 2 (1 AI. 1 Fr.). Altersschwäche und Marasmus je 7, Status
epilepticus 2, infolge Tuberkulose 2. Bewirtschaftetes Areal 29,03 ha.
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Snell, Anstaltswesen und Statistik.
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Langenhagen (104). A. Anstalt für Geistesschwache: Anfangsbestand 802
(436 m. 366 w.), Zugang 117 (64 m. 53 w.), Abgang 84 (59 m. 26 w.). Bleibt
Bestand 836 (442 m. 394 w.). Entlassen gebessert 9 (7 m. 2 w.), nicht gebessert
39 (31 m. 8 w.). Gestorben 36 (20 m. 15 w.), in 13 Fällen an Tuberkulose. Sterb¬
lichkeit 7,18% der Verpflegten gegen 2,37°/, im Vorjahre. Von 172 Epileptikern
ohne Anfälle 54 (35 m. 19 w.). Schulbesuch bei Beginn des Schuljahres 129, im
Winterhalbjahr 157; schulentlassen, weil Unterricht aussichtslos, 22. B. Filiale
Himmelstür: Anfangsbestand 106. Aufgenommen 21, entlassen 1. Gestorben 4,
davon infolge Tuberkulose 2. C. Beobachtungsstation: Aufgenommen 410 (237 M.
173 Fr.), davon aus der Stadt Hannover 333 (186 M. 148 Fr,). Es litten an ein¬
facher Seelenstörung 240 (111 M. 129 Fr.), an Paralyse 61 (38 M. 10 Fr.), Epi¬
lepsie 28 (18 M. 10 Fr.), Idiotie, Imbezillität 12 (6 M. 6 Fr.), Hysterie 7 (1 M.
6 Fr.), Morphinismus 1 Fr., Alkoholdelirium 58 (51 M. 7 Fr.); nicht geisteskrank
10, zur Beobachtung 3. Polizeilich eingeliefert 38 M. 13 Fr. Ursächlich mit Ent¬
wicklung der Krankheit anzunehmen Erblichkeit bei 127, Lues 39, Alkohol 77,
Alter 44, Apoplexie 9, psychischer Affekt 10, Puerperium 6, uneheliche Geburt 7,
Haft 19, Trauma 7, körperliche Erkrankung bei 13. Gestorben 21 M. 4 Fr. In
Anstalten überführt 177 (83 M. 94 Fr.).
Rasemühle (123): Erstmaliger Jahresbericht, da von der Göttinger Heil-
und Pflegeanstalt nunmehr wirtschaftlich getrennt. Gesamtbestand an Patienten
684 (1911 = 605, 1912 = 697). Durchschnittliche Verpflegungsdauer gesunken auf
47,50 (1911 = 61,23,1912 = 69,93). Vom Zugang (615 P.) waren Selbstzahler 290,
wurden gesandt von Krankenkassen 38, der Reichsversicherungsanstalt für An¬
gestellte 78, Berufsgenossenschaften 42, Landesversicherungsanstalten 116, Militär¬
behörden 2, Reichspost 14, Eisenbahn 23, Heilanstalten 2, Schiedsgerichten 3,
Armenverwaltungen 7. Von den 684 P. litten an funktionellen Neurosen 586, und
zwar an endogener Nervosität 287, Neurasthenie 229, Hysterie 70; an organischen
Erkrankungen 21, sonstigen Nervenkrankheiten 77, darunter Psychosen 35. Von
den als psychisch erkrankt erkannten wurden 2 an andere Anstalten überwiesen,
die übrigen auf Veranlassung des Sanatoriums alsbald nach Hause geholt. Ent¬
lassen sind : geheilt 149, gebessert 279, ungeheilt 160. 1 Todesfall (Schlaganfall).
Eine statistische Zusammenstellung über Zahl, Herkunft, Erkrankungsformen usw.
ist dem Bericht beigefügt; ihr ist zu entnehmen, daß 1904 das Sanatorium mit
40 Patienten eröffnet, schon in diesem Jahre einen Zugang von 272 hatte, der sich
inzwischen progressiv gesteigert hat. Der Zuschuß der Provinzialverwaltung belief
sich 1904 auf M. 19 360, 1906 noch 15113 M., und war zurzeit nur erforderlich mit
2550 M. Gesamtausgabe 1913: 287 865 M.
Isenwald (96): Tendenz: Erziehung zur totalen Enthaltsamkeit. Frequenz:
1901/14 = 746 P. Zugang 1912/13 = 64; 1913/14 = 67; 1914/15 = 52 P. Mehr¬
fach eingetreten 1901/14 = 66, seit 1912/13 — 6,2 und 7 P. Durchschnittsaufent¬
halt 1901/14 = 163 Tage; im Jahre 1912/13 = 202; 1913/14 = 163, 1914/16 =
126 Tage. Kosten der Bespeisung pro Tag und Person: 1901/14 i. D. = 1,06 Pf.;
1912/13 = 117 Pf.; 1913/14 = 106 Pf.; 1914/16 = 110 Pf.
In Isenwald starben von 760 P. nur 2. Als geheilt — dauernd abstinent —
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Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
zu betrachten 30%; auf Jahre hinaus wirtschaftlich gefördert anzunehmen 50%.
Von 1365 früheren Pat., laut Nachrichten aus 40 Anstalten, abstinent geblieben
34,85%; außerdem sozial brauchbar 12,10%, also Behandlungserfolg 47%. Eine
Landesversicherungsanstalt berichtet über nach Trinkerheilstätten gesandte Ver¬
sicherte, daß sie sich gesundheitlich, wirtschaftlich und sittlich gut hielten: 1 Jahr
nach Entlassung 48%, 2 Jahre 40%, 3 Jahre 37%, 4 Jahre 34%, 6 Jahre 43% (aus
dem Ref. zur 30. Jahresversammlung gegen den Mißbrauch geistiger Getränke von
Pastor Ftesel-Gifhorn).
In den Provinzialanstalten der Provinz W estf alen (161) war am 1. April 1912
ein Anfangsbestand von 4758. Zugang 1387. Abgang 1188. Bleibt Bestand 4957.
Marsberg: Anfangsbestand 565. Zugang 150 (93 M. 57 Fr.). Abgang 116
(67 M. 49 Fr.). Bleibt Bestand 699. Vom Zugang litten an einfacher Seelen¬
störung 121 (70 M. 61 Fr.), an paralytischer Seelenstörung 8 M., an Epilepsie mit
Seelenstörung 2 (1 M. 1 Fr.), an Imbezillität, Idiotie 6 (3 M. 3 Fr.), an Alkoholis-
mus, Delirium pot. 5 M. Zur Beobachtung waren aufgenommen 6 M. 2 Fr., als
freiwilliger Pensionär 1 M. Krankheitsdauer vor der Aufnahme bis 1 Monat bei 36
(22 M. 14 Fr.), 2 bis 3 Monate bei 22 (14 M. 8 Fr.), bis 6 Monate bei 12 (9 M.
3 Fr.), bis 1 Jahr bei 7 (3 M. 4 Fr.), bis zu 2 Jahren 17 (10 M. 7 Fr.), die übrigen
bei längerer oder unbekannter Dauer. Krankheitsursache war Wochenbett usw.
bei 3 Fr., Trunksucht bei 8 (6 M. 2 Fr.), Trauma bei 1 M., Lues bei 1 M. Erblich
belastet 9 M. 3 Fr. Entlassen als geheilt 19 (8 M. 11 Fr.), 18,63% der Aufnahmen,
gebessert 34 (23 M. 11 Fr.), ungeheilt 12 (9 M. 3 Fr.). Gestorben sind 44 (22 M.
22 Fr.) oder 6,15% der Verpflegten, davon infolge Paralyse 2 M., Lungen- und
Darmtuberkulose 12 (6 M. 7 Fr.), 1 Selbstmord.
Lengerich i. W.: Anfangsbestand 706 (400 M. 306 Fr.). Zugang 186
(99 M. 87 Fr.). Abgang 141 (82 M. 59 Fr.). Bleibt Bestand 751 (417 M. 334 Fr.),
in Familienpflege 143 (73 M. 70 Fr.). Zur Beobachtung eingeliefert 6 (4 M. 2 Fr.).
Vom Zugang litten an einfacher Seelenstörung 142 (68 M. 74 Fr.), an paralytischer
Seelenstörung 8 (7 M. 1 Fr.), Seelenstörung mit Epilepsie 2 M., Imbezillität,
Idiotie 12 (10 M. 2 Fr.), chron. Alkoholismus, Delirium pot. 7 M., Neurasthenie,
Hysterie 2 (1 M. 1 Fr.), Seelenstörung nach Kopfverletzung 1 Fr. Von vornherein
als unheilbar anzusehen waren 56,5% der Aufgenommenen, erklärlich durch die
Überführung von 14 M. 81 Fr. aus Aplerbeck in die Familienpflege zu Lengerich.
Als Krankheitsursache anzusehen erbliche Belastung bei 96 (49 M. 47 Fr.), Trunk¬
sucht bei 19 (16 M. 3 Fr.), Kopf- und Körperverletzung bei 2 (1 M. 1 Fr.),
Schwangerschaft, Wochenbett usw. bei 6 Fr., Klimakterium bei 4 Fr. Krankheits¬
dauer vor der Aufnahme bis 1 Monat bei 28 (14 M. 14 Fr.) bis zu 3 Monaten bei 18
(11 M. 7 Fr.), bis zu 6 Monaten bei 11 (7 M. 4 Fr.), bis 1 Jahr bei 13 (11 M.
2 Fr.), bis 2 Jahre bei 13 (11 M. 2 Fr.), mehr als 2 Jahre bei 71 (27 M. 44 Fr.),
angeboren 12 (6 M. 7 Fr.). Entlassen geheilt 42 (16 M. 26 Fr.), gebessert 36
(24 M. 12 Fr.), ungeheilt 22 (16 M. 6 Fr.), aus der Beobachtung 6 (6 M. 1 Fr.).
Gestorben sind 36 (21 M. 14 Fr.) oder 3,92% der Verpflegten, davon an Tuber¬
kulose 9 (4 M. 6 Fr.).
Münster: Anfangsbestand 623 (249 M. 374 Fr.). Zugang 216 (104 M.
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Sn eil, Anstaltswesen and Statistik.
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111 Fr.). Abgang 215 (106 M. 109 Fr.). Bleibt Bestand 623 (247 M. 376 Fr.),
davon in Familienpflege 8 (3 M. 6 Fr.). Zar Beobachtung aufgenommen 22
(13 m. 9 w.), darunter 9 Fürsorgezöglinge. Vom Zugang litten an einfacher Seelen¬
störung 161 (64 M. 97 Fr.), an paralytischer Seelenstörung 7 (6 M. 1 Fr.), an
Seelenstörung mit Epilepsie 17 (16 M. 2 Fr.), Imbezillität 8 (6 M. 2 Fr.). Krank¬
heitsursache anzunehmen bei 78 (31 M. 47 Fr.) erbliche Belastung, Trunksucht
bei 13 (11 M. 2 Fr.), Wochenbett usw. bei 9 Fr., Lues bei 6 M., Strafhaft bei 5 M.,
Körperverletzung bei 7 (6 M. 1 Fr.). Krankheitsdauer vor der Aufnahme bis zu
1 Monat bei 22 (10 M. 12 Fr.), bis 3 Monate bei 23 (8 M. 15 Fr.), bis 6 Monate
bei 22 (10 M. 12 Fr.), bis 1 Jahr bei 15 (4 M. 11 Fr.), bis 2 Jahre bei 17 (8 M.
9 Fr.), von längerer oder unbekannter Dauer bei den übrigen. Entlassen geheilt
28 (8 M. 20 Fr.), gebessert 65 (29 M. 36 Fr.), ungeheilt 82 (43 M. 49 Fr.), nach
Beobachtung 16 (12 M. 4 Fr.). Gestorben sind 24 (14 M. 10 Fr.) oder 2,87*/,
der Verpflegten, davon infolge Tuberkulose 3 (2 M. 1 Fr.), infolge Paralyse 6
(4 M. 1 Fr.).
Aplerbeck: Anfangsbestand 630 (332 M. 298 Fr.). Zugang 213 (104 M.
109 Fr.). Abgang 216 (107 M. 109 Fr.). Bleibt Bestand 646, davon in Familien¬
pflege 23 (10 M. 13 Fr.). Zur Beobachtung aufgenommen 51 (38 m, 13 w.),
darunter 16 Fürsorgezöglinge. Vom Zugang litten an einfacher Seelenstörung 123
(40 M. 83 Fr.), an paralytischer Seelenstörung 14 (12 M. 2 Fr.), Seelenstörung
mit Epilepsie oder Hysterie 6 (2 M. 4 Fr.), Imbezillität, Idiotie 9 (3 M. 6 Fr.),
Alkoholismus 6 (6 M. 1 Fr.). Als Erkrankungsursachen anzunehmen erbliche
Belastung, Degeneration bei 53 (18 M. 35 Fr.), Trunksucht bei 6 (4 M. 2 Fr.),
Lues bei 10 M., Trauma bei 6 (4 M. 1 Fr.), Schwangerschaft usw. bei 5 Fr. Krank¬
heitsdauer vor der Aufnahme bis 1 Monat bei 27 (5 M. 22 Fr.), 1—3 Monate bei 21
(6 M. 16 Fr.), 3—6 Monate bei 16 (8 M. 7 Fr.), 8—12 Monate bei 10 (7 M. 3 Fr.),
1 —2 Jahre bei 20 (10 M. 10 Fr.), von längerer oder unbekannter Dauer bei den
übrigen. Entlassen wurden geheilt 20 (12 M. 8 Fr.), gebessert 47 (20 M. 24 Fr.),
ungeheilt 62 (24 M. 38 Fr.), nach Beobachtung 37 (26 M. 11 Fr.). Gestorben
sind 50 oder 5,81% der Verpflegungsstandes, davon infolge Paralyse 8 M., infolge
Tuberkulose 7 (2 M. 6 Fr.), durch Karzinom 6 (3 M. 3 Fr.), 2 Selbstmorde.
Warstein: Anfangsbestand 1287 (683 M. 604 Fr.) Zugang 340 (173 M.
167 Fr.). Abgang 308 (182 M. 126 Fr.). Bleibt Bestand 1319 (674 M. 645 Fr.),
davon in Familienpflege 73 (22 M. 51 Fr.). Mit dem Strafgesetz in Konflikt geraten
20 (15 M. 6 Fr.). Zur Beobachtung aufgenommen 13 M. Vom Zugang litten an
einfacher Seelenstörung 171 (130 M. 141 Fr.), an paralytischer Seelenstörung 31
(25 M. 6 Fr.), Epilepsie mit Seelenstörung 7 (6 M. 2 Fr.), Hysterie 1 Fr., Im¬
bezillität, Idiotie 18 (7 M. 11 Fr.), chron. Alkoholismus 6 (4 M. 1 Fr.); nicht
geisteskrank waren 7 (2 M. 6 Fr.). Als Krankheitsursache angegeben erbliche
Belastung bei 61 (36 M. 16 Fr.), Syphilis bei 16 (10 M. 6 Fr.), Trunksucht bei 6
(4 M. 2 Fr.), Haft bei 8 M., Unfall bei 6 (4 M. 2 Fr.), Klimakterium, Wochen¬
bett usw. bei 18 Fr. Krankheitsdauer vor der Aufnahme bis 1 Monat bei 40 (16 M,
26 Fr.), 1—3 Monate bei 64 (21 M. 33 Fr.), 3—12 Monate bei 81 (53 M. 28 Fr.),
über ein Jahr bei 133 (67 M. 66 Fr.), unbekannt 32 (17 M. 15 Fr.). Entlassen
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Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
geheilt 63 (29 M. 34 Fr.), gebessert 97 (66 M. 41 Fr.), ungeheilt 36 (26 M. 9 Fr.),
als nicht geisteskrank 18 (12 M. 6 Fr.). Gestorben sind 96 (69 M. 36 Fr.) oder
6,84% der Verpflegten, davon infolge Paralyse 25 (22 M. 3 Fr.), Tuberkulose 15
(7 M. 8 Fr.), Karzinom 3 Fr., Erysipel 4 (2 M. 2 Fr.), Selbstmord 1 Fr.
Eickelborn: Anfangsbestand 929 (438 M. 491 Fr.). Zugang 283 (130 M.
163 Fr.). Abgang 192 (101 M. 91 Fr.). Bleibt Bestand 1020 (467 M. 663 Fr.),
davon im Bewahrhause 44 Kr., in Familienpflege 67 (34 M. 23 Fr.). Zur Beob¬
achtung aufgenommen 1 Fr. Vom Zugang litten an einfacher Seelenstörung 211
(88 M. 123 Fr.), an paralytischer Seelenstörung 6 (4 M. 2 Fr.), Epilepsie mit
Seelenstörung 12 (6 M. 6 Fr.), Imbezillität, Idiotie 46 (28 M. 18 Fr.), Hysterie
I Fr., Chorea 1 Fr., Alkoholismus 6 (4 M. 1 Fr.). 32 der Neuaufgenommenen
waren erblich belastet, aus andern Anstalten überführt 81. Entlassen als geheilt
sind 34 (11 M. 23 Fr.), gebessert 49 (27 M. 22 Fr.), ungeheilt 9 (7 M. 2 Fr.),
in andere Anstalten versetzt 15 (11 M. 4 Fr.). Gestorben sind 85 (45 M. 40 Fr.)
oder 7,01% der Verpflegten, infolge Paralyse starben 6 (4 M. 2 Fr.), Tuberkulose
14 (7 M. 7 Fr.), Kopfrose 2 M., Selbstmord 1 Fr.
Weilmünster (149): Anfangsbestand 911 (458 M. 463 Fr.); Zugang 116
(60 M. 66 Fr.), davon aus andern Irrenanstalten zugeführt 44 (21 M. 23 Fr.),
aus Gefängnissen 7 M. Abgang 115 (64 M. 51 Fr.). Bleibt Bestand 912 (464 M.
468 Fr.). Krankheitsformen der Auf genommenen: einfache Seelenstörung bei 79
(36 M. 44 Fr.), paralytische 7 (6 M. 2 Fr.), Imbezillität, Idiotie 11 (4 M. 4 Fr.),
Seelenstörung mit Epilepsie 8 (4 M. 4 Fr.), Hysterie 3 (1 M. 2 Fr.), Alkoholismus
7 M.; nicht geisteskrank 1 M. Krankheitsdauer vor Aufnahme bis 3 Monate bei
30 (12 M. 18 Fr.), 3—6 Monate 11 (7 M. 4 Fr.), über 6 Monate 74 (40 M.
34 Fr.). Erbliche Belastung 32 M. = 64%, 31 Fr. = 66% der Aufnahmen, und
zwar u. a. an Nerven- und Geisteskrankheiten in 63 Fällen, Trunksucht 17, Ver¬
brechen 8. Unter anderweitigen Ursachen der Erkrankung aufzuführen Alkohol-
mißbrauch bei 14 (13 M. 1 Fr.), Syphilis 5, Haft 6, Senium 12. Mit dem Straf¬
gesetz in Konflikt gewesen 24 m. 5 w. Gerichtseitig zur Beobachtung überwiesen
3 M., sämtlich geisteskrank. Entlassen geheilt 9 (3 M. 6 Fr.), gebessert 33 (22 M.
II Fr.), ungeheilt 16 (9 M. 7 Fr.), nicht geisteskrank 1 M. Gestorben 66 (29 M.
26 Fr.), davon u. a. an Altersschwäche 4, Kräfteverfall 6, im paralytischen oder
epileptischen Anfall 5, an Lungenentzündung 10, Tuberkulose 18, Abdominal-
typhus 2, Selbstmord 1. Sterblichkeit 6% der Krankenzahl, relativ günstig.
10 Typhuserkrankungen, 2 tödlich. Von Ekzema marginatum ergriffen u. a.
13 Kr. u. 8 Pflegerinnen in einer Aufnahmestation.
Herborn (90): Anfangsbestand 316 (176 M. 140 Fr.). Zugang 271 (149 M.
122 Fr.), davon zugeführt aus andern Irrenanstalten 208 (118 M. 90 Fr.), aus Ge¬
fängnissen und Korrektionsanstalten 2 M. Abgang 138 (90 M. 48 Fr.). Bleibt
Bestand 448 (234 M. 214 Fr.). Krankheitsformen der Aufgenommenen: einfache
Seelenstörung 166 (79 M. 86 Fr.), paralytische 30 (23 M. 7 Fr.), Imbezillität,
Idiotie 19 (10 M. 9 Fr.), Seelenstörung nüt Epilepsie 18 (12 M. 6 Fr.), Hysterie
9 (8 M. 1 Fr.), Alkoholismus 26 (20 M. 6 Fr.), nicht geisteskrank (zur Beob¬
achtung überwiesen) 4 M. Vorherige Krankheitsdauer: bis 3 Monate bei 26 (11 M.
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Sn eil, Anstaltswesen and Statistik.
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15 Fr.), 3—6 Monate 11 (6 M. 5 Fr.), mehr als 6 Monate 157 (83 M. 74 Fr.), unbe¬
kannt 73 (45’M. 28 Fr.). Angegebene Krankheitsursachen: erbliche Belastung bei
131 (76 M. 66 Fr.), Alkofiolmißbrauch 40 (35 M. 6 Fr.), Syphilis 20 (18 M. 2 Fr.),
Senium 18 (13 M. 16 Fr.), Puerperium 6 Fr., Pubertät, Laktation je 1, Arterien¬
verkalkung, Unfall je 6, Haft 3, psychische Ursachen bei 69 (21 M. 48 Fr.). — Erb¬
liche Belastung durch Nerven- und Geisteskrankheiten in der Familie in 83 Fällen
(54 m. 29 w.), durch Alkoholismus der Eltern in 30 Fällen. Laut Gerichtsbeschluß
zur Begutachtung eingewiesen 7, davon geisteskrank oder minderwertig 5. Mit
dem Strafgesetz in Konflikt gekommen 82 M. 9 Fr. Entlassen genesen 12 (6 M.
6 Fr.), gebessert 43 (28 M. 16 Fr.), ungebessert 34 (26 M. 8 Fr.), nicht geistes¬
krank 4 M. Gestorben 45 (26 M. 19 Fr.), davon an Altersschwäche 6 (1 M. 1 Fr.),
Paralyse 20 (15 M. 5 Fr.), Lungenentzündung, Rippenfellentzündung, Nieren¬
erkrankung je 3, Arterienverkalkung und Herzklappenerkrankung 4, Tuber¬
kulose 6. Häufigkeit der Todesfälle erklärlich durch Einlieferung vieler Hoch¬
betagter mit seniler Geistesstörung und von Paralytikern im vorgeschrittenen
Stadium. Tuberkulöse Erkrankungen ungünstig beeinflußt durch das herrschende
rauhe Klima.
„Steinmühle“ Obererienbach (138): Seit Eröffnung i. J. 1907 sind ver¬
pflegt 106 Kn., davon entlassen 85.. Anfangsbestand im Berichtsjahre 17 Kn.
Zugang 40. Abgang 36. Bleibt Bestand 21. Alter der Zöglinge schwankt zwischen
14 u. 20 Jahren. In geschlossene Erziehungsanstalten kamen 7, Irrenanstalten 7,
Idiotenanstalten 1. Arbeitslehrkolonie u. Beobachtungsanstalt auf Wohltätigkeits¬
grundlage. Gesamtausgabe im Berichtsjahr 39 894,96 M., davon Gehälter und
Löhne 10 199,56 M.
In den Provinzial-Heil- und Pflegeanstalten der Rheinprovinz (124) war
der Anfangsbestand insgesamt 7403 (3966 M. 3437 Fr.). Zugang 4351 (2433 M.
1918 Fr.). Abgang 4091 (2276 M. 1816 Fr.). Bleibt Bestand 7663 (4124 M.
3539 Fr.). Davon entfielen auf
Andernach: Anfangsbestand 570 (286 M. 284 Fr.). Zugang 329 (181 M.
148 Fr.). Abgang 358 (184 M. 174 Fr.). Bleibt Bestand 641 (283 M. 268 Fr.).
Bedburg-Hau: Anfangsbestand 1617 (926 M. 691 Fr.). Zugang 653
(359 M. 294 Fr.). Abgang 429 (286 M. 144 Fr.). Bleibt Bestand 1841 (1000 M.
841 Fr.).
Bonn: Anfangsbestand903 (441 M. 462 Fr.). Zugang789 (432 M. 367 Fr.).
Abgang 782 (422 M. 360 Fr.). Bleibt Bestand 910 (461 M. 469 Fr.).
Düren: Anfangsbestand 668 (348 M. 320 Fr.). Zugang 267 (162 M. 116
Fr.). Abgang 229 (118 M. 111 Fr.). Bleibt Bestand 706 (382 M. 324 Fr.).
Galkhausen: Anfangsbestand 837 (412 M. 425 Fr.). Zugang 652 (332 M.
320 Fr.). Abgang 612 (318 M. 294 Fr.). Bleibt Bestand 877 (426 M. 461 Fr.).
Grafenberg: Anfangsbestand 914 (502 M. 412 Fr.). Zugang 785 (480 M.
305 Fr.). Abgang 817 (474 M. 343 Fr.). Bleibt Bestand 882 (608 M. 374 Fr.).
Johannistal: Anfangsbestand 1087 (606 M. 481 Fr.). Zugang 478 (264 M.
214 Fr.). Abgang 603 (256 M. 247 Fr.). Bleibt Bestand 1062 (614 M. 448 Fr.).
Merzig: Anfangsbestand 744 (382 M. 362 Fr.). Zugang 367 (202 M.
165 Fr.). Abgang 328 (186 M. 143 Fr.). Bleibt Bestand 783 (399 M. 384 Fr.).
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292*
Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
Brauweiler: Anfangsbestand 63 M. Zugang 31. Abgang 33. Bleibt
Bestand 61.
Vom Gesamtzugang litten an einfacher Seelenstörun^ 2884 (1407 M. 1477 Fr.);
an paralytischer Seelenstörung 373 (274 M. 99 Fr.); Seelenstörung mit Epilepsie
423 (282 M. 141 Fr.); Epilepsie 116 (72 M. 43 Fr.); Imbezillität, Idiotie, Kreti¬
nismus 243 (116 M. 127 Fr.); Delirium potat. 199 (184 M. 16 Fr.); nicht geistes¬
krank 114 (98 M. 16 Fr.). Erbliche Belastung anzunehmen .bei 1166 (680 M.
686 Fr.) = 26,8% der Aufnahmen (im Vorj. 26,2%); vorheriger Alkoholmißbrauch
bei 408 (363 M. 46 Fr.) = 9,3% (im Vorj. 9,9%). Vor der Aufnahme mit dem
Strafgesetz in Konflikt 613 (636 M. 77 Fr.) = 14% gegen 12,6% ™ Vorj. Aus
Strafhaft unmittelbar eingeliefert i. J. 1906 = 247 P.; 1907 = 298 P.; 1908 —
300 P.; 1909 = 247 P.; 1910 = 191 P.; 1911 = 166 P.; 1912 = 223 P.; 1913 =
211 P. — Die drei Bewahrhäuser (166 Plätze) stets voll belegt. Geheilt oder ge¬
bessert entlassen in Andernach 12,6% der Verpflegten; 36,6% der Aufnahmen;
Bedburg-Hau 8% bzw. 28,7%; Bonn 21,6 % bzw. 46.8%; Düren 10% bezw. 28,6%;
Galkhausen 21,3% bzw. 43,1 %; Grafenberg 19,6% bzw. 46,3%; Johannistal 13,6%
bzw. 30%; Merzig 12,1% bzw. 33%; Brauweiler 12,7% bzw. 33%. Ungeheilt an
andere Provinzialanstalten überwiesen 326 Kr., nach Privatirrenanstalten 439 Kr.
Gestorben insgesamt 863 (494 M. 369 Fr.)„ hiervon im Verhältnis zu den Ver¬
pflegten in Andernach 9,2%; Bedburg-Hau 6,6%; Bonn 8,8%; Düren 6,6%;
Galkhausen 10.2%; Grafenberg 7,6%; Johannistal 6%; Merzig 6,4%. Das Plus
an Todesfällen gegen das Vorjahr beträgt 0,4% (7% des Gesamtverpflegtenbestan-
des gegen 6,6% im Vorjahre). Von den Verstorbenen hatten an progressiver Para¬
lyse gelitten 22,1% (29,3% M. 12,8% Fr.) = 3,6% weniger Paralytiker als im Vor¬
jahre. Größter Prozentsatz an Todesfällen Galkhausen, dort 27% infolge Para¬
lyse. Unter den insgesamt Verpflegten litten an Tuberkulose 134 (68 M. 66 Fr.) s=
1,6 % (1,8 % M. 1,3 % Fr.) gegen 1,1 % (1,1 % M. 1,1 % Fr.) im Vorjahre. Höchster
Prozentsatz Andernach mit 4,2%, geringster Galkhausen = 0,3% (0,6% im Vor¬
jahre). Von den Tuberkulösen und Tuberkuloseverdächtigen (insgesamt 195,
91 M. 104 Fr.) starben 78 (38 M. 40 Fr.) = 0,9% (0,9 M. 0,8 Fr.) der Ver¬
pflegten. Sterbequote gestiegen um 0,4%; im einzelnen: Tuberkulosetodesfälle in
Andernach 8,4%; Bedburg-Hau 19%; Bonn 4,7%; Düren 22,68%; Galkhausen
0,7%; Grafenberg 4,72%; Johannistal 9,6%, Merzig 16,6%. Erysipel in Ander¬
nach mit 7, Bedburg-Hau 10, Bonn 13, Düren 4, Galkhausen 18, Grafenberg 1,
Johannistal 11, Merzig 1 Fällen; 4 tödlicher Verlauf. Typhus in Bonn, Düren und
Merzig sporadisch. Typhusbazillenträger nur noch in Merzig (2 M. 6 Fr.). Ruhr
in Bedburg-Hau 10 Kr.; 6 Fälle letal (marastisch Senile, Paralytiker); Düren 6Neu¬
erkrankungen, am Schluß des Berichtsjahres noch isoliert 32 M. 18 Fr. — Be¬
schäftigt durchschnittlich in Andernach 63,6%; Bedburg-Hau 61,6%; Bonn 56,8%;
Düren 56%; Galkhausen 61,7%; Grafenberg 61%; Johannistal 67,6%; Merzig
52,5%; Brauweiler 69%. — Durchschnittskosten pro Tag und Kranken 1,93 M.
gegen 1,94 M. im Vorjahre. Gesamtausgabe: 5 433146,03 M., davon an den Bau¬
fonds 114 681,63 M.
Tannenhof (144): Zugang 181 (110 M. 71 Fr.) = 36% des Durchschnitts-
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Sn eil, Anstaltswesen und Statistik.
293*
bestandes. Abgang 167 (94 M. 73 Fr.). Erkrankungen der Ausgeschiedenen:
einfache Seelenstörung bei 122 (63 M. 69 Fr.), Paralyse 16 (13 M. 2 Fr.); Lues
cerebrospinalis 3 M.; Imbezillität 2 Fr.; Epilepsie mit Seelenstörung 4 (2 M.
2 Fr.); Alkoholismus 6 (3 M. 2 Fr.); Morphinismus 1 M.; Neurasthenie 6 (4 M.
2 Fr.); Hysterie 4 (2 M. 2 Fr.); arterioskler. Himdegeneration 1 M.; Zyklothymie
2 (1 M. 1 Fr.); Delirium tremens 1 M., Hyperthymie bei Basedow 1 Fr. Ent¬
lassen genesen 10 (6 M. 6 Fr.), gebessert 68 (34 M. 34 Fr.), ungeheilt 47 (32 M.
16 Fr.); nicht geisteskrank 3 M. Gestorben 39 (20 M. 19 Fr.), davon infolge Tu¬
berkulose 6 (über 16%> außerdem noch 6 Tuberkuloseerkrankungen); Paralyse 7.
Gesamtausgabe 690 913,08 M.
Gehlsheim (84): Anfangsbestand 349 (191 M. 168 Fr.). Zugang 203 (111M.
92 Fr.). Abgang 206 (117 M. 88 Fr.). Bleibt Bestand 347 (186 M. 162 Fr.).
Vom Zugang litten an einfacher Seelenstörung 163 (74 M. 79 Fr.); paralytischer
Seelenstörung 9 (7 M. 2 Fr.); Seölenstörung mit Epilepsie 12 (7 M. 6 Fr.), Idio¬
tismus, Kretinismus 7 (6 M. 2 Fr.), Delir, potator. 6 M.; nicht geisteskrank 16
(12 M. 4 Fr.). Krankheitsdauer vor der Aufnahme bis 1 Monat 38 (16 M. 23 Fr.),
2—3 Monate 17 (8 M. 9 Fr.), 4—6 Monate 17 (6 M. 11 Fr.), 7—12 Monate 16
(7 M. 9 Fr.), im 2. Jahre 16 (8 M. 8 Fr.), über 2 Jahre 71 (44 M. 27 Fr.), unbe¬
kannt 6 (6 M. 1 Fr.). Erste Aufnahmen erblich veranlagt direkt von den Eltern
18 (8 M. 10 Fr.), darunter Trunksucht 1 M. 2 Fr., Familienanlage 48 (21 M. 27 Fr.).
Verhältnis zwischen Genesung und Erblichkeit = 12,8% der Aufnahmen. Zur
Beobachtung zugeführt 9 M., davon „nicht geisteskrank“ 1 M. Entlassen genesen
26 (16 M. 11 Fr.), gebessert 61 (29 M. 32 Fr.), ungeheilt 62 (34 M. 28 Fr.). Ge¬
storben 41 (27 M. 14 Fr.), davon im Delir, pot. 1 M., nicht geisteskrank 1 Fr., in¬
folge nervöser Erschöpfung vom Gehirn aus, im akuten Verlauf 1 M., im chron.
Verlauf (Marasmus) 12 (10 M. 2 Fr.); Sterbefälle an Tuberkulose 6 (3 M. 2 Fr.) =
12,2 % aller Sterbefälle. Gesamttodesfälle 20% des Gesamtabgangs, 11,9% des
Durchschnittsbestandes. Gesamtausgabe: 292 393,87 M.
Sachsenberg (131): Anfangsbestand 684 (292 M. 292 Fr.). Zugang 159
(76 M. 83 Fr.). Abgang 142 (76 M. 66 Fr.). Bleibt Bestand 601 (292 M. 309 Fr.),
vermehrt gegen das Vorjahr um 17 Fr. Krankheitsformen der Aufgenommenen:
einfache Seelenstörung bei 132 (68 M. 74 Fr.), paralytische Seelenstörung 7 (6 M.
1 Fr.), Seelenstörung mit Epilepsie 7 (6 M. 1 Fr.), Idiotismus, Kretinismus 7
(1 M. 6 Fr.); nicht geisteskrank 6 (6 M. 1 Fr.). Krankheitsdauer vor der Auf¬
nahme bis 1 Monat bei 34 (14 M. 20 Fr.), 2—3 Monate 16 (6 M. 9 Fr.), 4—6
Monate 8 (6 M. 3 Fr.), 7—12 Monate 14 (3 M. 11 Fr.), im 2. Jahre 6 Fr., über
2 Jahre 63 (33 M. 30 Fr.), unbekannt 14 (10 M. 4 Fr.). Erblich belastet 68
(22 M. 36 Fr.). Zur Beobachtung 11 M. 1 Fr., davon geisteskrank 6 M. Ent¬
lassen genesen 13 (8 M. 6 Fr.) = 8,6% der Aufnahmen, gebessert 32 (16 M.
16 Fr.), ungeheilt 31 (19 M. 12 Fr.), in andere Anstalten 2 M. Gestorben 68
(26 M. 32 Fr.) = 40,86% des Gesamtabgangs, 9,83% des Durchschnittsbestandes,
davon an Lungen- und Darmtuberkulose 3, Karzinom 2; infolge nervöser Erschöpfung
vom Gehirn aus in akutem Verlauf 6, im chronischen Verlauf 24. Gesamtausgabe
464099,29 M.
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294*
Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
Lewenberg (106): Anfangsbestand 256 (142 m. 113 w.). Zugang 27 (18 m.
9 w.). Abgang 16 (9 m. 7 w.). Bleibt Bestand 260 (147 m. 113 w.). Unter des
Aufgenommenen Skrofulöse bei 14, Rachitis 13, Epilepsie und Krampfanfälle 9.
Myxödem, Mongolismus, Littlesche Krankheit je 1, Mikro- und Hydrozephalus
je 3, Porenzephalie 3, motorische Aphasie 2, Lähmungen und erhebliche Kontrak¬
turen 5, Scapula scaphoidea 13. Erbliche Anlage vom Vater bei 5, von der Mutt«- 3 .
beiden Eltern 1, weitere familiäre Anlage 9. Dauer des Aufenthalts 1—7 Jahr?
bei 73,50% des Bestandes, 8—10 Jahre 6,76%» 10—39 Jahre 20,69 %. Entlass«
gebessert 7 (4 m. 3 w.) = 2,48% der Verpflegten, nicht gebessert 9 = 2.2%
Gestorben 6 (4 m. 2 w.) = 2,13% der Verpflegten, davon 3 an Tuberkulose.
Lu min a! bei Epilepsie mit recht gutem Erfolg. Schulbesuch 29,62% des Bestand«,
unterrichtet überhaupt 34,62%- Beschäftigung in Werkstätten 18 ältere m.. in
Haus, Hof, Garten und Landwirtschaft 20 m. 29 w.
Strelitz, Alt- (142): Anfangsbestand 197 (94 M. 103 Fr.). Zugang 142
(74 M. 68 Fr.). Abgang 127 (66 M. 62 Fr.). Bleibt Bestand221 (112 M. 109 Fr.;.
Vom Zugang litten an einfacher Seelenstörung 86 (36 M. 61 Fr.), paralytischer
6 M., an Imbezillität, Idiotie 15 (11 M. 4 Fr.), Epilepsie mit und ohne Seelen¬
störung 14 (9 M. 5 Fr.), Alkoholismus 11 (8 M. 3 Fr.); andere Krankheiten des
Nervensystems 9 (4 M. 6 Fr.); nicht geisteskrank 1 M. Krankheitsdauer vor der
Aufnahme bis 1 Monat 22 (6 M. 16 Fr.), 2—3 Monate 16 (6 M. 10 Fr.). 4—6
Monate 12 (7 M. 5 Fr.), 7—12 Monate 9 (5 M. 4 Fr.), bis 2 Jahre 7 (5 M. 2 Fr. >.
über 2 Jahre 70 (42 M. 28 Fr.); unbekannt« Dauer 6 (3 M. 3 Fr.). Erblichkeit
bei 70 (34 M. 36 Fr.). Familienmitglieder disponiert zu Trunksucht bei 26. Zur
Beobacbtung in Strafsachen 3 überwiesen. Entlassen genesen 11 (4 M. 7 Fr.),
gebessert 40 (24 M. 16 Fr.), ungeheilt 24 (11 M. 13 Fr.). Gestorben 42 (16 M.
26 Fr.), davon an Altersschwäche 8, Entkräftung 16, Schlaganfall 5, Status epi-
lepticus 2, Lungenentzündung 2, Lungentuberkulose 2. Gesamtausgabe 163 120,76
Mark.
Friedrichsberg (88): Anfangsbestand 1310 (708 m. 602 w.). Zugang 1163
(660 m. 603 w.). Abgang 1230 (709 m. 621 w.). Bleibt Bestand 1274 (671 m.
603 w.). Vom Zugang litten an einfacher Seelenstörung 606 (264 m. 342 w. t,
paralytischer Seelenstörung 193 (163 m. 40 w.), Imbezillität, Idiotie, Kretinismus
80(63 m. 27 w.), Epilepsie mit und ohne Seelenstörung 68 (38 m. 30 w.), Hysterie
22 (9 m. 13 w.), Neurasthenie 1 m., Chorea 2 (1 m. 1 w.), Tabes 2 m., an andern
Krankheiten des Nervensystems 80 (49 m. 31 w.), Alkoholismus 101 (83 m.
18 w.), Morphinismus und dergl. 6 m., an andern Krankheiten 2 (1 m. 1 w.);
nicht geisteskrank 8 m. Zur Beobachtung gerichtsseitig überwiesen 20 M. 1 Fr.
Erblichkeit bei 151 (36 m. 116 w.), trunksüchtig unter ihnen 42 (38 m. 4 w.),
dazu die an Alkoholismus erkrankten 101. Entlassen geheilt 46 (18 m. 28 wr.),
1912: 66, gebessert 406 (208 m. 198 w.), 1912: 363, ungeheilt 695 (374 m. 221m.),
davon verlegt nach Langenhorn 304 (251 m. 163 w.), im Vorjahre ungeheilt ent¬
lassen 621. Gestorben sind 183 (109 m. 74 w.), im Vorjahre 201. Todesursachen
der im Berichtsjahre Verstorbenen Paralyse bei 63, sonstige Gehirnkrankheiten 28,
Krankheiten des Herzens 27, der Lunge 37, sonstige Ursachen 38. In Friedrichsberg
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Snell, Anstaltswesen und Statistik. 296*
in den Jahren 1907—1913 behandelt und gestorben: 1907 = 2448:177;
1908= 2386:185; 1909 = 2507 : 206; 1910 = 2643:178; 1911 = 2638 : 221;
1912 = 2564 : 201; 1913 = 2482 :183.
Langenhorn (88): Anfangsbestand 1653 Kr. Zugang 437. Entlassen 157.
Gestorben 100 (73 m. 27 w.). Bleibt Bestand 1809 (959 m. 850 w.). In Langen*
hom in den Jahren 1907—1913 behandelt und gestorben: 1907 = 939 : 27; 1908 =
1147 : 44; 1909 = 1367 : 68; 1910 = 1481 : 63; 1911 = 1635 : 63; 1912 = 1901 :78;
1913 = 2090 :100.
Alsterdorfer Anstalten (64): Anfangsbestand 922 (527 m. 395 w.).
Zugang 130 (83 m. 47 w.), davon unter 16 Jahren 101 (68 m. 33 w.). Abgang 92
(61 m. 31 w.). Bleibt Bestand 960 (519 m. 411 w.). Vom Zugang litten an
paralytischer Seelenstörung 1 w., Imbezillität, Idiotie, Kretinismus 103 (63 m.
40 w.), Epilepsie mit Seelenstörung 26 (20 m. 6 w.). Teils ambulant behandelt,
teils aufgenommen wurden 2219 Fälle (1912: 2045 Fälle), darunter litten an Infek¬
tionskrankheiten 168 (1912: 364), Psychosen, Epilepsie 98 (1912: 78), Tuber¬
kulose 15 (1912: 29), Nerven- und Gehirnleiden 4 (1912: 8), Lues congenita 9
(1912: 8), Kretinismus 4 (1912: —), Muskel-, Knochen-, Gelenkleiden 35 (1912: 22);
zur Beobachtung aufgenommen 20 (1912: 6). — In andere Anstalten überfuhrt 17,
in Stellung oder Lehre gegangen 5. Gestorben 37, davon infolge Tuberkulose 10,
Psychosen, Epilepsie 9, Nerven- und Gehirnleiden 3. — Schulbesuch 112 K. Lau¬
fende Ausgaben: ca. 500 000 M.; Neu- und Umbauten (Schule) 120 000 M.
Ellen (78): Anfangsbestand 608 (322 M. 286 Fr.). Zugang 509 (319 M.
190 Fr.). Abgang 484 (305 M. 179 Fr.). Bleibt Bestand 633 (336 M. 297 Fr.),
davon in Familienpflege 162 (76 M. 76 Fr.). Vom Zugang litten an Schizophrenie
164 (101 M. 63 Fr.), Paranoia 4 (3 M. 1 Fr.), Querulantenwahn 2 M., manisch-
depressives Irresein 84 (27 M. 67 Fr.), Imbezillität 16 (10 M. 6 Fr.), Idiotie 2 M.,
apoplekt. Irresein 7 (4 M. 3 Fr.), Dementia senilis 26 (12 M. 14 Fr.), Tumor
cerebri 2 Fr., multiple Sklerose 3 (2 M. 1 Fr.), Myelitis, Myoklonie je 1 M., Sy¬
ringomyelie 1 Fr., Lues cerebri 3 (2 M. 1 Fr.), Paralyse 37 (27 M. 10 Fr.), Tabes,
Tabesparalyse 6 M., konstitut. Psychopathie 33 (18 M. 15 Fr.), moralische Idiotie
7 M., Epilepsie 21 (17 M. 4 Fr.), Alkoholpsychosen 65 (46 M. 9 Fr.), daruntei
chron. Alkoholismus bei 38 (30 M. 8 Fr.), Basedow, Morphinismus je 1 M.; Simula¬
tion 2 M.; nicht geisteskrank 1 M. Zur Beobachtung aufgenommen 21. Geheilt
entlassen 9,5% des Gesamtbestandes, gebessert 41,73 %, ungeheilt entlassen 28,92%.
Gestorben 73 (48 M. 25 Fr.) = 15,08% des Gesamtbestandes. Unter den Todes¬
ursachen Paralyse bei 14 M. 3 Fr., Lungentuberkulose bei 2 M. 3 Fr. Beschäftigt
53% M., 40,3% Fr. vom Durchschnittsbestand.
Rockwinkel (126): Anfangsbestand 32 (17 M. 15 Fr.). Zugang 78 (34 M.
44 Fr.). Abgang 76 (37 M. 38 Fr.). Bleibt Bestand 35 (14 M. 21 Fr.). Vom
Zugang litten an Dementia praecox 7 M. 6 Fr., manisch-depressivem Irresein 1 M.
6 Fr., Melancholie 4 M. 9 Fr., Paranoia 1M. 3 Fr., Puerperalpsychose 3 Fr., Amentia
2 Fr., Hysterie 7 Fr., Neurasthenie 6 M. 2 Fr., Morphinismus 2 M., Alkoholismus
1 M., Dementia senilis 2 Fr., Paralyse 3 M., Arteriosklerose, Apoplexie mit Seelen-
störung, Lues cerebri, Taboparalyse je 1 M., Epilepsie 1 Fr., traumatische Neurose,
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296*
Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
Uraemia chron. je 1 M., Imbezillität 1 M. 1 Fr., Degeneratio 2 M.; nicht krank
1 M. 4 Fr. Entlassen geheilt 22, gebessert 21, ungebeilt 26. Gestorben 7, unter
diesen ein 80jähriger nach 59jährigem Aufenthalt in der Anstalt. Aus der Statistik
der letzten 20 Jahre (progressives Anwachsen des Bestandes): Anfangsbestand i. J.
1894 = 16, Zugang 16, Abgang 11, Verpflegungstage 6670, Schlußbestand 20.
1912 = Anfangsbestand 22. Zugang 69. Abgang 49. Verpflegungstage 9616.
Schlußbestand 32. 1913 = Anfangsbestand 32. Zugang 78. Abgang 76. Ver¬
pflegungstage 11448. Schlußbestand 36.
Strecknitz (141): Anfangsbestand 314 (170 M. 144 Fr.). Zugang 123 (68 M.
66 Fr.). Abgang 117 (62 M. 65 Fr.). Bleibt Bestand 320 (166 M. 164 Fr.).
Vom Zugang litten an einfacher Seelenstörung 94 (37 M. 67 Fr.), paralytischer 6
(4 M. 1 Fr.), Seelenstörung mit Epilepsie und Hysteroepilepsie 4 (2 M. 2 Fr.),
Imbezillität, Idiotie, Kretinismus 15 (11 M. 4 Fr.), Delirium pot. 1 M.; nicht
geisteskrank 4 (3 M. 1 Fr.). Erbliche Belastung vom Zugang 24,39%, vom
Bestand 67,96%. Entlassen geheilt 22 (11 M. 11 Fr.), gebessert 29 (14 M. 16 Fr.),
ungeheilt 37 (18 M. 19 Fr.); als nicht geisteskrank 6 (4 M. 1 Fr.). Gestorben 24
(16 M. 9 Fr.).
Roda, Genesungshaus (127), Abt. für Geisteskranke: Anfangsbestand 442
(242 m. 200 w.). Zugang 187 (98 m. 89 w.). Abgang 170 (97 m. 73 w.).
Bleibt Bestand 459 (243 m. 216 w.), davon in Familienpflege 34 (17 m. 17 w.).
Vom Zugang litten an einfacher Seelenstörung 136 (69 m. 67 w.), paralytischer 20
(14 m. 6 w.), Imbezillität, Idiotie 10 (4 m. 6 w.), Epilepsie mit und ohne Seelen¬
störung 9 (4 m. 6 w.), Hysterie 9 (4 m. 6 w.), Alkoholismus 3 M. Erblichkeit
nachgewiesen bei 106 (57 m. 49 w.), Alkoholmißbrauch 16 (13 m. 3 w.). Sonstige
Krai kheifrUrsachen: somatische Affektionen .angeboren bei 10, erblich, familiär 29;
sonstig 64; psychische Affektionen bei 11, Rückfall 24, Wiederaufnahme Unge-
heilter 24, nicht zu ermitteln bei 36. Entlassen geheilt 36 (17 m. 18 w.), gebessert
64 (36 m. 29 w.), ungeheilt 22 (16 m. 6 w.). Gestorben 49 (29 m. 20 w.),
davon an Pneumonie 14, Tuberkulose 7, Marasmus 11, Herzschwäche 4, Anäinie,
Bauchfellentzündung, Karzinom je 1, Sepsis 3, Hirnblutung, Hirnhautentzündung,
im epilept. Anfall je 2, Strangulation 1.
Roda, Martinshaus (128), Idiotenanstalt: Anfangsbestand 87 (49 m. 38 w.).
Zugang 26 (15 m. 11 w.). Abgang 18 (10 m. 8 w.). Bleibt Bestand 96 (64 m.
41 w.). Von den verpflegten 113 Id. waren behaftet mit Epilepsie (allein) 20 (14 Kn.
6 Md.), Chorea 4 Kn., Lähmungen der Himnerven 14 (8 Kn. 6 Md.), der Glied¬
maßen 8 (2 Kn. 6 Md.), mit Epilepsie und Lähmungen 2 (1 Kn. 1 Md.). Bei den
Eltern bzw. nächsten Verwandten lagen vor Geistes- und Nervenkrankheiten bei 63
(33 m. 20 w.), Alkoholismus 21 (10 m. 11 w.), Syphilis 5 (2 m. 3 w.), Tuberkulose
bei 10 (6 m. 4 w.). Die Schule besuchten mit Erfolg 60 (33 Kn. 27 Md.). Ent¬
lassen sind 16 (9 m. 7 w.). Gestorben an Diphtherie und Entkräftung je 1.
Lindenhaus-Lemgo (107): Anfangsbestand 383 (186 M. 194 Fr.). Zu¬
gang 188 (103 M. 86 Fr.). Abgang 187 (96 M. 91 Fr.). Bleibt Bestand 381
(193 M. 188 Fr.). Von den 668 Verpflegten (60,9% M. 49,1% Fr.) litten an ein¬
facher Seelenstörung 407 (193 M. 214 Fr.); Seelenstörung durch Syphilis 13
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SneH, Anstaltswesen und Statistik.
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(10 M. 3 Fr.); Imbezillität, Idiotie 60 (22 M. 28 Fr.); Epilepsie 66 (38 M. 28 Fr.);
Alkoholismus 21M.; Hysterie 2 Fr.; Neurasthenie 2 M.; Morphinismus 1M. Krank¬
heitsdauer vor der Aufnahme bis 1 Jahr bei 6,6%, 1—2 Jahre 20,1%, 2—4 Jahre
7,9%, 4—6 Jahre 12,3 % 6—8 Jahre 8,5%, 8—10 Jahre 7,8%. mehr als 10 Jahre
26,2%, unbekannte Zeit 11,4% Zur Geisteskrankheit veranlagt durch Trunk¬
sucht 22%, Syphilis 4,4%, Tuberkulose 8,8°/,. Mit dem Strafgesetz in Konflikt
14,6%; als Trinker bekannt 13,6% (66 M. 12 Fr.); zur Beobachtung überwiesen
gerichtsseitig 3 M. 2 Fr. Beurlaubt und entlassen 146, davon erwerbsfähig 13,7 %
gebessert und arbeitsfähig 24%, ungeheilt 62,3%- Gestorben 36 = 6,3% im
Durchschnittsalter von 62 Jahren, davon infolge Tuberkulose 9. Nutzbringend
beschäftigt 65,3%, 64,9% Fr. (im Vorjahre 62,3% und 63,6%)- Gesamtausgabe
der Hauptanstalt: 287 277,08 M.
,,Zura guten Hirten“, Wernigerode-Hasserode (160): Zugang 12 Pfl.,
gestorben 4. Bestand des Jahresdurchschnitts 33 Pfl. Schulunterricht besuchten 8,
in Haus, Hof und Gartenwirtschaft beschäftigt 12, nicht beschäftigungsfähig 12.
Wehnen (148): Anfangsbestand 317 (171 M. 146 Fr.). Zugang 113 (67 M.
66 Fr.). Abgang 105 (61 M. 64 Fr.). Bleibt Bestand 326 (177 M. 148 Fr.).
Krankheitsformen der Aufgenommenen: Imbezillität 8 (6 M. 2 Fr.); Dementia
paralytica 5 (3 M. 2 Fr.); Dem. arteriosclerotica 4 (2 M. 2 Fr.), alkoholistische
Formen 4 M.; Epilepsie 7 (6 M. 1 Fr.); Hysterie 2 Fr.; Neurasthenie, toxisches
Irresein je 1 M.; infektiöses Irresein 1 Fr.; Dementia praecox 36 (14 M. 22 Fr.);
Paranoia 1 M. 1 Fr.; manisch-depressives Irresein 30 (10 M. 20 Fr.); seniles Irre¬
sein 5 (3 M. 2 Fr.); psychopathische Persönlichkeiten 6 (5 M. 1 Fr.); nicht geistes¬
krank 1 M. Zur Beobachtung überwiesen, gerichtseitig 9, davon 8 nicht verant¬
wortlich. Entlassen geheilt 23 (11 M. 12 Fr.\ gebessert 21 (12 M. 9 Fr.), unge¬
heilt 24 (7 M. 17 Fr.). Gestorben 30 (18 M. 12 Fr.), davon an Lungenschwind¬
sucht 3. Gesamtausgabe: 377 498,16 M.
Bergmannswohl (66): Anfangsbestand 66 (15 Beobachtungs-, 40 Behand¬
lungsfälle). Zugang 1490 (1241 Beobachtungs-, 249 Behandlungsfälle). Abgang
1498 (1245 Beobachtungs-, 263 Behandlungsfälle). Bleibt Bestand 47 (11 bzw.
36 Fälle). Unter den beobachteten und behandelten Kranken wurden u. a. zur
Diagnose gestellt Hysterie bei 302, Hypochondrie 11, Dementia paralytica 9, trau¬
matica 11, hysterische Pseudodemenz 7, Dämmerzustand 1, senile Demenz 1, De¬
mentia praecox 5, chronische Halluzinose, Geistesstörung je 1, melanchol. Depression
3, manisch-depressives Irresein 6, präseniler Depressionszustand 1, Debilitas 10,
Imbezillität 12, psychopath. Minderwertigkeit, Simulation je 1, Delirium tremens 3,
Alkoholismus chronicus 11, Epilepsie 43, Spätepilepsie und epil. Dämmerzustand
je 1, Paralysis agitans 4, Gehimarteriosklerose 4, Lues cerebrospinalis 7, Schreck¬
neurose 21, Rentenkampf-Neurose 6 usw. — Neurosen nach Unfällen haben ein
ganz überwiegendes Interesse. — Durchschnittliche Aufenthaltsdauer eines Kranken,
Beobachtungs- und Behandlungsfälle zusammengerechnet = 12,7 Verpflegungs¬
tage; auf abgeschlossene Behandlungsfälle entfallen 42 Verpflegungstage (durch¬
schnittlich). Tägliche Belegzahl, Jahresdurchschnitt 51,82.
Stephansfeld (137): Anfangsbestand 921 (411 M. 510 Fr.). Zugang 326
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Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
(174 M. 152 Fr.), darunter aus der Straßburger Klinik 133, aus andern Anstalten
22 und 15 aktive Militärpersonen. Abgang 291 (158 M. 133 Fr.). Bleibt Bestand
956 (427 M. 529 Fr.). Vom Zugang litten an einfacher Seelenstörung 224 (106 M.
116 Fr.), paralytischer 25 (19 M. 6 Fr.), sonstigen organischen Psychosen 7 (3 1L
4 Fr.), Epilepsie und Hysterie 26 (16 M. 10 Fr.), Idiotie, Imbezillität 22 (10 JL
12 Fr.), Alkoholismus 15 (14 M. 1 Fr.). Zur Beobachtung eingewiesen 12 (11 1L
1 Md.), darunter 3 Untersuchungsgefangene. Entlassen sind genesen 44 (20 11
24 Fr.), gebessert 77 (43 M. 34 Fr.), ungeheilt 73 (47 M. 24 Fr.), davon andern
Anstalten zugeführt 60 (42 M. 18 Fr.). Nach. Ablauf der Beobachtung, nicht
geisteskrank 12 (10 M. 2 Fr.). In Familienpflege blieben 2 P. Gestorben sind SO
(36 M. 49 Fr.) = 6,8% (6,4% im Vorjahre) der Verpflegten. Todesursachen.
Marasmus bei 1 M., Inanition 1 Fr., Krebs 5 (1 M. 4 Fr.), Sepsis 3 Fr.. Diabetes
1 M. 2 Fr., Tuberkulose 11 (6 M. 6 Fr.), Status epilepticus 1 Fr., organische
Nervenkrankheiten 26 (14 M. 12 Fr.), Krankheiten der Atmungsorgane 16^(5 II.
11 Fr.), der Kreislauforgane 5 (3 M. 2 Fr.), Verdauungsorgane 6 (4 M. 2 Fr.i.
Urogenitalorgane 7 (2 M. 5 Fr.). Gesamtausgabe: 696375,74 M.
Hördt (93): Anfangsbestand 469 (277 M. 192 Fr.). Zugang 85 (57 M.
davon 12 für das feste Haus, 28 Fr.). Abgang 73 (49 M. 24 Fr.). Bleibt Bestand
482 (286 M. 196 Fr.). Vom Zugang litten an einfacher Seelenstörung 67 (43 1L
24 Fr.), Seelenstörung mit Epilepsie 4 M., Imbezillität, Idiotie 7 (4 M. 3 Fm.
Paralyse 6 (4 M. 1 Fr.), alkoholischer Geistesstörung 2 M. Klinische Krank-
heitsformen: Dementia praecox bzw. paranoides bei 46 (27 M. 19 Fr.), manisch-
depressives Irresein 5 (1 M. 4 Fr.), Seelenstörung mit Epilepsie 4 M., progressive
Paralyse bzw. Taboparalyse 5 (4 M. 1 Fr.), chronische Alkoholhalluzinose, Korsa-
koffsche Psychose je 1 M., Haftpsychose 2 M., seniler Beeinträchtigungswahn
2 M. 1 Fr., Imbezillität 5 (3 M. 2 Fr.), Idiotie 1M., Seelenstörung bei Huntingtun-
scher Chorea 1 M. 1 Fr., Psychopathie 7 M., Hypochondrie, Hysterie, Paranoia
je 1 M. Entlassen gebessert 5 (4 M. 1 Fr.), ungeheilt 5 (4 M. 1 Fr.), davon 7 il.
aus dem festen Hause. Zur Beobachtung auf Grund § 84 StPO. 2 M. und dem
Gericht wieder übergeben. 2 Begutachtungen mit Vorliegen der Bedingungen
§ 1569 BGB. Beschäftigt zeitweise 56,7 % der M., 39,8% der Fr. Gestorben^ 62
(40 M. 22 Fr.) = ll,17®/ 0 der Verpflegten. Todesursachen: Arteriosklerose bei
2 M., Apoplexia cerebri 1 M. 1 Fr., Enzephalomalazie. Pachymeningitis je 1 Fr.,
paralytischer Anfall, Endokarditis, Embolie der Lungenarterie je 1 M., Marasmus
paralyticus 2 M., Herzverfettung 1 Fr., Herzschwäche 10 (3 M. 7 Fr.), Nephritis,
Lungengangrän je 1 M., Pneumonie 10 (8 M. 2 Fr.), Lungentuberkulose 18 (12 M.
6 Fr.), Enteritis 1 M. 1 Fr., Dysenterie, Perforationsperitonitis je 2 M., Chole-
lithiasis 1 M., Erysipel 1 Fr., Tod durch Erhängen 1 M. Erysipelerkrankungen bei
5 P. Gesamtausgabe: 252 087,19 M.
Rufach (130): Anfangsbestand 778 (343 M. 435 Fr.). Zugang 467 (226 M.
241 Fr.). Abgang 444 (205 M. 239 Fr.). Bleibt Bestand 801 (364 M. 437 Fr.).
Vom Zugang litten an Anientia acuta 1 Fr.; alkoholischer Seelenstörung 37 (34 M.
3 Fr.), Dementia paralytica 25 (16 M. 9 Fr.), arterioskler. Seelenstörung 15 (9 M.
6 Fr.), Seelenstörung bei org. Gehimerkrankungen 6 (3 M. 2 Fr.), Dementia senilis
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Sn eil, Anstaitswesen und Statistik.
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35 (12 M. 23 Fr.), Dementia praecox 192 (95 M. 97 Fr.), Dementia paranoides
15 (8 M. 7 Fr.), präsenilem Beeinträchtigungswahn 7 (2 M. 6 Fr.), Melancholie 10
(1 M. 9 Fr.), manisch-depress. Irresein 64 (13 M. 61 Fr.), epilept. Seelenstörung
13 (4 M. 9 Fr.), hyster. Seelenstörung 4 Fr., choreat. Seelenstörung 1 Fr.; sonstige
konstitut. degener. Störungen 34 (25 M. 9 Fr.), Imbezillität, Idiotie 8 (3 M. 5 Fr.);
nicht geisteskrank 1 M. — Erbliche Belastung der Aufnahmen 50,4% M. 61,4%
Fr.; Alkoholmißbrauch 37,6% M. 2% Fr.; eigentliche alkoholische Störungen
brachten mit 1911: 28,4%, 1912: 28,1%, 1913 nur 8%. Entlassen nach abge¬
schlossener Beobachtung 18 (16 M. 2 Fr.), davon krank oder minder zurechnungs¬
fähig 17; ins feste Haus nach Hördt verlegt 8. Entlassen bzw. beurlaubt gewesen
147 (76 M. 71 Fr.), erheblich gebessert 92 (36 M. 56 Fr.), ungeheilt in die Familie
39 (18 M. 21 Fr.), nach andern Anstalten verlegt 60 (11 M. 39 Fr.), entwicken 7
(5 M. 2 Fr.). Gestorben 91 (43 M. 48 Fr.) = 7,3% der Verpflegten (1912:
8,1%; 1911: 8,4%). davon eingegangen infolge Tuberkulose 16, Marasmus 16,
akuter Herzschwäche 12, Gehirnleiden 12. Abnahme der Sterblichkeit unter den
Paralytikern wahrscheinlich infolge der Nuklein-Hg- oder Nuklein-Enosolbehand-
lung, jedenfalls auffallend viel Remissionen infolge dieser Behandlung (vgl. Publik.
Dr. Hauher). Gesamtausgabe 643 246,86 M.
Eglfing (77): Anfangsbestand 1103 (549 M. 554 Fr.). Zugang 517 (288 M.
229 Fr.). Abgang 442 (239 M. 203 Fr.). Bleibt Bestand 1178 (598 M. 680 Fr.),
davon gehören 74,9 % der Stadt Mönchen an.
Am 1. Juli 1905 waren in der Anstalt Mönchen und in Gabersee
1505 (759 M. 746 Fr.) Kr.; damals wurde Eglfing eröffnet, und 14 Monate
später (1. September 1906) war der Krankenstand för Eglfing 990 und fflr
Gabersee 741 Kr. = total 1731 (888 M. 843 Fr.) entsprechend einer Zu¬
nahme von 15% in 14 Monaten = 12,86% berechnet auf 1 Jahr. In den
Jahren 1907—1912 betrug die Zunahme in beiden Anstalten 4,8%, 4,13%,
5,86% und 3,43% = 4,61 %. Nach Eröffnung von Haar stieg bis 31. De¬
zember 1913 die Gesamtbelegung (Eglfing, Gabersee, Haar) auf 2564 (1323 M.
1231 Fr.) Kr.; mit weiteren 14Monaten also um 12,16% (277 Pflegl.) = 10,42%,
berechnet auf das Jahr; dennoch aber Abnahme zu konstatieren gegen 1906
mit 12,86%.
Von den im Berichtsjahre in Eglfing Aufgenommenen litten an ein¬
facher Seelenstörung 340 (164 M. 186 Fr.), paralytischer Seelenstörung 84
(61 M. 23 Fr.), Seelenstörung mit Epilepsie und Hysteroepilepsie 18
(13 M. 5 Fr.), Imbezillität, Idiotie, Kretinismus 18 (11 M. 7 Fr.), Delirium
potat. 62 (46 M. 7 Fr.); nicht geisteskrank 6 (4 M. 1 Fr.). Aus der Psychi¬
atrischen Klinik Mönchen aufgenommen 216 (105 M. 110 Fr.); genchtseitig ein¬
gewiesen aus Mönchen 7 (6 M. 1 Fr.), von auswärts 1 M.; 3 M. 1 Fr. als nicht
geisteskrank begutachtet. 91,1 % aller Aufnahmen aus Mönchen stammend. Ent¬
lassen genesen 20 (17 M. 3 Fr.), gebessert 178 (39 M. 86 Fr.), ungebessert 128
(62 M. 66 Fr.), davon nach andern Anstalten öbcrföhrt 107 (51 M. 46 Fr.).
Gestorben 111 (63 M. 48 Fr.) = 6,86% der Verpflegten, 9,8% des Durchschnitts¬
bestandes (im Vorjahre 6,3% und 9,2%). Auf je 100 Paralytische des Durchschnitts-
Zeitschrift för Psyohatrie. LXXII. Lit.
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Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
bestandes 38,9, des Gesamtbestandes 26,7 Todesfälle (im Vorjahre 32,9 des Durch-
schn.-Best.), Nichtparalytische 6,7 (6,8) bzw. 4,4%. Auf Tuberkulose treffen
16,3°/« der Sterbefälle (20,6% üb Vorjahre). Gesamtausgabe: 1397 351,19 M.
inkl. 312 416,29 M. für gemeinsamen techn. Betrieb der Anstalten Haar und Eglfing.
Haar (86): Anfangsbestand 384 (197 M. 186 Fr. 1 K.). Zugang 421 (201 M.
163 Fr. 34 Kn. 33 Md .). Abgang 269 (127 M. 88 Fr. 20 Kn. 24 Md.). Bleibt Bestand
646 (271 M. 251 Fr. 16 Kn. 9 Md.). Knaben und Mädchen unter 16 Jahren fanden
Aufnahme im Kinderhause. Vom Zugang litten an einfacher Seelenstörung 236
(106 m. 132 w.), paralytischer Seelenstörung 68 (42 m. 16 w.), Seelenstörung mit
Epilepsie und Hysteroepilepsie 20 (14 m. 6 w.), Imbezillität, Idiotie, Kretinismus
71 (41 m. 30 w.), Delir, potat. 36 (33 M. 2 Fr.); nicht geisteskrank 2 M. Zur Beob¬
achtung eingeliefert 3 (2 M. 1 Fr.), 2 unter Schutz § 51 RStGB. gestellt. Ent¬
lassen genesen 8 (4 m. 4 w.), gebessert 95 (58 m. 37 w.), ungebessert 103 (64 in.
49 w.), davon nach andern Anstalten überführt 63 (19 M. 12 Fr. 31 Kinder). Ge¬
storben 63 (21 M. 32 Fr.) = 6,6% des Gesamtbestandes (infolge des hohen
Paralytikerstandes), Anteil der Paralytiker an den Todesfällen 64% (!), Tuber¬
kulosesterblichkeit 13%. Gesamtbakteriologische Befunde an Ruhr (Typ Flexner)2,
Typ Y 5, Paratyphus B 13, Typhus 2; alles mit gutartigem Verlauf. Gesamt¬
ausgabe: 613 421,60 M.
Gabersee (83): Anfangsbestand 831 (443 M. 388 Fr.). Zugang 229 (114 M.
116 Fr.). Abgang 207 (103 M. 104 Fr.). Bleibt Bestand 853 (464 M. 399 Fr.). Von
den Aufnahmen 46 aus der Psychiatr. Klinik München, 34 aus Eglfing, Haar und
andern Anstalten, 6 aus Gefängnissen. 41% der M. und 36% Fr. gemäß Art. 80 II
des Polizeistrafgesetzbucbs cingewiesen, 4 M. zur Beobachtung laut § 81 RStPO.
Von 184 erstmals Aufgenommenen litten an einfacher Seelenstörung 77,7% (29,9%
M. 47,8 % Fr.), paralytische Seelenstörung 6,6% (4,3% M. 2,2°/« Fr.), Epilepsie
mit Seelenstörung 3,3% M., Imbezillität 3,3% (2,7% M. 0,6 # 0 Fr.), Alkoholismus
7,6% (7% M. 0,6% Fr.), darunter auch Morphinismus, nicht geisteskrank 3 =
1,6%• Entlassen genesen 40 = 19,3% (6,8% M. 12,6% Fr.), gebessert 84 =
40,6% (19,8%M. 20,8% Fr.), ungehcilt 24 = 11,6% (8,2% M. 3,4% Fr.), davon
nach andern Anstalten überführt 9 M. 3 Fr. Gestorben 66 (28 M. 28 Fr.) = 6,7%
(im Vorjahre 9,8%) des Durchschnittsbestandes, des Gesamtbestandes 5,3% (ün
Vorjahre 7,6%); Mortalität 1913 überhaupt die niedrigste seit mehr als 10 Jahren.
Lungentuberkulosesterblichkeit 16 Fälle, Paralyse 23,2%. Typhuserkrankungen 6
inkl. Pflegepersonal, letal 1. Typhusbazülenträgerinnen 1 Zugang zum Bestand (4)
vom Jahre 1912. Gesamtausgabe: 702 746,75 M.
Kaufbeuren (97): A. Heilanstalt: Anfangsbestand 698 (352 M. 346 Fr.).
Zugang 493 (260 M. 243 Fr.). Abgang mit Ausschluß von 12 Nichtgeisteskranken
388 (189 M. 199 Fr.). Bleibt Bestand 791 (401 M. 390 Fr.). Von den Aufnahmen
litten an einfacher Seelenstörung 342 (144 M. 198 Fr.) = 69,3%, paralytischer 39
(26 M. 13 Fr.) = 7,9%, Seelenstörung mit Epilepsie und Hysterie 39 (17 M. 22 Fr.)
= 7,9%, Imbezillität 26 (19 M. 7 Fr.) = 6,2%, Alkoholismus 34 (31 M. 3 Fr.) =
6,9%; nicht geisteskrank 13 = 2,6 %• Auf Grund $ 81 StPO, zur Beobachtung 26
(24 M. 2 Fr.), davon 13 M. 1 Fr. geisteskrank. 3 M. aus Gefangenenanstalten auf-
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Sn eil, Anstaltswesen und Statistik-
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genommen; als gemeingefährlich auf Grund Art. 80 Abs. II P StGB, eingewiesen 89
(67 M. 22 Fr.). Entlassen sind genesen 73 (29 M. 44 Fr.) = 18,8°/« des Abgangs,
gebessert 160 (77 M. 73 Fr.) = 38,6%, ungeheilt 93 (60M. 43 Fr.) .= 24%, davon 42
in andere Anstalten abgegeben. Zum Durchschnittsbestand (749,4 P.) genesen
9,7 °/*, gebessert20%, ungeheilt 12,4® ». Gestorben sind 72 (33 M. 39 Fr.) = 18,6%
des Abgangs, 9,6% des Durchschnittsbestandes, davon 18 Paralytische = 26%
der Verstorbenen, an Tuberkulose 23,6®/#. Typhus epidemisch vom Oktober bis
Dezember, 2 Todesfälle, 9 Erkrankungsfälle auf 1 Bazillenträgerin zuriickzuffihren.
Beschäftigt durchschnittlich 140 M. 120 Fr.
B. Pflegeanstalt Irsee: Anfangsbestand 269 (126 M. 143 Fr.). Zugang
aus Kaufbeuren 22 (14 M. 8 Fr.). Abgang 21 (16 M. 6 Fr.). Bleibt Bestand 270
(125 M. 146 Fr.). Von den Aufgenommenen litten an einfacher Seelenstörung 10
(7 M. 3 Fr.), paralytischer 6 (2 M. 3 Fr.), Seelenstörung mit Epilepsie, Hysterie
1 M. 1 Fr., Imbezillität 5 (4 M. 1 Fr.). Gebessert entlassen 2 M. Gestorben 13
(9 M. 4 Fr.), davon litten an Paralyse 6 = 46%, an Tuberkulose 1 = 7,7%. Ge¬
samtausgabe Kaufbeuren: 749 900,17; Irsee 238 498,46 M.
Lohr (110): Eröffnet November 1912. Bestand am 1. Januar 1913: 283
(162 M. 121 Fr.), Zugang 180 (96 M. 85 Fr.). Erster Gesamtbestand 463 (267 M.
206 Fr.), davon aus Werneck überführt 360 Kr. Abgang 67 (33 M. 34 Fr.). Bleibt
Jahresschlußbestand 296 (224 M. 172 Fr.). Dauernd überwachungsbedürftig
25—28%, pflegebedürftig, bettlägerig etwa 21%. Verschwindend geringe Zahl
von Alkoholkranken. Beschäftigte M. ca. 60 %, Fr. ca. 42 %. Vom Zugang erkrankt
an einfacher Seelenstörung 160 (82 M. 78 Fr.), paralytischer 3 M. 3 Fr., Seelen¬
störung mit Epilepsie, Hysteroepilepsie 9 (7 M. 2 Fr.), Imbezillität, Idiotie 6 (3 M.
2 Fr.). Zur Beobachtung gerichtseitig eingewiesen 3, davon 2 geisteskrank. Ent¬
lassen genesen 18 (10 M. 8 Fr.), gebessert 5 M. 6 Fr., ungebessert 12 (8 M. 4 Fr.).
Gestorben 26 (10 M. 16 Fr.) = 5,4®/ 0 der Verpflegten, davon im paralytischen,
epileptischen Anfall 3, an Marasmus 2, Krankheiten der Atmungsorgane 7, an
Lungen- und Darmtuberkulose 10 = 40% der Todesfälle (anderwärts 12%!); hohe
Tuberkulosesterblichkeit zurückzuführen auf von Werneck zahlreich übernommene
Fälle von Tuberkulose, die auch dort enorm hohe Sterblichkeit verursacht. Ge¬
samtausgabe: 337 964,80 M. Der Grundbesitz von Lohr betrug zu Beginn des Be¬
richtsjahres 97 ha, davon Anstaltsterrain 18 ha. Bestellte Fläche im 1. Jahre 34 ha.
Bayreuth (65): Anfangsbestand 661 (361 M. 290 Fr.). Zugang 181 (89 M.
92 Fr.). Abgang 168 (83 M. 86 Fr.). Bleibt Bestand 664 (367 M. 297 Fr.). Von
179 neu aufgenommenen Kr. litten an einfacher Seelenstörung 129 (53 M. 76 Fr.),
an paralytischer Seelenstörung 10 (7 M. 3 Fr.), Seelenstörung mit Epilepsie und
Hysteroepilepsie 20 (9 M. 11 Fr.), Imbezillität 8 (6 M. 2 Fr.), Alkoholismus 12 M.
Erblich belastet 38 M. 41 Fr. = 43,7% M. 44,6% Fr. = 44,1 % des Gesamtzugangs.
Alkoholmißbrauch bei 12 M. = 6,6% der Aufnahmen (13,8% der männl. Aufn.).
Zur Beobachtung gerichtseitig zugewiesen 6 M. 1 Fr., in 6 Fällen § 51 RStGB.
zutreffend. Durch polizeilichen Beschluß auf Grund Art. 80 PStGB. eingewiesen
49 (26 M. 23 Fr.); Gesamtsumme der bis Jahresschluß so Eingewiesenen 231 (148 M.
83 Fr.). Entlassen genesen 14 (3 M. 11 Fr. )= 8,4%, gebessert 61 (37 M. 24 Fr.) =
v*
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Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
36,7%. ungeheilt 36 (18 M. 18 Fr.) = 21,7%, davon 11 M. 12 Fr. nach andern An¬
stalten überführt. Gestorben 55 (23 M. 32 Fr.) = 33,1% des Abgangs, davon an
Tuberkulose 5 M. 7 Fr. = 21,8% gegen 18,6% im Vorjahre. Durchschnittlicher
Anstaltsaufenthalt der Verstorbenen 10 Jahre 10 Monate. Gesamtausgabe
639 514,46 M.
Kutzenberg (103): Anfangsbestand 1913: 281 (152 M. 129 Fr.). Zugang
131 (68 M. 63 Fr.). Abgang 139 (65 M. 74 Fr.). Bleibt Bestand 273 (156 M. 118 Fr.).
Vom Zugang litten an einfacher Seelenstörung 36,64% M. 37,42% Fr., para¬
lytischer 5,34%, M. 1,63% Fr., Epilepsie, Hysteroepilepsie 3,05% M. 6,1% Fr.,
Imbezillität, Idiotie 3,82% M. 0,76% Fr., Delirium potat. 3,05% M. 0,76% Fr.;
nicht geisteskrank 2 Fr. Als gemeingefährlich eingewiesen 18,32% der Aufnahmen.
Zur Beobachtung seitens Versicherungsanstalten und zur Durchführung des
Heilverfahrens aufgenommen je 3 Kr. Entlassen genesen 27, gebessert 62, unge¬
heilt 10. Gestorben 40 - 9,7% des Gesamtbestandes, darunter 5 Paralysen im
Endstadium und 7 Altersschwäche. An Lungen- und Darmtuberkulose gestorben
5 = 12,5 % der Verstorbenen. An der Alkoholabstinenz wurde festgehalten. Be¬
schäftigt vom Durchschnittsbestände (280) 70—80 M., 40—60 W. — Anbaufähige
Fläche des Anstaltsgutes 76,66 ha. Gesamtausgabe: 252 393,02 M.
Homburg, Pfalz (94): Anfangsbestand 601 (291 M. 310 Fr.). Zugang 214
(137 M. 77 Fr.), davon aus Klingenmünster 26 M. Abgang 168 (87 M. 71 Fr.).
Bleibt Bestand 657 (341 M. 316 Fr.). Unter dem Zugang Erstaufnahmen 72 M.
61 Fr. Vom Zugang litten an einfacher Seelenstörung 98 M. (71,6%) 69 Fr. (89,6%),
Paralyse 11 M. (8%) 1 Fr- (1,3%), Seelenstörung mit Epilepsie 9 M. (6,6% 6 Fr.
(6,6%), Imbezillität 7 M. (5,1%) 2 Fr. (2,6%), Delirium 4 M. (2,9%); nicht geistes¬
krank 8 M. Zur Beobachtung gemäß § 81 StPO, aufgenommen 12 M., davon geistes¬
krank 3. Eingewiesen gemäß Art. 80 II P StGB. 27 (23 M. 4 Fr.). Von Ent¬
lassenen wieder aufgenommen 65 M. 26 Fr. Entlassen geheilt 10, gebessert 64, un¬
geheilt 33. Gestorben 51 = 6,2% des Gesamtbestandes (M. 6,07% Fr. 6.46%),
davon starben an Tuberkulose 6, Paralyse 5. Im Tuberkulosehaus verpflegt 12 M.
20—25 Fr. Erstmalig Typhusschutzimpfung vorgenommen an 7 Pflegern und
46 Kr. der Männerabt., 3 Pflegerinnen und 42 Kr. der Frauenabt. Eine Typhus¬
bazillenträgerin inzwischen nach anderer Anstalt überführt, keine Typhuserkran¬
kung. Arbeitsbeschäftigung mit täglich durchschnittlich 86 M. (im Vorjahre 66),
60—60 w. Kr.
Stetten (139): Gesamtzahl der Verpflegten 684 (362 m. 222 w.). Abt. für
Schwachsinnige: Bestand 300(209 m.91w.) mit Zugang von 37 (31 unter 16 Jahren).
Erbliche Belastung des Zugangs bei rund 65%, Trunksucht der Erzeuger 27%; als
sonstige Krankheitsursachen angegeben: englische Krankheit, Zahnkrämpfe, Hirn¬
entzündung, Scharlach. Kein Schulbesuch möglich bei 29% des Zugangs, Abgang
36 (25 m. 11 w.), davon gebessert 13. Gestorben 11, davon an Lungentuberkulose 4
— Abt. Epileptische: Bestand 279 (150 m. 129 w.). Zugang 57 (36 m. 21 w.),
darunter unter 16 Jahren 25. Vom Zugang erblich belastet 54%, Trunksucht der
Erzeuger 16%; als Krankheitsursache angegeben Kopfverletzung bei 12%, Hirn¬
entzündung 10%, psychische Einflüsse 5%, mehrere ursächliche Einflüsse bei 19%.
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Snell, Anstaltswesen und Statistik.
303 *
Krankheitsdaner in 4 Fällen ‘/* Jahr» in 20 Fällen = 36% 10 und mehr Jahre.
Von 26 noch nicht 16jährigen bildungsfähig 8. Abgang 61 (28 m. 23 w.), davon ge¬
bessert 18. Gestorben 13 (7 m. 6 w.), davon 4 im Status epilepticus. — Versuche
mit Sedobrol bei 12 w. Epileptischen ergaben günstige Erfolge. Besserung der
Anfälle 81%. der Schwindelanfälle 63%. Durchforschung von 1600 Kranken¬
geschichten ergab, daß 34% aller Epilepsien auf die ersten 4 Lebensjahre entfallen.
Gesamtausgabe: 379 667,46 M.
Mariaberg (111): Verpflegt wurden 184 Zöglinge m. u. w. in der Heilanstalt
für Zöglinge von 16—18 Jahren, in der Bewahranstalt für Bildungsunfähige und
in der Beschäftigungsabteilung für ältere Zögl. Gesamtausgabe 98 002,69 M.,
davon 22 609,37 M. Gehalt und Löhne.
In den niederösterreichischen Anstalten (117) „Am Steinhof“,
Mauer-Öhling, Ybbs, Klosterneuburg und Gugging mit der Landeskolonie
Haschhof war im Berichtsjahre der Anfangsbestand 7440 (6733 Geisteskranke,
1707 Kolonisten bzw. Geistessieche). Zugang 3789 (3696 u. 94). Abgang 3632
(3234 u. 298). Bleibt Bestand 7697 (6194 u. 1603); mehr gegen das Vorjahr 267.
Ende des Berichtsjahres vorhanden eine Überbelegung von 1711 P. gegen 1840
im Vorjahre und nach Abrechnung der außerhalb verpflegten Familienpfleglingo
1461 P. Unter den Aufnahmen der Geisteskranken litten an Dementia 26,33 °/*
(im Vorjahre 23,31%)» Paralytiker waren 14,1 % (14,66%), Alkoholiker 9,93
(13,32 %), an primärer Verrücktheit erkrankt 9,07% (8.19%)» Amentia 7,5 %
(6,93%), Melancholie 6,74% (4,95%), Epileptiker 6,76% (6,51%), Imbezille
5,71 % (6,96 %); akut einsetzende Psychosen (Tollheit, Verwirrtheit, Selbstanklage¬
wahn) mit 16,76% (14,39%). Paralyse hat ein um 0,66% günstigeres Verhältnis
als im Vorjahre; Zahl der Alkoholiker gegen das Vorjahr gesunken um 3,32%.
Unter den Aufnahmen der Kolonisten und Geistessichen Imbezille mit 37,23%,
Idioten 25,53 %, Epileptiker 22,34%, sekundäre Dementia 11,72%, Hysterie,
Neurasthenie, Geistesstörung mit Herderkrankung mit je 1,06%. Vom Gesamt¬
verpflegungsbestand (9428 Kr.) geheilt entlassen 874 (573 M. 301 Fr.) = 9,26%
gegen 8,96 % im Vorjahre. Gesamtheilprozent um 0,3% günstiger als im Vorjahre.
Alkoholiker geheilt entlassen 34,89%. — Gestorben an Geisteskrankheiten 797
(471 M. 326 Fr.) = 8,44% der Verpflegten; von den Kolonisten und Geistessiechen
163 (92 M. 61 Fr.) = 8,6%. Gesamtsterblichkeit 8,48% des Gesamtverpflegten-
bestandes (11 229 Pers.). An Paralyse starben von den verstorbenen Geistes¬
kranken 36,89%, von den Kolonisten und Siechen 33,99%; infolge Tuberkulose
starben 138 (63 M. 76 Fr.). Tuberkuloseerkrankungen 2,26%. — In Familien¬
pflege befanden sich zum Schluß des Jahres 260 gegen 268 im Vorjahre.
In den Anstalten zur Pflege und Erziehung schwachsinniger Kinder waren
untergebracht 752 (im Vorjahre 729); Zuwachs also 23. An Idiotie litten 15,52%,
an hochgradigem Schwachsinn 38,68%, Schwachsinn mittleren Grades 39,31%
niederen Grades 6,49%.
Niedernhart in Linz (116): Anfangsbestand 869 (387 M. 472 Fr.). Zugang
436 (224 M. 212 Fr.). Abgang 380 (202 M. 178 Fr.). Bleibt Bestand 916
(409 M. 606 Fr.). Vom Zugang litten an angeborenen Erkrankungsursachen mit
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304 *
Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
übertragener organischer Anlage 98 (60 M. 38 Fr.), Gehirnanomalien 3 (2 M. 1 Fr.),
an erworbenen Ursachen aus der Entwicklungszeit 17 (12 M. 5 Fr.), spätere Ur¬
sachen, darunter Affekte 23 (6 M. 17 Fr.), Syphilis 41 (32 M. 9 Fr.), Kopftrauma
11 (10 M. 1 Fr.), Involution 17 (6 M. 11 Fr.), Alkoholmißbrauch 25 (24 M. 1 Fr.).
Erbliche Belastung durch Geisteskrankheit von Vater- und Mutterseite bei 66
(29 M. 37 Fr.), durch Trunksucht bei 23 (12 M. 11 Fr.). Aus Strafanstalten aufge¬
nommen 29. Krankheitsdauer vor der Aufnahme bis 1 Monat bei 89 (42 M. 47 Fr.),
2 Monate 41 (17 M. 24 Fr.), 3 Monate 43 (17 M. 26 Fr.), 6 Monate 39 (27 M.
12 Fr.), 1 Jahr 54 (31 M. 23 Fr.), 2 Jahre 35 (20 M. 15 Fr.), mehr als 2 Jahre 129
(65 M. 64 Fr.). Entlassen geheilt 51 (17 M. 34 Fr.), nicht geisteskrank 6 (5 M.
1 Fr.), in andere Anstalten abgegeben 17 (9 M. 8 Fr.), sonstige Entlassungen 208
(112 M. 96 Fr.). Gestorben 104 (64 M. 40 Fr.), darunter infolge Paralyse 32
(26 M. 6 Fr.), Epilepsie 6 (5 M. 1 Fr.), Degeneratio cordis 18 (11 M. 7 Fr.), Lungen¬
schwindsucht 16 (5 M. 11 Fr.). Gesamtausgabe: 701468,65 K.
Kremsier (100): Anfangsbestand 1192 (676 M. 617 Fr.). Zugang 729 (401 M.
328 Fr.). Abgang 662 (313 M. 249 Fr.). Bleibt Bestand 1359 (763 M. 596 Fr.).
(Aus andern Anstalten eingeliefert 233 Kr., nach solchen verbracht 3 Fr.) Vom
Zugang litten an Idiotie 19 (14 M. 6 Fr.), Imbezillität 36 (32 M. 4 Fr.), Melancholie
24 (7 M. 17 Fr.), Manie 11 (5 M. 6 Fr.), Amentia 110 (33 M. 77 Fr.), Paranoia
34 (17 M. 17 Fr.), Psychosis periodica 28 (4 M. 24 Fr.), Dementia 198 (98 M. 100 Fr.),
Paralysis progressiva 51 (37 M. 14 Fr.), Epilepsie mit Seelenstörung 61 (27 M.
34 Fr.), Hysterie 12 (4 M. 8 Fr.), Neurasthenie 20 (11M. 9 Fr.). Psychosis u. Cerebro-
pathia circumscripta 15 (14 M. 1 Fr.), Alkoholismus 98 (87 M. 11 Fr.); zur Beob¬
achtung 12 (11 M. 1 Fr.). Aus Straf-Untersuchungs- und Korrektionshaft aufge¬
nommen 26 M. 3 Fr. Erblich belastet vom Zugang 438 (264 M. 174 Fr.), durch
Trunksucht des Vaters 192 (120 M. 72 Fr.), der Mutter 27 (15 M. 12 Fr.). Alkohol¬
mißbrauch bei 146 (130 M. 16 Fr.). Erkrankung vor der Aufnahme bis zu 14 Tagen
bei 192 (116 M. 76 Fr.), bis 1 Monat 59 (26 M. 33 Fr.) bis 3 Monate 77 (44M. 33 Fr.),
6 Monate 47 (23 M. 24 Fr.), bis zu 1 Jahr 53 (26 M. 27 Fr.), 2 Jahren 39 (16 M.
23 Fr.), über 2 Jahre 262 (150 M. 112 Fr.). Geheilt entlassen 6,76% des Gesamt¬
bestandes. Gestorben 220 (123 M. 97 Fr.) -■ 11,45% des Gesamtbestandes, davon
7 M. in der 1. Woche des Anstaltsaufenthaltes, an Lungenschwindsucht 63 (26 M.
37 Fr.), Marasmus 40 (18 M. 22 Fr.), im epileptischen Anfall 40 (18 M. 22 Fr.), an
Gehimkrankheiten 53 (40 M. 13 Fr.).
Feldhof zu Graz (80): Anfangsbestand 1912: 1735 (853 M. 882 Fr.). Zu¬
gang 651 (321 M. 330 Fr.). Abgang 678 (344 M. 334 Fr.) Bleibt Bestand für
1913: 1708 (830 M. 878 Fr.). Zugang 1913: 723 (381 M. 342 Fr.). Abgang 682
(363 M. 329 Fr.). Schlußbestand 1749 (858 M. 891 Fr.). Vom Zugang 1912 litten
an angeborenen Psychosen 41 (19 M. 26 Fr.), an einfacher Geistesstörung 381 (176 M.
203 Fr.), an komplizierter 175 (85 M. 90 Fr.), darunter progressive Paralyse bei 99
(63 M. 36 Fr.), Epilepsie 28 (13 M. 16 Fr.), an Alkoholismus 31 (27 M. 4 Fr.); ohne
Geistesstörung und zur Beobachtung je 1 Fr.; aus andern Anstalten kamen 23
(10 M. 13 Fr.), aus Straf- und Untersuchungshaft 22 (18 M. 4 Fr.). Erbliche
Belastung bei 46,42 % M. und 53,64% Fr. der Aufnahmen. Alkoholmißbraucb bei
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Sn eil, Anstaltswesen and Statistik.
305 *
71, Trunksucht in der Aszendenz bei 102, ätiologisches Moment des Alkohols über¬
haupt bei 26,57%; Syphilis bei 73,85% der paralytischen M. u. 22,22% Fr. Ent¬
lassen als genesen 45 (14 M. 31 Fr.), gebessert 203 (113 M. 90 Fr.) = 38,09% der
Gesamtaufnahmen, ungeheilt 148 (67 M. 81 Fr.), davon nach andern Anstalten
50 (24 M. 26 Fr.). Gestorben sind 282 (160 M. 132 Fr.) = 11,82% der Verpflegten
gegen 9,95% u-11% den beiden Vorjahren. Vom Zugang 1913 litten an Idiotie
Imbezillität 45 (31 M. 15 Fr.), an einfachen Geistesstörungen 387 (169 M. 218 Fr.)
komplizierten 204 (120M. 84 Fr.), davon an Paralyse 110 (72 M. 38 Fr.), Epilepsie,
44 (31 M. 13 Fr.), an Alkoholismus 49 (44 M. 5 Fr.); nicht geisteskrank 2 Fr.; aus
andern Anstalten kamen 36 (15 M. 21 Fr.), aus Straf- und Untersuchungshaft 24
(22 M. 2 Fr.). Erbliche Belastung unter den Neuaufnahmen bei M. 48,29%, Fr.
55,26 %. Ind. Alkoholmißbrauch und Trunksucht in der Aszendenz ursächlich
in 232 Fällen = 32,09%. Syphilis ätiologisches Moment bei 91,03% der paralyti¬
schen M., 30,76% Fr. Entlassen genesen 5,67% der Aufnahmen, genesen und
gebessert 40,52%, ungeheilt in andere Anstalten 29 (11 M. 18 Fr.), sonst ungeheilt
entlassen 80 (43 M. 37 Fr.). Gestorben sind 280 (163 M. 117 Fr.) = 11,52% der
Verpflegten gegen 11% und 11,82% in den beiden Vorjahren. Tuberkulosesterb¬
lichkeit im Verhältnis zur Gesamtsterblichkeit 1912 = 28,37%, 1013 = 30,36%
gegen 26,34% und 26.71% in den Jahren 1910, 1911. Typhus 1912 mit 14, 1913
mit 6 Fällen, davon letal 1912 = 6, 1913 = 3 (1911 = 36 Krankenfälle, 15 letal).
Unter den Patienten einer Frauenabteilung 3 Bazillenausscheider und 5 aggluti-
nante P. eruiert, dauernd im Isolierhause untergebracht. Selbstmorde 1912 = 3,
1913 = 2 Fälle. Hochgradige Überfiillung der Anstalt.
In Schwanberg Anfangsbestand 1912: 204 (104 M. 100 Fr.). Schlu߬
bestand ult. 1913 = 206 (104 M. 102 Fr.). Davon behaftet mit Idiotie, Imbezilli¬
tät 51 (21 M. 30 Fr.), Paranoia 61 (31 M. 30 Fr.), erworbenem Blödsinn 71 (40 M.
31 Fr.), Epilepsie 16 (7 M. 9 Fr.). Entlassen 4 bzw. 9, gestorben 1912 = 9 (2 M.
7 Fr.), 1913 = 18 (7 M. 11 Fr.), darunter Marasmus mit 3 und 6 Fällen,
Tuberkulose 2 und 4. Gesamtaufwand für Feldhof 1912: 1310 579,41 Kr.,
1913: 1 273 302,47 Kr.
Hall (87): Anfangsbestand 1912: 592 (378 M. 214 Fr.). Zugang 381 (205 M.
176 Fr.). Abgang 367 (187 M. 170 Fr.). Bleibt Bestand für 1913: 616 (396 M.
220 Fr.); Zugang 1913: 354 (200 M. 154 Fr.). Abgang 343 (196 M. 147 Fr.). Bleibt
Schlußbestand Ende 1913: 627 (400 M. 227 Fr.). Vom Zugang 1912 litten an
Idiotie, Imbezillität 37 (24 M. 13 Fr.), an einfacher Geistesstörung 93 (26 M. 68 Fr.)
an erworbenem Blödsinn 159 (90 M. 69 Fr.), Paralyse 22 (18 M. 4 Fr.), Epilepsie
19 (15 M. 4 Fr.), Hysterie und Neurasthenie 7 Fr., Alkoholismus 37 (31 M. 6 Fr.);
vom Zugang 1913 an Idiotie, Imbezillität 26 (13 M. 13 Fr.), einfacher Geistes¬
störung 87 (43 M. 54 Fr.), erworbenem Blödsinn 139 (77 M. 62 Fr.), Paralyse 26
(17 M. 9 Fr.), Epilepsie 19 (14 M. 6 Fr.), Hysterie, Neurasthenie 18 (14 M. 4 Fr.),
Alkoholismus 26 (20 M. 6 Fr.). Im Jahre 1912 kamen aus andern Anstalten 13,
aus Haft 11; 1913: 13 bzw. 3. Erbliche Belastung im allgemeinen 1912 bei 94
(43 M. 61 Fr.), 1913 bei 76 (28 M. 48 Fr.); Alkohol ursächlich 1912 bei
72 (66 M. 7 Fr.), Syphilis 19 (14 M. 5 Fr.); 1913 bei 76 (70 M. 6 Fr.)
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306 * Bericht über die psychiatrische Literatur 1914-
bzw. 28 (18 M. 10 Fr.). Alkohol als erblich belastendes Moment 1912 bei
11,1%. auslösendes Moment 18,4%, im ganzen unter Alkoholbeeinflussung
39,1% des Verpflegungsbestandes; 1913: 9,7%. 17.4% bzw. 38,2%. Das
frühere Verhältnis der Paralytiker: 4%. und des Alkoholismus; 8% gegenüber
der Verpflegungszahl hat sich nicht geändert. Entlassen geheilt 1912: 7 (5 M.
2 Fr.), gebessert und ungebessert 276 (142 M. 134 Fr.), in andere Anstalten 8 (6 M.
3 Fr.); 1913 geheilt entlassen 6 M., gebessert und ungebessert 262 (163 M. 109 Fr.),
in andere Anstalten 6 (5 M. 1 Fr.). Gestorben 1912 : 66 (35 M. 31 Fr.), 1913: 70
(33 M. 37 Fr.), davon 1912 infolge Tuberkulose 9 bei 17 Tuberkuloseerkrankungen,
1913: 21 Tuberkuloseerkrankungen mit 6 Todesfällen. Die Überfüllung (auf der
Männerseite 25—30%) verschuldet bedeutende Übelstände.
Bernische kantonale Anstalten (146): Waldau; Anfangsbestand 686 (330 M.
356 Fr.). Zugang 252 (119 M. 133 Fr.). Abgang 136 (65 M. 71 Fr.). Bleibt Bestand
802 (384 M. 418 Fr.). Krankheitsformen der Aufgenommenen: angeborene Störun¬
gen (Blödsinn, Schwachsinn) bei 6 (3 M. 2 Fr.), konstitutionelle Störungen 7 (2 M.
6 Fr.), erworbene einfache Störungen 189 (78 M. 111 Fr.), darunter Verblödungs¬
formen (Dementia praecox, Dem. paranoides, Katatonie) 161 (75 M. 86 Fr.), para¬
lytische, senile, organische Störungen 33 (21 M. 12 Fr.), darunter progressive Para¬
lyse mit 13 (9 M. 4 Fr.). Epilepsie mit und ohne Seelenstörung 7 (6 M. 2 Fr.), In¬
toxikationspsychosen 10 M., darunter Ale. chron., Delirium tremens 8 M. Nicht
geisteskrank 1 Fr. Gerichtlich begutachtet 10 (6 M. 4 Fr.), sämtlich geisteskrank
oder minderwertig. Entlassen genesen 11 (6 M. 6 Fr.) = 1,17% des Gesamtbe¬
standes. Gestorben 37 (17 M. 20 Fr.) = 3,94% des Gesamtbestandes, darunter
Tuberkulose in 14 Fällen. Gesamtausgabe 714 966,26 Fr.
Münsingen, Anfangsbestand 826 (400 M. 426 Fr.). Zugang 135 (66 M.
69 Fr.). Abgang 120 (60 M. 60 Fr.). Bleibt Bestand 841 (406 M. 435 Fr.), davon
in Familienpflege 43 (16 M. 27 Fr.). Krankheitsformen der Aufgenommenen: an¬
geborene Störungen (Schwachsinn, Blödsinn) bei 4 (3 M. 1 Fr.), konstitutionelle
Störungen 18 (9 M. 9 Fr.), erworbene einfache 82 (38 M. 44 Fr.), organische 11
(6 M. 6 Fr.), Epilepsie mit und ohne Seelenstörung 4 (2 M. 2 Fr.), alkoholische
Störungen 3 M. Nicht geisteskrank (Gerichtsfälle und Neurosen) 13 (6 M. 7 Fr.).
Erbliche Belastung der Aufgenommenen 50,4 %• Gerichtlich begutachtet 16, davon
geisteskrank und minderwertig 14. Entlassen genesen oder wesentlich gebessert 50
(21 M. 29 Fr.) = 6,2% der Verpflegten. Gestorben 39 (16 M. 23 Fr.) = 4% der
Verpflegten; tuberkulösen Affektionen erlagen 12 (3 M. 9 Fr.), Paralytische starben
6, Senile 10. Gesamtausgabe 704 425,35 Fr.
Bellelay: Anfangsbestand 328 (134 M. 194 Fr.). Zugang 18 (6 M. 13 Fr.),
Abgang 15 (6 M. 9 Fr.). Bleibt Bestand 331 (133 M. 198 Fr.). Krankheitsformen
der Aufgenommenen: angeborene Störungen bei 6 (2 M. 3 Fr.), konstitutionelle 6
(1 M. 4 Fr.), erworbene einfache 2 Fr., organische 1 M. 2 Fr., epileptische 1 M. 2 Fr.
Entlassen geheilt und gebessert 3. Gestorben 11 (5 M. 6 Fr.) = 3,18% der Ver¬
pflegten, davon an Marasmus senilis, Lungenentzündung je 2, Herzleiden 3, Status
epil. 1 Fr. 1 Selbstmord (zweiter seit Bestehen der Anstalt). Gesamtausgabe
267 545,38 Fr.
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Sn eil, Anstaltswesen und Statistik.
307 *
Waldhaus (147): Anfangsbestand 302 (168 M. 144 Fr.). Zugang 68 (32 M.
26 Fr.). Abgang 62 (29 M. 23 Fr.). Bleibt Bestand 308 (161 M. 147 Fr.). Vom
Zugang litten an angeborenen Störungen, Idiotie 6 (3 M. 2 Fr.), einfachen erworbe¬
nen Psychosen 34 (16 M. 19 Fr.), paralytisch-senil-organischen Störungen 6 (4 M.
2 Fr.), Epilepsie 1 Fr., Intoxikationspsychosen 9 (7 M. 2 Fr.); nicht geisteskrank
3 M. Zur Beobachtung 13, davon 8 gerichtlich eingewiesen; 3 Fälle davon ohne
nachweisl. Geistesstörung. 26 der frischen Aufnahmen (43) erblich veranlagt.
Entlassen geheilt 10 (6 M. 4 Fr.), gebessert 16 (7 M. 8 Fr.), ungeheilt 33 (7 M.
6 Fr.). Verhältnis der Genesenen zum Abgang 20%. der Verpflegten 2,8%• Ge¬
storben 12 (7 M. 6 Fr.) = 23°/, der Entlassenen, 3,3% des Gesamtbestandes. Todes¬
ursachen bei 2 Apoplexia cerebri, Hirntuberkulose, allg. Atheromatose, im epilept.
Anfall je 1. Gesamtausgabe: 65 273,30 Fr. •
Burghölzli (72): Anfangsbestand 402 (203 M. 199 Fr.). Zugang 578 (362 M.
266 Fr.). Abgang 584 (362 M. 232 Fr.). Bleibt Bestand 396 (203 M. 193 Fr.);
im Vorjahre Anfangsbestand 147. Zugang 637. Abgang 662. Diagnosen der frischen
Aufnahmen 1913 = 486 (302 M. 184 Fr.): angeborene Psychosen bei 20 (13 M.
7 Fr.), konstitutionelle Psychosen 26 (12 M. 14 Fr.), manisch-depressive Formen 20
(11M. 9 Fr.), Verblödungsformen 184 (86 M. 98 Fr.), andere erworbene idiopathische
Psychosen 15 (5 M. 10 Fr.); organische Störungen 80 (66 M. 25 Fr.), davon pro¬
gressive Paralyse 32 (23 M. 9 Fr.); epileptische Störungen 23 (14 M. 9 Fr.); In-
toxikationspsychdsen 106 (96 M. 11 Fr.), davon reiner Alcoholismus chron. 43
(36 M. 7 Fr.), Delirium tremens 39 M.; nicht geisteskrank 12 (11 M. 1 Fr.). Ent¬
lassen geheilt 42 (34 M. 8 Fr.), im Vorjahre 33; gebessert 260 (148 M. 102 Fr.), im
Vorjahre 252; ungeheilt 217 (128 M. 89 Fr.), davon nach andern Anstalten über¬
führt 206 (123 M. 82 Fr.); im Vorjahre ungeheilt entlassen 199. Verhältnis der Ge¬
heilten und Gebesserten zum Gesamtabgang 60% (im Vorjahre 61,6%)- Ge¬
storben 62 (30 M. 32 Fr.), davon an Hirnkrankheiten 30 (16 M. 14 Fr.), an allg.
Tuberkulose 4 (2 M. 2 Fr.); im Vorjahre gestorben 49. Abgegebene Gutachten
inkl. Po liklinik 108 (Vorj. 124), davon strafrechtlicher Natur 36 (Vorj. 67). Bett¬
gurte angewandt bei 3 M. 4 Fr., Segelstoffkleider, Zellenhandschuhe (6 M. 7 Fr.)
mehrfach. Regelmäßig oder teilweise beschäftigt 71% der M. 88% der Fr. (Vorj.
73%, 86%). Die Psychiatrische Klinik wurde aufgesucht von 317 (177 M. 140 Fr.).
Gesamtausgabe: 752 602,43 Fr.
Ellikon (79): Anfangsbestand 33 Pfl. Aufnahmen 46. Entlassungen 47.
Bleibt Bestand 31. An chron. Alkoholismus litten 20, kompliziert mit Delir, tremens
6, Psychopathie 2, Willens- und Charakterschwäche 4, Debilität 2, Kokainismus 1,
Dipsomanie 2, Alkoholepilepsie 1; Trunksucht bei moral. Defekt, Debilität je 1,
Psychopathie 2, einfache IVunksucht 3. Erblichkeit angegeben bei 21, Vater
Trinker 17. Dauer des Aufenthalts 12 Monate bei 18, 11 Monate bei 5, 10 Monate
1, 9 Monate 4, 8 Monate 1. Kur vorschriftsmäßig bestanden von 29 Pfleg]., davon
abstinent geblieben 75,9% rückfällig 13,8%» fraglich 10,3 %. Von 291 Ausge¬
tretenen (103 außer Berechnung, gestorben 12) sind noch abstinent 44,9% rück¬
fällig 39,8 %» unbekannt 16,3%.
Friedmatt (82): Anfangsbestand 1913: 292 (136 M. 166 Fr.). Zugang 230
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308 *
Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
(130 M. 100 Fr.). Abgang 223 (120 M. 103 Fr.). Bleibt Bestand 299 (146 M.
153 Fr.). Zugang 1914:184 (107 m. 78 Fr.). Abgang 202 (123 M. 81 Fr.). Bleibt
Schlußbestand 1914: 280 (130 M. 150 Fr.). Vom Zugang 1913 litten an ange¬
borenen Psychosen 12 (7 M. 5 Fr.), an erworbenen einfachen Psychosen 99 (37 M.
62 Fr.), konstitutionellen 31 (24 M. 7 Fr.), epileptischen 6 (3 M. 2 Fr.), hysterischen
und neurasthenischen Formen 4 Fr., Chorea 1 Fr., organischen Formen 7 (6 M.
1 Fr.), paralytischen 23 (19 M. 4 Fr.), senilen Formen 19 (9 M. 10 Fr.), Alkoholis¬
mus 28 (24 M. 4 Fr.); nicht geisteskrank 1 M. Krankheitsformen des Zugangs
1914: angeborene Psychosen (Idiotie und Imbezillität) bei 11 (6 M. 5 Fr.), erworbene
einfache Formen 72 (22 M. 51 Fr.); konstitutionelle 33 (27 M. 6 Fr.); epileptische
13 (6 M. 7 Fr.); organische 4 M., paralytische 17 (14 M. 3 Fr.) und senile Formen
13 (7 M. 6 Fr.); Alkoholismus 21 M. Krankheitsdauer vor Aufnahme 1914 bis
1 Monat 38 (24 M. 14 Fr.), 1913: 54 (31 M. 23 Fr.), 2—3 Monate 11 (6 M. 6 Fr.),
1913: 12 (6 M. 6 Fr.), 4-6 Monate 4 (2 M. 2 Fr.), 1913: 10 (5 M. 6 Fr.),
7—12 Monate 14 (4 M. 10 Fr.), 1913: 6 (4 M. 2 Fr.), 1—2 Jahre 7 (4 M. 3 Fr.),
1913: 8 (6 M. 2 Fr.), mehr als 2 Jahre 23 (11 M. 12 Fr.), 1913: 31 (14 M. 17 Fr.),
unbekannte Dauer 42 (33 M. 9 Fr.), 1913: 44 (29 M. 15 Fr.). Direkte Erblichkeit
anzunehmen 1914 bei 39, 1913 bei 59; indirekt und atavistisch 1914 bei 29, 1913
bei 30; Familienanlage 1914 bei 39, 1913 bei 31, Blutsverwandtschaft 1914 bei 2.
Entlassen 1914 als geheilt 26 (18 M. 8 Fr.), gebessert 70 (34 M. 36 Fr.), ungebessert
87 (67 M. 30 Fr.); 1913 geheüt 24 (15 M. 9 Fr.), gebessert 60 (26 M. 26 Fr.), un¬
gebessert 114 (67 M. 47 Fr.). Gestorben sind 1914: 21 (14 M. 7 Fr.), 1913: 34
(22 M. 1 Fr.), davon Todesfälle vom Nervensystem aus 1914: 16 (12 M. 3 Fr.),
1913:13 (4 M. 9 Fr.), infolge Tuberkulose 1914 u. 1913 je 3 (2 M. 1 Fr.). Gesamt¬
ausgabe 1913 : 403 561,17 Fr., 1914: 403 343,02 Fr.
Sonnenhalde, Riehen (136): Anfangsbestand 37 weibl. Pfl. Zugang 109.
Abgang 115 (davon nach staatl. Heilanstalten und Privatanstalten für Geistes¬
kranke 10). Gesamtzahl der Verpflegten 146. Krankenstand im Jahresmittel 38.
An allgemeiner Psychopathie litten 9, Hysterie 3, manisch-depressive Formen
zeigten 37, Formen der Dementia praecox 63, 3 litten an Zwangsideen, 2 an seniler
Demenz, 1 Alkoholpsychose. Von den Ausgetretenen waren 106 erblich belastet.
Vollständig geheilt 4, rekonvaleszent entlassen 4, in hohem Grade gebessert 12,
gebessert 50, ungebessert 40. Gestorben 4. Schlußbestand 31 Kr. Gesamtaus¬
gabe 104,271,46 Fr.
Rosegg (129): Anfangsbestand 320 (179 M. 141 Fr.). Zugang 77 (40 M.
37 Fr.). Abgang 50 (28 M. 22 Fr.). Bleibt Bestand 347 (191 M. 166 Fr.). Vom
Zugang litten an angeborener Geistesstörung 7 (5 M. 2 Fr.), an erworbener ein¬
facher 45 (21 M. 24 Fr.), epileptischer 2 (1 M. 1 Fr.), paralytischer 6 (2 M. 3 Fr.),
seniler 7 (1 M. 6 Fr.), alkoholischer Geistesstörung 10 (9 M. 1 Fr.); nicht geistes¬
krank 1 M. Erblich belastet zu Geistesstörung 42 (24 M. 18 Fr.) der ersten Auf¬
nahmen. Erkrankungsdauer vor der Aufnahme bis 4 Wochen bei 9 (6 M. 3 Fr.),
2—3 Monate 9 (3 M. 6 Fr.), 4—6 Monate 4 (1 M. 3 Fr.), 7—12 Monate 4 (2 M.
2 Fr.), 1—2 Jahre 9 (4 M. 6 Fr.), mehr als 2 Jahre 21 (15 M. 6 Fr.). Entlassen
geheilt 16 (9 M. 6 Fr.), gebessert 16 (8 M. 8 Fr.), ungeheilt 3 M. Gestorben 16
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Sn eil, Anstaltswesen und Statistik.
309 *
(S M. 8 Fr.), davon 7 Senile, 3 infolge Lungenschwindsucht. Arbeitstätigkeit durch¬
schnittlich 41,6% der M. 70,2% der Fr. Gesamtausgabe: 363 217,87 Fr.
Wil (162): Anfangsbestand 846 (421 M. 426 Fr.). Aufgenommen 372 (212 M.
160 Fr.). Abgang 366 (195 M. 160 Fr.) = 29% der Verpflegten. Bleibt Bestand
863 (438 M. 425 Fr.). Von den ersten Aufnahmen 290 (164 M. 126 Fr.) litten an
angeborenen Störungen 21 (13 M. 9 Fr.), konstitutionellen Störungen 15 (13 M.
2 Fr.), einfachen erworbenen Störungen 71 (21 M. 49 Fr.), erworbenen Störungen
der paralytischen, senilen und organischen Gruppe 70 (32 M. 38 Fr.), erworbenen
Störungen auf Grundlage der Epilepsie 7 (5 M. 2 Fr.), Intoxikationspsychosen 36
(33 M. 2 Fr.), körperlich Kranke und Altersschwache 60 (26 M. 24 Fr.); nicht
geisteskrank 1M. Erblichkeit feststellbar bei 63 % M. und 50 % Fr. der Aufnahmen;
Alkoholmißbrauch bei 60 M. 2 Fr. Mit dem Strafgesetz in Konflikt 61 M. 2 Fr. =
28% und 1,5%; gerichtlich eingewiesen 12 M. 1 Fr., davon 3 straffähig. Entlassen
geheilt 22 (12 M. 10 Fr.), gebessert 122 (68 M. 64 Fr.), ungeheüt 76 (64 M. 22 Fr.),
davon nach andern Anstalten überführt 11M. 9 Fr. Gestorben 134 (60 M. 74 Fr.) =
11% der Verpflegten; 41 Todesfälle entfallen auf Altersschwache und körperlich
Kranke = 18% dieses Bestandes. Von Geisteskranken verstorben 93 (42 M. 51 Fr.)
= 9,3% ihres Bestandes, 44% der der Gruppe paralytische, senile und organische
Psychosen Zugehörigen. Tuberkulosetodesfälle 11. Gesamtausgabe: 575 987,66 Fr.
St. Pirminsberg (140): Anfangsbestand 297 (142 M. 165 Fr.). Auf¬
nahmen 164 (76 M. 68 Fr.). Abgang 133 (66 M. 67 Fr.). Bleibt Bestand 308
(152 M. 166 Fr.). Durchschnittsbestand 1910: 247 P., 1911: 247, 1912 : 282, 1913:
302. Krankheitsformen der Aufgenommenen: angeborene Psychosen 7 (4 M.
2 Fr.), darunter Schwachsinn mit Alkoholismus 2 M., konstitutionelle 5 (4 M.
1 Fr.), mit Alkoholismus 1 M., erworbene einfache Psychosen 113 (52 M. 61 Fr.),
darunter Dementia praecox, paranoides 60 (35 M. 25 Fr.), organische Psychosen 6
(5 M. 1 Fr.), davon Paralyse 4 M., epileptische 2 Fr., Alkohol-Intoxikationspsycho¬
sen 12 (11 M. 1 Fr.); nicht geisteskrank 2 M. Mit dem Strafgesetz in Konflikt ge¬
kommen 11. Erbliche Belastung bei 95 = 82% der Aufnahmen, davon direkt,
von den Eltern her, belastet 72. Geheilt und gebessert entlassen sind 80 (41 M.
39 Fr.), ungeheilt in andere Anstalten versetzt 11 (8 M. 3 Fr.). Verhältnis der Ge¬
nesenen zum Gesamtabgang 23%. zum Gesamtbestand 7%. Gestorben sind 34 =
77a % der Verpflegten, darunter 2 Paralytiker und 16 Epileptische, infolge Tuber¬
kulose starben 10; 1 Selbstmord. Gesamtausgabe: 294 761,11 Fr.
Münsterlingen (112): Anfangsbestand 404 (101 M. 243 Fr.). Zugang 183
(80 M. 103 Fr.). Abgang 176 (79 M. 97 Fr.). Bleibt Bestand 411 (162 M. 249 Fr.).
Krankheitsformen der Aufgenommenen: angeborene Psychosen 12 (3 M. 9 Fr.),
Konstitutionelle 17 (5 M. 12 Fr.), erworbene 99 (39 M. 60 Fr.), darunter Formen
der Dementia praecox mit 76 (33 M. 43 Fr.), organische 23 (9 M. 14 Fr.), davon
Paralyse 10 (3 M. 7 Fr.), epileptische Fsychosen 14 (10 M. 4 Fr.), Intoxikations¬
psychosen 13 (11 M. 2 Fr.), mit 12 Alkoholpsychosen. Nicht geisteskrank 6 M.
2 Fr., davon zur Beobachtung 1 Fr. Krankheitsdauer vor der Aufnahme bei Ent¬
lassenen und Gestorbenen bis 3 Monate bei 46 (11 M. 36 Fr.), bis 6 Monate 23
(9 M. 14 Fr.), bis 1 Jahr 18 (4 M. 14 Fr.), 2 Jahre 17 (12 M. 5 Fr.), über 6 Jahre
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310 *
Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
30 (21 M. 9 Fr.). Entlassen geheilt 15 (9 M. 6 Fr.), gebessert 96 (40 M. 55 Fr.
ungebessert 32 (19 M. 13 Fr.). Gestorben sind 29 (8 M. 21 Fr.) = 4,94*/* der
Verpflegten, 4 M. davon im Endstadium der Paralyse, 4 Fr. infolge Tuberkulose-
Gesamtausgabe: 346 941,23 Fr.
Königsfeltfen (98): Anfangsbestand 804 (363 M. 441 Fr.). Zugang 256
(146 M. 109 Fr.). Abgang 255 (139 M. 116 Fr.). Bleibt Bestand 804 (370 34.
434 Fr.). Von den Aufgenommenen litten an angeborenen geistigen Schwäche¬
zuständen 18 (8 M. 10 Fr.), konstitutionellen originären Formen 20 (13 M. 7 Fr. i.
einfachen erworbenen Störungen 133 (69 M. 64 Fr.), organischen Störungen 33
(12 M. 21 Fr.), epileptischen Störungen 16 (10 M. 6 Fr.), an Intoxikationspsychosen
35 (34 M. 1 Fr.). Zur Beobachtung gerichtseitig eingewiesen 16, davon strai-
fähig 2. Dauer der. Erkrankung vor der Aufnahme 1—3 Monate bei 69, 4—6 Monate
bei 22, 7—12 Monate bei 20, bei 46 Kr. 1—3 Jahre, bei 17 Kr. 3—6, bei 69 Kr.
über 5 Jahre; Dauer unbekannt bei 12. Ursächliches Moment der Erkrankung
Alkohol bei 27,4% der M., 4,6% der w. Aufnahmen. Erblichkeit nachweisbar bei
60%» und zwar bei 16% von Vaterseite, 8% Mutterseite ausschließlich, beide
Eltern 1%, Verwandtschaft 26% Geheilt entlassen 29 = 11,7% gebessert 118 =
46,3 %» unverändert 29 = 11,7% der Aufnahme- und der gleichen Entlassungs-
Ziffer. Gestorben 79 = 30,3%, Mortalität hauptsächlich infolge Influenzaepidemic
hoch (26 melir als im Vorjahre gestorben). 9 Erkrankungen an Typhus, 2 Todes¬
fälle. Eine ChloralVergiftung tödlich. Gesamtausgabe: 510 686,57 Fr.
St. Urban, Luzern (143): Krankenbestand Beginn 1912= 555 (245 M.
310 Fr.). Zugang 1912 = 173 (80 M. 93 Fr.), Zugang 1913 = 169 (73 M. 86 Fr.;.
Abgang 1912 = 163 (76 M. 88 Fr.), 1913 = 161 (74 M. 77 Fr.). Bleibt Schlu߬
bestand 573 (249 M. 324 Fr.). Krankheitsformen der Aufgenommenen: ange¬
borene Störungen 1912 = 4 (2 M. 2 Fr.), 1913 = 2 (1 M. 1 Fr.), konstitutionelle
1912 = 3 M., 1913 = 3 Fr., erworbene einfache 1912 = 121 (46 M. 75 Fr.), 1913 =
118 (61 M. 67 Fr.), paralytisch-senile organische 1912 = 23 (11 M. 12 Fr.), 1913 =
22 (9 M. 13 Fr.), epileptische 1912 = 3 Fr., 1913 = 4 (2 M. 2 Fr.), Intoxikations¬
psychosen 1912 = 18 (17 M. 1 Fr.), 1913 = 10 M. Erblich belastet 1912 = 140
(49 M. 91 Fr.), 1913 = 144 (59 M. 85 Fr.). Alkoholismus ursächlich 1912 bei 21,
1913 bei 20 P. Geheilt entlassen 1912=* 22,31% der heilbar Verpflegten bxw.
3,71% aller Verpflegten; 1913 = 34,61% bzw. 4,97%. Gestorben sind 1912 =
47 (22 M. 26 Fr.) = 6,46% der Verpflegten, 1913 = 47 (22 M. 25 Fr.) = 6,49%
davon an Lungentuberkulose 1912 = 13, 1913 = 4, infolge Paralyse 3 bzw. 2 P.
Pröfargier (122): Anfangsbestand 148 (58 M. 90 Fr.). Zugang 118 (63 M.
65 Fr.). Abgang 108 (49 M. 59 Fr.). Bleibt Bestand 168 (62 M. 96 Fr.). Vom
Zugang litten an Idiotie, Imbezillität 1 M., konstitutionellen Psychosen 7 (4 M.
3 Fr.), einfachen erworbenen Psychosen 80 (29 M. öl Fr.), darunter an Dementia
praecox 18 M. 33 Fr. = 43,2*/, des Gesamtzugangs; an organischen Psychosen 21
(13 M. 8 Fr.), Epilepsie mit Seelenstörung 1 M., alkoholist. Intoxikationspsychoseu
6 (4 M. 2 Fr.); nicht geisteskrank 1 M. Erblichkeit vorliegend bei 76, davon dnreh
Trunksucht der Eltern und Vorfahren bei 34. Krankheitsdauer vor der Auf¬
nahme weniger als 8 Tage bei 13 (7 M. 6 Fr.), 8 Tage bis 1 Monat 14 (7 M. 7 Fr.).
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Sn eil, Anstaltswesen and Statistik.
311 *
1—6 Monate 31 (10 M. 21 Fr.), 6 Monate bis 1 Jahr 22 (7 M. 15 Fr.), 1—6 Jahre
14 (8 M. 6 Fr.), mehr als 6 Jahre 9 (3 M. 6 Fr.), von Kindheit an bei 6 (5 M.
1 Fr.), unbekannt 8 (5 M. 3 Fr.). Entlassen geheilt oder sehr gebessert 23 = 21,3%
des Abgangs, 8,6% des Gesamtbestandes, gebessert 38, ungeheilt 34, davon 12 nach
andern Anstalten überführt. Gestorben 13 (7 M. 6 Fr.) = 12% des Abgangs, 4,8%
des Gesamtbestandes, davon infolge Marasmus 4, Tuberkulose 1. Gesamtausgabe:
224 976,95 Fr.
Cery (73): Anfangsbestand 642 (272 M. 270 Fr.). Zugang 384 (221 M,
163 Fr.). Abgang 397 (224 M. 173 Fr.). Vom Zugang litten an Imbezillität, Idiotie,
Kretinismus 13 (6 M. 8 Fr.), konstitutionellen Psychosen 31 (13 M. 18 Fr.), er¬
worbenen einfachen Psychosen 200 (97 M. 103 Fr.), organischen Psychosen 66
(36 M. 21 Fr.), Epilepsie mit Seelenstörung 9 (7 M. 2 Fr.), Alkoholismus u. a. In¬
toxikationspsychosen 70 (62 M. 8 Fr.), nicht geisteskrank 5 (2 M. 3 Fr.). Bei den
infolge Alkoholismus aufgenommenen fand sich akuter Alkoholismus bei 4 (3 M.
1 Fr.), Delirium tremens 27 M., chronischer Alkoholismus 32 (26 M. 6 Fr.), Korsakoff-
psychose bei 3 (2 M. 1 Fr.). Erblichkeit vorliegend bei 166, davon durch Trunk¬
sucht der Eltern und Vorfahren bei 76. Entlassen geheilt 77 (46 M. 31 Fr.), gebessert
113 (64 M. 49 Fr.), ungeheilt 124 (82 M. 42 Fr.). Gestorben 83 (82 M. 61 Fr.), davon
an Tuberkulose 14, Marasmus 4, Paralyse 1, Typhus 1. Gesamtausgabe: 710129,36
Franken.
Schottland (135): Bestand an Geisteskranken 1. Januar 1914:
Gesamtbestand Private Arme
m.
w.
m.
w.
m.
w.
In Kgl. Anstalten...
3780
1774
2006
1964
882
1082
1816
892
924
„ Distriktsanstalten.
10806
6663
5263
319
128
191 10487
6425
6062
„ Privatanstalten...
71
29
42
71
29
42
—
—
—
„ Gemeindeanstalten
226
126
100
—
—
—
226
126
100
„ Armenhäusern ...
866
441
415
—
—
—
866
441
416
„ Privatwohnungen.
2943
1289
1664
110
36
75
2833
1264
1679
18682
9212
9470
2464
1074
1390 16218
8138
8080
,, Verbrecher-Irren¬
anstalt Perth....
62
66
6
—
—
—
—
—
—
„ Fürsorgeanstalten
602
376
227
160
93
67
442
282
160
Summe:
19346
9643
9703
2624
1167
1467 16660
8420
8240
Gegen den Gesamtbestand vom 1. Januar 1913: 19188 mehr 168; in Perth
6 kriminelle Kranke mehr untergebracht als im Vorjahre. Der Zugang an frischen
Aufnahmen und im Verhältnis zu einer Bevölkerungszahl von 100000 gestaltete
sich wie folgt in den Jahren
1900—1904: Private 464 = 10,4/100000 Arme 2187 = 48,9/100 000
1905—1909: „ 464 = 9,9/100000 „ 2111 = 46,7/100 000
1910: „ 401 = 8,4/100000 „ 2112 = 44,6/100000
1911: „ 410= 8,6/100000 „ 2283= 48,1/100000
1912: „ 436 = 9,2/100 000 „ 2157 = 46,6/100 000
1913: „ 466= 9,6/100000 „ 2360 = 49,6/100 000.
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312 * Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
Freiwillige Aufnahmen im Jahre 1913 = 112, entsprechend einem Mittel v»r
104 für die zehn Jahre 1904—1913. Im Januar 1914 befanden sieh v<®
solchen Aufnahmen in den Anstalten 148. Geheilt entlassen sind im Verhältnis rua,
Zugang (ohne Überführungen) in
den Jahren
1900—1904: Private 44,3 %, Arme 42,9 %;
1906—1909:
41 %,
39,8®/,;
1910
42>5%» »>
36,7®/,;
1911
39 ®/„
38,4®/,;
1912
35,9 °/o> >♦
37,4®/,;
1913
38,3 «/„
38,7®/..
Gestorben sind im Verhältnis zu den Gesamtbeständen:
1900—1904
1906-1909 1910
1911
1912
1913
Privatpatienten.... 7,9 %
8,4% 7.1%
6,3®/,
9,8 •/.
8.4%
arme Patienten.... 9,2%
9,5«/, 9,3«/,
9,1%
9,9®/,
9.9%
beide Klassen: 9%
9,3®/, 9«/,
8,7®/,
9,8®/.
9,7%
Sterblichkeit in den verschiedenen Anstalten im Verhältnis
zu den Beständen:
1900—1904
1906—1909 1910
1911
1912
1913
Kgl. und Distrikts-
anstaiten. 9,3 ®/,
9,7 «/„ 9,3«/,
9 %
10,1%
10,5%
Privatanstalten.... 7,6 %
6,7«/, 4,6®/,
4,6®/.
10,8®/,
7,8%
Gemeindeanstalten. 10,6 %
9,7®/, 8,2®/,
12,3®/,
9,7®/.
8,8%
Armenanstalten ... 4,8 %
4,6®/, 4,8®/,
3,8%
6,1%
o,5®/.
Entwichen sind:
im Jahre 1904 = 171
(davon nicht zurück und
ohne Besserung)
20, auf 1000 P. in Anst
alten 12
„ 1906 = 154
14
11
„ 1906 = 157
20
11
„ 1907 = 168
22
12
„ 1908 = 162
11
11
„ 1909 = 145
14
9
„ 1910 = 160
10
10
„ 1911 = 163
22
11
„ 1912 = 143
17
:>
„ 1913 = 132
15
8.
Unfälle fielen im
Jahre 1913 vor 176, mehr als
im Vorjahre 21.
11 Fälle
nahmen schlechten Ausgang, 6 davon kommen auf Selbstmord.
Boston State Hospital (68): Die psychiatrische Station verfügt über
100 Betten, freibleibend für unvorhergesehene Fälle 10 Betten. Tägliche Belegung
durchschnittlich 98 Betten, ca. 4 Tagesaufnahmen. Vorhandener Bestand 1. Okt.
1912:16 (10 m. 6 w.). Aufnahmen im Berichtsjahre 1022 (522 m. 600 w.). Abgang
1014 (616 m. 499 w.). Schlußbestand Sept. 1913: 24 (17 m. 7 w.). Durchschnitt].
Tagesbestand temporärer Fälle 20,67. Ausländer ca. 60°/,. Polizeilich eingeliefert
394, gerichtseitig 132, zur Beobachtung 31, Begutachtung 10; freiwilliger Zugang
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Snell, Anstaltswesen and Statistik.
313 *
362, davon nicht geisteskrank 114. Von den zn temporärer Behandlung Aufge-
nommenen (1022) litten an Alkoholpsychosen 124 (94 M. 30 Fr.), Dementia praecox
208 (100 m. 108 w.), manisch-depressiven Psychosen 108 (40 m. 68 w.), progressiver
Paralyse 62 (51 m. 11 w.), Epilepsie 8, Imbezillität 11, akuten und toxischen De¬
lirien 8, Morphinismus 6 (4 m. 2 w.) usw., nicht geisteskrank 152 (66 m. 86 w.)
Geheilt entlassen 76, gebessert 40, ungebessert 93, nicht geisteskrank 86, nach An¬
stalten überführt oder zurückgebracht 703. Gestorben 16. Unter den freiwilligen
Aufnahmen Alkoholpsychosen bei 30, Dementia praecox 76, progressive Paralyse 28.
Danemora (75): Anfangsbestand pro 1912: 403 M. Zugang 116. Abgang
61. Bleibt Bestand pro 1913 : 458. Weiterer Zugang 157. Abgang 76. Schlu߬
bestand 540 M. Vom Zugang litten in den Berichtsjahren an progressiver Paralyse
1 und 2, an Epilepsie mit Seelenstörung 4 und 2, Imbezillität, Idiotie 26 und 39,
Dementia praecox 42 und 61; manisch-depressivem Irresein je 1, paranoiden Formen
24 und 22, Paranoia 4 und 2, andern Psychosen 14 und 24; nicht geisteskrank
(1913) 4. Unter den Aufgenommenen, sämtlich aus Gefängnissen eingeliefert,
befanden sich Ausländer 1912: 47,4%* 1913: 40,12% Geheilt sind 1912 und 1913:
26 und 36, sehr gebessert (1913) 5, gebessert 13 und 7, imgeheilt 12 und 10. Ge¬
bessert 1912: 5,009% des Gesamtbestandes, 6,018% des Tagesbestandes, 1913:
5,85% und 7,25 % Durchschnittlicher Aufenthalt der Gebesserten im Hospital
1912: 2 Jahre, 1 Monat, 29 Tage, 1913: 1 Jahr, 7 Monate, 11 Tage. Durchschnitt¬
liche Gewichtszunahme 6 und 5 Pfund. — Gestorben 1912: 10, 1913: 12; davon
an Paralyse 1 und 2. Lungenschwindsucht3 und 2. Mortalität 1912: 1,92% des
Gesamtbestandes, 2,314% der Tagesbelegung; 1913: 1,961% und 2,418% Ge¬
samtausgabe 1912: 105 302,15 D.; 1913: 120 038,93 D.
New Jersey State Hospital zu Trenton in Nordamerika (116): Anfangs¬
bestand Nov. 1912: 1547 (781 m. 766 w.). Zugang 608 (291 m. 217 w.). Abgang
496 (274 m. 222 w.). Bleibt Bestand 1559 (798 m. 761 w.), davon Kriminelle 63
(59 M. 4 Fr.). Erste Aufnahmen 421 (239 m. 182 w.), davon litten an progressiver
Paralyse 46 (39 m. 7 w.), seniler Psychosis 35 (14 m. 21 w.), Alkoholpsychosen 83
(71 m. 12 w.). Alkohol an sich ursächliches Moment bei 103 (90 m. 13 w.). Ent¬
lassen geheilt 169 (91 m. 78 w.), gebessert 64 (38 m. 26 w.), ungebessert 28 (15 m.
13 w.). Gestorben 189 (106 m. 83 w.).
Indiana Hospital, Indianopolis (95): 1911—1912 in Behandlung 456
(278 M. 178 Fr.) (Aufnahmen), davon litten an Dementia praecox und verwandten
Psychosen 93 (60 M. 33 Fr.), manisch-depressivem Irresein und verwandten Formen
93 (51 M. 42 Fr.), organischen Psychosen 57 (35 M. 20 Fr.), unklassifiziert 61 (33 M.
18 Fr.), Paranoia 36 (22 M. 14 Fr.), Involutionspsychosen 33 (20M. 13 Fr.), Paralyse
32 (29 M. 3 Fr.), Erschöpfungspsychosen 24 (13 M. 11 Fr.), Intoxikationspsychosen
18 (13 M. 5 Fr.), Psychoneurosen 14 Fr., psychopathische Persönlichkeiten 2 M.
3 Fr. —1912—1913 Aufnahmen 235 (140 M. 95 Fr.), davon Erkrankte an Dementia
praecox und verw. Psychosen 43 (26 M. 17 Fr.), manisch-depressiven und verwandten
Formen 34 (11 M. 23 Fr.), unklassifiziert 28 (17 M. 11 Fr.), organischen Psychosen
24 (18 M. 6 Fr.), Paranoia 21 (11 M. 10 Fr.), Paralyse 21 (19 M. 2 Fr.), Intoxika¬
tionspsychosen 18 (17 M. 1 Fr.), Erschöpfungspsychosen 16 (7 M. 9 Fr.), Involu-
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
314 *
Bericht über die psychiatrische Literatur 1914.
tionspsychosen 16 (9 M. 6 Fr.), Psychoneurosen (5 Fr.) psychopathische Persönlich¬
keiten 10 (5 M. 5 Fr.). In dem Quinquennium 19U8—1913 litten an Erschöpfungs-
psychosen 2,8 °/ 0 , 2,7%, 5,4%, 5,3%, 6,9%; an Intoxikationspsychosen 7,2%,
10,1%, 5,8%, 3,2%, 7,7 %; an Dementia praecox (Gruppe) 8,4%, 12,8 %»14,7 •/•,
20,5%, 18,2%; Psychoneurosen 7,8%, 1,6%, 1,9%, 3,1%. 2,1%; manisch-
depressiven Formen 24,4%, 26%. 19,2%, 20,6%, 14,4%; Paranoia 10,6%, 10,7 %,
8,9%, 7,9%. 8.9%; Involution 8,1%. 8,8%. 7,9%, 7,3%. 6,4%; organischen'
Psychosen 12,5%, 10,1%, 12,8%, 12,7%, 10,3«/,; Paralyse 6,8%, 6,8%, 6,8%,
7,1 %, 8,9%. — Autopsien wurden ausgeführt 1911—12: 16 an 11 M. 5 Fr.,
1912—1913: 19 (11 M. 8 Fr.).
Hilfsverein Rheinprovin% (126): An Unterstützungen verausgabt
21814,73 M., für Fürsorgestellen 600 M., ferner aus der Stiftung des früheren Hilfs¬
vereins Düsseldorf 1120,90 M. Mitgliederbeiträge 34 524,36 M., mehr gegen das
Vorjahr 1764,77 M. Vermögensbestand 104,307,04 M.
Der Hilfsverein für die Geisteskranken in Hessen (91) verausgabte für
Hilfebedürftige 33 883,20 M., und zwar wurden unterstützt 39 P. für in Anstalten
befindliche Pfleglinge, 51 P. bei der Entlassung, 130 P. nach der Entlassung aus
der Anstalt, Angehörige von 115 Pfleglingen, 20 P. für psychisch Nervöse, 31 P.
für in Familien untergebrachte Pfleglinge.
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Alphabetisches Inhaltsverzeichnis des Literatur¬
berichtes.
(Die Zahlen mit einem Sternchen (*) bedeuten die Seiten des Literatur¬
berichtes, die Zahlen ohne Stern die Nummern der angeführten Veröffent-
lichungen.)
1. Sachregister.
Abbau und Fermentvorgänge 66* 198.
Abderhaldensche Forschungsrichtung
62* 8.
Abderhaldensche Reaktion 60* 136,149.
63* 169. 64* 186. 67* 236. 70* 276.
71* 283, 291, 292, 294, 296. 78* 382.
131* 64. 136* 134. 138* 168. 142*
216. 211* 62. 231* 136. 234* 184 a.
Abderhaldensches Dialysierverfahren63*
34,36. 65* 62,60. 57* 84. 68* 103,
108. 69* 116,124. 64* 193. 66* 199.
68* 261. 72* 300,304,306,306. 73*
314. 74* 324. 75* 339,344. 77* 367.
78*374. 82* 433. 83* 449. 139*186.
Abendmahlskelch u. Rauschbegierde
210* 47.
Aberglauben 42* 20. 61* 142.
Abortus 36* 7. 69* 266.
Abstammungs- u. Vererbungslehre 82*
431.
Abwehrfermente 61* 1, 2, 3. 64* 191.
192,194 66* 201. 66* 221. 78* 386.
82* 434. 134* 102.
Adalin 208* 22.
Adenokarzinom 172* 91.
Adipositas hypophys.-genitalis 224* 38.
Adrenalin 62* 13,19. 68*239. 140*198.
141* 199, 200, 201.
Ätiologie der Nerven- u. Geisteskrank!!,
74* 328.
Affekte 69* 261, 263.
Afiektleben der Kinder 7* 93, 96.
Agr&mmatische Erscheinungen 73* 320.
Akromegalie 223* 22. 236* 66.
Akustische Terminologie 19* 268.
Zeitschrift für Psyohatrie. LXXII. Lit.
Alkoholfrage 208* 69. 214* 106.
Alkoholgebrauch in Irrenanstalten 210*
60.
Alkoholikerdeszendenz 136* 128. '■’
Alkohol im Felde 213* 87; u. Marine
208* 20.
Alkoholismus 40* 19. 44* 40. 209* 28,
29,36. 210* 42. 211* 67, 68, 61, 68.
213* 91. 214* 102, 103, 107, 112.
Alkoholismus und Epilepsie 237* 231,
232. 238* 233.
Alkoholismus und Erblichkeit 207 * 6.
Alkoholismus und Frauen 207* 3. 212*
Alkoholismus und Nachkommenschaft
210* 49.
Alkoholkranke in Canada 210* 41.
Alkoholkriminalität 44* 40.
Alkoholpsychosen 211* 69.
Alsterdorfer Anstalten 166* 1. 268* 64
Alterspsychosen 133* 83. 136* 119.
Altersstar 227* 74.
Alzheimersche Krankheit 187* 289.
Ambardscher Koeffizient 138* 169.
Amberger im 19. Jahrhundert 212* 79.
Ambivalenz 4* 42. 64* 39.
Ameisen 7* 90.
Amendement Genoux 268* 37.
Amentia nach Sepsis 132* 67.
Amerisia 174* 107.
Amnesie, epilept. 234* 178.
Amylnitritkrämpfe 227* 73.
Amyotonia congenita 223* 20.
Amyotrophische Lateralsklerose 187*
280.
w
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316 *
Inhaltsverzeichnis.
Anämie 66* 200. 186* 279.
Anarithmetik 62* 159.
Aneurysmen der Hiragefäße 184* 240.
Anonymität 6* 82 a.
Anormale Eigenschaften 156* 16, 17.
Anregung 7* 97, 98.
Aiistaltsärzte 256* 8. 257* 24. 259* 42.
Anstaltsbauten 260* 57.
Anstaltsbücherei 257* 21, 22.
Anstaltsordnung 256* 3. 259* 47.
Antikenotoxin 10* 136. 17 * 233.
Antitrypsin 64* 190. 74* 325.
Aphasie 35* 3. 167*18. 168*30. 170*
54. 171* 77. 172* 80, 87, 88. 174*
107,107 a. 176* 131. 180* 187. 182*
224. 184* 249. 185* 264. 190* 318.
191* 332 a.
Apophysis lemurica 229* 112.
Apoplexie 184* 239.
Apperzeption 11* 143.
Apraxie 64* 48. 168* 24.
Araber 67* 234. 136* 133.
Arachnodaktylie 54* 44.
Arbeit 19* 261.
Arbeitsentlohnung 267* 25.
Aristoteles 66* 66.
Arsalyt 168* 28.
Arsen-Benzolbehandlung 178* 167.
Art. cerebelli posterior inf. 173* 98. 191*
332.
Arterien des Gehirns 172* 90, 93.
Arteriosklerose 174* 117. 186* 258,261.
Asiaten 68* 247.
Asiles de la Seine 258* 39; in Paris
267* 23.
Asthenie 79* 402.
Assoziationsversuche 23* 311, 312. 67*
86. 135* 124. 213* 95.
Assoziationsvorgänge 28* 384, 386, 387.
Astronomisches Mikrometer 28* 394.
Ataxie 168* 31.
Atmungssymptome 3* 28.
Aufenthaltsort 46* 9.
Auffassungskategorie 24* 330.
Aufmerksamkeit 1* 3. 3* 38. 6* 83.
13* 172. 20* 271, 272. 23* 323. 26*
358.
Augenbewegung 6* 83 a.
Aussage 16* 2(38. 46* 5; -versuche 142*
223.
Auswanderung, überseeische 67* 92.
Autimutismus 172* 86.
Autistisches Denken 54* 40.
Babinski 81* 419. 179* 176.
Badische Irrenfürsorge 256* 11.
Bahnangestellte 56* 79. 72* 301. 74*
330.
Balkankrieg 80* 410.
Bilkenerweichung 185* 252.
Balkenloses Gehirn 186* 273.
Balkenstich 169* 64, 66.
Baranyscher Zeigeversuch 76* 346. 177*
150.
Basedowkrankheit 222* 12,17. 224* 37.
225* 49, 66. 226* 70. 227* 76, 82.
228* 89,95. 229*102. 230*120,123,
124, 125. 231* 134. 232* 147, 156,
157. 233* 165, 168. 234* 188. 235*
189, 195. 237* 224, 226. 238* 239,
252.
Basedowpsychosen 128* 7. 136* 137.
Baunissche Würfel 26* 366.
Bayreuth 268* 65.
Begabung 18* 252.24* 331.27* 381,383.
Begriffsmechanik 9* 122.
Belgien 260* 53, 60.
Bellsches Phänomen 73* 317.
Bergmannswohl 268* 66.
Beriberi 208* 17. 211* 60.
Berlin, Anstaltsberichte 268* 67.
Bertholets Untersuchungen 214* 112.
Berufsgeheimnis 256* 13.
Berufspsychosen 68* 246. 83* 460.
Besessenheitswahn 207* 10.
Bethlem Hospital 258* 33.
Bewegungsformeln 4* 47. 9* 119.
Bewußtsein 20* 278.
Beziehungswahn 133* 84.
Bibliographie 3* 35.
Bienen 12* 169.
Bildliche Vorstellung 8* 110. 24* 329.
79* 391. 137* 160.
Bildungsfähigkeit 168* 64, 66.
Binetprüfungen 4* 62. 9* 128.12* 167.
13* 182. 15* 206. 28* 391.
Biologie, moderne 80* 413.
Biologisch-chem. Untersuchungen 64*
189. 74* 322. 81* 420.
Bleichsucht 52* 18.
Bleikrankheit 210* 46.
Blindenleben 22* 306. 168* 60, 61, 52.
Blinzelreflex 73* 317.
Blitzschlag 59* 119.
Blutdrüsen 236* 206.
Blutglaube 133* 89.
Blutkreislauf 3* 37.
Blutuntersuchungen 71* 284. 77* 370.
134* 103. 141* 208.
Boston State Hospital 268* 68.
Brandenburgische Anstaltsberichte 268*
69.
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Inh alts Verzeichnis.
317 *
Brandstiftung 6* 62. 39* 5. 42* 9,16.
Breslau 268* 70.
Brieg 269* 71.
Brightsche Krankheit 136* 142.
Brombehandlung 229* 114. 232* 148.
239* 243, 244.
Brom-Kampher 207 * 2.
Bromuralismus 214* 114.
Brown-Sequardsche Lähmung 181* 211.
Buenos Aires 43* 28.
Bulbärparalyse 176* 127.
Burghölzli 269* 72.
Cäsarenporträts 70* 269, 270.
Calmonal 65* 68. 68* 100. 78* 376.
Cephalalgie 63* 176:
Cephalograph 66* 208.
Cery 269* 73.
Chirurgie 55* 67. 176* 136, 136.
Chirurgische Behandlung 66* 70.
Cholera 71* 295.
Chorea 133* 93. 224* 42. 226* 64.
231* 136, 146. 232* 161, 163. 234*
186. 236* 191. 238* 236, 236.
Chorea gravidarum 132* 76. 229* 101.
230* 126. 233* 170.
Chorea Huntington 222* 7. 230* 118.
237* 227.
Chorea Sydenham 227* 81. 232* 168.
233* 172.
Choreiformer Symptomenkomplex 227*
77. 236* 194.
Chorlernen 19* 260.
Claudier 64* 196.
Cocainpsychose 214* 104.
Commotio cerebri 56* 67. 67 * 260. 230*
119.
Conradstein 269* 74.
Corvus americanus 6* 68.
Cysticercus racemos. foss. Sylvii 184*
238.
Dämmerzustände 39* 9. 229* 104.
Danemora 269* 75.
Dauerbad 66* 209. 82* 440.
Definitionsmethode 60* 133.
Deliranten 66* 71.
Delirien 60* 129. 67* 230. 70* 276.
Delirium, akutes 143* 229. 190* 317.
207 * 7.
Delirium tremens 208* 19. 211* 67.
212* 73, 83, 84, 86.
Dementia praecox 128* 8, 9, 11, 17.
129* 22, 27,31,33, 39. 130* 60. 131*
64,63. 132* 71,74. 133* 81,87,91,
92,98. 134* 99,104. 136* 122,126,
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126. 136* 138, 139. 137* 146, 146,
147, 148, 150, 161, 152, 166. 138*
161, 170. 140* 189, 198. 141* 199,
200, 201. 142* 216. 143* 230, 236,
237, 238. 144* 244. 236* 209, 216.
239* 260.
Demenzprobleme 61* 152.
Denken und Erkennen 26* 369.
Denkende Tiere 5* 67, 8* 111, 10* 139,
11* 144. 15* 201. 18* 241,242. 27*
376. 61* 145.
Depressive Zustandsbilder 143* 228.
Dercumsche Krankheit 230* 126 a.
Dermatosen bei Hysterie 222* 9.
Dermographismus 66* 222. 76* 336.
Deutungswahn 21* 287. 42* 10. 73*
318. 129* 32. 130* 40. 224* 39.
Dezimalgleichung 27* 370.
Diabetes insipidus 173* 102.
Diagnosenschema 269* 43.
Diagnostik der Nervenkrankh. 232* 160.
Dial-Ciba 69* 113. 62* 164. 64* 186.
68* 250. 77* 363. 79* 400. 82*439.
84* 460.
Ding an sich 26* 363.
Diogenal 66* 218. 69* 264. 136* 21.
Dipsomanie 208* 14. 211* 71. %
Dösen 268* 32.
Dressurmethode 14* 191.
Druckempfindungen 9* 116.
Dubois’ Erfolge 66* 62.
Dukhobortsen 133* 94, 96.
Dynamik des Nervensystems 1* 7.
Dysenterie 69* 121.
Dystrophia adiposo-genitalis 239* 261.
Dystrophia muscular. progr. 187* 286.
Dziekanka 269* 76.
Eglfing 269* 77.
Ehen 78* 378.
Eifersuchtswahn 40* 17. 77* 373. 132*
69. 141* 201, 204, 210. 208* 1K
Einprägung 1* 2, 16* 213.
Einwanderung 65* 63. 83* 462.
Eklampsiebehandlung 236* 196.
Ekzem 61* 153.
Elarson 67* 231. 70* 281.
Elberfelder Herde 10* 139.
Elektrische Unfälle 233* 176.
Elektrischer Schock 237* 230.
Elektrotherapie 238* 236 b.
Ellen (Bremen) 269* 78.
Ellikon 269* 79.
Eltemkomplex 16* 216. 43* 29.
Embarin 234* 176.
Embolische Prozesse 188* 290.
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
318 *
Inhalts Verzeichnis.
Empfindung 2* 16. 21* 290.
Endokrine Drüsen 224* 43. 226* 62.
England 266* 2. 267* 19. 260* 61.
Entlassung 260* 66.
Entmündigung 46* 3, 6. 49* 9.
Entwicklungsalter 6* 81.
Entzündung 79* 393.
Enzephalitis 173* 104.
Enzephalomalazie 179* 185.
Enzephalomvelitis 174* 116.
Epilepsie 42* 11. 67* 229. 131* 61.
221* 1. 222* 6, 8. 224* 34, 36, 40.
225* 48,66,67. 226* 69, 71 a. 228*
86, 87, 92, 93. 229* 110, 111, 113.
230* 127, 128. 231* 130. 232* 146,
162. 233* 160,162 a, 163, 167. 234*
177, 179, 181, 186. 235* 190. 237*
221, 222, 228. 239* 249, 260.
Epilepsie-Jackson 224* 47. 227* 86.
237* 222 a.
Epilepsiebehandlung 222* 6. 226* 63.
227* 78. 229* 108, 115. 233* 171.
Epilepsieforschung 231* 143.
Epileptikerfamilien u. Alkohol 213* 98.
Epileptische Anfälle 223* 3, 6. 226* 61.
230* 117.
Epileptische Dämmerzustände 226* 62,
65.
Epileptoide Anfälle 228* 99.
Erblichkeit 66* 81. 66* 217. 68* 241,
263. 233* 169.
Erfahrung 13* 176.
Ergographen 2* 12.
Ergotherapie 75* 336.
Ergotismus 210* 64, 65.
Erinnerung 9* 121. 20* 283. 22* 308.
Erkenntnistheorie 29* 407.
Erlernen 14* 198. 17* 238.
Ermüdung der Muskeln 11* 146.27* 379.
Ermüdung, geistige 2* 13. 11* 146.
16* 217.
Ermüdungsforschung, exp. 14* 192,193.
17* 234.
Emestinum 62* 166.
Erregungszustände 6* 63, 64 22* 304
56* 76. 82* 432. 83* 443.
Errötensfurcht 223* 26.
Erschlaffung 20* 277.
Erworbene Eigenschaften 67* 227. 80*
409.
Erythrostase 77* 371.
Eugenik 62* 166. 66* 223. 76* 366.
78* 379. 81* 424.
Eunuchoidie 158* 53. 227* 84.
Exhibitionismus 42* 7.
Exophthalmus 83* 466. 229* 106.
Familiendegeneration 212* 79.
Familienforschung 78* 385.
Familienpflege 266* 4. 268* 30. 269* 49.
Farbenblindheit 16* 204
Farbenempfindlichkeit 24* 336.
Farbenpsychologie 13* 186.
Farbensinn 6* 78. 22* 299. 27* 372.
Farbige 71* 296.
Fehler des Alltags 18* 260.
Feldhof (Graz) 269* 80.
Fermentforschung 61* 3.
Fetischismus 42* 17. 44* 43, 44, 46.
Fließsche Lehre 76* 361.
Forelsche Theorie 213* 97.
Formkombination 29* 406.
Foveales Sehen 6* 67.
Freiburg, Schles. 269* 81.
Freiwilligkeit 61* 160.
Freudsche Lehre 6* 71. 22* 309.
Friedmatt 269* 82.
Friedreichsche Krankheit 167* 19.
188* 299.
Friedrichsberg 270* 88.
Fürsorgeerziehung 6* 79. 47* 2, 2 a, 6.
48*12,13. 158* 66,67,68. 159*69.
Gabersee 269* 83.
Gallsche Lehre 64* 43.
Galvanometrie 73* 316.
Ganglion-Gasseri 224* 36; -Tumor 173*
103.
Ganserscher Symptomenkomplex 60* 4
Gedächtnis 19* 269. 23* 313. 68* 104.
184* 246.
Gedankenkreis, kindl. 28* 396.
Gefährliche 62* 12. 267* 16.
Gefahr, Einfluß der 2* 26.
Gefühlsleben 16* 222. 19* 268.
Geh. kleine Anfälle 226* 67.
Gehirn 38*1. 63* 32. 67* 89. 74* 331.
79* 390; u. Rückenmark 170* 68.
Gehirnatrophie 184* 260.
Gehirnerweichung 186* 260.
Gehirn und Seele 13* 173.
Gehlsheim 269* 84.
Gehörshalluzinationen 59* 123. 73* 319.
78* 384.
Geisteskranke, RehandL u. Untersuch.
68* 224, 249, 69* 226. 75* 341.
Geisteskrankheiten 60* 137. 64* 184
70* 268. 71*290. 79* 396; und Krieg
79* 392. 83* 446, 446. 143* 239.
Geistesleben, Mechanik des 27* 376.
Geistige Arbeit 16* 214.
Geist und Körper 6* 82. 76* 333.
Gelenkrheumatismus 66* 207. 134* 111.
Digitized by
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
1 ti h a 11 s v e r Z-fc i s. 819*
-£.. , , < XJ5utn«n-i;n lö* t3Ö; '3^i'
Oeoü»lin$ 00* 262, Hsutsina 68* 106. 72* .30?'. 80** 416.
Genie 2* M 4* &3. 60* 116. , - Hebephmiie 136* 118.
Geaitfeirietbe Elemente 22* 297. BibleH imd Bilde» U* 150 5iM 71*
Gerißbtiiciie Mfe<!f2in 36* 6, ö. i 287.
öestiHckliebknit 0* HO. 21* 284„ j Heilige von Wildisbriigh. 77* 368.
Gfcselidet'htetlräseft Öl* 4J& | IM'lverfeh?»« seit 100 Jaferun 25Ö* 0.
Gesfthiöaek. Pbvsfölogjo dös 2ö* 363. ‘ Hcilseheti 15* 201. 69* 268. 250.
üiÜ^oS&Tiivfrjroflg 170* 142. Hwniehorea 227* 83.
Geschwister 18ä* iß.- 1 Hemiplegie 182* 220.
GesieJjfcsfelddefekt 235* Wl | Hemmung 9* 118. 21* 205.
fögsbaltswahmeh mutigen &* "29, 30. 21* i Ilenrv Phipjjs Klinik 00* 265.
294. 23*314, : HeptephiUe .42* 6;'
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Gf-imde» entJchäUes 82* 67* .H20,.23<1. ■ , ;
Gifte Bö* m jksKisober Hilfsvertan 270* 01.
Glisgow 250' 0- 1 Hexaj 82* 436.
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Gnl4v kolloidales 173* 7$. 175* 124.; p Bi ldifsiiemt 27Q* 02- :
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viobireaftrion 170* 63. I llinidrudi 77* 309=
Xmikf&mtiin 100*45. 170* 65. 171* j> Hinwmbutje 174* 113. 7 ’ “ 2 ;'
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Gravidität-, eingebildet« '231* 1.41. ‘Hrnipnulifänn 79* 401. 179* J86.
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ÖTdÖhinL, Agyrie und Keturot-vpie des . Blrn9fb^^|ttrfg 74* 3837 76* .848- 0^7*
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GtoSitirophe>in{o>;rie 4* 6fj. Hrrnsk igmnt 168* 6, 7, 8. 157* 4L
GroBhimriifde 27* 372 11* 42L 185* ■ ßfoudSrung und 172* 106.
•264. ff/; •.".' , ) Bmutn^ißa 183*232. 184*248. 390*
Gyirnkdrei« TT*fe 78 * 3§a , I 32L ’ - ; 's/ '
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Häniulyfic 66* 66. 62*162. 63*176;. 300. 100* 316, 326.. 121* 329,
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HiinuUdosif.fihc Befunde 1.34* U«j. HitaucinpHndiittg 1* 6.
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282, G-^dil/clitor 77* 362.
Haftpsyclmsea 4,3 * 1, 44* 37. "128* 6, IBdribftrg, Hali 270* 94,
139*'176/ fi«n ! « 1 einaliWt 12*, 168 30* H. 44*
Hall in Tiroi 270* 67. 22; .27. . 78* 37?
lidiirsiBätion 23* 016. 66*72. 76*m Hof« ö(i* 77.
V 129*" 35; ■ / ••-' BON T)«ey'‘^aj?. ■; y? 'ä: . ':.
iMiUiiriostf SO* 127. 130* 46. 132* 06, i
Ifombarg, Anstaitsbericlite 270* 88. | 190;;: ' iaitafRUK ^67.',. 188*
ttajafferbeit, PsychuJogie der 8* lOjf, . 2!'s-
flaitdgpbeji bei Ham, ptaeeds iSS* 98. •. llyiJsHifyfttcidijautts ;424 r 4'2a, SH*
. 138* m ■ YhI 236* 2ti'l.
Ikudachtiftecinit'HSurig 24* 326 llvpiiose 3* 10. 12*246. 10* 202. 58*
Hanigätxre 61* 422, 31. 60* 265. 2:0*160.
Haus SchöRtnr 270*-89. // f/://ä/O ’ Bypdphng 70' 8S0 223* m 237*
Häfttempfinddug 8^ L13 r Ifi* 137: '^'.j -eir^n).ri,k'.iftg 3^*- h\. ;^5:
Hantkrsnibeifen 81*. 4^>.
Go gle
320 *
Inhaltsverzeichnis.
Hypophysengunggesch wülstc 177* 156.
213 132.
Hypophysentumoren 171* 72. 174* 109.
186* 277. 235* 193.
Hypothermie 178* 164.
Hypothyreoidismus 228* 95. 239* 246.
Hysterie 40* 18, 21. 46* 8. 136* 129.
222* 15. 228* 91.97. 229* 103,106,
109. 230* 116,121. 231* 138. 236*
192.
Hysterische Anfälle 225* 58. 239*
263.
Ich-Problem 9* 127. 28* 389.
Ichthyose 168* 44.
Ichtumsstörungen 80* 408.
Iconoklasten 42* 8.
Ideen, krankhafte 80* 406.
Idiotia amaurotica 156* 13.
Idiotie und Imbezillität 159* 68.
Idiotie, mongoloide 156* 19.
Illusionen 19* 267. 70* 271.
Immunitätsforschung 62* 163.
Impfung 76* 338.
Impressionen und Relevationen 67* 226.
Indiana Hospital 270* 95.
Individualforschung 20* 274. 23* 317.
Individualität 12* 164. 13* 180.
Induziertes Irresein 81* 428. 139* 181.
143* 234.
Infantilismus 61* 143. 166* 24. 169*63.
223* 31.
Influenza 71* 288. 137* 153.
Innere Kolonisation 62* 154.
Innere Medizin und Psych. 62* 17.
Innere Sekretion 68* 262. 136* 140,144.
222*13. 226* 72. 227 * 73. 232*169.
234* 183.
Innervationsstörung 176* 144.
Insel und linke Hemisphäre 172* 89.
Insolation 55* 53.
Intelligenzproblem 17* 235. 24* 328,
334.
Intelligenzprüfungen 11* 148. 17* 231.
26* 342, 343.
Intentionale Sphäre 53* 30.
Interesse, Begriff des 13* 181.
Intoxikationspsychosen 207* 8. 208* 16.
210* 62.
Intraspinale Behandlung 168* 23.
Irrenfürsorge 70* 282. 266*1,11. 269*
6L
Irrenrecht 47* 4, 13.
Irrenstatistik 266* 2. 257* 19. 258*
27. 269* 40, 41.
Isenwald 270* 96.
Jodl, Psychologie 18* 248.
Juckgefühl 23* 319. 76* 354.
Jugenderziehung 214* 110.
Jugendgerichte 36* 22.
Jugend-Irresein 83* 461. 131*52. 136*
128, 131. 138* 162.
Jugendpflege 257* 14.
Jurist und Psychiater 36* 12.
Kant 213* 96.
Kartengeben, psychol. 4* 54.
Katalepsie 131* 63.
Katastrophen 62* 16.
Katatonie 43* 21. 128* 10. 130* 41,
68,65. 133*85. 134*109,112. 135*
123. 138* 167. 140* 192, 196, 197.
141* 202. 142* 217. 189* 312.
Katatonische Symptome 236* 210.
Katharina von Siena 81* 429.
Kaufbeuren 270* 97.
Kind, Wesen und Entartung 29* 398.
Kinder, anormale 7* 74.
Kinderaussagen 4* 46. 16* 226. 20*
280. 23* 322. 28* 392. 48* 14.
Kinderideale 18* 249.
Kinderleistung 6* 86. 10* 129.
Kinderlemen 12* 166. 14* 118. 17* 238.
Kinderpsychologie 221* 2.
Kinderschlaf 8* 109.
Kinder- und Jugendselbstmorde 7* 92.
67* 93.
Kinder und nächtl.Erschrecken 159* 70.
Kinderzeichnungen 7* 99.
Kindesalter, psychopath. Erkrankungen
des 165* 9. 156* 23,25. 167* 33,40.
168* 49.
Kindesseele 1* 10.
Kinematograph 11* 163. 24* 332. 36*
174.
Klangkurven 26* 366.
Kleinhimabszeß 177* 160.
Kleinhirnbahnen 186* 266.
Kleinhimbrückenwinkel 191* 334.
Kleinhimkrankheiten 186* 266.
Kleinhimtumoren 175* 130.
Kleinstädter 69* 264.
Kleptomanie 43* 23, 24. 44* 47.
Klimatische Einflüsse 3* 32. 63* 27.
Klinische Mitteilungen (Budapest) 69*
267.
Klinischer Verlauf und anatomischer
Befund 71* 294.
Knochenveränderungen 188* 301.
Königsberg 268* 31.
Königsfelden 270* 98.
Körperliche Zeichen 61* 161.
Difitized
bv Google
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Inhaltsverzeichnis.
321 *
Kolonisierung 266* 10.
Konstanzmethode 3* 36.
Konträre Strebungen 13* 176. 63* 170.
Koordinationsstörungen 7* 91.
Kopfschmerz 231* 140.
Komeuburg 41* 4.
Korrelationsrechnung 6* 76.
Korrigendenuntersuchung 43* 32.
Korsakow-Psychose 127* 6. 208* 26.
209* 37. 2i4*108. 222*11.
Korsakowscher Symptomenkoroplex
208* 24. 210* 44. 211* 63.
Kortikale Herde 180* 191.
Kosten 270* 99.
Krämpfebehandlung 228* 94.
Kraftsinn 8* 114. 9* 116. 117.
Krallismus 57* 83.
Krankengeschichten 16* 207. 256* 12,
13. 258* 38.
Kreisärzte 257* 26.
Kremsier 270* 100.
Kreosotphosphatparalyse 207* 6.
Kretinismus 168* 42. 169* 66.
Kreuzburg 270* 101.
Kriegsneurologie 234* 182. 236* 199.
240* 263 c.
Kriegsneurosen und -psychosen 61* 7.
63* 24. 66* 64. 68* 109. 69* 267.
79* 392. 83* 444,445,446,464. 128*
18. 129* 28. 137* 144.
Kriegsvorbereitung 60* 6. 134* 99.
Krieg und Seele 26* 367.
Kriminalistik 42* 18.
Kriminalität 26* 36. 41* 2, 6. 43* 26.
44* 36, 37. 142* 220. 158* 49.
Kriminalpsychologie 43* 30.
Kropfproblem 156* 16, 18.
Krücken oder Beine 64* 38.
Kückenmühler Anstalten 47* 9. 159*
69. 271* 103.
Kutzenberg 271* 103.
Lachskonservenvergiftung 208* 11.
Lächerliche, das 66* 73.
Lähmungsirresein 166* 2.
Landrysehe Paralyse 176* 146.
Langenhagen 271* 104.
Langenhorn 270* 88.
Lappen und Samojeden 29* 404.
Laryngoskop 11* 147.
Lathyrismus 209* 36.
Lauenburg i. Pr. 269* 48.
Lebensalter, höheres 66* 213. 133* 83.
136* 119.
Leberveränderungen 66* 206.
Lehrer in Heilanstalten 267* 20.
Leibseelenfrage 65* 61.
Leidenschaften 64* 46.
Leitungsaphasie 176* 149. 189* 304.
Leptomeningitis 168* 32.
Lesegeschicklichkeit 25* 349. 27* 380.
Lettre de Suisse 66* 219.
Leubus 270* 105.
Leukozythose 63* 178. 133* 96. 144*
244.
Lewenberg 271* 106.
Lichtern Wirkung 12* 160. 66* 33. 70*
280.
Liebe, pathol. 73* 312.
Lindenhaus (Lemgo) 271* 107.
Lipoide Abbaustoffe 183* 226, 228.
Lipps, Theodor 1* 11.
Liquor cerebrospinalis siehe Zerebro¬
spinalflüssigkeit.
Literarische Werke 20* 270.
Lobus frontalis 187* 286.
Lohr a. Main 271* 110.
Lombroso 43* 36. 44* 48. 69* 120.
Lüben 271* 108.
Lüge 6* 77.
Lüneburg 271* 109.
Lues-Paralysefrage 181* 202.
Luetikerfamilien 186* 267.
Luftfahrer 67* 238.
Lumbalpunktion 172* 81. 174* 110.
178* 169. 183* 232 a. 184* 243.
190* 323.
Luminal 68* 245. 227*76,79. 228* 88.
96. 231* 131.
Magnesiumsulfatinjektion 80* 414. 142*
227.
Malaria 177* 162.
Manie 128* 20. 135* 127. 138* 163.
141* 213.
Manisch-depressives Irresein 127* 4.
129* 24, 26, 34. 130* 38,48. 132* 68.
133*97. 139*172,173. 142*223,226.
Mariaberg 271* 111.
Markscheidenschnellfärbemethode 186*
278.
Marsberg 259* 46.
Massensuggestion 79* 398.
Masturbation 60* 2. 84* 468.
Mathematische Aufgaben 26* 860, 364.
Mayer, Robert Julius 63* 181.
Medienforschung 14* 196. 42* 19.
Medinal 75* 334.
Med.-psycholog. Unterricht 4* 41. 64*
37.
Melancholie 78* 389. 128*15. 136*132.
138* 166. 139* 180. 182. 142* 218.
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
322 *
Inhaltsverzeichnis.
Mendelsches Gesetz 62* 20. 76* 342.
77* 360. 130* 49. 168* 47.
Meningitis 170* 64 a. 173* 101. 184*
237. 188* 293.
Menstruationspsychosen 73* 309. 132*
72. 138* 169.
Merkfähigkeit 13* 177, 184.
Mesenchymalnetz 74* 327.
Metaphern 26* 348.
Meteoristische Unruhe 231* 144.
Meteorologische Praxis 2* 23.
Methylalkohol 214* 101, 113.
Militärpsychiatr. Stationen 61* 11.
Mills, John Stuart 28* 389.
Minderwertige 37* 23.
Mnemometer 18* 261.
Mongolismus 167* 39. 158* 46.
Monochromatische Töne 14* 187.
Monoplegie 223* 26.
Moralischer Schwachsinn 43* 26. 46*
63. 134* 105.
Moralpsychologie 4* 48. 8* 101.
Morbus Basedowii siehe Basedowkrank¬
heit.
Mord 44* 41. 45* 62.
Moritz Weiß-Reaktion 67* 82.
Morphinismus 210* 63. 211* 64. 212*
76.
Morphiumentziehung 208* 23.
Moskau, Psych. Klinik 76* 360. 214*
102 .
Motorische Sprachbahn 180* 188.
Münsterlingen 271* 112.
Multiple Sklerose 167* 9. 170* 56,66,67.
171*71. 173*94. 176*141. 182*213.
187* 288. 188* 295. 191* 330.
Musik 1* 9. 2* 22. 22* 310.
Muskelatrophie 172* 82.
Mutismus 186* 271.
Mutistisches Denken 130* 51.
Myatonia congenita 188* 296.
Myopathie 169* 60.
Mystikerin 84* 469.
Mystische Heilmethode 36* 10.
Mythomanie 232* 166.
Mythos 10* 131.
Nachahmung und Nachfolge 8* 103.
Nachtwandeln 236* 201.
Napoleon Bonaparte 60* 139, 140.
Narkotika 210* 51.
Negativistishe Erscheinungen 9* 120.
69* 117. 131* 69.
Neger 60* 132.
Neosalvarsan 167* 16, 20. 171* 70.
179* 177, 178. 180* 300. 212* 74.
Nervenpathologie 66* 80. 226* 68.
Nervöse und psychotische Zustände 13*
171. 62* 167. 232* 212.
Neuralgien 239* 263 b.
Neurasthenie 49* 6. 223* 18, 24, 30.
224* 33, 46. 231* 129. 233* 161.
236* 207. 239* 261 a. 240* 266.
Neurosen, allg. 237* 223.
Neurosen, traumatische 49* 1, 6, 7, 10.
236* 200, 203. 237* 226. 239* 247,
263 a.
Neurosenforschung 221* 2.
Neustadt i. Holstein 271* 113.
Neustadt, Westpr. 271* 114.
New Jersey State Hospital 271* 115.
Niedernhart in Linz 271* 116.
Niederösterreichische Anstalten 271*
117.
Nitrobenzolvergiftung 219* 40.
Nitrose Gase 213* 99.
Nordamerika 256* 7.
Normandie 260* 66.
Nukleinsäureinjektion 61* 147. 132*
78. 137* 161.
Nystagmus 71* 286. 77* 364.
Oberflächenkarzinom 267* 18.
Obrawalde 272* 118.
Omagh District Asylum 268* 34.
Ophthalmoplegie 187*. 284.
Opiumproblem 55* 69.
Orthopädische Behandlung 223* 28.
Osnabrück 177* 166. 272* 119.
Osteomalazie 76* 368. 77* 369. 140*
193.
Ostpreußische Anstalten 272* 120.
Otto Ludwig 63* 180.
Owinsk 272* 121.
Oxyproteinsäure 181* 201.
Oxyzephalie 66* 68.
Pädagogik 11* 162. 16* 224. 19* 267.
62* 166. 63* 171.
Pankreas 72* 308.
Pantopon 68* 110.
Paracodin 63* 22.
Paradoxon Müller-Lyer 24* 337.
Parallelismus 13* 178.
Paralyse 7* 96. 40* 20. 166* 1,3. 167*
12. 168* 26,27. 169* 38,39,48,49.
170*69,61,64. 171*67,69,79. 173*
96, 102 a. 176* 126. 176* 112, 143,
146,147. 177* 163, 166. 178* 162 a,
170. 179* 183, 184. 180* 196. 181*
204. 182* 216, 216, 219, 221, 226.
183* 226. 184* 244, 246. 186* 263.
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Inhaltsverzeichnis.
323 *
187* 281, 282, 287. 189* 308. 190*
324/326.
Paralyse, juvenile 179* 176. 180* 199.
182* 222. 186* 268.
Paralysis agitans 138* 166. 168* 33.
223* 32. 232* 149. 233* 164. 238*
241, 242. 239* 248. 240* 264.
Paranoia 24* 336. 40* 22. 127*1. 128*
16. 131*66. 133* 82,94. 136* 136.
139* 179. 141* 203, 205, 209. 142*
221, 226. 212* 86. 236* 211.
Paranoide Erkrankungen 134* 110. 212*
Paraphrenie 132* 73. 134* 106, 108.
139* 171.
Paris 267* 23.
Parkinsonsche Kr ankh eit 224* 44, 46.
Pavlow, Studien nach 6* 80.
Pellagra 207* 1. 209* 39, 43. 210* 48.
212* 76, 80, 81. 213* 89. 214* 106.
Pellagrapsychosen 209* 31, 32.
Periodischer Anfall 128* 21.
Perseveration 1* 6. 21* 288.
Persönlichkeit 66* 211. 82* 438.
Persönlichkeitsbewußtsein 22* 298. 23*
324. 52*6. 60*136. 63*168. 70*274.
73* 310. 76* 347.
Perspektivische Täuschungen 29* 400.
Peters und Nßmöcek, Arbeiten von 21*
286.
Pflegepersonal 269* 42. 260* 64, 63.
Pforzheim 260* 62.
Pfropfhebephrenie 143* 237.
Phänomenologie Husserl 19* 266.
Phantasten 39* 6.
Phenoval 67* 236. 76* 363.
Philosophie und Psychologie 13* 174.
Phonetik 20* 276.
Physische und psychische Beziehungen
23* 316.
Pia mater 179* 176 a.
Plagwitz (Bober) 269* 44
Planimetrische Messungen 63* 179.
Poetisches Gleichnis 10* 130.
Poliomyelitis 177* 161, 162.
Pollardsystem 47* 1.
Polyglanduläre Erkrankungen 226* 52,
53.
Polyneuritis 212* 74. 226* 69 a.
Porenzephalie 177*, 164. 189* 310.
Poriomanie 159* 60.
Prätabes 167* 6.
Pröfargicr 272* 122.
Presbyophrenie 167* 7.
Problem der Strafe 17 * 232.
Prophylaxe 52* 23. 60* 126.
Prosekturen 260* 62.
Prostituierte 62* 161. 183* 229.
Proteolytische Fermente 73* 313.
Protoplasma 74* 321.
Protozoen 22* 301.
Pseudobulbärparalyse 186* 276.
Pseudodemenz 36* 20.
Pseudologia phantastica 136* 130.
Pseudomyotonie 183* 231.
Pseudosklerose 182* 212.
Pseudotabes pituaria 181* 210.
Pseudotumoren 183* 230.
Psychiatrie 36* 8. 48* 10, 11. 60* 1.
62* 11. 56* 69. 66* 216. 74* 329.
76* 346. 82* 441.
Psychiatrie, Lehrbuch der 26* 364. 80*
406; Leitfaden 63* 182.
Psychiatrie und Krieg 64* 46, 47.
Psychiatrische Diagnostik 60* 134. 74*
326.
Psychiatrische Klinik und Gemeinde 73*
311.
Psychoanalyse 4* 49, 7* 88. 13* 183.
14* 189,194. 18* 247. 22* 307. 26*
361. 27* 382. 36* 19.
Psychobiologie 68* 108.
Psychogalvanischer Reflex 18* 264.
Psychologie 2* 17. 3* 34. 4* 44 6* 60.
6* 84. 10* 140. 14* 190. 15* 199.
18* 226. 20*276. 23*321. 26*341.
Psychologie des Denkens 16* 209, 210.
18* 246.
Psychologie Lotze, Fechner, Helmholtz,
Wundt 10* 140.
Psychologie und Philosophie 7* 87. 18*
244. 26* 362.
Psychologie und Psychiatrie 21* 286.
26* 362.
Psychologie und psychologische Päda¬
gogik 18* 226 a. 29* 403. 409.
Psychologie und Rechtswissenschaft 28*
397.
Psychologische Forschung 3* 39. 7* 100.
8* 107. 16* 216. 18* 248. 26* 340,
362,365. 27* 371. 28* 388,397. 29*
408.
Psychoneurosen64*60. 66*74. 61*141.
82* 430.
Psychopathia gallica 67* 237.
Psychopathien 83* 467. 143* 242.
Psychopathologie 28* 386.
Psychophysik 17* 239.
Psychophysiologie Gail 64* 43.
Psychose, Inhalt der 130* 44. 134* 101.
Psychosen 52* 16. 63* 183. 64* 188.
130* 44. 139* 178.
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
324 *
Inhaltsverzeichnis.
Psychosen, akute 130* 42. 131* 62.
132* 70.
Psychosen, atypische 190* 314.
Psychosen der nephritischen Gruppe 72*
298. 138* 164.
Psychosen, dysglanduläre 131* 65.
Psychosen, funktionelle 127* 2.
Psychosen, hysterische 132* 75. 228*
100. 233* 173.
Psychosen, juvenile 130* 43.
Psychosen, paranoide 128* 14. 141* 211,
212. 143* 241. 236* 217, 218.
Psychosen, posteklamptische 230* 122.
Psychosen, relative 75* 337.
Psychosen, senile 78* 381. 166* 6. 182*
223. 185* 262. 187* 288 a„ 289.
Psychosen, toxisch-infektiöse 210* 62.
Psychosen, traumatische 63* 33. 54* 44.
58* 98. 79* 395. 128* 12.
Psychosen und innere Erkrankungen
74* 326. 139* 174.
Psychotherapie 17* 236. 63* 28. 59*
122. 60* 131. 79* 394. 81* 427.
Pubertät 19* 269. 65* 209. 70* 273.
72* 302.
Pubertätspsychosen 138* 167. 140* 195.
Ihierperalpsvchosen 130* 37. 139* 90,
183.
Pupillenreaktion 58* 101. 76* 356. 77*
361. 131* 67. 139* 177.
Pupillenstarre 181* 206.
Pupillenstörungen 181* 203.
Quecksilbervergiftung 209* 33.
Querulantenwahn 39* 7. 51* 10. 130*
47. 134* 107.
Quinkesche Krankheit 187 * 284.
Kadiumbromid 130* 42.
Käsonnement 22* 300.
Kasemühle 272* 123.
Kassenfrage 50* 125. 67 * 228. 80* 411.
83* 448'; 129* 26.
Ray mimische Krankheit 157* 38.
Reaktionszeiten 12* 158.
Reaktive 22* 296.
Rechenkünstler 1* 4.
Rechnen 11* 145. 16* 221. 24* 333. 25*
m.
Rechtspsycholog. Experiment 15* 203.
Recklinghausensche Krankheit 155* 8.
Reflexauslösung 238* 236 a, 236 b.
Reflexe 62* 6. 56* 75. 70* 278.
Religiöse Wahnbildung 129* 36. 138*
166. 142* 214. 237 * 219.
j Religionspsychologie 17* 229. 25* 347.
29* 399.
I Retrograde Amnesie 71* 285. 83* 447.
I Rheinischer Hilfsverein 272* 125.
Rheinprovinz, Anstaltsberichte 272*
124.
Rindenepilepsie 223* 29. 225* 50.
Rockwinkel 272* 126.
Roda 272* 127, 128.
Romanische Sprachen 27* 378.
Rosegg 272* 129.
Rückschlagsbildungen 61* 146.
Rufach 272* 130.
Russ.-Japan. Feldzug 50* 3.
Sachsen 256* 3.
Sachsenberg 272* 13L
Sachverständige 35* 6.
Säuglingsmyxödem 167* 26.
Saitengalvanometer 64* 49.
Salute del pensiero 52* 10.
Salvarsan 166* 4. 167*11. 169*40,46.
170* 62. 174* 115, 118. 175* 133.
178* 172, 173, 174. 185* 259. 186*
272. 187* 283. 190* 322. 191* 327.
335.
Sanatorienluxus 259* 45.
Saturnismus 207* 9.
Schädelabnormitäten 78* 387.
Schädelinhalt 57* 91. 140* 187.
Schädelmasse 191* 333.
Schätzen von Mengen 17* 226.
Schallintensitäten 29* 405.
Schallreize 15* 200.
Scheidungswahn 43* 31.
Scheinbewegungen 3* 31.
Scheingefühle 9* 124.
Scheitellappengeschwülste 190* 319.
Schiffskatastrophen 62* 158. 66* 224.
Schilddrüse 231* 133.
Schizophrenie 128* 19. 132* 77. 140*
186, 188, 194. 141* 206. 142* 220.
224. 236* 208, 213.
Schizothvmie und Zyklothymie 134*
113. 135* 114, 115, 116.
Schlaf 56* 78; kontinuierlicher 67* 94.
Schlaflosigkeit 69* 118. 226* 60. 227*
80.
Schlafmittel 67* 87.
Schlafstörungen 61* 144.
Schleswig 272* 132. 273* 133.
Schreiben und Schrift 12* 170. 28*
395. 231* 145.
Schülerindividualitäten 8* 104.
Schulgedanke und Zweckmaxime 20*
273.
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Original frorn
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Inhaltsverzeichnis.
325*
Schwachsinn, Schwachsinnigen-Erzie-
hung, Fürsorge 39* 14. 64* 41. 68*
242. 143* 236. 165* 3. 166* 10, 11,
14. 157* 27,30,31,34,37. 168* 43.
169* 61, 67, 69; in Nord-Amerika
155*4,6. 156* 20,21. 157* 28,29,32
158* 46, 48.
Schwangerschaftspsychosen 170* 55 a.
191* 33.
Schwetz 273* 134.
Schweiz 258* 27.
Scotland 273* 136.
Sedobrol 66* 220. 225* 69. 234* 179.
236* 214.
Seelenfrage 9* 126. 10* 134. 17* 237.
Seelenstörungen, periodische 144* 245.
Seelische Vorgänge und körperliche Er¬
ziehung 16* 223.
Seherin von Genf 8* 106. 27* 374.
Sehvermögen 2* 14, 16. 12* 162. 26*
368.
Seinsbewußtsein 12* 163.
Selbstbefreiung 223* 23.
Selbstbezichtigung 11* 149. 46* 2.
208* 26.
Selbstmord 44* 38. 51* 9. 68* 106.
230* 117 a.
Selbstverstümmelung 166* 22.
Sella turcica 226* 71.
Seniles Gehirn 188* 294. 190* 316.
Sensibilität 68* 95.
Serologie 52* 9. 68* 96, 97, 99, 102.
62* 166. 80* 407. 166* 4 a.
Sexualität 19* 263. 42* 13. 78* 338.
141* 207. 231* 142.
Sexualwissenschaft 37* 24.
Sexuelle Manie und Alkohol 213* 88.
Siebzehnjährige, die 10* 132.
Simulation 36* 13, 16, 17, 18. 39* 11.
49* 2, 4, 8. 238* 234.
Sindsygebehandlingen 66* 212.
Sinnenwelt und Ideenwelt 26* 369.
Sinneseindrücke 3* 33.
Sittlichkeitsvergehen und -verbrechen
26* 336. 39* 3, 4. 42* 14.
Sklerose 167* 14. 178* 165.
Soldat, der 29* 402.
Soldat Masetti 61* 8.
Sonderlinge 66* 214.
Sonnenhalde 273* 136.
Sonnenstich 129* 23. 139* 184.
Soziale Lage 82* 442.
Soziale Medizin 49* 3.^
Soziale Physik 22* 303.
Soziologie der Leiden 70* 272.
Spekulation und Mystik 19* 266.
Difitized by Gougle
Sphärotrichie 186* 274.
Spina bifida 76* 367.
Spirochaete 171* 76. 177* 161. 178*
171. 179* 180. 180* 196.
Sprache, Sprachvorgänge 7* 89, 89 a.
10* 133. 29* 40. 71* 289. 79* 403.
181* 210 a.
Stauungspapille 176* 137.
Steinmühle 273* 138.
Stephansfeld 273* 137.
Stereoagnosie 62* 160.
Sterilisation 73* 315.
Stetten 273* 139.
Stickstoffausscheidung 222* 4. 238*
237.
Stimulierung 4* 66.
Stirnhimschüsse 176* 134. 186* 266.
Stockhard, exper. Versuche nach 207* 5.
Stoffwechsel 81* 417.
Stottern 222* 10. 238* 238, 240.
St. Pirminsberg 273* 140.
Strafgesetzbuch 36* 11, 21.
Strafgesetzreform 36* 16. 39* 10. 47*
7, §.
Straftat 9* 123.
Strafzeit und Anstaltsaufenthalt 39* 16.
Strangulation 62* 167. 80* 412.
Strecknitz-Lübeck 260* 67. 273* 141.
Strelitz (Alt) 273* 142.
Strychnin 21* 291.
St. Urban 273* 143.
Suggestion 12* 166, 169. 62* 166.
Swift-Ellis-M ethode 171* 66. 180* 197.
Symmetrische Gangrän 78* 376.
Synästhesien 63* 172.
Synergiereflexe 66* 216.
Syphilis 136* 143. 169* 41, 43, 62.
Syphilis des Nervensystems 171* 74.
173* 97. 174* 106. 180* 189, 192,
200. 183* 234. 188* 292. 189* 305.
190* 326, 326 a.
Syphilispsychosen 169* 47. 176* 140.
178* 163.
Tabak 208* 12, 212* 72; -Vergiftung
209* 27.
Tabes 131* 60. 146* 232. 167* 10,16.
172* 83. 175* 123. 186* 270. 190*
320.
Tänze 55* 64.
Tätowierung 42* 16.
Tannenhof 273* 144.
Taschenspieler 1* 8.
Tatbestandsermittlung 11* 166, 166.
Taubstumme Schüler 17* 228.
Tay-Sade 166* 13.
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
326*
Inhaltsverzeichnis.
Temperaturmessung 76* 352.
Teratoide Geschwülste 176* 125.
Tetanie 228* 90. 229* 107.
Tetanus 231* 139.
Thalamus opticus 188* 297.
Therapie und psychiatrische Klinik 68*
243.
Thermische Beize 21* 293.
Thiokoltherapie 64* 187.
Thymusreduktion 228* 98.
Thyreoiditis 224* 41.
Tick 229* 110 a. 235* 202.
Tierversuche, psychol. 6* 86, 68* 244.
79* 397.
Todesfälle, plötzliche 65* 204.
Tonische Krämpfe 223* 21.
Tonstudien 2* 19, 20. 3* 27. 14* 186,
195. 17 * 227. 26* 357.
Tost 273* 145.
Toxine 72* 299.
Transvestiten 46* 10.
Traum 1* 1. 11* 157. 14* 188. 18* 234.
53* 26.
Traumdeutung 6* 73. 8* 112. 20* 279.
23* 320. 25* 350.
Treponema 167* 17, 178* 166, 168.
Trigeminuslähmung 233* 174.
Trinken, vom 213* 92.
Trinkerfürsorge 207* 4. 210* 56. 214*
109, 111.
Trinkerhalluzinose 209* 34.
Trinkerneurose 208* 15.
Trionalvergiftung 211* 66.
Tropen 55* 51. 83* 455.
Trunksucht 46* 7. 213* 93.
Tryponosomyasis 186* 269.
Tuberkulinbehandlung 174* 119. 182*
218. 183* 227.
Tunichtgut 44* 42.
Typenlehre Rutz 23* 318.
Uchtspringe 260* 69.
Unbewußte, das 28* 393.
Unkultur 66* 203.
Ureabromin 236* 216.
Urteilsfindung, richterliche 11* 154.
Utrecht 267* 16.
Valamin 63* 35.
Valsala-Morgagnisches Gesetz 67* 88.
Vegetative Zentren 233* 166.
Verantwortlichkeit 39* 2, 16.
Verblödung 184* 251.
Verbrechen, Verbrecher 13* 179. 22*
306. 35* 1. 40* 24,27. 41* 3. 43* 33,
34, 35. 44* 39. 46* 60, 61. 47* 3.
Verbrecheropfer 128* 13.
Verdauung 6* 69.
Verfolgungswahn 130* 46. 132* 80.
139* 175.
Vergessen und Erinnern 2* 21.
Vergiftungserscheinungen 208* 11. 211*
70.
Verkehrsrecht 48* 16.
Veronalvergiftung 208* 21. 209* 30, 38.
211* 66. 212* 82. 213* 90.
Verwirrtheit 129* 29. 130*39. 137*155.
181* 207. 231* 137.
Vestibular-und Kleinhirnerkrankung
188* 291.
Vier Reaktionen 182* 217.
Villa oder Kolonie 259* 50.
Völkerpsychologie 6* 59. 26* 367 a.
66* 70.
Vokalklang 3* 27.
Volksnervenheilstätten 266* 5.
Volksschulkinder 20* 282. 23* 325.
Volksschullehrer 76* 340. 236* 198.
Wahlreaktion 3* 36. 18* 253.
Wahnvorstellungen 6* 72. 15* 211.
52* 7, 14. 136* 117, 120. 142* 219.
Wahrheit und Wahrscheinlichkeit 4* 45.
35* 2.
Wahrnehmung 16* 206. 25* 346.
Waldau, Münsingen, Bellelay 273* 146.
1 Waldhaus 273* 147.
! Waldkrankheit 67* 225.
! Wassermann-Reaktion 59* 114. 168* 22.
169* 51. 171* 78. 174* 108. 177* 164.
181* 208. 184* 247. 189* 303. 234*
187.
Wehnen 273* 148.
Weibliche Pflege, M&nnerseite 267* 17.
Weichardtsche Reaktion 61* 148. 132*
79.
Weilmünster 273* 149.
Westfälische Anstalten 274* 151.
Wiedererkennen 11* 161.
WU 274* 152.
Willensfreiheit 4* 61. 14*197. 28* 390.
36* 16.
Willenshandlungen 2* 24. 4* 43.
Wilsonsche Krankheit 189* 307.
Wortblindheit 27* 377. 63* 29.
Würzburg 258* 29.
Wundt 10* 141.
Wurm, Fall 42* 12.
Zahlvorstellungen, Zählversache 4* 50
6* 75. 8*108. 10*142. 16* 220. 22*
303. 24* 327.
Digitized by
Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Inhaltsverzeichnis.
327*
Zahnärztliche Behandlung 258* 28.
Zeichnen 20* 28L
Zeitbewußtsein 6* 6L 15* 212. 21*
289, 292.
Zensurenstatistik 15* 202.
Zentralnervensystem 183* 233. 186*
253.
Zerebraldegeneration 63* 21.
Zerebrale Lähmungen 223* 27.
Zerebralgefäße 76* 349.
Zerebrospinalflüssigkeit 67* 86. 60* 128,
130. 66* 202. 70* 279. 71* 284. 167*
21. 168* 26, 35. 169* 36, 37. 171*
68,76. 172* 92. 173* 96. 175*122,
132. 177* 158. 179* 179. 180*
I 193, 194, 198. 188* 298. 189* 311.
313.
Zeugeiiaussage 19* 264. 24* 338. 46* 4.
j Zivilisation 81* 423.
Zschadraß 257* 17.
Zuchthausgefangene 44* 49.
Zurechnungsfähigkeit 39* 6, 8. 40* 26,
26, 38. 44* 39. 46* 4.
; Zwangsvorstellungen 39* 13. 59* 111.
64* 196, 197. 80* 404. 83* 453.
127* 3. 142* 222.
Zwei Faktoren 26* 344.
Zweihändigkeit 17* 240.
Zyklophrenie 140* 190, 191. *
Zyklothymie 143* 243.
2 , Autorenregister.
Aal 1*.
Abbot 127*. 221*.
Abderhalden 61*.
d’Abundo 166*.
Adler 221*.
Adler u. Furtmüller 11*
61*.
Ahrens 1* 166*.
Aim6 221*.
Alberti 52*.
Albrecht 62* 127*.
Alessandrini u. Scala 207*.
Allamon 127*.
Allere 127* 221*.
d’AlIonnes 1*.
Alrutz 1*.
Alt, Ferd. 1*.
Alt, Rud. 266*.
Alter 52* 165* 166*
256* 271* 107.
Alter u. Thumm 222*.
Ament 1*.
Ammann 222*.
Anile 52*.
Ansalone 166*.
Anschütz 1* 2*.
Anton (Halle) 52* 222*.
d'Antona 222*.
Antoni 52* 167* 222*.
Aronsohn 222*.
Areimoles 127* 122*.
Araimoles u. Halber¬
stadt 41* 128*.
Areimoles u. Legrand
128* 167* 122*.
Arten 167*.
Ash 2*.
Auer 222*.
Auerbach 167*.
Auerbach u. Großmann
222 *.
v. Aufseß 2*.
Augstein 2*.
Austreg&ilo 207* 222*.
Baade 2*.
Baecker, Hans 207*.
Bagenoff 62* 128*.
Bagliani 2*.
Bahr 128*.
Baley 2*.
Ballard 2*.
Ballet 41*.
Ballet u. G6nil-Perrin 2*
155*.
Balthazard lo7*.
Balz 2*.
Bancroft 62*.
Banse 128*.
Banse u. Roderburg 167*.
Barakov 222*.
Barkan 222*.
Barker 52*.
Barnes jun. 155*.
Barness 223*.
Barr 155*.
Barret 52*.
Bashenoff u. Marie 128*.
Batten 63*.
Bauch 2*.
Bauer, J. 223*.
Bauer, O. 47*.
Baugwitz 128*.
Baumann 53*.
v. Bayer 167*.
Bayerthal 63*.
v. Bechterew 41*.
Beck 2*.
Becker (Herborn) 63*
128*.
Becker, Theophil 128*.
Becker, W. 167*.
Becker, W. J. 128*.
Beelitz 273* 144.
Behn 2*.
Beling 223*.
Benders 223*.
Benedikt 63*.
Benjamins 3*.
Benning 272* 126.
Benninghaus 128*.
de Benoit 207*.
Benussi 3*.
Berg 155* 167*.
Berger 167*.
Berghan, Heinr. 223*.
Bergmann, W. 223*.
Beri61 167*. «
Beri61 u. Durand 167*.
Berillon 223*.
Berliner, Anna 3*.
Berliner, B. 3* 63*
Berliner, M. 223*.
Bernhardt, M. 266*.
Bernhardt, W. 223*.
s
Difitized
bv Google
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
328*
Inhaltsverzeichnis.
Bemheim 53* 167*.
Bertholet 207*.
Bertolani 207*.
Berze 3* 53* 128*.
Besgmark 223*.
Beutler 167*.
Biach u. Kahler 167*.
Bickel 3*.
Bielschowsky 165*.
Bierende 155*.
Biesalski 223*.
Bikelas u. Zbyszewski
223*.
Billings 3*.
Bing 63*.
Bingler 223*.
Binhold 63*.
Binswanger, L. 3*.
Binswanger, 0. 63*.
Birnbaum, K. 36* 128*.
Birnbaum, R. 63*.
Bisch 166*.
Bischolf u. Lazar 41*.
Bisgaard u. Korsbjerg
53*.
Bjerre 3* 63*.
Blachian 270* 86.
Blanck, Wilh. 223*.
Bleuler 4* 64* 128* 166*
269* 72.
Bloch u. Vernes 167*.
de Block 207*.
v. Blomberg 166* 270*
99.
Blondei 64*.
Blüwstein 223*.
Boas 42* 168*.
Bock 64*.
Bode 4*.
Boden 4* 35*.
Bodenstein 224*.
Börger 64*.
Boggs u. Snowden 168*.
Boigey 42* 64*.
Bolten 128* 224*.
Bonhoeffer 64* 168* 207*.
Bonhomme 128* 168*.
Bonvincini 64*.
Boring 129*.
Bornstein u. Sänger 64*.
Bourdon 4*.
Boveri 168* 207*.
Bovet 4*.
Boyle 64*.
Brahn 4*.
Brandenburger 4*.
Brandt, Hanna 224*.
Braune 269* 74.
Brdtf k 224*.
v. Brero 66*.
Bresler 65* 266*.
Briand 224*.
Briand u. Fillasier 207*.
Briand u. Salomon42*.
Briese, Fritz 66* 129*.
Brill 65*.
Brinkmann, Joh. 66*.
Brissot 168*.
Brissot u. Bourilhet 224*.
Brown, S. 129*.
Bruce 129*.
Brückner 65* 168*.
Brümmer 272* 148*.
Brünger, Herrn. 224*.
Bruhn 5*.
de Bruin 166* 224*.
v. Bruns 65*.
Buchenau 6*.
Buckley 224*.
Bucura 224*.
Budal 129*.
Bühler 6*.
Bürgi 66*.
Bufe 56*.
Bula 224*.
Bundschuh 66*.
Bunnemann 66*.
Burr 35* 65* 129* 168*
208*.
Burry 224*.
Busch, Paul 224*.
Buschan, Georg 66* 129*.
Bush 208*.
Buttenberg 269* 81.
Bychowski 168*.
Byloff 6* 42*.
Cäda 166*.
Camp 168*.
Cannon 5*.
Capgras 129*.
Capgras iT. Morel 129*.
Carlisle 56*.
Ceni 66*.
Charon 166*.
Charon u. Courbon 66*.
Charpentier 49* 129*.
Chaslin 66*.
Chiray 224*.
Chittenden 66*.
Chmiel 6*.
Christinger 226*.
Chvostek 226*.
Ciarla 168*.
Claparöde 6*.
Claude 168*.
Claude u. Rouillhaud
169*.
Clouston 208*.
Cobb 6*.
Cobum 6*.
Cöbben 208*.
Coenen 226*.
Cohen, Lndw. 169*.
Cohnheim 6*.
de Colnis u. Frank 169*.
Colin 66*.
Collet 169*.
Collin 169*.
Collins 169*.
Conrad, O. 70*.
Consiglio 60*.
Coriat 129*.
Corson White u. Ludlum
169*.
Cotton 271* 116.
Courbon 6* 66* 129*.
Courtenay 66*.
Craemer 6* 129*.
Craig 169*.
Crenstaw 6*.
Cristiani 46*.
Crocq 66*.
Cromer, Dietrich 130*.
Crothers 208*.
Cuneo 130*.
Curwen 266*.
Cushing 225*.
Cutting u. Mack 169*.
Cygielstreich 66* 130*.
Czöhai 226*.
Dabeistein 271* 113.
Damaye 169* 208* 226*.
Damaye u. Marangö 226*.
Dana 66* 169*.
le Dantec 66*.
Darling, S. T. 208*.
Darling u. Newcomb
169*.
Daumier u. Voivenel 66*.
Davidsohn, J. 226*.
Davis 169*.
Davol 208*.
Debenedetti u. Olivieri
170*.
Decroly 156*.
I Decroly u. Dechamps 6*.
Difitized
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Original fro-m
UNIVERSETY OF MICHIGAN
Inhaltsverzeichnis.
329*
l)ees 269* 83.
Dejerine 66*.
Delbrück 269* 78.
Demay 42*.
Deraole 66* 67* 208*.
Denk 226*.
Dercurn 170*.
Dessecker, Karl 226*.
Deuchler 6*.
van Deventer 266*.
Devine 130*.
Deway 130*.
Dexler 57*.
Dick 208*.
Diemitz u. Fries 67*.
Dierling 208*.
Dieterle, Hirschfeld u.
Klinger 156*.
Dinter 271* 105.
Dluhosch 272* 118.
Dobre, Marie 6*.
Dölges 170*.
Doflein, F. 6*.
Doinikow 170*.
Dolega, Herbert 156*.
Dolenc 42*.
Doll, E. 6*.
Domenici, Marchand u.
Petit 130*.
Dominik, Heinr. 208*.
Donath 225*.
Doutchef-Dezeuse 6*.
Dreyfus u. Schürer 225*.
Dreyfus u. Traugott 170*.
Drigalski 6*.
Drysdale 130*.
Dubois 6* 226*.
Ducost6 226*.
Dück, Joh. 6*.
Dürr, E. 6*.
Dürr, Wilh. 208*.
Dütemeyer, Hermann
226*.
Dufour 208*.
Duge, Bruno 130* 170*.
Dumas u. Laignel-Lava¬
stine 57*.
Dunlap 6* 170*.
Dunton 57*.
Dupr6 u. le Savoureux
208*.
Dupouy 130*.
Dynan 226*.
Eager 57*.
Ebbinghaus 6*.
Digitized by
Gck 'gle
Ebstein, E. 57*.
v. Economo 130*.
Edenharter 270* 95.
Edinger 6* 57*.
Egenberger 6*.
Eha, Karl 130*.
v. Ehrenwall 226*.
Ehrhardt 170*.
Ehrlich 170*.
Eichelberg 170*.
Eisath 57* 256*.
Eisenmeyer, J. 7*.
Elmiger 130*.
Eltester u. Schröder 226*.
Elzholz 42*.
Emerson 130*.
Eng, Helga 7*.
Engel 49*.
Engelen 7*.
Engelhardt, C. F. 226*.
Entres 67*.
Eppelbaum-Strasser 130*
131*.
Epstein, Ladislav 57*.
Erb., Wilh. 226*.
Erdmann 7*.
Ermakow 131*.
Ernestus, W. 170*.
Emst 7*.
Eschle 7*.
Eskuchen 170* 171*.
Etienne 226*.
Eulenburg 7* 57*.
Eulenburg u. Bloch 37*.
Ewald 49*.
Fabritius 58*.
Fanciulli 7*.
Fankhauser 131*.
Farrant 226*.
Faucault 8*.
Fauser 58* 131*.
Favarger 209*.
Feamsides 226*.
Federn 7*.
Fehr, Heinrich, 49*.
Feige, W. 58*.
Feübach, W. 7* 171*.
FeUer 171*.
v. Feilitzsch 68*.
Feleky, Antoinette 7*.
Ferenczi 131*.
Femald 156*.
Femberger 7*.
Ferrari, G. C. 256*.
Ferrari, Manlio 209* 226*.
Ferrari, P. 7*.
Finkenbinder 7*.
Firth 58* 131*.
Fischer, A. 8*.
Fischer, E. D. 171*.
Fischer, J. 226*.
Fischer, J., u. Fischer,
H. 227*.
Fischer, Max 256*.
Fischer, O. 38* 171*.
Fischer u. Triebenstein
227*.
Fitt 8*.
Flaig 209*.
Flaschen 171*.
Fleischer, Bruno 171*.
Flesch 171*.
Flinker 39*.
Flister 257*.
Floumoy 8*.
Fontanesi 68*.
Fordyce 171*.
Fomiggini 8*.
Förster 58*.
Förster u. Tomaszews-
ki 171*.
Fouilloux 8*.
Fox 8*.
Frank, Ludwig 42*.
Frankenhauser 58*.
Franz, 0. 8*.
v. Franzoni 209*.
Fraser 209*.
Frazer 209*.
Frazier 171*.
Freimuth 68*.
Freud 8*.
v. Frey, M. 8* 9*.
v. Frey, W. 68*.
v. Frey u. Goldmann 9*.
Freyer 68*.
Friedemann 58*.
Friedemann u. Kohn-
stamm 227*.
Friedländer 58* 227*.
Friedmann 69* 209*.
Frings 9*.
Froehlich, E. 59*.
Fröhlich, W. 9*.
Frölich 270* 98.
Fröschels 171*.
Frommer 131*.
Frowein, Otto 209*.
Fuchs, A. 59* 171*.
Fuchs, Alfred 227*.
Fuchs u. Freund 59*.
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
330*
Inhaltsverzeichnis.
Fuchs, W. 59* 227*.
Füller 171*.
Fumarola u. Zanelli 209*.
Gallinger 9*.
Gallus 9* 59* 131*.
Gans 9* 172*.
Gastinel 172*.
Gauer, W. 172*.
Gault 9*.
Gaupp (Tübingen) 59*
257*.
Gaupp, Goldscheider u.
Faust 227*.
Gaußeimann, Joh. 131*
172*.
Geigel 69*.
Geiger 9*.
Gemell 227*.
Gemelli 9*.
G6nil-Perrin 69* 166*.
Gerstenberg 270* 92.
Gerstmann 172*.
Gerwer 209*.
Gettings 69*.
Geyser 9*.
Giannuli 172* 209*.
Giese 9*.
Gießler 131*.
Glaser, A. 172*.
Glaser, 0. 172* 209*.
Glaserfeld 227*.
Goddart 9*.
Goebel 172*.
Göring 35* 42*.
Gott 69*.
Golch, Fr. 227*.
Goldberger 209*.
Goldbladt 59*.
Goldstein, Kurt 172*
227*.
Goldstein, M. 172* 227*.
Goldstein u. Frida Reich¬
mann 131*.
Golla 69* 131*.
Golsong 39*.
Goodal u. Schölberg
172*.
Goodhue 69*.
Goodncr 60*.
Gordon 60* 132* 172*
228*.
Gorski 132*.
Gotthold 42*.
Gottschalk 228*.
Gouet 60*.
v. Grabe 47*.
Grabi 228*.
Graetzer, A. 173*.
Grafe u. Homburger 209*.
v. Graff u. Novak 228*.
Grahe 60* 173* 228*.
Grant 228*.
Graßmann 36*.
Graumaußl 10*.
Graves 228*.
del Greco 60*.
Greef 210*.
Green 60*.
Gregor 60*.
Gregory 132*.
Greppin 272* 129.
Grey 60*.
Grigorescu 228*.
Grimme 132*.
Grober 60*. 132* 228*.
Groos, Karl 10*.
Groß 272* 130.
Gruber 210*.
Grünbaum, Rose 10*.
Gruhle, Wilmanns u.
Dreyfuß 42*.
Gramme 228*.
Grzywo-Dybrowski 173*
228*.
Guillain u. Laroche 60*.
Guiraud 132* 228*.
Gurari 173*.
Gutzmann 10*.
v. Haberer 228*.
Haberich 10*.
Haberkant 60* 270* 93.
Hacker, F. 10*.
Haeberlin 273* 140.
Häffner, Richard 132*.
Haenel 10*.
Hahn 11* 42* 268* 70.
Hahn u. Thomdike 10*.
Haike u. Lewy 173*.
Halberstadt (Paris) 132*
228*.
Halberstadt u. Legrand
1 QO*
Hall 10*.
Hallervorden 132* 228*.
Hamburger 166*.
Hammer, W. 47*.
Hanes 61*.
v. Hansemann 61* 166*.
Hansemann, C. 61*.
Hansen, Karl 39*.
Happich 61*.
Hardart 173*.
Harms, H. 231*.
Harnack 36*.
Harpe, Karl 132* 229*.
Hart, C. 229*.
Harter 11* 61*.
Hasal 166*.
Hasche-Klünder 229*.
Haßmann 269* 80.
Hatiegan u. Döri 210*.
Hatschek 61*.
v. Hattinghaus 132*.
Hauber 61* 132*.
Hauenstein, Jakob 61*
132*.
Hauptmann 61* 173*.
Haury 61*.
Hayashi 210*.
Haymann 61*.
Heck 11*.
Hedwall 11*.
Hegar 42* 47*.
Hegener 11*.
Heilbronner 11* 46* 61*
173* 257*.
Heile 173*.
Heilig 229*.
Heine, Rosa 11*.
Heinicke u. Künzel 173*.
Heise, W. 61*.
Heller, Julius 62*.
Heller, Th. 11* 62*.
Hellsten 173*.
Hellwig, A. 11* 42*.
Henmon u. Wells 12*.
Henning, G. 173*.
Henning, H. 11*.
Henri-Claude u. Queroy
173*.
Henrotin 12*.
Hensgen 229*.
v. Hentig 47*.
Herfort u. Broiek 62*.
H6risson-Laparre u.
Pravost 132*.
Herold, Erich 39*.
Herschmann 62*.
Hesnard 62* 133*.
v. Heß 12*.
Hesse, Franz 174*.
Hesser 229*.
Heusch 210*.
Heveroch 12* 62* 133*
174*.
Heyder, Otto 43* 133*.
Difitized
bv Google
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Inhaltsverzeichnis.
Heymann, Irma 62*.
Heymans 12*.
Hibben, D. 133*.
Hieronymus 62* 174*.
“ 29 *. Hilger 12*.
Hill 12*.
Hinkley 12*.
Hinrichsen 133*.
29 *. Hirsch, 0. 174.
i. Hirsch, S. 210*.
10 *. Hirschfeld, H. 62*.
Hirschfeld, L. 62*.
■>*, Hirschfeld, Magnus 12*
43*.
) 61 * Hirschfeld ». Klinger 62*.
weil. Hirschl 229*.
3* Hirschlaff 12* 62*.
Hirschweg 175*.
Hirt, Ed. 12* 13* 62*.
Hn&tek 63*.
Hoch, A. 63*.
Hochsinger 157*.
Hock 268* 66.
v. Höpler 133*.
. Hösel 267*.
Hoff mann, Erwin257*.
Hoffmann, H. 13*.
Hohmann, A. 133*.
Holle 13*.
,- 3 > Hollingworth 13*.
Holmes 63* 133*.
Holterbach 270* 94.
» v. Holtum 133*.
Honigmann 49*.
, Hoppe, .1. 229*.
Horion 267*.
Horstmann 13* 63*.
Hortvfk 63*.
irnV Horwitz, Camilla 63*
1 ‘ 229*.
Horwitz, K. 13*.
Hosemann 174*.
Hotz 174*.
Hoven 63*.
Hübner 267*.
Hüttel 167*.
Hughes 133* 210*.
Hund, Josefine 36*.
Hunt, Ramsey 174*.
Hunter u. Williams 210*.
Hurwicz 13*.
Huther, A. 13*.
Hylla 13*.
r Infield 174*.
Isserlin 13*.
Zeitschrift für Psychiatrie.
Difitized by Gougle
Itten 63* 134*.
Iwaschenzoff 174*.
Jackson 63* 133*.
Jacquin 133*.
Jaeger, R. 63*.
Jaensch 13* 14*.
Jakob, A. 174* 229*.
Janet 13*.
Janowski 174*.
Janski 46* 174*.
Jedliöka 229*.
Jeliffe u. Frank 229*.
Jentsch 63* 229*.
Jenz 271* 106.
Joachim, A. 174*.
Jödicke 229* 270* 102.
Jörger 134* 273* 147.
John, K. 229*.
Johnson, H. M. 14*.
Jolly 63*.
Jones 63* 267*.
de Jong 210*.
Jordan, Erich 174*.
Juarros 229*.
Juchtschenko 64*.
Juchtschenko u. Plot-
nikoff 64* 134*.
Juliusburger 64*.
Jung 64* 134*.
Juquelier u. Vinchon 43*.
Jurmann 230* 267*.
Kafka, G. 14*.
Kafka, Viktor 64* 174*
175*.
Kahane 14* 64*.
Kahlmeter 134*.
Kahn u. Gallais 134*.
Kalischer 14*.
Kalmus 39*.
Kammei, W. 14*.
Kämmerer, Wilh. 43*
134*.
Kanngießer 64*.
Kaplan 14* 175*.
Kappen 64*.
Karpas 134*.
Karplus 230*.
Kastan 43* 65*.
Kat 210*.
Kato 176*.
Katz 14*.
Kauffmann, Elsa 65*.
Kawczynski 176*.
Kayser 269* 76.
LXXII. Lit.
331*
Kehoe 167*.
Keitler u. Lindner 65*.
Keller, Max 39* 134*.
Kellner (Alsterdorf)
157* 267* 268* 64.
KeUner, A. 230*.
Kemnitz 14*.
Kennedy 210*.
v. Kern 14*.
Kiesselbach, Gusta 230*.
Kindt, Ernst 176*.
Kirby 134*.
Kirchgaesser 230*.
Kirchhoff 272* 132.
Kirkpatrik 14*.
Kirmse 157*.
Kisch u. Rcmertz 66*.
Kißkalt 66*.
Klaus, O. 230*.
v. Klebelsberg 66*.
Kleiber, Rudolf 66*.
Klein, WUh. 176*.
Kleine, Heinr. 230*.
Kleinknecht, F. 290*.
Kleinpeter 16*.
Kleist (Erlangen) 134*
175*.
Klemm 16*.
Klien 176*.
Klieneberger 16* 36* 66*.
Klinke 230* 267*.
Klinkenberg 16*.
Klose 230*.
Kluge 267*.
Knauer 66* 134*210*.
Knauer u. Maloney 66*.
Knox 66* 167*.
Kobler 16*.
Kocher 230*.
Köllner 16*.
König 210*.
Koesling, Gustav 134*.
Koffka, K. 16*.
Kohnstamm 134* 135*.
Kohs 16*.
Kolde, W. 230*.
Kolisko 36*.
van der Kolk 66*.
Kullaritz 16*.
Koller, A. 268*.
Kolossow 210*.
v. Korczynski 230*.
Kors, Th. 175*.
Koä&k, J. 66*.
Kosog, O. 15*.
Koutanin 136*.
x
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
382*
Inhaltsverzeichnis. •
Digitized by
Kozlowski 230*.
Kram&r jun. 15*.
Kramer, Franz 175*.
Krarup 66*.
Krasser 230*.
Krause 55* 175* 176*.
Kreibig 15*.
Kreuser (Winncntal) 66*
136*.
Kreuser, T. 135*.
Kretscher 157*.
Kretschmer 136*.
v. Kries 16*.
Kroll 66*.
Kronfeld 16* 66* 135*
231*.
Krueger 66*.
Kruse u. Prinzer 210*.
Kühn, Alex. 16*.
Kühnapfel 16*.
Kühns, K. 268*.
Külpe, 0. 16*.
Küster 66* 135*.
Kuhlmann, Helen G. 16*.
Kure 231*.
Kutzinski 176* 231*.
Ladame 43* 66*.
Laehr 270* 89.
Lagriffe 211*.
Lahmeyer, Fr. 176*.
Lahy 16*.
Laignel - La vastine u.
Barbe 136* 176*.
Lampö 66*.
Landauer, K. 136*.
van Landen 177*.
Lang, J. 136* 176*.
Langenbruch 16*.
Langfeld 16*.
Lantzius-Beninga 273*
149.
Lanzelotti 43*.
Lapinsky 66*.
Laquer 66*.
Lasarew 176*.
Lauconnier 211*.
Launoy 231*.
Laurent 167* 176*.
Laurös 66*.
Lauschner 176*.
Lay 16*.
Law, E. 43*.
Lazar u. Peters 16*.
Leber, A. 67*.
Lechner 67*.
Lefövre 50*.
Legett 231*.
j Legrain 211*.
! Lehmann, A. 16*.
I Lehmann, C. 231*.
; Lehmensick 16*.
Lelesz, Hölöne 24*.
Lemel 135*.
Lentz, Fr. 67*.
Leppmann 36* 43*.
Leri, Andrö u. Vurpas
231*.
Leroy u. Baudouin 135*
176* 231*.
Leroy u. Juquelier 136*.
Lesclike, E. 16* 176*.
Lesieuru. Petzetakis 67*.
Levaditi u. Martöl 176*.
Lewandowsky 176* 231*.
Lewin 67*.
Lewinsohn, B. 67*.
Ley u. Menzerath 16* 46*.
Liebelt, Paul 136*.
Liebenberg 17*.
Liebenthal 136*.
v. Liebermann u. Rö-
vöcz 17*.
Lienau 67* 136*.
Liepmann 60* 176*.
Liepmann u. Pappen¬
heim 176*.
Lilienstein, Siegfrid 67*.
Lindtner 17*.
Lindworsky 17*.
Linke, A. Fr. 136*.
Linke 270* 101.
Lipps 17*.
I Lipska-Librach 17*.
Little jun. 211*.
Livet 60* 67* 136*.
Lobedank 17* 36 231*.
Lobsien, M. 17*.
Loeb (Ahrweiler) 136*.
Loeb, S. 67*.
Loeb, W. 67*.
Loechel, Karl 231*.
Löwenfeld, L. 67* 231*.
Löwenstein, Kurt 177*.
Löwenstein, Otto 39*.
Loewy, Erna 177* 231*.
Loewy, Julius 68*.
Loewy, Max 231*.
Loewy u. Placzek 67*.
Lomer 68*167* 177* 231*.
Lorand 17*.
Loy 17*.
Gck igle
Lüderitz, O. 49*.
Lüdtkc 17*.
Lüricli, Heinr. 177*.
Lütje 136*.
Luger 177*.
Luther 68*.
Lyon 17*.
Maaß 177*.
MacCarrison 156*.
Mac Donald 68*.
Macdonald 136*.
Macnaughton-Jones 17*.
Mac Phail 177*.
v. M&dai 18*.
Maeder. A. 18*.
Maere 157*.
Märtens, Otto 136* 232*.
Mahaim 269* 73.
Maier (Burghölzli) 68*.
Maier, Heinr. 18*.
v. Malaisö 177*.
Mangelsdorf 232*.
Mangold 18* 68*.
Maniu 68*.
Mann 60* 177*.
Manoilow 211*.
Marbe 18* 268*.
Marburg 232*.
Marchand u. Usse 43*
167*.
Marcinowski 18*.
Marcus, H. 177*.
Marcuse 18*.
Marguliös 232*.
Margulis 177* 232*.
Marie (Villejuif) 68* 178*
232*.
Marie u. Foix 178*.
Marie u. Levaditi 178*.
Marie, Levaditi u. Martöl
178*.
Marie u.l’Hermitte 232*.
Marin esco 178*.
Marinesco u. Minea 178*
179*.
Marks 179*.
Markus, O. 178* 179*.
Marthen 43*.
Martini 211*.
Masini 43*.
Masini u. Vidoni 68*
232*.
Massarotti 179* 232*.
de Massary u. Chate-
1 lain 179*.
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Inhaltsverzeichnis.
333*
Massaut 68*.
Masseion 136*.
Mattauschek 179*.
Matti 232*.
Matusch 272* 131.
Matzkewitsch 179*.
Maurel 232*.
Mayer, E. 68* 136*.
Mayer, H. 18*.
Maver, W. 68*.
Mayer, Wilh. 136* 232*
233*.
McCaskey 136*.
McDougall 17*.
McKennan, Johnston
u. Henninger 232*.
Medow, W. 68*.
Meeus 258*.
Meggendorffer 136*.
Meisner 43*.
Meltzger 233*.
Menzerath 18*.
Mercklin 69*.
Messer 18* 19*.
Meumann 19*.
Meyer, A. 69* 179*.
Meyer, C. 233*.
Meyer, E. (Königsberg)
69* 137* 179* 258*.
Meyer, Ernst 51*.
Meyer, Gottfried 211*.
Meyer, Max 19*.
Meyer. Robert 69*.
Meyer, W. 39* 69* 179*.
Mezger 36* 69*.
Michael 179*.
Michalek 233*.
Michel, Joh. 137*.
Michotte u. Fransen 19*.
Mills 180*.
Mingazzini 69* 180* 233*.
Misch, W. 180*.
Mischin 69*.
Mitschell u. Ira Darling
180*.
Mobitz, Waldemar 233*.
Modena 137*.
Möde 19*.
Moeli 39*.
Mönkemöller 39* 47* 49*
271* 104.
Moerchen 69*.
Mohr, R. 19* 69* 233*.
Molhaut 69*.
Moll, Alb. 19*.
Mollweide 137*.
Momberg 233*.
v. Monakow 180*.
Monrad-Krohn 180*.
de Moraes 180*.
Moravcsik 69* 137* 211*.
Morelli 43* 157*.
Moretti 137*.
| Moro 157*.
] Morse, Mary E. 180*.
1 Mosbacher, E. 233*.
Mothes 19*.
Mott 70* 233*.
Mourgue 20*.
Mühlbaum 233*.
Müller 180*.
Müller, Alois 19*.
Müller, E. 70*.
’ v. Müller, Fr. 19*.
| Müller, Helene 258*.
Müller-Freienfels 19* 70*.
Müller-Lvcr 70*.
Müller-Schurch 180*.
! Münch, W. 233*.
j Münzer 19* 70*.
Munro 211*.
j v. Muralt 211*.
: Murphy 70*.
! Mutermilch 70*.
Muth 137*.
i Myers 20*.
i Myerson 70* 180*.
| Myerson u. Eversole 70*.
Mylne 258*.
Myslivecök 180* 211*.
Näcke 36*.
Natali 233*.
Nauendorff, Erich 137*
233*.
Nävrat 270* 100.
Nayrac 20*.
Neff 211*.
Neiding 233*.
Neißer 70*.
Nelken 47* 70*.
Netou§ek 71*.
Neuber, K. E. 233*.
Neuberger 270* 88.
Neue 71* 180*.
Neuendorff, Richard 71*.
Neuer, A. 20* 71*.
Neumanitsch 20*.
Neumann, Al fr. 234*.
Neumann, H. 71*.
Neumann, Kurt 71*, 137*.
Neuraann, Ludwig 181*.
Neumann, O. 36*.
Neve, G. 211*.
Nießl v. Mayendorff 71*
181*.
Niesztka 71*.
Nieuwenhuijse 157*.
Nißl 71* 137*.
Nitsche, Herrn. 234*.
Nonne 181*.
Nonne u. Wohlwill 181*.
North, Ch.H. 47*269* 75.
Nouet 137* 181*.
Oberholzer 137* 138*
234*.
Obersteiner 172*.
Obr4gia u. Pitulesco 71*
138*.
Obrögia u. Urechia 234*.
Obrögia, Urechia u. Cia-
nesco 138*.
Obrögia, Urechia u. Popea
138* 234*.
O’Doherty 258*.
Oetter 271* 103.
O’Malley 71*.
Omorokow 138*.
O’Neil 72*.
Oppenheim, H. 181*182*
234*.
Oppenheim, Max 39*.
Orr u. Rows 72* 211*.
Orton 181*.
Osler 258*.
Ostankow 138*.
Ostermann 20*.
Ostrop 138*.
Oswald 158*.
Otto u. Blumenthal 72*.
Otzen 138* 181*.
Pactet 72*.
Pagenstecher 138*.
Pancoscelli-Calzia 20*.
Pdnski 181*.
Panyrek 158*.
Pappenheim u. Groß 72*
138 *.
Pappenheim u. Volk 181*.
Parant 47*.
Parhon 72*.
Parhon u. Dan 158*.
Parhon u. Mme. Par¬
hon 234*.
Parhon u. Mlle. Par¬
hon 72* 234*.
x*
Digitized by
Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
334*
Inhaltsverzeichn is.
Parhon u. Odobesco 158*
234*.
Parhon u. Satini 72*.
Parhon u. Zugravu 72*.
Pascal 138* 181*.
Passini 234*.
Passow 73* 138*.
Paton 73*.
Patrik 20*.
Pauli 20*.
Pawlowski 73*.
Ppar 90^
Pear u. Wyatt 158*.
Pearson u. Jaederholm
158*.
Pellacani 73* 138* 234*.
Perelmann 211*.
Pesker 73*.
Peter, Rud. 20*.
Peters 20* 73*.
Peters u. Nömencek 20*.
Peters, W. 29*.
Petersen 269* 71.
Peterson 21*.
Petit 212*.
Petrazzani-Saccozzi 51*.
Petrow 181*.
Petsch 234*.
Petsch, Bruno 234*.
Petsch, Emst 181*.
Pettavel 236*.
Pfersdorff 139*.
v. Pfungen 73*.
Pick 21*46* 73* 181*.
Pickhau, Art. 139*.
Piepgr, Anton 39*.
Pieron 21*.
Pierre-Kahn u. Com-
bessedös 258*.
Pighini 74* 181*.
Pighini u. Barbieri 183*.
Pikier, J. 21*.
Pilcz 74* 139* 183*.
Piquemal u. Malfilatrc
iqq*
Plaut 74*.
Poffenberger 21*.
Ponzo 21*.
Poppelreuter 21* 22*.
Porot 235*.
van der Porten 212*.
Porteous 235*.
Prandte, A. 22*.
Princc 22*.
Prinzing 270* 97.
Pürckhauer u. Mauß 212*.
Pütter, A. 22*.
Puillet u. Morel 74*.
Puppe 36*.
Pussep 183*.
I Quaedt-Faslem 272* 123.
1 Quensel 49* 183* 268* 66.
Queteleter 22*.
Quincke 183*.
Rabbas 271* 114.
Raecke 44* 74* 158*.
Raether 22*.
Raimann 44* 139* 235*.
Rainsford 212*.
| Ranke, O. 74* 183*.
Ranschburg 22*.
j Ransohoff 273* 137.
i Rappawi 22* 158*.
| Rath, C. 22*.
Raviard n. Hannard 258*.
I Rawen, W. 183*.
Rebierre 39*.
Reckzeh 183*.
Redlich 74* 235*.
Redlich u. Luzar 44*.
Rögis 74*.
Rägis u. llesnard 22*.
Rehm, Otto 139*.
Reichardt, K. 22*.
Rcichardt, M. 74* 75*.
Reichel 75* 258*.
Reichenow 183*.
Reichmann, Frida 139*.
Reichmann, V. 184*
Reid 75*.
Rein, O. 184*.
Reinberg 139*.
Reiß, E. 36* 44*.
R6mond 139*.
Röraond u. Sauvage 235*.
Renterghem 22*.
Resnicök 75* 1
R6v6sz 22*.
Rezzo 212*.
Rhein 184*.
Richard 269* 85 a.
Richartz, Harrv 184*.
Richter 235*. '
Ricksher 75*.
Riebcth 139*.
de Righctti 235*.
Rignano 22*.
Rinderspacher 184*.
Ritti 139*.
Rixen 39*.
| Robertson, G. W. 184*.
Robertson, W. Ford 75*.
Robinson 184*.
Rochain 139*.
Rodiet 268*.
Roels 23*.
Römer, C. 139*.
Römer, Fritz 23*.
Römer, H. (Illenau) 75*
139* 259*.
Rönne 235*.
Röper 212*.
Rohde, Max 23* 75*
184* 235*.
Roller, P. 75*.
Romeik, Karl 184*.
Rorschach 140*.
Rosanoff 75* 184*.
Rosenberg, J. 212*.
Rosental 75* 140* 184*.
Rosental u. Hilffert 75*.
Roß 140*.
Rossi, E. 76*.
Rossi, O. 212*.
Rossi, V. 185*.
Rothmann 76* 185* 235*.
Roubinowitsch u. Barbe
185*.
Rows 76*.
: Rubin 23*.
Rühl 212*.
Rülfs 23* 76*.
Rütgers-Marschall 23*.
i Rütman 23*.
I Rumpf, Th. 185* 235*.
j Runge, W. 185*.
I Ruppreeht, K. 44*.
Rüssel 76* 212*.
Russkich 185*.
Rutkewitsch 185*.
Rutz, 0. 23*.
Rybakow 76* 140*.
Saaler 76*.
Saathof 76*.
Sabich, J. 44* 140*.
Sadger 44* 235.
I Saenger 158*.
Saffioti u. Sergi 235*.
; de Sajous 236*.
1 Sala 185*.
j Salmon 185*.
Salomon 76* 185*.
Samberger 23* 76*.
de Sanctis 23* 158*.
Sandoz 272* 122.
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Gck 'gle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Inhaltsverzeichnis.
335*
Sänger Brown 76*.
v. Sarbö 76* 186*.
Sarlo 23*.
Sauer, W. 186*.
de Savar61 236*.
Schacherl 186*.
Schäfer 36* 272* 127,128.
Schamke (Straßburg)
76* 186* 212*.
Schauen 273* 134.
van der Scheer 23* 76*
140* 236*.
Scheinermann 23*.
Schellong 236*.
Schenk 158*.
Schilder 23*.
Schilder u. Weidner 140*
236*.
Schiller 274* 152.
Schilling 46* 158*.
Schiatter 77*.
Schleich, Rudolf 186*.
Schlemm, Martin 186*.
Schlesinger, Bernhard
140*.
Schlesinger, E. 77*.
Schlesinger, H. 186*.
Schloß 259*.
Schmid, A. 77*.
Schmidt, C, 77*.
Schmidt, G. 23*.
Schmidt, Peter 77*.
Schmidt, W. 140* 141*.
Schmidt, Willi 236*.
Schmitt 186*.
Schnabel, Julius 186*.
Schneickert 24*.
Schneider, Gg. 24*.
Schneider 272* 119.
Schneider, K. 212* 236*.
Schneider, Kurt 141*.
Schnitzer 47* 48* 148*.
Schnitzer u. Pensky
158*.
Schnizer (Metz) 141*
236*.
Schnopfhagen 271* 116.
Schoeneberger 24*.
Schönfeld, A. 77*186*.
Schönfeld, Alfred 186*.
Schönholzer 186*.
Scholz, ('. 236*.
Schonlau, Otto 40* 141*.
Schott 46* 273* 139.
Schräder, Max 141*.
Schrenk 24*.
Schröbler 24*.
Schröder, H. 77*.
Schröder, Kurt 186*.
Schröder, M. (Lauen¬
burg) 141* 236*.
j Schröder, P. (Greifswald)
; 159* 186* 187*.
Schröder, Th. 77*. i
I v. Schrott 24*.
] Schrottenbach u.de Crinis
l 187*.
Schubert 271* 108.
Schuchardt 269* 84. j
v. Schuckmann 259*.
Schüller, A. 77*.
Schußler 24*.
Schütze, C. 259* 273*
I 145
| Schulhof 24* 236*.
I Schulte, F. 259*.
Schultz, Erich 141* 212*.
Schultz, Hugo 24*.
Schultz, Julius 24*.
Schultz, J. H. 36* 77*
141* 236*.
Schultze 269* 85.
Schultze, B. C. 77*.
Schumann 24*.
Schuppius 36* 77* 141*.
j Schuster, H. O. 187*.
i Schwabe 236*.
j Schwalbe 213*.
. Schwarz 78* 187*.
Schweighofer 48*.
I Schwirtz 24*.
| Seegers 78*.
1 Seelert 78* 141* 236*.
I S6glas 141* 159*.
! Sehn, Alfred 142* 237*.
I Senf 44* 78*.
i Sepp 187*.
| Sergio 187*.
Sörieux u. Libert 259*.
Seyer 159*.
Seyfert 25*.
Shanahan 78*.
Shaw 78* 237*.
Shuffeldt 141* 213*.
Shukowski 187*.
Sidis 25*.
Sieber, E. 237*.
Siebert. H. 187* 237*.
Siege, Wilh. 40*.
Sielmann 237*.
Siemens 259*.
Siemerling 78*.
Siemerling u. Raecke
187*.
Sigg 44* 78* 187*.
Siler, Garrison u. Mc.
Neal 213*.
Simchowicz 187*.
Simmonds 188*.
Simon 78*.
Singer 142*.
Singer, Kurt 188*.
Sioli 40* 78* 142*.
Sirota 142*.
Sittig 188*.
Skoog 188*.
Smith 25*.
Snell, 0. 271* 109.
Snell, R. 270* 90.
Sokolow 78*.
Sommer (Gießen) 36*
78*.
Sonne 237*.
Soukhoff 78*.
Souper 213*.
Southard 188*.
Southard u. Bond 78*
142*.
Southard u. Canavan
79*.
Spät, W. 188*.
Spaier 25* 79*.
Spearmann 25*.
Specht 25* 79*.
Spiecker, Artur 188*.
Spielmeyer 79*.
Spies, Franz 237*.
Spitzig 213*.
Springer 25*.
Stählin 25*.
| Stärcke, A. 142*.
Stahl, P. 237*.
Stamm 259*.
Stansfield 259*.
Starch 25*.
Starke 273* 142.
Starlinger 48* 259*.
v. Stauffenberg 79* 159*.
Steckei, W. 25* 44*.
Stein 36*.
Stein, E. 79*.
Stein, F. W. 40*.
Stein, G. 79*.
Steiner 79* 237*.
| Stelzner, Helenefr. 25*
44* 79* 142*.
j Stemmer 260*.
Stendel 79*.
Difitized
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
336*
Inhaltsverzeichnis.
Stendell, W. 237*.
Stephenson 188*.
Sterling 188*.
Stern, F. 79* 188*.
Stern, W. 25*.
Sternberg 25*.
Stertz 79* 189*.
Stewart 189* 237*.
Steyerthal 40*.
Stieda 159*.
Stiel, Emst 40* 142*.
Stielaff 189*.
Stiller 79*.
Stoeckenius 79*.
Stöcker, W. 80* 142*
189*.
Stoos 213*.
Storch 142*.
Sträußler 61*.
Stransky 25* 80* 142*.
Strasser, Charl. 44*.
Strasser, Vera 213*.
Strasser-Eppelbaum
213*.
Strauß, Arnold 40*.
Stremlow 142*.
Strich 25*.
Strohmayer 142*.
Strubeil 189*.
Struyken«Breda 26*.
Stschegloff 44*.
Stubbe 213*.
Stuchlik 80* 213* 237*
238*.
Stuchlfk-Sirotow 189*.
Stumpf 26*.
Subotitsch 80*.
Sünder, Bernhard 51*.
Sust, Otto 238*.
Suter 26*.
Swift 80* 238*.
Switalski 26*.
Swolfs 260*.
Szecsi 189*.
Szilard 26*.
Sztanojevits 80*.
Taft u. Morse 189*.
Tannenbaum 26*.
Taubert 26*.
Taussig, A. 190*.
Taussig, L. 80* 189*.
Taylor 26*.
Tetzner 213*.
Theilhaber, A. 213*.
Thorndike 26*.
Thumm 80* 142*.
Tichy 26*.
Tiffany 190*.
Timme, Walter 80*.
Tintemann 40* 238*.
; Tissonu. Schönberg 214*.
Titius 238*.
| Todde 81*.
Togani 81*.
Toltschinsky 26*.
i Tomaschny 260*.
Tooth 190*.
j van der Torren 143*.
I Toulouse u. Marchand
j 143* 190*.
Toulouse u. Mignard 81*.
| Toulouse u. Pouillet 143*.
j Traub, Gottfried 26*.
Travagliano 190*.
; Trebitsch 26*.
j Tremmel 81*.
Trockels, F. 143*.
Troell 238*.
Trömner 238*.
Truelle u. Cornet 143*.
Trümpert 188*.
Tscharnetzki 214*.
j v. Tschermak 26*.
Türkei, Siegfried 40*.
Turner 81*.
Tuwim jun. 214*.
Uhlmann 260*.
Ulrich 239*.
Ungemach 271* 110.
Upheus 26*.
Urban 27*.
Valentine 27*.
' van Valkenburg 27*81*.
i Vallet 37*.
! Vallon u. Bessiere 214*.
Valobra 239*.
Valtorta 81* 239*.
Van^sek 239*.
Vaughan 81*.
Vavrouch 190*.
Veit, J. 81*.
Venza 49*.
Verworn 27*.
Vetlesen 239*.
Vidoni u. Gatti 81* 143*.
Viemstein 44*.
Viersma 28* 83*.
Vinchon 81*.
Vocke 269* 77.
Voegtlin 214*.
Völsch 190*.
Vogel 214*.
Vogelius 214*.
Vogt, H. 81*.
Volkelt 27*.
Volland 239*.
Vollmer, Karl 81* 143*.
Volpi-Ghirardini u.
Zuccari 159*.
Vorbrecht 27*.
Vorkastner 143* 239*.
Voß 27*.
Wada 214*.
Wahl (Pontorson) 4t»*
81* 260*.
Waiblinger 27*.
I Waitzfelder 239*.
Waldschmidt 214*.
v. Walsem 260*.
Walter 190*.
Walton 82*.
Wangerin 82*.
Wasner, Martin 143*
159*.
Wassermann, H.270* 87.
Wattenberg 260* 273*
141.
Weber (Chemnitz) 46*
49* 82* 260*.
Weber, E. 27*.
Weber, R. 27*.
Wechselmann 190*.
Weddige, L. 143*.
Wegener 82*.
Wehner, Georg 239*.
Weigl 27*.
Weil 190*.
Weiler 143*.
Weill u. Mouriquand 82*.
Weiß 27* 82*.
Weißfeld 27*.
Wells 28* 82*.
Wendel 190*.
Wentscher, Else 28*.
Wernecke, W. 82*.
Werner 272* 121.
Werner, G. 260*.
Werner, H. 239*.
Werner, S. 28*.
Weyert 51*.
i Weygandt 40* 45* 51*
82* 83* 143* 159*
190* 214* 260* 270*
88 .
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Inhaltsverzeichnis.
Weygandt, Jakob n.
Kafka 191*.
Wickel 83* 260*.
v. Wieg-Wickenthal 191*.
Wiekowski 191*.
Wilde 239*.
Wilhelm, E. 46* 83*.
Willburger, Eugen 143*.
Wille 83* 271* 112.
Willeke 214*.
Williams 159*.
Williams, B. F. 83*.
Williams, L. L. 83*.
Williams, T. A. 83* 191*
239*.
Willige 143*.
Wilmanns, K. 28* 48*
143*.
Windelband 28*.
Winkelmann, A. 191*.
Winkler 191*.
Wirth 28*.
Wirtz 28*.
Witry 45*.
Wlassak 214*.
Wohl will 191*.
| Wolf er 191*.
! Wolff 269* 82.
Wolff, Peter 83*.
Wollenberg 83* 240*.
Woltär 191*.
Woodbury 83*.
Woods 214*.
| Wrede, Martin 240*.
I Wreschner 28*.
Wulffen 29*.
337*
Wunderle 29*.
Wundt 29*.
Wypler, Ludw. 29*.
Wyburow 143*.
Zach, Anton 48*.
Zander 240*.
; Zannini 83*.
] Zappe 273* 133.
Zentgraf 29*.
Zetiin 214*.
I Ziehen 29* 45* 83*.
, Zimkin 84* 191*.
i Zimmermann 144*.
Zoepf, Richard 84*.
* Zühlsdorff 29*.
: Zueischauer 84*.
Digitizedl
bv Google
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Original frorn
UNIVERSITY OF MICHIGAN “
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ÜH
Verfug von Gu«tAv l 1 ’.»** Jnt.r J|» 4 hu*. '
BStw '&&
HBliSISä Handbuch'! ||^|f||
der Therapie der Nervenkrankheiten
\ äs’ijt&pif yik*
.?;;.£;:-;v*t>u‘ ;•’.. : • ;^V* Vv:
Zwei Bande.
: Frei.« 35 ÄvfVfc*#«*
■$,?%%&/wiüß. r Die Methoden. MH 22t Ah^dno'^f’K i rj*
Symptomatische Therapie und Therapie der Organum-
roten, Krankheiltbllder und deren Behandlung. ^Uf K>. Abbild! Iji* Twt.
SCHERING S
_ VALISAN
^- •* >■.- v ' i -v '(':• A/A-A \'■.'!' ."**.:• •'
> Vorzügliches bei nervöser» Zuständen bewährtes Sedativum
||fp'; von kombinierter Oaidnar»' und Broniwirkung.
VAU$#|■ V^&**t n *^* lcü fA
teg*r,.' ^
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Berlin N., MüllerstraOe 170 -171.
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Lv &£?. $fe ^ C*i; Oüö&* 51 WS? * tfiS !«& «raft
- :' w*!>. v" y- .... :> ^;i:^.'* *V^.
■* 3 8 ®| 8 r®i
■• 5S41- •-•■ • 41 * ->’* • i'f-»v JQflp
_ ]P. ^ ^ A ^ ..v.>. ■: V|T^
g&^SELl,
nach den ^efe^lic'hen
^ ejr ÄfeChtspreehunfs•
6i n llaadtyuc h fti* Ürzie
ittui V envaltu a^ibeamfe
* *,.* > v *.' 5 f r.wÄ^ /UÄÄS'
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r ■ ; :-: Professor Dr.C. Aloeli
j.‘ v; .;.. j,■’ '. % 3 Tv/* :: i^-';-x rjfeijf • ;/•^
; vV-Ä : V vAv . s Q ''«-li. A’v'/VCJi m V \ a J? f AICS.'^iM' J v» Ah./f \*X
| JPpIM& tttfidji* w«0 * pf ivite Anstitf i u «d mH
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1 ?äs Worte kostet M. Vv5Ö und \si dtiifejh jt
HuclJbanöUung oder ».^xnr. Verlage zo bez
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