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Full text of "Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur"

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BEITRÄGE 


ZUR 


GESCHICHTE DER DEUTSCHEN SPRACHE 
UND LITERATUR, 


UNTER MITWIRKUNG VON 
HERMANN PAUL UND WILHELM BRAUNE 


HERAUSGEGEBEN 


VON 


EDUARD SIEVERS. 


HALLE a.S. 
MAX NIEMEYER 
1895 


74166 


"DPF 3003 
BS 


VO 


INHALT. 
Seite 
Die deutung der germanischen völkernamen. Von R. Much .. 1 
Die herkunft der Quaden. Von demselben . . . 2 .22..2..%0 
Aloxlaı. Von demselben . . 2. 2: 2 2 m nn. 3 
Ulls schiff. Von demselben . . . Be ee re ia. 200 


Etymologisches. Von C.C. Uhlenbeck Be ne er er 
Etymologien. II. Von G. Ehrismann. . . be ee De AB 
Textkritische bemerkungen. Von demselben. ee 66 
(1. Zur Krone Heinrichs von dem Türlin, 3. 66. — 2. Der name 
des dichters des Schlegels, s. 78. — 3. Zu Hermann von Sachsen- 
heim, s. 78.) 

Zum deutschen vocalismus. Von O.Brenner . . . 80 
(2. Umlaut des :u, 8.80. — 3. Der umlaut der praeteritoprae- 
sentia, 8.84. — 4. Die aussprache des £&, 8. 85.) 

Zu Beitr. 19,467. Von demselben . . 22 222 00.00..81 


Etymologiea, I. Von H.Osthoffo\.x.'. . nn. 89 
(16. Got. frasts, 8. 89. — 17. Got. fraim, 8. 9) 

Anglosaxonica. II. Von P.J.Cosijn . . . 98 
Zur behandlung des durch « entstandenen brechungsdiphthongs in 

den altnord. sprachen. Von A.Kock .... >: 112 
Zeugnisse zur germanischen sage in England. Von @. Binz. .. 14 
Das gotische weihnachtsspiel. Von C. Kraus . . . a Arne 220 
Der ursprung des Germanennamens. Von G. Kossinna u rn 288 
Das todesjahr des Wulfila. Von E. Sievers. . . 2 22 2020..302 
Zur gutturalfrage. Von C.C. Uhlenbeck . .. . u 6. 328 
Neue belege von p aus 5 im anlaut. Von demselben er 7 7;) 
Miscellen. Von demselben ... 328 
Grammatische miscellen. 10. Zum umlaut des iu im a "Von; E. 

Sievers . . lee ee Be ee et ee ee rl 
Miscellen. Von J. Meier A 335 


(1. Die herkunft der SiebenbüirgerSnchken: 8. .335.. — 2. Singular- 
artikel vor pluraldativen, 8. 336. — 3. Das beste deutsch, 8. 339. 
— 4. Her Neidhart, s. 340. — 5. Süsskind von Trimberg, s. 341. 


6. Ein irrtum in Goedekes Grundriss, 8. 312. — 7. Zum leben 

J. G. Schochs, s. 343.) 
Bakeljauw. Von H. Schuchardt . . . 2 2 2 2 2 2 nn. 844 
Mhd. erbeit. Von O.Behaghel . . . en ee ie A 


Die Nibelungenbearbeitung k. Von J. Lanzde ra, de Ya un 848 


Grammatisches. Von W. van Helten . ; : 
(XXX. Got. awdbi und wgm. i der endung aus & vor i der fulge- 
silbe: 8.506. — XXX]. Zur behandlung von *aw?j und :m?j im 
wgm.: 8.507. — XXXIl. Die wgm. formen von got. saimwala: 
8. 508. — XXXIII. Zur westgerm. erweichung der alten im in- 


laut stehenden stimmlosen spiranten: 8.511. — XXXIV. Die 
genitive burges, custes etc.: 8.513. — XXXV. Zur afries. und 
ags. flexion der u-stämme: 8.515. — XXXVI Gab es wgm. 


reflexe von got. -ans, -ins, -uns des acc. pl.?:8.516. — XXXVI1. 
Zu den flexionsformen von as. thiod(a): 8.517. — XXXVIl. 
Die as. dative sg. &o, &u und craft: 8.521. — XXXIX. Die 
wgm. casus obliqui des ungeschlechtigen pronomens und das 
possessiv für die 2. pl.: 8.522. — XL. Zur flexion des verbum 
substantivum: 8.523. — XLI. Das as. praeteritum seu: 8. 524. 
Nachträge: s. 525.) 

Mythologische zeugnisse aus römischen inschriften. 6. Dea Garman- 

gabis. Von Fr. Kauffmann De I er 1 

Mhd. 2 im schwäbisch-alemannischen. Von K. Bohnenberger . 

Wie man conjecturen macht. Von E. Sievers. a 

Zur aussprache des angelsächsischen. Von O. Brenner . 

Nochmals singularartikel vor pluraldativevr. Von R. Köhler und 

E. Schmidt . De ar A ee Fi 

Etymologisches. Von C.C. Uhlenbeck Da wie 

Oelingeriana. Von J. Meier. 2. 2. 2 2 nr En nr ne 

Miscellen. Von demselben. 
(8. Die quelle zum Weiber-spiegel des Andreas Tharzus (1628): 
8.572. — 9. Mit dem judenspiess rennen: 8.573. — 10. Eine 
Faustaufführung in Wien: 8.574. — 11. Schawelle, schabelle: 
8.574. — 12. Zu Beitr. 10,572 f.: 8.575. — 13. Zu Beitr. 20, 340: 
8.576.) 

Berichtigungen . . . . 


Seite 
506 


526 
535 
553 
554 


560 
563 
565 
572 


576 


.n 


em 


ERKLÄRUN 6. 


‚Herr Professor Kluge hat in dem Vorwort zu seiner eben 
erschienenen ‘Deutschen Studentensprache’ meine im Sommer 
vorigen Jahres herausgekommene Schrift über Hallische Stu- 
dentensprache in einer Weise erwähnt, die mich zu einer Er- 
klärung und Richtigstellung nötigt. 

Durch die Eile, die mit dem spät, erst Anfang Juni, an 
Entschlusse verbunden war mein Buch zum Jubiläum der Halli- 
schen Universität im August erscheinen zu lassen, mussten die 
letzten Bogen sehr gehastet werden. Dazu kam noch, dass in 
den dem Fest voraufgehenden Wochen die Vorbereitungen und 
Commissionssitzungen für die Feier viel Zeit in Anspruch nahmen, 
Am Nachmittage vor dem Beginne des Jubiläums erhielt ich die 
letzte Correetur, am Mittag des ersten Festtages erschien das 
Buch. . Durch diese Umstände ist es zu. erklären, dass im Ma- 
nuscripte des Vorwortes ein Absatz ausfiel, den ich einzufügen 
beabsichtigte, und dessen äussere Form ich mir bereits überlegt 
hatte. Er sollte einen besonderen Hinweis auf Kluges Aufsatz 
in der Münchener Allg. Zeitung und sein Etym. Wörterbuch, wie 
auf Pernwerths von Bärnstein ‘Beitr. z. Geschichte und Litt. des 
deutschen .Studententums’ enthalten. Wo Kluge speciell von 
mir benutzt ist, habe ich ihn in den Anmerkungen citiert, aber 
es schien mir eine Sache der Höflichkeit, seiner noch im Ein- 
gang zu gedenken. | | 

Sowie mir die Lücke meines Vorworts zum Bewusstsein 
kam, habe ich mich bemüht, die Unterlassung wieder gut zu 
machen. Ich habe spontan, sobald-es mir möglich war, Kluge 
persönlich aufgesucht, um ihm die Sachlage zu erklären und 
ihm mein Bedauern und meine Bereitwilligkeit auszusprechen, 
den Formfehler zu redressieren. Das letztere ist auch geschehen. 
Da meine. Schrift noch. nicht buchhändlerisch verschickt war, 


2 


habe ich die Vorrede umdrucken und den Passus in der früher 
beabsichtigten Formulierung einfügen lassen. Alle Exemplare des 
Buches mit Ausnahme der wenigen beim Jubiläum verkauften 
enthalten diese berichtigte Vorrede, die tiber mein Verhältnis 
zu Kluge folgendes sagt: ‘Die Arbeiten meiner Vorgänger habe 
ich dankbar benutzt, doch wird es dem Kundigen nicht entgehen, 
dass diese Studie auf selbständigen Forschungen beruht und 
auch in einigen Punkten über das bisher Erreichte hinausführt. 
Ich möchte hier insbesondere Kluges Verdienste hervorheben, 
der in seinem oben genannten Aufsatz und in seinem Etymolog. 
Wörterbuch die Bearbeitung dieses bisher fast ganz brach 
liegenden Gebietes zum ersten Male energischer in die Hand 
genommen hat.’ Das alles wusste Kluge, dem ich ein Exem- 
plar zur Kenntnisnahme tibersandt habe, doch verschweigt er 
es gänzlich! Dieses Verfahren erscheint mir nicht loyal. 

Statt dessen die überaus vorsichtig gewählten Worte, die 
nichts sagen, aber alles vermuten lassen! Tatsächlich stelle 
ich hier fest, dass Kluge nie und nirgends erklärt hat, er 
wolle über diesen Gegenstand weiter arbeiten. Ich wusste also 
auch nichts von seiner Absicht, die deutsche Studentensprache 
zu behandeln, bis er mir im Herbst vorigen Jahres davon Kenntnis 
gab. Ich stelle weiter fest, dass es nicht Kluge gewesen ist, 
der mir durch seinen Aufsatz in der Münchener Allg. Zeitung 
diesen Gegenstand nahe gebracht hat. Schon vorher hatte 
sich mein Interesse darauf gelenkt, und eine von mir münd- 
lich gemachte Bemerkung über die Studentensprache und über 
meine Absicht, einmal näber darauf einzugehen, veranlasste 
erst meinen Freund, Professor Hermann Paul, mich seiner Zeit 
in Freiburg auf Kluges Aufsatz hinzuweisen. Aber auch 
öffentlich ist schon vor Kluge, wenn auch nicht in zusammen- 
hängender Darstellung, gelegentlich von den verschiedensten 
Seiten auf die Studentensprache aufmerksam gemacht und auf 
Entstehung und Gruppierung des Materials hingewiesen. Kluges 
Wendung ‘von denen, die sich des jetzt erschlossenen Gebietes 
bemächtigen’ nimmt den Mund etwas sehr voll und ist un- 
richtig. 

So weit im allgemeinen. Kluges Bemerkungen im einzelnen 
rechnen darauf, dass seine Leser mein Werk nicht zur Ver- 
gleichung heranziehen und dass sie von den tatsächlichen Ver- 


3 


hältnissen keine nähere Kenntnis haben. Kluge druckt in zwei 
Spalten einander gegenüber Stellen aus seinem Vortrag und 
aus meiner Schrift ab, doch auch dabei geht er nicht loyal 
zu Werke: Auf S. IX setzt er meine hinten in den An- 
merkungen stehenden Citate in Klammern gleich hinter 
den Text, um den Anschein möglichster Uebereinstimmung 
zwischen seiner und meiner Darstellung hervorzurufen.!) Da- 
gegen unterdrückt Kluge auf S. VIIL meine Citate, und 
daraus mache ich ihm einen schweren Vorwurf. Denn so 
erfährt der Leser nicht, dass ich bei der zunächst angeführten 
Stelle Kluges Aufsatz in erster Linie und vor den weiter 
namhaft gemachten Wörterbüchern und Schriftstellern aus- 
drücklich nenne: ‘Kluge, Münchener Allgemeine Zeitung 1892 
Beilage N0.297 S.3. Grobität, Dedekind Grobianus. Albertät DWb. 
1,203, Filzität DWb. 3,1637. Schiefität Mart. Schluck (deutsch; 
1798) S.IV, Eulerkapper 103. Kuelität Schmeller 1,1238. Knüllität 
Schnabel, Fl.B. S.51.’ Diese Art des Citierens musste doch jedem 
Kundigen sofort andeuten, was ich dadurch ausdrücken wollte: 
‘bier hat mich Kluge auf die Sache aufmerksam gemacht!’ 
Wie Prof. Kluge dies gänzlich verschweigt, so fügt er andrer- 
seits bei den beiden übrigen Stellen nicht hinzu, dass ich aus- 
drücklich meine Quellen für das Angeführte nenne, während er 
in seinem Aufsatz keine Belege gibt: Ich habe einfach nach 
meinem, aus eignen Sammlungen geschöpften Material die Zu- 
sammenstellung gemacht, und deshalb finden sich z. B. die in 
diesem nicht gebuchten Fechtier, Juxier, Schanzier, schauderös 
auch nicht in meiner Aufzählung. 

Was die Sache selbst, die Anführung derartiger iybrider 
Bildungen, angeht, so kann sich Kluge kein Verdienst daraus 
machen, denn die Studentenwörterbücher und andere Quellen 
stossen den Forschenden auf Schritt und Tritt darauf. Ueber- 
haupt überschätzt Kluge seine wissenschaftliche Leistung, wenn 
er die Erklärung von stellatim, die der Dichter selbst gibt, und 
die von studentikos, zumal noch nach Heynes Deutung von 
burschikos, als sein besonderes Verdienst betrachtet. Ebenso 


!) Dem genauen Leser wird das eine Citat, das ich mehr biete, schon 
sagen, was ich hier noch ausspreche, dass ich natürlich die beiden eitierten 
Werke Stoppes selbständig durchgelesen habe. 


4 


seine ‘Kategorien’, die jedem, der sich nur acht Tage mit diesen 
Dingen beschäftigt, ganz selbstverständlich sind und die auf der 
Hand liegen. Im übrigen habe ich auf dem Gebiete der inneren 
Gliederung eine ganze Anzahl neuer erst aufgestellt, die sich 
jetzt in Kluges ‘Deutscher Studentensprache’ widerfinden, so 
dass ich, wenn ich Kluge wäre, daraus bedenkliche Schlüsse 
ziehen könnte. Mit dem gleichen Rechte könnte ich auch ver- 
muten, dass Kluge durch mein Buch erst auf manches auf- 
merksam gemacht ist, was er früher noch nicht gekannt hat 
und jetzt benutzt, und dass er dem Büchlein des Deutschen 
Abends Hinweise verdankt, welche die Wörterbücher nicht bringen 
{wie z. B. bei del den Hinweis auf den Urfaust, bei Anschiss 
den auf Hauff). Ich tue dies nicht, aber ich will nur zeigen, 
dass bei gleicher Handlungsweise es möglich wäre. 

Wenn Kluge sich darüber erstaunt stellt, dass ‘ich mir 
mein Material zum grössten Teil erst zu sammeln hatte’, so 
erstaunt mich hinwider sein Erstaunen. Kluge hat in seinem 
‘Vortrag ausser den Wörterbüchern etwa 23 Quellen eitiert,!) von 
denen ich 5 nicht benutzt habe. Von den übrigen, die durch 
mich wie Kluge ausgeschöpft sind, liegen die folgenden wol jedem 
'Germanisten, der sich in Halle mit Studentensprache beschäftigt, 
auch ohne einen Hinweis durch Kluge nahe, zumal Pernwerth 
v. Bärnstein auf die meisten von ihnen hindeutet: Laukhard, 
‚Zachariaes Renommist, Schochs Comoedia, Jobsiade, Kindlebens 
Studentenlexikon, Bürgers Balladen, Jus potandi, die maccaron. 
Ged. im Weimar. Jahrbuch, Augustins Bemerkungen eines Aka- 
demikers, Heine, Goethes Dichtung und Wahrheit. Es bleiben 
noch 6 entfernter liegende mir mit Kluge gemeinsame Quellen: 
von ihnen nennt aber drei auch Pernwerth v. Bärnstein, auf 
eine vierte ("Briefe über Jena’) weisen die Brüder Keil in ihrer 
Geschichte des Jenaischen Studentenlebens widerholentlich hin. 
Dagegen habe ich noch in meiner Schrift etwa 78 von Kluge 
nicht namhaft gemachte Quellen benutzt! Die Zahlen be- 
dürfen keines Commentarr, 

Kluge wirft mir. den Titel ‘Hallische Bindärtinspraihen vor. 
Ich brauche einem Sprachkenner, wie ihm, kaum auseinander- 


1) Ich sehe. bei Kluge as mir hier von den Quellen en Rotwel- 
schen ab. ur | | 


5) 


zusetzen, dass mit dem Titel nicht gesagt wird, dass die 
Hallische Studentensprache etwas specifisches ist. Daher 
kämpft Kluge gegen Windmühlen, wenn er ‘ausdrücklich fest- 
stellt, dass specifisch Hallisches — bis auf ein paar Einzel- 
heiten — sich in dem Buche überhaupt nicht findet.’ Ver- 
schiedenheiten der Bildungsart gibt es in der modernen Stu- 
dentensprache zwischen den einzelnen Universitäten nicht: sie 
zeigen nur Unterschiede in dem Gebrauch einiger Worte und 
Wendungen, wie in der mehr oder minder altertümlichen Fär- 
bung, also eben ‘in ein paar Einzelheiten’. Ich stelle hier aber 
noch meinerseits ausdrücklich fest, dass unter meinen Quellen 
23 Nummern sind, die Halle angehören oder in nahen Beziehungen 
zu ihm stehen, und dass ich für die neuere Studentensprache, 
so weit wie möglich, das Bild mit Hallischen Zügen gezeichnet 
habe, wie es von mir als meine Absicht ausgesprochen ist (Halli- 
sche Studentensprache S. 4). 

Kluges stillschweigende Unterstellung, die aus allen 
seinen äusserlich vorsichtigen und gewundenen Worten heraus- 
klingt, dass ich seinen Vortrag in unerlaubter Weise be- 
nutzt hätte, weise ich mit Berufung auf das vorher Gesagte 
als unwahr zurück. 


HALLE a. S., Anfang März 1895. 


JOHN MEIER. 


Halle 3. S., Druck von Ehrh. Karras. 


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DIE DEUTUNG DER GERMANISCHEN VOLKER- 
NAMEN. 


Gar oft ist es bei wissenschaftlichen untersuchungen ge- 
fährlich, sich von vornherein gewisse prineipien zurecht zu 
legen, nach denen man vorgehen will; denn sie führen allzu- 
leicht zu voreingenommenheit. Ein gesundes urteil, das frei 
von vorgefassten meinungen in jedem bestimmten falle alle 
möglichkeiten in erwägung zieht, ist immer der beste führer 
auf allen pfaden der forschung gewesen, und wird um so nö- 
tiger, je schwieriger die aufgabe ist, um deren lösung es sich 
handelt. | 

Kaum irgendwo aber gilt das so sehr als bei der deutung 
unserer alten volksnamen. Wenn wir aus dem vorhandenen 
schatze nur etliche gut verständliche herausheben, namen wie 
Burgundiones, Sciri, Sugambri, Quadi, Langobardi!), Armilausi, 
Marcomanni, Angrivarü, Saxones, Sviones, Gundebadingi, so sind 
hier deutlich schon so viele bedeutungsarten vertreten, dass es 
sich sofort von selbst verbietet, in unseren volksnamen von 
vornherein nur nach bestimmten bedeutungen zu suchen. Ihre 
ordnung nach ihrem inhalte wird natürgemäss erst nach ihrer 
deutung erfolgen dürfen. Diese selbst aber hat auf grund 
einer genauen und reinlichen analyse ihrer gram- 
matischen form zu geschehen. Diese ist das erste und 
wichtigste und hat natürlich da, wo in folge unsicherer über- 
lieferung diese form nicht feststeht, mit einer kritik der über- 
lieferung hand in hand zu gehen. Die untersuchung hat sich 
aber auch auf die ableitungen zu erstrecken, soferne besondere 


1) Ich rechne den namen Zangobardi allerdings zu denen, deren 
sinn sonnenklar ist, und verstehe nicht, warum man sich tiberall um neue 
deutungen für ihn bemüht. _ 


Beiträge zur geschichte der deutschen sprache, XX, 1 


2 MUCH 


suflixe gewissen gruppen von begriffen mehr oder minder eigen- 
tümlich sind. Stellt sich lautliche gleichheit mit einem in den 
literarischen sprachperioden noch vorhandenen worte heraus, 
so ist dies ein besonders glücklicher fall. Noch nicht ungünstig 
ist auch der, wo sich wenigstens der wortstamm des betreffenden 
namens, mit anderem suffixe versehen, später noch nachweisen 
lässt. Daneben sind wir natürlich vielfach auf heranziehung 
des wortschatzes von verwanten, zumal nachbarsprachen an- 
gewiesen und vielfach genötigt, ablautende oder sonst lautlich 
veränderte nebenformen zu belegbaren worten anzusetzen, Con- 
structionen, von denen es je nach der zahl der analogien, die 
ihnen zur seite stehen, mehr oder weniger wahrscheinlich sein 
wird, dass sie jemals wirklichen bestand hatten. 

Unter den deutungen, die, soweit es sich um die form 
handelt, möglich und wahrscheinlich sind, erhalten solche be- 
sonderen wert, die an den uns bekannten eigentümlichkeiten 
des betreffenden volksstammes eine stütze finden. Denn man 
darf es niemals ausser acht lassen, dass alle volksnamen nicht 
so gegeben wurden, wie man heute einem kinde bei der taufe 
einen namen zuteilt, sondern von haus aus lebendigen sinn 
und inhalt hatten, für den nur später, sobald ihr charakter 
als eigennamen schon feststand, das verständnis verloren gieng. 
Ihr erstes durchgreifen können sie in der grossen mehrzahl 
der fälle nur dem umstande verdanken, dass sie kennzeichneten. 
Aus dieser erwägung heraus kann ich mich auch — von bedenken 
im einzelnen abgesehen — mit der von J,aistner vertretenen 
anschauung nicht befreunden, dass einer ganzen gruppe ger- 
manischer volksnamen der vage begriff der menge zu grunde 
liege. 

Darauf dass verschiedene namen ein und desselben stammes 
und namen von nachbarstämmen in formeller und inhaltlicher 
wechselbeziehung stehen, babe. ich widerholt aufmerksam ge- 
macht. Aehnlichkeit und gegensatz spielen hierbei, was den 
inhalt, alliteration, reim, gleichheit der suffixe, was die form 
anbelangt, eine rolle. Dass dies sich so verhält, ist bei pri- 
märer stellung der völkerschaften, um deren namen es sich 
handelt, von vornherein zu erwarten, wie ja zwischen den 
namen und zumal übernamen zusammengehöriger personen 
ähnliche verhältnisse bestehen; vgl. Segimerus, Segestes, Segi- 


DIE DEUTUNG DER GERM. VÖLKERNAMEN. 3 


mundus, *Segithancus; Thusnelda, Thumelicus; Arpus, Gandestrius ; 
Raus, Raptus; Hengest, Horsa, um nur auf ein paar beispiele 
aus der ältesten zeit hinzuweisen, die sich, wenn wir auf jüngere 
perioden rücksicht nehmen wollten, ins ungemessene vermehren 
liessen. Damit sind uns neue hilfsmittel an die hand gegeben. 


Es ist natürlich auch möglich, dass ein und derselbe name 
in verschiedenem sinne verstanden wurde. Da es ein germa- 
nisches adjectiv */ugjaz ‘lügnerisch’ jedenfalls gab, war es 
allen, die dem volke der Zugi, Lugiones nicht besonders hold 
gesinnt waren, erlaubt, ihren namen als ‘die lügnerischen’ zu 
verstehen. Und wer will bezweifeln, dass es solche gab und 
dass sie dies taten? Damit verliert aber, was den vorliegenden 
namen betrifft, Laistners (Germanische völkernamen 29.) und 
Erdmanns (Ueber die heimat und den namen der Angeln 100 f.) 
hinweis auf ir. /uige ‘eid’, got. Ziugan ‘heiraten’ und ahd. ur- 
liugi ‘krieg, d. h. lösung des freundschaftlichen verbandes’ 
durchaus nicht seinen wert, da er zeigt, dass man ihn auch im 
sinne ‘die vereideten’ verstehen konnte. Es ist freilich nicht 
leicht begreiflich, wie ein volk sich einen namen beilegen 
konnte, der von allen übelwollenden als ein schimpf gedeutet 
werden musste. Vielleicht lag ursprünglich eine, solange sie 
bestand, misverständnisse ausschliessende zusammensetzung 
vor, aus der dann spottlustige nachbarschaft das eine composi- 
tionsglied ablöste und mit der absicht der schelte allein ge- 
brauchte. Auch der name Vandali konnte wol ebensogut ‘die 
gewanten’ als ‘die wandelbaren’ bedeuten. Was die Suebi 
betrifft, so halte ich sie heute mit Erdmann, Ueber die heimat 
und die namen der Angeln 96 fi. und Kögel, Anz. fda. 19,31) 
für ‘die dem eigenen verbande angehörigen’, für ‘die freien 
männer’, und bin sogar der überzeugung, dass ihr name zur 
Römerzeit auch noch als appellativum in geltung war und in 
seinem sinne wol verstanden wurde. So erklärt sich am ein- 
fachsten die tatsache, dass — im gegensatz zum gewöhnlichen 
umfange des begriffes Suebi — bei Tacitus alle die Germanen 
diesen namen führen, die den Römern nie unterworfen, also 
frei und selbständig geblieben waren. Aber der anklang an 


1) Auch Laistner, Germ. völkernam. 39 ist auf dem rechten wege, 
irrt aber durch ansetzung von vorgerm. suego- statt swebho-. 
y* 


4 MUCH 


die verbalwurzel sweb ‘schlafen’ und vor allem an das verbal- 
adjectiv sw&biz ‘schläfrig’ war doch zu auffallend, als dass er 
nicht da und dort zu misdeutungen anlass gegeben hätte. 

Das eine dürfen wir nie ausser acht lassen, dass fast 
alles was wir auf diesem gebiete erreichen können, nicht mehr 
als grössere oder geringere wahrscheinlichkeit ist. In anbetracht 
der mangelhaften überlieferung und der hohen altertümlichkeit 
der namen, um die es sich handelt, wird manches rätsel, das 
sie uns vorlegen, immer völlig ungelöst bleiben und in andern 
fällen doch niemals eine endgültige wahl zwischen verschiedenen 
möglichkeiten getroffen werden können. Doch lässt sich des- 
wegen nicht behaupten, dass wir jetzt schon an der grenze des 
erreichbaren angelangt sind, und neues bemiihen wird hier 
sicher noch manchen schönen fund zu tage fördern. Ja selbst 
irrtümer können fruchtbare anregungen geben. Ohne den ‘mut 
des irrens’ wird man hier am allerwenigsten auskommen, und 
nicht hoffen dürfen, dass alle aufstellungen sich bestätigen 
werden. Wenn manches bestand hat ist's genug. Anderes wird 
man auch selbst gern wider abtragen, um festen grund zu ge- 
winnen zu neuem aufbau. Vor allem aber kann die mit- 
arbeiterschaft mehrerer auf diesem felde von nutzen sein, weil 
die anschauungen des einzelnen beim besten willen immer ein- 
seitig sind. 

Aus diesem grunde habe ich mir von der abhandlung 
H. Hirts über ‘Die deutung der germanischen völkernamen’ 
in den Beitr. 18,511 ff. in dem augenblicke, da ich sie zu ge- 
sichte bekam, einen wesentlichen fortschritt erwartet, und noch 
mehr als ich nach einigen einleitenden worten mit bezug auf 
meine versuche auf diesem gebiete die bemerkung las: ‘aber 
wer soll wol derartigen deutungen glauben, deutungen, die oft 
genug die bestehenden zusammenhänge ignorieren?’ Nach 
diesem allgemein und dunkel gehaltenen urteil durfte ich billiger 
weise den nachweis erwarten, was für bestehende zusammen- 
hänge ich ignoriert habe, einen nachweis, den ich wie jeden 
fortschritt der wissenschaft freudig begrüsst hätte. 

In dieser hoffnung sah ich mich enttäuscht. Denn Hirt 
hat im weiteren nicht das mindeste beigebracht, um jene apo- 
diktische behauptung zu rechtfertigen, dagegen allerdings seine 
eigene hypothese zu begründen versucht, dass die germanischen 


DIE DEUTUNG DER GERM. VÖLKERNAMEN. B) 


volksnamen zum teil ihrem ursprunge nach vorgermanisch sind, 
zu einem anderen, wenn ich ihn recht verstehe, lehnworte aus 
fremden sprachen, durch eindringen und entnationalisierung 
fremder stämme erklärlich. 

Solche möglichkeiten sind gewiss in betracht zu ziehen. 
Dabei haben wir aber die volksnamen auch nicht anders zu 
untersuchen als andere worte :unserer sprache, bei denen ja 
auch immer die frage nach ihrem alter und nach ihrem ur- 
sprunge in heimat oder fremde aufgeworfen werden muss und 
gewiss auch der fall vorkommen kann, dass andere zugehörige 
worte im germanischen, oder auch wol überhaupt, nicht zu er- 
mitteln sind. Die methode bleibt also die gleiche. Und es 
fragt sich, ob wir wirklich im stande sind, solche volksnamen 
vorgermanischer oder ungermanischer herkunft . nachzuweisen. 

Dass es schon im indog. beziehungsweise europäischen 
urvolke vor seiner spaltung in verschiedene scharf getrennte 
sprachen politische unterabteilungen unter besonderen namen 
gegeben hat, ist kaum zu bezweifeln. Es können sich solche 
namen auch sehr wol bis in historische zeit erhalten haben 
und später auf verschiedenen sprachgebieten auftreten. Das 
wäre nur ein ähnlicher vorgang, wie wenn heute Sachsen in 
Deutschland deutsch, Sachsen in England englisch sprechen 
oder Nordschwaben an der Bode niederdeutsch, ihre nach 
Süddeutschland ausgewanderten stammesbrüder hochdeutsch. 
Ebenso gibt es südgermanisehe und nordische Haruden, Rugier, 
Goten; nord- und südslavische Chorvaten, Obodriten, Sorben 
(Serben); gallische und brittannische Atrebates, Belgae, Parisii 
(Parisi); trans- und eisalpinische Taurisei, Boii, Lingones u.a. nı. 
Ein hiervon verschiedener Fall ist es, wenn heute die Russen 
oder Lombarden oder Franzosen diese namen führen, die das 
andenken entdeutschter Germanenstämme in der fremde fort- 
erhalten. Die fortlebenden namen sind dabei die des erobernd 
eingedrungenen, aber nachmals entnationalisierten volkes, Wenn 
dagegen die Slaven in Schlesien nach zurückgebliebenen van- 
dalischen Silingen S/esane hiessen, oder wer'n heute von Preussen 
die rede ist, hat hier umgekehrt das vorherschende volk, das 
seine eigene sprache. durchgesetzt hat, den namen der vor- 
gefundenen alten bewohner angenommen. 

Aehnliches ist sicher auch im altertum schon vorgekommen. 


6 MUCH 


Wären die Römer nicht dazwischengetreten, so hätten aller 
wahrscheinlichkeit nach Kimbern und Ambronen und später 
Usipeten und Tenktern mitten unter Kelten germanische reiche 
gegründet, wären aber alsbald der keltisierung erlegen, ausser 
dass vielleicht ein oder der andere germanische stammname 
sich als der eines fortan keltisch redenden volkes erhalten 
hätte. Und germanische vorstösse dieser art wird es in vor- 
geschichtlicher zeit widerholt gegeben haben. Dass aber auch 
umgekehrt das germanische sprachgebiet solehen einbrüchen 
ausgesetzt war, ist bei der kriegerischen und politischen über- 
legenheit der Germanen tiber alle ihre nachbarstämme nicht 
vorauszusetzen, und ausserdem hat auch des Tacitus ausspruch, 
Germ.2, seine berechtigung: guis porro..... Germaniam peteret, 
informem terris, asperam caelo, tristem cultu aspectuque, nisi si 
patria sit? 

Eher noch liesse sich denken, dass beim vordringen der 
Germanen die namen unterworfener Keltenstämme auf sie 
übergegangen seien; aber auch das ist nicht wahrscheinlich, 
weil die unternehmungen der Germanen, soweit wir es beob- 
achten können, immer in bereits fest geschlossenen stämmen 
erfolgten, die also wol ihre namen schon mitbrachten, und nicht 
familien- und hordenweise wie etwa bei den Slaven. Keltische 
namen germanischer stämme, wie Usipetes, erklären sich aus 
keltischer nachbarschaft und keltischem cultureinfluss an der 
grenze, an der man selbst den bestand doppelsprachiger 
stämme, bei denen etwa die freien germanisch, die knechte 
keltisch sprachen, jeder teil aber nebenbei auch des anderen 
idiomes mächtig war, als möglich zugeben kann, ebenso wie 
verschiedene stadien der keltisierung oder germanisierung. 

Man braucht sich auch gegen die annahme vorgeschicht- 
licher spaltungen und dadurch bewirkter nationaler sonder- 
entwicklung von stämmen nicht ablehnend zu verhalten. Aber 
wolgemerkt: das vorkommen von gleichen stammnamen in ver- 
schiedenen sprachgebieten beweist, ausser wenn sich ganze 
gruppen von solchen widerholen, noch wenig. Wir müssen in 
solchem falle fragen, ob nicht zufällig und unabhängig von 
einander dieselben worte zur namengebung verwendet wurden; 
denn bei volksnamen. konnte das geradeso vorkommen wie bei 
localnamen. Gibt es denn nicht verschiedene orte namens 


DIE DEUTUNG DER GERM. VÖLKERNAMEN. 7 


Noviodunum, Neuenburg, Carrodunum u.8.w. u.8.w.? Ferner 
haben wir zu fragen, ob der ähnlichkeit der form auch wirk- 
lich der inhalt entspricht, ob die namen also tatsächlich identisch 
sind. Denn es gibt ja doch innerhalb verschiedener sprachen 
worte genug, die ihrer form nach durch urverwantschaft oder 
entlehnung in beziehung zu einander stehen könnten, in der 
tat aber nichts mit einander zu tun haben. Wenn wir uns 
bei vergleichung von worten um die bedeutungen nicht küm- 
mern, werden wir für italienisch cal/do zusammenhang mit 
deutschem kalt in betracht ziehen. 

Wer aber einmal den methodischen fehler begeht, auf ety- 
mologien sich nicht einzulassen, was ja allerdings bequem ist, 
der sollte wenigstens die dem formellen zugewante seite seiner 
aufgabe ernst nehmen. Statt dessen scheint Hirt von dem be- 
kannten grundsatze auszugehen, dass es bei der sprachver- 
gleichung auf die consonanten wenig und auf die vocale gar 
nicht ankomme. Dass dann, wo auch um die bedeutung nicht 
gefragt wird, dinge zusammengeraten, die zu einander passen 
wie die faust aufs auge, ist selbstverständlich. Auch der vor- 
behalt, ‘sicheres mit unsicherem zu mischen’, rechtfertigt es 
noch nicht, unmögliches vorzubringen. 


Natürlich sind nicht alle zusammenstellungen Hirts von 
gleichem unwerte. Sie sind auch nicht alle neu. Und da Hirt 
selbst bei der gleichung Ingaevones Aycıoi, die mir persönlich 
— nebenbei bemerkt — höchst zweifelhaft erscheint, auf 
Laistner, Germanische völkernamen 46 und Johansson BB. 18, 28 
als ihre ersten vertreter verweist, macht es auf den auf diesem 
gebiete weniger bewanderten den eindruck, als ob alle anderen 
zusammenstellungen von ihm selbst herrührten. Es wird des- 
halb gestattet sein, darauf aufınerksam zu machen, dass Bri- 
gantes und Burgundiones, wenn ich nicht irre, zuerst von Kluge 
in Pauls Grundr. 1,305 einander gleichgestellt wurden, Chatti 
mit keltisch Cassi, -casses von Müllenhoff, Zs. fda. 23, 7%; mit 
dem namen der Ambrones, mit dem ich Beitr. 17,43 "Oußowves 
in der Sarmatia des Ptolemaeus zusammengestellt habe, hat 
den der italischen Umbri schon Förstemann DN. 21, 62 verglichen; 


2) Ueber die schwierigkeiten, die dieser zusammenstellung im wege 
stehen, vgl. jetzt W. Braune, Indog. forsch. 4, 341. 


8 | MUCH 


ebenso bemerkt er 21,994 zum namen der deutschen Marsen: 
*es ist vielleicht, ich möchte sagen wahrscheinlich, nicht zufall, 
dass auch die italischen Marsi dieselbe benennung haben. Die 
verknüpfung der Marrucini mit den Marsi gehört schon dem 
altertume an, im besonderen Cato nach Priscian 9, 871. Der 
hinweis auf phrygische ®vvol und irische Kavxoı bei den 
germanischen (At)Aovvor und Chauci findet sich in meiner ab- 
handlung Beitr. 17,29. 43, wogegen allerdings die bemerkung, 
‘dass die Chauci .... als Kavxonvoroı Ptol.3, 8 als thrakische 
völkerschaft auftreten’, durchaus von Hirt selbst herrührt, 
übrigens auch unzutreffend ist, da hier doch deutlich ein deri- 
vatum aus einem localnamen vorliegt, und man ja auch nicht 
sagen dürfte, dass die Chauci als schottische Ziyhlanders auf- 
treten. Mit besserem, wenngleich immer noch nicht unbestreit- 
barem rechte hätte Hirt an die peloponnesischen und paphla- 
gonischen Kavxwvss erinnern können. Warum Hirt meine zu- 
sammenstellung von germanischen und keltischen Turonen, 
Beitr. 17,78, und von böhmischen und baltischen Sudinen, Beitr. 
17,110 nicht auch in sein verzeichnis aufgenommen hat, ist 
mir unbekannt. Ä 

Damit aber das oben ausgesprochene urteil niemandem 
unbegründet oder doch zu hart erscheine, wird es nötig sein, 
Hirts eigene gleichungen ein wenig näher ins auge zu fassen. 
Ich stelle dabei meinen kritischen anmerkungen immer die 
selben schlagworte voran, deren sich Hirt bedient. 

-broges, -briges. Dass die Dovyes früher Briges geheissen 
haben, wie Herodot 7, 73 unter berufung auf makedonische sage 
meldet, ist insofern fast das gegenteil der wahrheit, als Booyes 
der an die älteste einheimische namenform *2hruges an- 
knüpfende. griechische name ist, Bovyoı, Boiyes dagegen an 
jüngere entwicklungen von *2hruges sich anschliesst, in denen 
die aspiration verloren war; über den wandel von x zu ö im 
thrakischen vgl. Wilh. Tomaschek, Die alten Thraker (Wiener 
sitz.-ber. 128) 1,29. Wer daher mit Hirt gallische namen wie 
Brigiani oder Nitiobriges, Latobrigi vergleicht, müsste entweder 
für das keltische ein gleiches gesetz des überganges von u zui 
nachweisen, das es aber hier sicher nicht gibt, oder die be- 
treffenden stämme in später zeit aus Thrakien in keltisches 
gebiet einwandern lassen. Nitio-briges und Lato-brigi sind 


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DIE DEUTUNG DER GERM. VÖLKERNAMEN. 9 


zudem in dieser form in ihrem zweiten compositionsglied der 
verderbtheit verdächtig. 2rigiani aber hat aus dem keltischen 
eine ganz einleuchtende etymologie und bedeutet ‘monticulae’: 
8. Zimmer, KZ. 24,541. Holder, Altkelt. sprachschatz 542.. Der 
ableitung liegt ein kelt. wort brigioen, aus *bhrghiom, 'gebirge’ 
zu grunde; vgl. Are-brigium, ein keltisches Amberg, Zimmer 2.2.0. 
Holder, Akelt. spr. 189, germ. Aoxı-Bovpyıov 005!) und mit 
anderer ablautstufe kelt. oder germ. Beeyıov bei Ptolemaeus 
2, 11,14, germ. *ga-bergja(n) "gebirge’. 

Keltisch drog, mrog in Allobroges u.s.w., das Hirt mit all 
dem zusammenbringt, ist wider etwas ganz anderes, worauf 
unter Cimbri näher eingegangen werden soll. 

In denselben topf wirft er ausserdem noch Beßovxes, 
Bosvxoı (bei Strabo), Ribroci (bei Caesar) und Bructeri, wobei 
er irrtümlich Zidroci für denselben namen nimmt wie Beßovxes, 
das indessen bei Caesar Bebruces oder, wenn wir vom stamm- 
auslaut absehen, Zebruci lauten müsste. Ich glaube im folgenden 
nachweisen zu können, dass der guttural in diesen namen einer 
ableitung angehört, wodurch die zusammenstellung mit Zructeri 
allen halt verliert. Beßpvxes, Boeüxoı, Bibroci halte ich selbst 
für verwante namen, und vielleicht — eine entferntere mög- 
lichkeit — ist auch Dovyes damit zu verbinden. Aber dass 
all das wirklich der fall, oder wahrscheinlich oder möglich ist, 
kann doch nur eine grammatische analyse verbunden mit einem 
erklärungsversuche zeigen. Namen auf grund bloss ihres an- 
klanges zusammenstellen kann jedes kind. 


Der name 2ibröci, nach Caesar BG. 5, 21 der eines stammes 
im südlichen Brittanien, verhält sich — von der reduplications- 
silbe abgesehen — zum namen der Boevxo: in Pannonien genau 
so wie Bröcomagus im It. 252. Ammian 16, 11.12 zu Boevxouayog 
bei Ptolemaeus 2,9,9 oder (Ollo-)tötae zu Teutoni, ein laut- 
übergang, der im irischen vollkommen durchgeführt worden ist: 
s. Brugmann, Grundr. 1,57. . Beßovxes lässt sich mit *Bibreukoi 
bei annahme verschiedener ablautstufe vereinigen, wie denn 
auch neben germ. *brä-naz ‘braun’ kelt. *breu-nos nachweisbar 
ist, erhalten im volksnamen der Zreuni (vgl. Esser, Beitr. zur 


!) Diesen namen halte ich jetzt nicht mehr wie Zs. fda. 33, 2 für eine 
sbleitung aus einem ortsnamen. 


10 MUCH 


gallo-keltischen namenkunde 1,97. Holder, Akelt. spr. 527), und 
germ. *brunaz, das sich aus Bruni, einem beinamen des Odinn 
ergibt, der in gleicher function Biorn heisst: s. Detter-Heinzel, 
Beitr. 18,546; man vergleiche damit das verhältnis des namens 
Braun des bären zu Bär, d.i. ‘der braune’ nach germ. *beraz, 
lit. böras, lett. bers ‘braun’ (Kluge, EWb.5 28). Ja *brünaz, 
breunos lässt noch näheren vergleich mit Beßovxes, (Bi)breukoi 
zu, da dort n, hier 4 als ableitung aufgefasst werden kann und 
sogar ein aind. babhrugds aus *bhebhrucos neben babhrüsh ‘rot- 
braun’ vorliegt. Wir könnten somit die Bibroci, Breuci, Beßovaess 
insgesammt als ‘die braunen’ nehmen. Allein es ist nach den 
untersuchungen von Wilh. Tomaschek fraglich, ob altes c, die pa- 
latale tenuis, im thrakischen und phrygischen als X-laut erhalten 
war. Deshalb scheint es geratener, Beßovxes auf Bhebhrukes 
zurückzuführen. Wir können dann an bildungen wie zoprag 
“färse’, uetoag ‘mädchen, knabe’, aind. maryakds ‘männchen’, öpTvg, 
aind. vartakas ‘wachtel’, deApas ‘schwein, ferkel’ anknüpfen; vgl. 
noch bildungen wie lit. parszukas ‘ferkel’, aksl. cvetuku ‘blüm- 
chen’, aind. müshikä ‘maus, ratte’. Aus diesen seitenstücken er- 
gibt sich die möglichkeit, dass ein oder der andere obiger namen 
oder alle als ‘biber’ verstanden wurden; vgl. die etymologie 
und verbreitung dieses wortes. Man könnte dabei an pfalbau- 
bewohner denken. Zibroci hat auch schon Glück, Die kelt. 
namen 42f. und nach ihm Stokes bei Fick, Vgl.wb. 24, 167 zu 
keltisch bebros ‘biber’ gestellt. Wie Bibröci zu Breuci, so ver- 
hält sich Beßovxes zu Bovxaı oder Bovxeis‘ E9vog Opaxns; 8. 
Wilh. Tomaschek, Die alten Thraker 1,35. 

Für den namen Doöyss, Dovyes hat derselbe a.a.o. 29 
eine ansprechende erklärung gegeben durch anknüpfung an 
wurzel dhrüg ‘brauchen’, wonach sie ‘homines frugi’ wären: 
vgl. got. brüks. Allein da gerade wie mit -k-, -ko-, so auch 
mit -9-, -go-suffix tiernamen gebildet werden — vgl. ags. bulluc, 
ahd. chranuh, got. ahaks, gr. xoxxvy- (Bugge, Beitr. 12, 424 f. 
Kluge, Nom. stammbild.29) — so könnte auch der name Phrygen 
von haus aus ‘biber’ bedeuten. Bovyss würde sich zu (Be)Bovxes 
ungefähr so verhalten wie griech. ooTv& gen. OpTvyog zu ögrvg 
gen. Optvxoc, aind. vartakas. 

Burgundiones-Brigantes. So weit ist, wie bemerkt, die glei- 
chung nicht neu und jedenfalls zu billigen. Aber Strabos nur 


DIE DEUTUNG DER GERM. VÖLKERNAMEN. 11 


einmal erwähnte Boıyavrıoı sind leicht nur nach der ragenden 
bergstadt Bregenz, Drigantium, Brigantia so benannt, und ge- 
hören dann mit den Brigantes nicht unmittelbar zusammen. 
Dass es vollends ‘wunderbar’ sei, dass Burgunden und Van- 
dalen einerseits, Boıyavrıoı und Ovivdelıxol andrerseits neben- 
einander stehen, könnte man doch dann erst mit einigem rechte 
behaupten, wenn die gleichung Vandali— Vindelici selbst weniger 
windig wäre. Was die Doovyovvdioveg betrifft, so nennt sie 
uns Ptolemaeus bekanntlich als ein von den Burgunden ver- 
schiedenes volk und in einem locale, wo wir die Burgunden 
nicht suchen dürfen. Dieser umstand schon muss uns gegen 
Möllers (Ae. volksepos 27) und Müllenhoffs (DA. 2,80) gleich- 
stellung der Frugundionen und der Burgunden mistrauisch 
machen, zumal sich auch beider namen in unvereinbarer weise 
unterscheiden. Dass einerseits ru, andrerseits ur steht, ist von 
geringerem belange; von D indessen glaubte ich Beitr. 17,41 
mit vollster bestimmtheit annehmen zu dürfen, dass es nicht 
widergabe von germ. b sein kann, wie Möller angenommen 
hatte. Statt dem dort vorgebrachten auch nur den schatten 
eines gegengrundes entgegenzustellen, findet es Hirt jetzt (Beitr. 
18,514) für gut, von oben her zu erklären, ich hätte mich mit 
Möllers hypothese zu leieht abgefunden; es sei ‘vorsichtiger (!!), 
solche abweichungen der schreibung’ (als ob es sich nicht um 
verschiedene namen handelte, von denen erst bewiesen werden 
müsste, dass sie zusammengehören) ‘lieber einstweilen (!) un- 
berücksichtigt zu lassen, als etymologien darauf zu bauen, die 
doch stets sehr problematisch bleiben’ müssten. Meinerseits 
halte ich es für vorsichtiger, namen nur dann zu identificieren, 
wenn dies den buchstaben und lauten nach möglich ist. 
Canninefates. Hierin soll das erste compositionsglied am ehe- 
sten mit dem namen Ilavvovıo. vergleichbar sein. Die namen 
sollen angeblich genau zu einander stimmen, ‘wenn man g als 
ursprünglichen anlaut ansetzt und für das pannonische einen 
wandel von q zu p annimmt.’ Das ist allerdings viel verlangt, 
allein vermutlich überrascht uns Hirt demnächst mit der ent- 
deckung labialisierter velare im illyrischen. Steht » in Pannonii 
für q, was ich selbst nicht glaube, dann müsste der name wol 
keltisch sein. Allein auch gallischem Pannon- würde germanisch 
bei urverwantschaft, je nachdem es aus vorkeltisch Onnon- 


12 MUCH 


oder Oannon- entsprungen wäre, hunnan-, funnan- oder hwannan-, 
fannan- entsprechen, bei entlehnung Pannan-, Pannun-. Gegen 
letztere spräche übrigens auch der umstand, dass efates seinen 
lauten nach urdeutsch und nicht keltisch ist. Hirts zusammen- 
stellung ist also ganz widersinnig. 

Celtae. Woher der name Celtae stammt, ist nach Hirts 
behauptung unbekannt. Da aber Caesar BG. 1, 1 berichtet, 
dass die bewohner des mittleren Gallien sich selbst Kelten 
nennen, und keltische namen wie Celtillus, Celtilla, Celtinus, 
Celtios begegnen, so ist es klar, dass wir ihn als keltisch an- 
sprechen dürfen: vgl. Zeuss, Die Deutschen und die nachbar- 
stämme 65.66. Dass trotz übereinstimmung so zahlreicher 
quellen in dem anlaut k in Celtae, Celtillus, Keirol, Keirıxog 
einerseits, im anlaut g in Ialcraı, Taiarla, I'alarog (per- 
sonenname bei Polybios 2, 21,5) andrerseits von einem wechsel 
von g und k gesprochen werden könne, ‘hervorgerufen durch 
mangelhafte widergabe’, sollte man beim jetzigen stande der 
wissenschaft nicht mehr für möglich halten. Dass übrigens die 
namen Celtae und TaAaraı auch sonst noch verschieden. sind, 
scheint Hirt nicht der rede wert zu sein. Erinnert er doch 
sofort auch an die skolotischen Skythen, ‘bei denen, wie es 
scheint, der name Celtae wieder auftritt, nur!) mit dem plus 
eines s versehen, was nicht auffallend ist.” Mir scheint, dass 
3xoAoror von Celtae auch durch ein o statt e in der stamm- 
silbe und das plus eines anderen o zwischen / und ? abweicht. 
Was die namen Kelten und Galater betrifft, füge ich nur noch 
bei, dass für beide ansprechende etymologien vorhanden sind. 
Siehe unter anderem Windisch in Ersch u. Grubers Eneyklo- 
paedie 2. sect., 35. teil, 134. Fick, Vgl. wb.2 4, 83.108, wonach 
ersteres ‘die erhabenen’, letzteres ‘die tapferen’ bedeutet. Als 
an ein wirkliches seitenstück zum namen der Galater erinnere 
ich an den der baltischen T’alivdaı des Ptolemaeus. 

Chorwaten. Diesen namen unmittelbar mit dem der Ha- 
rudes (Harüdes ist falsch) zusammenzustellen, geht deshalb 
schon nicht an, weil Chorwati und alle anderen formen des- 
selben aus Chrüvat- entsprungen sind: s. Miklosich, Et. wb. 91. 
Ein ablautverhältnis zu Cherusci ist allerdings auch bei dieser 


ı) Von mir im druck hervorgehoben. D. verf. 


DIE DEUTUNG DER GERM. VÖLKERNAMEN. 13 


grundform des namens denkbar, vorausgesetzt, dass er im 
slavischen ein lehnwort aus dem germanischen ist, eine mög- 
lichkeit, die ich Hirt gerne zugebe. Es ist vielleicht der name 
einer in den Slaven aufgegangenen bastarnischen abteilung. 
Die grundform Chrüvat-, von der auszugehen ist, könnte auf 
germ. *hrumwat- (*yrumat-) aus *krudd- zurückgehen und dies 
als appellativum ein gehörntes tier bezeichnen wie cervus und 
keltisch *karuos ‘hirsch’, lit. kdrve, asl. krava ‘kuh’”. Ja germ. 
*hrumal- ist möglicherweise sogar die grundfor Bn aus der aisl. 
hrütr “widder’ entsprungen ist. 

Cimbri. Damit verbindet Hirt zunächst den namen ‚ der brit- 
tannischen Cambri, Cumbri und der Sigambri (sic), Gambriviü. 
Diese gleichung ist, soweit es sich um Cimbri und Cumbri han- 
delt, der rüstkammer der keltomanie entnommen. Vgl. Gltck, 
Die kelt. namen 27: ‘eines der vielen beispiele, zu welchen 
albernheiten die unkunde der kelt. lautverhältnisse führt, ist 
die von mehreren schriftstellern (z.b. Diefenbach) aufgestellte 
behauptung, dass der (erst nach dem einfalle der Sachsen in 
Brittannien aufgekommene) name Cymry (= altem Combroges) 
eins mit den alten namen Cimmerü und Cimbri sei!!!’ Aber 
Diefenbach war mit rücksicht auf den damaligen stand der 
keltischen studien weit eher zu entschuldigen. Heute jedoch 
ist schon aus allgemein zugänglichen und verständlichen hand- 
büchern, z. b. ausser Glück a.a.o. 26 f. Zeuss-Ebel GC. 207. Win- 
disch a.a.o. 141. Müllenhoff DA. 2, 116 die belehrung zu schöpfen, 
dass Cambri, Cumbri eine, sogar wolverständliche, zusammen- 
setzung ist. Da das cymrische sonst kein casussuffix bewahrt 
hat, kann auch der auslaut in cymr. Cymro, pl. Cymry ‘a Welsh- 
man, Welshmen’ nicht als solches aufgefasst werden, erklärt 
sich aber anstandslos, wenn wir von einer grundform *Kom- 
mrox, pl. *Kom-mroges oder *Kom-brox, *Kom-broges ausgehen. 
Dieses wort wird mit hinblick auf ir. mruig ‘mark, landschaft’, 
eymr. corn. bro ‘bezirk, gegend, land’ und die glosse: ‘brogae 
Galli agrum dicunt’ (schol. zu Juvenal 8, 234) als ‘markgenosse’ 
verständlich, gerade wie Allo-brox, älter *Alio-brox, jetzt allfro 
‘alienigena, fremdländer’ bedeutet; vgl. jetzt auch Fick, Vgl. 
wb. 24, 22.221. Das g in Gambrivü, Sugambri gegenüber c in 
Cimbri aus dem Vernerschen gesetze zu erklären, wäre doch 
nur dann erlaubt, wenn für Cimbri im Germanisehen h als an- 


I, 
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14 MUCH 


laut vorausgesetzt werden dürfte, was jedoch bei der überein- 
stimmung aller quellen in der schreibung c oder k so gut wie 
ausgeschlossen ist. Man beachte auch, dass der stammvocal 
einerseits ö (nicht e), andrerseits a ist. Ueberdies bietet sich 
für Sugambri durch ahd. gambar ‘strenuus’ eine ansprechende 
erklärung. - | 

Daken. Der naıne der Daken soll in Auadoxo: und Karza- 
döxss widerkehren. Aber Auadoxo: ist keine zusammensetzung: 
vgl. Wilh. Tomaschek, Kritik d. ältesten nachrichten über d. 
skyth. norden (Wiener sitz.-ber. 117) 2,8: ‘in der skolotischen 
wie in der thrakischen sprache bedeutete Auadoxo: so viel wie 
@uoyayoı ‘rohfleischesser, wilde, welche die ackerfrucht nicht 
kennen’, vgl. skr. ämäd (pl. ämädas) ‘rohfleischesser’ gegensatz 
zu yaväd ‘kornesser’, erweitert ümadäka; kolarische aboriginer- 
stämme hiessen Amädaku, Amäcana’. Dass im namen Karzo- 
doxs; ein zweites element mit Däci, Aaxol, A&xoı oder Aazxaı, 
Aaxes etwas gemein habe, ist den lauten nach schon unwahr- 
scheinlich, und um so weniger glaubhaft, als es von den Kappa- 
doken und ihrem namen sehr fraglich ist, ob sie überhaupt 
indogermanisch sind. 

Aapdavıoı — Danaer. Davon soll ersteres nach Hirt 
möglicherweise eine reduplicierte bildung sein und auf Aavdaroı 
zurückgehen. Aavaoı aber ist doch offenbar aus Aavafoı ent- 
standen, wodurch die ähnlichkeit noch geringer wird. Und 
was liesse sich durch solche constructionen nicht alles vereinen. 
Es wundert mich wirklich, dass Hirt nach der analogie Can- 
nin(efates) = Pannonii nicht auch die Danir, Dänen als Danaer 
auffasst. Eine etymologie für Aapdavıoı gibt Hahn nach alb. 
dardhe ‘birnbaum’, dardhan ‘birnbaumzüchter’; s. Wilh. Toma- 
schek, Die alten Thraker (Wiener sitz.-ber. 128) 25. 

Dorier. Gesetzt auch der name der Dorier hätte mit indog. 
dru etwas zu tun und wäre als ‘waldbewohner’ zu verstehen 
geradeso wie der der germanischen Tervingen und. slavischen 
Drevljane, was folgt daraus? Jedenfalls sind ja das alles 
verschiedene namen. Die zurückführung des namens Dorier 
in die urzeit ist deshalb nicht nur ‘unsicher’, sondern schwebt 
völlig in der luft. 

Harii. Namen wie keltisch Zri-corü, Petro-corü, d.i. ‘die 
dreischärler’, ‘die vierschärler’ — vgl. ir. cuire, aus *korio-, 


DIE DEUTUNG DER GERM. VÖLKERNAMEN. 15. 


‘schar’ — heben ein charakteristisches moment hervor, sei es, 
dass es sich um eine eigentümlichkeit der schlachtaufstellung oder 
der politischen einteilung oder beides handelt. Aber lässt sich 
ein volk mit namen ‘die heere’ oder ein angehöriger eines 
solchen der ‘ein heer’ hiesse, denken? Das müsste aber der 
fall sein, wenn Harii bei Tacitus und keltisch -corii dasselbe 
wort sein sollen. Dabei wäre zudem eher gegen als für den 
ethnographischen zusammenhang der betreffenden stämme ein 
argument gewonnen, weil namen wie Tri-corü, Petro-coriü ihrem 
von Hirt ignorierten sinne nach an eigentümlichkeiten an- 
knüpfen, die einfaches Corii nicht voraussetzen kann. Dass 
wir zur erklärung von Hari übrigens nicht auf got. harjis 
allein angewiesen sind, ist Beitr. 17,28 gezeigt. 

Istaevones. Der anklang dieses namens an ’Eoriwveg bei 
Strabo verdient keine besondere beachtung, da uns, richtige 
überlieferung vorausgesetzt, die verschiedenheit der stammvocale 
verbietet, die beiden namen zu verbinden. Welcher art die 
stütze ist, welche die /staevones an der landschaft Toriaıa 
I. B 537 finden sollen, müsste Hirt näher aufklären, zumal 
hier schon der verschiedene anlaut, spiritus asper aus s in einem, 
blosser vocal im anderen falle, die zusammenstellung zu einer 
höchst problematischen macht. | 

Nervii = Naha-narvali ‘mit anderem Suffix und - anderer 
ablautstufe. Träfe das zu, so hätten wir’s aber doch schon 
mit verschiedenen namen zu tun, was auch bezüglich der Tencteri, 
Tungri gilt. Und wäre wirklich Naha-narwalöz der germanische 
name, so hätte Tacitus vermutlich Naho-narvali geschrieben. 
Dass vor vali die compositionsfuge ist, ergibt sich auch daraus, 
dass dasselbe volk später mit einem etymologisch ziemlich 
durchsichtigen namen PVicto-vali heisst. Bei der wahl zwischen 
nahanar- und nahar-, die uns die handschriften lassen, ist letz- 
teres, woraus nahanar durch dittographie entstanden sein kann, 
vorzuziehen, und entzieht sich auch kaum unserem verständ- 
nisse, worauf ich jetzt nicht näher eingehen will.!) 


ı) An dem was ich Beitr. 17,31 über das compositionsglied -ualos 
bemerkt habe, ist die zusammenstellung mit -welos in cymr. Huwel 
(Hywel), aus *Su-uelos, richtig zu stellen, da das cymr. adj. kywel ‘con- 
spicuous, evident, obvious’ zeigt, dass (g)wel in namen zu cymr. gweled 
‘sehen’ gehört. Damit entfällt auch das Beitr. 17,31 vorgebrachte argu- 


16 MUCH 


Sabini (safinim) — Suebi. Die möglichkeit, dass es sich hier 
um verwantes handelt, bezieht sich doch nur auf die appellative, 
die diesen namen zu grunde liegen, und auch deren beziehung 
zu einander kann keine allzu nahe sein. Eine namengleichung, 
aus der sich gar etwa ethnographische schlüsse ableiten liessen, 
liegt hier offenbar nicht vor. 

Semnones. ‘Ob die germanischen Semnones mit den kelti- 
schen Senones lautlich identificiert werden können’,t) will Hirt 
doch noch von der feststellung der keltischen lautgesetze ab- 
hängig sein lassen, die er nicht zu besprechen wagt. Diese 
zurückhaltung ist löblich, und es wäre nur zu wünschen ge- 
wesen, dass sie Hirt auch anderen keltischen namen gegenüber 
beobachtet und es ganz vermieden hätte von dingen zu sprechen, 
von denen er eingestandenermassen nichts versteht. 

Tatsächlich kann keltisch Senones unter gar keinen um- 
ständen mit germanisch Semnones verwant sein, auch wenn 
man letzteres, wie ich Zs. fda. 36, 41 ff. getan habe, aus vorgerm. 
*Sepnones ableitet, da im keltischen » vor n nicht spurlos 
schwindet, wie air. suan, cymr. hun, beides aus söno- aus Vor- 
kelt. sopno-, suopno-, beweist; vgl. Brugmann, Grundr. 1, 272. 
Dass ‘Semnones seiner form nach auffällig ist, da mn im germ. 
zu dn werden musste, andrerseits e vor nasal zu i geworden 
ist, vgl. Ingaevones’ sind insofern unzutreffende bemerkungen, 
als, wie ich bereits Zs. fda. 36, 42 gezeigt habe, Römer und 
Griechen auch germ. und kelt. dn mit mn transcribieren, vor 
bn aber e erhalten blieb.2) Aber auch wenn dem germanischen 
hier mn zukäme, hätte erhaltenes e davor nichts befremdendes, 


ment für keltischen ursprung des elementes -walaz in germanischen völker- 
namen. “Dieses ist, wie es scheint, ein element des keltogermanischen 
namenbestandes und begegnet uns nicht nur in Nahar- und Victo-vali, 
sondern wie in keltischen so auch in germanischen personennamen. Wie 
cymrischem Gmweilhgual der vandilische volksname Victovali entspricht, 
so armorischem Tütmal (*Touto-ualos) genau ahd. Teodwal. Germanisch 
*yalaz verhält sich zu got. walis wie Puraz in Hermunduri, Vitro-dor us 
zu ahd. thuris ‘ riese’. 

ı) Das soll heissen ‘der name der germ. $. mit dem der kelt. S.’ 
Dieser fehler gegen stil und logik kann sich ja gelegentlich leicht ein- 
schleichen, widerholt sich aber bei Hirt fort und fort in der störendsten 


weise. 
2) So erklärt sich auch as. slenns. worin jüngerer wandel von bn 


zu mn vorliegt, wie eben das e beweist. 


DIE DEUTUNG DER GERM. VÖLKERNAMEN. 17 


da wir auch in Tencteri, Fenni, Baduhenna, Nehalennia noch e 
vorfinden. Wenn es dagegen /ngvaeones heisst, kann dies einen 
vor ng früher als vor anderen consonantenverbindungen mit 
anlautendem nasal eintretenden wandel des e zu i anzeigen; 
vgl. Kluge in Pauls Grundr. 1,357. Bremer, Zs. fdph. 22, 251. 
Noreen, Abr.13. Ehe die etymologie von Ingvaeones sicher steht, 
ist aber doch auch an die möglichkeit zu denken, dass bier i 
das ursprüngliche ist, wie bei Cimbri; vgl. Beitr. 17, 215. 

Taur-, Teur-, Tur-. In diesem artikel werden 7Zaurini, Tau- 
risci, Tevoloxoı, TavoooxvHeı, Topıyeraı, Tevgroyaluaı, Her- 
munduri und Thuringi zusammengebracht. Die Tavpooxusa: 
aber haben klärlich erst von der taurischen halbinsel ihren 
namen, auf der allerdings ein (von Hirt übersehenes) volk der 
Tevgoı ansässig ist; die Togıy&raı oder wie sie sonst heissen 
sind ‘T'yras-anwohner': s. Zeuss, Die Deutschen und die nachbar- 
stämme 280. Die namen Hermunduri, Thuringi sind etymologisch 
durchsichtig: vgl. Zeuss a.a.o. 103. Henning, Runendenkm. 98. 
Wrede, Spr. d. Ostg. 77. Kögel, Anz. fda. 18,49. Verf. Beitr. 17,65. 
Dafür dass die von mir für die anderen namen obiger zusammen- 
stellung Beitr. 17,59 gegebene (von Hirt nicht beachtete) erklä- 
rung aus *teuro- ‘stier’ richtig ist, hoffe ich an anderem orte 
neue stützen herbeischaffen zu können. 

Triboci. Mit diesem namen vergleicht Hirt den der daki- 
schen Kowsroßoxo: (warum nicht auch den der Zaßwxoı?) und 
den der Dox&£ec. Indogermanischem bhök würde aber im kel- 
tischen bak entsprechen. Und selbst übereinstimmung in einem 
compositionsglied würde noch nicht auf ethnographischen zu- 
sammenhang hinweisen, so wenig die Angri-varii mit den Ampsi- 
verü etwas zu tun haben. Vgl. das oben zu Hurü bemerkte. 
Dass es Hirt, Beitr. 18,512 als ausgemacht ansieht, dass das 
erste compositionsglied in Tri-boci ‘drei’ bedeutet, beruht auf 
seiner unkunde des keltischen. Ä 

Usipetes. Hierzu habe ich zu bemerken, dass ich selbst 
bereits Beitr. 17,154 mit (Cannin-)efates den namen der cale- 
donischen Eridıo: bei Ptolemaeus und den der hellenisch-sky- 
thischen Kailınidar verglichen habe unter der voraussetzung, 
dass letzterer nicht skythisch sei. 

Ubii. Der so wie er ist ganz unverständliche satz: ‘wie hier 
eine “endung” *-ipides vorzuliegen scheint, so ist es auch mit den 

Beiträge zur geschichte der deutschen sprache XX, 2 


18 MUCH 


Ubii, die sich als keltische Mand-ubiü, Es-ubiü, Ox-ubii wider- 
finden’ enthält, auch in eine logische form eingerenkt, aus- 
gesprochene irrtümer. Von einer scheinbaren endung *ipides 
kann erstlich nirgends die rede sein; ferner sind keltische volks- 
namen auf -ubiü, wie jeder einsehen muss, ableitungen, denen 
u-stämme zu grunde liegen: vgl. Mandu-bratius neben Mandu-bii, 
Esu-genus neben Esubii, gr. o&v0s (?) neben Oxu-bii, ferner Vesu-mus 
neben Vesu-bium, Veru-lamium neben Veru-bium, Vidu- cusses 
neben Fidu-bium, ortsname, und gall. lat. vidu- bium “hecken- 
messer’; s. Zeuss-Ebel GC. 789, Glück, Die kelt. namen 91. Verf. 
Beitr. 17, 139, 

Venetoi. Der hinweis auf die verschiedenen völker dieses 
namens enthält nichts neues; hat doch ihre namensgleichheit 
teilweise sogar schon im altertum zu ethnographisch-historischen 
hypothesen anlass gegeben. Nur unterscheidet Hirt ungerecht- 
fertigterweise zwischen den JAAvoıov ’Everol Herodots und den 
späteren Veneli in Oberitalien, die vielmehr ein und dasselbe 
sind. Dagegen entgehen ihm Everol an der nordgrenze Make- 
doniens: s. Wilh. Tomaschek, Die alten Thraker 1,27. Mit der 
auffassung von gall. Venelli als Venet-li hat er aber wol das 
rechte getroffen. Allein die Vindelici und Vandali hier mit herein- 
zuziehen, ist wider durch nichts zu rechtfertigen. Die deutung 
des namens Vandalen als ‘die gewanten’ oder ‘die wandel- 
baren’ ist vollkommen befriedigend; aber auch wenn sie es 
nicht wäre, so ist doch dabei nur an eine zu grunde liegende 
wurzel wondh, wandh oder uont, vant zu denken. Damit stimmt 
Vindelici wie mit Veneti schon im vocal nicht überein, worauf 
indessen bier weniger gewicht zu legen wäre. Aber der dental 
in Vindelici ist altes d: vgl. kelt. vindos ‘weiss’, vindö “ich 
finde’, aind. vindämi ‘ich finde’, gr. ivdaikouaı ‘ich erscheine, 
zeige mich’, worte, die insgesammt zur wurzel veid, vid ‘sehen, 
sichtbar’ gehören: s. Fick, Vgl. wb.24,264f. In Veneti selbst 
endlich gehört der dental sichtbarlich erst der ableitung an. 
Die wuızel ist hier wen, und die bereits von Zeuss, Die Deutschen 
und die nachbarstämme 67 erwogene deutung von Veneti als 
«die befreundeten’ gewiss ansprechend. Man vgl. noch die 
Venostes in Tirol, d. i. ‘venusti’, die kelt. V’enicontes und Venicnü 
(Zeuss a.a.0. 251), eymr. Gwynedd ‘North-Wales’, ir. fine, aus venja 


DIE DEUTUNG DER GERM. VÖLKERNAMEN. 19 


'rerwantschaft’, coi-bnes (aus con-uenestu-) ‘affinitas’.!) Be- 
deutete Venetloi, Winida von haus aus ‘die befreundeten, die 
stammesgenossen’, so konnte ein solcher name natürlich leicht 
an verschiedenen punkten selbständig zum volksnamen werden. 
Die möglichkeit, dass zwischen verschiedenen Venetern ein in 
höheres altertum zurückgreifender nationaler zusammenhang 
besteht, möchte ich deshalb aber als solche nicht bestreiten. 
Schwierigkeiten bereitet der umstand, dass nach der eben ge- 
gebenen deutung der name von seinen trägern selbst angenommen 
erscheint, die Wenden jedoch nur bei den Germanen so heissen, 
sich selbst aber anders nennen. Vielleicht bezeichnete der name 
Venedi von haus aus einen germanischen oder keltischen stamm, 
der die Slaven sich unterwarf und unter ihnen aufgieng wie 
später die Russen. 

-vik.- Die zusammenstellung keltischer stammnamen auf 
-vici, -vices mit Ampı8es Toıyaixeg (d.i. ‘in drei phylen zerfallend’; 
8. Prellwitz, Et. wb.328), kann man sehr wol billigen, aber irgend 
ein weittragender schluss ist daran sicher nicht zu knüpfen, 
und selbst dann nicht, wenn auch der name der Thraker als 
Opafıxes zu fassen und hieher zu stellen wäre; hier ist aber 
das digamma nirgends belegt: vgl. Wilh. Tomaschek, Die alten 
Thraker 1, 11 f. 

Volsci. Wer diesen namen aus Volc-sci erklären und mit 
dem der Volcae zusammenbringen will, mag es immerhin tun, 
ohne dass diese eine von vielen möglichkeiten weitere beach- 
tung verdiente, wenn nicht eine beziehung der Folsci zu den 
Volcae oder eine solche bedeutung ihres namens sich nachweisen 
lässt, die seine herleitung aus einer wurzel volc rechtfertigt. 

Damit kann ich im wesentlichen meine erörterung der zu- 
sammenstellungen Hirts abschliessen, da ohnedies schon gezeigt 
ist, dass sie keine bausteine sind, mit denen wir arbeiten können, 
sondern schutt, der hinweggeräumt werden muss. 


ı) Mit der von Lid£En, Beitr. 15,522 vorgetragenen, von Noreen, Abr. 50 
gebilligten deutung von ahd. Winida aus einer wurz. uen ‘wasser’ kann 
ich mich nicht befreunden. Die Wenden sassen auch ursprünglich nir- 
gends am meere. 


AMSEE, sommer 1894. RUDOLF MUCH. 


YAu 


DIE HERKUNFT DER QUADEN. 


Eine der meist umstrittenen fragen der germanischen 
völkergeschichte ist die nach den späteren schicksalen des 
mächtigen stammes, den Caesar unter dem namen Suebi kennen 
gelernt und uns geschildert hat. Man hat diese früher so gut 
wie allgemein für die nachmaligen Chatten gehalten, eine an- 
sicht, die indessen völlig des haltes entbehrt und jetzt wol 
auch als gänzlich abgetan zu betrachten ist. Ihre sitze sind 
vielmehr wesentlich dieselben wie die der späteren Ermunduren, 
denn gleich diesen stossen sie am Harz an die Cherusken, wäh- 
rend sie im südosten bis an das damals öd liegende Böhmen 
reichen, die agri vacantes des Caesar: vgl. Beitr. 17,20. Auch 
die westgrenze der Suebi Caesars muss ungefähr dieselbe gewesen 
sein wie die der Ermunduren.!) Dennoch scheint mir der a.2.0. 
gezogene schluss, dass diese Suebi sich mit den Ermunduren 
decken gegenüber den dagegen erhobenen und zu erhebenden 
einwendungen nicht stichhaltig zu sein. Die Ermunduren werden 
allerdings von Strabo p.290 den Sveben zugerechnet, treten 
aber sonst nie unter dieser bezeichnung, geschweige denn als 
Suebi schlechtweg auf. Ja sie sind bei Plinius 4,99 sogar den 
Sucbi (in engerem sinne?) entgegengestellt, wenn es heisst: 
Herminones quorum pars Suebi Hermunduri Chatti Cherusci. 
Auf sie passt ferner schlecht das wort: gens longe bellicosissima 
omnium Germanorum, das Caesar von seinen Sveben gebraucht. 


a ui „ ERÄrmchiheen . mus hrgeagjäheek FH CR ELF EEE te EP ,_ SVERIGE BERGER ZEN Piakers irren Zar ÄaTVÄELTr ET Peer 


Einen glänzenden aufschwung haben die Ermunduren allerdings 
genommen unter ihrem jedenfalls durch hervorragende begabung 


ausgezeichneten könige Vibilius, der den Markomannenkönig 

1) Zangemeisters behauptung in den Neuen Heidelberger jahrbb. 3, 7: 
die Suebi Caesars ‘hatten ungefähr die sitze der späteren Chatten inne’ 
entspringt noch der veralteten ansicht, erweist sich aber bei näherem zu- 
sehen sofort als unrichtig. 


DIE HERKUNFT DER QUADEN. 21 


Catualda besiegte und vertrieb und noch dreissig jahre später 
dem Quaden Vannius dasselbe schicksal bereitete; vielleicht ist 
auch er es noch gewesen, unter dessen führung die Chatten 
geschlagen wurden. Aber davon abgesehen ist von einem tat- 
kräftigen hervortreten dieses volkes nichts zu bemerken. 


Ausserdem aber lässt sich zeigen, dass zu Caesars zeit die 
Ermunduren auf dem rechten Elbufer gesessen haben müssen 
und erst später auf die linke seite übersiedelt sind. Nach Dio 
Cassius 55, 102 ist nämlich den Ermunduren, die auf der suche 
nach neuen wohnsitzen sich befanden, durch Domitius Aheno- 
barbus ein teil des Markomannenlandes, der Mapxouavvic, zur 
niederlassung angewiesen worden, wobei man, wie Beitr. 17, 76 
dargetan ist, nur an die ältere heimat der Markomannen denken 
darf. Auffallend ist hier nur, dass die gesammten Ermunduren in 
der Magxouevvis aufnahme gefunden haben sollen, was ich 
2.2.0. durch ein misverständnis von doppelsinnigem lat. Her- 
munduri (d.i. ‘die Ermunduren’ oder ‘etliche Ermunduren’) 
zu erklären versuchte. Allein die doch wol auf eine andere 
quelle zurtickweisende nachricht des Prokopios, dass im osten 
von den Franken die Thüringer das ihnen von kaiser Augustus 
geschenkte land bewohnen, auf die ich a.a.o. aufmerksam ge- 
macht habe, spricht vom stamme der Thüringer im allgemeinen ; 
die ungenauigkeit bei Dio scheint also nicht in den worten 
tovgs Epuovvdonpovs zu liegen. Dazu halte man Strabos aus- 
spruch über die Sveben p. 290: ue&oog de Tı aurov xal neoav 
tod AAßıog veusraı xasaneo Epuovdopoı xai Aayxoßaodor. 
Dies liesse sich allerdings auch aus einem misverständnisse 
erklären, wie Beitr. 17,50 versucht wurde,!) allein andere nach- 
richten lassen es geratener erscheinen, dieser mitteilung glauben 
zu schenken. Zu dem was Velleius 2, 106,2 vom feldzuge des 
Tiberius erzählt (denigue quod nunguam anlea spe conceptum, 
nedum opere tentalum erat, ad quadringentesimum miliarium a 
Rheno usque ad flumen Albim, qui Semnonum Hermundurorumque 
finis praeterfluit, Romanus cum signis perductus exercitus), be- 
merkt Zippel, Deutsche völkerbewegungen in der Römerzeit 27 


. 1) Der folgende satz bei Strabo: vurl dt Teikwg eig nv neoalev 
ovrol ye Exnentoxacı Yevyovres ist dort wol irrtümlich auch auf die 
Ermunduren bezogen. 


22 MUCH 


mit recht, dass es hier galt die grenze festzustellen, bis zu der 
Tiberius vorgedrungen war; wie die Semnonen, so gehörten 
also auch die Ermunduren auf die rechte Elbseite, wobei aller- 
dings der ansatz derselben in folge der kurz vorher erfolgten 
umsiedlung des stammes nicht mehr wirklich den tatsachen 
entsprach. So fällt nun auch licht auf die meldung des Tacitus, 
Germ. 41: in Hermunduris Albis oritur, die natürlich für seine 
zeit noch weniger richtig ist als obige angaben für die des 
Strabo oder Velleius, die aber offenbar auf eine nachricht aus 
einer zeit zurückgeht, da die Ermunduren noch nordöstlich von 
Böhmen sassen und dort um so eher auch dessen randgebirge 
selbst noch besetzt halten konnten, als die Boier ihre alte 
heimat schon aufgegeben hatten. Wenn es in folge der aus- 
wanderung der Ermunduren im osten der Elbe zunächst noch 
brach liegendes land gab, versteht man um so leichter, warum 
die Cherusken nach der unglücklichen schlacht von Idistaviso 
nach Tacitus, Ann. 2, 19 an auswanderung über die Elbe denken 
konnten. 

Woher die Ermunduren stammen, ist somit verhältnis- 
mässig leicht zu ermitteln. Um so schwieriger aber scheint 
sich damit die sache der Suebi Caesars zu stellen. Diese 
machten noch im jahre 30 v.Chr. einen einfall in Gallien, ver- 
mutlich veranlasst durch den damaligen aufstand der Moriner 
(s. Dio 51,21) und da sie zurückgeschlagen wurden, konnte 
Octavian im folgenden jahre über Germanen und Kelten oder 
nach Dios sprachgebrauch Kelten und Galater triumphieren. 
Die Sveben, die bei den triumphspielen mit Daken kämpfen 
mussten (c. 22,6, vgl. Prop. 4, 2, 45), sind offenbar gefangene aus 
diesem kriege: vgl. Zippel, Deutsche völkerbewegungen 26. 

Noch findet endlich Drusus bei seinen kriegszügen in 
Deutschland die Sveben auf ihrem alten platze; s. Florus 4, 12, 
24, Dio 55,1 und die Consolatio ad Liviam v. 17. Und zwar 
ist es des Drusus feldzug vom jahre 9 v.Chr., bei dem sie zu- 
letzt erwähnt werden. Zwischen diesem jahre und der zeit, 
da die einwanderung der Ermunduren erfolgte, etwa dem jahre 3 


v. Chr., müssen sich die Sveben aus dem westen zurückgezogen ' 


haben. 
Es ist nun sehr auffallend, dass Strabos allgemeine angaben 
über die Sveben, die teilweise noch deren aufstellung vor der 


DIE HERKUNFT DER QUADEN. 23 


übersiedlung der Markomannen und Suebi Caesars voraussetzen, 
auf dem rechten Elbufer der Semnonen nicht erwähnung tun. 
Hält man dazu, dass Caesar BG. 4,1 seinen Sveben, Tacitus 
Germ. 39 den Semnonen hundert pagi zuspricht, dass endlich 
die Semnonen später als Suebi, Schwaben schlechtweg auftreten, 
so läge es nahe, hier einen zusammenhang zu suchen. Allein 
das was Tacitus von dem althergebrachten gottesdienst im 
Semnonenhain berichtet und die vorstellung, dass dort die 
‘“initia gentis’ zu suchen seien, widerspricht aufs entschiedenste 
der annahme, dass das Semnonenland gewissermassen colonial- 
gebiet gewesen sei. | 

Von den Suebi Caesars zu den Langobarden liesse sich durch 
die Zovnßoı Aayyoßapdoı des Ptolemaeus vermitteln. Allein 
die Langobarden verdanken bei Ptolemaeus ihre aufstellung 
unter den Rheinvölkern nicht etwa historischer reminiscenz, 
sondern einer unrichtigen eintragung ebenso wie an sie an- 
schliessend die Ayysıloi, die aus Angeln an das linke ufer der 
Mittelelbe gerückt sind. Ferner stimmt zwar die kriegslust der 
Langobarden zu derjenigen der Suebi Caesars, aber nicht so 


zu deren zahl — vgl. Caesar BG.4,1: Sueborum gens est longe 
maxima Germanorum omnium. Hi centum pagos habitare dicuntur 
u.8.w. — die geringe volkszahl der Langobarden. Die be- 


merkung des Taeitus, Germ. 40: contra Langobardos paucitas 
nobilitat, enthält eine treffliche kennzeichnung und stammt ver- 
mutlich aus dem munde eines germanischen berichterstatters. 
Denn auch durch die ganze eigene sagenhafte vorgeschichte 
des volkes zieht sich wie ein roter faden die voraussetzung ge- 
ringer zahl der stammesangehörigen. Daher denn die wider- 
holten freilassungen, daher die beiziehung von hilfsscharen aus 
fremden stämmen und stammesresten, und daher vor allem 
die geschichte von den in der schlachtreihe aufgestellten 
weibern, die einen überlegenen feind über die eigene schwäche 
täuschen sollten. Dass die Langobarden in dieser jedesfalls 
sehr alten sage als Finnili den Vandali gegenüberstehen — 
auch Sn.E. 1,548, 3. 2,469. 552 ist ein Seekönig Vinnil! neben 
einem Vandill genannt, beides nur erdichtete heroes eponymi 
der betreffenden völker — weist auf ältere sitze derselben an 
der seite der Vandalen hin, wenn nicht etwa deren name von 
der sage nur des stabreimes wegen willkürlich gewählt wurde. 


24 MUCH 


Im norden des hereynischen waldes finden wir also von 
Caesars Sveben nach ihrer auswanderung aus dem Mainland 
nirgends eine spur. Umsomehr sind wir genötigt, sie im süden 
zu suchen, und nichts liegt dann näher, als dass ihre auswan- 
derung mit der der Markomannen unter Maroboduus in zu- 
sammenhang steht, die ja offenbar aus den gleichen beweg- 
gründen und zur selben zeit erfolgt ist. Wenn deshalb Zippel 
2.2.0.29 zur ansicht gelangt ist, dass die Sveben in den Mar- 
komannen fortleben, so war hierzu allerdings grosse versuchung 
vorhanden. 

Wenn aber nach Caesar BG. 1,51 in der schlachtaufstellung 
des Ariovist — neben Harudes, Triboces, Vangiones, Nemetes, 
Eudusii — Marcomanni und Suwebi stehen, so lässt sich darüber 
nicht mit der voraussetzung hinwegkommen, letztere seien die 
ursprünglichen begleiter des königs, erstere hilfscharen aus 
seiner älteren heimat. Denn nachweislich waren auf gallischem 
boden nur die Vangionen, Nemeter und Triboken angesiedelt; 
sowol die Marcomanni als die Suebi müssen daher als ver- 
stärkungen von Deutschland her betrachtet werden, stehen 
einander also vollkommen parallel. Hätte es ferner Caesar 
bei beschreibung der sitze seiner Sveben verschweigen können, 
dass sie bis zum Oberrbein und der grenze der Elvetier reichten ? 
was ja — ihre und der Markomannen einheit vorausgesetzt — 
der fall gewesen wäre. Und gauz entschieden gegen solche 
erstreckung ihres bereiches gegen süden spricht es auch, dass 
der zu Ariovists unterstützung aufgebotene heerbann der centum 
pagi am Mittelrhein, im gebiete der Ubier gegenüber den Tre- 
vern aufrückt: s. Caesar BG. 1, 37.54. Damit ist natürlich nicht 
gesagt, dass nicht auch die Markomannen svebischer herkunft 
gewesen sind, aber jedesfalls stellen sie zu Caesars zeit bereits 
ein selbständiges politisches gebilde dar. Und sowenig als die 
Sveben bis an den Oberrhein können andrerseits die Marko- 
mannen bis zur Elbe gereicht haben, weil das land im rücken 
der Übier bis zur Elbe und dem Erzgebirge nicht als ‘mark’, 
als ‘grenzland’ gelten konnte, was dagegen bei der gegend im 
süden des Mains, den *deserta Helvetiorum allerdings der fall 
war. Dort haftete später noch der name silva Marciana, in 
der Tab. Peut. und bei Ammianus bezeugt. Auch Florus 4,12 
nennt Markomannen und Sveben nebeneinander, 


DIE HERKUNFT DER QUADEN. 25 


Was man für die einheit der Suebi und Marcomanni vor- 
bringen könnte, fällt demgegenüber nicht ins gewicht. Zufolge 
der nachricht, dass Domitius Abenobarbus die Ermunduren in 
einem teile der Mapxouavvig angesiedelt habe, würde sich diese 
allerdings bis zur Elbe erstrecken. Allein die Ermunduren 
breiteten sich sofort bis zur Donau, also in der tat auch über 
einen teil der Mapxouavvis aus. Und gerade aus dem zu- 
sammenhang der angezogenen stelle ergibt sich, dass der be- 
richterstatter dabei die gegenden an der Donau im auge hatte. 
Man beachte auch, dass der aufbruch der Sveben und Marko- 
mannen unter führung der letzteren und ihres königs Marobo- 
duus erfolgte. Dass also die Zovnßi« neben der Mapxouavvig 
nicht genannt wurde, ist eine leicht begreifliche ungenauigkeit, 
weiter nichts. Dass Tacitus, Germ.42 den Markomannen den 
ruhm der austreibung der Boier zuspricht, ist auch dann keine 
falsche aussage, wenn sie dabei mit einem anderen stamme ver- 
einigt vorgiengen, wie wir uns denn überhaupt die Suebi Cae- 
sars und die Markomannen als stetige verbündete denken müssen. 
Wenn gelegentlich später die Markomannen des Maroboduus 
als Sveben bezeichnet werden, so: beweist dies deshalb nichts, 
weil sie ja zweifellos in weiterem sinne Sveben waren. Ihr 
offiecieller name aber war dies nicht. Oder sollte er erst während 
ihrer anwesenheit in Böhmen so sehr in vergessenheit geraten 
sein, dass nachmals die nach dem süden vorgedrungenen Sem- 
nonen an ihrer seite als Schwaben schlechtweg auftreten konnten? 

Etwas allgemeiner als Zippel fasst sich Holz, Beitr. zur 
deutschen altertumskunde 1, 13, indem er die ‘Rheinsveben’ 
(wie er die Suebi Caesars, die nicht bis zum Rheine reichten, 
eigentlich nicht ganz richtig bezeichnet) mit den von Maroboduus 
ostwärts abgeführten stämmen gleichsetzt und darauf hinweist, 
dass dieser nach Strabo p.290 auch andere als seine volks- 
genossen, die Markomannen in eine neue heimat geführt habe. 
Uebrigens seien und hiessen auch die Markomannen selbst 
Sreben. Die Rheinsveben seien also identisch mit den Donau- 
sveben. 

Dagegen ist nur einzuwenden, dass "Donausveben’ ein 
weiterer begriff ist, und dass es sich darum handelt, die schick- 
sale der engeren abteilung der Suebi Caesar zu verfolgen. Es 
wird nicht ganz klar, ob Holz zwischen Markomannen und 


26 MUCH 


diesen Sveben scharf genug trennt; wenn er es tut, so scheint 
er daran zu denken, dass letztere nachmals mit den Marko- 
mannen des Maroboduus verschmolzen. Aber wenn im westen 
zwei besondere, wenn auch einander verwante und verbündete 
stämme auftreten, sollte man erwarten, dass dieses verhältnis 
in einer neuen heimat sich fortsetze. Die kriegsmacht des 
Maroboduus, deren stärke nach Velleius 2,10 auf 70000 mann 
zu fuss und 4000 reiter geschätzt wurde, erreichte noch nicht 
die der Suebi Caesars allein, geschweige denn kann es die 
dieser Sveben im vereine mit der der Markomannen sein, die 
beide zusammen in ihren älteren sitzen auch ein ungleich 
srösseres gebiet eingenommen haben als Böhmen ist. Um so 
weniger sind wir der aufgabe überhoben, auch an der Donau 
die nachkommen der Suebi Caesars neben den Markomannen 
nachzuweisen. | 

Wer anders aber sollten sie dort sein als die Quaden? 
Wie wir von den Sveben am Main nicht erfahren, wohin sie 
geraten, so von den Quaden nicht, woher sie gekommen sind. 
Gewiss standen sie zu Caesars zeit noch nicht in Mähren, das 
vielmehr damals noch von den Volcae Tectosages besetzt war. 
Sie können selır wol nach 9 v. Chr. im jahre 8 oder in einem 
der nächsten jahre an deren stelle getreten sein. Denn das 
südufer der Donau im heutigen Niederösterreich und Oberungarn 
war um diese zeit noch nicht von den Römern besetzt und 
organisiert, und selbst der übertritt keltischer abteilungen vom 
linken aufs rechte stromufer konnte damals noch leicht erfolgen, 
ohne dass unsere quellen ihrer erwähnung tun müssen. Uebri- 
gens bleibt auch die möglichkeit noch bestehen, dass die 
Quaden in Mähren ebenso wie die Markomannen in Böhmen 
in ein von der alten keltischen bevölkerung im wesentlichen 
schon geräumtes land einzogen. 

Wenn Caesar seine Sveben als die gens longe bellicosissima 
Germanorum omnium bezeichnet, so passt dies auch auf die 
Quaden. Sagt doch Ammianus 29, 6 von diesen: Quadorum 
natio, parum nunc formidanda, sed immensum quantum antehac 
bellatrix. Und ihre ganze geschichte bestätigt dieses zeugnis. 
Kaum hat ein anderer stamm den Römern mehr zu schaffen 
gemacht und gleich unerschöpfliche widerstandskraft gegen sie 
bewährt. 


DIE HERKUNFT DER QUADEN. 27 


Die Quaden sind endlich Sveben nicht nur in weiterem 
sinne, sondern auch in engerem. Wenn Capitolin, Marc. 22 
unter den teilnehmern am Markomannenkriege Marcomanni 
Varistae Hermunduri et Ouadi Suebi nennt, so gilt letzterer 
beisatz wahrscheinlich hier den Quaden allein. Ja Vopiscus im 
Aurelian c. 18 berichtet von einem siege dieses kaisers über 
Sarmaten und Sveben, bezeichnet also die Quaden schon als 
Sveben schlechtweg. Und fortan erscheinen sie fast nur noch 
unter diesem namen. Und zwar sowol derjenige teil des 
stammes, der mit den benachbarten Vandalen und den Alanen 
vereint im j. 406 nach Spanien abzog, als die in der heimat 
zurückgebliebenen reste, jene Suavi, die der Langobardenkönig 
Wacho unterwarf und die dann Alboin nach Italien folgten. 
Der offieielle name der Quaden scheint überhaupt niemals ein 
anderer als Sveben gewesen zu sein. 

Aber auch der name Quadi, den diese sicher aus älterer 
heimat schon mitbrachten, spricht für ihren ursprung vom 
Maine. Zs. fda. 39, 20 ff. habe ich verschiedene beispiele dafür 
gebracht, dass namen von nachbarstämmen in ursprünglicher 
stellung häufig sinnverwant sind. Und so passen die Ouadi 
sehr wol in die nachbarschaft der Ubi: beider namen sind sy- 
nonyma für die begriffe ‘böse, schlimm’. Auch die F’angiones 
d.i. ‘perversi’ gehören in diese gruppe. 

Stammen die Quaden von den Suebi Caesars ab, so er- 
klärt es sich auch ganz leicht, warum eines von ihren adels- 
häuptern, der bruder eines Sido, Vangio heissen konnte. Wie 
Sido nach dem benachbarten Bastarnenstamme der Sidones, so 
trägt Vangio nach den rheinischen Vangiones seinen namen, 
deren verbündete, wo nicht gar deren stammvolk Caesars Suebi 
waren.!) | 

Wenn die Quaden mit den Markomannen vereint an die 
Donau vordrangen, so geschah dies unter führung des Maro- 
boduus, dessen person damals so sehr hervortrat, dass neben 
ihm ein Quadenkönig kaum zu grösserer bedeutung gelangen 
und als ahnherr eines königsgeschlechtes gefeiert werden konnte. 


!) Ein P. Ael. Vangio begegnet auch in der inschrift der equites 
singulares Aug. in Rom vom j. 141 (s. Annali dell’ inst. 1885, p. 253), ist 
aber natürlich nicht, wie Zangemeister NHJbb. 3,3 annimmt, wie der 
Wormsgau benannt. 


28 MUCH 


Neuerdings wird damit die frage aufgeworfen, wer jener Tu- 
drus gewesen ist, dessen ‘nobile genus’ nach Germ. 42 bis auf 
Taeitus’ zeit bei den Quaden berschte. Fiel seine herschaft 
in die zeit nach Maroboduus, so konnte er hinwiderum keine 
person sein, über die wir aus historischen quellen nichts er- 
fahren. Da diese aber in der tat von einem Tudrus nichts 
wissen, bleibt nichts übrig, als diesen namen für den blossen 
beinamen eines mannes zu halten, der uns sonst unter anderem 
namen entgegentritt, gerade wie wir Arpus und Gandestrius 
als beinamen der Chattenfürsten *Ukromerus und Catumerus 
(oder Actumerus?) kennen gelernt haben. Wer anders aber 
sollte dann Tudrus sein als Vannius?!) dessen bedeutung für 
die Quaden von dem ruf seiner tapferkeit und seiner langen 
herschaft abgesehen vor allem darin bestand, dass sich unter 
ihm das machtgebiet des volkes über ganz Oberungarn aus- 
dehnte. Es kommt dabei gar nicht darauf an, ob unter ihm 
selbst schon oder unter seinen nachfolgern die völlige ver- 
schmelzung der zwischen Marus und Cusus angesiedelten 
Betuoı mit den Altquaden erfolgte oder nicht. 


!) Dass Vannius quadischen stammes war, wird von Tacitus, Ann. 
2,63 ausdrücklich gesagt. Wir haben ihn auch keinesfalls als nachfolger 
des Catualda und Maroboduus in der herschaft über die Markomannen 
zu betrachten, wie Holz a.a.o. 77 will. Dies soll augeblich ‘mit zwingender 
deutlichkeit’ dadurch bewiesen werden, dass beim sturze des Vannius 
nach Tacitus, Ann. 12,29 f. Ermunduren, Lugier und Jazygen beteiligt 
sind, also genau die stämme, die das gesammtgebiet der Markomannen 
und Quaden umschliessen. Davon sind die Jazygen und Lugier — letz- 
tere wol im besonderen die Aovyıoı Bovooı des Ptolemaeus — nachbarn 
der Quaden; dass aber ausserdem der Ermundurenkönig Vibilius in die 
händel der Quaden eingriff, begreift sich leicht, wenn er damals Böhmen 
als einen clientelstaat beherschte. Hatte er doch Catualda geschlagen 
und zum abzug über die Donau genötigt. Ueber Böhmen verfügte damals 
schon er, so dass auch deshalb die Römer dort dem Catualda keinen 
nachfolger geben konnten. Das reich der Markomannen und das der 
Quaden war überhaupt niemals durch einen gemeinsamen herscher ver- 
einigt, wenn auch Maroboduus sicher über die Quaden und ihren könig 
eine hegemonie ausgeübt hatte. Nichts zeigt aber so deutlich, dass an 
einen Markomannenkönig Vannius nicht zu denken ist, als die ansied- 
lung des heergefolges Catualdas zwischen Marus und Cusus. Wäre Van- 
nius, dessen herschaft diese zugeteilt wurden, damals könig in Böhmen 
geworden, so hätte es einer solchen ansiedlung nicht bedurft, jene leute 
wären vielmehr einfach in ihre heimatlichen niederlassungen zurückgekehrt, 


DIE HERKUNFT DER QUADEN. 29 


Leben Caesars Suebi in den Quaden fort und sassen die 
Ermunduren früher nordöstlich von Böhmen, so dürfen wir die 
Markomannen natürlich nicht als abkömmlinge ermundurischer 
auswanderer betrachten. War das hinterlaud der Marka qua- 
disch, so wird auch durch Quaden zumeist deren besiedlung 
erfolgt sein, die dann als neues selbständiges staatliches ge- 
bilde sich durch den namen Markomannen von dem stamm- 
volke unterschieden. Bei so enger stammverwantschaft erklärt 
sich leicht die rasche verschmelzung der Baimen mit den 
Quaden, ebenso wie die ständige treue waffengenossenschaft 
der Quaden und Markomannen in der folgezeit. 

Die vorgeschichte der Suebi Caesars ist natürlich dunkel. 
Doch lässt sich vermuten, dass sie ihrerseits aus abteilungen 
hervorgewachsen sind, die sich von dem ursitze der Sveben, 
dem Semnonenlande aus über die Elbe in das von den Teu- 
riern geräumte Thüringen vorschoben. Die centum pagi der 
Semnonen und die der Suebi Caesars, in beiden fällen eher 
eine stammes- und heeres- als landeseinteilung, deuten vielleicht 
darauf, dass eine planmässige und allgemeine übersiedlung 
eines teiles des stammvolkes, etwa gelegentlich einer hungers- 
not, erfolgt ist. 

Zunächst aber wurde sicher der T'hüringerwald noch nicht 
überschritten. Sein name Zinuava vAn, den Ptolemaeus tber- 
liefert, ist noch ein erbstück aus keltischer zeit. Da kelt. © 
auf indog. ei zurückgeht, erkennt man leicht seine beziehung 
zu wurzel si’, sei, soö binden; vgl. zumal griech. iuovıa ‘“brunnen- 
seil’, as. simo, aisl. seima “riemen, strick, band’, aind. siman ‘scheitel, 
grenze. Der Thüringer wald, ein ausgesprochenes kettengebirge, 
konnte einem ähnlichen vergleich, wie ihn dieser ausdruck ent- 
hält, seine bezeichnung verdanken; vgl. auch den namen Haar- 
strang. Allein die bedeutung des indischen wortes im zusammen- 
halt mit lit. sena ‘grenze’ (= ir. sin ‘kette, halsband’ nach Fick, 
Vgl. wb. 24,303) führt auch auf den begriff der grenze, so dass 
wir im zweifel bleiben, ob wir an einen ‘waldgürtel’ oder an 
einen ‘srenzwald’ zu denken haben. Vielleicht bewahrt uns 
der name die erinnerung an eine zeit, da der Thüringer wald 
keltisches und germanisches volkstum von einander trennte.!) 


ı) Verwante gebirgsnamen scheinen zu sein Aiuos, tö Aiuov dgog 


30 MUCH 


Im süden der Znuava vAn führt der Main noch heute 
seinen keltischen namen, der jetzt allerdiugs deutschen laut- 
stand angenommen bat. In ahd. zeit aber galt noch allgemein 
Moin, Moinahgowe, Wizmoin, Moinwinida;, s. Förstemann, DNb. 2°, 
1107f. Deshalb ist der name Main als beispiel für ‘vorchrist- 
lichen übergang von 0 zu a im germanischen bei Noreen, Abr. 17 
zu streichen. Im gegenteil handelt es sich hier um eine ent- 
lehnung, die erfolgt sein muss, nachdem das germanische den 
wandel von 0 zu a, oi zu ai bereits durchgemacht hatte. Spä- 
testens sind die Germanen während der Kimbernzüge so weit 
nach süden vorgedrungen; mit ziemlicher sicherheit lässt sich 
daher behaupten, dass vor 100 v.Chr. schon gastiz und ainaz 
statt gostiz, oinoz gesprochen wurde. Dagegen wende man 
nicht ein, dass auch noch Moguntiacum: Maginza, Borbetomagus: 
Warmatia, Posegus: Wasayus beispiele des überganges von 0 zu a 
in namen seien, die den Germanen nachweislich viel später 
als der Main bekannt wurden. Denn ahd. Mayinza ist nicht 
erst umgestaltung eines keltischen * Mogentia, sondern setzt ein 
volkstümliches *Magentia bereits voraus, wie denn in der tat 
auch Magontiacum bereits auf der T'ab. Peut. belegt ist, eine form, 
die man doch wol nicht der beeinflussung durch die rasch hin- 
geschwundene sprache der Vangionen verdächtigen wird. Auch 
steht keltisches magus und mogus ‘diener’ nebeneinander, ebenso 
Mageto-briga und Mogetilla, Mogetus, Mogetius, Mogetiana; Ma- 
giorix, Magianus und Mogius; Magidia, Magidius und Ambi- mo- 
gidus: 8. Fick, Vgl. wb. 24198. Wenn das alte Borbelomagus 
(richtiger Borvetomagus) im mittelalter ausser Wormalia, Vur- 
macia auch Warmatia heisst (s. Förstemann, DNb. 22, 1641), 
so haben wir’s schon gar nicht mit einem lautlichen vorgang zu 
tun. Man darf wol vermuten, dass es neben dem vollen Bor- 
vetomagus, das sich mit übersetzung des zweiten teiles im namen 
des gaues Wormazfeld fortsetzt, ein einfacheres keltisch-lateini- 
sches *Borvetia und daneben *Bormetia gegeben habe: vgl. die 
var. Bormitomagus im It. Ant. und Zormo, Bormanus neben gleich- 
bedeutendem Borvo. Deutsch Wormätia, Wurmäcia u.s.w. schliesst 
sich als eine den richtigen sinn treffende volksetymologische um- 


(s. W. Tomaschek, Die alten Thraker [WSB.131] 2, 2, 91) und Inuavgıvor 
ögog Ptolemaeus 7,3, auf das mich ebenfalls’ T'omaschek aufmerksam macht. 


DIE HERKUNFT DER QUADEN. 31 


gestaltung daran an, sofern dabei gall. borm- durch gleichbedeu- 
tendes germ. wurm- warm- ersetzt ist; die ablautstufe wurm 
begegnet uns auch im flussnamen Worm, Wurm saec. 10. Die 
formen Wasagus, Wasacus, Wasago dat. Wasagon, Wasigen (Förste- 
mann, DNb.22,1639) endlich, die dem röm. kelt. Fosegus gegenüber- 
stehen, scheinen volksetymologische anlehnung an waso ‘feuchter 
erdgrund, rasen’, wasan ‘pollere’ erfahren zu haben, wo nicht 
sogar anlehnung an ortsnamen des inneren deutschland — vgl. 
den Wasgenberg, Uuasgunberg nördlich von Fulda, Müllenhoff, 
DA.2, 217 — mit im spiele ist. Baoosyog d.i. Varsegos bei Ju- 
liau, das ihm aus dem munde seiner germanischen soldaten zu 
ohren gekommen sein könnte, erinnert an mnd. wrase, mhd. 
rase neben wase ahd.mwaso und wasal ‘feuchte erdmasse’; denn die 
umstellung von Frasegus zu Varsegus kann auf römischer seite 
aus gründen des wohllautes erfolgt sein. Woher Noreen, Abr. 17 
sein ahd. Wascono Wald hat, weiss ich nicht; wenn diese form 
existiert, liegt hier der volksname der Basken, ahd. Wascun vor. 
Umsomehr fällt andrerseits der überguug von Mosä in germ. 
*Maso, ahd. Masa, ags. Masu ius gewicht und zeigt, dass die 
Germanen die Maas früher erreicht hatten als den Main. Und 
während dem keltischen Vacalus, Vacal(l)inehis germ. Vahalis, 
Vachalis, Waal gegenübersteht,t) zeigt der flussname Weiter in 
der Wetterau im alten Übierlande unverschobenen laut: s. Zs. 
fda. 39,49; denn dass hier nicht ein fall wie ahd. bittar vor- 
liegt, also nicht schon vorahd. *Wetrö vorauszusetzen ist, Son- 
dern *Wedrö, lehren gelegentlich vorkommende schreibungen 
wie Wedereiba, Förstemann, DNb. 22, 1592. 
Sprachgeschichtliche tatsachen sprechen also dafür, dass 
die besetzung des Maintals durch die Germanen verhältuismässig 
spät erfolgt ist. Immerhin wird man sich ihre niederlassung 


ı) Wenn Grienberger, Beitr. 18,534 auch diesen namen mit unter 
die beispiele für lautlich wertloses bloss als längezeichen zu betrachtendes 
h oder ch aufnimmt, so schiesst er damit weit übers ziel. Denn dieses 
h (ch) ist nur in ausnahmsfällen verwendet worden, und schon die häufige 
wiederkehr desselben im namen Vahalis, Vachalis erfordert eine andere 
erklärung. Und nun gar Vacalus bei Caesar und das dreimal belegte 
Vacaltl)inehis! Wenn im mittelalter neben Vahalis auch Valis vorkommt 
und es jetzt Waal heisst, so ist der schwund des A ganz lautgesetzlich. 
Aus keltischem Väl- hätten dagegen die Germanen geradeso Wöl- machen 
müssen, wie sie aus Dänuuios *Dönami gemacht haben. 


32 | MUCH 


an diesem flusse und zumal seinem nordufer und die im lande 
südwärts bis zum oberlauf der Donau als zwei getrennte vor- 
gänge vorstellen dürfen, und vermutlich haben die Teutonen 
sich erst zur auswanderung entschlossen, als ihnen bereits eine 
unbequeme germanische nachbarschaft bis hart an den leib ge 
rückt war. 

Wenn beim abzug der Suebi Caesars nach Mähren reste 
des stammes in der alten heimat zurückblieben, werden sie sich 
unter den nachrückenden Ermunduren verloren haben. Da- 
gegen tritt uns später am unteren Neckar ein kleiner stamm 
namens Suebi Nicretes entgegen um die nach ihnen benannte 
stadt civitas Ulpia S. N.; s. Zangemeister, Neue Heidelberger jahrbb. 
3,1ff.; und es drängt sich die frage auf, in welcher beziehung 
zu den Suebi Caesars diese stehen. Dass sich die in Ariovists 
heer erwähnten Suebi, wie Zangemeister 4.2.0. s.7 vermutet, 
nach seiner niederlage am Neckar niederliessen, ist nicht wahr- 
‚scheinlich. Denn auch die Vangionen, Nemeter und Triboken 
waren vorber schon in Gallien angesiedelt. Und wenn die 
Suebi in seinem heere eine hilfsschar waren, welche die Main- 
sveben gesant hatten, ist nicht einzusehen, warum sie nach der 
unglücklichen schlacht nicht zu ihrem volke zurückkehrten. 
Indessen erfahren wir durch Caesar, dass die centum pagi da- 
‚mals selbständig zu felde zogen, wodurch es zwar nicht aus- 
geschlossen, aber doch weniger wahrscheinlich wird, dass sie 
ausserdem eine besondere abteilung zum heere des Ariovist 
stossen liessen. Vielleicht sind also seine Suebi doch mit den 
Neckarsveben in zusammenhang, waren aber dann zur zeit 
seines zusammenstosses mit Caesar schon dort ansässig. Durch 
die einwanderung von Germanen in den Elsass und die Pfalz, 
die gewiss zum grossen teile von den gegenüberliegenden ufer- 
strichen aus erfolgte, mochten am Neckar fruchtbare lände- 
reien herrenlos geworden und einer abteilung der nördlicheren 
Sueben damit anlass gegeben sein, dahin auszuwandern. Dann 
dürften die Neckarsveben als nächste stammesgenossen der 
Quaden gelten. — Sie können freilich ebensowol zurückgeblie- 
bene markomannische volksreste sein, die sich ja auch Suebi 
nennen durften. 

Durch den nachweis dieses völkchens, den wir Zangemeister 
verdanken, fällt nun auch licht auf die Nictrenses der Notitia 


DIE HERKUNFT DER QUADEN. 33 


gentium, die Holz 78 glücklich in *Nicerenses gebessert hat. 
Zweifellos sind damit die Neckarsveben gemeint. Und vielleicht 
begegnen uns’ diese auch bei Ptolemaeus in der reihe seiner 
Rheinvölker. Aus dieser sind, worüber jetzt wol keine meinungs- 
verschiedenheit mehr besteht, die namen Zvyaußooı und Zovnßoı 
oi Aeyyößaodoı als veraltet oder falsch angesetzt zu tilgen. Im 
übrigen fällt der ansatz der Ovıonol d.i. Ovoınol im süden 
unmittelbar über der EAovntiov Eonuog auf und beruht sicher- 
lich auf einem irrtum, wenn auch der fehler vielleicht anders 
zu erklären sein wird, als Beitr. 17,89 versucht wurde. Ganz 
ebenso erregt nämlich in einer parallelen östlicheren namen- 
reihe die aufstellung der Sovdıvol unmittelbar über den Adoaßaı 
Kauroı anstoss und hat zur erkenntnis geftihrt, dass bei Ptole- 
maeus die ganze reihe: Zovdivol, Magxouavol, Taßernta vAn, 
Ovepıotot auf den kopf gestellt wurde: s. Beitr. 17,67. Aehn- 
liches mag auch bei den Rheinvölkern geschehen sein. Und 
zwar müssen wir die fuge dann nach dem namen Teyxeoo: 
suchen, weil andernfalls durch die umkehrung diese an den 
Schwarzwald gerückt würden, also nichts geholfen wäre. Die 
umzukehrenden namen beschränken sich daher auf die folgenden: 
Ivxeioves (Ivnoloves), ’Ivrovepyoı, Odepyioves, Kapiravoı, 
Oviorol. Der lage nach können dann die Jyxoiovss sehr wol 
dieselben sein wie die *Nicerenses oder Suebi Nicretes, und was 
den namen betrifft, lässt sich verderbnis aus Nixoloves umso- 
eher vermuten, wenn daneben Jvrovsoyo: stand. Uebrigens ist 
die tüberlieferung des namens schwankend und Nitriones edd. 
Rom. et Ulm. Nireloves A zeigen zumindest, wie leicht die um- 
stellung der anlautenden buchstaben erfolgen konnte.!) 


ı) Vielleicht trägt der Neckar heute noch einen namen, den ihm 
diese Sveben beigelegt haben. Denn Neckar lässt sich sehr gut. aus dem 
germanischen verstehen, wenn es auch sicher nicht, wie J. Grimm, DM.3 458 
vermutete, mit nicor, nechar ‘wassergeist’ zusammenhängt, worin r aus z 
entstanden ist. Doch könnte eine andere ableitung aus der auch diesen 
worten zu grunde liegenden wurzel germ. nig vorgerm. nig ‘waschen’ vor- 
liegen; Nicer wäre dann ‘abluens’; vgl. Sidonius Apollin. Car. 7,324: 
ulvosa vel quem Nicer ahluit unda. Was die consonanz betrifft, stellt 
sich ahd. Neckar dem ahd. as. akkar (got. akrs) und wackar (aisl. vakr) 
an die seite, weist also auf einen stamm nekra- zurück. Hierin kann e 
durch wirkung des folgenden « aus i entstanden sein, so dass die ent- 
wicklung von der durch lat. Nicer widergegebenen grundform aus eine 

Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. XX, 3 


34 MUCH 


Der bereich der agri Decumates, in denen Taeitus keltische 
bevölkerung bezeugt, schränkt sich durch die Neckarsveben be- 
deutend ein und deckt sich wol mit der ZAovntio» Epnuoc bei 
Ptolemaeus. 

WIEN, november 1894. RUDOLF MUCH. 


AAOKIAI. 


Ausser den drei inseln der Saxonen führt Ptolemaeus 2, 9, 16 
an der westküste der kimbrischen halbinsel auch:noch drei »7j001 
AAoxlaı an, und zwar nahe ihrer nördlichsten spitze. Man hat 
vermutet, dass sie irrtümlich an der west- statt an der ostseite 
angesetzt seien, und an die insel L»sö (und Anholt) gedacht. 
Doch handelt es sich vielleicht nur um ein paar felsen im meere, 
die längst schon das geschick ereilt hat, das auch dem rest, 
der von den inseln der Saxonen noch übrig ist, bevorsteht. 

Ihr name ist kein solcher, der einen deutungsversuch von 
vornherein hoffnungslos erscheinen lässt, zumal die überlieferung 
desselben keine schwankungen zeigt. In der verbindung 27001 
Aroxlaı ist letzteres sicbtbarlich adjectiv, daher wir auch zu- 
nächst an ein zu grund liegendes germ. alukjöz sc. awjöz denken 
müssen. Ich fasse dabei alukjaz als denominative ableitung von 
einem mit aisl. und norw. alka ‘alk’ nächstverwanten worte. 
Dieses selbst scheint auf eine form zurückzugehen, die got. 
*alakö lauten würde, und schliesst sich, was die endung 
anbelangt, an ahd. belihha und aisl. kraka, im übrigen auch 
an got. ahaks, ahd. chranuh, ags. cornuc, abd. habuh, ag». 
ruddoc, ahd. storah und stork und ähnlich gebildete vogelnamen 
an. Das letztgenannte beispiel zeigt übrigens, dass aisl. alka 
auch schon urgerm. *a/-kö gewesen sein könnte, woneben natür- 
lich auch formen mit mittelvocal a, i, u möglich waren. Wie 
ags. cran, nhd. krahn zu cornuc, kranich, ahd. kräwa, kräia, krä, 
ags. crdwe zu aisl. kraka, so verhält sich zu al/ka vermutlich 


ganz lautgesetzliche ist. Ein anderer Neckar fliesst im canton St.Gallen 
in die 'Thur: s. Förstemann, DNb. 22, 1146. 


AAOKIAI. — ULLS SCHIFF. 35 


schwed. alfägel ‘polarente, pfeilschwanz’, dial. ala “eine art see- 
vogel’: s. Tamm, Etym. svensk ordbok 5. Darf auch ir. ela, 
cymr. alarch, corn. elerhc ‘schwan’ und lat. olor verglichen 
werden ? 

Die 700: ’Aroxlaı sind also ‘alkinseln’. Wir dürfen dabei 
wol an vogelberge denken, wie man sie jetzt noch unter hohen 
breiten findet; denn an der nordsee ist ähnlichen massennieder- 
lassungen verschiedener schwimmvögel gewiss erst durch den 
menschen ein ende gemacht worden. Sie werden noch durch 
die auch Caesar bekannte erzählung von den eieressern an der 
küste dieses meeres vorausgesetzt. Sogar der jetzt selbst im 
norden wol völlig ausgestorbene riesenalk, der geirfugl der Is- 
länder (alca impennis), ist durch knochenreste in den dänischen 
kjöükkenmöddingen vertreten. 

Kunde von den »700: AAoxicı und ihr name sind sicher 
durch die flottenexpedition des Tiberius im jahre 5 n. Chr. nach 
dem süden gelangt. 


WIEN, 22. december 1894. RUDOLF MUCH. 


ULLS SCHIFF. 


Die eigentümliche aisl. kenning des schildes, skip oder askr 
oder far Ullar, hat zu verschiedenen erklärungsversuchen anlass 
gegeben, die indessen der sache nicht auf den grund kommen. 


Ullr ist eine der nordischen personificationen des winters. 
Als solcher sind ihm winterliche fertigkeiten und beschäftigungen 
zugeschrieben. So heisst er ondräss, wie die ihm wesensverwante 
Skadi ondrgudö und ondrdis. Doch bediente er sich nicht nur 
des schneeschuhs; denn nach Saxo soll er einst einen knochen 
8o besprochen haben, dass er darauf wie mit einem schiffe über 
das meer gehen konnte: deutlich eine anspielung auf den knochen- 
schlittschuh. Darnach sollte man erwarten, dass schneeschuh 
oder schlittschuh Ulls fahrzeug heissen. 


Nun ist das gebräuchlichste nordische wort für schneeschuh, 
skiö, buchstäblich identisch nicht nur mit unserem deutschen 


3* 


36 MUCH, ULLS SCHIFF. 


scheit, sondern auch mit kelt. sketo- (aus skeito-), ir. sciath, eymr. 
ysgwyd, älter scuit, bret. scoet "schild. Die grundbedeutung 
dieses wortes ist jedenfalls ‘abgespaltenes stück holz’ im all- 
gemeinen. Daraus konnte sich aber auch im germanischen die 
bedeutung von schild ergeben. 

Es scheint somit ursprünglich der schneeschuh, das skid, 
skip, askr oder far Ullar geheissen zu haben, und diese ken- 
ning — etwa in einer gegend, in der schneeschuhe nicht ge- 
bräuchlich waren — irrtümlich auf skiö ‘schild’ übertragen 
worden zu sein, wofür man dann ein gangbareres wort skjoldr 
einsetzen konnte. Die bezeichnung des Ullr als skjaldar dss 
hätte dieses misverständnis schon zur voraussetzung. 

Daneben besteht übrigens die möglichkeit, dass auch skjoldr 
selbst einst ebenso doppelsinnig war, also ‘schneeschuh’ bedeuten 
konnte wie skiö. Denn wie Kögel, IF. 4, 319 gezeigt hat, ist 
auch die grundbedeutung von skildus eigentlich ‘brett’. 


WIEN, 23. december 1894. RUDOLF MUCH. 


ETYMOLOGISCHES. 


1. Bägan. 

Adh. bägan, pägan ‘streiten’ geht auf indog. *bhegh- (viel- 
leicht *bAhögh-) zurück und ist bekanntlich mit air. bäyim “ich 
streite” verwant. Das @ von bäyim kann sowol indog. ö wie 
indog. @ repräsentieren, und Brugmann (Grundr. 2, 1002) meint, 
dass bäyim ein indog. *bhögh- enthalte. Man bedenke aber, dass 
im indog. auch ein bisher unerklärter wechsel von 2 mit @ vor- 
handen ist, wie aus skr. caru-: got. hörs, lat. cärus; ahd. siem, 
stäm : dor. ioräuı und ähnlichen fällen (Noreen, Urgerm. lautl. 
56 f.) hervorgeht. Von dieser frage abgesehen, glaube ich ausser 
air. bagim auch einen arischen verwanten von ahd. bäyan nach- 
weisen zu können, nämlich skr. bähate ‘drängen, drücken’, das, 
falls diese combination richtig, nicht mehr vähate (Böhtlingk und 
Roth) zu schreiben ist. Für die bedeutungsentwicklung ist ags. 
beadu ein schönes analogon, das aus urgerm. *Ddadud, älter 
*5udua entstanden ist (Sievers, Ags. gramm. 44.117) und mit 
skr. badhate ‘drängen, verdrängen, vertreiben, verjagen’ ver- 
bunden werden kann. 


2. Brülogü. 

Östhoff (Morph. unters. 4, 215) hat aksl. brü-l/ogü ‘wildlager’ 
mit brüvi? *braue’ verbunden und als ‘brauenlager, kluft oder 
loch mit augenbrauenartigem rande darum’ zu erklären ver- 
sucht. Begrifflich iet diese etymologie wenig ansprechend, pho- 
netisch aber ist sie geradezu unmöglich, denn brülogü ist nur 
eine schlechte schreibweise für *brslogu aus *birlogü, wie wir 
aus russ. berlöga (*birloga) lernen. Weil russ. berloga ‘bären- 
lager’ bedeutet, meint Dahl im Wörterbuche, dass es aus dem 
deutschen entlehnt sei. Obwol dieses nicht gerade wahrschein- 


38 UHLENBECK 


lich ist (denn aus bärenlager oder einer altgerm. form desselben 
lassen sich slav. *birlogü, *birloga nicht gewinnen), so hat Dahl 
doch jedenfalls richtig in ber- (*bir-) ein wort für ‘bär’ erkannt, 
das m.e. mit ahd. bero, ags. bera, an. bjyrn, bersi, skı. bhalla-, 
bhallaka-, bhalluka-, bhallüka- urverwant ist. Vgl. Kerns aufsatz 
über beer im 5. bande der Tijdschr. v. nederl. taal- en letterkunde. 


| 3. Hrup. 

Nslov. hrup ‘tumultus’ und Arupeti ‘rugire’ sind wol von 
russ. chrupnut’ “rumpi’, womit Miklosich 91 sie vergleicht, zu 
trennen und eher als entlehnungen aus got. hröps, hröpjan zu 
betrachten. Germ. 5 wird in alten lebnwörtern stets durch 
slav. u vertreten, z. b. aksl. buky aus germ. *b0%0, aksl. chlu- 
Jati aus germ. */flojan (siehe mein verzeichnis der germ. lehn- 
wörter im altslavischen, Arch. f. slav. phil. 15, 481 f. f.). 


4. Kardamomen. 


Kardamomen heisst die aromatische körnerfrucht von ver- 
schiedenen amomum-arten, welche in Malabar, Sumatra, Java, 
China und Madagaskar vorkommen. Dass der kardamomen in 
Vorderindien einheimisch ist, geht schon aus den zahlreichen 
namen der Alpinia cardamomum im sanskrit hervor (bahula, 
prthvikä, candraväla, elä u.s.w.). Eine besondere art ist der 
rote kardamomen, welcher der Alpinia galanga oflicinarum ent- 
stammt und, unreif genossen, abtreibende wirkung haben soll: 
er hat einen bitteren geschmack und wird als gewürz zu fleisch 
und fisch gebraucht (Hirth, Chinesische studien 1, 88). Weit mehr 
bekannt als der same ist aber die wurzel dieser pflanze, der 
galgant, eine ingwerartige drogue, welche schon seit vielen jahr- 
hunderten eine grosse rolle in der mediein gespielt hat. Bevor 
ich dem ursprung von kardamomen nachzuspüren versuche, will 
ich das über galgant bekannte zusammenstellen, weil dieses 
uns die richtung weisen wird, in welcher wir die etymologie 
von kardamomen zu suchen haben. 

Ahd, galangan, galgan (Graff 4, 184), mhd. galgan, galgant, 
yalgent, galgen, im 16. jh. auch yaligan (Grimm 4, 1164f. Wei- 
.gand 158f.), mnd. galligan, galigan, mnl. galiyaen, galigae, ga- 
lange, galanga (Verdam 2,899 f.), nl. galigaan, eng. galangal, 
galingale, galanga stammt aus dem romanischen: aspan. garingal 


ETYMOLOGISCHES. 39 


afranz. galange, garingal, ital. sp. port. franz. galanga (Diez5 152), 
welche aus arab.-pers. chalandjän entstanden sind. Aber dieses 
chalandjan ist noch weiter vom osten gekommen und entstammt 
der in Ostasien verbreiteten wortsippe von skr. kulanja-, ku- 
larjana- (Nl. wb. 3, 177), kulayoga- (das gewiss nicht aus kula- 
und yoga- zusammengesetzt ist, aber volksetymologisch um- 
gedeutet scheint; bei Sugruta für Alpinia galanga, Hessler 3, 176), 
malab. kelengu (Stappers 651), chines. ko-leung-keung (Hirth a.a.o. 
1,87). Das vaterland dieser wörter ist wahrscheinlich Indien, 
und ich wage es, sie auf den volks- und landesnamen XAalinga- 
in der nähe von Koromandel zurückzuführen, wofür auch ka- 
linga- “Caesalpinia Bonducella’ zu sprechen scheint. Hierbei 
bleibt freilich unerklärt, warum man im sanskrit kulafija-, ku- 
lanjana- und nicht kalinga- für Alpinia galanga findet; aber 
man bedenke, dass bei entlehnung aus einer dravidischen 
sprache leicht verstümmelung durch volksetymologie oder an- 
dere ursachen eintreten konnte. Die von Hirth (a.a.o. 1, 218 f.) 
gegebene deutung des wortes ist mir nicht wahrscheinlich. 
Auch für kardamomen werden wir indischen ursprung vor- 
aussetzen dürfen. Mhd. kardamome, kardemuome, cardemöme, 
cardamöm (Grimm 5, 209), mnl. cardamome, cardomome, carde- 
monie (oft neben galigaen genannt, Verdam 3, 1196) beruhen 
alle auf lat. cardamömum, gr.xapdauouov. Ich halte zapdaumuon 
für eine zusammensetzung von xapdauo- (xapdauov, woraus lat. 
cardamum) und aumyuov: aus *xapdauaumuo» entstand es durch 
silbendissimilation wie nuedıuvov aus *nuuediuvov, zoumdıdao- 
xalo; aus *xwumdodıdaoxalog, OTöuepyos aus *oTououapyoc 
oder *orouauapyos (Brugmann 1,484). Aumwov lassen wir für 
dieses mal beiseite (vgl. darüber jetzt Lewy, Semit. fremdw. 37), 
doch für xapdauov, cardamum meine ich ein indisches etymon 
nachweisen zu können. Skr. kardama- bat nämlich nicht nur die 
bedeutung von ‘schlamm, bodensatz’ (dasselbe ist päli kaddamo, 
Childers 173), sondern kommt bei Sucruta nach dem PW. auch 
als ‘eine bestimmte pflanze’, ‘eine bestimmte körnerfrucht’ und 
‘eine bestimmte giftige knolle’ vor (den sanskrit-text des Su- 
gruta habe ich leider nicht zur verfügung, wol aber Hesslers 
übersetzung desselben). Es ist kaum zu bezweifeln, dass mit 
diesem kardama- (kardamaka-) die Alpinia (cardamomum und 
galanga) gemeint ist, denn von dieser pflanze wird sowol der 


40 UHLENBECK 


same wie die wurzel zu medicinischen zwecken gebraucht. 
Dass ihre knolle ‘giftig’ genannt wird, darf uns von dieser an- 
nahme nicht abschrecken, denn unter den giften finden wir 
auch sarshapa- ‘senf’ erwähnt! Nach dem gesagten wird man 
jedenfalls zugeben müssen, dass xapdauov sehr wahrscheinlich 
aus skr. Aardama- entlehnt ist (vgl. Prellwitz 138). 


5. Malz. 


Ahd. maiz, mhd. nhd. malz, as. an. malt, ags. mealt, eng. 
malt, nl. mout wird kaum, wie Grimm 6, 1514 und Kluge> 246 
annehmen, mit dem adjectiv ahd. mhd. malz “hinschmelzend, 
weich, schlaff’, an. maltr ‘verfault’ identisch sein und zu ags. 
mellan, gr. ueAdo u.8.w. gehören. Eher werden wir an zu- 
sammenhang mit mahlen denken müssen, welchenfalls germ. 
*malta- ‘malz’ jedoch durch sein suffix befremdet, denn man 
erwartet eine partieipiale bildung auf indog. -io-, germ. -ba-, 
-da-. Dieser schwierigkeit können wir aber entgehen durch die 
annahme, dass *malta- ein lehnwort aus dem slavischen ist, 
wo wir slov. mlato, czech. mldto, poln. mioto, klruss. motot in 
derselben bedeutung vorfinden (Miklosich 200, der die slavischen 
wörter aus dem germ. herleitet). Kulturgeschichtlich ist hier- 
gegen nichts einzuwenden, denn die Slaven haben ja auch ein 
einheimisches wort für ‘bier’ (»ivo; vgl. Hehn® 125f.),. Der vo- 
calismus von slav. *molto- gibt ebenfalls keine schwierigkeit, 
denn das slavische hat sowol *mol- wie *mel-. Russ. molöt 
‘mahlen’ ist nämlich = lit. malti, lett. malt, nicht aber mit aksl. 
mieti gleichzusetzen, denn slav. el wird im russischen durch 
ele vertreten, wie aus folgender liste hervorgeht: russ. peleva, 
aksl. pleva ‘spreu’ aus *pelva (daneben russ. polöva aus *polva); 
russ. pelesyj ‘bunt’, perepelesyj ‘gestreift’, ablautend mit russ. 
polosa, aksl. plasa ‘streifen’ aus *polsa (aksl. pelesü statt *plesu 
ist nur als russieismus begreiflich); russ. pelend, aksl. plena 
‘windel’ aus *pelna (aksl. pelena neben plena ist wie pelesü 
zu beurteilen); russ. se/ezend (selezenka), aksl. si&zena "milz’ 
aus *selzena; russ. oZeledi, oZelöda ‘regen mit schnee’, vgl. aksl. 
zledica, also *zeld-; russ. belend, ezech. blen, blin ‘bilsenkraut’ 
aus *belna, *belnü. Wo wir russ. olo gegenüber aksl./& finden, 
müssen wir ablaut annehmen; so in russ. molöt’ : aksl. mieti 
‘“mahlen’; russ. polöt’ : aksl. pleti “jäten’; russ. polon : aksl. plenü 


ETYMOLOGISCHES. 41 


‘beute, gefangenschaft’; russ. volokd : aksl. viökg ‘ziehe’; russ 
26lob (dessen Z statt g schwierigkeit bietet) : aksl. 2/&bü ‘dach- 
rinne. Für russ. molokd : aksl. mi&ko und russ. $oldm : aksl. 
siemü siehe Arch. f. slav. phil. 15, 489. 491 f. 


6. Orkan. 

Kluge5 276, Franck 707, Diez5336, Ogilvie-Annandale 2,538, 
Skeat 277, Littre 3, 881, Stappers 658 halten hd. orkan aus nl. 
orkaan, das mit eng. hurricane, hurricano und franz. ouragan, 
houragan auf span. huracan beruht, für ein fremdwort aus dem 
fernen westen und suchen seinen ursprung im karaibischen. 
Schon Brandt, Leven van de Ruyter, ausgabe von 1687, s. 369, 
nennt orkaan ein karaibisches wort: ‘men zagh een orkaan te 
gemoet. Dit onweer, bij d’ inboorlingen der karibische eilauden 
ouragan genoemt’ u.s.w. (v.d. H., Nieuw nederl. taalmag. 3, 276). 
Offenbar hat Brandt hier aus einer französischen quelle ge- 
schöpft, welche ich in der Histoire naturelle et morale des lles 
Antilles de ’Amerique (A Rotterdam. Chez Arnout Leers. Mar- 
ehant Libraire 1058) gefunden zu haben glaube. In diesem 
huche (243) lesen wir nämlich ‘D’une tempeste que les Insu- 
laires appellent Ouragan.’ ‘Ce qui est le plus & craindre, est 
une conspiration generale de tous les vens, qui fait le tour du 
compas en l’&space de vingt-quatre heures, et quelquefvis en 
moins de teme.’ Und weiter (244): ‘Cette tempeste que les 
insulaires appellent Ourayan, est si etrange qu’elle brise et de- 
racine les arbres’ u.2.w. ‘Cet Ouragan, ne fait pas seulement 
ses ravages sur la terre, mais il &meut encore une telle tem- 
peste sur la mer, qu’elle semble se mäler et se confondre avec 
l’Air et les Cieux. Ce tourbillon impetueus’ u.s.w. Endlich 
lesen wir im karaibischen glossar (526): ‘Tempeste, Youällou, 
bointara, ourogan: qui est le nom le plus commun.: Man ver- 
gleiche die beschreibung eines schrecklichen wetters mit über- 
schwemmung in Guatemala bei Linschoten, Beschryvinge van 
America 11, wo jedoch das wort orkaan nicht genannt wird. 

Chronologische schwierigkeiten gibt die herleitung des 
wortes aus dem karaibischen nicht. Im englischen findet es 
sich nach Kennedy (Essays ethnological and linguistie 161) zu- 
erst bei Shakespeare, in der form hurricano mit der bedeutung 
‘wirbelwind, wasserhose’ (‘The watery spout which sailors 


42 UHLENBECK 


hurricanoes call’ ‘Blow winds and crack your cheeks, your 
cataracts and hurricanoes spout.). Weiter gibt Kennedy noch 
ein citat aus Dampiers Voyages: ‘I shall speak next of hurri- 
canes, these are violent storms, raging chiefly among the Ca- 
ribbee islands’ und aus Huberts Travels: ‘We believed a herocane 
was begun, a vast or unwonted tumor in the air.’ Im französi- 
schen ist das wort in 1677 in der form houragan belegt (Littre). 
Im holländischen fehlt es noch bei Kilian, und bei Linschoten 
(Voyage 1596, Reys-gheschrift 1595) habe ich es vergebens ge- 
sucht. In der aus dem spanischen übersetzten Conqueste van 
Indien (1598) wird (fol. 8) von tempeesten gesprochen, aber das 
wort orkaan habe ich auch hier nicht gefunden. Nach Lexer 
(Grimm 7,1350) ist Hoffmann von Hoffmanswaldau der erste, 
welcher orkan im deutschen gebraucht. 

Sicher ist der karaibische ursprung von orkan aber keines- 
wegs, denn im glossar der Histoire naturelle werden verschie- 
dene wörter als karaibisch angeführt, welche europäischer her- 
kunft sind, z.b. rakabouchou (sp. arcabuz), kaloon (sp. canon, 
franz. canon), echoubara (sp. espada), cowloubera (franz. couleuvre), 
pisket (aus der roman. sippe vou lat. piscis oder aus einer germ. 
sprache?), choucre (franz. sucre), kanarou (wol aus irgend einer 
ableitung von sp. cana), boutella (sp. botella), arka (sp. arca), 
kaboya (sp. cable), ankouroute (sp. ancora oder eher dessen aug- 
mentativum), beya (franz. baie), kanabire (franz. navire?), mouche 
(sp. mucho). Dieses kann ja auch sehr gut mit orkan der fall 
gewesen sein und dann müssten wir in Europa ein etymon für 
dieses schwierige wort suchen, was freilich schon von Larra- 
mendi 2,62 und Kennedy a.a.0. — leider mit wenig glück — 
versucht ist. Unmöglich ist baskischer ursprung von orkan 
aber nicht, denn auch der Bizcaische meerbusen ist wegen seiner 
orkane bekannt (siehe u. a. Histoire naturelle 245 f,, wo solch 
ein orkan im südlichen Frankreich nach dem zeugnis eines. ‘ho- 
norable marchand’ aus la Rochelle beschrieben wird), und die 
ursprüngliche bedeutung ‘wasserbose’ würde für zusammenhang 
mit bask. ur sprechen, obwol in anderer weise als Larramendi 
und Kennedy sich diesen gedacht baben. 

Leider müssen wir diese untersuchung mit einem non liquet 
beschliessen. 


ETYMOLOGISCHES. 43 


7. Scheur. 


Nl. scheur ‘riss’ aus and. *skuri-, an. skor, meng. eng. score 
werden von Franck 845 zu ahd. sceran, ags. sceran, an. skera 
gestellt. Das u von *skuri- braucht aber nicht ein aus dem 
stimmton des r entwickeltes zu sein und man kann es deshalb 
auch als tiefstufe von eu betrachten, welchenfalls man an 
folgende litauische wörter anknüpfen kann: kiduras ‘durch- 
löchert, entzwei’, kidurinti ‘durchlöchern, löcherig machen’, skiaure 
‘durchlöcherter kahn als fischbehälter. Für das sogenannte 
parasitische 7 im baltoslavischen vgl. lit. sziaurys ‘nordwind, 
norden’ : aksl. severü ‘norden’: got. sküra ‘schauer’; lit. riaugmi 
‘rülpse’ : aksl. rygati ‘ructare’ : gr. &pevyo : ahd. itaruchen; lit. 
kidune : aksl. kuna ‘marder’; lett. liaudis, aksl. Yudu : abd. liut; 
aksl. Yubü : got. liufs; russ. djuzij : duzij ‘kräftig’, lit. daug ‘viel’, 
got. daug u.s.w. (vgl. Wiedemann, Lit. praeteritum 186). Aus 
dem sanskrit ist bei nl. scheur ‘riss’, scheuren ‘reissen, zerreissen', 
lit. kiauras u.8.w. noch cordyaii ‘stehlen’ heranzuziehen, falls 
dessen bedeutung sich aus dem begriffe des reissens entwickelt hat. 


8. Silber. 


Got. silubr, ahd. silbar, silabar, mhd. hd. silber, ags. siolufr, 
seolfor, eng. silver, a8. siludar, nl. zilvcr ist ein schwieriges wort, 
dessen ursprung noch immer unbekannt ist. Lapp. silbbu und 
bask. zil/ar sind wol entlehnungen aus dem germanischen und 
können uns deshalb bei der geschichte des wortes kaum dienste 
leisten, und dasselbe gilt von den baltischen formen lit. sidäbras, 
apr. sirablan, lett. sidrabs, sudrabs aus ahd. silabar, und apr. sira- 
plis aus abd. silapar, denn diese lassen sich wegen des «a in der 
mittelsilbe nicht aus aksl. sirebro erklären. Kluge: 348 meint, 
dass die Germanen es auf ihrer wanderung von einem nicht 
indog. stamme entlehnt und es den Slaven übermittelt hätten, 
welche vermutung aber aus phonetischem grunde abzulehnen 
ist. Es ist ja von vornherein wahrscheinlich, dass aksl. szrebro 
mit seinen beiden r eine ältere lautgestalt darbietet als die 
germ. formen, welche das eine r durch dissimilation in / ge- 
ändert haben, und auch geographisch liegt es näher, die Ger- 
manen als entlehner zu betrachten, weil das wort doch wol 
im orient zu hause ist. Die Germanen haben schon früb mehrere 
wörter von den Slaven übernommen, nänılich: 


44 UHLENBECK 


Ahd. *hamastro (es ist wol ein hamastro belegt, aber in der 
bedeutung ‘ceurculio, kornwurm’, ebenso as. fem. hamstra aus 
*hamastra, Kluge5 154), aus aksl. (aruss.) chomestarü, vgl. russ. 
chomjak, poln. chomik, klruss. chomyk ‘hamster’ (Hehn: 381, 501. 
Miklosich 88). 

Got. plinsjan aus slav. *ples-ig, aksl. plesg, plesati ‘tanzen’ 
(Miklosich 249). 

Got. puggs, ahd. pfunc 'beutel’ aus aksl. pggy ‘corymbus’ 
(Miklosich 257). 

Got. siponeis ‘jünger’, m. e. eher aus slav. Zupanü ‘herr, 
Junker’ (vgl. Miklosich 413) als aus dem keltischen, wie Much 
annimmt. 


An. tulkr, mnd. folk, tollik aus slav. *unlkü, aksl. tükü “inter- 
pretatio’ (lit. tüulkas ‘dolmetscher’ ist naeh Brückner 148 russi- 
sches fremdwort; könnte aber auch aus dem nd. entlehnt sein), 
tlükovati ‘erklären’ (Miklosich 368. Franck 1019: eng. talk ist 
ferne zu halten), wie später mhd. folmetsche aus irgend einer 
westslav. form von aksl. tlümac? entlehnt wurde. 


An. torg ‘handel’ aus slav. *türgü, aksl. trügü ‘markt’ (wo- 
raus auch lit. furgus stammt, Brückner 148), wozu noch vielleicht 
lliturgis, Illiturgi, ortsname im alten Baetica (iii = bask. iri 
‘stadt’ + *urgi ‘markt’?) zu vergleichen wäre. 

Got. intrisgan, intrusgjan "Eyxevroißsıv’ aus slav. *iresk- (ur- 
verwant mit got. briskan), aksl. tresnati, ırestiti ‘ferire’, Ireska 
‘sarmentum’ (Hehn: 354. Krek, Einleit. in die slav. literatur- 
geschichte 134). 


Ferner noch wol ahd. malz (siehe oben no.5) und got. stikds 
aus aksl. söklo : die beziehung von got. stikls zu stechen ist 
keineswegs einleuchtend, denn aksl. stiklo bedeutet die materie 
‘glas’, welcher begriff natürlich ursprünglicher ist als der des 
trinkbechers oder trinkglases (vgl. aber Miklosich 328). 

Ich glaube also, dass sörebro ursprünglicher ist als silubr, 
silabar und zu den wörtern gehört, welche früh aus dem slavi- 
schen in das germ. drangen. Dann ist es aber unmöglich, an 
der von Hehn 462 vorgeschlagenen und von Schrader! 261 
acceptierten deutung festzuhalten, dass silber aus dem namen 
der pontischen stadt AAvPr (nach Hehn aus #*3aAvPn) EaEande 
sei, bloss auf grund von Ilias 2, 857: 


ETYMOLOGISCHES. 45 


avrap Alıkavwv Odios xal Enioteopos joxov 

ınhoBev £& Akvßns, 69EV agyvoov Earl yevediAn. 
Wie man aus *2aAvßn ein slav. söirebro gewinnen könnte, ist 
mir ganz unklar, nicht nur wegen der beiden r von särebro, 
sondern auch wegen des 2. Eher möchte ich mit Brunnhofer 
(Urgesch. 2,7 f.,, wo aber viel überflüssiges herangezogen wird) 
an zusammenhang mit dem flussnamen Zißposg, Ziußgog denken 
(der ebenfalls silberreich ist: Zißow 2x apyvodo notauo, Pa- 
nyasis), denn Z{ßoog und Ziußeog lassen sich sehr gut durch 
dissimilation aus * ıoßoog (nicht aus ZuAßopog, wie Brunnhofer 
will) erklären. So wäre der nord-europäische silbernamen doch 
von den südlichen ufern des Schwarzen meeres gekommen. 


AMSTERDAM, dec. 1894, C. C. UHLENBECK. 


ETYMOLOGIEN. II. 


1. Stüren, stören und ihre sippe. 


Der indog. w. tuer-, die auch im germ. vertreten ist, z. b. 
durch ahd. dweran ‘schnell herumdrehen, durcheinander rühren’, 
geht im germ. eine gruppe mit anlautendem s zur seite, wie 
im gr. orvoßatoo neben tvpßaLo (vgl. Curtius, Grundz. 695), zu 
der folgende wörter gehören: 


1. Ags. styrian “in bewegung setzen bez. sein, verwirren, 
aufregen’, bedeutungsentwicklung wie in lat. turbare; an. styrr 
‘verwirrung, aufregung’, dann ‘tumult, krieg’, wie ahd. werra 
‘verwirrung und krieg’ (vgl. W. Grimm, Kl. schriften 3, 531—35), 
eng. war, franz. guerre. 

2. Deutsch stüren ‘in etwas herumstöbern, herumwählen', 
die bedeutung ergibt sich aus ‘durcheinander rühren’. Abd. 
beispiele: euertit irsturit Ahd. gl. 1, 726,21 (Vulg. everrit), er 
irsturte al ire gemant Wien. Gen. Hoffm. Fundgr. 2, 46, 13. Milst. 


hs. 62, 16. — Mbd. stürel ‘werkzeug zum stüren”. 
3. Ahd. (ga-, ar-, zi-) stören, = *staurjan. Der ablaut dweran 
— styrian — *sltaurjan ist wie ahd. swethan — ahd. gasotan — 


got. saubs, oder wie ahd. swelli (— *smalli ‘schwelle’) — ags. 
an. syl, mhd. sol-boum, sol-stücke, got. gasuljan — got. sauls. 
Bedeutung: 1. ‘zerstören, vernichten’, 2.‘zerstreuen’, mhd. sieren 
auch ‘in verwirrung bringen’, wie nld. ‘stören’. Der begrif 
‘zerstören’ ist mit dem des ‘drehens, wendens’ verknüpft wie 
bei lat. turbare — disturbare ‘zerstören’, vertere ‘drehen’ — 
evertere ‘zerstören’, lit. vartyti ‘wenden’ — got. frawardjan (Brug- 
mann, Grundr. 2,2, 1151), ahd. werfan (wie verto von w. uer- 
‘drehen, wenden’, vgl. Persson, Wurzelerweiterung 164) — ahbd. 
ziwerfan ‘destruere’; s. auch zerrütten, unter 10). Ahd. und mbhd. 
hat steren auch den sinn von ‘zerstreuen’, vgl. lat. disturbare 


7 


ne 


ETYMOLOGIEN. 47 


‘zerstören’ und ‘zerstreuen’, ebenso ahd. ziwerfan, mhd. zer- 
werfen, die ziemlich häufige verwendung von ahd. stören zur 
glossierung von ‘dispergere, ventilare’ hat jedoch zum teil ihren 
grund darin, dass die übersetzer ‘dispergere’ mit ‘disperdere’ 
verwechselten (vgl. Diefenbach, Glossar 186°), — Schon Froehde 
hat KZ. 18, 261 stören mit w. tuer-, lat. turbare zusammengestellt. 

4. Ahd. sturz ‘casus, sturz’, stürzen ‘(e-, per-, sub-) vertere”. 
Die zu grunde liegende vorstellung ist “‘herumdrehen, herum- 
wenden’, vgl. Schmeller-Fr. 2, 786 f. unter ‘stürzen’: ‘wesentlich 
ist dabei der begriff des umwendens, so dass das untere zu oberst 
kommt.’ 

5. An. stormr, ags. storm, ahd. sturm hat schon Curtius, 
Grundz. 5 695 mit gr. tüpßn, (o)rvoßado verglichen, und Franck, 
Woordenb. s. ‘storm’ sowie Kluge in der neuesten auflage (5) 
des Wb. halten zusammenhang mit nl. storen bez. ags. styrian 
für wahrscheinlich. Bedeutung: ‘eine bewegung, verwirrung, auf- 
regung’, entweder der elemente, vgl.lat. turbo; oder von menschen, 
‘tumultus, strepitus, kampf, ansturm, angriff’;, auch von innerer, 
von gemütsbewegung (z. b. ags. des mödes storm Alfred, Greg. 
Past. Care, Sweet 59, 4), wie lat. perturbatio ‘gemütsstörung, leiden- 
schaft. Die anwendung von sturm für ‘kampf’ ist nicht eine 
metapher, übertragen vom sturm der winde oder wogen, son- 
dern beide vorstellungen gehen unabhängig von einander auf 
den gedanken an ‘verwirrung, bewegung’ zurück. Auch mbhd. 
werre, eng. war, franz. guerre (s. oben) sind ohne vermittlung 
eines von naturerscheinungen hergenommenen bildes zur bedeu- 
tung ‘aufruhr, krieg’ gelangt; ebenso gr. uodog ‘schlachtgetüm- 
mel’ aus w. me(n)th- ‘umdrehen, quirlen’, Grassmann, KZ. 12, 98. 
Brugmann ebenda 24, 292f. (schweiz. ist sturm auch ‘schwin- 
delig’, stürmi ‘schwindel’ [Stalder 2, 416. Schild, Beitr. 18, 375], 
so viel als ‘sich drehend’, ‘drehung’. — Sturm verhält sich 
begrifflich zur w. tuer- wie an. ags. hriö ‘sturm’, an. auch ‘an- 
sturm’, zu w. greit- ‘drehen, sich hin und herbewegen’ (vgl. 
Persson, Wurzelerweiterung 166, der wol richtig an. hriö ‘stunde’ 
davon trennt; anders Liden, Beitr. 15,511), — Zu sturm vgl. 
bes. W. Grimm, Kl. schr. 3, 549 ff. 

6. Nesselmann, Thes. ling. pruss. 178 f., führt an siurgel, 
stur] mit den zwei bedeutungen: 1. ‘ein zur fischerei dienendes 
instrument, ein stab mit zuckerhutförmigem knopfe, der zum 


48 EHRISMANN 


aufscheuchen der fische gebraucht wird’, wozu stürlanke ‘hamen, 
um die fische aufzuscheuchen’; 2. ‘der stab im butterfasse”. 
Auch Bezzenberger (Bezz. Beitr. 17,215) hält diese wörter für 
preussisch. Sie sind jedoch deutschen ursprungs. Die erste 
bedeutung findet sich in bair. stork ‘fischerstange’ (Sclimeller-Fr. 
2, 782), oberlausitz. stirgeln ‘herumstöhren, durchsuchen’ (Diefen- 
bach, Vgl. wb. 2,335), tirol. stürken (Schöpf, Id. 726); vgl. auch 
henneberg. störer, stürer ‘arbeiter, welcher in einem kahne mit 
einer langen, eisengespitzten stange das hängengebliebene scheit- 
holz losreisst (Spiess, Beitr. zu e. henneberg. idiot. 245). Die 
zweite bedeutung ‘stab im butterfasse’, also ‘rührstab’, kehrt 
wider in den zur s-losen gruppe iuer- gehörigen an. hvara, ahd. 
dwiril ‘quirl, rührstab’, vgl. gr. ()ropvvn ‘trua, rührkelle’. Ur- 
sprünglich ist unter diesen substantiven ein drehstab zu ver- 
stehen, wie er schon in indog. zeit zur feuer- und milchbereitung 
diente, vgl. Kuhn, Herabkunft des feuers? 15 ff. 35 ff. u.ö. Nessel- 
manns sturgel ist also — deutsch *sturgil, aus stork und stirgeln 
zu erschliessen, stur! ist = sturü (s. oben 2). Zu der guttural- 
sippe passt auch gr. orvpas, origax-osg “das untere ende des 
lanzenschaftes’, dann ‘lanze’, mit einer hedeutungsübertragung 
wie an. brynbvari ‘lanze’ aus Dvara 'quirl’. Andere etymologien 
bei Curtius, Grundz.5 213 (zu oregeog ‘starr’), Prellwitz, Et. wb. 
306 (zu orvm ‘aufrichten‘, w. st(h)u@-), Persson, Uppsalastud. 
tillegnade S. Bugge 185 (zu oravpog ‘pfahl’, also ebenfalls zu 
w. st(h)w-). | 

7. Bekannt ist der übergang des begriffes ‘sich herum- 
drehen’ in ‘sich herumtreiben, umherschweifen’, z. b. gr. oro&po 
— cTpEPOHEAL, OTEWPAO — orpmpaouaı, BEuß® — deußouaı, 
lat. vertere — se vertere, verti, versari, ahd. hwerban ‘sich drehen 
— hin und hergeben’, ahd. windan — ahd. wantalön und mhd. 
wandern, franz. rouler ‘wälzen’ und ‘sich umhertreiben’, tour 
‘umdrehung’ — faire un tour ‘einen spaziergang machen’, it. 
girare ‘sich drehen’ und ‘herumlaufen’, aggiratore ‘laudstreicher', 


a en 


m - - - 


.— 


u.a. Ebenso gehören zur w. s-wer- ‘herumdrehen’: stören ‘im | 
lande herumfahren, auf die stör gehen’ (Schmeller-Fr. 2, 779f. 


Gradi, KZ. 17,17 f. Germania 22, 369. Nd. korrespondenzblatt 
10, 45. 74—76. 13, 59), siörer (Lexer s, v.), mit gutturalsuffix (vgl. 


oben sturgel): storgen ‘sich im lande herumtreiben’ (Weigand . 


8.v. Schmeller-Fr. 2, 781 f.), storger ‘landfahrer, hausierer', störzen 


ETYMOLOGIEN. 49 


(= *störgezen) 'müssig herumfahren', störzer ‘vagabund’ (Schmel- 
ler-Fr. 2,786. Du Cange-Favre 7,596®); über die formen sierzen, 
sterzer von der hochstufe aluert s. unter 9. 

8. Mhd. gaffelstirne,. DWb. 4, 1, 1136. Mhd. wb. 2, 2, 644. 
Lexer 1,1017. 1043. Schmeller-Fr. 1, 874. Edw. Schröder, Ingolds 
Gold. spiel 63, 11 u. anm. Alemannia 13, 50. Brants Narrenschiff 
ed. Zarncke 2. Das von Schmeller angeführte citat: vbi modo 
sunt vnser gafelstirnen ubi modo currentes per vicos et 
plateas, sowie: die vagierenden stfirner und stosser, stirn- 
stössel, stürnenstosser ‘landstreicher’ (Schmeller-Fr. 2, 784 f. 
Lexer 2,1201. Zarnckes, Goedekes und Bobertags anmerkungen 
in ihren ausgaben des Narrenschiffs zu 63, 12) zeigen, dass der 
zweite teil von gafelstirne zu der vorigen sippe stören, siorgen 
gehört und demnach als stürne (wol = *sturini, also eigentlich 
*stürin) aufzufassen ist, als “eine die sich auf den strassen berum- 
treibt’; störne ist umdeutung an stirne ‘frons’ oder dirne (vgl. 
die variante bei Lexer 1,1017 aus Sibotes Frauenzucht; in 
gimpelstirne, gampelstirne |Lambel, Erzählungen und schwänke ! 
3, 25,427] ist statt ga/fel das schwerzwort gimpel, gampel ein- 
gesetzt). Gaffel wird vom DWb. als ‘mädchen, die neugierig 
gaffend herumläuft oder am fenster liegt’, also zu ya//en ‘hiare, 
oseitare, spectare’ gestellt. Es hat jedoch vielmehr den sinn 
von ‘plaudertasche, geschwätziges mädchen’, wie sich aus fol- 
genden belegen ergibt: gafel und raffel; ga/jeln (verb.), ein guten 
geschwatz ufrichten (DWb.4, 1,1135); Brants Narrenschifi 32, 27 f.: 
Vnd nit hoffwort mit yederman Tryben, und yeden gäj]len an Noch 
hören alles das man jr seitt; geffels mul (Murners Narrenbeschwö- 
rung, vgl. Zarncke, Narrenschiff anm. zu 62,7. Alemannia 19, 2); 
noch mundartl. gefele ‘klappermaul, vorlauter mund’ (Schweiz. 
id.2,128). Demnach ist in ga/fel die obd. vertretung zu sehen 
von ags. zaf *turpis, vilis, loquax’, zafetunz ‘a scoffing’, zezaf- 
spr&c ‘idle, wanton, scoffing speech’, zaffellan, zabbian (Beitr. 9, 
164.165),. an. gabb, gabba, nl. gabberen. 

9. Für mehrere germ. wörter, deren bedeutungen sich mit 
einem teile der angeführten decken, ist eine germ. wurzel siert- 
vorauszusetzen (vgl. Kluge Wb. unter ‘stürzen’). Stert-, start- 
sind m. e. die hochstufen der germ. w. sturt- (no. 4), also indog. 
als stwerd- stuord- anzusetzen mit ausfall des x nach dem an- 


a} 


Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. XX. 4 


50 EHRISMANN 


laut si.!) Hierher gehören: 1. engl. to start (Skeat, Dict. s. v.) 
‘sich rasch bewegen’ (bedeutung wie no. 1), auch ‘aufjagen’ 
starter ‘hund, der das wild aufjagt’, vgl. mhd. steren auch so’ 
viel als ‘aufscheuchen’; ags. steartlian ‘mit dem fusse stossen, 
ausschlagen’, wie schweiz. stirzen, der stirz (Stalder 2, 399), zu 
dessen bedeutungsentwicklung vgl. w. sp(h)er-, sp(h)erg- ‘(sich) 
unruhig bewegen’ und lit. spırti, ahd. spornön, an. sparka (Pers- 
son, Wurzelerweiterung 17); engl. io startle ‘stutzen’, startle ‘be- 


stürzung’, wie mhd. nhd. bestürzen. 2. schwed. stjärta ‘zweck- 
los herumrennen’ (Rietz 693), nd. sterten ‘fliehen’, mhd. sierzen 


‘sich rasch bewegen, umherschweifen’, sterzer ‘vagabund’, vgl. 
n0.7. — Unverwant mit dieser sippe sind: 1. obd. sterz, starz, 
storz, stürzel ‘strunk’, von w. s-ter(e)d-, einer variante der von 
Liden, Uppsalastudier 84 behandelten w. s-tere(n)g- ‘stossen, ab- 
stossen, abhauen’. — Ferner 2. sterzen ‘steif emporragen, starr 
aufwärts richten, aufrecht einhergehen, stolzieren’ (Lexer s. v. 
Schmeller-Fr. 2, 785 f.), an. stertr ‘stattlich, prächtig, stolz’; und 
schwäb. siratzig “grosstuerisch’ (Schmeller-Fr. 2, 821), stranzen 
‘grosstun’ (ebenda 817; in der bedeutung ‘sich müssig umher- 
treiben’ sind siranzen, strenzen, strenzeln, strunzen [Lexer 2, 1225. 
Vilmar, Id. 405. v. Pfister, Nachtr. zu Vilmars Id. 290] ganz in die 
begriffssphäre von no. 7 gezogen), von w. ster(e)d-, st(e)red-, st(e)- 
rend-, einer weiterbildung zu der von Persson, Wurzelerweite- 
rung 63 besprochenen w. ster- ‘starr, fest sein’, neben welcher 
eine variante sferud- anzusetzen ist gemäss nd. strutt ‘gespreizt, 
starr, steif’, engl. to strut ‘to walk about pompously’, wozu auch 
wahrscheinlich an. strütr ‘a sort of hood jutting out like a horn’; 
in engl. strut tritt dann vermischung ein mit s/rotzen, d.h. einer 
wortgruppe, welcher die vorstellung ‘anschwellen’ zu grunde liegt. 
— Endlich 3. sterz ‘schwanz, pflugsterze’, dessen grundvorstel- 
lung zweifelhaft ist (vgl. zuletzt über dieses wort Persson, BB. 
19, 273). 

10. Aehnliche bedeutungswandlungen wie die w. /ver- hat 


ı) Indessen ist wol schon indog. ein wechsel zwischen anlautendem 
fu und ? anzunehmen in der w. {ueng-, teng- ‘zusammenziehen’ (Fick 1*, 
59. 64. 224. 230. 442. 449), und ebenso bei w. tuer-, ter(g)- ‘drehen’ (Fick 1, 
60.64), wozu var. (rep- ingr.roenw u.a. Vielleicht beruht der wechsel 
auf indog. accentverhältnissen, wie Pedersen, IF. 2,290 vermutet. Vgl. 
jetzt auch Strachan, BB. 20, 18 anm. 1. 


i 


ETYMOLOGIEN. 51 


die w. ger- ‘drehen, hin und herbewegen’ durchlaufen: zu deren 
erweiterung gret-, in lit. kretü, kreczü ‘schütten’, kratau ‘fortgesetzt 
schütteln’, gehört zerrütten (mhd. rütten!), vgl. Franck unter 
‘reuter’. Eine wurzelvariation von ger- ist auch greu- mit den 
erweiterungen greud-, greup- und greus- (entsprechend grei- 
mit den weiterbildungen greit-, greip- und greis- bei Persson, 
Wurzelerw. 165—167), wovon an. hrjota ‘plötzlich und mit hef- 
tigkeit weg springen, fallen, stürzen’, an. hreyfa ‘to stir, to move’, 
und ags. hreosan ‘stürzen, zu grunde gehen’ (an. hrjosa ‘schau- 
dern’). Ferner gehören wol hierher schwed. rusa ‘ungestüm 
hervor dringen, stürmen, stürzen’, engl. to rush ‘stürzen’, mhd. 
der rüsch "anlauf, angriff’, rüschen, riuschen ‘stürmen’ (engl. rush 
und mbhd. rüsch aus grüs-k- oder aus gräd-sk-); für diese 
wörter nimmt Persson (Wurzelerw. 161) eine w. rus- an, aber 
engl. rush ist nicht wol von ags. hreosan zu trennen. An. ags. 
hriö s. oben unter 5). 


2. Schulter. 


‘Hüfte, schenkel’ und ‘schulter, (ober)arm’ werden in den 
indog. sprachen mehrfach durch etymologisch verwante wörter 
bezeichnet, z.b. an. er ‘schenkel’, lat. /acertus ‘(ober)arm’, an. 
leggr ‘bein, sowol am arm als am fuss’; ahd. mhd. buoc “bug, 
obergelenk des arms, achsel’ und ‘obergelenk des beins, hüfte’, 
‚ aind. bähu ‘arm’, beim tier ‘vorderfuss’; got. arms ‘arm’, aind. 
irmas ‘arm, bug, vorderschenkel eines tieres’, lat. armus ‘ober- 
arm, schulterblatt, vorderbug bei tieren’; aind. kakshas ‘achsel- 
grube’, lat. coxa ‘hüfte, mhd. hahse ‘hächse, kniebug’; ksl. 
krakü ‘hüfte’, lit. karka ‘oberarm’ (Brugmann, Curtius’ Stud. 7, 
277 f. KZ. 23, 94 f.); acymr. morduit und ahd. muriot ‘diech, dick- 
bein’, langob. murioth “brachium super cubitum’ (Bezzenberger 
bei Fick 2,202 und in seinen Beitr. 19, 303); gr. xwAea, xoAn, 
xoAn» “hüftknochen, beim schwein der schinken’, xwAn» auch 
‘knochen des oberarms’; vgl. auch cuptis, Fick 14,46. Bezzen- 
berger in seinen Beitr. 1, 341. G. Meyer ebenda 14, 55 und Alba- 
nes. wb. 396. — Unter voraussetzung dieser bedeutungsverhält- 


1) Rutschen, mhd. rutschen, rütschen, rutzen, rützen, welches Kluge 
s. ‘rutschen’ für vielleicht mit rütfen wurzelverwant hält, gehört gewiss 
zu mhd. rucken, rücken, ahd. rucken, rucchan ‘schiebend fortbewegen ’ 
(Kluge 8. 'ruck’), = ruckezen. 


4* 


52 EHRISMANN 


nisse darf man wol auch folgende wörter für verwant ansehen: 
aind. katas, kafis, kati “hüfte”, — *kaltas u.s. w. (Persson, KZ. 
33,288 anm. 3), gr. 0x82og ‘schenkel’, oxeAlg ‘hinterfuss und hüfte 
eines tierer, beim schwein der schinken’, und ags. sculdor, ahd. 
scultirra, scultarra, sculdra ‘schulter’, mhd. auch ‘geräucherter 
vorderschinken beim schweine’. — Die stammbildung der ger- 
manischen wörter ist schwer sicher zu stellen, besonders da 
casus des duals mit im spiele sein können, deren endungen für 
das germ. nicht genügend bekannt sind (vgl. Platt, Anglia 6, 175. 
Kluge, Pauls Grundr. 1, 384 ff. [$ 46 eingang und B2]). Aus 
einem neutralen es-stamm lassen sich die verschiedenen germ. 
formen erklären; ahd. sculfirra (iö-stamm) kann voni n. a. dual 
germ. *skuldez! ausgegangen sein. *Skltos ntr. ist dann eine 
vermischung von einem einen dental enthaltenden stamm (vgl. 
aind. katas u. 8. w., gr. 0xeAid-) und einem es-stamm (gr. 0xE&Aoc). 

Als wurzel liegt zu grunde s-kel- mit der vorstellung ‘biegen’ 
(vgl. u.a. Bugge, KZ. 32,57. IF. 1,448. Johansson ebenda 2, 26). 
Die bezeichnungen für glieder des körpers werden mehrfach von 
den begriffen ‘(sich) biegen, krümmen’ hergenommen (Brugmanı, 
Curtius’ Stud. 7, 277. Johansson a.a.0.). Andere beispiele für 
diese begriffsentwieklung sind: w. leg- ‘biegen’, wozu lat. /acertus 
‘arm’, an. leer ‘schenkel’, Zeggr ‘bein’, engl. leg (Persson, Wurzel- 
erweiterung 186. Johansson, BB. 18,21. Liden, Beitr.15, 517), ferner 
langobard. Zagi ‘schenkel’ und ags. leower “pernas, glieder’ (Sie- 
vers, Beitr. 9,254); w. kek- ‘(sich) biegen’, wozu aind. kakshas 
‘achselgrube’, lat. coxa ‘hüfte’, ir. coss ‘fuss’, ahd. kahsa ‘knie- 
bug’ (Fick 14, 22.381. Bezzenberger in s. Beitr. 16, 246); w. geu- 
*biegen, drehen, wenden’, wozu gr. yvIov 'glied, gelenk’, ahd. 
kiulla ‘oberschenkel’ (Bezzenberger in seinen Beitr. 4, 322); w. 
keug- (oder keub-?) ‘sich biegen’, wozu gr. xußog ‘höhlung vor 
der hüfte, beim vieh’, xußırov, xöBwAov, lat. cubitum ‘ellen- 
bogen’, got. hups ‘hüfte’ (Fick 1, 380); w. keup- ‘wölben’, wozu 
lit. kumpas ‘krumm’, kumpis ‘vorderschinken’; w. enk-, eng- 
‘biegen, winden’, wozu aind. anukas “biegung zwischen arm und 
hüfte’, ved. ankasd ‘weiche’, gr. «yxav, ayxolvn, ayxdAn “ellen- 
bogen’, got. halsagga ‘nacken’, ahd. ancha ‘anke, nacken’, und 
encha ‘beinröhre, knöchel’, mhd. enkel ‘knöchel’ (vgl. Fick 14,8. 
Kluge, Wb. s. ‘enkel’. G. Meyer, IF. 3, 64). — Die grundbegriffe 
für diese gliedernamen sind zum teil ‘was gebogen ist’, also 


ETYMOLOGIEN. h3 


‘wölbung’ (vgl. Brugmann, Curtius’ Stud. 7,277) oder ‘höhlung’, 
zum teil ‘was sich biegt, sich biegend bewegt, dreht’, also = 
'gelenk”. 

Eine gutturalableitung der w. (s)kel- ist w. keleg-, wozu 
gr. <oAng “hüftknochen’, und nasaliert w. A(e)leng-, mit media g 
für tenuis gq nach dem nasal, wozu ahd. hlancha *hüfte, lende’, 
it. Aanco 'flanke’, an. hlekkr, age. hlenca oder hlence, engl. link 
‘glied (einer kette)’, ‘gelenk’ gehört (vgl. Johansson, Beitr. 14, 
298). Unverwant mit ahd. hlancha ist ahd. /ancha ‘weiche, 
lende’, welches wol mit gr. Aayo» ‘weichen’ zusammenhängt.t) 


Im anschluss an das vorhergehende gebe ich noch einige 
erklärungsversuche bedeutungsverwanter wörter: 

Mhd. geliune n., nhd. geleune ‘gliederbau, knochenbau’ (DWb. 
4,1,2, 3012. J. Peters in den Mitteil. d. vereins f. geschichte d. 
Deutschen in Böhmen 28, beil. 8 gehört zu der oben mehrmals 
genannten w. /eg- ‘biegen’, zu der es sich lautlich verhält wie 
got. siuns zu W. seg-. 

Ahd. gileih n. ‘artus’, mbd, geleiche n., geleich f. ‘gelenk, 
glied’ (DWb. 4, 1,2, 2978f. Kögel, Beitr. 9, 336 anm. 13), dazu 
mhd. sich Zeichen ‘sich biegen’ (vgl. dazu bes. DWb,. 6, 617), 
geleiche, geleichic wie lenken, gelenke, gelenkig zu lancha oder zu 
hlancha, ist eine ableitung der w. Jei- ‘biegen’, einer variation 
von w. leq-, vgl. Persson, Wurzelerweiterung 187, zu welcher 
mit diesem gelehrten auch g.libus, an. limr, ags. lim zu stellen 
sind. Hier sind wol auch einzureihen got. leik, ags. lic, ahd. 
ih ‘leib’ und an. ags. if, ahd. fip 'leib’, beide collective neutra, 
so viel wie ‘gliederbau’. 

Unter annahme von anlautendem sog. beweglichen s lassen 
sich ags. sceonca, engl. shank, ahd. scinco, scinca, mhd. schinke, 
schunke, schenkel mit hanke ‘hüfte, schenkel (DWb,. 4, 2, 455), 


ı) Zu Aayov vgl. Persson, Wurzelerweiterung 234 anm. Mit ahd. 
lancha wurzelverwant scheinen nl. des ‘unterleib, schoss’, grundform 
*leuskio-, 8. Franck, Woordenb. unter ‘lies’ (*eus aus einem es-stamm, 
*letz)wes- mit übertragung des w» in die stammstufen -os bez. -us = 
*lewos, *lewus (schwed. liuske, liumske ist damit nicht identisch, s. Rietz 
410. Noreen, Pauls Grundr. 1, 465); ferner *agön in ags. /undlagan 'nieren’ 
(leuintiega Ahd. gl. 1,340, 4), ahd. lebarlago ‘uterinus’. Dann sind zwei 
wurzelvariationen, /eg- (Aayav) und legq- (*eus, -lago) leng- (lancha) an- 
zusetzen; vgl. Persson 2... 0. 


54 EHRISMANN 


afranz. hanche, nd. hanke (Diez s. ‘anca’. Bugge, Romania 3, 152. 
G. Meyer, IF. 3, 64), tirol. kenkel ‘schenkel’ vereinigen. Weiterhin 
lässt sich verwantschaft mit gr. xvnun ‘unterschenkel’, xvnuis 
‘beinschiene’, w. ken-, kne- bei Fick 24,95, vermuten. — Davon 
trennt Kluge (Wb. s. ‘schienbein’) ags. scie, sceo, scinu ‘shin', 
ahd. scina ‘schienbein’ und ‘nadel’, mhd. schine auch ‘schmale 
metall- oder holzplatte, -streifen, schiene’, und legt als wurzel- 
silbe sk?’- zu grunde. Und in der tat lassen sich aus der indog. 
w. sk(h)ei- ‘spalten’ (vgl. Persson, Wurzelerweiterung 43. 176. 
Prellwitz, Et. wb. d. griech. spr. s. ‘0yi5o’) diese wörter lautlich 
uud begrifflich, = ‘schmales stück’, erklären, vgl. gr. oyıvdaAuos 
‘gespaltenes und zugespitztes holz, pfahl’, oyidn, oxidas, oyita 
‘gespaltenes holz, splitter, scheit, schindel‘; lit. sk&da, skeara ‘span’; 
ahd, scit ‘scheit”. — Ags. scie, sc&o entspricht formal dem mhd. 
schie schw. m. ‘'zaunpfahl’, schweiz. scheie (DWb. 8,2418) ‘ zaun- 
pfahl, stacket’, scheieli ‘ein geschnitzeltes langes, schmales und 
dünnes brettchen’. Schie verhält sich zu schine wie mhd. bie 
zu bine, d.h. in schine ist wie in bine das n der schwachen 
decl. in den nominativ eingedrungen (vgl. Kluge, Wb. s. ‘biene’). 
Die zusammenstellung von schie mit gr. xi’o» ‘pfeiler’ (Bezzen- 
berger in s. Beitr. 1,333) ist unhaltbar, da xi@®» nicht zu xeio 
gehören kann. 


3. Got. ahd. skuft, an. skopt, mhd. schopf ‘schopf, 
haupthaar'. 


Die geschichte dieser wörter erhält nähere aufklärung durch 
beiziehung verwanter germanischer formen, als welche anzusehen 
sind: an. skauf, ags. sceaf, nl. schoof, ahd. scoub, mhd. schoup 
‘bündel, strohbund, garbe’, an. skufr *troddel, quaste’, ahd. scubil, 
mhd. schübel ‘büschel von haaren, wolle, stroh u. dgl., haufen, 
menge’ (Schmeller-Fr. 2, 362). Schopf ist also = ‘haarbüschel', 
wie noch jetzt schweiz. /Säp (vgl. Beitr. 14, 314. 341), und es er- 
gibt sich aus den verglichenen wörtern, sicherer als aus der 
blossen und allgemein gehaltenen ableitung von schieben, eine 
bestätigung der ansicht, dass darunter eine germanische haar- 
tracht wie die in büschel, knoten geflochtenen haare der Sueven 
zu verstehen sind (Feist, Grundr. d. got. etymol. 103). Uebrigens 
passt die bezeichnung ‘büschel’ auch auf die haartracht des 
königs Theodorich und der Ostgoten (Holtzmann, Germ. altert. 


ETYMOLOGIEN. 55 


249)1): aurium legulae (sicut mos gentis es!) crinium superjacien- 
tium flagellis operiuntur — also die ohrläppchen werden be- 
deckt von den herabwallenden haarbüscheln; und schliesslich 
überhaupt auf das lange, in locken herabfallende haar der freien 
germanischen männer und frauen (ags. /ri wif locbore, Grimm, 
RA. 286); skuft ist bei Ulfilas das haar der Maria Magdalene, 
die des herrn füsse trocknet. — Der bedeutung von schopf = 
‘haarbüschel’ entsprechen auch die mhd. glossen: coma: vlehte, 
zopf, schopff am pferd, schup an der stiren; cirrus: kroll, zopf, 
lock, harscopff (Diefenbach, Gloss. 134. 123). 


Mit schaub nun ist weiterhin verwant ahd. scobar, mhd. 
schober ‘schober, haufe bes. von getreide, heu’, ‘eine zahl von 
60 büscheln’ (Schmeller-Fr. 2, 361 f.; daselbst auch ein schober 
har ‘ein büschel haar’, also wie schopf). Die bedeutung von 
schober ‘heuhaufen’ führt zu aussergermanischen beziehungen: 
lit: kupeta ‘ein kleiner heu- oder strohhaufen’, kaupas ‘ein ge- 
schütteter oder zusammengescharrter haufen’, kupti ‘auf einen 
haufen legen’, ksl. kupü ‘haufe’, ezech. kupa ‘schober’. Mit 
diesen widerum ist längst ags. heap, ahd. hRfo, houf (= *kupn-) 
‘haufe’ zusammengebracht (kaufe eigentlich ‘zusammengeschich- 
tete menge von gegenständen irgend welcher art’, mundartlich 
speciell auch ‘heuhaufen’, Schweiz. id. 2, 1043; mhd. hüste ‘auf 
dem felde zusammengestellter haufen getreide, heu’, Kluge s. 
‘hauste’, also so viel wie schober; zu hauf binden ‘zusammen- 
binden, z. b. reisig in büschel’, Schmeller-Fr. 1,1056, kommt 
wider dem begriff von schopf nahe). 


Schopf, schaub und schober sind somit auf die sippe von 
haufen (zu ‘haufe’ neben ‘haarbüschel’ vgl. aind. stüpas ‘schopf’ 
und ‘haufe’, gr. x0p9vg ‘haufe’ und xopvußog “haarbüschel’) 
zurückgeführt. Fick 14,380 stellt diese letztere zu der w. geup- 
bez. geug- ‘sich krümmen, wölben’. Die bedeutungsentwicklung 
der eben behandelten wörter führt jedoch eher zu der grund- 
vorstellung ‘zusammenfassen’. So gehen lett. köpa ‘haufe’, 
köpina ‘garbe’, kapole ‘*kornhaufe’, kapet *anhäufen’ (Prellwitz, 
Et. wb. d. griech. spr. s. 'xanerog’, ‘'xonn’), sowie nslov. kopa 
‘schober’, czech. kopa ‘haufe’ u. a. (Miklosich s. ‘kopra’) auf w. 


!) Zu der haartracht der Sueben vgl. bes, Herm. Fischers artikel im 
Philologus 50, 379 f. 


6 EHRISMANN 

köp-, kap- ‘fassen’ zurück (Fick 1* 387), zu welcher die den 
oben angeführten wörtern zu grunde liegende w. keup- eine 
variation sein kann (beispiele ähnlicher wurzelvariationen s. bei 
Persson, Wurzelerweiterung bes. unter cap. II]). 


4. Nhd. schelle. 


Nhd. schelle ‘manica, compes, numella’ (DWb. 8, 2496), 
auch in handschelle, fussschelle, ist ein ganz anderes wort als 
schelle ‘campanula’. Der älteste beleg ist /uazscal ‘pessulum’ 
(DWb. 4, 1,1040 f. Ahd. gl. 1,553, 6), schelle ist iö-ableitung zu 
scal. Pessulus, pessulum bezeichnet einen hölzernen pfahl oder 
pflock, der als verschluss bez. als riegel verwendet wird, und 
wird anderweitig übersetzt mit ahd. plochili, crintil, Ahd. gl. 2, 
466, 31. 2,517,37, mhd. nd. mit rigel, grindel, klinke (schlag- 
baum), Diefenbach, Gloss. 431. Demnach ist /uazscal ein höl- 
zerner pflock als verschluss für den fuss, fessel. Etymologisch 
gehört scal zu lit. skala ‘span’, gr. 0x@Aog, ksl. korü ‘pfahl’, w. 
s-gel- ‘spalten’ (zu dieser w. vgl. Persson, KZ. 33, 285). Verschie- 
dene beispiele der verwendung von ‘pflock, holzklotz’ für ‘fessel’ 
gibt Liden, Uppsalastudier 83; vgl. auch an. knefill ‘pfahl, stock’ 
und ahd. knebil ‘knebel, fesselndes querholz, fessel’ (Kluge, Wb. 
s. ‘knebel’), — Zu scal (w. s-gel-) stehen noch mehrere mund- 
artliche oder als technische ausdrücke gebrauchte wörter in ver- 
wantschaftlicher beziehung, z. b. schale ‘im bergwerke hinter der 
verzimmerung eingeschlagene pfähle’, schalbreit (DWb. 8, 2064. 
2059), schalen ‘einfassung von brettern’, ofen-geschäl ‘stangen- 
werk um den ofen’, verb. (ver)schalen und anderes mundartliches 
bei Schmeller-Fr. 2, 394. 


5. Engl. scall grind. 

Engl. scall, me. scalle ‘grind, bes. kopfgrind’, scald, me. 
scalled ‘grindig’, schwed. skä/ “ausschlag um den mund’ (Rietz 
613), hess. schelle ‘'hauiblase’ (Vilmar 345. DWb. 8, 2492. 2496: 
‘eine art ungeziefer?’), bair. schelde ‘grind’ (Schmeller-Fr. 2, 406) 
— aind. kandu ‘das jucken, kratzen’, gr. xeiepog ‘aussätzig”, 
xelepia "aussatz’. Wurzel ist, wie Persson schon für aind. kandü 
festgestellt hat (Wurzelerweit. 38), s-gel-, gr. 0xaAAo ‘scharren, 
schürfen’, 


ETYMOLOGIEN. 57 


6. Schweiz. helm. 


Schweiz. helm ‘weisser fleck des viehs auf der stirne’, helme 
‘name einer kuh mit weissgeflecktem kopf’ (Schweiz. id. 2,1204), 
kärnt. helm ‘ochsenname’, helma ‘kuhname’ (Lexer, Kärnt. wb. 
138), schwed.hjelm, hjelma, hjelmig (Rietz 280. Nordlander, Svenska 
landsmälen 1, 396) — gr. xniag ‘blässig’ (al& nrıs xara ro ue- 
Torov onuslov Eysı tvAoesıdes), lat. cälidus ‘weissstirnig’ (vgl. 
Bezzenberger in seinen Beitr. 16, 246. Froehde ebenda 3, 290). 


7. Abd. stiura. 


Ahd. stiura, mhd. stiure f.t) ‘steuerruder’ und ‘steuer, ab- 
gabe’ ist ursprünglich, wie anerkannt, ‘pfahl, stab, stütze’ (w. 
st(h)eu- ‘stehen’), so z. b. in ahd. glossen als übersetzung von 
‘baculum, fuleimen’; (ga-)stiuren ‘fuleire, sustentare’. Die bedeu- 
tung ‘abgabe’ wird aus ‘stütze’ abgeleitet, indem dieses in ab- 
stractem sinne als ‘unterstützung’ gefasst worden sei. Die ent- 
wicklung der bedeutung von ‘stütze’ zu ‘abgabe’ ist indes m. 
e. nicht eine unmittelbare ideenverbindung, sondern beruht auf 
folgender zwischenstufe: lat. stips ‘geldbeitrag, spende, gebühr’ 
und stipes ‘pfahl, stock’ werden im mlat. durcheinander ge- 
worfen, vgl. Du Cange-Favre 7,600 a. b. Diefenbach, Gloss. s. 
‘stipes’ und ‘stips’”. Ahd. gl. 1, 252,5.6: stipis elimosina sliura 
alamosä, ebenda 8.9: stipendia munera stiura meta. Stiura ist 
eine wörtliche übersetzung von ‘stipes’, wie von ‘baculum, ful- 
cimen’, und tritt, da ‘stipes’ — ‘pfahl’ zugleich für ‘stips’ = 
‘geldbeitrag’ galt, auch für das letztere und ebenso für das 
davon abgeleitete ‘stipendium’ ein. 


8. Ahd. swirön. Mlat. adhramire. 

Das verhältnis von ahd. swirön ‘firmare, den besitz eines 
grundstückes bestätigen durch einen symbolischen act als wider- 
holung und vollendung der tradition’ (Schade 917) zu mhd. swir, 
schweiz. schwirren ‘pfahl’, ags. swer ‘columna’ (Fick, BB. 2, 341. 
Bugge ebenda 3, 110 ff.) erklärt sich aus dem gebrauch des szabes 
bei der traditio. Eine verwantschaft mit got. swaran ‘schwören’ 
(Grimm, RA.115) ist nicht anzunehmen. 

Auf dieselbe weise ergibt sich mlat. ad(c)hramire, adframire, 


1) Ags. sidor, ahd. auch stior-ruodar, Sievers, Beitr. 18, 415; an. styri. 


ale) EHRISMANN 


achramnire, afranz. a(r)ramir ‘festmachen, gerichtlich zusichern, 
zusagen, bestimmen’ (Schade 422. Graff 2, 504. Grimm, RA. 123, 
844; Kl. schr. 8, 260. Müllenhoff bei Waitz, Das alte recht der 
sal. Franken 276 f. Michelsen, Ueber die festuca notata 16. Schrö- 
der, D. rechtsgesch. 57, anm. 46) aus ahd. (k)rama ‘säule, stütze’, 
das begrifflich mit ‘stab’ gleich ist; vgl. adramire stabön (Müllen- 
hoff a.a.o.), per festucam adhramire (Michelsen a.a.o... Wenn 
got. hramjan ‘oravooon’, woran kein zweifel ist, mit recht zu 
ahd. (h)rama gezogen wird, vgl. Kluge s. ‘rahmen’ (kramjan von 
*hram- ‘pfahl’ wie gr. sravpom von otaveoc), dann ist J. Grimms 
zusammenstellung von adhramire und hramjan in formaler hin- 
sicht gerechtfertigt, aber begrifflich kann das fränk.-mlat. wort 
nicht direct in ununterbrochener ideenverbindung aus der goti- 
schen bedeutung abgeleitet sein. Dass dem adhramire ein sym- 
bolischer rechtsact zu grunde liegt, wie er oben nachzuweisen 
versucht wurde, deutet Müllenhoff a.a.o. an: ‘jedenfalls ist achra- 
mire ein terminus und zwar von sinnlicher bedeutung, der noch 
auf irgend einer symbolischen handlung beruht.’ — Deutsch 
anberaumen, zu mhd. berämen, ahd. rämen, ist wegen des anlauts 
mit adhramire nicht zu vereinigen. 


9. Mhd. dopfe, topfen. 

Mhd. nhd. dopfe, topfen *quark’, d.i. ‘die feste substanz von 
saurer milch’ (Schmeller-Fr. 1,615. DWb. 2, 1259) ist abzuleiten 
von der in gr. orupo ‘zusammenziehen, dichtmachen’ auftreten- 
den w. s-iuep-. Dass diese bewegliches anlauts-s hatte, geht 
aus der variation /ueg-, Iueng- in gr. oarro und ags. bwinzan 
‘zwingen’ (— ‘zusammenziehen, zusammendrücken’) hervor (vgl. 
Prellwitz, Et. wb. d. griech. spr. s. ‘sarro’). Dopfe, aus *tubhn- 
zu stamm *tubhen- ist die zusammengezogene, geronnene sub- 
stanz der milch (vgl. Grimm, GDS. 1007 f.). Zur bedeutungs- 
entwicklung vgl. lat. coagulum zu cogo; ir. gruth ‘geronnene 
milch, quark’ zu ags. crüdan ‘drängen’, engl. curd, me. crud 
‘quark’ (Fick 2*, 119); gr.yaAa Tgegpeıv ‘die milch gerinnen lassen’, 
eigentl. ‘fest, dicht werden lassen’, $g0ußog ‘geronnene masse, 
auch von der milch’, toogaAig ‘das geronnene, frisch gemachter 
käse’, 


ETYMOLOGIEN. 59 


10. Ahd. top/, kreisel. 

Ahd. topf, topfo, tof, mhd. topf, topfe!) ‘topf, kreisel’ ist 
gleichen stammes wie ahd. (ga-)iubili, mhd. tübel, bair. düpel 
(Schmeller-Fr. 1, 529), mnd. dovel, nl. deuvik, engl. dowel ‘döbel, 
pflock’2): der kreisel ist ursprünglich ein kleiner, zugespitzter 
pflock, vgl. mhd. zo/ ‘cylinderförmiges stück holz, klotz’, auch 
‘ein spielzeug’, nl. to/ ‘kreisel’ (102 j. dop ‘trochus, troperillus, 
turbo’ Hoffmann, Gloss. belg., Hor. belg. 72, 110), ahd. zeilo 
*turbo’ Ahd. gl. 2,660, 3, ist offenbar ein schreibfehler für z0llo; 
tirol. dözn ‘kurzer dicker holzschuhnagel’ und ‘kreisel’ (Schöpf 
87), sonst ‘kugel’ wie bair. dotz, andötschen (Schmeller-Fr. 1, 558), 
— dem mhd. in den wörterbüchern fehlenden totz, einer variante 
zu klöze im Cato ed. Zarncke S.32 (zu v. 95.96), aus *dockeze 
zu docke ‘walzenförmiges stück holz, zapfen’ (DWb. 2, 1211); 
dazu auch schweiz. tüsi ‘ein abgeschnittenes oder abgesägtes 
stück holz’ (Schild, Beitr. 18,323 anm. 2).?) Aehnlich ist auch 
düpel selbst ein kinderspielzeug (den düpel schlagen Schmeller- 
Fr. 1,529); und schliesslich sei noch auf schweiz. horniggle ver- 
wiesen, ein spiel, ‘wobei ein kleiner pflock emporgeschnellt wird’ 
bez. ‘wobei eine kugel auf dem erdboden mit stecken getrieben 
wird’ (Schweiz. id. 1, 151—153), von nickel ‘zugespitzter stecken, 
pflock’, sowie auf Edw. Schröders reichhaltige anmerkung zu In- 
golds Gold. spiel 74, 26. 


Mit iopf zusammengesetzt ist /opfeben, von einem platze, 
der so eben ist, dass ein kreisel sich gut darauf drehen kann. 


1) Ags. engl. {op hat das anlautende / wol durch verwechslung mit 
iop ‘spitze’ bekommen. 

%2) Dasselbe mit nasal. wurzel ist schwed. dymbel ‘nagel, dünner 
runder holzpflock’ (Rietz 108), dymmel in dymmelvecka (Tamm, Et. svensk 
ordb. 111), an. dymbildagar, dymbildaga-vika ‘charwoche’, genauer don- 
nerstag, freitag und samstag vor ostern, so genannt nach dem dymbil, 
dem holzschlegel (‘a wooden tongue’, Cleasby-Vigf. s. v., ‘en träkläpp’, 
Tamm a.a.o.), der in der charwoche an die stelle der glocken tritt, vgl. 
F.H.Schmid, Kultus der christkathol. kirche 2,504: ‘nach dem gloria der 
donnerstagsmesse bis zum gloria der osternachtsmesse vertreten hölzerne 
rätschen, die man dreht, hölzerne kläpperlein auf die man klopft’ [mhd. 
schnatertafel, Schröder, Ingolds Gold. spiel 68,3], ‘oder überhaupt ein holz 
mit dem man lärm macht, die stelle der glocken und schellen.’” Anders 
Kluge, Pauls Grundr. 1, 785. 3) Schwed. docka ‘kleiner pfahl’, 
Tamm, Ordb. 93, wozu noch an. dock, docka ‘a windlass’, 


60 EHRISMANN 


Die etymologie von tübel s. bei Fick, BB. 12, 162 und Vergl. 
wb. 1%, 466 f. 


11. Ahd. dola röhre. 


Ahd. dola ‘röhre, abzugskanal, dole’ steht im ablaut zu 
gr. 00Anv ‘rinne, röhre, kanal’ — *tuölen, und zu aind. tünas 
‘köcher’, fünavas 'flöte’, ksl. tulü ‘köcher’, nsl. tuljava ‘rohr am 
giessschaff’ (zu aind. (ünas — ksl. tulü vgl. Bartholomae, IF.3, 
186 f.). Der köcher ist, ebenso wie die flöte, ein röhrenförmiger 
gegenstand. So ist gr. oügıy& ‘jede röhre’, auch ‘speerbehälter’ 
und ‘flöte’ (Bezzenberger in seinen Beitr. 13, 299). ‘Röhre’ und 
der davon abgeleitete begriff ‘flöte’ sind ferner vereinigt in aind. 
nädi (Fröhde, BB. 3, 131), in gr. @vAog und in lat. fstula (Bugge, 
BB. 3, 97); vgl. auch aind. sushiras ‘hohl’, *höhlung', ' blasinstru- 
ment’; nl. pipe ‘pfeife’, auch ‘röhre, wasserleitungsröhre’, Som- 
mer zu Flore 2021. Nd. jahrb. 19, 31. afranz. trompe, ahd. and. 
trumba ‘posaune’, it. tromba ‘wasserröhre’, Mackel, Die germ. 
elemente in der franz. u. prov. sprache s. 24. 


12. Ags. dolz wunde. 


Ags. dolz, dolh, afries. dolg, dol(i)ch, dulg, dul(i)ch, ahd. tolc, 
mnd. do/k ‘wunde, schmarre’, afries. und mnd. auch ‘verwun- 
dung’ führt mit mundartlichem, hess.-nassauischen dalgen, talken 
‘prügeln’ (DWb. 11,100. Vilmar 65. Kehrein 1,401) auf eine in- 
dog. w. dhelgh- (oder dhelk-) ‘schlagen’. Dieses ist eine wechsel- 
form zu w. dhelbh- ‘graben’ |‘einschneiden, einschlagen’], vgl. 
Fick 14, 464, in ags. delfan, ahd. (bi-)telpan, mhd. telben ‘graben’, 
schweiz. tülpen ‘schlagen, prügeln’ (DWb. 2, 1509. Diefenbach- 
Wülcker, Hoch- u. nd. wb. 374. 878), nd. dölben ‘schlagen’, tirol. 
dalfer ‘ohrfeige, schlag auf den kopf’, wozu auch das von Lexer 
aus Langensteins Martina belegte aber nicht erklärte zolben (er 
wil si minne tolben = ‘er will ihnen die minne einbläuen’). Die 
begriffe ‘(ein)schneiden, (ein)graben’ finden sich auch sonst inner- 
balb ein und derselben wurzel nebeneinander, z. b. gr. xoAarto, 
lat. scalpo, sculpo neben gr. xoAagog ‘ohrfeige’, lit. kalti “schmie- 
den, mit dem hammer oder der axt schlagen’; w. bAher- “mit 
einem scharfen instrument bearbeiten, schneiden etc.’ und lat. 
ferio, an. berja ‘schlagen’ (Persson, Wurzelerw. 18 f. 104); w. 
s-ger- (Persson 29, 167); w. sik- (Prusik, KZ. 33, 157). 


ETYMOLOGIEN. 61 


Ags. dolz u.s.w. ist also zunächst eigentlich ‘schlag’, dann 
‘eine durch einen schlag hervorgebrachte verletzung’ mit dem 
metonymischen bedeutungswandel von der handlung des schla- 
gens zu der daraus sich ergebenden beschädigung wie bei ‘hieb’, 
'stich’, ‘schnitt’, ‘dutz’ (‘stoss und beule‘, DWb. 2, 1773); mhd. schröt 
(‘hieb, schnitt, wunde’); mhd. büsch (‘knüttel’, ‘schlag der beulen 
gibt’, ‘wulst, bausch’, vgl. KZ. 31, 281); mhd. kraz (‘einmaliges 
kratzen’ und ‘dadurch entstandene wunde’), ags. ben ‘wunde’ zu 
w. bhen ‘schlagen’, u.a. — Die in 1b. gemachte unterscheidung 
zwischen tolc und wunta: ulcus suo sponte nascilur tolc. Uulnus 
ferro fit et dicitur uunta Ahd.gl.1,295, 8--10 (vgl. Isidor, Or. 4, 
8,19), ist rein willkürlich: 7olc gilt auch für wunden, die durch 
äussere umstände veranlasst sind, es wird damit z. b. auch ‘livor’ 
übersetzt, ags. dolzbot (Schmid, Gesetze d. Angelsachsen, ÄBlfr. 23 
82) ist busse für verletzung durch hundsbiss, ags. dolzian, afries. 
doiga ist ‘vulnerare’ und ags. dolhslege ‘a wounding blow’, dazu 
vgl. noch die afries. compositionen bei Richthofen unter ‘dolch’., 


13. Obd. dollfuss und verwantes. 


Obd.dollfuss, dolschenkel ‘angeschwollener fuss bez. schenkel’, 
dölsch, dölschicht ‘geschwollen’, dölsche ‘geschwulst’ (DWb, 2, 
1228. 1233. Schmeller-Fr. 1,501. Schöpf 86; im schwäb. ist doll- 
fuss zum ‘stelzfuss’ geworden, Schmid 132. Birlinger, Schwäb.- 
augsburg. wb. 119; mhd. folvuoz ‘vatrax, vatricosus’) — zu gr. 
tuAn, ToAog ‘jeder wulst, wulstige erhöhung, schwiele, aufgeschwol- 
lene baut’, w. teu- ‘schwellen. Mundartlich gehen noch ablei- 
tungen wie tölzel, dülzel ‘beule, geschwulst’ (Vilmar 413), verb. 
dolzen ‘schmerzen bei eiterung in folge von quetschung’ (Schöpf 
86), schwäb. wochentölpel ‘geschwulst, die eine woche dauert”. 

Eine andere zur w. ieu- gehörige bezeichnung für ‘beule, 
geschwulst’ ist obd. düppel, dippel (DWb.2,1199.1567. Schmeller- 
Fr. 1,529. Lexer, Kärnt. wb. 77. Schöpf 95), zur wurzelvariation 
teubh- [teub-], Persson, Wurzelerw.55, lat.’über; da das deutsche 
wort nur auf eine w. teu- + labialsuffix zurückgehen kann, so 
gewinnt die nämliche voraussetzung Perssons für lat. iuber an 
wahrscheinlichkeit gegenüber der annahme, dass dieses aus 
*umr- zu tumor entstanden sei; zu letzterer vgl. jetzt besonders 
Osthoff, MU. 5, 85. 86.88 f. 111. 120. 

Gr. tvRoc bezeichnet auch ‘einen hölzernen pflock oder nagel', 


62 EHRISMANN 


— dazu tUAapogs —= uavdarog ‘türriegel’ —, womit im germ. 
in der bedeutung übereinkommen an bollr ‘balken, hölzerner 
pflock’ und ‘ruderpflock, dolle’, welch letzterer sinn in den neueren 
germ. sprachen allgemein ist, dän. to/, ags. boll (doll ‘scalmus', 
Wright-Wülker, Voe. 1, 289, 9), engl. thole, thow!, nl. dol, deutsch 
dolle, dule (DWb. 2, 1227.1509. Diefenbach-Wülcker 356. Nd. 
korrespondenzblatt 17, 13), dazu die lehnwörter finn. tuwlla, lit. 
tulis, dıles, dullai, franz. zolet, toulet; im tirol. ist {w! ‘stumpfer 
nagel’. Zu der einschränkung des begriffes ‘pflock’ auf ‘dolle’ 
vgl. Lid&n, Uppsalastudier 89; vgl. auch preuss. kalmus ‘stock, 
gr. oxaAuog ‘pflock, dolle’. Eine collectivbildung zu germ. *Dulaz 
ist m. e. mbhd. daz tülle 'pfahlwerk, zaun von brettern oder palli- 
saden’, mit anlautendem ? wie füsent, tiuisch, täht u.a. — Ob 
tvRos ‘pfloek’ und TvAog ‘wulst’ ursprünglich identisch sind 
(Prellwitz 8. tvAn), ist fraglich, da die die bedeutungsverschie- 
bung vermittelnden zwischenglieder fehlen; ein ähnliches ver- 
hältnis besteht zwischen mnl. konk ‘pfahl’ und fläm. hunke, engl. 
hunch ‘buckel, höcker’, vgl. Liden a.a.o. Jedenfalls sind die 
im DWb. 2, 1226 f. unter no.1—8 zusammengestellten wörter von 
‘dolle’ zu trennen, ebenso wahrscheinlich auch mhd. fülle ‘röhre'. 


14. Deutsch schnurren. 


Nach Lenz, Der Handschuhsheimer dialekt, nachtrag s.17 nennt 
man narr, narren solche blumenkohlpflanzen oder zwetschgen, 
welche im wachstum teilweise oder ganz zurückgeblieben, daher 
meist hohl und zusammengeschrumpft sind,!) dazu bair. ernarren 
‘stumpf, starr, empfindungslos werden’ (Schmeller-Fr. 1, 1754). 
Narr, ernarren stehen im ablaut zu nhd. schnurren, schnorren 
== 'zusammenschnurren, zusammenschrumpfen’, welches ein von 
dem ein geräusch bezeichnenden schnurren etymologisch ganz ver- 
schiedenes wort ist. Ernarren, schnurren sind, wie ags. sneorcan, 
ahd. (in-, pi-)snerahan, snerfan ‘zusammenziehen’, mhd. snerfen 
bes. ‘einschnurren’, an. snerkja ‘runzeln’, schwed. snurken (Jo- 
hansson, Beitr. 14, 329), norweg. snerpa ‘eintrocknen, zusammen- 
schrumpfen’ (Fick, BB.5,173) u.a. Ableitungen der w. s-ner- 
‘drehen’ (Fick 1, 503.575. Persson, Wurzelerw. 63), und zwar 


1) Auch schweiz. narr ‘kleine frucht, bes. von kleinen zwetschgen', 
Beitr. 18, 370. 


ETYMOLOGIEN. 63 


wahrscheinlich aus einer wurzelerweiterung s-ner-s, ähnlich wie 
marzjan, abd. merren zu w. mer-s. ‘Narr’, ahd. narro, mhd. 
narre, und snürrinc schliessen sich an eine andere sippe an 
(Persson, Wurzelerw. 32). Zur bedeutungsentwicklung von narr 
zu ‘zusammengeschrumpftem kohl, obst’ vgl. das verhältnis von 
gr. xoaußos ‘ein fehler des obstes, wenn es vor der reife ein- 
schrumpft’, zu deutsch schrumpfen, engl. shrink, bei Prellwitz, 
Et. wb. d. gr. spr. s. ‘xoaußog’, von w. s-g(e)remb und s-g(e)reng-, 
erweiterungen zu w. s-ger- ‘drehen, krümmen. 


15. Ags. sceolu schaar. 


Ags. scealu, sceolu, engl.shoal, a8. scola ‘schaar’ — zu aind. 
külam, ksl. koleno ‘familie, gemeinde’, gr. r&Aog ‘schaar’ u.a. 
bei Fick 1*,26.386 f, wozu auch lat. celeber ‘volkreich, zahl- 
reich’ aus *celes-ro-. Mit der einreihung von scealu in diese 
indog. sippe ist wol die ableitung von w. s-gel- im sinne von 
‘spalten’ aufzugeben (Persson, Wurzelerw. 107, anm.6) und scealu 
zu verbinden mit aind. carami ‘sich bewegen’, gr. nEio, n&louaı 
‘sich bewegen, sich an einem orte aufhalten, befinden, sein’, 
wozu Prellwitz gr. reAog, aind. kulam u.s. w: stellt. 


16. Md. häl trocken. 


Md. nd. häl, hel, nl. haal ‘trocken, dürr, mager’ (DWb.4, 
2,159, Schmeller-Fr. 1,1082. Franck 327, u.a.) hat eine neben- 
form mit anlautendem s: schal ‘trocken, dürr, leck’ (DWb,S, 
2056), schwed. skäll ‘mager’ (vom acker, von der erde, Rietz 614, 
wie haal auch in der Pfalz vom boden gesagt wird, s. Lenz, 
Handschuhsheimer dialekt, nachtrag s.8). Die bedeutung stimmt 
genau zu gr. 0xEAiom, Eoxnia ‘trocken, dürr, mager machen’, 
6xAngog "trocken, dürr, mager’ (y7, Aesch. Pers. 311), oxeAupgog 
‘trocken, dürr, hager’, 0xAnpoos ‘schmächtig’, w. s-kel-, s-klE-, 
während lat. calor, mit dem Franck a.a.o. haal zusammenstellt, 
im sinne weiter abliegt, aber doch verwant sein kann. 

Zu häl stellen Schmeller und das DWb. a.a.o. mbd. hellec, 
mundartl. obd. hellig ‘abgezehrt, abgemattet, müde, mit blödem 
magen, hungrig und durstig’, welche bedeutung wol eine spe- 
cialisierung aus der von Ahädl sein kann, vgl. bes. H. Sachs: das 
elend hat sie gemachet hager, ungstallt, hellich, dürr und mager. 
Eine solche findet dann auch statt in mhd. re ‘schwach, matt’, 


64 EHRISMANN 


wozu hellhungrig (Schmeller a.a.o.), an. helgradr ‘voracity'. 
Neben Ahöl gehen formen mit anlautendem s: schwed. skäll 
‘dünn, schwach, klein’, me. scheald ‘tenuis, depressus, bassus’, 
engl. shallom ‘seicht, untief; schwach, matt (a. sh. sound)’.1) In- 
dessen liegt es auch nahe, die mit s beginnenden wörter, also 
skäl u.8.w., und somit indirect auch Ahellig, hel mit alban. 
hote ‘dünn, fein, zart’ (Persson, KZ. 33, 235) zu verbinden. — 
Von dem zu hellig gehörenden verb (be-)helligen ist zu trennen 
helken ‘necken, foppen’ (DWb. 4, 2, 961.974), schweiz. heichen, 
helken, nach dem Schweiz. id. 2,1173 so viel wie ‘mit worten 
necken, hänseln, foppen, reizen, sticheln’, ‘plagen, von körper- 
lichen schmerzen’, ‘einen zur pflicht antreiben’, verwunden, ins- 
bes. ritzen, von dornen, nadeln, nägeln’ (heichen, schlan oder 
stossen), welche bedeutungen sich auf den grundbegriff ‘stechen’ 
zurückführen lassen, wonach das verb mit ksl. Akoljg ‘stechen’ 
zusammen zu der von Persson, KZ. 33, 284—290 behandelten w. 
gel-, bez. zu deren weiterbildnng s-gelg- (ebda.290) gehört. 


17. Mnl. sporkel februar. 


Mnl. sporkel m., mfr. nfr. westfäl. sporkel, spörkel, spurkel, 
spürkel m.f. 'februar‘, nl. sprokkelmaand, vgl. Weinhold, Deutsche | 
monatsnamen 56f. J. Grimm, GDS. 84—91. Franck, Et. wb. 
947. Kisch, Beitr. 17, 365. 366 f. — Gegenüber den erklärungen 
von J. Grimm (aus lat. spurcalia) und Weinhold (die springende, . 
berstende, d. i. die winterdecke durchbrechende, also die kraft 
des sich regenden lenzes, zu nl. nd. sprock ‘springend, brechbar, 
spröde’) scheint folgende etymologie den vorzug zu verdienen: 
sporkel u.8.w. ist eine ableitung (-al, -i, -w) zu lit. spüurgas 
‘pflanzenauge, spross’, gr. aonapayog ‘der erste pflanzenkeim, 
ehe die blätter sich entwickeln’, zend. cparegha ‘sprosse’, vgl. 
Fick 1,149.337.573. Bezzenbeıger in seinen Beitr.17,214. Spiegel, 
KZ.5,393f. Leskien, Bildung d.nomina 39[189]. Persson, Wurzel- 
erw. 128.169. Sporkel, februar, ist der monat, in welchem die 


1) Ob deutsch schal ‘matt, kraftlos, fad’ hierher gehört oder, mit 
mhd. schal ‘trübe’, schaln, verschaln ‘trübe werden’ identisch, auf den 
grundbegriff ‘trübe’ zurückgeht, ist kaum zu entscheiden. Schal ‘trübe’ 
stelle ich zu ksl. kali ‘kot, schmutz’, nslov. kaliti ‘trüben’ und den bei 
Fick 1*, 26. 378 angeführten wörtern. Verwantschaft mit gr. 0x0%7 (Franck, 
Et. wb. 8. ‘schelm’) ist nicht wahrscheinlich. 


ETYMOLOGIEN. 65 


bäume und sträucher die ersten keime und ansätze treiben.!) Einen 
ähnlichen metonymischen bedeutungswandel hat das ebenfalls 
auf die w. sp(h)ereg- zurückgehende engl. spring ‘the time, when 
young shoots spring’ durchgemacht. 


1) Auch im februar wird der winter ausgetrieben, vgl. Zs. fda. 
25,315. 


HEIDELBERG. GUSTAV EHRISMANN. 


Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. XX. 5 


TEXTKRITISCHE BEMERKUNGEN. 


1. Zur Krone Heinrichs von dem Türlin. 


Den verdorbenen und ungenügend herausgegebenen text 
hat Singer, Zs. fda. 38, 250—269 in einer menge von fällen 
richtig gestellt. Eine erneute lectüre des gedichtes hat mir 
noch eine anzahl von besserungsvorschlägen ergeben. An einer 
reihe von stellen bin ich von den conjecturen Singers ab- 
gewichen, was in jedem einzelnen falle zu bemerken ich jedoch 
unterlassen habe. 

47 power (P.) ‘arm’. — 92 für toubem (P und Scholl, toben- 
dem V, tobem Singer) spricht touben koln 104: ein feuer, das 
brennt, aber nicht leuchtet; vgl. Barlaam (Pfeiffer) 348, 26 f. 
des kleinen liehtes kleinen blic erleschen unde betouben. — 
129 Ziugei (Singer Zöuget) ‘legt zeugnis ab, beweist’, wie 109. 
132—136 Diu (lön 131 ist neutr.) ziehent näch der werlde kröne: 
Der sol man einez fliehen Und zuo dem andern ziehen, Daz im 
(V) daz werde bereit. Daz was min site von kintheit u.8. w.; 
man mit darauf bezüglichem pron. pers. (im) s. Haupt zu Erec? 
5238. Lambel zum Steinbuch 346. — 476—489 Artus sendet die 
boten in seine länder zu den Zuntväürsten ("vasallen’, vgl. bes. 
Seemüller, zu S. Helbling 1, 898. 2,419 u.ö. Kröne 3216 f. 5455. 
22492), die garzune anderthalben, d.b. in fremde, unabhängige 
länder; 486 ist mit Scholl die lesart von ? diu lant beizubehalten. 
Für diese auffassung — Singer nimmt das umgekehrte verhältnis 
an — spricht der gegensatz lantvrürsten — anderthalben. — 
743—46 interpunction: Vier gelate scharroten Brähten Artüses 
boten Üf den anger, von lanzen, Grözen unde ganzen u.8. W.; 
geladen von belegen das Mhd. wb. und Lexer aus Wigamur, 
dazu Warnatsch, Mantel s. 100; vgl. vol von, leere von, Haupt zu 
Erec? 7122; vol gestözen von 8. unten zu 17704. — 834 f. inter- 


TEXTKRITISCHE BEMERKUNGEN. 67 


punction: Ziner jeite, der ander vlöch, Disen der her wider 
zoumet (oder nach V: Der disen wider zoumet); ähnlich 12120 
Dirre disen hin swanc. — 880 1. Jemer. — 948 ranc (ranch V) 
ist in den mhd. wörterbüchern nicht belegt, aber offenbar — 
dem jetzigen bair. rank ‘schmal, dünn, schlank’, Schmeller-Fr. 
2,122; zu den etymol. verwanten s. bes. Franck, Etym.woordenb. 
unter rank (2). — 9i6 isvar (P) ist doch wol das ursprüng- 
lichere, nicht isenvar (V und Singer), gemäss isgrä 965; vgl. auch 
14169. — 983—986 interpunction: Näch einer merphossen (so 
Singer) Was ez vor salel gelän; Höch sam ein castelän Hinden, 
als ein delphin: hinter dem sattel war das ross hoch, wie die 
misgestalt 19836 f. ez was hinden satels höch, dar gein was ez 
nider vor. 

1336 verreit (V) zu verriden ‘abwenden’; riden auch 14303. 
14630. 19665, entriden 24892. 27300. — 1496 f. Und sol niht 
mit der rahen In stundelichen wider slahen, vgl. 78 und hät 
in schiere wider geslagen; zu stundelichen vgl. Beitr. 18, 216 f. 
— 1560 das richtige hat V: Wan (oder niwan gemäss P) ir 
schöz naz, nach 1559 komma statt strichpunkt. — 1574 mit 
alle nach V. — 1699 zu ze väre (ze vorn Singer) vgl. 1944, 
28025. — 1715 dä vor. — 1830 f. in klammer, tilge komma 
nach 1830 und punkt nach 1831. | 

2109 ]. unkünde ‘unbekannte gegend”. — 2135 statt niht 
enbern 1. lihte enbern; 2136 lambarie hat schon das Mhd. wb. 1, 
930® richtig —= lampride erklärt, demnach ist auch ster der 
fisch stör, sturio, wie das Mhd. wb.2, 2, 619® und Lexer angeben; 
interpunction von 2134—37 wie bei Scholl. — In 2175—78 
sowie 1559. 2665 f. und 2680 f. hatte schon Hahn die bessere 
interpunction gegeben (Wolf, Ueber die lais 378 ff.); 2177 ist 
entweder mit Singer zu lesen Künt ir baz siechen laben oder, 
unter verschmelzung des textes von V und P, Aünt ir baz iuch 
siechen laben,;, 2116—78 sind wol, wie 2173—75, eine anspie- 
lung auf Erecs abenteuer, nämlich auf die tollkühne gering- 
schätzung seiner verwundung, — 2255 Dupple (P) ist so viel 
wie franz. double ‘platierung mit silber oder gold, oder mischung 
von gold und andern metallen, unechtes gold’, also etwa gleich- 
bedeutend mit dem nachher genannten contrafeit, hier demnach 
ein unedles metall, überzogen (vermacht, 2254) mit einer gold- 
schicht, vgl. bes. Roethe zu Reinmar v. Zweter 81,1. Germ. 33, 

5* 


68 EHRISMANN 


376 f. — 2481 kost V, kuorent P, 1. kort. — 2037 ff. Müllenhoffs 
ansicht über diese stelle und einzelbesserungen s. bei Niedner, 
Das deutsche turnier 16—18. V liest anders als Singer angibt, 
die Österherren fehlen hier überhaupt gänzlich. Es scheint mir 
doch am wahrscheinlichsten, dass diese verse von Heinrich 
selbst verfasst und dass unter Österherren die ritter aus Österreich 
zu verstehen sind. Während in 2968—70 einige entfernter 
liegende landschaften nur flüchtig aufgezählt werden, wird von 
den Baiern und Friaulern ein specieller zug berichtet; zwischen 
diese hinein, 2980, stellt der dichter seine landsleute (hie ze 
lande),. und Kärnten passt örtlich gut in die nachbarschaft von 
Baiern und Friaul. Schon der umstand, dass auf das entlegene 
Friaul überhaupt im einzelnen eingegangen wird, zeigt ein in- 
teresse für diese gegend, welches wol bei einem manne aus 
Kärnten, dessen ritterschaft mit der von Friaul in regem ver- 
kehr stand (man denke an Ulrichs v. Lichtenstein brief, ge- 
richtet an die ritter, die ze Langparten und ze Friül und ze 
Kernden u.8.w. gesezzen sint, Ulr. v. Lichtenstein 162, 22—25) 
eher begreiflich ist als bei einem vom Sande. Die herren vome 
Sande sind hereingebracht aus Wigalois 8422—33 (Niedner 
2.2.0... Dass Denemarke 2945 hier nicht am platz ist, hat 
schon Müllenhoff (s. Niedner a.a. 0.) ausgesprochen; einen sinn 
gäbe Wan die von der Marke, wobei die Mark = Steiermark 
(vgl. Haupt zu Neidhart 102,32). V hat, wie schon Diemer (Kl. 
beiträge, Wiener SB. 11,249) vermutete, die stelle wahrschein- 
lich absichtlich weggelassen. 

Nach 3024 punkt; 3025 N läzen schenkel vliegen! — 3073 
Unz (V). — 3082. 83 umstellen; 3082 Der —= daz er. — 3323 
Wart von dem starken sliere: slier ‘schlamm’; das wild ist 
in die gewate, 3315 und 19, ‘lache’ (vgl. Bech, Germ. 24, 142) 
eingebrochen. — 3581 müez ez (d.i. sin geverte). — 3753 Smwie. — 
3759 erchenr V, merckener P, 1. erkomener ‘erschrocken’. — 3889 
Zuo sö ritterlichen schanzen; der unreine reim geslanden : 
schanzen ist, zumal bei einem fremdwort, dem dichter wol zu- 
zutrauen; schanze auch 10813. — 3923 Ich erbiut ez iu sö wol 
(erbeitez ivch V). — 3960 mit iuwern (V) wehen (wehen P) spein. 

4003 Gegenüber Singer’s erklärung von wende = ‘schande’ 
ist zu verweisen auf Müllenhoff, Zs. fda. 11,268 f. und die daselbst 
angegebenen eitate. — 4013 Ald daz ez schiere teite; teile = 


TEXTKRITISCHE BEMERKUNGEN. 69 


tagete auch 13138. — 4255 Vil garbe V (fehlt P) meint wol 
einfach vil gar w£, im ursprünglichen text wol nur gar we; mE 
von vrost, sneE auch 3344. 4328. 5370. 5377. — 4342 Smwaz de- 
heiner unwirdet —= unmwerl ist, was einem weib unangenehm 
ist, worüber sie ärgerlich ist; zu unwert ete. vgl. Bech, Germ. 8, 
472f. — 4438 das schwierige volde V, wuld P hat schon Lexer 
8. wulde mit den varianten zu Freidank 92, 9 /ullende, wulenden, 
wulleden u.s. w. zusammengestellt. Es ist wol zu lesen vflde, 
== vüllede, vülende, substantiviertes part. praes., oder eine direct 
zu vül gebildete dentalableitung; weiterbildungen von väl, faul 
sind in volkstümlicher rede häufig, vgl. bes. das Schweiz. id. 1, 
790 ff., z. b. /ulät ‘fauler mensch, faulpelz’ (vielleicht = fülaht?). 
Letztere bedeutung passt bes. an der obigen stelle im Freidank 
besser (der vülde im gegensatz zu än arebeit 92,7) als ‘zage, 
feigling’ (John Meier zu Iolande 5032). Dieses vAlde ist also 
etymologisch zu trennen von falten, wozu es J. Meier stellt. — 
4549 komma nach mir; der sinn von 4546—49 ist: ‘ihr erreicht 
mit der frage nichts weiter, das wisset, wie sehr ihr euch auch 
bemüht, glaubt mir, mit leichtfertigem gerede (mit lihter sage);' 
dann punkt, wie Scholl hat. — 4952 1. Des hät si lange wilen 
vor Sö vol enzündet Amor (oder enzendet wegen endet in V); 
die var. enzundte es P, endet ez V entstand wol dadurch, dass 
das original enzundz; (enzend;) hatte mit der abkürzung 3 = et, 
welche für ez gelesen wurde. 

5321 u/ ein wege V, uf einen wec P, 1. öfm wege; die hss. 
haben öfter ein oder einen, einem statt angehängtem m = dem, 
z.b. 2968. 6236. 9485. 9492. 9894. 11486; vgl. auch die ände- 
rung Singers zu 15304. — 5788 f. Do begunde er in verwäzen 
Denne er € tet verre baz;, zur stellung vgl. 15554 f. — 5791 
näher strichen: mit unrecht wird näher von Singer bezweifelt, 
vgl. zu diesem näher die reichlichen belege von Bech, Germ. 17, 
294—96, und jetzt auch Zs. fdph. 27,45. Der gebrauch hat sich 
noch mundartlich im schwäb. erhalten, wo z.b. geh näre so viel 
ist als ‘geh weiter, geh weg’, vgl. Birlinger, So sprechen die 
Schwaben s. 136. Zur erklärung des auffallenden bedeutungs- 
wandels geht Bech von ndch ‘post, pone, post tergum’ aus, Wo- 
nach näher so viel wäre als ‘hinter, weiter nach hinten, mehr 
zurück, beiseit, fort, weg’. Aber als comparativ zu ndch würde 
man nächer erwarten statt näher. Zieht man die scheinbar 


70 EHRISMANN 


sinnwidrigen volkstümlichen redensarten ‘komm doch weiter 
her, rück doch weiter her’ u. dgl. in betracht, so wird man 
in näher wirklich den comparativ zu nähe schen müssen. Die 
ursprünglich materiellen bedeutungen von näher, weiter, die 
richtung zum redenden hin bez. von ibın weg bezeichnend, sind 
abgeblasst und dann ganz geschwunden, geblieben ist nur der 
comparative begriff der relativen entfernung. Der sinn des ent- 
fernens (oder näherns) wurde ursprünglich genügend durch das 
verb bezeichnet (näher strichen, wichen, triben, nemen) 
oder durch adverbien bez. präpositionen (hin näher von....), 
was gelegentlich durch eine begleitende gebärde verdeutlicht 
wurde — 5930 es ist fraglich, ob mit Singer ein schwaches 
verbum freiben anzusetzen ist; 5936 ist iriben, also das starke 
verb, in derselben bedeutung durch den reim gesichert; treibet 
beruht hier wol auf dem gerade im bair. belegten übergang 
starker in schwache conj. im conj. prät., vgl. Weinhold, Mlıd. 
gr.2 8424 8.460. Bair.gr. 8323. Schmeller, Die mundarten Bayerns 
8 960. Schönbach, Zs. fda. 20, 187 f. 

6149 I. Da (V). — 6478 Gämein sin kraft gevienc, so viel 
als 6646 Sin kraft wider gewunne. — 6550 eigentlich gesweich 
(versweich V), vgl. Singer zu 6630; umgekehrt gesweich für ge- 
sweic 3555. — 6762 zufolge V: Dez entvon ich niht ist berzu- 
stellen: Z&z entohtl in niht; entoht ist in enivon eutstellt, indem 
ht als n gelesen wurde, vgl. die Hochzeit V 62 niuwen statt ni- 
weht, Ed. Schröder, Anz. fda. 17,298. helfen wird von P statt 
fugen eingesetzt auch 7748. 8024. 8154. 

7630 ff. interpunction: nach 7631 komma, nach 7632 punkt, 
nach 7635 doppelpunkt. — 7724 u. 26 das verbum, mas, ist 
zweimal gesetzt: es ist das erste mal zu tilgen, vgl. unten zu 
9577—79 u. 16323— 25. | 

8028 statt sines 1. si des; komma nach pflac. — 8077. 
mit V Swer stahel an blie ie gesleif; den stahl schleift man, 
niclit blei. — 8413 die lesart von VP, und, das Singer in vand 
ändert, widerspricht dem sinn nicht. — 8560 auch bier scheint 
mir die correctur Singers nicht nötig: ‘sobald Gawein siete 
sein wird wie bisher, so werden ihm Amurfina und das schwert 
gewähr leisten.” — 8798 pover V, paumwer P, 1. pour: pour pärät 
‘zum zeitvertreib, zur kurzweil, nach belieben’. 

Nach 9124 komma, nach 9125 punkt. — 9160 daz un- 


TEXTKRITISCHE BEMERKUNGEN. 71 


kunder ‘das untier’, vgl. 19629. 28704. 28708. — 9163 Die 
besserung Singers an den z&hen ist nur unbedeutend zu ändern 
in zen z&hen (zesehen V, zuo an den zehen P). — 9164 illich V, 


eislich P, 1. ellich, adv., = aäche ‘durchgängig’. — 9230 Wes 
‘weswegen. — 9286 s. Jänicke zu Biterolf 6413. — 9401 statt 
vil wirs 1. unwirs = unwirdesch ‘schandbar, hässlich. — 9577 
—9579 Und sin swester vor im, Diu hüsvrouwe Behalim, Saz in 
dem sal u.s.w.; zur tilgung des ersten saz in 9577 vgl. oben 
71724. — 9790 1. rotsche (P). 

10425 Von mir. — 10612 man erwartet bei /iu/ eine nähere 
ergänzung, wohin das volk lief; desbalb wird doch wol an die 
wer (Singer än) zu lesen sein: sie gehen nur an die brustwehr, 
nicht vür daz tor (10592). 

11002 f. wichen (so beide hss.): erblichen. — 11133 erber- 
miclich P, hertzenleich V, 1. bermecliche, vgl. barmekeit 11229. 
— 11205 vreiden “im übermut’. — 11290 gewehen (P) weist auf 
geruochen; hatte der grundtext gervchen, so konnte rv leicht 
als » und c als e verlesen werden. — 11346 leidechlichen V, 
trostmuoticlichen P, letzteres führt auf vrasimuntliche ‘freimütig, 
herzhaft. — 11724 gebaer V, berc P, 1. geberc, vgl. vrouwe 
Minne und ir geberc 8416. 

12548 Ze Karidöl unde az vgl. 16743, oder unde gaz;, das 
ungeheuerliche Karidohrebaz entstand wol zunächst dadurch, 
dass im urtext für und eine abkürzung, etwa 3 = lat. et, ge- 
braucht war.!) — 12855 wider, das Scholl streichen will, ist 
notwendig, vgl. auch 12930. 

12898—13505 und 14116—725 sind in D erhalten, wodurch 
die in P fehlenden reimverse (vgl. Reissenberger, Zur Krone 10 f.) 
413111®. 13215*®. 13464 °®, 13500* (in die lücke in D ergänze state). 
14156°. 14194 ®b, 14299, 14318° (14318 statt besühte D. 1. be- 
süfte) ergänzt und einige stellen gebessert werden, nämlich 12990. 
13248 (‘ohne einzuhalten’; tilge da in D). 13397. 13461 f. (wo- 
nach Scholls interpunction zu ändern). 14190.14254. 14480. 14526. 
14610 (l. wan er in kant). 14630—33. 

13205 f. Gäwein der vermezzen Sprach: ‘ich wil’ u.8.w. — 
13246 f. zeil (= zagel): geil; andere besserungsvorschläge machten 
Scholl, Reissenberger und Weinhold (Reissenberger, Zur Krone 


ı) [Wo gibt es aber eine solche in mhd. hss.? E. S.] 


12 EHRISMANN 


8. 7 anm.2). — 13327 doppelpunkt, 13328 komma; statt selege 
l. mit D solch, vgl. Singer zu 15407. — 13410 u. 13 tilge die 
klammern. — 13461 komma statt strichpunkt; er ist in 13462 
zu streichen (D). — 13797 verhiezet. — 13810 statt Die beide 
l. Die bet. — 13839 ze rehter diner & — 13896 näch statt 
noch. — 13971 statt alrerst |. schierest. 

14149 statt Zr vant (PD) 1. Zehant; 14151 Sach er. — 
14211—13 Smwaz er iemer moht erstrichen Und jenem moht ent- 
wichen, Daz tet er ime vliehen (vgl. Strickers Dan. 3387 f.). — 
14315 schuorte P, schut D, 1. schurgte. — 14438 unden ist druck- 
fehler, P hat fonden (D vunden). — 14668 komma statt punkt; 
der sark kam herab an der stelle, wo er sein gebet verrichtete. 
— 14722 punkt statt komma; 14723 f. 1. Dä gie Üf und ze tal 
Vrumer ritter diu burc vol; zu dieser construction von vol vgl. 
Haupt zu Erec? 2038. Lucae, Zs. fda. 30, 368. Zupitza zu Virginal 
311,9. — 14767 Ab dem halse. — 14783 f. Uz dem sal sie wider 
sigen, Dan(nen) sie wären gegangen. 

15355 punkt oder strichpunkt. — 15420 statt Mit. Mir. 
— 15430 ein sin kann bleiben, vgl. 18224. — 15681 mäze ist 
wol so viel wie ‘'masswerk’, nn eine abgemessene figur, das 
nämliche wie forme in der Erlösung 456 (wozu Bartsch in der 
einleitung 8. IV). 

16020 f. geschrei hat schon Bech, Germ. 7,494 in geschrä 
gebessert, ebenso 16021 wäzen in rezen. — 16323—25 Und 
doch beider reele Beidenthalben sint gelich Sunder schande tugent- 
lich; vgl. oben zu 7724. — 16337 zem andern. — 16376 enburte 
statt in burte. — 16382 1. schrä mit der hs. — 16468 tilge Und. 
— 16471 komma, 16472 Diu in wart geboten an. — 16505 
doppelpunkt statt punkt. — 16526 tilge er. — 16536 absatz, 
— 16538 gevüer ist nicht zu ändern: Gigamecs nutzen (sin 
gevüer) wurde es, dass Aamanz (er, 16539) von ihm (sin, 16539, 
d.i. Gigamec) abgelenkt wurde. Die undeutlichkeit der stelle 
beruht auf der verwendung der fürwörter statt der eigennamen, 
einer gerade bei Heinrich v. d. Türlin öfter zu bemerkenden 
stilistischen unart; so ist z.b. gleich darauf 16544 er der neu 
hinzugekommene ritter Zedoech, 16545 ist in Aamanz und er 
Gigamee; ähnlich in derselben episode 16673 ff., wozu Singers 
bemerkung (zu 16678); ferner 5584 ff. 8884 ff. 11499 ff. 18839 ff. 
21481 ff. — 16640 geuvmere (P) ändert Scholl in unmere, nahe 


TEXTKRITISCHE BEMERKUNGEN. 13 


liegt göumeere, das allerdings in den wörterbüchern nicht be- 
legt, aber eine leicht begreifliche zusammensetzung ist: es be- 
deutet ‘bäurische märe’, ‘yöumwische’, wie sie ein vilän führt. 
‘Daz geu sind die bauern’, Seemüller zu S. Helbling 2, 93 (s. auch 
zu 8, 858), ferner Haupt zu Neidhart 77, 18. Pfeiffer, Germ. 6, 458. 
Schmeller-Fr.1, 853 ff. DWb. 4, 1, 1521 f. — 16689 Waz ime hin 
z’in gewar. — 16922 Unter annabme von Singers besserung von 
nöt zu not ist doch die interpunction Scholls vorzuziehen. 

17076 gebinde. — 17155 statt nieman ]. niuwan. — 17159. 
—62 Ir keiniu sich dar an beirouc Noch der senelichen klage: 
Enstrit wären sie in bejage Dirre klage mit vlize. — 171167 statt 
wann ie (P) I. wen ie. — 17185 hie P, ie Scholl, 1. nd. — 17372 
—17375 etwa: Und kört gein einem castel Enbor, daz (nomi- 
nat.) ein rotsche sinwel, Diu Of was gedozzen, Het umbeslozzen. 
— 17431 Bi den vroumwen von (oder an) äventiure; interpunction 
8. bei Singer. — 17434—40 interpunction: wan ir kel Und ir 
zunge sint vil gezal Und prüevent dicke gelehters schal (Des sint 
sie ungehirme), Als in ein kleine wirme Gähes an dem libe ent- 
springt. Einiu sagt u.s.w. — 11651—55 DA häten mit schalle 
Die lantvürsten alle Heide unde trat, Ouch castel unde stat Be- 
vangen u.8.w. — 17697 statt balgen 1. bulgen. — 17704 statt 
wol 1. vol; die ledertaschen und säcke sind voll gestopft. — 
17885 statt iemittes 1. under diu, vgl. 11747. 

18210 u. 11 gehören zusammen, also nach 18209 strich- 
punkt, nach 18210 komma, nach 18211 striehpunkt. — 18224 
Gein dem kinne, vgl. Niedner, Das deutsche turnier 55 f. — 
18442 statt niergent |. nider. — 18754—58 interpunction: Und 
sint abe gangen Der künic und diu künegin Und die gesellen mit 
in Ir vröude (gen.), die sie sollen haben; Diu ist sö gar begraben 


u.8.w. — 18892 Als nu Angaras daz mere Umb sins bruoder 
(öt geseit (P). 
19037 Und lie ir harte wesen we. — 19053 Der si wol 


was ze prisen. — 19157 statt gewesen |. gewisse. — 19165 Und 
sie des gewissen kempfen hät, vgl. getriuwer kempfe 12636. — 
19188 zu mordes gat vgl. schon Haupt zu Erec? 2109 und Bech, 
Germ. 17,50. — 19497 statt sinic P (sinnec Scholl) ist wol zu 
lesen vinnic *finnig’. — 19585 statt nu 1. ie. — 19616 Smwenne 
ez spricht ‘sobald seine zunge es ausspricht’. — 19623 statt an 
linder rede |. Under der rede. — 19643 erniumet part. zu er- 


74 EHRISMANN 


niumwen, niuwen ‘zerdrücken, bes. auf der stampfmülile enthülsen’; 
erniuwen ist im Mhd. wb. und bei Lexer nicht belegt. — 19682 
äne gedrange, vgl. äne gedrenge 19718. — 19724 streiche und 
vür. — 19162—64 Und häten michel riuwe erliten Von stelec- 
lichem antragen Was in der nutze gar erslagen, ar xoıwoV. — 
19779—82 Dd man wilunt menscheit Vil wol mohte kiesen an; 
Der menscheit doch an gewan Den sige ein valscher schin. — 
19800 statt satel 1. zadel, vgl. Singers besserung zu 19822. — 
19829 Diu schüle ist hier ebenso wie in dem von Lexer 8. v. 
angeführten eitat aus Mynsinger eine geschwulst, denn diu 
schüle wird an dieser stelle der Krone ebenso durch ausbrennen 
curiert, wie es Mynsinger vorschreibt. Verwant mit mhd. schüle 
ist schwed. skylirur ‘auswüchse an den kinnladen beim vieh’ 
(Rietz 611) und skaul ‘desgl. beim pferd’ (Rietz 581), ferner 
ohne anlautendes s: an. haull, ags. heala, ahd. höla, ksl. kyla, 
lit. kuilä, kuile “bruch am unterleib’. Uebrigens stimmen die 
verse 19828 f. Dar under was im dicke gebrant Diu schüle, und 
mwangevleisch gesniten auffallend überein mit der beschreibung 
von Cundries mül, Parz. 312,9 nasesnitec unt verbrant, und es 
liegt die vermutung nahe, dass mit diesen beiden bezeichnungen 
ausgedrückt werden soll, das tier sei entstellt durch eben die 
in der Krone genannten operationen, schneiden des fleisches an 
der nase bez. wange und ausbrennen der kiefergeschwulst. — 
19854 Diu mang entstellt aus diu müch, müche, vgl. Lexer s.v. 
Jähns, Ross und reiter 1, 105. — 19856 Wurdic ändert Bech, 
Germ. 35, 343 in würbic ‘wirblicht, schwindlicht’, was gewiss 
einen passenden sinn gibt; da aber 19823 dem ross die be- 
zeichnung mort beigelegt wird, so ist hier vielleicht eher mürdic 
zu lesen ‘mit dem mort behaftet‘, das in houbetmürdec belegt 
ist (Lexer ®. v. Jähns 1,104). — 19860 kellic ist, wie ich ver- 
mute, — gallinc ‘mit der galle (beulen) behaftet’ (Lexer s. v. 
Jähns 1,106. Pfeiffer, Das ross im altdeutschen 12, 30); % statt 
g wie in kal für galle, 21847. — 19931 ez statt er. — 19983 
in statt im. 

20046 ie statt hie; 20047 Genuoge statt Das glück. — 20059 
— 20064 sinn: mancher brave mann kommt durch unglück dazu, 
dass er bloss aus mangel (niwan durch unrät) ein ding wert- 
schätzt, daz er von deheiner (statt reiner P) missetät hät, d.h. 
in dessen besitz er durch einen schlechten streich gelangte, der 


TEXTKRITISCHE BEMERKUNGEN. 75 


ihm gespielt wurde; so muss nun Gawein, nır weil er kein 
anderes pferd hat, das runzin wert schätzen, zu dem er durch 
Lohenis schlechtigkeit gekommen. — 20136—39 Unde wären 
ouch begarwe Enmitlten (oder Da enmilten) alumbe Üf gezogen 
Armbrust unde bogen, Von kunst dar under bestall, vgl. 20710 f. 
— 20364 f. Daz kleine was vergezzen, Sie weeren schöne und 
wol gekleit,; der satzzusammenhang geht über den abschnitt 
hinaus. — 20415 statt hie niht I. niene. — 20771—15 Smwie er 
sin niht enweste, Doch was sin triuwe veste; Daz er sin hete 
michel reht, Des west doch niht der guot kneht: Triumwe gelihen 
gelt speht. 

21118—21 Daz ir ie mohtet bejagen Dise gröze äventiure 
An valscher mere stiure. Waz obe mir ist gelogen iht? — 
21140—44 Sie ist clär unde smal, Von diu mügen die bluomen 
val Niemer werden ze deheinen ziten, Wan sie den anger witen 
Alle tage übervert. — 21154 also merre heisst ‘gleichgiltig, das 
eine so lieb wie das andere’, vgl. jetzt bes. Bech, Zs. fdph. 27, 
a6f. — 21283f. Der (wenn einer) sö gar näch Eren vert, Dä 
ist diu reise ane gewert. — 21437 Wie wenig P, tilge Wie. — 
21545 f. Daz ist unter guoten knehten Sprüche, daz wizzt ir 
wol. — 21599 f. etwa: Swer sus wollt erkennen Mich und mit 
minnen nennen, vgl. 21053 f. — 21658—60 Unz ich dem kampfe 
nähen bi Si, den wir beide hän Gelobet üf solhen wän, Daz ich 
iuch dä ze rehte beste. — 21155 Dan sie vor heten gesworn. 

22086 Zehunt ir süeze leichen, vgl.:22090. 22123. — 22355 
statt enwizzen diu kint l. gewizzeniu kint. — 22355 statt sie l. 
sich. — 22479 sinem geswien, d. i. Giremelanz. — 22682 Ich 
solt es E sille dagen, 22680—82 stehen gleichsam in paren- 
these. — 22686 punkt statt komma, 22691 komma statt punkt. 
— 22747 Sin selbes art, gemeint ist sin swester Soreidöz, 22750. 
— 22852 statt Der I. Dä. — 22956 Dar an guol vermilen wart. 

23015—20 Si sprach: Künec, sol ich hän Urloup miner sage, 
Daz iu dar an iht missehage, Ob ich ir © beginne, E die vrouwen 
al hie inne Mit (Singer) der künegin kumen dar zuo. (punkt statt 
fragezeichen). — 23232 f. Als noch genuogen Von minne wider- 
vert. — 23298 ein site. — 23465 unter annahıne von wal statt 
mä, wie Singer schön gebessert hat, ist wol zu lesen: Seht ir, 
daz mal geroumel; seht, seht ir 23279. 23884. 23917. 24008 
2.ö. in dem abschnitt der handschuhprobe. — 23819 statt in 


16 EHRISMANN 


niht 1. niene. — 23884 statt wes I. wie si. — 23923 Das lob 
Keiis ist ironisch, darum ist wider mich, das Singer für unwahr- 
scheinlich hält, nicht anstössig. — 23979 Zonen P, loben Scholl, 
l. leben; 23978 f. Und dä muoz mite gewert Sin, daz man leben 
sol besagt dasselbe wie die stelle Neidhart 44,14 dä mit wir 
unser mennescheit beruochen. 

24281—86 Wan daz mibes güele weiz, Daz nieman mac er- 
kennen Guoter noch entar nennen Übel und argez dä bi. 
Daz einz dem andern wider si, Daz ist der werlde kunt. — 
24361 —66 Den ir mit valschem gruoze Fimbeus nämt mit strä- 
zenroube Von der künegin urloube; Ob ir nu daz erarnet (Nü 
sit des gewarnet!) Wir müezen ez an sehen. — 24491 f. Deswär 
ir mwoene sunt (= sundei), Daz irs in kurzer stunt. Singer hat 
in der bemerkung zu 1559 einige reime mit ‘überschüssigem ?’ 
angenommen. Das wären, vom sprachgefühl des dichters aus, 
unreine reime. Die fraglichen formen, lauter 2. plur. des schw. 
prät., lassen sich aber aus der eigenheit der mundart, die starke 
synkopen liebt, erklären, also -tei >-t >-t. Diese reime sind 
1812—14 tät (= tätlet)) : spät : rät; 6189 f. seit(et) : diser arebeit; 
17265 f. tätleı) : rät; 19594 f. wolt(et) : solt; 21531 f. möhtlet) : 
töht; vgl. bes. Schönbach, Zs. fda. 20, 174, ähnlich Schönbach, 
Ueber Andreas Kurzmann, Wiener SB. 88, 812. Weinhold, BG. 
$ 284 und $ 302 (e. 304 unten). 

24613 Daz er des niht getichet Sö kintlicher missetält, 
dass er darum (weil ihn die tugend so ausgezeichnet hat) nicht 
büsst für so kindlichen fehltritt. — 24877 statt bi im 1. di mir. 

25710 iuch hete holden; einen holden haben vgl. 26085. 
— 25926 Her Parziväl, sö iu got!, vgl. 24573. 

26083 statt enzit |. emzige vder emzigen. — 26281 Wan 
daz muost et wesen. — 26330 statt Daz 1. Dö. — 26420 f. 
Sie mohten niht sin versparl, Ein teil ie offen wart; 26423 tilge 
Dä. — 26463 statt Die banekie 1. Durch banekte, vgl. 13724. 
20363. 25876. 29163. — 26469 etwa Daz ich dar (ge)tar ge- 
denken. — 26565 tilge komma, dxo xowov. 

27289 statt herze 1. herren; der umgekehrte fall in P, s, 
Singer zu 29664. — 27395 seige “tälchen, durch welches das 
wasser abfliesst, schlucht’ passt in die schilderung der örtlich- 
keit, also von ieiwederr seigen; zum reim i:: ei vgl. Reissenberger 
8.20. Seige s. Grafl’ 6, 131. Mhd. wb. 2, 2, 268. Schmeller-Fr. 2, 236. 


TEXTKRITISCHE BEMERKUNGEN. 17 


Lexer, Kärnt. wb. 230 (‘wasserscheide, bergrücken’). Buck, Obd. 
flurnamenbuch 256; seige zu sigen wie das in der bedeutung 
naheliegende gevelle (Haupt zu Erec ? 7876) zu vellen. — 27430 
statt Qznämen 1. vernämen. — 271432 f. Ich vermute Unde doch 
ermwunnen Sie nie an dem muote erwunnen trägt den sinn von 
erwunden ‘sie liessen ab, liessen nach’; es liegt entweder ein 
unreiner reim auf brunnen vor, oder es haben sich im sprach- 
gefühl des dichters die beiden lautlich einander naheliegenden 
präterita erwunden und erwunnen verwechselt; es gehen ja auch 
die bedeutungen von überwinden und überwinnen, verwinden und 
verwinnen in einander über; spec. zu erwunden — erwunnen 
(part.) vgl. Lexer 1, 701 f. Iwein, lesarten zu 6611. — 27508 f. 
Of sin spor Üf disem stege gemein punkt. — 27609 an daz 
(oder den) stat ‘ufer”. — 27636 Jeman ane hern ‘mit heer über- 
ziehen’; der reim ist hern : verwer(r)n. — 27669 Swaz an zouber 
gehört. 

28036 ninder ist entstellt aus vind ie, also: Als vind ie ir 
vinde tuont. — 28111 Jä kunde sie erweichen Einen stein od 
einen herten stäl, Daz si in erblicie z’einem mäl : Daz muost 
er haben unde Iragen ‘sie konnte einen stein oder harten stahl 
erweichen, im fall dass sie ihn nur einmal anblickte: das 
musste er haben und ertragen, d.h. das musste er sich gefallen 
lassen. — 28189 statt näch 1. nähe. — 28605 Manbur (P) bes- 
sert Krüger, Ze. fda. 32, 144 in man dar; noch näher liegt man 
Dir. — 28638f. ‘die nackt waren, wie sie ihre mütter zur 
welt gebracht’; 28640 ist abhängig von schensten in 28635, 
zwischen hinein ist in 28637—39 ein anderer gedanke ge- 
schoben. — 28932 statt Zie 1. Je, zu ergänzen ist nichts: ‘wenn 
je irgend einmal, so hättet ilır bei meiner herrin bereitwilligst 
gute aufnahme gefunden”. 

29158 ein gevilde ist adverb. accus. des raums zu schehen, 
ein gevilde schehen wie ein gevilde riten u.dgl., vgl. Haupt zu 
Erec? 3106 und Zs. fda. 3,268. Roediger, Anz. fda. 4,273. — 
29326—34. Klar wird diese stelle, wenn man niht in 29329 
streicht und die interpunction von Scholl beibehält: “der durst 
tat ihnen so weh, dass sie tranken, obgleich er es ihnen vorher 
verboten hatte; davon sanken sie in tiefen schlaf’ u.s.w. Der 
schreiber fasste fälschlich die worte daz sie trunken als von 
verbolen abhängig auf statt von sö harte we. — 29593 —96 


18 EHRISMANN 


Und nieman getörste erbarn Den gräl von gotes vorhte, Von 
diu er gar verworhle Daz goteliche tougen. — 29655 —59 Den 


beidiu ende noch zil Übel ieman künde geben — den verzigen 
wer daz leben Und die lebendic weren — Von allen ir swe- 
ren. Die vröuten sich von den meren. — 29718 komma statt 


punkt. — 29729 in. 


2. Der name des dichters des Schlegels 
(zu Germania 37, 181). 

Die belege für den heimatsort Rüdegers hat K. Roth in 
Herrigs Archiv 7,340 zusammengestellt. Beweiskräftig sind nur 
die urkundlichen schreibungen, nicht auch die der schreiber des 
Schlegels und der Heidin. Es ergeben sich die formen Hünk- 
hofen und Hunkhofen. Beide könnten zur zeit des dichters in 
gebrauch gewesen sein; die erste ist regelrechte entwicklung 
aus Hüninc-, die andere, wenn überhaupt die umlautsbezeich- 
nung nicht einfach weggelassen ist, ebensolche aus Hünunc, 
welches in Meichelbecks Hist. Frising. belegt ist (Förstemann, 
Namenb. 1,758). Ausschlaggebend aber ist, dass sich ein zeuge 
in einer Regensburger urkunde (1290—1293) mit eigener hand 
Rudg’ Huenchovaer £chreibt (Schmeller-Fr. 1, 1230), und dass der 
bairische weiler jetzt Zinkhofen, Hinkhof heisst (K. Roth und 
Schmeller-Fr. a.a.o. Bavaria, topograph.-statist. handbuch des 
königr. Bayern 5, 1,2, s.566). Der sicher beglaubigte name für 
Rüdegers heimatsort ist also Zünkhofen, wofür sich schon K. 
Roth und Goedeke (Grundr. 12,224) entschieden haben. 

Dass Haupt den dichter R. v. Yunk hofen nennt, war mir 
nicht entgangen, wie Sprenger, Germ. 37, 181 annimmt; ich habe 
ja Germ. 35, 403 u.a. gerade auf den artikel Sprengers (Germ. 
26, 104) hingewiesen, in welchem er auf jene schreibung Haupts 
aufmerksam macht. 


3. Zu Hermann von Sachsenheim. 


Mörin 340 Du magst dehaimm wol büchin sin ist für büchin 
zu lesen begin. Begein (begine) ist nach Schmid, Schwäb. wb. 
8.53, typisch geworden für ‘weinerliche, eingedumpfte weibs- 
person, die bald da bald dort aushelfend auch das geschäft 
der klatscherei treibt’. Der sinn ist also: ‘daheim kannst du 
wol ein rechtes klatschweib sein. Ueber begin vgl. noch 


TEXTKRITISCHE BEMERKUNGEN. 79 


Zarncke, Narrenschiff zu 102, 47. Kuhn, KZ. 11,59. Kummer, 
Anz. fda. 6, 342. J. Meier zu lolande 3133. — Die Strassbg. hs. 
hat statt begin beggari eingesetzt, wonach der vers nahezu über- 
einkommt mit 363 Ich main, du megst ain beghart sin. — 392 
hoczengail. D und druck haben richtig heizengeil. Heize ist 
‘elster’ (DWb,. 4, 2,1270), hetzengeil also ‘ausgelassen, üppig 
wie eine elster’, vgl. 891 schalkhafter dann ein aglaster, 4611 
aglaster mag ir springen nit lon. — 1050 f. Ich main üch, göltin, 
us der vest Der Sperberburg in Kriechen lant. Damit ist die 
sagenhafte sperberburg und ihre herrin in Armenien gemeint, 
vgl. Maundeville cap. 13, dazu Riegel, Die quellen von W.Morris’ 
dichtung The earthly paradise (Erlanger beitr.9) ».33—36. Schilt- 
berger hg. v. Langmantel 8.55 ff. — 4218 Studenrusz, |. Studen- 
vusz, der Stuotfuchs der heldensage als personenname bei Bac- 
meister, Germ. kleinigkeiten 46. 

Grasmetze 135 (Hätzl. 280°) wird erzählt, Petrus habe zu 
Rom einen krüppel geheilt. Dies beruht nach Martin (Mörin 
8.16) auf einer verwechslung mit der heilung des lahmen im 
tempel zu Jerusalem. Der grund zu dieser vertauschung der 
örtlichkeiten liegt wol in folgendem: Freidank stellt dieses 
wunder Petri der habsucht des pabstes gegenüber in dem capitel 
Von Röme (149, 5ff.) und aus dem zusammenhang dieser dar- 
stellung entstand bei H. v. Sachsenheim das misverständnis, dass 
das ereignis in Rom und nicht in Jerusaleın geschehen sei. Frei- 
dank war dem dichter bekannt, vgl. Martin, Mörin e. 26. 


HEIDELBERG. GUSTAV EHRISMANN, 


ZUM DEUTSCHEN VOCALISMUS,. 


2. Umlaut des iw 


Behaghel hat Germ. 34, 247 ff. eine von mir ebda. 34, 245 ff. 
mitgeteilte, aber nicht verstandene erscheinung — verschiedene 
mhd. formen für ahd. iu — aufs beste erklärt, indem er zwi- 
schen unumgelautetem iu (mhd. iu, schwäb. wi) und umgelautetem 
(mhd. &, schwäb. 35) unterschied. Seine entdeckung hat, wie mir 
scheint, nicht genügende beachtung gefunden. Bachmann hat 
sie z.b. in seiner mhd. grammatik nicht verwertet. Er steht 
noch auf dem alten durch Lachmann geschaffenen alemanni- 
schen standpunkt. Für Baiern-Oesterreich und Schwaben wüsste 
ich jetzt viel mehr belege für den umlaut des iu zu geben als 
früher;!) auch Ostfranken hat den umlaut besessen. In urkunden 
aus verschiedenen jahrzehnten des 14. jh.’s aus Eschenbach in 
Mittelfranken wird üö für umgelautetes iu, für unumgelautetes 
aber ui geschrieben, in Würzburg noch 1363 neu, aber zur. In 
der schriftsprache ist allerdings in Ostfranken das & mit iu 
bald zusammengefallen (in Würzburg wird schon 1289 für 
beide u 1299 ü, 1309 eu geschrieben; das gleiche gilt für Bam- 
berg). In der mundart geht aber die trennung noch heute über 
Östfranken hinaus. So ist in der Rhön das umgelautete iu ü 
(Arch, f. Unterfr. 7,164 ff.: Züthe, bedüt), das unumgelautete eu 
(eu, euch, yezeug); im Hönnethal (Sauerland, Humperts progr. 1, 28 
und 2, 20) ist das alte iu erhalten (und mit 2 zusammengefallen): 
ik kliufe kliebe, kriupe krieche, 2. pers. kluifest, kruipest; vgl. 
ferner gesuine gesicht, Zui leute; ferner dürften im Siegerländi- 
schen (Heinzerlings octavprogr. 8. 43) ning neun, {7 leute, ditsch, 


1) Die ältesten sind wol die von Braune als belege für ü aufgefassten 
formen (Ahd. gramm. $49a.1) der glossen K, Ka, des Tatian.; so auch 
Sievers’ Tatian ? $ 68. 


ZUM DEUTSCHFN VOCALISMUS. 81 


dittlich neben zuch zieh, für feuer als umlautsprodukte gelten 
trotz sdir steuer und zick zeug,!) da ning neun (ahd. niuni) 
neben nungze, nungzich doch kaum bloss analogie von 5, 15, 50 
sein wird. 

Die schreibung iu entstammt wol alemannischer gewohn- 
heit; bei den Alemannen ist iu und ü bald vollkommen .zusammen- 
gefallen. Es wäre recht interessant zu wissen, ob die nach- 
ahmung der alemannischen schreibung damit zusammenhänge, 
dass etwa die aussprache als & für feiner, höfischer galt. Sicher 
ist sie nicht so verbreitet, als es gewöhnlich angenommen wird. 
Leider ist auch Zarncke in seiner Nibelungenausgabe dem Lach- 
mannschen kanon gefolgt anstatt dem klaren lautverhalt in C. 
C scheidet nämlich iu und & aufs sauberste; ersteres ist iu, 
letzteres & oder u (d.i. ü, auch der kurze umlaut ist in der regel 
u geschrieben!).. Beispiele nach Lassbergs ausgabe (aus den 
ersten 15 aventiuren s. 1—219): 1) unumgelautes iu: feminin- 
endung -iu, diu (artikel), /riunde, triwen, iwer, urliuge, fiur, tiufel, 
hiute (heute), stiure,?) ich biute u.8. W.; — 2) 4, d.i. ö als um- 
laut des 0: irutinne (v. 7180 trutinne, 11718 trüten!), hute (dat. 
sing. 8.24), huten (dat. pl. 8.88), cruce, husir; — 3) u als um- 
laut. von iu: Zute(n) (plur. etwa 18mal, einmal im reim mit 
huten, der sing. steht wol 2.93 v. 3145: Ziut unde lant; hier ist 
iu natürlich am platze); aus späteren teilen vor allem Zunen, 
hunisch, gebuze, tvsch (Klage 4422), er enbutet (v. 10060). Er- 
wähnt mag werden, dass im text (v.2749) auch auenture (in 
den tiberschriften nur einmal, sonst mit iu) steht. Nicht ver- 
wendbar als beispiel ist iuch, da es zweifelhaft erscheint, ob 
umlaut hier möglich war; dass er: in /riuntlich fehlt (minde- 
stens an 4 stellen), mag auf rechnung des den begriff beher- 
schenden stammwortes zu setzen sein. Ob /uhte (öfter) als 
!ühte oder lühte zu lesen ist, lässt sich nicht entscheiden; 
in. beiden fällen bestätigt es die Behaghelsche regel; auch wenn 
es den umlaut entbehrt: denn nur wenn das wort im praes, 


[') sdir kann aber doch vielleicht umgelautet sein, vgl. ahd. siiura 
aus *stiurja, as. heristiuria, neben steora; entstehung aus der letzteren, 
seltenen form ist weniger wahrscheinlich. Für giziuc fehlt es allerdings 
an hinlänglichen grundlagen flir die annahme eines umlauts. E.S.] 

[?) Vgl. jedoch anm.1; kann, wie der herr verf. vermutet, das r 
den umlaut verhindert haben? E. $.] u a: 

Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. XX. 6 


82 BRENNER 


ganz mit sümen, vulen, truten zusammengefallen war, konnte 
es im praet. sich ihnen anschliessend iw durch 2 ersetzen; ziugen 
(8. 200) ist ahd. ziugön, also regelmässig.!) In den namen Ziude- 
gast und Ziudeger erwartet man umlaut; und in der tat erscheinen 
sie an der stelle, wo sie in das epos eintreten als Zudegast, 
Ludeger (v.1227 u. 1131) und später der letztere noch einmal 
so (v. 1339); sonst aber immer mit iu. Bei den — nicht ein- 
mal in oberdeutscher gestalt verwendeten — eigennamen möchte 
ich das schwanken nicht so schwer nehmen.?) Jede klare 
stichprobe beweist für den umlaut des iu in C mit ausnahme 
einer anzahl gleich zu nennender; nämlich (Avent. ı—xv sind 
wieder völlig ausgenützt): du ziuhest (2.4 u. 197), niwe (oft), 
tiure, getiuret (s.96. 168. 196 ö.), tiwrer (197. 198), ungehiure 
(8.157), er enbiutet (s. 131, auch 298. 289. 297 ö.), du biutest 
(8.205), si geniuzet (8.206), er vliuset (209), in späteren teilen 
auch kiuset u.a.; vielleicht wäre auch bei diu (dienerin) umlaut 
zu erwarten, doch ist hier sein fehlen leicht erklärlich. Die 
sicheren ausnahmen sind also 1) worte mit der verbindung zum 
und iur-, 2) zweite und dritte personen der starken verba. 


Ich habe in der 5. aufl. des Englmannschen Lesebuches 
die scheidung von C durchgeführt, aber formen wie tiure zu- 
erst für schreibversehen oder eigentümlichkeiten des schreibers 
von C gehalten und in täre u.s.w. geändert. Ich würde es 
jetzt nicht mehr tun, da sich die gleichen ausnahmen weit ver- 
breitet, ja in Oberdeutschland als regel zeigen und bis zur 
gegenwart sich fortsetzen. Vgl. biutet (: laut) Regensbg. urk. 
1281, Wiener he. des Heinrich von Freiberg betrewgt (chraütz, 
naün, taütsch, erlaücht, faücht, Pfeiffers Uebb.), Klosterneuburger 
Bertholdls.: ziuhet (wie fur, aber läut, chäusch, täülsch, bedäui); 
Pfründeordnung von Geisenfeld (Oberbaiern, 13. jh.) begeuzzet 
(aber Zeute, gereutt, vgl. chreutern), noch in einem Weistum 
von Winhering 1401—50 peutt (gegenüber läut :säw).®) Es 
ist begreiflich, dass der umlaut hier in den isolierten formen 


[") Vgl. jedoch 8. 81 anm.1. E.S.] | 

[?) Es liegt nahe anzunehmen, dass die namen zunächst in der echt 
nd. form (as. Ziudi-) aufgenommen, dann aber in der überlieferung halb 
den hochdeutschen parallelen (ahd. Ziut-) angepasst sind. E.S.] 

s) Schwäb. belege bei Bohnenberger, Schwäb. mundart s. 116 ff. 
B. scheidet aber umgelautetes iw nicht vom alten. 


ZUM DEUTSCHEN VOCALISMUS. 83 


aufgegeben wurde (wie in er fallt, wascht), aber ebenso be- 
greiflich, dass er vereinzelt sich erhielt: vgl. z.b. oben in C 
butet, Ernauer urk. (oberbair.) von 1329 peut. Würzburger 
polizeiverordnung v. 1372 verbütet.!) In den mundarten der 
gegenwart herscht bei weitem die unumgelautete form vor: 
bair.-Öst. froist, floigt, vadroisst; kruicht, valuist, guisst, schwäb. 
guisst, fruirt u.8.w.; der schriftsprache dürfte das mir einmal 
(bei Pailler, Weihnachtsspiele) aus dem Salzkammergut begeg- 
nete vabeit entstammen; wirklich umgelautet sind die oben aus 
dem Hönnethal beigebrachten formen, zweifelhaft die vogtlän- 
dischen (Hederich, Schönecker ma.) er bat bietet (wie Fachd 
feucht neben kraiz, daitsch). 

Vor r fehlt der umlaut des iu (aber nicht des 2!)?2) auch 
2.b. in der Klosterneuburger Bertholdhs. (tiurern), in der Wiener 
Titurelhs. (Pfeiffers Uebb.: riure, gehiure gegenüber küsch, 
lüten).. In den bairischen und schwäbischen maa. ist tuier, toier 
von Villach bis Ellwangen zu belegen; g’ruir wenigstens bai- 
risch; in der Sieggegend dagegen ist dir wol umgelautet, ebenso 
im südwesten in Reutlingen (Wagner, Lautbestand =. 100) und 
Münsingen (Bopp ». 60): dair, doch ist hier einwirkung des hoch- 
deutschen nicht ausgeschlossen. Nicht zu fiure gehört der orts- 
name Teuerling, der in den bair. urbarien Tiwerling, Taewerling, 
Teuwerling, Teevrling geschrieben ist. 

Vor w erscheint iu regelmässig in niuwe, niuwelich (aber 
neulich Regensbg. urk. 1283) und spriuwer; auch iuch darf wol 
hierhergerechnet werden; ich kann mich darauf beschränken, 
auf die mundartlichen formen nui, noi (noila neben nala), spruier, 
ui hinzuweisen, denen allerdings auch vereinzelt bairisch nai 
zur seite steht (bei Pailler in stücken aus Lienz und Villach; 
in Oberkärnthen); aber ich glaube hier bestimmt hochdeutsche 
einwirkung annehmen zu dürfen, da daneben auch irai treu 
(also ai für unumgel. iu) vorkommt. In Schwaben herscht nui 
und spruier. Wo ai erscheint, beruht es auf einem processe, 
der vom umlaut unabhängig ist, und z.b. auch bei aiber euer 
erscheint (Kauffmann, Schwäb. ma. s. 83. Fischer, Germ, 36, 418). 


1) Möglicherweise schon bezeugt in den Ker. glossen, wo dreimal 
zuhit steht, s. Kögel 8.22. Braune, Ahd. gr.8$ 49 a. 1. 

2) Vgl. aber für, gsprür, süd ne ma. (oberamtsbeschr.) für ___—--- 
fuir u.8.w. en 


or TIER 


* 
6 IV 


84 BRENNER 


Dass r und » die wirkung eines i hindern können, ist 
bekannt. 

Die regel lautet also: ahd. iu wird durch folgen- 
des i umgelautet in 4 ausser vor r und », der umlaut 
wird in Oberdeutschland beim starken verbum 2. kl. 
durch ausgleich beseitigt. 


3. Der umlaut der praeteritopraesentia. 


Oben ist wez ih, meg ih erwähnt. Dass hier, wenigstens 
im letzten wort, die enklisis den umlaut bewirkt hat, wird zu- 
gestanden; auch in deist aus daz ist wird umgelautetes dez 
stecken. Der umlaut durch enklitica geht aber weiter, und ist 
an anderen stellen viel besser bewahrt als in den angeführten 
verbalformen, die schon mhd. schwinden. Man nimmt, so viel 
ich sehe, allgemein an, dass wir künnen, müezen, dürfen, mügen, 
süllen, türren u.8. w. ursprünglich conjunctivformen seien. Auch 
Osthoff, Beitr. 15, 212 ff. ist der meinung. Nun ist der um- 
gekehrte ausgleich häufig: bair. /rois, schweiz. früs- durchs ganze 
praes., ebenso kum- bair., fränk.; der conjunetiv siegte aber, 
so weit ich den stoff eben überschaue, nur in verbindung mit 
anderen modi, also z.b. mit dem plural des indicativs und 
dem infinitiv; so bei hochd. fliegen, kommen. Warum sollte 
auch nur der plural den plural, nicht auch der singular den 
singular ergriffen haben (ma. i därf ist sicher nicht dem con- 
jJunctiv nachgebildet). Ich halte den umlaut für lautgesetzlich. 
Alle drei personen des plurals haben pronomina mit ö bei 
sich: wir kunnum, ir kunnut, sie kunnun oder kunnu(m)-wir, 
kunnut-ir, kunnu(n)-sie; das pronomen vermochte sich wol so 
eng im bewusstsein mit dem verbum verbinden, dass es auf 
den stammvocal des verbums wirken musste. Natürlich be- 
stehen aus den verbindungen her, in denen das pronomen mit i 
nicht folgte (zumal der 3. pl.) die unumgelauteten formen fort. 
Aber in wirklichkeit ist zwischen 1200 und 1300 der sieg der 
umgelauteten (ü-)formen entschieden. Unsere texte bieten in 
dieser richtung kein getreues bild, da ihnen hss. ohne genaue 
umlautsbezeichnung zu grunde gelegt sind. Am wenigsten ist 
süln, sültl durchgedrungen; es mag /f auch hier den umlaut 
gehindert haben; aber selten ist @ hier durchaus nicht. Ich 
habe mir belege für süm (schüln) notiert aus dem 13. u. 14. jh. 


ee (aa TU | 


ZUM DEUTSCHEN VOCALISMUS. 85 


aus Kärnthen, Oberösterreich, Oberbaiern; Regensburg, Augs- 
burg, Bamberg, Nürnberg, Würzburg, Bayreuth, Vogtland, Frei- 
burg i.B., Argau, Elsass; Naumburg; Prag. Wie weit heute in 
den mundarten unumgelautetes su/n geht, wird der sprachatlas 
feststellen. Im bair.-öst. herscht vu; aber dieses u ist wol aus 
ü entstanden: sü- wurde allgemein zu sü; der diphthong ü 
scheint durchweg unbequem gewesen und (wie öö&) durch wi er- 
setzt worden zu sein.!) 

Ich erinnere bei der gelegenheit daran, dass auch der 
conj. praet. kunde umgelautet gut belegt ist; das verschwinden 
des % in den bajuw. maa. mag durch lautliche momente unter- 
stätzt worden sein; mächtiger war aber wol die analogie der 
conj. wie Zuss, blub u.8. w. 

Wie in den ausgaben die hilfsverba den umlaut häufiger 
zeigen sollten, so auch das verb. komen; kömen und küme sind 
viel besser bezeugt als es scheint; xe ist eben nicht o, son- 
dern ö, ui nicht u, sondern ü geworden; dass das isolierte 
paradigma nicht überall sich so rein erhalten hat wie im bai- 
rischen, darf nicht wunder nehmen; Aimt ist aber heute z. b. 
noch in der Rheinpfalz und im sächs. Vogtland, im Altenburgi- 
schen erhalten. 


4. Die aussprache des & 


W. Nagls regel?) — wo & im Bair. zu ö (geschl. e) ge- 
worden ist, muss in der folgenden silbe (altes oder neues) ö 
gestanden haben — löste die frage für das bairische aufs 
einfachste. Wenn nur die jüngeren i so sicher wären! Dass 
die unbetonten vocale zumal nach hellen stammvocalen eine 
färbung annehmen konnten und oft wirklich annahmen, die als 
i aufgefasst wurden, haben vor allem Heinzel (Wortschatz des 
Wiener Notker) und Laistner (Zwiefalter Benedictinerr., Beitr. 
7,453 6.) erwiesen. Dass die als i geschriebenen laute aber 
wirkliche i waren und die wirkung von solchen ausübten, 
glaube ich aus zwei gründen nicht: 1) weil nur ein teil der 
hss. und diese nicht durchaus die auffassung als i zeigen, wäh- 
rend alte ö übereinstimmend so erscheinen, 2) weil sich sonst 


1) Ob nicht auch der auffällige umlaut des verb. (uon aus Iuon-ich, 
tso-mwir, tuot-ir stammt? 
2) Beitr. 18,262 ff, 


86 BRENNER 


keine wirkungen nachweisen lassen;!) weder in der heutigen 
aussprache (wo die infinitive z. t. auf -n, z.t. auf -a ausgehen 
und -äri zu -4 wurde, vgl. wöba weber), noch in irgend einer 
umlautähnlichen erscheinung; der jüngere umlaut des a z.b. 
ist von den jüngeren ö nicht bewirkt worden. Nagl glaubt 
das zwar, aber sein system, wonach im bair. die erhaltenen « 
altertümlich, die e (ö) dagegen erst jüngeren ursprunges und 
gerade durch die jüngeren ö hervorgerufen seien, widerspricht 
den klaren überlieferungen und der parallele des @-umlauts 
so entschieden, dass noch ganz andere gründe dafür beigebracht 
werden müssten, um es nur einigermassen annehmbar zu machen; 
Nagl muss die orthographie in Baiern und Oesterreich völlig 
isolieren und z.b. den vom 8. jlı. ab geschriebenen e in Baiern 
die bedeutung d aufzwingen, um mit seiner theorie durchzu- 
kommen. 

Aber auch zugestanden, die ; z.b. der infinitive Jesin, gebin 
hätten assimilierende kraft geäussert, so wären damit die bai- 
rischen formen ös = ‘er’ und ‘ihr’ (ahd. &z) nicht erklärt, ebenso 
das adverbielle wök = weg, auf das man wol nicht die dativ- 
theorie Nagls wird anwenden dürfen, da das wort seine eigene 
geschichte auch in quantität und auslaut hat; auch bei öpps 
‘etwas’ wird das ‘jüngere’ i kaum beigezogen werden dürfen. 

Zu dem allem kommt, dass in dem neuen bairischen vocal 
vielleicht gar keine ;-wirkung steckt; mir scheint gerade die 
charakteristische hebung der vorderzunge zu fehlen, der eigen- 
tümliche laut ist nach meinem gefühl eine mischung aus d 
und o mit derselben verschiebung der zunge nach rückwärts 
und verlängerung des mundcanals, wie ich sie für das bairische 
ö und ü in Baierns mundarten 1,300 ff. beschrieben habe. 

Zur entscheidung der frage, von der wir noch weit ent- 
fernt scheinen, ist es nötig, die bair.-Ööst. untermundarten genauer 
zu durchforschen. Sie weichen nicht unbeträchtlich von einander 
ab. So lautet z.b. gerade das von Nagl angeführte bedin in 
Kärnten bedin (Lexer); im Innviertel heisst es glegn, brett, im 
Traunviertel glögn, brött (Fellöcker, Gsanger 2,xxıv), im Nord- 
gau der fleg, pl. di flek. 


ı) Nagls neuerdings in diesen Beitr. 19 vorgebrachte ansicht, dass 
ai durch die unechten ; beeinflusst worden sei, kann ich nicht als beweis 
ansehen; 3. Beitr. 19, 4721. 


ZUM DEUTSCHEN VOCTALISMUR. 87 


Ohne der untersuchung eines meiner ehemaligen zuhörer vor- 
zugreifen, möchte ich den eindruck, den mir das material macht, 
so angeben: die veränderung von & in e (ö) ist die regel, er- 
haltung des offenen lautes ist durch hindernisse bedingt, nicht 
umgekehrt der übergang durch besondere förderung. Bei den 
von Nagl einander gegenüber gestellten worten scheg, z&chad, 
bedin : speg, dreg geben die ahd. formen skecho, zehanto, betalön : 
spek, drek viel bessern anhalt als die mhd. mit den problemati- 
schen dativen auf i.!) Uebrigens wären die ahd. formen ebenso 
unbrauchbar als die mhd., wenn die laute einer sehr behutsam 
geschriebenen Münchner urkunde von 1328 (hl. geistspital), die 
auch sonst nicht ganz unerhört in Baiern sind: & nicht bloss 
in gelten, empfälhen, sondern auch in geben (partic.) als all- 
gemein bairisch gelten dürften, wenn also die geschlossene aus- 
sprache erst nach jener urkunde aufgekommen wäre. Liegt 
hier vielleicht anlehnung an schwäbische schreibweise vor, wie 
umgekehrt in Augsburg 1282 p/oeffer, soehen sich finden, die 
bairisch aussehen, aber allerdings in den hunderten von bairi- 
schen urkunden der zeit, die mir durch die hand gegangen sind, 
nicht ihres gleichen haben? 


WÜRZBURG. O0. BRENNER. 


ZU BEITR. 19, 467 ff. 


Auf den wunsch A. Heuslers teile ich mit, dass ich seine 
ansicht über die entstehung der ‘4-hebigen’ halbzeile in der 
Nibelungenstrophe unrichtig dargestellt habe. Sein satz (s. 123 
seiner abhandlung): ‘aber auch die Nibelungenstrophe mit ihrer 
schlusszeile von vier hebungen war nicht von allem anfang an 
vorhanden’ sagt nicht: die vier hebungen waren eine spätere 
entwicklung, sondern: ihre ausschliessliche verwendung in 
der 8. halbzeile ist nicht das anfängliche. Ferner hat Heusler 


1) Auch auf den unterschied der consonanten in söks, zöni einer- 
seits, sexzen, zexad andrerseits ist aufmerksam zu machen. 


88 BRENNER, ZU BEITR. 19, 467 ff. 


nirgends ausgesprochen, dass er sich die 4. hebung ‘angeflickt’ 
denke. Offenbar aber denkt er sich in den s. 134 ff. aufgezählten 
fällen!) z.b. den vers *von zweier frouwen nit durch hinzuthun 
einer vierten hebung in von zweier edelen frouwen nit und sit 
von zweier frouwen nit gewandelt. Wenn bei ihm hier der volle 
ausgang | xx aus dem stumpfen |x gemacht wird (s. 133 ff.), 
so heisst das doch: die veränderung ist durch verlängerung 
um einen halbtakt vollzogen worden; das halte ich aber für 
unrichtig; der ausgang, der letzte takt ist gleich geblieben | _ | 
nit; der rhythmus des ganzen verses — bis auf das stück vor 
der ersten (haupt-) hebung — ist gleich geblieben. Will man 
den unterschied durchaus in den letzten takt bringen, dann 


muss es heissen: aus | 7 ist | xx geworden. 


1) Andere 4hebige "strophenschlüsse sieht er für alt auch im Nib.-. 
an, nicht bloss überhaupt wie ich. . 


WÜRZBURG. O0. BRENNER. 


Amin le ie — —— ARE EEE a _ il 


TE TJSVwYVYVY JE — — 


-_ ETYMOLOGICA IL. 


(Fortsetzung von Beitr. 13, 395 ff.) 


16. Got. frasts. 


Das got. /rast-s ‘kind’ kommt in den zwei belegen /rasti-m 
dat. plur. 2.Cor.6, 13 und frasti-sibja comp. Röm. 9, 4 vor, wo- 
durch die zugehörigkeit zur i-deelination feststeht, nicht jedoch 
das grammatische geschlecht; dass das letztere ebensogut das 
feminine, wie nach gewöhnlichem ansatze das masculinum, 
gewesen sein könne, bemerken Pott, Etym. forsch. 12,529, 22, 2, 
1322 und Kluge; RZ, 25, 313, 

Was die etymologische herkunft des wortes betrifft, so > sind 
mir vier verschiedene deutungsversuche bekannt, die heute der 
widerlegung wert erscheinen können, zum teil übrigens auch 
einen richtigen kern enthalten. 

Pott, Etym. forsch. 11, 214 f, 12,529. 22,2,1322 f. nimmt 
vergleichung mit dem aind. pra-sß-ti-sh f. ‘das erzeugen, gebären, 
werfen, kalben, eierlegen, geburt, entstehung’, ‘erzeuger, erzeu- 
gerin’, ‘kind, nachkommenschaft, progenies’ vor; darnach würde 
also got. /ra-s-t-s auch mit su-nu-s ‘sohn’ wurzelhaft zusammen- 
kommen. . Aber ‘den ausstoss von u’ wird heute niemand mehr 
glauben. Verwertbar jedoch bleibt, wie wir sehen werden, der 
gedanke Potts, dem auch schon Diefenbach, Vergl. wb. d. got. 
spr. 1,400 f. bei sonstiger polemik gegen die ‘scharfsinnige, 
aber gewagte’ Pott’sche erklärung die anerkennung nicht ver- 
sagen konnte: dass auch in got. fra-st-s das praefix indog. pro- 
‘vor, hervor’ = got. fra-, aind. pra-, avest. apers. /ra-, griech. rgo-, 
lat. pro-, air. ro-, abulg. pro-, lit. pra- begegne; und es sind da- 
für passende begriffsparallelen die meist auch von Pott selbst 
namhaft gemachten lat. prö-genies, prö-säpia, prö-creätio, pröles, 
pro-pägo pro-päges, aind. pra-j@ f. ‘nachkommenschaft, kinder, 


90 OSTHOFF 


familie’, auch unser fremdwort pro-duct und der entsprechende 
gebrauch seines quellworts lat. prö-dücere. 

Nach Kluge a.a.o., dem Stolz, Iw. Müllers Handbuch d. 
klasse. altertumswiss. 22,292 und Conway, IF. 2, 157.166 sich 
anschliessen, soll frast-s seine nächste entsprechung in lat. 
pröles f. ‘sprössling, kind, nachkomme’ haben; pröles beruhe auf 
einem *prödi- aus *prozdi- — got. frasti-. Dagegen schon Froehde, 
BB. 16, 208: lat. pröles hat unmöglich ein aus -d- entstan- 
denes -/-, denn daran, dass es in alter weise aus *pro-ales, 
richtiger nach Lindsay, The Latin language 345 aus *pro- oles, 
zu deuten und sammt den gleichgebildeten sub-oles und ind- 
oles zu alere ‘gross ziehen, nähren, füttern’, ad-olöscere ‘heran- 
wachsen’, got. ags. alan ‘wachsen’, aisl. ala ‘gross ziehen, er- 
nähren’, ‘gebären, erzeugen’, air. no-t-ail ‘alitte’, gr. homer. 
av-aAro-s ‘unersättlich’ zu beziehen sei, ist gar nicht zu rütteln. 

Mit Pott berührt sich in der annahme des praefixes pro- 
— got. fra-, mit Kluge aber in der aufstellung desselben laut- 
lichen requisitums *prozdi-s für frast-s Feist, Grundriss d. got. 
etym. 37 f.: sein *pro-zd-i-s soll ‘das in die welt gesetzte’ sein, 
die wurzel sei das indog. sed- von got. sitan ‘sitzen’ und satjan 
caus. ‘setzen’. Das ist begrifflich zu gekünstelt; ein ausdruck 
für den vorsitzenden, lat. praeses, gr. ne0oedpos mochte wol 80 
entspringen, nicht ein solcher für den begriff ‘kind, nachkomme”. 

Eine mehrzahl von gewährsmännern tritt für eine vierte 
etymologie von /rast-s ein. Leo Meyer, Die got. spr. 75. 9. 
284 vergleicht lat. par-io, parere ‘'gebären’, ebenso James Byrne, 
Origin of the Greek, Latin, and Gothic roots 144; ebenso, nur 
noch mit weiterer herzuziehung von lit. per-iü per-e'ti “brüten, 
hecken’, per-a-s ‘brut der bienen’, gr. xög-ı-s und Rop-Tı-g 
‘junges’ von tieren und menschen, ‘junges rind, kalb’, ‘junges 
mädchen, sohn’, roo-tT-a& ‘junges rind, kalb’, auch von mhd. 
md. mnd. verse, mnl. vaerze f. ‘färse, junge kuh’, ahd. /ar (plur. 
farri ferri), ags. fearr m. und alıd. farro, mnl. mund. varre, aiel. 
farre m. ‘(junger) stier’ u. äbnl. mehr, O. Schade, Altdeutsch. 
wb.2 161°. 220%, Fick, Vergl. wb. 1,480, Froehde, BB. 17, 304 
und Prellwitz, Etym. wb. d. gr. spr. 260. Froehde und Prell- 
witz sind sogar geneigt, unser /rasi-s und gr. xoprı-g für ein 
und dasselbe wort zu halten und xoprı-s auf ein *ropo-rı-c 
zurückzuführen, was lautlich allenfalls zulässig erscheinen 


ETYMOLOGICA. 91 


könnte (vgl. Joh. Schmidt, KZ. 27, 319, Brugmanı, Iw. Müllers 
Handbuch d. klass. altertumswiss. 22, 71, Solmsen, KZ. 29, 117), 
aber schon allein wegen der das -o- nicht kennenden griechischen 
nebenform röp-ı-s sich als misslich erweist. Mich bedünkt, 
dass diese ansicht von got. /rast-s sich nur so zur not recht- 
fertigen liesse: germ. */rasti-z sei in */r-as-ti-z = indog. *pr-os-ti-s 
zu zerlegen, dieses eine mit secundär angewantem suffixe -ti- 
vollzogene ableitung aus einem alten -es-neutrum *p(e)r-os “her- 
vorbringung, erzeugung’ gewesen; und für die annahme des 
letzteren könnte man einen stützpunkt in der -s-bildung der 
genannten germanischen wörter für färse und farre als ent- 
wickelungen aus *fär-s-jo- und *far-z-ü-, *far-z-en- zu finden 
meinen. Eine derartige bildungsweise nach art des voraus- 
gesetzten *pr-os-ti-s gibt es ja im indogermanischen, und ver- 
einzelt ‘mögen stämme auf -es-ti- -os-ti- in die zeit der idg. 
urgemeinschaft hinaufreichen’, wie nach Brugmann, Grundr. 2 
8101 8.289 f. $ 132 8.396 die beispiele abulg. g20sti f. ‘enge, 
beengung’, ahd. angust f. ‘angst’ : aind. dmhas n. ‘angst, be- 
drängnis, not’, avest. @z6 n. dase,, lat. angor, angus-t U-S, UNX-iU-S, 
lit. kalbesti-s £ ‘rede’ : kalbes-i-s m. 'redensart’, kalbes-e f. ‘rede’ 
u.a. mehr annähernd wahrscheinlich machen können. Aber 
einfach wäre, wie man mir zugeben wird, solcher weg der 
vermittelung des got. frast-s mit der wurzel per- von lit. per-iu 
per-& ti, lat. par-io u.8.w. immerhin nicht. 

Wenn wir vielmehr den von Pott gewiesenen weg des ver- 
ständnisses von /ra-st-s, dass darin gemäss den analogien aind. 
pra-sü-ti-sh, lat. prö-yen-ie-s u.s. w. das praefix indog. pro- und 
eine nominalbildung aus einer ‘erzeugen, gebären’ oder ähn- 
liches bedeutenden wurzel stecke, inne zu halten suchen, so 
kann man auf zwei verschiedene neue auffassungen der ety- 
mologischen herkunft des gotischen wortes kommen, die beide, 
wie mir scheint, allem bisher vorgebrachten vorzuziehen sind, 
zwischen denen selbst aber mit aller bestimmtheit die entschei- 
dung zu treffen ich nicht ohne weiteres wagen möchte. 

Erstlich, Pott erinnert, Etym. forsch. 12,529. 22, 2, 1323 
bei erörterung unseres got. /ra-st-s auch an aind. s-iri ‘weib’, 
‘eig. genitrix’; freilich in dem sinne, als sei dieses ‘für den 
ausstoss von u [in der wurzel s@- von aind. pra-sü-ti-sh, got. 
su-nu-s) .... ein sicheres beispiel. Nun hat aber den wahren 


92 OSTHOFF 


ursprung des aind. s-ir- und avest. s-tr-i ‘weib’ meines er- 
achtens überzeugend Joh. Schmidt, KZ. 25,29 (vgl. auch ebend. 
8.36 anm.?2) aufgeklärt: es gehört zusammt dem aind. ved. 
sä-tu-sh m. *mutterleib’ zu der wurzel sö- ‘säen’ von lat. se-ro, 
se-vi, sa-tu-s, air. si ‘same’, got. saia, abulg. sejg, lit. se’-ju 
‘ich säe’, lat. semen, asächs. ahd. sämo, abulg. söme ‘same, saat’, 
lit. se'men-s plur. ‘saat’, aisl. sad, ags. sd, asächs. säd n. ‘saat’, 
abulg. na-setü ‘besät’, got. mana-se-b-s f. ‘menschensaat, mensch- 
heit, welt’, ahd. sät f. ‘saat’, abulg. seti-ba f. ‘das säen’; und 
formal -ist aind. s-tr-i, avest. s-tr-i moviertes feminin zu einem 
aind. *si-td(r-) masc. — lat. sa-tor ‘säer’, poet. ‘erzeuger, her- 
vorbringer, vater”. So über s-/r-” auch Hübschmann, Das indog. 
vocalsystem $ 99 8. 75 und Brugmanı, Grundr. 1, 8 315 s. 256. 
2, 8 110 ». 316. 8 122 s. 362. Dieser wurzel s2- ‘säen’ scheint 
die metaphorische übertragung auf animalische, besonders 
menschliche zeugungs- und fortpflanzungsverhältnisse frühzeitig, 
vielleicht schon ‘proethnisch’, so widerfahren zu sein, wie im 
griechischen sprachleben dasselbe ganz geläufig an oneloeo, 
OXapTog, Ortpue, 0R0E% vor sich gieng. 

Bei dem aind. s-ir-i, avest. s-tr-i ‘weib’ nun können wir, 
insoweit wenigstens dem Pottschen deutungsvorschlage folgend, 


das got. fra-s-I-s ‘kind’ wol belassen: es war dann eben germ. 
*fra-s-ti-z = indog. *prö-s-ti-s f. in seinem ursprünglichen 


verstande ‘das hervorsäen, hervorgesätes’, d. i. ‘durch säen her- 
vorgebrachtes’; vgl. lat. prö-serere ‘säend hervorbringen’, prö- 
satu-s part. ‘hervorgebracht, entsprossen, erzeugt’, auch prö- 
seminäre ‘hinsäen, aussäen’, ‘fortpflanzen‘. 

Formal repräsentiert das indog. *-s-ti-s f. ‘saat, säen’ von 
se- als schlussglied einer composition einen uralten bildungs- 
typus, sowie das indog. *-d-ti-s f. ‘gabe, geben’ von dö- in den 
altindischen compositen päri-t-ti-sh ‘“übergabe’, bhaga-t-ti-sh 
‘glücksgabe’, magha-t-ti-sh ‘das geben und empfangen von ge- 
schenken’ und väsu-t-ti-sh ‘empfang von gütern, bereicherung', 
worüber man Joh. Schmidt, KZ. 25, 56. Verf., Morphol. untere. 4, 
vorw.8.xIı und in diesen Beitr. 13, 427. Hübschmann, Das indog. 
vocalsystem $ 3 8.15. $ 143 ».99 und Brugmann, Grundr. 1, 
8 317 8.258. 2, 8 100 2.278 vergleiche. Und es gilt genau der 
morphologische parallelismus: got. fra-s-t-s : lat. sa-ti-o : got. 
mana-se-b-s, ahd. sd-t, abulg. se-t-ba —= aind. pari-t-ti-sh : aind. 


BE EEE EEE Fogetai. — „Eiinen en ee PBEREA 


ETYMOLOGICA. 093 


di-ti-sh ‘reichtum, besitz’, gr. do-ou-c, lat. da-ti-o : aind. dä-ti- 
vära-s ‘das geben liebend, freigebig’, gr. do-tı-s Hesych., do- 
ti-v-n, lat. dös aus *dö-ti-s, abulg. da-i, lit. dü-ti-s f. ‘gabe, 
geschenk. 

Zweitens. Es kann das got. /ra-st-s auch, indem es auf 
einem indog. *pro-s(p)-ti-s beruhen würde, mit lat. prö-s@p-ia 
‘sippschaft, geschlecht, familie’ in beiden bestandteilen der 
composition sich zusammenschliessen. 

Lat. prö-säp-ia, auch prö-säp-i2-s und in dieser form genau 
wie das synonyme prö-gen-i2-s gebildet, dürfte zunächst im 
lateinischen selbst einen verwanten haben an dem söp-io ‘penis’, 
über welches ausführlich mein college F. Schöll, Fleckeisens 
Jahrbb. 1880, 8.488 anm.30 und 8.495 f. handelt. Es ist söpionibus 
im sinne von ‘penibus’ als die überlieferung bei Catull. 37, 10 
nach dem cod. V zu betrachten und darnach dasselbe auch bei 
Petron. 22 anstatt der hier überlieferten lesart sopitionibus her- 
zustellen. Als dritte stelle kommt eine solche des Marius 
Plotius [M. Claudius] Sacerdos in betracht, wo die ausgaben, 
nämlich Analecta gramm. ed. Eichenfeld et Endlicher p. 38, 14 
und Gramm. lat. ed. Keil 6, p. 462,2, zweimaliges ropio lesen, 
Schöll dagegen die emendation in sopio nach massgabe der 
form mit s- bei Catull und Petron für notwendig hält. Dies 
letztere wird glänzend bestätigt durch eine erneute vergleichung 
von Cod. Pal. Vind. 16 fol. 123 ve ]. 2 sqq., welche auf meine 
durch herrn hofrat ritter von Hartel gütigst vermittelte bitte 
herr dr. Alfred Göldlin von Tiefenau, custos der k. k. hof- 
bibliotbek zu Wien, vornahm: darnach hat der codex, ein 
solcher des 7.—8. jahrhunderts aus dem kloster Bobbio und 
mit langobardischer schrift, in der die zeichen für s und für r 
einander sehr ähnlich sehen, geradezu sopio sopio, und ‘diese 
von den beiden citierten drucken abweichende lesung steht 
ausser allem zweifel’, wie dr. Göldlin von Tiefenau seiner 
freundlichen mitteilung (14. febr. 1895) hinzufügt. Ausser durch 
seine textkritischen erwägungen hat Schöll das söpio auch be- 
sonders dadurch glücklich zu retten gewusst, dass er a.a. 0.496 
auf meine veranlassung hin die altindischen im Taittiriya-bräh- 
manam und in Äcraläyana’s crautasütren vorkommenden sdp-a-s 
m. ‘penis’ und säp-ayant- part. ‘etwa futuens’ (vgl. Böhtlingk- 
Roth, Sanskrit-wb. 7, 656) vergleichsweise heranzog; und neuere 


94 OSTHOFF 


Catullherausgeber haben sich darin Schöll angeschlossen, näm- 
lich A. Riese, Die gedichte Catulls, Leipz. 1884, ». 74, Baehrens, 
Catulli Veronensis liber, vol. 2, Leipz. 1885, 8. 215 und Schwabe, 
Catulli Veronensis liber, Berlin 1886, s. 26. 

Es wird hier eine gemeinsame wurzel indog. sap- er- 
scheinen, die diesen ihren normalstufigen vocalismus in dem 
aind. sap-a-s darbietet; dazu a-dehnstufig lat. prö-säp-ie-s, prö- 
säp-ia, ö-dehnstufig lat. söp-io; o-hochstufig oder @- oder ö-dehn- 
stufig aind. sdp-dyant-; aber schwächst-tiefstufig eventuell, seine 
zugehörigkeit vorausgesetzt, das got. fra-st-s aus *pro-s(p)-ti-s. 

Dem begriffe nach mag indog. sap- sowol ‘zeugen, gignere' 
als auch ‘futuere, coire’ ausgedrückt haben. So gehören ja 
auch zusammen gr. plrv, pirüua “keim, spross, sohn, nach- 
komme’, gitvsw ‘säen, pflanzen, erzeugen’ und lat. /uiuere “be- 
schlafen, geschlechtlich beiwobnen’. Ferner würden sich begriff- 
lich lat. prö-säpies, -sapia und got. /fra-st-s auch genau so zu 
aind. sapa-s, säpayant- und lat. söpio verhalten, wie ahd. fasal 
‘fetus, semen’, mhd. vasel n. ‘junges, nachkommenschaft’, ags. 
fesl ‘nachkommenschaft, nachkömmling, kind’, aisl. fosull m. 
‘nachkommenschaft, brut’ zu mhd. visel, viselfin ‘penis’, lat. 
peni-s aus *pes-ni-s, gr. n&os, aind. pds-as n. ‘männliches glied’ 
und zu lit. pis-u pıs-ti ‘coire cum femina’. Beiläufig hier die 
frage an meinen freund Kluge: warum gibt er nicht Etym. 
wb.5 99b unter faselschwein diese letzterwähnte in jeder hinsicht 
untadelige, auch sonst allgemein anerkannte zusammenstellung 
mit mhd. visel, lat. peni-s u.s. w., sondern statt dessen die laut- 
lich unhaltbare anknüpfung an lat. par-io ‘gebäre’, dessen -r- 
wegen par-tu-s und der ausserlateinischen bezüge (s. oben s. 90 f.) 
nicht auf -s- beruhen kann? 

Wenn got. /ra-st-s in einem ursprünglichen *pro-s(p)-ti-s 
wurzeln sollte, als derivat von indog. sap- und verwanter von 
lat. prö-säp-ie-s u. 8. w., so würde es in diesem falle hinsichtlich 
der tiefstufengestaltung der wurzel bei der an zweiter compo- 
sitionsstelle stehenden -tey-bildung sich mit aind. sd-gdhi-sh f. 
‘semeinschaftliches mahl’ von aind. ghas- ‘essen, verzehren’ 
passend zusammenhalten lassen, da hierfür ein ideelles *sm-gAs- 
ti-s, d.i. ur-indo-iran. *sa-gzdhi-sh oder ähnlich, die vorausliegende 
basis war, worüber näheres bei Joh. Schmidt, KZ. 25,57 und 
Brugmann, Grundr. 1, 8 591 s. 450. 


ETYMOLOGICA. 95 


Welche unserer beiden erklärungen des got. frast-s als die 
ansprechendere erscheinen werde, mag dem geschmack des 
kundigen lesers überlassen bleiben. Die erstere aus der wurzel 
se- ‘säen’ dürfte das vor der anderen voraus haben, dass bei jener 
das gotische nomen anknüpfung an eine auch im germanischen 
selbst, sowie aussergermanisch, reichlicher vertretene wurzel- 
sippe findet, dass ferner bei der zweiten auffassungsweise es 
sich um eine eben erst deutlicher eruierte wortfamilie von 
minderem umfange ihres historischen zubehörs handelt. Auch 
eine lautgeschichtliche voraussetzung mehr erfordert die her- 
leitung aus der wurzel sap-, doch dürfte die annahme des ur- 
indogermanischen oder urgermanischen ausfalls des -p- in der 
gruppe -spt- von *pro-s(p)-ti-s. oder germ. */rd-s(p)-ti-z, wenn- 
gleich nicht weiter zu stützen, an und für sich unverfäng- 
lich sein. 

17. Got. fraim. 

Mit frast-s ‘kind’ zusammen hat man auch got. /raiw n. 
‘same’, ‘nachkommen, geschlecht’ = ajisl. fr&, frjö n. ‘same’, 
dazu mengl. fri, nengl. /ry ‘“fischbrut, rogen’ als skandinavische 
entlehnung, an die sippe von lat. pario, lit. periu, gr. rogı-s, 
zogprı-s, ahd. far, farro, mhd. verse anschliessen zu dürfen ge- 
glaubt; so, jedoch nur zweifelnd, Fick, Vergl. wb. 13,665 (nicht 
widerholt 1,480), desgleichen so Byrne, Origin of the Greek, 
Latin, and Gothic roots 144. Anders aber Leo Meyer, der KZ. 
8,248. Die got. spr. 73.284. 381.680 dem got. fraiw seine ver- 
wantschaft vielmehr an gr. onslgow ‘säe’ — dies lehnte schon 
Diefenbach, Vergl. wb. d. got. spr. 1,398 ab — und an lat. 
spargere “ausstreuen’ gibt. Uns darf heute keine dieser beiden 
auffassungen mehr befriedigen. 

Dass /raiwa- mit fra-sti- etwas gemein habe, ist und bleibt 
bei ihrer ähnlichkeit der äusseren und inneren sprachform aller- 
dings durchaus wahrscheinlich. Und das gemeinsame kann 
dann schlechterdings nur das praefix /ra- gewesen sein; also 
werden wir auch für /raiw auf die suche geleitet nach einer 
composition mit indog. pro- ‘vor, hervor’, sowie es /ra-st-s aus 
aus pro- + wurzel sö- oder pro- + wurzel sap- ist. 

Die sache erscheint mir einfach genug: germ. *fra-iwa-n 
same’ dürfte — indog. *pro-i-wo-m ‘“hervorgehendes, hervor- 
kommendes’, die wurzel des schlussgliedes also ein guter alter 


96 -OSTHOFF 


bekannter, nämlich ey- ‘geben’ von aind. e-ii, avest. a£-iti ‘geht’, 
gr. el-wı lEvaı, lat. eo ire, lit. einüu eiti, abulg. idg iti ‘gehen’, 
gewesen sein; zu ihr stellt man ja mit sicherheit bekanntlich 
die praeteritalform got. iddja ‘gieng’, age. eo-de, ferner das 
nomen mhd. jän m. ‘fortlaufende reihe, strich’ (vgl. O. Schade, 
Altdeutsch. wb.? 462° f. Kluge, Pauls Grundr. 1,371), um von 
anderem, discutablerem germanischen zubehör hier abzusehen. 

im lateinischen wird pröd-tre bei den landbauschriftstellern 
vom ‘hervorkommen, hervorwachsen, aufkeimen’ der saaten und 
pflanzen gebraucht: prödit seges Varro, prödeuntia semina Colum,, 
folia ex rädice prödeuntia Plin.; vgl. Freund, Wb. der lat. spr. 
3 (1845), 8. 1013. Nächstdem ist mit dem falle got. fraim aus 
*pro-i-wo-m vergleichbar: lat. ex-ire ‘hervorkeimen, aufgehen’ 
in exit hordeum, trilicum Varro, exeunt seömina E& terrä in früges 
Plin., ui vix Zla herba exeat Colum., exit lens sata Pall., exit 
messis Val. Flacc. u. dgl. mehr (Freund a.a.o. 2, 414 ); gr. Gv-Eup, 
av-ıdvaı ‘herrorwachsen’ von der saatfrucht in unz’ &g0Tov avrolz 
yis avıevar rıvd Soph. Oed. Rex 270 (vgl. Pape-Sengebusch, 
Griech.-deutsch. handwb. 13, 220®); russ. vzo-iti ‘aufgehen’, z. b. 
in vü takuju pogodu posevu legce vzoiti ‘bei solchem wetter ist 
es der saat leichter aufzugehen’. 

Analogien für die nominalstammbildung mit -wo-suffix aus 
der wurzel ey- bei unserem /raiw bieten das altindische und 
das litauische, sowie vielleicht das germanische selbst, dar. Ich 
meine: aind. ved. e-va-s adj. ‘eilig’ (?), m. ‘lauf, gang, weg’, plur. 
‘handlungsweise, gewohnheit, sitte, weise’; lit. -ei-m-ja- ‘gänger', 
nom. sing. -ei-m-i-s, ‘-eiwis in zusammensetzungen, at-eiwis fe. 
-we ankömmling, per-eiwis landstreicher, kar-eiwis krieger, kel- 
ezwis wandrer : eiti’ (Leskien, Die bildung d. nomina im lit. 348, 
vgl. auch Schleicher, Lit. gramm. $ 45 ».109). Hiernach kann 
aber auch in frage kommen, ob nicht got. fraiw, aisl. /r&, frjo, 
anstatt dass ihm ein indog. *pro-i-wo-m zu grunde liege, viel- 
mehr im urgermanischen aus einem */ra-i-wa-n = urspr. Fpro- 
ey-wo-m herausgebildet sei; bei der bekannten verlockender, 
jedoch noch nicht völlig einwandfreien hypothese, dass unser 
verbum gehen selbst die wurzel ey- in zusammensetzung mit 
dem praefix za- berge, pflegt man ja die formen wie ahd. gem 
1.sing., ag8. ze&s(l) 2.8ing., zEd 3.sing. auf *za-imi, *za-isi, 
*za-tpi = gr. eluı, el, eicı, aind. emi, Eshi, eti zurückzuführen 


a -_ u. 


ETYMOLÖGICA. 97 


(Kluge, Etym: wb.5 131®, Pauls Grundr. 1,371. Franck, Etym. 
woordenboek d. nederl. taal 259). | 

Nun nimmt jedoch an der ableitung mit dem -w-suffix das 
germanische, abgesehen von got. fraiw, wol wahrscheinlicher 
weise noch teil durch asächs. &o m. ‘gesetz’ und aga. &, &w f. 
‘gesetz, ehe’, die auf einem germ. *ai-w-i-z beruhen (Sievers, 
Angelsächs. gramm.? $ 269 =. 123), sowie durch das feminin ahd. 
Ewa ‘gesetz, ehe’, mhd. £&, Ewe ‘gewohnheitsrecht, recht, gesetz, 
ehe’ und das der n-declination folgende afries. &we f. ‘gesetz’, 
für welche wol *ai-w-iö- und *ai-m-iön- die vorauszusetzenden 
urgermanischen themenformen waren (van Helten, Altostfries. gr. 
822, anm.1 8. 24. 8 86 8.76. 8 185 8.150); über ihre beziehung zu 
dem aind. ved. e-va-s masc. und zu lit. at-eö-m-i-s u.2.w. handeln 
Fick, Vergl. wb. 13, 27.506. 3°,30 und Kluge, Etym. wb.5 83», 
Es könnte darnach wol sein, dass die durch -w- vollzogene 
nominalstammbildung eigentlich den o-hochstufenvocalismus .der 
wurzel gehabt hätte und aind. e-va-s —= indog. *oy-wo-s zu 
setzen wäre; lit. -ei-w-i-s in af-eiwis und genossen mag ja leicht 
für ein älteres *-ai-m-i-s oder *-&-m-i-s aufgekommen sein, in- 
dem bei klar gebliebenem zusammenhange mit dem verbum 
eiti von diesem das ei- übertragen wurde. In diesem. falle 
müsste denn auch hinter dem got. /raim vielmehr das indog. 
*oy-wo- gesucht werden, und es ist tatsächlich: in lautlicher 
hinsicht kein zweifel, dass selbst ein ursprüngliches germ. 
*fra-ai-ma-n kaum zu etwas anderem, als der historischen form 
/raiv hätte führen können. Da aber /raim nicht den eindruck 
einer erst auf germanischem boden zu stande gekommenen 
compositenbildung macht, so bleibt wol am wahrscheinlichsten, 
dass ein altes erbgebilde indog. *pröymwo-m aus urindog. *pro- 
oy-wo-m in /räiw ausmündete, indem auch hier das bekannte 
von mir nachgewiesene gemeineuropäische, aber nicht ureuro- 
päische gesetz der langdiphthongenverkürzung (vgl. Noreen, 
Abriss d. urgerm. lautl. $8 8.27f. und die dort eitierte lite- 
ratur, ausserdem Brugmann, Giundr. 1, $ 614 s. 465 f. Bremer, 
IF.4,9 anm. H. Möller, Anz, fda. 38, 127 ff.) seine wirkung übte. 

Das adj. aisl. frer fruchttragend’ setze ich mit Kluge LE 
lich) = got. *ya-fraiw-s. 

HEIDELBERG, 17. februar 1895. H. OSTHOFF. 


Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. XXX. 7 


ANGLOSAXONICA. II 
| Genesis. 

1405. Statt edmonne liest Grein ednioune, was aber einen 
katalektischen vers und keinen rechten sinn gibt. - Dennoch 
glaube ich, dass wir Greins besserung acceptieren müssen, aber 
mit ausfüllung des mangelnden versgliedes; denn die heilung 
ist einfach genug: lies a i ednioune (typus 0) ‘sich immer er- 
neuernd. | | | 

Exodus. 


 efnzedilde ist richtig in beziehung auf, SEN 
ee aber mit deormddra sid verbunden, denn dies verlangt 


efne zede&lde, was sich auch mit heuhbeznunga verträgt. Zu 


sammenteilen und ‚genau teilen ist nicht identisch. 

98. ba ic on morzen zefreezn, wie im B&ow. 2484. - Con- 
struiert man: (bes) mödes röfan (gen. sing.) herebyman (acc. 
plur.) hlddan stefnum (instr. plur.) hebban wuldres mwöman (acc. 
sing., object zu hebban), so ist alles klar; aber der erste ein- 


un ._ 


druck jedes unbefangenen lesers kann kein anderer sein, als ° 


dass der mödes röfa, d.h. Moses (oder plur,, Moses und seine ' 
heerführer) die Aerebijme (oder plur.) hebt (oder heben) u. s.w., ° 


woraus ich keinen sinn gewinnen kann. Der ganze passus ist 


verworren: sie lagern sich und marschieren dennoch darauf 


los: eine wahre schlafwandererepisode, von Strobl, Genau 


20, 292 f. leider nicht benutzt. 


129.  füs on foröwez. Ich verweise ‘auf ähnliche unflee- 


tierte formen, ohne etwas zu praejudicieren: Crist 19 dadza us 
sizes öbrum formwyrned; ibid.81 ne we b@re wyrde wenun burfon 
Töweard in tide; Sat. 341 hweorfan zeond helle, häte ondled; 


ibid. 308 soöfeste men, sunnan zelice, feezre zefretewod;. Men. 205 


herfest (acc.) forste zefeterad; und unten Exod. 140 wean wi- 
tum fest. 


ANGLOSAXONICA. 99 


139. Ob die conjectur Öhtnied das richtige trifft, bezweifle 
ich: oht ist ‘verfolgung’, nicht “tribulatio. Was folgt, bezieht 
sich auf Gen. 47, 14—26; Grein übersetzt unrichtig ‘für seine 
schätze’: denn nachdem die Egypter all ihr geld ausgegeben 
hatten, mussten sie ihr yrfeland (possessiones Gen. 47,20) dem 
könige verkaufen, gegen korn eintauschen, wodurch dieser so 
zu sagen ihr yr/eweard ward, nach erwerbung ihrer mdöma 
(‘omnis pecuniae’, vgl. Gen. 47,14): swa micles zebah. Curios 
ist was folgt: edles bes forzeton! als wäre diesen proletariern 
durch solch eine bloodsucking die grösste woltat bewiesen! 

150. Det feorhlean, die todesstrafe als sache für ihre 
brüder, die primogeniti. 

152. Zeode ist doch wol zeniin und Moyses nom. mit be- 
zug auf he. 

154, bd him eorla möd ortrijwe weard. Or trjwe hödeniet 
hier nicht ‘diffidens’, sondern ‘despairing’ (e. ee) Him eorla 
= eorlum heora. 

157. oferholt wezan fasse ich als parallele mit \ ford oN- 
zanzan. Kluges ‚geistreiche conjectur ist mir darum unwahr- 
scheinlich, weil, wer ofer holtwezan anrückt, verborgen bleibt: 
scildas wezan und dergleichen bedeutet einfach ‘marschieren’. 
Freilich bleibt auch mir oferholt dunkel. 

158. zäras trymedon. Dem zusammenhang nach muss hier 
{rymedon intransitiv sein. ten Brink (Anz. fda. 5,57) verglich 
Vergils hastas horrentes und erklärte es mit ‘dicht sein, starren”. 
Reflexir habe ich es in Earles Sax. Chron, 8.184 in der be- 
deutung ‘sich in geschlossene schlachtreihe aufstellen’ gelesen. 
Hier bezieht es sich auf die geschlossenen glieder der anrücken- 
den speerträger. 

165. Die wölfe und y.200 die Juden singen ein atol &fen- 
16od; die näherung des egyptischen heeres ist noch sichtbar 
(v.178); dennoch ist v. 168 von mitternächten die rede im plural, 
also iterativ! Wülker macht den text noch schwieriger da- 
durch, dass er hinter /u! = /y! komma statt punkt setzt. 

166. carleasan deor (gegensatz cearfullan) ist deutlich: die 
tiere sind froh @tes on wenan. Steckt v. 169 in zeh@zed viel- 
leicht ein zexzed? jedenfalls ist es gegensatz zu dem bekannten 
folc wes on salum (106.564), weshalb es mir eine variante von 
ezesan stödon (201) zu sein scheint. 

7* 


100 | COSIJN 


176. Welhlencun sceoc ‘sprengte mit todesmute’. So Grein 
der alliteration zu liebe; ähnlich heisst es im B&eowulf syrcan 
hrysedon v.226. Dort rüstet sich der könig zum kampfe, hier 
kleiden sich die Goten. Nach EI. 24 sind die wridene welhlencan 
panzer; unten v.218 werden die hlencan mit searo erklärt. 

180. mezan in der bedeutung ‘se movere’ bezweifle ich: 

zreiion wird wol in zeaiwe zu ändern sein, ‘wie im Reimlied 
Aelven in frelwe. 

184. Nach Groth bestand die ganze egyptische armee hier 
bloss aus zweitausend kriegern; beim anblick dieses häufleins 
wurde das an 600,000 mann starke jüdische heer ‘von einer 
heillosen angst überfallen’; sogar Moses nennt dann diese 2000 
mann side herzas, eorla unrim! Ein dichter der sich so etwas 
vorstellen könnte, würde in Bedlam ein passendes unterkommen 
finden; aber er berichtet ausdrücklich, dass mehrere tausende 
(196) das eorp werod ausmachten. Die mengl. Exodus nennt 
600 wagen, 50tausend reiter und 200,000 fussknechte. 

197. .:t06 bdm megzenheapum; man streiche 10. 

198. 10 Dim drdwgze. Dem widerspricht der AUEMarEch 

v. 172 und v. 203 ff. 
207. Mid him tösomne ‘zwischen ihnen’, vgl. Anglia 4, 143 
2.94 mid b&m cristallum ingemong. Ist zeldde richtig (zeldde 
ist Jedenfalls zu ver en so ist zescon hier reflexiv wie im 
Beowulf. 2 Br | 

209. hetlend vom merestream? a 

225.. fedan twelfe, die 12 stämme,. Warum ist hier an 
brittischen einfluss zu denken (Groth 19, note)? Vgl. Judisc feda 

v.312 und die mengl. Exod. 3252. 

249. beama beorhtost, lies beacna beorhlost, N 320 und 
Beow. 2777 sezn ec zendm Beacna beorhtost. Solche sezn' oder 
beacn werden ahafen, ärc«red; leider verbietet die liebe metrik 
uprad in uferad (vgl. geuferod Aelfr. Hom. 1, 362) zu ändern. 
Sievers upzerad (nach v. 172°). Aber man marschiert noch nicht. 

251. drec im indieativ muss eine licentia poetica metri 
causa sein, wenn bulon richtig in bidon geändert ist. | 

253. beohäta, falls richtig, kann nur ‘held’, nicht ‘dux’ 
bedeuten. Ueber behät vgl. Toller, adde Aelfr. Hom. 1,380. 466 
und Saints 7,370. Charakteristisch für unsern dichter, dem 
Sievers m.e. summo jure die verfassung der dürren Genesis 


ANGLOSAXONICA. 101 


abspricht, ist die verherrlichung dieser flüichtlinge, welche als 
wahre helden, sogar als tüchtige seewicinzas vorgestellt werden 
(in der flucht vergessen sie kein stück, nehmen ganz gemütlich 
alles mit) — wahrscheinlich weil sie nur fliehen auf gottes 
und Moses’ befehl. Sogar das durchziehen des schilfmeeres 
wird wie ein heisser kampf (mit wem? Dracu wes on öre 326, 
d.h. der verfolger war weit hinten!) vorgestellt. 

255. monize ‘die volksmengen’, vgl. v.552 menezum 'catervis’. 

265. cznian; man vgl. Judith 184 bet he mid 1&ödum üs 
ezlan möste und Cura Past. Cır 198, 13 ezlize statt ezle. 

280. Ex. 14,16 heisst es: ‘Tu autem eleva virgam tuam 
et extende manum tuam super mare.’ Ic ond beos swiöre hond 
findet wol nur so seine erklärung. 

283. ond welfesten, lies on welfesten. Vgl. Gen. 1879 
(Beitr. 19, 451) und Ex. 296 unten. 

288. in dce. In ecnesse bezieht sich sonst auf die zukunft. 
Vielleicht iu @r ece; vgl. Aelfr. Hom. 1, 318. 

259. Thorpes sealte s&zrundas wird durch v. 333 ofer 
seallne mersc gestützt; doch liegt side s&z. näher (s/de, daraus 
selde mit ‘anlehnung’ an s&zrundas). Die lesart s&@lde ist 
jedenfalls verdächtig: der frost bindet das wasser, aber das 
wasser den grund nicht. Suödwind fornam ändre ich in sund 
(object) wind fornam, und bedwezes blest deute ich als ‘see- 
wind’. rim is arcafod muss wol übersetzung sein von abstwit 
ilud dominus Ex. 14,21? 

293. «rzlade. Ueber erzöd hat bekanntlich Bugge sart 
delt (Tidskrift for philologi 8, 67). Ist hier erzlade (adv.?) auf 
miltse zu beziehen, so fragt es sich, ob in diesem «@r nicht ein 
altes verstärkendes praefix stecken kann: vgl. das wunderliche 
eret Auglia 11, 102.88. 12,514. 10. Wulfstan 135,2. 290, 32 = 
oferi;, eine beiform @r- zu or-? vgl. das tonlose @- aus az-. 

297. ba foreweallas. Das wort begegnet auch Zs. fda. 9,499 
(Glosse. Aldh.) foreweal[!] propugnaculum. 

307. Vgl. Dümes d2zZ70 bonne he zehyrweö fuloft halze lare. 

312. ofer zrenne zrund, als wäre es die grüne erde. Oben 
v.287 heisst es /aze feldas (fämze Grein; das sind aber die 
wellen). | 
313. an onorelte; an öre önelte? an (on onette) deiktisch 
zu deuten und auf zeläd zu beziehen wage ich nicht. 


102 COSIJN 


318. ofer cynericu. Ofer cynrynu? ‘supra gentes’ Ps. 46,8; 
bier sind die stämme gemeint: vgl. cneowmaza bldd. 

323. Ich interpungiere hier wie Wülker: der löwe ist der 
herewisa, über ne lange ‘keinen augenblick, gar nicht’ «. meine 
Aanteekeningen zum B&eowulf v.446; Zenze zu vermuten (Aant. 
zu v. 2423) ist unnötig. 

328. 1. wepna welslihtas parallel mit heard handpleza, wie 
wizend unforhte mit haezsteald(as) modze. 

340. Nach Der ergänzt Grein richtig ford, was Wülker 
nicht angibt. 

342. 1. bridde beodmezen (büfas mundon Ofer zärfare) 
zudcyston branz. Vgl. für Dranz Jud. 249. Güpläc 868. Der 
stamm Simeons hatte natürlich auch fiftiz cista. 

345. Kluge ergänzt zrund. Aber auch deop oder stream 
ist möglich, denn die sonne geht in der weltsee auf und unter: 
vgl. Güpl. 1265 oöbei dastan cwom Ofer deop zelad dezredwoma, 
und Andr. 241. Vgl. auch die folgende note. 

346. morzen meeretorht wird gestützt durch morzen mere- 
torhine der Metra 13,61. Aber der dezwöma von 344 wird 
schlecht illustriert durch zodes beacna sum, denn letzteres ist 
die sonne selbst: vgl. Andr. 241 ba com morzentorht Beacna 
beorhlost ofer breomo sneowan Haliz of heolstre, heofoncandel bläc 
Ofer lazoflodas. Und dann ändert sich die sonne widerum v. 346 
in den morgen. Die überlieferung scheint fehlerhaft; viel- 
leicht ist zwischen 345 und 346 ein vers ausgefallen oder 
aber — dieses schnelle aufeinanderfolgen von tagesanbruch, 
sonnenaufgang und morgen ist absichtlich vom dichter dar- 
gestellt. 

348. isernherzum (vgl. folca bridum und smweotum v. 340. 
341) erinnert an das örenbreat im Beowulf. Die wörter folc 
bis cynne gehören, wenn Greins ergänzung for v.350 nicht das 
richtige trifft, zu /ör von v.347; dann aber bilden die wörter 
dan wisode — on forÖwezas eine parenthese, denn wisian c. acc. 
erscheint erst spät, z. b. Wulfstan 304,18; beon mwissod ‘regi’ 
Aelfr. Coll. bei Wülker-Wr. gl. 99,7. Aber Greins einfügung 
bessert eine sonst harte construction. | 

352, Vgl. Ebert, Anglia 5, 409; aber seine conjectur edel 
scheint mir weniger glücklich, weil es sich gerade um die ab- 
stammung der Juden handelt: kim wes an feder folgt unmittel- 


ANGLOSAXONICA. 103 


bar. Als ächtes gottesvolk (onriht zodes folc) hatten sie das 
landriht von Abraham ererbt. Es folgt eine gewis ächte epi- 
sode, in welcher durch Abrahams opfer gottes gnade begründet 
wird. Noahs plötzliche einführung 362—380 befremdet, aber 
v.377—379 verbietet uns, die authentieität dieser verse zu be- 
zweifeln. | 

364. lies drenceflöda nach Gen. 1398. 

368. maömhorda mest ist nicht ein ‘store-house’ d. h. nicht 
die arcbe, sondern deren inhalt, der schatz der ganzen erde. 

373. mismicelra. Wülker vergleicht die nämlichen stellen, 
welche in meinen Aanteekeningen zu v.30 angeführt sind, fügt 
aber ein Orosiuseitat (Anglia 1,185) hinzu, das einen positiv 
pro comparativo erhalten soll. Interessant wäre es, aus einer über- 
setzung dieses citates zu lernen, wie W. dann diese stelle versteht. 

379. feder Abrahames, sc. Thare, nach Gen. 11, 10—27 der 
neunte nach Noah. 

384. Vor siööan komma: he on wrece lifde ist parenthese. 

399. fyrst ferhöbana nö by f&zra mes gehören offenbar 
zusammen; es fragt sich aber, ob ddfyr onbran damit eine 
parenthese bildet, denn wolde setzt den satz zel@dde Abraham 
Isaac fort. Dann wird der scheiterhaufen hier zum ersten 
lebenstöter; quod absurdum. Also folgen hier zwei parenthesen. 
Ist es erlaubt, f&zra in fezenra zu ändern? ist vielleicht der 
fyrst ferhöbana der feorhbana xar' 2&oynv, der teufel, und der 
sinn dieses dunklen passus dieser: Satan brauchte sich nicht 
zu freuen, denn Abraham blieb gott gehorsam? Aber das ist 
nur eine vermutung, die auch mich nur halb befriedigt. 

401. beorna selost, neutr. wie Jud. 325. 

404. Die interpunction trennt widerum zusammengehörendes: 
vor da acc. sg. auf fröfre bezogen, komma! swa forö ‘so sehr’ 
wie Boeth. Fox 44,27 (Card. 68): swa forö swa swa dnezu Ze- 
sceaft fyrmesi mez hiere sceppendes onlicnesse habban; ebenso 
ibid. 120, 33. 

407. folcc4d kann leider nicht mit Grein auf /äfe bezogen 
werden; es ergäbe sonst eine hübsche parallele zu B&ow. 1145. 

409. Vgl. Beow. 793. 

413. Wülker verwirft Greins metod, weil hier doppelreim 
stehen soll. Eine erklärende note zu dieser fussnote wäre doch 
erwünscht. Wir folgen Grein bis auf weiteres. 


104 COSIJN 


426. be- in behwylfan hat dieselbe bedeutung wie in be- 
fedman, nämlich ‘um’: “umwölben’. 

430. & beos zeomre Iyft. In verzweiflung wage ich £& Dbeos 
eormenlyft (eo : jo, 8. Sievers, Beitr. 10,195). Die ‘seufzende’ 
luft Greins bringt uns nicht weiter und gerade auf die aus- 
gedehntheit des luftraums kommt es hier an. | 

462°. fezum siefnum gehört zu cyrmdon und /yft up ze- 
swearc ist parenthese = welmist ästah 450. Auch cyre (cyrm?) 
swiörode ist einzuklammern. Aber 457 interpungiert Wülker 
besser als Kluge, der Der &r mwezas lagon und mere mddzode 
scheidet; dass diese zusammengehören, zeigt das resultat mezen 
mes üdrenced, weil die früheren wege durch das wütende meer 
bedeckt waren. | 

4620. flod blod zewöd. Im grunde lächerlich, aber der 
dichter denkt sich die mit tod und vernichtung drohende wasser- 
mauer als eine feindliche armee. Das macht die deutung von 
randbyriz mwd&ron rofene schwierig; das durchbrechen der scild- 
burh durch den cuneus d.h. ord des anstürmenden feindes war 
gleich fatal wie das sprengen einer carrdee in unserer zeit. 
Aber ich beziehe hier die randbyriz nicht auf die Egypter, son- 
dern auf die anstürmenden wogen; die formierung einer scild- 
burh bei belagerungen durch die sturmlaufende heeresmasse 
ist ja bekannt. Wizbord scinon heah ofer heledum gilt auch 
unten v.466 von den aufgetürmten wogen. 


470. searwum üsdled ist offenbar widerholung von feste 
zefeterod. Was ist dann aber forÖzanges nep, das man so gerne 
mit meresiream modiz verbinden und mit se de feondum zendop 
‘qui hostibus viam interelusit’ vergleichen möchte? vgl. auch 
oben v.454 him onzean zendp, das zwar einen sinn (v.450®), 
aber doch keinen recht befriedigenden sinn gibt. Jedenfalls 
ist modiz v.468 in der gotischen bedeutung aufzufassen; vgl. 
auch Boeth. Fox 192,18 done unzemetlice mödezan d& yrsiendan 
‘irae intemperantem’ (4, 3). 

474. nacud nijdboda; der fah feöezast ist wie Grendel ohne 
waffen und rüstung. Im vorigen vers habe ich @flästungewuna 
‘der noch nie hinweggeströmt war’ conjiciert; vielleicht dass 
dieses ungeheuer einen auf den wahren weg bringt. 


477. biddezesan hweop wie oben v. 121 belezsan hmweop. 


ANGLOSAXONICA. 105 


Ueber blöd- s. meine note zu v. 462; vielleicht hier mit an- 
spielung auf die rote farbe des meeres? 

481. flöd famzende? 

482. Ich lese wie Wülker lazu land üe alliteration wegen 
für sand) zefeol. 

488. manezum, allen ohne ausnahme. Litotes. 

491. mwitrod als witerdd ‘zuchtrute’ zu fassen ist nicht 
erlaubt, denn Moses’ stab fiel nicht hoch vom himmel. Heah 
gehört zu handweorc zodes, die wassermauer: mwilrod ist wol 
acc., vgl. 482, aber was? | . 

493. flöd weard zesiöh? Dann nach fämizbösma stark inter- 
pungieren; esidh aus islöh der vorlage? 

497. flödbläc erkläre ich wie wizbldc v.204, bleich vor 
dem schreeken den /flöd und wiz verursachen. ‘Bleich wie das 
meer’ und ‘mit glänzender rüstung’ passen nicht in diesem 
context: vgl. die antithese feond—anmdd v.203°. 

509. Vgl. Or. 206,9 Det der nän tö läfe ne weard het 
hit (6 Röme gebodode. 

514. Gzeal zyip wera. Vgl. Wulfst. 263,7 se bittera dead 
bet tod«eleö eal; bonne biö se zlencz ägoten etc. Hie wid zod 
wunnon, vgl. B&ow. 113. 

515. Danon temporal, wie Beow. 224? Der ganze passus 
bis 548 stört den zusammenhang; auch ist er nicht im einklang 
mit der Vulgata Ex. 15,1: tunc cecinit Moyses ete.; erst mense 
tertio (19,1) verkündet M. doma zehwilcne, welche man noch 
jetzt on zewritum finded. 

517. hälze spr&ce instrumental wie Gen. 2165, nn also 
das komma nach spr«&ce. 

518. dezmweorc nemnad, das werk eines tages: prima die 
mensis loculus est Moyses ad flios Israel omnia quae praeceperat 
ii dominus ut diceret eis Deut. 1,3. Also ist hier nicht der 
dekalog gemeint, sondern die Zegis explanatio von Moses selbst. 

520. Döma zehwilcne, bara Öe him drihten bebead, vgl. 
Deut. 6, 1 praecepta ... alque judicia quae mandavit dominus 
deus, und, mit variationen wie mandata statt praecepta sonstwo. 

524. zinfesten zöd. Dass nicht god, sondern zöd zu schreiben 
ist, beweist die constante verbindung von zin/est mit zifu, wenn 
man wenigstens die änderung zinfestan acceptiert: ‘die unver- 
gäuglichen güter, das ewige heil’. Der ‘interpres salutis’ kann 


106 COSIJN 


doch schwerlich etwas anderes sein als subject, also nominativ. 
Beorht ist dann acc. plur. zu zinf. zöd; aber bei dieser inter- 
pretation muss bänhüses weard in b. wearde = Ödm zäsle ge- 
ändert werden. Das aber erlaubt die liebe metrik meines 
wissens nicht. Was bleibt uns dann übrig, als banhuses weard 
als apposition zu lifes wealhstod aufzufassen ? 

- 531. Mit Zy/twynne aus dem B&eowulf haben wir hier nichts 
zu tun: dies bedeutet ‘ba mwynlican Iyft’. Hier ist Zenzran lif- 
mwynna ‘ewiges leben voller wonne’ zu schreiben. 

5865. Vgl. El. 123 Da wes büf hafen Sezn for sweotum, 
sizeleoö zalen. 

572. ealle him brimu blodze' RuBlon: vgl. Saints 6, 165 he 
fleow eall blöde. 

575 ist einzuklammern. 

576. meras ‘Moyses et filii Israel’ Ex. 15,1: wif on 6örum 
(sweote?) “Maria prophetissa ... (et) omnes mulieres’ ibid. 15, 20. 
Das ‘carmen’ wird hier ein /yrdieoö, das, obgleich das volk 
on salum wes (v.564), doch aclum stefnum gesungen wird; die 
‘Juden waren offenbar durch den schrecklichen untergang der 
Egypter impressioniert: meazlum stefnum mezenwundra fela 
würde hier passender gewesen sein. 

579. ba was eöfynde (in grosser anzahl). Afrise meonle, 
hier zweifellos die jüdische meomwle, welche sich [mit zyldenre 
halswurdunge (vgl. breostweoröung im B&eowulf)?] putzt. Das 
gold ist aber egyptisches gold, welches hier zum herereaf mit- 
gerechnet wird, und als Josepes gestreon den Juden on riht 
zufiel. Sc@läfe wird v.584 wol nom. plur. sein und von den 
Juden gelten; vgl. hereläfum Apelstan 47 (Grein, Prosa 3, 102,12 
beweist nichts); aber sicher ist dies nicht. 

585. on ydlafe = on zeofones stade v.580 und s. Bugge, 
‚Beitr. 12,88. Das anspülen der egyptischen schätze wird auch 
‚in der mengl. Gen. and Ex. berichtet: v. 2381 and here welöe 
is io londe w(r)eken Wepen and srud, siluer ‘and gold. Wir 
brauchen also Greins seznum — ‘netzen’ nicht. 


Daniel. 
5, wiz für wizsped nur hier: letzteres wird mit /orzifan 
verbunden und das metrum verbietet nicht, auch ‚hier wizsped 
zu lesen. Ist Beowulf 1083. wiö Henzeste wiz zefeohtan die 


ANGLOSAXONICA. 107 


richtige lesung, so würde dies ein zweiter beleg sein; aber 
dann würde nicht »iö, sonderh on stehen müssen. 

16. herizes helmum : heledö under helmum (vgl. Jud. 203)? 
herzas under helmum schliesst sich der überlieferung näher an. 
Unwillkürlich denkt man an Be&ow. 4 und 5. | 

17. ei winpeze; vgl. 753 und Jer. 25,15 f. sic dicit domi- 
nus exercituum, deus Israel: sume calicem vini furoris hujus de 
manu mea et propinabis de illo cunclis gentibus, dd. quas. ego 
mittam te etc. Ä 

22. ba zeseah ic. Es ist als ob Widsid spräche: oben 
heisst es zefrezn ic. Stand vielleicht im urtext ba .zefreah ic? 
Das wäre eine curiosität! Ä Ä | 

25. läre. Besser {0 läre. 

30. bet hie ece r&das Et sidestan sylfe forlston? 

33. . lies rice Öeoden, Unhold drihten, d.h, gott. 

35. lies wisde him fremde (sibi alienos). 

37. dugoda demend? 

38. Mit Holthausens herepad rihtne wird nichts gewonnen. 
Wisöe ist kein wisode und: auch letzteres gibt keinen sinn. 
Etwa herepad t@hte? Aber. wie kann man mit genügender 
sicherheit eine solche lücke ausfüllen? 

40. Salem, ra isoa ZaAnu? aus Tossa: Vgl. ‚aber 
v.2 und 708. Eine alte interpretation. von Salem Gen. 14, 18 ist 
‘Jerusalem’. 

41. Gegen Sievers’ wizan möchte Wiülker warden: ‘dass 
witzan in der hs. steht’. Das bezweifelt niemand, wol aber ist 
zu bezweifeln, dass N, mit magi statt mit ‘kriegern’ eine stadt 
belagerte. In der fussnote ist die besserung von Sievers tunzel- 
creftcum (Anuglia 13,325) nachzutragen. Dass man kein recht 
hat, texte ‘aus metrischen gründen lustig drauf los’ zu ver- 
bessern’, wird uns Anglia, Beibl. 5,265 gelehrt. Warum darf 
aus grammatischen gründen gebessert werden, nicht aus metri- 
schen? Sind es eben nicht die texte, aus welchen man seine 
grammatik und metrik schöpft? 

5l. zuman? aber das ganze volk wird später mitgeführt, 
Dicht omnes fortes exercitus decem milia von 4 Reg. 24,14. Ist 
vielleicht Gudan, ‚Giudan dafür einzusetzen? Dan. 1,2 wird Jo- 
akim rex Juda genannt und oÖprinzan wird sonst mit sach- 
lielem object construiert; entweder mit ealdor, feorh oder mit 


108 COSIJN 


eard Rä. 85,11, was sehr gut mit Judan ‘Judaeam’ stimmen 
würde, ' 

53. lies zewät west faran Herize h&dencyninz t0 beere hean 
byriz Israela, denn Nabuchodonossor belagert höchstselbst Jeru- 
salem, vgl. Dan. 1,1. 4 Reg. 24, 11. 

56. ‘Lufan will Ho. in /ucon ‘verwahrten’ ändern! So 
Holthausen, Anglia, Beibl. 5, 231. Meine kenntnis der deutschen 
sprache ist leider zu gering, um den wert dieses ausrufszeichens 
zu begreifen: ist es gegen Hofer oder gegen Wülker gerichtet 
oder & double usage? Jedenfalls erlaube ich mir, li/dan zu 
lesen, weil lö/fwenan — lifwynnum ist und mwynnum, dreamum 
lifdon bekannt genug ist: doppelschreibungen (ii statt ;) findet 
man auch in Millers Beda. Entweder eöelweardas — melod in 
parenthese, oder vor eöelweardas ber einfügen. 

58. ba mwizan ne zelüfdon sc. on god? vgl.106. In der 
prosa sind zeljfed und zelyfed on zod identisch. 

60. Vgl. 4 Reg. 24, 13. 

66. Man vgl. Beow. 1155: eal inzesteald... smwylce hie «t 
Finnes ham findan meahton: dem 16 scypon feredon 1154 ent- 
spricht hier v. 65 zehlödon; him ist mit (6 hüde zu verbinden 
(vgl. 72 him tö mweorcbeomwum) ‘als ihre kriegsbeute’; anders 
Grein. Aus /reos ‘pelzwerk’ zu machen ist gewis verfehlt; 
Gen. 2130 kommt feoh & fretwa vor: das würde hier recht 
gut passen. 

83. creft: lileras ei linguam Chaldaeorum Dan. 1,4, denn 
sie waren schon erudili omni sapienlia, cauli scientia et docti 
disciplina = zleawost böca bebodes v. 81. Der drei jahre ihrer 
bildung, Dan. 1,5, geschieht keine erwähnung, und die ordnung 
von Dan. 1,5 und 18 ist hier umgekehrt: v. 93 kommen sie 
‘zum fürsten hin’, um ihr (ebräisches?) wissen zu verkünden, 
und erst v.99 befieblt dieser, dass ‘ihnen kein mangel wäre an 
gewand und speise”. 

88. ba in der hebung wie v. 104; to ist in ein zahlwort 
zu ändern; anfangs deutete ich es als /F, aber in abweichung 
von Dan. 1,6 werden hier und unten v. 93 nur drei genannt; 
folglich steckt in f6 ZI]. und ist nach /reazleawe einzusetzen, 
vgl. Az. 58. Dan. 462. Gen. 1334. El. 847 u. s. w. 

90. in zodsede = de semine regis et tyrannorum Dan. 1,3. 
zöd ist hier der positiv vou se/ra ‘ansehnlicher' B&Eow.2199.Rä.13,4, 


ANGLOSAXONICA. 109 


95. corÖres zeorn = ul postea starent in conspeclu regis 
Dan. 1,5: cneordneszeorn zu vermuten, ist unnötig. & 

101. be feore, vgl. Dan. 1,10 condemnabitis caput meum 
regi und Saints 11,6: swa bei le cristen mann sceolde be his 
azenum feore bam hd&lende wiösacan. Be (minre)-cynzes ofer- 
hürnesse übersetzt Schmid (AEpelst. leg. 1,8 5 2. 128, und 6,$ 4 
8.166) ‘bei strafe des ungehorsams gegen den könig’. Dede 
bet —, vgl. Aelfr. Hom. 1,184 200 bet bet folc sitte. 

113. Das im Daniel mit einer s/afua grandis verglichene 
gebiet des fürsten erschien den menschen (yldum) unzelic 0d 
edsceafte, denn dem regno .aureo folgen ein regnum argenteum, 
aereum, ferreum etc. bis rices zehwes ... sceolde ende wurdan, 
vgl. Dan. 2, 44: regnum caeli ... consumet universa regna haec. : 

118. swefnes möma kann unmöglich ‘parallel mit sorh’ 
stehen. Im folgenden vers ist mit Dietrich meted-= mdted zu 
lesen. Dass m&tan vorkommt, auch c. dat. pers., beweist Toller: 
Holthausens Aine zgem&ied ist unnötig. 

125. Ist word. hier der sermo von Dan. 2,5? anzin stimmt 
scheinbar mit ör von v. 133, bedeutet hier aber. wol ‘gang’, nl. 
‘beloop. In v. 133 wage a ne — or als ‘sogar den anfang 
nicht’, d. h. ‘gar nichts’ zu deuten: Thorpes ‘its beginning’ muss 
doch wol heissen ‘at least its beginning’, denn man kann die 
erzählung des königs nicht als ‘den anfang’ auffassen, die con- 
jeetura der magier als ‘das ende”. Man lasse sich daher nicht 
durch ord & ende von v.162 irre machen. 

138. lies bet ze cudon wel || Mine aldorleze. 

141. lies nd, wie oben v. 136 nearon. Findan im ZUnESL 
vers bedeutet ‘erfahren’ wie v. 656. 

160. Wie v.192 on beriz statt on byriz (end herize) sieht 
steckt in diesem wereda nur werda d.h. wyrda, denn ‘der völker 
geschick’ interessierte gewis den könig weniger als sein eignes los. 

172. smwd, aus bus? aber ba ist nicht Rn peeru Dan. 3,1 
in campo: Dura provinciae Babylonis. 

181. heriz und herz verhalten sich zu hearz wie weriz, 
werz (biö ‚him weriz noma = mwerli)gz, wearz hätte Wy.42) zu 
wearz. Man hat wer(i)z und weriz "moestus, defessus’ strenge 
zu scheiden. Se weriza zast ist der ‘spiritus malignus‘, weriznes 
ist ‘malitia’ (Matth. 6, 34 unter dem lemma weriznes angeführt 
bei Cook), werzewedan: ist “maledicere’, werzcn'eodulnis “male- 


110 COSIJN 


dietio’ V. Ps.: aws. wierzan ist ‘maledicere’, got. wargjan KOTU- 
xolveıv U.8.W. 

185. fremde lies fremede. | 

192. lies on beriz (statt on herize) nach v.179, 

194, meron lies weras. 

202.. mihte zebeedon. Das richtige bietet ler die fuss- 
note mit Greins besserung. 

206.. Die heftas sind die hedenan heflas von v. 967. und 
parallel mit Deznas, wie hearran dat. sing. mit Deodne. Nach 
hearran doppelpunkt: die. direete rede fängt an. 

207. pa deiktisch. , Pis h&öengylt ist sehr ainassand im 
munde der heidnischen. diener; das einzige wort, das mit h- 
anfängt und zu hezan (vielleicht zehezan!) passt, Er a. 
aus v. 203 geht hervor, dass sie Dider hweorfan [no/don]: s 
weigerten sich, der versammlung beizywohnen; dann folgt ne 
(und auch nicht )) bysne wiz wurdizean. 

219. pet, lies bet hie. :Ich glaube Weniräcnn, dass diese 
einfügung hier unerlässlich ist, In manchem Beowulfpassus 
würde ich bedenken hegen, das pronomen einzufügen: auch in 
der -prosa fehlt es manchmal, ‚worüber ich: später: zu handeln 
gedenke.: | Br Ä Er 

». 221. lies n2 Dan md zehwurfe in hedendom. 

225. he he eft sona ofn onhelan?- 

240. zemwemman: 6wiht? vgl. 345. 

247. molde bis &feste muss eine parenthese s sein. de 
sinn ich leider nicht verstehe), denn oöhet gehört zu beeron 
brandas on bryne bläcan fyres. | 

258. dydon: lies djrdon. 

‚263. @ldten. Vgl. Orosius 180, 17 Ba bei fi A ale. 
Also, ist diese construction wol bekannt. . 

 266.. lies ac bei fyr ba. Aeunda Das folgende bildet die 
wei vershälfte 

272 und 273 bilden zusammen einen Sehwellsere: 

. 2977, lies & deawdriaronz .on deze weorded Winde zeond- 
säwen und vgl. v.349. Deawdrearung (vgl. mhd. des taues trör, 
tou der nidertrörte Lexer 2,1526) bedeutet. hier ‘der. fallende 
tau’, conceretum pro abstracto; geondsdwen = zeondsprezden. . 

281. Ist es ein spiel des zufalls, dass uns auch Ps. 77, 38 
ein paroxytonon Purhhätne begegnet? ist burhhätne hyze .dort 


A Be 
| QW wvarıı 3 
IINIV TTS 
De 
ANGLOSAXONICA. Er 


die übersetzung von iram als object, so ist eall ne in eallne ne 
zu ändern; und an unserer möchte ich areaz vor deda 
zeorn einfiigen. 

289. lies swa bu edac N eart 1ödft melod Auch 333, 

311. hlizad, 8. Cura Past. 367, 19 und Tijdechrift voor ned. 
taal- en letterkunde 1, 152. i 

317. Ich möchte“ lesen in rn (gehört - zu: zehete) 
bet pu frumcyn hira ete. :Letzteres subst. wird widerholentlich. 
mit /romeyn verwechselt und umgekehrt; erklärend fügt der 
dichter Dette efier him — cenned wurde hinzu. 

322. Was auch im had v.321 stecken möge, jedenfalls 
schliesst sich sw@ heofonsteorran an swä unrime (diese zeile im 
Az. darf im Daniel nicht fehlen) an. Darum. lese ich 322: 
pe biüzad brädne hwyrft, odde brimfaropes (gen. sing.), Sewa- 
roda sand zeond seallne w&z. Nur die sidnas on eordan von 
Ex. 440 Teblen hier, und die yöe sind aus dem Danieltext ge- 
raten und finden sich im. Az. wider. Zu bemerken ist, dass 
Dan. 3,36 und Gen. 22, 17 nur.die. stellae caeli und. die arena 
(in littore maris) genannt werden. 

329. Der lateinische text lautet et scianı quia m es ; dominus 
deus solus cet. Berechtigt uns das, (bei bec En) Ben hahban 
zu lesen? 331 ist & gewis zu streichen. Rn 

.350. Nach. ‚eyst, punkt! Smyle \ V. ‚351 ist in se zu ı ändern, 
vgl. Az. 

342, löswende berechtigt Hofer nicht, Anglia 13, 164° ein 
töswendan anzusetzen. Vgl. Zupitza, Zs. fda. 21,11. Verf, Alt- 
ws. gr. 1,180 und ‚zende Beow. 1401 von zenzan, Geende Aelfr. 
Hom. 2, i1s und Saints 7,48 von zezlenzan, burhstind Schmid, 
Ges. 8. 6.8. AEpelbirkt 32. 53. 64, inbestind 8.8 (ebda. 64), von 
burhstinzan, inbeslinzan; sirendu Leechd. 1, c, sogar ‚stronlice 
Beda 2,7 (Wheloe: s. 126) anstatt strenzdu, na 

371, 377, 393 hüte man sich, Add mit: Grein als ohorn 
zu erklären; es werden die Addas oder ‘ genera lebendiger und 
lebloser wesen aufgezählt, welche on häde ‘in as art! gott 
loben sollen. Ä 

413. hbeode mine. Dafür Hofer Dioden ea mei’! 
Wir lesen wie die hs. Leider ist der kritische teil von Hofers 
verdienstlicher arbeit nicht der wertvollste. en 

414. byrnende: lies byrnendes, wie Az. 173 steht. Gerade 


112 COSIJN 


ändre ich in zebundne nach 229, 435 und Az. 173 (wo Aa 
in seendon zu ändern ist). 

424. on neod sprecad ist einzuklammern. 

430. bonne bu burfe sc. on Ödm lade beon "ebensowenig 

als du’; Dearf wird weder unpersönlich noch absolut gebraucht. 

433. Smwd zecyded was bedeutet sonstwo ‘ut patuit’. Was 
aber können wir hier lesen, als swd him zecjded mes ‘wie man 
ihnen mitgeteilt hatte’ (sc. des königs befehl)? 

437. Wröht: lies wldöh; vgl. Andr. 1473. 


446. sieplon. Wenn man nicht mit Hofer septon schreiben 
will’ (Anglia, Beibl. 5, 232), so schreibe man sepion, denn dies 
rätselhafte verbum, dessen bedeutung feststeht, kann doch nur 
entweder auf *söpjan oder auf *sappjan -(wit organischen: pp) 
zurückgehen (sepjan und soppjan sind unwahrscheinlich). Für 
den vers vgl. El. 530. 


454. Man lese doch um gottes willen on oder in @ht eald- 
feondum, und beachte nicht den gelehrtenkram der fussnote; 
vgl. on «htzeweald Andr. 1112; vgl. auch Dan. 757. On «hl 
sellan, zifan ist bekannt genug; hier wird es mit zel&@dan ver- 
bunden, denn die Juden waren mitgeführt. 


460. Zu ergänzen wyrd zewordne nach 471. Solche wider- 
holungen oft der störendsten art sind in Daniel nicht selten; 
aber füres 461. 463. 466 ist mir doch verdächtig: stand hier 
(461) vielleicht belbryne oder balbiyse (232)? 

470. Bebead. Nein: übead. 


476. Läcende kz im acc. mit wechselnder rection von wid 
befremdet: praedicativ sind solche ace. part. praes. auf -e nicht 
selten (auch B&ow. 2841), aber attributiv kenne ich nur swinsi- 
zende swez Gen. 1081 (Gen. 1407 ist unsicher). | 

477. lies forpam he is ana, ece @lmihliz god, Duzoöa drihten 
se„öe him ete. Vgl. 423 und 426. 

483. sode lies s00, subst. c. gen. rei. 

485. forbam, ergänze him. 


506. dne «le lies es ele = et esca universorum in ea 
Dan. 4, 9. | 

512. lies £ ba mwildan deor oder Zu wildu deor .(ersteres 
vorzuziehen). | | 


513. lies swylce ba fuzolas eac. 


ANGLOSAXONICA, 113 


521. Von dieser höllenqual steht im buche Daniel kein wort. 
Woher dies in sus! ddan? 

528. Ich lese mit Sievers f. feran, streiche aber das n von 
folctogan, weil der könig hier besser am platze ist, und sine 
leode doch in erster linie die magier bedeutet. Vgl. v.725 ba 
weard folctozga forht on möde. 

937. E£ft. Nein: oft! daher des königs vertrauen in Daniel. 

551. Greins besserung ist doch wol für jedermann über- 
zeugend. 

561. stille, worüber Heinzel in seiner schönen abhandlung 
über die Walthersage 8.8. Vgl. auch v.582 unten. 

557. foran...$& bonne,. Also nicht ‘vorwärts fallen’. Was 
hilft uns hier die richtung ‘vorwärts’? Dies heisst ford. Locales 
foran kann bloss bedeuten, dass nur die vorderseite des baumes 
niederfallen würde. 

571. mandreame, ‘der menschlichen gesellschaft’ (frei über- 
setzt). Vgl. Beow. 1715. 

572. Mit Beitr. 10, 486 lies wildra statt wildeora, metri 
causa, und vgl. 663. Andre fehler wie 45 statt lized 563 sind 
von Holthausen schon gebessert. Einige bleiben übrig, die 
jeder, der jetzt ein metrisches ohr hat, leicht bessern kann. 


574. Heorta hlypum fällt auf. Ist ersteres ein gen. von 
einem u-stamme? Vgl. an. hjortr, hjartar. 


577. Das metrisch falsche weceö des copisten bedeutet hier 
‘benetzen’ wie Beowulf 2854 wehte hine welre und Gen. 1922 
seo wes woelrum weaht. 


585. anwloh. Sieh Beitr. 7,455. Lies anwalh (anwolh?) und 
mit Beitr. 10,473 cymest. 


591. Natürlich ist mit Hofer wommas zu lesen, auch aa) 24. 
Monize öeode von 590 bedeutet ‘viele leute’. 


592. fyrene festan lies fyrene etfestan. Dieses ist die 
ursache des wommas wyrcean, das gott nicht verhindert bis — 
u.s.w. Hie von v.591 ist hie hie (ii se) und bonne bedeutet 
niemals zi/ (Sievers, Beitr. 9, 143). 

600. Da he ceastre weold. Aber N. blieb bis zu seinem ade 
könig. Da gehört zu zeseah und in ceasitre weold steckt eine 
parallele zu Babilone burh. Es muss ein neutrum sein, denn 


dies beweist heah v.603 und Dei; aber dann finde ich nichts 
Beiträge zur geschichte der deutschen sprache, XX, 8 


114 COSIJN 


als ceastra zeweorc; vgl. auch worhte v.604 und das bekannte 
wreetlic weallstana geweorc Gnom. Cott. 3. 

610. lies De ic me zeworhte 1ö wurömyndum; der dativus 
commodi darf nicht fehlen. 

622. lies on wildra westen, 624 wildra zemwita und v. 650 
mid wildrum, vgl. zu 572. 

629. herewösan. Das metrum beweist die länge des o. 
Gen. 85 wird es von Lucifers genossen gebraucht: Greins ‘exer- 
eitus dux’ ist gewis unrichtig und Tollers ‘warrior’ gilt nur 
von here-. Ist wudumwasa ‘“faunus, satyrus’ zu vergleichen? 

660. Das dreifache siödan hier, wie 662 und 665 ist schwer- 
lich richtig und lässt sich nicht durch berufung auf 455. 456 
und 457 (wo alles in schönster ordnung ist) verteidigen. Auch 
oben 564 und 563 ist dreifaches swd nicht zu dulden. 658 
swylce statt swa und 660 benden statt siödan? Aber solche 
besserungen sind reines erraten! 

675. hläford repraesentiert also den ‘pater, avus et proa- 

v. 754 gilt aldor vom proavus. 

687. Gehozode ... bet he wolde, eine der prosa sehr ge- 
läufige construction: hizab ealle mezne bet he wolde bära bet- 
stena sumes Öeawas & his creflas zefon Boeth. Fox 110,4; vgl. 
weiter Or. 72,29 und 31, und Sweets Reader 1XCVI. Im Or. 
212,28 ist darum @fter bem bet (tva) he bence bone soelestan 
hmetstän on (‘davon’) lö zger&ceanne zu übersetzen, als ob he... 
zercce im original stände: Dence ist für unser gefühl überflüssig. 

693. lies buen (Beitr. 10,476) und bessere v. 694 nach 
Bouterwek. | 

699. Im ags. zer@de sind zwei wörter zusammengefallen: 
mhd. gereite (ephippia, falerae’ Zs. fda. 31,22. Saints 25, 491. 
Aölfr. gr. 317,16; weitere beispiele bei Toller) und mbd. ger.«ete. 
Hereza zer&dum deckt sich vielleicht mit haleda zer&@dum El. 
1054, aber gewis nicht mit El. 1108, wo ich Zupitzas inter- 
pretation acceptiere, bis auf weiteres. Hier tibersetze ich “mit 
truppenmassen, -mengen'. 

704. on «ht beran würde hier Yedenten) dass der könig 
die tempelschätze verschenkte; aber Dan. 5, 3 heisst es bloss 
func allata sunt vasa aurea et argenlea 2... el biberunt in eis: 
damit stimmt das on hand beran unseres textes, womit sich also 
on hand (zifun, gehweorfan) ‘in den besitz’ nicht vereinigen lässt, 


’ 


yus. 


* ANGLOSAXONICA. 115 


denn an unserer stelle bedeutet es bloss “in die hände’: ohne 
on hand bloss etberan Be&ow. 624 in bezug auf den metbecher. 
Lies also het b4 inn etberan und ändre auch v.748 in(n) et- 
bere. Aber 751° lese man in &ht hefdon. Der könig besass 
die heiligen schätze (vgl. 757), sündigte aber darin, dass er sich 
deren bediente, sie profanierte. | 
710. purh hleodorhlynn? 

723°. morda zerjnu, ‘geheimnisvolle worte”. 

119. ezeslic, T21 in ezesan, 726 for bam ezesan; 719: innan, 
721 in, 722 in, 723 in. Entweder der dichter oder der verun- 
stalter des textes ist hier und an anderen stellen ein maniacus, 
der solche kakophonien leidenschaftlich liebt. Vgl. auch 729 
und 733. z AN 

730. 16 beacne bäm? 

7135. drendbec ‘scripturam’., Warum also bier der plural? 
Bec hat nicht die bedeutung von got. b6kös. 

740. Hofers und Holthausens besserung pere burze ee 
ist so überzeugend, dass wir die fussnote ruhig streichen. 


Azarias. 


77. lies sunne & mona. Leohte leoman ist apposition, wie 
B&eow.95: heofenleoma Andr. 840 ist die sonne, morzenleoht B&ow. 
604 die morgensonne. Schade nur, dass unser text nicht sunnan 
$ mönan hat: dies wäre denn ein alter dualis wie bearnum & 
broörum (s. Beitr. 16,549)! und die beispiele dieser art scheinen 
selten zu sein: neulimburgisches gebroeders en gezusters ‘bruder 
und schwester’ darf nicht verglichen werden. 

84. trymmad in Irymed, 85 hleoö in hleowd zu ändern 
scheint mir geboten, wenn man es wagt, das object morzenren 
von v. 82 hier zum subject zu machen. Man darf doch die 
drei verba irymmad, hleo(w)d und hluttraö nicht in die 2, pers. 
sing. umsetzen? 

102. Was soll hier bei? bet dreozan bedeutet zemwin 
dreozan; vgl. Or. 134,7. 182,4. Auch Holthausen streicht Der. 

108. lies djren, aber 116 breme. 

113. wesad ist 2. pl. des imperativs, also hier falsch. 
Vielleicht wridiad (mwridiad), welches verbum öfters mit weaxan 
verbunden wird. 

119». feder rice ist wie zodes rice Sat. 693 ‘coelum”. 

g*+ 


116 COSIJN, ANGLOSAXONICA. 


131. Vgl. Beow. 1426 sellice sedracan sund cunnian. 

137. Lieber of clife cl@nu, be üs se cyninz zescöp ete. 

150. Das ist in beas oder Deowas zu Ändern. r. Cooks 
gloss. 191. 

159. bearz lies gebearz. 

160. lies wid für & feondas (feond?). 

161. Grein wusste sehr guf, was er tat, als er bryne und 
brözan zu einem worte verband. Man hat ihm zu folgen und 
ihn nur zu verstehen. 

164. ne metod wolde ‘auch wollte es gott nicht’. Vielleicht 
nu metod nolde, wie im Beow. zweimal Da metod nolde. 

165. enihta &, ist in cnihtas zu bessern: das kleine s der 
vorlage scheint als & verlesen zu sein. Got. ahan ist sinnlos 
und würde hier &an lauten müssen: man tötet wol menschen, 
aber nicht deren geist oder sinn. 

171. Lieber beoda wisa! pet we 111 sendon, vgl. Dan. 413. 

189. lies zesizefeste und tilge das semikolon nach mon- 
beamwum. 


LEIDEN, 11. januar 1895. P. J. COSIJN. 


ZUR BEHANDLUNG DES DURCH U 
ENTSTANDENEN BRECHUNGSDIPHTHONGS 
IN DEN ALTNORD. SPRACHEN, 


In meiner schrift Fev. ljudlära 2,481 f. und in der Tidskr. 
f. fil. NR. 8, 284 ff, habe ich gelegenheit gehabt, die frage nach 
der behandlung des brechungsdiphthongs iu, io im altschw. zu 
besprechen. Ich werde über das resultat dieser untersuchungen 
hier kurz referieren, da ich es in diesem aufsatze als bekannt 
voraussetze. 

An jener stelle ist, wie ich hoffe, dargetan worden, dass 
der brechungsdiphthong io und das durch v-umlaut von @ ent- 
standene 9 im ältesten altschw. verschieden behandelt worden 
sind, und zwar in der weise, dass der o-laut des brechungs- 
diphthongs io vor r bleibt, während 9 vor r in # übergeht, z. b. 
biorn, aber born (= isl. born) > bern. Hieraus ergibt sich, dass 
der vocallaut vor r in biorn und der in born verschieden waren, 
als die entwicklung born zu born eintrat; sonst wäre biorn zu 
biorn geworden, gleichzeitig mit dem übergang von born zu 
bern. Erst viel später gieng biorn in biorn über. 

A.a.o. dürfte ausserdem dargelegt worden sein, dass der 
brechungsdiphthong :u im ältesten altschw. nach folgender 
regel behandelt worden ist: er ist is 1) unmittelbar vor 9g (z.b. 
biug, nur dialektisch biog); — 2) wenn u oder i!) in der nächsten 
silbe folgt (z.b. iughu, iurpriki); sonst ist der brechungsdiphthong 
io (z. b. iorb, biorn) geworden. Auch im isl. blieb der breehungs- 
diphthong iu vor u (vgl. Noreen, Altisl. gr.2 $ 90 anm.). 

Im späteren altschw. dagegen bleibt der im älteren alt- 
schw. entstandene brechungsdiphthong io in gewissen fällen 


ı) Vgl. Brate, Aldre Vestmannalagens ljudlära s. 41. Tegner, Tidskr. 
£fil. NR. 8, 288, 


118 KOCK 


lautgesetzlich; in andern fällen geht er lautgesetzlich in ie (6) 
über. Ich formuliere jetzt die regel folgendermassen: das aus 
e entwickelte io bleibt vor rö, rt, k(k), 99, gh (neuschw. jord, 
hjort, tjock, 1jog, spätaltschw. dial. Diog; auch im jüngeren 
altschw. miok), gelt aber sonst in is über (neuschw. björn, 
mjölk ete.). Das erhalten von o vor k(k), 99, gh hängt von 
der gutturalen natur dieser consonanten ab, das erhalten von 
o vor rö, rt davon,!) dass der vocal vor rö und vor r/ +sonant 
gedelint worden war (kaum davon, dass der r-laut in diesen 
stellungen hoher supradental war). 2) 

Auch der durch »-brechung aus ö vor ng, nk öhtwiekelle 
brechungsdiphthong iu bleibt in der reichssprache vor dem 
gutturalen nasal (siunga, siunka). Wenn er dialektisch zu :o 
geworden ist, so bleibt dies (sionga, sionka) gewöhnlich und 
wird nur selten zu is. Vgl. auch verf., Tidskr. f. fil. NR. 8, 289. 


J. Zum wechsel io:is im isländischen. 


Der isl. brechungsdiphthong io geht wie bekannt, wenn der 
o-laut kurz bleibt, in der etwas jüngeren sprache in is über, 
z.b. giof in giof. Dagegen bleibt der o-laut im brechungs- 
diphthong :;o erhalten, wenn er vor gewissen consonanten- 
verbindungen verlängert worden ist, z. b. miölk, hiölp, siölfom 
(von siälfr). Dies ist auch im worte fiörir ‘vier’ der fall, wo, 
wie wir unten erfahren werden, der brechungsdiphthong durch 
ersatzdehnung verlängert worden ist. 

Es ist schon von andern beobachtet worden, dass in ge- 
wissen alten handschriften is früh neben io auftritt. Dagegen 
ist nicht erwiesen worden, dass es eine regel oder wenigstens 
eine tendenz zur regelmässigkeit bei der anwendung von io : ia 
gibt in den fällen, wo das spätere isl. ö# hat. 

Ich glaube aber darlegen zu können, dass dies im Cod. 
645, 4° der fall ist. Durch eine musterung der betreffenden 
formen in Larssons Ordförrädet habe ich die regel constatiert, 


1) Vgl. Hultman in Finländska bidrag till svensk spräk- och folklifs- 
forskning 8.120f. 

2) Wenn neuschw. jo/ster (isl. iolstr) supradentales / gehabt hat, so 
ist fo auch bei verlängerung vor supradentalem Z+ s geblieben. Noreen 
hat IF. 4, 321 wahrscheinlich gemacht, dass vocale vor supradentalem /+s 
gedehnt wurden. Später ist der vocal in jolster verkürzt worden. 


U-BRECHUNGSDIPHTHONGE IM ALTNORD. 119 


und die factischen angaben in diesem aufsatze über die frequenz 
verschiedener schreibweisen im Cod. 645, 4° rühren überhaupt 
aus jenem werke her. 

Die in dieser hs. (wesentlich) durchgeführte regel ist mit 
derjenigen verwant, nach welcher der wechsel io :is im jüngeren 
altschw. (vgl. oben s. 118) normiert worden ist. 

Für Cod. 645, 4° gilt folgende regel: io (io, i6) bleibt vor 
rö, rt und vor kk (in biokkr); sonst kommt is öfter als io 
vor (vor rn doch je 4 mal io und is). Das erhalten von io 
vor rö, rt hängt wahrscheinlich von einer dialektischen deh- 
nung des vocals vor diesen consonantenverbindungen, bez. vor 
rö und vor rt +sonant (ebenso wie im altschw.) ab. 

Ich teile das statistische material mit: wenn nicht bemerkt 
wird, wie oft eine form vorkommt, so begegnet sie nur einmal. 

iorp und ior)- zusammen 11 mal, sor> und iorp- zus. 6 m., för )ina. 
Nur einmal ierbo — hiorb — Niorb — fiorbom (vom subst. florpr). 

albiort — hiortom, [teinhigrto (von hiarta). 

albioct. 

[tiorno 8 m., [iornornar; [tierno 3 m., [liernor. 

Dagegen: | 

gief- und -gief zusammen 4 m., /kieldom 2m., [kisld — Gup/pioll 
— tieldopo — bierg — algierfe — miec 34 m., miöc 17m., miec 2w.; 
aber mioc 6 m., miog, midc 3 m., midc 2 m., iafnmidc — fiero 3 m., florvxi; 
aber foro 2 m., — fierbrot; aber forröpom — fiollom, eyiafioellom; aber 
fioll — fistrop — fielrar; aber fiolrana — giold — kiol — biorgom (von 
biarg) — kidtäre — fiogor. 

In den compositis flo/cunnegr, fioleynge, fiolmenne, fiolmepr findet 
sich gewöhnlich io (io; fiol- 35 m, flol- 2m.; ausserdem fo- statt fiol- 
2m., und zwar in fiokvna und fiokyne!); dagegen fiel- nur 4m.). Fiolpe 
kommt sowol mit io (flolbe, -i Am., manxfiolba) als mit ie (fielbe, -i 
2 m.) vor. 

Dies ist in folgender weise zu erklären. Wenn der o-laut 
des brechungsdiphthongs io im normalen isl. gedehnt worden 
ist, so hat Cod. 645, 4° immer iö beibehalten: Aiolp, hiolp zu- 


ı) Es ist nicht sicher, dass diese zwei formen ohne / als schreib- 
fehler aufzufassen sind. Möglicherweise kann ! im isl. vor % (in relativ 
unaccentuierter silbe?) verloren gegangen sein. In einigen dialekten in 
Dalarna geht / vor k verloren: fo[l]k ‘volk’ ete., und in der altschw. schrift 
Sielinna trost findet sich fokit ‘das volk’ 511,17, hwikom statt hwilkom 
68,24; fukompnadhe statt fulkompnadhe 68,16 (die formen sind vom 
herausgeber ‘corrigiert’ worden). 


120 KOCK 


sammen 4m. — miolc — fiolfom 3 m., fiolf (nom. sg. fem. und 
nom. pl. neutr.) von sidlfr — fiora 2m., fiorvm. In den com- 
positis fiolcunnegr, fiolcynge, fiolmenne, fiolmebr ist der brechungs- 
diphthong vor / + guttural oder labial ebenso wie in hio/p etc. 
verlängert worden, und der diphthong io ist deshalb in diesen 
compositis in der regel erhalten. Eine musterung der in 
Fritzners wörterbuch? angeführten composita mit fiol- lehrt, 
dass in der mehrzahl ein guttural oder labial dem supraden- 
talen / nachfolgt. Er verzeichnet nämlich 31 composita von 
dieser form und nur 16 composita mit fol-, in denen ein andrer 
laut dem / nachfolgt.!) Ausserdem musste der diphthong laut- 
gesetzlich in den simplicia fiolga, fiolgan, fiolgr gedehnt werden. 

Unter diesen verhältnissen ist es leicht begreiflich, dass im 
Cod. 645, 4% fiolbe teilweise den diphthong io — durch an- 
schluss an fo/- erhalten hat. Fiolbe ist die lautgesetzliche form, 
von welcher is ausnalımsweise (2 m.) zu fol- (fel-) ist über- 
tragen worden. 

Wenn die entwicklung io > is vor rn im Üod. 645 wenig 
vorgeschritten ist, so darf dies wol mit dem verhältnis in einer 
altschw. hs. zusammengestellt werden. Im Cod. Palmısk. 405 
(bg. von Kock und af Petersens in Östnordiska och latinska 
medeltidsordspräk) ist die oben erwälnte spätaltschw. regelung 
von io :is sonst durchgeführt. Vor rn findet sieh aber öfter io 
(biorn no. 588, 1051, biorna hmwelpe 1053) als is (biorna 224), 
Bekanntlich ist im altschw. der vocal vor rn gedehnt worden, 
aber wenigstens in den meisten gegenden später als vor rd, rt 
(Kock, Fsv. Ijudlära 2,404, Arkiv NF.5,242), Das erhalten 
von io vor rn spricht dafür, dass die dehnung vor rn dialek- 
tisch früher eingetreten ist, als der übergang io zu i#. 

Auch die schreibung fogor im Cod. 645 und die dort ziem- 
lich oft vorkommenden formen mioc (miöc, miöc), miog sind wol 
damit zu vergleichen, dass io noch im spätaltschw. vor gk und 
k lautgesetzlich bleibt (neuschw. tjog, noch spätaltschw. miok). 
In fogor ist übrigens io erst spät aus iu entstanden (vgl. oben 
8.117); altschw. hat Aughur. 

Ein wort, das nach der gewöhnlichen auffassung brechungs- 


1) Wenn vocale auch vor supradentalem + s lautgesetzlich gedehut 
worden sind, so blieb zo lautgesetzlich auch in fiolskyldr etc. 


U-BRECHUNGSDIPHTHONGE IM ALTNORD. 121 


diphthong enthalten soll, ist oben nicht besprochen worden, 
nämlich diofoll. Dies wort ebenso wie die ableitung diofolegr 
und das compositum diofolöobr wird im Cod. 645, 4° normal 
(38 m.) mit io, einmal dioflom geschrieben. Nur 4 mal erscheint 
es mit io. Dies ist leicht erklärlich. Der diphthong io ist in 
diesem worte nicht im isl. entstanden, sondern es ist mit diph- 
thong aus dem ags. entlehnt worden; vgl. ags. deofol (und ahd. 
tiuval). Der diphthong in diofoll hatte eine andere qualität als 
der brechungsdiphtloong io. In der wurzelsilbe des altschw. 
diawul, diemwul dagegen haben wir dieselbe vocalisation wie im 
lat. diabolus, das mittelbar oder unmittelbar mit dieser vocali- 
sation entlehnt worden ist, vgl. got. diabulus, diabaulus. 


In diesem zusammenhang möge hervorgehoben werden, 
dass im Cod. 645, 4° die diphthonge io : is in einer eigentüm- 
lichen weise wechseln in solchen silben, die gewöhnlich als 
‘unaccentuiert’ aufgefasst werden. 

Der diphthong io erhält sich im Cod. 645, 4% gewöhnlich 
in diesen silben unverändert, ebenso wie dies in andern isl. 
handschriften der fall ist. In einem speciellen falle entwickelt 
er sich aber zu is, und zwar wenn ihm ein langer n-laut in 
der bestimmten form der femininen iön-stämme nachfolgt. 

Eine musterung der femininen iön-stämme in Larssons 
Ordförrädet gibt folgendes resultat. Wenn keine zahl nach 
einer form angeführt wird, so kommt sie nur einmal vor. 

dat. sg. feriene, ferie ni, aber dagegen ferio 6 m. (von feria). 

gen. sg. flecienar, aber iarn!/ecio, fleciona (von sleggia). 

dat. sg. huffreyione, gen. sg. huffreyiöxar, aber freyio, hvffreyio 
4m,, auch einmal hv/freyioxe. 

gen. sg. /yigiexar, gvllfylgiexar; auch einmal /ylgiena!) (acc.) von 
sylgia. 

. Ausserdem kommen von rekia dat. sg. rekioNe, rekione (je 1 mal) 
und dat. acc. sg. rekio (6 m.) vor. 

Fernerhin ofdrykio, fylgio, ahycio, vanlıycio, qvepio, viptekio, venio. 

Man findet also vor nn in bestimmter form is 7 m., io im, 
io 2m. In unbestimmter form und in bestimmter form vor 
kurzem n aber io 26 m., io nur 1 m. (in den angeführten acc. 
[ylgiena). 


1) Kann leicht durch einfluss von /yigiennar, /[ylgienne erklärt 
werden. 


122 KOCK 


Die entwicklung von ferionne zu ferioenne kann als ein 
progressiver umlaut aufgefasst werden; vgl. altnorw. altschw. 
hiarta > hierta, altschw. biorn > biern etc. Der wechsel /er- 
ionne : ferio, feriona kann von der accentuierung abhängen. 
Denn es ist leicht begreiflich, dass die zweite silbe von 
ferionne > ferionne, welche durch position lang war, einen stär- 
keren accent (semifortis oder starken levis) hatte, als die zweite 
kurze silbe von /erio, feriona (mit schwachem levis). Diese be- 
tonung wird durch das altschw. bestätigt. In dem altschw. Magnus 
Erikssons landslag heisst es krono aus älterem kronu, während 
kronunna den alten x-laut beibehalten hat, weil der stärkere 
accent (starker levis oder vielleicht semifortis) der zweiten silbe 
den «-laut conservierte; vgl. Kock, Sv. landsm. 13, no. 11, 8.9. 

Vielleicht könnte man sieh alternativ auch eine andere 
erklärung von ferienne : ferio (feriona) denken, und zwar so, 
dass (ebenso wie im älteren dän,, siehe Vill. Thomsen, Forhand- 
linger paa det fjerde nord. filologmede 205 ff.) der lange n-laut 
im isl. (dialektisch) praepalatal war. In diesem falle ist die 
entwicklung von o zu # durch zusammenwirken des vorher- 
gehenden ;-lauts mit dem nachfolgenden praepalatalen »-laut 
eingetreten. Als eine stütze dafür, dass der lange n-laut (sowie 
n + cons.) praepalatal war, sei an den anorw. übergang des & >e 
in Dreennr > brennr etc. erinnert (vgl. germ. bind- < bhendh- ete.). 

Man dürfte übrigens im Cod. 645, 4° eine tendenz zu regel- 
mässigkeit auch bei der entwicklung von o (u-umlaut von ö) 
in # finden. Der alte o-laut tritt in dieser hs. gewöhnlich als 
o auf (vgl. Larssons ausgabe s. Li). Nach dem halbvocal » 
steht aber in der regel o (0) : dvol (acc. sg.), dvolbofc (3 pl. praet. 
von dvelia), aNd/vor, acc. pl. /vor, [vor, [vor, gvolbo (3 pl. praet. 
von gvelia) 2 mal, gvo/ (nom. dat. sg.) 4 mal, gvolom (dat. pl. 
von gvol), guodo (pret. von gvehia), pret. von svara : [voropo, 
svorobo |[/voropo, svoropo kommen wol nicht mit in betracht]; 
nur einmal #: hvoso (dat. sg. von hvass). Nach dem consonan- 
tischen (bilabialen oder dentilabialen) v im anfang der wörter 
(vgl. L. Larssons ausgabe von Cod. 1812, 4° 8.xv mit fussnote 2 
und Kock, Arkiv NF.1, 93 ff.) kommt dagegen # oft vor, z.b. 
voco (dat. von vaka), von (neben von, nom. sg. fem. von varr), 
valn (nom. pl. von vatn). Das erhalten von 0 (0) nach w ist 
leicht zu erklären: der g-laut stand dem »-laut näher, als dies 


U-BRECHUNGSDIPHTHONGE IM ALTNORD. 123 


mit dem #s-laut der fall war; deshalb hat der w-laut den o-laut 
vorläufig conserviert. 

Hiermit ist zu vergleichen, dass im späteren isl. e nach Av- 
in o (u) übergegangen, aber sonst nach v zu ö geworden ist, 
2.b. kveld > kvöld, aber hvert > hvort (Björn Magnüsson Olsen, 
Germania 27,266. Boer, Orvar Odds saga [1888] «. 1; vgl. auch 
Noreen, Altisl. gramm.? 8 75). 

Die verschiedene entwicklung von e ist ohne zweifel damit 
zusammen zu stellen, dass man in gewissen gegenden von Is- 
land den alten w-laut nach A (Avitr ete.) noch erhalten hat, ob- 
gleich der w-laut sonst labiodentales v geworden ist. Nach Ölsen 
hat ö den übergang von e zu o vermittelt. Wenn dies richtig 
ist, so war der w-laut wahrscheinlich noch erhalten sowol bei 
der entwicklung kweld > kwöld als bei der von hwert > hwört. 
Nachdem kwöld aber zu Avöld (mit v, nicht w) geworden war, 
wurde hwört weiter zu hwort entwickelt.) 


II. Die behandlung des brechungsdiphthongs iu, io 
im altgutnischen. 


In seiner abhandlung Forngutnisk ljudlära 8.27 hat Söder- 
berg die altgutn. wörter miel ‘mehl’, smier ‘butter’, mielk ‘milch’ 
und diern ‘bär’ besprochen. Er ist der meinung, dass in diesen 
wörtern beispiele des brechungsdiphthongs ia vorliegen, der im 
altgutn. zu ie entwickelt sei; er trennt also diese altgutn. wörter 
von den altschw. miel, smior ete. Vgl. auch seine abhandlung 
‘Nägra anmärkningar om u-omljudet i fornsvenskan’ s.9 anm. 1 
(in Lunds universitets ärsskrift, bd.25). Nach Noreen in Pauls 
Grundr. 1,477 8134 ist dies altgutn. ie ‘unaufgeklärt”. 


Meines erachtens können die altgutn. smier etc. nicht von 
den entsprechenden altschw. smior etc. getrennt werden, sondern 
ie repräsentiert die lautgesetzliche altgutn. entwicklung des 


1) Die conjunction b&>i ‘so wol’ hat im Cod. 645, 4° gewöhnlich die 
form bepe, bepi (viele beispiele in Larssons Ordförräder und in der ein- 
leitung zu seiner ausgabe). Ich sehe in ba,)e im vergleiche mit dem 
normalen isl. b&be, ba&bi eine dialektform. Der Übergang von @ zu # 
ist dadurch veranlasst worden, dass ein labial (6) vorhergieng, und dass 
diese conjunction in der regel relativ unaccentuiert war. Vgl. dazu den 
übergang des unbetonten praefixes be- zu be- im späten altschw., in beholla 
> beholla etc. (Kock, Svensk spräkhist. 8. 30). 


124 KOCK 


brechungsdiphthongs io. Dies dürfte aus einer musterung der 
altgutn. wörter mit dem brechungsdiphthong iu, io überhaupt 
unwidersprechlich hervorgehen. 

Wir finden altgutn. 


1. iu in übereinstimmung mit dem altschw., wenn ein u 
in der nächsten silbe folgt: altgutn. altschw. zZiughu, altgutn. 
fiug(g)ur, fiugura : altschw. fughur, fiughura (nom. acc. neutr. pl. 
und gen. pl. von fürir). | 

2. io in übereinstimmung mit dem jüngeren altschw., wel- 
ches io im neugutn. (auf der insel Färö) als :@ bleibt, in alt- 
gutn. altschw. öorp, neugutn. järd; neugutn. ärd (altschw. 
giorp); neugutn. Ljäkkur (altschw. biokker). 

3. ie in altgutn. miel, mielk, biern, smier, fielkunnugr. 


Diesen unter no. 3 angeführten wörtern entsprechen im 
Jüngeren altschw. wörter mit is bez. isl. und altschw. wörter, 
die im jüngeren altschw. lautgesetzlich > gehabt haben müssten, 
wenn sie da belegt wären: — altgutn. mie? : jüng. altschw. mio]; 
altgutn. mielk : jüng. altschw. mielk; altgutn. biern : jüng. altschw. 
biorn; altgutn. smier : ält. altschw. smior, jüng. altschw. *smior 
(vgl. neuschw. smör!); altgutn. felkunnugr : isl. folkunnigr, jüng. 
altschw. *Aslkunnogher (vgl. isl. fol ‘bret’ : jüng. altschw. 4022). 

Der altgutn. dialekt steht bekanntlich dem altschw. des fest- 
landes sehr nahe. Aus dieser erörterung gebt ausserdem her- 
vor, dass es besonders ein vollständiger parallelismus betreffs 
der altgutn. und altschw. behandlung des brechungsdiphthongs 
iu besteht, und zwar in der weise, dass das altgutn. is hat, wo 
das altschw. iu, dass das altgutn. io hat, wo das jüng. altschw. 
io, und dass das altgutn. ie hat, wo das jüng. altschw. io hat. 
Da der brechungsdiphthong iu im altgutn. und jüng. altschw. 
natürlich etymologisch identisch ist, und da dies natürlich auch 
mit dem io der fall ist, so muss auch altgutn. ie mit jüng. alt- 
schw. is etymologisch identisch sein, z.b. altgutn. mie! = jJüng. 
altschw. miel. Dies heisst mit andern worten, dass der bre- 
chungsdiphthong iu, der sich im jüng. altschw. unter den oben 


1) Kann auch anders aufgefasst werden. 

2) Es ist zweifelhaft, ob altgutn. hieldu (pret. pl. von halda) unmittelbar 
mit jüng. altschw. hisldo (< hioldo < hiuldu < heldu) mit dem brechungs- 
diphthong iu zu identificieren, oder ob es anders zu erklären ist. 


U-BRECHUNGSDIPHTHONGE IM ALTNORD. 125 


8.118 angeführten verhältuissen zu is entwickelte, im altgutn. 
unter denselben bedingungen zu ie geworden ist. Der altgutn. 
diphthong io hat bei der entwicklung zu ie vielleicht die mittel- 
stufe @s passiert, also miol > miel > miel. 

Die hier besprochene frage ist von belang auch für die 
entscheidung über die richtige lesart im Gottlandslag 4. Der 
überlieferte text hat mier fr] bubni, das keinen sinn gibt. Söder- 
berg, Forngutn. Ijudlära 8. 27 schlägt deshalb vor, miec fr 
bubni zu lesen; *miec wäre ‘sehr’, dem mikit der jüngeren hs. 
entsprechend. Diese emendation spricht in mehreren beziehungen 
sehr an. Es ist aber kein altgutn. *miec = altschw. miok be- 
legt, und im jüng. altschw. bleibt io vor k in miok. Wenn eine 
emendation in der von Söderberg vorgeschlagenen richtung vor- 
zunehmen ist, muss also mier in mioc emendiert werden. 


III. Isl. fiörir, altschw. fizrir. 

Die geschichte des wortes förir ist noch immer nicht ge- 
nügend aufgeklärt. So ist der wechsel 5:3 in got. fidwor, 
altschw. Fiedhrundaland etc. : isl. fogur etc. noch nicht befrie- 
digend erläutert worden; vgl. hierüber z.b. Brugmann, Grundr. 
2,2,8. 472. Bugge in Vitterhets akademiens handlingar 31, no.3, 
8.32. Auch der wechsel isl. förir, altschw. fizrir : isl. fiogur, 
altschw. Aughur enthält noch eine weitere ungelöste schwierigkeit. 

Nach Noreen, Arkiv NF. 2, 317 f. und Altisl.gramm.? $ 106°. 
179 soll förir aus *fedwörer (vgl. got. Adwor) entstanden sein, 
In *feöwörer mit fortis (hauptaccent) oder semifortis (starkem 
. nebenaccent) auf der zweiten silbe wäre nach seiner meinung 
das Ö lautgesetzlich vor w verloren gegangen, und nachher 
wäre *fe(w)örer zu fiöorir entwickelt worden. 

Diese auffassung dürfte nicht haltbar sein. Gegen sie 
spricht schon, dass nom. masc. und fem. jiörir, fiörar, dat. 
förum etc. ganz vom gen. fogurra, nom. acc. neutr. fiogur ge- 
trennt werden. In diesen formen haben wir ja den z-laut, 
aber nach Noreen wäre forir von einer grundform mit Ö aus- 
gegangen. 

Aber auch andere umstände sprechen entschieden gegen 
diese meinung. Das von Noreen angenommene gesetz für den 
verlust des ö ist nämlich sehr problematisch. Es wäre sehr 
sonderbar, wenn Ö vor » nur dann verloren gegangen wäre, 


126 KOCK 


wenn die folgende silbe ‘starktonig’ war, d.h. fortis oder 
semifortis hatte. Wenn z. b. *feömwörer fortis auf der ersten, 
semifortis auf der zweiten silbe hatte, so würde man viel eher 
erwarten, dass der einfluss der accentuierung auf den Ö-laut 
der entgegengesetzte gewesen wäre. Der laut gehört nämlich 
unter diesen umständen unbedingt einer relativ stark accen- 
tuierten silbe an, aber in dieser stellung pflegen die consonanten- 
laute zu bleiben, wenn sie auch in relativ unaccentuierter silbe 
unter sonst gleichartigen umständen verloren gehen. Hierzu 
kommt aber noch, dass Noreen als weitere stütze für das laut- 
gesetz, ausser förir, nur noch einige personennamen hat an- 
führen können. Deren etymologie ist aber zum teil unsicher, 
und wenn auch in einigen von ihnen ein Ö vor w verloren ge- 
gangen ist, so kann man daraus noch nicht ohne weiteres den 
schluss ziehen, dass ein ähnlicher verlust des ö auch in appella- 
tiven eingetreten sei. Es ist ja allbekannt, dass sich andere 
und viel mehr lautveränderungen in vornamen als im übrigen 
wortschatz der sprache vollziehen (vgl. z.b. Kock, Arkiv NF.5, 
151 f. anm.). | 

Was aber, so viel ich sehe, die auffassung Noreens unhaltbar 
macht, ist der umstand, dass nach derselben das normale alt- 
schw. fiarir unaufgeklärt bleibt. Wenn die entwicklung *fed- 
wörer (mit fortis auf paenultima) > *fe(w)ö’rer > fiörir gewesen 
wäre, so müsste auch das altschw. normalerweise io (nicht iz) 
gehabt haben; vgl. got. bröbar : altschw. bröpir (nicht *oräpir). 
Und auch wenn auf der paenultima von *fedwörer semifortis 
ruhte, hätte die entwicklung dieselbe sein müssen, da ö mit 
erhaltener länge in semifortissilben nicht anders behandelt wird 
als in fortissilben., | 

Es ist selbstverständlich, dass förir, wenn irgendwie mög- 

lich, in einer solchen weise zu erklären ist, dass es nicht von 
den übrigen casus desselben wortes (fogur, fiogurra) getrennt 
wird. Diese haben aber z-laut und brechungsdiphthong; man 
muss also erwägen, ob förir nicht dem entsprechend zu erklären 
ist. Die forderung forir mit fogur zusammen zu stellen, wird 
durch folgenden vergleich noch mehr gebieterisch: 


nom. gamlir gamlar gamul (gomul) 
gen. gamalla gamalla gamalla 

dat. gamlum gamlum gamlum (gomlum) 
acc. gamla gamlar gamul (gomul) 


U-BRECHUNGSDIPHTHONGE IM ALTNORD. 127 


und nom. fidrir fiörar fiogur 
gen. fiogurra fiogurra fiogurra 
dat. fiörum fiorum fiorum 
acc. fiöra fiörar fiogur 

Gamlir, gamlar etc. sind wie bekannt aus *gamaler, *ga- 
malör etc, entstanden. Aus den angeführten paradigmen ergibt 
sich also, dass sich bei dem zahlwort ‘vier’ f0-formen in allen 
den casus und nur in solchen casus finden, wo gamall syn- 
kopierte formen hat, während das zahlwort mit f0g- in allen 
den casus und nur in solchen casus anfängt, wo gamall un- 
synkopiert geblieben ist. 

Diese übereinstimmung ist allzu gross, um zufällig zu sein. 

Auch auf andern wegen gelangt man zu demselben resultat. 
Die Rökstein-inschrift (von ca.900) hat in acc. pl). fiakura, in 
dat. pl. fiakurum (Bugge, Vitterhets akademiens bandlingar 31, 
n0.3, 8.32). Man hat diese formen fiazura, fiazurum oder viel- 
leicht fezura, fezurum ausgesprochen (wenn ia auf dem Rök- 
stein ebenso wie z.b. in nuruiak = ‘Norweg’ auf dem grösseren 
Jallingestein!) den lautwert © haben kann). In diesem falle 
haben wir vollständig die älteren formen, aus denen isl. föra, 
förum entstanden sind; in jenem falle repräsentieren fiakura, 
fiakurum die älteren formen von isl. föra, fiörum, wenn man 
vom brechungsdiphtlong ia absieht. 

Die annahme, dass isl. föra, fiörum, ebenso wie isl. fiogurra, 
fiogur, auf ält. *fezur- (und nicht auf formen mit -wö- nach 
dem endceonsonant der wurzelsilbe) zurück zu führen sind, wird 
durch die entsprechenden formen im aind. bestätigt: aind. acc. 
masc. calüras, dat. abl. masc. und neutr. catürbhyas (gen. masc. 
und neutr. caturnäm). Bugge hat a.a.o. hervorgehoben, dass 
fiakura, fiakurum auf dem Rökstein diesen aind. formen ent- 
sprechen, aber er äussert sich eigentlich nicht über das verhältnis 
zwischen fiakura, fiakurum und isl. /iora, fiorum.?) 

Die isl. mit fio- anfangenden formen fiorir ete. sind also 
ebenso wie gamlir etc. durch synkope entstanden. Wenn man 
hiervon ausgeht, so werden die formen von fiörir erklärlich. 


ı) Vgl. Wimmer, Die runenschrift 326. 

2) Er sagt: ‘jeg er nu tilböielig til at holde formerne fiagura, fia- 
gurum for oprindeligere end glsv. fiura, ‚Rurum, oldn. /jera, fjorum og 
endogsaa got. acc. fidwör, dat. fidworim.' 


128 KOCK 


Es ist einmal flectiert worden: 
*fezurai (*fezurer!) *fezurör *fezuru 
*fezurirö 
*fezurum- 
*fezura(nn) *fezurör *fezuru 
Vgl. die flexion *gamalai (*gamaler) ete. Als in *yamaler > 
gamlir etc. der vocal synkopiert wurde, trat die vocalsynkope 
und gleichzeitig die ältere brechung auch in den entsprechenden 
casus von fidrir ein, also *fezurer > (*fe”zrer >) *feugrer etc. 
mit dem stärkeren exspirationsdruck noch immer auf dem 
ersten vocal des neugebildeten brechungsdiphthongs, während 
-uz- eine relativ unaccentuierte nebensilbe bildete. 

Aber wie sollte der z-laut in dieser relativ unaccentuierten 
stellung behandelt werden? Nur in gewissen formen des zahl- 
worts fiörir hat der z-laut vollständig diese stellung gehabt. 
Wir wollen uns deshalb vergegenwärtigen, wie der z-laut der 
älteren und neueren nord. sprachen in teilweise analoger 
stellung lautgesetzlich behandelt worden ist. 

Der z-laut ist im altdän. nach gutturalem vocal in » über- 
gegangen (maghe > mame etc.), und diese entwieklung ist auch 
in gewissen schwed. dialekten eingetreten. Im altschw. trat 
er in relativ unaccentuierter stellung, wenigstens zwischen zwei 
u-lauten, ein, z. b. brutiughu-meo > *brultu(m)u-me > bruttu-me 
(Kock, Arkiv NF.7,150 ff). Nach o, u ist z in den ostschw. 
dialekten zu »(>v) geworden (Hultman a.a.o. 8.145). 

Im isl. ist fagrlikt in färlikt entwickelt worden (Mogk, Lit.- 
bl. 1893, sp. 278); der verlust des z ist durch dessen stellung 
vor r +consonant hervorgerufen worden, und beim verluste des 
z wurde der vorhergehende vocal gedehnt. In ähnlicher weise . 
ist altschw. leghardagher, ält. neuschw. lögherdagh zu neuschw. 
*jöghrdayh > lördag geworden. In der neuschw. alltagssprache 
ist nära ‘einige’ aus näghra entstanden, weil das wort meist 
relativ unbetont war; dagegen vägra etc. mit fortis. 


2) Aus dem i-umlaut des altschw. /yrir geht hervor, dass gewisse 
easus facultativ die flexion von ?-stämmen haben konnten, was durch 
den got. dat. fidwörim bestätigt wird (Kock, Sv. landsm. 2, no.12, 8.5). 
Aber dieser umstand hat keinen eiufluss auf die synkopierung des u 
oder auf die entwicklung der brechungsformen, und wir sehen deshalb 
vorläufig davon ab. 


U-BRECHUNGSDIPHTHONGE IM ALTNORD. 129 


Der z-laut ist im altschw. vor ö in rel. unaccentuierter 
silbe verloren gegangen, z. b. saghdhe, laghdhe > sadhe, ladhe 
(vgl. Zäghahe in etc... Wahrscheinlich ist z zwischen u und Ö 
im zweiten compositionsgliede (isl.) -Ruyö, -(h)zd gefallen, z. b. 
iluö etc. (vgl. Bugge, Beitr. 13,508); auch hier ist der vorher- 
gehende vocal gedehnt worden. 


Eine noch bessere und fast vollständige parallele zur laut- 
entwicklung in fiörir geben uns wol folgende (seltenen) wörter 
mit den alten diphthongen au, eu. So viel ich sehe, ist in ihnen 
ein zZ zwischen au, eu und folg. i verloren gegangen, und 
wahrscheinlich in der weise, dass auz, euz zuerst zu aumw, eum 
wurden. 

Neunorw. traug ‘trog’ : isl. treyiu-sobull ‘trogsopull’ (ein 
sattel in der form eines troges); also ält. *rrauzio. 

Isl. iuga ‘gabel’, heytiüga "heugabel’ : heytyia “heugabel’, 
eine j-ableitung; also ält. *euzid.') 

Neunorw. irjüg ‘sneesko’, Irjüga, irygja ‘forsyne med sneesko’ 
: iel. iryiu-sopull ‘trogsgpull’; also ält. *ıreuziö "sneesko’ oder 
ein gerät mit einer gewissen Ähnlichkeit mit einem ‘sneesko’, 

Es bleibt zweifelhaft, ob auch isl. mygia : mijia ‘nieder- 
drücken’ (ält. *meuzian?) hierher gehöre. Der wechsel 97 : 5 
kann daraus erklärt werden, dass *meuzia zu *meu(w)ia > myia 
wurde, während in praes. *meuzir der z-laut vor vocalischem i 
stehen blieb (mygir). Die erhaltung des z in den verben beygia, 
biygiask, drygia, reygiast etc. ist in dieser weise zu erklären, 
bez. durch anschluss an biiüyr, driügr ete., bei denen die meisten 
casusendungen mit vocal anfangen.?) 


Aber wenn auch ireyiu-, iYia, tryiu- anders zu erklären 
wären, so dürfte es in sehr guter harmonie mit den andern 
oben angeführten lautentwicklungen sein, wenn ich annehme, 
dass z in /iörir gemeinnordisch zwischen dem diphthong eu 
und r zu w wurde, also */euzrer > *feuwrer. Nachher gieng 


1) Anders Hellquist, Etymol. bemerk. 8.10. Seine deutung von -Iyia 
scheint mir aber unbefriedigend, weil er genötigt ist, heyiyia von heyliüga 
zu trennen. 

2) Ist z nach der bilabialen fricativa zu m geworden in dem zweiten 
rel. unaccentuierten compusitionsglied von nafarr, so dass die entwick- 
lung die folgende gewesen ist: *nadagairar > *nabzärr > *nabwarr, 
wonach dw zu d (nafarr) zusammenschmolz ? 

Beiträge zur geschlohte der deutschen sprache. XX. y 


130 KOCK 


eumw durch verlust des » vor consonant natürlich in eu über, 
das mit dem alten diphthong du in *beuda ‘bieten’ ete. identisch 
war; also */eurer. Dies wurde lautgesetzlich altschw. fizrir 
(vgl. altschw. bizba), isl. fiörir (vgl. isl. biöpa, biörr ete.); alt- 
gutn. ist dat. fiaurum belegt (vgl. altgutn. biauba). In überein- 
stimmung hiermit ist die isl. ordinalzahl fiörbi lautgesetzlich 
aus *fezurda (> *fe”zröe) entwickelt. Dagegen blieb z natür- 
lich lautgesetzlich vor vocal in nom. acc. neutr. *fezur > *feuzur 
(mit jüngerer brechung), woraus isl. fiugur, fiogur, altschw. 
fiughur, altgutn. fiug(g)ur. So auch im gen. pl. isl. fiogurra, 
altschw. fiughura, altgutn. fiugura. 

Die entwicklung von fiörir hat vielleicht wesentlich eine 
parallele in isl. iur : iüyr, altschw. iügher : iuwer, neuschw. juver, 
einem wechsel, der noch nicht befriedigend aufgeklärt sein dürfte. 
Dies wort hat jedoch den ursprüngl. diphthong eu (nicht den 
brechungsdiphthong), und ich hebe hervor, dass, wenn auch 
meine auffassung von iär nicht die richtige sein sollte, die er- 
klärung von fiörir davon nicht abhängt. 

Man hat einmal flectiert *euzar (vgl. oö8ap, aind. Zdhart)) 
: dat. *eugre, pl. gen. *eugra, dat. *euzrum ete. Der z-laut in 
isl. iägr stammt aus den nicht synkopierten casus *euzar etc. 
Dagegen wurde *euzre ete. zu *eumre, *eure ete. (vgl. *feuzrer 
> *feurer),; von diesen casus ist isl. iur ohne g ausgegangen. 
Ehe das w in den synkopierten casus *eumre etc. verloren 
gieng, wurde es aber in die nicht synkopierten casus eingeführt, 
so dass man (neben *euzar) *euwar > *iudur bekam. Hieraus 
erklärt sich der v-laut in altschw. özwer, neuschw. jJüver. Das 
in (statt öö) im’ isl. @zr ist von der gewöhnlicheren form izgr 
übertragen. 

Wenn man das lautgesetz näher formulieren will, nach 
welchem fiörir entstanden ist, so konımen folgende wörter mit 
in betracht: 

Der aus den Biskupa sögur einmal belegte pl. gyögrar 
(nach Fritzner?2 zu einem sg. gjögr f.) und die in der Orvar 
Odds saga einmal begegnende praet.-form gjegradir?) (Boers 


1) Der wechsel von dental und guttural in diesem wort bleibt dunkel; 
vgl. jedoch Bugge, Vitterhets akademiens handlingar 31, no0.3, 8. 32. 


2) Ich erinnere auch an neuisl. gjögr neutr. ‘en sprekke, kleft i 


U-BRECHUNGSDIPHTHONGE IM ALTNORD. 131 


ausg., Leiden 1888, s. 165, in der hs. S; die hss. ABE haben 
dagegen ygeisadir, M gnaggadir) machen es wahrscheinlich, dass 
z nach dem brechungsdiphthong nur dann zu w wurde, wenn 
dieser iu (nicht wenn er io) war. Dies ist auch sehr begreif- 
lich: der x-laut steht ja dem w-laut viel näher, als der o-laut. 
Die verschiedene behandlung des z in giograr und in fiörir 
ist also ganz in der ordnung. Man hatte nom. acc. pl. neutr. 
fiuzur, gen. pl. fiuzurra, dat. pl. *fiuzrum, also acht casus mit 
u in der zweiten silbe gegen nur vier casus (später isl. fiorir, 
fiöra, fiorar) mit andern vocalen in der zweiten silbe Durch 
anschluss an die mehrzahl der formen blieb das eu in den vier 
casus (*/euzrer, nom. und acc. fem. *feuzrar, *feuzra), so dass 
das z auch in diesen nach dem eu verloren gieng (altschw. 
fiarir, isl. fiorir etc). Uebrigens hatten auch diese casus in 
der zweiten silbe facultativ i (*feuzrir etc.), da das wort facul- 
tativ als i-stamm flectierte (vgl. s. 128 anm.), und nach i dürfte 
auch gemeinnord. (ebenso wie im altschw.; vgl. s. 117) der 
brechungsdiphthong iu geblieben sein. 

Das sehr seltene altnorw. giognum (aus *giugnum) ‘durch’ 
hat keine beweiskraft für die frage, ob zZ zwischen eu und n 
lautgesetzlich zu » wurde, da der z-laut in giognum auf jeden 
fall durch anschluss an die gleichbedeutenden geynum, giagnum, 
gegnum, gegn ete. hat stehen bleiben können.!) 

Es ist also zweifelhaft, ob die lautentwieklung z > w nach 
eu nur vor gewissen consonanten (darunter r) eintrat, oder vor 
consonanten überhaupt. Aber sei es, dass man das lautgesetz 
in dieser oder in jener weise formuliert, immerhin werden die 
oben discutierten hauptformen des wortes fidrir erklärt. 


Ich knüpfe hieran einige bemerkungen über einige un- 
gewöhnlichere nebenformen dieses wortes. In einer hs. des Väst- 
manna-gesetzes ist einmal der dat. fiugrum st. normalaltschw. 
fiurom belegt (Siljestrand, Ordböjn. i Västm.-lagen 2,42). Der 


klipper hvor bolgerne skylle ind’ und an isl. skjögr ‘svimmel, svindel’, 
skjögra ‘swimle, vakle'. 


1) Altnorw. stiugfader, altschw. stiugfapir, stiugbarn (söhes altnorw. 
stiukfader, isl. altschw. stiupfapir, altschw..sityghfabir, stygbarn etc.) 
mit dem alten diphthong eu kommen hier natürlich nicht in betracht. 
Der z-laut ist hier vielleicht verhältnismässig jung (vgl. Kock, Sv. akcent 
2,346). Uebrigeus kann siygh- auf süugh- eingewirkt haben. 


g9* 


132 | KOCK 


Zlaut ist von fiughur, fiughura übertragen oder möglicher weise 
durch anschluss an diese formen seit alter zeit stehen geblieben. 
Umgekehrt finden sich /iur (1 m. im Södermanna-gesetz) und 
fiuwr (wol fitur oder fiümwur ausgesprochen; 1 m. im Dala-gesetz) 
st. des normalen fiughur. Durch einwirkung von fiurir etc. 
(bez. von den ält. *feurer etc.) hat fiughur das z eingebüsst, 
und fiüur wurde im Söderm.-gesetz nachher zu fiär. Wenn fiuwr 
im Dala-gesetz fiüwur ausgesprochen worden ist, so ist nach 
u dialektisch ein » entwickelt worden. Vgl. über fiuwr z. t. 
Brate, Äldre Vestmanna-lagens ljudlära 81. 

In den urkunden einer gewissen gegend (Västmanland und 
Dalarna) kommen fiöri, fiöora neben fiüre, fiära vor.!) In der- 
selben gegend begegnet tiöber staki (Västm.-gesetz) mit io gegen 
altschw. tizber, aber in übereinstimmung mit dem isl. tiör. 
Es ist deshalb wahrscheinlich, dass in dem betreffenden dialekt, 
eben so wie im isl, der diphthong eu vor dental und inter- 
dental zu :ö entwickelt worden ist.?) 


Ich gehe zu den mannigfachen formen des wortes für ‘14’ 
über: isl. fiogortän, fiugurlän; fiogrtän, fiugrlän; fiörtän, selten 
fiüartän — altschw. fiughurtän, fioghortän; fiughertän, fioghertän; 
fiortän, selten fiartan — altgutn. fiugurtän; fiürtän. 

Es könnte nahe liegen, isl. fiörtän, altschw. fiärtan in 
übereinstimmung mit isl. fiorir, altschw. fiurir zu erklären, also 
als mit fiörir, fiarir gleichzeitig aus ält. *feuwriän, *feuzrtän, 
*fezuriän entwickelt. Aber bei dieser auffassung bleiben fol- 
gende umstände dunkel: 1) das altgutn. hat fiartän mit iz, 


ı) Belegstellen bei Siljestrand a. a.0. und Brate, Dalalagens böjnings- 
Jära 28, 

2) Neben *fezur- scheint man auch eine form fizur- gehabt zu 
haben. Diese dürfte in dem seltenen isl. gen. figurra (Fritzuer?) vor- 
liegen und ist ausserdem im ostnord. belegt: fighur (Söderm.-gesetz hs. 
A 3.95, anm. 65), Fyghurtandi (Västg.-gesetz 4,14: 14), altgutn. fygura 
(neben fiugura), altschw. fygher klowa (1 m. st. fughur kluwa). Die ost- 
nord. formen mit y sind durch combinierten jüngeren v-umlaut ent- 
standen (?<{y vor u, wenn ein labialer consonant vorhergieng; vgl.z.b.Kock, 
Arkiv NF. 6, 296 f.). — Ausserdem kommen ostnord. formen mit ? in den 
casus vor, wo das altschw. gewöhnlich s@2 hat: spätaltschw. /Tri, ält. und 
jüng. dän. fire, neugutn. fäire (< fire). Es ist wol glaublich, dass der 
i-laut in fri (fire) etymologisch mit dem in figurra verwant ist, aber 
im übrigen ist das nebeneinander firi: figurra, figurra : ughura dunkel. 


U-BRECHUNGSDIPHTHONGE IM ALTNORD. 133 


aber (dat.) /iaurum mit iau; — 2) das isl. ffurtän mit iz (neben 
fiortän), aber nur fiörir; — 3) das altschw. hat oft fiörtän, 
nur selten fizriän, obgleich fiärir, fiürar die normalen formen 
sind; — 4) isl. fiörtän ist nach dem Oxforder-wörterb. jünger 
als fiogrlän, fiugrlän. 

Folgende auffassung ist deshalb vorzuziehen: 

Das aus */ezurtän entstandene */euzriän hatte a (nicht u 
oder i) in der ultima; der brechungsdiphthong eu wurde des- 
halb in gewöhnlicher weise zu eo (*/eozrtän), und zwischen eo 
und r blieb das z (vgl. oben ».131). Man bekam also isl. 
fiogriän, altschw. fioghertän. Neben *feuzrtän, *feozriän blieb 
aber durch den einfluss von *feuzur (fiugur) immer *feuzurtän, 
d.h, isl. altschw. altgutn. fiug(h)uriän. Es ist aber selbstver- 
ständlich, dass fiugurtän und fiugrtän, fiogrtän sich sehr leicht 
gegenseitig beeinflussen konnten. Durch anschluss an fiugurtän 
(mit i« in der ersten silbe, weil « in der nächsten silbe folgte) 
blieb fiugrtän mit iu und z facultativ erhalten, und man bekam 
nicht ausschliesslich fiogrtän (oder *feurtän). In fiugrtän, fiogrtän 
ist z in relativ später zeit, nachdem der brechungsdiphthong 
ein steigender diphthong geworden war, vor r + consonant ver- 
loren gegangen (vgl. iel. fagrlikt > füärlikt, schw. *leghrdagh > 
lördag 2.128), so dass man isl. altschw. altgutn. /iärtan, iel. 
altschw. fiörtän bekam (hieraus erklärt sich der gegensatz isl. 
fiörir : fiurtän, altgutn. fiaurum : fiürtän ete.).‘) Durch einfluss 
von fiugurtän, fiogortän wurde aber diese entwicklung nicht 
vollständig durchgeführt, sondern das z blieb facultativ in 
fiugrtän, fiogrtän stehen. Ebenso wie isl. fiugur zu fiogor 
wurde, hat das isl. fiogortän neben fiugurtän; zur einführung 
von fiogortän hat aber auch fiogrtän beitragen können. 

Wenn sich im altschw. recht oft fioghortän (mit io in ante- 
paenultima und o in paenultima), aber nicht (oder wenigstens 
sehr selten) fioghor, nur fiughur, findet, so ist auch dies leicht 
erklärlic.” Dem vocalbalance-gesetz gemäss blieb der v-laut 
der ultima von fiughur mit kurzer wurzelsilbe und starkem 
levis auf ultima, was widerum den diphthong iu der paenultima 


ı) Natürlich existiert die möglichkeit, dass isl. förlän, altschw. 
fiürtän auch zum teil aus dem vorgeschichtlichen *feuzriän (mit eu 
durch einfluss von *feuzuriän erhalten) entwickelt worden sind. In 
dieser weise kann aber altgutn. Adriän nicht erklärt werden. 


134 KOCK 


conservierte. In fiughurlan aber mit fortis auf der ersten, 
levissimus (nicht starkem levis) auf der zweiten und semifortis 
auf der dritten silbe gieng der u-laut der paenultima lautgesetz- 
lich in o über, und davon hängt das io (st. iu) der ersten silbe 
von fioghorian ab. 


IV. Entwicklung des durch x-brechung entstandenen 
dipbthongs zu ia im altnorw. und ostnord. 


Es gibt im ostnord. und altnorw. einige wörter mit dem 
brechungsdiphthong ia, in denen man nach der gewöhnlichen 
auffassung lautgesetzlich den brechungsdiphthong io erwartet 
hätte, 

In einigen ist ia leicht erklärlich durch übertragung. So 
hat man z. b, statt stiarna : *stiorno nach dem muster sagha : 
saghu ete. die flexion stiarna : stiarno bekommen (Kock, Sv. 
landsm. 12, no. 7, s.24).1) In ähnlicher weise ist im altnorw. 
die flexion nom. sg. biorn : gen. biarnar : acc. pl. *biornu nach 
der analogie von orn:: arnar : arnu so umgebildet worden, dass 
man im acc. pl. biarnu bekam. Diese umbildung ist sehr 
natürlich, weil man viel mehr v-stämme von dem typus orn 
hat, als solche von dem typus biorn. Wimmers formenlehre 
verzeichnet 28 appellativa jener, nur 6 dieser art. Die um- 
bildung hat sich zu einer zeit vollzogen, wo der alte o-laut 
und der o-laut des brechungsdiphthongs io im altnorw. gleich 
geworden waren (oder sich wenigstens sehr ähnlich waren), 
In mehreren altnorw. hss. werden diese laute beide mit o be- 
zeichnet. Dass die beiden laute schon früh ziemlich ähnlich 
waren, geht aus den reimen der skalden hervor; sie reimen 
nämlich skioldu : old ete., vgl. Finnur Jönsson, Arkiv NF. 5, 376 
und Kahles rimarium. Aus der orthographie der ältesten isl. 
hss. ziehe ich aber (in übereinstimmung mit Noreen und L. Lars- 


1) Dagegen darf nicht eingewendet werden (wie Hultman, Finländska 
bidrag till sv. spräk- och folklifsforskning s. 96 anm. geneigt ist es zu tun), 
dass der einfluss von solchen wörtern wie kona, koma, torva dieser über- 
tragung entgegengewirkt habe. Zu der betreffenden zeit flectierte man 
nämlich nom. kona: obl. casus kunu etc. (Kock, Tidskr. f. fil. NR. 8, 295 ff. 
Arkiv NF.2, 14f.) und wol auch torwa: turwo. Aber dies paradigma 
(mit %, nicht o, in der paenultima der obl. casus) konnte natürlich das 
paradigma stiarno : *stiorno nicht beeinflussen, denn die wurzelvocale 
der beiden paradigmen waren in keinem casus gleich. 


U-BRECHUNGSDIPHTHONGE IM ALTNORD. 135 


son) einen andern schluss als Finnur Jönsson. Da man hier 
gewöhnlich skioldo ete. mit io, aber gld (avld) etc. mit 9 (lig. av) 
ete. findet, waren die laute zu dieser zeit im isl. noch nicht 
ganz zusammengefallen. Vgl. dazu den umstand, dass die 
skalden wörter mit germ. e und solche mit & (= i-umlaut 
von a) reimen lassen, obgleich diese laute im altnorw. noch 
verschieden sind. 


Im isl. hat man, wie bekannt, gewöhnlich is (nicht io) in 
compositis der form biarndyr ete. (aber biorn), also in zusammen- 
setzungen, deren erstes compositionsglied ein langsilbiger 
ustamm ist (Burg, Die ält. nord. runeninschr. 58). Dies ist in 
folgender weise zu erklären. Wenn fem. d-stämme des typus 
iorrb als erste compositionsglieder auftreten, so haben sie ge- 
wöhnlich den brechungsdiphthong ia, z. b. iarpriki. Es gab 
mehrere wörter dieser art, z. b. biorg : biargkosir, hiorp : hiarb- 
hundr, mioll: miallhuitr, biork : Biarkey. Die lautgesetzlichen 
formen wären *berndyr, *erpriki etc. Nach der analogie von 
gen. iarbar : gen. biarnar etc. hat man *erpriki, *berndyr etc. zu 
iarbriki, biarndyr umgebildet, was um so viel leichter war, als 
man auch mehrere composita z. b. mit dem gen. biarnar- 
hatte; vgl. biarnarbäss : biarnbäss; biarnarhamr, -hold, - slältr 
ete. : biarnfeldr, -giold, -hünn ete. Bei dieser umbildung haben 
auch die masc. u-stämme des typus orn eine rolle gespielt, 
obgleich im isl. der o-laut in biorn und der in grn nicht 
ganz gleich waren. Der v-umlaut wurde in den langsilbigen 
u-stämmen lautgesetzlich nicht durchgeführt, wenn sie als erste 
glieder eines compositums auftraten: Arnmöpr, vallgongr etc. 
Das nebeneinander grn : arnar : Arnmöpr hat zur durchführung 
von biarndyr (st. *berndjr) beigetragen. Uebrigens kommt 
auch der brechungsdiphthong io vor, zZ. b. skioldhlynr und skiald- 
hlynr. Das io ist von skioldr übertragen worden. 

Nur zwei kurzsilbige v-stämme mit brechung dürften als 
erste compositionsglieder vorkommen: Aioir, miopr. Man hat 
sowol kialvegr, Kialnesingr, neuisl. kjaltre, -sog, -siöur wie kiol- 
vegr, kiolsyia u.a.1); sowol miabveitir, neuisl. miadurt wie miob- 
drekka u.a. Wenn diese kurzsilbigen wörter als erste compo- 


1) Die composita mit kiöl- sind nicht immer von denen mit kiöl- zu 
unterscheiden, 


136 KOCK 


sitionsglieder öfter den brechungsdiphthong io haben, als dies bei 
den langsilbigen der fall ist, so hängt das davon ab, dass sie 
von den langsilbigen u-stämmen des typus grn : arnar : Arnmö)r 
weniger beeinflusst wurden. Kurzsilbige v-stämme wie /ogr etc. 
haben nämlich als erste compositionsglieder lautgesetzlich den 
u-umlaut (/ogvellir etc.) 

In andern wörtern aber kann man die ia-formen nicht 
durch übertragung erklären, z. b. in altschw. *fialde, ficelde 
‘menge’ (vgl. fiol- ‘viel’), während widerum das ia in andern 
fällen (z.b. fiatur; vgl. die kaum befriedigende erklärung von 
Kock, Sv. landsm. 12, n0.7, 8.24 anm.) nur durch allzu com- 
plieierte (doppelte) übertragungen erklärlich ist. 

Unter diesen umständen nehme ich an, dass der durch 
u-brechung entstandene diphthong in einem speciellen falle laut- 
gesetzlich zu ia entwickelt worden ist. 


Der zweite vocal des brechungsdiphthongs e* hat über- 
haupt eine tendenz, eine offnere aussprache anzunehmen: der 
brechungsdiphthong e* wurde also gewöhnlich im isl. und alt- 
schw. zu io (hiortr, hiorter etc... Der vocal der folgenden 
silbe hat aber einen wesentlichen einfluss auf die behand- 
lung des brechungsdiphthongs ausgeübt. Dieser bleibt als « 
erhalten, wenn ein « oder ö in der nächsten silbe folgt (alt- 
schw. Ziughu, isl. fiugur, altschw. iurpriki; vgl. 8.117). Man ist 
deshalb a priori zu der vermutung geneigt, dass auch ein fol- 
gender a-laut einen gewissen einfluss auf den brechungsdiph- 
thong ausgeübt habe. Dieser a-laut muss aber wegen seiner 
qualität die tendenz des zweiten vocals, im brechungsdiphthong 
eine offnere aussprache auzunehmen, verstärkt haben. 


Ich stelle also folgendes lautgesetz auf: im ostnord. und 
wenigstens in gewissen altnorw. dialekten ist der 
brechungsdiphthong e* lautgesetzlich zu ia geworden, 
wenn ein 4!) in der nächsten silbe folgte. Die entwick- 


1) Altschw. förtän spricht für die annahme, dass nur 4, nicht &, 
diese lautentwicklung hervorgerufen habe; sonst würde man *fiärtan 
(nicht fiortän) bekommen haben. Diese begrenzung des lautgesetzes ist 
auch ganz natürlic. Schon im gemeinnord. waren ohne zweifel der 
@-laut und der @-laut auch qualitativ verschieden, da jener im ostnord. 
und neunorw. zu d, im neuisl. zu au geworden ist, während der kurze 
a-laut immer bleibt. Dieser war also offner als der lange «-laut und rief 


ne —— - di 


Ü-BRECHUNGSDIPHTHONGE IM ALTNORD. 137 


lung dürfte schon zu einer zeit eingetreten sein, wo der- bre- 
chungsdiphthong noch ein fallender diphthong war, also e* > 
e>e’>ia. 

Beispiele: 

Altschw. fielde ‘menge’, von fiol- ‘viel’ abgeleitet. Man 
erhielt lautgesetzlich ia, ie in den obl. casus im sg. *fe”Ida > 
*fe Ida > fialda und in nom. gen. acc. pl. *fe"Idar > *feldar 
> fialdar etc. Das altnorw. fiolde (in der Olafs zaga.hins 
helga, 1849)!) ist vom nom. sg. *fe"Ide ausgegangen oder ist 
an fiol- angeschlossen worden, aber altnorw. auch fialldi. 

Neugutn. mjalke, altschw. mialke,?) neunorw. mjelke neben 
neuschw. mjölke, altschw. *miolke. mialke ist von dem worte 
abgeleitet, das in isl. mio/k, got. miluks, altsächs. miluk, ahd. 
miluh etc. begegnet. Bei der flexion nom. *me"Ike (aus *meluka),?) 
obl. *me”Ika erhielt man lautgesetzlich nom. miolke, neuschw. 
mjölke, aber in den obl. casus mialka, wovon altschw. mialke 
etc. ia bekommen haben. 

Altschw. mielk (selten) neben miolk, miolk, isl. miölk. Im 
gen. sg. (vgl. altschw. mielka flaska) entstand lautgesetzlich 
®mialkar, mielkar. Ausserdem hatte man ein vom subst. miolk 
abgeleitetes verbum isl. miölka, neuschw. mjölka. Auch hier 
bekam man lautgesetzlich *mialka, *mieelka. Aus diesen formen 
rührt das ia im seltenen altschw. mielk her, während das 
neuschw. mjölka sich an die normalform miolk, mjölk ange- 
schlossen hat. 

Altnorw. fiatur (Ol.H.S. legg-fiatur 51,5; fiatri 37, 31), alt- 
schw. fiatur, fietur. Im nom. gen. acc. pl. gaben *feturor etc. 
lautgesetzlich *fertrar > *fe’trar > fiatrar ete, und ia wurde 
nachher auch in sg. (/iatur) eingeführt. Dazu hat auch das 
verbum altschw. fietra mit lautgesetzlichem ia, ie (fiatra, 
*fertra, *fe*Ira) beigetragen. 

Altnorw. iafur (Ol.H.S. iafur 49, 21 ete., iafrum 50, 21), alt- 


deshalb eine offnere aussprache des diphthongs in der vorhergehenden 
silbe hervor. 

1) Unten Ol. H.S. verkürzt. 

2) Mialcha als beiname in einer urkunde vom jahre 1268. 

3) Obgleich man gemeingerm. vielleicht einen wechsel melk- : meluk- 
hatte (vgl. Brate, Bezzenbergers Beitr. 11,185), ist es doch unbedingt 
wahrscheinlich, dass mjalke etc. aus einem älteren "mel/uk- entstanden sind. 


138 KOCK 


schw. run. iafur neben altschw. Juuur (Dipl. 3, 8.89). Nom. 
gen. acc. pl. *edurör etc. wurden lautgesetzlich zu iafrar etc., 
und ia wurde später zum teil in den sg. (altnorw. altschw. 
iafur) eingeführt, während im sg. das lautgesetzliche :u (alt- 
schw. Juuur) zum teil blieb. 

Altschw. ietun. Nom. gen. acc. pl. *elundr > iatnar etc. 
Von diesen casus und von dem gleichbedeutenden iette (pl. 
und obl. casus sg. lautgesetzlich iattar, iatta) hat sg. iatun, 
ietun das ia bekommen. Auch altnorw. iatun. | 

Altschw. biepur. Nom. gen. acc. pl. *bedurör > biabrar 
etc. Zur einführung des öa, ie in den sg. biebur hat auch 
*biabar (tjädar im Degerforsdialekt nach Aström, Sv.landsm.13, 
no. 2, 8.6) mit a in der ableitungsendung beigetragen. 

Altnorw. giaflan (acc. sg. masc. in der Ol. H.S. 22,31; vgl. 
isl. gioful!) kann demgemäss erklärt werden aus *gedwan- > 
*Je”blan > *ge’blan > giaflan. 

Altschw. miebm ‘hüfte’ (vgl. isl. miopm). Söderwalls wörter- 
buch führt das wort auf; es ist jedoch nicht sicher belegt, weil 
es an allen angeführten stellen entstellt ist.!) Wenn das wort 
im altnord. einmal, ebenso wie got. miduma, ein ö-stamm ge- 
wesen ist, so bekam man ia in gen. sg. und in nom. gen. acc. 
pl. (*medumör > miapmar etc... Auch wenu es früher ö-stamm 
war, entstand ia in gen. sg. 


Durch das oben dargestellte lautgesetz wird auch eine bis 
jetzt unerörterte altschw. ordinalzahl erklärt, und zwar 


fiarbe. Wir haben von der oben besprochenen grundform 
*fezur- auszugehen. In den obl. casus des masc. bekam man 
lautgesetzlich *fezurdan- > *fe"zrda > *fe’zröa > *fiazrda und 
nach verlust des zg vor r + consonant (vgl. oben s. 128) fiarpba, 
fierpa. Da das ia in den drei obl. casus des masc., im nom. 
fem. und im ganzen neutr., also unbedingt in den meisten 
casus lautgesetzlich war, so ist es natürlich, dass der diphthong 
ia den sieg davon trug. In Västmanland hatte man fiordi (im 
Västm.-gesetz). In dieser gegend ist das betr. lautgesetz viel- 
leicht nicht durchgeführt worden, ebenso wie wir erfahren haben, 


1) Man hat vielleicht im altschw. neben miepm ein miepia (durch 
einfluss von miia entstanden ?) in derselben bedeutung gehabt; vgl. die 
velegstellen bei Söderwall. 


U-BRECHUNGSDIPHTHONGE IM ALTNORD. 139 


dass der westmanländische dialekt auch in der behandlung 
des diphthongs iu von der altschw. reichssprache abwich 
(fiorir statt fiurir). Das westmanländ. fiorpi kann jedoch sein 
io auch analogisch von der cardinalzahl fiorir bekommen 
haben. E 


Ich füge einige bemerkungen zur beleuchtung des brechungs- 
diphthongs ia in ein paar wörtern hinzu. 


Der altdän. frauenname Diarund, Bieerund, von 0. Nielsen, 
Olddanske personnavne angeführt, neben Tuko Bierunde fil. aus 
dem 13. jahrhundert. In diesem Bierund haben wir die laut- 
gesetzliche form des namens, der vom masc. namen altdän. 
altschw. Biari, Bieri den diphthong ia (Ziarund, Bierund) be- 
kommen hat. 


Der altschw. personenname Jerunder, run. iarutr, dem alt- 
norw. Jorundr (z. b. in Sv. dipl. 4, no. 2962, Ragunda, vom jahre 
1333) entspricht, kommt in altschw. urkunden auch latinisiert 
als Jurundus vor; Jurund(us) ist die lautgesetzliche form. Dass 
man aber in diesem namen neben der ableitungsendung -und- 
auch eine ableitung -and- gehabt hat, geht aus dem altdän. 
ortsnamen Jarandalef hervor. Im isl. begegnet der zwergname 
Jari. Da dieser aber nicht als eigentlicher personenname und 
auch nicht aus dem ostnord. erwiesen worden, so wäre es un- 
berechtigt, einen einfluss dieses namens auf Jerunder anzu- 
nehmen. Jarundr hat ia von Jarand- erhalten. 


Jatmundr in der Ol.H.S. wird in isl. urkunden Jatmundr, 
Eatmundr (z.b. Eatmundar konungs d Englandi, Isl. sögur 1,34, 
anm. 1), Zudmundr (ib. 1, 363) geschrieben. Es ist natürlich 
der ags. name Zadmund, der die ausländische vocalisation be- 
halten hat. 


Altschw. fiedhur!) neben fieper (isl. fiobr). fiedhur (statt 
*fiodhur aus *fedur aus *fedoru oder *fedaru; vgl. ahd. fedara, 


1) Ich lasse dahingestellt sein, ob eu, eo auch in relativ unaccen- 
tuierter silbe lautgesetzlich zu ic geworden ist. Vgl. jedoch run. stur- 
biarn, purbiarn, uikbiarn, uibiarn etc. : appell. biorn; altschw. le perskipter, 
-sketter, -tiugher, Fieprunda land (mit fortis auf dem zweiten compo- 
sitionsgliede?) : Aobermeningi (mit fortis auf dem ersten compositions- 
gliede? vgl. got. Adur-); pr. sg. ieer ‘ist’ < *eur mit ew vom pl. *euru 
(vgl. altgutn. zeru), eru übertragen. 


140 KOCK, Ü-BRECHUNGSDIPHTHONGE IM ALTNORD. 


altsäche. ferhara) hat ie (= i@) von gen. sg., nom. gen. acc. pl. 
fieprar, fiepra bekommen, wo ia, ie lautgesetzlich war. Alt- 
schw. fieber, isl. fiopr haben den u-laut der zweiten silbe (vgl. 
fiedhur) durch anschluss an dieselben casus und an den dat.- 
pl. (und sg.) verloren. 

[Nachtrag zu 2.136. Es ist zweifelhaft, ob Hahagı: log- 
vellir lautgesetzlich öo-brechung und u-umlaut haben. Kiolvegr 
kann sein io von kiolr, sowie kialvegr sein ia von kialar be- 
kommen haben. Ich hoffe in anderem zusammenhang auf diese 
frage zurückzukommen. 4.4. 1895.] 


LUND, 12. febr. 1895. AXEL KOCK. 


ZEUGNISSE ZUR GERMANISCHEN SAGE IN 
ENGLAND. 


Das erscheinen von Rudolf Koegels Geschichte der deutschen 
literatur!) hat der erörterung der frage nach der ursprünglich- 
keit und originalität der altenglischen epik und heldensage einen 
neuen anstoss gegeben. Eine möglichst vollständige übersicht 
aller für die existenz germanischer sage bei den Angelsachsen 
in betracht kommenden zeugnisse wird darum gerade jetzt nicht 
überflüssig sein, da sie allein den grund zu einer objectiven 
würdigung der zum teil! ganz neuen und überraschenden dar- 
legungen Koegels abzugeben vermag. Sie wird um so not- 
wendiger, als in sämmtlichen arbeiten, welche sich bis heute 
mit dem studium der altenglischen sagen befasst haben, selbst 
diejenigen Müllenhoffs nicht ausgenommen, ein gebiet, aus 
dessen durchforschung sich doch gerade für diese fragen neue 
entscheidungsgründe gewinnen lassen, das der ae. namen, nicht 
systematisch genug berücksichtigt worden ist. 


Neben den direceten schriftlichen darstellungen der sagen 
in poetischer und prosaischer form, neben den erzeugnissen 
der kunst oder des kunstgewerbes, welche irgend einen sagen- 
stoff zum vorwurf nehmen, wie sculpturen, gemälde, stickereien 
u. ä, neben den anspielungen bei dichtern, geschichtschreibern, 
predigern, neben den heutigen volksttimlichen resten alter sagen 
und mythen besitzen wir an den in urkunden, genealogien, 
nekrologien, verbrüäderungsbüchern von klöstern u. s. w. verzeich- 
neten personen- und ortsnamen eine für die geschichte der sagen 


») Geschichte der deutschen literatur bis zum ausgange des mittel- 
alters, bd.1. teili: Die stabreimende dichtung und die gotische prosa. 
Strassburg 1894. 


142 BINZ 


höchst wichtige quelle, aus der aber freilich nur mit vorsicht 
und unter gewissen einschränkungen geschöpft werden darf. 


Heute noch pflegen manche fürstentreue untertanen aus ver- 
ehrung für den regierenden landesherrn oder seine gemahlin 
ihre kinder auf den namen dieser fürstlichkeiten zu taufen; 
das vorbandensein eines solchen motivs zeigt sich besonders 
deutlich in fällen, wo jenes vorbild einen sonst im lande nicht 
gangbaren namen trägt (man vergleiche z.b. die namen Olga 
und Vera in Württemberg). Andere übertragen die namen von 
lieblingshelden oder -heldinnen aus einem roman oder drama 
oder auch aus der geschichte auf sohn und tochter, eine sitte, 
die besonders in Holland, England und Nordamerika in blüte 
steht, so dass dort sogar die familiennamen der verehrten 
persönlichkeiten als vornamen verwendung finden. Ganz ent- 
sprechend war bei unseren altgermanischen vorfahren die ge- 
wohnheit verbreitet, dass man den kindern namen von helden 
und heldinnen aus mythus und sage beilegte, indem man ihnen 
damit gleichsam eine anweisung auf alle die glänzenden eigen- 
schaften, die man an jenen bewunderte, in die wiege zu legen 
hoffte. Aehnlich verhält es sich mit den ortsnamen; diese sind 
ausserdem auch noch darum wichtig, weil sie, im gegensatz zu 
den den schwankungen der mode unterworfenen personennamen, 
an der örtlichkeit, die sie bezeichnen, haften bleiben bis in die 
neuesten zeiten und so oft noch die einzigen zeugen längst 
untergegangener überlieferungen bilden. 


Für die vorliterarischen perioden eines volkes ist also das 
studium der uns aus jenen zeiten auf irgend eine weise erhal- 
tenen namen ein wesentliches mittel, die lücken in der kenntnis 
der bei demselben verbreiteten und beliebten sagen auszufüllen, 
welche das fehlen direeter denkmäler lässt; für die literarische 
zeit gewährt es eine willkommene controle und ergänzung zu 
den uns von anderer seite her schon bekannten tatsachen, be- 
sonders in bezug auf zeitliche und räumliche verbreitung ge- 
wisser sagen. Doch muss man sich vor einer überschätzung 
dieser art von zeugnissen hüten.!) Es versteht sich, dass nicht 


1) In dieser richtung geht z.b. Holthausen, Beitr. 9, 451 ff. zu weit, 
der aus westfälischen urkunden alle namen zusammenstellt, die uber: 
haupt einmal irgendwo in der heldensage vorkommen. 


ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 143 


jedes vorkommen eines irgend einem sagenkreise angehörenden 
namens für sich allein schon die bekanntheit jener sage voraus- 
setzt. Denn sehr oft sind solche namen in ihrer bedeutung so 
wenig charakteristisch und so weit verbreitet, dass ihrem auf- 
treten keine beweiskraft beigemessen werden kann. Nur in 
negativem sinne erlaubt ihr völliges fehlen bis zu einem ge- 
wissen grade den schluss auf geringe verbreitung der sie be- 
treffenden sage. Zwei fälle gibt es jedoch, wo ein einziger 
name genügt, uns die existenz der an ihn sich knüpfenden 
überlieferungen an dem orte zu sichern, wo er sich findet: 


1) Wenn er einem der sprache seines fundortes fremden 
idiom entstammt oder, was diesem gleich zu rechnen ist, wenn 
er in einer form auftritt, welche die entlehnung aus einer andern 
mundart erkennen lässt. Das vorhandensein der namensform 
Kudrun in Oberdeutschland erlaubt uns so mit voller sicher- 
heit den schluss auf niederdeutsche beimat der Kudrunsage 
und ihre spätere verpflanzung in den süden (vgl. Müllenhoff, 
Ze. fda. 12, 315 ff.). 

2) Wenn die bedeutung des namens eine so specielle ist, 
dass sie sich nur aus dem zusammenhang des mythus oder der 
sage befriedigend erklären lässt, dem der träger oder die trä- 
gerin desselben angehört. So zeugt ein Fizzilo oder Welisunc 
ohne frage für die Welsungensage. 


Klarer, aber immerhin nicht über jeden zweifel erhaben 
liegt die gangbarkeit einer sage am tage, wenn in einer und 
derselben gegend zur gleichen zeit eine grössere anzahl von 
namen angetroffen werden, die dem gleichen kreise entstammen. 
Darum bezweifelt fast niemand die localisierung des Beowa- 
mythus in England, die sich aus dem vorkommen der namen 
on Beowan hammes heczan und on Grendles mere in der gleichen 
urkunde ergibt. 

Ganz sicher erwiesen ist aber diese gangbarkeit da, wo 
zwischen verschiedenen mit sagenberühmten namen ausgestat- 
teten personen das gleiche oder doch wenigstens ein ähnliclies 
verhältnis stattfindet, wie zwischen den vorbildern, nach welchen 
sie benannt sind.!) Leider ist gerade dieser fall in England 
viel seltener zu belegen als z.b. in Deutschland. 


ı) Ein beispiel dafür, das freilich mit germanischer sage nichts zu 


144 BINZ 


Wenn, wie wir sehen werden, die zahl der aus englischen 
eigennamen sich ergebenden zeugnisse im verhältnis zu der- 
jenigen, die sich aus entsprechenden deutschen quellen für die 
deutsche sage gewinnen lassen, eine auffallend geringe ist, so 
wird dies vornehmlich dem umstande zuzuschreiben sein, dass 
uns in englischen urkunden u.s. w. fast ausschliesslich angebörige 
der höheren stände entgegentreten, die wol unter dem frühen 
einfluss des christentums und der damit gebrachten höheren 
bildung und aufklärung bemüht waren, alle erinnerungen an 
heidnischen mythus und heidnische sage zu verwischen, und 
sich darum auch der damit zusammenhängenden namen nicht 
mehr bedienten im gegensatz zu den zäher am alten hangenden 
unteren schichten des volkes, die wir in deutschen urkunden 
in hörigen und freigelassenen zahlreich vertreten finden, wäh- 
rend in England, besonders in der älteren zeit vor 1066, nur 
wenige solcher namen überliefert sind. 


Bei der besprechung der einzelnen sagenkreise werde ich 
mein augenmerk hauptsächlich auf diejenigen punkte richten, 
über welche die discussion noch nicht abgeschlossen ist; eine 
ausnahme werde ich jedoch mit der Beowulf- und Finnsage 
machen: da ein näheres eingehen auf die dort noch bestehenden 
streitfragen geeignet wäre, den gegenstand einer besonderen 
abhandlung zu bilden, so werde ich mich bei diesen beiden 
sagen im wesentlichen auf eine aufzählung der zeugnisse be- 
schränken müssen, 


Literaturübersiecht: 


1) Germanische mythen und sagen im allgemeinen. 


J.Grimm, Deutsche mythologie, 4.aufl. besorgt von El. H. Meyer, 
3bde. Göttingen 1875—78. — W.Müller, Geschichte und system der 
altdeutschen religion. Göttingen 1844. — E.Mogk, Mythologie, in Pauls 
Grundriss der german. philologie 1, 982—1138. Strassburg 1891. — F.J. 
Mone, Untersuchungen zur geschichte der teutschen heldensage. Quedlin- 
burg 1836; — Zeugnisse zur teutschen heldensage im Anz. f. kunde der 
teutschen vorzeit 5 (1836), 141—145. 308—312. 6 (1837), 171f. — A.Rasz- 
mann, Die deutsche heldensage und ihre heimat, bd. 1.2. Hannover 1857 f. 


tun hat, das ich aber doch gerne anflihren möchte, weil es das oben ge- 
sagte sehr gut zu illustrieren geeignet ist, bietet ein Petrus fllius Malci, 
Palgrave, Rotuli 1,114, ein namensverhältnis, in welchem sich deutlich 
die biblische geschichte von Petrus und Malchus widerspiegelt. 


ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 145 


— L.Uhland, Schriften zur geschichte der dichtung und sage, bd. 1. 6. 7. 
Stuttgart 1865 f. — K.Müllenhoff, Zeugnisse und excurse zur deutschen 
heldensage, Zs. fda. 12, 253—386. 413—436 mit nachlese von OÖ. Jänicke, 
ebda. 15, 310 ff. — W.Grimm, Die deutsche heldensage, 2. ausg. (besorgt 
von K. Müllenhoff). Berlin 1867; 3. ausg. bes. von R. Steig, Gütersloh 1889 
(eit. nach 2. ausg.).. — W.Müller, Mythologie der deutschen heldensage. 
Heilbronn 1886. — B.Sijmons, Heldensage, in Pauls Grundr. 2, 1, s. 1—64. 
Strassburg 1893 (abgeschlossen 1888). — S.Bugge, Studien über die ent- 
stehung der nord. götter- und heldensagen. Deutsche übersetzung von 
Oskar Brenner. 1. reihe, heft 1—3. München 1881—89 (vgl. Müllenhoff, 
Deutsche literaturzeitg. 2, 1224—1230. Edzardi, Literaturblatt f. germ. u. 
rom. philol. 3, 1882, 2—8; 125—129). 


9) Englische sagen. 

J. M. Kemble, Ueber die stammtafel der Westsachsen. München 
1836; — Die Sachsen in England, übers, von H.B. Chr. Brandes, bd. 1.2. 
Leipz. 1853,54. Neue engl. ausg.: The Saxons in England. New edition 
revised by Walter De Gray Birch. London 1876. 2 voll. — D.H.Haigh, 
The Anglo-saxon Sagas; an examination of their value as aids to history.\ 
London 1861. — K.Müllenhoff, Ueber Tuisco und seine nachkommen, 
in Schmidts Allgem. zs. f. gesch. 8, 209—269; — Irmin u. seine brüder, 
Zs. fda. 23, 1—23; — Die deutschen völker an Nord- und Ostsee in ältester 
zeit, Nordalbing. stud. 1,111—174; — Zur kritik des angelsächs. volks- 
epos, Zs. fda. 11, 272—294; — Beovulf. Untersuchungen über das ags. epos 
u. die älteste geschichte der german. seevölker. Berlin 1889 (vgl.G.Sar- 
razin, Engl. stud. 16, 71—85. R.Heinzel, Anz. fda. 16, 264—275). — 
H.Möller, Das altenglische volksepos in der ursprüngl. strophischen form, 
teil 1. Kiel 1883 (vgl. A.Schönbach, Ze. f. öst. gymn. 35, 37—46. R. Hein- 
zel, Anz. fda. 10, 215—239). — B.ten Brink, Altenglische literatur, in 
Pauls Grundr. 2,1, 8.510—550. — 0.Haack, Zeugnisse zur altenglischen V 
heldensage. Aus den geschichtswerken und urkunden der altenglischen 
zeit gesammelt nach dem vorgange von W. Grimms Deutscher heldensage, 
sowie Müllenhoffs Zeugnissen und excursen zur deutschen heldensage. 
(Kieler diss.) Lingen 1892 (vgl. G.Binz, Lit.-bl. 14, 203 ff.). — Th.Siebs, 
Zur geschichte der englisch-friesischen sprache, 1. Halle 1889. s. 7—26. — 
L. Weiland, Die Angeln, ein capitel aus der deutschen altertumskunde, 
in: Festgabe für G. Hanssen zum 31. mai 1889. (Tübingen 1889.) s. 119—158. 


< 


3) Hauptquellen: 

Codex diplomaticus aevi saxonici opera J.M.Kemble. t.1—6. 
London 1839—48. — Cartularium Saxonicum. A collection of char- 
ters relating to Anglo-saxon history by W. De Gray Birch. vol.1—3. Lond. 
1883—93. — Domesday Book seu Liber censualis Willelmi I. regis Ang- 
lorum ... jubente rege Georgio III praelo mandatus typis, vol. 1.2. Lond. 
1783. vol.3: Indices. vol. 4: Additamenta: Exon. Domesday. Inquisitio 
Eliensis. Liber Winton. Boldon book. Lond. 1816. — H.Ellis, A Genera) 
Introduction to Domesday Book accompanied by indexes of the tenants 

Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. XX, 10 


146 BINZ j 


in chief and undertenants, 2 voll. Lond. 1833. — Registrum Malmes- 
buriense. '[he Register of Malmesbury Abbey ed. by J. S. Brewer 
and Ch. Trice Martin, vol.1.2. Lond. 1879—81. — Vetus registrum 
Sarisberiense alias dietum S.Osmundi episcopi ed. by W.H.R. Jones, 
vol. 1.2. Lond. 1888f. — Liber vitae ecclesiae Dunelmensis nec non 
obituaria duo eiusdem ecclesiae (ed. by Stevenson). Lond.1841 (Pu- 
blieations of the Surtees Society 1841, no.2.) — The Oldest English 
: Texts ed. with an introduction and a glossary by H.Sweet. Lond. 1885 
(1886) (E.E.T.S.). — H. Hellwig, Untersuchungen über die namen des 
nordhumbr. Liber vitae. I. Berlin 1888. — Libri confraternitatum 
Sancti Galli Augiensis Fabariensis ed. Paul. Piper. Berolini 1884 (Monum. 
Germ. histor.). — Rotuli curiae regis. Rolls and Records of the Court 
held before the king’s justiciars or justices, vol. 1: from the 6th year of 
King Richard I. to the accession of King John, ed. by Fr. Palgrave. 
Lond. 1835. — Calendar of Wills, proved and enrolled in the court 
of Husting, London, a. 1258 to 1688 ... ed. by R.R. Sharpe, part. 1: 
1258—1358. London 1889. — Foedera, conventiones, litterae et cuius- 
cunque generis acta publica inter reges Angliae et alios quosvis impera- 
tores ... in lucem missa cura et studio Thomae Rymer. Denuo aucta 
accurantibus Adamo Clarke et Fred. Holbrooke, vol. t, pars. 1. 1066—1272. 
Lond. 1816. — R.C.Hope, Glossary of Dialectical Place Nomenclature. 
2.ed. London 1883. — ''wo of the Saxon Chronicles parallel with 
supplementary extracts from the others... by Ch. Plummer, on the 
basis of an edition by J. Earle, vol.1. Oxford 1892. — Monumenta 
Alcuiniana in: Bibliotheca rerum germanicarum ed. Jaff&, vol.6. Berl. 
1873. — Asserius, Vita Aelfredi Magni rec. Fr. Wise. Oxon. 1722. 
Widerholt in: Monum. histor. Britan. 1 (Lond. 1848), 467—498. — Ethel- 
werdus, Chronicorum libri IV in: Scriptores rerum Anglicarum post 
Bedam. Francof. 1601. — Florentius Wigornensis, Chronicon ex chro- 
nieis ed. B. Thorpe, vol.1.2. London 1848f. — Simeon monachus, 
Opera omnia ed. Th. Arnold, vol. 1.2. London 16882—85. — Willelmus 
Malmesburiensis, Gestaregum Anglorum rec. Th.D. Hardy, vol. 1.2. 
Lond. 1840. — Henricus archidiaconus Huntendunensis, Historia 
Anglorum ed. by Th. Arnold. Lond. 1879. 


I. Anglofriesische sagen. 
a) Mythisch-epische stoffe. 
1) Sceaf und seine nachkommen und die genealogien. 


K.Müllenhoff, Sceaf und seine nachkommen, Zs. fda. 7, 410—419; 
Beovulf 8. 7—12. s.60ff. H.Möller, Das ae. volksepos, 8. 40—45. G. 
Sarrazin, Recens. v. Müllenhoffs Beovulf in den Engl. stud. 16, 73—80. 
R. Heinzel, Recens. v. Müllenhoffs Beovulf im Anz. fda. 16, 264—275. 
E. Sievers, Sceaf in den nordischen genealogien, Beitr. 16, 361—368. 
O0. Haack, Zeugnisse, 8. 9—12. 8.23 ff. ten Brink, Pauls Grundr. 2, 1. 
8.532f. Koegel, Literaturg., s. 104—106; Beowulf, Zs. fda. 37, 268 ff. 


ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 147 


Die anglische heimat, ja sogar die existenz des mythus 
von Sceaf sind nicht allgemein anerkannt. Die neuesten, der 
meinung Müllenhoffs sich anschliessenden darstellungen der sage 
bei ten Brink und Koegel ignorieren freilich völlig die nament- 
lich von Möller und Sarrazin geltend gemachten bedenken, und 
doch scheinen mir diese, zum teil wenigstens, eine erwägung 
wol zu verdienen. Der stand der frage ist kurz folgender. 

Der dem 10.jh. angehörende Ethelwerdus und, ihm fol- 
gend, Wilhelm von Malmesbury in den Gesta regum Angliae, 
denen aber, da er offenbar nur die von ihm benützte erzählung 
des Ethelwerd etwas weiter ausschmückt, eine selbständige be- 
deutung als quelle nicht zugemessen werden kann,!) berichten 
uns den bekannten mythus. Alle früheren quellen kennen die 
figur -des Sceaf nicht: in den älteren genealogien wird die reihe 
der vorfahren nur bis Scyld weiter geführt und auch im Beo- 
wulf ist Scyld Scefing der held der geschichte; ebenso heisst 
es in einer von Kemble, Beowulf s. vı erwähnten notiz von 
Scyld: iste primus inhabitator Germaniae fuit. Ein anderes, 
diesem letzteren scheinbar widersprechendes zeugnis bei Kemble, 
Beow. 8. IV: incipit linea Saxonum et Anglorum descendens ab 
Adamo linealiter usque ad Sceafeum, de quo Saxones vocabantur 
(vgl. Müllenhoff, Zs. fda. 7,415) ist wertlos, da es offenbar auf 
der späteren, unvolkstümlichen interpolation der genealogie in 
der Chronik beruht, welche die reihe der angelsächsischen 
könige bis auf Adam fortzusetzen unternimmt. 

Mit rücksicht auf diese lage der dinge, mit rücksicht ferner 
auf den umstand, dass der mythus nur für das erste glied der 
genealogie einen riehtigen sinn gibt, nimmt Möller, im directen 
gegensatz zu Müllenhoff, Seyld als den ursprünglichen träger 
des mythus an. Scefinz ist = filius manipuli und erst später 
wird aus dem beinamen Scefinz auf einen vater Sceaf ge- 
schlossen. Eine ähnliche entstehung müssen wir auch für den 
Sceafa des Widsiö voraussetzen, der an stelle eines früheren 
Sceafinzg oder Sceyld getreten sein wird. Diese argumentation 
scheint mir überzeugend; nur möchte ich Scefingz nicht als filius 


1) Der bei ihm allein vorhandene zug, dass Sceafs haupt auf einem 
manipulus ruhe, von den er den namen Sceaf erhalten habe, kann doch 
ganz leicht nur einer von Wilhelm erfundenen etymologie des namens 
seine entstehung verdanken. 

. 10* 


148 BINZ 


manipuli auffassen, was kaum einen viel besseren sinn gäbe, 
als der schwer begreifliche beiname Sceaf selbst: die ableitung 
-ing bezeichnet vielmehr das versehensein mit etwas, den besitz 
der mit dem stamme bezeichneten sache; analoge bildungen 
sind Asdingi, ae. Heardinzas ‘leute mit (weibl.) haartracht', 
Rondinzas Wids. v. 24; mhd. bertinc ‘mann mit langem bart’, 
‘klosterbruder’, aisl. kyrningr “hornträger’.!) Somit ist Scyld 
Scefing ‘Seyld mit der garbe’, er vereinigt also in sich die 
beiden eigenschaften, die Müllenhoff dem Sceaf und Scyld ge- 
trennt zuschreiben will, und widerspricht damit kaum dem 
eigentlichen sinne des mythus. Eine gewisse schwierigkeit 
bildet freilich das zeugnis des Wids. v.32 Sceafa (weold) Lonz- 
beardum, aber mindestens mit demselben recht, wie Müllenhoff 
bei unserem ältesten zeugnis im Beowulf eine übertragung 
der sage von Sceaf auf Sceyld ansetzt, wird man für die 
niederschrift des Widsid eine verdrängung eines früheren Scy/d 
durch den später erschlossenen Sceaf zugeben dürfen. Sceafa 
ist übrigens auch wegen der schwachen form sehr verdächtig. 
Zudem verraten langobardische quellen ebensowenig wie die 
langobardischen namen irgend welche kenntnis eines mythus 
von Sceaf; die ähnlichkeit der Lamissiosage mit demselben ist 
nicht sehr zwingend, die mit der Scyldsage ist grösser; vgl. 
Koegel, Lit.-gesch. s. 106. 

Auch die englischen namen scheinen für diese auffassung 
zu sprechen. Scyld finden wir sicher in zwei ortsbezeich- 
nungen vertreten: Scyldes treow a.956 in Wilts, Birch 3, 917, 
in der gleichen landschaft wie Beowan ham und Grendeles mere, 
was den zusammenhang dieser localität mit dem mythischen 
Sceyld auffallend stützt, und ferner ein Scildes well in North- 
ampt., DomB. 1,221®. Hier sind trotz Haack s. 11, der übrigens 
nur Scyldes treom kennt, die genetive Scyldes absolut beweisend, 
vielleicht ebenso die zusammensetzung mit den im cultus eine 
rolle spielenden /reow und weil, während allerdings die übrigen 
von ihm aufgeführten namen Scildford, Scyldmere, Scildwic kaum 
hierher zu ziehen sind. Zweifel erregen auch, weniger wegen 
des vocals (vgl. den Sceldwa der genealogien), als wegen des 
sinnes der in die verbindung tretenden substantive Sceldesford 


') Vgl. in anderem zusammenhange Much, Beitr. 17, 120. 


ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 149 


(Kent) a. 824. Bi. 1,380; on sceldes heafda (Worcest.) a. 1016. 
K. 3, 724; Scheldinchope (Lincolns.) DomB. 1, 370®, denn daneben 
stehen eine anzahl namen, die, mit Scealde- beginnend, kaum 
davon zu trennen sind: Scealdeburna (Wilts) a. 904. Bi. 2,611. 
612; 2.955. Bi. 3, 912; Scealdeburnanstoc (Wilts) a. 968. Bi. 3,1219. 
Scealdedeninza zemere (Hants) a. 1046. K.4, 783; Scealdeford 
(Kent?) a.821. Bi. 1,367; 2.1026. K.4,813 und Scealdenford, 
Scealdanford (Dorset) a. 939. Bi. 2, 744. 758; Scealdaemeres ham 
(Hants) a.909. Bi.2, 622. Man wird dieses Scealde zu dem 
flussnamen Scaldis ‘Schelde’ stellen müssen oder zum deutschen 
Schalde im personennamen Schaldemose. In ne. dialekten ist 
noch shalder vorhanden, das eine binsenart bezeichnet (‘a broad 
flat rush’ Halliwell 2, 727): das passt ganz gut zu den verbin- 
dungen mit burna, ford, mere. So werden wol auch Scildford 
a. 1005. K. 3, 714; Sceldmere a. 868. Bi. 2,523; Scyldmere (Berks) 
a.916. Bi. 2,633; a. 931. Bi. 2,682; Scyldmere a. 1042. K. 4, 762 
eher zu diesem *scald- ‘binse’, als zum personennamen Scyld zu 
ziehen sein, schon wegen der art der bildung durch composi- 
tion gegenüber dem genetivischen verhältnis in Scyldes treow, 
Scildes well. Scyld muss dann durch i-umlaut aus einem 
i-stamm *scaldi-, *scealdi (vgl. Scaldis) entstanden sein: sceld 
ist die nichtwestsächsische, z. b. kentische oder mereische form 
dafür. 

Auch in personennamen treffen wir Scyld- als ersten be- 
standteil: in keluintune VIII currucatas quas Sceldfrithe et 
Frithegist magnus tenuerunt 13.saec.LV.p.77; ähnliche bildungen 
mit namen göttlicher oder mythischer wesen sind Tiowulf, zu 
erschliessen aus Tiouulfinzacester bei Beda, Frealaf, Freawine 
der genealogien, Geatfleda femina a.970. Bi. 3,1254, vielleicht 
auch Beomwulf. 

Während wir also für Scyld eine ganze reihe von belegen 
in namen besitzen, finden wir keine solchen oder höchstens 
zweifelhafte für Sceaf. Ein Sceua, der in Hants erscheint, 
DomßB. 54 nach Ellis, Introd. 2,210, den ich aber auf der an- 
gegebenen seite nirgends zu entdecken vermag, entspricht viel- 
leicht mit südl.-mittelengl. verschiebung des / zu v einem älteren 
Sceafa, ohne dass diese gleichung für unumstösslich sicher gelten 
dürfte. In ortsnamen aber begegnet nirgends das einfache Sceayf, 
sondern nur die ableitung Scefinz : Scefinc nom. loci (Yorks.) 


150 BINZ 


a. 972. Bi. 3, 1278; Scevintune (Shrops.) DomB. 1,258? und in 
Sciofinzden (Kent) a. 822. Bi. 1, 370 mit kentischem wechsel von 
ia, io für ea. Dagegen gehört das e in on scheobanwerzthe 
(Somers.) a. 842. Bi. 2,438 zum sc und dient zur bezeichnung 
der palatalen aussprache desselben, wie aus den häufigen neben- 
formen mit Scobban sich erweist: Scobban byryzels a. 990. K.3, 
673. Scobban ora 2.956. Bi.3, 932. Sceobban ora a.985. K.6, 1283. 
Scobbestan Bi. 1,356. Sceobbanstan 8.903. Bi.2,600. ruris por- 
cionem in Baltheresberghe ei Scobbanwirth (Somerset) a. 744, Bi. 
1,168, das. mit dem obigen scheobanwerzthe zweifellos iden- 
tisch ist. 

Wenn wir uns nun auch in der annahme eines ursprüng- 
lieben Scyldmythus und streichung der figur des Sceaf an 
Möller und Sarrazin anschliessen, so können wir darum doch 
keineswegs den weiteren schlüssen des letzteren zustimmen, 
dass der ganze mythus überhaupt nicht altangelsächsisch, son- 
dern dänisch sei. Dass die von Sarrazin vorgebrachten gründe 
nicht stichhaltig sind, ist von verschiedenen seiten nachgewiesen 
worden und findet eine neue bestätigung durch die zum teil aus 
früher zeit stammenden ortsnamen, die zusammengehalten mit 
dem durch den Widsid jedenfalls gewährten zeugnis von der 
verbreitung einer ähnlichen, wenn nicht der gleichen sage bei 
den mit den Angeln nahe verwanten Langobarden es höchst 
wahrscheinlich machen, dass der Seyldmythus altes eigentum 
der ingväischen stämme ist. 

Von den nachkommen Scylds werden wir dem Beomwa 
weiter unten eine besondere betrachtung widmen müssen. Das 
letzte glied der genealogie, Teiwa, scheint frühe dem gedächtnis 
des volkes ziemlich fremd geworden zu sein. Denn während 
namen mit 7at- im ersten gliede sehr gebräuchlich sind und 
darum auch die kurzformen, Tata für das masculinum, Tate 
für das femininum, sich oft belegen lassen, trifft man nirgends 
eine spur von Tetwa. 

Eine besondere reihe bildeten ursprünglich auch die in der 
genealogie von Westsachsen genannten namen von Geat bis 
Fripumwald. Auf die deutung dieser und der andern, rein mythi- 
schen, genealogien, deren natur sich noch am deutlichsten in 
der genealogie von Ostsachsen und derjenigen von Deira offen- 
bart (vgl. Müllenhoff, Schmidts zs. 8, 249 ff.), gehe ich hier nicht 


PT SEREGEREEG U nn 


ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 151 


ein, sondern verweise auf ihre behandlung durch Miüllenhoff, 
Beov. 8. 60ff. Nur einige zeugnisse seien angeführt, welche 
für die verbreitung der mythen und der götterverehrung zur 
zeit der einwanderung in England von interesse sind. Der alte 
eponymos der ingväonischen völker, /nz, dem die bekannten 
verse des ae. Runenliedes v. 67—70 eine ostdänische heimat 
zuschreiben,!) muss ebenso wie Frea, mit dem er ursprünglich 
identisch sein wird, schon frühe an bedeutung hinter Woden 
zurückgetreten sein. Denn dass dieser bei der besiedelung 
Englands die erste stelle einnahm, lehren die zahlreichen orts- 
bezeichnungen, in denen sein name erscheint, wie Wodnesbeorz, 
Wodnes den, Wodnes dic, Wodnes feld u.s.w. (vgl. Kemble, Sachsen 
. in England 1,275ff.). Von /nz dagegen, den noch die genea- 
logie von Northumbrien als /nzui kennt, ist es zweifelhaft, ob 
örtlichkeiten nach ihm benannt sind: vielleicht ist dies der fall 
mit Inczeburne (Essex) a.1062.K. 4,813, Inczheema gemero K.311, 
Incsetena zemero K.511, Inzham K. 590, Inzedorp a. 664. Bi. 1, 22, 
aber es liegt nirgends eine zu erwartende genetivform vor. Auf 
späteres fortleben seiner sage scheint jedoch in der chronik des 
Robert Brunne angespielt zu sein, fl. 85—85°: nachdem eine 
fabel von Znzle, nach welchem England seinen namen erhalten 
haben soll, erzählt ist, heisst es weiter: 

This is that other skille I fond 

Whi it is cald Inglond, 

Bot of Inge sauh I neuer nouht 

In boke writen ne wrouht: 

Bot lewed man ther of crie 

And maynten that ilke lie. 
Es kann fast keinem zweifel unterliegen, dass aus dieser von 
den /ewed men so beharrlich festgehaltenen 'lüge’ noch der alte 
mytlus von /nz hervorschimmert. 

Für Frea finden wir keinen beleg, nur noch als bestand- 
teile von personennamen, in welchen die erinnerung an die 
alten gottheiten nicht mehr lebendig zu sein braucht, treffen 
wir Inz und Frea; z.b. Inzemund K.4,953; Inzulfus London. 
episc. a. 716. Bi.1,135; Inzuuald episc. a.716. Bi.1,91; Ingold 
minister 8.1055. K.4, 801; /Inzuburzg LV. (Sweet) 19. — Freo- 
bern, Frebern, Friebern in Essex und Suffolk K.4, 813.845 und 


ı) Vgl. Müllenhoff, Zs. fda. 23, 11. 


152 BINZ 


DomßB. b. Ess. 62.63. Suff. 411P; ZFrebertus, Friebertus ebenfalls 
in Essex DomB. 5, 25. 57®; Framwinus, Freomwinus Suff. DomB. 23», 
343; Fremwinus Ess. DomB. 32®; ferner Fregistus, Frehelmus, Frio- 
nd Freoric. 

Geat dagegen, eine andere bezeichnung für den höchsten 
gott Woden in seiner eigenschaft als schöpfer, ist bei der be- 
siedelung im genuss hohen ansehens gestanden. Nicht nur in 
personennamen als erstes compositionsglied, z. b. Geatfleda fe- 
min. 2. 970. Bi. 3, 1254, ist sein name bewahrt, sondern auch in 
verschiedenen ortsnamen: Getesbirie = Yatesbury (Wilts.) Vetus 
registr. Sarisb. 2, 73; Geatescumb: süva quae vocatur Aedelea- 
hinz et alia Colmonora et Geatescum a. 688. Bi. 2,844; Aeöe- 
leainz uude, colmanora et Geatescumbe a. 955. Bi. 3, 906; terram 
quae vocalur Gaetesdene (Hertfords.) a. 944. Bi. 2, 812; andlanz 
wezes on subhealfe Gaetes hlemwe bat hit cymb to feower Ireo- 
mwum : bonon banen nord andlanz herepades to zybrices wille 
(Hants) a. 932. Bi. 2,697; Getinzes n. 1. a. 675. Bi. 1,34; a. 933. 
Bi. 2,697. Ferne zu halten ist der flussname Gytincz (Worcest.): 
of scyttan foen det on zZytinc ondlonz dcet . on Gylinczes emwylm 
a. 974. Bi. 3, 1299, 

Fribumulf und Fribumald hediiren eine zu wenig charak- 
teristische bedeutung, als dass man aus ihrem isolierten vor- 
kommen, wie es sich allein nachweisen lässt, irgend eine fol- 
gerung für die geschichte der sie betreffenden sagen ziehen 
dürfte. Der LV. kennt verschiedene Frioduulf, Friöuulf, Friu- 
Öulf und Friduuald, Frioöuuald, ausserdem finde ich noch z. b. 
einen Fridulf diacon. Bi. 2,616; Fribeuualdus subregulus von 
Surrey a. 675. Bi. 1, 33.34.39. Fribuualdus subreg. a. 787. Bi. 
1,251. Fridowaldus monachus a. 680. Bi. 1,51. 

Aus der oben besonders hervorgehobenen essexischen ge- 
nealogie nennt auch der Wids. v.112 den Beadeca im verein 
mit HZeöca; daraus dürfen wir wol entnehmen, dass sie beide 
einmal einem besonderen mythus angehörten. Für ein ähn- 
liches paar hält Müllenhoff (Zs. fda. 11,292) den Secca und 
Becca, Wids. 115, während Koegel, Lit.-gesch. s. 148 an ihre 
identität mit Sifeca (an. Zikki) glauben möchte. Die vermutung 
Sarrazins (Anglia 9, 202), dass Beadeca und Hedca mit Boövar 
und Hottr gleichzusetzen seien, scheint mir in der luft zu stehen. 
Als zeugnis für den mythus dürfen wir Badecan den (Hants) 


ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 


2.976. Bi. 3,1307 und Bedecanlea, ibid.; Badecan well (Stafford.) 
3.949. Bi. 3,884; Beaduchyll K.570 fast mit sicherheit in an- 
spruch nehmen, da diese namen nicht einfach das eigentum 
eines Zadeca (namen mit Beadu- im ersten glied sind sehr be- 
liebt, auch Baduca selbst findet sich im LV. (Sweet) 217. 228. 
353) bezeichnen werden, weil die zusammensetzung mit leah, 
well, hyll eher zu gunsten der annahme der cultusstätte eines 
heros sprechen.) Von Heöca zeigt sich sonst keine spur. 


2) Beowa. 


Literatur, soweit nicht schon unter a 1) verzeichnet: Kemble, 
Sachsen in England, 1,343. H. Dederich, Histor. u. geogr. studien 
zum ags. Beowulf. Köln 1877. K.Müllenhoff, Recension dieser schrift 
Dederichs, Anz. fda. 3, 172—182; Der mythus von Beovulf, Zs. fda. 7, 
4119—441; 2. E. VI: Zs. fda. 12,282 ff.; Die innere geschichte des Beovulf, 
Zs. fda. 14, 193-244; Beovulf. Berlin 1888. L. Laistner, Nebelsagen. 
Stuttg. 1879. 8.88 ff. 264 ff. G.Sarrazin, Beowulfstudien. Berlin 1888. 
B.tenBrink, Beowulf. Strassb. 1888. (QF.62). R. Heinzel, Recen- 
sion von ten Brink, Beowulf, Anz. fda. 15,153 ff. B. Sijmons, Pauls 
Grundr. 2,1, 8.21f. R.Koegel, Beowulf, Zs. fda. 37, 268—276; Lit.-gesch. 
1,109—111. O.Haack, Zeugnisse, 3. 11; 51 ff. 


Dass ein mythus von Zeowa, dem Beam, Beowa der ge- 
nealogien, den kern des Beowulfepos bildet, ist schon von Kemble 
erkannt und durch den nachweis äusserer zeugnisse gestützt 
worden. Die verschiedenen deutungsversuche, die mit dem 
namen Beowa — Beomulf angestellt worden sind, übergehe ich 
und weise nur kurz hin auf Koegels aufsatz Zs. fda. 37, 268 ff. 
und Sievers’ bemerkung dazu Beitr. 18, 413.2) Nur eine kleine 
berichtigung zu Koegels behauptung von der vereinzelung des 
vollnamens BZeowulf sei gestattet. Zeomwulf ist nicht das einzige 


[’) Z&ah jedoch wol nur unter der, auch von mir, Ags. gr.? 8 255,4 
noch geteilten irrigen voraussetzung, dass eg ‘hain’ bedeute: das wort 
heisst aber, worauf mich W.H.Stevenson aufmerksam gemacht hat, im 
ags. nie etwas anderes als ‘feld’, weshalb es auch geradezu in urkunden 
mit campus wechselt. Vgl. dazu dann benennungen wie Ceddan leah, 
Godmundes leah Sweet, OET.613f. und vieles ähnliche sonst in den ur- 
kunden. E.S.] 

2) Die zusammenstellung von Sievers bestätigt meines erachtens die 
frühere annahme der identität des engl. Beowulf <*Biwmulf mit nord. 
Bjölfr <* Byolfr <*Bimmwolf (Noreen, An.gr.? $ 82,6; 1062 anm. I) und 
ahd. Piholf (vgl. ae. Tiowulf und ahd. Ziholf). 


154 BINZ 


beispiel für eine zusammensetzung mit Zeow-, ich vermag wenig- 
stens kein hindernis gegen die annahme einer gleichen bildung 
in Beored (aus *Beowred'!)) zu erkennen: &! beoredes treowe a. 932 
in Wilts. Bi.2,690; «et beoredes ...an a. 948. Bi. 3, 862; on beo- 
redes treowe a. 918. Bi. 3, 863; Beoredes treomw a. 997. K.3, 698, 
vielleicht auch on beorreding med (Dorset) a. 933. Bi. 2, 696. 
Das doppelte r in beorredinz kann freilich stutzig machen, 
zumal da Förstem. 1,227 einmal aus Goldast den hd. ent- 
sprechenden namen Perrat citiert und da auch sonst im eng- 
lischen namen mit Beor- im ersten gliede nicht unerhört sind, 
2.b. Berhun, Beorlaf Hruschka 1,18; Beorsize minist. a.901. 902. 
Bi. 2,595.599; Beorra a.725. Bi. 1,145. Aber angesichts des 
umstandes, dass an vier von einander unabhängigen stellen 
Beored geschrieben ist, bleibt nichts anderes übrig, als die 
namen mit einfachem und mit doppeltem r von einander zu 
trennen. 

Ein anderes bedenken möge sich hier noch hervorwagen. 
Bei allen aufstellungen von etymologien für Beowulf pflegt die 
form Beaw der genealogien, die man für ursprünglicher hält 
als Beowa, weil sie in den älteren quellen so belegt ist, ver- 
legenheiten zu bereiten. Aber steht denn die grössere ursprüng- 
lichkeit der form mit ea wirklich so sicher fest? Vielleicht 
doch nicht; denn die recension der Sachsenchronik, welche sie 
enthält, stammt aus Kent, dessen vorliebe für ea, ia an stelle 
eines westsächs. eo, io bekannt ist (vgl. auch R. Wolff, Unter- 
suchung der laute in den kent. urkunden, Heidelb. diss. 1893, 
s.57 f.), und westsächsische quellen, welche nicht einfach die 
chronik abschreiben, wie z. b. Ethelwerd, bieten wirklich eo, 
Beowa. Der name Zeasfeld, den man etwa entgegenhalten 
könnte, gehört ebenfalls Kent an; ein wirkliches hindernis für 
eine solche auffassung bildet aber vielleicht Zeas droc (Bi. 2,730) 
in Somerset, also auf durchaus westsächsischem boden. Ohne 


[!) Der ansatz Beored < *Beomwred ist zwar wol möglich (vgl. speciell 
hired), aber keineswegs für ganz sicher zu halten. Wenn in Beowulf, 
altnorth. Biu-wulf doch wirklich altags. bie, gemeinags. beo ‘biene’ 
steckt, so kann dasselbe wort auch in Beored vorliegen (vgl. auch die 
ahd. Zilj)o m., Bilj)a f.). Lautlich wäre das ganz correct, denn i+«@ 
ergibt, auch in der compositionsfuge, regelrecht altags. is, später do, 
vgl. besonders bildungen wie Friumon LV., u. dgl., Beitr. 18,412 ff. E.S.] 


ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 155 


selbst eine entscheidung zu treffen, möchte ich diesen punkt zu 
einer erneuten erwägung empfehlen. 

Gehen wir nun zu den zeugnissen für den mythus von 
Beowa über, so bemerken wir zunächst, dass der von Müllen- 
hoff, Beovulf s. 8 eitierte Beowa Kemble 1001 bei Birch 1, 145 
zu einem Beorra geworden ist. Damit ist auch das einzige 
beispiel von verwendung desselben als personenname dahin- 
gefallen; denn die Beoba a. 704. Bi. 1,108; a. 727. Bi. 1,145; 
a. 772. Bi. 1,211 (vgl. to Beofan stane a. 901. Bi. 2,596) oder 
Befpha a.699. Bi. 1,101; Zefa a. 780. Bi.3, 1334 damit zu iden- 
tiicieren, verbieten die consonantischen verhältnisse. Dass aber 
doch der hauptinhalt des Beowamythus, der kampf mit Grendel, 
den Angelsachsen bei der besiedelung Britanniens noch un- 
beeinflusst von der gestalt des historischen Geatenhelden Beo- 
wulf geläufig war, lehren uns verschiedene ortsnamen. Es 
unterliegt kaum einem zweifel, dass namen wie Beas broc 
(Somerset) Bi.2,730; Beasfeld, Beuuesfeld (Kent) a. 772. Bi. 1,207; 
Beuesfel (Kent) DomB. 12®; Beoshelle (Warwick) DomB. 1, 238°; 
Beueshoc (Cornwall?) DomB. 124®; Beusberg hundred vel wapen- 
take in Kent DomB. 1. 9». 10®. 11° etc. sich von dem heros her- 
leiten lassen. Heinzels aussetzung gegen Müllenhoff (Anz. fda. 
:16, 267), Beas broc sei als beweis zu streichen, da Bea hier 
‚wie anderwärts einen gewöhnlichen menschen Bea, Beawa, Beowa 
bedeuten könne, berücksichtigt nicht genug den von Koegel, 
Zs. fda. 37,272 mit recht hervorgehobenen umstand, dass die 
starke flexionsform für ein göttliches oder mythisches wesen 
spricht, vgl. Teowes born, Tyes mere, Scyldes treow. Die schwache 
form Beowa liegt dagegen den folgenden namen zu grunde: 
Beuedene (Sussex) DomB. 22°. 26°; BZeuedone a. 982. K. 3, 632; 
on Beowan hammes heczan a. 931. Bi.2, 677.679; Beuelei (Chester) 
DomßB. 1, 266®; Zeulei (Devon) DomB. 113°; Zemwintone (Cornwall) 
DomB. 120°; Beuentreu (Essex) DomB. 2.3.9» etc.; von denen 
Beuelei und Beuentreu ‘hain’!) und ‘baum des Beowa’ besondere 
aufmerksamkeit verdienen. Ob die mit Zeo zusammengesetzten 
ortsnamen auch hieher zu ziehen sind, ist fraglich, darf aber 
wenigstens für Beocumb und Beodun wegen der nebenformen 


[!) Vielmehr ‘feld’, s. oben 8.153 anm.1. E.S.)] 


156 BINZ 


Beuncumbe und Beuedone wol bejaht werden:!) Beobroc a. 940. 
Bi. 2,753 (Kent); Beocumb a. 921. Bi. 2,633; a. 931. Bi. 2, 682; 
Beucumbe 8.956. Bi. 3, 922; Zeuncumbe a. 987. K. 3,656; Beodun 
a.914. Bi.2, 797; Beeford (Norfolk) Hope 8. 9; Beohyl a. 958. 
Bi. 3,1027 (vgl. oben Beoshelle); Beoleah a. 972. Bi. 3, 1282; Be- 
lahe a.1047. K.4,785; Belaugh Hope s. 10; Beomwyröe a. 938. 
Bi. 2,731; a. 962. Bi. 3,1153; Bewholme in East Yorks. Hope 
8.10; apud Beostokke Reg. Malmesb. 2,402. Beaneccer dagegen, 
vielleicht auch Beansiede, enthalten eher bean “bohne”. 

Auch Grendel hat seine spuren in verschiedenen namen 
von örtlichkeiten hinterlassen. Auf den Grindles bec in Worcest. 
a. 972. Bi. 3, 1282; Grindeles pyt ibid. a. 708. Bi. 1,120 und Gren- 
deles mere (Wilts) a. 931. Bi. 2, 677 hat Müllenhoff, Zs. fda. 12, 282 
schon hingewiesen. Es finden sich ausserdem: to Grendeles 
gatan : on mwellinza stret, innan Äczes wer, efter stanburnan 
on sulh, swa on yburnan, andlanz yburnan ob Iccenes ford, and- 
lanz sihtre ob bone hagan andlangz hazan to zrendeles zaltan 
eefter kinczes mearce innan brezentan (co. Midd.) Bi. 3, 1290. — 
Grendels mere: in bone suderan holan bece andlonz beces wid 
neowan eostacote, andlanz dices in grendels mere, of zrendels 
mere in stancofan, of stancofan ündlonz dune on stiran mere 
(co. Stafford) am Stour a. 958. Bi. 3,1023. — Grendeles pyt: 

. of foczan izedum on landsceare hricz ... on luhan Ircow .... 
on hazan zet ... on doddan hrycz, of doddan hrycze on zren- 
deles pyt, of zgrendeles pytte on ifizbearo; ... on hrucz- 
cumbes ford ... on earnes hricz ... on beornwune treow ... on 
brunwoldes treow ... on cefcan zrefan, banon on caines @cer 

. on ezesan Ireow (Devon) a.739. Bi.3,1331 und fast ganz 
gleichlautend in 3,1332. — Grindeles syl: Dis sind da land- 
zemere to Batrices eie: rest «ti hezefre, fram hezefre to ze- 
tenes heale, fram zetenes heale to zryndeles syllen, fram 
zryndeles sylle to russe mere, fram rysse mere to belzenham 

. to bernardes byricles (Surrey) a. 957. Bi.3,994. Ein ein- 
faches grendele als ortsnamen verzeichnet das DomB. in York- 
shire 1, 299. 302%, 


Man wäre bei allen diesen namen kaum eher als bei ähn- 


[!) Auch hier scheint es mir viel näher zu liegen, im allgemeinen 
wenigstens an beo ‘biene’ zu denken.. E. S.] 


ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 157 


lichen deutschen geneigt, einen zusammenhang mit dem Beowa- 
Grendelmythus anzunehmen,!) besässen wir nicht die schon er- 
wähnte urkunde vom jahre 931,2) in welcher Beowan ham und 
Grendeles mere in einer gewis nicht zufälligen weise zusammen 
vorkommen, 3) was doch die localisierung des mythus in Wilts 
mit sicherheit erschliessen lässt und sie darum auch für die 
anderen gegenden wahrscheinlich macht. Auch in der urkunde 
von Devonshire vom jahre 739 Bi. 3, 1331 vermag übrigens 
vielleicht eine lebhafte phantasie in dem nebeneinander von 
Grendeles pyt und ezesan treow, die recht gut zusammen passen, 
noch beziehungen zum alten mythus ausfindig zu machen. 

Weil im Widsidö auch nicht die geringste anspielung auf 
Beowulf-Beowa und Grendel enthalten ist, hat man annehmen 
wollen, dass das Beowulfepos, so wie es uns jetzt vorliegt, zur 
zeit, wo die v.45—49 von Hrodzar und Hrodwulf gedichtet 
wurden, noch nicht existiert habe: die sage selbst möge dem 
Widsiödichter bekannt gewesen sein, habe aber jedenfalls noch 
nicht die bedeutung besessen, die sie später durch das epos 
erlangte.*) Dieser schluss ex silentio scheint wenig zwingend, 
sind doch auch andere sagen, die schon früh bekannt gewesen 
sein müssen, wie die von Hyzelac oder von Hredel und seinen 
söhnen, von ganz gleichem schweigen betroffen worden. 

Anm. Die behauptung Sarrazins (Engl. stud. 16, 79f.), die Beowulf- 
sage sei nur eine angelsächsische umbildung einer nordischen sage von 


Boövarr Bjarki, ist ungenügend begründet; einmal ist die ähnlichkeit 
zwischen beiden nicht sonderlich gross und zum andern haben wir keinen 


1) Grendel = ‘schlange’ (Koegel, Zs. fda. 37,275 anm.). Häufig wird 
ein flusslauf mit einer schlange verglichen, Grendel liegt also als fluss- 
name nahe und kommt auch engl. vor: on sicgan mores heafod, banon 
on ba ealdan die, on zrendel, up andlanzg zrendel 2.963. Bi. 3, 1003. 

?) Müllenhoff, Zs. fda. 12, 282—285. 

8°) Der von 'Tb.Miller, Academy 12.mai 1894, p. 396 erhobene einwand, 
Grendel sei kein eigenname, zrendeles mere entspreche einem fuzelmere, 
mwudumere und bedeute ‘cesspool’ ist nicht stichhaltig, da eben die gene- 
tivische bildung zrendeles mere im gegensatz zu den übrigen beispielen 
von composition den charakter als eigennamen deutlich erkennen lässt. 
[Aus dem genetiv wage ich so viel nicht zu folgern, denn auch nicht- 
eigennamen erscheinen ganz gewöhnlich im genetiv: die oben angeführten 
belegstellen gewähren ja allein schon z.b. of foczan igedum zu focze 
‘füchsin’, earnes hricz zu earn ‘adler’, um von solchen wie Jandsceare 
hricz, hruczcumbes ford, ezesan Irdow zu geschweigen. E.S.] 

*) Müllenhoff, Beov. s. 92f.; vgl. auch Möller, Ae. volksepos s. 19 ff. 


158 BINZ 


anhalt, der uns erlaubte, das alter der Boövarrsage so hoch anzusetzen, 
als man es tun müsste, wäre Sarrazin im recht. (vgl. Müllenhoff, Beov. 
s.55f.). Es gibt freilich ein zeugnis für die existenz der Boövarrsage 
auf englischem boden, aber auch Sarrazin wird es nicht zu gunsten 
seiner theorie verwenden wollen, da es erst aus dem anfang des 12.jh.’s 
stammt und, wie die umgebung, in der es sich findet, zeigt, eben nur 
auf verbreitung der sage unter den skandinavischen einwanderern hin- 
weist. Man hat dieses zeugnis bis jetzt ganz übersehen, obgleich es an 
leicht zugänglicher stelle liegt: im north. LV. treffen wir auf 8.78 der 
Stevensonschen ausgabe in einer durchaus nordischen gesellschaft von 
- wohltätern der kirche zu Durham auch einen Bodumwar und Berki: 
... Osbern Thrumin Aeskitil: Riculf Aeskyl Rikui Bodumwar Berki 
Esel Petre Osbern. Die beiden namen gehören ganz offenbar zu einander 
und Berki ist nichts anderes, als der aus der sage geläufige und mit 
dem hauptnamen fest verwachsene beiname zu Bodumar. 


Dem Beowa wurde vielleicht auch einmal der schwimm- 
wettkampf mit Breca, Beanstans sohn, dem herrn der Brondinge, 
zugeschrieben, den uns Beow. v. 506 ff. erzählt.!) Auf ein eigenes 
lied über dieses ereignis scheint auch Wids. v.25 Breoca (weold) 
Brondinzum hinzuweisen. Wenn die namen Breca und Beanstan?) 
sich in altenglischer zeit nie belegen lassen, so wird man dies, 
ebenso wie bei Zeowa, zum teil darauf zurückführen dürfen, 
dass ihre mythische natur noch lange deutlich blieb und einer 
verwendung für einen gewöhnlichen menschen hindernd in den 
weg trat. Doch kommen auch keine ortsnamen vor, die mit 
dem mythus in zusammenhang gebracht werden könnten (ausser , 
vielleicht Zricandun Herts. a. 959. Bi. 3, 1050; a. 973. [Cambridge] 
Bi.3,1306; K.813), und das kann im verein mit dem eigen- 
artigen unenglischen aussehen von Beanstan eine stütze für 
ten Brinks vermutung (Pauls Grundr. 2, 1,533) abgeben, dass die 
Angelsachsen diesen stoff von den Norwegern überliefert erhielten. 


b) Historisch - epische stoffe, 


1) Hyzelac-Beowulf. 


a üllenhoff, Beov. 8.17 ff.; Zs. fda. 12,287 f. Koegel, Lit.-gesch. 
1, 152 f. 


In der uns erhaltenen gestalt des Beowulfepos ist an die 
stelle des mythischen Beowa ein historischer Gautenkrieger 


1) Ueber den Beowa-Brecamythus vgl. Müllenhoff, Beov. s. 1 ff., Zs. 
fda. 7, 420 f. Koegel, Lit.-gesch. 1, 109. 
| 2) Ueber den namen Deanstan vgl. Müllenhoff, Beov. 8. 2, Bugge, 
Zs. fdph. 4, 198. Beitr. 12,55. Sievers, Beitr. 18, 583 f. 


ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 159 


Beowulf getreten, der sich auf dem zuge des Gautenkönigs 
Hyzelac an die Rheinmündung durch seine tapferkeit beson- 
ders hervorgetan hat, Beow. vv. 1203—15. 2355—73. 2502—9. 
2912—22. Der bericht des epos über diese begebenheiten 
schliesst sich auch im einzelnen eng an den gang der histori- 
schen ereignisse an; dass Beowulf selbst keine angelsächsische 
erfindung, sondern ein wirklicher Gaute ist, lehren uns die 
namen seines vaters, Eczpeow, und seines geschlechtes, der 
Wsgmundinge. Schon Beowulf ist ein bei den ags. stämmen 
gar nicht verbreiteter name; nur zwei beispiele sind mir bekannt: 
das erste, schon öfter erwähnte, steht im LV. fol. 34®, wo Sweet 
(OE'T. p. 163, 1.342) Bifuluuif (d.h. Ziruuif, vgl. OET. vi) statt 
des von Stevenson gegebenen Zrinulf liest, das im englischen 
nirgends ein analogon fände. Das zweite beispiel glaube ich 
in einem Beulf des DomB. Dorset 82 (Ellis, Introd. 2, 295) zu 
besitzen. Die seltenheit dieses namens drängt die annahme 
auf, dass er überhaupt unenglisch sei und deshalb sein vor- 
kommen auf englischem boden schon an und für sich die ver- 
breitung der Beowulfsage in den gegenden beweise, wo er sich 
findet. Ebenso fremd sind Wsezmund und Ecezpeow. Dass 
bei den seeanwohnenden Angelsachsen composita mit Wez- im 
ersten glied einmal nicht unbekannt waren, zeigen die genea- 
logien von Deira und Bernicia mit ihrem Wezdez und Wez- 
brand; allein in historischer zeit sind diese bildungen äusserst 
selten, und speciell ein Wezmund ist mir gar nicht bekannt, 
während auf dem continent der name sich noch später findet, 
2.b. Wacmundus Piper, Libr. confr. 2, 225, 30. Auch Zezbeow 
ist eine unenglische zusammensetzung; ecz- freilich ist eines 
der: fruchtbarsten elemente in der angelsächsischen namen- 
bildung, vgl. Zczbeih, Eczbald, Eczberht, Eczburz, Eczfripb, 
Eczheah, Eezheard, Eczhun, Eczlaf, Eczmund, Eczred, Eczric, 
Eczsuith, Eczuini, Eczuio, Eczuulf meist im LV.; beow dagegen 
ist, mit ausnahme des höchst sonderbaren namens von Hroözars 
gemahlin Wealhbeow im Beowulf, besonders im zweiten teile 
ganz ungebräuchlich, denn die vom 10.jh. an erscheinenden 
Welpbeow = ahd. Walateo sind nordischen bez. normannischen 
ursprungs; und widerum ist auf dem festland gerade Zckideoh, 
Egideo etc. weit verbreitet. Die nichtenglische, d. h. also wol 


160 BINZ 


gautische (oder schwedische?) herkunft des Beowulf und seiner 
familie kann somit kaum bezweifelt werden. 


Anders verhält es sich mit dem zweiten zweig des ge- 
schlechts der Wagmundinge, dem Zifhere, Weohstan und sein 
sohn Wizlaf zugerechnet werden; ihre namen tragen alle drei 
ein durchaus englisches gepräge. Äifhere ist so gewöhnlich, 
dass ich mich mit einigen zufälligen nachweisen begnügen kann: 
#lfhere dux a. 826. Bi. 1,393; Zlferius a. 929. Bi. 2,665; Zif- 
here minister a. 931.934. Bi. 2, 674. 677. 682.689. 699 ete.; Zlfere 
minister a. 934. Bi. 2, 701. 702. 705; Zifhere minister (zwei ver- 
schiedene) a. 934. Bi. 2, 706; Zifhere dux a. 931. Bi. 2, 670. a. 933. 
Bi. 2, 694. 721—724 etc; Alfer vicecomes a. 948. Bi. 3. 872. Weoh- 
stan ist nicht ganz klar,!) eo neben i in weoh, wih bezeugt die 
ursprünglichkeit des h-lautes; es ist also die möglichkeit, Wihstan 
als jüngere schreibung für Wizstan aufzufassen und damit den 
beliebten gleichklang im anlaut der namen von vater und sohn 
herzustellen, gänzlich ausgeschlossen; wiewol sonst Wizstan 
recht beliebt ist: Wizstan a. 863. Bi. 2,507; Wizstan dux a. 868. 
Bi. 2, 520. 522; Wizstan abbas a. 946. Bi. 2,815. a. 949. Bi. 3, 882. 
833; Wistan presbyt. a. 967. Bi. 3, 1203. 1207; Wistanestun DomB. 
1,265® (Cheshire). 1,276®. 277° (Derbyshire); Ztolf( Alfstan) Wistan, 
zweifellos Engländer bei Piper, Libr. confr. 2, 69, 40. Ebenso un- 
zulässig aber, wie gleichsetzung mit »wiz, ist identification mit 
wiht, welche Hruschka 2,50 sich erlaubt, wenn auch nicht ge- 
leugnet sein soll, dass einige male Wirk- für Wiht- verschrieben 
oder namentlich vor folgendem st assimiliert ist. Es bleibt also 
nur noch der stamm Wih- oder W’eh- übrig, der auch dem Wehha 
der genealogien zu grunde liegen muss, vgl. auch Wehinc leah 
a. 958. Bi. 3, 1037; 10 weohles heale (Gloucester) a. 785. Bi.1,246.2) 
Wiohstan ist mehrfach zu belegen: Wiohstan zusammen mit Wer- 
mund und Befja a.780.Bi.3,1334; Wiohstan princeps a.801. Bi.1,282. 


1) Vgl. übrigens Henning, Die deutschen runendenkmäler 8. 33—38; 
dagegen Holthausen, Anz. fda. 16, 369 f. 


[?) So viel ich weiss, gestatten die lautgesetze des ags. diese com- 
bination, d.h. die annahme eines wel neben wiAh nicht. Stellt man unsern 
namen einfach zu st. wrha- ‘heilig’, setzt ihn also — altn. Ve-steinn, 80 
ist Wihstän (ev. verkürzt WThstän) die normale anglische, Wiohstan 
bez. Weohstän (oder ev. verkürzt Wioh-,:Weohstän) die normale süd- 
englische form. E.S.] 


ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 161 


Withstan a.935. Bi. 2,640, ebenda aber auch Wiohstano. Wizlaf 
findet sich ebenfalls häufig: Wizlaf test. a. 840. Bi. 2, 429. a. 845. 
Bi. 2,450. a.848. Bi. 2,453; Wizlaf clericus a. 901—909. Bi. 2, 622: 
Vizlaf LV. (Sweet) 395; Wilavestun DomB. (Cheshire) 1,266® (ibid. 
Beuelei); Wilavestune ibid. 1,265P; Wilaveston ibid. oft; on Wilafes 
treow (Wilts) a. 901. Bi. 2,595; Wilauestreu DomB. (Devon) 113°. 


Dieser bedeutsame unterschied in den namen der beiden 
zweige der Wasgmundinge ist geeignet, die zweifel in bezug 
auf die historische berechtigung der im Beowulf vollzogenen 
annahme eines zusammenhangs unter denselben, die Müllenhoff, 
Beov. 8.16 laut werden lässt, zu verstärken. Vielleicht gehörte 
dieser teil der Wasgmundinge ursprünglich einer anglischen 
sage an — vgl. den Wehha der ostanglischen genealogie — und 
ist erst später mit dem Beowulf in verwantschaftliche beziehung 
gesetzt worden. So lange uns aber keine andern als die bis 
jetzt bekannten zeugnisse zu gebote stehen, wird sich hierüber 
schwerlich eine sichere entscheidung treffen lassen. 


Dass die auf der geschichte beruhenden bestandteile des 
Beowulfsagenkreises am meisten bei den Angeln verbreitet 
waren, begreift man leicht. Nicht nur waren die Angeln in 
der continentalen heimat die nächsten nachbarn der Gauten 
und Dänen, sondern sie kamen auch zuletzt nach England 
hinüber und bewahrten am längsten den zusammenhang mit 
den festländischen Germanen und ihren sagen. So erklärt es 
sich auch, dass wir mit einer einzigen ausnahme nur auf ang- 
lischem boden den namen Ayzelac belegt finden: vier Ayzlac 
erscheinen im LV. (Sweet) 122. 167. 229. 267.1) Die südlicheren 
urkunden und quellen kennen diesen namen nicht; überhaupt 
sind die bildungen mit Ayze- im süden sehr spärlich gegenüber 
den verschiedensten beispielen im northumbrischen LV., wie 
Hyzberct, Hyzburz, Hyzfrith, Hyzlac, Hyzmund, Hyzred, Hyzöryd, 
Hyzuald, Hyzuini, Hyzuulf. Der oben erwähnte einzige fall des 
vorkommens von Äyzelac in Südengland betrifft eine ortsbezeich- 
nung in einer grenzbeschreibung eines landstückes bei Bristol: 
... bonne of holan weze sud on ecze on Hyzelaces zet, bonne 
on Tunnes treow, bonne on wrninghyrste... on horscumbes broc 


1) Auf den reichtum des LV. an namen aus der Beowulfsage haben 
Sievers, Beitr. 10,464, und ten Brink, Beow. s. 222 aufmerksam gemacht. 
Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. XX. 11 


162 BINZ 


... on Wodnes dic a.970. Bi. 3,1257. Wie aber Hucklecote bei 
Gloucester und Hugglescote bei Charley in Leicestershire aus 
Hyzelac sollen abgeleitet werden können (Haigh s.45), ist nicht 
verständlich. Wenn sich also sonst der name Ayzelac im süd- 
englischen als ungebräuchlich erweist, wird man mit der zurück- 
führung jenes flurnamens auf eine erinnerung an die Beowulf- 
sage nicht fehlgehen. 


Es sind tibrigens auch noch die namen anderer mit Hyzelac 
zusammenhängender personen, vor allem diejenigen seiner ge- 
mahlin /yzd und ihres vaters Hered, sowie die der namentlich 
angeführten gautischen krieger Zofor und Wulf, der söhne des 
Wonred, dem englischen unbekannt. Für Ayzd und Hereö 
bildet der Beowulf die einzige quelle. Ayzd könnte aber viel- 
leicht doch ein englischer name sein, seine bildung spricht 
wenigstens nicht gegen diese möglichkeit. Anders verhält es 
sich mit Zereö. Warum man diesem gewöhnlich ein kurzes @ 
zuschreibt, weiss ich nicht.!) Das Ae- desselben darf doch 
gewis von demjenigen in Hezyd?) (Hezyde born a.805. Bi. 1,318) 
nicht getrennt werden; ebenso to herices hamme (Hants) a. 909. 
Bi. 2,625 und heuuininzland (Kent) a. 923. Bi. 2,637. Die ver- 
wendung dieses einem ahd. an. Hä- (vgl. Förstem. 1,580 HJamunt, 
Hawald, Hawart, Hawin, Haulf) entsprechenden He&- zur bildung 
englischer namen ist also gesichert.?) Zered ist identisch mit 


[') Die kürze des & scheint mir metrisch völlig gesichert zu sein. 
Aus dem verse Alfred kyninz — — |\x in der Cura past. 9,13 ergibt 
sich (worauf mich auch Pogatscher aufmerksam gemacht hat), dass die 
namen auf -red, was ich früber bezweifelte, ihren nebenton auf der schluss- 
silbe und damit wol auch die alte quantität von deren vocal noch zu 
Aölfreds zeiten bewahrt hatten. Das gleiche müsste dann doch auch wol 
von namen auf -riö gelten. Wäre also Hereö wirklich = *H&-rid, so 
ergäbe der zweimal widerkehrende halbvers Heredes dohtor Beow. 1929 a. 
1982b das zumal im 2. halbvers verpönte schema _-X| x. E.S.] 

2) Doch ist gerade dieser name nicht ganz zweifellos in seiner rich- 
tigen form festgestellt; in einer andern handschrift der gleichen urkunde 
liest man &t Heazyde borne und ein späteres document vom jahre 824 
nennt offenbar dieselbe Örtlichkeit in Kent zuerst Zzgyde born, dann 
kazyde porn. 

[) Auch das kann ich nicht für ganz ausgemacht halten. Bedenken 
wegen Hezyöe hat der herr verf. schon selbst geltend gemacht, und die 
beiden andern namen erscheinen nicht in originalurkunden, sondern nur 
in späten copien, die in der bezeichnung des vocalismus bereits stark 


ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 163 


Harid, Harit Förstem. 1,637 und darf nicht verwechselt werden 
mit einem öfters vorkommenden Herred: Herred a. 866. Bi. 2, 515. 
a. 871. Bi.2, 533. a. 904. Bi. 2,609; Herredes leah (Hants) a. 935. 
Bi. 2,707; Herrides leah a.920. K.3, 624; Herred snad (Berks) 
a. 944. Bi. 2,802. Die ausnahmslose doppelconsonanz nötigt hier 
zur zerlegung in Her-red. Was den zweiten bestandteil an- 
belangt, so könnte man zunächst geneigt sein, mit rücksicht 
auf das verwantschaftliche verhältnis von Zereö und Heardred, 
das sich in der bekannten weise in der gleichheit des zweiten 
compositionsgliedes äussern könnte, das Ö von Hereö für ver- 
schrieben aus d zu halten, es ist aber in der handschrift zwei- 
mal durchstrichen und also kaum folge einer schreibernachlässig- 
keit; somit bleibt nur die möglichkeit, die zweite hälfte mit den 
namen auf -rid, -rid zu vereinigen, die dem englischen fremd,') 
im nordischen und gotischen aber beliebt sind.2) Aehnlich 
steht es mit Zofor und Wonred, denen aus den urkundlichen 
quellen aus England nichts an die seite gestellt werden kann. 
Ein Wulfius abbas a.966. Bi. 3, 1178 heisst 3,1179 Wulfinus = 
Wulfwine. Wulf a. 1066. K.953 erregt in seiner vereinzelung 
mitten unter zahlreichen nordischen U/f den verdacht skandi- 
navischer abstammung. Es erleidet also auch von dieser seite 
her das resultat unserer betrachtung über die historischen be- 
ziehungen der Beowulf-Hyzelacsage keine veränderung. 


2) Hredel und seine söhne. 


Müllenhoff, Zs. fda. 12, 260; Beov. 5.14.16. Möller, Ae volks- 
epos. 8.113 ff. Koegel, Lit.-gesch. 1, 168 f. 

Auf grund der inneren beschaffenheit der sage bezweifelt 
Koegel, dass diese wirklich gautisch sei, wie sie im Beowulf 
v.2426 ff. erscheint, sie macht ihm vielmehr den eindruck ang- 
lischen ursprungs. Wie verhalten sich nun diesem ästhetischen 
kriterium gegenüber die ergebnisse, die sich aus einer betrach- 
tung der namen der in der sage auftretenden personen ge- 


schwanken. Ich bin also geneigt, in Awrices, Heuuininz- verschreibungen 
oder modernisierungen für Hearices, Heauuininz- zu sehen. Der austall 
des A von Aeah in solchen namen ist ganz normal, 8. meine Ags. gr. 
8222. E.S.] 

1) Der leofrith des LV. (Sweet) 227 steht für leoffrith. 

2) Bugge, Kuhns zs, 3, 26 ff. 


11* 


164 ! BINZ 


winnen lassen? Die frage ist nicht ganz leicht zu beant- 
worten. 

Müllenhoff will Zs. fda. 12,260 die handschriftliche lesart 
von Beow. v. 454 Hredlan und v. 1485 Hredles in Hredlan, 
Hredles herstellen, wie es anderwärts im Beow. heisst: v. 374 
Hrebel, 2430 Hredel, 2474 Hredel. Dieses Hreöla entspreche 
einem ahd. ZHruodilo. Dem stehen aber doch jene handschrift- 
lichen & gegenüber; es ist wol in den nichtwestsächsischen 
mundarten häufig, dass einem westsächse. &, welche entstehung 
auch dieses haben mag, ein E entspricht, für die vertretung 
eines durch ö-umlaut aus 0 entstandenen E durch & finde ich 
aber kaum ein beispiel ausser Cosijn $ 80 8.92. Wir werden 
uns also nach einem andern etymon für diesen namen umsehen 
müssen, welches dem & besser gerecht wird. Man denkt an 
altnord. (auch ahd.) mit Zreid-, Hraid- gebildete namen, Hreidarr, 
Hreiömarr, Reidulfr, ein element, das ausserdem in Hredzotan, 
Hroeda here Wids. 120 zu tage tritt. Einem altn. Zreiö, ahd. 
Hraid müsste ae. *Arad entsprechen, Ar&öla könnte also ächt 
englische bildung aus *Hraiöila sein. Aber wir finden sonst 
diesen stamm im englischen nirgends verwendet ausser in dem 
zweifelbaften Zrethun abbas, Hredhun episcopus im 9.—10. jh., 
Hruschka 2, 27 f. Diese schwierigkeit räumt die annahme aus 
dem wege, dass Areödel ursprünglich ein nordischer name!) 
und von dort bei den Angelsachsen importiert sei; das würde 
aber wol zur voraussetzung haben, dass die sage von Hredel 
ursprünglich wirklich eine gautische, nicht eine anglische war. 

Von den beiden namen der söhne, Herebeald und Hedcyn 
(Hyzelac spielt in diesem zusammenhange keine rolle), kann der 
erste für unsere frage nicht viel beweisen; beide bestandteile 
sind im englischen zur namenbildung sehr beliebt, Zerebeald 
speciell begegnet freilich nur auf nordenglischem, dem einfluss 
der Skandinavier ausgesetzten boden im LV. (Sweet) 81. 203. 
230.240. 273. 313. 371. 382;2) das kann immerhin blosser zufall 
sein. Haöcyn dagegen verdient eine eingehendere betrachtung. 
Man setzt, so viel ich sehe, ziemlich allgemein HZeöcyn mit 
kurzem & an und fasst das ganze als eine verkleinernde kurz- 


1) Einen nordischen beleg dafür kenne ich freilich auch nicht. 
[?) Für den ältesten teil des LV. dürfte jedoch die annahme skan- 
dinavischer beeinflussung nicht gerade wahrscheinlich sein. E. $8.] 


ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 165 


form zu einem mit Habu- beginnenden vollnamen. Dies scheint 
mir beides unmöglich. Einmal finden wir sonst im ersten glied 
immer nur die volle form Hapu-, Heabu-, nie die im zweiten 
glied so häufige, infolge der weniger starken betonung ganz 
begreifliche abschwächung zu -hep; die deminutivbildung auf 
-cin andrerseits verlangt i, nicht y, das in alter zeit nie will- 
kürlich an stelle des ersteren gesetzt wird. Diese ableitung 
ist zudem im englischen nicht so häufig wie im niederdeutschen; 
gegenüber den zahlreichen belegen Förstemanns 1, 301 vermag 
ich vorläufig nur den einen englischen Cynicin LV. (Sweet) 227 
aufzustellen. AJeöcyn muss!) vielmebr ein richtiger vollname 
sein, der sich nur in Z&Öd- und cyn zerlegen lässt. Ein solches 
Hed- begegnet noch in Hadred minister zeuge a. 934. Bi. 2, 702; 
vielleicht auch in Heöburze dene a.967. Bi. 3, 1200; doch ist 
mit letzterem nicht viel anzufangen, da andere offenbar auf 
Heaöu- zurückgehende formen daneben stehen: Hadeburze hlaw 
a. 947.963. Bi. 2, 834. 3, 1125; Headeburhe weordiz a. 977. Bi.3, 
1282. Ferner finden wir im LV. (Sweet) 171 einen Heöberct 
und ZHaethi clericus 196, Haethi monachus 341. Da nun im 
deutschen, gotischen und nordischen (Heiör fostra Haralds 
harfagra, Heiörekr, Heiörun) dieses element sich in namen 
findet, so war es im urgermanischen und wol auch im ags. 
einmal vorhanden, es scheint aber im englischen früher als in 
den übrigen sprachen ausgestorben zu sein, sonst könnte nicht 
der Widsidö den Heiörek der Hervararsaga in einen offenbar 
englischen ohren angemesseneren Heaboric umändern (s. unten). 
Ist also die möglichkeit vorhanden, dass dem ersten bestand- 
teil nach der name A/&Öcyn den angelsächsischen stämmen zu- 
geschrieben werden dürfte, so ist dies mit dem zweiten teil 
-cyn kaum der fall. Wol finden wir zu anfang häufig cyne-, 


[) Auch dieses ‘muss’ wage ich zu bezweifeln, wenn ich natürlich 
auch die möglichkeit der betreffenden deutung gern einräume. Ist 
Haödcyn wirklich ein urspr. deminutivum, so kann das y auf volksety- 
mologischer deutung eines überlieferten und nicht verstandenen -cin 
beruhen (die Beowulfhs. gehört ja einer zeit an, wo schreibungen wie 
cin, cininz und cyn, cyninzg bereits ganz gleichwertig waren); auch wäre 
bei annahme einer grundform *Hapukin (zu *Hapbuca) das & der ersten 
silbe von Hedcin gerade normal, da die lautfolge a&—u—i im ags. & etc. 
ergibt, s. meine Ags. gr. $50 aum. 2, und auch die synkope des mittel- 
vocals keinerlei schwierigkeiten macht. E. S.] 


166 BINZ 


cyn- verwant, dem mit einer ganz richtigen verkürzung (vgl. 
heb : heapu, frip : fribu ete.) cyn im zweiten glied entspräche, 
aber die schwierigkeit liegt hier darin, dass nirgends sonst 
cyn am ende auftritt; aus dem ganzen namenschatz des ger- 
manischen bei Förstemann findet sich ein einziges beispiel: 
Zeizcuni im verbrüderungsbuch von St. Peter, Necrolog. German. 
ed. Sig. Herzberg-Fränkel, MGH. t. 2,1, p. 42 (104,20); der norden 
jedoch scheint solehe namen eher aufzuweisen, wenigstens findo 
ich in dem mir zu gebote stehenden material einen Piökunnr 
Jonsson FMS.7, 10.12. 48.1) 

Die sache liegt also folgendermassen: sämmtliche personen, 
die in der sage von Hredel und seinen söhnen auftreten, sind 
im besitz von namen, die im nord. ihren bestandteilen nach 
möglich, wenn auch nicht belegt sind, die aber im englischen 
ähnliches entweder gar nicht oder nur in zeiten und an orten 
neben sich haben, die vom nordischen einfluss stark durchsetzt 
sind. Dadurch wird aber die wahrscheinlichkeit, dass die 
helden der sage ursprünglich Angeln, nicht Gauten seien, stark 
beeinträchtigt, ohne dass damit eine feinere ausbildung dieser 
überlieferung durch die Angelsachsen ausgeschlossen wäre. 
Wenn nun aber doch im jahre 939 in Kent eine ortschaft 
Hredles stede sich belegen lässt (Bi.2, 744), so beweist dies 
eben, wie auch Zedlingfield in Suffolk, dass zur zeit der be- 
nennung dieser localitäten, deren genauere datierung leider 
fehlt, die sage von Hredel in England noch lebendig war. 


3) Onzenpeow und seine nachkommen. 

Müllenhoff, Zs. fda. 11,283; Beov. 8.17.48 ff. Möller, Ae. volks- 
epos 8. 15. 105 ff. | 

Die berichte über die gewis grösstenteils historischen 
kämpfe des Schwedenkönigs Onzenpeow und seiner söhne 
Ohthere und Onela mit den Gauten HxÖdcyn, Hyzelae, 
Heardred sind uns nur im Beowulf (v. 2472 ff. 2925 ff.) aus- 
führlicher, andeutungsweise auch im Widsid v. 31 u.58 bewahrt, 
während die nordischen quellen fast ganz davon schweigen; 
nur über eine episode daraus, die empörung der söhne des 
Onela, Eadzils und Eanmund, gegen ihren oheim Ohthere 
(Beow. v. 2200 ff. 2379 ff. 2611 ff.) erhalten wir auch in nordi- 


[!) Der jedoch offenbar zum stamm *kunpa- gehört. E.S.] 


ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 167 


schen sagen verwirrte auskunft. Den v.58 des Widsiö (Ic wes) 
mid Sweom and mid Geatum ziehe ich auch als zeugnis heran, 
trotzdem dort kein name eines einzelnen helden genannt wird, 
weil ich glaube, dass diese zusammenstellung der beiden völker 
nicht nur dem geographischen verhältnis entspricht, sondern 
von der erinnerung an die kämpfe zwischen Schweden und 
Gauten hervorgerufen ist, ähnlich wie im vorhergehenden verse 
diejenige der Hunen und Hredgoten; dort wird auf den gewal- 
tigen zusammenstoss angespielt, der weiter unten v. 119 ff. ein- 
gehendere behandlung erfährt. 


Eine durchmusterung der eigennamen scheint zu ergeben, 
dass in der späteren volkstümlichen überlieferung Hyzelac alles 
interesse auf sich concentrierte; denn von allen namen der be- 
teiligten Schweden finden sich auf englischem gebiete nur die- 
jenigen der beiden rebellen Zadzils und Zanmund: Eadzis! 
minister a. 801. Bi. 1,300; Zadzylses mub auf der insel Wight 
a.826. Bi. 1,392; Zadzils LV. (Sweet) 219; Aedzils bei Beda. 
Eanmund im LV. (Sweet) 8 mal und sehr oft in den urkunden. 
Die namen Ongenbeow, Onela und Ohthere, wie auch derjenige 
des geschlechts der Scylfinzas,!) dem sie angehören, sind ganz 
ungebräuchlich. In einem von Haigh s.44 aus Northumberland 
nachgewiesenen Shiülvingion werden wir eine ableitung von scy/f 
— 'schilf’ (?) zu erblicken haben. Kluge will allerdings dieses 
wort von allen germanischen dialekten allein dem hochdeutschen 
zuerkennen, doch scheint mir, ne. shilf = ‘stroh’ setze ein 
gleiches wort für das ae. voraus; es ist erhalten im ortsnamnen 
Scylf (Kent) a. 963. Bi. 3,1097; Scylfes will pascua porcorum 
(Sussex) a. 765. Bi. 1, 197; on scylfwege (Worcest.) a. 956. Bi. 3, 937. 
Zu beachten ist jedoch, dass in den von Skandinaviern be- 
setzten gegenden der name des eponymos Scylf' sich erhalten 
hat: Saltetric (2) Hingeberh Goda Sculf Aelfgiua Aeiulf im 13. Jh., 
LV. p.49 und Gerolfus Aelfricus Scolfus Edeue .. ibid. p. 55. 
Das gänzliche fehlen dieser namen wird man damit erklären 
müssen, dass eben ihre fremde herkunft noch deutlich fühlbar 
und doch die sympathie, welche ihre träger in der epischen 
überlieferung einflössten, nicht stark genug war, um eine über- 
windung dieses hindernisses zu begünstigen. 


i) Vgl. Bugge, Beitr. 12, 12. Detter, Beitr. 18,80. Grimm, Myth.? 307- 


168 BINZ 


4) Heremod. 

Möller, Ae. volksepos 8.100ff. Müllenhoff, Beov. 8.50ff. ten 
Brink, Pauls Grundr. 2, 1,5386. Koegel, Lit.-gesch. 1, 167 f. 

Den Heremod, dessen sage wir aus den beiden ihn be- 
treffenden stellen des Beowulf (v. 902 ff. 1710 ff.) nicht ganz 
deutlich zu erkennen vermögen, hält Möller für einen ‘histori- 
schen fürsten, der gegen die coalition der Hocinzas und der 
Seczen mit den Nordseestämmen fiel’ und dessen name im 
epos durch den mythischen Finn verdrängt wurde. Die von 
Möller vorgetragenen gründe sind aber gesucht und wenig ein- 
leuchtend gegenüber der meinung Müllenhoffs, wonach im gegen- 
teil Heremod eine mythische figur sein soll. Auch zweifelt kaum 
jemand daran, dass der Beowulfdichter, indem er ihn zum 
Dänenkönig macht, nicht den alten stand der sage darstellt. 
Diese ist vielmehr anglisch, wie weniger aus den genealogien, 
in denen Heremod erst später interpoliert scheint, als aus orts- 
namen hervorgeht: Hermodes born a. 196. Bi.1,279 A; Hermo- 
destune, Hermodestone in Lincolns. DomB. 1, 349®, 363°; ZHermo- 
deston ibid. 1, 355®. 364®. 369° und ZHermodes word in Devon. 
DomßB. 102° und in Middles. DomB.128®. 1292. Hermondes uuorda 
Exon. Dom. 113 wird wol nur schreibfehler sein für Hermodes 
uuord. Die namen dieser ortschaften für sich allein würden 
aber als beweis kaum genügen, da Heremod als personenname 
gar nicht selten ist und somit in jenen ortsbezeichnungen der 
name eines gewöhnlichen menschen, des besitzers u.s. w. stecken 
könnte: vgl. Heremod presb. a. 805. Bi. 1,319; a. 811. Bi. 1, 322; 
a. 824. Bi. 1,381; a. 844. Bi. 2, 445; a. 862. Bi. 2,506; a. 863. Bi. 
2,507; a.867. Bi. 2,516; a. 877. Bi. 2,543; Heremod clericus 2.909. 
Bi. 2, 622; Heremod minister a.938. Bi. 2, 723; Heremod presbyt. 
a. 948. Bi. 3, 872; Heremod LV. (Sweet) 190. Dass wir jene orts- 
namen aber doch hierher ziehen dürfen, dazu berechtigt uns 
meines erachtens vor allem das zusammentreffen mit anderen 
mythischen namen in der gleichen gegend: in primis a loco 
qui dicitur lortinzes bourne usque teowes borne el ab eodem 
loco usque hermodes borne ... et ab eodem usque ad helnes 
borne (Wilts) a. 796. Bi.1,279 A. Es hat noch niemand auf 
diesen zusammenhang aufmerksam gemacht, und doch passt 
nichts besser zusammen als Teow, der gott des krieges, und 
Heremod, die personification des kriegerischen mutes. 


ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 169 


5) Sigehere und Alewih. 

Müllenhoff, Zs. fda. 11, 282.284; Beov. s.52f. Möller, Ae. volks- 
epos 8.23ff. ten Brink, Pauls Grundr. 2, 1, 536. 

Ist vorhin Heremod als anglischer mythischer heros er- 
wiesen worden, so sind dagegen die von dem Widsid v.28 und 
35 ff, erwähnten Dänenkönige Sizgehere und Alewih, von denen 
der erstere in nordischen quellen als Sigarr eine hervorragende 
stellung einnimmt, während der zweite verschollen zu sein 
scheint, wirklich dänische sagengestalten. Für die beurteilung 
dieser verhältnisse sei auf Müllenhoff verwiesen. Was für eine 
beziehung zwischen Offa und Alewih obwaltete, geht aus den 
worten des Widsid nicht klar hervor, dass aber darin nicht nur 
ein vergleich zwischen den tapferen leistungen der beiden 
männer gezogen werden soll, sondern dass ein feindliches ver- 
hältnis derselben zu grunde liegt, dürfte sich daraus ergeben, 
dass unter den späteren nachkommen des Offa sich das an- 
denken an diese sagenhafte beziehung zwischen Offa und Alewih 
fortgeerbt zu haben scheint: wir finden nämlich, dass in der 
mercischen genealogie der Sachsenchronik der sohn eines an 
den berühmten Zomer erinnernden Zowa den namen Alewih trägt 
4edelbald Alwinz, Alwih Eowinz bei Sweet OET. 3.170; Zbel- 
bald wees K#lweoinz, #lweo Eawinz Sachsenchronik ed. Plummer 
1,42, Dies ist wol kein zufall, denn der name Alewih ist sonst 
ziemlich selten: Aluych LV. (Sweet) 165; Aluich ib. 173; Alouuich 
episc. Lindisfar. Sweet OET. 8. 169; alle diese Aluich sind Angeln, 
Südengländer dieses namens kenne ich nicht, und dies mag ein 
weiterer grund sein für annahme einer verbreitung der sage 
von Alwih unter dem anglischen stamme. Sizehere dagegen 
kommt nur einmal als name eines mercischen königs vor: ob 


. die beiden orte, in denen derselbe ausserdem erscheint, Sigeres 


ac 3.959. Bi. 3, 1052 und Sizeres feld a. 869. (Bucks.) Bi. 2, 524, 
nach ihm oder nach einem andern so benannt sind, lässt sich 


_ nieht entscheiden; als zeugnisse für die sage vom alten Dänen- 


könige Sizehere sind sie aber jedenfalls nicht ohne weiteres 
verwendbar. 
6) Offa und Drydao. 
H. Suchier, Ueber die Offa-Pıydosage, Beitr. 4,500 ff. Müllen- 


; hoff, Beov. 8.71ff. Koegel, Lit.-gesch. 1, 159 ff. 168. 


Den ausführungen Müllenhoffs über diese sage wüsste ich 


u, 


An 


170 BINZ 


kaum etwas wesentliches beizufügen; ich beschränke mich daher 
auf eine zusammenstellung derjenigen zeugnisse, welche ae. 
namen gewähren. Dass das andenken an Offa und seine ge 
schichte sich wenigstens unter demjenigen teile der Angeln, 
welcher Mercien besiedelte, lange wach erhielt, zeigen uns die 
zahlreichen belege von namen der sämmtlichen mit Offa direct 
zusammenhängenden personen, die wir in merceischem gebiete 
nachzuweisen vermögen. 

In allen quellen ausser im Beowulf, wo der ührigene nicht 
oft begegnende name Garmund (z.b. Garmund a. 1066. K. 897; 
LV. [Sweet] 214) an seine stelle getreten ist, heisst Offas vater 
Weermund. Dieser name ist anglisch nicht ungewöhnlich: Wer- 
mundus antistes, ein Mercier, a. 772. Bi. 1,209.; Woermund zeuge 
a. 780. Bi.3,1334; Wermund episc. orient. Anglor. Sweet OET. 
168, 30; Uermund epise. Huiceiorum ib. 169,46. Der Weremund 
presb, 2.969. K. 3,555 ist bei Bi. 3,1228. 1264 zu einem Bere- 
mund, Bermund geworden. Auch in ortsnamen treffen wir Wier- 
mund oft genug: monasteriorum in provincia Westsaxonum in locis 
qui Vermundesei et Uuocchinzas vocanlur a. 708. 715. Bi. 1,133; 
umgeben von anderen bekannten namen: ... deinde in Ceolferöes 
mor, Öcet ymbe Ceolferdes &cer, utan det ufan in colle ... Öonan 
in Heodenes sceazan fore weardne andlanz ridzes ... be sudan 
Coenberhles zr&fe ... be eumban erne sudan ... lo Pendan wc, 
donon up in enne widinz a bi Twize Öet hit cymö to Wermundes 
erne weslan .... Oonon in une linde Byrnhelmes gemere, Oonon 
ut in Creodan ac suein Tyes mere ... sue to Wylheardes trie 
(Worcest.) a. 849. Bi. 2,455; ähnlich in einer grenzbeschreibung 
von Peczanhum: .... super haec ad locum qui dicilur hylsan 
seohlra et sic ad orientem in uuermundeshamm, hinc in uadan 
hlaew ... el sic in brynes fleol a.680. Bi.1,50; in der gegend 
von Twyford (Worcester): of dere byrnan on merÖorn, of meer- 
Öorne on Weremundes lawe, onlonz furena on Weremodes 
lawe, Öonon on Ezsanmore on Öe zrendic .... on Öa eÖenan 
byrielse on Ealhmundinz weze K.6, 1368, und in der gleichen 
gegend befindet sich ein Ofan pol. Ferner: ... andlanz mearke 
on Wurmundes slan, of Warmundesstan on Foxslade wende 
(Southampt.) a. 957. Bi. 3, 1000; Wermundes treow (Wilts) a. 940. 
Bi. 2,756; a.984. K. 3,641; Warmundes trou (Chesh.) DomB. 1, 263. 
265 etc.; Fermundinczford a.985. K.3, 649. 


ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 171 


Der name Offa erscheint widerholt im LV. (Sweet) 217. 228. 
340 und noch später in Sussex, Suffolk und Norfolk, also vor- 
zugsweise in anglischen landesteilen: DomB. (Sussex) 23; (Suff.) 
434b, Ofo teinus Stigandi (Norf.) DomB. 186. Neben 0a ist 
öfter Ofa, in älteren formen Oba, belegt. Sweet OET. s. 643 
nimmt hierfür länge des vocals an; gegen diesen ansatz er- 
heben sich zwei bedenken: einmal entspricht im deutschen Ubo, 
nicht Uobo, was doch für das engl. kurzes ö erschliessen lässt, 
und dann wird in einer urkunde vom jahre 723 Bi. 1, 153 ein 
mann, der sonst Oba oder Ofa heisst, Offa geschrieben, was bei 
länge des vocals unmöglich wäre. Die belege für Oba, Ofa 
sind folgende: Ofa princeps als zeuge a. 674. Bi. 1, 32; ebenda 
ein zweiter Ofa als zeuge. Ego Oba subscripsi a. 699. Bi. 1, 101; 
ego Ofa patricius a. 742. Bi. 1,162. Im jahre 860 unterschreiben 
ein Ofa und Ofe eine schenkung von land in Kent durch Ealh- 
burz; derselbe Oba ist zeuge a. 863. Bi. 2,507; ein Oba minister 
a.874. Bi. 2,538. In ortsnamen findet man mit zwei ausnahmen 
(Obanleah 2.686 [Somerset] K.20 — Zobbanleah Bi. 1,61 und 
Obantreow [|Worcest.] a. 963. Bi. 3, 1106) immer nur die form 
mit doppelconsonanz; die mehrzabl derselben wird dem merei- 
schen könig oder der erinnerung an den alten Angelnhelden 
ihren ursprung verdanken: Offecolum Exon. Dom. 62; Ofecolum 
ib. 57; Offecome (Devon) DomB. 111P; Offandic a. 854. Bi. 2, 475 
u.ö.,; in O/feham a. 109. Bi. 1,125; Ofuham a. 942. Bi. 2, 779; 
a.1050. K.4, 789; Ofenham DomB. 175’; Offanleze a. 944. 946. 
Bi.2,812; Offelei (Herefords.) DomB. 132. 133°. 139; OyJelei 
altera ib. 132; Offele Palgrave Rot.1,157: Offelau (Staffords.) 
DomB. 1, 246°. 247° b, 248b, 250°; lib. tenementum in Offecherich 
Palgrave Rot. 1,66; Offepol a. 709. Bi. 1,125 (ibid. Ofeham); 
Offanpol a.949. Bi. 3,883. (Bucks); Offentone (Berwick) DomB. 
99%; Offetune ib. 61°.61®; Offeluna (Suff.) DomB. 2, 285°. 3373, 
104b, 437%; Ofintune (Sussex) DomB. 28; Ofitona (Slırops.) 
DomB. 1,258; Offintone (Lincolns.) DomB. 1, 346°. 358°. 366; 
Offintune ib. 1, 353°; Offinton Palgrave Rot. 1,199. 430; Ofa- 
uuilla Ex. Dom. 293; Ofewille (Devon) DomB. 108; Ofeworda 
(Suff.) DomB. 2, 343®; Uffeworda ib. 2, 324»; Offenorde (War- 
wick) DomB. 1, 242%, 

Ob Ua, Ufa, Uba mit diesem Ofa identisch und nur dia- 
lektisch verschieden gefärbt ist, wird man als zweifelhaft an- 


172 BINZ 


sehen müssen, doch macht das schwanken in der schreibung 
der ortsnamen die gleichheit wahrscheinlich. Wir finden: sign. 
man. Uban a.765. Bi. 1,196; a.779. Bi. 1,227; a. 765. 791. Bi. 
1,260; sign. man. Ubban a. 719. Bi. 1, 227; a. 789. Bi. 1, 257; 
Ubba princeps neben Ofa rex a. 193. Bi. 1,265. Ufa minister 
a.901. Bi.2,590; Ufa a. 973. Bi. 3, 1297. Ufa minister als zeuge 
a. 901. (vgl. Ufa) Bi. 2,585. 589. 590. 595; a. 904. Bi. 2, 611; a. 909. 
Bi. 2,620; Ufa clericus a.909. Bi.2, 622. Ufjaham (Worcest.?) 
a.714. Bi.1,130; on Uffanheales a. 706. Bi. 1,116 (Worcest.); 
K. 6, 1355; Uffanleah (Worcest.) 2.884. Bi.2,552; Uffentun (Berks.) 
a. 931. Bi.2,687 (die überschrift lautet aber: Carta Aebelstani 
senaloris de Offentuna und in der grenzbeschreibung mefae de 
Offentona): Uffentun (Durham) a.931. Bi.2,685; Uffewylle broc 
a. 995. (Oxf.) K. 6, 1289; Ufawyrö (Northampt.) a. 948. Bi. 3,871. 

Von einem sicarius vocabulo Eumer berichtet uns Beda; 
sonst finden wir diesen namen nur noch in ortsbezeichnungen: 
andlanz hezes on Eomeres meduan of bam maeduan on Hodes 
ac. of bere ac andlanz hezes to bem weze .... on Hereferöes 
meduan ... &. 972. Bi. 3,1182; in der gleichen gegend im jahre 
1002: ... of tittan dune west! on cealdan wyllan; Öanon on winter- 
burnan, swa on Pidwyllan, of Pidwyllan on Eomeres maedwe. 
K. 6, 1295. 

Hemninzes mez ist Beow. v.1944 Offa, Heminges mez ibid. 
v.1961 Eom&r. Es muss an einem von beiden oder an beiden 
orten ein fehler stecken: die nächstliegende annahme, dass Hem- 
ninzes für Hemminges verschrieben sei und in Heminzes fehler- 
haft einfacher consonant für doppelten stehe, wird dadurch be- 
stätigt, dass wir mehrmals namen wie Hemma, Hemmi, Hemminz 
antreffen, nie aber etwas dem Aemninz der handschrift ähn- 
liches: Hemma a. 868. Bi.2, 519; Hemma LV. (Sweet) 94. 100; 
Hemmi L\V. 335; in engl.-nord. umgebung Gumor Osa Tiure 
Trugiles Trugis Ketil Darri Alf Dola Hemming Zorth Esa Sporri 
Thola im 12.jb. bei Piper, Lib. confr. 2, 672,1 ff.; Godricus Leou- 
ricus Thurkilus Hemmingus Ulf Goduuinus Eduuinus 12./13. jh. 
LV. p.14; Baldewine Turstanus Wältheuus Hemming Esi 13. Jh. 
LV.p.71; Ida filia Guniti Heming’ Palgrave Rot. 1,92; Ricardus 
de Hemminton ib. 1,304; Robertus de Hemiton ib. 1,227; Heming’ 
de Hendreö ib.1, 365; Hemminzford (Hunt.) a. 1042. K.6, 1330; 
4,906; Heminzeford a. 1060. K.4,809; Heminzeton (North.) K.809. 


ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 173 


Die namen lassen also, ganz abgesehen von den übrigen 
zeugnissen, keinen zweifel, dass die Offasage vorzüglich auf 
mereischem gebiete lange lebendig blieb. 


7) Inzeld und Hrodzar. 

Möller, Ae. volksepos s. 27ff. Müllenhoff, Beov. 8. 27 ff. 40 ff. 
Jänicke, Zs. fda.15,313f. ten Brink, Pauls Grundr. 2, 1,537f. Haack 
8.17.49. Koegel, Lit.-gesch. 1, 152 ff. 

An die besprechung der sage vom kampfe des Froda und 
Inzeld gegen Hroözar knüpft Koegel folgerungen, die, wenn sie 
sich als richtig erwiesen, für die geschichte nicht nur dieser 
einzelnen sage, sondern auch des ganzen Beowulfeyclus von 
tiefgehendster bedeutung sein müssten; es möge darum gestattet 
sein, hier näher auf Koegels argumente einzugehen. 

Saxo, so sagt Koegel, war, indem er den Froda und Ingeld 
als Dänenkönige, als ihre Gegner die Sachsen nennt, über die 
namen der mit einander in fehde liegenden volksstämme besser 
unterrichtet als unsere angelsächsischen quellen, Widsid und 
Beowulf, bei denen übereinstimmend jene als Headobarden- 
fürsten im kampfe mit Hroözar und Hrodulf!) unterliegen. 
Gegen diese grössere zuverlässigkeit Saxos in der bewahrung 
der historisch richtigen namen wird man aber mistrauisch, 
wenn man sieht, wie er sonst in seiner darstellung verschiedene 
versionen der sage mit einander vermischt (vgl. Koegel s. 154); 
er kann also ebensogut auch mit den namen der kämpfenden 
völker vom ursprünglichen abgewichen sein. Es ist ja leiclıt 
begreiflich, dass Saxo, der von anderen Frotho und Ingeld als 
Dänenkönigen wusste, durch die namengleichheit veranlasst 
wurde, auch diese beadobardischen Froda und Inzeld zu Dänen 
zu stempeln, zumal da die Headobarden in den lange dauernden 
kämpfen offenbar so sehr decimiert wurden, dass sie als selb- 
ständiger stamm untergiengen und die erinnerung an ihren 
namen früh schwinden konnte. Ganz unverständlich dagegen 
wäre, warum in den viel älteren angelsächsischen quellen, die 
ja auch sonst vielfach ein getreueres bild der historischen er- 
eignisse des 5. u. 6. jh.'s bieten, als die nordische überlieferung, 


1) Dem Hroözar und Hroöulf wird allerdings nur im Beowulf, in 
welchem auch sicher anglische helden als Dänen erscheinen, dänische 
nationalität zugeschrieben. 


174 BINZ 


an stelle der bekannten Dänen die Headobarden getreten sein 
sollten, von denen man später ausserhalb der epischen tradition 
gar keine spur mehr antrifft. Ich vermag wenigstens nirgends _ 
einen beweis für die von Koegel s. 156 aufgestellte hypothese 
zu entdecken, dass die Headobarden ein teilvolk der Dänen 
seien. Sie werden, wie doch ibr name vermuten lässt, ein mit 
den Langobarden verwanter, ingväischer, auf den später däni- 
schen inseln der Ostsee sesshafter stamm, also nachbarn der 
Angelsachsen gewesen sein. Denn der name Froda, den Koegel 
für specifisch dänisch hält, ist, so viel ich sehe, auch angel- 
sächsisch und, wie /nzeld, zu einer zeit im gebrauch, wo von 
dänischem einfluss keine rede ist: sign. manus Frod a.689. Bi. 
1,73; sign. manus Frodi a. 697. Bi. 1, 97.98. Froda abbas a. 704. 
Bi.1,108; Frood LV. (Sweet) 97. Der Frodo, bruder eines abtes 
Balduin, in Suffolk DomB. 354®. 359® etc. dagegen ist wol, wie 
sein und seines bruders name wahrscheinlich macht, ein Nor- 
manne. Von ortsnamen rechne ich hieher: Arodsham (Cheshire) 
— Frotesham (Cheshire) DomB. 1,263® bei Hope, Dial. Place- 
Nomenclat.? s.30; Frodeshammes pend (Kent) a. 811. Bi. 1, 335, 
in einer späteren abschrift zu Flothammespynd entstellt; Zrodes- 
leze (Shrops.) DomB.1,259®; Frodesmwelle (Stafford) DomB. 1,247°. 
— Inzeld ist namentlich im LV. ungemein häufig anzutreffen, 
ausser einem /nzeld LV. (Sweet) 143 zählen wir nicht weniger _ 
als 15 Inzüld (Sweet, OET. p. 522); ausserdem in urkunden 
fratribus in Christo Coengilso et Ingeldo abbatibus a. 729. 744. 
Bi. 1,167; 4Aedelmundo filio Inzeldi qui fuit dux et praefectus 
#öilbaldi regis a. 767. Bi. 1,202. a. 770. Bi. 1,203; Inzild Imes 
brobur a. 718 Sachsenchronik ed. Plummer s. 42. Wol hieher, 
nicht zu /nzwald, gehört auch /nzald (Leicest.) DomB. 231; 
Inzaldes thorp (Hertfords.) Palgrave Rot. 1, 294. Dagegen ist 
die behauptung Haighs, Anglos. sagas, s. 23, dass /ngleby, Ingleton 
und /ngleborough seinen namen tragen, gänzlich von der hand _ 
zu weisen; das s des genetivs /nzeldes, das vorausgesetzt werden 
müsste, kann nicht einfach wegfallen. /ngle ist vielmehr genetiv- _ 
plur. = Enzla ‘der Angeln. | 
Wenn Koegel ferner meint, Saxo würde die unterliegenden _ 
nicht zu Dänen gemacht haben, wären sie dies nicht wirklich _ 
gewesen, so darf man zur erwiderung darauf hinweisen, dass 
doch bei Saxo die niederlage des Froda völlig in den hinter- 


ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 175 


grund tritt gegenüber der darstellung der rache für den er- 
schlagenen vater, die Ingeld nach langem zaudern, aufgereizt 
durch den alten Starkather, in glänzendster weise am mörder 
des Froda und seinen volksgenossen vollzieht. Von dem schliess- 
lichen völligen untergang des Ingeld dagegen erwähnt er nichts; 
sein bericht enthält also nichts für die Dänen demütigendes, 
was einer verschiebung der namen hindernd im wege stehen 
könnte. 

So wenig ich mich nun dem zweifel an der headobardi- 
schen, nicht dänischen nationalität von Froda und Inzeld 
anzuschliessen vermag, so wenig halte ich den weiteren 
schluss für zwingend, dass Hroözar und seine leute west- 
germanische Ingväen sein müssen. Denn auch der zweite 
grund, auf welchen sich Koegel stützt, das anglische gepräge 
der namen Aroözar und Hroömwulf, ist kaum sicherer als der 
erste. Wol muss man zugeben, dass jene namen den lauten 
und stämmen nach angelsächsisch ganz gut möglich sind, aber 
die von Koegel als dänisch bezeichneten Heorozar und Heoro- 
weard enthalten auch nur bestandteile, deren verwendung zur 
namenbildung in den ags. mundarten nichts seltenes ist: z.b. 
. Heorstan a. 925. 941. Bi.2,648; Heruuald LV. (Sweet) 162; Heorel- 
: festun a. 1002. K.6, 1298; für -zar und -weard sind beispiele 
überflüssig. Es ist also nicht einzusehen, warum man Hroözar 
und Hroöulf für anglisch, Zeorogar und Heoroweard für dänisch 
ausgeben dürfte; zudem spricht doch die gleichheit der bestand- 
teile in den namen von Heorozar und Hroözar einerseits, Heo- 
rogar und Heoroweard andrerseits für die echtheit des im 
Beowulf angenommenen verwantschaftlichen verhältnisses; sie 
gehören alle zusammen und sind Dänen so gut wie Healfdene 
und Halza, deren namen nun allerdings den dänischen ursprung 
ihrer träger unbedingt beweisen. In dieser meinung, dass der 
Beowulf mit der angabe des Dänentums des Hrodzar und 
seiner sippe recht habe, bestärkt uns der bei Koegels annahme 
schwer oder gar nicht erklärliche umstand, dass von all den 
namen dänischer helden aus der umgebung des Hroözar kaum 
einer oder zwei sich bei den Angelsachsen widerfinden: 

Healfdene tritt zum ersten mal ums jahr 930 auf, und man- 
cherlei umstände drängen zu der Überzeugung, dass die träger 
dieses namens immer unter den angehörigen der dänischen 


176 BINZ 


nationalität zu suchen sind: Healden dux a. 930. Bi. 2, 700; 
Healfden dux a.930. Bi.2, 701; Helfden a. 935. Bi. 2,703; Half- 
dene dux a.934. Bi. 2, 702; Haldene dux a. 944—946. Bi. 2, 812; 
Halfden dux a.953. Bi. 3, 1044; Haldan und Haldan minister 
a. 1019. K. 729; Halfden a. 1033. K.4,749; Healdene brodor 
Ulfes K.4,953; Haldanus liber homo (Essex) DomB.78P; AHal- 
deinus liber homo (Suffolk) DomB. 411.412; Halden (Cheshire) 
DomB. 265®. (Nottingb.) 291®. (Yorke.) 298. (Berks) 61®. (Suff.) 
318; Halden liber homo (Suff.) DomB,. 412®. 413; Haldene (Yorks.) 
DomB. 317. 318. 327; Haldenus (Suff.) DomB. 399P; on haliz wylie 
on healdenes ho, of dem ho on potta forda (Suff.) a. 970. Bi. 
3,1269; Alfredus Ali Aldanus Ulfkillus Brunningus im 13. jh. 
LV. p.60; auffällig nahe bei einem Heigi in Piper, Libr. con- 
frat. 2,582,5 ff.: Tola Dorchil Endrugilis Azzer Terbirin Halden 
Tieme Helige Zure Drugeno. 

Heorozar und Hroözar sind in England nicht zu belegen. 
Der name Halza dagegen findet sich bis ins 13. jh., aber nie 
vor der zeit der Däneneinfälle, und die form, in der er fast 
ausschliesslich auftritt, beweist nordische abstammung und teil- 
weise zugchörigkeit zu den verschiedenen Helgisagen, die mit 
dem Beowulf in keinem zusammenhang stehen (vgl. namentlich 
das zusammentreffen mit Hordisa = Hjordis) : Alanus Osbernus 
Elgi Adalici Radulfus 12.!13.jb. LV.p.16; Hailga in nord. um- 
gebung 13. jb. LV.p.48; Asne Gamel Bethloten Ithbeorth Helga 
Ornulf Leothulf ib. p. 49; Hordisa Steinar Goildara Aelga 
Olafar Torston Beorn ib. p.49; Helge (Nottingh.) DomB. 286; 
Helghi (Sussex) ib. 22.24; Helghinus ib. 25%, 

Fast nicht nachweisbar sind die namen der söhne Hrod- 
zars, Hreöric und Hroömund : Hrodricus abbas a. 1062. K.4, 813; 
Hroömund in der genealogie von Ostanglien und in einer grenz- 
beschreibung: ... of bam flitzaran on filelan slades crundel, of 
pam crundele ... andlanz bes smalan wezes to rodmundes dene 
on bes hlinces heafod (Wilts) a. 934. Bi. 2,705. Auch Freawaru 
scheint nicht gebräuchlich, obwol sonst beide bestandteile zur 
namenbildung verwendet werden, für -waru vgl. Berctuaru LV. 
(Sweet) 35; Zezuaru ib. 38; Hrothuaru ib. 23; Sizuaru ib. 38. 

Von den namen der neffen Hroözars, Heoroweard und Hro- 
öulf, begegnet der erstere nicht; derjenige Hroöulfs dagegen im 
9.jh. LV. (Sweet) 456. 459 und später, wo dann leicht nordischer 


ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 17: 


einfluss im spiele sein kann: ierras de Suöwalsham quae fuerunt 
Rodulfi stalre a. 1047. K. 4,785; Rodulfus dux laudavi ibid.; 
Roluesbi (Norf.) DomB. 2, 201°; Rothlfuesbi ibid. 2, 272°; Rothol- 
fuesbei ib. 2,129. 174°; Roöulfeston (Stafford) a. 942. Bi. 2,771; 
Rooifestone (Yorks.) DomB. 1, 323%, 

Die im Beowulf erwähnten mannen des Hrodzar tragen 
auch zum teil namen, die in England wenig im schwange sind. 
Bei #schere mag es zufall sein, wenn gerade diese zusammen- 
setzung unter den zablreichen mit #sc- anfangenden personen- 
namen (Zscbeorht, -beorn, -burz, -ferö, -heard, -mer, -red, -wiz, 
-wine, -wulf, -wyn) nirgends überliefert ist; ein Nordländer 
scheint Zscar steallere a. 1047—52. Bi. 3,980 zu sein. Ein 
ähnlicher fall liegt vor bei Frmenlaf, ohne beleg gegenüber 
Hirminhilde a. 699. Bi. 1,99; Aeormenhild a. 993. Bi. 3, 1289; 
Eormenild a. 1022. K. 4, 734; Yrminredus a. 675. Bi. 1,40; Irmin- 
redus 2.679. Bi. 1,45. Von den übrigen finden sich nur Zczlaf 
und Wulfzar: Eczlaf episc. a.742. Bi. 1,162; scferd Eczlafes 
bearn im liede vom Byrhtnoös fall v.266; Zczlaf comes a. 1022 
= Azlaf comes a.1022. K.734 u. 1317; Ezlaf dux = AHgelaf 
eorl a. 1023. K.737; Eczlaf minister a. 1044. K.4,772; Ezlafes 
ford (Berks) a.960. Bi. 3,1058. — Wulfgar a. 889. Bi. 2, 560; 
Wulfzar dux a. 926.927. Bi. 2,659. 660; Wulzar dux a.937. Bi. 
2,721; for Wulfzares sawle and for Wulfrices and for Wulfheres 
a.931. Bi.2,678; Wulfzar minister a.930. Bi. 2, 701. a. 943. Bi. 
2,186; Wulfzar LV. (Sweet) 365. 

Der einzige name, der auch in England sich einer ge- 
wissen beliebtheit erfreut zu haben scheint, ist derjenige der 
Helminzas und ihres eponymos Helm: Helminzaham (Norf.) DomB. 
2,1962. 241°; Helminzham ib. 2,193®; Helminzheham ib. 2, 423° 
ete.; feodum militis in Helminzham Palgıave Rot. 1, 79: Helminzton 
(Northampt.) a. 948. Bi. 3, 872. Blackmoor near Helmsley Haigh, 
Anglos. sagas 8.63; Helmes treow a.968. (Wilts) Bi. 1213 (... be 
han wyrt walan to peedes pabe, bonone wiö helmes treowes, 
bonne on @mbrihtes zet, bonne wid stet zetes, bonne on hundan 
dene neobewearde, bone wiö hoces byrzels ...); Helmes welle 
DonB. (Yorks.) 1,331®; (Lincolns.) 1, 338° b. 342°. 365°, 

Diesem geschlechte der Helminge gehört Wealhpeow, die 
gemahlin Hrodzars, an; sie kann, wie schon ihr name nahe 
legt, angelsächsischem stamme entsprossen sein, wenn man sie 

Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. XX. 12 


178 BINZ 


nieht mit Müllenhoff, Beov. 8.26 für eine angelsächsische erfin- 
dung gelten lassen will, und im ersten falle wäre auch der 
angelsächsische name von ibrer und des Hroözar tochter Frea- 
waru nicht so verwunderlich. Die erinnerung an dieses ge- 
schlecht, die Helminge und Helm, wird auf einem rest alt- 
angelsächsischer epischer tiberlieferung beruhen, auf welche 
auch Wide, v.29 Helm weold Wulfinzum hinweist. 

Die betrachtung der namen lehrt uns also eher das gegen- 
teil von dem, was Koegel daraus folgern möchte. 

Nun bleibt noch ein punkt zur erörterung übrig. Dene 
soll im Beowulf collectivbezeichnung sein für die ingväischen 
Westgermanen, welche die später dänischen gebiete bewohnten 
(Koegel, Lit.-gesch. 1,157). Diese hypothese stützt sich im 
wesentlichen auf die freilich auffallende tatsache, dass Angeln 
und Sachsen im Beowulf gar nicht erwähnt werden. Allein 
der innerste kern der Beowulfsage, der mythus von Beowa 
und Grendel, wird ja von dieser wahrnehmung gar nicht be- 
rührt; er ist ursprünglich überhaupt nicht an einen menschlichen 
könig gebunden, dass er aber später in Heorot localisiert und 
mit dem Dänenkönig Hroözar verknüpft wurde, wird weniger 
unbegreiflich, wenn man bedenkt, dass die weitere entwicklung 
der sage bei den zum teil bis ins 6. jh. in der alten heimat 
verbliebenen anglischen stämmen vor sich gieng. Der alte 
mythus wanderte schon früher mit den Sachsen nach England 
hinüber, das lehren uns ja die verschiedenen oben erwähnten 
ortsnamen wie Beowun ham und Grendeles mere. Die im Beo- 
wulfliede zum ausdruck gelangte sage aber verdankt, so weit 
sie auf historischer grundlage ruht, den Angeln ihre gestalt, 
wenigstens können die zeugnisse für namen aus diesen teilen 
der sage, die sich ja zum grössten teil nur auf anglischem 
boden finden, in diesem sinne ausgelegt werden. Die Angeln 
nun saben noch in der alten heimat mit eigenen augen das 
mächtige aufblühen der dänischen herschaft, wol ohne dass sie 
selbst direct in feindliche berührung mit ihr geraten wären; 
da konnte bei ihnen das gleiche eintreten, was wir bei den 
oberdeutschen stämmen den gotischen helden Ermenrich und 
Dietrich gegenüber beobachten. Ein dänischer könig trat in 
den mittelpunkt des interesses auch für die nicht dem eigenen 
stamme angehörenden, aber doch verwanten nachbarn und zog 


ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 179 


eine anzahl mythen und sagen, mit denen er ursprünglich gar 
nichts zu tun hatte, an sich. Die unmittelbare anknüpfung des 
Beowamythus an Hroözar mag dabei in erster linie vom locale 
des kampfes gegen Grendel ausgegangen sein (vgl. Müllenhoff, 
Beov. 8.26). Die möglichkeit, dass erst in England die Dänen 
in die Beowulfsage eingetreten wären, halte ich für unwahr- 
scheinlich; denn es ist kaum glaublich, dass die volkstümliche 
tradition, nur um den widerspruch zwischen dem local der 
sage und den geographisch -historischen verhältnissen der spä- 
teren zeit zu beseitigen, die Dänen an stelle der Sachsen und 
Angeln gesetzt hätte. Eine solche überlegung mag man bei 
einem gelehrten mönche, wie dem verfasser des Waltharius 
gelten lassen, nicht aber bei der gerade in dieser beziehung 
viel weniger scrupulösen überlieferung des ungelehrten volkes. 
Der hinweis auf den Waltharius scheint mir auch deswegen 
nicht ausschlaggebend, weil doch gerade die spätere epische 
tradition im Nibelungenlied trotz solcher bedenken zähe die 
erinnerung an die Burgunden in der gegend von Worms 
festhält. 

Wir kommen also zum schlusse, dass der Beowulf in der 
Ingeldsage die namen der beteiligten völker richtiger als Saxo 
bewahrt hat und dass Hrodzar und seine sippe in der tat 
Dänen sind. 

8) Finnsage. 

Möller, Ae. volksepos 8. 46—100. 151—156. Müllenhoff, Beo- 
vulf 8.98. 105. ten Brink, Pauls Grundr. 2, 1,545ff. Koegel, Lit.- 
gesch. 1, 163 f. 

In der interpretation der verschiedenen quellen für die 
Finnsage (fragment vom überfall in Finnsburg; Beow. v. 1069 ff.; 
Widsiö v.26 ff.) ist man leider von einigkeit noch sehr weit 
entfernt. Da ich es nun hier nicht als meine aufgabe betrachten 
kann, die zahl der erklärer um einen weiteren zu vermehren, 
80 beschränke ich mich auf eine anführung der in den zweifellos 
zu dieser sage gehörenden namen enthaltenen zeugnisse. 

Finn: Phin Essex DomB. 41; Phin Suff. 1%. 395®; hin liber 
homo Essex ibid. 98° (Ellis, Introd. 2,200). Im 12. jh. in engl.- 
nordischer nachbarschaft bei Piper, Libr. confr. 2, 673,3 ff.: Zore 
Asagol Thola Crispin Fin Pero Stanchel Alle (ibid. lin. 7 f.: Donna 
Gunner Hitilburgis [für Hitib.| Güta Rue). Im 13. jb.: Scot 

12* 


180 BINZ 


Agumdes sune Siguit Fin borbern Olfin Walessi Oth Gunner 
Seuriöe LV. p.51. Finsbury, Finesbery Sharpe, Calend. 1,531. 
Fineberga Suff. DomB. 2, 285°. 303°. 382b, 403b, 448b, Finesford 
Suff. DomB. 2, 387°. 405°, 427; vgl. Finlesford ibid. 2, 413*. 


u 


Rn —-. 


423b; Finesham führt Haigh =. 31 aus Norfolk an. Finingaham : 


(Suff.) DomB. 2, 309. 321°. 370®, 440®. Finesteda Suff. DomB. 
2, 428°, Finnesthorp (Northants?) a. 972. Bi.3, 1130. Bei Fine- 
mere erregt die form bedenken, auf der audern seite ist aber 
nicht zu übersehen, dass an zwei stellen des DomB., wo sie 
auftritt, jedesmal noch andere der Finnsage zuzuweisende 
namen in nächster umgebung erscheinen: Finemere in Northants 


DomB. 1,221* und nahe dabei Hocheslau, Nauesberie, Nevestund; 
ein zweites Finemere in Shbrops. DomB. 1,259, in derselben . 


landschaft DomB. 1,253® Nes/ham, das wol nur verschrieben 
ist für Nefsham. 

Folewald kommt einmal vor im LV. (Sweet) 163. Hnz&f 
ist als personenname nicht nachweisbar, dafür aber mehrfach 
in ortsnamen: Navesberie (Northants) DomB. 1, 225®. 226°; Ne- 


veslund ibid. 1, 220°, 222=b, 225, 226b. 228°; Nesfham für 


Nefsham s. oben. Haigh s. 27 will die beiden namen Naisbury, 


eine meile südl. von Hart, und Neasham am Tees von Hnef j 


ableiten, mit wie viel recht, ist in ermangelung älterer formen 


schwer zu beurteilen, doch scheint die ne. gestalt der namen 


gegen die richtigkeit seiner erklärung zu sprechen. In Hants 
trifft man im jahre 973/974 in einer an erinnerungen aus der 
heidenzeit reichen gegend auf eine localität Anefes scylf: 
His melis rus hoc gyratur: Aerest of isanhyrste zate on slahöor 
mwez, bonon on Öone norömestan wez, Öl on @eöeredes hazan... 


andlanz mearce on zisteardes wylle ... Öonon on iceles cewilmas 


lo w@Öelbrihles mearce, «@i ylfethamme, Öonon ut on Öone hed- 
feld ... on bedecanlea . Öonon ofer ealne dere heöfeld up Io 
hnefes scylfe... boet west to ceolbrihtes stane.... sma on Öone 
hedenan byrzels; Oonan west on da mearce ber elfstan lid on 
hedenan byrzels; bel on badecan dene, smwa forö on sibbes wez, 
Öonan on mulfstanes mearce et wearze burnan ... Öon on hezlea 
io ceoleazes treowe Bi. 3,1307 (vgl. J. Grimm, Kl. schr. 2, 262). 
— Ein Navestock (= Hnefes stoc?) begegnet noch später Sharpe, 
Calend. 1,493: Emma wife of John de Navestock. Vielleicht 
darf man auch aus den beiden namen Anefleah und HAnwesleah 


ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 181 


ein Anefs-, Hnefesleah als richtige grundform erschliessen: Dis 
synt ba landzemara to Cifanlea: verest of catbeorge andlanz 
wezes on Abelunes born, bonon ... on pa byrzelsas ... ponne 
ber west andlanz hazan on Hnwefleage subewearde a. 951 
(Berks). Bi. 3,892 und pis synd ba landzemera to Forda: 
erest of Afene andlanz street on bone anne slan, of bam siane 
on beonnan lehe ... of wibyrhi leaze on hnes leaze, of hnes 
leaze on cunuce leaze, of cunuca leaze ut on afene (Somerset) 
Bi. 3, 1001. 

Dass der name der frau, welcher in der Finnsage eine 
hauptrolle zukommt, nur einmal (LV [Sweet] 28 Hildiburz) 
sich belegen lässt, ist bei der verhältnismässig geringen zahl 
der uns überlieferten frauennamen nicht zu verwunderlich. 
Mit dieser berühmten Hildeburg aber werden wir wol die orts- 
namen Hildeburhwell (Norf.) DomB. 2, 167° und Aildeburhwrthe 
in plaga Warewicensi a. 110. Bi. 1,127 in beziehung setzen 
dürfen. 

Der beliebteste von allen helden dieses kreises war jedoch 
offenbar Hildeburgs vater Hoc; denn nicht nur ist das andenken 
an ibn in zahlreichen ortsnamen erhalten, sein name ist auch 
noch lange als personenname in lebendigem gebrauch. So 
heisst ein presbyter et abbas ZHooc a. 692. Bi.1,81; a. 663. Bi. 
1,82; a. 695. Bi. 1, 87; ferner Zoch im DomB. (Cambridge) 201P; 
(Lincolo) ib. 358 (Ellis, Introd. 2, 147). Verdächtig ist dagegen 
der diphthong in Hauc: Alnoth Guthrun Turkillus Hauc Eurethe 
Thorger Simin im 13. jh. LV. p. 48; die form Hogge, die wir 
unter anderen englischen (und keltischen?) namen im 12. jb. 
im Lib. confr. Aug. antreffen, muss wol auf rechnung des 
deutschen schreibers, der den ihm fremd gewordenen namen 
nicht genau widerzugeben verstand, gesetzt werden: Piper, L. 
confr. 2,639 ff.: Sigimund 639,6; Hogge 639, 16; Saswi 639, 23; 
Saxe 639, 30; Foldei 640,1; Protohoc 640, 11; Gerverec 640, 12. 

In ortsnamen: #rest of bedeuuindan to haran grafan nor be 
uueardan ... bonone wiö helmes treowes, bonne on hundan dene 
norbewearde, bone wiö hoces byrzels, bonne on hwilan hlinces, 
bonon on abban crundel (Wilts) a.968. Bi.3, 1213. — Dis synd 
Heahtunes landzemera : of bere ea in lo mwulfstanes fleote: of 
nulfstanes fleote andlanz dices on hokes clif: of hokes clive 
andlang meerces on snelles pitte,... on hafokes beorh ... of pem 


182 BINZ 


sclede on Echilde hleewe, of Echilde hlewe on henzstes earas, of 
henzstes earas on litil healle andlang mearke on Wermundes stan 
a. 957 (Southampt.). Bi. 3, 1000. — Undecim segetes prate in loco 
ubi dicitur Hoceshamm a. 942. (Berks) Bi. 2, 778; Hochesham 
(Devons.?) DomB. 114°; Hochesam Exon. DomB. 318; Aobertus 
de Hoggesham Registr. Malmesbur. 2,207.— Hochesila (Devons.) 
DomB. 115°. Exon. Dom. 384. — Dis synd da landzemera to 
Wittanize : rest andlanz Ö@s streames on done maedham de 
hyrnd into Scylftune ... of Öem were ofer Öone wezean mor 
into hocslew, Öanon on Oa niwan dic, of dere dic on horninza 
mere ... of @ceres felda Öcer da cnihtas liczad and fram ham 
de da cnihlas liczad on melsez ... a. 1044 (Oxford?). K. 4, 775. — 
Hocheslaumw (Northants) DomB. 1,220 °-b, 222°, 227°. 2288, 229, 
— Banleuca Ramesiae incipit apud Homberdale .... et procedit 
per medium Hokeslode attingens Buchmere et Ubmere (Hunting- 
dons.) K.6,1364. — Hochestone DomB. (Middlessex) 128°; 
(Bucks) 148b, ebenda auch Hocsaza 148°; Hoczestun 2.995. K. 
3,694. — Hochesuuic (Yorks.) DomB. 1,3322. — Hochesuuorde 
(Nottinghams.) DomB. 1 288®, dagegen Hocheorde (Devon) 
DomB. 111P; Hocoorde ib. 107°. — Hoces wudu: Dis sind Ian 
landzemere to aplune 00 zreotan andlanz bare ealdan strat be 
nordan hoces wuda, of befre strat .... 8.958. Bi. 3,1348 — 
3, 1029, wo die überlieferung noch verderbter ist. (Petrus de Ho- 
kinges Palgr. Rot. 1,25; Hochinton [Gloucest.] DomB. 166°. 191®. 
192. 201°. 201%. on Hocing meda [Hants] a. 909. Bi. 2, 624.) 

Anderen namen muss die schwache form AHoca zu grunde 
liegen: Hocheleia (Bedford) DomB. 1, 218°; Hochelai (Derby) 
Domb. 1,276°; Hocheleia (Ess.) DomB. 2, 18°. 43° (aber AHoctei 
[Surrey] DomB. 35°, wie Zocfelle [Berwicks.] DomB. 58°, Hochyll 
a. 1050. K.4, 793, Hocton a. 957. Bi. 3, 997). — Hocan edisc an 
der Themse a. 963. Bi. 3, 1123. — On Hoccan stize a. 964. Bi. 
3,1134.. Ein solches schwaches Zocca, mit hypokoristischer 
doppelconsonanz ist zweimal belegt: Hocca grafio a.605. Bi. 1,4; 
Hocca comes a. 605. Bi.1,5.6. Hoica episcopus a. 1050. K.4, 792. 
793 ist vielleicht ein anderer name. 

Bei Henzest kann man schwanken, mit welcher sage man 
ihn in verbindung bringen muss, denn neben dem helden der 
Finnsage kommt auch der führer der ersten germanischen ein- 
wanderer in betracht. Zudem ist die möglichkeit nicht aus- 


ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 183 


geschlossen, dass in einzelnen mit henzest zusammengesetzten 
ortsnamen gar nicht der name eines mannes, sondern ein appel- 
lativum = ‘hengst’ steckt. Die belege sind, da Henzest als 
personenname nicht nachgewiesen werden kann, die folgenden: 

Henzestes broc in einer grenzbeschreibung: ... of turfhleo 
efter heafdan eft andlanz fur on pyde wyllan: of pyde mwyliun 
andlanz wezes to bam hbeofdene ... andlanz fure on henzestes 
broc, andlanz brokes on füdene wyllan a. 967 (Warwicks.). Bi. 
3,1201. — Haingheste cota Exon. DomB. 459; Enceste cote (De- 
von) DomB. 102°. — HenzesÖes cumb: Dis synd da landzemeero 
to Myclantune: ... of bere dic on Abulfes Ireow, on Öa stret, 
andlanz strete on Hysemannes born ..... on HengesÖes cumb, 
of öam cumbe on Oppan broc andlanz broces on Wulfzyde bricze 
(Gloucest.?) a. 1005. K. 3, 714. — Henzestes dun (Wilts od. So- 
mers.) 4.963. Bi.3,1127. — Henzestes earas in verbindung mit 
Hoces clif 8. oben 8.181 f. — Henzestes zeat: ... of Suptu- 
ninza lace on Leofsizes gemero on da hnotlan dic... on brembel 
born... on Henzestes zeat, of Hencstes zeale on da ealdan 
dune lo Brihtwoldes zemaera (Hants) a.985. K. 3,648. — on Hinc- 
stes grefan: Dis synt ba landzemere to Meone: wrest on seoles 
burnan, ... on clenan ford, of clenan ford on hincstes zrefan, 
of hincstes zrafan andlanz ricwezes on bere lillan beorh 
(Southampt.) a. 977. Bi. 3,1319. -— Henzestes heafod: land- 
zgemere to Wendles clife .... andlanz Iyrl on meerbroc of pam 


broce on bone ealdan wez ... of bere burhzes zete on Henze- 
stes heafod, swa on pet sled to Cyppanhamme a. 769. 785. 
(Worcest.) Bi.1,246. — Henzestes healh: landzemera into 


actune: verest on horsa broc, of horsa broce in heafoc rycz ... 
of clez willan in Höelstanes zraf, of Köelstanes zraue on Hen- 
zestes healh, of Henzestes heale eft in horsa broc (Worcest.) 
a.972,. Bi. 3, 1282 in einer gegend, wo auch andere volkssagen 
localisiert sind; in der gleichen urkunde findet man on, Eomeres 
mıeduan, on Hodes ac, of Grindles bece. — Henzestes hricz: 
#rest of se up on henzestes ricz... swa suö on earnes hlinc, 
of earnes hlince eft utt on se (Somerset) a. 737. Bi. 1, 158. a. 938. 
Bi. 2, 727. — a.956 macht Eadred eine schenkung in loco qui 
dicitur Henzestesrizg mit folgender grenzbeschreibung: rest 
of horspoles heauede andlanz dich on ludenham ... Bi.3, 923; 
Hengestes rich (Somerset) DomB. 91%. — Henzestesie locus 


184 BINZ 


perlinens ad Abbendoniam a. 821. (Berks) Bi. 1,366. Dis sindon 
ba lundzemeero bes zeburlandes to abbendune: P is zadertanz on 
breo zenamod $ is henzestes iz and seofocan wyrö and wiht- 
ham ... to plumleaze $ on fridela byriz (Berks) a. 957. Bi. 
3,1002. Zt henzestesize (Oxford) a. 969. Bi. 3, 1230, in dessen 
umgebung u.a.: on tidredinzg ford, banon on occan slep ... on 
horninza muere. 

Henzest pades zeat (Southampt.) a. 961. Bi. 3, 1080; Hen- 
zestwer (from Toteyate to Henzestwere, from Henzestwere unio 
Hornwere) a.937 (Somers.). Bi.2, 715; Henzestword (Haingste- 
uuorde) Heıfords. DomB. 132°, Hainsteuuorde ib. 141°, Hengste- 
worde Palgrave Rot. 1, 152, 159; Zensteword ib. 1, 166. 300; Hen- 
stewrth ib. 1, 303, Henztewrth ib. 1, 143) enthalten augenschein- 
lich das appellativ und bedeuten ‘pfad, den die hengste begehen’, 
‘barriere zur einschrankung der pferde’, ‘umzäunter platz für 
pferde’. 

Von den übrigen bekannten namen von helden aus dem 
gefolge des Finn oder Hn&f treffen wir noch an Oslaf: Oslauus 
minister Aelhelredi regis a. (92. Bi. 1,77; Oslaf LV. (Sweet) 3; 
in provincia Huicciorum ıllo in loco quae nominatur Oslafeshlau 
a.825. Bi. 1,384. Dem Oslaf des Beowulf entspricht Ordlaf 
des fragments: es muss eine verwechslung beider namen ein- 
getreten sein, ohne dass sich entscheiden liesse, welcher der 
ursprünglich richtige sei. Auch Ordlaf ist belegbar: Orlaf dur 
a.891. Bi.2,565; Ordlaf a. 898. Bi. 2,576; Ordlaf dux a. 901. 
Bi. 2,588.590; on Ordlafes zewitnesse a.901. Bi.2,591; Ordluf 
dux 8.901. Bi. 2,594. 595; a. 903. Bi. 2, 600.601; Ordlaf comes 
a. 903. Bi. 1,603; Ordlaf dux a. 904. Bi. 2, 611.612; 2.909. Bi. 
2, 630; Orlafestun (Derby) a.1004. K.3, 710; Radulphus de Or- 
laueston Palgrave Rot. 1,141. 

Sizeferd: Sizfrith LV. (Sweet) 234; Sizferö ib. 452; con- 
sentienlibus rege et episcopis Sizfrido et Beorran ei Eccam 
concedo a. 725. Bi. 1,145; Sizefreö archidiaconus a. 863. Bi. 
2 507; Sizefred presb. a. 867. Bi. 2,516; Sizefreö archidiac. 
a. 867. Bi.2,516; Siz/freö presb. a.889. Bi.2, 558; Sizeferd mi- 
nister a.931. Bi.2,674; a.934. Bi.2, 702; Sizferd min. a. 942. 
Bi. 2, 779; Sizfreö diacon. a.958. Bi. 3,1010; ibid. ein zweiter 
Sizefreö : Sizferö minist. a. 958. Bi. 3,1030. a. 959. Bi. 3, 1045. 
1051. 1052; a. 970. Bi. 3, 1269; Sizeferd zeuge a. 973. Bi. 3, 1297; 


ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 185 


Sizeferd episcop. a. 1002. K.3, 707; ferner in einem flurnamen 
in Sussex a. 772 .... and swa nord to blacan ride, up andlanz 
ride to swinhamme, north andlanz mores lo sifer binzc steorfan 
Bi. 1,208. Was Koegel (Lit.-gesch. 1, 342) veranlasst, den Siz- 
frith des LV. als zeugnis für die Siegfriedsage in England auf- 
zufassen, kann ich nicht einsehen: der name an und für sich 
allein genügt nicht zum beweise, da er ja, wie die eben an- 
geführten beispiele zeigen, echt englisch ist und zudem eben- 
sogut der Finn- als der Siegfriedsage enstammen könnte. Unsere 
citate widerlegen auch die meinung Golthers (Germ. 33, 474, 
anm. 2), Sizeferö scheine das fränkische Sizefred widerzugeben, 
da männliche namen auf auslautendes -/rid dem ags. und anord. 
nicht geläufig gewesen seien. 

Der im Wids. dem Sizeferö entsprechende Sxferd ist eben- 
falls ziemlich häufig; z. b. Sefreö a. 831. Bi.1,404; a. 863. Bi. 
2,507; 2.867. Bi. 2,516; Sefreö a. 871—889. Bi. 2,553; Sefreö 
a. 1194. Palgrave Rot. 1, 153; ebenso Garulf: Garuulf LV. 
(Sweet) 55; Garulf als zeuge a. 863. Bi. 2,507; a. 868. Bi. 2, 519. 
a.940. Bi. ?, 756. 


Ueberblicken wir nun die ganze reihe der mit der Hoc- 
und Finnsage zusammenhängenden namen, so fällt uns auf, dass 
der grössere teil derselben einerseits Essex, andrerseits der land- 
schaft Hampshire und den anstossenden teilen von Berkshire 
und Wiltshire angehört, also einer gegend, in welcher der mit 
den bewohnern Kents zusammenzustellende stamm, die Jüten 
des Beda, oder richtiger die Ytas des Widsid, den grundstock 
der bevölkerung bildet!) Aus dieser örtlichen verbreitung der 
namen schliessen wir, dass wirklich, wie man auch schon aus 
anderen gründen vermutet hat,?2) den Yten und Östsachsen 
(Secgen) der hauptanteil an den in der Finnsage besungenen 
kämpfen und auch an der ausbildung und erhaltung der epi- 
schen darstellung zufällt, im gegensatz zu den übrigen resten 
epischer poesie bei den Angelsachsen, die vorwiegend von den 


1) Die ansiedlung von Ytas in Hants und umgegend beweisen orts- 
namen wie Flinzes hlemw (Berks) a. 912. Bi. 2,777; Ylingstoc (Southampt.) 
a. 960. Bi. 3,1054; Zlingeshel, Etinzheles (Wilts)? Bi. 2, 585; a. 965. 
Bi. 3, 922. 

2) Möller, Ae. volksepos 8.86f. ten Brink, Pauls Grundr. 2, 1,549 f 
Koegel, Lit,-gesch. 1, 164. 


186 | BINZ 


anglischen stämmen überliefert sind; eines bleibt dabei freilich 
auffallend, dass nämlich gegen alles erwarten in Kent gar kein 
die verbreitung dieser sage bezeugender name nachgewiesen 
werden kann. 


JI. Hoch- und niederdeutsche sagen. 


1) Wielandsage. 

K. Meyer, German. 14, 283 f. E. H. Meyer, Anz. fda. 13, 23f. 
Niedner, Zs. fda. 33,24 ff. Golther, German. 33, 449 ff. 34, 265. 
W. Grimm, DHS. no. 14. 26. 106. Müllenhoff, Zs. fda. 6, 62—69. 
11,272 ff. 12,263f. Zupitza, Zs. fda. 19,130. Sijmons, Pauls Grundr. 
2,1,59—62. Koegel, Lit.-gesch. 1, 101—104. 

Die Wielandsage ist den Angelsachsen frühe bekannt ge- 
wesen, das beweisen zeugnisse verschiedener art. Auf einer 
niederdeutschen quelle beruht wahrscheinlich die fassung der- 
selben in Deors klage, die mit der Volundarkvida nahe zu- 
sammenstimmt; im RBeowulf v.455 ist Weland als geschickter 
schmied vorausgesetzt, und dieser ruhm des kunstreichen ver- 
fertigers ausgezeichneter waffen erhält sich bis lange in die 
mittelenglische zeit hinein. Auf eine stelle aus dem liede von 
Horn Childe und Maiden Rimenild aus dem 14.jh. hat schon 
W.Grimm (DHS. s. 278) hingewiesen: 


Than sche lete forth bring 

A swerd hongand bi a ring 
To Horn sche it bitaught: 

It is the make of Miming 

Of all swerdes it is king 

And Weland it wrought. 

Bitterfer the swerd hight 

Better swerd bar never knight. 

Ein zweites zeugnis aus dem Torrent of Portugal, einem 
dem 15.jh. angehörenden gedicht aus dem nördlichen England 
hat Zupitza, Zs. fda. 19, 129 mitgeteilt: 

v.421 ff.: Have here my ryng of gold 
My sword that so wylle ys wrowyt 
A better than yt know i nowght 
Within erystyn mold 
Yt ys ase glemyrryng ase the glase 
Thorro Velond wroght yt wase. 

Dagegen scheint, der form des namens und der localisierung 

der sage nach zu schliessen, Gottfried von Monmouth nicht aus 


ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 187 


volkstümlicher englischer überlieferung geschöpft zu haben, son- 
dern auf späterer entlehnung aus einer deutschen fassung zu 
ruhen, wenn er in der Vita Merlini von Rhydderch erzählt: 
Afferrique jubet vestes volucresque canesque 
Quadrupedesque eitos, aurum gemmasque micantes 
Pocula quae sculpsit Guielandus in urbe Sigeni. 
Ellis, Specimens of Early Engl. Romance. 1, 77; vgl. W. Grimm, 
DHS. s. 41. 
Zweifelhaft ist, ob wir in dem aluise smidö Wygar in 
Layamons Brut (ed. Madden) 2,463, der Arthurs brünne ver- 
fertigt haben soll, einfach eine entstellung von Weland zu er- 


kennen haben: 
pa dude he on his burne 


ibroide of stele 

pe makede on aluisce smid 

mid adelen his crafte 

pe wes ihaten wygar 

pe witege wurhte. | 

Jedenfalls beruht der zusatz der letzten vier zeilen, welchen 

Layamon in seiner französischen quelle nicht vorfand, auf irgend 
einer englischen sage; kenntnis volkstümlicher tradition verrät 
der verfasser auch sonst,!) z.b. v. 14902—15027 Madden 3, 356; 
vgl. Jänicke, Zs. fda. 15, 314. 


Auch im ersten der beiden Walderefragmente v. 2—4 wird 
Weland als schöpfer des ausgezeichnetsten aller schwerter, des 
Mimming, erwähnt; im zweiten sodann, v.4 ff, finden wir auch 
Widia in die Wielandsage hineingezogen; es ist aber, falls 
Koegels annahme, dass den bruchstücken ein deutsches gedicht 
zu grunde liege (s. unten), richtig ist — und vielleicht spricht 
gerade auch die form Widia gegenüber dem Wudza des Widsid 
für eine deutsche quelle — schwer festzustellen, wie weit diese 
verbindung auch in England volkstümlich war, da andere zeug- 
nisse dafür fehlen. An den sagenhaften schmied Weland er- 
innert sich ferner Alfred, wenn er in der übersetzung von Boe- 
thius’ De consolatione philosophiae die worte des originals Ubi 


1) Wülker, Beitr. 3, 551 f. scheint aber doch zu weit zu gehen, wenn 
er in der schilderung des ringkampfes des Corineus mit dem riesen Goe- 
magog und derjenigen des todes Arthurs erinnerungen an ähnliche scenen 
aus dem Beowulf erkennen will. Die dort angeführten ähnlichkeiten sind 
doch zu unbestimmt und allgemein, um wirklich beweiskräftig zu sein, 


188 BINZ 


nunc fidelis ossa Fabricii iacent widergibt durch Awer sint nu 
bes wisan Welandes ban bes zoldsmibes be wes geo murost 
(Grimm, DHS. s.29). Man mag damit jene stelle aus Alfreds 
Orosiusübersetzung vergleichen, wo er von der gens Fabia 
spricht: Mon het eall hiera cynn Fabiane, forbon hit ealra Ro- 
mana cenlicost wes and creftezast. Diesem von Alfred von 
sich aus ohne veranlassung durch die quelle gegebenen dunkeln 
zusatz muss irgend eine falsche etymologie für Fabia zu grunde 
liegen, die an /aber anknüpfte und so die in creftiz aus- 
gedrückte vorstellung heraufrief, ein ähnlicher vorgang, wie 
der, welcher sich in der ersetzung des Fabrieius durch Weland 
äussert.!) 

Aber nicht nur diese schriftlichen anspielungen auf die 
Wielandsage besitzen wir in England, auch ein product der 
bildenden kunst, das bekannte Clermonter runenkästchen, 
das jetzt im Britischen Museum als ‘Franks’ Casket’ aufbewahrt 
wird,?) gibt uns kunde von der beliebtheit dieses stoffes. Die 
auf demselben widergegebene scene passt zu der in der Ve- 
lundarkviöa bez. Deors klage erhaltenen form der sage; es 
scheint jedoch, besonders nach dem bilde auf dem deckel, dass 
hier auch schon Eigil, der treffliche schütze, eine rolle spiele, 
darauf weisen die figuren der scene selbst hin und besonders 
die überschrift Zzili über dem bogenschützen, die bis auf das 
auslautende ö dem hochd. Zigil genau entspricht. Dann ist 
diese einreihung des Eigil in die Wielandsage doch älter als 
man gemeiniglich annimmt, denn das kästchen kann nicht 
über das ende des 7. oder anfang des 8. jh.’s heruntergesetzt 
werden. Das geht weniger aus der vermengung von römisch- 
klassischer und germanisch-heidnischer sage hervor, die Brooke 
mit kaum genügender begründung in die zeit des übergangs 
vom heidentum zum christentum setzen möchte, als vielmehr 
aus den sprachformen der runeninschriften mit ihrem ö für 
späteres e in unbetonter silbe, eu für eo und dem im auslaut 
erhaltenen u des nom. sing. von flodu. 

Eine durchforschung der altengl. namen bestätigt nur die 
aus den andern zeugnissen gezogenen schlüsse. Die namen 


1) Vgl. Schilling, Zlfreds Orosiusübersetzung (Leipz. diss.) 8. 34. 
2) Literatur darüber bei Wülker, Grundr. 8.356 f. Brooke, Early Eng]. 
Lit. 1,84. Runentext bei Sweet OETT. 8.126 f. 


ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 189 


Niöhad und Beadohild sind freilich nicht mit völliger sicher- 
heit als unenglische, nur aus deutschen anglisierte zu bezeichnen; 
aber die wahrscheinlichkeit dieser annahme ist doch gross, da 
im englischen Niö- als erster bestandteil von namen fast un- 
gebräuchlich ist, während es im deutschen häufig verwendung 
findet; ich kenne ausser Niöhad nur noch einen Niömund minister 
a. 854. Bi. 2, 468. 469. 470. Had kann nicht einem deutschen -had 
entsprechen, dieses wird im englischen im zweiten gliede aus- 
nahmslos durch -hep vertreten; es bliebe somit nichts übrig als 
-häd anzusetzen = ahd. -haid, -hait; ein solches -rRad wird durch 
doppelschreibung des vocals als lang bezeugt in Uuighaad’ a. 762. 
Bi. 1,193, zu dem vielleicht auch der Zada des LV.258 zu 
stellen ist. Dem stehen aber zwei schwierigkeiten entgegen: 
erstens gelten die namen auf -haid in den andern germanischen 
dialekten nur von femininen (wobei freilich nicht ausser acht 
gelassen werden darf, dass im englischen allein die appella- 
tiven composita auf -had ebenfalls masculin sind), und zweitens 
wird das einzige unzweifelhafte beispiel für -Räd, eben jener 
Uuighaad’, dadurch unsicher, dass die urkunde, in welcher es 
vorkommt, nur in einer jüngeren abschrift erhalten ist. Am 
einfachsten lösen sich diese bedenken durch die annahme auf, 
dass eben Niöhad überhaupt kein englischer, sondern der 
deutsche, ganz unverändert herübergenommene name sei; er 
ist übrigens im englischen sonst für personen ebensowenig ge- 
bräuchlich als Beadohild. Bei Beadohild kann jedoch der 
mangel an belegen auf zufall beruhen, da sowohl beadu- als 
-hild sonst gerne zur namenbildung benutzt werden. 

Sind also Niöhad und Beadohild erst aus deutscher sage 
bei den Angelsachsen bekannt geworden, so zeigt uns dagegen 
die grosse verbreitung der namen Welund und #zel in orts- 
bezeichnungen, dass diese beiden gestalten auch bei den Ger- 
manen Englands auf höheres alter anspruch haben. Die zeug- 
nisse sind folgende: be eastan Welandes smiödan aus dem Jahre 
955: vgl. Müllenhoff, Zs. fda. 12,263 f. W.Grimm, DHS. s. 323 
no.170. Ein früheres zeugnis findet sich in einer urkunde aus 
Bucks: andlanz eadrices zemare P on icenhylie, andlanz icen- 
hylie ob bone haedenan byrzels, banon on cynzes strat, up and- 
lanz strete on Welandes stocc ... a.903. Bi. 2,603. Ferne zu 
halten ist dagegen der oft belegte flussname Weland, z.b. a.833. 


190 BINZ 


Bi. 1,409; a.851. Bi. 2,461; a. 948. Bi. 3,872. Als personenname 
tritt Weland noch am ende des 12.jh.s auf: Henr. Say. versus 
Weland et Albredam uxorem eius in Lincoln a.1199. Palgrave 
Rot. 1,299; Johannes Weland ib. 1,222; terram Ricardi Wai- 
land, Wayland Registr. Malmesb. 2, 212.213; Aüs testibus: Wil- 
lelmo le screveyn, Adam le chaumberleyn, Willelmo Welond, Gal- 
frido de Finemore ... ib. 2,227. Als zeugnisse für ÄEzel notiert 
Kemble, Sachsen in England 1, 348 f. Zglesbyrig, Aglesford, 
Egleslona, ZHgleswurd, #Kgleswyl, Äglestone. Meinen eigenen 
sammlungen entnebme ich noch die folgenden: Ziüesberge (De- 
von) DomB. 1,108°; Zglosberrie (Cornwall) ib. 1,121°; Zogles- 
cliff (Yorks.) Hope, Dial. Place-Nomencl. 8.27; et Hlesforda 
a. 972. Bi. 3, 1289; Zilesford DomB. 1, 173°; Aylsham (Hertfords.) 
Hope 8.6; Zglesham (Oxf.) DomB. 1,108°; Eglinham (North- 
umberland) Hope s.27; Zgleslona (Worcest.) a. 969. Bi. 3, 1235; 
diglestorp und Aighelestorp (Lincoln) DomB. 1, 358°. 368°; A4iles- 
ton (Leicest.) DomB. 1,231®, 237°; Zglestun (Yorks.) Domb. 1, 301®; 
Kgzlesuullan broc (Oxf.) a. 958. Bi. 3, 1086; Zzleswurde a. 972. 
Bi. 3,1281; Zzleswurö a. 948 (Northampt.) Bi. 3, 871; Zilesuurth 
a.972. Bi.3,1280; Zglesworde DomB. 1,221*-®; Elesworde (Grente- 
brig.) DomB. 1,192P. 197%, 199° (vgl. J. Grimm, Mythol. s. 314). 


2) Welsungensage. 


W.Grimm, DHS. 3. 14—16. — Müllenhoff, Die alte dichtung 
von den Nibelungen: 1. Von Sigfrids ahnen. Zs. fda. 23, 113— 173. — 
Sijmons, Pauls Grundr. 2,1,23f. — Koegel, Lit.-gesch. 1, 172—175 ff. 

Der verfasser der episode des Beow. v. 806 ff., welche die 
einzige directe anspielung auf die Welsungensage in England 
enthält, besass nur eine verschwommene kenntnis dieser sage, 
das beweist vor allem die übertragung des drachenkampfes 
von Siegfried auf Siegmund. Daraus, wie aus dem fehlen 
weiterer zeugnisse, scheint hervorzugehen, dass die Welsungen- 
sage in England nicht eigentlich populär war. Zwar finden 
wir die namen der haupthelden und ihres geschlechtes auch 
dort verbreitet, aber gerade derjenige unter ihnen, dessen vor- 
kommen den zweifellosen beweis für die verbreitung der sage 
böte, Fitela, ist nicht sicher nachweisbar. Die belege für 
die namen sind folgende: 


ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 191 


Walsinzaham a.1055. K.6,1339 1); Walsingham (Norf.) DomB. 
2,254°-b; Walsingaham ib. 2,233° nnd alia Walsingaham ibid., 
Walsingeham magna ib. 2, 258°; Walsingham a. 1348. Sharpe, 
Calend. of Wills 1,506; Walsyngham a. 1351. ib. 1,658. Als per- 
sonenname dagegen lässt sich Welsinz im gegensatz zum deut- 
schen Welisunc im englischen kaum belegen; nur einmal im 
anfange des 13.jh.'s stossen wir auf einen Walessi, der aus 
Walsing, Welsinz verdorben sein könnte, um so eher als die 
ihn umgebenden namen fast alle in der heldensage nahe zu- 
sammen gehören: LV. p.51 Siguit Fin Borbern Olfin Walessi 
Olh Gunner Seuride; vgl. unter Nibelungensage s. 203. 

Zwei Sizmund führt der gleiche LV. (Sweet) 166. 250 auf, 
der name ist durchaus nicht selten, ich begnüge mich mit 
wenigen weiteren beispielen, die mir gerade zur hand sind: 
Sizemund zeuge a. 837. Bi. 1, 417; a. 844. Bi. 2, 445; a. 858, 
Bi.2,496; Sizgemund presbyter a. 867. Bi. 2, 516. Es ist nicht 
mehr als zufall, wenn in verschiedenen urkunden Sigemund und 
Sizefreö neben einander vorkommen, z.b. 2.831. Bi. 1,404; a. 867. 
Bi.2,516. Denn size- dient sowohl als erstes wie als zweites 
glied sehr häufig zur namenbildung und oft sind verschiedene 
mit Size- beginnende namen in der gleichen urkunde vor- 
handen, z.b. Sizefreö und Sizuulf a.889. Bi. 2,558; Sizemund 
und Sizenod a. 844. Bi. 2,445; Sizferö und Sizric K.4,956. In 
ortsnamen deutet Sigemund vielleicht auf den berühmten Welsung 
zurück: Simondesberg (Dorset) DomB.78°; Simondeshale (Gloucest.) 
DomB. 163°; Ricardus de Northhavene rector ecclesiae de Symon- 
desberghe Regist. Malmesb. 2,419; Simondesberge Exon. DomB.36. 

Nicht weniger gebräuchlich ist Sizeferd, Sizfrith, bei- 
' spiele s. oben unter Finnsage s.184. Fitela dagegen ist nicht 
sicher nachweisbar. Einen Fitellus, der vielleicht auf eine 
starke form fitel (vgl. abd. Fezzil Piper, Libr. confr. 2, 397, 21. 28; 
Ficili ib. 2, 472,11) zurückzuführen ist, nennt das Exon. DomB. 
354. 357.380, einen mit ihm offenbar identischen Vitel, dessen 
v im anlaut statt f normannischem oder südenglischem einfluss 
entsprungen sein könnte, ebenda 408, einen Simon (= Simund, 
Sigemund?) Vitulus Boldon book 566. In Wilts liegt Viteletone 
DumB. 72, ebenda Vitel tenuit t.r. E. et geldabat pro X hid., 


1) Müllenhoff, Zs. fda. 12, 288. 


192 BINZ 


in derselben landschaft ein filelan slades crundel a.934. Bi. 
2, 705.1) Robertus de Fiteling, Fitling findet sich in den jahren 
1194 und 1199 bei Palgrave Rot. 1, 41.278. Mit Viteletone ein 
Fitentone (Gloucest.) DomB. 163*®, Fitintona Exon. DomB. 411, 
Fittinztun a.1006. K.3, 716, Fyttizmor K.6, 1359 zusammenzu- 
stellen, geht nicht an, trotzdem bei Fitentone in Gloucest. die 
nähe von Simondeshale dazu verlocken möchte. 

Es fehlen uns also untrügliche zeugnisse für die Wel- 
sungen-Siegfriedsage in England. Nach einer mitteilung von 
Brooke?) wäre aber diese lücke nun ausgefüllt durch die auf- 
findung der bisher vermissten vierten seite des bekannten 
Runenkästchens, welche die darstellung einer scene aus der 
Siegfriedsage enthalten soll. Leider ist es mir nicht gelungen, 
näheres über die richtigkeit dieser notiz in erfahrung zu bringen. 


3) Hildesage. 

Müllenhoff, Zs. fda. 12,314; Frija und der halsbandmythus, ebd. 
30, 217—260. — Beer, Zur Hildesage, Beitr. 14, 522—572. — W.Meyer, 
Zur Hildensage, Beitr. 16, 516 —532. — Sijmons, Pauls Grundr. 2, 1, 
51—56.— Koegel, Lit.-gesch. 1, 169—172. — W.Grimm, DHS. s. 329 f. 
— Müllenhoff, Beov. 8.106 f. 

Auch für die Hildesage bietet der Widsiö das älteste zeug- 
nis in v.21f.: 

Hazena (weold) Holmryzum and Heoden Glommum, 
Witta weold Sw&fum, Wada Hzlsinzum 

mit einer verschiebung des älteren locals der sage an der Nord- 
see in den unıkreis der Ostsee.?) Anspielungen auf eine jüngere 
form der überlieferung, die aber teils wegen verstümmelung des 
textes, teils wegen ihrer kürze schwer zu deuten sind und bis 
jetzt noch keine allgemein anerkannte auffassung gefunden 
haben, enthält des Sängers klage v. 14--16 und v.35—41. Ich 
gehe hier nicht näher auf diese dinge ein, sondern wende 
mich gleich zur betrachtung der in den eigennamen liegenden 
zeugnisse. 

In den ältesten urkunden erscheint widerholt ein Hazona: 
sign. man. Hazona a.676. Bi. 1,42; siyn. Hazani a.679. Bi. 1, 45; 


ı) Müllenhoff, Zs. fda. 12, 307. 
2) Hist. of Early Engl. Lit. 1, 84. 
s) Koegel, Lit.-gesch. 1, 169. 


ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 193 


Hazuna abbas a. 692. Bi. 1,78; Hazona presbyt. et abbas a. 692. 
Bi. 1,81; a. 693. Bi.1,82; a. 695. Bi. 1,87; Hazona abbas a. 696. 
Bi. 1,89; Zazana a. 697. Bi.1, 97.98; a. 699. Bi. 1,99; sign. Haze- 
nan a. 701. Bi.1,102; Hazona abbas a. 704. Bi. 1, 108. Dann 
findet sich lange zeit dieser name nicht mehr, erst im 11.jh., 
vielleicht unter fremdem einfluss, taucht er wider auf: Hago 
seu Hagonus prepositus regis (Norf.) DomB. 269°; Radulfus Ha- 
gonis filius ib.270, filius Hagana ib.2,372. Beide sind nor- 
mannischen ursprungs verdächtig, der erste schon wegen seiner 
stellung, der zweite wegen des unenglischen namens seines 
sohnes. Andere beispiele aus dem Domesd. Book sind noch: 
Hagana Norf. 205; Hagana liber homo Norf. 121®; Ulricus Hayana 
Suff. 434°; Hagane Norf. 173; Hagane tegnus regis Norf. 130%; 
Hagene Herefords. 186. Ein Engländer (oder Skandinavier?) ist 
der Hagano bei Piper, Libr. confr. 2,577. wie aus den ihn um- 
gebenden namen erhellt: Colpi Zurgils Hagano Azor Gundau 
Damian Askatala. Einen andern Hagene treffen wir im anfange 
des 13. jh’s im LV. p. 56: Zodbertus Willelmus Rogerius Hagene 
Dunecan Gillepatric Ulfkill. Angesichts der normannischen heimat 
der drei vorhergehenden namen wird man sich freilich fragen 
müssen, ob in diesem Hagene ein aus altenglischer zeit ver- 
erbter name vorliege oder nicht vielmehr eine jüngere ent- 
lehnung vom festlande her. Dürfte man annehmen, dass Hagene 
mit seinem nachbarn Rogerius in näherer beziehung gestanden 
hätte, so möchte man in diesem zusammentreffen eher einen 
beweis für die verbreitung der Nibelungensage, wenigstens in 
normannisch-englischen kreisen, erkennen. Da aber für diese 
annahme kein genügend sicherer grund vorhanden ist, so wird 
man sich mit einem hinweis auf die möglichkeit einer beein- 
flussung durch die kenntnis der Nibelungensage begnügen 
müssen. | 

Auch ortschaften sind mehrfach nach Hildens vater be- 
nannt: in einer grenzbeschreibung vom jahre 970 ... swa ford 
on deofford and bannon on halizwylle on healdenes ho, of bem 
ho on pottaforda on hazene forda bryzze, of hazene forda 
bryzze on hore wade (Suff.) Bi. 3, 1269, vgl. Haynford in Norfolk. 
Im jahre 785 verleiht Offa an Eadbeorht und seine schwester 
Seleöryö land in Kent in locis qui dicitur Joccham et Perham- 
stede ... ad porcos alendos in his locis dunuualing denn, sand- 

"Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. XX, 13 


194 BINZ 


hyrst, suiöhelming deenn ... et aliud inter torrentem heoratburnan 
et hazanan treae Bi.1,247, und im jahre 791 schenkt der 
gleiche könig der Christuskirche in Canterbury land in der- 
selben gegend ... ad pascua porcorum in hüs locis Dinuualinz- 
den, Sandhyrste, Suilhelminzden ... et aliud inter torreniem 
nomine northburnam et Hazenatreou Bi.1,263. Hagenebi in 
Lincolns. DomB. 1, 351°. 359P verdankt seinen namen, wie das 
zweite compositionsglied verrät, erst den dänischen eindring- 
lingen. Ausserdem finden wir im DomB. noch Hagenepend 
(Gloucest.) 167° = Hagepine ib. 164; Haganaworda in Norfolk 
2,179°, 184%; Hageneuuorde in Yorks. 1,328?’ und da auf der 
gleichen seite auch Heldetune vorkommt, sind wir wohl be- 
rechtigt, in diesem zusammentreffen beider namen einen voll- 
giltigen beweis für die verbreitung der Hildesage in Yorkshire 
zu erblicken. 

Der name der Hild ist selten; mir ist nur eine frau dieses 
namens, die berühmte äbtissin, bekannt; doch hat er sich öfter 
in ortsnamen erhalten: 0a landzemeru Öes londes et Cetwuda 
& el hildes duna (Bucks) a. 949. Bi. 3, 883; ... of fulan forda 
on hildes ford, of hildes forda on hildesleze nordewearde 
of sole zet, of solezet to brynes cnolle ... (Devon) a. 965. Bi. 
3,1323; Rogerus de Hildesham (Sufl.?) Palgrave Rot. 1, 288; 
bes landes zemere ol Cumlune; oeresi of hriczweze on bel wide 
zeat ... on Aepbelmes hlinc ... on ba readan dic andlanz bere 
dic on hildes hlemw, of hildes hlewe on blec pytt ... on 
wide zeat be eastan welandes smiödan (Berks) a. 955. Bi. 3, 908; 

. andlanz lace into halzan broce, andlanz broces Io halzan 
welle ... of brim zemerum on eczan croft ... andlanz wyritru- 
man on Hildes hlew, of Hildes hlemwe on done stan (North- 
ampt.) a. 978. K. 3,621; ZHillesiau (Berks) DomB. 57®. 58°. 59*-b, 
61®. 62°, 630 = (?) Hildeslei ib. 58°. 62°; Hildeslei (Gloucest.) 
DomB. 169°; in Southampton Hildan hlew a. 909. Bi. 2, 624; 
a. 955. Bi. 3,905; Ayldan hlef a.909. Bi. 3,1051; Ayldan hlew 
a. 961. Bi. 3, 1080; a. 964. Bi. 3, 1144. Die localisierung der sage 
in Yorkshire haben wir schon unter Hazona erwähnt, ausser 
Heldetune DomB. 1, 301° und Aeldetona ib. 1, 328? = (?) Hiltona 
ib. 1,299», 332®, Ziltune 1, 300°. 305® existieren in dieser graf- 
schaft noch Zildegrip ib. 1,323° und Hildingestei ib. 1, 300%. 

Einen frauennamen Hagenild, der mit seiner zusammen- 


ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 195 


setzung aus dem namen von vater und tochter der Hildesage 
seine entstehung zu verdanken scheint (vgl. jedoch Förstemann 
1,577 die mit Hagan- beginnenden namen), finden wir in LV.: 
Ricard Uctred Haganild Maald Aectreth Gunnild p. 32 und 
Edred, Hagenild uxor eius, Aldith filia eius, Luuilh maler eius, 
Arnmer frater eius ib.p.50 aus dem 13. jh. 

Heoden begegnet als personenname in urkunden nur ein 
einziges mal in der form Hedyn presbyter im verzeichnis der 
freilassungen von St. Petroc K.4,981; später noch einmal im 
12. oder 13. jh. im LV. p. 79: Herebertus Oregia Aetheloldus 
Hereuuord Willelmus Godricus #Kogelricus Hedne KHfriö Arn- 
wine. Vielleicht ist auch der mönch Zedan des klosters Ebers- 
heim (beute Ebersmünster) bei Schlettstadt, Piper, Libr. confr. 
2,233, 9 ein Engländer, wenigstens steht in seiner nähe auch 
ein Zunberht, und mit Tun- componierte namen sind.ja sonst 
durchaus auf England beschränkt. 

Aus früherer zeit besitzen wir dagegen einige Zeugnisse in 
ortsnamen. In der grenzbeschreibung eines landstückes bei 
Nutseilling (Hants) aus dem jahre 877 heisst es: ... Öonon 
andlanz fliotes on boddinzmed, donon on boddanstan, donon ut 
on aclieh,.... Donon on heslea on Öere byri hyrne, Öonon ut on 
hedenes dene sud ut on det hliö zet Bi. 2,544. Ob der name 
Hedensford in Staffords., wie Haigh s. 105 will, hieher zu ziehen 
ist, scheint wegen der heutigen dialektischen aussprache als 
Hechford, Hedgeford!) fraglich. In Worcester finden wir ein 
Heodenes scaza in einer gegend, die sich durch eine fülle von 
erinnerungen an berühmte, namentlich mereische helden aus- 
zeichnet, vgl. die grenzbeschreibung ... deinde in ceolferdes mor, 
öcet ymbe ceolferdes ecer utan det ufan in cnolle ... Oonan 
in heodenes sceazan fore weardne andlanz riözes, swa in Öa 
twislihtran biricean be sudan Coenberhtes zrefe, Öet ufan be 
eamban erne ... a.849. Bi.2,455. Unsicher oder geradezu un- 
möglich ist dagegen zusammenhang mit der Hildesage in hede- 
nan mos in Staffords. a.975. Bi. 3, 1312 und in HAednebi (Ro- 
bertus de Hednebi Palgrave Rot. 1, 145), neben dem auch Hau- 
denebi ib. 1,401 begegnet. 

Der name des helden lautet in der oberdeutschen sage 


ı) Hope, Dial. Place-Nomencl.? 8. 35. 


196 BINZ 


bekanntlich Zetele; es hat nun ganz den anschein, als ob später 
eine neue einführung dieses stoffes in England vom festland 
her unter dem auch in Öberdeutschland wirksam gewordenen 
einflusse stattgefunden habe, wenn im LV. ein name sich nach- 
weisen lässt, den man kaum anders wird auffassen können: 
Albrea ei Agnes Thomas Alanus Henricus Haitele Helkene Adam 
de Astinges LV. p.110. Die zeit dieses eintrages lässt sich 
nicht genau bestimmen, darf aber wegen des charakters der 
handschrift und der namen nicht früher als in das 13., wahr- 
scheinlich eher in das 14. jh. gesetzt werden. ai für e kann 
normannisierende schreibung sein:!) und dass Haitele dem 
deutschen ZHetele gleichzusetzen sei, wird bestätigt durch den 
daneben stehendeu namen HAelkene, der nichts anderes sein 
kann als ein niederfränkisches oder niederdeutsches Hildeken; 
beide namen zusammen geben also ein sicheres zeugnis für 
eine spätere, nicht auf altenglischer tradition, sondern auf frem- 
dem einfluss beruhende verbreitung der Hildesage. 

Nicht beweisend für ein solches zweites aufblühen der 
sage ist der ortsname Hegelinge (Nottinghams.) DomB. 1, 283°; 
Hegelinge, Heghelinge (Lincolns.) ib. 1, 342, 339®; Hezlinzaiz und 
io Hezlingaizze a. 956. Bi. 3,979; «et Heiincize ib.3,980; a. 1053. 
K. 6, 1337 (Southampt.), da er echt englische ableitung von 
einem deminutiv zu einem namen wie Heza (marisci quos Heza 
ante abuerat a. 858. Bi. 2,496) sein kann. 

Schon im Widsidö ist auch Wada in die Hildesage ein- 
getreten; dass er schon frühe eine bei den Angelsachsen be- 
liebte figur war, beweisen verschiedene personen- und orts- 
namen: er scheint ursprünglich ein mythisches wesen, ein 
meerriese, und bei den seeanwohnenden Germanen an der Ost- 
see — darauf deutet die localisierung des Widsid bei den Hz&l- 
singen — zu hause gewesen zu sein. Diese mythische natur 
schimmert noch im 14.jh. aus den anspielungen Chaucers her- 
vor; denn so lange hat sich das andenken an ihn erhalten: 
ausser Weland ist Wade der einzige altgermanische heros, 
dessen gestalt über die normannische eroberung hinaus leben- 
dig geblieben ist. Von den beiden stellen, in denen Chaucer auf 
Wade anspielt, befindet sich die eine im Merchaunt’s tale v. 9297: 


ı) Vgl. Diez, Gramm. s. 340. Ellis, Early Engl. Pron. 2, 431 


ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 197 


And eke these olde widewes, god it wote, 
They connin so much crafte in Wadis bote, 
die andere in Troilus und Cressida 3, 615: 
He songe, she playde, he tolde a tale of Wade.!) 
In der Auchinleck- und Staffordhs. des Sir Bevis of Hamtun 
erfahren wir von einem kampfe Wades gegen einen drachen, 
einer episode aus seinem leben, die uns sonst nirgends be- 
richtet wird und von der es kaum einem zweifel unterliegt, 
dass sie nicht einen alten bestandteil der sage bildet, sondern 
dem einfluss der spielmannspoesie entsprungen ist: 
After Josianis cristing 
Beues dede a gret fighting, 
Swiche bataile ded neuer non 
Cristene man of flesch and bon, 
Of a dragoun thar beside 
That Beues slough ther in that tide: 
Saue Sir Launcelot de Lake, 
He faught with a fur drake, 
And Wade dede also 
And neuer knightes boute thai to 
And Guy of Werwick ich understonde 
Slough a dragoun in Northumberlonde.?) 


Und noch später, in der vorrede zu der metrischen übersetzung 
des Guido von Colonna, findet Wade einen platz in einer um- 
fangreichen liste sagenberühmter helden: 

Many speken of men that romaunces rede 

Of Bevys, Gy and Gawayne 

Of Kyng Rychard and Owayne 

Of Tristram and Percyvayle 

Of Rowland ris and Aglavaule, 

Of Archeroun and of Octavian 

Of Charles and of Cassibelan 


Of Baveloke, Horne and of Wade 
In romaunces that of hem bi made.?) 


Ausserdem findet sich nach Warton, History of Engl. Poetry 
2,123 noch eine anspielung auf ihn in der metrischen Morte 
Arthure, die wol mit der von Detter und Heinzel (Beitr. 18, 156) 


ı) Müllenhoff, Zs. fda. 6, 76. 
%) Weber, Metrical Romances 3, 313. 
s) Vgl. Müllenhoff, Zs. fda. 6, 67. 


198 BINZ 


aus Malorys Morte d’Arthur ed. Sommer 1,225 citierten iden- 
tisch ist: For were thou as wygte as euer was Wade or Laun- 
celot, Trystram or the good knygte syr lamaryk, thou shalt nol 
passe a paas here thal is called Ihe paas perillous. 

Das älteste zeugnis von den namen bietet die örtlichkeit 
Wadanhlemw: ... el sic in locum qui dicitur bebbes ham, inde 
in pontem thelbrycz et sic ad aquilonem jJuxta palustria loca, 
super haec ad locum qui dicitur hylsan seohtra et sic ad orientem 
in uuoermundeshamm, hinc in uuadan hleu, ab illo loco in fisc 
mere et sic in brynes fleot a. 680. Bi.1,50.1) Wadan beorzas 
eitiert Müllenhoff a.a.o.; auf die Öffnung im Römerwall in 
Northumberland, die Wades gap heisst, hat er schon früher 
hingewiesen (Zs. fda. 6,65); ausserdem finden wir noch ver- 
schiedene beispiele, besonders im Domesday Book: ... in oncyt 
on Beazildestoc norb, bonon on Wadancampe estweardne; bonon 
norb lo Bedesdene; forb be Bedesdene to Bedesseabe, bonon on 
bone zaran ufeweardne of bam mwaranford a.901 in Hants Bi. 
2,597. Wadafeste Exon. Dom. 212; Wadefeste (Cornwall) DomB. 
123°. Wadeham Exon. Dom. 449; (Devons.) DomB. 118». Wa- 
dingeham (Lincolns.) DomB. 1, 338%. 359°, 369°. 371°. Wadehelle 
(Bedfords:) DomB. 1,215®; Wadelle ib. 1,211°. Wadenho (North- 
ants) DomB. 1, 220%. 221b; Johannes de Wadenho Palgrave Rot. 
1,303. Wadestan (Devons.) DomB. 107°; Exon. Dom. 278. Wa- 
dintune (Lincolns.) DomB. 1, 349%; 363°; Wadetune (Hereforde.) 
DomB. 184°. Elias de Wademurth Palgrave Rot. 1,298. Wading- 
urde (Lincolns.) DomB. 1,359; mit doppeleonsonanz on Wad- 
danize a. 901. Bi. 2,596; a. 904. Bi. 2,604. Waddanstoc a. 1004. 
K.3, 713; a. 1045. K. 4, 776. 

Aber auch für personen bleibt der name Wada während 
der ganzen altenglischen und bis in die mittelenglische zeit 
hinein in lebendigem gebrauche: Uada LV. (Sveet) 14. 173. 326; 
ego Wada miles a. 709. Bi. 1,124; manus Wadan a.755. Bi. 1,181; 
Wada minister a.1005. K. 3, 714; Wada miles a. 1012. K. 3, 719; 
Wade miles Eadwardi regis a.1054. K.6, 1338; Wada et Eyelric 
DomB. (Dorset) 80°; Wade ib. 84; (Herefords.) 185°; (Derbys.) 
2765; (Nottingham) 285%. 290°; Wado (mit normannischer schrei- 
bung?) DomB. (Wilts.) 74; (Somers.) 92; (Devons.) 105. 105%.106®; 


2) Müllenhoff, Zs. fda. 12,317. 


ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 199 


Thorulf Sungeoue Thora Wada Goda Windilgerus Osgod im 
12. jb. im LV. p.6; Wade Palgrave Rot. 1, 280. 285.377; Wülel- 
mus filius Wade a. 1199. Palgrave Rot. 1,412; Wade als familien- 
name bei Sharpe, Calend. of Wills 1,130. 192 (a. 1297 ete.); 
Adam de Bandone nephew of Adam Wade ib. 2,212; ausserdem 
noch ein Wadda presb. a. 688. Bi. 1, 72. 

Für die annahme, dass auch in England die weitere aus- 
bildung der Hildesage zur Gudrunsage bekannt gewesen sei, 
gewähren uns die literarischen quellen keinen anhalt; auch 
andere zeugnisse sind nicht beizubringen, nicht einmal der 
name der Gudrun scheint in England bekannt gewesen zu 
sein. An der einzigen stelle, wo ich Guihrun habe finden 
können, ist es überaus zweifelhaft, ob überhaupt ein frauen- 
name vorliegt; wahrscheinlich haben wir dort den nordischen 
namen Guthrun = Guthrum = Guihorm vor uns: Rodbert Alnolh 
Guthrun Turkillus Hauc Euretha Thorger Siwin im 13.jb. LV. 
p. 48. Nicht minder fraglich für eine englische trägerin dieses 
namens ist das zweite beispiel Piper, Libr. confr. 2, 676, 16 
Gundrun mitten in einer gesellschaft von meist nordisch-eng- 
lischen personen, unter denen noch einige andere berühmte 
namen vertreten sind: Gotlint 2, 675,1, Gunthere 2,676, 3, Estrid 
2, 676,4; Haldan 2,676,4 und Aarand 2,676, 1, an den Horant 
des Gudrunliedes erinnernd, den Deors klage als Heorrenda 
kennt, ohne dass sich sonst eine spur dieses namens nach- 
weisen liesse. Auch Herwig kommt erst nach der normanni- 
schen eroberung auf und ist offenbar erst epät von eingeborenen 
Engländern adoptiert worden: Alicia filia Herevici Palgrave 
Rot. 1,36; Hervicus und Herveus de Berton ibid. 1,237. 276. 283 
uud oft. Später wird es zum familiennamen Hervi (heute Har- 
vey?): Simon, William, John Hervi Sharpe, Calend. of Wills 
1, 100.585; John, Johanna, Juliana Hervy ibid.1, 16. 


4) Hug- und Wolfdietrichsage und Hartungensage. 
Müllenhoff, Die merovingische stammsage, Zs. fda. 6, 430—435; 
ders., Die austrasische Dietrichsage, ebda. 6, 435—459; ders., ebda. 11,193. 
12, 344—354; ders., Das alter des Ortnit, ebda. 13, 185—192; ders., ebda. 
30, 238—244. — Heinzel, Anz. fda. 9,251. — Sijmons, Pauls Grundr. 
2,1, 8.34—40. — Koegel, Lit.-gesch. 1, 124. 
Widerum ist es der Widsiö, der uns von der verbreitung 
der fränkischen Dietrichsage unter den Angelsachsen kunde 


200 BINZ 


gibt in v.24 Peodric weold Froncum und v.115 Seccan sohte ic 
and Beccan, Seafolan and Beodric. Der erste Deodric ist Hug- 
dietrich, d.h. der Franke Dietrich; diese epische bezeichnung 
der Franken bewahrt auch noch Beow. v.2502 Dezhrefn Huza 
cempa. Seafola und Peodric des v.115 entsprechen zweifellos 
dem Sabene und Wolfdietrich der deutschen sage, ihr platz in- 
mitten des innweorod Eormenrices erscheint zwar auffallend, 
aber doch als pendant zu dem paare Secca und Becca (= an. 
Bikki) erklärlich.!) Wenn es nun erlaubt ist, aus der mehr 
oder weniger grossen seltenheit der namen auf ein geringeres 
oder bedeutenderes mass von beliebtheit einer sage zu schliessen, 
so darf man dieser fränkischen Dietrichsage keine sehr tief- 
gehende popularität bei den Angelsachsen zuerkennen, denn 
von allen mit derselben zusammenhängenden namen begegnet 
fast keiner wider ausser dem einem ehemals besondern, alten 
mythus angehörenden des geschlechts der Hartunge, ae. Hear- 
dinzas. Ob der name Deodric da, wo er vorkommt, bekannt- 
schaft der fränkischen oder gotischen Dietrichsage voraussetzt, 
wird sich kaum entscheiden lassen; für die Angelsachsen läge 
die erste annahme näher, da der Frankenkönig Theodrie, bez. 
dessen sohn Theodbert, als vernichter des Hyzelac im kreise 
der historischen Beowulfsage eine gewisse rolle gespielt haben 
wird, und da andrerseits die gotische sage von Dietrich von 
Bern in England sich nur einer geringen verbreitung erfreut 
zu haben scheint. Der name Peodric ist bei den Angelsachsen 
ungemein spärlich vertreten: in den urkunden des südens er- 
scheint er nur einmal für einen bischof Teodoricus a. 939. Bi. 
2, 737, nur in Northumberland und in späterer zeit, vom 11.jh. 
an, finden wir ihn in einiger verbreitung: Z’heodric in der nord- 
humbr. königsliste, Sweet OET.148, 3, und viermal im LV. (Sweet) 
79.116. 212. 354. Dass der name aus Deutschland entlehnt sei, 
ist deswegen nicht unmöglich, weil sonst in England bildungen 
mit T'heod- fast ganz unbekannt sind, während die continen- 
talen dialekte eine reiche entwickelung derselben aufweisen. 
Darum halte ich es auch für wahrscheinlich, dass das häufigere 
auftreten des namens im Domesday Book normannischem ein- 


1) Anders, aber für mich nicht überzeugend, Heinzel, Ostgot. helden- 
sage 8.8f, 


ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 201 


fluss zugeschrieben werden muss: pro me Theodrico monetario 
a. 1084. Registr. Malmesb. 1,328; Theodricus aurifaber (Berks) 
DomB. 63; Teodricus aurifaber (Surrey) DomB. 31P; (Oxf.) 160P; 
Tedric, Tedricus (Essex) DomB. 86; Teoddricus (Suff.) ib. 342b; 
Teodericus (Suff.) ib.427; Teodric (Somerset) ib.92P; (Derby) 275»; 
mansio que vocalur terra ledrici quam tenuit tedricus Exon. Dom. 
897; Tedrices ham (Hereford) DomB. 134°. 

Häufiger ist der name der Hartungen!), aber nur der 
geschlechtsname, nicht der eines einzelnen gliedes desselben. 
Im LV. (Sweet) 333 begegnet ein Herdinz; im jahr 1051 und 
später lernen wir aus Kemble 4, 795 einen Hardyngus faber 
kennen, der auch im Domesday Book von Winchester 537 als 
Hardigus faber wieder zum vorschein kommt, Herdig’ faber ib. 
549; Herdig’ Brachiatus ib. 545; Herdingus ib.560; Herdingus 
reginae pincerna a. 1062. K. 4, 813; Heardinc Eadnodes sunu 
K.4,897; Hardinc Exon. Dom. 74. 158. 454.455; Hardincus ib. 
9,456; H. füius Elnodi ib.453; Hardingus filius Alnodi ib. 489. 
DomB. (Somerset) 98°; Hardingus ib. 3.4.15.16. 73.481; Har- 
dinus ib.71; Harding DomB. (Wilts) 67.68». 74; (Dorset) 82b; 
(Somerset) 90®; (Leicest.) 231®; (Warwicks.) 239; Hardinc (Suff.) 
ib.404®; Hardingus (Wilts) ib.69; (Suff.) ib. 333P; Zerding (Berks) 
ib. 63°; (Bucks) ib. 153; Herdinc (Hants) ib. 43; Heardingus im 
13.jb. im LV.s.54, ein zweiter Heardingus ib. s.55; Adam Har- 
ding Registr. Malmesb. 1, 23. 264; 2, 288.353; Henricus Harding 
ib. 2,133; John, Robert, William Harding ib.; Willielmus Harding 
Palgrave, Rotuli 1,236; Cecilia Harding etc. Sharpe, Cal. 1, 44. 
45 etc. In dieser zeit ist freilich schon lange die erinnerung 
an die sage erloschen, nur der name lebt noch fort: er erhält 
sich auch in einigen ortsnamen: Hardyngham (Norf.) a. 1352. 
Sharpe, Cal. of Wills 1, 667; Hardyngesthorn ib. 1, 668; tenemen- 
tum in Hardinghorü Palgrave, Rotuli 1, 452; Hardington und 
Herdington in verschiedenen grafschaften, Hardingestorp (North- 
.ampt.) DomB,. 1, 219%, 

5) Iring- und Irmenfriedsage. 
J.Grimm, Mythologie * s. 297 ff.; Nachtr. 107”.— W.Grimm, DHS. 


401 f. — Sijmons, Pauls Grundr. 2,1, 8.32. — Koegel, Beitr. 16, 504; 
Lit.-gesch. 1, 124 ff. 


ı) Vgl. auch v. 70 des Runenliedes: Bus (Ing) Heardingas bone 
heele nemdun. j 


202 BINZ 


Von dieser thüringischen sage besitzen wir bei den Angel- 
sachsen nur noch ganz geringe spuren, die auf einen mythus 
von Iring zurückdeuten, in den glossen Jrinzes uuec und 
Juuaringes wez als bezeichnung für die milchstrasse. Ausser- 
dem heisst noch ein cleriker /urinz im LV. (Sweet) 199. Im 
Widsiö werden zwar die Thüringer zweimal erwähnt (v. 30 
Wald [weold| Woinzum, Wod Dyrinzum und v.64 Mid Byrinzum 
ic wes and mid Prowendum), aber ohne die leiseste spur einer 
anspielung auf diese sage. 


III. Burgunder- und Nibelungensage. 


Müllenhoff, Zur geschichte der Nibelungensage, Zs. fda. 10, 146 
—180; Die alte dichtung von den Nibelungen, ebda. 23, 113—173;, Beo- 
vulf 8.104ff. — Heinzel, Ueber die Nibelungensage, Wiener SB. 109, 
671—718; Anz. fda. 15, 168. — Detter, Beitr. 18,81.— Sijmons, Pauls 
Grundr. 2, 1, 22—34. 


Dass den Angelsachsen sagen von historischen Burgunder- 
königen bekannt waren, wird man den zeugnissen des Widsid 
(v. 19. 65—67) gegenüber nicht bezweifeln können. Dieser kennt 
die Burgunder noch in ihren alten wohnsitzen um die Weichsel- 
mündung; ihr hervorragendster könig ist Gifica. Dieser name 
ist in England zwar selten, aber doch nachweisbar in der orts- 
bezeichnung Gifican cumb in einer grenzbeschreibung vom jahre 
984: andlanz stremes 00 Gofes dene ... on Willburze imare, on 
Öane zrene wei on wermundes Irew, of wermundes Tre adun ... 
on poles leaze, Öannen on mare broc ... on hicles ham ... Öannen 
to zifican cumbe ... Öannen on leofriches imare ... to alfgares 
imare K.3,641 in Wilts. Man wird hierin nicht ohne weiteres 
eine localisierung der Burgundersage erkennen dürfen, aber 
auffallend bleibt eine solche benennung um so mehr, als sonst 
die mit Geb-, Gef- zusammengesetzten namen in England nur 
spärlich vertreten sind. Ausser den von Hruschka 1, 44 f, nach- 
gewiesenen Gebmund und Gebred kenne ich nur zwei Gefuini 
im LV. (Sweet) 84. 405 sowie Geferb für Gefferb (?) in zeferbes 
hlew a. 962. Bi. 3, 1083 und Gifrec für Gefric(?) in zöfrecis ham 
a.947. Bi.2,821.. Dazu kommt noch, dass in der gleichen 
gegend auch andere sagen in den flurnamen ausdruck gefunden 
zu haben scheinen, vgl. wermundes treow. Der schluss, dass 
auch zifcan cumb einer ähnlichen erinnerung entsprungen sei, 
wird darum nicht kurzer hand abgewiesen werden können, 


ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 203 


Schon im Widsid tritt jedoch die figur des Gifica in den 
hintergrund gegen den freigebigen, mit begeistertem lobe ge- 
priesenen GuÖhere, und diesen nennt auch das erste und 
zweite Walderefragment als Guöhere wine Burzenda. Man ist 
daher erstaunt, gar nirgends diese echt englische form des 
namens anzutreffen. Nur ein einziges, dazu noch höchst pro- 
blematisches, beispiel bietet die urkunde Bi. 2,535 aus dem 
jahre 872: x cassatorum et Fazranforda dedisset Burzredus pro 
libertate equorum eius tribulariorum, et Hmwicca muda idzut 
heres ei nominalur. Dass hier eine verderbnis vorliegt, wird 
niemand bezweifeln, zumal da der abschreiber der urkunde in 
der entstellung der namen auch sonst das menschenmögliche 
leistet; man ist daher versucht zu ändern in id et zuiheres 
nominatur und «fi zulheres wuda als zweiten namen für «et 
Hwicca wuda anzusehen. Andere zusammensetzungen mit Gud- 
sind gar nicht selten, nur gerade Guöhere fehlt: im LV. findet 
‚man Gutberct, Gutfriö, Gydfriö, Gulhfriih, Guöhelm, Guthmund, 
Guduini, sonst noch Gudlac, Guömundus 2.1066. K.4, 824, Gubred 
in on Gupredes burz (Wilts) a. 921. Bi. 2,635, Gypric in Gyprices 
will 8.932. Bi. 2, 692, Guthwald minister a.914. Bi.2,638. Fremde 
abstammung tritt aber zu tage in formen wie Gundlaf a. 925. 
941. Bi.2,648, Gunred in on zunredes ford (Berks) a. 942. Bi. 
2,778, Gundwine K.4,957. Gunther begegnet nur entweder 
in der offenbar normannisch-fränkischen gestalt Gunter: Gunte- 
rum Liniet et seguelam suam a. 1051. K.4, 795; Gunter Winton 
DomB. 553; Gunter Parin. 16.547; Gunterus filius Bereng’. ib.558; 
Gunterus Exon. Dom.5. 11.17. 482; Gunter de Berqueya Palgrave, 
Rotuli 1,171; Walter Hereman Raulf Gunter Willelmus Aerni LV. 
p. 49 im 13.jh.; oder in der nordischen form Gunner: ego Gunner 
dux consensi a.931. Bi.2,677; Gunner a. 949, Bi. 3, 882; Gunner 
minister a. 956. Bi. 3, 937; Gunner dux a. 958. Bi. 3, 1043; Gunar 
dux 2.963. Bi. 3, 1112; Gunnere duci 2.963. Bi. 3,1113. Das 
letzte, dem 13. jb. angehörige, beispiel, das schon oben s. 190 
erwähnt wurde, ist auch das wichtigste: im LV.p.51 folgen 
unmittelbar auf einander Walessi Oth Gunner Seuriöe, also 
alles namen, die der Siegfried-Nibelungensage entstammen und 
deren zusammentreffen kaum cin zufälliges sein kann. Es 
scheint aus dieser stelle hervorzugehen, dass das nordische 
Gunner das altheimische Gudhere und das normannisch-deutsche 


204 BINZ 


Gunter verdrängte, denn an ein eindringen der Welsungen- 
Nibelungensage auf dem umweg über den skandinavischen 
norden zu denken, verbieten schon die übrigen namen Otk und 
Seuride, die ja in der nordischen sage ersetzt sind durch 
Grimhild und Sigurör. Es bleibt somit nur die möglichkeit einer 
einwanderung vom continent her. Dass wir berechtigt seien, 
die verbreitung der Nibelungensage schon für die altenglische 
zeit zu behaupten, ist unwahrscheinlich. Denn die anspielungen 
im Beowulf, besonders die Übertragung des drachenkampfs von 
Siegfried auf Siegmund und die vorgeschichte des hortes, den 
der von Beowulf in seinem letzten kampfe erschlagene drache 
bewacht, sind verworren und verraten nur eine mangelhafte 
sagenkenntnis der interpolatoren der: betreffenden partien, be- 
weisen aber nicht die verbreitung dieses stoffes in weiteren 
kreisen; zudem beziehen sie sich nur auf die mit der Nibelungen- 
Burgundersage noch nicht verbundene Welsungensage. Auch 
die sonst wohl als beweis angeführte situation im Waldere, die 
einen gemeinschaftlichen aufentbalt des Waldere und Hagene 
am hofe Attilas voraussetzt, scheint mir auch ohne annahme 
eines zusammenhangs mit der Nibelungensage verständlich. 
Zudem fehlen die namen, die nur in der Nibelungensage ihren 
platz finden, vor allem Grimhild, Brunhild in der ae, zeit völlig. 
Nur die heldenmutter Vote scheint bekannt gewesen zu sein: 
Ode DomB. (Hants) 49%, 51P; in englischer umgebung bei Piper, 
Libr. confr. 2, 230,6 ff.: Otpern Adelwart Adelbold Hademot Ba- 
niger Erkinbolt Hiltirat Adelpret Kelfrid (= Ceolfrith) Kelrat 
(= Ceolred) Adelwad Beretrid Uota Wolfmwae Wifun, vielleicht 
auch in ortsnamen: Oden @cer a. 946. Bi. 2,814; Odeborna Exon. 
Dom. 290; Odencolc a. 847. (Dorset) Bi.2,451; Odecoma Exon. 
Dom. 254; Odenford a.901. Bi.2,595; Odenforda Exon. Dom. 312. 
313; Odenlea ib. 392; Odenol ib. 234; Odeordi ib. 320; Odescliva 
ib. 77. 466; Odetreu ib. 390. 457; Odenwiell (Suffolk) a. 854. Bi. 
2, 480. 

Das isolierte vorkommen von Giselhere: &90o Giselhere 
episc. 2.780. Bi.1, 237; a. 781. Bi. 1,241; a. 791. Bi. 1,262, Gist- 
heres uuyrth a. 695. Bi. 1,87 (Essex) kann für die verbreitung 
der Nibelungensage nicht viel beweisen. 

Der name Nibelung ist in England vor der normannischen 
eroberung gänzlich unbekannt; erst nach 1066 lässt er sich 


ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 205 


nachweisen, aber kaum bei eingeborenen Engländern, eher bei 
normannischen einwanderern und ihren nachkommen: Niuelig 
in Yorks. DomB. 315; Niuelin ibid.; Gervasius Robertus Neue- 
linus Maria Gilebertus im 13. jh. LV. p.104; Neuelus de Bocle 
Palgrave, Rotuli 1, 171; Neuo? ibid. 1,449. Im Lib. confr., Piper 
2,656 steht unter einer anzahl englisch-nordischer namen auch 
einer verzeichnet, der durch seine augenscheinlich corrumpierte 
form auffällt: 1.23 Azer Arngrim Trogod, 1.24 Druchil Nurlang 
Werit, 25 Ascot Druogen Vulchel. Dieses Nurlang dürfte ver- 
lesen sein aus Niuelung oder Niflung. 

Während Botelune in England nicht heimisch ist, kennen 
wir einen Etla aus dem LV. (Sweet) 229, einen Artilic aus dem 
DomB. (Worcest.) 177%, Attile (Herefords.) 136°, Attules teignus 
(Middlesex) 129%, | 

Grimhild lässt sich auf englischem boden nirgends nach- 
weisen, Brunhild dagegen taucht in nachnormannischer zeit 
hie und da auf; freilich ist es schwer zu entscheiden, wie 
weit der name auch bei der englischen bevölkerung in auf- 
nahme gekommen ist. Ich kenne zwei beispiele: canonici 
Worcest. teü. 11 tra. vast. que fuerunt Brunild Lib. Wint. 554, 
und im LV. p.56 aus dem 13. jh. Geatfleda Einod Hucterd Ri- 
cardus Brihtricus Godric Brunil Aelfild. 

Die namen Sizefrid, Hazona brauchen nicht aus der 
Nibelungensage zu stammen, da sie auch in andern, in England 
verbreiteten sagen, der Finn-, Hilde- und Walthersage, vor- 
kommen und von dorther eingedrungen sein können. 

Es scheint somit als einziger schluss aus den aufgezählten 
zeugnissen allein derjenige berechtigt, dass unter den Angel- 
sachsen vor der normannischen eroberung wohl historische 
lieder über die Burgunderkönige im umlauf waren, dass ihnen 
aber die kenntnis der eigentlichen Nibelungensage erst spät, 
wahrscheinlich durch die Normannen, vermittelt wurde, aber 
ohne dass sie eine weite verbreitung hätte erlangen können; 
ein resultat, das mit dem oben über die Siegfriedsage ermittelten 
übereinstimmt. 

IV. Langobardische sagen. 

Koegel, Lit.-gesch. 1, 115 ff. 

Es ist -a priori wahrscheinlich, dass den Angelsachsen und 
den benachbarten und stammverwanten Langobarden gewisse 


206 BINZ 


‚sagen gemeinsam waren und dass auch ein austausch der von 
jedem stamme besonders ausgebildeten sagen stattfand. Dafür 
gewährt uns v.32 des Widsid ein zeugniss. Es ist ebenso ganz 
erklärlich, dass auch nach dem wegzug der Langobarden nach 
süden und ihrer ansiedelung in Italien die alten nachbarn mit 
interesse ihr schicksal weiter verfolgten und berichten über die 
sie betreffenden ereignisse, erzählungen tiber die von ihnen ge- 
feierten helden gerne aufnahme gewährten, So finden wir denn 
im Widsid eine ganze reihe langobardischer könige und recken 
aufgeführt: Zadwine, Kifwine, Elsa, #zelmund und Hunzar 
(Wids. v. 70—74; 117; vgl. 80). Näheres aber über den inhalt 
dieser langobardischen sagen erfahren wir nicht aus englischen 
quellen. Einer dieser namen geht vielleicht auf sehr alte, ge- 
meinsame angelsächsisch-langobardische überlieferung zurück: 
Elsa erscheint wider in den angelsächsischen genealogien, als 
Eisa in der westsächsischen, Alusa in der northumbrischen, 
und ist wahrscheinlich, wie die durchaus mythischen namen 
der umgebenden glieder der genealogien nahe legen, eine aus 
dem mythus herübergenommene gestalt.!) Wie weit und wie 
lange diese langobardischen sagen verbreitet waren, vermögen 
wir nicht festzustellen, auch nicht mit hilfe der eigennamen, 
da diese alle in ihren bestandteilen ebenso gut angelsächsisch 
als langobardisch sein können; immerhin ist die häufigkeit, in 
welcher diese namen zum teil auch bei den Angelsachsen auf- 
treten, besonderer beachtung wert. Zadwine im LV. (Sweet) 
18 mal, ferner Zadwine abbas a.931. K.353.357; Zadwine minister 
a. 968. K.544; a. 973. Bi. 3,1292; Zadwine ealdorman Bi. 3, 1296; 
Eadwine clericus a. 974. Bi. 3, 1299. — Zifuini LV. (Sweet) 
2,144. (213°); Zlfmwine miles a.970. Bi. 3, 1257; Z#ifwine minister 
2.970. Bi.3,1268. 1269; terra in Alfwinesfeld a.1194 (Northampt.) 
Palgrave Rot. 1,59; Zifwine bearn Hlfrices in Byrhtnods fall 
v. 209. 211. Auf ein merkwlrdiges zusammentreffen dieser 
beiden namen unter den zeugen der gleichen urkunde sei be- 
sonders aufmerksam gemacht: es unterschreiben ego Hiförydö 
regina, ego Elfwine dux, ego Beorhtnoö dux, ego Eadwine 
dux, ego Kifhoere dux, ego Köelwine dux, ego Edelweard dux, 
ego Goldwine 2.982. K.3,633. — Egilmund LV. (Sweet) 109. 


ı) Vgl. den Zi/se der deutschen heldensage, Grimu, DHS. 188. 192. 


ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 207 


163. 272, Zzelmundus princeps 8.1062. K.813, beachtenswert, 
weil Zzil- sonst im englischen selten verwendet wird. — Hunzar 
findet sich zufälligerweise nicht. — Zise a. 995. K. 6, 1290; 
Elsedune (Herefords.) DomB. 181°. 182®, 183° ete.; Zisenham 
(Essex) DomB. 2, 68°; Z/saham (Norf.) DomB. 2, 133°; Zisang- 
tone (Dorset) DomB. 80’; Z/sing Sharpe, Cal. of Wills 1,362. 562, 
637. 641. 684 ete.; John de Eisyngham ibid.1, 227, 

Von andern aus langobardischen sagen bekannten namen 
finden wir in England wider Heimzüs LV. (Sweet) 10.244 und 
Cynimund im LV. 13mal (Sweet OET. s. 560). 


V. Gotische sagen. 


Müllenhoff, Zeugnisse und excurse, Zs. fda. 12, 253—281. 354 f. — 
Sijmons, Pauls Grundr. 2, 1,40—50.— Heinzel, Ueber die ostgotische 
heldensage, Wiener SB. 119. — Koegel, Lit.-gesch. 1, 146—152. 


| 1) Ermenrichsage. 

W.Grimm, DHS. 17. 18. 21.— Müllenhoff, Zs. fda. 12, 302—306. 
30, 217—260. — Bugge, Beitr. 12,69 ff. — Bojunga, Beitr. 16, 548. 

Die bedeutung der zahlreichen poetischen zeugnisse über 
die Ermenrichsage bei den Angelsachsen (Beow. v. 1197—1201. 
Widsiö v.4—9. 18. 88— 90. 109—130. Deors klage y. 21—26) 
hat neuerdings Koegel gewürdigt; ich begnüge mich darum 
mit einem hinweis auf seine darlegungen, denen ich mich im 
ganzen anschliesse. Nur in einem punkte bin ich abweichender 
meinung. Koegel fasst, wie tibrigens alle, die vor ihm über 
den Widsid gehandelt haben, Sifecan des v. 116 als den Sibeche 
der Harlungensage auf, nachdem schon v. 115 im anschluss an 
die Herelinzas Emerca uud Fridla ein Secca und Becca (= Bikki 
der anord. sage, Bikko bei Saxo) erwähnt ist. Diese inter- 
pretation war mir schon lange verdächtig, da einerseits dieses 
Sifecan von den in v.112f. genannten Harlungen ziemlich weit 
getrennt ist und da man andrerseits einen solchen Sifeca mit 
den ihn umgebenden Heaporic, Hlibe und Inzenbeow in gar 
keine beziehung zu setzen wusste. Nachdem nun Heinzel im 
anschluss an Grundtvig in seiner abhandlung über die Hervarar- 
saga (Wiener SB. 114, 464. 491. 517), wie mir scheinen will 
überzeugend, die identität von Hiibe und Inzenbeow mit Hiob 
und Angantyr der Hervarar-Heidrekssaga dargetan hat, ist es 
mir keinen augenblick mehr zweifelhaft, dass wir auch in dem 


208 BINZ 


paare des ersten halbverses personen aus jener sage vor uns 
haben, die den v.119—130 behandelten vernichtungskampf der 
Goten gegen die Hunnen zum inhalt hatte, und zwar ist ZHea- 
poric mit ersetzung eines bei den Angelsachsen weniger ge- 
bräuchlichen namenelementes durch ein gangbareres, gleich dem 
Heiörek, und Sifeca ist Sifka, des Hunnenkönigs Humli tochter, 
die geliebte Zeiöreks und mutter des Hlob-Hlipe. So ist die 
einheit des v. 116 eine vollkommene und der anschluss an den 
zur gleichen sage gehörenden v.119 wird leich4 gewonnen 
durch eine umstellung der vv.117 und 118 unmittelbar nach 
115; diese vier langobardische namen umfassende einschiebung 
mitten unter gotischen helden wird freilich auch so noch etwas 
stören, denn Heinzels versuch einer motivierung derselben wird 
kaum allgemeinen beifall finden. 

Zu dieser auffassung stimmt auch der gebrauch der eigen- 
namen: Becca, Bicca ist gar nicht selten; Bicca als zeuge 2.658. 
Bi.1, 72; Biccan wif a.995. K.6,1290; Biccan hlew (Wilts) a. 956. 
Bi. 3, 962; Biccan pol (Hants) a. 961. Bi.3, 1066; Beccenzara 
a. 1062. K.4,813; Beccanleah (Worcest.) a. 972. Bi. 3, 1282; hun- 
dredum de Bekentre a. 1198. Palgrave Rot. 1, 183; Bicincztun 
(Southampt.) a. 959. Bi. 3,1045. Sifeca dagegen ist für personen 
ungebräuchlich, nur in einem ortsnamen, auf den schon Müllen- 
hoff flüchtig hingewiesen hat (Zs. fda. 30, 225 anm.), ist er viel- 
leicht nachweisbar, und dieses zeugnis ist um so wichtiger, als 
unmittelbar neben Seofeca (= ahd. *Sibbuho) auch der name 
eines der Harlungen, Fridela, überliefert ist: in Berkshire liegen 
in der umgebung von Henzestesiz die beiden örtlichkeiten Seo- 
fecan wyrd und Fridelaburz a. 957. Bi.3, 1002. Fraglich ist, ob 
man auch Seonecanden a.971. K.3,570, das für Seouecanden 
verlesen sein könnte, als zeugnis beiziehen darf. 

Darnach ist nun zweierlei möglich, entweder die im Widsid 
zu grunde liegende gestalt der sage wusste nur von Becca und 
Seofeca wurde erst später (von Niederdeutschland her?) den 
Angelsachsen bekannt, oder der name ‚des Sibeche ist im Wid- 
sid aus irgend einem grunde übergangen, trotzdem er neben 
Becca einen bedeutenden platz einnahm. Das letztere scheint 
wahrscheinlicher, da Sibeche doch mit dem ganzen Harlungen- 


ı) Hervararsaga s. 515f. 


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ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 209 


mythus aufs engste verknüpft sein dürfte und da ja auch der 
gewis ebenso alte beschützer der Harlungen, Zckehart, im Wid- 
sid mit keiner silbe erwähnt wird. Die ganze sage von Ermen- 
rich aber ist offenbar den Angelsachsen schon bald nach der 
übersiedelung nach England fremd geworden; nur so lässt es 
sich begreifen, dass die einst im epos hervorragenden namen 
derselben im gebrauche des täglichen lebens gar keinen wider- 
hall mehr finden. Für Ermenrich trifft man einen einzigen 
vertreter in dem kentischen könig /rminric, Iurmenric. Suanild 
findet sich erst spät: Wülielmus Permenter et Swanild vel Snamwit 
uxor eius Sharpe, Calend. of Wills 1,54, und im 13. jh. im LV. 
p. 49: Teorleda, Anna, Suain, Suanild, Blacsun, Walter, Thor, 
Hildra. Von dem brüderpaar Sarilo und Hamideoh scheint 
nur der erste name in England sich erhalten zu haben und 
auch der nur in fränkischer, jedenfalls nicht englischer form: 
Serlo im Lib. Winton. 545. 556; Serlo presb. 13.jh. LV. p.8; 
Ser! LV. p.15; Serlo p. 16. 46 wohl identisch mit dem Serlo 
de Winton bei Palgrave Rot. 1,305. 311; Serlo filius Eustaciü 
Palgrave Rot. 1, 179. 203; Serlo serviens com. de Aubemarle ib. 
1,137 und in der schon eitierten stelle bei Piper, Libr. confr. 
2,672,4ff.; Zorth Esa Sporri Thola Folkis Sorli Gude Thorkil; 
Serlebi (Nottinghams.) DomB. 1, 258°; Serlebruna (Norf.) DomB. 
2,244®; nicht deminuiert Searu prebyter a. 904. Bi. 2, 604. 612; 
ego Sedru (für Searu?) a. 904. Bi. 2, 613. 

Nur die mythischen gestalten der Harlungen und des 
Eckehart machen davon eine ausnahme. Arlingus (Essex) 
DomB. 59; Herleng (Berks) DomB.63; (Dorset) ib. 77®; (Gloucest.) 
ib. 163®; Horling (Berks) ib. 60®. 61; Herlinzaham a. 1046 (Norf.) 
K.A, 782; «et Herlinze a.1055. K.6,1339; Zerlinga DomB. (Norf.) 
2, 1276. 149%, 209%, 223°, 262%; Herlingaflet (Suff.) ibid. 2, 284; 
Simon de Herlingge Sharpe, Cal. of Wills 1,134; Gregorius de 
Herlingho Palgrave Rot.1,403; ZHerlintona (Suss.) DomB. 19°; 
Harlington (Middlesex) Sharpe, Calend, 1, 382. Doch ist es frag- 
lich, ob alle mit Herling zusammengesetzten namen auf die 
Harlungensage zurückzuführen sind: eine anzahl derselben 
stellen wahrscheinlich nur eine ableitung von einem bachnamen 
Harl dar, welchen Rieger (Zs. fda. 11, 201) für Friesland nach- 
weist. Es könnten also in manchen von jenen namen an- 
siedler friesischer herkunft reminiscenzen an ihre alte heimat 

Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. XX, 14 


210 BINZ 


haben zu worte kommen lassen, zumal da wir neben den 
namen mit Herelinz- auch Harlihorpe in Yorkshire, Harle in 
Northumberland, Zarlton in Cambridges. finden. 

Ausser in dem schon erwähnten Fridelaburzg spürt man 
vielleicht noch erinnerung an diesen Harlung in Fribelinza dic 
(Hants) a. 904. Bi. 2, 604. 

Wir haben oben angenommen, im Widsid fehle der name 
des Eckehart durch irgend einen zufall und glauben hiezu 
besonders auch deswegen berechtigt zu sein, weil Zezheard 
einer der wenigen namen aus der gotischen sage ist, die sich 
auch in England einer gewissen verbreitung erfreuen, vgl. die 
belege: Zezheard presbjt. a. 824. Bi. 1,379; Zczhard zeuge a. 835. 
Bi.1,416; Zgheard minister a. 844. Bi. 2, 447; manus Eczheard 
ministri a. 847. Bi.2, 451; a. 848. Bi. 2,452; Zxheard und Ecz- 
heard minister a. 854. Bi. 2,468. 469. 470; Eczeard minister a. 854. 
Bi. 2, 481; Zcceard smiö and KHlstan eirca a.970. Bi. 3, 1254 
werden von Geatfled freigelassen. Derselbe Zcceard smidö be- 
gegnet wider bei Kemble 4, 925. Der LV. (Sweet) 71. 72 führt 
zwei verschiedene Zczheard presbyter auf; später noch finden 
wir einen Zcardus de Bleu Palgrave Rot. 1,341, und in orts- 
namen Zczerdes hel (Oxford) a. 969. Bi. 3, 1230. 

Während in Deutschland zahlreiche beispiele des namens 
Haicho, Haihho im verein mit anderen namen aus den gotischen 
sagen die alte zugehörigkeit desselben zu Eckehart und. den 
Harlungen bezeugen, fehlt es uns in England fast gänzlich an 
anhaltspunkten dafür. Da dem ahd. 4 ae. & entspricht, so 
müsste dem hd. Haihho ein engl. Heca oder auch mit ausser- 
westsächs. lautgebung Zeca gegenüberstehen. Und dieser name 
lässt sich wirklich belegen: Heka bisceop K.4,956, Hunewine 
Heca sunu 2.1046. K. 6, 1334, Hecanize ortsname K. 6, 1368, 
Hecinzaleah (Kent) a. 934. Bi. 2,702. Davon sind aber die 
formen mit a zu trennen: Hache (Devon) DomB. Ill; Hakenei, 
Hakeneye Sharpe, Cal. of Wills passim; ZHacheborne (Berks) 
DomB. 61®. 63°; Hakeforda (Norf.) DomB. 2, 264°; Hacheham 
(Surrey) DomB. 31P; Hacheleia (Essex) DomB.2,45°; Hache- 
uuella, Hacuuella (Essex) DomB,. 2, 45%. 51°; Hacapenn und Hacan- 
pen 2.938. Bi. 2, 724; a. 939. Bi. 2, 734; Hacanpundfald a. 961. 
Bi. 3,1080; Hacheurde (Devon) DomB. 117°. Diese geheu, zum 
teil wenigstens, auf älteres Haccan zurück: Haccanbroc a. 944. 


ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 211 


Bi. 2,801; = Haccebroc a. 891. Bi. 2, 565; Haccaburna a. 891. 
Bi. 2, 565. 

Unter dem innweorod Eormenrices treten im Widsid noch 
eine ganze anzahl helden auf, mit denen wir teilweise gar 
nichts anzufangen wissen: Wulfhere und Wyrmhere, Redhere 
und Rondhere, Rumstan und Gislhere, Wiberzield und Freoberic.!) 
Freoberic wird Ermenrichs sohn sein, sein name ist auch in 
England gangbar: Frithuricus a. 675. Bi. 1,34, Freodoric abbas 
a.833. Bi. 1,411; Freöoric abbas a.843. Bi.1,442; Freothoric 
abbas a.844. Bi. 2,445; Frybericus a. 949. Bi.3, 875; Friburic 
LV. (Sweet) 251; ebenda auch Wulfheri 11. 280. 383; Uurmeri 
196; Nimstan vielleicht verlesen bez. verschrieben für Rimstan 
—= Rumstan des Wids. ibid. 254; von den anderen namen ist 
keiner belegbar. Die erste stelle unter allen nimmt aber das 
paar Wudza und Hama ein, die hier noch nicht, wie in der 
deutschen sage, von dem kreise Dietrichs von Bern attrahiert 
sind. Wenn später in den Walderebruchstücken diese be- 
ziehung zu Dietrich wenigstens bei Widia eingetreten ist, so 
beweist das für die englische entwickelung der überlieferung 
deswegen nichts, weil diese bruchstücke, wie Koegel nachweist 
(s. unten), sich eng an eine althochdeutsche vorlage anschliessen 
und also nicht englischen, sondern deutschen stand der sage 
bezeugen. Frühe dagegen gilt auch in England nach den worten 
von Deors klage Widia als sohn des Weland. Beide namen, 
Wudza und Hama, sind aber in England selten: Wudia münz- 
meister Knuts des grossen, Widia ebenso Haralds I., Zs. fda. 
12, 278; Widius (Essex) DomB.55; Emma abbisse Warewoltt. 
vIld. $ pay’, Galt eidem abdisse VI d., Widie eidem abbisse 
IIII s. Wint. Dom.550; Wdia abbi VI d. ib.549. Zweifelhaft 
ist ein Wuda: ego Wuda et Vilbroth consensi a. 127. Bi. 1,146, 
wofür Kemble Puda liest. Daneben erscheint Wudda a. 688. 
Bi. 1,71. 72, beides wol koseformen zu einem vornamen wie 

udeman 2.1066. K.918; auch in ortsnamen: io HWidianbyriz 
a. 982. K. 3, 633 (vgl. Zs. fda. 12,278); Wodiacoma Exon. Dom. 


ı) Von den liedern auf den hier nicht aufgeführten Fridigern 
nimmt Koegel, Lit.-gesch. 1,342 auf grund des namens Fribuzeorn im 
LV. 225 an, dass sie auch zu den Angelsachsen gedrungen seien. Das 
ist doch wol zu viel aus diesem namen gefolgert, dessen beide bestand- 
teile englisch oft zu namenbildungen verwendet werden. 


14* 


212 BINZ 


467. 327; Widiandun, daneben Wudiandun monasterium a. 774. 
Bi. 1,217 (Gloucest.); Wudiandun monast. a. 736. Bi.1,156. Einen 
LV. 167 verzeichneten Uychza clericus will Sweet in Uydiga 
ändern, mit welchem recht, ist nicht ersichtlich; chz kann eine 
sonst freilich seltene schreibung für cz und Uychza semit gleich- 
bedeutend sein mit Wicza Kemble 116. 159. 161. 183. 

Seines genossen Hama name ist in älterer zeit selten; erst 
unter continental-normannischem einfluss wird er häufiger: On 
da lid wes Hama suanzerefa to Suötune a. 825. Bi. 1,386; Hama 
LV. (Sweet) 210.349, sonst nur in unenglischer, aber anglisierter 
form: Hamo dapifer (Essex) DomB. 54®. 100». 106; Hamo seu 
Haimo vicecomes (Kent) DomB. 14, (Surrey) ibid. 366; HZame (Corn- 
wall) ibid. 120P; Zaminc (Sussex) 21. 21®; Zamon (Devon) 110®; 
Hamo de Ascot Palgrave Rot. 1,189. 197. 200. 453 ete.; Hamon 
filius Steingrim ibid. 1, 346; Hamo filius Wilelmi ibid. 1, 127; 
Hamo frater Thomae Brand ibid. 1,70; Hamo le barber a. 1332. 
Sharpe, Calend. 1,374. a. 1348. ibid. 1,533. a. 1353. ibid. 1, 670; 
Hamo son of Geoffrey de Bodelee a. 1341. ibid. 1,448; Hamo Box 
a. 1281. ibid. 1, 55. a. 1290. 1298. ibid. 1, 91.135; HZaiminc DomB. 
(Sussex) 20%; Haminc (Gloucest.) 169, (Nottingh.) 289, (Lincoln) 
337. 361; Haminc homo regis (Cambr.) 194®; Hamingus teign 
(Bucks.) 150; io hamen eyze (Surrey) a.889. Bi. 2,563; Haman 
fleot (Kent) a.943. Bi. 2,780; Haman funta (Hants) a. 935. Bi. 
2,707. a.980. K.3,624; Hamehala (Norf.) DomB. 2, 248. 249»; 
Hamestan (Cheshire) DomB. 1, 263». 264». 265°. 266. 267 — 
Hamistone (Devon) DomB. 101°. 105° (?); Hamestede (Middlessex) 
128°. (Suff.) 2, 134°; ZHametuna (Norf.) 2,184°. (Suff.) 2, 363»; 
Hamitone (Somerset) 88°. 93%; Hamntone (Middlesex) 130°; Aa- 
mingebi (Lincoln) 1, 349. 350®. 356; Hamingeham (Norf.) 2, 172; 
Hamingehec (Sufl.) 2, 396°; Hamingheland (Sufl.) 2, 282. 446°; 
Hamingtona Exon. Dom. 137. 294. Ä 


2) Dietrichsage. 

Müllenhoff, Zs. fda. 12, 261—263. 318—335. 380—384. W.Grimm, 
DHS. 21. 

Das einzige sichere zeugnis für die Dietrichsage auf angel- 
sächsischen: boden bilden, abgesehen von den für die englische 
überlieferung erst in zweiter linie zu berücksichtigenden Wal- 
derebruchstücken (s. unten), die v. 18. 19 aus Deors klage, 


Pe EEE 


ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 213 


die uns aber über den inhalt des von Dietrich erzählten ziem- 
lich im unklaren lassen; der text ist gerade an jener stelle 
verstüämmelt und trotzt allen deutungsversuchen. Müllenhoff 
hat dann noch eine stelle aus AElfreds Boethiusübersetzung, se 
beodric wees Amulinza, und aus den Metren des Boethius Deodric 
Amuling!) herangezogen. Diese dürften aber für eine epische 
tradition über Deodrie kaum etwas beweisen. Zunächst ist 
zu bemerken, dass die Metren neben der prosaischen übersetzung 
gar nicht in betracht kommen können, weil sie nichts anderes 
sind als eine nichts neues enthaltende, versificierende bearbeitung 
der letzteren?) und namentlich in den historischen und geogra- 
phischen angaben nirgends über AElfreds prosa hinausgehen. 
Wir haben uns also nur mit der stelle in der prosaischen Boe- 
thiusübersetzung zu befassen. Da kann nun ganz wol die notiz, 
dass Deodrie dem geschlecht der Amelungen angehöre, einer 
geschichtlichen quelle entstammen, ohne dass dem verfasser 
derselben eine in England volkstümliche sage von Dietrich 
von Bern bekannt gewesen wäre. Aus der patronymischen 
form Amulinzga darf man auch nicht zu viel schliessen, denn 
diese formen auf -inz sind ja im angelsächsischen gar nicht 
nur episch, sondern sie sind auch in prosaischen rein histori- 
schen werken, wie der Sachsenchronik, gäng und gebe. Eben- 
sowenig spricht der von Müllenhoff (Ze. fda. 12, 262) ausgehobene 
name Omolunz (Omolinz a. 700, K.33, Omulunz, Homolunch ibid. 
56.58. a. 706) speciell für bekanntschaft mit der Dietrichsage, 
da ja auch Ermenrich, dessen sage sicher nachweisbar ist, dem 
geschlechte der Amelungen angehörte. Der ganze name ist 
aber durch seine form verdächtig, da -unz im ags. sonst ganz 
unerhört ist und stets durch -inz vertreten wird; es ist also 
der träger dieses namens entweder überhaupt kein Angelsachse, 
was sich schwer constatieren lässt, oder wenn er einer ist, dann 
beweist gerade diese fremde namensform ziemlich sicher ver- 
breitung der continentalen (deutschen?) form der Amelungen-, 
nicht Dietrichsage in England im anfange des 8. jh.s. 

Es scheint vielmehr aus allem sich zu ergeben, dass die 
Dietrichsage, die ja bedeutend jünger ist als diejenige von Er- 
menrich, die Angelsachsen entweder überhaupt nicht erreichte 


1) Zs. fda. 12, 261 f. 2) Leicht, Anglia 6, 126 ff. 


214 BINZ 


oder wenigstens nicht im stande war, ein lebhafteres interesse 
bei ihnen zu erwecken. Ausser den vagen andeutungen in 
Deors klage finden wir keine spur davon, namentlich schweigen 
hier auch die namen völlig, ganz im gegensatz zu Deutschland. 
Nur zwei derselben, die wahrscheinlich ursprünglich mit der 
Dietrichsage in gar keinem zusammenhange stehen und viel- 
leicht eben den Angelsachsen noch ausserhalb desselben für 
sich bekannt waren, erscheinen auch in England, derjenige der 
Wülfinge und der des mythischen Ecke. 


‚Auch der Widsid nennt die Wülfinge: v. 29 Helm (weold) 
Wulfinzum; in ortsnamen finden wir: Wolfinzes lem (Wilts) a. 956. 
Bi. 3, 922; Wylfinzaford (Oxford) a. 940. Bi. 2, 760; Ylfinzden für 
Wyifinzden (?) (Berks) a. 956. Bi. 3,963. Den namen eines der 
angehörigen dieser familie bewahrt uns der Beowulf v. 460 f.: 

wearp he Headolafe to handbonan 

mid Wilfinzum da hine Wara (Wedera) cyn 

for herebrozan habban ne mihte: 
ich vermag aber sonst diesen namen Headolaf nirgends zu be- 
legen. Auch die in der deutschen sage berühmten namen 
Herebrant, Hildebrant und Hadubrant sind in England — und 
das bestärkt uns in der annahme von der geringen verbreitung 
der Dietrichsage — vor dem ende des 11. jh.’s völlig unbekannt. 
Die bildungen auf -Drand scheinen überhaupt den Angelsachsen 
frühe abhanden gekommen zu sein, ausser dem /nzebrand und 
Wezbrand der genealogien kenne ich nur Colbrand, Gerbrand, 
Tilbrand, Thurebrandus (Hruschka 2, 55), die entweder wie Ger- 
brand und Thurebrand ausdrücklich als Dänen bezeichnet werden 
oder durch ihre umgebung oder die ersten bestandteile den ver- 
dacht dänischer abstammung hervorrufen. Erst im DomesdayB. 
fangen diese namen an, sich zu zeigen. 


Herbrandus (Hants) DomB. 49, 53®. (Bucks) ibid. 147. (Wor- 
cest.) ibid. 175. 177, Haigh eitiert s. 66 Herebrandston in Pem- 
brokeshire. 


Hildebrand lorimarius (Norf.) DomB. 177; Helrandus (= Hil- 
debrandus?) im 13. jh. im LV. p. 77/78: in Werbeshall carrucatam 
et dimidiam quam tenuit Helrandus filius Forni ei modo tenet Wil- 
lelmus Ingelram. Kaum hieher zu stellen ist Holdabrand LV. 
p. 79 aus dem 12./13. jh., das nicht für Hildebrand verschrieben 


ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 215 


oder verlesen zu sein braucht, vgl. Holdagard, Holdigern, Holde- 
lind, Holdasinda, Holdulf bei Förstem. 1, 756. 

Für Hadubrand begegnet in England zu keiner zeit ein 
beleg, trotzdem sonst Hadu- ein in der namenbildung sehr frucht- 
bares element darstellt (vgl. Sweet OET. s. 494). 


Im gegensatz dazu ist Wulfheard sehr beliebt: contentio 
inter Headoredum episc. et Wulfheardum filium Cussan a. 789. Bi. 
1,256; Wulfheard dux a. 7195. Bi. 2,849; sign. man. Wifhardi 
episc. a. 801. Bi. 1,302; ego Wulfheard clericus a. 802. ibid. 1, 304; 
ego Wulfheard episc. a. 803. Bi. 1, 308; a. 804. Bi. 1,313; Wulf- 
ardus dux a. 825. 826. Bi. 1, 390— 393; Wlwahrd a. 844. Bi. 2, 444; 
Wulfheard presbyt. a. 849. Bi. 2, 455. a. 855. Bi. 2, 490; Uulfeard, 
Uulfheard a. 873. Bi.2,536; Wulfhard minister a.901. Bi. 2, 588, 
589; Uulfhard presbyt. a.907. Bi. 2, 615.616; ego Wulfheard mi- 
nister 8.909. Bi. 2, 623. 627—629; Wulfheard a.965. Bi. 3, 1165 
und im .LV. (Sweet) 30 mal; auch in ortsnamen: @t Wulferdes 
treo (Shrops.) a. 975. Bi. 3, 1315; Wulfheardiz stoc K. 701. 


Fraglich widerum ist das vorkommen von Alfheard = 
Alphart, Wolfharts bruder; denn der Hlfheard filius regis Ead- 
weard Bi.2,623 ist nur schreibfehler für sonstiges Zlfweard, 
und Zlferd dux a. 931. Bi. 2, 677; Hiferd minister ibid. könnten 
auch für ZHiferdö (#iferd minister a.932. Bi.2,689) oder für 
#lfred stehen, vgl. den #ifred minister in den folgenden ur- 
kunden, fast an der gleichen stelle wie #iferd in 2,677. An 
Alpharts stelle tritt später in der deutschen sage Sigestap, 
sein name ist auch in England bekannt: in einer urkunde des 
königs Eezberht vom j. 828 Bi. 1,395 unterzeichnet als zeuge 
ein Sizesteb (var. Sizesteb);!) es ist aber wol zufall, dass unter 
den übrigen zeugen auch noch ein Wulfhard dux sich befindet. 

Die kenntnis des Hildebrant und Herebrant will freilich 
Müllenhoff der altenglischen sage vindicieren, gestützt auf das 
zeugnis des afranz. gedichtes von Horn und Rimenild, in wel- 
chem neben jenen beiden als ihre brüder Godebrand (= ae. Guö- 
brand) und Rodmund (= ae. Hroömund) auftreten, was noch 
völliges verständnis für die bedeutung der namen voraussetze 
(Ze. fda. 12, 262 f.). Dieser schluss ist aber, wie Müllenhoff selbst 
zugibt, nicht zwingend, namentlich in anbetracht der späten und 


1) Ueber Sigistab s. Müllenhoff, Zs. fda. 12, 358 f. 


216 BINZ 


fremden überlieferung, in der auch andere als englische einflüsse 
im spiele gewesen sein können. 

Das geschlecht der Wülfinge ist also den Angelsachsen in 
der sage gewis nur durch ältere glieder als diejenigen der 
deutschen tradition bekannt gewesen; dass aber die Wylfinzas 
des Beowulf, und die Wulfinzas des Widsid eine und dieselbe 
sippe sind wie die deutschen Wilfinge, sichert der name Hea- 
dolaf, dessen erster bestandteil ja bei dem sohne Hildebrants 
wider auftaucht. 1 

Der name Beodric in England bildet, wie wir schon oben 
hervorgehoben haben, durchaus kein zeugnis für die gotische 
Dietrichsage, auch darum nicht, weil er ganz vereinzelt bleibt 
und von allen den namen, die dort zu ihm in verwantschaft- 
licher oder anderer beziehung stehen, auch nicht einer ausser 
Beodric bei den Angelsachsen widerkehrt; vergebens sehen wir 
uns um nach einem Dietmar, Dielleip oder Odoaker. Der ein- 
zige name, der noch an den Berner Dietrich erinnern könnte, 
ist Ecke, aber dieser ist eigentlich ein mythisches wesen und 
schliesst sich erst verhältnismässig spät an den cyklus von 
Dietrich an. So ist es auch begreiflich, dass sein name in 
England verbreitet ist. Ob aber die verschiedenen Zcza, Eczi 
alle der erinnerung an diese sagenhafte gestalt entsprungen 
oder nicht einfach kurzformen zu einer der äusserst beliebten 
zusammensetzungen mit Zcz- sind (z.b. Zczbeth, Eczbald, Ecz- 
berht, Eczburz, Eczfrip, Eczheard, Eczhun, Eczlaf, Eczmund, 
Evzred, Eczric, Eczuulf meist aus LV. Sweet OET. s. 549), muss 
freilich dahingestellt bleiben; ein dringender grund zur ersten 
annahme ist nicht zu entdecken. Wir finden: manus Eczzan 
abbatis a. 755. Bi. 1,181; III heahzerefan Ealdulf Bosinzg and 
Cynewulf and Eczan a. 7718. Sax. chron. ed. Plummer 1,53; Zcza 
LV. (Sweet) 90. 432; Zczanlea a. 1005. K.3, 714; Eczi LV. 
(Sweet) 175; in ortsnamen: Zczes den (Surrey) a. 909. Bi. 
2,627; innan Zczes wer (Middlesex) a. 972. Bi. 3,1290 (in der 
nähe von to Grendeles zatan); in nordisch-englischer gesellschaft 
ein Aygi bei Piper, Libr. confr. 2, 676,4. Häufig erscheint ausser- 
dem mit consonantenverschärfung Zcca: sign. man. Ecca Bi.i, 
35.36; sign. Ecce a.676. Bi.1,42; Ecca 2.689. Bi. 1,73; Ecca 
a.699. Bi.1,99; Acca episc. a. 716. Bi.1,91, ebenda auch Zcca; 
Ehcha 2.697. Bi.1,97.98; Beorran et Eccan concedo ,. a. 725. 


ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 217 


Bi.1,145; Zcca LV. (Sweet) 152; Zchha ibid. 53.94.96; Zccha 
prepositus DomB. (Devon) 100; Zccan treow, lo Eccan treiuue 
a. 891. Bi. 2, 563; Zccantreo a. 972. Bi. 3, 1282; Acca epise. 
a. 709.710. Bi. 1,124. 127; Zadwald Hccan sunu a. 905. Sax. 
ehron. ed. Plummer 1,94; #cce episc. orient. Anglorum Sweet 
OET. 168, 28; sign. man. Acce 8. 675. Bi. 1,40; sign. Acci a. 675. 
Bi. 1,41; ego Ecce episc. a. 705. Bi. 1,113; Zcci LV. (Sweet) 200; 
in ortsnamen: Zcewiche (?) (Somerset), Zcheburne (Devon), 
Echingtun passim, Ekincham (Norf.), Zcchingswell (Berks), Zt- 
chingham (Sussex). 


3) Walthersage. 

Müllenhoff, Zs. fda. 12,273. — Heinzel, Ueber die Walther- 
sage, Wiener SB. 117, no. 2, 1888. — Sijmons, Pauls Grundr. 2, 1, 57—59. 
— Dieter, Anglia 10,227 ff. 11,159 ff. — M.D.Learned, The Saga of 
Walther of Aquitaine. Baltimore 1892. — Koegel, Pauls Grundr. 2, 1, 181 
—185; Lit.-gesch. 1, 235—241. 

Das vertrauen, womit man bisher die beiden ae. Waldere- 
bruchstücke als originale angelsächsische schöpfungen betrachtet 
hat, ist jetzt von Koegel in überraschender weise erschüttert 
worden durch den von ihm versuchten nachweis, dass die beiden 
fragmente, teile eines grösseren, zusammenhängenden gedichtes, 
auf eine ahd. vorlage zurückgehen, dieselbe, die auch Eckehart 
bei der abfassung des Waltharius benützt habe. Seine beweis- 
führung stützt sich auf sprachliche und sachliche gründe. Den 
unbefangen nachprüfenden werden freilich die aus der sprache 
der bruchstücke gewonnenen argumente nicht alle ohne weiteres 
überzeugen. Verschiedene wörter und wortformen des Waldere 
sollen im engl. ganz ungebräuchlich, im ahd. dagegen ganz 
richtig sein; aber bei hyrdan z.b. muss Koecgel selbst zugeben, 
dass es im engl. vorkomme, wenn auch selten; andere könnten 
doch auch nur zufälligerweise nicht belegt sein, so ordwiza, 
zu dem man bildungen wie ordbana, ordfruma und die namen 
Ordlaf, Ordulf, besonders aber Ordwius und Ordwiz (Hruschka 
2,35) vergleichen möge. S/an im sinne von ‘edelstein’ fehlt 
der englischen poesie doch nicht so völlig, wie Koegel sagt: 
stane zelicasi zladum zimme Phön. 303; dass unscende = alıd. 
unscant dem ahd. originale entnommen sei, kann K. selbst nur 
als wahrscheinlich, nicht als sicher bezeichnen. Firinlih in der 
eitierten Muspillistelle mit ‘gefährlich’ zu übersetzen, statt mit 


218 BINZ 


‘grauenvoll’, wie man gewöhnlich tut, liegt kein grund vor, 
übrigens wäre der übergang von ‘gefährlich’ zu ‘ktihn’ minde- 
stens ebensogross als derjenige von ‘malitiosus, malignus’ zu 
‘verwegen, mutig’. Es bleiben dann als einzige stützen für 
Koegels ansicht nur noch die höchst unsichere interpretation 
von A 19 mel ofer mearce, das auch variation zu /urdor sein 
könnte,!) und forsoc in v.28. Die ausführungen über dieses 
wort und die daran sich knüpfende erklärung der situation 
beruhen aber offenbar auf einem versehen: /orsoc heisst nieht 
‘er verlangte’, sondern ‘er verweigerte, er schlug ab’, d.h. 
Gunther nahm das von Walther angebotene schwert und die 
kleinodien nicht an, er wollte den ganzen schatz haben. 


Scheinen also auch die rein sprachlichen gründe nicht ge- 
wichtig genug, um die annahme einer hochdeutschen vorlage 
zu rechtfertigen, so glaube ich dennoch, dass Koegel recht hat, 
wegen der zweifellosen übereinstimmung des Waldere mit dem 
lateinischen Waltlıarius in der ganzen behandlung des stoffes 
und wegen der fast völligen gleichheit im inhalt mit der ahd. 
sagengestalt, wie sie Eckehart überliefert. Die verwirrungen 
im chronologischen system, welche Müllenhoff gegen die ab- 
stammung von der gleichzeitigen deutschen überlieferung geltend 
macht, sind vielleicht doch auch in Deutschland eingetreten 
gewesen, auch ist es misslich, auf die dunkle vorgeschichte von 
Gunthers schwert, die vielleicht von dem ags. bearbeiter aus 
misverständnis noch mehr verwirrt worden ist, derartige schlüsse 
aufbauen zu wollen. Die abweichung, dass Waldere mit dem 
schwert Mimming bewaffnet ist, während er sich im Waltharius 
als vorzüglicher speerkämpfer auszeichnet, fällt nicht ins ge- 
wicht, da ja auch bei Eckehart der letzte entscheidungskampf 
gegen Guntlier und Hagen mit dem schwerte ausgefochten wird. 
Zudem geht gerade aus den worten der Hildegunt hervor, dass 
Waldere sich im schwertkampf weniger geübt fühlt, und dies 
stimmt ja genau zur ahd. sage. 


Sind aber die Walderebruchstücke nicht original ae., son- 
dern nur bearbeitung einer hochdeutschen vorlage,?) so ist auch 


!) So fassen wol auch Bugge und Kluge die sache auf mit der ände- 
rung in meeles ofer mearce. 


2) Auf die wahrscheinlichkeit einer entlehnung der namensformen 


ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 219 


ihre sagengeschichtliche bedeutung für England wesentlich ge- 
ringer, als man sie bisher angeschlagen hat; die ae. übertragung 
könnte von einem Angelsachsen herrühren, der den stoff in 
Oberdeutschland kennen lernte und eine übersetzung unternahm, 
ohne dass daraus eine verbreitung der sage in England selbst 
zu erschliessen wäre, zumal da wir ja auch in den übrigen 
denkmälern der ae. literatur kein weiteres zeugnis für die 
Walthersage antreffen. 


Trotzdem uns also durch Koegels entdeckung eine so wich- 
tige stütze entzogen ist, dürfen wir nun aber doch nicht daran 
zweifeln, dass auch zu den Angelsachsen die sage von Walther 
und Hildegunt schon frühe gelangt sei. Hier treten nun die 
eigennamen in die lücke, die uns zeigen, dass schon am ende 
des 7.jh.’s die sage in England verbreitet gewesen sein muss, 
denn die namen der beiden hauptpersonen derselben sind schon 
so frühe sehr beliebt: Wuldhere Lundon. episc. a. 680. Bi. 1, 48.49; 
Waldhere presbyt. 8.692. Bi. 1,77; Waldhere episc. 8.693. Bi. 
1,82; Waldhario, Uualdhario episcopo 8.704. Bi.1,111; Uualda- 
rius episc. a. 705. Bi. 1,113; Valdharius ib. 1,115; ego Waldhere 
a.706. Bi. 1,1175; ego sacerdos Walterus a. 706. Bi.1,118; ego 
Woaldhere miles a. 109. Bi.1, 124; ego Waldhere confirmavi a. 723 
— 740. Bi. 1,153; Uualdhere minister regis a. 814. Bi. 1, 349; 
Wealdhere presbyt. a.844. Bi. 2,445; a. 867. Bi.2,516; Wallere 
a. 925. Bi.2,648; Walterus episc. K. 4,809. 824; Ghysonem_ et 
Walterum episcopos K.4, 825; Walter ep. K. 4,833; Walder 
a.1065. K.4, 815; in ortsnamen: of Öam stanbeorze upp on 
wealderes wez lo pidles beorze, of piples beorze on widicumbes 
heafod ... (Somerset) a. 1044. K.4,774 und in einer grenz- 
beschreibung eines landstückes in Wilts a. 931: a loco qui 
appellatur fouzelmere directe per stratam usque smaleweye el ab 
eadem via usque Walderes welle et ab eodem fonte directe per 
cursum aque ... Bi.2,672. Neben dem vollnamen finden wir 
auch eine kurzform Wealda, latinisiert Waldo; ego Waldo presbyt. 
a. 901. Bi. 2,594; ego Wealda presb. a. 904, Bi. 2,612; ego Walda 
presb. a. 904. ibid. 2, 613. 


Bei der kleinen zahl von frauennamen, die uns aus alt- 


Widia und Niöhad aus deutschen quellen habe ich schon oben s. 187 und 
8. 189 hingewiesen. 


220 BINZ 


englischer zeit überliefert sind, ist es gewis kein blosser zufall, 
wenn trotzdem der name Aildizydö zweimal begegnet. Dies 
muss eine besondere beliebthleit desselben zur voraussetzung 
haben. Das eing beispiel ist Aildiziö LV. (Sweet) 40: wenn 
ib. 445 noch einmal eine Hildizyp verzeichnet ist, so bedeutet 
das nicht zwei verschiedene vertreterinnen dieses namens, Son- 
dern es sind durch irgend eli veisehen die paar weiblichen 
namen an jener zweiten stelle mitten unter männliche geraten 
und identisch mit denen der ersten stelle, die dort schon in 
der gleichen reihenfolge ihren platz im verzeichnis gefunden 
hatten. Eine andere Hilddizyb dagegen lernen wir kennen in 
der runeninschrift von Hartlepool (Sweet OET. 128) aus dem 
7. jahrh. | 

Nicht unbeliebt ist auch der name von Waldheres vater 
Xifhere; belege s. oben 8. 160. 

Originale ae. darstellungen der Walthersage sind uns also 
nicht erhalten, die hoffnung aber, dass uns ein glücklicher zu- 
fall eines tages doch noch eine solche werde bekannt werden 
lassen, ist nicht ganz aufzugeben. 


VL Verschiedene kleinere sagen. 

Müllenhoff, Zs. fda. 11, 275—284. 

Es bleiben uns nun noch einige sagen zu erwähnen, für 
die uns allein der katalog des Widsid anhaltspunkte gibt, ohne 
dass wir im stande sind, diese kurzen notizen von anderer 
seite her auch nur einigermassen aufzuhellen. Wir finden dort 
eine ganze anzahl von sagenstoffen nur durch die namen der 
haupthelden angedeutet; zum teil freilich mögen diese namen 
auch einzelnen uns bekannten sagenkreisen angehört haben, 
aber wir wissen nichts davon, weil sie in den uns sonst erhal- 
tenen quellen nicht auftreten. So hat man z.b. von Oswine 
und Gefwulf (v.26) vermutet, dass sie einst in der Finnsage 
eine rolle gespielt hätten, gestützt auf den folgenden vers, der 
durch Finn Folcwaldinz, den Friesenkönig, ausgefüllt wird. Die 
meisten dieser namen weisen schon durch ihren sinn oder ihre 
form auf mythische oder fremde abstammung hin. Mytlische 
figuren könnten Wald, der herr der Woinzas, und Wod, der herr 
der Thüringer sein; letzterer erinnert an den nordischen Öpr, 
dessen wesen und ursprung freilich noch dunkel ist; auch Holen, 


® 


ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. “IA + 


der über die Wrosnas herscht, kann dem mythus angehört haben: 
er lässt sich Askr und Embla vergleichen; sein name ist noch 
im 11.jb. nicht ausgestorben: Rad. Holinessone Winton. DomB. 
536. Fremder sage sind entsprossen Casere, der römische kaiser, 
und der Finne Celic, in welchem Heinzel (Wiener SB. 114, 506) 
den finnischen Aalew wider erkennen will. 

Nur einige wenige von diesen namen sind auch sonst in 
England gebräuchlich, und diese gehören gewis zum teil zum 
altangelsächsischen sagengut: Witta (v. 32) kommt noch in den 
genealogien und in dem ortsnamen Wittanham (Bcrks) vor a. 892. 
Bi. 2,581. — Billinz, der Warne, gehört wol einem historischen 
niederdeutschen gesehlechte an, dessen name auch in England 
lange lebendig bleibt: Billing LV. 78. 79; Billinczbroc (Worcest.) 
2.971. K.3,570; a. 972. Bi. 3, 1282; BZillingaburz (Sussex) a. 725. 
Bi. 1,144; Billinzcumb (Wilts) K. 489. 572; Billinczden (Kent) 
K.114; Billinchon a. 1060. K.4,809; Zillingaham und Billinga- 
hoth bei Simeon von Durham und ne. Billingsgat. — Hun 
(v.33), ein name, der im historischen teil der Beowulf-Hyzelac- 
sage einen platz gehabt haben mag, ist ebenfalls noch ver- 
breitet: Aunescnol a. 947. Bi. 2, 834; a. 963. Bi. 3, 1125; AZunesdun 
(Berke) a. 948. Bi. 3, 866; Huneshom a. 996. K. 3,695; Houneslawe 
Sharpe, Cal. 1,382; Hunneswyl a. 944. Bi. 2, 802 und ausser ver- 
schiedenen Huna (z. b. LV. 160, K. 4, 981) treffen wir um 824 
—826 einen Hun praefectus an Bi. 1, 377; 390—393. — Zu 
dieser gruppe gesellt sich auch Hringweald, der Herefaran könig 
(v. 34); dass die sage über ihn in England localisiert wurde, 
machen folgende ortsnamen wahrscheinlich: usyue ad collem 
Rinzwoldes a. 854. Bi. 2,476 = Hringzwoldes beorh a.938. Bi. 
2, 729; a. 941. Bi. 2,770 und Hrinzwoldes treow 3.937. Bi. 2, 714. 

Die übrigen namen vermag ich nicht in einen bekannten 
zusammenhang einzureihen. Sceafthere (v. 32) ist sonst un- 
bekannt, aber englisch nicht unmöglich, wie Sceftwine Bi.1, 111 
beweist. Meaca und Mearchealf, der Hundinz, dagegen bieten 
durch die bestandteile ihrer namen, die zum teil nicht nur eng- 
lisch, sondern allgemein germanisch durchaus unerhört sind, 
schwierigkeiten: den flywende Markolfus in Dänemark (Grimm, 
Myth.* 788) könnte auf die meinung bringen, Mearcheulf sei 
eine falsche englische widergabe von Markolf. Der gedanke 
ist aber wol zu verwerfen, weil in dem einen gespräch zwischen 


222 BINZ 


Salomo and Saturn die bekannte gestalt des Markolf ganz 
richtig Marculf!) heisst. — Pyle, der fürst der Rondingas (v. 24), 
mag einfach das zum eigenname erhobene, ein hofamt bezeich- 
nende appellativum, sein volk, die Rondinzas, eine epische 
fiction sein. 


Wir stehen am ende unserer zusammenstellung. Wenn wir 
ihr hauptergebnis kurz resumieren sollen, so können wir sagen, 
dass der altenglische besitz an germanischen sagen im wesent- 
lichen aus stoffen besteht, welche noch in der continentalen 
zeit der Angelsachsen ihre epische ausbildung erfahren hatten, 
aus niederdeutschen oder bei den Germanen um die Ostsee 
heimischen mythen, aus historischen heldensagen der germani- 
schen stämme an Ost- und Nordsee, aus den älteren sagen der 
Goten. Für die aufnahme von stoffen aus dem engeren kreise 
der Ost- und Nordsee in die epische überlieferung bildet die 
mitte des 6. jh.’s den endpunkt. Die einfübrung von sagen 
anderer germanischer stämme scheint dagegen sich nicht weiter 
als bis in die zweite hälfte des 5. jh.’s zu erstrecken; von den 
bedeutendsten epischen eyklen Deutschlands, der Siegfried-Nibe- 
lungen- und der Dietrichsage, finden wir bei den Angelsachsen 
nur kümmerliche spuren. Es scheint eben die übersiedelung 
nach England den abschluss für die eigentliche epische pro- 
duction zu bilden, darum haben auch die mit der eroberung 
Englands verknüpften kämpfe keinen nachhall im epos zu finden 
vermocht. 

Diese germanischen sagenstoffe blieben bis zum 11. jh. 
lebendig; ein weiteres fortleben lässt sich mit den uns zu ge- 
bote stehenden zeugnissen nur für die gestalten des Weland 
und Wade feststellen: die übrigen erliegen allmählich der über- 
macht jüngerer englischer localsagen von Robin Hood, Here- 
weard, Horn, Havelock, Guy von Warwick?) u.s.w. Die end- 


1) In der me. dichtung wird er durch den angeblichen sohn des 
Marculf, Hendyng (= Hunding ??), verdrängt. 

2) Robin Hood geht jedoch vielleicht auf eine alte mythische figur 
zurück; vgl. J. Grimm, Mythol.* 8.417 f. nachtr. 145. H. Bradley u.a.: 
T’'he Name of Robin Hood, Academy 1883, no. 593, 8.181; no. 596, 8. 230; 
no. 597, 8.250; no. 605, 8.384. Dafiir sprechen auch zahlreiche ortsnamen 
wie Hodes ac (Worcest.) a. 972. Bi. 3, 1282 (8.587); on hoddes clif (Wilte) 


ZEUGNISSE ZUR GERM. SAGE IN ENGLAND. 223 


giltige verdrängung des alten sagengutes vollzieht sich im ge- 
folge der nach der normannischen eroberung eindringenden 
veränderung des geschmacks mit jener vorliebe für die franzö- 
sischen romane, die wir auch in den namen z.b. im LV. recht 
deutlich zu verfolgen im stande ist; an die stelle der echt 
germanischen eigennamen treten immer häufiger fremde, von 
Frankreich importierte, und diese sind bald so zahlreich, dass 
sie nicht nur eingewanderten Normannen, sondern auch alt- 
heimischen Engländern zugehören müssen. So treffen wir im 
12.713. jb. Rolland, Oliver, Galiena, Hyun, Vivianus, Arthur, Eret 
(für Zrec?), Yweinus, Gundrie, Waleweinus, Ysolda, Odenel und 
manche ähnliche. Die alte epische Überlieferung aber ist am 
anfange des 12. jh. in England ausgestorben. 


2.560. Bi. 2, 500; on hoddis clive (Wilts) a. 940. Bi. 2,752; Arnulfus Bia- 
tric, Cristina de Hodesdene Palgrave, Rotuli 1, 149. 161. 168; hundredum 
de Hodesdon ib. 1,168. 178; Hodesdone (Herefords.) DomB. 137a. b. 139b, 
142b; (Essex) ib. 2,2b; Hodduces hanzra (Berks) a. 958. Bi. 3,1035 (Ho- 
denhelle, Hodenelle [Warwick] DomB. 1, 24032. 2433); Hodan hlew (Berks) 
2.953. Bi. 3,899. a.963. Bi. 3, 1121; diese localität heisst Zodes hleew a. 931. 
Bi. 2, 687 (ierra in Hodenho Palgrave, Rot. 1,154); Hodes hu (co. Flint) 
2.958. Bi. 3,1041 (bei Kemble Hodesuid); Hodeslacu (Berks) a. 999. K. 
3, 703; Hodan mere 3.1043. K.4,767; benorpan Hodes moere (Hants) a. 967. 
Bi. 3,1199; Aoddesstoc (Wilts) a.940. Bi.2,756. — Ein zeugnis für die 
Hornsage bietet vielleicht Aluuinus Horne (Middles.) DomB. 128b; Alu- 
uinus Horne teignus regis kdw. (Hertfords.) DomB. 142; Hornesbeorz 
(Dorset) K. 1309. a. 1035. K.6, 1322. 


BASEL. G. BINZ. 


DAS GOTISCHE WEIHNACHTSSPIEL. 


Constantin VII. Porphyrogenitus (912— 959) berichtet in 
dem 83. capitel des ersten buches seiner schrift De cerimoniis 
aulae Byzantinae!) unter der überschrift Oo« del rapapväAar- 
tew Ev To deinvo 1a ı9 anovßirwv eis TO Asyöuevov 
Torsıxov folgendes: 

T5 &vvary nuloa tis dadsxunusgov, av deonor@v Enl Tod deinvov 
xageLousvov, 6 xal TOVYnTıxöV?) noooayopsvsra, &v Taic dvolv eloodoıg 
Tod ueyalov ToıxAlvov Twv ı9' axovßirwv loravrar ol uElkovrec naikaı 
to TorYıxov ovrwg. Ev ulv TO agıorso® u£osı, &v & xal ö dgovyyaeıog 
Tot nAoluov napioraraı, loraraı 6 Tod u£povs tav Beverwv uelorwe 
uera xal olyav Innorov xal Tav navdovguorov uet& Tov navdovgwv,®) 
xal 0nı09Ev avrod ol dvo Toro Yopodvres yovvas LE avrıorodpov xal 
noöswn« dıapoowv EidEwr, Baoragovrec &v ubv TG dgıoregg zeıgl 0xXor- 
tagıa, Ev di ıy desık Beoyla. Ouolwg xal &v ro defıd ufgs, &v © xal 


‘ 


Cap. 83. 


Observanda in convivio novemdecim accubituum, seu mensarum, quo 
tempore sic dietum Gothicum celebratur. 

Nono die dodecahemeri seu duodecim illorum dierum, qui a festo 
nativitatis Christi inde proximi festive hilariterque transiguntur, Dominis 
ad coenam, quae vindemialis appellari solet, assessuris, stant in utroque 
introitu magni trielinii novendecim accubituum illi, qui, Gothicum ut lu- 
dierum edant, parati adsunt. Stant autem hoc modo. Coram sinistro 
trielinii ingressu, ubi etiam drungarius ploimi adstat, stat magister Vene- 
torum cum paucis quibusdam suae factionis plebeiis et panduristis pan- 
duras gestantibus; pone illum duo Gothi ferentes gunas, id est rhenones 
aut pallia pellicea ita, ut pilosum et villosum extroversum esset, et vultus 


1) Ich eitiere nach der ausgabe von Reiske, Corpus scriptorum his- 
toriae Byzantinae p.4, vol.1, Bonn 1829, und füge der bequemlichkeit 
halber Reiskes lateinische übersetzung hinzu. 

2) Ueber diese bezeichnung vgl. De cerim. 1.1, c.78, p.373 ff.; 1.2, 
c.52, p. 751. 

3) Nach Reiske (im index des zweiten bandes) wären darunter flöten 
zu verstehen. Aber es scheint sich eher um ein saiteninstrument zu 


DAS GOTISCHE WEIHNACHTSSPIEL. 225 


o doovyyagıoc tig Biyins naploraraı, loraraı 6 Tod u£oovg t@v Iloaalvwv 
ualstwo usa xal OAlywv dnuoTav era zal Tov navdovgLotarv UETA TOV 
navdoveav, xal Onıodev avrod ol dvo T'ordoı Yogovvreg yolvas EE av- 
LITE6YPoV zul noosowna dıiaydowv zldtar, Baorabovres &v ulv Ti agıo- 
Tep& yEıpl oxovragıa, Ev de ıH defık PBeoyla. zul dn uEra mv Tod 
Gyaıpodgoulov E&odov, TOV ÖEONOTOV XEAEVOVTOG TOV TAG TOANECNG Tov- 
tovs eloaysodaı, EUIDE Öglieı 6 Tüg TeanEöng To AKopyovrı ins IvuEing, 
xal avroc EEEEXOUEVos NnooToENEra. Tovrovg elosAdelv. ol dE ToE&XoVrTES 
zul T& 0xovrapıa dno Tav vun’ avrav Baorabousvav BEoylwv TUNTOVTES 
zal xtunov amotskoüvreg Akyovaıv "TodA TOoVA. xal TODTo GVvvexüg Ab- 
yovres av&oyovraı nAnolov ts Bacıkırjg toan&öns, wc and oAlyov dıaory- 
UATOg, KUXEIGE Mıyvvusvor AUPOTEEOL NOLOVGL KUXAOPEET Naparayıv, ol 
utv Eow Tod xUxAov anoxktıousvoı, ol dt EEwFev negıxvxioüvrec. xal 
TOvTO TELCBG HoLodvreg dıiayweisovraı, zal loravraı Eis tovc Ldlovs 
tonovg, ol ulv av Beverwv els Ta agıorepa, ol d& t@v Ilpaolvwv eis Ta 
defıa ueta xal Tov Erkowv duorov, xal Akyovamwv Gupo ta Tordıra, 


seu masqueras diversarum specierum, et in sinistra quidem manu scuta, 
in dextra vero virgas. Eadem omnia paene dicenda et intelligenda sunt 
de magistro et plebeiis quibusdam factionis Prasinae, qui ad dextrum in- 
gressum stant, adstante drungario vigiliae. Hos itaque tales Imperator, 
statim atque e sphaerodromio seu equestre cum pila ludo excesserit, intro- 
duei mandat praefecto mensae aut dapifero; et hie rursus idem archonti 
thymelae seu praefecto scenae ludorumque theatralium mandat. Hic ita- 
que posterior egressus e magno triclinio jubet illos ingredi. Accurrentes 
ergo propere simulque scuta virgis, quas gestant, pulsantes magnumque 
eo strepitum excitantes, clamant identidem: “Tul Tul’, et sic pergunt 
usque proxime ad sacram mensam; a qua quando parum absunt, con- 
currentes ibi ambae hinc et illine factiones formant aciem seu stationem 
armatam orbicularem, hi intra circulum inelusi, illi externo eirculo istos 
interiores concludentes. Hoc ordine ut ter circa sacram mensam decu- 
eurrerunt, secedit factio quaeque suum in locum, et consistunt quieti, 
Veneti quidem ad sinistram, Prasini autem ad dextram, et recitant, qui 
ex ambabus partibus Gothos referunt, carmina sic dieta Gothica, panduris 


handeln, vgl. Xovoavdos im Oeweontixöv ueya Tijc uovoxjc P.20: ano 
Ta ueApdıra Öpyava Exeivo TO önolov yalveraı EVxoAwregov Eis didakıy, 
xal TO ON0L0v EVEVOKETEL GAPEOTEEOV dıa TV Yrvogıcır TV TOVw», Nlı- 
tovwv, xal ünAdg OAmv av diaornuatwv, eivaı 7 navdovgls; Ovoudberan 
dt xal navdovon xal Yavdovoos. xaF nuäs dE Taunovga 7 Taunovg. 
&10. ” & dvo Eon, TI oxaypnv xal Tov Luyov Ent Tod Lvyod dldsı va 
deouwvraı ol Tovoı xal ta nultova. eivaı dE Toixogdov.... ai dt Xoodal 
asixıws vneglotevren, Tois xoAapoıg TEıwöousvar xal Avıkusvarn. zul uk 
Tobs daxtvkovg TS APLOTEPÄS XEIEöS narovusvan Eni Tov deoumv Tav 
Tovov, xal us Tovc tic defıäs nAntrauevan uE NAXTOOV Exrneunovav 
0kovg Tovg PHoyyovs. Und ebenso befindet sich die navdovels p. 193 
unter den aufgezählten saiteninstrumenten neben der Avpa, xı$coa u.4. 
Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. XX. 15 


226 KRAUS 


arıva eloı Taüra, dnkovorı xal Tov nardovgwv To olxelov utioc anonıy- 
govvrwr: "yavbas. Bovas . Bnxendiag . ayıa . yavdevres.. &AxmPovidsz. Evxeo- 
tus . ayıa . Bova.woa.Tovrov. Bavres. Bova Auooe . Enıoxvavres.ldcoas- 
Barovg.. vava .dEovg. d£ovg . 0EBaxıBa. vava . devuovoyvyyußeie. yvßikovc. 
yvßerages . var „ yvßlkovg. yvß&iapes.vava.tod yeydeua.dE TovAßeie. 
yızara TovAdo..vava. 0 Eiexlas Ev Toic nolkuoıs xagonkıoausvos Acov- 
olnıs.avara.rıv Einlda zul uornv Exwv Gctoü Toü Yılavdounov.vavd. 
nuvyra vnerasev E£Iv7 xal aIEov TV Tvgavvida .ayıan.ö OWTnE, ayadol 
deanoraı.vava.navra £4900v 00g doviwoeı E06 TWv nodov oug.iBER. 
(Beoleu . Tod LyyEgova . YyEOYEOEIED .vava. ıxadınae TNEPETOVEE. xai 
&i$’ oVvTwg AEyovamv ol ualotwges uer& zul Tav dnuoror To aAyaßyrapır: 
“avava. Anrınry Geov naAaun EoTEyänts, deonots, oVganv@der .. Boaßeiov 
vlens OgINTE, x00uonosmtoı evspykraı. Tevvaioı pInTE Tolc &vavrioıg, 
Aweovusvoı tois Pouaioıs Cunpopovs eVeoyEclac. zul ELF oVTwg nahm 
Akyovcıv ol ualotwoec: “aylas ta.avare averave. Evroial oas vnto 
t& on)a loyvovaı xar’ £4$owv iünavıav. Zun Poualwv xal nAodrog, 
aA)oYVAwv xatantwaıs ortwg. Hüg&ämte Teiygos tag nokıreiac. Oeog 001 
Edwxev xAudovg GUvouodpovag, EVEEYETa. zul UET& Taüra AEyovreg ol 
ualotwess noog Tovg Tordovs "aunauro, dia vevuarog ToV avrWv 
ueistwowv xuxlevovamv ol Tordoı, xal taic BEoyaıs Ta 0x0VTAELE TUN- 
tovres xal Ayovres "TovA TovA meoıxkelovow Evdodev Tovg TWv dvo 
uso@v ualotwgpac, xul narıv anozweıbousvor loravraı eig tovg olxelovc 
Tonovg, xal uoxovıuı nahır JEysıv ol Malorwgeg: It**, Kr, Aer*, 


interim modulo suo acceinentibus. Sunt autem illa Gothica haec: "yavbac. 
Bovasg [et reliqua quae Graecis e verbis repeti poterunt]. — #zechias, 
bellum adversus Assyrios gerens, Anana, unicam habens in Deo spem 
hominum amanle, Nana, subegit genties, et rebellionem ignorantium 
Deum . Hugia . Salvalor, o boni Domini, Nana, ponat, ul mancipium, 
coram pedibus vesiris omnem vobis inimicum. ber’ etc. Post haec 3 
Gothis ambarum partium dicta recitant magistri ambo una cum plebeiis 
utriusque factionis carmen hoc tot constans versibus, quot sunt alpha- 
beti Graeci litterae, unoquoque versu ab ea Graeca littera, quae sibi 
quoad numeri ordinem respondet, ordiente. Est autem hoc: ‘Anana . Ab 
invicla Dei manu coronati estis Domini coelitus Braheo victoriae. Mon- 
stralis vos toli orbi lerrarum desiderabües benefactores, Generosos et 
fortes hostibus, Donantes Romanis beneficia, quae vilam secum im- 
portant'. Post dietum hunc quaternionem verauum repetunt magistri 
formulam: ‘Hagias ta. Anate . Anelane’; et tum continnantur versus: 
‘kdicta vestra plus in hosles omnes valent, gquam arma, Vita qui eslis el 
divitiae Romanorum, praecipilium et ruina alienigenarum. Habet in vobis 
res publica munilum castrum. Throni tui collegas, o benefactor, dedit 
tibi Deus ramos florentes, leneros, a te satos’, (id est filios). Post haec 
dieta pronuntiant magistri ad Gothos hanc vocem: ‘Ampaato’, simul 
ipsis nutu manuque signum dantes; et Gothi orbem agunt, et pulsantes 
virgis scuta sua dicentesque: ‘Zw Tu!’ includunt ambo magistros; quo 
facto rursus separati ad suam quisque stationem redeunt; magistri autem 


DAS GOTISCHE WEIHNACHTSSPIEL. 227 


Meer al nalıv teisiraı, xaIws nooslonta, xal xwoıbousvov Tav 
Torswv zul eic rovg Ldlovs Tonovc lorau&vov Akyovaıv ol ualotweoeg: 
Nr, Zen Ok, PH) al nalıv teisitaı, xa9$wg noosiontar, xal 
xogıkouevor tov Tortgwv xal eic Tovc Idlovg Tonovg iorausvwv, AEyov- 
cıv ol ualorwoes: ‘ P***, Zt, Ttrr, Ye’ al nalıv vekelta, xadu G 
ngoeipntau, xal xwgıLouevov tov Tordwv xal lotauerwv els rovc ldlovg 
Tomovg, )Eyovoıv ol ualstwpes: Pos avsteılev &v To zgareı nAlov dlxenv, 
ai dostal oac. Xoıoröos ovv&oım &xXA0TW NEQLENWV TüG X00VPAG 00G, 
Pnplouerı aurov xvoLeVovrec, '2c xvoıoı xal dEENOTEL TWP NEEATWV TÄG 
E£ovolac. al UETE TV Ovuninowoıw Tod alypaßnragplov Akyovaıv: “no- 
Avyoovıov nomosı ö Geoc nv aylav Bacıkeiav aag. ol d& T'or9oı Tun- 
Tovreg usa tov Beoylov T& axovragıa xal AEYOVTES GUVEN@S ToVA TOVA, 
zo&yovreg &&koyovraı, ol utv rav Bevirwv and TOD apıoregod u£oovg, ol 
dt zwv Ilgaolvwv ano Tod defıod. 


versus suos recitare pergunt, ‘/*** K*** rk M***", Post hunc quoque 
quaternionem versuum dictum, fiunt eadem, quae modo diximus; et Gothis 
rursus separatis et restitutis in loca sua, redit orbis versiculorum decan- 
tandorum ad magistros: ‘N*** Zr* Q%#+%* IP, Post hos quatuor dictos 
versus revolvitur idem actorum ordo; et deinceps dicunt rursus' magistri 
factionum versiculos ab his litteris incipientes: ‘P*** 2** Tr yo, 
Repetitis pro ultima vice iisdem, tandem dicunt magistri haec: ‘Foras 
edunt validam lucem, et id quidem in summa vestra potestate, virlules 
vestrae, velut sol. Christus adsit unicuique vestrum, curans alque fovens 
capita vestra; Qui ipsius decreto et voluntale dominamini, O Domini et 
arbitri finium imperit'. Post finitum carmen alphabeticum dieunt magistri 
polychronium seu: ‘Multenne faciat Deus sanclum imperium vestrum'. 
Gothi autem pulsantes virgis sua scuta et ingeminantes identidem: ‘Tul, 


Tul’, et currentes exeunt, Veneti quidem a sinistra parte, Prasini autem 
a dextra. 


Bevor ich das in der hs. sich unmittelbar anschliessende 
letıxov folgen lasse (s. 5.229 f.), bemerke ich noch, dass für 
das spiel ausserdem die besprechung, die Constantin in dem 
weiten buche, c. 52, p. 741 ff. unter dem titel 4 yevedRıog Tov 
Xgı0ToV nusoa, &v 7) noorldovraı ai tov IF axovßltov &x$E- 
ces den sämmtlichen zu ehren der nativität Christi zu ver- 
anstaltenden gelagen widmet, in betracht kommt. Ich hebe nur 
das wichtigste hervor: 

p. 741: Ael yag vuäs, & YlAoı, Ev Tavıy TH FJaunga zal negidogw 
töv Xgıorod yevedilwv nuloe, yvlxa ai nokvoysdeis xal E£aicıoı av ı9' 
Rpotigovran uxovplıav ExYEosıg, &v ulv Ty Bacılızz Toaneiy Tod xoR- 
kurog Tis ueyalnc Exximalas xaleiv Elc ovveotlacıy TWv yıloyglorwv 


Nucv BaoılEwv ueyıoraras &x Tjs Pacıkızjc GvyxXAntov ToV agı9uor ıß, 
oioy uaylorgovg, npaınoalrovg, dv$vndtovg nargızlovg, GrEaTmyodg, vpYı- 


15* 


228 KRAUS 


zıallovg, oVg av Ö6EY Tobg avroxparopus Auußavsodur. Eioayeır di 
avrovg, Avsv uEvroı T@v olxeiov yAauvdav, nuyızoußvovg dE Ta xauioıe 
xal uove.... 

Das. p. 751: Enl dt tjc Evvarng nukoas av aurov axovßliwv Teiei- 
teı xAntwoıov deinvov, Ö xal TEvynTıxör xarslraı, xal del Duäc nooev- 
roenicew Eis ovveotlacw tod delnvov ıo Baoılsi YlAovg ıß', oiov ue- 
ylorpovg, avdunarovg nargızlovg, orgarnyovg 0xtw, YlAovg BovAyapwrv 
dVo, xal Tobc &xurkowv dvo dnuaexovs. no000xaAoüvraı dt ovroL napü 
tod Baoılkwc dıa Tod aprıxAlvov nowiac, xal ulvowv dıdoutvwv, GVVELdEg- 
xovraı navres ol xexinuevor £Els avveorlacw To Bacıkei noög EanEong, 
xal eloayovraı xal EEayovraı NAvtes UETa Tov olxeiov dAladıuarav xal 
naunaylaov zark& axoAovdlav xal TUNOV TWv nE0YERYpEvrwv &v Toic av. 


Das lexikon hat folgende gestalt: 


229 


DAS GOTISCHE WEIHNACHTSSPIEL, 


-19jyaygonıp 981 (19]INW) 908303034 (5 

"SUHUOSIYA SOULO 93j0Ju1L Aajınm 1aq YIyaF 9880[3 98911 (z 
-I0998 ‘sy op qgsI's ne adnyedsrsip 19p ‘“wEcI 's ne [Io} odnfedsıoA 19p ssep ‘qaou Fqlawaq 'H 
-u9g9oıdsadsn® YuRp I9WIgAM um 9][98 I9H3Ip U® gone wur 198 ‘weNgpeu 9l1q Joulau 19 I9p Jim 
“NONTDIPUNIIF Hp any :UAsSe] NZ UAWMWONNZ IJLIyOsqe anKuaF 9ula Im ‘Iyansıa ZIOH °H yaI aquy 08 

ILIOYIP Y.18)8 Iy9S Sıaynm pun soysTay uaqedsng uap uf SUONIxO] sap Zunup.loug 9Ip %q (1 


53000130314 202 € 0 mınzıa opyaoı 019x714 
"30DIPNX1D 50386 0 5ogn4p '3y3gyaoı 3p 
nana asgUuXon L Slyoıman 33 onapA34 aoı 
(9063034034 "aoag ‘ao3g & 33€ 338 "Dana 
900 53244 oYogoamd S3onyagak 
03441 201 HU1XNOX Saoyıdak 
336 339 Dana 9391 5321059Lan0x S30ny3gJak 
5036 ‘503$ ana SLıxnox 10% UAandx Saoyıyak 

(z’UAanox Susyxazanı 5036 0 ‘5036 9 Dana 
"SUAandx SUXILXZANDOUD 3yagadkakoaonzp 09 lyox 0» na0g 
'S31An0oYoXoa3 Haoıan? ngıxzng3o 10a3no0yramkn = Saıoaxa3 
Dana 5036 5036 Saozp ‘5aozp "10A3N20YNXD00U Sapraoguxyz 
104310500 SaoıngJyn23Pp) '3603010X DEFTETT TG 
31a Dahıuz HF2ARAXDıU3 149 '193340213& Spopuxıg 
‚auunAkn alynx 30onn naog JLaZZ 59409 
SFLA0FIUYDD 5312a9g01a01 3603019X Ssozand 


. 4. D 
(‚awazrlop9 Bx1g10,] B1ı a3 Aawı auxız33p 


KRAUS 


230 


Er£oa kounvia tav noosıonutvwv. 


c 


yavbas. 6 EUnDENTG. 
Bien. Texviıne. 


ayıa. Yvlarte. 
Ei. HeE 

dtc. yrohı. 
ayıa. Yuiarre. 
WER. YES. 


Bavres. EIBE 
enıoxv. Eavneo aveld. 
ld. HEewopovusvnv. 
vavd. 


0@00v Ön 0@0oV. 
veßü. xasıcov. 
vavü. 0@00v dn 0@oor. 
oyvv. e&ls ro Baoadtoov. 
BEhE. oaravc. 


Bnkovg. tod dıaßokov. 


ai AaoEc. TÜV nvevuarwv. 


’ 


Tov. GV. 

dgrovi. ESalsıyor. 
VIXATO. VIXUTW. 

vavü. 0@00v ön CW00V. 


dwug. 
EBoaı. 
Owug. 
EBoaı. 
&3ouı. 
dwus. 
E3oau. 
6wus. 
&Bouı. 
6wus. 
&3oaı. 
EBouu. 
EBouı. 
EBouı. 
&3oaı. 
E3oaı. 
bwus. 
0Wus. 
E3ouı. 
&imv. 
&3ouı. 


Bovac. xul xuAoc. 

dlac. Tas nucoac. 
yavbevreg. Ta EUNGENN. 
vıxzovi. xtrlora uov. 
Evx£oxvc. zul doyaltwc. 
Bova. To xaAor. 

Tod Tod. ou av. 

du0gE OE dyano. 


üvrec. El ınv noWrnv. 
’ > 4 

caiAßaTovs. EevnasEıav. 

deovs, d&ovc. HER, Bee. 


zıB&. wg nageyEvor. 

daıuov. oWwNra. 

yv. eis TO Baou9ooV. 

yv. Eis To Baoa$oov. 

yvß. eis To Bapadoov. 

vavd. 0W00V dN 0u 00V. 

veydeua. Ö uapyaplınc. 

BERE. Tov garavav. 

TovAdo. N TEOPN ToV gTou- 
TETUATWV. 


bwug. 
6wus. 
0Wußg. 
EBouı. 
dwus. 
dwus. 
bwus. 
6wus. 
&3ouı. 
&Bouı. 
6wus. 
EBoaı. 
E3ocı. 
EBouı. 
EBouı. 
&3oaı. 
E3ouı. 
dwug. 
&3oaı. 


dwuc. 


Bevor ich die resultate eigener untersuchung vorlege, will 
ich kurz die wichtigsten ansichten besprechen, die von anderen 


Hierauf ist bis zum nächsten capitel eine seite frei. 
über diescs spiel ausgesprochen wurden. 


Der gelehrte Reiske hat sich in dem commentar seiner 


ausgabe in eingehender weise liber den ursprung und die be- 


nächst die von Muratori (Ant. Ital. diss. 29) herangezogenen 


stellen aus Luitprand, Ennodius und Cassiodorus mit der be 
gründung ab, dass die von diesen autoren beschriebenen spiele 


deutung des Gotthieums verbreitet (p. 355—365). Er lehnt zu 


iegerischem 


ircus abgehalten und mit kr 


ın einem C 


der Goten als 


DAS GOTISCHE WEIHNACHTSSPIEL. 231 


apparate ausgestattet von dem byzantinischen spiele sehr be- 
deutend unterschieden gewesen seien. Näher stehe, was Vopiscus 
(cap. 19) über die unter der herschaft des Carinus und Numerianus 
eingeführten sarmatischen spiele berichte: mimos undique ad- 
vocavit. exhibuit et ludum Sarmalicum, quo dulcius nihil est. 
exhibuit Cyclopem. Zwar gebe Vopiscus keine nähere be- 
schreibung, aber die sarmatischen spiele wiirden unter andern 
spielen erwähnt, die alle von kriegerischem staate weit entfernt 
seien, und vor allem lasse sich in dem Cyklopenspiel der keim 
des gotischen nachweisen. Der name der spiele bedeute nicht, 
dass die Sarmaten oder Goten dieselben erfunden hätten, 
sondern vielmehr, dass angehörige dieser stämme (sowie auch 
Waräger und Franken) in ihrer volkstracht sie ausführten. 
Solche spiele seien auch nicht bloss zu den zeiten des Con- 
stantinus Porphyrogenitus und des Carinus und Vopiscus, sondern 
ebenso zu denen des Justinianus und Codinus, ja sogar noch 
heute zu finden. Folgt eine stelle aus Codinus, die mit der des 
Gotthicums in allem wesentlichen übereinstimme.!) Was das alter 
dieses spieles betreffe, so sei es sicherlich auf jene zeiten zurück- 
zuführen, in denen Goten noch im kaiserlichen kriegsdienst 
gestanden hätten, was von Justinian ab nicht mehr der fall 
gewesen sei. Heute hersche noch derselbe brauch, nur heisse 
man die acteure jetzt die knechte Ruperts. Wie jene Goten 
seien diese in tierfelle gekleidet, zögen in der ganzen stadt 
umher und schreckten mit ihren waffen; auch die zeit sei die- 
selbe (vom 25. december bis zum 6. jänner). Dass dergleichen 
auch im mittelalter geübt wurde, bewiesen zahlreiche stellen. 2) 


ı) Offie. p.90 n.12 gelegentlich der beschreibung der am byzan- 
tinischen hofe beim feste der geburt Christi üblichen feierlichkeiten: 
engeıta (nämlich, nachdem der kaiser und die vornehmen, die ihm ihre 
wünsche zum feste dargebracht, sich zu tische gesetzt haben) &oyovreı 
xal noAvyporltovow xal oi Bapayyoı xar& Tyv nargıov xal ovroL 
y).000av avıwv nyovv IyyAıorl, zal Tag NEAEXEIG KÜTOV GVYxXEOVOVTES 
XZTUNOV AnoTskoüvraı. METÜ yoüv To navrag Tod narlarlov noAvypovicaı 
xara Tasır avrov, uexoı zal rwv Baopdaoıwrwv, xata Tv TaToLov 
xzal Toutwv Ywvnv, ntoı Ilegoıoti, elsepyovran xal vi warraı xal noAv- 
1o0viGovaı, warkovres UET avIo TO xovramıov: 7 NaPFEVog ONUEEOV 
ITEEOVOLOV TIXTEL. 

2) Du Cange, Gloss. Lat. 8. v. Cervula et Jottici (ludi Gothici), Ka- 
lendae, Vetula; Vita S. Eligii 1.2, c. 15; Ugutio; Historia Turpini c.18.. 
Du Cange s. v. Kallızavröagog. 


232 KRAUS 


Die wurzel des ganzen brauches sei der glaube, dass in der 
woche nach Christi geburt zalreiche teufel die erde durchzögen, 
um ihre wut über die geburt des Christuskindleins an menschen- 
kindern auszulassen, doch reichten solche feste viel weiter 
zurück und seien gewis in letzter linie auf die Dianafeier der 
Epheser zurückzuführen.) Folgen ausführungen über die ganz 
mit den knechten Ruperts übereinstimmenden gestalten der Cy- 
klopen, sowie über andere feiern ähnlicher art, wie die brumalien 
und dergl. Auch der gebrauch, dass soldaten, musiker und 
schtiler mit ihren vorgesetzten vor die häuser der bonoratioren 
zögen, um daselbst zu singen, einen glückwunsch zum jahres- 
beginn darzubringen und eine gabe zu fordern, sei heranzu- 
zieken.?2) Schliesslich verweist R. noch auf eine in der graf- 
schaft Suffolk bestandene sitte (bombus).?) 


Auf den ausdruck ovA sowie die unverständlichen sätze 
des gotischen gesanges näher einzugehen, lehnt R. ab: ‘posset 
una et altera margarita huic sterguilinio inesse', aber der autor 
könne auch von unkundigen oder böswilligen leuten hinter- 
gangen worden sein. Das vergnügen jener zeit an solchen 
spielereien werde ausser durch die vorliegende stelle auch noch 
durch die vorschrift erwiesen, das evangelium gelegentlich einer 
papstkrönung in griechischer und hebräischer sprache von leuten 
lesen zu lassen, die weder der einen noch der andern kundig 
waren.?) 


Unter den germanisten war Massmann der erste, der das 
problem in angriff nalım.5) Ihm galt der text für unzweifelhaft 
gotisch, aber bei seiner verderbnis für nicht reconstruierbar; 
nur einzelne wörter liessen sich noch herstellen, wie gautos aus 
yavbas, gultans aus yavdevres, wiko aus Bnxndlag, ingardjans 
aus EvxeoTug, thius aus dEoVg U. 8. W. 

Die arbeit eines von Massmann erwähnten vorgängers 


1) Du Cange s.v. Karayayıa; Menolog. Basil. t.2, pag. 24, ad diem 
XXII. Januarii. 

2) Anführung einer stelle aus Tzetzes Chiliad. XIII, v. 248 f., wo die 
sitte @yvouoc genannt wird, sowie aus einer schrift über Russland. 

3) Du Cange 8. v. 

#) Coneilii Pisani acta de anno 1409, die septimi Julii. 

5) Gothica minora, Zs. fda. 1, 294—393. 


DAS GOTISCHE WEIHNACHTSSPIEL. 233 


namens Forster!), der sogar drei sprachen zur erklärung heran- 
zog, war mir nicht zugänglich. 

Ebenso ratlos wie Massmann stand J. Grimm?) der sache 
gegenüber. Zur erklärung von rovAßele und osßaxıßa sollten 
die dakischen pflanzennamen rovAßnAc und oeß« dienen. Von 
all seinen ausführungen hat nur die heranziehung des lateinischen 
jubilum in einem punkte das richtige getroffen. 

Gegenüber diesen verworrenen bestrebungen bedeutet die 
behandlung, die Za9ac?) dem texte angedeihen liess, einen 
unleugbaren fortschritt. Nachdem er eine kurze schilderung 
der äusseren umstände und des ganzen hergangs gegeben, 
bemerkt er, der hymnus selbst enthalte, was von niemand 
bemerkt scheine, vorzugsweise latein‘), und reconstruiert ihn 
auf folgende weise, indem er die einzelnen stücke je einem der 


vier Goten zuweist. 
A. Xaloers, xarol uov yeltoves.d) Ayıa. 
B. Xaoovusvoı oil ExAextol Yearal Tov Bonsai: Ayıa. 


1) A.a.o. 8.368: Forster, Geschichte d. entdeckungen und schiffahrt 
im norden, 1784, 2, 292—8. 

2) Geschichte d. deutschen sprache, Leipzig 1848, 8. 451. 

3) Iotogıxöv doxluov neol Tod Yearoov xal tng uovomxig tov Bv- 
Lavılvwv. elsaywyn, Ev Beveria, 1878, 8.189 ff. 

*, Darauf hätte Za&$ac und den gleich zu erwähnenden Müller aller- 
dings schon eine stelle aus 1.2, c.52, p. 743 f. führen können, wo es vom 
ersten der zwölf den grossen festmälern gewidmeten tage heisst: wer« 
di TnV navıwv Avasınaıv del nE00EXEIV TO uovcıxov ukhog, zal ırixa 
zo ldıov annynosı pIEyua, ESaviotaodaı anavras Ele eipnulav tov deo- 
nor@v xal tus kavrov anexdıdvoxsoga yAaurdas. arıı unv xal O0axıs 
av TO uovoıxov annıNon, xal O0axıs av Yrussıxov Tı NoÖG TEOWIV EXTE- 
1.094 noäyua, xal nvixa tı Bowoıuov &x Tis Bacılızijg TEanesng dia Tov 
TEENVOD xROTENolov nEÖG Tovs dutvuovas Eganoctainaerau. Ev d& Ty 
tovrwv ££0dw dei nooatyew Tois bwualLovsı Bovxakloıg xal ovv 
Ta AVLOV Eywvnosı NO00EXEI TO oxjua Tod x)Eıvod xaotonolov, xal 
addıs ESavıorav mavrag Tobg xexinusvovg KAnvıdopogovg dıa tig onıcHov 
JEoEwc TÜV axovßitwv, xal EnavayEıv MVTOVG Ex TOV XKUTWw nEög TmV 
vo nE00WNLRmv E£0dov TAG avriig negLödov. xal EiF OVTWGg UET« Tmv 

Toirwv Terslev vneldvow xal avrovs Tic Bacıkızng TEanEing daıtvuovac 
ESayeıv, IMAovöTı NOONOPEVOUEVOV AVTolc TOD x)Eıv00 xaaTonolov Tg 
Baaılıxns Tuulac ToanE£öng. 

5) Tavbac Bovac Bıxndiag (gaudeas, bonae viciniae). yavdevreg EAxn- 
Bovides Ev xEorvc (gaudentes electi venientes in certantes). Pova oE« 
tovrovßarreg (bona hora tibiantes). Pova auoge Emioxvavres ıde Gal- 
Batovg (bona amore En} scientes idem salvatus). 


234 KRAUS 


T. 200» xanv, « sahnıyxrai. 
A. Kainv ayanıv, & sopol xl GEEWauEvOL. 1) 
Iloog @AlnAovg dt anorTzsırousvor A&yovoı taüta. 
A. 0 Yeöc, 6 Yeoc va o& &Aenoy. Nava. 
B. Koaxta Tod daluuvog, ToV daıuovwv xal Tov dauuovıxov nver- 
uarwv. Nava. 

T. [Zu eioaı] xgaxıng Tov damuovav xal Tov nvevuarwv. Nava. 

d. Zv uagyaglıns Tov srgarod; Pinyäcaı (pAvaoeic)! 
"Oro öuoü: Nıxarw ö arouroc. Nava. 

Hierauf rüsteten sie sich für den kampf und sängen dabei 
die kriegerische stelle O ELexiag u.8.w. Sodann griffen sie auf 
den ursprünglichen gesaug zurück, dessen fortsetzung so laute: 
[Zyto] to xgaroc.?) Dann, sich gegenseitig anrufend: od noAes- 
kiorng; al, al, org&wov eig to 0onioo!?) Und schliesslich ver- 
einigten sie sich wider in dem gemeinsamen ausrufe: onadi 
(Havaros) eis cüs, ® xarmoauevoı!*) 

Während nun die Goten mit einander kämpfen, werden 
verschiedene siegesgesänge gesungen, bis die magistri den Goten 
zurufen: auporegoı eis napaotaoıv.5) Hierauf singen die Goten 
widerum, schlagen an ihre schilde und rufen zovVA, ToVA;®) 
während die magistri den alphabetischen hymnus hersingen. 
Schliesslich findet das spiel ein ende, indem die beiden die 
Goten umgebenden parteien der Grünen und Blauen im tanz- 
schritte den saal durch die einander gegenüber liegenden türen 
verlassen. 

Indem ich die widergabe der sonstigen bemerkungen des 
BSasas auf später verschiebe, wende ich mich nunmehr zu dem 
aufsatze Conrad Müllers’) Auch dieser erkannte, ohne von 


1) A&ovs, d£ovc, oeßaxıßa (deus, deus, oe vaciva). devuovoyvyyußeit 
(datuovo — jubilum), yvßlAovg, yvßeicoss (jubilum, jubiflumjlares). Toö 
y£ydsua dt tovAßels (tu gemma tuldi? Bele!)., Nıxarw roüldo (vıxarw 
tuldum). 

2) "Iso — [Peoleu (imper[ium] imperium). 

3) Tod lyy£pova' yeoysosdoo (tu in guerra‘ Eysıpe in retro). 

1) Zıxadiace neoetovges (8ica dıa oäg perituri). 

5) Aunoato (amb acto —= duyorepoı Eis Axtov [naeaoraoıv)). 

6) Wahrscheinlich aus tuldum oder nach Porphyrogenitus aus pultum 
(tooyy) entstanden. Bei den Griechen bezeichnet novA novA einen lock- 
ruf, der an haustiere und vögel gerichtet wird, um sie zum fressen auf- 
zufordern. 

?) Zs. fdph. 14, 442 — 461). 


DAS GOTISCHE WEIHNACHTSSPIEL. 235 


seinem vorgänger kunde zu haben, dass in dem texte verderbte 
lateinische wörter vorlägen. In der art, wie er zu werke geht, 
um dieselben wider herzustellen, zeigt er sich dem Griechen 
methodisch weit überlegen. Während dieser sofort daran gieng, 
den text durch conjecturalkritik zu restituieren, sucht M, nach 
sonstigen beispielen für die widergabe lateinischer wörter durch 
griechische schrift, findet solche in des Porphyrogenitus werke 
selbst und gewinnt aus ihnen feste regeln für zahlreiche ab- 
weichungen und besonderheiten. Während jener wahllos bald 
dem As$ıxov, bald der &punvia und bald seinen eignen ver- 
mutungen folgt, untersucht dieser das verhältnis der beiden cr- 
läuterungen zum texte und komnit zu dem gesicherten resultate, 
dass die &ounvia als gänzlich wertlos für die herstellung in 
keiner weise in betracht gezogen werden dürfe, während das 
As$ıxov als ein hilfsmittel von ganz beträchtlicher bedeutung 
anzusehen sei. So gelangt er schliesslich zur aufstellung des 
folgenden textes, wobei er bemerkt, dass manches im versmass 
und der alliteration an germanische dichtung gemahne: 


Gaudeas bonas vicinias! Hagia! 
Gaudete secli boni dies in certis(?)! Hagia! 
Bona hora tutubantes! 

Bona amore inspicientes! 

Inde salvatus, Nana, deus, deus! (oder: 
Inde salvatus Nana deus, deus!) 

Die vaciva, Nana, 

Daemoniei jubili 

Jubilos (Jubilus?) jubilaris, Nana, 
Jubilos (Jubilus?) jubilaris, Nana! 

Tu genite ima die, 'l'ul belle! 
Vinca(n)t, o Tul et o Nana, ... (oder: 
Tu genite ima die, 'Tul belle, 

Vincat, o Tul et o Nana! ...) 


Ueber die viel zweifelhaftere herstellung des schlusses 
kommt M. zu keiner festen entscheidung, sondern stellt als 
gleichberechtigt folgende auflösungen neben einander: 


a) Iber, hiberiem tu inger suä (!) grege retro Na, Na (Nana ?), 
sic candeas e perituris! = Iber führe den winter sammt seiner 
schar zurück! Nä, Nä (Nana?) — so strale du unter den 
dem untergang verfallenen! 


236 KRAUS 


b) Iber, Iber, jam tu, nigre, una grege relroi! Nana (?) sic 
candeas e perituris = Iber, Iber, weiche gleich, du düsterer, 
mit der einen schar zurück! u. 8. w. 

c) Iber, Iber, jam tu inger suem a grege retro! Na, Na — sicä 
adiens in perituris! = Iber, Iber, schon führe du herein den 
eber von der herde nach hinten! — Na, Na! — mit dem 
dolchmesser ihm nahend unter den zum opfer bestimmten! 


Bezüglich der wörter Tul, Nana und /ber kommt nun M. 
zu dem schlusse, dass sie die namen germanischer gottheiten 
darstellten. Seine gründe sind folgende: der eingeweihte und 
zuverlässige lexikograph übersetzt alle drei mit casus von sog, 
verstand somit unter ihnen göttliche wesen. 7uwZ speciell wird 
noch durch den beisatz tu genite ima die als solches unzweifel- 
haft. Dass! germanische bez. gotische gottheiten vorliegen, ist 
aus allem beiwerk zu entnehmen. Ein leiser zweifel, ob vav«a 
nicht etwa als ein ausruf aufzufassen sei, wie er noch an einer 
andern stelle im Liber de cerimoniis, sowie bei Luitprand vor- 
komme), wird durch hinweis auf die zuverlässigkeit des lexi- 
kographen sofort wider unterdrückt. Nur, meint M, müsse man, 
da die glossen dieses wortes immer in doppelformen gegeben 
würden (vava = 0 #eoc, d Yeög u. 8.w.), die namensform wol 
als Na oder mit nasalierung als Nan auffassen. Bezüglich der 
natur dieser gottheiten kommt M. nach ziemlich ausführlicher 
erörterung zu dem schlusse, 74! und Nana oder Na verträten 
Wodan und die alte Terra Mater, den Odin und die Frigg des 
nordens, I/ber hingegen den gott Freyr, der einen goldborstigen 
eber mit sich führte und selbst unter dem symbol eines eber- 
hauptes verehrt wurde. Das zweifelhafte dieser mutmassungen 
verhehlt sich M., wie ich ausdrücklich hervorheben will, selbst 
in keiner weise. 

Schliesslich stellt er eine hypothese über die entstehung 
des liedes auf: der julgebrauch müsse eine sitte der gotischen 
garden gewesen sein, die in früherer zeit in Byzanz kriegsdienste 
taten, und sich von diesen auf ibre nachfolger, die Waräger 


1) De cerim. p.165 Ba als gruss der cantoren, wofür jedoch Reiske 
zava (= sanctissima) einsetzt; Luitprand p. 143: me revertenti ad pa- 
latium sibi praecepit occurrere ut obviantes mihi quae prius in Stuporem 
menlis mulieres versae ‘Mana, mana’ clamabant (gloss.: i. e. mater, mater). 


DAS GOTISCHE WEIHNACHTSSPIEL. 237 


und Briten vererbt haben. Ursprünglich sei der text wol 
in gotischer sprache abgefasst gewesen, dann ins lateinische 
übertragen und schliesslich mit griechisch-christlichen zusätzen 
(ayıc und die mit ELexias beginnende stelle) versehen worden. 
Der text, wie er bei Porphyrogenitus vorliege, gehe wol auf 
ältere archivalische quellen oder frühere schriftsteller, wie Petros 
Patrikios oder Eusebios zurück. 

Eine weitere kurze besprechung hat, worauf mich Heinzel 
freundlichst aufmerksam macht, der vielseitige russische aka- 
demiker Veselovskij dem spiele gewidmet.!) Seine aus- 
führungen fussen im wesentlichen auf denen von Saas und Müller. 
Den namen zovyntınov (deinvov) erklärt er als ‘erntemal’,2) 
bringt die feier in zusammenhang mit den rosalien, brumalien 
und ähnlichen feiern, verweist bezüglich der auftretenden ‘Goten’ 
auf die rolle, welche bei ähnlichen gelegenheiten “Türken’ spiel- 
ten und erblickt in dem ganzen eine art dionysischen festes.?) 

Gegenüber der vorsicht, mit der Müller die frage behandelte, 
in gewissem sinne als rückschritt müssen die betrachtungen 
gelten, die Kögel dem Gotthicum gewidmet hat.) Nach ihm 
enthält der text den hymnus, womit die heidnischen Goten in 
der zeit der zwölf heiligen nächte den lichtgott verehrten; zu- 
gekommen sei er dem byzantinischen hofe von Italien aus und 
zwar gewis von Ravenna. Er reconstruiert denselben in folgen- 
der weise: 

. Galdeas bönas viciniäs! 

. Gaud6te böni saecli | dies incertos, haia! 

. Bona höra tütubäntds | bona amöre &pisküantes! 

. Id& salvätus nanäl | d&us deus, [haia!] 

. Die vaciva nanä! | da&monö-jujübile 

. Jubilös, jubiläris, nanä! | jubilös jubiläris, nanä! 

. Tu gegd&ma die... | Tül belle vineitö | Tül deus, nänä! 


. Iber iber jam tü | in gärvä grege | r&tröi ndnä! 
. Sie ädeas & peritüris. 


SO X 19 Gm DD DD mi 


ı) Razyskanija u.8.w., d.i. Untersuchungen auf dem gebiete der 
russischen geistlichen poesie, Petersburg 1889, 5. teil, no.14, 8. 2831—6. 
Die übersetzung der betreffenden partie verdanke ich der güte Creizenachs. 

2) Mit bezug auf eine von Tomaschek, Wiener SB. 60 (1868), s. 351 ff. 
angezogene stelle der Acta S. Stephani martyris p. 511. 

s) Ueber waffentänze, im 18. jh. im Banat zu weihnachten aufgeführt, 
vgl. Arch. f. slav. ph. 10, 352 (hinweis prof. C. Jiredeks). 

*) Geschichte der deutschen litteratur 1, 1 (Strassburg 1894), 34—39. 


238 KRAUS 


In dem beigegebenen commentar wird haia als interjection 
für das gotische in anspruch genommen, tutubantes soll ein 
fehler st. titubantes, episküantes ein halb gotisches wort sein, 
hinter die vaciva steckt ein deutsches dulbs, dwtitago, jujubile 
gibt einen gotischen imperativ *ujuwilei wider, wie garva den 
germanischen stamm garwa- enthält, Iber ist der gott Freyr, 
TovA möglicherweise eine verlesung von ZtovA u. s. w. Brauch- 
bar ist von alledem nur die vermutung, ide könnte das grie- 
chische ide meinen. Die näheren beobachtungen Kögels über 
die metrik des hymnus (er fasst ihn als ungleichstrophigen 
leich mit allen eigentümlichkeiten des deutschen versbaues auf) 
übergehe ich. 

Ich wende mich nunmehr zur darlegung der ergebnisse, 
auf die mich eine nähere untersuchung des hymnus geführt hat. 
Auszugehen war dabei von dem einzigen festen punkte, den die 
überlieferung bietet, nämlich von dem As$ıxov, während die 
£ounvia, deren wertlosigkeit Müller in einer mich vollständig 
überzeugenden weise dargetan hat, ganz aus dem spiele bleiben 
musste. 

Betrachtet man das lexikon genauer, so sieht man, dass 
die wörter hier in anderer reihe aufeinander folgen als im 
texte. Das muss einen grund haben. Nun lässt sich weder 
alphabetische noch sachliche anordnung erkennen und ebenso- 
wenig irgend ein anderes einteilungsprineip. Man wird daher 
annehmen müssen, dass die abweichungen durch zufall zu stande 
gekommen seien. Und das wird bestätigt durch die ganz 
eigentümliche natur derselben. Die ersten sieben wörter folgen 
einander wie im texte, dann finden wir, von »ava vorderhand 
abgesehen, acht wörter, die dem dritten viertel des textes in 
richtiger folge entnommen sind, dann widerum sieben in rich- 
tiger folge, die aus dem zweiten viertel stammen, und endlich 
die wörter des letzten teiles gleichfalls in derselben ordnung 
wie im texte. Dafür gibt es nur &ine erklärung: das lexikon 
war in der vorlage des schreibers doppelspaltig geschrieben, 
und es befanden sich die ersten sieben zeilen (sowie vavı) auf 
dem schlusse einer seite, die acht anderen dagegen auf dem 
anfange der folgenden seite. Also in dieser weise: 


239 


DAS GOTISCHE WEIHNACHTSSPIEL. 


‘53020123031 ‘5038 0 @ı9X1a "opyaoı 019X1A 
"30NIPNKIO ‘5036 0 508042 "zyagyaoı 3p 
"Dana 'aaglıkön U Suyoıwan 33 'nnapd43d aoı 
9083034034 ‚0036 ‘203g L 339 ‘730 „'mana 
"a0 5s3ıaaoyogoamd "S3ö0ny3gak 

-O34kı 201 'Suıxndx "Saoyıylak 


cr” 


‘336 338 g’wana '03g1 S3ıaogpkandx Saönyagak 
5038 5036 g’nana SLıxndx 10x lulanox "Saoygad 
"AM | II 


(s’ufandx Sluayxazanı (\'5036 9 9036 9 zvand 
"SlAanodx Suxıızaandoun "3y3gadknkoaonzp 
"531a20Y0Xoa3 Saoıany "ng1xng?0 
ı Dana 5036 5035 5A03p “A03p 
10A3n05mD "SA019g'Y003P} 
H31amahıuz 'S31Anaxpıu3 nıkn 
alınkn alıyox '30ona »a0g 
"S31A0IUYnD '531A0g01R01 
pi 1 


0m Lynx ‘nom na0g 
-1043no0y1amkp "Sa103Xxa? 
"1043nA0yRx000u 'S3praoglıry? 
'3603070X "Sa1a3pand 
1013402134 "Sopluxıg 

"00x "50408 

3603070X "5n5anA 


Anstatt die spalten in der durch die zahlen angedeuteten 


reihenfolge widerzugeben, geriet ein abschreiber auf die folge 


LI, II, IV. Nunmehr entspricht die reihenfolge genau der des 


1) Man beachte, wie schön sich jetzt die sonderbare stellung erklärt, 


die vava® in der hs. (8. 0. 8. 229) e 


der schreiber fand die achte 


immt 


innımm 


zeile der linken spalte leer, während die der rechten beschrieben war, 
und so nahm er zur ausfüllung das erste wort herüber, sodass die glosse 


von ihm getrennt wurde. 


Müllers abdruck, steht aber bei Reiske und 


ın 


2) Diese glosse fehlt i 


in der hs. 


240 KRAUS 


textes mit ausnahme mehrerer veva. So steht im texte vav«! 
vor deovg, deovg, hier dagegen nachher; veva«? im texte vor 
deuovoyvyyvßeis, hier nachher; vava? und veva* sind richtig 
untergebracht. Was endlich vav«a5 betrifft, so ist zu bemerken, 
dass ihm im texte kein vava entspricht, dass es aber nahe 
liegt, das einzige vava des textes, das im lexikon keine ent- 
sprechung fände (nach dem ersten yußeiapes), mit diesem »ava 5 
in verbindung zu bringen. Es bedarf dazu nur einer einleuchten- 
den erklärung für das zustandekommen des platzwechsels. Nun 
weist die oben bezüglich veva! und vava? gemachte be- 
obachtung entschieden darauf hin, dass das lexikon diese 
glossen ursprünglich gar nicht enthielt. Das ist ja auch von 
vorneherein viel wahrscheinlicher, denn wozu diese wider- 
holungen?!) Es dürfte also vava nur einmal glossiert gewesen 
sein und die übrigen »vava sind zusätze eines schreibers, der 
das lexikon zu vervollständigen trachtete. Dass diese zusätze 
ursprünglich an den rand geschrieben waren (wie jetzt noch 
&yıa in der hs.) ist von vorneherein anzunehmen und erklärt 
allein die falschen einreihungen. Das lexikon hatte also in 
einem früheren stadium folgende form:?2) (S. s. 241). 

Zur begründung dieser reconstruction folgendes. Wenn ich 
annehme, dass das lexikon zweispaltig abgefasst war und zu- 
fällig auf zwei seiten zu stehen kam, so darf ich hierbei darauf 
verweisen, dass später derselbe fall sich widerholte, wie ich im 
eingange meiner untersuchungen gezeigt habe. Wenn ich den 
auf der ersten seite geschriebenen teil gerade bis d&ovg reichen 
lasse, so geschieht dies, weil dadurch erklärt wird, wieso vape>, 
zwischen zwei spalten in gleicher höhe wie xoaxtng und wave? 
stehend, zur unrichtigen spalte gezogen werden konnte. Dass 
dieses vava® wirklich einst als einschub nach dem ersten 
yvßelopss bestimmt war, darüber lässt schon der beigesetzte 
vocativ YsE kaum einen zweifel, der einzig in dem im texte 
ganz parallel widerum nach yvßelages verwendeten »ava! 
seine entsprechung findet, während sonst vaeva immer durch 


ı) Man halte mir nicht die widerholung von yvßilovg YußEipes 
entgegen, wo die glossen wechseln. 

2) Ich bezeichne den platz, den die vav« einnehmen sollten, durch 
punktierte pfeile, den von ihnen tatsächlich eingenommenen durch ge- 
wöhnliche. 


241 


DAS GOTISCHE WEIHNACHTSSPIEL. 


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1913402134 "Soplxıg 

"Inyox ‘50408 

3803070X "Snjank 


16 


xX, 


Beiträge zur geschichte der deutschen sprache, 


242 KRAUS 


den nominativ sog glossiert ist. Aus dieser anordnung be- 
greift sich nunmehr auch ohne weiteres, warum vava! keine 
glosse hat und, ohne eine vollständige zeile zu bilden, aufnahme 
gefunden hat: weil eben deovs ohnedies die glosse He0s neben 
sich hatte, die ebenso gut für vava passte. Was endlich vava’ 
betrifft, so lag für den interpolierenden schreiber kein grund 
vor, dasselbe gleich den anderen an den rand zu setzen, da ja 
das lexikon zu ende und bis zur £rega Epunvia gewis raum 
frei war, sodass es ohne weiters in die spalte geschrieben 
werden konnte. Auch warum vava? an unrichtiger stelle er- 
scheint, ist nunmehr klar: weil vor navsvxAeng ein leerer raum 
zum beschreiben herausforderte. Derselbe interpolator schliess- 
lich, der die vava an den rand schrieb, hatte offenbar in seinem 
bestreben nach vervollständigung des lexikons die unglossierten 
worte dem texte entnommen und in der oben angedeuteten 
weise dem verzeichnis einverleibt. Als dann die einbeziehung 
der verschiedenen vava erfolgte, da schien nichts natürlicher 
als vava: neben das erste der unglossierten worte, also neben 
ißeo zu setzen, aus demselben grunde, aus dem vava? in die 
lücke vor navevxieng gerückt wurde. 

Als das ergebnis dieser untersuchungen muss, wie mir 
scheint, vorderhand betrachtet werden, dass die glosse #e£, 
9sE lediglich zu vava5 gehört und mit ißep ebensowenig etwas 
zu schaffen hat, wie z. b. vava? — 6 $eög, 6 9eos mit dem da- 
neben stehenden ravsvxieng xgavyn. Dass Müller und Kögel 
in ihrer ansicht, 9eog glossiere das wort ißse, und es sei somit 
an Freyr zu denken, nicht schon durch einen anderen umstand 
sich beirren liessen, ist seltsam genug. Bekanntlich ist der mit 
ißso beginnende teil von dem vorangehenden hymnus durch 
einige rein griechische sätze getrennt; es wäre somit höchst 
auffällig, wenn die glossierungen mit dem ersten worte des 
zweiten teiles aufhörten, statt beim letzten des ersten. Sonach 
liegt nicht der mindeste anlass vor, hinter ißepg den namen 
eines gottes zu suchen. | 

Aber die geschichte der überlieferung lässt sich noch weiter 
zurück verfolgen. Vergleicht man die glossen mit den entf- 
sprechenden lateinischen wörtern, so erkennt man, dass der 
glossator der lateinischen sprache vollkommen kundig war. 
Um so auffälliger sind die zahlreichen sinnlosen worttrennungen, 


DAS GOTISCHE WEIHNACHTSSPIEL. 243 


wie yavdevzes EAxnBovıdes st. yavdevre 0eAxnBovıdes oder 
idesaAßatovs = 0mLöuevor st. 0aAßatovs. Der so abteilte, kann 
nicht der glossator gewesen sein. Dann kann aber auch der 
glossator das lexikon nicht verfasst haben: denn bei seiner 
anordnung bliebe das entstehen der fehler ganz unerklärlich. 
Kurz gesagt, das lexikon ist jüngerer entstehung, und ursprüng- 
lich befanden sich die glossen tiber dem fortlaufenden lateinischen 
texte. Dadurch erklärt sich auch die bereits besprochene tatsache, 
dass die glossen sich nicht auch über den zweiten teil er- 
strecken: ein schreiber, der die glossen nachträglich darüber 
schrieb, glaubte seine aufgabe beendet, als er widerum auf eine 
griechische stelle stiess, und so wurden die glossen, die ur- 
sprünglich wol auch vorhanden waren, unserer kenntnis entzogen. 


Der text bot demnach einst ungefähr folgendes aussehen: 
waloeoYE xalni Yeıroveliaı xalocecHE TO00XAA0VUEVOL Aywvı- 
‚ yavlas Bövas Anxmölas ayın yavdkvres EIxnBovıdes dvxeprus 
Cousvor za won oahmibovres xaAv ayanınv Enıyvovreg wLo- 
ayıa Bova Spa tovrovßavres Bova auoge Enıoxvavres ldsoar- 


NavEvxAeng 
ANOOVVERTIXIE 


Barovsg vava deovs deovs oeßaxıda vara dsvuovoyvyyvßeis 


uevou gE0C  YE0G Eavrodc EVoyokoüvres 


»gavy7 ee sole 
z0auyzg +0Rvyn zal xgaxıng xoavyabovreg xoaxıns Ywvoßo- 
yußikovg yvßeilagss vara yvßilovs Yußeiapes 
koüvres Het, Hein HE00, Heoo LE avaroljs .n aoxjdEev ayasoc 6 HEöcg 
vava rovyeydeua de ToVAßere 
vızaro 6 BEoc. | 
vırara TovAdo vava. 


Nunmehr erklärt sich zunächst die unrichtige trennung 
mehrerer wörter. Es hat sich hier vor der abfassung des 
lexikons dasselbe abgespielt, wie wenn wir im überlieferten 
texte, der die verschiedenen lateinischen wörter durch punkte 
von einander trennt, z. b. rovzov . Bavres lesen, während zur 
zeit der abfassung des lexikons, wie ein blick auf dasselbe 
lehrt, noch die richtige schreibung rovro(lv)Bavreg (als &in wort) 
in der hs. gestanden haben muss. — Ferner wird man an- 
nehmen müssen, dass einzelne glossen, deren silbenzahl die 

16* 


244 KRAUS 


der entsprechenden lateinischen wörter um ein bedeutendes über- 
trifft, mit ihrem schlusse noch über das folgende lateinische 
wort zu stehen kamen. Damit gewinnt man eine erklärung 
des in Müllers und Koegels texte v.2 so störenden secli boni 
dies, das der glossator durch rgosxaiovuevor widergegeben 
haben soll. Die glosse bezieht sich nur auf selci, das eine 
entstellung eines ursprünglichen socäö ist. — Ferner finden wir 
manche lateinische wörter doppelt glossiert, in welchem falle 
die beiden glossen offenbar aus räumlichen gründen öfters über- 
einander geschrieben wurden. Das konnte nun leicht einen 
schreiber, der gewohnt war, in der regel nur zwei zeilen zu 
copieren, veranlassen, die mittlere der drei zeilen für die unterste, 
lateinische, und die darüber stehende zweite griechische glosse 
für die einzige zu halten. Dieser vorgang hat stattgefunden bei 
EILYVOVTES 
ENLOXVAVTES 
lung des partieips &rıox(or)ouvres. Im lateinischen texte wäre 
also das verlorengegangene inspicientes wider einzusetzen. — 

0oLouevoL 
ldeoaAßarovs 
fehlt aber nunmehr die glosse: sicherlich hat sich einfach der 
beim vorhergehenden worte begangene fehler hier fortgepflanzt. 
ide ist also die griechische glosse, und das entsprechende ecce 
gieng verloren wie das vorhergehende inspicientes. — Ferner: 
anoovvextixng ist nichts, es ist nur ein adjectiv Ovvextıxog 
belegt. «ro ist also abzutrennen. Nun kam der glossator 
an dieser stelle offenbar mit dem raum ins gedränge, da die 
vorhergehenden und folgenden glossen alle weit länger sind 
als die entsprechenden lateinischen wörter. Er unterliess also 
das wort devuovo als dem Griechen an sich verständlich zu 
glossieren. Umgekehrt fehlt im lateinischem texte die dem 
«ro entsprechende praeposition a: augenscheinlich, weil das 
auf a auslautende vava vorhergeht. — Endlich kann die glosse 
£& avaroAng n aoyn9ev sich nicht auf roo yeydeua beziehen, 
denn es ergibt sich kein entsprechendes lateinisches wort für 
letzteres. Ueberhaupt wird sich nur &in wort ausfindig machen 
lassen, das beide griechischen bedeutungen in sich vereinigt, 
nämlich ortus bez. nach ausweis der glosse ab ortu, von dem 
uns die flüchtigkeit der schreiber nur den schluss Too tüber- 


Letzteres ist nichts anderes als eine verstimme- 


Beim folgenden ist offenbar ide abzutrennen. Ihm 


DAS GOTISCHE WEIHNACHTSSPIEL. 245 


liefert hat, wenn nicht etwa ein pronomen /u vorangieng, und 
sich somit der ausfall des ab oritu per homoioteleuton erklärt: 
tu findet sich später in dem mit ißsp beginnenden satze gleich- 
falls. — Ob das folgende ysydeua de als hebdomadae aufzulösen 
ist, lasse ich dahingestellt, da ich über zovA nichts ermittelt 
habe, und somit der zusammenhang dunkel bleibt. Trifft die 
auflösung das richtige, so würde sich zugleich das fehlen der 
griechischen glosse gut erklären (wie oben bei daemono). 


Demnach wäre der text in folgender weise herzustellen: 


xalosoHE xalal Yeırovelaı xaloso$E NE00xRA0VUEVOL 

yavbas Bövas Bnxndias Ayıa yavdevre 0oxu Bovıde 
3 ’ \ a N ,,. ETIL- 
aywmvıLouEvoL zn woa vwrlnlbovreg xaAnv Ayanınv ae 


0evxeotvs üyıa Bova oopa Tovrovßavres Bova auoge [in- 


YVOyrTes 
ox[onjoüvres 


spicientes] [ecce] oaAßarovg vava deovg deovs 0veßaxıßa 


ld8 owLouevoL geöc Heöc dEavrovc EV0XO- 


TAVEVKÄENS XERVYN 


Aoüvreg ano ur KenETe Ra xoavyn xal xORxXTnS 
vova [a] devuovo yoyyußsie yußiiovg 
xoa@vVyabovres xo0Xıns Ywvoßoroüvres Yet, Yet m E00 Heov 


vußelapes vava yvßlkovg Yußelapesg vavı 


&E avaroläic n doxnser. 
tod [ab ortu] yeydeua de . 


Wir haben bisher den glossator als einen des lateinischen 
kundigen mann, der zuverlässig übersetzte, kennen gelernt, 
andrerseits gesehen, dass sich in die überlieferung des lateinischen 
textes sehr starke fehler eingeschlichen haben. Das nötigt uns, 
im zweifelfalle das latein nach den glossen zu berichtigen. 
Wir werden sonach oevxeprvs als concert(ant)es, vaAßarovg als 
salvati nos und das zweimalige yußelages als jubila(n)tes auf- 
lösen. Schliesslich ist zu beachten, dass bona amore durch den 
accusativ xaAnv aydınv glossiert ist: man wird also bonum 
amorem einzusetzen haben; dann fordert der parallelismus auch 
st. des vorhergehenden bona hora den accusativ, und wenn hier 
auch im griechischen der nominativ erscheint, so ist das sicher 


246 KRAUS 


nur fehler eines schreibers, der durch das gleichlautende darunter 
stehende ®gpa beirrt wurde. Und so kann schliesslich auch hinter 
Bovıds nichts anderes stecken als ein accusativ bonam diem. 
Inwieweit sich diese fehler graphisch erklären lassen (z. b. in- 
dem das latein ursprünglich in lateinischer schrift mit ab- 
kürzungen geschrieben war, und der griechische abschreiber die 
nasalstriche als falsche cireumflexe auffasste und demgemäss 
nicht berücksichtigte), muss dahingestellt bleiben. Ich erinnere 
aber auch, dass schon Miller gezeigt hat, dass gerade die 
widergabe der nasale öfter aus sprachlichen gründen unterblieb. 

Es ist nun an der zeit, zu untersuchen, welche bewantnis 
es mit den wörtern Ayıa und vava hat. Zunächst hebe ich 
hervor, dass dieselben (oder ähnliche) ausdrücke auch an anderen 
stellen des werkes sich finden. So heisst es im 69. capitel des 
ersten buches, 8. 320: 


xai oTe Aaußavovomw oi nvloxoı ta Enagin, Akyovoıv ol xpaxtaı 
"noArol vulv xoovoı, 7 E&v9eoc Pacıksia’. oi Ilgaoıvo 'n E&xAoyn tic 
toıadog. Ö Anöog &x y “ayıEz. ol xpaxıaı noAlol dulv xp0voı, ol YEod- 
novres tod Kvpiov. 6 Aaöcgy “ayıe. oi Ilgaoıwoı'ayıe’ u.8.w. Ferner 
8. 323 und mit wörtlicher übereinstimmung 8. 319: xal vera Taüra Atyovaıv 
ol xoaxraı Iyadıov 'avava. © Aaoc oAöc o n08os 6 av Pwualwv'. oi 
Kodzraı “yava’. 6 Aaöc “Ele duäg Öoäraı, Tobg evsoyerag, ol zodrrau 

vava’ u.8.w. Ferner 8.325: xal el ud» Exovaıv ol B&vsroı noorlunoıv, 
LEyovoıv ol xodxaı Yywynv 7x. G lyadıov "avava. 6 Anoc “dokd- 
Coutv oe, Xgiwore. oil xoaxıa "vava. 0 Jaoc Bacıled Tav alavav. 
ol xoaxtaı vava. © Aaoc UOvoysvj AöyE TOD naToog. Oi xoaxtau 
“avavayıa’. 6 kaös vu Eneoxeyvw zul EpyWrıoag. ol zoaxtaı 'vard. 
6 Anös 'Tov Aaov Gov. ol xgaxıaı "ayıa. xal 6 Aaog ‘zul &v 17 dvva- 
ueı 00v annAkakag nuäs. ol xgaxıaı 'avavıa'. O6 Auöc zul npoonyayeg 
nuäg. ol xeaxtaı 'avavaia. 0 )aog to Ged xal narei’. ol xoaxıaı 
"avavaia. 6 Anog “usoıteia. oil xoaxtaı “avavala. 6 Aaog "Tav 
nıorov Bacıldwv nuav. ol xoaxtaı avavdalia’. Ö Auög wg UOVog navto- 
duvauog. xal nalıy Akyovoiv ol xpaxraı lyadıov nY.n.d vava. Ö 
kaöc "0R0og 6 noYos rov "Ponaiwv. oil xoaxtaı “ayıan. 0 Anög “el 
buäs Öpäraı, Tovg EVEpyEerag. ol xoaxtaı“ vava' U.8.W. 

Die gegebenen beispiele werden genügen. Ich erwähne nur 
noch, dass &yız ebenso s. 327 f. 331. 351, vava, avavdia und 
ayıa 8.359 vorkommen. Schliesslich sei auf die wörter &s 
ayız, volgayız, Es, &, 020 hingewiesen, die sich s. 377, 12. 15 
finden, sowie auf das im Gotthicum selbst vorkommende aylas 
Ta.avars avesrave. 


All diese wörter und laute sind nun nichts anderes als 


DAS GOTISCHE WEIHNACHTSSPIEL. 247 


musikalische zeichen, sogenannte solmisationszeichen. Bekannt- 
lich wurden im abendlande seit dem 11.jh. die einzelnen töne 
der scala CODE Fu.s. w. mit den ausdrücken ui, re, mi, fa u.8.W. 
bezeichnet. In ähnlicher weise hatten die Griechen schon viel 
früher den einzelnen tönen namen gegeben u. 2. re, ra, 77, To, 
Te. Bei den Byzantinern nun findet sich auch noch eine andere 
solmisation, welche die vocale des griechischen alphabets teils 
mit dem buchstaben », teils mit r verbindet, wobei die vocale 
a, 0, & die ganzen, e und ı dagegen die halben töne bezeich- 
nen, wie Nevavo, vava u.s.w. Aus diesen sind dann die 
B0g. Evnynuara und ERnynuara Jeder tonart entstanden, wie 
ava Aves, val Aveg, vava Ayıa, ava val avsg, vald ayıs, 
VERVES, VEVAUW, vexzaveg Akye, val Akye vard, Aveg 
u.8.w.!) Zur unterscheidung einer jeden der acht scalen be- 
dienten sich die Byzantiner der folgenden ausdrücke: Avanes, 
Neaves, Nava, Ayıa, Aavks, Neyeayds, Avsaves, Neayız, denen 
in römischer kirchenmusik die bezeichnungen Nonannoeane, 
Noanneoane, Aianeoane, Noioeane, Noeoeane, Noioeane, Noeoagis, 
Noeagis entsprechen.?) Jene ausdrücke reichen mindestens bis 
in den anfang des 7. jh.’s zurück, wie zahlreiche inschriften auf 
byzantinischen münzen zeigen (ANANEO, EAE2, ANANEOE 


ı) So Tzetzes, Ueber die altgriechische musik in der griechischen 
kirche, München 1874, 8.134. Derselbe bemerkt noch, dass er auf eine 
ausführliche besprechung nicht eingehen könne, bevor er nicht die 
semantik in einem besonderen buche ausführlich behandelt habe. Das 
hier in aussicht gestellte werk ist m. w. nicht erschienen. — Ausser 
diesem und Z«3ac’ schon oben genanntem werke habe ich für die obige 
darstellung noch benützt: Xovoavdos, GewontTixov uEya TS Uovoıxic, 
Triest 1832, bes. 8.29 ff., 8.135 ff, XLVILff.; Christ, Ueber die harmonik 
des Manuel Bryennios und das system der byzantinischen musik, Münchener 
SB. phil.-histor. classe 1870, bd. 2, 241 ff.; Vincent, Notice sur trois manu- 
scrits grecs relatifs & la musique, Not. et extr. 16, Paris 1847; diese 
und andere von mir eingesehene schriften sind in Krumbachers aus- 
gezeichneter Geschichte der byzantinischen litteratur, München 1891, 
8. 288 f. verzeichnet. — Bourgault-Ducoudray, Etude sur la musique 
ecclesiastique Grecque, Paris 1877, war mir leider nicht zugänglich. 

2) Zardag 2.8.0. 8. 0 f.; die erstgenannten wörter heissen Y$0yyo« 
Tod To0XoÜ, 8. Xovoavdoc 8. 28, woselbst auch die bemerkung, dass 
Johannes Kukuzeles (ein byzantinischer schriftsteller des 15.— 16. jh.’s) 
über sie nähere auskunft biete; vgl. weiters Vincent a.a.o. 8. 153, 172f. 
und über den regerıcuos (eine art triller) 8. 223 f. 


4 


248 KRAUS 


und ANANEO2)!) Wieso die ausdrücke entstanden und 
welche verschiedenartige verwendung sie im laufe der zeit 
fanden, darauf brauche ich hier wol nicht einzugehen, wol aber 
ist noch aufzuklären, warum der glossator vava durch 6 Heög, 
ö eos u. dgl. tibersetzte. Die antwort ergiebt sich leicht aus 
folgenden eitaten: dunynua de dorıy n Too nyov &nıßoAn, olov 
tı Ayo Avavaravks, Onep Eorı: Ava, val üveg. av Yap TO 
apxousvov, ano Heod Opeilsı &yeıw mv apynv xal eis Tov Heov 
xatainysır heisstes in dem gesangbuch der kirche von Jerusalem, 
dem sogenannten Hagiopolites. Und Johannes Kukuzeles sagt: 
napaystar de TO utv Avavkc and ou Ava avec, ro dt Nava 
ARO TO Ava, Ava, TO dk Ayıa ARNO Tov üyız, ro dk 040» 
Co ” ” ” ” ” co . 

ovTog EXov: avas, val apes, avas, avas ayıe Aehnliche 
ableitungen gibt ein werk, Ta onuadıa ng waltıxns TEXUnS 
betitelt, wo gesagt wird, es sei Avavtc = ava&, avec, Neavkg 
— Kvpıs, üpes, Nava=Meapaxinte, 6vyXx8o0n00v, Ayıa 
= Xeoovßeiu xal Zepagpeiu.?) Schliesslich sei noch einer 
stelle gedacht, die aus einer mit des Johannes Damascenus an- 
sichten übereinstimmenden darstellung der musik entnommen ist:3) 

Tüs utv odv and tjg Movawxig anagxas To Oed xara 1oLos Avarı- 
Yevrsg, Ev Th leok warkeıv Exximola TaydEvres, Ev xaravvgsı rov Geor, 
töv doparwg Exei napovra dogoloynoousv. Kal y&o &v rafsı pyaocl tw» 
ayyeiızdvy zul aoyayysiızav Tayudıov, Tadra Ta gEıpmvousildbvra uEAn, 
xal nvevuaroxivnra Gonara ıTy Exximola Tunıxag nagedodnoer. Kai 
xaganeo Exeivou nokveudos, NoıklAwc TE xal duapogws nera yoßov xal 
evlaßelag nagLoTanEvoL co 0:0, touroR ‚axeranadstug Ayuuvodcır. ö 
ner to “Ayıog ö Beös, ayıog Toxveös, ayıos Adavarog, EAenoov nuäg’ 
aıymras Boov, 6 dt To Allmkovie‘, zei alrog ro “Ayıos, Ayıog, ayıog 
xvolog Zaßßaos', xal Eregog To "ZE Duvoduev, 08 EVA0yoDuEv, xal Ta 
Eins, zal aAlog AALo, noAla zul dıiayooa do&oAoyoüvres XOEWOTIXG, ToV 
zomtnv vuvodcıw. Ovrw xal nueis Enousvor Tovrog, xal ovvauıllo- 
uevoı, UETR Poßov xal Toouov zul noAlng eviaßslas opslkouev loracdaı, 
ta ayın avvadovres Gouara, Ev Akfecı omuavroig xal domudvrorc. 
Ovoavös yap n Exxinola naoa Tois oopoic zul Yzodıdaxtog dıdaoxaroıc 
ANEIXxöVIoTaL xal NE00NYopEvraL. TO yao "TEEEEE, xal TO ToToro’, 
xal TO "rırırı,, zal TO vevavave, xal ra Aoına, Elc Tunov Exelvwv 
tov ayyslıxav dofoloyıov, T@V omuavrois xal donuavroıs Akfscı Yıvo- 
uevwov. EI xai ai aonuavroı doxovoaı Akfzıg, alvirtovral rı. Trosı yao 
pnoı, tivı negploraseı, xal rl noocadsıg. Kal tors nog anoAoynosı To 


1) Zadag 8.8.0. 8.00Y. 
2) ZaRIag 8.2.0. 8.097, ont anm.2; vgl. ovP'. 
8%) Xovoav9og 8.2.0. 8,202 f., anm. 


a 
Sr FÜR =. © er 


{ 
! 


DAS GOTISCHE WEIHNACHTSSPIEL. 249 


xoıTy, 6EVOTN yE Yvoıs xal dıakvousvn tvyxavov, ® v9owne; Ilaoo- 

yeraı yodv To ulv 'TEQEEE, And Tod rno&ı 6oö. Tb dk Toro’, ano 
en B) Pr 

Tod "Tore Tore. To dE Tırı, and tod rl rivı”. 


Man erblickte also in den vava u. 8. w. verstümmelte an- 
rufungen gottes und deshalb erklärte unser glossator sie durch 
die zusätze Heos, He u. 8. w. 

Was nun die zweite gottheit, Iber-Freyr, betrifft, so babe 
ich schon oben s. 242 gezeigt, dass die danebenstehende glosse 
ö Beog, 0 Beög sich ursprünglich gar nicht auf ißee bezog, dass 
somit kein äusserer anhaltspunkt vorliegt, hinter diesem worte 
den namen eines gottes zu vermuten. Aufklärung über die 
bedeutung kann nur gefunden werden, wenn man den zusammen- 
hang näher ins auge fasst. Nun geht eine griechisch über- 
lieferte stelle voraus, in der es heisst, Ezechias habe, als er 
mit den Assyriern kämpfte, seine einzige hoffnung auf gott 
gesetzt und sich deshalb alle heiden und gottlosen unterworfen. 
‘Der erlöser, o guter herscher, wird auch jeden eurer feinde zu 
euren füssen niederstrecken’. Diese stelle, die in einen germanisch- 
heidnischen hymnus freilich nicht gut hineinpasst, wurde, wie 
das ja so oft geschieht, einfach als interpolation betrachtet und 
ausgeschieden. Ich halte es für vorsichtiger, mit der annahme 
von interpolationen, die meistens nur ein umgehen der erklärung 
bedeuten, weniger rasch bei der hand zu sein, zumal hier, wo 
alles so unsicher und dunkel scheint, und nehme die stelle als 
etwas ursprüngliches an. Dann erwartet man, dass nun auf 
die allgemeine ankündigung, gott werde die feinde der römischen 
kaiser besiegen, die anführung eines speciellen falles folgen 
werde, zumal sich auch die späteren alphabetischen accla- 
mationen der magistri in derselben gedankenrichtung bewegen 
(Antınra Oeod nalaum dorepdnte, deonote, ovgavodev. Boc- 
Berov viang @pInTe, xoouorodntor evsoyeraı. Tevvaloı &gy- 
Inte Tolg Evavrloıg u.8.w.). Diese erwägungen führen darauf, in 
ißeo den namen eines volkes zu suchen, das in momentaner 
feindschaft mit den Byzantinern lebte. Welches volk gemeint 
ist, ergibt sich aus den verschiedenen werken Constantins mit 
vollkommener sicherheit. Es sind die Iberer, die heutigen 
Georgier, mit denen Byzanz besonders im 10.jh. in regstem 
verkehr stand. Leider sind wir über die beziehungen des kaiser- 
tums zum Kaukasus in dieser zeit recht mangelhaft unterrichtet: 


250 KRAUS 


alles, was wir wissen, ist in einigen capiteln der schriften Con- 
stantins (De thematibus, De administrando imperio und De 
cerimoniis) enthalten. !) Aber das vorhandene dürfte für unsere 
zwecke genügen. Zunächst ist zu erwähnen, dass der kaiser 
dem oberfürsten der Iberer einen der allervornehmsten titel, den 
eines curopalata (xovooralaıns Ißeolac) verlieh.?) Derselbe 
war im regierenden hause gewissermassen erblich, während die 
agnaten sich mit geringeren würden (patriciat, protospathariat) 
begnügen mussten. Der curopalata hat vier vasallenfürsten 
unter sich und ernennt selbst könige.?) Natürlich wurden diese 
titel nur verliehen, um auf Iberien einen gewissen einfluss zu 
erhalten. Das bestreben der Byzantiner, dieses land zu ge- 
winnen, geht auch aus den spärlichen, uns erhaltenen nach- 
richten deutlich bervor. So liess unter der regierung Romanusl. 
und Constantin VII. der griechische feldherr Constantin sich 
von einem iberischen fürsten die wichtige stadt Adranutzes ab- 
treten; freilich nötigten die drohungen der übrigen Ibererfürsten 
den kaiser, die stadt zurückzugeben und seinen diener zu desa- 
vouieren. — Mehr im süden bemächtigten sich Johannes Kur- 
kuas und sein bruder Theophilus der städte Theodosiopolis, 
Mashat und Abnic. Aber die Iberer nahmen die erstere stadt 
ein, gestützt auf einen mit Constantin VII. geschlossenen ver- 
trag, dem sie eine hinterlistige ausdeutung gaben, und der kaiser 
scheint die sache nicht weiter verfolgt zu haben. — Romanus |. 
liess sich, indem er die eifersucht der fürsten von Daron aus- 
nützte, von einem derselben einen teil des fürstentumes abtreten; 
aber auch hier musste er den vereinten gegenvorstellungen der 
Ibererfürsten weichen. — Ebenso ergieng es Constantin VIL, als 
er nach dem tode eines emirs vier strategisch sehr wichtige 
städte an sich gebracht hatte: er musste sich verstehen, sie dem 
Iberer Manasgerd herauszugeben, obwohl er ihre bedeutung als 
bollwerk gegen die Perser wol erkannte.*) — Ebenso herschte 


1) Ich benutze für diese zusammenstellung das vortreffliche werk 
von Rambaud, L’empire grec au dixieme siecle, Paris 1870; weniger 
kommt in betracht Finlay, History of Greece, tom. 2, Oxford 1877. 

2) De cerim. 1.2, c.48, p. 687; näheres über diese würde in Reiskes 
commentar 8. 266 f.; De cerim. 1.2, c.52, p. 726; Rambaud p. 513. 

8) Rambaud p. 507. 511. 

+) Vgl. zur ganzen darstellung Rambaud p.516f. 497. 


DAS GOTISCHE WEIHNACHTSSPIEL. 251 


in religiöser beziehung ein starker verkehr zwischen den beiden 
reichen,!) und dass auch persönlicher verkehr der Iberer mit 
der makedonischen dynastie stattfand, beweist der aufenthalt 
des curopalata Adranase in Byzanz (um 923) u.a.m.?) Schon 
aus dem angeführten wird hervorgehen, dass es an mannig- 
fachen gelegenheiten zu kriegerischen coufliceten der beiden 
reiche nicht gefehlt hat; und wenn die byzantinischen Kaiser 
ihnen zuletzt doch regelmässig auswichen, allerdings immer mit 
entsprechender rechtsverwahrung, so bestand der grund dieser 
nachgiebigkeit einzig und allein in der furcht, die Iberer würden 
sich mit den Sarazenen verbünden. Zu einer zeit nun, wo ein 
solcher conflict drohte, muss die im Gotthicum vorkommende 
stelle abgefasst sein. Ich löse die wörter in folgender weise 
auf: Iber, Iber, jam tu incurvo tergo retroi(s)..nana. Sic adeas 
imperatores (=‘o Iberer, bald kehrst du mit gekrüimmtem rücken 
zurück: so mögest du dich den kaisern3) bittend nahen’), 
ohne jedoch damit in manchen punkten mehr als den sinn 
treffen zu wollen. Dazu sind einige bemerkungen nötig. Zu- 
nächst ist hervorzuheben, dass diese stelle sowie die vorber- 
gehende berufung auf Ezechias in passender weise von dem 
hymnus auf die folgenden acclamationen, die gleichfalls den 
sieg zum inhalt haben, überleitet. Die berufung auf erfochtene 
siege und der wunsch nach weiteren bilden den ständigen in- 
halt der acclamationen. Ich erinnere nur an das häufige rovw- 
Bnxag = tu vincas, und setze beispielsweise eine der vielen 
acclamationen her. Dem Nikephorus rufen die parteien der 
blauen und grünen zu:®) 

xaAcg 74.985, Nıxnpoge, avroxgarog Pouaiwr. 

xalög 14.Fes, Nixmpoge, avas ulyıore Poualov. 

xaAwg nı$Eg, Nixnpoos, 6 TEONWOA«UEVOg Yyalayyac nokzulwv. 

nn nn» ,06 nopsrjoacs noksız Evarriav. 


nn» » » , AVögiwWrare vıryTa, GdEIGEBAGTE. 
$) < [4 2 ” 
„ Dr) 2) Pr] „ Pr 7 3 dı OV VTETAYNOaV Eeyrvn. 


1) Rambaud p. 517 £. 

2) Rambaud p. 496. 498. 

®) Der plural braucht nicht zu befremden: schon Rambaud p. 131 
anm. bemerkt, dass der singular und plural in dem werke promiscue 
gebraucht werden; selbst innerhalb &ines capitels herscht öftersschwanken, 
wie 1.1, c. 38. 48. 

*) De cerim. 1.1, c.96, p. 438; vgl. auch 1.1, c. 69, p. 332. 


252 KRAUS 


din coö Touanı nrındels xatenıwdm. 

din voö ta oxjnton Ponalov xgarivovraı U.8.W. 

Man beachte auch, dass hier der singular Jouani für das 
volk der Araber gebraucht ist, ganz analog der verwendung 
von /ßeg. Ebenso hat der übergang von dem hymnus auf 
siegeswünsche für den kaiser seine vollkommene entsprechung 
in zahlreichen anderen acclamationen. Ich gebe widerum nur 
ein beispiel.!) Die blauen begrüssen den kaiser am tag der 
epiphanie u. a. in folgender weise: zupl Hedrntos &v Jopdavı 
pAoya oßevvVcı ng Auaprias... OÖ Ovvavapyos t& Harpi eos 
Aöyog &v Iopdarı onusgov no0NAFE Bartıodijvaı xal TV xapav 
vroxilveı doviıxös TO roodpöum, 0v ovpavav ai dvvausız 
to&uovoı. xaFogWoaı. al 0 TOV x00u0v» Ywmrioas Ty aurov 
Zrıpaveia vıpoceı xal ueyaAüveı TO xpdTog tn Tumv Baoılelag 
els evruglav xal dogav Pouelov. 

Aus der eben angeführten stelle ergibt sich zugleich, in 
welcher weise man den ersten teil des hymnus aufzufassen hat: 
er ist nichts als eine aufforderung zum jubel über die geburt 
Christi, an die sich wünsche für den kaiser anschliessen, wie 
dort an die taufe Christi im Jordan. Ich setze den text des 
gereinigten hymnus oder, wie wir nun mit mehr recht sagen 
dürfen, der acelamation, her: Gaudeas, bonas vicinias, hagia! 
Gaudele, socii, bonam diem concertantes, hagia! bonam horam 
tulubantes, bonum amorem inspicientes! Ecce salvatli nos, nana, 
deus, deus, die vaciva, nana, a daemone! Cum Jjubilu Jubilus 
Jubilantes, nana, Jubilus jJubilantes, nana. 

Es wird also hier der freude über die geburt des Christus- 
kindes ausdruck verliehen und zwar offenbar mit rücksicht auf 
die betreffende stelle des evangeliums.?) Einiges zeigt grosse 
übereinstimmung mit hymnen der griechischen kirche, was sich 
überhaupt bei den accelamationen öfters nachweisen lässt.°) 
So heisst es in einem bei Pitra a. a. o. p. XXXIX abgedruck- 


1) De cerim. 1.1, c.3, p.41; vgl. das. p. 40. 42. 

2) Luc. 2, 8 ff. 

®) Z.b. De cerim.1.1,c.2, p. 35: &otno rov nAıov ngoumvveı; damit vgl. 
bei Christ und Paranikas, Anthologia Graeca carminum Christianorum, Leip- 
zig 1871, p. 205, 11: Edeı&ev aotno Tov oo nAlov Aoyov. Auch sonst wird 
Christus oft 72:0g genannt, z.b. im hymnus De nativitate des Romanus, 
str. 96 (bei Pitra, Spicilegium Solesmense Nova series, tom.1, Paris 1876, 


DAS GOTISCHE WEIHNACHTSSPIEL. 253 


ten hymnus: @oroov wg 2& &as (vgl. ab ortu = 2& avaroAng?) 
ESaveteılag, NATEP, avyacas Tolg 00V A0yoıs, TpLsuaxap; dann 
folgen dreizehn durch yxaipe eingeleitete doppelverse, dann 
xpavyabousv xo0s 08 ToLadre, hierauf wider zwölf durch yazge 
eingeleitete doppelzeilen. Aehnlich in einem zweiten hymnus 
(p. LX). In einem anderen nativitätshymnus !) wendet sich der 
dichter, S. Romanus, an die hirten: str. 5 ZaArıyyog govnv ava- 
Acßere (vgl. tutubantes = oaAnibovrec) ...; str. 6 OnuEEOV 7) yagıs 
erepavn (vgl. gaudete... bonum amorem... dievaciva)...; 
str. 9 2» aAalayuo vv xI0TNOmUEV Tas xelpas, nv ayyelınv 
ovornoausda xopeiav....; str. 38 Aouacı xawols alaidgars, 
rowuives...; str. 42 ldod yao nxeı 6 Qeog &x Oauuav; Evn 
NTTaoHe, ayaAlsc0HE AEOYITaL, RaTgLEEKaL OXLETNORTE, AVIEWNOL, 
xopsvoare &vFEog ...; str. 43 OVyyapnte Tov av, ai dvvaueıc, 
vuvnoate... Str. 63 WaAAETE Oapog, OTı ONUEKEOV 6 xTiorng... 
tixteran...; str. TI moıueveg, uEAWwaTE avAoüvreg; Anol ÜOaTE ....; 
str. 80 iorouev opF@s v TO 0lx® TOO xvpiov, xal aAaAayu® 
AVVUVNOMUED OVUPaYOG TNv TOoVTov svonlayyvlav xal HoAAnv 
ovyxaraßacın ...; str. 84 2» alalayumd ovveldövrss, TOV... 
Kvoıov ... Tv xaxiav Nacav Tod !x9000 apavloavra ... 
AODOUEV OvUPOvaS, auro xoabovres ... Oder das. p. 382, str. 2: 
ravrov 0 dEondTng napeyEvero, ns deonorelas Tod aAAorpiov 
aroAvrpovusvog ruäs (vgl. sawati nos... a daemone). 

Ich habe diese parallelen, die sich leicht vermehren liessen, 
angeführt, nicht als ob ich etwaigen wörtlichen anklängen einen 
besonderen wert beilegte, sondern lediglich, um zu zeigen, dass 
die stimmung des jubels, die der erste teil der acclamation zum 
ausdruck bringt, tatsächlich mit der in den nativitätshymnen 


p. 240): 7Aıe, Xouort; vgl. p. 239, str. 90. De cerim. das. p. 36: 6 
auntwe Ev ovgavois, anarwo rixtera Enl tig yüs; vgl. Pitra a.a.o. 
p. 224, str. 11: &x Ilarpög auntwe yao vnapxwv andıwo nektı &x IIeo- 
$£vov. — De cerim. 8.2.0. p.38: tov &v Eötu nugadsıoov nvewgev £&v 
Bn9ıstu n napsEvog; vgl. Pitra 8.2.0. p.1, str.2: 77» Eötu Bn9Aeku 
nvoıße, deürs, Wwuev; p.233, str.56: nalım Bn9ieku uw Eötu dıssa- 
voly&ı, p.238, str.82: 7 rc Bötu nvolyn nuAn; p.456, Btr.2: dı@ ya 
ztovro xaralaußaveıs ınv BnYAstu, Mao9Eve, van Eötu n nownv 
ovyxisıodeioa, audıs naAcı Avoliy tag nvAas. Genaue vergleichungen 
wären für die beurteilung der gattung der acclamationen nicht ohne 
interesse. 
1) Pitra p. 223, str.5 ff. 


254 KRAUS 


herschenden ganz übereinstimmt. — Was die allerdings recht 
unsichere lesung incurvo tergo am schlusse betrifft, so möchte 
ich zur erklärung daran erinnern, dass nach dem cerimoniell 
des byzantinischen hofes sowol die besiegten bei triumphen, 
als auch die fremden gesanten vor dem kaiser niederfallen 
mussten. Als besonders bezeichnend sei eine stelle aus dem 
capitel angeführt, das über triumphzüge auf dem forum be- 
richtet: 1) 

aycı EunoooHev Tod Bacı)Ewg, nyovv Enl tav Tod xlovos avapd- 
Iowv, zal alpeı 6 Aoyodeıng uera Tod dousorixov Tav 0XoA@v, eineo 
avrög mv 6 To Tafeidıor nomaag, 17V xEpalny, Nyovv Tov nEWToV 
4unoav, xal tidnoıw vno av Tod PaoılEwc nodwv, xal narei avröv Ö 
Baoıkevg Enl ınv xeyainv ro defıo nodl. © dE NEWTOCTE«ATWwE Eni Tod 
Toayn)ov avrod Enlornoı TO Buaoıkıxöv dogv, xERToüvrog dmkovorı Toü 
Baoıltwg TH desır xEıol TO auto dopv. zul EUVIEwnS nlntovo navres ol 
dEauıoı nonveig Eni tus yic. Ta dE TOVTWv dopaTa ueTa Tov pyAauoviAlwv 
EE AVTIOTEOYov TıdEacıv ol xateyovrsg avra tagedraı. xal EUIUG 1E0- 
xunteı OÖ wairns xal Akysı nooxelusvov: "ıls Oeös ukyag, wc 6 Geöc 
uov. ov El 0 Gros 0 noıwv Iavuaoın’. EP ovrwg ylveraı n ueyaım 
Extevn wg TOD "vnorasaı UNO ToVg nodas avrwv navra £&XIo0v xal 
nol&wuov. 

Ich mache noch darauf aufmerksam, dass die letzten worte 
vollständig erinnern an jene griechische stelle des Gotthicums: 
6 0mTnp ... ravra Ey900v 0as dovAmosı XP6 Twv Nod@v 0ac. 
Auch ist es bemerkenswert, dass der kaiser bei demselben an- 
lasse kurz vorber als relyog axataudyntov begrüsst wird (a.a. o. 
p. 609), wie in den alphabetischen acclamationen des Gotthi- 
cums als reZiyog ng noAırelag. Das niederwerfen der besiegten 
(oder der gesanten) wird auch sonst öfters erwähnt. ?) 

Dass das Gotthicum zum grössten teil in lateinischer sprache 
abgefasst ist, kann bei der grossen rolle, die diese sprache in 
Byzanz spielte, nicht verwundern. Gerade in dem cerimonien- 
buche begegnen auch sonst zahlreiche ausdrücke und sätze, die 
aus lateinischer sprache stammen, jedoch in griechischer um- 
schrift überliefert werden. Zum beweise, dass somit das Gotthi- 
cum auch in dieser hinsicht keine sonderstellung einnimmt, 
setze ich eine liste der seltener vorkommenden wörter und sätze 
her, wobei ich besonders auf die lange acelamation auf s. 255 f. 


ı) De cerim. 1.2, c. 19, p. 610 f. 
2) L.1, c.69, p.332. 1.2, c.20, p.615. 1.1, c.89, p. 406. 


DAS GOTISCHE WEIHNACHTSSPIEL. 255 


hinweise, da diese ganz an das Gottbieum erinnert!): Beorntoges 
— vestilores 9, 8. 193, 15 u. 0.; rogaınooiTov — praepositorum 
14, 16; udon = cameram 14, 17; Bit = fit 21,9. 136,10; xov- 
BovxAslov —= cubiculi das. u. Ö.; uovATovoavor —= multos annnos 
21,12; aber richtig uovAtovg &vvovs 136,12; av YıAdıxnoıue 
= annos felicissimos 21, 14; gıAinxnoıue = felicissime 136,12; 
rartpıxlovs = patricios 61, 14; xovalortopa —= quaestorem 61, 15; 
xantare döunvı = captate domini 73, 16; opariova = oralionem 
131, 12; doueorıxoı = domestici 131, 14; dovuvızalıov —= domi- 
nicale 134,20; Opgplxıa = officia 152,6; uavvavgc = magnaurae 
155, 5; xovoıormoln —= consistorio 159, 12; oLAevriaplo = silen- 
tiario 163, 17; owaro = senatu 169, 18; vovucgo» = numerorum 
193, 12; aonxonjtaı = a secretis 193, 15; oLRevrıagıoı = silentiarüi 
193, 16; Bavdov = bandarum 194,16; reıBovdvıocaı xountıooar 
= tribunissae comitissae 203, 23; toıßovvariov — tribunalis 205, 
9; To xountı adunoıovov = comiti admissionum 209,14; yoa- 
dnAlo» — gradalium 213, 7, ortaßAov — stabuli 215, 3; depe- 
oevdagio = referendario 225, 17; Bairidıov — balteum 233, 2 
0Ex0vvÖnxnolov = secundicerü 238, 2; xwdıxeilıa = codicillos 
238, 11 u.ö.; adunvoovvalıos = admissionalis 239, 21; Aeßa, ma- 
toixıe Orgarnyk, 10x — leva te, palricie stratege, loco 239, 24. 
240, Af.; Aeßa, naroixıe, EImx 252, 6; xayxeilapiovg = can- 
cellarios 269, 3; Beoriaplov —= vestiarii 269, 7; Ypaxkapea = 
facularia 279,8; Bıxagıoı = vicarii 294, 14 u.Ö.; axTovapıog = 
actuarius 304, 12; roopextog — praefectus 306, 18. MEEUPEXTmE 
343, 10; Bmyagıoı = bigarii 312,12; xovpome 312,22; xoußnvo- 
Yoapog = combinographus 313, 1; tovußnxas — tu vincas 318, 
Tu.ö.; gaxrliora —= factionem 328,12; Eoalovra— et salutem? 
(Reiske: Deus, adiuva) 358, 1; 0xAaßovs —= sclavos 363, 15 (?); de. 
Magie . Bepynve . Natovg . rt. Mayıa . dopLevrexovu . uodvEegR . 
adopavres = De Maria virgine natus [est] et Magi ab oriente 
cum muneribus adorant eum; Koiotovs . Akovs . Nootsp .XoUL . 
oEpßer . nunsgiovu . BEotgovu . rto . VovAtovoavvog .er. Bovog— 
Christus deus noster conservel imperium vestrum per mullos annos 
ei bonos; Ioavveg .&v Jopdave . Bantilar . dounvovu .0exovdvdovu. 


') Ueber die verwendung der lateinischen sprache bei den Byzan- 
tinern im allgemeinen vgl. Krumbacher a.a.o. im register; Gfrörer, By- 
zantinische geschichten (Graz, 1872— 74) 2, 435 f. De a 


256 KRAUS 


ilRovu .Boxar de Te B0Ao —= Joannes in Jordane baptizat domi- 
num, secundum illum (Reiske: is rursus seu postea ili acclamat) 
vocat: ‘De te volo [baptizari]’; xovu xpovengpigovs dor Er 0e- 
rovArTovg .Er TEoLLa dlEpgE .. VovopESLT = cum crucifixus est et 
sepullus et tertia die resurrexit; xovuuavdaßlt . ornoltovu . 0ax- 
TOUU . G0UNEE TOVog AN00T0A0g = commendavit spiritum sanctum 
super tuos aposiolos, xoU» Tpavepıyyovparovg &or lv umvreu —= 
cum transfiguratus est in monte 369. 370; Bova roda odunsp — 
bona tua semper 3710, 22; Pixtop ong 0&unep = victor sis semper 
370,24; woVAtovs Avvovs gYırldıa 9° Akovg = multos annos 
victorem faciat te deus; Bixtop parbia oEunep = victorem faciat 
semper, Atovg REVOTEH = deus praestet; Bnßnte, Aounvı nu- 
REPATODES, 1v UOVATog avvog. Adovg OUVNNoTEVg NYEOTEI — 
bibite, domini, in multos annos; deus omnipotens praestet; nv 
yavdio noavdeite, Aounvı = in gaudio prandete, domini; Bovo 
Aouvo 0euneg = bono domino semper 311; !ARovorplov = illustrü 
387,13; ovopaplov = honorarios 387,16; vıpsyıarov = ingrega- 
tum 389, 8; vnßeroıatov — impensatum 389, 9; Bevegıxlov ToV 
A10aTE0x0V/0v = beneficii laterculi 389, 10; tipova = lironem 389, 
15; avoovag = annonas 389, 17; adogarop npor&xtop dousorixovg 
— adorator protector domesticus 391,4; rpaLsevtaiLog = prae- 
senlalis 392, 7; Aapyırıovov — largitionum 394,5; zpıBarov = 
privatorum 401, 17; ontiovog = optionis 402, 13; xırarlova = 
citationem; aduıooıovarloıs = admissionalibus 405,15; STRANFER 
—= transfer 407,20; xaunıdovxtop = campiductor 411,7; Aayxlav 
—= lanceam 411,17; nanıklı = papilio 413,5; uodloAov = modio- 
lum 414,17; uovntagıoı 422, 9; dnAatopas = delatores 424,17; 
povoaro = fossato 437, 6; r00xEV0@ = processioni 493, 12; Bav- 
tov = bandum 494, 10; oevrLov —= sessum 506, 19; Ivdırrlovı = 
indiclione 511,1; gaixtoga = rectorem 528, 13; xaorpnolov = 
casirensis 548, 7; Baivsagitov = solii balnearis 554, 13 u. 8. w. 
Hiermit ich bin am schlusse meiner ausführungen angelangt. 
Ich hoffe gezeigt zu haben, dass der hymnus weder germanische 
wörter noch germanische götter enthält, dass er sich viel- 
mehr vollkommen in den rahmen des byzantinischen hofceri- 
moniells einfügt und sich von den sonst überlieferten acela- 
mationen in keiner weise unterscheidet. Dunkel bleibt im 
wesentlichen nur die bedeutung des ausrufes rovA, deren auf- 
hellung aber, wie aus meinen untersuchungen hervorgeht, eher die 


DAS GOTISCHE WEIHNACHTSSPIEL. 257 


aufgabe des byzantinisten oder des musikhistorikers als des 
germanisten bilden dürfte. Warum das spiel als Gotthicum 
und die hauptacteure als Gotthi bezeichnet wurden, darüber 
haben Reiske, 2«$%as, Müller, Veselovskij und Kögel teils ab- 
weichende, teils übereinstimmende vermutungen ausgesprochen. 
Ich halte das für verfrüht, solange nicht das ganze cerimonien- 
buch, das bekanntlich in einzelnen capiteln auf das sechste 
Jahrhundert zurückgeht, während andere noch über Constan- 
tin VII. regierung hinausgreifen, einer eingehenden untersuchung 
unterzogen wird, die darauf gerichtet sein müsste, klarzustellen, 
aus wieviel teilen die compilation zusammengesetzt ist, und 
aus welcher zeit die einzelnen quellen stammen.!) Ein gewinn 
für die geschichte der gotischen litteratur aber ist auch aus 
der aufklärung dieser frage schwerlich zu erhoffen. 


') Ansätze dazu bei Rambaud a.a.o. p.128ff. Die programme von 
Ferd. Hirsch (Berlin 1873) und Wäschke (Zerbst 1884) waren mir nicht 
zugänglich. Wie sehr die meinungen über das alter des spieles aus- 
einandergehn können, so lange die oben geforderte untersuchung nicht 
angestellt ist, beweisen die datierungsversuche von Z&$ac und Rambaud. 
Während ersterer es unter Konstantins sohn Konstantius entstanden sein 
lässt und meint, es habe sich seit dieser zeit am hofe erhalten (a.a.o. 
8.0), sucht letzterer zu zeigen, dass es nur unter Constantin VII. 
wider eingeführt worden sein könne (2.2.0. p.131). 


WIEN, 24. märz 1895. CARL KRAUS. 


Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. XX. 17 


DER URSPRUNG DES GERMANENNAMENS. 


Seitdem Müllenhoff 1887 das aufkommen des namens 
Germanen umfassend erörtert und die voraufgehende gewaltige 
literatur dieser frage so gut wie der vergessenheit anheim- 
gegeben hat, ist eine nicht geringe anzahl von abhandlungen 
erschienen, die durch mehr oder weniger neue auffassungen 
oder neugewählte vermengungen verschiedener älterer ansichten 
den gegenstand zu fördern bestrebt sind. Man glaubt in ein 
kaleidoskop zu schauen: ein kleiner ruck an der bekannten 
stelle in Tacitus’ Germania und ein neues bild erscheint. Das 
spiel scheint ohne ende zu sein und wird sicher ungestört 
weiter gehen, so lange die schulprogramme und die überzahl 
philologischer zeitschriften ihren raum füllen müssen. Ich denke 
bei diesem urteil an abhandlungen, wie die von Hachtmann 
(Neue jahrbb. f. phil. 143,209 ff.) und Knoke (ebd. 857 ff.) aus 
dem jahre 1891, von H. J. Heller (Philologus 51, 340 ff.), 
B. Sepp (Blätter f. bayr. gymn. 28,171ff) und H. Belling 
(Wochenschr. f. kl. pbil. 1892, 417 ff.) aus dem jahre 1892, ferner 
an die schrift von J. Holub, Der name Germani in Tacitus 
Germania (Freiwaldau 1892), ja auch an den aufsatz von 
Ludwig Laistner, Invento nomine (Zs. fda. 32 [1888], 334 ff.), 
dessen aufstellungen der verfasser neuerdings aufrecht hält und 
weiter ausführt. Doch haben wir auch treffliche förderungen 
der sache zu verzeichnen, durch die Müllenhoffs ganz von Zeuss 
beeinflusste auffassung nunmehr als beseitigt anzusehen ist. 
In der hauptsache verdanken wir sie R. Muchs werk ‘Deutsche 
stammsitze’ (1892), einige goldkörner eingebettet in reichliche 
spreu enthält daneben Laistners abhandlung ‘Germanische 
völkernamen’ (1892). 


DER URSPRUNG DES GERMANENNAMENS. 259 


Es lohnte sieh somit schon, das einleuchtende der neuern 
ansichten zusammenzufassen, die noch bestehenden gegensätze 
auszugleichen und eine möglichst befriedigende neue auffassung 
zu begründen, wobei nur das &ine bedauerlich bliebe, dass die 
ungeheuere literatur des gegenstandes damit wider um eine 
nummer vermehrt würde. Und mit rücksicht auf diese folge 
hätte ich einer solchen lockung unschwer widerstanden, wäre 
nicht allerneuestens eine abhandlung von Jaekel (Der name 
Germanen, Zs. fdph. 26, 310 ff.) erschienen, die den gegenstand 
ziemlich breit behandelt, auch ganz neue gesichtspunkte heraus- 
zufinden und für die lösung auszunutzen sucht, hierbei aber 
leider dermassen fehlgreift, dass man in den so gewonnenen 
ansichten einen erheblichen rückschritt gegen unsere bisherige 
erkenntnis erblicken muss. Jaekels abhandlung, die widerum 
eine misverständliche deutung der Tacitusstelle bringt, gründet 
sich in der hauptsache auf eine etymologische herleitung des 
namens Germanen aus dem germanischen. Ohne mich bei 
dieser verfehlten sache aufzuhalten, bemerke ich nur, dass der 
verfasser, der weihnachten 1892 die abhandlung anfertigte, aus 
meinem im sommer jenes jahres erschienenen aufsatz ‘Arminius 
deutsch?’ (IF. 2, 174 ff.) entnehmen konnte, dass Garmani, Gar- 
manös u. 8. w. keineswegs die allein echten und ursprünglichen 
formen dieses wortes sind, wie auch Müllenhoff wähnte, son- 
dern vielmehr nur keltische nebenformen von häufigerem keltisch- 
römischem Germani u. s. w., dass also alle auf jene nebenformen 
gestützten versuche, den namen aus dem germanischen wort- 
schatz abzuleiten, von vornherein unberechtigt sind. Weiter 
ist zu rügen, dass Jaekel Muchs im herbst 1892 bekannt ge- 
gebene glänzende behandlung der frage, vor allem seine völlig 
einwandfreie etymologie des namens Germanen nicht kennt. 
Freilich passen diese dinge schlecht zu Jaekels vermutungen. 
Um so mehr aber hätte die redaction der Zs. fdph. den verfasser 
auf seine unterlassungssünden hinweisen sollen, während sie 
in der tat das verfahren vorgezogen hat, einer arbeit die spalten 
ihres organs zu Öffnen und sie gleichzeitig in einer fussnote 
als verfehlt zu bezeichnen. | 

Mittlerweile, nachdem der wesentliche teil dieses aufsatzes 
bereits niedergeschrieben war, erschien Kögels behandlung der 
frage (Anz. fda.1893). Wo Kögel sich auf das gebiet der 

17* 


260 KOSSINNA 


altertumskunde begibt, ist er meist wenig glücklich, So im 
vorbeigehen lassen sich hier ebensowenig wie anderwärts reife 
früchte pflücken. Diesmal hat er die frage, statt sie vorwärts 
zu bringen, um ein halbes jahrhundert zurlickgeschoben, bis 
auf den standpunkt, den ihr Zeuss anwies. Und dabei hat er 
noch die kühnheit, alle weitere forschung zur ruhe zu verweisen, 
da sich nichts neues mehr über den vielbehandelten stoff sagen 
lasse. Es war eine eigene ironie des schicksals, dass Muchs 
schöne und fördernde ausführungen damals bereits erschienen 
waren. 

Nicht weniger schlimm ist der skepticismus, den Holz 
(Beiträge zur deutschen altertumskunde 1, 70) zur schau trägt, 
ohne auch nur den versuch einer begründung desselben zu 
machen. Er ist das erste opfer der durch Hirts aufsatz über 
die deutung der germanischen völkernamen (Beitr. 18, 511 ff.) 
bei unkundigen geschaffenen verwirrungen. 


1. Taeitus Germania cap. 2. 


Um meine ansicht auszuführen, kann ich es nicht umgehen, 
die stelle der Germania 


Celerum Germaniae vocabulum recens et nuper additum, 
quoniam qui primi Rhenum transgressi Gallos expulerint ac 
nunc Tungri, tunc Germani vocati sint. Ita nationis nomen, 
non genlis, evaluisse paullatim, ut dimnes primum a viclore ob 
melum, mox a se ipsis invenlo nomine Germani vocarentur 


meinerseits zu erläutern, wobei ich jedoch, um nicht ins ufer- 
lose zu geraten, mich nur mit Much, Laistner und teilweise 
auch Müllenhoff und Jaekel auseinandersetzen will. 


Oberster grundsatz ist dabei für mich, allen tatsächlichen 
mitteilungen des Römers und, wenn es angeht, auch seinen 
auslesungen voll gerecht zu werden. Diesem grundsatz ist 
meiner meinung nach Much nicht ganz gerecht geworden, da 
er den namen Germanen auf linksrheinischem gebiete und auch 
da erst eine zeit lang nach der niederlassung germanischer 
stämme auf belgischem boden als etwas durchaus neues ent- 
stehen lässt. Taecitus dagegen, der nicht die entstehung, 
sondern die erweiterung des wertes des namens Germanen 
behandelt, sagt klar und bestimmt, dass die vorfahren der 


DER URSPRUNG DES GERMANENNAMENS, 261 


Tungern bereits auf dem rechten ufer des Rheins Germanen 
geheissen hätten, wie später ausführlich erwiesen werden soll. 
— Viel schlimmer sündigt Laistner, wenn er behauptet (s. 56), 
in wahrheit seien die vorfahren der Tungern nicht gleich bei 
ihrem einfall, sondern erst, als die Römer auf den plan traten, 
Germanen genannt worden. Zu dieser willkürlichen und ganz 
unzulässigen umkehr des tatsächlich überlieferten wird er ge- 
zwungen durch seine ebenso gewaltsame annahme, dass die 
Germanen an den beiden seiten des Niederrheins bei den 
Galliern “Tungern’ geheissen hätten und der name Germanen 
erst durch die Römer geschaffen worden sei, die den im sinne 
mit Tungri übereinstimmenden namen /siaevones d. i. ‘echte’, 
‘vollbürtige’ ins lateinische übersetzt hätten. Eine ansicht 
übrigens, wie sie in fast ganz derselben weise vor mehr als 
vierzig jahren bereits von Below ausgesprochen worden ist. 

Als zweiter grundsatz ist festzuhalten, dass man den 
worten des römischen gewährsmannes nicht eine deutung gibt, 
die sie mit sonst bekannten sichern ftatsachen in widerspruch 
bringt, wofern eine natürliche erklärung nicht gerade dazu 
zwingt. Hiergegen haben Müllenhoff und Jaekel verstossen, 
und auch Much hat diese klippe nicht vermieden, wie aus 
seinen geschichtlichen rückschlüssen erhellt. Jene beiden lassen 
Tacitus. melden, dass die gesammtheit der Germanen sich selbst 
mit diesem namen bezeichnet habe. Das ist durchaus unzulässig. 
Denn wie konnte den Römern auch nach nur kurzem verkehr 
mit Germanen, besonders aber seit den kriegszügen auf deutschem 
boden, entgehen, dass die Germanen selbst sich nicht so nännten. 
Jede tbersetzung, die unserer quelle eine solche ungereimtheit 
zuschiebt, ist unhaltbar. Dies hat schon vor mehr als zwanzig 
jahren Dederich!) in einer im übrigen freilich verfehlten aus- 
einandersetzung gebührend hervorgehoben. 

Dieser zweite grundsatz kommt noch weiter in betracht. 
Jaekel tadelt an dem berichte des Tacitus, dass er fälschlich 
‘der furcht eine rolle bei der entstehung des namens’ zuschreibt. 
Jaekel hätte zunächst sagen sollen ‘bei der ausdehnung des 
namens auf die gesammtheit der Transrhenanen’, denn von der 
urschöpfung des namens als solcher meldet Tacitus, wie er- 


1) A. Dederich, Julius Caesar am Rhein (Paderborn 1870) 8.75. 


262 KOSSINNA 


wähnt, nichts. Jaekels tadel fällt aber zum grössten teil auf 
seine übersetzung zurück. Mit hilfe dieser bringt er, wie 
Müllenhoff, die unmöglichkeit zu stande, Tacitus oder vielmehr 
seine quelle habe gemeint, die vorfahren der Tungern hätten 
sich siegreich auf belgischem boden niedergelassen, dann aber 
vor der gallischen überzahl angst bekommen und ein märchen 
erfunden, um sich gegen die stammfremde umgebung sicherheit 
zu verschaffen. Sie hätten nämlich den Galliern vorspiegeln 
wollen, dass alle Transrhenanen als ihre nächsten stammes- 
genossen jeden augenblick bereit ständen, in dringender gefahr 
ihnen zu hilfe zu kommen, und zur bessern beglaubigung dieser 
erfindung hätten sie dann die gesammtbeit der Transrhenanen 
so, wie sie selber hiessen, d.h. ‘Germanen’ genannt, obwol 
dieser name den Transrhenanen gar nicht zugekommen sei, 
und — was das wunderbarste — diese täuschende benennung 
hätte dann allerseits, bei Galliern wie Römern, ohne schwierig- 
keit eingang gefunden und sich dauernde geltung verschafft. 
Dass eine solche kindliche schlauheit den belgischen Germanen 
wenig geholfen hätte, da die Gallier als nächste nachbarn über 
diese dinge zu gut unterrichtet waren, und dass die nachricht 
in dieser auffassung überhaupt barer unsinn ist, hat auch 
Jaekel eingeleuchtet, würde aber ebenso jedem gebildeten 
Römer eingeleuchtet haben. So etwas hätte niemand geglaubt 
und kein vernünftiger römischer schriftsteller, auch ein Plinius 
nicht, ohne verwahrung dagegen einzulegen, berichten können. 
Nach solcher auslegung freilich sind Müllenhoff und Jaekel 
gezwungen, den geschichtschreiber ob seiner verkehrten be- 
richte zu verwerfen und ihm unsere bessere einsicht gegenüber- 
zustellen. | 

Die misverständnisse knüpfen sich fast durchgehends an 
die schlussbemerkung ita ... ul omnes primum a victore ob 
melum, mox eliam a se ipsis invento nomine Germani vocarentlur. 
Laistners übersetzung des satzes richtet sich nach zwei auf- 
stellungen von Dederich als leitmotiven, von denen wir vor- 
läufig nur die erste in betracht ziehen wollen. Es ist das die 
durchaus richtige forderung, Taeitus nicht sagen zu lassen, 
dass sich die Germanen selbst Germanen genannt hätten, dem- 
gemäss also für a se ipsis (vocarentur) eine andere deutung zu 
finden. Dederichs versuch, seiner forderung genüge zu leisten, 


DER URSPRUNG DES GERMANENNAMENS. 263 


hat ibn in unwegsames gestrüpp abgeführt. Und nicht besser 
ist es Laistner gegangen. 

Laistners widerholt vorgebrachte und verteidigte auffassung 
der worte primum — nomine als einer geschlossenen gruppe, 
die einen zwischensatz vertritt, kann ich jetzt noch weniger 
billigen, als früher (Anz. fda. 16, 31 f.). Schon damals bemerkte 
ich, dass seine auffassung keineswegs neu ist, wie er vermeinte; 
sie wird bereits von Baumstark mit spott abgetan und später, 
wie ich jetzt sehe, nur noch von Gerber und Greef (Lexicon 
Taciteum, artikel a) vertreten. Laistner, der mich in seiner 
abhandlung bei anderen gelegenheiten nennt, hat es bei diesem 
punkte vorgezogen, tiber meine abweichende ansicht hinweg- 
zusehen und die seinige nur noch einmal, aber sehr viel breiter 
auszuführen. So muss auch ich meine gegenbemerkungen jetzt 
ausführlicher gestalten. Laistner will also in seiner construction 
nomine an die spitze stellen (nomine primum a victore ob melum, 
mox eliam a se ipsis invento) und übersetzt: ‘nur dass zuerst 
der sieger als der (unmittelbar) gefürchtete, später dann auch 
sie den namen bekommen hätten’. Leider versäumt er es aber 
durch beibringung eines ähnlichen falles eine so ungeschickte 
wortstellung und eine durch die nähe des passivs vocarentur 
so sehr dem misverständnis ausgesetzte ausdrucksweise wahr- 
scheinlich zu machen, wie er sie den tatsächlich tiberlieferten 
worten des Taeitus damit unterlegt. Denn die von ibm (s. 52 
anm. 3) angezogenen parallelstellen besagen nichts, weil sie 
weder als hauptverbum ein passiv (wie vocarentur) noch’ in der 
participialconstruction die präposition a enthalten, und das sind 
doch gerade die hauptanstösse in Laistners auffassung. Laistner 
bebt auch das von Taeitus stets geflissentlich erstrebte eben- 
mass der rede auf, da sich nun zwar noch primum und mox, 
‘a victore und a se ipsis gegenüberstehen, ob metum aber seiner 
entsprechung invenio nomine verlustig geht. Das stärkste be- 
denken habe ich aber vom sachlichen gesichtspunkte aus: der 
sieger, d.h. die nachmaligen Tungern, hätte also ob melum, 
das soll heissen: ‘als der (unmittelbar) gefürchtete’ zuerst den 
namen Germanen bekommen. Der sieger hatte ihn aber doch 
schon auf dem rechten Rheinufer geführt, wie Taeitus kurz 
vorher gemeldet hat: mag man das nun für geschichtlich richtig 
halten oder nicht. Immer von neuem muss ich widerholen, 


264 KOSSINNA 


dass es Tacitus nach seinen ersten bemerkungen über den 
namen Germania nur darum zu tun ist, mitzuteilen, wie der 
gesammtname des volks allmählich aufgekommen sei. Taecitus 
weiss nichts und will daher auch gar nichts berichten dartiber, 
wie die einzelne völkerschaft der spätern Tungern in der vor- 
zeit einmal zu dem namen Germanen gekommen sei, und 
könnte das am wenigsten so ungeschickt mitten hinein in die 
erörterung schieben, die der allmählichen erweiterung des ur- 
sprünglichen bereichs des namens gewidmet ist, statt den be- 
richt damit zu eröffnen. 

Laistner freilich legt die worte qui ... nunc Tungri, tunc 
Germani vocali sint so aus, als wäre ‘genannt werden’ soviel 
als ‘einen namen erhalten’, und vermag sich dabei allerdings 
auf die mehrzahl der vorgänger zu berufen. _ Unzweifelhaft 
kann vocare ebensowol ‘gewohnheitsmässig nennen’, als ‘einen 
namen beilegen’ (in einmaliger handlung) bedeuten, desgleichen 
vocari sowol ‘heissen’, als ‘einen namen erhalten’, niemals aber 
kann das verb, wenn es nur einmal vorkommt und sich ihm 
zwei subjecte zugesellen, in bezug auf das erste subject die 
bedeutung ‘heissen’ haben, in bezug auf das zweite die be- 
deutung ‘den namen erhalten’. Hier zeigt sich so recht, zu 
welcher unnatur der auslegung die ewigen difteleien über dem 
texte der Germania verleiten konnten, wenn selbst ein forscher 
wie Baumstark, der sonst so sehr auf gesunden menschen- 
verstand und quellentreue dringt, in diesem falle die frage 
offen lassen konnte: haben die siegreichen überschreiter des 
Rheins schon in der heimat den namen Germanen geführt oder 
ihn erst in der neuen umgebung erhalten? In diesem punkte 
lehne ich jede fragestellung ab, denn so gut man, wie noch 
niemand bezweifelt hat, übersetzen muss: ‘die überschreiter des 
Rheins, die jetzt Tungern heissen’ [nicht ‘den namen 'Tungern 
erhalten’], muss man auch fortfahren: ‘damals aber Germanen 
hiessen’ [nicht ‘den namen Germanen erhielten’. Solche er- 
örterungen sind durchaus keine wortklauberei, als die sie viel- 
leicht manchem ‘reinen’ historiker erscheinen möchten, sondern 
haben entscheidende bedeutung für die geschichtliche recon- 
struction der ältesten beziehungen zwischen Kelten und Ger- 
manen, wie wir später sehen werden. 

Bei Laistners auslegung weiss man auch gar nicht, warum 


DER URSPRUNG DES GERMANENNAMENS. 265 


Tacitus gerade ob metum sagt. Sollte darin nichts weiter liegen, 
als dass die linksrheinischen Germanen diesen namen darum 
zuerst erhielten, weil sie die einzigen waren, die wegen ihrer 
allerdings beunruhigenden nachbarschaft im gesichtskreise der 
namengeber lagen, so ist ob metum eigentlich überflüssig und 
a victore hätte dem gedanken bereits genüge geleistet. Auch 
Laistner will vernünftigerweise in der bedeutung des namens 
Germanen gar nichts für die Gallier schreckhaftes !) finden. 
Vielmehr hiessen auch nach ihm die Tungern damals Germanen 
und wurden ausserdem von den Galliern gefürchtet. Da geht 
es denn aber doch über das mass des zulässigen hinaus, wenn 
man, wie es Laistner tut, trotzdem dem autor die combinierende 
wendung unterschiebt: der sieger bekam aus furcht den namen. 
Und wenn dann die folgenden worte nur besagen sollen, die 
ausbreitung des namens hätte mit der wachsenden erweiterung 
des gesichtskreises der namengeber gleichen schritt haltend 
allmählich die entfernt wohnenden einbezogen und schliesslich 
die gesammtheit der Germanen umfasst, mit andern worten: man 
hätte immer nur so viel germanische völkerschaften Germanen 
genannt, als man kannte, bis man schliesslich das gesammte volk 
kannte und so benannte — —: dann hätte Taecitus eine ganz 
selbstverständliche sache, eine lächerliche trivialität auf eine 
unglaublich verschrobene und unklare weise ausgedrückt. Hier 
wird es zeit, einen ausruf Jaekels aufzunehmen: fort mit allen 
künstlichen interpretationen! 

Bei alledem hat Laistner gar nicht gemerkt, dass seine, 
nach meiner meinung allerdings richtige übersetzung und aus- 
legung der worte ob metum bei seinem satzbau ganz unzulässig 
wird. Ob metum heisst natürlich nur ‘aus furcht’, nicht wie Müllen- 
hoff will, ‘um der furcht (des schreckens) willen’, und Laistner 
nimmt lediglich aus sachlichen erwägungen ganz richtig eine 
furcht der (besiegten) Gallier an. Logisch und grammatisch aber 
ist das für Laistner entschieden ein fehler. Denn wenn er a 


1) Diese ganz verkehrte hineindeutung ist wol erst durch die falsche 
etymologie: Germani = ‘schreier (im streite)’ zu einiger geltung ge- 
kommen, wobei man nicht einmal bedachte, dass dasselbe wilde kriegs- 
geschrei und derselbe rasende ansturın in der schlacht für die Gallier 
wie für die Germanen bezeugt ist: z. b. Liv. 5, 37. 8; 10,26. 11; 38,17. 4; 
Polyb. 2,29. 6; Diod.5, 29. 


266 KOSSINNA 


viclore als logisches subject zu nomine invento fasst, so darf er 
nur ob melum victoris ergänzen, nie und nimmermehr aber ob 
melum Gallorum. Nur wenn man, wie ich es tue, a victore = 
secundum victorem oder e viclore fasst, ebenso a se ipsis—=e se 
ipsis oder besser per se, und demnach annimmt, dass ein 
logisches subject zu Germani vocarentur überhaupt nicht genannt 
wird, kann man in den Galliern dieses verschwiegene subject 
erkennen, wie es der sachliche zusammenhang erfordert, und 
muss dann in gleicher weise aus logisch-grammatischen, wie 
sachlichen gründen notwendig auch ob metum Gallorum ergänzen. 

Diese, wie ich glaube, ohne weiteres einleuchtende erwägung, 
dass Laistner von seinem standpunkte aus gar nicht 06 metum 
Gallorum ansetzen darf, entzieht seiner ohnehin mehr als frag- 
würdigen übersetzung: ‘der sieger habe als der unmittelbar 
sefürchtete zuerst den namen Germanen bekommen’ 
vollends allen boden. Noch schlimmer aber wird Laistners 
auffassung dadurch, dass er sich hat verleiten lassen, von 
Dederich ein zweites leitmotiv zu holen, das die übersetzung 
ganz und gar verdirbt. Nach dieser zweiten aufstellung Dede- 
richs soll nämlich natio die linksrheinischen, gens die rechts- 
rheinischen Germanen und omnes die summe von gens + natio 
bedeuten, eine etwas schulmeisterliche spitzfindigkeit, die auf 
künstlichem wege neue schwierigkeiten schaft. Wären die 
alten schwierigkeiten gehoben gewesen, so würde weder Dederich 
hierauf verfallen sein, noch bei Laistner nachfolge gefunden 
haben. Wenn es also heisst: omnes ... Germani vocarentur, in- 
dem zuerst der victor (Tungern), dann auch ipsi so benannt 
worden, so kann nach Laistner ipsi nur den rechtsrheinischen 
Germanen entsprechen und sich nicht auf omnes zurückbeziehen. 
Worauf aber dann? etwa auf das im hauptsatz versteckte gentis? 
In der tat, Laistner macht das scheinbar unmögliche zur wirklich- 
keit: er gewinnt es über sich, eine solche behauptung aufzustellen; 
freilich übersetzt auch er dann ruhig nach alter weise: ‘später 
dann auch sie’, wo ‘sie’ doch nur auf das vorgehende ‘alle’ 
(omnes) beziehen kann. Bei unbefangener betrachtung der stelle 
wird man eben nichts anderes denken, als dass Tacitus durch 
omnes eine abwechslung im ausdruck für gens bringen wollte, 
wie er nach aller meinung statt natio zur abwechslung victor sagte; 
ipsi aber kann sich auf nichts anderes beziehen als auf omnes. 


DER URSPRUNG DES GERMANENNAMENS. 267 


Wir haben uns mit Laistner etwas lange beschäftigen 
müssen. Daran ist teilweise seine forschungs- und darstellungs- 
art schuld, die in allen farben schillert: eine vermutung drängt 
die andere, kaum aufgenommen wird sie wider fallen gelassen, 
um einer neuen platz zu machen; man vermisst nur zu oft 
strenge folgerichtigkeit, so dass man Laistner nicht leicht bei 
einem punkte fassen kann. Wie völlig er bei der geschicht- 
lichen ausdeutung seiner übersetzung in die brüche gerät, soll 
uns später einmal beschäftigen. 

Nun meine übersetzung. 

‘Uebrigens sei der name Germanien [kein verum et anti- 
guum nomen, sondern verhältnismässig] jung und erst in neuerer 
zeit von ausserhalb beigelegt, da ja bekanntermassen die ersten 
überschreiter des Rheins, die die Gallier vertrieben hätten und jetzt 
Tungern hiessen, damals Germanen geheissen hätten; und zwar 
sei dieser name, der nur ein völkerschaftsname, kein volksname 
war, so nach und nach zu der unfassenderen bedeutung eines 
volksnamens gelangt, doch [nicht etwa in allmählicher räumlicher 
erweiterung, sondern] nur in der weise, dass [sogleich] die 
gesammtheit [des volkes] [und zwar] anfangs [bloss] nach 
dem sieger [den Tungern] infolge banger scheu [und 
darum übertriebener hochschätzung auf seiten der besiegten 
Gallier gegenüber den siegreichen Tungern], später [als die 
bange bewunderung der Gallier vor dem sieger gewichen, weil 
dieser inzwischen mit dem überwundenen gegner verschmolzen 
war, und man bei der übertragung des namens auf das mutter- 
volk oder vielmehr bei dem gebrauch des übertragenen namens 
an den bedeutungslos gewordenen sieger gar nicht mehr dachte] 
auchanundfürsich betrachtet [oder: aus sich heraus] 
mit dem überkommenen namen Germanen genannt 
wurde. 

Es wird nun, meine ich, einleuchten, dass die worte invento 
nomine einzig und allein zu a se ipsis in näherer beziehung 
stehen, da sie eben logisch betrachtet den inhalt der vorber- 
gehenden worte a viclore ob metum widerspiegeln. Erst nachdem 
eine zeit lang die gesammtheit des muttervolks nach ihrem 
verwantschaftsverhältnis zum sieger mit dem namen dieses 
siegers von den ihn scheu bewundernden Galliern ‘Germanen’ 
benannt worden war, konnte man von einem inventum nomen, 


268 KOSSINNA 


einem ‘überkommenen’ namen reden, den diese gesammtheit 
in der folge ganz unabhängig von ihrer verwantschaft mit den 
siegreichen 'Tungern, die nun keine rolle mehr spielte, im 
munde der Gallier aus alter gewohnheit weiterführte. Richtig 
bemerkt Laistner, dass in den Worten ia — ui eine ein- 
schränkung eingeleitet wird. Taecitus sagt eben: allerdings hat 
sich hier ein blosser stammname zu einem volksnamen erweitert, 
doch nicht in der weise, dass er sich räumlich allmählich aus- 
dehnte, sondern so, dass sofort die gesammtheit des volks den 
neuen namen erhielt, aber zuerst nur im hinblick auf die bluts- 
verwantschaft mit der kleinen linksrheinischen völkerschaft, 
später auch unabhängig davon. 


Ganz unbegreiflich ist es, wie man bisher so oft von dem 
römischen standpunkte reden konnte, von dem aus der bericht 
des Tacitus gegeben und zu verstehen sei.!) Mit keinem worte 
wird bei ihm Roms gedacht; es ist nur von siegern (Germanen) 
und Galliern (besiegten) die rede: zwischen diesen beiden grössen 
spielt sich der vorgang ab, und zwar am Niederrhein, den die 
Römer doch erst unter Caesar erreichten, während Taeitus 
oder seine quelle offenbar eine viel ältere zeit im sinne hatten. 
Ganz natürlich, denn zu Caesars zeit und noch etwas früher 
finden wir diese neue bedeutung des namens bereits völlig ge- 
festigt und allgemein anerkannt, so dass sie schon eine geraume 
zeit in übung gewesen sein muss. Ob wir aber mit Much (s. 176) 
die umfassendere bedeutung bereits in den Germanen-Gaesaten 
der capitolinischen triunıphalfasten von jahre 222 v.Chr. voraus- 
setzen dürfen, bleibt höchst ungewiss. Zunächst ist durch 
G. Schön erwiesen, dass der echte grundstock der triumphal- 
fasten in den älteren teilen in der tat vielfach durch interpo- 
lationen spätester zeit entstellt worden ist. Ferner kann Properz 
‚als geschichtliche quelle für das 3. vorchristliche jahrhundert 
in keiner weise gegen Polybius ausgespielt werden, wie es von 
Much geschehen ist, zumal wenn Polybius, wie es mit seiner 
nachricht über die Rhonegegend als heimat der Gaesaten der 
fall ist, durch spätere sichere zeugnisse so glänzend gerecht- 
fertigt wird. 

Doch das sind fragen, die bereits zur geschichtlichen aus- 


1) Noch neuerdings wider S. Walther, Germ. 30, 301 f. 


DER URSPRUNG DES GERMANENNAMENS. | 269 


deutung, auf die wir später eingehen, nicht mehr zur unmittel- 
baren auslegung unserer quelle gehören. 

Müssen wir den angeblich römischen standpunkt ablehnen, 
so ist es klar, dass das verschwiegene subject zu invento nomine 
Germani vocarentur nur die Gallier sein können. Denn dass a 
victore und a se ipsis nicht als passivische subjecte zu fassen 
sind, dafür kann man die unmittelbar vorausgehenden wen- 
dungen anführen: ceteri Istaevones vocentur — gentis appellationes 
— vocabulum nuper additum — tunc Germani vocali sint — die 
sämmtlich allgemein nur von ‘namen’ und ‘heissen’ reden, nicht 
aber von bestimmten nennenden subjecten. Es ist ja selbst- 
verständlich, dass wenn man so und so genannt wird oder 
heisst, man eben zunächst und vor allem bei seiner umgebung, 
bei der nachbarschaft so genannt wird, und die nachbarschaft 
des gesammten muttervolkes der Germanen waren eben die 
Gallier. Entscheidend für die auffassung von a= ano bleibt 
jedoch die im eingang erwähnte sachliche notwendigkeit, da die 
Transrhenanen weder selbst sich je Germanen genannt haben, 
noch auch von den linksrheinischen Germanen (Tungern) ‘aus 
furcbt’ oder ‘um der furcht willen’ so benannt worden 
sein können. Meine auffassung von a ist übrigens, was die 
worte a victore anlangt, keineswegs neu, sondern meines wissens 
zuerst von Walch (Emendationes Livianae, Berlin 1817, s. 79) 
vorgeschlagen und von Bötticher (Lexicon Taciteum unter a), 
Watterich (Der deutsche namen Germanen) u. a. als einzig 
richtig anerkannt worden. Müllenhoff selbst hat diese auf- 
fassung sorgfältig in erwägung gezogen, konnte aber ebenso- 
wenig wie eincr der vorgänger mit dem zweifellos entsprechen- 
den a se ipsis, worin er a nur als Öxo aufzufassen vermochte, 
fertig werden, und somit entfiel für ihn auch jene erste mög- 
lichkeit. Die leichtigkeit, mit der Walch und seine nachfolger 
sich über die stilistische unmöglichkeit hinwegsetzen, dass in 
den gegensätzlichen verbindungen a viciore und a se ipsis das 
a zuerst «no, danach aber vxo bedeuten sollte, war Müllenhoff 
natürlich nicht gegeben, und darum hat cr die Walchsche 
übersetzung mit recht verworfen. Alle schwierigkeiten lösen sich 
aber spielend, wenn man a beidemal als ano fasst. 

Ueber die zulässigkeit meiner auffassung von a lohnt es 
nicht ein wort zu verlieren, da ja die wendungen appellari, 


270 KOSSINNA 


nomen invenire, vocari ab aliquo d.h. ‘nach jemand benannt 
werden’ häufig genug, auch bei Tacitus,!) vorkommen. Und 
dass a se ipsis in diesem zusammenhang nichts anderes als 
per se bedeutet, dürfte sich durch die kühne, ebenso nach ori- 
ginalität wie nach symmetrie und antithese strebende ausdrucks- 
weise unseres schriftstellers durchaus genügend und befriedigend 
erklären. Die Transrhenanen wurden zuerst nur im hinblick 
auf die linksrheinischen Germanen, also von deren nachbarı, 
Germanen genannt; später aber, als diese linksrheinischen ger- 
manischen stämme die besondere und höhere bedeutung für 
ihre umgebung verloren hatten und die kunde von dem sich 
ungemessen nach osten ausdehnenden muttervolk immer weiter 
drang bis zu kreisen, in denen man von den kleinen links- 
rheinischen völkern kaum etwas wusste, wurde das muttervolk, 
ohne dass nun die furcht noch eine rolle spielte, nur aus sich 
heraus oder an und für sich betrachtet und ohne einen die 
namengleichheit gewissermassen stets von neuem erklärenden 
und begründenden seitenblick auf die linksrheinische abteilung, 
nach fest gewordener gewohnheit Germanen genannt. Der 
zusatz mox a se ipsis war um so notwendiger, als zu Tacitus 
zeiten die Tungern nieht mehr Germanen hiessen, sondern sich 
nur noch ihres germanischen ursprungs rühmten, der schon als 
eine halbsagenhafte überlieferung galt. Da so der name Ger- 
manen in der gegend, wo seine wiege stand, eingegangen war, 
fügte Tacitus hinzu, dass er später dem muttervolk als solchem 
und obne hinblick und vergleich mit dem ursprungsland und 
ursprungsvolk geblieben sei. Uebrigens ist die ausdrucksweise 
a se ipsis—=‘von sich aus’ durchaus nicht ohne beispiele. Ganz 
gewöhnlich ist die wendung aliquid a se facere= ‘etwas von 
sich aus tun’, ebenso passivisch aliquid a se fi. Eine mit 
unserer stelle sich völlig deckende habe ich nachträglich bei 
Cicero gefunden, Timaeus 6: ita se ipse [mundus]| consumptione 
et senio alebat sui, cum ipse per se el a se el pateretur el 
faceret omnia. 

Ich glaube nicht, dass die von mir gegebene übersetzung 
und auslegung schon jemals vorgeschlagen worden ist, und 


1) Z.b. Ann. 14,27 Puteoli... cognomenlum a Nerone apiscunlur; 
4,55 Graeciam..., cul mox a Pelope nomen. 


DER URSPRUNG DES GERMANENNAMENS. 271 


doch wırd man zugestehen, dass sie durchaus ungekünstelt ist, 
ja gleichsam auf der hand liegt. Sie trägt nichts hinein in 
den schriftsteller und liest nur heraus, was durch den logischen 
zusammenhang gegeben ist. Sie tastet keines seiner worte an, 
lässt aber auch keines ungenutzt liegen. Ich verweise hier 
nochmals auf die wendung ob metum, die bei Laistner ohne 
bedeutung für den gesammtinhalt erscheint, bei mir aber ein 
unentbehrliches glied der entwicklung des gedankens bildet. 
Ebenso aber wie meine übersetzung sprachliche und logische 
fehler meidet, wie sie bei den vorgängern und wol bei niemand 
mehr als bei Laistner nachgewiesen wurden, ist ihr inhalt auch 
frei von verstössen gegen den gesunden menschenverstand wie 
gegen die geschichtliche wahrscheinlichkeit und findet sich 
durchaus in übereinstimmung mit den anerkannten geschicht- 
lieben tatsachen. Sie steht in allen diesen beziehungen einzig 
da und trägt durch die erwähnten eigenschaften die gewähr 
der richtigkeit in sich. 


II. Die linksrheinischen Germanen. 


Es wird nunmehr meine aufgabe sein, zu zeigen, wie bei 
meiner übersetzung die geschichtlichen voraussetzungen, die uns 
die mittel der germanischen altertumskunde an die hand geben, 
sich auf ungekünstelte weise mit der nachricht des altertums 
zu einer befriedigenden gesammtauffassung vereinigen lassen. 

Bei Müllenhoff waren die geschichtlichen folgerungen aus 
dem berichte des Tacitus völlig beherscht von der überzeugung, 
dass die linksrheinischen Germanen Kelten und frei von jeg- 
licher germanischen beimischung waren. Diese gegenüber den 
geschichtlichen zeugnissen an sich bedenkliche annahme führte 
Müllenhoff zu der weitern schwierigen folgerung, dass der kel- 
tische name in der hauptsache durch die unmittelbaren kel- 
tischen nachbarn, denen die Römer hierin allerdings kräftig 
beigeholfen hätten, jenem keltischen stamme allmählich ge- 
nommen und auf das rechtsrheinische völlig stammfremde volk 
übertragen wäre. Für eine solche durch sich selbst allerdings 
ganz unerklärliche übertragung weiss Müllenhoff nicht ein ein- 
ziges beispiel anzuführen, hält sich aber für berechtigt, die 
annahme einer andersartigen übertragung, wonach der name 
Germanen von einem ursprünglich rechtsrheinischen Keltenvolk 


272 KOSSINNA 


auf die in sein gebiet einrückenden Deutschen ohne weiteres 
übergegangen wäre, darum abzuweisen, weil sich für einen 
solchen übergang keine alten analogien fänden. Und dabei 
führt er dann selbst sofort eine solche analogie an. Wir halten 
beide annabmen in diesem falle für unzutreffend. Doch da- 
von später. 

Von der römischen tberlieferung vollends bleibt bei Müllen- 
hoff herzlich wenig mehr bestehen. Fragen wir aber, wie 
Müllenhoff zu dieser ansicht gelangt ist, die sich weder durch 
einfache klarheit, noch durch innere wahrscheinlichkeit em- 
pfiehlt, so müssen wir den hauptgrund darin suchen, dass 
Müllenhoff, wie weit er auch in den meisten stücken über Zeuss 
hinausgekommen ist, zuweilen doch zu seinem. schaden dem 
einflusse dieses bedeutendsten vorgängers noch zu sehr unter- 
worfen geblieben ist. In diesem falle war es ein methodischer 
grundsatz, oder fehler, wenn man will, der Müllenhoff bei 
Zeuss festhielt: die durch die grossen erfolge der aufblühenden 
geschichtlichen sprachforschung erzeugte und beiden forschern 
gemeinsame überschätzung der mittel der sprachforschung, das 
dunkel der urzeit zu enthüllen. Wir wissen, wie kläglich die 
versuche allein mit hilfe der sprachvergleichung ein culturbild 
der sogenannten indogermanischen urzeit zu entwerfen oder 
gar die urheimat der Indogermanen zu ermitteln, gescheitert 
sind. Ich wenigstens kann irgendwelche festen ergebnisse 
der sog. indogermanischen altertumskunde nicht anerkennen. 
Und wie viel unberechtigter muss nun das unternehmen er- 
scheinen, allein auf grund sprachlicher erwägungen die best- 
beglaubigten nachrichten der allerdings vielfach dunkeln ge- 
schiehtlichen frühzeit unseres volkes verwerfen oder nach 
subjectiven schlüssen berichtigen zu wollen. Ich erinnere bei- 
spielsweise daran, wie sehr sich Müllenhoff sträubte, die Amsi- 
varier dorthin zu setzen, wohin sie allein gehören, an die Ems, 
ja wie er sie gar nicht als selbständiges volk anerkennen 
wollte, nur weil er meinte, sie hätten dann Amisivarier heissen 
müssen. lEbenso verwarf er des Tacitus bestimmte meldung, 


dass die Bataven von den Chatten ausgegangen sind, nur weil : 


er meinte, die Bataven wären auch Chattuarier genannt und die 
Römer nur durch den anklang dieser namen veranlasst worden, 
die Battaven zu abkömmlingen der Chatten zu machen. Der 


DER URSPRUNG DES GERMANENNAMENS. 273 


wahre grund seines zweifels war seine tiberzeugung, dass die 
namen Chatti und Chattuarii lautlich nicht in einklang ständen, 
was neuerdings aber von Braune erwiesen worden ist. 

Schon in meiner anzeige von Müllenhoffs Deutscher alter- 
tumskunde (Anz, fda. 16 [1890], 31) sprach ich es aus, dass seine 
gründe für eine rein keltische abkunft der belgischen Germanen, 
die sich auf nichts weiter als auf die keltische sprachform 
ihrer volks-, personen- und flussnamen stützen, mir keineswegs 
zwingend erscheinen. Indessen fehlte es mir damals an raum 
zu eingehenderer erörterung der frage und offen gestanden 
auch an der überzeugung, dass Müllenhoffs ansicht noch durch 
andere gründe, als durch einfache berufung auf Caesar, Strabo 
und Taeitus zu widerlegen möglich wäre. Freilich der alte 
Clüver und auch die älteren und jüngeren geschichtschreiber, 
die unsere urzeit zum gegenstand umfassenderer darstellung 
gemacht haben, von Mascou herab bis zu Lamprecht!), sind 
der überlieferung ohne weitere zweifel gefolgt und haben von 
rein keltischen Germanen nichts gewusst oder wissen wollen. - 
Diese entdeckung brachte, nachdem noch Wersebes?) umfang- 
‚reiches werk über die altdeutschen völkerbündnisse sich in 
dem altbewährten geleise bewegt hatte, erst das jahr 1837 und 
gleichzeitig von zwei verschiedenen seiten. Zeuss und Hermann 
Müller?) waren durch den gang der sprachgeschichtlichen for- 
schung dahin geführt worden, die antike überlieferung bei seite 
zu setzen, die zeugnisse der sprache aber, die doch von jenen 
durch die überlieferung mitgeteilten ereignissen durch jahr- 
hunderte getrennt sind, als allein entscheidend anzusehen. Sie 
betrachteten darum die belgischen Germanen nicht als mehr 
oder weniger keltisierte abkömmlinge rechtsrheinischer Ger- 
manen, sondern als einen von jeher ungemischten echt kel- 
tischen stamm. Seitdem galt diese ansicht vielfach als ‘wissen- 


1) Ausdrücklich sei hier hervorgehoben, dass der einfluss, den ich, 
wie Lamprecht in der vorrede erwähnt, auf den ersten band seiner 
‘Deutschen geschichte’ in fragen der altertumskunde ausgeübt habe, 
sich nicht auf die belgogermanische frage erstreckt, sondern L. hier 
(8.73 ff.) seine stellung durchaus selbständig gewonnen hat. 

3) Ueber die völker und völkerblindnisse des alten 'Teutschlands 
(Hannover 1826). 

®) Die marken des vaterlandes, bd. 1 (Bonn). 

Beitrüge zur geschichte der deutschen sprache. XX. 18 


274 KOSSINNA 


schaftlich’ allein berechtigt und fand immer allgemeinere zu- 
stimmung, je mehr sich Zeuss’ ansehen zu cinem kanonischen 
crhob. Ihm folgten die meisten specialforscher, namentlich 
soweit sie von der sprachlich-philologischen seite diesen fragen 
nahe traten, wie Duncker (Origines Germanicae, Berl. 1840), 
Diefenbach (Origines Europaeae 1861 =.131 f. 350), Wormstall 
(Tungern und Bastarnen 1868), Usinger (Anfänge der deutschen 
geschichte 8.8 ff. 227 ff.), endlich Müllenboff. Auch Dahn trat 
auf diese seite (Könige der Germanen 1 [1861], 133 und mehr- 
fach in späteren werken). Dagegen hielten die ‘reinen’ histo- 
riker wol mehr aus geringschätzung gegen sprachgeschichtliche 
‘ergebnisse’, als aus voller würdigung aller in betracht kom- 
menden erwägungen an der alten ansicht fest. Ich nenne hier 
vor allem Waitz. Weit höher freilich hatte vorher schon 
J. W. Loebells!) behandlung der frage gestanden. Und nach 
verlauf zweier jahrzehnte blieb der rückschlag gegen Zeuss 
auch bei manclıen specialforschern nicht aus, 

Den ausgang nahm diese rückläufige er von 
Brandes’?) werk über die Keltenfrage, das heute zwar immer 
noch gern angeführt wird, aber so gut wie gar nicht mehr, 
gelesen zu werden scheint, wol weil die wenigsten noch lust 
haben an die einst verdienstliche widerlegung der abgetanen 
Holtzmannschen aufstellungen ihre zeit zu verlieren. Und doch 
brachte das buch auch in positiver hinsicht viel brauchbares. 
So hat es sich auch um unsere frage in eingehender weise 
und mit vollem verständnis der hindernisse, die einer ober- 
flächlich schnellen entscheidung entgegenstehen, bemüht. Wie 
Loebell nimmt auch Brandes an, dass nur eine mundartliche 
verschiedenheit das ursprüngliche belgische vom mittelgallischen 
abhebe, Caesars völlige trennung beider sprachen?) aber auf 
rechnung der reichlichen germanischen beimischung zurückzu- 
führen sei, die infolge des einbruchs der Germanen in Belgien 
die gallische sprache der östlichen Belgen erfuhr. Caesars und 
Taeitus’ nachrichten nimmt Brandes als feststehende tatsachen, 


1) Gregor von Tours und seine zeit (Leipzig 1839), Beilage 1. 

2) Das ethnographische verhältnis der Kelten und Germanen, Leip- 
zig 1857. 

3) Caesar BG.1,1: Hi omnes [Belgae, Aquitani, Galli) lingua, in- 
stilutis, legibus inter se differunt. | 


DER URSPRUNG DES GERMANENNAMENS. 375 


an denen nicht zu rütteln und zu deuten ist; sie sind für ihn 
entscheidend, doch fügt er ihnen gegen Zeuss bereits die tref- 
fende bemerkung bei, dass die gallischen ortsnamen im gebiete 
der linksrheinischen Germanen lediglich ein von den vorgängern 
ererbtes gut seien und darum der ihnen von Zeuss beigelegten 
beweiskraft durchaus entbehrten. 

Auf Brandes folgten einige kleinere mit recht wenig be- 
achtete schriften zur geschichte der gallischen kriege von Max 
Eichheim!), der widerum über das ziel hinausschoss, indem 
er für die gesammtheit der Belgen rein germanische abstam- 
mung behauptete und die Nervier als kernvolk der spätern 
Franken ansah. Das. kriegsjahr 1870 hat zwei selbständige 
schriften über unsern gegenstand gezeitigt, beide von rheinischen 
forschern, Watterich und Dederich. Während Dederichs oben 
(8. 261) genannte schrift, die in der Belgenfrage auf dem stand- 
punkt steht, dass an der deutschheit der Germanengruppe, wie 
der Tungern und Nervier nicht zu zweifeln sei und, wie wir oben 
sahen, sich besonders der philologischen auslegung der stelle 
in der Germania widmet, sucht Watterichs?) eingehende er- 
örterung allen seiten des problems gerecht zu werden. Zeigt 
die arbeit auch erhebliche mängel in sprachlichen dingen, bringt 
sie ganz unmögliche etymologien und manche unmögliche inter- 
pretation, so ist hingegen höchst löblich ihr kräftiges, auf ge- 
sunde geschichtliche einsicht gestütztes eintreten für die klare 
geschichtliche überlieferung, d.h. für die deutschheit der links- 
rheinischen Germanen. In dieser gruppe sieht er die ersten 
und ‚ältesten deutschen eroberer linksrheinischen Gallierlandes, 
woher ihrem stamme auch die Gallier die benennung des 
rechtsrheinischen muttervolkes entlehnt hätten, während die 
westlicher sitzenden Belgen, deren namen er, wie später Much 
(s.171) nach ahd. beigan ‘schwellen, zornig sein’ erklärt, erst 
dem stamme der Germanen gefolgt wären und über ihn hin- 


1) a) Caesars feldzlige gegen die germanischen Belgier. Neue rand- 
glossen. Neuburg a.D. 1864. — b) Die kämpfe der Helvetier, Sueben 
und Belgier gegen C. J. Caesar. Neue schlaglichter auf alte geschichten, 
Ebd. 1866. — c) Neue schlaglichter auf die urgeschichte der Germanen 
in Belgien und den Rheinlanden. München 1879. 

2) Watterich, Der deutsche namen Germanen und die ethnogra- 
phische frage vom linken Rheinufer. Paderborn 1870. 


18* 


276 KOSSINNA 


weg die eroberung des gallischen bodens weiter westlich bis 
zur Sequana vollzogen hätten. Unter den einzelheiten erwähne 
ich besonders Watterichs sehr passenden hinweis auf die schnelle 
romanisierung der germanischen eroberer des römischen reiches, 
der Burgunden, Westgoten, Langobarden, namentlich aber auf 
die Normannen in der Normandie, bei denen ein zeitraum von 
einhundertfünfzig jahren hingereicht hat, um sie völlig ver- 
welschen zu lassen. 


Einen neuen vorstoss gegen Zeuss unternahm Erhardt), 
auch er ohne hinreichende sprachliche vorbildung, aber glück- 
lich in der behandlung der einzelheiten der überlieferung, die 
er nach allen seiten einer scharfen beleuchtung unterzieht. Von 
der deutschheit der belgischen Germanen geht er als einer fest- 
stehenden tatsache aus und vermag in den versuchen, an dieser 
äusserlich völlig gesicherten und durch die ihr innewohnende 
wahrscheinlichkeit zudem bestens empfohlenen überlieferung zu 
rütteln, nur ausgeburten einer ungesunden methode zu erblicken. 
Seine untersuchung erstreckt sich auf die beiden grossen den 
Germanen benachbarten völkerschaften der Nervier und Trevern 
und weiss auch von ihnen darzutun, dass sie teilweise offenbar 
germanischen ursprungs gewesen sind. Caesar und seinem 
fortsetzer erschienen beide völker von germanischer wildheit 
(BG. 2,4; 8,25). Strabo, der hierin wenn auch keiner vorcaesa- 
rischen, so doch einer alten von Caesar unabhängigen quelle 
folgt, nennt beide völker geradezu Germanen. Und noch zu 
Taeitus’ zeiten rühmten sich beide ihrer germanischen ab- 
stammung. Auch aus einer beleuchtung der gallischen kriege 
Caesars und der späteren aufstände, besonders des grossen 
batavischen krieges, erhellt ein auffälliges zusammengehen dieser 
beiden stämme mit den links- und rechtsrheinischen Germanen 
und andrerseits ein gewisser abschluss gegen die rein gallischen 
Westbelgen. Sind diese letzterwähnten beobachtungen an sich 
auch nur von geringer bedeutung und nur im zusammenhang 
mit den bestimmten nachrichten bei Strabo und Taeitus in etwa 
zu verwerten, so wird man alles in allem Erhardt doch gern 
zustimmen, da irgendwie durchschlagende einwände bisher nicht 


1) Aelteste germanische stammbildung. Eine untersuchung von 
Louis Erhardt (Leipzig 1879), 8. 5—15. 


DER URSPRUNG DES GERMANENNAMENS. 277 


erhoben worden sind und sich auch kaum werden erheben 
lassen. Dagegen verlässt Erhardt wider den boden des nach- 
weisbaren, ja des wahrscheinlichen, wenn er annimmt, dass 
nicht nur die belgische Germanengruppe, sondern aueh Nervier 
und Trevern zu Caesars zeiten noch einen wesentlich germa- 
nischen charakter bewahrt hätten. Der unterschied, der sich 
darin zeigt, dass sich bei den belgischen Germanen der hei- 
mische gesammtname lange erhielt, den Nerviern und Trevern 
aber nur die geschichtliche erinnerung an ihre germanische ab- 
stammung lebendig blieb, zeigt gerade, dass die germanische 
beimischung bei diesen beiden völkern nicht so stark gewesen 
und keltisches wesen in sprache und benennung, wie in vielen 
andern beziehungen entschieden obgesiegt hatte. Freilich könnte 
man das lange andauern des Germanennamens bei den Germani 
cisrhenani auch daraus erklären, dass ihnen dieser name nicht 
nur als gesammtvolksname, sondern auch als völkerschaftsname 
von ihrer rechtsrheinischen heimat her anhaftete, 

Wir sehen, es ist eine stattliche reihe von mehr oder weniger 
brauchbaren vorarbeiten, die Much bei seiner bekämpfung des 
standpunktes von Zeuss und Müllenhoff hätte anführen und 
benutzen können. Ohne sie zu kennen, jedenfalls ohne sich um 
sie zu kümmern, geht Much seinen weg vorwärts und erobert 
in siegesgewissem ansturm die Müllenhoff’schen stellungen, eine 
nach der andern. Dieser teil des abschnitts über die ‘Germanen 
am Niederrhein’ (s. 159 ff.) ist wol der glänzendste seines an 
geistvollen und dabei kerngesunden auffassungen reichen werker. 
Mag der leser noch so widerstreben, Muchs auseinandersetzungen 
müssen ihn, wofern noch gründe einfluss auf ihn haben, zu der 
überzeugung bringen, dass das östliche Belgien in der tat eine 
germanische einwanderung oder überflutung erfahren hat und 
dass diese germanische oberschicht bei einigen völkerschaften 
inmitten dieses gebietes so stark war, dass diese geradezu 
Germanen genannt wurden. 

Anknüpfend an meine kurze ablehnung der sprachlichen 
gründe Müllenhoffs führt Much bis ins einzelne die gegengründe 
aus. Dass die keltischen ortsnamen für unsere frage ohne 
bedeutung seien, hatte schon Brandes ausgesprochen, ebenso 
verhält es sich mit den keltischen personennamen. ÖObne viel 
gewicht zu legen auf die auffallend weitgehenden überein- 


278 KOSSINNA 


stimmungen in keltischer und germanischer personennamenbil- 
dung und auf den umstand, dass uns die ältesten germanischen 
namen nur aus keltischem munde und in keltischer lautgebung 
überliefert sind, genügt es, festzustellen, dass wir bei den ger- 
manischen grenzvölkern ältester zeit rein keltische personen- 
namen auch als offenbare entlehnungen finden, z. b. Ariovistus, 
Maroboduus, Boiocalus, auch wol Verritus und Mallovendus. Für 
die volksnamen endlich gilt das gleiche: ich erinnere hier an 
die germanischen und keltischen entsprechungen. So decken 
sich in lautlicher beziehung die germanischen Burgundiones, 
Chatti, Chauci mit den keltischen Zrigantes, Cassi, Cauci; auch 
Calucones finde ich ausserhalb Germaniens wider und zwar in 
Raetien. Much, wie schon mancher seiner vorgänger, z. b. Watte- 
rich, verweist auf die zweifellos keltischen namen unanfechtbar 
germanischer grenzvölker, auf die rechtsrheinischen Usipiten, 
die linksrheinischen Nemeten und Triboken. Er hätte noch 
die Maitiaci, in deren namen mindestens die endung sicher 
keltisch ist!), und weiter die Campi, Racalae, Naharvali?), alle 
gleichfalls keltischen gepräges, hinzufügen können. Wir sehen 
danach sowol am Rhein wie an der Donau die den Kelten zu- 
nächst liegenden germanischen völkerschaften mit keltischen 
spitznamen behaftet. So werden wir, um dies hier anzuschliessen, 
auch die im südwestwinkel Deutschlands ansässigen Caritanen 
(Kaoitavoı Ptolem. 2, 11,6) mit unzweifelhaft keltischem namen 
unbedenklich für Germanen ansehen können, zumal seit beginn 
der geschichtlichen kunde germanische bevölkerung gerade hier 
sicher bezeugt ist (Caesar, BG. 1,1.2.5.). Much meint gewiss 
mit recht, dass der teil von Ariovists schaaren, den Caesar 
nicht am linken Rheinufer beliess, weil er auch durch Ariovist 
noch zu keiner festen ansiedlung gekommen war, also die 
vier abteilungen der Haruden, Markomannen, Eudusier, Sweben 
auf dem rechten ufer bei dem hauptvolk der Markomannen an- 
schluss gesucht und gefunden haben werden. Nichts spricht 
jedoch dagegen, dass wir annehmen, diese Swebenabteilung 
des Ariovist sei in den rechtsrheinischen sitzen verblieben, als 


ı) Dass auch der stamm als keltisch anzusehen ist, nimmt Streitberg 
wol mit recht an (Annal.d. ver. f. Nassau. altertumsk. 26 (1894), 134). 

2) Von den Naharvali hat dies kürzlich v. Grienberger gezeigt 
(Beitr. 19, 527). 


DER URSPRUNG DES GERMANENNAMENS,. 279 


das hauptvolk der Markomannen unter Maroboduus nach Böhmen 
abzog. Es sind das die Sweben, die wir in der zweiten hälfte 
des ersten jahrhunderts n. Chr. als Neckarsweben von neuem 
kennen lernen, deren wohnsitze innerhalb der römischen grenzen 
sonst unerklärt blieben. 

Es ist das verdienst Zangemeisters diese Swebengemeinde 
am untern Neckar entdeckt zu haben (Zur geschichte der 
Neckarländer in römischer zeit,!) Neue Heidelberger jahrbb. 3, 1 ff.). 
Wir wissen jetzt, dass die rätselbafte civifas S. N. mit dem vor- 
ort Lupodunum (Ladenburg), deren gebiet bereits im jahre 74 
durch Vespasians eroberung dem römischen reiche einverleibt 
worden war, seit der widerherstellung durch Trajan civitas 
Ulpia S. N. benannt, ihren namen von den dort angesessenen 
Suebi Nicretes bekommen hatte. Durch eine seit mehr als funfzig 
jahren bekannte, von Zangemeister aber zuerst richtig gelesene 


ı) Mit den hier ausgesprochenen ansichten über die sitze der ger- 
manischen völker zur zeit Caesars und mit der hier gegen mich gewen- 
deten polemik kann ich mich jedoch nicht durchweg einverstanden erklären. 
Für meine annahmen, dass die Suebi in Ariovists heer keine besondere 
abteilung und dass weiter der hinter den Übiern gesessene grosse stamm 
der Sweben die spätern Chatten sind, hatte ich namhafte vorgänger: ich 
schloss mich bier nur der herschenden meinung an, und beide punkte 
spielen im verlauf meiner Swebenabhandlung eine ganz untergeordnete 
rolle. Riese bekämpfte diese nebendinge, weil er in der hauptsache, 
dass nämlich Markomannen und Quaden keine Sweben sein sollten, un- 
recht behalten hatte. Ich habe in jenen beiden nebenpunkten meine 
meinung natürlich längst geändert; namentlich seit Muchs überzeugen- 
den ausführungen. Das brauchte mir also Zangemeister, der in andern 
teilen der Swebenfrage mir zustimmt, nicht noch einmal besonders vor- 
zuhalten. In einem punkte setzt er sich bei seiner polemik gegen 
mich aber in entschiedenes unrecht, und bier muss ich ihn zurück weisen. 
Wenn Drusus nach Dio im jahre 9 v. Chr. von den Chatten tiber die 
Sweben zu den Cherusken marschiert, so lag es nahe, in diesen Sweben 
die Hermunduren zu suchen, die ich mir, wie es damals (1890) wol die 
allgemeine ansicht war, westlich bis an die fränkische Saale ausgedehnt 
dachte, wo sie ja funfzig jahre später ihre grenze gegen die Chatten 
haben. Erst durch Zippel (Deutsche völkerbewegungen in der Römer- 
zeit, Königsberg 1895, s. 27f.) ist es klar geworden, dass die Hermun- 
duren im 1.jb. v. Chr. wol noch weiter östlich wohnten. Zangemeister 
schiebt mir nun die törichte anschauung unter, als meinte ich: Drusus 
wäre von den Chatten über den Thüringerwald (!) zu den Cherusken 
gewandert, und nennt dann diese ansicht ‘bedenklich’. Ich würde eine 
solche ansicht mehr als bedenklich nennen. 


280 KOSSINNA 


inschrift!) sind diese Sweben auch für das 2. und den anfang 
des 3. jh.’s gesichert. Wir können nunmehr mit ziemlicher sicher- 
heit bei Ptolemaeus 2, 11,6 statt Ivxplioves, welchen namen 
ein volk zwischen Rhein und Schwarzwald führt und wofür 
auch Niroiwveg überliefert ist, Nıxoiwves = Nicretes lesen und 
gewinnen damit eine weitere bezeugung dieses stammes für 
das 2. jh. 


Dagegen ist die erwähnung der Sweben im Monumentum 
Ancyranum Marcomanorum Sueborum wol kaum auf die Neckar- 
sweben zu beziehen. Ihr vertriebener könig ist offenbar kein 
anderer als Zudrus gewesen, woran schon Müllenhoff gedacht 
hat, aber nur um eine solche vermutung abzuweisen. Im grie- 
chischen texte lautet die stelle Mapxouavo» ... [lücke von 
13—14 buchstaben] 005. Eine ergänzung von 14 buchstaben 
wäre: xal Zovnßov Tovd(gos), eine solche von 13: xal Zonßo» 
Toüd(gos) oder Zovnßovre Tovd(oos). Müllenhoff stiess sich 
daran, dass Tudrus bei Taeitus der stammvater des königs- 
geschlechtes der quadischen Sweben, nicht der markomannischen, 
heisst. Nun ist aber nach Muchs noch unveröffentlichter, mir 
aber bereits bekannt gewordener einleuchtender vermutung 2) 
das hinter den Übiern gesessene hauptvolk der Sweben Caesars, 
das mit den Markomannen nach osten auswanderte, eines und 
dasselbe mit den Quaden. Wir haben uns also folgende tatsachen 
widerherzustellen. Ueber Markomannen südlich und Quaden 
(Sweben) nördlich des Mains herschte Tudrus, wurde vertrieben 
und suchte bei Augustus schutz, Sein nachfolger war der 
römisch gebildete Maroboduus, der seine beiden völker bald nach 
9 v. Chr. ostwärts führte. Die Quaden haben nach dem sturz des 
Maroboduus im jahre 18 n. Chr. aus dem stamme des vertriebe- 
nen Königs Tudrus sich einen nachfolger erwählt: Vannius, der 
bei der vertreibung des usurpators Catualda aus dem Marko- 
mannenreiche im jahre 19 wol mit beteiligt war. Nach des 
Vannius vertreibung im jahre 50 herschten dann seine schwester- 
söhne Vangio und Sido tiber die Quaden und noch zu Taeitus’ 
zeiten war des Tudrus geschlecht im besitz dieser königsmacht. 


ı) Di Mani | Tertiniae. Florenltiniae. cives Suebja Nicreti. vixit 
alnn]lis XVII... 


2) [S. oben 8.20ff. E. S.] 


DER URSPRUNG DES GERMANENNAMENS. 281 


Noch zweifelhafter ist es, ob mit Strabos 307ßo: an der 
Donauquelle und dem herkynischen walde (6, 9 p. 207) die 
Neckarsweben oder nicht vielmehr noch die Markomannen in 
ihren ehemaligen sitzen am Oberrhein gemeint sind. Und ebenso 
unsicher ist es, ob unter den Sweben, die nach Taeitus (Ann. 1, 44) 
iin jahre 14 n. Chr. die provinz Raetien bedroben, Hermunduren 
oder Neckarsweben zu verstehen sind. 

Dagegen begegnen wir den letzteren sicher im irischen 
heere. Inschriftlich bezeugt ist ein signifer der kaiserlichen 
equites singulares Secundinus Verus natione Suaebus (Ephemer. 
epigr. 4,345 n0. 935), der als solcher frühstens dem 2. jh. an- 
gehört haben und, da er notwendig reichsangehöriger war, nur 
den Neckarsweben entstammt sein kann. Denn dies waren die 
einzigen Sweben auf römischen boden, während Semnonen, 
Hermunduren, Markomannen, Quaden nicht in frage kommen. 
Erst durch die von Maximian eingeführte conscriptionsordnung!) 
werden für die wichtigste fusstruppe der die feldschlachten 
schlagenden garde, für die duxilia, teilweise auch für die alae, 
bei den freien germanischen grenzvölkern weitgehende truppen- 
anwerbungen eingeführt, die sich rechts des Rheins indessen 
nur wenig tiefer landeinwärts erstrecken, als auf die einst von 
Rom besetzten gebiete. Wir lernen die hier in betracht kommen- 
den stämme hundert jahre später durch die Notitia dignitatum 
kennen. Linksrheinisch sind es die reichsangehörigen 'Tungern, 
Bataven, Salier, Saxen?), Heruler?); rechtsrheinisch Franken, 
Chamaven, Ampsivarier, Angrivarier (?)*), Falchovarier 5), Bruc- 


ı) Mommsen, Hermes 24, 233. 

2) Es kann nicht zweifelhaft sein, dass man in den Saxones (Not. 
dign. Or. 32, 37) nicht etwa die zuerst von Ptolemaeus genannten Nord- 
albingen, sondern die von jenen ausgegangenen wikingischen heimsucher 
der gallischen und britannischen Küste (litus Saxonicum) zu sehen hat. 

s) Wie bei den Saxen handelt es sich auch bei den Herulern nicht 
um das hauptvolk auf den Ostseeinseln, sondern um jene schwärme, die 
auf ihren mit den Chabionen gemeinsam vollführten raubzügen in Gallien 
heimisch geworden und dort von Maximian unterworfen worden. 

*) Ueberliefert ist Anglevarii, doch ist es zweifelhaft, ob man mit 
Mommsen, der sich hier wie auch sonst auf Zeuss verlässt, an die Angeln 
denken darf (Hermes 19, 232). Denn diese lagen völlig ausserhalb des 
römischen gesichtskreises und von einer beteiligung derselben bei den 


wikingfahrten der Saxen und Heruler gegen Gallien, die an sich sehr _ 


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282 KOSSINNA 


teren, Tubanten, Mattiaken, Bucinobanten, Brisigaven, Alamannen; 
an der Donau Raetovarier !), Markomannen, Quaden, Wandalen, 
Goten. Der name Sweben hatte demnach zu dieser zeit bereits 
eine verengung erfahren, findet im römischen heere jedenfalls 
nur auf die Neckarsweben besondere anwendung. Auf sie allein 
können sich die dedicationen an die muttergottheiten beziehen, 
deren wir zwei aus ubischem gebiete kennen), zumal wenn sie vor 
die zweite hälfte des 3. jh.’s. fallen sollten. Der bei einer dritten 
solchen weihinschrift?) erwähnte swebische beiname Zuthungen 


gut denkbar wäre, wissen wir nichts. Vom sprachlichen standpunkte ist 
gegen eine auch inhaltlich völlige gleichsetzung der Angili und Anglevarü 
nichts einzuwenden, da Angili meiner ansicht nach von angul ‘meeres 
bucht’ herzuleiten ist, trotz A. Erdmann (Die Angeln s. 111f.), Anglevari 
also nicht die nachfolger der Angeln zu bedeuten braucht; vgl. hierüber 
8. 282 anm. 1. 

5) S. den excurs am schlusse der abhandlung. 

1) Ueberliefert ist Raelobarü. Wie ihre nachbarn, die Baiern, Bai- 
mari hiessen, weil sie einst das land der Boien inne hatten, so hiessen 
sie selbst Raetovarii, nachdem sie sich auf einem teil des alten Raeten- 
landes niedergelassen hatten; ähnlich wie Baiochaimoi, Teuriochaimoi 
nachfulger der Boien, Tl'eurien bezeichnet. Danach bedeutet Chattuarii 
nichts anderes als “nachfolger der Chatten’, und letzteres können die 
Chattuarü natürlich nicht in dem lande gewesen sein, wo wir sie zuerst 
antreffen, d.h. zwischen Ems und Rhein, sondern nur weiter östlich, als sie 
in vorzeiten an die mittlere Weser rückten, nachdem die Chatten südwärts 
gezogen waren. — Beiläufig bemerkt, zeigt der name Raetovarü die un- 
haltbarkeit von Laistners vermutung, dass in dem überlieferten Cyuuari 
Recivarii stecken könne, vom rein sprachlichen gesichtspunkte aus. 

2) Nur die zweite der beiden inschriften wird bestimmt datiert, in 
das ende des 2. oder den anfang des 3. jh.'s. 

a) [MJatribus . meis | [Ger]manis . Suebis | ||| Vlelrecuniul[s] //j] us. 
negatioto[r] [cre]tarius. v. s. l.m. (vgl. Archäolog. zeitung, N. F. 
3 (1871) 54) 
und 
b) [Matribu]s Suebis | [ /] demilius | [Prijmitivus | [ex vo]to I. m. | 
//!! o. et. Aeliano c[os] (vgl. Jahrbb. d. ver. alt. Kheinl. 83, 145. 
147). 

8) [Mat]ribus Suebis Kuthungabus [1]ulius Secundus [juli Philtatı 
[v] s/m (vgl. M. Ihm, Rh. mus. N. F. 45, 639). — Dazu gesellt sich als vierte 
die neuerdings in England zum vorschein gekommene weihinschrift aus 
den jahren 238—241 n. Chr. (vgl. Westd. zs., Korr.-bl. 1893. 12, 184 ff.): 
Deae Garmangabi el n(umini) G(ordiani) Aug(usti) [n(ostri)] pr[o] sal(ute) 
vex(illarii) Sueborum Lon(govicianorum) Gor(dianorum) votum soluerunt 
m(erito). 


DER URSPRUNG DES GERMANENNAMENS. 283 


zeigt, dass dieser stamm, dem wir als Jutbungen seit dem 
letzten drittel des 3.jb’s an der obern Donau begegnen, zur 
zeit, da die inschrift geweiht wurde, bereits in Süddeutschland 
ansässig war. Leider ist eine genauere zeitbestimmung der 
inschrift ihrem herausgeber nicht gelungen. Um die Euthungen 
von den bis etwa 250 n. Chr. unter römischer herschaft stehen- 
den Neckarsweben zu scheiden, wurde die hinzufügung ihres 
sonderbeinamens für notwendig gehalten. Nachdem um die 
mitte des 3.jh.’s das rechtsrheinische Obergermanien frei ge- 
worden war, sind die Neckarsweben in den Alamannen aufge- 
gangen und haben neben den Juthungen (Semnonen) dazu bei- 
getragen, in dem Alamannenbunde den namen der Sweben zum 
vorherschenden zu machen. Wol nur ein anderer name für 
die Jutbungen war der der ARaetovariü ‘Riesbewohner’, denn 
Juthungen waren zu ausgang des 3. und im 4.jh. die ärgsten 
bedränger der provinz Raetien (Zeuss 312 ff.) und siedelten sich 
damals, ähnlich wie die Markomannen im osten, schon am 
südufer der Donau an, das bis auf den heutigen tag den namen 
‘Ries’ trägt. 

Um von dieser abschweifung zu unserer aufgabe zurück- 
zukehren, so haben wir also festzustellen, dass keltische volks- 
namen für germanische völker nicht das geringste gegen die 
bewahrung der alten nationalität der letzteren beweisen. Mit 
sprachlichen mitteln lässt sich hier überhaupt wenig entscheiden. 
So kann auch die tatsache, dass für die von Much früher als 
germanisch angesprochenen tungrischen personennamen Freio, 
Freioverus, Freiatto, Friatto (8.167) sich ihm jetzt die möglich- 
keit und selbst die wahrscheinlichkeit ergeben hat, dass sie 
doch keltisch sind (Zs. fda. 39, 43), unsere ansicht in keiner 
weise beeinflussen. In der oben gegebenen kritischen übersicht 
der anschauungen über die nationalität der linksrheinischen 
Germanen, wie sie in unserem jahrhundert sich entwickelt haben, 
habe ich das geschichtliche material ungefähr schon mitgeteilt, 
auf dem wir zu fussen haben. Eine klare erörterung desselben 
findet sich zudem bei Much, auf den ich hierüber nur zu ver- 
weisen brauche. Wie Müllenhoff Caesars nachrichten als für 
seine eigene ansicht sprechend ins gefecht führen konnte, ist 
eigentlich ganz unverständlich. Ebenso ist seine bestimmte 
behauptung, dass des 'Tacitus meldung, Nervier und Trevern 


254 KOSSINNA 


wären auf ihre germanische abkunft nicht wenig stolz, allein 
auf Caesars nachricht beruhbe, nach der sehr viele Belgen von 
den Germanen rechts des Rheins stammten und diesen strom 
antiquitus überschritten hätten, gänzlich abzuweisen, da doch 
schon Strabo wenigstens für die Nervier ähnliches wie Taecitus 
meldet. Die genauere erkenntnis muss hier also durch die 
Römer in der ersten augustischen zeit gewonnen worden sein. 
Auf Strabo darf man sich indess für die germanische nationalität 
oder beimischung der T'revern nicht berufen: hier hat Müllen- 
hoff, dem Much (8. 169) folgt, offenbar zu viel herauslesen wollen. 
Strabo (p. 194) nennt die linksseitigen Rheinanwohner von der 
quelle an und erwähnt bei den Mediomatriken des über den 
strom eingewanderten ‘germanischen volkes’ der Triboken, 
gelangt im verlaufe der darstellung zu den Trevern nebst den 
Übiern und weiter zu den Nerviern, indem er letztere xal rovro 
T'eguavıxov E9vog nennt. ‘Auch diese ein germanisches volk’, 
nicht etwa wie die Trevern, auch wol nicht einmal wie die 
ebengenannten Ubier, meint Strabo, sondern ‘wie die Triboken‘’, 
die allein von allen völkern Strabo vorher als ['spuavıxov 
E9vos bezeichnet hat. 

Dieser abschnitt bei Strabo (4, 3, 4) ist für die älteste ger- 
manische völkergeschichte überhaupt und die Germanenfrage 
insbesondere so wichtig, dass wir bei ihm noch länger verweilen 
und namentlich Strabos verhältnis zu Posidonius näher erörtern 
müssen. Ueber dieses verhältnis hat bekanntlich Müllenhoff in 
den jahren 1871 und 1872 seine grundlegenden forschungen ge- 
macht, die jedoch erst 1887 veröffentlicht wurden. Lange vor- 
her schon war ein aufsatz von Karl Lamprecht über ‘Strabo 
und Posidonius als quellen zur deutschen 'geschichte’ (Zs. d. 
Bergischen geschichtsver. 16 [1880], 9 ff.) erschienen. Diesen mir 
seit seiner veröffentlichung bekannten, sonst wol so gut wie 
unbekannt gebliebenen aufsatz habe ich in meiner abhandlung 
über die Sweben (1890) unberücksichtigt gelassen, weil er mir 
trotz einzelner riehtiger bemerkungen in der hauptsache ver- 
fehlt erschien. Heute denke ich wesentlich anders, indem ich 
glaube, dass Lamprecht trotz mehrfacher irrtümer in einem 
hauptgedanken das richtige getroffen hat. Ein solcher irrtum 
z. b. ist es, wenn (s. 11,13) Strabos xara tourovg [sc, Mevariovg] 
Sidovvrar Zovyaußooı T'spuavoi (4, 3, 4), misverstanden wird. 


DER URSPRUNG DES GERMANENNAMENS. 285 


Denn die bei den Menapiern genannten Sugambern sind natür- 
lich die im jahre 8 v. Chr. durch Augustus übergesiedelten links- 
rheinischen teile des volks, die spätern Cugernen, während 
Lamprecht sie in ihren alten sitzen am rechten Rheinufer sucht, 
längs dem doch nach Strabos unmittelbar anschliessender be- 
merkung angeblich nur Sweben sitzen sollen. Verfehlt erscheint 
auch die auffassung von der im Zoxvvıog devuos befindlichen 
xopa, neol ns eipnxausv (Strabo 7, 1, 5) als der helvetisch-süd- 
deutschen ebene, von der Strabo hier noch gar nicht gesprochen 
hat; vielmehr ist hier das böhmische kesselland gemeint. Und 
wenn Strabo (7, 1, 3) eine ganze menge von völkern, unter denen 
er allein sieben mit namen nennt, mehrere andere (&ARoı nAeiovg) 
aber übergeht, alle am ocean wohnen lässt, so ist doch klar, 
dass damit nicht nur die küstenvölker der Nordsee, sondern 
die ganze aus Nordwestdeutschland bekannt gewordene völker- 
masse gemeint ist. Man kann also nicht mit Lamprecht (s. 16) 
sagen, dass Sugambern und Chamaven hier noch als küsten- 
völker erscheinen. Und gleicherweise unzulässig ist seine auf- 
stellung, dass Strabo diese völkernamen dem Posidonius ent- 
nommen hat, wo er doch gleich danach mitteilt, dass erst die 
kriege der Römer diese völker ans licht gebracht haben. Treff- 
lich dagegen ist die erst jetzt durch Zippel von neuem gemachte 
entdeckung, dass nach Strabos quelle Hermunduren wie Lango- 
barden rechtselbische völker waren (vgl. oben s. 279 anm.). 

- Vor allem aber halte ich einen hauptgedanken Lamprechts 
für ebenso richtig als wichtig und weithin aufklärend. Ueber 
die völkerverhältnisse am Rhein berichtet Strabo nämlich an 
zwei stellen, im 4, und im 7. buche, bei der beschreibung von 
Gallien und von Germanien; ausführlich nur an der erstgenann- 
ten stelle (4, 3, 4), über die wir oben (s. 284) bereits gehan- 
delt haben. Nun zeigen diese angaben, abgesehen von einigen 
auch äusserlich kenntlich gemachten nachrichten über verände- 
rungen der neuzeit, ein durchaus anderes bild, als das aus 
Caesars commentarien sich ergebende, und zwar ein bild von 
augenscheinlich älterem gepräge, das nur von Posidonius her- 
rühren kann. Denn in der beschreibung Galliens folgt Strabo, 
wie seitdem von Wilkens!) ausführlicher gezeigt worden ist, 


1) Herm. Wilkens, Quaestiones de Strabonis aliorumque rerum Galli- 
corum auctorum fontibus. Marburg. dissertation. 1886. 


256 KOSSINNA 


dem Posidonius, Caesar, Timagenes und Asinius Polli.e Man 
hat das besondere der Strabonischen darstellung auch früher 
schon bemerkt, aber nach dem vorgange von Zeuss (s. 220) 
sich begnügt, die auffällige Übereinstimmung der ersten hälfte 
von Strabos angaben: uera de Tovs EAovntriovg Enxoavol xal 
Mediouargıxol xaroıxoücıw tov Prvov, &v oic ldpvrar Teoue- 
vıxov Edvog nepauwdiv &x tig olxelas Tolßoxyor.... uera di 
tovg Mediouargıxovc xal Torßöxyovs rapoıxovcı row» ‘Privov 
Tonovigor ... Mit Caesar 4,10: Rhenus aulem oriltur ex Le- 
pontüs, qui Alpes incolunt, et longo spalio per fines Nanlualium, 
Helveliorum, Sequanorum, Mediomalricum, Tribocorum, Treverorum 
citatus fertur... dahin auszulegen, dass Strabo hier Caesar 
ausschreibe. Müllenhoff (DA. 2, 201 anm. 301 anm.), Mommsen 
(Hermes 16, 445 f.), Much (Stammsitze 106) folgen Zeuss, und 
es ist einer von den mängeln in Lamprechts darlegungen, die 
sich überhaupt auf beweise wenig einlassen, diese überein- 
stimmung Caesars und Strabos und die darin für seine behaup- 
tung posidonischen ursprungs jener stelle liegende schwierigkeit 
gar nicht gesehen zu haben. Ein gründliches eindringen hebt 
dann aber nicht nur diese schwierigkeit auf, sondern findet 
durch sie erst den beweis für die von Lamprecht mehr nur 
geahnte herkunft der Rheinbeschreibung. Denn gerade bei 
Caesar zeigt sich unverhüllt ihr rein literarischer ursprung, da 
sie mit den durch die gallischen kriege festgestellten völker- 
verhältnissen nicht übereinstimmt. Zudem gibt diese beschreibung 
genauere angaben nur für die strecke des Rheins, von der quelle 
bis etwa zum Moseleinfluss, die Caesar abgesehen von der kurzen 
annäherung im südlichsten Elsass in der schlacht gegen Ario- 
vist1) niemals selbst gesehen hat, und überspringt gerade die- 
jenige Rheingegend abwärts Coblenz, die Caesar persönlich genau 
kennen gelernt hat, um dann mit der schilderung der Rhein- 
mündungen, widerum nach literarischen quellen, zu schliessen. 
Gleich von der Rheinquelle ab tritt die veraltete literarische 
quelle zu tage, denn dass die Nantuaten nicht am Rhein, son- 
dern an der obersten Rhone sitzen, weiss Caesar an andrer 


1) Die versuche, dieses schlachtfeld zu bestimmen, übersieht man 
jetzt am besten bei W. Wiegand, Die schlacht zwischen Caesar und 
Ariovist (Mitteil. d. ges. f. erhalt. d. gesch. denkm. im Elsass. 2. folge. 
Bd. 16 [1893], 1 ff.). 


DER URSPRUNG DES GERMANENNAMENS. 287 


stelle, wo er über vorgänge seiner eigenen zeit berichtet, sehr 
wol. Diese einzig passende erklärung für jenen zwiespalt bei 
Caesar hat auch Mommsen nicht gefunden. Weiterhin werden 
dann bei Caesar wie bei Strabo nur die Triboken genannt, 
noch nicht aber ihre nördlichen nachbarn, die Nemeten und 
Wangionen, und dann bei Strabo allein an die Trevern längs 
des Rheins die Nervier geschlossen, ein beweis, dass Caesar 
und Strabo den Posidonius in ganz selbständiger weise und 
unabhängig von einander ausgezogen haben. Der schlagendste 
beweis jedoch, dass Caesar den ganzen absatz aus Posidonius 
genommen hat, ist seine beschreibung der Rheinmündung mit 
ihren vielen armen und ungeheuern inseln, deren bewohner 
(ferae nationes) ganz in der weise, wie Plinius es von den 
Halligleuten übertrieben schildert, sich angeblich nur von fischen 
und vogeleiern nähren sollen. Müllenhoff hat längst gezeigt, 
dass diese nachrichten in letzter linie auf Pytheas zurückgehen 
(DA. 1, 492f.). Strabo berichtigt hier an der mündung, wie 
vorher an der ‚quelle, die er nicht mehr mit der Rhonequelle 
verwechselt, seine vorgänger — die Griechen wie auch Caesar, 
nicht letztern allein, wie man bisher angenommen hat — und 
meldet nach Asinius Pollio von nur zwei mündungsarmen des 
Rheins, | | | 
Nun werden wir auch den noch bei Much widerkehrenden 
einwurf von Zeuss, Caesar sei in den völkernamen bei der 
Rheinbeschreibung ebenso ungenau wie bei der beschreibung 
der Hercynia (5, 25) keineswegs gelten lassen können. Sagt 
doch Caesar selbst an dieser gleichfalls rein literarischen stelle 
(6, 25), dass cr griechische quellen, wie Eratosthenes (den er 
ja auch über Britannien benutzt hat) und einige andere Griechen 
zur hand babe. Hugo Berger (Die geograph. fragmente des 
Eratosthenes 361) bemerkt mit recht, dass Caesar Eratosthenes 
mit namen nenne wegen des ansehens, das er damals als syste- 
matischer geograph auch bei den Römern genoss, dass aber in 
Caesars worten sich auch ein gefühl der überlegenheit zeige, 
‘deren sich der Römer in sachen der bekanntschaft mit den 
neu erschlossenen gebieten bewusst war’. Dieses letztere trifft 
sicher zu gegenüber Eratosthenes. Den Posidonius aber, seinen 
zeitgenossen, der etwa dreissig jahre vor Caesar über Germanien 
geschrieben hat und nach Müllenhoffs und Wilkens’ erweisen 


288 KOSSINNA 


von Caesar mehrfach wörtlich ausgeschrieben worden ist, hütet 
sich letzterer wolweislich als seine quelle zu nennen. Der ur- 
sprung der Hercynia soll, wie Caesar sagt, bei den Helvetiern, 
Nemeten und Rauriken liegen und ihre weitere richtung längs 
der Donau gehen. Nun, linksrheinisch hat es nie eine Hereynia 
gegeben, ebensowenig wie dort die Donauquellen waren: es ist 
klar, dass hier die Hereynia vom Schwarzwald an gerechnet 
ist. Ich drehe daber den spiess um und nehme diese stelle 
als beweis, dass nach Posidonius die Helvetier, Nemeten und 
Rauriken noch im südlichen Baden gesessen haben. 

Als gewinn aus der posidonischen Rheinbeschreibung er- 
halten wir somit zwei neue tatsachen. Eine für die ausbreitung 
der Sweben wichtige, an die Much schon dachte, aber nur, um 
sie nicht gelten zu lassen: dass nämlich die Triboken jene 
15000 ersten Germanen im Elsass waren, von denen Caesar 
(1, 31, 5) berichtet: was übrigens wegen ihrer am weitesten nach 
süden vorgeschobenen stellung schon von vornherein angenommen 
werden müsste. Dann eine zweite, für die gesehichte der Ger- 
mani cisrhenani wichtige tatsache: dass, abgesehen von den nach 
zeit und umfang genauer nicht mehr zu ermittelnden germa- 
nischen beimischungen der östlichen Belgen, die Eburonen die 
die ersten linksrheinischen Germanen gewesen sind, die Nervier 
aber erst später in steter fühlung mit ihren westlichen nach- 
barn, den Atrebaten, vom Rheinufer westwärts an den Eburonen 
vorbei ins innere Gallien abgezogen sind. Die Eburonen haben 
sich dann tiber die verlassenen sitze der Nervier ausgedehnt. 

Und noch ein dritter gewinn aus jener Strabostelle lässt 
sich für das grosse volk der Mainsweben ziehen, die zu Caesars 
zeit unter Nasua und Cimberius im rücken der Ubier sassen. 
Nach Strabo sollen Sweben das ganze rechtsrheinische uferland 
einnehmen, da die ehemaligen Rheinanwohner sich vor ihnen 
auf das linke ufer geflüchtet hätten. Strabo denkt bei diesen 
ehemaligen Rheinanwohnern in nicht ganz zutrefiender weise 
an die Usipiten und Tenktern, die Ubier, die Sugambern. Er 
muss also einer quelle entnommen haben, dass die Sweben 
früher, etwa um 60 v. Chr., nicht nur hinter den Übiern gesessen, 
sondern ihren bereich im rücken der Sugambern und Usipeten 
bis zu den Tenktern erstreckt haben, so dass sie die damals 
noch an der mittleren Weser heimischen Chatten von jenen 


DER URSPRUNG DES GERMANENNAMENS. 289 


Rheinvölkern trennten, während die Cherusken noch ganz rechts 
der Weser, an der Leine und Ocker ihre sitze gehabt haben 
müssen. Durch eine solche völkergruppierung wird erst die 
von Caesar gemeldete bedrängung der Usipeten durch die 
Sweben verständlich, die ganz unerklärlich bliebe, wenn man 
an der bisherigen annahme festhielte, dass die’Sweben nord- 
wärts nicht weiter als die Ubier reichten. Dieser nördliche 
flügel der Sweben muss sich aber spätestens im jahre 37 v. Chr. 
vor den Römern zurückgezogen haben, da das damals von den 
UÜbiern aufgegebene heimatland in Nassau nicht von Sweben, 
sondern von Chatten besetzt wurde (Dio 54, 33) und zwar unter 
gutheissung und anweisung Roms. Denn nach Dio 54,36 be- 
kriegt Drusus im jahre 10 v. Chr. die Chatten, weil sie das 
ihnen von den Römern zu wohnsitzen angewiesene land ver- 
lassen hätten: 7775 y&pag auto, 7v olxeiv napa rov Poualov ei- 
Anpeoav, &Saveornoav. Die umsiedelung der Übier auf das 
linke Rheinufer durch Agrippa infolge ihrer steten bedrängung 
dureh die Sweben war wol für letztere der anlass, der unmittel- 
baren nachbarschaft mit den Römern auszuweichen. Vielleicht 
war könig Tudrus damals bereits ihr heerführer (vgl. oben 
8. 280). 

Nachdem wir so über die reihenfolge der germanischen 
einbrüche in Gallien, die zuerst die östlichen Belgen betrafen, 
dann die völkerschaft der Germani cisrhenani hinüberführten, 
schliesslich den Nerviern und wol auch den Trevern erhebliche 
germanische beimischung vermittelten, ins reine gekommen sind, 
erübrigt es noch, aus dieser relativen zeitbestimmung heraus 
womöglich zu einer absoluten durchzudringen. Von grosser 
bedeutung sind hierbei die oben (s. 268) bereits kurz berührten 
Germani der capitolinischen triumphtafel, die als bundesgenossen 
der gallischen Insubren bei Clastidium in Oberitalien 222 v. Chr. 
von Marcellus besiegt werden. Much hält an der glaubwürdig- 
keit dieser nachricht auch in bezug auf die nennung der Ger- 
manen fest und verteidigt sie gegen Müllenhoff, der sie aller- 
dings etwas kurzer hand abtut. Much versteht den namen 
Germanen hier bereits in der umfassenden bedeutung eines 
völkernamens und lässt seine träger mit Properz, gegen Polybius, 
vom Rheine her den italischen Galliern zu hilfe kommen. 


Da er die urentstehung des namens irrtümlich auf das linke 
Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. XX. 19 


290 KOSSINNA 


ufer verlegt, durch Properz aber sogar rechtsrheinische Ger- 
manen für 222 v. Chr. gesichert glaubt, so folgert er hieraus 
eine noch weit ältere zeit für die einfälle der späteren Germani 
cisrhenani in linksrheinische gebiete, was zu seiner annahme 
stimmt, dass Germanen bereits im 5. jh. die Rheingrenze in 
Norddeutschland gewonnen hätten. Wir werden sehen, dass 
diese ansichten nicht haltbar sind und dass wir mit erheblich 
jüngern zeiten zu tun haben. 

Was zunächst die Properzstelle (5, 10, 30) betrifft, so irrt 
Much in der auffassung der worte Claudius a Rheno traiectos 
arcuit hostes, wenn er sie so auslegt, als wäre hier von einem 
Rheinübergang des Virdomarus die rede, wogegen ja schon die 
Belgica parma dieses herzogs (dux) deutlich genug spricht. 
‘Properz wird doch gewusst haben, auf welcher seite des Rheins 
Belgien liegt’ bemerkt Much mit recht. Dann müssen wir die 
obigen worte eben anders übersetzen: ‘Claudius hielt die vom 
Rhein her [aus Belgien] über [die Alpen] gestiegenen feinde 
[von Italien] ab’, was auch allein sinngemäss ist. Wir, die 
wir den ursprung des namens Germanen in der engen bedeutung 
eines völkerschaftsnamens auf dem rechten ufer ansetzen zu 
müssen glauben, wir könnten, um die völlig vereinsamt da- 
stehende nennung von ‘Germanen’ im 3. vorchristlichen jh. 
weniger unwahrscheinlich zu machen, annehmen, dass hier 
noch die einzelne völkerschaft, die den namen Germanen trug, 
nach ihrem übergange über den strom im gebiet der Belgen 
genannt wird. 

Allein auch dieser ausweg verschliesst sich einer reiflichen 
erwägung. Wir dürfen die späten und dabei nach ihrer innern 
beschaffenheit wenig zuverlässigen zeugen nicht vor den ältern, 
auf zeitgenössischen berichten fussenden bevorzugen. Des Poly- 
bius bericht (2, 17—35) über die gallischen kriege in Italien 
geht nach G. F. Ungers nachweisen (Philologus 39 [1880], 69 ff.) 
bis zum jahre 282 auf Timaeus und von da ab bis 225 auf 
den Sikelioten Seilenos zurück. Von 225 ab folgt Polybius 
einer römischen quelle und zwar dem annalisten Fabius Pictor, 
der die letzten Gallierkriege selbst mitgemacht hat, also eine 
vorzügliche quelle genannt werden muss. Polybius weiss nun 
nichts von der teilnahme der Germanen an der schlacht bei 
Clastidium; dagegen sagt er ausdrücklich mehrmals, dass die 


DER URSPRUNG DES GERMANENNAMENS. 291 


nordgallischen hilfsvölker in den Alpen, die Gaesaten insonder- 
heit im Rhonethal zu hause seien. Zu gunsten des späten 
dichters Properz eine verwechslung von Rhone und Rhein bei 
Polybius anzunehmen, wie Much es tut, geht schlechterdings 
nicht an, zumal auch die andern geschichtlichen quellen für jene 
ereignisse: Diodor, Plutarcb, Livius und seine sippe, nichts von 
Germanen berichten. Dagegen haben wir vielfache bestätigung 
dafür, dass schweizerischen Alpenvölkern der beiname ‘Gaesaten’ 
eigen war. Weniger gewicht will ich darauf legen, dass Caesar 
(3, 4,1) gerade den bewohnern des Wallis, den Sedunen und 
Veragern, den gebrauch der gaesa besonders zuschreibt und 
Virgil (Aen. 8, 662) von gaesa Alpina redet, da diese keltische 
waffe auch von andern völkern übernommen worden ist, z. b. 
von den Etruskern (Liv. 8, 8. 9, 36) und die Griechen mit dem 
keltischen worte den wurfspeer der barbaren überhaupt zu be- 
zeichnen pflegten. Beweisend aber sind die inschriften der 
römischen kaiserzeit, in denen bis über die mitte des 2. jh.’s 
nach Chr. hinaus die leichte fusstruppe der Gaesaten erwähnt 
wird, die sich nur aus Raeten und Helvetiern zusammensetzt: 

CIL. 5, 536: praef. gaesaltorum Raetor|um Helvet[iorum], 
aus Triest; 

7, 731: [gaesatorulm Raetorulm], aus Greatchestersa. 162-169; 
7,987.988: vle]xill(atio) g(aesatorum) R(aetorum), aus Ri- 
sigham; | | 

7, 1002: Raeti gaesati et exploralores, aus Newcastle; 

Hermes 22,547: evocatus gesalorum DC Raelorum. 

Zu vergleichen ist noch die inschrift CIL. 9, 3044: Raeltis 
Vindolicis vallis Poeninae et levis armaturae. 

Nachdem zuerst W. Gisi auf diesen sachverhalt eindringlich 
hingewiesen (Anz. f. schweiz. altertumsk. 16 [1883], 400 f.), hat 
dann Mommsen (Hermes 22 [1887], 547 ff.) in anderm zusammen- 
hang diese tatsache gleichfalls berührt. 

Auch was Much weiter für seine gleichsetzung der Gaesaten 
und Germanen anführt, kann nicht ins gewicht fallen. Das 
meiste hiervon können wir übergehen, da Much selbst darin 
keine entscheidenden beweise sieht. Nur ein punkt sei noch 
berührt. Wenn Diodor die.oberitalischen Gallier und ihre verbün- 
deten durch die bezeichnungen KeArol und I aAaraı unterscheidet, 
so ist damit durchaus nicht notwendig der ethnographische 

19* 


292 KOSSINNA 


gegensatz von Galliern und Germanen verknüpft, da ja dieser 
autor, wie Much selbst erwähnt, nur eine geographische ein- 
teilung beabsichtigt, indem er ganz schematisch die bevölkerung 
Galliens KeArol, die völker jenseit der Rheinlinie bis Basel und 
ihrer südlichen fortsetzüng bis zu den Alpen, d.h. also auch 
jenseit des Schweizer jura Galater nennt, worunter sich doch 
eine grössere anzahl keltischer stämme mit befinden. 

Wir müssen nun fragen, wie kam Properz dazu, die Gae- 
saten vom belgischen Niederrhein herzuleiten. Durch irgend 
eine geschichtliche combination muss seine dichterische freiheit 
hier geleitet worden sein, da an einfache erfindung nicht zu 
denken ist. Ich glaube, wir können ihm hier in seine gedanken- 
werkstatt folgen. Er meldet, Virdomarus hätte sich gebrüstet, 
vom ‘Rheine’ selbst abzustammen: genus hic Rheno iactabat 
ab ipso. Denn so ist nach der überlieferung zu lesen und die 
gänzlich ungerechtfertigte entstellung Zrenno statt Rheno, die 
Müllenhoff (s. 194) ohne weiteres in seinen text aufnimmt, ab- 
zuweisen. Der abstammung von flussgöttern des landes rühmen 
sich die herschenden geschlechter bei den völkern des altertums 
oft genug. D’Arbois de Jubainville macht einmal!) die gute 
bemerkung, dass Properz auf den namen des vaters des Virdo- 
marus angespielt haben muss, der nur Aenogenus geheissen 
haben kann, mit der in gallischen namen so häufigen endung 
-genos = gr. -yEvng, die die abstammung bezeichnet. Als ähn- 
lichen namen führt D’Arbois Znogenus an: ‘der vom Inn (Evang 
Arrian und später) abstammende’. So könnte Virdomarus auch 
den beinamen Renogenicnus ‘sohn des Renogenus’ gehabt haben. 
Wir werden uns über einen solchen namen eines Gaesaten- 
häuptlings nicht wundern, da, wie wir gesehen haben, zu den 
Gaesaten auch die Raeten an der Rheinquelle und die Helvetier 
am Oberrhein gehörten. Für einen Römer augustischer zeit 
aber lag es nahe, aus dem namen Renogenus auf die von den 
Römern seit Caesar bestgekannte und zugleich die meistbedrohte 
Rheingegend, den Niederrhein, als heimat des namens und seines 
trägers zu schliessen. Somit entkleidet sich Properzens nach- 
richt, die Much stark ausnutzt und selbst Müllenhoff bis zu 
einem gewissen grade anerkennt, jeglichen geschichtlichen wertes. 


1) Revue celtique 10 [1889], 169; ausführlicher Rev. critique 1889, 220. 


DER URSPRUNG DES GERMANENNAMENS. 293 


Die annahme, dass Properz vom Rheine in den annalisten der 
sullanischen zeit gelesen haben soll, die ‘aus den Gaesaten 
Germanen und aus der Rhone den Rhein machten, wie es 
scheint aus keinem andern grunde als um des reizes der 
neuheit willen’, ist eine der vielen gewaltsamkeiten, mit denen 
Müllenhoff gerade in dem schönen zweiten bande seines lebens- 
werkes das seinen ansichten widerstrebende material bei seite 
schob. Wir haben in der tat keinen beweis, dass die annalisten 
die Germanen des Niederrheins in die Gallierkämpfe Italiens 
je eingeschmuggelt haben. 

Auch bei den Germanis der triumphtafel handelt es sich 
nicht um eine bewusste fälschung, sondern um eine geschicht- 
liche eombination, die auch sonst ihre spuren hinterlassen hat. 
Nach 0. Hirschfelds allgemein anerkannten ausführungen (Her- 
mes 9,98; vgl. Ch. Hülsen, Hermes 24 [1889], 194 und Henzen 
CIL. 1,12, 12) hat Augustus die triumphtafel zwischen a. 735 
und 743 d.st., wahrscheinlich 742 = 12 v. Chr. (Mommsen, Her- 
mes 9,278 f.), als er die regia, die amtswohnung des pontifex 
maximus bezog, den in den jahren 718—-724 d. st. = 36—30 
vor Chr. an der aussenwand dieses gebäudes aufgestellten 
magistratstafeln hinzugefügt. Entworfen war sie wol wie die 
consularfasten auf grundlage des grossen fastenwerkes des 
T. Pomponius Atticus aus den jahren 51—46 v. Chr. (Cichorius, 
Leipz. studien 9, 285). Dass hier namentlich in der älteren zeit 
vieles gegen die geschichtliche wahrheit ergänzt und ausge- 
schmückt worden ist — ich erwähne nur die überlieferung der 
cognomina aus einer zeit, wo sie noch gar nicht üblich waren, 
lange vor dem 6. jh. d. st. —, zeigt Schöns abhandlung.!) Und 
Hirschfeld findet (Hermes 11,161) in dem umstande, dass gerade 
am fusse des zweiten pfeilers der glänzende sieg des Marcellus 
angeblich ber Germanen seinen platz fand, die absicht eines 
besonders wirksamen schlusseffectes. Ohne zweifel stammt auch 
die meinung, die in den Gaesaten Germanen erblickte, aus der 
mitte des ersten vorchristlichen jh.’s, als man von der verbindung 
der helvetischen Tigurinen und Ambronen mit den von den 
Römern später für germanisch gehaltenen, heute allerdings als 


1) Georg Schön, Das capitolinische verzeichnis der römischen triumphe 
(Abhandl. d. archäolog.-epigraph. seminars zu Wien 9 [1893]). 


294 KOSSINNA 


keltisch erkannten Teutonen in Süddeutschland (Westd. zs. 9, 213) 
und den germanischen Kimbern von der meeresküste auf einen 
weit ältern germanischen einfluss im schweizerischen Alpen- 
gebiet schliessen zu müssen glaubte!) Stark vorgearbeitet 
hatte einer solchen meinung schon Posidonius durch geine wol- 
berechtigte auffassung, dass die einfälle der Kimbern und Teu- 
tonen in unmittelbarem zusammenhang ständen mit den ältern 
einfällen der Gallier in Italien und Griechenland. Und weite- 
ren vorschub leisteten solchen combinationen die von Caesar 
berichteten kämpfe der Germanen mit den Helvetiern, die 
sich dadurch zur auswanderung bewogen fühlten. Solchen ge- 
schichtlichen eombinationen entstammen auch die gentes semi- 
germanae des Livius (21, 38) aus hannibalischer. zeit, ebenso 
die auf den ersten anblick so rätselhafte stelle des Strabo 
(4, 3,2 8.192), wo er in vergangenen zeiten lange vor Caesar 
die Sequanen, damals im südlichen Elsass, sich mit Germanen 
verbünden und widerholt in ‚Italien einfallen lässt. Es ist das 
nur eine specialisierung der idee, dass in den italischen Gallier- 
kämpfen Kelten und Germanen vom oberlauf der Rhone und 
des Rheins gemeinsam Italien bestürmt hätten. Wilkens freilich 
erklärt jene Strabostelle als eine blosse misdeutung von Caesars 
angaben über das verhältnis von Sequanen und Germanen, und 
nach Müllenhoff (s. 294) gar ‘enthält sie augenscheinlich eine 
böswillige und zugleich dumme übertreibung von Caesar BG. 
1,31’. In obigem zusammenhang zeigt die nachricht, glaube 
ich. doch ein anderes antlitz. 

Das ergebnis unserer untersuchung ist demnach, dass die 
geschichtlichen nachrichten uns keine gewähr für die existenz 
des namens Germanen im 3. jb. v. Chr. bieten. Sehen wir nun 
zu, ob sprachliche tatsachen vielleicht das beweisen, was die 
geschichtsquellen verschweigen. 

Much führt (s. 62) als beweis für die von ihm angenommene 
frühzeitige gewinnung des Rheinufers durch die Germanen, die 
er, wie erwähnt, bis ins 5. jh. zurückschiebt, die Überlieferung 
der ältesten namensformen für die Waal an: Vacalus bei Caesar, 


') Was sich O. Hirschfeld bei seiner bemerkung (Hermes 11,161), 
dass der name Germanen durch Drusus’ kriege in Rom populär geworden, 
aber schon früher auf südgallische stäume übertragen worden ae 
gedacht haben mag, mögen andere herausbringen. 


DER URSPRUNG DES GERMANENNAMENS. 295 


Vahalis bei Tacitus, Vachalis bei Sidonius Apollinaris. Vacalus 
soll die keltische lautform sein, Vahalis und Fachalis die ger- 
manische lautverschiebung aufweisen, deren eintritt Much ins 
3. Jh. v. Chr. setzt. Dieser schluss ist trügerisch. Ich sehe ganz 
davon ab, dass die überlieferung unseres Caesartextes hinsicht- 
lich der namen eine so unzuverlässige ist, dass ein einmaliges 
auftreten von c statt ch zu schwach erscheint, um die unge- 
heure last der Much’schen folgerung zu tragen. Allein man 
kann mit demselben, ja mit grösserem rechte andere schlüsse 
ziehen. In germanischen worten setzt die gallisch-römische 
schreibweise c oder ch an stelle von A, anlautend wie inlautend. 
Beispiele sind die formen Catti— Chatti, Cauci — Chauci — 
Cauchi — Kavxol, Casuarii — Kaoovapoi, Chamavi — Kauavot, 
Caesia. Aeusserst selten wird germanisch % durch A widerge- 
geben. Man wird darum auch den namen der germanischen 
Karovxwves, den Ptolemaeus unmittelbar neben dem der Kauavol 
erwähnt, zumal da der name sich auf keltischem boden wider- 
holt (s. oben 8. 278), richtiger mit got. halks ‘bettler, arm, dürftig’, 
als, wie Much (s. 57) tut, mit got. kalkjo zusammenbringen. Es 
war ein spottname, der wie eine grössere anzahl ähnlicher, von 
Much gedeuteter volksnamen die geringere macht des volkes 
mit oder ohne grund zur zielscheibe des spottes machte. Strabos 
namenform KuovAxoı statt Kalovxo:ı verhält sich zu Kalovxweves 
ähnlich, wie seine Tovßarrıoı zu Tubantes, Argeßarıoı zu Atre- 
bates, Kaicsroı zu Culetes. Und ganz ebenso wird man in 
Vacalus einfach gallisches c als vertretung von germanischem 
h anzunehmen haben, ohne irgend welche chronologische folge- 
rungen daran zu knüpfen. Waal geht auf eine vorgermanische 
form *uaklo-, german. *uahla- zurück und ist eine bildung wie 
nl. staal, ahd. stahal ‘stahl. Dass die Germanen das gebiet 
dieses Rheinarmes sicher nicht vor dem eintritt der germanischen 
lautverschiebung erreicht haben, zeigt der name des nördlicheren 
stromarmes, des Zecks, der offenbar wie sein süddeutscher namens- 
vetter Lech aus keltisch Zicus entstanden ist. 

Den besten gegenbeweis führen aber die von Müllenhoff 
ans licht gezogenen fluss- und ortsnamen auf apa, die sich von 
der Leine im osten bis zur Schelde im westen erstrecken und 
diesseits des Rheins nördlich durch eine linie von Bremen nach 
Amsterdam, südlich durch den Main begrenzt werden. Wie 


296 KOSSINNA 


Müllenhoff meint auch Much (s. 63), dass sie ‘in ihrem grund- 
bestande doch nur auf keltische mit b-sufflix gebildete zurück- 
geführt werden können. Dann müssten freilich die Germanen 
schon vor eintritt der lautverschiebung nicht nur bis an den 
Rhein, sondern bis nach Flandern und ins Wallonische hinein 
vorgedrungen sein, ja sogar so frühe dort ihre sprache lange 
zeit hindurch zur herschaft gebracht haben. Daran ist doch 
aber nicht entfernt zu denken. 

Ob sich, abgesehen von dem genannten Leck, zwischen 
Weser und Rhein noch keltische ortsnamen finden, an denen 
sich mit voller sicherheit nachweisen liesse, dass sie die ein- 
wirkungen der germanischen lautverschiebung entbehren oder 
umgekehrt zeigen, diese frage wird hoffentlich eine baldige zu- 
kunft beantworten. Müllenhoff hält dafür, dass die namen 
Bik, Essen, Werden an der Ruhr ‘fremden ursprungs’ seien 
(s. 222) und Bacmeister (Alemannische wanderungen 13) setzt 
Werden kurzer hand gleich F’erodunum, indem er aus Förstemann 
sich nur belege wie Firdunum, Wirdinna, Wiridine, Werdina 
aussucht und die bei Förstemann allerdings verschwindenden 
formen wie Werthinum übergeht. Sievers erinnert mich zu 
rechter zeit an Crecelius’ sammlungen (Collectae ad augendam 
nominum propr. Saxon, et Fris. scientiam spectantes III. 1870). 
In den ältern urkunden des 9. jh.’s überwiegen hier durchaus 
die formen Uuerethinum, Uuerithina, obwol schon a. 811 Uueridina, 
a. 820 Uuyrdina vorkommt. In der nähe, bei Mülheim an der 
Ruhr, liegt der ort Menden, ehemals Menithinne, Menidinne, offen- 
bar eine ganz ähnliche bildung wie Werithina.. Bacmeister 
würde vielleicht auch für diesen namen auf ein keltisches ur- 
bild verweisen, Minnodunum (vgl. Glück, Kelt. namen 139), worauf 
auch Minden an der Weser zurückgeführt werden könnte. Dem 
widerspricht jedoch in beiden fällen das ursprüngliche altsäch- 
sische tA, so dass wir aus diesen namen für unsere zwecke 
nichts entnehmen können. 

Etwas günstiger scheint die sache auf thüringisch - sächsi- 
schem boden zu liegen. Dort bezeichnen die gebirgszüge der 
Finne, kelt. penna, und des Erzgebirges, ahd. Fergunna, kelt. 
Ercunia < *Percunia, die vor der ersten lautverschiebung von 
germanischer sprache erreichten grenzen. Südlich und west- 
lich der Finne liegen Triduri, 'Trebra an der Unstrut und an 


DER URSPRUNG DES GERMANENNAMENS. 


der Ilm, und ZTricasüi, Tricusti im Altgau, die wenn sie in 
der tat keltischen ursprungs sind, wie Müllenhoff (s. 234) an- 
nimmt, durch erhaltung von keltischem ir erweisen würden, 
dass sie nach der ersten verschiebung aufgenommen sind, da 
ja nur die zweite, hochdeutsche verschiebung die lautgruppe 
{ir unangetastet lässt. Dieser letzterwähnte umstand nimmt 
auch die möglichkeit, dem flussnamen Wetier, keltisch Vidrus, 
welchen namen auch ein küstenfluss rechts von der Rheinmündung 
führte (Ovideog Ptol. 2, 11), als beweis dafür anzuführen, dass 
er, wie ich allerdings annehme, nur die hochdeutsche verschiebung 
mitgemacht hat. Ein sicheres beispiel für diesen fall haben 
wir dagegen in der nähe von Aschaffenburg, dem südlichsten 
beispiel jener namen auf keltisch-niederdeutsch -apa, hochdeutsch 
-a/fa, freilieb schon jenseit des Mains: die Tauber, keltisch Dubra. 
Dagegen gehört der von Müllenhoff herbeigezogene name Gelduba 
vermöge seiner endung (vgl. Mand-ubi, aber Men-apii) gar nicht 
in unsere reihe und ist daher von der betrachtung ganz auszu- 
scheiden. Wenn der linksrheinische ort jetzt zwar Gelb, im mittel- 
alter aber Geldapa genannt wird, so liegt in dem letzteren falle 
eine übertragung des geläufigen suffixes -apa vor. Wir haben 
es also in jener namengruppe mit keltisch apa zu tun, dessen 
p für indogerm. 9, urkeltisch ku (Brugmann, Grundriss 1, $ 435) 
einen lautwechsel zeigt, wie er den belgisch-gallischen dialekten 
eigen ist: kelt. apa = lat. aqua, got. ahra. 

Setzen wir nun die germanische lautverschiebung ins 4. statt 
mit Much ins 3. jh., was mit dem yon ihm gefundenen beweis- 
material ebensogut zu vereinen ist, so können wir weiter 
schliessen, dass das gebiet zwischen Leine und Rhein seit etwa 
300 v. Chr. von Germanen besetzt worden ist. Im westlichen 
teile diese gebietes entstand der name Germanen für eine oder 
mehrere völkerschaften. Auf welche weise — dies zu zeigen, 
mag einer künftigen abhandlung vorbehalten bleiben. Obwol wir 
hier mit freiwilligen auswanderungen ganzer stämme von Kelten 
zu rechnen haben, so geschah dennoch die eroberung dieses 
ganzen landstriches durch die Germanen schwerlich mit einem 
schlage. Den übergang der völkerschaft oder der völkergruppe 
der Germanen auf linksrheinisches gebiet werden wir daher kaum 
vor mitte des 2. jh.s v. Chr. ansetzen dürfen. Von bier aus 
wurde der name Germanen im laufe der nächsten jahrzehnte 


} 


298 KOSSINNA 


auf die gesammtheit des rechtsrheinischen muttervolks tber- 
tragen. Während der kämpfe der Kimbern in Gallien im letzten 
Jahrzehnt des 2. jh.s war diese tibertragung auf keinen fall 
schon durchgedrungen. Sonst hätte man auch im südlichen 
Gallien, vor allem in Massilia durch die reichlichen handels- 
verbindungen nach Nordgallien den stammnamen der Kimbern 
kennen lernen müssen. Aber noch um jahr 90 v.Chr. hat Posi- 
donius dort nichts davon erfahren: nach ihm gehören die ger- 
manischen Kimbern, wie die keltischen Teutonen noch dem- 
selben völkerstamme an, den KeArol. Allein im nächsten 
jahrzehnt muss auch in Südgallien und in Italien der name 
Germanen bekannt geworden sein, denn bald darauf, im jahre 
73 v.Chr., erscheint er bereits in der römischen literatur. In 
Nordgallien mag also immerhin ums jahr 100 v. Chr. die er- 
weiterung des völkerschaftsnamen Germanen zu dem volksnamen 
durchgeführt worden sein. 

Ich breche die darstellung meiner arten hier vor- 
läufig ab, obwol ich der bedeutung des namens Germanen noch 
gar nicht gedacht habe. Diese frage gehört aber nicht mehr 
in unser zweites capitel, das von den linksrheinischen Ger- 
manen handeln sollte, sondern in ein drittes, das der entstehung 
des namens auf rechtsrheinischem gebiet zu widmen wäre. 

In dieser nächsten abhandlung gedenke ich die frage nach 
der germanischen besiedlung Westdeutschlands ausführlicher 
wideraufzunehmen und dabei auf die beihilfe der vorgeschicht- 
lichen archäologie zurückzugreifen, deren resultate für das 
linksrheinische gebiet aus mehr als einem grunde uns keine 
förderung der hier behandelten fragen bieten können. Von 
neuem zu beschäftigen hat uns dann cap. 2 der Germania und 
zwar die ethnogenie der Germanen. Der mythische hintergrund, 
den Müllenhoff den namen der Erminonen, Ingwaeonen, Istae- 
onen geben wollte, woran die mythologengemeinde unverbräüch- 
lich festhält, wird zu seinem grössten teil hinwegzuräumen sein. 
Gott Irmin verhält sich zu den Erminonen nicht anders als 
Gautr (Odinn) zu den Gauten, d.h. der name des gottes ist 
nur ein beiname, eine abstraction aus dem weit ältern namen 
des volks, das den gott durch den beinamen zum nationalgoft 
macht.- Der name Istaeonen insonderheit ist ein volksname, 
wie er in dieser bedeutung, ‘echte abkömmlinge, volksgenossen), 


ii nn Geier ne EEE nn nn — EEE 


DER URSPRUNG DES GERMANENNAMENS. 299 


man kann sagen über die ganze erde verbreitet ist. Dieser 
name wurde bei dem vielfachen gegenseitigen durchdringen ger- 
manischer und keltischer elemente im westen des istaeonischen 
gebietes, unmittelbar am Rheine, von dem erst zwiesprachig 
gewordenen, dann völlig keltisierten teile der völkergruppe in 
den gleichbedeutenden gallischen namen Germani übersetzt, wie 
Much es soeben in gleicher weise für den namen der ger- 
manischen Eburonen, die später gallisch Sunuci hiessen, wahr- 
scheinlich gemacht hat (Zs. fda. 39, 23). Die weiteren folge- 
rungen ergeben sich dann von selbst. 


EXCURS UEBER FALCHOVARII (zu s. 281 f.). 

Falchovarii ist die als solche noch ganz unerkannt gebliebene 
erste erwähnung der Westfalen, die in Deutschland erst im 
8.jb. genannt werden (Müllenhoff, Beovulf 66). Völkernamen 
mit der endung -variö haben als erstes glied durchweg land- 
schaftsnamen, sei es namen von landgebieten (Angrivarü, Ripu- 
arii, altn. Vikverjar) oder flussgebieten (4msivarü, Chasuarii, 
Niduari, ags. Nidware) oder wohnorten (ags. Römmare) oder end- 
lich von ehemaligen völkerschaftsgebieten (Chattuarii, Raetovarii, 
Baiwari, ags. Cantware). In die letztgenannte gruppe müsste 
man Falchovariü einreihen, wenn man mit Kluge (Et. wb. unter 
Falke) falke aus Volcae ableiten wollte. Leider aber ist die 
Kluge’sche erklärung von falke eine der seltenen alten flecke 
in seinem schönen werke, die unverändert durch alle auflagen 
hindurchgehen. Aus Volcae entstand germ. *Wolköz, *Wolydz, 
*Walyöz im laufe der letzten fünf jahrhunderte v. Chr. Nun 
soll neben Walchen auch /alke auf Volcae zurückgehen. Wie 
ist das aber denkbar? In /alke zeigt das %k, dass das wort 
erst nach der germanischen verschiebung entlehnt sein könnte. 
Es würde sich also gegenüber Walchen um eine ganz neue 
entlehnung des wortes Volcae, die geschichtlich spätestens im 
1.jh. v. Chr. noch möglich gewesen wäre, handeln, für die man 
demnach ags. wealhheafoc ‘habicht’ und altn. valr ‘falke’ in 
in keiner weise als zeugnisse anzuführen berechtigt wäre. Nun 
aber noch das / in falke! Bereits im 4. jh. ist /alco belegt. 
Unsere lehnworte zeigen aber, dass erst vom 6. oder 7. jh. an 
die weiche labiodentale romanische spirans v durch die ahd. 
labiodentale spirans /, v widergegeben wurde, während bis dahin, 


300 KOSSINNA 


so lange -/ noch labiolabial gesprochen worden war, keltisch 
germ. römisch » vielmehr durch germanisch » widergegeben 
wurde bis hinauf in jene jahrhunderte v. Chr. (nicht nach Chr., 
wie Kluge immer noch schreibt), wo die Kelten den Germanen 
den ersten südlichen wein (vinum) verhandelten. 

Beiläufig bemerkt ist diese sprachliche chronologie ein 
mittel, die zeit der germanischen besiedlung der länger roma- 
nisch verbliebenen teile in der Schweiz, in Salzburg und Tirol 
in gewisser weise zu umgrenzen. Charakteristisch sind: Wer- 
tach (Firdo); Würtemberg (Verodunum), aber Virten (=Ver- 
dun); Windisch (Vindonissa); Winterthur (Vitodurum), aber 
Veltlin, Finstermünz, wie denn auch der lange romanisch 
verbliebene östliche teil des cantons St. Gallen nur Y-anlaute 
in den ortsnamen zeigt (vgl. Wilh. Götzinger, Die roman. orts- 
namen im kanton St. Gallen. 1891); in Tirol: Wilten (Veldidena), 
Wippthal (in valle Wibitina = Fipitenum), aber Vintschgau 
(Venostes), Feldthurns (Velturnes), Falzurgh (Valzorgher); in 
Salzburg: Figun (Figaun = ital. vicone, roman. vicüne), vgl. 
v. Grienberger, Die ortsnamen des Indiculus Arnonis 1886, s. 38 f. 
Umgekehrt wird im Elsass, wohl von romanischen urkunden- 
schreibern, während des 8. jh.’s öfters / statt deutsch w geschrieben: 
Falabu a. 742, Fulahabu a. 788 = Uualabu a. 778, 820, heute 
Walf; Fusenburg a. 730 = Wasenburg; und heute widerum 
heisst es Wolkheim und Wolschheim statt ahd. Folkolfesheim 
und Zolkoltesheim. 

Um wider auf /alke zurückzukommen, so bleibt es bei 
Baists einleuchtenden erweisen (Zs. fda. 27,55 ff. Ze. f. franz. 
spr. u. lit. 13,186), dass /alke ein germanisches wort ist, wie 
es denn auch gerade dem in Deutschland heimischen, dem stoss- 
falken, dem ursprünglichen beizvogel, als name zukommt, wäh- 
rend altn. valr, woneben ja auch altn. /a/ki vorkommt, und ags. 
wealhheafoc eine andere französische vogelart bezeichnet. Auch 
die Baistsche etymologie für den ‘stösser’: falke von fallen 
mit k- suffix, dürfte wol das richtige treffen. Dasselbe suffix 
zeigen die vogelnamen Akranich, habich, fink, sperk, beiche, 
got. ahaks, auch storch, zu dessen erklärung wir nicht erst auf 
gr. töoyos ‘geier’ zurückzugreifen brauchen. Storch ist der starr 
und störrig auf seinem stelzbein emporragende, vgl. ahd. storren 
‘herausstehen, ragen’, wz. stur. 


DER URSPRUNG DES GERMANENNAMENS. 301 


Als altenglischen beleg für falke fübrt Kluge nach J. Grimm 
Westerfalcna an, wie in den stammtafeln der angelsächsischen 
könige einer der mytbischen ahnen des königsgeschlechts von 
Deira heisst. So liest allerdings die handschrift G@ der angel- 
sächsischen Chronik, während ABC, worauf schon Müllenhoff 
(Beovulf 66) hinwies, Westerfalca und der jüngere Florentius 
Westorwalcna bieten. Ich dachte bei der letzten form an eine 
vielleicht unter dem einfluss des volksnamens der britischen 
Westwalas in Cornwallis erfolgte umgestaltung des ältern namens. 
Allein Sievers belehrt mich, dass sich ‘diese form in der über- 
haupt ältesten (vgl. Anglia 13, 14) erhaltenen aufzeichnung der 
betreffenden genealogie, in dem altnorthumbrischen text bei 
Sweet OET. 169, 74 als [ue]storualcninz, uestorualcna widerfindet'. 
Man wird also, falls man nicht zwei von einander unabhängige 
überlieferungen annehmen will, eher bei der Chronik, als bei 
Florentius eine entstellung der überlieferung annehmen dürfen. 
Jedenfalls wird man diese undurchsichtigen altenglischen namen 
für die geschichte des wortes falke, das die Angelsachsen erst 
spät aus dem romanischen als falcon entlehnen, da sie nicht 
den falken, sondern den wealhheafoc zur beize verwenden, 
lieber nicht verwerten; ebensowenig freilich für die geschichte 
der Westfalen. Die Westfalen scheinen übrigens die eigent- 
lichen und ursprünglichen Falchovarii gewesen zu sein: ‚nicht 
nur ist ihr name bis heute fest im gebrauch geblieben, auch 
die ältesten belege zeigen, dass Ostfalahi mit Austreleudi, dustrasü 
wechselt. Wie Oosterliudi im hinblick auf die westlichen Falahi 
zu Osifalahi, mag Falahi danach zu Westfalahi geworden sein. 
Nur müssen die Westfalen ehemals nicht so weit südwärts 
gesessen haben, als heute ihr name reicht, falls derselbe, wie 
Zeuss und danach A. Erdmann (Die Angeln 76) annehmen, in 
der tat von */falo- ‘ebene, flachland’ mittels -ho suffix gebildet ist. 


[Nachtrag. Die von mir 8.295 gegen Muchs auffassung von Va- 
calus, Vahalis geltend gemachten gründe sind in ähnlicher weise auch 
von dr. R. Bethge selbständig gefunden und mir in einem gespräch mit- 
geteilt worden. Diesem allein gehört auch der hinweis auf die aus der 
unzuverlässigkeit der Caesarüberlieferung fliessende möglichkeit, dass in 
der form Vacalus sich eine entstellung des namens verbirgt.) 


BERLIN, “erte 2 GUSTAF KOSSINNA. 


april 1895. 


DAS TODESJAHR DES WULFILA. 


Als im jahre 1876 oder 1877 bei der philosophischen 
facultät der universität Jena eine dissertation über das leben 
des Wulfila eingereicht wurde, rügte es A. v.Gutschmid in 
seinem ablehnenden referat als ein besonderes zeichen mangel- 
hafter quellenkenntnis, dass der verf. den tod Wulfilas noch 
immer in das jahr 380/81 statt in das jahr 383 verlege. Dieses 
urteils erinnerte ich mich, als ich später in Tübingen wider 
mit Gutschmid zusammenkam, und so bat ich ihn widerholt 
um einen kleinen aufsatz über diese frage für die Beiträge. 
Endlich erhielt ich auch das versprechen: aber ehe es ein- 
gelöst werden konnte, wurde Gutschmid durch den tod dahin- 
gerafft. 


Ueber die in jenem gutachten dargelegten, aber mir nicht 
mehr erinnerlichen gründe für sein urteil hatte ich von Gut- 
schmid damals näheres nicht erfahren. Wol aber musste mir 
der ausspruch des ersten kenners aller chronologischen dinge 
einen anlass zu erneuter prüfung der quellen geben, als ich 
für Pauls Grundriss kurz über Wulfila zu berichten hatte. Das 
ergebnis dieser prüfung fiel natürlich ganz im sinne Gutschmids 
aus, und ich hätte mich in meinem artikel gern auf einen so 
klassischen zeugen berufen, hätte ich nicht nachträglich gesehen, 
dass die argumentation, durch die ich in anknüpfung an Gut- 
schmid zu 383 gelangt war, inzwischen bereits durch Krafft 
öffentlich vorgetragen war. So blieb mir nichts anderes übrig, 
als auf diesen zu verweisen (Grundr. 2a, 68 anm. 1). 

Diese datierung hat nun in neuerer zeit widerspruch er- 
fahren, und zwar zunächst durch E. Martin (Zs. fdph. 23, 369 f.), 
der insbesondere daran anstoss nimmt, dass ich die angaben 
des Auxentius ‘verdächtige’, weil dieser sich bestrebt habe, die 


DAS TODESJAHR DES WULFILA. 303 


lebensabschnitte seines helden mit bekannten epochen der bib- 
lischen geschichte zu parallelisieren, und meiner ansicht gegen- 
über betont, dass Auxentius seine 40 jahre ausdrücklich aus 
zwei perioden summiere, einer von 7 und einer von 33 jahren: 
‘soll er auch diese seinem zwecke angepasst haben?’ 

Dem kann ich hier zunächst nur entgegenhalten, dass es 
ja bekannt genug ist, welche rolle das schematisieren im bib- 
lischen sinne bei allen zahlenangaben der mittelalterlichen 
christlichen schriftsteller spielt, und wie selten eine chronolo- 
gische rechnung überhaupt glatt aufgeht, wo sie sich mit ver- 
schiedenen gewährsmännern abzufinden hat. Dass aber auch 
Auxentius von der sucht nach biblischen parallelen nicht frei 
war, kann doch nicht ernstlich bestritten werden, wenn man 
seine fortwährenden vergleiche in’s auge fasst, von denen ich 
hier nur hervorhebe, was sich auf zahlenvergleiche bezieht: 
fol. 284° hic dei providentia et Cristi misericordia propter mul- 
torum salulem in gente Golhorum de leclore triginta annorum 
episkopus est ordinatus, ul non solum esset heres dei et coheres 
Cristi, sed et in hoc per graliam Cristi imitator Cristi et 
sanctorum eius, ut quemadmodum sanctus David triginta 
annorum rex el profeta est constilutus ... ila et iste beatus 
lamquam profela est manifestalus et sacerdos Cristi ordinalus ... 
et sicuti losef in Aegypto triginta annorum est manifes[lalus 
et] quemadmodum dominus et deus noster lhesus Cristus filius 
dei triginta unnorum secundum carnem constilulus et baptizatus 
coepit evangelium predicare, und fol. 285° ut et in hoc quorum 
sanclorum imilator erat [similis esset] quod quadraginta an- 
norum spalium el tempus ul multos (lücke), (Waitz 20).!) Ueber- 
dies ist es nicht ganz zutreffend zu sagen, dass Auxentius die 
zahl 40 durch summierung gewinne (in diesem sinne sind 
Martins worte doch wol aufzufassen), denn die 40 steht bei 
Auxentius zunächst ungeteilt an der spitze (quadraginta annis 
in episcopatu gloriose florens Waitz 19), dann folgt die erwäh- 
nung der 7 jahre und endlich die der 33 (Waitz 20), die dem- 


ı) In bezug auf die ‘verdächtigung’ der zahlen des Auxentius habe 
ich, wie ich doch bemerken will, einen illustren vorgänger in Waitz selbst, 
der 8.39 bemerkt: ‘sollten sie [die jahre] auch, um ihn leichter mit bib- 
lischen vorbildern vergleichen zu können, um etwas verändert sein, so 
wird dies doch keinen wesentlichen unterschied machen.’ 


304 SIEVERS 


nach sehr wol durch blosse subtraetion der 7 von der runden 
zahl 40 entstanden sein kann. Anderes wird sich weiter unten 
ergeben. 


In schärferer tonart redet R. Kögel in seiner Geschichte 
der deutschen lit. 1, 1,182. Wären die vorwürfe, die Kögel 
hier gegen mich erhebt, im geringsten begründet, so wäre das 
allerdings gravierend für mich. Aber je sicherer Kögels polemik 
in der form auftritt, um so schlechter ist sie fundiert: wenig- 
stens kann ich sie nur verstehen, wenn ich annehme, dass er 
sein urteil gefällt hat, ohne die originalquellen der zeit- 
geschichte (einschliesslich des Auxentius und Maximinus) im 
zusammenhang gelesen oder auch nur die secundär- 
literatur (speciell Waitz und Bessell) genügend durch- 
gearbeitet zu haben. 

Kögel hält mir vor, den tod Wulfilas in das jahr 383 zu 
setzen, sei nur möglich, ‘wenn die ganz bestimmten und un- 
„weideutigen angaben des Auxentius,!) der in enger persön- 
licher beziehung zu Wulfila stand und sich durchweg, wie es 
nicht anders sein kann, als wol unterrichtet zeigt, unberück- 
sichtigt bleiben’ Dem muss ich die ebenso apodiktische 
behauptung entgegenstellen: das ist nicht wahr. Denn was 
bezeugt Auxentius direct? Doch für diese frage nichts anderes 
als in summa dies: Wulfila ward mit 30 jahren bischof und 
starb 70 jahre alt zu Constantinopel, wohin er durch den kaiser 
Theodosius zu einer disputation berufen war. Nun möchte ich 
wol wissen, was es für diese angaben an sich verschlägt, ob 
man den endpunkt der 70 lebensjahre des Wulfila in den winter 
380/81 oder in den sommer 383 verlegt? 

Oder sollte etwa Kögel gemeint haben, der passus, der bei 
Waitz s. 23 über die reise nach Constantinopel, das versprochene 
concil, den gesetzerlass etc. zu lesen ist, verbiete den ansatz 383, 
weil diese ereignisse sich in den rahmen dieses jahres schlecht 
einfügen? Dann wäre erstens (als nebensächlicher) zu erwidern, 
dass dieser passus nicht direct aus dem briefe des Auxentius 
stammt, sondern einem eitat des Maximin entnommen ist (das 
sich freilich auf Auxentius beruft), und zweitens, dass erst noch 


1) Ich sperre hier und sonst gegen das original, um schärfer hervor- 
zuheben, wogegen sich mein widerspruch richtet. 


DAS TODESJAHR DES WULFILA. 305 


(was wichtiger ist) zu bew&isen wäre, dass er sich notwendig 
auf den besuch des Wulfila in Constantinopel beziehen müsse, 
bei dem er seinen tod fand. 

Ich weiss also in der tat nicht, welche angabe des Auxentius 
an sich gegen 383 sprechen soll. Die chronologische schwierig- 
keit beginnt vielmehr erst, wenn man versucht, den bericht des 
Auxentius mit der notiz des Philostorgios zu combinieren, 
Wulfila sei durch Eusebius [von Nikomedien] zum bischof ge- 
weiht worden. Denn dieser Eusebius starb bald nach der sy- 
node von Antiochia (341), und danach hätte Wulfila allerdings 
höchstens das jahr 381 erleben dürfen, wenn Auxentius’ zahlen 
genau sind.!) 

Es kommt also darauf an, das todesjahr selbst festzu- 
legen. Lässt sich 380/i1 als richtig oder wahrscheinlich er- 
weisen, dann können beide gewährsmänner mit ihren aussagen 
neben einander platz finden. Müssen wir aber zu 383 greifen, 
so ist notwendig entweder Philostorgios oder Auxentius im 
unrecht. 


Diese sachlage habe ich nach einer kurzen erörterung der 
gründe, die mich für 383 entscheiden liessen, a.a. 0. 68 f. durch 
folgende worte darzulegen gesucht: ‘ist daher Wulfila, was nicht 
unwahrscheinlich ist, wirklich im winter 380/1 als bittender 
bei Thbeodosius in Constantinopel erschienen, so ist er doch 
sicher erst im sommer 383 gestorben, als er abermals, auf be- 
fehl des kaisers, sich dorthin begeben hatte. Danach wäre 
Wulfila, wenn Auxentius’ angabe über seine vierzigjährige 
wirksamkeit als bischof buchstäblich zu nehmen wäre, 
343 geweiht; ist aber andrerseits Philostorgios im 
rechte, wenn er den Eusebius ihm die weihe erteilen lässt, 
so müsste sie spätestens in das frühjahr 341 fallen, da Eusebius 
um diese zeit starb. Indessen ist die absolute genauigkeit 
der zahlenangaben des Auxentius einigermassen verdächtig, 
bei seinem sichtlichen bestreben, die lebensabschnitte seines 
helden mit bekannten epochen der biblischen geschichte zu 
parallelisieren. Es mag daher Wulfla immerhin, wie man 
seit Bessell annimmt, um 311 geboren und 341 geweiht sein, 


1) Mithin hätte Kögel überhaupt mir höchstens geringschätzung des 
Philostorgios zur last legen dürfen, aber nicht eine solche des Auxentius. 
Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. XX, 20 


306 SIEVERS 


sein tod aber fällt sicherlich in den sommer 383. Woher nimmt 
danach Kögel das recht, mir zu imputieren, ich habe Auxentius 
angaben ‘unberücksichtigt’ gelassen? Sind sie nicht alle, soweit 
sic die chronologische frage betreffen, ausführlich von mir an- 
gegeben und auch bei dem schlussresume wider discutiert 
worden? Habe ich nicht ferner in diesem schlussresum& durch 
die hypotketische fassung des satzes ‘ist andrerseits Philostor- 
gios im rechte ...’ ausdrücklich zugegeben, dass der fehler 
auch auf seiten dieses zeugen liegen könne? _ 

Aber auch im übrigen steht mein versuch nach Kögel ‘auf 
schwachen füssen’. ‘Er [Sievers] nimmt anstoss daran, dass für 
die wende des jahres 380/81 keine byzantinische synode be- 
zeugt sei, während Auxentius ausdrücklich angebe, dass man 
den Gotenbischof zu einer soleben berufen habe. Aber Wul- 
fila wird nicht zu einer synode (einem concil) berufen, 
sondern zu einer disputation gegen irgend eine secte. 
Mit seinem tode fiel diese dahin.’ 

Als ich die hier in sperrdruck gegebenen worte las, musste 
ich mich ob ihrer bestimmtheit zunächst fragen, ob Kögel etwa 
aus einer mir entgangenen specialquelle diese kunde geschöpft 
haben möge. Aber schliesslich musste ich mir doch wider 
sagen, dass er auch hier nur den Auxentius gemeint haben 
könne. Bei dem steht freilich eher das gegenteil von dem, was 
Kögel angibt. Zwar beginnt er wirklich mit der erwäbnung einer 
disputation (ad disputationem ...... contra p...ie..(p?).t.sias 
perrexit), aber ich suche vergeblich bei ihm den hinweis darauf, 
dass es sich um eine disputation bloss gegen eine einzelne 
secte gehandelt habe. Der umstand, dass Bessell seinerzeit 
meinte, es müsse wol so gewesen sein, und dass er demnach 
die lücke nach contra mit dem worte psathyropolistas ausfüllte, 
d.h. einem von ihm frei erfundenen namen für die secte der 
Psathyrianer, die sich nach unmisverständlichen zeugnissen 
erst nach dem tode des Wulfila gebildet hatte, genügt denn 
doch nicht als grundlage für Kögels annabme, die disputation 
gegen die ‘einzelsecte’ sei quellenmässig bezeugt!) 


1) Einem ähnlichen trugschluss ist auch Martin s. 370 verfallen. 
Wenn er übrigens meint, ‘dass wir von einer abtrennung der Psathyropo- 
listen (oder welchen namen soll man in der bekannten lücke einsetzen?) 
vor 884 nichts wissen, erklärt sich leicht aus der dürftigkeit unserer 


DAS TODESJAHR DES WULFILA. 307 


Und ausserdem bleibt ja. Auxentius nicht bei der erwäh- 
nung jener disputation stehen, sondern er fährt, nach einem 
allerdings etwas lückenhaften zwischenstück, also fort: ‘als er 
aber in der obgenannten stadt angekommen war und sich über 
die auf dem coneil herschenden zustände gedanken 
machte, verfiel er in krankheit (recogitato .... de statu con- 
cilii ... statim coepit infirmari.. Da haben wir ja aber das 
von Kögel schlankweg geleugnete concil! Oder lassen die 
citierten worte de statu concilü etwa eine andere deutung zu, 
zumal im zusammenhang mit dem auf concilü folgenden passus 
ne arguerentur miseris miserabiliores, proprio iudicio damnati 
et perpetuo supplicio plectendi? 

An den 8. 306 eitierten passus knüpft dann Kögel noch die 
weitere bemerkung: ‘das versprochene concil aber kann ja gar 
nicht bezeugt sein, weil es verboten wurde und nicht statt- 
fand.’ Kögel nimmt also an, der kaiser habe sich veranlasst 
gesehen, durch ein gesetz zu verbieten, was zu gewähren 
allein von seinem kaiserlichen willen abhieng, mithin gar keines 
verbotes bedurfte, wenn es nicht eintreten sollte. Woher diese 


quellen’, so kann ich ihm darin auch nicht recht geben: unsere quellen 
sind hier nichts weniger als dürftig. Wenn wir mit Bessell, gestützt 
auf die angabe, dass die Arianer nach 35jähriger trennung unter dem 
consulat des Plinthas (d.h. 419) sich wider vereinigt hätten (Socr. 5, 23, 12. 
Soz. 7, 17, 14), das aufkommen der Psathyrianer bis auf 384 hinaufschieben, 
so gehen wir überhaupt schon so weit, als im besten falle zulässig ist. 
Denn diesem rechenexempel steht die positive angabe beider quellen 
gegenüber, dass die eigentliche spaltung der Arianer, die zur wahl be- 
stimmter oberhäupter und trennung der kirchen führte, erst durch das 
eingreifen des von Thracien hergeholten Marinus erfolgte (Socr. 5, 23, 5f. 
Soz.7,17,9ff.). Marinus aber wurde erst 386 (ein jahr nach dem con- 
sulat des Arcadius und Bauto, d.h. nach 385) als nachfolger des damals 
verstorbenen Demophilos aus T'hracien berufen (Soer. 5, 12, 6 ff. Soz.7, 
14,4). Man wird doch nicht annehmen dürfen, dass die hitzköpfigen 
Arianer 5—7 jahre lang (von 380—386) über den betreffenden streitpunkt 
(die frage, ob gott schon vor der geburt des sohnes als ‘vater’ bezeichnet 
werden könne) debattiert haben, ehe es zu einer wirklichen spaltung 
kam. Und gegen wen hätte Wulfila wol disputieren sollen, wenn die 
secte noch kein eigentliches haupt hatte? Man beachte auch, dass unsere 
quellen die darstellung der kirchengeschichtlichen ereignisse zunächst 
bis über die häretikersynode von 383 hinaus führen, dann etliche jahre 
politische geschichte geben, um sich dann zu einem rückblick über die 
inzwischen ausgebrochenen sectenstreitigkeiten zurückzuwenden. 


20* 


308 SIEVERS 


auffällige annahme? Vermutlich weil Maximin sagt uf lex 
daretur quae concilium prohiberet. Aber prohibere muss doch 
nicht ‘verbieten’ heissen, und darf in diesem falle nur dann 
so (und nicht mit ‘verhindern’) übersetzt werden, wenn das 
fragliche gesetz ein wirkliches ‘verbot’ enthält. Ja selbst wenn 
Maximin ein coneilverbot gemeint hätte, so kann tiber des 
kaisers stellung in der frage doch nur der wortlaut seines 
eigenen gesetzes (Cod. Theod. 16, 5,6 — Cod. Iust. 1, 1,2) ent- 
scheiden, und in diesem ist selbstverständlich auch nicht mit 
einem worte eines solchen verbotes gedacht: Nullus haereticis 
mysteriorum locus, nulla ad exercendi animi obstinatioris demen- 
tiam pateat occasio. Sciant omnes, etiamsi quid speciali quolibet 
rescripto per fraudem elicito ab huiusmodi hominum genere impe- 
tratum est, non valere. Arceantur cunctorum haerelicorum ab 
inlicitis congregationibus turbae. Unius et summi dei nomen 
ubique celebretur. Nicaenae fidei dudum a maioribus traditae 
et divinae religionis testimonio atque adsertione firmalae obser- 
vantia semper mansura teneatur. Photinianae labis contaminatio, 
Arriani sacrilegü venenum, Eunomiae perfidiae crimen et nefanda 
monstruosis nominibus auclorum prodigia sectarum ab ipso etiam 
aboleantur auditu (folgt eine definition der begriffe Nicaenae 
adsertor fidei ei catholicae religionis verus cultor). Haec profecto 
nobis magis probala, haec veneranda sunt. (Qui vero hisdem non 
inserviunt, desinant adfectatis dolis alienum verae religionis nomen 
adsumere et suis apertis criminibus denotentur. Ab omnium 
summoli ecclesiarum limine penilus arceantur, cum omnes haere- 
ticos inlicitas agere intra oppida congregationes vetemus. Ac si 
quid ereplio factiosa temptaverit, ab ipsis eliam urbium moenibus 
exterminalto furore populi propelli iubeamus, ut cunctis orthodoxis 
episcopis qui Nicaenam fidem tenent calholicae ecclesiae loto orbe 
reddantur. Wollte Kögel sich sachgemäss ausdrücken, so durfte 
er danach nur sagen ‘weil das gegebene versprechen zurück- 
genommen wurde’ Aus seinem ‘verboten’ muss ich also 
schliessen, dass er auch das gesetz von 381 nicht gelesen bat, 
obwol ihm Bessell s. 32 f. eine bequem zugängliche tHber- 
setzung bot. | 

‘Ferner spricht Sievers von einer ‘bittreise’ des Wulfila 
nach Constantinopel und diese will er von der letzten fahrt, 
die auf befehl des kaisers erfolgte, unterscheiden. Aber welche 


DAS TODESJAHR DES WULFILA. 309 


quelle weiss etwas von einer ‘bittreise’? Maximin erzählt ja 
ausdrücklich, dass die arianischen bischöfe wegen eines 
comitalus nach Byzanz gekommen seien, und er verbindet 
damit die notiz, dass ihnen vom kaiser ein concil versprochen 
worden sei. Dass das letztere geschehen sei, als sie wegen 
des comitatus anwesend waren, ist gar nicht mit notwendig- 
keit aus den worten herauszulesen, und wenn es Maximin 
wirklich so gemeint haben sollte, so verwirrt er eben die be- 
gebenheiten, denn nach Auxentius war das coneil schon 
versprochen, als die bischöfe ihre reise antraten (U/fla qui 
ingressus in civitatem Constantinopolitanam de recogitato deputati 
concilü, ne arguerentur ete., Bessell ».35) und zwar, wie das 
gesetz aussagt, schriftlich, Bessell s. 32. 


Ich habe auch diesen abschnitt im wortlaut ausheben 
müssen, weil er für die art von Kögels polemik charakteristisch 
ist: auch er enthält nämlich nichts authentisches. Um 
das zu zeigen, fange ich von hinten an. 


Zunächst sind die von Kögel eitierten worte Ulila — ar- 
guerentur nicht die des Auxentius selbst, sondern sie gehören, 
wenigstens in der eitierten fassung, einem eitat des Maximin 
an, wie das natürlich Bessell a.a.o. auch ganz richtig angibt 
(der authentische text des Auxentius steht auf s. 34). Diese 
unterschiebung des falschen textes ist aber keineswegs bedeu- 
tungslos.. Denn bei Maximin fehlt an dieser stelle (fol. 287’; 
vgl. aber dazu unten anm. 2) das wichtige de statu vor concilüi. 
Dafür steht deputati. Ich gestehe nun zwar, dass ich die worte 
de recogitato deputati concilii nach meinen begriffen von latein 
nicht zu übersetzen weiss und also vermute, dass deputafi ein 
lesefehler!) für de statu ist (wovon sollte wol der genitiv de- 
putali concilii abhängen?):?2) aber wenn auch Maximin hier 
wirklich deputati geschrieben, also von einem deputatum con- 
cilium hat reden wollen, so heisst das doch nicht ‘ein ver- 


ı) Die stelle ist nicht von Waitz selber gelesen, sondern enstammt 
der nachgeschickten copie. 

2) Den ‘ausfall’ von statu hat schon Bessell s. 35 vermutet. Dass 
eine verderbnis vorliegt, wird ja dadurch zur gewisheit, dass Maximin 
da, wo er die worte des Auxentius zum ersten mal citiert, nämlich fol. 
286°, wirklich auch das sialu hat: ut autem recitatum est ab Auxentio 
episkopo ‘ de recogitato stalu concilü, ne arguerentur’ etc., Waitz 8. 21. 


310 SIEVERS 


sprochenes concil’, wie Kögel durch seine berufung auf diese 
stelle andeuten zu wollen scheint, sondern ein ‘angeordnetes, 
verordnetes’, und das wäre wider das vom kaiser befohlene, 
nicht das von den arianischen bischöfen erbetene. Das hat 
z.b. auch Bessell richtig erkannt, der u.a. auf der von Kögel 
eitierten 8. 35 sagt: ‘kam Ulfilas eines concilü deputati wegen 
schon an, was soll es dann heissen, dass dasselbe erst später 
versprochen ward?’ 

Zweitens soll aus derselben stelle des ‘Auxentius’ hervor- 
gehen, dass das concil schon versprochen gewesen sei, als die 
bischöfe ihre reise antraten. Davon steht aber bei Auxen- 
tius kein wort. Dort heisst es eben nur: qui cum precepto 
imperiali ... ad disputationem contra ... perrexit ..., recogitalo 
... stalim coepit infirmari. Wo sind die mitreisenden bischöfe 
und das versprochene concil? Antwort: sie sind wider still- 
schweigend aus Maximin interpoliert, der fol. 327 (Waitz s. 23) 
sagt: unde et cum sancto Hulfila ceterisque consortibus ad alium 
comitatum Constantinopolim venissent ibique etiam et imperdlores 
adissent, adque eis promissum fuisset concilium, ut sanctus 
Auzentius exposuit u.s.w. Hier beruft sich zwar Maximin auf 
Auxentius, aber eine stelle entsprechenden inhalts ist in dem 
erhaltenen stück des briefes des Auxentius nicht überliefert, es 
fehlt somit, wie bemerkt (oben s. 304 f.), mindestens die directe 
gewähr dafür, dass Maximin hier von derselben reise habe 
habe reden wollen, von der Auxentius an der erhaltenen stelle 
qui cum precepto imperiali ete. spricht. 

Drittens der comitatus, ‘wegen dessen’ Wulfila mit den 
übrigen bischöfen nach Constantinopel gekommen sein soll. 
Was sich Kögel unter diesem comitatus gedacht hat, erfahren 
wir auf s. 181 seines buches: ‘als dieses gesetz [das vom 10. jan. 
381] erlassen wurde, befand sich Wulfila mit einer anzahl von 
glaubensgenossen in Constantinopel, wohin sie ad alium comi- 
tatum “zu einer anderen disputation”, d.h. zu einer andern 
als die von der vorher die rede gewesen war, gekommen waren. 
Nun wissen wir von Auxentius, dass Wulfila ... durch kaiser- 
lichen befehl nach Constantinopel berufen worden war, ad 
disputationem contra ... Natürlich kann diese disputa- 
tion nicht nach dem erlass jenes gesetzes angeordnet 
worden sein. Vielmehr muss der comilatus, von dem Maximin 


DAS TODESJAHR DES WULFILA. all 


erzählt, zusammen fallen mit der disputatio des Auxentius...” 
Also (um von dem comitatus selbst noch einen augenblick zu 
schweigen): weil der kaiser im januar 381 durch ein gesetz 
den häretikern ihre zusammenkünfte und das disputieren 
unter sich verboten hatte, konnte er ‘natürlich’ später niemand 
zu einer von ihm selbst verlangten oder angeordneten disputa- 
tion eitieren! Wie konnte er dann aber gar im jahre 383 das 
grosse häretikerconcil berufen, auf dem eben — das war ja 
des kaisers wille (näheres s. unten s. 317 ff.) — durch eine grosse 
allgemeine disputation der sectenstreit endgültig beigelegt 
werden sollte? 


Und nun der comitatus selbst! lch vermute, dass das 
wort (dessen eigentliche und ursprüngliche bedeutung natürlich 
hier nicht passt) Kögel zunächst auffällig gewesen ist, und dass 
er dann geglaubt hat, er dürfe etwas beliebig gemutmasstes 
dafür einsetzen, das ihm in seine rechnung passte. Daher denn 
der ansatz ‘comitatus = disputation.” Da wäre es aber doch 
wol ratsamer gewesen, vorher etwa den du Cange aufzuschlagen, 
um dort unter 1. comitatus die wirkliche bedeutung zu finden 
‘palatium, aula regia, locus ubi Rex aut Imperator 
moratur’ u.s.w. Oder, wenn dieser umweg zu mühsam oder 
nicht practiecabel war, so hätten schon Waitz und Bessell das 
nötige bieten können: ersterer übersetzt die betr. stelle (s. 48): 
‘die arrianischen bischöfe.... seien an den hof des kaisers ge- 
kommen’ und macht zu ‘hof’ die anmerkung: ‘ad comitatum, 
ein bekannter ausdruck der zeit’, und letzterer erläutert (s. 44) 
den ausdruck ad alium comitatum Constantinopolim venissent 
durch die anmerkung ‘im gegensatz zum weströmischen hofe, 
von dem das Aquilejer concil ausgieng. Dass Palladius [von 
dem ja auch bei der reise nach Constantinopel die rede ist] 
kurz vor dem letzteren [d.h. dem jahre 381] bei Gratian in 
Sirmium audienz hatte, folgt aus den acten des Aquilejer con- 
cils’t) Oder endlich, wenn auch das noch nicht genügte, so 
hätte eine stelle aus Maximin selbst, die Waitz s. 9 mitteilt, 
Kögel an seiner deutung irre machen müssen, wenn er sie 
gelesen hätte: nam et ad oriente perrexisse memoralos epi- 
skopos cum Ulfila ad comitatum Theodosi inperatoris epistula 


ı) Vgl. übrigens hierzu unten s. 312. 319. 


312 SIEVERS 


[nämlich der nun folgende brief des Auxentius] declarat. Oder 
soll da auch eine ‘disputation des kaisers 'Theodosius’ ge- 
ıneint sein? 

Viertens endlich die ‘bittreise’. Natürlich steht das wort 
‘bittreise’ nicht in den quellen. Aber es wird doch erlaubt 
sein, auch hier ein wenig zwischen den zeilen zu lesen. Wenn 
Maximin fol. 327 (Waitz 8.23) sagt cum ... Constantinopolim ve- 
nissent ibique etiam et imperatores adissent, adque eis pro- 
missum fuisset concilium, so heisst das doch, dass die bischöfe 
als bittende beim kaiser erschienen, und dass ihnen auf ihre 
bitte hin ein versprechen gegeben wurde; ferner erlaubt 
die nahe verbindung dieser worte mit dem vorausgelenden cum 

. venissent ohne alle gewaltsamkeit die deutung, dass jene 
bitte der eigentliche zweck der reise, dass diese also wirklich 
als ‘bittreise’ gemeint war. Diese deutung wird durch ein 
weiteres argument verstärkt. Auf dem leider gegen den schluss 
hin sehr verstümmelten fol. 286 lesen wir u.a. sanctorum epi- 
skoporum nostrorum, ut non solum in partibus occidentalibus 
de Ilirico adveniren|t po|stulantes (so muss doch wol, schon 
wegen des folgenden, für Waitzens putantes gelesen . werden) 
concilium [dari?] [ut?] gesta ab ipsis ereticis confecta [indilcant; 
auf der rückseite desselben blattes heisst es dann (Waitz s.21) 
weiter recitatae, eliam ad orientem perrexerunt idem postu- 
lantes. Beide äusserungen gehören nach gemeiner annahme 
dem Maximin zu. Da nun, wie bereits oben 8. 311 angeführt 
ist, aus den coneilsacten von Aquileia hervorgeht, dass Palladius 
kurz vor dem concil (das 381 stattfand) bei Gratian eine audienz 
hatte, so wird man den ersten teil der oben angeführten notiz 
auf eben diese versuche der Arianer beziehen dürfen (die gesia 
ab ipsis ereticis confecia wären dann eben die coneilsacten). 
Weiter aber reisen die bischöfe auch an den oströmischen hof 
idem (nämlich concilium, wie vorausgegangen war) postulantes: 
darf man auch da noch nicht einmal von einer ‘bittreise’ 
sprechen? 

Aber selbstverständlich ist diese deutung immer nur dann 
möglich, wenn es zulässig ist, diese ‘bittreise’ von derjenigen 
zu trennen, die Wulfila auf befehl des kaisers nach Constan- 
tinopel führte. Dies letztere ist die eigentliche und allein 
brennende frage: aber gerade über sie geht Kögel mit der 


DAS TODESJAHR DES WULFILA. 313 


kurzen bemerkung hinweg: “übrigens hat Bessell s. 35 ff. die 
möglichkeit, dass die letzte reise des Wulfila ins jahr 383 fiele, 
bereits eingehend erörtert und mit durchschlagenden gründen 
abgewiesen. Ich habe dazu einstweilen nur zu bemerken, dass 
es selbstverständlich auch schon Waitz nicht entgangen ist, 
dass das grosse häretikerconeil von 383 eigentlich die einzige 
gelegenheit ist, auf die der bericht des Auxentius passt (s. 47). 
Wenn Waitz von dieser datierung wider abgegangen ist, so 
war das nur die folge davon, dass er die von Maximin eitierten 
gesetze von 388 und 386 noch für authentisch hielt. Nur so 
konnte er dazu kommen, sich auch für 388 eine unbezeugte 
synode zu construieren, und nun auf diese die beiden berichte, 
den des Auxentius und den des Maximin, zu beziehen. Nach- 
dem aber Bessell — und das ist das bleibende verdienst seiner 
schrift — den evidenten nachweis geführt hatte, dass bei 
Maximin jene gesetze nur irrtümlich statt des allein zutreffenden 
gesetzes vom 10. jan. 381 eingestellt sind, war eigentlich ein 
jeder anlass geschwunden, sich noch länger künstlich um das 
jahr 383 herumzuwinden. Das hat ja auch Bessell selbst s. 35 
im prineip anerkannt (freilich nur um dann sofort wider durch 
neue künsteleien auf abwege zu geraten). 


Nach diesen weniger erquicklichen negationen wende ich 
mich nun zu einer nochmaligen positiven erörterung der sach- 
lage, freilich mit dem bewusstsein, dabei nur längst bekanntes 
noch einmal widerholen zu müssen. 

Die aufgabe der untersuchung lässt sich etwa so praeci- 
sieren. Unsere quellen zerlegen sich in zwei hauptgruppen. 
Die eine besteht in dem durch Maximin ergänzten bericht 
des Auxentius, die andere wird durch die allgemeinen quellen 
der zeitgeschichte gebildet. Unter diesen stehen die werke des 
Socrates und Sozomenos voran, weil sie allein eine ge- 
schlossene übersicht der ereignisse der jahre 380 ff. geben. Hie 
und da wird eine einzelangabe auch durch Theodoret oder 
Philostorgios etec.!) bestätigt. Dazu bringt dann Philostor- 
gios die versprengte notiz über Wulfilas bischofsweihe durch 
Eusebius. 


1) Weitere nachweise im einzelnen gibt der alte Jac. Gothofredus 
in seinen commentaren zu den betr. gesetzen des Cod. 'I'heodosianus. 


314 SIEVERS 


Die detailliertesten angaben über Wulfila bringt die gruppe 
Auxentius-Maximin. Die directen angaben des Auxentius sind, 
wie bereits oben betont wurde, an sich zeitlos, d.h. sie ge- 
statten an sich jede zeitliche anknüpfung. Zeitlich gebunden 
ist nur die ‘bittreise’ (man gestatte den ausdruck der kürze 
halber), von der Maximin berichtet: gebunden durch die bezug- 
nahme auf den erlass des Theodosius, als den ich mit Bessell 
u.8.w. das gesetz vom 10. januar 381 betrachte. Ist diese ‘bitt- 
reise’ identisch mit der ‘concilsreise’ des Wulfila (d. h. der 
reise, die Wulfila auf kaiserlichen befehl unternahm), dann ist 
auch Wulfilas tod an das jahr 381 gebunden. Nun besteht 
aber (wie auch Waitz und Bessell anerkannt haben) zwischen 
Auxentius und Maximin eine ganz erhebliche differenz. Nach 
Auxentius reist Wulfila (dem wortlaut nach allein) auf befehl 
des kaisers nach Constantinopel zu einem concil, wo er eine 
grosse ınenge christlicher (d.h. hier arianischer) bischöfe (con- 
sacerdotes) vorfindet und stirbt; nach Maximin reisen Palladius 
von Ratiare, Auxentius, Wulfila u. a. nach Constantinopel, 
wenden sich an den kaiser (oder die kaiser, vgl. darüber Bessell 
8. 33 anm., auch Kraus, oben s. 251 anm.3), erlangen das ver- 
sprechen eines coneils, aber ihre hoffnungen werden durch die 
machinationen der orthodoxen vereitelt, ja ein kaiserlicher er- 
lass schränkt die freiheiten der Arianer noch mehr ein. 

Diese verschiedenheiten sind so gross, dass man es sicher 
als das natürlichste betrachten muss, dass sich die beiden 
einander widersprechenden berichte auf verschiedene vorgänge 
beziehen. Wollen wir aber auch einmal zugeben, dass sich 
diese frage aus den berichten allein nicht mit absoluter sicher- 
heit entscheiden lasse, so kann überhaupt eine gewisheit nur 
erlangt werden durch die beantwortung der frage, wie sich die 
von Auxentius-Maximin geschilderten vorgänge in den rahmen 
der allgemeinen zeitgeschichte einfügen. Diese aber lernen 
wir widerum nur aus Socrates - Sozomenos im zusammenhang 
kennen. Zunächst sind also diese beiden zeugen zu befragen. 
Sie ergeben aber folgendes. 

Am 16. januar 379 wird Theodosius von Gratian wegen 
der immer häufiger werdenden einfälle der Alemannen in Gal- 
lien, die eine teilung der kriegsleitung erheischten, in Sirmium 
zum mitregenten ernannt (Socr. 5, 2,3. Soz. 7,4,1). Gratian 


DAS TODESJAHR DES WULFILA. 315 


wendet sich nach Gallien, Theodosius zieht gegen die barbaren 
um den Ister zu felde. Beide sind siegreich. Aber auf der 
heimfahrt nach Constantinopel erkrankt Theodosius in Thessa- 
lonich und: lässt sich von Ascholios auf das nicänische be- 
kenntnis taufen, worauf er gesundet (Socr. 5, 6, 3 ff. Soz. 
7,4, 3 ff.).1) 

Bald darauf zieht der kaiser, am 24. november 380, in 
Constantinopel ein (Soer. 5, 6,6, vgl. Soz. 7,5,1). Dort war da- 
mals Gregor von Nazianz bischof der rechtgläubigen. Aber 
er befand sich in keiner beneidenswerten lage. Nicht nur dass 
er sich mit einem kleinen gebethaus behelfen musste — die 
kirchen waren noch im besitz der Arianer, an deren spitze da- 
mals Demophilos stand — : er wurde auch von einigen als 
fremder perhorresciert. Deswegen benutzt er die ankunft des 
kaisers, um diesem sofort seinen verzicht auf seine stellung zu 
melden (aoucvos nv Tod Bacıldos rapovolav desdusvog nV 
tv Kovoravrıvovnoisı dıeyaoynv rapmtnoaro Socr.5,7,2). Er 
muss sich dabei in der tat grosser eile beflissen haben, denn 
nun folgen die gewis mit dureh diesen schritt Gregors hervor- 
gerufenen ereignisse schlag auf schlag. Der kaiser überlegt 
sich, wie er, nach glücklich errungenem siege, die religiöse 
eintracht widerherstellen könne. Er stellt dann dem Demo- 
philos die alternative, zur orthodoxie zurückzukehren oder seine 
kirchen aufzugeben. Demophilos wählt in übereinstimmung 
mit einer rasch berufenen volksversammlung seiner anhänger 
die verbannung, und verlässt die stadt. So verlieren die Ari- 
aner am 26. november 380 — zwei tage nach dem einzuge 
des kaisers — die vierzig jahre lang innegehabten kirchen, 
die nun den orthodoxen übergeben werden (Soer. 5, 7. Soz. 7,5). 


Die Arianer aber (so fährt Sozomenos 7, 6 fort: bei Socrates 
fehlt dies capitel und folgt deshalb gleich die geschichte des 
grossen concils von 381, zu dem nur die orthodoxen und die 
Macedonianer geladen wurden) hielten trotzdem was vorgefallen 
war ihre zusammenkünfte und disputationen ab, ja sie suchten 
auch durch ihre gesinnungsgenossen am hofe den kaiser selbst 


1) Nach Soz.7,4,5 ff. erlässt er noch von Thessalonich aus ein gesetz 
für Constantinopel, das alle seine untertanen zum wahren glauben auf- 
ruft und alle andersgläubigen als häretiker mit schweren strafen bedroht. 


316 SIEVERS 


zu beeinflussen (xal anonsıpaodaı Toü Baoıldag Ereıd:oV Tovg 
Öuögyopovas avrols &v Tols Baoıkeloıs Soz. 7,6,1), in der hof- 
nung, es werde ihnen noch einmal so glücken wie bei Con- 
stantius (bierüber sind Socer. 2,2,1 ff. Soz. 3,1,1ff. Theodoret 2, 2 
zu vergleichen). Diese umtriebe der Arianer erregten bei den 
orthodoxen keine geringe besorgnis (Toüro dt avro xal Tolg 
aro ıng xadolınns Exxinolas Yoovılda xal P6ßov Exiveı: sie 
müssen also erheblicherer art gewesen sein). Gesteigert wurden 
die ängste der orthodoxen noch dadurch, dass ihnen gleich- 
zeitig ein neuer, durch seine redegewantheit furchtbarer gegner 
in Eunomius erstanden war, der sich in Bithynien, Constan- 
tinopel gegenüber, niedergelassen hatte und grosse scharen zu 
sich hinüberzog. Ja so gross war des letzteren ruf, dass er 
selbst zum kaiser drang, so dass dieser ihn zu sehen wünschte 
(pnun de rovrwv xal els Baoılda nAde, xal ovyYevdodaı auto 
£toıuog nv Soz. 7,6,3). Aber den vereinigten bemühungen der 
strenggläubigen kaiserin Flaceilla und der constantinopolitani- 
schen bischöfe gelang es doch, diese begegnuug zu hinter- 
treiben.!) Vorsichtiger geworden empfängt nun der kaiser 
keine andorsgläubigen mehr: vielmehr verbietet er gesetzlich 
das streiten und disputieren: xal aoyaA&orspog YEvöusvog OV 
x0001ET0 ToVg rapa tovro dogabovras. Kal rac Er ayopäs 
Eoıdas xal Ovvodovg AnnYopEvoE, xal dialtyeodaı ToVv avrov 
TO0Rov nepl ovolag xal Ypvoems HE00 0Vx axivdvvov &noıelto, 
vouov HEusvog nepl TOVToV xal Tıumplav ogioac.?) 

Das hier erwähnte gesetz ist der bekannte erlass vom 
10. januar 381, der die darstellung des Sozomenos [und Theo- 
doret]| auch in soweit stützt, als er mit den worten sciant omnes, 
eliumsi quid speciali quolibet rescripto per fraudem elicito ab huius- 
modi hominum genere impetratum est non valere offenbar auf die 
erwähnte [nach Maximin anfangs erfolg versprechende] agitation 
der Arianer bezug nimmt. 


1) Sozomenos erzählt hier die bekannte anekdote von dem alten 
bischof, der bei der begrüssungsaudienz dem sobne des kaisers nicht 
dieselbe ehre erwies wie dem kaiser. Die anekdote hat auch 'l’'heo- 
doret 5,6, er verlegt aber die ganze geschichte — wie das datum des 
gesetzes von 381 zeigt, irrtümlich — in eine spätere zeit. 

2) Vgl. auch 'I’heodoret 5, 16: ovrw ovvels 6 Bacıkevg .... vouov 
EUIUG EyoaYE Tovg Tav algETıx@V OVAA0YovS xwAvovra, und die vorige 
anmerkung. 


DAS TODESJAHR DES WULFILA. 317 


Bald darauf beruft denn der kaiser, noch im selben jahre 
381, die grosse synode der rechtgläubigen und der Macedonianer 
(vgl. oben ». 315), auf der u.a. an stelle des nach Nazianz zu- 
rückkehrenden Gregor nun Nectarius zum bischof von Constan- 
tinopel gewählt wird (Soecr. 5, 8. Soz. 7,7 f.). 


Von dem, was nun folgt, interessieren uns erst wider die 
vorgänge des jahres 383, über die Socr. 5,10 und Soz. 7,10 be- 
richten. 

Auch an vielen Kidersn orten (als Constantinopel) gab es 
bei der vertreibung der Arianer aus den kirchen!) tumultuarische 
scenen (tapayai). Der kaiser, nicht gewillt, diese unruhen weiter 
zu dulden, beruft deshalb 383 (unter dem consulat des Mero- 
baudes und Saturninus) eine allgemeine häretikersynode 
(vUrodov naoov Tav aip&oewmv Socr., TOUG NEOEOTOTAS Tom 
axuaLovoov Tore alp&oemv Ovvexdlscev Soz.), in der hoffnung, 
es werde ihm gelingen, durch die veranstaltung einer all- 
gemeinen disputation der bischöfe gegen einander die 
einhelligkeit des glaubens widerherzustellen (vonloag EX TG 
006 gavrovg To Enıoxonwv dıalegemg ulav ‚Rage näcıv 
öuöpwvov dogav xparnoeın Socr., breiaße yap navras Ouodo- 
Sovg noMoaı, el xoıwnv avrols dıalsfıv ngodeln nel Tov 
aupıBoAmv too döyuarog Soz.). Im juni treffen die berufenen 
bischöfe von allen seiten ein. Der kaiser verlangt von Necta- 
rius (dem orthodoxen bischof von Constantinopel), dass eine 
debatte über die eigentlichen trennenden streitpunkte stattfinde 
(Eieyev Ö& delv yvuvaodnvar To XwolLov tag Exxinoiag Inrnua 
Soer.). Nectarius zieht, nicht ohne besorgnis über dies verlangen 
des kaisers, den Novatianerbischof Agelius zu rate, und dieser 
wider schiebt, da es ihm selbst an den nötigen fähigkeiten fehlt, 
seinen lector Sisinnius, einen äusserst redegewanten und ge- 
lehrten, philosophisch gebildeten mann als disputator vor 
(noög To dialsyImvaı nposßaiiero Socr.). Dieser aber rät, 
von der eigentlichen disputation mit den häretikern abzu- 
sehen, da diese zu nichts führe (ovveidev ws ai dıakfgsis 0% 
uOVov 00x &vovcı ta oylouara ete. Socr.): der kaiser möge sich 
vielmehr auf die frage beschränken, wie jene über die autorität 


1) Diese erfolgt auf grund des gesetzes von 381, dessen wortlaut 
oben s. 308 mitgeteilt ist. 


318 SIEVERS 


der alten ausleger dächten, die vor dem schisma gelebt hätten. 
Verwürfen sie das zeugnis dieser alten, dann würden sie bei 
ihren eigenen anhängern gerichtet sein; erkännten sie aber ihre 
autorität in glaubenssachen an, so brauche man nur die alten 
bücher vorzulegen, die dann gegen die häretiker entscheiden 
würden, da sie deren speeifische lehrsätze nicht enthielten. 

Der kaiser billigt diesen schlauen plan und stellt dem- 
gemäss seine fragen. Da aber entsteht ein allgemeiner zwie- 
spalt, nicht nur zwischen den häuptern der verschiedenen secten, 
sondern auch innerhalb der einzelnen secten selbst. Aber der 
kaiser merkt doch, dass man sich schliesslich nur auf die dis- 
putation selbst (dualegsı uovn) einlassen will, und ändert nun 
seinen plan, indem er von jeder secte ein geschriebenes 
slaubensbekenntnis verlangt. An einem bestimmten tage 
werden diese formulare dem kaiser in feierlicher audienz über- 
reicht. Der kaiser zieht sich mit den formularen zurück, bittet 
gott um erleuchtung, liest die eingereichten schriften, um sie dann 
sämmtlich zu zerreissen mit ausnahme derer der homousianer. 
Dadurch gelangen auch die Novatianer, die in diesem punkte 
mit den orthodoxen giengen, wider obenauf und erhalten die 
zusage kaiserlichen schutzes. Die häupter der andern secten 
aber verfallen ob ihrer uneinigkeit dem tadel ihrer eigenen an- 
hänger und müssen in ratlosigkeit und sorge die hauptstadt 
verlassen (oi d& rg0E0T@rTEG Tv AAAOV HENOXELIOV Ex TG NEOG 
£avroüg diaygwvias Ev xatayvaoeı Rapa Tolg dp davrovg Anols 
£ysyovsıcav, aumyavla Te xal AUNN xaTaoysderres AvELXWpovV 
S0CT.). 

Wie stellen sich hierzu nun die angaben des Auxentius und 
Maximin? 

Auf den ersten blick ist es wol klar, dass in den 45 tagen, 
die zwischen der vertreibung des Demophilos und dem erlass 
vom 10. januar 381 liegen, für die befohlene ‘coneilsreise’ des 
Wulfila kein platz ist. In diesen tagen hat der kaiser, der 
seinen ersten einzug in seine neue hauptstadt durch einen gegen 
die Arianer insgemein (und andere secten) gerichteten act promp- 
tester justiz bezeichnet hatte, wol anderes zu tun gehabt, als 
sich väterlicb um die schlichtung innerer streitigkeiten in der 
gemassregelten secte zu bemühen, indem er, um mit Bessell 
8.38 f. zu reden, ‘den ehrwürdigen greis [Wulfila] herbeirief, 


DAS TODESJAHR DES WULFILA. 319 


um durch sein ansehen dem streite unter seinen landsleuten 
ein ende zu machen.’ Ja man wird auch geradezu fragen dürfen, 
ob es denn gar so selbstverständlich sei, dass der aus der zu- 
rückgezogenheit seines spanischen landlebens zum kriege gegen 
die Goten berufene und eben aus diesem kriege heimkehrende, 
unterwegs aus opportunitätsgründen neugetaufte kaiser von der 
existenz dieses ‘würdigen greises’ bereits so genaue kenntnis 
gehabt habe.!) Man wird sich ferner, wenn es sich nur um 
einen specialauftrag an Wulfila handelte, billig darüber wundern 
dürfen, dass dieser gerade in jenen 45 tagen nach der aus- 
treibung des Demophilos in Constantinopel eine solche menge 
von (arianischen) sancti et consacerdotes angetroffen haben sollte, 
dass man die stadt schier hätte Christianopel nennen können, 
wie Auxentius vermeldet. Soll endlich die ‘bittreise’ mit der 
‘concilsreise’ identisch sein, so hat man wider zu fragen, wie 
die ‘anderen bischöfe’, deren Maximin mehrmals gedenkt, dazu 
kommen, mit Wulfila nach Constantinopel zu reisen. Sollten 
sie etwa auch gegen die ‘secte’ (ev. die pseudo-Psathyropolisten) 
disputieren? 

Ebenso klar ist es auch, dass das was Maximin über die 
‘orientreise der bischöfe’ bez. die ‘bittreise’ des Wulfila aus- 
sagt, auf das concil von 383 nicht passt. Waren die bischöfe 
auf einem conecil, so hatte es keinen sinn, um ein solches zu 
bitten, und unter den auf diesem concil von 383 obwaltenden 
umständen wäre eine solche bitte erst recht lächerlich gewesen. 

‚Dagegen ist alles in schönster ordnung, wenn man die 
‘bittreise’ und die ‘conecilsreise’ trennt und erstere in das jahr 
380/81, letzte:c in den sommer 383 verlegt. 

Die sache gestaltet sich dann so. Wie die arianischen 
bischöfe schon früher (vor dem concil von Aquileja von 381) bei 
Gratian für ihre sache eingetreten waren, so versuchen sie auch 
bei dem neuen kaiser, sobald er aus dem Kriege nach Con- 
stantinopel zurückgekehrt ist, ein coneil zu erwirken. Ob sie 
zu diesem schritt durch die nachricht von der vertreibung ihres 
oberhauptes Demophilos angetrieben wurden oder bei ihrer an- 


1) Man wende nicht ein, dass ja doch auch bei dem ansatz 383 ein 
befehl des kaisers “an Wulfila’ ergehe: damals handelte es sich um einen 
colleetivbefehl an alle sectenhäupter, nicht um einen persönlichen auftrag 
an Wulfila. 


320 SIEVERS 


kunft in Constantinopel das fait accompli vorfanden, mag dahin- 
gestellt bleiben. Für die erstere annahme spricht vielleicht die 
art und weise, wie die notiz des Maximin Unde et cum sancio 
Hulfila ceterisgue consortibus ad alium comitältum Constantino- 
polim venissent an den schluss des vorausgehenden briefes (des 
Palladius?) angehängt ist: tamen scito ... (lücke) ... Palladium 
Ratiarensem, Auxentium inter celeros consorles sancto et omni 
reverentia digno ac fidelissimo doctori Demofilo, ubicumque 
examen haberi placuerit, deo omnipolente per unigenitum suum 
Ihesum dominum auxilium ferente, glorioso ac salulari certamini 
non defuturos. Also: ‘die Donaubischöfe werden die gute sache 
des Demophilos nie im stich lassen.’ Dazu Maximin: ‘wie sie 
denn auch deshalb nach Constautinopel gereist sind,’ u. 8. w. 
Das anfangs günstige ergebnis der reise wird aber bald durch 
die machinationen der orthodoxen zu nichte gemacht, und am 
10, januar 381 erlässt der kaiser das bekannte prohibitivgesetz. 

Die austreibung der Arianer, die mit der verbannung des 
Demophilos aus Constantinopel begonnen hatte, nimmt ihren 
fortgang, aber nicht ohne turbulente störungen. Um diesen 
zuständen ein ende zu machen, beruft der kaiser ein grosses 
häretikerconcil, das auf dem wege der disputation den 
streitigkeiten ein ende machen soll. Von allen seiten (ravra- 
x0%ev Socr. 5, 10,6) strömen im juni 383 die eitierten secten- 
häupter in Constantinopel zusammen, in solcher menge, dass 
der arianische berichterstatter in dieser stadt damals wol ein 
Christianopel erblicken konnte, Aber bald beginnen, infolge 
der geschickten manipulationen des Sisinnius, die inneren 
zwistiskeiten, so dass Wulfila, der als sectenbischof mit zu 
den befohlenen gehörte, wol in banger sorge darüber sein 
durfte, ob seine glaubensgenossen sich nicht durch eigene 
schuld (indem sie den lockungen des kaisers folgten?) ins ver- 
derben stürzen würden, und darüber erkrankt er. Doch erlebt 
er eben noch den zweiten act der kaiserlichen politik, die ein- 
forderung der schriftlichen bekenntnisformulare, und so schreibt 
er in ips[o mortis] mo(nu)mento seine letzten worte nieder: Z%yo 
Ulfla episkopus et confessor semper sic credidi et in hac fide 
sola et vera testamentum facio ad dominum meum. Dass er den 
festgesetzten tag der einreichung nicht mehr erleben würde, 
mag er geahnt, und darum sein bekenntnis als ein vermächtnis 


DAS TODESJAHR DES WULFILA. | 321 


für seine glaubensgenossen bezeichnet haben. Was er in banger 
sorge vorausgesehen, traf ein: die uneinigkeit im innern der 
secten brachte den orthodoxen den sieg. 


Ist es nun nicht gerade so, als ob die berichte des Auxen- 
tius und Maximinus einerseits und die des Socrates und Sozo- 
menos andrerseits für einander, zur gegenseitigen aufhellung 
und erklärung geschrieben wären? Kann man überhaupt eine 
weitergehende übereinstimmung unter quellen so verschiedener 
herkunft und tendenz erwarten? Und doch sollen wir alles 
das verwerfen! Und bloss weil wir sonst zugeben müssen, dass 
entweder Auxentius seine zahlen ein wenig stilisiert hat, 
oder dass Philostorgios über die bischofsweihe des Wulfila 
schlecht unterrichtet gewesen ist! Sollte da nicht doch eine 
von diesen alternativen für wahrscheinlicher zu halten sein? 

Welche freilich, darüber kann gestritten werden. An sich 
wird man dem Auxentius grösseres vertrauen entgegenbringen. 
Und doch wäre wider aus den s. 303 gegebenen gründen ein 
fehler in den zahlen des Auxentius leichter zu verstehen, als 
ein fehler in der namensangabe bei Philostorgios, der ja auch 
sonst mancherlei anderwärts unbezeugte, aber doch nicht an- 
zufechtende nachrichten über Wulfila beibringt. Nur auf einen 
punkt möchte ich noch mit einem worte hinweisen: ganz glatt 
ist bekanntlich die angabe des Philostorgios in geschichtlicher 
beziehung auch nicht zu verstehen. Nach ihm (s. bei Waitz s.59) 
wird Wulfila 5” Evosßlov xal Tov 00V auT® ENI0XonWv ge- 
weiht, als er als abgesanter bei Constantin erscheint (xl 
tov Kovoravılvov Xp0vmv ... anootalsis), also gelegentlich 
einer bischofsansammlung, die eventuell eine synode gewesen 
sein kann. Und zwar erzählt Philostorgios diese geschichte 
(2,5) unmittelbar nach dem tode Constantins (2,4), aber ehe 
er sich der regierungszeit des Constantius zuwendet: er meint 
also wol wirklich den Constantin (so dass nicht ein einfacher 
fehler der hsl. überlieferung vorläge). Dann aber — die weihe 
müsste doch in Constantinopel erfolgt sein — könnte wol nur 
das jahr 335 in betracht kommen, wo Eusebius nach angabe 
von Soer. 1,35,2 und Soz. 2, 28,13 (vgl. auch Theod. 1, 29) mit 
einer reihe von bischöfen von dem concil von Tyrus aus nach 
Constantinopel geht und den Athanasius in die verbannung 

Beiträge zur geschiehte der deutschen sprache. XX. >1 


322 SIEVERS, DAS TODESJAHR DES WULFILA. 


treibt. Das ergäbe aber für die dauer von Wulfilas episkopat 
(von 335—383, also 48 jahre) eine differenz von 8 jahren gegen 
die angabe des Auxentius, und das würde doch das mass des 
erlaubten überschreiten. Es muss also auf alle fälle, wie schon 
Waitz dargelegt hat, Constantius für Constantin eingesetzt 
werden. Dann aber kommen wir mit ziemlicher notwendigkeit 
auf das jahr 340 als das von Philostorgios gewollte.e Denn 
gerade damals berief Constantius eine versammlung der aria- 
nisch gesinnten bischöfe (ovv&dgov To» ta Apslov PpoVoVYT@» 
erıoxonov Soer. 2, 7,2; vgl. 0Vvodov» xasioac Soz. 3, 4,3) nach 
Constantinopel und setzte den Eusebius an stelle des Paulus 
zum bischof dieser stadt ein. Um dieselbe zeit müsste wol 
die weihe Wulfilas erfolgt sein, denn für die spätere zeit bis 
zu Eusebius’ bald nach dem concil von Antiochia (341) erfolgten 
tode würde entweder der zusatz xal To» 00» aur® 2RL0xönmv 
oder der ort (Constantinopel) nicht wol zutreffen. 

Ich erwähne diese chronologischen schwierigkeiten deshalb, 
weil sie dem einen oder andern anlass geben können, nun die 
ganze notiz des Philostorgios entschiedener als verwirrt oder 
erfunden zu verwerfen und so dem Auxentius wider ganz zu 
seinem alten ansehen zu verhelfen. Meinerseits aber kann ich 
nicht umhin, nach wie vor die authenticität seiner zahlen 30 
und 40 für ‘verdächtig’ zu halten. 


LEIPZIG-GOHLIS, 12. mai 1895. E. SIEVERS. 


ZUR GUTTURALFRAGE. 


In seiner eingehenden recension meiner Indische klankleer 
(Museum 2, 432 ff.) macht Speijer mir den vorwurf, dass ich den 
von Hillebrandt (Bezz. Beitr. 19, 244 ff.) behaupteten zusammen- 
hang von skr. äpas und /apati mit lat. agua und loguor ‘losweg’ 
(d.h. wol ‘ohne weiteres’) geleugnet babe. Dass ich aber nicht 
ohne überlegung mich gegen Hillebrandts anschauung geäussert, 
hoffe ich in den folgenden zeilen meinem hochgeschätzten Gro- 
ninger collegen zu beweisen. 

Im arischen findet sich von labialisation der velaren gut- 
turalreihe keine spur und schon darum ist es von vornherein 
unwahrscheinlich, dass sporadisch ein übergang von k, g, gh 
in p, d, bh oder gar in t, d, dh (wie Hillebrandt will, der die 
. bekannten verhältnisse des griechischen vergleicht) stattgefunden 
habe. Fälle wie got. wulfs, Adwör sind natürlich nicht als 
parallelen heranzuziehen, denn im germanischen liegen die 
sachen ganz anders als in den satem-sprachen. Wo die velaren 
verschlusslaute regelmässig labialisiert erscheinen, kann man 
bie und da unter bestimmten bedingungen (z. b. in der nähe 
von labialen, wie Kluge zuerst erkannt hat) auch vollständigen 
übergang in labiale erwarten, wie er tatsächlich in wul/s, 
fidwör u.s.w. vorliegt. Dass man freilich auch hier nicht zu 
weit gehen darf, hat Bartholomae (Studien zur indog. sprach- 
geschichte 2,13 ff. fussnote) mit recht betont, 

Aber abgesehen von der physiologischen unwahrscheinlich- 
keit einer sporadischen labialisierung bez. dentalisierung der 
velaren explosivae im arischen — einer unwahrscheinlichkeit, 
welche m. e. schon das recht gibt, Hillebrandts hypothese als 
verfehlt zu betrachten — so können, zum teile selbst müssen 
die für diesen angeblichen lautwandel angeführten fälle anders 
gedeutet werden. Zwischen dcati, äncati und dtati, atati kann 

21* 


324 UHLENBECK 


nicht nur wegen der laute, sondern auch aus semasiologischen 
gründen keine verwantschaft vorliegen. Der grundbegriff von 
dcati, ancati ist nämlich ‘biegen’, wie auch aus dem zugehörigen 
ankd- ‘biegung, seite, schooss’ —= gr. Oyxog — lat. uncus klar 
hervorgeht. Offenbar ist das verhältnis von dücati, ankd- zu 
vancati, vanka-, vankara, vakrd- (e. Beitr. 19,522) dasselbe wie 
zwischen rshabha- und vrshabha- (s. J. Schmidt, KZ. 32, 383 
und vgl. Beitr. 19, 525). Was aber atati (in der späteren sprache 
atati) anbetrifft, so bedeutet dieses nur “wandern, herumschwei- 
fen’, aus welchem begriffe sich atithi- ‘gast’, eig. ‘wanderer’, 
atithin- ‘wandernd’ und vielleicht noch afavz ‘wald’ erklären 
lassen. Mit sapati ‘nachstreben, anhängen’ (wozu riasäp-, ‘der 
heiligen ordnung nachstrebend, fromm, glaubenseifrig’) ist nach 
Brugmann 2, 1021 und Prellwitz 99 gr. &ro ‘besorgen, ‚zurecht- 
machen’ verwant, und es beruhen beide auf einer wurzel sep-, 
welche etwa synonym mit *seg- in sdcate, stshakti, säccati “be- 
gleiten, folgen’, saca, säkam ‘zugleich, zusammen, mit’, saciva- 
‘begleiter, gefährte’, gr. &rouaı, lat. segquor u.8. w. gewesen sein 
mag, aber nach den bisher bekannten lautgesetzen nicht ohne 
weiteres damit identificiert werden darf. Ganz unbegreiflich 
ist es mir, wie Hillebrandt sich berufen kann auf fälle wie 
cärati: tärati : piparti, drmhati : brmhati, ghasati : babhasti. Dass 
cärati (gr. neAouaı, lat. colo), tärati (wozu, von anderen glei- 
chungen abgesehen, doch jedenfalls ziras, lat. trans) und piparti 
(gr. zeipw, rogos, aksl. prati, got. faran) etymologisch ganz 
verschieden sind, braucht ja wirklich nicht mehr bewiesen zu 
werden. Zu drmhati wird bekanntlich lat. forctis, fortis ge- 
stellt (mit urspr. anlaut dh, wie in fumus, femina,) und dbrmhati 
hängt mit brhänt-, ahd. berg, gall. dbrig- u.8. w. zusammen. In 
ghas- und bhas- haben wir es offenbar mit weiterbildungen wie 
bhyäsate zu bhäyate, bibheti zu tun (8. Persson, Wurzelerweiterung 
77 ff. Osthoff, BB. 19, 321). Für stabhnäti, stabhnöti "stützen’ 
verweise ich auf Persson a.a.o. 193: die wurzel hat urspr. { 
oder /h und ist demnach nicht für Hillebrandts zweck zu ver- 
werten. Wie sich skabhnäti dazu verhält, wage ich nicht zu 
entscheiden. Tuddti, tundate *stossen, stechen’ hat urspr. d, 
wie aus lat. iundo und got. staulan erhellt, und kann nur unter 
der annahme verschiedener wurzeldeterminative mit tunyjati, 
tujati verbunden werden. Ebenso ist mrdnäti ‘reiben, zer- 


ZUR GUTTURALFRAGE. 325 


drücken’ zu beurteilen, über welches man Persson a.a.o. 37 
nachsehen wolle, und das für denjenigen, der sich nicht in 
glottogonische probleme zu vertiefen wagt, von mrjdti getrennt 
werden muss. 

Von einigem ganz zweifelhaften abgesehen, bleiben jetzt 
noch äpas und Jäpati übrig. Mit lat. agua, got. ava wird äpas 
schon darum nicht verwant sein, weil es keinesfalls von lit. 
üpe ‘brunnen’, apr. ape ‘fluss’, apus (für das suffix -us = lit. 
-uze vgl. geguse, kalpus, merguss, Narussa, Palusin, woragowus) 
‘brunnen’ getrennt werden darf. Ob auch gr. orxöc hierher 
gehört, ist wegen der bedeutung nicht ganz sicher, doch scheint 
die schöne gleichung dpavant- = onöoevr- (Brugmann 2, 380) 
dafür zu reden. Zapati (Rgv. nur rapati) ‘schwatzen, reden, 
wehklagen’ ist mit russ. lepetdi “stammeln, lallen, undeutlich 
reden’ verwant, wodurch das p auch hier als ursprünglich er- 
wiesen wird. Wahrscheinlich ist die wurzel *lep- urspr. ouo- 
matopoetisch. | 

Bleiben aber nach dem gesagten noch andere gründe übrig, 
welche für einen etwa vorindogermanischen zusammenhang 
zwischen pas und aqua, lapati und loguor sprechen? Gute, 
unumstössliche gründe, welche mir unbekannt geblieben sind? 
Päkah prchämi maänasävijänan ... | 


AMSTERDAM, 3. februar 1895. C. C. UHLENBECK. 


NEUE BELEGE VON 5 AUS 5 IM ANLAUT. 


Zu den etymologien wie nl. poel : lit. bala : aksl. bluto 
und nd. pegel : lat. baculum : gr. Baxtoov, mit welchen ich 
(Beitr. 17, 439 f. und 18, 236 ff.) die regel ‘indog. 5 = germ. p’ 
auch für den anlaut zu erweisen versucht habe, können noch 
einige andere gefügt werden, welche meine annahme (vgl. jetzt 
Noreen, Urgerm. lautlehre 121 und v. Grienberger, Zs. fdph. 27, 
453 ff.) weiter bestätigen. 

Mit recht hat Franck 744 ahd. phoso, mhd. pfose, ags. posa, 
an. posi *beutel’ mit nl. poezel ‘voll, weich, rund (vom mensch- 


325 UHLENBECK 


lichen körper)’, das dial. ve aus germ. 2 enthält, nd. pusten 
(hd. pusten, nl. poesten), mhd. pfüsen ‘schnauben, niesen’ und 
pfiusel “schnupfen’ zu einer germ. wz. püs ‘aufblasen, auf- 
schwellen’ gestellt. Jetzt wird Kluge wol nicht mehr wie Beitr. 
10, 442 an, püss ‘beutel’ für entlehnt halten, denn es kann ja 
nicht zweifelhaft sein, dass dieses wort derselben sippe wie 
ahd. phoso angehört. Die meinung, dass phoso aus aksl. po- 
Jasu ‘gürtel’ entlehnt sei (Schade 679) ist jedenfalls nicht mehr 
zu verteidigen. Nun bietet sich für die germ. wz. püs eine 
wahrscheinliche anknüpfung an wörter in andern sprachen, 
welche auf indog. büs beruhen können. Im indischen findet 
man busha- (auch hbäsha-, busa- und buca- geschrieben) ‘spreu, 
abfall des getreides’ und busta- (man erwartet bushta-) ‘kruste 
bei gebratenem fleische, schale bei früchten’. Rgv. 10, 27, 24 
hat ein Dbusd-, das von Yäska (Nirukta 5, 19, ed. Satyavrata 
Sämacramı 3, 96) nach dem Näighantuka (1, 12, a.a.o. 1, 97) 
mit udaka- ‘wasser’ erklärt wird und wol nicht mit Dbusha- 
‘spreu’ identisch ist. Jedenfalls ist es wegen der unsicheren 
bedeutung bei seite zu lassen. Ausser skr. busha- ‘spreu’ und 
busta- ‘kruste, schale’ darf man aber gael. bus ‘mund mit dieken 
lippen’, air. dus ‘lippe’ heranziehen, deren 5 aber auch mit 
Persson (Wurzelerweiterung 200) auf indog. bh zurückgeführt 
werden kann (mhd. bäs ‘aufgeblasenheit, schwellende fülle’, an. 
bysja ‘to gush’ erweisen indog. bhüs neben bus. Anders beur- 
teilt Prellwitz 55 (s. v. Bvveo) an. püss und ahd. phoso, deren 
p er ohne ersichtlichen grund aus einem velar entstanden 
sein lässt. 

Für die bedeutungsentwicklung in skr. busha- und busta- 
hat Franck 727.760 ein analogon gegeben, indem er ansprechend 
nl. peu! ‘erbsenhülse’ mit puilen *hervorschwellen, hervorragen’ 
verbindet. NI. puy? ‘saceulus’, puyle ‘tuber’, puylen ‘tuberare, 
inflari, prominere’ etc. (Kil.), in der heutigen sprache puilen 
und uitpuilen (z. b. von augen), peul, mnl. peule, mnd. nnd. päle 
‘hülse, schale’, dän. pölse ‘pfühl, wurst’, engl. pulse ‘hülsen- 
früchte’ gehören zur wz. germ. p&, indog. bi, die auch in lat. 
bulla 'knopf, wasserblase’, skr. buli- ‘weibliche scham, after’, 
lit. bulıs ‘hinterbacken’, russ, bulka ‘rundes brötchen’, buldyri 
‘*beule’ vorzuliegen scheint. Zum teile können diese wörter 
aber auch auf indog. 5AW ‘strotzen, schwellen’ beruhen, das zu 


P aus B IM ANLAUT. 327 


bul- in demselben verhältnis steht wie bhüs- zu büs- (e. oben) 
und im germ. durch got. u/bauljan ‘aufblasen, aufschwellen 
machen’, ahd. balla ‘beule’ u.s. w. vertreten wird (Johansson, 
Beitr. 15, 225 £.). 


Wie puyle zu beule verhält sich nl. pronken zu bronken 
(Verdam 1,1456; Kil. broncken), welche wörter die begriffe von 
‘prahlen’ und ‘verstimmt sein, brummen, bewölkt sein’ in sich 
vereinigen. Falls ‘prahlen’ der ursprünglichen bedeutung am 
nächsten steht, kann man lit. Drangus ‘teuer, kostbar’, brinkstü, 
brinkti ‘teuer werden’ vergleichen, deren 5 sowol dem p in 
pronken wie dem b in bronken entsprechen könnte. Man beachte 
denselben anlautswechsel in pracht : bracht, pralen : brallen, 
prangen: brangen (Kluge: 288. Franck 751). Beiläufig sei be- 
merkt, dass got. -praggan ‘drücken’ gewis ein echt germ. wort 
ist und nicht aus slav. -pregag entlehut sein kann (Schade 685), 
weil dieses ‘spannen’ bedeutet. 


Ich füge noch zwei fälle von indog. 5 im anlaut hinzu, 
bei denen die germ. entsprechungen mit p zu fehlen scheinen. 
Erstens gr. ßoAßoc, das nach Schmidts regel aus *BaAßoc ent- 
standen sein und mit lat. bulbus (falls dieses nicht aus dem 
griechischen entlehnt ist) auf indog. *b/bös zurückgeben kann. 
Aus dem baltischen ist nicht nur lit. bwb& ‘kartoffel’, sondern 
auch lit. bwnbulas ‘knotenartige verdiekung’, bumbulys ‘steck- 
rübe’ (bumbul- aus *bulb-ul- durch dissimilation) hierher zu 
stellen. Vgl. Prellwitz 50, der gegen die lautgesetze eine grund- 
forın *bholbhos annimmt, welche im griechischen nur *roAgoc 
hätte geben können. 


Im Cräutasütra des Apastamba (ed. Garbe 2, 649) findet 
sich ein wort barkara-, das im commentar mit chagala-pary- 
äyah, ajäyäh stanandhayah erklärt wird und also ‘junger bock’ 
bedeutet. Böhtlingk und Roth führen aus den lexikographen 
und aus dem Cräutasütra des Kätyäyana (976, 6) varkara- 
‘zieklein’ an, das sie aber im nachtrag zu bürkara- corrigieren. 
Für diese letztere schreibweise spricht jetzt auch die oben ge- 
nannte belegstelle aus Apastamba. Ich fasse barkara- als 
‘meekerer, meckerndes junges tier’ und stelle es zu aksl. blekati, 
blekotati ‘meckern, blöken’, russ. blekotati (= blejatt, bekatt, 
kricati kozoj ili ovcoj, Dahl), slov. blekati, blekotati ‘meckern’, 


328 UHLENBECK 


wozu blekas ‘meckerer, bock’ (kozel ki rad blekece, Miklosich 14). 
Die wurzel ist beik-, blek-. 

Zum schlusse bemerke ich, dass gr. Bapßırov, Bapßıros 
‘saiteninstrument’ zu lit. birdti “summen’ u.s.w. gehören kann. 


AMSTERDAM, märz 1895. C. C, UHLENBECK. 


MISCELLEN. 


1. Ahd. festi, as. fast, ags. fest, engl. fast, an. fastr wird 
bei Hübschmann (Armen. studien 1,38) mit armen. has? iden- 
tificiertt. Nach Kluge5 105 ist *pazdu- die grundform, auf 
welche germ. *fastu- und armen. hast zurückgehen: wegen ved. 
pastya ‘haus und hof, feste wohnstätte’ (für die bedeutung ist 
hd. feste, nl. veste zu vergleichen) wird man aber besser tun 
indog. *pastu- anzusetzen, wogegen die armen. laute sich nicht 
sträuben, denn indog. st bleibt dort wie in den andern sprachen 
unverändert (asiA : gr. @otng, z- gest : lat. veslis, sast : skr. 
cästi-, Hübschmaun a.a. 0. 69). 

2. Ahd. meh, an. mär, ags. m&w u. 8. w. 'möwe’ weisen auf 
indog. maig- oder moig- (Kluge: 262. Franck 621. Noreen, Ur- 
germ. lautlehre 179). Auf grund von skr. mecaka- ‘dunkelblau, 
dunkelfarbig’, das auf dieselbe wurzelform zurückweist, nehme 
ich an, dass die möwe oder der vogel, dessen namen sie über- 
nommen hat, nach der farbe benannt ist: vgl. aksl. sinica “meise’ 
zu sin? "blau’, slavij "nachtigall’ zu slavu "glaucus’, vranü ‘corvus’ 
und vrana ‘cornix’ zu vranı *niger’, skr. härita- ‘columba ha- 
riola’ zu Aarita- ‘falb’ und s. Kluge? unter beiche, rebhuhn, 
specht, taube. Dass die möwe nicht eben dunkelfarbig ist, 
spricht Kaum dagegen, weil einerseits die farbennamen eine 
sehr wechselnde bedeutung haben (vgl. z. b. ahd. bläo : lat. 
flävus) und andererseits ein vogelname leicht von der einen 
gattung auf eine andere übertragen werden konnte. Dasselbe 
gilt übrigens auch von andern tiernamen: vgl. Zubatys schöne 
etymologie von slav. sobol? (:skr. cabala-, Arch.f.slav.phil.16,413). 

3. Die meisten forscher sind heutzutage nicht geneigt, wechsel 
zwischen r und ! in wurzelsilben anzunehmen (vgl.Beitr. 17,438 ff.) 
und deshalb ist die alte gleichung ahd. sirzt : lat. sizs in den 


MISCELLEN. 329 


jüngeren werken kaum mehr zu finden. Und doch lässt sie 
sich auch bei doctrinärster gesinnung aufrecht erhalten, wenn 
man nur zugeben will, dass anlautendes indog. st! im germ. 
lautgesetzlich zu str wurde. Dafür spricht wenigstens der 
umstand, dass es im germ. keine mit s/! anlautenden wörter 
gibt. Ist auch für lat. stlocus keine anknüpfung im germ. zu 
finden ? 

4. Aksl. strüvo, strüvi “leichnam, aas’, russ. sierva, stervo 
u.8.w. (Miklosich 322) scheinen aus dem germ. entlebnt zu 
sein: vgl. ahd. sieörban, wozu sterbo ‘pestis, pestilentia’ (Schade 
869). Das slav. *sirv- muss auf einer nd. form mit 5 beruhen. 
Schade erwähnt s.v. sierban lit. sterva ‘aas’, welches mit Brückner 
137 als entlehnung aus dem kleinruss. zu betrachten ist. 

5. Die gleichung got. weitwöps : apr. waidewut findet sich 
schon bei Schade 1116, was mir Beitr. 19, 523 f. entgangen war. 
Ebenda 519 f. ist gerta zu lesen und demnach indog. ghordh- 
anzusetzen. 


C. C. UHLENBECK. 


GRAMMATISCHE MISCELLEN. 


10. Zum umlaut des © im mhd. 


Zu den nachweisen, welche zuletzt Brenner oben s. 80 ff. 
für den umlaut des alten iu gegeben hat, möchte ich anhangs- 
weise hinzufügen, dass auch die alte Münchener Parzivalhs. G, 
von der ich aus Bartschens nachlass eine vermutlich von Vollmer 
herrührende und wie es scheint recht genaue collation besitze, 
genau den durch Brenner festgestellten regeln folgt. Da das 
einschlägige material nicht jedermann zugänglich ist, so wird 
es gestattet sein, e8 hier in etwas grösserer vollständigkeit 
vorzulegen. Doch gebe ich für die regelmässigen iu ohne um- 
laut im allgemeinen nur die belege der beiden ersten bücher. 
Ferner sehe ich, aus nachher zu erörternden gründen, zunächst 
von den reimen ab, deren material erst an zweiter stelle be- 
handelt werden soll. 

Es gelten folgende regeln: 

1. Altes iu ohne umlaut erscheint regelrecht als iu, iv bez. 
graphische varianten davon. 

Belege: diu 2,25 ete.; iu 4,6.7 etc. (sehr oft); driv 88,1. 97,13, 
driu 103,6. 108,6; adjectivendung -iu, -v 2,7.10 etc. (ca. 74 mal in buch I 
und Il; später einmal als ausnahme gelichev 474,21, und einmal nivweiv 
581,18); viur 2,3, viurs 112,29, hellefiure 2,18 (später auch formen wie 
firwers 490, 28, fiwer(s) 808, 12.13); niunde 19,3; friunt 26, 25. 27,14. 28,3. 
103,13, frivnt 98, 16, friunde 89, 6. 99, 30, -en 108, 19, frivnde 90,3, vrivn- 
des 18,6, frivnischaft 57,13 (später auch formen wie /rient 460, 20. 539, 19, 
frientliche 513,19, daneben einmal /runt 408,5); tivfel 50,12 (später 
auch tivels- 514,30); hiule hodie 13,25. 79,17. 94, 24, Ahövte 49,20. 71,21. 
103,24 (später auch formen wie Airle 448, 4.7. 451,21. 485,8. 508,5; zus. 
ca. 40 belege mit iu, iv, iw); geziuges m. ‘zeuge’ 15,14, gezivch 27,4, 
geziuch 95,16; im verbum: biut ich 24,27, ich liuge 37,1. Statt ium 
wird in bekannter graphischer verkürzung meist im gesetzt: frime 
gubst. 2, 1.20. 3,1. 5,30. 6,11. 15. 21,9. 26,13. 31,12. 40,1. 57,14. 90,9. 


GRAMMATISCHE MISCELLEN. 331 


103,22. 107,25. 110,8. 22. 113,22. 30 ete., -en 7,13. 8,15. 28,8.12. 65, 22. 
68,16. 81,4. 91,20. 92,16. 101,20, untriwe 48,12 (später auch combina- 
tionen wie trivwe 436, 24. 440,15. 451,26, -en 465,10, triumen 625,19, triu- 
wen 613, 22, tiuwe 448, 10, tiwe 462,19, -en 449, 25. 486, 21, untiumwe 465, 10); 
riwe 57,4. 80,8. 92,13. 15 etc., -en 28,18. 90,17. 114,4 etc. (später auch 
formen wie riewe 448,25. 461,15 etc.); wer 7,21. 8,18.25. 9, 18.19. 21 
ete., -ere 51,5. 64,22. 95, 20, -eren 22,23. 89,19. 93, 2. 94, 16 etc., -ers 51,1. 
97,6 etc. (sehr oft, später auch formen wie irwer etc. 438, 12. 13. 14. 
439, 16. 443, 15. 450, 30 ete., iuwer 611,27. 615,8, -erre 616,17, -erm 617, 6. 
618,27, Juwer 562, 12. 564,7, Jwvver 557, 10, [vuver 562, 5, iver 697, 3, ivren 
774,18, ivrem 692,11. 787,14; vgl. auch nivu = niumwan 807,18. — Unklar 
ist das verhältnis von zehd zu ziu interj. 651,11. Bair. diphthongierung 
= zev? 

2. Der umlaut des alten 2 = ü!) wird regelmässig mit u, v 
bezeichnet: 

kusche adj. 128,2. 131,3. 159, 17. 238, 28. 437, 12. 452,15. 459, 22. 
493,9. 527,11. 732,3, -en 87,8. 201,27. 427,6. 441,10. 466,28. 734,12, 
-er 414,23. 472,12, -es 446,20, unkuschen 465, 30, chusche 5, 22, chusch-er 
113,25, -en 462,4, -er 26,15, chüscher comp. 457,16, chösche 781,12, 
chüschen 7142,28. 819, 24. 823,24; dazu compos. chusliche 367,27, kusch- 
licher 451, 28, -en 526,5, chuslichen 493, 24; kusche subst. 90, 22. 137, 8. 
176,12. 192,3. 235,28. 252,16. 260,8. 264,9. 332,12. 365, 17. 21. 404, 27. 
409, 14. 451,5. 452, 20. 28. 455,8. 458, 9. 472, 16. 30. 477,14. 502,21, chusche 
28,14, Absche 734, 25. 737,20, chvsche 3, 2. 809,13, chösche 824,7, unkusche 
477,12; kruze 107,10. 180,3, -es 107, 17.21, chruze 105,23. 113, 21, eruce 
448,12 (churze 108,1), enkruzemwis 159,18, dazu part. gekru(z)ier 72,13; 
butel 55,17; kule ‘keule’ 570,6; :-casus der ?-declination: Rute *haut’ 
49,15. 570,2; sule ‘säule’ 590,12. 592,6.22; fusten ‘faust’ 153,12; 
ja-verba: suflen 5,14. 114,1. 155,12. 161,3. 302,13, -ens 437,28 (dazu 
suftec 448,9, suftebare 312,1, -beeriu 478, 16, -in 491, 4, -Darz 332,28, süfte- 
bären 181,29; unsicher das praet. (er)sufte 8,27. 28,27. 170,4. 383,7. 461,27, 
ersdfte 800,5); Zuter! 614,13, part. gelvtert 37,6, gelutert 252,17. 614,14, 
gelüterten 140,6 (-iu- D), susen 151,29, geduhet 601,17; conj. praet. 
duht 259,29, -e 403,8. 533,8. 584,6, -en 216,20, döhte 653,9. Daneben 
ein iu in schivmelin ‘schäumchen’ mit iv über durchstrichenem ze 575, 20. 

3. Französisches u = ü wird ebenso durch u, v wider- 
gegeben: 

auenlure, -vre etc. 3,28. 4,25. 12,3. 15,13. 27,22.27 etc. (sehr oft; 
dazu verb. aventurt 219,4); chofertvre 14,16; !schumphenture 146,10, 
ischunfentvre 212,22, tschunphenture 265,18. 268,15. 270,27, schunphe- 
ture 434,21, ischunpheibre 142,8, tschömpfenture 747,4, Ischüönphenlüre 
768,7; creature 283,3, -bre 817,27; Malcreature 520, 6.16. 529, 23. 


1) Die transcription ö für diesen langen ü-laut will mir nicht recht 
gefallen, da sie zu sehr mit dem handschriftlichen 4 — hd, üe zu- 
sammentällt. 


332 SIEVERS 


Ausnahmen: zergvalschivret 569, 22, quatschiure 578, 11, gvatschivre 
579, 20. 

Auch franz. -eur ergibt -ure: tiosture 1714,19, tschatelurre 
348,16, tschanture 416,21, parelvre 465,21. Ausnahme: fiostliure 
496, 14. 

4. Umgelautetes iu wird zu u (d.h. ö). 

Belege: /ute ‘leute’ 9,7. 71,22. 90,24. 102,8. 133,17. 224, 6. 241,14. 
250,9. 28. 267, 10. 296, 26. 322, 30. 338, 11. 23. 366, 29. 386, 4. 387, 12. 452,3. 
471,2. 517, 30. 519, 7. 572,9, -en 247,4. 272, 11. 304,5. 312,5. 446, 8. 456, 26. 
475,15. 532,4; Idte 507, 30; vote 17,24. 117,16, -en 1,16. 211,18, Zöte 683, 
5.10. 707,14. 719,13. 720,20. 734,1. 761,18. 765,7. 786,10, -en 660,25. 
670,28. 675,13. 685,13. 700,26. 767,13, bulute 119,2. 125,17, kouflut-er 
200, 28, -Zule 201,2. 335,14. 352,18, ambetlöte 667,10; tuscher ‘deutsch’ 
4,29, tuschen 187,23. 416,30, #utschen 314, 21, idischiv 827,9; huffel 
‘wange’ 88,19; /uhten inf. 282,9, erluht pl. imp. 434,2, durluhtich 130,5, 
dvrluhtch 263, 20, durluhtic 466,3, durh- 470,7, durch- 613, 2. 


5. Der umlaut wird durch analogie beseitigt oder ver- 
hindert: 

a) in der 2. 3. sg. ind. praes. der starken verba: erbivtst 304,3, 
biules 701,29; liuget 10,28, bivt 31,22. 88,25. 227,4. 320, 30. 374,19, 
enbivt 55,21. 76,23. 218,4, ernbiut 645, 10, biutet 324,3; versliuzet 
299,17, fliuhet 340,8, diuzzet 466,23, riuchet 485,7; vgl. dazu das 
reimpaar schiuzet : verdriuzet 241,21 und rivwei ‘reut’ 499,11 unter 6a. 
Ausnahme: fluht 466,12; — b) in bildungen wie frivndin 12, 11. 
96, 22. 609, 3, -inne 202,4, friundin 522,14. 628,5. 640, 27. 710,5, vrivndin 
767,20, -inne 724,19. 738,16. 766,17, friwendinne 706,15; fivrin 104,1, 
nen 463, 9, uivrige 496, 12. 

6. Der umlaut unterbleibt lautgesetzlich: 

a) vor w: getrim(e) 7, 24. 109, 30, getriwu nom, sg. f. 29,7, nom. pl. 
m. 44,12 (= getriu) etc.; später auch formen wie getriewen 459,18, -iu 
465,9, -ez 611,29, gelriuwe 486,14, -er 522,7, getriv 136,12. 462, 18; 
nimwen adj. 10,23, -iv 73,15 (später auch formen wie nivwe 443,25, -es 
435,7, -en 442,26. 455, 23, -eiv 581,18, niuwe 622,24); vgl. auch riwch 
‘reuig’ 107,27. 179, 11, 3.sg. rivwet 499, 11; dazu wol auch das pron. such, 
ivch 3, 29. 6,24 etc. (später auch formen wie A 457,10, ivwech 438, 27); 
— b)vorr: stiure 2,7, stiuren inf. 190, 15, söurt impl. pl. 374,9; tivre 
10,4. 11,19. 33, 3. 107, 7.15. 237,23. 261, 15. 758,22. 778,17. 779,4. 790, 28. 
194, 23, -en 307, 3. 687,27. 773, 16. 809, 21, tivr 235, 14. 449, 27, livrz 71,24, 
tivre 84,24, tiure 628, 21. 735,20 (adv. 231,10. 235,9), tiur 627,30, -en 
168, 19. 233,17. 666,5. 780, 24, -em 628,16, tiwer 695,15. 756,29. 757, 3, 
iimren 98,26, tivwer 638,9; gehiurer comp. 315,25; — c) vermutlich 
auch vor g: urlivge 41,28, -es 246,11, urliuges 192,5, vrlivges 363, 3; 
ich erziuge 436,18, erziugel part. 816, 23. 


Ausnahmen hiervon bilden: a) dreimaliges geirulicher 128, 23, 
getrulich 301, 24, getrvlicher 765, 22 neben getrivwelichen 438, 16, 


GRAMMATISCHE MISCELLEN. 333 


-Iich 562, 12; da diese überwiegenden v kaum auf zufall beruhen 
können, so wird man in *geträlich neben getriuwe vielleicht 
einen fall analogischen umlauts bei -/ick-bildung annehmen 
dürfen; — b) bei buge ‘biegung’ 241,19, wenn dieses auf altes 
*hiugja und nicht etwa auf *bagja zurückzuführen ist, was bei 
der verwantschaft des worts (ags. bizan ete.) mindestens nicht 
unmöglich ist. 

Neu ist bei diesen regeln nur die annahme, dass der um- 
laut des iu auch vor g unterbleibe; damit erledigt sich denn 
auch ziugen Nib. oben s. 82 nebst meiner anmerkung dazu. 

Nicht direet festzustellen sind die grundformen von russe 
‘reuse’ 317,28, ebenhüze "eifersucht’ 675, 9, -kvzze 811,2 und dem 
namen Huteger 52,18, -rs 37,27, -en 52, 23, Hvteger 25,9. 32, 7. 
37,12, -ren 46,4, -rs 53, 7: sie können sowol iu als % gehabt haben. 

Wie man sieht, sind die regeln sehr strenge eingehalten, 
und ausnahmen äusserst selten: unter 1) fanden wir 1 /runt 
‘freund’, unter 2) das corrigierte schivmelin, unter 3) bei den 
fremdwörtern drei -iure etc. für franz. -ure und 1 -iure für franz. 
-eur; unter 5) 1 /uht ‘flieht’, das vielleicht noch unausgeglichene 
lautgesetzliche form sein kann, unter 6) die 3 gefrulich mit 
naheliegender erklärung, und endlich das zweifelhafte buge 
'biegung’: das ist alles. Zudem ist ja auch an einigen stellen 
wenigstens ein versehen der collation denkbar. 

Ein wenig anders liegen die dinge im reime. Wo beide 
reimwörter gleichwertigen vocal haben, gelten natürlich auch 
die allgemeinen regeln der schreibung durchgehends: 

Belege: a) für iu : iu: driu:: vieriu 177,17; fivr : ivr 71,13, tur: 
vivr 243,1, tivre : vivre 371,5, fiure : tiure 518,7. 735,27; : ungehiure 
532,5, ungehiure : fiure 482,7; gehiure : tiure 168, 15. 390, 7, gehivre : 
tivre 149,19, tibre : gehiöre 189,29, tiwer : gehiwer 809,5, liure : unge- 
hiure 315,23, gehiure : stiure 95,1, stiure : livre 563, 11, : tiure 103, 13; 
ferner rivmwe : nivwe 530,13, geriwe : trime 3,1 und die zahlreichen bin- 
dungen von friwe(n) : niwe(n) und triwe(n) : riwe(n) mit den üblichen 
orthographischen varianten, riwe : niwe 100,11, bliwen : rimen 294,19 


(vgl. 304,13), (un)gelriwen : riwen etc. 99,7. 404,13. 526,9, endlich schiuzet: 
verdriuzet 241, 21. 


b) Für ü:ü: chulen: bulen 75, 7, rulen ::gelrulen 117,17, beluten: 
luten 242,1, lüten : bedöten 728, 21,: bröfen dat. pl. 755,13, lulen : trulen 
59,17; — chouirture : aventure 540,11; tschalalur : aventur 318, 21. 

Wolfram reimt aber nicht selten auch iu auf ö. Dies zeigt 
sich zwar auch in den reimen, indem nun auch graphisch iu 


334 SIEVERS 


mit u gebunden wird; nicht selten aber werden die reimwörter 
graphisch an einander angeglichen, und zwar häufiger iu für u 
als u für iu gesetzt: | 


Belege: a) für ungleiche schreibung im reim: Äiute : Zute 577,1, 
ldte : hivie 153,13; — hellefiur : aventure 453, 29, fiure : avenlure 456,15, 
ungehivre : aventure 525,17; avenlure : gehiure 404,11. 495,19, gehivre 
433,7. 478,25, vngehivre 557,27; : fiure 647,5; : stivre 115,29; kover- 
löre : gehivre 109,1, Ischunfenture : gehivre 21,25; Isallüre : gehiure 
531,19; — b) für angleichung von u an iu: enbivie : liule 208,29; vidr: 
auentivr 130,9, fiur : aventivr 537,21, fivre : aventivre 757,5, gehivre : 
avenlivre 767,21, stivre : aventivre 566,29; gehtiure : quatschiure 75,9, 
-ivre 88,13, gehivre : qualschivre 571,21; auentidr : vidr 137,17, aven- 
liure : stiure 329, 3, chovertivr : vidr 145, 21, Ischumphentivr : fiur 205, 27; 
lanprivre : gehiure 12,9, tiostivre : gehivre 38,19; — c) für angleichung 
von iu an u: suren : füren ‘teuer machen’ 547,15 (wenn nicht *füren ein 
analogischer umlaut ist); ungehure : Malcrealure 517,15; aventdre : ge- 
höre 734,7, aventure : slüre 419,5, koverldre : gehöre 736, 19. 


Die hs. D steht nicht auf dem boden dieser regeln, sondern 
drückt iu und ü in gleicher weise durch iu, iv aus: livte(n) 
16. 247, aventivre 78, -ivre 89. 115, tivscher 119, sivften 134, 
chivsche 142 (doch chvsche 62) Myller, ete. 


LEIPZIG-GOHLIS, 24. märz 1895. E. SIEVERS. 


MISCELLEN. 


1. Die herkunft der Siebenbürger Sachsen. 


Urkundliche zeugnisse über die frage nach der herkunft 
der Siebenbürger Sachsen fehlen fast ganz, oder aber, wo sie 
auftreten, sind ihre angaben so allgemeiner art, dass aus ihnen 
genaue aufschlüsse über den fall nicht zu gewinnen sind. Da- 
her haben denn auch fast alle gelehrten neuerdings versucht, 
von der sprachlichen seite aus die frage zu lösen.!) Um so 
höher hat man deshalb jede, auch noch so kleine urkundliche 
notiz zu bewerten, die geeignet ist, die forschung in diesem 
punkte weiter zu bringen. Eine solche ist die folgende, in dem 
copialbuch des klosters Engelthal enthaltene: profitemur, quod 
in Oppoldisshussen?) VIII. iugera cum dimidio hereditatis no- 
stirorum consanguineorum, qui quondam Vngariam fugerunt, 
monasterio in Engeltail pro VIII. marcis legalium denariorum 
vendidimus (Bauer, Hess. urkb. 5,200 n0.227 a.1313 sept. 9.). 
Es ist mir höchst wahrscheinlich, dass wir es mit einer aus- 
wanderung nach Siebenbürgen?) zu tun haben. Ich übersehe 
nicht, dass die flucht, von uns unbekannten gründen veranlasst, 
einen singulären charakter trägt, dass hier nur das schicksal 
einer einzelnen familie mitgeteilt wird. Allein es scheint auch 
wider ziemlich sicher, dass die auswahl eines so weit entfernten 
fluchtzieles nicht aufs geradewol erfolgte, dass gründe dafür 


1) Die literatur siehe bei Keintzel, Ueber die herkunft der Sieben- 
bürger Sachsen, Gymn.-progr. Bistritz 1887, und vgl. Kisch, Die Bistritzer 
mundart, Beitr. 17, 347 ff. 

2) Engelthal ist ein frauenkloster des Cisterzienserordens in der 
Wetterau, auch die beiden orte Oppoldishausen und Rodenbach gehören 
der Wetterau an. 

®) Dass nur Siebenbürgen gemeint sein kann, nicht etwa die Zips, 
ist ziemlich sicher. 


336 MEIER 


bestimmend gewesen sind. Und ich finde diese gründe in dem 
umstand, dass aus der gleichen und aus benachbarten gegenden 
im 12. und anfang des 13.jh.s die hauptauswanderung nach 
Siebenbürgen erfolgte. Die tatsache, dass damals landsleute 
und vielleicht verwante nach Ungarn gezogen waren, mochte 
am schluss des 13. jh.’s auch für die in frage stehende familie 
die auswahl des fluchtzieles bestimmen. 

Unsere erwägungen beruhen insofern nicht auf einem eirkel- 
schluss, als die moselfränkische, vielleicht z. t. rheinfränkische 
heimat mancher kreise von Siebenbürgen durch die mundart- 
liche forschung als unzweifelhaft sicher erwiesen ist. Wir 
dürfen deshalb die ergebnisse dieser arbeiten verwerten, um 
die mittel zur deutung unseres zeugnisses zu gewinnen. Da- 
durch wird es in der tat höchst wahrscheinlich, dass geraume 
zeit vorher aus jener gegend eine grössere einwanderung nach 
Siebenbürgen erfolgt ist. 


2. Singularartikel vor pluraldativen. 


Unter diesem titel hat Erich Schmidt im Anz, fda. 17, 138 
u.345 f. auf einige merkwürdige fälle hingewiesen, in denen der 
artikel im singular meist in anschleifung an eine präposition 
bei einem pluralischen substantiv steht. Wie E. Schmidt, so 
bin auch ich durch Reinhold Köhler bei einem der unvergess- 
lichen spaziergänge nach Belvedere auf diesen gebrauch auf- 
merksam gemacht worden, der mir damals noch unbekannt 
war. Köhler sagte mir auf das geständnis meiner unwissen- 
heit, es sei bisher von niemand beachtet, nur Rudolf Hilde- 
brand habe, als er ihm gelegentlich einmal über die sache ge- 
sprochen, es auch bemerkt gehabt. Reinhold Köhler wollte selbst 
darüber handeln; noch nach seinem unfall hatte er die absicht 
nicht ganz aufgegeben, wie er mir, als ich ihm einige beispiele 
geschickt hatte, schrieb. Aber wie so vieles, was wir hätten 
erhoffen dürfen, ist auch dies durch seinen tod nicht zur aus- 
führung gekommen. 

Da mag denn hier als ergänzung zu E. Schmidts bemer- 
kungen stehen, was mir seit Köhlers hinweis gelegentlich auf- 
gestossen ist. Ich ordne die beispiele chronologisch: 

Gotze zum Husin, bürger zu Frankfurt; Sauer, Codex dipl. 
Nassoicus 1, 3, 324 no. 2954 a. 1359 nov. 15 dat. Frankfurt; phle- 


MISCELLEN. 33% 


gere des houes zum Birken Baur, Hess. urkb. 3, 403 no, 1311 a. 
1358; züm Schelmen bietet zweimal (XV,36; XVIIIL,40) der Frank- 
furter druck (A) von Murners schelmenzunft, während in beiden 
fällen B zün hat. Der plural ist beidemal höchst wahrschein- 
lich, wenn auch der singular nicht ganz unmöglich ist. Murners 
Mühle von Schwindelsheim (Strassburger studien 2) hat zwei 
fälle: zuom ohren 703, zum predigern 1535; der text bessert beide- 
mal in zuen, obwol mir die annahme eines druckfehlers zweifel- 
haft ist. Ob in der Geuchmatt (Kloster 8, 1076) in zum geuchen 
substantiv oder infinitiv vorliegt, ist unklar; mir scheint das 
erstere nicht unmöglich. Ein Mich. Lotterscher druck von 1529 
hat als titel: Die Zpistel Pauli zum Colossern, durch Ph. M. ym 
latein zum andern mal ausgelegt. Verdeudscht durch Justum 
Jonam ete. In den Bergreihen (Neudr. s. 28, 11) haben die 
beiden ältesten, die Zwickauer, drucke zum Römern, während 
die zwei andern die form zun bieten.!) In Schmeltzels Quod- 
libet (Nürnberg 1594) heisst es in dem abdruck bei Eitner (Das 
d. lied d. 15. u. 16. jh.’s 2,153): Zum Secken braucht man groben 
zwilch. Widmanns Faustbuch (1599; ed. Keller, s. 54) hat: zum 
Corinthern. In den ‘Drey lustigen / auch zum teil nutzlichen / 
Gesprachen’ des Andr. Ericandus Boreoceus (Leipzig 1618) 
heisst es auf s. 7: (er) schnurret mir darauf zum Ohren, das 
keiner sein eigen Wort hören kan. Ganz besonders zeigt Joh. 
Georg Schoch diese eigenheit. Sein’1660 zu Leipzig erschienener 
‘Neu-erbaueter Poetischer Lust- und Blumen-Garten’, der drei 
verschiedene abteilungen umfasst, bietet eine grosse menge von 
beispielen, die auch für die beurteilung und erklärung dieser 
eigenheit sehr instructiv sind: Nur mit Adonis sich im Liebe zu 
ergetzen Schäffer-, hirten-, liebes- und tugendlieder, rede an das 
... frauen-zimmer, vorletzte seite, Drumb werd ich nur bey dieser 
Bach Mein Leid und Klagen allgemach Durch stelem Todt erträncken, 
ibid. 8.6, Ynd hat am Härtigkeit das Kleinste nicht verlohren ibid. 
8. 32, vom Heucheley ibid. 8. 93, aus einer iedem Stunde ibid. s. 121, 


1) Joh. Fr. Heynatz hat in seinen ‘Briefen die deutsche sprache 
betreffend’ (Berlin 1774) die gleiche erscheinung bei Luther bemerkt. Es 
heisst ihm (6, 91***): ‘Im Verzeichnisse der Bibel von 1534 steht einmal 
zusammengezogen zum Corinthern. Man erinnert sich dabei der Stelle 
des Lutherischen Catechismus: Sanct Paulus zum Romern am sechsten 
spricht.’ 

Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. XX. 22 


338 MEIER 


am Händen ibid. 8.137, vom neuen ibid. s. 154, beym Schaffen (bei 
den schafen) ibid. s. 166, im wenig jahren ibid. s. 170 (dasselbe 
lied ist später noch einmal abgedruckt; dort [s. 213] heisst es 
in wenig J.), vom ferne ibid. 8.172, vom hinden ibid. ». 189, im 
Versen Liebes-sonnett s. 38, vom neuen ibid. s. 61, am Bergen ibid. 
8. 74, zum Feinden ibid. s. 102, Dreymal rifs Cerberus sich diesem 
Morgen abe ibid. s. 106, vom weiten ibid. 8.125. 145, Wie artig bist 
du doch am Beitel-Stab gerathen ibid. 8.127, Am Wissenschaften 
Mann ibid. 8.131, zum Füssen hin ibid. s. 149, vom Bäumen ibid. 
8.152, zum leizten Ehren ibid. 8.165, am Haaren (an haaren) 
Poet. denck-sprüche s. 67, am Büschen und Gesträuchen ibid. s. 81, 
Sie war am Zucht und Zier der Pallas zu vergleichen ibid. s. 9%, 
am Schönheit ibid. 8. 97, zum liebes Thaten ibid. s.139. Umgekehrt 
tritt n statt m auf: was für Angst mir auff den Hertze lay Schäffer- 
hirten- ete. lieder s. 127. Auch Chr. Weise hat die eigentümlichkeit 
in seinen romanen: wie man izt nach der Mode das Hembde am 
Ermeln knüpfen müste Die drey klügsten leute (1675) .97, der Zeug 
zum Schnuptüchern Ueberflüssige gedanken andere gattung (1692) 
8.358, die Federn seyn mir so zum Scheiden (= zu den Scheiden) 
abgegangen Ungleich- und gleich gepaarte liebes-a/liance (1708) 
8.52. — B.S. in seinem Politischen grillenfänger (1683) s. 78: 
von Worten zum Schlägen kommen. — Zu Schmidts beispielen 
aus Chr. Reuters werken füge ich noch hinzu einen beleg aus 
dem singspiele Mars und Irene (Geiger, Berliner neudr. 1. serie, 
bd. 3, 61): Auf zum Waffen! Auf zum Waffen! — Musander hat 
in seinen Studenten-regeln (Görlitz 1709) diesen gebrauch sehr 
oft: beym Büchern 8.27, zum Jahren 8. 82, da sie... stets über 
dem Büchern lagen 8.98, der Kerl wäre schon zu gro/s zum 
Schlägen 8.108. — Bei Pieander-Henrici habe ich einen beleg 
gefunden, den E. Schmidt wol übersehen hat: bi/s zum Wolcken 
selbst erhöht! Ernst-schertzhaffte und satyr. gedichte 1,109 (2.aufl. 
1732). Ich glaube, dass wir hier den plural anzunehmen haben. 
Chr. D. von Böhlau zeigt denselben gebrauch in seinen Poetischen 
Jugend-früchten (1740): So könt ihr leicht zum Sternen dringen 
8.63, Zr ist es, der mir Lust und Liebe zum Wissenschaften ein- 
geflöfst s. 87, ein menschlich Hirschgeweih, das nach der Schwere 
wohl so viel am Enden führte 8.317, O! zähle selbiges zum gröfsten 
deiner Thalen 8. 350; vgl. auch: dass sich Dein kühnes Hertz im 
Stand der Ehe wagt 8.316. — Gottlieb Fuchs schreibt in den 


MISCELLEN. 339 


Gedichten eines ehemahls in Leipzig studirenden bauers-sohnes 
(Dreßden und Leipzig 1771) 8.9: Sprich, hat wohl dein Beruff 
zum Büchern mich erlesen? | Ä 

Endlich noch einen beleg aus der gegenwart. Rector D. 
Volkmann in Schulpforta teilte mir vor ein paar jahren mit, 
dass auf dem linken Saalufer etwas oberhalb Pforta ein schild 
befestigt gewesen sei mit der inschrift: Zum Saalhäusern. Vor 
etwa drei jahren sei es abgenommen. 


3. Das beste deutsch. 


Der Leipziger magister der philosophie und poeta Caesarius 
Johannes Hantschmann äussert sich in der zweiten seiner 1591 
gehaltenen reden liber das academische leben,!) die dem preise 
von Leipzig?) gewidmet ist, auch über die sprache einzelner 
landschaften, die dem kurfürstentum Sachsen angehörten oder 
ihm benachbart waren. Er spricht sich so aus: (Ouaeris Aca- 
demicam vrbem, in qua masculorum pariter et foemellarum mores 
externi sunt cultissimi, verdo Germanice sine Misnice pronun- 
tiandi consuetudo, nihil Saxonici, nihil Thuringici, nihil Sudetici, 
nihil Narisci, rustici nihil redolens? En hanc nostram Lipsiensem 
(bl. 44b). Für den gebornen Meissner3) ist es besonders nahe- 


1) Joannis Hantschmanni De Vita Academica Orationes Duae. Qua- 
rum vna vitam Academicam in genere: Altera peculiariter vita» Academic® 
Lypsicae laudes pertexit. Nunc post mortem auctoris relect& et in lucem 
emiss® ab Vrbano Hantschmanno. Dresd&, Anno M.D.XCVII 

2) Neben dem preise von Leipzig (extra Lipsiam vitalem non esse 
vilam) kommen auch die schattenseiten etwas zu ihrem recht (bl. 31 a. b): 
Quid vero si quispiam ipsa eliam elementa, ex quibus omnia constant 
et nutriuntur, Lipsie minus propilia, sed corrupla magis esse conlendat? 
Inopiä lignorum lapidumque in terrä hac nosträ nascenlium laboramus. 
Aqua verö in vasis recondila altero quoque die non nihil feloris con- 
trahit, coctaque turbulentum el vellicantem gignit potum. Quid de are 
dicam? Is salubris quam sil, non situs lanlüm vrbis palustris, sed eliam 
conlinua lot annorum proximorum pestis sceuilia declarat. 

s) Iohannes Hantschmann stammt aus Ortrand (stadt im kr. Lieben- 
werda, prov. Sachsen), auch sein vater Urban war dort wohnhaft. Dieser, 
wie seine beiden söhne haben in Wittenberg studiert. Den vater ver- 
zeichnet die studentenmatrikel am 17. februar 1553 (1,280, 16), der ältere 
bruder Urban fehlt in dieser matrikel, ihn nennt aber das decanatsbuch 
der phil. facultät 2, 288 als am 8. märz zum magister artium promoviert 
und gibt in einer randbemerkung den nachtrag ].U.D., was er in der tat 
später wurde. Unsern autor finden wir als Zohannes Hanischmannus 


340 MEIER 


liegend, wenn er meissnisch dem deutsch schlechthin gleichsetzt. 
Interessant ist die contrastierung der meissnischen umgangs- 
sprache und des grob dialektischen ausdrucks, wenn die worte 
rustici nihil nicht das vorhergehende zusammenfassen, was sehr 
möglich ist. Unter dem sächsischen idiom ist wol das nieder- 
sächsische (Wittenberg) begriffen, das thüringische ist ohne 
weiteres klar. Die Sudetenmundart ist vermutlich der erzgebir- 
gische, der nariseische der vogtländische (oder oberpfälzische?) 
dialekt. 


4, Herr Neidhart. 


"In einem streite der gewandschneider zu Stendal mit einem 
ihrer genossen holen die gildemeister ein urteil vom Magde- 
burger schöppenstuhle ein. Aus diesem erfahren wir, dass ein 
angehöriger der gilde den gildemeistern, die auf anordnung des 
rates eine sprache mit den gildenbrüdern gehalten hatten, vor- 
geworfen hatte, dat dy Wantsnider mester, dy sungen, als ei 
(er?) Nitard sang, dy sang wat om behagede, dat ander Iyd he 
faren, so seden vnse meyster, wat on wol behagede, dat brechten 
sy vor vnse guldebruder, wat on nicht behagede, dat Iyten sy 
stan.!) Der streit wird von den kundigen historikern ‘unmittelbar 
nach 1351’ gesetzt.?) | 

Interessant ist das zeugnis um deswillen hauptsächlich, 
weil es die genaue bekanntschaft mit der person Neidharts 
in den mittleren volksschichten, bei den angehörigen der zünfte 
zeigt. Denn wenn diese nicht bestanden hätte, würde die an- 


Oriranlius am 5. märz 1580 in der studentenmatrikel (2, 2878,26), auch 
hier ist am rande die bei Johannes anzutrefiende bemerkung nachge- 
tragen /.u.d. Vermutlich ist er in Leipzig zum magister der freien 
künste promoviert, die Wittenberger decanatsbücher verzeichnen ihn 
nicht. Ein epigramm auf den schon verstorbenen Joh. Hantschmann 
bietet Chr. Anesorgs Lauria, Nobilitas, et comitiva dr. Vrbani Hantsch- 
manni, Mysenensis, IC. Consil. Elect. Saxon. (Lipsi® 1611.) F 3a. b, 

Durch die freundlichkeit des herrn dr. Naetebus war es mir er- 
möglicht, das in ausarbeitung befindliche register zu den beiden bereits 
gedruckten bänden der Wittenberger matrikel, sowie das decanatsbuch 
der phil. facultät zu benutzen. 

1) Riedel, Codex dipl. Brandenburgensis A. Bd. 15, no. CLXXI. Die 
urkunde ist undatiert. 

2) E. Liesegang in den Forschungen zur brandenburg. und preuss. 
geschichte 3 (1890), 45 ff, 


MISCELLEN. 341 


führung des beispiels durchaus wirkungslos gewesen sein. Eine 
stelle bei Neidhart, die diesem dietum zu grunde liegen könnte, 
weiss ich nicht zu nennen. Es mag auch nur eine aus der 
kenntnis von Neidharts persönlichkeit geschöpfte charakterisie- 
rung sein. 

5. Süsskind von Trimberg. 

Von der Hagen hat in seinen Minnesingern (4, 537) in einer 
Würzburger urkunde von 1218 einen juden Süsskind nach- 
gewiesen, vielleicht einen vater oder grossvater des dichters. 
Dies ist der einzige urkundliche beleg, den wir bis jetzt kennen. 
Daher lohnt es sich schon, aus dem Speyrer ahtbuch (Hilgard 
8.494, 42 ff.) eine stelle anzuführen, die ein weiteres zeugnis für 
den namen bringt: Item der ral hat uberkomen, das man Süzkint 
den iuden vahen sol, wanne er zü Spire kummet und sol in legen 
uf den turn als lange bis er hundert lib. heller git und nit minre, 
umb die misselal, das er ‘gesaget halde uf Johans Verlin und 
Dietzen züme Hirtze, er hetde in drizig phunt heller gelobet, 
und das nit war was, und do der rat ime dar umb bezserunge 
wolte uf seizen, do entran er uz der slatl ....... Actum anno 
domini MCCCAXLI, an dem wihenacht abende. Hier haben wir 
möglicherweise einen nachfahren des dichters vor uns. Der 
hier genannte jude Süsskind ist wol aus Speier, oder aus dessen 
näherer umgebung. Würzburg, Trimberg, Speier, die orte, in 
denen der name erwähnt wird, sie liegen alle nahe bei einander. 

Wenn wir uns dessen erinnern, dass der dichter Süsskind 
mehrere kinder hatte, wenn wir ferner erwägen, dass etwa 6 
bis 7 decennien nach ihm der gleiche name in jener gegend 
sich findet, so werden wir in der vermeintlichen auf den dichter 
bezüglichen ‘literarhistorischen legende’ aus Trimberg (Zs. fda. 
38, 201 ff.) eher ein liebenswürdiges phantasiebild R. M. Meyers 
erblicken, dem vielleicht die gesellschaft des dichters K.E.Franzos 
gefährlich geworden ist. Es ist durchaus nicht abzusehen, warum 
die 200 jahre alte erzählung von dem juden Süsskind in Trim- 
berg, der der schmuser und beiläufer der burgherren ge- 
wesen sei, sich auf den dichter beziehen, warum in dieser 
gestalt dessen abgeblasstes und verschwommenes schattenbild 
vorliegen soll. Eine 600 jahr lange tradition wäre etwas er- 
staunliches, zumal über ihr leben in den ersten 400 jahren 
jegliche nachweise fehlen. Warum soll nicht ein nachkomme 


342 MEIER 


jener Süsskinde, meinetwegen auch ein nachkomme des dichters, 
dort zur zeit des dreissigjährigen krieges gesessen haben? 
Dass die volkssage sonst nur reiche juden kenne, ist kaum 
erweislich, In der geschichte des gaunertums spielen die juden 
seit dem anfange unsrer kenntnis eine höchst bedeutsame rolle, 
und als ‘schmuser’, als ‘beiläufer’, als ‘hehler’ haben sie sich 
auch jetzt noch im gedächtnis des volkes gehalten und werden 
durchaus nicht immer grade als reich aufgefasst. 

Die ‘literarhistorische tradition’ müssen wir als ‘dich- 
tung’ zurückweisen, wenn wir es auch als interessante ‘wahr- 
heit’ begrüssen, dass der erzählung nach in Trimberg noch um 
die zeit des grossen krieges ein jude Süsskind gewohnt hat. 

Das oben angeführte zeugnis verstärkt übrigens, falls es 
noch nötig sein sollte, die gründe für die annahme, dass der 
dichter Süsskind in der tat ein jude gewesen ist. 


6. Ein irrtum in Goedekes Grundriss. 


Die angaben Goedekes über die liedersammlungen des 
16. jh.’s sind leider nicht immer mit der wünschenswerten ge- 
nauigkeit gemacht. Bei einer neuen auflage wird eine gründ- 
liche revision stattzufinden haben. Es ist nicht meine absicht, 
hier eine anzahl von einzelheiten zu berichtigen, ich will nur 
auf eine besonders grosse confusion aufmerksam machen. 

Was Goedeke im Grundriss 2, 32 no. 13 über die Gassen- 
hawer und Reutterliedlein bemerkt, ist zum grossen teil 
unrichtig. Es müssen ihm hier mehrere zettel untereinander 
sckommen sein, und den wirrwarr zu lösen ist ihm nicht mög- 
lich gewesen. Die richtigen angaben stehen in meiner biblio- 
graphie der volksliteratur in Pauls Grundriss 2, 1, 760; ich muss 
hier aber noch auf ein paar einzelheiten eingehen. 

Die beiden liedersammlungen ‘Gassenhawer und Reutter- 
liedlein’ und ‘56 deutsche lieder’ sind von Goedeke (I. e.) 
durcheinander geschoben. Die ersten 23/, zeilen beziehen sich 
richtig auf die genannte sammlung, die 83 lieder umfasst. 
Die weiteren angaben Goedekes und das verzeichnis der 
liederanfänge geht aber auf die 56 lieder, nur dass fälschlich 
drei nummern aus der ersten sammlung in die alphabetische 
anführung hineingeraten sind: Zin meidlein an dem laden lag 62. 
— Ich armes brüderlein. 64. — Wolauf wolauf mit lauter stimm. 


MISCELLEN. 343 


63. Die übrigen anfänge entstammen den 56 deutschen liedern, 
nur dass no.20, die beginnt: J/ch wil furthin keyn gsell mehr 
sein, bei Goedeke ausgelassen ist. Auch sonst sind noch ein 
paar irrtümer zu berichtigen: no. 39 lies Der felbir statt Der 
selber, no.2 lies Wie nicht sei nicht statt Nie nicht sei nicht, 
no. 12 lies Freundtlichen grüfs statt Frundtlicher grufs, no.9 lies 
Ein frewlin fein | ist bei mir gsein statt Zin frewlein fein ist ein 
hüpsche graserin. Das quodlibet no. 42 hat natürlich in jeder 
stimme andere worte untergelegt. Der text der dreistimmigen 
lieder no.40 und 53 deckt sich mit dem der no. 39 und 52. Bei 
no. 45 lautet der anfang: Wie macht sich das | wie macht sich 
da/s | dafs das glafs | nit ist na/s. | 


7. Zum leben Johann Georg Schochs. 


Da ausser ein paar daten!) nichts aus dem leben Johann 
Georg Schochs, des verfassers der Comoedia vom studenten- 
leben (1657), bekannt ist, so mag hier ein bisher nicht beach- 
teter hinweis platz finden auf eine stelle, die sich wol auf ihn 
bezieht, sonst aber allerdings weder etwas besonders interessantes, 
noch etwas besonders rühmenswertes zu berichten weiss. G.Rein- 
wald erzählt in seinem ‘Academien- und studentenspiegel, in 
welchem das heutige leben auf universitäten gezeiget, geprüfet 
und beklaget wird (Berlin 1720)’, 8.301: Mein Vater hat mir 
erzehlet, das zu seiner Zeit ein Magister, so besoffen war | 
und nachher eine Comadie vom Studenten-Leben geschrieben | 
nicht allein in der Kirchen als eine Ratze geschlaffen | sondern 
auch einen Burgemeister | weil der Raths-Stuhl gleich unter dem 
Studenten-Chor gewesen | von oben bi[s unten bespyen habe. 


1) Goedeke, Grundr.? 3, 67 ff. W. Fabricius, Joh. Georg Schochs Co- 
moedia vom studentenleben (München 1892) s. VII. 


HALLE a. S., januar 1895. JOHN MEIER. 


344 SCHUCHARDT, BAKELJAUW. — BEHAGHEL, MHD. ERBEIT. 


BAKELJAUW. 


Herr prof. Uhlenbeck macht mich darauf aufmerksam, dass 
ich ihn falsch verstanden habe, wenn ich ihn zwischen bask. 
bakallao und holl. bakeljaum ‘romanische vermittlung’ annehmen 
liess. Er sagt in der tat ganz deutlich (sowol in den Beitr. 
19, 329 als in der Tijdschr. v. Ned. taal- en letterk. 11, 227), dass 
das holl. bakeljauw von den holländischen Grönlandsfahrern im 
17. jahrh. aus dem bask. bakallao entlehnt worden sei. Ich 
denke, dass ein solches baskisches wort nicht unmittelbar aus 
dem baskischen ins holländische übertreten konnte, sondern 
dass die Basken mit den Holländern nur in spanischer oder 
französischer sprache verkehrten; dabei kommt noch in betracht, 
dass bacallao damals ebenso ein spanisches wie ein baskisches 
wort war und dass am kabeljaufang sicherlich sehr viel an- 
wohner des bizkaischen golfes teilnahmen, die des baskischen 
gar nicht mächtig waren. Ich gestehe, es war etwas leicht- 
sinnig von mir, diese meine meinung, die allerdings einen ganz 
untergeordneten punkt der frage betrifft, auch bei herrn prof. 
Uhlenbeck vorauszusetzen. 


GRAZ, 23. dee. 1894. H. SCHUCHARDT. 


MHD. ZRZZIT. 


Sievers hat oben 19, 550 f. dargetan, dass der umlaut in 
mhd. erbeit nicht folge alter abstufung in der nebensilbe sein 
kann. Die positive erklärung ist einfach die, dass der diph- 
thong ei selber umlautend gewirkt hat. Einen ganz sichern 
beweis dafür liefern die umgelauteteten formen von oheim und 
ameise.!) Dass der umlaut bald steht, bald fehlt, hängt mit 
verschiedener betonung der nebensilbe zusammen. 


[1) Vgl. auch mhd. gänster, genster (gaenester gl. Herrad.) neben 
ganster ‘funke’, zu ahd. ganeistra, Grimm, Gr. 22,351 etc. E.S.] 


GIESSEN, 27. december 1894. O. BEHAGHEL. 


u ri, 0 nl rn a A ei 


me: m L 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG k. 


1. Die handschrift. 


Ueber das äussere der Piaristen-hs., in der das Nibelunger 
liet erhalten ist, haben W. Scherer (Zs. fda. 15, 144 f.) und nach 
angaben E. Leischings A. v. Keller (Bibl. des liter. vereins in Stutt- 
gart 142, 375 ff.) berichtet, nachdem A. Holtzmann (Germ. 4, 315 
—337) einzelheiten darüber angemerkt hatte. Im folgenden sollen 
diese angaben vervollständigt, zum teil berichtigt werden.!) 

Der erste teil der hs. besteht aus 98 blättern. Die erste 
seite des ersten blattes ist leer, die zweite zeigt ein aquarell, 
Siegfrieds ermordung darstellend: Siegfried liegt über dem 
brunnen hingestreckt, Hagen hat ihm eben den ger zwischen 
die schultern gestossen. Zwei männer, offenbar Gunther und 
Gernot, stehen rechts neben Hagen, der eine abgewendet, der 
andere mit dem blicke auf ihn. Alle vier sind nur mit kurzen 
hemden bekleidet, die beine sind nackt. Im hintergrunde bäume. 
Dieses blatt und das nächste sind nicht numeriert, ebenso nicht 
das letzte. Die übrigen tragen in minium die nummern 134—229, 
Eine zusammengehörigkeit zu lagen ist jetzt, wo die einzelnen 
teile der sammelhs, mit einem umschlag aus weissem papier ver- 
sehen und mit dem rücken in dieses fest eingeklebt sind, äusser- 
lich nicht mehr recht zu erkennen. Indessen sind rechts unten 
auf den rückseiten der blätter 144. 156. 168. 181. 193. 205. 217.229 
die anfangsworte der ersten strophe des nächsten blattes ge- 
schrieben. Es gehören also je 12 blätter zu einer lage zusammen, 
und der 1. teil der hs. bestand aus 8 solchen lagen. Vorn war 
ein blatt, das auf der 2. seite das bild trägt, vorgesetzt. Des- 


ı) Herr dr. Karl Hiecke in Wien hatte die freundlichkeit, meine 
notizen hierliber durch beantwortung mehrerer anfragen zu bestätigen 
oder zu ergänzen, wofür ich ihm hiermit nochmals bestens danke. 

Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. XX. 33 


346 LUNZER 


gleichen war auch an die 4. lage ein blatt (181) angeheftet 
(auch die von da ab gebrauchte tinte war eine andere). Das 
erste blatt der ersten lage und das letzte blatt der letzten (beide 
nicht rot numeriert) sind mit dunklerer tinte geschrieben als 
alles übrige. Wahrscheinlich waren die ursprünglichen blätter 
beim lesen abgenutzt worden und wurden dann durch neue 
ersetzt. Die erste strophe des ersten beschriebenen blattes hat 
eine farbige grosse initiale, das letzte blatt trägt nur auf der 
ersten seite eine strophe, während die zweite seite leer ist. 

Der zweite teil der hs. hat 108 blätter. Das erste und 
das letzte blatt sind nicht numeriert, die übrigen tragen (wider 
in minium) die nummern 232—335, wobei die nummern 245 
und 258 irrtümlich zweimal vorkommen. Die blätter 241. 252. 
263. 275. 287. 299. 311 zeigen am rechten unteren rande der 
letzten seite wider die anfangsworte der nächsten seite. Da- 
gegen fehlt dieser vermerk von da an: auf bl. 323 und 335. — 
Die erste strophe des ersten blattes hat wider grosse farbige 
initiale. Der zweite teil der hs. bestand aus 9 lagen zu je 12 
blättern. Da der erste vermerk schon auf dem 11. blatte steht, 
so ist das erste blatt dieser lage ursprünglich das letzte des 
1. teiles gewesen. An die letzte lage ist ein blatt angehängt. 
Das erste und das letzte blatt, beide ohne numerierung, sind 
wider mit dunklerer tinte geschrieben. 

Im inneren der hs. zeigt sich ein unterschied in der ge- 
brauchten tinte, wie oben erwähnt, mit dem beginn von bl. 182: 
bis dahin grauschwarze, von da ab braune tinte (letztere 
auch im ganzen zweiten teile). Die deckblätter beider teile 
sind mit schwarzer tinte geschrieben. Einen unterschied in den 
schriftzügen habe ich nicht wahrgenommen. Die zerlesenen 
blätter scheinen also von demselben schreiber erneuert worden 
zu sein. Unterschiede in der orthographie, von denen an an- 
derem orte die rede sein wird, zeigen allerdings, dass dies um 
ein ziemliches später geschen sein muss. 

Bei der zählung in minium, die auch die früher stehenden 
gedichte Otnit und Wolfdietrich umfasst, erscheinen das bild 
und die jetzt nicht numerierten blätter auch berücksichtigt. 
Sie waren also ursprünglich auch mit nummern versehen. 

Die custoden stimmen mit dem beginne der nächsten seite 
überein, mit folgenden ausnahmen: 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG k. 347 


1) bl. 144 Nu beytet str. 144 (gezählt nach der ausgabe): 
Gunther in seinem herczen. Es lag also dem schreiber die von 
ihm im folgenden übersprungene strophe (Bartsch) 147 vor, die 
mit den worten beginnt Nu bitet. 


2) bl 193 Da lag ir str. 720,1: Das lag ir. 


3) bl.229 Zz fugt str. 1152,1: Sich fugt. Die str. 1152 
liegt jetzt — auf einem jüngeren blatte geschrieben — wol 
nicht mehr in der ursprünglicheu fassung vor. Die letztere 
begann also wol mit Zz fugt. 


Die zeilen der strophen sind abgesetzt, ausser in den beiden 
ersten strophen der 2 teile, wo die initialen zu viel raum weg- 
nahmen. Die strophen werden durch einen feinen strich ab- 
getrennt (der übrigens. nicht rot ist, wie Keller s. 377 angibt, 
sondern von der farbe der jeweilig gebrauchten tinte). Einmal 
steht er nach 69,1 statt nach 68,4. In str. 1066 ist er schon 
nach v.3 angefangen, steht aber dann richtig und zu ende ge- 
zogen nach v.4. Ebenso in str. 1806. Nach 2076,1 ist eine 
feinere und verwischte linie zu bemerken: 'ursache war ver- 
zählen des schreibers. — Ausserdem sind die strophen 12—143 
(nicht wie Keller schreibt 1331)) mit minium numeriert. Ueber 
die fehler dieser zählung vgl. Keller s. 377. Obne zweifel waren 
auch die ersten 11 strophen, welche das 1. blatt füllen, in der 
ersten niederschrift numeriert. Am schlusse der ersten lage, 
die eben mit str. 143 endet, kam der schreiber zur einsicht, 
dass diese methode, die schon eine anzahl von irrtümern ver- 
schuldet hatte, unpraktisch sei. Die nun folgenden strophen 
145—797, mit welcher letzteren in der hs. eine seite und nach 
der (übrigens auch unrichtigen) zählung von 100 zu 100 strophen 
das 8. hundert endet, sind durch einen kleinen roten strich aus- 
gezeichnet, der bei grossem anfangsbuchstaben durch diesen, 
bei kleinem unter ihm verläuft. Er fehlt jedoch in str. 705, 
steht doppelt in str. 476 und 477 (v.1 und 2), und versetzt in 
str. 548 und 549 (v.2). Diese versehen wären wol, ebenso wie 
jene früheren, nicht leicht möglich gewesen, wenn der querstrich 
schon gezogen war. Auf diesen gedanken ist der schreiber 
also erst jetzt (bei str. 798) gekommen, und hat die teilung von 


1) Die hs. zählt, nachdem schon mehrere fehler vorausgegangen waren, 
irrtiimlich 180. | 


23* 


348 LUNZER 


je vier zu vier zeilen nun auch in den früheren partien nach- 
getragen. 

Endlich findet sich noch eine zählung von je 100 zu 100 
strophen. Die betr. ziffern stehen bei str. 499. 599. 699. 798. 
899. 999. 1099 und im zweiten teile, wo von dessen erster 
strophe (1153) an gezählt wird, bei 1253. 1353. 1452. 1552. 
1652. 1752. 1852. 1952. 2052. 2152. 2252. 2351. Ein versuch, 
die incongruenzen dieser zählung darauf zurückzuführen, dass 
etwa die vorlage schon die nummern gezeigt hätte, und also 
die zählung die anzahl der in dieser vorhandenen strophen an- 
deutete, führt zu keinem ergebnis. Die ziffern stimmen ledig- 
lich wegen der nachlässigkeit des schreibers nicht. 

Gemeinsam ist allen versuchen, die strophen zu scheiden, 
nur der umstand, dass keiner obne verschiedene fehler ge- 
lungen ist. 

Man wird also in schlüssen, die auf eine gewisse genauig- 
keit und sorgfalt des schreibers gebaut werden müssten (z. b. 
in schlüssen aus dem fehlen von strophen in k auf die vorlage) 
schon jetzt zur vorsicht gemahnt. 

Im gebrauche der grossen und kleinen anfangsbuchstaben, 
von denen der erste sehr häufig, aber nicht immer, zu beginn 
einer strophe oder zeile steht, habe ich keine regelmässigkeit 
gefunden (str. 1996, 1 hat sogar der bezeichnete aventiuren- 
anfang kleine initiale: T v7). 

Ueber die bezeichnung der aventiuren-abschnitte vgl. Holtz- 
mann, Germ. 4,336. Nachzutragen ist, dass auch str. 976, 1 mit 
auffällig grosser initiale beginnt und am linken rande das 
sonst zur markierung der aventiurenanfänge gebrauchte zeichen 
d aufweist. Von den alten Nibelungenhandschriften macht bier 
keine einen einschnitt. Auch inhaltlich ist er nicht begründet. 
Der schreiber hat also (wenn er nicht etwa ein zeichen der 
vorlage falsch verstanden hat) die ermordung Siegfrieds hervor- 
heben wollen, mit deren erzählung hier begonnen wird, oder 
das zeichen soll auf das bild hindeuten, das hieher gehört. 

Die abschnitte, die der abdruck nach der analogie der alten 
hss. mit str. 44. 261. 382. 469. 573. 687. 2379 ansetzt, entbehren 
einer grundlage in k. Wol aber ist dort ein abschnitt bei 388 
und 481 angedeutet, wo ihn der druck nicht macht. 

Durch das fehlen des einschnittes bei str. 44 bleibt alles 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG k. 349 


ungetrennt, was von Siegfried erzählt wird, von seiner schwert- 
leite an bis zum beginne des Sachsenkrieges. — Ebenso hat 
der ganze Sachsenkrieg mit heimkehr, empfang und friedens- 
schluss in k keine einteilung, da 261 wegfällt. — Desgleichen 
Siegfrieds entsendung nach Worms und die vorbereitungen zur 
hochzeit (IX), die doppelhochzeit (X) und das ende der feier- 
lichkeiten (XI). — Endlich ist am schlusse des gedichtes die 
ganze partie vom eingreifen Dietrichs angefangen (k 2289) nicht 
mehr geteilt. — Es ist also nicht unmöglich, dass an diesen 
stellen die aventiureneinschnitte auch in der vorlage von k 
gefehlt haben: die dadurch sich ergebenden grösseren partien 
sind alle durch eine gewisse einheit zusammengehalten. Sicher- 
heit fehlt dieser vermutung, weil dem schreiber auch das über- 
sehen dieser zeichen zuzutrauen ist. 

Nicht ohne interesse sind eine grosse anzahl von lese- 
zeichen, die (meist) am äusseren rande der handschrift mit 
rötel angebracht sind. Sie wurden, so weit sich vermuten 
lässt, angebracht an stellen, welche die aufmerksamkeit eines 
lesers besonders auf sich zogen. Vom schreiber der hs. selbst 
rühren sie sicher nicht her. Erstens hätte dieser, wenn er mit 
tinte schrieb, die zeichen wahrscheinlich nicht mit rötel ge- 
macht. Sodann aber — und das ist entscheidend — ist das 
lesezeichen einmal an einer stelle angebracht, wo der schreiber 
das original richtig, wenn auch nicht ohne zweideutigkeit über- 
setzt hat, während ein anderer seine übersetzung falsch ver- 
stand, die stelle irrtümlich anzeichnete, und dann, nachdem er 
seinen irrtum wahrgenommen hatte, seinen vermerk wider aus- 
strich. Da diese lesezeichen den geschmack des publicums, 
auf das die hs. rechnete, ziemlich deutlich erkennen lassen, 
sollen sie hier nicht übergangen werden. Vorausgeschickt mag 
noch sein, dass sie eingetragen wurden, nachdem die neuen 
decekblätter schon eingesetzt waren, denn sie finden sich auch 
auf diesen. 

Es lassen sich verschiedene abstufungen unterscheiden: am 
häufigsten findet sich a) ein absteigender schnörkel mit drei 
im dreieck darüber stehenden punkten, oder ein ebensolcher 
aufsteigender schnörkel mit drei punkten unten; b) das zeichen 
a doppelt, und c) dasselbe doppelt mit je einem stärkeren punkt 
in der mitte darüber und darunter; d) das zeichen a dreimal 


350 LUNZER 


mit den stärkeren punkten oder ohne punkte; vereinzelt e) das 
zeichen a umgeben von vier stärkeren punkten, und f) ein 
dreiarmiger absteigender schnörkel mit drei punkten darüber. 


Dreifach ausgezeichnet sind die stellen: 977, 1.2 (Siegfrieds 
ermordung). 2005, 1 (Hagen schlägt dem kleinen Ortlieb das 
haupt ab). 2443,1.2 (Kriemhild erschlägt Hagen). 2439, 1.2 
(Hildebrand erschlägt Kriembild). 1969, 1. 2 (trotzige rede Dank- 
warts gegen Blödelin und dessen mannen: das zeichen soll 
vielleicht zu 1970, 1.2 gehören: Blödelin wird erschlagen). Aber 
auch 1829, 1.2 (sentenz zum lobe der freundschaft). 1244, 3.4 
(Kriemhild will keinen anderen mann nehmen, seit sie den 
besten verloren hat — also lob der treue). 2119,4 ist das 
zeichen ausgestrichen. Die zeile heisst: HZawwart schlug da zu 
tode Hagen der kün mweygant. Der leser verstand: den k. m. 
und meinte, Hagen sei gefallen. Das schien ihm so wichtig, 
dass er die stelle dreifach hervorhob. Aber schon aus der 
nächsten zeile erhellte das misverständnis und das zeichen 
wurde gestrichen. 


Das zeichen e steht an folgenden stellen: 990,4. 991, 1 
(rührende klage des zu tod verwundeten Siegfried um Kriem- 
hilde und über die schändlichkeit seiner mäge). 1528, 2 (dreissig- 
tausend helden vom Rhein kommen in not). 1973, 2 (Dank warts 
worte an seine überfallenen mannen). '1975,3 (zweitausend 
bleiben tot). 1979, 2 (neuntausend sind erschlagen). 


Das zeichen b: 587,1 (Kriemhild ist schöner als Brünhild). 
677,1 (Siegfried nimmt der Brünhild ihren fingerring).- 1000, 3 
(ort, wo Siegfried erschlagen wurde). 1396, 2.3 (Herrat wird 
rühmend eingeführt als gemahlin Dietrichs und tochter eines 
mächtigen königs). 1818, 1 (trotzrede Hagens gegen Kriembild). 
2058, 1,2 (auf Geiselhers rat werden mehr als neuntausend tote 
aus dem saale geworfen). 

Das zeichen e: 2354,1 (alle Burgunder sind erschlagen). 
2430,1 (Kriemhild lässt Gunther töten). 


Das zeichen f: 1270,1.2 (Kriemhild nimmt anstoss daran, 
dass Etzel ein heide ist). 1922,1.2 (Volker ersticht im turnier 
den geputzten Heunen). 

Unter den zahlreichen einfach bezeichneten stellen verlohnt 
es sich, gruppen auszuscheiden: | 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 351 


a) Den leser interessieren zahlenangaben: 

44,4 (der Kriemhild sind 13 könige untertan).. 70,1 (am achten tage 
reitet Siegfried mit den seinen in Worms ein). 710,4 (Siegfried regiert 
12 jahre). 1104, 1.2 (Kriembhild trauert 4 jahre um Siegfried). 1144,2 (sie 
klagt täglich um ihn bis in das 12. jahr). 1246, 2.3 (in Etzels lande dienen 
ihr 12 königreiche und 30 fürstentümer). 1296, 1 (sie nimmt von Burgund 
100 jungfrauen mit). 1391,4 (im Heunenlande dienen ihr 3000 jungfrauen 
und frauen). 1493, 3 (Hagen rät, 3000 mann zur heerfahrt auszuwählen). 
1494, 3 (12000 werden besant). 2184, 1 (mehr als 1200 mann dringen gegen 
die Burgunder). | 


b) Ortsangaben: 
906, 2.3 (jagd auf dem Odenwalde). 1145,4 (kloster Lorsch), 1353, 1 
(aus Reussen und aus Krichen). 1376,3.4 (Wien). 1517,4 (Etzel in 
Gran). 1550,1 (Franken. — Schwanfelden). 

c) Wunderbare dinge: 
86,1 (Hagen beginnt die erzählung von Siegfrieds abenteuern). 87, 2.3. 
88,2. 1121,3. 1122,2 (hort der Nibelunge). 93,2 (zwölf riesen). 95,2 
u. 96,1 (der zwerg Alberich). 96,3 (die tarıkappe). 99,2 (der drache). 
99, 3. 897,1 (bad im drachenblut). 666,1 (Brünhildens kraft). 930, 2.8 
(Siegfried erlegt einen elephanten [!]). 948,3 (Siegfrieds bogen können 
4 männer nicht spannen). | 


d) Hofceremoniell: 
1309,2 (Pilgrim mit seinem hofgesinde zieht der Kriemhild entgegen). 
1329,1 (Kriemhild und Gotelind begrüssen einander). 1364,1.2 (zwei 
fürsten tragen Kriemhildens kleid). 1366, 3 (Kriembild küsst zwölf 
fürsten). 1755,1 (Dietrich bewillkommt die Burgunder). 1954,1 (vier 
diener begleiten Ortlieb). 


e) Vorausdeutungen: Ä 
13,1 (Kriemhildens traum). 19, 3 (vorausdeutung auf Kriemhildens rache). 
919,2 (anderer traum der Kriemhild). 920,4 (Kriemhild wird Siegfried 
nie widersehen). 1486,3 (Runolt warnt vor der reise). 1548,3 (der 
kaplan wird allein entkoıwmen). 1568,4 (dasselbe prophezeien die meer- 
weiber). 1609,4 (Hagen verkündet, dass die Burgunder nicht mehr zu- 
rückkehren werden). 1748,1 (Kriemhild sinnt auf unheil). 


f) Erwähnungen (besonders rühmende) von königen, fürst- 
lichen personen, helden u. s. w.: 


4,2 (die könige von Worms). 47,2 (kein held gleicht Siegfried). 
127,1.2 (er zeichnet sich in den kampfspielen am hofe vor allen aus). 
586, 2 (alle welt preist Kriemhild und Brünhild). 1154,3 (Kriemhild wird 
gerühmt). 1255,2 (Etzel ist der gewaltigste von Hemwnen bis an daz role 
mer. 1369,2 (die Berner zeichnen sich im turnier aus). 1445,2 (Etzels 
boten werden nirgends angefallen, weil man ihren herrn scheut). 1752, 2 
(die Berner sind die besten helden auf erden). 1824, 1 (Hagen wird von 
einem Heunen gerühmt) 


352 LUNZER 


g) Wichtigere vorgänge: 

49,1 (Siegfried will nach Worms reiten). 107,1. 111,2 (Siegfried fordert 
Gunther heraus). 682,1 (Siegfried schenkt Brünhildens ring und gürtel 
seinem weibe). 914,2. 920,1 (Siegfrieds letzter abschied von Kriemhild). 
983,1 (Siegfried ringt mit dem tode). 1155, 8 (Etzel fürchtet, Kriemhild 
werde als christin seine werbung abweisen). 1249,3.4 (Kriemhild will 
ihren mann bis an ihr ende beklagen). 1265,4 (Rüdiger verspricht, ihr 
leid zu rächen). 1266, 1 (sie freut sich darüber). 1273,4 (sie entschliesst 
sich, Etzels gemahlin zu werden). 1415, 1.2 (sie bittet Etzel, ihre brüder 
zu laden). 1428,1 (das fest zu sonnwenden). 1431,2 (Kriemhild ver- 
bietet den boten, in Worms von ihrer trauer zu reden). 1602,3.4 (Hagen 
wirft den kaplan in den strom). 1662,3.4 (er nimmt dem schlafenden 
Eckewart sein schwert). 1712,1.2 (Rüdiger steuert seine tochter aus). 
1936,3 (Hagen allein soll erschlagen werden). 1965,1 (Blödelin schilt 
Hagen). 2154, 1 (des einzigen Hagen auslieferung wird gefordert). 2161, 1 
(Kriemhild lässt den saal anzünden). 2272,1 (Rüdiger erschlägt Gernot). 
2273, 1 (beide sterben zugleich). 2360, 1 (Hagen kämpft mit Hildebrand). 
2363, 1.2 (im saale lebt niemand mehr als Gunther und Hagen). 2411, 1 
(Dietrich bindet Hagen). 

Hierher gehören wol auch 622, 1 (Gunther und Siegfried sehnen sich 
nach ihren frauen). 630,1 (Brünhildens gürtel). 992,3. 993,4 (vorwürfe 
und bitten des sterbenden Siegfried). 998,4 (lüge, Siegfried sei von 
räubern erschlagen worden), 1172,1 (Rüdiger reitet als bote aus dem 
Heunenlande). 1242,4 (er richtet Etzels werbung aus). 1286,1 (Kriem- 
hild beklagt sich über Hagen). 1471,1 (Ute klagt über die weite entfer- 
nung von ihrer tochter). 1517,3 (Rüdiger sendet boten an Etzel voraus). 
1608, 2.3 (das Donauschiff wird zerschlagen). 1898, 1.2 (hätte man Etzel 
gewarnt, so wäre Kriemhildens grimm ohne folgen geblieben). 2367, 1 
(Dietrich schilt Hildebrand). 


Erwähnt mag noch werden, dass solche lesezeichen, die in 
den übrigen partien durchaus nicht selten sind, von str. 128—586 
(also ungefähr in den lagen 2—4 oder den aventiuren IV—IX) 
sowie von str. 711—896 (= lage 6 oder avent. XlII—XIV) ganz 
fehlen. Der sie angebracht hat, scheint also diese teile (Sachsen- 
krieg, erwerbung Brünhildens — Siegfried und Kriemhild nach 
Worms geladen, zwist der königinnen) nicht gelesen zu haben, 
sei es, dass sie ihm nicht vorlagen, sei es, dass er sie übergieng. 


Dass die zeichen nicht eonsequent angebracht sind und 
namentlich nicht selten fehlen, wo veranlassung zum anmerken 
gewesen wäre, wird niemanden wundern. Sie entstammen 
einer augenblicklichen stimmung, sind für den persönlichen ge- 
brauch (wenn überhaupt für einen) bestimmt, und erheben gar 
keinen anspruch auf vollständigkeit. 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 353 


Die geschmacksrichtung ihres urhebers ist gleichwol deut- 
lich genug: am meisten wirken auf ihn die todesfälle grosser 
persönlichkeiten, besonders wenn sie recht grausig sind (Sieg- 
fried, Ortlieb, Hagen, Kriemhild). Grosse zahlen und kenntnis 
von orten imponieren ihm, an unglaublichen dingen und am 
benehmen vornehmer personen findet er gefallen, er freut sich, 
wenn die helden der geschichte recht herausgestrichen werden, 
gelegentlich erwirbt sich auch eine rührende sentenz seinen 
beifall.e. Im ganzen verrät er ein robes, aber naives urteil. 
Seine sagenkenntnis ist gewis nicht gross: er hält es für mög- 
lich (offenbar liest er das gedicht zum ersten mal), dass Hagen 
von Hawart gefällt wird. Zwar möchte man aus einigen, 
namentlich der unter g aufgezählten zeichen schliessen, dass 
ihm der zusammenhang von einzelheiten mit dem folgenden 
von vornherein deutlich war (vgl. z. b. 682,1. 914,2. 920,1. 
1265, 4. 1266, 1. 1415,12. 1428,1). Das müsste man auch voraus- 
setzen, wenn er wirklich ganze aventiuren Übersprungen hat. 
Indessen fällt dies alles gegen jenen fehler schwerlich ins ge- 
wicht, d.h. man wird die erwähnten zeichen und das ausbleiben 
von zeichen in grösseren partien anders zu erklären haben, als 
durch eigene sagenkenntnis des lesers. 

Der maler des bildes, iiber den an dieser stelle vielleicht 
auch ein paar worte platz finden dürfen, hat die situation im 
ganzen richtig erfasst. Auch dass von den zeugen des mordes 
uur der eine (jedenfalls Gunther) hinsieht, stimmt mit der auf- 
fassung des alten gedichtes überein, das Gunther nächst Hagen 
für den schuldigen hält, während Gernot seine unschuld be- 
teuert. Die keineswegs königliche gewandung der vier herren 
muss auf die kenntnis zurückgeführt werden, dass Siegfried 
und Hagen eben vorher in zweien weissen hemden den wettlauf 
zum brunnen gemacht haben. Die beiden anderen allerdings 
waren daran nicht beteiligt. Vermutlich also hatte der maler 
keine eigene sagenkenntnis und war vorher nur, wenn auch 
etwas mangelhaft, instruiert worden. 


Der schreiber war sicher mit dem bearbeiter identisch. 
Das beweisen die zahlreichen, dann verbesserten irrtümer, mehr 
noch correeturen, die eine an sich richtige, aber, wie sich wäh- 
rend des weiterschreibens herausstellte, wegen des metrums oder 


354 LUNZER 


wegen des reimes unhaltbare fügung ändern. Die verbesse- 
rungen werden mit ausnahme der ganz bedeutungslosen auf- 
gezählt; ich setze dabei ausgestrichene wörter oder buchstaben 
in [—]: 


in 
259, 1 gecziret [si] di si. 292,2 als ich hab [sie] gesehen. 320,4 


bleib manch 
Des [must] der kune degen. 321,2 in niderlanden ein schones. 336,2 
zweilff 
so het [acht] mannes. 351,4 man[ch] sach. 544,1 kunig [sey] stee. 


Des 
615,1 war [ich] umb ich. 767,4 [Und] danckten. 810,2 rofs rofs (zwei- 
vor rillers . 
mal) manch. 825,3 [nach]. 830,2 schonen [frame]. 895,1 [gat] stat. 
981,3 brach aus brast corrigiert. 1064,3 pali[en]. 1073,3 krone [sol] 
daz. 192,4 wol umb di [tochter] kunig ein. 1130,3 daz si uns [gab 


reylin 
ir hulde] wurde holt. 1169,2 vö hynnen noch. 1186,4 er [si da] 
dar nach. 1227,1 frawe [mein] hie bey. 1297,3 geleitin [hin] dan. 
zu der 
1305, 1 [traut libste] schwester fein (fein corrigiert aus mein). 1313, 
daz [wu] ist (ursprünglich beabsichtigt wurt). 1314,2 sy corrigiert aus 


wer 
sich. 1328, 1 [gotlind] krinhilde. 1400, 1 auch [de] ward. 1450, 4 [ob ma). 


brunhilt - 
144,4 [heyn] hy heim. 1537,4 mit arme [sein wunder]. 1574,2 [ritter] 


u ge 
helt so gut. 1605,4 lacht. 1658,1 sagen. - 1677,3 und meiner [fur (?)] 
ec tet 
hiff. 1135,3 li. 1753,3 Den si ai jren. 1923,4 jn sach, daraus corri- 
Ir er 
giert den stich. 1939,1 [Zeh] hei. 2032,2 siurme da. 2064,3 eizell 


euch her hagen nu 
[ir] waz. 2066, 4 Zrreychet jr seit des. 2144,2 wollt jr keiner. 2152, 3 


flegen st 
ey dein. 2168,1 all]n allen. 2173,1 jung[e]. 2283,4 for ich. 2298, 2 
und ir mä sein 


[euch] ewr hend jr. 2308, 3 [von dem rein]. 2364,1 [den] herre [sein] 
l 


gut. 2396,3 brach umb. 2403,2 [hi] waz habt ir. 2420,4 weret sich 
[der] mit. | 

Das gestrichene stand dem originale näher in 981,3, wo 
brast, das reimwort des originals, zu brach verbessert wurde. 
Der grund ist offenbar, dass dresten dem wortschatz des be- 
arbeiters bereits nicht mehr angehörte und dass er es, wo es 
angieng, vermied. Sonst entfernt sich die verbesserung nur 
1450, 4, vielleicht auch 1297, 3 und 1783,3 etwas mehr von der 
vorlage, und zwar aus leicht erkennbaren metrischen gründen. 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG Kk. 355 


Dem gegenüber zeigen die verbesserungen 292,2. 321, 2. 
336,2. 544,1. 830,2. 895,1. 1064,3. 1130,3. 1328, 1. 1574, 2, 
2308, 3 das bestreben, sich dem originale enger anzuschliessen. 
Namentlich 321,2 und 1574,2, wo weder der sinn, noch der 
reim die rückkehr zur vorlage veranlasste, beweisen, dass der 
bearbeiter, wo es möglich war, das alte zu bewahren suchte. 

Für seine arbeitsmethode ergibt sich, dass er während des 
übersetzens schrieb (oder während des schreibens übersetzte), 
gelegentlich dabei das gelesene aus dem gedächtnis verlor 
(336,2. 830,2) und sich erst wider durch einen blick in die 
vorlage rats erholte (336,2) oder beim weiterlesen auf sein ver- 
sehen aufmerksam ward (830,2 vgl.3). Hie und da begegnet 
ihm auch, dass er während des übertragens der metrischen 
regeln vergisst (1130,3 war das klingende endwort hulde von 
vornherein ausgeschlossen; 1537, 4 war zuerst beabsichtigt sein 
mwunderschones mweip, was einen dreisilbigen rührenden reim er- 
geben hätte. Das sind aber nur die stärksten stellen). Fälle 
wie 981,3. 2308, 3. 2364, 1, die erst ausgebessert wurden, als 
der zweite vers die unmöglichkeit eines reimwortes ergab, be- 
weisen, dass der schreiber mitunter den ersten vers eines reim- 
paares übertrug und niederschrieb, ehe er noch den zweiten 
wusste Das sind fürs erste nur andeutungen. An späteren 
stellen wird sich aus ergiebigerem material die arbeitsmethode 
des übersetzers durch innere kriterien noch deutlicher heraus- 
stellen. 


2. Die bearbeitung. 


Nicht wenige ältere gedichte aus dem stoffgebiete der 
heldensage sind uns nur in hss. des 15. oder 16. jh.’s über- 
liefert, von anderen, die zwar in älteren hss. vorliegen, besitzen 
wir ausserdem bearbeitungen aus den genannten jahrhunderten, 
bearbeitungen, die zum teile wenigstens auf ursprünglicheren 
fassungen beruhen mögen, als die der zeit ihrer niederschrift 
nach vorausliegenden. 

Diese an sich wertvollen hilfsmittel können so lange nicht 
ausgenutzt werden, bis man weiss, nach welchen grundsätzen, 
in welcher arbeitsmethode die bearbeitungen vorgenommen 
wurden, ob man dem bearbeiter zusätze, kürzungen, eigene 
kenntnis der sage zutrauen darf, 


356 LUNZER 


Es mag daher nicht überflüssig erscheinen, eine derartige 
übertragung mit der vorlage zu vergleichen, um dabei das 
eigentum des übersetzers zu erhalten, auf seine geistesrichtung 
und kenntnis, seinen geschmack und seine leistungsfähigkeit 
zu schliessen. 

Die Nibelungenhandschrift k bietet insofern ein günstiges 
object, als uns das original in vielen hss. vollständig erhalten 
ist, weil wir ferner in k mit grosser sicherheit die eigenhändige 
niederschrift des bearbeiters erblicken dürfen und daher nicht 
verschiedene schichten von veränderungen abzuheben brauchen, 
endlich weil das gedicht von so grossem umfange ist, dass man 
selten gezwungen wird, aus wenigen, vereinzelten erscheinungen 
schlüsse aufzubauen, sondern im gegenteil die ergebnisse meist 
auf dem festeren grunde zahlreicher beobachtungen ruhr. 

Erst wenn an genügend vielen fällen das charakteristische 
des schreibers erkannt worden ist, wird man auf die vorlage 
selbst zurückschliessen, indem man alles, was dem sonst her- 
vortretenden wesen des überarbeiters widerspricht, als eigen- 
schaft des originals diesem zuweist, wobei selbstverständlich 
der zwischen vorlage und bearbeitung liegenden zeit mit ihren 
. sprachlichen und formellen umwandlungen rechnung zu tragen ist. 

Es soll nun zur betrachtung der literarhistorischen seite 
unseres denkmales übergegangen werden.!) Da dieses keine 
neuschöpfung, sondern die bearbeitung eines älteren originales 
ist, so ergibt sich das für k charakteristische naturgemäss aus 
vergleichung der vorlage mit dem, was in k aus ihr geworden ist. 

Alle veränderungen zu registrieren und in bestimmte 
gruppen zu sondern, ist unmöglich und unnütz. Die vorlage 
von k lässt sich nicht bis in alle einzelheiten erkennen: daraus 
ergibt sich, dass von fall zu fall nicht immer bestimmt werden 
kann, was bereits der vorlage angehört hat und was neu ist. 
Zudem sind auch keineswegs alle veränderungen beabsichtigt. 
Eine absichtliche konnte oder musste eine oder mehrere andere 
nach sich ziehen, ein misverständnis verdunkelte den sinn auch 
nachfolgender worte. Für literarhistorische erkenntnis aber 
genügt das wahrnehmen der absichtlichen umgestaltungen und 
ihrer gründe. 


1) Eine grammatische und metrische untersuchung beabsichtigeTich 
bei anderer gelegenheit folgen zu lassen. 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 357 


Als quellen und motive soleher bewusster änderungen, die 
sich durch das ganze gedicht hindurchziehen, sind leicht der 
seit entstehung der vorlage völlig umgestaltete stand der sprache 
und metrik zu erkennen. Ja, wenn der bearbeiter gefragt werden 
könnte, würde er diese beiden vielleicht als die einzigen für 
ihn massgebenden anerkennen, und behaupten, im übrigen das 
alte gedicht so getreu widergegeben zu haben, als es ihm mög- 
lich gewesen sei, als er es verstanden habe. Wirklich findet 
man absichtliche änderungen des inhaltes nur sehr selten: meist 
liegt die veranlassung, auch wenn tatsächlich der inhalt ein 
anderer geworden ist, entweder in einem misverständnis, oder 
die veränderung war durch sprachliche und metrische gründe 
erzwungen. 

Man muss also vor allem eine übersicht über den sprach- 
stand des bearbeiters und über den einfluss, den er seinen 
metrischen grundsätzen einräumte, zu gewinnen suchen. 


a) Wortschatz und phraseologie. 


Zuvörderst schliesse ich ein alphabetisches verzeichnis der 
im alten gedichte vorkommenden wörter und phrasen an, so- 
weit sie zur aufmerksamkeit anlass geben, d.h. ein verzeichnis 
der wörter, die zwar verstanden, aber immer oder oft anders 
widergegeben werden, und derer, die nicht verstanden, also 
falsch oder gar nicht übersetzt worden sind. 

Eine scheidung der verzeichnisse verstandener und nicht 
verstandener ausdrücke ist nicht durchführbar: es steht im ein- 
zelnen falle nicht fest, ob ein wort nicht vielleicht nur seines 
zusammenhanges willen aufgefasst oder misverstanden worden 
ist (so wird mhd. ungemach meist beibehalten oder richtig 
übersetzt, zweimal aber, wo zwar der reim zur beibehaltung 
eines ähnlichen wortes zwang, aber der sinn des wortes durch 
dessen umgebung dem bearbeiter verdunkelt war, durch gemach 
im nhd. sinne des wortes [= zimmer] übersetzt: 2414, 1. 2426, 1), 
ferner deshalb, weil der bearbeiter einzelne ausdrücke, die ihm 
anfangs unbekannt sind, später richtig verstehen lernt (man 
vgl. z.b. im verzeichnis ger), weiter weil er nicht selten wörter, 
die er gewis nicht mehr verstanden hat, stehen lässt, so Zudem 
949,1, eich 932,1, schelch 932, 2. 

Ueber die auswahl, die unter dem wortschatz des alten 


358 LUNZER 


gedichtes zu treffen ist, wird in allen einzelheiten eine einig- 
keit schwer zu erzielen sein. Ich glaube, eher zu viel als zu 
wenig ausdrücke aufgenommen zu haben. 

Ein versuch, inhaltliche gruppen auszuscheiden, und 
schlüsse zu ziehen, wird später unternommen werden. 


Verzeichnis. 


Die mit be-, er-, ze- u. dgl. zusammengesetzten wörter sind nach den 
einfachen angeordnet. Wirkliche composita stehen unter dem buchstaben 
des compositionsteiles, der von wichtigkeit ist, also z. b. tageweide unter 
mweide, weil dieses anders widergegeben ist. Das zeichen r. hinter einem 
citat bedeutet, dass das betr. wort im reim steht, das zeichen la. (= les- 
arten) an gleichem orte, dass an stelle des ausgeworfenen ausdrucks nach 
dem zeugnisse der anderen hss. in der vorlage vielleicht ein anderer 
gestanden hat. Das zeichen = zeigt an, dass k den ausdruck des ori- 
ginals beibehält, abgesehen von der sprachlichen gestalt. Das zeichen X 
bedeutet, dass das mhd. wort ausgelassen oder in einer weise umgangen 
ist, die dem gleichkommt (genaueres hierüber später). 

Citiert wird nach k, auch in den fällen, wo das mhd. wort nicht 
übersetzt ist. 

Als vorlage angenommen ist eine hs., die von str. I—458 und von 
850—911 der Nibelungenhs. B, von 459—849 und von 912—2442 der hs. Ü 
am nächsten gestanden hat.!) 

Am bequemsten zum aufsuchen der stellen des originals ist die 
grössere ausgabe von Bartsch, weil diese beide fassungen neben einander 
zu stellen erlaubt und den variantenapparat am ausführlichsten zusam- 
menstellt. 


des wilden abeloufe : des wildes lauffe 923, 2. 

adelvri : dinstes frey 823,1 (adel nachgetragen v.3). 

aht : sinne 2136,2. || des volkes aht : des kunig Etzels macht 1391, 2. 

ahten : ir sult daz ahten, daz ich die küneginne sehe : ir solt mir helffen, 
daz ich .... 540,1. || ringe ahten : achten klaine 155,1. 999, 4. 2009, 1. 

anden << 1629, 3. 

anstrich >—< 2050, 4. 

antlütze : angesichte 237,1. 

antwerc << 948,3. 

arc sim. : ze arge verstän : in ubel verstan 816,1. 

arc adj. = oft, z.b. 1414,4. 1493,4. 1764,3. 1783,2. 2173,4 (1502, 3 
nicht aus der vorl.). || ein arger list : ein kluger list 836,1. || 
argen muot : feintschafft 1501,4. || si heten naht vil arge : si liden 
grosse schwere di nacht 1051,4. || der argen Kriemhilde muot : Kr. 
ist grymmiglich gemut 18S6,4. || sinem argen libe : dem morder 
ungetrewe 1748, 2. 


1) Diese voraussetzung wird unten begründet werden. 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG k. 359 


arebeit = 2145,2r. 2228,2. sturm und streit I, 1 (aus v.2 der vorlage). 
gross not 161,4. 660,1. grosses fechten 172,3. reise 332,4. jamer 
1056,3. mue 1773,1. grosses leit 2386,2. durch unmussig 558, 2. || 
>< 44,4. 134,4. 645, 2. 1049, 4. 1371,4. 1847, 2. 

daz arebeiten : erbeit und reise 380,4. jamer 1055, 4. >< 366,4 (schei- 
den?). 1408, 4. || der frouwen a. was niht kleine : da zirten sich di 
frawen 772,1. 

arnen = 2192,3. erarnen 1947,3. geltten 2121,4. || erarnen: sterben 
859,3. 

art ><29,2. || von arde höhe erborn : von adell hoch geporn 5,1 (doch 
vgl. 106,1 kunigliche art. 1683,2 hohe a. nicht aus der vorl.). 

bägen : hoffart 871, 4. 

balt: = 215,2r. 921,2r. 924,4r. 965,1 r. (215,2. 965,1 in der nhd. be- 
deutung). || >< 43,4. 390,4. 467,3. 911,1. 923, 2. 965,1. 1073,2. 1125, 3. 
1247,4. ||: baldez ellen : macht und stercke 1978, 3. 

helmebant : helm 2169,2. >< 2109,2. |] daz im diu h. stuben allent- 
halben : daz vil der kleinen stucke von seinem helme stob 2341, 2. || 
des wart von im verhouwen manec h. : manch helt ward tot geschlagen 
von seiner hant 176, 4. 

bären 215,3. 

base : mümen 2369, 3. 

bedaz : ee daz 2225, 3. 

erbeizen = 537,1. baißt zu fusse 209,1. beisten ab zu fusse 1552, 4. 
beißten ab 62,3 la. peisten 1927,2 (1691,2 baißten nider nicht aus 
der vorl.). || er hiez si erb : er hub sy von dem rosse 1324, 1. || daz 
volc erbeizte nidere für des küneges sal : di held di weißt man balde 
hin auff d. k. s. (!) 243, 3. 

gebende : a) kopfschmuck >< 259, 1. 566, 4. 1365,15; — b) fesseln : pande 
631,4. 

bergen diu lieht : leschen 626,3. || verbergen = 1117,3. >< 249,3. 
430,8. 658, 3. || diu schif (wären) verborgen : kein schiff man da nit 
sach 1552, 1. 

bettedach : obedach 1857, 2. 

bettewät << 658,3. 

betten swv. : heylen 248, 2. 

biderbe ><815,2. 1361,3. || er was b. genuoc : cr pflag vil grosser 
stercke 930,1. || ziehen ze einem b. man : man lert in zucht und 
ere 714,1. 

sich ze füezen bieten : zu fussen fallen 2203,2. fur di fusse fallen 
1794,83. pitten durch aller frawen er 2082, 1. sich ergeben 466, 2. 

bilde = 351,3. czeichen 903,1 (vgl. 915, 2). 

gebiuze ><1920, 2. 

enbizen : essen 939,2. gasse 1339, 1. 

blanc = 663,4 r. ><1916,2. ||; sn&blanc : schneweiss 398, 2. >< 549,1. 

blide : freischlich (!) 1782, 3. || swie bl. er pflege der zühte : part kunig- 
leichen 413, 1. 

zerblouwen : zuschlagen 889, 2. 


360 LUNZER- 


erblüejen : dö erblüete ir liehtiu varwe : ir hercz das waz in frewden 
236, 4. 

erbolgenliche : mit grymm und grossem neyde 2427, 2. 

base = 985,1. 1018, 2 (1767,4 als übersetzung von niht guot). schnode 
1880, 2. 2068, 4 (2). 2194,1. czage 2060, 3. 1580, 2. 

besliche: b. getän : wider ere tan 2205,2. (ironisch) nit 2191, 4. 

bouc = (pagen) 1576, 3. 1579,2. 1736, 3. kleinet von golde 272, 3. marcke 
552,3. 1336,2. golt 570,1. 1665,2. fingerlein 2255,4. >< 1296, 3. 
1585, 2. 1692, 4. 

bözen : anklopffen 485,3. 486, 8. 

brehen (des mänen) : schein 1651, 1. 

(ze)bresten = 494,3 r. 1009,2r. 1587,2r. (zu)brechen 640, 2. 981,3. 
1640, 4. schoß (daz blut) 457,1. ><489,4. 579,4 (des reimes wegen 
eine wendung mit gebrast). 2118,2. || des brast dä vil der helme: 


si trantten helme 2261, 2. || gebresten = 102,2 r. 598,1 r. 
761,3 r. 1331,4r. (137,2 nicht aus der vorl., 579,2 vorl. brast). 
>< 1649,3. || gebrast im an dem einen (spil) : welcher verlos ir 


eines 323, 4. 

gebreste swm. : swes wir g. hän : wes wir gebrechen han 962,3. 

innen bringen : inne werden lassen 1895,3. di mere sagen 1878,2. | 
des bringe ich iuch wol i. : des solt ir werden jnnen 664, 2. >< 354,3. 
644, 3. 2157, 4. | 

gebrieven : schreyben 2286, 4. 

brünne :st üblich. 

buckel >=<37,2. 580,2. || under buckeln : um die ende (!) 436,1. 

büezen : wenden 962,3. ergetzen 1895,1. || ez wirt iu wol gebüezet, 
swaz iu hät getän Hagene : es wurt H. noch pussen, waz er euch 
hat getan 1615,2. || der büeze miniu leit : der mir richt mein leit 
1266, 3. 

bunoze : suone unde b. bin ich iu bereit : jch wil euch gerne pussen, 
dazzu bin ich bereit 2035, 3 (1891,1 bus, nicht aus der vorl.). 

buhurt : turney 35,2. 1906, 3. 1909,4. 1914,1. stechen 1374,1. kurez- 
weyle mit ritterlichem schalle 578, 3.4. kurezweyle 618,1. just 591,4. 
>< 651,4. 1922, 2. || üf den b. : ezu dem hofe 1907, 1. 

buhurdieren durch turney 1905, 3. 

bunt sin. 59,4. 

sich verdenken : het ich michs baz verdäht : het ich es vor bedacht 
1769, 3. 

dagen — 614,3 r. 808,1r. schweigen 844,2. stille schweigen 116,3. 
868,1. ><1201,1. || niht ze dagene : nit zu sagen (erklärung S. 
unten) 1871,2. || — verdagen : gesagen (aber richtig gewendet) 76,1. 
><720,1. || niht verdeiht : geseit 1703,3. 1743,2. || danken wart n. 
v. : danckten sere 370,1. || diu gäbe wart n. v. : da zeigten si di 
gabe 767,1. || des wirdet n.v. : daz wil ich werben 530,1. || ine 
kan daz niht verdagen : als ich euch hie wil fragn 1201,2 (aus v. | 
der vorl.). || wolde niht langer verdagen : gund si fragn 1633, 3. 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG k. 861 


danewert >< 976, 2. 
degen isi üblich. 
degenheit : groß wunder 105,1 (aber 987,4 degenheit nicht aus der 


vorl.). | 

degenlichen sin : menlicher sin 2133,2. || d. schal : klegelichen (!) 
2123,2. || d. were >< 499,2. || degenliche : ritterlichen 2260, 4. 
>< 200, 4. 


dicke = 1838,4 (721,1. 1259,1 nicht aus der vorl.). ofit 18,2. 99, 4. 
281,4. 619,2. 624,2. 669,4. 747,4. 906,3. 968,2. 1043,1. 1408,4. 1415,2. 
1471,2. 1829, 1. 2314,3. alltag 1755,4. gar ser 1412,1. durch manig 
1140, 2. 1821,3. 2020,3. durch groß 320,3. ><129,4. 134,4. 723,4. 
895,4. 1062,83. 1101,4. 1329, 4. 1713, 4 la. || — dicker: gar dicke 750,3. 
offter 1461, 2. | 

(ge)dienen a) in nhd. bed. bleibt; — b) = nhd. ‘verdienen’ : verdinen 
962,1. 987,4. 1946, 3. 2071,4. 2225,2. verschulden 2412,4. || hazd.: 
verschulden 861,2. || schelden d. : >< 988,4. || daz im die liute wären 
holt >< 40,4. || daz golt d. : dintten umb solt 169,2. || din golt d.: 
dint euch umb ewren solt 2052, 2. || ir dienet michel guot : ich gib 
euch m. g. 1430,1. || ich wil daz gerne d., daz si werde min wip : 
ich wil euch all zeit dinen, umb daz 8. w. m. w. 387,4. || nu läze in 
got gelingen, als si an uns gedienet hän : got woll es an in rechen, 
was si uns han getan 1033,4. || — c) = nÄd. ‘vergelten’ : verdinen 
umb 534,4. 849,4. 1434,4. 1671,4. 2036, 4. 2158, 3. 2166,4. gen 905,3. 
ohne angabe der person 17194, 1. 2231,3. tun daz peste 1200,2. dan- 
cken (wan er uns dinet gerne) 2316,3. || dö sprach der künec Gun- 
ther daz diene ich immer umbe dich : da naiget im der kunig und 
danckt im tugentlich 156, 4. || >< 306,3. 554, 2. 

verdienen (in nhd. bed.) = 15%0,3. erfechten 255, 2. 299,2. verschul- 
den 1863, 4. 2255, 2. >< 1465, 3; — (elwas nachteiliges) = 1817, 2. ver- 
schulden 100, 2. 109,1. 141,2. 2198, 4. || schoener frouwen lip : werben 
umb 47,3. || daz kunde ouch si verd. : si gund in leids ergetzen 
623,2. daz schuff ir grosse schone 1699, 4. || waz ober ir an ver- 
dienet daz si noch wirdet vrö : jr (anders gewendet) mocht von in 
ergetzet noch werden unde fro 1112,2. || — (= nhd. ‘vergelten’) = 

529,2 (umb). 2269, 2 (ohne angabe der person). verschulden 1563, 4. 
dienest bieten = 284,2. 1786, 3. || vil minneclichen d. : vil tugent wird 
und ere 1336, 1. || — d. an bieten : ezucht und er 553,3. || getriu- 
weclichen d. : gab sich undertan mit dinst 1339, 2.3; — d. enbieten 
— 539,2. 732,2. 1207,2. 1441,4 (aus v.3 der vorigen str. des origi- 
nals). 1442,1. 1456, 2. 1675,4. || d. mit triuwen : gruß und dinste 
1837,2.3. || d. unde triuwe : sein gruß und dinste 1242,2. || ir d. 
in grözen triuwen : jrn gruß und iren dinste 1470,2. || getriuwec- 
lichen d. : seinen grusse 1204,2. || minen d. : saget meinen grusse 
1616, 2. || holden d. : lat euch grussen 548,1. || ir d. : laßt grussen 
1676,1. land grussen 742,4. || sinen.d. : ir pflag schone 1440, 3 (doch 
vgl. 1441, 3). || d. über d., des man im vil enböt : waz im dahin enbot 


Gunther 1518, 1.2. || d. sagen = 731,1. 1431,4. mein gruß 532, 2. 
Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. XX. 24 


362 LUNZER 


genäde siner d. : got danck im gnad und dinste 1459,1. || ze die- 
nest sich der meide dö der recke böt : zu dinst und auch zu eigen 
der helt sich ir erpot 607, 4. 

dienestlichen : swaz ir sus gebietet, stön ich iu d. bi : mein trew 
und stetter dinste sol euch stet wonen bey 693,2. || d. undertan : 
mit dinst undertan 819, 3. |] d. holt : mit meinem dinste holt 1482, 2. || 
ich wone iu immer möre mit triuwen d. bi : so wont ich euch in 
notten mit ganczen trewen bei 1805, 4. 

diet — 2205,83 r. 2442,3 r. > 39,2. 2312, 4. 

diezen : erdoß 2418,2r. >< 2360,2. || der schefte brechen gein den 
lüften döz : da ging es an ein stechen, sich hub ein türney gross 
35, 2. || — erdiezen = 35, 3. 182, 1 r. 491,1 r. 580,1 r. 618,1 r. 802,1r. 
956,4r. 1008,4r. 1578,1r. 1867,1r. 1915,2. 2031,3r. 2086,2r. 
2287,4r. 2289,2r. |] dö hörte man erd. manegen rant : da sach 
man zerhawen mangen schildes rant 198,2. || daz im daz hüs erd. 
gein siner stimme began : daz man weit hort sein stymme 2379, 4. || 
— verdiezen : der schal verdöz : ein end nam der doß 2124, 1. || 
— döz = 926,1 r. 2094, 1 r. 2281,1r. ><1980, 1. 

gedigene: hofesinde 1837, 4. >< 536, 3. 1458, 3. 1755, 8. || allez daz g. : 
als das da was zu hofe 769, 1. 

gedinge = 276,3. hoffnung 618,4. >< 112,1. || er hät ı g. : ich (misver- 
standen) hoff 385,4. || des ir habt g. : ir meint vollenden 628,4. || 
was ir habt in dem synne 1796, 3. || af solhen g. : auff dein genad 
und trewe 2152, 2. 

dinc = 1829, 1. 2075, 2r. (1710, 1 nicht aus der vorl.). sach 540,4. 1209, 4. 
1934, 4. 2442,3. || der dince in höher wirde stät : si lebt in hoher 
wunne 1462,4. || des dinc in höhen ören stät u. dgl. : sein sach in 
hoher wirde und grossen eren stat 540,4. >< 741,4. 1145,4. || aller 
hande dinge >< 98,2. an vil manegen dingen << 815,3. || ze allen 
dingen > 24,4. || aller valschen dinge : aller dinge 854,3. || den 
pris an allen dingen = 973,1. || ich hän ouch 8 versuochet soreclfchiu 
d. : han manchen helt bezwungen 2077,2. || ich hän üf öre läzen 
miniu d. : ich han mit eren volendet meine ding 2075,2r. 

eigen diu : eygen weip 833,4. >< 823,4. 

drzjen: flugen 2085, 3. sprungen 2088, 2. fll ? 1643, 3. >< 981, 2 (sprang’?). 
1914, 4 (zubrochen?). 

dräte : balde 766,1 (doch 1459,1 drat nicht aus der vorl.). 

dürkel : zuhawen 214,2. zutrennet 1911, 4. 

duz : schal 940, 2. 

& : orden 34,4. || recken in kristenlicher & : helde di Cristen sint 1272, I 
(1349, 1 nach cristenlicher ee vermullich aus v.2 der vorl.). || der 
heiden & : vil maniger heyden 1349, 2. 

ebene = 379,4: (vom schiffe). ><70,4. 941,2. 1352,2 (vom gang der 
rosse). > 2261,4 (vom schwertschlag). || des bedenket iuch vil e: 
dar nach solt ir euch richten 424, 4. | 

ecke = 72,4. 184,3. 439,4. 1557,4. 2331,2. schneide 2236,4. >< 950.3. 

eigenho de: held und diner 614,1. eygen 797,8.%) 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 363 


eislich : grawsam 1763, 4. 

ellen?) bleibt öfter : helant 1993,4. 2094,4. 2171,3. 2337,1 und wird 
auch unabhängig von der vorlage gebraucht. Aber stercke 328, 2. 
manhait 153,2. durch starck 183,2. durch starck und kune 2416, 2. 
durch kune 1993.4. waffen 2063,4. >< 8,3 (?). 9,4. 110,2. 233,1. 
2124,4. 2339, 4. 2346, 4. || sin ellen ware guot : er wer in notten ein 
stolezer ritter gut 2104,3. || durch sines libes e. : durch jr (!) tu- 
gent und zuchte 1696, 4. || baldez e. : macht und stercke 1978, 3. || 
starkez e. : mit ganczen krefften 668,4 (doch vgl. 668,2 helant). || 
mit e. in sturme werben : nach preyse in sturmen werben 2264, 4. || mit 
ellen : mit krefften 2331,3. krefftig 459,2. > 55,4. 2271,2. || ellens 
rich : unverczagt 7,3. >< 1935, 1. || e. und sterke : sterck und mannes 
kreffte 2418,1. || sin e. zuo der fuoge : sein tugent und sein gute 
1867, 2. || sin (iwer) e. : er 126,3. ir 1592,4. ire.: di kunigin 399, 4. 

ellenthaft — helanthafft 2120,3. grimiglich 2348, 4. >< 22,2. 458,4. 
1246, 4. 2096, 4. | 

ellende = 1418,4. 1712,1. 2246,2. 2317,1 (vgl. 2369,3). arm elende 
2292,83. 2384,3. 2402,4. arm und elend 1706,3 (das wort elende 
hat in k sicher schon die bedeulung ‘arm, unglücklich”. 1205, 2 
dient es zur übersetzung von verweiset). — ><1292,2. 1583, 3. 1840,4. 
1904, 4. 1973, 3. 2195, 4. 2252,1. 2312,4. || diu e. : Krenhilt 1326, 4. || 
die ellenden : di Purgunder 2186,1. di geste 2328,4. daz folcke 
gemeine 2216,4. s[ie] beid 2424, 4. || die stolzen e. : sein herren und 
ir heide 1866, 4. || die küenen e. : si 2220, 2. || iuch vil e. : ir helde 

. 1967,3, || diu e. kint : di reynisch rytterschafft 1975, 1. || die e. man : 

manig werder man 1861, 3 la. || diu e. meit : di minigliche meit 1404, 3. 

ellende sin. = 2208, 4. u 

ende(c)liche : ich sage iu e. daz : daz wißt an allen has 1453, 4. 
>< 1522, 1. BE | 

eschinen schaft : starcken speres schafft 573, 2. 

zem Ersten = 1598,1. am anfang 232,2. 

gäch = 1559,2r. 1571,2r. 1603,1r. 1629,2r. 1632,2r. 1879,2r. || im wart 
ein gshez volgen getän : im folgten nach und saumpten sich nit langk 
2327,4. || — gähes adr. : schir 2148, 4 la. >< 1756, 4. | 

gähen : eilen 192,1. 688,4. 1074,2. 1351,4. 1515,2. 1618,2. 1673, 1. 


1) Was Holtzmann, Germ. 4, 321 angibt, der bearbeiter habe das wort 
nicht verstanden, ist unrichtig; denn 1) hat er es an der früheren stelle 
verstanden und richtig übersetzt, 2) übersetzt er 797,3 mit den worten 
si irug im heimlich hulde nicht das wort eigenholde, sondern die stelle 
si was im noch sö wege; mwcoege wird auch sonst so und ähnlich wider- 
gegeben, vgl. das wort im verzeichnis. 


2) Der schluss, den Holtzmann, Germ. 4, 337 zieht, lässt sich auch 
nicht halten. Das wort war dem schreiber, wie man öben erkennt, nicht 
unverständlich, und er könnte eg ganz But BUWEHUEN] ‚auch ohne dass 
ihn die vorlage: dazu veranlasste. | 

24* 


364 LUNZER 


1678, 3. 1674, 4. 1680,1. 1685, 2. 1926, 4. 2007, 2. 2087,1. auff springen 
617,4. bald faren 521,3. schnelles lauffen 968, 4. durch balde 1037, 1. 
1517,3. durch schir 1439, 4. ><122, 2. 427,2 (derlesen? sehen) 1035, 4. 
1517,3. 2289, 4. 2292, 2 (2307, 1 gahen aus gän der vorl.). || si gähten 
zuo dem lande : si tratten aus den schiffen nider auff daz lant 575,1. || 
gähe wir zen friunden : (wir) wollen zu unsern herren 1648,4. || — 
ergähen : ereilen 2328, 2. 
gadem: sal 1868, 3 la. 2116, 1. ><596, 1. 669, 2. 1006, 3. 1978, 1. 2003, 2 la. 
2009, 4 1a. 
gämeliche sprüche : susse wort 1703, 3. 
abe gän —= 1796,3r. 1822,2r. enpern 318,2. underwegen lan 2081,3. 
>< 1877, 4. 
gar adj. : gewapnet gar 1963, 1r. verwapnet gar 178,2 r. gewapnet 
1832,1. 1932, 3 (aus v.2 der vorl.). || was ze strite gar : wapnet sich 
zu streite gar 193,4 r. (garist also nur des reimes wegen beibehalten 
und adverbial gebraucht. Als adverb ist es auch sonst in gebrauch). 
sich gerwen : sich wapnen 1795, 1. 1797,1. 1977,2. 204,1. das sturm- 
gewant anlegen 1864, 1. 
garzüne : schnelle boten 219,1. 
gast (= fremder krieger) = 194,4. 1587, 1r. 1646,4. An anderen stellen 
vielleicht schon in der nhd. bedeutung: 489,3 r. 494,4 r. (Siegfried im 
Nibelungenlande, vgl. 484,4 dar in sucht er herberge, als noch di 
geste tunt, wo das wort nicht in der vorl. steht). 973,4 r. (Siegfried 
auf der jayd als ‘gast! Gunthers, der ihn geladen hat). 2291, 3 u. ö. 
(die Burgunder an Eizels hofe). der edel helt 492,4. der helt 981,4. 
>< 179,4. || (Liudeg&r und Liudegast) brähten in ir reise vil manegen 
hörlichen g. : brachten zwey grosse here 137,4. 
gelph sim. x< 429, 1. 
gelt : gut 2433, 1 (von k wahrscheinlich auf den schatz bezogen). >< 1690, 2. 
1774,4. || des sol ich ze gelte komen : das muß im zu schaden kumen 
1748, 4. 
gelten, engelten bleibt, z. db. 1891,3. 2004, 3. 2092, 2. 2215, 2. 
ger sif. — 1639,2r. 1922,2r. (209,4 r. aus mhd. gör) allemal = ‘kampf- 
begierde'. || daz ir leistet sine ger : daz ir in wolt geweren, wes er 
an euch beger 554,2. || ob du leistes mine ger : tust du, waz ich 
beger 1945, 4. 
gern swv. = 213,2. 307,3. 309,3. 312,3. 332,4. 421,2. 568,2. 1163, 2. 
1706,2. 1774,1 r. 1776,1r. 1863,2. 2137,4. 2248, 2. 2404,4 (1705,4 u. ö., 
nicht aus der vorl., aber nie part. gegert; wahrscheinlich schweble 
also dem schreiber bereits begeren vor: die vorsiübe ge- fällt vor b 
nich! selten ab). begeren 323, 3. 364, 1. 367,3. 626,1. 795, 3 la. 1123, 4. 
1356,4. 1385,3. 1562,4. 1732,3. 1794,2la. 1845,3 la. 2132,4 (parı. 
praet. immer begert). ><42,4. 90,4. 500,4. 1524, 2. 1722, 3. 1737, 4. || 
. urloubes gern : urlaup nemen 370,2. 1304,1. 1500,3. urlaup wolt 
‚nemen 254,1. ><1094,1 (doch vgl. 1721,1 wy wol si urlaubs gertten, 
vori. dannen gerten; da ist es aber = nhd. ‘begehren’ : sie erhielten 
ihn nicht). || si gertens alsö lange : daz triben si so lange 1273, 3. || 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 365 


engert mihtes möre : frewet sich gar sere 1234, 1. || die frouwen, der 
ir da gert mit (ze) minnen : der ir wolt eine haben 350, 3. >< 437, 4. || 
gerte ze tragene : gar gerne woltte tragen 1728,2. dannen gerten : 
' urlaubs gertten 1721,1. |] der @re gernde man : der kunig lobesam 
784,1. vil kune man 2270,1. | 
gerner comp. = 726,2. liber 2162,2. ><1933,2. 2182, 3 (gerne bleibt). 
ger >< 72,2. flamen (!) 208,2. ger (= mAd. ger!) 209,4 r. bleibt 424,2 
und von da ab immer, nur 918,1 stral. || — gärschuz : geschosses 
895,2. schuz ausgelassen, nur geren 2183,4. || — görstange: 
schaffte 458,3. des geren schaffte 979,2. >< 2085, 3. 
göre ><549,1. || goltvarwe gören : von gold di reichten wate 707,4. 
engestet la. : geleget 1861,3. | 
ergetzen bleibt immer 1048,3. 1078,3. 1112,83. 1180,3. 1195,83. 1219, 3. 
1245,1, 1255,1. 2393, 3. 2396, 4. 2412,3. 2413,38. 
gibe sif. : gab 2070, 2. 
giezen inir. : flissen 1558, 2. 
gige : fidel 1853, 1. 
gir = 2348,4r. (= kampfbegier). || g. näch grözem guote : sein sin 
stund im nach gute 1580, 2. 
gisel sim. = 246,2 (doch 246,4 gefangen). gefangen 213, 3. 232,4. 
234,2. 873,4. 2394,1. 2404,4. 2424,2. eitgeselle 2409, 2. >< 186, 3. 
1785, 2. 2155,4. |] ze gisel : zu pfand 2154, 1. 
giteclicher muot : geiz (und ubermut) 1138,4 r. 
gouch << 862,1. 
goume : sit wart der geste vil übele g. genomen : deß musten si auch 
sterben und kamen all in not 2131, 4. 
grä sin. 59,4. 
gram (in der vorl. nur im r.) = 785,2. 1220, 3. 1962, 1. >< 3, 2. 569, 2. 
gremlich(en) : grymmiglichen 2425, 3. freischamklich(en) 941, 3. 1695, 4. 
kumerleich 2368,2. grausamleich 2382,2. ><413,1. 875,2. 2268,3. || 
gremelichiu sör : jamer und todes ser 1494, 4. 
gris (= grau) = 1763,3. 1826,2 (schon in nhd. bed.?). 
grüezen — 285,2. 287,4. 419,3. 467,1. 502,4. 874,1. 1113,1. 1398, 3. 
1455,1. 1687,3. 1767,83. 1768,2. 1965,1. 2423,4. empfahen 139, 1. 
240,2. 1333, 4. 1469,3. 1682,2. 1694,4 (umgekehrt wird auch einige 
mal empfähen mit grussen überseizt : 574,2. 740,2. 781,3). pieten 
meinen gruß 1111,1. durch gruß 285,3. 1194,4. 2179,1. >< 511,4. 
1227,3. 1322,1. 1362,4. 2423,2. || sin swester sol iuch gr. : zu euch 
so kumpt Krenhilde 286,4. || j& gruozten si di degene : di pflagen 
wol der heide 263,4. || daz si in heten gr. so rehte schöne getän : 
dass im ward grosse ere enpoten 102,4. || wart daz gr. getän : pot 
si in wird und er 1696, 4. | 
gruoz — 288,4. 1767,1. 1814,4. 1836,4. 1891,2. 2226,2. kuss 294,2. 
oe ><512,4. 584,1. 1196,1. || empfän mit gruoze : grussen 1366, 4. 
1591,1. || schiet sich mit gr. : mit trewen 1341, 4. 
güetlich(en) = 250,3. 847,2. miniglich 352,1. liplich 609, 4. freunt- 
lich 545,4. tugentlich(en) 231,1 (aus v. 2 der vorl.). 241,3. 1079, 1. 


366 LUNZER 


1955, 2. 1964,2. mit cezuchten 783,2. mit fleisse 248,2. 794,4. in 
ganczen trewen 250,1. pas 1992,2. >< 129,4. 263,2. 284,2. 687,3. 
860,4. 1029, 4. 1322,2. 1414,2. 1460,4. 15204. || g. sprach : trost 
61,1. || böt ir dienest vil g. an : bot im vil czucht und grosser er 
553,3. || mir g. erböt : mir iren dinst enbot 1859,3. || mit kusse 
g. enpfie : mit einem sussen kusse umb fing 1364,4. || güetlicher, 
comp. : nach wunsche 1698, 4. 

habe stf. (= hafen) >< 580,3. 

haben :nir. der wirt habt dar vor : si hiltten dar vor 791,2. || si habten 
üf mit swerten : sy hortten auf mit streite 2034,2. || — behaben. 
behabt er des die meisterschaft : gwint er mir an den sige 422,3. || 
— gehaben << 1021, 3. gehabet üf des strites : hort auff mit 
streytten 2033, 3. || vor gehaben : vorgehaltten 1118,3. || — sich 
gehaben.: wie gehabet sich : wi lebt 763,4. || wie sich gehaben 
beide : wi get es in beiden 1201,2. || wie sich gehabte Etzel : wy 
mag der kunig Etzel 1453,2. 1457,2 (vgl. 765,2). || sich gehabten 
künige in deheinem lande baz : si leben all in freuden, in keinem 
kunigreiche stund es nie bas 1458, 1. 2. 

behagen = 626,2r. 1712,4r. gefallen 83,3. gar gerne horen 1419, 4. 
><1234,4. || wie in diu rede behagete : waz si nun deucht daz peste 
1473,4. || die im dä zuo behageten, die het im Rüedeg£er erkorn : 
di er da mit im furt, waren alle auserkorn 1183, 4. 

hzle: si hetes vaste h. : ir klag volbracht si stille 1386, 3. 

halpswuol (balpfwol C) : helffant 930, 3. 

behalten (=nÄd. behalten) = 553, 2. 1283, 4. 2433, 2. || dine triuwe b.: 
dein trewe haltten 890, 2. || hät (si) behalten iht der zühte : pfligt si 
noch solcher zuchte 765,3. || dö si den hort behielten in Guntheres 
lant : brachten 1126,1. || (= beherbergen) = 1331,3. || (= retten) 
ich behielt iu lip und &re : ich frist euch leib und leben 992,3. 
bleibt 990,3 (meinen leip). || (= aufbewahren) = 249,1. 1775,3. 
bewaren (roß harnasch und di leute) 1689,1. empfahen (ir r0ß) 
404,4. auffahen (ir roß) 1642,1. ><513,1. 1449,4. || dö hiez an 
in behalten (ir gewant) : da trug man von den gesten ... 125,1. || 
— enthalten (= beherbergen) = 1671,3. || nu enthaldet iuch : 
verezicht ein weil 1618, 1. 

hande : ie drier h. kleider :. vil reiche kleider 359,3. |] maneger h. 
spil : manch herlich spil 523,1. || maneger h. spise : vil edler speis 
912,2. || der lühte (di luhten €’) maneger h. : di lauchten wunnig- 
leichen 435, 3. || vil maneger h. tiere : vil manig wildes tire 938, 3 la. || 
aller h. dinge was er im gereht : waz im gebot Seyfride, des ward 
er im gerecht 98,2. || aller h. vröuden : freud und wunne 683,4 (?) 
(der schreiber sucht also den ausdruck durch verstärkung des ge- 
dankens oder begriffs zu ersetzen). 

handeln: die helede güetliche b. : nach wunsche der herren pflegen 1698, 4., 

harm (= hermelin) = 569, 3. 

härmine vedere : ir watt gemacht von cezobel 364,2. || declachen h.: 
deck gefutert schone mit harme weiß und blanck 1858, 1. 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG k. 367 


harte, vil harte bei adjectiven und adverbien wird meist ausgelassen. 
gar 72,4. 84,4 (aus v. 3 der vorl.). 115,1. 439,4. 501,2. 636,4. 672,3. 
728,4. 766,2. 861,4. 1557,4. 2301,2. 2354,4. so 1100,2. also 803,2. 
1636, 3 la, 2291,4. allenthalben (vol) 1058,3. in (ganczen) trewen 
(leit) 50,3. 113,3. 852,1. groß (leit subsi.) 1429,4. herczentleit) 
1141,3. durch groß 493,4. 538, 4 la. || harte zornic gemuot : grymn- 
mig und ungemut 821,4. || harte selten : nymmermere 632,2. || h. 
wönic : kein 1338,3. gar wenig 2107,4. || vil h. kleinen gemach : 
vil grosses ungemach 661, 2. || h. vil : ein teil 1427,4. || bei verben : 
ser(e) 449, 2. 688,4. 974,3. 1037,4. 2327,1. von herczen (freut sich) 
270,4. ><1012,4. 2329,3. || vil h. sorgen began : sorgen vil gewan 
440,4 (496,3 nicht aus der vorl.). 

heimgesinde : di sin din h. : die sollen dir mit dinste alczeit sein 
undertan 695, 2. 

heimliche s/f. : minne 679,1. || getriuwer h. : heimlikeit und libe 
837,4. || in h. : ><129,4. 1264, 2. 

heimliche adv. = 1373, 4 (erot.). 721,3. 1539, 2. in einr stille 868, 2. || 
— heimlicher dinge : minne 661, 1. 

heimüete << 1391, 4. 

geheiz —< 2181, 1. > 

hellen : klingen 2022,83. 2053,3. || — erhellen = 982,2 r (802,3 r. 
1024,4 r. : vorl. erschal). erdiesen 200,1. >< 2086, 3. 

heln = 681,4 (hs. hal). verhelen 998,2. verbergen 660,3. || hil du 
mine liste : von meinen listen solt ir nimant sagn 454,1. || .— ver- 
heln : daz man ez verhale : daz nyınant innen wurde 997,4. || — 
verholn = 843,2r. verschwigen 1186,2. verborgen 2432, 4. 

hör ist üblich. des wären si vil h. : des frewten si sich ser 1559, 3. 
ähnl. 645, 2. 1564, 1. 

hergesellen : helde 123,2. 368,1. 376, 3. 1190, 3. diner 736, 3. gesinde 
942,1. 1455,3. geselle 539,2. 1787,4. 1800,4. 1875,2. streitgeselle 
2344, 3. >< 201,4. 740,3. 1879, 4. 2322,4. 

hergesidele s. gesidele. 

hergesinde : mit dem h. : mit den seinen 1196, 2. 

hermüede ><249,4. 312,4 (di geste?). 

herverte : reis und fart 2314,2. grosse reise 906,1. reise 169,4 (doch 
vgl. herefart 442,2. 1181,2. s. vart im verzeichnis). 

herverten : herezihen 141,3. durchezihen 754,3. ein krieg furen 870, 2, 

behern des libes : daz leben nemen 2434, 2. 

herte stf. : sturm 899,3. 

herten : schultern 897,3. 

herzevient wesen : has tragen 2417, 3. 

hirät : daz der h. ergie : daz ich si haben sol 2224,2 (doch vgl. den 
heyrat 2212, 4). 

höch(ge)zite = 262,3 r. 264,3 r. 267,3 r u.ö., auch im versinnern : 
599.2 u. ö. hoff und hochczeit 533, 3.4. hoff 28,1. 30,1. 40,1. 42,1. 
258,3. 265,4. 707,2. 730,2. 773,3 (= feier der vermählung) = 533, 4. 
559,1. 560, 2. 683,3. 687,2. 706,3. 1380,1. 1382,1. 1384, 1. 


368 LUNZER 


sich erholn = 1641, 2. >< 206, 3. 

honen : scheltten 846, 3. 

hort = 507,2r. 1126,1. 1147,2. 1770, 2. 1771,2. schatz 88,3. 89,1. 96,4. 
716,3.4. 768,2. 1114,3. 1116,2. 1120,4. 1122,2. 1125,2. 1128,1. 1131,2. 
1139,2. 1140, 1. 2428,3. 2432, 3 la. 

hovemzre sagen : mere gen hof sagen 2003, 4. 

hovereise : reise 1534,4. 1539, 4. 1621, 4. >< 345,4. 783,4. 1087,4. 1816, 4. 

hovevart : herefart 412,2. reis und fart 1966, 2. 

hövesch, hübsch >< 1356, 2. || — höfscheit 128, 1. 

hübschen swv. : zu einem hofe reyten 349, 3. >< 907, 4. 

hulft : tuch 1732, 1. 

gehünde : di hunde 926, 1. 953, 8. 955, 8. 

helmehuot : helme gut 2097,3 r. 

hurt ><37,4. 198, 2. 

hurteclichen ><580,1. 1369,1. 1923, 1. 

hüsfrouwe : landes frawe 814,1. kunigynne 833,2. Brunhilde 841,2. 
margrafynne 1339, 2. 

tarnhüt : tarenkappen 337,1. 1119, 4. 

hütte = 1660, 4. 1690, 2. geczelt 1330.3. >< 588, 2. 591,1. 1318,2. 1371,2. 
1374,83. 1537,1. 


ieslich : iglicher 337,2. 652,4. 670,2. 1158,2. 1349,3. 1389,2. 1675,4. 
ider 1182,2. 1398,2. 2332,2. man (pron. indef.) 1166,2. >< 621,4. 
926, 2. 1122,4. 1401, 3. || alieslich : all 301,2. || — der möhte meister 
sin über ietslichen man : so mocht im nit geleichen kein man 1124,3. 

inlende : reiche wate (!) 1190, 1. 

verirren (guoter dene) = 2324, 2. 


iteniuwe : newe 321,1. > 1382,4. 1983,2. || iteniuwez weinen tuon : 
inigleichen weinen 1134,4. || mit i. leide : mit zwyfeltigem leide 
1143,1. || — eriteniuwen : vernewen 1233, 4. 


itewize sin. : spot und schande 1259, 3. >< 1799, 1. 

itewizen : x 991,2. 

bejagen = 80,2r. 454,2 r. || dö ilten si der friwende deste ınö b. : si 
santten nach irn helden 165, 2. 

gejägede = 1028,3. jagen 929,4. 934,4. >< 933, 3. 

mich jämert : mich rewet 615,3. mich verlanget 1412, 1. 

ze jungest : am lesten 232,2. ><1225,3. 2433,3. || ze j. lönen kan: 
ein ende nimpt 18,3. || unz an daz jungeste >< 1771, 4. || jungester 
tac : lester tag 2266, 2. || unz an ir jungeste tage : bis an ir lestes 
ende 1143, 4. 

kanzwägene : starcker wegen 1122,2. wegen 91,2. 

kapelsoum << 1602, 1. 

an kapfen : an sehen 1791,2. gern sehen 73,3. 

kebese : kebsfrawe 834,4. || ze k. jehen : arger dinge czeihen 841,3. 

kebesen: mich habe gekebeset Sivrit : es sey gelegen bei mir S. 848, 3. || 
— verkebesen : wen hästu hie verkebeset : wen czeihest du der 
(fehlı) 835,1. 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG Kk. 369 


kiesen = 2275,3r. erkennen 822,3. horen 823,4. sehen 201,2. 2174,1. 
schawen 2381,4. brüffen 1882,3. ><119,3. 586,2. 1245,3. 1550, 2. 
2060, 2. 2119,2. || man kös höhe stouben : sich hub ein groß ge- 

- drenge 1893, 4. || man kös scheiden : (si) schiden 1306,2. || man 
kös wagen (edele steine) : (si) schin [= schinen] 402,2. || dö kös 
man weinende vil manige frouwen stän : da weint manch schone 
frawe, groß jamer hub sich an 1546, 2. || man moht ir starke tugende 
kiesen : ir trew si erczeiget 1103, 2. || K. den töt : sterben tot 167,4. || 
— erkiesen ><2329, 3. durch auserkorn umgangen 1183,4. || vient- 


lich erk. : auff in reiten (aus grimiglichem zorn) 180, 1. || — üz er- 
korn = 5,2r. 72,2r. 8711,3r u.o. || — verkiesen = 1147,1r. 
>< 650,2. ir zorn : lis von irem czorne 678,4. || den haz : den 


has vergeben 1114, 1. || der minen nöt : mein not verklagen 2397, 4. || 
du muost in von im verk., daz er dir immer bi wone deheiner 


dienste : (er) wont dir nit dinstes bey 820,1. || — verkiesen üf 
—= 1476,2r. üÜf sö maneges recken lip : verkisen so manges 
heldes leip 819,2. || si verkös üf si alle : si gab ir huld in allen 
1115, 3. 


kin.ne : über berte und über k. : uber di wangen 2311, 4. 

kint (= junger ritter) = 1785, 2 r. (aber in nhd. bed.). >< 130,1. 1972,3. |] 
diu ellenden k. : di reynisch rytterschafft 1975,1. (Giselher daz) k. 
= 263,1 r. 690,3 r. 1046,3 r. 1096, 1 r. 1280,2r. der jung, fraw Uten 
kint 2173,1r. der junge 2058,1. her 1125,38. 2279,3. kunig 1859, 1. 
degn 2092, 1. 2142,1. 2243,3. (= page) : gesinde 648,3. >< 657,1. 

kiste : truhen und schreine 1279,4. >< 561,2. || üz den k. : aus iren 
kemenaten (!) 563, 1. 

knappe: ritter 639,3. (Werbel und Swemmel:) fidler 1423,1. di seinen 
1973,1. >< 1452, 4. 1472, 4. 

kochzre = 951,2. 971,4. 973,2. >< 947,4. 

kunemäge s. mäge. 

koste : mild und tugent 684, 2. bränek und speise 1318, 4 la. >< 1289, 4. 

kostenliche : kosperlichen 1846,2 (kosten swv. 434,2 nicht aus der 


vorl.). 

kovertiure : ringe (!) 1916, 2. 

kradeın : schal 596,2. 2116,2. || ungefüeger kr. : jemerlicher schadu 
1978, 2r. 

kranc = 672,1r. 1548,1r. || kr. was gar sin maht : er verloß krafft 


und macht 1070, 2. 

erkrimmen : tot peissen 13,3 (toten 15,4). 

kulter : deck 1857, 1. 

künde sif. = 1216,2. >x< 87,4. 479,2. 642,2. || gewan k. : ward bekant 
576,2. || kunde hän : kennen 1216, 2. 

künde ad). : wol bekant 81,2. >< 389,2. 2299, 4. || k. tuon den gewalt : 
den gewalt befelen 1073, 2. || — unkünde : nit kunt 1328, 4. 

kündec = 1188,4. bekennet 330,4. || — unkündec (so CDb) : er ist 
im u. : (er) weiß nit dar umbe 472,4. 

küntlich << 1567, 4. 


370 LUNZER 


künne: geschlechte 363, 3. >< 572,2. 1127,4. || näch dem k. : nach seinen 
freunden 1956, 1. | 

erkunnen << 1124,2. || nu hete si wol erk. : si sach und weste 1406, 1. 

kurzwile ist üblich. (erot.:) minne 524,2 (wol aus v.1 der vorl.). 

declachen : deck 1857,11. 

entladen : dö si daz schif entluoden : da daz schif ward lere 1608,1 
(laden sw. = 922,1). 

laner&che ><1477,4 (rech?). 

gel@ze ><414,3. 

wüeste gelegen : verheren 880, 3. 

leger sin. ><928, 3. 

leiche pl. : seyten (!) 2046, 1. 2053, 3. 

[leidee : leydig heisst in k “leid erduldend’ 1544, 2. 2229, 3 und ‘leidig’ 

2220, 2]. 

leiden : widerraten 51,4. || ez leidete Liudegaste : des frewet (!) sich 
der kunig 164,4 (nicht misverstanden, sondern aus anderem grunde 
geändert, s.u.). || er leidet sich den Etzelen man : er weret sich 
1987, 1. 

leisten : geweren 554,2. 1420,1. tun 283,2. 1945,4. 2180,3. folgen 
1696, 1. volenden 2081,2. haltten 2218,3. 2256,2. >< 92,3. 656,2. 
730,1. 1432,1. 1504,2. || triuwe Il. : darzu helffen 1222, 4. 

leiten : furen 168,2. 1738,4. geleite geben 1738, 2. >< 574,1. 1629, 2. || 
dar leite si : di strassen weist in 1549,3. || biez sil.: gab in geleitte 


1514,1. || — verleiten : verraten 1822, 4. 
bi ligen = 616,1. 618,3. bei ir schlaffen 292, 3. | — verligen = 
1003, 4 r. 


liebe si/f. = 18,3. 2440,4 (beide mal in nhd. bed.). freud 806,4. >< 52,3. 
1245,2 (aber hier nach v.1 = nhd. liebe verstanden). || als im diu 
l. riet : als im sein libste riet (! % meint Rüdigers tochter) 1740, 2. || 
durch |]. : liplich (und) freuntlich 655, 4. >< 740,4. || mit l. (gescheiden 
üz der grözen nöt) : mit gesundem leibe 237,2. || (grüezen) : schon 
(empfahen) 1333, 4. ><1302,4. || vor l. : vor freud 556, 2. >< 219, 2. 
1518,2. 2101,4. || ze l. : der rät was ... ze |. getän : des ratz frewt 
sich 270,4. || ze l. komen : frumen 1828,3. |] ze liebe geben : zu 
lone 728,4. || ze l. si dö heten alle sküneges man : si het gar lip 
den kunig und alle seine man 1413,1. ><1426,3. || durch .... liebe 
c. gen. = 1114,3. 1734,3. durch ir kinde l. : durch irer tochter 
willen 260,1. ebenso 40,3. 319,1. 517,1. 527,4. 1072,4. 1448, 4. 1525, 2. 
1565, 3. 1702,1. 1795,2. >< 387,1. 1315,4. 1401,4. 1809,1. 1876, 1. 1921,1. 
1933, 3. 2310,3. || durch wes 1. : durch wen 409,4. ebenso 420,2. 
1460, 3. |] durch des recken |. : durch Seyfrids er 713,2. || durch 
des küneges l. : dem kunig zu eren 261,3 [liebe im nhd. sinne ist 
in k unabhängig von der vorlage oder als übersetzung von minne, 
das aber sehr oft bleibt, ganz üblich]. || — herzenliebe : lust und 

-freud 1229,4. >< 132,4. 

liebe adv. : ez ist mir 1. geschehen u. dgl. : vil libes ist mir von euch 

‚geschehn [also =nhd.liebe] 784,4. im mag nit bas geschehn 1465, 4. 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 371 


D 


>< 135,4 (aber nach der überselzung wie nhd. ‘liebe’ aufgefasst). 
1672,4. || beide I. und leide im dar an geschach = 1754, 2. || dö wart 
im ], genuoc : freut sich ser 2411,4. || im was l. getän u. dgl. : frewet 
sich von herczen 453,4. (ob si den bühurt liezen) : daz wolt er von 
in han 1909,4. || durch trewe subst. 2318,4. || im wart nie sö l. 
getän : keim held ward solche liebe nie getan 293,4 [also wie nhd.: 
es ist vom küssen die rede]. || >< 541,2. 907,4. 1506, 4. (1512,3 zu 
libe?). || si hänt mir |. getän : di han daz pest getan 245,4. || daz 
was im ]. bekant : des freut sich der weigant 1661,4. || — Compa- 
raliv in negat. sälzen: mir enkunde nimmer lieber geschehen = 724, 4. 
mir ward nie mere 80 wol 1327,4. so libe geste hab ich nie gesehn 
1841, 2. 


lieben swv. < 39,4. || daz liebet an ze sehene : von in het wunn und 
freude 585, 2. || (ez liebt mir unabhängig von der vorl. 352,3. 623, 1. 
650,4. || (lieben in nhd. bed. ist durchaus in gebrauch.) 


lintdrache : trache 99, 2. 894, 2. 


loben (= nhd. loben) = 586, 4. 2417,1. lobes gunnen 815,2. || got. .: 
dancken got 1613, 4. || (= nhd. geloben, verabreden) : «) Die vorlage 
hat formen mit ge- : geloben = 653, 4. 2229,4. 2258, 4 (auch unab- 
hängig von der vorl., z.b. 1274, 4). geheissen 663,1. schweren 2218, 3. 
>< 1716, 4. 1727,4. 2081, 2. 2257,93. || — P) Die vorlage hat formen 
ohne ge- : loben = 387,1 (aber wol = nhd. loben). durch lob und 
er 1182,4 (also wider so). geloben 859,2. 870,3. 1822,2. 1940, 2. 
>< 90,4. 386,1. 1472,4. 1521,2. || dö lobte si ir mägen, si wolde dä 
bestän : si sprach ich wil euch folgen und wil hie bestan 1081, 1. || 
daz lobeten die vrouwen : si sprach daz tun ich gerne 1684, 1. || 
lobeten ein pirsen in den walt : zugen hin gen walde 911, 2. || lobte 
mit in riten : mit in kumpt her 1522, 2. || daz lobe ich an dine hant : 
des set euch hin mein trewe 333,1. || in Kriemhilden hant : geloben 


373,4. (Ahnl. 1940,2). || er lobt iuch eine bestän : er wolt alein 
fechten 2080,2. || 1. ze man : haben 607,2. || 1. ze wibe : nemen 
609,2. || 1. ze minnen : nemen (zu weibe) 1710,4. || den si lobt ze 


vriunde : wem si wurt zu teile 1160, 4. || lobt ez : nempt den kunig 
1273,2. ähnl. verstanden und übersetzt 1225,4. || dö siin gelobete 
und ouch er die meit : so ward si im gegeben, di wunderschone 
meit 609,3. || (si) lobte, si würde Etzelen wip : ergab kunig Etzel 
den iren stolezen leip 1273,4. || — verloben = 2426,3. 


lön — 1577,1. 2006, 3. solt 332,4. > 1585, 2. 


lönen : lonen und dancken 1161,3. begaben 252,3. 577,2 (hier ganz 
unpassend). dinen 2317,3. dancken 2318, 4. vergeltten 2158, 4. 
2272,3. || nu lön ich iu der gäbe : got danck euch ewrer gabe 
2252,3. || wie liebe mit leide ze jungest l. kan : ein ende nympt 
18,3. || got löne iu (im, in) = 153,1. got danck euch (im, in) 299,1. 
43,1. 784,1. 905,1. 1207,1. 1328,1. 1666,1. 1807,1. 1863,1. 2101, 1. 
2166, 1. 2217,1. 2235, 3. 2251,3. || got löne minen friunden : danck 
haben meine helde 245, 4. 


372 LUNZER 


loesen diu pfant : lassen (!) pfant 1487,2. |] lcese minen eit : las war 
den meinen eit 605, 4. 

sich gelouben : geloubet iuch des strites : nun wert euch ritterlichen (!) 
212,1. || der mare der er vrägete, der geloubet er sich s& : waz si 
da saget Hagen, des glaubet er ir da (!) 1570, 4. 

louc << 590, 2. 

lougen : auff schissen 456, 2. schissen 2108, 2. 

ludem (= ldärm) >< 936, 1. 

ludem (das tier) = 949,1. 

lüten : klingen 2046, 1. || — erlüten : do erlütte daz gehtinde : di hunde 
sprungen (!) 953,3. || sin stimme erlüte : man hort sein stimm diessen 
2031, 2. 

lütertrane : edel tranck 503, 1. gut getranck 964, 2. 

lützel= 121,3. 862,2. 1083, 3. 1939,1. 2038, 2. seltten 65,2. kein 634,3. 
1079, 4. 1906, 4. nie 379,4. 599,1. nit 454,3. 630,2. 2438, 4. wenig 126,4. 
656,1. 1096, 4. << 41,1. 1715, 4. || lützel leides : zucht und ere 1461, 4. |] 
l. vreliche : si weynet inigleichen 1261,4. || ich häns |. &re : es ist 
mir ymmer schande 2408,4. || ein l. : ein wenig 679,1. || ein. 
sanfter gemuot : gar wol gemut 124,4. 

mäc — 167,1. 225,1. 302,2. 519,1. 893,1. 918,3. 985,4. 991,3. 1079,3. 
1158,4. 1843,83. 1932,4. 2061,2. 2155,3 (1659, 1 nicht aus der vor!.). 
freund und mage 1213,3. mag und peste freunde 2440,1. freunde 
‘19,3. 123,3. 474,2 (?). 539,1. 715,4. 742,3. 986,1. 1023,3. 1083, 3. 
1086,2. 1118,2. 1418,2. 1524,4. 1616,1. 1876,4. 1925,2. 1938, 3. 
1939, 2. 1942, 2. 2058, 4. 2072, 2. 2135,3. bruder 697, 3. 1112,1. 1121,2. 
2140,3. mümelein 893,1. di meinen 465, 3. 2035, 2. 2243,4. die ewren 
2076,2. di seinen 48,1. 2082,1. 2111,4. herren (in der anrede) 
604,4. ritter (ebenfalls) 1888,1. si 1420,3. >< 29,2. 159,4. 225,4. 
231,4 (verlesen? wangem). 274.3. 445,2. 465,3. 588,3. 684,3. 714,2. 
715,2. 731,2. 914,3. 1081,1. 1084,2. 1090, 3. 1091, 4. 1096, 4. 1137, 1. 
1247,4. 126,1. 1358,4. 1426,4. 1458,3. 1550,3. 1671,3. 1679,4. 
1548,2. 1920,1. 1967,2. 2033,1. 2112,4. 2143,4. 2185,4. 2343, 3. 
2387,4. || des wirtes mäge : sein helde 286,1 (Ahnl!. 560,4. 708,3. 
1195,1). held 1124,4. || (Guntheres) m. : des kuniges recken 255, 3. 
recken 2054, 1. alle Purgunder 2231,4. || (Rüedeg&res) m. : gesinde 
1926,2. || (Etzelen) m. : ritter 2013,4. || mine m. : mein her und 
ander 2357,1. || des küneges m. : lant und leute 710,4. di kunig 
Etzels reiche 1400, 2. || höher m. : hochgeporen 1708, 2. || — kone- 
mäge gute freunde 758,3. peste freunde 1955, 2. >< 691,3 la. 744, 2. 
1426, 2. 

magetlich(en) : junckfrewlich 608,3. (von einem manne) zuchtiglich 
414,2 (meit ist üblich. wagetuom = 835, 4). 

magezoge — 2006, 1. >< 2006, 4. || Gunther in magezogen liez : in lob- 
lich zihen lies 713, 4. 

mähelen : nemen (einen man) 1971,1. 

gemahele — 1396, 3. 

mäl >< 2052, 4. 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG KE. 373 


marc = 37,1r. 396,1. 886,1 r. (1901, 1 r. nicht aus der vorl.). roß 35,1. 
173,1. 206,2. 565,3. 1750,1. 1916, 3. 

m&re adj. : wunderkune 624, 1. werde 2333, 2. >< 385, 2. 702,4 la. 
2101,1. || — unmzre — 999,2. 1098,2. 1799,4. 1820,3 (1522, 4 
nicht aus der vorl.).. unwerde 1071,83. 

maz (DKäz) ><1845, 2. 

mäzen adv. : ir muget im m. danken : so ser nit 2102, 1. 

sich mäzen = 1852, 4. 

mein : rät mit meine : der falsche rate 966, 4. 

meineide adj. = 601,4. 

meinliche : nach eines rate (!) 1224, 2. 

meinräte tuon : lesterliche tun 901,3. 

meinen (mit persönl. subject) = 1803, 4. 2223, 1 (zusammenhang falsch 
verstanden). || waz meinet iwer reise : waz habt ir hie zu werben 
418,4. || waz iuwer reise meine : was deutet dise reyse 1964, 4. 

gemeine —= 1138,3 (das folcke gemeine 2216, 4 nicht aus der vorl.). 
>x< 90,2. || alle g. : all sant 918,3. || sig. : si all 1142,1. || (si) 
al gemeine : si alle 1089, 1. 1214,1. || mit gemeinem räte : ir aller 
rate 214,1. 

gemeinliche : irg. : ir und all di ewren 2041, 4 la. 

meisterschaft = 665,4r. || behabe er die m. : gwint er mir an den 
sige 422, 3. 

gemeit — 149,2r. i17,2r. 894,3 r. 2060,1 r. 2359,4 r. unverczeit 78, 2. 
116,4. 145,4. 303,2. 370,1. 417,4. 484,1. 526,1 (irrtümlich aus v. 2 
der vorl.). 703,2. 714,4. 856,4. 910,1. 996,4. 101,3. 1034, 2. 1159, 4. 

1174,2. 1356,2. 1377,2. 1552,4. 1703,4. 1749,4. 1780,83. 1813, 4. 

1910, 2. 1935,4. 2024,4. 2034,4. 2054,4. 2072,3. 2112,4. 2137, 4. 
2202,4. >< 398,1. 529,3. 605,3. 987,4. 1094,4. 1220,2. 1899, 4. 
2158, 1. || ritter vilg. : kunig lobeleich 128,2. || fürste vil g.: 


kunig hochgeporn 1960, 2. || was g. : frewet sich 287,1. || — un- 
gemeit durch leit ausgedrückt 1586, 2. 
melden = 896,1. 16897,3. | — vermelden : daz ich niht vermeldet 


hete sinen lip : ich het im nicht gemeldet daz zeichen 1110,1. || — 
unvermeldet : si beliben u. des bluotes : an in man nicht erkantte 
daz blut 1655, 1. 

merewip : wasserweip 1601,3. 1607, 3. >< 1561, 1. 1565, 1. 

messe (gewicht) > 440,1. 

sich vermezzen : sich underwinden 115,2. ><1821,4. 

michel ist noch üblich, wird aber gelegentlich widergegeben durch groß 
246,3. 322,3. 544,4. 707,2. 871,2. 984,3. 1055,4. 1056,3. 122,3. 
1345, 4. 1657,3. 2145, 2. 2182, 1. 

miete: lon 92,1. 238,2. gabe 239,1. 1636, 1. >< 1576, 3. 1946, 1. 2070, 4. || 
gap im ze m. : zu libe 552,4 (doch vgl. 1580, 2 mit, nich! aus der 
vorl.). || — botenmiete : schatz 552,1. 550,3 (das in k übliche 
wort ist botenbrot). || — brütmiete : morgengabe 1971,3. 

minne — 320,3. 322,4. 325,3. 421,2. 437,4. 441,4. 524,2. 619,1. 623,1. 
627,4. 629,3. 632,1. 654,2. 661,1. 679,1. 1167,2 (aus v.4 der vorl.). 


374 LUNZER 


(1329, 3 nicht aus der vorl.). lieb und mynne 621,4. 622,2. 645, 1. 817,1. 
1242,4. mynn und libe 664,1. liebe 17,3. 47,1. 48,2. 290,4. 635, 1. 
>< 16,4. 20, 1. 133,3. 134,4. 326,3. 415,3. 676,1. 1417,4. || höhe m. : 
mynne 538,4. liebe 47,1. || het üf höhe m. stne sinne gewant : senet 
sich nach werder frawen hulde 128,4. || triuwe unde m. : trew und 
ere 2231,1. || friwentliche von herzen lieber m. : liplich in lieb 290, 1. || 
ze m. gern : zu weibe begeren 323, 2. || der ir dä gert mit m. : der 


ir wolt eine haben 350,3. || des gan ich im ze m. die maget : des 
gab ich im mein schwester 617,2. || triuwe unde m. enbieten : vil 
stete trew und libe bieten 1442,2. || ze m. haben : haben 350, 3. 
breyssen 23,4 (nicht ohne sinn!). || die habe dir ze m. : daz hab 
dir zu libe 1665, 3. |} ze m. geben : miltiglich geben 1444, 1. m. trinken 
>< 2004, 3. 


minneclich(e) bleibt oft. miniglich ist ein ganz geläufiges wort. 
liplich 557,1. 627,3. durch libe ausgedrücki! 622, 4. tugentlichen 
678,3. 749,4. 752,2. 1344,1. 1454,83, tugentlich und schone 1178, 2. 
trewlich 2151,3. in trewen 2142,4. lobelich 1333, 2. 1523,4. im pesten 
2231, 2. wirdiglichen 2247, 2. gerne 289, 2, in einer stille 1230, 3. 
wol 1175,3. ser (dancken) 1862,4. gerne 289,2. mit jamer (schei- 
den) 1306,2. || m. erbieten : ere und trewe 2234, 1. stetten gruß 
1462, 3. Ä 

minnen swv. 2068, 3. treuten 281, 2. 643,1. 649,2. 1483,4. nemen (einen 
man) 20,3. 1246,1. 1261,3. 1263,1. 1271,4. 1410,83. han zu weibe 
420,3. werben 1156, 4. || dich minnete : lag bey dir 835,3. Ahnlich 
836,2. beschlaffen 852,4. || die ich von herzen minne : di mir be- 
zwingt mein herze 133,3. || sol si in danne m. : jr gebt im nit 
Krenhilden 1216,4. || m. deheines mannes lip : eim manne ergeben 
den leip 1231,2. || den sol si nu m. : (der mag si des wol ergetzen 
1756,4. || done wolde si den herren niht m. : auch wolt si nit des 
herren 524,1. >< 20,1. 650,4. 1428, 4. 

missebieten ><1514,2. 1534,2 (böt beide mal im reim beibehalten). || 
— missedienen 917,2. || — missegän 18,4 (2419,1r nicht 
aus der vorl.).. | — missehagen ><1411,2. do begonden disiu 
mare den recken m. : daz bracht Sigmund an seinem herczen pein 
1086, 4. || — missesagen >< 1486, 4. || — missetuon : daz ware 
missetän : daz stund euch ubel an 1263,2. daz wer ein laster groß 
2212,3. || der helt hät missetän : sein untrew ich verstan 2282, 4. || 
— missevar = 1621,2r. von blute rosenfar 2269,4. mit blut 
berunnen 1010,4. || — missewende = mordigliche tat 977, 4. 

molte : staub 1350, 2. >< 193,3. 

mare — (moren) 566,1. 1281,3. roß 74,4. 579,2. 688,1. 705,4. 759,3. 
762,4. 773,4. 1295,1. 1363, 3. 1653,4. 1712,3. 1918,2. seymer 310, 2. 
>< 564, 3. 805, 3. 

möraz unde win : klaren wein 1840,3 (doch 1198, 3 morasmete, nicht 
aus der vorl.). 

mortlich = 1954,4. ><867,1. || mortlicher sit : mort 990,2. || — 
mortliche = 2433,4. || m. tuon : ein mort tun 1878, 4. 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG k. 375 


mortmeile : morder 1043, 2. 

mortrzche »—<2149,3. || durch m. willen : durch des streittes willen 
2259, 3. 

vermüeden : sint vermüedet : sein gar muede worden 1665, 1. 

müelich(e) : nie 599,1. nit 2139,4. >< 746,4. || daz kunde m. ergän : 
wi mochte daz gesein? 1075,4. || des es iu m. stät : wer weiß, wy 
es noch gat 1572, 2. || m. gesit : freisamglich gesit 1580, 1. 

müezec : si wären m. : da het der streit ein ende 2280, 4. 

münster = 638,1. 806,1. 828,3. 830,1. 833,1. 838,2. 840,1. 1058, 2. 
1100,1. 1151,3. 1890,1. 1892,2. kirchen 33,1. 296,1. 298,1. 825,3. 
1038,2. 1883,3. ><866,2. 1004,1. 1006,1. 1039,1. 1047,2. 1051,1. 


1060, 3. 

nagelen : von genagelten richen pfellen : von pfeller und von golde 
1307, 2. 

genzdec = 1164,4. 2243,2. || — genäde ist durchaus üblich. || — ge- 


näden swv.— 2153,1. 2244,3; — genzdecliche: genedig 2423, 2. || 
g. tuon : gnad tun 1704,2. liebe tun 1957,4. gnad beweisen 246, 4. 

nah tselde = 1318, 3 (ergänzt durch uber nacht). 1859, 1. herberg 1667, 3. 
gut gemach 1298, 3. || man hiez in n. legen : des nachtz hies man 
ir schone pflegn 697,4. 

sich in gewant nzjen : g. anlegen 1885, 1. || in fürgespenge genzt : da- 
rein gecziret 571,3. 

nern = 1068,4 (= nähren) 2171,3. heilen 251,3. zu hilff kumen 2019, 4. 
weren 2097,2. || — ernern = 2394,4r (aber nach unseren hss. 
nicht in der vorl.). helffen 1999, 4. 

neve: freunt 1659, 2. Wolffhart 2353, 3 la. 2354, 4. > 11,2. 

niezen : han 1139,4. 1140,83. || — geniezen = 888,3. 960,4 r. 1997, 3. 
2043, 2. 2140,2. 2224,1. 2227,1. 2234, 2. 2292, 4. >< 856,1. 1778, 4. || 
des moht er niht g. : daz mocht im nit gehelffen 1602,3. || niht g. : 
engeltten 2344, 1. || (ein hunt,) der sö genozzen hät : der schnelle 
sey und klug (!) 927, 2. 

niuliche : in einer kurze 1793, 2. 

vernoijieren X 1271,3. 

ez ist mir nöt c. gen. = 328,4. 1031,1. 1078, 4. 1576,4. 1585,1. 1668, 3. || 
in was der reise n. : in was gen hofe not 1301, 1 (doch vgl. 
1585,1). |] des ist uns recken n. : des zwinget uns di not 307,3. || 
ez enist niht n. ><67,4. 598,4. || ouch ist es keiner slahte n. : es 
tut kein not 1510,4. || — ez wirt mir nöt —= 2200,4. || — ez gat 
mir (mich) nöt : des gät in michel n. : des zwinget si groß n. 
2292, 3. ganz ähnlich 1027, A. 1827, 4. 1908, 2. 2111, 4. 2370, 2. 
>< 69,4. 167,3. 490,1. 1018,4. 1621,4. 1635,39. 1730,4. 1812,1 
(nöt bleibt im r.). 2373,4. || des gie in sorge nöt : si waren in 
grosser not 2137, 1. 

nöthaft >< 2227, 3. 

genöte : mit grymme 1981,1. kleglichen 372,4. gar sere 2206,1. gar 
balde 1581,1. recht als der dunder 2119,3. an allen enden 2168, 1. 
>< 1605, 1. Z—— i | Ä 


376 LUNZER 


genwte : si was des vil g. : si eilt gar balde 1797, 3. 

opfergolt : eigen golt 1291,2 (opfer = 1051, 3). 

ors : roß 718,1. 1640, 3. 

ort (des schwertes) >< 2,1. 2342, 3. 

ougenweide ><607,3. || si was ze o. (in) geborn : si gab in wunn und 
freude 296,4. || süeziu o. : schoner frawen mynne 1329, 3. 

ouwen : schwimmen 1596, 4. 

enouwe : von dannen 1589, 2. 

palas ist üblich (palast). 

permint >< 282,2. 

pfaffe — 1605, 1 (1568,3 nicht aus der vorl.). prister 1039, 2. 1054, 2. 
1061, 4. 

pfäwenkleit (doch vgl. die la.) : reiche kleit 1307, 1. 

pfenden (an fröuden) : letzen 1747, 2. 

pfertkleit : iuwer pf. : ewer gewant (!) 1277, 1. 

pfil ><1354,4 (das wort für k wäre stral). 

pirsen : jagen 938,1. 963,2. > 911,2. || — pirsgewant : gewant ge- 
rustet auff daz gejegde 913,2. >< 971,3. || -- pirsgewzte : jag- 
gewande 947, 1. 

prüeven (wät, gewant, kleit) : ziren 344, 3. 356, 2. >< 64, 3. 260, 4. 

puneiz >< 789, 4. 1368, 3. 

püsüne : trumete 802, 1. 

ragen : stecken 979,2. >< 2110, 3. 

rät (= böser rat, anschlag) : falscher rat 917,1. neide 1502,2. durch 
untrew vil began 877,4. >< 1114,3. 1795, 4. || r. mit meine : falscher 
rate 966, 4. || swinde rate : ein strengen rate 1949,4. || — ez enist 
niht rät >< 32,2. 658,4. daz sin niht ware r. : daz ir nit wurde rat 
1607,2r. || des [der verte] ist deheiner slahte r. : di raiß mag ny- 
mant wenden, und wi es mir ergat 52,4. ähnlich wi es dar nach 
ergat 1720,4. || ez möhte sin noch werden r. = 1271,4r. 1747,1r. 


Rn 00000 


(473,4 r. 1607,2r. nach dem zeugnisse der hss. nicht aus der vor!.). || .. 


— rät hän eines dinges = 516,3 r. (dazu wie es gat v. 4). 1570, 1 r. 
><65,4. 1597,2. || wand ich diser verte hän deheiner slahte r. : di 
reis woll wir vollenden, halt wi es uns ergat 356,4 (vgl. 52,4. 419, 4. 
516,4. 808,4. 1720,4). || daz wirs [des goldes] üf der sträze haben 
guoten r. : daz wir mit eren zihen und auch mit gutem rat 1289,38 r. || 
ich hän der hunde r. : der hund hab ich genug 927, 1. |] ir sult aller 
sorgen haben r. : darumb solt ir nit trawren und keiner sorgen pflegn 
374,2. || des muget ir der reise haben weerlichen r. : ir mugt wol 
hie beleiben, den rat wil ich auch gebn 326,4. || des wolde ouch 
si dä haben r. : des frewet sich daz weip 636, 2 (nicht übel). 

räten (in böser absicht) >< 1971,4. || ich riet im immer sinen töt ; ich 
schuff im angst und not 1011,4. den leip het er verlorn 1777,4. || 
jane getar ich dinen mägen geräten keinen haz : ja dar ich ewren 
freunden ir keinem tragen has 1942,2. || sit geriet ouch ir vrou 
Kriemhilt als ungefüegiu leit : das ward darnach gerochen mit jamer 
und mit leit 1098,4. || — räten an : daz du dinen mägen rxtest 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 377 


an den lip : daz ir di ewren freunde wolt bringen umb den leip 
1939, 2. || darumbe si aber räten an die geste began : wol auff ir 
aller sterben si tichten gan 2069, 4. || r&test ane mich : schafft un- 
gemach 2068,4. || — räten ff: die üf in geräten heten den un- 
getriuwen töt : di in hetten geben felschlichen in den tot 984, 4 
(vgl. 860,2 da wurden si zu rate auff Seifrides tot). 

rztlich >< 1632, 4. 

wortr&2ze : ungetrewe 840, 3. 

r&: par 1025, 3. 

recke ist in gebrauch. 

bereden (der schanden) : entreden 849, 3. >< 1850, 4. 

reichen = 1287,2. zucken (ein banck) 1974, 1. || — gereichen : an- 
geruren 636, 2. 

reisegesellen : hoffgesinde 1175, 2. 

reisekleider : wat 1450, 1. 

die reisemüeden : geste 484, 4. 

reisliche : in freyem mute 733, 1. 

an dirre waltreise : in disem walde 925,4 (reise ist üblich). 

gereite : schilt (!) 67,3. 1529,1. harnasch und geschmeide (!) 1595, 2. 
edel staine (?) 70,8. || — pfertgereite << (di stolezen pfert si 
ritten) 564, 2. 

bereiten = 1049,1. 1172,2 (bereit adj.). 1503,3. rusten 771,4 (speyse). 
1423, 4 (gewant). 1536, 1 (schiff). sateln (di roß) 688,1. 1081, 2. 1341, 1. 
1543, 1. machen (an dem kleit) 365,3. ziren 761,1 (helm und schilde). 
1165,2 (roß, harnasch und gewant). 1174, 3 (vorl. kleit). herbringen (ge- 
want) 1277,1. >< 1397,2. 1717,4. || si bereiten ir kleider : zirten 
sich 772,1. || was bereitet : rust sich 1739, 1. || — sich bereiten: 
sich rusten 335,4. 559,2. 695,3. 886,2 la. 907,3. 1314,2. 1331, 2. 
2174,3. sich gewarnen 1502,2. ><366,1. || bereitet iuch : seit be- 
reit 526, 2. 

reizen = 2321,2 (721,3 nicht aus der vorl.). reißen und tretzen 1812, 4. || 
— erreizen : gar sere reißen 2103, 2. 

richeit : gut 1286, 2. wirdikeit 1148,2. >< 707,2. || r. und süeze : lobe- 
lichen 948, 2. | 

riechen (= dampfen) = 1591,2. 

rigelstein — 2124,3. 

entrihten (die seiten) : stören 2323, 2. 

rimpfen >< 995, 1. 

ringe adv. : geringe 1796,4 (2077,2 nicht in der vorl.). kleine 155,1. 
1590, 1. 2009, 1. >< 250, 4. 1059, 4. 2266,1. || r. geben : billich geben 
768,1. || — ringer comp. : minder 1998, 4. 

ringen swv. ein teil geringet wart (ir) muot : da ward si wol getrostet 
und frewet sich ir mut 1266, 1. 

zerinnen c.gen. = 1631,1 (der czeit). 1668,2 (der speis). 2137,1 (des 
tags). >< 161, 4. || in doch der naht zeran : in manheit nie zuran 2170, 1 
(vielleicht verlesen: maht). 


risen : reis verhouwen : lag gestrewet 2264, 1. 
Beiträge zur geschiehte der deutschen sprache. XX. 25 


2378 LUNZER 


riuhe : kleide 949, 3. 

rucken (daz schapel) = 582,1. (den tisch) = 966,2. (daz gebende) 
>< 1365, 1. || höher r. den schilt : gund fassen 1981, 3. zuckt 2344, 4. || 
intr. ruhte näch im dan : rant im nach 1923, 1. || — verrucken (mit 
swerten) : verhawen 1872, 3. 

rünen : heimliches rates pflegen 2003, 2. sprechen 1715,1. || Sivrit si 
rünende vant : im rate 878,1. || rünende gie : heimlich zu rate gie 
877,1. 

(ge)ruochen = 2243,2 (ungefähr = nhd. geruhen). (be)geren 124,2. 
1677,3. wollen 1246, 1. 1248,2. 2181, 3. 2247,3. sollen 1463,4. >< 419,3. 
730,2. 1418, 3. 1425, 3. 1465, 3. 1842, 3. 2205, 4. 2399, 2. || nune ruoch 
ich : darauff halt ich gar kleine 107,2. || sine ruochte wie im waere : 
sy achtet sein gar kleine 632, 3. ähnlich 1130,4. 1810,4. 1920,4. 2191, 1. || 
— beruochen >< 2060, 4 (verlesen : rechen). || sit ir ung welt b. : 
seit ir uns herberg gunnet 1688, 2. 

ruore : ruden 936, 4. 

entrüsten ><1377,3 (rüsten ist in gebrauch). 

sa: da 1570,4. >< 433,4. || s& zehant : da zuhant 514,1. 953,2 la. all 
zuhant 307,1. zuhant 553, 1. 850, 4. 859, 2. 1422,4 >< 515,4. 1693,2. |] 
sä zestunt : an der stunt 294,1. wol zu derselben stunt 704, 4. 
>< 1545, 4. 

sabenwiz : seiden 625,3. 

widersagen = 231,4 r. 864,4 r. 868,4 r. 869,4. 875,1. 879,2r. 1141,4 r. 
1436, 4 r. 1476,4 r. 1604,4 r. 2230,3 (auch unabhängig von der vorl., 
z.b. 1141,4. 1411,4. 1899,4). ab sagen 236,1. auff sagen 2148, 4. 
>< 113,4. || ir was al ir freuden mit sime töde widerseit : ir waz von 
seinem tode jamers vil bereit 1007,4. || ir habt iu selben widerseit : 
der tot ist ung bereit 1474,4. || widersagen — nAd. widersprechen 
><1223,1. || = nhd. versagen : versagen 2212, 2. 

sahs << 951,3. 

sal adj. : fal 372,3. 

salwen : do begunde ir 8. von heizen trehenen ir gewant : vil manger 
heisser ezaher vil auff ir gewant 1409, 4. 

selde = 297,2. 867, 2. 


sam ist üblich. 
samenen : gesamnet wxre dar : kam zu der hochzeit dar 2346, 1. 


sanfte = 632, 3. wol 443, 3. gut 487, 3. heimlich 1559, 1 la. leicht 
2048, 3. >< 319,3. || ir muget mich s. vlögen : ir seit der pet geweret 
726,2. || er hete ein ander jegere sÖ s. niht getän : es het kein 
ander jeger auch turren nit bestan 934,2. || ez tuot mir 8 = 
125,2. >< 1546, 4. || sanfter comp. = 281,3. 1738,2. sanft und wol 
624,2. ><1487,2. 1624, 2. || ein lützel sanfter gemuot : gar wol gemut 
124,4. || ir möhtet sanfter lachen : jr soltet billich lachen 613, 1. || 
— unsanfte = 643,4. ><1264,4. (Hagene) unsänftes muotes was : 
di scham tet da her Hagen in seiner herzen we 1641,4. || u.tuon : 
we tun 2386, 4. 

an den, üf den, über sant = 257,3. 1584, 4. 1617,1 (allemal im reim auf 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG k. 379 


lant). 555,1r. auff daz lant 583,3. 1551,3. 1642,2. an daz lant 
1581,11. >< 70,1. 375,1. 520,4. 1579, 3. 1597, 3. 

besarken : begraben 1034, 3. || — gesarket : versarchet 1051, 2. 

schächen >< 1879, 3. 

(schächzre = 99,4 u. ö.). 

schächman : schacher 1045, 1. 

schadehaft >< 2112, 2 (sch. heisst in k “schaden verursachend’: der 
morder schadehafft 1039, 4. — So die hs., nicht schadelhaft). 

geschäfte : des geschäftes pflegen : guter gemache pflegn 1490, 2. 

schedelich(e) >< 1819, 2. sch. komen : zu schaden kumen 538, 4. 
1032,4. || daz ez in sch. erg& : daz woll wir an in rechen 1623, 4. || 
sit muos er sch. k&ren dan : doch must er weichen; daz waz im 
pein 1645,4. || si scheident sch. hin : so nym ich in daz leben 
2076, 4. || — comp. jane wart den Sahsen geriten schedelicher nie : 
so jemerlich murden waz vor in Sachssen nie 173,4. 

schalte swf. : ruder 378,1. 1587,2. 1636, 4. 

schäle : in witen goldes schälen : in rotem golde 1840, 3. 

scharhafte >< 476, 2. 

scharmeister = 195,1. || sch. sin : daz her furen 168,4 (schar ist in 
gebrauch). 

scheidzre >< 1644, 4. 

bescheiden = 951,1 (euch diser mere). auslegen (den traume) 14,3. 
(ge)sagen 1658, 1. 2441,1. >< 19,2. || des enkan ich niht b. : des kan 
ich nicht gewissen 1445, 2. || wer kunde iu daz b., wi sit der küneec 


saz : hort, wy .... 1397,3. || man beschiet der juncfrouwen bürge 
unde lant : man macht jr undertenig 1711,1. || — underscheiden 
= 1951,1r. 


bescheidenliche : tugentlichen 1572,4. gar eben 1923, 4 (vgl. beschai- 
den adj. 1573, 2, nicht aus der vorl., in der nhd. bed.). 

schellen : erklingen 791,1. || der krach schal : hub sich ein schal 
1641,1. || — erschellen: erheillen 802,3 r. 1024,4 r. || do erschullen 
disiu m&re : kamen 491,4. 

schelten = 984,3. 1818,4. 2205,3. 2303,2. 2391,4. 2402,2. schenden 
2069, 3. >< 988,4. 2233, 2. || — beschelten ><823,3. di sint dä von 
bescholden : di han sein schande 986, 1. 

schemelichen ><1610, 4. 

schenden = 834,4. 2300,3 r. 

scherm : schilt 495, 1. 

schiere — 188,2. 368,1. 548,3. 568,2. 657,4. 735,1. 1010,3. 1015,1. 
1545, 3 (502,2 nicht in der vorl.). bald(e) 75,4. 430,4. 910,2. 1627,4. 
2183,4. in kurczer stunt 547,4. ><15,1. 57,3. 159, 2. 222,4. 338, 4. 
416,1. 504,1. 540,1. 658,2. 752,4. 932,1. 1189,4 1293,1. 1369, 4. 
1502,4. 1659, 4. 1850, 4. 2006, 2. 2043, 4. 2159,4. 2163,4. || als sch. : 
alsbald 610,3. || harte sch. ><930, 4. 1423,4. || vil sch. : so schire 
1573, 1. schir 1787, 4. gar balde 430, 4. balde 488,1 (? ausv. 2). 
537,2. in kurzen tagen 480, 3. >< 290,4. 971,4. 1715, 3. 1873,1. 2091,2. 
2106,1. 2193,3. 2339,1. | ez ist vil sch. tac: es nahet ser dem tag 1882, 3. 

25* 


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= Ber 


380 LUNZER 


schimpf ist in der alten bedeutung üblich, z. b. 184,2. 673,3. 1904, 4, 
nicht aus der vorl. Iibenso das verbum schimpfen 1018, 1. 

von schulden : billich 69,4. 879,1. 1017,3. 2243, 3 la. als ez wol billich 
waz 718,2. mit rechte 813,4. sere 710,2. 1881,2. ><237,4. 297,4. 
847,4. 1216,4. 1478,2. 2104,4. || von wären sch. ><114,4. || daz ir 
von wären sch. muget herre wesen : ir seit mein rechter herre 499, 3. || 
von grözen sch. : durch verschuldet han 2194,4. ><626,2. || von 
welhen sch. : in welcher masse 851,4. || von minen (sinen...) sch. 
245,2. 1147, 2. 1593,4. 1859,4. durch meinen willen 1434, 2. || (gisel,) 
sö von sinen sch. nu kumet an den Rin : als si Seyfrit hat zwungen 
und bringet an den Rein 234,3. || ez ist von Hagenen sch. : daz hat 
versawmpt her Hagen 962,4. || ir lönet im v. sch. : ob ir im danckt, 
gar wol euch daz an stat 2318, 4. 

verschulden (elmwas günstiges) : verdinen 774,4 (doch vgl. verdienen 
im verzeichnis). 

schüten (sine wät) = 1607,1. || — beschüten:: daz im muosen bresten 
ringes gespan unt daz sich beschutte diu brünne fiwerröt : daz im 
daz rote blute durch die ringe floß, [und] daz sich sein brunn zu- 
trantte 2118, 2,3. 

sedel ><347,3. 417,4. 604,2. 611,2. 653,2. 763,1. 955,1. 1198, 1. 1202, 1. 
1452,3. 1731,1. 1751,3. 1808,1. 1809, 4. 1814,2. 1836,3. 1840,1. 1951,1 
(zu sitzen). 2027,2 (verlesen? hilf mir vo® dem sedele, ritter: helfft 
mir, edler degen 2027,2). || ze 8. : zu4tische 796, 4. 

sedelhof : schoner hoff 1148, 1. 

sich versehen = 2294, 1r.>< 1913, 2. || er versach sich noch des lebenes : 
er meint noch lang zu leben 2260, 2. || si versähen sich sines tödes : 
si forchten sein gar sere 2133, 4. 

seine >< 959,1. 1206, 4. 

geselle ist noch ganz in gebrauch, 2. b. 63,4. 389,1. 412,1. 913,3. 2051,38. || 
Von änderungen sind zu erwähnen: mit zwelf g. : mit zwelff seiner 
pesten helde 1237, 3. || wer sint die g. : wer wil mit euch hin faren 
358,1. || — bhergeselle s. unter h. 

sich gesellen = 1831, 4. 1833, 1. 

gesellecliche(n) : in irer schar 275,2. durch folgt im nach 577,4. || 
g. riten : kumer in reicher hut 1911, 1 la. 

besenden c. acc. = 159,4. 560,4 r. 851,4 r (1213,2 nich! aus der vor!.). 
senden nach 57,3. 475,1. 510,3. 1498,1. schicken nach 850, 4 la. 
>< 338,4. 474,4. || swenne ir si welt b. : wen ir da hin wolt senden 
727,2. || — sich besenden : wir mugen uns niht b. : des kunnen 
wir nit wenden 147,3. || do besande ouch sich Liudeger : auch bracht 
Ludiger (virezeh tausent helde) 166, 1. || hete sich besant : het seine 
held besant 166,4 r. 

sene(e)lich(e) = 993,1. auch unabhängig von der vorl. beliebt: 1011,1. 
1050, 3. 1067, 2. 2027,1. 2112,1. 2211,1. || liefen vil s. dan : liffenm it 
jamer hin 1020, 3 la. || vil harte s. er in ein venster saz : gar schnel- 
ligleich 2301, 2. 

senfte (stf.) und gemach : gut gemach 1392, 4. 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 381 


senfte adj. ><1408, 4. || sliezer unde senfter (videln) : ie lenger und ie 
susser 1867, 3. || sanfte s. o. 

senften swv. >< 1264, 4 (den übermuot) : legen 445, 4. || senftet inwerem 
muote : ir solt ewr trawren lassen 155, 2. || des wart der küneginne 
ein teil gesenftet der muot : da ward si leids ergetzet und trug ein 
freien mut 1361,4A r. 

ser = 1056,3 r. 1494,4r. 1631,2r. (adv.?). 1741,3 r. 2138,4 r. 2186,38 r. 
2214,2r. 2402,4r. (2048,2r. nicht aus der vorl.). ><875,2. 1628, 3. 
2185,4. 2194, 2. 2253,4. |] lidet ungefüegiu s. : betrubet ist so ser 
1205,4r. || diu scharpfen s. : not und herczen schwer 1244, 2r. || 
ir gedähtet übele an min und iuwer ser : ir tund an mir gar ubel, 
auch rewet mich gar ser [daz meine helde sein von euch erschlagen] 
2387,2r.3. || den Etzelen mägen frunt er diu grozlichen s. : schlug 
zu tode vil mangen ritter her 2013, 4r. ganz Ahnlich 2009,2r. || 
der schade ist beidenthalben unt diu vil grezlichen s. : der schad 
ist beydenthalben gar gross und darzu schwer 2277,2r. 

sicherheit geben : schweren ayde und purgen geben 311, 2—4. 

sichern = 1711,2. sein trewe geben 1267, 4. 

sidelen : ein plan bereiten 257,3. >< 32,3. 964, 4. 

gesidele : sal (?) 596,3. hoff (?) 1525,4. czelte (?) 1372, 1. >< 262, 1 
(hofe?). 558,1 (zu hofe?). || dö hiezen si g. rihten al ze hant : si 
lies bereyten schone ir kuniglichs gewant (!) 701,4. || — gegen- 
sidele ><610,4. || — hergesidele : tafel 597,3. 769, 4. 

sider = 213,2r. 668,2 r. 1296,4 r. 1658,1 r (aus v.2 der vorl.). 1903,4 r. 
dar nach 678,1. 1125, 4. 2250,11. >< 46,4. 167,4. 394,4. 807,2. 876,4. 
957,4. 1130,3. 1139,4. 1225,3. 1303,4. 1328,4. 1400,1. 1436,3. 
1629, 4. 2206, 2. 

sigen : sincken 1008, 1. 

gesinde swm. ein ir gesinde : ein ritter 410,1. || sit daz ich aller Erste 
iwer g. wart : seit ich kam an den hoffe 1293, 2. 

gesinde = 610,3. 827,3. 1012,1. 1050,4. 1100, 3. 1102,1. 1752, 1. 2278, 1. 
hofgesinde 434,1. 636,3. 701,1. 705,2. 738,1. 788,1. 794,2. 1019, 3. 
1054,3. 1236,4. 1396,1. 1452,2. 1765,2. 1915,4. 1994,2. 2142, 2. 
(mein, sein, ir, unser) helde 173,3. 192,4. 520,1. 1682,3. 1798,1. 
1977,4. 2036,3. di helde 1625,1. di seinen 2284,4. manig starcker 
degen 885,4. manig werder man 304,2. (kunig Etzels) recken 
2180, 1. manig ritter fein 532,2. ein ritter 1009,1. jr ritter und jr 
knechte 1764,2. || g. üzer Burgonden lant : di aus Purgunder lant 
2170,4. — ir meid 347,1. ir schone meide 385,1. >< 248,4. 581,2. 
1251,2. 1333,1. 1541, 3. 1766, 1. 1847,3. || — hergesinde : di 
seinen 1196, 2. | — hovegesinde = 274,4. || — ingesinde: 
hofgesinde 465,1. 553,1. 572,2. 620,3. 707,4. 825,3. 838,3. 901,1. 
938,4. 1310,1. 1325,2. 1337,4. 1394, 3. 1688, 3. 1904,3. 1952,1. ir 
held und hoffgesinde 596, 1. manch guter ritter 204, 2. manger 
ritter 1297,2. manch stolezer ritter fein 1744,4. manger rytter kune 
2083,2. di rytter und di knechte 1652,2. di seinen 1449,3. di iren 
2220,1. — jre meide 403, 4. 


382 LUNZER 


sippe adj. : gesippe 749,1. mage 1134, 3 la. bruder und freunde 
1306, 1 la. || sippen diner mäge : dein mage 2155, 3. 

sippe sif. = 2068,1 (wie es scheint, schon in verächtlicher bedeutung). 

versitzen (den zins) : verczihen 808,3. nit rechen 1961,3. 

slä : fertte (?) 933, 3. 

entsläfen : dö si e. wären : da si nun schliffen alle 1868, 1. 

slahte ({ötung) : schade 2136, 1. 

slahte (art) : än aller sl. wunden : mit starcker mannes keffte (?) 944,4. || 
aller sl. schande >< 305, 3 (verlesen? achtet — schaden). || deheiner 
sl. durch kein 726,3. 764, 3. 1385,2. 1510,4. durch nymant 52,4. 
><65,4. || wande wir der verte hän d. sl. rät : di reis wol wir voll- 
enden, halt wi es uns ergat 356, 4. vgl. 1720, 4. 

sliefen : dar in slouf er : di czoch er an 430, 4. 

sliezen = 1100,1r. || — besliezen (= zuschliessen) = 658,1. ver- 
schliessen 2032, 2. || hort der Nibelunge beslozzen hät sin hant : des 
hat gewalt sein hant 768,3. || Hagene lac beslozzen : eingeschlossen 


2414,2. || mit armen b. : umb fahen 664,3. 2061,3. in sein arme 
fahen 2355.1. || (under einen arm) b. : schliessen = 2039,3 r. || — 
üf sliezen : auff sperren 1279,4 r. (vorl. im r. bespart). | — um- 


besliezen = 1024, 1r.1715,3 r. (beide mal hinzugesetzt mit armen). || 
mit armen u. = 627,2r. 2409,4r. umbfahen 661,4. 1740, 3. 

smielen ><446, 2. || begunde sm. : lacht 935, 4. || — ersmielen : lachen 
723, 3. 

snel a) (= sireitbar) = 1358,1, 1797,7. 2022,1. 2096, 1. 2275,3. küne 
1600, 2. 1865, 1. wunderkune 662, 3 la. stolez 1713, 2. 1767,2. werde 
364,4. 407,2. edel 22,1. 758,2. 1626,1. 2091,1. gut 502,2. peste 
1752, 2. ><9, 2. 22,4. 174,2. 322,4. 378,2. 469,1. 508,2. 562,2. 972,4. 
1156, 1. 1191,1. 1194,4. 1227,1. 1298,1. 1305,1. 1306,3. 1443, 2. 
1546,1. 1547,1. 1621,2. 1669,4. 1686,2. 1751,3. 1761,4. 1798, 2. 
1848, 4. 1860, 4. 1935, 4. 1969, 3. 2112,4. 2258,4. 2327,2. || — b) (=nda. 
schnell verstanden) = 1904, 2 u. so auch sonst üblich. 

snelheit ><2096,2 (in eim grymmen sprunge?). schnelle adj. v. 1. 

versoln, verscholn = 918,4 r. 2299,3r. beschulden 153,4. verdinen 
126,3. >< 1416, 3. 1486, 2. 2141, 3. 

soreliche : ich han versuochet sorclichiu dine : han manchen belt be- 
ezwungen 2077,2. || vil harte s. ervant : wol (!) erkant 451,4. || so 
geriten hovereise noch helde sorclichen nie : sich hub von Sigmunds 
helden vil grosse klag 1087,4. || — unsorclichen : grausamlichen 
454, 4 la. 

soum : seymer 964, 2. 

soumx&re = (seymer) 1174,4. 1187,2. >< 759,4. 

soumen : senden 217,1. || gesoumet : gerustet 913,2. bereitte 1081, 4. 
>< 67,2 (reicht ?). 

spzhe = 570,3. edel (?) 597,2. >< 792,2. 1190,4. 1857,1. || rede vil 
sp. : fremde rede 2055, 4 la. 

sp&hecliche : spotleichen (verlesen?) 1611,3. 

gespan >—<2118,2. || — heimgespan : helme 2272, 1. 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG Kk. 383 


(ge)spannen : auff schlagen 588, I (zelt). daruber ezihen 1393, 3 (zelt). 
ziehen 948, 4 (den bogen). || (si) spien im an die hant : gab im in 
di hant 1736, 3. || üf gesp. (hütten und gezelt) : auff schlagen 1318, 2. 
1690,1. auff richten 1537, 1. 

spehen : nu sult ir sp. under den juncfrouwen : ir solt spehn welt 
under den junckfrawen 390, 1. || di frouwen sp. kunden und minnec- 
lichen lip : wer ie kund schon erkennen und schatzen frawen leip 
586, 3. 

spiez : were 956, 1. 

spräche (= nAd. sprache) = 1352,1. (= gespräch) : gespreche 753, 2. 
>< 1520, 3. 

sprächen swv. >< 2281, 4. 

versprechen (ablehnen u. dgl.) : verreden 17,1. 2396, 1. widerreden 
609, 1. ><2157,3 (falsch verstanden). || daz enwil ich niht v. : der 
pette wil ich euch gewern 1232,1. || daz si v. wolden (sin) guot : 


daz si nit nemen woltten 1511,2. || sone wil ichz niht v. : so wil 
ich mich bedencken 2154, 2. 
sprengen 179,4. || — ersprengen : erlauffen 429,1. erreiten 931,1. 


>< 941, 3 (ersach). 

stän als verbum der bewegung = 376,1. 652,2 (804,1 nicht aus der 
vorl.).. = mil geänderter construction 608,1. 1237,1. >< 854,4. || 
daran stuont : dar ein trat 481, 3. || stuont dannen : schid von 
dannen 676, 3. || stuont gegen dem winde : ging an di Juffte 
2104,1. || (üf) höher st. aus dem wege stan stan (r) und weichen 
1899,3.4 weichen 1986, 1. 1994,2. || Giselher stuont üf höher : G. 
wolt nit fechten 2260, 1. || von dem sedele stän : auff stan 347,3. 
1808,1 .ö. hin treten 1202,1. || von dem rosse st. — 1193, 2. 
1363,93. ab stan 595,1r. von dem rosse beißen 762,4. ähnl. 806, 1. 
953,1. 1753,1. von seinem rosse treten 1551,3. || man hiez an einen 

. rine stön die minneclichen : man furt di junckfraw in einen ring 

1713,1. || — bestän (die warte) : besetzen 924,1. (= nahe angehen) 
>< 1016, 4. || (= bleiben) = 254,3 r. 367,4 r. 371,1 r. 456,4r. 881,1 r. 
962,4 r. 1079,3 r. 1252,1 r. 1488,4 r. 2038, 3 r. bleiben bestan 247,2 r. 
256,1r. bleiben 1075,3. 1435,2. 2208,3. >< 315, 2. 374,1. 907,3. 
1070, 4. 1816,4. || si muosen dä b. : er wolt ir lassen nicht 1721, 1. || 
ir solt noch hie bestän : ich wil euch noch nit lan 1718,3. || bi im 
wzre Kriemhilt hendeblöz bestän : si het alles geben umb iren liben 
man 1127,3. || ob wir bi lebene b. : solt wir daz leben han 2234, 2. || 
alles tröstes bin ich eine b. : bin alles trostes an 2384, 4. || muosten 
zen Hjiunen b. : musten ir leben in Heunen lan 1548,4 (bestän = 
feindlich ‘bestehen’, c. acc.). = 115,4. 156, 2. 933,3. 934,2. 2077,3 u. 0. 

bestiften >< 538, 2. 

stiure = 1727,3. 

strichen (inir.) eilen 1301, 1. >< 1745, 1. (= putzen) gegen den unkunden 
strichen si ir lip : si gingen gen den gesten (!) 394, 1. 

striteclichen gän : (gewapnet), sam si wollen zu einem streitte gan 
1801, 4. 


354 LUNZER 


stritlich : die suochten str. gewant : wapnet sich gar feste 883, 4. 

die stritmüeden : di muden geste 2375, 3. 

stroufe : schaden 2048, 4. 

strüch sim. (straucheln) = 1929, 4. 

strüchen swv. 206, 2. 456,3. 1586, 3. 2092,4. 2331,4. || muose vor im 
str. : lag vor im tode 1988, 3. 

stuol ><1974,4. || — stuolgewzxte : samat reich 1372, 2. 

sturm (= kampf‘) ist üblich. 

sturmküene : werde 197,3. 

sturmmüede : arme elende 1982, 3. >< 2147,3. 2280, 1. 

sumelich : etlicher 1991,3 (? la). alle 260,4. 1021,2. >< 1133,1. 1654, 4. 
1803, 1. 

sich süämen = 620, 3. 1564, 2. >< 521,3. 525,3 (961,3 nicht aus der vorl.; 
ebenso versaumen 962, 4). 

sunder : besunder 1687,3 (la). 2426,1 (besunderlich 1411,4 nicht aus 
der vorl.). 

sunderlingen : man grüezet s. die fürsten und ir man : man grufßt 
di unsern herren und doch nit yderman 1767, 3. 

sundern : daz gesinde wart gesundert dan : jr ritter und jr knechte 
schid man von in hin dan 1764, 2. 

sunderstarker wint : sturmewint 482,3. 

gein (ze) sunewenden : zu sant Johanns siinwenden 1428,3. zu sant 
Johannes tage 730, 3. 1505, 4 zu sant Johannes messe 746, 4. 
><32,4. || an 8. äbent : an sant Johannes abet 1844, 1. 

suochen (=angreifen) = 159,2. 171,1. 1634,2 (an der letzten stelle 
sicher, an den anderen vielleicht in nhd. bed.). mit here her czihen 
161,3. mein lant verderben 154,4. || si suochtenz an den Hiunen : 
si rantten mangen Hewnen an 1916, 4. 

suochman : ein hunt (!), der spuren kan 908, 3. 

suone = 1111,4. 1115,2 (991,1 sun aus sun — fllius der vorl.). duren 
sunte 1114,4. fride 307,3. 309,3. 1115,1. 2284, 2. 2400, 1. >< 2035, 3. 
2041,2. 2144,2. 2283,1. || durch s. : in eim guten 2224,4. || daz 


bringe ich iu ze 8. : des wil ich euch ergetzen 1637,3. || sö rede 
ichz zeiner 8. : so frist ich euch daz leben 2154, 4. 
süenen = 2393, 4. || — versüenen : ergetzen 675,4. || ir werdet wol 


versüenet : di sach wol wir wol richten 890,1 (la). 

suozlich : sues 1866, 3. 

Bus (= so): 30 809,1. also 1390,4. dar? 199,4. hie? 1582,4. da? 2336, 4. 
>< 16,3. 73,2. 135,1. 319,1. 337,4. 402,4. 687,2. 708,2. 828,3. 1104, 1. 
1485, 4. 1879, 2. 1890, 1. || sus grözer : solcher 910, 4. || sus getän : 
solch 1767,1. ><2170,1 (= sonst, anders) : sust 667,2. 2409,1. gar 
wol? 59, 1, ><55, 3. 550,4. 693,2. 1366,4. 2121,2. 2135,8. || — alsus: 
also 1185,4. 1213,1. so 1894,1. ><473,2. 2283, 4. 

süs : schal 2132, 2. 

swach ><569, 2 (die ganze fügung misverstanden). || sw. gruoz = 2423, 4. 
ungetrewer gruß 1891,2. 

swertes swanc = 1993,2r. schlag 2438, 2. 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 385 


sweben (= schweben) = 1562,1. (= fliessen) : flissen 1592, 2. || — ent- 
sweben : do entswebter manegen man : darvon schlieff manig man 
1867, 4. | 

swenden : daz elliu diniu leit Ezel der klinec swende : dein jamer 
unde leit nem bei Etzell ein ende 1254, 2.3. || — verswenden : ern 
kund ez niht versw. : sein schetz der nem kein ende 768,2. || sö 
ist min sorge verswant : ist mir groß freud bekant 1525, 2. 

swertdegen 31,1. 

swertgenöz >—<39,3. 

geswichen : weichen 2236, 3. meiden 1068, 3. >< 973, 1. 

swiften : legen 2054, 3. >< 1980, 1. 

swinde = 1823, 4 (blicke) : 2261, 3 (schlag). geschwinde 2258, 2 (schlagen). 
(2016,2 si schlugen geschwind nicht aus der vorl. — Das wort 
kann an allen stellen, wo es in k erscheint, = celer gemeint sein). 
grymm 1779,4. grimiglich 489,2. ubel 1103,4. strenge 1949,4. un- 
gefuge 1970,1. gross 2096,4. || dö lief er harte sw. : es kam in 
grossem czorne 493,4. || swinde (= schnell) = 2111, 2. 

verswingen (die gäbe) : aus geben 686, 3. 

tagezit : die drie tagezite : am dritten morgen (!) 1058, 1. 

tier = 930,2. 934,3. 935,2. 943,4. 1001,38 (929, 1 nicht aus der vorl.). 
wildes tyre 937,1. 938,3. wilt 909,3. 928,3. 941,3. 944,2. 967,1. lebe 
1791,1. >< 927,3. 

tiure : schon 815,1. ähnlich 1405,3 la. hochgeporen 820, 2 (edel?). 
1168,2. edel 2084,2. || gedähte vil t. : in grossem leide 1729, 3. 
>< 824,2. 1704, 1 la. || — comp. pesser 823, 2. 

tiurlich : kune 910,3. wunderkune 1835,3 la. hochgelobt 1945, 2. 

getiuret : gebreysset 700,1. ><1808,4. || dühte sich g. : frewet sich 
395, 4. 

tjost : ritterliches reitten 589, 4. stich 1923, 3. stoss 1640, 2 la. >< 1641, 3 
(verlesen? rosse). || si buten manege tjoste : si rytten (wit den 
Hewnen) 1911,3 (vgl. just 591,4, nicht aus der vorl.). 

toben: trawren 188, 3. || — ertuben >< 2257, 4. was ertobt : tubt 2417, 2. 

tobelichen : grymmig 490,3. in einem grymmen mute 979,1. grym- 
migleichen 2334, 4. >< 2096, 1 (grym v. 2?). 

tougen : heim(e)lich(en) 220, 3. 289,4. 390,1. 656,2. aleine 481,3. >< 903,1. 
1474, 4. 1539, 3. 

tougenlich(en) : heim(e)lich(en) 151,2. 431,3. 451,3. 899,2. 1404,4. 
1429, 3. gerne 1430,2 (vorl. wol güetlichen mit B*. >< 1003, 1. || 
dähte t. : in irem mute 1747, 1. 

tragen: treit alsö höhe den lip : bricht sich also hohe 719, 2 (vgl. 821,1). || 
— antragen = 868,2r. 876,3 r. angreiffen 1105,11. fugen 1221, 3. 
ein rat an fangen 1116,1. es so lange treiben 1709,3. >< 871,2. 


1234,3. | — vertragen = 630,2r. 1636,4r. 1972,2r. 2004,2r. 
2274,3 r. 2323,4 r. 2360,4 r. || ob wirz in vertrüegen : und wenn wir 
daz nit rechen 2300, 3. || der künec vertrüege mir sin niht : der 


kunig verhengt es nicht 1942,4. || der Burgonden knelıte in wulten 
piht vertr. : woltten verezagen nicht 1974, 3, 


386 LUNZER 


beträgen : lät iuch niht betr. : habt guten mut 752,3. 

trähen : czaher 372,4. 612,2. 1239, 3. 1296,38. 1409,4. 2811,83 (vgl.czehern 
verb. 2253, 4). weinen 2249, 4, jamer 1115,1. >< 549, 2. 

triuten = 281,2. 625,1. 627,3. 655,4. 679,4. 920,2. 1339,4. 1415,83. 
1944,4. umbefing mit armen 1537,4. 1740,3. het lieb zu... 268,3. 
nemen einen man 1244,3. ><3,1. 27,4. 588,2. || swer hete liep an 
arme, der trüte friundes lip : da lag an weissen armen manig werder 
man 1538,3. || mit ougen tr. : treuten 594,2. gar gerne sehen 
1310, 3. || in dem herzen tr. = 1699, 3 (1329, 4 nicht aus der vorl.). || 
ze triutenne hän : nemen einen man 46, 3 la. 

trüt sim. sin. : weib 291,4. 449,4. durch traut (adject.) übersetzt, aber 
falsch bezogen 226,1. ><1119,4. 1920,2. || wirt mir ze trüte : wirt 
mir zu teile 331,3. herzen tr. = 1919,3. Seyfride 220,4. (Das ad- 
ject. traut ist üblich.) 

triutinne : frawe 534,83. 847,2. 914,1. 998,4. 1181,1. 1682,1. 1707,2. 
2257,1. 

tröst (als epitheton eines menschen) = 2319, 2. 2384,4 (2344, 2 nicht aus 
der vorl.). helt 1551,1. kunig 2065, 1. >< 1757, 4. 

(ge)trouwen (= sich gelrauen) = 55,4. 170,4. 632,1. turren 114,3. 
wollen 423,4. 1595, 4. (= glauben) = 1109, 3. glauben 1106, 4. wissen 
775,2. 2048,1. > 2152,2. || wie solde ich des getr. : es nympt mich 
ymmer wunder 1192,1. || trouwen c. dat. (einem vertrauen) = 905, 4. 
1959, 1. 2229,2 u. ö. || wir getriwen in aller ören : got danck euch 
edlen herren 1462, 1. 

trumbe : sehal von tr. unt von floyten : flotiren unde singen 802, 2. 

trunzün s. die folgenden erörlerungen. 

trieben (den muot) : betruben 999, $ la. 

truoben : daz ir sÖ läzet tr. liehter ougen schin : daz ir nun trawret 
sere 612,4. 

tugen : waz touc ob wir dem degene wären nu gehaz : waz wolt wir 
an im rechen, warumb tragt ir im has 863,3 (760,4 tocht nicht aus 
der vorl.). | 

tülle : guldin tüllen : goldes czeine 951,3. 

tump = 2304,1 (im formelhaften gegensatz zu wise). >< 33,3. 36,1. 
174,1. 273,1. 281,2. 803,3. 1540, 3. 1713,4. 1826,2. |] ein tumber:: 
etlicher 506,1. || die tumben : manch stolezer degen 1368, 2. || t. 
zorn : grymmer ezorn 2325, 3 (tummer mut 1611,3 nich! aus der vorl.). 

zem tuome : zu der none 805, 2 (dag. thum = bistum 1309, 1 unabhängig 
von der vorl.). 

getwerc : zwerck 96,1. 335, 3. 492,2 (aber immer neulr., ge- fallt vor 
z öfler ab). zwergelein 499,1. 

überkraft = 266,2r. 

übermüete adj. : durch ubermut stm. 1033,1. 1575,1. ungemut 2122, ]. 
kune 526,4. 1791,1. 1799,3. 2055,3. 2105,3. 2109, 3. gross 1579, 4. 
><1820,4. || der ü. : her Hagen 2109, 4 la. || — comp. >= 67,4. 

übermüeten swv. (immer substanlivierter inf.) : ubermut 171,4. 236, 1. 
250,4. 2323,4. hochmut 114,4. > 163, 4. 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 387 


übersehen = 1392, 3 (1106,3 in anderer bed., nicht aus der vorl.). 

üeben (spot) : treyben 1229, 2. 

unangestlichen : an schaden 2041, 4 la. 

unbilden:lätiiuch u. niht mine rede : kert euch nit an mein rede 1492, 2. 

ünde : wasser 1121,4. 1596,83. || die ü. noch diu fluot : kein wint (I) 
noch wassers flut 1393, 2. 3. 

understän = 478,1 r. 880,1 r. 1029,3 r. 1506,4 (ergänzt durch daz ez 
da nit geschach). 1898, 3 (daz ez nit wer geschehn). 2187,2r. 2188, 3r. 
wenden und understan 2011,3 r. (877, 3 als überselzung von scheiden). 
scheiden (den streit) 116,4. underkumen (ir frage) 681,3. >< 892, 4. 
1134, 2. 1152,4. || wer mac daz u. : so muß es fur sich gan 1710, 1. 

sich underwinden = 1125,2. 1126,2r. 1133,3 r. (115, 2 als übers. von 
sich vermezzen). || do underwunden si sich des landes : da kam in 
ir gepot daz lant 1125, 2.3. 

unervorhten : an forchte 1813, 4. 

unerwant —<475,3. 

ez ist unerwendet : es hat auch noch nit ende (!) 1761,11. 

ungebzre : jemerliche klage 2287, 1. 

ungeleitet : an geleite 1093, 1 la. 

ungelogen : nit gelogen 2310, 1. 

ungemach = 703,4r. 953,4 r. 1606,2r. 1912,3r. 1961,3 r. 2021,2r. 
schaden 1264,4. >< 1322,4. 1602,4. gemach (= zimmer!) 2414, 1. 
2426,1. || dö huop sich u. : des frewt sich manig kun weygant 561, 4 
(nicht unrichüg)). 

ungemüete : unmut 843,4. jamer 1089,4. klagen 1273,2. || ez was ir 
u. harte unmzzliche groz : si wainet inigleichen, jr hend si wand 
und schloß 1062, 4. 

ungescheiden : wären u. : sich nie schieden 208, 1. || wir sin u.: 
von euch mich nymand scheidet 1294,3. || sach u. den strit : nit 
scheyden mocht den streit 2012, 1. 

ungestoubet : unbesteubet 592, 1. 

ungetrunken = 963, 4. 

ungevangen = 445,1. 

ungevöhet län : nicht weren 1219, 3. 

wären ungevreut : wurden ungemut 429,3. 

ungewert = 405,2r. | 

daz ist mir ungewizzen : daz kan ich nit gewissen 1443, 4. 

ungewon : seltzam 2165, 4. 

unkraft ><1008, 4. 1069, 1. 

unlange : nit lang(e) 996, 2. 1116, 1. 

unmäzen : an massen 322,3. 491,2. 2086,1. ><5,2. 45,1. 49,2. 320,1. 
1008, 3. 

unmzzliche : unmassen 2031, 4 (s. ungemiiete). || harte u. klagen : durch 
jamer und not 1006, 4. 

unmuoze : erbeit und unmusse 365,2. || vil u. pflegen : vil reiches 
dinstes pflegn 557,4. sich ziren auf daz pest 1315,3. || heten gröz 
u. : rusten sich 1280, 1. 


358 LUNZER 


unmüezec — 769,3. 575,1. 1598,4. was gar u. : pflag gar schon 
der geste 263,1. || si wären vil u. : zirtten schon den hofe 770,2. 
da waz groß müe und erbeit 1596,93. || mit dienste was u. : kam 
zu dinst geritten 1324, 3. || von werke was u. : dinten im gerne 31,3. 

unnähen >—<625, 2. 

unprisen : ich wil u. daz : des bin ich im gehas 2080, 3. 

in unsinne : an alle kreffte 1066, 3. 

unstäteliche komen : zu grossem schaden kumen 2197, 4. 

untresten = 1554. 2. 

unverdaget << 103,4. 

ez ist sus unverendet : es muß sein ende sein ? 2121, 2. 

unverseit = 555,4 r. (1677,3 nicht aus der vor!.). 

unversunnen = 1069,1. 

unverwundet << 2087, 1. 

unvriuntliche = 2241, 4. 

unwendec << 2147,4. 

unwert ><364,2 (979, 4 unwert, nich! aus der vorl., 1071,3 als übers. 
von unmzre). 

unz : bis 65,3. 87,4. 105,4. 148,4. 165,3 und sonst immer. 

uoben : dö wart ein michel u. : (ez) weinten all geleich 1547, 2. 

üppecliche sprüche : ubermute (stm.) 857, 2. 

urbor ><1057,1. 1145,83. 

üre >< 932, 2. 

urliuge ><1628,3 (not?). 2179,2. || füeren durch u. dan : gen seinen 
feinden dan 167,3. 

vähen bleibt. || — gevähen : geväht er näch dem künne : fert er nach 
seinen freunden 1956, 1. || — vervän: gehelffen 1102,3. >< 93,2. 
680,1. || zarge niht v. : in ubel verstan 816, 1. 

väalant (von menschen) —= 2366, 4. held 2045, 4. 

valandinne = 1778,4. 2432, 4. 

valde >< 259,4. 272,2. 

valevahs : lobelichen (!) 568,1 (fal 372,3 für sal der vorl.). 

vane : paner 158,4. 168,2. 190,1. 192,2. 213,1. 1653, 2. 

vanken ;: funcken 182,3. 2099, 4. 

var ><563,4. man sach da var näch bluote : sich ferbet rot mit blute 
208,4. || die bluotvarwen degene unt schöne harnaschvar : mit blut 
berunnen und jemerlich gefar 2138,2r. || in wate lieht gevar : ir 
wat gab von gestaine und golde lichten schein 79,2. || — goltvar= 
375,1. >< 73,1. || goltvarwe geren : von gold di reichten wate 707,4. 

vär: die daz golt des küneges uns ze väre hänt genomen : des kuniges 
gab und schetze bring uns und si in not 2182, 4. 

varn in der verbindung wie vert Sivrit : wy lebt Seyfrit 763,4 (vgl. 
sich gehaben im verzeichnis; ferner wi mag ir stolezer leip 765, 2. 


ähnl. 1453. 2). varn (= handeln) = 1572,4r. tun 228,3. | — wil 
lützel man der varnder armen dä vant : wer da gen hofe kame und 
was in aremut 41,1. || — varnde diet : manch sjolzer degn ? 39, 2. || 


— varnder man : spileman 685, I. || — vervarn : irre farn 1617,3. 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 389 


vart = 1491,3 r. 1663,3 r. 1666, 2 r. 1672,2 r. ><1622,4. 1664,2. 1668, 1. 
verte gen. dat. = 927,3 (der tiere). 1576,4 (wahrscheinlich = ‘fähre, 
überfuhr’ verstanden). (nicht aus der vorl.: fertte 648,1 als übers. 
von liste, 933, 3 vielleicht als übers. von slä.) reise 64, 2. 335,4. 364,1. 
523,1. 695,3. 1570,1. 1691,4. reis und fart 1666, 2. ><510, 2. 520,4. 
526,2. 531,2. 1279, 2. 1597,2. 1633,1. (Die im nhd. vollzogene diffe- 
renzierung zwischen ‘fahrt’ und ‘fährte' scheint bereils eingelreten 
zu sein.) 

vartgesellen >< 1424, 1. 

geverte sin. ><83,3. 1188, 2. 

geverten swm. : recken 508,2. helde 1162,2. di meinen 1240, 2. 

vaste = 672,1. 1344,2. hart 668,3 (ligen). gar schone 1037,3. mit 
lauter stymme 1576,1. in grossem zorne 2084,3. felschlich (sein 
trewe brach) 967,4. ><521,3. 984,2. 1188,2. 1351,4. 1386, 3. 1515, 2. 
1632, 1. 1820, 4. 2180, 2. 2325,2. |] sprach v. : schrey 1879, 1. || haz v. 
tragen : vil grossen has und neyde 2332,2. || ir ietweders ellen üf 
schilden v. lac : Seyfridt mit starken schlegen da gen im wider wag 
183,2. || — comp. ><1766,4 (verlesen? faßt). 

goltvaz : trinkfas 1342,3 (trinkfas auch 798, 2, nicht aus der vorl.). || — 
helm vaz : helmes tach 2333, 3. >< 1872, 2. 

vedere : härmine v. : watt gemacht von czobel 364, 2. 

veige : tot 2131,2. 2134,4. 2439, 2. >< 146,2. 216,4. 960,1. 2092,2. 2196, 3. 

veiclich : doch ist der künee junge sö v. getän : doch mag der junge 
kunig geleben nimmer me 1959, 3. 

verch = (ferck) 2262,1 r. 

verchgrimme : dö frumte er diu v. ser : da schlug er tot manchen 
ritter her 2009, 2. 

verchtief: tiff 2185, 1. 

verchwunde <<1891,3. 

verchwunt: wunder, der kaum genas 235, 2. wunt 988, 2. || der v. man: 
der trewe (!) man 993, 1. 

vergebene << 1022, 4. 

ferrans << 571,1. 

verren : hete geverret des künic Guntlhieres töt : halff dem kunige aus 
aller seiner not. 464,4 (verre isi in gebrauch). 

bivilde : vigilge (!) 1061, 4. 

bevinden: finden 343,1 r. 736,4 r. 1133, 4 r. 1409,3 r. erfinden 2074,4r. 
kennen (hs. gennen, wol verschrieben) 474,2. > 1520,2 (befant 236,4 r. 
658,2 r. 1868,1 r. für ervant der vorl.). | — ervinden = 629,2 
(2074, 4 für bevinden der vorl.).. finden 164,4r. 205,4. 1005,4r. 
1109,2r. 1133,4r. 1340,4r. 1419,4r. befinden 236,4r. 688, 2r. 
1868, 1 r. erfaren 175,3. 2295, 2. 2298, 1. 2301, 4. 2304,2. horen 254, 2. 
689,2. erhoren 271,2. 1518,3. innen werden 430,2. 871,3. 1091, 3. 
erkennen 451,4. 1007,1. 1083, 4. 1414,4. sehen 676,2. ><45,3. 148,4. 
196, 3. 499, 2. 689, 2. 1211,4. 2293,4. || & ez der kiinec erfunde : ee 
es kam fur di herren 1977,11. 

viwerstete ><937,4. 945,3 (vgl. 938,2 Kuchen). 


390 LUNZER 


vlinsherte >x<2271,1 (licht?). 

vliezen (vom fahrzeug) = 482,1 r. 1589, 2 (vom schiff ohne lenker). 
faren 408,3. 509, 8. 

sich vlizen: begen 127,1. tun 1404, 2. >< 258,4. 570,2. 776,4. 1684, 4. || 
si vlizzen sich zer reise : si frewten sich der reyse 168,1. 

vluochen : forchten 2062, 2 (verlesen?). 

ze vorderöst : vor allen 1551,1. zum aller ersten 1463,3. ee 969,4. 

vreischen <51,1. 845,4. || daz gevriesch : di mer hort 324,2. di mer 
di kamen balde fur ... 1749,2. || gevrieschen : wissen 1658, 2. 

fremden swv. : sol ich dich fr. : solt mir ir lieb nit werden 281,3. || 
dar umbe ich si niht vr. : das selben ich nit scheuhe 1168, 1. || daz 
ir alsö vreiındet in : daz ir im seit so fremde 1465, 1. 

friden swv. : fride machen 2187,3. fristen 2028,4. bewaren 142,3. 

vriedel ><13s0,4. || min vr. : Seyfride 842,3. ähnl. 850,4. || ir vr. : ir 
her 1101,1. ähn!. 2433, 3. 

friunt (= mann eines fürsten) : helde 57,3. 113,1. 165,2. 242,1. 245,4. 
558,4. 753,1. 774,2. 877,1. 905,4. 1198,1. 1594,2. 1629,4. 1630, 2. 
1858, 4. 2105,1. 2268,4. 2368, 2. freunde und helde 1631,2. ähnl. 
1859,2. ret und freunde 1473, 2. ritter 307,4. 708,4. 2033,2. rytter 
und knechte 211,4. kün weygant 1295,2. man 148,4. hoffgesinde 
575,2. undertan 1268,1. di meinen 1980, 3. 2238, 4. di seinen 1024, 2. 
1045,2. 1153,3. 2026,2. di ewren 1484,4. 2041,4. di Purgunder 
1424,4. 2100,1. di Wulfing 2327,4. >< 93,1. 152,3. 161,4. 258,3. 
1117,4. 1203,2. 1266,83. 1274,3 (verlesen? frawe). 1318,4. 1379, 4. 
1685, 3. 2115,4. || (= herr eines mannes) (unser) herren 1648, 4. 
1865, 4. 1868, 3. || (Wo das wort vriunt beibehalten ist, ist es sicher 
oder wahrscheinlich im sinne von nhd. ‘freund’ oder —= ‘“verwanter ‘ 
[vgl. mäc im verzeichnis) aufgefasst. Die stellen, wo möglicherweise 
doch an die alte, oben angegebene bedeutung zu denken ist, sind 
besternt) = 69,3. 151,3. 218, 2.* 252,2. 474,2. 522,2. 529,3. 531,4. 
533,1. 727,3. 748,2. 783,3. 887,2. 904,2. 1022,4. 1038,4. 1051,4. 
1058, 4. 1113,2. 1204, 3.* 1207,2. 1257,3. 1292,1.* 1414,38. 1416,4. 
1421,2. 1431,1. 1432,2. 1433,4. 1443,3. 1524,4. 1574,3. 1741,4. 
1783, 3. 1786, 4.* 1829, 2. 1894, 3. 1981, 1.* 2044,4.* 2223, 3. 
2240,1.* 2315,2. 2318,2. 2386,2.* 2441,4. Einige male hat k mit 
unrecht den oben erwähnten sinn in dem worte vermulel und über- 
setzt demnach: held 222,2. 237,4. 1029,4. 2401,93. recke 28,2 (?). 
furst und ritter 301,3. Aus anderen gründen ist das wort geändert! 
oder umgangen an folgenden stellen: geste 313,2. Purgunder 1075, 3. 
1423,3. di von Purgunde 902, 3. manig Hewnen 2059,4. ewr sun 
1529,3. herren 1425,1. 1427,3. ><122,2. 240,2. 312,4. 319,1. 452,3. 
729,3. 743,4. 752,4. 753,4. 764,2. 1212,3 (verlesen? freud). 1229, 2. 
1265, 3. 1291,4 (bruder?). 1413,3. 1417,4 (verlesen? freud). 1461,3. 
1660,1, 1742,1. 2017,1. 2024,3. 2040,4. 2149,4. 2156,4. 2185, 2. 
2235,2. || sinen fr. von Tronege : den werden held von Throne 
1786,2. || dö wurden ouch die veigen von vriwenden söre gekleit : 
in irem lande gekleit 216,4. dhnl. in manchem land 1515,3. an den 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 391 


Rein 761,4. 1422,2. || sit daz iuch min sun Sifride zu vriunde ge- 
wan : seyt Krenhilt, ewer schwester, wein sün zu weibe nam 784,2. || 
ze friwende haben : sein huld behaltten 117,4. || vriunt ironisch 
gesagt >< 1410,4. || von einer frau : misverstanden 2152,3. || = ‘gatie’ : 
helt 1102, 4. ><2167,4. || den si lobet ze vr. : wem si wurt zu taile 
1160,4. || vriunt in der anrede «) sing. : edler degen 1159,1. wer- 
der degen 888,1. kuner degen 382,3. 1479, 1. edler (Hagen) 1801,11. 
vil edler (Hagen) 896,1. her (Hagen) 1802,1. vil kuner helt 905, 1. 
edler fideler 1805,1. ><1219,2. 1656,1. 2019,4. 2023,2. 2403,1 (As. 
horen). || — P) plur. = 1957,1. ir herren alle 1955, 3. vgl. 753, 3. 
754,2. ir held 2033, 3. 

gefriunde : gute freunde 2227,2. || ir werdet wol g. (la. gesüenet) : 
di sach wol wir wol richten 890, 1. 

friuntlich(en) : liplich 290, 1. tugentlichen 305, 4. 619, 2. 818, 3. 1197, 1. 
in trewen 644,1. miltiglich 1181,3. schon 1781,3 (2). gerne 796, 1. 
froleichen 1107, 4 (verlesen?). (freuntlich 655,4 nicht aus der vorl.). 
>< 55,2. 352,1. 764,3. 780,4. 1170,4. 1245, 2. 1488, 2. 1736, 2. 1829, 2. 
1835, 2. 2232, 2. || in vriuntlicher liebe : in freuntschafft und in liebe 
680.4. || in vr. triuwen : 8o gar in stetter trewe 556, 1. 

vriuntschaft ist! üblich. heyrat 2212,4. 

vröne : fif den vrönen kirchhof : auff unser frawen kirchoff 1890, 2. 

frum adj. : kun 2015, 1. ><1131,1. 2185, 3. 2356, 2. 

frum smm. = 285,2r. durch gefrumen 155,3 r. >< 121,3. 1519, 2. || fr. 
und £re : daz peste 2106,4. || ez solde ir (la. im) vr. sin : der helt 
solt wol bewaret sein 900, 2. 

frumen swr. ist in gebrauch. 

frümekeit : daz peste 1499, 4. 

frumecliche ><1973, 4. 

fruomesse : mess 1235,1. ampt 801,3. 

das gefügele : all fogel 1531, 4. 

enpfüeren : widerreden 853,3. 

fürbüege = (furgebug) 1640,4. di czeug auff iren rossen 73,2. schetz 
und kleinet (!) 566,1. >< 399, 1. 

fürgespenge : kuniglichs geschmeide 571, 2. 

wagen swv. : die (steine) kös man an ir wzte vil hörlichen w. : auß 
iren wapenrocken si schin [= schinen], dar in si lagn 402,2. || — 
erwagen swv. do erwaget im daz swert an siner hant : er schlug 
(auff Iring) 2098, 2. 

wäfen ist üblich, 

gewzfen : waffen 217,1. 1776,3. 2075,4. 2219,3. vil starcker waffen 
486,2. schwert und schilt 1026,4. wapenrock 365,4. || mit g. : gar 
wol gewapnet 1871,3 (la.). || guot g. : ein lichte brunne 1557,1. || 
dö was in mit vlize ir g. bereitet : da was verwapnet schone 1174, 2. || 
daz behuote ir g. : daz schuff ir schirmeschlege 2089, 4. 

entwäfent daz houbet : bunden ab die helme 2131,1 (vgl. 2130,1 = 
B 2081, 1). 

wäfenlich gewant : sturmgewant 1725, 3. 


392 LUNZER 


wzge : holde 490,4. getrewe 1463,2. 554,2. 1441,4. 1523,83. |] daz 
im diu was sö w. : daz er het gancz ir hulde 297,3. || daz (wir) im 
immer w. sin : daz im mein trew und dinste alczeit bereit sol sein 
131, 2. || si was im w. : si trug im hulde 797,4. || Prünhilt ir gesten 
dannoch vil w. was : Brunhilt in freud und wunne da mit den gesten 
was 806, 2. || ich wil iu w. sion : ich wil euch wol bewaren 1072, 3. || 
si sint iu w. : alls guten euch di gunnen 2240, 4. || — comp. = 
1489,83. || daz wzgest : daz pest 1481,4. 

gewähent (/a. enmuotet) : gedenckt 2398, 1. 

gewahs : mit swerten wol gewahsen : mit mangem werden helde 194,2. 

wzjen infr. : fllegen 2342,2. > 181,3. 455,4. irans. furen 481, 4. 

wän = 281,2 r. 653,3. 774,8 r. 892,1r. 1045,4r. (1493,4 nicht aus der 
vorl.). >< 33, 4. 1136,4. 2121, 2. || sit er üf stete minne tragen wolde 
w. : seit im nach frawen libe sein hereze all zeit bran 48,2. || daz 
si beliben solden, der bischof hetes w. : der pischoff pat si bleiben 
1313, 1. || ich tuon ez üf den w., ob... : darumb hab ich ez tan, 
ob ... 1610,1.2. || sit wir zuo dem lebene haben alsö kleinen w.: 
seit wir zu unserm leben kein trost nit sollen han 2146, 4. || als ich 
des hete w. : als ich vil gerne tet 2233, 1. 

wznen = 1855,1. 2325,3. meinen 460,3. 466,4. 482,3. 625,1 628,2. 
785,4. 808,4. 900,2. 963,2. 979,3. 1381,83. 1580,3. 1620,1. 1673,4. 
1754,4. 1946,3. 1988,1. 2061,1. 2087,3. 2141,4. 2161,4. 2172,2. 
2175,1. 2237,2. 2290,4. 2365,83. 2400,4. dencken 1909, 2. furchten 
1553, 4. 1647,4 (?). 2032,4. wollen 643,1. 1139,4. 1140,3. 1507,4. 
(ge)sprechen 1432, 3. 1624, 3. 2212,1. fur war 1917,2. gar wol 372,1. 
wol 69,2. 1015, 3. 1691,4. ><41,4. 95,3. 498,4. 631,3. 901,2. 902,3. 
937,2. 943,4. 1021,2 (wunden?). 1050,2. 1281,2. 1378,4 (wen?). 
1369, 2. 1461,3. 1656,1. 1741,3. 1803,3. 1812,4. 1869,1. 1871,4. 
1999, 2. 2126, 3. 2139, 4. 2173,2. 2227,4. || wänden niht : westen nit 
1494,4. || wolden wzsnen : westen nit anders 2093, 3. || (ich) wen 
parenthelisch : ich mein 1592,4. ich furcht 538,3. 546,3. 2163, 4. 
fur war 1383,1. 2353,4. ><412,4. 663,2. 1071,3. 1098,4. 1206, 4. 
1380, 3. 1641, 4. 1656, 1. 1855, 4. 1882, 2. 2168, 4. 2169, 4. 2280, 2. || — 
sich verwzsnen : meinen 1582, 2. >< 620, 2. 

war : wo hin 317,1. 601,1. 836,1. 1178,3. 1592, 3. 1879,2. 2415,2. wo 
(anders gewendet) 546,2. (im übrigen nicht geändert) 615, 4. 1770, 2. 
><2305,1. || war si teile (ir golt) : wem si gebe 1130, 4. 

swar >—< 926,2. 1270, 3. 

bewaren = 841,4 (= beweisen). ine kunde niht b. : ich kan euch nit 
vol sagen 1462, 2. 

(sich) warnen (= sich vorbereiten, rüslen) = 533,2 (192,4. 1502, 1 nicht 
aus der vorl.). || gewarnet sin = 533, ?. sich huten 1889, 3. || (= ndd. 
warnen) = 1029,4. 1540,1. 1565, 2. 1777, 3. 1778, 2. 

warte s/f. = 175,2. 178,2. 179,1. 185,4. 924,2 (1662,3 nicht aus der 
vor!.). || dö stuont in lieber w. : da ward loblich gecziret (!) 1395,1. 

warten (= nhd. warten) = 994, 3. dagegen gänzlich misverstanden 561,1. 
809,1. 828,4. 1175,1 (kamen!). 1236,2(kam!). (das in k übliche wort 


= — iin thin. iii — A 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG k. 393 


ist beiten). || warte dä vor : hiltten dar vor 1723,2. || wartent bi 
den rossen : haltten zu rosse 1082, 3 (v. 2 beyten). || (= ausschauen) : 
sahen 239, 3. 

wät ist üblich. 

gewzte : wat und kleider 971,2. kleyder 1559, 4. || di heten sölech g. : 
di waren wol gewapnet 1497, 3, 

wztlich : hoch gelopt 237, 3. werde 494, 4. 1050, 4. stolz 814, 1. 
ritterlich 1843,4. ><42,4. 1537,4. 1785,2. || wattlicher man : kuner 
man 293,3. wunderkuner man 295,4. 430,1. 796,4. werder man 
613,2. 1590,4. junger man 608,2. kuniglicher man 1714,3. degen 
lobesam 233,1. kun weigant 215,4. wunderkün weygant 90, 3. 
Seyfrit 102,3. >< 400,2. 542,4. 591,2. 1110,4. || wzsetlichiu meit : 
wunderschone meit 272,4. keyserliche meit 275, 4. schone meit 
1371,4. || watlichez wip : schones weip 23,4. 395,3. 1483,4. freie 
weip 190,4. frawen wolgetan 394,2. ähnl. 416, 3 (aus v.2 der vorl.). 
schone frawe zart 1543,3 (aus v. 4). >< 196,4. 413,2. 1998, 4 

wztliche (=mwahrscheinlich) > 737,3. 1771, 4. || (= schwerlich) >< 34,4. 
1346, 4. 1349, 1. | 

wazzersträze —= 317,3. 

wazzerwint : scharpffer wint (!) 523,3. 

wazzerwip = 1620, 1. 

wegemüede: mude 1392, 4. 1855, 3. || die wegemüeden (degene) : manch 
werder ritter 1662,1. di herren aus Purgunden 1850, 2. 

wegen stv.:lön : geben 2006, 3. || gäbe : erpieten czucht und er 2232, 4. || 
(daz her), daz wider siner helfe mit ungefuoge wac : dar gegen seine 
hilffe klein und geringe wag 177,2r. || höhe, ringe w. : kleine 
achten 1590, 1 (vgl. 1603,4). ><684,2. 2266, 1 (doch 2077,2 wag ge- 
ring, nicht aus der vorl.; vgl. auch 177,2). || ez enkunde niht gew. 
>< 2270,3. || — sich bewegen eines dinges : sich verwegn 805, 2r. 
(ganz falsch). 1484,3r. 2252,4r. ><20,1. 39,2. 1304,2. 1315, 4 (la.). 
1379,2. || daz ir iach genäden sült an uns b. : daz ir solcher un- 
gnade wolt gen uns pflegn 2228,4 r. (sich verwegen 109,2 r. 1479, 2r. 
2400, 1 r.nicht aus der vorl.). || — erwegen siv.: auf wegen 2271,3 r. || 
— widerwegen 1952,4r. 

wegen swv. Gunther in (den stein) dö wegete : erwegtin kaume 462, 4. || 
— erwegen : dem Etzeln gesinde erweget was der muet : wurden 
ungemut 2180, 1. 

tageweide : tagreis 703,3. 

weidenliche : ritterlich 952, 1. 

weigerliche : ritterlich 946,1. 1919, 1. 

weigern : möht ich es im geweigert haben (der verte) : mocht ich dort 
sein beliben 421,4. 

erweinen (vil wetltchiu wip):: gewynnen ein weip 413,2 (wol verlesen). 

wel : sinebell 448, 3 

wende stf. > 1354, 4. 

wenden (= rückgängig machen) = 152,2. 1031,4. 1284,3 u. 6. under- 


kumen 120,1 (1943,1 underkumen, plusstrophe, 681,3 als übers. von 
Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. XX, 26 


394 LUNZER 


understän). || — erwenden: widerwenden 818,4r. wenden 2304,4Ar. 
gewenden 631,1. erweren (die reyse) 1540,93. || wand in vil küme 
erwanden die Guntheres man : behiltten 904,3. || daz in ir über- 
müeten werde in sorgen erwant : daz in ir ubermute muß werden 
gar zutrant 171,4r. || — verwenden : sine kunde niht baz ver- 
wendet sin (Rüdigers tochter) : si kund nit bas versehen sein (als 
durch ihr verlöbnis mit Geiselher) 2213, 2. 

wenken : weichen 669, 4. || sin ouge er w. lie : er schawet recht 83, 2. 

werben (= handeln) >< 531,3. 1403,1. || wie heten sö geworben die 
bruoder min : hetten mich verfuret 818,1. || wie habet ir 8Ö ge- 
worben : waz habt ir hie geendet 2384, 2. || ouwö hörre Rüedegir, 
wiech wider dich geworben hän : ich han nit wol gehutet dem herren 
mein 1664,4. || (er) hete wol geworben : es was (im) gar wol er- 
gangen 217,2 (300, 3. 2206, 3. 2264,4 s. unten). | — werben nä&ch: 
näch öre = 199,4. stellen nach eren 2083,3. Mehrere stellen, wo 
werben im original — ‘handeln’ gebraucht und construiert war, sind 
in k so gewendet: ich enwerbe näch ir willen : ich wirb nach jrer 


hulde 300,3. || mit ellen in sturme w. : nach preyse in sturmen 
werben 2264,4. || näch minne w. ><46,1. || werben umbe ir minne : 
werben umb di maget 326,3. || — werben fransitiv. = 103, 3. 


1215,4, namentlich in der verbindung eine botschaft w. = 530, 1. 
737,4. 1106, 2. 1161,1. 1228,4 (so auch 527,3. 1204, 4, wo es erst von 
k eingeführt ist. || werben = handeln, so gewendet 2206, 3 hohen breiß 
erwarb, vor!. vil jämerlichen warp. || w. wip : werben umb ein weip 
1170,3. zwang daz weip (Brunhild) 336,4. >< 27,3. || eine w. : umb 
eine werben 48,3 (so auch 47,3, nicht aus der vorl.). || w. die meit : 
erwerben di meit 54,4. dhnl. 331,2. stalt nach der meit 50,4. || 
ander frouwen w. : nach andern frawen 371,2. umb andre frawen 
1153, 2. || w. in ähnl. bed. ><47,2. 52,3 (aber nicht aus gründen der 
wortwahl). || daz ir boten niht enwurben : nicht enschuffen 1881, 2. || 
vriuntschaft mit einem w. : beschließen 2212,4. || wand ich iu aller 
eren hie ze werbenne gan : wann ich euch aller eren und alles gutes 
gan 1203, 4. 

gewerp ><<51,4. 

wercgrimme (la. verchgr.) >< 2009, 2. 

werliche : ritterlichen 2395, 3. gewarnet 1887, 4. >< 187,1. 

gewerliche : an schaden 1546, 1. ><1492,4. 1807,4. 2066, 2. || daz ir g. 
vart : dar umb gewarnet seit 1619, 4. 

(ge)werrren : geschaden 55,1. 1493,4. || daz im iht gewerre : daz im 
nicht misselinge 373,3. || ob dir iht gewerre : ob es dir ging nit 
eben 1305, 3. 

wert (insel) : anger 923, 3. gebirg (!) 982, 2. || üf einen w. : zu lande 484, 1. 

ze wette >< 969, 3. 

wic ><1825,2 (oder durch streit 1825, 1 widergegeben?). 

wicgewant : sturmgewant 1626, 2. 2372, 3. 

wichen = 204,4. 283,2. 295,1. 1982,2. 1986, 1 (la). 1994, 2. 2146, 3. 
2258, 3. ausweichen 1853, 3. fliehen 1647,1. || muose w. : raut ge- 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG k. 305 


schwind von dem hause 2111,1. || dö im begunde w. von houbte 
der döz : da im verging der schale im helm und auch der dofß 
2094,1. || d& wart michel w. : da hub sich freud und wunne (!) 
1326, 3. || — entwichen = 679,2r. weich (aus dem lande) 1142, 2. 
schid (aus der kamer) 624,3. || ald& muos im e. der man : (er) treib 
in gar fern von im hin dan 2098, 3. 

widerspel : vederspil (!) 2326, 4. 

widerwinnen : feind 309, 2. >< 138, 2. 

verwieret : verwurcket 708, 1. >< 772,3. 

wigant : recke 61,4. ritter 1001,4. Das wort weigant ist in k sehr 
häufig, gehört aber offenbar der lebendigen sprache nicht mehr an, 
da es nur im reime erscheint (mit versetzter belonung). 

wihen : den segen geben 639, 1. 

erwihen sw. >< 2408, 3. 

erwinden = 63,1. 2237,3. abe lassen 53,1. 105,4. 663,3. 2233, 3. 
lassen 2067, 1. >< 110,1. 853,2. 880,4. 1969, 1. || sit ir niht weit erw.: 
seit ir nit wolt beleiben 1480, 4. 1493,1 (richtig). 

wine f. : weip 818,2 (la). || fürsten w. : kunigin 1776,1. || wä von 
Kriemhilt diu w. Sivrides si : warumb Krenhilde sey des helds 
616, 2.3. || >< 692,2 (verlesen? czunge). 

wine m. : w. min : herre mein 893, 2. || w. der Götelinde : der margraf 
Rudinger 2186, 2. 

wirden : kunden nimmer baz gewirdet sin : jn kund nit bas gewesen 
sein 1238, 4. 

wirs = 2272,3. minder 2305,2. jemerliche 1001,2. mer solcher jamer 
2235,2. wirseste (tranc) : pitterst 2025, 4. 

wirt (= herr des landes) : kunig 38,1. 124,1. 240,1. 240,3. 257,1. 
268,1. 286,1. 591,3. 611,3. 618,2. 637,2. 642,3. 682,3. 776,4. 783, 1. 
789,2. 791,3. 794,2. 798,1. 804,4. 827,3. 904,4. 1186, 4 (er). 1196, 4. 
1365, 4 (sein). 1454,1. 1839, 4. 1851,1. 1893,1. 1926,4. 1931,1. 1951, 1. 
2044,1. 2145,1. 2214,4. margraf 1332, 4. 1700,4. 1718,83. 1719, 4. 
1724,1. 1739,1. 1741,2. edel furste 1182, 4. helt 1740, 1. Etzel 2026, 1. 
Gunther 612,3. 780,1 (vgl. v.2 der vorl.). 784,4 (?). 37,1. 102,1. 

"684,3. 1184, 2. 

wischen : trucknen 549, 1. 

wise = 2304, 1 (im gegensatz zu tump; vgl. dieses). (weyse sinne 1214,3. 
1491, 4 nicht aus der vorl.). > 26,3. 33, 2. 36,1. 469,1. 587,1. 1061, 4. 
1234, 3 (mit listen?). 1630, 1. 1951,4 (milde?) || der vil wise recke : 
der kune degen 1800,4. || wisiu wip : wilde weip 1558,3. dhnl. 
1607, 3. 1620, 1. || daz aller wiseste wip : vil minigliches weip 1569, 4. 

wisliche ><469,4. 1829, 3. || vil w. : mit fleiß 1630, 4. || vil w. er pflac : 
der allzeit weißheit pflag 1213, 2. 

wisen —= 924,3. 1343, 2. 1617,2. 2314,2. furen 1010,1. 1326,1. 1625, 1. 
bringen (in den sal) 1703, 2. >< 1371,4. 1435, 3 (verlesen? weiß 3.sg.) || 
— bewisen : raten 339,4. 527,2. || nu ruoche mich (got) b. : her 
got, verley mir witze 2205,4. || wirde ich des bewiset : wurt mir 
kunde 1032,4. || — vüre wisen : irre weisen 909, 4. 

26* 


396 LUNZER 


wisent : winsagk (?!) 982,1. >< 911,4. || wisendes horn : groß her horn 
2031, 2. 

witze : nu ist er komen ze witzen : er ist seit wol gewachssen 1826, 3 
(2205, 4 witze vom schreiber eingeführt). 

wizen : czeihen 1966, 4. 2046, 3. 2142,3. scheltten 1921,2. || waz wizet 
ir mir : wy weißt ir uns dann jrre 1554,1. || zwiu wizest du mir 
daz : im pesten tet ich das 2194,3. || — verwizen : verweisen 
2401,1. || (er) hät mir verwizzen öre unde guot, des ich von dinen 
handen habe sö vil genomen : der hat zu euch gesprochen, ich hab 
von euch groß gut, daz hab ich unverdinet, schentlichen eingenumen 
2197, 2.3. 

gewizzen : nuistiu wolg.: nun wißtir wol 1475,1. || — ungewizzen: 
daz ist mir u. :,daz kan ich nit gewissen 1443, 4. 

wonen : sitzen 6,1. ><135,1. 1402, 2. || bi w. = 820,1. 994, 2. 1805, 4. 

gewoneheit = 1701,1. >< 1004,1. 1316,3. 1713, 2. 

gewonlich << 1716, 2. 

ungewon : seltzam 2165, 4. 

wüeste gelegen : verheren 880, 3. 

wüesten << 172,3. 

wüeten = 2011,4 (verwüten 2407,1 plussir.). || als er wuote : an er- 
bermde 2336,1. || ich wsn du woldest w. : ich wen, du habst nit 
sinne 2325, 3, 

wunderküene = 867, 3 (das wort ist in k ausserordentlich beliebt; 
ebenso wunderschone). 

wunsch = 1124,1 (=mwünschelrute). || er hete den w. der ören = 717,3. || 
ze wunsche : schone 1174, 3. >< 44,3. || den was wol ze w. geschaffen 
ir ip : den was nach wunsch gecziret ir miniglicher leip 1694, 2. 
ähnl. nach wunsch 827,4 (278,3. 587,4 nicht aus der vorl.). || höher 
wünsche maneger wart verlorn (an der küneginne lip) : manch helt 
wunscht im ir libe; daz was doch als verlorn 296,3. 

wuof : jamer 1035,3. ><1039,4. 2289,3 (oder durch jamer 2289, v.1?). 
durch si schryen waffen 1024,3. ähnl. 2288,1. || zuo dem wuofe : 
zu dem totten man 1020, 3. 

wuofen : klagen 1544, 1. " 

würken = 357,3 (360,4 nicht aus der vorl.). ziren (wat) 32,1. 65,3. 
volbringen (mit pronom. obj.) 337,2. >< 225,3. || geworht : durch- 
graben (mit bilden) 351,3. || geworht in Aräbin : mit gold beschlagen 
fein 828,2. | — bewürken : schon cziren (einen sarck) 1037, 1. 

zeichen = 983,3. 2115,1 (des tödes). wortzeichen 898, 2 (vgl. 893,4. 
2401,4). paner 885,1. 1626, 3. 

zeigen 1138, 2. 1669, 1. 2428,93. weisen 1569, 4. ><1295,4. || wol zeigt 
der marcgräve, daz er was starc genuoc : paret freyschamgleichen 
2266, 3. || ouch habt ir noch ze zeigen an iu selben genuoc : jr habt 
noch der wortzeichen an ewrem leib genug 2401,4. || — bezeigen : 
ungeb&re b. : weinen 2287,2 (vorher triben jemerliche klage v. 1). || 
der rine was bezeiget : gemachet 432,1. || — erzeigen : beweisen 
1687, 2. >< 789,2 (erpieten?). || si erzeigete wol dem degene ir libes 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 397 


meisterschaft : in zwang di kunigynne mit ganczer meisterschafft 
665, 4. 

zein — 433,3 r. 949,3 r. (951,3 nicht aus der vorl.). 

zemen (=gefallen) : wie zement iu diu mare : wi gfallen euch di mere 
1524, 1 (la). || dleibi 1722,4Ar. 2399,1 (aus v.4 der vorl.), aber in 
nhd. bed. 

ziehen in der verb. : du ziuhest dich ze höhe : du brichst dich hohe 
821,1 (vgl. 719, 2). 

ziere :’edel 803,4. kune 1830,2. hoch gemut 279, 4. scharpf (waffen) 
946,3 (la). starck 950, 1. >< 1250, 4. 

zierlich : aus erwelter (degen) 186,4. kuner (degen) 285,4. 2087,3 (aus 
v. 4 der vorl.). 2283, 2. (weigant) 1307,4. wol geczirt (schilt) 264, 2. 
reich (gewant) 319,4. kosperlich (gewant) 728,4. wunderschnelle 
(marck) 396, 1.>< 150,4 (lobesan?). 1208,4. || zierlichiu kleit : wapen- 
kleit 367, 2. 

zieren swv. ist in gebrauch. 

verzihen ><530, 3. 

gezimber : zymmer 1100, 1. 

bezimbert : gecziret 560, 1. 

in den zinnen : auff Eisensteine 509, 1. (736,1 nicht aus der vorl.). 

erziugen : vollenden 831,4. in anderer bed. czeugen 842, 2. >< 844, 3. 

geziuc : cezeuge 2256, 2. 

be zoc >< 362, 1 (kleider ?). 

zogen frans. rauffen (beim barte) 496,3. inir. ><1174,3. || in zogte 
wol der reise : si eiltten bald von dannen 733, 3. || den boten zogete 
söre : da (/. di) poten kamen schnelle 762,1. zugen bald 173,1. || 
daz in sö übele zogete : daz si waren so lange 1335, 2. : 

gezogenliche : zuchtiglichen 582, 3. 1114,2. hofelichen 295,3. tugent- 
lichen 1454, 3. in trewen 1095, 1. >< 1735, 2. 1780, 2. 

zoum = 396,1. 564,3. 1325,3. >< 73,1. 181,3. 1319,3. ziehet ab die 
zoume : satelt ah di rosse 1690, 3. 

zoumen : Göre Kriemhilt zoumte dan : reit mit Krenhilden dan 576, 3. 

züge : striche (auf der fiedel) 2046, 1. 

zucken (den schilt) — 980,3. 2327,2 (fassen im selben vers). 2405, 2. 
rucken 2084, 2. || fassen 488, 3. (den ger) : ziehen 450, 3. || (den vanen): 
furen 192, 2. || (daz pferit mit dem zoume) : fassen 1325, 3. || si zuhten 
diu scharpfen wäfen lanc : manch schwert bei in erklang 1020, 2 
(ein ruder zucken 1586, 1 nicht aus der vorl.). 

erzunde sich (sin varwe) : gund roten 288, 2 (vgl. dö mörte sich ir 
varwe : ir lichte farbe bran 556,2. ebenso 1365,1). 

in gezweietem muote >< 1713, 3. 

zwiu : warumb 819,2. 1256,1. 1282,3. 1285, 1. 1488,3. 1609,1. 1810, 2. 

weg 2401,1. ><530,3. 1211,4. 1263,3. 1489,3. 2194,3. || vgl. näch 

wiu : warumb 1436, 1. 


Bevor wir an die erörterung dieser zusammenstellungen 
gehen, sei noch festgestellt, dass die Übersetzung, was genaueren 


398 LUNZER 


oder freieren anschluss an die vorlage betrifft, im allgemeinen 
denselben charakter zeigt. Nur die erste partie unterscheidet 
sich. Von str. 1—11, die uns allem anscheine nach in zweiter 
bearbeitung vorliegen und kaum mehr eine tibersetzung zu 
nennen sind, ist zunächst abzusehen. Aber auch die nun fol- 
genden strophen — bis etwa str. 80 — verhalten sich viel freier 
als das übrige gedicht. Einen äusseren gradmesser gewähren 
die reime. Von str. 12—80 sind 110 reimwörter der vorlage 
beibehalten, 162 (von denen 7 reimpaare noch den reimklang 
des originales bewahren), rübren vom bearbeiter her, das sind 
fast 60 proc. neue reimwörter; str. 101—200 enthält nur noch 
43 proc. neue reime (172, davon 9 paare mit beibehaltenem 
reimklang), und zwar zu anfang mehr, dann immer weniger; 
str. 201—300 ist die anzahl der neuen reimwörter auf 21 proc. 
gesunken. Man kann sagen, dass von str. 80 an die übersetzung 
ihren charakter nicht mehr ändert (die zahl der neuen reim- 
wörter beträgt beispielsweise von str. 901—1000: 23 proc., str. 
1601—1700: 28 proc., 2101—2200: 27 proc). — Für uns ergibt 
sich aus diesem sachverhalt, dass der schreiber der sprache des 
originals zu anfang fremd gegenüber stand, sich dann aber 
einigermassen in sie zu finden lernte und im allgemeinen die 
tendenz hatte, sich dem alten gedichte, so gut es gieng, anzu- 
- schliessen. 


Aus unserem verzeichnis stellt sich zunächst einiges all- 
gemeine heraus. 1) Der reim bewahrt oft alte worte, die 
sonst vermieden werden. Man vgl. z. b. balt, (ver)dagen, diet, 
behagen, marc, gemeit, verch; das ist wol auch der grund, wes- 
halb eich und schelch (932,1.2) in ihrer richtigen gestalt ge- 
blieben sind, während üre ganz ausgefallen, kalpswuol durch 
ein anderes wort ersetzt, und wisent in unerkennbarer entstellung 
mitgeschleppt ist. Das reimwort wird oft auch beibehalten, 
wenn es zwar dem laute nach auch der sprache von k noch 
angehört, aber seine bedeutung geändert hat, so balt (öfter = 
nhd. bald beibehalten), ser (nicht selten als adverb, während cs 
in der vorl. subst. ist), gar (bleibt als adverb, wo es die vorl. 
als adjectiv meint). Nicht selten gelingt es dem bearbeiter, an 
stelle ungebräuchlich gewordener reimwörter andere zu finden, 
die dem sinne nach stimmen und auch dem klange nach ihren 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 399 


dienst erfüllen. So sagt er statt niht verdeit : geseit, für gemeit : 
unverczeit, für sal: fal, für sä: da, für des wären si vül her : 
des fremwten si sich ser, für ervant: erkani, für an den sant : 
auf daz lJant. — Auch ausserhalb des reimes ist die neigung 
zu spüren, verdrängte wörter durch ähnlich klingende zu er- 
setzen, die wenigstens ein paar buchstaben mit den alten ge- 
meinsam haben. Man vgl. z.b. /@se minen eit : las war..., 
nere: were 2097,2, ruore : ruden, saben(-wize) : seiden, swende : 
nem ein ende, bivilde : vigilge, verwieret : verwurcket. 

2) Manche alte wörter werden im anfang nicht ver- 
standen, an einer späteren stelle lernt der bearbeiter ihre 
bedeutung aus dem zusammenhang verstehen und übersetzt sie 
von nun an richtig, wendet sie vielleicht sogar selbst an. Von 
diesen worten, die sich also in k an einigen stellen erhalten 
haben, ist gleichwol anzunehmen, dass sie dem eigentlichen 
sprachschatze des schreibers schon abhanden gekommen waren. 
Hieher gehört z.b. ger. Das wort wird zuerst 72,2 — Bartsch 
73,2 ganz umgangen. Aus B 73, 3.4 ergibt sich zwar mit 
sicherheit, dass ger eine waffe bedeuten muss, und k trägt nun 
auch 72,3 nach ein waffen, hat das aber bis zum nächsten 
vorkommen wider vergessen und übersetzt B 212,2 (dö sach 
man über helme vliegen manegen ger) mit man sach aufs helmen 
fligen di flamen hin und her, k 208,2, also ger mit flamen. In 
der nächsten strophe steht ger im reime (v.4); k behält es des- 
halb notgedrungen auch bei, aber in der bedeutung von mbhd. 
ger = begierde. Endlich bringt B 425,2 [es wird der wettkampf 
mit Brünhild erzählt, in dem der ger eine grosse rolle spielt] 
die aufklärung: er sol den ger mit mir schiezen. k behält 
das wort von nun an bei, und die ausnahme 978,1, wo er e8 
durch siral widergibt, beweist, dass es wenigstens annähernd 
richtig verstanden worden ist. 

Dass der schreiber beim weiterübersetzen lernt, zeigen 
fälle, wo ein wort zuerst nicht verstanden, dann später aber 
richtig übersetzt worden ist. So ist das wort molte beim ersten 
vorkommen B 197,3 in einer weise umgangen, dass man sieht, 
es war nicht erfasst worden (k 193,3). Das zweite mal ist es 
richtig verstanden und mit staub widergegeben worden 1350, 2, 
— Aelınlich ist irunzüQn die ersten male — man kann schwer 
sagen, ob umgangen oder falsch übersetzt: B 35,3 = k 36, 3. 


400 LUNZER 


trunzüne sach man vliegen für den palas dan : dar von di fewres 
flammen aufs hertten helmen bran. — B 1307,2, wo der bear- 
beiter zunächst nur bis zum ende dieses verses las, mislingt 
wegen des schwierigeren zusammenhanges noch mehr: vi der 
trunzüne sach man ze berge gän : k 1321,2: vl manche reiche 
seymer (!) di gingen da vor in. Aber die nächsten verse heben 
über allen zweifel, dass hier von einem ritterlichen kampfspiele 
die rede sein muss; der schreiber verstebt nun auch den voraus- 
gegangenen vers und trägt den inhalt ganz richtig nach: da 
wart auff beiden seyiten manch sper enzwey gerant 1321,3. — 
Bei der nächsten gelegenbeit wird frunzün denn auch durch 
das entsprechende deutsche wort gegeben: 1369, 2 (= B 1354, 2) 
spreissel, — und an der letzten stelle B 1877,4 wird es in k 
1910,4, wenn auch umschreibend, sq doch mit richtigem ver- 
ständnis widergegeben ( ... ward zubrochen .... manig schar- 
pffes sper). 

Das wort bouc in seiner behandlung ist ein beispiel für die 
iibersetzungsweise eines ausdruckes, dessen beiläufige bedeutung 
k zwar schon von anfang aus dem zusammenhang erraten hat, 
dessen eigentlichen sinn er aber wahrscheinlich erst später er- 
fasste, obwol ihn das häufige vorkommen des wortes bewogen 
hatte, es in seinen wortschatz aufzunehmen (: pag, also noch 
dazu in dialektischer färbung). Gleich beim ersten vorkommen 
B 276, 3 lehrt der zusammenhang, bouge müssten ein schmuck- 
gegenstand sein. k übersetzt: kleinet ... von golde 212,3, ähn- 
lich später B 575, 3 = k 570, 1. — B 558, 1 erhält Siegfried von 
Kriembhild als "botenmiete’ vier und zweinzec pouge mit gesteine 
guot. Da geht eine allgemeine übersetzung, wie die frühere, 
wegen der zahlenangabe nicht recht an. k sagt: vier und 
zweinzig marcke (und manchen edlen stein) 552, 3. Ebenso 
k 1336, 2 = B 1322,2: Kriemhild spendet Rüdiger zweiff marck 
von golde rot. k 1665,2, wo die vorlage B 1634, 2: sehs pouge 
röt die nämliche übersetzung hätte veranlassen können, war 
jedenfalls der mangel an raum innerhalb des verses schuld, 
dass die allgemeine wendung vil des goldes roil vorgezogen 
wurde (das reimwort ro? musste nämlich beibehalten werden, 
es bedeutete aber für k ohne nähere bestimmung nicht mehr 
zugleich den stoff; gold musste also eigens gesagt werden, 
und nun war für die zahlenangabe kein platz mehr. — Bei 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 401 


der erzählung von Hagens zusammentreffen mit dem fährmann 
wird das wort in der vorlage öfter hinter einander gebraucht: 
B 1550, 3 verspricht Hagen diesem von golde einen bouc vil röt. 
Der schreiber bebält hier das nun schon mehrmals gelesene 
wort bei. Die zahlenangabe wird geändert (wovon später mehr), 
und es heisst so gib ich dir zweiff pagen, di sein von golde rot 
1576,3. Ebenso bleibt das wort B 1553,1 = k 1579, 1, wo k 
auch seine zwölfzahl wider aufgeben muss: Gar hoch an seinem 
schwertte sein golt er im da bot, ein pagen ... von golde rot. — 
Ob k 1585,2 —= B 1559, 2 das wort bouc in der vorlage fand, 
ist nach den hss. und der übersetzung zweifelhaft. k 1736, 3 
— B 1706,3 wird es wider beibehalten, und die übersetzung k 
2255, 4 = B 2204, 2 ingerlein beweist, dass es auch verstanden 
worden ist. 

Ein beispiel, wie ein von anfang an verstandenes wort, 
das aber als ungebräuchlicb empfunden ward, später auf- 
genommen worden ist, bietet der ausdruck nahiselde. Man ver- 
gleiche, wie es gleich das erste mal k 697,4f. = B 702, 2 f. 
richtig übersetzt wird, desgleichen k 1298,3.4 = B 1288, 3.4. 
— B1304,3 wird es bereits übernommen: nachtseld 1318, 3, 
allerdings zunächst noch dem verständnis des lesers näher ge- 
bracht durch den zusatz uber nacht. — k 1859,1 = B 1827,1 
wird es endlich ohne erläuterung angewendet. 

Aehnlich gewöhnt sich der übersetzer an die wörter hort, 
moere, marc, münster und wendet sie teilweise selbständig an. 

Jedenfalls ist die kenntnis, die der schreiber von k von 
der alten sprache hat, eine ganz unzureichende. 

Ganz besonders sind ihm die meisten ausdrücke fremd, die 
das ritterliche leben betreffen: die bezeichnungen für waffen, 
geräte, schmuck, kleidung, ritterspiele, gegenstände der jagd, des 
höfischen wesens, der kunst u.s.w. Man vergleiche im ver- 
zeichnis die behandlung der wörter ger, ort, spiez, trunzün, 
buckel, helmbant, helmgespan; helmhuot, helmvaz, sahs, wende, — 
antwerc, kisten, sedel, gesidele, valden; — gebende, bouc, grä 
unde bunt, gere, genagelt, pfäwenkleit, riuhe, fürgespenge, vedere, 
bezoc (dazu etwa noch die übersetzung des ausdrucks fremder 
vische hiute 362,1); — buhurt, fürbüege, (pfert)gereite, kover- 
liure, puneiz, ebene gän (von pferden), zoumen (dazu bi zoume 
leiten >< 574,1); — abeloufe, halpsmuol, leger, genozzen hän, 


402 LUNZER 


pirsen, ruore, suochman, Ür, wisent;, — garzün, knappen, swerl- 
degen, — gadem, sedelhof, urbor, varnde die; — hübschen, 
minne trinken, strichen (den lip); — leich, permint, anstrich. 

Auch kirchliche ausdrücke sind ihm übrigens nicht alle 
geläufig. Man vgl. opfergolt, bivilde, fruomesse, vernoijieren, 
vrön, tagezite, tuom. 

Hieher gehören übersetzungen, welche zeigen, wie sich das 
verhältnis zwischen herrn und mann bereits geändert darstellt: 
Der herr, namentlich der könig, ist gehoben, der untertan wird 
trotz des strebens, die helden der geschichte in steifer feier- 
lichkeit vorzuführen, gedrückt. Das zeigt die wahl der aus- 
drücke. Man vgl. die übersetzung von wirt, hüsfrouwe, vriunt, 
mäge, gesinde, gesellen u.s. w., lauter wörter, die in ihrer alten 
bedeutung sich fast gar nicht mehr finden. Für wirt tritt die 
bezeichnung Aunig in den vordergrund, für seine mannen 
schleicht sich nicht selten diener, undertan u. dgl. ein.!) 

Andere gruppen werden nicht aus gründen des verständ- 
nisses oder der auffassung, sondern aus formell-sprachlichen 
gründen vermieden. 

Hieher gehören composita wie adelfri, heimgesinde, her- 
gesinde, hergesellen, hermüede, herverten, hovemere, hovereise, 
hovevart, jagtgesellen, reisegesellen, vartgesellen, waltreise, werc- 
grimme, wortreze, lancreche, mortmeilen u.dg. — Ferner 
collectiva mit ge-, als gedigene, gehünde, gefügele, gejegde, 
gespenge, gefriunde, gezimber u.8.W. 

Relativ am stärksten ist, wie begreiflich, die gruppe der 
veralteten wörter. Es gibt darunter solche, die überhaupt 
nicht mehr verstanden werden, und solche, deren sinn der 
schreiber zwar noch erfasst, die er aber doch lieber durch 
neue ersetzt. Da unter den letzteren viele sein werden, deren 
verständnis nur durch den zusammenhang ermöglicht wurde, 
ist die zahl der dem sprachstande des bearbeiters bereits 
fremden ausdrücke jedenfalls als grösser anzunehmen, denn 
sie uns jetzt erscheint, zumal wo viele wörter ohne verständnis 
aus gründen des reimes oder anderer bequemlichkeit noch mit- 
geschleppt sind. 


ı) Was sich ausser aus der vergleichung mit der vorlage über die 
auschauungen des bearbeiters ergibt, wird später zu besprechen sein. 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 403 


Was das im verzeichnisse so oft angewendete zeichen 
anlangt, so sind die dadurch verbundenen fälle keineswegs 
gleichwertig unter einander und auch nicht so entscheidend, 
wie die directen übersetzungen. Erst eine grosse anzahl von 
stellen, wo ein bestimmtes wort consequent umgangen ist, wird 
einen sicheren schluss erlauben, dass es nicht mehr verstanden 
worden sei (z.b. bei sedel). 

Die art und weise, wie sich der bearbeiter einer dunklen 
stelle seiner vorlage gegenüber benommen hat, ist aber auch 
zur erkenntnis seines werkes zu wesentlich, als dass sie nicht 
auch im einzelnen zu betrachten wäre. Es werden sich dabei 
beobachtungen über seine arbeitsmethode, seine geschmacks- 
richtung und seine kenntnisse anschliessen lassen. 

Das einfachste für den schreiber war natürlich, unver- 
ständliche ausdrücke wegzulassen. 


B 956, 3 mit guldinen tüllen, diu sahs wol spannen breit: 


k 951,3 dar umb di goldes czeine wol einer spanven breit. 

B 220,4 dö wurden ouch die veigen von vriwenden söre gekleit: 

k 216,4 daz ward in irem lande gar kumerlich ge- 
kleit. 


B 542,3 allez daz gedigene vor jämer heten nöt: 
k 536,3 Di waren all in jamer und auch in grosser not. 


B 632, 4 simuosim durch irsch@ene vongrözenschulden wol behagen: 
k 626,2 daz schuff ir grosse schone si gund im wol behagn. 


B674,4 sitäten indem gademe her unt dar vil manegen stöz: 
k 669, 2 si tetten beid ein ander vil mangen hartten stoss. 


Selbstverständlich konnte gerade dieses einfachste mittel 
nur in den seltensten fällen angewant werden. Schon metri- 
sche gründe verboten meist die auslassung eines wortes, nur 
der letzte halbvers der strophe, der im original eine hebung 
mehr hatte als in k, mochte öfter dazu auffordern. 

Der bearbeiter half sich nun, indem er das unbequeme 
wort ausliess, dafür aber im übrigen den ausdruck durch 
nichtssagende einschiebsel dehnte (eine strenge scheidung von 
der früheren gruppe ist dabei nicht durchführbar): 


B 655,4 daz solde ich wol verkiesen:: si ist ein ungehiurez wip: 
k 650,2 Er sprach: es ist Brunhilde ein ungeheures weip. 


B 941,1 Dö hörtens allenthalben ludem unde döz: 
k 936,1 Da hort man allenthalben gar weit den selben dos. 


404 LUNZER 


B1032,1 Mit üf erbürten schilden ze strite was in nöt: 
k 1031,1 Doch waz den iren helden zu streitte also not. 


B 1890, 1 Dö ruhte hurteclichen Hagene näch im dan: 
k 1923,1 Da rant im nach her Hagen, dem werden spileman. 


B1583,4 der muoz an disem wäge doch ligen schemelichen töt: 
k 1610,4 Der muß in disem wage bleiben und ligen tot. 


B348, 3 dö stuont si von dem sedele: 
k 347,3 Da stund si auff gar balde. 


B 769,1 Der künec durch gröze liebe von dem sedele spranc: 
k 763,1 Der kunig und seine helde her gen den potten sprangk. 


B 658,4 im volgte zuo dem sedele vil manec recke wol getän: 
k 653,2 In folget ritter, knechte, vil manig werder man. 


Aebnlich B 418,4 = k 417,4, B 960,1 = k 955, 1. K 1198, 1. 1202, 1. 
1452, 3. 1731,1. 1751,3. 1808, 1. 1809,4. 1814,2. 1836, 3. 1840, 1. 


B 1662, 4 die truogen vil der bouge unt ouch diu hörlichen kleit 
k 1692, 4 Si truogen an irm leibe manch kosperliches kleit. 


Aehnl. B1286,3 = k 1296, 3 (oder verlesen?). 


B 749, 1.2 Sit daz wir von in schieden, hät iemen iht getän den minen 
konemägen: 

k 744,1.2 Seit wir dort schiden dannen, hat in imant getan Icht scha- 
den in dem lande. 


Solche zerdebnungen und einschiebsel, die nicht selten an- 
gewendet sind, gewähren natürlich wenig aufschluss über die 
eigenart des bearbeiters. Sie zeigen nur seine armut. Höch- 
stens verraten sie hie und da, dass er sich namen u.dgl. von 
früher her gemerkt hat: 


B 1427,2 Werbel der vil snelle den guoten bischof vant: 
k 1433,2 Werbell da zu Passawe den hohen pischoff fant, 


Immerhin sind solche einschaltungen meist bedeutungsloser 
wörter weniger bedenklich, als wenn zur übersetzung ganzer 
verse phrasenhafte sätze von derselben ausdehnung verwendet 
werden: 

B572,1.2 Sehs und ahzec vrouwen sach man für gän, 
die gebende truogen. zuo Kriemhilde dan ... 


So weit hat der schreiber gelesen. Er will abschliessen, weil für ihn hier 
die strophe zu ende ist. gebende versteht er nicht. Er setzt also für 
den zweiten vers: k 566, 4: di dintten all Krenhilden und manig wer- 
der man. 


B 746,4. Die boten erzählen von Gunther und Brünhild, 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG Kk. 405 


der dine an ören höhe stät. 
Die wendung ist für einen halbvers zu lang. Es ist bequemer, sie durch 
eine phrase zu ersetzen: k 741,4: nu hort, wis darumb stat. 


B73,1.2 Diu ort ir swerte giengen nider üf die sporn : 
ez fuorten schärpfe geren die ritter üz erkorn. 

ort ist unklar; was ger ist, wird erst später gelernt. Die betreffenden 
(es sind Siegfrieds mannen) sollen wol gepriesen werden, also: 

K 72,1.2 Sein diner waren alle edel und hochgeporn, 

In sturmen und in streitten zu noten auserkorn . 
(erleichtert hat sich der schreiber hier die sache noch dadurch, dass er 
einfach str.5,1.2 abschreibt.e. Man vergleiche: 
k5,1.2 Di herren waren millde, von adell hoch geporn, 
In sturmen und in streitten zu recken auserkorn). 

B882,4 döne wolde Hagene nie des rätes abe gän. Den ausdruck 
des rätes abe gän will der bearbeiter ändern. Er sagt k 877,4 Daz want 
alein her Hagen. Nun ist aber in einem halben vers alles gesagt, was 
der vers der vorlage enthielt. Ein zweiter halbvers ist nötig, also als 
apposition zu Hagen: der untrew vil began. 

B1284,4 derrede neig im Kriemhilt, daz irz der helt sö wol erböt. 
Der 2. halbvers ist zu lang. Uebersetzung: Des dancket im Krenhilde 
aus irem mundlein rot 1294, 4. 

B 2144,4 des ensol mit in niht striten min vil ellendes hant. Um- 
schreibungen, wie die des 2.halbverses liebt k nicht: k 2195,4 Ich wil 
mit in nit streilten, so sprach der kun weigant. 

B 2168,4 sit hörten leidiu moere die küenen ellenden sagen. Die 
küenen ellenden ist eine für k unmögliche zusammenstellung: Si hortien- 
leidig mere, ir herz waz jamers vol 2220, 2. 

B 64,3 niwan zwelf recken, den sol man prüeven wät: mwät prüeven 
versteht k nirgends: 64,3 zwelff recken, di sein all aufserwelt. 

B795,4 vil manegen puneiz richen man vor den juncfrouwen vant: 
(puneiz!) kK 189,4 Da hub sich grosse freude in irem lande weit. 

B 286,2 sam er entworfen were an ein permint. Was ein permint 
ist, weiss der schreiber der papierhs. nicht: kK 282,2 sam wer der helt 
entworffen, als man geschriben fint. 

B 1340,4 (Die wilden Pesceneere) ir pfile vil sere mit kraft unz an 
die wende zugen. — pfile? wende? — k1354,4 Vil manig grosse schare 
da mit dem kunig her czugen. 


Aus diesen beispielen, die sich leicht häufen liessen, ersieht 
man, wie rasch der bearbeiter zu dem auskunftsmittel greift. 
Ist ein wort nicht gleich verständlich, ist ein vers des originals 
zu lang, ist der inhalt eines verses der vorlage schon erschöpft, 
widerstrebt eine zusammenstellung dem neuen sprachgebrauch, 
kurz tritt irgend eine schwierigkeit ein — eine phrasenhafte 


406 LUNZER 


wendung hilft darüber weg. Diese wucherungen sind so zahl- 
reich, dass sie das charakteristische des ersten eindrucks aus- 
machen, den man von der bearbeitung erhält. Dass alle diese 
surrogate nicht nur hinter dem original zurückbleiben, sondern 
auch an sich leer und nichtssagend sind, braucht nicht erst 
gesagt zu werden. Aber man sieht, dass plattheit und leere 
nichts gegen die echtheit der ursprünglichen strophe (des origi- 
nals) beweisen: k hat eben vieles unkennbar verunstaltet. Man 
wird sich also hüten müssen, strophen, die nur in K erhalten 
sind, ausschliesslich unter dem gesichtspunkte, dass sie matt 
und inhaltsleer sind, der vorlage abzusprechen, wenn man sieht, 
was aus zweifellos alten stellen geworden ist. 

Häufig geschieht es, dass der bearbeiter nicht ganz auf die 
übersetzung eines ausdrucks verzichtet, sondern aus dem zu- 
sammenhange etwas an seine stelle setzt (wobei freilich meist 
der ganze vers, oft auch die weitere umgebung umgestaltet 
werden muss): 

B585,4 hey waz dä richer buckeln von gedrange lüte erdöz: der 
schreiber kennt das wort buckel in dieser bedeutung nicht mehr; da aber 
früher vom brechen der speerschäfte (585,2), vom stossen der schilde 


(585, 3) die rede gewesen war, so weiss er, dass er es mit der schilde- 
rung eines turnieres zu tun hat, und übersetzt: 


k 580,2 Mit stechen und thurnieren hub sich da freude groß. 
Also recht allgemein, aber nicht geradezu falsch. 


B 867,1. Suln wir gouche ziehen? fragt Hagen, als Giselber seine 
erbitterung gegen Siegfried besänftigen will. Auch k erfasst, dass 
Hagen unwillig auf seinem vorsatze beharrt und lässt ihn erwidern: 
k 862,1 Sol wir im daz vertragen? 


B1089,4. Die mannen Siegmunds haben erfahren, dass Kriemhild 
nicht mit ihnen heimkehren will. Sie beklagen das und schliessen: so 
geriten hovereise noch helde sorclicher nie. Dem bearbeiter ist es un- 
verständlich, dass die mannen hier von sich selbst in der dritten person 
reden. Er fasst es als bemerkung des dichters.. Das compos. hovereise 
ist ihm nicht geläufig, sorclichen passt metrisch nicht und ist für ihn 
schon zu schwach. Er gibt den satz wider allgemein, aber sonst nicht 
störend: k 1087,4 Sich hub von Sigmunds helden vil grosse klag umb si. 


B 1613,4. Hagen kämpft mit Gelfrat. Er muss Dankwart zu hilfe 
rufen, sein gegner lasse ihn nicht genesen: dö sprach der küene Danc- 
wart: des sol ich scheidere wesen. Den ausdruck scheideere kennt k 
nicht, aber er weiss, worauf es ankommt: 1644,4 Im kam zu hüff Danck- 
mwarlte, wer sust sein end gewesen (letzterer zusatz aus dem er /At 
mich niht genesen der vorlage widerholt). 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG k. 407 


B 968, 4. Siegfried ist ärgerlich, dass man den jägern wein nachzu- 
führen versäumt habe. War das unmöglich, so solde man uns näher 
hän gesidelt an den Rin. Das verbum sidelen ist wie gesidele, sedel 
u.8.w. dem sprachbewusstsein des bearbeiters entschwunden; auch hier 
weiss er die eigentliche bedeutung nicht, aber der zusammenhang hilft 
ihm: k 964,4 man solt uns han gespeiset dort nahent bey dem Rein. 


B 262,4. Gunther will ein fest anstellen. Auch Kriemhild hat da- 
von erfahren (262,2): do wart vil michel vlizen von scheenen frouwen 
getän. Vlizen macht dem schreiber schwierigkeiten. Er schliesst sich 
an den inhalt von v.2 an: k 258,4 Vi! manger schonen frawen ward es 
auch kunt getan. 


B 1279,4. Rüdiger sagt, Kriemhild bedürfe zur fahrt ins Heunenland 
keines schatzes. Er führe genug mit, uni unser kosie hinnen mit vollen 
herlichen stät. Hier ist koste der stein des anstosses; aber schliesslich 
lässt sich der sinn des verses ungefähr denken: Rüdiger sei mit allem 
versehen, pis wir kumen gen Hennen; dar nach es wol ergat 1289, 4. 


B 1373, 2. Es war von der freigebigkeit Dietrichs und Rüdigers 
berichtet worden. Nun heisst es von Blödelin: der hiez dä machen 
loere vil manegiu leitschrin. Das letzte wort versteht k nicht; auch 
widerspricht die wendung seiner trockenen darstellungsform. Aber ver- 
mutlich soll von Blödelin dasselbe gerühmt werden, wie von den beiden 
anderen, also: k 1388, 2 (er) begabet durch sein milde ritter und megethein. 


B 309, 2.3. Gunther lässt seine gäste reichlich bewirten: er hete sich 
bewegen aller slahte schande, die ie künec gewan. Aller slahte schande 
macht schwierigkeiten. k fährt nach dem früheren fort: Är achtet klein 
den schaden, der im darauff mocht gan (der ausdruck bewegen war 
misverstanden worden und die übersetzung hatte den v. 2 der vorlage, 
obwol seine beiden halbverse zu verschiedenen sätzen gehören, als &inen 
satz tibersetzt). 

B441,2. Der gör der Brünhild wird beschrieben: wol vierdehalbiu 
messe was dar zuo geschlagen. Der bearbeiter, dem das wort messe 
unklar ist, vermutet, es sei von der kostbarkeit der waffe die rede und 
sagt K440,2 Sein schafft mit rotiem golde auch waz gar wol beschlagn. 


B 1929, 3 heisst es von Blödelins mannen: mil Üf erbürten swerten 
si sprungen für diu kint. Der erste halbvers ist für k dunkel, die be- 
zeichnung Aint für die knechte der Burgunder passt ihm nicht. Aber er 
sieht, dass vom kämpfen gesprochen wird und sagt 1972,3 Von mangem _ 
scharpffem schwertte so sprang der fewrein wint. 


Hie und da weicht der bearbeiter notgedrungen sogar von 
seiner sonstigen gepflogenheit ab, nur 1 verspaar zu lesen und 
sogleich zu übersetzen. Irgend ein schwieriger ausdruck ver- 
anlasst ihn, weiter zu lesen und sich aus dem folgenden rats 
zu erholen; 


408 LUNZER 


B 36, (3). 4 fährt in der beschreibung der folgen eines turnieres 
fort: (vil der edelen steine gevellet) ab liehlen schildes spangen: von 
hurte daz geschehen was. Der übersetzer hatte sich hier schon in einen 
fehler verwickelt, weil er geglaubt hatte, das turnier daure noch fort; 
nun versteht er hier das wort Aurte nicht. Er liest also weiter B 37,1 
Dö giengens wirtes geste, dä man in sitzen riet. Von da nimmt er denn 
auch die übersetzung des früheren verses und sagt: Bis man zu hoff 
ward essen und man zu tische sas k 37,4. 

B 143 = k 140 haben dem libersetzer die umschreibenden formeln 
der ersten verse nicht gefallen. Er liest die strophe zu ende und beginnt 
gleich mit dem tatsächlichen. 

B 833, 4 Kriemhild mit ihren frauen geht ohne Brünhilde zum 
münster: in warlen vor dem hüse alle Sivrides man. Warten macht dem 
schreiber auch sonst schwierigkeiten. Er nimmt den inhalt des nächsten 
verses zu hilfe: die liute nam des wunder u.s.w. und übersetzt: Da: 
nam vi michel wunder Seyfrid und seine man K 828,4 (was allerdings 
insoweit unrichtig ist, als Siegfried erst später geholt werden muss). 

B 1616,2. Die Baiern sind in die fiucht geschlagen: dö hörte man 
hellen die vreislichen slege. k versteht das nicht und liest weiter: die 
von Tronege jagten (sc. nämlich) ihren feinden nach. Demgemäss lautet 
die widergabe: in grymiglichem czorne kamen daher gerant di held 
Hagens von Throne u.s.w. K 1647, 2.3. 


Es ist für die spätere betrachtung der plusstrophen gleich 
hier festzustellen, dass k nur in solchen fällen weiter liest, wo 
es zum verständnis der betr. stelle (sogar dem schreiber) un- 
umgänglich nötig schien (allerdings nicht immer, wo es nötig 
war, 8. U.). 

So sehr jedoch schon durch phrasenhafte, ganz erfundene 
oder aus dem zusammenhange hergenommene änderungen der 
charakter des alten gedichts verwischt wird, ungleich störender 
wirken umgestaltungen, die etwas geradezu falsches oder etwas 
inhaltlich neues hereinbringen. 

Auch die falschen übersetzungen stützen sich meist auf den 
zusammenhang: 


B586,1 Die vil minneclichen die stuonden an der habe. Das letzte 
wort ist dem schreiber unverständlich. Früher war von einem turnier 


l 
l 


die rede gewesen. k gibt an stelle einer übersetzung daran anschliessend | 


Dar umb man brei[s und ere vil mangem ritier gab 580,3. 


Bedenklicher noch ist der schon früher berührte fehler k 37,2.3 = 
B36,2.3. Das turnier ist aus: man sach ouch dä zebrochen vi manege 
buckel starc, vil der edelen steine gevellet Üf daz gras. k aber übersetzt: 
Da hub sich ein thurniren von manegem ritter siarck, von schlegen 
daz gesieyne sprang nider in daz gras. 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 409 


B38,2.3 vil der varnder diete ruowe sich bewac : si dienden näch 
der gäbe, die man dä riche vant. — k weiss nicht, was varndiu diet 
ist, und übersetzt k 39,2.3 Da dint man schonen frawen, daz det manch 
stolezer degn. Darumb vil reicher gabe gab in des kuniges hant. Es 
ist also varndiu diet durch manch stolczer degn widergegeben. 


B 617,1—3 Sich teilte daz gesinde. als schiere daz geschach, 
an daz gagensidele man Sivride sach 
mit Kriemhilde sitzen. 
Der bearbeiter versteht gagensidele nicht. Er schliesst nur, Siegfried 
habe (im gegensatze zum gesinde) einen ehrenplatz erhalten, und über- 
setzt k 610,4 dort bey dem edlen kunige Seyfrid man silzen sach, also 
gerade das umgekehrte, statt gegenüber dem könige neben ihm. 


B 197, 3. Der schreiber hatte ohne rücksicht auf den engen zu- 
sammenhang zwischen v.2 und 3 nach seiner gewohnheit das erste vers- 
paar übersetzt. Jetzt liest er weiter: ... diu molle von den slräzen : si 
riten über lant. Molte ist ihm dunkel. Kurz entschlossen übersetzt er 
k 193,3 si kertten von der strassen und filen in daz lant. 


B 782,4 der wirt sich gegen den gesten sere vlizen began. Vlizen? 
Früher hatte es geheissen, Gunthers mannen seien den gästen entgegen 
geritten. Also wird k 776, 4 übersetzt Und auch der kunig selber reit 
gen den gesten dan. Nun sagt aber gleich der nächste vers der vorlage 
Er gie zuo Prünhilde, da er si silzen vant. Der Übersetzer bemerkt nun 
seinen fehler, streichen will er nicht, er fährt also ungefähr fort: ‘aber 
vorher gieng er noch...’ (k 777,1 Er ging vor zu Brunhilden) : eine 
ganz charakteristische stelle. 


B1142,7. Uote hat eine abtei gestiftet mit starken richen urborn .. 
Das letzte wort kennt k nicht, aber es ist von dem bau eines stattlichen 
gebäudes die rede, das unbekanute ding wird in der vorlage stark ge- 
nannt, also k 1145, 3 mit Ihurnen und mil mauren. 


B1261,7. Eizel sei schon einmal christ gewesen, wan daz er sich 
widere vernoijieret hät. Vernoijieret? Einfach: wann er ein teil des 
glauben noch eylell nicht verstat k 1271, 3. 


B1578,1. (Hagen hat den kaplan ins wasser geworfen): Der pfaffe 
swam genöle. Das letzte wort bleibt unklar. k sagt 1605,1: Der pfaff 
schwam da zu lande. Im liede aber schwimmt er im gegenteil zuerst 
dem schiffe nach, und erst nachdem ihn Hagen wider zum grunde ge- 
stossen hat, kert er mider übere, d.h. ans land. 


B 1726,4. Dietrich warnt Gunther vor Kriemhildens rache: iröst 
der Nibelunge, dä vor behüele dü dich. Die epische anrede ist dem manne 
des 15. jahrhunderts fremd. Er conjiciert k 1757, 4 Um Nibelunger 
schetlze, dar umb so hut du dich. 


B 2099, 1—4 spricht Kriemhild zu den Heunen, ohne dass aber ihr 
name genannt wird. Der iibersetzer sucht nicht lange herum: er glaubt, 
es rede ein Burgunder, und leitet die strophe ein mit der angabe: Da 
sprach einer (2149,1). Natürlich ist auch die weitere übersetzung falsch. 

Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. XX. 27 


410 LUNZER 


B1364,2 di helen sich der ruowe mit arebeil bewegen wird aus dem 
zusammenhang so ziemlich durch das gegenteil ersetzt: k 1379, 2 Di 
qunden mil Krenhilden vil wunn und freuden pflegn. 

B1989,1 sagt Gunther Jch sihe in üf dem tische: er (= Dietrich) 
winket mit der hant. k versteht das falsch und sagt: Zr gund in allen 
wincken, Gunlher mil seiner hant (2033, 1). 


Auch abgesehen von unrichtigen übersetzungen bringt der 
bearbeiter inhaltlich neues hinein. Aeussere veranlassung ist 
auch hier — das sei gleich vorausgeschickt — ein unverstan- 
denes wort, eine dunkle wendung, reimnot, metrische schwierig- 
keiten, kurz etwas, was in der vorlage liegt, nicht etwa das 
bedürfnis eines lebhaften erzählers, eigene sagenkenntnisse u.dgl. 
unterzubringen (die wenigen spuren der letzteren werden 
später behandelt). Gleichwol sind diese neu eingeschobenen 
angaben für uns von interesse, weil sie über die person des 
übersetzers licht verbreiten, und sie sollen daher auch mit 
srösserer ausführlichkeit und möglichst vollständig besprochen 


werden. 

B 58,3. Siegfried will nicht, dass ihn ein zahlreiches gefolge nach 
Worms geleite durch deheine hervarl; daz wwre mir vil lei. Das com- 
p08. hervart ist k unbequem, die wendung nicht ganz klar, wahrschein- 
lich haben wir es auch mit einer verlesung zu tun. Der überarbeiter 
sagt k 58,3: man sprech, ich brecht durch forchte dahin so mangen 
man. Es ist also ein in der vorlage gar nicht berührtes motiv neu ein- 
geführt. 

Die überlieferung von B 67,68 ist in k, wahrscheinlich schon in 
der vorlage, in unordnung geraten (in folge der ähnlichkeit zwischen 
B 67,1.2 und 68,3.4). Es sind B 67,3.4 und 68, 1.2 übersetzt, dagegen 
67,1.2 und 68,3.4 ausgefallen. Die verstiimmelte stelle war ohne anfang 
und ende nicht zu verstehen; sie enthielt ausserdem worte wie souzmen, 
gereite, kurz der bearbeiter ist gezwungen, sie frei zu libersetzen. Man 
vergleiche original und übersetzung: 


B 67,3. 
ob si immer komen solden heim wi- 
der in daz lant, 
4. 
di helde in hiezen soumen beide wä- 
fen und gewant. 


68,1. 
Ir ros diu wären schoene, ir gereite 
goldes röt 
2. 


lebt iemen übermüeter, des enwas 
niht nöt. 


k 67,1. 
Seyfrid und seine helde di sassen 
auff zu hant. 
2, 
Man reycht in dar die schilde; Sey- 
frit der kün weygant, 
3. 
Der furt vor seiner bruste ein schilt 
| von golde rot. 
4. 
Dar nach kam er am Reine in jamer 
und in not. 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 411 


Es ist also folgendes geschehen: 67,3 ist aus dem zusammenhange 
übersetzt: es war von den vorbereitungen zur reise die rede gewesen. 
— 67,4 ist soumen durch reycht wiedergegeben, 68,1 gereite durch schilt. 
Mit dieser änderung der wichtigsten worte musste natürlich die umgebung 
schritt halten. B 68,2 aber ist durch etwas ganz neues ersetzt, durch 
eine vorausdeutung auf Siegfrieds zukünftiges geschick in Worms. 
Der hinweis ist nicht besonders deutlich, zunächst aber doch interessant 
als beweis, dass der bearbeiter mindestens Siegfrieds ermordung voraus 
weiss. Wir müssen im späteren auf ähnliches achten. 


B 97,4 dö was des hordes herre Sivrit der vreisliche man. Im 
vorhergehenden verse hatte es geheissen, dass Siegfried dem Alberich 
die tarnkappe ane gewan (reimwort). Diesen ausdruck hatte k geändert 
in nam 96,3. Nun muss auch das nächste reimwort fallen: k 96, 4 lautet: 
Da ward des schatzes herre Seifrid; dem bin ich gram. Das sind 
worte Hagens, der über Siegfrieds abenteuer berichtet. Dass schon da- 
mals Hagen dem eben anlangenden Siegfried gram gewesen sei, steht 
nirgends im alten gedicht. Es ist zutat von k, und zwar nicht bloss 
eine zufällige. Sie ist vielmelir die deutlichste zusammenfassung einer 
reihe kleinerer änderungen. Man vergleiche, wie auch früher Siegfrieds 
verhalten beim erwerben des Nibelungenhortes dargestellt wird (und zwar 
durch den mund Hagens). Im alten gedichte geschieht dies zufällig, in k 
geht sie aus Siegfrieds absicht, und zwar aus einer nicht löblichen, hervor. 


rn 


B 88,4 die [die besitzer des schatzes] wären im & vremde, unz er ir 
kiinde dä gewan: 
k 87,4 Den schleich er nach mit listen, bis er den schatz gewan. 
Veranlassung der änderung: künde gewinnen. 


B 89,4 daz sach der degen Sivrit: den helt es wundern began: 
k 88,4 Daz merckt gar wol Seyfride und eilet schnelligleich. 
Veranlassung: geändertes reimwort von vers 3. 


B 93,2 si wären mit dem dienste vil übele gewert, 
3 den in dä leisten solde Sivrit der helt guot: 
k 92,2 Si wurden keiner trewe da von dem held gewert. 
Er globet in mit trewen, er wolt si han in hut. 


B 93,4 ern kundez niht verenden [die teilung des hortes]: si wären 
zornec gemuot: 
k 92,4 Daz brach an in der degen und traib groß ubermut. 


Grund der änderung: k kann die strophe inhaltlich unmöglich verstehen, 
wenn er nicht die im alten gedichte verschwiegene voraussetzung, den 
nur angedeuteten hergang kennt: dass die teilung des hortes durch die 
stets wider ausbrechende unzufriedenheit der beiden brüder mit jedem 
teilungsvorschlag verhindert wird. Man vgl. noch die übersetzung von 
B 87,4 = k 86,4. — B 90,4 — k 89,4. 

Die darstellung ist also völlig zu ungunsten des helden geändert. 
Der schlüssel liegt in den zuerst hervorgehobenen worten Hagens, er sei 
Siegfried gram: der bearbeiter glaubt Hagen schon hier von misgunst 


27* 


412 LUNZER 


gegen Siegfried erfüllt und lässt ihn daher ungiinstig über ihn sprechen. 
Wider aber wagen sich die eigenmächtigen änderungen von k nur an 
unverstandene stellen oder an solche, die aus anderen als inhaltlichen 
gründen ohnehin geändert werden mussten. Wir lernen weiter: k wusste, 
dass das verhältnis zwischen Siegfried und Hagen im allgemeinen ein 
feindseliges sei. Eine allgemeine kenntnis vom inhalte des gedichtes, 
wie sie schon aus der früheren vorausdeutung zu erschliessen war, wird 
bestätigt. Die einzelheiten — wie beide zu anfang sich verhielten — 
kennt k nicht. Dass Siegfried den schatz gewinnen werde, weiss er 
schon k 87,4, bevor es im originale erzählt war — wie das ge-. 
schehen ist, weiss er nicht —: eine neue bestätigung. 


B477,1.2 Si riten tägeliche späte unde vruo 
der Prünhilde bürge scharhafte zuo. 
Die rede ist davon, dass Brünhild, nachdem sie in den kampfspielen 
gegen Gunther unterlegen ist, nach ihren mannen sendet, die nun in 
überaus grosser zahl eintreffen. Den Burgundern, besonders Hagen, 
wird übel zu mut, sie befürchten gewalt. 

Die zweiten halbverse sind für die metrik von k zu kurz, schar- 
hafte ein nicht mehr üblicher ausdruck. Es wird geändert: k 476,1.2 
Si kamen all gen hofe, als in di meil gepot. Sie eiltien zu der burge. 
Nun hebt sich grosse not. Das letztere ist ein zusatz von k. Er 
verrät uns, dass der bearbeiter (ebenso wie die Burgunder) glaubt, es 
werde nın zu einem zusammenstosse kommen. Aber die erwartung 
täuscht. Es geschieht nichts, und wir haben es hier mit einer übereilten 
und unrichtigen vorausdeutung zu tun. Also wider: die einzelheiten 
der weiteren erzählung kennt der bearbeiter nicht. 


B 657,1.2. Siegfried hat Gunther versprochen, ihm in der nächsten 
nacht sein weib zu bezwingen. Der tag geht zu ende: 


Dä was von kurzewile in gedrange nöt. 
den buhurt unde schallen allez man verböt. 


k zieht beide verse in einen zusammen: 651,3 Di kurczweil nam 
ein ende, als da der kunig bot. Er hat noch einen vers auszufüllen und 
dichtet selbst: 651,4 Der kunig leid nach Brunhilden in seinem herczen 
not. Das neu eingeführte motiv ist richtig. Es ist übrigens nicht selb- 
ständig erfunden, sondern eine widerholung der erzählung vom vorigen 
abend (B 624,3.4 ff. = k 618, 3.4 ff.). 


B 682,3.4. Brünhild hat Gunthers weib werden müssen und gibt 
das widerstreben auf, denn sie ist nicht stärker mehr als ein anderes weib: 
ob siz versuohte märe, waz kunde daz vervän? 
daz het ir der kiinece Gunther mit sinen minnen getän. 
k liest den ersten vers und versteht ihn nicht (rhetorische frage! vervan?). 
Er nimmt auch den zweiten dazu und glaubt jetzt das richtige, wenn auch 
etwas freier, widerzugeben: 
k 650, 1.2 Si het in jrem synne und auch in jrem wan, 
Si het Gunther bezwungen und ir gesiget an. 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 418 


Man sieht, wıe dadurch der inhalt der ganzen stelle geändert wird, ob- 
schon v.2 fast völlig bleibt. Dass auch bier der bearbeiter das richtige 
behauptet, braucht nicht eigens gesagt zu werden. Er hat den hergang 
verstanden. Die hauptsachen der geschichte sind ihm bekannt. 


B 912,4. Gunther ladet seine mannen zur jagd im Odenwalde. Die 
zurückbleiben, sollen höveschen mil den vrouwen; daz si mil liebe gelän. 
Was höveschen ist, weiss k nicht. Er erfindet selbst: Daz waz ein 
falscher rate, als es sich dar nach fant 907,4. Wider eine vorausdeu- 
tung, und zwar eine richtige. Allzu viel wird man aus dieser allerdings 
nicht schliessen. Von dem mordplan gegen Siegfried war schon lange 
die rede. Nur dass er gelingen werde, setzt der bearbeiter aus eigener 
kenntnis dazu. 

B 1456, 4. Die boten Etzels und Kriemhildens, die Gunther mit 
den seinen ins Heunenland laden sollen, machen auch Uten ihre aufwar- 
tung. Sie müssen versprechen, vor der abreise noch einmal zu ihr zu 
kommen: die boten ir dö lobien, daz si daz liezen geschehen. Loben = 
versprechen kennt k nicht mehr. Der bearbeiter lässt Ute weiter sprechen 
und sagen: wes ir begert Durch meiner tochter willen, des soll ir sein ge- 
wert 1472,3.4. Diese erfindung sagt nicht viel, verdient aber erwähnung, 
weil sie, wie mir scheint, einen leisen geistlichen beigeschmack hat 
(quodcunque petieritis a palre in nomine filü, dabitur vobis Joh. 16). 


B 1458,4. Alle haben Gunther geraten, die einladung Etzels anzu- 
nehmen. Nur Hagen sagt ihm heimlich ir habt iu selben widerseit, in k 
viel deutlicher reit wir gen Heunen, der tot ist uns bereit 1474,4. Der 
bearbeiter weiss also auch das ende des zweiten teiles voraus. 


B 1471,4 rät Hagen: sö sult ir zuo den Hiunen vil gewärliche varn. 
Gemwärliche ist die schwierigkeit. In k sagt er 1492,4 Wann wir kumen 
gen Hemwnen, es wurt uns ligen hart. Der letzte teil dieses verses ist 
uns wegen seiner tropischen natur interessant: freilich ist es ein tropus 
hausbackenster art. Tropische wendungen der vorlage, sprichwörter 
u. dgl. umgeht der bearbeiter meist. Wie aber diese stelle zeigt, ist ihm 
nicht der tropus an sich anstössig, sondern er versteht nur die tropen 
der vorlage nicht und wittert in jedem allgemeinen satze ein fortfahren 
in der erzählung, etwas, was sich unmittelbar an eben gesagtes anschliesst. 

B 1590,4 wird in k 1621,4 ersetzt durch eine ziemlich allgemein 
gehaltene vorausdeutung auf das ende des zweiten teiles. 

B 1788,4. Kriemhild fragt Hagen, wer ihn geladen habe. Er ent- 
gegnet, seine herren habe man geladen: deheiner hovereise bin ich vi 
selten in beslän. Das versteht k nicht. Er führt ein neues motiv ein: 
Di [könige] paten mich auch sere, daz ich mit in her reit 1816, 4. Das ist 
unrichtig, auch nach der übersetzung der betr. partien, wie sie k bietet. 
Die leichtsinnige änderung zeigt wider, wie es dem bearbeiter beim 
weiterschreiben mehr auf eine schnelle als eine richtige aushilfe ankam. 

B 2094, 2.3. Giselher hat versucht, eine sühne zu stande zu bringen, 
ist aber von den Heunen abgewiesen worden. Da sagt Gunther: 


414 LUNZER 


welt ir ditze starke hazzen zeiner suone legen 
mit uns vil ellenden, deist beidenthalben guot. 


Den vers 3 der strophe versteht k nicht. Der ausdruck mit uns ellenden, 
der in seiner sprache schon eine ganz geänderte bedeutung hat, legt ihn 
nahe, in den worten, die eher eine drohung enthalten, etwas klägliches 
zu vermuten, und er übersetzt: 


k 2144,2.3 Wolt jr nun keiner trewe hie gen uns allen pflegn, 
So woll uns got selbs trosten, uns arme ritter gut. 


Die haltung der ganzen stelle ist also völlig geändert. 
B 2130,1 Von geheize und ouch von gäbe man mohle wunder sagen. 
Geheize wird misverstanden, und es kommt die neue, wenn auch nicht 


falsche behauptung zu stande: k 2181,1 Si gunden all den gesten bis in 
den lot absagen. 


B 2206, 1.2. Kurz vorher B 2196, 3 — 2199 war erzählt worden, wie 
Rüdiger dem Hagen seinen schild geschenkt habe. Nun heisst es 


Als er im daz gelobete den schilt huop Rüedege£r: 
des muotes er retobete ..... 


Es lag sehr nahe, sich zu wundern, woher er jetzt einen schild habe. 
Der bearbeiter, dem die beiden ersten halbverse von 2206,1.2 ohnehin 
schwierigkeiten machen, hilft sich eben so kurz als einfach: k 2257, 3.4 
bin andern schilt man brachte dem margraf Rudinger, und nun über- 
setzt er mit vers 2 das, was er von vers 1 der vorlage verstand: Zr fa/st 
sein quien schilde u. 8. w. 


An allen bisher besprochenen stellen ist ein misverständnis 
des bearbeiters oder ein in der stelle selbst liegender grund 
veranlassung zum ändern gewesen, nie der trieb des bearbeiters, 
eigene kenntnisse anzubringen oder kommendes zu motivieren. 
Einzelne stellen bewiesen sogar, dass die zunächst folgenden 
partien noch nicht bekannt waren. Der übersetzer las meist 
nur ein verspaar, oft auch nur einen vers, und übertrug dann 
das gelesene sogleich. 

Diese arbeitsmethode wird bewiesen durch eine reihe von 
fehlern und änderungen, die sich nur aus ihr erklären lassen. 
Nachdem also bis jetzt misverstandene ausdrücke als veran- 
lassung zu änderungen besprochen worden sind, soll nun diese 
in der arbeitsmethode liegende quelle von umgestaltungen be- 
trachtet werden. 

B 24,1.2 Er was nu sö gewahsen daz er ze hove reit. 


die liute in sähen gerne: manec frouwe und manec meit 
[im wunschten u. s. .] 


k liest nur 1,2 und fasst daher manec frouwe und manec meit als appo- 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 415 


sition zu die liute: k 25,2 Da pflag sein allczeit gerne vil maniyg schone 
meit. Beim weiterlesen sieht er, dass v. 2 und 3 zusammengehören und 
trägt das subject nach: /n lopten auch di frawen k 25,3. 

Aehnlich B 30, 1.2 = k 31,1. 2. 


Ba2, 1.2 Mit lobelichen &ren schiet sich diu höchgezit, 
von den richen herren hörte man wol sit 
[daz si den jungen wolden ze eime herren hän]. 


vers 2 — im zusammenhang mit v. 3 auch fiir k ohne die mindeste schwierig- 
keit — ist allein unvollständig und ohne sinn. k sieht sich daher ver- 
anlasst, ihn aus dem zusammenhange zu übersetzen, indem er sich an 
den hauptbegriff riche herren klammert und an v.1 anschliessend sagt 
42,2 Da keret heim czu lande manch ritter lobesam. Nun leidet natür- 
lich auch v. 3. Wider hält sich k an die scheinbar wichtigsten worte 
(wobei das wolden wegfällt) und übersetzt sie allgemein: Die waren all 
Seyfriden dem kunig undertan. 


B55,1.2 Waz mag uns daz gewerren? sprach dö Sivrit. 
swaz ich friwentliche niht ab in erbit 
[daz mac sus erwerben mit ellen dä min hant.] 
Von v. 2 gilt dasselbe wie oben. k übersetzt: 


55,1,2 Was mag uns daz geschaden, so sprach der kün Seyfrit, 
Wann ich kuim gen Purgunden und umb di maget pit? 

Jetzt erst wird v. 3 gelesen, und k ist gezwungen nachzutragen: Und tun 
si das nit gerne, U.8.W. 

Aehnlich der schon berührte fall B58,1.2 = k 58,1.2 (daher denn 
die unrichtige übersetzung von v. 3), ferner 

B 197,1.2 = k 193,1.2 (v. 3 gleichfalls falsch übersetzt). 

B 213, 1—83 = k 209, 1—3. 


In dem starken sturme erbeizte Vom ross baißt da zu fusse in streit 


manec man manig kuner man 

nider von den maeren. — einander und lieffen grimigleichen zu fuss ein 
liefen an ander an. 

Sivrit der küene und ouch Liude- Seyfrit, der degen kune, und auch 
ger. her Ludiger 

man sach dä schäfte vliegen unde Di schlugen auff einander in grimig- 
manegen schärpfen gör. licher ger. 


Das verbum liefen an hat also in k misverständlich ein anderes 
subject erhalten, und deshalb müssen die subjecte in v. 3 der vorlage ein 
anderes prädicat bekommen (was in v.4 von k geschieht). 


B 309,1.2 = k 305, 1.2 (wider verbunden mit einer schädigung von 
v. 3) ist schon oben erwähnt. 

Nach diesen beispielen werden wir uns nicht wundern, wenn zwei 
strophen, die durch enjambement verbunden sind, in k zerrissen werden, 
obwol gerade im_folgenden falle ‚die strophe in k noch gar nicht zu 
ende ist. 


416 LUNZER 
B 694,3. k 692, 1. | 
got läze iu iuwer erbe immer s&lec Ir edlen helde, got las euch selig sein 
4. [sin 2. 


unt ouch die liute drinne: jä tuot 
diu liebe wine min 
B 695, 1. 
Des teiles wol ze räte, den ir ir 
woldet geben. 


B 696, 1. 
Dö sprach diu vrouwe Kriemhilt: 
habt ir der erbe rät, 
2. 
umb Burgonden degene ez so lihte 
niht enstät, 


3. 
si müge ein künec gerne füeren in 
sin lant. 


Und als ewr lant und leute, dez 
wunscht di zunge mein. (!) 


Des teils hab ich wol rate, daz ir 
mir woltend gebn. 
k 693,3. 
Habt ir der erbe rat, 
4. 
Wol umb daz lant Purgunden s0 
leicht es mir nit stat; 
k 694, 1. 
Es mag ein kunig gerne haben ein 
solches lant. 


Die leichtsinnige übersetzung von B 696, 2, die statt eines gegensatzes 
zwischen dem lande und den mannen einen gegensatz zwischen Sieg- 
frieds grossmut und Kriemhildens habgier hineinbringt, wäre offenbar 
unmöglich gewesen, wenn der bearbeiter v.3 mitgelesen hätte. Dass 
der schreiber die wichtigkeit des wortes füeren in v. 3, das ihn auf seinen 
irrtum aufmerksam gemacht hatte, dann einsah, sicht man daraus, dass 
er es 694, 3 nachträgt. 


B 876, 1—4 Der künec gevolget iibele Hagenen sinem man. 
die starken untriuwe begonden tragen an, 
& iemen daz erfunde, die ritter üz erkorn, 
von zweier vrouwen bägen wart vil manec helt verlorn. 


Auch hier hat Kk nur v. 1. 2 gelesen und versteht darum v. 2 nicht. Er 
übersetzt ihn so gut er kann. Der 3. vers bekommt dann wider eine 
falsche beziehung: 


k 871,1—4 Der kunig folgt im nit gerne, als im da riet her Hagen; 
Von im di groß untrewe begund der kunig klagn, 
ke daz sein innen wurden di recken aus erkorn, 
Von zweier frawen hoffart ward manig man verlorn. 


B 1077,2.3 = k 1075,2.3. Der unsinn, dass Kriemhild die mannen 
Siegmunds bittet, bei ihr in Worms zu bleiben, statt dass sie von ihren 
brüdern gebeten wird, wäre nicht niedergeschrieben worden, wenn K v.4 
schon gelesen hätte. 

Man vgl. 1092,1.2 = K 109, 1.2 (daher die matte übersetzung von 

vers 3). 

k 1307,1.2 (gleichfalls). 
—= k 1321,1.2 (trunzüne — seymer! 

wähnt). 


| 


1294,1.2 
1307, 1.2 schon er- 


1308, 1—3 = k 1322, 1—3 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 417 


(ein besonders bezeichnendes beispiel. Vorlage: 
Daz liezen si beliben. dö gruozte manec man 
vil güetliche ein ander. dö fuorten si von dan 
die schoenen Gotelinde — — — 


Uebersetzung: 
Daz reiten nam ein ende von manigem werden man. 
Di kunden und di geste furtten einander dan (!) 
Da kam di margrefynne — — —). 


B 1383, 1.2 = k 1398,1.2. Weil k nicht weiter gelesen hat, ver- 
spricht er (mit einem misverständnis) dem leser: Wer ide junck/raw 
were, daz wurt euch schir geseit. Er glaubt also, das werde in der 
vorlage gleich darauf berichtet werden. Weil das aber nicht geschieht, 
muss er es auch schuldig bleiben. 

B 1613,1.2 = k 1644, 1.2. 

B 1661,1.2 = k 1691, 1.2. 

B 1683, 1—4 = k 1713,1—4 (vgl. die verse, mit denen sich k aus- 

hilft, mit k 608, 2.4). 
B 1693, 1—3 — k 1723,1—3: Vorlage: 
Daz edel ingesinde brähte für daz tor 
gesatelt vil der rosse. dö warte ouch in dä vor 
vil der guoten recken: die truogen schilde enhant. 
Uebersetzung: 
Der fursten hoffgesinde di kamen fur daz tor. 
Gesatelt vil der rosse si hiltten all dar vor, 
Da fasset seinen schilde manch wunderkün weygant. 


B 2242,1.2 = k 2296,1.2 (man beachte den in k ganz fehlenden 
zusaımmenhang zwischen v. 2 und v.3). 


Dass der inhalt der nächsten strophe noch unbekannt ist, 
ist weniger auffallend, mag aber auch durch ein paar wichtigere 
beispiele beleuchtet werden. 


B 828,4 du muost daz hinte kiesen wie diu eigendiwe din 
829,1 Ze hove g& vor recken in Burgonden lant. 


k 823,4 Daz solt du heut noch horen von mangem ritter fein. 
824,1 Da kam gen hoff zu dinste manch wunderkün weigant. 


B 891,4. Hagen geht zu Kriemhild unt bat im geben urloup: si 
wolden rümen daz lant. Das letztere wird voreilig übersetzt: k 886,4 
da raumpten si daz lani. Nun folgt aber erst eine 14 strophen lange, 
für den verlauf sehr wichtige unterredung beider, und k 900, 4 geht 
Hagen zum zweiten male von dannen, diesmal wirklich. 


B 946,4 dö sprach der degen hinder sich 
947,1 Welt ir uns hergesellen kurzewile wern. 
k verliest in 946,4 sach für sprach und übersetzt k 941,4 da sach er 
hinder sich. Erst beim weiterlesen wird der fehler bemerkt und die 


418 LUNZER 


verbesserung nachgetragen: 4r sprach zu seim gesinde: Wir wollen 
u.8. w. (942,1). 

B 1108,2 sagt Gunther, er wolle sich mit Kriemhild zu versöhnen 
suchen: ich wil ez mine brüeder hin ze ir werben län. k übersetzt 
irrtümlich 1106, 2 Mein bruder sol ez werben (also sing.). In der nächsten 
strophe aber werden beide geschickt. 

B 1250,4 = k 1261,4 (si) gab es aus der hant ist voreilig, denn 
erst die späteren beteuerungen Ridigers bringen die entscheidung. 


B 1780, 1—4. Volker fordert Hagen auf, vor: der nähertretenden 
Kriembild aufzustehen. Die folgende begründung: si ist ein edel wip ist 
k unverständlich. Dass die beiden von ihrer feindin etwas günstiges 
sagen (vielleicht fasst k edel sogar in moral. sinne), scheint ihm nicht 
zu passen. Ebenso ist dem bearbeiter v.4 (getiurei an zühlen) undeut- 
lich. Er nimmt nun das in v. 1 nur geforderte als wirklich geschehen 
an und übersetzt k 1888,1: Au/f stunden si da beyde und gingen gen ir 
dar, also das gerade gegenteil von dem, was beide wirklich tun und was 
B 1781, 1 mit voller deutlichkeit heraustritt. Dass k beim weiterüber- 
setzen mit seinen eigenen angaben in offenbarsten widerspruch gerät, 
macht ihn nicht verlegen. Er schreibt unbeklimmert weiter. 


B 1974,4. Dankwart wird an der saaltür von den Heunen bedrängt: 
daz bedähte Hagene, als im sin triuwe geböt. k 2018, 4 übersetzt vor- 
eilig: /m kam zu hilff her Hagen, als Gunther (!) im gebot. Gleich im 
ersten verse der nächsten strophe wird aber mit der erzählung begonnen, 
dass Hagen seinem bruder den Volker zu hilfe schickt. Er selbst greift 
gar nicht ein. Jede besserung des irrtums unterbleibt. 


B 2143,4 erwidert Rüdiger auf die aufforderung, die Burgunder zu 
bestehn: ja were ich den gesten von grözen schulden gehaz. In der 
nächsten str. v. 1 wird das fortgesetzt: Und allez daz ich möhle, daz 
hei ich in gelän u.8.w. Das hat aber der schreiber noch nicht gelesen. 
Von schulden ist ihm nicht geläufig, und er übersetzt 2143,4 mit dem 
directen gegenteil: Nun han si nie verschuldet den meinen neid und has 
(2194, 4). Der nächste vers, der in der vorlage dasselbe sagt wie v., 
wird richtig widergegeben: ein beweis, dass k nicht aus inhaltlichen 
gründen, sondern nur aus misverständnis geändert hat. 


Diese beispiele genügen, die arbeitsmethode des bearbeiters 
erkennen zu lassen. Sie finden sich in allen partien des ge- 
dichts und beweisen, dass er sie nicht geändert hat. 

Was über diese methode gesagt ist, dass der schreiber ge- 
wöhnlich nur ein verspaar las und gleich übersetzte, lässt sich 
natürlich nur als ein im allgemeinen geübtes vorgehen wahr- 
scheinlich machen, beansprucht aber selbstverständlich nicht 
ausnahmslose geltung in jedem einzelnen fall. 

Gebunden hat sich der übersetzer an die regel, immer nur 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 419 


2 verse zu lesen und dann zu übertragen, nicht: oft genug hat 
er auch einen einzelnen vers, der für sich allein einen ab- 
geschlossenen sinn gab oder zu geben schien, gleich nieder- 
geschrieben, in anderen fällen, wo das hinübergreifen aus dem 
2. vers eines verspaares in den 1. des folgenden selbst ihm un- 
verkennbar sein musste, auch diesen mit in kauf genommen. 
Dieses letztere war schon oben einige mal wahrgenommen 
worden und soll gleich durch weitere beispiele belegt werden. 
Aber wichtig und kennzeichnend ist, dass ein solches weiterlesen 
nie freiwillig geschab, sondern nur wenn der innige zusammen- 
hang zweier verspaare es unbedingt erforderte, wenn eine 
schwierigkeit, ein dunkles wort dazu nötigte, im folgenden eine 
erklärung zu suchen, wenn der inhalt einer gelesenen stelle 
bereits in kürzeren worten erschöpft war und der noch nicht 
zu ende geführte vers platz liess, etwas späteres noch unter- 
zubringen. 
Beispiele sollen das deutlicher zeigen: 
B 80,4. 81,1 = k 79, 4. 80, 1. 
daz im daz sagete niemen, daz was Gunthere leit. 
Des antwurt dem künege von Metzen Ortwin. 

k übersetzt den ersten dieser verse kurz: Daz was gar leilt dem kunige. 
Ein halber vers muss noch dazu kommen. Sein inhalt wird aus dem 
folgenden gezogen: Da sprach ein kün mweygant (beides zusammen 


gibt k 79,4, welcher vers B 80,4 entspricht, aber seinen inhalt teilweise 
schon aus B 81,1 geschöpft hat). 


B 121,1—3 = k 118,13. 
Dö sprach der starke Hagene: uns mac wol wesen leit, 
allen dinen degenen, daz er ie gereit 
durch striten her ze Rine. 


Es ist klar, dass v. 2 allein noch keinen sinn gibt. K hat denn auch v. 3 
dazu gelesen und z.t. in seinen v. 2 hineingezogen: 


Da sprach Hagen von 'I'rone: Uns mag noch werden leit, 
Daz Seyfrit ie durch streitten her zu dem Reine reit. 


B 133, 2.3 = k 130,2 ganz ähnlich: 
3, — — daz sach vil dicke sint 
3. Kriemhilt durch diu venster — — 


B 323,2.3 = k 319, 2. 
2. ja werer — — — ninder 
anders wä 
3. gewesen alsö sanfte — — — — 


2. daz sach gar gern Krenhilt 


2. Er wer nit pass gewesen auch 
nirgend anderswo, 


420 LUNZER 


B346,2.3=k 
2. wes welt ir iuwer muoter sölher dienste biten? 
3. lät iuwer swester hoeren, wes ir habet muot. 


k übersetzt den 1. halbvers: waz wolt ir ewrer muter? Nun hat er 
keine anknüpfung für die übrigen worte von v. 1 und muss weiter lesen. 
So entsteht k 345,2: Waz wollt ir ewrer muler? Nun bitet fleissiglich 
(Krenhilt u.8.w.). 


B 906,2.3 = k 1,2. 


ZACDN EN AnDer Bon en deheinst | 2. Auff erd tet nie so ubel kein 
mer getuot j 
PRRBEN . | werder ritter gut. 
3. 8ö grözer meinrzte — — — 
Ganz ähnlich B 1028,2.3 = k 1027,2. — B1119,2.3 = k 1119, 2. 
— B 1134,2.3 = k 1135, 2. 


B 1250,2.3 = k 1261, 2.3. 


1. Ze rehter messezite die herren wären komen. 
2. si heten aber ir swester under hende genomen: 
3. ja rieten si ir minnen den küneec üz Hiunen lant. 


In v.2 hat das tropisch gebrauchte under hende nemen — ‘zureden’ 
schwierigkeiten gemacht. Der schreiber liest weiter, um den sinn heraus- 
zubringen. Vgl. die übersetzung: 
1. Des morgens kamen wider ir bruder zu ir dar 
Und rietten ir daz peste und all ir freunde gar. 
B 1303, 1 vorausgenommen in k 1316,4, auf der suche nach einem 
passenden reimwort. 


B 1491,2.3 = k 1512,2, weil v.2 der vorlage kein ganzer satz ist. 


B 1522,2.3 = k 1547, 2. 
2. dö wart in dem lande ein michel uoben: 
3. beidenthalp des Rines weinten wip und man. 
In v. 2 der vorlage war uoben undeutlich (und auch metrisch schwierig, 
im reim). Es wird weiter gelesen und der inhalt von v. 3 zum teil wört- 
lich benutzt: K 1547,2 Di man und auch di frawen die weintlen all ge- 
leich (k 1547, 3 bringt inhaltlich nur einen abklatsch desselben gedankens). 
B 1713,2.3 = k 1743,2 wider weil v. 2 der vorlage erst in v. 3 sein 
obj. findet. 
B 2033,2.3 = k 2080, 2, weil der erste balbvers von k 2080, 2 bereits 
alles sagt, was in dem ganzen vers 2 der vorlage stand. 
B 2236, 2.3 = k 2290, 2: das prädicat ist aus vers 8 der vorlage herauf- 
genommen. 
Dass vor dem übersetzen sogar die ganze strophe gelesen 
worden ist, schein ein vergleich von B 1947,1—4 mit k 1990, 
1—4 zu ergeben. 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 421 


Vorlage: 
Sin vart diu wart erniuwet von heizem bluote naz. 
jane kunde ein einec recke gestriten nimmer baz 
mit alsö vil der vinde danne er hete getän. 
dö muosen si in läzen äne ir danc ze hove gän. 


Uebersetzung: 
Er kam mit starcker were gen hof allda alein. 
Waz im da ging engegen, must weichen alls gemein. 
Sein schwert in seiner hende waz als von blute nas. 
Ich mein von keinem ritter wurd nie gestritten bas, 


Wenigstens scheint k vers 1 dem 4. verse der vorlage zu entsprechen, 
während k vers 3.4 offenbar = B vers 1.2 sind. Die aussergewöhnliche 
anstrengung des bearbeiters wäre dann aus der unklarheit von vers 1 
der vorlage zu erklären. Woahrscheinlicher aber ist, dass bereits im 
original die verse in unordnung gekommen waren, 80 dass eine ver- 
tauschung der zwei verspaare eintreten konnte. Spuren ähnlicher eigen- 
schaften der alten handschrift werden wir noch begegnen. 


Im gegensatz dazu zeigen einige stellen, dass der schreiber 
nach der anderen seite von seinem gewöhnlichen verfahren 
abwich und sich sogar begnügte, nur einen einzigen vers zu 
lesen und gleich einzuschreiben (diese wahrnehmung hat sich 
8. z. schon bei der besprechung der gestrichenen und ver- 
besserten stellen von k aufgedrängt). 

B 113, 3.4. Ä 

ich wil es alles walden und ouch diu erbe min, 

erwirbest duz mit sterke, diu suln dir undertznec sin. 
In v.3 hält k nach dem zusammenhange für richtig, daz erbe dein zu 
schreiben (k 110,3). Vers 4 belehrt den schreiber, und er trägt nach: 
oder daz mein dar gegen u.3.w. 


B 1806, 1 mit den künegen (der Burgunden) : Kk irrtümlich mit kunig 
Eizel (1834,1). Der irrtum, der auf verlesung des sing. für den plur. 
beruht, wäre nicht möglich gewesen, wenn vorher vers 2 der vorlage 
gelesen worden wäre (ir edeln ingesindes u.s.w.). k fährt im fehler, 
offenbar jetzt notgedrungen, fort: sein pestes hofgesinde. 


B 2183, 1 ist mit einer selbst in k seltenen gedankenlosigkeit über- 
setzt. 2182 hat Gernot gesprochen. Nun muss Rüdiger erwidern. So 
beginnt auch B 2183: Daz wolde got, sprach Rüedeger, vil edel Gernöt. 
Der schreiber weiss sich mit diesen zwei namen nicht zu helfen. Er be- 
hält den im reim stehenden und lässt den anderen aus: k 2234,83: Daz 
mwoltle got von himel, so sprach der kunig Gernot. Dadurch ent- 
steht ein unsinn, den ganz herzusetzen sich nicht verlohnt. 


Im allgemeinen darf also als bewiesen gelten: der schreiber 
pflegte je ein verspaar zu lesen und gleich zu übertragen. Wenn 


422 LUNZER 


es ihm unbedingt notwendig schien, nahm er noch Einen, höchst 
selten mehr verse dazu; gelegentlich begnügte er sich auch mit 
einem einzigen. Von einer wirklichen umarbeitung des alten 
gedichts ist demnach keine rede. Das hauptabsehen muss ge- 
wesen sein, ja recht schnell fertig zu werden, worauf auch das 
äussere der hs,, die nachlässige schrift, das auslassen von buch- 
staben und wörtern u.s.w. hindeuten. Es schien notwendig 
dies widerholt hervorzuheben und ausführlich zu belegen, schon 
deshalb, weil sich auf grund dieser wahrnehmungen fragen lässt, 
ob man einem solchen schreiber das hinzudichten eigener stro- 
pben obne die zwingendste notwendigkeit zutrauen darf, ferner 
deshalb, weil sich so ein massstab ergibt, wie weit auf die les- 
arten von k wert zu lesen ist. Auch für die persönlichkeit 
des bearbeiters ist dabei wenigstens einiges abgefallen. 

Um aber diesen nicht einseitig zu beurteilen, muss doch 
auch darauf hingewiesen werden, dass er im verlaufe seiner 
arbeit lernt, sich dinge aus dem früheren merkt und sie dann 
— meist an stellen, wo metrische oder inhaltliche gründe ihn 
zum abgehen von seiner vorlage veranlassen — anbringt. 


Zuvörderst sind es namen und titel, die sich seinem 
gedächtnis einprägen. 

B 880, 1 heisst es einfach: iu widersaget Liudegast unde Liudeger. 
Der schreiber erinnert sich an die erzählung str. 139 ff. und übersetzt 


breiter 875,1.2: euch wilde]rsagt ein kunig, ist Ludegast genant, und 
ein herczog aus Sachssen, Ludiger; vgl. 879, 2.3. 


B 1476,1: dö kom der herre Volker, ein küene spileman. k weiss 
aus B 9,4, der einzigen stelle, wo dies in der vorlage stand, auch den 
stammsitz des helden: Da kam her von Arczeye Folcker der spileman 
1497,1; vgl. 1498, 4. 

Er kennt aus B 9,3 und 582,1 den rang Geres und nennt ihn auch 
unabhängig von seinem texte gruf 732,4. 736, 2. 737,2 u. o.; ähnlich graf 
lvckewart 1413, 3. 1664, 1. 1666, 1 u.8.w. nach B 9, 3. 700,4. 1101,2. 1283, 1. 

Es heisst B 1427,1.2 € daz die boten kamen vol durch Peyer lant, 


Wärbel der vil snelle den guoten bischof vant. Der schreiber fügt aus 
eigenem ein: zu Passawe 1443,2 (nach B 1296, 1. 1298, 1). 


Sein gedächtnis setzt ihn so gelegentlich in den stand, 
angaben der vorlage genauer zu machen: 


Er sagt beispielsweise statt überz wazzer: uber die Tunamw 1660, 3, 
statt bi der sträze: zu Pechalare 1670,1; vgl. 1678,2. 1690,1. 1742,3. 
2246,4. B 1495, 3 wird erzählt, Etzels boten reisen von Rine in der 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 423 


Hiunen lant zurück, k 1516, 1 sagt: durch Peyerlant, vg). 1598, 4. — B 2090, 3 
wirft Etzel den Burgundern vor: min kint ir mir sluoget und vil der mäge 
min. Der bearbeiter erinnert sich an B 1927, 1.2 und übersetzt: mein 
kint schlugt ir mir tode und auch den bruder mein 2140, 3. 


So versteht er auch umschreibungen nnd ersetzt sie durch 
den namen. 


B 2348,4 wird Niblunges swert daz quote genannt, k sagt 2405, 4 
Palmung, vgl. 2433,2. In der vorlage war dieser name zuletzt 1798, 4 
vorgekommen. — wine der Gotelinde B 2135,2 wird widergegeben durch 
margraf Rudigere k 216, 2, vielleicht allerdings erst nach kenntnisnahme 
von v.4 der vorlage. 


Natürlich ist mit den namen auch erinnerung an den inhalt 
verknüpft. 

B 77, 1—3 fragt Siegfried — ganz angemessen — nur nach Gunther. 
Der bearbeiter aber steht noch unter dem eindruck von B 54, wo Sieg- 
fried besonders auch vor Hagen war gewarnt worden, und lässt nun 76, 2 
seinen helden sich auch nach diesem erkundigen, was freilich der sach- 
lage nicht entspricht. — B 2371,1—3 sagt Hagen, alle drei künige der 
Burgunder seien nun tot. Der bearbeiter hat so viel von der freund- 
schaft zwischen Hagen und Volker gelesen: — er findet es passend, dass 
Hagen vor seinem tode auch seines gesellen gedenke, und fügt 2432, 2 
Volker zwischen die Burgunderkönige ein, wo er nun allerdings schlecht 
hineinpasst. 

Dass er mit so häufig vorkommenden beinamen wie der videloere 
vertraut geworden ist und sie auch selbständig anwendet, verdient kaum, 
erwähnung. löbensowenig zu verwundern ist, dass er beim anfügen des 
ersten blattes die gelegenheit wahrnimmt, gleich die ankündigung des 
gedichtes interessant zu machen, indem er — beide teile des gedichtes 
schon in den ersten worten verknüpfend — angibt, seine geschichte habe 
sich bey kunig Kizels zeit zugetragen (1,2), was das original nicht her- 
vorhebt. 


Der einfluss der vorlage auf den schreiber geht aber noch 
weiter. Wir haben schon festgestellt, dass er seinen wort- 
schatz aus dem originale bereichert hat, und wenigstens ein 
teil der fälle, wo er worte, die er zuerst vermeidet, dann selber 
einführt, wird sich daraus erklären, dass er sie unterdessen 
‘gelernt’ hat. 

Aber auch ganze sätze haften ihm im gedächtnis. 


B 437,4 den [Brünhilde schili) ir kamerwre selbe vierde küme 
iruoc hatte er widergegeben k 436,4: den kund ir kamerere salb fird 
auch kaum getragn. B 441,3 war ähnliches von Brünhildens ger erzählt 
worden, und k hatte es 440,3 gleichfalls widerhoit, in übereinstimmung 
mit der vorlage, nur dass er aus den drei männern des originals, 


424 LUNZER 


offenbar in erinnerung an die frühere stelle, wr mwunderkune man 
machte. Nun heisst es B 953,3 von Siegfrieds bogen, dass man ihn 
ziehen muose mit anlwerke dan. k versteht das wort antwerc nicht und 
hilft sich mit der reminiscenz: den kunden nit ein zihen vir wunderkune 
man 948, 3, also fast wörtlich = 440,3. 


k 455, 4 hatte der schreiber gesagt: Daz fewr sprang von dem 
stahell rech[!] sam der sturmewint, und 459,1: #s flog aus irem stahel 
und brunn der fewrein wint, beidemal im ganzen getreu nach der vor- 
lage. Nun kommt er an die stelle B 1929,3: mit üf erbürten swerten si 
sprungen für diu kint. üÜf erbürt ist ihm fremd, int für die knechte 
der Burgunder passt ihm nicht, er sagt 1972, 3: von manegem scharpffen 
schwertle so sprang der fewrein wint. 


So erklären sieh mitunter auch misverständnisse. 


B 1898, 5. 6 lauten: Swie leit ez Eizeln were, gewäfent manige schar 
sach man näch fürsten dringen (durch der geste haz v.3). Der bearbeiter, 
der v. 3 noch nicht gelesen hat, erinnert sich an B 1853 f. 1861 ff., und 
übersetzt doch kam gewapnet dar Hagen und di Purgunder 1932, 2. 
In v.3 trägt er dann das richtige nach: gewapnet kam manch Heune. 


Auch fehlerhafte überseizung eines einzelnen ausdrucks 
beruht hie und da auf nachwirkung früherer stellen. 


B 1356, 4: von helden wart gewiset dar under (= under diu gezeli) 
vil manec weellichiu meit. Dem entspricht k 1371,4 von den (riltern) so 
ward gelreulel vil manig schone meit. Ein misverstehen des wortes 
misen ist sehr unwahrscheinlich. Dem schreiber schwebte noch B 1325, 4 
‚vor: dö wart ouch vil getriulet der schoenen juncfrouwen lip (= k 1339, 4), 
was bei einer ganz ähnlichen gelegenheit geschehen war (vgl. auch 
B 601,4 = k 594, 2). 

Wenn endlich k 2421,1 behauptet wird: Da pand im alle fire 
von Pern der gul weygant, während B 2361,1 nur sagt der herre wart 
gebunden von Dietriches hant, so erklärt sich die angabe des schreibers, 
die — abgesehen von ihrer wenig geschmackvollen form — mit dem fol- 
genden (B 2362, 2) nicht stimmt, aus B 637,1, wo von demselben Gunther, 
dessen schicksal hier erzählt wird, gesagt war: die füeze unt ouch die 
hende zesamne si im bant (= k 630,3). Das hatte bereits bei der über- 
tragung von B 619,3 (vil sere si mich bant) in k 643,1 die schöne fassung 
gewonnen: all fire si mir bant. 


Einige mal gewährt die eigenschaft des schreibers, dinge 
aus dem gedächtnis später nachzutragen, eine willkommene 
gelegenheit, die beschaffenheit seiner vorlage an stellen zu er- 
kennen, die in ihrer unmittelbaren übersetzung ganz verdunkelt 
worden sind. 


B 570,1.2 Hey mwaz dä liehtes goldes von den moeren schein! ouch 
lägen an den züumen vil manec edel stein. k 564, 2.3 überseizt: da gab 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 425 


vil lichten schein daz golt aus iren zewmen, dis furten an der hant. 
Die letzten worte sind eine reminiscenz aus B 74,1 Die gollivarwen zoume 
fuortens an der hant, was in Kk 72,1 gar nicht mehr zu erkennen ist: 
von gold laucht ir geschmeide, schilt, helm und sturmgewant. 


B 1822,2 Hagene der küene ber ahsel sach = k 1854,2 Hagen 
uber di achsell in spotich da ansach. Von spott steht zunächst nichts 
in der vorlage. Das über ahsel ist einfach = hinder sich, wie auch die 
andere handschriftengruppe liest. Allerdings folgen unmittelbar darauf 
spottworte Hagens an die Heunen, aber so weit hatte k noch nicht ge- 
lesen, sonst hätte er nicht gesagt: in (= Volker) ansach, sondern si 
(— die Heunen). Das spotlich stammt vielmehr aus B 447,2: mit smie- 
lendem munde si über ahsel sach, woran sich dann spottende worte 
schliessen. An jener stelle aber (k 446,2) hatte der schreiber den aus- 
druck mil smielendem munde übergangen. 


B 1838, 2 sagt Volker, der in der nacht die Heunen heranschleichen 
sieht, zu Hagen: jane zimt mir diz moere niht ze dagene. k übersetzt: 
mir czimpt nit wol zu sagen mein herren dise mer 1871,2, also 80 ziem- 
lich das gegenteil. Das wort dagen ist nicht schuld: das hat der schreiber 
schon mehrmals richtig widergegeben. Warum mein herren (= die könige) 
hereingebracht werden, sieht man auch nicht recht ein, da es zunächst 
doch nur darauf ankommt, Hagen zu warnen, was auch sofort geschieht 
und schon im vorhergehenden vers durch die anrede deutlich vorbereitet 
war. Dem übersetzer hat hier wider die erinnerung einen streich ge- 
spielt. B 1543,2 hatte Hagen gesagt: daz (es handelte sich um eine 
schlimme nachricht) were minen herren müelich ze sagene. So 
erklären sich alle schwierigkeiten. — In k 1569, 2 allerdings ist der wort- 
laut der vorlage ganz verdunkelt. 


B 1995, 4 ouch giengen mit im dannen sehs hundert siner küener man. 
k 2039, 4 ganz allgemein: auch ging mit im von dannen di Wulfing all ge- 
leich. Dass aber das original die zahlenangabe enthielt, lehrt k 2306, 2: di 
recken des von Perne, mer dann sechshundert man, wo der alte text 
(B 2252, 2) die zahl nicht nennt. Der schreiber kann sie also nur aus 
der früheren stelle wissen, da sie sonst im ganzen gedichte nirgends an- 
gegeben wird (das mer dann ist ein nichtssagendes flickwort, das k 
öfter vor zahlenangaben setzt). 


Wir haben schon wahrgenommen, dass sein gedächtnis den 
schreiber nicht immer zu vorteilhaften änderungen veranlasst. 
Die erzählung des alten epos ist häufig wirklich sprunghaft, 
noch öfter nimmt sie eine wenigstens für den langsam arbeiten- 
den kopf des schreibers unerwartete wendung. Der bearbeiter 
kann nicht rasch genug folgen, er bleibt in der richtung des 
früheren verlaufs, und es entstehen halb unwillkürliche ände- 
rungen, die schwerlich unter einem anderen gesichtspunkte 
recht verständlich wären. 

Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. XX. 39 


426 LUNZER 


Am schwersten war es ihm, dem verlauf von gesprächen 


zu folgen. 

B 125. Siegfrieds erstes, herausforderndes auftreten am Burgunder- 
hofe. Ortwin ist ihm entgegengetretap (B119), ebenso Hagen (121), aber 
Gernot vermittelt (123. 124). Die antwort Siegfrieds (125): Warumbe 
bitei Hagene und ouch Ortwin, daz er niht gähel striten mit den friwen- 
den sin, der er hie sö manegen zen Burgonden hät, diese antwort passt 
nicht, wie k meint, zu den vorhergegangenen friedlichen worten Gernots. 
Man sehe, wie k übersetzt (122): So redet mit her Hagen und mit dem 
held Ortwein, daz si gen mir ir slreilten und czurnen lassen sein, ob si 
di red nit lassen, nit wol es in ergat u.8.w. Schuld an dieser über- 
setzung ist keineswegs, wie man im ersten augenblick vermuten könnte, 
das wort biten, denn dieses ist dem bearbeiter, wie an anderer stelle 
gezeigt wurde, ganz geläufig, auch nicht gähen (8. das verz.), sondern k 
ist nur nicht im stande, die unerwartete entgegnung als hier ganz be- 
gründet zu verstehen. 


B 150. Gunther hatte seinen mannen geklagt, dass ihm Liudeger 
und Liudegast widersagt hätten. Darauf antwortet Gernot 150,1.2: Daz 
wer el wir mil swerlen..... dä sterbent wan die veigen: die läzen ligen 
töt. Einen so geringen, resignierten trost, wie ihn v. 2 bietet, hatte k 
wol nicht erwartet (vermutlich ist ihm damals auch das wort veige 
noch nicht klar gewesen). Er lässt vielmehr den feinden drohen k 146, 2: 
Si mügen got wol klagen, kumen si an den Rein, womit also das in v.1 
des originals angeschlagene motiv fortgeführt wird. 

B 655, 3 sagt Gunther zu Siegfried: sö tuo ir (Brünhilden) swaz du 
mwellest, und nemestir den lip. Noch v. 2 hatte der könig Brünhilden 
seine lieben vroumwen genannt. Kk zieht es vor, den inhalt von v.1 der 
vorlage zu widerholen: 650,1 leb mit ir wi du mwellest, und meid den 
jren leip (man vgl. auch die übersetzung von B 655, 4). 


Voll solcher ‘verbesserungen’ ist der königinnen zwist (k 810 ff.). 
Kriemhild hatte ihren mann über alle anderen erhoben. Brünhild erwidert 
(B 816, 1): daz möhte vil wol sin, ob niemen mere enlebte. Unser schreiber 
lässt sie sagen (812,1.2): Daz mag nit wol gesein. Ja wann susi nimant 
lebte u.8.w. 

B 819, 1, 2.4. 

Des antwurt ir Kriemhilt: 8ö tiwer ist wol min man, 

daz ich in äne schulde niht gelobet hän 

geloubestu des, Prünhilt, er ist wol Gunthers genöz. 
Das scheint dem schreiber nicht mit B 815,4 zu stimmen, wo Siegfried 
noch über Gunther gestellt worden war. Bei ihm antwortet Kriemhild 
(815,1.2.4): Noch schoner ist mein man. Darumb fur alle helde 
ich im des lobes gan. Gar weit in allen landen findet man nit 
sein geno/s. 

B 830. Willst du dich nicht als eigen bekennen, sagt Brünhild, sö 
muostu dich scheiden von den frouwen min mit dinem ingesinde, dä wir 
zem münster gän. Darauf entgegnet Kriemhild: entriuwen, daz sol sin 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG k. 427 


gelän. Bisher hatte sie immer widersprochen (B 819. 821,4 ff. 824. 825. 
827. 828. 829), k glaubt, sie tue es auch hier wider, oder er hält es 
wenigstens für entsprechender, wenn sie sich auch dieses verbot nicht 
gefallen lässt, sondern erwidert (k 825,4): Nein, daz wil ich understan. 
Tatsächlich gehen aber auch in k beide gesondert zur kirche. 


B 1471,4. Hagen hat bisher immer gewarnt, Etzels einladung an- 
zunehmen (B 1458, 4 ff. 1461). Dann, durch den zweifel an seinem mut 
erbittert, geht er ing gegenteil über, und rät selbst, wie die reise am besten 
zu unternehmen sei (1471). k steht aber noch unter dem früheren ein- 
druck. Man vgl. die übersetzung der entscheidenden stelle B 1471,3.4 
welt ir iuch wol bewarn, sö sult ir zuo den Hiunen vil gewärliche varn : 
k 1492,3.4 [ich rail], daz ir euch wol bewart. Wann wir kumen gen 
Hesonen, es wurt uns ligen hart. Also wider eine warnung, statt eines 
antreibenden rates (das wort gemwärliche hat wol seinen anteil an der 
übersetzung). 


B 1604. Hagen wird von Gelfrat zur rede gestellt, warum er ihm 
den fergen erschlagen habe. Dö sprach von Tronege Hagen: und was 
der verge din? der wolde uns nicht füeren, des is! diu schulde min. 
Das ist nach der ansicht von k gar nicht die richtige antwort. Hagen 
musste vielmehr erwidern (k 1635,1.2): Und waz der ferge dein, daz 
ich in schlug zu lode, di schuld di waz nit mein. 

Hierher gehört auch die schon früher erwähnte übersetzung von 
B 1780,1—4 = k 1808, 1—4. 


B 1788. Kriemhild hatte Hagen gefragt: wer hät näch iu gesant, 
daz ir getorstet rilen her in ditze lant? Darauf entgegnet dieser 
B 1788,1.2 Näch mir ensande niemen ..., man ladete her ze lande 
drie degene (= die könige). Das war nach der auffassung von k ganz 
unpassend geantwortet. k 1816,1.2 Man hal nach mir gesendet... 
Man lud mit mir noch drei di allerpesten degn. Das stimmt nun auch 
zu B 1419. 


B 2343,1. Hildebrand hatte Hagen zugeredet, Dietrichs vorschlag 
anzunehmen. Hagen sagt darauf: ja name ich € die suone..., E ich sö 
lasterliche.... flühe... als ir.... Da Hagen die zumutung schon zwei- 
mal entschieden abgewiesen hat (B 2338. 3341), so muss er es auch jetzt 
tun: K 2400, 1 jch wil mich solches frides, sprach Hagen, gar! ver- 
mwegn. — Ganz ähnlich ist der fall k 53,2 = B 553, 2. 


Aber nicht bloss in dialogen, sondern auch wenn die er- 
zählung sonst eine unerwartete wendung nimmt, sieht sich k 
zu einer änderung veranlasst. 

B 168,4 ez leidele Liudegaste, do er daz mere rehle ervant (dass 
Siegfried den Burgundern beistehen werde). Nun hatte aber Liudegast 
B 143 ff. eine so trotzige kriegserklärung geschickt, dass nun eine solche 


sinnesänderung für einen könig nicht rühmlich schien. k sagt 164,4: 
Des frewet sich der kunig, da er di potschafft fant. 


28* 


428 LUNZER 


B 205,1. Siegfried mit seinen zwölf mannen dringt am weitesten 
vor: Volgen der von Rine niemen man im sach. Die helden vom Rhein 
waren aber B 200. 201. 203 hoch gepriesen worden. k übersetzt: Wann 
man bei im in noten manch guten ritler sach 201,1. 


B 942, 2—4 dö wänden si (= die jagdgesellen) daz füegen, daz 
man in müesle geben den pris an dem gejägede : des enkunde nihl ge- 
schehen, dö der starke Sivrit wart zer fiwersiat gesehen. Früher hatte 
es immer geheissen, dass Siegfried das meiste jagdglück gehabt habe. 
Das verschlungenere gefüge dieser strophe führt den bearbeiter zu wenig 
rasch zu demselben ziele. Er vermutet schon v. 2 denselben gedanken, 
und übersetzt darnach (937, 2—4): Seyfrit der schuff mit kreffien, daz 
man im da must gebn den breifs da mit dem jagen; daz mocht nit sein 
geschehn (?!), Seyfrid tel ie daz peste .... Der beibehaltene zweite 
halbvers von vers 3 ist natürlich nach der vorausgegangenen änderung 
ganz sinnlos. 


B 1210,2.3. Hagen warnt davor, Kriemhild Etzel zum weibe zu 
geben: sol si nemen Kizel, gelebel si an die stunt, si geluol uns leide 
u.8.w. Das zweite sö muss falsch sein: k 1221, 2.3 wurt si dem kunig 
kitzel, so glebt ir noch di stunt, daz si uns bring in kumer u.8.w. 


B 1366, 1 Si [Kriemhilt] kunte sich mit gäbe dem der si nie gesach. 
k 1381,1 ‘verbessert’ Si gab in reiche gabe, welcher si ie gesach. 


B 1885, 3.4 heisst es von dem geputzten Heunen: ja mohter in 
den venstern wol haben herzen trül. er was sö wol gekleidet sam eins 
vil werden rilters brüt. Den ersten dieser verse hatte k mit grösserer 
bestimmtheit widergegeben k 1919,3: Zr sach an einem fenster ligen 
seins herczens iraul. Nun liest er weiter, und hält das er des folgenden 
verses für einen offenbaren fehler: Si waz so wol gecziret sam eines 
kuniges braut. — Vgl. noch B 1886,2 = k 1920, 2. 


B 1899, 1.2. E die herren gesezen, das was harte lanc. diu 
Kriemhilde sorge si alze sere Iwanc. k versteht: es habe lang gedauert, 
bis Kriemhild wider zu sorgen anfıeng. Das musste berichtigt werden: 
k 1934,1.2 Le si da all gesassen, es stund darnach nit lang, daz leit 
der kunigynne ir herz gar ser da zwang. 


B 2010,2. Alle Heunen im saale sind erschlagen. Die Burgunder 
rasten. Aber Geiselher sagt: jane mugel ir, lieben vriunde, nıht ruowe 
noch gepflegen (v. 3 ir sult die töten liute üz2 dem hüse tragen). Der 
schreiber, der v.3 noch nicht gelesen hat, weiss nicht, was G. will. Er 
übersetzt Ja mugt jr wol hie rugen und auch gemaches pflegn 2056, 2 
(v.3 dann: darnach solt ir .....). 


Wir sind so zu den änderungen gelangt, die der schreiber 
absichtlich anbringt, auch ohne durch ein misverständnis 
oder überhaupt durch seine vorlage dazu veranlasst zu sein. 
Weitaus die überwiegende zahl der fälle, in denen k von seinem 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 429 


original sich entfernt, sind ja, wie wir gesehen haben, nicht so 
sehr wirkliche umgestaltungen, als fehler, die allerdings nicht 
selten das gegenteil von dem herbeiführen, was das alte gedicht 
sagt. Wir haben schon bei der betrachtung der correeturen 
wahrgenommen, dass der schreiber bestrebt ist, sein original 
möglichst getreu widerzugeben. Nur war sein vermögen und 
die von ihm aufgewendete mühe nicht ausreichend. Es ist für 
uns nicht ganz leicht, der tätigkeit des schreibers vollkommen 
gerecht zu werden. Jedenfalls war seine aufgabe nicht klein. 
Der abstand in sprachstand und metrik, die stark geänderten 
zeit- und culturverhältnisse mussten ihm schwierigkeiten genug 
bereiten, und diese erklären auch die mehrzahl seiner ände- 
rungen. Aber abgesehen von diesen mehr oder weniger er- 
zwungenen abweichungen müsste der schreiber von k von allen 
anderen schreibern seiner und der ihm vorauf liegenden zeit 
im innersten verschieden gewesen sein, wenn er nicht gegen 
sein original gelegentlich den standpunkt eines menschen ein- 
genommen hätte, der die sache mindestens ebensogut, wenn 
nicht besser wusste als dieses. 

In der tat hat er denn auch dem Nibelungenliede seine 
‘verbesserungen’ angedeihen lassen, und einige von diesen haben 
wir auch schon kennen gelernt. 


Im folgenden wollen wir uns nun, um gruppen und damit 
übersichtlichkeit zu erzielen, an auffallendere erscheinungen 
halten, die öfter hervortreten, und vereinzeltes dann nachtragen. 


Zunächst ziehen die zahlenangaben die aufmerksamkeit 
auf sich. Zwar darf wol behauptet werden, dass k in den 
meisten fällen die zahlen der vorlage beibehalten hat, daruxter 
selbst so auffallende und nicht abgerundete, wie die epische 
zahl sechsundachtzig (k 403,1. 521,1. 566, 3), indessen finden 
sich doch auch genug angaben, die k mit keiner der alten hss. 
gemein hat. Sie sind nicht alle von demselben gesichtspunkt 
aus zu betrachten, sondern die änderung erklärt sich aus ver- 
schiedenen motiven. 

Zunächst war nicht selten das metrische bedürfnis oder 
metrischer zwang massgebend. Man vergl. folgende änderungen: 


B40,1 = k40,1 unz an den sibenden tac : an den achlen lag. 
71,1 = 70,1 an dem sibenden morgen : am achten lage. 
1174,1 = 1184,1 an dem sibenden morgen : am sechsten morgen. 


430 LUNZER 


In allen diesen fällen ist die zweisilbige senkung, die sich in k er- 
geben müsste, vermieden durch die wahl der nächsten geeigneten zahl 
(wie man sieht, sind dabei nicht immer die conventionellen zahlen heraus- 
gekommen, ein beweis, dass wirklich metrisches bedürfnis das entschei- 
dende war). Im gegensatze hierzu bleibt trotz der metrischen schwierig- 
keit 1390,1 achtzehenden (1382, 1 ist sibenczehen auch für k metrisch 
ohne anstoss). 


An einigen stellen gelingt es dem schreiber, die zahlen zu 
behalten und sich durch eine andere wendung aus der verlegen- 
heit zu ziehen: 


B 529,1 = k 525,1 vollen niwen lage : bis an den neunden tag. 
162,3 = 757,3 inre lagen zweifen : wol an dem zwelfften tage. 
1175,1 = 1186, 1 inre lagen zwelfen : dar nach am zwelfften tage. 


Einige zahlen sind ausgefallen,. weil die stelle nicht ver- 
standen wurde. 


So B 360,2.3 — k 359, 2.3 ze vier lagen ie drier hande kleider. 
B441,2 = k 440,2 vierdehalbiu messe. Von hier und von k 436,4 ist 
aber die angabe in v.3 vir männer hätten Brünhildens ger nicht tragen 
können, entnommen, während die vorlage von dreien spricht. — Den 
vers B 1122,4 ouch muose ir ietslicher des tages niunslunden gän ver- 
steht k nicht und sagt k 1122, 4 Auch ritten mit dem schalze zwelff 
hundert guter man. Diese zahl ist aus k 117,2 widerholt, wo sie mit 
der vorlage B 1117,2 stimmt. — B1573,7 heisst es, das schiff des fähr- 
mannes Iruoc wol mil einander vier hundert (mann) über fluol. k erfasst 
nicht, dass gemeint ist ‘bei jeder überfuhr’, und wundert sich, dass die 
zahl der Burgunder auf einmal so zusammengeschmolzen sei. Der schreiber 
behält ihre frühere anzahl bei und sagt k 1599,3: £s iIrug ir dreissig 
tausent uber des wassers flut. 


Die im alten gedichte häufige verbindung einer runden 
zahl mit einer anderen, welche letztere zumeist individuen be- 
sonderer art bezeichnet, macht k regelmässig schwierigkeiten. 
Der schreiber trachtet die gesammtsumme rund zu erhalten: 

B 197, 1.2. In den Sachsenkrieg ziehen füsen! man, dar über zwelf 
recken (diese zwölf sind Siegfrieds eigene mannen, im gegensatze zum 
heere Gunthers). k übersetzt 193, 1,2 lausent quier man, darunder 
waren zwelffe u.8.w. — Ebenso B 2169, 1.2. Rüdiger führt fünf hun- 
dert man, Dar under waz zweiff graffen k 2220, 4. — Aehnliche fälle, 
die gleich in einem anderen zusammenhange wider zur sprache kommen 
müssen, sind B 1507,2.3 = K 1528, 2.3. B 1573,1.2 = k 1598, 1. 2. B 1647, 
3.4 — k 1678,3.4. B 1936, 2.3 — 1979, 2.3. 


Eingreifender zeigt sich das streben des bearbeiters, 
zahlenangaben zu übertreiben, das zwar keineswegs 


“ 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 431 


durchgängig, aber doch ziemlich oft zu merken ist. Mit den 
auffallenderen änderungen soll begonnen werden: 


B 761,4. Sigmund will mit seinem sohne zu Gunthers fest reiten 
und hundert mann mitnehmen. Da Siegfried tausend mit sich zu führen 
gedenkt, ist das für seinen vater zu wenig. k sagt 756,4 fun/f hundert. 

B 1277,3. Gernot rettet für Kriemhild vor Hagens gewalttätigkeit 
ze drizec tüsent marken des Nibelungenhortes, k 1287, 3 das doppelte: 
W ol sechczig tausent marcke. 

B 1374, 3. Werbel und Swemmel erhalten bei Etzels fest jeder 
wol ze lüsent marken oder dannoch bas, in k 1389, 3 Wol czehen tausent 
marcke .... oder dannoch bas (hier wäre übrigens ein verlesen denkbar). 


Die übertreibungen ziehen sich namentlich durch die zahlen, 
die über den zug der Burgunder an Etzels hof angegeben werden. 


B 1472,3. tüsent ritter guot will Hägen aus allen mannen Gunthers 
zur reise auswählen : k 1493,3 dremw tausent guter man. 

B 1473,3. Es kommen driu tüsent unde mer (das sind also alle, 
vgl. B 697,3 = k 695, 1) : k 1494, 3 zwelff tausent oder mer. 

B 1475,2 sehzec recken Hagens und Dankwarts ziehen mit : k 1496, 2 
tausent. 

B 1476,2 ferner drizec mannen Volkers : k 1497,2 wider fausent. 
Im ganzen nimmt Gunther mit: 

B 1507, 2 sehzec unde tüsent ritter und 3 nimwen lüsen! knehte : 
k 1528,2 Woldreyssigtausent helde ohue unterscheidung (der unterschied 
zwischen rittern und knechten ist also nicht aufgefasst, und das schleppt 
sich dann weiter). — Die zahl 1060 des alten gedichtes ist entstanden 
aus den 1000 mannen Gunthers + 60 Hagens (und Dankwarts). Die 30000 
in k sind aus gar keiner addition erklärlich, sondern sind ohne weitere 
überlegung flüchtig hingeschrieben. 


B 1573,1 tüsent rilter Gunthers, 2 und sehzig siner degene, 3 niwen 
tnsent knehte setzt Hagen über die Donau. Die zahlen stimmen genau 
mit den früheren; dafür k 1598, 1 neün tausent ritter führt er zuerst hin- 
über, und 2 sechczig kunig und fursten (Doch waz der helde mer), 
3 Vil mer dann zweinczig tausent. — der helde furt er uber allsant 
(das allsant ist nur flickwort für den reim und bedeutet nicht ‘im 
ganzen’, denn 1599, 3 gibt K die gesammtzahl mit 30000 an, übereinstim- 
mend mit seinem ersten ansatz, und ungefähr auch gleich 9000 + 60 + 
20000. — Da an dieser stelle die vorlage noch deutlicher als früher 
zwischen rittern und knechten unterscheidet, wird auch k veranlasst, 
eine wenn auch sehr unklare differenzierung einzuführen. Die zahl 1060 
ist ihm wider unbequem. Die 60 werden diesmal ganz herausgenommen 
als kunig und furslen). 

B 1597,4. wol siben hundert oder mer mannen folgen Gelfrat, der 
den Burgundern nachjagt. Da aber diese in k so stark an zahl sind, 
muss auch ihr feind mehr bekommen: K 1628,4 czehen lausent .... oder 
mer. Dagegen bleibt die angabe, dass Hagen mit 60 mann die nach- 


432 LUNZER 


hut bildet 1630,3; nur heisst es statt mit 60 siner man mit 60 guter 
man, also allgemein. k kann jetzt seinen fehler nicht mehr gut machen. 
— Auch die angaben der vorlage über die verluste der Baiern und der 
Burgunder bleiben k 1646, 2. 1650, 1. 1650, 3. 1657,4, was alles eigentlich 
inconsequent ist. 


B 1617,3.4 sehzec küener recken unt lüsent! ritter guot und nimwen 
tüsent knehle sollen von Rüdiger beherbergt werden, aber k 1678, 3.4 
Wol sechzig kunig und fursten und dausent ritller gut Und dreissig 
tausent knechle (also das alte gedicht ist wider consequent, k aber 
hält nur an seinen 60 königen und fürsten und einer beiläufigen summe 
von 30000 mann fest. Die 1000 ritter stimmen jedenfalls mit den früher 
genannten 9000 nicht. Aber wenigstens der unterschied zwischen rittern 
und knechten ist dem schreiber endlich aufgegangen. Man sieht also ein 
schrittweises nachgeben gegenüber der vorlage). 

B 1806, 1—3. . 

Dö sach man mit den künegen hin ze hove gän 

ir edeln ingesindes tüsent küener man, 

dar über sehzec recken mit in wären komen. 
k liest hier wider wie gewöhnlich nur 2 verse. Wer unter den künegen 
gemeint ist, wird ihm nicht sofort klar: k vermutet, es sei von Etzel die 
rede und übersetzt darnach. Das in (v. 3) belehrt über den irrtum und 
eine verbesserung wird nachgetragen. Man vergleiche die übersetzung: 

k 1834,13. 

Da sach man mit kunig Etzel da hin gen hoffe gan 

Sein pestes hoffgesinde, wol tausent guter man. 

Auch ging mit den drey kunigen vil manig ritter gut. 
Weil also K nicht weiss, dass v.1.2 von den Burgundern gesprochen 
werde, hat er keinen grund, die zahlenangabe zu ändern. Wir erhalten 
hier, wenn es dessen überhaupt bedurfte, die überzeugung bestätigt, dass 
die geänderten zahlenangaben von k nicht auf die vorlage zurück- 
gehen, sondern eigentum des schreibers sind. 


B 1890,2 = k 1923,2. Die angabe, dass Hagen mit sehzec siner 
degene am turniere teilnimmt, wird auch in k beibehalten. Es wird uns 
dadurch zu allem überflusse auch diese angabe neuerlich für die vorlage 
sicher gestellt. 

B 1936, 2.3 niwen tüsent knehle dar über ritter zweife der Danc- 
marles man werden im gesindehause erschlagen, k 1979,2.3 von dem 
Reine neun lausent ..., mer dann czweinczig lausen! des kunig Kizels 
man wie oben. Das dar über in v. 3 hat wider verlegenheiten geschaffen. 
k glaubt, es müsse nun auch die angabe des verlustes der Heunen folgen. 
Seiner neigung zum übertreiben nachgebend setzt der schreiber die grosse 
zahl ein. 


Die veränderungen, die k mit den zahlenangaben über die 
fahrt der Burgunder ins Heunenland vorgenommen hat, sind 
damit zu ende besprochen. Es ergibt sich für die vorlage, dass 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG k. 433 


sie zweifellos mit unseren alten hss. stimmte, für k, dass der 
schreiber einerseits aus lust an grossen ziffern und andrerseits 
aus misverständnis geändert hat und in seinen angaben keines- 
wegs consequent bleibt. 


Die freude am übertreiben zeigen noch einige andere stellen: 


B 1550, 3. ein bouc bietet Hagen dem fährmann, in k 1576,3 zwelff 
pagen (dass die vorlage auch hier nicht die schuld trägt, lehrt B 1553, 1 
— k 1579,1.2, wo auch k auf einpagen zurückgehen muss). — B 1690, 2. 
ze vierzehen nehtlen hätte Rüdiger brot und wein für die Burgunder; 
k 1720,2 noch vir wochen. — B 1932, 3. Von den knechten der Burgunder 
fallen zuerst fünf hundert oder baz, k 1975, 3 zwey tausent oder bas. — 
B 2013,2. wol zwei tüsent lölen werfen die Burgunder aus dem saal, 
k 2058,2 Mer wann neün tausent. — B 2033,4 = k 2080, 4. Volker wirft 
dem Iring vor, er führe wol tüseni recken oder baz gegen die Burgunder, 
k 2080,4 zwey tausen! oder bas (diese änderung steht in widerspruch 
mit k 2078,3, wo nach B 2031,3 angegeben war, es hätten sich mit Ha- 
wart, Iring und Irnfrid tausend mann gewaffnet). — B 2070,2=k 2116, 2. 
Mit tüsent heleden stürmen Irnfrid und Hawart, k behält seine frühere 
zahl zwey lausent. 


Auch sprichwörtliche zahlen steigert k gern: 


B 557,1 = k 551,1. Hätte Siegfried auch drizec lant, so wollte er 
sich doch gerne von Kriemhild beschenken lassen, k vil mer dann 
tausen! lant (dagegen bleibt die formelhafte zabl k 754,3 —= B 759, 3). 

B 2105,2 = k 2155,2 ob unser lüsent woeren, wir leegen alle töt 
(ehe Hagen ausgeliefert würde), k Wer unser czehen lausent (ohne 
vorbild im original wird Zausent —= ‘sehr viel’ K 2077,4 verwendet). 


Nachdem sich hier überall die tendenz so deutlich aus- 
gesprochen hat, wird es weniger auffallen, wenn k beiläufige 
zahlenangaben des originals lieber nach der seite des plus 
wendet. 

Z.b.: B 138, 2 = 135, 2 volleclich ein jar: mer dann ein ganczes jar. 

B 317,3 = K 313, 3 bi fünf hundert marken : mer dann funff hun- 

dert marcke. 

B 366, 3 = k 365, 3 inre siben wochen : vil mer dann siben wochen. 

B 1021,4 = k 1020, 4 tüsent recken : vilmer dann lausent recken. 

B 1281,2 = k 1291, 2 noch wol lüsent mark : noch mer dann I. m 

Aehnlich B 803,1 = k 797,1. — B 2133,1 = k 2184, 1. 

B 1294,1 = k 1307,1 hundert unde viere : hundert oder mere ist 

vielleicht bloss verlesen. 


Es erübrigen nun nur noch einige fälle, in denen bestimmte 
zahlenangaben der vorlage i ink durch allgemeine wider- 


gegeben werden. Das gesghieht einige mal bei zeitangaben: 
SF wr u Ze 
a BapR . a % \ 
ns > x 


Im 
5 r 


434 LUNZER 


B145,1 nre zwelf wochen diu reise muoz geschehen: 
k 142,1 Es wurt ein grosse reise in einer kurz geschehn. 


B 1200,3 den wilich iu künden in disen siben (la. drien) tagen: 
k 1211,3 Daz wil ich euch erfaren in einer kurczen frist. 


B 1450, 2.3 ich wil iuch heren lan in disen siben nahten 
k 1466, 2.3 ich wil euch wissen lan Alhie in einer kurcze. 


B 1480,3. Hagen rät, Etzels boten nicht früher ziehen zu lassen, 
€ daz wir selbe varn dar näch in lagen sibenen in Eizelen lant, 

k 1501,3 biz daz wir mit in furn, Daz sinit vor zu lande hin kumen 
vor uns dar. 

Die fälle sind zu wenig zahlreich, als dass man den grund 
der änderung erschliessen könnte. Vermutlich schienen dem 
schreiber diese angaben zu wenig wichtig und interessant, in 
B 1480,2.3 = k 1501,3 zog er es vor, den vers zu einer 
motivierung von Hagens vorschlag zu verwenden: einer der 
sehr seltenen fälle, wo er dies nötig fand und sogar richtig tut. 


Ganz vereinzelt werden andere zahlenangaben umgangen: 
B 219,4 = k 215,4. B573,1 = k 567,3. B 1559, 3 = k 1585, 3. 
B 1634,2 = k 1665,2, ohne dass sich ein besonderer grund da- 
für finden liesse. Jedenfalls ist er nicht in der zahlenangabe 
selbst zu suchen, sondern in irgend einer anderen schwierigkeit 
der stelle. Dass k 1560, 2 (in einer plusstrophe). 1562, 1. 1619, 1 
von drei wasserweibern spricht, während das alte gedicht nur 
zwei nennt, geht vielleicht auf die bekanntschaft mit einem 
märchen zurück. Das original stimmte zu unseren alten hss,, 
das lehrt k 1620, 1 (beyde). 


Was die auffassung des ganzen stoffes anlangt, so 
scheint sie uns wegen der vielen plattheiten und geschmack- 
losigkeiten, nicht zum wenigsten ferner wegen der rohen sprache 
und metrik im vergleiche zur vorlage natürlich ganz gesunken 
und tief stehend. Aber — so unwahrscheinlich es klingt — 
der bearbeiter hat sich im gegenteil bemüht, sie zu heben. 

Man sieht das aus kleinen änderungen, die sich aber durch 
das ganze gedicht hindurchziehen. 


Bekannt ist im alten Nibelungenliede der wechsel in den 
anredeformen du und ir, eine erscheinung, die so häufig her- 
vortritt, dass sie auch in der höheren kritik als eines der merk- 
zeichen erkannt wurde, an dem alte und neue partien, strophen 
u.8.w, zu unterscheiden sind. k bevorzugt nun ganz sichtlich 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 435 


das ir, eine anrede, die ihm offenbar feiner und für ein gedicht, 
in dem so viele könige und fürsten auftreten, passender er- 
scheint. 


Nur in einem falle wird das ir der vorlage in dw geändert: B 1584, 7. 8 
— k 1612, 3.4, und dieser fall bestätigt nur die eben ausgesprochene 
tendenz: der kaplan, der sich vor Hagens gewalttätigkeit gerettet hat, 
schilt diesen: Du morder ungetrewe, waz hab ich dir getan u.8.w. — 
Aehnlich k 841. 842, wo die. erbitterten frauen Kriemhild und Brünhild 
mit einander rechten. Also nur zum schelten ist das du gut und besser 
als ir. — Es sind hieran stellen zu reihen, wo das du der vorlage aus 
demselben grunde bleibt: k 1778, 4. 1965. 1970. 1985. 2194 u. 8. w. 


Bei unterredungen zwischen gleichgestellten ändert der schreiber 
das dw der vorlage in gesprächen zwischen Gunther und Siegfried k 309. 
331 ff. 338. 340. 387. 393. 452 ff. (auch nachdem diese durch Siegfrieds 
vermählung verschwägert worden sind). 645 ff. 650. 852. 854. 857, zwischen 
Brünhild (die noch jungfrau ist) und Gunther 460, zwischen Rüdiger und 
Hagen 2248/49, zwischen Winelint und Hagen 1565. Natürlich besonders, 
wenn der niedere zum höheren spricht: Rüdiger zu Etzel 1163. 1166. 1167, 
Hagen zu Gunther 1553, Dietrich (verbannt an Etzels hofe) zu Kriemhild 
1938. 1939, Hagen zu Etzel 2068. — Ir wird aber auch dem du gegen- 
über lieber gebraucht in der anrede des höheren an den niederen, wenn 
dieser auch den fürstlichen oder vornehmen kreisen angehört: Brünhild 
redet Siegfried, der sich ihr als ‘eigener mann’ Gunthers genannt hat, 
mit ir an im gegensatz zur vorlage 422, ebenso Kriemhild den Hagen 893, 
Etzel den Rüdiger 1159. 1162. 1163. 1166. 1167, Gunther den Rumolt 1541, 
Blödelin, der bruder des königs, den Dankwart 1967, Kriemhild den 
Dietrich 2027. 2029, den Iring 2101. 


Auch unter verwanten und eheleuten wird das dw der vorlage durch 
ir ersetzt: Kriemhild und Gunther 606 ff., Brünhild (als Gunthers weib) 
und Gunther 613. 676. 724. 725. 848. 849, Siegfried und Kriemhild 914. 
918. 919, Kriemhild und Giselher 1136. 1255. 1256, Etzel und Kriemhild 
1524. 1745, Blödelin und Kriemhild 1942. 1943. 


Nur darf man freilich consequenz vom bearbeiter in diesem 
stück ebensowenig erwarten, wie anderswo. Sehr häufig schlägt 
der einfluss der vorlage durch, und das du des alten gedichts 
bleibt bewahrt. 


Man vgl. z.b. den beginn des 2. teiles. Etzel spricht zu Rüdiger. 
Die vorlage hat immer du, k ändert 1159 und 1162 in ir, behält aber 
das dw 1161. Sogar in derselben strophe entsteht schwanken. B 113 
spricht Siegfried Gunther mit du an; das ändert k 110,1 in euch, geht 
aber in v. 2—4 wider auf das du der vorlage zurück. Das behalten des 
du wird namentlich erzwungen durch den reim, z.b. 896,1 (ir vi edler 
Hagen, dir, wo also verschiedenheit im selben verse zu tage tritt), 
1636, 5 u. d. 


436 LUNZER 


Den gebrauch bis ins einzelne festzustellen, führt demnach 
zu nichts. Die tendenz ist aus den änderungen deutlich: das 
ir wird bevorzugt, du gilt nur beim schelten als richtiger. 
Sonst wird es namentlich beibehalten, wenn der höhergestellte 
zum niederen spricht (z. b. Hagen zum fergen 1576. 1578), 
unter verwanten ebenso, wenn der vater oder die mutter sohn 
oder tochter anreden, z. b. im gespräch zwischen Ute und Kriem- 
hild 17. 1149. 1257, Siegmund und Siegfried 53 ff., Sigelind und 
Siegfried 61 ff., wo überall das kind die eltern mit ir anredet. 


In engem zusammenhang mit dem bestreben, die förmlich- 
keiten der anrede mit der vermuteten umgangsweise hoher 
persönlichkeiten in übereinstimmung zu bringen, stehen die 
titulaturen. Es wird genügen, einiges zum vergleiche anzu- 
führen: 

Für künec steht edler kunig 1401,1; für herre : edler kunig 874, 2; 
für künec Gunther : ir edler here 437,3; für die einfache anrede mit dem 
namen Rüedeger : ir stolezer ritter gut 1266,2; für liebiu muoter min : 
ir edle muler mein 16,1; für vil liebiu lohter min wenigstens vil libste... 
1149,1 (vgl. ausserdem vriunt im verz.).. Im selben geschmack sind die 
anreden gehalten, die k selbst (eine häufig gebrauchte aushilfe zum flicken) 
einschiebt: ir edler kunig reich 80,2. 345,1. traut edler herre mein 
676,1. ir stolczer ritler gut 1266,2. vu libste tochter mein 14,4. Iraut 
edler sune mein 53,1. traut sune mein 57,3. edle muler 62,1. mein 
libsler sune czart 63,1. 

Verwante nennen sich gern mit dem verwantschaftsnamen und dem 
titel ‘herr’ zugleich: bruder und herre mein 146, 1. her sun 756, 2. 
traut her und faler mein 757,1. schweher und libster herre 1032, 1. 
bruder und herre 1256,1. schwager und herre 1944,1. 

Der könig wird gewöhnlich mit Aer künig angesprochen, z. b. 
113,3. 143,3. 330,1. 330,3. Kriemhild spricht selbst ihren gemalıl so an 
737,1, wie es denn überhaupt in k bei titulaturen wenig unterschied 
macht, wer spricht: alle diese hohen personen verkehren im nämlichen 
stil mit einander. Aber für den könig ist doch auch schon eine um- 
schreibende anredeform in spuren vorhanden: di ewren gnaden dinen 
269, 4 (Ortwin spricht zu Gunther), will ich umb ewr genade verdinen 
mwilliglich 849,4 (Brunhild zu Gunther), wann ich von ewren gnaden 
gar gerne wissen wolt 1416,3 (Kriemhild zu Etzel), si danckten seinen 
gnaden 1508,4 (die boten dankten Gunther). Vielleicht gehört noch 
hierher 419,2 ich pit euch Lugentlichen, die ewren guet und milt 
(Siegfried spricht zu Brünhild). 


Auch ausser der directen rede, wenn also jemand in der 
3. person mit einem chrenden beiwort genannt werden soll, 
wird der alte epische stil geändert zu gunsten ganz ähnlicher 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG k. 437 


formeln. Die mittel, die dem bearbeiter dort wie hier zu ge- 
bote stehen, sind ärmlich. Er begnügt sich, seine helden immer 
mit denselben lobenden bezeichnungen auszustatten, die er 
allerdings massenhaft über sie ausschüttet, aber ohne wahl und 
ohne damit eine charakteristik zu versuchen. 


Beispielsweise heisst Siegfried 63,4 der rytier klug, Hagen 116, 2 
ein rytter fein oder 168,4 ein stolczer riller fein, Gernot 313,4 kün und 
fein: epitheta, die entschieden nicht bezeichnend gewählt sind. Alle 
helden sind edel und küene, alle weiblichen personen schöne und minig- 
lich: das ist so ziemlich alles, was der bearbeiter zu ihrem ruhme zu 
sagen weiss. Eine steigerung dieser eigenschaften drücken aus die com- 
posita wunderküene, z.b. 22,4. 30,4. 44,1. 48,1. 54,1. 68,3. 90,3. 103,1. 
112,4. 154,1. 181,3. 207,3. 211,3. 295,2. 295,4. 392,1. 411,3. 430,1. 
440, 3. 456, 3. 457,4. 463,1. 471,4. 473,1. 492,2 u.8.w., und wunderschöne 
2.b. 54,4. 272,4. 280,3. 383,3. 331,3. 336,4. 391,4. 394,3. 416,2. 455,1. 
464,3 u.8.w., die, wie man sieht, ebenfalls ausserordentlich oft gebraucht 
werden. Den gipfel der vollkommenheit scheint der ausdruck kaiserlich 
zu bezeichnen, z.b. 50,4. 264,2. 275,4. 773,4. 1846, 4. 


Charakteristisch für das streben des schreibers, die personen 
seiner geschichte möglichst zu heben, ist, dass er teilweise denen, 
die im alten gedicht keinen besonderen rangtitel besessen hatten, 
einen solchen aus eigener macht verleiht. 


So wird Hagen herzog (2366, 2), Volker ebenfalls (1676, 1), ferner 
Gibich 1914, 1 und Blödelin 1963, 1, Helferich wenigstens graf (2295,1. 
2296, 1), aus einem Hiunen recken wird ein furst aus Hewnen 2189, 1, 
zwelf recken werden zu zwelff graffen 2220,4. Die übrigen verabsäumt 
k ungern mit ihren titeln künig, herczog, margraf, graf u.8.w. zu be- 
zeichnen, auch wenn sie in der vorlage nur einfach genannt oder irgend- 
wie andeutend bezeichnet werden (vgl. z. b. wir! im verzeichnis). 


Es gehört mit hieher, wenn k auch bei der aufzählung ge- 
legentlich die rangordnung über die reihenfolge entscheiden lässt: 


B 140 wird im original zuerst Liudger, dann Liudgast genannt. Da 
aber der erstere nur herzog, der andere könig ist, stellt k um (140), ob- 
schon er dazu die ganze strophe lesen muss. Aehnlich wird k 7 ab- 
weichend von der vorlage zuerst der vater der Burgunderkönige, dann 
erst Ute genannt, was auch die umstellung der ganzen verse nötig macht. 


Auf adel und hohe herkunft legt k grosses gewicht. 


Im alten gedicht will Etzel um Kriemhild freien durch ir grözen 
schene (B 1158, 4), in k 1168,4 durch iren hohen adel. Adel und hohe 
geburt werden denn auch an den helden hervorgehoben, so an Siegfried 
und seinen mannen 84, 2, an Volker 1683,2 u.ö. adelich ist ein lob. 
in vll grözen zühlen wird übersetzt nach adelichem silten 581, 3, vgl. 


438 LUNZER 


620,2. 792,2 u.8.w. So interessieren den schreiber auch wappen. Er 
hebt (selbständig) hervor 79,3: ir wapen an dem Reine was manchem 
unbekant (es ist von Siegfried und den seinen die rede), erzählt 428,4 in 
jrem (Brünhildens) schlti jr wapen (was) herlich geplasenirt, nennt die 
mwapen fein ausdrücklich 640,4 u. dgl. 


Besonders gross ist die ehrfurcht des bearbeiters vor der könig- 
lichen würde. Es ist bezeichnend, dass er (einer nicht verstandenen 
stelle des originals B 1311, 4 entsprechend) Gotelind ihrer künftigen 
königin eine im alten epos nicht angedeutete ehrung erweisen lässt: Fur 
si kniet da Gotlinde auff einen grunen plan 1325,4. Er erzählt, dass 
Kriemhild (in ibrem gemache) eine reiche krone trägt 351,4, und hebt 
eigens hervor, dass der Brünhild in Worms land und leute huldigen 597, 2, 
und dass der Kriemhild nach ihrer vermählung nun auch die Nibelunge 
untertan sind 611,2. Auch k 117, 3 ist hier heran zu ziehen: ewr streitten 
unde fechten wer gegen in ein winl; sein huld woll wir behalten, er ist 
eins kuniges kint (beide verse haben mit den entsprechenden der 
vorlage, B 120,3.4 kaum ein wort gemein). Die ungewöhnliche anrede 
mit ewer gnaden ist schon erwähnt, ebenso der gebrauch des wortes 
kaiserlich. Auch den ausdruck regiren kennt und gebraucht k bereits 
710,4. 712,1. Parallel mit der hervorhebung der königlichen gewalt geht 
es, dass die recken zu dienern herabsinken (z. b. 59, 3. 72,1. 102,3. 185,3 
u.ö., vgl. überhaupt vriunt im verz.), während könig und königin ge- 
legentlich als di herschafft bezeichnet werden (1296,2. 1450,2. 1681,3. 
1744, 3). 


Man ersieht aus k, dass in der etikette veränderungen 
vorgegangen sind: 

Es scheint dem schreiber nicht recht angemessen, dass die dame 
den mann an der hand führe. Zwar lässt er die vorlage hierin 467, 2. 
740,4. 1766, 3 ungeändert (das erste mal übrigens wol aus bestimmten 
grunde), man vgl. aber B 293,1 bi der hende si in vie, k 289,1 er 
nam si bei der hant. B 351,4 die üz erwellen beide nam diu frouwe 
bi der hant, k 350,4 di herren namen beide Krenhilden bey der hant. 
B 1667,1—3 diu junge marcgrävinne nam dö bi der hant Giselher den 
recken,s...- alsam tet ir muoler Gunther den küenen man, k 1697,1—3 
di junge margrefynne nam selber bei der hant der kunig aus Purgon- 
den ..... ‚ir muler furt da selber Gunther, der kunig reich (die wen- 
dung B 1393, 2 = k 1408, 2 ist nieht durchsichtig). 


Dass männer oder damen einander, oder der ritter die dame führt, 
erzählt k ohne änderung dem original nach (788, 1. 1197,4. 1697, 4. 1780, 1. 
1832, 1—3. 1839, 4. — 581,1. 583,4. 584, 1. 652,4. 1334, 1. vgl. 1832,4. — 
B 1250,2 im vergleich zu k 1261,2 ist aus anderem grunde geändert). 
Dass k 1832,4 Geyselher mit Krenhilden ging, statt wie in der vorlage 
mit Rüdiger, beruht auf einer verlesung (swester für sweher B 1804, 4). 


Dass ein ritter das pferd der dame führt, die er begleitet (dass er 
sie b? zoume leitet, zoumet dan), scheint k nicht zu verstehen 574,1. 576, 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 439 


Geküsst wird in k eher mehr als im alten gedicht. Bei der über- 
setzung des ausdruckes mif ougen triulen B 601,4 lässt k einfach die 
worte mit ougen weg 594,2. — B 591,2 (beim empfange der Brünhild in 
Worms) heisst es j4 wart dä geküsset manic rösenvarwer munt (dem 
zusammenhange nach von Brünhild, vgl. 590, 4), nach k von den recken 
584,4. — Wie wisen einmal mit freuten übersetzt wird, ist schon be- 
sprochen. — B 1348,4 rät Rüdiger der Kriemhild, nur Etzel zu küssen, 
die anderen nicht; in k 1362,4 soll sie alle küssen, was dann freilich 
1366, 4 in Übereinstimmung mit dem original nicht geschieht. 

Den ausdruck höveschen kennt k zwar nicht, dafür aber hat er 
hofteren 1135, 4. 1865,4 (Volker hofirt der Gotelind oder seinen herren, 
indem er ihnen ein schones lit singt, oder auf der fiedel vorspielt). 

Das verneigen hebt k gelegentlich selbständig hervor 156, 4. 567,2. 
7138, 3. 1253, 1. 1693, 4. 1862, 4. 

B 1485, 1—3 wird berichtet, Gunther habe Etzels boten erlaubt, Brün- 
hilde aufzusuchen. In k 1506, 1—3 will er die höflichkeit haben, sie selber 
hinzuführen. 


Fragt man, wo sich etwa sonst noch die eigenart von k 
geltend mache, so fallen drei gebiete besonders ins auge, wo k 
grössere lebhaftigkeit und gesteigertes interesse verrät: es sind 
dies kirchlich-religiöse dinge, kampfschilderungen und 
minne. Hier hat die bearbeitung sogar nicht selten dem ori- 
ginal gegenüber ein plus, das sich allerdings, da wir es mit 
einer immer wider von der vorlage angeregten und abhängigen 
übersetzung zu tun haben, nicht immer durch subtraction rein- 
lich gewinnen lässt. 

Man vgl. original und übersetzung an folgenden stellen: 

B 33, 1—4. 

Gote man dö zen ören eine messe sanc. 

dö huop sich von den liuten vil michel der gedrane, 
dä si ze ritter wurden näch ritterlicher & 

mit alsö grözen &ren, daz watlich immer mer erge. 

k 34,1—4. 

Da man daz ampt volbrachte und messe da gesanck, 
Manchrytter bracht sein opffer und sagtgotlobund 
Dar nach macht man zu ritter vil mangen kunen degn [danck. 


Nach eristenlichem orden und gab in gottes segn. 
Vgl. noch k 801,3. 839, 1. 1060, 1. 


B 1048, 2.3. 
man solde messe singen : zuo dem münster dan 
giengen allenthalben man wip unde kint. 
k 1047, 2.3. 
Im munster manig messe ward im [dem toten Siegfried] zu heil 
Da gingen zu dem opffer di edeln junck und alt. [getan. 


440 


LUNZER 


B 1052, 1. 
Dö man daz gehörte, daz man zem münster sanc: 
k 1051, 1. 
Da nun daz folck erhortte, daz man di selmes sang. 


B 1055, 2.3. 
dö sprach diu küneginne: irn sult niht eine län 
mich hinte bewachen den üz erwelten degn. 
k 1052, 2.3. 
Da sprach di schon Krenhilde: ir solt mich bei im lan, 
Ich wil heint bei im wachen und bitten fur sein sel. 


B 1058, 2.3. 
die ez [ezzen unde trinken] nemen wolden, den wart daz kunt 
man ga&bes in den vollen : daz schuof Sigemunt. [getän, 


k 1055, 2.3. 
Und wer begert der speise, di gab man in gar schon. 


Di speis gab durch sein sele sein fater, kunig Sigmunt. 


B 1061, 1—4. 
Urbor üf der erden diu teiltes in diu lant, 
swä sö man diu klöster und guote liute vant. 
ouch hiez si geben den armen der sinen habe genuoe, 
si tet dein wol geliche, daz sim holden willen truoc. 

k 1057, 1—4. 
Durch got gab man den armen, der man gar vil da fant; 
Man gab auch grosses gute, wo.man di kloster fant. 
Auch gab Krenhild den armen der gabe gar genug, 
Durch seiner sele willen, den si im herzen trug. 


Vgl. noch k 1059, 2. 


B 1065, 3. 4. | 0 
& er begraben wurde, man sanc unde las, 
hey waz der wisen pfaffen bi siner pifilde was. 


k 1061, 8. 
Wann man bis zu dem grabe mith andacht sang und las. 


Vil manger prister werde bey der vigilge was. 


B 1103, 3. 
si bat got den richen der sinen s&le pflegen. 


k 1101, 3. 
Si pat da Crist von himel seinr armen sele pflegn. 


B 1261, 7. 
wan daz er (Etzel) sich widere vernogieret hät. 


k 1271, 3. 
wann er ein teil des glauben noch eytell nit verstat 


(zwar ein misverständnis, aber gleichwol bezeichnend). 


B 1330, 1—4. 
Der bischof minnecliche von siner nifteln schiet. 
daz si den künic bekörte, wie vast er ir daz riet, 


nn nn ee EEE TI E Turn 1 EVER ERHEBEN IE TER GEBE SEHR aregriaeie Fe 


— m —  — bike. —— {on et ee 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 441 


unt daz si ir öre koufte als Helche hete getän! 
hey waz si grözer ören sit dä zen Hiunen gewan. 
k 1344, 1—4. 
Der pischoff tugentleichen hin von Krenhilden schiet. 
Daz si den kunig bekertte, wi fast er ir daz riet! 
Den rechten cristenglauben solt siim halten fur, 
Als Helche tet, di reiche, so gar in hoher kur. 


B 1328, 2—4. 
üzer Medelicke üf handen wart getragen 
manic goltvaz riche, dar inne bräht man win 
den gesten üf die sträze unt bat si willekomen sin. 

k 1342, 2—4. 
Zu Melck da aus dem kloster ward in engegen tragn 
Manch trinkfas reich von golde, darin den klaren wein. 
Daz det der apt den gesten und hies si wilkum sein. 


B 1855, 2.3. 
ir sult vil willeclichen zuo der kirchen gän 
und klaget gote dem richen sorge und iuwer nöt. 
k 1888, 2.3. 
Ir solt andechtigleichen hiu zu der kirchen gan 
Und bitet got umb gnade, daz er uns helff aus not. 


B 1856, 1.2. 
Irn sult ouch niht vergezzen, swaz ir habet getän, 
und sult vil vlizecliche dä gein gote stän. 
k 1889, 1.2. 
Ir solt euch wol bedencken, waz ir ie habt getan 
“Wider got, unsern herren, daz ers woll faren lan. 


Der name gottes wird sehr oft vom bearbeiter herein- 
gebracht. 


Es gehören hierher wendungen, wie mit goiz hilffe 311,4. hilft mir 
got an den Rein mit meinem leib gesunde 1615,3.4. got woll mir bei- 
gestan 2113,4. so mwoll uns got selbs trosten 2144,3. ich tramw got, ir 
solt noch wol genesn 2217,4. got frist euch ewren leip 2412,2. — weil 
mir gotlebens gan 890,4. weil mir got leben geit 1293,4. frist got daz 
leben mein 2166,4. — jr soll es got ergeben 1245,2. — si balen ir got 
pflegen 1304,2. der kunig bat si gol bewarn 133,4. — got hab ir sel 
in hut 1650, 2. got hab uns beid in hut 1808, 4. — des bitt ich euch durch 
got 2292,4. ich danck got seiner gute 2045,4. des ward Danckwart er- 
frewet und lobt den reichen gol 447,2. des danckt in ser Seifride, gund 
si befelen got 690,2. — mwoli got 1023, 1. 1212, 2. 1708,4. ach got 1164,4. 
daz wol got nit von himel 1018,4 (vgl. nun woliie Crist von himel 2310,3). 
durch gotlz willen 1291,3. durch gottes ere 993, 3. bei gotz gericht 1095,4. 

Daran schliessen sich die vielen fälle von got wilkumen, got danck 
euch u.8.w. Man vgl. ferner: sö gsegnet lant und leute 521,4. da gab 
man in den segen 1307,3. der heilge pfingstag 1380,1. durch das ge- 

Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. XX, 23 


442 LUNZER 


wissen dein (vorl. durch die zühle din) 2393, 2, sowie ein paar misver- 
ständnisse: man leulet zu der none (vorl. zem tuome) 805,2. unser frawen 
kirchoff (vrönen) 1890, 2. 


1255,2 setzt k an die stelle des Roten, des alten grenz- 
flusses des deutschen reiches, daz rote mer, das ihm aller 
wahrscheinlichkeit nach aus der geschichte von der wanderung 
der Israeliten bekannt ist. 

Dass der heiligenname Sant Johannes (s. das verz. unter 
sunewenden) durch k hereingekommen ist, hat schon Holtzmann 
hervorgehoben. 

Dass der bearbeiter für kampfscenen interesse und einiges 
verständnis hat, zeigt schon der umstand, dass ihm die über- 
setzung solcher partien besser gelungen ist, als meist das 
andere. Aber er bringt auch selber hie und da neue züge an, 
die mitunter ganz lebendig und anschaulich sind. Es wird hier 
das bemerkenswerte, das ganz oder teilweise eigentum des 
bearbeiters ist, zusammengestellt: 

sein schwerl zu beyden ecken berunnen waz mit blut 184,3, vgl. 
daz im sein schwerttes ecke berunnen waz mit blut 2331,2. es sprang 
nach seinem schwertte gar offt daz rote blut 226,3, vgl. 950, 3. 2015, 4. 
2097,4. im wart auch als sein waffen von seinem blule nas 2110, 4. 
darvon di fewres flammen aus hertlen helmen bran 36,3, vgl. 2090, 2. 
di schleg hort man laut klingen, noch weilter dan ein rast 489,4. manch 
schwert bei in erklang 1020,2. es (das schwert) klingel sam ein glocke 
2237,1. recht als der dunder vilen di schwert in in der hant 2119, 3. 
daz schuff ir schirmeschlege 2089, 4. si schlugen auf einander, recht 
sam si weren plint 2329,93. durch helm bis auf di zene er Weiselher 
schlug 2352,4. (Wolfhart) hib durch den streit ein bar 2347, 1, vgl. 
hiben mange gassen durch des kuniges sal 2016,3. er sprangk, daz im 
sein harnasch klangk 2096, 2. ir sper zu stucken sprungen 180,4. in 
grimmiglichem czorne sein kunes hercze bran 188,4, vgl. 193, 2. 667, 4. 
1804,1. 1814,2. gemwapnet fur den tode 2307,3. bis in den tod ver- 
hawen 2320,3. (Iring war getroffen,) daz er sanck gen der want 2110, 2. 
(gewäfent baz:) wol verbunden in seinen harnasch 2106,1, vgl. 2380, 2. 
dem alle zeit in sturmen an manhait nie gebrast 119,4, vgl. 579,4. der 
manhait sich nie barck 574,4. (er schlug auf ihn,) bis daz in selber 
fauchle, des schimpffes wer genug 184, 2, vgl. 673, 3. 


Anzuschliessen wäre etwa noch, dass die alten ritterlichen 
beschwörungsformeln gelegentlich vom bearbeiter selbst ein- 
geführt werden (gedenckt an ritiers trewe 2242, 3. durch alle 
werde man 631,4. durch aller frawen er 62,1. 994, 2. 1561, 3. 
2082, 1), dass er das füttern der rosse aus eigenem erwähnt 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG Kk. 443 


(739, 2. 1918,2), dass er bei der beschreibung der jagd zu den 
bracken die winden hinzufügt (955,3) und die leitseile der 
hunde erwähnt (926,2), wie er auch — allerdings durch ein 
misverständnis — auf das federspil verfällt 2326,4. Man vgl. 
etwa noch die übersetzung von buhurt, buhurdieren, zoum, trun- 
zün u.dgl. 


Was die minne anlangt, so bringt auch hier der bearbeiter 
eine andere färbung und kleine neue züge herein. Als eine 
öfter zu tage tretende erscheinung erwähne ich zunächst, dass 
er die gegenliebe der Kriemhild stärker hervorhebt als das 
original. Man vgl. etwa eende stellen: 


B 133, 1—4. 
Swenne üf dem hove wolden spilen dä diu kint, 
ritter unde knehte, daz sach vil dicke sint 
Kriemhilt durch diu venster, diu küneginne her: 
deheiner kurzwile bedorftes in den ziten mör. 
k 130, 1—4. 
Wann er beweißt sein kreffte, der kune degen milt, 
Mit ryttern und mit knechten, daz sach gar gern Krenhilt; 
Si sas in einem fenster, di stoleze maget her. 
Wann si Seyfridt solt schawen, ir hercz begert nit mer. 
B 134, 1—4. | 
Wess er daz in s&he die er in herzen truoc, 
dä het er kurzewile immer von genuoc. 
sahen sie sin ougen, ich wil wol wizzen daz, 
daz im in dirre werlde kunde nimmer werden baz. 
k 131, 1—4. 
Di maget di waz schone, gar adelich und klug, 
Wann si?!) zu allen czeitten Seyfrid in herczen trug 
Wann si ein ander sahen und sich mocht fugen das, 
In mocht beyden auf erden nit sein gewesen bas. 

In B fragt Kriemhild den aus dem Sachsenkriege heimgesanten 
boten zuerst nach Gernot (226,1) und dann — ganz allgemein — nach 
ihren anderen friwenden (226, 2); k ändert aber ihre einleitenden worte 
so um, dass sie sich zuerst nach Siegfried erkundigt. 

B 225, 3.4. 

nu sag an liebiu mare: jä gib ich dir min golt, 
tuost duz äne liegen, ich wil dir immer wesen holt. 
k 221,2—4. 
Sag mir di warhait eben ..... 
von Seyfridt, dem vilkunen, demistmeinherczeholt. 
Darumb wil ich dir geben silber und rotes golt. 


ı) Hier ist doch wol si subject, vgl. v. 1. 
29* 


444 


LUNZER 


B 291,4. 
mit minneclichen tugenden si gruozte Sivriden sint. 


k 287,4. 
Auß rechter trew und libe grußt si Seyfriden sint. 


B 293, 2. 
wie rehte minnecliche er bi der frouwen gie. 
k 289, 2. 
Mit im ging si gar gerne; daz freut den kun weigant. 


B 294, 4. 
si het im holden willen kunt vil schiere getän. 


k 290, 4. 
si trug im stette libe, daz wart im kunt getan. 


B 301,3. 
daz im diu was so wxge, die er in herzen truoc. 


k 297, 3. 
Daz er het ganz ir hulde, di in im herczen trug. 


B 305, 4. 
der dienest wart dem recken durch gröze liebe getän 
(nach B 288 f. wol ‘von den königen’, die ihrer schwester er- 
laubten, Siegfried zu begrüssen). 


k 301,4. 
Daz det si als zu dinste Seyfriden lobesam. 


B 347, 4. 
daz komen der vil küenen (= Gunthers und Siegfrieds) daz was 
ir mxzliche leit. 


k 346, 4. 
Da si solt zu Seyfride, des frewet sich di meit. 


B 556, 1. 

Den boten (= Siegfried) bat man sitzen. 
k 550,1. 

Si hies in zu ir sitzen. 


B 615, 2.3. 
iedoch sö was gelücke unt Sifrides heil 
daz si in niht versprechen wolde dä zehant. 
k 608, 4. 609, 1. 
Ie doch nam si in gerne, trewlich an alles meil, 
Wann sis nit widerrette und nam den kün weigant. 


B 661. 662, 3. 
swaz si im gedienen kunde, wie lützel si des liez. 


k 656, 1. 
Waz lieb si im kund zeigen, gar wenig si daz liez. 


B 683, 4. 
da er wart wol empfangen von einer vrouwen wol getän (= Kriem- 
k 681, 2. [bild). 


Gar liplich ward empfangen von ir der kune man. 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 445 


Aber auch sonst zeigt sich der autor von k in dem gedanken- 
kreis der minne nicht selten unabhängig vom original, dessen 
ausdrucksweise er steigert oder anders färbt. 


B 46,1. 

Swaz man der werbenden näch ir minne sach. 
k46,1. 

Durch jr tugent und schone leid manger ungemach. 
B 132, 4. 

(diu frouwe,) diu im in heinliche vil dicke güetlichen sprach. 
k 129,4. 

Nach Krenhilt der vil schonen sein hercz leid ungemach. 
B 138, 4. 

dä von im sit vil liebe und ouch vil leide geschach. 
k 135,4. 

Des laid er heimelich nach ir groß ungemaeh (vgl. damit B 137,4). 
B 324, 3. 

wan daz in twanc ir minne: diu gab im dicke nöt. 
k 320, 3. 

In zwang heimlich ir mynne; sein herz daz leid groß not. 
B 657, 1.2. 


Dä was von kurzewile vreude unde nöt. 
bühurt unde schallen allez man verböt. 


k 651,3. 4. 
Di kurczweil nam ein ende, als da der kunig bot. 


Der kunig leid nach Brunhilden in seinem herczen not. 


B 1315, 2. 
die gerne frouwen sähen, den was dä niht ze w£. 


k 1329, 2. 
vil manchem werden helde da ward heimlichen wee 


(von schoner frawen mynne) 1329, 2 (3). 


B 323, 2—4. 
ja wer er in den landen ninder anderswä 
gewesen alsö sanfte. dä von daz geschach 
daz er nu tägeliche die schoenen Kriemhilde sach. 
k 319, 2—4. 
Er wer nit pass gewesen auch nirgend anderswo. 
Sein herz waziminfreuden, wannim daz heil geschach, 
Daz es Krenhild di schonen mit augen ane sach. 
('heil’ von ‘liebesglück’ unabhängig von d. vorlage auch 133, 1. 
292,1. 292,4. vgl. 1064, 1). 


B 391,4. 
daz tuon ich, sprach dö Gunther, der ritter küen unde balt. 


k 390, 4. 
Daz tuon ich, sprach der kunig; sein freud was manigfalt 


(nämlich als er Brunhild sah), 


446 LUNZER 


Rüdigers tochter erwidert auf die frage, ob sie Geiselher zum manne 
nehmen wolle, im alten gedichte aus scham gar nicht, in k 1715, 2 ia, 
edler kunig, mein hercz ward nie so fro. 

Es gehören hierher ferner wendungen wie mir stet hin zu Kren- 
hilden mein sin und auch mein mut 52,2 und ähnliche 120,4. 129,2. 
129,3. 321,4. 391,3. 392,3. 622,1; die ausrufe Wolt gol, wurd mir zu 
teyle daz minigliche weip 47,4. Wolt got, daz wer mein eygen ir wunder- 
schoner leip 391,4. ach got, wol mir di frawe Krenhild genedig sein 
1164,4; die ausdrücke sein liebste 1740,2, seins herzens traut 1919,3; 
die übersetzung von B 136,3 in k 183,3 (di mir bezwingt mein hercze, 
verschwunden wer mein pein), von B 138,1.2 in k 135,1.2, von B 1315, 4 
in K 1329, 4 (si treulen in dem herzen di schonen frawen gut), von B 1356,4 
in k 1371,4; die art, wie k die worte liebe, minne u.8.w. überträgt, u.a.m. 


Eine besondere erwähnung verdient noch — was hier 
gleich angeschlossen werden soll — die grosse rolle, die das 
herz als träger des gefühls in k spielt. 


sein hercz leid ungemach 129,4. sein hercz daz leid gro/s not 320, 3. 
ir hercz was ir gar schwere 136,4. daz scheiden bracht Krenhilden in 
irem herczen pein 913,4. meim herczen ist gar schwere und leidet grosse 
not 916,4. mir ist betrubet mein hercz und auch mein leip 915,3. mein 
hercz leit grosse qwal 919,1. tut meinem herczen wee 919,4. ganz äÄhn- 
lich 1171,4. des rang ir hercz in jamer 1062,2. mein hercz vor leid 
mocht brechen 1077,4. ir hercz leid heimlich quel 1291,4. dem Hagen 
mein hercz hat widerseit 1411,4. sich sent nach ir gar sere mein hercz 
und auch mein leip 1471,4. mir ist mein hercz gar schwere 1530,4. si 
Irugen in dem herczen gro[s jamer unde leit 1742,1. mwy hasi dus an 
deim herczen 2151,2. mein herczenliche ser 2214,2. mein leit las dir 
zu herczen gan 2214,3. meim herczen nie so leide auff erden mer ge- 
schach 2219, 2; vgl. noch das oft widerkehrende von herczen leil, hercze- 
leit. — sein hercz in frewden was 126,3. frewei sich von herczen 395, 4. 
453,4 u.ö. des lebt mein hercz in freuden 887,4. ir hercz begert nit 
mer 130,4. 1356,4 u. öÖ. vgl. 421,2. als, daz scin (ir) hercz begerte 
337,3. 367,3. 799,4. 1794,2 u.0. — sein hercz waz unverczagt 23,1; vgl. 
107,2 u.ö. in grimiglichem czorne sein kunes hercze bran 188,4; vgl. 
195,2 u.8.w. er regt in seinem herczen ein grimiglichen mut 412, 1. 
er iregt ein kunes hercze 413,4. — mein hercz geringe wigt 111,1. — 
di mir bezwingt mein hercze 133,3. — mül mich von herczen 114,1. 


Gewisse äusserungen des gefühls ändert k. 


Das lachen ist ihm nicht mehr zeichen der freude; vgl. die über- 
setzung des ausdrucks mit lachendem munde : mit hoher freud und wunne 
104,3. mil wunn und hohen freuden 11716,4. >< 1677,1 (freuen in v. 2). 
(613,1 bleibt /achen im gegensatz zum weinen). — Auch an dem erröten 
vor freude scheint er anstoss zu nehmen: vreuden röt bleibt zwar 764,1 r., 
wird aber umgangen 447,2 (ward erfrewet), 607,3 (da endet sich sein 
not), 1518, 4 (frewi sich von herczen). — 151,4 r. 281,4 r. 464,3 r. 1696,2 r. 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 447 


hat das erröten in anderen gefühlen seinen grund, und k findet sich nicht 
veranlasst, zu ändern. — Auf der anderen seite bereichert k das gedicht 
um einen ausdruck des affectes, indem er das händeringen als zeichen 
des jammers mit vorliebe hervorhebt: 1021,2. 1062,4. 1067,4. 2072, 4. 
2189, 2. 2298, 2. | 


An einer ganzen reihe von stellen wird die wirkung des 
gedichts in k eine andere durch den gebrauch gewisser häufig 
widerkehrender wörter, wie klegelich, jemerlich, semiglich, jamer 
und not, kummer und pein u.dgl. Namentlich der schluss des 
gedichts bekommt eine durchaus nicht heroische färbung, indem 
der bearbeiter — vermutlich durch den gerade hier so oft ge- 
brauchten ausdruck ellende irre geführt — seine helden mit 
dem beiwort arm bedauert oder sich selber bedauern lässt (vgl. 
aber auch schon 991,4. 992, 2. 1603, 2. 1604, 2). 


Man mag über die änderungen des schreibers urteilen wie 
man will, man mag finden, dass er an jeder stelle das original 
vergröbert hat, zweifellos scheint mir zu sein, dass er sich mit 
seinen zutaten, namentlich was kampf und minne betrifft, so- 
wie mit seinen beiwörtern auf dem boden einer tradition be- 
findet. Dass hier anklänge an das volkslied gemeint sind, 
wird z.t. schon aus den bisher dargebotenen beispielen klar 
geworden sein. Zum weiteren beweise wird es genügen, ein- 
fach den ans volkslied gemahnenden vorrat von ausdrücken, 
vornehmlich beiwörtern herauszuheben. Da nun aber diese 
technik in vielen dingen schon in früheren dichtungen, beson- 
ders aus dem gebiete der heldensage, vorgebildet ist, so muss 
man erwarten, dass unser gedicht gleichzeitig auch berührungen 
mit solchen schöpfungen aufweise. Ich habe daher (was hier 
zum vergleiche genügen möge) die Virginal, den Sigenot 
und das Ecken liet!) herangezogen, und citiere sie (auf einen 
bestimmten text kommt es ja schwerlich an) nach der ausgabe 
im 5. teile des Deutschen heldenbuches, wobei ich mich, olıne 
vollzähligkeit der belegstellen anzustreben, damit zufrieden 
gebe, durch einige beispiele darauf hinzuweisen, dass bemerkens- 
werte ausdrücke bereits den dichtungen jenes kreises geläufig 
waren. 

In der zusammenstellung des materials suche ich inhaltliche 


. 


ı) Vgl. daher zum folgenden Zupitza, Deutsches heldenbuch 5, einl., 
bes. 8. XIX ff. XXXIIL XLf. XLVILf., Wilmanns, Zs. fda. 15, 294 ff. 


448 LUNZER 


gruppen zu bilden. Stellen, wo die vorlage nicht geändert ist, 
werden nicht erwähnt. 


a) Natur: der helle tag 632,4. 800,1. der lichte tag!) 1653,1. 1717,3. 
1860, 3. 2174,1. der helle morgen 633,1. 1034,2. 1883,1. der lichte mor- 
gen?) 1260,4. bis man den morgensterne gar schon auffdringen sach?) 
1375,2 (vgl. zum verbum her brach Krenhild di schone, recht als di 
morgenrot dringt her durch daz gemulcken 277,1.2. da brach®s) her 
durch di wolcken des lichten manes schein 1651,1. her trang di finster 
nacht 1850,1. der tag schon tringet her 1882, 2 und ausserdem etwa 
651,1. 279,1.2). di finster nacht 1850,1. am abent in der kule wol nach 
der fesperczeit 1918,83. nacht und tag 126,1. — hin gen dem kulen 
mayen in lichten sumerlagen 291,1. der lichte meye 1610,39. der kaltie 
winder 746,2. ein sumerlanger tag 1661,1. — di klare sunne 1655, 2. — 


daz rote fewre 182,2. di fewres flamen ro1.2090,2. — der wilde see 
340, 3. 366,3. 509,3. — der grüne tan 911,2 (fan auch 943,1. 957,1*)). 
der grune hag°) 928,4. der finster walt 921,1. — der anger grüene®) 


958,3. ein gruner plan?) 1325,4. ein weiter plan 1374,4. ein weiles 
_ felt 1393, 4. 1537, 2. 1660,3. malt und felt®) 1750,3. in den grunen klee?) 
1329,1. heid,!) anger und daz felt 1371,2. perg und tal}!) 956,4. der 
brunne klar,'?) lauter?) unde rein 1000, 4. ein kuler brunne 912,3. 969,3. 


b) Natur des menschen: roter munt!*) 584,4. 1326,4. mundlein 
rot'®) 1294,4. rotes blut 197,3. 199,3. 226,3. 457,1. 646,1. 672,4. 897,1. 
1591,2. 1592,1. 1872,2. 1981,4. 2030,4. 2089, 3. 2097,4. 2124,3. 2169, 3. 
2184, 4. 2351,2. rosenfarbes blut 2165,3; vgl. 2269,4. weisse hant'®) 
62,3. 582,1. 1731,39. schneweisse hant 1274,4. weisse arme") 1538, 3. 
klare augen‘) 1296, 3. 2249,4. helle stimme 1578,1. sein junges leben 


1) E.1.230,2. 2) E.1.51,12. ®) reht als der morgensterne V.107,3. 
vgl. E.1. 230,12. 3a) des morgens dö der lac Üf brach V. 664,1. end 
der tac ze liehle brach V. 18,13. 4) 8.1,9. 9,4. E.1.52,1. 66,1. 68,7. 
136,4. 214,5. 222,13. 225,11. 238, 11. 242, 5 und massenhaft in V. 1,7. 5,13. 
30,6. 84,4. 120,4. 153,10. 181,9. 182,6. 270,2. 292,5. 391,7 u.s.w. (hier 
auch ausserhalb des reims und im plur.); vgl. der grüene walt V.859, 2. 
867,6. E.1.83,6. 5) hac V. 627,11. 629,11. ®) E.1.53,10. 220,10. 244,10. 
V. 605, 10. 609, 6. 802, 6. 870,10. 879,6; vgl. grüeniu oumwe V.666, 8. 680,8. 
794, 10. 1084, 10. ”) E.l. E.1.12,12. V.747,10; vgl. ein schaner plan 
V.277,3. plän V. 306,1. 447,5. 474,1. 514,9. 566,11. 570,9 u.0. ®) vet 
und walt V.739,10. °) E.1.134,5. 0) heide V.306, 5. 307,6. 318, 11. 
5583, 2. 1) V,308,5. 578,9. 631,12. 714,5 u.0. tal und berc V. 393,1. 
12) ein brunne klär V. 341,9. 407,4. 432,11. 837,4. ein wazzer klär 
V. 567,4. 18) ein wazzer lüter V.612,19. 651,6. 14) V,. 199,8. 230, 7. 
771,12. 819,11. 957,9. 967,12. 1002,2. rubinröter m. V.426,5. 15) mundel 
röt V.28,13. rötez mundelin V.912,7. liehtez mündel rösevar V. 128,9. 
16) V. 102,4. 607,6. E.1l. 32,3. mwiziu hendelin V. 813,7. snemwize hende 
V.563,2. 17) V.679,3; vgl. arme blanc V.1011,13. 1°) V.91,7. 129,11. 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG Kk. 449 


682, 2. 2339,1. ir lestes ende 1143,4. susser kus 294,2. 1364, 4. 1543, 2. 
1740, 1. susser gru/s 181,3. 


c) Erzeugnisse von menschenhand: ein helles horn 939, 2. 
klarer wein '®) 1198, 3. 1342, 3. 1840,3. kuler wein?) 123,4. 248,3. 1698, 3. 
rotes golt 31,4. 179,2. 251,2. 313,1. 351,3. 357,3. 435,3. 440,2. 514,2. 
550,3. 552,2. 570,1. 684,4. 700,4. 706,4. 772,3. 1302,2. 1399, 2. 1508, 1. 
1519,2. 1712,2. 1732,4. 1736,3. 1840,83. klares golt.?\) klares golt (so) 
rot 394,3. 1580,83. ein lichter helme, gar adelich und klug) 493, 2. 
pecken gar adelich und klug 598,4. ein helme fest und klug 1557, 2. 
ein starckes waffen klug 2407, 3. vgl. noch 845,2. ein lichter helme fein ?°) 
197,2. pfeller von gold beschlagen fein?) 828,2. keyserlich?) gewant 
264,2. 773,4. keiserlicher sal 1846,4 (zu fein hier und im folgenden 
vgl. Steinmeyer, Zs. fda. 34, 282). 


d) Epitheta von helden: mwunderkune,?°) ungemein oft (s. o.). 
mwunderstarck 1928,1. mwunderstolcz 23,3. slolczer hell?) 1021,4. stolczer 
recke 180,2. stolczer rilter?®) 164, 2. 276,2. 283,4. 307,4. 1317,4. 1320,2. 
stolczer degen?®) 39, 2. 257,2. 259, 3. 697,3. 1368, 2. 1379,1. 1665,4. 1767,2. 
2388, 2. stolczer man 1380,3; vgl. 814,1. stolezer jungeling 1316, 2. 
1713,2. sein stolczer leip 413, 1. 2206, 2.38%) stolczer ritter her 879,4. 
1275, 2. 2253,4. siolczer ritter gut 1177,3. 1266, 2. 1556, 1. 1599, 4. 1788, 4. 
2104, 3. stolczer ritter fein 11,1. 43, 2. 168,4. 666,1. 787,2. 911,4. 1040, 2. 
1744, 4. 1840,4. 1989,4. stolczer ritter klug 1407,4. stolczer degen milt 
1241,2. stolczer degen frey 76,4. stolczer degen klug 1091,4. ritier 
fein®‘) 138,2. 299,2. 532,2. 753,2. 823,4. 1298, 2. 1624,4. 1700,2. 1912, 2. 
1927, 4. 2239, 4. 2259,4. Gernot, sein bruder kün und fein 313,4. rilter 


19) V.575,8. 20) vgl. kalter win V.545,12. 21) V.4,4. 4,7. El. 
230,7; vgl. klärer stahel V.5,6. S.22,9. berlen klar V.124,11. 2%) vgl. 
vil der edeln spise kluoc V.927,5. 3) vgl. mit dem swerte fin 8. 25,9. 
34) pheller fin E.1. 209,1. hermel fin V.659,9. kleider fin gevar V.257,13; 
vgl. V.952,10. ein gelwiu varwe fin V. 557,7. golt fin V. 251,9. E.|. 
230,7. fin von golde E. ). 94,1. gefinet mit golde V. 125,8; vgl. dur- 
finet geberde V.156,7. fin durliuhtet E.1.70,1. ) keiserlich gewant 
V.206,12. %. wät V.133,4. 194,11. 769,4. 829,11. ein k. gezelt 123,9. 
verwäfent keiserlichen V.43,4. E.1.165,2. %. schar V.591,5. k. künne 
V.432,6; vgl. die wendungen mit keiser (zur bezeichnung höchster voll- 
kommenbheit) E.]. 209, 6 f. und überaus zahlreich in V.34,6f. 58,5. 124,5 f. 
187,12. 222, 11f. 250,12f. 306,12f. 330,9 ff. 350,7f. 426,12. 434,5. 
444,13. 478,11. 483,13. 559,12. 567, 3f. 578,6. 726,6. 761,11. 792,12. 
199, 12. 949,12 f£. 9) E.1.52,2. 68,2. 76, 5. 150, 5. 151,4. 155, 2. 
198,3. 8. 5,2. #) E.]. 224,5. 28) stolzer rilter V. 267,7. slolziu 
ritterschaft V. 83,9. 87.13. stolze heiden V. 80,4. edel ritter stolz V. 
943,12. stolzer riter lobesam E.1.208,5. 2) V.871,1. 872,1. stolzer 
degen here E.1. 76,3. vil stolzer degen mere E.1. 135,6. 8.8,10. 18,8. 
30) vgl. sin stolzes houbel V. 333,13. 31) V. 86,5. bote fin V. 452,4. 
edeler herre fin V.849,9. 


450 LUNZER 


klug®2) 63,4. 144,2. 958,3. 1183,2. 1591,4. 1965,4. 2009,4. 2115,2. 2430,4. 
edel ritter klug 198,4. 297,4. 336,2. 469,2. 981,2. kunig klug 2435,4. 
fideler so klug 2117,4. der Perner klug 2411,4. der edel degen klug 
187,2. 930,1. ritter czart??) 1750,2. 2414,4. junger ritter czart 10,2. 
kunig czarl 174,2. junger kunig czart 4,3. mein libster sune czarl 
63,1. ritter lobesam®*) 42,2. 240,1. 284,4. 324,2. 535,2. 1438,3. degen 
lobesam®) 233,1. 421,3. kunig lobesam 176,2. 427,2. 767,4. 1527,1. 
1709,4. furst (so) lobesam 1185, 2. 1735,2. 1914, 2. 2360, 1. Seyfrid lobe- 
sam 301,4. der lobesam 1800, 1. 


e) Epitheta von frauen: munderschone (sehr oft, s. oben). 
mwunderstolcz 1366,4. stoluzes megethein®) 261,2. ir stolczer leip 47,3. 
296,2. 426,3. 505,4. 594,2. 625,1. 679,4. 765,2. 852,3. 889,2. 920,2. 
1062,2. 1066, 4. 1156,4. 1259,1. 1263,3. 1273. 4. 1376, 3. 1415,3. stolcze 
maget gul 273,2. stolcze maget her 130,3. schone maget klar°") 135,1. 
kunigin schone und klar 1405,3. frawen hubsch und klar 180,4. czart°®) 
frawe 122,2. 1181,3. schone frawe czarı 1543,3. edle frawe czart 1181,1. 
edel maget czart 45,3. edle kunigin czart 1293,2. 1334,1. czart libste 
frawe 1419,1. di czartte 1016,4. meide klug?) 363,4. frawe klug 
1544,1; vgl. si waz unmassen klug 793,4. si waz schone, adelich und 
klug 131, 1. keyserliche meit“) 50,4. 262,4. 275,4. maget lobesam*!) 
466,4. kunigin lobesam 300,4. 678,4. 695,3. 712,2. furstin lobesam 
1171,2. mundlein rot (= mädchen) *) 1680, 2. 


f) traut“) in der anrede: fraut sune mein 57,3. traut libster 


32) degen kluoc E.]. 245,5. vürste kluoc V. 856,5. gelwerc kluoc 
V. 959,13; vgl. kluoger sanc V. 942, 11. äventiure kluoc E.1.79,4. 3) vu 
zarler lieber herre V.852,6. riche künege zart E.1.171,9. sin lip klär 
unde zart V.362,11. zarl muoter kin! V.423,12; vgl. her Vrouwenzart 
V.338, 2. %) E.1.29,5. 224, 19. 5) E.1.76,7. recke lobesam E.|. 
195,13. helde lobesam E.1. 106,7. herre lobesam 8.19,13. der Berner 
lobesam %.1.232,1 (vgl. koste lobesam E.1.33,5. swert sö lobesam E.|. 
63, 11). s6) V,943,5. stolze meide V.55, 3. 209,3. 209, 8. 234,6. 241,8. 
844,6. 961,3. 87) megede klär V. 345,5. 534,1. 584,11. 849,5. küne- 
ginne klär V.400,11. E.1.136,9. vroumwen klär V.580,1, E.1.89,7. diu 
kläre V. 102,6. 397,6. 423,6. 433,10. 537,6. 606,6. 679,6. 781,8. ir klärer 
lip V.156, 13. kläre megede kluoc V.207,13. klärheit V.1007,4. ®) zarte 
frouwen V.T7,4. liebiu frouwe zart E.1.152,9. zartiu muome min V. 203, 7. 
344,2. 39) vrouwen kluoc V.1090, 2. schoeniu maget kluoc V. 706,7. megede 
schene und dä bi kluoc V.128,2. Portalaphe diu riche, kluoc V.195, 2. 
#0) V.129, 13. 191,13. 460,1. *) küneginne lobesam E.1.136,5. *2) röler 
munt (= mädchen) V.59,12. 113,12. 119,7. 216, 12. 574, 13. 688, 2. 796, 9. 
1095,13. maneger kluoger röter munt (= mädchen) V.1073,9. fin, wel- 
ches wort k in beiwörtern für frauen, so viel ich sehe, nicht anwendet: 
juncfrou fin V. 457,1. 461,11. 969,7. 993,11. froumwe fin V. 89,1. 1000,13. 
des vürsten swester fin V. 395,1. küneginne fin E.1. 150,7. ir angesihte fin 
V.1002,7. #3) trüthere minV.17,12. trütgeselle E.1. 29,2. trütgespil V.135,8. 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 


oheim ‚mein 2356,1. traut geselle 453,2. traut herre mein 1482,3. traut 


edle muter mein 18,1. tramwt libste schwester mein 1076,3. 2151,1; vgl. 
seins herczens traul 1919, 3. 


g) Deminutiva“): blumlein 916, 3. 1670, 3. mundlein 1294, 4. toch- 
terlein 1341,3. fingerl(e)in 677,1. 2255, 4. hemdlin 663, 4. zwerge)Ke)in 
496, 2. 496,4. 497,1. 499,1. 


Anhangsweise merke ich noch einige bereits ganz modern 
klingende wendungen an, die k schon gebraucht. 


Zu den verben auf -ieren : hofiren und regiren, die schon erwälnt 
sind, kommt noch spacziren (reytten) 134,1. — Es fallen ferner auf: euch 
lafst grussen Hagen 1676, 1 u.dgl. (s. dienest im verzeichnis), der mar- 
schalck lafst euch pilten 1678,1. mi steil es umb si alle 743,4. mi get 
es in dort beyden 1201, 2. wy es in Hemwnen gat 1455, 4 u. dgl. di sach 
tut nymmer gut 1134,1; vgl. 1129,3. 1214,4. 2149,2. mwy kumpt es (daz 
er so grymmig ist) 183,1. sy namen fur sich beide, si wollten nit auff 
sian 1814,1. frisch und gesunt 766,3. den schaden, der im darauff mocht 
gan 305,3. ein krieg furen 810,2. daz si nicht helten an (nämlich keine 
kleider) 972,1. Die anrede mit ewr genaden ist schon 8. 436 erwähnt. 


Deutliche zeugnisse dafür, dass die culturverhältnisse, 
wie sie sich in k abspiegeln, denen des alten gedichts gegen- 
über bereits vollkommen geänderte waren, haben sich bereits 
an der hand des verzeichnisses gefunden. Sie sind allerdings 
zumeist negativer natur. Positives hat der schreiber in dieser 
hinsicht bei der übersetzung wenig eingeflochten. 


Dass die städte bereits ein bemerkenswerter factor geworden 
waren, bekundet der schreiber, indem er sie bei der übersetzung der 


44) Vorliebe für deminutiva zeigt die Virgival: blüemel 818,9. brie- 
velin 565,11. 803,5. 1020,13. hendelin 813,7. hundel 130,9. 138,9. 671,13. 
hundelin 560,13. 848,7. krenzel 57,9. 135,8. löckel57,7. mundel 28,13. 
57,10. 128,9. 972,5. mundelin 813,9. 972,7. stuckel 634, 13. swenzelin 951,9. 
1091, 4. töhterlin 214,9. 240, 5. 253,9. 250, 13. wengel 57,11. 561,11. 813,9. 
mwengelin 28,13. 426,4. 972,5. — Mit wendungen, die früher unter kampf 
und minne angeführt worden sind, vgl. slege, reht als ein wilder duner- 
slac S.42,7. E.]. 105,9. V.143,7f. 164,7 ff. 165, 7 ff. 166,9f. der vürste 
wider üf gespranc : der helm im an der kelen erklanc V. 821, 4.5. 866, 5. 
ir kein sin manheit nie verbarc V.861,5. 861,9. der zorn im in dem 
herzen bran V.735,2; vgl. 289,5. 749,6. E.1. 219,11. Eckes helm er- 
klinget,reht als ein glocke woer erschalt E.1. 36,11; vgl. V.36, 11. — in minne 
bran im herze unde muot V.1000, 12; vgl. 973,7. ach, solle ich iemer bi ir 
sin V. 786,13. durch aller vrouwen ere E.1. 96,6. 129,8. 149,13. — 
hende winden V.102,4. 813,8. — Das wort wigant endlich ist in allen 
drei gedichten belegt: S.2,2. 8,5. 15,5. 24,1. 27,2. 29,2. 30,2. 35,4, 
40,2. 41,2. E.1.52,9. 135,2. 138,2. 152,1. 156,5. V. 794,5. 974,13. 


.- 


452 LUNZER 


formel bürge unde lant u. dgl. meist einschiebt: burg, stet und als mein 
lant 519,3. 616,4. burg, stet und weite lant 1711,1. 2070,4; vgl. di stet 
und auch di burge 483,4. purge und stet 2190, 2 (vgl. damit Sigenot 40,12 
burg, steile und liute). — Die boten Liudegers und Liudegasts und Gere 
am hofe Siegfrieds richten ihre botschaft nicht mehr bloss mündlich aus, 
wie in der vorlage, sondern sie überbringen einen brief, auf den sie 
verweisen (136,2. 140,4. 741,2. 746, 4).!) 


Was die kleidung anlangt, so begnügt sich der bearbeiter meist, 
hervorzuheben, das schone, reiche oder keiserliche gewand sei mit rotem 
(klarem) gold und lichten stainen geschmückt gewesen, wie etwa 342, 3.4 
vil schone kleider mit golde wol beschlagn, 362,1—3 di kleider wol ge- 
tan, darin manch edler steine gar munniglichen bran, gecziret wol mit 
golde, 365,1 wol aus dem klaren golde so laucht manch edler stein, 
398,3.4 ir schild wol’ uberczogen mit lichtem golde klar, das glestet 
mwunnigleichen, 438, 1.4 ir (Brünhildens) wat von klarem golde gehertiet 
als ein stock, darin siund wol gecziret vil manig licht rubein u.8.w. 
(in diesen allgemeinen angaben befindet er sich übrigens meist in über- 
einstimmung mit der vorlage, so 31,4. 70,2.3. 71,2. 73,1. 342,4. 435,3 
u.8.w.). Ganz vereinzelt sind concretere andeutungen, wie 947,4 (von 
seyden blabe poriten an Siegfrieds hut, im original guote porten am 
köcher). Erwähnung verdient die übersetzung von B 1853, 2.3 nu tragel 
für die rösen diu wäfen an der hant, für schapel wol gesteinet die 
liehten helme guot in k 1886,2.3 Legt an fur dise kleyder di lichten 
sarewat und fur di kreucz auffbindet di lichten helme gut. — Rosen 
und schapel bei männern, die noch dazu zur kirche gehen, wollen ihm 
vermutlich nicht in den sinn. Die rosen werden allerdings 1887,2 doch 
nachgetragen, woflir dann dort wider die siden hemde ausfallen. — Das 
schnüren der frauenkleidung wird unabhängig vom original 827, 2 mit 
dem alten worte gebrisen erwähnt. 

Noch weniger erfahren wir über speise und trank. Mir fällt nur 
auf, dass Rumolt 1485, 3 statt der sniten in öl gebrouwen (B 1468, ') 
mwilpret und gute fische anpreist (wilprete auch Virg. 941,8). — Dass bei 
einem königlichen gastmahl die kleider von wine naz werden (B 804, 2), 
scheint k nicht für fein zu halten und umgeht es (798, 2). Dafür wird 
597,3 das decken der tafel eigens erwähnt. Zu tische wird geblasen 
(1931, 3), wenn das nicht ein nachhall von k 939 f. = B 944 f. ist. 


Der umkreis der geographischen kenntnisse des ver- 
fassers ist sehr eng. Namentlich von den zum teil allerdings 
fabelhaften aber im mhd. höfischen epos so oft genannten län- 


1) Der verfasser der Virginal schwelgt geradezu in berichten über 
briefe. Sie bilden bei ihm ein immer widerkehrendes, bald retardierendes, 
bald antreibendes motiv der handlung und verketten ganze partien des 
gedichts mit einander: 244, 5—280. 436—461. 482—537. 565,11. 803, 5 ff. 
830, 5 ff. 929, 4—910,13. 944, 1— 1056, 11—1062, 13. 1080, 1 ff.; vgl. ganz be- 
sonders 455 und 482. 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG Kk. 453 


dern und orten, die als bezugsorte kostbarer stoffe berühmt 
waren, weiss er wenig. 


Es bleiben zwar Azagoch 438,2, India 402,1, Libia(n) 363, 1. 428, 3, 
Maroch 363,1, aber Araby wird nur 571,1 durch den reim geschützt, 
während es sonst ausfällt: B 366,1 Üz aräbischem golde : k 365,1 Wol 
aus dem klaren golde; B 362,1 Die aräbischen siden (C Aller hande 
siden) : k 361,1 Di allerpesien seiden; B 833, 2 liehte pfelle geworht in 
Aräbin : k 828,2 pfeller reiche von gold beschlagen fein, B 1825,3 von 
aräbischen siden : k 1857,3 Von samat und von seyden. Desgleichen 
wird Ninnive umgangen: B 8350, 1 Von Ninnive der siden : von edler 
seyden k 845, 1 und ebenso Zazamanc: B 362, 2 von Zazamanc der guoten 
[siden]) : k 361, 2 mangen samat reiche. Anzuschliessen ist Arraz: 
B 1825,1 Vil manegen koltier spehe von Arraz : k 1857,1 ... von edier 
seyden manch deck. 

Von sonstigen namen entlegenerer orte oder völker u.s.w. sind 
unbekannt: Kiewen: B 1340,1 Von dem lant ze Kiewen : k 1354,1 Von 
Sachssen und auch Meichssen (!); Pescenere: B 1340,2 die wilden Pes- 
cenere : k1354,2 aufs Persiderlande manch ritter unverczeit; Roten: 
B 1244,2 vome Roten zuo dem Rine, üf bi Elbe unz an daz mer : 
k 1255,2 Von Hewnen bis an Reine, bis an daz rote mer. Dagegen 
bleibt Ärichen k 1353, 1, Polant 1353, 2, Reussen k 1353, 1, Späne : 
Span(i)gen 1785,3. 1825, 1. 2401,3, Vlächen (: Walhen 1353,2, Walachey 
1357, 1). 

Von den geographischen namen Deutschlands bleiben: 
Beier(lant) öfter, Burgonde, Hessen (k 112,1), Lörse (Lorsse 1145, 4. 
1148,2. 1151, 3), Metze (oft), Moeringen (Möringen 1622, 1), Möun (Meyne 
1549, 1), Niderlant (oft), Otenheim (1000, 3), Otenmwalt (906, 3. 1000, 3), 
Pazzouwe (Passaw oft), Rin (Reyn oft), Sahsen (oft), Spehteshart : 
Spechtzhart 963,3, Spire (1529,2), Swäben 1514, 2, Swanvelde (Schwan- 
felden 1550,1), Tenen, Tenelant, Tenemarke (oft), Waschenstein (W a- 
senslein(e) 2401,2, Wormez (Wurmes oft). — Aus dem beibehalten des 
namens folgt natürlich nicht für jeden einzelnen fall, dass der name dem 
bearbeiter wirklich bekannt gewesen wäre. 

Düringen bleibt nur in verbindung mit Irenfrid (von, aus D.) : 
Duringen 2120,2, Durgen 1359, 3. 2078, 2. Sonst wird es umgangen: 
B 1877,2 dö kömen dä von Düringen helde vil gemeit : k 1910,2 Doch 
rang hin zu den gesien manch riller unverczeil, B 1878,3 si bulen 
manege tjosie den von Düringen lant : k 1911,3 Si rylien mit den Hew- 
nen, vil manig kün mweigant. (stervranken wird durch das einfache 
Franken ersetzt: 1524,2 üf durch Östervranken : K1549,2 Hin durch 
daz lant zu Francken. Der grund dürfte wol nicht in unbekanntschaft 
mit dem namen der doch nicht so entfernten landschaft, sondern darin 
zu finden sein, dass k sich nicht sofort orientiert, wieso am Heunenhofe 
Thüringer auftreten, 

Ganz entfällt die A/be 1255,2, aber gewiss nur im zusammenhange 
mit den übrigen änderungen, die den ganzen vers umgestalten, ferner 


454 LUNZER 


Santen, welches, da die verse B 20,3.4 in k fehlen, nur B 708,4 vorkam 
(= k 704,2), Pledelingen B 1297,5 = k 1811,1, Vergen B 1291,2 = k 1304, 2. 
— B1137,3 ze Löche : k 1139, 3 Er sencket in zu grunde zu Wurmes 
in den Rein (was wenigstens zu beweisen scheint, dass die vorlage eine 
ortsangabe enthielt und nicht mit C zem loche schrieb). 


Die der engeren heimat des bearbeiters und ihrer umgebung 
angehörenden geogr. namen sind diesem keineswegs in dem 
grade vertraut, wie man von vornherein annehmen könnte. 


Es bleiben zwar Znse (fluss) 1315, 2, (stadt) 1318, 1, Zverdingen 
(£ferding 1316,1), Gran (Geran 1517,4), Medeliche (Melck 1342, 2, 8. auch 
unten), Osterlant 1343,2r. 1355, 1 r., Ostenreiche 1350, 4, Ostereich 1744, 1, 
Tuonvuwe (Tunaw öfters), Wiene (1378,1.3. 1380, 3. 1390,1), aber aus 
Heimburc, der alten wird Hewnenburg (ohne epitheton) B 1376,1 = 
k 1391, 1 (offenbar naheliegende umbildung eines nicht bekannten namens), 
die Trüne fällt k 1318, 1 (= B 1304, 1) ganz aus, Tu/me bleibt zwar 1355, 2 
(Thulin, Thulm?), wo im original die lage der stadt u.s. w. deutlich an- 
gegeben war (B 1341, 1.2), wird aber k 1376,2 = B 1361,2 umgangen: 
auslassungen, die hier mehr ins gewicht fallen: denn man muss doch 
annehmen, dass ein schreiber eine gewisse neigung dazu habe, bekannte 
örtlichkeiten seiner heimat, wenn schon nicht in zusammenhang mit seiner 
geschichte selber zu setzen, 8o doch wenigstens darin zu belassen. Statt 
Misenburc steht k 1392, 1 Neussenburg, also eine verlesung, die bei einem 
bekannten namen schwerlich vorgekommen wäre. Die Treisem erscheint 
k 1345,1 als Trasune, 1346, 1 als Trasaüne. Das schwanken zwischen 
u und au (aü) scheint darauf hinzudeuten, dass der schreiber in der 
vorlage Trasüne fand, die form das erste mal schlechtweg übernahm 
und sich erst das zweite mal erinnerte, dass einem & des originals in 
seiner sprache au zu entsprechen habe. Auch der unechte umlaut spricht 
nicht eben dafür, dass ihm der name aus dem volksmunde zugekommen 
sei. Der ort Treisenmüre wird durch Strassenmaure 1346, 3 wider- 
gegeben, abermals wie bei Hewnenburg eine leicht sich bietende aus- 
hilfe, mit einem fremden namen fertig zu werden. Dass B 1373,1 = 
k 1388, 1 statt Üzer Ungerlante (...Bledelin): Aufs Kusperlant steht, 
gehört nicht hierher. Der name Ungern muss dem bearbeiter doch wol 
bekannt gewesen sein (8. u.). 


Aus eigener kenntnis fügt k keinen namen ein, der schreiber 
wendet auch die in der vorlage stehenden nicht öfter an, als 
sie sich dort finden, und keine gesteigerte lebhaftigkeit verrät, 
dass er sich hier auf wolbekanntem boden bewege. — Nur von 
Melk weiss er etwas mehr, als was ihm das original sagte 
(vgl. B 1328, 1—4 und k 1342, 1—4), aber doch auch nur, dass 
sich dort ein kloster befindet. | 


Kaum hierher stellen wird man 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG k. 455 


B 1361, 2.3. 
dö riten si von Tulme ze Wiene zuo der stat 
dä was vil wol gezieret vil maneger vrouwen lip. 
k 1376, 2.3. 
_—  — — - — — gen Win wol in di stat, 
Manch burgerin zu Wine czirt iren stolezen leip. 


Eigene kenntnis des schreibers ist da nicht niedergelegt. Höchstens 
eine grössere lebhaftigkeit könnte man aus der übersetzung herauslesen. 

Die gegenden um die Donau sind also dem schreiber nicht 
besser bekannt, als das übrige Deutschland: er behält ohne 
ausnahme nur die namen grösserer und bekannter orte u.s. w. 
bei, von denen kleinerer localitäten gehen hier wie dort einige 
verloren. Man wird demnach die heimat des bearbeiters kaum 
in Niederösterreich suchen. Auf die kenntnis von Melk ist 
kein wert zu legen: das kloster war im jahre 1420 durch 
benedietiner aus Subiaco reformiert und der mittelpunkt einer 
grossen congregation von klöstern geworden, musste also auch 
ausserhalb des landes bekannt sein. 


Um schliesslich der sagenhaften namen nicht zu ver- 
gessen, so bleiben /senstein und /siant als Eisenstein und Eis- 
lant, der name der Nibelunge aber ist in k auf die eigentlichen 
träger beschränkt, auf die mannen Schilbungs und Nibelungs, 
die auch so heissen, nachdem sie Siegfrieds untertanen geworden 
sind. Die Burgunder aber, die dann in den besitz des hortes 
gekommen sind, werden nie so genannt, sondern die bezeich- 
nung wird hier umgangen: 

B 1526,2 = K 1551,2 (di herren), B1527,2 = k 1552,2 (den von 
Burgunden), B1715,2 = kK1745,2 (di herren .... aus der Burgunder 
lant), B1718,1 = K 1749, 1 (di herren), B 1900,2 = k 1935, 2 (den gesten). 
Dass aber die änderung erst von k herrührt, während die vorlage sich im 
gebrauche des namens von den anderen hss. nicht unterschied, lehrt die 
stelle B 1726,4 tröst der Nibelunge, dä vor behüete dich = k 1157,4 Umb 
Nybelunger scheize dar umb so hut du dich. Die vorlage hat also das 
wort Nibelunge gehabt, aber k hat die verbindung nicht verstanden. 

Auch im namen des gedichts hat sich das wort erhalten: 
k 2442,4 Hier het auch gar ein ende der Nibelunger liet. 

Der name Berne als hauptsitz Dietrichs ist geblieben. 


Es mag nun hier auch der ort sein, von der behandlung 
der personennamen zu sprechen und dabei der eigenen 
sagenkenntnis des bearbeiters nachzugehen, die, wenn man 


456 | LUNZER 


zunächst von den vorausdeutungen absieht, sich nur in ein paar 
eigennamen offenbaren. Denn von dem, was auf den neuen 
blättern der hs. steht (und dazu gehören die überschriften 
der beiden teile) muss fürs erste abgesehen werden. Diese 
strophen sind geschrieben, nachdem die ganze übersetzung 
schon ziemliche zeit fertig gestellt war, und natürlich musste 
der schreiber dabei den ganzen inhalt des gedichts schon ge- 
kannt haben. Ob aber diese blätter mit den ursprünglichen 
sich völlig gedeckt hätten, oder was auf den alten gestanden 
hat, haben wir kein mittel festzustellen. 


Dietrich ist dem bearbeiter bekannt: er nennt ihn von Perne, 
bevor er dies aus der vorlage entnommen haben konnte: k 1369, 1. 1379, 1 
u. ö. (in der vorlage erst B 1721,3 = k 1752,3). Er weiss ferner den 
namen von Dietrichs vater. B 1372,1.2 lauten Swaz iemen tet mit milte, 
daz was gar ein wint unz an Dietrichen : swaz Botelunges kint ....... 
So weit hatte k nach gewohnheit gelesen. Darnach fällt auch die über- 
setzung aus k 1387,1.2: Waz man aus gab durch milde, waz alles gar 
ein wint Wol gen her Ditereiche, daz kunig Ditmars kind (im original 
kommt der name JDietmär nicht vor). 'Dietrichs mannen nennt k die 
Wülffinge 2039,4. 2311,2. 2345, 4. 2347,4: auch eine richtige bezeich- 
nung, die aber das alte gedicht nicht kennt. Der name Amelunge (lant) 
wird allerdings das erste mal umgangen (k 1752,2 = B 1721, 2), aber nur, 
weil der bearbeiter den platz lieber mit einer lobpreisung der Berner 
ausfüllte, nicht aus unbekanntschaft, denn später bleibt das wort immer. 
Hildebrand heisst der alle bereits k 2302, 1. 2315,3 (in der vorlage 
erst B 2274,2 = k 2328,2). Sigestabs jugend wird hervorgehoben 
2312,1. 2339,1.3. Die vorlage sagt nichts davon. Der name von Her- 
rads vater Nentwin (B 1381,4), der nur an dieser stelle vorkommt und 
auch allen übrigen gedichten der heldensage fremd ist, wird allerdings 
k 1396, 4 in Ditwein geändert, vielleicht mit rücksicht darauf, dass Herrad 
durch ihren gemahl in den gotischen kreis gestellt ist. Die heldensage 
kennt einen Dietwin nicht, 


Was die gruppe um Etzel anlangt, so wird dem Blödelin ein 
anderes stammland zugeschrieben. B 1346, 2.3: dö kom der herre Ble- 
delin üz der Hiunen lant : k 1360,2.3 auch kam Blodlein ein furste 
geporn aus Kusperlant. B 1373,1 üzer Ungerlande der fürste Bledelin : 
k 1358,1 au/s husperlant geporen der edel furst Blodlein. Aus den 
uns bekannten worten der vorlage kann die neue bezeichnung nicht 
entstanden sein: der name der Heunen wird nie verlesen, Ungern muss 
der schreiber auch gekannt haben. Ich vermag den namen sonst nir- 
gends zu finden. Ein besonderes stammland weist dem Biödelin nur der 
Biterolf zu: dieser nennt Vlächen 13058. 


Helche wird als diejenige genannt, die Etzel zum christentum 
bekehrt habe. B 1261,6 ja was vil wol bekerei der liebe herre min : 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG k. | . 457 


k 1271,2 in hat gar fast verkeret Helche di kunigein; vg]. auch k 1344, 4 
—= B1330,(3).4. Dass Helche christin gewesen und geblieben sei, sagt 
ausdrücklich nur der Biterolf, und auch dieser mit einer gewissen ein- 
schränkung (241 ff.). 


Von Hagens und Walthers aufenthalt an Etzels hofe wird eine 
neue, genauere angabe gemacht: B 1797,1—3 Zr (Hagene) und der von 
Späne di trälen manegen stic, dö si hie bi ktzelen vAhten manegen wic 
zen Eren dem künege: des ist vil geschehen : k 1825,1—3 Er und Walther 
von Spanigen di tellen mangen slreit, da si bey kunig Eizel waren ein 
lange czeit, und ritien im zu hoffe mer dan vir gancze jar. Das mer 
dan sagt in k nichts. Die angabe selbst kann nicht in der vorlage ge- 
standen haben: v. 32 und 4 setzen mit sicherheit einen mit v. 38 und 4 
des alten gedichts identischen text des originals voraus, nur das fur 
war ist zum schluss des reimes wegen angehängt. Wenn aber v. 38 
und 4 die uns aus den alten hss. bekannte gestalt hatten, kann in v. 3b 
nichts von den vier jahren gestanden haben. — Ein verlesen aus dem 
vil der vorlage ist zwar nicht ohne beispiel in k (398, 1 = B 401,3), doch 
bleibt es immerhin möglich, dass die angabe eigener kenntnis entstammt; 
zur zahlenangabe vgl. Holtzmann, Germ. 4, 329 (auf die ungeschickte 
übersetzung von B 1756, 1 in k 1785.1 ist nichts zu geben: der plural 
daz es di Hagen sint hat seinen grund in dem beibehaltenen reimwort 
sint, das aber in der vorlage adverb ist). | 


Die von Siegfried handelnde stelle B 23,1 man zöch in mit dem 
vlize als im daz wol gezam wird durch eine bestimmte angabe bereichert 
k 24,1 Und da Seyfrit der degen czu czweinczig jaren kam. Die be- 
hauptung des schreibers von k steht ganz vereinzelt. 


An stelle Dankrats ist als vater der Burgunderkönige k 1145, 2 
— B1142,6 Gibich getreten. Derselbe name erscheint k 123,1, wo die 
apposition daz Uoten kint (B 126,1) ersetzt wird durch kunig Gibichs 
kint, ausserdem (auf einem jüngeren blatte) k 7,1 = B7,2 (an stelle 
von Dankrat). Der name gehörte nicht der vorlage an. B 611, 6 lautet 
dö sprach zuo sinen mägen der Dancrätes sun. Das wird übersetzt 
k 604,4 da sprach der kunig reiche: ir herren ratend nun. Wer die 
gewohnheit des schreibers kennt, auch wo er ändert, womöglich ein ähn- 
lich klingendes wort zu wählen, wird nicht zweifeln, dass die vorlage 
dasselbe wort hatte wie C. Gibich heisst der vater der könige zu Worms 
im Siegfriedslied, im Rosengarten, im Heldenbuch. Im Biterolf erscheint 
der name neben dem Dankrats 2619 f. 


Volker wird k 168,2 der spileman genannt, in der vorlage zum 
ersten mal B 196,2. Die bezeichnung ist sehr häufig im Rosengarten. 


Der Kriemhild sind im Burgunderlande undertenig wol Xl1l11 
kunigreich k 44, 4 (nach 3, 2, einer stelle des jüngeren ersten blattes, 
dienen ir zweiff kuniges krone). Als gemahlin Etzels herscht Kriemhild 
später nach dem alten gedichte über zwölf künige (B 1235, 2 = k 1246, 2. 
B 1391,3 = k 1406, 3. B 1817, 11 = K 1847, 3, von k aus der erinnerung 


widerholt 1950,2). Dass dem Etzel zwölf reiche dienen, sagt auch das 
Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. XX. 30 


458 LUNZER 


gedicht von Etzels hofhaltung und die Klage, zehen künige unde dri 
weist ihm der Biterolf (328) zu. Vielleicht schwebte dies dem bearbeiter 
vor, und er übertrug es auf die zeit, wo Kriemhild noch unvermählt in 
Worms lebte, 

Ausserdem hat k eigene sagenkenntnis auf den alten 
blättern nicht untergebracht (abgesehen von den voraus- 
deutungen) und keine neue namen eingeführt. Wol aber haben 
viele der alten namen regelmässig oder zuweilen umgestal- 
tungen erlitten, die nicht bloss mit dem geänderten lautstande 
zusammenhängen. Ich zähle sie hier auf: 

Amelrich : Adelreiche 1574,2 (später Amelreich 1578, 3. 1582, 1). — 
Astolt: Astrolt 1343,1. — Else: Illsung immer. — Geipfrät: Gelffhart(le) 
immer. — Gerbart: Gerwart 2335,1. Gebhart 2377,2. — Hadeburc.:: Heid- 
burg 1561,1. 1565,93. — Häwart: Herwart 1359,1. 1835,1. 1911,1. Hamw- 
wart 2078,3. 2119,1. 2119,4. Hammart 2116,1. Hamwnwart 2120,1. — 
Hornboge : Hornebung 1358,1. Hornebrande 1914,2. — Hünelt : Hanolt 
immer. — J/rinc : Arnold 1359, 2, dann richtig, nur 2096, 1 Irrung. — 
Irnfrit bleibt (I[r]renfrid), nur 1832,83 Irrendfrid. — Kriemhilt: Kren- 
hilt immer. — Nuodunc : Neidung immer. — Ritschart : Ruschart 2335, 1. 
— Rüedeger bleibt meist Rudiger, oft Rudinger, 1672,3 Rudunger. — 
Rümolt:: Rynolt 557,3. 771,1. 1482,1. 1489,1. 1539,1. Aynuli 231,2. Rey- 
nolt 1298, 2. 1481,1. — Schilbunc : Schildung 86,3. 90, 2. — Schrülan . 
Schreithan 1914.1. — Sindolt : Gundolt immer. — Swemmelin : Schwebe- 
lein 1462,1; fortan richtig. — Walber : Walach 2127,4. — Wichart : 
Wyckwartie 2335, 1. 2317,2. — Winelint : Wilint 1565, 1. 

Eine anzahl von namen ist also dadurch entstellt, dass k 
andere, ihm demnach geläufigere bildungssilben bevorzugt hat, 
so namentlich -ung: Illsung, Hornebung, Irrung, Rudunger, oder 
den zweiten compositionsteil mit einem anderen vertauschte: 
Gelffhart, Gebhartl. — Gerwart, Wickwartie. — Hornebrande. 
Andere, und das sind die meisten, sind bekannten namen oder 
wörtern angeglichen: Gebhart, Herwart, Heidburg, Neidung, 
Schildung, Gundolt, Schwebelein. Bei einigen ist wol nur leicht- 
sinn oder verlesen an der änderung schuld: Astrolt, Hannwart, 
Hanolt, Ruschart, Schrethan, Wilint. Hieher gehört auch Arc- 
zeye 1497,1, Arczedeye 1498,4 (= Alzeie), das aus dem ge- 
dächtnis (von B 9, 4 her) unrichtig widerholt ist. Dass die 
änderungen oft absichtslos geschahen, sieht man daraus, dass 
nicht selten ein name nur das erste mal unrichtig wider- 
gegeben wird, während sich k später an die richtige form 
gewöhnt. Diese namen sind dem verfasser von vornherein 
sicher unbekannt. Einige namen klingen an solche der helden- 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG k. 459 


sage an, wovon gleich unten im zusammenhange die rede 
sein wird. 

Wenn wir nun — um alle in k geänderten oder neu hin- 
zugekommenen namen zusammenzustellen — auch die jüngeren 
blätter heranziehen, so lenken die str. 9—11 die aufmerksam- 
keit auf sich. Sie entsprechen B 9—11, entfernen sich aber 
sehr weit vom original. Es werden dort die helden der Bur- 
gunderkönige aufgezählt, und zwar folgen 


in der vorlage: ink: in der vorlage: ink: 
str. 9 str. 9 str. 10 
Hagene Hagen Volker Folcker 
Danewart Danckwart str. 10 
Ortwin Ortwein Rümolt Eckhart 
Gere Gundram Sindolt Gerbrant 
Eckewart Hanolt Hünolt Gere. 


Es ist also folgendes geschehen: an die stelle von Gere und Kckemart 
sind Gundram und Hanolt getreten, von denen der letztere = Hünolt 
ist, der andere wol mit Sindolt, der sonst in k immer als Gundolt er- 
scheint, gleich gesetzt werden muss. Beide werden näher bezeichnet 
durch den zusatz (k 9,4): Di dientten bed Krenhillden umb jren reichen 
solt; sie sollen also als specielle diener der Kriemhild eingeführt werden. 
Das sind aber im alten gedichte (was allerdings an unserer stelle nicht 
gesagt war) eben Gere und Zckemwart. k hat also die zwei paare mit 
einander verwechselt. Wenn das auch unrichtig ist, so beweist doch 
schon der blosse umstand, dass k die ziemlich unbedeutenden personen 
Sindolt und Hünolt kennt, die vorausgegangene bekanntschaft mit dem 
ganzen gedichte. — Durch diese verwechslung ist die confusion der 
ganzen stelle hervorgerufen worden: Volker fällt zunächst k 9,4 aus und 
wird 10, 1 nachgetragen; die B 10, 2 genannten Sindolt und Hünoli konnte 
k nicht noch einmal bringen, der schreiber setzt also nun das früher 
übergangene paar, Eckhart (= Eckewart) und Gere ein. Im durch- 
einander geht Rumolt ganz verloren, und ein Gerbrant wird neu erfunden. 

Die verwirrung pflanzt sich in k11=B11 fort. In der vorlage werden 
die früher aufgezählten helden mit ihren hofämtern widerholt, und zwar ist 


in der vorlage: in k: 
Dancwart marschalch Danckwart marschalck 
Ortwin truhszze Ortwein truchses 
Sindolt schenke Gerbrant schencke 
Hünolt kamerxre Iwain kamerere. 


k konnte nach dem vorhergehenden Sindolt und Häünolt, die soeben als 
Gundram und Hanolt zu besonderen dienern der Kriemhild gemacht worden 
waren, nicht zugleich schenke und kämmerer sein lassen. Es bekommt 
also der kurz vorher erfundene Gerbrant das eine amt, als zweiter wird 
ein rasch sich bietender J/wain eingeschoben. Im weiteren verlauf des 
gedichts ist von dieser confusion nichts zu merken. 

30* 


460 u LUNZER 


Es liegt nach allem gesagten hier weder ein anderer text 
der vorlage, noch eine absichtliche änderung von k vor, son- 
dern nur eine der gewöhnlichen voreiligkeit des bearbeiters 
entspringende verwirrung. Von den neu hinzugekommenen 
namen dürfte Gerbrant als nachklang zu Gerbart, Gerwart, 
Gebhart zu fassen sein. Bei /wain kann man wol nicht umhin, 
an den helden der tafelrunde zu denken, ohne dass sich aus 
diesem völlig vereinzelten namen weiter etwas gewinnen liesse. 

Nun drängt sich die frage nach den quellen der eigenen 
kenntnisse des schreibers auf. Bei der ganzen sachlage 
darf man eine eindeutige und ganz befriedigende antwort kaum 
erwarten. Auf die erklärung einzelner dinge (wie Ausperlani) 
glaube ich überhaupt verzichten zu müssen. Greifbar scheint 
mir nur, dass der bearbeiter, wie seine selbständigen voraus- 
deutungen beweisen, das ende jedes der beiden teile (Sieg- 
frieds tod — Kriemhildens rache) im voraus wusste, ferner 
dass er mit den personen des gotischen sagenkreises einiger- 
massen bekannt ist. Auch über Etzel und seine gruppe scheint 
er von früher her kenntnis gehabt zu haben. Dazu kommt 
noch der name Gibich. Holtzmann hat bereits auf das Sieg- 
friedslied und den Rosengarten hingewiesen (Germ. 4, 337), 
wobei man bei ersterem natürlich an eine unserer druckredac- 
tion vorausliegende fassung denken müsste. In der tat würden 
sich aus dem Hürnen Seyfrid die vorausdeutungen unseres 
schreibers, der das Nibelungenlied erwiesenermassen vorher 
nicht gelesen hatte, ableiten lassen: jenes gedicht erzählt die 
ermordung des helden und lässt von dem zwerge Euglin Kriem- 
hildens rache und den untergang aller prophezeien, — und 
mehr scheint ja auch k nicht gewusst zu haben. Aus dem 
Rosengarten könnte k eine allgemeine vorstellung von Dietrich 
und seinen mannen geschöpft haben: der Berner, die Wülfinge, 
der alte Hildebrand, der junge Sigestab werden dort oft ge- 
nannt, ebenso der ‘spielmann’ Volker. Auch einige änderungen 
in namen würden sich als nachklang von dorther erklären 
lassen: Rynolt aus Rienolt, Herwart aus Herbort, Illsung aus 
Ilsän, und Eckehart. Speciell der Rosengarten D (G. Holz’ aus- 
gabe, einl.XV) berichtet auch über Etzel und Herche. Gibich 
erscheint im Siegfriedsliede und im Rosengarten. Zu all dem 
stimmt, dass dem bearbeiter die geschichte von Brünhild nicht 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 461 


bekannt war. Man vergleiche die übersetzung von B 325, mit 
welcher strophe die erzählung von Brünhild anhebt: 


Iteniuwe mz&re sich huoben über Rin. 

man sagte daz dä ware manec schoene magedin. 

der gedäht im eine erwerben Gunther der künee guot. 
k 3231,13: 

Es kamen newe mere gen Wurmes an den Rein, 

Es wer in Niderlanden manch schones megetein. 

Dahin umb eine werben dacht im der kunig gut. 

Der schreiber glaubt also, dass Gunther sich ein weib aus 
Niederlanden !) holen wolle. Dass k auch 476,2 eine falsche 
vermutung über das folgende äussert (gleichfalls in der erzäh- 
lung von Brünhild) wurde schon oben besprochen. Brünhild 
kommt eben im Siegfriedsliede nicht vor, und spielt auch im 
Rosengarten keine rolle. 


Das dem bearbeiter damit zugeschriebene mass von lec- 
türe ist nicht gross und nicht unwahrscheinlich. Er wird ver- 
mutlich sogar mehr gelesen haben. Dass er in einer literari- 
schen tradition steht, dafür haben sich schon anzeichen gefunden. 
Dass er sich nicht mehr gemerkt hat, wird nicht wunder 
nehmen. Er hat ja auch vom Nibelungenliede, wo wir ihm 
nachgehen können, nicht allzu viel gelernt. 


In betreff des Hürnen Seyfrid nimmt allerdings W. Gol- 
ther (Braunes Neudrucke nr. 81 u. 82, s. xxıı an, dieses lied 
schöpfe mit seinen str. 177—179 aus k. Das würde unserer 
voraussetzung zunächst nicht widersprechen, da Golther die in 
betracht kommenden strophen als einen sehr jungen zusatz des 
Siegfriedsliedes erkennt. Ich glaube aber nicht, dass sie k 
benutzt haben. k nimmt gegenüber dem Nibelungenliede keine 
selbständige stellung ein, und wird auch schwerlich über einen 
ganz engen kreis hinaus verbreitet oder bekannt gewesen sein. 
Der inhalt jener drei strophen deckt sich ebensowol mit C wie 
mit k, und in dem hinweis auf Seyfrides hochzeyt (HS. 179, 5) 
finde ich keine nötigung, an k zu denken, dessen erster teil 
allerdings die überschrift trägt: Das ist die erst hochlzeit] mit 
Seyfridt aufs Niderlant und mit Krenhillden. ‘Kriemhildens 


ı) Von dem verhältnis zwischen Worms und Niederlanden hat k 
überhaupt unklare vorstellungen. In 6, 1.2 rechnet er beides zu Gun- 
thers reich. 


462 j LUNZER 


hochzeit’ war, wie W. Grimm in der DHS. zeigt, bis in späte 
zeit geradezu sprichwörtlich in gebrauch. Wenn man irgend 
einmal dazu gelangt war, den zweiten teil des Nibelungenliedes 
(ganz bezeichnend) so zu nennen, so lag es in einer zeit, wo 
höchgezite die nhd. bedeutung anzunehmen begann, ziemlich 
nahe, den ersten teil als Kriemhilds erste hochzeit mit Sieg- 
fried oder als Siegfrieds hochzeit zu bezeichnen. Darauf 
konnten auch unabhängig von einander mehrere verfallen. 


Zu schlüssen auf die quellen der eigenen kenntnis des 
schreibers helfen auch dessen berufungen nicht weiter. Sie 
sind z. t. aus der vorlage mitgenommen, in den meisten fällen 
nur aus reimnot oder als flickwerk angebracht und ganz all- 
gemein gehalten. 


Der schreiber stützt sich angeblich auch auf mündliche erzählung: 
als man noch horf(e)t sagn 1,3. 265,4. 440,1. 712,3. 1736,2. 1996, 1. 
2278,4. als wir noch horen sagn 381,1. als man noch horet jehn 578, 1. 
als man von in tut sagn 1122,1. als man noch wunder seit 264, 4. ähn- 
lich 436, 1. man hort noch abenteure von in und wunder sagn 401,2. 
als ich es han gehort 1000,2. als ich wol han vernumen 219, 4. als 
wir wol han vernumen 561,2. 1299,1. 1370,1. als wir es han vernumen 
1844, 1. als ich vernumen han 662,4. 1528,2. 1628,1. 1848,1. Daneben 
begegnen hinweise auf die schriftliche quelle, offenbar die vorlage: als 
di hystory seit 262,2. sag! di history fort 507,1. als man noch fint 
geschribn 578, 4. als man geschriben fint 263,2. 282,2. 592,2. 1046, 4. 
1710,4. 1953,4. tut uns das buch verjehn 1056,1. hab ich gar wol ge- 
lesn 1402,4. find ich in disem ticht 1721, 2. 


4 


3. Die vorlage. 
1) Strophenbestand. 


a) Strophen, die in k fehlen. 


Es werden an dieser stelle nur die strophen besprochen, 
die in k allein fehlen. Fälle, die für die beurteilung des 
handschriftenverhältnisses in betracht kommen, werden dort 
erörtert. Citiert wird nach der ausgabe von Bartsch. 

Nur in k fehlen 

1) B 39 nach k 40. Der grund ist graphisch. B 38, 3.4 reimen vant: 
lant, v. 3.4 der ausgefallenen strophe hant : lant. 

2) [ B 67,1.2 nach k 66, 

B 68, 3.4 nach k 67, 1,2, so dass B 67,3.4 und B68,1.2 in k 
zu einer strophe (67) zusammengewachsen sind (von Holtzmann, Germ. 
4, 322 u. ganz unrichtig hingestellt). Die ausgefallenen verspaare lauten: 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 463 


B 67,1.2. dö nähet sich ir reise zen Burgonden dan. 
um si begunde sorgen wip unde man. 
B 68,3.4. denne ware Sivrit und die sine man. 
urloubes er dö gerte zuo den Burgonden dan. 
Das erklärt die auslassung hinlänglich. Die vier erhalten gebliebenen 
verse sind fast nur noch an den reimen auf ihren ursprung hin zu er- 
kennen. Sie waren im original ohne anfang und ohne ende nicht zu 
verstehen. Ausserdem machten die wörter soumen und gereile dem 
schreiber schwierigkeiten. 

3) Bsstr. 102.103 nach k 100. Sie fehlen auch in A, aber wol aus 
demselben graphischen grunde: es ist von B 102,1 dö sprach der künec 
übergesprungen auf B 104,1 dö sprach der künec. 

4) B147 nach k 143; dass die str. in der vorlage stand, beweist der 
custos (8. 0. 8. 347). 

5) B 716 nach k 711,2. B 715, 3.4 reimen gewan : ergän, 3.4 der 
ausgefallenen str. ergän : gelän. 

6) B 780 nach k 774. Ohne graphische veranlassung. 

7) B 1491,3.4 nach k 1512,2. — B1491,1 und 1491,3 endet die 
cäsur mit Voten, der vers mit dan. Die vorlage hatte auch die beiden 
ausgefallenen verse, denn die Übersetzung in k setzt vorans, dass wenig- 
stens der erste von ihnen gelesen war.!) 

8) B 1729 nach k 1759. Ursache: B 1728,4 daz si iuch läzen wizzen 
der vrouwen Kriemhilde muot. — Vers 4 der ausgefallenen strophe: wie 
dir si gewizzen der frouwen Kriemhilde muot. 

9) B 1733 nach k 1762. Ursache: B 1732,3.4 ... vil manegen küenen 
man umb Hagenen von Tronege, wie der were gelän. — 3. 4 der ver- 
loren gegangenen str.: den Kriemhilde man, des wart michel vrägen ze 
hove nah Hagenen gelän. 

10) B 1751 nach k 1780. 

B 1750, 1-3: 
Behenden sich dö viengen zwöne degene: 
daz eine was her Dietrich, daz ander Hagene. 
dö sprach gezogenlichen der recke vil gemeit: 
v.1—3 der ausgefallenen str.: 
Dö stuonden bi einander die recken lobelich, 
Hagene von T'ronege und ouch her Dietrich 
in grözen zühten manegen, die ritter wol getän. 
Da die beiden strophen inhaltlich grossen teils identisch sind, glaubte 
der bearbeiter, der B 1750 eben übersetzt hatte, als er B 1751 vor dem 
übersetzen las, er habe diese strophe schon eingetragen. Diese ver- 
anlassung konnte natürlich nur für k massgebend sein; die strophe hat 
also in der vorlage gestanden. 


1) B1505,3.4 sind allerdings an ihrer richtigen stelle, nach k 1525, 
ausgefallen, aber k 1527, 1.2, obschon völlig misverstanden und kaum 
noch erkennbar, übersetzt, s. u. 8.467 f. Die angabe Holtzmanns ist dar- 
nach zu corrigieren. 


464 LUNZER 


11) B1768 nach k 1796. Ursache: B 1767, 4 jane durfet ir sö ringe 
nimmer Hagenen bestän. — v.4 der ausgefallenen strophe: jane sult ir 
die degene niht sö lihte beslän. 


12) B2047 nach k 2093. — Die ausgefallene strophe ist mit der 
folgenden inhaltlich ziemlich verwant. — Während des iibersetzens ist 
der schreiber von B 2047, 1 auf B 2048, 1 abgeglitten: 

B 2047,1 Von des helmes döze und von des swertes klance — 
B 2048, 1 Do im begonde entwichen von houbte der döz. 
k 2094,1 Da im verging der schale im helm und auch der dofß. 


13) B 2166, 3—2167,3 sind in k zusammengezogen 2218,4. 2219, 1.— 
Grund: B 2166, 3.4 reimen hän : bestän, 2167,1.2 gän : slän, 2167,3.4 
man : beslän. 

Fasst man zusammen, so sind B 147. 1491,3.4. 1751. 2047 
erst in k ausgefallen, während sie ebenso wie B 2166,3 — 2167, 3 
zum bestande der vorlage gehört haben. Dagegen hat B 67, 1.2. 
68,3.4 wol schon in der vorlage gefehlt, weil der schreiber, 
wenn er die im zusammenhange so unentbehrlichen verse vor 
sich gehabt hätte, sie kaum ausgelassen, den rest aber so frei 
übersetzt hätte. Ohne graphische erklärung ist der ausfall von 
B 780 geblieben (Siegfrieds kind wird in Santen zurückgelassen). 
Auch in der gleichfalls verloren gegangenen str. B 716 ist von 
Siegfrieds kinde die rede (‘taufe des kindes’). Allerdings ist 
der ausfall der str. vielleicht graphisch zu erklären, aber das 
ist hier doch mit geringerer sicherheit möglich, als bei den 
anderen strophen. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass der 
verlust von B 716 und B 780 unter demselben gesichtspunkte 
zu betrachten ist. Beide handeln von Siegfrieds kinde. Dieses 
wird zwar an anderen stellen von k (in übereinstimmung mit 
den übrigen handschriften) genannt (k 711,1.2. 1085), aber es 
ist doch denkbar, dass die weiteren einzelheiten über dieses 
der ursprünglichen sage fremde kind Siegfrieds jünger sind 
und in der vorlage von k noch gefehlt haben. — Die strophen, 
deren ausfall sich graphisch erklärt, kann natürlich sowol der 
schreiber der vorlage als der von k ausgelassen haben, und 
es lässt sich nicht entscheiden, ob sie in der vorlage gestanden 
haben. 

b) Plusstrophen von Kk. 


Wichtiger ist für uns die erörterung der strophen, die 
unter allen Nibelungenhss. k allein überliefert. Die betrachtung 
derselben hat bei denen, die sich über die frage geäussert 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 465 


haben, zu verschiedenen ergebnissen geführt, wobei allerdings 
keinem eingehendere kenntnis der ganzen umarbeitung und 
ihres wesens zu gebote stand. 


Als plusstrophen werden tibereinstimmend angeführt: k 15. 
411. 1367. 1527. 1530. 1560. 1601. 1746. 1849. 1902. 1943. 1968. 
2127. 2128. 2129. 2238/9. 2275/6. 2389. 2392. 2419. 2437/8; 
ferner halbstrophen: 551, 3.4. 718, 3.4. 2288. 3.4. 2407,1,2. 
2410,3.4. 2414,3.4. 2415,3.4. Es wird sich im folgenden 
zeigen, dass tatsächlich nicht alle diese strophen neu sind, 
sondern z.t. nur verstellte, uns aus den anderen hss. längst 
bekannte strophen, die nur in der übersetzung schwer wider 
zu erkennen sind. 

Holtzmann (Germ. 4, 322 ff.) meint, von diesen strophen 
seien ‘sicher einige, wahrscheinlich alle echt.’ Von den halb- 
strophen seien ‘einige sicher unecht, aber einige nicht ohne 
weiteres zu verwerfen.’. Zarncke (ausg.® 372) sagt: ‘sicher- 
lich sind nicht alle überschüssigen strophen echt, aber einige 
derselben enthalten höchst wahrscheinlich ursprüngliches.’ 
Bartsch (ausg. XXIX) erklärt: ‘sämmtliche zusätze rühren erst 
von dem umarbeiter her, nicht etwa fand er sie schon in seiner 
vorlage!) Diese (im einzelnen noch weiter gehenden) meinungs- 
verschiedenheiten rechtfertigen eine abermalige durchsicht. 

Wenn hier von echtheit gesprochen wird, so kann sich das 
nur beziehen auf die frage, ob die strophen bez. verse von dem 
bearbeiter von k verfasst sind, oder schon in seiner vorlage stan- 
den. Höher hinauf muss man zunächst nicht zu gelangen suchen, 


Formelle kriterien versagen ganz oder sind so schwach, 
dass sie erst in zweiter linie in betracht kommen. Denn natür- 
lich hat der bearbeiter auch diese strophen (angenommen, dass 
er sie in der vorlage gefunden hat) ebenso behandelt, wie alle 
anderen. Reime, die unter voraussetzung mhd. lautstandes 
unrein sind, beweisen nichts gegen die ursprünglichkeit, denn 
nicht selten hat k reime des originals aus irgend einem grunde 
geändert. Uebrigens finden sich (ausser den reimen -an : -än, 
die auch das alte gedicht nicht vermied) nur hau/s : daraufs 
2129, 3.4, kos: grofs 2275, 3.4, er: mer 2238,1.2. Der procent- 
satz der reime, die man als geändert ansehen müsste, ist also 


!) So auch Stölzle, Blätter f. d. bayer. gymn. 18, 9. 


466 LUNZER 


nicht grösser als in den partien, wo ein vergleich mit der vor- 
lage möglich ist. 

Dagegen gelangt man zu verlässlichen kriterien, wenn man 
von der übersetzungsmethode des bearbeiters ausgeht. Zu- 
nächst ist da die betrachtung einiger halbstrophen belehrend. 

Man stelle k 551 neben die ihr entsprechende str. der vor- 
lage (B 557): 


Op ich nu eine höte, sprach er, drizec Und het ich, sprach Seyfride, vil mer 


lant, dan tausent lant, 

so empfienge ich doch gerne gäbe jedoch so bet ich gerne von ewrer 
üz iuwer hant. werden hant 

Dö sprach diu tugentriche: nu sol di ewren huld und gabe, ir edle 
ez sin getän. kunigin reich. 

si hiez ir kamerzre näch der boten- si sprach: daz tun ich gerne, ein 
miete gän. ritter lobeleich. 


552, 1.2. Si his nach reichem schatze irn kamerer hin gan, 
daz rote gold hertragen Seyfrid dem kunen man. 
Man sieht auf den ersten blick, dass der zusatz von zwei versen nur da- 
durch entstanden ist, dass der bearbeiter mit der vorlage nicht schritt 
hält, sondern mehr worte und daher mehr verse braucht: er ist mit v.2 
zu ende und hat das object gäbe noch nicht übersetzt. Dieses wird in 
v.3 ziemlich weitschweifig nachgetragen; nun fehlt aber noch die ganze 
antwort der Kriemhild. Sie wird in v.4 gegeben. Um den letzten vers 
der vorlage widerzugeben, muss k einen 5. vers anfügen, der seinerseits, 
schon um des reimes willen, einen 6. verlangt. So ist eine halbe zusatz- 
strophe entstanden. 

k 718,3. 4 sind ohne zweifel nur angeflickt, um im vergleich zur 
strophenzahl der vorlage wider in ordnung zu kommen. Der anfang 
einer neuen aventiure musste das besonders wünschenswert machen. 

1527, 38.4 beseitigen in derselben weise die unordnung, die 1512 
durch auslassen zweier verse der vorlage (B 1591, 3.4) entstanden war. 

2288, 3.4. Von dieser halbstrophe gilt das nämliche: nach k 2218 
war durch den verlust von B 2167, 1.2 die übereinstimmung in der strophen- 
reihe zwischen k und der vorlage gestört worden. Die zwei angeflickten 
verse sollen sie (wider vor dem anfang eines neuen abschnittes) wider 
herstellen. 

Inhaltlich sind alle diese verspaare völlig leer. Eigene sagenkenntnis 
bringt der verfasser nicht an. 718, 3.4 enthält ein ganz phrasenhaftes 
lob Siegfrieds. 1527, 3.4 ist interessanter: es wird auf den untergang 
aller Burgunder im Heunenlande vorausgedeutet. Dagegen verraten 
2288, 3.4 völlige geistesabwesenheit. Der schreiber lässt Rüdigers tochter 
(die in Bechelaren zurückgeblieben war) an Etzels hof den tod ihres 
vaters beklagen.!) 


1) Die halbstrophen 2407, 1. 2—2410, 3.4 und 2414, 3. 4— 2415, 3.4 wer- 
den später besprochen werden. 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG k. 467 


Die bisherige betrachtung ergab also, dass die halbstrophen 
552,1.2. 718, 3.4. 1527, 3.4. 2288, 3.4 sicher von dem bearbeiter 
herrühren. Sie sind aus not angeflickt, weil der übersetzer 
nicht nachkommt, oder weil er wider ordnung machen will, 
nicht aber weil er etwas zu sagen hätte (inhaltlich sind sie 
nichtssagend oder enthalten eine vorausdeutung). 


Das kriterium, dass der schreiber von k nur notgedrungen 
verse eigener erzeugung anfügt, lässt sich nun auch auf einige 
ganze strophen anwenden. 


k 15. In str. 14 der vorlage störte den bearbeiter der reim Uoten : 
quoten. Er schafft ihn weg, bleibt aber dabei mit dem inhalte in rück- 
stand, so dass er vers 2 der vorlage durch vers 3, vers 3 der vorlage durch 
vers 4 widergibt und den wichtigsten teil der strophe, den letzten vers 
noch gar nicht übersetzt hat. Dieser wird durch k 15,1 nachgetragen. 
Die drei folgenden verse (k 15, 2—4) dienen nur dazu, die angefangene 
strophe zu ende zu führen. Interessant ist diese zusatzstrophe wider 
durch die über das original hinausgehende vorausdeutung: czwen aren, 
di in (Siegfried) toten, das sein czwen küne man. Der schreiber weiss 
also zu beginn des gedichts schon, dass Siegfried von zwei gegnern 
(offenbar Hagen und Gunther) werde getötet werden, und weiter, dass 
Siegfrieds tod gerächt wird (k 15,2 des mus manch guter rylier dar umb 
auch sterben tot). 


k 2237/8 ist im engsten zusammenhange mit dem verse 2237,2 = 
B 2186, 2. Dieser lautet in der vorlage: slaht ir mir iht der friunde, die 
ich wol hinne hän. k hat wie gewöhnlich nicht weiter gelesen, und 
nimmt das slaht ir als imperativ, bat auch vielleicht irgendwie aus ir 
mir ein vir herausgelesen, versteht die zweite vershälfte überhaupt nicht, 
und übersetzt demgemäss: so schlacht drey oder fire und keret wider 
dan. Beim weiterlesen erkennt der übersetzer seinen irrtum, macht aber 
aus der not eine tugend und lässt Geiselher seinen vorschlag weiter aus- 
führen, bis v. 4 gelegenheit bietet, die stelle slaht ir mir iht der friunde 
richtig zu übersetzen: schlacht ir zu vil der meinen. Damit ist dann 
auch ein übergang zum folgenden gewonnen. 


2237/8 kann also gleichfalls als erzeugnis von k erklärt werden, 
ohne dass man auf den inhalt eingehend fragte, ob in einem liede, das 
die treue zwischen herrn und mann verherrlicht, ein solcher vorschlag 
platz gefunden haben kann. 


k 1527 wird allgemein als ganze zusatzstrophe angeführt. Tatsäch- 
lich aber besteht sie aus 2 alten und 2 von k herrührenden versen, und 
ist auf folgende weise entstanden: in der vorlage folgten auf einander: 
B str. 1504. 1505,1.2. 1506. [1505, 3.4.] 1507, d.h. B 1505, 3.4 fehlte in 
der vorlage und war dann an unrechter stelle, eine strophe später, nach- 
getragen. k folgt dem gedankenlos nach. Weil der schreiber aber mit 
seiner strophenzählung in unordnung geraten war (bei str. 1512), so flickt 


468 LUNZER 


er zwei verse eigener mache an: 1527,3.4, die (nun schon zum dritten 
male in eigenen strophen) eine vorausdeutung auf den tod aller Burgunder 
enthalten. k 1527, 1.2 aber sollen, wie ich nicht zweifle, die verse B 1505,1.2 
widergeben, mit denen sie allerdings nur noch wenig ähnlichkeit haben: 
B 1505, 1.2. 
gegen den lieben gesten die in dä solden komen. 
sit wart von in dem künege vil michel wünne benomen. 
k 1527,1.2. 
man richt sich auff di geste, der kunig lobesam. 
darnach man grossen jamer in Hewnen da vernam. 
Die starken änderungen erklären sich leicht aus der unverständlichkeit 
der aus ihrem zusammenhange herausgerissenen verse, und aus dem 
streben, den (für k) klingenden reim zu beseitigen. 


k 411 wird ebenso allgemein als plusstrophe erklärt, und im zu- 
sammenhang damit behauptet, B 414. 415 seien zu einer strophe zusammen- 
gezugen. Wirklich herscht an dieser stelle grosse verwirrung, aber es ist 
weder etwas weggefallen noch dazu gekommen, nur vertauscht worden 
sind verse und strophen. 


In der vorlage folgten: 


B411,1-4 = k4l0 
313,1 a 
a = ka 
413,1 
413,2 —4 h = ka 
45,1—4 = k4l8 
Hui = Kal, 


d.h. B413,1 und 412,1 waren vertauscht, was erklärlich ist; denn drei 
strophen (B 412. 413. 414) sind in den ersten reimen ganz ähnlich: /obe- 
lich — rich, gremelich — rich, lobelich — rich. Ferner waren B414 und 415 
vertauscht, oder eine fehlte und war dann an unrechter stelle nachgetragen. 
Daraus erklärt sich die scheinbare plusstrophe in k. Der übersetzer hatte 
(es werden die vier Burgunder, die nach Isenstein gefahren sind, auf- 
gezählt) bisher nur von Siegfried gelesen. Nun fand er auf einmal: der 
drilte der gesellen, ehe ein zweiter genennt war. Er glaubt schlecht 
gelesen zu haben, und führt, weil er nichts besseres weiss, den könig 
Sigmund ein, muss aber freilich auch v. 4 der vorlage ändern (k 411,4 = 
B 412,4). Den klang des reims hat er aber doch beibehalten: man — ge- 
tan : slan — gelan. In der folgenden strophe fängt er, wie er glaubt, 
richtig an: der drit part kunigleichen. 

Um meine annahme wahrscheinlich zu machen, setze ich die verse 
und strophen in der von mir behaupteten folge neben die partie aus k. 
Vorauszuschicken ist dabei noch, dass k mehrere wörter (gremelich, ge- 
loeze, blide, erweinen) misverstanden hat. Gewicht ist namentlich auf 
die reime zu legen. | 
B 411,1 Dö sprach ein ir gesinde: Da sprach zu ir ein ritter: daz wil 

. vrouwe, ich mac wol jehen, ich euch verjehn, 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 


2. daz ich ir deheinen nie mör habe 
gesehen: 

3. wan geliche Sifride einer drunder 
Btät. 

4. den sult ir wol empfähen: daz ist 
mit triuwen min rät. 


413,1. Der dritte der gesellen der 
'ist 8ö gremelich, 

412,2. op er gewalt des höte, wol 
wzre er künec rich 

412,3. op witen fürsten landen, und 
moht er diu hän. 

412,4. man siht in bi den andern 
sö rehte ‚höerlichen stän. 


412,1. Der ander der gesellen der 
ist sö lobelich 

413,2 und doch mit schoenem libe, 
küneginne rich, 

413,3. von swinden sinen blicken, 
der er sö vil getuot. 

413,4. er ist in sinen sinnen, ich 
wz3ene, grimme gemuot. 


415, 1. Swie plide er pflege der zühte, 
und swie schoene si sin lip, 

2. er möhte wol erweinen vil wt- 
lichiu wip, 

3. swenn er begonde zürnen. sin lip 
ist sö gestalt, 

4. eristin allen tugenden ein degen 
küene unde balt. 

414,1. Der jungeste drunder der ist 
8ö lobelich: 

2. magetlicher zühte sih ich den 
degen rich 


3. mit guotem gel®zze sö minnec- 


lichen stän. 
4. wir möhtenz alle fürhten, het im 
hie iemen iht getän. 


469 


daz ich der held nie keinen mit 
augen han gesehn. 

der ein ist gleich Seyfriden, der vor 
den andern stat. 

Den solt ir schon empfahen, kunigin, 
daz ist mein rat. 


Sein fater haißt Sigmunde, ein edler 
kunig reich, 

Im dint manch edler furste, man fint 
nit sein geleich. 

Er ist so wunderkune, gebreißt fur 
ander man. 

Er hat bei seinen tagen vil hertter 
sturm getan. 


Der ander, sein geselle, der paret 
lobeleich 

fur ritterlich geperde, jr edle kunigin 
reich. 

Gar scharpff stet sein gesichte, er 
ist ein ritter gut, 

Er tregt in seinem herczen ein gry- 
miglichen mut. 


Der drit part kunigleichen und hat 
ein stolzen leip, 

Er mag mit ritterscheffte gewynnen 
wol ein weip. 

Er paret ritterlichen und ist gar wol 
gestalt. 

Er tregt ein kunes herceze und ist 
der jar nit alt. 


Der jungst under in allen der part 
auch adeleich. 


Ist zuchtiglicher perde, sein wapen 


daz ist reich. 

Man sicht in ritterlichen dort bei 
den andern stan. 

Man mag di held wol furchten, wer 
in het leid getan. 


Aus dieser zusammenstellung ergibt sich weiter, dass die verwirrung 
hier nicht allein von k angerichtet worden ist, sondern schon in der 
vorlage bestanden haben muss. k wäre sonst nicht auf den gedanken 
verfallen, den alten Sigmund hier einzuführen. Eigene kenntnisse hat 
der verfasser auch hier nicht entfaltet. Er hielt sich so weit als möglich 
an das misverstandene original: im übrigen scheint ihm vorgeschwebt zu 
haben, was seing vorlage über den vater der Burgunderkönige gesagt 
hatte: B 7,3.4 ein ellens richer man, der ouch in siner jugende grözer 


470 LUNZER 


eren vü gewan : k411,1.3.4 ein edler kunig reich, ... so wunderkune, 
gebrei[st fur ander man; Kr hat bei seinen lagen vil herlier sturm gelan. 
Ist letzteres richtig, so folgt, dass in k 7,1—4 das original von k unseren 
alten hss. weit näher gestanden hat, als k durchschimmern lässt. Wahr- 
ist auch die ursprüngliche übersetzung dieser (auf einem neuen blatte 
stehenden) strophe mehr in einklang mit der vorlage gewesen. 

In k 410—414 ist nach dem früheren weder eine plusstrophe anzu- 
treffen, noch etwas als verloren anzunehmen. 

Bei allen zusätzen, die bisher als eigentum des schreibers 
von k erkannt worden sind, zeigte sich als charakteristisch, 
dass sie notgedrungen angefügt sind und inhaltlich nichts 
neues bieten. Wenn die vorausdeutungen (in den eigenen 
strophen ganz wie sonst) auch eine gewisse kenntnis vom wei- 
teren verlaufe voraussetzen, so wissen wir doch aus anderen 
stellen, wo irrtümer u. dgl. vorkommen, dass diese kenntnisse 
keineswegs ins einzelne giengen. Wir kennen ferner die 
arbeitsmethode des tbersetzers und wissen, dass er für ge- 
wöhnlich verspaar für verspaar, oft vers für vers übertragen 
hat, dass er höchstens einen blick in die nächste strophe warf, 
wenn ihn der letzte vers der vorangegangenen dazu zwang, 
dass er aber nie etwas kommendes zu motivieren oder vorzu- 
bereiten suchte. Wir werden also strophen, in denen inhalt- 
lich neues gebracht wird, was dem schreiber von k nicht 
zugetraut werden darf, oder wo in einer weise für spätere 
partien vorgearbeitet wird, wie es in k sonst nie geschieht, 
mit derselben sicherheit der vorlage von k zuweisen, mit der 
wir bisher einige strophen als eigentum von k in anspruch 
genommen haben. 


Vor allem haben die drei strophen k 2127. 2128. 2129 in 
der vorlage gestanden. Sie stehen mit einer stelle der klage 
in genauester übereinstimmung. Zarncke (ausg. 423) und 
Bartsch (Untersuchungen über das Nibelungenlied 351 und 
ausg. XXIX) schliessen daraus, der schreiber von k habe sie 
der Klage entnommen. Zunächst spricht eine gewisse wahr- 
scheinlichkeit eher dafür, dass die Klage in der vorlage von k 
nicht gestanden hat. Eine kenntnis dieses gedichts verrät er 
sonst nirgends. Dann aber: wer wird annehmen, dass der 
schreiber von k, der oft den nächsten vers nicht gelesen hat 
und dadurch in die sonderbarsten fehler geriet, der über wich- 
tige vorgänge des folgenden nicht das mindeste wusste, dessen 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 471 


sagenkenntnis gering und confus war, eine ganze partie der 
klage hervorgesucht, in seine strophenform umgearbeitet und 
an einer ganz richtigen stelle des liedes angebracht habe? 
Oder dass er, dem wichtige personen wie Iring von vornherein 
unbekannt waren, sich an leute wie Hermann von Polen, Sigeher 
von Walachen, Walber aus Türkie sollte erinnert haben, die 
sonst im ganzen bereiche der heldensage unbekannt sind, !) 
dass der schreiber, dessen hauptabsehen war, so bald als mög- 
lich fertig zu werden, ohne den mindesten zwang drei ganze 
strophen zu ehren dieser (mindestens für ihn ganz uninteres- 
santen) helden gedichtet hätte. Diese drei strophen waren 
bestimmt bereits in der vorlage enthalten. Ob der schreiber 
der vorlage sie aus der klage genommen, oder ob die klage 
aus einem liede geschöpft hat, das dieser vorlage nahe stand, 
ist eine frage für sich, die sich erst beantworten lässt, wenn 
man über den schreiber der vorlage greifbares material vor 
sich hat. 


Es mögen nun eine reihe von strophen folgen, die kenntnis 
späterer einzelheiten und das bestreben verraten, sie zu 
erklären. Es sind dies k 1746. 1902. 1968. 2275/6. 2392. 


In K 1746 ist die rede davon, dass Etzel von Kriemhild aufgefordert 
wird, den ankommenden Burgundern nicht entgegen zu reiten. Hier 
muss etwas weiter ausgeholt werden. Ueberall zieht sonst im liede der 
könig den ankommenden (mit seiner gemahlin) entgegen; so empfangen 
Sigmund und Sigelind ihre kinder (B 706—709), Gunther und Brünhild 
Siegfried und Kriemhild (783 ff.), Rüdiger und Götlind die könige der 
Burgunder (1650 ff.). Dagegen werden die Nibelungen im Heunenlande 
nicht durch solchen empfang geehrt. Das musste wegen der ökonomie 
des alten gedichts unterbleiben: die ersten anschläge Kriemhilds, sich an 
Hagen zu rächen, wären unmöglich gewesen. Im gedichte ist vielmehr 
der verlauf folgender: die ankommenden Nibelungen werden von Diet- 
rich und Hildebrand begrüsst und gewarnt (B 1718 ff.), sie reiten in Etzels 
burg ein, es werden ihnen herbergen zugewiesen (1735), und zwar den 
knechten gesondert. Jetzt erst empfängt sie Kriemhild, allein, mit 
‘falschem’ grusse (1737 ff.), Etzel sieht aus dem fenster Hagen und Volker, 
Kriemhild mit ihren mannen greift beide mit bitteren worten an (1761 ff.), 
dann gehen die könige selbst zu hofe vor Etzel (1802 ff.), und werden 
erst jetzt von diesem empfangen, in seinem palas (1808, 1). 


Diese aufeinanderfolge der ereignisse war nur möglich, wenn Etzel 
nichts böses ahnen konnte (vgl. die ausdrücklichen versicherungen des 


1) Nur der Biterolf kennt noch die zwei ersten. 


472 LUNZER 


liedes B 1754,2.3 — B 1865,2.3). Das wider hieng davon ab, dass er erst 
so spät seine verwanten begrüsste. 


Aber eben dieses war im alten gedichte nicht motiviert, und konnte 
jemandem unwahrscheinlich vorkommen. Es schien inconsequent, dass 
Etzel B 1715 seine gemahlin auffordert, ihre brüder wol zu empfangen, 
selbst aber gegen Kriemhild und deren verwante so unhöflich ist, ihnen 
die übliche feierliche einholung zu versagen. Da sucht nun die vorlage 
von k in der k 1746 entsprechenden strophe zu begründen. Dort erklärt 
sich Etzel auf die erste nachricht bereit, mit seinen mannen den gästen 
entgegen zu reiten. Kriemhild aber, der dies nach dem ganzen fol- 
genden nicht passen konnte, hält ihn ab und findet es passender, wenn 
der mächtige könig sich in seinem palast aufsuchen lasse (was ja dann 
tatsächlich geschieht). Diese motivierung (sogar mit aufnahme desselben 
wortes palas) traue ich dem schreiber von k nicht zu, und halte dem- 
nach k 1746 für eine alte, d.h. aus der vorlage abgeschriebene strophe. 


k 1902 dient einem ähnlichen zwecke. B 1868 = k 1901 war erzählt 
worden, dass Kriemhild mit ihren jungfrauen auf den turnierplatz ge- 
ritten sei. B 1869 —= k 1903 heisst es dann, es habe sich dort Etzel zu 
ihr gesetzt, von dem nicht gesagt war, dass er auch hinausgeritten sei. 
Der interpolator findet es nun nötig, eigens einzufügen, auch der könig 
(= Etzel) sei mit seinen rittern gekommen, und zu diesem zwecke schiebt 
er (k) 1902 zwischen beide strophen.!) 


In k 1968 ist der interpolator etwas zu rasch. Dankwarts versuch, 
Blödelin in gutem abzufertigen, war mislungen (B 1925). Dankwart 
schlägt den bruder des königs nieder und ruft ihm einige höhnende 
worte zu, die sich auf ein gespräch beziehen, das Blödelin kurz vorher 
mit Kriemhild gehabt hat, von dem aber Dankwart eigentlich nichts 
wissen konnte. Der interpolator glaubt, in seiner vorlage fehle die ihm 
anderswoher bekannte motivierung und schiebt sie hier ein: Dankwart 
sei durch einen getreuen Heunen gewarnt worden und habe von diesem 
auch den preis erfahren, der Blödelin verheissen worden war. Ein paar 
strophen später (B 1928, 1.2) folgte in der vorlage des interpolators die- 
selbe angabe ohnehin, er muss, sobald er dies bemerkt, auch hier ändern, 
um nicht zweimal das nämliche zu sagen, und wir haben die zwei verse, 
die er dort einsetzte, in der übersetzung von k vor uns: 

k 1971,3.4 ich gib im morgengabe mit meinem waffen hie. 
Kein soldner von keim kunig solch gab empfing vor nie. 
Auch diese beiden verse scheinen mir für den schreiber von k zu gut. 
Die einschaltung der str. k 1968 setzt voraus, dass ihrem verfasser die 
echte motivierung des liedes bekannt war, und dass ihm hier etwas ab- 
gieng: beides dinge, die zum wesen des schreibers nicht stimmen. 


Die strophe 2275/6 hilft, wie Zarncke (4. 8.374) mit recht sagt, ‘dem 
fühlbaren mangel’ einer strophe ab. Die str. 2223 (= k 2276/7) enthält, 


1) Wie Zarncke 422 vermuten kann, die herren k 1902, 2 wäre im 
original auf die Burgunder gegangen, verstehe ich nicht. 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 473 


nachdem nur erzählung des dichters vorangegangen ist, ohne übergang 
eine klage um die eben gefallenen helden, die nur Giselher zugehören 
kann. Gesagt ist das aber im alten gedichte nicht, und der bearbeiter 
von k, der gelegentlich dann nicht einmal weiss, von wem die rede ist, 
wenn der name geschrieben vor ihm stand (vgl. k 2149,1 = B 2099, 1), 
wäre hier vollends ratlos gewesen, schwerlich aber hätte er eine ganze, 
auch in der übersetzung (bis auf den reim kos : gro/s) tadellose strophe 
eingefügt, sondern sich mit zwei versen begnügt, die ihn wider in über- 
einstimmung mit den strophenanfängen der vorlage gesetzt und der geist- 
losen flickverse 2288, 3.4 überhoben bätten. Zudem beweist das wort 
kos, das k sonst überall ersetzt oder umgeht, und das hier nur im reime 
beibehalten sein kann, die echtheit der strophe. 


Str. k 2392 in ihrer jetzigen gestalt ist sicher die elendeste von allen 
zusatzstrophen und vielleicht in der ganzen bearbeitung. Wenn ich sie 
gleichwol für alt halte, so ist es, weil sie den nun schon mehrmals beob- 
achteten zug aufweist, das verbleiben wichtiger personen, wie das Etzels 
und Kriemhildens, zu erklären. Etzel hatte, nachdem er von Dietrich 
war aus dem saale geführt worden, von aussen den kampf gegen die 
gäste geleitet. Zuletzt war sein jammer um den gefallenen Rüdiger er- 
wähnt worden (B 2234. 2236 f.).. Mit noch mehr anteil hatte Kriemhild den 
kampf verfolgt, auch sie war zuletzt aufgetreten klagend um Rüdiger 
(2234). Während der nun folgenden, doch sehr wichtigen ereignisse 
(kampf der Wülfinge, die alle Burgunder bis auf Gunther und Hagen 
töten und mit alleiniger ausnahme Hildebrands fallen) hört man von 
Etzel und Kriemhild nichts mehr. Die zufällige erwähnung Etzels 
B 2335,3 macht den interpolator auf diesen ‘mangel’ aufmerksam, und 
er sucht ihm durch k 2392 abzuhelfen. Die motivierung ist zwar mehr 
als ungeschickt, aber das blosse vorhandensein einer solchen beweist die 
tätigkeit eines menschen, dem irgend eine lücke fühlbar geworden ist, 
und der sie ausfüllen will (und das war nach allem, was wir von ihm 
erschliessen können, der schreiber von k nicht). Im einzelnen braucht 
selbstverständlich die strophe nicht so jämmerlich gewesen zu sein, wie 
sie uns jetzt in ihrer überarbeiteten gestalt erscheint. 


k str. 1367. 1530. 1849. 1943. 2388, 4 — 2389,3. 2437/8. 

Bei dieser reihe von zusatzstrophen verfängt zwar das bisher ge- 
brauchte kriterium (motivierung künftiger begebenheiten) nicht, aber es 
ist kein grund aufzufinden, der für k hätte bestimmend sein können, sie 
einzufügen. Da man dem schreiber von k absolut nur strophen zuweisen 
darf, die deutlich unter einem zwange entstanden sind, so wird man auch 
diese strophen als der vorlage entnommen anerkennen, um so mehr als 
sie gewisse eigenschaften mit den sicher alten interpolationen teilen. 


k 1367. Etzel begrüsst Kriemhild, mit der er das erste mal zu- 
sammentrifft. Im alten gedichte ist eine solche feierliche begrüssung nicht 
anzutreffen. Holtzmann und mit ihm Zarncke (* 372) finden es ‘ganz 
passend, dass Etzel einige worte spricht’. Nur scheint Zarncke der ort, 
wo die strophe steht, ‘nach vollendetem empfange’, bedenklich. Dieses 

Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. XX. 31 


474 LUNZER 


bedenken kann ich nicht teilen. Kriemhild hat eben vorher Etzel und 
zwölf seiner recken geküsst, die anderen sus mit gruoze geehrt (B 1352). 
Damit ist aber der empfang keineswegs vollendet.!) Vielmehr hat nach 
dem sonstigen ceremoniell des liedes nach dem küssen der erwartende 
den ankömmling willkommen zu heissen: man vergleiche B 1312, 4: 
Kriemhild kommt in Bechelaren an und küsst Gotelind. 1313: diese er- 
widert, indem sie sich glücklich nennt, ihre künftige königin gesehen zu 
haben. B 587. 588: Brünhild kommt als braut Gunthers nach Worms und 
küsst Kriemhild 587,4. Diese heisst sie willkommen 588. B 1737,3: 
Kriemhild empfängt ihre brüder im Heunenlande und küsst Geiselher. 
Die nun zu erwartende begrüssung mit worten wird vertreten (nicht 
durch Hagens worte 1738, die an seine gefährten gerichtet sind — auch 
hat die erwartende zu sprechen, sondern) durch das schmähende nu 
sit willekomen swer iuch gerne siht 1739,1. Mit dem küssen ist also 
der empfang noch nicht zu ende, es gehört noch das ausdrückliche will- 
kommenheissen dazu. Allerdings wird es nicht überall eigens erwähnt 
(z. b. nicht B 709. 794), aber wenn der interpolator an unserer obigen 
stelle es fiir nötig fand, das willkommenheissen hervorzuheben, so konnte 
er e3 ganz wol an diesem orte tun, und nicht leicht irgend wo anders. 


Erwähnt mag noch sein, dass Etzels worte in der zusatzstrophe 
k 1367 in gedanken und wortlaut sehr verwant sind mit denen, die er 
im alten gedichte durch Rüdiger hat am Wormser hofe und an Kriembild 
ausrichten lassen: B 1199, 3.4. 1217,2.3. 1235, 1—4. 1236. 1237. Der 
interpolator hat also aus diesen Etzels begrüssung zusammengestellt. 


k 1530 enthält warnungen und segenswünsche des bischofs von 
Speier vor der abreise der Burgunder ins Heunenland. Die strophe geht 
aus dem bestreben hervor, dieser ziemlich überflüssigen person dadurch 
etwas existenzberechtigung zu geben, dass man sie etwas mehr sagen 
lässt, als dies in den alten hss. geschehen war: ein bestreben, das den 
schreiber von K gewis nicht geleitet hat. 


k 1849. Reflexionen: während der abendlichen festfröhlichkeit sinnt 
Kriemhild auf unheil. Zarncke findet die strophe ‘dem stile des alten 
textes wol entsprechend.’ Ich schliesse mich dem an, obwol ich dieser 
auf subjectivem gefühl beruhenden bemerkung einen positiven beweis 
nicht anzufügen vermag. Ein grund für den schreiber von k, sich hier 
überflüssige arbeit zu machen, ist jedenfalls nicht zu entdecken. 


k 1943. Kriemhild beschwichtigt Blödels furcht vor dem zorne 
Etzels. In dem alten gedichte hatte Kriemhild diesen einwand Blödelins 
ganz unberücksichtigt gelassen, und ihm ohne weiters daz Nuodunges 
wip versprochen. Der interpolator hält ein ausdrückliches eingehen auf 
das bedenken für nötig und hilft nach. Der gedanke von 1943, 4 ist 
derselbe wie B 2136, 2 ff. 2137,3f., also aus einer späteren, dem schreiber 
von k noch nicht bekannten partie. Auch die sentenz von v. 3 macht 
(abgesehen von der form) den eindruck relativen alters. 


ı) Vgl. Kettner, Zs. fdph. 15, 229 ff, 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 475 


k 2388,4—2389,3. Mit recht heben Holtzmann und Zarncke her- 
vor, wie leicht diese strophe in den anderen hss. ausfallen konnte durch 
überspringen des auges von leit 2388,4 auf leit 2389,3. Der vergleich 
sam di armen weip stimmt mit B 2345, 2 (also einer späteren stelle) 
überein. Wenn k hier ebenso wie 2345, 2 geändert hat, so hatte auch hier 
die vorlage sam diu alden wip. 

k 2437, 2—2438, 1. Diese strophe ist sehr zweifelhaft. Es ist mög- 
lich, dass der interpolator für nötig fand, Hildebrand auch zu Kriemhild 
selbst sprechen zu lassen und dadurch seine handlungsweise zu moti- 
vieren. Es ist aber andrerseits nicht zu verkennen, dass k 2438,2 = 
B 2376, 2, und zwar ganz in der weise, wie k sonst lbersetzt. Die 
strophe steht überdies auf einem der jüngeren blätter, und es ist denk- 
bar, dass der schreiber da, wo es sich nur um das abschreiben weniger 
strophen handelte, es weniger eilig hatte. Einen bestimmenden grund 
für k, hier eigene verse einzuflicken, vermag ich allerdings nicht zu 
finden (das wort swanc in v.2 der vorlage, k 2438,2 durch schlag über- 
setzt, scheint keinen anstoss erregt zu haben, denn k 1993, 2 ist es in 
ganz ähnlichem zusammenhange geblieben). 


Es erübrigen noch k 1560. 1601. 2407,1.2. 2410, 3.4. 
2414,3.4. 2415,3.4. 2419. Fasst man die halbstrophen paar- 
weise zusammen, so lässt sich sagen: die zweite hälfte jeder 
strophe oder die zweite halbstrophe jedes paares bestehen nur 
aus umschreibungen oder widerholungen kurz vorher stehen- 
der verse, 


B 1534, 3.4 ist übersetzt durch k 1559, 3.4: 
daz si im entrunnen, des wären si Und daz si im entrunnen, des frew- 


vil hör. ten si sich ser. 
dö nam er ir gewzte: der helt scha- Er nam in all ir kleyder, mocht in 
dete in niht mr. nit schaden mer. 


Man vgl. damit die zweite hälfte der nun folgenden plusstr. k 1560: 
Da forchten si nit mere Hagen den kunen man. 
Er sprach: di ewren kleyder wil ich zu pfande han. 
B 1574,3.4 = k 1600, 3.4: 
diu im & dä sageten diu wilden mere- Wol an di red, di sagten im dort 


wip. di wasserweip. 
des hete des küneges kapelän vil des het des kunigs kaplane verloren 
näch verlorn sinen lip. na den leip. 


Vgl. k 1601 (plusstrophe), 3.4: 
als mir dort han gesaget di wilden wasserweip. 
des het der selbig prister verloren na den leip. 
B 2352,3.4 = k 2410, 1.2: 
des wart dö betwungen von im der Er czwang in da mit krefften und 


küene man. nam im all sein wer. 
Gunther der edele dar umbe trüren Des trauret von Purgunden der edel 
began. kunig ser. 


31* 


476 LUNZER 


Die beiden verse werden in umgekehrter reihenfolge widerholt k 2410, 3.4: 
Daz er im nit torst helffen, daz waz sein groste klag. 
Her Ditrich czwang den Hagen wol an dem selben tag. 


Dagegen tragen die ersten hälften der strophen den 
charakter rationalistischer erklärungsversuche für ungewöhn- 
liche ereignisse. 


B 1534, 3. 4 war erzählt worden: die meerweiber, die in einem schoenen 
brunnen badeten, seien Hagen entkommen, er konnte ihnen nichts mehr 
anhaben. B 1536, 1 heisst es dann: si swebten sam die vogele vor im üf 
der fluot. Jemandem muss nun ein brunne zu klein geschienen haben, 
als dass sie sich dort hätten vor Hagen sichern können. Es wird hinzu- 
gefügt: Di Tunam flofs dem brunnen da also nahend bey; dar ein si 
sprungen schnelle, di frawen alle drey (eine behauptung, die übrigens 
der im liede vorausgesetzten örtlichen situation ganz entspricht). 


B 1574,2.3 war angedeutet, Hagen gedachte der seltsamen erzählung 
der meerweiber. Dann folgt ohne weitere erklärung 1575 ff. der mord- 
anschlag gegen den kaplan. Jene andeutung schien nicht genügend, 
Hagens tat zu erklären. Es musste genauer gesagt werden, was er damit 
beabsichtigte. k 1601, 1.2: 


er dacht, ich wil wol finden, und ob es also sey. 
der kaplan muß ertrincken, so bin ich sorgen frey. 
Auch diese erklärung ist an sich richtig. 


B 2348 beginnt der zweikampf Dietrichs mit Hagen, der bisher un- 
bezwungen geblieben und als gefährlichster gegner unter den Nibelungen 
geschildert worden war. Das bewährt er auch jetzt: Dietrich muss sich 
auf die verteidigung beschränken: schermen im began der herre von 
Berne (2349, 2.3). Nur underwilen schlägt er mit listen (2350, 2) zurück. 
So bezwingt er Hagen endlich (2350,3). Was das für liste waren, und 
dass das endliche erliegen für Hagen nicht schimpflich war, musste deut- 
licher hervortreten: k 2407,1.2 £r (Dietrich) fies Hagen verwüten bis im 
di müde kam. Daz waz da nit unbilde, ob in macht müde czam. Die 
verse enthalten nichts, was dem alten liede widerspräche, sondern arbeiten 
nur dessen andeutungen schärfer heraus. 


Denselben charakter rationalistischer erklärungsversuche 
tragen noch 2414, 3.4. 2415, 3.4 und 2419. 


In str. 2419 soll ganz ähnlich wie früher Hagens niederlage so jetzt 
die Gunthers erklärlich gemacht und als nicht schimpflich dargestellt 
werden: es war kein wunder, dass es ihm fehlschlug. Dietrich fieng den 
kampf mit listen an. Zudem war der Berner nicht müde und von grosser 
stärke. Dennoch trieb ihn Gunther herum, aber er hatte keinen vorteil 
mehr davon. Auch diese motivierung ist ganz im sinne des alten gedichts. 

2414, 3.4 sieht allerdings zunächst so aus, als ob die verse als con- 
sequenz des misverständnisses von v.1 (wo aus ungemach gemach ge- 
worden war), und des weiteren misverständnisses von v.2 (wo gesprach 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 477 


für das richtige sach steht), sich angefügt hätten, wobei v.4 nur eine 
widerholung von v.2 wäre. An sich aber ist das, was neu hinzukommt, 
wider eine erklärung und ausführung des folgenden: dass Hagen kein 
wort antwortet, wenn er gefragt wird (was ganz zu seinem charakter 
passt), scheint mir eine vorausdeutung darauf zu sein, dass er jede aus- 
Kunft über den hort verweigert. Dass er in eisenfeste eingeschlossen 
wird, soll es erklärlich machen, dass er sich nicht befreien kann und 
sich von Kriemhild erschlagen lassen muss. Da der schreiber von k das 
ganz einfache gesach sonst nie verliest oder misversteht, wird ihm wol 
bloss das misverständnis von ungemach (hier und 2426,1) zur last zu 
legen sein, welches ihn aber keineswegs gezwungen hätte, zwei verse an- 
zufügen, die den fehler weder verbessern noch fortspinuen. 


2415,3.4. Warum Gunther nach Dietrich ruft, wird deutlicher ge- 
Bagt: er sol gen mir her keren. Das weitere ist dem gedanken nach aus 
späteren stellen genommen, aus B 2358, 1 und 4. 


Die eigentümliche beschaffenheit der zuletzt durchgespro- 
chenen stellen macht es schwer, zu einem endgiltigen urteil 
zu gelangen. Die ersten hälften jener früheren strophen, so- 
dann 2414,3.4. 2415,3.4 und 2419 möchte ich doch dem in- 
terpolator, also der vorlage zuweisen.!) 2419 lässt sich ohne 
weiteres direct ins mhd. umschreiben, was bei eigenen erzeug- 
nissen von k gewis nur zufällig und selten möglich wäre. 
Dann wird man sich aber auch wol oder übel entschliessen 
müssen, k 1560, 3.4. 1601,3.4. 2410, 3.4 für den interpolator 
mit in kauf zu nehmen, der also, da das von ihm neu bei- 
gebrachte nicht genug war, eine strophe zu füllen, sich mit 
widerholungen geholfen hätte. Dass er davor nicht zurück- 
schreckte, haben wir ja gelegentlich auch schon früher wahr- 
genommen. Freilich waren sie da nicht aus dem so unmittelbar 
vorangehenden genommen. 


Die interpolierten strophen brauchten nicht im texte, son- 
dern können auch am rande gestanden haben. Platz war dazu 
in der alten hs., denn, wie wir oben gesehen haben, waren auch 
unzweifelhaft echte halbstrophen und strophen in der vorlage 
an anderer stelle nachgetragen, was wol nur am rande ge- 
schehen sein kann. 

Die interpolationen gehen aus derselben tendenz hervor, 


1!) Die zahl drey in 1560, 2 halte ich allerdings für eigentum von k, 
obwol das wort im reime steht, und zwei wegen des geschlechts nicht 
möglich ist. Die vorlage müsste einen anderen reim gehabt haben, 


478 LUNZER 


und wir können uns von ihrem verfasser ein ganz eindeutiges 
bild machen. Er kannte den inhalt des gedichts genau, denn 
er sucht auf folgendes, und zwar auf einzelheiten des folgenden 
vorzubereiten. Dabei hilft er sich z. t. mit gedanken und versen 
aus früheren, aber auch aus späteren partien des alten gedichts 
aus, das er also wol im gedächtnis hatte. Nie stehen seine 
erklärungen in widerspruch mit der sonstigen erzählung des 
gedichts. Er ist ein nüchterner mensch, der wunderbares und 
 auffallendes begreiflich zu machen sucht, der lücken in der 
erzählung ausfüllt, auf das hofceremoniell achtet, darauf sieht, 
dass man den helden der erzählung nicht aus dem oder jenem 
einen vorwurf mache u.dgl.!) — In welche zeit seine tätigkeit 
fällt, lässt sich nicht ausmachen, da wir seine strophen ja nur 
überarbeitet kennen. Jedenfalls muss ihm aber die sprachliche 
gestalt des alten gedichts noch ganz verständlich gewesen sein, 
und wenn k 2419 einen schluss auch in ihrer jetzigen fassung 
erlaubt, so war sein sprachstand und seine metrik von der 
mittelhochdeutschen entwicklung noch nicht erkennbar entfernt. 

Erwähnt mag noch sein, dass alte plusstrophen nur in 
der aus C* stammenden partie constatiert worden sind. Es 
ist aber nicht unmöglich, dass einige im anderen teile sich 
findende strophen und lesarten, die im gegensatze zu ihrer 
umgebung auch aus C* geflossen sind, von diesem interpolator, 
der offenbar eine genaue kenntnis des gedichts hatte, ihren 
ursprung genommen haben. Vielleicht war es dieser zugleich 
auch, der die fehlenden partien aus einer anderen, mit B* ver- 
wanten handschrift ergänzte, und so der urheber der mischung 
(s.u.) geworden ist. 


ı) Es wird damit für den interpolator nichts unwahrscheinliches an- 
genommen. Ganz ähnliche eigenschaften und tendenzen zeigen viele alte 
strophen, namentlich plusstrophen von C*. So finden sich z. b. wider- 
holungen in B 43,5—8 (aus B 21. 22). 93, 5—8 (aus 93, 4. 95). 777, 5—8 
(aus 366,14. 65, 1—3). 1900, 5—8 (aus 1837, 5—8. 1765, 1—4). 2222, 6—8 
(aus 2046,1.4. 2014, 1—3), paraphrasen 1137, 5—8 (= 1137, 4), heraus- 
arbeiten angedeuteter motive 447,5—8. 1879, 5—8. 1920, 5—8. 2086, 5—8. 
2157, 5—8, vorbereitung für folgendes 813, 5—12. 905, 5—8. 915, 5—8. 
1523, 5—8. 1716. 1717 11. 1951, 5—8. 2002, 5—12, erklärung für kurz vorher 
erzähltes 1744, 5—8. 1837,5—8. 1898, 5—12, euhemeristische ausdeutung 
506, 5—12. 1573,5—8. 2120,5—8. 2291,5—8. 2368,5—8, vorausnahme eines 
späteren motivs 651,6.7 (vgl. 675,2.3), z. t. in auffallender übereinstim- 
mung mit dem geist unserer plusstrophen, 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG k. 479 


3) Das handschriftenverhältnis der vorlage. 


Holtzmann sagt hierüber Germ. 4, 322: ‘die vorlage war 
eine gemischte he.: sie hatte den gemeinen text von [k] 1—458 
und von 854—923, aber den alten text [= C*] von 459—849 
und von 924 bis zu ende. Von str. 8850—853 ist es zweifel- 
haft, ob sie zum alten oder zum gemischten text gehören. Es 
war also eine hs. des alten textes, von welcher aber der an- 
fang und in der mitte etwa ein doppelblatt verloren war: das 
fehlende war aus einer hs. des gemeinen textes ergänzt worden. 
Bartsch (ausg. XXVIII) widerholt diese angaben über die 
abstammung der vorlage und fügt hinzu: ‘die gruppe, welcher 
das benutzte exemplar der ersten bearbeitung [k 1—458. 854 
—923] zumeist verwant war, scheint die dritte [nach Bartsch 
bestehend aus HOd und IKQhl] gewesen zu sein; die in d allein 
erhaltene zusatzstrophe [B] 330, 13—16 findet sich auch in k.' 
Auch Zarncke (ausg.+ XXIV) schliesst sich an Holtzmann an. 
Von der hs., die der Vulgata folgt, meint er, ‘sie scheine be- 
sonders mit d verwant gewesen zu sein. Die mit der gruppe 
von C* verwante sei von C selbst unabhängig gewesen.’ 

Zu den äusserungen von Bartsch und Zarncke muss bemerkt 
werden, dass sie aus einer zeit stammen, wo k noch nicht 
herausgegeben war,!) dass sie also nicht auf einer neuen unter- 
suchung der hs. beruhen, sondern wirklich nur widerholungen 
von Holtzmanns angaben sind und sich im übrigen lediglich 
auf das stützen, was Holtzmann vom texte der hs. bekannt 
gemacht hatte. Die angaben Holtzmanns werden aber in der 
tat durch eine neue durchprüfung im grossen und ganzen be- 
stätigt; doch ist zu versuchen, ob sich nichts genaueres über 
das handschriftenverbältnis der vorlage herausbringen lässt. 
Zunächst ist dabei die partie 1—458 und 854—923 einer be- 
trachtung zu unterziehen. 

In bezug auf die abgrenzung dieser partie kann ich Holtz- 
mann nicht ganz zustimmen. Er meint, von str. 850—853 sei 
es zweifelhaft, ob sie sich an die Vulgata oder an C anschliessen. 
Die lesarten, die einen schluss zulassen, sind: B855,2 = k 850, 1 
er sol her für gän : nu lät in hergän C, Er sol her zu uns gank; 
B 857,1 =k852,1 dä ist mir harte leil : daz ist mir durch 


1) Vgl. übrigens Bartsch auch noch im Lit.-bl. 1880, sp. 399 £. 


480 LUNZER 


dich leit C, mir ist in trewen leit k. Diese spuren scheinen 
doch eher auf abstammung von der Vulg. zu deuten. Str. 858 
— 853 allerdings, in der sich die gemeine lesart und CO gar 
nicht unterscheiden, bleibt zweifelhaft. 

Ferner nimmt Holtzmann an, dass erst von k 924 an eine 
vorlage der gruppe C anzusetzen sei. Tatsächlich aber beginnen 
die spuren von C schon früher. B 915 fehlt in C, steht aber 
in k 910; B 915, 5—8 stehen nur in C, fehlen aber in k. Bis 
hierher reichte also sicher die gem. lesart. B 916 = k 911 sind 
in beiden fassungen identisch, über diese strophe lässt sich also 
nichts ausmachen. 


Von da ab ergibt ein vergleich der lesarten folgendes: 

B 917 = k 912,2 maneger hande spise, C herrenlicher spise, k edler 
speis, 3 verlös er sit den lip, C nämens im den leip, k da namens im 
den leip; 918 = 913,3 unde der gesellen, C unt ander der gesellen, 
k Und allen sein gesellen; 919 = 914 in beiden fassungen gleich; 
920 = 915 aus k nichts zu erschliessen ; 921 = 916 ebenso; 922 
= 917,1 Ich fürhte harte sere, C Jä fürhte ich, herre Sivrit, k Wann 
ich forcht also sere, 3 vientlichen haz, C eteslichen haz, k iren grossen 
has, 4 belibet, lieber herre, C belibet herre Sivrit, k Nun bleipt heyme, 
herre; 923 — 918,1 min lriutinne, C liebiu frouwe, k frawe, 2 liute, 
C vinde, k feinde;, 924 — 919 aus k nichts zu entnehmen; 925 — 
920 ebenso; 926 = 921,2 vil manec ritler ball, C vil manec degen 
balt, k manig degen bald, 3.4 volgten Gunthere unde sinen man. Gernöt 
unde Giselher die wärn dä heime bestän : C riten mit dem wirte, man 
fuort ouch mit in dan vil der edeln spise die die helde solden hän : 
k Wol mit dem edlen kunig und mil Seyfriden dan. Mit in furt man di 
speise, di si da sollien han; 927 = 922 aus k nicht zu erkennen; 
928 —= 923,4 dö was ouch komen Sifrit, C dö kom der herre Sifrit, 
k da kam Seyfrid der kune, 929 = 924,4 wisen näch dem wilde, 
C wisen vor den bergen, k Und uber daz gepirge: 930 = 925,1 Welle 
wir uns scheiden, C Jä müezen wir uns scheiden, k Wir mussen uns hie 
teilen, 3 dä bi wir mügen bekennen, ich und die herren min : C dä bi 
wir bekennen, ich und der herre min : k Dar bei wir mugen kennen, ich 
und di herren mein; 931 = 926,3 des sol er haben danc : ÜC des 
sage man im danc, k sol man im sagen danck. Von B 932 = k 921 
nur noch lesarten von C. 

In dieser partie deuten demnach auf die gem. lesart nur 
der text von k 917 (nur v. 1 deutlicher) und 925,3. Was sich 
sonst erkennen lässt, stimmt mit C. Da vereinzelte lesarten 
der Vulg. auch sonst in den aus C* geflossenen partien von k 
anzutreffen sind, wird man C* wol mit k 911 oder 912 beginnen 
lassen, 


“ 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 481 


Es fragt sich nun, ob sich die hs. der gemeinen lesart, 
der k 1—458 und 850—910 oder 911 folgt, nicht näher be- 
stimmen lässt.!) 


Von den hss., die da in betracht kommen könnten, fallen 
von vornherein weg die bruchstücke HKLMNOQgl, die anderen 
partien des gedichts angehören. Die bruchstücke Sei liefern 
viel zu wenig material zur vergleichung. Das wenige, was er- 
halten ist, weist nicht auf engere beziehungen zur vorlage von k; 
h ist blosse abschrift von I. Auf eine verwantschaft mit b 
deutet nichts; von d, das aus dem anfange des 16. jh.s stammt, 
käme nur die vorlage in betracht. Es findet sich aber (ab- 
gesehen von der schwierigkeit, mit zu erschliessenden vorlagen 
zweier später hss. zu operieren) ausser der nur k und d ge- 
meinsamen strophe k 329 absolut kein greifbarer anhalt, eine 
verwantschaft beider hss. zu vermuten, wol aber spricht vieles 
dagegen. Wir dürfen also, unbekimmert um die (ohnehin nur 
auf diese eine strophe begründeten) vermutungen von Zarneke 
und Bartsch, auch diese hs. aus dem spiele lassen. 


Die vorlage von k muss vielmehr der handschrift B am 
allernächsten gestanden haben. 


Man könnte es zwar mit dieser versicherung, die nachzu- 
prüfen, wenn auch nicht rasch, so doch leicht möglich ist, be- 
wenden lassen und sogleich den wenigen spuren, die dagegen 
zu sprechen scheinen, nachgehen. Wenn aber die verwant- 
schaft mit B erwiesen werden soll, so empfiehlt es sich, die 
anderen alten hss., die ausreichendes material zur verfügung 
stellen, heranzuziehen, und zu zeigen, dass die vorlage von k 
in fast allen fällen, wo differenzen zwischen B und A, D oder I 
erscheinen, sich an B angeschlossen hat. Natürlich ist das nur 
dort zu erweisen, wo aus dem vergleiche von k und den an- 
deren hess. die lesarten der vorlage sich erschliessen lassen. 


Begonnen mag dabei werden mit str. Bartsch 29 = k 30, 
weil der anfang eigentümliche schwierigkeiten zeigt. 
1) k mit B* gegen A: 
Alle in A allein fehlenden strophen stehen in k: 


1) Spuren des einflusses von C*, die sich in diesen partien finden, 
werden später besprochen. 


452 LUNZER 


Bartech 340 = k 339. Bartsch 368 = k 367. Bartsch 412] _ „It on 
341= 340 370—= 369 a es 
345 = 344 388 = 387 414 = 414 
346= 345 396 = 395 439 = 438 
354= 353 397 = 396 42 = 441 
359 = 351 398 = 397 45 = 444 
356= 855 401= 400 453 = 452 
357 = 356 409= 408 55 = 454 
459 = 458. 
Bartsch 46,4=k46,4 erwasir noch vil vremde, Air vil vremde, 
kir noch fremde. 55,1 = 55,1 waz mac uns daz gewerren, A uns 
gewerren, k uns daz geschaden. 59,1 = 59,1 erwerben, A ertwingen, 


k erwerben. 62,3 = 62,3 helde, A rechen, k helde. 92,2 = 91,2 
ez möhten niht geiragen, A ez heten niht g., k nicht mochten han 
getr. 117,2 = 114,2 fuorte, A hete, k furte. 128,2 = 125,2 man 
suohle nerberge, die besten die man vant, A die besten herberge man 
suchle die m. v., k Man furt si an di herberg, di pesten di man fant. 
178,4 = 174,4 nächhuote, A nahthuote, k nachhut. 203,4 = 198,4 
ritter, A helde, k ritter. 226,2 = 222,2 ist uns ihl maneger öl, 
A ist uns ieman töt, k Ist vil der unsern helde.... bliben tot. 232,2 
—= 228,2 den üz erwelten, A dem, k den von Purgunden. 293,1 
= 289,1 bi der hende si in vie, A genäde er ir böt, k und nam si bey 
der hant. 294,1 = 290,1 getwungen, A getriutet, k gezwungen. A si 
het im holden willen kunt vil schiere gelän, A zwei minne gerndiu herze 
heten anders misselän, k si trug im stette libe, daz wart im kunt getan. 
298 — 294,2 maneger ungesunt, A vil maniger mwunt, K manger unge- 
sunt. A in miniu künges lant, A ze Tenemarke in daz lant, k in mein 
eygen lant. 302 —= 298,3 alrest, A örst, k Allers. 304 = 300,4 
daz ist näch iuwern hulden ... gelän, A daz muoz iu ze dienste... sin 
getan, k daz ist durch ewren willen. 316 — 312,1 giengen, A riten, 
k ging. 325 = 321,3 Gunther der künec quot, A des künic Guntihers 
muol, k der kunig gut. 329 = 325,3 durch ir minne, A umb ...., 
k durch .... 352 = 351,1 dö gie si mit, A si gie mit, k da ging mit. 
386 = 385,3 Gunther si min herre, A Gunther min h. k Gunther der 
sei mein herre. 419 — 418,2 nu muget ir gerne heren, wie diu maget 
sprach, A zuo dem gaste si zuhleclichen sprach, k nun horet abenteure, 
my si da zu im sprach. 3 Sifrit, A her Sifrit, k Seyfride. 41 = 
420,4 min herre erlät dich es niht, A er lat dich es niht, k der helt 
erlaiz euch nicht. 422 = 421,3 j@ geböt mir her ze varne der recke 
wol gelän, A durch dich mit im ich her gevarn hän, k er pat mich mit 
im faren, der degen lobesam. 4 möht ich ez im gemweigert haben, ich 
hete ez gerne verlän, A werrer niht min hörre, ich hetez nimmer getan, 
k mocht ich dort sein beliben, ich het di reis gelan. 423 = 422,2 diu 
spü diw ich im teile, und getar er diu bestän, A wil er min geteiltiu 
spil alsö bestän, k dremw spil mil ich im teilen, und tar er di bestan. 
424 = 423,2 diu starken, A geleiltiu, k ungeheure. 4 magedin, A ku- 
nigin, K megelhein. 426 — 425,1 küene, A snelle, k kune. 41= 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 483 


426,4 min houbet wil ich vliesen, A ... ich verliese, k mein haubt wil 
ich verliesen. 432 —= 431,1 vant, A sach, k fand. 3 von listen daz 
geschach, A daz in dä niemen sach, k mit Iysten daz geschach. 4 daz 
in dä niemen ensach, A von listen daz geschach, k daz in kein mensch 
nie sach. 438 = 437,1 der starke Hagene, A der degen H., k der 
kune .... 451 = 450,4 Gunther und Sifrit, A die ellenden geste, 
k Seyfrid und auch der kunig. 857 = 852,3.4 daz du ir schonen 
lip alrörst habes geminnet, daz seit frou Kriemhilt din wip, A du werst 
ir erster man. so seit din wip Kriemhilt hastu degen daz getan, k wi ir 
irn stolczen leip beschlaffen habt am ersten. daz spricht ewr eigen weip. 
861,2 = 856,2 den Prünhilde lip, A din vil schane wip, k der schon 
Brunhilden leip. 864,1—3 — 859, 1—3 in A zweimal, in k nicht. 
872 —= 867,4 ob er sin innen wurde, A wurde er sin innen, k Ob er 
sein innen wurde. 873 = 868, 1 ir muget wol stille dagen, A lät iu 
ez wol behagen, K.... nun schweiget sülle .... 902 = 897,1.2 Dö 
von des trachen wunden vlöz daz heize bluot und sich dar inne badele 
der küene recke guot, A Do von des draken bluote sich der riter guot, 
k Da aus des trachen wunden her flo/s daz rote blut Und sich dar mit 
begosse Seyfrid der degen gu. 909 = 904,3 wand in vi küme er- 
mwanden die Guntheres man, A man in der reise erwanden vil küme 
Gunthers man, k Wann in gar kamm behiltten des kunig Gunihers man. 
909 = 904,4 dö reil er zuo dem künege, A er reil zuo ...., k Da reit 
zu iM .... 912 = 907,2 daz wir vil vruo rilen (die mit mir wellen....), 
A ich welle fruo riten, k Und daz wir ... wollen .... 


Diesen entscheidenden fällen gegenüber kommen ein paar 
einzelheiten, in denen k mit A, offenbar zufällig, übereinstimmt, 
gar nicht in betracht: 


82 —= 81,1 und ouch diu vremden lant, A und elliu vr. L, k und 
alle fr.l. 144 = 141,4 daz wizzet üf die Iriuwe min, A des sult ir 
gewarnet sin, k des soll ir sicher sein. 218 = 214,4 hant, ACk 
lant. 331 = 330,3 die vil starke swere, A .... reise, k durch reiten, 
417 = 416,4 ez wolden sehen die gesle, A die geste wolden schouwen, 
k di wollten schawen ... 441 = 440,3 küme drie, A kuone dri, k vir 
mwunderkune. 4 sorgen began, A sorge gewan, k sorgen vil gewan. 
877 —= 872,4 diu aller grezesten leit, A grozer iamer un leil, k jamer 
unde lei. 913 = 8,2 swenne ir jagen ritet, A so ir jagen wellet, 
k wan ir wolt jagen. 


2) k mit B* gegen D. 
D ist erst von str. Bartsch 269,1 an heranzuziehen, da es 
bis dorthin sich an C anschliesst. 
277,1 = 273,1 manec recke tumber, D manec tumber tore, k man(ch) 
heit. 294 = 290,1 gelwungen, D begunnen, k gezwungen. 298 = 


294,4 in miniu künges lant, D in Tenemarchen lant, k in mein eygen 
lant. 304 = 300,1 dienen, D danchen, k dinen. 312 = 308,2 näch 


484 LUNZER 


sirite wol genas, D der sint vil wol genas, k nach streite wol genas. 
327 = 323,1 verre, D mwite, k ferre. 328 = 324,3 sinne, D minne, 
k synne. 336 — 335,4 rich, Dlobelich, k reich. 337 —= 336,1 tarn- 
kappen, D heilkappen, k tarenkappen. 344 —= 343,4 daz mwirs iht 
haben schande, sö man diu mare here sagen, D diu uns da wol ge- 
zoeemen. daz sult ir Gunthere sagen, k daz wir sein haben ere, wo man 
hort von uns sagn. 351 = 350,1 nu siülzel, D nu sag! mir, K nu 
sitzend. 357 = 356, 4 verle, D malte, k reis. 365 = 364,4 helden, 
D degnen, k helden. 409 = 408,4 guot, D wol gemuot, k gut. 422 
= 421,1 unt ist ein künec her, D unt ist chomen her, k ein edler kunig 
her. 431 — 430,3 tarnkappen, D helkappen, k tarenkappen. 438 
—= 437,4 ist, D mac wol sin, k ist. 440 = 439,2 scharpfen, D star- 
cken, k scharpjfes. 446 — 445,1 dilze lant, D daz....., K dise .... 
457 —= 456,3 strühlen, D vorchten, k strauchten. 459 = 458, 1 niht 
fehlt D, nit steht k. 861 = 856,2 belrüebet, D ertzurnet, k betrubet. 
866 —= 861,2 alsolhen, D so grossen, k ein solchen. 869 = 864,2 in, 
Dim, kin. 875 = 870,3 lobet er, D latir, k globt er. 878 = 
873,3—42 den & da höle beiwungen diu Sifrides hant unt in ze gisel 
brähte, D den e sifrides hende in zu gisel bracht, k Und den vor het 
bezwungen Seyfrid mit seiner hant, Den er vor bracht gefangen. 883. 
884 = 878. 879 vertauscht D, k nicht. 897 —= 892,2 müge, Db mac, 
k mug. 902 = 897,1 wunden, D munde, k wunden. 3 herte, D hertze, 
k schulitern. 906 = 1,2 recke, D rache, [b rechte], k ritter. 911 
= 906,1 ledic, D uber, k ledig. 


Man vergleiche damit die Fälle, wo k mit D stimmt: 


301 = 297,1 dä gesanc, D di messe g., k di mess gesang. 337 
—= 336,2 sö hel er dar inne krefle genuoc, D so het der degen kune 
chrefte dann genuoc, k so het zwelff mannes sterck [aus vers 3) der 
edel ritter klug. 355 — 354,2 kan, D mac, k mag. 894 — 889, 2 
minen lip, D minen schonen lıp, k meinen stolczen leip. 904 = 899, 3 
behüeten, Dk beschirmen. 


3) K mit B* gegen Ih. 

49 = 49,1.2 vertauscht Ih, k nicht. 61 = 61,4 wiganden, Ih vi- 
anden, k recken. 76 —= 75,1 ziehen, Ih fueren, k czihen. 89 — 
85,2 holn, Ih hohen, K holen. 152 = 148,4 unz er ervant an fri- 
wenden, Ih.... an Sıfrit, k (Bis er zusamen brachte) vil mangen werden 
man. 159 = 155,4 degene, Ih friunde, k helde. 164 = 160,2 daz 
si ze lande solden, Ih d. s. daz tuon s., k si soltten heim zu lande. 171 
— 167,4 degene, Ih recken, k degen. 173 = 169,1 Sindolt, Ih Sifrit, 
k Gundolt. 205 = 201,3.4 .... von Sifrides hant, unz er Liudegeren 
vor sinen hergesellen fant, Ih .... biz daz sivrides hant den werden 
kunc Liudger vor s.h.f., K .... das schuff Seyfrides hant, Bis er dort 
in dem streitte her Ludigeren fant. 211 = 207,2 und Volker, Ih und 
Sindolt, kund.... Folcker. 3 Sindolt und Hünolt, Ih Hunolt der kuene, 
k Gundolt, Hanolt. 214 = 210,3 küenen, Ih werden, k kunen. 215 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 485 


—= 211,1 der herre, Ih der kunc, k her. 217 = 213,2 vrides, Ih Si- 
frides, k frides; des werte man in, Ih den gwan man im, k dez gweret 
man si. 222 — 218,1 sande der herre Gernöt, Ih er do sande den 
herren @., K.... sant..... Gernot. 227 = 223,2 iu, Ih dir, k euch. 
228 — 224,2 Hagene fehlt Ih, Hagen steht k.. 229 — 225,1 helde, 
Ih recken, k helde. 4 den frouwen an ir mägen tet er diu grezlichen 
leit, Ih manger amien tet er an ir amisen leit, k in Sachssen mangem 
weibe schuff er grofs herczen leit. 240 —= 236,3 mit vreuden, Ih ze 
pfande, k mit freuden. 241 = 237, 2 mit liebe was gescheiden üz..., 
Ih so wol gescheiden waz von ...., k mit gesundem leibe was kumen 
aus .... 243 = 239,4 höchgemuoten, Ih ubermuoten, k hochgemuter 
244 —= 240,2 si mohlen grüezen heren, Ih si dolten michel schawen, 
k di wurden schon empfangen. 248 — 244,3 guot gemach, Ih gemach, 
k gut gemach. 254 = 250,1 künec, Ih wirt, k kunig. 4 dö was ir. 
übermüeten vil harte ringe gelegen, Il furwar si do iahen. er wer ein 
tturlicher degen, k Ir grosser ubermute den feinden was gelegn. 255 
— 251,1 richen, Ih grozen, k reichen. 257 — 253,1 man sol, Ih ir 
sult, k may sol. 259 = 255,2 der künec was im holt, Ih daz im der 
kunc waz holt, k der kunig waz im holt. 4 strite, Ih sturme, k streit. 
260 — 256,3.4 reim bekant — lant, Ih cunt— gesunt, k bekant — lant. 
261 = 257,4 den die im komen solden zuo der Burgonden lant, Ih den 
di comen solten. zer hohzit in daz lant, k den di dar soliten kumen in 
der Purgunder lant. 262 —= 258,4 von schenen frouwen, Ih von den 
fr., k vil manger schonen frawen. 264 = 260, 2 vil frouwen und manec 
meit, Ih manic frame gemeit, k vil manig schone meit. 3 und vil der 
Jungen recken, Ih dar zu den edeln r, k und vil der jungen helde. 
272 = 268, 4 grözer, Ih ganzer, k grosser. 283 —= 279, 2 wolken, 
Ih /uften, k wolcken. 294 — 290,1 getwungen, Ih gedrucket, k ge- 
zwungen. 299 = 295,2 küenen, Ih stolzen, k wunderkuner. 301 —= 
297,4 ouch was er, Ih do waz och er, k auch waz er. 302 — 298,1 
kom, Ih gie, k kam. 304 = 300,1 immer, Ih gerne, k allczeit. 307 — 
303,3 des wurden von den gesten die recken wol bekant, Ih des wurden 
si den gesten. bede wol bicant, k da ward den fremden gesten des ku- 
niges held bekant. 309 = 305,8 aller slahte schande, Ih aller misse- 
wende, k .... schaden .... (verlesen ?). 320 = 316,1b.2b Sivrit der 
helet quot .... des er dä hete muot, Ih der kune man .... des er da 


hete wan, k der degen gut .... dar nach stund im sein mut. Ui = 
323,1 verre, Ih wit, k ferre. 336 = 335,3 eime geiwerge, Ih dem... 
k eim. 338 = 337,4 sus gewan er Prünhilde: dä von im leide geschach, 


Ih da von der kunc Gunther. zem kuenen Sifride sprach, Kk daz er 
gewan Brunhilden darvon im das geschach. 348 — 347,1 gezieret, Ih bicheit, 
k gezire. 349 = 348,3 woldet, Ih werbet, k wolt. 350 = 349, 4 solden, 
Ih muezzen, k solt. 355,4 — 356,3 fehlt Ih, steht k 355, 4 — 356, 3. 
358 — 357,4 Gunther und ouch Sivrit, Ih Sifrit un och Gunther, k Gun- 
ther .... und Seyfrid. 368 = 367,3 alsö si dä gerien, Ih als man 
wunschen solt, k als daz ir hercz begertite. 869 = 368,3 helden, 
Ih recken, k helden. 374 = 373,4 fehlt Ih, steht k.. 376 = 375,3 


486 LUNZER 


ir ros, Ih diu ros, k ir rofs. 4 von schanen frouwen, Ih von den fr., 


k schone frawe. 403 = 402,4 zuo der bürge, Ih zuo der kurigin, 
k zu der purge. 404 = 403,1 sehs unt ahzec, Ih sehzic, k sechs und 
achczig. 406 = 405,4 diu rehten mare, Ih diu mer bescheidelich, 
k di rechten warheit. 426 = 425,1 zuo dem künege, Ih zuo Guntheren, 


k zu dem kunige. 427 — 4%6,2 dannoch mer, Ih viersiunt m., k dan 
noch mer. A min houbel wil ich vliesen, Ih ich muoz daz haupt ver- 
liesen, k mein haubt wil ich verliesen. 431 = 430,3 ligen, Ih inne, 
k ligen. 435 = 434,4 minnecliche, Ih herliche, k minigliche. 436 
—= 435,3 lühte, Ih lieht was, k lauchten. 856 — 851,4 oder, Ih un, 
K Oder. 859 —= 854,1 der künec von Rine, Ih der wirt des landes, 
k der fogkt vom Reine. 863 = 858,1.2 ..... manec schoene wip. Dö 
trüret alsö sere der Prünhilde !ip, Ih .... manc frawe un man So groz- 
lich iruren brunhit bigan, K.... der zweyer kunig weip. Noch tramret 
also sere der schon Brunhilden leip. 3.4 daz ez erbarmen muose die 
Guntheres man: gegän, Ih Daz ez muost erbarmen. al des kunges schar: 
aldar, k Daz ez gund ser erparmen Gunther und seine man: slan. 
864 — 859,1 weinende, Ih truric, k weynet. 878 = 873,3 & fehlt Ih, 
k vor. 852 —= 877,1 rünende, Ih trurende, k heimlich. 890 — 885, 3 
dine wessen niht, Ih Die nicht .... westen, k Di westen nicht. 81 = 
856, 1 diu marc, Ih ir marc, k di marck. 895 = 890,3 wie ich, Ih wa 
mit ich, k Wi ich. müge, Ih sul, k mug. 897 —= 892,4 ich wil im ze 
huole, Ih Ich wil in sine dienste, k Da wil ich sein wol huten. 900 = 
895,2 handen, Ih uf in, k handen. 901 = 896,4 läz ich dich, Ih wil ich 
dich lan, k las ich euch. 903 = 898,4 vristen, Ih bihueten, k fristen. 
905 = 900,4 dö gie er, Ih er schiet, k und ging. 905,5—8 = Idl, 
fehlt K. 908 = 903,3 daz, Ih allez, k daz. 909 = 904,4 dö reit 
er zuo dem künige, der wirt im danken began, Ih Der kunc in grozzem 
valsch. im des danchen bigan, k Da reit zu im der kunig, ser dancken 
er im gan. 914 = 99,4 diu iuch niht füremwise, Ih Un iuch vil selten 
irre, k Di euch nit weisen irre. 915,5—8 = lIdh, fehlt k. 


Dem stehen folgende fälle, wo k mit Ih stimmt, gegenüber: 


66 = 66,2 dä mil er wolde rümen daz Sigemundes lant, Ih wolt 
riten in Guntheres lant, k und als si wollten reiten in kunig Gunthers 
lant. 3 die wurden ouch bereit, Ih..... wol bereit, k waz lobelich bereit. 
79 = 718,1 nu wären dem künege diu moere geseit, Ih do wurden...., 
k da wurden .... 85 = 84,2 ez möhlen ...., Ih si mugen..., ksi 
....mugen. 96 = 95,3 der (Alberich) wände sine herren, Ihrecken 
rechen dä zehant, k der woli di helde rechen. 97 = %,2 si liefen 
an den berc, Ih stubens ...., k si sprungen .... 134 = 131,4 daz 
im in dirre werlde kunde nimmer werden baz, Ih im kund in dirre welte 
nimmer sin gewesen baz, k in mocht beyden auff erden nit sein gewesen 
bas. 136 = 133,1 wie sol daz geschehen, Ih wie daz moht...., k mocht 
mir daz heil geschehen. 149 = 145,1 dö kömen die besien, Ih do 
comen im ...., K da kamen im .... 162 = 158,4 den vanen, Ih di 
panier, k daz paner. 163 = 159,1 unt lät die boten riten, Ih ir l..., 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 487 


k ir land di potenreiten 164 160,1 ze hove giengen dö, Ih giengen 
ze hof do, k gingen gen hofe do. 4A und schuof in sin geleite, Ih un 
gab ...., Ker gab in gut geleite. 1712 = 168,2 den vanen muose 
leiten, Ih die banier muoz fueren, K daz paner furt. 179 = 175,3 wä 
die recken sint, Ih die vinde, k wo di feinde sint. 193 = 189,1 
Liudegast der recke, Ih..... der riche, k her Ludigast der reiche. 
194 — 190,1 ir vanen, Ih die banier, k daz paner. 196 = 192, 1 
gähte, Ih gahten balde, k eilt bald. 206 = 202,4 vor in, Ih von ın, 
k von in. 251 = 41,1 sprach er, Ih sprach der kunic, k sprach 
der kunig. 259 = 255,3 sam wären sine mäge, Ih darzuo sine m., 
k dar zu des kuniges recke. die heten daz gesehen, Ih .... wol g., 
k di heilen wol gesehn. 290 = 286,2 si sprächen zuo dem recken, 
Ih si sprachen herre Sivrit, k si sprachen: edler kunig. 299 = 295, 3 
ze kirchen mit ir gän, Ih mit ir ze kirchen g., k mit in gen kirchen gan. 
304 = 300,1 ich sol iu immer dienen, Ih ich wil ...., kich wil...., 
ähnl. 340 — 339,4. 306 = 302,2 Guntheres, Ih dez kunges, k des ku- 
niges. 311 = 307,2 & daz wir wider riten, Ih .... von hinnen r., K ee 
wir von dannen reiten. 336 — 335,1 Sivrit der muose füeren die 
kappen, Ih Sivrit die cappen fuorte, k Seifrit ein tarenkappen auch 
furtte. 338 = 337,2 ein ieslicher man, Ih wol ein iglich man, k gar 
wol ein iglich man. 340 — 339,1 swie vil wir volkes füeren, Ih ..... 
furten, k wi vil wir held dar furtien. 343 — 342,2 hinnen füeren, 
Ih füeren hinnen, k scheiden von hynnen. 347 —= 346,4 daz komen 
der vil küenen, Ih daz si dar comen wolten, k da si solt zu Seyfride. 
357 = 356,4 wande wir .... hän.... rät, Ih wir wellen haben ... ral, 
k woll wir vollenden. 368 — 367,1 nu bereit, Ih gar bereit, k gar 
schon bereit. 370 = 369,1 für alle die si kömen, Ih alle di ez sahen, 
k all welt wer si ansahe. 376 = 375,1 man truoc, Ih man braht, 
k bracht man. 398 = 397,1 von dem schiffe, Ih uz dem....., k aus 
dem .... 399 = 398,2 sneblanker, Ih snewizzer, k schneweisser. 
426 = 425,3 er solde, Ih du solt, k ir solt. 431 = 430,2 iemen er- 
funde, Ih wart niemen ınnen, k nymant ward jnnen. 434 — 433,1 
gewäfent, Ih verwapent, k verwapnet. 442 — 441,2 üz der helle, 
Ih in der h, kin der h,. 446 — 445,2 sin bruoder Hagene, Ih von 
troni H., k Hagen von Throne. 449 = 448,2 einen swoeren slein, 
Ih .... ungefuegen ...., k ein ungefugen stein. 458 = 457,1 brast, 
Ih schoz, k schofs. 869 = 864,2 kan, Ih mach, k mag. 4 dö heten 
im die helde, Ih Suz heten si dem helde, k So ward dem werden helde. 
872 = 867,2 ze saelden unt ze Eren, Ih ze eren un ze selden, k zu 
grossem heyle und selden. 873 = 868,3 sol, Ih muoz, k mu/s. 890 
— 885,3 wä von, Ih war umb, k warumb. 894 — 889, 4 helt, Ihk degen. 
898 —= 893, 2 wine, Ihk herren. 900 = 895, 2 gerschüzze, Ih gischozze, 
k geschosses. 903 — 898,3 müge, Ih sul, k sol. 908 = 903,1 püde, 
Ihk zeicheu. 915 = 910,4 man, Ih helde, k helt. 


Die anzabl der übereinstimmungen ist also nicht ganz un- 
bedeutend, aber der qualität nach sind sie meist ohne beweis- 


488 LUNZER 


kraft. Es bedarf nicht der annahme gemeinsamer abkunft, 
um tibereinstimmungen zwischen zwei demselben dialekte an- 
gehörenden hss. zu erklären. Eben aus diesem gemeinsamen 
dialekte erklären sich die wichtigeren lesarten, nämlich die 
auf die wortwahl bezüglichen gemeinschaftlichen änderungen 
(panier, paner für vane, geleite geben für g. schaffen, wiz für 
blanc, iglich für ieslich, inne werden für erfinden, schiezen für 
bresien, bringen für tragen, herre für wine, zeichen für bilde), 
ferner der gebrauch der modalen hilfszeitwörter. Vereinzelte 
übereinstimmungen ergeben sich aus gemeinsamem verlesen, so 
riche, reiche für recke, gischozze, geschosses für ger schüzze. 
Wenn man weiter bedenkt, dass sowol I wie k sich ihren vor- 
lagen gegenüber sehr frei verhalten haben, wird man sich nicht 
wundern, dass sie sich auch sonst nicht selten zufällig begegnen. 
Einen schluss auf das handschriftenverhältnis gestatten diese 
übereinstimmungen, von denen es sehr zweifelhaft ist, ob sie 
angesichts der vorlage von k noch bestehen würden, jeden- 
falls nicht. 

Zusammenfassend kann man also sagen: in den bisher 
betrachteten fällen, so weit sie überhaupt entscheidend sind, 
wurde ein zusammenstimmen von k bez. seiner vorlage mit B 
gegen jede einzelne der anderen hss. beobachtet. Insofern 
ist also die eingangs ausgesprochene behauptung, dass k unter 
allen hss. sich am nächsten zu B stelle, gerechtfertigt. Ein 
directer zusammenhang mit B selbst ist daraus noch nicht zu 
erschliessen. Dies wäre erst dann möglich, wenn k offenbare 
fehler, auslassungen oder dinge teilte, die sich mit wahrschein- 
lichkeit als eigentum des schreibers von B annehmen liessen. 
Für eine derartige untersuchung liegt nun allerdings an mate- 
rial fast nichts vor: wenn man überhaupt eine gemeinsame 
vorlage für alle hss. der gem. lesart annimmt (die umstrittene 
frage, ob A eine vorzugsstellung einnehme, kann dabei aus 
dem spiele bleiben), so muss B dieser vorlage jedenfalls sehr 
nahe gestanden haben, so nahe, dass sie uns diese vorlage 
geradezu vertreten kann. Wirkliche fehler oder evidentes 
schreibereigentum weist B in den hier zu vergleichenden partien 
fast gar nicht auf, recht im gegensatze zu den anderen hss, 
namentlich zu I. An der stelle 69,1 = k 68,1, wo B weinten 
für werten der vorlage schreibt, hat k allerdings auch weynet, 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG k. 489 


aber man wird bei der beechaffenheit von k billig anstand 
nehmen, aus dieser vereinzelten stelle einen schluss zu ziehen, 
und andere, die dafür oder dagegen entscheiden würden, fehlen. 
Man wird die übereinstimmungen zwischen B und der vorlage 
von k wol am richtigsten so erklären, dass beide der vorlage 
von B* (der Vulgata) verwant sind und ihr getreu folgten, 
treuer jedenfalls, als dies D und I (je nach dem parteistand- 
punkt kann man auch sagen: als A) getan haben. 

Bei der bisherigen untersuchung wurde der beginn des 
gedichts nicht mit herangezogen. Es finden sich hier im 
strophenbestande und sonst auffallende einzelheiten, die zu der 
annahme zwingen, es müsse in diesen partien ein zusammenhang 
zwischen A, I und k bestehen. 

1) Zuerst zeigt sich dies str. 13,1.2 = K 13,1. 2. 


Gem. lesart und C* AI 
In disen höhen ören troumte Kriem- Ez troumde Kriemhilde in tugenden, 
hilde, der si pflac, 
wie si es einen valken, starc, wie si einen valken wilden züge ma- 
schoen und wilde. negen tac. 
k 


Eins nachtes, da Krenhilde an irem pette lag, 
Ir trawmt si czüg ein falcken auff erd vil manigen tag. 
Es ist offenbar, dass dem schreiber hier die lesart von AI vorlag. 


a 2) Die strophen 16. 17. 18. 19 stehen in A und k in der reihenfolge 
16. 17. 19. 18 (k 17—20), in I fehlen 16. 17. 19. Wahrscheinlich stammt 
also die vertauschung von Bartsch 18 und 19 schon aus der vorlage. Das 
ende von 17 passte nun nicht zum beginn von 19, und I liess die drei 
vom traume handelnden strophen aus, wobei durch aneinanderrücken von 
str. 16 und 18 ein guter übergang erreicht wurde. Dem schreiber von I 
ist ein überlegtes vorgehen ganz wol zuzutrauen, 


3) 18 = %,1..B* C* Kriemhilt in ir muote sich minne gar bemas, 
A In ir vil hohen tugenden der si schoene pflack, 1 Ir liebiu muoter ir 
nach wnsche schone pflac, k Di edel magel schone vil hoher eren pflag. 
A und k scheinen hier die lesart der gemeinsamen vorlage von Alk be- 
wahrt zu haben. 


4) 20.21 = 21. 22. 


B* A I k 
mi Miljoumm Au 
Er a ie 
2 Eurem 13 AR 


Beitrüge zur geschichte der deutschen sprache. XX. 32 


490 LUNZER 


Die verse 20, 7.8 sind also A, I und k gemeinsam. 20,3.4, deren 
ursprünglichkeit durch das zusammenstimmen von B* und A bewiesen 
wird, müssen in der vorlage von I und k ausgefallen (unleserlich geworden) 
sein. Um nun nicht eine halbe strophe mitschleppen zu müssen, wurden 
auch 20, 3.4 ausgelassen, und 20, 1.2 mit 21,3.4 zu einer str. verbunden. 

Gegen die annahme einer verwantschaft zwischen k und AI 
in diesem teile bildet der umstand, dass Bartsch 7—12 in Id 
fehlen, in A und k aber erhalten sind, keine gegeninstanz. 
Der ausfall erklärt sich wol am ungezwungensten graphisch: 
str. 6 und str. 12 haben im ersten verspaar denselben reim: 
kraft — ritterschafli. 


Dass für die ersten strophen B nicht mit der vorlage von 
k stimmte, zeigen str. 1 und 3, die in B fehlen, in k aber vor- 
handen sind. 


Im weiteren verlaufe der aus der Vulgata stammenden 
partie ist ein zusammenhang zwischen k und AI nicht zu 
merken (denn dass Bartsch 102. 103 in allen dreien fehlen, 
ist eine graphisch leicht erklärliche auslassung, die leicht meh- 
reren passiert sein kann). Die nächstliegende erklärung für 
diese auf den anfang beschränkten übereinstimmungen zwischen 
k und Al (die gleichwol gross genug sind, um nicht vernach- 
lässigt werden zu können) ist wol die, dass irgend einmal in 
einer der hss, von denen k stammt, das erste blatt ersetzt 
wurde durch eine abschrift aus einer mit Al verwanten hs. 
Wie viele strophen dieses neue blatt enthielt, lässt sich nicht 
sagen, da in der nächstfolgenden strophenreihe erheblichere 
unterschiede zwischen AI und B* nicht wahrzunehmen sind. 


Es erübrigt noch, zu untersuchen, ob der text von k nicht 
gewisse spuren eines zusammenhanges mit C* aufweise. 


Wenigstens relativ erheblich sind nur die folgenden: 


1) k hat die str. 327. 328 —= Bartsch 330, 5—12, die nur C* besitzt 
(ferner 329 = B 330, 13—16, nur in k und d erhalten). 


2) Es beginnt, wie es scheint, eine neue aventiure mit 322 = B 326. 
Allerdings ist das nur aus der auffällig grossen initiale zu erschliessen. 
Ein wirkliches aventiurenzeichen €) fehlt (der fehler des abdruckes, dass 
mit k 382, also wie in C* eine aventiure beginne, wurde schon oben richtig 
gestellt. Das aventiurenzeichen steht vielmehr bei 388, also wie in B*). 

3) Bartsch 195 = k 191,4. B* & daz wir wider wenden, in wirdet 


sorge bekant, C* ....in der Burgonden lant, k ee daz wir wider keren 
heim in Burgunder lant. 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 491 


4) 379 = 378,1.2. B* Sivrit dö balde ein schallen gewan: von 
stade begunde schieben der kreftige man, C* Der künec von Nider- 
landen ein schalten genam. .... der helt vil lobesam, k Seifrit, der 
degen schnelle, ein starckes ruder nam. Von stal fur er gar balde der 
degen lobesam. k v.3 scheint die übersetzung von v.4 der vorlage zu 
sein, die dann auch näher zu C* gestanden hätte: 

B* 379,4 dö huoben sich von lande die snellen ritter lobesam, C* si 
huoben sich von lande unt wären vrelich genuoc, k 378,3 Da furen si 
von lande und waren hochgemut. 


5) 407 = 406,3 nu lät si tragen hinnen, C* ir sult si län behalten, 
K di schwert di la/st behaltten. 


Diese fälle sind zwar weder entscheidend, noch zahlreich, 
können aber doch zur aufmerksamkeit veranlassen. 

Es sollen daher auch die kleineren lesarten nicht über- 
gangen werden, die k näher zu C* stellen. Die absicht dabei 
ist, zu erkennen, wie weit im äussersten falle die vorlage von 
k mit C* gestimmt haben kanı. 


B16 = 17,3 daz geschiht von mannes minne, C* daz kumt...., 
k Freüd kumpt. 17 = 18,1b sprach si, frouwe min, C* vi liebiu 
frouwe min, k traul edle muler mein. 23 = 24,2 von sin selbes 
muole waz tugende er an sich nam, (* .... tugenden waz zuht er, 
k vil tugent, czucht undere der helt da ansichnam. 34 = 35,4 grez- 
lichen schal, C* vrelichen (D wunniglichen) schal, k ein mwunniglichen 
schal. 40 = 40,3 teilen rölez golt, C* geben ...., K gab si daz rotie 
golt. 42 = 42,2 von den richen herren, C* von des landes h., k da 
keret heim czu lande.... 56 56,4 bekant, C*k wol bekant. 65 = 
65,3 unze man gemworhte, C* unze si geworhten, k bis si... czirtten. 
76 = 715,1 an gemach, C* an ir gemach, K an ir gemach. 2 wie snelle 
er dö sprach, C* zuo den helden sprach, k zu den Burgundern sprach. 
178 —= 711,2 in jenem sale, C* üf j.s. k auff dem sale. 719 — 18,1.2 
diu mere geseit, daz dä komen weren, UC* diu moere nu geseit, daz 
üfme hove weren, k dise mere bald geseit, wi daz gen hof wer kumen. 
93 —= 92,2 si wären, C*k si wurden. 97 — 96,4 dö was, C* dö wart, 
k da ward. 101 = 100,1 den herren, C* den recken, k den degen. 
108 — 105,1 here ich, C*k hort ic. 114 = 111,1 din erbe, C* din 
lant, k dein lant. 122 = 119,1 des aniwurte, C* dö sprach aber, 
k da sprach. 126 = 123,2 mit iuwern hergesellen, C* unt iuwer her- 
gesellen, k ir und di ewren helde. 131 = 128,1 bi den frouwen, 
C* vor den fr., k vor den frawen. 132 = 129,2 in sime sinne, C* in 
sinem muote, k in dem mute. 139 = 136,1 nu nähent, C* dö kömen, 
k da kamen. 144 = 141,4 daz wizzet Üf di triuwe min, C* der sult 
ir äne zwivel sin, k des solt ir sicher sein. 149 = 145,1 dö kömen 
die besten, C* da kömen im die besten, k da kamen im di pesten 
177 = 173,2 vrägen des began, C* ....dö...., K....da.... 18 
= 179,1 der der warte pflac, C* der hie der ...:., k der dort der... 


32* 


492 Ä LUNZER 


190 = 186,4 der vil zierliche degen, C* der üz erwelte....., k der 
auserwelte .... 193 = 189,1 der recke, C* der riche, k der reiche. 
206 = 202,4 vor in, C*k von n. 223 — 219,2 dä freuten sich vor 
liebe, C*.... die schenen, k(3) .... manch schone frawe. 229 = 225,4 
tet er diu grazlichen leit, C* frumt er...., k schuff er gro/s herczen- 
leit (hätte die vorlage iet gehabt, so hätte k schwerlich geändert). 233 
= 229,3 geriten, C* gestriten, k gestritten. 235 —= 231, 2 die hänt 
sö vi gelän, C* .... sö guol g, k di han daz pest gelan. 238 = 
234,2 nie sö manegen gisel man bräht, C* ez enwart nie meniger gisel 
bräht, k es wurden solch gefangen nie ,... bracht, 241 = 237,1 
daz wart rösenröt, C* (wart) vor liebe rösenröt, k ward da in freuden 
rot. 252 = 248,1 ir gemach, C* gquoig., k gut g. 254 = 250, 2 
diu lant wären, C* was daz lant, k daz lani was. 260 — 256,3 wol 
näch sinem willen, C* al n.s. w., k nach allem seinem willen. 4 in 
daz Sigemundes lant, C* heim in sines vater lant, k in seines fater L 
263 — 259, 3 recken, C* degenen, k degen. 278 = 214, 4 von der 
Burgonden lant, C* üzer B. |, k aus der.... 279 = 275,4 ir lohter, 
C* Kriemhilde, k Krenhilde. 284 = 280,4 Sivride dem herren, C* S. 
dem edelen, k Seyfrid dem edlen degen. 290 = 286,2 zuo dem recken, 
C* zuo dem künege, K edler kunig. 291 = 287,2 ime herzen, C* in 
dem muote, k in seinem synne. 295 = 291,2 dorft er, C*k kund er. 
308 — 304, 2 mit dem gesinde hän, C* mit des küneges man, k mil 
mangem werden man. 313 = 309, 1 recken, C* degene, k degen. 
315 = 311,3 vientlichez riten, C* daz si immer mer geriten, k daz sı 
nit mer. her reysen. 319 —= 315, 4 zuo froun Kriemhilde, C* fur fr. 
Kr., k fur Krenhilden. 320 = 316,4 in von der reise gar gewan, 
C* den degen vlögen dö began, k daz wider raten gan. 328 —= 324,1 
diu juncfrouwe, C* diu küneginne, k di kunigin. 329 — 325,3 ich 
mil durch ir minne wägen minen lip, C* durch ir. unmäzen schene sö 
mwäge ich minen lip, k mol durch ir schon und mynne so wag ich meinen 
leip. 340 = 339, 3 die müesen doch ersterben, C* die müesen alle 
ersierben, k daz si all mustlen sterben. Aich sol, C* ich wi, k mil 
ich. 341 = 340,2 dir, C* iu, k euch. : 343 = 342,2 & daz wir 
hinnen füeren, C* .... schieden, k .... scheiden:.... ‘ 353 = 352, 1 
güetlichez. C* minneclichez, K minnigliches. 359 —= 358,3 er sprach: 
ich selbe vierde, zwene mine man, C*. daz bin ich unt Sivrit, und zwene 
mine man, ker sprach: Ich und Seyfride und zwen der meinen man. 
362 = 361, 1 die aräbischen siden, :C* aller hande siden, k di aller 
pesten seiden. 367 —= 366,3 an den se, C*üf d.s, k auff den wü- 
den see. 4 mas von arebeiten we, C* tetir a. w., k let ir scheiden 
wee. 375 = 374,1 der degen riche, C* .... küene, k der kune degen. 
378 = 377,4 vrelichen, C* mil freuden, k mit freuden. 386 = 385, 3 
.... und ich si sin man, C* .... ich si sin eigen man, Kk und ich sein 
dinestman. 386 — 385,4 des er dä hät gedingen, daz wirdet allez 
gelän, C* sö mag uns unser wille harte wol anir ergäan, kK Ich hoff, 
.. so woll wir enden, waz wir im willen han. 388 = 387,3 min selbes 
üp, C* min eigen lip, k mein eigen leip. 392 = 8991, 3 durch ır 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG k. 4193 


schoenen lip, C* vil schene ist ir ip, k si ist ein schones weip. :400 
= 399. 3 dar an, C* dar an sö, k daran so. . 401 = 400, 4 diu vi 
herliche meit, C* diu vil minnecliche m., k di minigliche meit. 405 
— 404,1 diu burc was .entslozzen, vil wile df getän, C* diu porte stuont 
enislozzen, diu burc Df gelän, k di burck si füunden offen, daz tor wai 
auf gelan. 409 = 408,2 unkunde, C* vremde, k fremde. 436 — 
435, 3.der lühte, C* die lühten, k di lauchten. 446 —= 445,3 diu 
swert, C* unser swert, k unsern waffen. 876 —= 871,3 ritter, C*k 
recken. 877 = 872,2 daz wart dö, C* dö wart ez, k da ward es. 
880 — 875,4 der künec begonde zürnen, do er diu meere bevant, C* do 
begunde zürnen Gunther, als ob ez im woere unbekant, k Der kunig 
part dem geleiche, sam zurnel er gar ser. 881 = 876,1 die meinreelen, 
C* die trügenere, k di falschen poten. 889 = 884, 2 wir komen, 
C*k ich kum. 892 = 887, 1 Nu wol mich, C* So wol mich, k So 
wol mir. 905 = 900,3 dö was dä mite verräten der Kriemhilde man, 
C* dä mite was verräten der vil küene man, k Dar mit so waz verraten 
der mwunderkune man. 911 = 906,3 Waskenwalde, .C* Otenwalde, 
k Ottenwalde.!) 


Aus dieser durchsicht ergibt sich: 


1) In den wichtigeren differenzen, die das charakteristische 
von C* ausmachen, hat die vorlage von k 1—458. 850— 910 
(911) (abgesehen von den wenigen zuerst namhaft ge- 
machten fällen) durchgängig auf seiten von B* gestanden. 

2) Um die anderen, zahlreicheren lesarten, die mit C* stim- 
men, einschätzen zu können, müsste man wissen, ob sie 
schon in der vorlage gestanden haben. Das lässt sich 
mit unseren bisherigen mitteln nicht entscheiden. Aber 
selbst angenommen, in allen diesen fällen hätte k die 
lesarten seiner vorlage getreu widergegeben, würde man 
angesichts von punkt 1 sich nicht zur annahme einer ver- 
wantschaft mit C* entschliessen, sondern die überein- 
stimmungen als zufällige ansehen. 


Für den übrigen teil des gedichts, die str. 459—849 und 
911 (912) — 2442 liegen die verhältnisse einfacher: die bruch- 
stücke E und G entfallen ganz, die anderen fragmente mit 


ı) Die letzte lesart wäre von wichtigkeit. Der schreiber von k hat 
aber aus dem Siegfriedsliede gewusst, dass Siegfried im Odenwalde er- 
mordet ward, und kann die änderung selber vorgenommen haben. Mög- 
licherweise rührt sie auch von dem her, der die hs. der gruppe C* aus 
B* ergänzt hat und die ortsangabe mit der späteren in einklang bringen 
wollte. Zur beurteilung des handschriftenverhältnisses ist sie jedenfalls 
fast wertlos. Ä Ä 


494 LUNZER 


ihren ganz geringen abweichungen liefern zu wenig material. _ 
Von hss., die das ganze gedicht enthalten, sind nur C und a 

vorhanden. Von keiner dieser beiden war die vorlage von k 
direct abhängig, da k ihre lücken nicht teilt. Bartsch 2034, 4» 
— 2035, 4® fehlt C, steht k 2081,4°—2082, 4. In a fehlen B 722,1 
— 777,4 und 2035, stehen aber k 716, 3 — 772 und 2082. 


Die hss. der gruppe C* stimmen mit einander so gut über- 
ein, dass aus ihren ganz geringen differenzen sich kein anhalts- 
punkt ergibt, welcher von ihnen die vorlage von k am nächsten 
gestanden habe. Es bleibt also nur noch übrig zu fragen, ob 
k nicht hie und da zu B* stimme. 

Was zunächst die plusstrophen von C* gegenüber B* an- 
langt, so sind sie alle auch in k vorhanden. Die strophen 
von B*, die in C* fehlen, fehlen auch in k, mit folgenden aus- 
nahmen: 


1) Bartsch 2035 = k 2082, schon oben erwähnt. Die strophe fehlt 
auch in C* nur durch ein versehen. 

2) Bartsch 2321 = K 2378. Die strophe steht aber in k an anderer 
stelle als in B*, und zwar wie Zarncke (ausg. 420 f.) meint, ‘an pass- 
licherer stelle”. Darüber liesse sich streiten: denn allerdings unterbricht 
sie nun die klage Dietrichs um seine mannen nicht, dafür schliesst sich 
aber B 2321, 1 nicht recht an B 2323,4 an. Vermutlich hat also auch diese 
strophe ursprünglich in der vorlage von k gefehlt, war aber dann nach- 
getragen worden, und zwar an den schluss der aventiure, der allerdings 
in k nicht markiert ist. 


Der strophenbestand deutet also nicht auf verwantschaft 
mit B*. Ebensowenig ist das der fall mit den entscheidenden 
lesarten. Im einzelnen weist k allerdings nicht wenige lesarten 
auf, die mit B* zu stimmen scheinen. Von diesen lassen sich 
aber ganze gruppen als fast ganz bedeutungslos ausscheiden. 


Hierher gehören fälle, wo k in scheinbarem anschlusse an B den 
namen, C* eine umschreibung (titel, epitheton u. dgl.) anwendet, so 529 
— K525,2. 541 = 535,1. 549 = 543,1. 630,3 — 624,1. 666,1 — 659, 3. 
‘90 = 184, 4. 846 = 8541, 2. 97 = 963, 1. 1001 = 999, 1. 1005 = 
1004,2. 1055 = 1052,2. 1091 = 1089, 4. 1136 = 1137,4. 1164 = 11741. 
1181 = 119,3. 1236 = 1247,2. 1240 = 1251,1. 1311 = 1325,1. 1312 
= 1326,4. 1355 = 1370,4. 1358 = 1373,4. 1383 = 1398, 3. 1508 = 
1529,3. 1513 = 1535,1. 1618 = 1649,2. 1727 = 1758,4. 1737 —= 1766, 4. 
1811 = 1839,1. 1864 = 1897,1. 1930 = 1973,1. 1973 = 2017, 4. 2019 
— 2064,3. 2054 = 2100,3. 2104 = 2154,1. 2131 = 2182,2. 2256 = 
2310,1. 2298 — 2353, 3. 

Ebenso, wenn das umgekehrte eintritt: 703,2 = 698,4. 1028 = 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG k. 495 


1027,3. 1159 = 1169,1. 1161 = 1171,3. 1357 = 1372,1. 1615 = 1646,3. 
1740 = 1769,4. 1899 = 1934, 3. 2353 = 2411, 2. 

Oder, wenn eine umschreibung durch eine andere ersetzt wird: 520 
—= 517,1. 602,1 = 594,3. 618,1 = 611,3. 664,3 = 658,1. 707,3 = 703,1. 
727 = 722,2. 786 = 780,2. 792 — 786,3. 793 = 787,2. 803 = 797,1. 
808 — 802,4. 832 = 827,3. 835 = 830,2. 972 = 968,2. 973 = 969,1. 
991 = 987,1. 1036 = 1035,4. 1166 = 1176,3. 1167 = 1177,3. 1235 
= 1246,1. 1306 = 1320,4. 1318 = 1332,2. 1342 = 1356,1. 1383 = 
1398,1. 1408 = 1423, 1. 1408 = 1423,2. 1412 = 1427,1. 1548 = 1574, 2. 
1596 = 1627,4. 1628 = 1659, 1. 1813 — 1841,3. 1822 = 1853, 4. 2126 
—= 2181,2. 2257 = 2311,3. 2258 = 2312,3. 

Endlich, wenn ein lobendes epitheton (küene, riche, werde, schoene, 
edel u. dgl.) die übereinstimmung mit B* herbeiführt: 462 = 461,2. 
598,3 = 592,1. 815 = 811,3. 821 = 817,4. 996 — 99,2. 1189 = 
1200,4. 1213 = 1224,1. 1327 = 1341,2. 1356 — 1371,4. 1421 = 1437, 3. 
2188,1 = 2240, 3. Ä 


Ebensowenig wert ist darauf zu legen, wenn an stellen, 
wo C* einen selteneren, gewählteren ausdruck gebraucht, k mit 


B* sich in einem gebräuchlieheren berühren. 

499 = 498,4 ich heize Sivrit, C* ich bin ez Sifrit, k ich hais Sey- 
fride. 544 = 538,4 ze grözem schaden komen, C* harte schedeliche k., 
k zu grossem schaden kumen. 552 — 546,2 wä ist min bruoder Gun- 
iher, der edele künec rich, C* war ist komen min bruoder, Gunther, 
der künec rich, k Wo ist Gunther, der edel kunig reich. 620,2 = 
613, 4 von herzen leit, C* sö grimme leit, k von herczen leit. 642,4 
—= 636,2 ruorte, C* mohle gereichen, k mocht angeruren. 708,2 = 
103, 4 liten, C* dolten, k litten. 767 — 7162, 3.4 dö erbeizten si ze 
tal von rossen untl von moeren, C* dö stuonden si ze lal nider von den 
moeren, K si bei/sten!) ab zu Tal voniren guten rossen. 169 = 763, 2 
des sagte in dö danc, C* des bat si haben danc, k des saget er in 
dangk. 781 = 775,2 wizzen, C* gelrouwen, k gemweste. 820 = 
816,1 verstän, C* vervan, k verstan. 852 = 847,3 wer hat iu gelän, 
C* waz ist iu gelän, k wer hat euch leit getan. 943 = 938,1 Daz 
jaget, C* Daz pirsen, k Daz jagen. 988 = 984, 3 gröziu nöt, C* michel 
n., k grosse nut. 1024 = 1023, 3 friunde, C* mäge, k freunde. 1072 
—= 1068, 2 grözen leide, C* starken leide, k grossem leide. 1095 = 
1093, 1 än geleite, C* ungeleitel, k an geleitte.e 1133 = 1134,3 min 
mäc, (* mir.... sippe, k mein mage. 1168 = 1178, 4 ich tuon dirz 
gerne bekant, C* daz sol werden dir bekant, k daz thu ich euch be- 
kant. 1176 = 1187,4 man schuof in herberge, C* man hiez si her- 
bergen. k man schuff in herberg. 1183 = 1194,2 gote mwillekomen, 
C* gröze mwillekomen, k gotwilkumen. 1190 = 1201,4 ich tuonz iu 
gerne bekant, C* ich solz iu sagen hie zehant, k Daz thun ich euch 
bekant. 1199 = 1210,4 daz hiez ir min herre sagen, C* diz bat iu 


1) bei/sen in k ganz gebräuchlich. 


496 LUNZER 


der künec sagen, k hei/st euch mein her auch sagn. 1225 —= 1236, 4 
truoc (kleider), C* het, k trug. 1227 = 1238,1 hiez, C* bat, k hiez. 
1234 = 1245,4 vor herzenlicher leide, C* für herzenliche swerre, k leit 
und jamer. 1248 —= 1259, 3 schande, C* gröz itewize, k spot und 
schande. 1282 — 1292,1 wä sint die vriunde min, C* mwä nu [riunde 
min, k mwo sein di freunde mein. 1294 = 1307,1 richiu kleit, 
C* pfäwenkleit, k reiche kleit. 1346 = 1360, 1 di fuortens in tr schar, 
C* die hetens ...., k furt. 1350 = 1364,2 fruogen ır (diu kleit), 


C* hablen, k irugen. 1395 = 1410,3 einen heidenischen man, (C* einen 
heiden man, k ein heydenischen man. 1416 —= 1432, 4 ob ich ein ritier 
were, C*.... hieze, k ob ich wer en rilter. 1427 = 1443, 4 nıht 
gewizzen, C* ungewizzen, k nicht gewissen. 1462 = 1478,3 solde 


wirz dar umbe län, C* .... dar durch ...., k dar umb woll wirs nit 
lan. 1473 —= 1494,3 driu tüsent oder mer, C* .... unde mer, k... 
oder mer. 1490 = 1511,4 daz si mit in fuorlen, C*.... brähten, 
k.... furen. 1494,4 = 1515,2 si Üten harte balde, C* si begunden 
vaste gähen, Kk Und eyltten. 1503,3 = 1524,1 gevallent, C* zement, 
k gfallen. 1534 = 1559,1 tougen, C* sanfte, k heimlich. 1541, 3 
— 1567,(3) beliben, C* gelegen, k bliben (v.2). 1519 = 1575,3 bi 
dem wazzer, C* bi der flücte, k bey dem wasser. 1566 = 1591,4 dö 
wart von den degenen gevräget Hagene genuoc, C* dä von sö muose 
Hagene haren frägen genuoc, k Hagen der ward gefragetl von mangem 
ritter klug. 1581 = 1608, 3 warf, C* stiez, k warf. 1586 — 1617, 3 
irre varn, C* vervarn, k irre farn. 1642 = 1673,4 im heten leide 
gelän, C* im heten etewaz gelän, k hetten im leit getan. 1643 = 
1674,2 abe gurte, C* von im gurte, k abgurtte. 1649 = 1680,1 Dö 
Uten zuo den rossen, C* Von gähen zuo den rossen, k Si eiltten all 
zu rosse. 1653 = 1684,2 herlichen, C* maneger hande, k aller peste. 
1750 = 1780, 4 werrliche leit, C* grozlichen leit, k sicher leit. 1783 
—= 1811,1 leit über siniu bein, C* der leit über bein, k legt uber seine 
bein. 1809 —= 1837,4 gesinde, C* gedigene, k hoffgesinde. 1816 
— 1844,2 in Kizeln hof, C* ze Etzeln bürge, k zu hofe (fur kunig 
kizel). 1829 — 1861,3 daz sich geleget höten die mwetlichen man. 
C* .... engestet ..... ellenden, k Da sich nun het geleget vi manig 
mwerder man. 1851 —= 1884, 2 die wären niht enein (im singen). 
C* zugen niht enein, k waren nit uber ein. 1924 = 1966, 3 ich was 
ein wenec kindel, C* .... ein vil kleiner kneht, k....einkint. 1943 
— 1986.1 ABI wichet, C* stet Üf die anderen mit, k weichet. 1948 
— 1991,3 etesliche, C* sumeliche, k Etlicher. 1974 = 2018, 3 gröze 
nöt, C* vi starke nöt, K grosse not. 1983 = 2027,2 nu hüf mir, 
ritter edele, mit dem libe dan, C*.... von dem sedele, ritier, von in 
dan, k Nun helfft mir, edler degen, daz ich hie kum dar von. 2051 
— 2097,1 du muost des tödes wesen, C* du solt der mine wesen, k Es 
mu/s dein ende sein. 2091 = 2141,1 gröziu nöt, C* starkiu n., 
k grossen. 2121 = 2172,2 wenent, C* wellent...mwwnen, Kk meinen. 
2135 — 2186,3 diu grazlichen ser, C* diu ungefüegen ser, K gro/s 
jamer unde ser. 2136 = 2187,2 disen grözen jämer, C* starken ...., 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG k. 497 


k.... grossen..... 2191,1 = 2243, 3 pillichen, C* wol von schulden, 
k billich.  2193,4 = 2246,2 gehelfen, C* gefrumen, k hilft. 2233,4 
— 2287,2 jümer, C* smere, k jamer. 2329 = 2384,3 waz het ich 
iu gelän, C* waz ist an mir gelän, k waz hab ich euch getan. 2365 
= 2425.3 grimmeclichen, C* gremeliche, k grymmiglichen. 2371 = 
2432,3 schatz, C* hort, k schatz. | 


Hierher zählen noch übereinstimmungen zwischen k und B* 
gegen C* im gebrauche von hilfszeitwörtern: 726 = 721,1. 738 
== 733,3. 766 = 761,2. 8283 — 823,4. 1145 = 1155, 1. 1451 = 
1467, 1. 1482 — 1503, 2. 1509 = 1531,2. 2051 = 2097,1. 

Es ist endlich noch eine reihe von übereinstimmungen auf- 
zuzählen, die sich in keine der bisherigen gruppen recht ein- 
fügen Bar: 


461 = 460,3 kraft, C* hant, k kraft. 471 = 40,4 Sam ers 
niht enwesse, C* sam vb er ir nihl ensehe, k sam er dar umb nit 
weste. 486 — 485,4 innerthalben stän, C* inrethalben dran, k in- 
wendig stan. 524 = 520,2 die mit ir varn solden ze Burgonden dan, 
C* die mit ir ze Rine solden varn dan, k Die mit ir soltten faren hin gen 
Burgunden dan. 572,1 = 566,3 sach man für gan, C* hiez man 
komen dan, k sach man loblich her gan. 585,1 =579,3 was komen 
übere, C* was komen selbe, k kam zu lande. 801 = 795,2 vremder 
geste, C* deheiner 9, k fremden gesten. 3 alles des si gerten, 
C* allez daz si wolden, k Wes si von hof begertten. 827 = 822,3 
der beider künege man, C* der zweier k. m., k ir beider dinestman. 
922 = 917,1 Ich fürhte harte sere, C* Ja fürhte ich, herre Sifrit, 
k Wann ich furcht also sere. 930 = 925,3 da bi wir mügen bekennen, 
ich und die herren min, C* dä bi wir bekennen, ich und der herre min, 
k Dar bei wir mugen kennen, ich und di herren mein. 941 = 936, 4 
vier und zweinzec ruore, C* vier unt drizec r., k vir und zweinzig 
ruden. 988 — 984,2 von siner wunden (sing.), U* von sinen wunden, 
k aus seiner wunden. 1003 = 1002,3 Sifriden alsö töten, C* Sivride 
den herren, k Seyfrid den toden. 1052 = 1051,2 Dö huop sich gröz 
gedranc, C* vl gröz wart der .., k da hub sich grofs gedrang. 1098 
— 1096,1 Dö gab in guot geleite, C* .... sin geleite, K.... gut ge-. 
leitte. 1200 = 1211,2 si hoeret minen willen (= Kriembild), C* sö 
heret m. mw. (gerichtet an die boten Etzels), k Daz leit an meiner 
schwester (= Kriemhild).!) 1213 = 1224,3 Eren, C* liebes, ker. 
1227 = 1238,2 vor ir (vor Kriemh.), C* vor in (vor den gesandten), 
k vor ir. 1244 = 1255,3 sö ist künec deheiner, C* söistir deheiner, 
k So lebt kein kunig noch herre. 1270 — 1280,3 Kriemhilt ir kamere 
ensliezen began, C* Kriemhüt hiez ensliezen balde ir kameren dan, 
k Krenhüt ir reiche kamer auff schlissen da began. 1272 = 1282, 4 


1) Die stelle ist umstritten; vgl. Paul, Zur Nibelungenfrage, SelT, 
3,471. 


498 LUNZER 


ich weiz wol waz Kriemhilt mit disem schatze getuot, C* .... daz diu 
frouwe wunder mit dem schatze tuot, k Ich weiz wol, waz Krenhilde noch 
mit dem schatze tut. 1283 —= 1293, 3.4 sö hän ich iu mit iriuwen gedienet, 
sprach der degen, und mil unz an min ende des selben bi iu pflegen, 
C* sö entweich ich iu nie triumwen, sprach der küene. degen, unt wil in 
immer dienen die wil wir beide leben megen, k Seit hab ich euch ge- 
dinet trewlich zu aller zeit Und tu daz an mein ende, weil mir got leben 
geit. 1374 —= 1389,1 Wärbel unde Swemmelin, C* Smwemmel unde 
Werbel, k Werbel und Schwemlein. 1136 = 1452,4 unt enpfie si 
minnecliche, C* unt lief in engegene, k Enpfieng si tugentliche. 1438 
= 1451,1 Si giengen zuo dem mwirte, C* Er brähtes zuo dem wirte, 
k Si kamen fur den kunig. 4 Wärbel, C* Swämmel, k Werbel. 1455 
= 14711,3 so ist leider mir ze verre, C* jä ist mir ze verre, k So ist 
mir laider ferre.. 1503,4 = 1524,2 wille, C* herze, k willen. 1532 
— 1557,4 daz ze beden ecken harte vreislichen sneit, C* daz ze sinen 
ecken harte pitterlichen sneit, k Und daz zu beiden ecken gar freyssam- 
glichen schreit. 1578 = 1605,3.4 vil zornec was gemuot ... daz dühte 
niemenne guot, C* zornec was genuoc .... daz düht si michel ungefuoc. 
k gar grymmig waz sein mut ... Daz taucht ir keinem gut. 1580 = 
1607,1—3 und schulte sine wät .... daz sin niht weere rät, daz im für 
meere sagelen diu wilden merewip, C* und schutte sin gewant .... daz 
ez were ungewant daz im & dä sageten diu wisen merewip, k und 


schut di seinen wat .... daz ir nit wurde rat. Als im dort sagien ware 
di wilden wasserweip. 1587 = 1618,4 in der Burgonden lant, C* heim 
in unser lant, k in der Purgunder lant. 1603 = 1634,2 wir suochen 


unser vinde und haben her näch gerant, C* wir haben unsern vinden 
dä her näch gerant, k Wir suchen unser feinde, den sey wir nach 
gerant. 1612 = 1643,3 ein vil michel stücke, C* mol gegen einer 
ellen, k Daz er fü zu stucken. 1671 = 1701,4 den unkunden gesten, 
C* den vil lieben gesten, k der fremden geste. 1730 — 1760, 2.3 ich 
heere alle morgen weinen unde klagen mit jämerlichen sinnen daz Etzelen 
wip, C* mwan alle morgen frücje w. u. kl. heer ich vil jämerliche d. E. 
w., Kich hor alle morgen ser weynen unde klagn Und winden irer 
hende des kuning Litzels weip. 1765 = 1794,2 des er gerte, C* daz 
er wolde, k daz sein hercz begertte. 1807 = 1835, 3 ein tiwerlicher 
degen, C* die heiten sich bewegen, K zwen wunderkune degn. 1808 = 
1836, 2 daz langer nihtl enlie, C* daz niht langer lie, k da lenger nit 
enlie.') 1817 = 1845, 3 alles des si gerten, C* unt allez daz si wolden, 
k Waz man zu hof begertte. 1850 = 1883,2 wecken, C* vrägen, 
k auf wecken. 1880 = 1914,2 Rämunc und Hornboge, (* Hornboge 
unt Rämunc, k Ramung und Hornebrande. 2008 = 2054,1 in dem 
sale, C* in dem hüse, k in dem sal. 2009 = 2055,4 rede vl spache, 
C* rede genuoge, k manch fremde rede. 2048 —= 2094, 2 von dem 
slage grö2, U* daz was gewesen gröz, k waz im von schlegen gro/s. 


ı) Ganz unbedeutend; aber die partikel en- gebraucht k fast nur, 
wenn sie in der vorlage stand, 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 499 


. 977 = 23123,1.2 die komen in daz hüs von swerten sach man blicken 
vil manegen swinden süs, C* die komen dar in. si erzeigten drinnen 
ir degenlichen sin, k di kamen in den sal Da hort man von in allen 
ein klegelichen schal. 2116 = 2166,1.2 Nu löne iu got, her Hagene 
.... daz ich von iuwer lere, C* Nu lön iu got von himele .... daz ich 
von iurem röte, k Got danck euch, edler Hagen .... Den ewren ler von 
trincken. 2266 = 2320,3 mit starken verchnunden, C* mit sinen 
tiefen wunden, k Bis in den tot verhawen. 2371,2 = 2132,2 und 
ouch her Gernöt, C* Dancwart und Gernöt, k und auch der kunig 
Gernot.') 


Damit wären alle lesarten, die mit B* stimmen, so weit 
sie nur halbwegs auf beachtung anspruch erheben können, auf- 
gezählt. Auf das urteil über das handschriftenverhältnis wird 
man ihnen, da sie trotz ihrer anzahl meist ganz bedeutungslos 
sind und alle zufällig sein können, einen einfluss nicht ein- 
räumen. | Zn 

Es bleiben also auch nach dieser durchprüfung die zu 
eingang dieses abschnittes gemachten angaben bestehen. 


Was sich abgesehen vom handschriftenverhältnis über die 
vorlage erschliessen lässt, kann bei der beschaffenheit von K 
nur fragmentarisch sein, genügt aber doch, zu erweisen, dass 
die vorlage ihrem alter nach den anderen alten Nibelungenhss. 
nicht nachstand. 


Einiges von ihrem graphischen gebrauch schimmert in 
k noch durch. 


Für mhd. / und v schreibt der bearbeiter fast ausschliesslich f, 
v ist nur in den wörtern vor, von, vil üblich. Dass die vorlage v auch 
sonst oft gebrauchte, ergibt sich daraus, dass der schreiber diesen buch- 
staben in fällen, wo er das wort des originals -beibehielt, gleichfalls be- 
wahrte: vesper 593,3. 810,1. vigilge 1061,4 (vorl. bevilde). vil (= fiel) 
897,3. 984,1. vilen (— fielen) 1296, 3. 2119, 3. vielen 919, 3. vir 31,1. 398, 1 
(vorl. vi). 440,3 (aus v.2 der vorl.). 536,1. 552,3. 639,2. 932,2. 936, 4. 
1059, 1. 1122, 3. 1169, 2. 1356, 3. 1424,1. 1650,1. 1825, 3 (vorl. vi). 1954, 1. 
2159, 2. vire 328,1. virzig 828,1. virczeh 166, 2. vol 250, 2. 951,2. 1058, 3. 
1126, 3. 1454, 1. 1823,2 (vorl. von). :2143,1. 2183,4. 2220,2. Die schreibung 
hat dann der bearbeiter, der ja auch worte und sachen aus der vorlage 
gelernt hat, gelegentlich auch angewendet, ohne unmittelbar durch den 
alten text dazu veranlasst zu sein: vi (= fiel) 1409, 4. vir 402,4. 408, 2 
639, 3. 948,3. 2091,2. vire 417,4. vol 462,2. 779,4. 1386, 3. 1462, 2. valen- 
tein 835,2, valentynne 2068, 4. Volcker 1790, 3 (an einigen stellen, wo die 
hs. / schreibt, bietet der druck v: vater 52,1. 884,1. 1067,4. vant 2363, 4. 


ı) Dankwart fehlt also in B* und k. 


500 LUNZER 


vechten 2389,3). Ein compromiss deutet eine ligatur aus V und / an: 
Vfart 1616,1. Vfolcker 2021,1. | | 

Anlautendes b, das in der hs. vor vocalen mit p kämpft, jedoch so, 
dass p etwas überwiegt, scheint in der vorlage häufiger gewesen zu sein: 
in den vom bearbeiter selbst herrührenden reimwörtern verhält sich b:: p 
= 1:1 (175 :19p, also wie sonst im gedicht), dagegen ist-in den bei- 
behaltenen reimwörtern der vorlage 5:9 =3:1 (107 5:31 p). 

Dass die verhärtung auslautender media zur tenuis im original noch 
durchaus gesetz war, lehren gleichfalls die reime. Im versinneren kennt 
diese der bearbeiter im praeteritum der starken verba nicht (die fälle 
12,2 fant und 249,4 bleip sind ganz vereinzelt; 87,2. 980, 2 hat die hs. 
fand, 2419,4 treib, nicht fant und {reip, wie der abdruck). Wol aber 
findet sie sich nicht selten im reime, und zwar nicht nur in fällen, wo 
das eine reimwort zur änderung des anderen nötigte (wie starck : barck 
574,3.4), sondern auch, wenn die bindungen nach dem lautstande der 
sprache des. schreibers ebenso genau gewesen wären (z.b. erklangk : 
sanck, praet. von singen, 1089,1.2). Diese fälle (es sind etwa 40) sind 
natürlich besonders beweisend. Auch die in den reimwörtern besonders 
häufige schreibung d{ und 9% ist hier heranzuziehen. 

Der reim ferck : werck 2262, 1. 2 beweist für das original die 
schreibung verch : werch, vgl. noch marschalch : befalch 1765,1.2 (sonst 
immer marschalck u. befal), virczeh 166, 2 (sonst immer -zig), Azagoch 438, 2. 

Mhd. ei war in der sprache des bearbeiters zu ai geworden. Die 
schreibung ai, ay nimmt aber gegen ende des gedichts immer mehr ab. 
Sie findet sich str. 1—100 31 mal, 100—200 7 mal, 300—400 7 mal, 400-500 
7mal, 500—2442 20mal. Ursache dieses zurückweichens war wol das 
original, das ein ai nicht kannte, 

Mhd. ou erscheint immer als au, aw. Die spur eines einflusses der 
vorlage zeigen die zwei wörter hobei 2430, 3 (offenbar gedankenlos nach- 
geschrieben, sonst stets haubel) und Azgoch 438,2 (als eigenname nicht 
in den dialekt des schreibers übersetzt, in denen es A/sagauck heissen 
würde). 

Nachwirkung von 2 lässt sich nicht nachweisen. Im gegensatze zur 
ausgabe schreibt die hs. 4, 3 Geiselhere, 28,4 reiche, 1090, 2 kurczewevle, 
1815, 2 gereyltien, 2380, 2 seinen). 

Einiges ergibt auch die formenlehre. In der 3. sg. praes. ind. der 
stv., in deren praes. die stammvocale ? und e wechseln, ist das -e der 
endung -et immer synkopiert. Die form hilffet 1604,2. 1941,4. 1958, 3. 
2113,2 ist an allen diesen stellen direct aus der vorlage übernommen. 
Die partt. praet. der schwachen verba haben bei ‘rückumlaut’ stets die 
synkopierte, nie die volle form: verschrancket 2023, 3 stammt aus der 
vorlage. Der sprache von k hätten entsprochen verschranckt, verschrenckt 
oder verschrencket. Das praet. von schreien heisst in k schrei, 496, 3 u.d. 
ist schre aus dem originale des reimes wegen libernommen. Von la/sen 
kennt die sprache der hs. nur das praet. lies und vermeidet die form 
lie gern auch im reime, vgl. B 1911,1 = k 1949, 1. B 2106,4 = k 2156,4. 
B2271,1 = k2325, 1. Beibehalten wird sie im reime 593, 4. 838, 1. 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG k. 501. 


Ebenso führt K, wo es angeht, an stelle von gie gieng in den reim ein, 
z. b. 347,3.4 = B 348, 3.4 (: enpfie), lüsst es aber notgedrungen un- 
geändert 593,3. 838,2 (: lie). Im praes. der verba mhd. gän, stän ge- 
braucht k formen mit a« und solche mit e nebeneinander. Die ersteren 
sind vorwiegend im reime beliebt, die anderen werden im innern des 
verses vorgezogen. Reime der vorlage zwischen gät und siät, gän und 
stän, wo eine änderung in beiden wörtern leicht gewesen wäre, bleiben, 
z.b, 305, 3.4. 384,3.4 — 85,3.4. 279,1.2 (ebenso werden formen mit a 
angewendet, wenn beide worte erst durch k an stelle eines anderen 
reimes auf -äl, -An eingeführt werden, z.b. 52,3.4. 356,3.4). Im ind. 
praes. plur., im conj. praes. und im inf. von mhd. wellen ist in der 
sprache des schreibers bereits das o eingedrungen. Aus der vorlage 
stammen 1. pl. ind. wellen 2305,1. well 349, 3. 2. pl. ind. welt 1112,4 r. 
3. pl. ind. wellen 2307,3. 1. sg. conj. well 1169, 4. 2.2g. conj. wellest 650,1. 
3. sg. conj. welle 329, 1. 1268, 3. 1819,3. Nur eine solche form hat Kk selbst 
eingeführt: 3. sg. conj. well 1806, 1, vermutlich, um einen reim auf hell zu 
gewinnen. Das praet. von mhd. wellen und suin heisst in k wollte, wolt 
und soltte, solt. wolde 1092,2 und solde 615,4. 832,1 gehören der vor- 
lage an. Als 3. pl. ind. praes. des verbums subst. erscheint in k die 
aus dem .conj. eingedrungene form sein. sint findet sich nur im reime, 
und ist überall aus dem original übernommen: 175,3, 269,4. 350, 2. 509, 2. 
645, 3. 690,4. 874,3 u.ö. Eine 1.pl. imp. kennt k nicht mehr. Wo sie 
sich in der vorlage fand, ist sie durch die 2. pl. imp. oder durch die 
1. pl. ind. conj. praes; ersetzt worden (d. h. es tritt das pronomen wir 
an). Doch. ist das alte beibehalten 1303,1: und tun furbas bekant.. 

Die negationspartikel en- ist nicht mehr in gebrauch. Sie ist nur 
an einigen stellen stehen geblieben, wo sie sich in der vorlage fand, 
so 537,4. 844,4. 865,2. 980,1. 1155, 2. 1436, 1. 1783,2. 1836, 2. 1881, 2. 
2325,1. Nur 1232, 4 (und 671,3?) hat das en, wenigsteng nach ausweis 
unserer hss,, kein vorbild im original, | 

Auf dieselbe stufe führen metrische erscheinungen. Dakty- 
lische wortformen kann k nicht anwenden und vermeidet sie ganz. Doch 
ist 1877, 4 Schlaffenden beibehalten. Die zweisilbigen reime des originals, 
die auf. -e ausgehen, und zwar sowol die. stumpfen .wie.die klingenden, 
macht k einsilbig, was sich in weitaus den meisten fällen einfach durch 
apokope des -e bewerkstelligen liess, z. b. 357,1.2. 359,1.2. 687,3.4. 
1106,3.4. 2352,1.2. — 777,5.6. 2070,1.2. Die zweisilbigen reime auf 
-en hätte der bearbeiter grundsätzlich auch entfernen müssen. Zu anfang 
macht er auch wirklich den versuch, aber die sache war ihm offenbar 
zu schwierig und unbequem, und sein eifer erlahmt bald ganz. Von str. 
1--100 ‚sind 9 von den 14 zweisilbigeu reimen beseitigt, von str. 100-200 
11 von 19, von str. 200—300 nur noch 4 von 24, und von da ab finden 
aur noch vereinzelte änderungen (kaum aus metrischen gründen) statt. 
Ja der schreiber hat sich mit der eigenschaft seines originals bald so 
abgefunden, dass er selber zweisilbige reime einführt, und zwar zuerst 
schon 98, 3.4, dann 150, 1.2. 326,3.4. 374, 1.2. 436, 3.4 u.o. Er begnügt 
sich, das flir ihn anstössige dieser reine dadurch aus der welt zu schaffen, 


502 LUNZER 


dass er im reime -n statt wie sonst -en oder -2 schreibt (ausser nach m, 
2.b. kume : genume. Aber auch solche macht er selbst, z.b. 1472, 1.2). 
Die nicht zahlreichen reime auf -er erscheinen ungeändert 213, 1.2. 668, 1.2. 
1296, 3.4. 1658, 1.2. | | 

Dreisilbige bindungen sind in k unmöglich, weil die silbe, die 
mhd. den reim getragen hatte, abgefallen ist. Reime wie Hagene : sagene 
werden daher zweisilbig, bez. scheinbar einsilbig: Hagn : sagn. In fällen, 
wo mit dem abfall der endsilbe der reim verloren geht, ändert. K das eine 
reimwort, so Hagene:: habene in Hagn:: tragn 1728,1.2. Hagene : degene 
in Hagn : sagn 401,1.2, oder verwegn : degn 1816, 1.2 u. dgl. 

Jedenfalls hat k alle diese arten von reimen in der vorlage vor sich 
gehabt. Ebenso klingt der altertümliche reim B 1012, 3.4 ermorderöt : töt 
in k nach: von morde tot : not 1011,3.4. B 1747, 3.4 gemwarnöt : töt ist 
geändert: gewarnet worn : verlorn 17177,3.4. Die art der änderung zeigt 
auch hier, dass das original das alte hatte. 


All das, zusammengebalten mit der art, wie k sich der 
vorlage gegenüber benimmt, zeigt, dass die ihm vorliegende 
hs. jedenfalls aus erheblich früherer zeit stammte, und, da sie 
alle eigenschaften mit den anderen alten hass. teilte, kommen 
wir wol zu einem eindeutigen schluss auf das alter des originals. 


Vielleicht helfen dazu noch einige verlesungen von k 
weiter. Da ich nicht die ‚nötige paläographische erfahrung 
habe, muss ich mich damit begnügen, sie hier anzuführen: 


265,3 die siechen ungesunden : di sichen und gesunden. 427,2 
gähen : schen. 479,4 künde : kunig. 536,2 kom er äne : kamerere. 654,4 
komen : kamer. 683,2 ze hüse: zu hauf. 730,2 ruochen: ruffen. 903,1 
schicte : schid. 914,3 mägen din : megethein. 1383,1 Si wen: Seyfrid. 
1869, 3 vinster : fenster. 1905, 2 räten:: reyt. 2061, 1 reit ez: teiz. 2301, 1 
der : her. bat: last. 


In vielen anderen fällen bleibt es zweifelhaft, ob gerade 
verlesen an der übersetzung schuld war, und ob wir es nicht 
mit der neigung des schreibers zu tun haben, ein umgangenes 
wort der vorlage durch etwas ähnlich klingendes oder ähnlich 
aussehendes zu ersetzen: De 


58,3 herverte : forchte. 112,4 rehle : fechten. 155,4 helfe : hofe. 
262,2 den hasien und den besten : den hochgelopten gesien. 272,3 in 
der valde : im lande. 212,3 bereit: breitr. 305,3 slahle schande : achtet 
.... schaden. 312,3 goldes : guies. 362,1 (von vremder vische) hiuten : 
(mit klugen) listen. 491,3 gebant : bekantr. 560,1 vremden : werden. 
606, 4 vlegen : fragen. 607,2 loben : haben. 617,2 gan : gab. 640,3 
säzen : sahen. 648,1 liste : ferlie. niemen : nymer. 648,3 kinden : 
gsinde. 669,4 wenken.: weichen. 691,3 konemägen : kunigen. 692,2 
wine : czunge. 698,1 se gerne : herberge. 121,3 reitez : reifst. 748,3 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG k. 503 


gesehen : senet. 761,4 vriunden : fremden. 778,3 erbiten : pielen ere. 
790, 3 rieten : sten. 805,2 tuome : none. 895,2 gereschüzze : geschosses. 
899, 1 kleinen : klarer. 909,4 füre : irre. 910,3 gewinnen : wunden. 
1021,2 wänden : wunden. 1032,3 iu: in. 1107,4 vriuntliche : froleichen. 
1218,4 widerreit : widerriet. 1332,1 an den mören : gen dem morgen. 
1389, 3 ze tüsent : czehen lausent. 1391,4 hey waz man : dremw tausent. 
1393, 2 ünden : wint. 1465, 2 iu wol im gelesen. 1467, 3 schüefen : 
schiden. 1519,3 beide : balde. 1554,1 wizet ir : weist ir (uns) irre. 
1611,3 spaehelichen : spotleichen. 1641,3 ljoste:rosse. 1662,3 marke : 
mwartie. 1821,4 vorhte: fechten. 1826,3 ze wilzen : gewachssen. 1890, 2 
vrönen : frawen. 1918,2 füeren : futern. 1929,2 hähen : gefangen. 
1946, 1 miete : rede. 2001,3 reden : rich. 2024,3 errechen : betrachten. 
2027,2 sedele ritter : edler degen. 2060,4 beruochen : rechen. 2072, 4 
meinten : winden. 2082,1 böt: pat. 2084,2 zuhle: ruckt. 2097,2 enner : 
were. 2113,3 wunden : feinden. 2121,2 unverendel: zu handen. 2123, 2 
ir degenlichen : klegelichen. 2136,1 slahte : schade. 2146,2 iu got ge- 
bieten : euch wol ralen. 2224,83 ine: ich. 2284, 1 vreislich : felschlichen. 
2298, 2 weinet : windel. 2301,2 seneliche : schnelliglich. 2326, 4 wider- 
spel : federspü. 2338,2 bach: «ach. 2363, 4 brächte wol gähte gelesen : 
eilt. 2369,3 edele : elende 


Die arbeitsweise von k, gewöhnlich zwei verszeilen zu- 
sammen zu lesen, könnte zu der voraussetzung führen, dass die 
verse der vorlage von einander abgehoben waren, dass das 
ende des verses bezeichnet gewesen sei. Indes konnte der 
bearbeiter sich leicht auch damit helfen, dass er jedesmal so 
weit las, bis er das zweite reimwort fand. Dafür dass dies 
geschah, und dass die verszeilen des originals mindestens nicht 
abgesetzt waren (nicht jede zeile = ein vers), scheinen mir einige 
spuren zu sprechen. Es finden sich nämlich fälle, wo sich k 
mit dem aufsuchen des reimwortes irrt. 

Ich setze links die betreffenden zeilen der vorlage in der 
art, wie sie sich vermutlich dem übersetzer darstellten, rechts 
die übersetzung. 


B 870, 1.2. k 865, 1.2. 
Sin gevolgte niemen niwan daz Ha- Si folgten nymant mere, dann waz 
gene. riet in Hagen riet. 
in allen ziten Gunther dem degene. Er sprach: Wann nicht enlebte der 
ob Sivrit kune helt Seyfrit. 
B 1003, 1.2. k 1002, 1.2. 
Von grözer übermüete muget ir he- Von solcher groß untrewe hab ich 
ren sagen. nie horen sagn. 
unt von starker räche. dö hiez Ha- In grimiglicher rache his der un- 


| gene 
tragen. Sifriden alsö töten u.s.w. 


trewe Hagn 
Tragn Seyfrid den toden u.s.w. 


504 


Aehnlich, aber minder deutlich: 


B 439, 1. 2. 
Vernemt noch von ir wette der hete 
si genuoc. 
von Azagouc der siden einen wä- 
penroc 
si truoc. edel unde riche u.s. m. 
B 876, 1.2. 
Der künec gevolget übele Ha- 
genen 


sinem man. die starken untriuwe 
begonden tragen 
an. ö iemen daz erfunde u. s.w. 


LUNZER 


k 438, 1.2. 
Ir wat von klarem golde geherttet 
als ein stock, 
Von Azagoch der seiden furt si ein 
wapenrock 
Von wunniglicher farbe u. s.w. 


k 871,1. 2. 
Der kunig folgt im nit gerne, als 
im da riet her Hagn 
Von im die groß untrewe begund 
der kunig klagn 
Ee daz sein innen wurde u.s.w. 


 B1i6,1—3. Von Rine si durch Hessen mit ir helden riten 
gegen Sahsen lande: dä wart sit gestriten 
mit roube und ouch mit brande. 
k übersetzt 172,1.2: | 
‘ Si ezugen von dem Reine hin durch der Hesseu lant 
Bis si in Sachssen kamen, da hub sich raub und brant. 
Vielleicht ist auch diese übersetzung veranlasst durch die irrtümlich als 
endreime aufgefassten caesurreime der vorlage, ein fehler, der kaum be- 
gangen worden wäre, wenn das absetzen der verszeilen die endreime 
deutlich gemacht hätte. 
B 1306, 1. 2. Die in ze b6den siten kömen üf den wegen, 
die riten vreliche: der was vil manec degen. 
..k 1320, 1.2. Und di an allen enden ir da zu dinste rittn 
.. Da kam- manch stolezer ritter nach ritterlichem sittn. 
k scheint geglaubt zu haben, im. original reime: siten und riten. 
Aehnlich sind k 1871,1.2 = B 1838 die caesurreime zu endreimen 
nen während die alten endreime ins versinnere geraten sind. 


Die mibehung von partien, die aus c* er sind, mit 
anderen, die aus B* stammen, gibt einen anhaltspunkt, va 
weiteres. über das. äussere der vorlage: zu vermuten... ; 

k 1==458 entsprechen in C* 470 strophen, 
k 459—849 a „ C* 390 N 
k 850—910. 911 „ „ C* 61 0d.62 str. 

Nimmt man, da die handschriftenverhältnisse der partie 
k 850—911 nieht ganz genau und zwingend abzugrenzen er- 
lauben, rund 60—65 als zahl der ausgefallenen .strophen der 
hs. C* an, so liegt am nächsten zu vermuten, es sei hier ein 
blatt verloren gegangen. Dieses wäre dann in 2 spalten zu 
je 60—65 zeilen (auf jeder seite also 120—130 zeilen) be 
schrieben gewesen. Den 390 strophen würden dann 6, den 470 


DIE NIBELUNGENBEARBEITUNG K. 505 


8 blätter entsprechen, wenn man für den letzteren fall annimmt, 
dass das erste beschriebene blatt etwas weniger strophen ent- 
halten habe (wegen der überschrift, einer farbigen initiale oder - 
dgl... Weiter empfiehlt sich die annahme, dass das 1. blatt 
der ersten lage nicht beschrieben war (als deckblatt), dass 
also zu anfang 9 blätter, 1 leeres und 8 beschriebene, verloren 
seien (von denen sich aus der strophenzahl zunächst natürlich 
nur die 8 beschriebenen erschliessen lassen). Dann wäre die 
mischung durch folgenden ansatz zu erklären: 

1. quaternio (1 leeres, 7 beschriebene blätter) verloren, ersetzt durch 


2. quaternio 1. blatt k 1—458 (in C* 470 str.). 


erhalten: k 459—849 (in 
an) } C* 390 str.). 


verloren, ersetzt durch 
8. blatt | k 850— 910/911 (in C* 

61 oder 62 str.). 

Von da ab erhalten. 

D. h. es wäre der 1. quaternio und das äussere doppelblatt (blatt 
1 und 8) des 2. verloren und aus B* ersetzt worden. 

Die annahme, dass die vorlage in 2 spalten zu 60—65 zeilen 
geschrieben gewesen sei, hat nichts unwahrscheinliches: A hat 
2 spalten zu 50—52 zeilen, B 2 spalten zu 54 zeilen, I 2 spalten 
zu 40 zeilen, K 3 spalten zu 52 zeilen, ferner N 49, O 74, S 43 
—46 zeilen auf jeder seite oder in einer spalte. 


INNSBRUCK. -  JUSTUS LUNZER. 


Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. XX. 33 


GRAMMATISCHES. 


XXX. Got. aw&pi und wgm. i der endung aus & vori 
der folgesilbe. 


Streitberg hat IF. 2, Anz. 49 meine in diesen Beitr. 15, 460 ff. 
vorgetragene theorie ‘o und ö der endung werden wgm. (und 
nord.) vor u der folgesilbe zu u®, @’ beanstandet: was zu gunsten 
dieses u® aus o als parallele des © aus e vor ö beigebracht, ent- 
behre aller beweiskraft und die hypothese versage ganz und gar 
bei & aus ö in folge des fehlens einer parallele ? aus £& vor i. 
Was die erstere bemerkung betrifft, so möchte ich auf die ver- 
schiedenen a.a.o. zur sprache gebrachten fälle hinweisen, 
deren u® sich anstandslos und einheitlich durch besagte umlauts- 
theorie erklärt. Wegen des anderen einwands aber sei bemerkt: 
erstens dass auch für den fall, dass die fassung des 2 in ahd. 
haben etc. als directer entsprechung von idg. € keinen bedenken 
mehr unterläge, das fehlen eines ? in dieser conjugationsklasse !) 
als das resultat von ausgleichung begreiflich wäre und somit 
nicht gegen die frühere existenz eines ? aus & sprechen würde; 
zweitens dass, wo altes & der paenultima ausnahmslos vor i 
der ultima stand, sich auch wirklich ? für & findet, nämlich im 
ahd. neutralen colleetivsuffix -7di (vgl. juhhädi, gimahhidi, gimar- 
chidi ete., Kluge, Nomin. stammbild. $ 70) = -£pi in got. awepi 
(wegen der dialektisch bis in die zeit der diphthongierung von 
i erhaltenen länge vgl. mhd. (bair.) gemecheit, geswistreide etc., 
Weinhold, Bair. gr. $ 207).2) Vor verdächtigung der lesart awepi 


1) Der bindevocal von libita, libil, segita etc. war natürlich durch 
analogiebildung entstanden (vgl. Braune, Ahd. gr. 8 368, a. 2). 

2) Rätselhaft ist mir das verhältnis von ahd. ewif grex, -es Tat., 
oumili caulas Gl. 1, 647,18 (oder mit i?) zu aw£&hi: auffällig ist sowol das 
t (für d) als das fehlen der endung -i (vgl. ags. dowde). Auch enida 
caulas Gl. 2, 21,32 ist mir dunkel, 


GRAMMATISCHES. 507 


und änderung derselben in aweipi (vgl. diese Beitr. 11,32) warnen 
uns die beiden tatsachen, dass die form dreimal mit & (Joh. 10,16 
und 1.Cor. 9, 7), nie mit ei überliefert ist!) und die lat. offenbar 
verwanten collectivbildungen vinelum, fruticetum, querc&tum, pi- 
netum, olivetum für altes & des suffixes zeugnis ablegen.?) 


XXXI. Zur behandlung von *aw%j und iw?j im wgm. 


Aus altem *aw2j entwickelte sich, im gegensatz zu ahd. 
oumw für *oumwj, im ags. niedersächs. und niederfränk. durch die 
mittelstufe *auj die verbindung *iez bez. öj (s. diese Beitr. 16, 299). 
Ein hiermit übereinstimmendes, durch iuj aus *iw?j entstandenes 
tez bez. üj fehlt in denselben dialekten: ags. niewe, niwe, hiew, 
him, siw(i)lan, spin(i)an und niowe, hiow, siom(i)an, spiow(i)an 
(s. diese Beitr. 9, 202 f.), as. niuui, thiuua, mnd. nüwe, aonfrk. 
nüuui (d.h. nümwi), ‚aonfrk. (oder amfrk.) thiuuua, thüuua (d.h. 
tnümwa), monfrk. nüme, mnl. nüwe (neumwe, niewe), lüwe (s. diese 
Beitr. 16, 303 f.); nie nieze, nije etc. Hieraus ist auf eine 
verschiedene behandlung der beiden alten verbindungen zu 
schliessen, d.h. auf eine vor der periode der wgm. con- 
sonantengemination eingetretene verlegung der silbengrenze 
in amj3), in folge dessen *au|j (für *a]lwy) entstand, und auf die 
gleichzeitige erhaltung von *|nj, das in der folge bei eintritt 
der consonantendehnung *iulmj (für *in|wj) ergab, woraus iow, 
iKe)w,*) iuw etc. (der lautwert yon iuu in as. niuui, thiuua ete. 


!) Ein ähnlicher umstand verbietet es, in den neben /&keis Mc. 2, 17. 
5,26, Luc. 8,43, Kol. 4,14 (A) und /ekinön Luc. 10,9 belegten formen 
leikeis Luc. 4, 23. 5,13, Kol. 4,14 (B), (ga)leikinön Luc. 5,15. 6,7. 8,2. 
43. 9,6, leikinassus Luc. 9,11 mit Bernhardt das ei in 2 zu ändern, zumal 
wo die deutung der ei-formen als der folgen volksetymologischer anleh- 
nung an leik auf der hand liegt. 

2) Man vergleiche auch zum teil, was Zs. fda. 39, 30 anlässlich I'«ßorjt« 
und Zovdnta bemerkt ist. 

3) Auf diese datierung hat mich Sievers freundlichst aufmerksam 
gemacht (vgl. auch Pauls Grundtr. 1, 414). 

4) Diese fassung von vom, i(e)w möchte ich der von Sievers, Ags. gr. 
8 73,2 vorgeschlagenen, *iw > mit vor w entwickeltem u *iuw > Tom 
oder Z(e)w vorziehen, primo mit rücksicht auf das offenbar parallele as. 
anfrk. iumw, üm, das keine andere deutung zulässt, secundo weil aus {(e)w 
die existenz von *uwj vor der wirkung des umlaufagesetzen hervorgeht 
und meowle, dowu etc. (s. Ags. gr. $ 73 a.1) grade auf die chronologie, 
zunächst umlaut, dann entwicklung von parasitischem x vor w, hinweisen. 


33* 


508 VAN HELTEN 


kann deshalb nicht mehr zweifelhaft sein).!) Die veranlassung 
zu der erwähnten verschiedenheit begreift sich leicht: durch 
einwirkung des diphthongen *au entwickelte sich in ziemlich 
fern liegender, vorhistorischer periode *aulj für *alny; neben 
der verbindung *ilwj aber stand zu der zeit der diphthong *eu, 
also kein iu, das einen der einwirkung von *au analogen ein- 
fluss ausüben konnte. 

Die afries. quellen gewähren keine form mit &j = ags. iez, 
as. anfık. öy < *aw?j; es begegnen hier neben auf *yewi, *hemi, 
*s{rewid- zurückgehenden g6, hee, strewed, strewene nur upcrawe, 
kraweth, cramil, -el, craul mit au(w) aus *dw für *amy (s. diese 
Beitr. 16, 305 f. und 19, 376 f.) und gae, hae (s. 2.2.0.) mit d aus 
*aumi (durch die bekannte synkope von w vor i; au erlitt vor 
» keinen umlaut). Mit rücksicht auf das fehlen von zeugnissen 
für altes *auj ist dieses *aumj in genetischer hinsicht nicht der 
vorstufe von aumw, ouw in as. aonfrk. -gauwe, mnd. stroumwe etc, 
mnl. sirouwen, houmwe etc. (Beitr. 16, 297 ff.), sondern trotz dem 
Beitr. 16, 305 bemerkten vorhochdeutschem, durch eonsonanten- 
dehnung entstandenem *auny gleichzustellen (die prototypen 
*sauwi, *haumi erhielten ihr au aus den casus mit j-suffx). 


XXXIL Die wgm. formen von got. saimwala. 


Kluge sucht IF. 4, 310 die erklärung für den »-verlust im 
alıd. se/a in einer lautregel, die dem gesetz vom verklingen des 
» im anlaut vor Z und r parallel sei: wie ahd. rehhan, lispen 
für ursprüngliches *wrehhan, *mlispjan, so ahd. sela für *se-wla; 
hingegen, wie ags. wrecan, wlisp, so auch ags. sdwle; und in 
gleicher weise ahd. /erahha gegen ags. ldwrice, ahd. hirdt gegen 
ags. hivrdden. In betreff dieser fassung sei bemerkt: erstens 
dass ags. neben hiwr@den auch hile)red steht; zweitens dass 
ahd. seula Is. und M. und siela Leid. Will. (s. Braune, Ahd. gr. 
8 108 a.1) aus *siola für *seol- aus *seol- für *seul-, sowie das 
aus nhd. heurat zu folgernde alte *hiurai (vgl. auch mhd. hiustiure 


[In der in vorbereitung befindlichen 3. ausgabe meiner Ags. gr. habe ich 
die von dem herrn verf. mit recht beanstandete auffassung bereits auf- 
gegeben, und die verschiedenen im ags. vorliegenden formen auf die drei 
grundtypen -ami-, -auj- und -aumj- bez. -imi-, -iuj- und -tuwj- zurück- 
geführt. E.S.] 

1) In den formen mit -i war as. contraction eingetreten (s. IF. 5, 190). 


GRAMMATISCHES. 509 


‘aussteuer’) die annahme einer silbentrennung *s&-mwla, *hi-wräd 
verbieten, | 

Es sind meiner ansicht nach für die deutung von sdla etc. 
die zweierlei stammformen in betracht zu ziehen, die sich in 
der flexion des nomens entwickelt hatten: *saiu?]- bez. *seu- 
aus *saimuNl- bez. *semwu®l- (nach dem in diesen Beitr. 15, 460 ff. 
erörterten mit u° für o vor -w des nom. und dat. sg.) und *saiwal- 
bez. *s&mal- der anderen casus. Aus ersterer entwickelten sich 
durch die synkope des mittelvocals s&l-, aus letzterer seul-; vgl. 
ahd. s&a, insofern es in gl. K steht (die keine formen mit & 
für &o aufweisen, s. Kögel 138. 173) gegen seula (mit erhaltung 
des & durch einwirkung der nebenform sela) und siela (sela in 
Pa, das schon hrae neben seo hat, und in den jüngeren quellen 
kann = s£la der gl. K oder die aus *seola für seula contra- 
hierte form sein), as. seola H&l. passim und siola, -e Mon. 3301. 
3353. 3357. 40601) (woneben auch seola mit eo für io?). 


[Eine parallele zu sewa gewährt das aus *hiwa- als erstem 
compositionsglied und aus *hiwi- der praeteritalformen durch 
synkope des mittelvocals hervorgegangene *hiu-, woraus durch 
contraction der beiden vocale *ARiu- oder durch abfall von -u- 


1) Angesichts des aus siola und (n)io ‘(n)immer’ zu folgernden 
entwicklungsgangs der alten verbindung *aiw lässt sich m. e. die ver- 
derbte lesart in H6l. 5426 herstellen: 

'thes hie witi antfeng 
lön an theson liohte endi lang after 
woi sithor wann, sithor hie thesa werold ägaf. 


Sievers hat in seiner anmerkung zu diesem vers (8.537 f.) mit recht die 
änderung von wos sithor in wögsithos, sowie die identificierung von woi 
mit ags. wöh beanstandet. ‘Mir ist eingefallen’, heisst es 4.2.0., ‘ob es 
nicht möglich sei, wöi zu ags. wea zu stellen; denn ein directer zusammen- 
hang dieses wortes mit ahd. w&wo ist (trotz Scherer) höchst fraglich, da 
ags. daneben lautlich besser entsprechendes wä besteht.” Wegen der 
späteren fassung von wea als aus dem acc. *wdun stammender form 8. 
Sievers’ Gramm. $ 118 anm. Dass es sich hier aber wirklich um einen 
zusammenhang mit wea (und w&wo) handelt, lässt sich unschwer dartun: 
der acc. sg. des nomens musste im vorsächs. bei regelrechter entwicklung 
*yy2un, der nom. sg. ebenso *we&mwo ergeben; aus *wömwo entstand durch 
einwirkung der accusativform *m2o, das durch anlehnung an *weun und 
den gen. dat. sg. *wöemwen sein & erhalten oder ohne diese anlehnung 
durch contraction zu *wio werden konnte, dessen acc. wion wol die ur- 
sprüngliche lesart unseres verses repräsentiert. 


510 VAN HELTEN 


(-o-) nach dem durch einwirkung von *hiwian, gehiwen, *hiwo, -a 
conjux, uxor, etc. vor contraction geschütztem 5 hi- : ahd. *hiurät, 
*hiusliura (e. oben) und Aileih(i) connubium, Airät, hite praet., 
gehit p. p., mnl. hilic (woneben hümeleec, -lic durch anlehnung 
an hümwen und himwelic durch vermischung von hilic und hümwelic, 
8. Tijdschr. v. Ned. lett. 13, 214 f.), mnd. Ahilik, age. hile)red 
(woneben Aiwre&den, das wie hiwcuö familiaris dureh anlehnung 
an ‚hiwan entstand). Die von Kluge postulierte parallele zeigen 
jedoch ahd. Zerahha und ags. ldwrice, die aber eben deshalb 
als compositionsbildungen zu fassen sind (die mhd. nebenformen 
leEwerich, -(e)ch weisen, wie ags. /dwerce, I&werce, ndl. leeuwerik, 
auf eine vorstufe mit svarabhaktivocal hin). ] 

In den Karol. ps. steht neben seia auch stla (s. Heynes glossar). 
Das i kann hier weder auf anteconsonantisches & (aus ai) noch 
auf io (aus eo für &o) zurückgehen (altem vor conson. oder im 
auslaut stehendem ai entspricht aonfrk. € oder ei, altem io ein 
durch ie oder selten, bei erhaltung der älteren schreibung, durch 
ia oder io dargestelltem ia, 8. Cosijn, Oudnederl. psalm. $ 38. 42); 
es begreift sich nur bei der annabme einer vorstufe io, worin 
sich das © vor unmittelbar folgendem dunklem voc. aus © durch 
den nämlichen lautprocess entwickelt hatte, der sich als dia- 
lektische erscheinung auch für das nd. nachweisen lässt durch 
mnd. ni ‘nie’ mit niwerlde, nimand und imant ‘jemand’, ider 
‘jeder’, öglik *jeglich’ und die den jetzigen Groninger mundarten 
angehörenden formen ider ‘jeder’ und zil ‘seele. Wegen dieses 
ursprungs von sila ist dessen doppelform se/a nicht auf *scola 
zurückzuführen, sondern dem ahd. se/a der gl. K gleichzustellen. 
Im awnfık. war dem mol. siele (mit ie aus io) zufolge *siola in 
schwang. 

Die aofries. mundarten haben sdle aus *sal-.1) In den 
aofries. quellen begegnet neben solchem säle (woraus nwfries. 
siele mit ie, d.h. ie“, aus £) sehr oft siel(e) W 77,32. 393, 10. 
415,28. 424,2. 430, 7.33. 432,5, H43. 86. 96. 110. 125. 128. 
133. 170. 173. 299, J 56, 8. 12. 84,10. Die häufigkeit der form 
verbietet, das ie mit dem sehr selten für & auftretenden ie, d. b. 


1) Altes ai ergab im afries. in folge einer verhältuismässig jungen con- 
traction in der regel &, nur in bestimmten fällen, u.a. wenn dem ai un- 
mittelbar u oder o folgte, &. Die beweise für diese entwicklung hoffe ich 
nächstens bei anderer gelegenheit zu erbringen. 


| 


| 


ee 
PS 75 : .- 2. 


GRAMMATISCHES. 511 


Eie® (s. diese Beitr. 19, 361 fussn.2) iu eine linie zu stellen; es 
muss hier ein diphthong gemeint sein mit consonantischem ö 
und einem £-componenten, für den mit rücksicht auf die qua- 
lität des abwechselnd durch ia und ie dargestellten lautes z6« 
(s. diese Beitr. 19, 421) reine &-färbung anzusetzen ist. Neben 
altem *sail- stand *saiu- (event. *saiol-), woraus in der folge 
sel- und *säuN- (oder *säol-, s. die fussn. oben s. 510); diese 
beiden riefen eine mischform *seuN- (oder *seol-) hervor, welche 
der in den Beitr. 19, 403 erwähnten lautentwicklung gemäss 
durch *siol-, *sial-, *sid! ein *sical- ergeben musste, dessen 
diphthong durch einwirkung von s&- sein zweites element in & 
änderte. 

Ags. sdwol beruht auf *saiwu- oder *sdwul- mit analogi- 
scher apokope aus *saivuu oder *sawulu, das sein w bebielt 
bez. nach regelrechter synkope wider herstellte durch einfluss 
der nebenform *saiwal- oder *sawal- (vgl. auch z. t. diese Beitr. 
7,168; gegen die daselbst vorgeschlagene deutung von ahd. 
sela aus *sael- für *saeel-, das sein » durch einwirkung von 
*saeul- eingebüsst hätte, ist einzuwenden, dass sich so die ahd. 
doppelform seula nicht erklären liesse, denn *saeul- sowol wie 
*saeel- hätten durch Sievers’ gesetz nur s&la ergeben). 


XXXIll. Zur westgerm. erweichung der alten im 
inlaut stehenden stimmlosen spiranten, 


Im as. und afries,. war nicht nur (wie im ahd.) altes >, 
sondern auch alte / und s im inlaut zwischen vocalen oder 
stimmhaften consonanten stimmhaft geworden. Vgl. as. fidi 
‘fünfe’ (ahd. imfi), flect. häbon, -aro (got. hamfs) mit gihävid 
arens, mancus Düss. Prudgl. 166. 592. 608, mwu/dos, -o, lupos, 
-orum (got. wulfös)!), die praeterita wisda, lösda und das flect. 
part. lösdaru, älösdan Düss. Prudgl. 384. 511; aofries. fiwm (. 
Gramm. $ 1140), awfries. wisde, lösde ‘löste. Wegen dieses 
lautprocesses im ags. siehe, insofern es die dentalen spiranten 
betrifft, die in 8 200 und 203 von Sievers’ Gramm, angeführten 
zeugnisse, die m. e. wol zu einem sicheren schluss berechtigen 
dürften. 


1) As. adaro ‘nachkomme’, odar und hiodan ‘wehklagen’ sind trotz 
got. afar, ufar, hiufan nicht beweisend; vgl. ahd. aber (neben avur), 
ubar, hiupan (neben hiufan) und 3. auch Braune, Ahd, gramm. $ 139 a. 5. 


512 VAN HELTEN 


Nach as. wisda, cülhda (cüdda) etc., ags. liesde, cyöde (cydde) 
etc. könnte die synkope des mittelvocals jüngeren datums sein 
als die entstehung der stimmhaften s und d; doch wäre hier 
auch eine andere chronologie denkbar: synkope des mittelvocals 
vor erweichbung der stimmlosen consonanten, woher *wist-, Fcüpt- 
ete.; dann entwicklung der stimmhaften spirans, woher wisian, 
chdian ete. mit sth. s und Ö; endlich durch anlehnung an die 
praesensformen mwisd-, cülhd- etc. für *wist-, *cdbt- ete. Für 
afries. wisde, l&sde steht letzterer entwicklungsgang ausser frage 
durch die awfries. praeteritalen formen kötte, schaete, schätte 
ete., die auf stimmlose qualität des geminierten spiranten in 
den prototypen *keththa etc. und entwicklung dieses {hth aus 
stimmlosem th + durch synkope damit zusammengestossenem d 
hinweisen (s. diese Beitr. 19,408 f)), sowie durch die wanger. 
und saterl. zu skeith, sgede ‘scheiden’ gehörenden praeterita 
schet, schetien, schet, sgat, sgatte (s. Ehrentr. archiv 1,53. 2, 188) 
— aofries. *skeththe(n), *sketh mit stl. th; zu der zeit aber, 
worin der für alle altwgm. dialekte feststehende übergang von 
p in d, d.h. eben die entwicklungsfähigste erweichung, noch 
nicht erfolgt war, muss auch s noch stimmlose qualität gehabt 
haben. Also wisde etc. für *mwist- ete. im gegensatz zu den oben 
erwähnten *keththa ete., die sich nicht an die mit stimmhaftem 
th gesprochenen praesensformen anlehnten und ausserdem durch 
ihr stl. thth des praet. und p.p. : sth. ih des praes. das muster 
abgaben für die neubildung von praeteritalbildungen mit {(l) 
zu praesentia mit d (vgl. aofries. hldtie, undhante ete. zu hleda, 
undhanda etc, Gramm, $ 122 y; awfries. lätte,:nete etc. zu löda, 
neda etc., 8. diese Beitr. 19, 409). 

Für erweichung, ev. erbaltung von altem inlautendem / im 
überlieferten aonfırk. sind wegen des fehlens einschlägiger 
formen in unseren quellen keine zeugnisse zu erbringen (abir 
postea Gl. Lips. 2 und ovir Ps. passim bleiben natürlich ausser 
betracht).!) Auch praeteritalbildungen mit d zu *wisin, lösin 
begegnen hier nicht; wol aber findet sich Ps. 70, 23 und 73, 2 
irlöstos redemisti, das indessen keineswegs auf nichterweichung 


!) Die stimmhafte qualität des sogenannten interdentalen spiranten 
ergibt sich für diesen dialekt aus den formen mit nd, !d = got. n>, Ip, 
wie cunda Ps. 58, 14 mit cundon etc. Ps. passim, goldis, -i Ps. 67, 14. 
71,15, sowie aug -sälda salus Ps. passim mit -da = got. -pa. 


GRAMMATISCHES. 513 


schliessen lässt, indem auch die möglichkeit zu beachten ist, 
dass die form in einer linie mit dem mnl. neben wijsde, vreesde, 
raesde etc. erscheinenden (ver)loeste, (ver)loste (mit gekürztem 
voc.), d. h. eine ausnahmsweise nicht an das mit sth. s gespro- 
chene praesens angelehnte praeteritalbildung sei.!) 


XXXIV. Die genitive burges, custes etc. 


Paul hat in diesen Beitr. 6,550 bei aufstellung des satzes 
“auslautendes z fällt ab, s bleibt’ das -s der as. genitive burges, 
nahtes, custes, weroldes?) als den erhaltenen schlussconsonanten 
der alten endungen gefasst. Die hieraus zu ziehende conse- 
quenz wäre: 

angesichts der genitive mweroldi, iuguthi Häl. C 583. 3497 
und der aonfrk. neben werfi)ldis stehenden crefti, -e virtutis, 
wädi vestimenti etc, dass diese dialekte zweierlei endungen 
für den gen. sg. der weiblichen ;-flexion gehabt hätten, eine auf 
altes *-dis zurückgehende und eine mit dem suffix der anderen 
wgm. mundarten übereinstimmende (= ahd. -i, ags. -e, afries. -e, 
d.h. -) aus *-jjiz; 

angesichts des indirect für einen suffixlosen gen. sg. der con- 
sonantischen declination zeugenden thero tid H&l. C 4182, dass 
im genitiv der as. fem. consonantstämme suffixe aus *-is (für 
*-es) und aus *-iz (für *-ez) neben einander ständen. 


Sehr wahrscheinlich dürfte eine derartige althergebrachte 
doppelherschaft nicht gerade erscheinen; und es wäre deshalb 
ratsam, bevor wir dieselbe notgedrungen gelten lassen, die mög- 
lichkeit einer anderen auffassung des -es zu prüfen, welche uns 
solcher annahme überheben könnte. 

Nach der wirkung der vocalischen apokope galt in der 
masc. ö-flexion als gen. sg. zum nom. acc. gast eine form *yasti 


1) Siehe für die mnl. bildungen meine Mnl. gr. $ 195 und beachte 
auch die daselbst verzeichneten aus (-J/oeste,(-Jloste abstrahierten praesens- 
formen (-Jloessen, (-Wossen, (-Joesten. 


2) Thes giburdies, -eas Hl. 584 ist wegen thes und (-i-) (-e-) der 
endung nicht zu diesen formen zu rechnen, sondern als gen. zu einem 
unter dem einfluss der collectiva gibirgi, gistriuni, giwäpni ete. aus 
giburd entwickelten *giburdi zu fassen (man beachte die collectivbedeu- 
tung ‘geschlecht’ und vgl. mnd. gebort ntr.). Der genitiv böc-, himil- 
craftes gehürt zum masc. craft = ags. se creeft. 


514 VAN HELTEN 


ev. später *yasti oder, wenn etwa Brugmanns *gastiaz oder 
-üz (s. Grundr. 2,574) zu grunde gelegen hat, *gasti. Als sich 
hier nun der unausbleibliche einfluss der masc. a-declination 
fühlbar machte, entstand neben diesem *gastz eine analogie- 
bildung gastes. Nach diesem muster aber konnte im gen. sg. 
der feminina neben *cust? als neubildung custes entstehen. 

Der gen. burges begreift sich ohne weiteres als analogie- 
bildung nach der i-flexion (vgl. auch die pluralformen burgi, 
-io, -iun, -ion), während nahtes, dessen parallele sich auch in 
den dialekten findet, die kein -es der fem. i- oder consonan- 
tischen declination kannten (ahd. nahtes, ags. nihles, aofries. 
nachtis, -(e)s, s. Gramm. $ 197, awfries. nachtes, -is W 77, 24. 
472,2, 5 486,9, H 95. 163, J 81,11) unbedingt als nachbildung 
von dages (tages) zu gelten hat.) 

Ob auch der dat. sg. der ö-masculina, welcher ebenfalls in 
einer bestimmten vorhistorischen periode die alte (aus der flexion 
der kurzsilbigen zu folgernde) endung *-ö oder *-5 neben der 
entlehnten -e hatte, in ähnlicher weise einen dat. sg. fem. auf 
-e hervorgerufen, ist zweifelhaft; in bifara thero däde Häl. C 
4860, un Üsero ferde Ü 2845, an is giwalde M 2889, an thesero 
werolde Vat. fragm. 742) könnten bildungen mit solchem -e, 
jedoch ebensogut formen mit aus -i geschwächtem -e vorliegen 
(wegen -e für - im Mon. und Cott. s. Schlüter, Untersuchungen 
zur geschichte der altsächsischen sprache 192. 193. 258; wegen 
derselben erscheinung in V vgl. daselbst wallande 184, giwuruhlte 
46, githäte 118). Aber auch für den fall, dass sich der dat. 
fem. wirklich von besagter beeinflussung frei gehalten hätte, 
dürfte dieser umstand bei der in der sprachlichen entwicklungs- 
geschichte auf schritt und tritt zu beobachtenden inconsequenz 
analogischer bildung keineswegs auffallen. 


[Wenn die obige auffassung von custes, burges etc. das 
richtige trifft, wird eine der beiden von Paul für seine regel 
beigebrachten stützen hinfällig. Und auch die andere, der ags, 
as. nom, acc. pl. auf -os, -as ist keine allzu sichere, weil aofries. 
-ar entschieden für die existenz eines wgm. vedischem -äsas 


1) Man beachte auch das gegenstück got. nahtam mit -am statt -im 
der anderen consonantstämme nach dagam. 


2) In an lufte HEl.391 kann ein masc. stecken (vgl. thie luft C 3143). 


GRAMMATISCHES. 515 


entsprechenden suffixes sprechen (8. diese Beitr. 14, 281 ff... In- 
dessen gibt es zwei andere fälle, welche die erhaltung des -s 
ausser zweifel stellen: die endung für die 2. sg. des schwachen 
praet. ind. -tös, -dos, -des und ahd. -m&s der 1. pl. praes. ind.] 


XXXV. Zur afries. und ags. flexion der u-stämme. 


Für den aofries. nom, acc. pl. der v-declination ist eine 
dem ags. -a entsprechende und aus der neubildung *-ami(z) 
geflossene endung -a belegt, die hiernach als das auch im vor- 
wfries. für die nämlichen casus verwante, jedoch durch den 
historischen, aus der a-flexion entlehnten ausgang -an (-en) 
verdrängte suffix anzusetzen ist. (s. diese Beitr. 16, 314). Eine 
sichere spur der alten gemeingermanischen endung *-iwi(z) hat 
das awfries. indessen bewahrt in dem neben normalem soen(e) 
filius begegnenden sen H 32. 33. 99. 106. 165 (pl. sennen H 159), 
dessen e nur aus früherem *suniwi(z) herrühren kann. Hier- 
nach sind auch die ags. neben suna, dura stehenden nom. acc. 
pl. sunu, duru, wudu auf dieselbe grundform (nicht auf *sunu- 
wi(z) etc, Beitr. 15,480) zurückzuführen (durch apokope ent- 
standenes *suniu > dem got. sunjus analoges *sunju > durch 
synkope des halbvocals sunu). 


Andere reste des ursprünglichen suffixes liegen im ags. 
vor in dem als neutr. behandelten winiru (woneben winter 
durch analogie nach wepen, täcen ete. neben wi&pnu, tdcnu 
etc. s. Sievers, Gramm. $ 272 a. 3); in brööru fratres, dohtru 
filiae, -as (Ps. bröö(e)ro, R2 brööro, L federo, mödero, dohtero, 
suesiro, Siev. 8 285 a. 4), die auf ehemalige neben den con- 
sonantischen flexionsformen entwickelte neubildungen *bröpri- 
wi(z) ete. (= got. bröbrjus ete.) hinweisen; und in dem neben 
sculdra humeri, -0s8 auftretenden sculdru.!) [Wegen des letzteren 
nomens ist folgendes zu bemerken: nach abd. scultir(r)a, -ar(r)a 
mit suffix < *-izjö, *-azjö läge es nahe, sculdur, -or aus einem 
prototypus mit der zu *-iz-, *-az- gehörenden endung *-uz her- 
zuleiten und scu/dru den pluralformen Zombru, cealfru u.ä. gleich- 
zustellen; hiergegen sprächen indessen erstens das masc. genus 


!) Der nach Sievers, Gramm. $ 272 a.3 der jlingeren sprache an- 
gehörende pl. ap(p)/u kann seiner chronologie gemäss nur als analogie- 
bildung nach den pluralbildungen mit -u und -a gelten. 


516 VAN HELTEN 


des fraglichen nomens (vgl. bone scudor bei Bosw.-Toll.) gegen- 
über den neutren situlor, dözor, wildor (für das masc. sizor ist 
das daneben stehende masc. size zu beachten und der plur. 
sculdru hätte jeglichen ansatz zum aufgeben des ursprünglichen 
genus verhindern müssen); zweitens die doppelform sculdra, 
die entschieden auf flexion nach der u-klasse schliessen lässt; 
demnach ist die ags. form in bezug auf seine suffixale bildung 
von scultir(r)a etc. zu trennen und mit einem zu den plural- 
bildungen stimmenden, auch im got. airus (vgl. Brugmanns 
Grundr. 2, 303) begegnenden, nomina agentis bildenden suff. 
* ruz anzusetzen.!) (S. noch die nachträge)]. 


XXXVl Gab es wgm. reflexe von got. -ans, -ins, 
-uns des acc. pl.? 


Nach Scherer (Zs. fda. 26, 380) stände dem got. dagös, da- 
gans wgm. dagös, dagä zur seite; nach Mahlow (Die langen 
vocale 127 f.) sollen ahd. taga = an. daga, got. dagans, ags. sunu 
(nom. acc. pl.) = an. sunu, got. sununs, ags. broöru = got. brö- 
pruns sein (mittelstufen *daganz ete.). Desgleichen führt Kluge 
(Pauls Grundr. 1,387) die ags. pluralia broöru, wintru, sculdru, 
applu, duru auf grundformen mit *-unz zurück; glaubt Collitz 
(BB. 17,41), dass as. alla nom. acc. pl. masc. gotischem allans 
gleichzusetzen sei; und befürwortet Jellinek (Anz. fda. 19, 37f. 
und 20, 23, sowie Zs. fda. 39,144) dieselbe gleichung für ahd. -«a 
des nom. acc. pl. masc. der starken adjectivflexion und /aga nom. 
acc. pl. (nicht = got. dayös). Mit recht oder unrecht? 

Für die annahme *daganz ete. > laga etc. gibt es nicht die 
geringste berechtigung: schwund des nasals vor tönender spirans 
und dieses sogar im hd.! (s. noch die nachträge). Dann vielleicht 
* duyanz ete., woraus durch apokope oder durch assimilierung des 
z *daygan ete., woraus laya ete.? Gegen zweimaligen consonanten- 
abfall sprechen -un, -in, -in, -En, -en der 3. pl. praet. ind. und 
praes. und praet. opt. aus *-und, -ind ete. (*-unb, *-inp etc.); und, 
von der annahme von assimilierung ausgehend, müsste man bei 
verlegung dieses vorgangs vor die n-apokope lag, weg, berg 
etc. statt taya ete., bei auffassung desselben als einer gleich- 
zeitigen oder jüngeren erscheinung formen mit -an, -un erwarten. 


[!) Vgl. jedoch auch J. Platt, Anglia 6,175, der ags. sculdru für eine 
dualform erklärt. E.S.] 


GRAMMATISCHES. 517 


Dem hier erörterten zufolge müssen wir unbedingt die 
gleichung ahd. taga = got. dagös gelten lassen, mithin die be- 
rechtigung des satzes ‘gedecktem -4 entspricht wgm. -a (-4), 
gedecktem -ö wgm. -o’ (Ze. fda. 39, 144) in abrede stellen. 


Für die Anz. fda. 19,37 erwähnten ahd. -« des nom. acc. 
pl. masc. der starken adjectiva ist wol an beeinflussung durch 
die substantivflexion zu denken; und für as. alla ete. dürfte 
gewis die annahme von übertragung aus dem femin. nicht allzu 
kühn erscheinen. Das den jüngeren as. denkmälern angehörende 
-a des nom. acc. pl. masc. der a-substantiva (vgl. mnd. -e als 
die normalendung dieser casus) hat Schlüter, Untersuch. 102 
richtig als die aus dem femininum und der adjeetiv-deelination 
eingedrungene endung erklärt. Wegen ags. broöru etc. s. oben 
XXXV. 


XXXVIl. Zu den flexionsformen von as. thiod(a). 


Neben dem ö-stamm got. thiuda (osk. tovto eivitas, lit. fautü 
‘Oberland’ etc.), ahd. diota, as. thioda, ags. beod, aofries. thiade, 
awfries. tiade (und an. zum typus stund, mold, jorö ete. gehören- 
dem »jöö, vgl. Noreen, Altisl.gr. $ 326) begegnen ahd. ein fem. 
der ö-declination diot und ein masc. öi-stamm die! (bei Nötk.; 
für das masc, thiot bei Otfr. ist die declination, für tAiot bei 
Tat. die declin. und das genus nicht zu ermitteln, s. Br., Ahd. 
gr. $ 208 a.4) und aonfık. ein i-stamm fhiat (vgl. nom. ace. pl. 
thiadi), dessen genus nicht zu bestimmen (alla bei thiadi Ps. 
58, 6.9. 64,9. 71, 11.17 kann masc. oder fem. sein und die formen 
des sg. thiat, ihiade Gl. L. 898. 901 stehen ohne pron. oder ad- 
ject.), jedoch aus dem mittelostniederfränk. acc. sg. die diet 
Serv. 1,1699. 2,238 als fem. zu erschliessen ist (wegen as. 
thiedi, -e s. unten). Uebertritt eines ö-stammes in die masc. 
i-flexion oder eines fem. ö-stammes in die masc. ö-klasse wäre 
undenkbar; folglich muss der mase. i-stamm ursprünglich sein. 
Und das nämliche gilt auch für das fem. diot, thiat: denn, 
wenn man auch für das ahd. vielleicht an beeinflussung des 
genus des masc. i-nomens durch diota oder zur not an eine 
durch den nom. sg. thiod veranlasste übersiedlung aus der ö- 
in die i-klasse denken könnte, so wäre solche annahme für 
das aonfrk. ausgeschlossen. 


518 VAN HELTEN 


Die flexion des ö-stammes weist im as. eigentümlichkeiten 
auf, die Schlüter in seinen Untersuch. 183 ff. hervorgehoben hat: 

einen häufigen nom. acc, dat. sg. thiod'!); 

einen häufigen gen. sg. auf -o, auffallend, weil sonst -o in 
diesen casus sehr selten ist (vgl. Schlüter 164 2); 

einen häufigen dat. sg. auf -o in C, auffallend weil sonst 
das -o in diesem casus selten erscheint (vgl. Untersuch. s. 170); 

einen häufigen dat. sg. auf -a in C, ebenfalls auffallend weil 
sonst -a in diesem casus sehr selten ist vel. Untersuch. s. 170); 

einen nom. pl. auf -o (?); 

einen gen. pl. auf -o anstatt des sonst in der ö-declination 
verwanten -ono. 


Für die entstebung des dat. und acc. sg. thiod verdient 
trotz Schlüter (s. 187) die einfachere deutung des dativs als 
lautgesetzlicher, des acc. als aus dem nom. entnommener bildung 
(vgl. diese Beitr. 12,553) den vorzug. Ob die neben ihiod (und 
thiodu, -0, -a) begegnenden dative wrötharo thiedi C 4493 und 
ihesare Ihiode M 4836 zu einem i-stamme (= ahd. diot, aonfık. 
thiat) gehören?) oder durch analogiebildung nach den dativen 
crafti, craft, weroldi, werold, burgi, burg, idisi, idis entstanden 
sind, ist nicht zu entscheiden. 


Von den genitiven {hiodo sind die mit vorangehendem 
ihero, Ihesaro, grimmero (s. Untersuch. s. 184) schon von Schlüter 
(s. 185) richtig als die durch beeinflussung von seiten der pro- 
nominalen form entstandenen erklärt (über die thiodo ohne 


1) Das von Schlüter (s. 184) als schreibfehler gefasste iv im nom. 
thiud C 4431 (und thiudo C 5078) könnte ebensogut der aus regelrecht 
entwickelten *hiudu dat. sg. und *lhiudun dat. pl. herrührende laut sein. 


2) Von den daselbst erwähnten formen ist sogar nur einer in anschlag 
zu bringen, nämlich iuuuaro gebo M 4397 : diurtho M 2140 kann ein bei 
bedelide ‘beraubt’ als instrum. fungierender dat. sein (vgl. ags. bed«lan 
c. instrum. und genit.) und helleo in helleogethwing M 2081. 2145 ist gen. 
pl. zum i-stamm heil!) (vgl. diese Beitr. 16, 279 fussn. 2 und beachte wegen 
der verwendung des plur. hellia (hellie) sind im(u) opana COM 3078; neben 
dem erwähnten compositum stehen hell(i)a-, hellea-, helliegithwing C 945. 
1275. 1500. 2081, M 1275. 5169 mit einem gen. sg. und helligithwing M 945. 
1500. 2145, C 5169 mit durch synkope des mittelvocals verkürzter staımm- 
form, wie helliwiti, -grund CM 1483. 1491, sundilös C 5307. 5522). 

8) Dies thiode auf thioda zurückzuführen verbietet das fehlen eines 
dat. thioda in M. | 


GRAMMATISCHES. 519 


vorangehendes determinativ oder adj. 8. unten), Nur ist wegen 
der häufigkeit der -o (es findet sich nur einmal grimmaro thioda) 
noch zu bemerken, dass sich dasselbe gegenüber den sonst 
nicht gerade: selten erscheinenden verbindungen sulikero buola 
C 5873, iuuuaro diurda M 4439, sulicaro firinguäla M 4918, ethi- 
lero (edilero) spräka CM 2455, löiharo (lEdaro) spräka CM 3374 
etc. wol aus der überaus häufigen verwendung unseres substan- 
tivs mit pronomen oder adjectiv begreift. 

Der dat. thiodo, der nur in begleitung von thero, thesaro, 
wredaro, gödaro begegnet, erklärt sich nach dem, was Untersuch. 
8. 186 und oben zum genit. bemerkt wurde (man beachte, dass 
neben seltneren ihesoro erdo M 1657, ihero aho Ü 1166, langero 
hwilo C 1243. 1624, thero spräco C 1296 in der regel verbin- 
dungen begegnen, wie thero rünu C 1273, iuuuero frumu C 1797, 
Enigaro, Enigoro frumu CM 1854, thesaro, thesoro erthu CM 566. 
726. 2164, U 1657, thero, Enero uuostinniu C 860. 864 etc.) 

In betreff des dat. /hioda, der nur ausnahmsweise (3392. 
4451) mit ihera, guodera, meist mit thero, Ihesaro oder (1764. 
5861) ohne begleitendes pron. oder adj. vorkommt, äussert 
Schlüter (8.186 f.) zweierlei vermutungen: entweder es hätte 
ein schreiber einem dat. sg. neutr. theson, them(o) thioda der 
vorlage an 17 stellen durch änderung des zugehörigen artikels 
oder demionstr. pronomens (oder adjectivs) das ansehen eines 
weiblichen dativs zu geben gesucht (nur an einer stelle, 3097, 
wäre der wortlaut der vorlage unverändert stehen geblieben), 
oder es sei thioda als dat. zu einem fem. i-stamm */hiod zu 
stellen. Eine so consequente nachlässigkeit aber, wie sich nach 
ersterer hypothese ein copist hätte zu schulden kommen lassen, 
ist geradezu undenkbar; und bei letzterer annahme bliebe es, 
wie Schlüter selber bemerkt, bedenklich, dass zu einem weib- 
licben i-stamm kein dat. auf -a nachzuweisen ist. Dürfte man 
hier nicht vielmehr an ein nach den muster der im nom. acc. 
sg. verwanten doppelformen thiod und thioda neben dem dat. 
thiod aufgekommenes thioda denken? Dass sich hierneben zu 
hwil(o) keine dativform Amwila, sondern hmwiüu, -o findet (von 
halda, half ist überhaupt kein dat. belegt), begreift sich unschwer 
aus dem umstand, dass bei diesem nomen die formen mit suffix 
die oberhand bekommen hatten und nicht, wie bei thiod(a), 
neben den suffixlosen in schwang geblieben waren: gegenüber 


520 VAN HELTEN 


einmaligem Ant acc. sg. C 5802 stehen normales hmila, -e acc. 
sg. und /mila, -e nom. sg. CM 3355; (mit den zu *nön(a) hora 
nona gehörenden belegen nuon acc. C 5631, nönu dat. C 3420, 
M 3491, nöon C 3491, das als schreibfehler für nono zu gelten 
bat, ist wegen der spärlichkeit derselben nicht zu rechnen). Wegen 
theson thioda 8. unten. 

Von den Untersuch. s. 188 als nom. pl. aus C citierten thöodo 
sind die 2131. 2295. 2376 stehenden als gen. pl. zu fassen (s. 
über dieselben gleich unten). In den beiden übrig bleibenden, 
d.h. in elitheodo 2975 und ihiodo 4220 könnte man mit be- 
rufung auf Sievers’ anmerkung zu Hö&l. 106, wie in thiudo (so 
filo) 5078 und thiorno 436, schreibfehler für elitheoda etc. oder 
aber mit Beliaghel (in Pauls Grundr. 1,620) reste eines alten 
nom. sg. auf -u erblicken. 

In dem von Schlüter (s. 189) als gen. pl. aufgeführten ZAiodo 
soll nach diesem gelehrten entweder eine anlehnung an die 
substantiva der ;- oder der consonantischen declination oder 
die zu einem neutr. /hiod gehörende casusform vorliegen. 
Weder die eine noch die andere annahme kann jedoch das 
richtige treffen: bei anlehnung an die ö- oder die consonantische 
flexion müsste man nach dädio, -eo, enstio, tidio, -eo ete. und 
burgio, burgo, idiseo, idiso entweder ausschliessliches thiodio, 
-eo oder thiodio und Ihiodo erwarten, und angesichts eines aus- 
nahmslos verwanten gen. pl. ntr. thiodo müsste man sich wun- 
dern über das absolute fehlen eines nom. acc. pl. thiod. Bei 
der beurteilung der in rede stehenden form sind m. e. zunächst 
die thiodo mit vorangehendem thesaro, -oro, thero, allaro, ma- 
nagoro, -ero, guodero in CM 1220. 1284. 1386. 1994. 2173. 3101. 
4174. 4406, C 75. 2232 auszuscheiden, weil wir es hier mit einem 
genit. sg. (vgl. oben) zu tun haben können. In bezug aber auf 
die anderen belege in CM 2307. 2950. 3112. 3908. 4207. 4535. 
4746. 4833, C 56. 5131. 5504 und die C 2131. 2295. 2376. 862. 
2828. 4137, M 2891 begegnenden (welche Schlüter s. 188 u. 184 
als nom. pl. oder gen. sg. fem. fasst) ist zu beachten, dass die- 
selben sich in syntaktischer hinsicht von den belegen für -ono 
der ö-flexion unterscheiden: während erstere ausnahmslos in 
abhängigkeit von drohtin, fader oder einem subst. oder ad). 
mit collectivbedeutung (craft, gimang, megin, mahal, heriscipi, 
manag, gihwilic) stehen und mit solchem nomen im verein 


GRAMMATISCHES. 521 


gewissermassen den charakter einer uneigentlichen composition 
zeigen, erscheinen die anderen z.t. als zu einem verb. oder 
adj. mit genitivreetion gehörende casus (vgl. bötono 2298. 3549, 
frumono, -uno 1308. 1310, 4395. 4802, heipono 1187. 1566. 1573. 
1849. 2098. 2173. 3002. 3370. 3388. 3574. 3743, lerono 2491. 
3814, sacono 1568. 1617. 2617. 5037, sundeono 734. 892. 1014. 
1568. 1575. 1617, 1717. 1720. 2319. 3744. 4209. 5037. 5440. 
5477. 5511. 5595, spräcono 572. 613. 1992. 2466. 2719, sorgono 
2917, wunneono 2356, seolono 4659, gömono 4562), z. t. als mit 
dem nomen, zu dem sie gehören, in nicht so enger beziehung 
wie thiodo mit drohtin ete. stehende genitive (vgl. lerono endi 
4245, ödes frumono 1100, frumono lön 1558, gebono te gelde 1543, 
erthono beztun 758, metigedeono mesi 4331, frumono, sundeono 
mer 1547. 5352, frumono nigen 1094); es wäre demnach eben 
n jener syntaktischen eigentümlichkeit der grund der erhaltung 
der alten kurzen endung zu erblicken. 

Wegen des neutralen genus unseres substantivs sei schliess- 
lich bemerkt, dass gegenüber mbd. die! ntr. und fem. (auch 
masc.), mnd, det, deit ntr. und fem,, mnl. diet ntr. und (nur auf 
östlichem sprachgebiete) fem. ein sächliches {hiod, diot in der 
älteren sprachperiode eine seltene erscheinung ist: ahd. /haz 
diot zweim. bei Otfr. (s. Kelle 144), as. nur einmal undar theson 
thioda C 3097 (das mit rücksicht auf das fehlen eines mnd. 
masc. als ntr. anzusetzen ist). Hieraus ergibt sich der schluss, 
dass besagtes genus die folge einer Jungen entwicklung sein 
muss, die wol z.t. auf dem von Schlüter (s. 188) angenommenen 
wege (fassung des mit einem prädicat im plur. verbundenen 
fem. sg. thiu thiod, diot als nom. pl. ntr.), z.t. auch durch die 
einwirkung von seiten des synonymon /olc hervorgerufen wurde. 


XXXVII. Die as. dative sg. Eo, Eu und craft. 

Zu den in diesen Beitr. 15, 487 besprochenen as. suftixlosen 
dativ. locativen sg. der a-klasse hüs (at, te, 10) H&l. 531. 2119 
2150. 2704. 3772, C 2548, Freck. 11. 87. 266, Bed. 12 und -hem, 
-heim ist noch £o, Eu (an, an Ihem) hinzuzüfügen, der M 1432. 
1446. 1476. 1502. 1528. 3845. 5097 begegnet (daneben &wa, -e 
in C an denselben stellen sowie C 5333 und MC 529. 795. 809. 
1419, 3228). 

Ein anderer endungsloser dat. {hem craft M 5970 ist hin- 

Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. XX, 34 


522 VAN HELTEN 


gegen als compromissbildung zu erklären aus (them) crafte, -a 
M 623. 2596, © 34, MC 1973. 3071 und thero craft C 5879 (vgl. 
über diesen dat. der fenı. ö-deelination Behaghel in Pauls Grundr. 
1,623 und diese Beitr. a.a.o. und füge zu den citierten belegen 
noch hinzu das daselbst als masc. gefasste, jedoch nach dem 
mnd. fem. hurst als dat. sg. eines fem. ö-stammes anzusetzende 
-hurst, auch beachte man den dat. hand CM 185). 


XXXIX. Die wgm. casus obliqui des ungeschlechtigen 
pronomens und das possessiv für die 2. pl. 


Trotz Kögel, der in seinem dankenswerten aufsatz (in diesen 
Beitr. 9, 523 ff.) das zw, öv von izmwara, izwis, yövar, yOr auf m! 
zurückführt, möchte ich angesichts der sonstigen entwicklung 
von wi! zu ggw, gy(v) der von Brugmann in seinem Grundı. 2, 
8 436 anm.3 vorgeschlagenen deutung der germ. formen für 
das ungeschlechtige pron. der 2. pl. den vorzug geben: die got. 
an. aus *eswe-, die wgm. aus *ewe-. Das e der wurzelsilbe 
dieses *ewe- musste lautgesetzlich zunächst im dat. acc. vor 
*-jz (aus *-ez) zu ö werden, im gen. und der possessivform hin- 
gegen erhalten bleiben. Vgl.: 

ahd. normales iu (durch analogischen, nach uns aus *unsiz 
erfolgten verlust des -) mit der neubildung iuuih, iuuuih (das 
» hiatustilgend) und die seltenen formen euuar, evua (s. Braune, 
Alıd. gr. $ 30 a.2), woneben die ebenfalls seltenen eu aus durch 
anlehnung an euuar entstandenem *ew sowie euuih, euuuih (e. 
Braune a.a.o.) und die normalen durch anlehnung an iu ent- 
wickelten iuu(u)er, iuulu)a; 

as. normales u (mitunter auch iuu, d.h. aus iuuuar ab- 
strahiertes iuw) und die nur im anfang des Mon. stehenden 
euuar, euua, woneben das ebenfalls nur im anfang des Mon. 
erscheinende eu und die normalen formen iuu(u)ar, iuu(u)a; 

aonfık. iu und iuulu)a (der gen. ist nicht belegt); 

ags. eower gen. und poss. mit lautgesetzlicher entwicklung 
von &ow- aus *ew- (vgl. Sievers, Gramm, $ 73,1) und eow (mit 
eowic) mit genetisch nicht festzustellendem diphthong (vgl. aber 
altangl. iuu in diesen Beitr. 18, 415); 

aofries. id und idwe (der gen. fehlt in den quellen); awfries. 
iQ, ioe, iö (iu, id) und iümwe, ioume (8. diese Beitr. 19, 386 f. und 
351 fussn.; der gen. ist nicht belegt). 


GRAMMATISCHES. 52 


XL. Zur flexion des verbum substantivum. 


Brugmann erblickt in seinem Grundr. 2, 8 507 den aus- 
gangspunkt für die entwicklung der germanischen praesens- 
bildungen des verb. substantivum mit u im suffix in einer 
3. pl. *izunp, die, indem ihre endung mit der der praeterito- 
praesentia übereinstimmte, zu der bildung von *izum, *izup 
veranlasst hätte; daher aisl. neben ero auch erom, eroö, ahd. 
birum, birut und nach diesen formen entstanden as. ags. sindun, 
-on, ahd. (fränk.) sindun, -tun. Diese fassung unterliegt meh- 
reren bedenken: es begegnet von dem für die 3. pl. angesetzten 
prototypus (der übrigens für die dialekte, welche in der wurzel- 
silbe kein i aus e vor u der endung kannten, *ezunD lauten 
müsste) in den anderen indog. dialekten nirgendwo ein reflex;; 
es fehlt die berechtigung zur annahme einer für die bildung 
einer 3. pl. praes. ind. verwanten endung -unb (= nt); und 
es müsste, weil sich mit ausnahme des an. überall der reflex 
von aind. santi und &vri vorfindet, aus der annahme von *ezun), 
*izunb die nicht gerade glaubhafte voraussetzung hervorgehen, 
dass die meisten germanischen mundarten in vorhistorischer 
periode von haus aus zwei formen für die 3. pl. praes. ind. 
gehabt hätten. 

Zu dsmi, dsi, dsli, sänti und elul, ei (oder 2ool), Eorı (£ori), 
£vri stimmen die germ. bildungen im (em, bim), is (es, bis), ist 
und sind (sint.. Warum sollte man dann für die deutung von 
erom (birum), eroö (birut) nicht auf smäs, sthd, eiues, orte sein 
augenmerk richten? Zwar könnte hier von einer directen 
phonetischen entsprechung von mit starker wurzel gebildeten 
*ezmes, *este nicht die rede sein (denn die annahme von 
*ezames, *ezaöe > *ezumes, *ezude würde der berechtigung 
entbehren), doch liesse sich die entwicklung der überlieferten 
bildungen als auf analogischem wege erfolgter ganz gut be- 
greifen: | 

opt. *sime, *sibe : ind. *smes, *ste, woneben in der normalen 
flexion optativformen der 1. 2. pl. mit -%- : indicativbildungen 
der 1.2. pl. mit -u-; nach dem muster der letzteren 

opt. *sime, *sibe : ind. *sumes, *sube bez. durch einwirkung 
der formen des singulars *esumes, *esube, Fezumes, Fezuöe. 

34* 


524 VAN HELTEN 


Dass sich aus diesen 1.2. pl. oder aus den in der folge 
hieraus hervorgegangenen bildungen ganz leicht neben dem 
germanischen reflex von *senti eine neubildung mit *ez- oder *er- 
bez. *iz- oder *ir- und einem suffix -un(b) entwickeln konnte, 
liegt auf der hand; im nord. gewann dieselbe die alleinherschaft, 
im vorhd. (vorfränk.), vorsächs. und vorags. schwand dieselbe, 
nachdem sie mit sind die bildung der mischform sindun (sintun) 
hervorgerufen hatte. 


Ueber got. sijum, sijub bemerkt Brugmann a.a. o., dass sie 
wahrscheinlich umbildungen wären von *iz-um, *iz-up, veranlasst 
einerseits durch sind, andrerseits dadurch, dass man aus dem 
opt. sijau, sijais u.8.w. einen stamm sij- abstrahiert hatte. 
M. e. verhält sich die sache hier einfacher: die aus *sumes, 
*sube geflossenen bildungen *sum, *sup wurden umgebildet nach 
dem muster der neubildungen des opt. sijaima, sijaip. 


XLI. Das as. praeteritum seu. 


Im Anz. fda. 20, 243 äussert Roediger den hübschen ge- 
danken, dass sich im as. tiberbleibsel des praeteritalen typus 
got. gaigröt, lailöt ete, erhalten hätten. Er erblickt dieselben 
in den praeteriten griot zu einem verloren gegangenen praes. 
— got. grölan, ags. zretan, und seu zu säian. Was die erstere 
form angeht, ist diese fassung m. e. für recht glaubhaft zu halten, 
zumal wo eben der durch das vordringen der nebenform griotan 
veranlasste verlust des praes. — got. greian es begreiflich macht, 
dass der isolierte typus griot sich behauptete und nicht in 
folge von analogischer beeinflussung von seiten der verba mit 
dä: € durch gret verdrängt wurde. Hingegen ist seu keineswegs 
als beweis für Roedigers annahme geltend zu machen: die 
form hat nicht eo, sondern eu, das nach eu vobis, vos (s. oben 
XXXIX), hreuwan, treuwa etc. und sneu, Eu lex, hreu cadaver 
C 4101 den lautwert entweder eines die componenten e und u 
enthaltenden diphthongen oder eines &w (vgl. Zs. fda. 37, 124) 
repräsentiert, nicht aber als das zeichen für einen aus der 
contraction von e + ö (der wurzelsilbe) hervorgegangenen diph- 
thongen io (eo) gelten kann.!) Es ist demnach, weil von seu 
mit diphthong eu nicht die rede sein kann, seu, d.h. sew, an- 


[Y) Vgl. jedoch auch Beitr. 16,255. E.S.] 


GRAMMATISCHES. 525 


zusetzen, das mit den mnl. zu saeien, craeien, draeien, waeien 
gehörenden praeteriten sieu, crieu, drieu, wieu (s. diese Beitr. 
15, 463) in einer linie steht und, wie diese, sein » aus den 
pluralbildungen erhielt, in denen der halbvocal vor dem u der 
endung entstanden war. 


Nachträge. 


Zu XXXV. Auch mit Platts deutung von sculdru als dualform 
liessen sich Done sculdor und der plur. sculdru, -a nicht in einklang 
bringen. Der alte nom. acc. dual. eines ntr. ur-stammes *sculdru (aus 
*sculduru, *sculduz0) hätte die entstehung eines masc. zu veranlassen 
nicht vermocht; und der nom. acc. dual. eines masc. -ro-derivatums 
hätte durch vermischung mit dem nom. acc. pl. ntr. zur not entwicklung 
eines ntr. sculdor, keineswegs aber übertritt des nomens in die u-klasse 
hervorrufen können, denn zu der zeit, worin *sculdru (aus *sculdrö) 
noch keine vocalapokope erlitten hatte, endeten in der u-flexion der nom. 
pl. auf -iwi(z), der acc. c. q. auf -uns, und als in letzterer declination 
die endung des nom. acc. pl. zu -u geworden war, gehörte sculdru als 
reflex von altem *sculdru zu den unmöglichkeiten. 

Befriedigender wäre folgende fassung, zu der ich jetzt hinneigen 
möchte: der alte nom. acc. dual. eines -ro-stammes *sculdru wurde vor 
eintritt der v-apokope als singular gefasst und fiel so mit den ursprüng- 
lichen masc. u-stämmen zusammen. 

Zu XXXVI. Auch Hirts regel ‘indog. in urspr. unbetonter silbe 
stehendes 5 und % + nasal werden respective zu 2 und 2’ (s. diese Beitr. 
18,523 ff.) dürfte, sogar wenn sie besser begründet wäre, einer gleichuug 
urgerm. -ans — ahd. -a etc. schwerlich zur stütze gereichen. 


GRONINGEN. W. VAN HELTEN. 


MYTHOLOGISCHE 
ZEUGNISSE AUS RÖMISCHEN INSCHRIFTEN. 


6. Dea Garmangabis. 


In der Zs. fda. bd. 38, 189—195 hat Th. v. Grienberger eine 
studie über Dea garmangabis veröffentlicht, die für eine befrie- 
digende erklärung des epithetons nicht ganz ergebnislos, aber 
wie sich aus dem folgenden ergeben wird, auf abwege geraten 
ist und abgelehnt werden muss. Seine deutung ‘grata donatrix’ 
scheitert 1) daran, dass ein (von ihm richtig angesetztes) nomen 
gabis niemals ‘die gebende’ bedeuten kann, nicht einmal ‘die 
gabe, gnade, glück’ oder was Grienberger sonst noch zu- 
sammengestellt hat, worunter man nur die zunächst anklingen- 
den mhd. gebe (gibe), anord. gefr vermisst. Grienberger selbst 
hat nicht den geringsten versuch gemacht, die bedeutung von ga- 
bis als ‘die gebende’ durch irgendwelche beweismittel zu sichern; 
sie ist ohne jede materiale grundlage rein ins blaue hinein an- 
gesetzt. 2) garman = gratus ist im wortschatz der germanischen 
sprachen nicht unterzubringen. Die bezugnahme auf yaloo 
und seine sippe ist schon deswegen problematisch, weil die dem 
griech. und indischen zu grunde liegende bedeutung ‘an etwas 
gefallen finden’ in Deutschland, England und Skandinavien fehlt 
und unserer sippe die grundbedeutung ‘heftig verlangen’ (nach 
Kluge) eigentümlich ist. Nach der von Grienberger angenom- 
menen bedeutungsentwicklung müsste ein participium gar- 
manas nicht bloss = ‘begehrt’, sondern in perfectivem sinne 
— ‘willkommen’ gefasst werden Das ist aber keineswegs 
zwingend, weil *garmanas seiner wortbildung nach nur durativ, 
nicht perfectiv sein könnte. 3) hat Grienberger in der schwebe 
gelassen, ob er in dem compositum garmangabis ein adjectiv 
oder ein substantiv gesehen wissen will. Dem sinne seiner 


MYTHOL. ZEUGNISSE AUS RÖM. INSCHRIFTEN. 527 


worte und seiner lateinischen interpretation nach wird er das 
letztere gemeint haben, denn s, 190 f. ist von -gabis als nomen 
agentis (= donatrix) die rede. Es gibt aber bekanntlich keine 
nomina agentis auf -;, und an einen -iö-stamm darf bei der durch 
die inschrift belegten casusform nicht gedacht werden. Wir 
kennen nur adjectiva und substantiva concreta oder abstracta, 
die eine dem inschriftlichen -gabis entsprechende stammbildung 
aufweisen. 4) Aber selbst wenn, wie Grienberger meint, -gabis 
ein nomen agentis wäre, müsste gegen seine deutung einspruch 
erhoben werden. Es gibt keine nomina agentis, die compo- 
sition mit einem adjectivum eingegangen wären. Das liegt 
ja im wesen des nomen agentis begründet. Wenn Grienberger 
recht hätte, müsste wenigstens an erster stelle statt eines ad- 
jectivischen *yarmanas ein substantivum stehen, das den bezirk 
der betreffenden action umschriebe. Von welcher seite man 
also die Grienbergersche deutung betrachten möge, sie hält 
grammatischer nachprüfung nicht stich. Aber ich selbst vermag 
an materialien zur deutung des wortes nicht viel mehr beizu- 
bringen als Grienberger, glaube jedoch sie anders verwerten 
und ausschöpfen zu müssen. 


Fundumstände, sowie der inhalt der inschrift versagen jede 
beihilfe, sichern aber namen und gottheit als germanisches, 
speciell swebisches eigentum. Die inschrift lautet: 


Deoe Garmangabi ei n...seereeecreeeene aug n pro 
sal. vex. sveborum. lon. gor. votum solverunt. m 


Sie wird zu ergänzen und aufzulösen sein als 


Deae garmangabi et numini ..... Augusti nostri 
pro salute vexillarii Sueborum Lonyovicianorum 
Gordianorum volum solverunt merilo. 


Im sommer des jahres 1893 ist in Lanchester (grafschaft Dur- 
ham), einer station an der wichtigen Römerstrasse nach Nord- 
england, der die inschrift tragende grosse altar, in roher arbeit 
aus sandstein gefertigt, ans tageslicht gekommen. An den 
seiten befinden sich als embleme die üblichen opferwerkzeuge 
(messer und schalen). Den ersten bericht las ich in der Aca- 
demy (1893, 2, 158), kurz darauf erschien die mitteilung E.Hübners 
(Correspondenzblatt der westdeutschen zeitschr. für geschichte u. 
kunst, jahrg. 12 (1893), sp.184—186). Die epigraphischen merk- 


528 KAUFFMANN 


male weisen nach dem einhelligen urteil der sachverständigen 
ins dritte jahrhundert, speciell, was die inschrift selbst nahezu- 
legen scheint, in die zeiten des kaisers Gordian (238—244). 
Eine plausiblere ergänzung der buchstaben Gor. der inschrift 
wird sich wol schwerlich finden. Ich halte sie für um so sicherer, 
als gerade für Lanchester eine cohors / Lingonum Gordiana durch 
zwei daselbst gefundene inschriften bezeugt ist (CIL 7, 445. 446). 
Dann wird auch zwischen numini und Augusti nostri der kaiser- 
name Gordiani eingesetzt werden müssen. Durchaus befriedi- 
gend ist bereits das auf Sveborum folgende Zon. gedeutet worden. 
Man hat mit recht an den cuneus Frisiorum Abavallensium Phi- 
lippianorum erinnert. Wie bei dieser britannischen truppe 
ausser dem kaisernamen der des quartiers (Abavalla) zugefügt 
ist, so wird in Zon. der alte name von Lanchester, wo die in- 
schrift gefunden ist, stecken. Wir kennen nur den alten namen 
von Lancaster (grafschaft Lancashire) als Zongovicium, dürfen 
nunmehr dem neuen fund so weit vertrauen, dass wie heute so 
auch im altertum die beiden orte denselben namen geführt 
haben. Weitere bei Lanchester gefundene inschriften sind CIL7, 
p.93 f. gesammelt. Die grösste überraschung brachte unsere 
inschrift damit, dass Sweben!) in diensten des römischen 
imperators erscheinen und zwar als ein organisiertes detache- 
ment. Wir kennen aus früherer zeit nur einen Suaebus unter 
den equites singulares, aus späterer zeit eine ala Juthungorum, 
mehrere cohortes Juthungorum, sowie eine ala Alamannorum und 
mehrere cohories Alamannorum (Notitia dign. or. 33, 31. 28,43. 
32, 36.41. 31,63), auch die britannischen vexillarii Germani 
(CIL 7, 987), vexillatio Germanorum (CIL 7,303), wären zu be- 
achten. Es müssen grosse massen deutscher infanterie und 
cavallerie in England gelegen haben. Ihnen verdanken wir ja 
bereits die unschätzbaren documente der altäre von Housesteads 
(Beitr. 16, 200ff.), sie wird man künftig mit in anschlag bringen 
müssen, wenn man die grosse wanderung der Germanen nach 
dem inselreich in ihren geschichtlichen anlässen begreifen will. 
Unter der ihren einheimischen götterglauben zäh festhaltenden 
keltischen bevölkerung Britanniens war, wie es scheint, auch 


1) Vielleicht sind die neuerdings von Zangemeister entdeckten Neckar- 
sweben gemeint, über die allerdings ein definitives urteil noch nicht mög- 
lich ist, vgl. Neue Heidelberger jahrbücher 3,1 ff. Kossinna, 0. 8.279 fl. 


MYTHOL. ZEUGNISSE AUS RÖM. INSCHRIFTEN. 529 


der günstigste boden für die pflege des nationalen cultus von 
seiten der germanischen detachements. So reiht sich denn jetzt 
an die altäre, die dem Mars 'T'hingsus und den Alaesiagen Beda 
und Fimmilo von in Britannien stationierten männern aus 
Twenthe geweiht worden sind, unsere widmung an eine dea 
garmangabis von frommen ihren heimischen cultus mit gleicher 
pietät wie die huldigung des kaisers wahrenden swebischen 
soldaten. Genau ebenso wie die Friesen bei den altären von 
Housesteads verbinden die Sweben von Lanchester mit der 
dankbarkeit gegen die gottheit ihres eigenen volkes die ehr- 
erbietung gegen das ihre dienste lohnende und leitende römische 
kaiserhaus: römische götternamen fehlen, nur dem numen Augusti 
hat der deutsche soldat für empfangene huld die treue des 
holden in ehrfurcht geopfert. Ich glaube nicht, dass wir in 
unseren dedicationen mit numinibus Augustorum bez. numini 
Augusti nostri eine blosse curialie sehen dürfen, sie sind viel- 
mehr der ausdruck des pietätsverhältnisses, in das deutsche 
männer mit der verpflichtung auf den römischen soldatendienst 
eingetreten waren, eines pietätsverhältnisses, das zunächst der 
treue gegen den eigenen princeps, dann aber auch der gegen 
gott und göttin der heimat analog gewesen sein wird. Näheres 
über das wesen der auf der inschrift genannten swebischen 
göttin lässt sich noch feststellen, wenn wir einer etymologischen 
betrachtung ihres epithetons die führung überlassen wollen. 
Grienberger hat darauf hingewiesen, dass garmangabis 
seinen nächsten anhalt findet an deutschen namen wie Germen- 
berga, Germenhildis, Girminburg u. a. Seiner deutung dieser 
namen kann ich mich aber nicht anschliessen. Er war nahe 
daran das richtige zu sehen, als er die parallelformen Zrmen- 
berga, Ermenhildis, Irminburg u. a. erwähnte, annahm, dass 
ermen- und germen- auch in der rede gepaart und dem sinne 
nach ungefähr wie unser ‘hoch und teuer’ gebraucht worden 
seien. Wenn man auch das letztere nicht glaublich finden wird, 
so drängt sich doch die etymologische zusammengehörigkeit 
von ermen- und germen- auf. Diese zusammengehörigkeit ist 
meines erachtens 80 zu verstehen, dass in *ermena ein durativum, 
in *germena ein perfectivum vorliegt, d.h. dass *germena aus 
ga + ermena besteht. Beide sind ja zweifellos participial- 
bildungen, für deren verständnis alles schon von Streitberg, 


530 KAUFFMANN 


Beitr. 15, 70 ff. (besonders 172 ff.) gesagt ist. Dann wird aber 
auch eine bedeutungsdifferenz der beiden wörter bestehen, ähn- 
lich wie bei den participien wasibs und gawasibs in der stelle: 
akei ha usiddjedub saivan? mannan hnasgqjaim wastljom gama- 
sidanu? sai, bai ei hnasqjaim wasidai sind in gardim biudane . 
sind Matth. 11,8, für gawasidana bietet der griech. text nugıeo- 
uevov, für wasidai gopovvres. Nun hat man längst gesehen 
(Kluge, Stammbildungslehre $ 186), dass wir nicht bloss die 
partieipialbildung auf -menos restweise erhalten haben, sondern 
auch die auf -wos, zumal in dem gemeingermanischen ad). 
*gurwas (ahd.garo, and. garu, age. zearo, anord. gorr); vgl. Brug- 
manns Grundr. 2,412. Auch dieses adjectivum wird stets in 
perfectivem sinne gebraucht. Man hat auch schon bemerkt, 
dass neben diesem perfectivum uns das durativum erhalten ist 
in and. aru, ags. earo, anord. orr, dass also mit anderen worten 
and. garu, ag8. gearo, anord. gorr mit ga- zusammengesetzt sind 
(vgl. jetzt auch Indog. forschungen 5, 26). So liegt es jedenfalls 
im and.: an them felde sind fruhti ripia, aroa an them accare 
Hel. 2567. Hier ist aru schon synonym mit garu (= fertig), 
und offenkundig, dass wir es bei garu und aru etymologisch 
mit einem und demselben wortstamm zu tun haben. Anders 
im ags. und anord. wo earo bez. orr (finn. arvas) noch die rein 
durative bedeutung ‘schnell’ bewahrt haben, während das per- 
fectivum mit entsprechend modificierter bedeutung als zearo, 
gorr vorliegt. Die etymologischen zusammenhänge sind ganz 
klar. Zu aru, earo, orr gehört aind. arvan- (schnell) mit aind. 
rnömi = griech. Ogvvuı, so dass also mit aind. arvan-, and. aru, 
ags. earo, anord. orr, das griech. adj. opuevog (schnell) durchaus 
synonym ist, nur dass in letzterem fall die partieipialbildung 
vorliegt, die nicht in *aruas, sondern in erman-, irmin- erhalten 
ist. Oouevoc hat man ja längst (Zs. fda. 23, 3) mit erman-, irmin- 
zusammengestellt, und jetzt dürfte ganz klar sein, dass dem 
paar aru- : garu- das paar erman- : german- genau entspricht. 
Zu dem durativum griech. opvuu. gehört das perfectivum apvv- 
ueı: während jenes ‘sich erheben, bewegen’ bedeutet, ist in 
diesem die ankunft am ziel ausgedräckt und das wort heisst 
in folge dessen: ‘ich ernte, erwerbe etwas.’ Wir haben hiezu 
im gotischen genaue parallelen: sniwan ‘eilen’, gasniwan ‘er- 
reichen, erlangen’; z. b. Israel laistjands witob garaihteins bi 


MYTHOL. ZEUGNISSE AUS RÖM. INSCHRIFTEN. 531 


witob garaihteins ni gasnau (Eydaoev) Röm. 9, 31 gegen jah duat- 
sniwun (r0000pundnoav) Me. 6,33. Ebenso rinnan ‘laufen’, garin- 
nan ‘erlaufen, erlangen’; z.b. niu wilub batei bai in spaurd rinnan- 
dans (tosxovres) allai rinnand (To&xovow), ib ains nimib sigis- 
laun? swa rinnaib ei garinnaib (oüTwg ro&ysre iva xaraAapıre) 
1.Cor.9, 24 u.a. Genau ebenso verhalten sich ags. earo zu 
zearo, anord. orr zu gorr, genau in derselben weise ist die be- 
deutung ‘bereit, fertig’ aus der von ‘in bewegung gesetzt, schnell’ 
zu entwickeln. Die enge zusammengehörigkeit der wörter er- 
gibt sich namentlich aus and. aru, welches schon die bedeutung 
von garu übernommen hat, und wir sehen deutlich, was die 
ablautsstufe von garman- betrifft, weshalb wir in -a- den perfect- 
vocal erhalten haben. *yarman- unserer inschrift wird also 
nahezu dasselbe bedeuten wie *garmwa-, und germen-, girmin- 
als erstes glied von personennamen wird gerade so von ermen-, 
irmin- verschieden sein wie garu von aru. Eine unserem 
garmangabis entsprechende bildung liegt also vor in einem 
compositum mit garu, wie z.b. Beow. 2085 zrapode zearofolm 
(mit bereiter hand) oder in den zahlreichen mit garu- als erstem 
glied gebildeten personennamen. Von einem hochaltertümlichen 
bahuvribi-compositum wie zearofolm sind streng zu sondern 
jüngere bildungen wie ags. zearosnotor, gearoboncol, gearowyrdiz, 
und es kann bei dem alter unserer inschrift keine frage sein, 
an welche der beiden gruppen wir garmangabis anzuschliessen 
haben. Dann muss aber in *-gabis ein substantivum vorliegen. 
Dies substantivum *gabis ist denn auch kein anderes als das 
durch ahd. *kepi, dat. pl. kepim (opibus) bezeugte (Abd. gl. 2, 
332,50), wovon ahd. kepigi (opulentia) abgeleitet ist, ein wort, 
das zunächst allerdings noch enger mit got. gabigs (nAovouog), 
anord. gofogr, gofegr zusammengehört und folglich ein gemein- 
germ. substantivum *gabis (reichtum) ergibt, das an got. gabei 
(reichtum, gewinn) eine parallelbildung hat, welche an gabeiys 
wie jenes an gabigs seine geltung bewährt. Got. gabigs ist 
gerade auch von gott als dem aus seinem reichtum spendenden 
gebraucht (/rauja allaize gabigs in allans bans bidjandans sik 
Röm. 10,12, womit man vergleichen möge that scoldi fon Beth- 
leem ... cuman .. Ihe rihtien scal Judeono gumskepi endi wesan 
is geba mildi obar middilgard managun thiodun Hel. 625 ff.). 
-gabis hat also zunächst nichts mit got. gida (geschenk) und 


532 KAUFFMANN 


den übrigen von Grienberger zusammengestellten formen für 
‘gabe’ zu tun, sondern ist das grundwort im sinne von 
‘reichtum’ (vgl. J. Grimm, Kl. schr. 7,177 = Zs. fda. 5, 234). 
Garmangabis ist also ein bahuvıihi-compositum, ein adjec- 
tivum wie got. /aushandus, lausgihrs u.a. und bedeutet ganz 
wörtlich ‘bereit liegenden reichtum besitzend, aus der immer 
bereiten fülle des reichtums spendend’ oder ähnl., vgl. die von 
Kögel (Gesch. d.d. litt. 1,19) aufgestellte deutung der Tanfana, 
der ich allerdings ebensowenig vertrauen entgegenbringe als der 
von Grienberger (Zs. fda. 35, 391) gegebenen erläuterung der San- 
draudiga. Was wir uns unter dem reichtum einer altgermanischen 
göttin vorzustellen haben, kann nicht zweifelhaft sein. In 
perivden reiner naturalwirtschaft kann es sich dabei nur um 
naturalien handeln: reichtum des bodenertrags, reichtum des 
viehbestandes (vgl. Germ. c.5 und dazu ve/ armenta vel fruges 
Germ. c. 15): was der Germane sonst besass, waren tauschmittel 
und als solche durch den handelsverkehr bezogen, nicht durch 
die huld der götter verliehen. Man wird schmuck- und weıt- 
gegenstände, überhaupt industrieproducte, die man (im gegen- 
satz zu den landesproducten) einhandelte, nicht als spende der 
gottheit wertgehalten haben (argentum et aurum propitiine an 
irati di negaverint dubito Germ. c.5). Wol aber all das, was 
sich für uns in dem begriff ‘erntesegen’ zusammenfasst. Das 
sind die opes des altertums, die der Römer aus dem schosse 
der Ops empfing, einer göttin, für welche mit vorliebe der name 
Terra (mater) geläufig war. Aber nicht bloss diese tatsache 
führt uns auf die göttin der Sweben, welche Tacitus nach 
römischer interpretation als Terra mater bezeichnet hat, noch 
mehr fällt die übereinstimmung des cultus der römischen 
Terra mater, der Ops, mit dem cultus der swebischen Terra 
mater, der Nerthus, ins gewicht. Tacitus sagt ja Germ. c. 40, 
wo er von den geheimnissen des Nerthusdienstes redet, dass 
allein der priester des volkes (sacerdos, sc. civitatis) zu ihrem 
heiligtum zutritt gehabt habe. Fast genau dasselbe berichtet 
Varro von dem heiligtum der Ops, welches als secretum und 
arcanum (wie das der Nerthus von Tacitus) bezeichnet wird, zu 
dem ausser den vestalinnen (beachte das castum nemusder Nerthus) 
nur der sacerdos publicus zugang hatte, und Macrobius kannte 
noch zuverlässige gewährsmänner dafür, dass Ops die eigent- 


MYTHOL. ZEUGNISSE AUS RÖM. INSCHRIFTEN. 533 


liche schutzgöttin Roms gewesen sei. Die Übereinstimmung 
mit dem, was Tacitus Germ. ec. 39. 40 von den Sweben berichtet 
und von mir schon früher erörtert wurde, ist geradezu schla- 
gend.!) Dazu kommt nun noch die festfeier der Nerthus, die 
ebenso gewis ein erntefest gewesen ist als die römischen Opi- 
cousivia des 25. august; nur wird das fest in Deutschland etwas 
später gefeiert worden sein. 

Auf den reichtum der swebischen göttin, wie ich ihn ge- 
deutet habe, weisen zweifellos die von Tacitus erwähnten boves 
feminae, welche bei ihrer festfeier den wagen ziehen. Dass 
ihr fest nach der ernte stattgefunden habe, scheint auch 
Müllenhoff (Zs. fda. 23, 24) anzunehmen, wenigstens muss man 
dies aus seinen worten schliessen: ‘die göttin Tanfana hatte 
ohne zweifel dieselbe stellung bei den Iscaevonen wie die 
Nerthus bei den Ingaevonen’ (Zs. f. allg. gesch. 8, 264). Wenn 
nun Müllenhoff das Tanfanafest, das die Marsen ende september 
oder anfang october feierten, für ein erntedankfest erklärt hat, 
musste er consequenterweise auch das Nerthusfest der Sweben 
als solches gelten lassen. Er sagt aber a.a.o. s. 231.233 aus- 
drücklich, im frühling habe Nerthus das land durchzogen, wie 
beim beginne der besseren jahreszeit der wagen des Freyr in 
Schweden umgeführt worden sei. Dem haben die neueren sich 
angeschlossen, z.b. Mogk, Pauls Grundr. 2, 1101, Bielschowsky, 
Acta Germ. 2,73, E.H. Meyer, Germ. mythol. 2.288. Einen sehr 
ungeschickten versuch, beide deutungen zu vereinigen, hat Kögel, 
Gesch. d.d. litt. 1,21 gemacht, indem er die göttin im frühling 
ihren umzug antreten, aber ‘eigentlich’ erst am ende des sommers 
in ibr heiligtum zurückkehren lässt. Die datierung im frühjahr 
ist unmöglich, weil Taecitus das fest in die jahreszeit verlegt, 
da kriege geführt werden,?) nicht in die zeit, in welcher kriege 
begonnen zu werden pflegen. Non bella ineunt hat gar keinen 
sinn, wenn der autor ein fest schilderte, das bei eintretendem 


1) Ueber die einheimisch-römischen vorstellungen von Ops sind wir 
völlig erst durch G. Wissowa aufgeklärt worden in der abhandlung: 
De feriis anni Romanorum vetustissimi observationes selectae. Marpurgi 
(1891). 

2) So ist auch die stelle zu verstehen: Quotiens bella non ineunt.. 
delegata domus et penatium et agrorum cura feminis etc. Germ. c.15, da 
von kriegsläuften eben nur in der guten jahreszeit die rede sein kann. 


534 KAUFFMANN, MYTHOL. ZEUGNISSE AUS RÖM. INSCHRIFTEN. 


frübjahr gefeiert wird. Es ist auch ganz unwahrscheinlich, 
dass ein fest, von dem es heisst guasecumque adventu hospitioque 
dignatur in der jahreszeit gefeiert worden wäre, in der die 
vorräte zu schwinden beginnen und nicht vielmehr in derjenigen, 
da die speicher gefüllt sind.!) Ist aber Nerthus in jenem fest- 
umzug durch swebisches land als spenderin des erntesegens 
gefeiert, dann liegt auf der hand, dass das swebische epitheton 
garmangabis, wie ich es gedeutet habe, auf Nerthus bezogen 
werden muss und dass meine ausführungen Beitr. 18, 144 f. auf 
gutem grunde ruhen. 


1) Dem apokryphen bericht von dem frühjahrsumzug des Freyrbildes 
kann ich keinerlei beweiskraft beimessen. Auch in Skandinavien hat 
man für ar ok frib nicht zu frühjahrsanfang geopfert, sondern zu mitt- 
winter; bei frühjahrsanfang feierte man sigrbldt um des sieges und 
glückes willen auf den gleich darnach beginnenden kriegsfahrten; das 
grosse im spätjahr stattfindende opferfest war, wie schon Petersen, Gude- 
dyrkelse 8.27 angenommen hat, ein erntefest. 


JENA. FRIEDRICH KAUFFMANN. 


MHD. 2 IM SCHWÄBISCH-ALEMANNISCHEN. 


Win man im einzelnen die geschichte der mhd. längen 
im schwäbisch-alemannischen verfolgen, so scheint es vielleicht 
auf den ersten blick am empfehlenswertesten, zunächst der ent- 
wicklung von mbd. 2, # und dem umlaut von Z nachzugehen. 
Aber bei der heutigen sachlage ist doch für die frage nach der 
diphthongierung dieser laute auf dem boden des schwäbisch- 
alemannischen wenig zu gewinnen. Das dringendste wäre heute 
die auseinandersetzung mit dem bairischen, und dazu fehlen 
genügende vorarbeiten auf bairischer seite. Dagegen lässt 
sich die geschichte von mhd. @ mit ziemlicher bestimmtheit 
feststellen, und die entwicklung dieses lautes kann massgebend 
werden für die auffassung der entwicklung anderer längen, 
deren gang wir weniger genau verfolgen können. Ich sehe aber 
bei der folgenden untersuchung von der besonderen entwick- 
lung ab, welche mhd. @ in weiter ausdehnung des schwäbisch- 
alemannischen gebietes vor nasal genommen hat. Die ent- 
wicklung in dieser stellung lässt sich nicht befriedigend 
bestimmen, solange wir nicht die geschichte von mhd. ö in 
unserer mundart genauer kennen. 

Ich gebe zunächst den heutigen bestand der mundart, 
soweit ich ihn zu bestimmen vermag. Ich kann nicht überall 
ganz genaue grenzen ziehen, aber was ich gebe, wird zunächst 
einmal genügen. Das Elsass hat langes geschlossenes o, ?, 
oder einen laut, welcher sich nachträglich aus 5 weiter ent- 
wickelt hat. So weist das mittlere Zorntal @ auf (Hans Lien- 
hart, Laut- und flexionslehre der ma. des mittleren Zornthales, 
diss. Strassburg 1891), wie dort mhd. 5 zu @ geworden ist, und 
das Münstertal (W. Mankel, Die ma. des Münsterthales, Strass- 
burger studien 2, 1884) hat ebenfalls mhd. @ in ganz gleicher 


536 BOHNENBERGER 


weise wie mhd. ö weiter entwickelt. Auf Schweizer boden 
erscheint 5 noch in den cantonen Basel (Eduard Hoffmann, 
Der mundartl. vocalismus von Basel-stadt, diss. Basel 1890) 
und Solothurn. Auf dem rechten Aarufer (z.b. Aarburg) gilt 
offenes langes o, 9, mit einer ausnahme, welche nachher zu 
nennen. Dieses 9 geht ostwärts bis zur bairischen grenze. 
Im Bregenzer wald scheidet der bezirk ‘hinter den Stieglen’ 
aus. Dieser bat diphthong, ‘au, auch nach du schwebend’ (& = 
‘setrübtem’ a, ö = offenem o, beide zwischen geschlossenem o 
und reinem a liegend; Victor Perathoner, Ueber den vocalismus 
einiger mundarten Vorarlbergs, 1883), Im SO. reicht 0° je ein- 
schliesslich am Hinterrhein hinauf ins seitenthal Albula mit 
Mutten, über der Via mala oben ins seitenthal Avers. Dagegen 
haben Davos am Landwasser, Splügen und Rbeinwald, Safıer- 
thal, Valver- und Vorderrbein, soweit sie überhaupt deutsch, ä 
(Val. Bühler, Davos in seinem Walserdialect, 1870 ff... Ebenso 
herscht @ in Glarus, Schwyz, Uri, Unterwalden (Fr. Jos. Stalder, 
Landessprachen der Schweiz, Aarau 1819), im gebiet des Brienzer 
und Thuner sees (ausgenommen das Hasli und Sigriswyl, wel- 
ches nach ausdrücklicher bestätigung von dort 6° hat), in Bern, 
Emmenthal, Entlibuch, Mit der umgebung von Luzern beginnt 
wider das gebiet von 9 (Beromünster: R. Brandstetter, Geschichts- 
freund 38, 228). So bat auch das untere linke ufer des Züricher 
sces d. Am rechten oberen ufer des sees greift noch @ nach NW. 
und reicht bis Hinweil, Wetzikon. Vor den toren von Wetzikon 
wird aber schon 5 gesprochen (Unter-Wetzikon, Kempten, auch 
Gyrenbad, nordöstlich von Hinweil), ebenso gehört westlich da- 
von das Toggenburgische zum gebiet von 6 (J. Winteler, 
Kerenzer mundart s. 126), während weiter südlich am Wallensce 
Kerenzen noch @ hat. Eingeschlossen, so viel ich sebe, von & 
erscheint zwischen Pfäffikonsee und Greifensee ein kleiner 
bezirk mit ö; die genaueren grenzen vermag ich nicht anzu- 
geben. Die badische ebene von der fränkischen grenze nach 
süden hat 9 (K. Heimburger, ma. von Ottenheim, Beitr. 13, 216), 
parallel gehend dem elsässischen 5. Im Schwarzwald schliesst 
sich 9 an, und zwar hat schon der obere teil der nach W. 
offenen Schwarzwaldtäler 0, so Hornburg, Hinterzarten gegen 
ö in Freiburg i. B. (Schreiber, Freiburg i.B. mit seinen um- 
gebungen, Freiburg 1825, s. 136; entgegen Schreiber hat aber 


MHD. ä IM SCHWAEB.-ALEM. 537 


auch der Kaiserstul 5). Aus den nach S. offenen tälern kenne 
ich 9 in Brandenberg-Todtnau (Wiesental), Herischried (Murg- 
tal); dagegen hat im unteren Wiesental Hausen bei Schopf- 
heim 5 (Meyer, Deutsche mundarten 7, 454. 456!)). Das ganze 
übrige gebiet, umfassend den SO. von Baden, den N. und NO. der 
Schweiz, die schwäbisch-alemannischen teile von Württemberg 
und Baiern, hat 9, es scheiden nur noch bestimmte diphthong- 
bezirke aus. Umschlossen von g tritt nämlich der diphthong 
ao auf in teilen des Hegaus (H. Stickelberger, Lautlehre d. leben- 
den mundart d. st. Schaffhausen) und der Baar, und dann er- 
scheint derselbe oder ein nahe verwanter diphthong im osten 
um Ulm -Heidenheim - Neresheim und ostwärts davon, weiter 
zwischen Lech und lller (Bavaria 2, 2, 814: Altstadt- Kempten 
und tieferes Schwaben; Birlinger, Augsburger wörterbuch), und, 
wie schon angegeben, im Bregenzer wald hinter den Stieglen. 
Endlich führe ich noch an, ohne über deren stammeszugehörig- 
keit damit etwas sagen zu wollen, dass auch die Deutschen 
am Monte Rosa nach Albert Schott (Die deutschen colonien in 
Piemont, Stuttg. 1842) 9 haben, während das benachbarte 
deutsche Rhonetal (Visp) @ spricht. 

In grossen zügen zusammengefasst ergibt sich somit: & ist 
erhalten im süden bis zum Vierwaldstätter-- und Wallensee 
und in den obersten Rheintälern, im übrigen gebiet gilt langer . 
o-laut oder diphthong. Geschlossenes o herscht im westen. 
Von den Schwarzwaldhöhen nach osten, vom Vierwaldstätter- 
und Wallensee nach norden wird offenes o gesprochen, diph- 
thong innerhalb dieses letzteren gebietes in mehreren bezirken, 
besonders im osten. | 

Ich enthalte mich nun zunächst aller schlüsse aus diesem 
heutigen bestande, und suche zuvor die ältesten örtlich und 
zeitlich genau bestimmbaren belege für den wandel von mhd. 
ä@ im schwäbisch-alemannischen zu geben. Hierzu benutze ich 
die urkunden unseres gebietes aus dem 13. und 14.jh. Ich 
erkenne an, dass es sein missliches hat, allein mit urkunden 
zu operieren, aber solange uns veröffentlichungen von zeitlich 


ı) Unter berufung auf diese angaben Meyers und unter völliger 
übergehung von Stalder und Titus Tobler behauptet Kauffmann (Schwäb. 
ma. $ 61 A 3): ‘im alem. ist 0 die vertretung von mhd. a, während mhd. @ 
als ö erscheint’! \ 

Beiträge zur geschichte der deutschen sprache, XX. 35 


538 BOHNENBERGER 


und örtlich genau bestimmbaren andersartigen quellen fehlen, 
ist die benutzung der urkunden der vorgezeichnete weg. Hat 
man dann aus den urkundlichen formen einmal eine grund- 
lage gewonnen, so kann man immer noch die übrigen quellen 
bestätigend, ergänzend oder jenachdem auch berichtigend bei- 
ziehen. 


Esslingen 1295 ZORh. 14, 372. 374,1) 1311 ZORh. 17, 94. 214; 
1317 ZORh. 18,445 etc. a — 1311 Schmid, Pf. gr. 121 a, one; 1315 ZORh. 
18, 376 a, aw,?) rauf; 1329 ZORh. 21,396 a, haun (m), aun (m), lauzsen, 
haunt, nauch (0), rauf (m), haut, laussen;, 1329 ZORh. 21, 398 a, aun, 
haun, nauch; 1331 ZORh. 21, 415 a, aun, brauhlen, haut, nauch; 1331 
ZORh. 21, 417 a, au (0); 1334 ZORh. 21, 427 a, aune. Gmünd 1326 
Schmid, Pf.gr. 129 raül, vngefaurlich (m), schwaugers. Hohenroden- 
Königsbronn (?) 1341 ZORh. 10, 252 viele au. Reutlingen 1296 
(Reutlingen, Gomaringen) ZORh. 14,381 a — 1307 ZORh. 15, 365 a, aune 
(m), (o«<ou); 1310 Schmid, Pf. gr. 87 a, aune (m), staut, raut, haut, 
swaugers (ou < 6); 1356 MZ. 1, 193 a, aune, brombern. Tübingen 
1293. 1297. 1304. 1317. 1329. 1333. ZORh. 14, 338. 444; 15, 351; 18, 451; 
21,392. 425 a — 1337 Schmid, Pf. gr. 137 a, haut; 1340 Schmid, Pf. gr. 
221 a, straus (m); 13147 Schmid, Pf.gr. 147 grauf. Herrenberg 1327. 
1328 Schmid, Pf. gr. 157, ZORh. 21,388 einzelne au; 1331 ZORh. 21, 412 
au regel; 1334 Schmid, Pf.gr. 165 viele au. Rottenburg 1309. 1310. 
1311. 1322. 1323. 1330 ZORh. 15, 457; 16, 221.380. 487; 20, 116. 124; 21,403 
a — 1330 Schmid, Pf. gr. 160 a, aun, haun, staun, wauren (ou<ö); 1331 
Schmid, Pf. gr. 161 a, aubent (ou < ö); 1332 ZORh. 21, 418 a, aun. 
Zollern-Hechingen 1287 fi. MZ. 1,98 ff. a — 1339 MZ. 1,150 a, aun, 


ı) Die urkunden sind citiert nach den seiten, auf welchen sie be- 
ginnen. 0 = oft, m = mehrfach. — ZORh. = Zeitschrift für geschichte 
des Oberrheins. — Schmid, Pf.gr. = Ludw. Schmid, Pfalzgrafen von 'Tü- 
bingen. 1853. — MZ. = Monumenta Zollerana. — FU. — Fürstenbergisches 
urkundenbuch. — c.Sal. = codex diplomaticus Salemitanus. — UU. — 
Ulmisches urkundenbuch. — WU. = Wirtembergisches urkundenbuch. 
— AU. = Urkundenbuch der stadt Augsburg. — Arch. f.d.g. = 
Archiv für Österreichische geschichte. — SGU. = Urkundenbuch der 
abtei St. Gallen. — Mohr = Archiv für die geschichte der republik 
Graubünden, codex diplomaticus hg. v. Th. v. Mohr. — Gf. = Geschichts- 
freund. — FRB. = Fontes rerum Bernensium. — Boos A. —= Hr. Boos, 
Urkundenbuch der stadt Aarau. — BoosB. = Hr. Boos, Urkundenbuch 
der landschaft Basel. — Rapp. = Rappoltsteinisches urkundenbuch. — 
ec. Mulh. = cartulaire de Mulhouse. — Str. U. — Urkundenbuch der stadt 
Strassburg. — Schm. = Gust. Schmoller, Strassburger tucher- und weber- 
zunft. 1879. 

2) Im folgenden stehen at, ou, ae, oe, a° für a, o mit übergesetztem 
u, 6,0. 


MHD. @ IM SCHWAEB.-ALEM. 539 


Strauzburg, staut, raut; 1340 MZ. 1,152 a, haun (0); 1341 MZ. 1,153 a, 
as (m); 1387 MZ. 1,253 selten a, regel aw, bromber (0). Heidenheim 
1325 ZORh. 10,252 aw mehrfach. Ehingen a.D. 1302 UU. 270. 271 
mehrfach au. Mengen 1319 (or.?) c. Sal. 3, 193 sunderbaur; 1341 c.Sal. 
raut, haut. Wernwag (?) 1268 WU. 6,412 Werbenwäg (w; hierher?). 
Rottweil 1314 MZ. 1,129 a, getau, haunt (m), aun, aubende; 1352 MZ. 
1,184 a, aun, hon; 1359 ZORh. 8,332 a, ar; 1360 c.Sal. 3,189 a, aune 
(m), Aazgge),. Villingen 1274 (Villingen?) 1296 FU. 2,269, 5,237 a 
— 1309 FU. 2,33 a, woren; 1378 ZORh. 8,231 a, begaun, raut, haut. 


Ulm 1289. 1291. 1293 UU. 194. 199. 204. 207. 210 a — 1294 UU. 
215 a, aun;, 1295 UU. 223 a, grauve (0), maenode; 1296 UU. 228 a, haut; 
1298 a, gitaun, kaunt;, 1302 UU. 272 a, nauch (m), staut; 1302 UU. 273 
a, aune (wm), nauch (m). Nach 1302 tritt aw, au wider mehr zurück. 
1308 UU. 298 raute.!) Augsburg?) 1273. 1277. 1280. 1282 u.8. w. 
AU. 1,35. 41. 46. 51. 53. 54 a — 1295 AU. 1,114 a, gefraugt; 1298 
AU. 1,128 a, hon (m), worn; 1300 AU. 1,142 gefrouget (m); 1301 AU. 
1,146 aun; 1310 AU. 1, 178 a, grauf;, 1315. 1317 AU. 1, 195. 203 a, aubend 
u.8.w. 0 bis ende des 14.jh.’s auch vor n nur völlig vereinzelt, au vor n 
häufig. Winterstetten (OA. Waldsee) 1263 WU. 6,114 Baufendorf. 
Überlingen 1311. 1333 ZORh. 10,454. 465 a — 1336 ZORh. 10,470 a, 
mwaerum; 1356 ZORh. 10,481 a, aune (m); 1389 ZORh. 11,90 a, oft ar. 


Schaffhausen 1352 c. Sal. 3,122 a, maunei; 1387 c.Sal. 3,123 a, 
Schawffhusen; 1387 ZORh. 19, 479 Schauffhusen, aubend, raet, Schaeff- 
husen. Feldkirch und Dornbirn 1349 (F.) ZORh. 15,415 a, rast; 
1354 (F.) Arch.f.ö.g. 1,3,78 a; 1369 (F.) SGU. 4,95 a, av oft, grauf; 
1370 (F.) SGU. 4,108 aw regel; 1370 (F.) SGU. 4, 113 a, d, raut, aubend; 
1376 (F.) SGU. 4, 183.185 a, a“ regel; 1379 (F.) Arch. f.ö g.1,3,119 «a, 
grauff (m); 1380 (D.) ZORh. 15,419 a regel, a, grau/f; 1380 (D.) Arch. 
f.ö.g.1.3,120 a, oft au; 1381 (F.) SGU. 4, 262 viele av; 1384 (F.) SGU. 
4,302 au regel, grauf; 1388 (F.) Arch.f.ö.g.1,3,133 a, oft ae (oe < ou). 


Bünden 1278 Mohr 2,2 a u.8.w. — 1327 (Chur) Mohr 2,288 a, 
schauf; 1349 (Chur) Mohr 2.405 prau serin (heute Prasserin), monat; 
1369 (Chur) Mohr 3,225 a, on; 1370 (Chur) ZORh. 20,150 a, ansprauch; 
1387 (Chur) Mohr 4,133 a, monath; 1389 (Chur) Mohr 4, 178 strau/s, got; 
1390 (Schams) Mohr 4,183 a, mehrfach & (ö< ou); 1394 (Sargans) Mohr 
4,227 a, grauff,; 1395 (Chur) Mohr 4, 245 a, graufen (m), lau/sen (m); 
Mohr 4, 273 a, on, mountag. 15. jh. (Chur, 'Truns, Lax, Oberer bund) 
bei Jecklin, Urkunden zur verfassungsgeschichte Graubündens, sehr 
viele au. 


1) Eine grössere zahl von durchsuchten unedierten urkunden des 
13.jh.’s aus verschiedenen teilen des schwäbischen Würtembergs hatte 
durchweg «. 

2) Abgesehen von den urkunden der Herwart’schen sammlung, 8. 
AU. 2, xı. 


35* 


540 BOHNENEERGER 


St. Gallen und Wil!) 1360—1367 SGU. 4 a — 1367 (W.) SGU. 
4,77 a, haun; 1373 (St.G.) SGU. 1,437 a, grawf (m), nauch; 1374 (W.) 
SGU. 4,157 a, gauch; 1374 (W.) SGU. 4,164 a, mehrfach aw; 1375 (W.) 
SGU. 4,176 a, raut; 1375 (St.G.) SGU. 4,177 a, bräch, bräht; = erst 1390 ff. 
etwas häufiger; 1395. 1401 (W.) SGU. 4,375. 634 a, &, aubent. Uri — 
Schwyz — Unterwalden regel «a, einige au, au, o, z.b. Ursern 1363 
Gf. 41,122 erlaussen; 1390 Gf. 42,37 aun;, 1396 Gf. 42,40 mehrfach a«. 
Bürglen 1378 Gf. 42,10 gawn, aun, gelaun;, 1398 Gf. 42,44 laussen. Uri 
1411 Gf. 42, 62 stadt; 1448 Gf. 43, 77 mauss, staul (m). Unterwalden 
1378 Gf. 42,12 raut. Schwyz, Glarus 1493 Gf. 34,273 raut (m), laussen 
(m), ihon (m), lond, on, hon, wenige a. 

Bern 1293 ff. FRB. 3, 561 ff. a; a bleibt regel bis 1353 (ende von 
FRB. 7), im 15.jh. mehrfach au, d, z.b. 1440 Boos, A. 277; 1466 c. Mulh. 
2,487 ff., 3,6 ff.; 14183 c.Mulh. 4,317 viele a®, gon; 1484 c. Mulh. 4, 327. 
332 viele au. — o 1294 FRB. 3,588 nost (?); 1352 FRB. 7,639 dor. 


Für Luzern und Zürich sind die drucke im Gf. und in den Mit- 
teilungen der antig. gesellsch. in Zürich bd.8 nicht zu brauchen. 


Aarau 1292ff. Boos A. 15ff. a. Vor 1390 a“ nur vereinzelt, z. b. 
1359 Boos A. 90 awn (m); 1389 Boos A. 168 strauz; 1390 ff. und 15. jb. 
aw mehrfach. Rheinfelden 1377 BoosB. 429 gondem; 1394 ZORh. 12, 
306 mehrfach au; 1400 c. Mulh. 1, 447 nomen. Basel 1261 ff. a, im 
14. jh. auch a®, o, so 1341 (Basel?) Rapp. 1,359 sohent, noch; 1352 
Rapp. 1,511 wogen; 1348 Boos B. 294 geton; 1359 Boos B. 336 worent, 
gobent, boten; 1359 Boos B. 337 monod, wo, got, woren; 1360 BoosB. 
345 ff. bauten, worent (m); 1363. 1373 Boos B. 364. 429 woren u.8.w. 
1402 Boos B. 608 aw, ae; 1412 ZORh. 36, 96 aw, d; 1463 c. Mulh. 
2,369 au (8. 0.), ge’on, Ön, oen; 1466 c. Mulh. 2, 491 raute. Dels- 
berg 1338 Rapp. 1, 364 sohent (m), empfohen (m). Mülhausen i.E. 
295 c.Mulh. 1,96 a. Zunächst ausschliesslich «, dann daneben o und 
au, au, so 1344 c. Mulb. 1,186 Swob; 1346 c. Mulh. 1,194—202 moles, 
emolen, Swobes, Swop; 1347 c.Mulh. 1,208 emoles; 1350. 1357 c. Mulh. 
1,230.250 woren (m), u.8.w.; 1364 c. Mulh. 1, 265 haut, hawi (m); 1390 
—1399 ce. Mulh. 1, 344—358 aune (in); 1396 c. Mulh. 1,382 aune (0), maule, 
monet (m); 1398 c. Mulh. 1,399 /aunt; im 15.jh. zahlreiche o und a#, au. 
Kolmar mehrfaeh o und a#, au, z. b. 1338 c. Mulh. 1, 162 ff. moneid; 
1362 c.Mulh. 1,261 raul, empfauhende;, 1383 c.Mulh. 1, 321 av oft; 1396 
Rapp. 2, 432 rate, logent; 1397 c.Mulh. 1,391 rawi, dauten; 1399 c. Mulh. 
1,410 o mehrfach; 1445 c. Mulh. 2, 158.163 o und a mehrfach. Rappolt- 
stein und Rappoltsweiler 1290 ff. a, später daneben o, so 1313 Rapp. 
1,221.234 noch (m), erboren; 1317 Rapp. 1, 242 nohkomen; 1318 Rapp. 
1,254 nochkomen u.8.w., o im laufe des 14.jh.’s zunehmend. Daneben 
einige au, so 1362 Rapp. 1, 580 haunt (0), aune; 1368 Rapp. 2, 31 gast 
(m), mos/s; 1369 Rapp. 2, 39 aumen, worent; 1394 Rapp. 2, 329 rat. 


1) SGU. 3 berücksichtigt a“ nicht. Ob bd. 4 in der widergabe von 
au consequent ist? 


MHD. ä& IM SCHWAEB.-ALEM. 541 


Strassburg!) 1261 ff. a, dann daneben auch o, ao, au, so 1302 Str. U. 
3,148 donoch, worent; 1305 Str. U. 3, 173.174 spittol, veriohent, wor, wo- 
rent, noch; 1308 Str. U. 3, 188 worent; 1309 Str. U. 3, 194 stod, noch, 
worent, weiterhin o häufig bis ende des 14.jh.’s.; 1315—19 Str. U. 2, 279 ff. 
oft ao in raot; 1321 Str.U. 2,355 staot, raot, aone, jaore,;, 1322 Str.U. 
2,362 rat; 1350 Schm.5 haunt (m), ga“nt, gaunden, haun; 1352 Rapp. 
1,501 aun, erstaun; 1361 Schm. 7 ga“n; 1381. 1383 Schm. 10.12 viele au; 
1394 Rapp. 2, 335. 336 viele av; 1395 Rapp. 2,337 au neben o. 


Für Baden östlich des Rheins konnte ich nur wenig brauch- 
bares material finden. Die drucke in H. Schreibers Urkundenbuch von 
Freiburg sind nicht verwendbar und auch der ZORh. ist wenig brauch- 
bares zu entnehmen. Für Freiburg i.B. habe ich von 1341 an einzelne 
abweichungen von a gefunden, so 1311 ZORh. 1,422 aun; 1349 ZORh. 
13, 348 aubende; 1359 ZORh. 13,453 aune; 1361 ZORh. 15, 166 jore; 1363 
ZORh. 16,111 mehrmals au; 1366 ZORh, 16, 199 grove, empfohend (m), 
woren, noch: 1363 ZURh. 16, 204 monaten, viele au; 1373 ZORh. 16, 466 
stot, aune; 1374 ZORh. 17, 68 viele av. Sasbach (bei Achern) 1432 
ZORh. 8, 147 mehrfach 0. Wonnenthal (bei Kenzingen) 1377 ZORh. 
36, 221 berotenlich, noch, lond, ior. 


Diese urkundlichen belege enthalten klare ergebnisse. So- 
weit die urkunden überhaupt auf den geltenden lautwert rück- 
sicht nehmen, schliesst sich in einem teile unseres gebietes 
au oder a” an a an. Die beiden formen au und a” besagen 
dasselbe, a* ist gleich au, wie 0* — ou, u’ = uo. So haben wir 
hier mhd. @ zu einem diphthong entwickelt, und dieser diph- 
thong lautete entweder geradezu au oder stand diesem doch 
so nahe, dass man ihn nach den schreibmitteln der zeit mit au 
widergab. Die entwicklung der länge zum diphthong wird sich 
so vollzogen haben, dass zunächst der lange vocal zweigipfligen 
oder auch zweitönigen accent erhielt (s. Sievers, Phonetik % 88 718. 
717), dann der zweite bestandteil des lautes nach hinten und 
oben verschoben wurde. Hiebei liegt o dem a näher als ı, 
und so ist wahrscheinlich, dass der diphthong von hause aus 
nicht au, sondern ao war. Beide diphthonge stehen einander 
so nahe, dass auch ao in menge mit au geschrieben, als solches 
aufgefasst wird. Das auftreten des diphthongs fällt nach den 
urkunden spätestens in die zweite hälfte des 13. jh’s. Er 
gilt zu dieser zeit im heutigen diphthonggebiet und zum 
mindesten auch innerhalb eines beträchtlichen teiles des 


ı) Erwin Händcke, Die mundartlichen elemente in den elsässischen 
urkunden (Alsat.stud. 5) wirft originale und copien zusammen. 


542 BOHNENBERGER 


heutigen o-gebietes. Dem laut 9 muss also hier der diph- 
thong vorangegangen sein. Die urkundlichen formen sind im 
gebiete des heutigen diphthongs und des heutigen G ganz die- 
selben, in beiden begegnet gleicherweise au, a“. Hätte im 13. 
14. jh. schon in einem teile dieses gebietes, oder in bestimmter 
lautstellung im ganzen gebiete 0° gegolten, so wäre diese schrei- 
bung ganz unverständlich. Wo man 9 sprach, direct entwickelt 
aus @, musste neben a und zur not noch a“ ganz bestimmt auch 
o in beträchtlicher zahl geschrieben werden. Nun erscheint 
wol im gebiet des heutigen 9 wie des heutigen diphthongs 
auch die schreibung o, aber im 14. jh. noch ganz vereinzelt 
und — wider abgesehen von der stellung vor nasal — ohne 
alle rücksicht auf bestimmte lautfolge. Und diese wenigen o 
lassen sich, soweit sie nicht etwa unter fremdem einfluss stehen, 
ganz gut erklären aus der üblichen schreibung o für mhd. ou 
und dem lautwert ou für mhd. ö, wie letzterer in einem teile 
des gebietes schon im 14.jh. gilt. Die annahme Kauffmanns 
(Schwäb. ma. $ 69. 137), dass sich im schwäbischen ursprüng- 
lich mhd. @ je nach seiner stellung im worte und satze zu 0 
oder zu diphthong entwickelt habe, ist ohne alle berechtigung. 
Die urkunden wie die sonstigen quellen sprechen durchweg 
dagegen, keine sonstige mhd, längc bietet eine parallele zu dieser 
doppelentwicklung, und auch die mhd. kürzen zeigen nur in 
einem teile des schwäbischen gebietes eine entsprechende spal- 
tung (vgl. auch meine Schwäbische mundart im 15. jh. $ 12 A 2). 
Ebenso ist eine örtliche teilung von ursprünglichem 5 und diph- 
thong im anschluss an die heutige verbreitung beider laute 
ausgeschlossen. Auch der heutige mundartliche bestand spricht 
mehr für ehemalige allgemeine ausdehnung des diphthongs als 
dagegen. Es ist weniger wahrscheinlich, dass derselbe diph- 
thong in den verschiedenen eben genannten bezirken unabhängig 
sich entwickelte, als dass einst ein zusammenhängendes gebiet 
bestand. Heutiges 9 ist ohne schwierigkeit aus älterem ao 
herzuleiten. Wie weit des genaueren das gebiet der diphthon- 
gierung im 13.jb. reichte, ist zunächst nicht nach allen seiten 
sicher zu bestimmen. Gewis ist, dass das gebiet nördlich von 
Bodensee und Rhein schon im 13. jh. diphthong hatte. Zwar 
gehören, wenn man von dem zweifelhaften Werbenwag absieht, 
alle belege aus dem 13. jh. nur dem osten an, aber es kommen 


MHD. ä IM SCHWAEB.-ALENM. 543 


doch gleich aus dem beginn des 14. jh.s solche aus dem westen 
(Esslingen 1315, Reutlingen 1307, Rottweil 1314) dazu, und bei 
der geringen zahl, in welcher auch im osten die formen mit 
au zunächst auftreten, kann man um so weniger für den westen 
aus dem späteren auftreten solcher formen auf späteres auf- 
treten des gesprochenen lautes schliessen. Unsicher bleiben 
aber nach den urkundlichen belegen weite stücke des südens. 
Aus dem schweizerischen gebiet, welches heute 5 hat, vermag 
ich keinerlei formen mit diphthong beizubringen, welche auch 
nur annähernd gegen das 13. jh. hinführen. Daran kann aber 
auch das verfahren des SGU. schuld sein. Ich komme nach 
berücksichtigung der übrigen denkmäler auf diese frage zurück. 
Auch darüber, ob die diphthongierung irgendwo über die zweite 
hälfte des 13.jh.’s zurückgeht, ist nichts sicheres zu sagen. 
Jedenfalls haben wir aber heute kein recht, viel weiter zurück- 
zugreifen. Die schreibung der urkunden spricht ausdrücklich 
gegen weitere zurückschiebung, denn auch in der zweiten hälfte 
des 13.jh.s sind die belege für au noch recht selten. 

Anders gieng die entwicklung im bezirke des heutigen 9. 
Zwar wenn im grösseren teil des schwäbisch - alemannischen 
sprachgebietes heutiges 9 aus älterem diphthong hervorgegangen 
ist, so liegt nahe, auch 5 daher abzuleiten und anzunehmen, 
dass hier die entwicklung noch über $ hinausgegangen sei 
zu 9. Aber diese annahme wird durch die urkunden wie andere 
denkmäler ausgeschlossen. Die urkunden zeigen in Basel, 
Mülhausen, Rappoltstein, Strassburg schon in der ersten hälfte 
des 14. jh’s zahlreiche o. a* tritt erst in der zweiten hälfte auf 
und bleibt immer selten. Das gleiche ergeben, um dies gleich 
vorauszunehmen, die übrigen denkmäler. Auf blossem schreiber- 
brauch können diese o nicht beruhen, denn es ist nicht einzu- 
sehen, wie hier eine schreibung o bei einem lautwerte ao auf- 
kommen sollte, zumal auch die bezirke des württembergischen 
Schwabens, welche mhd. 5 zu ou diphthongieren, dennoch au 
< mbhd. & schreiben. Aus fremder umgebung kann o auch nicht 
übernommen sein. Wol aber kann umgekehrt das später auf- 
tretende au aus dem osten in die schreibung eingedrungen sein. 
So ist für das linke Rheinufer von Basel bis Strassburg eine 
directe entwicklung von @ zu 0 anzunehmen, getrennt von 
der entwicklung welche der laut im osten genommen hat. 


544 BOHNENBERGER 


Ueber die rechtsrheinischen bezirke des heutigen 9 <&@ kann 
ich aus meinen urkundlichen belegen keine entscheidung treffen. 
Die wenigen belege, welche ich aus Freiburg zu geben ver- 
mochte, zeigen a* und o zu sehr gemischt, und wie das eine 
als fremde schreibung von osten, so kann das andere als solche 
von westen eingedrungen sein. Bei der gleichheit des heutigen 
lautes wird man geneist sein, diese rechtsrbeinischen gebiete 
ganz die entwicklung der linksrheinischen teilen zu lassen. Es 
ist aber auch möglich, dass der Breisgau und umgebung zu- 
nächst die diphthongierung mitmachten und später noch das 
seschlossene 5 aus dem westen übernommen haben. Was die 
genauere zeitliche bestimmung des wandels > ö auf dem 
linken Rheinufer betrifft, so habe ich oben belege mit o aus 
Strassburg vom jahre 1302 angegeben, aus Rappoltstein von 
1313 an. Kolmar folgt 1338, Basel 1341, Mülhausen 1344, 
Wir kommen also zum mindesten in den allerersten anfang 
des 14. jh’s hinauf, und der wandel kann immerhin noch über 
die wende des jahrhunderts hinüberreichen. 

Der genauere wert des ö-lautes im 14. jh. endlich, ob 
d oder 5, ob zunächst bei ersterem stehen geblieben, oder gleich 
zu ö weiter gegangen wurde, ist aus den urkunden nicht mit 
sicherheit zu bestimmen. Ich muss diese frage für nachher 
zurückstellen, nur weise ich gleich auf das merkwürdige a° hin, 
welches nach dem Strassburger urkundenbuch dort von 1315 
an mehrfach auftritt. In der gleichen zeit erscheint es auch 
im benachbarten Speier. 

Wendet man sich von den urkunden zu den sonstigen 
sprachquellen, so wird man von diesen nur in wenigen be- 
ziehungen ernstlich gefördert, in den meisten stücken bedürfen 
die übrigen quellen der stütze der urkunden. Von den belegen 
für au < &, welche Weinhold, Alem. gr. 8 52 gibt, reicht ins 
13. jb. hinauf: mavtzogen Freidank A 49,17 (lesart bestätigt von 
herrn dr. Hintzelmann in Heidelberg), falls ce. Pal. germ. 349 
wirklich aus dem 13. jb. stammt (Bartsch, Altdeutsche hss. d. 
univ.-bibl. Heidelberg nr. 177) und schwäbisch ist. Dann wür- 
den nach Grieshabers ansetzung sogar in die mitte des 13. jh.’s 
recht zahlreiche au und einige o < @ (Leitzmanı, Beitr. 14,519) 
gehören, welche der schwäbische schreiber von Grieshabers 
Deutschen predigten verwendet. Die zeitliche fixierung beruht 


MHD. @ IM SCHWAEB.-ALEM. 545 


aber allein auf Grieshabers schätzung und ist mir äusserst 
unwahrscheinlich. So lange die hs. selbst nicht wider zugäng- 
lich!) ist, bleibt für die zeitbestimmung nur der sprachliche 
charakter. Wenn nun die urkunden selbst zu ende des 13. 
und zu beginn des 14. jh.s nur ganz wenige au aufweisen, so 
darf man ein denkmal mit vielen au < @ nicht schon in die 
mitte des 13. jb.'s setzen, man müsste denn sonstige sehr stich- 
haltige sprachliche gründe dafür haben. Solche hat aber noch 
niemand vorgebracht. Die lesart maug aus dem Schwabenspiegel 
gehört nicht der hs. B (13. jh.) an, wie bei Weinhold steht, son- 
dern ist aus Babe (15. jb.) entnommen. Im 14.jbh. tritt wie in 
urkunden, so auch in sonstigen quellen au z. t. häufig auf; so 
haben z.b. die Predigten hg. von Wackernagel und der Voca- 
bularius optimus zahlreiche au, letzterer neben ou < mhd. 0 
(‘hochalemannisch’?). In den meisten quellen bleibt aber au 
sehr in der minderheit, in vielen ist es recht selten, in manchen 
fehlt es ganz. 

Im gebiete des heutigen 5 hat das Basler Dienstmannen- 
recht (hg. von W. Wackernagel, 1852) aus der zweiten hälfte 
des 13. jh.’s noch durchweg a; im laufe des 14.jh.s wird die 
schreibung o in Strassburg allmählich sehr häufig, vgl. die be- 
lege bei Händcke, besonders die datierbaren aus Rulmann 
Merswins Buch von den neun felsen 1352. Entscheidung da- 
rüber, ob der o-laut im 14.15. jh. offen oder schon ge- 
schlossen war, geben aber auch diese quellen nicht. Dagegen 
lässt sich aus einer späteren angabe eine gewisse wahrscheinlich- 
keit für den offenen laut gewinnen. Wenn Kolross in der zeit, 
als sein Enchiridion erschien (1530), nachweislich in Basel an- 
gestellt war, so wird er auch seine mundartlichen beispiele in 
erster linie aus der Basler mundart entnommen haben. Sprach- 
lich steht dem, soviel ich sehe, nichts im wege, und dafür lässt 
sich auch geltend machen, dass er gegebenen falls ausdrück- 
lich die abweichuugen anderer landschaften nennt. Nun führt 


1) Ich habe vergeblich nach ihr gesucht. Grieshaber selbst sagt gar 
nichts weiter. Nach Scherers angabe in der Allg. deutschen biographie 
9,664 war die hs. Grieshabers eigentum. Sie ist aber nicht mit dessen 
nachlass an die universitätsbibliothek Freiburg gekommen, auch 
nicht mit dem nachlasse Franz Pfeiffers an die Wiener universitäts- 
bibliothek. 


ri wen v - OO A 


546 BOHNENBERGER 


Kolross in der bekannten stelle (Joh. Müller, Quellenschriften 
und geschichte des deutschsprachl. uuterrichtes, 1882, s. 66 f.) 
offenes o für mhd. @ an, geschrieben mit a’. Das macht wenig- 
stens wahrscheinlich, dass Basel damals 9 gesprochen hat. In 
gleichzeitigen archivalien müsste die zugehörige schreibung «° 
nachweisbar sein. Rückwärts schliesst sich a = 0 unserer 
mundart bei Konrad Pellican (1503) und Petrus Niger (1475; 
s. Herm. Fischer, Germania 37, 108) an. Daran anreihend wird 
man weiter auch die a° in den Strassburger urkunden des 
14.jh’s, welche an sich verschiedene deutung zuliessen, als 9° 
fassen. Damit ist dann aber offener o-laut für Strassburg im 
14.jh. erwiesen. Wie Petrus Niger und Konrad Pellican dazu 
kamen, das offene ö als schwäbisch zu bezeichnen, darüber 
kann ich heute noch nichts genügend sicheres sagen. Das 
auftreten von 9 für ao < mhd. @ im schwäbisch - alemanni- 
schen gebiete im weiteren kann erst näher bestimmt werden, 
wenn wir die geschichte von mhd. ou und 5 in unserem ge- 
biete genauer kennen. Ich gehe deshalb hier nicht näber darauf 
ein. Für das schwäbische gebiet im engeren sinn aber ist es 
mir nach dem, was ich in meiner Schwäb. ma. im 15. jh. 
(8.17 ff.) über die geschichte von mhd. Z ausgeführt habe, 
fraglich, ob da schon um 1475 0 < mhd. @ in grösserer räum- 
licher ausdehnung angesetzt werden darf. Es könnte das g 
des Petrus Niger und Konrad Pellican wol aus dem badischen 
Rheingebiet oder aus dem Elsass stammen. Die bezeichnung 
‘schwäbisch’ schliesst dies nicht aus, und der Elsässer Pellican 
hätte eben, wie auch Fischer annimmt, seinem vorgänger nach- 
geschrieben. Doch scheint mir diese deutung noch zu wenig 
sicher, als dass ich dieselbe zum beweis für älteres 0 im ge- 
biete des heutigen 5 beiziehen möchte. 

Aus den reimen der schwäbisch-alemannischen dichter 
ist für den lautwert der mundart nur wenig zu entnehmen. 
Verhältnismässig recht selten und spät finden sich hinweise auf 
diphtbong oder 5. In zeiten, in welchen schon lange die neuen 
laute in der mundart gesprochen wurden, reimen die dichter 
altes % noch oft auf altes ä, recht selten auf altes ou und >. 
Selbst in zeiten, in welchen die annähernd gleichzeitigen bes. 
der dichtung schon mehrfach au, o schreiben, fehlen oft reime 
4: ou, ö völlig. Nun mochten wol in vielen teilen unseres 


a 


= PET SEHR: “a mu 
As! ae. 


MHD. @ IM SCHWAEB.-ALEM. 547 


sprachgebietes die reime @ : ou, ö auch nach dem neuen laute 
unrein erscheinen, da die laute wol nirgends ganz zusammen- 
fielen (wider abgesehen von der stellung vor n), und so wird 
man auf das fehlen dieser reime nicht das erste gewicht legen. 
Aber wenn daneben reime von mhd.@ : mhd. @ erscheinen, so 
sind für den grössten teil unseres gebietes solche doch nur 
möglich von dem alten, nicht von dem geltenden lautwerte 
aus. Wir haben ja heute wol auch o < 4, aber doch nur in 
bestimmten bezirken, z.t. auch nur in bestimmter lautfolge, 
und wir wissen über die zeit dieses lautwandels noch nichts 
sicheres. Sehen wir zunächst von Wolfdietrich D ab, so kenne 
ich bei schwäbisch-alemannischen dichtern des 13.jh.'s keinen 
reim @ : ou, 0, dagegen ist @ : & mehrfach anzutreffen. Den- 
selben bestand zeigen auch die meisten dichter des 14. jh.s. 
Aus dem ende des jahrliunderts gibt Wackernell bei Hugo von 
Montfort (Hugo von Montfort, hg. von J. E. Wackernell, 1881, 
8.CLII) wol reime @: 0, @: ou, selbst @: ö, aber immer nur vor 
auslautendem nasal. Erst im 15. jh. werden die reime @: ou, ö 
auch in anderer stellung häufiger. Für das schwäbische gebiet 
im engern sinne verweise ich auf meine Schwäb. ma. im 15. jh. 
Im alemannischen teile des diphthonggebiets hat der Appen- 
zeller krieg (anfang des 15. jh.'s, s. Bächtold, Deutsche lit. i. d. 
Schweiz s. 199) reime @:d, @:ou, &:5 (auch 5: ou), die St, 
Galler Himmelfahrt (Bächtold s.209, hs. des 15. jh.s, dichtung 
‘bedeutend älter’) @:@, @: ou, Der jüngste tag (Mone, Schau- 
spiele 1,269) 2:4, @: 0. Heinrich von Laufenberg (aus Laufen- 
burg a.Rh,, eleriker in Zofingen, Freiburg i. B., Strassburg) mit 
reimen @:0, auch @:ö wird schon dem heutigen 9 -gebiet an- 
gehören. Ebenso Moser (Bächtold, s. 204, aus Weinfelden im 
Thurgau, nachber in Basel) mit reimen @: 0 und @:uo vor m 
(sämen : bluomen). In Strassburg reimt schon 1336 der Parzifal 
von Claus Wisse und Philipp Colin mehrfach @: 0, besonders 
gerne vor n, aber auch in anderer stellung. Daneben hat der 
Parzifal auch reime @:@. Nun soll gegenüber dieser sachlage, 
wie sie sich aus den bisher behandelten dichtungen ergibt, der 
Wolfdietrich D aus alemannischem oder schwäbischem gebiete 
schon vor dem ausgang des 13. jh.’s reime @: 5, ou aufweisen. 
Vom lautwerte der mundart aus, wie ich ibn oben bestimmt 
habe, wären solche reime in dieser zeit wol möglich, Da aber 


548 BOHNENBERGER 


die übrigen dichter des 13. jh.’s alle diese reime meiden, so 
wird man mit dem Wolfdietrich sehr vorsichtig verfahren. In 
wirklichkeit ist auch unter den endreimen & : ö, ou, welche 
Jänicke (Deutsches heldenbuch 4, vır) anführt, kein einziger, 
welcher nicht anders gedeutet werden könnte oder unsicher 
überliefert ist. In der caesur sind reime dä : ou gut bezeugt 
(beschoumwel : ergräwet Jänicke D 9, 86; /räge : Bouge Holtz- 
mann, Grosser Wolfdietrich 537, mwäge : ouge Holtzmann 558). 
Diese reime helfen uns aber wenig, denn in der caesur kann 
am ende auch zweigipfliiges @ mit einem o-diphthong ge- 
bunden sein. 

Somit ist mhd. & in einem teile des schwäbisch-aleman- 
nischen gebietes bis heute unverändert erhalten, in einem 
andern gebietsteile ist von der zweiten hälfte des 13. jh.’s 
an der diphthong nachzuweisen, in einem dritten teile er- 
scheint um 1300 ein ö-laut. Letzterer ist zunächst wol 
offener, später geschlossener laut. Der diphthong war von 
anfang an eher ao als au. Ihrem umfange nach fallen, wie 
schon den urkundlichen belegen entnommen, die gebiete mit 
diphthong, mit langem o-laut und mit erhaltenem Z von beginn 
unserer nachrichten an zum mindesten grossen teils zusammen 
mit den gebieten von heutigem diphtbong und 9, von heutigem 
ö und heutigem @. Aber genaue grenzen nach allen seiten geben 
uns die übrigen denkmäler so wenig als die urkunden. Un- 
gewisheit bleibt zunächst für das badische Rheinland von der 
Rheinbeuge abwärts. Aber auch an der grenze von diphthong 
gegen @ bleibt noch viel unsicher. Die bestimmung dieser 
grenze hängt zusammen mit der allgemeineren frage, ob der 
wandel > ao > 0 in dem ganzen gebiete, in welchem er 
heute auftritt, an ort und stelle erwachsen ist, oder ob er von 
einem teile des gebietes aus auf die anderen übertragen 
wurde. Gibt es nun in der geschichte der sprache überhaupt 
und damit auch in der entwicklung von mhd. @ im schwäbisch- 
alemannischen nur einen an ort und stelle erwachsenen laut- 
wandel, so liegt die sache einfach. Wir haben im 13. und zu 
anfang des 14. jh.s in einem beträchtlichen teil des heutigen 
gebietes von diphthong und 9° schon den diphthong nach- 
gewiesen, folglich hat derselbe auch im ganzen gebiete gegolten. 
Anders wenn wir mit der möglichkeit oder der tatsache der 


MHD. ä IM SCHWAEB.-ALEM. 549 


übertragung zu rechnen haben. Die Übertragung kann sich in 
mancherlei etappen vollzogen haben, sie kann an verschiedenen 
punkten zu verschiedener zeit stattgefunden haben. Dass es 
nun aber im allgemeinen angesehen einen übertragenen laut- 
wandel gibt, wird durelı den befund der mundarten, seit wir 
dieselben etwas genauer kennen, klar bewiesen. Den über- 
tragenen lautwandel überhaupt zu leugnen, ist für manche prin- 
cipielle frage recht bequem, aber damit ist er gegenüber den 
positiven beweisen in den mundarten nicht aus der welt zu 
schaffen. Auch durch die ausnahmslosigkeit eines lautwandels 
ist die möglichkeit der übertragung nicht ausgeschlossen. Der 
lautwandel @ > ao > 9 im speciellen hat zweifellos einen teil 
seines gebietes durch ausdehnung erobert. Der verlauf der 
heutigen grenzlinie @: 9, besonders im äussersten SO., ist bei 
einem lautwandel, welcher hier an ort und stelle erwachsen, 
unverständlich. Warum die letzten wenigen deutschen gebirgs- 
dörfer im obersten Rheingebiet andere laute zeigen sollten als 
ihre unmittelbaren nachbarn talabwärts und die weiten übrigen 
gebietsteile, ist bei lautwandel, welcher an ort und stelle er- 
wachsen, nicht einzusehen. Hier muss vielmehr die welle des 
lautwandels von unten die täler heraufgekommen und vor den 
letzten deutschen dörfern stille gestanden sein. Haben wir 
aber somit überhaupt einmal eine übertragung des lautwandels 
&> ao > 9 anzuerkennen, so haben wir auch die möglichkeit 
offen zu lassen, dass derselbe die teile des heutigen 9-gebietes, 
aus welchen wir zu ende des 13. oder beginn des 14. jh.s 
keine belege für diphthong haben, erst später erreichte. Es 
ist auch keineswegs ausgeschlossen, dass heute 6° weiter nach 
süden geht, als ao je gereicht hat, dass also auch noch in 
einer zeit, als a0 > g geworden war, grenzverschiebungen zu 
ungunsten von @ statt hatten. Umgekehrt ist aber auch das 
vereinzelt stehende Sigriswyl.mit seinem 9 im auge zu behalten. 
Gibt die geschichte dieser gemeinde keine erklärung dafür, so 
ist auch mit der möglichkeit zu rechnen, dass der abgeänderte 
laut wider durch @ zurückgeschoben wurde. Endlich wäre 
vielleicht auch noch mit den Monte-Rosa-gemeinden zu rechnen. 
Der aufschluss über alle diese fragen muss der speciellen 
schweizerischen forschung überlassen bleiben. Auch der gebiets- 
teil, in welchem der wandel seinen anfang genommen hat, ist 


550 BOHNENBERGER 


nicht zu bestimmen. Die ältesten erhaltenen urkwndlichen be- 
lege gehören wol vorwiegend dem osten an, aber wie sehon 
oben gesagt, möchte ich daraus keine folgerung ziehen. Der 
grund des früheren auftretens der diphthonge in den urkunden 
dieser gegend kann auch ein anderer sein. Und wir sind weiter 
gar nicht berechtigt von vorne herein als selbstverständlich an- 
zunehmen, dass da, wo zuerst zweigipflige betonung aufkam, 
auch zuerst der hintere bestandteil des vocals verschoben 
wurde. Der zweite schritt kann seinen anfang in einem be- 
zirke genommen haben, welcher den ersten schritt von den 
nachbarn übernommen hatte. Zuletzt haben wir auch erst das 
ergebnis genauerer untersuchungen über die geschichte unseres 
lautes jenseits der schwäbisch -alemannischen stammesgrenzen, 
bei den bairischen und fränkischen nachbarn abzuwarten. Wir 
finden bei näherem studium der mundarten sprachveränderungen 
genug, welche auch über die stammesgrenzen hinübergegangen 
sind. Ich habe mich über die geschichte von mhd. % im bairi- 
schen zu unterrichten gesucht, und darnach ist mir eine ab- 
hängigkeit der schwäbisch-alemannischen entwicklung von der 
bairischen nicht wahrscheinlich, aber ich bin zu einem ab- 
schliessenden urteil zunächst keineswegs im stande. 


Die fortentwicklung ao > 9 habe ich aus gründen, welche 
ich schon oben angegeben, hier nicht weiter verfolgt. Für das 
schwäbische im engern sinn kann ich auf meine Schwäb. ma. 
des 15.jb.'s verweisen. Auch dieser weitere wandel ao > 0 
kann nicht im ganzen gebiete, in welchen er auftritt, selbständig 
erwachsen sein. Dass er sich vielmehr ausgedehnt hat, geht 
aus der lage der reste beutigen diphthongs hervor. Es wäre 
aber auch weiter zu untersuchen, ob der lautwandel überhaupt 
irgendwo selbständig vollzogen wurde, und ob nicht vielmehr 
eine übertragung aus dem gebiete vorliegt, welches mhd. & 
direct in langen o-laut umwandelte, vorausgesetzt, dass letzterer 
früher offen war. Es liegt wol nahe hiergegen darauf hinzu- 
weisen, dass das schwäbische im engeren sinne auch das a 
des diphthongs ai < mhd. ei zu 9 gewandelt, also einen wandel 
a> o im diphthong selbständig vollzogen habe. Aber diese 
parallele beweist nichts, da das gebiet von 9 gar nicht mit 
dem von oe bez. 99 < ai zusammenfällt. 


MHD. @ IM SCHWAEB.-ALEM. 551 


Die verschiedenartige entwicklung von mhd. & 
innerhalb desselben stammgebietes, welche heute zu 
diphtbong, 6 und 5 geführt hat, ist sehr beachtenswert. Auch 
alle übrigen längen des mhd. sind innerhalb des schwäbisch- 
alemannischen stammgebietes verschieden behandelt. Liegt bei 
3, % und dem umlaut von 2 der unterschied zur hauptsache 
allein darin, ob sie diphthongiert wurden oder nicht, so zeigen 
& und ö wie @ drei formen: die alte länge und zwei von haus 
aus ganz verschiedene diphthonge. 


Und wie bei @ sind bei 2 und ö die verschiedenen formen 
räumlich, nicht sachlich geschieden. Da uns aber heute wol in 
keiner mundart die geschichte der vocale genauer untersucht 
vorliegt als in der schwäbisch - alemannischen, so ist dies er- 
gebnis sehr beachtenswert. An sich hat es ja viel bestechendes, 
das gesetz, dass für verlust einer schlussmore in quantität und 
accent der unmittelbar vorhergehenden tonsilbe ersatz geschaffen 
wird, wie dasselbe Hirt und Streitberg für die älteren sprach- 
perioden aufgestellt haben, mit Brenner auch auf die geschichte 
der vocale vom germanischen aus in die mundarten herab an- 
zuwenden. Aus dem bereich der schwäbisch -alemannischen 
mundart ist aber nur sehr wenig dafür beizubringen: recht viel 
spricht striet dagegen. Ich hoffe dies an anderer stelle weiter 
ausführen zu können. Hier betone ich im zusammenhang der 
untersuchung über mhd. @ nur das eine: die aufstellung, dass 
die vorstufen von schwäbisch ea und ae < mbd. 2 und von 99 
und ao < mhd. 5 im ganzen gebiet der diphthongierung von 2 
und 5 sich ursprünglich nach auslaut und inlaut geschieden 
hätten, ist eine vergewaltigung, solange man in unserer mund- 
art keine parallelen für diese entwicklung unter den mhd. 
längen nachweisen kann. Vielmehr da die aus @ heraus- 
gebildeten laute sich nachweislich von anfang an räumlich 
und nicht sachlich scheiden, und da sich die diphthonge aus 2 
und 5, deren geschichte man noch nicht genügend kennt, heute 
ebenso verhalten, so hat man auch für letztere von anfang an 
eine räumliche scheidung anzusetzen. Dagegen lässt sich auch 
nicht einwenden, @ sei eben von hause aus länge, 2 und Ö 
hätten aus dem zu grunde liegenden diphthong herüber den 
unterschied von gestossenen und geschliffenen silben bewahrt, 


552 BOHNENBERGER 


Die schreibung zeigt durch das 13. und 14. jb. im ge- 
biete unserer ma. den auch sonst zu constatierenden charakter, 
dass sie lange den mundartlichen laut vermeidet. Was dabei 
die positive absicht der schreiber und kanzleien ist, ob sie 
mehr archaistisch verfahren und den althergebrachten laut 
setzen, oder mehr in rüicksicht auf eine gemeine schreibung 
den auch in anderen gebieten geschriebenen laut geben wollen, 
ist nicht für unsern laut für sich genommen, sondern nach all- 
gemeineren gesichtspunkten zu entscheiden. Darnach kommt 
das erstere moment unbestreitbarerweise in betracht, aber auch 
das zweite hat meines erachtens daneben zu gelten. Beide 
momente sind hier untrennbar verbunden, das alte ist zugleich 
das gemeine und das gemeine ist zugleich das alte. In unserem 
falle ist aber auch noch ein anderes im auge zu behalten. 
Wer gewohnt war, den überstehenden index wegzulassen, der 
konnte mit der schreibung « ebensogut a" meinen, wie er o = 
mhd, ou schrieb (s. meine Schwäb. ma. im 15. jh. s. 27 f.). 
Wenn weiter im diphthonggebiet schon frühe die schreibung 
mit o besonders gerne auftritt in den wörtern: do, wo, one, 
gon, ston, montag, so mag bei stellung vor nasal der grund 
mindestens teilweise in der hier geltenden eigentümlichen ent- 
wicklung des alten @ liegen, bei one, mon noch erleichtert 
durch die isoliertheit der formen. Dagegen wird man mhd. da 
nach dem beispiel von mhd. dö geschrieben haben und darnach 
dann auch das correspondierende wä. 

Auch was sich für die reime ergeben hat, ist bemerkens- 
wert. Als der diphthong schon lange fertig war, hat man sich 
doch noch immer gehütet, den mundartlichen dipbthongischen 
vertreter von @ mit dem von mbhd. ou bez. auch mhd. 5 zu 
reimen, die ihm doch sehr nahe lagen. Und umgekehrt hat 
man mbhd. @ mit mhd. ä gereimt, was nach der geltenden 
mundart ganz unmöglich war. Zur erklärung bieten sich auch 
hier verschiedene motive. Die reime können sich anschliessen 
an den alten lautwert, an den gemeinen lautwert oder an die 
sehreibung. Und auch hier wirken die verschiedenen gesichts- 
punkte zweifellos zusammen. Speciell aus dem an letzter 
stelle genannten gesichtspunkte erklärt sich, dass mit ein- 
bürgerung der schreibung au, o auch die reime auf mhd, ou, ö 
zunehmen, und dass endlich 2:5 gereimt wird auch da, wo 


MHD. ä IM SCHWAEB.-ALEM. 553 


sie niemals im lautwerte zusammentrafen. Aus all dem geht 
hervor, wie misslich es ist, allein aus den reimen den lautwert 
der mundart und die heimat eines dichters bestimmen zu müssen. 
Wenn schon im 14.jh. die dichter verhältnismässig selten den 
geltenden lautwert ihrer mundart verwenden, wie viel weniger 
wird man dies von solchen des 13. und 12. jh.’s erwarten 
dürfen. Schlüsse aus dem fehlen mundartlicher reime sind 
ganz unmöglich. 


TÜBINGEN, febr. 1895. K. BOHNENBERGER. 


WIE MAN CONJEUCTUREN MACHT. 


In den Engl. studien 21, 2 äussert sich F. Graz über ags. 
Exodus 118 folgendermassen: ‘der vers wie er in der hs. steht, 
här hd, ist zu kurz... Kl|uge] liest mit Siev[ers] (Beitr. 10,513) 
häres h&öes; da aber h&Ö fem. ist, schreibe ich härre heöe! 

Der verf. ist danach, wie offenbar auch die redaction der 
Engl. studien, der ansicht gewesen, ich hätte hier aus unkenntnis 
oder mutwillen ein falsches geschlecht verbrochen, und Kluge 
habe das nicht gemerkt, als er mir folgte. Diese ansicht muss 
ich aber dankend ablebnen. Nachdem zuerst J. Platt, Angl. 6, 173 
nachgewiesen, dass das wort h&Ö im ags. nur als m. und n. 
vorkommt, nachdem ich dann in meinen Miscellen zur ags. gr., 
Beitr. 9,239, weitere belege dafür beigebracht, später auch noch 
einmal, Zs. fdph. 21 (1889), 359 auf den sachverbalt aufmerksam 
gemacht hatte, hätte man doch vielleicht erwarten dürfen, dass 
die kunde davon selbst bis zu einem jungen anglisten durch- 
gedrungen wäre, ehe er sich vermass, ags. verse zu verbösern. 


LEIPZIG-GOHLIS, 21. juni 95. E. SIEVERS. 


Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. XX. 36 


ZUR 
AUSSPRACHE DES ANGELSÄCHSISCHEN.) 


Zur aufbellung der älteren sprachformen hat die phonetik 
als specialwissenschaft immer noch viel weniger beigetragen, 
als man wünschen und hoffen möchte. Ja in der letzten, übri- 
gens sehr dankenswerten arbeit von O. Bremer in den IF.4 
über die chronologie germanischer lautübergänge scheinen bei 
dem phonetiker stellenweise die buchstaben melır als billig im 
vordergrund der betrachtung zu stehen. So spricht B. von 
diphbtbongierung von & in a in fällen wie geaf, von & in ea in 
geafon (s. 25). Wenn B. die gruppen ua, ia theoretisch als 
diphthonge betrachtet, so hat er bis zu einem gewissen grade 
mit dem ea recht; wo & stand, stehen jetzt zwei vocale. Aber 
ce selbst hat wol keine diphthongierung erlitten. Es ist im 
besten falle durch das neue e geändert, gutturaler geworden. 
Aber ea ist unmöglich eine ganz zutreffende schreibung, die 
kurzen ea des ags. können nicht alle gleich gesprochen worden 
sein,2) trotzdem sie in späterer zeit wider zusammenfallen. Es 
kann z.b. geaf wol nur — g‘af oder wol besser gef gewesen 
sein. Vergegenwärtigen wir ung doch den hergang. Grundform ist 
gaf; daraus anglofries. zef mit palatalem z. War die articulation 
des z der des & sympathisch, d. h. derselben engeren region 
angehörig, dann war zu einer weiteren bildung zunächst kein 
anlass. Nun scheinen aber im ags. die k-laute nicht so leicht 
der färbung der vocale folgen zu können; ht z.b. ist entweder 


1) Ich behalte in den folgenden seiten die alten quantitätsbezeich- 
nungen bei, da da z.b. mir etwas anderes sagt als a. 

2) Wie Sweet annimmt (HES.119 ff.), obwol er für eine ältere pe- 
riode verschiedenheit anerkennt, ja fürs kent. sogar die ausspr. jalle f. 
ealle nachweist (8. 125). 


ZUR AUSSPRACHE DES AGS. 555 


der hintersten region des o, a, 3 eigen, oder es springt zur 
vordersten stelle des i. Kauffmann würde sagen, ‘seine arti- 
eulationsstelle verschiebt sich’!) sprungweise, während ich meine 
— K!.s überlegenheit in phonetischen dingen unbedingt aner- 
kennend — dass die articulationsstelle sich ebensowenig ver- 
schiebt als haltestellen der eisenbahn dadurch verschoben 
werden, dass ein zug sich von der einen zur andern bewegt. 
Ich nehme an, dass z. b. der harte gaumen eine articulations- 
stelle (oder vielmehr eine ganze menge solcher) darstellt, auch 
wenn eben an der stelle nicht articuliert wird, d.h. wenn sich 
der articulationsact an eine andere stelle verschoben hat. 


Zwischen palatal und palatal hätte nun Bremer nicht nur 
in der theorie, sondern auch in der praxis scheiden sollen. 
Wenn z palatal ist, dann braucht es doch noch nicht dem 
palatalen z sympathisch zu sein. Im wests. ist nämlich, als a 
palatal geworden war, das vorausgehende g auch palatal ge- 
worden, aber noch über die &-stelle vorgerückt; war nun die 
bewegung zwischen z und & hörbar geworden, so ist es erklär- 
lich, wenn der gehörte übergangslaut als e oder ö in der schrift 
zum ausdruck kam. Der neue laut — ich will ihn kurz vor- 
laut nennen — ist eingetreten, nicht weil & palatal war, son- 
dern weil es für z zu wenig palatal war. Ebenso steht es 
mit dem ö in ziefan. B. sagt: ‘wenn zur zeit der diphthongie- 
rung der umlaut e vorhanden gewesen wäre, hätte er zu ie 
diphthongiert werden müssen’ (s.26). Aber & ist auch im ags, 
nicht notwendig —= e. Letzteres konnte recht wol dem z 
sympatbischer sein als ersteres und deshalb eines vermittelnden 
vorlautes nicht bedürfen. Ebenso ist auch Br’s annahme, dass 
hlehhan (mit umlauts-e) zu hleohhan hätte werden müssen, auf 
zu grosse und einseitige schätzung der buchstaben gegründet; 
e hätte hier recht wol bleiben können, vorausgesetzt, dass das 
folgende kh durch ; palatal geworden war, was sich freilich 
kaum erweisen lässt. In giefan ist der vorlaut eingetreten, 
weil z weiter vorn articuliert wurde als das offene &; trotz 
des späteren zifan ist doch wol anzunehmen, dass die aussprache 
ziefan war, dass zi/an nicht durch aufsaugung des e, sondern 


1) 8. Litbl. 1894 s. 221, wo behauptungen aufgestellt werden, die 
ich nicht anders denn als oberflächlich bezeichnen kann. 


36* 


556 BRENNER 


durch fortschreitende palatalisierung oder durch anlehnung an 
zifest, zifeö, zif entstand. Vgl. me. sheren, zellen, zelden, zelpen, 
chest u.8.w. Wenn ein umlauts-e vor w brechung zeigt, so 
liegt hier der fall doch anders als bei Alehhun; denn w konnte, 
wenn es nicht gleich in z übergieng, einem palatalen laute 
nicht entgegenkommen, es musste den vorlaut o oder u erhalten. 
8.28 4.2.0. bebandelt Br. die frage, ob in ceorfan die 
brechung oder ‘diphthongierung’ vorgegangen, ob brechung 
oder ‘diphthongierung’ älter sei. Durch die rechte auffassung 
des eo verschiebt sich die sache. Denn eo hat doch, wie all- 
gemein anerkannt sein dürfte, geschlossenes e. War zuerst 
brechung eingetreten, dann brauchte ein vorlaut sich nicht ein- 
zustellen; wenn auch eo aus & nicht sofort geschlossenes e hatte, 
wird es doch bald dasselbe angenommen haben; vor geschlos- 
senem e aber konnte z unmittelbar antreten. War zuerst ‘diph- 
thongierung’ von & in öi@ eingetreten, so musste brechung nach- 
folgen, da & dem r nicht sympathisch war, also c’errfan ent- 
stehen; wurde hier e geschlossen, so wurde wol der vorlaut 
überflüssig und unterdrückt. Also auch auf diesem wege kam 
man zuletzt auf ceorfan mit den brechungsdiphthongen. 

Der brechungsdiphthong eo liess nun aber das e entschieden 
vorherschen; das beweist das me., wo dies eo durch e vertreten 
ist, während das ‘diphthongierte’ eo in zeong, zeoc das 0 vor- 
herschen liess, vgl. me. zong, zoc; da aus ceorfan me. kerven 
wurde, so lautete es also nicht c°orfan, sondern ce’rfan. 

Bei ea stehen die verhältnisse anders. Allerdings zeigt 
uns das me., dass in geaf, geat ea auf zweiter stelle betont 
war. Ob aber der laut ‘@ oder «= war, lässt sich nicht sagen, 
denn auch °@ hätte me. a werden müssen. Dass in der schrei- 
bung °a der laut ‘@ stecken kann, wird jeder zugeben müssen, 
der beobachtet hat, wie bei vocalverbindungen — gerade wie 
bei nebeneinander gesetzten farben — der contrast die beurteilung 
der einzelteile erschwert. Ich erinnere an die auffassung der ae 
und ao als ai und au; an die schreibung ien für een, uon für oan 
in bairischen schriften verschiedener jahrhunderte, an ua für ua. 
Freilich muss zugestanden werden, dass aus “@ sehr leicht «a 
sich entwickeln konnte, da ja eine (örtliche) verlängerung der 
übergangsbewegung bei diphthongen als beliebtes mittel den 
anfang oder das ende derselben schärfer zu gehör zu bringen 


ZUR AUSSPRACHE DES AGS. 557 


bekannt ist. Ich erinnere an reihen weä> di>ä> ai 
(wip > weib), an wi aus ü, auf ags. gebiet an die geschichte 
des alten au. 

Was oben von ceorf gesagt ist, kann auf cearf nicht über- 
tragen werden. Trat bei cerf zuerst brechung ein, so wurde 
es c&°rf, vor e aber musste der palatalere vorlaut e eintreten, 
also c‘@°rf!) und hieraus c‘arf entstehen. Ebendahin kam man, 
wenn aus cerf zuerst c‘erf entwickelt wurde: nur dass mög- 
licherweise hier °@ in °a weiter schritt, also die stufe c@®rf 
ganz übersprungen wurde. Jedenfalls darf in cearf nicht der 
‘diphthong’ von weard, beard angenommen werden. Wir können 
hier umgekehrt wie bei ceorf sagen, der brechungsdiphthong 
sei unterlegen, das e ist nicht das e der brechung (also &), 
sondern der palatale vorlaut. 

Der brechungsdiphthong ea enthält den alten silbenvocal 
natürlich ebenso wie eo an erster stelle; a ist der vermittlungs- 
laut, der zu dem folgenden r, /, w, h (oder im falle des o, u- 
umlautes zu der o-articulation) hinüberführt; natürlich kein 
klares a, sondern 3 mit a-färbung. Wir dürfen also hier ea 
— e“ setzen; aber e ist nicht genau. Denn da e me. nicht zu 
a wird, für werd aber me. ward eingetreten ist, so muss e ein 
laut sein, dem me. a zu entsprechen pflegt; das kann hier nur 
ee sein (a selbst ist ausgeschlossen). Genau genommen lautete 
das brechungs-ea also &°. Schon längst hat Sievers das e in 
ea für offen und verschieden vom e des eo erklärt. Die be- 
rührung beider beruht nur in der gleichen entwicklung: beide 
lassen den nachlaut fallen: © >e wie @ > e>a Wie es 
kam, dass er fiel, lässt sich nur vermuten. Entweder hat der 
folgende consonant grössere assimilationsfähigkeit erhalten (wie 
z.b. ht sicher die ausschliesslich gutturale articulation der alten 
zeit später aufgegeben hat), oder der nachschlag ist bis zu einem 
kaum hörbaren gleitlaut zusammengeschrumpft, wie heutzutage 
der nachlaut des langen a (in state u.s.w.) unhörbar zu werden 
begonnen hat. 

Nun werden wir auch ie richtiger verstehen. Ein teil der 
ie, nämlich die, denen altes öi entspricht, werden me. ;, so in 


ı) Der triphthong «ee könnte sich auch forterhalten haben, der 
natürlichste ausdruck in der schrift wäre auch ea gewesen. 


DT BRENNER 


hierde, hiere, sieht; natürlich ist hier der gang der:i>«>i 
Bei anderen ie erscheint nicht nur me., sondern auch schon ags. 
und zwar — wenn auch ungleich verteilt — in allen mundarten 
e, so in ieldra, iermra. Was ist natürlicher, als dieses ie eben 
auch als e-laut, nämlich als e® mit geschlossenem e aufzufassen. 
Ich erinnere an die oben erwähnte bairische schreibung dienst 
für de’nst, oder klienner für kle’nar und an ea für «a; ie ist 
eben umlaut zu &°, und der kann kaum anders lauten als e°. 

Die ie nach palatalen sind oben schon gestreift. In fällen 
wie cierr, gierd ist ie offenbar wider nicht einfach © + e. Das 
me. und ne. beweisen hier bestimmt, dass der ton nicht auf ;, 
sondern auf dem zweiten vocal lag; während ceor! zu cherl 
wird, finden wir für cierr, gierd, ciele später char, zerrde, chele; 
ie ist also wol ‘e oder °e gewesen. Wäre in den genannten 
worten zuerst umlaut eingetreten, so wäre ein palataler vorlaut 
unnötig gewesen, da ja das umlauts-e geschlossen war (8. o.). 
Ob in der neben cierr vorkommenden form cerr diese entwick- 
lung (zuerst umlaut) vorliegt, oder ob hier nur der schwache 
vorlaut ungeschrieben blieb, lässt sich kaum entscheiden. In 
cierr ist allem anschein nach eine bildung erhalten, bei der 
zuerst der palatale vorlaut eintrat (cerri > cerri), dann erst 
umlaut (c’erri > c°err). Dem umlauts-e gegenüber konnte der 
vorlaut als öi aufgefasst werden. Wäre der umlautsvocal offenes 
e gewesen, was ich aus phonetischen gründen für die alte um- 
lautsperiode entschieden bezweifle, dann freilich konnte auch 
nach dem umlaut noch ‘diphthongierung’ eintreten: zerd > 
z’erd, gierd. 

Was vom kurzen ie zu sagen war, gilt zumeist auch vom 
langen, dem umlaut des 2a (und 20), Wer ze alsü + e auf- 
fasst, dem muss es rätselhaft vorkommen, dass in den heutigen 
mundarten in Wessex (s. Ellis) nirgends für altes ?e der diph- 
thong ei, ai erscheint. Das alte ze (soweit es nicht etwa altes 
i + e) enthielt kein 2, sondern war 2, entsprechend seiner her- 
kunft aus &° oder dessen jüngerer form 2°. Unter dieser voraus- 
setzung wird es klar, dass für ze so gewöhnlich e geschrieben 
wurde. Dass man die schreibung y für ie nicht gegen meine 
auffassung ins feld führen darf, hoffe ich ein anderes mal zeigen 
zu Können. 

Bei den langen eo und ea habe ich oben langes e an- 


ZUR AUSSPRACHE DES AGS. 559 


gesetzt. Bewiesen ist für das ags. durch die metrik und durch 
die handschriftlichen accente nur, dass der ganze diphthong 
lang war. Das ne. beweist wider nur, dass das me. e aus eo 
und da lang war; da eo in seon ursprünglich offenbar ause + 0 
bestand, kann auch in eo (und ea) wenigstens einen teil der 
ags. periode hindurch € kurz gewesen sein. Der übergang zu 
20, a vollzog sich durch eine gewicltsverteilung wie im altn., 
wo id zu Jd, iu zu jü, J0 wurden. Uebrigens besteht ein 
schwaches zeichen dafür, dass im ags. die alten diphthonge 
eo, &a mit den jungen zusammenziehungen aus kurzen vocalen 
nicht zusammenfielen, und dass bereits im ags. der erste vocal 
von eo wenigstens lang war: nämlich darin, dass wol die klassen 
1 und 2 der st. verba feon = tiuhan und ieon = teihan ineinander- 
fliessen, nicht aber auch kl. 3: so viel ich sehe, ist seon von fleon, 
teon, wreon u.8.w. immer scharf getrennt geblieben. So wären 
nun zu scheiden: 


1) ea=‘e: geof, vielleicht 1) da = °& : geafon 


— % in cearf 2) ca = Ea : bead, hean 
2) ea = &@ : weard 3) ea —= Ea : slean 
s))eafeo = 4) ecaf.dco = # 

1) eo = 0 : geoc 1) co = °6 : geömor 
2) eo = e° : weordan 2) eo = Eo : beodan, teon 
3) eo f.ea = ® 3) eo — Eo : seon 
4) eo f. ca = 
1) ie = 'e: giefan 1) ie = % : fiend? 
2) ie = i® : hierde 2) ie = 8& : hieran, sieh 


3) ie = E : ieldra 
WÜRZBURG, februar 1895. O0. BRENNER. 


NOCHMALS SINGULARARTIKEL VOR 
PLURALDATIVEN. 


J. Meier hat in diesen Beitr. 20, 336 widerum auf Reinhold 
Köhler bezug genommen und gibt mir anlass, die teils schon 
geordneten, teils auf zetteln und postkarten R. Hildebrands, 
Kluges u. a. erhaltenen notizen zusammengedrängt mitzuteilen, 
wobei ich nur die von mir besprochenen Lessing’schen belege 
und das von Meier angeführte beispiel ‘zum Saalbäusern’ (nach 
einem briefe Volkmanns an K. erst in den sechziger jahren 
angemalt und später ‘berichtigt’) ausscheide Es kann nicht 
darauf ankommen, diese erscheinung in endlosen exempeln vor- 
zuführen, aber der fleiss des ersten beobachters darf nicht ver- 
gebens gearbeitet haben. 


BERLIN. ERICH SCHMIDT. 


Zum. Nicolaus Erbenius nennt sich auf dem titelblatt 
seiner ‘Probpredigt. Den zwölfften Martij’ Erfurt 1577 Pfarhern 
zum Predigern, ebenso am schlusse der dedication, während er 
in der dedieation schreibt Pfarkindern zun Pr., E2 zun Römern 

. zun Galatern und in der gleichzeitigen ‘Einfeltigen kurtzen 
anleitung in das Erste Capitel der Offenbarung Johannis’ kein 
zum braucht. Bei Valentinus Rudolphus, Zeitbüchlein, Jena 
1580 L 6 heisst er Pfarrherr zum Predigern in Erfurd. — Aegi- 
dius Albertinus, Hirenschleifer, München (1618) 8.315 derwegen 
ermahnt uns recht und wol der H. Paulus zum Römern am 13. Cap. 
— W. Pistorius betitelt eine 1631 in Barby gehaltene, in Halle 
gedruckte leichenpredigt Zucht Trost vnd Leich Schule. Dass ist: 
Eine Christliche Leichpredigt aus dem Sprüchlein zum Römern am 
8. Cap. Ich bin gewiss ... — Facetiae facetiarum, Pathopoli 1657 
s.389 im Hans Pumbsack Muss wohl bekennen, dass zum zeiten 
die Stipendia vbel angemendet werden (1645 8.408 zun). — ‘Ein- 


NOCHMALS SING.-ARTIKEL VOR PLURALDATIVEN. 561 


fältige Christliche Fragstück und Antwort’ mit einer für die 
weimarische jugend bestimmten vorrede von A. Probus, Erfurt 
1660 s. 102 Zum Galatern am 4. spricht S. Paulus (sonst stets 
zun; auch an dieser stelle in den drucken von 1625 und 1636). 
— ‘Enchiridion. Der kleine Catechismus ... D. Martin Luther’ 
Weimar 1688 C IP S. Paulus zum Römern am 6. spricht und F 7’ 
gläube doch wol der Schrift, was fie davon saget, zum Galatern 
(sonst steht in solehen episteleitaten zun; dagegen in Zeibichs 
ausgabe des kleinen katechismus und der oben erwähnten frag- 
stücke, Weimar 1727, häufig zum: s. 272, 275, 281, 295 zum 
Colossern, 8.225, 264 zum Galatern, 8. 261 zum Ephesern, 8.171, 
244 f., 258 zum Römern). — ‘Christlich vermehrt- und gebessertes 
Gesang-Buch’ Erfurt 1692 s. 553 Ein Lied aussm 10. Cap. zum 
Hebreern. D. Josua Stegmanns. — Christian Weise, Curiöse Ge- 
dancken von Deutschen Versen, Leipzig 1693, 2, 61 Zum Realien 
gehören auch die Affecten. — Inschrift auf dem grab eines bei 
einer pulverexplosion in Naumburg 1714 umgekommenen 
(Mitzschke, N. Inschriften 1877—1881 s.391) Des Feuers Macht 
ist Schuld daran, Dass ich zum Sternen steigen kann. — S.H. 
Zäunemannin, Das Ilmenauer Bergwerk 1737 A 4 (Poet. Rosen 
1738, 3.568) Ich sah das Wasser von den Teichen ... Zum Künsten 
sanft und stille schleichen. — Motschmanı, Erfordia literata, 
1737 8.641 denen drey Predigern M. Zach. Hogeln zum Augusti- 
nern, M. Valentin Wallenbergen zum Parfüssern, und M. Sebastian 
Schrötern zu S. Michael, und öfter nach alter überlieferung (s. 573, 
578, 584, 590, 668, 700).1) — Amarantes, Nachricht vom Hirten- 
Orden, Nürnberg 1744 s. 265 (Rist) und 494 (frau Kopsch) zum 
Füssen, 8.299 (Kempe) zum Süder-Fluthen, 8.530 (Flemmer) 4/s 
wann auch Lazarus vom Todten auferstünde. — Chr. F. Weise, 
Scherzhafte Lieder, Leipzig 1759 s. 33 Du sollst mich auf dem 
Kampfplatz finden, So bald Dein Mund ‘zum Waffen’ spricht 
(dafür aber Kl. Iyr. gedichte 1772, 1,36 Ich fechte nach der Ritter 


ı) Zahlreiche alte belege in Herrmanns Bibliotheca Erfurtina 1863 
8.166 zum Barfüssern, 8. 179 (no. 153, 154 zum Kaufmannen — aber 8. 315 
Pastore zu den Kaufmännern —, 155 f.), 8. 270, 277 f. (1572, 1577), 285. 
Sie reichen von 1572 bis 1731. Im gegensatze zu Motschmann brauchen 
die beiden Thaner, Erneuertes u. verm. Ehrengedächtnis derer Herren 
Senioren, und A. C. Professoren zu Erffurt, 1750, in solchen fällen nur 
zun : 2. b. zun Augustinern 8.37, zun Parfüssern 8.38. 


562 R. KOEHLER UND E. SCHMIDT 


pflicht), ebenda 8.38 werd ich alt und träye Zum Freuden, meiner 
ersten Pflicht. — J. T. Köhler, Vollständiges Ducaten - Cabinet, 
Hannover 1759 f. 8.51 unten zum Füssen ist ein Löwe, 8. 280 mit 
dem Mayntzischen Wapen zum Füssen u. ö., sehr selten zu den F. 
— Hl. bericht über den tod des generals Trenk auf dem Spiel- 
berg, 4. oct. 1749 (Ungarische revue 1889 8.378) Durch 4 Tag 
und Nächt waren der P. Adjutus und P. Turibus bei ihm bis zum 
letzten Zügen geblieben. — J. C. Rost, Vermischte gedichte, 1767 
8.15 (Das vorspiel I) ins Kloster zum Paulinern. — Weisse an 
Ramler, 17. dec. 1768 (Archiv 79,162) der Vorrede zum Jacobi- 
tischen Briefen. — ‘Anhang zum freundschaftlichen Briefen von 
Gellert’, Leipzig 1770 (vgl. Klees ausgabe 10,155). — Poeti- 
sche epistel der Karschin an Benzler, 9. jan. 1787 (Seuffert, Zs. 
des Harzvereins 13, 195) Als ein Geschenk zum Anfangstagen Des 
Jahres. — Blumauer, Aeneis 2,88 (Leipz.) zum römischen Päpsten, 
doch steht in der originalausgabe der schwache dat. sing. Papsten. 
— Bäntsch, G. Hillers gedichte u. selbstbiographie, Cöthen 1805, 
1,235 zum fernen Spitzen des Parnassus. — Const. Beyer, Neue 
chronik von Erfurt, 1821 s. 9 Armenkirchhof zum Barfüssern, 
s. 198 zum B. begraben, s. 468 Diakonus zum Kaufmännern. — 
Zum drei Linden hiess es auf einem Bilauer gasthofschild, Zum 
drei Gleichen in Tiefurt, Gasthof zum drei Schwanen in Hoben- 
stein; Gasthof zum drei Linden steht auf den Löbstedter papier- 
servietten; zum drei Königen, Futteral zum Karten, Wolle zum 
Strümpfen u. dgl. sagt das volk in Sachsen und Thüringen. 

Am. M.Ziegenspeck, Zween Jubel-Gesänge, Altenburg 1630 
A4b in der Melodey: Am Wasserflüssen Babylon. — Kirchen- 
Gebete ... Weimar 1727, im titel am Buss-Tagen. — (Karschin 
2.2. 0. 8. 200, 16. jan. 1788 Am Altvater Gleim sich schmiegen; 
8. 202, 9. dec. 1788 Amm herrlichsten Epistelschreiber Göcking 
meinen Gruss.) 

Beim. Goethe an frau v. Stein, 30. jan. 1780 (4, 244) beym 
Lippen zu kriegen. — S. H. Zäunemannin, Ilmenauer Bergwerk 
C 2» (Poet. Rosen 8.586) alwo ein Kunst - Knecht und Junge das 
Warten beym Künsten verrichteten. — J.H. Steffens, Placidus oder 
Eustach, Zelle 1749 8.19 Beim Feinden, die dein Heer gefangen 
eingebracht, Befand sich Gracchus auch. — Weisse, Komische 
Opern, Leipzig 1777, 1,124 So reizend und so schön Sie hier an 
Busen prangen, So müssen sie vergehn Bey’m Rosen Deiner Wangen; 


NOCHMALS SING.-ARTIKEL VOR PLURALDATIVEN. 563 


Frankfurt u. Leipzig 1777, 1,116 dafür am... Beyn. — In einem 
oratorium von G. Behrendt (Kawerau, Aus Magdeburgs Vergangen- 
heit, 1888 8.266) Zeym Haaren in den Himmel ziehen. 

Vom. E.Koch, Johann Heumans randbemerkungen zum 
Saalfelder kircbenbuche aus der zeit von 1614—1634, Meinin- 
gisches gymnasialprogramm 1885 s. 11 vom Martin Schirmers 
Erben; H. schreibt aber auch vom der Cantzel, am diesem Mon- 
tage. — ‘Opizii Jocoserii Curiöse Gedancken vom Flöhen, aus 
dem Lateinischen ins Teutsche übersetzet durch M.M.’ 0. o. 1702. 


ETYMOLOGISCHES. 


1. Baubs. 


Got. baubs ‘taub, stumm, schmacklos’ hat bisher noch keine 
erklärung gefunden und deshalb mag es erlaubt sein, vermutungs- 
weise die folgende ansicht vorzuschlagen. Wenn der vocalismus 
dem nicht entgegenstünde, läge es am nächsten, das wort mit 
urkelt. *bodaro- (air. bodar, eymr. byddar, corn. bodhar, bret. 
bouzar) ‘taub’ und glb. aind. badhird- zu verbinden, welche bei 
Whitley Stokes, Urkelt. sprachschatz 176 mit einander verglichen 
werden und auf indog. *bhodharo- zurückgehen. Wie aber liesse 
sich der diphthong in germ. *bauöa- erklären? Nehmen wir 
an, dass *bauda- einmal *buöda- gelautet hat, doch durch ein- 
wirkung des synonymen *dauda- umgeändert ist, so haben wir 
die brücke gefunden, welche von baubs zu kelt. *bodaro- und 
aind. badhird- hinüber führt. Demnach hätte neben *bhodharo- 
in derselben bedeutung eine im suffix verschiedene form *bhodho- 
gestanden. 

2. Bleibs. 

Got. bleibs ‘mitleidig, gütig, barmherzig’ kann weder mit 
lit. paleti “hingiessen’ (Bugge, Beitr. 13, 181 f.), noch mit aind. 
mläyati ‘welkt, erschlafft’ (Johansson, Beitr. 15, 226f.) zusammen- 
gehören. Die etymologie Bugges scheitert an dem 5, welches 
nicht im anlaut aus p» entstanden sein kann, denn das gesetz, 
worauf Bugge seine combination stützt, darf keineswegs für 


564 UHTENBECK, ETYMOTLOGISCHES. 


erwiesen gelten. Gegen Johanssons erklärung lässt sich ein- 
wenden, dass m/ä@-, nicht m/äy-, als wurzel von mläyati zu be- 
trachten ist (s. Persson, Wurzelerweiterung 9): dieses m/ä@- ver- 
hält sich zu *mel-, *mol- in aksl. mieti, lit. malti, lat. molo, got. 
malan gerade so wie aind. ydii zu eti, psäti zu babhasti (s. Brug- 
mann, Morph. unters. 1,1 ff, Grundr. 2, 951 ff., Persson, a.a. o. 
91 ff.). Ziehen wir aber das 5 in bleibs zur wurzel, so können 
wir an aind. mrityati ‘zerfällt, löst sich auf’ anknüpfen und das 
germ. wort auf ein ursprachliches adjectiv *mleit-i- ‘zerfallen, 
aufgelöst, weich’ zurückführen. 


3. Salo. 


Ahd, salo, salawer ‘dunkelfarbig, trübe, schmutzig’, ags. salı 
‘schmutzig’, engl. sallow ‘bleich, fahl’, an. sg/r ‘schmutzig gelb’ 
(Schade 739) weisen auf germ. *salwa-, gebildet wie ahd. falo 
— aksl. plavü — lit. palvas, ahd. gelo — lat. helvus und andere 
farbennamen (s. Brugmann, Grundr. 2, 129). Cymr. salw ‘vilis’ 
ist vielleicht aus dem angelsächsischen entlehnt (Whitley Stokes, 
Urkelt. sprachschatz 291), doch im slavischen findet sich ein 
wort, das mit salo gewis durch urverwantschaft identisch ist, 
nämlich aksl. *sl/ava ‘glaucus’ (nur in s/avo-oCije belegt), russ. 
solovöj *isabellfarben’, mit der ableitung aksl. sZavij, russ. solovej 
‘nachtigall’. Aus der lautlichen und begrifflichen identität von 
salo und *slava gelit hervor, dass das s im slavischen worte 
nicht aus indog. k entstanden sein kann, wodurch die vermu- 
tung Zubatys, dass lit. szalvas, szalvis ‘'thymallus’ mit *slarü 
zu verbinden sei (Arch. f.slav. phil. 16,413 f.), als verfehlt er- 
wiesen wird. 


AMSTERDAM, juli 1895. C. C. UHLENBECK. 


OELINGERIANA. 


1 


R. v. Raumer (Gesch. d. pädagogik 3, b,37 anm.3) und 
Reifferscheid (ADB. 24, 301) haben darauf aufmerksam ge- 
macht, dass von der deutschen grammatik Albert Oelingers 
zwei drucke existieren, deren einer die jahreszahl 1573 
(M.D.LXXIIL)!), der andere die 1574 (M.D.LXXIIIL)2) auf 
dem titel trägt. Es sind aber nicht etwa zu verschiedenen 
zeiten hergestellte auflagen, sondern nur verschiedene ausgaben 
des gleichen druckes. Aehnliches ist wol öfter vorgekommen 
und z.b. für Fischart bei mehreren drucken nachgewiesen.?) 

Dass diese ansicht die richtige ist, zeigen typographische 
eigentümlichkeiten, wie z.b. lädierte buchstaben. Auf dem titel 
ist in beiden ausgaben z. 15 der ö-punkt in nostri abgefallen. 
Vgl. ferner 8.11 2.4 das zweite u in Sueui, 8.15 2.8 v.u. das 
D in De. Auf s.100 steht am schluss des ersten absatzes von 
IX in beiden ausgaben ein spiess. Die gleichen verrutschungen 
von buchstaben nach oben oder unten zeigen sich, an den 
gleichen stellen befinden sich schiefe zeilen; vgl. z.b. 8.2 z. 3 
das s in Con/onantes, 2.5 v.u. das i in ai, 8.4 z.10 das a in 
ante, 8. 11 2.9 v. u. das ue in Abusiue. Auf 8.20 steht am 
schluss von abs. 3 der punkt in beiden ausgaben über statt 
auf der linie. Die gleichen fehler zeigen sich in dem 1573 (a), 
wie in dem 1574 (b) datierten druck. In der vorrede (*ij® z.10 
v.u.) haben a und b cogitari, ceepi statt cogitare coepi; 8.11 2.3 


1) Exemplare: königl. bibl. Berlin, hof- und staatsbibl. München, stadt- 
bibliothek Bremen. 

2) Exemplare: univ.-bibl. Basel, stadtbibl. Bern, Dresden, Erfurt, 
Giessen, Göttingen, stadtbibl. Leipzig, hof- und staatsbibl. München, 
univ.-bibl. München, Prag, Strassburg, hofbibl. Wien, Wolfenbüttel. 

8) Steinmeyer, Wagners Archiv 1,225, Meusebach, Fischartstudien 
196 f.; 222 (vgl. auch 229 anm. 2), Strauch, Jahresber. f. neuere lit.-gesch. 
2,164, Alsleben, Fischarts Garg. Neudr. s. XVIf. 


566 MEIER 


steht tein für dein, 8. 32 ist in beiden ausgaben doppelt, s. 48 
gar nicht vorhanden. 8.45 z.9 v.u. ist weuti statt veluti ge- 
druckt, 8. 76 steht die seitenzahl 66 statt 76, u.a. m. 

Diese angaben machen evident, dass in den beiden ver- 
schieden datierten exemplaren der gleiche druck vorliegt. Aber 
es ist an dem stehenden satz noch geändert worden, nachdem 
bereits eine anzahl exemplare abgezogen war. Das zeigt ein- 
mal die verschiedene jahreszahl auf dem titelblatt, bei der 
wegen des schlusspunktes der abfall einer I nicht angenommen 
werden darf, das beweisen aber auch mehrere abweichungen, 
die die beiden drucke am schluss zeigen. Der druck a gibt 
immer die richtige oder auch die bessere lesart: 


a b 
8. 203 2.3 fermonis fermones 
2.9 [upereminet [uperiminet 
z. 11 non preßit in annum? non non preßit in annü? 
2.7 v.u. zichlichten zu Ichlichten 
letzte z. djeligfeit die feligfeit 


In dem auf s. 207 folgenden erratenverzeichnis beweist das 
gleiche auf und nieder der zeilen den gleichen ursprung. Ebenso 
findet sich in aund b auf z.12 5 :/ statt, wie es richtig wäre, 
5.1. Aber der zweite absatz der seite zeigt abweichungen, 
bei denen wider a das richtige bietet: abs.2 z.1 a Hic b Auc, 
2.2 a figuras b figure. 

An und für sich kann a aus b corrigiert oder auch b aus a 
verderbt sein, da vielleicht buchstaben ab- oder ausgefallen waren. 
Mir ist die letztere möglichkeit die wahrscheinlichere, doch kann 
Oelingers eigene angabe (Duodecim Dialogi *3°), dass er die 
grammatik ‘im jahr 74 der mindern zahl’ verfertigt habe, für 
die erstere sprechen. 

2. 


Von Albert Oelingers lebensumständen wussten wir bisher 
nur das eine, dass er kaiserlicher notar in Strassburg war, und 
dass er ausländische, besonders französische edelleute im deut- 
schen unterrichtete, ja sie vielleicht auch — der lateinische 
ausdruck (lingue Germanice difcende gratia [u[cepiffem) ist nicht 
recht klar — ganz in sein haus aufnahm. Mit seiner widmung 
an den Princeps Calabrie et Lolharingie Dux scheint er be- 


OELINGERIANA. 567 


stimmte absichten verfolgt zu haben: er betont in der widmung 
seiner grammatik, dass die jungen söhne des fürsten später 
deutsch lernen müssten, und es ist nicht undeutlich zwischen 
den zeilen zu lesen, dass er selbst gern als ihr lehrer fun- 
gieren würde. 

Diese interpretation wird besonders nahe gelegt durch das 
neue über Oelingers leben, das wir aus einer zweiten von ihm 
verfassten schrift erfahren. Das buch hat folgenden titel: Duo- 
decim Dialogi apprime elegantes clariffimi D. Ioan. Ludouici Viuis 
Valentini, ex Latino $ Gallico Idiomate in Germanicam linguam 
fideliter tranflati ac in gratiam Tyronum harum linguarum fimul 
congesti. Douze Dialogues ..... Zwölf nulzliche Gespräche u 
Authore Alberto Oelingero Notario publico nec non Procuratore 
aulico Durlacen[e. Spire, Typis Bernardi Albini. An. CD.D. 
LXAXXVIl.!) Aneiner andern stelle der schrift (*3®) nennt er 
sich . Albrecht Ölinger Kai: Notarius vnd hoffgerichts procurator 
zu Carlfburg.?) Er war also von Strassburg nach Durlach über- 
gesiedelt, und über die beziehungen, die zu dieser ortsverände- 
rung anlass gegeben hatten, erfahren wir einiges aus der 
zweiten widmung seines werkes. In einer lateinischen Epistola 
dedicatoria (dat. Durlach den 27. märz 1587) eignet er das werk 
zu ad ... Dominos Philippum,?) Erneftum Fridericum, lacobum 
$ Georgium Fridericum Marchiones Baden/es & Hachbergen/es*) 
$&c. cognutos & germanos fratres. Er zählt allerhand historische 
beispiele dafür auf, dass könige und fürsten sich in sprachen 


1) Exemplare: Marienbibl. Hallea.S., Rostock, Wolfenbüttel. 

2) Carlsburg hiess das markgräfliche schloss zu Durlach, wohin der 
hof im jahre 1565 von Pforzheim übergesiedelt war. 

8) Bezüglich der genealogischen nachrichten über die badischen 
markgrafen war mir hier nur Joh. Chr. Sachs, Einleitung in die geschichte 
der markgrafschaft...... Baden, Carlsruhe o.j., zugänglich, dessen A4.teil 
(erschienen 1770) ich die untenstehenden angaben entnehme. Philipp von 
Baden (geb. 1558) war der sohn Philiberts von Baden-Baden, der 1569 
im Treffen von Moncontour fiel. Unter Philipp, der auf betrieb seiner 
kathol. vormünder schon 1571 von dem kaiser für mündig erklärt war, 
wurde Baden-Baden wider katholisch. 

*) Die drei badischen prinzen waren die söhne Carls II. von Baden 
aus seiner zweiten ehe. Ernst Friedrich war am 17. oktober 1560 (vgl. 
ADB. 6, 245), Jakob am 26. mai 1562 (vgl. ADB. 13, 534), Georg Friedrich 
am 30. januar 1573 (vgl. ADB. 8,596) geboren. Jakob trat im juli des jahres 
1590 zum katholicismus über und starb einen monat darauf. 


568 MEIER 


ausgezeichnet hätten und nennt als naheliegende exempel die 
bereits verstorbenen väter der angeführten, den Philipps Phili- 
bert von Baden und den der drei andern, Carl II. von Baden. 
Sie selbst, sagt er, hätten sich auch schon ausgezeichnet: Verum 
enimuero currenti calcar addere non opus e/[e duco, vi qui [cio, 
cuiusmodi operam: cerle non infelicem, [uperioribus preteritis 
annis nauaueritis in difcendis humanioribus literis $ cognofcendis 
exterarum gentium linguis!). maxime vero in lingua Gallica, etiam 
tum, cum ego inter alia vobis Domini germani fratres Marchiones 
Badenfes, & pree[ertim veftro defuncto Domino fratri confunguineo 
Alberto Marchioni Badenfi $c. pie memorie,?) pro viribus meis 
compendiolum instlitutionis lingue Gallice prelegerem, £ ad often- 
dendum vfum exercilandi ralionem aliquot dialogos, $ imprimis 
Joannis Ludouici Fiuis Valentini explicarem. Poft iftud tempus 
obferuationes & preecepliones con[cripfi grammalicas de ratione 
$ modo difcende lingue noftre Germanice, atque id feci im- 
primis exterarum nalionum caufa, quibus me aliguam difficultatis 
[ubleuationem allaturum confidebam, eäfgque ante tredecim abhinc 
annos mullorum monitu & inflinctu diuulgaui (Fb °P), 

Er widmet den badischen prinzen dieses werk, guod per annos 
aliquot in laudati/fimo Marchionatu Badensi meam [uftenlationem 
$ domicilium habui, K adhuc habeo, & in ifia mulla benejficia 
acceperim: & vos ex parte, & defunctus frater Dominus Albertus 
... horum, quos edidi, dialogorum & aliorum preceptorum [eduli 
fueritis au[cultatores & ob[eruatores, veftrique nominis Celfitudo mihi 
de üs accuratius E exquifilius commentandi anfam prebuerit (#7°). 

Er hatte also die badischen prinzen im französischen unter- 
richtet, und diese stellung muss er ende der sechziger oder an- 


1) Es ist dies nicht nur eine woltönende phrase Oelingers, sondern 
die bad. prinzen scheinen in der tat gute sprachkenntnisse besessen und 
weitere reisen gemacht zu haben: Ernst Friedrich, der nur die europäi- 
schen höfe besuchte, noch am wenigsten; mehr jedoch Jakob, der in 
Tübingen und Strassburg studierte und dem grosse sprachkenntnisse 
zugeschrieben werden. Er machte auch weitere reisen nach Frankreich 
und Italien. Von dem jüngsten Georg Friedrich konnte Oelinger noch 
nicht viel wissen: höchstens über seinen aufenthalt in Strassburg mochte 
er orientiert sein. Die reisen nach Frankreich und Italien fanden erst 
nach der veröffentlichung des buches statt. 

2) Es ist der einzige sohn Carls Il. aus erster ehe, geb. 1555, der 
schon 1574 starb. 


OELINGERIANA. | 569 


fang der siebziger jahre bekleidet haben.!) Nach vollendung 
seiner aufgabe hat er sich dann wol nach Strassburg begeben 
und später, vielleicht als belohnung für seine früheren dienste, 
den posten in Durlach erhalten. Von dort aus bemüht er sich, 
wie früher in der widmung der grammatik bei dem Lothringer 
herzog, am pfalzgräflichen hof eine ähnliche stellung als sprach- 
lehrer, wie früher am badischen zu erhalten. Denn so wird 
die andere widmung des werkes an Johann Casimir, den ad- 
ministrator der Pfalz und vormund des jungen pfalzgrafen Frie- 
derich IV., dessen erziehung und unterricht in den fremden 
sprachen Oelinger lobend erwähnt, zu verstehen sein. 

Die bemerkungen über sprachunterricht in den beiden 
widmungen zeigen den praktischen lehrer. Die grammatik 
und ihre regeln seien ohne sprachübungen wertlos; deshalb 
habe er die dialoge des Vives übersetzt, um tibungsstoff zu be- 
sitzen. Die insignia Oelingeriana fehlen auch hier nicht, und 
eine warme empfehlung Joh. Sturms, aus Northeim vom 4. märz 
1587 datiert, zeigt das bestehen der schon in der grammatik 
auftretenden freundschaftlichen verbindung mit dem berühmten 
gelehrten. Oelinger muss wol protestant gewesen sein, denn der 
kreis seiner freunde und gönner setzt sich ganz aus nichtkatho- 
liken?) zusammen. Und es lässt sich auch kaum denken, dass 
ein streng protestantischer fürst, wie Carl II. von Baden, einen 
katholiken zum sprachlehrer seiner kinder ernannt hätte und dass 
ein katholik hofgerichts-procurator in Durlach gewesen wäre. 

Oelinger steht vor uns als geschäftiger, gewanter und höfisch 
glatter mann. Er ist als sprachlehrer tätig und eifrig, beson- 
ders für die vermittelung der sprachkenntnisse zwischen Frank- 
reich und Deutschland. Hat er doch eine deutsche und eine 
französische grammatik und ein dreisprachiges übungsbuch ge- 
schrieben. In den rahmen dieses bildes würde es nun wol 
passen, wenn er auch der verfasser eines Dictionarium Latinum, 
Gallicum $ Germanicum, vna cum formulis loquendi wäre, das im 
jahre 1573 anonym bei Nic. Wyriot in Strassburg, dem ver- 
leger von Oelingers grammatik, erschienen ist.?) Es ist das 


ı) Oelinger kann also damals nur Ernst Friedrich und Jakob unter- 
richtet haben, da Georg Friedrich erst 1573 geboren wurde. 
2) Aber vgl. oben 8.567 anm.3. 
3) Exemplar: Dresden. Sign. : Lingu. Germ. rec. 195. — Carl Müller 
Beiträge zur geschichte der deutschen sprache. XX. 37 


570 MEIER 


ein dreisprachiges, systematisch angelegtes vocabular, an das 
sich französisch -deutsche sätze anschliessen, die phrasen des 
gewöhnlichen lebens enthalten, ganz so wie heute etwa Bädekers 
Manuel de conversation. Gegen Oelingers autorschaft könnte 
sprechen, dass er das werkchen in seinen andern schriften nir- 
gends erwähnt, und dass es ohne seinen namen und die insignia 
Oelingeriana erschienen ist. Oder sollte der rein praktische 
standpunkt, den das werk einnimmt, ihn veranlasst haben, 
seine vaterschaft zu verschweigen? Sicheres ist hier nicht 
auszumachen. A 

Die plagiatfrage zwischen Oelinger und Laurentius Albertus 
ist schon so oft ventiliert, dass es geboten scheint, sie nicht zu 
berühren ohne neues zu bringen. Allein die jüngsten ausfüh- 
rungen über diesen gegenstand durch Carl Müller!) veranlassen 
mich doch ihr ein paar worte zu widmen. Die gedichte, die 
das Oelingersche werk vor wie nach dem text enthält, sind 
immer gleich mit dem blick auf Albertus interpretiert worden, 
ohne sie unbefangen für sich zu betrachten. Sieht man nur 
sie allein an, so sagt Oelinger in seinen eigenen, vor dem text 
stehenden versen, wie Müller richtig bemerkt: er habe das 
buch verfasst, er wolle nun auch den nutzen davon haben und 
nicht etwa sein schüler; denn er habe dies auch gelehrt, nicht 
jener. Die am schluss des werkes folgenden verse der freunde 
berichten einmal, dass Oelinger die schrift veröffentlicht habe, 
um einen andern zu verhindern da zu ernten wo er nicht gesät 
und dann folgendermassen: 

Oelinger nonum cur te non preßit in annum? 
Quod furtiua tuas fraus [poliabat opes. 

In diesen versen wird ebenfalls nichts weiter gesagt, als dass 
Oelinger, nur damit ein anderer ihm seine schätze, seinen besitz 
nicht raube, das werk jetzt schon veröffentliche. Die opes sind 
aber nicht etwa das manuscript seiner grammatik, wie mehrere 
gelelırte anzunehmen scheinen.?) Aus dem ganzen zusammen- 


(Zs. f. d. deutschen unterricht, ergänzungsband s.151) hat zuerst darauf auf- 
merksam gemacht, und auf Oelinger als verf. hingewiesen. 
1) Zs.f. d. d. unterricht, ergänzungsband s. 140 ff.; besonders s. 141 f. 
2) So Müller a.a. 0.141, und wol auch Socip, Schriftspr. und dialekte 
8.277. Nicht ganz klar und richtig auch Raumer, Gesch. d. germ. phil. 


OELINGERIANA, 571 


hang geht hervor, dass einer, der bei ihm gelernt und vielleicht 
das vorgetragene nachgeschrieben hatte, nun das gelernte als 
sein geistiges eigentum herausgeben wollte. 

Müller (a.a. 0.) druckt mit bedauerlicher flüchtigkeit: 

Oelinger unum cur te non pressit in annum? 

Quod furtiua tuas fraus spoliabat opus, 
und baut dann auf dem unum in annum ein ganzes, langes rai- 
sonnement auf, wirft dem verf. der verse’schlechtes latein und 
Raumer flüchtigkeit vor u.a. m. 

Ueber die Albertus-Oelingerfrage erhoffe ich noch immer 
die lösung von einem genauen quellenstudium der lateinischen 
und französischen grammatik. Die ansicht Carl Müllers von 
der identität Oelingers und Albertus’ scheint mir ohne weiteres 
zurückzuweisen zu sein. Es sprechen keine ernstlichen gründe 
dafür, sehr viele aber dagegen. Die namenfrage ist von Miiller 
entschieden zu leicht genommen. Laurentius ist doch keine 
übersetzung von Oelinger, und, wenn einmal übersetzt wurde, 
warum denn nicht wenigstens Albertus Laurentius? Sehr ins 
gewicht fällt auch — um anderes nicht zu berühren — die ver- 
schiedenheit des bekenntnisses: Albertus war katholik, Oelinger 
höchstwahrscheinlich protestant (s. ob. s. 569). Allerdings scheint 
mir auch Reifferscheids ansicht, dass Oelinger der plagiator sei, 
unrichtig zu sein, und vielleicht trägt die nachricht, dass schon 
vor erscheinen der grammatik des Laurentius Albertus Oelinger 
unterricht gab und praecepta für diesen zusammenstellte, und 
dass lange nach erscheinen seiner grammatik Sturms meinung 
über diese und ihren verfasser die gleiche gute blieb, dazu bei, 
die gegengründe gegen sie zu vermehren.!) 


8.65 und Paul, Grundr. 1,22. Es ist z.t. so interpretiert, als ob in der 
anrede Oelingers an sein buch stände Zx te qui didicit, statt Ax me qui d. 


1) Bei dieser gelegenheit darf ich vielleicht noch eine bemerkung 
zu meiner ausgabe des Fabritius (s. VI) machen, die ich durch das auf- 
tauchen einer verlegten notiz nachzutragen habe: über die schicksale 
der von Meusebach entlehnten Zwickauer sammelbände geben erschöpfend 
. auskunft briefe Uhlands (U.’s leben von seiner witwe 8.309 u. 316) und 
bemerkungen C. Wendelers (Meusebachs Fischartstudien s. 28 anm. 3; vgl. 
auch 3. 31 anım.1). 


HALLE a. S., september 1895, JOHN MEIER. 


37* 


MISCELLEN. 


8. Die quelle zum Weiber-spiegel des Andreas 
-Tharsus (1628). 


Der Weiber-spiegel!) des Muskauers Andreas Tharzus, der 
in den zwanziger jahren des 17.jh’s die pfarrstelle zu Buch- 
holz bekleidete,2) zerfällt deutlich in zwei teile: 1) ein gespräch 
zwischen zwei frauen, deren eine die andere anleitet, wie sie 
das schlechte verhältnis zu ihrem ehemanne bessern könne; 
2) eine hiermit nur lose verbundene partie, in der den weibern 


und männern von allerhand narren und einem pfaffen die 


wahrheit gesagt, ihr latein gelesen wird. Die beiden frauen 
spielen hier fast durchgehend eine hörende rolle. 

Auf den ersten teil kommt es mir hier ausschliesslich an. 
Er ist eine mehr oder weniger freie bearbeitung des abschnitts 
über die ehe (Uxor ueuwiyauog siue conjugium) in des Erasmus 
Colloquia (Basel 1540, s. 211 ff). Manches ist weggefallen, man- 
ches ist zur ausgestaltung und versinnlichung der gedanken 
breiter ausgeführt oder auch neu hinzugefügt worden. Es ist 
kaum nötig, die behauptung im einzelnen zu beweisen: ein 
blick genügt, um sich selbst die überzeugung zu verschaffen. 

Ob Erasmus: im original benutzt ist, oder ob Tharzus aus 
einer übersetzung geschöpft hat, vermag ich nicht festzustellen. 
Bemerken will ich aber doch, dass jedenfalls die übertragungen 
des Erasmus Alberus in seinem ‘Ehbüchlein’ (1539)3) und die 


1) Weiber Spiegel. || Das ist ! || Eine lustige Co- || media von ?. 
Personen | den || Ehelichen Hau/sstand beiref- || fende. || Beschriebea 
von | ANDREA THAREO Muscovi- || ensi, Pfarrherrn im Städi- 
lein || Bucholiz. || 16[28. || Erffurdt bey Tobias Fritzschen. Exemplar: 
Leipzig, stadtbibliothek (Bibl. Soc. Teut. 117. 89). 

2) Vgl. Crecelius, Archiv f. litt.-gesch.7,303f. Goedeke, Grundr. 
2, 377.573. 

8) Vermutlich ist die reimbearbeitung Zacharias Zymmers, der nach 
Schnorr von Carolsfeld (Erasmus Alberus s. 225) die übersetzung des Eras- 
mus Alberus zu grunde liegt, ebenso wenig wie diese benutzt worden, 
allein ich vermag es augenblicklich nicht zu constatieren. 


En * 


MISCELLEN. 573 


folgende Drey lustige auch zum theil nutzliche Gespräch. I. Vom 
Ehestande etc. 1I. Von der Meerfahrt etc. III. Von der Ro/s- 
ieuscherey aus Des. Erasmi Roterodami Lateinischen Collo- 
quiis genommen | vnd verdeuischet | Durch Andream Ericandum 
Boreaceum (aus Nordhausen), Leipzig 1618 (Leipzig, stadtbiblio- 
thek: Bibl. Soc. Teut. 117. 8°) nicht benutzt sind. 


9. Mit dem judenspiess rennen. 


Ende vorigen jahres machte mich professor Suchier darauf 
aufmerksam, dass der in der studenten-, stromer- und gauner- 
sprache gebräuchliche ausdruck spiess (= sechser) sehr wol eine 
übersetzung des griechischen oßsAog (bratspiess) sein könne, 
das ursprünglich ja gleichbedeutend mit 0ß0Aög (obole) ist (vgl. 
oßeAloxog — bratspiess und münze). Kürzlich hat auch un- 
abhängig davon Gustav Meyer die gleiche ansicht geäussert 
(Schlesische ztg. 1895 no. 232 morgenblatt). Und diese deutung 
erscheint in der tat überaus einleuchtend. 


Sie wirft auch auf eine bisher nur mangelhaft erklärte 
redensart ein höchst erwünschtes licht und gibt uns einen 
fingerzeig, was es heisse, wenn man von einem sagt ‘er laufe, 
renne mit dem judenspiess. Diese wendung taucht etwa um 
die scheide des 15/16. jh.’s auf und hat sich rasch verbreitet 
und lange gehalten. Ich brauche nur auf die belege des Deut- 
schen wörterbuchs (4, 2, 2357) zu verweisen. Die redensart hat 
offenbar aus einem in Deutschland entstandenen oder dorthin 
übertragenen witze gelehrter kreise ihren ursprung genommen. 
Sie knüpft an die doppelbedeutung oder, wenn man will, auch 
den gleichklang von griech. oßeAös und 0ßoAös an und übersetzt 
beides mit spiez (bratspiess). Dass im deutschen in ähnlicher 
weise wie bei 0ßeAdg und 0ßoAos zwei dinge spiz (bratspiess) 
und spiez (spiess, speer) vertauscht sind, darf nicht wunder 
nehmen, da diese beiden wörter schon ende des 15.jh.s viel- 
fach durcheinander gehen, 

Es wird nun in kühner übertragung oßoAög (== OßeAög) 
münze mit spiess übersetzt: der judenspiess ist das judengeld, 
zugleich aber, in beabsichtigter witziger doppeldeutigkeit, der 
einzige spiess, den die juden führen dürfen, da sie vom recht 
des waffentragens ausgeschlossen waren. So kommt man also 


574 MEIER 


zu der bedeutung des meist von christen gebrauchten bildes: 
mit dem judenspiesse rennen, laufen = wucher treiben. 

Ob aus diesem ausdruck das wort spiess (= sechser, dann 
im pl. allgemein geld), das wir in der zweiten hälfte des vorigen 
Jahrhunderts in der studentensprache auftauchen sehen, entstan- 
den ist, weiss ich nicht, möchte es aber bezweifeln, da wir keinen 
zusammenhang irgend welcher art nachzuweisen vermögen. 
Es mag zwei mal unter ähnlichen verhältnissen in humanisten- 
und in studentenkreisen die gleiche witzige übertragung statt- 
gefunden haben. 


10. Eine Faustaufführung in Wien. 


Das nach dem tode seines verfassers erschienene ‘Abraha- 
mische Gehab sich wol!’ (Nürnberg 1729) bietet eine nicht un- 
interessante nachricht über Faustaufführungen zu Wien. Diese 
müssen, da Abraham a S. Clara bereits 1709 starb, im anfang 
des 18. jh.’s stattgefunden haben. Ich lasse die stelle (6. dis- 
curs 8. 97) folgen: 

‘Frau Mutter! sagt jene tochter, nur vor heunt bitt ich um 
Erlaubnuss in die Comedi zu gehen, denn man spielt den Doctor 
Faust, ist gantz und gar nichts verliebts, ja, ja meine liebe 
Lisette, sagt die Mutter, du gehest mit mir, ich gehe auch in 
die Comedi, und ob man schon den Doctor Faust spielet, so 
kommen doch allerley verliebte Zntriguen hinein, der Aufputz 
deren Comcediantinnen, die süsse und glatte Wort, die freche 
Gebärden, mit welchen man die Hertzen der Manusbilder be- 
zwingen kan, diese geben der Jungfrau Lisetlie die schönste 
Gelegenheit, zu verschiedenen schmutzigen Gedancken, und ob 
der Teuffel schon keinen Lehrmeister abgiebt, so ist doch die 
Gelegenheit in der Comedi genug, die Liebe nach allen Haupt- 
Stucken zu lernen, multi absque Diabolo pereunt etc. OÖ unschul- 
diger Teuffel! O schädliche Gelegenheit!’ 


11. Schamelle, schabelle. 


Das Deutsche wörterbuch (8, 1948; vgl. Sanders Wb. 2, 2, 875 
und Ergänzungswb. 438°; die sonstige literatur 8. DWb. ]. c.) ver- 
zeichnet unter schabelle zwei von einander verschiedene be- 
deutungen: 1) schemel, 2) unruhiges, übermütiges mädchen und 
altes liederliches weib, und wenn es auch nicht mit klaren worten 


MISCELLEN. 575 


beides als zu einem etymon gehörig rechnet, so deutet es dies 
doch nicht misverständlich an. Die entwicklung der bedeutung 
nennt es zwar unsicher, und in der tat entbehren die gemachten 
versuche der wahrscheinlichkeit. 

Ich glaube nun, dass man beide wörter mit unrecht zu- 
sammengestellt hat, worauf schon die verschiedenheit der be- 
deutung hätte hinweisen sollen: ‘schemel’ und ‘unruhiges, hin- und 
. herlaufendes übermütiges mädchen’, dann weiter auch ‘altes häss- 
liches liederliches weib’ lassen sich kaum vermitteln. Dazu kommt 
noch, dass in gegenden, in denen die zweite bedeutung heimisch 
ist, sich schabelle, schawelle als bezeichnung des schemels nicht 
findet (vgl. z.b. Vilmar s. 343 und Pfister, Nachtr. s. 245 f.). Dass 
sie verloren gegangen, ist nicht wahrscheinlich, da sich grade 
bei derartigen dingen die benennungen lange halten. 

Mir scheint für schawelle, schabelle in der an zweiter stelle 
angeführten bedeutung das zigeunerische /schawalle ‘kinder’ 
[cäväle; vgl. zig. ischabo (Cävo) ‘knabe’, tscheu (Cai) ‘mädchen ’] 
zu grunde zu liegen.!) Hier lässt sich die bedeutungsentwick- 
lung wesentlich leichter erklären und auch formen wie schawe- 
lande = eine bizarr erscheinende jungfer (Pfister, Nachtr. s. 246 
aus Cassel) und schawelenter = liebhaber eines mädchens (Kehr- 
ein 8. 342 aus Caub) können sich anschliessen.?) 


12. Zu Beitr. 10, 572 fi. 


Beitr. 18,572 ff. habe ich ein ‘Lied von Sant Grobian’ ab- 
gedruckt, das dem 16. jh. angehört. Ich will nicht versäumen 
hier zwei zeugnisse für sein bekanntsein im 16., ja bis zum 
ende des 17. jb.’s nachzutragen. Aegidius Albertinus De conui- 
uijs et Compotationibus (München 1598 bl. 65®) teilt einen ge- 
sang der schlemmer mit, der auf dem lied von S. Grobian beruht, 
und die in einem wol um 1690 gedruckten werke?) enthaltene 


1) Pischel, Beiträge zur kenntnis der Zigeuner, in den Festschriften 
der vier fakultäten zum 200 jährigen jubiläum d. univ. Halle s. 132 u. 154 
(sep.-abdr. 3.22 u.44). Dass zig. ischawalle für die deutsche zigeuner- 
sprache nur einmal belegt ist, darf bei der ungemein grossen lückenhaftig- 
keit des materials nicht frappieren. 

2) Ob schamwaldes = sonderling (Müller-Weitz, Aachener ma, s. 207) 
hierher gehört, erscheint fraglich. 

8) Biere-Logia, Entworffen In einer zierlichen wohl abgefalsten 


576 & MEIER, MISCELLEN. 


*Säuische Schlemmer-Zunfft’ bietet in ziemlich roher gestalt fast 
nur reminiscenzen aus dem Grobianus-lied. Die hier eingefügten 
zutaten sind gering und wertlos. Darum mag dieser hinweis 
genügen. 

13. Zu Beiträge 20, 340. 


Zu meinem bedauern ist es mir entgangen, worauf mich 
professor Edward Schröder freundlichst aufmerksam macht, 
dass das mitgeteilte Neidhart-zeugnis, das ich mir vor ein paar 
jahren angemerkt hatte, schon von Fr. Keinz in den Sitzungs- 
berichten der Münchener akademie 1888, 2, 311 abgedruckt ist. 


Oration von dem Gersten-Korn und Braunschweigischen Mumme etc. 
Gedruckt in diesem itzigen Jahr [wol 1690]. 


HALLE a.S., februar — juli 1895. JOHN MEIER. 
Berichtigungen. 
5.121, 2.15 v. u. l.iarn[lecio st. iarnl[esio. — 224, 2.5 I. axovßitwr. 
— 249, 2.17 2. gute st. guter. — 256, 2.8 v. u. /. bin ich s/. ich bin. — 
272, z.1 v.u. l. Bataven st. Battaven. — 285, 2.2 v.uw. I. Gallicarum st. 
Gallicorum. — 286, z. 9 /. mit si. Mit. — 298, 2.10 v.u. /. ethnogonie 
st. ethnogenie. — 300, z.1 /. so lange germ. f.... Keltisch-römisch v. 


3ar THE 


UNIYVTOCSITY 


Halle a. S., Druck von Ehrhardt Karras. 


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