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Organ für praktisch«* Aerzte.
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Mit Berücksichtigung der preussischen Medicinal -Verwaltung und Medicinad- Gesetzgebung
nach amtlichen Mittheilungen.
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Dr. L. Waldenburg,
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FÜNFZEHNTER JAHRGANG
BERLIN, 1878.
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Inhalt,
1. Origüutl -Hittheihmgeii.
Aus Kliniken und Krankenhäusern.
Aus der Universitäts-Klinik des Herrn Geheimrath Prof. Frerichs in
Berlin.
1. M. Litten: Zur Lehre von der amyloiden Entartung der Nieren
313. 335.
Aus der propädeutischen Klinik des Herrn Geheimrath Prof. Dr.
Leyden in Berlin.
2. Leyden: Ueber einen Fall von Fettherz 221. 237.
3. A. Fraenkel: Ein Beitrag zur Lehre von der acuten Phosphor¬
vergiftung 265.
4. E. Leyden: Ein Thoracotom 457.
5. E. Leyden: Ueber spastische Spinallähmung 707. 725.
Aus der psychiatrischen Klinik des Herrn Prof. C. Westphal in Berlin.
6. Westphal: Ueber ein frühes Symptom der Tabes dorsalis 1.
7. Westphal: Ueber Metalloscopie 442.
Aus Prof. Waldenburg’s Abtheilnng für innerlich kranke Frauen in
der Charite.
8. Seilerbeck: Ueber Simulation von Fieber 33.
Aus der gynäkologischen Klinik des Herrn Prof. Schröder in Berlin.
9. Schröder: Bericht über 50 Lister’sche Ovariotomien, ansgeführt
in Berlin vom 25 Mai 1876 bis 24 Februar 1878 145.
Aus der Gebärabtheilung des Königl. Charit^ - Krankenhauses.
10. Steiner: Zur Behandlung wunder Brustwarzen 393.
Aus der ophthalmiatrisehen Klinik des Herrn Prof. Schweigger in
Berlin.
11. Schweigger: Ueber sympathische Augenleiden 281.
Aus der innern Abtheilung des allgemeinen städtischen Krankenhauses
in Berlin unter Leitung des Herrn Dr. Ries s.
12. Riess: Ueber ein neues Symptom der Herzbeutelverwachsung 751.
Aus der inneren Abtheilung des Augusta-Hospitals unter Leitung des
Herrn P'rof. Senator in Berlin.
13. Senator: Zur Kenntniss der Schallerscheinungen an den periphe¬
ren Arterien nebst Bemerkungen über die Auscultation mit hohlen
und soliden Stethoscopen 297.
Aus der inneren Abtheilung von Bethanien unter Leitung des Herrn
Dr. Goltdammer.
14. E. Bo egehold: Hydrops adiposus pleurae 347.
Aus dem Lazaruskranken hause zu Berlin unter Leitung des Herrn
Dr. Langenbuch.
15. Carl Langenbuch: Klinischer Beitrag zur Lehre von der Carbol-
intoxication 412.
Aus der Privat-Augenklinik des Herrn Dr. Hirschberg in Berlin.
16. J. Hirschberg: Beiträge zur pathologischen Anatomie des
Auges 249.
* Aus der Privat-Augenklinik des Herrn. Dr. Schoeler in Berlin.
17. H. Schoeler: Ein Beitrag zur Neurotomia optico-citiaris 663.
Aus der Klinik des Herrn Geh. Rath Prof. Dr. Biermer in Breslau.
18. Buchwald: Spiegelschrift bei Hirnkranken 6.
- Aus der gynäkologischen Klinik des Herrn Prof. Spiegelberg in
Breslau.
19. OttoAlberts: Rechtsseitige anterenale Echinococcuscyste. Probe¬
schnitt; partielle Exeision; Drainage; Heilung 317.
Aus dem Hospital Allerheiligen in Breslau.
20. Ottomar Rosenbach: Ein Beitrag zur physikalischen Diagnostik j
der Pleuraexsudate 160. j
Aus der Privat-Augenheilanstalt des Herrn Dr. Janv in Breslau. |
21. Jany: Beiträge zur Casuistik d^r diabetischen Erkrankungen des
Auges 46.
Aus dem pathologischen Instititut des Hrn Prof. Neu mann in Königsberg.
22. E. Neu mann: Ueber myelogene Leukämie 69. 87. 115. 131.
23. E. Neu mann: Farblose Blut- und Eiterzellen 607.
Aus dem städtischen Krankenhause in Königsberg i. Pr.
24. FranzMeschede: Ein Fall von beiderseitiger Lähmung der Glottis-
Erweiterer (Mm cricoarytaenoidei postici) mit Ausgang in Heilung 349.
25. Näcke: Eine Haarnadel im Bindegewebe zwischen Blase und
Scheide 415.
Aus der chirurgischen Klinik des Herrn Prof. Hueter zu Greifswald.
26. Hermann Hueter: Die Behandlung des Erysipels 345. 363.
Aus der medicinischcn Poliklinik des Herrn Prof. Weber in Halle.
27. E. R. Kobert und B. Kuessner: Ein Fall von periodischer Hämo¬
globinurie 635.
Aus der medicinischen Klinik des Hrn. weiland Geheimrath Prof.
Bartels zu Kiel.
28. MueIler-Warnek: Ein Fall von schwerer Cyankaliumvergiftung
mit Ausgang in Genesung 57.
29. Mueller-Warnek: Zur Behandlung der Diphtheritis vor und nach
der Tracheotomie 651. 669.
Aus der chirurgischen Klinik des Herrn Prpf. König in Göttingen.
30. König: Die antiseptische Behandlung aes Empyems 361.
31. Derselbe: Zur Operation des Empyems 637.
Aus der psychiatrischen Klinik des Herrn Prof. Meyer in Göttingen.
32. 0. Bin swänge r: Ueber Epilepsia vasomotoria 379. 397.
Aus der medicinischen Klinik des Hrn. Geheimrath Prof. Kussmaul
zu Strassburg i. E.
33. M. Malbranc: Ueber Behandlung von Gastralgien mit der inneren
Magendouche, nebst Bemerkungen über die Technik der Sondirung
des Magens 41.
34. Reinhard v. d. Velden: Fall von spastischer Spinalparaly.se.
Heilung 563.
Aus der medicinischen Klinik des Herrn Prof. Wagner in Leipzig.
35. Adolf Strümpell: Ueber die Anwendung und die antipyretische
Wirkung des Conchinins 679.
Aus der medicinischen Klinik des Hrn. Prof. Nothnagel in Jena.
36. H. Nothnagel: Ueber Latenz von Kleinhimerkrankungen und über
cerebcllare Ataxie 205.
Aus der medicinischen Klinik des Herrn Geheimrath Prof. Friedreich
zu Heidelberg.
38. Fürbringer: Ueber einen eigenthümlichen Albuminkörper im
Harn 85.
37. Paul Fürbringer: Quecksilbernachweis im Harn mittelst Mes¬
singwolle 332.
Aus der Heidelberger Poliklinik des Hrn. Prof. v. Dusch.
39. M. Ludewig: Ein Fall von geheilter Invaginatio bei einem 8 Mo¬
nate alten Kinde 377.
Aus der chirurgischen Klinik des Hrn. Prof. Maas zu Freiburg in Baden.
40. H. Maas: Die Grundlagen der chirurgischen Therapie, zugleich
eine Erinnerung an Dr. M. Mederer, Professor der Chirurgie in
Freiburg i. B. von 1773—1796 13.
41. Wilhelm Hack: Ueber einen Fall endolaryngealer Exstirpation
eines Polypen der vorderen Commissur während der Inspirations¬
pause 135.
42. J. Scriba: Beiträge zur mechanischen Behandlung der Spondylitis
409. 433. 449.
43. H. Maas: Ueber Anwendung des Microphons zu chirurgisch - dia¬
gnostischen Zwecken 535.
Aus dem pathologisch-anatomischen Institut in Freiburg i. Pr.
44. 0. Fester: Zur Casuistik der Psammome am Gentralnervenappa¬
rat 97.
Aus der medicinischen Klinik des Herrn Prof. Leube zu Erlangen.
45. Franz Penzoldt: Fixation der Elektroden 48.
Aus der geburtshülflich-gynäkologischen Klinik des Ilrn. Prof. Zwcife
zu Erlangen.
46. Zweifel: Die Prophylaxis des Puerperalfiebers 4.
Aus der medicinischen Klinik des Herrn Prof. Seitz in Giessen.
47. P. Weissgerber: Ueber den Mechanismus der Ructus und Be¬
merkungen übor den Lufteintritt in den Magen Neugeborener 521.
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Aus der medicinischen Klinik des flrn. Prof. Quincke in Bern.
48. H. Quincke: Ein Apparat zur Blutfarbstoffbestimmung, Haemo-
chromometer 473.
Aus der medicinischen Klinik des Herrn Prof. Huguenin in Zürich.
49. Wälder: Ueber die Typhusepidemie von Kloten 579. 596.
Aus der psychiatrischen Klinik in Basel.
50. Wille: Allgemeine Grundsätze bei der Behandlung der Psy¬
chosen 29.
Aus der gynäkologischen Abtheilung im Carolakrankenhause zu Dresden.
51. Gustav Schramm: Zur Casuistik der Menstrual-Exantheme und
der Urticaria nach Blutegelanwendung am Muttermund 626.
Aus dem Stadtlazareth in Danzig.
52. Baum: Mimischer Gesichtskrampf. Dehnung des Facialis. Heilung 595.
Aus der medicinischen Abtheilung des Cölner Bürger-Hospitals.
53. Riegel und Tuczek: Zur Symptomatologie der Stenose der gros¬
sen Luftwege 739. 771.
Aus dem Kreiskrankenstift zu Zwickau i. S.
54. Hans Heinold: Ein Fall von Luxation des 6. Halswirbels nach
vorn, mit Zerquetschung des Rückenmarks 581.
Aus dem Garnison-Lazareth in Köln.
55. Knoevenagel: Fall von angeborener Enge des gesammten Aorten¬
systems mit consecutiver bedeutender Vergrösserung des Herzens 525.
Aus den Militair-Lazarethen in Neu-Ruppin und Havelberg.
56. Jacubasch: Beobachtungen über Pneumonie und Pleuritis 100.
57. Derselbe: Bajonettstich durch den Unterleib 319.
58. Derselbe: Bruch des knöchernen Gehörganges in Folge eines Huf¬
schlags 320.
Aus dem Garnison - Lazareth zu Hamburg-Altona.
59. Soltsien: Ueber eine verschluckte Oberkieferplatte mit drei künst¬
lichen Zähnen 255.
Aus dem Knappschafts-Lazareth zu Königshütte.
60. Wagner: Zur Behandlung der Empyeme 754.
Aus der chirurgischen Abtheilung des Krankenhauses zu Augsburg.
61. Oberst: Ein Fall von acutem Carbolismus 157.
Aus der Grossherzogi. Hess. Landesirrenanstalt b. Heppenheim.
62. Eugen Witt ich: Kampher gegen die Schlaflosigkeit weiblicher
Irren 148.
Aus der Irrenanstalt zu Gertrudenberg.
63. Ad. Meyer: Zur Metalloscopie 496.
Aus der Irrenanstalt bei Schleswig.
64. Adler: Ein Fall von Pemphigus acutus 553.
Aus der Br eh m er 'sehen Heilanstalt in Görbersdorf.
65. A. von Sokolowski: Beitrag zur Aetiologie der chronischen Lun¬
genschwindsucht 584.
Aus der Allgemeinen Poliklinik in Wien.
66. Urbantschitsch: Wanderung eines von der Mundhöhle in den
Pharynx gelangten Haferrispenastes durch die Ohrtrompete, die
Paukenhöhle und durch das Trommelfell in den äusseren Gehör¬
gang 728.
Aus dem klinischen Ambulatorium des Herrn Prof. Stoerk in Wien.
67. J. S c h m it h u i s e n: Zur Casuistik der chronischen Blennorrhoe der
Nasen- Kehlkopf- und Luftröhrenschleimhaut 150.
Aus dem allgemeinen Krankenhause zu Graz.
68. Franz Müller: Neuropathologische Studien 284. 300.
Aus Prof. Schulek’s Augenklinik zu Budapest.
69. Joseph Im re: Ueber die Behandlung der Blutergüsse in der vor¬
deren Augenkammer 599. 612.
Aus dem Franz-Josef-Spital zu Hermannstadt.
70. H. Süss mann: Erythema nodosum 49.
Aus der therapeutischen Hospitalklinik der Warschauer Universität.
71. P. Lewitzky:In Veranlassung des neuen diagnostischen Symptoms
von Darraperforation 684. 693.
Aus dem israelitischen Krankenhause in Lublin.
72. B. Tetz: Zur Casuistik der primären infectiösen Knochenent¬
zündung 542.
Aus dem deutschen Hospital in London.
73. A. Nieden: Ueber Temperaturveränderungen (Hyperpyrexie und
Apyrexie), bedingt durch Verletzung des Halsrückenmarkes 742.
Aus den deutschen Hospitälern zu Jerusalem.
74. M. Th. Sandreczky: Versuch einer einfachen Staar-Extractions-
Methode 149.
75. A. Adamkiewicz: Ueber Pepton 17.
76. Max Schüller: Beiträge zur Ovariotomie 20.
77. G. Sacharjin: Die syphilitische Pneumonie 35.
78. Ludw. Wilhelm: Ueber Menstrual-Exantheme 50.
79. Lorenzen: Ein Fall von sogenanntem Wurmabscess 50.
80. Emil Stern: Ueber das Quecksilberchlo^.Q 2 jjQ rjQa t r j um un( j se i ne
subcutane Anwendung 59.
81. F. W e b er: Zur Casuistik der Schwangerschafts-Wochenbettamaurose
64.
82. Kappesser: Methodische Schmierseife-Einreibungen gegen chro¬
nische Lymphdrüscnleiden 73.
83. Scheby-Buch: Ein Fall von subacutem Rotze beim Menschen
74.
84. Laudon: Ein Fall von Scarlatina maligna durch Acid. salicylicum
geheilt 76.
85. Geipel: Anwendung des pneumatischen Apparates von Fränkel
bei der Wiederbelebung eines durch Ertrinken scheintodt gewor¬
denen Kindes 77.
S6. A. Völkel: Bruststichwunde mit Lungenvorfall; merkwürdige
Heilung 91.
87. Josef Pauly: Beiträge zur Tracheotomie 104.
88. Hermann Lossen: Die Resection der Rippen bei rctrocostalen
Abscessen 113.
89. Leschik: Zur Nachbehandlung des hohen Steinschnittes 119.
90. M. Bernhardt: Ueber Metalloscopie 129.
91. Groedel: Ein Beitrag zur Behandlung der Lähmungen bei Apo¬
plektikern mit Herzfehlern 137.
92. W. Mandelbaum: Zur Behandlung von Geschwüren 138.
93. Knauth: Resection der Scapula du roh ein Trauma 152.
94. Treutier: Vorläufige Mittheilung über Stickstoff-Inhalation 163.
95. Rudolf Birnbaum: Totale Knickung des einen Zwillingskindes
und Austreibung der Frucht conduplicato corpore bei zweiter
Beckenendlage 165.
96. F. Busch: Ueber die Veränderung des Markes der langen Röhren¬
knochen bei experimentell erregter Entzündung eines derselben 173.
97. Julius Sommerbrodt: Ueber Kehlkopfsverengerung durch mera-
branartige Narben in Folge von Syphilis 175.
98. Derselbe: Ueber eine bisher nicht beobachtete Form submucöser
Haernorrhagie der Kehlkopfschleimhaut 177.
99. Weber-Liel: Zur Anwendung der Nasendouche. Unter welchen
Bedingungen ist die neuerdings als ein gefahrvolles Mittel ge¬
schilderte Nasen-Rachen-Douche zulässig und ohne Gefahr für das
Hörorgan zu benutzen? 177.
100. Haussmann: Zur Behandlung wunder Brustwarzen 189.
101. Haussmann: Ueber das Vorkommen der Coccobacteria septica in
einem Zahnabscess 191.
102. Arthur Hartmann: Schwerhörigkeit bei Kindern, verursacht
durch chronischen Nasenrachencatarrh 191.
103. Edgar Kurz: Mantegazza’s Globulimeter 193.
104. Rheinstädter: Eelarapsie im 6. Monate der Schwangerschaft 194.
105. A. Martin: Zur Ovariotomie 209. 224.
106. Bröking: Semen cucurbitae maximae als Mittel gegen den Band¬
wurm 213.
107. C. A. Wimmer: Die Curmittel Kreuznachs in ihrer physikalischen
und physiologisch-chemischen Bedeutung 228. 241.
108. S. Tschirjew: Experimentelle Untersuchungen über das Knie¬
phänomen 240.
109. M. Bernhardt: Ueber Bleilähmung und subacute atrophische
Spinallähmung Erwachsener 252. 273.
110. Jacob: Therapeutische Indicationen des schwefelsaures Eisenoxydul
enthaltenden Moorbades 254.
111. Carl Fieber: Drei Fälle von Gesichtsneuralgie, durch Nerven-
resection geheilt oder gebessert 269.
112. C o h n s te i n: Ueber Complication der Schwangerschaft und Geburt
mit Blasenscheidenfistel 288.
113. Alexander: Ueber einseitige Accommodationslähmung mit My-
driasis auf syphilitischer Basis 202.
114. Max. Wiskemann: Zur Untersuchung des Hämoglobingehaltes
des menschlichen Blutes 320.
115. Küstner: An welchem Tage soll die Wöchnerin das Bett ver¬
lassen? 329.
116. H. Heubach: Bettendorff’s Reagens auf Arsen 353.
117. Ord und Semon: Ein Nierenstein aus Indigo 365.
118. L. Katz: Ein Fall von Echinococcus der Leber, mit Durchbruqh
in die Luftwege. Heilung. 367.
119. Retzlag: Mittheilung und Beschreibung eines zusammenlegbaren
Operations- und Untersuchungstisches 368.
120. Hünicken: Casuistische Mittheilung: Sarcomatöse Geschwulst im
Wirbelkanal 382.
121. H. v. Holder: Baisamum antarthriticum Indicum 383.
122. W. Bernhardi: Carbolsäure bei wunden Brustwarzen 384.
123. Reinhard Weber: Belladonna gegen Collaps s 395.
124. Flemming: Ueber einen besonderen Vorzug warmer Sandbäder
399.
125. Stöhr: Beitrag zur Erfahrung über die Wirksamkeit des Kamphers
gegen Schlaflosigkeit weiblicher Irren 416.
126. Paul Bruns: Einige Vorschläge zum antiseptischen Verbände 425.
127. A. Frey: Ein Fall von coupirter Sprache 429.
128. Scheele: Beitrag zur Casuistik und Symptomatologie der Aorten-
Aneurysmcn 446. 462. 477.
129. Ernst Fränkel: Ueber eine Freu nd’sche Totalexstirpation eines
carcinomatüsen Uterus mit partieller Resection des secundär er¬
krankten Scheidengrundes 458.
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130. Max Tacke: Ein Fall von Fiebersimulation 465.
131. Fr. Keppler: Die acute Saponinvergiftung, und die Bedeutung
des Saponins als localen Anästheticums 475. 493. 511.
132. Starcke: Die Anwendung des Chloralhydrats per Clysma 489.
133. C. Spam er: lieber die heutige und die frühere Stellung der
Psychiatrie zur Gesammtmedicin 490.
134. Ludwig Löwe: Ueber Befruchtung 505.
135. Heinrich Eidam: Ueber Inhalationen bei Diphtheritis und
Croup, sowie nach der Tracheotomie 508.
136. F. Brudi: Kurze Beschreibung einer interessanten Missbildung 515.
137. Otto Roth: Beitrag zur Kenntniss der „ eigentümlich verzweigten
Gerinnsel in den Darmausleerungen“ 528.
138. Yoltolini: Zur Galvanocaustik. 1. Stenose der Trachea. II. Ste¬
nose des Larynx. HI. Ranula 536.
139. Carl Elias: Beitrag zur operativen Behandlung des Empyems
bei Kindern 540.
140. Hubert Reich: Die Tuberculose, eine Infectionskrankheit 551.
141. J. Gottstein: Ueber Ozaena und eine einfache Behandlungs¬
methode derselben 554.
142. Aug. Ladendorf: Das Microphon als diagnostisches Hülfsmittel
565.
143. Aug. Ladendorf: Ueber die Dämpfungscurven pleuritischer Ex¬
sudate 566.
144. Köhler: Zur Wirkung der Tarakanen (Blatta orientalis) 570.
145. Ottomar Rosenbach: Ueber die Localisation acuter Lungener¬
krankungen bei Hemiplegischen 608.
146. Stephan: Ein neuer Gebärmutterhalter 610.
147. A. Martin: Zur Therapie der chronischen Metritis 623.
148. Eduard Solger: Borwatten- und Borphenolverbände 628.
149. Franz Freudenberg: Ueber ein neues Arzneiexanthem 630.
150. Raphael Hausmann: Wichtiges aus der Geschichte und Therapie
der Scrophulose, mit besonderer Berücksichtigung der Lymphdrüsen-
tumoren und deren Behandlung mit methodischer Schmierseife-
Eimeibung 638. 655.
151. Panthel: Ein unter dem Einflüsse von Chloralhydrat und Brom¬
kali geheilter Tetanus traumaticus 641.
152. Th. Jaffö: Ein Fall von Paralysis ascendens acuta 653.
153. Gaffky: Behandlung chronischer Unterschenkelgeschwüre durch
Entspannungsnähte 667.
154. Haussmann: Zur Behandlung wunder Brustwarzen 667.
155. Derselbe: Ueber die örtliche Behandlung der Gebärmutterblutungen
und Entzündungen im Wochenbette 668.
156. W. Roser: Zur Operation des Empyems 682.
157. M. G r o h 6: Jauchiger Pyopneumothorax. Radiealoperation. Heilung
682.
158. Ad. Knapstein: Sind Atropin und Morphium Antidote? 691.
159. Apolant: Zur Casuistik des infectiösen Osteomyelitis 695.
160. Apolant: Ueber einen Fall von einseitigem Schwitzen (Hyper-
hidrosis unilateralis) 696.
161. L. Waldenburg: Pulsuhr und Puls 696. 712.
162. Adolph Halbey: Subcutane Zerreissung der Urethra am Peri-
naeum durch Stoss. Pararentesis vesicae. Eröffnung eines am
Perinaeum entstandenen Abscesses. Heilung 720.
163. Th. Stein: Das Sphygmophon, ein neuer electro - telephonischer
Apparat zur Diagnose der Herz- und Pulsbewegungen 723.
164. Laudon: Ein casuistischer Beitrag zur Aetiologie der Nasen¬
blutungen 730.
165. Penkert: Ein Fall von Verstauchung der Halswirbelsäule 745.
166. Göschei: Zur antiseptischen Behandlung des Empyems der Kin¬
der 757.
167. Hans Heubach: Antagonismus zwischen Morphin und Atropin
767.
168. E. Becker: Noch einmal die Unterschenkelgeschwüre 771.
169. Kaatzer: Fremdkörper im Ohre 772.
170. Fritz Pfuhl: Ein Fall von Heufieber 772.
II. Kritik» md Referate.
Krönlein: Die v. Langenbeck’sche Klinik und Poliklinik zu Berlin
während der Zeit vom 1. Mai 1875 bis 31. Juli 1876 8.
Ein Fall von acuter aufsteigender spinaler Paralyse 23.
Auspitz: Ueber die Excision der syphilitischen Initial-Solerose 24.
C. Hueter: Klinik der Gelcnkkrankheiten mit Einschluss der Ortho-
paedie 37.
F. H. Hamilton: Knochenbrüche und Verrenkungen 37.
J. Steiner: Grundriss der Physiologie des Menschen, für Studirende
und Aerzte 38.
Zur Therapie der Acne rosacea 51.
Zur Symptomatologie der Tabes dorsualis 51.
Ueber den Mechanismus des Todes in Folge von Einimpfung des Milz¬
brandes 51.
Ueber die Veränderungen des Nervensystems bei diphtheritischen" Läh¬
mungen 52.
Abnormes Exspirationsgeräusch 52.
Ernst Küster: Fünf Jahre im Augusta-Hospital 65.
Julius Cohnheim: Vorlesungen über allgemeine Pathologie, besprochen
von Waldenburg 77.
Ernst Burow: Laryngoscopischer Atlas 92.
Paul Bruns: Die Laryngotomie zur Entfernung intralaryngealer Neu¬
bildungen 92.
Paul Guttmann: Lehrbuch der klinischen Untersuchungs-Methoden
für die Brust- und Unterleibsorgane mit Einschluss der Laryngo¬
skopie 93.
A. Martin: Leitfaden der operativen Geburtshülfe 93.
H. Quincke: Ueber Siderosis, Eisenablagerung in einzelnen Organen des
Thierkörpers 108.
Loebisch: Anleitung zur Harnanalyse, für practische Aerzte, Apothe¬
ker und Studirende 109.
L. Lehmann: Bäder- und Brunnenlehre 120.
G. S6e: Behandlung des Asthma mit Jodkalium und Jodäthyl 121.
Spiegelberg: Lehrbuch der Geburtshülfe für Aerzte und Studirende
138.
Phosphatischer Diabetes 152.
Zum Gebrauch des Jodoform 152.
August Hirsch: Geschichte der Ophthalmologie 165.
Anatomische Veränderungen des Sympathicus bei Diabetes 182.
Kiemenfisteln am äusseren Ohr 182.
Zur Behandlung des Vomitus gravidarum 182.
Mehlhausen: Charitö - Annalen 196.
Ein Todesfall in Folge von Hämorrhagie des Pancreas 213.
Zur Behandlung der Migräne 213.
Zur Behandlung der Jntertrigo im Kindesalter 213.
Einfache Polyurie: schnelle Heilung durch Ergotingebrauch 214.
Zur Behandlung des runden Magengeschwürs 214.
Goltdammer: Bericht über die Resultate der Kaltwasserbehandlung
des Ileotyphus im Krankenhause Bethanien zu Berlin 231.
Finkelnburg: Die Entpestung der Seine durch die Berieselungsanlagen
zu Gennevilliers bei Paris 231.
Ueber die Veränderungen kleiner Gefässe bei Morbus Brightii und die
darauf bezüglichen Theorien 256.
Paul Guttmann: Jahrbuch für practische Aerzte (Fortsetzung von
Grävell’s Notizen) 274.
Freund: Eine neue Methode der Exstirpation des ganzen Uterus 275.
Zur Ernährung der fleischessenden Pflanzen 291.
Die Massenerkrankung in Wurzen im Juli 1877 291.
Gestickte Buchstaben zur Diagnose der Farbenblindheit 291.
J. Hirchberg: Beiträge zur practischen Augenheilkunde 306.
Katz: Bericht über die Blinden der Regierungs-Bezirke Potsdam und
Frankfurt 321.
Lent: Zur Frage der Flussverunreinigung in Deutschland 339.
Ueber die Vorgänge bei dem Lungenbrande und über den Einfluss ver¬
schiedener Arzneimittel auf dieselben 354.
Ueber die Wirkung des Magnetismus und der statischen Eiectricität auf
die hysterische Hemianästhesie 354.
Ueber die Athetose 369.
Intravenöse Injection, Milch statt Bluttransfusion 369.
Urticaria mit Albuminurie 369.
Fr. Sander: Handbuch der öffentlichen Gesundheitspflege 369.
Die contagiöse Pneumonie 384.
Lungenentzündung in Folge von Unfällen, ohne Verletzung 384.
Ueber Agryrie der inneren Organe 385.
Ueber acute Miliar - Tuberculose 400.
Zur Wirkung der Chrysophansäure 401.
Ueber Vorkommen und Ursachen abnorm niedriger Körpertemperaturen
Quincke: Ueber die Wirkung kohlensäurehaltiger Getränke 416.
Quincke: Ueber den Einfluss des Schlafes auf die Harnabsonderung 416.
Fr. Walter: Untersuchungen über den Einfluss der Säuren auf den
thierischen Organismus 416.
Scherpf: Die Zustände und Wirkungen des Eisens im gesunden und
kranken Organismus 417.
C. M. Brosius: Aus meiner psychiatrischen Wirksamkeit 435.
Chauvet: Ueber die Gefahr der wirksamen Arzneimittel bei Nieren¬
leiden 436.
Ueber infectiöse Myositis 436.
Eine einfache Methode zur mikroscopischen Untersuchung des Blutes
auf Spirillen 452.
Zur Incubation des Scharlach 452.
Beiträge zur Kenntniss der Caffeebestandtheile 466.
Ueber die Ausscheidung von Eiweiss im Ham des gesunden Menschen
466.
Myxcodema 466.
Ueber die Heilwirkungen des Jodoform 482.
A. Wernich: Klinische Untersuchungen über die japanische Varietät
der Beriberi - Krankheit 497.
Saint Bartholoraew’s Hospital Reports 515.
W. Albert: Beiträge zur operativen Chirurgio 516.
Arndt: Ueber einige bemerkenswerthe Verschiedenheiten im Hirnbaue
des Menschen 529.
Kriegs-Sanitäts-Ordnung vom 10. Januar 1878 545.
Riedel: Die Dienstverhältnisse der Königl. Preuss. Militair - Aerzte im
Frieden 545.
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
Baer: Der Alcoholismus, seine Verbreitung und seine Wirkung auf den
individuellen und socialen Organismus 545.
Stahl: Geburtshilfliche Operationslehre nach den Vorlesungen des
Prof. He gar 558.
Fromm: Ueber die Bedeutung und den Gebrauch der Seebäder, mit
besonderer Rücksicht auf das Nordseebad Norderney und die in den
letzten 10 Jahren daselbst erzielten Heilresultate 558.
F. Pcnzoldt: Blutbefund bei der Werlhofschen Krankheit 558.
H. Quincke: Weitere Beobachtungen über perniciöse Anaemie 572.
H. Bernheim: Le<;ons de Clinique m£dicale 587.
Politzer: Lehrbuch der Ohrenheilkunde für practische Aerzte und Stu-
dirende 602,
Ueber die Stellung der Augen im wachenden und schlafenden Zustande
des Gehirns und über ihre Veränderungen bei Krankheiten 615.
Zerreissung des Zwerchfells in der rechten Seite in Folge gewaltiger
Auftreibung des Magens 615.
Leyden: Ueber die Entwickelung des medicinischen Studiums, Rede
631.
J. Cohnheim: Ueber die Aufgaben der pathologischen Anatomie 631.
Diseases of moderne Life by Benjamin Ward Richardson M. D. M. A.,
F. R. S. etc. Third Edition. London 1876 642.
Riegel: Ueber die Bedeutung der Pulsuntersuchung 658.
— Zur Symptomatologie und Theorie der Bleikolik 658.
Zwei Fälle von hochgradiger Jodoformintoxication 658.
Winiwarter: Beiträge zur Statistik der Careinome mit besonderer
Rücksicht auf die dauernde Heilbarkeit durch operative Behandlung 671.
A. Wernich: Geographisch-medicinische Studien nach den Ergebnissen
einer Reise um die Erde 687.
Zur Metallotherapie 702.
Paul Guttmann: Jahrbuch für practische Aerzte 716.
F. Trautmann: Die embolischen Erkrankungen des Gehörorgans 731.
Zur Frage über die Mischformen des Typhus 732.
Zerreissung der Milz durch Muskelaction 732.
Zur Behandlung des Erbrechens der Schwangeren 732.
L. Traube: Gesammelte Beiträge zur Pathologie und Physiologie, Bd. III.
herausgegeben von A. Fränkel, besprochen von Leyden 747.
Nothnagel und Rossbach: Handbuch der Arzneimittellehre 759.
Buchheim: Lehrbuch der Arzneimittellehre 759.
Koehier: Grundriss der Materia medica für practische Aerzte und Stu-
dirende 759.
Behrend: Die Hautkrankheiten für Aerzte und Studirende 772.
Pierson: Compendium der Electrctherapie 773.
Haematoma retropharyngeale 773.
Ul. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Berliner medicinische Gesellschaft 9. 24. 38. 52. 79. 93. 121. 139. 153.
182. 197. 214. 245. 257. 275. 291. 306. 321. 369. 385. 436. 453. 497.
516. 546. 572. 588. 602. 615. 631. 632. 643. 673. 732. 748. 762.
Hufeland’sche Gesellschaft in Berlin 198. 616.
Gesellschaft für Geburtshiilfe und Gynäkologie in Berlin 25. 66. 80. 153.
183. 231. 275. 354. 401. 417. 558. 659.
Berliner raedicinisch-psychologische Gesellschaft 153. 402. 467.
Verein für wissenschaftliche Heilkunde zu Königsberg i. Pr. 257. 633.
703. 773.
Niederrheinische Gesellschaft für Natur- und Heilkunde in Bonn 198.
547. 559. 659. 688.
Aerztlicher Verein zu Marburg 122. 339. 355. 644.
Allgemeiner ärztlicher Verein in Köln 109. 141. 215. 386. 529. 644. 716.
Gynäkologische Gesellschaft zu Dresden 323. 482.
IV. FenUleton.
Die Berliner Universität im laufenden Wintersemester nebst Bemerkungen
über das medicinische Studium und die medicinische Praxis 10.
Ovariotomien von Spencer Wells 11.
0. Hevfelder: Vom Kriegsschauplatz 25. 94. 187. 261. 292. 387. 418.
590.“
Bildung eines Central-Ausschusses der ärztlichen Bezirksvereine Berlins
26.
Raspail t 26.
Carl Stropp: Zur Impffrage 53.
Zur Behandlung von Psychosen 54.
William Stokes + 54*.
A. Schultz: Bemerkungen über meteorologische Beobachtungen 67.
Fleischmann f 68.
Lebert: Nekrologische Notiz über Jean Baptiste Barth nebst Bemerkun¬
gen über Louis und seine Schule 80.
Ernst Heinrich Weber + 82.
Recquerel f 83.
Regnault f 83.
Hirtz t 83.
Claude Bernard f 109.
M. Rosenberg: Zu den ärztlichen Fortbildüngscursen 110. 418.
Eine Statistik der Gewohnheitstrinker 123. .
Kirsch stein: Mittheilung über die obligatorische Leichenschau in
Anklam 123.
Eröffnung des neuen physiologischen Instituts in Berlin 123.
F. Ravoth f 141. 142.
Die Schwefelthermen von Helouan unweit Cairo 141.
Berliner ärztliche Unterstützungskasse 142.
Die Verflüssigung der permanenten Gase 154.
Siebenter Congress de’ - Deutschen Gesellschaft für Chirurgie 154.
An die Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie 154.
Etat des Kaiserl. Gesundheitsamtes 155. 170. 216.
Rechtsschutzverein Berliner Aerzte 155.
Leonhard Voigt: Offenes Wort über die Stellung der Impfärzte und
über die Nothwendigkeit der allgemeineren Einführung der animalen
Vaccination 168.
Zwei Schriftstücke aus den Acten der Berliner medicinischen Facultät,
betreffend die Ansprüche des medicinischen Docenten-Vereins auf das
Recht zur Ertheilung klinischen Unterrichts 184.
Robert Mayer + 187.
Statuten und Petition des Berliner Docenten-Vereins 200.
Schaper f 201.
Ausserordentliche Sitzung des Central-A usschusses der ärztlichen Bezirks¬
vereine zu Berlin am 5. April 1878 216.
Piss in: Statistischer Bericht üoer die Wirksamkeit des Institutes für
animale Vaccination 232.
J. Oestreich: Ueber Impfung 232.
Schüler jun.: Zur Impfung 233.
Gutachten der wissenschaftlichen Deputation über die Verunreinigungen
der Wasserläufe 233.
Congress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie 247. 258. 276. 308.
340. 353.
Leichenschaugesetz 248.
Berichtigung 261.
Denkmal für Schwann 262.
Friedr. Sander + 277.
Zwei Vorträge von Bardeleben 293.
Gesetzentwurf, betr. die Anzeigepflicht bei dem Auftreten gemeingefähr¬
licher Krankheiten 310.
Wanderversammlung südwestdeutscher Neurologen und Irrenärzte 326.
Rosenberg: Fortbildungscurse für Aerzte in Berlin 316.
Dr. Supinator brevis: Lieder-Album für Mediciner 326.
Emanuel Roth: Ueber die körperliche Grundlage der Temperamente
324. 371. 388.
Bartels f 373.
Habilitationsrede von Bau mann: Ueber die synthetischen Processe
im Thierkörper 373.
Frequenz der Berliner Universität im Sommersemester 389.
Busch: Notiz über die Verwundung des Hotel-Besitzers Holtfeucr durch
den Meuchelmörder Nobiling 403.
Einladung zur 51. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte 419.
Einladung zur 6. Versammlung des Deutschen Vereins fiir öffentliche
Gesundheitspflege zu Dresden vom 13. —17. September 1S78 420.
Ehrmann + 420.
Wolzendorf: Spiegelschrift bei Hirnkranken 436.
Eine Sommerfrische im Ober-Engadin. Pension Poult in Zutz bei Ponte
454.
Tages-Ordnung für die Verhandlungen des Aerzte-Tages in Eisenach am
6. und 7. August er. 454.
Rokitansky f 468.
H. v. Liebig: Fettbiidung aus Kohlenhydraten 469.
Zur Lebensversicherung der Aerzte 469.
Eduard Lobstein: Nekrolog auf Ehrmann 483.
Stiftungsfeier der militair-ärztlichcn Bildungsanstalten 485.
Der sechste deutsche Aerzte-Tag in Eisenach 485.
Lebert: Die Curorte der Riviera di ponente in ihrem therapeutischen
Werthe in Bezug auf Klimatologie und Seebäder 499. 516. 550. 617.
Lebert f 301. 589.
Carl Sachs + 518. 661.
Bünz: Salicylsäure im Gelb-Fieber 531.
Julius Braun + 548. 605.
Graevell f 548.
Alb. Guttstadt: Die Geisteskranken in den Irrenanstalten Preussens
im Jahre 1876 560.
Dawosky: Ist eine Kuhpocke zum Schutze hinreichend, und ist es
nöthig auf beiden Armen zu impfen? 561.
Adolf Lion f 562.
Die 51. Versammlung deutscher Naturfoscher und Aerzte in Cassel 574.
589. 647. 734.
Der Congress des deutschen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege in
Dresden 575.
Heinrich Schweitzer: Das Amussat-Denkmal zu Saint-Maixent und
der Tod von Alphons Am ussat dem Sohne 576.
Ullersperper + 592.
Verurtheilung eines Arztes wegen eines Lapsus calami 592.
Die neue Prüfungsordnung für Aerzte nach den Beschlüssen der Sach-
verständigen-Commission 603.
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
YII
Wulff: Geburt eines abnorm grossen und schweren Kindes 620.
Gutachtliche Aeusserung der wissenschaftlichen Deputation, betreffend die
Behandlung der Schulkurzsichtigkeit 620.
Ueber die im Jahre 1876 in Preussen auf Trichinen und Finnen unter¬
suchten Schweine 620.
Beiträge zur Medicinalstatistik des preussischen Staats 621.
Richter: Zur Statistik über die Geisteskranken in Preussen 633.
Starcke: Kritische Erinnerungen an einen Winteraufenthalt im Süden
645. 660. 675.
Guttstadt: Entgegnung auf den Aufsatz Richter’s: Zur Statistik
über die Geisteskranken in den Irrenanstalten 648.
Mayer: Geburt eines abnorm schweren Kindes 648.
Messungen der Körperlänge 676.
B. H irsch: Baisamum antarthriticum Indicum 689.
Haussmann: Berichtigungen 690.
C. H. Brunner: Corsica und seine Kurorte 703. 716.
Medicinal-Kalender für den preussischen Staat für das Jahr 1879 704.
Aufhören des Archivs für Heilkunde 718.
Ein Obertribunals-Erkenntniss 718.
Bericht über die Erkrankung der Grossherzoglichen Familie in Darm¬
stadt 733.
Zum Etat 735.
Correspondenz aus London 749. 764.
Zur Feier des 50jährigen Dienstjubiläums des Generalarzt I. CI., Leib¬
arzt Seiner Majestät des Kaisers und Königs, Geheimraths Dr. v. Lauer
am 12. Decb. 1878 763.
Wegner: Noch einmal Diphtheritis 773.
Tagesgeschichtliche Notizen, Gesundheitsverhältnisse Berlins. Mittheilun¬
gen des Reichs-Gesundheitsamt: am Schlüsse jeder Nummer.
V. Miristerielle Verfügungen und Erlasse.
Betreffend: die Schrift des Augenarztes Dr. Katz: „Die Ursachen der
Erblindung, ein Droh- und Trostwort“ 217; die Combinirung der drei¬
jährigen Servirpflicht als Apothekcr-Gehülfe mit den vorgeschriebenen
dreisemestrigen pharmaceutischen Studien 234; die Einführung des
neuen Hebammen - Lehrbuchs 262; die Bestimmungen der revidirten
Apotheker-Ordnung 341; den Preis des neuen Hebammen-Lehrbuchs
für dieHebammen-Lehranstalten390; die Einführung der microseopischen
Fleischschau 420; die Frage der Stempelpflicht igkeit der Concessionen
für Fleischbeschauer 621.
VI. Civil- nad Militair-Personaliea nad amtliche
Bekanntmachaagn
am Schluss jeder Nummer.
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Düs Bdi'liflA) Wopb^ivsebrift «rHch^nt Jedaa
in dar äurxj? *-on woot^tM» ]^ üWgon gt, t.
PT*w rjÄviuljihrljolj ä %f*rX B^tr-IUng*« n»hm*n
»Dff BuehbäOtUuntj«'» a»i Püsi~\cä5t»]t$p *«,
BERLINER
OpitjagB vftOe ma,ri partofwi iwn die JUsdacilo*
<X W.- .Itafrf&efeaiOr ?«. “?&;) oder an die '<>»-
Ughbncblmnühnif ton Afignt^t Ulmiiwsiltf
.]in |Kv'W Ä T üi»tef SlH. l inden 68.; fiuj^Qden,
X iS
m
i
fxroft
:J I T VUUlhiUJ
Organ für pimfeclie Aerzte,
Mit Berücksichtigung der preussischen Mgditinalv&iwaiöiög t)»d Medicinalg.esetzgc'biing
nach amtlichen MittheilftHge»,
Redactenr: Prot Dr. L. Waldenburg. Verlag : Von August iltrscbwald in Berlin.
Montag, den 7. Januar 1878.
ffl
1.
Fünfzehnter Jahrgang.
Inhalt* l Leber ihn frühe* Fymptm»:' der Tnbe >: derealus. — 11. Zwevf>i:. Die Ihophylaxis «hys Put:rr<cra.i{ie'bem^ — III. Mit- ,
Ouiiuffrc au* <L t KLmk des nhnu th‘i.«<flr,r.uh l ’töi f hfi Hierin er:- Bu«k»B.ldY ^Spiegelschrift bei Birnkrankctu • — .01.' Reimi-
(Kröa'ip.vnr Fk v La •»$.**, t. * ü-k’-«•*». Knmh und ) "l.hbmu ui ß*‘»*lni vrafiid-r 7«e*t n<tu 1. Mai 1875 bis Bl Juli 1876). —*
V. Vfd-h,uviiuo^i;a ih;sclU«’luffed (>Weh -n -t racdiomisehe Gesellschaft).' — v f. FomUetmi (t);c ßerhnrr Frm-rstUl im laufenden
• WlnUMscHj'-'k.» nphst Bemerkungen über Hmv medcSivmcheStudium nod $0? mnd lernte tm T-mvis — Tagesgeschichtliehe Notizen)* —
VXI, \mtljeh* Mitrhedwng'-P -- Kiset.de,
J. Irbrr eia frühes Symptom der Tabes darsaiis.
/(Vortrag. gehalten in der IIeili»er friedicinischeii ÜeseUxdiaff
atü 7, Nov-p<nbßr 1877.)
-. Von ■■■'■" '■
Vivf. €7. Weatptml*
M, H.i Seitdem Set» iw Jabrö/Tbjl die' Beobachtung ge¬
macht hatte, mau durch Ktogilt gewisse Sehnen Mus-
kek^ntractintfeu heiTorrufen kann, war meine Aufmerksamkeit
dem YoHtqmnieu dieser RrKcbvinuijg her (Je m vjSfseliiebensten
' JBüror., Rückenmark*' und S «*rv e.nkra«kbetten ÄUgewrmdt g'e-
Mhbeu.
Tabes ih.it der allein wir ans beut ,m:t
besebäfti££n liab^o, war ## vor allem ei n e Beluve. üas Ligämphthtp
patellae. deren Verhallen in der geaaiutteu Bexiehiing eine ge-
wi*se Wichtigkeit Tür mich erlangte. Dax Ligamentum pau-llae.'
stellt die gern ei n * eh » .ft li eii c Feime *Ic] Streckmuskeln des Futer-
scheukeU. des (tnadneeps femnris. dar'; kLipLniauf dtes
Ligament einem g^sliuuer» Al^.iiS'chc?^ dm besten mit
ei fi nn I*erc.gsijbrishAtö'm;eL.' tvahreml das Kniegelenk m re eilten
oder; etwAM '^tninpteii Winkel gebpngt ikt fz, B. beim Sitten) t su
fühlen Sie eine pKYtxlielie KutiTraction der Stveeknniskelu an
fl^r VorüwflÄchii »Kv OhnschenkeL; isr die* Ersvlioiimng .-‘Kirkev .
atHgcbÜdet — worin individu»>llo. 'Vwrsc-l»io«hnjh»*.iteji begehen '—”
oder haben sie relativ ;*-’tark\gekh*|ift. oder fällt Bur Widoi^pif
durch Heihung rte& R »vses tun 1hule« fort" (/. B. hei pendeln-
«i»3üi Liitevschonkc], aber einander »re schlage neu Beinen). i*b
s^hßö Bio THeckatri^f'jjjrcK Kffcgt di^^Gr Ointraction
eine plötzliche Streckung dc> Lntcr^cbeiikcL eintr^tcu. Diese
Erscheirmng mm . wdclie ich uk- Vl Kui».*- ,v ' nd»n:- >rnters«dmnkei-
pliä!inmetg‘ be/.cielinet nahe, «id /«her ihre Natur — welche'
ujis : bhr%e , uf- ;heut oigliL hpsgltäftigeti sali ^ nichts zu
.ürcti. ' khmr ifjan. wie geengt;, hei jedem genmden Menschen
h^vorbrjbgmi. IJivgnggb 1 KM t. das PhäevQmeJv y wie ich in m< l diie‘r
i8#V über dir erhör ^'db in gen RTschmnurtgbu veroffeidljchfeo
Arbeit; *) -gezeigt' liatu:, colr-iUid in der» ningchildobui «ml klinisch
w^dit cbavacictisirf^jj Rälfro v.ou Tdhßg drgtsn lis; p)
diß hekauntLn K r£tk ^rtütD'geg di-T Ataxie. d*»v SonsibiBtöinst
mit btK ' *>hm- l>» nnnbunng von Orehtflluei vpn (Äligetiirinskel- .
pffrfMii. Atrophie der Ojrfni) n >. \v, ijcutlieh entwlckeii Kind.
|; :.' ; X“‘b. I L ^'•tnaLr rvi-obnuikh. V . 3. -su8.
und graue 0egeneraKob der Hintersträiige des Rückenmarks theils
dm-ßh die Auib|»sie wirklich uftchgewft^efi. Wurde., thdls, auf Ormnl
der ^Hiannten klinischen Erseheiiumgon, mit Sichevlipif diagnnsti-
.; .c’tt xverdeji konnte 0 Herr X^rof, Erh ? ) hat .seifdem für alle
i typischen and wohleatwÄckeUen Fälle, diese llpohaihtmig he-
i stetigt,. ebauso isL vV*n Herru Dr. ö. Berger s ) ciiiistati fi
wovd.eu .. . . ,
j Ich zeigte iVrher. dass das Ivtnephänogten auch daöü fvhft.
j xventc die graue Ijegemuation der Hiritersträogc sich' mit der -
, der SAutohsträrigc cüinhiniii, vorausgesetzt dass prstere sich
| bis m den Kpndentheii des Rückenm;irks erstreckt. In su fern
kann das Fiddv.n der genannten Er^dmiuurtg auch für. solche
: .htHU-hinirte. Erkrankung c-inxidner Bückenmartränge iori
didgjwjsti.veliem IntcrcKse sein. J»de*.s weder auf die Falle von
'Mets de»sahs (grauer l>egeneratnin der Hinterst!äuge), in denen
: sich die klinischen 'Ersrlieiuungeu volLAändig entwickelt \'nr-
Öndou. noch auf die Falle von <?**mldiiirtpr Erkrankung der
i. : |firit.er-.'-.tm(J Eeiten^rfinge will ich heut Ihre Avifmcrksamkeir
b*nkejt; vfefbidfe tvüh^chc ihh die. Frage •zu erf»rthrOj oh idlioa
vor der Eutwsckkmg der ebaracteristischeu Symptome der
j Talrnx dorsalis da^ Kriiephänomen fehlt, und oh daher das
'.Fehlen 'dess.elbeii schon früh ihr eine — sonst ' nicht oder nur
kßliwer zu stidleudo — Diagm/.<e vetwßrfbpt w'mlen kann. So
leicht io der Thnf die iüagnose der ausgobiideteu Tabes Ut„
schwer.;, ja mmibgHch kann sie seiru wo es sich um die
jVnfangsnrÄchVfiiiungen handeH. Hier 1 initi. in diesen frühen
! Stadien, darf (wie mich weitere Erfahrungen gelehrt, haimfr^
; das Fehlet] der aln Kniephänomen Lo>ihichiiPteT) Erscianuring
| einen niclit <u unterscbätzpiiden diagnostischen Werth be-
; ansprucluoi. !'“'.V,',' . ('-'iV./h'
, Wie Sir wissen, - beginnen sehr viele Fällt* von Ta Le* ftdt
heftigen Schmerzen in den unteren Extremitäten, deren (‘haracter
ll Ti<Uz rl^r, F. hhns di-r f ; ontractiOil des Qiäiüncepi' hei Klopfen
1 i«f d(•;• J laun in diesen F#illku i aw<Kkh Koch cinh iV/ii-
I te.cit-n (nainentlieh '-ine. pivrijelle) durch KhThoi «tut foi tjii<ütrie..-- l »-
j iUMV.naC'bmdjf werden.
; 2) hranUivitttf des RüekvnmaHv.s. 2. Alrthi. S.. 178 (in y. /Temss vn
j Kpw. PftThob U. Theivip. Xt. Uh, II, liättke),
I e)' SiUumg. vn.m 23. Juii 1X75 der - Schics. Ges«llfltsh. f. x'-dsrlünti.
CuUnr. Alt-elic. Sediun.
Go gle
2
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. I
als durchschiessend, lancinirend, blitzartig, bohrend u. s. w.
geschildert und gern, besonders von französischen Autoren,
als specifisch betrachtet wird. Allein einmal ist es sehr schwer,
namentlich für einen weniger gebildeten Kranken, den Character
von Schmerzen genau zu schildern und einem anderen anschau¬
lich zu machen, dann aber sind in der That die Schmerzen
durchaus nicht immer der geschilderten Art, sondern oft mehr
auf diese oder jene Stelle concentrirt und rheumatischen ähn¬
lich, so dass aus dem Character der Schmerzen in den unteren
Extremitäten allein, ohne anderweitige Symptome, ihre Bedeu¬
tung wohl nur selten erschlossen werden kann. Auf.der anderen
Seite sind den excentrischen Schmerzen der Tabes ganz analoge,
nicht in einer Rückenmarksaffection begründete, neuralgische
Schmerzen relativ recht häufig; sie treten, wie die Schmerzen
der Tabes, periodisch auf, erst in längeren, dann in kürzeren
Zwischenräumen, bestehen viele Jahre hindurch und lassen sich
als einfach neuralgische von möglicherweise auf eine Rücken¬
marksaffection zu beziehenden nicht unterscheiden, wenn andere
Zeichen dieser Krankheit noch fehlen.
In einer Anzahl solcher Fälle nun, in welchen die Schmerzen
in den unteren Extremitäten die einzige Krankheitserscheinung
waren und höchstens einen Verdacht auf beginnende Tabes zu
erwecken vermochten, habe ich das Kniephänomen, grade wie
in den ausgebildeten Fällen von Tabes, nicht hervorbringen
können und daraus auf das Anfangsstadium von Tabes ge¬
schlossen. Allerdings kann man gegen diesen Schluss den
Ein wand erheben, dass weder durch die Weiterentwicklung
der Krankheit noch durch die Autopsie nachgewiesen ist, dass
in der That in diesen Fällen die genannte Rückenmarkser¬
krankung Vorgelegen habe. Diesem Einwande aber lässt sich
durch ergänzende Beobachtungen begegnen. Ich habe nämlich
auch Fälle beobachtet, in welchen bei Vorhandensein von
Schmerzen in den Unterextreraitäten, wenngleich noch keine
Ataxie und keine nachweisbare Sensibilitätsstörung in denselben
bestand, dennoch durch eine gleichzeitige, auf einer beginnenden
Atrophie des N. opticus beruhende Sehstörung die Diagnose als
gesichert angesehen werden musste, und in denen das Kniephä-
nomen schon fehlte.
Von besonderem Interesse, wegen der Einseitigkeit der
Erscheinung, war mir in dieser Beziehung der Fall einer
36jährigen Frau L., welche an durchschiessenden Schmerzen
in den unteren Extremitäten litt, „als wenn sie mit Messern
gestochen würde“, vorzugsweise aber in der linken; in dieser
waren die Schmerzanfälle ausserordentlich häufig und heftig,
und während derselben bestand Hyperalgesie der Haut, so
dass die leisesten Berührungen sehr schmerzhaft empfunden
wurden; die Schmerzen im rechten Bein kamen viel seltener
und waren sehr viel gernger, gar nicht mit denen im linken
zu vergleichen. Es zeigte sich nun, dass — bei wiederholter,
zu verschiedenen Zeiten (im Verlaufe von Monaten) vorgenomme¬
ner genauer Untersuchung — das Kniephänomen links absolut
fehlte, während es rechts, zwar nicht sehr stark, aber doch
deutlich vorhanden war. Der Gang der Patientin war unge¬
stört, nicht atactisch und wurde nur während der Schmerz-
paroxysmen durch die Schmerzen selbst beeinträchtigt. Par-
ästhesien waren nicht vorhanden, auch objectiv Hessen sich
Sensibilitätsstörungen der Haut des linken Beins nicht nach-
weisen (die leisesten Berührungen wurden u. a. richtig wahr¬
genommen), eben so wenig ergab die Untersuchung eine Störung
des Muskelgefühles, beim Augenschluss trat nur eine Andeutung
von Schwanken ein mit dem subjectiven Gefühle von Unsicher¬
heit. Trotzdem war es unzweifelhaft, dass es sich um Tabes
handelte, da zugleich eine bereits weit vorgeschrittene weisse
Atrophie der Optici und Pupillendifferenz nebst Drang zu häufi¬
ger (spärlicher) Urinentleerung bestand. Hier also fehlte in einem
offenbaren Falle von beginnender Tabes, noch bevor es zur
Entwicklung von Ataxie und Abnahme der Sensibilität ge¬
kommen war, in dem stark von Schmerzen befallenen Beine
bereits das Kniephänomen.
Es scheint aus der Combination dieser Beobachtungen her¬
vorzugehen, dass man zu der Diagnose einer beginnenden Tabes
auch in den Fällen berechtigt ist, in welchen die in Rede stehen¬
den zeitweise auftretenden Schmerzen vorhanden sind und das
Kniephänomen nicht hervorzubringen ist, selbst wenn andere
Erscheinungen von Tabes noch fehlen.
Weniger sicher jedoch darf man umgekehrt schliessen, dass
bei neuralgischen Schmerzen in den Beinen und Vorhandensein
des Kniephänomens, diese Schmerzen keine tabischen sind. Es
liegen mir wenigstens bis jetzt keine Beobachtungen darüber
vor, ob nicht die excentrischen Schmerzen der Tabes längere
Zeit bestehen können, bevor es zum Verluste des Kniephänomens
kommt. Bestehen Schmerzen in den unteren Extremitäten indess
viele Jahre hindurch bei vollkommen erhaltenem Kniephänomen,
so ist es mindestens nicht sehr wahrscheinlich, dass es sich um
tabische handelt.
Wie Sie wissen, m. H., giebt es nun Fälle von Tabes, bei
denen als erste Symptome der Krankheit Störungen im Bereiche
gewisser Cerebralnerven auftreten, der Nerven der Augenmuskeln
und des N. Opticus. Namentlich häufig gehen Paresen der Augen¬
muskeln, als Diplopie sich kundgebend, den übrigen Erschei¬
nungen lange voran. Die Frage, ob es sich in einem gegebenen
Falle dieser Art in der That um den Beginn von Tabes handelt,
oder ob eine anderweitige Erkrankung (z. B. eine intracranielle
syphilitische) vorliegt, kann unter Umständen ihre Schwierig¬
keiten haben, und es wäre von Werth, wenn auch bei dieser
Art der Entwicklung der Tabes die besprochene Erscheinung
uns einen Anhaltspunkt für das Urtheil zu geben vermöchte.
Etwas allgemeines darüber zu sagen, bin ich bis jetzt nicht im
Stande; ich will aber nicht unterlassen, Ihnen einen hierher
gehörigen Fall anzuführen, der mir in dieser Beziehung von
grossem Interesse war. Es handelte sich um einen 40jährigen
Herrn, welcher zuerst Diplopie bekam, sodann Taubheitsgefühl
der Finger der rechten, darauf der linken Hand; die Störung
der Sensibilität der Finger Hess sich durch mangelhaftes Taxiren
von Geldstücken auch objectiv nach weisen. Das Kniephänomen
fehlte, trotz der sorgfältigsten Untersuchung, ohne dass sonst
irgend eine Störung der Sensibilität und Motilität (weder sub-
jectiv noch objectiv) bestanden hätte. Lues wurde entschieden
in Abrede gestellt; Zeichen dafür Hessen sich nicht auffinden.
Handelte es sich hier wirklich um beginnende Tabes? ich will
es nicht entscheiden, obgleich ich es für sehr wahrscheinlich
halte; das ungewöhnliche Auftreten der Sensibilitätsstörung zu¬
erst an den oberen Extremitäten spricht keinenfalls dagegen,
da das gleiche in der That zuweilen auch bei Tabes zu beob¬
achten ist. Jedenfalls fordert der Fall zu weiteren Untersuchun¬
gen nach der fraglichen Beziehung auf.
Noch interessanter gestaltet sich die Frage in den aller¬
dings nicht sehr häufigen Fällen, in denen die Tabes mit Spinal¬
amaurose, der bekannten sog. weissen Sehnerven-Atrophie be¬
ginnt. Nach den Beobachtungen der Augenärzte kommt letztere
auch durchaus selbständig vor, ohne dass jemals Symptome
eines Rückenmarks- oder Hirnleidens sich hinzugesellen; die
Diagnose jedoch zu stellen, ob es sich um ein selbständiges
Leiden oder um eine Atrophie des Opticus als erste Erscheinung
einer sich entwickelnden Tabes (grauer Degeneration der Hinter¬
stränge) handelt, ist bei dem Fehlen anderer darauf hindeuten¬
der Symptome auch den Ophthalmologen nicht möglich. Kann
uns das Fehlen oder Vorhandensein unseres Symptomes darüber
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7. Januar 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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belehren? Meise eigene Erfahrung hierüber ist ganz unzurei¬
chend, da naturgemäss Kranke, die zunächst einzig und allein
über Sehstörung klagen, nicht in die Nervenklinik kommen,
sondern den Augenarzt aufsuchen; nur die Augenärzte werden
daher im Stande sein* hierüber weitere Untersuchungen anzu¬
stellen, und ich möchte dieselben bei dem grossen practischen
und theoretischen Interesse, welches die Sache hat, bei dieser
Gelegenheit dringend dazu auffordern. Ich selbst beobachte
im Augenblick einen Fall von doppelseitiger Amaurose durch
Sehnerven-Atrophie ohne spinale Symptome, bei welchen das
Kniephänomen erhalten ist.
Es kommt weiterhin vor, dass Ataxie der unteren Extre¬
mitäten besteht bei erhaltenem Kniephänomen, namentlich als
Folge acuter fieberhafter Krankheiten; hier wird man nach dem
vorangegangenen zu der Annahme berechtigt sein, dass keine
gTaue Degeneration der Hinterstränge in ihrer ganzen Länge,
jedenfalls nicht bis in den Lendentheil besteht. Der weitere
Verlauf dieser Zustände rechtfertigt in der That vollkommen
diese Anschauung, da er ganz abweichend von dem der Tabes
ist, obwohl es für die pathologisch anatomische Begründung
dieser Ataxien noch an einer ausreichenden Zahl von Autopsien
fehlt; dass jedoch nicht die gewöhnliche graue Degeneration
der Hinterstränge zu Grunde liegt, wird man aus dem Vor¬
handenbleiben des Kniephänomens erschlossen können.
Vor allem aber möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf eine
Gruppe von Fällen lenken, für deren Diagnose das in Rede
stehende Symptom eine sehr erhebliche practische Wichtigkeit
hat. Es sind gewisse Fälle von Hypochondrie. So wenig bei
ansgebildeter Tabes von einer Verwechselung mit Hypochondrie
die Rede sein kann, so schwer ist es doch oft, die allerersten
Erscheinungen der Tabes von einfacher Hypochondrie zu unter¬
scheiden. Es giebt nämlich Fälle von Tabes, in welchen ein
Stadium der Schmerzen ganz oder so gut wie ganz fehlt, oder
in denen nur ganz vage, schwer zu beschreibende lästige Em¬
pfindungen vorhanden sind, die sich bald mit einem Gefühle
von Abgestorbensein* Eingeschlafensein, Knebeln, bald mit einem
Gefühle von Kälte in den unteren Extremitäten verbinden, ohne
dass die objective Untersuchung vorläufig eine Abnahme der
Sensibilität zu constatiren vermag.
Alle diese Empfindungen nun werden in ganz derselben
Weise von manchen Hypochondern geäussert, ja die Art und
Weise, wie ein Tabeskranker das Gürtelgefühl und seine Ana¬
loga (z. B. als ob der Unterleib heruntersinke, herausfallen
wolle), beschreibt, hat oft die allergrÖsseste Aehnlichkeit mit
den Beschreibungen eines Hypochonders von seinen Empfin¬
dungen am Abdomen; selbst eine gewisse Blasenschwäche findet
sich bei manchen Hypochondrischen, und mangelhafte oder feh¬
lende Potenz — als Folge der hypochondrischen Verstimmung —
ist etwas sehr gewöhnliches.
Trotzdem ich doch eine recht beträchtliche Zahl Tabes¬
kranker sowohl wie Hypochonder gesehen und untersucht habe,
muss ich sagen, dass ich früher in einzelnen Fällen über den
Zweifel nicht hinwegkommen konnte, ob die ersten Erschei¬
nungen der Tabes Vorlagen oder einfache Hypochondrie. Noch
schwieriger wird das Urtheil durch die Thatsache, welche ich
nicht selten beobachtet habe, dass in einzelnen Fällen ausge¬
sprochene Tabes sich mit Hypochondrie complicirt; man darf
sich daher nicht damit begnügen, in einem gegebenen Falle
einfach das Vorhandensein von Hypochondrie constatirt zu haben,
wenn Erscheinungen wie die oben genannten vorliegen, sondern
hat sich zu fragen, ob nicht diese Erscheinungen. obwohl bei
einem Hypochonder beobachtet, dennoch vielleicht auf Tabes
zu deuten sind.
In solchen Fällen nun erweist sich das Symptom des Knie¬
phänomens als ein vortreffliches practisches Hülfsmittel für die
Diagnose. Klagt ein Kranker über ein Gefühl von Abgestorben¬
sein, Taubheit, Kälte der Füsse resp. Beine, über drückende,
zusammenziehende Empfindungen im Leibe, u. s. w., bestehen
wohl auch Klagen über etwas Blasen schwäche, mangelhafte
Potenz, und fehlt bei sorgfältigster und wiederholter Unter¬
suchung das Kniephänomen, so darf man, auch ohne dass ander¬
weitige, objective Erscheinungen vorliegen, so weit bis jetzt
meine Erfahrung reicht, auf beginnende Tabes schliessen.
Nach dem vorgetragenen muss das Fehlen des Kniephänomens
als ein werthvolles frühes Symptom der Tabes betrachtet
werden, das in so fern werthvoller als das sogenannte Hom¬
berg’sehe Symptom des Schwankens bei geschlossenen Augen
ist, als das letztere erst in späteren Stadien, bei schon ausge¬
prägter Abnahme der Sensibilität der unteren Extremitäten,
nachweisbar zu sein pflegt. Selbstverständlich handelt es sich
immer nur um ein Symptom, das seinen Werth erst im Zu¬
sammenhänge mit anderen erhält, denn es giebt Motilitäts¬
störungen der unteren Extremitäten — u. a. gewisse spinale Läh¬
mungen mit aufgehobener faradischer Erregbarkeit der Mus¬
keln *— in welchen das Kniephänomen gleichfalls fehlt, ohne
dass man natürlich daraus auf Tabes (graue Degeneration der
Hinterstränge) schliesst.
An seinem Werthe als ein schon früh für die differentielle
Diagnose verwerthbares würde das Symptom allerdings etwas
verlieren, wenn sich herausstellen sollte, dass es einige
Menschen — mit normaler Stellung der Patella u. s. w. —
geben sollte, bei denen das Kniephänomen überhaupt, auch im
normalen Zustande, nicht hervorzubringen ist. Ob solche indi¬
viduelle Abweichungen Vorkommen, kann nur eine weitere, sehr
ausgedehnte Erfahrung lehren; ich selbst habe bei der grossen
Zahl von mir untersuchter gesunder Personen keinen einzigen
Fall gefunden, in welchem es fehlte, und der eine Fall, welcher
mir einmal als eine solche Ausnahme von einem meiner Zu¬
hörer vorgestellt war (er betraf einen kräftigen, gesunden jungen
Mann), zeigte bei meiner eigenen Untersuchung eine sehr kräf¬
tige Contraction des Quadriceps bei Klopfen auf die Patellar-
sehne.*) Dennoch ist natürlich von vornherein die Möglich¬
keit eines solchen exceptionellen Fehlens der Erscheinung in
einem individuellen Falle nicht auszuschliessen.
Abgesehen von dem hohen physiologischen, pathologischen,
prognostischen und diagnostischen Interesse, welches das be¬
sprochene Phänomen und sein Verschwinden bei Tabes darbietet,
kann die Beachtung desselben möglicherweise auch von Be¬
deutung für die Therapie der letzteren werden; wir dürfen uns
wenigstens der Hoffnung nicht verschliessen, dass eine in ihrer
vollständigen Ausbildung nahezu unheilbare Krankheit bei früh¬
zeitigster Diagnose in ihren ersten Anfängen vielleicht noch
mit Erfolg zu bekämpfen sein werde. Ich möchte Sie daher
bitten, der besprochenen Erscheinung Ihre Aufmerksamkeit zu
schenken; es handelt sich hier um Thatsachen, die in ihrer
Bedeutung und ihrem Werthe nur durch eine grosse Summe
mannigfaltiger Erfahrungen weiter erkannt werden können.
Nachtrag.
Zu den relativ nicht sehr häufigen Erscheinungen der Tabes
gehören Anfälle heftiger neuralgischer Schmerzen im Anus
(rectum) und im Blasenhalse; sie treten theils spontan, theils
*) Das Klopfen in zweifelhaften Fällen muss sorgfältig, möglichst
elastisch, und bei entblösstem Kniegelenke geschehen, auch darf der Unter¬
suchte nicht seinen Quadriceps willkürlich stark spannen; zuweilen
scheint es nur eine circumscripte Stelle des Ligam. patellae zu sein, von
der aus man das Phänomen wirksam hervorbringen kann. Vergl. übrigens
meine Arbeit 1. c.
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 1
nach der Stuhlentleerung resp. bei der Harnentleerung, auch
nach dem Coitus auf; am Anus haben sie oft den Character
heftiger tenesmusartiger Schmerzen, wie bei Hämorrhoidalleiden.
Es scheint nun, dass auch diese Schmerzen in einzelnen Fällen
schon frühe Symptome darstellen, bevor es namentlich zu
Sensibilitätsstörung oder Ataxie in den unteren Extremitäten
gekommen ist. Seit dem Datum des obigen Vortrages habe
ich zwei Fälle der Art gesehen und das Fehlen des Knie¬
phänomens in ihnen constatirt; der eine betraf einen Herrn im
mittleren Lebensalter, welcher vor Jahren einmal einen Anfall
von Schwindel mit Erbrechen gehabt hatte und jetzt an zeit¬
weise auftretenden, sehr heftigen Schmerzen im rechten Ab¬
domen und beim Urinlassen leidet, ohne dass eine locale Ur¬
sache dafür nachweisbar ist. Andere sensible oder motorische
Störungen sind nicht vorhanden; das Kniephänomen fehlt beider¬
seits absolut, durch Klopfen auf den Quadriceps selbst kann
man jedoch deutliche Contractionen desselben hervorbringen. —
Der andere 43jährige Kranke leidet seit 10 Jahren zeitweise
an schmerzhaftem Stuhlgang, zuweilen mit spontaner Harnent¬
leerung und heftigen Schmerzen im Abdomen, die als ein eigen¬
tümliches, sehr unangenehmes Taubheitsgefühl in die Ober¬
schenkel bis zu den Kniegelenken ausstrahlen. Beim Vor¬
handensein der Schmerzen ist auch das Gehen behindert, sonst
sind die Unterextremitäten frei von jeder sensibeln und moto¬
rischen Störung (eine geheilte Fractur des einen Oberschenkels
beeinträchtigt den Gang etwas). Beim Harnlassen muss er zu¬
weilen stark pressen, der Impetus coeundi ist in den letzten
Jahren schwächer geworden. Eine Localaffectiou der Blase und
des Mastdarms lässt sich nicht nachweisen. Abgesehen von einer
Ungleichheit der Pupillen findet sich keine Störung in der
Function cerebraler Nerven; auch allgemeine Cerebralerschei¬
nungen sind nicht vorhanden. Das Kniephänomen ist weder rechts
noch links hervorzubringen, Klopfen auf den Quadriceps selbst
bewirkt eine Contraction der getroffenen Bündel in ihrer ganzen
Länge.
So grosse Reserve auch für die Diagnose des ersten Falles,
als eines Spinalleidens, geboten ist, so wahrscheinlich ist die
Annahme eines solchen im zweiten; um so mehr aber muss
das Fehlen des Kniephänomens auch im ersteren Falle, welcher
so geringfügige und in ihrer Bedeutung so zweifelhafte Symp¬
tome darbietet, die Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen.
H. Die Prophylaxis des Puerperalfiebers.
Von
Prof. Zweifel in Erlangen.
Die Chirurgie hat unstreitig durch das Lister’sche Ver¬
fahren der Wundbehandlung einen grossen Fortschritt gemacht,
und wenn auch nicht alle Chirurgen die antiseptische Behand¬
lung in allen Details anerkennen, so ist doch die Besserung der
Resultate unzweifelhaft. Es ist darum nicht zu wundern, wenn
auch bei den Geburtshelfern der Wuusch sich regte, ein anti¬
septisches Verfahren für ihre Praxis auszudenken, auch bei den
Geburten zu „listern“. An verschiedenen Versuchen hat es in
den letzten Jahren nicht gefehlt, aber es sind davon nur wenige
als Methode öffentlich empfohlen worden.
Bischoff 1 ) ist der erste, der eine nach Lister’s Grund¬
ideen eingerichtete Prophylaxis zur Anwendung brachte. Er
giebt beim Wehenbeginn ein Vollbad und spült die Vagina mit
2%iger Carbolsäurelösung aus. Diese Injection wird 2 stündlich
wiederholt, auch eine Desinfection der Hände mit 3%iger Car-
bollösung vor jedem Touchiren ausgeführt. An Stelle des ge-
1) Correspondenzblatt für Schweizer-Aerzte 1S75, No. 22 u. 23.
wöhnlichen Fettes wird 10%iges Carbolöl benutzt. Wenn es
nöthig war, in den Uterus einzugehen, und bei den Geburten
mit faultodten Früchten etc. wird auch die Uterinhöhle mit
2—3%iger Carbolsäurelösung ausgespritzt. Nach vollendeter
Entbindung wird eine jede wunde Stelle mit l /, 0 Carbollösung
betupft und, wenn dies nöthig, erst dann die Vereinigung durch
die Naht vorgenommen. In den Introitus vaginae wird der
Frischentbundenen ein Wattebausch mit 10°/ 0 igem Carbolöl ein¬
gelegt und derselbe erneuert, sobald er heraus gefallen war oder
weggenommen werden musste. Während der ersten 13 Tage des
Wochenbettes bekommen Gesunde und Kranke häufige Carbol-
säureirrigationen der Scheide und Gebärmutter. Bei Placentar-
lösungen wird 2 Mal täglich eine intrauterine Ausspülung ge¬
macht. Bei diesem Verfahren war die Morbidität im Jahre 1870,
wo mit der antiseptischen Behandlung regelmässig vorgegangen
wurde 14%; 1871 22,37°; 1872 24,5%; 1873 16,8% 1874
10,7%; 1875 8,9%; im Durchschnitt 16,2%.
Für diese Berechnung der Morbidität zog Bischoff nur
diejenigen Fälle in Betracht, bei denen fieberhafte Temperaturen
von längerer Dauer als 2 Tagen und mindestens ein Mal in
der Höhe von 38,5° C. neben anderen Krankheitssymptomen,
wie Druckempfindlichkeit, übelriechendem Ausfluss etc. vorhanden
war. Einen neuen Vorschlag machte Fehling mit der Em¬
pfehlung von Vaginaldouchen und dem Aufstreuen von Salicyl-
säure-Amylum. Für die Einspritzungen kann eine gesättigte
wässrige Lösung von Salicylsäure genommen werden, zur Des¬
infection der äusseren Wunden an den Labien dient eine Mischung
von 1 Theil mit 5 Amylum. Der vollständige Luftabschluss
der inneren Genitalien soll durch einen Bausch von Salicylwatte
erstrebt werden. Fehling führt übrigens auch selbst die
Schattenseite dieses Verfahrens an, dass bei den so behandelten
Wöchnerinnen häufiger Blutungen eintretfen. Auch von der
Bischoff’schen Methode ist mir bekannt, dass nicht überall
so günstige Resultate damit erzielt wurden, wie in Basel.
Neulich brachte nun Adrian Schücking 1 ) die Frage in
Fluss: Wie ist eine streng antiseptische Behandlung der Wunden
des weiblichen Genitalcanals einzurichten?
Nach Schücking muss die Vagina mit einer 5%igen Car-
bolsäurelösung gereinigt und dann unmittelbar danach die per¬
manente Irrigation eingeleitet worden. Ein mit vielen Oeffnungen
versehener Uteruskatheter wird mit einer Binde von entfetteter
weicher Gase, die in 5%igm* Carbolsäurelösung lag, eingewickelt,
Mit Hülfe dieser Gase hält sich der Katheter im Uterus von
selbst.
Die Berieselung ist von Schücking in 8 Fällen durch¬
geführt worden, und damit hält Schücking die Frage einer
antiseptischen Behandlung der puerperalen Wunden in der Haupt¬
sache für gelöst. Welches sind nun die Erfolge?
Fünf Wöchnerinnen, die schwere Entbindungen durchge¬
macht haben, sind alle bei diesem Verfahren gesund geblieben,
keine derselben zeigte im Wochenbett eine Temperaturerhöhung
über 38,4° C. In drei Fällen von puerperaler Erkrankung führte
das Verfahren einen sofortigen beträchtlichen Fieberabfall herbei.
Einen Uebelstand erkennt Schücking in der Reizung der
Carbol- und Salicylsäurelösungen und er empfiehlt deswegen als
Ersatz das schwefligsaure Natron mit Glycerin. Wir bezweifeln
nicht, dass die Ausführbarkeit der permanenten Irrigation durch
die Mittheilung Schücking’s bewiesen sei; aber hatte sie
auch einen Nutzen und ist ihre Anwendung nöthig? Wenn
der Verfasser als Beweis für ihre Vortrefflichkeit angiebt, dass
alle 5 derart behandelten Wöchnerinnen gesund geblieben,
1) Berliner Klinische Wochenschrift 1877, No. 26, und Centralblatt
für Gynäkologie No. 3, 1877.
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7. Januar 1878.
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5
<1. h. nicht über 38,4* C, Temperatur gehabt haben, so ist dies
gewiss nicht ausreichend. Dafür ist die Zahl zu klein. Wie
will denn Schücking den Einwurf entkräften, dass diese 5
Wöchnerinnen auch auf anderem Wege hätten gesund werden
resp. bleiben können? Und sollte Schücking einen anderen
Verlauf des Wochenbettes als mit Fieber über 38,4* C. nicht
kennen? Es dürfte gegenüber jeder antiseptischen Behandlung,
speciell aber derjenigen Schücking’s. die am weitesten geht,
«ehr entgegenzuhalten sein, dass man anderswo Wöchnerinnen
glücklicher Weise auch noch ohne diesen antiseptischen Appa¬
rat und selbst nach sehr schweren Geburten, sehr eingreifenden
Operationen — vollkommen fieberfrei durchkommen sieht.
Es veranlasst mich dies hier in Kürze auf eine etwas
weniger geschäftige Wochenbettbehandlung hinzuweisen.
Im Sommer 1874 wurde für die hiesige geburtBhülfliche
Klinik ein Pavillon gebaut und mit Beginn des Wintersemesters
1874/1875 bezogen; die räumlichen Verhältnisse sind nun bis
Mitte November 1877 dieselben geblieben, denn erst jetzt ist
«in neu erbauter 2. Pavillon zu beziehen. Vom April 1876
.an, wo der Verfasser die Leitung der Klinik übernahm, bis
Mitte October fanden 184 Geburten statt. Mit Ausnahme einer
«inzigen durch den Kaiserschnitt entbundenen carcinomatösen
ist keine in der Anstalt entbundene Wöchnerin ge¬
storben.
Es ist nun vollkommen richtig, dass diese 0% Mortalität
gar leicht durch einige ungünstige Fälle bedenklich getrübt
werden könnte. Es wird darum eine Vergleichung auch viel
richtiger, wenn wir die Morbidität berücksichtigen. Von den
184 Wöchnerinnen haben 143 ein vollkommen normales Wochen¬
bett durchgemacht. Hierher sind natürlich einige Fälle, wo
Mastitis in der späteren Zeit auftrat mit eingerechnet. Es
wurde bei dieser Einteilung der Massstab angelegt, dass die
normalen Temperaturverhältnisse so sein müssen, dass 38* C.
«die obere Grenze bildet und höchstens an einem Tage
«diese Temperatur um einige Zehntel bis 38,4* C. überschritten
werden dürfe. Alle anderen Fälle wurden zu dem abnormen
Wochenbettsverlauf gerechnet, obschon beim Weglassen des Ther¬
mometers eine Reihe von Wöchnerinnen dieser zweiten Categorie
.als vollkommen gesund erklärt werden müsste.
Die Morbidität betrug bei strengem Einhalten der obigen
Orenzen für das normale blos 41 Fälle oder 22,4 */ p .
Wenn wir eine zweite Categorie von Wöchnerinnen auf¬
stellen, die subjectiv und objectiv gesund waren und aus nicht
.zu eruirenden Gründen eine ganz vorübergehende Temperatur-
-steigerung hatten, die einmal bis zweimal 38,0 — 39,0* C.
«oder an mehreren Tagen zwischen 38,0—38,5* C. betrug und
damit die gleiche Eintheilung annehmen, die Bisch off einge-
Jialten hat, so fallen von den 41 Fällen von Wochenbetts¬
störung 13 wieder weg. Wirkliche Erkrankungen — leichtere
«und schwerere — kamen noch 28 Fälle oder 15,2 •/, vor. In¬
tensivere Erkrankungen, anhaltendes Fieber, Exsudate und Pu¬
erperal infection traf unter den 28 nur 12 Personen, von denen
•übrigens nur 5 einen solchen Verlauf zeigten, dass das Leben
•eine Zeit lang gefährdet schien. Gestorben ist, wie erwähnt,
keine. Von 13 mit der Zange entbundenen Wöchnerinnen sind
>8 ohne eine Spur von Fieber durchgekommen, 5 hatten Tempe¬
raturerhöhungen, von denen eine einmal 38,8, eine zweite 3 mal
38,7.
Bei Wendung und Extraction wegen engen Beckens kam
«ine fieberfrei durch, bei einer anderen stieg einmal die Tempe¬
ratur an 2 Abenden auf 38,6. Von grösstem Interesse ist eine
Kreisende mit engem Becken, vorzeitigem Wasserabfluss, bei
'der auch die kräftigsten Wehen keine Eröffnung des Mutter¬
mundes erzielten, und schliesslich bei einem kaum für 2 Finger
eröffneten Muttermunde wegen hohen Fiebers und Quetschungs¬
erscheinungen perforirt werden musste. Im Wochenbett ist nicht
einmal die Temperatur auf 38,0* C. gestiegen. Bei 19 engen
Becken ist 11 mal die Temperatur normal geblieben, 8 mal
traten Wochenbettsstörungen hinzu.
Bei diesen ohnehin sehr günstigen Gesundheitsverhältnissen
muss noch erwähnt werden, dass die Erkrankungen epidemien¬
weise im December und Januar 1876/1877 und im September
und October dieses Jahres in grösserer Zahl nach einander
vorgekommen sind, dafür aber in den Monaten April, Mai, Juni,
Juli, August dieses Jahres keine Wöchnerin erkrankte.
Die Fälle von fieberhaftem Puerperium waren fast immer
mit Damm- oder kleinen Scheiden- und Vulvarrissen oder mit
Eindringen von Luft während der Operationen complicirt. In
einzelnen anderen Fällen musste die Prognose während der
Geburt sehr bedenklich gestellt werden, weil schon Fieber
vorhanden war, und doch verlief das Wochenbett vollkommen
fieberfrei.
Auf die Gefahr der Damm r und Scheidenrisse ist schon
oft aufmerksam gemacht worden, und diese durch Aufstreuen
von Salicylsäure und Amylum antiseptisch zu behandeln, welches
Verfahren Fehling zuerst empfohlen hatte, ist allerdings von
schönstem Erfolg begleitet. Für die höher liegenden Wunden
ist aber meiner Ueberzeugung nach schon von der Natur ein
schützender Luftabschluss gegeben, den wir bei den meisten
chirurgischen Wunden eben durch das antiseptische Verfahren
erst schaffen müssen. Es lässt sich darum die Placentarfläche
in Beziehung auf antiseptische Behandlung nicht schlechtweg
mit chirurgischen Wunden vergleichen.
Intrauterine Ausspülungen wurden in der hiesigen Klinik
allerdings auch gemacht, aber nicht prophylactisch, d. i. bei
jeder Wöchnerin, sondern nur bei bestimmten Indicationen. Diese
Methode, nicht so neu, aber neuerdings von Fritsch warm
empfohlen, leistet in der That oft glänzendes. Wiederholt ist
ein starkes Fieber und ein fötider Ausfluss durch eine einmalige
intrauterine Ausspülung sofort verschwunden. Aber auch diese
Methode hat Nachtheile. Es kann auch bei grosser Vorsicht
dabei passiren, dass man mit dem Uterinkatheter gegen die
Placentarfläche stösst und eine kleine Blutung veranlasst.
Solche an sich unbedeutende Läsionen vergrössem die Gefahr
einer allgemeinen Infection, da sie ja fast immer von zerfallenden
und fiebererregenden Gewebstheilen umspült sind. In der That
erinnere ich mich von Strassburg her an einen Fall, wo einige
Stunden nach einer solchen Intrauterineinspritzung, bei der ein
wenig Blut abgegangen war, ein intensiver Schüttelfrost folgte.
Wenn auch ein solcher Fall mit seinem post hoc ergo propter
hoc nicht beweisend ist, so kann doch theoretisch die Wahr¬
scheinlichkeit eines causalen Zusammenhangs nicht geleugnet
werden.
So sehr wir von den intrauterinen Injectionen eingenommen
sind, können wir doch einer „antiseptischen Berieselung** keinen
Beifall zollen. Dieses letztere Verfahren schliesst in sich, pro¬
phylactisch gegen eine allfällige Sepsis — also bei allen resp.
bei allen gefährlicheren Geburten angewendet zu werden, und
das ist gewiss für die meisten Fälle eine zu weit getriebene
Geschäftigkeit.
Wenn iu einer Anstalt die Morbiditäts- und Mortalitäts¬
statistik so günstig ist, wie seit einiger Zeit in der hiesigen,
so wird die erste Frage sein, ob hier besonders schöne Ver¬
hältnisse vorliegen. Im ganzen ist es ja natürlich, dass in
kleineren Anstalten der Gesundheitszustand günstiger ist und
sich mehr den Procentverhältnissen der Privatpraxis nähert, und
dies wird natürlich noch um so besser, wenn relativ viel Raum
da ist und wenig touchirt wird.
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. I
Weder die eine noch die: andere der letztgenannten Be¬
dingungen ist für Erl An gen zutreffend, und es war auch der
Gesundheitszustand in denselben Räumen und denselben Aussen-
bedingungen keineswegs zu jeder Zeit so giiL Nach einer Zu¬
sammenstellung vom 1. Januar 1875 bis 1. April 1876 war die
Morbidität sogar sehr gross und die Procentziffer mehr wie
dreimal so hoch als die gegenwärtige von 22,4%.
Nun ist es mir bekannt, dass von Herrn Prof. Schröder
ebenfalls auf Desinfection der Hände mit Carbolsäure gehalten
wurde; dies geschah aber gewöhnlich nur einmal im Beginn der
Geburt. Bei diesem frappanten, Unterschiede in der Morbidität
glaube ich auf die in der hiesigen Klinik eingeführten Desin-
fection$-Massregeln hinWeisen zu dürfen.
Von früher her erinnere ich mich an einen Fall, wo wahrend
der Geburt nur einmal und nach gründlicher Desinfection der
Hände touchirt worden war, und trotz dieser Vorsicht eine in*
tensive Puerperalinfection folgte.
Es war aber diese Person als gravida öfters untersucht
worden und einmal unter suspecten Verhältnissen. Da wir als
sicher annehmen müssen, dass bei den Druckschwankuugen
nach der Geburt ein förmliches Ansaugeat in den Uterus hinein
stattfinden kann, so legt ein solcher Fall die Frage nahe, ob
nicht inficirende Stoffe in der Vagina, gleichsam als Infections-
depöt, liegen bleiben und in der Nachgeburtsperiode in die
Gebärmutter aufgesaugt, dort die Infection machen können?
Es wird niemand diese Möglichkeit bestreiten wollen.
Dem entsprechend müssen die Hände etc. auch zu
der Untersuchung von Schwangeren so genau desin^
ficirt werden, wie bei Kreisenden. Wer unbedingt an
der Infectionskraft der Micrococcen festhält, die überall herum¬
schwirren und sich in Bart und Kleidern festsetzen, der muss
logischer Weise die Desinfection der Hände so einrichten,
dass er vor der Exploration der Vagina nichts mehr
berührt, sondern vom Waschgefäss weg rasch mit
Carbolöl eiufettet und touchirt und vor jeder neuen
Untersuchung wiederum desinficirt. Und wer an die
Ansteckungsfähigkeit der Micrococcen nicht glaubt, darf jeden¬
falls diese Vorsicht doch an wenden, die ihm nichts schadet.
Bevor ein Arzt einem Patienteu in den Mund fassen darf, ver¬
langt es die Schicklichkeit, das$ er voran die Hände wasche.
Für die Vagina gilt nun dieses Gefühl der Schicklichkeit nicht,
und gerade die Laien werden das vorher waschen nicht be¬
greifen können; aber vom ärztlichen Standpunkt aus ist die
vorsichtige Desinfection unbedingt zu verlängen, da das Interesse
um Gesundheit und Leben in Frage kommt. Nach den
Touchirübungen wird jeweilig die Vagina mit einer 5% CarboU
säurelösung ausgespült.
Klinisch; wissen wir von dein Infectionsgift, dass es wesent¬
lich ein fixes ist und meist durch Uebertragung verschleppt
wird, dass es aber nicht ohne einen ungünstigen Einfluss auf
die Räume bleibt, in denen solche Kranke liegen. Die Conse-
quenz erfordert darum auch eine Desinfection der Räume
und Betten etc., die für Wöchnerinnen zur Benutzung
kommen. Es geschieht dieselbe durch Verbrennen von
Schwefe 1 in feuersicheren Gefässen und zwar von er. 4 Gramm
auf den Cubikmeter des Zimmers. Das Bettzeug bleibt
abgezogen und den • Schwefeldämpfen eine möglichst gtosse
Gebärmutter mit mehreren Litern frischen Wassers
aus gespült.
Das Princip der Nachbehandlung im Wochenbett ist die
allergenaueste Beobachtung und tägliche Untersuchung der
äusseren Genitalien. Irrigationen der Scheide, das Aufstreuen
von Salicylsäure etc. werden aber erst anbefohlen, wenn hierzu
eine Indication vorliegt.
Unter diesen Bedingungen muss freilich den Hebammen
für die Verhältnisse der Privatpraxis aufs schärfste eingeprägt
werden, dass sie bei jeder, auch der geringsten Schwellung der
äusseren Genitalien, fötidem Ausfluss etc. sofort einen Arzt
rufen lassen; denn mit der sorgfältigen Behandlung dieser
Kleinigkeiten lassen sich gefährliche Erkrankungen vermeiden.
Es ist auch der Gebrauch des Thermometers selbst in der
Privatpraxis eine so einfache und leicht durchführbare Mass-
regel, dass auch dies den Hebammen gelehrt und von ihnen
verlangt werden kann.
Diese Art der Desinfection ist nun in der hiesigen Klinik für
Studirende und Hebammen mit pedantischer Strenge eingeführt
worden, und die Resultate sind bis jetzt so befriedigend, dass
keine Veranlassung vorliegt, ein complicirteres Verfahren zu
acceptiren. Die Erfolge stehen nicht hinter denen Bischoff’s
zurück. In dem soeben erschienenen Lehrbuch von Spiegel -
berg sind ziemlich die gleichen Grundsätze entwickelt, und die
Durchführung derselben seit dem Herbst 1874 hat überraschend
günstige Resultate gegeben. Von 900 Entbundenen sind nur
5 = 0,5% gestorben. Soviel Vorsicht, wie hier angegeben, darf
billigerweise von jeder hül feleisten den Person verlangt werden.
Schon um sich nicht im Fall einer Erkrankung der Fahrlässig¬
keit anklagen zu lassen, soll jeder Arzt und jede Hebamme
eine solche scrupulöse Desinfection durchführen. Selbstver-
| ständlich müssen auch alle anderen Massregeln, Vermeiden von
j Hiilfeleistung mit Händen, die Leichentheile berührt hatten etc. T
ebenso gewissenhaft berücksichtigt werden. Wo in der Privat-
praxis gelegentlich einmal Carbol- und Salicylsäure fehlt, lässt
sich vielleicht noch Chlorwasser oder schliesslich doch überall
Essigsäure und Alkohol auftreiben, welche Mittel wir nicht un¬
bedingt zu verschmähen brauchen. Aber wo der Arzt so viel an
sich selber thut, braucht er später die Wöchnerin nicht mit der
I permanenten Berieselung oder anderen antiseptiseben Methoden
zu quälen. Den Hebammen sind für die Ausspülungen die
■ öterusdouchen von S oanzoni oderHeberhrrigateure zu empfehlen.
! Es lässt sich mit denselben ein Lufteintritt leicht vermeiden,
! und es sind dieselben sehr bequem in die Privatpraxis mitzu-
uehmen.
III» ftittheilung ans der Klinik des Herrn Geheimrath
Professor Dr. Biermer in Breslan.
Spiegelschrift bei Hirnkranken.
Von
Dr. Buchwaldf Assistenzarzt der Klinik.
Während man den Veränderungen der Lautsprache, als den
am schnellsten erttirbaren bei denjenigen Kranken, welche eine
Hirnblutung oder Hirnembolie davon getragen, in der letzten
Zeit überall die nöthige Aufmerksamkeit geschenkt, ist man in
Oberfläche darbietend in den Räumen liegen. Den Schwefel-
dämpfen wird nach einigen Stunden durch Oeffuen deT Fenster
ein Ausweg Ins Freie geschafft. Dass die Zimmerdesinfection
für die Privatpraxis nicht nöthig ist, liegt auf der Hand.
Nach jeder Geburt, wo zu Operationen in den Uterus
eingegangen werden musste, oder wo Luft eindrang
oder Fäulnissgase sich entwickelt hatten, wird die
Bezug auf die Schriftsprache weniger sorgsam verfahren. Viele
ältere und selbst neuere Lehrbücher erwähnen dieselbe nur
beiläufig, und erst in dem betreffenden Lehrbuche Kussmau IV
begegnen wir genaueren Angaben, and sind die Störungen der
Schriftsprache, die Formen der Agraphie in derselben Weise
wie die der Aphasie systematisch abgehandelt.
Und doch verdienen die Störungen der Schriftsprache, wie.
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UNIVERSITf OF MICHIGAN
7. Januar 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
sach Kussmaul an der betreffenden Stelle erwähnt, die vollste
Aufmerksamkeit.
Wo die Lautsprache, wie bisweilen bei atactisch Sprach¬
losen, vollständig erloschen, die Intelligenz und Aufmerksam¬
keit aber vollständig erhalten ist, giebt uns die Schriftsprache
über das psychische Verhalten den besten Aufschluss. Auch
bei den übrigen Formen ‘der Aphasie, wo die Lautsprache mehr
weniger erhalten, wo Paraphasie, partielle amnestische Aphasie
besteht, giebt sie uns werth volle Anhaltspunkte. Kranke der
Art sollten daher, da beide Störungen nicht parallel gehen,
Centrum der Schriftsprache und der Lautsprache nicht in gleicher
Weise afficirt zu sein brauchen, auch stets in dieser Hinsicht
untersucht werden. Spiegelschrift (d. h. Schrift von rechts nach
links, die erst im Spiegel gesehen, unserer gewöhnlichen Schrift
entspricht) bei rechtsseitig gelähmten dürfte sonst wohl schon
oft beobachtet worden sein, während meines Wissens bis jetzt
noch nirgends etwas darüber berichtet ist.
In der einschlägigen Literatur habe ich wenigstens keinerlei
Aufzeichnung darüber gefunden. 'Wahrscheinlich hat man ver¬
absäumt, derartige Kranke mit der linken Hand schreiben zu
lassen. Den ersten Fall dieser Art beobachteten wir schon vor
zwei Jahren. Es handelte sich um einen 45jährigen Arbeiter,
Gottlieb Gärtner, der unter den gewöhnlichen Symptomen einen
apoplectischen Insult erlitten und eine rechtsseitige Hemiplegie
davon getragen hatte. Er zeigte eine gemischte Aphasie, nach¬
dem die Somnolenz, welche in den ersten Tagen nach dem
Anfall vorhanden, geschwunden war. Die rechte Hand konute
zum Schreiben nicht
verwendet werden, und
Hessen wir ihn Ver¬
suche mit der linken
Hand machen. Auf¬
fallend geschickt
schrieb er mit dersel- |
beu von rechts nach
links seinen Namen
etc. in Spiegelschrift.
Ebenso geschickt wur¬
den Zahlen von 1 bis
10, mit Ausnahme der
8, welche er anfangs
vergessen hatte, auf¬
gezeichnet. Auf sein
Schreiben aufmerksam
gemacht, konnte er
anfangs nichtbewogen
werden, in anderer Weise von links nach rechts zu schrei¬
ben. Auch Vorschreiben seines Namens sowie der richtigen
Zahlen hatte , nur zur Folge, dass er mit dem Nachmalen
und zwar mit ungeschicktem begann, dann aber wieder in
die ursprüngliche Spiegelschrift zurückverfiel. Die Zahlen
1. 2. 4. 6. 8. 9. schreibt er endlich richtig nach, 3. 5. 7.
hingegen werden trotzdem wieder in Spiegelschrift hingezeichnet.
Werden ihm kleine Multiplicationsexempel aufgegeben und die
Zahlen richtig hingeschrieben, so wird von ihm das Facit in
Spiegelschrift hinzugesetzt.
Sehstörungen waren nicht vorhanden, Alexie bestand in
hochgradiger Weise.
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7
Iii der Spiegelschrift selbst machte sich entsprechend dem
Grade und der Art der Aphasie auch die Agraphie bemerkbar,
so zwar dass sowohl verbale als literale etc. Agraphie atac-
tischer und amnestischer Art zum Vorscheine kam. Patient
wurde gegen 1 / 2 Jahr auf der klinischen Abtheilung behandelt,
und besserte sich allmäKg die Aphasie, Agraphie und Alexie,
den Hang zur Spiegelschrift sahen wir abeT fortbestehen. Auch
jetzt noch versuchte Patient mit Mühe von links nach rechts
nachzuschreiben; es gehe nicht anders mit der linken Hand,
meinte er, mit der rechten würde er schon richtig schreiben.
Half er mit der linken Hand seiner rechten, so wurde einiges
richtig geschrieben; anderes nicht Am
schwersten wurde es ihm, die 5 zu schrei¬
ben. Auch mit der rechten schrieb er jetzt
noch die 5 in Spiegelschrift, mindestens
zuletzt das Häkchen.
Der Kranke wurde von uns nach dem
Anuenhau.se (Dr. Berger) verlegt, und besteht auch heute noch
dieselbe. Störung der Schrift- und Lautsprache.
Die rechte Hand ist etwas beweglicher geworden, und vermag
Patient jetzt etwas leichter mit Nachhülfe der linken richtig
zu schreiben.
Bald darauf hatten wir, auf diese Art, mit der linken Hand
zu schreiben, aufmerksam geworden, von neuem Gelegenheit,
Spiegelschrift bei einer MaurergeseUen-Wittwe zu beobachten,
die in Folge einer Aorten- und Mitralklappeu-Insufficienz eine
HirnemboUe erlitten. Es bestand ebenfalls rechtsseitige Lähmung
und hochgradige Aphasie, ebenfalls wieder gemischter Art. Meist
wurde nur Ra, Rach geantwortet. Liess man diese Patientin
schreiben (mit der linken Hand), so glaubte man anfangs, es
werde nur vollständig sinnloses Zeug hingekritzelt. Anfangs
machte sie Kringel von rechts nach links, dann besann sie sich
und versuchte ihren Namen zu schreiben, brachte aber nur einige
wenige Anfangsbuchstaben, die man als Spiegelschrift wohl leicht
entziffern konnte, in Unkenntniss dieser Schreibweise aber kaum
für Buchstaben gehalten haben würde, fertig.
Einen dritten sehr prägnanten Fall sah ich bei Herrn Dr.
Berger, der die Güte hatte, auf dies Symptom bei rechtsseitig
Gelähmten zu achten.
Es handelte sich um einen 39jährigen Obsthändler, der
eine Hirnembolie in Folge * Aortenklappen-Insufficienz davon¬
getragen. Die rechtsseitige Hemiplegie, sowie die vorwiegend
amnestische Aphasie sind fast Zurückgegangen; Patient, der er¬
hebliche Intelligenzstörungen nicht zeigt, schreibt mit der linken
Hand seinen Namen, Zahlen etc., soweit nicht seine Agraphie
störend einwirkt, in Spiegelschrift; mit der rechten Hand schreibt
er richtig. Ich konnte den Kränken in der medicinischen Sec-
tion gelegentlich eines kurzen Vortrages Vörstellen und so einem
grösseren Kreise von Collegen diese interessante Schreibweise
demönstriren. Viele Monate bestand auch bei diesem Kranken
die Tendenz zur Spiegelschrift nunmehr. Mit der linken Hand
gehe es nicht anders, bemerkte auch dieser Kranke. Vorgezeich¬
netes schriebt auch er mühsam richtig mit der linken Hand zach.
Es fragte sich nun, in wie weit dies Symptom bei rechts¬
seitig Gelähmten constant, wie es zu deuten, und von welchem
practischen Werthe dasselbe sei.
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. I
Die Krankengeschichten der klinischen Abtheilung durch¬
musternd fand ich, 'dass bei denjenigen Kranken, bei denen
Aphasie und Lähmungen geringen Grades vorhanden waren,
oder bei denen sie, wie nach Embolien oder apoplectischen
Insulten, auf Hirnlues beruhend, schnell zurückgingen, keine Nei¬
gung, Spiegelschrift zu schreiben, vorhanden war; dass also
nichtjeder rechtsseitig gelähmte mit der linken Hand Spiegel¬
schrift schreibt, oder schreiben muss. Ein physiologischer Grund
schien aber doch in erster Instanz vorzuliegen, da Sehstörungen
stets ausgeschlossen werden konnten. Um mich darüber zu
vergewissern, liess ich nun eine beträchtliche Anzahl Gesunder
verschiedenen Alters und Bildungsgrades, die sich nie in Spiegel¬
schrift geübt hatten, mit der linken Hand ihren Namen, Zahlen
und andere Worte schreiben und fand dabei folgendes:
Zunächst gaben die meisten Untersuchten, namentlich Kinder,
die Antwort, mit der linken Hand könnten sie überhaupt nicht
schreiben; die Mehrzahl Erwachsener, namentlich die etwas
aufmerksameren und intelligenteren Personen schrieben mühsam
mit der linken Hand das vorgesagte, resp. verlangte richtig.
Eine grössere Zahl, namentlich wieder Kinder, schrieben
dagegen, scheinbar unbewusst, mit der linken Hand ebenso
geschickt Spiegelschrift, wie mit der rechten gewöhnliche Schrift.
Wurden sie aufmerksam gemacht, so staunten sie zunächst über
das geschriebene, dann meinten sie, mit der linken Hand gehe
dies ja nicht anders zu schreiben. Dann aber aufgefordert,
doch in gewöhnlicher Weise von links nach rechts die Buch¬
staben zu setzen, brachten sie es richtig fertig.
Während aber die Spiegelschrift mit einer gewissen Schön¬
heit geschrieben wurde, erschien die gewöhnliche Schrift schlecht.
Am interessantesten war in dieser Beziehung ein kleines 11 jäh¬
riges Mädchen, welches aufmerksam unh langsam schreibend
ihren Namen sehr schlecht mit der linken Hand richtig zu
Stande brachte, aufgefordert, schnell zu schreiben, sofort in
Spiegelschrift verfiel und diese ungleich besser fertig brachte,
obwohl sie ebenfalls früher nie den Versuch gemacht hat, Spie¬
gelschrift zu schreiben.
Es besteht somit bei einer ganzen Anzahl von Menschen,
namentlich Kindern, die Neigung mit der linken Hand analoge
Bewegungen von rechts nach links zu machen, d. h. Spiegel¬
schrift zu schreiben, und wird das Schreiben vielen sehr leicht,
während die entgegengesetzten Bewegungen Schwierigkeiten
machen. Ganz dasselbe beobachten wir ja auch beim Finger¬
satz derjenigen, die Clavier spielen lernen. Grössere Uebung
im Schreiben, namentlich aber Aufmerksamkeit bei demselben
lässt den Hang bei den dazu disponirten überwinden.
Bei den Gelähmten-ist es ebenfalls besonders die Aufmerk¬
samkeit und nebenbei der Intelligenzgrad, welche eine Rolle
spielen. So beobachtete Berger Spiegelschrift namentlich nicht
bei einer Anzahl den besseren Ständen angehöriger Gelähmter.
Ist der Insult ein geringerer, rach vorübergehender, so tritt ein
derartiger Hang nicht in krankhafter Weise auf. Bessert sich
das Allgemeinbefinden, weichen die Störungen der Lautsprache
etc., wird die Aufmerksamkeit des Patienten grösser, oder lässt
sie sich besser erwecken, so wird sich auch die Neigung über¬
winden lassen, zumal wenn dieselbe vor dem Insult, was man
allerdings meist nicht wissen wird, nicht in ungewöhnlichem
Grade bestand. Ferner ist man also auch bei rechtsseitig Ge¬
lähmten im Stande, sich durch Schriftsprache werthvollen Auf¬
schluss über die psychischen Functionen zu verschaffen, und
herrscht oft nicht vollständige Agraphie, wie man bei den un¬
leserlichen Schriftzügen für den ersten Augenblick vermuthen
dürfte.
Die Spiegelschrift ersetzt bei den gedachten Kranken die
gewöhnliche Schrift und hat die Prüfung darauf hiermit auch
einen gewissen practischen Werth.
IV. Referat.
Die v. Langenbeck’sehe Klinik und Poliklinik zu Berlin
während der Zeit vom 1. Mai 1875 bis 31. Juli 1876. Ein
Bericht verfasst von Dr. R. U. Krönlein, Privatdocent der
Chirurgie, Assistenzarzt der Klinik. (Supplement-Heft zum ein-
und zwanzigsten Bande des Archivs für klinische Chirurgie. Her¬
ausgegeben von v. Langenbeck, redigirt von Billroth und
Gurlt.) Berlin, 1877. A. Hirschwald. 423 S. 8 Tafeln
Abbildungen.
Der vorliegende Bericht umfasst das reiche Material, welches sich
innerhalb drei Semester, in derZeit vom 1. Mai 1875 bis 31. Juli 1876,
auf der v. Langenbeck’schen Poliklinik und Klinik dargeboten hat.
Während das poliklinische Material entsprechend den durch das Kranken¬
journal gewonnenen Notizen im wesentlichen eine summarische Dar¬
stellung erfährt, ist in dem Berichte über die stationäre Klinik, welcher
den bei weitem grösseren Theil des Buches ausmacht, auf Grund
ausführlicher Journale der Casuistik ein sehr weiter Raum gegeben;
denn mit Recht ist Verf. der Ansicht, dass gerade in der Vorführung
der Casuistik der Hauptwerth solcher Jahresberichte beruht Die An¬
ordnung des Materials ist in dem poliklinischen Theile vorwiegend nach
den einzelnen Krankheiten, im klinischen nach den einzelnen Körper¬
teilen geschehen; vielfach sind in den klinischen Abschnitt die poli¬
klinischen Erfahrungen hineingezogen worden. Eine sehr grosse An¬
zahl tabellarischer Aufstellungen, welche sowohl die Uebersicht über
einzelne Krankheitsgruppen wie über die Behandlungsweise erleich¬
tert, z. B. die Darstellung der gesammten Gelenkaffectionen, der Ge-
sichtscarcinome, der per primam geheilten complicirten Verwundungen
der Hand und des Fusses etc., finden sich im Texte verstreut; in einem
Anhänge besonders zusainraengestellt sind tabellarische Uebersichten des
ganzen Krankenmaterials, sowohl nach Krankheitsgruppen, als auch
in topographischer Weise geordnet , ferner eine allgemeine Uebersicht
aller zur Beobachtung gelangter Geschwülste, sämmtlicher namhaf¬
teren Operationen, von welchen wieder die Gelenkresectionen, die
Amputationen und Exarticulationen besonders dargestellt sind; ferner
der accidentellen Wundkrankheiten, endlich eine Zusammenstellung
sämmtlicher Todesfälle. Die Tafeln erläutern manche besonders inter¬
essante Krankheiten und Operationsverfahren. — Um die Fülle des
zur Verwendung gekommenen Materials anzudeuten, entnehmen wir dem
Berichte folgende Zahlen. Die Zahl der in den 15 Berichtsmonaten
behandelten poliklinischen Kranken beträgt — excl. der c. 4300 Zahn-
kranken — 10062, die der klinischen Kranken 1250; doch ist die
wirkliche Gcsammtsumme um c. 300 Kranke zu verringern, da etwa
diese Zahl sowohl in poliklinischer als in klinischer Behandlung ge¬
wesen ist, also doppelt gerechnet wurde. Der jährliche Krankenzu¬
wachs beträgt also — incl. der Zahnkranken — c. 12000, der monat¬
liche 1000, der tägliche c. 30. Dass ein solches Material eine Fundgrube
sowohl interessantester Casuistik als auch allgemeiner für die Aetiologie,
Diagnose, wie für die Therapie wichtiger Grundsätze sein muss, bedarf kei¬
ner Ausführung. Dem Verf. gebührt das Lob, nach beiden Richtungen hin
mit Umsicht und Sorgfalt das Material verwerthet zu haben. Die inter¬
essanteren einzelnen Beobachtungen sind alle mehr oder weniger aus¬
führlich dargestellt; wir heben aus der Fülle des gebotenen hier u. a.
hervor: die Fälle von retrorenalem Abscess nach Muskclzerrcissung durch
anstrengendes Heben, den Fall von Macroglossia congenita bei einem
10monatlichen Kinde, die bereits anderweit berichteten Fällen von to¬
taler Kehlkopfexstirpation und von Naht des Nervus ischiadicus, den lehr¬
reichen Todesfall eines Kindes von 3 1 /* Monat durch subcutane Injection
von 0,0006 = Vioo Uran Strychnini nitrici wegen Prolapsus recti, einen
Fall von letal verlaufenem acuten Carbolismus bei einem 3jährigen
Kinde in Folge Anwendung des feuchten Carbo 1 verbandes nach Osteo¬
tomie des Unterschenkels. Andererseits finden sich im Texte zahlreiche
Abschnitte, welche die Summe der Erfahrungen über gewisse Operations¬
verfahren, über ätiologische und diagnostische Verhältnisse zusammenfassen
und so dem Practiker ebenfalls sehr willkommen sein und manche Erinne¬
rung an das früher von dem verehrten Lehrer und Chef der Klinik selbst
gehörte wachrufen werden. Es ist darunter hervorzuheben der Abschnitt
über Aetiologie der Carcinome, über die zeitliche (Alters-) Vertheilung der
Hernien und der Hydrocelen, das Operationsverfahren der Hasenscharte,
über die Behandlung des Mastdarmverfalls, wo fast stets die Behandlung
mit subcutanen Ergotininjectionen dauernden Erfolg hatte. Am Schluss
hat Verf. einige „Bemerkungen zur Wundbehandlung“ angefügt, in welchen
die aus dem Berichte hervorgehende Thatsache, dass die Wundbehandlung
in der Berichtszeit eine sehr mannigfaltige gewesen ist, näher erörtert und
die Frage von der absoluten Sicherheit der antiseptischen Behandlungsweise
als eine noch offene hingestellt wird. Durch das auf der Klinik übliche
I gemischte Wundbehandlungsverfahren, welches sowohl den Lister’schen
1 Verband, mannigfaltige Modificationen desselben, die offene Behandlung,
j den Occlusionsverband etc. einschloss, ist es zwar noch nicht gelungen.
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7. Januar 1S78.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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den Ausbruch jeglicher aecidentellen Wundkrankheit ganz zu verhüten,
doch sind die gefährlichsten dieser Infectionskrankheiten, Pyaemie und
Septicaemie, relativ selten geworden.
Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Berliner ■edieinisehe Gesellschaft
Sitzung vom 25. Juli 1877.
Vorsitzender: Herr v. Langenbeck.
Schriftführer: Herr E. Küster.
Herr Virchow stellt eine Mikrocephale vor. (Der Vortrag ist in
dieser Wochenschrift, 1877, No. 49 veröffentlicht.)]
Sitzung vom 24. October 1877.
Vorsitzender: Herr Ilenoch.
Schriftführer: Herr Ries.
Als Geschenk des Verfassers ist für die Bibliothek eingegangen:
E. Küster, fünf .Jahre im Augusta Hospital.
1) Herr Grawitz: Demonstration eines Präparates.
Das Präparat entstammt einem Polen Namens Kaminsky, welcher
im polnischen Aufstande 1819 durch einen Sensenhieb in der Regio
umbilicalis verwundet wurde und davon eine nunmehr fast 80 Jahre
bestehende Darmfistel davongetragen hat. Nachdem K. während dieser
langen Dauer seines Leidens sich in ganz erträglichem Gesundheit?- und
Ernährungszustände befunden — er hat sich sogar inzwischen verhei-
ratliet — war er doch in den* letzten Jahren magerer und schwächer
geworden und hatte sich seit längerer Zeit im hiesigen Königl. Invaliden¬
hause aufnehmen lassen, woselbst er Ende August d. J. an allgemeinem
Marasmus verstarb.
Daselbst hatte ich durch die Aufforderung des Herrn Collegen
Mulm.er. ordinirenden Stabsarztes der Abtheilung, Gelegenheit, die
Section zu machen, und erhielt von demselben die mitgetheilten kurzen
Notizen über das Leben des Kaminsky, die ich ausser zur oberflächlichen
Orientirung über das Präparat auch um deshalb hier wiedergebe, weil
vielleicht einer oder der andere der Anwesenden sich des Falles, der
vielfach Aufsehen und Interesse erregte, erinnern dürfte.
An dem Präparate selbst sehen wir nun einen Defect in den Bauch¬
decken von der Grösse eines Handtellers und der Gestalt eines im Trans-
versalclurchmesser gestellten Ovals, dessen Mittelpunkt der präsumptiven
Stelle des Nabels entspricht. Parallel dem Rande des Defeetes laufen
in 3—4 Ctm. Entfernung oberhalb wie unterhalb tiefe narbige Einzie¬
hungen der Haut von halbmondförmiger Krümmung, welche als Reste
mehrfacher Operationen übrig geblieben sind, die früher (ich glaube von
den Herren v. Langenbeck und Wilms) zum Verschluss der Fistel
unternommen worden sind.
Die Ränder des Defeetes sind ringsum auf ca. 1 Ctm. unterminirt
und in den hierdurch hervorgebrachten Sinus passt genau eine Gutta¬
perchascheibe hinein, welche dem Patienten als Deckel für die Fistel
diente, und zugleich mit einem sinnreichen von ihm construirten Sch rau¬
be napparate zusammenhängt , der mehrfache leinene Compressen festzu¬
halten bestimmt war. Der Grund der Höhle wird durchaus von Darm-
seh leim haut gebildet, welche deutliche Valvulae conniventes trägt und
in vielfache Buchten und Falten zusammengelegt erscheint. Von einer
dieser Buchten aus gelangt man mit dem Finger genau in der Horizon¬
talebene nach links in ein Darmlumen; von einer anderen aus m ein
zweites, das nach rechts und unten führt. Schon intra vitam hatte sich
unschwer feststellen lassen, dass das erstgenannte Lumen dem Endstück
des oberhalb gelegenen Darmes entsprach, während die nach unten lind
rechts abgehende Schlinge den Antängstheil des unteren Abschnittes
bildete; man hatte nemlich beobachtet (Dr. Mulnicr ist auch hier mein
Autor) dass in der Zeit der Verdauung Speisebrei aus der linken Darm-
Öffnung in die Fistelhöhle übergetreten sei, und nach einigen Minuten
Verweilen** durch die rechts gelegene wieder hinausgeglitten war.
Indessen hatte sich über zwei Punkte intra vitam kein bestimmtes
Urthcil gewinnen lassen, einmal nicht über die genauere Stelle, über
die Höhe im Dünndarm, an welcher die Wunde lag, und zum anderen
nicht über die Reactionen, welche innerhalb der Peritonealhöhle während
des 30jährigen Bestehens der Fistel eingetreten sein mussten.
Wir können uns nun leicht überzeugen, dass vom Pylorus an ge¬
messen die Entfernung des Magens bis zu der in den Defect eintretenden
Darmschlinge 1 Meter beträgt, dass sieh also die Wunde in dem oberen
Abschnitt des Jejunum befindet. Der ganze übrige Intestinaltractus war
frei beweglich bis auf zwei Stellen des Dünndarms, welche mit der vor¬
deren Bauchwand im Bereich des Defects verwachsen und demgemäss
als 2 Schlingen an den Defectrand fixirt waren.
Ausser dieser Adhäsion fand sich das Netz im ganzen Bereich der
oberen halbmondförmigen Curve des Defects genau in jener Linie ver¬
wachsen, welche durch den unterminirten Rand der Fistelhöhle gebildet
ward. Die ganze übrige grosse Fläche des Bauchfells zeigte keinerlei
Reizerscheinungen.
Die Darmsehleimhaut war im Zustande chronischen Katarrhs, im
Magen fanden sich mehrfache polypöse Schleirahautwucherungen, ein
echter etat wamellonne; die Leber bot das Bibi einer exquisiten Mus¬
katnussfarbe, Milz und Nieren waren atrophisch.
Herr P. Güterboch macht darauf aufmerksam, dass der betreffende
Fall schon vor längerer Zeit von Schönborn in dem Archiv für kli¬
nische Chirurgie beschrieben worden sei.
2) Bericht der Commission über die Vorlage, betreffend
die Einrichtung einer Controlstation für Lebensmittel in
Berlin und event. Beschlussfassung über folgenden Antrag:
Die Unterzeichnete Commission beantragt:
Die Berliner medicinische Gesellschaft wolle folgende Resolution
fassen und ihren Vorstand beauftragen, dieselbe in einer ihm geeignet
erscheinenden Form den städtischen Behörden zu überreichen:
„Die Berliner medicinische Gesellschaft erklärt sich mit der Er¬
richtung einer Controlstation für Lebensmittel im Princip einverstanden ;
allein sie ist der Ansicht, dass die amtliche Controle der Lebensmittel
nur einen Theil der Aufgaben bildet, deren Erfüllung von Seiten der
Stadt im Interesse der öffentlichen Gesundheitspflege in hohem Grade
wünschenswert!! erscheint.
Zur hygieinischen Ueberwachung der Wasserläufe, der Canalisation,
der Wasserleitung, der Schulen, der Krankenhäuser etc. bedarf die
Stadt eines eigenen Gesundheitsamtes, welches dasjenige, was jetzt zum
TheiL durch einzelne Untersuchungen von Fall zu Fall ausgeführt wird,
dauernd zu leisten hätte und als begutachtende Behörde auf Requisition
der Verwaltung und aus eigener Initiative in allen hygieinischen Fragen
der Administration zur Seite stände.“
Hirsch. B. Frankel. Falk. Salkowski.
Herr Hirsch berichtet über die Verhandlungen der Commission:
Die Denkschrift, welche der hiesige Club der Landwirthe dem Polizei¬
präsidium und den städtischen Behörden eingereicht und der medizini¬
schen Gesellschaft mit der Aufforderung, dieselbe zu unterstützen, mit-
getheilt habe, verlange eine Controlstation zur Untersuchung des Wassers,
der Milch, der geistigen Getränke, des Fleisches und der anderen Nah¬
rungsmittel in Form einer ständigen Behörde mit eigenem Laboratorium
und entsprechender Bibliothek, wofür eine jährliche Ausgabe von etwa
18000 Mark berechnet werde.
Dass eine solche Controle der Lebensbedürfnisse nothwendig sei,
wurde von der Commission als unzweifelhaft angenommen, auch dass eine
ständige Behörde, welche die Initiative zu ergreifen habe, dem bisherigen
Verfahren, wonach nur die einzelnen zur Anzeige gebrachten Fälle unter¬
sucht worden, vorzuziehen sei. Dagegen war die Commission der Meinung,
dass, wenn man doch einen grösseren Kostenaufwand machen wolle, es
zweckmässiger sei, gleich ein Gesundheitsamt zu schaffen, welchem ausser
dieser Untersuchung der Lebensmittel auch die übrigen Aufgaben der
öffentlichen Gesundheitspflege zufielen. Nothwendig sei dann allerdings,
dass zwischen der städtischen- und Polizeibehörde, welche bisher als
Marktpolizei die Aufsicht über die Lebensmittel geführt habe, eine Ver¬
änderung über ihre Befugnisse getroffen werde.
Uebrigens werden über diesen Gegenstand bekanntlich bei den be¬
treffenden Behörden Verhandlungen gepflogen, und es handle sich für
die medicinische Gesellschaft darum, ob sie den Antrag der Commission
als überflüssig ablehnen wolle, oder cs doch für zweckmässig erachte,
ihr Votum mit in die Wagschale zu legen.
HerrThorner glaubt, dass ein Theil der einem solchen städtischen
Gesundheitsamte zugewiesenen Aufgaben, wie die Beaufsichtigung der
Wasserläufe, die sich weit über die Grenzen der Stadt, ja selbst durch
mehrere Provinzen erstrecken müsse, sowie der Schulen, die nur zum Theil
städtisch sind, nur von einer Staatsbehörde gelöst werden könnte; das
städtische Amt könnte nur eine berathende Stellung einnehmen.
Herr Hirsch bemerkt, dass er auf die Schwierigkeiten der Aus¬
führung in betreff der Competenzeonflicte bereits aufmerksam gemacht
habe, dieselben aber nicht für unüberwindlich halte.
Herr Liebreich ist entschieden gegen den Antrag. Die jetzt üb¬
liche Agitation für die Gesundheit verfolge Zwecke, die jedermann
billigen müsse: leider aber fehlten nicht blos dem einzelnen, sondern
auch dem Staate die Mittel, dieselben zu erreichen.
Eine solche Controllstation für alle Lebensmittel sei auch mit noch
grösserem Kostenaufwand lebensunfähig, sie würde bald von der Fülle
des Materials überhäuft werden und könne diese verschiedenartigsten
Dinge unmöglich übersehen. In England habe man deshalb nur für
spcciellc Zwecke, z. B. für den Alkoholgehalt der Weine, für Guano und
dergleichen Controllämter. Dort abstrahire man auch von staatlicher
Bevormundung, sondern bestrafe nur den streng, der durch den Ver¬
kauf gesundheitsgefährlicher Waaren Schaden anrichtet. Dazu komme,
dass für manche Gegenstände, namentlich Milch und Bier, noch gar
keine exacte Untersuchungsmethode existirt, in Bezug auf Fleisch sei
durch die Schlachthäuser und durch das Strafgesetz schon gesorgt. Ob
Fleisch oder Milch verdorben sei, könne das Publicum meist ganz gut
beurtheilen, auch ohne chemische Analyse. Nicht alles, was giftig sei,
könne ohne weiteres verboten werden; ohne Blei beispielsweise könne
die Lackindustrie überhaupt nicht bestehen, dasselbe werde auch nur
durch das Losbröckeln gefährlich. Man dürfe sich durch die augen¬
blicklich herrschende Stimmung nicht hinreissen lassen, der vorge¬
schlagenen Resolution, die unausführbares verlange, beizutreten.
Herr Jacusiel hält die Schaffung einer neuen Behörde zu dem
angegebenen Zwecke für vollkommen überflüssig, die Polizei und die
städtische Behörde mit ihren einzelnen Commissionen, denen viele
Aerzte und andere Sachverständige angehörten, genügten dazu, und die
etwa nöthigen allgemeinen Normen aufzustellen, das müsse Sache des
Deutschen Reichs-Gesundheitsamts sein.
Herr E. Cohn glaubt Herrn Liebreich gegenüber hervorheben
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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zu müssen, dass eine Controlle über Milch, Fleisch, Wasserläufe, Bauten
etc. nicht blos schon existirt, sondern auch unumgänglich sei. Der
Gegenstand der Resolution beschäftigt dann auch die städtischen Be¬
hörden schon seit Jahren, da in den verschiedenen Verwaltungszweigen,
bei den Schulen, den Krankenhäusern, der Armenverwaltung hygienische
Verhältnisse zur Sprache kommen, die der Untersuchung und Abhülfe
durch eine technisch befähigte Behörde unbedingt bedürften. Ehe eine
solche aber neben der bestehenden Sanitätscommission geschaffen werden
könne, müsse die Uebertragung der Sanitätspolizei, vielleicht nur mit
Ausnahme des Prostitutionswesens, welches mit der jedenfalls dem
Staate zu belassenden Criminalpolizei zu eng verbunden sei, an die
Stadt vorhergehen, denn ohne die Befugniss der Execution sei eine
solche Behörde unmöglich. Man müsse, so beachtungswerth auch der
Gedanke der Resolution sei, mit der Ausführung noch zuwarten, zumal
eine anderweitige gesetzliche Regelung der städtischen Verwaltung über¬
haupt in Aussicht steht, jedenfalls sei also jetzt die Resolution abzu¬
lehnen.
Herr B o e h r macht ausser den gegen eine städtische Controllstation
für Lebensmittel schon angeführten Gründen noch den geltend, dass
die Gerichte an die Gutachten einer solchen Behörde nicht gebunden
seien, nur an die der gerichtlichen Chemiker und Physiker. Die im
zweiten Theile der Resolution aufgestellten Ziele seien sicherlich zu
billigen, würden aber durch die Königlichen Medicinalbeamten erreicht
werden können, wenn auch der jetzige Zustand immerhin Verbesserungen
erheische; ein Dualismus in der Handhabung der Hygiene sei unstatthaft.
Herr Liebreich beantragt: in Erwägung, dass die betreffenden Be¬
hörden sich mit der Frage wegen Errichtung eines Gesundheitsamts
bereits beschäftigen, über den Antrag der Commission zur Tagesordnung
überzugehen.
Herr Neu mann hält es selbstverständlich für wünschenswerth,
dass die Chemie mehr als bisher den Zwecken der Sanitätspolizei dienst¬
bar gemacht werde, glaubt aber namentlich nach den Ausführungen
des Herrn Liebreich, dass dies durch verschiedene Chemiker in ihren
einzelnen Laboratorien besser geschehen könne, als durch eine be¬
stimmte Controllstation; die Commission hätte nicht nöthig gehabt,
noch andere hygienische Aufgaben hinzuzufügen, um den geforderten
Kostenaufwand von 1S000 Mark zu rechtfertigen, das sei für eine Million
Einwohner eine gar geringfügige Summe. Uebrigens habe die Agitation
in betreff der Lebensmittelverfälschung schon etwas krankhaftes ange¬
nommen: so wolle man die Existenz einer Gesundheitspolizei in Berlin
lediglich deshalb bestreiten, weil wir kein ausdrücklich so benanntes
Gesundheitsamt haben. Canalisation und Wasserleitung seien für die
Zwecke der Gesundheitspflege eingerichtet und würden in steter Rück¬
sicht darauf verwaltet, die städtischen Schulen seien in ihren Räumen
und Lichtverhältnissen, in Bezug auf Heizung u. dergl. gerade zu
musterhaft. Wolle man etwa für die schon unter verantwortlicher
ärztlicher Leitung stehenden Krankenhäuser etwa noch eineu Controllern:?
Dann könne man auch für diesen wieder einen Oberaufseher fordern.
In Bezug auf die Uebernahme der Sanitätspolizei durch die Stadt
habe er schon früher in einer zu dem Ende niedergesetzten städtischen
Commission in Uebereinstimmung mit Herrn Virchow ausgesprochen,
dass dieselbe ohne gleichzeitigen Uebergang der ganzen Executionspolizei
nicht möglich sei.
Uebrigens sei die bereits existirende Berliner Sanitätscommmission
nach ihrer Zusammensetzung wohl geeignet, die richtige Verbindung
zwischen Polizei und städtischen Behörden in Bezug auf die sanität-
lichen Functionen herzustellcn.
Der zweite Theil der Resolution sei daher jedenfalls abzulehnen,
und im ersten könne nur hervorgehoben werden, dass man für die Aus¬
führung der chemischen Untersuchungen mehr Geldmittel als bisher
nothwendig halte.
Nachdem hierauf der Schluss der Discussion angenommen worden
ist, bemerkt Herr Hirsch als Referent der Commission, dass dieselbe
dem Anträge auf motivirte Tagesordnung nicht entgegen sei; die von
den verschiedenen Rednern erhobenen Bedenken seien auch in der
Commission laut geworden, und man habe die Anträge nur gestellt,
weil von städtischen Beamten mitgetheilt worden sei, ein Votum der
Berliner medicinischen Gesellschaft würde für die von den städtischen
Behörden zu ergreifenden Massregeln von Bedeutung sein. Welche Be¬
hörde eine solche Controllstation schaffen solle, wolle er dahin gestellt
lassen, die Physiker reichten aber für diese Aufgaben nicht aus, so lange
sie nicht in Wirklichkeit Sanitätsbeamte seien.
Bei der Abstimmung gelangt die von Herrn Liebreich beantragte
motivirte Tagesordnung zur fast einstimmigen Annahme.
VI. Feuilleton.
Die Berliner Universität im laufenden Winter¬
semester nebst Bemerkungen Ober das medici-
nische Stadium und die medicinische Praxis.
Das so eben erschienene amtliche Verzeichniss des Personals und der
Studirenden der hiesigen Königl. Universität ergiebt als Gesammtzahl der
immatriculirten Studirenden während des laufenden Wintersemesters 2834
gegen 2237 im letzten Sommer, darunter 168 Theologen, 1158 Juristen,
345 Mediciner, 1163 Studirende der Philosophie und der Naturwissen¬
schaften. Dazu kommen noch 21S Studirende der militärärztlichen Bil-
dungsanstaltcn, wodurch die Zahl der Mediciner auf 563 an¬
wächst, und 160 nicht imraatriculationsfähige vom Rector zum Hören,
der Vorlesungen zugelassene — in summa also 3212 Studirende. Zum
Hören der Vorlesungen sind ausserdem noch berechtigt 975 Studirende
der Bau-Akademie, 116 der Berg-Akademie, 680 der Gewerbe-Akademie,
17 des landwirtschaftlichen Instituts, endlich 6 remuuerirte Schüler
der Akademie der Künste. Die Gesammtzahl der Berechtigten beträgt
demnach 5006.
Mit inniger Freude wird ein jeder diese Zahlen lesen, der für das
Blühen der Wissenschaft und speeiell für unsere Universität Theilnabme
empfindet. Die Stagnation, welche Jahre hindurch andauerte, darf nun¬
mehr wohl als definitiv beseitigt betrachtet werdeu. Die Gesammtzahl
der zum Hören der Vorlesungen an unserer Universität Berechtigten hat
eine Höhe erreicht, wie wir uns derselben auch aus den besten Zeiten
nicht erinnern, und wie sie wohl noch niemals dagewesen ist. Auch
speeiell unter den pite immatriculirten Studirenden hat die Zahl der
Juristen und Philosophen (incl. der Studirenden der Naturwissen¬
schaften) die höchsten bisher vorhandenen Ziffern überschritten. Für
die Medicin scheint gleichfalls der Bann endlich gebrochen, der so
lange darauf zu ruhen schien. Die Zahl der Mediciner übertrifft die der
früheren Semester sehr wesentlich und hat bereits die des Sommer¬
semesters 1873 und des darauf folgenden Wintersemesters überholt.
Neben der Zahl der übrigen Medicin-Studirenden hat auch die Zahl
der Eleven der miliiärärztlichen Bildungsanstalten, welche
in den früheren Jahren einen gleichen Rückgang wie jene gezeigt hatte
und im Sommer 1875 bis auf 144 reducirt war, in erfreulicher Weise
zugenommen.
Sogar die Anzahl der Theologen; welche noch mehr als die der
Mediciner vermindert war, fängt gleichfalls wieder zu steigen an.
In folgendem haben wir eine Tabelle der letzten 12 Semester ent¬
worfen, welche die Verhältnisse der vier Facultäten so wie der militär¬
ärztlichen Bildungsanstalten demonstrirt. Wir ersehen daraus, dass die
grösste Ebbe an unserer Universität auf das Sommersemester 1873 fällt,
dass von da an die juristische und philosophische Faeultät fast stetig
(die Wintersemester sind von je her stärker besucht , als die Sommer¬
semester) zu steigen beginnt, während die theologische und medicinische,
so wie neben der letzteren die militärärztlichen Bildungsanstalten im
Sommer 1875 am weitesten zurückgegangen sind.
Theologen.
Juristen.
Mediciner.
Studirende der
Philosphie u.
Naturwissen¬
schaften.
Summa der
Immatricu¬
lirten.
Eleven d. mili¬
tärärztlichen
Bildungs¬
anstalten.
Wintersemester 1877/78 .
168
1158
345
1163
2834
218
Sommersemester 1877 . .
135
792
297
1013
2237
215
Wintersemester 1876 77 .
139
1003
281
1064
2490
160
Sommerseinester 1876 .
137
684
260
896
1977
182
Wintersemester 1875 76 .
162
807
263
911
2143
186
Sommersemester 1875 . .
122
567
259
776
1724
144
Wintersemester 1874,75 .
134
624
276
790
1824
154
Sommersemester 1874 . .
139
473
299
698
1609
160
Wintersemester 1873/74 .
173
560
333
691
1757
168
Sommersemester 1873 .
170
465
340
615
1590
185
Wintersemester 1872 73 .
227
574
404
713
1918
200
Sommersemester 1872 . .
249
552!
450
739
1990
209
Wir haben bereits zum öftern darauf hingewiesen, dass die Ab¬
nahme der Zahl der Studirenden, speeiell der Mediciner, wie sie in den
letzten Jahren sieh geltend machte, nicht bloss die Berliner Universität,
sondern die Gesammtsumme der an deutschen und österreichischen
Universitäten Studirenden betraf. Nur wenige Universitäten, früher be¬
sonders Leipzig, in den letzten Semestern (speeiell für die Mediciner)
mehr noch Würzburg, zeigten einen grösseren Zufluss als bisher, aber
doch nicht erheblich genug, dass dadurch das allgemeine Resultat ge¬
ändert wurde. Ausserordentlich gesunken ist beispielsweise die Zahl der
Studirenden in Wien.
Die Ursachen für den früheren Rückgang und ebenso für den gegen¬
wärtigen Umschwung müssen deshalb in allgemeinen Verhältnissen
gesucht werden, während die localen Zustände der einzelnen Universi¬
täten gleichfalls wirksam sind, aber nur insofern als sie die Vertheilung
der vorhandenen Studirenden auf die verschiedenen Universitäten beein¬
flussen. ln letzterer Beziehung hoffen wir, dass die Berliner Uni¬
versität sehr bald wieder in diejenige Stellung unter ihren Schwestern
hinaufgerückt sein wird, die ihr nach dem Rang, den Berlin als Haupt¬
stadt des deutschen Reichs und Mittelpunkt deutscher Intelligenz ein-
nimint, sowie nach den an ihr wirkenden Lehrkräften und den ihr zu Gebote
stehenden Hülfsmittein gebührt. Wir wissen nicht, da uns die Ver¬
zeichnisse der übrigen Universitäten noch nicht zu Gebote stehen, ob
sie nicht in diesem Wintersemester nach der Gesammtsumme ihrer
Studirenden bereits den ersten Rang für sich erobert hat. Wir wünschen,
dass sie aber auch in dem Studium der Medicin auf die gleiche Stufe,
die sie in den übrigen Facultäten einnimmt, wieder hinaufrücke.
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7. Januar 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
11
Mit Befriedigung erkennen wir an, dass in den letzten Jahren zur
Forderung des mcdicinischen Studiums an unserer Universität grosses
geleistet wurde: man braucht nur das gegenwärtig zur Vollendung ge¬
langte, wahrhaft grossartige physiologische Institut und den Plan fiir
die neu zu erbauende chirurgische Klinik und medicinische Poliklinik
zu betrachten, um davon überzeugt zu sein. Aber vieles und sehr
wichtiges bleibt noch zu thun übrig, und es wäre fehlerhaft, zu glauben,
dass man nach diesen aussergewöhnlichen Anstrengungen nunmehr Halt
machen dürfte.
Wichtiger als die localen sind die allgemeinen Verhältnisse. Im
Jahre 1S73 (No. 24, 1877, d. W.) äusserten wir, anknüpfend an den
Umstand, dass nicht nur in Berlin, sondern überhaupt in Preussen die
Zahl der Studirenden und namentlich der Mediciner im ganzen abge¬
nommen hat: * Unsere Zeit scheint zumeist auf das materielle gerichtet,
und die Flüchte der Studien befriedigen die materiellen Bedürfnisse zu
wenig. Neben allgemein sittlicher und auf das geistige gerichteter Er¬
ziehung kann nur die Aufbesserung der materiellen Lage der durch die
Universitätscarriere zum Lebensberuf gelangten die Studien heben. Speciell
für den ärztlichen Stand ist es die Aufbesserung seiner Stellung, welche
wirksam sein wird.“ Obgleich die Zahl der Mediciner sich wieder zu
heben anfängt, trotzdem seit jener Zeit kaum etwas für die Aufbesserung
des ärztlichen Standes geschehen ist, so glauben wir dennoch damals
richtig geurthcilt zu haben, und meinen, dass die Zeitverhältnisse uns
Recht geben. Jetzt wo in allen Kreisen eine Ernüchterung nach den
einige Jahre hindurch so hoch gehenden Wellen des materiellen Strcbens
und ein gewaltiger Rückschlag im materiellen Können eingetreten ist,
leuchtet uns die Richtung jener Zeit nm so drastischer entgegen. Es
galt damals, leicht und schnell viel zu erwerben: wer durch Studien
sein Fortkommen suchte, blieb weit hinter denen zurück, welche direct
auf ein materielles Ziel lossteuerten. Kein Wunder, dass die Zahl der
Studirenden sich lichtete. Jetzt sehen wir die Schattenseite der Medaille,
die Reaction von der Jagd nach dem Glück! Je geringer und unsicherer
der Erfolg in den gewerblichen Kreisen geworden ist, um so mehr drängt
sich die Jugend nach den zwar nicht glänzenden, aber doch anscheinend
sicheren Früchten des Studiums. Von dieser Seite aufgefasst, könnte zwar
dem Pessimisten die Sachlage kaum gebessert erscheinen; denn das Hin¬
drängen zum Studium wäre nur eine andere Art von materiellem Streben,
ein Drang nicht nach Wissen, sondern nach Brodcrwerb. Wir sind weit
entfernt, so pessimistisch zu urtheilen: denn wenn wir auch anerkennen,
dass viele in der That das Brodstudium um des materiellen Erwerbes
willen wählen, so dürfen wir doch selbst bei ihnen die damit verbundene
ideale Richtung nicht unterschätzen, welche jeden Jünger der Wissen¬
schaft darauf hinweist, um der geistigen Arbeit willen so manchen ma¬
teriellen Neigungen zu entsagen und gar vieles zu entbehren. Selbst
wer auch nicht schon von vorn herein der Wissenschaft zu Liebe das
Studium erwählt hat, wird sich trotzdem im Laufe der Zeit der noth-
wendig veredelnden Wirkung derselben nicht entziehen können. Auf
diese Weise haben wir wohl Ursache, die Vermehrung der Studien im
idealistischen Sinne anfzufassen und uns von Herzen derselben zu freuen.
Fast fürchten wir jedoch, das Streben nach dem Brodstudium geht
jetzt über das Ziel hinaus, und früher oder später ward von neuem eine
Reaction eintreten. Bedürfnis und Erfolg werden indess endlich, wie
immer, die Verhältnisse reguliren.
Der zu erhoffende Erfolg ist es. welcher in erster Reihe den Zufluss
zu einer Carriere bedingt: ist der Zufluss grösser als das Bedürfniss, so
mindert später dieses letztere den Erfolg und dadurch auch wieder den
Zufluss herab. Ein Rescript des Justizministers Simons vor etwa 20
Jahren, welches vor dem juristischen Studium warnte, weil mehr studir-
ten, als Anstellungen in Aussicht standen, hatte zur Zeit eine so gewaltige
Wirkung, dass sehr bald eine merkliche Ebbe im juristischen Studium
cintrat, auf welche jetzt dagegen eine wahre Hoehfluth gefolgt ist.
Betrachten wir von diesem Gesichtspunkte aus das Studium der Me-
dicin, dasselbe mit dem der übrigen Facultäten vergleichend — wobei
wir nur von dem der Theologie absehen, weil hier die Verhältnisse zu
complicirt und uns iin einzelnen zu wenig bekannt sind: Im Sommer
1873 war die Berliner Universität und mit ihr die juristische und phi¬
losophische Facultät auf ihr niedrigstes Mass der Studentenzahl reducirt.
Seitdem hat sich die Gesammtzahl der Studirenden um 78 pCt., die der
juristischen Facultät um 149 pCt., die der philosophischen um 89 pCt.
gehoben. Die medicinische Facultät dagegen machte noch zwei Jahre
hindurch weitere Rückschritte und erreichte ihr Minimum erst im Sommer
1875: seitdem hat sie sich um 33 pCt. gehoben, seit dem Sommer 1873
nur um etwa 1 pCt.
Diese Zahlen sprechen so deutlich, dass sie kaum misszuverstehen
sind. Sagen wir es mit dürren Worten: das Studium der Medicin hat
weit weniger verlockendes als das der Jurisprudenz und der Philo¬
sophie. Zum Thcil liegt es wohl darin, dass der ärztliche Beruf zweifellos
der schwerste, ein Körper und Gemiith gleich aufreibender ist. Aber
zum grössten Thcil ist es doch sicherlich der mangelnde Erfolg oder
mindestens doch ein Erfolg, der in keiriem richtigen Verhältnis steht zu
den Mühen und Anstrengungen, die, um ihn zu erreichen, erforderlich sind, j
Den weitaus meisten Juristen und Philosophen reifen wahrlich keine
sonderlich reichen materiellen Früchte, und dennoch ziehen die jungen '
Leute, welche sich dem Studium zuwenden, diese bescheidenen Aus¬
sichten denen vor, die ihnen das medicinische Studium vor Augen stellt.
Vir könnten meinen, die Bedürfnissfrage habe bereits regulirend einge- |
wirkt, cs seien mehr Aerzte vorhanden, als erforderlich sind. Es ist j
bekannt, dass dies nicht der Fall ist, dass vielmehr vielfach gerecht¬
fertigte Klagen über Mangel an Aerzten vorhanden sind, und dass
Pfuscher und reisende Geheimmittelkrämer zu Gunsten ihrer Taschen
dem Mangel abzuhelfen suchen. Nein, es ist thatsächlich der im Ver-
hältniss zu den Kosten der Studien, zu der Arbeit und den Mühen der
Praxis in keinem richtigen Verhältniss stehende materielle Erfolg,
welcher die Jugend vom Studium der Medicin abschreckt. Jetzt, wo
überall die gewerblichen Unternehmungen stocken, wo ein jeder seine
Ausgaben einzuschränken sucht — bei wem fangen die meisten diese
Einschränkung an? Der Bäcker, der Schlächter, der Kaufmann, er hat
seine Preise für die Waaren, die er abliefert, diese sind nicht abhängig
von den Verhältnissen der Consumenten. Der Arzt dagegen erhält sein
Honorar meistentheils nicht entsprechend seinen Leistungen, sondern
entsprechend der Schätzung des Hilfesuchenden, einer Schätzung, die
sich oft genug nur nach den Einnahmen dieses letzteren und nach dessen
Bedürfniss, seine Ausgaben herabzusetzen, sich riehtet. Der Richter, der
Lehrer, der Beamte, sie erhalten ihre festen Gehälter, mag das Volk rings¬
herum noch so sehr sich einschränken müssen. Dem Arzte dagegen werden
ohne Verminderung seiner Arbeitsleistung die Einkünfte beschnitten,
weil der eine Einbusse an seinem Vermögen, der andere an seinen Er¬
werbsquellen erlitten hat, der dritte aus irgend einem Grunde sparen will
u. s. f. Gern fügt sich der Arzt in humaner Gesinnung den meisten
einigermassen billigen oder selbst auch unbilligen Zumuthungen, gern
nimmt er Rücksicht auf die Vermögensverhältnisse derer, die seine Hülfe
suchen, und oft genug giebt er mit wahrer Freude seine Arbeit hin
ohne jeden Anspruch auf Entgelt — so dass wir es mit Stolz aus¬
sprechen können, es gebe keinen anderen Stand, der es in dieser Be¬
ziehung dem ärztlichen gleich thut. Aber wird es ihm endlich zu viel,
wird unbilliges ihm zugemuthet, und er will sich dieses nicht gefallen
lassen, muss er endlich zur Klage greifen — nun, so läuft er Gefahr,
dass Client und Richter die ärztlichen Leistungen nach der Taxe von
1815 abschätzen, während der Werth der eigenen Leistungen von Client
und Richter seit 1815 sieh um das mehrfache gesteigert hat.
Dass dieses keineswegs mit zu düsteren Farben gemalte, sondern
durchaus naturgetreue Bild gerade viel anlockendes besitzt, wird wohl
niemand behaupten. Dass es anders werden muss, soll der Pauperis¬
mus unter den Aerzten nicht noch grössere Fortschritte machen, ist
wohl kaum zu läugnen. Wir fordern keine Staatshülfe, nur die Mög¬
lichkeit, besser als bisher uns selbst zu helfen. Seit langen Jahren
fordern wir eine zeitgemässe Erhöhung der antiquirten oder besser
noch eine gänzliche Aufhebung der Taxe; nach einem missglückten
Anlauf in dieser Beziehung ist nun alles wieder ganz still geworden,
als ob die Frage ad calendas graecas vertagt wäre. Und doch ist wohl
kaum jemals eine billigere Forderung gestellt worden. Hoffen wir von
der Gerechtigkeitsliebe unseres Herrn Cultusministers, dass endlich ein¬
mal diese Frage erledigt werde!
Noch manche andere Wünsche und Bestrebungen bewegen gegen¬
wärtig den ärztlichen Stand. Derselbe sucht sich in gegliederten Ver¬
einen zu organisiren, um für die Hebung der Berufsgenossenschaft
nach innen und aussen, im ganzen wie im einzelnen, zu wirken, und
um andererseits in Staat und Gemeinde, so weit es sich um Fragen
handelt, die den Arzt interessiren, und zu deren Beantwortung er ganz
besonders competcnt ist, namentlich auf dem Gebiete der öffentlichen
Gesundheitspflege, denjenigen Einfluss zu gewinnen, der ihm nach
seinen Kenntnissen gebührt. Hierbei ist es etwa nicht das Streben
nach äusserer Auszeichnung, welches den Arzt leitet, sondern das ihm
eigene Bedürfniss, seine Kräfte dem Allgemeinwohl zu leihen, zu wirken
für das beste der Gesammtheit.
In diesem idealen Sinne möge der ärztliche Stand und der Arzt,
wie er es bisher gethan, stets seine schwere Aufgabe erfassen, der Hu¬
manität dem einzelnen wie der Gesammtheit gegenüber in edler Weise
zu dienen. Der Arzt und der ärztliche Stand timen ihre Pflicht: möge
man sie auch ihnen gegenüber üben! W.
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. Wie Spencer Wells selbst mittheilt (British med. Jour¬
nal 15. December 1877), waren es im December 1877 gerade 20 Jahre,
dass er seine erste Ovariotomie vorbereitete, ohne dieselbe indess zu
Ende zu führen. Vollendet wurde die erste Operation durch ihn am
15. Februar des folgenden Jahres 1858. Diese und die drei anderen
in demselben Jahre ausgeführten Operationen gelangten zur Heilung, und
so war die Zukunft der Operation entschieden, welche vor den Opera¬
tionen Spencer Wells’ durch die unglücklichen Resultate Baker
Brown’s stark in Misscredit gekommen war. Seitdem sind bekanntlich
die Modificationen des Operationsverfahrens und der Nachbehandlung
äusserst zahlreiche geworden: von welchem Nutzen für den Erfolg der
Operation dieselben geworden, geht aus dem Resultate einer Uebersicht
über 403 vom Jahre 185S bis 1877 von Wells selbst operirte Fälle
hervor: es zeigt sich, dass in den ersten 5 Jahren dieses Zeitraumes
etwa eine von 3 operirten, in den zweiten und dritten 5 Jahren eine
von 4 operirten, in den vierten 5 Jahren eine von 5 ojirrinen starb;
nimmt man aber die letzten beiden Jahre 1 STG und 1877 allein, so
stellt sich die Mortalitätsziller nur auf eine von 10 operirten. es starben
nämlich von 6S Fällen nur 7. Als ein diesen günstigen Erfolg beein-
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Original fro-m
UNIVERSETY OF MICHIGAN
12
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT .
No. 1
flussendes Moment erwähnt Spencer Wells den Umstand, dass seit
dem Januar 1873 jeder ärztliche Besucher seines Samaritan Hospitals
schriftlich die Versicherung abgeben muss, dass er in den letzten sieben
Tagen bei keiner Obduction zugegen, in keinem Anatomie-Raum geweilt
und keine Infcctionskrankheit in Behandlung gehabt habe. Das anti¬
septische Operations- und Nachbehandlungsverfahren wird zur Zeit im
Hospital versucht; sollte dasselbe eine geringere Sterblichkeit zur Folge
haben, so wird es allgemeiner angewandt werden.
— In der Woche vom 2. bis 8. December sind in Berlin 480 Per¬
sonen gestorben. Todesursachen: Masern 5, Scharlach 20, Diph¬
therie 29, Eitervergiftung 1, Kindbettfieber 3, Typhus 9, Gelenkrheuma¬
tismus 1, Delirium tremens 2, mineralische Vergiftungen 2 (Selbstmorde),
Brandwunden 1, Sturz 3, Erschlossen 2 (Selbstmorde), 3 Schnitt- und
Stichwunden (1 Mord, 2 Selbstmorde), Ersticken 3, Erhängen 3 (Selbst¬
morde), Ertrinken 1, Lebensschwäche 29, Abzehrung 21, Altersschwäche
16, Krebs 19, Wassersucht 2, Atrophie 5, Bildungsfehler 2, Herzfehler 6,
Hirnhautentzündung 9, Gehirnentzündung 9, Apoplexie 20, Tetanus und
Trismus 4, Zahnkrämpfe 4, Krämpfe 36, Kehlkopfentzündung 10, Croup 6,
Pertussis 4, Bronchitis acuta 3, chronica 12, Pneumonie 20. Pleuritis 2,
Phthisis 52, Peritonitis 7, Diarrhoe 16 (Kinder unter 2 J.), Brechdurch¬
fall 10 (Kinder unter 2 J.), Magen- und Darmentzündung 1, Magen- und
Darmkatarrh 6 (Kinder unter 2 J.), Nephritis 11, Blasencatarrh 1, Folgen
der Entbindung 1, Gebärmutterblutung 1, andere Ursachen 43, un¬
bekannt 4.
Lebend geboren sind in dieser Woche 445 in., 396 w., darunter
ausserehelich 48 m., 48 w.; todtgeboren 24 m., 20 w., darunter ausser-
ehelich 2 m., 3 w.
Die durchschnittliche Sterblichkeit dieser Woche beläuft sich
auf 24,6 pro Mille der wahrscheinlichen Bevölkerungszahl, die entspre¬
chende Geburtenziffer auf 43,0 pro Mille (beide Summen mit Ausschluss
von 2,3 pro Mille Todtgebornen).
Witterung: Thermometerstand: Tages-Mittel 4,40. Ab¬
weichung 3,47. Barometerstand: 28 Zoll 0,22 Linien. Dunst¬
spannung: 2,63 Linien. Relative Feuchtigkeit: 87 pCt. Himmels¬
bedeckung: 9,3. Höhe der Niederschläge: 2,65 Pariser Linien.
In Berlin sind in der Woche vom 9. bis 15. December gemeldet:
Typhus-Erkrankungen 21, Todesfälle 6.
VII. Amtliche Mitthciliingen.
Fersonalia.
Auszeichnungen: Seine Majestät der König haben Allergnädigst ge¬
ruht, dem practischen Arzt Dr. Fcllger zu Philadelphia den König¬
lichen Kronen-Orden 4. Klasse zu verleihen.
Niederlassungen: Stabsarzt a. D. Dr. Pctruschky und Arzt Dr.
Michaelis in Waldenburg, Dr. Ulrich in Stössen, Dr. Ricken in
Otzenrath, Dr. Diederichs in Cronenberg, Dr. von Münster in
Emmerich, Dr. Peitzsch und Dr. Hartcop in Barmen, Dr. Hertz
und Arzt von Voigt in Gerresheim, Irrenanstalt Grafenberg.
Verzogen sind: Dr. Pitschke von Gönnern nach Alsleben a./S.,
Professor D.\ Lichtheim von Breslau nach Jena, Dr. Grawe von
Essen nach Wien, Dr. von Krantz von Wesel nach Freiburg, Dr.
Gock von Gerresheim nach Eberswalde.
Todesfälle: Arzt Bucerius zu Ueberruhr.
Bekanntmachung.
Die Kreiswundarztstelle des Kreises Fischhausen ist noch nicht be¬
setzt. Wir beabsichtigen, dem anzustellcnden Kreiswundarzte den Ort
Hubnicken oder Kraxtevellen als Wohnsitz anzuweisen, da die fiskalischen
Bernsteinpächter sich verpflichtet haben, dem daselbst amresu llten Arzte
für ärztliche Behandlung der in ihren Etablissements beschäftigten Ar¬
beiter eine Remuneration von 900 Mark jährlich, ausserdem freie Woh¬
nung zu gewähren. Wir fordern qualificirtc Bewerber auf, sich bis zum
10. Februar fut. bei uns zu melden.
Königsberg, den 18. December 1877.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Inserate.
Für meine Heil- und Pflegeanstalt für Nerven- und Gemüthskranke
suche ich einen Assistenten.
Görl it z. _ Dr. Kahlbaum.
An der hiesigen Irren-Heil- und Pflegeanstalt ist die Stelle des
2. Arzte t zum 1. April 1878 zu besetzen. Gehalt 2400 Mark mit Stei¬
gerung bis zu 3000 Mark, dazu Familienwohnung, Erlcuchtungs- und
Feuerungsmaterial, Benutzung eines Morgen Gartenlandes. Meldungen
von Irrenärzten, doch nur von solchen, werden erbeten unter Beifügung
der üblichen Papiere bis zum 31. Januar 187S an den Unterzeichneten
Director
Irre n anstalt Uec kermüunde, 1. Januar 1878. Dr. v. Gellhorn.
Eine bis vor Kurzem drei Jahre lang in einer hiesigen Augenklinik
als Krankenpflegerin thätig gewesene j. Dame sucht wieder eine ähnliche
Stellung. Näheres: Neuenburgerstr. 27, 3 Tr. r.
Medicinische Zeitschriften 1878.
(Verlag von AligilSt HirSChwald in Berlin.)
Archiv für klinische Chirurgie. Herausgegeben von Geh. Rath Professor
Dr. B. v. Langenbeck, redigirt vom Prof. Th. Billroth und Prof.
E. Gurlt (in zwanglosen Heften). Preis eines Heftes mit lithogr.
Tafeln etwa 6 M.
Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten. Herausgegeben von den Pro¬
fessoren v. Gudden, Leyden, Meyer, Th. Meynert und West-
phal (in zwanglosen Heften), mit lithogr. Tafeln, ä Heft 4—6 M.
Archiv lir fiynaekologie. Herausgegcben von F. Birnbaum in Cöln,
C. und G. Braun in Wien, Breisky in Bern, Credc in Leipzig,
Dohrn in Marburg, Frankenhäuser in Zürich, Gussorow in
Strassburg, v. Hecker in München, Hildebrandt in Königsberg,
Kehrer in Giessen, Kuhn in Salzburg, Litzmann in Kiel, P. Müller
in Bern, Olshausen in Halle, Säxinger in Tübingen, v. Scanzoni
in Würzburg, Schatz in Rostock, Schultze in Jena, Schwartz in
Göttingen, Spacth in Wien, Spiegelberg in Breslau, Vale nt a in
Laibach, Win ekel in Dresden, Zweifel in Erlangen. Redigirt von
Crede und Spiegelberg. In zwanglosen Heften mit lithogr. Tafeln
und Holzschnitten ä 5—7 M.
Csitralblatt für die nediciuiichen Wiaaenscbaften. Redigirt von Prof. Dr.
J. Rosenthai und Prof Dr. Senator, (ln wöchentlichen Nummern
von 1—2 Bogen.) Preis des Jahrg. 20 M.
Cbaritt-Auflaleu. Herausgegeben von der Direction des Königl. Charitö-
Krankcnhauses zu Berlin, redigirt von dem ärztlichen Director General¬
arzt Dr. Mehlhausen. In Jahresbänden mit lithogr. Tafeln, Tabellen
und Holzschnitten ä Jahrgang 20 M.
Jahresbericht Aber dia Leistungen und Fortschritte in der gesammten Medicia.
Unter Mitwirkung zahlreicher Gelehrten herausgeg. von R. Virchow
und A. Hirsch. (Jährlich 2 Bde. in 6 Abtheilungen) in 4. Preis:
37 M.
Braevtirt Notlxen für practiache Aerzte über die neuesten Beobachtungen
in der Medicin mit besonderer Berücksichtigung der Krankheitsbehand-
lung zusammengestellt. Unter Mitwirkung von Fachgelehrten heraus¬
gegeben von Docent Dr. P. Guttmann. (Jährlich 1 Band in 3 Ab¬
theilungen) 17 M.
Vierteljehraschrift für gerichtliche Medicin and öffentliches Sanititswesee. Unter
Mitwirkung der Königl. wissenschaftlichen Deputation für das Mcdicinal-
wesen. Herausgegeben von Geh. Ober Med.-Rath etc. Dr. Eulenberg,
ä Jahrgang von 2 Bänden in 4 vierteljährlichen Heften 14 M.
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Wasserkrügen, 15 Kübeln, 265 .Speisenäpfen. 145 Spucknäplen, 30 Nacht¬
geschirren, 10 Steckbecken, 25 Tassen und 46 Tellern, soll nach den
von uns ausgelegten Proben im Wege der Submission vergeben werden-
und nehmen wir auf die Lieferung bezügliche Offerten bis
Freitag, den II. Januar a. f, Vormittags II Uhr,
I entgegen.
! Die Lieferungsbedingungen und die Proben liegen in unserem Pn-
I reau hierselbst während der Amtsstunden zur Einsicht aus und kömn-n-
erstere auch gegen Erstattung der Copialien von uns bezogen werden,
wogegen eine Versendung von Proben nicht erfolgen kann.
Tarnowitz, den 15. December 1877.
Her Vorstand des ftberschlesisehen Knappschafts-Vereins.
Verlag und Eigenthum von August Hirschwald in Berlin. — Gedruckt bei L. Schumacher in Berlin.
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Die- Bwiltwr SUnlMlm W©chwi!?ebrjfi eraChein* jefoa
MoßU,^. it. iJsr ??t4flrp Vi>ö Woaijfste«!. 13 ßogen irr. 4.
Pr«ii« d Mark, Bestell otig-en, neiimea
aW* Kwjbibftodiojig:«*» nad Pf>xKVn*bUten att.
Bftjtragö W‘4B® man portofrei an die Sxdafüow
V)?. IV. pofrotlieMiAir ?S. TU.) «der jii» die V T «r-
iagebDckli/tndlnng 1 von AngtiKt tfirtcltwafd in Bar-
~ijn'f v *ii ^ Unter der, j.mden f>fe » ein*s«ad«n
KLINISCH! WlMIIKNSCIlIiilT.
Argali fßr praetische Aorzte,
Mit Berücksichtigung der preussischer. MedicmaJverwaltung und Medicinalgesetzgehung
nach amtlichen Mittheilüngeo.
Redaeteur: Prot. Dr. I. Waldenburg. Verlag von August Hirsrhwahl in Berlin,
Montag, den 14. Januar 1878.
m %
Fünfzehnter Jahrgang.
1 di halt' 1 Maas; p*y Groirdingö« der «hirargischen Therapie, zugleich eme Erinnerung an Or. M. Medcrei, Professur der J'ltirufgie in
Freiborg h B,.vor» 117B-1796. — II. A/iamV iewicz: Oobcr Pepton < — KJ. Schüller: Beitrü-gcm«' LHnrtmomfe, - (v:
(Bin Fall von acuter anfewügender spiu&lcr Paralyse — Auspit-z; t-V.ber die Emsiou der syphilitischen ImfeG-Scferoso). V- V-jfe:
handlungcrv arxthcher Gesellschaften (Berliner mediemisehe GesdfeeivafGesellschaft für Gcburtshülte und rfefefeeiogfe i« 'tfeiife) - -
. VI. Feuitlelon (Keyfe 14er: Vor« Kncpsdiaupjatz - Tagesgvsehichihrhe Notizen). — VII, Amtliche Miithrilimgen. — • jfefervm.
I* Oie CnindJagt» itr cVirargisclwt THcrapie ?
zugleich eihr Erinnerung an Dr, JL Lederer, Prufe^oi der
Chmirgie in Freibarg t. ß. von 1773-17<KU
(OefTentlicbe AtitjriU^yorl^snng* gehalten am 21. November IS77).
Von
Prof. Dt. H. BIäus. in Ffeibijrg i.JA
Hovhäi)sebnliichftVW.sam!n]qn^^-h
Wenn ein Professur der Chimtgh* <ln dem heutigen Tage,
diesem Oathfeifer betritt, um «eine hhhufliehe An tritts vor! esu pg
■tu UmUem wo scheint nicht« niifccme-Hsencr der Wurde de* Orte*,
ünsvrer Un werfe tps Afl 1 e ff o -LndoV f 0 Pt u a, der Stadt FrViburgy
\nr allem der wiööenMchaftHrJifft Ob»rurgie. als , zuerst ztr ge- : :
denken tte* lG’ufe**ov« der OVtrurgi« Kr. Mathias Ile4je re*
Ifenff vor einem iohihuudene, \m November dv* Jahres
1773, hielt ‘ dieser nach seiner Iferufung hier weine öffentliche
Antrittsvörle^iaigv ätff deren epochftm#&h£öden Inh al £ ich ypÄter
zurückkonimeu werde. Mehr als /wäiiaig Jahre wirkte'dann
Ate derer au der Kiesige'« Ufet vermint. Ein vor trefflicher, weit
berühmter Lehrer, ynrMänd ov es, die Chirurgie erfolgreich frei
zu machen aus; den .Bundeh einer rohen Empirie. weichet kaum
’d&r Name einer Kunst. zog*Ktaaifen wurde-, und sie eijazurethetV
Jo die grade zu meiner Äfft mächtig fort» eh reitenden wfe.sfm
schaftlieheu Bestrbbüöge^ der gesummten Mediciß, Und nicht
allein für diese seine Verdienste ist ihm unsere Universität' m
höchstem Danke YffrpffiVhtet. Als Möderer im Jahre 1790
Freiburg verlies*-, um einem Kufe als Duedor des fchlftr/A
liehen Personals Mr?»l ohender Feidnrzt der öfe örrefeltfeeben• •
Armee an Stelle von BramhiUa HU folgen, er dorCni-
versität einen ht seiie-m (feistefevttcjrkeiHfejo trefflichen Nach¬
folger, seinen Schwiegersohn den Professor der Chirurgie Jo¬
hannes Alexander Ecker, um] noch schroiiekt Jessen Sohn,
uüseres Medvrei idkd, Alexander Eck/ed. dfeil fehrstubl 4er
Anatoqrie an utisever Univerdfät, uns allen bin lehchH*ilde<
Vorbild des besten Cidhrnen, des nnermiidlicben Kehrers, Jck
wissiutHchaftUcheti Eorsdic^a,; eine* Zierde der .CVdV.omtät und.
-der deutschen Wissenxdiaft. Vvia es seine Ahnen wnmo Dnrdi
ein Jahrhundert widmet 'diese Familie unserer Universität ihre
Uralte, ein Jahrhundert so reich an Fortschritten' für die wmdi-
ciursche Wissenschaft, wie kaum für mne audere, und wohl
haben die vghnantftew LtUrof e* vßfis)tafideu. ihre Namen auf
das enig^t^ odf dieHan zu refknößfen.
Auoh ich- ferner,.-; hat Anlass,
an Mt*li e rff r um! die beider Iveker,. x . ater und Buhn. *m dmkmj.
Trctuv anfotffemdc Bürger yyareär hewühet in den Wdmereis
Zrijwn, welche vielfache pcdirijtcjife Umw.üizuugcü iuid hosonders:
dte Kriege mit unserem westlichen Nüvhhtnr aber Stadt und
Laib! brachten. Teimräll helfdrid, hatten sie ein siffcsnes Hej^
tixtfl eine offene Hand iii deo Zeiten der Ncdii. und wühl ge-
daijden auch ihre Mitbürger ihrer, weuu die Zeit der Fh-tide
kam. Als im Jahre KU4 das dputsche Vaterland sich nach
schwerem Kampfe befreit hatte um der französischen /Jerr-
schaft. afe die iNfete des Prif4©hrv gefeiert wurden, da erhielt
Alexander Ecker, der Vater, den ehrenvollen Aufhak. an denv
hoben Frigdotmfest« die FöUredi' xu haiten. ist uns adthe-
wahrt, iu schönster; 'Form' allen tjefühhm Ausdruck io-beod,
Welche damals echte deutsche Herzen bewegten. Al« ln »len
Jahren ISfo vi zum zweiten Male Frankreich fühlen Bujsstc.
dass Deutsclilasid. für Einigkeit iihti Freiheit klrnph*ml. nubo-
siegbar int Kumpfe sei, als iu der Stadt Fred borg- der ; Sieg-' -
durch Errichtung' eines schönen Denkmals gefeiert 'würde, Wo-d.-.r
hfelf ein Ecker^ wie sein Vater vor (K) JyhrMi. die Festrede,
röft suineir Mitbhrgora ab döi besten und treueAen einer xu
di.iccm Khrcnacüfe gewählt.
Vor allem aber, sagte ich. hat die Chirurgie und ihre
Janger V v ^rhhlRssutig, in dieset Zeit an Mathiks M uilefer zu
flüttkeu. In seuuir öffetitBcheJi Afftrittkredö ^prfteh sieh uamlich
;;Möderer daliin aus. dass die €h)rurgu aus der Isolirupg, b*
der sie .seit Jahrhunderten verham hatte. hcVftustreten,
sie wJeffer in die innigste Verbhidung njt der MydkJa -ghbracJA
werden mtbw^ um ehre Aufgabe nach aller» lrichtm»geu‘ jui er-
fölhui. Wie selhstverstüfidlieh ersebeipt un* beut-»*, dic.se Vor-
\Vfe felcht ist es nicbr »ihr fur dpu Ar^f, s.mnfern
seib-t fiir den i.oion, <iov -och viaigcriua.-oii mit dir-ci' l>-i^o
lieschSfrfet.. dafür die ur»umstössjic^hBeAefeu zu brrngim 'f ‘
C;tul dhch. wehdmr H#arfblick. welche Uetmrlegung:-
(JiPmktorlo-Gigkeit gehörte dazu, vi«r humfeiu JuUjco l'nei- di^v,.
Fordemug öffentlich xn stellen|. S : ncb unpv. FhKiffeyr's gco*.-,.-r
Schüfev. DevÄu) f fliesen Ocdmiken »dchi offen« o.-oue*ä’ r, ‘ < ^ r; '
ol*-n erst fing er an. Vh dh^enr .Sinrt»- .»:hir'ü»*gfe»-if*
Go gle
14
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 2
Unterricht zu ertheilen, als Mederer öffentlich vprjfüpdßte,
dass er seinen chirurgischen Unterricht im wissenschaftlich medi-
cinischen Sinne ertheilen werde. Es war ein kühnes Unternehmen
in einer Zeit, in welcher die aus der wundärztlichen Schule
hervorgegangene chirurgische Akademie zu Paris die chirur¬
gische Welt beherrschte, die Akademie, welche sich nicht allein
nicht mit der medicinischen Fakultät verbinden wollte, sondern
sich sogar in einen ausgesprochenen Gegensatz zu ihr setzte.
Die grössten Chirurgen der vergangenen Zeit und viele der
grossen Zeitgenossen Mederer’s, deren Namen für alle Zeiten
mit den wichtigsten Fortschritten der Chirurgie verbunden sind,
hatten ihren Weg durch die Barbierstube und die wundärzt-
liche Schule genommen. Wem w r aren die Namen Ambroise
Pare, Pierre Franco, Jean Louis Petit, Chopart und
die vieler anderer Chirurgen, welche mit ihrem Ruhme die
medicinische Welt erfüllten, unbekannt? Welcher Mediciner
kannte nicht ihren Bildungsgang und hielt ihn nicht nach den
ausserordentlichen Leistungen dieser Männer für einen, wohl¬
geeigneten? Aber Mederer’s scharfer Blick erkannte wohl,
dass diese Leistungen trotz dieser mangelhaften medicinischen
Bildung gemacht waren, und er scheute sich nicht, diesen Ge¬
danken frei auszusprechen.
Die Aufregung, welche seine Antrittsvorlesung hervorrief,
war eine gewaltige, und, wie es häufig dem geschieht, der eine
Wahrheit verkündet, wurde er von allen Seiten öffentlich und
im geheimen angefeindet und. verfolgt. Die „Barbiergesellen und
Chirurgiae Studiosi“ fanden sich ebenso durch seine Forderung
getroffen, wie die eigentlichen Studenten der Medicin. Alle
sahen sich in ihren Gerechtsamen gekränkt, und unterstützt
von Studenten anderer Fakultäten, wollten sie sein Haus stürmen;
wo er sich öffentlich zeigte, war er Misshandlungen ausgesetzt,
die ihm selbst in seinen Vorlesungen drohten. Aber fest und
furchtlos ging er seinen Weg; treu hielt er an seinem Plane
fest, unermüdlich und erfolgreich trug er dazu bei, alte Vor-
urtheile auszurotten, die Chirurgie auf einen wissenschaftlichen
Standpunkt zu erheben. — .Wie erfolgreich er hier in Frei¬
burg gewirkt hatte, zeigte am besten sein Abschied.
Als er 1796 nach Wien ging, brachte ihm die Studenten¬
schaft eine feierliche Nachtmusik, eine Deputation sprach dem
allbeliebten Lehrer den Dank seiner Schüler für seine uner¬
müdliche, segensreiche Thätigkeit aus. Noch einmal versicherte
Mederer in seiner Abschiedsrede, dass unfehlbar die Zeit
kommen werde, in der Chirurgie und Medicin untrennbar mit
einander vereinigt würden; nicht mehr werde er diese Zeit er¬
leben, aber unbekümmert sterben.
Bald wurde der von Mederer angeregte Gegenstand zur
brennenden Tagesfrage der gesummten medicinischen Welt. Auch
andere hervorragende Männer, wie Desault, Albrecht v. Hal¬
ler, Richter, v. Siebold, hatten auf die Wiedervereinigung
der Chirurgie mit der Medicin gedrängt. Jetzt erst kam die Zeit,
in welcher sich die Chirurgie, welche sich nach dem Wieder¬
erwachen der Anatomie, besonders in ihrem operativen Theile
von einer unsicheren Empirie zu einer Kunst erhoben hatte,
vollständig theilnehmen konnte an der anatomisch-physiolo¬
gischen Begründung der Heilkunde, theilnehmen konnte an allen
Fortschritten jedes Zweiges der Medicin, und in ihrem ganzen
Umfange die Bedeutung einer Wissenschaft bekam.
Was Mederer vor hundert Jahren anstrebte, glänzend ist
es in Erfüllung gegangen; glänzend hat es sich gezeigt, dass
es nicht allein se'n Verdienst war, den Gedanken gefasst und
ausgesprochen zu haben, sondern auch zur rechten Zeit ausge¬
sprochen zu haben, als die Medicin anfing, sich frei zu machen
von dem fruchtlosen Anschmiegen an philosophische Systeme,
als sie anfing, in anatomischen und physiologischen Studien
bessere Grundlagen für ihre Untersuchungen zu benutzen.
Mederer habe ich es auch zum Theil zu danken, dass
ich heute hier in einer öffentlichen Antrittsvorlesung den Ver¬
such machen kann, die Grundlagen der chirurgischen
Therapie, so weit dies in der gegebenen Zeit möglich ist, zu
erörtern.
Schon lange ist die Zeit gekommen, wo jeder Chirurg ein
Arzt ist, und jeder Arzt sich bewusst ist, in seinen Studien so
weit wie möglich die naturwissenschaftliche Methode exacter
Forschung zu befolgen. Nicht die Gelehrten allein, sondern
auch die gebildeten Laien folgen heut zu Tage den Fort¬
schritten der Chirurgie mit lebhaftem Interesse. Grade zu der
jetzigen Zeit ist es dann besonders hervortretend, dass die
chirurgische Therapie sich überall, selbst auf dem Gebiete der
inneren Medicin immer mehr Geltung verschafft, immer tiefer
innere Organe in ihr Bereich zieht und die alte Medicamenten-
Therapie verdrängt.
Der Chirurgie fällt bekanntlich von den Aufgaben, welche
die Medicin sich stellt, ganz besonders die zu, Krankheiten zu
! heilen, und zwar diejenigen, welche als sogenannte äussere auch
j für den Laien leichter zu erkennen sind, als die inneren Er-
! krankungen, welche dann ferner in den meisten Fällen ein
j wirkliches Eingreifen verlangen. Es sind deswegen auch die
chirurgischen Heilmethoden von je her den Laien am leichtesten
verständlich gewesen, sie treten meist unmittelbar in ihren Er-
j folgen oder Misserfolgen in die Wahrnehmung, sie wurden aus-
I geübt, soweit wir die Geschichte der Menschheit kennen. Jagd
und Krieg schufen ihr das Feld der Thätigkeit, und Blutungen
zu stillen, Wunden zu verbinden, gebrochene und verrenkte
Glieder einzurichten, Pfeile und Lanzensplitter zu entfernen,
waren wohl die ersten ärztlichen Hülfsleistungeu, die ein Mensch
dem anderen that. Wer nicht scheu zurückfuhr vor dem strö¬
menden Blute, wer sich überwand und trotz der Schmerzens-
laute des Getroffenen die eingedrungene feindliche Waffe heraus-
| zog, dem abnorm stehenden Gliede die richtige Lage zu geben
i suchte, der lernte bald eine Reihe von Hülfsmitteln kennen und
| gebrauchen. Er erwarb sich Erfahrung, und, da er den Erfolg
j seines Handelns bei den einfachen Verhältnissen leicht beur-
theilen konnte, so hatte er sich bald ein Urtheil über die Trag¬
weite seiner Mittel gebildet. Da er ferner die Ursachen des
Leidens leicht erkannte, da er nicht nötliig hatte, an versäumte
Opfer, unterlassene Gebete und deswegen, oder auch ohne nach¬
weisbare Ursache erzürnte und seine Patienten mit Leiden pla¬
gende gute oder böse Gottheiten zu denken, so konnte er auch
1 absehen von Zauberformeln, Sühnungen, Weihgeschenken und
unter mystischen Formen gebrauten Heiltränken. Der Chirurg
! bildete mit einer rationellen Empirie schon in den ältesten
I Zeiten einen Gegensatz zu der mystisch-theurgischen Medicin.
Diese Empirie bildete auch in den folgenden Zeiten das
wesentlichste Moment eines zwar langsamen, zuweilen kaum
wahrnehmbaren, doch stetigen Fortschrittes. Sie verhütete, dass
die Chirurgie grosse Rückschritte machte, oder in der Verwor¬
renheit einzelner Zeiten unterging. Und noch heute ist die
rationelle Empirie, so viel Missbrauch mit ihr getrieben,
so viel Schaden durch falsche Anwendung gestiftet worden ist,
die erste Grundlage der chirurgischen Therapie geblieben. Nicht
jene Empirie meine ich, kraft welcher Serapion sich angeblich
stützend auf das Zeugniss der Erfahrung, Kameelhirn, Hasen¬
herz und Schildkrötenblut gegen Epilepsie empfahl, kraft welcher
alte Weiber die Wundrose durch besprechen heilen, nach wel¬
cher mancher Homöopath bösartige Geschwülste durch den inner¬
lichen Gebrauch einer tausendfach verdünnten Chlorgoldlösung
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14. Januar 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
15
zum Verschwinden bringt, oder welche den Hantkrebs durch
Waschen mit schwachen Alcali-Lösungen heilt und verhütet:
diese Art der Empirie, welche theils kritiklos, theils unwissend
das post hoc und das propter hoc verwechselt, hat der Heil¬
kunde nur Schaden gebracht; sie liegt unserer Wissenschaft
fern und führt zur directen Quacksalberei. Die rationelle
Empirie ist diejenige, welche Boerhave, de Haen, Franz
Bacon, William Harvey’s Landsmann und Zeitgenosse, welche
der grosse Schöpfer der pathologischen Anatomie Morgagni
in vergangenen Zeiten empfohlen haben, deren Banner zu unserer
Zeit seit 30 Jahren Virchow führt, siegreich ankämpfend gegen
naturphilosophische Systeme und aprioristische Speculationen,
ebenso wie gegen den unfruchtbaren Nihilismus. „Nulla autem
est alia pro certo noscendi via, nisi quam plurimas et morbo-
rum et dissectionum historias tum aliorum, tum proprias collec-
tas habere et inter se comparare“ sind die Worte, mit welchen
Morgagni die rationelle Empirie empfiehlt. Vielfache Uebung
und Schulung lehrt uns sehen und macht uns geschickt, plan-
mässig zu beobachten, das zufällige und unwesentliche von dem
wesentlichen zu scheiden, und einem höher begabten gelingt
es, die richtigen Schlüsse zu ziehen.
So hat die chirurgische Therapie einen Theil ihrer grossen
Fortschritte gemacht; so beobachtete z. B. AmbroisePare, als
nach einer Schlacht kein siedendes Oel mehr vorhanden war,
um die bis dahin für vergiftet gehaltenen Schusswunden aus¬
zubrennen, dass die ohne dieses für unentbehrlich gehaltene
Mittel behandelten Wunden besser heilten. Er schloss daraus,
dass die Schusswunden eben nicht vergiftet seien, und lehrte
sie wie andere Wunden zu behandeln. So schuf Jenner die
Pockenimpfung, auf diesem Wege lernten wir die Wirkung des
Opiums, des Chinins kennen, so fand Jackson die schmerz¬
betäubende Wirkung des Aethers, Simpson die des Chloroforms,
so lehrte Reverdin, durch Ueberpflanzung kleiner Hautstück¬
chen die Heilung von Geschwüren zu beschleunigen. Wie an¬
ders als durch eine rationelle Empirie sind wir von Kern bis
auf Büro w zu der offenen Wundbehandlung gekommen? Welche
andere Basis hat die Anwendung der vielfachen antiseptischen
Mittel? Kurz sehr wenige Kdpitel der chirurgischen Therapie
sind zu finden, welche nicht laut Zeugniss geben für die auf
empirischem Wege gemachten Fortschritte.
Ganz besonders deutlich tritt für uns ferner der Werth
der rationellen Empirie hervor, wenn wir die klassischen Werke
der Chirurgie durchsehen. Die Werke von Hippocrates und
Celsus, von Ambroise Pare und Jean Louis Petit, von Pott,
Asthley Cooper, Bell, Richter, Heister, Dieffenbach
Stromeyer und allen den Chirurgen, welche, ihre Beobach¬
tungen und Eifahrungen in klassischen Werken niederlegend,
den Fortschritt der Chirurgie förderten, behalten ihren dauern¬
den Werth, sind noch heute für jeden Chirurgen eine reiche
Quelle der Belehrung trotz der unendlich verschiedenen medi-
cinischen Anschauungen früherer und der jetzigen Zeit. Diese
Chirurgen haben es eben verstanden, planmässig zu beobachten
und aus ihren reichen Beobachtungen mit der Gabe des Genies
die richtigen Schlüsse zu ziehen.
Auch in unserer Tageslitteratur finden wir grade in den
mitgetheilten Beobachtungen und Erfahrungen einzelner Chirurgen
eine reiche Ausbeute der Belehrung und ein wesentliches Mo¬
ment für die Fortschritte unserer Therapie. Ich erinnere nur
an die Mitteilungen eines Langenbeck, Thompson, Lister,
Thiersch, Gustav Simon, Billroth, Volkmann, kurz der
meisten für den Fortschritt der chirurgischen Therapie tätigen
Chirurgen, welche wesentlich auf dem Wege der rationellen
Empirie unsere Wissenschaft fördern. „Non es vulgi opinione,
sed es sano judicio“ bezeichnet noch heute, wie zur Zeit von
! Franz Bacon diese Empirie, die erste wichtige Stütze unseres
j chirurgischen Handelns.
| Die zweite Hauptstütze der chirurgischen Therapie bietet
! uns die pathologische Anatomie. Wie die Anatomie der
Chirurgie den Weg zeigte, auf welchem sie von einem unsiehe-
| ren, lückenhaften Operiren zu einer in früheren Jahrhunderten
ungeahnten Sicherheit und technischen Vollendung gelangte, so
lehrte die pathologische Anatomie den Chirurgon, seinen am
Krankenbette gemachten Erfahrungen einen richtigen Abschluss
zu geben. Sie lehrt ihn die Tragweite und den Nutzen seiner
Eingriffe erkennen und beurtheilen. Auf der einen Seite erwei¬
tert sie unser Gebiet weit über geahnte Grenzen hinaus, auf der
anderen Seite schränkte sie uns ein und hält uns von unnöthigen
Operationen ab. Wie anders gestaltete sich die chirurgische
Behandlung der vielfachen Neubildungen, nachdem Morgagni,
Bichat, Joh. Müller, Rokitansky, Virchow Licht in dieses
Gebiet gebracht hatten? Mit welchem Eifer und mit Stolz kann
wohl die heutige Chirurgie sagen, mit welchem Erfolge gingen
die Chirurgeu, durch die pathologische Anatomie belehrt, an das
Werk, die accidentellen Wundkrankheiten, die schlimmsten
Feinde der operativen Chirurgie, zu verhüten? Wie bald gelang
es der Chirurgie an der Hand der pathologischen Anatomie die
Krankheiten der Knochen und Gelenke genauer zu erkennen
und die früheren Behandlungsmethoden auf das fruchtbringendste
zu verbessern und zu vermehren? Kurz es giebt kein Kapitel
der chirurgischen Therapie, welches nicht der pathologischen
Anatomie eine festere Begründung unserer chirurgischen Heil¬
methoden verdankt. Nicht ist es nöthig, dafür hier noch weitere
Beweise anzuführen.
Als dritte Hauptstütze der chirurgischen Therapje reiht
sich an die beiden vorangehenden ebenbürtig die experi¬
mentelle Pathologie, das pathologische Experiment. Wenn
uns die Physiologie und das physiologische Experiment über
die normalen Verhältnisse des Kreislaufs, der Ernährung, Ath-
mung, Bewegung u. s. w. Auskunft giebt, so wollen wir durch
das pathologische Experiment die gleichen Vorgänge unter ver¬
änderten, von der Norm abweichenden, unter pathologischen
Verhältnissen kennen lernen. Von der Physiologie hat dieser
Theil unserer Wissenschaft nach Art der Physik und Chemie
die Methoden der erklärenden Naturwissenschaften angenommen;
und wenn Cohnheim in der Einleitung zu seiner allgemeinen
Pathologie die Experimental-Pathologie als die Hauptstütze der
Pathologie bezeichnet, so gilt dies in derselben Weise, ja viel¬
leicht in noch höherem Masse für die chirurgische Therapie.
Grade die chirurgisch-pathologischen Zustände an Thieren her¬
vorzurufen, ist verhältnissmässig leicht, und schon zu Anfang
des vorigen Jahrhunderts machte der Chirurg Friedrich Kalt¬
schmidt experimentelle Untersuchungen über Leberwunden.
Den Hauptbegründern der experimentellen Methode, einem John
Hunter, Magendie, Traube, Virchow dankt die chirur¬
gische Therapie höchst wichtige Fortschritte. Denn der Leich¬
tigkeit des chirurgisch-pathologischen Experiments entsprechen
viele, z. Th. unmittelbare Erfolge: So wurde von Billroth
die erste Exstirpation eines Kehlkopfes beim Menschen vor-
genoramen, nachdem Czerny durch das Thierexperiment die
Zulässigkeit dieser Operation bewiesen hatt; nach Cohnheim’s
Untersuchungen, der die Gefahrlosigkeit des vollständigen Ab¬
schlusses der Blutcirculation für einen so empfindlichen Theil,
wie das Ohr eines Kaninchen selbst für mehrere Stunden nach¬
gewiesen hatte, konnte Esmarch unsere operativen Hülfsmittel
durch seine künstliche Blutleere vermehren; Simon exstirpirte
nicht eher eine noch functionirende Niere, ehe er sich nicht
durch das Experiment die Ueberzeugung verschafft hatte, dass
durch diesen plötzlichen Ausfall keine functioneilen Störungen
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in
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 2
gefährlicher Art eintreten Unschwer könnte ich weitere Be¬
weise dafür anführen, dass die Ergebnisse der Experimental-
Pathologie für die chirurgische Therapie in ausgedehnter Weise
verwendet wurden. Der Zusammenhang zwischen beiden Hesse
sich noch in einer grossen Reihe von Fällen bald mehr, bald
weniger deutlich und in die Augen fallend nachweisen.
Wenn ich so die rationelle Empirie, die pathologische Ana¬
tomie und die experimentelle Pathologie als die Grundlagen der
chirurgischen Therapie bezeichne, so werde ich, vielleicht mit
Ausnahme des ersten Punktes, kaum einen wesentlichen Wieder¬
spruch von irgend einer Seite erfahren. Wohl aber werde ich
gefragt werden, welchen Werth ich neben anderen mehr weniger
wichtigen Factoren besonders der medicinischen Statistik
für die chirurgische Therapie beilege, oder ob eine auf natur-
phil osophischer, speculativer Methode basirende The¬
rapie völlig werthlos sei?
Weit entfernt bin ich der Statistik ihre hohe Geltung
für eine Reihe der wichtigsten Fragen der Medicin, auf welche
einzugehen hier viel zu weit führen würde, abzusprechen; durch¬
aus zweifelhaft erscheint aber ihr Werth für die Therapie, vor
allem für die chirurgische.
Konnte schon Petersen in seinem vortrefflichen Werke,
„die Hauptmomente in der geschichtlichen Entwickelung der
medicinischen Therapie" der Statistik für therapeutische Fragen
der inneren Medicin z. B. in der Behandlung des Abdominal-
Typhus, der genuinen Lungenentzündung und anderer ohne
unser Zuthun nach einem bestimmten Typus verlaufender Krank¬
heiten eine entscheidende Bedeutung nicht beilegen: wie viel
weniger ist dies in der chirurgischen Therapie möglich! Schon
die Ursachen der chirurgischen Krankheiten sind so ihrer Qua¬
lität und ihrer Quantität nach verschieden, dass der hervor¬
gebrachte Effect, die Krankheit, durch ähnliche Ursachen ent¬
standen, mit demselben Namen belegt, doch so eingreifende
Verschiedenheiten zeigt, dass scheinbar ganz gleiche Fälle
statistisch absolut nicht verwerthbar sind. Wenn wir z. B. be¬
denken, welchen Spielraum der scheinbar sehr bestimmte Krank¬
heitsbegriff „mit einer Wunde complicirter Knochenbruch des
Unterschenkels" darbietet; wie unter dieser Beziehung die kleinen,
durch eine hervorspringende Knochenspitze hervorgerufenen Haut¬
wunden mit einfachem Knochenbruch ebenso zusammengefasst
werden, wie die ausgedehnten Zerreissungen der Haut, der
Muskeln, der anstossenden Gelenke: werden wir uns da nach
einer möglichst grossen statistischen Tabelle ein Urtheil über
den Erfolg verschiedener chirurgischer Behandlungsmethoden bei
complicirten Unterschenkelbrüchen bilden können? Werden wir
nach einem plus oder minus von Todesfällen oder Misserfolgen
anderer Art nach solch einer Statistik das eigene Handeln im
gegebenen Falle einrichten? Ich glaube es nicht. R. Volk¬
mann fand vor der allgemeineren Einführung der jetzt gebräuch¬
lichen Wundbehandlungsmethoden durch eine Statistik mit sehr
grossen Zahlen, dass die mit einer Wunde complicirten Ver¬
letzungen der unteren Extremitäten bei der unter den gewöhn¬
lichen Verhältnissen des Friedens stattfindenden Behandlung in
den Kliniken bei weitem schlechtere Resultate ergaben, als die
Schussverletzungen der unteren Extremitäten im Kriege. Wer
möchte nun daraus den Schluss ziehen, dass die Behandlung,
wie sie in den grossen Kriegen bis jetzt gewöhnlich stattfand;
bei welcher die Mehrzahl der Patienten oft Tage lang in be¬
schmutzten, blutigen Verbänden transportirt, ungenügend und
unpassend ernährt, den Unbilden einer wechselnden Witterung
ausgesetzt wurde, der geordneten Krankenpflege einer klinischen
Anstalt vorzuziehen sein? Wer würde nicht vielmehr, wenn er
sich ein richtiges Urtheil bilden will, die einzelnen gut beob¬
achteten Fälle nach ihren Ursachen, ihrem Verlauf, ihrer Behand-
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lung prüfen und vergleichen, kurz eine Reihe von Factoren in
Betracht ziehen, die sich statistisch nicht ausdrücken lassen,
also auf rationell empirischem Wege sich seine Meinung bilden.
Ich halte es für unmöglich, selbst für weniger complicirte chir¬
urgische Erkrankungen nach einer statistischen Tabelle die
Norm des Handelns zu bestimmen, wie dieses wiederholt aus¬
gesprochen wurde. Man war der Ansicht, dass man z. B. nach
einer grossen statistischen Tabelle von 1000 mit der Resection
behandelten Hüftgelenkerkrankungen, welche man mit 1000
ähnlichen exspectativ behandelten Erkrankungen vergleichen
könnte, für jeden Fall einer Hüftgelenkserkrankung die beste
Behandlungsmethode aus der Tabelle werde ablesen können.
Wie aber gestaltet sich die Sache in der Wirklichkeit? Für
eine Reihe von Kranken mit Fistelbildung, nachweisbarer
cariöser Erkrankung der Gelenkenden auf der einen Seite, auf
der anderen für Fälle einfacher Gelenkkapselaffection ist die
Behandlung ohne Statistik zweifellos. Dazwischen liegt aber
eine solche Reihe von Möglichkeiten der localen Erkrankung,
von besonderen Verhältnissen des Patienten, seiner Umgebung
u. s. w., dass sich bei genauer Prüfung so ein zweifelhafter
Fall nicht in der Tabelle unterbringen lässt und einen 1001.
Fall darstellt. Den besten Beweis für die Unzulässigkeit der
Statistik in der Entscheidung grosser chirurgisch-therapeutischer
Fragen bietet nach meiner Ansicht die Frage von den Vor¬
theilen der Lister’schen antiseptischen Methode. Wer, abge¬
sehen von den Publicationen Lister’s selbst, die Berichte von
Thiersch liest, der in dem Jahre 1867 uns in Deutschland mit
der Methode bekannt gemacht hat und seit nunmehr 10 Jahren
in der objectivsten Weise seine Erfahrungen mittheilt; wer die
Mittheilungen von Bardeleben, R. Volkmann und vieler
anderer prüft, wer überlegt, dass die ausübeuden Chirurgen
dieselben geblieben, dass das Kranken material, die Anstalten
und ihre Einrichtungen, kurz alle sonstigen Verhältnisse un¬
verändert geblieben sind, dass nichts geändert wurde als die
Wundbehandlung: wer kann sich dem Schlüsse entziehen, dass
in diesen Anstalten die unendlich viel besseren Resultate der
veränderten Wundbehandlung zuzuschreiben seien, dass die
antiseptische Methode der früher gebrauchten vorzuziehen sei?
Wie entscheidet die Statistik nun diese Frage? Gar nicht, wie
Paul Güterbock in einer umfassenden statistischen Arbeit
über Wundbehandlung mit sehr grossen Zahlen nachweist. Mit
Zahlen könnte ich nachweisen, dass in dem Krankenhause
Bethanien in Breslau unter der Leitung von Methner die
Endresultate grosser Operationen bei Nachbehandlung mit einem
einfache arpie-Verbände so gute sind, dass man kaum mi
einer der neueren Wundbehandlungsmethoden anderer Kranken¬
häuser bessere Resultate erlangen kann. Doch ist das Kranken¬
haus relativ klein, gesund gelegen, die Operirten sind meist
isolirt, die Operationen finden meist wegen organischer Erkran¬
kungen statt, kurz es liegen noch eine solche Reihe anderer
Verhältnisse diesen Erfolgen zu Grunde, dass ein Vergleich mit
anderen grossen Krankenhäusern nicht möglich, dass sich diese
Verhältnisse statistisch gar nicht ausdrücken lassen.
Ja und selbst ceteris paribus kommt bei allen chirur¬
gischen Eingriffen ein Factor in Betracht, dessen Tragweite
ein ganz bedeutender ist, der aber so variirt, dass er jede
Rechnung täuschen kann, der sich statistisch ebenfalls gar nicht
in Rechnung bringen lässt: Es ist dies das technische Geschick,
die Umsicht und die Sorgfalt in der Berücksichtigung aller
Verhältnisse von Seiten des Chirurgen. Das Morgagni’sche
Wort: perpendendae sunt, non numerandae observationes tritt
nirgends bedeutsamer als bei chirurgischen Eingriffen hervor.
Wie unendlich überlegen z. B. in der Entscheidung solcher
Fragen die experimentelle Pathologie ist, beweist gerade für
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UNIVERSITf OF MICHIGAN
14. Januar 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
17
die antiseptische Wundbehandlung folgendes von Lichtheiin
zu anderen Zwecken angestellte und stets mit dem gleichen
Erfolge wiederholte Experiment: Wird einem Kaninchen ein
Harnleiter mit einem gewöhnlichen Seidenfaden unterbunden,
so entstehe eine eitrige Entzündung des Nierenbeckeus und der
Niere mit allen characteristischen Zeichen. Wird aber die
Unterbindung unter antiseptischen Cautelen mit einem Catgut¬
faden gemacht, so entstehe eine sackförmige Ausdehnung der
Niere durch das sich ansammelnde Nierensecret, eine Hydrone-
phrose, ohne eine Spur von Eiterung. Den Zweiflern an der
Wirksamkeit des antiseptischen Verfahrens, die sich noch immer
an Zahlen und schwer zu beurtheilende Beobachtungen mit
ihren Gegengründen anklammern, kann ich nur die Wieder¬
holung dieses Versuches empfehlen. Es kann nach meiner An¬
sicht nicht scharf genug hervorgehoben werden, dass der Werth
der Statistik in der Bestimmung quantitativer Verhältnisse
liegt, die chirurgische Therapie aber sucht die Entscheidung
für die Qualität ihrer Fälle.
Nun noch wenige Worte über die Art der chirurgischen
Behandlung, welche theils aus unvollkommenen Erfahrungen
oder hypothetischen Analogien, tbeils auf einige gute Beob¬
achtungen und erwiesene Thatsachen sich stützend, ein voll¬
ständiges System der Behandlung aufbaut.
Je glänzender die Theorien sind, je mehr sie unter dem
Scheine der Einfachheit und Genauigkeit das Siegel der Wahr¬
heit an sich zu tragen scheinen, desto mehr müssen wir ihnen
misstrauen. Wenn auch die Chirurgie weniger als die innere
Medicin unter dem Einflüsse solcher hypothetisch aufgebauter
Systeme zu leiden hatte, so haben sie auch bei uns weder in
früheren Zeiten, noch heute gefehlt. Besonders der akade¬
mische Lehrer sollte sich hüten, solche theoretisch aufgebauten
therapeutischen Systeme als unumstössliche Wahrheit vorzu¬
tragen. Gerade für den Studirenden und den weniger erfahrenen
ist solche „HeilSystematik" ungemein schädlich, und für
Jahre hinaus verlieren selbst befähigtere solche Reminiscenzeu
an die „Schule" nicht. Schnell bildet sich die bei vielen
Menschen an sich schon vorhandene verderbliche Eigenschaft
aus, das wahrscheinliche für Gewissheit hinzustellen und die
Produkte der Phantasie mit deuen des Verstandes zu ver¬
wechseln. Selbst in den mitgetheilten Beobachtungen finden
wir gewöhnlich nicht, was sie sahen, sondern was sie dachten,
und wenn auch solche Systematiker für sich eine gewisse
Sicherheit im Handeln erwerben und manchen Arzt und Laien
durch scheinbare Erfolge bestechen; vor dem prüfenden Blick
der exacten Forschung fällt leicht eine ihrer hypothetischen
Säulen, und zusammengebrochen liegt das Gebäude, oft auch
das gute mit dem unhaltbaren unter den Trümmern begrabend.
Dem Chirurgen ziemt es aber ganz besonders, die Festigkeit
des Bodens, auf welchem er seine Therapie aufbaut, zu prüfen und
immer wieder zu prüfen. Niemals sollen wir vergessen, anstatt
angemasster Unfehlbarkeit, stets im Auge zu behalten, wie gross
noch die Aufgaben sind, welche die Therapie sich stellt; aber
ebenso wenig vergessen, dass eine rationelle Empirie, die patho¬
logische Anatomie, die Experimental-Pathologie drei Stützen
siud, auf denen wir stetig weiter bauen können, die uns in
unserem schweren Berufe am besten helfen. Helle Augen und
feine Ohren muss man zu demselben mitbringen, die sich stetig
üben in der Beobachtung, Geduld und wieder Geduld zum Lernen,
fleissige Umschau muss man halten nicht allein in allen Ge¬
bieten der Medicin, sondern auch der anderen Naturwissen¬
schaften, um die Hülfsmittel zu verbessern und zu vermehren.
„Es giebt auf Erden nichts grösseres und schöneres als
■der Mensch. Er ist die schwerste und erhabenste Aufgabe des
Denkens und Handelns. Sein Werden und Sterben, sein Leben
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| und Leiden, alles ist im höchsten Grade merkwürdig und
j rührend." Wer die chirurgische Therapie ausüben will an
seinen Mitmenschen, der soll sich deswegen stets bewusst sein,
| dass er in ihr Leben eigenmächtig und verantwortungsvoll ein-
i greift, dass er einen blutigen Kampf mit der Krankheit um das
I Leben führt, einen Kampf, in den er ganz eintreten muss mit
' Leib und Seele. Nicht Keckheit und Fühllosigkeit, ruft uns
Dieffenbach zu, führen zum Siege, sondern Ruhe und Be¬
geisterung, Kenntnisse und Gewandtheit. Wohl müssen wir
unseren Willen stählen, dass er in der Noth nicht wanke; aber
auf der anderen Seite uns ein warmes bewegliches Herz be¬
wahren, welches jedes Weh begreift und mitfühlt, welches
niemals des Wortes vergisst, mit dem mein seliger Freund und
Lehrer Middeldorpf oft den klinischen Unterricht begann:
Homo homini res sacra.
Gross siud die Aufgaben, welche die Chirurgie sich stellt,
weit entfernt sind noch die Ziele, nach denen wir streben.
Aber je weiter noch unser Ziel, desto feuriger sei unsere Be¬
geisterung, je höher das Ideal, desto unermüdlicher unser
Streben!
II. lieber Pepton.
(Vortrag in der Berliner medicinischen Gesellschaft, am
14. November 1877.)
Von
Dr. Albert Adamkiewicz,
Privaldocent an der Universität zu Berlin und Assistenzarzt an der
Klinik für Nervenkrankheiten daselbst.
M. H.! Der Lebensprocess muss aufgefasst werden als die
Kraftäusserung der organisirten Materie. Ist dies der Fall, so
weiss man, dass er nur dadurch sich zu äussern vermag, dass
gewisse Substrate, sogenannte Spannkräfte des Lebensprocesses,
zu Grunde gehen. Die Substrate, welche den Lebensprocess
durch ihren Untergang unterhalten, aber sind die Nahrungsstoffe.
Ein grosses Interesse knüpft sich daher für uns an diejenigen
Vorgänge, vermöge welcher der Organismus im Stande ist, die
Nahrungsstoffe in die Säfte aufzunehmen, dort wo sie erst zu
Substraten des Lebensprocesses werden. — Man hat es längst
erkannt, dass hier jenes Princip zur Geltung kommt, welches
der alte Satz von Celsus verkündet: „Corpora non agunt., nisi
fluida!" und dass der Process jener Aufnahme im wesentlichen
ein Lösuugsprocess der Nahrungsstoffe ist.
Wie sich ein solcher Process im Organismus vollzieht, das
war für eiue Reihe von Nahrungsstoffen leicht festzustellen. Die
Salze, erkannte man, werden in den Secreten der Mundhöhle und
des Darmcanals gelöst. Und von den organischen Nahrungsstoffen
finden diejenigen, welche mau die stickstofffreien nennt, in den¬
selben Flüssigkeiten die Bedingungen zur Verflüssigung vor.
Die Fette werden durch den Einfluss des Pancreas zersetzt,
bilden aus ihren Säuren und den Alkalien des Darminhaltes
Seifen und lösen sich in letzteren mit Leichtigkeit auf. Die
Amylaceen werden in der Mundhöhle in Zucker verwandelt,
demnach in einen Körper, der die Eigenschaft der Löslichkeit
in hohem Grade besitzt. Gerade an d$m wichtigsten Nahrungs¬
stoff, dem Repräsentanten der stickstoffhatigen Körper, dem
Eiweiss, aber bot der natürliche Process seiner Verflüssigung
dem Verständnis die grössten Schwierigkeiten dar.
Als man sich zuerst mit der Frage über die Natur der¬
jenigen Vorgänge beschäftigte, welche an dem Eiweiss der
Nahrung im Körper Platz greifen, glaubte man zunächst den
ganzen Vorgang als einen mechanischen Process der Zerreibung
auffassen zu können. Man hatte au den Mahlsteinen im Magen
der Crustaceen, an den starken Häuten im Magen der körner-
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 2
fressenden Vögel Beispiele, welche diese Therorie unterstützten.
Allein der alte Chemiker Wassmann fand, dass der Magen
Säuren berge, und dass dem entsprechend der Process der
Verdauung im Magen einen chemischen Character trage. Man
verliess die mechanische Theorie, und als nun der Physiologe
Eberle die chemische Theorie Wassmann’s zu prüfen ver¬
suchte, machte er die Bemerkung, dass in Säuren gelöstes
Eiweiss himmelweit verschieden war von denjenigen Producten,
welche sich innerhalb des Magens auf natürlichem Wege zu
bilden pflegen. Hier, schloss er daher, müsse neben den Säuren
noch ein anderer Körper bei der Verdauung mitwirken und den
Einfluss der Säuren modificiren. — Er bemerkte, dass der Inhalt
des Magens bei pflanzenfressenden Thieren von einer eigenthüm-
lichen Schleimschicht, dem nachmals benannten Eberle’schen
Häutchen, bedeckt war, und sah zu seiner Freude, dass diese
Schicht einen Stoff enthielt, der im Verein mit den Säuren
auch bei der künstlichen Verdauung aus dem Eiweiss Ver¬
dauungsprodukte bildete, welche den natürlichen sehr ähnlich
waren.
Diese Entdeckung erhielt wissenschaftlichen Werth, als
Joh. Müller und Schwann im Schleim des Magens einen
Körper fanden, der in die Gruppe der Fermente gehörte und
dem sie den Namen des Pepsins gaben. Damit erhielt das
Bild der Verdauung einen eigenthümlichen Character. Wenn
bei der Verdauung im Magen ein sogenanntes Ferment wirksam
war, so mussten, glaubte man, diejenigen Produkte, welche bei
derselben aus dem Eiweiss entstanden, Zersetzungsprodukte
sein. Denn bei der Fermentation pflegen sich die Körper zu
spalten, — wie sich auch der Zucker in Alkohol und Kohlen¬
säure und andere Körper zerlegt, wenn er unter dem Einfluss
des Hefefermentes gährt.
Nun fragte es sich, woher denn der thierische Körper das
Eiweiss erhielt, welches er zum Aufbau seiner Gewebe brauchte,
wenn er dasjenige zersetzte, welches er mit der Nahrung er¬
hielt. Denn ihm steht die Fähigkeit nicht zu, aus Trümmern
von Eiweiss wieder Eiweiss aufzubauen, wie es die Pflanze
thut, die allein das Vermögen der Synthese besitzt.
In diesem eigenthümlichen Dilemma, in dem man sich be¬
fand, half nichts als die Prüfung der Stoffe, welche bei dem
Process der Eiweissverdauung entstanden. Eine grosse Reihe
von Forschern unternahm diese Aufgabe. Und man fand über¬
einstimmend an jenen Stoffen so gewaltige Unterschiede gegen das
gewöhnliche Eiweiss, dass man nicht mehr Anstand nahm, zu
behaupten, sie seien wirkliche Zersetzungsprodukte des Albumins.
Auf den Umstand legte man ein ganz besonderes Gewicht, dass
diese Verdauungsprodukte die wichtigste Eigenschaft des Ei-
weisses, in der Siedehitze zu gerinnen, verloren hatten. Leh¬
mann war der erste, der darauf hin wies, dass man aus Re-
actionen allein Schlüsse über die chemische Natur der Stoffe
zu ziehen nicht berechtigt sei. Die Analyse allein gewähre
diese Berechtigung, und aus der Analyse des C, H, 0 und N
folge, dass die Produkte der Eiweissverdauung ihren Mutter¬
substanzen gleichen. So war an Stelle von Zersetzungspro- J
dukten ein Körper gegeben, der nach Lehmann’s Auffassung
nur eine zur Aufnahme in die Säfte geeignete Modification des
Eiweisses war. Denn das Pepton, wie er diese Modification
nannte, war ein äusserst diffusibler Körper. Allein die Lehre
Lehmann’s verhallte. Man sah den Verlust der Gerinnbarkeit
als einen zu tiefen Eingriff in die Natur des Eiweisses an, als
dass man das Pepton noch für einen Ei weisskörper halten
sollte. Eine eigenthümliche Beobachtung von Brücke war
unter vielen nun aufgeführten Argumenten ganz besonders ge¬
eignet, diese Anschauung zu unterstützen. Brücke tödtete
nämlich Thiere während der Verdauung und fand in den Chylus-
gefässen geronnene Massen. Da Pepton nicht gerann, so
mussten diese Massen für Eiweiss gehalten werden. Und es
sollte daraus folgen, dass unverändertes Eiweiss durch die
Darmwand gehe, während das Pepton nur eine Art Schlacke
sei, die bei der Verdauung entstehe, um als werthloses Pro¬
dukt der Verdauung schon im Darm dem Schicksal des Zer¬
falles zu unterliegen.
So ungefähr stand die Frage über das Pepton, als ich im
Jahre 1874 sie selbst zu bearbeiten anfing. Ich verfuhr in ent¬
gegengesetzter Weise, als es meine Vorgänger bis dahin gethan
hatten, und schloss nicht aus der Gegenwart des Ferments bei
der Eiweissverdauung auf den katalytischen Character dieses
Processes, sondern umgekehrt studirte die Natur seiner Pro¬
dukte, und schloss aus ihr zurück auf die Natur des Vorganges,
durch welchen sie entstanden. Die chemische Analyse ergab nach
dem übereinstimmenden Urtheil vieler Forscher eine vollkom¬
mene Identität des Peptons mit dem unveränderten Eiweiss in
Bezug auf die organ. Bestandtheile. Eine Differenz nur fand
ich in den anorganischen Bestandtheilen beider Körper, in ihren
Aschen. Diese immer mit dem Eiweiss in Verbindung be¬
findlichen Stoffe zeigten sich gegenüber dem Albumin im
Pepton erheblich vermindert. So erwies sich die Eiweiss¬
verdauung zunächst nur als ein Process der Salzextraction.
Schon dieses Resultat war geeignet, in die Natur des Peptons
einiges Licht zu werfen und den für diesen Körper so characte-
ristischen Mangel der Gerinnbarkeit einigermassen zu erklären.
Vor einiger Zeit haben nämlich Alexander Schmidt und Aron¬
stein in Dorpat gefunden, dass das Gerinnen in der Siede¬
hitze nicht eine inhärente Eigenschaft des Albumins ist, sondern
ihm vermittelt wird durch seine Salze. Entzieht man dem ge¬
wöhnlichen Eiweiss den grössten Theil seiner Salze dadurch,
dass man dasselbe der Diffusion unterwirft, so geht ihm die
Eigenschaft der Gerinnbarkeit verloren, und das Eiweiss nähert
sich so dem Pepton. Ist nun das Pepton nichts anderes, als
salzarmes Eiweiss? Will man darüber entscheiden, so muss
man daran sich erinnern, dass das diffundirte Eiweiss die
Gerinnbarkeit in der Hitze wiedergewinnt, sobald ihm die durch
die Diffusion entzogene Salze wieder zurückgegeben werden.
Macht man aber dieses Versuch mit dem Pepton, so be¬
merkt man, dass es dadurch ein gerinnbarer Eiweisskörper,
wie das diffundirte Eiweiss, nicht wird. Und es fragt sich
nun, worauf dieser Unterschied beruht. Eine sehr eigenthüm¬
liche Eigenschaft ist es, was dem Pepton dieses gegen Ei¬
weiss unterscheidende Merkmal giebt, eine Eigenschaft, unter
dem Einfluss der Wärme diejenige Veränderung zu erleiden,
welche Aehnlichkeit zeigt mit dem Vorgang der Schmelzung.
Erwärmt man frisch niedergeschlagenes Pepton, so sieht man es
sich ganz so verflüssigen, wie etwa Fett, und wieder umgekehrt
ganz ebenso wie dieses erstarren, wenn es sich abkühlt. Sie
sehen in diesem Glase eine starre Substanz, die aus dem um¬
gekehrten Gefäss nicht fliesst. — Ich werde das Gefäss mit der
Hand erwärmen, und Sie bemerken, wie schon das genügt, den
Inhalt zu lösen.
Wenn man aus diesem Verhalten einen Schluss machen
will auf die innere Natur des Peptons, so muss man zunächst
sich vergegenwärtigen, welches die Einflüsse sind, welche die
Wärme auf die Körper ausübt. Sie vermag die kleinsten Theil-
chen derselben, die sogenannten Moleküle, in ihrem gegenseitigen
Verhältniss zu einander zu lockern. Dieser Zustand giebt sich
darin kund, dass die Körper ihren Aggregatzustand ändern,
in den flüssigen übergehen, wenn sie fest sind, in den gas¬
förmigen, wenn sie flüssig sind. Daraus folgt dann auch zu-
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
14. Januar 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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gleich, dass man umgekehrt aus dem Verhalten der Körper
gegen Wärme einen Rückschluss auf die Cohäsion ihrer Mole¬
küle wird machen können.
Nun haben Sie eben gesehen, wie das Pepton mit grosser
Leichtigkeit sich unter dem Einfluss der Wärme verflüssigt,
während es Ihnen bekannt ist, dass die Wärme das Eiweiss
gerade consolidirt. Innerhalb des Peptons müssen daher die
Moleküle nur locker an einander gelagert, im Eiweiss dagegen
fest mit einander verbunden sein. — Dort aber sind die Mole¬
küle der Körper fest an einander gebunden, wo sie ganz be¬
stimmte Gruppen bilden und den Körpern eine sogenannte in¬
nere Form und Differenzirung geben.
Daraus folgt, dass nur das Eiweiss diese Form besitzt,
nicht mehr das Pepton. Das letztere ist also eine undiffe-
renzirte Materie, eine Art Eiweissurstoff, der möglicherweise
erst alle anderen differenzirten Eiweisskörper bildet durch Ent¬
wicklung und Organisation im lebenden Körper.
Ob das thatsächlich der Fall ist, darüber kann nur das
physiologische Experiment entscheiden.
Damit Sie nnn mit Leichtigkeit die Aufgabe erkennen,
welche ein solches Experiment zu lösen hat, will ich Ihnen in
kurzen Zügen das Bild von der Bedeutung des Eiweisses ent¬
werfen, welches die Wissenschaft nach und nach von den Zeiten
Liebig’s an zu vervollständigen sich bemüht hat.
Eiweiss wird im thierischen Körper ununterbrochen zersetzt.
Auch ein hungerndes Thier zei setzt Eiweiss bis zu dem Augen¬
blick, da es stirbt. Daraus .folgt, dass der Lebensprocess an
sich und unabhängig von der Nahrung auf Eiweiss verbrauch an¬
gewiesen ist. Liebig suchte dafür eine Erklärung zu geben
und verglich zu dem Zweck den thierischen Körper mit einer
Maschine. Den Rumpf soll man sich etwa als Gehäuse, die
Organe als Walzen und Räder vorstellen. Wie sich letztere
in Folge der Reibung an einander abnutzen und verbrauchen,
so sollen sich auch die Organe indem sie functioniren, ver¬
brauchen. Als Resultat dieser Abnutzung stellt sich ein Verbrauch
von organisirtem Gewebe, also von Eiweiss ein, und als Produkt
dieser Zersetzung erscheint Harnstoff im Harn. Das Eiweiss der
Nahrung, [sagt Liebig nun weiter, hat die Aufgabe, diesen
Consum zu ersetzen. Und weil es Organe, also geformte
Körpersubstanz bildet, ist es ein plastisches Nahrungsmittel,
gegenüber den respiratorischen Nahrungsmitteln, den Koh¬
lenhydraten und Fetten, welche der verbrennenden Kohle gleich
durch ihre Verbrennung das Maschinen werk treiben. Verbrannt
aber werden sie durch die Respiration.
Bald fiel es jedoch einer Reihe von Forschern auf, dass
man nicht diejenigen Differenzen in der Grösse des Eiweiss¬
verbrauches bei den verschiedenen Thierklassen finde, welche
ihrer Arbeitsleistung entspreche. Vergleiche man ein Pferd,
das seinen schweren Pflug ziehe, mit einem Stubengelehrten,
der still zu Hause sitze und seine Muskeln schone, und unter¬
suche man die Eiweissquantitäten, welche von beiden ver¬
braucht würden, so finde man, dass das Pferd in seinem Heu
nur wenig, der Gelehrte in seinen Mahlzeiten aber recht viel
Eiweiss geniesse. Nicht als alleiniger Ersatz der durch
Muskelarbeit verbrauchten Körpersubstanz könne daher das
Eiweiss der Nahrung dienen. Nur ein Theil werde für diesen
Zweck verwandt, ein anderer aber organisire sich nicht, sondern
gelange direct ins Blut, um hier zu zerfallen. Nun glaubte man,
dass das Eiweiss durch einen solchen directen Uebergang ins
Blut seine wahre Bestimmung, sich zu organisiren. verfehle.
Man betrachtete das als eine Art Verschwendung der Natur
und nannte es eine Luxusconsumtion. Von grosser Wichtigkeit
war es nun festzustellen, wo die Grenze des nothwendigen Ei¬
weissverbrauches aufhört und der Luxus beginnt. Da beim
Hunger nur Eiweiss zersetzt wird von den Organen und nicht
von der Nahrung, so entschied man sich, dasjenige Eiweissquan¬
tum als das von den Lebensprocessen allein geforderte zu be¬
trachten, welches beim Hunger zersetzt wird.
Glücklicherweise hat keiner von den Vertretern dieser Lehre
Lehmann, Bidder und Schmidt u. a., dieselbe an sich be¬
folgt. Man übte den Luxus weiter und hatte es nicht zu be¬
klagen.
Voit aber suchte sie wenigstens am Hunde zu prüfen.
Er liess Thiere hungern und bestimmte den von ihnen aus¬
geschiedenen Harnstoff, der ein Mass giebt für die Grösse der
Eiweisszersetzung im Körper. Er machte sofort die Beobach¬
tung, dass in der ersten Zeit des Hungerns mehr Harnstoff ge¬
liefert wird als später, nur dass dieses Mass in directer Be¬
ziehung stand zu der Eiweissnahrung, welches die Thiere vor
dem Hungern erhielten. Danach mussten zwei Quellen des
Harnstoffes im Thierkörper angenommen werden, die eine , die
in der ersten Zeit der Hungerperiode floss und von den Resi¬
duen der Nahrung stammte, und die andere, die aus den Geweben
des Körpers stammte und dann zu fliessen anfing, wenn alles
Eiweiss der Nahrung in den Säften zersetzt war. Das erste ist
das nicht organisirte, noch in den Säften kreisende, also »cir-
culirende“ Eiweiss, das zweite ist dasjenige, welches bereits
Gewebe gewesen ist, also „organisirtes“ Eiweiss.
Nachdem Voit das Quantum des „organisirten“ Eiweisses,
welches während der zweiten Hungerperiode zerfällt, festgestellt
hatte, versuchte er es, Thiere mit diesem Quantum zu ernähren.
Da zeigte es sich, dass das nicht ging, und dass die Thiere
bei dieser Nahrung eben so schnell zu Grunde gingen, als wenn
sie überhaupt nichts erhalten hätten. Der Grund war leicht
gefunden. Denn fasst alles so dargereichte Eiweiss zersetzte
sich wieder und erschien als Harnstoff im Harn. Nur etwa 20%
blieben im Körper zurück und vermochten selbstverständlich
den Verlust der Organe nicht zu decken. Erst wenn so viel
Eiweiss den Thieren gegeben wurde, dass 20% davon dem Ge-
sammteiweissverlust der zweiten Hungerperiode entsprach, blieben
die Thiere am Leben. Und lebensfähig und leistungskräftig
wurden sie erst dann, wenn dieses Qnantum überschritten wurde.
Man müsse also, sagt Voit, den thierischen Körper mit einer
Flamme vergleichen. Je lebhafter sie brennt, desto mehr ver¬
zehrt sie; man darf ihr aber nichts entziehen, will man nicht
ihre Leucht- und Wärmekraft schmälern. Auch von der Menge
von Eiweiss, die der Körper zersetzt, hängt seine Leistungs¬
fähigkeit ab. Aber das ist kein Luxus. Verschwendung wäre
es nur, die Arbeit nicht zu vollführen, zu der eine solche Zer¬
setzung berechtigt.
Ueberblickt man kurz das eben gesagte, so findet man
leicht, dass doppelt die Aufgabe ist, die zu lösen das Eiweiss
der Nahrung im thierischen Körper berufen ist. Es hat Spann¬
kräfte zu liefern für Leben und Leistung der Zelle, und zu dem
Zweck muss es zum grössten Theil sich zersetzen. Und es hat
an die Stelle zu treten von dem, was von der Körpersubstanz
sich während des Lebens verbraucht; — es muss sich zu einem
geringen Antheil organisiren.
Wenn nun Pepton wirklich jener Bildungsstoff ist, auf den
sein inneres Wesen hinweist, so muss er den eben erörterten
Principien gemäss sich im thierischen Körper zum Theil orga¬
nisiren und zum Theil zersetzen.
Ob und wie er das thut, das kann man entscheiden, wenn
man den Stickstoff bestimmt, den das verfütterte Pepton ent¬
hält, und damit den Stickstoff vergleicht, der in den Excreten
des Versuchsthieres wieder erscheint.. Man kann so mit Leich-
j tigkeit finden, wie viel von der verfütterten Substanz in dem
' Körper verblieben ist, wie viel dagegen sich in demselben zersetzt
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 2
hat. Und vergleicht man die Ergebnisse solcher Versuche mit den¬
jenigen Resultaten, welche man bei ganz analogen Fütterungen
mit gewöhnlichem Eiweiss erhält, so findet man constant eine
Gleichheit des Ansatzes und der Zersetzung von Pepton und von
Eiweiss, — eine Identität ihres physiologischen Werthes.*)
Nur einen Unterschied lehren solche Vergleichsfütterungen
kennen
Alles, Wachsthum wie Zersetzung, vollzieht sich viel
schneller bei der Fütterung mit Pepton, viel langsamer bei der
Fütterung mit Eiweiss.
Was soll man daraus anderes schliesen, als dass das Pep¬
ton leichter in die Säfte des Körpers eintritt als das unverän¬
derte Eiweiss, und dass es von der Zelle besser zersetzt und
assimilirt wird, als dieses?
Nicht das theoretische Interesse allein war es, was mich
bestimmt hat, Ihnen meine Erfahrungen über das Pepton hier
mitzutheilen, sondern ebenso die Rücksicht, welche dieser Stoff
nunmehr aus practischen Gründen verdient.
Wenn das Pepton dem Eiweiss an Nährwerth gleicht, vor
ihm aber ausgezeichnet ist durch die Fähigkeit, leicht in die
Säfte zu treten und allen Leistungen der Zelle schnell zu dienen,
dann ist es klar, dass für einen solchen Körper sich thera¬
peutische Indicationen finden müssen. Und um so leichter
werden diese zu erfüllen sein, als man jetzt den Sorgen der
mühsamen Darstellung desselben überhoben zu sein scheint.
Nachdem es mir nämlich gelungen war, einfache Beziehungen
des Peptons zum Eiweiss aufzustellen, es dadurch einigermassen
zu begrenzen, hat sich als erster Erfolg dieser Thatsache ein
Interesse ergeben, welches die Industrie dem Pepton zu widmen
beginnt. Eine deutsche Fabrik (Dr. Witte in Rostock) stellt
dasselbe, wie sie ankündigt, dar und giebt dem Praktiker nun
leicht Gelegenheit, sich des Peptons zu bedienen.
Bevor das geschieht, muss zunächst die Frage beantwortet
sein, ob der Mensch das Pepton, diesen immerhin unnatürlichen
Nahrungsstoff, überhaupt verträgt. — Da die königliche Charite-
Direction das Pepton in das Charite-Krankenhaus eingeführt
hat, so bin ich in der Lage, darüber schon einige Erfahrungen
mitzutheilen. — Mein College, Herr Dr. Sioli, hat das Pepton
bei einer Irren, die alles genossene erbrach, in Form von
Klysmen applicirt. Er berichtet mir, dass Peptonquantitäten,
welche 50,0 Grm. Fleisch entsprechen, und welche in einem
Klysma mit Leichtigkeit gereicht werden können, im Laufe we¬
niger Minuten im Darm vollkommen verschwanden und dass,
so lange in dieser Form das Pepton gereicht ward, jede Defä-
cation bei der Patientin aufhörte. Ich selbst habe einer Kranken
der Nervenstation, die beständig erbrach, alles Eiweiss in der
Nahrung entzogen und durch Pepton ersetzt. Ich weiss nicht,
ob es ein Zufall ist; jedenfalls kann ich die Thatsache be¬
richten, dass sie seitdem nicht mehr bricht, und dass bereits
14 Tage verflossen sind, seitdem sie in der bezeichneten Weise
genährt wird.
Will man Pepton zur Ernährung verwenden, so muss man
der schon Magen die bekannten Thatsache gedenken, dass Ei¬
weiss allein den Körper zu erhalten nicht im Stande ist. Neben
demselben gehört zu einer vollkommenen Ernährung Wasser,
Salze, Kohlenhydrate und Fett. Die ganze Summe dieser Nah¬
rungsstoffe zusammen muss im Laufe von 24 Stunden etwa den
sechzehnten bis achtzehnten Theil des gesammteu Körper¬
gewichts betragen. Und auf das Eiweiss kommen davon etwa
100,0 Grm., wenn wir ein mittleres Körpergewicht von 80 Kilo¬
gramms voraussetzen. — Meist handelt es sich, zumal bei Kranken,
*) Albert A d amk iew i cz: Natur und Nährwerth des Peptons.
Berlin, 1877. Ilirschwald.
um eine weit geringere Schwere des Körpers, so dass eine Ei¬
weissquantität von 50 bis 60 Grm. für den Tag in den ge¬
wöhnlichen Fällen ausreichen wird. Die naturgemässe Art von
Eiweiss für den Menschen ist das Fleisch. Dem Pepton aber
fehlen, um Fleisch zu sein, diejenigen Stoffe, welche im Fleisch
neben dem Eiweiss enthalten und im Liebig’sehen Fleisch-
extract, wie in der Fleischbrühe repräsentirt sind. — Sie sehen
daraus, dass man das Fleisch ersetzen kann durch Pepton, wenn
man letzteres in Wasser löst und zu dieser Lösung Fleisch-
extract hinzufügt, oder noch besser, wenn man das Pepton
gleich in gewöhnlicher warmer Fleischbrühe auflöst.
Die für den Tag nothwendigen Peptonmengen werden also
auch inr Mittel 50 bis 60 Grm. reinem Eiweiss oder 200 bis
250 Grm. gewöhnlichem Fleisch gleichkommen müssen.
Ich bin überzeugt, dass, wenn es mir gelungen sein sollte,,
bei Ihnen für das Pepton einiges Interesse erweckt zu haben.
Sie selbst mit Leichtigkeit therapeutische Indicationen für das¬
selbe gerade in denjenigen Krankheitsfällen finden werden,
welche für die Behandlung des Arztes die schwierigsten und
gleichzeitig die allertrostlosesten zu sein pflegen.
III. Beiträge zur Ovariotomie.
Von
Dr. Max SctaOIIer«
Docent der Chirurgie in Greifswald.
Ein erfreuliches Zeugniss ist es, dass sich die Ovariotomie
von Tag zu Tag mehr bei uns in Deutschland einbürgert.
Gleichwohl müssen wir gestehen, dass diese Operation, wie sie
im eigentlichen Sinne eine Schöpfung der englischen Chirurgie
ist, auch heute noch nirgends populärer, nirgends besser aus¬
gebildet ist, nirgends häufiger und erfolgreicher ausgeführt wird,
als in England. 'Schon aus diesem Grunde ist es lohnend,
diese Operation in England selber zu studiren, wozu dort,
speciell in London, überreiche Gelegenheit geboten wird. Aller¬
dings habe ich persönlich die Bevorzugung, bei meinem dortigen
Aufenthalte während des Frühlinges resp. Sommers 1877 in relativ
kurzem Zeitraum viele Ovariotomien und Ovariotomirte, sowie
Patientinnen mit Ovarientumoren bei den verschiedensten Ope¬
rateuren zu sehen, zum grössten Theile auch der ausserordent¬
lichen Liberalität der englischen Collegen zu danken, welche
mich wiederholt zu Privatoperationen einluden und mir ge¬
statteten, sowohl in vielen Fällen die zu operirenden vor der
Operation zu untersuchen, wie den Verlauf und die Nachbe¬
handlung zu verfolgen. Ueberhaupt ist, was ich hier nicht
unterdrücken kann, die wahrhaft generöse Zuvorkommenheit
und Liebenswürdigkeit, mit welcher auch sonst die englischen
Collegen die Kenntnissnahme und das Studium ihrer Hospital¬
einrichtungen, ihrer Sammlungen, ihrer operativen Technik,
ihrer Krankheitsfälle etc. nicht blos gestatten, sondern geradezu
erleichtern, über alles Lob erhaben. Wesentlich aus diesen Be¬
obachtungen, welche ich in England, speciell in London, über
die Ovariotomie sammeln konnte, erlaube ich mir einiges zur
Kenntniss dieser Operation beizubringen, was, wie ich hoffe,
wenigstens wegen des Bodens, auf dem es gewonnen wurde,
meinen deutschen Collegen nicht ohne Interesse sein wird.
Selbstverständlich soll und kann das, was ich mittheile, nur
mehr eine Skizze, als eine abschliessende Abhandlung über die
Ovariotomie sein.
Ich beginne zunächst mit der Schilderung des Operations¬
verfahrens, und zwar bei relativ einfachen Fällen, d. h. solchen
ohne, resp. ohne erhebliche Adhäsionen.
Ueberall schickt man der Operation schon mehrere Tage
voraus die exacteste Reinigung der Patientin und des Zimmers.
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14. Januar 1878. BERLIN KR KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Ein wichtiger Grundsatz ist ebenso die vorherige ‘Sorge für
ordentliche Stuhlentleerung der Patientin. Die Pat. wird auf
einem Operationstische gelagert, eingehüllt in eine wollene
Decke mit Freilassung des Bauches. Ueber diesem wird ein
Gummituch mit mittlerer Oeffnung festgebunden, während die
Ränder der ovalen Oeffnung auf dem Bauch durch vorher auf¬
gestrichene Klebemasse aufgeklebt werden; Hände und Beine
werden ebenfalls meist festgeschnallt. Der Operationtisch steht
schräg gegen ein Fenster, so dass das Licht direct auf den
Bauch fällt. Dicht neben den Operationstisch steht ein reines
warmes Bett. Der Operateur stellt sich an die rechte Seite
der Patientin, der eine Assistent gegenüber, ein anderer zwischen
dem Operateur und dem Narkotiseur (am Kopfende des Tisches).
Man gebraucht jetzt in den englischen Hospitälern fast allgemein
Aether zur Narcose, und ich kann sagen, dass ich nirgends
mhigere und schönere Narcosen sah als dort. — Neben und
hinter dem Assistenten an der linken Seite der Patientin stehen
noch 2 — 3 Wärterinnen mit Schwämmen, Waschschalen etc.
bereit. Die Instrumente befinden sich auf einem Tischchen
neben dem Operateur und diesem bequem zur Hand.
Der Operateur macht eine möglichst kleine longitudinale
Incision aus freier Hand, mehr weniger unterhalb des Nabels
beginnend, der Medianlinie entlang nach abwärts. Er dringt
mit raschen Messerzügen bis zum Peritoneum vor. Nun werden
die blutenden Gefässe sorgfältig gefasst und nach exacter Blnt-
stillung und Reinigung der Wunde mittelst frischer weicher
Schwämme das Peritoneum vorsichtig an einer kleinen Stelle
gespalten, ein Spatel (das von Spencer Wells hierzu ge¬
brauchte Instrument ist ein schmaler, etwas der Fläche nach
gebogener Spatel mit einer mittleren Rinne für das Messer und
einem Elfenbeingriff an einem Ende) untergeschoben und auf-
und abwärts eingeschnitten, so dass die Cystenwand zu Tage
tritt. Beiläufig bemerkt pflegt das Peritoneum gewöhnlich mehr
weniger mit einer Fettlage bedeckt zu sein, welche man nicht
mit dem Netz verwechseln darf. Von diesem letzteren unter¬
scheidet sich aber das die Aussenfläche bedeckende Fett durch
sein weiss-gelbes Aussehen und durch seine Gefässarmuth. Oft
sieht man auch durch das Peritoneum die Cyste durchschimmern.
Das Netz hatte in allen Fällen, welche ich bis jetzt gesehen
habe, eine mehr rothe oder rothbraune Farbe und war besonders
stark injicirt, wem es am Tumor adhärent war, wie gewöhn¬
lich in den Fällen, wo es dem Tumor anfliegt. Noch auf ein
Unterscheidungsmerkmal will ich hier aufmerksam machen,
welches ebenso einfach wie characteristisch ist, das ist der
Gefässverlauf. In dem Peritonealfett verlaufen die Gefässe
von rechts nach links oder etwas schräg, während sie im Netz
an nnd für sich zahlreicher sind und von oben nach unten
resp. umgekehrt verlaufen.
Nach der Eröffnung der Bauchhöhle tritt die Cyste resp.
der Tumor in die Bauchwunde. Hier pflegten einige Chirurgen,
besonders Th. Smith und Graily Hewitt sich vor dem
weiteren Vorgehen mittelst eines männlichen Katheters über
die etwa vorhandenen Adhäsionen zu orientiren. Ein
männlicher gereinigter Katheter oder eine ähnlich geformte
Metallsonde wird zwischen Bauchwand und Tumor in die Höhe
geschoben und kreisförmig um denselben herumbewegt. Spencer
Wells dagegen machte keinen Gebrauch von dieser Methode,
sondern verfuhr genau so, wie er es in seinem Buche*) be¬
schrieben hat. Seinen Vorschriften folgen Thornton und
Bryant. In der That hat das „Sondiren“ der Adhäsionen
ebenso in diagnostischer Beziehung wie in Rücksicht auf den
operativen Vorgang einen nur geringen Werth. Es können
*) Dieseases of the ovaries.
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damit nur ewaige Adhäsionen zwischen Tumor und Bauchwand
diagnosticirt werden, während Netz- und Darmadhäsionen damit
nicht erkannt werden können. Ich überzeugte mich davon in
den Fällen, wo Smith das Verfahren anwendete. Der Katheter
konnte vollkommen frei zwischen Tumor und Bauchdecken
herumgeführt werden und gleichwohl zeigte sich nachher, dass
das Netz allseitig mit dem Tumor verwachsen war. Der Katheter
war auf der durch das Netz gebildeten Ueberbrückung zwischen
Tumor und Magen ohne Widerstand herumgeführt worden und
hatte so die Abwesenheit von Adhäsionen vorgetäuscht. Die
vorliegende Cyste wird mit einem grossen Troicart, von welchem
ich bei den Collegen verschiedene mehr weniger zweckent¬
sprechende Formen sah, punktirt. Der Cysteninhalt fliesst durch
den Kautschukschlauch des Troicarts in einen unter dem Ope¬
rationstisch stehenden Eimer. Während nun die Cyste unter
dem Abfluss der Flüssigkeit zusammensinkt, fasst der Operateur
die Cystenwand mit einer der kurzgezahnten Balkenzangen
(oder Zangen, deren Branchen in gezahnten Scheiben enden,
Spencer Wells), übergiebt sie dem Assistenten und hindert
so das Zurücksinken der Cyste, welche vielmehr dicht an den
Bauchwandungen anliegend erhalten wird, damit keine Flüssig¬
keit in die Bauchhöhle fliesst. Ist die Cyste entleert, so prüft
man, ob weitere vorhanden sind oder nicht. Ein vorsichtiger
Zug an den Zangen belehrt leicht hierüber. Damit vermag
man in einfachen Fällen oft die ganze Cysten wand und den
Tumor aus der Bauchwunde herauszuziehen. In den anderen
Fällen, bei multiloculären Cysten, geht der Operateur mit einem
Finger oder mit der Hand durch die Punktionsöffnung der ent¬
leerten Cyste; fühlt von da aus (nicht von der Bauchhöhle
aus) nach weiteren Cysten; öffnet dieselben mit seinem Finger¬
nagel oder sticht den Troicart ein. Oder er geht nach Ent¬
leerung der ersten Cyste mit dem noch liegenden Troicart
gegen die übrigen vor, welche in die entleerte Cyste prominiren,
punktirt sie ebenfalls und entleert so möglichst viel, so dass
der Tumor durch eine thunlichst schmale Bauchwunde durch¬
geführt werden kann. So verfuhr Spencer W T ells und seine
unmittelbaren Jünger. Hierbei wird also jede weitere Eröff¬
nung der Bauehhöhle, jede unnöthige Entblössung der Bauch¬
eingeweide vermieden, von denen man in der That bei vielen
dieser Fälle gar nichts zu sehen bekam. Andere Operateure
legten dagegen den Tumor und somit die Bauchhöhle mehr frei.
Während der Tumor durch die Bauchwunde herausgezogen
wird, so dass der Stiel zum Vorschein kommt, hält nun erst
ein Assistent mit einer Hand die Bauchwunde zu und so die
Intestina zurück. Vorher macht eben die kleine Schnittöffnung,
welche immer dicht von dem hervorgezogenen Tumor ausgefüllt
wird, das Zurückhalten der Baucheingeweide überflüssig. Nun
reinigt man den Stiel, prüft seine Dicke etc. Spencer Wells
hat noch eine gewisse Vorliebe für die Klammerbehandlung.
Er wendet sie zwar nicht mehr ausschliesslich, aber zweifel¬
los sehr viel häufiger an, als die Ligatur, welche von den übri¬
gen Opperateuren und, wie es scheint, auch jetzt ziemlich all¬
gemein bei uns in Deutschland bevorzugt wird. Ich komme
weiter unten darauf zurück. Die Procedur der Klammeranlegung
ist allerdings sehr viel einfacher und rascher geschehen. Er
fasst die ganze Partie in eine seiner (vorher ausgeglühten)
Klammern, dreht die Schraube mittelst einer Kornzange zu und
schneidet über der Klammer den zusammengefallenen Tumor
ab. Etwa noch blutende Stellen werden mit Liquor Ferri
sesquichlor, betupft. Klammer und Stielende werden in den
unteren Wundwinkeln eingeklemmt, die Klammer natürlich quer
gestellt (d. h. senkrecht zur Wundlinie). Nun kommt die sorg¬
fältige Reinigung der Bauchhöhle mit Schwämmen. Uebrigens
wurde dieselbe in den Fällen, wo eine breitere Eröffnung ge-
Qriginal fra-m
UNIVERSUM OF MICHIGAN
22
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 2
macht war, schon vorher wiederholt ausgewischt. Die Schwämme
sind sämmtlich neu, vorher besonders gereinigt und gezählt.
Es wird so lange ausgewischt, bis der Grund trocken ist; dann
schliesslich noch ein etwas grösserer plattgedrückter Schwamm
eingelegt und nun,mit der Naht begonnen. Von Spencer Wells
wurde stets zuerst eine Naht im unteren Wundende oberhalb
der Klammer gelegt, dann aufeinander folgende von oben und
unten nach der Mitte zu, die letze in der Mitte. Das Material
ist gedrehte Seide. Dieselbe nahmen auch die meisten anderen
Operateure; nur Graily Hewitt verwendete theils Silberdraht,
theils Pferdehaare. Spencer Wells und die übrigen Chir¬
urgen nehmen stets das Peritoneum mit in die Naht auf. Wäh¬
rend des Nähens hält der Assistent die Wundränder zusammen,
indem er den oberen Wundwinkel mit der rechten Hand, den
unteren mit der linken fasst und so die Wundlinie spannt. Wenn
die Nadeln sämmtlich gelegt sind, zieht der Operateur die Wund¬
ränder in der Mitte wieder etwas auseinander und entfernt den
vorher eingelegten Schwamm. Es erfolgt die letzte Reinigung
der Wundränder, das Knüpfen der Fäden (in analoger Reihen-
folgn wie sie gelegt wurden, oder in aufsteigender). Reinigung
der Bauchdecken, Entfernung des Gummituches, Verband. Der
Verband ist bei Spencer Well, ihornton, u. a., wie bei
den meisten englischen Chirurgen überhaupt ein trockener
Lintverband. Nur einige, wie Thom. Smith, legen einen
Carboiölverband an. Graily Hewitt war der einzige, welcher
der Operation von Anfang bis zu Ende unter Spray ausführte
und zuletzt auch einen Lister’schen Verband auflegte (cf. später).
Spencer Wells legt um den Stiel, unter die Klammer und zu
beiden SeiteD der Nahtlinie und quer über dieselbe kleine Lint-
compressen (d. i. ein Baumwollenstoff von lockerem, gross-
maschigem Gewebe, der auf einer Seite lockere Fasern hat,
etwa ähnlich wie unsere Flanelle). Darüber kommt feine Watte
und endlich eine grössere Lintcompresse zu liegen. Dieser
Verband wird durch 3 bis 4 handbreite Heftpflasterstreifen
fixirt. Schliesslich legt man darüber noch eine breite wollene
Leibbinde von Flanell um. Sodann wird die Patientin in das
daneben bereit stehende, wohl durchwärmte Bett übertransportirt
und das Zimmer sofort geräumt. Noch bemerke ich, weil es
mir nicht unwesentlich erscheint, dass sobald die Bauchhöhle
eröffnet wird und ebenso während der Entleerung der Cysten
der Narkotiseur von Zeit zu Zeit der Patientin kleine Dosen
(1 Esslöffel voll) Brandy oder Sherry einflösst.
Der Verbandwechsel erfolgt alle 24 Stunden in einfachster
Weise. Die Nähte werden am 5. bis 8. Tage entfernt, die
Klammer gewöhnlich nach 10 bis 14 Tagen.
Alle Fälle, welche ich in dieser Weise operiren sah, heilten
per primam bis auf den unteren Wundwinkel, in welchem der
Stiel durch die Klammer fixirt war. Hier kam es natürlich zur
Eiterung. Doch war sie im ganzen gering. Nach der Abstossung
blieb regelmässig eine vertiefte granulirende Stelle zurück und
weiterhin eine stark eingezogene Narbe, welche immerhin einen
ldcus minoris resistentiae der Bauchwand abgiebt. Bekanntlich
hat B. S. Schultze daselbst Hernien entstehen sehen.
Verweilen wir gleich noeh einen Moment bei der wich¬
tigen Frage der Stielbehandlung, so hat die Ligatur und
V ersenkung des Stieles in die Bauchhöhle die erwähnten üebel-
stände nicht. Sie erleichtert im Gegentheil die Heilung per
primam und hinterlässt, wie ich mich ebeufalls häufig in Lon¬
don und anderen Orten überzeugen konnte, eine schöne gleich-
mässig feste lineare Narbe. Aber die Ligatur ist weit schwieriger
zu appliciren und verlangt sehr grosse Umsicht, damit nicht
etwa später ein Theil wieder aus der umschnürenden Schlinge
schlüpfe. Dagegen darf man das Eintreten septischer Entzün¬
dungen meines Erachtens bei der Abwägung des Werthes der
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Google
beiden Methoden der Stielbehandlung nicht mit in Rechnung
bringen. Das kann unter ungünstigen Bedingungen sicher ebenso
bei der Stielversenkung wie bei der Klammerbehandlung Vor¬
kommen und kann, wie die Londoner Erfahrungen lehren, unter
zweckmässiger Wundbehandlung und unter guten Hospitalbedin¬
gungen bei beiden vermieden werden. Spencer Wells machte
für die Klammerbehandlung noch geltend, dass der nach aussen
gezogene Stiel gewissprmassen die Drainage ersetze. Meiner
Ueberzeugung nach eignet sich für die antiseptische Behandlung,
welche wir in Deutschland ja jetzt allgemein auch auf die Ova-
riotomie übertragen haben, besser die Stielversenkung.
Wie schon bemerkt, listert man in England, mit nur weni¬
gen Ausnahmen, bei der Ovariotomie nicht, wie es mir über¬
haupt auffallend war, in den Londoner Hospitälern das Lister-
sche Verfahren auffallend wenig im Gebrauch zu sehen. Spencer
Wells sagte mir, dass er, da er bis dahin 37 Operirte nach
seiner bisherigen Methode ohne einen einzigen Todesfall der
Reihe nach durchgebracht und rasch geheilt habe, bis auf wei¬
teres keine Veranlassung fände, zu listern. Das kann man ihm
unzweifelhaft nicht verdenken! Denn besser können begreiflich
die Resultate überhaupt nicht sein. Und andererseits complicirt
das Lister’sche Verfahren die Operation in mehrfach unan¬
genehmer Weise. Leider haben wir aber in Deutschland noch
nicht so vortrefflich eingerichtete Hospitäler, noch auch so gut
geschulte und reinliche Wärterinnen wie in England. Der be¬
hagliche Comfort, die ausserordentliche Sauberkeit, die vorzüg¬
lichen Ventilationseinrichtungen der Hospitäler, der Luxus in
reiner Leib- und Bettwäsche, die Vortrefflichkeit der Wärterinnen,
die Liberalität in der Beköstigung und Verpflegung der Kranken,
welche die meisten englischen Hospitäler und specieil das Sa-
maritan-Hospital*) auszeichnen, ermöglichen dort Erfolge mit
dem einfachsten Verbandverfahren, wie wir sie bei uus in Deutsch¬
land ohne Antisepsis nur vielleicht in der Privatpraxis — in
den Hospitälern dagegen augenscheinlich eben nur unter Zuhülfe-
nahme des Lister’schen Verfahrens erzielen können. Daher
dürfte es, so lange unsere Hospitalverhältnisse nicht
besser werden, für uns geboten erscheinen, die Ova¬
riotomie stets nur unter Anwendung der Lister’schen
Methode zu machen, welche in der That wenigstens einige
der Uebelstände unserer Hospitaleinrichtungen zu paralysiren
vermag.
Was noch die Anlegung der Ligatur des Stieles anlangt,
so verfuhren die meisten (sie wurde nebst der Versenkung des
Stieles von allen übrigen genannten Operateuren in Anwen¬
dung gezogen) in der Art, dass sie den ausgebreiteten Stiel
in einzelnen Bündeln unterbinden. Mit einer starken Nadel,
welche einen dicken festen Seidenfaden führt, wird der
Stiel durchstochen und zunächst eine kleine Partie unterbun¬
den, dann wird von neuem eingestochen und die darauf fol¬
gende Portion unterbunden und so fort. Jedes Bündel wird
einzeln unterbunden. Einzelne Chirurgen nahmen einen starken
Faden mit 2 Nadeln, was natürlich irrelevant ist. Dann wird
über der Ligatur abgeschnitten. Man sieht nach, ob es noch
blutet und ligirt event. noch isolirt oder cauterisirt mit dem
Ferrunj candens. Die Fäden werden kurz abgeschnitten, de'r
Stiel noch einmal gereinigt und in die Bauchhöhle versenkt.
Bei diesen einfachen Fällen wurden Drainröhren von Spencer
Wells, Thornton, Th. Shmith nicht eingelegt. Dagegen
gebrauchen Bryant und Graily Hewitt auch bei solchen meist
Drainröhren. Dass sie hier nicht absolut nothwendig sind, lehren
die zahlreichen Erfolge jener Chirurgen. Denn selbst die Fälle,
*) An demselben ist bekanntlich Spencer Wells consultirender
Chirurg. Ebenso wirkt dort Thornton.
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
14 Januar 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
23
bei welchen der Stiel mit einer Seidenligatur versenkt wurde, |
heilten meist per primam ohne einen Tropfen von Secretion.
Doch trat zuweilen ein geringes „Wundfieber“ ein, welches auch
bei den Fällen mit Klammerbehandlung gewöhnlich während
der ersten Tage bestand. Ob man auch bei Anwendung des
Lister’schen Verfahrens die Drainröhren zu diesen einfachen
Fällen entbehren kann, muss die Folge lehren.
Im betreff der Operation bei Adhäsionen ist zu be¬
merken, dass umschriebene Verwachsungen zwischen Tumor und
Bauchwandungen und Netz- und Darmadhäsionen von allen
Operateuren gelöst werden. Es geschah das theils mit den
Fingern stumpf, theils mit Messer oder Scheere nach vor¬
heriger Unterbindung oder Torsion der Gefässe. Niemand scheute
sich, Stücke Netz mit wegzuschneiden. War der Darm sehr
fest adhärent, so Hess man, z. B. Hewitt in einem Fall ein
Stück Tumorwand daran. Nach der Lösung der Adhäsionen
erfolgt eine besonders sorgfältige Reinigung. Drainröhre legten
hier fast alle ein, besonders wenn die Adhäsionen reichlicher
vorhanden waren. Bei diffusen ausgedehnten Adhäsionen da¬
gegen begnügte sich Spencer Wells nach der Incision der
Bauchdecken mit der blossen Eröffnung der Cysten und der
Einlegung eines Drainrohres von Glas (einfacher etwa finger¬
starker 4—5" langer Glascylinder, der oben und unten offen,
aber keine Seitenlöcher hat), nach vorheriger Vernähung der
Cystenwandungen mit den Bauchdecken. Das Drainrohr wird
durch aneinanderziehen der Bauchschnittränder befestigt, darauf
ein Schwamm uud ringsum Lint gelegt.
Andere Operateure lösten jedoch in solchen Fällen die
Adhäsionen, so z. B. Thornton und Smith. Die Fälle von
Thornton verliefen günstig; der, bei welchem ich Smith sehr
ausgedehnte Adhäsionen lösen sah, endete letal. Aber es war
hier schon vor der Operation Peritonitis vorhanden gewesen.
Da die Frage, ob man bei ausgedehnten Adhäsionen
eine Lösung derselben mit nachfolgender Entfernung des Tumors
unternehmen oder unterlassen soll, auch bei uns in Deutschland
noch nicht entschieden ist, so erlaube ich mir hier einige Be¬
merkungen über diesen wichtigen Gegenstand anzuknüpfen.
Meines Erachtens hat man hierbei folgendes zu überlegen.
Lasse ich eine allseitig adhärente Cyste ungelöst, so kann sie
durch Eiterung resp. Granulirung verödet werden. Doch dauert
das im glücklichsten Falle 5—6 Monate, gewöhnlich 8—12,
abgesehen von den üblen Ereignissen, welche im Gefolge dieser
langdauernden Eiterung eintreten können, dass eine dauernd
secernirende Fistel Zurückbleiben kann etc. Dagegen ist die
Lösung der Adhäsionen nicht blos sehr schwierig, sondern auch
gefährlich, letzteres theils wegen der eventuellen Nachblutungen,
theils wegen consecutiver profuser Eiterungen, diffuser Peri¬
tonitis etc. Im günstigen Falle ist dagegen die Heilung
schon nach 3—4 Wochen beendet — so in Thornton’s
Fällen — und damit zugleich eine dauernde, weil eben alles
entfernt wurde. — Die Gefahren werden aber durch langsames
Vorgehen bei der Lösung, durch exacte Blutstillung, scrupulöse
Reinigung, durch Einführen von Drainröhren mit nachfolgender
wiederholter Ausspülung erheblich verringert. Unter gleich¬
zeitiger Anwendung der Antisepsis dürfte die Prognose noch
sicherer werden. Wenn aber auf diese Weise thatsächlich das
Risiko der Lösung allseitiger Adhäsionen nicht grösser wird
als das der Verödung der Cyste, so wird es zweifellos be¬
rechtigt sein, in jedem derartigen Falle die Lösung der
Adhäsionen zu versuchen, besonders aber dann, wenn
man eine multiloculäre Cyste vor sich hat.
Das Auffinden der Verwachsungsgrenze zwischen Tumor und
Bauchwandungen kann oft recht schwer sein. Doch findet man
an den Adhäsionsstellen mit dichten weniger feste Partien ab-
Digitized by Google
wechselnd und kann in letzteren Vordringen. Dies geschieht
augenscheinlich leichter, wenn man die Cyste gespalten hat.
So that auch Thornton.
Bei wenig zahlreichen Adhäsionen wurde von Spencer
Wells, Thornton, Smith nicht drainirt; dagegen in den
Fällen, in welchen zahlreiche und umfangreiche Adhäsionen ge¬
löst waren, von allen Chirurgen Drainröhren eingelegt, meist
von Glas, von Hewitt und anderen auch Kautschukdrains.
Das Drainrohr wird in den unteren Wundwinkel eingenäht, die
übrige Wunde wie sonst vereinigt. Natürlich wird vor dem
Wundverschluss die Bauchhöhle auf das exacteste gereinigt,
jede blutende Stelle torquirt oder unterbunden, die Bauchhöhle
wiederholt ausgewischt, bis sie ganz trocken ist. — Der Ver¬
band ist der gleiche, wie oben erwähnt. Die Ausspülung der
Drainröhren geschieht vermittelst einer mit einem Kautschuk¬
rohr endenden Saugspritze und carbolisirtem Wasser, anfänglich
alle 4—6 Stunden, dann täglich einmal. In solchen Fällen
braucht auch Spencer Wells Carbolsäure. — Einmal sah ich
bei Thornton eine Patientin auf dem Bauch liegen. Der Eiter
floss durch das Drainrohr in ein untergestelltes Becken. Noth-
wendig ist meines Erachtens diese Lage nicht, da der Druck
der Bauchhöhle genügend expulsatorisch wirkt, um auch bei
Rückenlage die Entleerung zu bewerkstelligen. — Die Drain¬
röhren wurden gewöhnlich schon am 5. Tage entfernt, selten
später. In der Regel trat auch hier Heilung per primam bis
auf den unteren Wundwinkel ein, und war im allgemeinen der
Verlauf kurz und günstig.
Im Rückblick auf die Operationsfälle (etwa 14—15) und
die noch weit grössere Anzahl von Reconvalescenten, welche
ich in den Londoner Hospitälern sah, habe ich den Eindruck
empfangen, dass die Ovariotomie entschieden nicht mehr zu den
sehr lebensgefährlichen Operationen gehört. Ist auch ein übler
Ausgang noch keineswegs überall zu vermeiden, so sind doch
die Chancen für einen günstigen Verlauf augenblicklich erheblich
grösser. Der Verlauf war in der grossen Mehrzahl der Fälle
ein ausserordentlich günstiger, bei einigen durchaus fieberlos,
bei den meisten dagegen von einem initialen, sehr mässigen
j Fieber begleitet. Einfache Fälle waren schon 14 Tage nach
| der Operation ausser Bett. Die Ursachen des guten Verlaufes
| liegen allerdings zum Theil darin, dass in England die Pa¬
tientinnen weit früher zum Chirurgen kommen. Die meisten
waren noch kräftig und von blühendem Aussehen, und nur ein¬
zelne zeigten die sogenannte „Facies ovariana“. Unzweifelhaft
! muss man aber die guten Erfolge der Operation nicht minder,
| wenn nicht mehr der ausgezeichneten Technik der englischen
I Chirurgen zuschreiben, dann der grossen Reinlichkeit während
der Operation und der gleichen Sauberkeit und dem behag¬
lichen Comfort, welchen man den Patientinnen nach der Opera¬
tion angedeihen lässt, endlich den vortrefflichen Hospitalanlagen
überhaupt,*) welche ich nirgends sonst so wahrhaft zweckent¬
sprechend gefunden habe.
IV. Referate.
! Ein Fall von acuter aufsteigender spinaler Paralyse.
Ein Fall von acuter aufsteigender Paralyse wurde auf der Strass-
I burger Klinik von v. d. Velden beobachtet, und post mortem das Rücken¬
mark microseopisch von Leyden untersucht (Deutsches Archiv für kl in.
Medicin, Bd. XIX. Heft 4). Der Fall betraf einen 52jährigen Mann,
I der längere Zeit vor der Rückenmarkserkrankung an Diarrhöen gelitten;
die Paialyse selbst verlief in etwas mehr als zwei Tagen letal, der Tod
erfolgte im Sopor. Unter den Symptomen ist besonders bemerkenswerth,
das mehrfache Auftieten dyspnoetischer Anfälle, in welchen Pat. die
Erscheinungen der Cheyne-Stokes’schen Athmung bot; das Schlucken
*) All dies, besonders letzteres, kann man in noch höherem Grade
für die Erfolge anderer chirurgischer Operationen gelten lassen.
Original from
UNIVERSETY OF MICHIGAN
24
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 2
war zu keiner Zeit behindert. Während sich bei der macroscopischen
wie bei der microseopisehen Untersuchung der frischen Präparate keine
wesentlichen Abweichungen ergaben. zeigten sich an dem verhärteten
Marke dagegen bei der microseopisehen Untersuchung zahlreiche kleine
Herde myelitiseher Natur, welche am stärksten im oberen Theile
der Halsanschwellung, in sich verringerndem Massstabe bis zum Pons
hinauf und abwärts bis in die Mitte des Brusttheils zu finden
waren. Diese desseminirte Myelitis — vorzüglich sich zeigend in Quel¬
lung und Vergrösserung der Markfasern bes. des Axeneylinders — hatte
vorwiegend die weissen Vorder- und Seitenstränge, in geringerem Grade
die graue Substanz ergriffen. Verff. sind unter Hinzuziehung der anderen
Untersuchungsresultate der Meinung, dass diese Herde wahrscheinlich
nur die intensivsten Alterationen eines mehr diffusen Processes sind,
welcher sich in Vergrösserung der Substanz der Medulla im ganzen,
in Exsudation um die Gefässe, Vergrösserung der zeitigen Elemente und
Schwellung der Nervenfasern darthut. Sz.
Ueber die Excision der syphilitischen Initial-Sclerose
von Prof. Heinrich Auspitz in Wien. Viei*teljahrschr. f. Der-
matolog. u. Syphilis. 1877, p. 107 u. f.
Die Excision der syphilitischen Initial-Sclerose wurde zuerst von
Hueter in einem Vorträge in der Berliner med. Gesellsch. vom 27. Mai
1867*) empfohlen. Eine nähere Ausführung der in dem erwähnten
Vortrag gemachten Vorschläge erfolgte einige Jahre später (1871), wie
sich die Leser dieser Wochenschrift erinnern, durch Paul Vogt. —
Neuerdings hat H. Auspitz die Excision der syphilitischen Primär¬
induration in 33 Fällen ausgeführt und bericht-1 in der obengenannten
Arbeit über die klinischen Ergebnisse der Methode mit bekannter Klar¬
heit und Gründlichkeit. Als die wichtigsten Momente seiner Darstellung
ergeben sich: 1. In den 4 Fällen, bei welchen der Sclcrosirung ein
weicher Schanker vorausgegangen war, trat keine allgemeine Infection
ein. 2. Obgleich in fast allen Fällen indolente Leistunbubonen vor
handen waren, zeigte die sorgfältigste Untersuchung, ausser hie und
da in Folge specieller von der Syphilis unabhängiger Ursachen, doch
nirgends Anschwellung anderer Lymphdrüsen. 3. Diejenigen Fälle, bei
welchen nach der Excision keine neuerliche locale Sclcrosirung auftrat,
biieben in der Regel auch von Syphilis frei. 4. Die nach der Excision
auftretende Phagedaen hindert nicht das Auftreten allgemeiner Er¬
scheinungen; aber sie ist auch nicht als ein Vorbote des Syphilis-Aus¬
bruchs anzusehen. 5. Die Thatsache, dass in einer grösseren Anzahl
wohl constatirter Fälle von Initial-Sclerose die allgemeinen Erscheinungen
ausgebl.eben sind, beweist, dass die Initial-Sclerose pathologisch nicht
als ein Erzeugniss der schon vorhandenen Gesammtinfection, sondern
eben nur als der Ausgangspunkt, als das erste Depot der Infection nahe
der Schwelle des Organismus anzusehen ist, von welchem aus erst die
Durchseuchung erfolgt. Genau dasselbe Raisonnement gilt auch für die
indolente Leistendrüsenschwellung. — Fast sämmtliche Fälle von Exci¬
sion. in welchen die Syphilis ausblieb, hatten zur Zeit der Operation
bereits deutlich geschwollene Leistenplejaden. 6. Die Recrudescenz des
Infiltrats an der Excis ionsstelle in jenen Fällen, wo allgemeine Syphilis
auf tritt, und nur dort, ist nicht als ein Erzeugniss des im Stoffwechsel
kreisenden Giftes, sondern als das Resultat einer localen Einwirkung
ries Infeetionsstoffcs zu betrachten, welcher entweder wegen der unge¬
nügend ausgeführten Excision oder wegen der schon zu weit ausge-
breiteten syphilitischen Veränderung an den Gefässen in der Umgebung
nicht beseitigt werden kann. 7. Ob die Excision in jenen Fällen, in
welchen die Infection dadurch nicht gehindert wurde, irgend welchen
Einfluss auf die Dauer oder Beschaffenheit des Syphilis-Verlaufs übe,
wofür einzelne Krankengeschichten zu sprechen scheinen, muss durch
weitere Studien festgeslellt werden. 8. Die Excision ist als Präservativ-
mittel gegen die allgemeine Infection in jenen Fällen zu empfehlen, wo
es sich um eine kürzere Zeit bestehende Selerose handelt, die ausser
indolenter Leistendrüsen-Anschwellung (s. ad. 5) noch keine weitere
Oomplicationen aufzuweisen hat, deren Silz ein für die Excision günstiger
ist, und deren Operation und Wundpflege mit genügender Sorgfalt aus¬
geführt werden kann. P. Michelson.
V. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Berliner medieinische Gesellschaft,
Sitzung vom 7. November 1877.
Vorsitzender: Herr v. Langenbeck.
Schriftführer: Herr Senator.
Das Protocoll der letzten Sitzung wird verlesen und genehmigt.
Vor der Tagesordnung stellt Herr Bardeleben einen Patienten vor,
an welchem er im Mai d. J. wegen Osteomyelitis die Exarticulatio n im
linken Hüftgelenk gemacht hat. Der Pat. hatte 3 Tage vor seiner am
19. April erfolgten Aufnahme in die Charite in Folge einer Turnübung
Schmerzen und Schwellung im 1. Knie bekommen, welches Leiden trotz
immobilisirenden Verbandes und Anwendung der Eisblase unter heftigem
Fieber zunahm. Durch Incision bis durch das tiefe Blatt der Sehenkel-
*) Diese Wochenschrift, 1867, No. 27.
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Google
: fascie wurden etwa 100 Grm. dünnen Eiters entleert und dabei eine
I Emblössung des Femur in grosser Ausdehnung wahrgenommen. Da
trotz fortgesetzter antiseptischer Behandlung und Drainage das Fieber
anhielt und das Allgemeinbefinden sich verschlechte^ , wurde zuerst
in der Milte des Oberschenkels amputirt und, als dabei der Knochen-
stumpf sich noch erheblich erkrankt zeigte, derselbe noch einmal 5 Ctm.
höher durchsägt, jedoch auch hier noch eitrig infiltrirt gefunden. Es
wurde nunmehr nach der von Volk mann früher beschriebenen Methode
subperiostal der Schenkelkopf enucleirt. Das Befinden besserte sich
sofort, noch 14 Tage lang schwankte die Temperatur zwischen 38 und
39.5° C. und blieb dann normal Die Wunde war am 22. Tage ge¬
schlossen, nach 8 Wochen fing Pat. an mit einer Krücke, zu gehen, und
jetzt geht er mit Hilfe eines einfachen Apparates auffällig gut.
Tagesordnung I. Herr Henoch: Ueber Fieberverhältnisse
beim Scharlach. Von dem gewöhnlichen Fiebertypus bei nicht compli-
cirtem Scharlach kommen verschiedene Abweichungen vor: 1) Das
abendliche Fieber besteht zuweilen noch bis zu 8 Tagen nach dem Er¬
blassen des Exanthems fort,, ohne dass sich locale Ursachen auffinden
lassen, und verhält sich ähnlich der Fiebercurve im Stad, intermittens
des Typhus. 2) Nach anfänglichem rapiden Ansteigen tritt absolute
Fieberlosigkeit ein, während alle anderen Erscheinungen sich in ge¬
wöhnlicher Weise entwickeln, ein Verhalten, wie es bei Masern gewöhn¬
lich ist. 3) In einem Fall hat Herr H. den Typus inversus beobachtet.
4) Das Fieber ist von vornherein auffallend gering, wobei meist auch
die anderweitigen Symptome massig entwickelt sind. — Dauert das
Fieber abnorm lange, über 1 Woche, so muss man Complicationen ver-
muthen. Von diesen hebt Herr H. besonders hervor entzündliche
Processe im Ohr selbst oder in der äusseren Umgebung des¬
selben (Periostitis), Pharyngitis und endlich phlegmonöse Ent-
j Zündungen unter den Kiefern. Bei letzteren pflegt aber ein fieber-
! loser Zeitraum dazwischen zu liegen.
| Was die in neuerer Zeit mehrfach besprochenen Scharlach-Rcci -
| dive betrifft, so hat Herr H davon in letzter Zeit 2 beobachtet. (Der
Vortrag erscheint ausführlich im III. Bande der Chariteannalen.)
Auf die Frage des Herrn Baginski, ob nicht in manchen der als
Scharlach-Recidive beschriebenen Fälle eine Verwechselung mit anderen
in der Keeonvalescenz des Scharlachs aufgetretenen Exanthemen statt¬
gefunden habe, erwiedert
Herr Henoch, dass es in der That in manchen der als Recidive
beschriebenen Fälle sich um das Auftreten neuer Exantheme, wie Masern,
Rötheln, Erytheme gehandelt zu haben scheine Ein solches combi-
nirtes oder schnell hintereinanclerfolgendes Auftreten zweier Exantheme
könne namentlich in Hospitälern, wo Gelegenheit zur Ansteckung viel¬
fach gegeben sei, leicht Vorkommen.
Herr Senator hat in der Poliklinik des Augusta-IIospituls einen
Fall beobachtet, der wohl als wahres Scharlach-Recidiv zu betrachten
ist. Kr betrat ein Kind, welches im vorigen Winter mit deutlicher
grossblätteriger Abschuppung und geringem Hautödem vorgestellt wurde
und nach Angabe der Mutter vor etwa 14 Tagen einen Ausschlag, den
ein Arzt für Scharlach erklärte, gehabt haben sollte und jetzt lebhaft
fieberte. Am folgenden Tage zeigte es ein ausgebildetes scharlachartiges
Exanthem und Pharyngitis. Eine weitere Beobachtung war, da die
Mutter angewiesen wurde, das Kind zu Hause behandeln zu lassen, nicht
! möglich.
I Herr Lew in fragt, wie es sich mit dem Vorkommen von Endo-
! carditis und Gelenkkrankheiten bei Scharlach verhalte.
| Herr Henoch: Das Vorkommen von sog. Gelenkrheumatismus bei
! Scharlach ist seit lange bekannt und nicht selten. In der Mehrzahl
der Fälle handelt es sich um Synovitis, und daneben treten noch Ent¬
zündungen anderer seröser Häute auf, wie der Pleuren oder des Endo-
cards. Die Hcrzaffection insbesondere wird häufig zuerst übersehen und
erst später entdeckt. Auch Chorea kommt bekanntlich vor, gerade wie
bei dem acuten Gelenkrheumatismus.
Herr Perl fragt, ob in den beiden von Herrn H. beobachteten
Recidiv-Fällen eine Milzanschwellung bestanden oder fortbestanden
hatte, wie es nach Tojanowski’s Angabe der Fall sein soll.
Herr Henoch: die Milz war in beiden Fällen nicht zu fühlen, und
ohne eine fühlbare Milzschwellung nehme ich Anstand, eine Milzver-
grösserung sicher zu diagnosticiren, da ich die Percussion allein für un¬
zuverlässig halte. Deshalb halte ich auch die Angaben über eine con-
stanie Milzvergrösserung bei allen Infectionskrankheiten für proble¬
matisch.
Herr Citron fragt, ob nicht etwa in der Zwischenzeit vor dem
Recidiv ein Medicament, wie z. B. Chinin oder Morphium gegeben
worden sei, nach denen ja, wie neuerdings beobachtet, und wie er selbst
in einem Fall nach Morphiumgebrauch gesehen habe, seharlachartige
Exantheme Vorkommen.
j Herr Henoch: Weder Chinin noch Morphium war in jenen Fällen
gegeben worden.
II. Herr Westphal: Ueber ein frühes Symptom der Tabes
dorsalis. Herr W. bespricht das Vorkommen der von ihm als Knie-
phänomen beschriebenen Erscheinung und hebt das Fehlen derselben
schon im allerersten Beginn der Tabes hervor, wo die Diagnose der
Krankheit noch zweifelhaft ist. (Der Vortrag ist ausführlich in dieser
Wochenschrift No. 1 d. J. erschienen.)
Original from
UNIVERSITY OF MICHIGAN
14. Januar 1S7S.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
25
Gesellsehaft für Geburtshilfe und Gynäkologie in Berlin.
Sitzung vom 10. Juli 1877.
Vorsitzender: Herr Ebell.
Schriftführer: Herr Fasbender.
1. Herr Schülein: Ueber Carbolinjectionen in die Va¬
gina und den Uterus bei Wöchnerinnen.
Die Beobachtungen des Herm Schülein wurden an dem Material
der hiesigen Universitätsklinik gemacht. Der Vortrag ist unterdessen
in der Zeitschrift für Geburtshülfe und Gynäkologie (II, 1) erschienen.
In der Discussion bemerkt Herr Haussmann, prophylactische,
desinficirende Injectionen seien bei jeder Geburt ohne Ausnahme nöthig.
Die Vagina enthalte in der Schwangerschaft sehr häufig catarrhalisches
Material, Stoffe, die sehr wohl geeignet wären, Entzündungen zu erregen,
wenn sie auch nicht gerade immer septisch zu wirken brauchten.
Herr L ö h 1 e i n: Die günstigen Resultate, die man seit Anwen-
dung der Carbolinjectionen im Puerperium aufzuweisen habe, seien doch
nur mit einer gewissen Vorsicht auf Rechnung dieses Verfahrens allein
zu setzen. Man nehme es überhaupt jetzt mit der Desinfection der
Finger, Instrumente etc., genauer als früher, und wie viel auf den An-
theil dieses Umstandes komme, möge schwer zu bestimmen sein. Uebel-
riechendes Fruchtwasser, reichlicher Fluor, voran gegangene Tamponade,
müssten zu y>rophylaetischen Einspritzungen auffordern. Niemals sei
übrigens die Ausführung der Irrigationen den Hebeammen anzuvertrauen.
1 Mal habe er nach 2 Tagen Carbolismus beobachtet.
Herr Martin möchte die Injectionen nicht gerade für ganz unge¬
fährlich halten und glaubt, dass ihr Nutzen dadurch wesentlich beein¬
trächtigt werde, dass Aerzte häufig erst beim Beginn der Sepsis hinzu¬
gezogen würden. Dann sei die Resorption an der Oberfläche vorüber
und die Ausspülung unnütz. Der Sch ülci n’schen günstigen Mortali¬
tätsziffer stellt er die ebenfalls guten, in derselben Anstalt ohne Car¬
boleinspritzungen erzielten Resultate aus der Zeit gegenüber, wo er als
klinischer Assistent in den Wochensäleii beschäftigt war. Nur im dritten
Halbjahr seiner genannten Thätigkcit sei die Sterblichkeit auf 3,9 pCt.
gestiegen, indem durch einen unglücklichen, nachweisbaren Zufall eine
Reihe von Wöchnerinnen inficirt wurden.
Herr Ebell wirft die Frage auf, ob man bei Anwendung der In¬
jektionen auch qualitative oder quantitative Veränderungen der Lochien
(Herr Schülein hat solche nicht gesehen) beobachtet habe. Er lasse
seit S Jahren nicht durch Hebeammen, sondern durch dazu angestellte
Personen Injectionen in den Uterus mit sehr günstigem Erfolge machen.
Er wisse nicht, an welche Gefahren Herr Martin denke, worauf dieser
erwidert, dass in einzelnen Fällen Blutungen und Parametritiden zu
fürchten seien.
Einer Bemerkung des Herrn Kauffmann gegenüber, welcher auf die
Schede’sche Drainage aufmerksam macht, nimmt Herr Martin die
Priorität dieses Verfahrens für Herrn Langen buch in Anspruch, der
es schon im Jahre 1875 im Lazaruskrankenhause in Anwendung gezogen
habe. (Conf. Lansenbuch’s Aufsatz in der Zeitschrift für Geb. und
Gynäk. II, 1).
Herr Fasbcnder verweist bezüglich der Resultate der Carbol¬
injectionen im Puerperium, die in sehr grosser Zahl in der augen¬
blicklich unter seiner Leitung stehenden Gebärablheilung des Charite-
Krankenhauses ausgeführt wurden, auf eine demnächst zu erwartende
Arbeit des Herrn Stabsarztes Dr. C. Richter. (Unterdessen in II, 1
der Zeitschrift für Geb. und Gyn. erschienen).
2. Herr C. Rüge demonstrirt einen Ovarialtumor, der nach Spontan¬
ruptur operaiiv entfernt worden ist. Der letale Ausgang war nach 16 Tagen
ein getreten.
VI. Feuilleton.
Vom Kriegsschauplatz.
Von
Dr. O. Heyfelder.
Alexandropol, 10./22. November 1877.
Gestern machte ich mit zwei Aerzten einen Ausflug nach Klein-
Karaklyss (7 Werft von hier) zur Besichtigung der Feldhospitäler No. 37
und 38. Bei warmem Wintersonnenschein fuhren wir im offenen Wagen
auf einem jetzt vortrefflichen, weil trockenen und glatt gefahrenen Wege,
der aber bei feuchter Witterung seiner lehmigen Beschaffenheit wegen
schwer passirbar sein muss. Das armenische Dorf liegt an einem Hügel
und imponirt- per distance durch seine Lage wie durch seine stattliche,
aus Stein aufgeführte Kirche. In der Nähe besteht es aber aus lauter
haibunterirdischen Wohnungen. Von der Vorderseite ist eine Höhle in
den Berg gegraben, der Eingang mit Balken gestützt und mit einem
Vordach versehen: irgendwo in der Höhe ist ein Luft- und Lichtloeh
angebracht, das bei Wohlhabenderen mittelst einer kleinen Scheibe ge¬
schlossen wird. Im ganzen Orte ist ein Häuschen mit zwei wirklichen,
senkrechten Fenstern und ein anderes mit einem solchen Fenster. Die
Officiere der in Klein -Karaklyss stehenden Dragonerescadron und die
Aerzte wohnen in solchen Erdhöhlen. Ein Ofen von Eisenblech, ein
Teppich an der Wand, wenn es gut geht, ein zweiter auf dem Boden,
machen die Existenz in diesen Räumen für die Herren einigermassen
möglich.
Die beiden Hospitäler hatten als Insassen nur verwundete und kranke
Türken, welche in den grossen russischen Doppelzelten so gut als irgend
möglich untergebracht waren, jedoch nicht wenig von der Kälte litten.
Seitdem sind noch eine Anzahl der halb unterirdischen Wohnungen für
dieselben requirirt worden. Unter den türkischen Verwundeten zeigte
uns der Oberarzt von No. 37 eine Reihe höchst bedeutender Säbelwunden,
die alle von den wuchtigen Hieben unserer Dragoner herrühren. Neben
einander lagen zwei Schädelverletzungen, eine beinahe wie die andere,
wo der hervorragendste Theil des linken Scheitelbeins sammt einem Stück
Gehirn abgehauen war. Die ganze grosse Wundfläche granulirte prächtig,
die Gehirnbewegungen waren vollkommen zu beobachten, das Allgemein¬
befinden im gegenwärtigen Augenblicke ungestört, der eine von ihnen
etwas schläfrig, ohne jedoch irgend eine Störung der Intelligenz, der
Bewegung und der Sensibilität. Zwei weitere parallele Fälle lagen in
einem zweiten Zeit bei einander. Beiden war das halbe Gesicht und
das linke Ohr horizontal durchhauen, bei dem einen die Weichtheile des
Gesichts so zu sagen vom Knochen abgeschält. Die Wiedervereinigung
der ungeheuren Lappen und der in zwei Hälften geschnitteten Ohren
war mit mässiger Deformität gelungen. Bei dem zweiten war eine Oeff-
nung in dem Ohr zurückgeblieben. Auch hier, wo etwa 350 Türken,
darunter die Hälfte verwundete, lagen, bestätigte sich die Beobachtung
der grossen Ertragungsfähigkeit der Orientalen und der Leichtigkeit, mit
welcher bei ihnen die Wunden heilen. Dagegen erliegen die aus einem
wärmeren Klima stammenden Gefangenen den inneren Krankheiten, be¬
sonders Typhus und Dysenterie, vielfach und sterben wie die Fliegen.
Sie werden mit denselben Mitteln, derselben Sorgfalt und unter den¬
selben äusseren Verhältnissen gepflegt und behandelt, wie die russischen
Verwundeten und Kranken. Auch ein russisches Kriegslazareth, nämlich
No. 35, musste bis zum 13. 25. November in Zelten aushalten, weil die
ihm in der Festung zugewiesenen Räumlichkeiten noch eine Desinfection,
Lüftung und besondere Einrichtung für die Aufnahme der Kranken
durchmachen mussten. Seit dem 14./26. aber befinden sich alle Ver¬
wundeten unter Dach. Nur Kranke, denen die frische Luft mehr oder
weniger zuträglich ist, die keine Verbände brauchen, befinden sich noch
in den Feldhospitälern No. 9, No. 7, No. 45 in Zelten. Dafür ist in
Alexandropol jedes irgend passende Local, meist Schulen. Hotels, Klubs
für die Hospitäler in Anspruch genommen worden. Man hat sie des-
inficiit, zum Theil geweisst, mit Ventilationsöffnungen versehen und die
Kranken so gut darin untergebracht, als es geht. Täglich werden hun¬
derte auf dem Wege nach Tiflis evaeuirt, dreimal die Woche werden
andere Transporte in die wohlhabenden Dörfer der Duchoborzen (Ducho-
borzen sind eine russische Secte) vertheilt. Es ist nämlich die Einrich¬
tung so getroffen, dass Leute, welche den Transport vertragen und noch
eine längere Zeit für ihre Genesung bedürfen, einzeln in solchen Bauern¬
häusern untergebracht werden. Man bezahlt für ihren Unterhalt. Ein
Arzt und ein Feldscheer bewohnen denselben Ort, haben Arzneien, Ver¬
bandmaterial, Instrumente bei sich. Wenn nun ein grosser Ort 80 bis
100 Familien enthält, so sind daselbst 100—150 Convalescenten gut
untergebracht und das so wichtige, allgemein anerkannte Princip der
Zerstreuung in Anwendung gebracht.
19. Novemb.
1. Decemb. l877-
Meine Aufgabe am gestrigen Tage bestand darin, die am Abend an¬
gekommenen und in die freien Plätze einrangirten Verwundeten von
Kars und Erzerum aus den vier Zelthospitälern wieder auszusuchen und
in die fünf Stadtmilitärlazarethe überzuführen. Bei dieser Gelegenheit
konnte ich mich überzeugen, dass auf Befehl des Militärinspectors der
Hospitäler, General Sederholm, nach dem Muster der von mir (Kriegs¬
chirurgisches Vademeeum, Petersburg 1874) beschriebenen geheizten Zelle
einige Zelte mit Oefen und Fenstern versehen waren. Die Kranken
lobten sich die Sache recht sehr; ob es aber in dem kleinasiatischen
Hochland für den ganzen Winter durchführbar sein wird, wie in Frank¬
reich und am Rhein, ist noch die Frage. Nachdem für die 50 Ver¬
wundeten Platz gefunden, einige dringende Operationen im Feldlazareth
No. 9 ausgeführt, und die Ueberführung in geschlossenen, auf Ressorts
liegenden Fourgons vor sich gegangen, ward mir am folgenden Tage
der Auftrag, aus allen Hospitälern 100 transportable Verwundete für
die Zerstreuung in Dörfern auszusuchen, wobei sowohl die Ansichten der
behandelnden Aerzte, als die Wünsche der betreffenden Berücksichtigung
finden. Nachdem auf diesem Wege, neben der gewöhnlichen, stets fort¬
schreitenden Evacuation, die Ueberhäufung der Hospitäler .wesentlich ge¬
mindert wurde, welche seit dem Sturm auf Kars und den Affairen bei
Erzerum sehr bedeutend war, so liegen heute in den verschiedenen An¬
stalten breit und bequem eine mässige Anzahl vorzugsweise schwerer
und interessanter Fälle. Auch aus diesen erhielt ich den Auftrag, noch
15 Mann auszuwählen, welche in das nach Tiflis (aus Eriwan) überge¬
siedelte finnländische Hospital in den Fourgons des rothen Kreuzes über¬
geführt werden sollen. Somit besitzt Tiflis die drei Hospitäler des
rothen Kreuzes, während hier keines mehr functionirt. Daselbst bezog
Winterquartiere das sogenannte holländische unter Dr. Tilling, das
sogenannte Döpt’sche, früher Reyher’sche unter Dr. Berg, da Pri-
vatdocent Dr. Reyher nach Dorpat zurückgekehrt ist, und endlich das
finnländische unter Dr. Horn.
Unterdessen fordert der Krieg unter dem Sanitätspersonal nicht we¬
nige. Opfer. Aerzte, wie barmherzige Schwestern, erliegen in der treuen
Erfüllung eines schweren und gefährlichen Berufs, ohne dass ihren
Leichen derselbe kriegerische Pomp oder dieselbe allgemeine Theilnahmc
folgt, wie denen der auf dem Schlachtfeld gefallenen Krieger. Ich er-
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
26
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 2
fülle eine traurige Pflicht als College, mehrerer hier gestorbenen Aerzte
ehrend und liebend zu gedenken. Vor Kars starb am Typhus Dr. Ar-
senief, Oberarzt des fliegenden Moskauer Lazareths, der mit mir zu¬
sammen gesund und froh im Juni aus Moskau ausfuhr. Fast gleich¬
zeitig erlag hier Dr. Klaskof aus Lithauen derselben Krankheit, nach¬
dem er fast ein Jahr Verwundete und Typhöse behandelt. Endlich
starb Dr. Karsakof an Pyämie in Folge einer inficirten Handverletzung
nach langen und schweren Leiden. Der letztere wurde zugleich mit
zwei gefallenen Officieren aus der hiesigen griechischen Kirche auf den
„Hügel des Ruhmes“, Militärkirchhof, hinausgetragen. Beiden hier ver¬
storbenen Aerzten folgte eine grosse Anzahl ihrer Collegen zur letzten
Ruhestätte. __
Ta^es^eschichtliche Notizen, f
Berlin. Die ärztlichen Vereine in Berlin, welche die
Vertretung der Standesinteressen auf ihre Fahne geschrieben
haben, sind zur Bildung eines Central-Ausschusses zusammenge¬
treten, und zwar folgt die Zusammensetzung desselben in der Weise,
dass jeder Verein seinen Vorsitzenden und durch Wahl ein anderes
Vorstandsmitglied und ausserdem ein Vereinsmitglied dazu dclegirt. Am
4. d. M. hat sich der Central-Ausschuss bereits constituirt. Von den
7 dazu gehörigen Vereinen waren erschienen 1) der West-Verein, ver¬
treten durch Geheimen Medioinalrath Professor Bardeleben, Sanitäts-
Rath Dr. Veit. Dr. Paul Boerner, 2) Süd-West-Verein, vertreten durch
Geheimen Sanitäts-Rath Dr. Körte, Dr. C. Küster, Sanitäts-Rath
Doebbelin, 3) Louisenstadt, vertreten durch Sanitäts-Rath Semler,
Dr. Guttstadt, Decernent am Kgl. statistischen Bureau, 4) Friedrich¬
stadt, vertreten durch Sanitäts-Rath Ohrt man, Dr. Oldendorf, Ge-
heim-Medicinalrath Professor Leyden, 5) Friedrich-Wilhelmstadt, ver¬
treten durch Dr. Boettieher, Privatdocent Dr. Martin, 6) Königstadt,
vertreten durch Samläts-Rath Dr A. Loewenstein, Dr. Seemann, Dr.
Krüger. Der Ost-Verein war nicht vertreten. Der provisorische Vor¬
sitzende, Geheimrath Bardeleben, der die Verhandlungen, weiche das
Zustandekommen des Central - Ausschusses bezweckten, bisher geleitet
hatte, eröffnete die Sitzung mit Vorlesung der Statuten, benef Dr. Gutt-
stadt zum Schriftführer und leitete die Wahlen des Büreaus. Das
Loos entschied dafür, dass der Verein Friedrich-Wilhelmstadt den Vor¬
sitz zu führen habe. Zum 1. Schriftführer wurde Herr Guttstadt,
zum 2. Schriftführer Herr C. Küster gewählt. Eine Commission, be¬
stehend aus den Herren Semler, Loewenstein und Oldendorf,
wurde beauftragt, eine Geschäftsordnung zn entwerfen. Nächste Sitzung
am 1. Februar.
— Herr Dr. Hirt, welcher einen Ruf als Professor der Hygieine
nach Utrecht erhalten, denselben aber abgelehnt hatte, ist zum Professor
extraordinarius in Breslau, wo er bisher Privatdocent gewesen, ernannt
worden. — An Linhart’s Stelle ist, wie es heisst, Herr Prof. Bergmann
in Dorpat zur Direction der chirurgischen Klinik in Würzburg berufen,
und soll er den Ruf bereits angenommen haben. — In Basel starb plötz¬
lich am 15. December v. J. der Professor der Anatomie Dr. Ernst Emil
Hoffmann, geboren am 26. April 1827.
— Der vor kurzem verstorbene Deputirte Raspail, einer der Haupt¬
kämpfer für republicanische Freiheit in Frankreich, ist auch auf medi-
cinischem Gebiete einst viel genannt worden. Obwohl nicht Arzt von
Beruf — er hatte vielmehr das juristische Studium absolvirt — hatte
er frühzeitig sich naturwissenschaftlicher Beschäftigung hingegeben und
die Früchte dersell»n in einer grossen Reihe botanischer, paläontolo¬
gischer, chemischer und microscopisch-chemischer Arbeiten veröffentlicht.
Vor vielen Jahren hatte er auf Grund einer von ihm selbst aufgestellten
und ausgearbeiteten -- freilich schon oft in verschiedenen Formen da¬
gewesenen — Theorie, nach welcher säramtliche Krankheiten auf Ein¬
wanderung von Parasiten beruhen sollten, den Kampher als Panacee
gegen alle krankhaften Zustände empfohlen und viele Präparate dieses
Arzneimittels, mit Zuhülfenahme guter pharmaceutischer Kenntnisse,
hergestellt, von w»*lchen sich die Cigarettcs camphrees und eine Aqua
sedativa aus Spiritus eamphoratus bereitet auch bei uns erhalten haben.
Diese ärztliche Thäiigkeit hat ihm den Beinamen „Kamphermann“ und
mehrmals Verurthcilungen wegen Medieinalpfuscherei, aber auch gleich¬
zeitig grosse Reichthiimer eingetragen. I
— Der frühere Gymnasial-Director, Herr Geh.-Hofrath Dr. Perthes j
beabsichtigt in Davos eine Unterrichts- und Erziehungs-Anstalt — ;
Fridericianuin — zu gründen, welche vorzugsweise solche Knaben und j
Jünglinge berücksichtigt, denen ärztlich, sei es prophylaktisch oder ,
therapeutisch, ein mehrjähriger Aufenthalt in Davos empfohlen ist. Der I
Unterricht soll nach Art unserer Gymnasien und Realschulen geleitet j
werden, um schliesslich die Schüler zum Abiturientenexamen zu be- I
fähigen, aber unter derartigen Modificationen, Hass der Curzweek nicht
geschädigt und alle auf die Gesundheit bezüglichen Rücksichten ge¬
wahrt bleiben. Die Anstalt soll am 1. August 1878 eröffnet werden;
ein Prospect für dieselbe ist bereits erschienen und kann von Herrn
Geh.-Rath Perthes in Davos-Platz bezogen werden. Wir können das
Unternehmen nur mit Freude begrüssen und der Unterstützung der
Herren Collegen aufs beste empfehlen.
— Den Veröffentlichungen des Kaiserlich deutschen
Gesundheitsamtes No. 1 entnehmen wir über das Ausland folgende
Nachrichten: Die Zahl der Pocken t-odesfäl le in London erreichte
fast dieselbe Höhe wie in der vorangegangenen Woche (29 gegen 31.)
Die Zahl der Pockenkranken in den Hospitälern betrug 335, die der
Neuerkrankungen 83. ln Wien war die Zahl der Pockentodesfälle gleich¬
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Gck igle
falls dieselbe (12), in Prag und Triest etwas kleiner, j n Barcelona gegen
die Vorwoche etwas vermehrt. Masern und Keuchhusten fordern
namentlich in London viele Opfer, während das Scharlachfieber da¬
selbst nachlässt. Diphtherische Affectionen werden in Budapest
und Paris häufig Todesveranlassung; desgleichen Darmkatarrhe der
Kinder in Budapest. Entzündliche Erkrankungen der Athmungsorgane
führten an vielen Orten, besonders jedoch in London, häufig zum tödtlichen
Ende; in der Berichtswoche erlagen daselbst 425 Personen entzünd¬
lichen Krankheitsprocessen der Athmungsorgane. Unter-
leibstyphen waren nur in Petersburg und in Budapest häufiger.
— In der Woche vom 7. bis 15. December sind in Berlin 503 Per¬
sonen gestorben. Todesursachen: Masern 5, Scharlach 27, Rothlauf 1,
Diphtherie 23, Kindbettfieber 6, Typhus 6, Syphilis 2, Rheumatismus 1,
mineralische Vergiftungen 2, Petroleumdunstvergiftungen 2, Sturz 5, Er¬
schlossen 1 (Selbstmord), Ersticken 1, Erhängen 4 (Selbstmorde), Lebens¬
schwäche 38, Abzehrung 15, Rhachitis 1, Drüsenäbzehrung 2, Atrophie
der Kinder 3, Altersschwäche 14, Krebs 15, Wassersucht 4, Herzfehler 11,
Hirnhautentzündung 5, Gehirnentzündung 12, Apoplexie 14, Tetanus
und Trismus 11, Zahnkrämpfe 3, Krämpfe 35, Kehlkopfentzündung 8,
Croup 3, Pertussis 13, Bronchitis acuta 4, chronica 6, Pneumonie 25,
Pleuritis 5, Phthisis 62, Peritonitis 6, Diarrhoe 12 (darunter 11 Kinder
unter 2 J.), Brechdurchfall 10 (darunter 9 Kinder unter 2 J.), Magen-
und Darmentzündung 1, Magen- und Darmkatarrh 5 (Kinder unter 2 J.),
Nephritis 4, andere Ursachen 64, unbekannt 6.
Lebend geboren sind in dieser Woche 394 m., 413 w., darunter
ausserehelich 49 m., 61 w., todtgeboren 21 m., 15 w.
Die durchschnittliche Sterblichkeit dieser Woche beläuft sich auf
25,7 pro Mille der wahrscheinlichen Bevölkerungszahl, die entsprechende
Geburtenziffer auf 41,3 pro Mille (beide Summen mit Ausschluss von
1,8 pro Mille der Todtgeborenen).
Witterung: Thermometerstand: 2,12, Abweichung: 1,34, Ba¬
rometerstand: 28 Zoll 1,89 Linien. Dunstspannung: 2,71 Linien.
Relative Feuchtigkeit: 82 pCt. Himmelsbedeckung: 8,4. Höhe
der Niederschläge: 1,3 Pariser Linien.
In der Woche vom 16. bis 22. December sind in Berlin gemeldet:
Typhus-Erkrankungen 15, Todesfälle 9. _
VII. Amtliche Mittheilangen.
Personal!».
Auszeichnungen: Seine Majestät der König haben Allergnädigst ge¬
ruht, dem practischen Arzt etc. Dr. Neukirch zu Mechernich im
Kreise Schleiden den Rothen Adler-Orden 4. Klasse und dem Hofrath
und Hofzahnarzt Dr. Wilhelm Suersen zu Berlin den Character als
Geheimer'Hofrath zu verleihen.
Anstellungen: Der Bezirks-Physikus Privat-Docent Dr. Hirt ist zum
ausserordentlichen Professor in der medicinischen Facultät der Uni¬
versität Breslau, der Arzt Dr. Günther zu Halle a./S. mit Anweisung
des Wohnsitzes in Luckenwalde zum Kreis-Wundarzt des Kreises Jüter-
bock-Luekenwalde und der praotische Arzt Dr. Plien mit Belassung
seines Wohnsitzes in Süchteln zum Kreis-Wundarzt des Kreises Kempen
ernannt worden.
Niederlassungen: Assistenzarzt Dr. Raths in Riesenburg, Dr. Eck¬
stein iu Naumburg a./B., Dr. Buddenbcrg in Quakenbrück.
Verzogen sind: Dr. Krieger von Schlawe nach Putlitz, Dr. Rahn
von Neustettin nach Bärwalde, Arzt Bessert von Salzwedel nach
Freistadt, Ober-Stabs- und Regimentsarzt Dr. Gebser von Glogau
nach Mainz, Dr. Rinck von Hille nach Elberfeld.
A potheken-An gelegen hei ten: Der Apotheker Assmy hat die
Schlichting’sche Apotheke in Christburg, der Apotheker Haentz-
schel die Marquard’sche Apotheke in Lychen gekauft. Dem Apo¬
theker Schneider ist die Administration der Winkelmann’sehen
Apotheke in Polkwitz übertragen worden,
Todesfälle: Dr. Bertling in Emsbüren, Kreis-Wundarzt Sanitätsrath
Dr. Felsch in Kyritz.
Militär-Ae rate.
22. December 1877. Dr. Bardeleben, Dr. Wilms, Gen.-Aerzte 2. Kl.
ä la suite des Sanitätskorps, Dr. Wcgner, Gen.-Arzt 2. Kl. des
III. Armeekorps — der Character als Gen.-Arzt 1. Kl. verliehen.
Dr. Kaddatz, Stabs- und Bats.-Arzt vom Garde-Schützen-Bat., zum
Lauenburg. Jäger-Bai. No. 9, Dr. Marhcine ke, Stabs- und Bats.-Arzt
vom 3. Garde-Gren.-Regt, zum Garde-Schützen-Bat., Dr. Loew, Stabs¬
und Bats.-Arzt vom 3. Po mm. Inf.-Rcgt. No. 14, zum 3. Garde-Gren.-
Reg., Dr. Winchenbach, Stabs- und Bats. - Arzt vom 8. Ostpreuss.
Inf.-Reg. No. 45, zum 3. Pomm. Inf.-Reg. No. 14 versetzt.
Inserate.
Die mit einem jährlichen festen Einkommen von 1800 Mark und
mit ebenso grosser Praxis verbundene Stelle eines practischen Arztes
zu Altenkirchen auf Rügen ist zum 1. Mai d. J. zu besetzen. Die Miethe
für das mit einem Garten verbundene, ausreichende Wohnhaus beträgt
circa 30 ) Mark. Die Herren Bewerber, welche nähere Auskunft wünschen,
wollen sich gefälligst melden bei dem jetzigen Arzt, Herrn Dr. Roese,
der die Stelle Familien-Verhältnisse halber aufgiebt, bei dem Ortsvor¬
stand Bader in Attenkirchen oder bei dem Gutspächter Fock zu
Presenske bei Altenkirchen auf Rügen.
Original from
UNIVERSITY OF MICHIGAN
14. Januar 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
27
Zu sogleich ist die lohnende alleinige Arzt-Stelle hierselbst zu be¬
setzen. Auskunft erthcilt
Niemegk, R. B. Potsdam. B. Rudolph,
_ Apotheker. _
Bekanntmachung:.
Bei dem hiesigen städtischen Kraukenhause soll die Stelle eines
Assistenzarztes sofort auf zwei Jahre vorbehaltlich einer beiden Theilen
innnerhalb dieses Zeitraumes freistehenden dreimonatlichen Kündigung
mit einem approbirten Arzte besetzt werden.
Das Einkommen besteht in 1320 Mark jährlich, ausserdem wird
eine aus zwei Zimmern bestehende Dienstwohnung nebst dem erforder¬
lichen Heizmaterial gewährt.
Meldungen sind sofort an uns einzusenden.
Stettin, den 2. Januar 1878.
Der Magistrat.
Da ich mich zur Ruhe setzen will, so beabsichtige ich. meine gute
alte Praxis, in der Nähe Berlins und in wohlhabender Gegend mit einem
Jahreseinkommen von 4500 bis 6000 Mark, gegen Anzahlung von einigen
hundert Thalern sofort an einen jüngeren Arzt abzutreten. Adr. werden
erbeten: Herrn Kaufmann M. Moral, Berlin, Königstrasse 46.
Ein junger Arzt,
welcher auch Geburtshelfer ist, wird nach dem ohnliingst erfolgten Tod
des zweiten hiesigen Arztes für die Kreisstadt Schönau (Reg.-Bezirk
Liegnitz) so fort gesucht. Abgesehen davon, dass hier stets zwei Aerzte
domicilirten, bietet die Umgegend hinreichende Gelegenheit zu einer er¬
giebigen Praxis, da gegenwärtig im Kreise überhaupt nur zwei Aerzte
sind. Ausser dein Salair als Impfarzt und städtischer Armenarzt dürfte
dem betrelfenden Arzt, auch wenn er das forensische Examen noch nicht
gemacht haben sollte, der noch vacante Posten des Kreiswundarztes mit
einem Gehalt von 600 Mark wohl „commissarisch" übertragen werden. j
Schönau, den 8. Januar 1878. '■
Der Königl. Kreisphysikus Der Bürgermeister I
Dr. Bock. Hantke. j
Ein junger promov. Arzt sucht zum Frühjahr Praxis mit Fixa |
in kleinerer oder mittlerer Stadt. Offerten durch die Exped. sub J. K. 1. ,
Bekanntmachung.
Die Oberwärterstelle an der Provinzial-Irrenanstalt bei Halle a./S. j
wird am 15. März d. J. vacant. !
Befähigte Bewerber wollen sich unter Eingabe genügender Legiti¬
mationen und empfehlender Zeugnisse bei der Direction genannter An¬
stalt melden. _
Die Stelle der Otoerw&rterin (Oberaufseherin) an der Irren-
Heilanstalt Sachsenberg ist vacant. Gehalt: 525 M. jährlich und voll¬
kommen freie Station 2. Classc. Damen, welche sich für diese Stelle
geeignet glauben, wollen ihre Bewerbungen mit Angaben über ihr Alter,
Lebensentwickelung und bisherige Lebensstellung, sowie unter Beifügung
etwaiger Zeugnisse an den Unterzeichneten einreichen.
Sachsenberg bei Schwerin in Meckl., den 30. December 1877.
Medicinalrath Dr. Tigges.
Dr. Edgar Kurz,
früher Assistenzarzt der geburtshilflichen gynäkologischen Klinik zu
Tübingen, practicirt in Florenz.
Viale Principessa Margheriia 58. ___
Mentone.
Vom 10. October ab nehme ich meine ärztliche Praxis in IVKentone
wieder auf. _*_ Dr. E. Stiege.
Wasser-Heilanstalt Laubbach
bei Coblenz am Rhein.
Das ganze Jahr hindurch geöffnet. Kalte und warme Bäder, Elek¬
trotherapie.
Hausarzt: Dr. A. Maurer. Inspector: F. Herrmann.
Meine Heilanstalt för Brustkranke in Görbersdorf
ist das ganze Jahr hindurch geöffnet. Der Pensionspreis beträgt für
Wohnung, Bedienung, Bäder und vollständige Beköstigung pro Woohe
36 bis 51 Mark, je nach der Wahl der Stube.
Görbersdorf ist Post- und Telegraphenstation. Die nächste Bahn¬
station für die über Berlin oder Dresden kommenden Patienten ist
Dittersbach, und für die über Prag oder Breslau kommenden Friedland,
Reg.-Bezirk Breslau.
Briefe an den Unterzeichneten.
__ Pr. Brehmer,
In Denicke’s Verlag in Berlin erscheint:
Central-Zeitung für Kinderheilkunde
unter Itedaction von
Dr. A. Baginsky, und Dr. Alois Monti,
pract. Arzt in Berlin. Docent in Wien.
2 Mal monatlich in gr. Lex. ü . Preis pro Semester 5 Mark.
Bestellungen nehmen alle Buchhandlungen und Postanstalten an.
Prob'-nummcrn stehen gratis und franco zu Diensten.
Einladung zum Abonnement.
Mit dem 1. Januar 1878 beginnt das
Centralblatt für Chirurgie
herausgegeben von
Dr. L. v. Lesser, Dr. H. Schede, Dr. H. Tillmanns,
Leipzig Berlin Leipzig
seinen 5. Jahrgang und wird wie bisher in wöchentlichen Nummern
von mindestens einem Bogen gross 8° zum halbjährlichen Preise von
M. 10. — erscheinen.
Mit dem 1. Januar 1878 beginnt das
Centftlblatt für Gynäkologie
herausgegeben von
Dr. H. Fehling und Dr. H. Fritsch
Stuttgart Halle
seinen 2. Jahrgang und wird von jetzt ab aller 14 Tage in Nummern
von mindestens 1V* Bogen gross 8° zum halbjährlichen Preise von
M. 7. 50 erscheinen.
Alle Buchhandlungen und Fostanstalten nehmen Abonnements
darauf entgegen und stehen Frobenummern und Frospecte gratis
zu Diensten; auch vermittelt jede Buchhandlung die Einsicht in
complete Exemplare der früheren Jahrgänge.
Leipzig, December 1877. _ Breitkopf & HälteL
Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart.
Vom Bewusstsein
in
Zuständen sogenannter Bewusstlosigkeit
Vortrag,
gehalten in der psychiatrischen Seetion der 50. deutschen Naturforscher-Versammlung zn München.
Von
Dr. J. D. A. Koch,
Director der Königl. Pfleganstalt Zwiefalten.
8. Geheftet. Preis 1 Mark.
Lehrbuch
der
Allgemeinen Pathologie.
Für Aerzte und Studirende.
Von
Dr. M. Perls,
ord. Professor und Director des pathologischen Instituts zu Giessen.
I. Th eil.
Allgemeine Pathologische Anatomie und Pathogenese.
Mit 124 In den Text gedreckten Holzschnitten.
Gr. 8. Geheftet. Preis 14 Mark.
Soeben erschien bei mir:
Ueber
33 e fr ul c li t ul n g;
und
Zelltheilung
von
Dr. Eduard Strasburger,
Professor a. d. Universität Jena.
Gr. 8. Mit 9 Tafeln.
Preis 7 Mark.
Jena, 1. Dec. 1877. Hermann Dabis.
_ (0. Poistung’s Buchhandlung).
Bei L. Hirzel in Leipzig ist soeben erschienen und durch
alle Buchhandlungen zu beziehen:
Handback
der
öffentlichen Gesundheitspflege.
Im Aufträge des
deutschen Vereins ffir öffentliche Gesundheitspflege
verfasst von
Dr. Friedrich Sander,
prakt. Arzt und Oberarzt des städtischen Krankenhauses in Barmen,
Sanitätsrath und Bibliothekar des niederrheinischen Vereins
für öffentliche Gesundheitspflege.
gr. 8. Preis: M. 9.
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Vfcrfag v öd August Hirschwald in inmlin,
VfriM
das A. m v 1 nitrit
und
seiiie tliera|>eutiselic Aüweiidn«^
Vm
Dr. Rob. Pick.
1*17: a w i;.i » <; A afla^K. 8. Hm.-' 2 Al.
Picrn Sf }ti-jii t <\<:p H «••rfr.s»'. AyEUtre Vwv kaum 2 dahtvn .eibclurrVhjL
tORäV iü. äi^m dtfe, WcxubMicbv züsaintäcn, w)i% Ins j®t? 3 i von
d«.'ni Amylndrif bekannt 8m soll auf)* dfc «giltm Aniirioobsau-
ludt au/ Oinori Kdrpcr icnliiMn '^ülchi’r Im. * richtig»?* htdt*aUnK üidl oUeh-
v^tä'it4%vi; flhiftdhahnmy mdgoc* int; schwenk und *|uatvölt«’ Krankltoit^-
Jiistondc, auoh oulu. ifnmcC zil heilen, Mahn doch af.Ä.ttJcwczc-n und
•.u badonn
da« w}rks«msle aller BitteriväsBur,
esir.lv . äi/^ökKrtyWirlfuilß'tjtfditUk vurfhrilhall -Vor <}en andern
lAaimivii. fiiumvjisscrn, dass es in ktemeren Quantitäten Wirksam und
bei ianucii m (tel-mudn von keinerlei üblen Fidgon b'^hntor. ist.
Wien. 21. April 1877. Pföf. Ir. ü|*x ÜlfaiM*
. 'Zeichnet sieh d; ? diiiv|j ;m.s. Ua>s es einon mil.j.-o,. rd-'hi uöriftge*
nohmon Gosvhmacl» bat, , " e
'Budapest. 1Februar 1877. Koiiigl; Rath ProL Itf» ■?. JUtfsmyb
Verursacht .*»‘.lb*r k*- längerem Gidttou- hc k-en-rV; X-^-.-hT 4
Wie«. Uh August 1877,/ 'Hafxaib Pref. Br. ti Rkttiher^er.
Oie Wirki.H>$ ist ausnahmslos ;ferih, züyeriiisNig und ffjhirierfch?*,
W ürz bürg. 2b. Juli i 877i
Gclffuütraüi frvf. ftr. Scauzoiii Freiherr n Licbtcnffjs.
• VofK'iiiti*,:'- iti :ulh;n Aiinilinkiur, Afno-jaJ\vaS'vf-Dc{i;di< Or*;»rmcn-
schriftei» c!v. •jraiis du ml» du ; Vci^tmd nu^sd »rechen in Bu.da-vn-'f- Xu-uiai-
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OUf Anregung des- (Irufit ln'. Pv Rtfttb :s. dess» MnthU; Wimicinb.
Mod. < ■.»rros{joiub*nzhlätt. 187.7 \o 8,, |fmt VOB Hfl* d.vmesio.lltcs
IVajiaft
der
Rückenmarks-Krankheiten
V-)i,
Dr. jfe. lii'jdCH.
Ol f\. S*vftU bn der V.niv^rriiiaf 'iVi-jrüi».
. Mi' :.’0 ,'iur. Theil hirlMO' , n Tat»-üi. 1874 7(1. i
\auhdmer Wiiitemiren,
WHlirend tdshor nur m d-u (»sk.il i.seliun »do-hruisörn••• nn<1': MUi* wivlr-
ivnd der Duw-.: i‘; Saison CHdor ^vmunmeii werden knnnn'O. wenvln.i»:in
Y^r?m£v /wisdKnr Gru^bifrzosrl Hh^s. li^iortiiig und ünierzoi/h-
mnrm v.-n jh/i ;» 1> bi.s zu der ofHomllvn .Saison (1. Mfii) im !i■ • t» i
.dö .t’^fU'ObV- »ialder Kajümimur '^oafbader .\'«rFih'nüeh‘t v g^diwvrüjg*-';,
■'umtnrtahjJ eijjgj;riehier U 1 Uztol liüitcl .alle AiitiidimlichkeiiVo ciliar \V fiüefv
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Am-ro P'^in* vuuuii'Ut nv.Mfi* * r- zum l\j-a!iko!,t»-:»n^pC! 1 oon
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Die B 4 rHo«T KHoisohe WocKt^s<;U?ifi. etrc&^nKjedMi
Alonlagr ia d«r St&rVe vor; »DoigrtHt»» l * IGgvu ^r. 4 .
jP*ei* riertöljftUftick ft Mut*, BätiWUtnift» iieluMD
alle Hufhi^adlnögöu Uh4 Bast- \netAhpp an.
Beflrag* woMo man portofrei aa die Bertactlön
I N.-.W ; ' Dfirothttenetr. I«; 79 » oder an die ¥*r-
krgebqufoUaödl'-ffiir roti j\Tiguf,t flirsi inrajd in Ber¬
lin (K. W. Üot«r dop Linder» 68. ) Eineeoden.
KLINISCHE Will IIKNSCJilMIT.
Organ für praktische Aerzte,
Mit Berücksichtigung der preuesischcii Mediciaalverwaitung und JVIedicinalgesetzgebung
nach amtlichen Mittheiiangeu.
Redacteur: Prot Br. L. ftaldeoborg. Verlag, von August Hirschvaiil in Bfrlin.
Montag, den 21. Januar 1878,
ms.
Fünfzehnter Jahrgang.
Inhalt: I. Willer AllgemeineGrundsätze bei der Behandlung.-der Psychosen. — li. SVHerbeek; Uehvr Simulation von Fieber. —
IO- Sachar ii n: Die syptoli tische Pneumonie. — IV. Kritiken ( Hu ckm Klinik der OolttnkkrAnkheittni >r,,( Pinsel.der ptlho-
pa^die — HaanHoo: Kuv*chr.ubrüehe und Verrenkungen — Steiner: Grundriss der .PhysiuI05r.it:. des .%'U.sehcn. fi)? Studirnndc und
Aorztc.— V. YcrhajitftüRgeo ärztlicher Gesellschaften .(Berliner tn.e.di&inisc-he Ge>e!]*diälV} — Vf. V^esgesclncMjivhe'.Notizen. —
V.U.- A mt.fi'Clie- MHiheilungep. — Inserate.
1 . Allgemeine Grttrtdsätüe bei der Behandlung der
Psychosen.
(Vortrag:, iw der Vursammlnng den Schweiz. Urztl
Ce^tEPtoeteiDS W Ölteü am 27» October 1H77.)
Y<ro
Prof. Wille m Bas^i;
Dtfe 'AVi**6»$diaft Er rt ör yZelt hatte dass Be¬
strebe« , $tcb vom ^chÄupjatze des tobens mf»gl3töfe
dem, sich ./imrüekxttainlimHkfast geübte sj*es
cuiäfcl«rdeduckive MetSmfc bedurfte mr AusÄiuog der dimeren
Ooiicen tratKto der Rahe und Stille d,eg StMirzimmCTs., IHo
Wissenschaft der Gepawart zeigt im Gegeuihnile da?. Bestrehiav
ins Leben 5 m treten^ aW ilejr Fülle der Ersc hein nige»; <te für
sie bmuehbare m schöpfen, um aus ihm ihre Wr
stell^npD, ihre Theorien 1 . dml Gesetze abzuleiten. Wir leben
im Zeitalter der ffeobachttmgeip der Erfahrungen^ verfoi^eii
inductiv^ So war dem* auch, die frühere psygkik-
trische Obctrni in mum dichten SchleicV speCnlaOVbt Theormn
gehübt, den nur dfer ejiig^w eilte duudidüngeö r,o kuorion
glaubte. Dir psychiatrische PraxL verJimlt stitf.il nicht weniger
mysteriös; hinter den hohen Mauern ihrer Anetahetk und ich
nehme keinen Anstand <& aü^U^prcclieü.: tej* dor&uf mancher
dieser berühmten alten AmMfarn wesentlich in ihrer geh ein)-
tiissrollen Erscheitmtig beruht. Ibe gegeiiWärtigfc kiiul^’he Me¬
thode hat die verhüllende» Schränker* von den; Anstalten ent¬
fernt, und da* Bestreben ihrer Vertreter geht dahin. Ihre Er¬
fahrungen and Beobachtungen säum Gemeingut aller sieh dafür
iuteressircmJet} iirels«; «U roAClmin
Vor« diesem Gedanken seioUc-t, folgte ich gerne der Eia-
laduue« ihmm einige GxumLitye über die Böhaiidbuig
der Psychosen ro<\tzu?hmk^K. ~ fss spmelit seht viel dafür, dass
dav N^rmdcbiLu hü. ’klelfrtm wie Vm großen io seinen emfachm
wnd in *#&übh CMmplicincn Functionen einem weeüsebeitig:
tit h h^cinßb.^cndm» Systeme erregender mul hemmender Kräfte
beruht. Wir hohVu keinen (irmuh 'fe< .nicht auch füT möglich
äu halten, ihm auch hei- ilb&m Functionen; des Nen en.systems,
die wir’ die geistlg»m #11 nenne» gewohüf sro(i\ gleiche Kräfte
wh'ksäiri Mm\, ; ;■ 1 ' :'b *
. fiie.su Hypothese auf die pötholu^clmn Vorgänge d,ber-
tra^eri* würden sirb liieselhen unserem medimnischeu Vorstand-
ids-e am .besteu in dem Sinne darbieteo. dass es sieb bei ihnen
uro /3Te Wirkping ^e$tmgerte.r; dryeg#d^a* oder hernmeyiider Kräfte
bandle Ich iuebt., dÄ d^mit alle {J^tMiopäthischefi Pro-
cesse zu erktareo sind» Es. .sind vieUnehr mir 'gewisse Gruppen
deraolbeo die maniacaMeclioa ni)4 »ißlaugbn,^scben Krartkla^ts-
formeu. dieser A ussmig n 1 gär .£«1 eh.
Elite solcbe abnorme Sfeigbrung &r prüfte iktöt sieb auf
jweixrlbi jsurückführe^. Ist entweder Folge ühevmässigor
Ätarkfcr mVfer hRnfigor Bei?«' Gd^r sie ist Folge einer hoeb-
grädig Brr^gbnrcn u^rvöaen Substanz.
Hie Züstände, ta deacn wir hrsb : hk«h «nr Bdha©dlimg
J^rösofe^ und ißb rede ja nur von fri^chofi Kranken, die Zu¬
stande sind wohl vorzugsweise entweder directe Aeusaenüige»
von tJeberraiÄUng' iUn centTaien Kerven^ysteroa, oder sie sind
Folpu di«xer Lebefreizuiig, psychische Erojudungszustätide der
er 1 Grälen imicrvnüon.
S;owto w)r ftts flÄiiptipdrcatiön bei Behandlung eibwö dbreh
Uebe.ranÄtrengimg bder durcli irgend rtiheu anderen übermässigen
Reiz in ahmmmr Emgung oder Ermmiung vrrvcfzteu Nerven
oder Muskels die Ruhe da* hetreifemlen Thelkis auLtelkup die¬
selbe selbst durch .Fi&mmg eine? Gliedes berzti'-.teUcn buchen 5
ganz in gleicher Wa*V verhalt *ich auch mit dm über-
reizten oder ermüdeten Gehirne, Auch gegenüber unseren
Kranken ist; di*? Ruhe das erste EftVmdetniss,
Auf welche Welse tevt -sich öuö diese R-uhe jför unsere
K ranken hert>eif|jliren ? Rߣ\\ den AD^chaniUi^n der. Irren¬
ärzte ist es die Irrenanstalt, die lüdicatio» erfüllen soll
ßas leidende Organ des irren, die. Stätte, in tie-T die smiiliclieu
Eiiidriicke. Wahmchnmmgen uad Empimlnngeu in psydiisclie
Erscheiiiun^Cm'iühn Wert)^, soll spt yief wie naog-
lieh von alletdr Reii# wryrdfcn. Wie* deit •enfezündeten
Nerven kchott B^wegxfnge/i. der Euftv ganz
nujs f og(;Tcrjvperüt«TYeräudeumgeo derselben, zu heftiger, schmerz-
baffer R^actimi bringen können.» so xiud auch an sich ganz
riorniale Elnerückc auf das Gemüth himes Irren lebhaft err.o-
g^ndeJ wchm^hzhi^ft SiiShirende Msdnente, Oa uu» 4te Erfghruiig
ZU leltrrfi schten, däs gerade die gewohnten Itey/M Vbrwirgend
«chmmhaft und emrgerid ciicwlrlveD, dassyöherf^iupt dib tneisdoD
fCiaöli^i rti ihren :gdwhJirtjli^i häusRcheü Verkaitnissen sich am
, w».Giigsten gut befinden, so ergab sich* <t f it lungern xchön Als
erste lndicabo» . die Kranken aus ihren. häuslichen VvrhiiH-
lü^soo zu briugeo. Es ist deshalb ein ungemein grosser Aut-
Go gle
30
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 3
wand geistiger Kraft von seiten der Irrenärzte an die Con-
struction, Einrichtung nnd Organisation dieser Krankenanstalten
verwendet worden, um wirklich den Kranken das geben zu
können, was sie brauchen.
Allmälig wurde es ein psychiatrischer Grundsatz, dass
überhaupt nur in der Irrenanstalt ein Kranker richtig behan¬
delt und geheilt werden könne. Dieser Satz ist in seiner All¬
gemeinheit grundfalsch. Es wurden schon Irre durch ärztliche
Behandlung geheilt, als es noch lange keine Irrenanstalten
gab; ich erinnere hierbei an die Zeiten der classischen Medicin.
Es werden auch jetzt eine Menge von Geisteskranken ausser¬
halb der Irrenanstalten, sei es in gewöhnlichen Krankenan¬
stalten, sei es in Privatbehandlung geheilt.
Welche Kranke soll man nun den Irrenanstalten übergeben,
und welche Kranke lassen sich in Privatverhältnissen behandeln ?
Es erscheinen diese Fragen wichtig genug, eingehend be¬
handelt zu werden, da wir aus jeder Anstalt die Mahnung
vernehmen, die Kranken so frühe als möglich ihrer Behandlung
zu übergeben, da nur dann günstige Aussichten für ihre Heilung
sind. Es beruht diese Mahnung auf einem Trugschlüsse, der
aus gewissen statistischen Zahlenverhältnissen der Anstaltsbe¬
handlungsergebnisse abgeleitet wurde. Es berechtigen jedoch
diese Zahlenreihen in Wirklichkeit zu keinem anderen Schlüsse,
als dass Geisteskranke um so sicherer geheilt weiden können,
je früher sie rationell behandelt werden.
Ich glaube, dsss jeder Kranke, ohne wesentlichen Nach¬
theil dadurch zu erfahren, privatim behandelt werden kann
unter 2 Bedingungen: 1. dass der behandelnde Arzt es gelernt
hat, wie man mit Irren umzugehen hat, 2. dass die häuslichen
Verhältnisse des Kranken der Art sind, um es zu ermöglichen^
das für seinen Zustand dienliche ihm angedeihen zu lassen.
In ersterer Beziehung haben wir hier in der Schweiz die
Einrichtung, man kann sagen als einen Vorzug, den sie mit
keinem der übrigen civilisirten Staaten zu theilen hat, dass jeder
Medicin-Studirende an jeder schweizerischen Universität die Ge¬
legenheit hat, nicht nur die Psychiatrie als Wissenschaft, sondern
auch die Kranken practisch beoachten, kennen und behandeln
zu lernen. Wenn gegenwärtig bei uns ein Studirender ohne die
nöthige psychiatrische Vorbildung in die Praxis tritt, so liegt
die Schuld rein an ihm selbst. Ein psychiatrisch gebildeter
Arzt wird in den Fällen, in denen man überhaupt das Ver¬
trauen von Irren gewinnen kann, dasselbe gewinnen und damit
die erste Bedingung einer psychiatrischen Behandlung erfüllen,
einen Kranken innerhalb gewisser Grenzen beeinflussen und
leiten zu können. Er wird aber auch den Zeitpunkt bestimmen
können, in dem der Zustand des Kranken die Uebersiedlung in
eine Anstalt erfordert.
In zweiter Beziehung ist es eine Thatsache, dass, wenn
der Irre auch an sich kein gefährlicherer Mensch ist als der
Mensch überhaupt, doch unter Umständen jeder Irre in irgend
einer Beziehung gefährlich werden kann. Er kann sich, er
kann andere beschädigen, sei es an Leib und Leben, sei es an
Hab und Gut. Der Irre ist sowohl dem gewöhnlichen gesunden
Sinne des Publicums nach als im Sinne des Gesetzes unver¬
antwortlich für das, was er thut. Die Verantwortung für seine
Handlungen trifft sonach seine Angehörigen und vor allem den
Arzt, wenn ein solcher zur Berathung beigezogen ist. Um diese
Verantwortung übernehmen zu können, ist es nöthig, dass der
Kranke eine Umgebung für den Zweck der Beaufsichtigung und
Leitung hat, hinsichtlich der der Arzt die Beruhigung hat, dass
sie dem Zustande des Kranken entspricht.
Die häuslichen Verhältnisse müssen ferner einen gewissen
Grad der Isolirung und Absonderung des Kranken nach Um¬
ständen erlauben. Der Kranke muss zu jeder Zeit erregenden
und beunruhigenden äusseren Verhältnissen entzöge n werden
können. Gerade nicht von gleicher Wichtigkeit, aber immer¬
hin wünschbar ist es, dass sich eine Gelegenheit vorfindet,
den Kranken jederzeit baden zu können.
Unter solchen Bedingungen kann man die Behandlung eines
Irren getrost in Privatverhältnissen übernehmen, wenn nicht
besondere Umstände dagegen sprechen.
Diese besonderen Umstände sind: 1. dass gerade in den
häuslichen und familiären Verhältnissen die psychischen Quellen
der Krankheit sind. In solchen Fällen ist die Entfernung aus
den Familien ein absolutes Bedürfniss zur Ermöglichung eines
günstigen Erfolges.
2. Wenn bei einem Kranken entschiedene Neigungen und
andauernde Bestrebungen zu beobachten sind, sich selbst zu
schaden oder seiner Umgebung gefährlich zu werden. Hier
sind besonders die Neigungen zu alcoholischen und sexuellen
Excessen zu berücksichtigen, vor allem ist die Neigung zum
Selbstmord von grosser Wichtigkeit; am meisten letztere bei
Individuen, in deren Familien Suicidium erblich ist. Wenn
man auch in den Irrenanstalten nicht alle Kranke vor Selbst¬
mord bewahren kann, so sind wenigstens viel mehr davor zu
schützen als in Privatverhältnissen. Hierher gehört auch die
bei so vielen Kranken zu beobachtende hartnäckige und conse-
quent durchgeführte Nahrungsverweigerung.
3. Wenn die Krankheit unter Symptomen verläuft, dass
der Arzt es nicht für möglich hält, ohne Anwendung des No-
Restraint-Verfahrens den Kranken behandeln zu können.
Wenn auch die Grundsätze des No-Restraint selbst in
manchen Irrenanstalten nicht zur Durchführung gelangt sind,
so soll es doch Gewissenssache eines Arztes sein, in Fällen,
in denen die Alternative eintritt, Beschränkung oder Anstalts¬
behandlung, einen Kranken einer Anstalt zu übergeben, in der
das System des No-Restraint seine consequente Ausbildung und
Durchführung gefunden hat.
4. Wenn Kranke anhaltend, Tag und Nacht, durch ihr
Lärmen und Toben die Ruhe eines Hauses und selbst einer
Umgegend stören, wird dieser Umstand selbst eine Indication
abgeben müssen, den Kranken zu transferiren.
5. Wenn gleich beim Ausbruch einer Krankheit Diagnose
und Prognose auf ein chronisches oder ein unheilbares Leiden
gestellt werden kann, und der Arzt anzunehmen Gründe hat,
dass der Krankheitsfall unter schweren Symptomen verlaufen
wird.
6. Wenn die Umgebung eines Kranken aus Personen be¬
steht, die selbst eine hochgradige psychopathische Anlage und
damit die Aussicht darbieten, auf dem Wege der sympathischen
Erregung durch den Kranken auch psychisch zu erkranken.
Ich möchte diese Vorsicht selbst dann noch beobachtet sehen,
wenn in der Umgebung eines Kranken Frauenspersonen mit
beginnender Gravidität sich befinden, auch wenn selbe nicht
stärker psychopathisch belastet sein sollten. Es ist dann an¬
gezeigt, die Frucht vor der Möglichkeit zu schützen, durch die
in gemüthlicher Erregung befindliche Mutter nachtheilig beein¬
flusst zu werden.
In allen übrigen Fällen mag die Privatbehandlung Geistes¬
kranker versucht werden, und nach meinen Erfahrungen ist es
möglich, sie mit Erfolg durchzuführen.
Ja ich habe schon bei manchen solcher Unternehmungen
die Ueberzeugung erhalten, dass ein Krankheitsfall in der An¬
stalt nicht so rasch und gut abgelaufen wäre, wie er es in
der Privatbehandlung that.
Von grosser Bedeutung in dieser Beziehung ist noch der
Umstand, dass es eine Menge psychischer Krankheitsprocesse
giebt, die in einer acuten Weise zum Ablaufe kommen. Es sind
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Original fro-m
UMIVERS1TY OF MICHIGAN
21 Januar 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
31
die transitorischen Psychosen; solche, die auf Grundlage von
Epilepsie und Hysterie entstehen, durch Alcohol-Intoxication,
durch fieberhafte, körperliche Krankheiten etc. etc., veranlasst
sind. Viele dieser Fälle manifestiren sich in einem einzigen
Paroxysmus, der nach einer mehrtägigen Dauer für immer sein
Ende erreicht, oder wenn, auch manchmal nach einer Remission
zu einer zweiten Exacerbation gelangt, doch dann zu Ende geht.
In solchen Fällen wäre es gewiss sehr misslich für den Arzt,
die meist complicirten Einleitungen für Aufnahme in eine Irren¬
anstalt getroffen zu haben, während eine solche Aufnahme so
leicht zu umgehen war. Doch auch symptomatische acute De¬
lirien, melancholische und maniacalische Verstimmungszustände,
primäre Verrücktheitsfälle können ohne allzu grosse Mühe in
Privatverhältnissen durchgeführt werden.
Ja gerade für gewisse Fälle der letzteren Krankheitsgattung,
die wir unter dem Namen der Abortivform verstehen, wirkt die
Anstaltsbehandlung geradezu verschlechternd, schädigend ein.
Ich sage, dass bei gegebenen günstigen Verhältnissen fast
alle Formen psychischer Störung versuchsweise in Privatver¬
hältnissen behandelt werden können, ohne dass, wenn die Be¬
handlung von einem psychiatrisch gebildeten Arzte unternommen
wird, ein Nachtheil für den späteren Verlauf des Krankheits¬
falles zu befürchten steht.
Wovor man immer und immer bei Behandlung psychisch
Kranker zu warnen hat, ist, die Krankheit in schwächender
Weise zu beeinflussen. Und doch kommt es immer noch so
viel vor, dass gewisse Symptome, denen wir im Beginne
psychischer Störungen so oft begegnen, wie ein rother, erhöht
warmer Kopf, injicirte Conjunctiven, gereizter, etwas beschleu¬
nigter Puls, klopfende Oarotiden, verstärkte Herzaction, den
Arzt veranlassen, die Kranken auf strenge Diät zu setzen, ihnen
Blutentziehungen zu machen.
Man denkt da an active Hirncongestionen, an eine drohende
oder gar an eine schon bestehende Meningitis und dergleichen
und sucht in obiger Weise dem drohenden Uebel vorzubeugen,
während man durch diese Behandlung den Zustand der Kranken
nicht nur verschlechtert, sondern häufig einen acut verlaufenden
Zustand in einen chronischen, eine heilbare Störung in eine un¬
heilbare verwandelt.
Die Irrenanstalten berichten übereinstimmend über die
schlimmen Folgen eines solchen vorangegangenen Verfahrens,
wonach früher in schwächender Weise und mit Blutentziehungen
behandelte Irrsinnsfälle viel langsamer verlaufen, viel öfter in
unheilbare Stadien übergehen und selbst in den Tod ausgehen,
als Fälle, die keine solche Beeinflussung erlitten haben.
Nicht weniger schlimm wirken auf Kranke rohe Behand¬
lung, thätliche Misshandlungen, und manche Fälle sonst heil¬
baren Irrsinns haben durch solche Vorkommnisse einen Einfluss
erfahren, dass die betreffenden Kranken sich nimmermehr er¬
holten. Es sind dies thatsächliche Verhältnisse, die auch aus
dem Grunde wichtig sind, weil ihr Vorhandensein dem Arzte
nicht unwesentliche Anhaltspunkte in betreff der Stellung der
Prognose giebt, welcher Theil der practischen Psychiatrie an
sich zu den schwierigsten Problemen gehört.
Wenn diese Bemerkungen mehr die negative Seite der Be¬
handlung der Psychosen repräsentiren, möchte ich mir erlauben,
Ihnen auch noch die positive Seite zu berühren.
Die eigentliche Behandlung der Irren wird in eine psychische
und eine somatische getheilt. Es ist dies eine uralte Einthei-
lung, noch aus den Zeiten stammend, in denen es zweifelhaft
schien, ob die Irren Kranke wären; wo man bei ihnen nicht
eine »aegra affectio cerebri“ als Grundlage ihrer krankhaften
Erscheinungen, sondern eine „Alienatio mentalis“ annahm.
Gegenwärtig ist diese Eintheilung gegenstandslos.
| Man versteht unter psychischer Behandlungsmethode eben
! die Art und Weise, wie man mit Irren in ihren verschiedenen
Stadien und Zuständen umgehen soll, eine Kunst die man nicht
lehren kann, die eben durch den Umgang mit und die Beobach¬
tung von Irren erworben wird.
Es ist dies mit anderen Worten die Beobachtung des rich-
! tigen ärztlichen Tactes, des »savoir vivre“ in allgemein ärzt-
i lieh er Beziehung, die ja auch nicht einen Gegenstand der „Ma¬
tena medica“ bildet.
| Sowie derselbe Modificationen erleidet, ob der Arzt Frauen,
Kinder, oder Männer, Kranke aus gebildeten Ständen oder unge¬
bildeten Kreisen zu behandeln hat, ebenso erfordern auch die
Irrep solche Modificationen, die sich übrigens als allgemeine
Regeln unschwer aus der Natur der betreffenden Krankheiten
und der Individualität der Kranken ergeben.
Ich möchte nur beifügen, dass es bei unseren Kranken aller¬
dings viel mehr Bedürfniss, aber auch viel mehr schwierig ist,
in dieser Beziehung strengstens zu individualisiren.
Was die somatische Behandlung betrifft, so giebt es gegen¬
wärtig Irrenanstalten, in denen die Kranken einfach gut ge¬
nährt, zeitweilig gebadet werden, ohne dass man den Krankheits¬
fall weiter speciell medicamentös zu beeinflussen sucht. Ja, es
giebt Irrenärzte, die nicht ermüden, es zu versichern, dass sie
nie Arzneien zur Behandlung ihrer Kranken gebraucht haben,
dass die letzteren der ersteren nicht bedürfen. Es war dieser
Nihilismus früher eine Art gesunder Reaction gegenüber älteren
psychiatrischen Curmethoden, wie sie in Irrenanstalten geliefert
wurden, die an Naivität und Drastik das denkbare übertreffen.
Es ist dieser Nihilismus gegenwärtig noch eine Art gesunder
Reaction gegenüber dem Missbrauch der Narkotica, wie er jetzt
noch in manchen Irrenanstalten getrieben wird. Die äusserste
Consequenz dieser Methode scheint mir das von einem der er¬
fahrensten , geistreichsten und nach meiner Meinung am meisten
originalen Collegen, von Prof. Meyer in Göttingen, geübte
Verfahren zu sein.
Es ist dies auch gleichzeitig die letzte Consequenz, die man
den Anforderungen des No-Restraint gegenüber machen kann.
Meyer sagt, der Irre ist ein Kranker wie ein anderer Kranker,
und wie wir die Kranken in unseren Spitälern im Bette be¬
handeln, ebenso sollen wir es auch mit unseren Irren machen.
Der Fall verläuft dann unter weniger schweren Symptomen,
er verläuft in kürzerer Zeit und besser, die Kranken kommen
nicht so sehr herunter als wie bei irgend einer anderen Be¬
handlungsart.
Es hat dieser Grundsatz ohne Zweifel sehr vieles für sich;
denn der Irre ist natürlich ein Kranker, wie ein anderer Kranker.
Ist die Heilung aber immer für unsere Kranken durch die Bett¬
ruhe zu erreichen, erschöpft überhaupt dieses Mittel in allen
Fällen die gestellte Indication? Ich muss diese Frage nach
meinen Erfahrungen entschieden mit nein beantworten. Es giebt
allerdings Fälle genug, bei denen wir bei einfacher Bettlage¬
rung des Kranken zum Ziele gelangen. Bei anderen Fällen ist
dieses nicht der Fall. Bei noch anderen ist diese Behandlungs¬
weise entschieden nachtheilig, und endlich bei anderen ist es
ganz unmöglich, sie durchzuführen.
Ich habe daher die Ueberzeugung, wie sehr wahr der Grund¬
satz Meyer’s bei Behandlung der Irren im allgemeinen ist,
dass dieser Grundsatz von seiner Seite eine viel zu allgemeine
Bedeutung erhält, derselbe viel zu allgemein ausgesprochen ist.
Es geschieht dies in der gleichen Weise, in der wir, seit
eine Wissenschaft besteht, die Anhänger derselben immer wieder
in den gleichen Fehler verfallen sehen. Nachdem sie einmal
Erfahrungsmomente gefunden zu haben glauben, auf die sie eine
grosse Summe von Thatsachen zurückführen können, wird diese
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32
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 3
Theorie sogleich zu einem allgemein gültigen Naturgesetze ge¬
stempelt, das für alle Fälle Anwendung finden könne und müsse.
Man ergreift rasch den bequemen Weg der Deduction, statt die
mühsame Arbeit der Induction unverdrossen fortzusetzen. Wenn
auch ein Hirnkranker mit den vorwiegenden Symptomen geistiger
Störung nach allgemein ärztlichen Begriffen ein Kranker wie
ein anderer Kranker ist, so ist es eben doch nach speciellen
Gesichtspunkten ein anderes Ding, ob einer an einer fieberhaften
oder an einer fieberlosen Krankheit leidet, ob einer an einer
Affection eines peripheren Nerven oder eines Muskels etc. oder
an einer Hirnstörung leidet. Wir wenden ja, je nach der ver¬
schiedenen Natur dieser Fälle, verschiedene therapeutische Me¬
thoden an. Wenn daher bei einer fieberhaften Erkrankung die
Bettlage strengstens indicirt ist, folgt daraus nicht, dass auch
ein Irrer, um gesund werden zu können, im Bette liegen müsse.
Der Grund davon ist einfach der, dass die Ruhe, deren der Irre
bedarf, ihm das Bett nicht verschaffen kann. Es ist ihm nicht
Muskelruhe, sondern eine Ruhe nöthig, die mit der Bettlagerung
in vielen Fällen nichts zu schaffen hat, während im Gegentheile
die den Kranken beherrschende Unruhe innerhalb der Bettruhe
durch innere und äussere Momente vielfache Steigerung findet.
Es führt das erwähnte Verfahren schliesslich bei reiner
exclusiven Anwendung dahin, dass man Kranke, in nacktem Zu¬
stande, in absolut leeren Zellen isolirt, ausser dass ein Haufen
Seegras in ihnen niedergelegt ist, machen lässt, was sie machen
können und wollen, sie badet oder nicht badet, je nach der
Neigung des Kranken etc. Man überlässt schliesslich die Kran¬
ken sich selbst.
Ich zweifele gar nicht, dass auch unter solchen Verhält¬
nissen Fälle von schwerer Psychose gut ausgehen. Ich bin
aber überzeugt, dass dieses Verfahren nicht das einer Kranken¬
anstalt entsprechende ist.
Ich möchte fast sagen, wäre dieses Verfahren das richtige,
so wäre die Frage der öffentlichen Irrenversorgung ihrer end-
giltigen Lösung sehr nahe. Man dürfte nur in jeder Gemeinde
einen festen Isolirraum herrichten, ihn mit Seegras versehen
und die aufgeregten Kranken darin austoben lassen, bis sie von
selbst ruhig werden.
Man hat die Ruhe für die Kranken auch durch Arznei¬
mittel herbeizuführen gesucht. Frühzeitig hat man in der
Psychiatrie nach sogenannten Specificis gesucht, nach Mitteln,
die radical ein krankes Gehirn wieder in den richtigen Stand,
einen mangelnden Verstand wieder ersetzen sollten. Sie wissen
aus den alten Dichtern und aus der Geschichte der Medicin,
dass es die Wurzel von Ancyra war, der man im Alterthume
diese Eigenschaft zutraute.
Man verstand darunter die Wurzeln von Helleborus und
Veratrum-Species. Es mögen diese Wurzeln ihrer abführenden,
drastischen Eigenschaften wegen zu ihrer Berühmtheit gekommen
sein. Es hatten ja die Abführcuren im Verlaufe der Jahrhun¬
derte gar vielfach vom Alterthume an bis in die neuere Zeit
den Ruf specifisch günstig auf Psychosen zu wirken. Noch in
unserem Jahrhunderte wurde eine psychiatrische Schule wegen
dieses ihres Glaubens mit dem Namen der Kopro-Jatriker beehrt.
Was die Abführmittel nicht leisteten, sollte in späterer
Zeit der Brechweinstein thun. Auch er erfreute sich lange
Zeit, verschiedenartig angewendet, in seiner um- und herab¬
stimmenden Wirkung des Ruhms, ein Specificum zu sein. Bei
der Natur der Psychosen lag es ungemein nahe, auf die An¬
wendung der Narcotica zu kommen. Und in der That galt
als Mittel, auf das man bezüglich seiner Wirkung auf Psychosen
immer recht viel Vertrauen setzte, das vom grauen Alterthume
an bis in die Gegenwart bei den meisten Aerzten sehr beliebt
blieb, das Opium. Schon in der Odyssee wird es gepriesen,
als Mittel „Kummer zu tilgen und Groll und jegliche Leiden.“
Es wurde vielfach schon in der classischen Medicin angewendet,
und schon anno 545 stellte ein griechischer Arzt, Alexander
von Tralles, bewunderungswürdig klare und scharfe Indica-
tionen bezüglich seiner Anwendung bei Psychosen auf. Es giebt
wohl kaum ein 'anderes Mittel, das so lange einen guten Namen
sich erhielt, was wohl etwas für seinen Werth spricht. Wenn
es auch von Zeit zu Zeit, vorzugsweise wegen voran gegangener
Uebertreibung in seiner Anwendung an Credit verlor, immer
wieder kam es zur Geltung. Auch in der neuesten Zeit, in der
es durch das an seine Stelle als Specificum tretende Morphium
vielfach verdrängt wurde, das so sehr in seiner subcutanen
Anwendung sich bei Behandlung von Psychosen empfahl, fängt
es wieder allmälig an, seine alten Rechte einzunehmen. Wenn
auch das Opium selbstverständlich kein Specificum ist, welcher
Ausdruck ja wohl ins Gebiet der Lebenselixire, Steine der
Weisen und ähnlicher Bestrebungen versetzt werden muss, so
kann ich ihm nach zurückgelegter 20jähriger psychiatrischer
Praxis das Zeugnis» geben, dass es dasjenige Mittel ist, von
dem ich den geringsten Schaden und den grössten Nutzen in
der Behandlung von recht vielen Fällen von Psychosen bei einer
rationellen Gebrauchsweise gesehen habe. Am meisten findet
es seine Indication bei erethischen, anämischen Kranken, so¬
genannten nervösen Constitutionen, bei hysterischer Grundlage,
beim Auftreten quälender Empfindungen in den verschiedenen
Körpertheilen, ohne dass man dabei auf die psychische Er¬
scheinungsform des Kranken zu grosse Rücksicht zu nehmen
braucht. Das Opium wirkt dann im allgemeinen als beruhigend,
es vermindert die unangenehmen bis quälenden Sensationen,
die so häufig in Psychosen Vorkommen, und aufs psychische
irradiirend jene bekannten Angstzustände erzeugen. Es macht
Schlafneigung bis wirklichen Schlaf, es regulirt in recht vielen
Fällen Appetit und Verdauung. Man muss es nur nicht in zu
kleinen Dosen geben und die Anwendung grosser Dosen nur
successive eintreten lassen. Auch bei Monate dauernder An¬
wendung habe ich die schlimmen Folgen nie zu beobachten
Gelegenheit gehabt, die man so häufig nach längerem Gebrauche
des Morphiums eintreten sieht, die die lange dauernde Morphium¬
behandlung mit Recht so sehr gefürchtet machen.
Den Nutzen allgemeiner Bäder habe ich schon erwähnt,
die nach speciellen Indicationen eine mannigfaltige Yerwerthung
erlauben. Vbn recht gutem Erfolge sind bei psychischen Er¬
regungszuständen methodische, 2—3ständige, allgemeine Ein¬
wicklungen in in laues Wasser getauchte Leintücher.
Damit muss man wohl mit seltenen Ausnahmen ein kräf¬
tigendes Regimen die Kranken beobachten lassen, das vielfach
noch die Anwendung blutverbessernder Mittel erfordert.
Ausser der Ernährung und allgemeinen Beruhigung wird
die ärztliche Hilfe am meisten noch zur Herbeiführung des
Schlafes nöthig. Wir wissen ja aus eigener Erfahrnng, wie
wohlthätig die Wirkung des Schlafes bei psychischen Erregungs¬
zuständen ist. Zu diesem Zwecke finden ausser den bereits
erwähnten Bädern, EjnWicklungen und methodischem Opium¬
gebrauch Chloral, Bier, Wein, Bromkalium vielfache Anwendung.
Ich bemerke nur, dass ich in betreff eines lange fortgesetzten
Chloralgebrauchs dieselbe Erfahrung gemacht habe wie bezüg¬
lich des Morphiums, wenn man nicht bei ganz geringen Dosen
von 1—2,0 bleiben kann: es schadet mehr, als es nützt. Auch
die Milderung sexueller abnormer Reizzustände spielt eine nicht
geringe Rolle in der Behandlung der Psychosen. Auch dagegen
wendet man Bromkalium mit Erfolg an, besonders in Verbindung
mit Localbädern, lauen Sitzbädern und Vaginaldouchen, während
man früher Lupulin, Campher gebrauchte.
Die weiteren speciellen Indicationen richten sich nach der
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21. Januar 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
33
Natur des der Krankheit zu Grunde liegenden Reizes, der etwa
dieselbe veranlassenden oder sie complicirenden anderweitigen
körperlichen Störung, nach dem Grade des vorhandenen Schwäche¬
zustandes.
Es sind in allen diesen Beziehungen nicht specielle psychi¬
atrische, sondern durchaus allgemein medicinische Gesichtspunkte
massgebend.
II. (Jeher Simulation von Fieber.
(Vortrag, gehalten in der Gesellschaft der Charite-Aerzte.)
Von
Stabsarzt Dr. Seilerbeck.
Am 1. October v. J. fand ich in der Charite auf der Ab¬
theilung des Herrn Prof. Waldenburg (welchem ich für die
Erlaubnis« zur Veröffentlichung des vorliegenden Falles mich
zu Dank verpflichtet fühle) eine Patientin vor. welche seit Jahres- |
frist unter der Diagnose Stenosis cardiae et Ulcus ventriculi
geführt wurde. Nach Ausweis der Curzettel litt sie angeblich I
in Folge eines conamen suicidii mit Lauge an äusserst hart¬
näckigem, fast täglich mehrmals eintretendem Erbrechen, wo¬
durch fast regelmässig blutig gefärbte oder mit helleren oder j
dunkleren Blutcoagulis untermischte Massen entleert wurden, j
Nebenbei bestanden lebhafte spontane und auf Druck sich stei¬
gernde Schmerzen in der Magengegend, welche auch im all¬
gemeinen als etwas hervorgewölbt angegeben wird, und bei der |
Betastung eine vermehrte Resistenz dargeboten haben soll. Zeit¬
weise sind Fiebertemperaturen bis 39,4 bei einer Respirations- 1
frequenz von c. 24 und einer Pulsfrequenz bis 120 notirt, ohne I
dass eine bestimmte, einen derartigen Wechsel des Krankheits- I
bildes erklärende Localaffection angegeben wird. Alle nur I
erdenklichen Mittel zur Bekämpfung des Blutbrechens sind in |
Anwendung gezogen — aber ohne jeden Erfolg! |
Bei dem relativ guten Ernährungszustände der Patientin ,
bot das Krankheitsbild manches unerklärliche, worauf ich hier !
nicht näher eingehen will. Nach einer Beobachtung von einigen
Tagen drängte sich mir deshalb die Vermuthung auf, welche !
ich auch aussprach, dass es sich hier um eine Simulation oder,
da das Erbrechen wirkliche, chemisch und microscopisch nach- I
gewiesene Blutbeimengungen enthielt, und die Abstammung der |
letzteren von absichtlich herbeigeführten äusseren Verletzungen !
oder von Ingestion etwa eingeschmuggelten Blutes nicht nach¬
gewiesen werden konnte, wenigstens um eine bedeutende Aggra-
virung eines factisch bestehenden Magenleidens handele.
Vor allem interessirten mich die Fiebersymptome — Er¬
höhung der Körpertemperatur, der Athem- und Pulsfrequenz —
welche zur Zeit bestanden und selbst bei der genauesten Unter¬
suchung nicht auf ein Organ- oder Allgemeinleiden zurückgeführt
werden konnten. Nun, die erhöhte Frequenz der Respiration
bot nichts absonderliches, wenn man an Simulation denken
musste; auch die erhöhte Pulsfrequenz nicht, da es mir in we¬
nigen Sekunden gelingt, durch Beschleunigung und Vertiefung
der Athemzüge meinen Puls von 75 bis auf 130 Schläge hinauf¬
zutreiben. Wie sollte ich aber die früherhin gelegentlich und
auch damals nachgewiesenen Temperaturerhöhungen deuten,
welche als von einer zuverlässigen und geübten Pflegeschwester
registrirt nach bisherigen Erfahrungen als objectives, nach keiner
Richtung hin auf Simulation verdächtiges Symptom hinzunehmen
waren. Die Temperatur in der Achselhöhle schwankte zwischen
37,8 und 39,3, die Exacerbation fiel bald auf den Abend, bald
auf den Morgen, gelegentlich fand ich auch den Typus einer
reinen Febris continua. Einige Male liess ich, als mir die an¬
gegebene Temperatur mit der Schätzung derselben nach dem
Gefühle der Hand nicht vereinbar schien, von der Schwester
eine Controlmessung vornehmen, erhielt aber immer wieder
nahezu denselben Temperaturgrad. Trotzdem — hauptsächlich
fassend auf der Irregularität des Fiebertypus — liess ich nicht
ab vom Verdacht einer Simulation und legte eines Morgens,
als die Messung in der Achselhöhle 38,5 ergeben hatte, ein
Thermometer ins Rectum und constatirte hier nur 37,8. Unter
den gegebenen Umständen war hierdurch die Simulation definitiv
erwiesen.
Die möglichen Fehler von Temperaturmessungen wurden
bis vor etwa zwei Jahren nur nach der Richtung in Erwägung
gezogen, dass ev. bei Verabsäumung gewisser Cautelen nicht die
volle Höhe der Eigenwärme constatirt werde. Zu jener Zeit
nun berichtete Herr Teale 1 ) aus Scarborough in der Clinical
Society in London über einen Fall von exorbitanter Fieber¬
temperatur (122° F. gleich 50* C.) und erregte dadurch in der
gesammten medicinischen Welt eine lebhafte Discussion über
die uns interessirende Frage, ob nicht auch durch irgend welehe
Kunstgriffe das Thermometer zu einer höheren Angabe der
Körpertemperatur als der grade bestehenden gefälscht werden
könnte. Wohl allgemein wurde das factische Bestehen der oben
erwähnten Körpertemperatur eines Menschen als mit dem Fort¬
bestehen desselben unverträglich zurück gewiesen, da wohl nur
sehr wenige die Beobachtung als ein definitiv sicher gestelltes
novum et inauditum hingenommen haben werden. Die verschie¬
denen Erklärungsversuche jener übrigens mehrfach und von
zuverlässigen Aerzten controllirten Thermometerangaben waren
aber wenig glücklich: Der von einzelnen englischen Aerzten
aufgestellten hot water bottles theory 2 ) wird wohl niemand bei¬
pflichten, ebenso wenig der von anderen beliebten Annahme
einer durch vasomotorische Einflüsse bedingten, nur local excessiv
erhöhten Temperatur der Achselhöhle. Auch die hauptsächlich
von deutschen Aerzten aufgestellte Hypothese, dass vermittelst
Druck auf den Quecksilberbehälter durch Abflachung der Kugel-
resp. Cylinderforin die Säule zum Ansteigen gebracht werden
könnte, ist nicht zutreffend. Ich habe nachträglich mehrfache,
dahingehende Versuche gemacht und niemals, selbst nicht durch
Belastung bis zu c. 10 Kg. — ein Druck, welchen wohl kein
Athlet durch Anpressen des Oberarms gegen den Brustkorb
zu erzielen und längere Zeit zu erhalten im Stande sein wird -
ein überhaupt merkbares, noch viel weniger ein den Kliniker
interessirendes Ansteigen zu Wege bringen können. Auf der
richtigen Fährte war Schliep,*) der während seines Aufent¬
haltes im German Hospital in London eine hysterische Patientin
mit anhaltenden Fiebertemperaturen beobachtete, bei welcher
seine eigenen Messungen beständig normale Temperaturen er¬
gaben. Er erklärte sich die Betrügerei dadurch, dass „die Pa¬
tientin den Kopf des Thermometers, welches nach Vorschrift
eine Viertelstunde in der Achselhöhle belassen werden sollte,
fest zwischen zwei Finger der einen Hand genommen und mit
der anderen das Instrument stark hin und her gedreht“ habe.
Die naheliegende Annahme, dass durch Drehen der Thermometer¬
kugel zwischen den Fingern die Quecksilbersäule sehr bedeutend
binaufgeschraubt werden kann, erhärtete Schliep bereits durch
einen directen Versuch. Da im German Hospital, wie meist in
den englischen Spitälern, ein Maximal-Thermometer in Gebrauch
gezogen wurde, so ist jener Fall hinreichend erklärt — ebenso
vielleicht der von Teale berichtete, welcher ebenfalls eine
1) Brit. Med. Journ. 6. März 1875.
2) Brit. Med. Journ. 10. Juli 1875. S. 57.
3) Berl. Kl. Wochenschr. 1875. S. 390.
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34
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Sc 3
hochgradig hysterische Person betraf: es genügte ja einfach
das abgetrennte Stückchen der Quecksilbersäule durch Reibung
oder auf irgend eine andere Art bis auf die gewünschte Höhe
hinaufzntreiben, da es alsdann auf derselben verbleibt, wenn
das Thermometer in die Achselhöhle oder ins Rectum wieder
eingelegt wird. Bei den gewöhnlich bei uns gebräuchlichen
Thermometern würde diese Encheirese jedoch nicht zum Ziele
führen: nach Erreichung einer maximalen Temperatur sinkt
die Säule in wenigen Secunden bis nahezu zur normalen Körper¬
temperatur, sobald das Thermometer in die längere Zeit ver¬
schlossen gehaltene Achselhöhle gebracht wird.
Auf meinen Fall zurückkommend, muss ich erwähnen, dass
mir zur Zeit meiner Beobachtung jene Mittheilung von Schliep
nicht im Gedächtniss war. Als ich am Krankenbett das ab¬
norme Verhalten der Temperatur in der Achselhöhle und dem
Rectum bei der Patientin constatirt h,atte, kam mir sofort der
Gedanke, dass hier eine Fälschung der Thermometerangabe
durch Frictionswärme vorliegen müsste und demonstrirte nun
vor den Augen der Patientin, dass sehr leicht ein Thermometer
durch Drehen der Kugel zwischen den Fingern oder in Lein¬
wand, Wolle etc. zur Angabe von sehr hohen Fiebertempera¬
turen gebracht werden kann. Die Patientin wies anfangs jede
Insinuation einer Simulation entrüstet zurück, obwohl die Demon¬
stration sichtlich einen tiefen Eindruck auf sie gemacht hatte.
Nach langem Zureden gestand sie nun doch, dass sie simulirt
habe, und dass sie zufällig beim Reiben eines Thermometers
auf der Bettdecke ein Ansteigen der Quecksilbersäule bemerkte
und sich diese Erfahrung zu Nutzen gemacht habe, um den be¬
handelnden Aerzten erneutes Interesse für ihren „so leidenden“
Zustand einzuflössen.
Der Modus procedendi, welchen sie nach einiger Einübung
als den besten erkannt hatte, war folgender: Wenn das Ther¬
mometer vom Pflegepersonal nach Vorschrift in die Achsel¬
höhle eingelegt worden war, nahm sie dasselbe, nachdem sie
sich hatte zudecken lassen, weil sie sich kalt fühle, heraus,
schob von hinten her das Hemd beutelartig in die Achselhöhle
vor und dann die Quecksilberkugel in eine möglichst tiefe Falte
desselben und klemmte nun das ganze fest zwischen Oberarm
und Brustkorb ein; alsdann trieb sie durch drehende resp. auf-
und abwärtsgehende Bewegungen des Thermometers die Säule
bis etwas über die gewünschte Höhe und erhielt sie auf der¬
selben bis zur Ablesung, erforderlichen Falles, wenn diese sich
verzögerte, im letzten Moment noch einige Drehungen hinzu¬
fügend.
Ich stellte nun selbst eine Reihe von Versuchen an und
liess ähnliche von der Patientin ausführen, welche, nachdem
das böse Gewissen zu schlagen aufgehört hatte, nach ächt
hysterischer Art ein reges Interesse für diese nunmehr wissen¬
schaftliche Frage bekundete. Mit kleinen Varianten ist das
Ergebniss folgendes: Nach Einklemmen des Quecksilberbehälters
in eine von hinten her in die Achselhöhle beutelförmig vorge¬
schobene Hemdpartie gelingt es in 1—2 Minuten durch drehende,
schraubenförmige oder am leichtesten durch schnelle in einer
zur Körperebene senkrechten Richtung ausgeführte Bewegungen
des Thermometers die Quecksilbersäule bis auf 46®, durch länger
fortgesetzte Reibungen auch noch höher ansteigen zu lassen.
Sistirt man die Bewegungen, so fällt anfangs die Quecksilber¬
säule sehr rapide, verbleibt aber dann in Höhe der mittleren
Fiebertemperaturen einige Minuten und geht dann sehr allmälig
zur Körpertemperatur herab. Als Beispiel eines Experimentes
führe ich folgende Zahlen an:
12 Uhr 8 M. 37,6°
12 Uhr 10 M. 45,5°
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12 Uhr 11 M. 39,3®
12 Uhr 12 M. 38,5®
12 Uhr 14 M. 38,2®
12 Uhr 15 M. 38,1°
12 Uhr 16 M. 38,0°
12 Uhr 18 M. 37,9®
12 Uhr 25 M. 37,6® (Stand des Controlther¬
mometers in der anderen Achselhöhle).
Ein Simulant ist somit nach Sistirung seiner heimlichen
Arbeit für die Dauer von mehreren Minuten (in raaximo 5 Mi¬
nuten) sicher, dass ein gewöhnliches Thermometer, vom Warte-
personal bona fide abgelesen, eine Fiebertemperatur zwischen
39,5 und 38 anzeigt. Bei den Versuchen der Patientin verblieb
das Thermometer in maximo 8 Minuten auf dieser Höhe, be¬
sonders länger als bei mir in den Lagen um 38,5, einmal so¬
gar 4 Minuten zwischen 38,5 und 38,3.
Weniger ergiebig und von geringerer Dauer ist das Resul¬
tat der Reibungen zwischen der engangepressten Haut des
Oberarms und der Brust, abgesehen davon, dass bei transpi-
rirender Haut durch die Feuchtigkeit die Bewegungen bedeutend
gehindert, ev. unmöglich gemacht werden. Nach sorgfältiger
Trocknung der Haut gelingt es mir doch in wenigen Minuten
(bis zu 3) ein Ansteigen his zu 42,2 zu erzielen. Der zeitliche
Verlauf des Abfalles war im Durchschnitt folgender:
2 Uhr 32 M. 37,5®
2 Uhr 35 M. 42,2®
2 Uhr 36 M. 38.2®
nach einigen auf- und abwärtsgeführten Bewegungen des Ther¬
mometers :
2 Uhr 37 M. 40,5°
2 Uhr 39 M. 38,2°
2 Uhr 41 M. 37,9®
2 Uhr 44 M. 37,5 0 1 )
Bei der ersten Methode ist der Simulant immerhin in Ge¬
fahr, dass ein aufmerksames Wartepersonal die Schliche ent¬
deckt, wenn dieses, wie allgemein üblich, nach dem Ablesen
sich von der richtigen Lage des Thermometers in der Achsel¬
höhle Gewissheit verschaffen will und die Lagerung desselhen
in einer Hemdfalte bemerkt. Nach dieser Richtung hin wird
aber durch die zweite Methode — Reibung zwischen den fest
aneinander gepressten Hautflächen — für gewöhnlich völlige
Sicherheit geboten. Bei den mittleren Fiebertemperaturen sinkt
die Säule immerhin noch so laugsam ab, dass das Abfallen
derselben für diq kurze Zeit, welche die Ablesung erfordert,
nach keiner Richtung hin Verdacht erregen wird.
Das interessante meines Falles scheint mir darin zu liegen,
dass, soweit meine Litteraturkenntniss reicht, hier zum ersten
Mal eine Simulation erhöhter Körpertemperatur erwiesen und
von der Patientin auch zugegeben wurde, und fernerhin dass
letztere, durch ihren langen Hospitalaufenthalt belehrt, auch
die übrigen Fiebersymptome, wie Erhöhung der Puls- und Re¬
spirationsfrequenz, in täuschendster Weise nachgeahmt hatte,
ein Moment, welches in dem von Schliep veröffentlichten
Falle fehlte und wohl hauptsächlich den Verdacht auf Simu¬
lation nahe gelegt haben mag.
1) Die Verhältnisse werden günstiger und nähern sich denen der
vorhergehenden Versuche, wenn man die Haut leicht einölt.
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21. Januar 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
36
III. Die syphilitische Pneumonie.
(Vorgetragen am 11./23. April 1877 in der physisch-medici-
nischen Gesellschaft zu Moskau.)
Von
Prof. Cfr. Sacharjin.
Nicht jeder Arzt hat Gelegenheit gehabt, eine reine, un¬
zweifelhaft syphilitische Pneumonie zu beobachten; wer hat nicht
dagegen von solchen Brustkranken sprechen gehört, bei welchen
lange Zeit hindurch eine gewöhnliche Lungenschwindsucht ver-
muthet wurde, welche aber — anfangs als Phthisiker be¬
handelt, — schliesslich in Folge einer Jodkalium- oder Queck¬
silberbehandlung vollständig genasen? Wenn man aber fragt?
durch weiche pathognostische Merkmale diese Fälle sich von
denen der gewöhnlichen Lungenschwindsucht unterscheiden, so
bekommt man darüber keine bestimmte Aufschlüsse. Solche
bestimmte Aufschlüsse fehlen auch in der Literatur sowohl der
vergangenen als auch der neuesten Zeit.
Die gewöhnliche Lungenschwindsucht kommt bekannterweise
bei syphilitischen Individuen öfters vor. Leute von mittlerer,
geschweige denn schwacher Constitution, welche die Syphilis
und die damit verbundene Behandlung bei einigermassen un¬
günstigen Verhältnissen überstanden, erfahren häufig eine tiefe
Störung des Allgemeinbefindens, welche oft mit Lungenschwind¬
sucht endet. Es ist mir häufig vorgekommen nicht nur bei
Leuten, welche die Syphilis schon überstanden, sondern auch
solchen, die deren Symptome — sowohl der früheren, als auch
der späteren Periode — an sich trugen, die Lungenschwindsucht
in ihrer gewöhnlichen Form zu treffen: mit ihrem hectischen
Fieber, Blutspeien, Husten, Auswurf, mit Veränderungen im Per¬
cussionsschall, im Athmungsgeräusch und freilich mit beständigen,
mehr oder weniger bedeutenden Rasselgeräuschen. In allen
solchen Fällen rief der geringste, selbst mit aller Vorsicht unter¬
nommene Versuch, Jodkali oder Quecksilber anzuwenden (wenn
es die gleichzeitig vorhandenen syphilitischen Symptome nach¬
drücklich erforderten) nicht nur keine Besserung der Lungen-
-erscheinungen hervor, sondern bewirkte stets, mit der Bestimmt¬
heit einer chemischen Reaction, deren schnelle und bedeutende
Verschlimmerung, welche jede specifische Behandlung unmöglich
machte.
Ich habe Gelegenheit gehabt, zwei Fälle von Brustleiden
bei syphilitischen Individuen zu beobachten, welche sich scharf
von den oben erwähnten unterscheiden.
Den ersten Fall traf ich vor etwa 14 Jahren. Patient,
30 Jahre alt, gut gebaut, mit gut entwickelter Brust, von ge¬
sunden, kräftig gebauten Eltern stammend, — aus einer Familie,
in der keiner an Schwindsucht erkrankt war, — leidet seit 6
bis 7 Jahren an unzweifelhaften syphilitischen Symptomen,
in den letzten 3 Jahren an tiefen serpiginösen Geschwüren
(ulcera syphilitica cutanea serpiginosa) und Periostiten an den
eharacteristischen Stellen (tibiae, ulnae), die durch Jodkalium
schwinden und beim Aufhören der Behandlung wieder zum
Vorschein kommen. Noch ehe der Patient mich aufsuchte, litt
er schon seit mehreren Wochen an Brustschmerzen und einem
Gefühl von Brustbeklemmung, mässiger Kurzathmigkeit und all¬
gemeiner Schwäche; in der letzten Woche stellte sich bei ihm
ausserdem, durch zufällige Erkältung, mässiger Husten mit
leichten Fiebererscheinungen ein. (Der Kranke ist in den letzten
Jahren überhaupt sehr zur Erkältung geneigt, und die fieber¬
hafte Bronchitis, mässig und von kurzer Dauer, bildet die ge¬
wöhnliche Form seiner Erkältung). Als in den letzten Tagen
der Patient das Zimmer hütete, Hess der Husten nach, und das
Fieber verlor sich vollständig.
Status praesens: Meteorismus und Neigung zur Ver¬
stopfung, kein Eiweiss und kein Zucker im Urin, Puls leicht
beschleunigt und etwas schwach, merkliche Abmagerung, kein
Fieber, unruhiger Schlaf, schlechte Stimmung. Brusterscheinun¬
gen: wenig Husten, sehr geringer Auswurf am Morgen (den
Patient, trotz Ermahnung, stets bis zum Besuche des Arztes auf¬
zubewahren vergisst), merkliche Athemnoth, Gefühl von Beklem¬
mung und Schmerz in der Brust; — beide Schlüsselbeine stark
hervortretend, über und unter denselben eine merkliche Einsen¬
kung der Thoraxwand; an denselben Stellen ist der Schall dumpfer
(besonders rechts), als an den unter dem zweiten Intercostal-
raum gelegenen; Fremitus daselbst schwächer als normal, und
bei der Auscultation unbestimmtes, sich zum bronchialen nei¬
gendes Athmungsgeräusch (verlängertes Expirium). Sowohl an
den genannten, (über und unter den Schlüsselbeinen) als auch
an den übrigen Stellen der Brustoberfläche vernimmt man hie
und da sowohl pfeifende als auch feuchte, — mittelblasige,
nicht klingende,,— Rasselgeräusche. Es sind weiter keine
krankhaften Brusterscheinungen zu beobachten. Das Herz ist
normal. In tibiis et ulnis mässige; zur Nacht exacerbirende
Schmerzen, bei der näheren Untersuchung erweist sich daselbst
syphilitische Periostitis.
Eine Woche lang blieb der Kranke ohne Behandlung, hütete
das Zimmer und beobachtete die Diät, welche ihm wegen Me¬
teorismus und der Neigung zur Verstopfung empfohlen wurde.
Inzwischen vergingen Husten und Auswurf, und die Rassel¬
geräusche schwanden, während die übrigen Erscheinungen ohne
Veränderung blieben. Nach gehöriger Ueberlegung aller Er¬
scheinungen war ich gezwungen, die Lungenaffection als eine
syphilitische zu betrachten, und entschloss mich, Quecksilber
zu verabreichen, da in den letzten Jahren der Patient ununter¬
brochen mit Jodkali behandelt wurde und zugleich selbst
merkte, dass letzteres Mittel allmälig seine Wirksamkeit einge-
büsst hatte; mit Quecksilber dagegen war er schon lange nicht
und überhaupt wenig behandelt. Besondere Umstände zwangen
mich, im vorliegenden Falle der Quecksilbercur eine Form zu
geben, welche von der von mir gewöhnlich geübten verschieden
war. Schon in der ersten Woche meiner Beobachtung, noch
vor Anfang der Quecksilberbehandlung, entwickelte sich beim
Kranken starkes, unausstehliches Jucken, welches zur Nacht
exacerbirte und ihm den Schlaf raubte; das Kratzen rief einen
Ausschlag in Form kleiner, rother Knötchen hervor, während
zugleich das Jucken sich verstärkte; wo der Kranke mit der
Hand nicht ankomraen und demnach nicht kratzen konnte, traten
keine Efflorescenzen auf. Bäder und andere äussere Mittel blieben
ohne Erfolg; nur Subliraatlösung-Umschläge verschafften bedeu¬
tende Erleichterung. Demnach wurde folgende Behandlung ein¬
geleitet: äusserlich Sublimatlösung-Umschläge gegen Jucken und
Ausschlag und natürlich auch zugleich zur Einverleibung des
Quecksilbers (wegen der Ausbreitung des Ausschlages mussten
die Umschläge auf einer grösseren Fläche aufgelegt werden);
innerlich das Decoct. Zittmanni fort., als leicht abfüh¬
rendes und zugleich quecksilberhaltiges Mittel, zu einem hal¬
ben Pfunde täglich. Jucken und Ausschlag schwanden bald,
wonach der Schlaf wiederkehrte. Nach 4 Wochen einer solchen
Behandlung schwanden Kurzathmigkeit, Schmerzen und die
Brustbeklemmung; die Gruben über und unter den Schlüssel¬
beinen hatten sich bedeutend ausgeglichen (bei gebessertem
Appetit und Verdauung hatte der Kranke etwas zugenommen);
die oben angeführten Percussions-, Auscultations- und Pal¬
pationserscheinungen über und unter den Schlüsselbeinen
konnten nicht mehr constatirt werden: die Brust bot an
diesen, wie an den übrigen Stellen durchaus normale Verhält-
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
36
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
So. 3
nisse dar. Während der darauf folgenden 8 Jahre ungefähr
hatte ich zuweilen Gelegenheit, diesen Kranken zu sehen; er
klagte über leichte gastrische und nervöse Beschwerden; seine
Brust aber, abgesehen von zeitweisen und bald vergehenden
Bronchialcatarrhen, war gesund.
Der zweite Fall, den ich vor 6 Jahren beobachtet habe
(im Winter 1870/71), ist die fast buchstäbliche Wiederholung
des vorigen. Der Kranke, auch ein dreissigcr von sehr starker
Constitution, leidet seit neun Jahren an Syphilis, die letzten
fünf Jahre vornehmlich an Periostitis und Ozaena mit Knochen¬
abgang. Im Anfänge der Krankheit ist er einmal mit Mercur
behandelt, hat aber seitdem nur Jodkalium gebraucht, dessen
Wirkung in der letzten Zeit bedeutend schwächer geworden.
In den letzten Jahren litt Patient ausserdem an leichten Ver¬
dauungsstörungen und nervösen Beschwerden, an fieberhaften
Bronchialcatharrhen, die leicht und von kurzer Dauer waren, und
beim Zimmerhüten und ChiningebTauch schwanden. Kurz vor
meiner ersten Untersuchung erkrankte Patient an seinem ge¬
wöhnlichen fieberhaften Bronchialcatharrh, diesmal aber mit
Schmerzen in der Brust und Kurzathmigkeit, was früher nie der
Fall gewesen. Der Kranke musste das Zimmer hüten, und als
ich ihn zum ersten Mal sah, war er fieberfrei und der Husten
beinahe vergangen.
Status praesens: Sehr geringer Husten, keine Sputa;
merkliche Kurzathmigkeit, Gefühl von Beklemmung und Schmerz
in der Brust; Schlüsselbeine stark hervortretend, während dia
Gruben ober- und unterhalb, besonders rechts, scharf aus¬
geprägt sind; an diesen Stellen ist der Schall bedeutend
dumpfer und der Fremitus schwächer, als an den tiefer
liegenden, besonders an der rechten Seite, während das Athem-
geräusch unbestimmt und dem bronchialen nahe ist (ver¬
längertes Exspirationsgeräusch); an der ganzen Brustoberfläche
hie und da Pfeifen, oder feuchtes, mittelblasiges, nicht klin¬
gendes Rasseln; kein Fieber, der Kranke etwas magerer ge¬
worden. Patient blieb, wie im ersten Falle, eine Woche lang
ohne Behandlung; aus denselben leicht begreiflichen Gründen
wie im ersten Falle, wollte ich erst den Krankheitsfall genauer
beobachten und gehörig alles erwägen, ehe ich mich bei solchen
krankhaften Brusterscheinungen entschloss, eine Quecksilber¬
behandlung einzuleiten. Unterdessen schwanden Husten und
Rasselgeräusche vollständig, während die übrigen Erscheinungen
ohne Veränderung persistirten. Aus denselben Gründen, wie im
ersten Falle, wurde Quecksilber verordnet — Einreibungen von
grauer Salbe. Im ganzen wurden 25 Inunctionen gemacht:
5 zu 10 Gran, 5 zu 15 Gran und 15 zu 20 Gran. Während der
Behandlung schwanden allmälig die krankhaften Erscheinungen,
und gegen Ende der Cur war weder Athemnoth, noch Brust¬
beklemmung, noch Schmerz vorhanden; die erwähnten objec-
tiven Brusterscheinungen schwanden spurlos, die Schlüsselbein¬
gruben traten viel weniger hervor (theilweise natürlich, weil
bei Beobachtung der verordneten Diät Appetit und Verdauung
während der Behandlung in gutem Zustande waren und der
Kranke etwas zugenommen hatte). Von der Zeit an bis heute
hat Patient eine ganz gesunde Brust und erfreut sich überhaupt
einer guten Gesundheit.
Der erste Fall fiel mir nicht sowohl dadurch auf, dass die
drohenden Brustsymptome, welche den Gedanken an Lungen¬
schwindsucht erwecken konnten, unter dem Einflüsse der mer-
curiellen Behandlung spurlos schwanden (solche Fälle waren
mir bekannt), als dadurch, dass die ganze Gruppe dieser Er¬
scheinungen sich so scharf von dem Symptomencomplexe der
gewöhnlichen Lungenschwindsucht unterschied, und der Kranke
selbst so wenig an einen schwindsüchtigen erinnerte. Erst die
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j zweite Beobachtung aber, in der sich mit photographischer
Treue alle wesentlichen Merkmale des ersten Falles wieder¬
holten, brachte mich zur Ueberzeugung, dass es kein zufälliger
Symptomeucomplex sei, sondern eine beständige Form einer
unzweifelhaft syphilitischen Pneumonie in ihrer reinen, uncom-
plicirten Gestalt — eine KYänkheitsform, welche semiotisch und
diagnostisch von dem Bilde der gewöhnlichen Lungenschwind¬
sucht, sowohl bei syphilitischen als bei nicht syphilitischen
Individuen so verschieden ist. Der Hauptbeweis, dass in beiden
Fällen die Lungenaffection eine unzweifelhaft syphilitische war
— der Beweis ex juvantibus — liegt auf der Hand: unter dem
Einflüsse einer Quecksilberbehandlung trat nicht nur eine Besse¬
rung ein, wie es in einigen neuesten Beobachtungen der Fall,
war, sondern es schwanden die krankhaften Erscheinungen
spurlos, ganz so wie wir es überhaupt bei allen früheren und
späteren syphilitischen Affectionen in Folge einer specifischen
Behandlung beobachten. Was uns über die Eigenthümlichkeiten
der anatomischen Veränderungen syphilitisch erkrankter Lungen,
— den interstitiellen Gharacter dieser Veränderungen — bekannt
j ist, konnte natürlich meine Ueberzeugung nur verstärken. Mit leb¬
haftem Interesse erwartete ich weitere Beobachtungen und zö-
! gerte mit der Mittheilung des oben beschriebenen; habe aber
. bis jetzt nichts getroffen, was mir diesen Gegenstand mehr
j beleuchtet hätte. Um unrichtigen Schlüssen über die Frequenz
solcher Fülle vorzubeugen, halte ich es für nothwendig, folgende
mich persönlich betreffende Bemerkung zu machen: ich habe
zwar oft Gelegenheit, Fälle zu beobachten, die für schwere und
nicht ganz klare gelten, und ich bin auch in der Lage, dieselben
genauer zu verfolgen; muss aber die Zahl der Kranken, die ich
besonders in den letzten Jahren zu sehen bekommen, als eine
beschränkte bezeichnen. Erst in ganz letzter Zeit verdanke ich
einem mir genau bekannten Collegen, Dr. Flöroff — auf dessen
! Beobachtungen ich mich wie auf meine eigenen verlassen kann
— die Mittheilung eines Falles, in welchem sich alle wesent¬
lichen Merkmale der zwei oben beschriebenen Fälle vollständig
wiederholten; die Brusterscheinungen schwanden vollkommen
unter einer specifischen Behandlung (diesmal Jodkalium) und der
Patient ist bis auf den heutigen Tag ganz gesund (etwa 4 Jahre
nach der Behandlung).
Ich erlaube mir noch einmal diejenigen Eigenthümlichkeiten
der erwähnten Fälle zu recapituliren, welche die Unterscheidung
der syphilitischen Pneumonie in ihrer reinen, nicht complicirten
Form von der gewöhnlichen Lungenschwindsucht, sowohl bei
syphilitischen als bei nicht syphilitischen Individuen, ermöglichen:
1. Die characteristische Anamnese.
2. Kräftige Constitution der Patienten. Es ist sehr wahr¬
scheinlich, dass schwächliche Subjecte, welche Anlage zur ge¬
wöhnlichen Schwindsucht haben, derselben eher verfallen, als
dass sie die späteren syphilitischen Affectionen erleben, zu denen
freilich die syphilitische Pneumonie gerechnet werden muss.
3. Die objectiven Merkmale der Lungen Verdichtung: dumpfer
Schall, geschwächter Fremitus, Veränderung im normalen Ath-
mungsgeräusch. Die ausgeprägtere Einsenkung der Supra- und
Infraclaviculargruben. Kurzathmigkeit, Gefühl von Beklemmung
und Schmerz in der Brust.
| 4. Das Fehlen des Blutspeieus, des Hustens, der Sputa
! und der Rasselgeräusche.
5. Kein Fieber.
6. Entschiedene Wirkung einer Quecksilber- oder Jodbehand-
lung. Ich muss noch hinzufügen, dass auch in dieser Beziehung
die syphilitische Pneumonie dieselbe Eigenthümlichkeit darbot
wie die anderen späteren syphilitischen Affectionen: es genügte
eine sehr mässige Quecksilberbehandlung, um die krankhaften
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21. Januar 187S.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
37
Erscheinungen zum Schwinden zu bringen. Nach meinen eige¬
nen Beobachtungen wenigstens, ist das Quecksilber in den spä¬
teren syphilitischen Affectionen in viel geringerem Masse anzu¬
wenden als in den früheren.
Dass solche Fälle der syphilitischen Pneumonie, wie die
oben beschriebenen, sich im weiteren Verlaufe der Krankheit,
wenn sie unerkannt blieben und nicht geheilt wurden, oder
wenn in Folge besonderer Bedingungen des gegebenen Falles eine
Heilung überhaupt unmöglich war, sich mit anderen Affectionen
der Athmungsorgane (starker Entzündung der Bronchien, der
Pleura, acuten und chronischen Pneumonien nicht syphilitischen
Characters) compliciren und dann natürlich eine andere Gestalt
annehmen können, halte ich für möglich und wahrscheinlich;
nicht aber aus solchen unreinen, complicirten Fällen können
diagnostische, prognostische und therapeutische Schlüsse über
Lungensyphilis gezogen werden.
Ob die unzweifelhaft syphilitische Lungenaffection der Er¬
wachsenen, in einer reinen, uncomplicirten Gestalt, in einer
anderen Form vorkommt als diejenige, von der drei Fälle oben
angeführt sind — in einer anderen Form, und welche zugleich
der Quecksilber- und Jodbehandlung ebenso vollständig weicht
— müssen weitere Beobachtungen entscheiden.
IV. Kritiken.
Klinik der Gelenkkrankheiten mit Einschluss der Ortho-
paedie. — Auf anatomisch-physiologischen Grundlagen nach
klinischen Beobachtungen für Aerzte und Studirende bearbeitet
von Dr. C. Huetcr, Prof, in Greifswald. Zweite umgearbeitete
Auflage: I. (allgemeiner) Theil, Leipzig 1876; II. Theil (specielle
Pathologie der Gelenkkrankheiten der Extremitäten). Leipzig, 1877,
bei F. C. W. Vogel.
Wenn ein Werk, welches, wie das vorliegende, einen ganz speciell
chirurgischen Inhalt hat, binnen relativ wenigen Jahren eine zweite Auf¬
lage erlebt, so müssen wir demselben schon von vornherein gewisse
grössere Vorzüge vindiciren. In der That bringt Hueter’s Klinik der
Gelenkkrankheiten dem Leser alle diejenigen Vortheile, welche durch
die klare Wiedergabe von Selbstbeobachtungen und eigenen Erfahrungen
bedingt sind. Wie Verf. bereits m der Vorrede zur 1. Auflage des vor¬
liegenden Werkes erklärt hat. wollte er weder ein Hand- noch Lehrbuch
schreiben. Er verzichtet ausdrücklich „auf eine Codification der Lehre
von den Gelenkkrankheiten mit genauester Benutzung der literarischen
Quellen,“ und steht vielmehr auf dem Standpunkte des Klinikers, der
durch directe Demonstration den jüngeren Commilitonen die nöthige
practische Erfahrung auf dem Gebiete der Gelenkkrankheiten aneignen
will. Was im speciellen den Inhalt dieser neuen Auflage der Ilueter-
schen Gelenkkrankheiten betrifft, so ist derselbe in sofern gegenüber
dem der ersten Auflage vergrössert, als die Orthopaedie und die Affec¬
tionen der Gelenkverbindungen des Rumpfes näher berücksichtigt worden
sind. Ihnen ist der bis jetzt noch nicht erschienene dritte Theil des
Werkes gewidmet, so dass die bis dahin publicirten ersten beiden Bände
an Umfang ungefähr der ersten Ausgabe gleichkommen. Es ist uns
nun ganz unmöglich, an dieser Stelle die etwaigen Veränderungen der
«unzelnen Kapitel gegen früher besonders anzuführen und einer eingehen¬
den Kritik zu unterwerfen. Es genügt wohl hervorzuheben, dass Verf.
bemüht gewesen ist, an allen Stellen seiner Arbeit die neueren und
neuesten Leistungen im Gebiete der Gelenkleiden in entsprechender
Weise zu würdigen. So finden wir z. B. im theoretischen Theile die
letzten Fortschritte der Entzündungs- und Fiebertheorien, in den Kapi¬
teln von den Gelenkresectionen die gesichteten Ergebnisse des deutsch-
französischen Feldzuges, in der Behandlung der Gelenkwunden und Ge¬
lenkentzündungen die Listcr’sche Methode sowie die Carboljectionen
gebührend verwerthet. Dass ausserdem manche Beobachtungen von bisher
noch nicht hinreichend beschriebenen Details sowie dem Verf. eigentüm¬
liche neue Ideen an vielen Punkten der Darstellung ihren Platz gefunden,
bedarf keiner besonderen Betonung. Zu erwähnen ist indessen, dass
die Aufnahme derartiger Dinge in den Text des Buches verbunden mit
der dem Verf. eigenen lebhaften Schreibweise die Lectüre des Werkes in
hohem Masse anziehend und namentlich die Abschnitte von den Er¬
scheinungsweisen der verschiedenen Gelenkerkrankungen sowie die von
den operativen und anderen Curmethoden auch dem nicht specialis-
tisch gebildetem Leser interessant zu machen im Stande ist. Am
besten gelungen erschien uns in dieser neuen Auflage die Darstellung
der anatomischen Veränderungen der Gelenke bei der Entzündung im
allgemeinen, ferner die Besprechung der mechanischen Verhältnisse des
Klumpfusses und dann die Beschreibung der Symptomatologie und The¬
rapie der Gonitis und Coxitis. Dagegen können wir die stiefmütterliche
Abfertigung der Schulterluxationen, welche Verf. dadurch motivirt, dass
dieses ein in den meisten Hand- und Lehrbüchern hinreichend behandeltes
Thema sei, nicht gut heissen, schon wegen der erheblichen Frequenz
dieser Verletzungen. Auch die Abschnitte von der Aetiologie der Ge¬
lenkentzündung im allgemeinen wie im speciellen erscheinen uns mehr¬
fach zu kurz. Dass die gelegentlich infectiöser Leiden entstehenden
Gelenkentzündungen sehr verschiedener Natur in den einzelnen Fällen
sein können, ist nicht hinreichend auseinandergesetzt. Bei der Ver-
werthung der Statistik für die Aetiologie der Gelenkentzündung hätten
die einzelnen Zahlen auch mit denen der in den verschiedenen Alters¬
klassen überhaupt am Leben befindlichen Individuen verglichen werden
müssen. Zu was für irrigen Vorstellungen die Vernachlässigung dieses
Vergleiches führen kann, zeigt uns die Lehre von der Frequenz der
Steinkrankheit in den verschiedenen Lebensaltern. Ueberhaupt dürfte
sich für eine neue dritte Auflage etwas mehr Skepsis in der Verwendung
der chirurgischen Statistik empfehlen.
Doch genug von diesen kleinen Ausstellungen, welche selbstver¬
ständlich den Werth des Buches als ganzes in keiner Weise beschränken.
Es bleibt uns nun noch die angenehme Pflicht zu erfüllen, der Aus¬
stattung des Werkes lobend zu erwähnen. Dasselbe besitzt durch die
besondere Paginirung jedes Theiles, der überdies noch sein eigenes In-
hatsverzeichniss hat, den Vorzug grösserer Handlichkeit. Die auch in
dieser Auflage sich auf das nothwendige Mass beschränkenden Abbildun¬
gen zeichnen sich durch Klarheit und Sauberkeit aus. G.
F. H. Hamilton: Knochenbrüche und Verrenkungen. Nach
der fünften Auflage des englischen Originals unter Mitwirkung
des Verfassers ins Deutsche übertragen von Dr. A. Rose in New
York. — Göttingen. Vandenhoeck und Rupprecht, 1877. (Mit
543 in den Text- gedruckten Holzschnitten.)
Dieses jenseits des Oceans ebenso wie in England sehr verbreitete
Handbuch verdient auch in seiner deutschen Uebersetzung einige Worte
der Empfehlung und Bewillkommnung. Mit Recht sagt der Uebersetzer
in seinem Vorworte, dass Handbücher über das specielle Thema der
Fracturen und Luxationen von ähnlicher Vollständigkeit, wie das Ha¬
rn ilton’s bis jetzt bei uns in Deutschland gefehlt, und bis zu einem
gewissen Grade wird durch dasselbe in seiner deutschen Ausgabe eine
Lücke ausgefüllt. Freilich alle Anforderungen, die wir an ein solches
Werk stellen würden, entspricht es nicht. Der historische und litera¬
rische Theil ist durch die fast völlige Vernachlässigung der neueren
deutschen Autoren sehr ungleiclimässig gearbeitet, und analoges gilt auch
von dem pathologisch-anatomischen Inhalt des allgemeinen Abschnittes.
Dafür hat das Buch aber eine Anzahl von Vorzügen, welche alle genann¬
ten und sonstigen Mängel mehr als compensiren, und von denen wir die
vorzügliche Darstellung der Symptomatologie der verschiedenen Ver¬
letzungen, welche allenthalben durch interessante Beispiele aus den eige¬
nen Erfahrungen des Vcrf.’s illustrirt werden, in erster Reihe hervor¬
heben. Ebenso sind ferner die diagnostischen Bemerkungen des Verf.’s
meist durchweg zu loben, während sich seine Therapie durch grosse
Nüchternheit in der Beurtheilung der mannigfaltigen Behandlungsweisen
auszeichnet. Dass wir hier nicht überall, namentlich nicht bei der Be¬
handlung der Fracturen, den Gypsverband als Hauptmittel angeführt
finden, darf uns bei einem americanischen Autor nicht überraschen oder
fehlerhaft erscheinen. Im Gegcntheil dürfte es nur ein Vortheil sein,
dass wir Deutschen daran erinnert werden, wie die Majorität der Knochen¬
brüche auch ohne Gyps lege artis curirt werden kann, zumal da es
keineswegs unter allen Verhältnissen möglich ist, einen Gypsverband zu
applieiren. Ausserdem zeigen speciell die Capitel von den Unter- und
Oberschenkelfracturen, dass Verf. den Gypsverband wie auch dessen
Wirkungsweise sehr gut aus eigener Anschauung kennt, wenn er gleich
sowohl bei dieser Gelegenheit, wie schon vorher im allgemeinen Theil
weniger sanguinisch über beides urtheilt, als wir hier bei uns zu thun
pflegen. Bei complicirten Unterschcnkelfracturen räth Verf. zur Verbin¬
dung des Gypsverbandes mit Schwebevorrichtungen, ähnlich wie dieses von
Esmarch und Volk mann geschehen ist. Im übrigen redet Verf. bei com¬
plicirten Fracturen einer moderirten offenen Behandlung das Wort, doch
wird auch die Lister’sche Methode beschrieben. Auffallend dürften dem
deutschen Leser die langen Reihen von Schienen und anderen Apparaten
sein, die bei jeder einzelnen Fractur und Luxation besonders erwähnt
werden, und welche zum allergrössten Theil americanischen Ursprungs sind.
In der That haben wir es hier mit einem Ausdruck des grossen mecha¬
nischen Talentes zu thun, dessen sich die Bewohner der vereinigten
Staaten erfreuen. Andererseits dürfen wir aber nicht vergessen, dass
bei der Dünnheit der Bevölkerung Nordamerika^ und der viele Aerzte
zwingenden Nothwendigkeit, in relativ abgelegenen Gegenden zu practi-
ciren, der Vf. die Verpflichtung hatte, seinen Landsleuten eine grössere
Auswahl von Hilfsmitteln zur Behandlung der Fracturen und Luxationen
an die Hand zu geben.
A. Rose’s Uebersetzung des vorstehenden Werkes liest sich fliessend
und ist im grossen ganzen als eine gelungene zu bezeichnen. Einzelne
zu amerieanische Redewendungen und Ausdrücke dürften in einer späteren
Auflage leicht zu beseitigen sein, so z. B. die hin und wieder für die
complicirten Fractureif gebrauchte Bezeichnung „combinirt“, welche
mindestens als ungewöhnlich in unserer Terminologie gelten muss. Die
äussere Ausstattung des Buches ist gut, obschon bei \veitem nicht so
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3S
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 3
elegant als die des Orginales, dessen z. Thl. ganz vorzügliche Holz¬
schnitte überall mit grosser Treue reproducirt sind. Besondere Aner¬
kennung verdient schliesslich noch der relativ sehr massige, nur 20 Rink,
betragende Preis des S23 grosse Octav-Seiten starken Bandes. G.
J. Steiner (Doeent in Erlangen): Grundriss der Physiologie
des Menschen für Studirende und Aerzte. Leipzig. 8.
440 Seiten (39 Holzschnitte).
Die compendiöse Zusammenfassung der physiologischen Thatsachen
und Erfahrungen, wie sie hier vorliegt, dürfte auch dem practischen
Arzte sehr willkommen sein, der sein physiologisches Wissen recapitu-
liren oder sich ohne grosse Mühe und Zeitverlust über diese oder jene
Frage die den jetzigen Anschauungen entsprechende Aufklärung ver¬
schaffen will. Die Darstellung ist einfach und elementar, dabei leicht
verständlich und übersichtlich; was schwerer fasslich erscheint,
möchten wir weniger dem Autor, als der Schwierigkeit des zu behandeln¬
den Stoffes an sich zur Last legen. Ueberall sind die wichtigen und
wesentlichen Erfahrungen von dem mehr nebensächlichen so wie von
der Hypothese und Theorie durch kleineren Druck schon äusserlich ge¬
schieden. Die vegetativen Functionen und die specielle Nervenphysio-
logie, denen für die praetische Medicin eine besondere Bedeutung zu¬
kommt, sind mit einer gewissen Vorliebe bearbeitet: in einem besonde¬
ren Capitel werden die hauptsächlichen Nahrungs- und Genussmittel
eingehend dargestellt und nach ihrem Nährwerth auf Grund der durch
die neueren Stoffwechselversuche gewonnenen physiologischen Anschauun¬
gen beurtheilt. Gegenüber diesen Vorzügen des Buches fallen einzelne
kleinere Mängel und Ausstellungen, die man wohl hier und da machen
kann, wenig ins Gewicht. Als Hülfsmittel zum Nachschlagen und zu
schneller Orientirung, die überdies durch ein sorgfältig bearbeitetes
Register wesentlich erleichtert wird, dürfte sich der Grundriss auch unter
den Aerzten zahlreiche Freunde erwerben. Die Ausstattung des Buches
ist recht befriedigend. M.
V« Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften*
Berliner medieinisehe Gesellschaft.
Sitzung vom 14. November 1877.
Vorsitzender: Herr He noch.
Schriftführer: Herr B. Frankel.
Das Protocoll der vorigen Sitzung wird verlesen und angenommen.
1) Herr Curschmann: Therapeutische Mittheilungen. (Der
Vortrag wird in dieser Wochenschrift in extenso erscheinen.)
In der an diesen Vortrag sich anschliessenden Discussion bemerkt
Herr P. Guttmann: Ich habe während einer vier Wochen langen
Vertretung des Herrn Curschman im Moabiter Lazareth mehrere
Intermittens-Fälle mit Buxin behandelt und schliesse mich den von
Herrn Curschmann vorgetragenen Anschauungen, insbesondere seinem
vorsichtig ausgesprochenen Urtheile über den Werth dieses Mittels
durchaus an. Hervorheben möchte ieh noch, dass man das Mittel nicht
in höheren, als in */* Gramm Dosen reichen solle. Uebersteigt man
diese Dosis, so erhält man unangenehme Nebenwirkungen, oder das
Mittel wird wieder erbrochen. So sah ich in einem Falle nach mehreren
Dosen von 1 Gramm Buxin einen Gastroduodenalcatarrh auftreten mit
Icterus, und es war mir und dem Herrn Assistenten nicht zweifelhaft,
dass derselbe die Wirkung des Buxin gewesen sei. In einem anderen
Falle, wo das Buxin ebenfalls in Dosen von einem Gramm gegeben
worden war, wurde es erbrochen und kam daher gar nicht zur Wirkung.
Durch Chinin wurde dann die Intermittens geheilt.
Herr Curschman: Der Fall kann nicht zu den mit Buxin behan¬
delten gerechnet werden, da der Kranke das Mittel, welches in Dosen
von einem ganzen Gramm gegeben wurde, jedes Mal erbrach. Ich habe
auch in meinem Vortrag gesagt, dass ich gerade der sonst leicht (in
Vs der Fälle) auftretenden Brechneigung wegen nicht mehr Grammdosen
sondern nur l / 2 Gramm pr. Dose gebe.
Was den Icterus anlangt, so ist es meiner Ansicht nach absolut
nicht zu entscheiden, ob derselbe als Folge der Darreichung des Medi-
caraents aufzufassen ist. Mir ist cs nicht einmal wahrscheinlich. Bei
der Section von Thieren, die in Folge toxischer Dosen des Buxin zu
Grunde gegangen sind, findet man weder im Magen noch im Duodenum
oder den benachbarten Dünndarmpartien Erscheinungen einer Reizwir¬
kung auf die Schleimhaut. Auch bei einem acut verstorbenen Manne,
der zufällig Tags vorher Buxin genommen hatte, fand sieh nnr eine
circumscripte Hyperämie der sonst intacten Magenschleimhaut, in der
Gegend der kleinen Curvatur, die durch andere Momente, auf die ich
hier nicht weiter eingehen kann, sich weit ungezwungener erklären liess.
2) Herr Adamkiewicz: U e b e r Pepton. (Der Vortrag ist i n
No. 2 dieser Woehenschr. in extenso erschienen.)
An diesen Vortrag knüpft sich folgende Discussion.
Herr Fräntzel: Mir ist vor längerer Zeit eine grössere Quantität
Pepton aus Amsterdam durch Dr. Zander zugegangen, aus einer Fabrik
von Ehlsen. Das Präparat zeichnet sich durch unangenehmen Geruch
und Geschmack aus, so dass sich bald die Patienten nicht mehr dazu
verstehen wollten, es per os zu nehmen. Nur ein einziger Patient, ein
etwas stupider 5 jähriger Knabe, hat es dauernd genommen. Bei allen
anderen Patienten mussten die Versuche eingestellt werden, weil man
durch kein Mittel, etwa durch Fleischbrühe, Himbeersyrup etc. die
widerwärtigen Eigenschaften des Präparates verdecken konnte.
Herr Adamkiewicz: Meine nunmehr fabrikmässig dargestellten
Peptonpräparate reagiren neutral und sind geruch- und meiner Auf¬
fassung nach auch geschmacklos. Sie sind mir so wenig zuwider, dass
ich jederzeit bereit wäre, etwas von ihnen zu mir zu nehmen, zumal
von demjenigen Präparat, welches der Fabrikant äusserst geschickt aro¬
matisch gemacht hat,
Herr Leyden: Wie hoch würde der Preis sein, um einem Menschen
so viel zu geben, als er für den Tag braucht?
Herr Adamkiewicz: Das kommt ganz darauf an, ob man diesen
Menschen vom Darm oder vom Magen aus ernähren will. — Von dem
Präparat pro recto kostet das Kilo 7 Mark, von dem anderen 9 Mark. —
1 Tlieil dieser Präparate entspricht 1' 4 Theilen reinen Fleisches. Einen
Ersatz für 200 bis 250 Gramm Fleisch liefern also 160 bis 200 Gramm
der genannten Präparate. Die Kosten dafür belaufen sich für das eine
Präparat 1,1 bis 1,4 Mark und für das aromatische 1,5 bis 1,8 Mark.
Herr Stein au er: Ich möchte Herrn A. fragen, ob er Erfahrungen
über das Derbi’sche Fleischpepton hat- Es ist meiner Ueberzeugung
nach ein sehr gutes Präparat, welches sehr gut aufbewahrt werden
kann, so dass nicht zu fürchten, dass es schimmelt» Ferner möchte
ich fragen, ob er stets eine so grosse Menge von Chlor gefunden, als er
in seinem Buche angegeben hat.
Herr Adamkiewicz: Ich meine eine sehr geringe Quantität ange¬
geben zu haben, so geringe Spuren, dass sie nicht zu wägen seien.
Herr B. Fränkel: Ich möchte nur anführen, dass auf der Natur¬
forscherversammlung von Herrn Pentzold Pflanzenpeptone vorgelegt
wurden, und wenn auch nicht zahlreiche Versuche mit denselben ge¬
macht wurden, so schien doch aus denselben hervorzugehen, dass man
durch Pflanzenpeptone auch ernähren kann. Diese werden sich aber
entschieden billiger und leichter hersteilen lassen.
Herr Senator fragt, ob sich die Ernährung billiger als die von
Leube und Rosenthal angegebene Fleischsolution stellt. Letzteres
enthält schon die Fleischextractstoffe, welche man, um ein vollständiges
Aequivalent zu haben, noch zu dem Pepton hinzusetzen müsste.
Herr Adamkiewicz: Ich habe diese Fleischsolution nur einmal
gesehen, und hat sie einen sehr widerwärtigen Eindruck gemacht.
Herr Senator: Ich wende sie seit 3 Jahren an.
Herr Steinauer: Herr Adamkiewicz ist mir noch immer die
Antwort auf meine Frage schuldig geblieben. In betreff der Leube’-
schen Solution möchte ich erwähnen, dass sie leicht fault, und in
Folge dessen sehr schwer gute Präparate zu erhalten sind. Ich selbst
habe mit derselben gearbeitet und muss wohl sagen, dass, wenn sie
frisch dargestellt wird, was allerdings mühsam ist, sie dann ein ganz
geniessbares Präparat darstellt.
Herr Adamkiewicz: Das Derbi’sche Pepton kenne ich, es hat
jedoch den Naehtheil, dass ungefär 30 Grm. 5 Mk. kosten, es also ausser¬
ordentlich theuer ist.
Herr B. Fränkel: Ich möchte Herrn Adamkiewicz über die
Vortheile fragen, welche seine Peptone gegenüber der Darstellung, die
Leube empfohlen hat, haben, also gegenüber dem Fleischpancreas-
klystier. Soviel ich die Sache übersehen kann, wird der praetische
Nutzen dieser Präparate besonders darauf zurückzufuhren sein, dass die
Ernährung der Kranken vom Mastdarm aus möglich ist. Leube hat
nun die Zusammenmischung von Pancreasdrüse mit Fleisch angegeben,
welches zerhackt und zu Brei angerührt, dem Kranken ins Rectum ein¬
geführt wird. Ich frage nun Herrn Adamkiewicz, welche Vortheile
sein Pepton gegenüber diesem Fleischpancreasbrei hat.
Herr Adamkiewicz: Ich bedaure, nicht stricte Antwort geben
zu können, weil ich niemals Leube’sche Klysmen gesetzt habe. So¬
weit ich mir aber das Verfahren denken kann, muss es weit mehr
Schwierigkeiten machen, als die Anwendung des Pepton.
Herr Ewald: Ich habe Gelegenheit gehabt, in der Mehrzahl der
Fälle Leube’sche Extracte anzuwenden. Es ist gar nicht so leicht zu
machen. Man muss ein Pancreas vom Schlächter besorgen, dann ist
der Brei s.^hr schwer dünn darzustellen, so dass ich zuletzt dazu ge¬
kommen bin, cs mit Glycerin und Wasser zu versetzen. Einen anderen
Uebelstand habe ich dabei gefunden, dass sie den Mastdarm stark reizen, und
die Patienten nach sehr kurzer Zeit immer weniger lange die Masse hei sich
zu behalten vermochten, so dass ich dazu einen Apparat benutzt habe, um
die Klysmate etwas länger in dem Mastdarm zu erhalten. Er bestand
aus einem Kautschuckschlauch mit Gummiballon, der zusammengedrückt
in den Mastdarm eingeführt wurde und sich gegen den Spincter an¬
lehnte. Es ist das aber ziemlich umständlich. Ausserdem habe ich da¬
mals eine Reihe von Stickstoffbestimrauugen gemacht, und es hat sich
gezeigt, dass die Stickstofläusscheidung nicht auf der Höhe zu erhalten
war, trotz fortgesetzter Pancreasernährung.
Was das von Herrn Fränkel erwähnte vegetabile Pepton betrifft,
so hat Herr Pentzold auf der Naturforsehervcrsammlung das Reeept
dazu vorgetragen, l / A Pfd. Erbsenmehl, 4 Decigramm Salicylsäure und
Vj Grm. Pepsin wird mit 1 Liter Wasser auf dem Heerde eiudampfen ge¬
lassen bis zu 2 Suppentellern; dann mit etwas Gewürz und Salz ver¬
setzt. Die Erfahrungen desselben waren noch sehr geringer Natur, wenn
er sich auch sehr befriedigt darüber aussprach. Jedenfalls ist die Dar¬
stellung eine leichte.
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21. Januar 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
39
Herr Frankel: Ich muss mich dagegen verwahren, dass die
Leube’sehen Klistiere zu umständlich sind. Die einzige Schwierigkeit
ist die Beschaffung von Irischem Pancreas, dessen ortsüblichen Namen man
dem Schlächter angeben muss. Mir ist ira Vortrage des Herrn Adam«
kicwicz aufgefallen, dass keine Defdkation bei seinen Versuchen statt¬
gefunden hat. Nach den Leube’schen Klistieren erfolgt immer Defäca-
tion. Ich glaube, dass die vollkommene Resorption des Adamkiewicz’-
seben Peptons ein wesentlicher Vortheil ist. Um die Patienten fähig zu
machen, die Klystiere bei sich zu behalten, ist es nöthig, sie bis über
den Sphincter tertius hinauf zu bringen.
Herr Löwe: Ein Klysma unterhalb des Sphincter tertius ist eben
so viel werth, als wenn man es auf die äussere Haut legt. Von einer
Resorption kann gar nicht die Rede sein, wenn es nicht bis Uber diesen
Sphincter eingeführt ist, da hier erst die eigentliche Schleimhaut beginnt.
Herr Ewald: Dass der letzte Theil der Mastdarmschleimhaut nicht
resorptionsfähig ist, ist bekannt, und kommt es nur darauf an, we¬
nigstens einen Theil des applicirten Klysmas oberhalb dieser Stelle
zurückzuhalten.
VI. Tagesgeschiehtliehe Notizen.
Berlin. In Bezug auf die Mittheilung über den Central-Aus-
schuss der ärztlichen Vereine in der vorigen Nummer der klinischen J
Wochenschrift geht uns von Herrn Dr. J. Stern, dem Schriftführer
des Aerzte-Vereins Ost-Berlin, die Mittheilung zu, dass auch dieser j
letztere Verein seinen Beitritt zum Central-Ausschuss längst erklärt
hat, und dass nur irrthümlich eine Einladung desselben zu der be- j
sprochenen constituirenden Versammlung unterblieben ist. !
— In betreff der Fortbildungscurse für Aeizte geht uns !
folgende Anzeige zu: !
Der nächste Cyclus der Fortbildungs-Curse für pract. Aerzte wird
zwischen d. 18. u. 21. März d. J. beginnen und wiederum sechs Wochen j
dauern.
Diejenigen Herren Collegen, welche sich fest entschlossen,
an demselben theiInehmen zu wollen, wurden frcundlichst ersucht, dies |
dem Unterzeichneten mündlich oder schriftlich anzuzeigen. !
Den auswärtigen Herren Collegen, welche ihre Betheiligung sicher |
und bestimmt Zusagen, kann eine Ermässigung der Kosten hie- j
sigen Aufenthaltes in Aussicht gestellt werden. j
Berlin, den 12. Januar 1878. I
Dr. M. Rosenberg, Matthäikirchstrasse 28. j
— Ucber die Masernepidemie im Kreise Culm, welche I
von April bis Ende Juli v. J. mit einer seltenen Heftigkeit und Aus- j
dehnung herrschte, liegt ein genauer Bericht des königlichen Kreis- I
physicus Herrn Sanitätsrathcs Dr. Wiener vor, welchem die Veröffent- 1
iichungen des Gesundheitsamtes No. 2 nachfolgende Mittheilungen ent- j
nehmen: Der Kreis Culm zählt rund 55500 Bewohner. Davon erkrankten !
4587 = 83,4% 0 . Von den Erkrankten starben 305 = 66,5 Von '
den Erkrankten genasen 4098. Bei 246 fehlt der Nachweis über den
Ausgang. — Die ländliche Bevölkerung zählt rund 42000. Es erkrankten
darunter 4400 = 106 % 0 . Es starben 253 = 57 %o- In einzelnen der
ländlichen Ortschaften betrug das Verhältniss der Erkrankten zur Ge-
sammtbevölkerung 30 bis 35 0 n . Die Städte des Kreises zählen rund
13500 Bewohner. Davon erkrankten 143 = 10,6 % 0 . Es starben 52
= 36,3%’ Davon fallen auf Stadt Culm mit 9600 Einwohnern: 138
Erkrankungen = 14 % 0 . 52 Todesfälle = 37 %.
Für die ungewöhnlich hohe Sterbeziffer in Stadt Culm kann eine
bestimmte Erklärung nicht gegeben werden. Vielleicht ist dieselbe darin
zu suehen, dass die hohe Lage der Stadt mit ihren breiten, geraden
Strassen den Windströmungen freien Zutritt, gestattet, wodurch an sich
die Respirationsorgane gefährdet sind, umsomehr bei der durch die
Masern erhöhten Disposition zu Respirationserkrankungen.
Die Mehrzahl der Todesfälle an Masern erfolgte hier auch an Pleu¬
ritis und Tracho-bronchitis, vielfach dadurch verursacht, dass die Pa¬
tienten viel zu früh in die Luft geschickt wurden.
In London, Wien, Pest, Prag, Triest, Krakau ist die Zahl der
Todesfälle an Pocken wiederum gestiegen. Die Masern-Epidemie in
Pest und London zeigt noch keinen Nachlass, desgleichen gewinnt auch
die Diphtherie in Wien, Pest, Paris noch an Ausdehnung. Todes¬
fälle an Unterleibs- und Flecktyphus erscheinen in Petersburg
ansehnlich vermehrt. Die Cholera in Tokio und Yokohama ist seit
Mitte November als erloschen zu betrachten. Vom 16. Juli bis 10.
November sind in ganz Japan 11675 Erkrankungen mit 6297 Todes¬
fällen vorgekommen. Auf den in Yokohama stationirten Kriegsschiffen
hat die Krankheit nur ganz vereinzelte Opfer gefordert. Ein an Bord
S. M. S. „Elisabeth“ davon befallener chinesicher Aufwärter war bereits
nach 6 Tagen wieder dienstfähig. (V. d. Ges.-Amtes No. 2.)
A lexandrien, 15. Januar. Die Zahl der an Cholera verstorbenen
Personen betrug bis zum 31. December v. J. in Meeca täglich durch¬
schnittlich 60, in Jeddah 38. (Telegramm der Voss. Ztg.).
— In der Woche vom 16. bis 22. December sind in Berlin 468 Per¬
sonen gestorben. Todesursachen: Masern 3, Scharlach 22, Roth-
lauf 1, Diphtherie 32, Eitervergiftung 1, Kindbettficber 2, Typhus 9,
Syphilis 4, Delirium tremens 1, Kohlengasvergiftungen 2 (1 Selbstmord),
Erfrieren 1, Sturz 1, Operation 1, Verblutung 1 (Selbstmord), Erhängen
2 (Selbstmorde), Ertrinken 1 (Selbstmord), Lebensschwäche 33, Bildungs¬
fehler 3, Abzehrung 17, Rhachitis 1, Atrophie der Kinder 3, Alters¬
schwäche 7, Krebs 10, Wassersucht 2, Herzfehler 7, Hirnhautentzündung 10,
Gehirnentzündung 15, Apoplexie 15, Tetanus und Trismus 6, Zahn¬
krämpfe 4, Krämpfe 30, Kehlkopfentzündung 11, Croup 8, Pertussis 9,
Bronchitis acuta 6, chronica 11, Pneumonie 24, Pleuritis 1, Phthisis 59,
Peritonitis 9, Gebärmutterentzündung 1, Diarrhoe 9 (Kinder unter 2
J.), Brechdurchfall 6 (Kinder unter 2 J.), Magen- und Darmentzündung 1,
Magen- und Darmkatarrh 7 (darunter 6 Kinder unter 2 J.), Nephritis 6,
Krankheiten der Harnorgane 3, andere Ursachen 50.
Lebend geboren sind in dieser Woche 449 m., 407 w., darunter
ausserehelich 56 m., 50 w.; todtgeboren 22 m., 17 w., darunter ausser-
ehelich 4 m., 4 w.
Die durchschnittliche Sterblichkeit dieser Woche beläuft sich
auf 23,9 pro Mille der wahrscheinlichen Bevölkerungszahl, die entspre¬
chende Geburtenziffer auf 43,7 pro Mille (beide Summen mit Ausschluss
von 2 pro Mille Todtgebornen).
Witterung: Thermometerstand: —0,49. Abweichung —1,00.
Barometerstand: 28 Zoll 4,60 Linien. Dunstspannung: 1,59
Linien. Relative Feuchtigkeit: 80 pCt. Himmelsbedeckung: 8,0.
Höhe der Niederschläge: 1,7 Pariser Linien.
In Berlin sind in der Woche vom 23. bis 29. December gemeldet:
Typhus-Erkrankungen 16, Todesfälle 9. Am 30. und 31. December sind
keine Erkrankungen, aber 2 Todesfälle an Typhus von Aerzten angezeigt.
— In der Woche vom 23. bis 29. und am 30. und 31. December
sind in Berlin 710 Personen gestorben. Todesursachen: Masern 4,
Scharlach 27, Rothlauf 3, Diphtherie 36. Eitervergiftung 3, Kindbett¬
fieber 5, Typhus 12, Dysenterie 1, Meningitis cerebro-spiualis epidemica 1,
Rheumatismus 3, Syphilis 1, mineralische Vergiftung 1, Kohlengasver¬
giftung 3 (davon l Selbstmord), Delirium tremens 1, Brandwunden 2,
Ucberfabren 2, Sturz 3, Schussverletzung 2 (Selbstmorde), Schnittwunde 1
(Selbstmord), Ersticken 1, Erhängen 2 (Selbstmorde), Lebensschwäche 52,
Abzehrung 26, Atrophie der Kinder 5, Rhachitis 5, Scropheln 3, Alters¬
schwäche 19, Krebs 23, Wassersucht 6, Herzfehler 13, Hirnhautentzün¬
dung 14, Gehirnentzündung 10, Apoplexie 21, Tetanus und Trismus 7,
Zahnkrämpfe 4, Krämpfe 45, Kehlkopfentzündung 19, Croup 9, Per¬
tussis 18, Bronchitis acuta 3, chronica 21, Pneumonie 37, Pleuritis 1,
Phthisis 100, Peritonitis 8, Diarrhoe 15 (Kinder unter 2 J.), Brech¬
durchfall 2 (Kinder unter 2 J.), Magen- und Darmentzündung 3, Magen-
und Darmkatarrh 5 (Kinder unter 2 J.), Nierenkrankheiten 10, Gebär¬
mutterkrankheiten 2, andere Ursachen 84, unbekannt 6.
Lebend geboren sind in der Zeit vom 23. bis 31. December 54Ö m.,
503 w., darunter ausserehelich 62 m., 73 w., todtgeboren 28 in., 26 w.,
darunter ausserehelich 5 m., 7 w.
Die durchschnittliche Sterblichkeit dieser Zeit auf das Jahr berech¬
net beläuft sich auf 28,2 pro Mille der wahrscheinlichen Bevölkerungs¬
zahl, die entsprechende Geburtenziffer auf 41,4 pro Mille (beide Summen
mit Ausschluss von 2,1 pro Mille Todtgeborenen).
Witterung in der Woche vom 23. bis 29. December: Thermo¬
meterstand: 0,12, Abweichung: 0,08. Barometerstand: 27 Zoll
7,69 Linien. Dunstspannung: 1,73 Linien. Relative Feuchtigkeit:
85 pCt. Himmelsbedeckung: 8,7. Höhe der Niederschläge in
Summa: 7,80 Pariser Linien.
In der Woche vom 1. bis 5. Januar 1878 sind in Berlin gemeldet:
1 Todesfall an Pocken, 20 Erkrankungen und 3 Todesfälle an Typhus
abdominalis.
VII. Amtliche Mittheilungen.
Personal!».
Auszeichnungen: Seine Majestät der König haben Allergnädigst ge¬
ruht, dem städtischen Armenarzt Schmaeding zu Cöpenick im Kreise
Teltow den Königlichen Kronen Orden vierter Classe zu verleihen, dem
Geheimen Medicinalrath Professor Dr. Esmarch, Mitglied des Medi-
cinal-Collegiums in Kiel und Director der chirurgischen Klinik der
Universität daselbst, die Erlaubniss zur Anlegung des Corathurkreuzes
des Ordens der Königlich württembergischen Krone und Commandeur-
kreuzes zweiter Ctasse des Königlich dänischen Danebrog-Ördcns; dem
Geheimen Medicinalrath, gerichtlichen Stadtphysikus, ausserordent¬
lichen Professor an der Universität zu Berlin Dr. Liman desgl. des
Kaiserlich Oesterreichisehen Ordens der Eisernen Krone dritter Classe
und dem Professor und Lehrer der Augenkunde an der Universität zu
Basel Dr. med. Hoppe desgl. des Ritterkreuzes des Ordens vom
heiligen Grabe zu ertheilen, sowie den Kreisphysikern DDr. Wallichs
in Altona, Frank in Potsdam und Lind ne r in Angermünde und
dem practischen Arzt Dr. Rieck in Cöpenick den Character als Sani¬
tätsrath zu verleihen.
Anstellungen: Der practiscbe Arzt Dr. Beermann in Essen ist zum
Kreisphysikus des Kreises Meschede, der practische Arzt Dr. Goos
in Elmshoven zum Kreisphysikus in IToeii, der Arzt Dr. Kahl in
Oldesloe zum Kreisphysikus in Oldesloe und der practische Arzt Dr.
Vietor mit Belassung seines Wohnsitzes in Hilders zum Kreis-Wund¬
arzt des Kreises Gersfeld ernannt worden.
Niederlassungen: Dr. Coranda in Königsberg i./Pr., Dr. Curt
Elgnowski in Orteisburg, Stabsarzt Dr. Sitzler in Gumbinnen,
Dr. Würk in Niemegk, Dr. Jaeekel in Leubus, Dr. Jacobi in
Bockenheim.
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40
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. a
Verzogen sind: Dr. Lievin von Danzig nach Königsberg i./Pr.,
Dr. Behrendt von Königsberg i./Pr. nach Berlin, Stabsarzt Dr.
Harte von Gumbinnen nach Reichenbach.
Apotheken-Angelegenheiten: Der Apotheker Robert Heinzer¬
ling hat die elterliche Apotheke in Vöhl übernommen und der Apo¬
theker Haubold die Apotheke in Aliendorf von dem Apotheker
Flügge känflieh wieder erworben.
Todesfälle: Kreisphysikus Sanitätsrath Dr. Aust in Landeshut, Dr.
Graf in Königsberg i./Pr.
Bekanntmachungen.
Die Kreiswundarztstelle des Kreises Saarburg ist vacant. Bewerber
um dieselbe wollen ihre desfallsigen Gesuche binnen 2 Monaten an uns
einreichen.
Trier, den 7. Januar 1878.
Königliche Regierung.
Die vacante Kreiswundarztstelle des Kreises Biedenkopf soll dem¬
nächst wieder besetzt werden. Qualificirte Medicinalpersonen können
sich unter Einreichung ihrer Zeugnisse, sowie eines Lebenslaufes binnen
6 Wochen bei uns um jene Stelle bewerben. Etwaige Wünsche der Be¬
werber bezüglich des Wohnsitzes werden thunlichste Berücksichtigung
finden.
Wiesbaden, den 8. Januar 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Durch das Ableben des bisherigen Inhabers ist die Physikatssteile
des Landeshuter Kreises vacant geworden. Qualificirte Aerzte, welche
sich um diese Stelle bewerben wollen, werden hierdurch aufgefordert,
sich unter Einreichung ihrer Approbation, des Fähigkeitszeugnisses zur
Verwaltung einer Physikatsstelle, eines ortsbehördlichen Führungszeug¬
nisses, falls der Bewerber nicht bereits im Staatsdienste angestellt ist,
sonstiger über ihre bisherige Wirksamkeit sprechender Zeugnisse und
eines Curriculum vitae innerhalb 4 Wochen bei uns zu melden.
Liegnitz, den 10. Januar 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Inserate.
An der hiesigen Irren-Heil- und Pflegeanstalt ist die Stelle des
8. Aratos zum 1. April 1873 zu besetzen. Gehalt 2400 Mark mit Stei¬
gerung bis zu 3000 Mark, dazu Familienwohnung, Erleuchtungs- und
Feuerungsmaterial, Benutzung eines Morgen Gartenlandes. Meldungen
von Irrenärzten, doch nur von solchen, werden erbeten unter Beifügung
der üblichen Papiere bis zum 31. Januar 1878 an den Unterzeichneten
Director
Irrenanstalt Ueckermünde, 1. Januar 1878. _ Dr. v. Gellhorn.
Die mit einem jährlichen festen Einkommen von 1800 Mark und
mit ebenso grosser Praxis verbundene Stelle eines practischen Arztes
zu Attenkirchen auf Rügen ist zum 1. Mai d. J. zu besetzen. Die Miethe
für das mit einem Garten verbundene, ausreichende Wohnhaus beträgt
circa 300 Mark. Die Herren Bewerber, welche nähere Auskunft wünschen,
wollen sich gefälligst melden bei dem jetzigen Arzt, Herrn Dr. Roese,
der die Stelle Familicn-Verhältnisse halber aufgiebt, bei dem Ortsvor¬
stand Bader in Altenkirchen oder bei dem Gutspäehter Fock zu
Presenske bei Altenkirchen auf Rügen.
Bekanntmachung;.
Bei dem hiesigen städtischen Krankenhause soll die Stelle eines
Assistenzarztes sofort auf zwei Jahre vorbehaltlich einer beiden Theilen
innnerhalb dieses Zeitraumes freistehenden dreimonatlichen Kündigung
mit einem approbirten Arzte besetzt werden.
Das Einkommen besteht in 1320 Mark jährlich, ausserdem wird
eine aus zwei Zimmern bestehende Dienstwohnung nebst dem erforder¬
lichen Heizmaterial gewährt.
Meldungen sind sofort an uns einzusenden.
Stettin, den 2. Januar 1878.
Der Magistrat.
-. Bewerberaufruf.
Die Stelle des ersten Assistenzarztes an der chirurgischen Klinik
der Universität Tübingen, womit etatsmässig der Gehalt von 1600 M.
jährlich nebst freier Wohnung verbunden ist, ist am 1. März 1878 auf
die Dauer eines Jahres neu zu besetzen.
Die Bewerber wollen ihre Meldungseingaben mit den erforderlichen
Nachweisen binnen 14 Tagen bei dem Unterzeichneten Dekanat ein¬
reichen.
Tübingen, 10. Januar 1878.
Dekanat der mcdicinischen Facultät
Prof. Liebermeister. _
Für das Städtchen Frankenau, Reg.-Bez. Cassel, wird ein practischer
Arzt gesucht. Gehalt 250 Thlr. neben guter Praxis. Briefe dieserhalb
nimmt der Magistrat daselbst entgegen.
Verlag von August Hirschwald in Berlin.
VlerteUAhniehrift für gerichtliche Medlcin und
Öffentliches Sanlt&tswesen. Unter Mitwirkung der
Königl. wissenschaftlichen Deputation für das Medici-
nalwesen. Herausgegeben von Geh. Ober-Medicinal-Rath etc.
Dr. I. Eulenberg. (Vierteljährlich 12—14 Bogen.) ä Jahrgang von
2 Bänden in 4 Heften 14 Mark.
Diese Viertcljahrsschrift ist das Organ der obersten wissenschaft¬
lichen Medicinalbehörde des preussischen Staates, der Königl. wissen¬
schaftlichen Deputation für das Medicinalwesen im Ministerium der
Medicinal- etc. Angelegenheiten, und befinden sich diejenigen ihrer in
höchster Instanz abgegebenen Gutachten u. s. w., die ein besonderes
wissenschaftliches Interesse haben, in dieser Zeitschrift mitgetheilt. Alle
wichtigen Materien aus der gerichtlichen Medicin und alle sanitätspoli¬
zeilichen Fragen werden in dem anerkannt reichhaltigen Inhalte abge-
handelt. Die Eulenberg’sche Vierteljahrsschrift zu besitzen ist ein noth-
wendiges Bedürfnis des Arztes geworden, zumal für die gerichtliche
Medicin allgemein ein lebendiges Interesse erwacht ist, und die medicina
publica immer mehr ihre Rechte geltend macht, je mehr das Bestreben
nach socialen Reformen, zu denen die Arzneiwissenschaft mitzuwirken
berufen ist, hervorragender Characterzug der Zeit geworden ist.
Abonnements bei allen Buchhandlungen und Postanstalten.
= Arzt gesucht =
Die Stelle des Ourarstes der Wasserheilanstalt Schöneck am
Vierwaldstättersee wird hiermit zur freien Bewerbung ausgeschrieben.
Kenntnisse in der hydrotherapeutischen, pneumatischen und elee-
trischen Behandlung nothwendig sowie auch Sprachkenntniss. Bewerber
wollen sich um nähere Auskunft direct an den Eigentbümer der Anstalt
wenden. _ C. Bor«Inger, Proprietair.
Ein junger Arzt, ” ~ '
welcher auch Geburtshelfer ist, wird nach dem ohnlängst erfolgten Tod
des zweiten hiesigen Arztes für die Kreisstadt Schönau (Reg.-Bezirk
Licgnitz) sofort gesucht. Abgesehen davon, dass hier stets zwei Aerzte
domicilirten, bietet die Umgegend hinreichende Gelegenheit zu einer er¬
giebigen Praxis, da gegenwärtig im Kreise überhaupt nur zwei Aerzte
sind. Ausser dem Salair als Impfarzt und städtischer Armenarzt dürfte
dem betreffenden Arzt, auch wenn er das forensische Examen noch nicht
gemacht haben sollte, der noch vacante Posten des Kreiswundarztes mit
einem Gehalt von 600 Mark wohl „commissarisch* übertragen werden.
Schönau, den 8. Januar 1878.
Der Königl. Kreisphysikus Der Bürgermeister
_ Dr. Book. _ Hantkc. _
Ein junger verh. Arzt w. in einer Mittelstadt resp. Grossstadt sich
niederzulassen; vorgez. wird eine Stadt, wo derselbe als Anstaltsarzt
resp. Assistenzarzt fungiren könnte. Gefl. Off. d. d. Exped. d. Bl. sub
G. S. 2. _
Mein in Scehof bei Teltow gesund an Wald und See belegenes,
in einer halben Stunde von Berlin erreichbares Grundstück mit 3 Stock
hohem und 7 Fenster breitem Wohngebäude, 33 heizbare Räume ent¬
haltend, und sieh daher vorzüglich zu einer Kraakenheilanstalt etc.
eignend, ist zu verkaufen, ganz für 2400 Mark oder theilweise zu ver-
miethen,_ Robert Kuna, Seehof bei Teltow.
Schwan- Apotheke.
Versandtgeschäft für reine Lymphe, Medicamente
und neuere Mittel.
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
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liö (25. W. üpwr stew Mudnn niniendeu.
KI.1NN IIKWOCllKNSniltllT.
Organ für praetiscke Aerzte.
Mit Berücksichtigung der preussischeü Medicmalverwaltung mul Medicinalgesctzgebung
nach amtlichen Mittheilnngen.
Redacteur: Prof. Dr. I. Äalihnb'ire. Verlag von August HjrsrMd in Rerik
Montag, den 28. Januar 1878.
Fünfzehnter Jahrgang,
Inhal h M>j i bränL: lieber'Behaudirinti vor» Gästfcdgicn ,mtder inuerem ^ägendoucbEv nebst Bemerkungen aber die Technik dc-r FVmdirüne des
. Vbtgcn;}’ — U. .Uny: Beiträge /.ijr- Cwoistik Oer rl iaheiistdieu Et krank un£t»ri dus Auee%. - ÜI Pen z eUitA PWatiVm der KkkfiVn-n. —
IV. H ii * «> V» n a Tj; Krythenia nodosurcü — v Wilhelm: Lcher M e t»a t.ru a'! -K x&nibc nie.— 'VI. Lot cu tzen r Lin Fall ton sogeüdnnwm
— Vjl. Rv.ftrBtii' C&ur ThcfojyiB der Ärw^ maqea — Zur 4cf ’Tffbfcfv dujsuahs — Ccbcn den Kech.>üi«itituv
fl« T%«hir Ä» frf’fiW-’FAn KmbüpTmig OVs -I- dw Växihi4^v}£fefu<dt>£ i$£r?ms$zt<iix& boi diphthefftfocherit litbrounj^ -—
Abw.iews h.vripimion^crHuFch).. — VIII. Verband luinjeii ärztlicher (k-seÜAdnifien (Ber-lmcf m^dioiriteehe Gesellschaft). — IX. F* ufiLL.n
(Ffropti: Zur Inriiffr^v ~ Zar Behandlung von Psychosen — Ta^vs^i'schichUiFhc Notizen). — X- AmilvFh'. 1 Miulnrilungc-ri. — Dwergte.
L Uekef Beh»ndi#iig toji CasfraJgtea cnlt der inneren
lagesdosfhe, nebst Scnerknnge» über die Technik
der Sondirttn« des SlageH«.
Von'
PF -M* Mäl^rftne,
Arzt am in 1 Cvrtijti(otifilc; d• Ho^fiir*!- jn. X/.sipet.
lir 0 j» k e n g e sc.b i cb t o:-
Fräulein D. H..22 Jahre alt. EmfeLveriri T litt vor drei
Jab reo mehrere Monate lang an Magimbenrh wgrdeu.; Mrafftbe . sich
öhmo Itek^iinic mgnsite'Ht hattoin ■A-Jtpufitniängel j Fiille-
gefübj ubdvD rücke« narb den Mnbh'.ettmi.i dgfeb Aufstosseu und
>'*dbf!.iftm)ru ii-doch kein Erbr»?cii.*tu SdiltJ^bs»gk»dt.'fmd gerauth-..
FoheT Heilbarkeit« SVmptbw^ti, ihren Arzt zur Wahrr
scEöiuiiebkelt^-PiägiiGr^e eines \ ;kü^ rotund, und mt
Purchföbnrag emer diätetischen und raedieuraeutösen Therapie
vcnuita^tcn.. durch welche sie herge-sttdlt wurde. Bis vor vier
•M'.vaaten hielt das W'bh'lhefiridew. .an. Von da ah häufig ei«
nwroblsein. welches siah SchwächegCföhl^ bald i« neu-
rälghschen SehüierabiL Ät&jäütHcb de.«. i}e^ch|fes änderte. i)ar-
Uptor kam I^hieöttös der hei ähtr An^treiigendeiJ
Thätlgkcit doch jede körperliche Fliege m- Gebote stand, vrra.
Wo?>h« 2M >Vochc iTichr herab, und mm stellte« *iCh 'vleder
.Sviiiptome von .Seiten der YerdairaTigsorgmie ei«, nämlidi Atagen-
drnrikeb vh’H^h dem Es*«« Jiotl grosse re T rägheit d >sch on rra «her
PtTnrs angehaltrö» geAveseneu Stuhlgang«. Per Meiistrnalfluss
teim Einiger reichlich., Von dem jetzigen Arzt wurde der
•Kranke« ..eine peinlich geregelte ]h;u yorgc^chriebeii und eine
atlicri$chß Stahltibettir verordnet. Vor !0 Wochen karoe« zu
d/>?sö«. itewchwerrJen rnteusive iv : MflgeTikrätnpfe w hinzu, nämlich
SehneU anwach-sruile .Gefühle von Fülle. Druck und Zeireu in
der Matrehgrute ein live v Schmerz unterhalb de* Frocuss. xipho-
ideus' ÄternT. begleitet yoii lebhafter .Sclm;u>rzehiphudlichkeit; -mt
Ruelcen (etwa, vom Ijis-UVRruatwirhidj und nicht selten mit
eiftem. vclmureudou Miirbdgvfühlt*. zuwi'iloi» mit Herr.palpnaturnen
uncl bitter beklcinraeuderi Emphniiun;; nu Halse combiuirt. Der
erste ..AufäD .dieser m krampfhafter.ileftigMt sich steigernde«
Sehnierzeü währte kaum unterbrochen mohrert* Tage,, in welchen
der Appebt gatr^ltgi» fehlte, das wertige genossene wieder auf-
stie-s md der Fotericih kaum eine ftedeekung ertrug, ln den
Fäue.4 Blut bemerkt. Eiise feffenhafe. Ur?adx<v:fdwa'
ein diätetir^er FehHrrft hatte jsu die^n Schmerzen «idht Vi>r-
anias.srnig gegeben; — Vaeh vergeblichen Versuchen mit V'tIvh
inu sehen Wickeln:, Hiuapis«ien v \ csicajurieu. ; Ebpifb-n. Extr-
Helladophae •«. a. m. erreichte der behandelnde' Arzt endlich
durch Morpliinpuher einen Nachlass der Schwerfen. Morphin,
innerliicii und dann Mibcut&n gegeben, mu^gtg auch weiter
dienen, diese gasttalgrsrheu Anfälle zu bekämpfen, welche buhl
alltäglich, Tneisi. o —4 Stunden «ach den Malilzeitpu die'-Rri-uike.
]kn rügten. Eitler nlUti weiten Abnah nie der Kräfte beugte mmi
durch Kährklystiere. Vor, Während man endlich auch noch
versuchte, durch famdisclie und eorisfaitie Ströme (ein Pol ioi
Kuckeu. der andere j'm Epjga.>trium) die ftepharkeil des Magens
und die Schmerzen zu beschwichtigen, büch -eine wirkliche
Besserung der Zustand verschlimmerte- «ich sogar in mau-
rhen Bezie-hungoa eher, indem die P«at. auch auf . pgychischb
Aufregung., aufhdbsf geringe körperliche lvr.se Lüfternngen q. ?*,«
naraentiieh auf die. liö^treuguogan. hei der Pefäcution mi.it car-:
dialgisclien Aoiaib-n >41 reagiren begann — so dass sie endlich
; beständig Uegvti bleiben mus^e. Ihre Thätigkeit emstellcnd,
lies« «ich die Kranke Anfang Jrmi d. J.„nach.Strassburg i. K.
: hnngen und trat in dm Behandlung des Herrn Prof. Kusamaul
dessen Assistent zu sein ich üb' Ehre hafte.
Hier war Pat- die ersten Tage kuuin fähig aufzUstehcu^
: war ku Schwach vlazu und e$ stelUeti afch bei jeder Bewegutlg
ajshald Magenschraerzeü ei«, die sie zur Brille zAvangeo. i n-
j hohem GratR depr'irairt, ahgomügert, von sidirautztevfribier Haut-
1 farhe, Dj de« Panchdecken zahlreiche Knubeii iföA Karbej)
! Von Injectionen herrührend; Unterleib leer- Epiga>tnum gi^paiiot
, und riämeiitiich links unter dem Pruc. ensiform. drUckerupfind-
: lieh. Keiue Gcsidiwulst., kein Aiabetbiuch. . ^
Der Kranke« wurde zunächst b'lgendc ImüI vorgcschrsi*be«:
! Milch, w-eiche Eier, weites Fleisch, etwas Kartuffclhrei «ioi
^ Zwieback als Zubrot^ diu än ztida^iri^hgeSet^te Nahrung, wis-il
: in kleinen Quantitäteii in dreistiindlicficn Äwischeuräntnen
’• Tiununeu. Daneben cTMlt Put. Mnrgeus uöchteru 1 . Lit*?r Vicliy •■
| Wasser uml hat außerdem zweimal am Tage * j ti eine Stunde
\ vbr .dem «nd Ahehdbrot ein klümfey Glas day/ui zu
I tnrike«. — Die cat^mlgischen Anfälle traten ,imle$K unyertuip-
' dert auf, und die Knrnlce konnte zunächst ihre Mörphiuublujeo
! tioTie«. r.lie sie H —4 Mett täglich bis zu (h<D zu nehnie.n gewohnt
} war. nicht entbehren. Zttr Bekämpfung der Schmerzen wurde
Co gle
4*2
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 4
ferner Morgens während 2—3 Stunden und die Nacht über ein
Priessnitz’scher Neptunsgürtel applicirt, der dann, freilich
ebenso erfolglos, durch Brandwein-Corapressen ersetzt wurde.
Endlich bekommt Pat. Abends ein grösseres Wasserklysma, um
den trägen harten Stuhl zu erleichtern; aber immer bleibt die
Defäcation von neuen cardialgischen Schmerzen begleitet, welche
die Pat. bis in die Nacht hinein schlaflos machen.
Nach einigen Tagen wurde zu folgendem Kurverfahren ge¬
schritten: Morgens bei nüchternem Zustande wird die Magen¬
sonde eingeführt und der Magen mit warmem Wasser ausgespült.
Dabei fand sich, dass der Magen um diese Stunde leer war, das
Wasser floss fast klar, eben nur sauer, mit geringen frischen
Schleimmassen, bei einigen Würgebewegungen leicht gallig ge¬
färbt, ab. Pat. ertrug die Sondirung gut, und da sie alsbald nach
mehrmaliger Ausübung derselben „eine gesundere Bewegung in den
Eingeweiden“ empfand, besser aufgelegt war, etwas Appetit bekam
und zweifelsohne die cardialgischen Anfälle gelinder wurden, so
wurde nun täglich Morgens eine innere Douche von
warmem kohlensaurem Wasser gegeben. Man füllte dazu
einen 300 Gramm fassenden Glastrichter, den ein Cautchuc-
Schlauch mit der Magensonde verband, mit einem frisch berei¬
teten Gemisch von heissem Wasser und gewöhnlichem Soda-
Wasser oder Siphon (das Gemisch von 38° C. Temperatur) und
liess ihn aus der Höhe von 1 Meter und mehr üher der Cardia
durch Schlauch und Sonde in den Magen entleeren; gleich da¬
nach den Trichter vor der — sitzenden — Patientin senkend,
liess man die eingegossene Portion wieder ab. Später wurden
2—3 Trichter voll auf einmal eingeschüttet und nach kurzem
Verweilen im Magen abfliessen gelassen, und so durch Wieder¬
holen der Füllung, Hebung und Senkung des Trichters in jeder
Sitzung etwa 2—3 Liter Wassergemisch zur Douche verwendet.
Unter dieser Behandlung besserte sich die Kranke im Ver¬
lauf von 3 Wochen so, dass man ihr reichlichere und wechselnde
Kost, Beafsteaks und Braten, sowie Weissbrot etc. erlauben
konnte, dass sie wagte, im Garten gehend sich zu erfrischen
und alle paar Abende ein laues Bad von 10 Minuten Dauer zu
nehmen, wonach sich der Schlaf besserte. Und dabei wurden
die Morphin-Injectionen successive seltener und schwacher ge¬
macht; nur noch Abends mit der durch Klysma künstlich pro-
vocirten Stuhlentleerung pflegten die cardialgischen Schmer¬
zen zu solchem Grade zu exacerbiren, dass es noch Morphin
bedurfte.
Zu dem Ende, spontanen’und weicheren Stuhl zu erzie¬
len, führte erst eine Methode, von deren grosser Wirksamkeit
Herr Prof. Kuss maul sich letzthin wiederholt überzeugt hatte: 1 )
Vormittags, einige Stunden nach dem Frühstück, wurde eine
durch Einziehen eines Drahtes oder einer besponnenen Seite als
Electrode armirte Magensonde in den Magen eingeführt und
etwa 5 Minuten lang eiu kräftiger Inductionsstrom
durch den halbgefüllten Magen und die Bauchdecken
gehen gelassen, wobei die zweite Electrode von aussen der
Reihe nach auf alle einzelnen Bauchmuskeln localisirt wurde.
Gleich am Morgen nach der ersten Faradisation hat Pat. wieder
einmal spontanen Stuhldrang und mit Nachhülfe eines Klysmas
eine fast schmerzlose Defäcation, die nächsten Tage erfolgt
Morgens nach dem Aufstehen stets ein spontaner, schmerzloser,
geformter Stuhlgang.
4 Wochen mit der inneren Magendouche, 1 Woche mit
dem Inductionsstrom in der beschriebenen Art behandelt,
erfreute sich die Pat. eines solchen, durch Benehmen, Aus¬
sehen, Gewichtszunahme etc. auch objectiv erwiesenen Wohl¬
seins, dass sie wieder in ihre Stellung zurücktreten konnte, mit
1) Bericht darüber an anderem Ort publicirt.
i
der Weisung versehen, die innere Douche und Faradisation,
sowie die nothwendige Vorsicht in Bezug auf die Nahrung noch
einige Zeit weiter anzuwenden. Jetzt, nach Monaten, befindet
sie sich ganz wohl.
Epikritische Bemerkungen:
| Es bleibt in dem mitgetheilten Falle zweifelhaft, ob man
i es mit einer sogenannten rein nervösen Cardialgie zu thun hatte,
die sich auf anämischem Boden bei einer zu Neuralgien dispo-
nirten Dame entwickelte, oder aber mit einer Cardialgie, die
nach einem Ulcus ventriculi rotund. zurückgeblieben \var — wie
denn ja nicht selten kein Aufwand von Scharfsinn und Technik
j zu einer positiven Diagnose führt und zuletzt kaum e juvantibus
, die Wahrscheinlichkeitsdiagnose zu stellen ist; ein den neueren
wie den alten gleich geläufiges Geständniss. 1 ) Jedenfalls war
die Cardialgie das dominirende Symptom geworden und hatte
i die Kranke von Kräften gebracht und arbeitsunfähig gemacht.
| Der Morphinismus hatte mit dazu beigetragen, das Nervensystem
| zu zerrütten und die Hyperästhesie der Magennerven zu unter-
; halten.
i Unter so bewandten Umständen darf man eine in einem
j Monat völlig zu Ende geführte Cur sicherlich als eine sehr
j glückliche bezeichnen: und die Gastralgie spielt bei zahlreichen
Erkrankungen des Magens und anderer Organe eine so hervor-
i ragende Rolle und setzt die Geduld des Kranken und des Arztes
auf so harte Proben, dass es gewiss erwünscht ist, neben den
| bis jetzt benutzten Mitteln, die uns so häufig im Stich lassen,
I ein neues zu gewinnen. Nur zu oft verfallen diese Kranken
der heillosen Morphiophagie, die ja freilich rasch vorübergehende
Erleichterungen verschafft, aber ihrerseits neue Hyperästhesie
| erzeugt, welche zu heftigeren und immer heftigeren Anfällen führt
j und in einem Circulus vitiosus neue häufigere und stärkere
i Morphin-Dosen fordert; überdies wird die Atonie der musku-
I lösen Verdauungsapparate dadurch mehr und mehr gesteigert
| und der Kranke schliesslich so demoralisirt, wie bei den schlimm-
i sten Formen des chronischen Alcoholismus.
j Bei Beantwortung der Frage, wie wir uns die Wirksam-
| keit der inneren Douche des Magens mit lauem kohlen-
l saurem Wasser vorzustellen haben, kommt eine ganze Reihe
! wichtiger Momente in Betracht:
; 1) Die mit der Douche bewirkte Entlastung des
I Magens. Dies Moment kann nur bei den Gastrectasien zur
' Geltung kommen, wo Verhältnisse obwalten, wie bei der para-
| doxen Ischurie der Harnblase, der Mageu beständig grosse Massen
| halbverdauter Nahrung enthält. „Mittelst der Pumpe muss es
gelingen, den Magen vollständig auszuleeren, ihm vielleicht so¬
gar, wenn seine elastischen und contractilen Kräfte nicht ganz
erschöpft waren, die Fähigkeit, sich auf seinen kleinsten Umfang
zusammenzuziehen, wieder zu verschaffen, ähnlich wie der Ka¬
theter mitunter bei Ischuria paradoxa Heilung herbeiführt.“
Dieser Anforderung an seine Methode, welche Kuss maul von
j Anfang her 2 ) an sie stellte, genügt dieselbe nach aller Ev-
| fahrung in hohem Masse, und wo Gastralgien, wie dies bei
| den typischen Erweiterungen des Magens so häufig
1 vorkommt, einzig und allein durch die Ueberfüllung
des Organs hervorgerufen werden, wird die schmerz-
1 stillende Wirkung der Ausspülung und Douche auf
i dieses Moment zurückzuführen sein.
2) Die Ausspülung und Reinigung des Magens von
' scharfen ätzenden Massen, wie sie sich bei Gastrectasie
1) Cfr. Leube in v. Ziemsscns Handb. d. spec. Path. u. Ther.
i VII. 2. pag. 190.
1 2) Deutsches Archiv für klinische Medicin von Ziemssen und
Zenker. Bd. II. pag. 459.
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Gck igle
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28. Januar 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
43
und chronischen Dyspepsien und Katarrhen mit Pyrose so häufig
ansammeln. „Die Magenpumpe ermöglicht nicht allein die voll¬
ständige Entleerung scharfer und ätzender Massen, sie gestattet
auch eine Waschung und Reinigung der kranken, durch Säure
misshandelten Schleimhaut mit alcalischen Flüssigkeiten, wie
etwa Yichy-Wasser oder einer künstlichen Sodalösung.“ l )
Von besonderer Wichtigkeit erscheint hier auch die Ent¬
fernung des Magenschleimes, der wohl als Ferment eine
Hauptrolle in jenen Gährungsvorgängen spielt, durch die zur
Bildung abnormer Säuren, i. sp. Buttersäure Veranlassung ge¬
geben wird. Aus diesem Grunde empfiehlt sich das Auswaschen
des Magens nicht blos in Fällen von typischer Gastrectasie,
worunter sich diejenigen Formen verstehen, wo der Magen auch
nüchtern noch grössere Mengen unverdauter, meist saurer Speisn
enthält, sondern auch für jenen Grad der Dilatation, jene For¬
men chronischer Dyspepsie mit Säurebildung, in welchen der
Magen mässig oder nur zeitweise stärker erweitert ist und wo
er Morgens nüchtern nur Schleim oder etwas Schleim und Galle
enthält und die schmerzhaften Empfindungen mit der Säure-
bildung erst nach Tische sich einstellen. In diesen Fällen
ist die Auspülung des Magens eine Zeit lang nach der
Mahlzeit, wie sie von so manchem Practiker rühmlich
empfohlen wird, nur ein verwerfliches Palliativum,
nur ausnahmsweise zu gestatten; denn nur Morgens am nüch¬
ternen Magen ausgeübt, befreit sie ihn vom Schleim und
bereitet das Organ für die Aufgaben des Tages richtig vor —
nur so wird das Mittel zum radicalen. Zu was führt denn
auch das Auspumpen des Magens in gefülltem Zustande mit¬
unter anders, als die Kranken geradezu zu demoralisiren ?! haben
sie erst gelernt, sich selbst auszuspülen, so setzen sie bald alle
Anforderungen der Diät ausser'Acht, geniessen womöglich die
Gaumenfreuden der Table d’höte und entleeren sich con amore
3 bis 4 Stunden nach der Mahlzeit, sobald sie Schmerz und
Unbehaglichkeit fühlen; ihrer Kammer fehlt wirklich nur noch
der Name des Vomitoriums der kaiserlichen Prasser Alt-Roms.
Unter solchen Umständen kann natürlich die Ernährung nicht
gedeihen und der kranke Magen nicht gesunden.
Es braucht kaum hervorgehoben zu werden, dass die mit
abnormer Gährung verbundene Gasentwickelung gleichfalls eine
Quelle schmerzhafter Empfindungen ist, und die oft in enormer
Quantität sich bildenden Gase zu bedeutender Ausdehnung des
Magens mit schmerzhafter Spannung der Wände führen. Durch
morgendliche Ausspülung des Magens und Entfernung
des fermentirenden Schleimes wird auch den Gastral-
gien entgegen gewirkt, welche durch Magenflatulenz
bedingt sind, wie ich dies, auf Erfahrungen in der Praxis
des Herrn Geh. Rath Kussmaul, die mir Jahre laüf zu Jheilen
vergönnt war, gestützt, versichern darf.
Bei unserer Patientin Fräulein D. war Morgens der Magen
leer; auch bestand keine abnorme Säurebildung, und die Fla¬
tulenz spielte eine ganz untergeordnete Rcd}e. Der Heileffect
der inneren Douche ist hier in einer andere^Richtung zu suchen,
als in der mechanischen Befreiung des Magens von den ein¬
wirkenden Schädlichkeiten. Es kommt hier in Betracht
3) die beruhigende Wirkung des localen warmen
Wasserbades, welche dasselbe überall entfaltet: es wird
unmittelbar und in längerer Nachwirkung die sei es aus
welchem Grunde immer gesteigerte Irritabilität der sensiblen
Magennerven herabsetzen, es wird ferner reflectorische spastische
Contractionen der Muscularis aufheben, endlich durch Erleich¬
terung der Circulation die vegetativen Vorgänge in den Wan¬
dungen des Organes fördern und event. Geschwürsreste, Adhä-
1) A. Kuss maul, 1. c. pag. 460.
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sionen, Atrophie der Muscularis und Nerven etc. vortheilhaft
beeinflussen.
Wir sehen sehr häufig Hyperästhesien, Neuralgien, ent¬
zündliche und rheumatische Schmerzen, spastische Contrac¬
tionen muskulöser Apparate der feuchten Wärme weichen.
Ein jeder wendet die hustenreizlindernden Dampfinhalationen
an, das warme Sitzbad gegen Tenesmen der Blase und des
Rectums, Fissuren und Geschwüre; die mildernde Wirkung eines
Priessnitz’schen Wickels oder Kataplasmas auf rheumatische
Schmerzen, den calmirenden Einfluss des warmen Bades auf
Muskelweh in Folge von Anstrengung oder Rheumatismus hat
fast Jeder an sich erprobt. Ebenso weiss man seit langem,
dass manche cardialgischen Anfälle der Hämorrhoidarier, auch
rein nervöse Cardialgien anderen Ursprungs mitunter nach dem
Genuss einiger Gläser warmen Wassers sofort schwinden; hierher
gehören auch die von Bock u. a. inaugurirten Curen für dys¬
peptische, mit schmerzhaften Empfindungen verbundene Zustände
des Magens durch morgendliches Trinken von warmem Wasser.
So wenig nun freilich diese Curen alle Hyperästhesien des
kranken Magens zu heilen vermögen, so wenig möchten wir, indem
wir^unseren täglichen warmen Douchen eine gewichtige Bedeu¬
tung zuschreiben, damit in Bausch und Bogen verfahren haben.
Es giebt Kranke dieser Art genug, denen Wärme nachtheilig ist
und denen man geradezu Schmerzen machen würde, die nur
Kälte, Eis und abgekühlte Speisen ertragen. Von dieser Seite
her wird die Indication der Wärme oder Kälte für den gegebenen
Fall nicht weniger beeinflusst, als von der grösseren oder ge¬
ringeren Wahrscheinlichkeit eines Ulcus im Magen; wo die Ge¬
fahr der Blutung droht, wird man selbstverständlich die Wärme
zurückweisen und in zweifelhaften Fällen nicht ohne die ge¬
naueste Anamnese, Untersuchung der Fäces etc. warm Wasser
trinken lassen oder damit spülen. Da jedoch, wo man von
der Wirkung des lauen localen Bades Gebrauch machen
will, ist es gerathen, das durch die Sonde eingegossene
Wasser etwas länger im Magen zu lassen und die Tem¬
peratur desselben hoch zu wählen, d. h. zu 37—38° C.
Ich wüsste hier kaum ein passenderes Analogon für diese
von einem neuen Gesichtspunkt aus erworbene Verwerthung der
Magensonde zu erwähnen, als den Effect warmer Hegar’scher
Wassereinläufe bei Darmkoliken, vor allem Bleikoliken, die wir
auf der KussmauTschen Klinik in Frei bürg i. B. eben damals
schon machten, als Reisland 1 ) sie empfahl. Mag der Blei¬
kolik ursprünglich eine Neurose des Darmplexus oder ein Krampf
der Darmmuskulatur, oder, wie es Riegel*) aus der Wirksam¬
keit des Amylnitrits und des Pilocarpins wahrscheinlich machte,
ein Gefässkrampf der Mesenterialblutbahnen zu Grunde liegen,
gewiss ist, dass reichliche warme Injectionen per anum einen
beginnenden Kolikanfall abschneiden und als Palliativum gegen
die folgenden dienen. Es ist nun sehr interessant, dass man
es mit diesem Verfahren sehr bald zu Deflationen — natürlich
abgesehen von der Entleerung der grossen Klysmata — zu
bringen im Stande ist, d. h., dass die normale Bewegung
des Darmes wieder in Gang kommt. Versuche von Hor¬
vath,*) welcher durch Stücke Darmes lebender Thiere Wasser¬
ströme von verschiedenem Wärmegrade schickte, zeigten, dass
die Wärme (von 19 bis 41* C. progressiv) die Peristaltik an¬
regt. Daher dürfte ein weiterer wichtiger Einfluss des warmen
Magenbades in der Auslösung von Bewegungen der Magenmus¬
kulatur zp finden sein, die, bei dem feststehenden Connex der
1) Berliner klin. Wochenschr. 1875. pag. 284.
2) Cfr. A. Franck. Deutsch. Arch. f. klin. Med. XVI. pag. 433.
und E. Bardenhewer. Berlin, klin. Wochensehr. 1877. p. 125.
3) Centralblatt f. d. med. Wissensch. 1873. No. 38—42.
Original from
UNIVERSITf OF MICHIGAN
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 4
einzelnen Partien des Tractus intestinalis in Bezug auf die
Peristaltik, auch den übrigen Eingeweiden zu gute kommen.
Dieser Punkt der Behandlung ist so gleichgültig nicht, denn
die Mehrzahl der Magenkranken pflegt auch mit den Unannehm¬
lichkeiten beständiger Constipation geplagt zu sein. Patienten
mit Magendilatation, die der Morphiumspritze noch nicht ewige
Freundschaft geschworen haben, wissen in der Regel der Be¬
handlung mit Pumpe und Douche auch für die Ordnung ihres
Stuhlganges recht viel Dank; sie gehört in der That so gut in
die Reihe der Effecte der mechanischen Therapie wie das Auf¬
hören des habituellen Erbrechens, der Gastralgie, der Hypei-
secretion von Schleim und Magensaft, wie die Zunahme des
Körpergewichts und der Turgescenz des Gesichts und der übrigen
Gewebe, wie die Absonderung eines reichlicheren und wieder
sauren Urines.
In Anschlag zu bringen ist dann ferner
4) die Gewalt des Wasserstrahles, welcher aus den
Sondenöffnungen gegen die Magen wand hervorstürzt, die übrigens
die meisten Patienten zu spüren angeben. Als analogon stellt
sich hier die Behandlung der Rheumatismen, Ischias und Arthro-
neuralgien, z. B. der Omalgie mit Deltoideus-Atrophie durch
die warme Regen- oder Strahldouche dar. Es kann von vorne
herein nicht zweifelhaft sein, dass die Douche auf den Magen |
einwirkt wie auf die Haut und die unter ihr liegenden Ge- i
websmassen, nämlich ähnlich der Massage durch directe und j
reflectorische Ueberreizung der vasomotorischen Nerven und j
secundäre Beförderung der Circulation. Und dieser Umweg w r ird
auch hier zum Ziel führen. I
Für die Membranen aus glatter Muskulatur hat der mecha¬
nische Reiz der Douche noch einen besonderen Werth. Unter
Umständen, wo kein electrischer Strom mehr im Stande war,
weiterlaufende, kaum örtliche Contractionen der Darmeinge¬
weide und der Blase auszulösen, fand Horvath, 1 ) dass das
leichteste Bestreichen noch geordnete Peristaltik und eine ent¬
leerende Gesammtcontraction der Blase hervorrief. Auch beim
Menschen kann man sich bekanntlich leicht von dieser leb¬
haften Reaction, namentlich des Magens, gegen den tactilen
Reiz überzeugen, wenn anders die Bauchdecken dünn genug
sind, dass sich die Peristaltik äusserlich sichtbar an ihnen
abprägt.
Die Anfachung der Peristaltik durch die innere
warme Douche wird zweckmässig unterstützt, wenn
man den Patienten nach Füllung seines Magens sein
schmerzlos gewordenes Epigastrium sanft mit der
Flachhand kneten lässt, resp. wenn der Arzt dies thut.
Handelt es sich um einen dilatirten Magen, so ist dies Ma-
noeuvre schon desswegen nöthig, die grossen Schleimhaut¬
falten des Magens auszuwaschen und dem Inhalt des tief in die
Weichengegend hinabreichenden Fundus Abfluss zu verschaffen.
In geeigneten Fällen fühlt man dabei häufig die Sonde unter
den Fingern.
Nach 'der Ruhe im Schlaf erwacht die Eingeweide¬
bewegung zur lebhaften Thätigkeit in den Morgen¬
stunden. Man kann gewiss keinen natürlich geschick¬
teren Zeitpunkt auswählen, als diesen, um sie künst¬
lich zu befördern. Und das ist ein zweiter Grund, die Aus¬
spülungen und Douchen des Magens grundsätzlich nur Morgens
vorzunehmen.
5) Der reichliche Kohlensäuregehalt des von uns
zur Magendouche verwandten Wassers — wir pflegen
das körperwarme Gemisch von Siphon und heissem Wasser zu
jedem Einguss stets frisch zu bereiten — ist sodann als ein
1) 1. c.
adjuvans für die angestrebten Heilzwecke zu schätzen.
Die Kohlensäure ist ein locales anodynum, sie anästhesirt so¬
gar offene Geschwüre und Wunden und war besonders längst
der tröstende Helfer für die Indigestionsschmerzen nächtlich
verdorbener Magen. Wir beanspruchen von ihr in zweiter Linie
den leichten Reiz auf die Schleimhaut, der der Hauptwirkung
eines jeden kohlensauren Bades gleich zu erachten ist; die
Auswaschung der catarrhalischen und geschwürigen Blase mit
kohlensaurem Wasser beruht auf derselben therapeutischen
Absicht. Drittens fördert die Kohlensäure auch wieder die
Darmperistaltik. Das ist eine alte practische Erfahrung, von
welcher J. Braun 1 ) schreibt: er kenne kein sichereres und
adäquateres Reizmittel für torpide Eingeweide, (chronische Obsti¬
pationen) als den täglichen Genuss eines Glases Sauerwasser
| bei nüchternem Magen. Bei Dilatationen mit erhaltener oder
j erhöhter Peristaltik kann man, wie mir Herr Prof. Kussmaul
I sagte, und wie ich auch selbst gelegentlich sah, durch ein paar
| Gläser Sodawasser oft Reihen von Conetractionswellen mit hohen
Bergen und Thälern sichtbar machen. Ob diese Beförderung
der Peristaltik auf weiten Bahnen zu Stande kommt, wie etwa
der „Brunnenrausch“ oder die Beschwichtigung nervösen Herz¬
klopfens durch ein Brausepulver, scheint nicht gewiss zu sagen,
vielleicht ist es mehr der unmittelbare Reiz des rasch in die
Gewebsflüssigkeiten diffundirenden Gases auf die glatte Musku¬
latur, welcher bei der kohlensauren Magendouche im Verein mit
der Wärme und dem Douchestrahle die Contractionen anregt.
Dafür sprechen einigermassen die Experimente von S. Mayer
und v. Basch, 2 ) welche, eine gewisse Wärme und Blutfülle
der Eingeweide vorausgesetzt, in der Venosität des zugeleiteten
Blutes ein movens für die Peristaltik erwiesen, welches theils
allerdings indirect, theils aber auch örtlich und direct wirksam
ist; denn die stürmische Peristaltik, welche mit künstlicher
Dyspnoe auftritt, ergreift auch Darmstücke, deren Nervenplexus
abgeschnitten sind.
Während in dem eingangs erzählten Krankheitsfall* nun
allerdings die Magendouche nur von theilweisem Vortheil war
und zur schnelleren Herstellung der Patientin noch andere Heil¬
mittel — der faradische Strom, von der inneren Ober¬
fläche des Magens aus durch die Eingeweide geleitet —
zu Hülfe genommen wurden, so darf ich doch versichern, dass
mein verehrter Lehrer, Prof. Kussmaul, wiederholt reni¬
tente und schwere Hyperästhesien und Cardialgien,
vorzüglich nach Magengeschwüren hinterbliebene, auf
die beschriebene Weise gemildert und beseitigt hat.
Es ist zu hoffen, dass die Anwendung der Magensonde zum
Zweck der inneren warmen Douche in geeigneten Fällen jedem
ein daukeifllwerthes Hülfsmittel werden wird, der nicht Lieb¬
haber von Morphin, Magist. Bismuthi etc. ist.
Der Einbürgerung der Methode steht vielleicht nur die
relative Schwierigkeit der Sondeneinführung in den Magen ent¬
gegen, von vielen nach dem erstmals misslungenen Versuch
gewiss überschätzt und doch eigentlich nicht schwieriger zu
umgehen, als die Fährnisse beim Blasenkatheterismus. Einige
Bemerkungen an dieser Stelle mögen vervollstän¬
digen, was sich über die Technik der Sondirung an
anderen Orten findet.
1) Vor der Einführung der Sonde fixirt man sich den 8.
bis 9. Brustwirbel des sitzenden Patienten durch Abzählen oder
durch Abschätzen; der Punkt liegt horizontal hinter dem Proc.
xiphoidens sterni. Durch Anlegen der Sonde von diesem Punkt
über den Hals seitwärts fort bis zur Mundöffnung wird abge-
1) Lehrbuch d. Balneotherapie. Berlin. 1873. pag. 382 ss.
2) Sitzungsberichte der Wiener Acadeinie. 1870.
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Go igle
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28. Januar 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
45
messen, wie weit man die Sonde nachher einschieben
darf, nm mit ihr eben etwa 1—2 Zoll über die Cardia hinaus
in den Magenraum zu gelangen, ohne dass man also Gefahr
läuft, gleich zu tief zu gerathen und etwa auf eine Geschwürs¬
fläche oder in eine Tasche der Magen wand zu stossen. —
Die abgemessene Stelle der Sonde wird mit einem Faden um¬
schnürt und markirt.
2) Für den Patienten ist es eine sehr grosse Annehm¬
lichkeit, auf die Sonde fest aufbeissen zu können; er speichelt
dann nicht so viel und hat nicht den Kitzel der hin und
her bewegten Sonde im Rachen und den daher rührenden
Brechreiz zu fürchten. Wir schieben daher über die Sonde
einen Beisser, ein kurzes, quer gerieftes Rohr aus Horn
von dieser Form: — und weit genug, um die Sonde spielend
j WVVVVVVVV/VV | hindurchgleiten zu lassen. Der Beisser wird
lauf die markirte Stelle geschoben,
|aaa/\/\aa/\a^aa| damit derPat. sofort aufbeissen kann,
und die Sonde fixirt, sowie sie die Cardia passirt hat.
3) Die Sonde sollte beim Einführen nicht härter sein als
etwa ein Nelaton’scher Katheter. Die englischen Sonden werden
daher, um sie geschmeidig zu machen, vor dem Gebrauch in
warmes Wasser gesteckt und bei der Einführung der ganze
Spülapparat, Trichter resp. Magenpumpe, Schlauch
und Sonde, mit Wasser von Körperwärme angefüllt.
Damit das Wasser nicht herausfliesst, wird der Schlauch an
irgend einer Stelle mit den Fingern (von einer anderen Person)
comprimirt. Da die Oliven sehr steif sind, so verdienen Sonden
mit möglichst kurzer Olive den Vorzug.
4) Viele Erleichterung bei der Magensondirung gewährt
dann eine richtige Haltung des Patienten, deren Zweck
natürlich sein muss, die Krümmungen der Wirbelsäule möglichst
auszugleichen und den Weg der Sonde vor ihr zu ebnen. Im
allgemeinen geht das am besten, wenn der Kranke möglichst
aufrecht gestreckt sitzt und den Kopf stark nach hinten biegt;
ein Gehülfe kam zur Erleichterung und Stütze des Kranken
mit der einen flachen Hand einen Druck auf die Wirbelsäule
zwischen den Schulterblättern ausüben und zugleich mit der
anderen Hand die Stirn des Kranken nach hinten etwas nieder-
drücken. — Man fasst dann die beölte Sonde mit 2 Fiugern
der linken Hand bei der Olive, führt sie bis hinter die Epi-
glottis und biegt sie hier mit den beiden Fingern nach abwärts,
so dass die rechte Hand — mit Innehaltung der Richtung von
oben nach unten — die Sondenspitze in den Anfang der Speise¬
röhre hineinschieben kann. In dem Moment, wo man jetzt mit
der Sonde auf einen Widerstand an der Wirbelsäule (vor dem
Gipfel ihrer vorderen Convexität) stösst, lässt man den Patien¬
ten seinen Kopf vorwärts beugen, und die Sonde gleitet hinab.
5) In Fällen von länger bestehender Gastrectasie, wo der
Oesophagus sich wie ein weiter schlaffer Schlauch zum Magen
erweitert, plumpt die Sonde fast in den Magen hinein. Sonst
aber begegnet man an der Cardia meist einem fühl¬
baren und manchmal sehr unnachgiebigen Widerstande»
dessen Ursache Spasmen oder aber Nischen an der Cardia sind und
welchen Brechreiz noch unangenehmer zu machen pflegt. Auch um
diesen Hindernissen zu begegnen, wird der Trichterapparat oder
die Magenpumpe nur mit warmem Wasser geladen zur Anwen¬
dung gebracht: es genügt, den bisher zugepressten Schlauch
einen Augenblick loszulassen resp. den Stempel der Pumpe
etwas anzudrücken, dass der Strahl lauen Wassers die Spasmen
löst und die Nischen unschädlich macht. Dass jetzt im Mo¬
ment des Entritts der Sonde in den Magen sogleich
das Einströmen des Wassers beginnen kann, ist gleich¬
falls ein grosser Vortheil, denn die Olive taucht nun,
auch wenn der Magen leer war, in das Wasser ein und be- '
rührt nicht die Magen wand, das Verfangen der Schleimhaut
in die Sondenöhre ist verhütet und endlich beschwichtigt
nichts besser die Wurgebewegungen als eine mässige Anfüllung
des Magens, namentlich mit gashaltigem warmen Wasser.
Es ist jedenfalls gerathen, eine erste Sondirung nie ohne
diese Cautelen vorzunehmen. Trotzdem reagirt hier und da
ein Kranker so unangenehm gegen die Procedur, dass man
erst nach mehrtägigen Proben zur Ausführung der Spülung
und Douche schreiten kann, oder wagen darf, die Sonde tiefer
zu schieben.
6) Trotz aller Vorsichtsmassregeln finden sich in dem ab¬
laufenden Spülwasser des Magens häufig und in manchen Fällen
fast beständig Blutspuren. Diese Spuren sind ganz
ohne Bedeutung wie ohne Folgen. Sie rühren von mini¬
malen Abschürfungen der Magenoberfläche her, die eben je
nach dem hyperämischen Zustande der kranken Schleimhaut
mehr weniger vulnerabel ist und leicht blutet.
7) Das Gespenst der Aspiration der Magenschleim¬
haut durch die Pumpe erscheint nur sehr selten und nicht
so furchtbar von Angesicht, dass man gleich der Pumpe ab¬
schwören müsste. Herr Geh.-Rath Kussmaul hat nie das
Missgeschick gehabt, damit einen Magen zu verletzen, und es
in seinem Gesichtskreise nur zweimal Vorkommen sehen.
Das eine Mal geschah es in der That durch die
Pumpe, aber, weil bei dem Patienten, ehe man sich überzeugt
hatte, ob der Magen Flüssigkeit enthielt, und ehe Wasser hin¬
eingelassen war, die Unvorsichtigkeit begangen wurde, mit der
Pumpe sogleich kräftig zu aspiriren. Das andere Mal passirte
mir selbst der Unfall bei Anwendung des Trichter-
(Heber-) Apparates. Der Patient litt an einer atonischen
Dilatation mit Hypersecretion eines vollständig normalen Magen¬
saftes. Die Sonde war nicht tiefer als abgemessen eingeführt,
als der Pat. plötzlich eilten heftigen Hustenstoss
machte und alsbald eine reichliche Blutung erfolgte, mit der
ein eckig gerissenes Stück Gewebe von 4—5 Quadratcentimeter
Grösse hervorgeschwemmt wurde. Es war Mucosa mit Lab¬
drüsen, unter denen ein dickes Stratum Bindegewebe. Beide
Verletzungen heilten ohne jede subjectiven und ob-
jectiven Nachtheile unter Ruhe und Behandlung mit Petre-
quin’scher Eis-Milch-Kost und alkalischem Mineralwasser.
Dieser Zufall hat bisher 1 ) offenbar nie die gefürchteten
schweren Folgen gehabt.
8) Die grösste Gefahr beruht in der Möglichkeit,
die Magenwand mit der Sonde zu durchstossen, und
diese Gefahr liegt dann nahe, wenn tiefgreifende Geschwüre
an dem Rand nur schwach mit den Nachbar Organen, nament¬
lich dem Pancreas, verlöthet sind. Da kann die Sonde sich
leicht in den Nischen des Geschwürs verfangen und z. ß. bei
einer ruckweisen Bewegung ein Loch reissen. Diesem Fährniss
gegenüber giebt es nur die geschilderten Cautelen: Erweichung
der Sonde, Abmessung der Einführungstiefe, Anfüllung mit
Wasser, und Armirung der Sonde mit einem Beisser, durch den
sie im Moment der Gefahr leicht zurückgleiten oder zurückge¬
zogen werden kann.
9) Für die Zwecke der Douche genügt bei mittlerer
Sondenstärke der Trichterapparat mit einem Ver¬
bindungsschlauch von 1 Meter und mehr Länge ganz
wohl, er hat den Vortheil, dass man den Trichter gleich als
Mass für das Quantum des ablaufenden Spülwassers benutzen
kann. Das Mithinabreissen von Luft durch die Strudelbewegung
des Wassers in dem hochgehaltenen Trichter kann man leicht
verhüten, wenn man den Trichter etwas schief hält.
1) Cfr. auch Leube. Deutsch. Archiv f. klin. Med., XVIII, p. 496.
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46
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 4
10) Warum die Ausspülung und Douche des Magens prin-
cipiell nur Morgens im nüchternen Zustande vorge¬
nommen werden soll, habe ich weiter oben zu entwickeln ver¬
sucht. Die Opfer an Zeit und Geduld, welche man bringen
muss, um beim Spülen zu anderer Tageszeit der Verstopfungen
der Sonde durch Gerinnsel, unverdaute Bissen u. dgl. Herr zu
werden, werden für jeden beschäftigten Arzt auch ein äusserer
Grund sein, sich an diese Regel zu binden.
II. Beiträge zur Casuistik der diabetischen Erkran¬
kungen des Auges.
Von
Dr. Jany in Breslau.
So lange eine Krankheit bezüglich ihrer Pathogenese noch
so unklar ist wie der Diabetes mellitus, so lange es ferner
nicht gelingt, auf experimentell pathologischem Wege die hier
vorliegenden Probleme ihrer Lösung näher zu führen, und so
lange endlich in Folge der mangelnden Erkenntniss der patho¬
logisch anatomischen Grundlage dieses ernsten Leidens auch die
Therapie desselben so wenig befriedigend ist, erscheint es mir
geboten, das vorhandene casuistische Material durch neue Beob¬
achtungen zu vermehren. Jeder genau untersuchte und gut
beobachtete Krankheitsfall bietet nach manchen Richtungen hin
neue Gesichts- und Anhaltspunkte für weitere Forschung.
In Anbetracht dieser Verhältnisse halte ich mich zur Ver¬
öffentlichung der folgenden 3 Fälle für berechtigt und zwar
um so mehr, als gerade in Bezug auf die diabetischen Erkran¬
kungen des Auges das Beobachtungsmaterial noch ziemlich
gering ist.
A. Erkrankung dör Retina.
1. Fall: Der 63 Jahre alte Kaufmann P. M. aus R. con-
sultirte mich am 11. Juni v. J. wegen Doppelsehens, das sich
vor ca. 8 Tagen eingestellt hatte; er gab ferner an, dass er
an Diabetes mellitus leide — die Diagnose sei seit einem Jahre
gestellt — und dass er deshalb bereits im vergangenen Sommer
eine Cur in Carlsbad mit gutem Erfolge gebraucht habe. Jetzt
befände er sich wieder auf dem Wege dahin. Der höchste
Zuckergehalt seines Urins habe 5,5% betragen und bei der
letzten Untersuchung desselben seien 0,3% constatirt worden.
Ausserdem bemerkte er, dass vor ein paar Monaten seine Füsse
ein wenig angeschwollen gewesen wären. Die functionelle Prü¬
fung seiner Augen ergab: Beiderseits H. = % 0 S. r. == % 0
bis •/.. >• = •/,. ; ferner Paresis abducentis dextri. Der ophthal¬
moskopische Befund war höchst interessant insofern, als ein
jeder, der den Kranken untersucht hätte, ohne von ihm vorher
gehört zu haben, dass er an Diabetes litte, unzweifelhaft aus
den Veränderungen der Netzhaut (Retinitis mit massenhaften
Hämorrhagien, zwischen die einzelne weisse, hellglänzende
Flecken von Stecknadelknopf- bis Linsengrösse eingestreut
waren und namentlich rechts, in der Gegend der Mac. lut.
durch ihre gruppenweise Anordnung ganz das charakteristische
Bild der Retinitis albuminurica darboten) die Diagnose auf
Morbus Brightii gestellt hätte. Ich konnte mich übrigens selbst,
zumal ich bisher niemals eine Retinitis diabetica gesehen hatte,
des Gedankens nicht erwehren, dass hier doch neben dem Dia¬
betes eine Nierenerkrankung vorläge, fand aber bei der Prüfung
des frisch gelassenen Harns keinen deutlichen Niederschlag von
Eiweiss, sondern nur eine leicht opalescirende Verfärbung beim
Kochen.
Mit Rücksicht auf die hier gleichzeitig vorliegende cere¬
brale Affection (wahrscheinlich ähnliche Blutungen wie in der
Retina) als deren Ausdruck die Abducensparese anzusehen war,
rieth ich zu einem vorsichtigen Gebrauch des Carlsbader Brunnens.
Pat ent erzielte auch in Carlsbad, wie ich durch die Güte des
Collegen Wo 1 ln er später erfuhr, einen guten Erfolg. Beim
Beginn der Cur am 14. Juni hatte der Urin spec. Gew. 1031
und 0,5% Zucker, aber kein Albumen; am 19. Juni spec.
Gew. 1026, Zucker 0,3; am 1. Juli Zucker = 0; am 3. Juli
dito; am 12. Juli (Tag der Abreise) war Urin ebenfalls frei
von Zucker und Eiweiss. Ich sah den Kranken nicht mehr
wieder, erhielt aber nachträglich von seinem Hausarzte über
ihn folgende Notizen: „Das Doppelsehen habe nach der Rück¬
kehr aus dem Bade noch einige Wochen unverändert bestanden.
Darauf trat plötzlich Dyspnoe ein, und die Untersuchung des
Patienten ergab: geringes Emphysem der Lungen mit etwas
Schleimrasseln, scheinbar unregelmässige Herztöne, Anschoppung
der Leber, Zwerchfell stark in die Höhe gedrängt, im Urin
O, 9% Zucker und — was früher nie der Fall war — eine be¬
deutende Menge Eiweiss, dabei Unterschenkel und beide Füsse
sowie rechte Hand ödematös. Sehkraft aber besser als vor
der Carlsbader Cur. Alle die genannten Erscheinungen sollen
gegenwärtig geschwunden sein, und der Urin enthält weder eine
Spur von Eiweiss noch Zucker. Patient kann wieder ausge¬
streckt im Bette liegen und ruhig schlafen, was er früher
wochenlang nicht im Stande war, die Dyspnoe (zeitweise Ortho¬
pnoe) ist geschwunden. Dabei soll die Sehkraft fast vollständig
normal (?) und Doppelsehen nicht mehr vorhanden sein.“
2. Fall: Die Wirthschafterin Marie H., 57 Jahre alt, aus
Domin. A. bei N., stellte sich am 7. Juli v. J. bei mir vor mit der
Angabe, dass ihr rechtes Auge zwar schon früher etwas blöde
gewesen, seit 3 Wochen aber bedeutend an Sehkraft verloren
hätte. Kurz vor dem Eintritt dieser Verschlechterung habe sie
an Kopfschmerzen und einem eigenthümlichen Flackern vor den
Augen gelitten. Im übrigen fühle sie sich aber ganz wohl.
Patientin ist eine, im Verhältnis» zu ihrem Alter sehr rüstige,
wohlgenährte und gesund aussehende Frau. Beiderseits H. Vs**
S. r. % 8 , 1. % 4 , r. centrales Scotom. — Gesichtsfeld nicht be¬
schränkt. — Aeusserlich am Auge nichts abnormes sichtbar.
Bei der ophthalmoscopischen Untersuchung findet sich zunächst
beiderseits hinterer Polarstaar, dessen Dm. c. 1% Mm.; Corp.
vitr. klar, im Hintergründe aber sehr auffallende Verände¬
rungen und zwar r. P. stark geröthet, Randcontour ganz ver¬
waschen, und zum Theil bedeckt von 2 weisslichen polygonalen,
etwa V s P- grossen Plaques, die in der circumpapillären Zone
liegen; die grösseren Gefässe sind innerhalb P. stellenweise
verdeckt und auch eine kurze Strecke am oberen Rande ausser¬
halb P. Ferner sieht man rings um P. eine Anzahl spindel¬
förmiger Extravasate in der Retina; die Gegend von m. 1. ist
wegen der Cataracta polar, nicht deutlich zu übersehen. Links:
P. noch ziemlich scharf contoufirt, aber röther, als in der Norm;
Gefässe deutlich sichtbar und zwar Venen auffallend stark ge¬
füllt und geschlängelt; c. 3 P—Dm. von P. entfernt in der Bifur-
cationsstelle der oberen grossen Vene ein spindelförmiges Extra¬
vasat. Mit Rücksicht auf das gute Aussehen der Patientin und
auf das Fehlen aller sonstigen Symptome von Diabetes glaubte
ich für den ersten Augenblick auch hier daran, dass wahr¬
scheinlich ein Morb. Bright. vorliegen dürfte, dachte aber, im
Hinblick auf den obigen Fall, doch gleich auch an die Möglich¬
keit des Bestehens eines latenten Diabetes. Der sofort unter¬
suchte Urin war frei von Albumen, zeigte aber bei spec. Gew.
von 1031 eine beträchtliche Menge Zucker, und zwar, wie Herr
Apotheker Müller von hier nachwies, 4,8%■ Ich machte nun
die Kranke auf die Schwere ihres Leidens aufmerksam und
schlug ihr vor, sich behufs einer gründlichen Cur in meine
Klinik aufnehmen zu lassen. Sie wollte sich indess hierzu nicht
gleich entschliessen und erst noch einmal nach Hause fahren,
um sich für eine längere Abwesenheit ordentlich einzurichten.
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28. Januar 187S. BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Am 25. Juli trat sie in meine Anstalt ein. Die Untersuchung
des Urins ergab spec. Gew. 1032 und 5,2 % Zucker. Dabei
klagte sie über einen heftigen Kopfschmerz, der sich in den
letzten Tagen erst eingefunden hatte.
Die Therapie bestand in Heurteloups ad tempus dx, Clau-
snr im dunklen Zimmer, Fleischkost und Carbolmixtur (Acid. car-
boli. I—300,0 2stündl 1 Essl.)
26. Juli, also am 2. Tage nach der Aufnahme, hatte be¬
reits der Kopfschmerz nachgelassen; am 27. wundert sich Patien¬
tin selbst über die geringe Menge des gelassenen Urins. Der
Durst hat sich sehr vermindert und der Hunger ebenfalls. Kopf¬
schmerz ist ganz geschwunden.
28. Juli r. H. 7s« S = V# (Hackeutafel), 1. H. 7*» S = */V I
Allgemeinbefinden gut. Carbolmixtur wird erneuert.
30. Juli ergiebt die Urinuntersuchung nur Spuren von
Zucker. Das Augenspiegelbild noch wenig verändert, frische
H&morrhagien in der Retina nicht nachweisbar. Dabei hat sich
S. aber dennoch gebessert (r. */ia—*/u, 1. 4 /i 2 — 4 /«); kein Kopf¬
schmerz.
2. August. Beider. H. 7*4 S. r. %i 1- 4 /«- Gesichtsfeld mit
Perimeter aufgenommen normal, kein Farbenskotom. Urin ganz
frei von Zucker. Ophthalmoscopisch zeigt sich r. P. noch stark
geröthet, Randcontour noch verwaschen, die cireumpapilläre
Trübung der Retina aber bedeutend geringer und die beiden
Degenerationsheerde blasser, die Extravasate beginnen sich zu
resorbiren, 1. Hyperämia Papillae et Retinae geringer, das Ex¬
travasat zwischen den beiden Hauptästen der grossen oberen
Vene noch vorhanden. Patientin bekommt Heimweh und wird
auf ihren dringenden Wunsch aus der Anstalt entlassen mit
genauen Diätvorschriften und der ausdrücklichen Weisung sich
nach Verlauf von einigen Wochen behufs ihrer Untersuchung
wieder voTiustellen. Bis heut ist dies aber nicht geschehen,
und ich habe trotz mehrmaliger brieflicher Anfrage nichts über
ihr Befinden erfahren können, bis mir endlich am 4. November
v. J. ihr Neffe einen mündlichen Bericht dahin erstattet, dass die
Patientin sich ganz wohl fühle und durchaus nicht leidend aus¬
sehe, ihr Appetit und Schlaf sei gut, mit ihrem Sehvermögen wäre
sie zufrieden und klage auch nicht über Kopfweh. Nur soll
sich seit 8—14 Tagen ein stärkerer Durst eingestellt haben.
Der mir gleichzeitig mitgesandte Morgen-Urin war schwach sauer,
frei von Albumen, hatte aber ein Sp. Gew. von 1030 und 3,9%
Zucker.
B. Erkrankung des nerv, optic.
Fall 3. Partikulier Johann F. aus F., 50 Jahre alt, wurde
mir am 14. Juli v. J. von dem hiesigen Collegen Schnabel
behufs Untersuchung seiner Augen zugeschickt. Er gab an, dass
er seit November 1870 an Diabetes mell, leide und vom Jahre
1871 ab alljährlich im Frühling in Carlsbad die Cur gebraucht
und im Herbst zu Hause nochmals mehrere Wochen Mühlbrunnen
getrunken habe. Der höchste Zuckergehalt seines Urins habe
6%« betragen. Vom Jahre 1872 ab sei er 1V 4 Jahr lang ganz
frei von Diabetes gewesen. Als er in diesem Jahre nach Carls¬
bad kam, enthielt sein Urin 3—4% Zucker, nach einer 35tä¬
gigen Cur nur noch 0,9% bei spec. Gew. von 1027. Bereits
in Carlsbad stellte sich vor beiden Augen ein Nebel ein, und
Patient konnte mit seiner alten Brille nicht mehr lesen, bei
schwacher Beleuchtung sah er auffallend schlechter, bei klarem
Himmel war das Sehen besser. Als er seinen Badearzt wegen
des schlechten Sehens consultirte, meinte dieser, die Amblyopie
sei die Folge von Congestionen nach dem Kopfe.
Patient sieht sehr elend und abgemagert aus, Gesichtsfarbe
aschgrau. Abgesehen von einem sehr exquisiten Xanthelasma
ppbr. beider Seiten, war der Befund an den Augen folgender:
beiderseits M. 7«« S = 7*« mit + 9, liest das r - No - *>25
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Schw. und das 1. No. 1,0 Schw. zur Noth einzelne Worte. Die
Farbenperception normal, kein centrales Skotom. Gesichtsfeld mit
Perimeter aufgenommen ergab normale Grenzen. Pupillen 3 mm.
weit, reagirten prompt auf Lichteinf&ll. Beide Linsen sind in
der oberen und centralen Partie vollkommen klar, zeigen aber
an der äussersten Peripherie des inneren unteren Aequatorial-
abschnitts geringe cataractöse Trübung. Ophthalmoscopisch
fand ich links: P. scharf contourirt, Farbe blassröthlich, mit
einem deutlichen Stich ins weisse, eine sehr grosse physiolo¬
gische Excavation, an deren Grenzen die Arterien wie Venen
scharf abgeschnitten erscheinen; erstere blass und scheinbar
schwach gefüllt, Venen von normaler Weite, rechts Befund an
P. ähnlich, der übrige Hintergrund beiderseits normal.
Bezüglich der Therapie rieth ich zu einem roborirenden
Verfahren und empfahl dem Patienten neben guter Fleischdiät
täglich mehrere Glas kräftigen Bordeauxwein zu geniessen.
31. Juli schickte Patient seinen Urin zur Untersuchung ein,
mit der Klage über Obstipation, Abnahme des Appetits und
Zunahme des Durstes; er ahnte schon, dass der Zuckergehalt
wieder zugenommen haben würde. Dies stellte sich auch in
der That heraus (5,49%). Als Getränk wird neben gutem Pil¬
sener Bier noch pyrophosphorsaures Eisenwasser empfohlen.
10. Octbr. Nachdem Pat. seine gewöhnliche Herbstcur
| (19 Flaschen Mühlbrunnen, anfangs täglich eine ganze, später
blos 7* Flasche) 25 Tage lang gebraucht hatte, enthielt die
eingesandte Harnprobe nur 1,76% Zucker. 29. Octbr. stellte
er sich persönlich wieder bei mir vor und berichtete, dass ihm
der letzte Brunnen sehr gut bekommen sei, trotzdem er sehr
stark durchschlagend gewirkt hätte. Der Appetit habe sich
gebessert und der Durst ganz verloren — seit Wochen habe
er keinen Tropfen Wasser mehr getrunken — der Schlaf sei
gut, aber die Kräfte fehlten noch bes. in den Beinen. Endlich
habe er bemerkt, dass er im ganzen, namentlich aber bei
, klarem W T etter besser sehe. — Die Untersuchung der Augen
! ergab: L. M 7«« S = 2 /* 4 ? rechts M 7* 0 S = */» 8 5 4* 9 las
I das 1. No. 0,7 Schw. zur Noth Silben und das r. No. 0,6 Schw.
mühsam kurze Worte. Augenspiegelbefund wie oben. Im Ge¬
sichtsfeld keine Defecte, kein Farbenskotom. Dabei hatte sich
das Aussehen des Kranken bedeutend gebessert, die Gesichts¬
farbe war gesünder geworden.
E p i c r i s e.
Von den beiden Fällen der ersten Gruppe ist der 2. der
! bei weitem interessantere in so fern, als es sich hier einmal
um eine ganz reine Form von diabetischer Netzhauterkrankung
handelt, das andere Mal diese Augenaffection in ein sehr frühes
Stadium der Allgemeinerkrankung fällt und dadurch in ähn¬
licher Weise, wie es mitunter bei der nephritischen Retinitis
vorzukommen pflegt, zur Diagnose des Grundleidens geführt
hat. Die Kranke war eine gesund aussehende und sich durch¬
aus wohlfühlende Person, bei der wahrscheinlich noch lange
Zeit der Diabetes undiagnosticirt geblieben wäre, wenn sich
die Amblyopie nicht so früh eingestellt hätte. Bisher hat man
diabetische Netzhautaffectionen nur bei weit gediehenen und
schweren Fällen des Grundleidens gesehen. Immer waren,
wie Leber in seiner classischen Arbeit hierüber hervorhebt,
die Symptome des Diabetes Jahre lang vorhergegangen und
hatte die Ernährungsstörung meist schon erhebliche Fortschritte
gemacht, während völlige Latenz des Diabetes wie in unserem
Falle noch nicht beobachtet ist. In therapeutischer Beziehung
ist der Fall bemerkenswerth, weil er beweist, dass bei Carbol-
gebrauch unter Clausur der Diabetes in wenigen Tagen ver¬
schwinden und auch die Retinitis zum Rückgang gebracht
werden kann. Der erste Fall bietet ein besonderes Interesse
dadurch, dass hier zwei seltene Affectionen, nämlich eine Reti-
2 *
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
43 ^
- KLiMSCaß WOCHENSCiitiim
Neu 4-
♦iitis und eine Äbducens-Patese neben rioftruter t erliefen und
sch Üblich beicte mit der feeiti^uug des Gcunrfieideus vgr-
schwandet/ Ob übrigen* hei diesem K ranken die Retinitis-
wünschen die Behuudlimg vbni Arfct selbst, oit'ht von einem
dritten «. ;v. m. Kurz ein Mittel. welches dm Arzt die lästige
Häntifung ii» ein ex grösseren Zahl von Fällen zu ersparen im
sowohl eia auch die Alu^kellähmuug als direkte Folge- des i Stande wäre, scheint m>eh nicht, wemg.rtens nicht in ausge-
Diabetes- änzuseheu sind, oder ob vielmehr beide Affeetwieis ; dehnterer Weise Eingang in die eiekirotherapentKehe Praxis ge-
als abhängig von eitic-m eerehralen Leiden , das- auch die ür- j fundeu m .hahehl
saebe des Diabetes gewesen ist unzu.se.hen yiud, wage ich nicht j Derartige Betrachtungen führten m»eh auf den Gedanken
zu .entscheiden; bei dem Al Falle', aber bin ich geneigte - eine ’ eins leicht appheirhare ferrtha In-ruie Elektrode m coustruiren.
cerebrale Erkrankung uuszi^cbjiessen. Endlich ist bezüglich ; Ihre Beschreibung las*t» ich ftilgeu.
beider Fälle der Umstand henorzuheben, das$ . Oe ohne Glas- ; Das Prn*rjp. db; Haftbarkeit '/tu bewirken, ist das desSchropf-
karpertriibungeis, die iu den .bisher genauer beschriebene» Fälk*n i kopfes, Ei» sicher. Ort ungefähr halbkügfdigeT Gestalt aus
ffxfi regelmässig orvf&bfit werden, ahUefei» — Der diHt- Fall wt Horn gedrehte helfet Art beliebiger Stelle ei» luftdicht eilige-
hauptsächlich dMurch charucteri-^i^h ? --dass stpk im Ümi weder j lassene« KohrcheiK welche^ durch einen Hahn verachlossen
eint pöGpher»öd>b- Einengung «M Gesicht-feldes. noch ein een- j werden kaltri. Au dem äusseren Ende Röhrchens iüt
.tra'lnr jlebtet. emiltVh ein .centrales Farbenskotom nach“ ; ein wenige Cehtimeter langer, enger GunnijischVauch befestigt.
vftfyetf AU&&-, ; Drfltikt man den Fand ln semer ganzen FetrpHrie luftdWbfc
Die, SchiUssoiigcru3tgeri. welche ich aus diesen $ Beobäcb auf die Haut auf, saugt äj&fe&n. bei geöffnetem Hahne mit dem
tnngen ziehen möchte, sind folgende: [ Munde-(oder.-wenn, ja^.das jeniaHdeii nicht appetitlich ersebeitteu
X) ' -Die''..- 'Reiini-tis" diabetica Bietet - Waiidudi ihrer Form sollte, mit einer Spritze) die Lu/t aus und schliefst, hierauf 'd§m./
. ('Ophtha 1 mo*coptecher Befund) keine eharaefenstischeo Eigen-
tiMhui ich keilen dar, vermöge deren Hie von der nephritischen
Zti \inti*T5ChciiVeiv wäre;
Ha hin. sitzt. der klebte iVppärat Mt. An dem Schs^pfkivpf
bringt man noo die eie enthebe Elektrode an. Das. kaute 4«f
^woi Weisen geschehet?. Bei der. emco Art. (Fig. te Durch'
2) *ie kann als da? erste auffallende Symptom doy Grund- ' schnitt) ist tü die W&ud mo Messtegstah luftdicht
leideos Auftreten (2. Fall) bei die yich n^ch eine*
vollkommen subjectmm Wohlbefindens' erfreuen-.
?d Die Amblyopia diabetira ohne BefumL bei der weder
De fei te im Gesichtsfelde noch cr.jtetnle Furbou.-kötome unrkurn- 1
nie«» «st prognostisch nicht ungünstig:;
4) dieselbe ist wahrscheinlich ihirch Hm Neuritis Tot re- }
bulbarb bedingt. !
.5) Die Frage , oh die b ei Diabe tes vork o thsueud en Retina - !
und Dpt.icü?affe»rtioneh reSp, die Au.g'enmu?:kelIäbm<»ugc.u als
direkte Folge dos löaberos auf£ufasKeui mml. oder ob dir Augeu-
orkrankuug von tönern Cerebral lei den, das auch die Ursache
des Diabehv i'$t; bemlhrt. Hisst sich r„ '/x, imdd in jedem Falle j
bestimmt entttotioiden.
b) Die KetimtiH diabetica ist wie dm Omberov öbmimnpt |
auch ohne den. Gnbr&udi vun Mrlsbadcr Bnmnop durch }üCsseiu1e
Eräätmmg- - (unter 'Clätisi-ir) und Oftrhbl einer sehr Hclrtjäliffii
BeHserung zugänglich.
Flglij: 1.
iGguf %*
welcher an ^tdnem üus^emt Ende ^hie ^chräubß zur Aüfuahröe
des Lehuugsiiratlies, au keinem iunlfen ^^iöde /aiai Äiv
scbraidjcn eines Knopfes oder 6‘m.Cr Fldtte wie bei den gcjvdh»;
iicheft Elektrode» trägt. 1 v fol kann irirpv nach; .
ö llpbea mehr oder weniger heraus 1 öder herein ephtabfi^JiA
| ikias er heim Aufsetzen deH lusttumhhts mehr od^r weniger
{ auf die Haut aufgedriiekt wird. Nach, der ändfcrfe« Sf^thioiio
j (Ptg>. 2) ist die ejgetttliche Elektrode inVigfilrmig construirf,
j trägt die Schraube für die Ueitmigsschtiiij an einem senkreebt
j auf dem Ring stehenden Messingstabe, wird aussen auf den
Pnvatdocent und Assistenzarzt der med.ciioscte^ Kbnik zu Erlangen. | Schröpfkopf anfgepa.sst und, wenn derselbe festsit/C gegen die
Maucher »Spvcialist iu der ,ßlekfrdt«erftpfie und mancher j Haut ängedruckt. I« - beiden Fällen können und Folien die
Praktiker; welcher iu der Lage- ist, die Eluktruötät köufiger ; Metallflächet^ mit denen, die Elektroden die.Hä«it-h.eröhre-n, in
an wende?» itu müssen, wir»i wofi] s»Uon wiederhol!^ zumal bei { der gewöhnliche» WYuus mit ^eng umnäht wmi vor dem Ge-
der AppH(^tion ^tÄbiiür galvaiusclier >?tröfiäe. bedauert haben, j brauch befeuchtet werden, Die. gleichzeitige Befeuchtung de«
Hl. Fixation der Elektroden.
Ein Yorschtag 2 » bequemer ippiieatien^wet^e den elektrlseheii
Stromes.
Voii ■'■. '.
Dr. Franz Ferizoldt,
daSvS er sc >öpi Äeit mit der lungilaueenden uhd l^ngweiji^b
HandktHtung de« FestuaHeus der gewöhnlich gebrauchten Elvk-
tnrodeo unuötz verlort. G«wM bab sicli auch sc ha» ‘mancher
auf dmsw öd^r ?» helfen gestichi: viallerchU hat er
die ElektTodfc» aufgescbn^l lL vielleicht hat er $iwi\ Diener; ah-
gestellt oder sonst wit» die zeitraubende MauipniatiMö yo» Sich
abgewetzt Derartige lasHeu sieh allerdings iinderi
Doch ist da« beispielsweise angeführte AufschnalJcn zu am-
Ktäiidlich und nicht gut an allen Körpetsteik?» AtiwC'ridbar—
uud gegen die Anstellung eines Dieders f den übrigens leider
nicht jeder Mr Vbrfiigung hat % lässt, sigh äbyh manche »dp-
wenden: bei Däineb brauchte mati eine Dienerin, die ?*atieuten
Scbröpfkopfes ued der betrefioudeu Hautstelte erhöht die Haft¬
barkeit den Apparats:
Beide Fornrefj cffSllfn. tbtt'n Zweck itv gl*Hcher Sie
können beide in ve.rschiedcnar ibröBee. efvva;s kleiner/ etwas
grösser öder gerade so gross, wie die »hgebildetefi, ^ngewendet
werden. Einen Untiirbredicr kann mao hoi heddeu bequem m
behäbiger WeKe in deu ?*nleitifngsdrabt emschalfori. Sonstige.
Einzelheiten •.-d^t-Äppacptey'N -welghc;’' hier nicht ausdrücklich er/
wähnt W'ordon, ergebeß sich leicht kos den beigegcbetien Fi-
gureu.
Prüfen; wir nun. -was diese Ebdrirodenform 1 eistet v -dft er*
giebt äcliy dass dieselbe, iiberail festeitxen wird, wo mau iten
Go. gle
2S Januar 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
49
Hand des Schröpfkopfes unter vollkommenem Luftabschluss
aufsetzen kann. Wo das nicht geht, an unebenen, peripher ge¬
legenen Punkten, wie z. B. an der Hand, an Stellen des Ge¬
sichtes, bei mageren Personen auch an der Brust etc. wird
man sie natürlich nicht appliciren können. Hauptsächlich wird
man sie bei der stabilen Anwendung des galvanischen Stromes
mit Vortheil verwerthen. Bei der Galvanisation des Rücken¬
markes besonders sind sie äusserst bequem. Auch am Kopf, an
Stirn, Schläfen und im Nacken sitzen sie fest. Constante
Durchströmung von anderen Körperstellen, von Gelenken z. B.
lässt sich leicht damit bewirken. Auch zur stabilen Application
der sogenannten Rückenmarks-Nerven- und Plexus -Nerven-
Ströme sind sie, wenn man nur von den sehr tiefliegenden
Nervenstämmen absieht, recht geeignet. In allen den ange¬
führten Fällen ersetzen die Elektroden einen Assistenten, re-
spective ersparen Zeit. Bei der Rückenmarksgalvanisation z. B.
setzt der Arzt die „fixen” Elektroden auf, schaltet die niedrige
2ahl von Elementen ein und kann nun, während er den Strom
10 und mehr Minuten ein wirken lässt, sich unterdessen ruhig
^anders beschäftigen. Bei der Hirngalvanisation, bei welcher
bekanntlich stets ärztliche Controle zu üben ist, hat man die
Hände zum vorsichtigen Ein- und Ausschleichen frei. Einen
.ähnlichen Vortheil, d. i. wenigstens eine Hand für den Strom¬
wähler, Commutator etc. zur Verfügung zu habeu, bietet die
Anwendung wenigstens einer „fixen“ Elektrode, welche man
central an einem beliebigen Punkte aufsetzt, während man mit
•einer gewöhnlichen anderen peripher verschiedene Muskeln und
Muskelgruppen nach einander galvanisirt oder faradisirt.
Diese Andeutungen, deren Zahl man leicht vermehren
könnte, mögen genügen, um auf die praktische Verwendbarkeit
•der Instrumente bei der Behandlung hinzuweisen. Selbstver¬
ständlich ging mein Bestreben dahin, denselbeu auch für die
«elektrodiagnostische Untersuchung Vorzüge abzugewin¬
nen. Es scheint, dass sie Vor- und Nachtheile haben, welche
man gegen einander abwägen muss. Das Verfahren wäre da¬
bei, nehmen wir z. B. die galvanische Prüfung des N. radialis,
ungefähr folgendes: Nachdem die eine Elektrode an einer in¬
differenten Stelle befestigt ist, sucht man mit der anderen (in
•deren Leitungsschnur ein Unterbrecher ist) durch den fara-
•dischen Strom den Punkt heraus, von dem der Nerv am besten
getroffen wird und saugt dann hier dieselbe fest an. Nun
schaltet man die galvanische Batterie ein und bestimmt in der
gewöhnlichen Weise das Verhalten. Auf der anderen Seite
kann man dann zum Vergleich, selbstverständlich unter allen
•Cautelen, wie gleichmässige Durchfeuchtung etc., in derselben
Weise verfahren. Der Nachtheil bei dieser Methode liegt vor
allem darin, dass der Pol nicht so nahe wie möglich an den
2 u treffenden Nerven herangebracht werden kann. Denn durch
•das Ansaugen findet ein erhebliches Eindrücken des Knopfes
gegen den Nervenstamm nicht statt. Und doch ist es bekannt¬
lich vortheilhaft für die Genauigkeit der Untersuchung den
zwischen Pol und Nerv liegenden Widerstand durch Zusammen-
drücken des Gewebes möglichst zu reduciren. Dazu kommt als
zweiter Fehler der, dass man an manchen Nerven, wie Facialis,
UlnarU, Peroneus die fixen Elektroden kaum genau und sicher
unpassen kann. Dagegen fallen verschiedene Vorzüge ins
Gewicht. Die Elektroden sitzen fest, also Störungen der Unter¬
suchung durch Abrutschen in Folge von Bewegungen der Kranken,
Muskelzuckungen etc. werden vermieden, und es bleibt demnach
«1er Pol während der Procedur in möglichst gleicher Entfernung
vom Nerven. Dazu ist die Durchfeuchtung der Haut eine gleich-
mässige; da das Wasser in dem Schröpfkopf nur langsam ver¬
dunstet, so bleibt sie an dem Ueberzug der Elektrode und
.somit an der Haut möglichst dieselbe, resp. sie nimmt an der
Haut gleichmässig zu. Endlich kann man die Untersuchung
ohne Assistenten ausführen, ein nicht zu unterschätzender Um¬
stand.
Die Entscheidung, welche der pro und contra aufgeführten
Gründe schwerer wiegen, überlasse ich den Elektrotherapeuten.
Soviel aber scheint mir sicher, dass man bei den elektrischen
Prüfungen wenigstens die eine centralwärts aufgesetzte Elektrode
immer am besten eine „fixe“ sein lässt. Der Vortheil liegt
nach dem bisher gesagten auf der Hand.
Die Brauchbarkeit der Elektroden für die Untersuchung,
besonders aber für die Behandlung wird schon seit längerer
Zeit auf der hiesigen Klinik geprüft. Speciell die Assistenten,
welche das Elektrisiren zu besorgen haben, schätzen dieselben,
da sie ihnen eine wesentliche Erleichterung ihrer zum Theil
einförmigen Arbeit gewähren. Ich kann daher meinen kleinen
practischen Vorschlag zu weiterer Prüfung (beziehungsweise
auch Vervollkommnung, derer er gewiss noch fähig sein wird)
empfehlen *).
Nachtrag.
Während des Druckes vorstehender Mittheilung ist eine zur
electrischen Untersuchung passende Electrode fertig geworden,
bei welcher man nach dem Ansaugen den Knopf noch gegen
den Nerven vorschieben und andrücken kann und sq einem
wesentlichen der erwähnten Mängel abhilft.' Sie besteht wie
die anderen aus einer halbkugeligen Kapsel. Diese hat jedoch
innen eine zweite Wand. Der von dieser umschlossene, innere,
kleinere Raum umfasst den Messingstab, der Klemme und Knopf
trägt, so dass der Stab leicht hin und her geschoben werden
kann, aber auch in jeder Stellung fest stehen bleibt. Der äussere,
grössere, zwischen innerer und äusserer Wandung gelegene Raum
ist der von dem Innenraum ganz getrennte eigentliche Schröpf¬
kopfraum, in welchen auch die mit dem Hahn versehene Ka¬
näle mündet. Man setzt den Knopf auf den geeigneten Punkt
des Nerven auf, saugt fest und drückt dann mittelst des Stabea
den Knopf so tief als möglich ein. Dabei sitzt die Electrode,
geeignetes Terrain vorausgesetzt, vollkommen fest und wird
durch die stärksten Muskelcontractionen nicht verrückt.
IV. Erythema nodosa».
Beobachtet im Franz-Josef-Spital zu Hermanstadt.
Von
Dr. H. Süiimami.
Angeregt durch die Mittheilungen Uffelmann’s über eine
ominöse Form von Erythema nodosum erlaube ich mir, einen
ähnlichen Krankheitsfall der Oeffentlichkeit zu übergeben, in
der Voraussicht, dass derselbe durch seinen eigenthümlichen Ver¬
lauf und durch das ätiologische Moment die Aufmerksamkeit
mancher fesseln dürfte.
Im Mai 1876 wurde Regina U. mit den bekannten Erschei¬
nungen der Dysmennorrhoe aufgenommen, nach achttägiger Daner
derselben erfolgte zum ersten Male Menstrualblutung, welche
sich seither ohne Schmerzen alle 4 Wochen regelmässig wieder¬
holte. Bald nach Eintritt der Menstruation wurde Pat. entlassen.
Im September 1876 gelangte sie abermals zur Aufnahme and
gab an, seit 2 Wochen jede Nacht einen heftigen Fieberanfall
gehabt zu haben.
Stat. präs. Pat., 18 Jahre alt, von gesunden Eltern ab-
*) Herr Universitätsmechaniker Reiniger in Erlangen verfertigt
die Elektroden in verschiedenen Grössen (Durchmesser von 4 bis 5 Ctm.)
zu einem Durchschnittspreise von 3 Mark und liefert eventuell auch
Leitungsschnüre, Unterbrecher etc. dazu.
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
stammend, schlecht genährt, anämisch, Milz bedeutend ver-
grössert, 3 Finger breit unter den Rippenbogen reichend.
Auf Chininsolut. (0,40 Chinin sulfur.) blieb das Fieber, das
den Quotidian-Typus zeigte, nach einigen Tagen aus, und unter
Verabreichung von Chinineisen und kräftiger Nahrung involvirte
sich die Milz, und erholte sich Pat. im Verlaufe von acht Wochen
so weit, dass sie geheilt entlassen werden konnte.
Den 28. December 1876 wurde Pat. in einem durch un¬
regelmässige Lebensweise und mangelhafte Nahrung bedingten
verwahrlosten Zustande, hochgradig anämisch, mit Lymphdrüsen¬
entzündungen in den beiden Leistengegenden und Scheiden-
blenorrhoe in das Spital überführt. Nach kurzer Zeit traten
unter heftigen Fiebererscheinungen, welche des Nachts ihren
Höhepunkt erreichten, an der vorderen Fläche des rechten
Unterschenkels einzelne, nagelglied- bis kreuzevgrossc Quaddeln
auf. Schon den nächsten Tag boten die vermeintlichen Urtica-
riaefflorescenzen das ausgesprochene Bild von Erythema nodosum
dar, indem nämlich die vordere und innere Seite des rechten
Unterschenkels von deutlich begrenzten, von livid-rother Haut
bedeckten, derben, theils flachen, theils leicht elevirten Knoten |
von oben erwähnter Grösse eingenommen waren. Die Knoten |
hatten theils in der Haut, theils in dem Unterhautzellgewebe |
ihren Sitz, waren bei Druck und spontan schmerzhaft, und zwar ,
steigerten sich die Schmerzen so sehr, dass sie der Kranken *
die Nachtruhe raubten. j
Glsichzeitig war das Allgemeinbefinden in Mitleidenschaft '
gezogen: Pat. wurde von grosser Mattigkeit, von ziehenden und
reissenden Schmerzen in allen Gliedern befallen, der Puls war
etwas erregt, Körpertemperatur nahezu normal, Appetit fehlte,
Urin und Stirhl bot nichts abnormes dar, dagegen war die Milz
etwas vergrössert.
Allabendlich trat ein halbstündiger Frostanfall ein, dem
grosse Hitze folgte, welche bis zum anderen Morgen andauerte
und ohne Eintreten von Schweisssecretion einem fieberlosen
Zustande wich. j
Im Verlaufe fand ein erneuter Nachschub von ähnlichen
Knoten an der vorderen Fläche des linken Unterschenkels, an
der äusseren Fläche der Oberschenkel und den Streckseiten der 1
i
Vorderarme statt. j
Local werden Einwickelungen der erkrankten Extremitäten !
in feuchte Compressen, welche nach Bedarf öfters gewechselt !
wurden, angeordnet. Trotz wiederholt verabreichten Dosen von 1
Chininsolut. in der Apyrexie trat der Fieberanfall doch all- ■
abendlich ein. Erst auf Jodkalisolution (Kali jodati 3,0, Aqu. j
destill. 300,0, Morph, muriat. 0,05, pro die 6 Esslöffel), welches I
14 Tage hindurch verabreicht wurde, schwanden die Knoten I
ohne Hinterlassung einer Pigmentation oder Verdickung der
Haut, sowie auch die erwähnten Störungen des Allgemein¬
befindens.
Pat. ist wohl noch geschwächt, doch hat sie seit 10 Tagen j
regen Appetit, schläft in der Nacht und fühlt sich von Tag zu
Tag wohler.
Dieser Fall scheint mir deshalb Interesse zu verdienen,
als er einerseits die Beobachtungen Uffelmann’s bestätigt,
andererseits zeigt, dass das Erythema nodosum auch unter dem
Bilde eines Wechselfiebers auftreten kann.
V. lieber Henstrnal-Exantheme.
Von
Dr. Ludw. Wilhelm,
Knappsehaftsarzt in Friedrichshagen bei Oberlalmstein.
In dieser Wochenschrift (No. 50, 1877) veröffentlichte
ir. Stiller drei Beobachtungen von Exanthemen, deren Abhän-
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No. 4
gigkeit von der Meustrualfunction über allen Zweifel erhaben sei.
Der zweite der angeführten Fälle betraf subcutane Ecchymosen,
welche in der unteren Gesichtshälfte zur Zeit der Katamenien
auftraten. Dieser Fall scheint nun nicht so ganz klar zu liegen,
da die Patientin an einer Emdocarditis chronica litt, wie die
spätere Diagnose einer Mitralisstenose lehrte-, sollte nicht eine
Endarteritis zu einer Rhexis kleinerer Gefässe während der
Menstrualhyperämie geführt haben?
Im Laufe des verflossenen Sommers habe ich nun einen
Fall beobachtet, welcher mit dem Stiller’schen übereinstimmt
und noch das voraus hat, dass er eine ganz gesunde Frau
betrifft.
Frau W. aus F., gegenwärtig 29 Jahre alt und Mutter von
drei gesunden Kindern, ist von kräftiger Constitution und nie
krank gewesen. Seit etwa 5 Jahren bemerkte sie, ohne einen
Grund dafür angeben zu können, dass 2 bis 3 Tage vor dem
Eintritt der Menstrualblutung, welche immer regelmässig ist,
und ziemlich schmerzlos verläuft, an beiden Oberschenkeln sich
kleine duukelrothe Erhebungen ausbilden, welche nicht selten
bis zur Grösse einer Wallnuss auwachsen und mit Nachlass der
Periode verschwinden. Zuweilen erscheinen sie auch an den
Unterschenkeln. Bei meiner Untersuchung fand ich mehrere
kleinere Ecchymosen auf der vorderen Seite des linken Ober¬
schenkels unregelmässig zerstreut, und in der inneren Schenkel¬
seite einen bläulich-rothen, erhabenen und bei Betastung nicht
schmerzhaften Fleck von der Grösse einer Haselnuss, welcher
sich durch Druck nicht entfärben liess; desgleichen befand sich
in der rechten Kniekehle eine etwas grössere Hauthämorrhagie.
Diese Ecchymosirungen verschwanden nach einigen Tagen, die
kleineren fast spurlos, und nur die Stelle der beiden grösseren
bezeichnete ein gelblicher Fleck.
Der Umstand, dass diese Ecchymosen seit mehreren Jahren
regelmässig mit der Periode wiederkehrten und zur Zeit einer
intercurrirenden Gravidität und während der Lactation mit der
Menstruation ausblieben, deutet unzweifelhaft hier auf den Zu¬
sammenhang mit der Menstrualhyperämie hin. l}ie Erscheinung
hatte ich mir als einen von den zur Zeit der Ovulation hyper-
ämischen Ovarien auf die Gefdssnerven der Schenkel ausstrah¬
lenden Reflex erklärt, in Folge dessen es, sei es durch Lähmung
der vasomotorischen Nerven, sei es durch Reizung der vaso-
relaxatorischen oder durch Alteration der trophischen Nerven, zu
einer localen Hyperämie und zu Blutaustritten kommt.
VI. Ein Fall von sogenannte« Wnrmabscess.
Mitgetheilt von
Kreisphysikus Dr. laorentzen in Schleusingcn.
Frau S., 30 Jahre alt, sehr kiäftig, und mit Ausnahme
zweimaliger gut überstandener heftiger Menorrhagien sonst
gesund, hatte seit dem Sommer 1874 eine langsam zunehmende
Schwellung des Unterleibs bemerkt, welche im ganzen schmerz¬
los war, nur dass sich zuweilen kurz andauernde kolikartige
oder cardialgische Schmerzen, ohne Erbrechen, mit oder ohne
Durchfall, meistens mit meteoristischer Auftreibung des Unter¬
leibs und Blähungsbeschwerden hinzugesellten, gegen welche sie
einige Male Carminativa und Morphium mit Erfolg gebraucht
hatte. Im übrigen waren Verdauung und Stuhlgang normal
gewesen. Im Frühling 1875 erregte die häufigere Wiederkehr
solcher Anfälle und die Zunahme der sich zeitweilig halbkugel¬
förmig in der Nabelgegend emporwölbenden Geschwulst mehr
und mehr die Besorgniss der Kranken. Im Juni deshalb zu
Rath * gezogen, fand ich eine kaum das Niveau der Bauchwand
überragende, kaum fluctirende, weiche Geschwulst, deren diffuse
Grenzen, soweit sie durch Palpation und Percussion festzustellen
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UNIVERSETY OF MICHIGAN
2S. Januar 1S78.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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waren, etwa 3 Ctm. links bis 10 Ctm. rechts vom Nabel, und
3 Ctm. oberhalb bis 7 Ctm. unterhalb des Nabels sich erstreck¬
ten; der Nabel fingerhutförmig aufgetrieben, die Bauchhaut von
normaler Farbe, mässig gespannt. Nach wenigen Tagen, am
23. Juni, entleerte sich beim Kartoffelhacken eine grössere Menge
Eiters durch eine äusserst feine Oeffnung in dem jetzt trichter¬
förmig eingezogenen Nabel. Die Geschwulst war jetzt bei Druck
sehr empfindlich; eine 16 Ctm. lange silberne Sonde erreichte
nicht deren hintere, ein elastischer Katheter von gewöhnlicher
Länge nicht deren rechte und untere Wandung; die plica vesico-
und recto-vaginalis waren nicht betheiligt. Durch Ausspülungen
mit Salicylsäure-Lösung (1: 300) wurden an den nun folgenden
Tagen aus der mit Laminaria etwas dilatirten Oeffnung unge¬
heure Mengen eines anfangs fäcal, dann bloss faulig riechenden,
bald aber ganz geruchlosen, viele Fibrinflocken enthaltenden
Eiters entleert (in einem Eimer mit Wasser behufs Verhinderung
des Luftzutritts). Da die Frau gegen die vorgeschlagene Ope¬
ration eine unüberwindliche Scheu hatte, die Höhlung sich auch
alsbald zu verkleinern und den Eiter zu verringern begann, so
musste mit diesen Auswaschungen fortgefahren werden. Am
10. Juli entdeckte ich in dem ausfliessenden einen stielrunden,
3 Ctm. langen, etwa 4 Mm. dicken, sehr matschen und weichen j
Körper, der auf mich und alle anwesenden den Eindruck eines
Spulwurmfragments machte, leider aber abhanden kam. Bisher
war dabei das Befinden der Kranken, obschon ihre Kräfte durch
die vielen Säfteverluste litten, leidlich gewesen, und hütete sie
nur zeitweilig das Bett: die Temperatur war normal, der Puls
aber beschleunigt, 80—100 zählend. Mehr und mehr 'aber kehr¬
ten jetzt heftigere, namentlich die Magengegend betreffende
Schmerzanfälle wieder, mit starkem Fieber (bis 40,5° Temperatur,
und 120—140 Pulsschläge), belegter Zunge, manchmal mit
Verstopfung, manchmal mit Durchfall verbunden; an solchen
Tagen war der Eiter allemal übelriechend, und hatten auch die
vorhergegangenen Ausspülungen, welche oft in meiner Abwesen¬
heit von den Angehörigen besorgt worden, nur wenigen Eiter
ergeben. Durch solche Anfälle, welche also dem zeitweilig ver¬
haltenen Eiter zuzuschreiben sind, kam die Kranke sehr her¬
unter; Morphium und energischere Ausspülungen bewirkten aber
stets Nachlass des Fiebers und der Schmerzen in 1—2 Tagen.
Am 20. August endlich entschloss sich die Kranke zur Opera¬
tion : Erweiterung der Oeffnung in der Linea alba unter Carbol-
nebel, Gegenöffnung möglichst weit nach rechts und unten,
Drainage, Lister-Bardeleben’scher, später trockener Salicyl-
verband. Bei dieser Behandlung verkleinerte sich die Abscess-
höhle unter Bildung eines von rechts her sich entwickelnden
und mehr und mehr verbreiternden, bald auch die Gegenöffnung
verlegenden Narben Stranges, so dass nach 2 Monaten nur noch
wenige Gramm Eiters täglich sich aus einer 5 Ctm. langen
nach rechts erstreckenden Fistel entleerten. Da die im
übrigen sich sehr bald erholende Frau eine Spaltung dieser
Fistel, im unerschütterlichen Vertrauen auf deren anderweitige
Heilung hartnäckig verweigerte, so besuchte ich sie seit Ende
October nicht mehr. Im December aber, bei Gelegenheit eines
Krankenbesuchs bei ihren Kindern, zeigte mir die Frau (welche
unverdrossen fortgefahren hatte, die Ausspritzungen und den
Verband sich selbst zu besorgen oder besorgen zu lassen) zwei
Tags zuvor aus der Fistel entleerte todte, aber wohlerhaltene
Spulwürmer, deren einer 10 Ctm. lang und 3 Mm. dick, der
andere noch ganz junge 2.5 Ctm. lang und zwirnsfadendick war.
Zwei fernere junge Spulwürmer von 4 l f t und 2 Ctm. Länge
entleerte ihr im Januar der Ehemann. Im übrigen ist die Frau
jetzt völlig gesund, nur durch den Narbenstrang gezwungen,
etwas gebückt zu gehen. Cardialgische und kolikartige Anfälle
sind seit der Operation nicht wieder aufgetreten; Wurmmittel
haben mehrere Spulwürmer per anum entleert.
Dass durch die intacten Wandungen des Gastro-Intestinal-
canals sich Spulwürmer durchbohren können, wird (obgleich von
zuverlässigen älteren Forschern, wie Sieb old und Mondi6re,
beobachtet, und unter den neueren Klinikern u. a. von Wun¬
derlich, sub. III, 1107, anerkannt) bekanntlich bestritten und
ist auch allerdings schwer zu verstehen. Der vorliegende
Fall lässt aber keine andere Deutung zu. Es fehlt der den
Darmgeschwüren zukommeude Symptomencomplex und jedes
ätiologische Moment, wie Typhus, Tuberculose u. s. w.; die oft
den Magen betreffenden Schmerzanfälle, welche seit der Opera¬
tion nie wiedergekehrt und vor der Bildung des Abscesses auch
nie stattgehabt hatten, lassen sich in dieser Weise nicht oder
i nur gewaltsam auf ein perforirendes Magengeschwür beziehen.
Derartige cardialgische und kolikartige Schmerzen kommen aber,
namentlich mit Blähungsbeschwerden, gerade bei chronischer
Peritonitis vor, und waren im vorliegenden Falle mehrmals
deutlich, als mit Eiterzersetzung im Zusammenhang stehend,
erkennbar. Perforation durch Geschwüre geht doch meistens
mit stürmischeren Erscheinungen einher, nicht in so schleichen¬
der Weise, wie die Bildung dieses abgesackten und meistens
indolenten Bauchfell-Abscesses stattgefunden hat. Diese Art
| der Entwickelung lässt sich dagegen am besten verstehen, wenn
man die Möglichkeit zugiebt, dass wiederholte Perforationen
blos durch die Spulwürmer allein stattgefunden, die Oeffnungen
sich aber hinter den durchgeschlüpften Würmern sofort wieder
geschlossen haben. Die Natur spielt eben oft wunderbar, und
wir dürfen nicht alles verwerfen, was wir nicht oder noch nicht
begreifen. Die vorgeschrittene Wissenschaft hat schon manche,
von den alten Empirikern überkommene Ansicht bestätigt, nach¬
dem dieselbe schon ad acta gelegt worden war.
VII. Referate.
Zur Therapie der Acne rosacea.
In mehreren Fällen von Acne rosacea verschiedenen Grades hat
v. Hebra sowohl mit der Stichelung wie vermittels des scharfen Löffels
— denselben Verfahrungsweisen wie sie bereis bei Lupus mit guten Re¬
sultaten angewendet wurden — gute Erfolge erreicht. Durch beide Ver¬
fahren wird eine Zerstörung der kleinen erweiterten Gefässe erreicht;
durch das Schaben mit dem scharfen Löffel, welcher hier übrigens nur
die Epidermis entfernt, werden auch die bereits gebildeten Pusteln am
besten beseitigt In einem sehr vorgeschrittenen Falle von Acne rosacea,
in welchem die ganze Nase stark hypertrophisch geworden war, wurden
einzelne Höcker durch das Messer entfernt, die rüsselförmig verlängerte
Spitze mittels der Dittel’schen elastischen Ligatur abgetragen, der
Defect durch plastische Operation gedeckt, und so der Nase eine fast
natürliche Form wiedergegeben.
(Wiener medio. Wochenschr. No. 1, 1878.)
Zur Symptomatologie der Tabes dorsnalis.
Als ein sehr frühes, schon zur Zeit der lancinirenden Schmerzen
vorhandenes Symptom bei Tabes bezeichnet 0. Berger (med. Section
der sehles. Gesellsch. f. vaterländ. Cultur, Sitzung 29. Juni 1877) ein
eigentümliches Verhalten der Empfindlichkeit gegen Schmerz. Während
nämlich noch alle anderen Empfindungsqualitäten erhalten sind, zeigt
sich, dass schmerzerzeugende Reize von geringer Intensität, z. B. ober¬
flächliche Nadelstiche zwar normal — auch als schmerzerregend — per-
cipirt werden, dass aber starken Reizen gegenüber, z. B. queres Durch¬
stechen einer Hautfalte, Kneifen mittels einer Pincette, tiefes Hinein¬
stechen in die Haut, llerausrcissen von Haaren eine Sohmerzreaction
nicht folgt, so dass die Kranken nachher nicht wenig betroffen sind,
wenn sie von der Stärke des Reizes unterrichtet werden. In der späteren
Krankheitsperiode findet sich das Symptom nicht so häufig. Das Phä¬
nomen findet sich meist an den Unterextremitäten, gewöhnlich in grosser
Ausdehnung, zuweilen am Rumpf und den oberen Extremitäten. Mit Be¬
rücksichtigung der Schiff’schen Lehre von der spinalen Empfindungs¬
leitung scheint das Symptom auf eine der Tabes eigenthümliche initiale
Läsion der grauen Substanz hinzuweisen.
Ucber den Mechanismus des Todes in Folge von Einimp fung
des Milzbrands.
Nach einer Mittheilung von Toussaint an die Acadömie de»
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 4:
Sciences, überreicht von Bouley (Sitzung vorn 3. Dccbr. 1877), ist an
Kaninchen durch mikroscopische Untersuchung der Nachweis zu führen,
das der asphyktische Tod in Folge von Milzbrandinoculation in mecha¬
nischer Weise dadurch erfolgt, dass die Lungencapillaren — wie übri¬
gens auch die anderen Capillargebiete des Körpers, aber jene in be¬
sonders hohem Grade — durch Bakterien häufen vollständig verstopft
werden und so eine Ueberfüllung des venösen und vollständige Leerheit
des arteriellen Kreislaufes entsteht. Die andere Hypothese, nach welcher
die Bakterien die Blutkörperchen des Sauerstoffgehaltes berauben und
so asphyktisch den Tod herbeiführen sollen, bestätigte sich nach
Toussaint nicht, da die künstliche Einathmung einer stark mit
Sauerstoff gemengten Luft den Tod der infieirten Thiere weder be¬
schleunigte noch verlangsamte.
Ueber die Veränderungen des Nervensystems beidiphthe-
ritischen Lähmungen.
Wie Dcjerine in einer Mittheilung an die Academie des Sciences,
überreicht von Vulpian (Sitzung vom 10. Decbr. 1877), berichtet,
konnten in 5 Fällen diphtheritischer Körperlähmung übereinstimmend
eine Atrophie der vorderen Wurzeln der Rückenmarksnerven constatirt
werden; dieselbe ist als Folge eines gleichfalls in allen Fällen gefundenen
myelitischen Processes in den Vorderhörnern der grauen Substanz auf¬
zufassen. Die hinteren Wurzeln zeigten nie Veränderungen, ebenso
wenig die Seiten, Vorder- und Hintersträngc der Medulla.
Abnormes Exspirationsgeräusch.
Ein er. 20jähriger Mann war, wie Krishaber (France med. vom
21. November 1877) mittheilt, mit einem ausserordentlich heftigen, an
die Tussis bovina erinnernden, aber dieselbe an Intensität weit über¬
treffenden Geräusch bei der Exspiration behaftet, dasselbe glich einer
heftigen Explosion, wiederholte sich in sehr kurzen Pausen und machte
die Gesellschaft des Pat. — auch auf weite Enthirnungen, selbst auf der
Strasse — unerträglich. Bei der Untersuchung erwies sich das Ver¬
halten des Kehlkopfes bei der Respiration ganz normal, dagegen sah
man bei der Alhmung mit offenem Munde plötzlich die Gaumensegel
einander nähern, so dass hier ein schmales Orifieium, gleichsam eine
Art Glottis gebildet wurde. Zugleien senkte sich die Uvula herab, und
entstand eine krampfhafte Contraction sämmtlicher Exspirationsmuskeln.
Der jetzt erfolgende Exspirationsstroiv durchbrach mit grosser Gewalt
die gebildete Oeffnung, wobei die Gaumensegel und besonders das
Zäpfchen in überaus heftige vibrirende Bewegungen geriethen. Das
Phänomen dauerte 1—2 Secunden. Dadurch dass man den Kehlkopf¬
spiegel'in dem Niveau des Zäpfchens placirte, konnte man fast voll¬
ständig die klingenden Vibrationen unterdrücken. Dasselbe wurde er¬
reicht, als der Kranke eine kleine Kaut schuckplatte in dieser Gegend
trug. Vollständige Heilung wurde ei zielt, nachdem das Zäpfchen abge¬
tragen worden war.
>111. Verhandlungen Ärztlicher Gesellschaften.
Berliner ■edleiahehe Gesellschaft.
Sitzung vom 21. November 1877.
Vorsitzender: Herr v. Langenbeck.
Schriftführer: Herr E. Küster.
Herr Schweigger: Ueber Glaucom.
Als v. Gracfe vor 20 Jahren die Iridectomie bei Glaucom empfahl,
war man noch gewohnt das Krankheitsbild des acuten Glaucoms der
Choroiditis zuzurechnen, und wir finden daher in den früheren Arbeiten
v. Graefe’s den Ausdruck glaucomatöse Choroiditis häufig gebraucht.
Es ergaben sich aus diesem Standpunkt zwei Consequenzen, erstens die
Aufstellung eines Prodromalstadiums, in welchem zwar einzelne glauco-
matöse Erscheinungen, aber noch keine glaucomatöse Choroiditis vor¬
handen ist, und zweitens die Ausscheidung derjenigen Fälle, welche
ohne Entzündung durch Sehnervenexcavation zur Erblindung führen und
deshalb als Amaurose mit Sehnervenexcavation bezeichnet wurden. Einen
wesentlich anderen Standpunkt nahm Donders ein. Dass glaucomatöse
Augen eine auffallende Härte zeigen, war längst bekannt und auch
von v. Graefe vollkommen gewürdigt worden. Aber während er die
Drucksteigerung für eine Folge der Entzündung hielt, sah Donders in
der Druckzunahme die wesentliche Erscheinung des Glaucoms; für ihn
waren gerade die nicht entzündlichen Fälle, welche er als glaucoma
simplex bezeichnte, der Typus des Glaucoms, das Hinzutreten der
Entzündung eine blosse Complieaiion. Die Amaurose mit Sehnerven¬
excavation war damit sofort beseitigt; dagegen blieb v. Graefe bei
seiner Auffassung des Glaucoms als eines entzündlichen Processes auch
gegenüber dem Glaucoma simplex bestehen, indem er sich darauf be¬
rief, dass viele intraoeulare Entzündungsprocesse Vorkommen, ohne sich
durch äusserliche Erscheinungen zu verrathen. Das war freilich eine
petitio principii, denn beim Glaucoma simplex sehen wir eben weder
äusscrlich noch ophthalmoscopisch wahrnehmbare Entzündungserschei-
nungen. Andererseits ging auch Donders zu weit, wenn er den Zu¬
sammenhang zwischen Entzündung und Drucksteigerung für zweifelhaft
hielt; darin hatte er allerdings vollkommen Recht, dass sehr hohe
Drucksteigerungen Vorkommen können ohne Entzündung, aber es ist
eben nicht die Höhe des Druckes, sondern die Schnelligkeit, mit welcher
sich die Drucksteigerung entwickelt, was entscheidend ist für das Auf
treten der Entzündung. Untersuchen wir diejenigen Erscheinungen,
welche als Folgen acuter Drucksteigerung auftreten genau, so ist in
erster Linie zu nennen die Hornhauttrübung. Sie kann so gering sein,
dass sie nur eben bei focaler Beleuchtung nachweisbar ist, oder so
stark, dass sie die Augenspiegel-Untersuchung unmöglich macht. Die
hiervon abhängigen subjectiven Erscheinungen sind die den Patienten
auffällige Umnebelung des Gesichtsfeldes, wahrscheinlich auch das Regen¬
bogensehen, und endlich bei stärkerer Hornhauttrübung die Herabsetzung
der Sehschärfe, welche sehr erheblich werden kann. Ob Trübungen des
Humor aqueus und diffuse Glaskörpertrübung als Folgen acuter Druck¬
steigerung überhaupt Vorkommen, ist fraglich. Andere Folgen acuter
Drucksteigerung zeigen sich im Gebiet der Ciliarnerven: die Schmerzen,
welche in das Gebiet des Trigeminus irradiiren und die durch Lähmung,
der Ciliarnerven bedingte Erweiterung der Pupille.
Endlich ist zu erwähnen die Gefässinjection, w r elche sich manchmal
nur auf pericornealc Injection beschränkt, in heftigen Fällen dagegen
die ganze Conjunctiva einnimmt und sich mit Schwellung derselben,
und sogar auch der Augenlider verbinden kann.
Die eben genannten Erscheinungen, die Trübung der Cornea, die-
Erweiterung der Pupille, die Frontalschmerzen, die Umnebelung des
Gesichtsfeldes, das Regenbogensehen, alle dieseKennzeichen des v. Graef c-
schen Prodromalstadiums sind die Folgen acuter Drucksteigerung und
daher bereits ausgebildetes Glaucom, die Aufstellung eines Prodromal¬
stadiums ist folglich überhaupt unnöthig.
Es ist eine bemerkenswerthe Thatsache, dass plötzliche Drucksteige-
rung auftreten kann an Augen, welche sich bis dahin durchaus normal
I verhielten und noch am Tag vorher durchaus keine erhöhte Spannung
j erkennen liessen. Schon der erste Anfall kann dem Sehvermögen ver-
■ derblieh werden, wie die von v. Graefe als Glaucoma fulminans be¬
schriebenen Fälle lehren; in der Regel aber erfolgt ein remittirender
Verlauf mit einzelnen aufeinander folgenden Anfällen und allmäliger
Entwicklung von Sehnervenexcavation. Auch das kommt vor, dass ein¬
zelne Anfälle auftreten und mit Wiederherstellung eines völlig normalen
Zustandes spurlos verschwinden. Die Diagnose des Glaucoma simplex
ist schwieriger, weil hier die sämmtliehen von acuter Drucksieigerung
abhängigen Erscheinungen fehlen, und nur zwei Symptome übrig bleiben,
die Spanmingserhöhung und die Sehnervenexcavation. Beides würde
freilich für die Diagnose vollständig genügen, wenn nicht unglücklicher
Weise jedes dieser beiden Symptome einen zu grossen Spielraum besässe.
Auf die grosse physiologische Breite der intraocularen Druckhöhe
hat bereits v. Graefe aufmerksam gemacht, aber auch die physiolo¬
gische Sehnervenexcavation kann in sonst gesunden Augen eine solche
Ausdehnung erreichen, dass der Excavationsrand mit dem des Sehnerven
zusammcnfüllt. Manchmal hilft hier der Vergleich beider Augen; eine
einseitige Drucksteigerung oder eine einseitige Kxcavation sind immer
glaucomatös. denn physiologische Kxcavation kommt immer beiderseitig
vor. Am Schwierigsten sind die Fälle, in welchen sich zu physiologischer
Excavation Sehnervenatrophie hinzugcsellt. Bei der typischen progressiven
Sehnervenatrophie ist allerdings immer der Farbensinn gestört, bei
Glaucom nicht, jedoch giebt es auch atrophische Sehnerven-Degenerationen,
welche zur Erblindung führen, ohne Störung des Farbensinns. Die
Prognose fällt zusammen mit dem Effect der Iridectomie. Soweit dit>
Schstörungen abhängigig sind von der Hornhauttrübung, verschwinden
sie nach der Iridectomie, an dem glaucomatösen Sehnervenleiden selbst
ist in der Regel nicht viel zu bessern. Die in diesen Fällen häufig
nach der Operation beobachteten Retinalblutungen haben ihren Grund
wahrscheinlich darin, dass in Folge des bei acuten Glaucomanfällen auf¬
tretenden Arterienpulses einige Gefässbezirke aus der Circulation aus.
geschaltet werden und beim plötzlichen Wiedereindringen der Blutwelle
Hämorrhagien abgeben. Ist die Iridectomie indicirt, ihre Ausführbarkeit,
aber durch irgend welche Nebenzustände zur Zeit unmöglich, so empfiehlt
sieh die Anwendung von Eserin sulf. in 1% Lösung, wodurch entzünd¬
liche Glaucoman fälle rasch vorüber geführt werden. Rückfälle werden
dadurch natürlich nicht verhindert, aber man gewinnt doch Zeit.
Die Sehstörungen bei Glaucoma simplex hängen lediglich ab von
dem Sehnervenleiden, genauer ausgedrückt von der durch die Excavation
bedingten atrophischen Degeneration. Im besten Falle ist also nur
Erhaltung des Status quo zu erwarten, aber auch dies wird nicht immer
erreicht. Die einmal eingeleitete atrophische Sehnerven - Degeneration
kann auch nach der Iridectomie noch weitere Fortschritte machen und
eine allmälige Verschlechterung herbeiführen, in anderen Fällen zeigt
sich bei durchaus normalem Operations- und Heilungsverlauf eine erheb¬
liche Verschlechterung des Sehvermögens gleich nach der Iridectomie, und
endlich gehören zum Glaucoma simplex auch die seltenen Fälle des.
Glaucoma malignuin, wo bei ganz normalem Operationsverlauf sofort
nach der Iridectomie acut entzündliche Erscheinungen mit starker
Drucksteigerung eintreten und sofortige Vernichtung des Sehvermögens
herbeifiihren.
Ueber die Wirkungsweise der Iridectomie lässt sieh zur Zeit nur
sagen, dass wir noch nicht einmal wissen, ob der Effect der Operation
auf dem Ausschneiden eines Stückes beruht, oder ob es nur auf den
Schnitt ankommt, den wir zu diesem Zw r ecke anlegen. Die bisherigen
Versuche mit der Sclerotomie haben einige Heilungen von Glaucom er¬
geben, die Technik der Operation hat ebenfalls durch die Anwendung-
des Eserin, welches das nachträgliche Eintreten von Irisvorfall zu ver¬
hindern im Stande ist, wesentlich gewonnen, jedenfalls aber müssen
noch weitere Erfahrungen damit gemacht werden.
Herr Baumeister will im Anschluss an die eben gehörte Mitthei-
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
28. Januar 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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Jung einige Fälle von Glaucom anführen, in denen er das Eserin zur
Anwendung brachte. In dem ersten Falle von secundärem Glaucom
war das Mittel wirkungslos, während die Iridcctomie schnelle Heilung
herbeiführte. In einem 2. Falle bewirkte es entschiedene Druckherab¬
setzung, während Sehvermögen und Gesichtsfeld unverändert blieben. |
In einem 3. bereits älteren Falle von Glaucom hörten die Schmerzen ,
gleich nach der Einwirkung des Eserin auf. Indessen seien die Präpa- I
rate sehr verschieden und halten sich so kurze Zeit frisch, dass man |
immer sehr darauf achten müsse, ob man mit frischen Präparaten arbeite, j
Herr Hirschberg möchte einige kurze Bemerkungen über die Pro-
■gnose der Glaucomopcrationen anschlicssen, nachdem er dieselbe kürz- i
lieh bereits in der deutschen Zeitschrift für practisehe Medicin No. 45 i
besprochen hat. Es sei ihm sehr auffällig gewesen, dass Piof. Mauth- j
ner in Wien 20 Jahre nach Entdeckung der Heilbarkeit des Glaucoms j
■durch eine Operation, welche inzwischen so segensreich gewirkt habe, j
und nachdem jeder Arzt von der Wirksamkeit derselben sieh habe über- I
zeugen können, die Frage aufgeworfen habe, ob es denn wirklich gestattet
sei, arbeitsfähige Individuen einer Operation zu unterziehen, die so rasch
zum Ruin des Sehvermögens führen könne. Solche Fragen wünlen bei |
einer ausreichenden Glaucom-Statistik leicht zu beantworten sein. In :
Folge dessen habe Redner sich daran gemacht, die von ihm seit 4 1 /, Jah- |
ren behandelten Fällo von Glaucom wieder aufzusuchen, und könne er über |
77 Glaucomfälle und ihre Endresultate berichten. Bei acut entzünd¬
lichem Glaucom bekamen von 17 Patienten lß ein gutes Sehvermögen,
bei chronisch entzündlichem Glaucom von 10 Patienten 9. Beim
einfachen Glaucom müsse man die Fälle genau unterscheiden. So j
lange die Sehschärfe noch mehr als 1 10 betrage, so lange die Gesichts- ,
feldbeschränkung noch mehr als 10° vom Fixirpunkt entfernt sei, werde |
man fast immer auf ein gutes, d. h. stationäres Resultat rechnen können.
Unter 13 solchen Fsllen sei einmal die Iridectoinie wirkungslos geblieben, i
2 mal habe sie einjährigen Stillstand bewirkt, nach welchem allerdings
eine neue Operation nöthig erschienen sei, in den 10 übrigen Fällen sei
die Sehkraft dauernd erhalten geblieben. Wenn dagegen die Gesichts¬
feldbeschränkung sich bereits dem Fixirpunkt nähere, so sei die Sache !
übel, und man habe sich dann die Frage vorzulegen, ob man den Pa j
tienn-n spontan erblinden lassen oder noch die Iridectoinie vornehmen
solle, nach welcher zuweilen die Sehkraft erheblich sinkt. Der Astig¬
matismus nach der Operation sei sehr bedeutend und leicht zu corri-
giren, es kenne derselbe daher leicht mit in den Kauf genommen werden
von einem Menschen, welcher durch die Operation vor dem Erblinden
geschützt worden sei.
Noch einige Worte möchte Redner hinzufügen über die Surrogate
der Operation und über das Eserin. Die Surrogate seien zmn Theil so
schlecht, dass sie in Deutschland keine Nachahmung gefunden haben.
Dahin gehören die Trepanation der Selera und die Drainage des Auges
vom Hornhautrande her, welche letztere von ihrem Erfinder v. Wecker
auch nur an blinden Augen versucht sei. Auch die Sclerotomie sei
sehr unsicher, wie er sich in Guy’s Hospital zu überzeugen Gelegenheit
gehabthabe. Die schräge Schnittführung von Stellwag sei etwas besser
und habe auch in Wien einige Nachfolger gefunden: aber die Iridcctomie
könne sie nicht ersetzen. Besser sei die v. Weck er.sehe Methode der
Sclerotomie, die Redner einmal mit technisch gutem Erfolge ausgeführt.
Indessen sei es ein wesentlicher Fortschritt, dass wir uns von der Idee
losgemacht haben, auf jedes acute Glaucom gehöre die Iridcctomie.
Bei Glaucoma hämorrhagicum sei die Operation gefährlich, und habe
v. Gräfe selber davor gewarnt. Bis jetzt habe Redner 7 Fälle dieser
Art zu behandeln gehabt. In einem derselben habe er der Schmerzen
halber die Operation vollzogen, und habe sich merkwürdiger Weise die
Sehkraft hinterher gebessert. Pat. bekam dann auf dem anderen Auge
Glaucom, welches durch Eserin geheilt wurde. In einem zweiten Falle
sei das Eserin ganz wirkungslos geblieben, er habe sich der Schmerzen
wegen zur Operation entschlossen müssen, aber das Auge sei doch nach
einigen Wochen durch ein Recidiv verloren gegangen. Eben so wenig
Erfolg habe er vom Eserin beim Glaucoma chronicum gesehen, wenn
man die Iridcctomie gemacht habe, das Gesichtsfeld sich aber dennoch
mehr und mehr einenge, ohne dass eine sehr palpable Druckerhöhung
nachzuweisen sei. Es sei bei acutem Glaucom davor zu warnen, dass
man im Vertrauen auf das Eserin zu lange die Operation hinausschiebe.
Fernerhin gebe es Fälle, wo man, wie Förster nachgewiesen hat, eher
warten kann: Fälle, in welchen nach der Iridcctomie auf dem einen
Auge auch das andere ganz acut von Glaucom ergriffen werde, in welchen
demnach die Operation als Gelegenheitsursache anzusehen sei. Auch hier
solle man nicht lange mit der zweiten Iridcctomie zögern, wenn das
Eserin nicht schnelle Hülfe bringe.
Herr Schüler möchte seine Stellung zur Eserinfrage präcisireu.
In einem Falle blieb dasselbe nicht nur vollständig wirkungslos, sondern
es entwickelte sich sogar unter seinem Gebrauch der erste Glaucomanfall.
In einem 2. Fall, in welchem die vordere Kammer verschwunden war
und das Sehvermögen sank, applicirte er ebenfalls vergeblich Eserin;
es vermehrte sieh nur die schon bestehende Injection. An Herrn
Sch w eigger wolle er die Frage richten, ob derselbe das Vorhandensein
entzündlicher Trübungen in den tieferen Gebilden des Auges durchweg
bestreite. ob er nicht Fälle gesehen habe, in welchen keine Trübungen
der Hornhaut, sondern nur der Linse nachweisbar waren, wie man sie
beim Expf'rimentiren sieht.
Herr Schweigger bemerkt, dass allerdings Cataract mit Glaucom
Vorkommen könne, aber wie er glaube, nur als zufällige Complication.
Dasselbe gelte von den Glaskörpertrübungen. Das Eserin habe ihn beim
hämorrhagischen Glaucom im Stiche gelassen. Die Fälle, in welchen
das Glaucom nach der Iridectomie auf dem anderen Auge auftrete, ge¬
statten wohl eine andere Deutung. Häufig sei schon die Disposition
vorhanden und bewirke dann die Angst und Aufregung der Operation
den Ausbruch. Zuweilen sei dasselbe schon vor der Operation aufgetreten.
Er sei weit entfernt, schon jetzt die Sclerotomie der Iridectomie als
gleich berechtigt gegenüberstellen zu wollen, nur mit Hülfe von Eserin
sei erstere technisch ausführbar.
Herr Sch Öler behauptet, dass die von ihm erwähnten Trübungen,
welche er mehrfach gesehen, transitorische seien, welche mit Cataract
gar nicht verwechselt werden könnten. Bei aufrechtem Bilde seien die¬
selben freilich meist gar nicht nachweisbar.
IX. Feuilleton.
Zur Impffrage.
Von
Dr. Carl Stropp in Berlin.
Herr Dr. Bcrnhardi in Eilenburg kommt in seiner Notiz „Ueber
Impfung“ in No. 52 der Berl. klin. Wochenschr. (1877) auch auf meine
Flugschrift „Vaeeination und Microcoecen“ (1874) zurück. Es ist mir
lieb, dass ich dadurch veranlasst werde, nochmal zur Sache das Wort
zu nehmen. Ich will versuchen, möglichst kurz zu sein.
Zunächst einiges über meine Broehure. Gleich nach dem Zustande¬
kommen des Impfgesetzes, angeregt durch die wahrhaft überraschende
Inhaltslosigkeit der für und wider gepllogcnen Debatten, schrieb ich die¬
selbe nieder in dem Gedanken, einerseits um den Laieri über die Be¬
deutung des Gesetzes zu beruhigen, andererseits um auch den Collegen,
auf Grund der Bacterien-Theorie, die „Idee“ des Impfens in völliger
Ausführung vorzulegen, nachdem von anderen darüber nur hie und da
Andeutungen gegeben waren (s. besonders Kussinaul’s 9. Brief). Um
der Laien Willen musste ich etwas weiter ausholen, musste möglichst
von allem literarischen Apparat absehen. Strenge Durchführung des
Gedankens schien mir die Hauptsaehe.
Es ist nun wohl nicht statthaft, dass jemand aus einer Arbeit, die
die strenge Durchführung eines Gedankens erstrebt, einen überraschenden
Passus dem Zusammenhänge entnimmt, zumal solchen gegenüber, welche
die Flugschrift gar nicht kennen, und daran eine abfällige Bemerkung
knüpft. Wer meine Broehure im Zusammenhänge liest, worauf ich
durchaus verweisen muss, da ich sie sonst fast ganz reproduciren
müsste, der wird es kaum begreiflich finden, dass meine „Forderung“
dem Herrn Dr. Bernhard] so „wunderbar“ erscheint, wird sich auch
nicht mit ihm wundern, dass ich keine „Versuche“ gemacht habe.
Nie und nirgends ist von mir die practisehe Durchführung
der Nachimpfung (Controlimpfung) „gefordert“. Durchaus habe ich diese
„Forderung“ nur als logische Consequenz, als Forderung der
Exactheit hingestellt, um, wie ich mich in meiner Arbeit ausdrückte,
dem Schutzmittel zu seinem Rechte zu verhelfen. Ich habe ausgeführt,
dass eine Impfung nur dann als gelungen zu bezeichnen ist, wenn der
Boden durch sie völlig erschöpft ist. Ub er dies ist, das können wir
niemals nach der ersten Impfung wissen. Die Gründe dafür
sind sowohl äusserliehe als in der Sache liegende. Darum die, wie mir
scheint, durchaus logische Forderung der Controlimpfung, um so mehr
dort, wo alle Impfstiche kräftige Pusteln ergeben haben. Liegt nicht
gerade dann die Vermuthung ausserordentlich nahe, dass der Boden,
der sich so ergiebig zeigte, noch nicht erschöpft ist? Mich dünkt, hier
ist die Logik mehr werth als das Experiment. Woher sollte man wohl
das Material nehmen zu diesen Experimenten, die nur Werth haben
können, wenn sie nach vielen tausenden zählen? Mütter würden sich
schwerlich dazu entschlossen, ihre „vortrefflich“ geimpften Kinderchen
sofort noch einmal der Impfnadel zn überliefern, und Erwachsene würde
man nach „gelungener“ Revaccination wohl ebensowenig in genügender
Zahl zur sofortigen Wiederholung animiren können. Wie eben „das
Experiment“ in d i e s e r Angelegenheit zu unrichtigen Anschauungen führen
kann, das zeigen die Ausführungen des Herrn Dr. Koeniger in Wester¬
stede, denen sich die Herren DDr. Mandel bäum und Rosen ange¬
schlossen haben (No. 47 und 52 a. p. dieser Zeitung).
Die Fragestellung: Genügt eine Pustel, genügen zwei Pusteln zur
Sicherung der Schntzkraft? Schützen mehrere Pusteln länger als eine
oder wenige? ist von vorn herein eine — wie ich dies klarzulegen mich
bemüht habe — durchaus unstatthafte. Erstens, wie eben erwähnt, kann
man nie wissen, ob der Boden durch die Impfung erschöpft ist. Dass
diese Erschöpfung dort, wo von vielen Stichen bei sorgfältiger Impfung
nur einer oder zwei Pusteln ergeben haben, in den allermeisten
Fällen wirklich stattgefunden hat, liegt auf der Hand, und der Control¬
versuch wird so häufig ein negatives Resultat ergeben, dass die That-
sache wie eine allgemein gültige aussieht. Aber nur so aussieht. Zu
meiner Unterstützung spricht gegen die Gerneingü 1 tigkeit des Satzes,
dass eine oder zwei Pusteln völlig hinreichen zum Schutze, ja, dass das
An bringen von mehr Stichen überflüssige Quälerei sei, nicht nur die lo¬
gische Consequenz, sondern auch der directe Versuch. Herr Dr. Richter
hat an Kindern, bei denen nur eine Pustel sieh entwickelt hatte, mit Lym¬
phe, die er dies er Pustel entnahm, die Impfung am anderen, bisher ver¬
schonten Arme wiederholt und mehrere Male eine Anzahl gut entwickel¬
ter Pusteln erzielt. Die beiden Fragen: Ist bei der ersten Impfung
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 4
der Boden erschöpftV ist die Impfung selbst eine „correcte“ gewesen?
bleiben ohne den Centrolversuch stets unentschieden.
Wenn man zweitens die Dauer der Schutzkraft (selbst nach perfec-
testcr Impfung) ins Auge fasst, so ist doch zu erwägen, dass auch der
völligst erschöpfte Boden anerkanntermassen in allerkürzester Zeit,
überhaupt in Fristen wieder productiv werden kann, die sich jeder Be¬
rechnung entziehen. Einschlägige Fälle sind in hinreichender Zahl zu-
saramengestellt, z. B. in H. Friedberg’s Monographie, „Menschenblattern
und Schutzpockenimpfung“ (1874) p. 8Ö ff., denen leicht noch andere
angereiht werden könnten.
Ich rathe daher, bei drohender Gefahr möglichst alle, beson¬
ders aber diejenigen zu revacciniren, die sich bei der früheren Im¬
pfungsehrproductiv zeigten, und meine, dass sonst im allgemeinen
der bisherige, jetzt nun durch das Gesetz festgestellte Modus des Impfens
und Revaccinirens ausreichend ist, dass aber auf dem exacten Stand¬
punkte das Sicherheitsgefühl nicht getheilt werden kann, mit dem die
oldenburgische Instruction durch zwei gute Pusteln sich als befriedigt
erklärt.
Zur Behandlung von Psychosen.
Der in Ihrem geschätzten Blatte (No. 3 vom 21. Januar 1878) ver¬
öffentlichte Vortrag meines verehrten Special-Collegen, Professor Wille
in Basel, über allgemeine Grundsätze bei der Behandlung der Psychosen
enthält einige ausserordentlich schmeichelhafte, kritische Bemerkungen
über das in der Göttinger Irrenanstalt beobachtete Verfahren, ■welche
indess nach einer Seite hin eine Berichtigung erfordern. Wir sind in
der That nicht so exclusiv abweisend in der arzneilichen Behandlung
Geisteskranker, wie W., vielleicht durch missverständliche Aeusserungen
veranlasst, vorauszusetzen scheint. Ein Blick auf das Reccpturbuch der
Göttinger Anstalt dürfte lehren, dass man dort vor recht herzhaften Dosen
von Chloral, Opium, Morphium, Chinin, Bromkalium etc. nicht zurück¬
schreckt — von medicamentösen (Sool- etc.) Bädern wird häufig Gebrauch
gemacht, die Electrisirapparate befinden sich in den Händen eines kun¬
digen Assistenten, und selbst der von der Psychiatrie in Bann gethane
Aderlass hat in einem Falle Anwendung gefunden. Weit entfernt, dem
Nihilismus auf therapeutischem Gebiete zu huldigen, halten wir es viel¬
mehr für unsere Pflicht, jedem durch Beobachtungen einigermassen
empfohlenen Verfahren eine Chance zu gewähren; auch die sog. blaue
Zelle haben wir nicht verscheucht. Allerdings stellen wir für jede ernst¬
haftere Behandlung strenge Indicationcn. Fehlen diese bestimmten In-
dicationen, so beschränken wir die Behandlung grundsätzlich auf die
Hygiene der Anstalt, und dass die sehr grosse Mehrzahl unserer Kranken
sich mit letzterer begnügen lassen muss, diese Concession will ich meinem
liebenswürdigen Collegen gerne machen. Ludw. Meyer.
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. William Stokes ist am 7. Januar d. J. gestorben; mit ihm
ist eine der grössten Zierden brittischer medicinischer Wissenschaft da¬
hingegangen. In seinen Werken „Diagnose und Behandlung der Brust¬
krankheiten“, erschienen im Jahre 1837, und vor allem in der klassischen
Arbeit über „die Krankheiten des Herzens und der Aorta“, erschienen
im Jahre 1855, hat er sich bleibende Denkmäler seines Namens gesetzt.
Ganz besonders hervorragend als Schriftsteller ist er dadurch, dass er
alles was er schrieb, auf klinische Beobachtung gründete, der Specu-
lation nur einen sehr untergeordneten Platz anwies. Ganz bewunderungs¬
würdig an Klarheit und an practischem Nutzen soll die Art seines kli¬
nischen Unterrichts gewesen sein; sehr gerühmt wird auch seine Menschen¬
freundlichkeit und die Liebenswürdigkeit seines Wesens. Stokes wurde
als Sohn eines Arztes und Professors an der Dubliner Universität im
Jahre 1804 geboren; im Jahre 182G wurde er Arzt am „Meatb Hospital“
in Dublin, eine Stellung, die er 50 Jahre, bis zu seinem Rücktritt im
Jahre 1875, inne hatte; Professor an der Universität wurde er, als
Nachfolger seines Vaters, im Jahre 1845. Unter manchen anderen
Ehrenbezeugungen, die ihm im Laufe der Jahre zu The>l wurden, wird
manchem unserer Leser noch die Auszeichnung erinnerlich sein, die er
von Seiten Preussens durch Vcrleihurg des Ordens „pour le merite“,
gleichzeitig mit Longfellow, Bancroft und Schwann im Jahre 1875
erhielt.
X. Amtliche Mittheilmges.
Fersonalia.
Auszeichnungen: Aus Anlass der Feier des Krönungs- und Ordens-
Festes haben erhalten:
Den Rothen Adler-Orden dritter Klasse mit der Schleife:
Dr. Eulenberg, Geh. Ober-Medicinal-Rath und Vortragender Rath
im Ministerium der geistlichen- ctc. Angelegenheiten, I)r. Haeser,
Geh. Medicinal-Rath und ordentlicher Professor an der Universität zu
Breslau, Dr. Henrici, Generalarzt IL Klasse und Corpsarzt beim
V. Armeecorps, Dr. Wenzel, Generalarzt II. Klasse der Marine.
Den Rothen Adler-Orden vierter Klasse:
Dr. Beyer, Ober-Stabsarzt II. Klasse und Regimentsarzt beim 5. bran-
denburgischen Infanterie-Regiment Nu. 48, Dr. Blanck, Sanitäts-Rath
und Kreis-Physikus in Graudenz, Dr. Heck, Ober-Stabsarzt II. Klasse
und Gamisonarzt in Colberg, Dr. Henoeh, ausserordentlicher Pro¬
fessor an der Universität zu Berlin, Dr. Hensen, ordentlicher Prc-
Difitized hy Gooslc
fessor an der Universität zu Kiel, zn r Zeit Rektor der Universität,
Dr. Hildebrandt, Medicinal-Rath und ordentlicher Professor an der
Universität zu Königsberg i./P., Dr. Hirsch, Geh. Medicinal-Rath und
ordentlicher Professor an der Universität zu Berlin, Jesnitzcr, phar-
maceutischer Assessor beim Medicinal-Collegium zu Magdeburg, Kuhl-
mann, Departements - Thierarzt und Veterinair-Assessor beim Medi-
cinal-Collegium zu Stettin, Dr. Lenz, Ober-Stabsarzt II. Klasse und
Regimentsarzt beim Anhalt. Infanterie-Regiment No. 93, Dr. Mende,
Sanitäts-Ratli und Kreis-Physikus zu Einbeck, Landdrostei Hildesheim.
Dr. Münnich, Ober - Stabsarzt II. Klasse und Regimentsarzt beim
Kaiser Franz-Garde-Grenadier-Regiment No. 2, Dr. Oelker, Ober-
Stabsarzt I. Klasse und Garnisouarzt zu Hannover, Dr. Prager, Ober-
Stabsarzt II. Klasse und Regimentsarzt beim 2. Pommerschen Feld-
Artülerie-Regiment No. 17, Dr. Rohowski, Stabs- und Bataillonsarzt
beim Badischen Pionier-Bataillon No. 14, Dr. Schnieber, Sanitäts-
Rath zu Görlitz, Dr. Schröder, Sanitäts-Rath und Bezirks Physikus
zu Berlin, Dr. Skrzeczka, Regierungs- und Geh. Medicinal-Rath,
Professor an der Universität zu Berlin.
Den Königlichen Kronen-Orden dritter Klasse:
Dr. Becker, Ober - Stabsarzt I. Klasse und Regimentsarzt beim Thü¬
ringischen Feld-Artillerie-Regiment No. 19, beauftragt mit Wahrneh¬
mung der divisionsärztlichen Functionen bei der 8. Division, Dr. Gro-
nert, Ober-Stabsarzt I. Klasse und Regimentsarzt beim 5. Rheinischen
Infanterie-Regiment Xo. 65, beauftragt mit Wahrnehmung der divisions¬
ärztlichen Functionen bei der 15. Division, Dr. Kaether, Ober-Stabs¬
arzt I. Klasse und Regimentsarzt beim 2. Rheinischen Infanterie-Regi¬
ment Xo. 28, Dr. Kor ff, Ober-Stabsarzt I. Klasse und Regimentsarzt
beim 1. Hannoverschen Feld-Artillerie-Regiment No. 10, beauftragt
mit Wahrnehmung der divisionsärztlichen Functionen bei der 20. Di¬
vision, Dr. Lange, Ober-Stabsarzt I. Klasse und Regimentsarzt beim
2. Hannoverschen Infanterie-Regiment No. 77, Dr. Tegener, Ober-
Stabsarzt I. Klasse und Regimentsarzt beim 1. Garde-Ulanen-Regiment.
Den Königlichen Kronen-Orden vierter Klasse:
Dr. John, Stabs- und Bataillonsarzt beim 4. Oberschlesischen Infan¬
terie-Regiment No. 63, Dr. Zwingenberg. Sanitäts-Rath zu Berlin.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht, dem practi-
schen Arzt Dr. Arnoldi zu Remscheid den Rothen Adler-Orden
vierter Klasse, sowie dem Kreis Wundaret etc. Dr. med. Gustav Otto
Lange in Duisburg den Character als Sanitäts-Rath zu verleihen.
Anstellungen: Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht,
den practischen Arzt Sanitätsrath Dr. Carl Gottlieb Schneider zu
Magdeburg zum Medicinal-Rath und Mitglied des Medicinal-Collegiums
der Provinz Sachsen zu ernennen. — Der seitherige Kreis-Wundarzt
Dr. med. Heinrich Julius Theodor Mulcrt in Stolpe ist zum Kreis-
Physikus des Kreises Stolp, der practische Arzt Dr. Voigt mit Be-
lassung seines Wohnsitzes in Eisleben zum Kreis-Wundarzt des Mans-
felder Seekreises und der practische Arzt Dr. Synogowitz mit Be-
lassung seines Wohnsitzes in Neuenburg zum Kreis - Wundarzt des
Kreises Schwetz ernannt, sowie der Kreis-Wundarzt Dr. Sch mal-
fuss zu Hannover aus dem Kreise Wennigsen in den Stadtkreis
Hannover versetzt worden.
Niederlassungen: DDr. Max Hofmeier, Ober-Stabsarzt a. J).
Müller und Dr. Bruntzel in Berlin, Arzt Held mann in Lauenau.
Amt Springe, Arzt Krabbel in Bochum.
Verzogen sind: Stabsarzt Dr. Salzmann von Berlin nach Pots¬
dam, Dr. Niemann von Blankenburg nach Dassel, Dr. Bange von
Alme nach Niedermarsberg.
Apotheken-Angelegenheiten: Der Apotheker Salbach hat die
Fiebrantz’sche Apotheke in Berlin, der Apotheker Fromm die
Koch’sche vormals Giese’sche Apotheke in Paderborn, der Apo¬
theker Krueger die Fromm’sche Apotheke in Medebach und der
Apotheker Hesel mann die Iienck’sche Apotheke in Erkelenz ge¬
kauft. Der Apotheker Brun abend hat die neu concessionirte Apo¬
theke in Berge-Borbeck und der Apotheker Baum die neu concessio¬
nirte Apotheke in Borbeck eröffnet. Der Apotheker Lückerath hat
die Verwaltung der Apotheke seines verstorbenen Vaters in Stoppen¬
berg und der Apotheker Weiss die Verwaltung der Wrede’sehen
Apotheke in Freudenberg übernommen.
Todesfälle: Practischer Arzt Dr. Diesterweg in Berlin, Wundarzt
Heinrich in Glatz.
Bekanntmachung.
Die Kreiswundarztstelle des Kreises Warburg soll wieder besetzt
werden. Qualificirte Bewerber um diese Stelle haben sicli unter Ein¬
reichung ihrer Zeugnisse sowie eines Lebenslaufes bis zum 1. März d. .T,
bei uns zu melden.
Minden, den 18. Januar 187S.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Inserate.
Ein verh. Arzt, mehljähriger klinischer Assistent, sucht die gute
Praxis (auf Wunsch auch Haus etc.) eines Collegen in einer grossen
Stadt, welcher wegen Alter oder Kränklichkeit dieselbe aufgiebt, gegen
bed. Entgelt zu übernehmen. Offerten sub J. N. 9293 befördert Rudolf
Mosse, Berlin SW.
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
*28. Januar 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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Bekanntmachung.
Die Stelle eines Assistenz-Arztes des hiesigen städtischen Kranken¬
hauses ist vom 1. April er. ab zu besetzen. Mit derselben ist ein
baares Gehalt von 1*200 M. jährlich verbunden, neben freier Wohnung
im Krankenhause, deren Benutzung unerlässliche Bedingung ist. Ausser¬
dem erhält der Assistenzarzt einen nicht fixirten Antheil an dem Honorar
für Behandlung der sogenannten conditionirten Kranken, welcher sich
jährlich auf er. 300 M. beläuft. Die ärztliche Praxis ausser dem
Krankenhause ist gestattet, soweit dieses unbeschadet des Krankenhaus¬
dienstes geschehen kann. Die Anstellung erfolgt auf beiderseitige drei¬
monatliche Kündigung. Meldungen von Aerzten, welche die Staats¬
prüfung bestanden haben, unter Beifügung der Approbations-Urkunde,
werden bis zum 15. Februar er. erbeten.
Königsberg i. Pr., den 15. Januar 1878.
Magistrat Königl. Haupt- und Residenz-Stadt.
Braun.
Bekanntmachung.
Für die hiesige Stadt und Umgegend wird zum 1. April er. die
Niederlassung eines zweiten Arztes hierselbst gewünscht, dem auch die
halbe Armen-Praxis übertragen werden soll.
Auf etwaige Anfragen werden wir gern Auskunft ertheilen und be¬
merken nur noch, dass bisher stets 2 Aerztc hier wohnten.
Dressen, den 17. Januar 1878.
Der Magistrat.
Ich suche für meine Anstalt für Nerven- und Gemüthskranke einen
zweiten Arzt.
Görlitz ._ Dr. Ka h 1 baum.
= Arzt gesucht. =
Die Stelle des Curarstes der Wasserheilanstalt Sohöneck am
Vierwaldstättersee wird hiermit zur freien Bewerbung ausgeschrieben.
Kenntnisse in der hydrotherapeutischen» pneumatischen und eiec-
trischen Behandlung nothwendig sowie auch Sprachkeimtniss. Bewerber
wollen sich um nähere Auskunft direct an den Eigenthümer der Anstalt
wenden. _ C. Borwlngcr, Prop rietair.
Für das Städtchen Frankenau, Reg.-Bez. Cassel, wird ein practischer i
Arzt gesucht. Gehalt ‘250 Thlr. neben guter Praxis. Briefe dieserhalb
nimmt der Magistrat daselbst entgcjren.
Als ärztlicher Leiter eines seit (10 Jahren bestehenden Bades
(Wasserheilanstalt) wird ein pract. Arzt gesucht.
Gesicherte Stellung wird garanlirt. Einlage eines sicher zu stellen¬
den Capitals oder ßetiieiligung mit einem solchen von er. 30,000 Mark
ist Bedingung.
Offerten unter CLiffer G. G. 8812 besorgt die Annoncen-Expcdition
Th. Dietrich <fc Co. in Hannover. _
Der Inhaber einer kleinen Privat-Ntllaastalf, in welcher bis jetzt
vornehmlich Brat!-, Hala- und NarvaalaMaad« Aufnahme fanden, beab¬
sichtigt diese sowie seine lucrative Praxis einem tüchtigen Collegen zu
übertragen, indem er selbst die Direction eines Bades übernommen hat.
Die Anstalt liegt in dem schönsten Theile einer der grössten Städte
am Rhein, Haus und Garten sind gemiethet unter günstigen Umständen.
Bedingungen: Uebernahme des Inventars im Wcrthc von er. *2000 Thlr.
und eine Abstandsumme für die Anstalt nebst Praxis nach näherer
lebereinkunft. Uebernahme 1. — 20. April. Frc. Offerten sub C. *2162
bei. die Annoncen-Expcdition von Rudolf Messe in Cöln a. Rh.
Bekanntmachung.
Die Niederlassung eines approbirten Thierarztes in der Stadt Steele, |
Kreis Essen, wird gewünscht. Demselben werden für Beaufsichtigung
der Viehmärkte in Steele pr. Jahr 150 bis 200 Mark aus der Comraunal-
kasse gezahlt. Im Umkreise einer Meile befindet sich kein Thierarzt und
wird, da die Umgegend zum grössten Theil Landwirthschaft betreibt,
die Praxis voraussichtlich sehr lohnend sein.
Weitere Auskunft zu ertheilen ist der Unterzeichnete gern bereit.
Steele, den 11. Januar 1878.
Der Bürgermeister Jesse.
Die Arztstelle in Schönau ist besetzt.
Schönau, den 21. Januar 1878. Der Königl. Kreisphysikus
_ Pr. Book. _
Ein junger verh. Arzt w. in einer Mittelstadt resp. Grossstadt sich
niederzulassen; vorgez. wird eine Stadt, wo derselbe als Anstaltsarzt
resp. Assistenzarzt fungiren könnte. Gefl. Off. d. d. Exped. d. Bl. sub
G. S. 2.
XSlnem intelligenten Ante mit einigem Vermögen kann
eine brillante, höchst angenehme Praxis unentgeltlich
nachgewiesen werden. Gefl. Offerten nimmt die Hofbuohhandlung
von Edmund Rodrian in Wiesbaden entgegen.
Wasser-Heilanstalt Laubbach
bei CoMeuz m Rhein.
Das ganze Jahr hindurch geöffnet. Kalte und warme Bäder, Elek¬
trotherapie.
Hausarzt: Dr. A. Maurer. luspector: F. Herrmann.
Meine Heilanstalt für Brustkranke in Görbersdorf
ist das ganze Jahr hindurch geöffnet. Der Pensionspreis beträgt fßr
Wohnung, Bedienung, Bäder und vollständige Beköstigung pro Woohe
36 bis 51 Mark, je nach der Wahl der Stube.
Görbersdorf ist Post- und Telegraphenstation. Die nächste Bahn¬
station für die über Berlin oder Dresden kommenden Patienten ist
Dittersbach, und für die über Prag oder Breslau kommenden Friedland,
Reg.-Bezirk Breslau.
Briefe an den Unterzeichneten.
_ Br. Brehmer.
Nauheimer Wintercoren.
Während bisher nur in den fiskalischen Badehäusem und nur wäh¬
rend der Dauer der Saison Bäder genommen werden konnten, werden in
Folge Vertrags zwischen Grossherzogi. Hess. Regierung und Unterzeich¬
netem von jetzt ab bis zu Beginn der offlciellen Saison (1. Mai) im Hotel
de l’Europe dahier Nauheimer Soolbäder verabreicht. Das geräumige,
comfortablc eingerichtete Hotel bietet alle Annehmlichkeiten einer Winter¬
pension, und die Bereitung der Bäder geschieht derart, dass die gftMB
Vorzbge der Nauheimer Bäder (Wärme and Kohleusäure-Behalt) vollstäodig er*
kalten bleiben. Die Lage des Hotels in nächster Nähe der Trinkhalle
ermöglicht gleichzeitige Trinkeuren. Gute uud reelle Verpflegung bei
billigen Preisen!
Zu jeder etwa gewünschten näheren Auskunft haben sich die hier
; domicilirten Herren Aerzte bereit erklärt.
j Bad Naaheirn, im Üctober 1877. W. A. Slmmn,
| Besitzer des Hotel de l’Europe.
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j von Dr . B. Jaegsr in Halle a. S. _
Bei Th. Ohr. Pr. Enslin in Berlin erschienen soeben:
€1. F. Blmndford, Olt 8eelenatAruageQ und Ibra Bebaadlang. Vor¬
lesungen über die ärztliche und gerichtliche Behandlung Geistes¬
kranker. Nach der 2. Ausgabe des Originals übersetzt und mit
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lagers, welcher über 15,0J0 Nummern umfasst, steht auf Verlangen zu
Diensten. Es ist mir leider unmöglich, diesen C'atalog, dor enormen
Herstellungskosten wegen, gratis zu geben. Ich berechne denselben mit
1 Mark, die ich jedoch bei Bezug von 10 Mark wieder in Abrechnung
bringe; auch bin ich gern bereit, den Catalog nach geschehener Einsicht
zurückzuneh men. __
Praenumeratlons-Klnladunff
traf den Uten Jahrgang
der
Pester mediz. Chirurg. Presse,
Wochenschrift für die geeamaita Heiihunda.
Redigirt von Dr. Lidwlg Hirsehfeld und Dr. SmmI Wir.
Die „ Pester med. chir. Presse“ erscheint jeden Sonntag 1 */ a bis
2 Bogen stark und enthält:
Originalicn, klinische Vorträge und Spitalsberichte. — Ex-
ccrpte aus magyarischen Fachblättern. — Rundschau üb. d. her¬
vorrag. Leistungen auf d. Gebiete der gesammten Heilkunde. —
Sitzungsberichte üb. d. Verhandlungen d. ungar. u. ausländi¬
schen ärztlichen Gesellschaften. — Kritiken. — Feuilleton. —
Chronik.
Die „ Pester med. chir. Fresse “ bleibt nach wie vor die billigste
med. Wochenschrift und kostet V*jährig 3 fl., ganzjährig 6 fl. ö. W.
Praenumcrationen bitten wir (am bequemsten per Postanweisung) zu
richten an
Samuel Zilahy,
_ Buchhändler in Budapest, IV. Waitzengassc 9.
In Denicke’s Verlag in Berlin erscheint:
Central-Zeitung für Kinderheilkande
unter Redaction von
Dr. A. Baginsky, und Dr. Alois Monti,
praot. Arzt in Berlin. Docent in Wien.
2 Mal monatlich in gr. Lex. 0 . Preis pro Semester 5 Mark.
Bestellungen nehmen alle Buchhandlungen und Postanstalten an,
Probcnummern stehen gratis und franco zu Diensten.
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(E. Klebfi, Handbuch der pathoh VI)
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ft «teilt« AicjiheUiit ftcftrlatlnofta ui
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fuöiMjit . \‘Z
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dioptrisehe System des Auges
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X)r, Ludwig Happe.
187 t AB< 4 . HBhütir, 3 'Mark.
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«mitarer 5 FW-iCiifa&g u. bisher DynddO
JW'O'utii'n äWltWi < tdpfulilOtu Mas*l£>* t‘O ts*\ Adnlss.'f ]
Leig. . ,S kV« 4
BrUIIÄ j Prof. Pr. P ö tt 1 , pro f jv r vt l £ n t o mi e, zur Ent fern wo g
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Uepo!d f Pr. Stmfioti fiher die \ 1 1 &r u« sc h j e t trihatit tv^hrmj
Monstnrntotn.. ■'^c.h'vanger^liäft urtii %Vo<i»o*' ,gi. 8 , Mit
lit lithoirr. Tn fein \w Furb^Oflrttc.k ;( 8 ^|iaTnutl^nict aus dem
Archiv für i}\ hüKül r -cO'B 1 As. yV M,
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'leüfe* . vitehmfrtu. Öteseile: •• - Tg*
Vwha:tigA : ^f^dA'i'K . Rms- 100 MaHv, ‘ ''• nR :
Ed. Meuter, ’ÄgfeS
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y* ir l a ^' a, *‘h jxu 'Au-kuoi tliräcthwivid in ßertin. •—Q’itdruc-ftti h,i>i L. .»Srlunn,^eher tn Beylio
Pta itarütier Klinische W^rhenäcßrift erscheint
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layvWithl'ffnßinng 1 V¥k AüiiBrt liirschrald iu lier-
- Uo; iüyVV Uoiei (UiVvI.iudwn btaettiäen.
( jg§f u
Organ für praetiselio Aerzte.
Mit ßförüek^litigUDg der preüssischeri M^icmalverWülttnig und Mediciimlges^tzg6:bün^
aaelt amilichft« MiHheiluflgea-
Redacteur: Prof. ßr. L "WaM^öbur? Verlag von August flirscliwdd in Mn
Montag, den 4. Februar 1878.
III 5 .
Pünftehnter Jahrgang.
Inhalt* Xi M ut ilur- Wsrm' M: Ein Fali van .schwern? .(NiMifcalwtnvergiftviig mit Ausgang Ln rmursung — Ih Stern: lieber da*
xUbci-ehloiid^Chjoniatrium und seine sübeutime- Anwendung. f it. W »• !>.; r; Zur Calaislik der Svh#,«ntu-i *< d»afi»- W!ruhen-br ttumau/ .isc. —
IV. Kritik' (K ü«ver: Eßof jahre im Aii^w.sU|41?fSvil*fct)v V. y.erhand Jungen araHicfoe-r• QcMlfeffcifFefl■■(öi*s«, 4 llscbaff '.für.:.
umi livnäkolägie in. Berlin 5 ). — Vb Feuiilnfun (Seh-ü.rtx«
Notüsenb — VJI. Amtliche MiUhuihiügeu. — BiSeraie.
Bemerkungen über nielfcQftMojpi&tiij BrnbafHtaogofi — Tag^sgeiHTbieliÜ-v^e
l.
Hin Fall von schwerer ('ynnkiillnmvergilYBHg mit
\usgaug in (ienesung.
Voll
in Äf ucl 8 er- War liefe*
!. A^isveinuit/:! riei inttlfoiij lachen Klinik y.u ftifef,
BnU» G.. Photograph aus Weimar, -I Jahre. alt. soll, wie
nach oben und äu>süu gewywief, ubii zaignr» sich die tVßiftfefr-'
enorm Kfcke vollkommen
Jtor dtMDfc tonhuife« Müskelkraftipf fe*t gegen-'
dm Oberkiefer so dte er sieb nur mit Mühe und mit
Hilfe ein4?r die Zateroiben _eibgv*seboheXmb ZungDiV
xÄii^e nach fr Wart* df&ngeu lässt. km titur MunHe
bl u t i &->.yh au» n i g«r SpibdieL und imfotTüml dcfiisclken Ixe? der
Vater, der durch Sutcidium'sein Knde taurl, von Jugtmd Exspiration ui u deutlicher Gmidi 'nach Blausänjr^ 3oi Munde
Mit &n faiefetf WögfcafM imd zu E^centrhdtäten geheigtos ^a- und ftocjbur deht man. A r mipkeU€7 und Auf der
Tiivell £eäeigt haben. Scholl vor b Jahren trieb ihn ein ZwiM \ rechten 'eite des Jiatteü und weidien Gtuunens eine mit
udt >einer «(atnaU^Ci) ■ Gt-liehtori au einem SelbstinordvefHuchv j wdGSetn Aet^scHbrf bedeckte Hteile. ibe Maske.in der ßxtre-:
der nur durch schnelle iinaüche Hilft* yemtrlt wurde. Am ' tritt Uten mini Mdlkommen sdtiaff, die »Srn^ibititat und Keflevi-
Ahert’d des. Id. vSe|>tendver v. J. wäi G„ nachdem er dtnw IHcte | regbarkevt ^än^iicli ati%ehöfe|u. Mit Ausnahme des Tmoius
lark »iigevpnu. hen. mit seiner derzeitigen Gel ich Um m Zank sjnd keine Krsdiemungen tonischer oder klonGcher Krampfe
«Cfatlien und in l nfnedeu vnri ihr g,^ldt(Jen. Seitivn MicAh^-' ». naeh\veir?bai\ Gu* .Arhrmiu^fre«j«enz ist bedeutend heralige-
iei»!ö?i tud es anf. dass ev gepen sou^tiLV Uewobnhen am -eh sc)M, du* Atiiein/du** sind Bef krampfhaft und setfcen zeitweise
iiigen Alieini- iim/b laufet *u seinem üSiuuner unruhig hin- und ' auf iäu*ren- Dauer %hm. aus. Bei der ln* und Exspiration ist.
he,\or er dc'n iuv Htihe begab. Am anderen' Morgen Ututes Trachealras>eln v.-rnotioih dt. Der l’uls i*i sehr klein,
jedoch erschien 0 h.-ruin-t und nahm au gewohnter Zeit, xitblt Diü Schlage pr. M. Und intcrmitfirt /inmyeiH*. Die Aus¬
wegen A l~br v sein IDüh-tdek w Del». Ungefähr mn ;> l’hi be- :/ ciilfatidn der Düngen ergiebt hher (Dr ganzen Lunge Veriuedete
kam er einen Briet, und bejouikte eirn: Narhhariu. die das laufe in und expiratorische Bn>>t IgvDmsrhe. Der Herxtoss
Znntticr des G. iiberseh«,-n kotinte, dass derselbe mit. einem ist mrfrr fühlen, du,* Herzton** Vmd yoin. sehr leise und die
BDVte üi der Öncuf verstört im Zimuivr auf- und niederschritt' ?k*rzb/*<vgungo) f nnivg< (massige. Die. ofeihar stark herabge-
nd »odoim im Xe'beueabinet. MoMdiwänd. Bald darauf wurde ACUte Kiii*|M*rtumperfrtur konnte ich Wegen der ^lileunipsf ?u
«da Fall veniom men und als die Hausbewohner hm^ueilten. erg reifem len tirernpemkeheu Massregctn nirht gleich bestimmen^
fanden sie den G. voBkommeti bewusstlos' am Boduu liegen. Er mu und eine halbe- Stunde nach Aufnalimi* des l 1 . ins .-.Hospital
HhjXt m der »d'ii«?!!' HÄtul’ADtön Brief,, in «:le,m Geli^bt^ ihm
»las Ye*halmUs m ihr auDagte, und neben der Müderen, lag
eihe FlfrHcbe, welche mit der zum Dhotögräphiren
brnutztöu w'itoiigeh Gy^tnkh 11 \\ ml m itbtr von 1 i blf gefüÜi gcwgseu
war. Det sofort lierl/nj^eFUfnhe Ayzt K^sk : : ^)1 heww^tloeeik
welcfectr inzwit?<ihnn eine ftlit dS|ie-Debr.ei uutermisehD^^ vtark
nach Bi Hernien de ln riechende Flüssigkeit erbrochen hatte, mj
betrug sfA 3G^ V G;. AVAhrciuf t’HtieHt' auf dem tij»brntibnsfi.vch
liegt, läx-t er den Irin Unwillkfdlich ufiti-r,sich gehen.
Dbwedd mir nach diesem gAtizeti Befimd dit* Hevstelhing
des Aich oftenbar xchnn-' ii'u Stadium asphyetieum der idao^äure-
Vergiftung beendenden' Datventen inclit sehr wahrsetibddioh
»iur,^ru^hm ich 4brh >rhtieH dazu effordGrjiciws, ixte
iiächslc Äüfg^be ^ ajg die «Vcfebtueli noch im Magen \urhaiideiien
gleich zu unserem Hnspital Jahren, wo er ct-wis nach 10 Uhr - : Mengen der <.%«t»koiMfdToioirg:' zu entferuen und das droneioh
mit* gebracht wurde. ... •Limgeftodem zn beseitigen. Xachdem i«di eine subcutane In-
D;h corrstatirte foigeudeb Jnentrmi ymi Aoiher sidfur. gemacht, führte ich deshalb sp r
Datieuk eiö Mann von iiiltflev^V zfrffytJi Körperbau - bw die Magenv,,ifde ein liiid spiilte-den- Magen o.i lange mit
und sehwaeh eat.wio.keltc.r Musen la^ic, befindet sich iu tiefstem lauwarmem Wasser auv hm letzt er e- voll komm klar und ee-
i ‘oma. Die Haut ht Jtuhf. schwcissig-klehrig. die Extreantfiten ruchio« mm y . «o -eheiü kam Im Anfänge der Spiibingeu nüm-
kalt, das Gesicht r-A hochgradig cyauotis« h gf-birbt. Die von lieh )ie f s^t*u die aus dem Magen her\«»rgeho{feu,. mit -y D' - '
(htm Lidern uni/edcckt«n Balhi treten prbmiidfDnd. v*ir. esiüd untcwi-chten 1 wk'ssrt^Cd Mttsyen <ftpu*p dnvcrkebpbargu
Go gle
58
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 5
Geruch nach Blausäure zurück, und war derselbe noch bemerk¬
bar, als schon mehrere Liter Wasser ein- und ausgeführt worden
waren. Im ganzen wurde der Magen mit c. 20 Litern Wasser
ausgespült. Trotz der im Beginn der Magenspülungen subcu-
tan injicirten 2,0 Aether sulfur. steigerten sich die Symptome
des Lungenödems fortwährend, wurde zugleich auch der Puls
kleiner, und setzte derselbe öfter aus. Da die Athmung zeit¬
weise gänzlich aufhörte, so mussten, unter ständigem Hervor¬
halten der stets nach rückwärts sinkenden und so den Larynx-
eingang verlegenden Zunge, starke Hautreize und die künstliche
Respiration angewandt werden. Nach einer halben Stunde in-
jicirte ich nochmals 2,0 Aeth. sulf. mit 0,2 Campher (Lösung
von 1,0 Campher auf 10,0 Aether), ohne auch hierdurch eine
Aenderung im Zustande des P. hervorzubringen, im Gegentheil
musste ich die Collapserscheinungen sich steigern sehen.
Während dieser Bemühungen war es 11% Uhr geworden,
und ich versuchte jetzt das letzte unter den obwaltenden
Umständen mir zu Gebote stehende Mittel. Ich Hess den P.
in ein Vollbad von 33° R. setzen und goss nun aus einer Höhe
von mehreren Fuss, aus einer gewöhnlichen Giesskanne dem¬
selben einen starken Strahl Eiswassers über Kopf und Nacken,
setzte dann kurze Zeit aus, während welcher P. wieder mit
dem heissen Wasser besprengt wurde, und applicirte das Eis¬
wasser von neuem auf Rücken und Brust. Die Wirkung dieses
Verfahrens war eine ausserordentliche. Bei der ersten Be¬
rührung des kalten Wasserstrahles schon erfolgte eine tiefere
Inspiration, und wiederholte sich dieselbe jedesmal, wenn das
Wasser die Haut berührte. Die Athmung wurde so allraälig
regelmässiger, tiefer und beschleunigter, der Puls verlor den
intermittirenden Rhythmus und wurde kräftiger. Auch nahmen
die Bulbi ihre normale Stellung ein, und traten die Pupillen
fast zur normalen Weite zurück. Nach dem einstündigen, stets
auf gleicher Temperatur erhalteneu Bade mit kalten Ueber-
giessungen wurden nochmals 2,0 Aeth. sulf. mit 0,2 Campher
injicirt und P. in wollene Decken gehüllt zu Bett gebracht.
P. liegt auch jetzt noch, um 12 1 /, Uhr, vollkommen somnolent
da. Die Athmung geht ziemlich frei vor sich, und sind die
Symptome des Lungenödems stark im Abnehmen. Cm 1% Uhr
ist die Respiration ganz frei und von Rasselgeräuschen über
den Lungen keine Spur mehr nachweisbar. Die Körpertempe¬
ratur beträgt jetzt 37,4° C. Gegen 2 '/, Uhr liegt P. noch ganz
wie im ruhigen Schlafe; wird er jedoch angerufen und gerüttelt,
so reagirt er und vermag auf Anforderung seinen Namen zu
nennen, verfällt aber schnell wieder in Schlaf. Die Namens¬
nennung geschieht offenbar nur mit Mühe, stotternd und unbe¬
holfen. Auf Reize reagiren die Muskeln anscheinend normal
durch Reflexbewegungen. Die Respirationsfrequenz beträgt 20
pr. M., der Puls zählt 85 Schläge, ist voll und regelmässig.
Es werden dem P. geringe Mengen von kalter Milch und von
Wein eingeflösst, die er bei sich behält. Da die ganze Mageu-
gegend beim Palpiren sich sehr empfindlich zeigt, wird auf
dieselbe eiu Eisbeutel applicirt. Gegen 7 Uhr Abends ist P.
völlig bei Bewusstsein und erinnert sich seines Vorhabens und
Thuns sehr genau. Er führt Klage über äusserst heftigen Kopf¬
schmerz, besonders in der Occipitalgegend, und über intensives
Schneiden in der Magengend. Nachdem er 2 Tassen kalter
Milch zu sich genommen, schläft er ruhig wieder ein. Die
Körpertemperatur hatte um 0 Uhr ihr Maximum mit 38,6° C.
erreicht; um 8 Uhr war sie schon auf 37,8° U. wieder ge¬
sunken.
ln den folgenden Tagen, bis zur Entlassung des P. aus
dem Hospital, ergaben sich noch nachstehende Symptome und
Beobachtungen:
14. September, Morgens 8 Uhr: P. hat die ganze Nacht
hindurch ruhig geschlafen. Bis auf heftige Schmerzen im Hinter¬
kopfe und in der Magengegend fühlt er sich wohl und geniesst die
ihm gereichte flüssige Nahrung mit Appetit. Puls- und Respi¬
rationsfrequenz ist normal, Temperatur zeigt 37,8* C. Das
Sprechen wird dem P. noch schwer, und wird dies zum Theil
auf die allgemeine Schwäche, theils auf die erwähnte Anätzung
im Munde, gegen welche Kali chloric. zum Gurgeln verordnet
wird, geschoben. Es ist das Gefühl allgemeiner Mattigkeit und
Abgeschlagenheit vorhanden. Stuhl- und Harnentleerung war
in normaler Weise erfolgt. Der gelassene Urin ist trübe, nicht
bluthaltig, stark sauer und hat ein specif. Gewicht von 1022.5.
Die Trübung löst sich beim Kochen vollständig auf und wird
dabei kein Albumen ausgefällt. Unter dem Mikroscope sind im
Harn enorme Mengen von Harnsäurecrystallen bemerkbar. Im
Gegensatz zu der Flüssigkeit, welche mit den Magenspülungen
entleert war, riecht der Urin nicht nach Blausäure, und ist
Cyankalium in demselben nicht nachzuweisen. Der Nachweis
von Cyankalium in der aus dem Magen entfernten Flüssigkeit
konnte auf zweifache Weise geliefert werden.
1) Schüttete man zu der Flüssigkeit salpetersaures Silber¬
oxyd, so bildete sich ein weisser, käsiger Niederschlag, der sich
beim Erwärmen vollkommen löste.
2) Fügte man zu der Lösung Eisenchlorid, schwefelsaures
Eisenoxydul und Natronlauge bis zur Entstehung eines Nieder¬
schlages, erhitzte denn und setzte Salzsäure zu, so bildete sich
Berlinerblau.
Die Fäces haben normale Färbung.
15. September. Es sind Schmerzen im Hinterkopf und in
der Magengegend sowie Gefühl allgemeiner Schwäche vorhanden.
Die Sprache wird dem P. noch schwer, und stösst er häufig an
wie ein Stotternder. Den ganzen Tag über hält sich die Tempe¬
ratur nahezu auf 38° C.
16. September. Die Magenschmerzen haben ganz aufge-
i hört. Die übrigen Symptome sind noch vorhanden.
j 17. September. P. ist heute zum ersten Male ausser Bett.
| Es treten erst jetzt die Symptome allgemeiner Muskelschwäche
| recht zu Tage. P. vermag sich selbstständig nicht auf den
Beinen zu halten; beim Stehen treten heftige Zitterbewegungen
! der unteren Extremitäten ein, so dass P. hin- und herschwankt
I und, wenn nicht unterstützt, niederstürzen würde. Wird P., an
beiden Armen gehalten, vorwärts geführt, so geht er unter be¬
ständigem Zittern und Schwanken mit kleinen Schritten, lang¬
sam ein Bein vor das andere wenig vorschiebend, vorwärts und
ist nicht im Stande, die Beine selbstständig weiter von ein-
! ander zu entfernen. Der Gang des P. gewährt so ein Bild,
welches an die schweren Formen der Lateral- und insulären
Sclerose des Rückenmarks stark erinnert. Dabei sind die Be¬
wegungen vollkommen schmerzfrei, nur tritt sehr schnell Er-
; miidung ein. Auch im vollen Besitz des Spraclivermögens ist P.
noch nicht wieder, sondern es sind die erwähnten Störungen
: noch in gleicher Weise markirt. Der Appetit des P. ist jetzt
■ so gesteigert, dass er mit flüssiger Nahrung nicht mehr aus-
! kommt; die feste Kost wird auch gut vertragen. In den fol-
I genden Tagen verlieren sich die Motilitätsstörungen allmälig
: immer mehr, während die Sprachbeschwerden bleiben. Am
! 20. September ist P. bis auf letztere, bis auf ein bleiches Aus-
• sehen und etwas gedrückte Gemüthsstimmung gänzlich herge¬
stellt und kann aus dem Hospital entlassen werden. Am
24. November suchte ich den P. noch einmal auf und über-
! zeugte mich, dass die Behinderung der Sprache noch immer
j vorhanden war. Dasselbe Anstossen, leichtes Stottern und
baldige Ermüdung waren die einzigen Symptome, die den P.
stets an seinen früheren Lebensüberdruss erinnerten und ihm
lästig fielen. Nochmals musste ich von ihm selbst wie von
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
4. Februar 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
59
seiner Umgebung vernehmen, dass die Sprache bis zu dem Ver- j
such des Suicidiums völlig frei und normal gewesen sei.
Zum Schluss sei es mir gestattet, dem Fall noch einige
Bemerkungen anzureihen.
Ich habe schon oben erwähnt, dass P. eine wässrige Cyan¬
kaliumlösung im Mischungsverhältniss von 1:50 zu sich ge¬
nommen. Nach seiner Angabe goss er aus der mit dem Gift
gefüllten Flasche ein ca. 120—150,0 fassendes Wasserglas voll
und trank dasselbe in einem Zuge aus. P. zeigte mir nach¬
träglich ein nach seiner Angabe ganz ähnliches Glas, welches
die angegebene Menge je nach dem Füllungsgrad fasste. An
der Wahrheit seiner Aussage zu zweifeln, habe ich nicht die
geringste Ursache. Somit hat der P. eine Cyankaliummenge zu
sich genommen, die zwischen 2,0 und 2,50 schwankend ange¬
geben werden muss. Nach dem Trinken warf er die Flasche
zu Boden und stürzte selbst kurze Zeit nach dem Genuss des
Giftes nieder.
Dass nun eine so hohe Gabe Cyankalium nicht schnellere
und absolut tödtliche Wirkung zur Folge hatte, muss sehr auf¬
fallen, wenn man bedenkt, dass nach Husemann die letale
Dosis desselben auf 0,15 geschätzt wird. Husemann giebt
an, dass in praxi durch Gaben von 0,24 und 0,30. Todesfälle
vorgekommen sind. Da nun, wenn man auch die Angabe des
G. bezweifeln will, die schweren Intoxicationssymptome des¬
selben allein schon die Einverleibung einer grossen Dosis
unzweifelhaft erscheinen lassen, so ist man zu der Annahme
gezwungen, dass verschiedene günstige Umstände zusammen
gewirkt haben, um das Vorhaben des G. zu vereiteln. Wahr¬
scheinlich wird vor allem die Wirkung der genommenen Cyan¬
kaliummasse dadurch abgeschwächt worden sein, dass in der
schon längere Zeit gestandenen, zum Photographiren benutzten
Lösung Zersetzungen in unschädliche Substanzen, wie in ameisen¬
saures Kali und Ammoniak eingetreten waren. Ais zweiter
Punkt ist der Umstand zu berücksichtigen, dass das Gift in
einen schon gefüllten Magen gelangte, die Lösung also noch
verdünnt, somit die Resorption verlangssamt und dann mit dem
eintretenden Erbrechen grössere Mengen derselben ausgeschieden
wurden. Das dann noch im Magen zurückgebliebene Quantum
würde allerdings entschieden auch hingereicht haben, den Or¬
ganismus zu tödten, wenn nicht schleunige Hilfe geworden wäre.
Was nun endlich noch die zu Tage tretenden Vergiftungs¬
symptome betrifft, so sind dieselben ja die den schweren Cyan- i
kaliumvergiftungen eigenthümlichen und bekannten. Auffallend
jedoch sind die im Reconvalescenzstadium des Patienten sich |
bemerklich machenden Erscheinungen, insbesondere die auch j
jetzt, nach 2 Monaten, noch bestehenden Articulationsstörungen.
Dass allein die motorische Sphäre befallen war, kann nicht
merkwürdig erscheinen, da die Wirkung der Blausäure auf die
sensiblen Nerven bedeutend geringer sein soll, als auf die mo¬
torischen. Zur Erklärung jener Moitlitätsstörungen sind ver¬
schiedene Arten der Wirkung des Giftes in Betracht zu ziehen,
da man eine directe und indirecte annehraen darf. Direct können
sie durch die unmittelbare giftige Einwirkung auf die motori¬
schen Oentralorgane sowohl als auch auf die Muskelsubstanz,
indirect durch die Einwirkung des vermittels chemischer Bin¬
dung von Blausäure gänzlich veränderten Blutes auf die moto¬
rischen Centren, auf die Muskelsubstanz oder auf beide gemein¬
sam gedeutet werden. Auch die Articulationsbehinderungen uud
die schnelle Ermüdung der Zunge beim Sprechen würde auf
gleiche Weise Erklärung finden, wenn sie ebenfalls nur vorüber¬
gehend gewesen wären. Da dies nicht der Fall ist, so lässt
sich eben nur behaupten, dass nach Elimination der Blausäure
aus dem Körper unseres Patieuten deren Wirkungen nicht gänz¬
lich geschwunden sind. Wie diese letzteren zu deuten, darüber
Hessen sich wohl Vermuthungen aufstellen, Sicherheit jedoch
schwerlich erreichen, und begnüge ich mich, auf das einfache
Factum aufmerksam zu machen, dass, wie nach überstandener
Aufnahme einer Reihe anderer giftiger Substanzen in den mensch¬
lichen Körper, so auch nach solcher von Cyankalium functio-
nelle Störungen in irgend einem Bereich der motorischen Sphäre
Zurückbleiben können.
U. l’eber das Qaerksilberchlorid-Chioraatrium ud
seine snbentane Anwendang.
(Vorgetragen in der schles. Gesellschaft für vaterländische
Cultur, medicin. Section, am 8. Juni 1877.)
Von
Dr. Einll Stern in Breslau.
Die subcutane Einverleibung von Arzneimitteln, ursprünglich
in der Absicht angewandt, eine möglichst intense locale Wir-
I kung zu erzielen, gewann erst höhere Bedeutung für die The-
I rapie, als man erkannt hatte, dass auf diesem Wege sehr
| prompte und intense allgemeine Arzneiwirkungen sich er-
j zielen lassen. Schneller und vollständiger als vom Darmcanal
I aus geschieht die Resorption vieler Arzneistoffe vom subcutanen
j Gewebe aus, und mit relativ kleinen Dosen werden bei subcu-
I taner Injection auffallend mächtige Arzneiwirkungen erzielt.
Auch gegen Syphilis wurden subcutane Injectionen von Subli¬
matlösungen ziemlich frühzeitig in Anwendung gebracht, zuerst
von Ch. Hunter 1 ), kurz darauf (1860) von Hebra 1 ). Doch
blieben diese Versuche vereinzelt, bis Lew in 2 ) mit diesem
Gegenstände sich eingehender beschäftigte und die Methode der
subcutanen Sublimatinjection bei Syphilis, gestützt auf ein
grosses Krankenmaterial, auf das eindringlichste empfahl. Seine
Arbeit veranlasste eine Reihe von Forschern, diese Methode
eingehend zu prüfen, und es erhoben sich zahlreiche Stimmen,
I theils für 3 ), theils gegen dieselbe 4 ). Die meisten gaben zu,
dass es bei subcutaner Injection mit relativ geringen Sublimat¬
mengen gelinge, in auffallend kurzer Zeit die Symptome der
constitutioneilen Syphilis zum Schwinden zu bringen, während
namentlich über die Häufigkeit der nach dieser Methode ein¬
tretenden Recidive die Meinungen der Beobachter weit ausein¬
ander gehen.
Der wunde Fleck der Methode aber blieb die heftige Reiz¬
wirkung an der Injectionsstelle. Heftige, lange anhaltende
Schmerzen und entzündliche Schwellung der Haut, sowie lange
persistirende Härte des subcutanen Gewebes sind unvermeid¬
liche Begleiter der Injectionen, während Abscesse und Gangrä-
nescenz bei der Wahl passender Hautstellen und richtiger
Technik sich vermeiden lassen.
Bald nach dem Erscheinen des Lewin’schen Buches hatte
ich mich bemüht eine in Wasser lösliche Quecksilberverbindung
zu finden, die von den erwähnten Reizwirkungen frei sei. Es
1) Zeissl, Lehrt), der eonstitut. Syphilis, 1864. p. 381.
2) Levin, Charite-Annalen, 14. l>d., uud „Die Behandlung der
Syphilis mit subcutanen Suldimat-Injeetioneir. 1861).
3) C<'ister. Inaugnral-Dissertat., Breslau 1868. De ehr.. — Liegen is,
Gaz. des Hop. 88. 89. 1869. — Giintz, Schmidt’s Jahrb. 1870. —
Paikrt, Allg. milit. ärztl. Zeitg. 8. 9. 1870. — Mc. Anderson,
Glasgow, ined. Journ., 11.. 2., p. 255, Febr. 1870. — Hägens, Deutsch.
Klin. 17—24. 1870.
4) Köbner, Jahresher. d. schles. Gesellseh. f. vaterl. Cultur 1868,
Arch. f. Dormatolog. u. Syph. 1., 4., p. 626. 1869. — Uhlmann,
Wien. med. Presse. X., 13., 1869. — Grünfeld, Her. aus d. allg.
Krankenhause zu Wien; Schmidt’« Jahrb. CXXXIV., p. 251 u. CXLII,
p. 40. — Stuckheil, Wien. med. Worhenschr.. XX., 7. 8. 1870. —
v. Sigmund, Wien. med. Wochensehr., XIX., 11. 1869.
Original from
UNIVERSITY OF MICHIGAN
GO BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. No. 5
gelang mir, Herrn Apotheker Julius Möller für diese Frage
zu interessiren, und auf seinen Rath beschäftigten sich meine
therapeutischen Versuche mit der Doppelverbindung Queck-
si Iberchlorid-Chlornatrium mit überschüssigem Chlor¬
natrium.
Ich habe dieses Präparat theils intern, theils subcutan
zur Behandlung der constitutioneilen Syphilis in Anwendung
gezogen und bereits i. J. 1870 an dieser Stelle *) hierüber be¬
richtet, während Herr Müller*) das chemische Verhalten dieser
Verbindung ausführlich darlegte.
Aehnliche Bestrebungen, local nicht reizende Quecksilber- i
lösungen für die subcutane Anwendung herzustellen, sind übri- |
gens von anderer Seite vielfach gemacht worden So wurde
eine Quecksilberjodid-Jodkaliumlösung mit Zusatz von |
Morphium muriat. von Aime Martin*), Jodquecksilber-
Jodnatrium von Bricheteau 4 ), Quecksilberäthylchlorid
von Prümers 5 ) als vollkommen reizlos empfohlen. Zusammen- j
gesetztere Präparate empfahlen Ram er i Bellini 6 ) und Staub 7 ),
jener eine Mischung von Jod-, Brom- und Chloralkalien mit
Sublimat oder Jodquecksilber, dieser eine Lösung von Sublimat,
Chlorammonium und Chlornatrium, gemischt mit einer Lösung
von Hühnereiweiss. Während alle diese Versuche bisher wenig
Nachahmung gefunden haben, gelang es Bamberger*) für sein
„lösliches Quecksilberalbuminat“ und „Pepton-Queck- |
silber“ das Interesse der Aerzte in höherem Grade zu ge- j
winnen.
Beide Präparate enthalten Chlornatrium in reicher Menge,
das, wie wir sehen werden, allein schon genügt, dem Sublimat j
seine reizende Eigenschaft zu nehmen. Der Gehalt an Albumen
oder Pepton erscheint sonach völlig entbehrlich und trägt nur I
dazu bei, das Präparat sehr unhaltbar, seine Darstellung aber j
schwierig und umständlich zu machen.
Zu ähnlichen Resultaten kam auch neuerdingsGschirhakl*), |
der in der Klinik des Prof. Red er in Wien mit dem „löslichen j
Quecksilber-Albuminat“ und dann mit dem von mir zuerst für !
subcutane Anwendung empfohlene Quecksilberchlorid-Chlorna- j
trium Versuche anstellte. Derselbe fand Injectionen mit dem
Quscksilber-Albumiuat keineswegs schmerzlos; durch Glycerin¬
zusatz sollen zwar die Schmerzen gemindert und nachfolgende
Indurationen vermieden werden. Unbedingt aber räumt er auch
hinsichtlich der Reizlosigkeit der Doppelverbindung Hg. Chi. -}-
Na. Chi. den Vorzug ein, die bereits früher von mir gemachten
Angaben über die geringe sensible Störung und örtliche Reaction
bei subcutaner Anwendung des Mittels vollkommen und aus¬
drücklich bestätigend ,# ). Meine Erfahrungen über dieses Prä¬
parat datiren zum Theil aus der Zeit meiner Thätigkeit als
Assistenzarzt am städt. Hospital zu Allerheiligen, dessen reiches
Material au syphilitischen Kranken mir seiner Zeit Herr Primär¬
arzt Dr. Hodann bereitwilligst zur Benutzung überliess, theils
sind sie der Privatpraxis entnommen. Während meine erste
1) Sitzungsb. der sehles. Gesellseh. f. vaterländische Cultur, medic.
Section vom 1. Juli 1870 — Berl. klin. Woehensehr. 1870. No. 35.
2) Ebenda und Areh. der Pharmacie, CXCTV. Bd , 1. Heft.
3) Gaz. des llöp. 112. 1869.
4) Bull, de Ther, LXXVL, p. 297.
5) Inaugurnl- Dissertat. Berlin 1870 und Areh. f. Dermal lg. und
Syph., Bd. II.
6) Lo Spcrmimcntale, No. 17, 1871 und Allg. med. Centr.-Zeitg.,
No. 79. 1871.
7) Areh. gen. de medic. Juli 1872.
8) Wien. med. Wochensehr. 1876. No. 11 und 44.
9) Wien. med. Woehensehr. No. 10, 12, 13, 14. 1877.
10) „Uebor Sublimatpräparate f. subeut. Injectionen“. Wien. med.
Woehensehr. No. 13. 1877.
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Publication sich vorwiegend mit dem inneren Gebrauch des
Mittels beschäftigte und die subcutane Einverleibung nur kurz
berücksichtigte, möchte ich jetzt die hypodermatische Anwen¬
dung dieses Präparates etwas ausführlicher behandeln.
Dass gewisse Chloralkalien die Wirkung innerlich gebrauchter
Quecksilberpräparate erheblich steigern, ist eine seit lange be¬
kannte Thatsache. Auf Grund einer therapeutischen Vergiftung
durch Mischung von Calomel und Salmiak lieferte Petten-
kofer 1 ) den Nachweis, dass hierbei ein Theil des Calomel in
Sublimat sich umwandle. Später hat Mialhe*) darauf eine
umfassende Theorie der Quecksilberwirkungen gegründet. Er
fand, dass eine Lösung von Kochsalz und Salmiak Calomel
zum Theil in Sublimat umwandle. Die Menge des gebildeten
Sublimats stehe im graden Verhältnis« nicht zur Menge des
angewandten Calomel, sondern zum Quantum der Chloralkalien.
Von den übrigen therapeutisch angewandten Quecksilberpräpa¬
raten bildete das Oxyd und im Durchschnitt alle Oxydsalze
mit dieser Probeflüssigkeit mehr, das Oxydul und die ihm ent¬
sprechenden binären Verbindungen weit weniger Sublimat.
Dies sei der Grund, weshalb letztere therapeutisch schwächer
wirken. Auch metallisches Quecksilber liefert mit dieser Ver¬
bindung Sublimat. Während Mialhe dem Salmiak hierbei die
Hauptrolle zuwies, fand K. Voit*), dass Kochsalzlösungen bei
Luftzutritt Calomel, rothes Präcipitat, Quecksilberjodür- und
jodid, sowie regulinisches Quecksilber aufzulösen und theilweise
in Sublimat zu verwandeln im Stande seien. Die Stärke der
Reaction hänge vorwiegend von dem Kochsalzgehalt der Lösung
ab und werde durch Gegenwart von ozonhaltigem Blut erheb¬
lich befördert. Das Kochsalz zeige überdies zum Sublimat
grosse Verwandtschaft. Kochsalzzusatz hebt die saure Reaction
der Sublimatlösung auf und hindert die Ausfällung von Queck¬
silberoxyd aus derselben durch fixe Alkalien. Auch sei Subli¬
mat in Kochsalzlösung viel leichter löslich als in Wasser.
Nach Jul. Müller 4 ) fällt das Doppelsalz aus einem Aequivalent
Chlornatrium und einem Aequivalent Quecksilberchlorid, in
welchem sich das Quecksilberchlorid zum Chlornatrium gleich¬
sam wie die Säure zur Basis verhält, noch Eiweisslösungen,
während ein grösserer Zusatz von Chlornatrium die
Fällung der Eiweisslösung verhindert, und zwar ist bei
concentrirteren Sublimatlösungen ein lOfacher Gehalt an Koch¬
salz, bei diluirten ein löfacher erforderlich, um bei Zusatz von
Eiweisslösung nicht die leiseste Trübung entstehen zu lassen.
In dieser Form des Quecksilberchlorid-Chlornatriums mit über¬
schüssigem Chlornatrium wirke das Quecksilber auch bei der
Schmiercur, sowie beim inneren Gebrauch der üblichen Mercur-
präparate, und diese Doppelverbindung circulire als solche im
Organismus, ohne mit dem Eiweiss in Verbindung zu treteu.
Ist sonach diese Doppelverbindung Quecksilberchlorid-Chlor¬
natrium mit überschüssigem Chlornatrium das Endproduct bei
Einverleibung gleich viel welches der üblichen Mercurpräparate.
so erscheint es gewiss rationell, jene Verbindung von vornherein
dem Organismus zuzuführen, um einen möglichst vollständigen
und schnellen therapeutischen Effect erzielen. Auf diesen
ist bei unserem Präparat offenbar sicherer zu rechnen, als bei
dem Gebrauche anderer Mercurialien, deren Wirkung von der
grösseren oder kleineren Menge von Chloralkalien abhängt, mit
denen das Präparat im Organismus zufällig in Berührung kommt.
1) Griesinger, gesainml. Abhandl., II. Bel., p. 754.
2) Annales de cliim. et de phys., 8er. 3. 1842. T. 5, p. 169 und
Traitr de l’art de Formuler Par. 1845, übers, v. Biefel 1852, p. 149 fl’.
3) Physiolog. chem. Untersuchungen über die Aufnahme des Queck¬
silbers und seiner Verbindungen in den Körper, 1857, p. 62 fl’.
4) L. c.
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
4 Februar 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
61
Schon Griesinger erwähnt in einer Arbeit 1 ) aus dem Jahre
1847, dass Calomel bei Matrosen, die eine sehr gesalzene Nah¬
rung gemessen, eine ganz ungewöhnlich starke allgemeine Wir¬
kung ausiibe, während die auffallend milde Wirkung dieses
Präparats bei Säuglingen in dem geringen Kochsalzgehalt ihrer
Nahrung ihren Grund habe. Auch bei der Schmiercur ist die
Metallwirkung eine sehr variable. Alles, was die Schweiss-
absonderung befördert, erhöht die Wirksamkeit der Inunctionen.
Der Grund ist wohl darin zu suchen, dass mit dem reichlicher
producirten Schweiss auch eine grössere Menge von Chloralka¬
lien mit dem feinvertheilten Metall in Berührung kommt, und
somit reichlicher Gelegenheit geboten wird, Sublimat-Chlorna¬
trium zu bilden.
Erscheint sonach diese Doppelverbindung für den internen
Gebrauch höchst wirksam und rationell, so dürfte sie aber für
die subcutane Einverleibung ganz besonders sich eignen, da wir
es hier mit einem in Wasser leicht löslichen Präparat zu thun
haben, das Eiweisslösungen absolut nicht fällt. Sicher beruht
ja ein guter Theil der heftigen Reizwirkungen einer Sublimat¬
lösung auf der in der Umgebung der Iüjectionsstelle plötzlich
eintretenden Gerinnung, wie ja alle Factoren, die die physi-
calischen oder chemischen Eigenschaften der Gewebe erheblich
alteriren, als Irritamente auf dieselben wirken. Mit unseren
Sublimat-Kochsalzinjectionen bringen wir aber ausser dem Queck¬
silbersalz keinen dem Organismus fremden Körper ein, da ja
das Kochsalz in den Parenchymsäften und Geweben desselben
reichlich vorhanden ist. Ich hatte diesen Umstand für wichtig
für die Erklärung der so geringen reizenden Wirkung unserer
Injectionen. Erst neuerdings wurde ich durch Herrn Cand.
Ehrlich auf ein in Wasser lösliches Quecksilberpräparat auf¬
merksam gemacht, das Eiweisslösungen ebenfalls nicht fällt.
Es ist dies Quecksilbeijodid in einer Lösung von unterschweflig¬
saurem Natron gelöst. Einige Injectionen, die ich an zwei Pa¬
tienten damit ausführte, waren ungleich schmerzhafter als die
bisher applicirten Sublimat-Kochsalzinjectionen und hinterliessen
mehrere Wochen lang bestehende Bindegewebs-Indurationen, die
bei der Injection unseres Doppelsalzes nicht aufgetreten waren.
Ich muss Herrn Dr. Kratschmer 2 ) gegenüber ausdrücklich
hervorheben, dass bereits K. Voit, wie oben erwähnt, gefunden
hat, dass Kochsalzzusatz die Ausfällung der Quecksilberoxyds
aus Sublimatlösungen durch Alkalien verhindere. J. Müller
aber hat meines Wissens zuerst constatirt, dass ein genügender
Zusatz von Chlornatrium die Eiweiss fällende Eigenschaft des
Sublimats aufhebe. Auf dessen chemische Deductionen
mich stützend, habe ich bereits i. J. 1870 einen lOfachen
K ochsalzusatz zur Sublimatlösung für subcutane Injection
empfohlen und hervorgehoben, diese Lösung wirke weniger rei¬
zend und werde schneller und vollständiger resorbirt, weil sie
das Eiweiss der Gewebe nicht coagulirt. Wie dem gegenüber
Herr Kratschmer anführen kann, andere Beobachter hätten,
»so nebenher die Erfahrung gemacht, ein Zusatz geringer Mengen
von Chloralkalien lindere die Schmerzhaftigkeit der Sublimat-
injectionen, es wäre aber eine Begründung dafür nicht gesucht
worden,“ ist mir unverständlich, zumal Herrn K. wohl ebenso
wenig Müll er’s und meine Arbeit fremd geblieben ist wie
seinem Mitarbeiter Gschirhaki, der dieselbe z. Th. wörtlich
citirt.
Die klinische Beobachtung hat die obigen theoretischen
Erwägungen vollständig bestätigt. Injicirt man reine Sublimat¬
lösung in der von Lewin angegebenen Dosis mit allen von ihm
1) „Zur Revision der heutigen Arzneimittellehre,“ Arch. f. physiol.
Heilk. 6. Jahrg. S. 381.
2) Wiener med. Wochenschr. No. 48, 1S76.
angeführten Cauteleu unter die Rückenhaut, so entsteht jedesmal
sofort eine harte, pralle Geschwulst an der Stichstelle, offenbar
der Ausdruck der Eiweissgerinnung im subcutanen Gewebe. Die
Schwellung nimmt in Folge entzündlicher Reaction in den fol¬
genden Tagen etwas an Umfang zu und braucht meist viele
Wochen zu ihrer gänzlichen Rückbildung. Der Schmerz ist
dabei äusserst heftig, oft einen halben Tag und länger anhal¬
tend, so dass die Nachtruhe nicht selten gestört wird. Abscesse
aber lassen sich meist vermeiden, wenn man die von Lewin
| angegebenen Vorsichtsmassregeln nicht unbeachtet lässt. Ein
! ganz abweichendes Bild beobachtet man schon bei geringen
| Zusatz von Kochsalz zur Injectionsflüssigkeit Dieselben Personen,
I die bei Einspritzung reiner Sublimatlösung die erwähnten heftigen
! Reactionserscheinungen zeigten, ertrugen an analogen Stellen
| Sublimat-Injectionen mit geringen Zusatz von Chlornatrium auf-
| fallend besser. Schon ein 2- bis 4facher Zusatz von Kochsalz
; genügte, um die Schmerzen erheblich geringer zu machen, und
steigt man mit dem Kochsalzgehalt der Injectionsflüssigkeit bis
| auf das 10fache, so wird von der Mehrzahl der Patienten an-
j gegeben: sie hätten % bis höchstens 1 l / 2 Stunden lang ein
leichtes Brennen, oft jedoch nur das Gefühl eines fremden Kör-
1 pers unter der Haut empfunden. Viele aber fühlen bei der In-
jeetion nur den Hautstich, von dem Eindringen der Injections-
. flüssigkeit aber gar nichts, während nur in seltenen Fällen der
l Schmerz mehrere Stunden in nennenswerther Heftigkeit anhält
Liegen auf der Stichstelle wird zumeist sehr gut ertragen, die
: Nachtruhe aber durch Schmerzen nie gestört. Dem entsprechend
I sind auch die örtlichen Erscheinungen an der Injectionsstelle.
I Subcutane Injectionen von Sublimatlösungen mit dem 2- bis
4 fachen Zusatz von Chlornatrium rufen wohl ab und zu leichte
diffuse Schwellung mit massiger Röthung der Haut hervor; doch
pflegen diese Erscheinungen zumeist nach 1—2 Tagen wieder
spurlos zu verschwinden. Bei lOfachem Gehalt der Injections¬
flüssigkeit an Kochsalz gehört das Auftreten einer mehrere Tage
! persistirenden Bindegewebs-Induration zu den seltenen Ausnah-
| men Jedoch sind auch hierbei gewisse Vorsichtsmassregeln
nicht ausser Acht zu lassen. Am geeignetsten für die Injec¬
tionen fand auch ich die Haut beiderseits der Rückenwirbelsäule
und die Infrascapulargegend. Weniger günstig für die Injec¬
tionen sind die Nates wegen ihres stärkeren Fettpolsters; wie
überhaupt magere Personen gegen die Einspritzungen toleranter
zu sein scheinen, als fette. Man versäume es nicht, eine or¬
dentliche Hautfalte aufzuheben und in deren Längsrichtung die
Canüle bis ins Unterhautbindegewebe einzustechen. Hautpartien,
die wegen ihrer strafferen Anheftung das Aufheben einer Haut¬
falte nicht gestatten, wie die Lumbalgegend, eignen sich des¬
halb zu Injectionen nicht. Die Lösung soll nur langsam ein¬
gespritzt werden, so dass sie tropfenweise in das subcutane
Gewebe eindringt, um jede Zerrung und Continuitätstrennung
zu vermeiden, wie sie eine im Strahle eingespritzte Flüssigkeit
sehr leicht hervorbringt. Ein gleichmässiges Verth eilen der¬
selben durch sanftes Reiben halte auch ich für zweckmässig.
Es scheint mir zweckmässig, die jedesmal einverleibte Menge
des Doppelsalzes auf ein grösseres Quantum Wasser zu vertheilen,
da eine sehr salzreiche Lösung durch Wasserentziehung auf die
Gewebe reizend wirken muss. Ich injicire deshalb den ganzen
Inhalt einer 2 Grm. enthaltenden Spritze. Die Einzeldosis des
Sublimats beträgt 0,008.—0,010. mit dem lOfachen Zusatz von
Chlornatrium. Ich bediene mich daher folgender Formeln:
Hydrarg. bichlor. corros. 0,2
Natr. chlorat. pur. 2,0
solve
Aq, destill. 50,0
oder
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
f>2 BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. No. 5
Bf Hydrarg. bichlor. corros. 0,25
Natr. chlorat. pur. 2,50
solve
Aq. destill. 50,00
S. Zur 8ubcutauen Injectiou.
Diese Lösungen enthalten 4,4, resp. 5,5% feste Bestandtheile.
Dass die grössere Menge der injicirten Flüssigkeit bei vorsich¬
tigem Verfahren durch Zerrung des Zellgewebes reizend wirke,
wie Lewin behauptet, habe ich nicht bestätigt gefunden. Neuer¬
dings habe ich auch wiederholt, um ein schnelleres Heilresultat
zu erzielen, in einer Sitzung den Inhalt zweier Spritzen ä 2 Grm.,
auf beide Rückenhälften vertheilt, injicirt. Auch hier blieb jede
erhebliche Reizwirkung aus, 1%ständiges leichtes Brennen ab¬
gerechnet.
Nicht unerwähnt will ich lassen, dass von ca. 1100 mit
dem Doppelsalz ausgeführten Injectionen nur zwei zu wenig
umfänglichen Abcessen Veranlassung gaben. Beide Male war
an den Nates injicirt worden. Zweimal habe ich ferner eine
etwa 1 Ctm. im Durchmesser betragende Gangränescenz der
Haut im Bereich des Einstichs beobachtet, und zwar bei dem¬
selben Individium, dem ich an den Oberschenkeln, nahe den
grossen Lymphdrüsenpaqueten injicirt hatte. In der Folge habe
ich weder die Nates, noch die Oberschenkel zu Injectionen
wieder benutzt.
Wie zu erwarten, wird bei unseren Injectionen das Metall
in relativ kurzer Zeit in die Blutbahn aufgenommen, und machen
sich daher auch auffallend schnell die ersten Zeichen einer all¬
gemeinen Quecksilberwirkung geltend. Es ist nichts seltenes,
dass schon nach wenigen Einspritzungen die Speicheldrüsen,
namentlich die glanduiae submaxillar. etwas anschwellen und
empfindlich werden, dass eine grössere Menge von Speichel
abgesondert wird, und der Schleimhautüberzug der Mundhöhle,
namentlich aber des Zahnfleischs etwas stärker geröthet und
gelockert erscheint. Mit einem Worte, die ersten Anfänge mer-
curieller Stomatitis treten bei unserem Verfahren nicht selten
ziemlich früh auf; wir konnten sie bei 10 von 53 mit den In¬
jectionen behandelten Kranken (also in 30% der Fälle) con-
statiren. Doch hielten sich die genannten Erscheinungen aus¬
nahmslos in den angeführten bescheidenen Grenzen; nie kam
es zu den schweren Formen ulceröser oder diphtheritischer Sto¬
matitis, wie sie bei der Schmiercur so häufig und in so lästiger
Weise aufzutreten pflegen und nicht selten eine Unterbrechung
der Cur nothwendig machen. Wir sahen bei unseren Injectionen
durch die Mundaffection uns niemals veranlasst, das Heilver¬
fahren zu unterbrechen. Stets reichten Gurgelwässer von Kali
chloric. hin, um die Stomatitis zu beseitigen.
Ferner begleiteten die Injectionen ziemlich häufig das Ge¬
fühl von Mattigkeit und vermehrte Neigung zum Schla¬
fen (im Gegensatz zu der schlafraubenden Wirkung reiner Su¬
blimatlösung). In einem Falle, wo die Injection ziemlich nahe
dem Nacken gemacht war, klagte Patient über das Gefühl von
Eingeschlafensein der Arme. Ueber Schwindel nach der
Injection klagte nur einer der Behandelten. Nicht selten em¬
pfanden die Patienten eine merkliche Steigerung ihres Appe¬
tites. Einmal trat Urticaria an den Oberschenkeln nach der
Injection ein. Damit wäre aber die Reihe der üblen Zufälle
erschöpft, die unsere Injectionen begleiteten. Von der hoch¬
gradigen. Cachexie, wie sie nach der Schmiercur namentlich
nicht selten vorkommt, konnte bei unserer Methode der Queck¬
silbereinverleibung nie die Rede sein. Auch war der Urin in
den untersuchten Fällen stets eiweissfrei. Störungen von Seiten
des Magen-Darmcanals kamen niemals zur Beobachtung.
Das diätetische Verhalten der mit dieser Methode Be¬
handelten legt ihnen nur wenig Beschränkung auf. Privatkranke
wurden sämmtlich ambulatorisch behandelt, sie konnten meist
ihren Berufsgeschäften nachgehen; auch wurde mit Ausnahme
von alkoholischen Getränken, sehr fetten, blähenden und sau¬
ren Speisen die gewohnte Ernährungsweise ihnen gestattet. Die
Patienten fühlen sich somit durch die Cur nur sehr wenig in
der gewohnten Lebensweise behindert, ein Grund mehr für viele,
dieser Methode vor anderen Quecksilbercuren den Vorzug zu
geben, zumal jene durch Sauberkeit sich auszeichnet und einen
Gehilfen entbehrlich macht.
Die subcutanen Injectionen mit der Kochsalz-Sublimatlösung
wurden bisher bei 53 an constitutioneller Syphilis erkrankten
Personen in Anwendung gebracht, von denen 38 im hiesigen
Allerheiligen-Hospital behandelt wurden, 15 meiner Privatpraxis
angehörten. Bei einem Theile der Behandelten veranlassten
äussere Umstände die Unterbrechung dieser Behandlnngsform
(u. a. meine Einberufung zur mobilen Armee i. J. 1870). Die¬
selben konnten daher nur dazu benutzt werden, die nach
den Injectionen auftretenden localen und allgemeinen Erschei¬
nungen zu studiren. Dasselbe war auch der Fall bei einer
anderen Reihe von Patienten, die mit anderen mercuriellen
Curen vor oder nach den Injectionen behandelt wurden und
daher kein ungetrübtes Urtheil über die therapeutische Wirk
I samkeit der Injectionen gewährten. Fälle von ausschliesslicher
! Behandlung mit unseren Injectionen liefern von den Hospital-
| kranken 22, und eignen sich diese vorzüglich dazu, um über
; die Behandlungdauer und den Quecksilberverbrauch bei dieser
! Methode sich ein Urtheil zu verschaffen, während bei den durch¬
gehend ambulatorisch behandelten Privatkranken, die die Cur
; nicht selten willkürlich unterbrachen, die Behandlungsdauer sich
oft mehr als nöthig in die Länge zogr Ueberdies sind es an¬
nähernd dieselben Schichten der Bevölkerung, die im Hospital
Hülfe suchen oder demselben unfreiwillig überwiesen worden.
Ihre äusseren Lebensverhältnisse sind sonach annährend die
gleichen, ihre Diät und ihr sonstiges Verhalten aber wird im
Hospital ziemlich adaequat sein. Dies veranlasste mich, für
eine tabellarische Zusammenstellung über Behandlungsdauer
und Gesammtdosis des verbrauchten Quecksilbers bei verschie-
! denen Methoden mercurieller Therapie ausschliesslich Hospital¬
kranke zu benutzen. Zur Vergleichung dienten: 1. die subcu-
1 taneu Injectionen mit Quecksilberchlorid-Chlornatrium, 2. der
interne Gebrauch dieses Doppelsalzes, 3. der interne Gebrauch
von Sublimatsolution allein, 4. die Schmiercur mit grauer Queck¬
silbersalbe.
Indurat.
Cond, lat.
Exant
maculos.
hema
papulös.
Zahl der Fälle.
Behänd lg. Dauer in Tagen.
Gesammtdosis.
Metall. Hg.
Zahl der Falle.
Behandlg. Dauer in Tagen.
Gesammtdosis.
Metall. Hg.
Zahl der Fälle.
Behandlg. Dauer in Tagen.
Gesammtdosis.
H
SS
Zahl der Fälle.
Behandlg. Dauer in Tagen.
Gesammtdosis.
Metall. Hg
Sublimat, c.
! Natr. chlor,
subcutan.
8
15/»
0,08
0.0«
2
18
0.12
0.09
5
27.4
0,12
0.09
3
25
0,105
0.078
Sublimat, c.
i Natr. chlor.
1 intern.
77
35
0.31
0.23
54
27
o
23
1
30.5 0,39
0,2.4
5
55,4
0.48' 0.35
Sublimat in
i So lut. intern.
21
38,5
0.62
0,46
14
271 0,49
0.36
5
30' 0,66
0,41
2
41
0.84
0.62
1 Ungt. Hydr.
1 ein.
32
26.5
42.6
14.2
32
33.5
50
16.6
6
30
57
19
6
36
68.3
22,8
Digitized b'
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Original from
UNIVERSITY OF MICHIGAN
4. Februar 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
63
In der Tabelle konnten nur die am häufigsten vorkom- |
inenden Syphilisformen: die Idur&tion, die breiten Condylome,
das maculöse und papulöse Exanthem Berücksichtigung finden. |
Für jedes dieser Symptome ist 1) die Zahl der behandelten j
Fälle, 2) die Dauer der Behandlung in Tagen, 3) die Gesammt- '
dosis des zur Heilung erforderlichen Quecksilberpräparats und j
4) die Menge metallischen Quecksilbers angegeben, dem diese |
Gesammtdosis bei den verschiedenen mercuriellen Curen ent¬
spricht. Bekanntlich ist in der grauen Salbe */a metallisches j
Quecksilber enthalten, während dasselbe im Sublimat, nach j
dem Aeqoivalentgewicht berechnet, etwa 74 pCt. beträgt. 1
Wir erhalten somit durch diese Rubrik für die verschiedenen !
Methoden der Qoecksilbereinverleibung vergleichbare Werthe. I
Wie die Tabelle zeigt, hat die Injectionsmethode mit dem
Doppelsalz durchweg die kleinsten Zahlenwerthe aufzuweisen,
sowohl was die Behandlungsdauer, als was den Quecksilber¬
verbrauch anbetrifft. Auch die ersten Manifestationen der con- 1
stitutionellen Syphilis, Indurationen und breite Condylome, bei
denen Gschirhakl 1 ) keine günstigen Resultate durch Injection |
der Doppelverbindung erzielen konnte, gelang es in auffallend !
kurzer Zeit mit relativ kleinen Quecksilbermengen zum Schwin- j
den zu bringen; doch wurde die locale Behandlung dieser
Affectionen mit einer Sublimatlösung von 1—2 pro Mille mit ;
dem 10fachen Zusatz von Chlornatrium nicht versäumt. So
gelang die Beseitigung der Induration durchschnittlich in
15,5 Tagen (in minim, in 11, in maxim. in 22) durch den Ver¬
brauch von durchschnittlich 0,084 Sublimat (in minim. 0,070;
in maxim. 0,130). Breite Condylome schwanden durch¬
schnittlich in 18 Tagen (in minim. 17, in maxim. 19) durch
Injection von 0,120 Sublimat (in minim. 0,090, in maxim. 0,150). ;
Bei internem Gebrauch des Doppelsalzes war zur Beseitigung
der Induration mehr als die doppelte Zeit und eine fast 4fache I
Subliraatmenge, beim innern Gebrauch reiner Sublimatsolution j
eine 2 1 /, fache Zeit und fast das 8 fache Quantum Sublimat er- !
forderlich. Die Schmierern* aber beanspruchte in fast doppelter
Zeit ein Quecksilberquantum, dessen 236. Theil in Form von
Sublimat mit der nöthigen Menge Chlornatrium hiureichte, um
subcutan injicirt die genannte Affection zu beseitigen. — Aehn-
lich verhält es sich bei den breiten Condylomen, zu deren
Heilung der interne Gebrauch von Sublimatsolution mit oder !
•ohne Kochsalz die 1V 5 fache, die Sehmiercur die doppelte Zeit
erforderte. An Sublimat aber erforderte die interne Therapie I
-die 3 V,, resp. 4 fache Menge, während die Sehmiercur im Ver¬
gleich zu unsern lnjectionen eine 184 fache Metallmenge
beanspruchte.
Das maculöse Exanthem schwand bei den Sublimat-
Kochsalzinjectionen durchschnittlich in 27,4 Tagen (in minim.
i2, in maxim. 38) und erforderte 0,117 Sublimat (in minim.
0,088, in maxim. 0,144), das papulöse in durchschnittlich
25 Tagen (in minim. 11, in maxim. 36) unter dem Gebrauch !
von durchschnittlich 0,105 Sublimat (in minim. 0,088, in maxim.
0,140). Während bei den andern Methoden mercurieller The¬
rapie das maculöse Exanthem eine nur wenige Tage längere
Zeit erforderte, betrug die Behändhmgsdauer des papulösen
Exanthems das l 1 /, fache bei der Sehmiercur, fast das doppelte
und mehr wie das doppelte bei innerem Sublimatgebrauch ohne
•oder mit Kochsalzzusatz. Hinsichtlich des Quecksilberver¬
brauchs zeigen auch bei Behandlung der gen. Exantheme die
verschiedenen Methoden grössere Differenzen, wie aus der Ta¬
belle leicht zu ersehen ist, wobei die subcutanen lnjectionen
wiederum die kleinsten Metallmengen aufzuweisen haben.
Diese auffallend schnelle und energische therapeutische
1) Wien. Med. Wochensdir. 1877. No. 14.
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Gougle
Wirksamkeit der subcutanen lnjectionen mit dem Doppelsalz
beruht wohl zweifellos auf dessen schneller und vollständiger
Aufnahme durch die Lymphwege des subcutanten Bindegewebes,
während, per os einverleibt, dasselbe Präparat zum Theil we¬
nigstens wieder mit den Faeces entleert wird, ohne seine me-
dicamentöse Wirkung entfaltet zu haben. Der coloss&le Auf¬
wand von metallischem Quecksilber aber bei der Sehmiercur
findet seine Erklärung wohl darin, dass nur ein geringer Brucb-
theil des in die Haut verriebenen Metalls wirklich in dieselbe
eindringt, und dass von der eingedrungenen Menge wiederum
nur ein Theil mittelst der Chloride der Gewebe und Parencbym-
säfte gelöst und zur Resorption gebracht wird.
Wie leicht begreiflich, erfordern die lnjectionen in den
Fällen, wo vorher andere Quecksilbercuren vorangegen waren,
noch kürzere Zeit und geringere Gesammtdosen.
In der Privatpraxis beziffern sich Bebandlungsdauer und
Quantum des verbrauchten Sublimats meist etwas höher, als
bei der Spitalbehandlung, schon darum, weil bei den ambula¬
torisch behandelten Patienten der Privatpraxis die lnjectionen
nie in der regelmässigen Folge ausgeführt werden können.
Andrerseits müssen Hospital kranke auf deren Wunsch zumeist
entlassen werden, sobald nur alle sichtbaren Zeichen der Lues
getilgt erscheinen, während in der PrivatpTaxis die Injections-
cur meist 1 Woche und darüber über den erwähnten Zeitpunkt
ausgedehnt wird, um Recidiven möglichst vorzubeugen.
Hat man Gelegenheit, dieselben Personen mehrere Jahre
ununterbrochen zu beobachten, wie es nur in der Privatpraxis
möglich ist, so macht man die Wahrnehmung, dass auch bei
möglichst lange fortgesetzten Injectionscuren mit Sublimat-
Chlornatrium Recidive ebensowenig ausbleiben, wie bei allen
anderen antisypbilitischen Curen. Doch ist die Zahl der Fälle,
in denen Recidive eintraten, zu gering, um über die relative
Häufigkeit derselben, sowie über deren späteres oder früheres
Anftreten andern antisypbilitischen Heilverfahren gegenüber ein
Urtheil zu gewinnen. Ich sah bei den mit lnjectionen behan¬
delten ausschliesslich papulöse Exanthemformen recidiviren.
Ausnahmslos zeigteu diese Nachschübe einen regressiven Cha-
racter nach Form und Ausbreitung des Exanthems. Dem ent¬
sprechend erforderte jeder neue Nachschub eine immer kürzere
Behandlungsdauer sowie ein geringeres Quantum Sublimat.
Die Methode kam bei 2 Schwängern mit gutem Erfolg zur
Anwendung, ohne die Schwangerschaft vorzeitig zu unter¬
brechen. Bisher wurden nur Erwachsene damit behandelt.
Da diese Injectionsmethode schneller und präciser die
Symptome der secundären Syphilis zum Schwinden bringt als
iTgend eine andere, dürfte sie in erster Reibe da indicirt sein,
wo Gefahr im Verzüge ist, wo es gilt, ein lebenswichtiges
Organ vor Zerstörung zu bewahren oder eine Indicatio vitalis
zu erfüllen. Sie vermag aber auch in Fällen, wo andere mer-
curielle Methoden im Stiche Hessen, noch Heilung zu erzielen,
wie z. ß. bei der oft so hartnäckigen Psoriasis pulmaris et
plantaris. Sie dürfte sonach als eine Bereicherung der mer¬
curiellen Therapie wohl sicher angeseheb werden.
Die Vorzüge der Methode aber lassen sich folgendermassen
resümiren:
1) Sie beseitigt die Symptome der secundären Syphilis in
relativ kurzer Zeit und ist daher besonders da am Platz, wo
Gefahr im Verzüge ist.
2) Sie macht auffallend kleine Quecksilbergaben nothwendig.
3) Sie macht sehr geringe locale Reiz Wirkungen.
4) Greift den Organismus sehr wenig an.
5) Verursacht nur sehr geringe Grade von Stomatitis.
6) Sie zeichnet sich durch Sauberkeit aus und macht jeden
Gehilfen entbehrlich.
Original fro-m
UNIVERSiTY OF MICHIGAN
64 BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. No. 5-
7) Stört sie die Patienten sehr wenig in ihrer gewohnten
Lebensweise.
Bei diesen in die Augen springenden Vorzögen dieser Me¬
thode dürfte es sieh empfehlen, dieselbe auch bei andern Krank¬
heiten zu versuchen, die den Gebrauch des Quecksilbers er¬
heischen. Ich denke dabei an die Entzündungen der tieferen
Augengebilde: Iris, Chorioidea, Retina, sowie an die Entzün-
dnngen dev serösen H&ute.
IIL Zur Casuistik der Schwaagerschafts-Wochenbett-
amanrose.
Von
Dr. F. Weber in St. Petersburg.
In der Berliner klinischen Wochenschrift (No. 23, 1873)
veröffentlichte ich mit der Abhandlung „über Amaurose im
Wochenbette“ 4 Fälle dieses höchst seltenen und eigenartigen
Krankheitsprocesses; da sich mir vor kurzem wiederum ein Fall
dieser Art in der Privatpraxis bot, der durch seine Compli-
cationen, sowie durch den klinischen Verlauf beachtet zu werden
verdient, so reihe ich denselben den bereits bekanntgemachten
Fällen an.
Frau Gustavsohn, Gattin eines Goldarbeiteis, 20 Jahre alt,
schwächlich, anämisch und von gracilem Körperbau, seit einem
Jahre verheirathet, lebt in einer ungesunden Kellerwohnung in
recht dürftigen Verhältnissen, wird im 7. Monate der Schwanger¬
schaft von einer hartnäckigen Polyarthritis befallen, die den
verschiedensten Behandlungsmethoden, selbst einer energischen
Salicylbehandlung nicht weicht und Pat. Mouate lang an das
Bett fesselt, indem sie das rechte Fuss-, Knie und Handgelenk,
sowie das linke Ellenbogen-, Hand- und Kniegelenk vollkommen
unbrauchbar macht, ja sogar eine partielle Contractur zu Stande
brachte. Während der ganzen Zeit exacerbirte das Fieber
bei Affection eines neuen Gelenks zu bedeutender Höhe, ohne
übrigens die Herzklappen zu afficiren. Dieses Leiden erschöpfte
die Kräfte der Pat. vollkommen, wobei die ohnehin schwäch¬
liche Kranke bis zum Skelett abmagerte, ein leichtes Oedem
in der Umgebung der aufgetriebenen Gelenke ausgenommen.
Der Harn war in der letzten Zeit überaus trübe, übelriechend
und eiweisshaltig. Im Ausgange des 8. Schwangerschaftsmo¬
nats, am Morgen des 21. Octobers 1876, stellen sich plötzlich
Geburtsweben ein, die bald ganz krampfhaften Character an¬
nehmen; während der Dauer derselben stellte sich plötzlich um
6 Uhr Abends (ungefähr 12 Stunden nach Beginn der ersten
Wehen) ohne alle Vorboten plötzlich vollkommene Amaurose
ein. Bei einer Wehe schreit plötzlich Pat., die bei vollkom¬
mener Besinnung, auf: ich sehe nichts, ich bin erblindet!
Sonst klagt Pat., die auf alle Fragen klar und bündig ant¬
wortet, nur über Schwere im Kopf und Funkensprühen vor den
Augen. Trotz Morphium, Opiumclystieren, erweichenden In-
jectionen und Umschlägen wollen die Wehen nicht ihren krampf¬
haften Character verlieren, der Muttermund bleibt kaum auf
fingerbreit eröffnet, die Ränder desselben sind gespannt. Um
11 Uhr Abends stellte sich der erste eklamptische Anfall ein,
worauf Morphium hypodermatisch, sowie Chloroformnarcose in
Anwendung kommen; doch erst nach 19 Anfällen, nachdem
fast 6 Unzen Chloroform verbraucht, Incisionen des Mutter¬
mundes ausgeführt wurden, gelang es den anderen Morgen um
8 Uhr, ein asphyctisches, 8 monatliches, nicht wiederbelebtes
Kind mit der Zauge zu extrahiren; die Placenta wurde per Ex¬
pression entfernt, worauf der Uterus sich gut contrahirte. Der
soporöse Zustand dauerte fort und wurde in den ersten 24 Stunden
mich der Geburt durch 12 eklamptische Anfälle, die allmälig
au Dauer und Intensität abnabmen, abgewechselt. Dabei fand
eine profuse Transpiration statt, wobei der Schweiss einen
penetranten Geruch entwickelte. Der Harn enthielt massen¬
haft Eiweiss, Epithel Und Fibrincylinder.
23. October. Morgens: T. 38,5, P. 124, R. 30. Abends:
T. 39,2, P. 124, R. 40.
In Verlauf der nächsten 24 Stunden treten .noch 5 eklamp-
tiscbe Anfälle auf, doch sind sie schon bedeutend milder, furibunde
Delirien werden durch kurze Intervalle wiederkehrendeu Be¬
wusstseins unterbrochen, in welchen sieh herausstellt, dass die
vollkommene Amaurose noch fortbesteht, dabei reagirt die Pu¬
pille, wenn auch träge, auf stärkeren Lichtreiz hin. Der Harn
enthielt so viel Eiweiss, dass er. sich bei seiner chemischen
Behandlung mit Ac. uitr. fumans, sowie beim Kochen in einen
dicken Brei verwandelt. —- Die Behandlung bestand an diesem
Tage aus Moschus, Chi oral hyd rat, Kali acet., Abreibuug des
ganzen Körpers mit desinficirender Flüssigkeit (Essig und Car-
bolsäure) sowie kühlen Schädelwaschungen.
24. October. Morgens: T. 39,2. P. 100, R. 36. Abendsi
T. 39.6, P. 120, R. 40.
Die eklainptischen Anfälle wiederholen sich nicht mehr*
doch erreichen die furibunden Delirien ihren Höhepunkt gegen
Morgen, wo sie durch einige Gaben von Ghloralhydrat gemil¬
dert werden mussten. Der Uterus coutrahirt sich sehr gut, die
Lochien normal, der Schweiss wird klebrig, bleibt profus und
nimmt trotz der desinficirenden Abreibungen einen derartig
penetranten Geruch an, dass die Luft der ganzen Stube ver¬
pestet wird. Am Morgen dieses Tages war noch vollkommene
Amaurose zu constatiren; doch gegen 2 Uhr Tags beginnt die¬
selbe allmälig zu weichen, indem Pat. schon einige Licht¬
empfindungen verspürt, über Funkensprühen und Funkenhüpfen
klagt, dabei aber die Zahl der brennenden Kerzen erkennt, doch
ist sie sonst noch nicht im Stande, nichtleuchtende Gegenstände
zu erkennen. Harn enthält noch sehr viel Eiweiss. Curat
Moschus. Bromkali, Milch, Wein — äusserlich wie gestern.
Chloralhvdrat wurde nur am Morgen gereicht.
25. October. Morgens: T. 39, P. 100, R. 36. Abendst
T. 39, P. 108, R. 36.
Diese Nacht ziemlich gut geschlafen, Delirien noch reich¬
lich, doch die Intervalle von freiem Bewusstsein werden immer
anhaltender; Pat. ist schon im Stande grössere, nicht leuchtende
Gegenstände zu erkennen (Kannen, Flaschen, verlöschte Lampe)*
kleinere Gegenstände hingegen erscheinen ihr wie undeutliche*
dunkle Flecken. Die Pupille reagirt energisch, der Blick bleibt
aber noch starr. Der Schweiss ist besonders in der Achselhöhle
überaus penetrant. Um 3 Uhr stellt sich ein unvollkommener
eklamptischer Anfall ein, der sich mit Zuckungen der Gesichts¬
muskeln sowie beider Hände begnügte, dennoch einen, kurze
Zeit anhaltenden, soporösen Zustand zu Folge hatte. In beiden
Lungen grobes Schleimrasseln; Uterus contrahirt sich gut, Harn
enthält viel Eiweiss, Harnsatz bedeutend, Stuhl regelrecht.
, 26. October. Morgens: T. 38,5, P. 108, R. 40. Abends:
I T. 38, P. 124, R. 36.
I Die Nacht schlaflos, doch ziemlich ruhig verbracht, Senso-
i rium frei, die Kranke wird nur zuweilen durch Visionen be¬
helligt, das Sehvermögen nimmt auf beiden Augen zu. Pat.
ist schon im Stande Körper, die gegen 2" Durchmesser haben*
zu erkennen, doch hält sie 2 Finger, auf einen Zoll ausein-
andergerückt, für einen. Harn hat eine dunkelbraune Farbe,
enthält noch viel Eiweiss. Immer noch penetranter Schweiss,
auf der ganzen Haut bilden sich Sudamiua. Zum Abend
Schüttelfrost, in den Genitalien keine Localursache dafür zu
finden.
27. October. Morgens: T. 39, P. 124, R. 36; Abends:
T. 38,8, P. 124. R. 36.
Difitized
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Original ffom
UNIVERSITY OF MICHIGAN
4. Februar 1S7S.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
65
Heftige Schmerzempfindungen in den ergriffenen Gelenken,
Insomnolenz, Unruhe; Funken vor den Augen belästigen Pat.
sehr stark — penetranter Schweiss nach wie vor. Cura:
hypodermatisch Morphium, Chinin, Campher, Bromkali, Moschus,
dieselbe Localbehandlung wie gestern.
28. October. Morgens: T. 38,5, P. 136, R. 40; Abends:
T. 39,2, P. 124, B. 40.
Insomnolenz, furibunde Delirien, Schmerz in den Gelenken
mit massiger Schwellung derselben; erschöpfender Schweiss,
Sudamina nehmen überhand. Cura: wie gestern.
29. October. Morgens: T. 38,5, P. 136, R. 40; Abends:
T. 40, P. 140, R. 48.
Nach der hypodermatischen Morphiumeinspritzung nur kurzer
Schlaf von ‘4 bis 1 Stunde, später werden die Delirien nur
um so ärger. Harn wird massenhaft entleert, doch nimmt der
Eiweissgehalt desselben ab. Jämmerlicher Puls. Profuse Tran¬
spiration. Cura: 1 Flasche starken Portwein für den Tag,
Moschus, Chinin, Campher, Choralhydrat, Milch und Waschungen.
30. October. Morgens: T, 38,5, P. 136, R. 40; Abends:
T. 39, P. 136, R. 40.
Nach den Gaben von Chloralhydrat etwas Schlaf, Pat. war
den Tag über ruhiger, doch zur Nacht wurden die Delirien
wieder furibund; 3 unwillkürliche Stühle, Harn enthält weniger
Eiweiss, die Transpiration bleibt profus.
31. October. Morgens: T. 38,5, P. 140, R. 40; Abends:
T. 39, P. 140, R. 40.
1. November. Morgens: T. 39,1, P. 136, R. 40.; Abends:
T. 39,2, P. 140, R. 40.
2. November. Morgens: T. 39,2, P. 140, R. 40; Abends:
T. 39,6, P. 140, R. 40.
3. November. Morgens: T. 39, P. 140, R. 36; Abends:
T. 39,2, P. 120, R. 38.
In dieser ganzen Zeit blieben die Delirien furibund und
konnten nur durch Chloralhydrat besänftigt werden; Harn zeigte
wieder mehr Eiweiss; es bildet sich Sacraldecubitus; die unwill¬
kürlichen Stühle sind zahlreich; dabei beginnt aber Pat. allmälig
die contrahirten Extremitäten zu strecken und erkennt in den
lichten Augenblicken selbst kleinere Gegenstände, so dass sich
das Sehvermögen allmälig dem normalen Zustande nähert.
4. November. Morgens: T. 38,8, P. 120, R. 30; Abends:
T. 39, P. 120, R. 30.
5. November. Morgeus: T. 38, P. 108, R. 28; Abends:
T. 38. P. 110. R. 30.
6. November. Morgens: T. 37,8, P. 100, R. 28; Abends:
T. 38, P. 108, R. 30.
Die Delirien werden immer massiger, das Sensorium ist
in den Intervallen ganz frei, Pat. ist bereits im Stande die
Buchstaben der Zeitungsköpfe von circa 2 Ctm. Länge zu unter¬
scheiden; Decubitus ziemlich ausgebreitet, auf der Sacralgegend,
den Ellenbogen, den Kniegelenken; Transpiration weniger pro¬
fus, Eiweiss im Harn minim.
7. November. Morgens: T. 39,2, P. 140, R. 30; Abends:
T. 39.5, P. 114, R. 36.
8. November. Morgens: T. 39,2, P. 114, R. 36; Abends:
T. 39,2, P. 114, R. 36.
Wieder Exacerbation des Gelenkleidens, doch blieben die
Herzklappen dabei frei, Schleimrasseln in den Lungen nimmt zu,
Delirien schwinden, ebenso Eiweiss im Harn, Sacraldecubitus
reinigt sich, Decubitus bei den Gelenken verheilt. Cura: Carb.
aminon. cum. Senega, Kali bromat., baln. tepid. salin., Carbol-
verband.
9. November. T. 38, P. 114, R. 36. — 10. T. 38,2, P. 128,
R. 30. — 11. T. 37,8, P. 120, R. 36. — 12. T. 37,8, P. 114,
R. 28. — 13. T. 37, P. 100, R. 28.
Geschwulst und Schmerzhaftigkeit der Gelenke nimmt nur
sehr allmälig ab, Decubitus verheilt vollkommen, Sensorium
bleibt frei, Harn enthält kein Eiweiss, die penetranten, profusen
Schweisse sistiren, Sudamina schwinden, die Ernährung geht re¬
gelmässig vor sich, es stellt sich ausserordentlicher Appetit ein,
so dass Pat. als Convalescentin zu beobachten wäre, wenn die
Reste der hartnäckigen Polyarthritis sie nicht am freien Ge¬
brauche der Glieder hindern würden. Was das Sehvermögen
anbetrifft, so konnte sie schon zum 15. November die Buchstaben
einer deutlichen Buchschrift erkennen, doch war ein starrer
Blick nachgeblieben.
Wir haben es hier also mit einer den urämischen Process
begleitenden Schwangerschaftswochenbett-Amaurose zu thun, die
zu gleicher Zeit als Vorbote der eklamptischeu Anfälle auf¬
getreten war. Als Eklampsie ist der Fall bemerkenswerth, da
er trotz der 37 Paroxysmeu, begleitet von einer hochgradigen
Polyarthritis und stark ausgeprägtem Nierenleiden, dennoch einen
glücklichen Ausgang hatte.
IV. Kritik.
FünfJahreimAugusta-Hospita 1. Ein Beitrag für Chirurgie und
zur chirurgischen Statistik von Dr. Ernst Küster, dirig. Arzt
am Augusta-Hospital und Privatdocent etc. Berlin 1877. August
IJirschwald. 8. 315 Seiten mit 2 Tafeln.
Mit Wahrheitsliebe und Selbstkritik berichtet E. Küster über sein
beinah fünfjähriges Wirken am Augusta-Hospital, dessen kurze Be¬
schreibung (mit Plan) er voranschickt, da Esse’s Werk nur in einer
beschränkten Zahl von Exemplaren gedruckt ist. Der Bericht tritt wür¬
dig in die Fussstapfen seiner grossen Vorgänger, Billroth und Volk¬
mann, adoptirt das Bi 11 ro th’sche Schema, zuerst im allgemeinen
Theil die Krankenbewegung, die accidentcllen Wundkrankheiten, die
Wundbehandlung etc., dann im speciellen die regionäre Casuistik behan¬
delnd, die er an einzelnen Steilen durch sehr werthvolle „Studien“
unterbricht, und schliesst mit einer sehr kurzen Uebersieht der seit
1 Jahre gegründeten Poliklinik.
K. giebt für Friedensspitäler schon wegen der schwereren Hcizbar-
keit und der erhöhten Feuersgefahr dem Pavillonsystem (neues städti¬
sches Krankenhaus in Berlin) den unbedenklichen Vorzug vor dem
Barackenbau selbst in der originellen und glänzenden Erscheinung seines
Hospitals, und ist übrigens auch die Zahl der Pyümien und Erysipele
bei ihm keine Seltenheit gewesen. Zur Zeit der Uebcrfhllung (vor
Küster) 1870 starben von 147 Kranken der chirurgischen Station 10,
davon 8 an Pyaeinie, und unter K. selber im Sommer 1874, wurden fast
alle Wunden schlecht und zwar bis 1875 Februar, wo strenge Antisepsis
eingeführt wurde; von da ab war Pyaemio nur vereinzelt. Die Mor¬
talitätsziffer incl. der verzweifelt herein ge brachten Fälle schwankt
zwischen 9,8—14 pCt. und beträgt bei allen 1031 Kranken 140 =
13.5 pCt., die Zitier der accidentcllen Wundkrankheiten (nach Sehe de’s
Rektifizirung Central bl. f. Chir. 1877. No. 43) 7,17 pCt., die Zahl der
Todesfälle an letztem 25 = 2,43 pCt., ein im Vergleich mit Billroth
(3,9 — 4,4), Volk mann (2,17), Israel (1,97 pCt.) günstiger Prozentsatz.
In den 5 Jahren wurde als Wundbehandlung der Charpiedeck-
verband nach den Grundsätzen von Vinzenz v. Kern angewandt, der
nur bei geringer Krankenzahl und häufigem Wechsel der Belegräume
brauchbar war und Februar 1875 definitiv verabschiedet wurde; ausser¬
dem die offene Wundbehandlung, endlich das Lister’sche Verfahren,
dessen begeisterter Anhänger Küster ist, wenn er auch bescheiden
seine einstweilen geringen Zahlen als nicht beweisend betont. Sein
Urtheil fasst er in das gewiss treffende Wort zusammen: Die offene
Wundbehandlung ist ein sehr dankenswerther Fortschritt
der chirurgischen Therapie, die antisept. Behandlung ge¬
hört zu den bedeutendsten Errungenschaften, welche die
Chirurgie aufzuweisen hat. Der echte Lister’sche Verband, wie
ihn K. 1876 in Edinburg sah, erst Protective, dann mehrere Schichten
loser Carbolgaze, die durch eine Binde gleichen Stoffs gelegentlich mit
10 pCt. Salicylwatte fest auf die Wunde gedrückt wird, dann erst die
bekannten 8 Lagen incl. Makintosh, welche mit einer einfachen feuch¬
ten Carbolbinde befestigt werden; über das ganze gelegentlich eine elasti¬
sche Binde, wird ausschliesslich angewandt bei complicirten Fracturen
(einmal Silbernaht der Knochen), wo K. die steife Hülle des Verbandes als
eine vorzügliche Schienung betont, so dass der so dankenswerthe Bar-
deleben’sche Gipsverband meist durch die Volk mann'sehen Schienen
ersetzt werden kann und bei allen grossen frischen Operationswunden,
während der Saiic.yljute- Verband bei eiternden Wunden und cariösen
Geschwüren, welche erst aseptisch gemacht werden, seinen Platz findet
und die Carboljute (häufige Eczeme!) auf Fingerverletzungen beschränkt
wird — beide Methoden dem Lister weit nachstehend. An den weib¬
lichen Genitalien versuchte K. durch 5 pCt. Carbollösung und durch
Operationen im Spray, bis die Nähte angelegt waren etc., eine Art pri-
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Original frn-m
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66
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 5
märer Desinfection herzustellen und betont die fast ganz ausbleibende
Wundschwellung und die kaum nennenswerthe Stichkanal-Eiterung. Die
zahlreichen Winke für die antisept. Technik (langes Liegenlassen der
Nähte), die einzelnen durch die Sicherheit des Verfahrens geplanten
neuen Operationsvorschläge (Operation der Meningocele, der Hydroceie,
der Empyembehandlung, Leistenbubonen-Ausschälung, Gelenkeröffnung
bei irreponiblen Luxationen) cfr. in den betr. Kap. Das Buch athmet
das frohe Bewusstsein, welches die Chirurgie durch Lister und Volk-
mann errungen hat. Erreicht K. auch noch nicht Volkmann’s Re
sultate (und er hat vorher den Unterschied hervorgehoben, ob ein
Chirurg im Beginne seiner Thätigkeit oder auf der Höhe seiner Kraft
steht), so sind doch blos seit 1875 5 Pyaemiefälle zu verzeichnen, trotz
steter Häufung schwererer Fälle, und ist Erysipel selten und geringfügig.
Betreffend Chloroform erzielte K. mit Edinburger (Lister hatte
nie einen Unfall) ausgezeichnete Narkosen, doch dauerte die Einleitung
der Narkose lange, ebenso mit Chloral-Chloroform, das er empfiehlt.
Das käufliche Chloroform räth er immer noch einmal zu destilliren.
In dem Capitel Operationen in der Schwangerschaft stellt der Autor
folgende Indicationen: nicht blos 1) unmittelbar lebensrettende Ope¬
rationen sind auszuführen und 2) solche, welche Geburtshindernisse be¬
seitigen, sondern auch 3) chronische Erkrankungen, die bei längerem
Warten die Wiederherstellung unwahrscheinlich machen und 4) solche,
die durch heftige Schmerzen sehr unbequem werden, wie Panaritien und
Zahncaries erfordern chirurgische Eingriffe. Was letztere Fällt* betrifft,
so dürfte doch wohl bei crsteren die locale Anästhesie nach Constriction
vollkommen genügen, für Zahnextraction leistet die NO Narcose alles
wünschenswerthe. — In der Transfusionsfrage ist K. selbstverständlich
von der Thierbiut-Illusion zurückgekommen, denkt aber auch über die
mit Menschenblut kühler, indessen beweist doch Fall Unmuth nur, dass
eine verspätete Transfusion die definitiven Wirkungen einer CO-Intoxi-
caiion nicht beseitigt. In dem Capitel über vergiftete Wunden folgt
der in d. Wochenschr. 1874 No. 22 mitgctheilte Fall von Milzbrandüber¬
tragung, sowie ein geheilter Fall von Leicheninfection, der zu einer
Peripleuritis führte, die incidirt heilte.
Aus dem casuistischen Theile kann bei der Kürze des Raumes nur
das wesentliche liervorgehoben werden: schöne Heilungen von Kopfver¬
letzungen mit Fissuren etc. (sorgfältige Entfernung aller Fremdkörper
aus dem Knochenspalt mittels Ilohlmeissels) unter antiseptischen Mass¬
nahmen, ein Fall von Lymphdrüsentumor, dessen Druckwirkungen auf
Vagus, Sympathicus und Glossopharyngeus B. Frankel in dieser
Wochenschrift 1873 No. 3 schilderte, wird durch die Section aufge¬
klärt: traumatische Caries der Schädelbasis. Ein Stein aus dem
Gehörgang konnte nicht extrahirt werden; nach einer Anschabung
des Process. mastoid. erfolgte Tod durch Erysipel. Ein Tuberkelge¬
schwür der Zunge heilte durch Galvanocauterisation und Exstirpation
der Halsdrüsen. Für Lupus hältK. die Stichelätzcur für einen Fortschritt.
Ozaena: Auslöffelung am hängenden Kopf. GlücklicheUnterkiefer-Knochen-
cysten-Exstirpation, ebenso eines Oberkiefer-Riesenzellen-Sarcons nach
Trachealtamponade: kein Recidiv. Lippencarcinom nach bekannten Me¬
thoden (von Bruns und von Langenbeck) operirt. Einen glänzenden
Theil des Buches, voll von Erfahrungen und Ideen, für jeden Practiker
lesenswerth, bildet die Studie überSynanche contagiosa. Da Ref. in einem
nächstens in diesen Blättern erscheinenden Artikel auf diese zurück¬
kommt, so sei hier nur erwähnt, dass für die Tracheotomien eines
practischen Arztes mir das scharfe Häkchen unentbehrlich erscheint, und
dass der überaus schmerzliche Verlust eines tracheotomirtcn Kindes an
späteren Nachkrankheiten sich am Ende doch durch weitere Fortschritte
und peinlichste Nachbehandlung wird vermeiden lassen (cfr. den kleinen
Artikel über Granulationsstenose, Centrbl. f. Chir. 1877, No. 45). Die
zwei Tracheotomien bei Erwachsenen sind unerfreulich. — Lymphome
exstirpirt K. auch bei Verdacht auf Phthisis. Gelegentlich eines Falles
von Atheromcyste der Gefässscheido der Jugularis betont K. die Leich¬
tigkeit der primären Exstirpation gegen die neuerdings empfohlene Jod-
injection, welche die etwaige nachträgliche Operation sehr erschwere.
Der Excurs über die Berechtigung der Gastrotomie bei Speiseröhrenkrebs
und die wirksame Behandlung der Myelitis mit Ferr. cand. seien kurz
erwähnt. Für frische Rippenfrac-turen empfiehlt der Autor Fessiellung
der betreffenden Thoraxhälfte durch Heftpflaster resp. elast. Rollbinden
(bes. an den falschen Rippen), die auch bei complicirten Fracturen, j
Schusswunden, Empyem vorzüglich sind. Leber die Behandlung der i
letzteren — frühzeitiger Doppelschnitt mit Drainage quer durch den !
Thorax — spricht der Autor ausführlich, wobei schöne Bemerkungen i
über den Heilungsvorgang nach der Radicaloperation der Empyeme mit j
einfliessen, und bedauert bei einer Schussverletzung mit Haemo-Pncumo- 1
thorax die Aspiration (übelriechende Flüssigkeit) gemacht zu haben, die |
allerdings für solche Fälle absolut contramdicirt ist. — Die Wirksam¬
keit der antiseptisehen Behandlung bei Mastitis, Psoasabseoss etc. wird (
bestätigt, die Fälle 2 und 3 Caries der Wirbelsäule erlauben den Ge¬
danken, ob es nicht möglich sein wird, antiseptisch zugängliche Caries
der Wirbelsäule auszulöffclnV Ein (kindkopfgross) Lipomfall (Rücken) j
endete unter Charpieverband tödtJich — wird wohl heute nicht mehr Vor¬
kommen. Ausführliche Angaben der Ablatio mammae, darunter der von •
Ehren haus 1S70 in der Berl. med. Gesellsch. vorgestellte Fall von
Hypertrophie, folgen, von 23 Fällen 3 ganz geheilte etc. — Bei der Fistula !
ani bei grösserer Länge des Ganges und Complication mit Phthisis
wird Dittel’s elastische Ligatur als bequem und schonend empfohlen.
Die Behandlung der Rectumstricturen (Angabe eines doppelt langen Me-
tallspeculum ä la Fergusson) ist ein Beweis für die chirurgische Gewissen¬
haftigkeit des Autors. Von 10 Herniotomien 5 gestorben. Ein Echino-
cocc. hepatis (3 Blasen), nach Simon und antiseptisch operirt, starb
an rechtsseitigem Empyem. K. denkt an Carbolsäure - Injectionen,
als vielleicht geeignet, die antiseptische Radicaloperation zu umgehen,
die allerdings durch Volk mann und Säen ge r einen hohen Grad
von Sicherheit gewonnen zu haben scheint. Bei der Jodinjection der
Hydroceie entstand 1 Mal Gangraena scroti, und begrüsst K. die Volk-
mann’sche Behandlung (cfr. No. 3, 1876 dies. Wochenschr.) als grossen
Fortschritt, macht übrigens auf langdauernde Empfindlichkeit (Ausspülen
mit 5%iger Carbolsäure) nach dieser Operation aufmerksam und schlägt
im Anschluss an Trendelenburg und Reyher die Modification vor:
kleine Incision, gross genug, um den Finger einzuführen, keine Catgut-
| naht, Drainage (nach C-hiene, von der er sonst nicht sehr erbaut ist),
I Compressivverband. Vielleicht empfiehlt es sich die Catgutfäden (wie
I früher nach Onsenort) quer durch die Höhle zu ziehen?
Die nicht unbeträchtliche Zahl gynäkologischer Operationen zeigt
neben schönen Erfolgen (com pleiter Da rin riss: wozu Sphincterdurchschnei-
dungV) nicht wenige Misserfolge (Sehleimpolypen im Fundus, bilaterale
Spaltung/) sofortige Auslöffelung, sept. Kndoni. Berit, di ff. 2 Mal Trans¬
fusion, Tod: Myome 6, 3 todt, 3 ungeheilt, Ovariotoraien 3 Mal, 3 todt,
ebenso 2 multiloculäre Cysten mit Incision und Drainage behandelt) und
belohnte sich die chirurgische Aktivität in dem kleinen, aber difficilen
Gebiete der weiblichen Genitalchirurgie nicht immer. Unter 4 Stenosen¬
operationen der Vaginalportion verlief eine tödtlich. K. empfiehlt die
kegelmantelförmige Kxcision. Ein schöner Fall von Abtragung einer
lnversio uteri, eine vergebliche l'rolapsoperation, und ein bereits (Beitrag
zur Gynäkol. I. 2, 1875) mitgctheilter Fall von Missod labour (Entfernung
der Fötalknochen per rectum in einer Sitzung) beschlossen den Rumpf¬
abschnitt, zu geschweigen von Bcckenfracturen und Schüssen, sowie
Caries, Perityphlitis (1 Fall punctirt geheilt), Psoitis und Bubo inguin
(19 Fälle, 1 gestorben vor Antisepsis) — letztere beiden wieder ein Be¬
weis von Leistungsfähigkeit der antisepiischen Therapie.
Das reiche Material der „Extremitäten“ (obere 95, untere 144 Fälle)
berichtet, abgesehen von höchst interessanten Fällen (Myxosark. des Me¬
dian. Exstirpation Recid. Amp. Heilung, Sarcom des Circumflex. Gravid.
VII Mens. Exstirpation, Heilung), von zahlreichen Fracturen (beim Ober¬
schenkel wird die Extension in geeigneten Fällen gerühmt; Patellarfrac-
turen nach (Lallender) und 44 Amputationen (gestorben 13) und 10
Rescct-ionen (gestorben 3, ungeheilt 4). Zweifellos zeigen die antiseptisch
behandelten complicirten Fracturen, was Schede (1. c.) hervorhebt, ganz
andere Resultate, als die früheren Fälle, und so dürfen wir das auch
practischen Aerzten sehr zu empfehlenden Werk nicht aus der Hand
legen, ohne die Hoffnung auszusprechen, dass die antiseptische Behand¬
lung, die endlich getilgte Schuld der Chirurgie an die Menschheit, einer¬
seits in der Hand so gewissenhafter und strebsamer Chirurgen, wie es
Ernst Küster ist, in den nächsten 5 Jahren noch ganz andere Resul¬
tate, wie bisher aufweisen und dem chirurgischen Messer noch neue
Bahnen eröffnen wird, andererseits nicht blos das Vorrecht der Hospi¬
täler, sondern jedem modernen Arzte in Denkweise und Ausführung
geläufig sein wird. J. Pauly (Posen).
V. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Gesellschaft für Geburtshilfe and Gynäkologie in Berlin.
Sitzung vom 13. November 1877.
Vorsitzender: Herr Schröder.
Schri ft führet*: Herr F a s b e n d e r.
1) Der Herr Vorsitzende eröffnet die Sitzung mit der Mittheilung
von dem Ableben eines ordentlichen Mitgliedes, des Herrn Dr. Thun-
Auf seine Aufforderung erheben sich die Anwesenden zur Ehre des An¬
denkens des Verstorbenen von ihren Sitzen.
2) Herr P. Rüge stellt eine 29jährige Frau (Beuermann) vor, die
seit 3 Jahren verheirathet 2 Mal entbunden ist: das erste Mal im Januar
1876, das zweite Mal im Juni 1877, jedes Mal leicht von einein ausge¬
tragenen Kinde. Nach der zweiten Entbindung (die zweite Schwanger¬
schaft war wie die erste ohne Störung verlaufen) bemerkte die Frau im
Untcrleibe eine harte Geschwulst, die sie früher bestimmt nicht beob¬
achtet haben will, und die ihr keinerlei Beschwerden verursachte. Herr
Rüge hat den Fall Anfangs September zuerst gesehen und war schon
bei dieser Gelegenheit in der Lage die Diagnose auf eine extrauterin
gelagerte ausgetragene Frucht in erster Steisslage zu stellen. Er fühlte den
Kopf, die Rippen, sowie die 1 ’roc. spinosi deutlich und konnte mit Sicher¬
heit einen Zusammenhang der Geschwulst sowol mit dem Uterus als
mit dem kleinen Becken aussehliesseii. Bei einer zweiten Untersuchung
gegen Ende Octobor constatirle Herr Rüge eine zweite Schic fl ago, fast
Querlage (Kopf rechts oben, etwas mehr nach vorn, Sie iss links unten,
hinten), welche Lage auch heute noch vorhanden sei. — Seit dieser
Situswechsel sich übrigens vollzogen habe, verspürt die Frau Schmerzen
im linken Beine, die ja bei etwaiger erheblicher Steigerung zu einer
Operation auffordern könnten. Bis sich aber eine bestimmte Indieation
1) Der Referent erlaubt sieh die Bemerkung, dass man Pressschwämmc,
wenn man sie vorher mit antisepti.scher Seide umwickelt und so wochen¬
lang in 5 U 0 iger Carbollösung legt, antiseptisch machen kann: am sicher¬
sten, wenn man sic selber bereifet. Auch Laminaria kann man durch
Aufquellcnlassen in obiger Lösung und dann Austrocknen desinfieiren.
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4. Februar 1S7S.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
67
zu activem Vorgehen geltend mache, werde er den Fall exspectativ be¬
handeln. Herr Rüge nimmt an, dass es sich das zweite Mal um eine
Zwillingsschwangerschaft gehandelt und der intrauterin gelagerte Zwilling
im Juni 1877 ausgestossen worden.
Die Gesellschaftsmitglieder untersuchen die Patientin.
Herr Goldschmidt, der die Frau vor ungefähr 3 Monaten eben¬
falls gesehen hat, kann der Diagnose des Herrn Rüge nicht beitreten.
Er glaubt bei seiner damaligen Exploration einen Zusammenhang der
Geschwulst mit der hinteren Beckenwand nachgewiesen zu haben. Des
halb sei er von seinem erst gefassten Gedanken an eine Extrauterin¬
schwangerschaft abgegangen und habe eine von der genannten Stelle
ausgehende Geschwulst, etwa ein Enchondrom oder eine Exostose an¬
genommen. Er habe zwei grosse und einen kleinen Tumor gefühlt, so
wie einen darüber wegziehenden Strang, den er für Darm gehalten. Heute
werde er noch in der eben entwickelten Anschauung bestätigt, da er
eine Zunahme der Geschwulst seit der genannten Zeit zu bemerken meine.
Letzterer Annahme tritt Herr Ru ge entgegen und beruft sich dabei auf
das Zeugniss anderer Collegen, die den Fall auch untersucht haben. Die
unzweifelhaft stattgehabte Drehung der Geschwulst weise den Gedanken
an einen harten, aus der hinteren Beckenwand hervorgewachsenen Tumor
zurück. Dass vor derselben zeitweise Darmschiingen zu fühlen seien,
wolle er nicht bezweifeln.
3) Der Herr Vorsitzende berichtet über die Thätigkeit der Commission,
welche die Gesellschaft vor längerer Zeit zur Erforschung der Ausbrei¬
tung des Puerperalfiebers in Berlin gewählt hat. Er verliest eine von
dieser Commission über den genannten Gegenstand verfasste Denkschrift,
welche die Billigung der Versammlung findet und bestimmt wird, im
Kamen der Gesellschaft von den Commissionsmitgliedern unterzeichnet
dem Ministerium vorgelegt zu werden. Es wird dann beschlossen, die
bisherige Commission nach Erledigung der ihr gestellten Aufgabe zu einer
ständigen zu erwählen, die ihre Untersuchungen im Interesse der Wissen¬
schaft fortführen soll, da, wie namentlich auch die bezüglichen Ausfüh¬
rungen des Herrn Boehr dargethan, kein Zweifel darüber bestehe, dass
noch manche Punkte in dieser Angelegenheit weiterer Forschungen be¬
dürfen.
4) Die Gesellschaft erklärt sich damit einverstanden, dass mit einer
Aenderung der Geschäftsordnung die Wahlen neuer .Mitglieder dieses Mal
ausnahmsweise in der ersten December-Sitzung statt finden sollen. Die
Kamen der Vorgeschlagenen werden vom Herrn Vorsitzenden verlesen.
YI. Feuilleton.
Bemerkungen über meteorologische Beobachtungen.
Von
Geh. Med.-Rath Dr. A. Schultz.
Jn dem Feuilleton der No. 50 des verflossenen Jahres dieser Wochen¬
schrift wird in einer Correspondenz aus London, gezeichnet S—n.,
unter Bezugnahme auf in Amerika hervorgetretene Bestrebungen, auf
die Wichtigkeit systematischer meteorologischer Beobachtungen hinge¬
wiesen. Die hieran geknüpfte Bemerkung, es werden dieselben nun
auch wohl in Europa gewürdigt werden, scheint mir einen Vorwurf
gegen Deutschland zu enthalten, der freilich früher, als Deutschland
nur noch ein geographischer Begriff war, leider nur zu oft mit Recht
gemacht werden konnte: den nämlich: dass die Deutschen das, was sie
selber an gutem gedacht und erfanden haben, erst dann zu schätzen
anfangen, wenn es ihnen vom Aus lande als etwas fremdes gebracht wird.
Und dennoch ist die Wichtigkeit systematischer meteorologischer
Beobachtungen, abgesehen von anderweiten Bestrebungen auf diesem
Gebiete, wenigstens bei uns schon vor langen Jahren anerkannt worden.
Zunächst verweise ich auf die alten Instructionen der preussischen
Kreisphysiker, durch welche diesen Beamten Witterungsbeobachtungen
zur Pflicht gemacht werden. Dass diese, wie so viele andere in den
alten Instructionen enthaltene und fast ganz genau dieselben Ziele,
welche gegenwärtig durch das Kaiserliche Reichsgesundheitsamt ange-
strebt werden sollen, verfolgende Vorschriften ziemlich resultatlos ge¬
blieben sind, hat zum Theil wohl seinen Grund in der grossen Sparsam¬
keit, mit welcher früher die Verwaltung vorging. Den Kreisphysikern
konnte und kann, bei ihrem früheren sehr spärlichen und auch jetzt ;
noch ungenügenden, in der That nur das Praestosein honorirenden I
Gehalte, weder die Beschaffung kostbarer meteorologischer Instrumente I
aus eigenen Mitteln, noch der lür meteorologische Beobachtungen und I
-deren Bearbeitung erforderliche hohe Zeitaufwand zugemuthet werden, i
Die Verwaltung bot aber und bietet auch jetzt noch weder Instrumente j
noch auskömmliches, verhältnissmässiges Gehalt für aufgewandte Mühe I
und Zeit, obwohl die alten Instructionen unzweifelhaft das richtige ge- ;
troffen haben, indem sie implicite eine Förderung der medicinischen
Klimatologie zunächst und vorzugsweise von meteorologischen Beob¬
achtungen durch Aerzte (Kreisphysiker) erwarteten. Die Unmittel¬
barkeit der Eindrücke wiegt schwerer als die Durchsicht von Schriften.
Hiernnch war die Pflege dieser Studien vorzugsweise den Privaten
überlassen. Und so erlaube ich mir. Ihnen in Erinnerung zu bringen,
was ich vor Jahren auf diesem Gebiete mehr an gestrebt vielleicht als j
erreicht habe. i
Als ich in der ersten Sitzung der hiesigen Gesellschaft für Erd-
künde am 8. Mai 1841 die „Resultate aus meinen Beobachtungen in
Rom über den täglichen Gang der meteorologischen Instrumente“ —
umfassend den stündlichen Stand des trocknen und des feuchten Ther¬
mometers, der relativen und absoluten Luftfeuchtigkeit, des Barometers
und des Druckes der trocknen Luft, für die Monate, die Jahreszeiten
und das Jahr — vorlegte, stellte ich einige allgemeine Sätze auf, deren
wesentlicher Inhalt dahin ging:
1) Zur Beurtheilung des Klimas eines Landes genügt weder die
Kenntniss der Mittel noch die der Extreme.
2) Die Kenntniss des Ganges des feuchten Thermometers ist für
die Beurtheilung eines Klimas wichtiger noch als die des trocknen
Thermometers.
3) Die Kenntniss des Ganges der Luftfeuchtigkeit ist nothwendig.
4) Der Einfluss des Luftdruckes, der Temperatur und der Luft¬
feuchtigkeit auf die thierischen Organismen lässt sich in 3 Fundamental-
Wirkungen zusammen fassen: a) Veränderung des Körpervolumens (mit
hervorragender Betheiligung der Kapillaren), b) Veränderung der ab¬
soluten Menge des zur Athmung kommenden Sauerstoffs und c) Ver¬
änderung der zur Ausgleichung von Differenzen der Körpertemperatur
nöthigen organischen Processe (cf. Monatsberichte über die Verhand¬
lungen der Gesellschaft für Erdkunde in Berlin (Jahrg. 3. 1842. p. 28 ff.)
In No. 48, 49 und 50 der Medizinischen Zeitung, von dem Vereine
für Heilkunde in Preussen vom Jahre 1842 habe ich diese Sätze näher
zu begründen gesucht, dann aber noch hinzugefügt:
Eine Andeutung über den Weg zur Ermittelung des Verhältnisses
zwischen dem durch bestimmte meteorologische Constellationen bedingten
Wärmeverluste des Körpers und dem durch dieselben Constellationen
gebotenen Wärmeersatz; oder mit anderen Worten: der rauthinaslich
cxcitirenden oder deprimirenden Kraft der gegebenen meteorologischen
Constellation.
Den Hinweis auf das Zusammen fallen a) starker Osci Rationen, be¬
sonders der Luftfeuchtigkeit, mit Rheumatismen und Catarrhen; — b) ein¬
zelner Entziindungskrankheiten mit hohem Luftdruck und niedrigem
Stande der Temperatur und der absoluten Luftfeuchtigkeit; — c) des
Auftretens von Abdominaltyphus, Wechselfieber und Schlagfluss mit
tiefem Stande des Barometers bei gleichzeitig erhöhter Temperatur und
absoluter Luftfeuchtigkeit; — und d) der grösseren Neigung zum
entzündlichen Charakter in den Affeetionen der Respirationsorgane mit
relativ viel zu hohem Barometerstände bei niedriger absoluter Luft¬
feuchtigkeit und Temperatur.
Eine Werthschätzung der Temperatur, der Luftfeuchtigkeit und des
Luftdruckes nach der Möglichkeit ihren Wirkungen sich zu entziehen,
event. dieselben zu eliminiren.
Am 6. Deeembcr 1845 legte ich der geographischen Gesellschaft
meine Beobachtungen über den stündlichen Gang der meteorologischen
Instrumente zu Berlin sowohl für die einzelnen Monate und Jahreszeiten,
wie für das ganze Jahr vor; beschränkte mich im übrigen auf die Be¬
merkung, dass im allgemeinen die Jahrescurven in Rom flacher, die
Tagescurvcn aber stärker geschwungen seien W'e in Berlin (cf. 1. c. neue
Folge Bd. 3. pg. 185—190).
Ein im Jahre 1847 unternommener Versuch, in „Monatsberichten“
ein der Vergleichung zwischen Witterung und Erkrankungen dienendes
Material zu schaffen, musste, äusserer Ursachen wegen, nach dem Er¬
scheinen von 7 Heften, aufgegeben werden.
Sodann fand meine Thätigkeit auf diesem Gebiete ihren einst¬
weiligen Abschluss durch anderweite Arbeiten mit einem Aufsätze in
den Nummern 8 und 9 der deutschen Klinik des Jahres 1856. In dem¬
selben ist:
Zunächst darauf hingewiesen, dass nur der allgemeine Charakter
der Krankheiten, ob sthenisch oder asthenisch, von den meteorologischen
Constellationen beeinflusst, vielleicht beherrscht werde.
Sodann eine Methode besprochen: gegebene Constellationen meteo-
I rologischer Phänomene in ihrer Wirkung auf den menschlichen Körper
| als ein ganzes zu behandeln.
Ferner eine Reihe von Schlüssen gezogen aus den nach dieser Me¬
thode angestelltcn Rechnungen, und zwar unter anderem auf den herr¬
schenden Charakter der Krankheiten zu Berlin; — auf das Verhalten
des römischen Klimas zu dem von Berlin im allgemeinen, sowie des
römischen Winters zu dem Berliner Frühjahre im besondern; — auf
die speciellen Wirkungen einzelner, sowie bestimmter Combinationen
der meteorologischen Phänomene; — auf die Ursache der Erscheinung,
dass der Mensch unter Umständen, wie z. B. Alex. v. Humboldt in den
Cordilleren, bei 15,0 R. Wärme frieren könne, ja müsse; — und auf
die Thatsache, das unter Umständen die Hitze hier in Berlin übler
empfunden werde wie in Rom, obwohl die Angaben der Thermometer
für hier 1—2 Grad geringere Temperatur nachweisen.
Hiernach dürfte die Annahme des Londoner S—n. Correspondenten,
dass die Wichtigkeit systematischer meteorologischer Beobachtungen hier
nicht gewürdigt worden sei, und dass eine Würdigung derselben erst
von einer Anregung aus Amerika her gehofft werde oder zu erhoffen
sei, als eine irrige zu bezeichnen, ihr vielmehr die entgegen zu stellen
sein, dass demselben in dem Momente, als er jenen indirecten Tadel
gegen Deutschland niederschrieb, nicht ganz gegenwärtig gewesen sei,
was auf diesem Gebiete in Deutschland gearbeitet und angestrebt
worden ist.
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UNIVERSETY OF MICHIGAN
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A pnthv keti- Aligvlöge ulivi t *■ o : Per Ap*4fu-ktu- PvebM ha f dje
i)/M:-r Uhu-'VU: At-dhrhi- in L'-buin und -h i V j-ulivl-.n f.Vu i ty. *!•«-
Jrü'auVhe Apnthvke in VWt'jLemdn>^ ^dcAutt,
TudbsfaJio: Kms-Pbysikiis Püv in >. i.. hu.A i/i Pr K «• .n-
i i i» o 'in <ib‘hu. in. 8 ! .t e h r lit a u >. i'n in j.bytnnh "uitd Arv.i I i;v,vs m
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f ;U‘hj 4 )!£. ^ ZVtijiTinak'ä. 4ti$Xir. ;.eibü "*Zulör- J 34xl. J.
Kci iut> y.ii mqhh n. *
^hHd^ih-'b'ut lA. .Iximmr 18-78.
Jvhid^.iinhr Kn^’.rrunV. AVdTreilnug des f.nunrji..
ingerafe.
!•;< iMid (%♦>; AsM\n--nt. '!>o-ll. ^'.•.Sinrhi Uip der Umsicht vu^hm-ii
* |. ‘i in flifarih« Jndi 1 j.ieht plfudu eVjjox l (Jwtiiv- v>fr ii>»<äi k uxnwun /.u, k< mm-ii
<;»■fl. OjlVrh-j' <liir<’h de l-.vj.V'l!(n-rt •- juhni -.,d. ,14
Beluut»i«ui;ChUHb
ISh? SudU* d'”8 fctudVr Rr-tir-ui/iai * fen n * j{^ d- . urtd
Pfif 1 r rs ‘fl'usu)t in 8Vbv»id.'i, wit 8vlrV.-J ntn ttaanA«. ö7-iniU i;SÖ0*7W,
und ixiensnunoiunvi m- un Werth. Vm) %\ • jalulich iVrt'ti.nden
‘xdli- sogieieh mif inmut ArÄ7 ftijcJix.r dln.- ai'g'd^t KAI;
."itulerw r i' i- s». \:/A Mtfdi'U
]>h•. AiusieJiung ertuiw. auf drifdok'fiaU^I.-.i Künui^nn^
<iuölifn>i?t'r Lfa&t'fhtit avarden ersucht, MeldtutghJ' om*- 1, tCu.-
H.i mim; ihn?:' Atnisb;. l.tj's ZU Ul .10. .IVuniai 'T l'imhir »‘'»uyill*.
Königsberg, dun 21. Ja mixt r 187S, ;
.;- ’. t-: Dar t.uiidu.jdjr*,rhu- de» rt'*viuy, 'Pirii.^nv
f»iu fttvlh mm.-* AsS!r.t«.-i>v,*Arxirs d-'^ hicmgnxi stadus^^chjvmnkiui-
ti'* ( 'Ur.s .v.j vorn 1. Apri-i u.t. ah i\\ Rcsif-iiüri. Afd afersnih'-i! <>!■ oi-n
TuUir-s G'dnill von 120;) M jäh r Uöl y ix- rinn ui cVn pbi;/r,AYuhun : ng
■ Siti Kiankenhaus*-. J- itm ih-j.uUuni »1t* -rhoyliaa-- !v-'io;:s;.n,r '-h . ,\«.vssev •
\ de,«* der Avsistcny.'arzt hjftßß mebk dsiti^fh Antnisf an ikfft ilönu-ffif
•f-tlr kfi'-hrdvAhiil^ der fli^eiiiihiiien fthmütiönifhln 'lyparikervh ..weh
j!ihrli«di auf er. 300 W, belauft. Pm arzlhdm JYait« 'de-Jh-v
Xxl mjwWi d>tise.v unliflciuhadnt cir'A Kthn^mh^us- 1
In.; Aris-ieiliuu: rrh«lgi auf burl*.' -viun;'.- Uivi-
iniuiAt.Uebe’. IJändigtipg. ÄfAjildh'ghn vaii
priifiirig kpHtiinden lpjb(’»n ; unter■iMßiguh’g üt«r
vfia'dfrn bis luht 15. I' tA*ruar >r* ert»>*en, 7 . . ■'/ •
iK rankenhao^e
di<■n-'i'-s ;;<sc:h»;hen. ki*mn
, Königsberg i.
Maga
IV,
trat;
den 15. Januar 1878.'
fvöivM. Haupt- und. Kcsiduny.-Sfa/lf.-
•' ß raun; . ’7
7 \ ] 7
BckHitntiiiftdtuug,
Fiit die hitzige hrtadt mul V. ingeg'cn.d. wird wim U April t*r«. alv-
. v "- h rlassuur. eines /wriivi. .Arztes }u-mxvU.si. m-v.'nusv'ht. *b-tü wr-h div
liallv:- Aimux-Pravis (Un'U/agiui wcnb.u <«»U.
.Aupidw^i'ge Anlragru Vt*fdAii »i »' : Ainkctnlt brlheiP'u. ru\d pe-
marlu’n niir noeh e ;dass lusker' sl.rds 2 .'"»zu hvr, wötuiUrs-
l)mssc»i, difi) 17, «hinuR/
' 1878.
l>ür Afagistrax.
. ; Als firzfUelier f/vtiVr i
dnes: sdit h() lapreu
bi’ÄtVbtut.dtfjn B«4 J*s»
<Wa»?ieeiieiUnJäta.U) ein praot. Aeet. ^eaueUt;
(»eMeherjp tilefltdic wird g'jninlii'tr Kxnlugp t utixs .^ehAr ?n
<byt Cajujlvla oder I b.dh^-l|Ü4^ üjVi'Ur >a>teiic,‘ut■• vATj ;-öF;;.31ö a ^Ö; Mairfc
ist Ih-flm-uo'r.
tjjfüridn unh-c t"‘hid. ; > *■>. CV A : 12 j**-suV*4f .Inm.-nri-n F'.p'vjm.i.-^
Tin Di-o-i'li A 111 l}r,in*s.-:
P<pt#n nÄfh ör. Adamkiewl«
Sf i’Uisc.hf 1 M. SO i". ' !'i*vr!'"ioKt' 1 i.’> liVhi, r^fui;« I'K wli<.'.
Pepton und Pepton-Chocolade OfWJi Dr. Sanders
A jfxueJish. 3 Mali i'ujpithhA ■
^cherlii^ , i €*r*»tie %|Hiltieke.
Borlin N. 21 ‘
1 eil InaAygr.' liichii'iit t'd
ÄÜltsfWhA'hiHv ?(At- 1 J
• :'• A v ja 7 iivSJijptrfji '
iJi'Uti'.mir. '.oiVipfehy 1 ’>v/, . v
inm.-nint-
j fjrh «i.inp R’rü^ecü.^J^faf’-'.und hSln?
: xdi 70- Inautiviuja.m «b,r A ppa-ratm et was ver^rÄS»ed*
i ■ IV*-k*. : Aj-prsnyo 20 AO 4«» KieriuAil^d, - <»;> *
! Mit»!' 07 5 t 27.5'> 12o 7 J. 4, . : > K.
PjO'H 1 , Apj»arati- mH yVu!\-ah. , >'?üup'.)?«d' J>1.Kdn.wtn.id# ■&)■ 'ferK-<•.'
$ofer hv.ißfUirr. Ibf^r ZAii gulnderien. ^VhaltvbifelFö
; mi,*? riarl^ntumi. fljt dh;^*'. ApffU^tn H'u’j^iKyimneri \vordcun 7>it^e;iuAyih«
: -.'ii-i •, .du»;» itilijr u\ i *• rar Id iev.se r- Dm* Breis je tineb der <i?5^se
7. M ufci 12. Mach
i W' A, llimhmaim, Merbatiikvn
SpurialifjU; nlor-ti tj inodifini.scln; Appniate.
üriiiU SW. Will'.i ilii',: !M- -• H}'.
fimtt Sydow. .MedniniktT u. Optiken
iVviiti \ IV l!l.
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Preiae wild.
Verlag ugd EigtfUt.bu'Ji# verr AMg’U.st Uirschwähl in BuHin7 —. ilndrueki l*y.i L. Sehumaclir-f itt. lboldi.v
Co gk
Dtb Berliner Klinisüljq WoehWRCutifc jftfä'o
Jfoniag in 3«‘?UirJtc reu vCTisr^tv? .1*Bo^-trArA A
JYci* Ti®tt»]/ftjbTh«b ß Mark n^iinipK
itHe BüC.bhandlarijt'vu und üi.
Beiträge wqii.o «»**«. partöfrti a* 4t& . .,
rtf. Wv Df.ro t1i«tn?6U .'%*>/7$. i oäüt kn, dM .Vetr
urifRh't>cl>h<ijr<ih<nfr : ron Aii*u»l hir*iv»»^*3<l, jti ßfcr-
{i^ «> v . Vf. $J>W. •LlttAüu 4* T
ILlIMHi
Organ für practisdic Aerzhy
Mit Berücksichtigung der prcussiechen Medicinalverwaltüng und Mediciualgesetzgebung
nach amtlichen Miitheilnngen.
Redacteur: Prof. Br. I. Waliknburg. Verlag von Anglist
Montag, den II. Februar 1878.
m <>.
Fimföehnter Jahrgang.
Inhalt: I. Nciimjuiii; Leber um-huem- Leukämier. — II K;ajj]i^s«r: ]Cötbr».ij*a‘hr. SehtmorseiiV-Eintvi 1 utflgen gegen ehnmhehe i.ytuph-
•Irü.M-iilfid.'rt. — l!I. >; !'.rliy-Buch: Em Fall von stibacurvm fbdze Mu» Menschen. - t\\. Laudon: Ein EaJt von S«arhitu»a
füaJigna dnrfb Aeid. •»alii-yli«:mn geheilt. — V- <i - i j><* \r Anwendung dV,s jmcumaüsriirh ApirunBes von Franlci.- I bw der Wie.ler-
belebtin* thnC* d jßrtrji&etr «ihe tu t fldbgcW/L.nen K(Tt<L*>. — Yb 'Kritili {;Co.n nhrim: Yerhsimgcn über ßHgctoCuno Pathologie). —
VII. Yerlmmttmigcu arMiSLo- OesMisehivfhu i'Herimer mr-flicmiyh.* Ge r< lisvlaifi — (ies.MLWwfi dir Ofburihhülfc und GytAkvlov': m
Bei Im). — VHj. Fi'uiiiritoii (Leber A: SolirolDg^diß Notiz über Ivan Öaptisti; Barxfr ltvOsL thmerUüiuiw» üb*r Louis UtjA .•••'(.•■■
Ediert«: — Tagv^gÄSchichtlt'die Notizen), — tX. Apiijieh^ MittbBÜDtvggtt: — lns£r&t+\ , ' _
L leber myelogene beuhamie.
Aon
Professor ■to#nvnpkviW/ii\. 4. Fr, * y
Bei meine» Lnte?>uieh*btgob -»lifor die Bedcu.tifug $e& Krifrtebvn- ’
ni&rfc,*»'. für Oie Entwicklung (1 «t Blumdh» irtus*b- sieh mir (kr
CFfeäiftketv dass dW^s Orgaa aneh bf:i der B»t*tehimg oiaiieber ,
t.i.ubologkeheu Zustande de- Hintes eine nicht Am'wichtige Holle
#pkb*, «bwi|IkörlH;b ^ufdrAngnn, »Cd bahf darauf') hatte ich j
<>el%ghh4it in ebiCW;von tevife h m *W hbedg*ri mediCiih scheu |
jviiruk als „Vimiate Lvukiunb" diagiD^tioirkr» Falle neben dem
seht Letrueiitlieheu MibhmtuF eine eigent.hürhliche und Ober
«ahlÄHe Knochen ARrhxvikte ÄfkvtKnj des Mitrhus üu beoh-
Rchkht gon der ich auh^hiikh zn dürfen^^ giahhk- dass 'sie nicht >
yitvs’k eiin;' F*>tgeer>*c.heinw(ig, i
dem vielmehr eine bisher « 11 bekamite Q ne 11 e der Oliif'ieilnühy ’
riitig. dar-•teilte. Seitdem ist.'bekanntlich die .Frage. Welche
StelUmg dem Koocbenmrnke aU Anfangspunkt eim*r l^nkämie
gegenüber der \Vi\v und .den Lvmphdriisrn. welchen beide?} ?ir-
gatien die. V irehow Webe Le-hre ein anssr»iS»v.<-1 i rhes• \ ) n\\ Ing 11 ;m
• für die F.nougunv: der Krankheit Äiiguspruchen UiiU.v. «*;«gy;u-.
ftiü&k&ß Kek v'jwudil vrm l(hnm*ti>r i\U e?>ri pathidngi>Vli.angiji-
mwäc-r >r»L' leldiaft itkr»njrt wnrdi-n. uiul es hat Midi «huch
TerbtTeuOhhimg einer gvossere?; Zahl intmvssrtntee ih.n!wi«-h.. •
tunv-ni dk Ai^vO. da • ' da- hn-' b'-r i.;:iek, in der l'ntboyr
?i?^r henkjvn^t? unser«* \?dle verdi?*ne. at.lgmncitn^rn (hiL
t»mg verMbafft; TrotAtlwii vU beko.hrrftö da^ vtif voö
dam erstrebten Zi<-[r. eine klare Einsicht, in dh Hmidmugatj
der wrschlfcdaijen 1 irgaui.-?‘k.c.*t ja ktf.ascyn an ein/inib r und äw deV
• Hlutv orüudoruMg y.\\ »o'löns.^-n, n«n h \m il «uilfcnit -»i ml. und Fs
dürfte daher kein imuiltzes nnd imvillkunuTiene^ \>ib rmdi'timn
<iHL wenn leb mir inj:.f(Vtg<*ndhn du* Aufgahg ^telbg durch uib^
iOi%}h;hst Fnlhtätidig^ Zusytuiinen-tellntig der ttisher hgkarrpt
KeW'dri.lenetn . «n vevschiediaiert Schriften .Äeritreivtau Kilfibfukga.ii
über lenkAmi^ehe V^md« j ra^gen drs Krjochviiniaik^ den L^ett*
wiVrlgeu ^taiKlpmiki .«i^r K<unrtnil-v \m\ der ?u \;- n en
(oder mpdullami) he*i lvfnii •* /,u \ü :VnAren iDtd damit Mid <!;•
m hl reichen Prob htm hi?*/am ei .«•*i. deren L.djgng v\ «drerp !• - r-
i>rliunct-ii krhais£jih s - ' ; , ^ ^ •
Srli’bü die ültöie Uteta'OtT hbeV hettkdmie dnfhhll u\ ihrem
XK iOifednld X] . j>. ■ 1. l&fih
L' ■«,&■
kasti«:*tischen Alateviat TlmiAhcheii^ weide* hiltvhi vemiutben
ias^te kaunen. »las;^ bei der Kntstehiiug der Krankheit ausser
m v Ailh. und den LynijdHUüseit nach ein anderer Factm' be-
theiügi sein mochte; Ich habe die allerdings sehr spüriu heu
BepbhehtUhgetk ifh feitiiie. \ü weh,h«h trotz h&qibgradig^t leiik-
fitiuscher Blyrb»?.^halfenheit uuttaHige pathelogisdie VerämJe*
.Hingen an der Afilz und den Lympiidnls^i vermisst wurden,
mul welche mit der dureh Vir^how aufges,telHtM) und zu all-
gemeitiRtai* Geltmig gebrachten Lehre von. dem euterad.hr ijhhnhu.«
odei lymiihatr^dich eday gett>i$chf üexiahLvthphai^c.ben Vr^prupg“
döi v Lettiäimh hur duieh die Hy|K)tl»e?e ih ßhikiaag gebracht
werden konnten.,, da^s ^dic Grosse der. Orgauerkvankung thebi
0 > tlnam konstanten Verhältnisse z{\ der Äusbilduug des ilysvvasie
"W .: «'rv.bcTy- brapehef‘). Idass. diese Hvpptheyv nur einen provi-
söri s ch en N ot )i I »eUhi t r^>rha«ht tirte. uu i i daf hier fl ic Ach Uh s-
ferse der herrschöhdtm Alhejiric Verbargen \v&r. kann gegen¬
wärtig kaum zweife.Omft «.ei«: vAl'wmhi dhvvn tüUp hj'sh^r
wßiiig Ile;?fh tung geh?t>den jihhrn, kO ’■ .%ih d dh^eIhr \\ doch hfv
ildiirdkte Argmjieiue fiir die Mrvglichkeit ehitV myelogenen l‘r-
c^prUhgif tl^r Leiikhmi'e' Vdii hohem fntetvyIhre Erwaihmog
v i dnher vor.iusge'-t.liickr.
P.ie.yUleste. hierher gehörige UeaLachtniig,.. '»He • idi auhu-
'•Ünde.n ■.vermach».;-, hat VircliAw .fl bst nöfefiimh r ':.. Sic bc-
tritTt die ito Jahve i-s-M,- \ »i? ihm ansgeführte Soctiön der Leiche
einer :i.tt?*reii Frau, welche nardi *noeui M»r 10 fagen eriithfu-u
Ertt» Ir des rech re ü Schenkelliai*iS «v, Ibu’uniunie ?m Grund»:
gegan^n war. Ahgc-e.lmh u>p dem Befmulc ftn der Hntch-
srelle tmii einer. Hepatiftioi» Vb'> Vcchten «dmien .Li.tngenlapjo'.us
fanden sieb im fbirzcu und in den Venen V/ eigeniJiiimiich wvicht.%
grnuweiA^. voii /.nhllu.-mi. fürblusrii BbiUelhm vrfüllte GerinnMdA
' l'.ie AGG. cot hielt einen vyu|!imsser‘.-<eu/ \m, Virehow. ub
Eilifflifl oder ^arcum' jD,^md?riViv.o 'GVyfcli wulVt»
k h »>t cd . svat libritfen- . e h j«.r. e f rV v e rk \ r \ u-i- rt-, m *cK
•• )m brüchig. fast zerüie» •u»l. Ith nnd da • Mv;^ i n-thsriM-u ’ 1
Uie Lvroplidiioeu werderr ihr 01 »'dii'<d \ onk}*rbt11k<• iI ifd lif ijrw':»hr»r;
tunen olsn wud.d eiri.-n ueuaiiv.ii i-et'tni} ilfuL wi«- iimumolivh
.»heit an- »G-» » 0,1 NirC-hü \s ldn/.ii‘l<diig{i-n. In-nouLuH«: bvr * vi-
li y) ■ fi-. {<-• s* 'ii.MtlT- \ {i l-ü.
ü- : V tri^ve w ,;V^ür- ''püiMptgAfe-h.^'.
i. : .uu mm; . IM Y. p i»0
No. 6
70 BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
geht, dass dieser Fall zu zeigen scheine, dass „auch Milzkrank- j
heilen ohne Vergrösserung im Stande sind, ähnliche (leuk¬
ämische) Veränderungen hervorzubringen“. Wenn ich trotz der |
in diesen Worten ausgesprochenen Yermuthuug eines Zusammen- |
banges der Leukämie mit einer isolirten, nicht gerade umfang- ,
reichen Geschwulstbildung in der Milz diesen Fall zu denjenigen j
rechne, bei welchem weder ein lienaler noch ein lymphatischer j
Ursprung der Krankheit mit einem gewissen Grade von Wahr- |
scheinlichkeit angenommen werden kann, so brauche ich wohl
kaum Widerspruch zu befürchten.
Zweifellos ist ferner hierher zu stellen ein Fall, den Heschl *)
einige Jahre später beschrieben hat. Bei einem 68jährigen !
Tagelöhner hatte sich in Folge eines Traumas am linken Unter- !
Schenkel eine schnell in Verjauchung übergegangene Geschwulst
von der Grösse eines Kindskopfes entwickelt, der Tod erfolgte
etwa */ 4 Jahre nach der Verletzung an Erschöpfung. Bei der
Autopsie erwies sich der Tumor als ein „gewöhnlicher weisser
Med ul larkrebs“, welcher das untere Vierttheil der Fibula fast ;
gänzlich zerstört hatte. Das im Herzen und den Gefässen ent- i
haltene Blut hatte eine exquisit leukämische Beschaffen¬
heit, so dass die Gerinnsel gelbliche, schmierige, eiterähnliche
Klumpen darstellten, und eine microscopische Untersuchung des
neben ihnen vorhandenen Blutes eine so grosse Menge farbloser
Zellen ergab, dass sie mindestens */* aller vorhandenen Blut¬
zellen zu bilden schienen. Oennoch war die Milz von ge¬
wöhnlicher Grösse (4" lang, 3" breit, 17 a " dick), schlaff,
mit sehr gerunzelter Kapsel, ihre Substanz weich, bräunlich
roth, ohne alle sichtliche Anomalie. Ebenso die Lymph-
drüsen nicht vergrössert, noch sonst verändert, nur
die Mesenterialdrüsen zum Theil (ungefähr 15 derselben) etwas
geschwollen, höhnen- bis halbhaselnussgross, weich und saftig
und ebenso in den Leistenbeugen einige haselnussgrosse, schlaffe,
zähe, blutleere Drüsen. In der rechten Lunge lobuläre pneu¬
monische Herde, zum Theil in eitriger Einschmelznng begriffen.
Heschl bezeichnet den Fall als „höchst merkwürdig“ und
macht mit Recht darauf aufmerksam, wie hier der hohe Grad
der Blutveränderung in einem auffälligen Missverhältniss zu der
geringen Erkrankung der Lymphdrüsen steht.
Eine weitere Beobachtung ähnlicher Art verdanken wir
wiederum Virchow 2 ). Ein 3 l / t Jahr altes Mädchen, welches
früher an Rachijis, später an Bronchopneumonie gelitten hatte,
starb unter den Erscheinungen der Ecclampsie. Die Section er¬
gab: brüchige, grauweisse Gerinnsel im Herzen, welche micro-
scopisch sich aus farblosen Körperchen, vorwiegend der kleinen
lymphatischen Form, zusammengesetzt zeigten; Milz von nor¬
maler Grösse, blass, dicht und fest, das Gewebe wenig ver¬
ändert, die Follikel nicht sehr deutlich, die Gekrösdrüsen
bis zum Umfang von Haselnüssen vergrössert, sehr
prall, grauweiss mit seröser Flüssigkeit durchfeuchtet; im Ileum
eine wenig ausgedehnte croupöse Pseudomembran, die unteren
Peyer’schen Haufen stark geschwollen, weissröthlich, mar¬
kigweich, die oberen weniger geschwollen, etwas röther, die
Solitärdrüsen des Dünndarms sehr gross, perlartig vor¬
stehend, die des Dickdarms und im Coecum leicht geschwollen
— ausserdem beiderseits chronische Bronchopneumonie, leichter
Nierenkatarrh, in der Rückbildung begriffene rachitische Knochen.
Zur Erklärung dieser Beobachtung sieht sich Virchow ge¬
zwungen, auf die Vorgefundene Schwellung der Darmfollikel und
Gekrösdrüsen zu rekurriren, doch hebt er selbst hervor, dass
dieselbe nicht so auffällig war, dass man geneigt sein konnte,
1) Heschl, über einen Fall von Leukämie. Virchow’s Archiv,
IM. VIII, p. 353.
2) Virchow, gesammelte Abhandlungen p. 191).
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sie mit der Hyperplasie der äusseren Lymphdrüsen zu paralle-
lisiren, wie sie sonst bei der lymphatischen Leukämie vorkommt.
Jedenfalls kann man hierin kaum eine befriedigende Lösung des
Räthsels erblicken.
Dasselbe gilt von einem vierten Falle, der sich in der
Literatur vorfindet und als „Leukämie intestinale“ vermuthungs-
weise gedeutet worden ist. ßehier 1 ) behandelte einen 25jäh¬
rigen Mann, welcher ohne bekannte Veranlassung zu kränkeln
angefangen hatte, bei der Aufnahme in das Spital eine auf¬
fallende Blässe und Magerkeit und eine Blutmischung, bei der
farblose und farbige Zellen in gleicher Zahl vorhanden waren,
ohne Milz- und Lymphdrüsenschwellung zeigte und bald unter
zunehmender Schwäche starb. An dev Leiche erschien die
Milz kaum vergrössert, dagegen „beträchtliche Schwellung
vieler Darmzotten, sowie der solitären Follikel undPeyer¬
sehen Plaques, welche letztere eine beträchtliche Anhäufung
von lymphatischen Elementen innerhalb des die Follikel umge¬
benden Gewebes zeigten, die solitären Follikel in Kapseln von
V*—1 Mm. Dicke eingebettet“.
Wenn diese 4 Beobachtungen, welchen sich vielleicht noch
einzelne andere, von mir übersehene Fälle anreihen lassen, aus
einer Zeit stammend, in der man dem Knochenmarke bei der
Untersuchung leukämischer Leichen noch keine Aufmerksamkeit
schenkte, für sich allein schon zeigen, daes nicht alle Fälle
von Leukämie lienal-lymphatischen Ursprungs sind, und dass die
Virchow’sche Lehre somit nicht zur Erklärung des Krank¬
heitszustandes vollständig ausreichend ist, so durfte das Re¬
sultat, zu welchem ich in dem oben erwähnten Falle meiner
ersten Beobachtung durch die Untersuchung des Knochenmarkes
gelangte, wohl als geeignet betrachtet werden, um eine in
dieser Lehre bestehende Lücke auszufüllen und in allen zur
klinischen Beobachtung oder Autopsie kommenden Fällen von
Leukämie die Aufmerksamkeit auf das Knochenmark zu lenken.
Ich bedauere, dass letzteres nicht durchweg geschehen ist, den¬
noch beträgt die Zahl der bis jetzt vorliegenden Fälle von
Leukämie, bei welchen an der Leiche resp. während des Lebens
(Mosler) eine Erkrankung des Knochenmarkes constatirt worden,
soweit ich dieselbe aus der Literatur habe ermitteln können
bereits über 20. Ordnen wir dieselben rücksichtlich ihres Werthes
für die Frage nach der Bedeutung des Knochenmarks für die
Entstehung der Leukämie, so lassen sie sich in 3 Gruppen
sondern:
1. Fälle, in welchen Milz- und Lymphdrüsen keine Hyper¬
plasie zeigten, die sich demnach den vorhin erwähnten durch
das Fehlen der Knochenmarksuntersuchung unvollständigen Be¬
obachtungen unmittelbar anschliessen.
2. Fälle, in welchen zwar eine gewisse hyperplastische
Schwellung der genannten Organe bestand, bei denen jedoch
der geringe Grad dieser Schwellung in einem Missverhältniss
stand zu der hohen Entwicklung, welche die leukämische Blut¬
beschaffenheit erlangt hatte.
3. Fälle, in welchen eine neben der Knochenmarkserkran¬
kung bestehende bedeutende Vergrösserung der Milz oder der
Lymphdrüsen oder beider Organe und damit eine für sich an¬
scheinend genügende anatomische Grundlage für die Ableitung
der Blutveränderung sich vorfand.
1. In die erste Kategorie von Fällen gehört die sehr wich¬
tige Beobachtung, welche Litten 2 ) jüngst aus der Frerichs-
schen Klinik mitgetheilt hat. Bei einer durch lange Lactation
erschöpften Frau entwickelt sich im Verlaufe einiger Wochen
1) Jahresbericht f. d. ges. Medicin. 1869, II., p. 255. Das Original
(Union medicale 1869. No. 99 und 109) war mir nicht zugänglich.
2) Litten, Berl. Klin. Wochenschr. 1877, No. 19 u. 20.
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
11. Februar 1878.
RKRhlNKR KI/INISCIIK WOCHENSCHRIFT.
71
tlas Krankheitsbild einer schweren peruiciösen Anämie; 4 Tage
vor dem Tode nimmt das Blut, welches bis dahin ausser einer
starken Verminderung der rothen und einer geringen Vermeh¬
rung der farblosen Blutzellen keine Veränderung gezeigt hatte,
eine leukämischfe Beschaffenheit an, und zwar steigt die Zahl
der weissen Blutzellen so rapid, dass am Todestage dieselben
mehr als den vierten Theil der Zahl der rothen BIut2elien be¬
tragen. Die hierdurch veranlasste genaue Untersuchung der
Milz und der Lymphdrüsen bei der Kranken ergiobt. dass
diese Organe unverändert sind, und die Autopsie liefert dte
Bestätigung hierfür: „Milz 12 Ctm. lang, 8,5 Ctm. breit, 3 Ctm.
dick, 1 ) 200 Grm. schwer, von gleichraässig graurother Farbe,
mit deutlich erkennbaren, scheinbar etwas vergrösserten Mal-
pighi’schen Follikeln und reichlich entwickeltem Balkennetz,
Kapsel zart und glatt, ohne Adhäsion, die Lymphdrüsen nirgends
geschwollen.“ Dagegen fanden sich sehr vorgeschrittene
Veränderungen in dem Marke der grossen Röhren¬
knochen; dasselbe hatte eine staubgraue Farbe und enthielt
eiteTähnliehe, grüngelbe, zerfliessend weiche Herde und kleinere
zähgallertige Partien. Microscopisch Hessen sich hier Zellen
derselben Beschaffenheit nachweisen, wie sie im Blute in so
grosser Zahl verhanden waren.
2. Diesem für die Lehre von der myelogenen Leukämie höchst
bedeutsamen Litten’schen Falle schliesst sich ein zweiter an,
über welchen mir leider bisher nur ein kurzer Bericht aus den
Sitzungsprotocollen der k. k. Gesellschaft der Aerzte in Wien 2 )
vorliegt. Herr Primararzt Dr. Englisch hatte einen 24jährigen
Mann in Behandlung, welcher in Folge einer starken Erkältung
unter den Erscheinungen einer acuten Osteomyelitis beider Schien¬
beine mit Bildung subperiostaler Abscesse erkrankte; die Unter¬
suchung des Blutes ergab ein Verhältnis» der weissen zu den
rothen Körperchen wie 1 :3, obwohl die Milz nicht vergrössert
•war und auch von den Lymphdrüsen nur die rechtsseitigen In¬
guinaldrüsen eine leichte Anschwellung darboten. Erst im
weiteren Verlaufe bildete sich bei hohem Fieber eine Milzintu-
ntescenz aus, und als der Kranke nach einigen Wochen starb,
fand sich neben mehrfachen anderen Veränderungen eine Hyper¬
plasie des Markes in allen Knochen; die Vermehrung der weissen
Blutkörperchen liess sich auffallender Weise in der Leiche nicht
mehr nachweisen.
3. An dritter Stelle verdient hier Erwähnung eine Mitthei¬
lung Brodowski’s,*) einen 62jährigen Mann betreffend, welcher
eine nur mässige (höchstens 5 malige) Vermehrung der weissen
Blutzellen darbot, und bei welchem die Section ausser Lympho¬
men der Bronchien, Leber und Nieren eine bedeutende Verän¬
derung des Markes in den Knochen (Femur' und spongiöse
Knochen) ergab. Dasselbe hatte eine weisse, markige Beschaffen¬
heit und zeigte microscopisch einen lymphomatösen Bau. Die
Milz war „ganz unbedeutend vergrössert“ und die Lymph¬
drüsen durchaus normal, so dass Brodowski gewiss mit
Recht einen myelogenen Ursprung der allerdings erst beginnenden
Leukämie annimmt.
Auch die zweite, oben angeführte Kategorie leukämischer
Krankheitsfälle mit constatirter Knochenmarksaffection umfasst
nur wenige Beobachtungen, es handelt sich hier um ein auffälli¬
ges Missverhältnis zwischen dem Grade der Blutveränderung
und der geringen Vergrösserung von Milz und Lymphdrüsen,
1) Zum Vergleich füge ich die von Henlc angegebenen Normal¬
masse bei: Länge 12—14 Ctm., Breite 8—10 Ctra., Dicke 3—4 Ctm.;
Gewicht 225 Grm.
2) Wien. Medicin. Jahrbücher redigirt von Stricker 1877, Heft 2.
3) Referat im Centralblatt für die medicinischen Wissenschaften
1874, pag. 54. Das polnische Original ist mir unbekannt geblieben.
welches von den Beobachtern hervorgehoben wird und es sehr
nahe legt, wie auch meistens geschehen ist, die Erklärung der
Erscheinungen in der Erkrankung des Knochenmarkes zu suchen.
4. Ich rechne hierher zunächst die Beobachtung, welche
Waldeyer *) mitgetheilt hat und die ihn dazu bestimmte, meinen
Angaben über eine genetische Beziehung von Knochenmarksleiden
zur Leukämie beizupflichten. Sie betrifft einen 31jährigen Mann,
welcher ein äusserst kachectisch anämisches Ansehen zeigte und
mit einer alten Ankylose des rechten Kniegelenkes und des
rechten Ellbogengelenkes behaftet war; an ersterem bestanden
eiternde Fistelgänge, aus welchen sich wiederholt bedeutende
Blutungen einstellten. Die Untersuchung des Blutes ergab eine
exquisit leukämische Beschaffenheit desselben. Der Kranke
erlag wenige Tage, nachdem die Amputation des Oberschenkels
gemacht worden, einer Pyämie. Die Section zeigte eine sehr
eingreifende Veränderung des Knochenapparates: in den grossen
Röhrenknochen der rechten unteren Extremität (Femur, Tibia
und Fibula), sowie auch in dem rechten Humerus hatte eine
sehr starke Wucherung des Markes stattgefunden, welche sich
eben sowohl in einer bedeutenden äusserlich sichtbaren Auf¬
treibung der Knochen (Tibia und Fibula waren im Durchmesser
doppelt so gross als auf der linken Seite), als auch in einer
sehr auffälligen Verdünnung der umschliessenden Knochenrinde,
welche rn zahlreichen Stellen vollständig durchbrochen waren,
kund gab. Die Beschaffenheit des Markes war theils gallertig
weich, dunkelgrauroth, einer weichen Milzpulpe ähnlich, theils
gelb, „fast wie myxoniatöses Fettgewebe.“ Abweichend von den
meisten anderen Beobachtungen ist die partielle Beschränkung
des Processes; wenigstens giebt Waldeyer an, dass nicht nur
Tibia und Fibula der linken Seite, sondern auch die rechten,
mit dem erkrankten Humerus synostotisch verbundenen Vorder¬
armknochen gewöhnliches Fettwark enthielten, dagegen wird
allerdings eine starke Entwickelung der Schädel-Diploe, sowie
des Markes in den Beckenknochen (os pubis) erwähnt. Was das
Verhalten von Milz und Lymphdrüsen betrifft, so zeigte erstere
neben älteren Infarcten zahlreiche linsengrosse geschwollene Mal-
pighi’sche Körperchen, zum Theil mit weichem eiterähnlichen
Inhalt, das übrige Milzparenchym brüchig, jedoch noch fest,
dunkelgrauroth. Der Längendurchmesser der Milz war auf
21 Cmt. vergrössert, Breite und Dicke (10 resp. 4,7 Cmt.) über¬
stiegen kaum das normale Mass. so dass Waldeyer sich zu
der Bemerkung veranlasst sieht, ein guter Theil der Milzschwel¬
lung komme auf Rechnung des fieberhaft pyämischen Zustandes
nach der Amputation, und die Schwellung sei ausserdem keines¬
wegs eine so bedeutende, wie sie die Beschaffenheit des Blutes
voraussetzt. Von den Lymphdrüsen zeigten nur die der rech¬
ten Leistengegend eine erhebliche Vergrösserung (bis zur Wall¬
nussgrösse), eine geringe Schwellung boten ausserdem die links¬
seitigen Leistendrüsen dar; die solitären Follikel des Dünndarms
traten als hanfkorngrosse, die Follikel der Zungenbasis und der
vorderen Fläche der Epiglottis als grössere, zum Theil polypöse
Knötchen hervor.
5. In dem von Immermann 2 ) beschriebenen und von ihm
als „subacute myelogene Leukämie“ gedeuteten Fälle tritt gleich¬
falls die Affection des Knochenmarkes gegenüber Milz und
Lymphdrüsen in den Vordergrund, wenn auch das klinische
Krankheitsbild sehr vei schieden von dem Waldeyer’schen Falle
war und sich vielmehr der Litten’schen Beobachtung anschliesst.
Ein 17jähriges, früher gesundes Mädchen erkrankte 6 Wochen
vor ihrer Aufnahme in die Baseler Klinik unter den Symptomen
1) Waldeyer, Virchow’s Archiv, Bd. 52.
2) Immer mann, Ueber progressive pernieiöse Anämie, Deutsches
Arch. f. klin. Medicin XIII.
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
No. G
72 BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
grosser Abgeschlagenheit, Appetitmangels, bleicher Gesichtsfarbe.
Am rechten Kieferwinkel entstand eine taubeneigros.se, allinälig
sich erweichende Geschwulst; unter zunehmender Schwäche
stellten sich Benommenheit und Delirien, auch öfter Ohnmacht- ,
anfälle und Neigung zu Erbrechen ein. Bei der Aufnahme zeigt
sich die leichenartig blasse Haut mit zahlreichen Petechien und |
einzelnen Yibices bedeckt. Temperatur 40, Puls 126—132. Die j
Kranke liegt mit halbgeschlosseneu Augen, giebt keine Antwort, ,
wimmert und stöhnt beim Versuch sie aufzurichten und giebt |
bei der Percussion des Thorax eine grosse Empfindlichkeit des ,
Sternum und der Rippen zu erkennen; feinblasiges Rasseln in *
beiden unteren Lungenlappen, lautes systolisches Geräusch an I
der Herzbasis, Venenpuls am Halse. Die Untersuchung des (
Blutes zeigt bedeutende Vermehrung der farblosen Elemente
(1:20), und zwar sind dieselben meistens klein, mit spärlich
entwickeltem Protoplasma, nur zum kleinen Theile in der Grösse
gewöhnlichen farblosen Blutkörperchen entsprechend (Lymphämie
Virchow’s). Der Tod erfolgte bereits nach 2 Tagen. Der
Befund am Blute und die Schmerzhaftigkeit der Knochen des
Thorax, welche Mosler 1 ) als wichtiges klinisches Symptom ;
leukämischer Knochenmarkserkrankung kennen gelehrt hat, hatte
Immer mann, der übrigens die in mehrfacher Beziehung frap¬
pante Aehnlichkeit mit dem Krankheitsbilde der Biermer’schen
progressiven perniciösen Anämie hervorhebt, bestimmt, die Dia- |
gnose auf eine im Anschluss an einen kürzlich überstandenen
Abdominaltyphus entwickelte myelogene Leukämie zu stellen,
und die Section (der in Aussicht gestellte ausführliche Sections- i
befund vom Professor Roth ist, so viel mir bekannt, bisher
nicht publicirt worden) ergab in der That eine erhebliche
frische zellige Hyperplasie des Knochenmarkes, nachgewiesen
am Sternum, 2 Rippen, einem Brustwirbel und dem rechten Fe¬
mur. Ausserdem fand sich ein bereits durch die klinische Un¬
tersuchung nachgewiesener mässiger Milztumor (Durchmesser
15, 12, 2V 2 Ctm.), von welchem Immermann sagt, dass er
wahrscheinlich nicht leukämischer, sondern typhöser Art war, 1
und dass er sowohl seiner Kleinheit wegen, als wegen der (
lymphämischen Beschaffenheit des Blutes keinenfalls als der ,
einzige Ausgangspunkt der Leukämie angesehen w r erden dürfte.
Die Lymphdrüsen waren, abgesehen von einer sehr massigen '
Schwellung der Darmfollikel, der Mesenterial- und Retroperi- I
tonealdrüsen, der Tonsillen und Zungenbalgdrüsen, sowie von |
dem Drüsenabscesse am rechten Kieferwinkel, intact.
6. Auch die beiden von Ponfik 2 ) jüngstmit getheilten'Krank- ;
heitsfälle sind wir nach dem anatomischen Befunde berechtigt |
hier auzuschliessen. Der erstere derselben betrifft einen 19jäh-
rigen Menschen, bei welchem die Krankheit mit einer acuten !
absudirendeu Entzündung der Tonsillen begonnen hatte; unter
Zunahme des Fiebers und schnellem Verfall der Kräfte ent¬
wickelte sich alsbald eine von Stomatitis begleitete Anschwel¬
lung der submaxillaren Lymphdrüsen, während eine Vergrösse-
rung der Milz, sowie der Drüsen in der Achsel, den Leisten¬
beugen und im Nacken sich erst später bemerklich machte (an
der Milz erst 8 Tage vor dem Tode), Bei der Untersuchung
des Blutes fand sich das Verhältniss der weissen zu den rothen
Blutkörperchen wie 1 :2. Gangrän der Mundschleimhaut und
zunehmende Verengerung der Fauces beschleunigten den tödt-
lichen Ausgang, der nach 2 monatlicher Krankheitsdauer ein¬
trat. Entsprechend diesem Verlaufe der Erscheinungen fand
sich die Milz bei der Autopsie zwar vergrössert, aber die Ver-
1) Mosler, Zur Symptomatologie der myelogenen Leukämie, Vi.rcli.
Arch., Bd. 57.
2) Ponfick, Weitere Beiträge zur Lehre von der Leukämie, Virch.
Arch., Bd. 67.
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grösserung war keine sehr bedeutende (Durchmesser 18—20 Ctm.
Länge, 8 Ctm. Breite, 5—6 Ctm. Dicke), und das dunkelblau-
rothe Milzgewebe (ausgenommen einige Infarct ähnliche Partien)
so weich und brüchig, fast breiig, dass das Bild einem acuten
Milztumor, aber nicht einer gewöhnlichen leukämischen Milz
entsprach, wie Ponfick ausdrücklich hervorhebt. Auch der
Lymphdrüsenapparat zeigte keine hervorragende Betheili¬
gung; die Drüsen des Halses ebenso w T ie die anderer Regionen,
und die Darmfollikel waren wenig geschwollen, nur die Follikel
der Zungenbasis, der Gaumenbögen und des Pharynx bildeten
grössere (bis bohnengrosse) Knoten mit grauweisser, theils mar¬
kiger, theils fester Schnittfläche. Dagegen fanden sich im
Knochen marke so umfängliche und intensive Veränderungen,
dass Ponfick in ihnen eine „genügende Grundlage für die In¬
tensität der Blutveränderung“ erblickt; untersucht wurden, wie
es scheint, allerdings nur Rippen und Tibia, in ersteren war
das Mark grau oder grauröthlich, weich, fast breiig, in letzteren
wechselte die Farbe je nach der verschiedenen Blutfüllung
zwischen einem dunkeln Roth und reinem Staubgrau, die Con-
sistenz war theils gallertig, theils breiig; auffällig war hier auch
die Zunahme und das starke Hervorquellen des Markgewebes.
7. Die Kraukheitsgeschichte des zw eiten von Ponfick (1. c.)
mitgetheilten Falles führt auf einen Hufschlag zurück, welchen
Patient, ein 37jähriger Arbeiter in der linken Seite des Leibes
erhielt; die hierdurch hervorgerufenen heftigen Schmerzen hatten
längere Arbeitsunfähigkeit bedingt, waren dann gewichen und
nach etwa einem Jahre wieder aufgetreten; es hatten sich nun¬
mehr grosse Schwäche, fieberhafte Symptome, später auch Athem-
noth und Nasenbluten hinzugesellt. Im Blute waren die weissen
Blutzellen so vermehrt, dass eine derselben auf 10 rothe kam.
Der Tod erfolgte an Pneumonie. Die Section zeigte die Milz
unerheblich vergrössert (Durchmesser 15,5 Ctm. Länge, 11,5 Ctm.
Breite, 7 Ctm. Dicke), ihr Gewebe hellgrauroth mit dunkler
rotheir Flecken, nicht auf dem Schnitte vorquellend, ausserdem
schwielige Verdickung der Milzkapsel und feste Verwachsung
mit Zwerchfell und Pancreas (Folge des Trauma). Die Lymph¬
drüsen des ganzen Körpers ohne nennenswerthe Veränderung,
nur die Follikel der Zungenbasis, der Fauces und des Pharynx
ganz unbedeutend geschwollen. Die hervorragendsten Verände¬
rungen zeigte auch hier wieder das Mark der Knochen:
im Sternum hatte dasselbe eine violettrothe Farbe und war
einer Milzpulpe ähnlich, in den Rippen, deren Corticalis und
Spongiosa deutlich rareficirt war, erschien es hellgrauroth. weich;
in der rechten Tibia und dem rechten Femur die Farbe theils
hellgrauroth, theils dunkelviolettroth, meist von fester praller
Beschaffenheit mit glatter, scharfer Oberfläche, in beiden letzte¬
ren Knochen ausserdem mehrere scharf umschriebene frische hä¬
morrhagische Infarcte.
Auf die Gründe, welche Ponfick bestimmt haben, in diesem
Falle in der Milz, deren Zustand er selbst als eine „leichte
Eikrankung“ und als eine „offenbar jugendliche Form leukämi¬
scher Hyperplasie“ bezeichnet, den primären Ausgangspunkt der
Krankheit zu suchen, komme ich später zurück, möchte jedoch
schon hier bemerken, dass Ponfick’s Beschreibung kaum dazu
berechtigt, mit Sicherheit die Milz, deren Grösse ja auch unter
normalen Verhältnissen nicht unerheblich schwankt, als krank
hinzustellen, wenn wir von den Zeichen einer alten Perisple¬
nitis abselien.
(Fortsetzung fobit.)
Original fro-m
UNIVERSITf OF MICHIGAN
11. Februar 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
73
II. Methodische Sehmierseife-Einreihnngen gegen
chronische Lymphdrüsenleiden.
Von
Oberstabsarzt Dr. ÜAppeaser in Darmstadt.
1. Vor nun bald 20 Jahren, als die Wunderthaten des
Bals. Peruv. und der Carbolsäure noch niemand ahnen mochte,
wurde mir einmal die höchst unliebsame Aufgabe, einen armen
Lumpenhändler mit Frau und 4 Kindern an Krätze zu behan-
dein, und ich kam mit Hilfe der üblichen Schmierseifeeinrei¬
bungen wirklich nur dadurch zum Ziel, dass die intelligente
Mutter nach meinen Anweisungen bald lernte, an den ihr als
Lieblingssitz der Milben bezeichneten Hautstellen die immer
wieder neu sich ausbreitenden Acarusgänge zu erkennen und
aufzufinden und hiermit durch wiederholte locale Einreibungen,
die in den beschränkten Verhältnissen unmöglich ausreichende
Desinfection zu ergänzen. Unter den Kindern war ein beson¬
ders zarter Junge von 9 Jahren, bei dem ich, wie vorher schon
ein anderer College, schon mehrere Jahre wegen „scrophulöser“
Krankheitserscheinungen, wie Drüsenanschwellungen am Halse
und hinter den Ohren, Bindehaut- und Liddrüsenentzündungen
u. dgl. mit den üblichen „Antiscrophulosis“ und mit wechseln¬
dem Erfolg zu Felde gelegen hatte. Bei diesem, welcher eben
wegen seiner Krankheit glimpflicher angegriffen worden war.
musste aus begreiflichen Gründen die Einreibung am öftesten
wiederholt werden, und zu meinem Erstaunen waren nach end¬
lich erreichtem Ziel die übrigen Krankheitserscheinungen eben¬
falls geschwunden und kehrten auch nicht wieder.
2. Einige Jahre später wurde mir als Armenarzt ein kleines,
ca. 3jähriges Mädchen zur Behandlung übergeben, eines jener
unglücklichen Opfer socialer Misere, ein uneheliches Kind, das
sein elendes Dasein unter widerwilliger Pflege liebloser Ver¬
wandten verbrachte. Es war durch Vermittlung einer wohl-
tbätigen Dame in einer hiesigen Heilanstalt mehrere Monate ver¬
pflegt und behandelt und eben erst, als gar keine Besserung
versprechend, auf Verlangen der Mutter wieder nach Hause
entlassen worden. Sein dermaliger Zustand war folgender: Das
Kind war ziemlich fett, aber von bleicher Hautfarbe, beide
Augen waren krampfhaft geschlossen, indem das Kind ständig
entweder das Gesicht gegen eine Unterlage, oder die Hände
gegen dasselbe drückte. Beim gewaltsamen Oeffnen konnte man
auf beiden Hornhäuten ausgebreitete Verschwärungen bei verhält-
nissmässig weniger afficirterBindehaut wahrnehmen. Die äusseren
Bedeckungen der Lider und der Wangen von abfliessendem Se-
cret beschmutzt und stark excoriirt, an Nasen- und Mundwinkeln
wunde Stellen.
Die Lymphdrüsen und das Zellgewebe rund um den
Hals, besonders aber auf der rechten Seite und im
Nacken waren colossal angeschwollen, so dass sie an
diesen Stellen die Peripherie des Schädels überragten, und aus
6 — 8 z. Th. geschwürig weiten Fistelöffnungen ergoss sich
reichlicher, dünnjauchiger Eiter.
Wenig erbaut von der mir gewordenen Aufgabe, beschloss
ich, meine bei oben beschriebener Krätzecur gemachten thera¬
peutischen Erfahrungen hier zu verwerthen, und verordnete
neben einigen, ut aliquid fiat, verschriebenen farbigen Tropfen
die käufliche braune Schmierseife zweimal in der Woche Abends
vor Schlafengehen etwa 1 Esslöffel voll mit lauem Wasser mit¬
telst eines zarten Wollläpchens auf die Hinterseite des Körpers
vom Nacken bis zu den Kniekehlen einzureiben, dann nach
zehn Minuten mit warmem Wasser abzuwaschen, worauf das
Kind zu Bett gebracht wurde. Zur Unterstürzung Leberthran
und nach Möglichkeit leichte, gute Ernährung. — Nach etwa
4 Wochen waren die unförmlichen Anschwellungen bis auf
wenige bewegliche Drüsenklumpen zusammengeschmolzen, die
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Fisteln zum Theil geheilt, zum Theil noch mässig eiternd, die
entzündlichen Erscheinungen auf beiden Augen ganz geschwun¬
den; nur auf beiden Hornhäuten lagen zwei ziemlich dichte
Trübungen, welche das Sehen noch in hohem Grade beeinträch¬
tigten. Während einer mehrwöchentlichen Abwesenheit meiner¬
seits hatte die fühllose Umgebung selbst die geringe Mühe der
Cur gescheut, und war sofort wieder Zunahme des Uebels
nach jeder Richtung eingetreten. Nachdem jedoch auf mein
energisches Einschreiten die regelmässigen Einreibungen wieder
aufgenommen worden waren, machte die Besserung auch wieder
rasche Fortschritte, und nach mehreren Monaten erinnerten nur
noch zwei ovale Hornhautflecke, welche eine hochgradige Kurz¬
sichtigkeit bedingten, sowie einige Narben am Halse, welche
übrigens weniger verzeirt und entstellend waren, als sonst ge¬
wöhnlich bei der chirurgischen Behandlung derartiger chro¬
nischer Verschwärungsprocesse der Fall zu sein pflegt, an das
überstaudene Leiden. Nach etwa zwei Jahren sah ich das
Kind noch einmal. Es zeigte ein frisches, gesundes Aussehen,
die Hornhauttrübung war nur noch auf einem Auge schwach
wahrzunehmen, das Sehvermögen in der Nähe kaum beein¬
trächtigt, die Narben am Halse alle glatt und mit wenig Ver¬
ziehung fest verheilt.
3. Im Vorsommer 1873 wurde mir ein Knabe von etwas
geringerem Alter von Landleuten vorgestellt, dessen Krankheits¬
zustand genau als Pendant zu dem eben geschilderten dienen
konnte. Die es begleitende Stief- und Grossmutter erzählten
mir, die Mutter sei wenige Wochen nach seiner Geburt an der
Schwindsucht gestorben, und habe das hierbei unvermeidliche
häusliche Elend und die Vernachlässigung in der Pflege des
Kindes zur Steigerung der schon bestehenden Krankheitsanlage
beigetragen. Die Stiefmutter, welche, wie ich mich selbst ver¬
gewissert habe, durchaus nicht wie eine solche, sondern mit
musterhafte Aufopferung für dasselbe besorgt war, erzählte auch,
der Knabe sei lange Zeit vom Arzte zu Hause behandelt, dann
seit 2 Monaten öfter in die Klinik eines Augenarztes getragen
und daselbst an den Augen geätzt worden, das Uebel sei aber
seither stets schlimmer geworden. Das Gesammtkrankheitsbild
wich von dem vorher beschriebenen, namentlich anch bezüglich
der enorm angeschwollenen und zum Theil vereiterten Halsdrüsen,
wenig ab. Wangen und Umgebung der Augen waren noch stär¬
ker entzündet und excoriirt, und zeigten die letzteren deutliche
Spuren der gewaltsamen topischen Behandlung. Der wohl durch
letztere besonders verschüchterte Knabe widersetzte sich einer
genaueren Untersuchung der Augen so energisch, dass ich nur
von einem eine uuvollkommene Ansicht gewinnen konnte, wobei
ich mich von dem Vorhandensein eines tiefen Geschwüres auf
der Hornhaut mit stark entzündeter Umgebung überzeugte. Den
Zustand der tieferen Gebilde des Auges konnte ich nicht er¬
kennen. Da ich eben in den Vorbereitungen zu einer längeren
Dienstreise begriffen war, so konnte ich mich auf Uebernahme
einer eigentlichen Behandlung nicht einlassen und beschränkte
mich m darauf, die Schmierseife-Einreibungen in der früher be¬
schriebenen Weise, verbunden mit einem entsprechenden stärken¬
den Regimen vorzuschreiben, was auch, wie ich später erfuhr,
gewissenhaft ausgeführt worden ist. Erst gegen Ende September
desselben Jahres sah ich den Knaben wieder, aber so völlig
verändert, dass ich ihn gar nicht gleich wieder erkannt hätte.
Die Gesichtsfarbe frisch und gesund, die Augen ebenso und ohne
jegliche Trübung, die enorm angeschwollen gewesenen Hals¬
drüsen fast ganz verschwunden, die Fisteln bis auf zwei noch
wenig eiternde, welche vorn neben dem rechten Kopfnicker zu
einem noch etwas geschwollenen Drüsenpacket führten, geheilt.
Diese letzten Krankheitsreste sind später auch noch unter fort¬
gesetzten Schmierseifeeinreibungen völlig geschwunden.
2
Original frn-m
university of michigan
74
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 6
4. Ein Mädchen von 1V 4 Jahren, aus einer ländlichen Ar- |
heiterfamilie, das jüngste von 3 Geschwistern, wovon das äl¬
teste an einer faustgrossen Geschwulst in der Ohrspeicheldrüsen¬
gegend leiden und ein anderes an „Drüsen“ gestorben sein soll,
wurde mir Mitte August 1876 zuerst vorgestellt. Unter dem
linken Unterkieferwinkel zeigte es eine harte, empfindliche, we¬
nig verschiebliche, eigrosse Drüsengeschwulst, über welche sich
mehrere auffallend bläuliche Venenstreifen wegzogen. After,
Nasen- und Mundwinkel zeigen Wundsein und Schrunden, die
Haut über dem ganzen Körper ist mit dunklem Flecken- und
Knötchenausschlag bedeckt, die Kopfschwarte mit dickeu Borken,
unter welchen bei versuchsweiser Entfernung eine hässlich eiternde
Fläche zum Vorschein kommt. Innere Wangenschleimhaut und
Zahnfleisch des Unterkiefers, an welchem erst 3 Schneidezähne
durchgebrochen sind, bedecken verschiedene Geschwüre mit
unreinem, speckig aussehendem Grunde. Die Mutter zeigt
Schrunden an Nase und Mundwinkel und giebt an, vor 10
Jahren an einer Anschwellung des linken Unterschenkels ge¬
litten zu haben, glaubt, dass ihre gegenwärtigen Krankheitser¬
scheinungen von dem Kind übertragen seien, scheint aber sonst
gesund zu sein. Ebenso sei der Vater gesund. Das Kind, sagte
sie, sei von Anfang an kränklich gewesen, aber erst nach der
vor vier Wochen stattgehabten Impfung sei es so schlimm ge¬
worden.
Zunächst eine syphilitische Grundlage vermuthend, versuchte
ich es mit Hydr. oxydul. nigr., welches auch erst Erfolg zu
versprechen schien. Appetit und Ernährung besserten sich etwas,
ebenso die Intensität der Hautaffectionen, aus welchen sich pso¬
riasisartige Flecken über den ganzen Rücken herausbildeten.
Nach einem intercurrirendem Keuchhusten wurde mir zu Anfang
v. J. das Kind in weit schlimmerem Zustand wiedergebracht,
und nun blieb dasselbe Mittel, wie auch die verschiedensten
Antiscorphulosa ohne jeden Erfolg; im Gegentheil zeigte jede
Wiedervorstellung eine neue Verschlimmerung, und zu Ende
März stellte das Kind folgendes Jammerbild dar: Mund- und
Nasenschleimhaut geschwürig, von den unterdess gekommenen
Zähnen war der vordere Backenzahn des linken Unterkiefers
wieder ausgefallen und hinterliess eine eiternde Fistel, welche
in der Tiefe den rauhen Knochen fühlen Hess, die äussere Ge¬
schwulst hatte bedeutend zugenommen, ohne zu fluctuiren, beide
Augen waren heftig entzündet und lichtscheu, auf der linken
Hornhaut ein beginnendes Geschwür, sämmtliche zehn Finger
und ein Theil der Zeheu entzündlich geschwollen und zum Theil
mit hässlichen Geschwüren bedeckt, über den ganzen Körper
eitrige Pusteln und kleine Furunkel verbreitet, besonders in der
Umgebung des Afters und der Genitalien, die Kopfschwarte mit
dicken Borken überkleidet.
In halber Verzweiflung über die Ohnmacht der Kunst sol¬
chem Menschenelend gegenüber, erinnerte ich mich der früheren
Erfolge der Schmierseifeeinreibungen in freilich etwas anders
gestalteten Fällen und Hess solche unter vorsichtiger Schonung
der stärkst entzündeten Stellen des Rückens in früher betrie¬
bener Weise machen; wegen der starken Eiterung im Mundo Hess
ich diesen öfter mit einer Lösung von Kali, chlor, austupfen. Der
nächste Erfolg war ein baldiges Aufhören der entzündlichen Er¬
scheinungen au den Augen; dann verloren sich Geschwüre und
Ausschläge auf den Schleimhäuten und der äusseren Haut, die
Borken auf dem Kopf fielen ab und hinterliessen gesunde Flächen
mit gutem Haarwuchs; die Drüsenanschwellung am Kinn ist be¬
deutend zurückgegangen und scheint hauptsächlich noch durch
Auftreibung der Kinnlade bedingt, die allgemeine Ernährung hat
sich auffallender Weise trotz der fortdauernden Eiterung im
Munde bedeutend gebessert, und bleibt gegenwärtig als einziges
Residuum des früheren Krankheitsbildes nur noch das necrotische
Stück im Unterkiefer, für dessen spontane oder operative Be¬
seitigung der dermalige Allgemeinzustand bedeutend günstigere
Chancen bieten dürfte.
Ich habe vorstehende Fälle unter anderen ausgewählt, weil
mir bei ihnen wenigstens das „post hoc ergo propter hoc“ ge¬
rechtfertigt erscheint, und überlasse es berufeneren, das wie und
warum dafür auszufinden, und ich befolge bei deren Veröffent¬
lichung den doppelten Zweck, erstens einem und dem anderen
Collegen einen Dienst zu erweisen, indem ich ihn auf ein so
einfaches und wirkungsvolles Mittel gegen Krankheitserscheinun¬
gen aufmerksam mache, welche so oft die Verzweiflung des
Arztes wie des Kranken und seiner Umgebung bilden, sodann
weil ich mir auf diesem Wege Aufklärung über manche mir
noch dunkle Frage zu schaffen hoffe. Ich habe dermalen zu
wenig Gelegenheit, selbst ausgiebige Erfahrungen zu sammeln,
um die Grenzen der Wirksamkeit solcher methodischer Ein¬
reibungen zu bestimmen, und indem schon der zuletzt erzählte
Fall beweist, dass die gewählte Ueberschrift nicht mehr ganz
bezeichnend ist, möchte es besonders von Interesse sein, zu er¬
proben, ob und welchen Einfluss das Mittel auch bei anderen
chronischen Entzündungen und Verschwärungen, etwa der Ge¬
lenke und wichtiger innerer Organe, bewährt, sowie ob es auch
in weiteren Altersstufen wirksam sich zeigt, und würde es mich
freuen, an dieser Stelle oder durch directe Mittheilung die ev.
Erfahrungen anderer Collegen kennen zu lernen.
IIL Ein Fall von sabacntem Rotie beim Menschen.
Von
Dr. Scheby-Buch, Hamburg.
In folgendem berichte ich über einen Krankheitsfall, welchen,
obschon die Aetiologie nicht ganz klar war und eine Section
nicht gemaeht werden konnte, als Malleus humidus zu bezeich¬
nen ich nicht anstehe. Diese Krankheit ist ja immerhin eine
seltene, und eine Bereicherung der Casuistik erscheint nicht
ganz überflüssig.
Am 15. Mai v. J. wurde ich zu dem Gemeindevorsteher A.
aus Langeloh im Holsteinischen gerufen.
Die Anamnese, eruirt an dem etwas unbesinnlichen Pat
und dessen Frau, ergab folgendes: Ungefähr 8 Tage nach
Ostern war am Halse, in der Kehlkopfgegend ein „Pickel“
aufgetreten, der in 1—2 Tagen rasch bis zu jetziger Grösse
(über faustgross) aufgelaufen war und sehr geschmerzt habe.
Schon einige Tage vorher hatte der Kranke sich schlecht be¬
funden und war sein fahles, bleiches Aussehen aufgefallen.
Bei Beginn soll Frieren mit nachfolgender Hitze zugegen
gewesen sein, weiches sich nicht wiederholte. Ungefähr 14 Tage
hernach traten im Gesicht mehrere Knoten auf, die Augen
rötheten sich und sonderten eitrigen Schleim ab, die
Nasenöffnungen waren mit Borken verstopft, und fing
der Kranke zu husten an. Auch stellten sich rheuma¬
tismusähnliche Schmerzen in Muskeln und Gelenken
ein. Dann traten auf der Brust und in der Leistengegend
mehrere kleine Pusteln auf. Auf dem linken Handrücken,
! in der Nähe des Handgelenks bildete sich ein wallnnss-
! grosser Knoten, welcher später durchging und Eiter abson-
i derte. Auch der zuerst entstandene Knoten am Halse sonderte
Eiter ab. Dabei war der Kranke überaus matt und hinfällig,
die Stimme wurde heiser, der Appetit verging fast gänzlich.
Der Stuhlgang war angehalten. Die Pusteln an den verschie¬
denen Stellen des Körpers nahmen zu, die bestehenden ver-
grösserten sich und gingen durch, der Eiterausfluss aus den
| Augen nahm zu.
1 Stat. praes., den 13. Mai 1877.
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
11. Februar 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
75
Der 31jährige Pat. ist kräftig und muskulös gebaut. Der¬
selbe macht einen sehr apathischen Eindruck, liegt mit geöffne¬
tem Munde ruhig, ohne sich viel um seine Umgebung zu küm¬
mern, da, antwortet mit heiserer matter Stimme, legt sich,
wenn in die Höhe gerichtet, sogleich mit halb geschlossenen
Augen, wie zum Schlafe, wieder nieder. Die Angaben desselben
sind einigermassen zutreffend und übereinstimmend mit denen
seiner Frau; jedoch besinnt er sich zuweilen lange, und verur¬
sacht ihm das Antworten offenbar Anstrengungen und ist ihm
lästig.
An dem vorderen Theile des Halses, in der Kehl¬
kopfgegend findet sich eine über faustgrosse, nicht in der
Haut verschiebbare Geschwulst, mit dem grössten Durch¬
messer in der Querrichtung. Dieselbe grenzt sich nicht scharf
von der Umgebung ab. Die Haut oberhalb derselben ist ge-
röthet, mit Eiter bedeckt, welcher aus vielen siebartigen Löchern
hervordringt. Die Geschwulst fühlt sich weich, wie fluctuirend
an. Neben dieser befindet sich an der linken seitlichen Hals¬
gegend eine Geschwulst von ähnlicher Beschaffenheit von Klein¬
apfelgrösse. Ausserdem an der Stirn, den Augenlidern,
dem Nasenrücken rechterseits, den Wangen, stellenweise
auch am behaarten Kopfe, nahe der Stirn und der Schläfenge¬
gend, sowie dem Ohre viele erbsen- bis haselnussgrosse Pusteln
auf geröthetem, schmerzhaftem, hartem Grunde. Die kleineren
derselben sehen denen bei Pocken vorkommenden sehr ähnlich.
Beim Einschneiden entleeren sie weissgelblichen Eiter und Blut.
Besonders hervortretend ist der haselnussgrosse Knoten am
Nasenrücken rechterseits. Die Umgebung derselben ist ge-
röthet, hart, nicht über dem Knochen verschiebbar, auf Druck
schmerzhaft. Derselbe läuft kegelförmig in eine mit Eiter ge¬
füllte Spitze aus. Ein ähnlicher Knoten sitzt auf dem oberen
Augenlide rechts. Die übrigen, bis über haselnussgrossen
Pusteln im Gesicht haben gleichfalls e ne geröthete, infiltrite,
auf Druck schmerzhafte Basis und sind an der Spitze mit Eiter
gefüllt.
Die Augenlider beiderseits sind durch die Augenwimper
mit eitrigem Schleim stark verklebt, so dass die Augen
nur wenig geöffnet werden können. Nach Aufweichung der
verklebten Lider zeigt sich die Bindehaut der Augenlider stark
diffus geröthet, mit eitrigem Schleim bedeckt. Die Nasenöffnungen
sind durch bräunlich-schwärzliche Krusten fast total verklebt,
so dass der Kranke nicht durch die Nase athmen kann und
mit halbgeöffnetem Munde daliegt. Nach Entfernung der Krusten
durch Aufweichen und Ausspritzen der Nase mit einer ver¬
dünnten Kali-hypermangan-Lösung kommt im unteren Theile
der Nasenhöhle die mit Eiter und Blut bedeckte, stark ge-
rötbete und geschwollene Nasenschleimhaut zum Vor¬
schein. Bei Anwendung des Nasenspiegels sieht man auf der¬
selben mehrere, kaum erbsgrosse Pusteln, von denen ein¬
zelne durchgegangen sind und kleine, mit Eiter bedeckte Ge¬
schwüre darstellen. Die Zunge ist ganz dick, förmlich
schwarz-russig belegt, welchen Belag man in Stücken ab¬
schaben kann. Ein gleicher Belag, jedoch weniger ausgeprägt,
findet sich auf dem weichen Gaumen linkerseits. Nach Ent¬
fernung desselben sieht man hier und am hinteren Zungenrücken
einzelne kleine Pusteln, von kaum Erbsgrösse, ähnlich denen
auf der Nasenschleimhaut. Einzelne derselben am weichen
Gaumen sind in kleine Geschwürchen verwandelt. Eine Unter¬
suchung des Kehlkopfes mittelst des Spiegels ist bei der
grossen Schwäche des Kranken nicht gut möglich. Jedoch
lässt die heisere, schwache Stimme auf ähnliche Affectionen im
Kehlkopf schliessen.
Die Lymphdrüsen des Halses, wo sie durchfühlbar,
waren vergrössert und hart. Auf dem vorderen oberen
Theil der Brust, bis oberhalb der Brustdrüse, waren mehrere,
auf schwach gerötheter Basis stehende, bohnengrosse, mit Eiter
gefüllte Pusteln bemerkbar. Gleiche, jedoch grössere, bis hasel¬
nussgrosse, zwei an der Zahl, mit gerötheter, schmerzhafter,
infiltrirter Umgebung fanden sich oberhalb der Schamfuge
! am Bauche. Am Rücken und an den Beinen waren keine
| wahrnehmbar. Am Handrücken links, in der Nähe des.Hand-
! gelenkes ein thalergrosses Geschwür mit indurirter Um-
j gebung und unregelmässig zerklüftetem, mit missfarbigem
! Eiter bedeckten Grunde. Dasselbe soll vordem ein Knoten
gewesen sein, welcher sich mit Eiter füllte und durchging und
1 das jetzige Geschwür darstellt. Dieses soll nach dem am Halse
! auftretenden Knoten vor 14 Tagen entstanden sein. Jetzt
; schmerzt dasselbe wenig. Auf der gut gewölbten breiten Brust
| ist überall normaler Percussionsschall, doch sehr schwaches
Athmen. Hinten einzelne kleinblasige Rasselgeräusche mehr
trockenen Characters. Die Herzdämpfung normal; die Herztöne
schwach und dumpf, ohne deutliche Geräusche. Leber und Milz
I nicht vergrössert. Urin spärlich, rothbrauu, ohne Albumin. Der
i Puls schwach, klein, 110 in der Minute. Die Temperatur 37,5
in der Achselhöhle. Die Haut kühl, mit klebrigem Schweisse
bedeckt. Am After viele äussere Hämorrhoidalknoten. Stuhl
seit 2 Tagen retardirt. Die Lymphdrüsen der Achselhöhle und
der Leistengegend nicht vergrössert. Theils um die Beschaffen¬
heit der Anschwellung am Halse zu eruiren, theils um die
Schmerzhaftigkeit zu heben, wurde ein tiefer, quer über den
| Hals der ganzen Länge nach laufender Schnitt gemacht. Es
■ entleerte sich wenig Eiter und viel Blut. Die Wunde wurde
mit Carbolöl verbunden. Ausserdem wurden desinficirende Lö-
: sungen zum Reinigen der Wunden, der Nase und der Augen
verordnet.
Am nächsten Tage, dem 14. Mai, war der Kranke auffallend
schwächer und matter. Die Nacht hatte er unruhig und ohne
Schlaf verbracht. Er lag soranolent und apathisch in schlaf¬
ähnlichem Zustande mit geschlossenen Augen da und gab auf
Fragen nur sehr einsilbige Antworten. Die Respiration war
schnarchend, indem Patient nur durch den Mund zu athmen
gezwungen war. Beim Aufsetzen sank der Kranke kraftlos in
die Kissen zurück. Etwas trockener Husten war vorhanden
gewesen; Stuhl auf ol. ricini erfolgt. Zu essen hatte er gar
nicht, nur zu trinken verlangt. Sehr auffällig war eine er¬
höhte Reflexerregbarkeit, ähnlich der bei Strychninver¬
giftung. Beim unvermutheten Berühren des Kranken schrak er
stets convulsivisch zusammen. Die Augen eiterten trotz Pin¬
selung mit Argent. nitric. noch stark, ebenso war trotz wieder¬
holtem Ausspritzen der Nase dieselbe gleich wieder mit dicken
borkigen Krusten besetzt, und floss blutiger Schleim und Eiter
aus derselben. Durch das Gurgeln hatten sich die Borken auf
dem weichen Gaumen gelöst, und kam die geröthete, mit kleinen
pustulösen Knötchen bedeckte Schleimhaut zum Vorschein. Die
Zunge war noch stark nissig belegt, die Sprache heiser und
matt. Die Incisionswunde am Halse war in Eiterung. Im Ge¬
sicht waren einzelne neue pustulöse Knötchen aufgetreten. Or-
dinirt wurde liquor ammon. anisat. und Wein.
Am nächsten Tage, dem 15. Mai, war der Zustand ein
bedeutend schlechterer. Der Kranke hatte die Nacht delirirt
und lag jetzt ganz soporös und anscheinend ohne klare Be¬
sinnung da. Er kannte von seiner Umgebung nur seine Frau.
Am Halse rechts war seit gestern ein über wallnussgrosser
Knoten mit eiternder Fläche entstanden. Der Puls war
sehr schwach. Auf Fragen reagirte der Kranke gar nicht mehr.
Um eine genaue Untersuchung post mortem zu ermöglichen,
erklärte ich die Aufnahme ins allgemeine Krankenhaus für
nothwendig, womit sich auch die Angehörigen einverstanden
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2 *
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
TG
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 6
erklärten. Ehe dieselbe jedoch ermöglicht werden konnte, starb
derselbe um 5 Uhr Nachmittags des nächsten Tages. Die Sek- :
tion wurde nicht gestattet. .
In betreff der Aetiologie brachte ich folgendes in Er¬
fahrung. :
Der Verstorbene war Landmann und hatte 5 Pferde. Vier
waren gesund, eins derselben hatte er erst gekauft und hatte ,
es wegen einer „Sehnenklappe“ brennen lassen, wodurch ein
Geschwür am Bein entstanden war. Auf Befragen gab mir der |
Kranke am ersten Tage, als derselbe noch hinlänglich bei Be¬
sinnung war, auf die Frage, ob das Pferd Ausfluss aus der Nase j
gehabt hatte, an, es sei dies der Fall gewesen, er habe den
Thierarzt selbst davon benachrichtigt, derselbe ihm jedoch ge¬
sagt, es sei Erkältung, auch habe es Husten gehabt. Ausser- |
dem gab derselbe auf Befragen bestimmt an, das Pferd habe
an den Beinen Knoten gehabt, dieselben seien in Folge von j
eingeriebenen Salben durchgegaugen und in Geschwüre verwan- j
delt worden. Das Pferd sei am Leben. Als ich sodann aus der
Diagnose kein Hehl machte, suchte mau offenbar den Thatbe- !
stand aus leicht begreiflichen Gründen zu verdunkeln, und die
Frau stellte alles in Abrede. Sie machte sich ausserdem da¬
durch verdächtig, dass sie gleich Tags nach meinem ersten Be- |
suche nach Hause reiste und erst am folgenden zu ihrem Manne
zurückkehrte. Die Pferde waren durch hölzerne Querbalken von I
einander getrennt, die übrigen Pferde sollten gesund sein. Die
Meldung des Falles an das Medicinalinspectorat in Hamburg ]
wurde gemacht. Der stellvertretende Medicinalinspector Dr.
Ermann, welcher den Kranken eben nach dem Tode noch ge- i
sehen, gleichfalls an Malleus humidus glaubte, liess die Meldung I
an die betreffende Polizeibehörde des holsteinischen Gebietes j
weiter gehen, um die genauere Eruirung der Aetiologie festzu- |
stellen.
Wie mir später mitgetheilt ward, wurde auf dem Gehöfte 1
des A. kein rotzkrankes Pferd gefunden, doch könnte, aus nahe- j
liegenden Gründen, dasselbe sehr leicht bei Seite geschafft
worden sein.
Ich habe nocli nachzutragen, dass ich gleich am ersten
Tage von dem Eiter aus einem Furunkel am Kopfe eine 14 tägige
Katze impfte, jedoch ohne Erfolg. Im mikroskopisch unter¬
suchten Blute habe ich keine pilzähnlichen Gebilde mit Sicher- !
heit nachweisen können.
In betreff der Diagnose muss ich zunächst betonen, dass
im allgemeinen zur Feststellung derselben, meines Erachtens, j
der objective Thatbestand das einzig massgebende ist, indem
die Anamnese oft ungenau und subjectiv gefärbt, die Aetiologie j
oft schwer zu eruiren ist. Wer wollte beispielsweise wohl bei j
einem Pockenfalle sich auf die Aetiologie verlassen, genug, das
objective Krankheitsbild reicht hin, die Krankheit zu erkennen, die
Erfahrung lehrt, dass sie durch Contagion verbreitet wird; woher
dieselbe im speciellen Falle entstanden, hat daher nur einen
secundären Werth. Der vorliegende Fall documentirt sich in
ähnlicher Weise, nach meinem Dafürhalten, durch seinen aus¬
gesprochenen Befund hinlänglich als Malleus humidus. Das
rapide Aufschiessen des primären Knotens am Halse deutet auf
ein rasch und heftig wirkendes Gift, welches dem Organismus
einverleibt wurde. Das Auftreten der secundären Knoten und |
Pusteln, selbst an entfernteren Stellen, wie an der Hand und
dem Bauche, sowie die eitrige Affection der Schleimhäute der
Nase, des Auges und des Gaumens auf eine Selbstinfection des i
Organismus, als Beweis, dass das giftige Agens ins Blut über¬
gegangen war. Der unter grossen Prostrationserscheinungen ein- !
hergehende Verlauf bei dem starken robusten Manne in den j
besten Jahren, das unter Delirien und Collapserscheinungeu ;
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auftretende Ende trägt deutlich den Stempel einer Infections-
krankheit. Die Art derselben ist durch die intensive Affection
der Nase, der Schleimhäute des Auges und des Rachens, sowie
durch das Auftreten der charakteristischen Knoten und Pusteln
auf der Haut, welche nach dem Auftreten ulcerirten, als rotziger
Natur erkennbar.
Es passt überdies der geschilderte Symptomencomplex in
keinen anderen Rahmen eines mir bekannten Krankheitsbildes. An
Syphilis war nicht zu denken, ebensowenig an Milzbrand. Ein
einfacher Carbunkel an dieser Stelle des Körpers mit Affection
der Schleimhäute und derartigen secundären Knoten und Pusteln
habe ich in dieser Weise nie gesehen, noch auch finde ich in
der Literatur irgend Notizen darüber.
Dass die Impfung an der Katze negatiy ausfiel, spricht be¬
greiflich nicht dagegen, obschon nach Christot und Kiener
(vergl. Bolliuger in Ziemssen’s Handb. der spec. Pathologie
und Therapie, Bd. 3. S. 412.) diese bei Katzen Erfolg gehabt
haben soll. In Fällen derartiger Impfungen kann nur der po¬
sitive, nicht aber der negative Erfolg massgebend sein. Bezüg¬
lich der Frage, woher die Krankheit stammt, so ist dieses schwer
zu entscheiden. Wenn das betreffende Pferd nicht der Infections-
heerd war, so hatte der Pat. als Landmann am Ende Gelegen¬
heit genug, sich irgendwie zu inficiren. Das Krankheitsbild
aber scheint mir hinlänglich klar, um auch ohnedem und ohne
dass eine Sektion gemacht werden konnte, die Diagnose auf
Malleus humidus zu begründen. In betreff der Einzelerschei¬
nungen finden sich kaum bemerkenswerthe Abweichungen von
bekannten Fällen, abgesehen x von der erhöhten Reflexerregbar¬
keit, die ich nirgends verzeichnet finde.
Als Bereicherung der Casuistik dieser immerhin seltenen
Erkrankung ist der mitg^theilte Fall des Interesses wohl werth.
H. Ein Fall von Scarlatina maligna durch Acid.
salicylicum geheilt.
Von
Dr. Laudon, Elbing.
Bei der grossen Bedeutung, die die Salicylsäure und deren
Salze für die Therapie zu gewinnen scheinen, ist es wohl ge¬
rechtfertigt, wenn ich einen mit maligner Angina (Diphtheritis)
complicirten Fall von Scarlatina, der bei Anwendung von Acid.
salicylicum einen guten Verlauf nahm, veröffentliche. Es han¬
delt sich um einen 13jährigen, hoch begabten Schüler des hie¬
sigen Gymnasiums, der vor 6 Wochen unter den Erscheinungen
einer Gastro-Enteritis mit heftigem Fieber erkrankte, ohne dass
ein Prodromalstadium vorangegangen wäre. Schon am Abend
des ersten Tages dey Erkrankung zeigte sich ein rother Aus¬
schlag an den Beinen und der Brust, am nächsten Tage bildete
sich eine Diphtheritis des Pharynx (Uvula, Velum palatin.) und
fast gleichzeitig damit auch eine solche in der Nase und der
an den Nasenlöchern angränzenden äusseren Haut aus, die sich
durch Geschwüre, den ihr eigenthümlichen fötiden Geruch und
Ausfluss einer serösen Flüssigkeit aus der Nase ’ als solche
characterisirte. Bei der schwachen Constitution des Knaben,
dem sehr hohen Fieber (wir zählten 150 Pulse in der Minute
und das Thermometer zeigte 41 °) mussten wir die Prognose
als eine sehr ungünstige bezeichnen. In diesem Falle schien
uns nun die Anwendung der Salicylsäure in seiner doppelten
Eigenschaft als Antipyreticum und Antisepticum so recht ge¬
boten, und dürfte der günstige Verlauf dieser ganz besonders
gefährlichen Krankheit in erster Reihe derselben zuzuschreiben
seiu. Es wurde die Salicylsäure in folgender Form gegeben:
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UNIVERSITf OF MICHIGAN
11. Februar 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
77
R Acid. salicyl. 2,0 coque cum Aq. fontan. 350,0 adde
Syrup. simpl. fervid. 50,0 MDS. Stündlich 1 Esslöffel.
Als Einspritzung in die Nase verordneten wir:
Acid. salicylic. sol. 1,0 Aq. dest. 350,0 MDS. Zwei-
tündlich zu brauchen.
Im ganzen wurden auf diese Weise 6,0 Acid. salicylic. |
innerlich und 11,0 äusserlich verbraucht. Nebenbei wurde auf j
eine kräftige Ernährung (Bouillon, Wein, Ei) gesehen und zur j
energischen Abkühlung der Temperatur alle 2 Stunden kalte j
Waschungen der Haut vorgenommen. Nach den ersten Ein- j
Spritzungen konnten wir den fötiden Geruch verschwinden sehen, |
und sehr bald minderte sich auch in etwas das intensive Fieber. ;
Jedenfalls schritt der diphtheritische Process nicht fort und |
durfte nach dreiwöchentlicher Dauer als beseitigt angesehen
werden. Die Salicylsäure wurde von dem Knaben gut ver- j
tragen, und wenn sich auch bei dem längeren Gebrauch der- !
selben schliesslich ein Darmcatarrh einstellte, so machte die j
Beseitigung desselben keine weitere Schwierigkeit. 1
Selbstverständlich beansprucht dieser Bericht nichts weiter, |
als in ärztlichen Kreisen zur Anwendung der Salicylsäure bei
Diphtheritis anzuregen.
V. Anwendung des pneumatischen Apparates von j
Fränkel bei der Wiederbelebung eines durch Ertrinken
seheintodt gewordenen Kindes.
Von
Dr. Geipel in Zwickau. I
Am 23. Juli Nachmittags gegen 3 Uhr fiel das Kind des Fär¬
bereibesitzers Schwarz in die hinter dem Grundstücke fliessende
Mulde, schwamm ca. 100 Schritte weit und blieb vor dem j
Rechen der Schlossmühle liegen, wo das Kind als todt von einem !
Müllerburschen herausgezogen wurde. Da ich ganz in der Nähe j
wohnte, wurde ich sofort hinzugerufen, und ich fand das Kind,
an dem man Wiederbelebungsversuche durch Frottiren machte,
nachdem gleich beim Herausziehen man das Stürzen mit ihm
vorgenommen hatte, in völliger Asphyxie. Die Wärme des
Körpers, der mindestens 5 Minuten unter Wasser verweilt hatte,
war völlig geschwunden. Der Radialpuls war nicht fühlbar.
Die sofort eingeleitete künstliche Respiration schien im Anfang
einen Einfluss nicht zu haben; nach etwa 3 Minuten gewahrte
man ein Zucken im Gesicht, und der Brustkorb hob sich etwas.
Während der Leitung der künstlichen Athmung zuckte mir der
Gedanke durchs Gehirn: wie wäre es, wenn Du den Apparat
von Fränkel zur künstlichen Respiration anwenden könntest?
Beim ersten Bewegen der Brust Hess ich ihn sofort holen und
nun zog ich mittelst desselben kräftig die Luft heraus. Ich sah
hierbei die Intercostalräume einsinken und den Bauch sich ein¬
ziehen. Gleich darauf wandte ich frische comprimirte Luft zum
Einathmen an. Als ich dies zweimal wiederholt hatte, fing
das Kind an, deutlich zu athmen. Der Erfolg war geradezu
überraschend. Puls und Herzstoss wurden fühlbar, kurz das
Kind war gerettet. Kitzeln des Schlundes, der Nase mit einer
Feder, Hautreize, erneutes Ein- und Auspumpen der Luft mit
dem Fränkel’schen Apparate vollendeten das Werk.
Am anderen Morgen lief das Kind in der Stube herum, und
damit war meine Befürchtung, es möchte die sehr starke An¬
wendung der Saugkraft des Apparates geschadet haben, ver¬
schwunden. Der Fall war in seiner Totalität ebenso verzweifelt,
dass man eine energische Anwendung der Mittel indicirt halten
musste.
Dieser Fall hat mich gelehrt, dass der FränkeUsche Appa¬
rat ein leicht zu beschaffendes, weil leicht transportables Mittel
ist beim Scheintod. Seine Leistungsfähigkeit ist mindestens
ebenso gross, als die des Inductionsapparates, und dazu kommt
noch der Vorzug, dass er sogleich fertig zum Gebrauch ist. Ich
habe daher den Apparat in mein Armamentoriura aufgenommen.
VI. Kritik.
Vorlesungen über allgemeine Pathologie. Ein Handbuch für
Aerzte und Studirende von Prof. Dr. Julius Cohnheim. Erster
Band. Berlin 1877. Verlag von Aug. Hirschwald. 8. 691 Seiten.
Die allgemeine Pathologie ist, wenn sie das leistet, wozu sie berufen
ist, der geistige Mittelpunkt der gesammten Mediein, von welchem aus
alle speciellen Disciplinen durchleuchtet werden. Was die Physiologie
für den gesunden, das ist die allgemeine Pathologie für den kranken
Organismus, und wie der letztere keinen Gegensatz zu dem ersteren,
sondern nur ein Leben unter veränderten Bedingungen, aber unter den
gleichen Gesetzen darstellt, so steht auch die allgemeine Pathologie nicht
etwa im Gegensatz zur Physiologie, sondern sie lehrt nur die Wirkung
derselben Gesetze unter veränderten Formen. Auf diese Weise ist die
vollste Beherrschung der Physiologie nothwendig für denjenigen, der die
allgemeine Pathologie ihrem Wesen nach erkennen will. Nicht minder
wie die Physiologie ist die speeielle Pathologie unerlässliche Vorbedingung
für die Erkenntniss der allgemeinen Pathologie, denn die letztere soll
gleichsam das wissenschaftliche Extract der ersteren darstellen, welches
diese erläutert und erklärt. Endlich als dritte breite Grundlage dient der
allgemeinen Pathologie die pathologische Anatomie, gleich wie die nor¬
male Anatomie der Physiologie.
Schon aus diesen elementaren Betrachtungen leuchtet uns die un¬
geheure Schwierigkeit entgegen, die allgemeine Pathologie zu beherrschen
oder gar eine solche, entsprechend der gesammten Summe unseres gegen¬
wärtigen Wissens in den ihr zu Grunde liegenden Disciplinen, neu zu
schaffen. Kein Wunder, dass jeder wissenschaftliche Mediciner den leb¬
haften Drang nach einer solchen fühlt. Aber der Zug der Zeit schien
der Erfüllung wenig geneigt. Statt der Concentration macht sich über¬
all in der Mediein eine weit über das erlaubte Mass hinausgehende De-
eentralisation geltend, die Zersplitterung in Spccialitäten — in dem be-
ldagenswerthen Sinne, dass die einzelne Specialität ihren Zusammenhang
und ihre Fühlung mit den Nachbargebieten und mit dem gemeinsamen
ganzen aufgiebt — beherrscht nicht nur die 7'raxis, sondern auch die
Tagesliteratur und medicinischen Versammlungen. Wie viel Männer
findet man noch, die das gesammte Gebiet der Mediein beherrschen, wie
viele, die den Geist derselben so zu durchdringen vermögen, dass sic
allgemeine Pathologie, in dem Sinne, wie wir sic verstehen, zu lehren
im Stande sind? Diese wichtigste aller Disciplinen ist fast überall an
den Universitäten in den Händen der Lehrer der pathologischen Ana¬
tomie und leider oft. genug solcher, denen jedes klinische Wissen abgeht
— wie soll da eine erspricssliche, eine lebendige Pathologie zu Tage
t reten ?
In früheren Zeiten, bis zum Anfang unseres Jahrhunderts war es
leichter, das gesammte Gebiet der Mediein zu beherrschen: Damals gab
es noch keine Zersplitterung, weil noch keine grosse Fülle einzelner
Thatsachcn vorlag. Dazu machte man sich die Sache noch möglichst
bequem. Die allgemeine Pathologie war zwar der Kern der Gesammt-
raediein: aber dieser Kern war nicht etwa aus dieser durch Induction ab¬
geleitet, sondern selbständig auf hypothetischen Grundlagen construirt,
und die aprioristische Hypothese diente dann zur willkürlichen Inter¬
pretation der speciellen Disciplinen.*)
Gegenwärtig verlangen wir eine allgemeine Pathologie, die sich nach
der Exactheit ihrer Methoden den Naturwissenschaften anschliesst. Fast
fürchteten wir. wir würden noch sehr lange auf den Versuch einer solchen
zu warten haben.
Glücklicherweise sind diese Befürchtungen nicht in Erfüllung ge¬
gangen. Vielmehr hat das letzte Jahr eine ganze Reihe von Werken
über allgemeine Pathologie zu Tage gefördert, so ausser dem von Cohn-
heira, noch von Stricker, Perls, Samuel, und wie es heisst, steht
noch eines von einem sehr namhaften Vertreter der pathologischen Ana¬
tomie in Aussicht. Wir nehmen diese Thatsache als einen neuen Be¬
weis, wie lebhaft und wie allgemein das Bedürfniss nach einem solchen
Werke empfunden wird, und begrüssen sie mit Freude als ein Zeichen
der Einkehr, als heilsame Reaction gegen die zu weit gehende, in Zer¬
splitterung ausartende specialistische Decentralisation.
Wir betrachten für heute nur das Cohnheim’sche Werk, dem man
von allen Seiten — wenigstens bei uns — mit der hochgespanntesten
Erwartung entgegen kam, und das vielfach fast mit Enthusiasmus auf¬
genommen wurde. In der That ist die Herausgabe dieses Werkes ein
wahrhaftes Ereigniss in der medicinischen Literatur, von einer Tragweite,
*) In vorzüglicher Weise ist dieser Gedanken von Helmholtz in
seiner am 2. August im Friedrich-Wilhelms-Institut gehaltenen Rede
durchgeführt (vergl. No. 32 d. Wochenschr. 1877), auf die wir unsere
Leser wiederholt aufmerksam machen. W.
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UNIVERSETY OF MICHIGAN
78
No. 6
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
wie sie nur wenigen Arbeiten zuzusprechen ist. Das Werk ist bedeut- J
sam durch die kühne Originalität, die nicht nur im Inhalt der einzelnen j
Abschnitte, sondern vielmehr noch in der allgemeinen Auffassung und
Gestaltung des Gesammtgegen stand es hervortritt. Es ist der erste grosse
Versuch, die allgemeine Pathologie, im engsten Anschluss an die Phy¬
siologie, rein naturwissenschaftlich zu behandeln, und wie zum Angel¬
punkt der neueren Naturwissenschaften und speciell auch der Physio¬
logie das Experiment geworden ist, so wild auch in der Cohnheim-
schen allgemeinen Pathologie das Experiment zum vomehmlichsten Aus¬
gangspunkt aller Folgerungen und Schlüsse. Es ist eine experimentelle
Pathologie, die uns Cohn heim bietet, und sie ist es, welche seiner
Leistung den Stempel einer grossartigen und epochemachenden aufdrückt.
Nicht als ob Cohn heim zu den ersten gehörte, welche den Weg des
Experimentes in der allgemeinen Pathologie beschritten; seit einem
Menschenalter bereits — seit den ersten bahnbrechenden Arbeiten von
Magendie, Traube, Virchow, Claude Bernard u. a. — wird
nach dieser Richtung hin von allen Seiten erfolgreich gearbeitet; aber
Cohnheim ist, wie uns scheint, der erste, welcher für das gesammte
Gebiet der allgemeinen Pathologie das Experiment in den Mittelpunkt
rückt und hauptsächlich von ihm alle weiteren Schlussfolgerungen ab¬
zuleiten unternimmt. Cohnheim’s Pathologie zeigt uns deshalb ein ■
ganz neues Gesicht, dessen einzelne Theile uns freilich bekannt, sind,
das uns aber im ganzen noch niemals so in die Erscheinung getreten
war, ein Gesicht, das uns anheimelt, uns erfreut, weil es uns an Bilder
erinnert, die den exacten Naturwissenschaften nahe stehend, für uns
muslergiltig geworden sind. Wohl wenige haben geahnt, dass eine so
grosse Fülle von experimentellem Material bereits angehäuft war, wie '
wir es in dem C’schen Werke zusammengestellt linden, und dass die weit
zerstreuten Einzelarbeiten bereits so gut an einander passten, dass sie
den Aufbau einer experimentellen Pathologie wagen Hessen. Freilich
hat Cohn he im selbst das vorzüglichste Material mit hinzugetragen,
und sein eigenes ist es, worauf er sich am meisten stützt, was er am
liebsten als Fundament für weittragende Lehren benutzt.
Cohnlieim hat, was für die Würdigung seines Werkes ferner am
bemerkenswerthesten ist, ausser seinen bisherigen Leistungen, die ihn |
schnell den ersten Pathologen an die Seite stellten, noch ganz besondere I
Vorzüge, die ihn zur Bearbeitung einer allgemeinen Pathologie vornehm¬
lich befähigen: er beherrscht zum grössten Theile die Disciplinen, die
derselben, wie wir oben ausführten, zu Grunde Hegen. In der vorzüg¬
lichsten, der Virchow’schen Schule zum pathologischen Anatomen aus-
gebildet, behielt er durch Traube und v. Gräfe, denen er persönlich
nahe stand — dem Andenken Traube’s widmet er pietätvoll sein
Werk — Fühlung mit der klinischen Medicin, und der direkte Einfluss
dieser Männer ist es, welcher an vielen Stellen des Werkes, Traube’s
namentlich im ganzen ersten Abschnitt über die Pathologie der Circu-
lation, sehr wahrnehmbar als massgebend hervortritt. Am meisten aber
haben die Physiologie und ganz speciell die Leistungen von Ludwig
und Heidenhain dem Verf. die Richtung bestimmt, welche er bei
seinen Arbeiten genommen hat. Auf diese Weise linden wir eine glück¬
liche Vereinigung der Vorbedingungen einer allgemeinen Pathologie, wie
sie unserem Ideal einer solchen entsprechen würde.
Allein Ideale sind in unserer Wissenschaft, in welcher die vor¬
handenen positiven Thatsachen überall von grösseren oder kleineren
Lücken unterbrochen werden, die durch llaisonnements und Hypothesen
zu überbrücken sind, nicht erreichbar, und so hat denn auch das vor¬
liegende Werk seine grossen und kleinen Lücken, und der Herr Verf.
war nicht gerade allzu zurückhaltend, dieselben auch seinerseits durch
Hypothesen zu ergänzen, die zum grössten Theil höchst geistvoll, durch
ihre Originalität vielfach überraschend, aber doch immer nur Hypothesen
sind.
Wir haben die hohe Bedeutung des Cohn heim’schen Werkes mit
Freuden anerkannt; aber gerade bei einem solchen Werke, wie dem vor- |
liegenden, scheint es uns mehr als bei irgend einem anderen auch j
die Pflicht der Kritik zu sein, nicht minder die Mängel desselben rück¬
haltslos hervorzuheben. Je grossartiger ein Werk angelegt, je anziehen- I
der es in der Form, und je vollendeter es in einzelnen Abschnitten er- i
scheint, um so mehr wird der Leser geneigt, das ganze als mustergiltig
zu acceptiren und seine Kritik überhaupt schweigen zu lassen. Dies
ist denn auch, so weit die Beobachtungen des Ref. reichen, bei dem C.’sehen
Werke geschehen; überall bewundenide Anerkennung, nur ausnahms¬
weise schüchterne Andeutung eines abweichenden Urtheils. Für eine ;
Disciplin von beschränktem Umfang wäre dies allenfalls ohne Belang; !
dagegen bei einer Wissenschaft von der Bedeutung der allgemeinen i
Pathologie, durch welche die gesammte Medicin beherrscht wird, läuft |
diese letztere Gefahr, auf Jahrzehnte hinaus in ein bestimmtes Fahr¬
wasser gelenkt zu werden, welches der Strom der Wissenschaft zu sein ’
vorgiebt und doch nur der einer zeitweisen Systemsrichtung ist. Diese
Gefahr ist bei Cohnheim’s allgemeiner Pathologie sehr naheliegend.
Cohn he im hat in seinem Werke mit der Geschichte der Medicin
so gut wie gebrochen; diese ist ihm abgethan, die wirkliche, die wissen¬
schaftliehe Pathologie beginnt eigentlich erst mit der experimentellen
Phase. Man vergleiche nur die Namen der Forscher und die Arbeiten, |
die in dem Buche eitirt werden, und man wird staunen, wie überwiegsnd die i
allerjüngsten Autoren und die Leistungen der allerletzten Jahre das
gesammte Terrain inne haben. Cohn heim hält die früheren Systeme
für beseitigt, ja erachtet sicherlich, gleich uns, das Schcmatisiren als !
den Fortschritt der Wissenschaft hemmend, und doch kommt er selbst !
wieder in ein System hinein, er setzt ein neues an die Stelle dt-s alten.
Es ist gar zu verlockend, die äus.sersten Consequenzen eines Gedankens
zu verfolgen, und nur wenige können dieser Verlockung widerstehen;
daher beobachten wir immer wieder die Erscheinung, dass die Ent¬
deckung einzelner bedeutender neuer Thatsachen zu Folgerungen führt,
die über das wahre Ziel hinausgehen.
Den Mittelpunkt der C.’schen Pathologie bildet die Entzündungs¬
lehre. Cohn he im hat ein Recht, auf seine Entdeckung in betreff der
Entzündung stolz zu sein. Der Abschnitt, in welchem er die acute Ent¬
zündung behandelt, ist denn auch der vorzüglichste des Buches, das
Experiment feiert liier seine schönsten Triumphe, und mit Bewunderung
folgt der Leser den einzelnen Vorgängen, die sich gleichsam unter
seinen Augen vollziehen. Aber durch die Wirkung dieser Schilderung
geblendet, wird der Leser zugleich geneigt, auch alle Consequenzen,
welche Cohn heim aus seinen Experimenten zieht, als Thatsachen
aufzunehmen und Hypothesen mit Beobachtungen zu verwechseln.
Wenn Cohnheim für die eitrige Entzündung die Auswanderung der
weissen Blutkörperchen aus den Gelassen experimentell erwiesen hat, so
hat doch weder er noch ein anderer das gleiche Factum für alle
übrigen Entzündungsformen und speciell für die chronische Ent¬
zündung erhärtet. Wenn die weissen Blutkörperchen die eitrigen
Exsudate bilden, so scheinen dem Ref. die bisher vorliegenden Beob¬
achtungen und Experimente doch noch keineswegs ausreichend, um
annehmen zu müssen, dass von den weissen Blutkörperchen auch der
formative Prozess der Entzündung ausgeht. Wenn man sich darauf
beruft, dass man noch niemals unter seinen Augen Bindegewebszellen hat
proliferiren gesehen, so gilt das gleiche von den weissen Blutkörperchen,
und hier wie dort bleibt die Deutung der Thatsachen, die Suppositicn
von der Herkunft des vorhandenen proliferirten Gewebes eine Hypo¬
these, die eine mindestens gleiehwerthig der anderen, die eine, weil sie
älter ist, nicht darum von geringerem, sondern gerade von um so
grösserem Gewicht — wenigstens in dem Sinne, dass man sie nur durch
faktisch beobachtete sichere Thatsachen, nicht durch Hypothesen besei¬
tigen kann. Für Cohnheim ist diese Beseitigung bereits vollzogen:
nicht nur die Auswanderung, sondern auch die Organisation der weissen
Blutkörperchen ist ihm ein zweifelloses Factum und wird ihm zum
Mittelpunkt seiner Anschauungen und, wir dürfen es wohl sagen, seines
Systems. Der Leser ist meist gern geneigt, dieses moderne System, das
ihm sehr plausibel erscheint, obgleich es alte, lieb gewordene An¬
schauungen rücksichtslos über den Haufen wirft, kritiklos zu acceptiren;
statt der alten Hypothesen nimmt er neue in den Kauf; des uner¬
klärten freilich behält er hier wie dort genugsam bei, die eine unbe¬
kannte macht der anderen Platz: wie früher die Attraction oder die Irri¬
tabilität oder lebendige formatier Kraft der Gewcbselementc, so muss
jetzt eine un de fin i rbare Veränd erun g der G e fasswandunge nj zu
Hilfe kommen, um die Entzündung und verwandte Prozesse zu erklären.
Ohne überbrückende Hypothesen ist allerdings in unserer Wissen¬
schaft nicht auszukommen. Gefahr liegt nur darin, eine Hypothese für
| ein Factum zu nehmen und die ganze Richtung einer Wissenschalt
| durch dieselbe bestimmen zu lassen. Cohnheim hat in seinem Werks
| gar viele, meist ausserordentlich bemerkenswerthe Hypothesen aufge¬
stellt — wir verweisen in dieser Beziehung ganz besonders auf die Capitol
über die Geschwülste und über Verfettung — und er unterlässt
grösstentheils nicht, selbst immer wieder darauf aufmerksam zu machen,
dass man sie für nichts anderes als Hypothesen halten solle: mögen
auch die Leser dies beherzigen und nicht weiter gehen als der Autor
selbst! Nur in der Hauptsache gerade, in der oben angeführten Rich¬
tung vermissen wir hei dem Verf. diese Reserve, und ganz besonders
vermissen wir, dass der Zurückweisung der gegenteiligen Anschauungen
eine genügende Begründung, auf die sie ein Recht haben, zu Theil wird.
Ohne weiteres, als ob es selbstverständlich wäre — im Grunde aber
nur deshalb, weil sie in dem einmal festgestellten System keinen Platz,
mehr hat — fallt mit einem Schlage die ganze Lehre der parenchyma¬
töse n Entzündung; die trübe Schwellung, ein wichtiges Mittelglied
bei den bisherigen Anschauungen von der Entzündung, wird zu einer
unbekannten Ernährungsstörung, deren möglicher Zusammenhang mit
der Entzündung gar nicht einmal eingehend diseutirt wird. Auch wo
es sich nicht um die Entzündung handelt, wird der Werth parenchyma¬
töser Proliferation möglichst herabgesetzt, Hyperplasie und Hyper¬
trophie wieder so gut wie zusammen geworfen. Wir wollen nicht
leugnen, dass manche dieser neueren Anschauungen, z. B. die über die
trübe Schwellung, eine gewisse Berechtigung haben; aber wir müssen
verlangen, dass zu ihrer Begründung wenigstens eine eingehende Dis-
cussion auf Grund genügender Thatsachen stalthabe, und erst nach reif¬
licher Abwägung aller pro und contra ein Urthcil gefällt werde.
Als den Hauptvorzug des Cohn heim’schen Werkes charactcrisirten
wir seine experimentelle Basis. Das Experiment nimmt, wie in der
Physik und in der neueren Physiologie, zur Eniseheidung von Thatsachen
hei ihm stets den ersten — und oft genug den einzigen — Platz ein.
Aber auch hier heftet sich an die Lichtseite der Schatten. Cohn heim
geht in der fast alleinigen Hochschätzung des Thier-Experiments weiter,
als der gegenwärtige Stand der Pathologie es gestattet, und er unter¬
schätzt sehr erheblich die klinischen Beobachtungen am Menschen,
welche — gleichsam als von der Natur angesteilte Experimente —
immer noch bei der Beurtheilung der Thatsachen den ersten Rang
einzunehmen bestimmt sind. Die Fühlung, welche C. mit der kli¬
nischen Medicin gewonnen hat, ist nicht gross genug, um seiner experi-
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
11. Februar 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
79
mentell-physiologischen Richtung das Gleichgewicht halten zu können.
UeberaU überwuchert die letztere. So lange diese mit den aus der spe-
ciellen Pathologie gewonnenen Thatsachen harmonirt — wie in dem
Abschnitt über die Circulation — sie ergänzt und erläutert, erlangen
wir die vollste Befriedigung. Anders bei denjenigen klinischen Er¬
fahrungen, für die ein Experiment noch nicht gemacht, oder überhaupt
nicht ausführbar ist, oder wo die bisherigen Experimente mit ihnen in
Widerspruch stehen. Hier treten die Lücken und Blossen, ja selbst die
Gefahren der Cohnheim’sehen Richtung hervor. Die Medicin ist und
bleibt eine Erfahrungswissenschaft, ihre Geschichte behält trotz allem
und trotz allen ihre volle Berechtigung; durch Jahrhunderte lange Er¬
fahrungen mühsam gesammelte Beobachtungen lassen sich nicht durch
ein unvollkommenes Thierexperiment abstreifen und der Vergessenheit
anheimgeben. Wo ein Thierexperiment den klinischen Anschauungen
zu widersprechen scheint, steht Cohnheira unweigerlich auf Seite
des ersteren; wo noch keine Experimente da sind, da hört fast
die Pathologie auf. Nicht die Wichtigkeit eines Gegenstandes für
den Kliniker, sondern nur die Zahl der über denselben bereits vor¬
liegenden Experimente bestimmt die Dignität desselben. Wie ausser¬
ordentlich dürftig ist beispielsweise die Chlorose, ein dem Arzte so
ausnehmend wichtiges Kapitel, abgehandelt! Hier giebt es noch
keine Experimente, und wird vielleicht niemals solche geben — Grund
genug für den Verf., um dieses Kapitel mit wenigen Sätzen abzuthun.
Und doch scheint uns die Frage nach dem Wesen der Chlorose eine
der wichtigsten für den Pathologen, und correspondirende Beobachtungen
von Klinikern mit pathologischen Anatomen könnten die Frage sehr bald |
vielleicht eben so sicher entscheiden, wie anderswo ein Experiment. Die j
Beobachtungen V i r c h o w ’s über den Zusammenhang der Chlorose mit ge- j
wissen groben Abnormitäten in den grossen Gefässstämraen eröffnen ein
sehr bedeutsames Feld für die Forschung, und es handelt sich nur |
darum, dass die pathologischen Anatomen mit den Klinikern mehr, als
es bisher geschah, dabei Zusammenwirken. Mit einer lakonischen Kürze
geht Cohn heim über diesen Punkt hinweg; denn es fehlt das Ex¬
periment. Ein anderes Beispiel ist die Plethora Dieser, wie dem
Ref. scheint, von jedem Arzte alltäglich zu beobachtende Zustand wird
von Cohn heim einfach gestrichen, aus dem Grunde, weil es durch Ex¬
perimente nicht gelang, durch Bluttransfusion Thiere für die Dauer
plethoriseh zu machen. Der negative Ausfall des Experiments an
Thieren reicht nach C. aus, um eine alte klinische Erfahrung einfach
abzuthun — und doch erscheinen die Bedingungen, unter welche das
Thier durch die Bluttransfusion versetzt wurde, nicht im mindesten
gleichwerthig mit dem Auftreten der Plethora am Menschen. Aehnlich
ist C.’s Auffassung von der Tuberculose zu characterisiren. Hier
nähert sich Cohnheim bedenklich fast schon den Anschauungen von
K le bs, der bekanntlich auch für die Tuberculose bereits seinen specifischen
Pilz gezüchtet hat. Kein Kliniker, kein Arzt kann die so geläufigen,
alltäglich zu beobachtenden Thatsachen am Krankenbette zusammenreimen
mit der Specificität dieser Krankheit: aber die Klebs’schen Experimente |
imponiren Cohnheim doch so sehr, dass er selbst seine eigenen frühe- j
reu Experimente, die ein abweichendes Resultat gaben, anders zu deuten j
geneigt ist. So gross ist C.’s Respect vor dem Experiment, diesem
gegenüber werden die Bedenken des klinischen Standpunktes gar nicht
einmal geltend gemacht. Dem Ref. erscheinen umgekehrt die Thier-
Experimente, selbst wenn sie der Specificität recht geben würden — was
nach seiner Meinung noch keineswegs der Fall ist, indem diese sowohl
durch zahlreiche ältere Experimente, wie kürzlich wieder durch neuere
widerlegt werden — immer noch nicht ausreichend, um klinisch gut
fundirte Thatsachen einfach über den Haufen zu werfen. Damit das
Thier-Experiment auf diesen souveränen Standpunkt erhoben werden
könne, dazu werden noch viele Menschenalter immer und immer wieder
■an Thieren neu experimentiren, das Experiment wird noch weit mehr
präcisirt, den Bedingungen am Menschen mehr angepasst werden, und
eine vergleichende Kritik zwischen den Ergebnissen des Thier-Experiments
<uud klinischen Beobachtungen am Menschen wird statthaben müssen.
Vorläufig ist es ein Fehlw, die ersteren einfach über die letzteren zu
stellen. Nur wo bereits Harmonie zwischen beiden erzielt ist, da ist
tnan berechtigt, sich befriedigt zu erklären.
Dies ist der allgemeine Standpunkt, den Ref. der bedeutsamen
Cohnheim’schen Leistung gegenüber einnimmt, und gegen die er, grade
weil sie einen weittragenden Einfluss zu gewinnen verspricht, um so
weniger mit der Kritik zurückhalten zu dürfen glaubte.
Im speciellen die einzelnen Kapitel zu referiren, würde weit über
den in dieser Zeitschrift zu Gebote stehenden Raum hinausgehen und
erscheint auch deshalb überflüssig, weil kein Referat die Lectüre des
Buches zu ersetzen im Stande wäre, das jeder wissenschaftliche Arzt
wird selbst lesen und studiren müssen. Er lese es, nicht um einfach
ad verba inagistri zu schwören, sondern um das neue gegen den alten
Besitzstand prüfend abzuwägen! Waldenburg. j
VH. Verhaudlangen ärztlicher Gesellschaften.
Berliner medicinisehe Gesellschaft.
Sitzung vom 5. December 1877.
Vorsitzender: Herr v. Langenbeck.
Schriftführer: Herr Ries.
Als Mitglieder neu aufgenommen sind die Herren Kühner, Alberts,
Igel, besser, Alexander Palm, Louis Jacobsohn, Schmidt-
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lein, Catiano, S. Guttmann, Grunmach, Benary, Levy und
Wollheim.
Als Geschenk des Verfassers für die Bibliothek sind eingegangen :
Lichtenstein: Ueber Leichenbesichtigung in polizeilich mediciniscuer
Hinsicht und einiges über Verknöcherung und einen Fall von wieder¬
holter Elimination verkalkter Lungentuberkeln.
Demonstrationen vor der Tagesordnung.
Herr Leyden erläutert ein Präparat von einem Aneurysma des
Aortenbogens.
Der Patient war ein 40jähriger Mann, welcher seit einem halben
Jahre Symptome der Krankheit dargeboten. Das lästigste Symptom be¬
stand in äusserst heftigen neuralgischen Schmerzen des rechten Arms,
welche sich bis in die Schulter und das Genick hinaufzogen. Dazu kam
Dyspnoe, welche indess erst in der letzten Zeit stärker wurde. Während
der ganzen Zeit war Pat. nicht im Stande im Bette zu liegen und brachte
alle Nächte halbsitzend im Stuhle zu. Schlingbeschwerden und Heiser¬
keit waren zu keiner Zeit vorhanden. Die physikalische Untersuchung
constatirte starke Pulsation unter dem rechten Sterno-clavicular-Gelenk,
welche sich bis in das Jugulum erstreckte, bei tieferem Druck war auch
liier unter der Incisura Sterni sehr kräftige Pulsation fühlbar. Das
ganze Manubrium Sterni wurde mit jeder Systole gehoben. Der Spitzen-
stoss war nach unten und aussen dislociri, im 6. In ercostalraum 1 Zoll
nach aussen von der Mammillarlinie. Die Percussion ergab Dämpfung auf
dem Manubrium Sterni, nach rechts bedeutend, nach links weniger den
Sternalrand überschreitend. Die Auskultation constatirte am Herzett ein
diastolisches Geräusch, am stärksten in der Gegend der Aortenklappen
(Insufficienz derselben), über dem Aneurysma systolischen Doppelton,
späterhin kurzes dumpfes systolisches Geräusch. Die rechte Radialarterie
war kleiner als die linke, der Puls aber vollkommen isochron. — In
den letzten Wochen nähmen die asthmatischen Beschwerden zu und
steigerten sich besonders Nachts zu sehr beängstigenden Anfällen. Noch
ein anderes Symptom gesellte sich hinzu, welches den Kranken, selbst
lebhaft beunruhigte, nämlich Oedem des Kopfes und beider Artre, offen¬
bar herrührend von Compression der obern Hohlvene oder deren Stämmen.
Tn der vorvergangenen Nacht war Pat. ziemlich plötzlich nach einem
kurzen asthmatischen Anfall gestorben. — Die Section erwies als un¬
mittelbare Todesursache einen starken Bluterguss in die linke Pleura¬
höhle. Das Aneurysma, ausgehend von dem Aortenbogen, bot im ganzen
die für diese Aneurysmen gewöhnlichen Verhältnisse dar. Es zeigte sich
nämlich am obern Umfange des Bogens, dicht nach aussen von der
rechten Subclavia, ein Loch der Aortenwandung von der Grösse etwa
eines Thalerstückes, welches aus der Aorta in den secundären aneurys¬
matischen Sack führte. Dieser von der Grösse einer guten Faust lag
unmittelbar unter dem Manubrium Sterni, dessen innere Lamelle zum Theil
durch Druck atrophirt war, nach oben zu deckte das rechte Stemocla-
viculargelenk *,den Sack; das Capitulum der Clavicula war arrodirt und
atrophirt. sodass man bei Eröffnung dieses Gelenkes unmittelbar in dem
Aortensack gelangte. Weiter erstreckte sieh der Sack nach beiden Seiten
über das Sternum hinaus, nach oben über die rechte Clavicula bis in
die Gegend der untern Grenze des Kehlkopfs, überall von einem ver-
hältnissmässig straffen Bindegewebe eingeschlossen. Nach unten zu hatte
er sich über die Aorta und zum Theil über das Herz gewölbt und das¬
selbe auf solche Weise nach unten und links gedrängt. Nur wenig Blut¬
gerinnsel lagen den innern Wandungen der Aorta an. Das Herz seihst
war nur wenig vergrössert. die Aorta aber stark dilatirt und an ihrer
Innenfläche mit äusserst reichlichen und starken sclerotischen Platten
besetzt. Die Aortenklappen waren in den Process hineingezogen und
ohne Zweifel insufficient. Der Rand des Loches in der Aorta war ganz glatt,
sclerotische Erkrankung erstreckte sich in ihrer starken Intensität bis
zur linken A. Subclavia, nahm dann sehr schnell ab, und im Brusttheile
der Aorta waren noch wenige Flecke vorhanden. Die Vena Cava sup.
war durch das Aneurysma nur wenig comprimirt, sehr stark aber die
Venae anonymae; besonders in dem von links herkommenden Stamm
liess sich unter dem Aneurysma hinweg nur mit Mühe eine Sonde durch¬
führen: Thrombose war jedoch nicht vorhanden.
Der Fall zeigt also die gewöhnlichen Verhältnisse der Aorta-Aneu¬
rysmen, nämlich das Vorhandensein eines Loches in der Wandung und
die Bildung eines secundären Sackes ausserhalb der Aorta. Es ist merk¬
würdig genug, dass das Leben trotz eines beträchtlichen Loches in der
Aortenwand Monate, ja vielleicht Jahre lang bestehen kann. Dies ist
natürlich nur begreiflich durch die allmälige Entstehung und Entwick¬
lung, wobei sich nach und nach der secundäre Sack aushöhlt und durch
Verdichtung der Umgebung, so wie durch Gerinnselbildung im Innern
an Widerstandskraft gewinnt. Indessen die Ausdehnung schreitet immer
weiter fort, und schliesslich kommt es zur Ruptur und damit zum
Tode. Die Aetiologie betreffend, so werden bekanntlich mechanische
Ursachen, Syphilis oder angeborene Dispositionen angcschuldigt. Auch
der vorliegende Fall entscheidet in dieser Beziehung nichts; mecha¬
nische Insulte durch starke körperliche Anstrengungen mit den Armen
(insbesondere durch Turnen) waren nicht ausgeschlossen, aber auch
Syphilis mit secundären Symptomen war vorangegangen.
Herr E. Küster stellt einen Fall von localem idiopathischen
Pemphigus bei einem Erwachsenen vor. — Am 3. December zeigte
sich in der Poliklinik des Augusta-Hospitals ein 23jähriger, kräftiger
junger Mann mit einem eigenthüralichen Blasenaussehlag an be'dcn
Händen. Der Mann stammt angeblich aus gesunder Familie und will
nie erheblich krank gewesen sein. Er ist Arbeiter hei der Canalisation,
wo er mit Pumpen beschäftigt wird: doch ist die Einwirkung eines be-
Qriginal fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
80
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 6
sondern Reizes auf seine Haut nicht zu eruircn. Am 1. December früh
bemerkte er Morgens beim Erwachen einige Blasen an beiden Händen,
welche seitdem an Grösse und Zahl zugenommen haben. Auf dem Rücken
beider Hände, sowohl auf den Fingern als dem eigentlichen Dersum bis
zur obern Grenze des Proc. styloideus ulnae fanden sich zerstreute Bla¬
sen von der Grösse einer Linse bis zu der eines Zehnpfennigstückes.
Dieselben standen auf einer gerötheten, etwas erhabenen Basis, und
waren meistens mit einem klaren, schwach alkalisch reagircnden Serum
gefüllt, welches beim Anstechen leicht ausfloss, leicht alkalisch reagirte
und mikroscopisch nur weisse Blutkörperchen erkennen liess. Eine der
grössesten Blasen enthielt eine mehr gallertige Flüssigkeit, welche sich
beim Anstechen nicht entleerte. Abnorme Sensationen waren nicht vor¬
handen, das Allgemeinbefinden nicht gestört. Unter einer nahezu indif¬
ferenten Behandlung haben sich seitdem noch einige neue Blasen ge¬
bildet, die schon vorhandenen haben sich vergrössert, die an gestochenen
sind im Eintrocknen begriffen.
Derartige Fälle dürften wohl sehr selten sein und ist aus diesem
Grunde die Demonstration erfolgt.
Herr Löwe: Leber das Vorhandensein einer dritten
Augenkammer.
An den Augen erwachsener Menschen und Säugethiere findet sich
dicht vor der Pupille ein je nach der untersuchten Species verschieden
grosser Lymphraum im Glaskörper. Derselbe ist als eine dritte Augen¬
kammer aufzufassen, der xar kZo/yv der Name „hintere Augenkammer“
zu kommt, während die bisherige hintere Augenkammer von nun an
„mittlere Augenkammer“ heissen muss. Die neue dritte Augenkammer
communicirt beim Menschen durch einige Löcher und Spalten mit den
serösen Lymphräumen (oder, was dasselbe sagen will, mit den Gewebs-
lakunen) des Glaskörpers. Letzterer ist beim Menschen nicht nach Art
einer Zwiebel, sondern nach dem Vorbilde einer Apfelsine gebaut.
Beim Kaninchen fehlen die Lakunen im Glaskörper. Dieser ist somit
compact bis auf die dritte Augenkammer, die auch bei diesem Thiere
vorhanden ist. Die dritte Augenkammer stellt den Mechanismus dar.
durch welchen die Abspaltung der hinteren gefässführenden Lamelle
des embryonalen Glaskörpers und die Vascularisation der Retina zu
Stande kommt. Sie ist somit dem bleibenden Cerebrospinalraum homo¬
log. Hierdurch, sowie durch den Besitz eines Endothels unterscheidet
sie sich eharacteris tisch von der mittleren Augenkammer, welche, als
einziger Rest des ursprünglichen primären Retinalraums, nicht der blei¬
benden, sondern der transitorischen Cerebrospinalhöhle homologisirt
werden muss.
Herr Hirschberg möchte, ohne auf die Frage eines präretinalen
Spaltes im normalen Kaninchenauge und auch im Endothel im centralen
Bezirk der Limitans interna retinae des Menschenauges einzugehen, nur
hervorheben, dass der Befund, den das von Herrn Loewe demonstrirte
Auge darbietet, den Ophthalmologen seit mehr als 20 Jahren völlig
bekannt ist. Es ist die von H. Müller in senilen Augen beschriebene
Abhebung der Glashaut (Membrana hyaloides) von der Netzhaut, welche
als Glaskörperabhebung später von Iwanoff u. a. genauer studirt wurde.
Es ist immerhin ein "pathologischer Zustand, der besonders an
den ektatischen Augen der hochgradig Kurzsichtigen vorkommt und viel¬
leicht auch eine gewisse Beziehung zur Netzhautablösung besitzt, ferner
auch nach gelungener Staarextraction vorkommt, endlich als seniles Phä¬
nomen nachgewiesen ist, ein pathologischer Umstand, der aber selbst¬
verständlich sich mit guter Sehkraft vollkommen verträgt, da die
Abhebung des durchsichtigen gallertigen Glaskörpergewebes durch eine
durchsichtige Flüssigkeit die Strahlenbrechung nicht sehr wesentlich
beeintlusst. Den Ophthalmologen ist dieser Zustand so wenig unbekannt,
dass einige ihn intra vitara mit dem Augenspiegel wollen diagnosticirt
haben, was allerdings schwierig sein möchte. Schliesslich ist noch hervor¬
zuheben, dass die bekannte sogenannte Verflüssigung des hinteren Glas¬
körperabschnittes (Morgagni, A. v. Gräfe, v. Arlt) ganz und gar
hierher zu gehören scheint.
(Schluss folgt.)
Gesellschaft für Geburtshülfe and Gynäkologie in Berlin.
Sitzung vom 27. November 1877.
Vorsitzender: Herr Schröder.
Schri ft tuh re r: He rr F a s b e n d e r.
1. Herr Veit legt zwei in der letzten Zeit zufällig bei den Sectionen
Eclamptischer gefundene Becken vor. Dieselben zeichnen sich dadurch
aus, (lass sie sechs Kreuzheinwirbel haben, und dass bei dem einen am
ersten Kreuzbeinwirbel rechts, bei dem andern links der Flügel fehlt,
der nur in einem der Fälle durch ein kleines Rudiment vertreten ist.
Er verweist auf die II oh Esche Arbeit („Zur Pathologie des Beckens“).
— Herr Veit demonstrirt dann ein ankylotisch-schräg verengtes Becken,
welches durch Eiterung der Hiiftkreuzfuge entstanden intra vitam dia¬
gnosticirt werden konnte. Beekenmasse an der Lebenden: Sp. II. 25.5,
Gr. II. 27.5. Conj. ext. 18, Old. dext. 20,5, Obl. sin. 10.6. Am skele-
tirten Becken: Conj. v. 8,2, Transv. des Hing. 12.4, Obl. dext. 12.9, Obl.
sin. ll.OCtm. An der rechten Hiiftkreuzfuge eine bis auf den Knochen
gehende Narbe. Geburt erheblich erschwert. Kopf trat nicht ein, Wen¬
dung. Extraction: Kind aspliyktisch, nicht belebt; Mutter starb septisch.
Herr Veit zeigt dann noch eine der Klinik gehörige Tarnier’sche
Zange vor, deren Prinoip er kurz entwickelt. Aus den von ihm mit
dem Instrumente an der Lebenden gemachten Erfahrungen kann er bc-
sjäGgen, dass die innezuhaltende Zugrichtung stets zu erkennen ist, auch
scheint cs ihm, als ob die zur Extraction nöthige Kraft geringer sei,
als bei anderen Instrumenten.
2. Herr Martin bringt die hei drei doppelseitigen Ovariotomien ge¬
wonnenen Präparate.
In zwei von diesen Fällen wurden die functionsfähigen, nicht dege-
nerirten Ovarien entfernt, um Uterusmyome in ihrer Entwickelung auf¬
zuhalten, zur Anteeipation des Klimax nach Hegar. Hier handelte
cs sich ein Mal um ein mannsfaustgrosses Myom mit nicht zu beseitigenden
Blutungen. Patientin wurde am 22. Tage geheilt entlassen. Die Menses
traten in der ersten Woche nach der Operation, 14 Tage zu früh, weit
schwächer als früher ein. — In dem zweiten ähnlichen Falle handelte
es sich um ein jungfräuliches Individuum, welches seit mehreren Jahren
an continuirlichen Unterleibsschinerzen gelitten hatte, als deren Ursache
sich allmälig multiple Myome an der vorderen Wand des Collum doeu-
mentirten. Diese Myome wuchsen im vergangenen Sommer beträchtlich,
es stellten sich profuse, auch durch Ergotin nicht zu beseitigende
Menorrhagien und dabei quälende, spastische Harnbeschwerden ein, welche
Uebelstände die Kräfte der Patientin in bedenklichem Grade reducirten
und zur Operation die unabweisbare Indication boten. Hier war die
Operation etwas schwieriger, aber die Heilung erfolgte ebenfalls ohne
Störung. Die Beschwerden sind geschwunden, die Menses noch nicht
wiedergekehrt.
Der cystische Ovarientumor, "welcher als Ergebniss der dritten Ope¬
ration demonstrirt wurde — das kleinere in cystischer Degeneration be¬
griffene und ebenfalls entfernte Ovarium konnte nicht vorgelegt werden
— war ohne Schwierigkeit, wie auch die übrigen Präparate nach
S c h rö d e r’ s Vorgang unler Carbolspray entfernt worden. Sechs Stunden
nach der Operation trat ein drohender Collapszustand ein, der später
wieder verschwand. Obwohl Carbolharn nicht auftrat ist Herr Martin
doch geneigt, den Collaps als Carboiwirkung zu deuten.
3. Herr C. Rüge demonstrirt:
a) Ein Kinderbecken mit. doppelseitiger, intrauterin entstandener
Ilüftgelenksluxation nach hinten und oben. Während die ursprüngliche
Pfanne durch eine bindegewebige Masse ausgefüllt, aber ganz deutlich
erkennbar ist, hat sich über ihr eine neue Gelenkfläche gebildet. Lig,
teres sehr ausgezogen. Rechts fand sich ausserdem eine gut verheilende
Fractura femoris. — Das Kind, mit Spina bifida behaftet, war einige
Tage nach der Geburt gestorben.
b) Präparate, die von einem nach Ovariotomic verstorbenen 13jäh¬
rigen Mädchen stammen. Es hatte sieh hier um ein primär eareino-
matös degeneriries Ovarium mit zahlreichen Matastasen in den Unterleibs¬
organen und besonders starker Betheiligung des Zwerchfells gehandelt.
c) Eine Cyclocenbildung: Gehirn durch Hydrocephalus fast ge¬
schwunden, Uterus unicornis; statt des rechten Horns nur ein feines
Fädchen, scheinbar ein Ge fass; TubJ, Ovarium, lig. rotunduin aber auch
auf der rechten Seite deutlich nachweisbar.
d) ein Kind mit. Defeeibildungen an säminfliehen Extremitäten.
4. Herr Fasbender spricht über das p scudo- und das rachi-
tisch-osteomalacische Becken unter Vorlegung eines exquisiten, zur
erstgenannten Kategorie gehörigen Präparates. Der Vortrag wird in dem
unter der Presse befindlichen 2. Hefte des II. Bandes der Zcitschr. für
Geb. u. Gyn. veröffentlicht werden.
VIII. Feuilleton.
Nekrologische Notiz über Jean Baptiste Barth nebst
Bemerkungen über Louis und seine Schule.
Von
Geh.-Rath Prof. Dr. Lebert in Nizza.
Ara 30. November 1877 starb in Paris einer jener letzten Repräsen¬
tanten der Lo ui suchen Schule, Jean Baptiste Barth. Gleich ausge¬
zeichnet als Mensch, wie aufopfernd als Arzt, von musterhafter Gewissen¬
haftigkeit, unermüdlich als Forscher und Schriftsteller, gehört Barth zu
den Männern, welche der Jugend als Muster, den College« als Typus
der Standesehre, den Vertretern der Wissenschaft als Beispiel eine:*
ernsten, stets nach Wahrheit strebenden Arbeitskraft dienen kann.
Barth ist am 24. September 1806 in Sarguemines, dem damaligen
Hauptort des Departements Elsas« Lothringen geboren. Nach ausgezeich¬
neten Gymnasialstudien ging er nach Paris 1826, um Medioin zu stu-
diren. 1S31 wurde er Assistenzarzt (Interne) der Hospitäler. Als solchen
lernte ich ihn 1835, als damaligen Interne von Louis kennen. Während
meines ersten Aufenthaltes in Paris hatte ich mich an keinen der dor¬
tigen Acrzte so innig angeschlossen, wie an Louis. Aus der Schön-
lei n’schen Schule kommend, hatte ich in der physiologisch naturwissen¬
schaftlichen Auffassung der Medicin meines berühmten Lehrers eine
Anregung gefunden, für welche ich ihm stets zu tiefstem Danke ver¬
pflichtet geblieben bin. Selbst Naturforschet;- seit meiner frühen Jugend,
hatte ich jedoch bald nach Beendigung meiner Universitätsstudien die
Ueberzeugung gewonnen, dass der Mann, welchem die deutsche Wissen¬
schaft so viel verdankt, sich doch in seinen Anschauungen, zum Theil
unter dem Einfluss drr damals herrschenden Naturphilosophie, oft weiter
fortreissen liess. als nüchterne Prüfung der Thatsachen und der aus ihnen
abzuleitenden Schlüsse es zu gestatten schienen.
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11. Februar 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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Nun sali ich Louis zuerst in seinen Krankensälen im Hospital de
la Pitic. Der überaus ernste und strenge Ausdruck des Mannes hatte
anfangs auf mich einen etwas abschreckenden Eindruck gemacht. Bald
aber überzeugte ich mich, dass Louis am Krankenbette. wie bei den
Übductionen und in seinen klinischen Vorträgen eine Gründlichkeit, einen
Scharfsinn, eine Strenge der Kritik entfaltete, welche von seinem rast¬
losen Streben nach Wahrheit das beste Zeugnis# ablegten. So wurde
ich denn bald ein eifriger Anhänger des grossen Klinikers, und ergänzten
sich gewissermassen für mich die Schön lein’sche und die Louis’sche
Schule; ja jede der beiden wurde mir durch die andere lieber und werth¬
voller.
Barth fiel mir damals in der Pitie als Interne von Louis durch
seine gediegenen Berichte über die Kranken der Abtheilung auf, und
sah ich, dass der strenge Meister sie sehr anerkennend aufnahm. Bald
aber lernte ich Barth dadurch noch näher kennen und hochschätzen,
dass ich bei ihm einen practischen Cursus der Auskultation und Per¬
cussion durchmachte. Unser junger Lehrer war nicht nur bereits in
seinem Fache sehr erfahren, sondern auch liebenswürdig, und verstand
es, seinen Schülern die gründliche Brustuntersuchung anziehend zu
machen.
Durch einen sonderbaren Zufall war es auch Barth, bei dem ich
1842, nach Paris zurückgekehrt , einen Cursus der pathologischen Ana¬
tomie, mit vielen practischen Demonstrationen, annahm, und aus dem¬
selben vielfach Belehrung schöpfte. Die maeroscopisehe Anatomie und
die wichtigen erläuternden klinischen Bemerkungen Hessen an Gründ¬
lichkeit nichts zu wünschen übrig. Das Microseop war damals in Frank¬
reich unter den Acrzten sehr wenig gekannt. Ich fühlte jedoch, bereits
mit demselben vertraut, die /Nothwendigkeit der Anwendung der feineren
Untersuchungsmethoden, und fiel mir auf, wie dieser damaligen pariser
pathologischen Anatomie die physiologische Basis fehlte. So fand ich
auch mit meiner Aspiration nach pathologischer Physiologie und phy¬
siologischer Pathologie anfangs in Paris grossen Widerstand. Bald aber
hatte ich die Elite der ärztlichen Jugend für mich. Barth aller, mit
dem ich befreundeter wurde, halte stets gegen diese Richtung ein gewisses
Misstrauen.
Barth ist seiner doppelten Vorliebe für Brusikrankheiten und für
pathologische Anatomie stets treu geblieben und hat das grosse Ver¬
dienst. ununterbrochen den Zusammenhang zwischen Symptomen und
Alterationen, zwischen Klinik und Anatomie höchst sorgsam gesucht zu
haben. Dadurch wurden auch seine sehr zahlreichen Mittheilungen in
der anatomischen Gesellschaft doppelt lehrreich und anregend.
Unterdessen war Barth 1840 Hospitalarzt geworden, und ist wäh¬
rend mehr als 30 Jahren einer der sorgsamsten Aerzte der pariser Ho¬
spitäler gewesen. In jeder grossen Epidemie, besonders in den mehr¬
fachen Uholeraepidcinicn hat er sich so hervorgethan, dass nach jeder
derselben ihm eine besondere Auszeichnung zu Theil wurde. Seit 1554
Mitglied der pariser medicinischen Acadcraie ist er durch das Vertrauen
seiner Collegen 1871 Vice-Präsident und 1S72 Präsident derselben ge¬
worden. Seine Lehrthätigkeit war auch eine ununterbrochene während
vieler Jahre, und zwar besonders in der medicinischen Klinik und der
pathologischen Anatomie.
Die erste bedeutende schriftstellerische Arbeit Barth's war die Be¬
sch rjibung eines damals in seiner Art einzigen Falles von vollständiger
Obliteration der Bauchaorta mit langer Fortdauer des Lebens und ganz
wieder hcrgeslolltem Collateral-Kreisiauf. (Archiven generales de mede-
ci:u, 1835.) An diese Arbeit schliesst sich eine andere durch sie ver¬
anlasst, ür>cr die bekannt gemachten Beobachtungen von Verengerung
d:r Aorta an (Presse medicale, Aoüt 1837). Schon damals bringt er
dicao Verengerungen mit dem Fötalleben und der Verödung des Ductus
Botalli zusammen. Auch seine 1837 bekannt gemachte Doctor-Disserta-
tion beschäftigt sich mit der Verengerung und Obliteration der Aorta.
Allgemein bekannter, ja berühmt wurde Barth erst durch sein
mit Roger herausgegebenes Werk über Auseultation und Percussion,
welches eine ganze Reihe von Auflagen, jedesmal mit neuen Zusätzen
und Verbesserungsn, erlebt hat. Acht Jahre beständiger Studien in den
grössten Pariser Hospitälern liegen dem Traite pratique d’auscultation
(Paris 1841) zu Grunde. Die letzte 8. Auflage ist von 1874. Auch
ist dieses Werk bald nach seinem Erscheinen ins deutsche, englische
und italienische übersetzt worden. Dadurch dass Roger lange im
Kinderspital und Barth lange im Greisenhospital der Salpetriere wirkte,
sind alle Lebensalter in diesen Forschungen berücksichtigt. Alles be¬
ruht auf eigener Anschauung und vielen zum Theil fast monographisch
durchgeführten Untersuchungen, wie die Auseultation des Kehlkopfes,
das Metallklingen (Tintement metallique), die physiologischen und pa¬
thologischen stethoscopischen Verhältnisse des Herzens, die Auseultation
der Aorta. Kurz und präcis in der Sprache, ist dieses Werk reich an
Inhalt und Thatsachen.
Will man sich einen Begriff der grossartigen Leistungen eines
Lacnnec, Louis und der damaligen französischen Schule überhaupt
machen, so kann man wohl keinen besseren Leitfaden finden. Gewissen¬
haftigkeit, Reichhaltigkeit, Gründlichkeit, Klarheit lassen nichts zu
wünschen übrig.
Dennoch aber möchten wir keineswegs die vortrefflichen Arbeiten
Skoda’s, Wintrich’», Seitz nnd Zu min er’s. Gerhardt’s und
anderer entbehren. Nicht nur haben diese Autoren durch sinnreiche
Experimente die physicalische und physiologische Grundlage der Brust-
Acustik sehr gefördert, sondern auch die mehr allgemein pathologische
Anschauung der nüchternen Beschreibung, der Specialisirung, der on-
| tologischen Abgrenzung angeblich pathognomonischer Charactere ent-
I gegengesetzt.
Das Verdienst Bart h’s und Roger’s wird dadurch in keiner Weise
geschmälert, der Gesichtskreis aber auf diesem wichtigen Gebiete durch
allseitiges Studium der Autoren sehr erweitert.
Zu den besten Arbeiten Bartiris, ja zu den besten in den letzten
Jahrzehnten über Brustkrankheiten, gehört die Abhandlung Bart h’s
über Bronehialerweiterung in den Memoircs de la Societe medicale
d’observation, T. III. 1856.
Diese Krankheit ist im ganzen selten, aber geographisch und in den
verschiedenen Altern sehr ungleich vertheilt. Zuerst genau beobachtet
hat sie nicht Laennec. wie allgemein angenommen wird, wiewohl er das
viel grössere Verdienst hat, sie zuerst anatomisch und klinisch genau
beschrieben zu haben. Dieser gewissenhafte Autor erzählt selbst (Traite
| de läuscultation, III. Kdit., Paris 1831, T. I. p. 205), dass die beiden
ersten Beispiele von Bronehialerweiterung ihm von Professor Cayol
I mitgretheilt worden seien, welcher sie als Student beobachtet hatte und
; durch die Neuheit der Krankheit nicht wusste, womit er es zu thun habe,
j Die Kranke seiner ersten Beobachtung war ISUS in das Pariser Kinder-
' hospital gekommen.
j Barth hat 43 Beobachtungen mit gewohnter Genauigkeit gesammelt
und analysirt. von denen er in 14 Jahren 18 in den Hospitälern für Er¬
wachsene. während er in 6 Jahren 25 in dem Hospital der Salpetriere
(für alte Frauen) hat beobachten können. Louis konnte ihm, trotz
seines sonstigen so reichen Materials nur 7 Beobachtungen mittheilen.
Diese Bart Irische Arbeit ist eine der ersten genauen, auf grossem
Material basirende über diesen Gegenstand, und dürfen wir nicht ver¬
gessen, dass sie bereits fast 1 4 Jahrhundert alt ist. Die macrosco-
pische pathologische Anatomie ist sehr vollständig, die Aetiologie brauch -
| bar, wie wohl die Iäthogenie unvollständig abgehandelt. Sehr inter-
: essant ist die von Barth betonte Möglichkeit der Heilung. Seine erste
I Beobachtung zeigt uns eine fast an Heilung grenzende Besserung und
j die neunte ein Beispiel von Heilung. Sie betrifft einen G7jährigen Greis,
welcher alle Zeichen der Bronchiektasie mit Höhlenerscheinungen bot.
i Nach und nach nahmen die physikalischen Erscheinungen immer mehr
! ab und schwanden endlich ganz, sowie auch nach und nach die sub-
i jectiven Beschwerden aufhörten.
I Will man von der Allseitigkeit und Unermüdlichkeit Barth’s als
; pathologischen Forschers noch einen Beweis, so werfe man einen Blick
| auf sein Expose des titres, welche er wahrscheinlich für eine hohe aca-
j demische Candidatur (das Institut de France V) zusammengestellt hat.
| Ausser der Analyse seiner grösseren Arbeiten findet man dort in sehr
I kurzem Auszug die Uebersicht von 455 von ihm dem Musee Dupuytren
| mitgetheiltcn und grüsstentheils in gelehrten Gesellschaften vorgezeigten
i und besprochenen pathologischen Präparaten.
J Man schlage ferner die Blinde der Bulletin’s der Pariser anato-
; mischen Gesellschaft vom Anfang der vierziger bis in die sechziger
1 Jahre auf, und man wird über die Reichhaltigkeit seiner Mittheilungen
| staunen. Dieselben haben das Verdienst, dass stets der klinische Ver-
; lauf, die Symptome und die Alterationen in innigen Zusammenhang ge-
• bracht werden, was diese Vorträge gleich anziehend und belehrend ge-
; macht hat.
j Barth hat ausserdem noch einen grossen Reichthum klinischer und
j pathologisch-anatomischer Beobachtungen aufgespeichert und davon nur
j einen relativ geringen Theil bekannt gemacht. Desto gefälliger war er
! in dieser Beziehung seinen Collegen gegenüber. Als ich in der Louis-
i sehen Soriete medicale d’observation, deren eifriges Mitglied ich war, eine
I Beobachtung mit Leichenöffnung über die angeborene Verengerung der
Aorta an der Einmündungsstelle des Ductus Botalli vorgelesen hatte,
bot mir Barth mit grösster Liebenswürdigkeit eine ähnliche Beobachtung
an, welche ich auch dann später unter seinem Namen neben der mei-
nigen in Virchow’s Archiv in einer grösseren Arbeit über diese Gruppe
von Aortenverengerungen bekannt gemacht habe,
i In Barth’s ganzem Leben und Wirken bewahrheitet sich wieder
: einmal der veredelnde Einfluss, welchen unausgesetztes Forschen nach
j Wahrheit und Erkenntniss auf den Character und die Berufstätigkeit
! ausüben. Louis, dem grossen, auch in dieser Beziehung unübertreff-
| liehen Lehrer und Meister nachstrebend, hat Barth sich durch seine
Ehrenhaftigkeit, durch seine Bescheidenheit, durch seine aufopfernde
Menschenliebe die Achtung und Sympathie seiner Collegen und des
| Publicums in einer Art zu erwerben gewusst, wie sie nur wenigen Mcn-
; sehen und Aerzten zu Theil werden.
| Trotz seines langen Aufenthaltes in Paris ist Barth doch nur lang-
| sam zu einer wirklich guten und grossen Praxis gelangt. Sein schlichtes
| und einfaches Wesen hatte besonders für diejenigen Anziehungskraft,
i weiche am Arzte die besten und edelsten Eigenschaften am meisten
| würdigen. Die Bescheidenheit Barth’s gab ihm in den ersten Jahren,
j wie mir Louis öfters sagte, »n der Privatpraxis den Schein der Uncnt-
i schiedenheit. Und doch hatte gerade Barth, als schon jung sehr er¬
fahrener Ilospitalsarzt, eine grosse Sicherheit in der Diagnose wie in der
j Behandlung. Nach und nach wurde aber die Praxis von Barth eine
immer bessere und allmälig eine sehr ausgedehnte. Nicht nur gehörte
i Barth lange zu den gesuchtesten Aerzten, sondern auch zu den belieb¬
testen Consulenten von Paris. Bekannt ist sein freundschaftliches Ver¬
hältnis als Arzt und Mensch zu einem der grössten Staatsmänner Frank¬
reichs in diesem Jahrhundert, zu Thiers.
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UNIVERSETY OF MICHIGAN
82
Wie sehr hoch Barth’s Character geschätzt wurde, geht daraus
hervor, dass er zum Präsidenten einer Re^he der geschätztesten medici-
nischen Gesellschaften, ausser seiner Präsidentschaft der in ihrer Wahl
stets sehr bedächtigen Academie de MMecine, gewählt wurde.
Von der stillen Wohlihätigke t Barth’s namentlich ärmeren Colle¬
gen und ihren Wittwen und Kindern gegenüber konnten sich nur wenige
einen Begriff machen, da er mit unendlichem Zartgefühl zu geben und
seine vielen und reichen Gaben zu verbergen wusste.
Sein Verhältniss zu Louis war während fast 40 Jahren ein sehr
freundschaftliches, und kann ich mich von diesem Gegenstände nicht
trennen, ohne Louis und seiner Schule, weicher Barth als einer der
besten angehörte, einige Bemerkungen zu widmen.
Werfen wir in der That einen raschen Blick auf Louis und seine
Schule, so stehen wir vor einer delicatcn Aufgabe. Der Mann, der
einen so mächtigen Einfluss auf seine ärztliche Zeit geübt hat, ist erst
vor wenigen Jahren von uns geschieden. Andererseits ist gerade unsere
Zeit so ganz in vollem Werden begriffen, dass es schwer ist, sich über
dieselbe ein unparteiisches Uriheil zu bilden.
Der Einfluss, welchen Louis auf seine Zeitgenossen und Schüler
ausgeült hat, war ein doppelter, in erster Linie als Mensch und Cha¬
rakter, in zweiter als uneimüdlicher Forscher und Förderer der wissen¬
schaftlichen Wahrheit.
Ich habe in verschiedenen Ländern gelebt und Gelegenheit gehabt,
mit vielen grossen Aerzten und Naturforschern unserer Zeit in Verbin¬
dung zu treten. Ich kann aber wohl sagen, dass ich einen ehren¬
hafteren, besseren und zugleich liebevolleren Charakter nirgends ge¬
funden habe.
Der strenge, stolze Mann, welcher selbst den leidenschaftlichsten
Angriffen seiner Gegner stets nur die Argumente der Wissenschaft, mit
eiserner Ruhe, aber freilich mit scharfer und schneidender Logik, oft
mit unerbittlicher Kritik entgegf nstellte, war in seiner Häuslichkeit und
seinen Schülern und Freunden gegenüber von einer Wärme und Her¬
zensgüte, wie sie nur wenige Menschen besitzen. Unermüdlich als
Lehrer, stets bereit, jeden ernsten Zweifel zu lösen, war er stets bereit,
wo er es nur irgend konnte, die grössten Dienste zu erweisen. Trotz
seiner überaus zahlreichen Beschäftigungen fand er immer Zeit, warm
diejenigen zu empfehlen, welchen er in ihrer Laufbahn nützen konnte.
Wer sein Lehen kennt, wie ich, weiss auch, dass nie ein materielles
Opfer zu gross war, wo er nützen und helfen konnte.
Aber auch, wo er seinen Freunden angenehm sein konnte, that er
es mit dem grössten Zartgeiühl. Ich hatte mit ihm einen jungen
Kranken behandelt, welcher, neu vermählt, einer schweren Darmkrank¬
heit erlag. Ich war mit der Familie befreundet und am Todestage sehr
betiübt. Louis, statt mir banale Trostgründe zu bieten, lud mich,
offenbar um mich zu zerstreuen, ein, mit ihm zu speisen, unter dem
Vorwände, dass erWildpret aus der Provinz ei halten habe, welches bei
seinem kleinen Haushalt zu viel für denselben sei.
Mit Louis Philipp und der Familie Orleans befreundet, schlug
er es entschieden aus, Arzt des Kaisers Napoleon III. zu werden.
Besonders wichtig für uns sind seine Leistungen in der Wissen¬
schaft und sein Einfluss auf ihren Fortschritt.
Louis war als junger Aizt nach Russland gegangen und hatte dort
einige Jahre lang prakticiit. Als er dann nach Frankreich zurück¬
kehrte, hatte er schon den festen Vorsatz, thatkräftig in den Fortschritt
der Medicin einzugreifen und die Medicin zu einer genauen Wissenschaft
zu machen.
Den Grundsätzen Baco’s folgend, wollte er vor allem in dem Con¬
sta tiren der Thatsachen die grösste Strenge und Genauigkeit. Aber
glücklicher als der grosse englische Kanzler, welcher seine eigenen Grund¬
sätze so schlecht verwerthete, lebte Louis jetzt Jahre lang fast aus¬
schliesslich im Hospital, sammelte eine grosse Zahl sehr genauer Kran¬
kengeschichten und Obductionsberichte, von denen ich einige aus jener
Zeit besitze. Erst nachdem er so die Verwerthbarkcit seiner Grundsätze
durch lange und mühevolle Arbeit festgestellt hatte, trat er mit grösseren
Arbeiten und mit klinischen Vorträgen über seine Grundsätze hervor.
Seine pathologisch-anatomischen Abhandlungen, seine Werke über Ab¬
dominaltyphus und Lungenschwindsucht werden als wahre Monumente
trefflicher Forschung bleiben. Als er 1837 nachwies, dass der Aderlass
acute Krankheiten in ihrem Verlaufe weder zu hemmen, noch zu ver¬
langsamen im Stande sei, hatte er den Grund zur strengen Kritik der
Perturbationsmethoden und der grossen Uebertreibung der Blutentzie-
hungen in der Therapie gelegt, eine Kritik, welche unsere Zeit allge¬
mein anerkannt hat, und hatte er seiner bekannten exspectativen Me¬
thode die Bahn gebrochen, welche lange geherrscht hat und erst in
unserer neuesten Zeit durch die antipyretische Methode bei hohem, er¬
schöpfenden Fieber, eine gerechte Beschränkung gefunden hat. Dem
Aderlass aber, dem BreohWeinstein in hohen Dosen, den Mercurialien war
die Herrschaft in acuten Krankheiten genommen.
Louis hatte als obersten Grundsatz, dass man nicht streng und
nicht gründlich genug im Leben wie in der Leiche den Erscheinungen
und Läsionen nachforschen könne, dass nur aus guten Einheiten als
Krankengeschichten eine wirklich brauchbare Analyse hervorgehen könne.
In dieser aber müsse man vage Ausdrücke, wie häufig oder selten, ver¬
meiden und möglichst die Proportionen in Zahlenwerthen ausdrücken,
den Beschreibungen aber nur das gesehene und beobachtete zu Grunde
zu legen. Besonders hervojrzuheben ist, dass Louis auch stets darauf
bestand, dass bei jeder Krankheit alle Functionen geprüft, bei jeder
Leichenöffnung alle Organe untersucht werden müssten.
No. 6
Klassische Arbeiten, unermüdliches Lehren am Krankenbett und in
der Klinik, namentlich während seines Aufenthalts im Höpital de la
Pitie, gaben seinen Grundsätzen bald grosse Verbreitung, regten aber
auch eine heftige Polemik an. Seine Gegner aber machten nicht jene
mannigfachen Argumente geltend, welche die heutige Wissenschaft mit
ihrem mächtigen Fortschritt der Exelusivität dieser Methode entgegen¬
setzen konnte, sondern dieselbe war unbequem, zeitraubend, setzte Talent
dor Beobachtung, Fleiss, strenge Kritik, unbestechliche Wahrheitsliebe
voraus, Eigenschaften, deren Nothwendigkeit- freilich vielen nicht recht
und nicht bequem war.
Fragen wir uns nach den Schattenseiten dieser so hohen, so schönen
Tendenz, dieser vortrefflichen Leistungen, welche nicht bloss Louis,
sondern auch seine Schule auszeichnen, so finden wir einen nicht, ge¬
ringen Theil weniger in Louis selbst als in seiner Zeit mit ihren noch
unvollkommenen und einseitigen Untersuchungsmethoden und Kennt¬
nissen. Ein Theil aber trifft auch den grossen Kliniker.
Mit Recht die Ungenauigkeit früherer medicinischer Forschungen
hervorhebend, verwirft er mit stolzer Einseitigkeit und besonders mit un¬
zureichender Prüfung das viele vortreffliche, gründliche, gewissenhafte
früherer Forschung. Die so reiche Casuistik vergangener Jahrhunderte
existirt kaum für Louis. Die Wissenschaft aber gleicht einer
hohen Leiter, deren jede Stufe offenbar nur durch die
vielen vorhergehenden existirt.
Von den Louis’schen Schülern blieb ein Theil dieser einseitigen
Verachtung der Vergangenheit treu, andere suchten sich zu unterrich¬
ten und hurden allseitiger, wie unter anderen Valleix. Am meisten
aber wichen von diesen Grundsätzen Rilliet und Barthez ab, deren
Werk über Kinderkrankheiten nicht nur zu den Glanzpunkten der
Louis’schen Schule, sondern auch zu den besten klinischen Arbeiten
unserer Zeit gehört und dabei auch sorgsam alles bis dahin über Kin¬
derkrankheiten bekannte berücksichtigt.
Aber auch diese Forscher trifft ein Vorwurf, welcher Louis und
seiner Zeit weniger zugerechnet werden kann; wohl denen, die in einer
vorgerückteren Zeit gelebt haben.
Louis und seine Schule sahen die Medicin und die Klinik als eine
selbständige Wissenschaft an. Physiologie und Naturwissenschaften
existirten für sie nur in sehr untergeordnetem Massstabe. Und doch
hatte schon Haller seine unsterbliche Elementar - Physiologie
längst bekannt gemacht; Charles Bell hatte zuerst die Functionen
des Rückenmarks ungleich besser als seine Vorgänger localisirt. Flou-
rens halte bereits viel für die Physiologie des Gehirns gethan. Ma¬
gen die hatte nicht nur die Bell’sehen Entdeckungen sehr erweitert,
sondern in die verschiedensten Thcile der Physiologie durch kühne und
schöne Experimente mächtig eingegriffen. Bichat hatte der pathologi¬
schen wie der normalen Anatomie neue Bahnen eröffnet. Die Naturwis¬
senschaften hatten durch Lavoisier, Davy, Gay-Lussae, Arrago,
Cuv’icr, de Jussier einen mächtigen Aufschwung erfahren. Alles
schien vorbereitet, um eine der elementarsten Wahrheiten unserer Zeit
bereits in den zwanziger und dreissiger Jahren zur Geltung zu bringen,
die: dass die Medicin die jüngste und schwächste Schwester
der Naturwissenschaften sei, und ihre Existenz ohne diese
eine mangelhafte, eine krüppelhafte sein müsse.
So sehen wir denn auch, das9 Mikroskopie, Chemie, Physik von
diesen vortrefflichen Forschem nur mit Misstrauen angesehen wurden.
Von der so hochwichtigen Infection konnten sie sich keinen zeitgemäs-
sen Begriff machen, weil der alte sterile Streit der Contagionisten und
Miasmatiker erst dann vernünftigen Anschauungen Platz machen kan*,
wenn Geologie, Botanik der niederen Organismen, physikalische Geogra¬
phie die Lehre von dem Verhältniss des Parasitismus zur Infection ge¬
klärt haben.
In Frankreich hatte Roger vor vielen Jahren die Wärmemessung
in die Pathologie ernst und gründlich eingeführt; wie kommt es, dass
Grisolle noch 1865 in der zweiten Auflage seiner gewissenhaften Ar¬
beit über Pneumonie die Krisen bei dieser leugnet, dass Rilliet und
Barthez, nach Roger gekommen, der Wärmemessung nirgends er¬
wähnen? Hat diese nicht schon heute der Pathologie und Therapie der
Kinderkrankheiten grosse Dienste geleistet?
Ein anderer Vorwurf trifft ebenfalls Louis weniger als seine Zeit.
Mit aller Gewissenhaftigkeit, mit allen modernen Hilfsquellen, mit der
Verwerthung der besten naturwissenschaftlichen Methoden wird man nie
aus der Medicin eine mathematisch genaue Wissenschaft machen. Noch
lange wird sie wohl selbst als Berechnung nur eine Wahrscheinlich¬
keitsrechnung bleiben. Dennoch aber ist das Bestreben des grossen
Klinikers, die Ungenauigkeit in der Beobachtung, der Analyse, der
Synthese, der Beschreibung möglichst zu beschränken, in hohem Grade
anerkennenswert h.
In der Geschichte der Medicin des neunzehnten Jahrhunderts wird
Louis gewiss eine der höchsten, eine der geeintesten Stellungen ein¬
nehmen und unter seinen ausgezeichneten Schülern haben sich wohl
wenige in wissenschaftlicher, in ärztlicher, in humanitärer Beziehung ein
grösseres Verdienst erworben, als Jean Baptiste Barth.
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. In Leipzig starb am 26. Januar der grosse Altmeister der
Physiologie Ernst Heinrich Weber. Derselbe war in Halle am
24. Juni 1795 geboren. 1816 babilitirte er sich in Leipzig und gehörte
seitdem, also 62 Jahre hindurch, der Leipziger Universität an, deren
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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Original fro-m
UNIVERSETY OF MICHIGAN
11. Februar 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
83
grösste Zierde er bald wurde und blieb. Sein jüngerer, mit ihm gemein¬
sam arbeitender Bruder Eduard Weber ist ihm im Tode vorangegangen.
Ein dritter Bruder, Wi 1 h el m Weber, ist zur Zeit noch an der (iöttinger
Hochschule als Professor der Physik wirksam. Ernst Heinrich Weber
ist der Begründer der Lehre vom Mechanismus der Bluibevegung:
Eduard Weber der • Schöpfer der Lehre vom Heimnungsnervensystem
— Leistlingen von gewaltig epochemachender Bedeutung.
— Zwei weltberühmte französische Gelehrte, Mitglieder der Academie
der Wissenschaften in Paris, der Physik# Antoine- Cesar B e cq u er e 1,
geboren 1788. und der Chemiker Henri-Victor Regnault. geboren
zu Aachen 1810, sind Ende Jan mir gestorben.
— ln Paris starb d« r ein malige Professor an der früheren nie-
dicinisehcn Fakultät zu Strassburg. Dr. llirtz. Er war ein lleissiger
Mitarbeiter an der Gaz. med. de Strass bourg gewesen, und hatte, so lange
Strassburg noch französisch, eifrig daran mitgewirkt, die deutsche Wissen¬
schaft den Franzosen zugänglich zu machen. Nachdem Strassburg wieder
zu Deutschland gekommen war, vcrliess Hirtz die Stätte seiner bis¬
herigen Wirksamkeit und siedelte nach Paris üher. Einen Ruf als Pro¬
fessor an der neugegründeten medicinischen Fakultät zu Nancy lehnte
er ab,
— Der Central-Ausschuss der ärztlichen Bezirksvereine zu
Berlin hielt am 1. Februar unter dem Vorsitz von Dr. Stropp eine
ausserordentliche Sitzung ab, in der eine Geschäftsordnung nach dem
Referate von Sanitätsrath Semler berat heu und festgestellt worden ist.
Einen Kommers der Mitglieder der Bezirksvereine zu veranstalten, wurde
vorläufig aufgegeben. Neu eingetreten sind als Delegirte für den Verein
Königstadt: Dr. Ries, für den Verein Louisenstadt: Dr. Lissa.
— In Preussen sind 1876 registrirt:
Lebendgebome.
Todtgeborne.
ehelich,
m. | w.
ausse
m.
rehel.
w.
ehe
m.
ich.
w.
une
m.
hcl.
w.
louesiaiiu.
m. | w.
Januar
44010
42344
3642
3547
,2253
1734
282
194
30575
27S57
Februar
43199
41418
3885
3743
2117
1804
241
185
28803
26152
März
44412
42664
3860
3560
2259
18)9
248
186
31460
27779
April
40828
39288
3553
3214
1916
1551
214
181
30197
26382
Mai
39648
38010
3484
3340
1819
1487
199
177
30066
26474
Juni
37762
35252
3112
3031
1719
1327
186
126
27330
23602
Juli
40204
37526
2820
2925
1642
1349
177
107
27798
23972
August
42031
39514
2788
2658
1772
1421
168
123
31326
27239
September
43468
4117S
3097
3013
1815
1403
178
122
26373
23524
October
42936
40467
3014
! 2687
1855
1357
194
143
25994123636
November
41634,39392
3128
2947
1866
1405
181
153
28574
26119
December
40456 37846
3346
3189
1956
1492
227
185
30513
27792
Summa:
,500588
|474899
"twST
[DkT]
pSBET]
[W]
2495 |
1882
349009
310528
975487
77583
41146
4377
659537
1053070 45523
— In der Woche vom 6. bis 12. Januar sind in Berlin 476 Per¬
sonen gestorben. Todesursachen: Masern 2, Scharlach 13, Roth-
lauf 3, Diphtherie 15, Eitervergiftung 2, Febris puerpcralis 4, Typhus
abdom. 2, Gelenkrheumatismus 3, Karbunkel 1, Syphilis 1, mineralische
Vergiftung 1 (Selbstmord), Kohlengasvergiftungen 2 (l Selbstmord), Leucht-
gasvergiftuHg 1, Brandwunden 1, Sturz 4, Ertrinken 3, Erhängen 1 (Selbst¬
mord), Lebensschwäche 26, Abzehrung IG, Bildungsfehler 1, Atrophie
der Kinder 3, Altersschwäche 20, Krebs 17, Wassersucht 12, Herzfehler 13,
Hirnhautentzündung 5, Gehirnentzündung 10, Apoplexie 16, Tetanus und
Trismus 9, Zalmkrämpfe 2, Krämpfe 39. Kehlkopfentzündung 14, Croup
9, Pertussis 5, Bronchitis acuta 3, chronica 12, Pneumonie 35. Pleuritis
6, Phthisis 66, Peritonitis 5, Schwangerschaft ausserhalb der Gebärmutter
1, Folge der Entbindung 1, Diarrhoe 4 (Kinder unter 2 J.), Brechdurch¬
fall 4 (Kinder unter 2 J.), Magen- und Darmentzündung 2, Magen- und
Darmkatarrh 6 (Kinder unter 2 J.), Nephritis 9, andere Ursachen 51,
unbekannt 5.
Lebend geboren sind in dieser Woche 452 m., 417 w., darunter
ausserchelieh 46 m., 48 w.; todtgeboren 23 m., 20 w., darunter ausser-
ehelich 2 m., 6 w.
Die durchschnittliche Sterblichkeit dieser Woche beläuft sich
auf 24,3 pro Mille der wahrscheinlichen Bevölkerungszahl, die entspre¬
chende Geburtenziffer auf 44,4 pro Mille (beide Summen mit Ausschluss
von 2,2 pro Mille Todtgebornen).
Witterung: Thermometerstand: 0,19. Abweichung 1,20. Ba¬
rometerstand: 27 Zoll 11,92 Linien. Dunstspannung: 1,72 Linien.
Relative Feuchtigkeit: 81 pCt. Himmelsbedeckung: 7,9. Höhe
der Niederschläge: 1,1 Pariser Linien.
In Berlin sind in der Woche vom 13. bis 19. Januar gemeldet
Typhus-Erkrankungen 14, Todesfälle 4.
II. Amtliche Mittheiluigen.
Personalfta.
Auszeichnungen: Seine Majestät der König haben Allcrgnädigst ge¬
ruht, den practisehen Aerzten Dr. Mertz in llanau und Dr. Blasberg
zü Düsseldorf, dem Marinc-Übcr-Stabsarzt 2. Klasse Dr. Bäuerlein
und dem Marine-Stabsarzt Dr. Schultz den Rothen Adler-Orden vierter
Klasse, dem Marine-Assistenz-Arzt 1. Klasse Dr. Gärtner den König¬
lichen Kronen-Orden vierter Klasse, sowie dem Kreis-Physikus Dr. Emil
Friedrich Kutzuer in Thorn den Character als Sanitäts-Rath zu ver¬
leihen.
Niederlassungen: Stabsarzt a. D. Dr. R h e i n in Freienwalde a./0.,
Arzt Dr. Schönbeck in Alt-Landsberg, Arzt Stadt fei d in Schönau.
Verzogen sind: Stabsarzt Dr. Marh ei necke von Spandau n?-ch
Berlin, Dr. Hartung von Friedrichshagen nach Clötze, Dr. Dolmer
von Deutsch - Wartenberg nach Ncusalz a./O., Dr. Schroeder von
Wagenfeld nach Worpsweda.
Apotheken-Angelegenheiten: Der Apotheker Zindler hat die
Kcyl’sche Apotheke in .lauer gekauft, dem Apotheker von Uepell
ist die Verwaltung der Filial-A^otheke in Klitschdorf übertragen worden.
Todesfälle: Dr. Zinnecker in Hirschberg, Dr. Ludwig in Grün¬
berg, Kreis-Physikus Sanitäts-Rath Dr. Aust in Landeshat, Kreis-
Physikus Dr. Mass in Schönlanke.
IBekaiiiitmaclMuigeii.
Die Kreiswund&rztstelle des Kreises Schildberg mit einem jährlichen
Gehalte von 600 Mark ist erledigt. Qualificirte Bewerber wollen sich
unter Einreichung ihrer Zeugnisse und ihres Lebenslaufes innerhalb 6
Woehen bei uns melden.
Posen, den 25. Januar 1878.
Königliche Regierung. Abthcilung des Innern.
Die durch den Tod des Inhabers erledigte Kreisphysikatsstelle des
Kreises Czarnikau, mit welcher ein jährliches Einkommen von 900 Mark
verbunden ist, soll mit dem Wohnsitz in Czarnikau wieder besetzt werden.
Qualificirte Bewerber fordern wir auf, sich unter Einreichung ihrer Atteste
und eines Lebenslaufes binnen 6 Wochen bei uns zu melden.
Broraberg, den 1. Februar 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Inserate.
BerKner ärztliche Unterstützungskasse.
Generalversammlung
Freitag den 15. d. M 1 . Abends 6 Uhr A. d. Spandauer Brücke 1 a.
_ bei Herrn Geb. San.-Rath Dr. gtetathal. _
Bekanntmachung.
Die Stelle des Assistenzarztes an der Provinzial-Irren-Heil- und
Pflegeanstalt in Schwetz, mit welcher ein baares Gebalt von 1300 M.
und Dienstemolumente im Werth von 825 M. jährlich verbunden sind,
soll sogleich mit einem Arzt, welcher die Staatsprüfung abgelegt hat,
anderweit besetzt werden.
Die Anstellung erfolgt auf dreimonatliche Kündigung.
Qualificirte Bewerber worden ersucht, ihre Meldungen unter Bei
fiigung ihrer Atteste, bis zum 10. Februar er. hierher einzureichen.
Königsberg, den 21. Januar 1878.
__ De r Landesdireetor der Provinz Preussen.
Als ärztlicher Leiter eines seit 60 Jahren bestehenden Baden
(Wasserheilanstalt) wird ein pnact. Arst gesucht.
Gesicherte Stellung wird garantirt Einlage eines sicher zu stellen¬
den Capitals oder Betheiligung mit einem solchen von er. 30,000 Mark
ist Bedingung.
Offerten unter Chiffer G. G. 8812 besorgt die Annonoen-Expedition
Th. Dietrich <fc Co. in Hannover. _
Bekanntmachung.
Die Oberwärterslelle an der Provinzial-Irrenanstalt bei Halle a. S.
wird am 15. März d. J. vacant.
Befähigte Bewerber wollen sich unter Eingabe genügender Legiti¬
mationen und empfehlender Zeugnisse bei der Direction genannter An¬
stalt melden.
Bad Neuenahr.
Alkalische Thermen, sehr reich an Kohlensäure. Specificum bet
chronischen Catarrhcn des Magens, Darmes und der Respirationsorgane,
bei Blasenleiden, Gries, Stein, Diabetes m., Gicht, Rheumatismus und
Uterusleiden. Wird selbst bei Monate langem Trinken vortrefflich ver¬
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Reg.-Bezirk Breslau.
Briefe an den Unterzeichneten.
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84
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No e
Verlag von August Hirschwald in Berlin.
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Bruns, Prof. Dr. Paul, Die Laryngotomie zur Entfernung
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Leopold, Dr. G., Studien über die Uterusschleimhaut während
Menstruation, Schwangerschaft und Wochenbett, gr. 8. Mit
10 lithogr. Tafeln in Farbendruck (Separatabdruck aus dem
Archiv für Gynäkologie). 1878. 12 M.
ROS«, Prof. Dr. Edm., Der Kropftod und die Radicalcur der
Kröpfe, gr. 8 (Separatabdruck aus dem Archiv für klinische
Chirurgie.) 1878. 1 M. 60 Pf.
Central-Blatt
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Nervenheilkunde, Psychiatrie und
gerichtl. Psychopathologie
herausgegeben und verlegt von
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Wir richten daher an diejenigen Herren, denen No. 1 als Probenummer
zugesandt worden ist, die aber ein Abonnement nicht eröffnet haben,
die ganz ergebenste Bitte um gefällige Rücksendung der von ihnen nicht
benutzten No. 1 und versichern sie ira Voraus unseres verbindlichsten
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Bendorf bei Coblenz, den 9. Februar 1878.
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Herzlichen Dank den Herren Aerzten.
Als vor Kurzem Seitens ausländischer Verkäufer sogenannter Bitter¬
wässer die Grundlagen verändert wurden, auf denen der Handel mit
natürlichen Mineralwässern bisher beruht hatte, entstand für uns unter
Anderem namentlich die Frage, ob wir diesen Händlern auf die ab¬
schüssige Bahn rcclamhafter Anpreisungen folgen oder den von uns inne
gehabten soliden Weg weiter wandeln sollten. Wir zopen das Letztere
vor in der Erwägung, dass der Consum eines Mineralwassers in letzter
Instanz von dem nach verständigen und durch Reclame
nicht ku beeinflussenden Urtheil der Aerzte ab»
hängig ist.
Unser Vertrauen auf dieses Urtheil hat uns nicht getäuscht! Nicht
nur, dass von im höchsten Grade competenten Autori¬
täten die Unterschiede in der Zusammensetzung und Wirkung der
verschiedenen Bitterwässer und die Vorzüge des Priedrichshaller
ohne unser Zuthun gewürdigt worden, hat sieh der Consum auch im
abgelaufenen Jahre nicht nur nicht verringert, sondern im Gegentheil
wesentlich gehoben.
Wir constatiren, dass sieh die Wissenschaft durch Reclame nicht
vom rechten Wege abbringen lässt, und nehmen Veranlassung, den
Herren Aerzten hierdurch unseren besten Dank für das unver¬
änderte Vertrauen xu unserer Heilquelle auszuspiechen.
Die Bnumendireotion Friedriolisliall.
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Berichtigungen.
In dem Berichte der Borl. med. Gesellsch. in No. 4 d. W., p. 53,
1. Spalte, Zeile 38, muss es heissen: der Astigmatismus nach der Ope¬
ration sei sehr „unbedeutend“ statt „bedeutend“.
In dem Aufsatz: Fixation der Elektroden No. 4, p. 49, Spalte 1,
Z. 17 v. oben, muss es heissen „nöthige“ statt „niedrige“.
Berlin. — Gedruckt bei L. Schumacher in Berlin.
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86
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 7
das Erhitzen in dem frisch gelassenen klaren Sekret nur eine
leichte Trübung erzeugte, die auf Zusatz einiger Tropfen ver¬
dünnter Essigsäure sofort einer erklecklichen Fällung von Al¬
bumin Platz machte. Meine eignen Untersuchungen betreffen
die von dem Patienten im Laufe der nächsten Tage auf der
Abtheilung entleerten Harnmengen.
Am auffälligsten verhielt sich der noch im Laufe des Tages
der Aufnahme gesammelte Harn, dessen Reactionen sofort an
den 1. und 2. Fall erinnerten. Ohne auffallenden Geruch, gelb-
roth (N3 d. Vogel’schen Skala), normal ponderirt (1018), durch
eine geringe Nubecula getrübt, von mässig saurer Reaction
gab er seinen reichlichen Gehalt an Albumin weder beim Kochen
nach leichtem Ansäuren mit Salpetersäure zu erkennen, wohl
aber bei Zusatz auch nur der geringsten Mengen Essigsäure
oder von Salpetersäure in starkem Ueberschuss. Das speciellere
Verhalten des Filtrats war folgendes 1 ):
Einfaches Kochen: Leichte Opalescenz, keine eigentliche
Fällung.
1 Tropfen Essigsäure: Die Trübung verwandelt sich in eine
sehr beträchtliche flockige Fällung (mindestens 1% Eiweiss).
Essigsäure im Ueberschuss (lCcm.): Die Trübung völlig
gelöst, keine neue Fällung.
1 Tropfen Salpetersäure: Verwandlung der Opalescenz in
vereinzelte zarte, kaum bemerkbare Flöckchen.
Salpetersäure im Ueberschuss (1 Ccm): dieselbe Fällung
wie oben.
Wird der Harn kalt mit den genannten Reagentien in
derselben Menge versetzt und nachträglich bis zum Sieden er¬
hitzt, so resultiren dieselben Erscheinungen 2 ); nur fällt auf,
dass der mit 1 Tropfen Salpetersäure angesäuerte Harn in der
Siedehitze klar bleibt und erst bei Abnahme der Temperatur
kaum merklich durch kleinste, fedrige Coagula sich trübt.
In der Kälte zeigt das Harnfiltrat auf Zusatz von 1 Tropfen
Salpetersäure keinerlei Veränderung: erst beim Hinzufügen von
einem grossen Ueberschuss dieser Säure oder aber beim Ueber-
schichten dieser letzteren mit dem Harn giebt sich der starke
Eiweissgehalt unter Form einer milchigen Gerinnung resp. eines
dichten breiten Ringes zu erkennen. Zusatz von Essigsäure
zum kalten Harn bewirkt natürlich keine Abänderung.
Ueberschichten des Harns mit Alcohol erzeugt einen
schmalen scharfen Ring an der Berührungsstelle; beim Mischen
der beiden Flüssigkeiten entsteht eine leichte Trübung, die
durch keine Steigerung der Alcoholmengen vermehrt werden
kann. Um sicher zu sein, dass diese Trübung nicht allein
durch die ausfallenden Erdphosphate bedingt sei, wurden letztere
durch Sodalösung ausgefällt, abfiltrirt, das Filtrat mit Salz¬
säure bis zur ursprünglichen Acidität titrirt und nun mit
Alcohol behandelt. Auch jetzt erschien sowohl Ring als
Trübung, wenn auch in geringerem Masse.
Offenbar musste als Grund dieses eigenthümlichon Verhaltens
des Harns gegen Hitze, Säuren und Alcohol die Gegenwart
1) Jede Probe betrug 20 Ccm., die Essigsäure wurde unter der Form
des officinellen Acid. acet. dilut., die Salpetersäure unter der des Acid.
nitric. pur. verwandt.
2) Nebenbei sei bemerkt, dass, während [der mit einigen Tropfen
Essigsäure versetzte siedende Harn noch immer einen ziemlich beträcht¬
lichen Niederschlag von Albumin gab, dieselbe geringe Menge der Säure,
vor dem Kochen zugesetzt, eine durchaus klare Lösung resultiren liess.
Dieses Verhalten eiweisshaltiger Harne (beruhend auf der Umwandlung
in durch Kochen nicht eoagulirendes Acidalbumin) ist bekannt, dürfte
aber in der genannten Prägnanz (Vernichtung der Eiweissreaction in
20 Ccm. durch wenige Tropfen verdünnter Essigsäure!) eine bemerkens-
werthe Seltenheit darbieten.
zweier Eiweisskörper oder doch wenigstens zweier Modificationen
der Albumingruppe angenommen werden. Von diesen war die
eine durch das gewöhnliche Harneiweiss d. h. harnsalzhaltiges
Serumalbumin repräsentirt und in Spuren (welche beim Er¬
hitzen und durch Alcohol zum Ausfall gebracht wurden)
vorhanden, während die andere durch einen diesem zwar sehr
nahe stehenden 1 )» aber durch die Nichtfällbarkeit im
sauren Harn beim Kochen und Löslichkeit in Alcohol
von ihm verschiedenen Albuminkörper vertreten war, der den
bei weitem grössten Antheil an der Albuminurie ausmachte.
Es gelang sehr leicht, die beiden Albumine zu trennen,
wenn man den kochenden und mit einigen Tropfen Salpeter¬
säure versetzten Harn (die opalescirende Flüssigkeit ging ohne
diesen Zusatz zum grössten Theil als solche durchs Filter)
filtrirte. Man erhielt dann im Filtrat den 2., vom gewöhn¬
lichen Serumalbumin getrennten Körper. Stumpfte man die
stark saure Reaction desselben durch genaue Neutralisation der
Salpetersäure vermittelst irgend eines Alkalis bis zur ursprüng¬
lichen mässig sauren Reaction ab, so konnte selbst andauerndes
Kochen auch nicht eine Spur von Eiweiss ausfällen, während
auf Zusatz von grösseren Mengen Salpetersäure, gleichviel ob
in der Kälte qder Hitze, mehr und mehr Eiweiss coagulirte,
derart dass selbst grösste Quanta dieser Säure nicht den Nieder¬
schlag zu verringern vermochten. Es lag also ein Harn mit
allen von Bence Jones (s. o.) für seinen Fall geschilderten
Eigentümlichkeiten vor. Ein einziger Tropfen Essigsäure ge¬
nügte für 20—30 Ccm. des kochenden Filtrats 2 ) zur Ausfällung
fast derselben Menge von Albumin, wie sie im ursprünglichen
Harn beobachtet worden war, wofern nur dafür Sorge getragen
ward, dass sich jede Spur freier Salpetersäure neutralisirt
1) Dass dieser Ei weisskörper nicht durch das Paraglobulin
Edlefsen’s repräsentirt war, konnte leicht durch die Senator’sche
Methode (Verdünnung des Harns bis zum spec. Gewicht 1002 und Ein¬
leitung von C0 2 ) erwiesen werden. Es erfolgte allerdings nach mehr
als Östündigem Einleiten des Gases eine Trübung vom Character des
Paraglobulins resp. des mit diesem wahrscheinlich identischen Masing-
schen Paralbumin (Löslichkeit in NaCl-Lösung, HCl und conc.
Essigsäure), allein in so verschwindend kleiner Menge gegenüber dem
beträchtlichen Gehalt an unserem Albuminkörper, dass es sich fraglos
nur um die fast allen eiweisshaltigen Harnen eigene Quote von Para¬
globulin gehandelt hat. Ebenso verbot die Fällbarkeit unseres Eiweiss-
körpers durch Hitze und Säure die Annahme einer Idendität mit der
Albuminose Taylor’s und Mialhe’s, sowie seine Nichtfällbarkeit
durch Alcohol die Verwechslung mit den peptonartigen Körpern von
Gerhardt und Schultzen u. Riess. Dass jener eigenthiimliche
Eiweisskörper, den Bence Jones im Harn eines Osteomalacischen fand,
und den Kühne als Hemialbuminose beurtheilt, nicht Vorgelegen,
wie ich anfangs bei Beobachtung der flockigen Trübung beim Erkalten
(s. o.) vermuthet, erhellt aus der Persistenz des beträchtlichen Coagu-
lums in der Siedehitze bei Anwendung eines Überschusses von Salpeter¬
säure. Endlich kann es sich auch nicht um die „eigenthüraliche Pro-
teinsubstanz“, welche Heller in den Harnen von Osteomalacischen fand,
handeln, denn diese fällt selbst aus neutralen Harnen aus und wird
durch Salpetersäure überhaupt nicht gefällt.
2) In der Kälte mit Essigsäure und Ferrocyankalium resp. schwefel¬
saurem Natron versetzt zeigte das Filtrat dieselben Reactionen beim
Kochen, wie gewöhnliche eiweisshaltige Harne; auch in dem Verhalten
zur Polarisationsebene sowie in den Farbenreactionen (mit HCl, Feh-
ling’schcr Lösung etc.) konnte kein vom Serumalbumin differenter
Character crshlossen werden. Ebenso zeigte sich der ausgefällte ge¬
waschene und getrocknete Eiweisskörper in jeder Beziehung mit dem
Serumalbumin übereinstimmend. Das Verhalten zu Sublimat-, Phos¬
phorsäure- und Weinsäurelösungen habe ich aus Mangel an Material
nicht prüfen können, aus demselben Grunde leider auch die Herstellung
eines absolut salzfreien Präparates durch Diffusion versäumen müssen.
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18. Februar 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
fand. Alcohol vermochte in keiner Menge das gelöste Albumin
zum Ausfall zu bewegen. Es entstand zwar bei grossem lieber-
schass eine Trübung, allein dieselbe rührte von der Gegenwart
ausgefallener Erdphosphate her, wie die Unmöglichkeit, die Trü¬
bung nach Ausfüllung der Erdphosphate (in der oben beschrie¬
benen Weise) hervorzurufen, zur genüge bewies.
Die microscopische Prüfung des Harnsediments ergab die
gewöhnlichen Bestandtheile der Nubecula, ausserdem die Gegen¬
wart spärlicher, durchweg blasser, hyaliner Cylinder, die somit
das Bestehen einer renalen Albuminurie sicher stellten.
Das am 2. Tage entleerte Harnquantum zeigte auffallende
Veränderungen. Der blasse, leichtere (1013), schwach saure
Harn, in dem Cylinder nicht mehr aufzufinden waren, ergab
beim Sieden eine ziemlich starke Fällung von flockigem Albu¬
min, welche durch nachträgliches Hinzufügen von Essigsäure
nur wenig vermehrt wurde. Auf Zusatz von wenigen Tropfen
Salpetersäure zeigten sich im wesentlichen die Eigenschaften
eines gewöhnlichen Eiweissharns. Wurde die letztere Säure in
ungewöhnlich starkem Ueberschuss zugefügt, so löste sich der
grösste Theil des coagulirten Albumins, niemals aber die ganze
Menge. Alcoholzusatz bewirkte eine namhafte Fällung; kurz
es zeigte sich nach Behandlung des Harns in gleicher Weise,
wie am 1. Tage, dass jetzt der Löwenantheil durch das ge¬
wöhnliche Harneiweiss und nur eine kleine Quote durch den
anderen Albuminkörper repräsentirt war.
Am 3. Tage entleerte Patient einen ebenfalls blassen Harn,
der nur noch mässige Mengen von Albumin (nach Schätzung
zwischen 0,1 und 0,2%) enthielt und alles unter der Form von
salzreichem Serumalbumin; die andere Eiweissmodification war
vollkommen geschwunden. Dieses Verhalten des Harns dauert
seitdem bis zur Zeit fort (s. o.)
In weichem Verhältniss nun unser Eiweisskörper zum Se¬
rumalbumin, wie es sich als Hauptbestandteil des Harneiweisses
unter gewöhnlichen Verhältnissen findet, steht, ob es eine Vor¬
stufe oder ein Derivat desselben bildet, oder aber ob es sich
nur durch einen differenten Salz- oder Säuregehalt von ihm
unterscheidet, das wird sich natürlich, wenn überhaupt, nur auf
Grund einer genauesten Untersuchung des völlig salzfreien Prä¬
parates ermitteln lassen. Die Herstellung eines solchen hat
aber aus den genannten Gründen unterbleiben müssen.
Was den Fall Bence Jones’ anlangt, der meiner Meinung
nach in eine Kategorie mit unseren 3 Fällen zu zählen ;ist,
so beurtheilt der Autor selbst seinen Albuminkörper als eine
Verbindung von Serumeiweiss mit Salz- resp. Salpetersäure.
Diese Verbindung könne sich dann bilden, wenn der Harn eine
genügende Menge der genannten Säuren im freien Zustande zur
Disposition habe. Sie zeichne sich aus durch ihre Löslichkeit
in kaltem wie in kochendem Wasser, durch ihre Unlöslichkeit
in kalter oder siedender verdünnter Salpetersäure. Daher komme
es, dass „the addition of the nitric acid alter the urine is boiled,
is eure to prevent the albumen from being overlooked.“ Ich
muss gestehen, dass diese Hypothese sehr plausibel klingt und
durch das Experiment gewiss als richtige Möglichkeit bewiesen
werden kann; allein sie kann nicht für unseren dritten Fall
zutreffen, wo es sich um ein durch Alkohol nicht fällbares
Eiweiss handelt. Ei weissreiche, mit Salz- oder Salpetersäure
in den wechselndsten Mengen behandelte Harne, die diesen
neuen Albuminkörper nicht enthalten, geben immer ihren Eiweiss¬
gehalt durch Coagulation bei Zusatz von Alkohol-Ueberschuss
zu erkennen. Bence Jones hat leider den erwähnten Harn
weder in seinem Verhalten zu Alkohol noch zu Essigsäure ge¬
prüft, so dass die Identität mit unserem Albumin eine offene
Frage bleiben muss.
87
Es scheint mir dagegen nicht unwesentlich, auf die frap¬
pante Aehnlichkeit des in Frage stehenden Eiweisskörpers mit
salzfreiem Serumalbumin hinzuweisen, dessen Lösungen
bekanntlich auch weder durch die Siedehitze, noch durch Al¬
koholzusatz gerinnen. Die Rolle der Essigsäure würde diesen
Vergleich nicht stören, denn gerade diese Säure vermag in sehr
verdünntem Zustande den Coagulationspunkt der Albuminlö¬
sungen sehr erheblich zu erniedrigen. Freilich fällt auf der
anderen Seite die Vorstellung der Gegenwart eines salzfreien
Eiweisskörpers iumitten einer recht concentrirten und compli-
cirten Salzlösung etwas schwer.
Jedenfalls aber mahnen die angeführten Fälle, so selten sie
auch Vorkommen mögen, den Practiker aufs neue, bei der Prü¬
fung des Harns auf Albumin auch bei saurer Reaction der¬
selben den Säurezusatz nach dem Kochen niemals, selbst dann
nicht zu unterlassen, wenn keine Trübung erfolgt; sie lehren
ferner aufs neue die Gefahr auch nur des geringsten Ueber-
schusses des Essigsäurezusatzes selbst zu dem bereits gekochten
Harn (die bekanntlich bei Behandlung desselben mit Ferrocyan-
kalium oder Glaubersalz vermieden wird), sowie die Bedenk¬
lichkeit eines zu geringen Zusatzes von Salpetersäure; 1 ) end¬
lich zeigen sie, dass die quantitative Eiweissbestimmung von
Liborius, die auf Fällung durch Alkohol beruht, mitunter recht
ungenaue Resultate geben kann.
II. Ueber ajelogeit Lenkäaie.
Von
Professor EL IVeumann in Königsberg i. Pr.
(Fortsetzung).
In allen übrigen Beobachtungen, welche eine pathologische
Veränderung des Knochenmarks konstatiren, steht derselben eine
gleichzeitige bedeutende Anschwellung der Milz oder der Lymph-
drüsen (in mehreren Fällen beider Organe) zur Seite, sodass
man geneigt sein könnte, sich hier mit der Virchow’s Lehre
entsprechenden Annahme eines lienal- lymphatischen Ursprungs
der Krankheit zufrieden zu erklären und der Knochenmarks-
affection eine secundäre und untergeordnete Rolle beizumessen.
Ich führe die Fälle dieser dritten Reihe mit kurzen Notizen
über Krankengeschichte und.Obductionsbefund in ungefähr chro¬
nologischer Ordnung an.
8. Erster von mir beschriebener Fall (1. c.) *) 30jähri-
ger Mann, der in der Jugend an Intermittens gelitten, später
gesund gewesen. Krankheitssymptome entwickeln sich 2 Jahre
vor dem Tode: Gefühl von Druck in der linken Brustseite,
Digestionsstörungen, zunehmende Entkräftung, öfters Nasenbluten,
später Bronchialkatarh und Luftmangel, Oedem der Füsse, irregu¬
läre Fiebererscheinungen. Im Blute die Zahl der farblosen
Zellen fast die der rothen übertreffend.
Section: enorm grosser Milztumor (29,5 Ctm. 1. 18,5 br.
8 d.) von sehr derber Konsistenz mit narbigen Infarkten. Lymph-
drüsen nirgends sonderlich geschwollen. Das Knochenmark
in den Rippen, Sternum, Brustwirbel und Humerus von puri-
1) Welche ind:ss bei zu grossem Ueberschuss vielen eiweisshaltigeu
Harnen nicht weniger gefährlich als die Essigsäure ist. Allgemeine Vor¬
schriften über die zur völligen Coagulation des Albumins im Harn grade
ausreichenden Mengen dieser Säure lassen sich kaum geben, ein
Umstand, der wohl auch dazu beiträgt, dass der Practiker sich mit
grösserer Vorliebe der Essigsäure bei der Prüfung der Harne auf Eiweiss
bedient.
2) Die Krankheitsgeschichte dieses Falles findet sich in dem Auf¬
sätze Salkowski’s: Beiträge zur Kenntniss der Leukaemie. Virchow’s
Archiv Bd. 50.
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 7
former Beschaffenheit, ausserdem sehr starke leukämische Leber-
intumeszenz.
9. Fall von Ponfick 1 ) 46jährige Frau, angeblich gesund
bis zum Ausbruch einer Variola confluens, welche nach mehreren
Wochen im Stadium suppurationis unter den Erscheinungen
einer Diphtheritis tonsillaris und pharyngea den Tod herbeiführte.
Aus dem nicht vollständigen Sektionsbericht ergiebt sich: ko¬
lossale Milzschwellung (30 Ctm. Länge, 15,5 Br. 9 D.) Ge¬
wicht 2225 Gramm, das Gewebe mässig weich, teigig. Lymph-
drüsen in der Bauchhöhle nur leicht vergrössert, das Mark
in Tibia und Fenur grünlich gelb, ungewöhnlich weich, in der
Diploe von derselben Farbe und fast flüssig, in Sternum, Rippen,
Wirbeln die Veränderung weniger deutlich.
10. Zweite von mir mitgetheilte Beobachtung 2 ). 46jähri-
ger Mann, wenige Tage vor dem Tode in bereits sehr entkräf¬
tetem Zustande in die Klinik aufgenommen. Anamnese fehlt.
Das Blut zeigt eine sehr markirt lymphämische (Virchow)
Beschaffenheit. In der Leiche findet sich ein sehr bedeutender,
derber Milztumor (Durchmesser 29,5 Ctm. L. 14,5 Br. 5,5 D.)
gleichfalls beträchtliche Schwellung der Lymphdrüsen in der
Bauchhöhle (Gl. meseraicae, coeliacae, lumbales), sowie ausge¬
dehnte lymphatische Infiltration des mediastinalen und subpleu¬
ralen Fettzellgewebes, das Knochenmark in Rippen, Brust¬
wirbel, Humerus von theils graurother theils dunkelrother, pul-
pöser, gallertig durchscheinender Beschaffenheit, überall in
diesen Knochen die Zeichen einer vorgeschrittenen Rarefication
der festen knöchernen Theile. — Leukaemische Neubildungen
der Leber, der Nieren und wahrscheinlich auch der Lungen.
11. Fall von Mosler 3 ). 44jähriger Mann, der lange an
Intermittens gelitten und von der Zeit ab Stiche in der linken
Seite gehabt hatte, die leukaemischen Symptome schienen je¬
doch von einem heftigen Stosse gegen die Milzgegend zu datiren.
Zur Zeit der klinischen Beobachtung hochgradige Fiebererschei¬
nungen, auffällige Schmerzhaftigkeit des Sternum. Verhältniss
der weissen und rothen Blutkörperchen 1: 2. Tod an Magen¬
blutung. Sektion: kolossaler Milztumor von ungefähr 3,5
Kilogramm Gewicht und fester Konsistenz, alte Perisplenitis mit
Adhäsionen, in den Lymphdrüsen keine Anomalien. Das
Sternum enthält mehrere erbsen - bis mandelgrosse, unregel¬
mässige, mit eiterähnlicher Masse erfüllte Hohlräume, in einem
Lendenwirbel und Oberschenkel das Mark gleichfalls von schmutzig
gelblicher Farbe.
12. Fall von Huber und Zenker 4 ). 43jähriger Tagelöhner
erkrankte vor 2 Jahren unter den Symptomen von Kraftlosig¬
keit, Athembeschwerden, Husten, später Oedem, Blutungen, Asci¬
tes, Diarrhoe. Weisse und rothe Blutzellen 1:2. Autopsie:
sehr grosse Milz (25 Ctm. L. 12 Br.) von harter Beschaffenheit.
Das Mark der Rippen, des Brust- und Darmbeins schmutzig
grünlich gelb, auffällig weich, breiig. Lymphdrüsen normal.
13. Fall von Schepelern-Fenger 8 ). 58jährige Frau
phthisischer Abkunft hat vor 2 Jahren einen akuten Gelenk¬
rheumatismus gehabt, seit */ 4 Jahren Symptome der Leukaemie.
Entkräftung, Schmerzen in der linken Bauchseite mit Milz¬
schwellung, anämische Geräusche am Herzen, Blutungen aus
1) Ponfick. Virchow’s Archiv Bd. 56.
2) E. Neumann: Archiv der Heilkunde. Bd. XIII. p. 502.
3) Mosler: Virchow’s Archiv Bd. 57. Einen Nachtrag hierzu liefert
Mosler’s spätere Mittheilung in der Beri. klin. Wochenschrift 1876 in
No. 49. 50. p. 721.
4) Huber: zur myelogenen Leukaemie. Deutsches Archiv für kli¬
nische Medicin. Bd. XII.
5) Schepelern et til. folde of myelogen lienal Leukaemie. Referat
den Virchow-H irsch ’schen Jahresberichten. 1S73. II. p. 298.
Nase, Rectum und Harnwegen, Bronchitis und Dyspnoe; auch
Albuminurie, Hydrops und Diarrhöen gesellten sich hinzu. Im
Blute 1 weisses Körperchen auf 4 rothe. Tod an zunehmender
Erschöpfung. Sektionsbefund: Milz sehr gross (24 Ctm. L.
18 Ctm. Br. 7 Ctm. D., Gewicht 1525 Gramm) und derb. In
der Leistengegend einige unerhebliche Drüsenschwellun¬
gen (nur in der Krankengeschichte erwähnt). Das Knochen¬
mark in spongiösen und Röhren-Knochen (Femur, Radius, Rip¬
pen, Brustbein, Wirbel) von gelbgrüner, eiterähnlicher Farbe
und Consistenz; Corticalis und Knochenbälkchen der spongiösen
Knocbentheile verdünnt. Ausserdem lymphoide Infiltration des
interstitiellen Bindegewebes der Leber und Nieren, einige Ge¬
schwüre des Ileum und der Magenschleimhaut; haemorrhagische
Infiltration der Nebennieren, in den Nierenkelchen ein paar
Conkremente.
14. Fall von Heiberg 1 ). 45jähriger Mann, der nur 4
Tage im Hospital an Pneumonie behandelt war. Bei der Sektion
fanden sich neben grauer Hepatisation der Lunge eiterähnliche
Gerinnsel im Herzen und der Aorta (über den mikroskopischen
Befund fehlen in dem Referate leider Angaben), die Milz sehr
vergrössert, 985 Gramm schwer, die Lymphdrüsen nicht ge¬
schwollen, das Mark der Röhrenknochen geschwollen, röthlich
gelb, wie von einem eiterinfiltrirten Granulationsgewebe gebildet.
Auch in den Wirbeln ein röthlich gelb grünliches Mark.
15. Fall von Ke 1 sch 5 * ). 28jähriger Mann, der in der
Jugend skrofulös gewesen, erkrankt ziemlich plötzlich mit
Fieberanfällen, Blutungen (Petechien, Epistaxis, Haematurie),
Drüsenschwellungen, Retinitis leucaemica. Tod nach einer Krank¬
heitsdauer von etwa 7 Wochen. Die Vermehrung der weissen
Blutzellen wie 1:71. Bei der Autopsie findet sich ausser den
äussern Drüsentumoren eine ähnliche Geschwulst im Me¬
diastinum anticum, lymphoide Neubildungen in Leber, Nieren,
Magen- und Darmschleimhaut; ausgedehnte Veränderungen (die
freilich nur mikroskopisch beschrieben werden) im Knochen¬
mark des Sternum, der Wirbel und der Epiphysen der langen
Knochen; das Mark ist daselbst überall umgewandelt in ein
„vrai tissu lymphatique (tissu adenoide de His), w schliesst je¬
doch in den Röhrenknochen noch Haufen von Fettzellen ein, in
der Milz die Malpighi’schen Körperchen vergrössert: ihr Gewicht
360 Gramm (dieselbe also jedenfalls nur mässig geschwollen).
16. Fall von Kuessner 3 ). 46jährige Frau, welche bei
früherem vollständigen Wohlbefinden, akut mit starkem Frostan¬
fall unter dem Krankheitsbilde eines Typhus erkrankt: sehr
hohes Fieber, trockne Zunge, Petechien, Nasenbluten, Bronchial-
katarh, Benommenheit des Sensorium, unwillkürlicher Abgang
des Urins und Kothes — zweifellose leukaemische Blutbeschaffen¬
heit — Tod nach 2 7 2 wöchentlicher Krankheitsdauer. Sektion:
Milz erheblich vergrössert (20 Ctm. L. 10 Ctm. Br. 5 Dicke),
mässig resistent, auf dem Durchschnitt bildet die Pulpe einen
bräunlich rothen Brei, Lymphdrüsen ohne auffällige Schwellung.
Das Knochenmark in den Rippen und dem Mittelstück des
Humerus von gelb eitrigem Aussehen und zerfliessend weicher
Consistenz; im Darm keine Veränderungen.
17. Fall desselben Autors (1. c.). 38jähriger Mann. Be¬
ginn der Erkrankung etwa ein Jahr vor dem Tode mit Stichen
in der linken Seite, Kurzathmigkeit, trockenem Husten. Später
wurde eine Geschwulst unter dem linken Rippenbogen bemerkt,
1) II. Heiberg et Silfaelde of myelogen Leukaemie. Referat in
d. Jahresbericht f. d. ges. Medicin. 1S74. II. p. 314.
2) Kelsch: Note pour scrvir ä l’anatomie pathalogique de la leu-
cemie. Archiv de physiologie normale et pathologique. 1875. p. 492.
3) B. Kuessner zwei Fälle von Leukaemie. Berl. klin. Wochen¬
schrift 1876. No. 9.
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18. Februar 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
89
welche der Sitz von Schmerzen wurde, zuletzt Fieber und die
Erscheinungen einer Peritonitis. Verhältniss der weissen und
rothen Blutkörperchen = 1:2 oder = 2:3. Bei der Autopsie
zeigt sich ein grosser Bluterguss in die Bauchdecken, Milz ko¬
lossal gross (Durchmesser 29 Ctm. L. 17 Br. 11 D.) von fester,
blassrother Beschaffenheit; einige Mesenteriäldrtisen gleichfalls
geschwollen (bis zur Haselnussgrösse) Knochenmark wie im
vorigen Falle.
18. Fall von Schmuziger 1 ). 47jährige Frau, die in 16
Jahren 11 Schwangerschaften durchgemacht, von welchen die
letzte (vor 2 Jahren) zu einer Frühgeburt mit grossem Blutver¬
lust führte, seitdem Verdauungsbeschwerden (bei sehr ungenü¬
gender schlechter Kost), Drüsenschwellungen, Oedem. Bei der
Aufnahme in die Züricher Klinik sehr blasses Aussehen, systo¬
lische Herzgeräusche, enormer Milztumor, Schmerzhaftigkeit des
Sternum, Netzhautblutungen, Epistaxis, continuirliches, leichtes
Fieber. Verhältniss der Blutkörperchen zu einander, anfänglich
1:13, später 1:5, 6. Tod nach plötzlich erfolgter Bewusst¬
losigkeit an Lungenödem. Sektion: die Milz hat 30 Ctm. Länge
und 15 Ctm. Breite, ist mässig derb, grauroth. Retroperi-
toneal- und Mesenterialdrüsen etwas geschwollen. Kno-
chenmarkin Femursehr blass, mit rosa farbenen und grauen
Flecken, fast gänzlich fettfrei, seine Consistenz auffällig derb,
Mark im Sternum von hellgrauer Farbe, im Gehirn‘und seinen
Bedeckungen ausgedehnte Blutextravasation.
19. Fall von Schmuziger: (ibid.). 11 jähriger Knabe aus
gesunder Familie, der früher nur an „Herzklopfen und Beengung“
gelitten. Die Erkrankung beginnt mit Klagen über heftige
Kreuzschmerzen, die das Sitzen später fast unmöglich machen,
im weiteren Verlauf blasses Aussehn, Störung der Digestion,
Nasenbluten, Drüsen- und Milzschwellung, Katarh der Bronchien,
schliesslich Dyspnoe Oedeme, Ascites; Verhältniss der Blut¬
körperchen 1:60. Tod nach 3•/* Monat. Bei der Autopsie
findet sich die Milz erheblich vergrössert (Durchmesser 17,5;
9,5; 7,5), mässig fest, mit infarktähnlichen Einlagerungen und
zahlreichen, flachen, harten Prominenzen an der Oberfläche,
starke bindegewebige Induration. Die Lymphdrüsen in der
Umgebung des Larynx, der Trachea und Bronchien, sowie auch
die Drüsen der Bauchhöhle vergrössert, resistent, markig gela¬
tinös infiltrirt. Im Marke der Oberschenkelknochen und der
Lendenwirbel sehr ausgebildete „bindegewebige Degeneration“,
an anderen Stellen „lymphomatöser“ Charakter desselben —
leukaemische Neubildungen der Lungen, Leber, Nieren, in letz¬
teren Amyloid entartung.
20. Fall von Biesiadecki*). 50jähriger Mann, vor län¬
gerer Zeit Intermittens, seit einigen Jahren zunehmende Schwäche,
Milz- und Drüsenschwellungen, Bildung zahlreicher, über die
Körperfläche verbreiteter, linsen- bis bohnengrosser Hautknoten.
Section: Milz sehr gross (Durchmesser 26 Ctm. lang, 17 Ctm.
breit, 11 Ctm. dick), blutarm, teigig, weich, mit einer keilför¬
migen, kalkigen Narbe. In der rechten Achselhöhle ein doppelt
faustgrosses weiches Lymphdrüsenpaquet, Drüsen der Leisten¬
gegend taubeneigross, ebenso die Follikel an der Zungenwurzel
und dem weichen Gaumen stark geschwollen. Das Knochen¬
mark der Rippen und der Röhrenknochen theils schmutziggelb,
theils braunroth, einen schmierigen, weichen, fettigen Brei bil¬
dend, leukämische Neubildungen der Haut, Leiter und Nieren.
21. Fall von Lanenstein*) 59jähriger Mann, welcher an¬
geblich bis 3 Wochen vor dem Tode ganz gesund gewesen, dann
1) Schmuziger: Beiträge zur Kenntniss der Leukaemie. Archiv
der Heilkunde Bd. XVH. Heft 4.
2) Biesiadecki, Wiener med. Jahrb. 1876, p. 233.
3) Lanenstein, Deutsches Arch. f. klin. Medicin, XVIII.
an Magenschmerzen, Appetitlosigkeit, allgemeiner Mattigkeit er¬
krankte, und plötzlich unter den Erscheinungen eines apoplec-
tischen Insults starb. Bei der Section fand sich, ausser einer
grossen Hämorrhagie im linken Hinterhauptslappen und kleinen
Apoplexien in anderen Hirntheilen und der Retina, die Milz
mässig vergrössert (17 Ctm. lang, 12 Ctm. breit, 7 Ctm. dick),
blassziegelroth, weich; die vorderen Mediastinaldrüsen, die
Drüsen im Mesenterium und in der rechten Leistengegend in
geringem Grade markig geschwollen. Das Knochenmark in
Brustbein und Oberschenkeln schmutzig graugelb, matsch; im
Blute der Vena cruralis ebenso viel farbige wie farblose Blut¬
zellen, im Jejunum zahlreiche, z. Th. ulcerirte Knoten. 1 3 )
22. Fall von Mosler*). 45jähriger kräftiger Schiffskapitän
erkrankte vor 8—9 Jahren nach einer starken Erkältung an
heftigen Schmerzen in der Brust längst des Sternum, erst meh¬
rere Jahre später stellten sich abnorme Empfindungen im linken
Hypochondrium und in der Magengegend ein. Bei der klinischen
Untersuchung zeigen sich schmerzhafte Schwellungen der Ingui¬
naldrüsen, die Milz sehr bedeutend vergrössert (in der Mammil-
larlinie hat die Milzdämpfung eine Ausdehnung von 25 Ctm.),
eine starke Druckern findlichkeit des Sternum, der Rippen-
köpfchen, der Spina post. sup. oss. ilei und des Trochan¬
ter sinister. Am Manubrium sterni zwei umschriebene flache
erbsengrosse Einsenkungen, in welche sich die Finger wie in
scharfrandige Knochenlücken eindrücken lassen, eine Explora¬
tionspunktion mit dem MiddeldorpTschen Tirefond führt durch
erweichte Knochensubstanz in einen Hohlraum derselben; das
Verhältniss der weissen uud rothen Blutzellen anfänglich 1:5,
später 2:3. Der Kranke wurde in gebessertem Zustande aus
der Klinik entlassen.
Als weniger vollständige und nicht ganz zweifellose Beob¬
achtungen seien sodann schliesslich noch erwähnt: ein Fall von
Ran vier.*) (10 jähriges Mädchen seit 7 Monaten krank, zeigt
bei der Aufnahme in das Spital einen Tumor des rechten Os
ilei, Oedeme und Venenerweiterung an der unteren Extremität
derselben Seite. Bei der Section findet sich in der V. cava und
jliaca dextra ein Thrombus, der sehr reich ist an weissen Zellen
— eine microscopische Untersuchung des übrigen Blutes hat
nicht stattgefunden. Die Milz nicht vergrössert, dagegen Schwel¬
lung der mesenterialen und bronchialen Lymphdrüsen und lym¬
phatische Neubildung im rechten Os ilei und Femur, in der
Leber, den Nieren, Lungen und Pleura) — ein Fall von Mur¬
sick 4 ) (bei einem früher ganz gesunden Soldaten angeblich
innerhalb 5 Tagen, nachdem derselbe wegen eines Kniegelenk¬
schusses amputirt worden, Entwickelung einer Leukämie, bei
der Section soll sich neben den gewöhnlichen (?) Befunden eine
Osteomyelitis der Sägefläche gezeigt haben, über die Blutbe¬
schaffenheit keine weitere Notiz) — eine Mittheilung von Hand 8 )
(71jährige Frau, doppelseitige Pleuritis, das Sternum blutig-eitrig
infiltrirt aus 4 beweglichen Stücken bestehend, die Knochen¬
substanz erweicht, die Untersuchung des Blutes fehlt), sowie
eine Beobachtung von Kottmann 8 ) (Fall 4 1. c. bei einem
1) Dieser Fall lässt sich hinsichtlich der massigen fVergrösserung
der Milz und der Lymphdrüsen füglich auch der zweiten oben angeführ¬
ten Gruppe von Fällen anschliessen.
2) Mosler, Berl. klin. Wochenschr. 1876 No. 49, 52.
3) Ran vier, Note sur an cas de tumeur lymphatique des os. Jour¬
nal de l’anatomie et de la phisiologie, 1867.
4) Mursick, New York Med. Dec. 1868. Referat in den Virchow-
Hirsch’schen Jahresberichten 1868, II. pag. 313.
5) Hand, Philadelphia Med. Times, Myelogenic Leukämia, Referat
in d. Jahresb. für d. ges. Med. 1874 II, p. 313.
6) A. Kottmann, die Symptome der Leukämie, Inauguraldisser¬
tation. Bern 1871.
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 7
(>6 jährigen Mann, in dessen Blute die farblosen Zellen „ziem¬
lich vermehrt waren, 60 im Gesichtsfelde," fand sich die Milz
nicht vergrössert, dagegen bedeutende Tumoren der Lymph- ,
drüsen und im Marke der Wirbel und der Tibiae „Einlagerungen
von lymphatischen Neubildungen"). \
Wenn wir nunmehr den Versuch machen, auf Grund der !
vorstehend verzeichneten Beobachtungen die Rolle zu ermitteln, j
welche Erkrankungen des Knochenmarks in der Pathognese der i
Leukämie spielen, so können wir es nicht umgehen, vorerst |
eine bestimmte Stellung zu der Frage zu nehmen, ob wir über¬
haupt zufolge unserer gegenwärtigen Kenntnisse von der Lebens-
geschichte der Blutkörperchen eine Anomalie des Blutes, welche j
sich in so ausgesprochener Weise als pathologisches Verhalten !
dieser Elemente darstellt, uns von krankhaften Zuständen |
bestimmter Organe abhängig denken müssen? Virchow I
hat in seinen bekannten Arbeiten ein solches Abhängigkeits-
verhältniss mit grosser Entschiedenheit betont, und fast alle
späteren Autoren sind ihm hierin gefolgt; dennoch fehlt es nicht
gänzlich an Widerspruch. Es dürfte nicht schwer sein, zu zeigen,
wie wenig sich ein solcher rechtfertigen lässt. Den Gegensatz
zu der Virchow’schen Lehre, welche die Leukämie von einer
krankhaften Functionirung der „blutbildenden" Organe ableitet,
bildet natürlich die Auffassung derselben als einer selbständigen
Erkrankung des Blutes, und es Hessen sich zwei Wege denken,
auf welchen eine' solche zu einer Vermehrung der farblosen
Blutzellen führen kann, entweder dadurch, dass diese zwar in
normaler Zahl in den Blutstrom eintreten, hier aber durch Pro¬
liferation sich in abnormer Weise vervielfältigen, oder dadurch,
dass sie nicht die, wie präsumirt werden müsste, normale Me¬
tamorphose zu rothen Blutkörperchen im Blutstrome durchmachen.
Das erste hat Kottmann (1. c.) behauptet und zur Erklärung
der Leukämie benutzt, letzteres ist dagegen nach Biesiadecki’s
(1. c.) Ansicht die wesentliche Ursache der leukämischen Blut¬
erkrankung.
Was Kottmann’s Darstellung betrifft, so steht dieselbe
so vollständig unbewiesen da, dass ich mich der Mühe über¬
heben würde, auf sie einzugehen, wenn nicht Mosler in seiner
Bearbeitung des Abschnittes „Leukämie" in Ziemssen’s Hand¬
buch 1 ) dieselbe einer Erwähnung gewürdigt hätte, ohne ihr die
gebührende Kritik zu Theil werden zu lassen. Abgesehen da¬
von, dass eine im circulirenden Blute erfolgende Vermehrung
der weissen Blutzellen durch Theilung in hohem Grade unwahr¬
scheinlich ist, beschränkt sich Kottmann’s Argumentation in
der That darauf, dass er die durchaus unrichtige Behauptung
aufstellt, dass es „nicht an erschöpfend untersuchten Fällen
fehle, bei welchen eine bedeutende Vermehrung der weissen
Blutzellen gefunden wird, ohne dass in den blutbildenden Or¬
ganen (Drüsen, Knochenmark, Lymphräumen) die leisesten Ver¬
änderungen nachgewiesen werden können." Die von ihm als
Belege hierfür citirten Beobachtungen gehören sämmtlich einer
Zeit an, wo man dem Knochenmarke bei der Autopsie keine
Aufmerksamkeit schenkte, und es folgt daher aus dem Mangel
von Angaben über krankhafte Veränderungen dieses Organes
nicht, dass dasselbe sich normal verhalten habe. Ausserdem
fir.det sich in einem der von ihm angeführten (Gubler, Union j
medicale 1859 Jahresb. f. d. ges. Med. 1859 IV, p. 247) aus- |
driicklich im Sectionsbefunde ein Milztumor erwähnt, ein zweiter .
(Lloyd Robert’s British Med. Journal 1869) endigte in Ge- I
nesung und führte nicht zur Autopsie.
1) 0. Zie wissen Handbuch der speziellen Pathologie und Therapie.
- XIII. 2, pag. 155.
Nicht viel besser steht es mit der von Biesiadecki vor¬
getragenen Anschauung, welcher zufolge die bei der Leukämie
entstehenden Veränderungen an Milz, Lyraphdrüsen, Knochen¬
mark und anderen Organen sämmtlich eine secundäre Folge der
Zunahme der farblosen Elemente im Blute sein sollen, letztere
selbst aber auf eine „gehemmte Umbildung der farblosen Zellen
in farbige" zurückzuführen wäre. Es ist bekannt, dass letzteres
Moment bereits von Virchow zur Erklärung der Leukämie her¬
angezogen und namentlich in seinen früheren Arbeiten stark
betont und fast in den Vordergrund gestellt ist; so findet sich
bei ihm (Arch. II, p. 592) folgende Stelle „unter abnormen
Verhältnissen (i. e. bei der Leukämie) tritt eine Entwicklungs¬
störung ein, welche die Bildung der specifischen Blutzellen, der
Hämatin führenden rothen Blutkörperchen hindert, dagegen die
Fortentwicklung der jungen Zellen als nicht specifischer, ein¬
facher Zellen begünstigt," und noch in der neuesten Auflage der
Cellularpathologie (p. 204) heisst es, dass in dem Masse, als
die farblosen Zellen im Blute überwiegen „die Bildung der rothen
Elemente Hemmungen erfährt." Neu ist demnach Biesiadecki’s
Darstellung der Pathogenese der Leukämie nur in so weit, als
er die von Virchow und den meisten anderen Autoren gleich¬
zeitig angenommene gesteigerte Zufuhr farbloser Zellen zu dem
Blute ans gewissen Organen leugnet, und als er ferner annimmt,
dass jene Hemmung in der Entwicklung der rothen Blutzellen
nicht von der Erkrankung bestimmter Organe abhängig sei,
wie Virchow es behauptet hat, sondern viel mehr darauf be¬
ruhe, dass die weissen Blutzellen innerhalb des Blutstromes
(unter VergrÖsserung, Ablagerung von Fetttröpfchen und eigen¬
tümlichen blasenartigen Gebilden und Verlust der amöboiden
Bewegungen) degeneriren und dadurch unfähig werden, die Me¬
tamorphose zu farbigen Zellen einzugehen.
Um diese Auffassung der Entstehungsweise der Leukämie
zurückzuweisen und vielmehr ihre Abhängigkeit von patholo¬
gischen Zuständen bestimmter Organe wahrscheinlich zu machen,
werden wir uns vor allem daran zu erinnern haben, dass die
physiologische Verwandlung der farblosen Blutzellen in farbige
zwar einer allgemein verbreiteten Annahme entspricht, dass sie
aber immerhin bisher nur eine Hypothose ist. Ich selbst
habe mich in meinem ersten ausführlichen Aufsatze über die
blutbildende Function des Knochenmarks (Archiv für Heilkunde,
Bd. X) dieser Hypothese angeschlossen uud glaubte dieselbe
unterstützen zu können, indem ich in den von mir aufgefundenen
kernhaltigen rothen Blutzellen des Knochenmarks Uebergangs-
stufen zwischen farbigen und farblosen Zellen zu erblicken
glaubte; spätere ^Untersuchungen haben mich jedoch gelehrt,
dass es den bisher vorliegenden Erfahrungen besser entspricht,
den Ursprung jener kernhaltigen rothen Zellen des Marks, deren
rBedeutung als Vorstufen der fertigen rothen Blutkörper freilich
nicht zweifelhaft sein kann, vorläufig in suspenso zu lassen
(Archiv f. microsc. Anatomie, Bd. XII, p, 793). Ganz sichere
Beobachtungen über Verwandlung fabloser Zellen von der Be¬
schaffenheit der weissen Blutkörper in Hämoglobin führende,
kernhaltige Zellen, sind bisher nicht gemacht worden. Insbe¬
sondere aber dürfte es zweifelhaft sein, ob die bereits im Blute
circulirenden farblosen Körperchen zur Umbildung in farbige
Blutzellen bestimmt sind, wie Biesiadecki voraussetzt. Ge¬
setzt also auch, die Annahme wäre richtig, dass die rothen
Blutzellen aus den farblosen entstehen, so liegt es viel näher,
eine zur Leukämie führende Hemmung dieser Umwandlung aus
einer Alteration und mangelhaften Functionirung derjenigen
Organe, denen die Umbildung obliegt, in specic des Knochen¬
markes, von welchem diese Function bisher allein erwiesen ist,
abzuleiten als, wie Riesiadecki es tliut, degenerative Proces.se,
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
IS. Februar 187S.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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welche die farblosen Zellen im Blutstrom erleiden und sie zu
ihrer physiologischen Verwandlung unfähig machen, anzunehmen.
Auch wird mir jeder, welcher wiederholt Gelegenheit ge¬
habt hat, das Blut von Leukämikern zu untersuchen, glaube
ich, darin beistimmen, dass in den meisten Fällen von der¬
artigen regressiven Processen an den im Blute circulirenden
farblosen Blutzellen, wie sie Riesiadecki für seinen einzelnen
Fall beschreibt, nichts zu linden ist, oder dass doch wenigstens,
wenn wirklich eine gewisse Zahl der weissen Blutzellen fettige
Einlagerungen und vacuoläre Bildungen zeigt, dies nicht in so
auffälliger Weise der Fall ist, dass hierin ein wesentlicher
Unterschied gegenüber dem Verhalten dieser Zellen uuter nor¬
malen Verhältnissen begründet wäre; denn auch hier fehlen
dergleichen Zustände nicht gänzlich, wie schon vor langer Zeit
Virchow (Gesammelte Abhandlungen, p. 218) mit Recht her¬
vorgehoben hat.
Aus dem gesagten ergiebt sich, dass, wenn wir auch
allerdings bei dem gegenwärtigen Standpunkt unseres Wissens
von der Physiologie des Blutes ausser Stande sind, die An¬
sicht, dass die Leukämie eine selbständige, von den Körper¬
organen unabhängige Erkrankung des Blutes darstelle, direkt
zu widerlegen, diese Lehre jedenfalls vorläufig jeder positiven
Begründung entbehrt, während andererseits die Thatsache
feststeht, dass bisher noch kein Fall von Leukämie
beobachtet worden ist, in welchem nicht die Autopsie
«ine Erkrankung eines oder mehrerer derjenigen Or¬
gane constatirt hätte, welchem wir berechtigt sind,
■einen Einfluss auf die Blutmischung zuzuschreiben.
Ich möchte meinen, dass die Virchow’sche Lehre von der
secundären Bedeutung der Blutveränderung gegenüber den patho¬
logischen Zuständen gewisser Organe gerade durch den von
mir geführten Nachweis, dass das Knochenmark jenen „blut¬
bildenden“ Organen zuzuzählen sei, uud dass dasselbe bei der
Leukämie häufig eine so auffällige Veränderung darbietet, eine
wesentliche Stütze erhalten hat; denn wenn früher die Fälle
Bedenken erregen mussten, in welchen man bei Leukämie Milz
und Lymphdrüsen, die damals allein bekannten hämatopoetischen
Organe, nicht oder unbedeutend verändert gefunden hatte, so
kann man jetzt derartige Beobachtungen vollständig in Einklang
mit jenen Lehren bringen durch die (wie sich aus dem folgenden
ergeben wird, wohlberechtigte) Annahme, dass hier eine Er¬
krankung des Knochenmarkes zu Grnnde gelegen habe, und
nur einen solchen Fall, in welchem auch dieses neben jenen Or¬
ganen sich als gesund erweisen sollte, werden wir als einen
Gegenbeweis gelten lassen dürfen. Wie gesagt, existirt ein
solcher Fall bisher meines Wissens in der Literatur nicht, und
wir können hinzufügen, dass nicht nur Veränderungen der Milz,
Lymphdrüsen oder des Knochenmarks einen constanten Befund
bei der Leukämie bilden, sondern da$s die Vorgefundenen Ver¬
änderungen auch der Art waren, dass sie sich schwerlich aus
einer einfachen secundären Anhäufung der farblosen Zellen in
diesen Apparaten ableiten lassen. In dieser Beziehung liegen
die Verhältnisse gerade für das Knochenmark am klarsten, in¬
dem hier mehrfach sehr substantielle Abweichungen der Ge¬
webe von ihrer normalen Beschaffenheit gesehen worden sind;
ich brauche nur zu erinnern an die so auffälligen Einschrael-
zungen, welche die das erkrankte Mark einschliessende feste
Knochensubstanz in den Fällen von Waldeyer (4), mir (10)
und Mosler (22) erlitten hatte. Ist es möglich, solche
Befunde auf ein einfaches Steckenbleiben und Sichanhäufen
eingeschwemmter weisser Blutzellen in den Gefässen zurückzu¬
führen?
(Fortsetzung folgt.)
III. Bruststiehwiiiide mit Lungen Vorfall; merkwürdige
Heilung.
Von
Dr. A. Vftlkel zu Berleburg in Westphalen.
H. H. zu A., ein kräftiger Bursche von zwanzig Jahren t
war in der Nacht vom 11. zum 12. März 1877 durch Messer¬
stiche' ve rwundet worden. Als ich einige Stunden post factum
zu dem Vulneraten kam, constatirte ich, ausser einer etliche
Centim. langen, nicht penetrirenden Schnittwunde unterhalb des
linken Schulterblatts, in der linken Seite in der Achsellinie
gleich unter der 8. Rippe eine scharfrandige, ungefähr cen-
timeterlange, der Rippe parallel laufende Wunde, aus der ein
stark taubeneigrosses, dunkelrothes, prall elastisch anzufühlendes
Stück Eingeweide (Lunge) heraushing. Der Prolapsus selbst
war unverletzt; Blutung stand; Luft-Ein- und Austritt während
des Athmens nicht nachweisbar. Von der Umgebung des Patien¬
ten erfuhr ich nun, dass kurz nach geschehener Verletzung die
Luft mit laut hörbarem Geräusch durch die Wunde ein- und
ausgegangen, dass dies aber aufgehört, seitdem das herausgetre¬
tene Stück Eingeweide mehr angeschwollen, dass seitdem auch
die vorher sehr starke Blutung gestanden und der Kranke habe
besser Athem holen können. Ziemlich hochgradiger linksseitiger
Pneumothorax; in der Gegend der uutersten Lungenpartien
links Dämpfung; 40 flache Athemzüge in der Minute. Der bleich
aussehende verletzte klagt über brennenden Schmerz in der
linken Seite, der sich beim Husten sehr steigert; Husten übri¬
gens nur mässig und trocken; der schwache Puls = 80 in der
Min.; wenig Durst. — Der Versuch, die prolabirte Lunge zu
reponiren, misslang vollständig; die Ränder der Stichwunde
umschlossen so eng den Hals des Prolapsus, dass eine Reposi¬
tion nur nach einer Erweiterung der Wunde möglich gewesen
wäre. Zu einer Wiedereröffnung der Brusthöhle, die durch den
Prolapsus tamponartig geschlossen wurde, verspürte ich indess
natürlich keine Lust, und beschloss ich deshalb, das Stück Lunge
einfach draussen liegen zu lassen. — Eisumschläge unmittelbar
auf die Stelle des P rolapsus; Nitrum innerlich; entsprechende
Diät; absolute Ruhe. — Die Wunde unterhalb des linken Schul¬
terblatts (die n. b. nach 3 Tagen per primam geheilt war)
schloss ich durch mehrere Knopfnähte. — Am 12. März Nach¬
mittags 3 l / 2 Uhr: Athemfrequenz 28 in der Min.; Puls 92; Tem¬
per. 39,0; ziemlich viel Durst; Husten selten und ohne Auswurf;
Schmerz in der Seite weniger heftig; die Eisumschläge werden
ausgezeichnet vertragen. Das prolabirte Lungenstück fühlt sich
weniger elastisch, mehr fest an. — In Bezug auf den Krank-
heitsverlanf im allgemeinen sei [hier nur bemerkt, dass bei
streng antiphlogistischer Behandlung derselbe sich ausnehmend
günstig gestaltete. So findet sich z. B. am 15. März schon
eine Temper, von 37, 5, Respiration von 27, am 18. März Temp.
37,0, Respiration 24 notirt. Am 27. März war Luft und Flüssig¬
keit in der linken Pleurahöhle nur noch in sehr geringem Grade
vorhanden; Athemnoth bestand gar nicht mehr, und. das All¬
gemeinbefinden war ein so vorzügliches, dass, wäre die Brust-
wunde geheilt gewesen, Patient das Bett hätte getrost verlassen
können. — Ueber den eigentlich interessanten Verlauf der Wund-
heilung will ich des näheren berichten: Am 14. März fand ich
den Lungenvorfall vergrössert, derselbe hatte die Grösse und
Gestalt einer starken Zwetsche, sah mehr dunkelblau aus und
war etwas consistenter geworden. Ich hörte, dass seit dem
Tage vorher unter dem Einfluss etlicher starker Hustenanfälle
mehr Lunge hervorgekommen. Am 15. März der nämliche Befund,
nur ist die Farbe noch dunkler, die Oonsistenz grösser; die
Schnittwunde beginnt mässig zu eitern. Da kalte Umschläge
nicht mehr vertragen werden, wird zu feuchtwarmen übergegan¬
gen. Ich hoffte nun, das Lungenstück würde bald absterben. Aber
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 7 •
vergebens. Von Zerfall zeigte sich nicht die Spur, und der ganze
Prolapsus bedeckte sich bald mit üppigen Granulationen. Vom
24. März ab keine feuchtwarmen Umschläge mehr; täglich ein¬
maliger Verband mit Acid. carbolic. cryst. 0,12, Ung. Glycerin
30,0. Einige Tage später wurde mir berichtet, dass das vor¬
gefallene Stück anfange kleiner zu werden, dass es scheine, als
wolle es in die Brust zurückgehen. Und in der That fand
ich am 27. März den Prolapsus um etwa die Hälfte ver¬
kleinert. Dass es sich hierbei nicht um ein Zusammenziehen,
sondern um ein wirkliches Zurückziehen in die Brusthöhle han¬
delte, ging einfach daraus hervor, dass der Prolapsus nicht
mehr, wie bisher, an einem Stiel aus der Hautwunde leicht be¬
weglich heraushing, sondern jetzt mit breiter Basis in der Haut¬
wunde, dieselbe nach allen Seiten auseinanderdrängend, fest
sass. Am 31. März der Prolapsus nur noch haselnuss-, am
9. April kaum erbsengross, vom Aussehen einer rothen Beere;
geringe Eiterung. Am 9. April energisches Aetzen mit Höllen¬
stein, um die kleine Geschwulst rascher zum Verschwinden zu
bringen. Als ich hiernach am 20. April die Wunde zum ersten
Mal wiedersah, war dieselbe seit einigen Tagen schon völlig
geschlossen und trocken; die Stelle des Prolapsus wurde nur
noch durch ein linsengrosses, zart überhäutetes, flaches Wärz¬
chen angedeutet. Ein nochmaliges Aetzen mit Höllenstein ge¬
nügte, auch letzteres zu beseitigen. — Vulnerat hat, völlig ge¬
heilt, seit Anfang Mai seine Beschäftigung als Landmann wieder
in ihrem ganzen Umfange aufgenommen.
Dass das prolabirte Netz spontan sich zurückziehen kann,
ist eine bekannte Sache, und hat ja hierauf Pirogoff neuer¬
dings seine Methode der Behandlung mit Netzvorfall compli-
cirter Bauchwunden gegründet. Ob dies bei Lungenvorfall auch
häufiger vorkommt, weiss ich nicht; wenigstens finde ich in den
mir vorliegenden Handbüchern von Bardeleben und Roser
nichts davon erwähnt. Beide scheinen da, wo wegen Einklem¬
mung nicht reponirt werden kann, die brandige Abstossung als
den gewöhnlichen natürlichen Vorgang zu betrachten, und hatte ]
auch ich dieselbe mit Bestimmtheit erwartet. „Der prolapsus
pulmonis,“ schreibt Bardeleben, „ist immer nur bei grossen
Wunden in der Gegend des unteren Randes der Lungenflügel,
namentlich bei Schusswunden mit Substanzverlust, und auch
unter diesen Verhältnissen selten beobachtet worden. Gewöhn¬
lich wird das vorgefallene Lungenstück bei der Inspiration zu¬
rückgezogen und bei der Exspiration wieder hervorgetrieben.
» Der seltenste unter diesen seltenen Fällen ist, wenn das vor¬
gefallene Lungenstück in der Wunde liegen bleibt und einge¬
klemmt wird." Hier betraf die Verletzung nicht gerade „die
Gegend des unteren Randes der Lungenflügel" und die Wunde
war nur eine kleine Stichwunde! — Nach Beseitigung der ent¬
zündlichen Erscheinungen trat mehrfach die Versuchung an mich
heran, zur Abkürzung des Krankheitsverlaufes durch die Ligatur
das vorgefallene Lungenstück zur Mortification zu bringen, und
alsdann mit dem Messer oder der Scheere abzutragen. Ich 'bin
fest davon überzeugt, dass dies ohne üble Folgen geblieben wäre;
doch hielt ich es in diesem wichtigen Falle, der Gegenstand
einer gerichtlichen Untersuchung war, für das beste, in den natür¬
lichen Heilungsprocess nicht so energisch einzugreifen; bei einem
etwaigen ungünstigen Ausgang hätten mir vielleicht Unannehm¬
lichkeiten daraus erwachsen können. Die Erfahrung, dass das
Lungengewebe äusserst unempfindlich, bestätigte sich auch hier:
man konnte an demselben herummanipuliren, man konnte es I
ätzen, Patient hatte hiervon nicht die geringste Empfindung.
Noch einer Erfahrung möchte ich schliesslich gedenken, die
beweist, dass das profanum vulgus sich mit der Pirogoff’schen
Behandlung von Netzvorfällen gewiss schwer wird befreunden
lassen. Der gemeine Mann hält mit Recht das Austreten eines
Eingeweides aus dem Körper in Folge einer Verletzung für et¬
was gefährliches; er hält aber den Fall für einen absolut tödt-
lichen, wenn das Eingeweide nicht wieder „beigebracht" wird.
Das erfuhr ich auch hier. Das Dutzend Verwandter und Nach¬
baren, welches das Bett des frisch verwundeten umlagerte,
erwartete vor allem, dass ich ä tout prix das vorgefallene Stück
zurückbringen würde. Da ich dies nicht konnte, beziehungs¬
weise nicht wollte, nahm ich sofort Zeichen des Missvergnügens
auf den Gesichtern der umstehenden wahr. Ich suchte davon
zu überzeugen, dass man nicht anders handeln dürfe; man
widersprach mir natürlich nicht, war aber auch, das merkte
ich, nicht überzeugt. Noch an dem nämlichen Tage ging, wie
ich später erfuhr, ein Oheim des Vulneraten zu einem entfernter
wohnenden alten, sehr erfahrenen Arzte, um demselben die Mähr
zu erzählen, dass ich — schrecklich! — ein Stück Lunge habe
ausserhalb einer Wunde liegen lassen. Der Arzt hatte mein
Verfahren gebilligt und den guten Mann beruhigt. Aber trotz¬
dem würde, hätte der Erfolg mir nicht Recht gegeben, die vox
populi zu A. den Tod des jungen Menschen mir aufs Conto
gesetzt haben.
IV. Kritiken.
Laryngoscopischer Atlas, enlhaltend 61 Figuren auf 10 Tafeln
in Farbendruck, nach der Natur gemalt und erläutert von Dr.
Ernst Burov, Privatdocent in Königsberg. Stuttgart, Verlag
von Ferd. Enke, 1877. Gr. 8. 132 Seiten Text.
Die Laryngotomie zur Entfernung interlaryngealcr Neu¬
bildungen von Dr. Paul Bruns, a. o. Prof, in Tübingen.
Berlin, 1878. Aug. Hirschwald. 8. 211.
Der laryngoscopiselie Atlas von Burow ist ein Werk, welches wir
allen Collegen, die sich mit Laiyngoseopie beschäftigen, aufs wärmste
empfehlen können. Als Grundlage desselben dienen gut ausgewählte
Fälle, die lichtvoll in allen ihren Einzelheiten dargestellt und mit den
vorzüglichsten, in Habitus und Form vollkommen lebenstreuen Kehl¬
kopfsbildern illustrirt sind. Wir erhalten dadurch eine Klinik der
Kehlkopfkranhheiten im besten Sinne des Wortes; denn an die
Stelle der abstracten Symptombeschreibung tritt uns jedes Mal der
einzelne Fall, welcher die Klasse repräsentirt, und an dem die Ent¬
wicklung der Krankheit, ihr Verlanf, ihre subjectiven und objectiven
Symptome, vor allem das Jaryngoscopische Bild, so wie endlich auch
die Behandlung demonstrirt werden. Diese Art der Darstellung macht
das ganze ausserordentlich instructiv. Auch die Einfügung der vortreff¬
lich ausgestatteten Tafeln in den Text ist so angeordnet, dass sie den
Ueberblick bei der Benutzung möglichst erleichtert.
An einzelnen Stellen des Textes, an denen Yerf. allgemeine Fragen
behandelt, findet sich Ref. nicht ganz in Uebercinstimmung mit ihm, so
ganz besonders in betreff der Beleuchtung und der zur Laryngoscopie
zu empfehlenden Apparate. Indess sind derartige Betrachtungen, wo sie
Vorkommen, nur Zugaben, die als solche sehr kurz behandelt werden
mussten und deshalb einzelne ihnen anhaftende Mängel entschuldigen
machen. Was das Werk in der Hauptsache leisten sollte, das erfüllt
es in Wirklichkeit vollkommen, und so möge es denn dazu beitragen,
die Ausübung der Laryngoscopie unter den Collegen immer mehr ver¬
allgemeinern zu helfen.
Die zweite oben genannte Arbeit, die von Paul Bruns, hat einen
rein specialistischen Character, ist aber darum eine nicht minder dankens-
werthe Bereicherung unserer Literatur, Seit Schöpfung der laryngosco-
pischen Chirurgie durch den Vater des Autors, Victor von Bruns, ist
zeitweise, namentlich seitens einzelner Chirurgen, die Frage ventilirt
worden, ob die endolaryngealen Operationen nicht häufiger und allge¬
meiner, als es geschieht, durch die Laryngotomie zu ersetzen seien.
Der Ref. hat zwar niemals den Streit pro et contra so „erbittert" ge¬
funden, wie er dem Verf. vorkam; aber auch ihm scheint es wünschens-
werth, dass derselbe endlich definitiv aus der Welt geschafft werde.
Für den Laryngoscopiker freilich, der seiner Erfahrung und Technik
vertrauen durfte, hat — von sehr wenigen Ausnahmen abgesehen — ein
Zwiespalt über die Abwägung der Vorzüge und der Indicationen beider
Operationsmethoden niemals bestehen können. De facto handelt es sich
immer nur darum, dass allein diejenigen Fälle der Laryngotomie zu-
zuweisen seien, bei welchen auch dem geübten Laryngoscopiker die
Entfernung eines Tumors auf dem natürlichen Wege unmöglich scheint.
Dies involvirt aber keineswegs, dass die Laryngoscopiker von Fach
etwa die Laryngotomie geringschätzen, weil sie ihre Indicationeu be¬
schränken; es muss an dieser Stelle ganz besonders hervorgehoben
werden, dass es gerade ein um die Laiyngoseopie sehr verdienter und
in endolaryngealen Operationen erfahrener Forscher, nämlich Lewin,
gewesen ist, welcher nach der Erfindung der Laryngoscopie zuerst die
Frage der Laryngotomie erörtert und die bis dabin vorhandene
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18 Februar 187S.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
93
Literatur zusammengestellt und bereichert hat. Wenn einzelne Chir¬
urgen die Laryngotoraie auf Kosten der laryngoscopisclien Operations¬
methoden erweitern oder gar verallgemeinern wollen, so darf man billiger¬
weise von ihnen fordern, dass sie selbst, um die Competenz ihres ver¬
gleichenden Urtheils zu begründen, vorher zahlreiche eigene Erfahrungen
in laryngoscopischen Operationen gesammelt und sich eine gleiche Ge¬
schicklichkeit für dieselben wie für andere chirurgische Opererationen
angeeignet haben; denn nicht um die subjective Bequemlichkeit eines
einzelnen Operateurs handelt es sich, sondern um allgemeine Gesichts¬
punkte.
Bei Bruns Vater und Sohn ist der Vorzug von Bedeutung, dass
sie beide zunächst Chirurgen von Fach und dabei auch gewiegte Laryngo-
scopiker sind. Ihr Urtheil ist deshalb massgebender als das eines
anderen, dem die Gegenpartei Einseitigkeit vorzuwerfen in der Lage
wäre. Beide stellen sich voll und ganz auf die Seite des laryngosco¬
pischen Pract kers, wie kaum anders zu erwarten. Denn gerade je
erfahrener und geübter man in der laryngoscopischen Specialität
wird, um so mehr werden technische Schwierigkeiten überwunden, und
desto weniger kann man geneigt sein, so lange man irgend mit der
naturgemässen Operation — denn diesen Namen verdient die Operation
von den natürlichen Wegen aus — zum Ziele zu kommen hofft, zur
Laryngotomie zu greifen. Es ist derselbe Standpunkt, den auch von
vornherein jeder praetische Arzt einnimmt, weil er ihm als der ratio¬
nellere erscheint.
Paul Bruns wählt das Mittel der Statistik, um beide Operations-
methoden auf möglichst objective Weise zu vergleichen. Auf laryngo¬
scopischem Wege operirte Tumoren sind bereits über HM) in der Lite¬
ratur beschrieben, während von Laryngotomien wenige mehr als 100 ver¬
zeichnet sind. Er sucht die Falle so zu rubrieiren, dass möglichst
gleichartige, mit einander zur Vergleichung kommen. Das Endresultat
ist dahin zu präcisiren, dass die laryngotomische Operation vor der
laryngoscopischen weder den Vortheil der schnellereu Heilung, noch den
einer grösseren Sicherheit der totalen Geschwulst-Exstirpation, noch den
einer selteneren Reccdivirung besitzt; im Gegentheil lieferte die unblu¬
tige, auf laryngoscopischem Wege ausgeführte Operation im Durchschnitt
wesentlich bessere Erfolge als erstere. Namentlich was die Herstellung
der Stimme betrifft, so stehen die Ergebnisse der Laryngotomie weit
hinter denen der laryngoscopischen Operationen zurück, da die Operation
des Kehlkopfschnitts schon an und für sich die Function der Stimm¬
bänder leicht zu gefährden im Stande ist.
Dieses Resultat der Vergleichung reicht aus, um dasjenige auch
objec.tiv, nämlich zahlenmässig, zu begründen, was bisher in praxi be¬
reits — von wenigen Autoren abgesehen — als Regel galt; dass die
Laryngotomie erst dann in Frage kommt, wenn das laryngoscopische
Verfahren aus irgend einem Grunde unausführbar ist — vorausgesetzt
dass überhaupt die Krankheitssymptome erheblich genug sind, um eine
ernste Operation zu rechtfertigen. Wo ferner auf laryngoscopischem
Wege die Exstirpation von Geschwülsten nicht zu ermöglichen ist,
namentlich bei solchen, die unterhalb der Stimmbänder ihren Sitz
haben, zieht Verf. auf Grund der vorliegenden Erfahrungen überall, wo
sie irgend wie ausreicht, die partielle Laryngotomie (Eröffnung des
Ligam. thyreo-cricoid. und der cartilago cricoidea) und die Laryngo-
Traeheotoinie vor der totalen Laryngotomie vor, wodurch die Indicationen
dieser letzteren nur auf sehr seltene Fälle reducirt werden, Fälle, in
denen sie theilweise noch gegen die Kehlkopf-Exstirpation wird zurück-
l reten müssen.
Noch eine Bemerkung möchte sich Ref. in betreff der Statistik ge¬
statten. Wie nützlich dieselbe sich auch bei der vorliegenden Betrach¬
tung gezeigt, so hat sie doch immer noch das missliche, dass wer nicht
überzeugt sein will, den Einwurf erheben kann, die mitgetheilten Fälle
von Laryngotomie seien verhältnissmässig viel schwerer gewesen, als die
meisten der laryngoscopisch ausgeführten Operationen. In der Schwierig¬
keit, immer nur ganz gleichartige Fälle in genügender Zahl einander zur
Vergleichung gegenüber zu stellen, liegt vorläufig noch das mangelhafte
jeder Statistik. Ausserdem wäre es ein grosser Fehler anzunehmen, dass
in der Bruns’schen Tabelle, wie gross die Zahlen auch sind, sämmtliche
bisher überhaupt ausgeführte Operationen enthalten sind: nicht alle Beob¬
achter halten es für nothwendig, ihre Casuistik niitzutheilen: beispiels¬
weise hat Ref. seine operirten Fälle nie veröffentlicht, eben so wenig
vrie einige andere ihm bekannte Collegen, die häufig zu operiren Gelegen¬
heit hatten. Nicht als ob eine grössere Zahl von Veröffentlichungen
zur Vermehrung des statistischen Materials erwünschten wäre. Im
Gegentheil! Es scheint endlich an der Zeit, nachdem nunmehr bereite
über 1000 veröffentlichte Fälle vorliegen, mit weiteren Publicationen von
Casuistik, ausser wo ganz neue Gesichtspunkte eröffnet werden, inne zu
halten. Durch jede neue Publication wird bei unkundigen der Schein
.erregt, als ob jede laryngoskopisehe Operation immer noch etwas seltenes
und besonderes sei, und dies ist sie doch glücklicherweise seit vielen
Jahren keineswegs mehr. W.
Lehrbuch der klinischen Untersuchungs-Methoden für die
Brust- und Unterleibs-Organe mit Einschluss der La¬
ryngoskopie von Dr. Paul Guttmann, Privatdocent an der
Universität in Berlin. Dritte vielfach verbesserte und vermehrte
Auflage, Berlin 1878. Aug. Hirschwald, S. 443 Seiten.
Die erste und zweite Auflage des Guttmann’schen Buches ist in
diesen Blättern bereits eingehend besprochen und den Collegen sowohl
wie den Studirenden aufs beste empfohlen worden. Es genügt deshalb,
mit wenigen Worten auf das Erscheinen der dritten Auflage aufmerksam
zu machen, welche die Vorzüge der früheren sich zu bewahren gewusst
hat und durch das, was in den letzten Jahren neu geschaffen wurde,
bereichert, so wie auch in einzelnen Punkten ergänzt und verbessert ist.
Guttmann’s Werk ist nicht nur in Deutschland aufs günstigste auf¬
genommen worden, sondern hat auch noch zahlreiche Uobersctzungen
in andere Sprachen erfahren. Möge endlich auch dem Autor an der
Stätte seiner Wirksamkeit die längst verdiente äussere Anerkennung zu
Theil werden! \Y.
A. Martin, Leitfaden der operativen Geburtshülfe. Berlin,
Aug. Hirschwald, 1S77, 346 S. _
Das vorliegende Buch zerfällt in zwei Theile: im ersten lehrt Verf.
die geburtshülilichen Operationen, ihre Indicationen, Bedingungen und
Ausführung: in einem zweiten giebt er eine Uebersicht derjenigen Stö¬
rungen der Schwangerschaft und der Geburt, bei deren Therapie opera¬
tive Eingriffe in Frage kommen.
Die Einleitung zu dem ganzen bildet eine kurze Auseinandersetzung
über die Vorbereitungen. M. legt besonderen Werth auf die Vermeidung
jeder Infection, wozu er penibelste Reinlichkeit sowie den Gebrauch von
Desinficientien (Carbolsäure oder Chlorwasser) dem Geburtshelfer anräth
ferner empfiehlt er für alle Encheiresen erheblicher Art die Chloroform-
narcose, die, vorsichtig eingeleitet, fast nie schadet.
Mit der Lehre von den geburtshülilichen Operationen können wir
uns im allgemeinen nur einverstanden erklären; als besonders schätzens-
werth heben wir die Klarheit und Uebersichtlichkeit in der Aufstellung
der Indicationen zu den einzelnen Operationen hervor — ein Vorzug,
der das Buch für den Anfänger besonders werthvoll macht. Sind wir
auch im einzelnen geneigt, der Anwendung der Zange etwas weitere
Grenzen zu setzen, und können wir uns auch der Gleichberechtigung
des Kephalüthryptor und der Cranioc-lastcn nicht in dem Martin’schen
Sinne anschlicssen, so werden doch diese auf persönlichen Anschauungen
beruhenden Bedenken Überwegen von den Vortheilen, die durch seine
ruhigen und besonnenen Vorschriften auch für schwere Fälle erwachsen.
Neu ist die Betonung der combinirten Wendung, der Verf. einen
viel weiteren Wirkungskreis vindicirt, als man bisher that.
Dadurch, dass er im zweiten Theile das meiste aus der Pathologie
der Geburt ebenso vollständig wie präcis bespricht, kann der Leitfaden
nur gewinnen, um so mehr, als M. alle Wiederholungen geschickt ver¬
mieden hat. Wir finden hier im wesentlichen die Lehrsätze wiedergegeben,
die sein verstorbener Vater in der Klinik vortrug: aus dem Tenor dieses
ganzen Abschnittes Spricht grosse geburtsh ältliche Erfahrung.
Im einzelnen möchten wir am meisten den Abschnitt über die Pla-
eenta prävia hervorheben; auch die Lehre vom engen Becken ist gehalt¬
voll, nur scheint uns das Gebiet der Wendung nicht richtig begrenzt
zu sein.
Die Ausstattung ist in jeder Beziehung gut. V.
V. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Berüier medieisisehe fieselisehaft
Sitzung vom 5. December 1877.
(Schluss.)
Herr Schwcigger hat, soweit es sich vorläufig festetellen lässt, den
von Herrn Löwe demonstrirten Befund an künstlich erhärteten Augen
derart gesehen, dass sich der Glaskörper von der Retina gelöst hatte
und möchte dies für eine Leichenerscheinung ansprechen.
Herr Löwe weiss, dass der von ihm vorgetragene Befund den Augen¬
ärzten zum Theil bekannt ist, hält aber die Deutung, welche sie dem¬
selben geben, nicht für richtig. Die Erscheinung sei normal, nicht pa¬
thologisch: sie könne auch keine Leichenerscheinung sein, da sie sich
bei den Augen eben erst getödteter Kaninchen vorgefunden habe. Man
müsse nur zuerst schwache und dann starke Lösungen von chromsaurem
Kali zur Erhärtung wählen, dann würde man die dritte Augenkammer
bei erwachsenen Thieren schon finden. Ein fernerer Beweis für das
Vorhandensein derselben sei die von Norris und Shakespeare sicher ge¬
stellte Existenz einer endothelialen Limitans interna retinae, auch lasse
sich die von Klebs schon vor längerer Zeit aufgefundene Verwachsungs¬
stelle zwischen Hyaloidea und Glaskörper nur durch Annahme einer
dritten Augenkammer erklären.
Herr Litten: Ueber maligne Endocarditis*). Der Vortragende
berichtet über II Fälle von maligner Endocarditis, welche er im Laufe
von 1V 2 Jahren auf der med. Klinik beobachtete. Von diesen betrafen
9 Frauen, 2 Männer. Von den letzteren litt der eine zur Zeit, als die
Endocarditis begann, an Diphtheritis coli, während hei dem anderen die
*) Die ausführliche Mittheilung über diesen Gegenstand wird in den
Charite-Annalen f. d. Jahr 1876 erscheinen. Der Unterschied zwischen
den dort und den in diesem Vortrag angegebenen Zahlen erklärt sich
dadurch, dass das Manuscript zu dem ersterwähnten Aufsatz bereite im
Juli v. J. fertig war, während zu den Mittheilungen, welche der Vor¬
tragende in der med. Gesellschaft machte, auch diejenigen Fälle be¬
nutzt sind, welche derselbe von Juli bis December beobachtete.
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 7
Herzaffection mit einer Verletzung am Finger in nachweisbarem Zusam¬
menhang stand. Von den 9 Frauen wurden 7 während des Puerperium,
2 während der Gravidität von der Endocarditis befallen. Der klinische
Verlauf sowie der Leichenbefund w T ar in sämintlichen Fällen ausser¬
ordentlich übereinstimmend. Was den letzteren zunächst anbetrifft, so
fanden sich ausser den Erscheinungen der acuten Septicämie noch fast
constant metastatische (bacteritische) Absccsse und Infarcte in den ver¬
schiedensten Organen (im Gehirn, den Augen, Lungen, Herzmuskel,
Darm, Milz und nam. Nieren). Diese verdanken ihre Entstehung dem
speeifischen embolischen Material, welches man in den zu den betreffenden
Herden gehörigen Gefässen an trifft, und welches zweifellos parasitären
Ursprungs ist. Sehr häufig setzt sich dies auf den ulcerirten Klappen oder
in deren Gefässen (Köster) fest und wird von hier aus in die C'irculation
getragen; andere Male bedarf es indess zum Zustandekommen jener
metastatischen Abscesse gar nicht der Endocarditis, sondern es genügen
thrombophlebitische oder lymphangitische Processe. Der Vortragende
hatte wiederholt Gelegenheit, diese Metastasen in weiter Verbreitung in
den verschiedensten Organen anzutreffen, ohne dass eine Spur von
Herzaffection bestand. Die letztere ist daher keineswegs das essentielle
des ganzen Processes, sondern nur eine Affection, welche den anderen
Organ Veränderungen, wie sie bei der Septicämie Vorkommen, gleichartig
ist. Es kommen ferner auch Fälle vor, bei denen diese Metastasen ge¬
funden werden, ohne dass Endocarditis oder Thrombophlebitis besteht.
Derartige Beobachtungen machte der Vortragende an Pueq>eris, welche
bei der Section Diphtherie des Uterus erkennen Hessen, und bei denen
sämmtliche Venen und die Herzklappen frei waren. Für solche Fälle
muss man annehmen, dass die Träger der septischen Stoffe oder deren
Keime, welche sich auf den Wundauflagerungen finden, ins Blut ge¬
langen, sich hier vermehren und endlich in die betreffenden Organe ge¬
langen , wo sie sich festsetzen und unter günstigen Umständen ihre
Wirksamkeit entfalten. Für diejenigen Fälle, bei welchen die Frauen
während der Gravidität plötzlich an Septicämie (mit oder ohne gleich¬
zeitig bestehender Endocarditis ulcerosa) erkranken und zu Grunde
gehen, und bei denen der Abort erst w t ährend des Verlaufes der
fieberhaften Krankheit eintritt, muss man nach des Vortragenden An¬
sicht annehmen, dass eine gemeinschaftliche schädliche Ursache einge¬
wirkt hat, welche den Abort provocirte und die Septicämie erzeugte,
etwa die Einleitung des Aborts mit unreinen Instrumenten. Der kli¬
nische Verlauf und der Sectionsbefund in diesen Fällen war absolut iden¬
tisch mit jenen, welche in puerperio beobachtet wurden. — Die frischen
Veränderungen an den Herzklappen stellten sich in den vorliegenden
Fällen theils als ganz harmlos erscheinende verrucöse Auflagerungen
dar, nach deren Entfernung die Klappe ganz intact blieb, oder unter den
schwersten Formen der ulcerösen und diphtheritischen Endocarditis.
Trotz dieser grossen Formverschiedenheit der Klappenläsionen waren die
Allgemeinerscheinungen und die Metastasen stets die gleichen, so dass
auch schon hieraus hervorgeht, dass die Endocarditis nicht das essentielle
des Processes, sondern ein Coeflket der allgemeinen Erkrankung ist.
Unter den 10 Fällen von acuter Klappenerkrankung waren 4 mal die
Klappen des rechten Herzens ergriffen; je zweimal die Klappen der
Pulmonaiis und des Ostium ven. dextr. In der Mehrzahl der Fälle
fand sich gleichzeitig eine chronische Endocarditis, und demgemäss
waren neben den bacteritischen Infarcten noch häufig blande hämorrha¬
gische Infarcte oder deren Narben vorhanden.
Ausser diesen Veränderungen fanden sich constant in allen Fällen
Hämorrhagien iu den verschiedensten Organen, am häufigsten auf der
inneren Fläche der Dura, dem Nierenbecken, sowie auf der Retina. Den
grössten Werth haben die intra vitam erkennbaren Blutungen; von diesen
erwähnt der Vortragende die Hautblutungen, welche er sechs Mal beob¬
achtete (darunter einen Fall von puerperaler Sepsis mit metastatischen
Abscessen ohne Endocarditis), die Schleimhautblutungen, welche er fünf
Mal sah, und endlich die Retinalblutungen, welche fast constant vorkamen.
Die Schleimhautblutungen beobachtete der Vortragende vier Mal an der
Conjunctiva palp. et bnlbi, namentlich sehr schön an den Uebergangsfalten,
und ein Mal am Boden der Mundhöhle zu beiden Seiten des Frenulum
linguae. Auch diese Hämorrhagien kommen unabhängig von jeder En¬
docarditis zur Beobachtung. Was endlich die Retinalblutungen anbetrifft,
so sind diese bei der Endocarditis ulcerosa bereits von Virchow als
Leichenbefund erwähnt (Charite-Annalen für das Jahr 1875). Der Vor¬
tragende hat dieselben während des Lebens genau studirt, und schreibt
ihnen einen hohen diagnostischen Werth zu, namentlich, wenn es sich
um die differentielle Diagnose zwischen der Septicämie und dem Abdo¬
minaltyphus handelt, bei welch’ letzterem dieselben niemals Vorkommen,
auch nicht in solchen Fällen, welche mit Hautblutungen complicirt sind.
Unter 15 Fällen septischer Erkrankung sah der Vortragende diese Reti¬
nalblutungen 13 Mal; bei diesen war 9 Mal gleichzeitig Endocarditis
acuta (aber nicht immer ulcerosa) vorhanden, während 3 Mal puerperale
Sepsis ohne Endocarditis und ein Mal primärer (wahrscheinlich trauma¬
tischer) Leberabscess mit Thrombophlebitis und metastatischen Lungen-
abscessen vorlag. Im 14. Fall, einer hochgradigen Endocarditis ulcerosa
der Aortaklappen mit foudroyantem Verlauf bei einem Manne fehlten
diese Blutungen, obgleich in der Choroides Bacterieninfarcte gefunden
vrurden. Ebenso wurden dieselben in einem anderen Fall vermisst, bei
welchem ebenfalls acute Endocarditis neben puerperaler Sepsis bestand.
Die Blutungen, um die es sich handelt, sind meist doppelseitig, seltener
“inseitig; bald vereinzelt, bald massenhaft. Viele von ihnen sind aus-
'zeichnet durch weisse Centra, welche indess sofort nach dem Entstehen
I der Blutung sichtbar sind, und daher nicht als ein Resorptionsphänomen
I aufgefasst werden dürfen. Die Ge fasse, welche zu diesen Herden gingen,
| wurden bei der inicroseopischen Untersuchung frei gefunden; niemals
| konnten Embolien darin nachgewiesen werden, auch nicht jene Zoogloea-
massen, welche sich in anderen Organen im Mittelpunkt der Herde nach-
weisen Hessen. Dieselben wurden in den Retinal ge fassen auch in einem
Falle vermisst, bei weichem die Untersuchung der Hautblutungen die
Bacterienschläuche mit grosser Präcision im Centrum fast jeder Hämor-
rhagie nachwies. Jene erwähnten weissen Stellen im Centrum der Hämor¬
rhagien sind daher nicht als embolische Pröpfe aufzufassen. Ueberhaupt
stellt der Vortragende die embolische Natur dieser Blutungen in Abrede,
während er andererseits in 3 Fällen von puerperaler Panophthalmie das
embolische Material entweder in den Retinal- oder Chorioidalgefassen
nachweisen konnte. Von den 3 letzterwähnten Fällen war nur einer
mit ulceröser Endocarditis complicirt, während die beiden andern Diph¬
therie der Placentarsteile ohne Endocarditis darboten. — Somit sind
diese Retinalblutungen von dem Vortragenden bisher ausschliesslich
bei Fällen von schwerer Septicämie beobachtet worden und scheinen
hierfür von pathognomomscher Bedeutung zu sein; auf das gleichzeitige Vor¬
handensein einer Endocarditis kann man indess aus diesem Symptom nicht
mit Sicherheit sch Hessen; für die Diagnose dieser Complication giebt nur
die physicalische Untersuchung des Herzens Aufschluss, sobald durch
die Ulceratiori eine functioneile Störung der Klappen bedingt wird. Auch
prognostisch sind diese Blutungen wichtig. Die 13 Fälle, in denen sie
von dem Vortragenden bisher beobachtet sind, endeten sämmtlich letal v
und zwar stets in kurzer Zeit nach dem Auftreten der ersten Retinal
blutung.
VI. Feuilleton.
Vom Kriegsschauplatz.
Von
Dr. O. Heyfelder.
13.
Alexandropol, 7 19. Januar 1878.
Diesmal habe ich wieder einige Nekrologe zu schreiben. Die an
Verwundeten und Mühen so überreiche Sommer- und Herbstzeit war ver-
hältnissmässig die gute Zeit. Seit Anfang November kamen immer häufi¬
gere Transporte von Kranken aus Kars, aus der Gegend von Erzerum.
Die erst vereinzelten Typhusfälle häuften sich; der Abdominaltyphus,,
der anfangs allein zu herrschen schien, machte dem Petechialtyphus mehr
und mehr Platz. Wir suchten anfangs auch die Typhösen zu isoliren,
sie dem ständigen Hospital in der Festung zn übergeben, wo eine Typhus¬
abtheilung bestand; namentlich lag uns daran, die Verwundeten von den
Typhuskranken zu trennen. Aber seit manchen Wochen hat die Zahl
der Erkrankungen solche Dimensionen angenommen, dass an ein Sortiren
und Isoüren nicht mehr zu denken ist. Ein eigenes Typhushospital,
wie z. B. 1870/71 in Mannheim, exist irt nicht; so haben wir in den
jetzt noch hier bestehenden 6 Hospitälern je eine Abtheilung mehr oder
weniger den Typhuskranken eingeräumt, und zugleich befinden sich fast
in allen Sälen ähnliche Fälle. Zugleich erkrankten in wahrhaft er¬
schreckenden Dimensionen die Aerzte, die barmherzigen Schwestern, die
Feldapotheker, die Feldscheerer, die Krankenwärter, ja das ganze Com-
mando, d. h. alle dem Hospital als Schreiber, Arteltschick, Feldwebel
und Diener beigegebenen Militärs. In meinem eigenen Hospital sind die
drei Aerzte am Typhus erkrankt; wäre mir nicht ein Civilarzt von dem
Sanitätskorps des Moskauer Adels (das jetzt, in Tiflis, früher in Suram
war) zukommandirt worden, ich müsste, wie schon einmal neun Tage
lang, die zweihundert Kranke allein besorgen. Von den vier Schwestern
liegen drei am Flecken-Typhus darnieder. Von fünf Feldscheerern
ist einer gesund geblieben, zwei gestern und vorgestern gestorben,
zwei in Convalescenz eingetreten. Der Aufseher des Zeughauses, der
Feldwebel, ein Schreiber, fünf Wärter, drei andere Soldaten und von
den Administrativbeamten der Buchhalter meines Hospitals, sind gestor¬
ben: wenigstens eben so viele Soldaten des Kommandos Hegen noch krank.
Doch hat, seit wir so prächtige, schneereiche, kalte und helle Wintertage
haben, die Epidemie an Umfang wie an Bösartigkeit eher etwas abge¬
nommen. Gleichwohl hat sie auch noch ganz zuletzt unter den Aerzten
und Hospitalbeamten ihre Opfer gefordert. Ich habe früher den Tod
der Doktoren Glasgo und Kassakof gemeldet. Am 3/15. Januar
starb hier Dr. Pelikan, und vorgestern brachte man aus Kars die Leiche
des daselbst verstorbenen Dr. Wassili ef hierher. Dr. Pelikan ist der
Neffe von Eugen Pelikan, Präsident des Medicinalraths und früherem
Direetor des medieinischen Departements im Ministerium des Innern, und
der Enkel des vor 2—3 Jahren verstorbenen Geh. Rath Dr. Pelikan,
der früher Rektor der Universität Wilna war, und die Veranlassung zur
Schliessung dieser einst berühmten Hochschule gewesen sein soll. Der
jetzt hier verstorbene jüngere Pelikan war erst einige dreissig Jahre
alt und ein tüchtiger Chirurg. Sein erster Lehrer war mein Vater ge¬
wesen. Am 5/17. Januar starb in Tiflis General Sederholm, nachdem
er erst neun Tage zuvor von hier dorthin gereist war, um die Festtage
mit seiner Familie zu verleben. Als Militairinspektor der Kriegshospi¬
täler besuchte er dieselben häufig, verweilte im Gespräch mit den Kranken
länger darin und nahm so den Keim der Krankheit mit sich, die ihn,
56 Jahre alt, in Mitten einer segensreichen Thätigkeit dahin raffen sollte.
Sohn eines protestantischen Geistlichen in Moskau, hatte der General
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18 . Februar 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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eine wirklich humanistische Bildung des Geistes und des Herzens erhalten
und war an diesem Vertrauensposten vollkommen an seinem Platz. An- ;
fang October dazu ernannt, hat er gerade 3 Monate die Stelle mit Ge¬
wissenhaftigkeit, wahrer Menschenliebe und ziemlicher Sachkenntniss,
aber eben mit aufreibender Thätigkeit ausgefüllt. Wir werden keinen
besseren an seiner Stelle bekommen.
Ferner sind zwei Militairapotheker rasch nach einander gestorben.
Jedes Feldhospital hat bekanntlich einen Apotheker. Sie participiren
an allen Mühen und Gefahren mit den übrigen Beamten der Kriegsho¬
spitäler, haben sehr viel zu arbeiten und erkranken nunmehr massenhaft
am Typhus. Ihr Wirken wird noch weniger als das der Aerzte von der
allgemeinen Meinung anerkannt. Am wenigsten Lohn, Ruhm, Theil-
nahme widmet man den Feldscheerern, welche in den Hospitälern wohl
die mühesamste Arbeit haben, am meisten in der verdorbenen Luft der ,
Krankensäle verweilen, am häufigsten erkranken und ein sehr grosses i
Contingent dem Tode stellen. Ich bedaure sic ausserordentlich and
würde ihnen eine ganz besondere Belohnung gönnen. Ein Feldscheer,
der jetzt in meinem Hospital dient, hat für Math und Unerschrockenheit
auf dem Schlachtfeld das Georgenkreuz erhalten. Im Officiershospital
lag auch ein Geistlicher, der bei seinen Functionen auf dem Schlacht¬
feld eine Schussverletzung und das Georgenkreuz davon getragen hatte.
Einem Arzt an der Donau wurde dieselbe Tapferkeitsauszeichnung zu I
Theil.
Wie wir uns der Typhusepidemie gegenüber verhalten? Wir machen,
so weit es unsere augenblickliche Annuth an Händen gestattet, kalte
Abreibungen und Einwicklungen, auch Bäder, geben Salzsäure, Ipccacu-
anhae, Chinin je nach dem, Milch, Wein, Cognak, bemühen uns zu venti-
liren und zu desinficiren und haben in Evaeuation und Dissemination
noch nicht nachgelassen. Unter dem Vorsitz des Commandanten ver¬
einigt sich in wiederkehrenden Sitzungen eine Sanitätskornmission, an
welcher die Oberärzte, die Regimentscommandeure, die Ingenie uro fficierc
der Festung und einige Pharmaceuten Theil nehmen. Dieselbe hat den
Aborten und der öffentlichen, landesüblichen Unreinlichkeit der Asiaten,
den Massengräbern, den auf den Feldern modernden Thierleichen, der
Desinfektion der Kasernen und Hospitäler, der Vernichtung des Verband¬
abfalls, dem Trinkwasser etc. ihre Aufmerksamkeit zugewandt: Subcom¬
missionen haben über die einzelnen Punkto ausführliche Gutachten aus¬
gearbeitet: Massregeln sind beschlossen und theil weise schon in Aus¬
führung gekommen.
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. Der grösste Physiologe Frankreichs, dem nur wenige an¬
derer Nationen sich an die Seite stellen dürfen, Claude Bernard ist
am 11. Februar im Alter von 64 Jahren gestorben.
' — Der Etat für das Gesund hei ts- Amt beläuft sieh für das
nächste Jahr auf 109875 Mark: gegen das Vorjahr wird somit eine Er¬
höhung um 44525 Mark verlangt. Die Vermehrung der Mitgliederstellen
wird in folgender Weise motivirt: Die Arbeiten des Gesundheits-Amtes
haben auf den Gebieten der technischen Vorbereitung von Gesetz-Ent¬
würfen und Verwaltungsvorschriften, der Medicinalstatistik und der prac-
tischen Hygiene einen solchen Umfang erreicht, dass die Berufung von
zwei neuen Mitgliedern geboten erscheint. Die Besoldungssätze —
€900 M. bis 4500 M., statt wie bisher 6000 M. bis 5400 M. — unter |
Beibehaltung des Durchschnitts von 5700 M. sind mit denjenigen der |
Mitglieder des statistischen Amtes und der gleichstehenden Beamten der
Normal-Eichungseomraission in Uebereinstimmung gebracht. — Zu Titel 4 j
des Etats wird bemerkt: Es sind erforderlich zur Annahme von 2 ,
wissenschaftlich gebildeten Hü 1 fsarbeitern für die Bibliothek |
und die statistischen Arbeiten, Remuneration von je 4500 M., 9000 M. |
— Der Betrag für sächliche und vermischte Ausgaben ist auf 34300 M. j
veranschlagt. — Davon für Anschaffung der wissenschaftlichen Tages- I
literatur und Vervollständigung der Bibliothek 2500 M.: für Reisekosten j
und Tagegelder bei Dienstreisen des Directors und der Mitglieder 1500 M.; j
für Reisekosten und Tagegel der für Sach verständige 8000 M.
Zu diesen Sachverständigen gehören die 10 wissenschaftlichen Hülfsarbeiter,
die nach der dem Reichstag vorgelegten Denkschrift über die Aufgaben
und Ziele, die das Kaiserliche Gesundheits-Amt sich gestellt hat, ein¬
berufen werden sollen. Dem Etat nach ist diese Stellung ein Ehrenamt.
Allein die von ausserhalb herbeigeholten Autoritäten werden Reisekosten
und Tagegelder erhalten.
— In der Zeit vom 13. bis 19. Januar sind in Berlin 504 Personen
gestorben. Todesursachen: Masern 2, Scharlach 12, Rothlauf 2,
Diphtherie 15, Eitervergiftung!, Kindbettfieber 3, Typhus 4, Dysenterie 3,
Karbunkel 2, Verbrühen 1, äussere-Verletzung 1, Folge von Operation 1,
Ersticken 2. Erhängen 1 (Selbstmord). Ertrinken 1, Lebensschwäche 27,
Abzehrung 13, Atrophie der Kinder 3. Seropheln 2, Altersschwäche 13,
Krebs 14, Wassersucht 7, Herzfehler S, Hirnhautentzündung 11, Gehirn¬
entzündung 13, Apoplexie 11, Zahnkrämpfe 3, Tetanus und Trismus 5,
Krämpfe 49, Kehlkopfentzündung 17, Croup 3. Pertussis 9, Bronchitis
-acuta 3, chronica 19, Pneumonie 30, Pleuritis 3, Phthisis SO, Peri¬
tonitis 3. Metritis 1, Folge der Entbindung 3, Abortus 1, Diarrhoe 10
«'Kinder unter 2 J.), Brechdurchfall 8 (Kinder unter 2 J.), Magen- und
Darmentzündung 1, Magen- und Darmkatarrh 4 (davon 3 Kinder unter 2 J.),
Nephritis 4, Blasenentzündung 2, andere Ursachen 69, unbekannt 4.
Lebend geboren sind vom 13. bis 19. Januar 546 m., 376 w.,
darunter ausscrehelich 55 m., 62 w., todtgeboren 16 m., 14 w., darunter
ausserehelich 2 m., 7 w.
Die Sterblichkeit während dieser Zeit auf das Jahr berechnet, be¬
läuft sich auf 25,9 pro Mille der wahrscheinlichen Bevölkerungszahl,
die entsprechende Geburtenziffer auf 42,5 pro Mille (beide Summen mit
Ausschluss von 1,5 pro Mille Todtgeborenen).
Witterung in der Woche vom 13. bis 29.Januar: Thermometer¬
stand: 1,77, Abweichung: 2,93. Barometerstand: 28 ZoU 1,56 Linien.
Dunstspannung: 1,90 Linien. Relative Feuchtigkeit: 82 pCt.
Himmelsbedeckung: 8,3. Höhe der Niederschläge: 6,775 Pariser
Linien.
In der Woche vom 20. bis 26. Januar sind in Berlin gemeldet :
Erkrankungen an Typhus 23, Todesfälle 7.
— In der Woche vom 20. bis 26. Januar sind in Berlin 433 Per¬
sonen gestorben. Todesursachen: Masern 2, Scharlach 16, Roth¬
lauf 1, Diphtherie 13, Eitervergiftung 2, Typhus 8, Karbunkel 1, Ge¬
lenkrheumatismus 1, Syphilis 2, Vergiftung 1, Brandwunden 1, Sturz 2,
Ersticken 1, Erhängen 2 (Selbstmorde), Lebensschwäche 25, Abzeh¬
rung 18, Rachitis 1, Atrophie 4, Altersschwäche 14, Krebs 17, 'Wasser¬
sucht 8, Herzfehler 6, Hirnhautentzündung 11, Gehirnentzündung 14,
Apoplexie 12, Tetanus und Trismus 2, Zahnkrämpfe 5, Krämpfe 35,
Kehlkopfentzündung 9, Croup 5, Pertussis 3. Bronchitis acuta 8,
chronica 9, Pneumonie 33. Pleuritis 1, Phthisis 56, Peritonitis 1, Gebär¬
mutterleiden 1, Diarrhoe 19 (darunter 18 Kinder unter 2 J.), Brechdurch¬
fall (7 Kinder unter 2 J.), Magen- und Darmkatarrh 2 (Kinder unter
j 2 J.), Nephritis 7, andere Ursachen 43, unbekannt 4.
j Lebend geboren sind in dieser Woche 425 m., 415 w., darunter
i ausserehelich 52 m., 5S w.: todtgeboren 19 m., 16 w., darunter ausser¬
ehelich 3 m., 1 w.
| Die durchschnittliche Sterblichkeit dieser Woche beläuft sich
J auf 22.1 pro Mille der wahrscheinlichen Bevölkerungszahl, die entspre-
j chende Geburtenziffer auf 42,9 pro Mille (beide Summen mit Ausschluss
von 1,8 pro Mille Todtgebornen).
Witterung: Thermometerstand: 2,31. Abweichung 2,24. Ba¬
rometerstand: 27 Zoll 9,14 Linien. Dunstspannung: 2.06 Linien.
Relative Feuchtigkeit: 83» pCt. Himmelsbedeckung: 7,3. Höhe
der Niederschläge in Summa: 8,375 Pariser Linien.
In der Woche vom 27. Januar bis 2. Februar sind in Berlin an-
gemcldet: Typhus-Erkrankungen 8 (4 m., 4 w.), Todesfälle 5.
VII. Amtliche fflittheilnngeB.
Pergonalia.
Auszeichnungen: Seine Majestät der König haben Allergnädigst ge¬
ruht, den Bezirks-Physikern Sanitäts - Rathen Dr. Sieber und Dr.
Riedel zu Berlin den Character als Geheimer Sanitäts-Rath, und dem
practischen Arzt etc. Dr. Michael Ries in Berlin den Character als
Sanitäts-Rath zu verleihen.
Anstellungen: Der seitherige Kreis-Wundarzt Dr. med. Ostraann
in Folkenberg ist zum Kreis - Physikus des Kreises Rybnik ernannt
worden.
Niederlassungen: Dr. Krebs in Vandsburg, Dr. Marten in Schloppe,
Arzt Dylewski in Pitseben, Arzt Bakalarski in Constadt, Dr. N.
Bergmann und Ober-Stabsarzt a. D. Dr. Dyes in Hannover, Dr.
Focke in Cöln, Dr. Kremer in Nippes, Dr. Richrath in Stommeln,
DDr. Bartold, Trompetter, Hess und Levis in Bonn.
Verzogen sind: Dr. Arbeit von Bischofsburg nach Soldau, Assi¬
stenzarzt Dr. Raths von Königsberg L:Pr. nach Riesenburg, Aizt
Bock er von Schloppe nach Brandenburg a. H., Dr. Crüwell von
Eltville nach Damgarten, Dr. B ran dis von Loitz nach Berlin, Dr.
M. Hennig von Constadt nach Sonnenwalde, Dr. Danckert von
Duingen nach Wulfei, Dr. Enteneuer von Cöln nach Dülken, Dr.
Peitzsch von Bonn nach Barmen, Dr. Sechtem von Trippelsdorf
nach Niederwendig, Dr. Ortmann von Bonn nach Halle a./S., Dr.
Schulz von Bonn nach Karlsruhe.
Apotheken - Angelegenheiten: Der Apotheker Seeck hat die
Hccht’sche Apotheke in Pröculs, der Apotheker Merkel die Engel¬
hard t’sche Apotheke in Graudenz, der Apotheker Mechel die Hol-
laty’sche Apotheke in Jessen, der Apotheker Holty die Gottsleben-
sche Apotheke in Coppenbrügge gekaaft, der Apotheker Sierke die
Kowalewski’scho Apotheke in Ragnit gepachtet. Dem Apotheker
Weber ist die Verwaltung der Alken’schen Apotheke in Bergheim
übertragen worden.
Todesfälle: Ober-Stabsarzt a. D. Dr. Lehmann in Colberg, Dr. Dessa
in Hameln, Dr. Arends in Stommeln, Apotheker CIar en in Zülpich.
'Bekanntmachung.
Die Kreiswundarztstelle des Kreises Schroda mit einem jährlichen
Gehalte von 600 Mark ist erledigt. Qualificirte Bewerber wollen sich
unter Einreichung ihrer Zeugnisse und ihres Lebenslaufes innerhalb 6
Wochen bei uns melden.
Posen, den 7. Februar 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
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UNIVERSETY OF MICHIGAN
96
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 7
Siebemmdrieriigster Jahresbericht der Hvfeland’schen Stiftungen.
Bezeichnung.
Hypo¬
theken.
Mark
Wert¬
papiere.
Mark
Courant
Mark
| Pf.
Snmn».
Mark
Pf.
1. Aaszig a. d. Rechnung d.Stiftangskasse
zur Unterstützung nothleidender Aerzte.
A. E i n n a h m e.
I. Bestand aus dem Jahre 1876 .
255300
5400
7113
r
i
• 96
267813
96
II. An Beiträgen.
—
—
I 783385
7833
•85
III. An Legaten und Geschenken .
—
—
75
j—
<0
IV. An Zinsen von Hypotheken und
Werthpapieren.
_
_
11752
11752
] _
V. An unvorhergesehen. Einnahmen
—
—
12
91
12
i 91
VI. Kapital-Umsetzungen ....
—
200
—
—
200
—
Summa
255300
5600
26787
72
287687
172
B. A u s g a b e.
I. Pensionen und Unterstützungen
10700 —
10700
II. Verwaltungskoston als: Bureau-
kosten, Kosten der Einziehung
der Beiträge, Porto. Drucksachen,
und für den Boten etc. . . .
1584
65
i
1584
65
III. Zuschuss an die Wittwcn-Unter-
stiitzungskasse.
7857
45
7S57;
45
IV. Kapital-Umsetzungen . . . .
—
—
192
25
192
25
Summa
—
—
20334
35
20334 1
35
Abschluss.
Einnahme . .
255300
5G00
26787
72
287687
72
Ausgabe
—
—
20334
35
20334
35
Mithin Bestand . .
255300
5600
6453
|37
267353 37
II. Auszug aus der Rechnung der Stif-
tungskasse zur Unterstltzung noth-
leideuder Arztwittwen.
A. Einnahme.
I. Bestand aus dem Jahre 1876 .
9300O
8400
i
i
101400:
11. An Beiträgen.
—
—
6441 30
6441130
PL An Legaten und Geschenken .
—
—
66!
—
06;
—
IV. Zinsen von Hypotheken und
Wertpapieren .
_
_
4547
5o
4547 50
V. Zuschuss aus der ärztl. Kasse
—
—
7857
45
7857 45
VI. Kapital-Umsetzungen ....
—
200
—
—
200
—
Summa
93000
8600
18912
25
120512,
25
B. A u s g a b e.
1. Pensionen und Unterstützungen
18720
18720
II. Verwaltungskosten .
—
—
—
—
—
—
111. Kapital-Umsetzung n ....
—
--
192
25
192
25
Summa
—
—
18912
25
18912
25
Abschluss.
Einnahme . .
93000
8600
18912
25
120512 :
25
Ausgabe . .
—
—
18912
25
18912 :
25
Mithin Bestand . .
93000
8600
; -
-
101600!
-
Den vorstehenden Jahresbericht übergeben wir hiermit der Oeffent-
lichkeit. — Auch ira abgelaufenen Jahre sind wir im Stande gewesen,
neben den laufenden Pensionen wiederum einer müsseren Anzahl von
Aerzten und Arztwittwen aus den Mitteln der Stiftung Unt- rstützung zu
gewahren und danken allen denen, welche hierzu beigetragen haben, im
Namen der Unterstützten und in unserem Namen; wir bitten, der Stif¬
tung auch fernerhin eine rege Theilnahme zu schenken.
Berlin, den 25. Januar 1S7S.
Das Directorium der Hufeland’schen Stiftungen.
Frerichs. Housselle. Kersandt. Quincke. Wilms.
Inserate.
Bewerber um die vom 1. April d. J. an vacante Stelle des Geh iills-
arztes am communalstiindisehen Landkrankenhause dahier, wollen ihre
Meldungsgesuche nebst Approbation, bezw. Prüfungszeugnissen bis zum
10. März d. J. an den Unterzeichneten einsenden.
Jahresgehalt 750 Mark nebst freier Wohnung und Station im Hause.
Fulda, 9. Februar 1878.
Der Dirigent des Landkrankenhauses
_Dr. Iv i n d._
Arzt gesucht zu sofort für reiche Landpraxis in nordd. Marsch¬
gegend. Offert, sub F. W. 5 d. d. Expcd. d. Bl.
Ein Arzt ini Rheinlandf in schöner industriereicher Gegend,
auf dem Lande, aber ganz in der Nähe mehrerer grosser Städte, an der
Eisenbahn, ist geneigt, seine (fast concurrenzlose) Praxis von 7500 Mark
Minimaleinnahme (incl. ca. 1500 M. Fixum) einen Collegen gegen eine
einmalige massige Entschädigung zn fibertragen. Franco-Offerten sub II. 2269
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Gesicherte .Stellung wird garantirt. Einlage eines sicher zu stellen¬
den Capitals oder Betheiligung mit einem solchen von er. 30,000 Mark
ist Bedingung.
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lagsbjreJibsviiiiWns; *gtj August Utrscj^aid in Bat-
lia (Nv W; Gai« l^ndeR 68.) einsenäen-
IMMSGHE W0CI1ENS0HE1FE
Organ für praetischg Aerzte.
Mit BerücfesichtigJiitg der preußischen Medicinalverwaltung und Medicinalgesetzgcbung
nach amtlichen Mittheil ttngeiL.
Redacteur: Prof. Dr. L Waldenburg. Verlag van August llirsdiwalii in Berlin.
Montag, den 25. Februar 1878.
m 8 .
Fünfzehnter Jahrgang.
Ifthii Im
I. Tester: Zar der FVaramomo -im ■ .Wpvibiei\oua|.p,ir;tt. II ,Ta.cuI kmc-Ii;. DcMibaehtui.tg'cn.iVlier und Ideuntls. —
HL I’uuiy: cur Trag heoU» mit;,.. — !V, Hv //•»>*k (gi u i ti ok »•.- i .!.<•[ SidehWg.> Liseroiblugermig jo em/edium üt^nvu dos
Tiiüo-ur.vfvor — hoybisch: Anleitung zur. iHu-öuniy-v för prantinclie? Amtier Aputta’ktrv und .Siiullfeßdr). — V. VetbandLmgcw «im- -
Wm , L.-v{l>d>; i n..*o LVUfi*meiner Hr?,Umher V'!.*yv?in"»i- v«v)g). —- VI. > ■•lUUrb-n 'Liaudr; Bt/nia if t — lt&3»:n tiO r->: y,n «l-r. ;nv,tiirdi< n
Fakta*unfö«Dur.4Q8 — Tagesgtsebirh Hiebe AmLseu). — \ r H. Afntbdm MitfJrutUit^n, - - inst?raW:
L lur Citsütstik der Psammome am Centnü-
uervenappnrat.
(Atis «leru p.irii(iiHgi,>clha«akimiscbe.n Iiislitiit in Fr<?ibürg i. Kr,)
Dri O. Fester i*i Fratiknirt a. AL
Strlipp itt .d+it älteren. Literatur .'findet man Fülle* hfise&fcfreKU
die ln ihrem \Ve.ven unzweifelhaft mit den gl ei eh naher fcu hc-
fchceifyemleü vliereiiicHsninen. So berichtet Otto v ) in meinem
Lehrbuch dur pathologische Anatomie über eine lodlm derar-
rieer Fülle, and Hurgmauu *) erwähnt einer (le-ch e elele
" km : Bßdeu tU** lihtfca Venfrjkftls •wird 4u*
Gimrn Cnüglnmevate heiler, runder, .sftnilartiger Ivorpor best&mL
tJi*» düfeh sta irefciio« iehrhg'elhHrhe Substanz su-tfAfttuKmige-
• ialttfnV.Atfiirdyti;' Aehnhcho findet -ich in alteren fr-aj^OGsolmn
Aurfrfcr’ 1 ) bWf>mbt emeu Kali, bei
dey Leben> rechtzeitige Si*lj<t“»i*urg sowie Sprach" fdrang, jedoch
Kriinlttmg von Motilität und Sensibilität vorhamlcu war, Lei
ärr heetinn larnl i-ich die linke Kleiubirnhemisphare breiig e.r-
Wrneht und ip fl ein Her de zahlreiche kleine ^teiuch>,n eingö-
bpttet. Tu eineur Fall von La i l ern a n tl *) ^areh nach fheiir-
jahriiTeii Kopfschmerzen KmnuKiomm der linken Ober- und
Unter-Extremität, aufgetretesi, und bald imAühej erfühlte unter
Carna der Tod. -Oie cect[t»vr ergab 'hier- einen m!,< rilli«;■ I*tw-1»n
dch^fanzverlmst’ im oberen Theii (b/i rechten'.tjrc^-hiru 1 kou i-
sph-ävt*. Am t.inmdc der UlceraKum fand 'mini wteinige Oonf u-
tioneu. welche ^ich bei leisester Kßrübruug 5« Kami iiufiostnu
Kauere FAile defbttlhen Kiitdgprie werdtfil \oö Arltdge- 4 ) imA
Meckel* 1 ) angeführt. ErSlßfer besonder* lässt sieb ziemlich
Aedilaufig: über die 'SjandfcSr-per>»ywbhl ( -iu ifU , ef\i' : tpiv'Fogc,atit^cj»c i u.
als iri thfeü? cHeiqiHchen \A-rh alten aus. Kr sprkhf von -ihher
• cfx'»n\:«hf.ri«4i».?ü'.frehiciittutg, ihrer mannigfachen Gestaltung und
J fimlei bei Zusmtz \on- E.ssigsiniu- Gäfsetittvirkelung auftretei)*;
• LphrVgens halt erdfesellien für Amyloirlfeirper. Kakitaus‘ky ’)
erwähat Ähnlicher im Gehirn, besonders dem Orpus Striatum
Torkoimneuder; aus; Gtdnmnahd. bestehbndbv Herde nipl fesst
die „einfachen umt. gesc.hißhtoteii ; glatten . ijder g^Aappteu, gelb-
tiehünf gfasHrtig bruchigen, fdeinaltigeti Gebilde, die VogW
nannten Z»»l 1 eninerfistationen, als Verkuoe.herupgym der Triimmev
i von Nervoitriüthrcfen n auf. ÖSü I^ampiohie der Ifimhant ^iut!
I ebenfalls in zieuiljeher Anzahl gefiunlen und beährieben wurden.
AnhäiUüng von Sand au der Innenseite der Ouro ist mn ganz
; gewöhn lieh er Hefmid bei altereu Fersnn^p, üiAlehAbid deniuneh
; die hier - vorlumimendhii Gösclrwüljite bteiu^^ !iyppri)histisc|to
Uüduiigcri aufzufaKsen. V.i.rehow") l»v>»'])vmbt und bildet zwei
; stdehor bei Gcis*t‘skrank-u jotumboser T'iinor( i o ab. die aut dm
’i GchVtuba^is ihre'fi'^itz batren* biid vun 1 4eii# der cfsjte emef
i inepuatjischen Ifcizung seine Kntstehuhg^^ \erdat4Gc. [/jjizter/cy
fand auch bei c.iiurin drittel"! Kali ’ 1 » stau. He-r .odspraci) der
'Niz der (b--.chVvuLf genau' ciüci des S'je'itelbeiny.
\ Oft Al eck.el nvrd Tüngtl ’) werden Almludie Ffiie fniigethcil^b'
L>m* mit. dem Hirnsaml iilentiscjieu. Hgefithuintichcu f.An-
gr^ujfepte, welche der G^schwnlsi den Arönwm gegeben habe tu
. iil friilkter'Zidt mit dem Lurpüra |aoi*a verveechseft
Atnii seUirt, nachdem Ytrcho w *f. dur.-h F'vst-steHm'rg d<\-‘ ch*--
rniscJicu Vm-haLcus der wahren, Ann inidkürper eine genaue
Scheidiing der hebJcn F<*riueu müglndi macfik- Ivamo.n uoch
hre rmd, da Irrrhümer cm* 7 }. I de rhVi f iAjigrate. welche mt
leigenden ie-s<hncbeu wcidcO v.dhm, geborm» der Freiburger
pnthoi.-annt. Fnmndnng' an. und Herr Prof. Alaier ImHe die
I Giiie. mir dieselben m ‘»m fit willigster Wciw- zur \ ed’ügung
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98
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 8
stellen, wofü» ich ihm, wie für die sonstige freundlichst ge¬
währte Unterstützung zu grösstem Dank verpflichtet bin.
1. Fall eines Fibro-Psammoms am Ependym der oberen
Wand des Vorderhorns des rechten Seitenventrikels.
Das Präparat stammt aus der Leiche eines 50jährigen, an
chronischen Leiden der Respirationsorgajae verstorbenen Mannes,
welche von auswärts auf die hiesige Anatomie geschickt und
zu anatomischen Zwecken verwendet wurde. Ob die Geschwulst
während des Lebens Symptome gemacht hatte, war nicht zu
ermitteln. Leider konnte vom Hirn nur der Tumor selbst und seine
nächste Umgebung abgegeben werden, so dass sich im folgen¬
den auf die Beschreibung dieser Theile beschränkt werden muss.
Die Geschwulst sitzt an der Decke des rechten Seitenven¬
trikels, wo diese in die Seitenwand eingeht; sie berührt daher
mit ihrer Basis ausser einem Theil der Decke auch noch den
Balken und das Septum. Sie hat ungefähr die Grösse und
Form einer grossen Maulbeere und ihre Oberfläche ist exquisit
grosskörnig. Die Farbe weiss-graulich. ihre Consistenz ziem¬
lich derb. Die Wände der Seitenventrikel, so weit sie vor¬
handen, sind von graugelblicher Farbe, ihre Oberfläche ist
feinkörnig, griesig. Das Ependym zeigt sich schon macroscopisch
als eine dickere Schichte, und der raicroscopische Befund lässt
keine Zweifel darüber, dass hier hypertrophische Veränderungen
desselben vorliegen. Die Dicke dieser Schicht wechselt stark
und steigt von einer Ausdehnung von 0,300 Mm. bis zur Mäch¬
tigkeit von 0,850 Mm.; sie ist also etwa 6—8 mal so dick, als
es normal der Fall zu sein pflegt.
An den meisten Stellen ist zwischen Ependym und Nerven-
substanz die Grenze sehr deutlich zu erkennen, und zwar ge¬
schieht die Trennung einmal dnrch die hellere, durchsichtigere
Beschaffenheit und ein mehr verfilztes, selten deutlich streifiges
Aussehen der Ependymschicht gegenüber dem dichteren, un¬
durchsichtigen Gewebe und dem mehr körnig-streifigen Aus¬
sehen der Nervensubstanz, zweitens aber wird die Grenze an
vielen Stellen durch Gefässe scharf markirt, die als langge¬
zogene, arterielle Stämmchen an ihr hinziehen und nach auf-
und abwärts feine Aestchen abgeben. Der Gefässreichthum der
Ependymschicht ist hierdurch ein sehr bedeutender; hie und
da finden sich noch zwischen dieser und der nervösen Unter¬
lage Extravasate von verschiedener Grösse, von denen die
grössten als stecknadelknopfgrosse Herde, welche leicht mit
blossem Auge gesehen werden können, die Grenze zwischen
Ependym- und Nervenschicht aufs deutlichste markiren.
Was die feinere Structur dieser oberen Schicht anlangt, so
ist dieselbe in ihrer Hauptmasse aus einem feinen verfilzten
Fadenwerk zusammengesetzt, das aufgelöst sich gebildet zeigt
aus kleinen sternförmigen Zellen, deren feine und oft lange
Ausläufer vielfach verschlungen und verflochten sind. Die Zell¬
körper sind selten grösser als 0,005—0,0066 Mm. Dagegen
liegen andere, grössere Gebilde, runde oder ovale Kugeln und
Scheiben von 0,0066—0,0132 Mm. Grösse in dieses Gewebe
eingebettet. Sie sind gelblich, homogen oder fein concentrisch
geschichtet, glänzend und in solcher Menge vorhanden, dass
sie dem Gewebe ein sehr leicht kenntliches characteristisches
Gepräge verleihen. Ausser dieser kommen noch andere, ebenso
glänzende, grosse, drüsige Körper vor, welche Conglomerate von J
«len oben genannten vorstellen und eine Grösse von 0,009 —
i ,132 Mm. erreichen. Endlich finden sich Figuren von allerlei
Formen: Kugeln, Keulen, Kolben u. s. w. Auf Zusatz von
Salzsäure entwickeln sich aus allen diesen Gebilden Gasblasen
und es bleibt ein homogener oder körniger oder auch streifiger
Körper zurück. Die beschriebenen Körper kommen nicht allein
im Ependym, sondern auch und zwar namentlich die grösseren
Gonglomerate in grosser Menge in der nervösen Unterlage vor.
Das Epithellager ist nur an den wenigsten Punkten noch
zu constatiren. Es liegt das wahrscheinlich an der Form der
Oberfläche des Ependyms. Diesselbe ist nämlich nicht glatt
und eben,* sondern mit fadigen, büschel- und fransenförmigen
Fortsätzen, ja selbst papillenähnlichen Auswüchsen besetzt,
wodurch hauptsächlich auch macroscopisch das körnige, rauhe
Aussehen der Oberfläche herrührt. Diese Theile tragen nirgends
ein Epithel. Wo dasselbe noch vorkommt, stellt es sich als
einschichtiges mit kurzen cylindrischen Zellen von 0,013 —
0,016 Mm. Breite dar, die entweder gar keine oder nur sehr
spärliche, starre Flimmerhaare zeigen.
An dem Ependym des linken Seitenventrikels, dessen vor¬
dere Partie an dem Präparate erhalten ist, finden sich, obwohl
derselbe von der Geschwulst gänzlich verschont wird, genau
die gleichen Veränderungen wie am rechten.
Die Geschwulst selbst ist aus ganz ähnlichen Elementen
aufgebaut. Sie ist zusammengesetzt theils aus streifigem Binde¬
gewebe, theils aus schmalen, langen Spindelzellen, deren feine
Ausläufer das erstere vielfach durchkreuzen und so das Bild
von fibrillärem oder netzförmig durchflochtenem Bindegewebe
geben. Diese letzteren Zellen haben eine Länge von 0,0330—
0,0099 Mm.; die Grösse des Kerns 0,0033 Mm. Ausser solchen
Elementen findet man auch grössere, ovale Zellen, deren Längs¬
ausdehnung 0,019 Mm. und deren Breite 0,013 Mm. beträgt.
Die Oberfläche der Geschwulst ist stellenweise noch von
einem ziemlich gut erhaltenen Epithel überzogen, welches, wie
das am Ependym aus rundlich-polygonalen Zellen von 0,013 bis
0,016 Mm. Grösse besteht. Sehr häufig zeigen diese Zellen aber
nicht das intacte Aussehen mit deutlichen Kernen, sondern sind
mit einer deutlich feinkörnigen Masse erfüllt, die ihnen eine
dunklere Farbe giebt und das Verschwinden des Kerns zur Folge
hat. Salzsäure bringt unter Entwicklung von Luftblasen die
körnige Imprägnation zum Verschwinden, wobei sehr häufig der
Kern wieder zu Tage tritt.
2. Fibro-Psammom vom Nervus acusticus und Nervus
facialis ausgehend und auf dem Porus acust. int. auf¬
sitzend.
Der Tumor fand sich bei einem 56jährigen Pfründner, der
sich, noch ehe er in die Krankenabtheilung des Pfründnerhauses
gebracht wurde, durch auffälliges Benehmen und Reden bemerk¬
bar machte, was früher nie der Fall gewesen war. Man musste
nach den Erscheinungen auf Gehörshallucinationen schliessen,
die anfangs gering waren und in Intervallen auftraten, später
aber häufig und sehr heftig wurden. Unter den Erscheinungen
einer chronischen Meningitis, Kopfschmerzen, Functionsstörungen
des Hirns mit dem Character der Reizung, dann Stumpfsinn,
Schwäche, Tremor, Sopor trat schliesslich der Tod ein. Das
Resultat der Section war nach mündlichen Mittheilungen der
betreffenden Aerzte folgendes: Beide Lungen, besonders die
rechte, sehr blutreich und ödematös, an der hinteren, unteren
Partie Hypostase. Am Herzen nichts auffälliges. Magen und
Darm boten die Erscheinungen chronischen Catarrhs. ln der
Leber fand sich ein Tumor cavernosus von ca. 3 Ctm. Länge
und 2 Ctm. Breite. Die Dura sehr gespannt, aber nicht ver¬
ändert. Die Pia getrübt, verdickt, undurchsichtig, sorös-gallertig
infiltrirt. Starke Hyperämie des Gehirns, Verbreiterung der
Sulci, Verschmälerung und Abplattung der Gyri, vermehrte
Flüssigkeit in den klaffenden Ventrikeln. Am linken Schläfen¬
bein über dem Meatus auditorius int. in der hinteren Schädel¬
grube, hart unter dem Ansatz des Tentorium eine runde Ge¬
schwulst, welche z. Th. in die angrenzende Markmasse der
linken Kleinhirnhemisphäre sich eingebettet zeigt, ohne aber
mit dieser zusammenzuhängen.
Die Geschwulst sitzt auf der inneren Fläche der Pyramiden,
Original fro-m
UNIVERSITf OF MICHIGAN
25. Februar 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
99
hat die Grösse etwa einer Kirsche und bedeckt den Porus
acusticus int. so vollständig, dass nach Herausnahme des Hirns
aus der Schädelhöhle, wobei der 7. und 8. Hirnnerv hart an
der Geschwulst abgeschnitten wurden, weder vom Porus noch
von den benannten Nerven etwas zu sehen ist. Unten berührt
der Tumor den vereinigten 10. und 11. Hirnnerven an ihrer
Eintrittsstelle in das Foramen lacerum posterius. Nach vorne
ist zwischen ihnen und dem Trigeminus ein Zwischenraum von
ca. V* Ctm. Eine Verbindung mit der dura mater ist nirgends
vorhanden, dagegen existirt eine solche mit den Stämmen des
Facialis und Acusticus. Von diesen beiden Nerven zeigt sich
der erstere als der am wenigsten betroffene Theil, da er, ohne
in seiner Stärke einzubüssen, nur durch Bindegewebe mit dem
Tumor verbunden, an dessen innerer Peripherie hinzieht, wäh¬
rend der Hörnerv so fest mit dem unteren Theil der Neubildung
verwachsen ist, dass er schwer isolirt zu erkennen ist und nach
seinem Eintritt in den Porus als ein dünnes, glattes, verfettetes
Gebilde sich darstellt.
Entsprechend der Lage des Tumors findet sich au der linken
Hemisphäre des Kleinhirns, am vorderen Rand des vorderen
Oberlappens eine eingedrückte Stelle und die anstossende Flocke
medianwärts verschoben und comprimirt. Die Geschwulst ist
von nahezu rundlicher Gestalt und nur an ihrem oberen Ende
ein wenig spitz zulaufend, wodurch dieses etwas in den Porus
acusticus hineinragt. Sie ist von weisslich-grauer, etwas ins
röthliche spielender Farbe. Ihte Oberfläche ist glatt, überall
frei, nirgends mit der dura mater verbunden, weder am Felsen¬
bein, noch am Tentorium. An ihrer unteren, dem Felsenbein
zugekehrten Fläche zeigt sie sich mit den unter ihr hinweg
zum Porus acusticus hinziehenden 7. und 8. Hirnnerven ver¬
wachsen, und diese dienen ihr zur alleinigen Befestigung. Die
Verwachsung geschieht in der ganzen Ausdehnung, so weit die
Geschwulst den Nerven berührt, und da ein Theil des Tumors
noch in den Porus acusticus hineinragt, so ist die Verbindung
eine sehr langgestreckte. Dabei ist aber der 7. Hirnnerv fast
durchweg im Verlauf noch deutlich, selbst an den Stellen, wo
er mit der Geschwulst inniger verbunden ist, und höchstens
zeigt er sich hier etwas plattgedrückt; der 8. Hirnnerv hingegen
ist so in die Neubildung aufgenommen, dass der längs der Ge¬
schwulst verlaufende Abschnitt ganz verschwunden ist und nur
das ein- und austretende Stück die Richtung des Verlaufs des
Nerven in der Geschwulst anzeigt. Während der Nervus facialis
in seinem Verlauf jenseits des Tumors normal dick ist, findet
man dagegen den Hörnerven in den tieferen Partien des Porus
acusticus, da wo er zur Fovea cochleae und zur Macula cribrosa
tritt, auffallend dünn.
Die Geschwulst ist an der Oberfläche glatt und scheint mit
einer Membran überzogen, was sich aber bei genauerer Unter¬
suchung nicht bestätigt. Sie ist überall, in ihren peripherischen
und centralen Theilen gleichartig zusammengesetzt und besteht
hauptsächlich aus Bindegewebe und Gefässen nebst eingestreuten
sandigen Massen. Das Bindegewebe zeigt bald deutliche Fase¬
rung, oder es ist flächen- oder plattenartig ausgebreitet, letzteres
besonders gegen die Oberfläche hin, woher der Eindruck einer um-
schliessenden, membranösen Umhüllung entsteht. Diese mehr
membranösen Theile erscheinen bald homogen oder mit zahlrei¬
chen runden, polygonalen oder sternförmigen Zellen durchsetzt.
Oft auch traten Platten hervor, welche aus polygonalen, an ein-*
ander liegenden Zellen gebildet sind und jedenfalls für platte En-
dothelien angesehen werden können. Ferner finden sich in den
Interstitien und Spalten des fibrillären Gewebes überall runde,
gekörnte, kernhaltige, kleinere, den runden Bindegewebskörpern,
oder grössere, den lymphatischen Elementen ähnliche Zellen.
Ausserdem enthält der Tumor aber auch noch andere Zellen I
in grosser Anzahl; zunächst verschieden grosse Spindelzellen
von 0,0165 bis 0,266 Mm., welche meist eng aneinander ge¬
schlossen in parallelen Reihen das faserige Gewebe ersetzen;
dann aber auch Rundzellen von 0.009 bis 0,013 Mm. Grösse,
meist mit deutlichen Kernen und geringer Granulirung.
Eingebettet in die faserige Grundsubstanz sind in grosser
Menge runde, glänzende Körper von 0,009 Mm. Grösse, ferner
grössere Kugeln von 0,0165 Mm. Grösse und Conglomerate
von solchen, sowie endlich keuien- und kolbenförmige Gebilde.
Alle diese Körper haben ein mattglänzendes Aussehen, sind theils
homogen, theils deutlich concentrisch geschichtet, theils sind sie,
besonders die Conglomerate und Keulen gespalten und drüsig.
Bei Zusatz von Salzsäure entwickeln sich Luftbläschen, und es
legt gerade der Vorgang der Entwicklung die Ansicht sehr nahe,
dass die betreffenden Gebilde nicht blos in Folge von Nieder¬
schlägen entstanden sind, sondern dass es sich hauptsächlich
hier um eine Verkalkung präexistirender Elemente und zwar
namentlich von Zellen handelt. Es finden sich häufig Bilder,
die denen der entkalkten Endothelzellen des Ependyms (s. vor.
Fall) ganz ähnlich sind. Die kolbigen und drüsigen, balken¬
artigen Gebilde entstehen wohl so, dass die ein Bindegewebs-
bündel mantelartig umkleidenden Plattenepithelien in ungleich-
mässiger Weise von Kalkmassen imprägnirt, oder auch indem
die Fibrillen selbst von Kalkmassen umlagert werden.
Die Untersuchung der von der Geschwulst betroffenen Hirn¬
nerven, des Facialis und Acusticus ergiebt bei beiden Verän¬
derungen in der Structur, die jedoch, wie schon aus dem ma-
croscopischen Befunde erhellt, den Gesichtsnerven in weit ge¬
ringerem Grade befallen haben. Seine Markscheiden finden
sich von zahlreichen Fettkörnchen in Form äusserst feiner, glän¬
zender Pünktchen erfüllt, so dass der Axencylinder theilweise
oder ganz verdeckt wird. Dagegen zeigt der Nervus acusticus
einmal die Verfettung in viel höherem Masse und ausserdem
atrophische Veränderungen. Die Atrophie der Nervenelemente
muss nach den sie begleitenden Umständen als ein mechanischer
Effect, als eine wirkliche Druck-Atrophie angesehen werden.
Es finden sich nämlich an vielen Fasern im Neurilemm Spindel¬
zellen eingelagert, dabei meistens das Neurilemm selbst beträcht¬
lich verdickt, so dass wohl ungezwungen der Schluss gezogen
werden kann, dass die Sandmassen, welche sich in den Nerven
ablagern, einen Reiz setzen, der Entwicklung von Spindelzellen,
Bindegewebe und somit durch Druck auf die Substanz des Ner¬
ven Atrophie und Schwund derselbeh zur Folge haben. Es
finden sich schliesslich noch einzelne unveränderte oder auch
varicöse Anschwellungen zeigende isolirte Axencylinder.
3. Fibro-Psammom vom Acusticus und Facialis aus¬
gehend, auf dem Introitus meatus auditorii aufsitzend.
Diese Geschwulst fand sich als zufälliger Befund bei der
Section eines 26jährigen Mannes, der an Herzfehler und Morbus
Brightii gelitten hatte. Von Erscheinungen während des Lebens,
die auf einen Hirntumor hinwiesen, ist nichts bekannt. Der Fall
ist dem zweiten beschriebenen in so vielen Beziehungen ähnlich,
dass eine kurze Zusammenstellung des wesentlichsten genügen
mag. Die Geschwulst sitzt ebenfalls auf dem linken Felsenbein
auf, ist kleiner, von mehr, graulicher Farbe, aber gleicher Con-
sistenz wie die erstere. Sie setzt sich verschmälert in den Meatus
auditorius fort und hat den Facialis und Acusticus so in sich
aufgenommen, dass dieselben als isolirte Gebilde nicht mehr zu
erkennen sind. Somit sitzt die Geschwulst auf einem Stiel
auf, der, wie es sich nach Durchsägung des Felsenbeins heraus¬
stellt, den Meatus auditorius bis zum Tractus spiralis durchzieht.
Derselbe Schnitt zeigt zugleich, dass der Facialis in unvermin¬
derter Stärke seinen Lauf in den Fallopi’schen Canal weiter
fortsetzt. ’ Die microscopische Untersuchung der in die Schädel-
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Original from
UNIVERSITY OF MICHIGAN
100
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 8
höhle hineinragenden Hauptgeschwulstmasse ergiebt die gleichen
Verhältnisse, wie beim vorigen Fall. Begreiflicherweise müssen
sich an den betroffenen Nerven eben solche Veränderungen
finden, wie sie früher beschrieben wurden, und in der That
sind zwar noch Nervenelemente vorhanden, dieselben sind aber
dünn und atrophisch, in vielen sieht man die Sandmolecüle
eingestreut, an anderen Spindelzellen am Perineurium anliegend,
und überall die grösseren Sandkörper in deutlich fibrilläres
Bindegewebe eingelagert.
Von ganz besonderem Interesse ist es, dass man die Sand¬
körper bis in die Schnecke und die Bogengänge verfolgen kann.
An einem der Lamina spiralis membranacea entnommenen Stück
findet man eigenthümliche Zellen, welche ihrem Bau nach wohl
für Deckzellen zu halten sind und mit feinen sandigen Massen
imprägnirt erscheinen. Dieser Befund lässt vielleicht bezüglich
der Entstehungsweise der hyperplastischen Neubildung eine un¬
gewöhnliche Deutung zu. Während man, wie beim vorigen Fall,
auch in diesem von vorn herein geneigt war anzunehmen, dass
innerhalb der Schädelhöhle um die betreffenden Nerven Sand¬
einlagerung und neurilemmatische Bindegewebswucherungen statt¬
gefunden hätten, die sich hier als Geschwulst etablirten, lässt
doch das Vorkommen bedeutender Mengen von Sandtheilchen
an der Peripherie des Hörnerven daran denken, dass umgekehrt,
also peripher beginnend, in centripetaler Richtung der Process
fortgeschritten wäre. Hatte einmal die Wucherung den Poms
intfcrnus verlassen, so konnte sie, da jetzt Platz genug vorhan¬
den war, als Geschwulst sich ausbreiten.
Die in diesen drei Fällen vorgeführte, interessante Ge¬
schwulstform hat ihren Namen erhalten von den sandigen
Massen, welche sich schon normaler Weise an verschiedenen
Localitäten im Hirn vorfinden, so namentlich in der Zirbeldrüse
und den Plexus clioroidei, doch soll hiermit nicht gesagt sein,
dass diese Körper das wesentlichste bei der Neubildung seien,
wenn sie auch das auf den ersten Blick am meisten in die
Augen springende sind. Man muss vielmehr nach dem Vorgänge
Virchow’s 1 ) dem Psammom in der Reihe der Fibrome und der
Fibro-Sarcome einen Platz einräumen, wobei eben durch Hyper¬
plasie des normalen Hirnsandes und Einlagerung desselben in
das fibrilläre und zellige Gewebe jenes Bild entstanden ist,
welches die Diagnose des pathologischen Products so sehr er¬
leichtert. Jedenfalls aber verdienen die grösseren Sandkörper
in ihren mannigfaltigen Formen eine besondere Berücksichtigung.
Die Frage, auf welche Weise diese Körper entstehen, kann, wie
schon oben angedeutet wurde, dahin beantwortet werden, dass
auf präexistirende Elemente, wie Zellen, aber auch auf das
Bindegewebe selbst Niederschläge von Kalkmassen erfolgen, die
natürlich, da sie auf alle möglichen Arten stattfinden können,
auch die verschiedensten Formen abgeben. Häufig geschehen
die Niederschläge successive, schichtenweise und erzeugen so die
concentrische Structur der Körper. Ob die Zellen vorher irgend
eine Veränderung, etwa, um aus dem glänzenden Centrum der¬
selben zu schliessen, eine Colloid-Metamorphose erleiden, soll
dahingestellt bleiben, wäre jedoch denkbar. Durch die Ver¬
kalkung der Bindegewebsbalken entstehen jene Keulen- und
Kolbenformen, wie sie in allen drei Fällen beobachtet und be¬
schrieben wurden. Das betreffende Nervengewebe geht stets
wichtige Veränderungen ein. Wir haben gesehen, dass die Ner¬
ven, welche in den Bereich des Tumors gezogen waren, in ver¬
schiedenen Graden sich afficirt zeigten. Es fanden sich tlieils
Atrophie der Fasern, theils neurilemmatische Verdickungen, die
auf eine diffuse chronische Neuritis zurückzuführen sind. Ebenso
fand sich im ersten Fall das Ependym, schon macroscopisch
1) Virchow: Die krankhaften Geschwülste. 1864. II. p. 107 u. p. 112.
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sichtbar, verdickt, und bemerkenswerth ist, dass diese Verdickung
nicht nur in der nächsten Umgebung des Tumors, sondern auch
im andern Ventrikel zu constatiren ist. Microscopisch erkannte
man dann unter dem Epithellager, zwischen diesem und der
nervösen Unterlage eine sehr bedeutende Schichte faserigen Ge¬
webes. Beiläufig gesagt, lässt der Umstand, dass diese Faser¬
schicht so mächtig entwickelt ist, wohl einigermassen auch auf
die normale Structur des Ependyms schliessen. Dasselbe be¬
steht demnach schon im gesunden Hirn aus einem einschichtigen
Endothel und darunter einer bindegewebigen, streifigen Unter¬
lage, die bald undeutlich fibrillär und nur ganz fein gestreift
sich darstellt, bald aus parallel an einander liegenden Spindel¬
zellen mit kleinen Körpern und langen, feinen Ausläufern zu¬
sammengesetzt ist, welch’ letzterer Befund vorzugsweise dem
jugendlichen, der erste mehr dem höheren Alter anzugehören
scheint.
Was die klinische Seite der angeführten Fälle betrifft, so
ist schon aus den Vorbemerkungen ersichtlich, dass hier nicht
viel zu verw r erthen ist. Mit dem ersten Fall war mir die Mit¬
theilung zugegangen, dass die betreffende Person Gewohnheits¬
trinker gewesen sei, und es könnte vielleicht die Entstehung
der Geschwulst auf einen durch chronische Meningitis gesetzten
Reiz zurückzuführen sein. Von den beiden andern Fällen waren
beim zweiten keine Zeichen einer Störung des Nervensystems
vorhanden; der erste dagegen zeigte deutliche Symptome.
Der Kranke hatte an Gehörshallucinationen gelitten, an die
sich Zeichen einer Meningitis anschlossen, die unter Tremor.
Sopor u. s. w. zum Tode führten. Der Nervus facialis scheint
beidemale keine Störungen seiner Function erlitten zu haben.
Es ist auffallend, dass der Sitz der Geschwulst (auf dem in-
troitus rneatus aud.) zwei mal fast genau derselbe ist. Auch
Virchow 1 ) beschreibt einen ganz ähnlichen Fall, in welchem
der Acusticus gelähmt w r ar. Ob dies auch in unsern Fällen statt
hatte, ist zwar nicht sicher erwiesen, jedoch sehr wahrscheinlich.
II. Beobachtungen über Pneumonie und Pleuritis.
Von
Dr. JftCubftSCh,
Stabsarzt im 9. Feld-Art.-Reg.
1. Statistisches.
Während meiner ca. 3V 2 jährigen Dienstzeit in Neu-Ruppin
und Havelberg gelangten 125 Eälle von Pneumonie und Pleu¬
ritis in den dortigen Militär-Lazarethen zur Behandlung.
Unter diesen 125 Fällen befanden sich: 38 Pleuritiden,
48 Pneumonien und 39 Plöuro-Pneumonien.
Die 38 Pleuritiden zerfielen wiederum in: 10 ohne resp.
mit geringem, 23 mit mässigem und 5 mit massigem Exsudate.
Von den 48 Pneumonien waren: 5 lobulär (circumscript),
27 mal beschränkte sich der Process auf den ergriffenen Lappen.
12 mal pflanzte er sich auf den resp. die anderen Lappen der¬
selben Seite fort, und 4 mal griff er auf die andere Körper¬
hälfte über (Pn. duplex).
Unter den 39 Pleuro-Pneumonien erwies sich: 24 mal
1 Lappen erkrankt (20 Fälle mit geringem, 4 mit reichlichem
Exsudate complicirt), 11 waren halbseitige Pleuro-Pneumonien,
darunter 1 mit geringem, 8 mit mässigem, 2 mit reichlichem
Ergüsse, und 4 doppelseitige Pleuro-Pneumonien, davon 1 mit
geringem und 3 mit mässigem Exsudate.
In 37 von diesen 39 Fällen entwickelte sich Pneumonie
und Pleuritis so gut wie gleichzeitig, und nur 2 mal, im Ver-
1) Virchow: Die krankhaften Geschwülste. II. pag. 116.
Original fro-m
UNIVERSETY OF MICHIGAN
25. Februar 1S7S.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
101
laufe von chronischen
Pneumonien
kam es nach 3 resp. 5
Wochen zur Bildung eines massigen
Exsudates.
Auf die beiden Körperhälften vertheilen sich
die gesammten
125 Fälle wie folgt:
a.
linksseitig b.
rechsseitig
c. beiderseitig 1
1. Pleuritis.
24
14
i
2. Pneumonie . . .
22
22
4 !
i
3. Pleuro-Pneum. .
18
17
4
64
53
Ein bedeutendes Ueberwiegen der einen oder anderen
Körperhälfte fand demnach in unseren Fällen nicht statt, da¬
gegen zeigten die einzelnen Lungenlappen eine ganz erhebliche
Differenz in Bezug auf Häufigkeit der Erkrankung. Mit Hinzu¬
rechnung der 39 Pleuro-Pneumonien wurden nämlich zuerst er- I
griffen: der linke untere Lappen 45 mal, der linke obere Lappen j
1 mal, der rechte untere Lappen 26 mal, der rechte mittlere
0 mal, der rechte obere Lappen 15 mal.
Diese Zusammenstellung bestätigt aufs neue*) die physiolo¬
gische Prädisposition der unteren Lappen zur Erkrankung an
Pneumonie. Ob diese ausgesprochene Anlage auf dem anato¬
mischen Baue oder auf der energischeren Betheiligung der
unteren Lungenlappen am Athmungsprocesse beruhe, will ich
dahin gestellt sein lassen.
2. Aetiologie.
Offen gestanden hatte ich mich so lange mit dem Niemeyer-
schen Ausspruche: „die Gelegenheitsursachen der Pneumonie
sind meistens dunkel“ begnügt, bis mir kurz hintereinander
2 Fälle aufstiessen, welche sich unzweifelhaft aus einem acuten
Bronchialkatarrh entwickelten *).
Diese beiden Fälle veranlassten mich, der Aetiologie eine
grössere Beachtung zu schenken, und gelang es mir, unter den
38 seitdem behandelten Fällen folgendes festzustellen: 1 Pneu¬
monie entwickelte sich secundär bei Tuberculosis pulm., .2 waren
traumatischen Ursprungs, 5 entstanden in Folge von Erkäl¬
tungen 4 ), 10 nach Brouchialcatarrhen und 20 aus unbekannten
Veranlassungen *).
1) Nach Canstadt (Handb. d. med. Klin., 3. Aufl., III., 225) war
unter 1862 Fällen 980 mal die rechte, 569 mal die linke und 313 mal
beide Seiten der Sitz der Affection.
2) Jurasz (Berl. klin. Wochen sehr. 1874, No. 17) fand z. B. unter
261 Fällen 91 mal mal den linken unteren, 88 mal den rechten unteren,
40 mal den rechten oberen und 17 mal den linken oberen Lappen zu¬
erst ergriffen.
3) Die Anamnese des einen Falles erscheint mir immerhin inter¬
essant genug, um sie im Auszüge hier mitzutheilen. Der Musk. Lettow
litt seit Anfang März an Husten, weicher sich von Tag zu Tag ver¬
schlimmerte, so dass sich Patient endlich am 22. krank meldete. Bei |
der physikalischen Untersuchung liess sich ein ausgebreiteter Catarrh
der hinteren Lungenpartien, jedoch keine Verdichtung des Parenchyms
selbst nachweisen. Der quälende Husten währte trotz grosser Gaben
von Narcoticis in fast unverminderter Heftigkeit fort, und am Morgen
des 25. war H. U. R. ein ca. 3 querfingerbreites Exsudat nachweisbar.
Während der folgenden Nacht stellte sich wiederholtes Frösteln ein, und
am Morgen des 26. fand sieh eine pneumonische Infiltration des ganzen
rechten oberen Lappens.
4) Mag man über die Erkältung als Gelegenheitsursche denken wie
man will, jedenfalls hiesse es den Skepticismus zu weit treiben, wenn
man in Fällen wie dum nachstehenden, jeden Zusammenhang zwischen
Ursache und Wirkung ab leugnen wollte. Der Ge fr. Thiele, welcher bis
dahin vollkommen gesund gewesen, hatte am Vormittage des 6. Decem-
bers 1873 als Ordonnanz eine Reihe von Aufträgen zu besorgen, war
dabei in Schweiss gerathen und musste so bei der Parole-Ausgabe ca.
eine Stunde lang im Schneetreiben stehen. Unmittelbar darauf fühlte
er sich unwohl und bekam in der Nacht zum 7. einen Schüttelfrost,
welcher eine halbseitige Pneumonie einleitete. Ueber die physiologische
Wir sehen also, dass in 28,8% der Fälle ein acuter
Bronchialcatarrh längere oder kürzere Zeit dem Ausbruche der
Pneumonie vorausging, und es ist somit anzunehmen, dass sich
der entzündliche Process direct auf die feineren Bronchien resp.
Alveolen fortgepflanzt habe. Dieser Fortpflanzungsmodus kann
auch kaum noch etwas befremdliches für uns haben, seitdem
der langjährige Streit, ob nämlich die Alveolen eine Schleim¬
haut resp. ein echtes Epithel besitzen oder nicht, endlich zu
Gunsten der Fried 1 an der’schen Ansicht entschieden zu sein
scheint 4 ). Dass der ursprünglich catarrhalische Process sich
weiterhin in einen croupösen umwandelt, steht mit dieser An¬
schauung nicht im Widerspruche, da wir denselben Vorgang
häufig genug bei Pharynx- und Larynxkrankheiten beobachten
können. Ausserdem zeigen viele aus Brouchialcatarrhen ent¬
standene Pneumonien verschiedene Eigentümlichkeiten, welche,
wenn ich mich so ausdrücken darf, einen catarrhalischen Cha-
racter tragen. Ich gedenke weiterhin auf diesen Punkt zu¬
rückzukommen.
3. Symptomatologie.
Die Anforderungen, welche der militärische Dienst heut
zu Tage an die körperliche Integrität jedes einzelnen stellt,
machen es begreiflich, dass in Erkrankungsfällen die Hülfe
des Militär-Arztes viel früher in Anspruch genommen wird,
als dies im allgemeinen in der Civil-Praxis zu geschehen
j pflegt. Ich habe daher als Truppenarzt vielfach Gelegenheit
I gehabt, die Entwicklung der Pneumonie und Pleuritis von ihren
frühesten Anfängen an zu beobachten, uud will aus diesem
I Grunde einige der Initial-Symptome hier kurz besprechen.
I Ein längeres Prodromal-Stadium fand sich bei Pneumonie,
' wenn wir von denjenigen Fällen absehen, welche sich aus
j Bronchialcatarrhen entwickelten, nur zweimal deutlich ausge-
! sprochen. Der eine dieser Fälle, welcher eher alles andere
I als die Entwicklung einer Pneumonie erwarten liess, ist folgender:
I Der Füsilier Schmidt erkrankte am 21. Juni 1874, Nach-
| mittags 5 Uhr, unter einem 3stündigen Schüttelfröste. Am 22.
1 traten heftige Schmerzen längs der Wirbelsäule auf, deren
! Dornfortsätze sich überaus empfindlich gegen die leiseste Be-
! rührung erwiesen. Die Untersuchung der Brust- und Unter-
| leibsorgane ergab ausser einer mässigen Milzschwellung nichts
| pathologisches. Am Morgen des 23. hatten die Rückenschmerzen
wesentlich nachgelassen, dagegen waren heftige Schmerzen in
den Waden aufgetreten, deren Musculatur sich gespannt an¬
fühlte und gegen Druck schmerzhaft erwies. Erst im Laufe des
Nachmittags stellte sich Kopfschmerz, Husten und blutiger Aus¬
wurf ein, während sich das Gefühl der Spannung und die
Schmerzen in den Waden verloren.
Aehnliche, wenngleich nicht so scharf ausgesprochene
Symptome von Spinal-Irritation wurden noch in einem zweiten
Falle beobachtet 7 ).
Erklärung der „Erkältung“ vgl. J. Rosenthal, Berl. klin. Wochenschr.,
1872, No. 38.
5) Von einigen Autoren (vgl. Leichtenstern, Volkmann’sche
Vortrag No. 82, und Kunze, Deutsch. Zeitschr. f. prac. Med., 1874,
No. 17) wird neuerdings die Entstehung der Pn. auf lnfection mit
einem specifischen Gifte zurüekgeführt. So bestechlich diese Theorie
für gewisse Fälle auch sein mag, so entbehrt sie doch vorläufig noch
einer hinreichend festen Begründung.
6) Friedländer (Untersuchungen über Lungenentzündung, Berl.
b. Hirsch wald, p. 5) bezeichnet die Alvoolar-Epithclien als ein „an¬
nähernd regelmässiges Lager von polygonalen kernhaltigen Epithelzellen,
deren Protoplasma allerdings ausserordentlich zart, und deren Grenzen
oft recht schwer zu sehen sind.“
7) Leyden (Klin. der Rückenmarkskrankh., IT., p. 8) sagt hierüber:
„von Interesse ist die Beobachtung, dass auch in Begleitung von Er¬
krankungen der Brust und Eingeweide Spinalschmerz auftritt und am
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Original frem 2
UNIVERSITY OF MICHIGAN
102
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. S
Meistenteils bildete, wie schon gesagt, der Eintritt eines
Schüttelfrostes das erste Symptom der beginnenden Erkrankung.
Derselbe stellte sich in dem Falle von Thiele 12, in zwei
anderen traumatischen Ursprungs 10 resp. 8 Stunden nach der
Verletzung ein und fehlte bei den 87 Pneumonien resp. Pleuro¬
pneumonien nur 4 mal gänzlich ! ) Dreimal kam es uur zu
einem Frösteln, welches sich in einem Falle mehrfach wieder¬
holte und in einem anderen ca. 48 Stunden lang ohne Unter¬
brechung anhielt. Dem Schüttelfröste ging 2 mal ein deutlich
ausgesprochenes Hitzestadinm voraus, und ebenso oft folgte
demselben ein reichlicher Ausbruch von Schweiss. Ein Zu¬
sammenhang zwischen Heftigkeit resp. Dauer des Frostanfalles
und Ausbreitung des Krankheitsprocesses Hess sich nirgends
nachweisen.
Die localen Schmerzen machten sich in 3 Fällen — 12, 4
resp. 3 Stunden — vor, in allen anderen erst gegen Ende oder
kurze Zeit nach dem Schüttelfröste bemerkbar.
Was nun schliesslich das Auftreten von Blut in den Sputis
anbelangt, so wurde dasselbe in 4 Fällen, welche sich aus
Bronchialcatarrhen entwickelten, vor Eintritt des Schüttel¬
frostes, 2 ) in allen übrigen 5—10 Stunden nach demselben be¬
obachtet.
Die Aufeinanderfolge der hier besprochenen Erscheinungen
ist, wie wir gesehen haben, eine ziemlich inconstaute, die der
physikalischen dagegen eine ungleich regelmässigere. Als erstes
Symptom in der Reihe der letzteren ist das fein blasige Knister¬
rasseln zu nennen, welches sich ausnahmsweise schon während
des Schüttelfrostes, in der Regel jedoch erst ungefähr 5 Stunden
nachher deutlich hören liess. In 2 oder 3 Fällen, welche früh
genug in Behandlung gelangten, habe ich dem Rasseln rauhes
(verschärftes) Vesiculärathmen vorausgehen hören.
Dies Knisterrasseln war bereits zu vernehmen, bevor noch
die Percussion eine Schalldifferenz zwischen den erkrankten und
gesunden Lungenabschnitten erkennen liess, und ging 8—12
Stunden später, d. h. mit Auftreten des tympanitisch-gedämpften
Percussionsschalles in das unbestimmte und weiterhin in das
bronchiale Athmen über, wobei noch zu bemerken bleibt, dass
das Exspirium früher als das Inspirium den bronchialen Cha-
racter annahm.
Die Entwicklung der Pleuritis, bei welcher von einem
längeren Prodromalstadium niemals die Rede war, begann fast
ausnahmslos mit einem Frostanfalle, dessen Dauer zwischen
7* und 3 Stunden schwankte. Dreimal fehlte das Frostgefühl
gänzlich und dreimal wiederholte sich dasselbe am nächsten
Tage. Kurze Zeit, d. h. 1—3 Stunden nach dem Frostanfalle
— in einem Falle während und in einem anderen erst 24
Stunden nachher — pflegten sich die für Pleuritis characte-
ristischen „Stiche“ einzustellen. Am frühesten machten sich
dieselben — abgesehen von den Fällen traumatischen Ur- |
sprungs — in der Gegend zwischen vorderer und hinterer
Axillarlinie fühlbar, da hier bekanntlich die ausgiebigste Ver¬
schiebung resp. Reibung der beiden Pleurablätter stattfindet.
War, wie dies in der Regel der Fall zu sein pflegte,
das parietale Blatt der Pleura vorzugsweise ergriffen, so liess
sich, wenigstens in den ersten Stadien der Krankheit, die Aus¬
dehnung des entzündlichen Processes mit Sicherheit durch die
Palpation bestimmen, und gelang es mir mehrfach, aus .der
häufigsten die mittlere oder untere Dorsalpartie einnimmt 1 *. Auch
Cruveilliier (Bull, de therap., CXLL, p. 388) giebt an, dass Krank¬
heiten des Herzens, der Lungen u. s. w. mit Schmerzen an bestimmten
Stellen der Wirbelsäule Zusammenhängen.
1) Darunter 3 mal bei lobulärer Pneumonie.
2) In einem Falle sogar 3 X 24 Stunden vor dem Frostanfalle.
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gesteigerten Empfindlichkeit der Ißtercostalräume den Beginn
einer Pleuritis zu diagnosticiren, bevor noch andere Symptome
irgend welchen Anhalt boten. Aus diesem Grunde halte ich
die Palpation der Intercostalräume für ein diagnostisches Hülfs-
mittel, dessen Bedeutung, namentlich für die Therapie, nicht zu
unterschätzen ist 1 ).
Das pleuritische Reibegeräusch war meistentheils ca. 5
Stunden nach Beginn des Schüttelfrostes — bei subacut ver¬
laufenden Fällen zuweilen erst 24 Stunden nachher — deutlich
hörbar, während die Bildung eines Exsudates sich nie vor Ab¬
lauf von 12 Stunden physikalisch nachweisen liess.
Von den gesammten 125 Fällen liegen 81 vollständige
Temperatur-Tabellen vor. Die höchsten Temperaturen fallen,
abgesehen von 2 Beobachtungen, in die späten Nachmittags¬
stunden des 2. resp. 3. Krankheitstages und schwankten
a. bei Pneum. u. b. bei Pleuritis
Pleuro-Pneum.
zwischen
38,0
und
39,0
C.
in
—
Fällen
in 4 Fällen
»
39,1
und
39,5
C.
„
5
»» 3 „
39,6
und
40,0
C
»
11
»
» 5
»
40,1
und
40,5
C.
»
25
»
» 3
40,6
und
41,0
C.
»
19
»
>j 2 „
»
41,1
und
41,5
c.
>>
4
»
>» »
In
Summa:
64
Fälle
17 Fälle.
Die höchste Temperatur, welche sich überhaupt verzeichnet
findet, beträgt 41,5° C., die niedrigste 35,3°; jene w r urde bei
einer Pleuro - Pneumonie am Abend des zweiten Tages, diese
ebenfalls bei einer Lungen-Brustfell-Entzündung 18 Stunden nach
Eintritt der Lysis beobachtet. Die in letzterem Falle sich zei¬
genden Collaps-Erscheinungen waren durchaus nicht unbedenk¬
licher Natur.
Unter den 48 Fällen von reiner P*neumonie wurde 9 Mal
unmittelbar vor Eintritt der Krise ein nochmaliges stärkeres
Ansteigen der Temperatur-Curve beobachtet, dagegen fand nur
ein Mal eine intermediäre steile Erhebung statt, welche einen
acuten Nachschub einleitete.
Die Puls- und Respirations-Curven zeigten im allgemeinen
den Temperatur-Curven analoge Hebungen und Senkungen. Die
Maxima der ersteren bewegten sich meistens zwischen 100 und
120 Schlägen, die der letzteren zwischen 30 und 40 Athemzügen
in der Minute, und erreichten in einem Falle die ungewöhnliche
Höhe von 60 (Temp. 40,0, Puls 116). Als höchste Pulsfrequenz
finden sich bei einer Pleuritis am Abend des ersten Tages 142
als niedrigste — bei einer Pneumonie am dritten Tage nach
der Krisis — 36 Schläge notirt.
Von Complicationen ist unter den 87 Fällen 10 Mal
starker Durchfall zu erwähnen. Diese Durchfälle, welche ein
Mal deutliche Blutspuren und ein anderes Mal nicht unerheb¬
liche Blutmengen enthielten, traten frühestens 24 Stunden und
spätestens 3 Tage nach Beginn der Krankheit auf. Ihre Ent¬
stehung dürfte auf eine Stauung im Gebiete der unteren Hohl¬
vene zurückzuführen sein und in gleiche Reihe mit den durch
Stase im Bereiche der V. cava sup. bedingten Symptomen wie
dem Nasenbluten, der Röthe der Wangen, dem Kopfschmerze
u. s. w. gestellt werden müssen. 2 ) Ob die vorhin erwähnten
2) Ich setze die hakenförmig gekrümmten Mittelfinger auf corre-
spondirende Stellen der Intercostalräume uud übe damit auf der Höhe
der Inspiration einen möglichst tiefen und gleichmässigen Druck auf
beide Seiten aus.
1) Da bis dahin entweder gar keine Medicamentc oder höchstens
Mineralsäuren (meist acid. hydroehlor. dil. 1,0 — 1,5:200, 2stündlich
1 Esslöffel) gereicht worden waren, so konnte von einer künstlich erzeug¬
ten Diarrhoe wohl kaum die Rede sein.
Original fro-m
UNIVERSETY OF MICHIGAN
25. Februar 187S.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
103
Erscheinungen von Spinal-Irritation gleichfalls auf einer venösen
Hyperämie des Rückenmarkes und seiner Häute beruhen, lässt
sich mit Sicherheit noch nicht entscheiden.
Das Auftreten von Herpes facialis wurde 6 Mal beobachtet;,
eine prognostische Bedeutung liess sich in keinem Falle nacli-
weisen. Unter den anderweitigen Complicationen bleibt schliess¬
lich noch je ein Fall von circumscripter Lungen-Gangrän, ca-
tarrhalischem Icterus, eintägigem Wechselfieber, acutem Gelenk¬
rheumatismus und interstitieller Nephritis anzuführen.
Ich erwähnte schon vorhin, dass die aus acuten Bronchial-
catarrhen entstandenen Pneumonien —■ der Kürze halber will
ich sie catarrhalische nennen ! ) — in mehrfacher Hinsicht be-
merkenswerthe Unterschiede von der croupösen Form erkennen
lassen. Zunächst traten sie, da die Fortpflanzung des entzünd¬
lichen Processes bis auf die Alveolen immerhin längere Zeit in
Anspruch nimmt, nie mit so stürmischen Anfangs-Erscheinungen
wie die croupösen Pneumonien auf, ferner fehlt bei ihnen der
Schüttelfrost entweder gänzlich, oder es kommt nur zu einem
leichten Frostanfalle, und schliesslich zeigen die Percussion und
Auscultation verschiedene, nicht unwesentliche Abweichungen.
Das initiale Knisterrasseln klingt nie so zähe und trocken,
wie bei der croupösen Pneumonie, sondern erinnert mehr an
das catarrhalische Rasseln, und weiterhin ist das Bronchial-
Athmen selten so exquisit laut und deutlich, wie bei der crou¬
pösen Form. Dem entsprechend erscheint auch der Percussions¬
schall nicht absolut leer, sondern behält, wie ich wenigstens
zu hören glaube, noch immer ein gewisses Timbre. Aus alle
dem geht hervor, dass die Hepatisation des Lungengewebes bei
der catarrhalischen Pneumonie keine so ausgedehnte, wie bei
der croupösen zu sein pflegt, und in der That gelang es mir
zuweilen, d. h. bei Individuen mit geringem Fettpolster und
schwach entwickelter Musculatur, einzelne intacte (lufthaltige)
Inseln zwischen den erkrankten Partien herauszupercutiren.*)
Was die Beschaffenheit der Sputa anbelangt, so fehlt diesen
einerseits die ausgesprochen klebrige Beschaffenheit, andererseits
die reichlichere Blutbeimischung, und pflegt die letztere überdies
verhältnissmässig früh wieder zu verschwinden.
Der Verlauf ist im grossen und ganzen ein entschieden
milderer, die Krankheit endet fast ausnahmslos per lysin, und
die Rückbildung der Infiltration geht entschieden rascher als
bei der croupösen Form vor sich.*) Trotz alledem beansprucht
die Reconvalescenz eine auffallend geraume Zeit, und vielfach
hinterbleibt ein chronischer Catarrh mit mehr oder minder deut¬
lich entwickeltem Emphysem, und eine ausgesprochene Neigung
zu Recidiven 4 ) oder chronischen, destruirenden Processen.
1) Ich beabsichtige damit keineswegs, die catarrhalische Pn. der Er¬
wachsenen als eine besondere Krankheitsform aufzustellen, sondern mache
nur auf einige Abweichungen in den klinischen Symptomen aufmerksam.
Da der Befund bei den Autopsien kein constanter ist, sondern die Re¬
siduen der croupösen Entzündung, der catarrhalischen Bronchiolitis, der
Peribronchitis und der Atelectase vielfach nebeneinander Vorkommen, so
kann von einer catarrhalischen Pneumonie in pathologisch-anatomischem
Sinne nicht die Rede sein.
2) Selbstverständlich nur bei kurzem, leichtem Anschläge, bei sog.
oberfläch 1 iche r Perc ussi on.
3) Auffallend erscheint die häufige Complication mit Pleuritis, welche
sich unter 12 Fällen 5 Mal notirt findet. Da die Entzündung den Bron-
Im Anschlüsse hieran möchte ich mir noch einige Bemer¬
kungen zur physicalischen Diagnostik bei Pleuritis erlauben.
Das Flüssigkeits-Plätschern (succussio Hippocratis) wurde
unter den 38 Fällen von Pleuritis 5 Mal gehört 1 2 ) und scheint
demnach doch nicht so sehr selten vorzukommen, als man im
allgemeinen annimmt. In Bezug auf seine Entstehung *) schliesse
ich mich der Gerhardt’schen Ansicht an, dass es nämlich auch
ohne gleichzeitige Anwesenheit von Luft im Pleuraraume zu
Stande kommen könne, wenigstens sprechen meine Beobachtungen
entschieden für diese Annahme. Das Geräusch wurde gehört,
je ein Mal am 2., 4. und 5. Krankheitstage, ein Mal im Anfänge
der 3. Woche und ein Mal im Verlaufe einer chronischen Pleuro-
Pneumonie. 3 ) Da bei einer mehrwöchentlichen Krankheitsdauer
eine Zersetzung des Exsudates immerhin denkbar ist, so will
ich von dem 4. Falle ganz absehen, muss aber für die anderen
eine derartige Möglichkeit entschieden in Abrede stellen. 4 )
Schliesslich möchte ich noch auf eine Erscheinung aufmerk¬
sam machen, nämlich auf das Auftreten des tympanitischen
Schalles bei Compression der Lunge durch Exsudate. Bei einiger
Aufmerksamkeit gelingt es zwar in den meisten Fällen, eine
schmale, tympanitisch klingende Zone über der oberen Grenze
eines Exsudates herauszupercutiren, am deutlichen tritt dies
jedoch an der vorderen Brustwand zu Tage bei Patienten, welche
andauernd die Rückenlage einuehmen, so dass in solchen Fällen
das Auftreten dieses exquisit tympanitischen Schalles mit Be¬
stimmtheit eine Zunahme des Exsudates anzeigt. 5 ) Selbstver¬
ständlich kann dieses Phänomen nicht zu Stande kommmen,
sobald die Lunge durch Adhäsionen an die hintere Thoraxwand
angeheftet ist.
4. Krisis und Lysis.
In 34 Fällen, wo sich Anfang und Ende der Pneumonie
auf Tag und Stunde feststellen liess 6 ), endeten:
9 Fälle
am
6.
Tage,
2 Fälle
am 2.
Tage,
« »
»
3.
»
2 ..
» 5.
»>
4 „
4.
1 Fall
» 9.
»
3 „
»
7.
1
,> io.
„
3 »
»
8.
»
1 ,,
» 11»
»
Ein Ueberwiegen der ungeraden Tage (15 :19), welche man
noch vor einiger Zeit als kritische zu bezeichnen pflegte, fand
demnach in unsern Fällen keineswegs statt. Der Ausgang in
1) Nur beim Anlegen des Ohres resp. beim Aufsetzen des Stethos-
cops auf die Thoraxwand.
2) Nach meinen Erfahrungen scheint dasselbe verhältnissmässig leicht
bei forcirten Athembewegungen zu Stande zu kommen.
3) Die Scction wies bei dem betreffenden (Plätke) keine Spur von
Luft in der Pleurahöhle nach. Letztere enthielt ca. 2 Tassenköpfe eines
klaren, leicht gelblich gefärbten und vollständig geruchlosen Serums.
Die Lunge war zu einer etwa 2faustgrossen, derb-schwieligen Masse zu¬
sammengeschrumpft, welche auf verschiedenen Durchschnitten keinerlei
Caveiaenbildung erkennen liess. Eine Communication zwischen Pleura¬
höhle und Bronchien war demnach auszuschliessen.
4) Der Musk. Buchtin bekam am 29. März 1874 Vormittags 10 Uhr
einen Schüttelfrost. Am Morgen des 31. II. U. II. handbreites pleuri-
tisches Exsudat. Bei tiefem Inspirium deutliches Flüssigkeits-Plätschern.
Temp. Morg. 38,0° C., Ab. 40,2°. In den Morgenstunden des 1. April
kritischer Schweiss und definitive Entfieberung. Morg. 37,4°, Ab. 37,5°.
Am 11. April wurde Patient als geheilt entlassen. Eine Zersetzung des
Exsudates dürfte doch hier mindestens unwahrscheinlich sein.
chialästen folgt, und die Bronchialarterien mehrfach Zweige zur Pleura
schicken, so dürfte die Fortpflanzung des entzündlichen Processes auf
diesem Wege erfolgen.
4) Ein Unteroffieier (Pabst) wurde von mir späterhin, d. h. nach
seiner Pensionirung, nicht weniger als 4 Mal an Recidiven behandelt.
5) Bei starker, die ganze Thoraxwand erschütternder Percussion ist
dieser Ton früher und deutlicher hörbar als bei schwachem Anschläge.
6) Der Anfang der Pneumonie wurde» vom Eintritt des Schüttel¬
frostes, die Lysis resp. Krisis vom Beginne des Schweissstadimns und
der definitiven Entfieberung gerechnet.
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2 *
Original from
UNIVERSITY OF MICHIGAN
104
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 8
Krisis war häufiger als in Lysis (20:14), eine Pseudo-Krisis
wurde nur 2mal beobachtet.
5. Behandlungstage und Ausgänge.
Die Anzahl der Behandlungstage bezifferte sich:
1. für 38 Pleuritiden auf. 1035 Tage,
2. für 48 Pneumonien auf .... 1430 „
3. für 39 Pleuro-Pneumonien auf 1857 „
In Summa: 4322 Tage.
Mithin beträgt die durchschnittliche Behandlungsdauer für
Pleuritis 27,2, für Pneumonie 29,7, für Pleuro-Pneumonie 47,6
resp. __ nach Abzug von 445 Behandlungstagen für 4 Verstor¬
bene — 40,3 Tage l 2 * ). Diese Zahlen mögen gegenüber der Durch¬
schnitts-Dauer in der klinischen und Privat-Praxis unverhält-
nissmässig gross erscheinen, finden jedoch darin ihre Erklärung,
dass kein Patient eher entlassen wurde, bevor er nicht allen An¬
strengungen des militairischeu Dienstes gewachsen erschien.
Von den 38 Pleuritiden endete kein einziger Fall letal,
dagegen starben von den 87 Pneumonien resp. Pleuro-Pneu¬
monien 4 Mann = 4,5% und zwar je 1 Mann an Pyo-Pneu-
mothorax (270. Tag), an Cirrhosis pulmonum (151. Tag), an
Pericarditis exs. (8. Tag) und an Pleuro-Pneumonia duplex
(6. Tag).
Diese Mortalitäts-Ziffer erscheint, obgleich solche kleinen
Zahlen nur einen beschränkten Werth haben können, auffallend
niedrig 5 ). Der Grund dürfte darin liegen, dass in unsern Fällen
fast ausnahmslos kräftige und junge, mithin relativ widerstands¬
fähige Leute zur Aufnahme gelangten. Diese günstigen Erfolge
werden jedoch insofern nicht unwesentlich modificirt, als in
weiteren 15 Fällen nur eine unvollständige Heilung erzielt
wurde. Es mussten nämlich als „dienstuntauglich,, entlassen
werden: je 1 Mann wegen Phthisis pulrn. inc. und Nephritis
interstitialis chron. und 2 Leute wegen Lungen-Emphysems.
Ausserdem hinterblieb in einem Falle eine erhebliche Verdickung
der Pleura (sog. Schwartenbildung), in 3 andern Lungen-Em-
pliysem mässigern Grades, in 5 Fällen chronische Brouchial-
catarrhe und 2 mal ausgesprochene Neigung zu Recidiven, so-
dass also streng genommen nur in 68 Fällen = 78,1® 0 eine
vollständige restitutio ad integrum zu Stande kam.
Von den 38 Pleuritiden wurden 4 Mann wegen beginnender
Lungenschwindsucht entlassen, und als unvollständig genesen
siud zu betrachten: je ein Fall von Schwartenbildung und Ver¬
wachsung des Pericardiums mit der Pleura costalis.
6. Therapie.
Dieselbe war im allgemeinen eine exspectative bez. eine
rein symptomatische. Von Wärme-Entziehungen wurde ein
ziemlich ausgedehnter Gebrauch gemacht, und der Erfolg war
in den meisten Fällen ein zufriedenstellender: die Temperatur
sank, der Puls wurde kräftiger, die Athemzüge langsamer und
ausgiebiger, die Cyanose geringer, das Sensorium freier, und
meist stellte sich eine mehrstündige Euphorie ein. In vielen
Fällen, wo es sich weniger um Herabsetzung der Temperatur
als um Hebung der Athmungs- und Herzthätigkeit handelte,
wurden die kalten Vollbäder durch Einwicklungen ersetzt. Die
Procedur des mehrmaligen Tücherwechsels war den Patienten
zwar unangenehmer, erwies sich jedoch für die angeführten
Zwecke als vollständig ausreichend.
Eine besondere Aufmerksamkeit wurde selbstverständlich
1) Waters (the british med. journ. 1873, june) giebt 11,2, Her¬
mann (Allg. med. Zeitschr. 1873, No. 46) IS,3 Tage als durchschnitt¬
liche Behänd lungsdauer an.
2) Als niedrigste Mortalitäts-Ziffern fand ich bei Jurasz (1. c.)
11,5° o, bei Jürgensen (VoIkmann’sche Vortr. No. 45; und Mosler
(Virchow’s Jahres-Ber. 1872. II 127) 12° 0 .
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dem Verhalten des Pulses geschenkt, da gerade in der drohen¬
den Herzparalyse, wie dies Jürgensen zuerst präcise ausge¬
drückt hat, die hauptsächlichsten Gefahren der Pneumonie liegen.
III. Beiträge zur Tracheotomie.
Von
Dr. Josef Pauly in Posen.
| Inhalationen durch die Canüle nach Tracheotomie
j bei Croup und Diphtheritis.
j Die hohe Mortalitätsziffer der Tracheotomie bei Diphtheritis,
welche selbst in Meisterhand nicht unter 33% herunterging, die
Unberechenbarkeit ihres Erfolges, die selbst Billroth 1 ) und
Volkmann*) dieser rettendsten aller Operationen entfremdete,
hängt vornehmlich ab von der pathologischen Beschaffenheit
der Organe jenseits der Wunde. Schon Max Müller*) be¬
stimmt die Prognose der Operation, je nachdem man bei der
Eröffnung der Trachea nur zähen Schleim oder Membranfetzen
vorfindet. Ist aber die ganze Trachea weiss austapezirt von
noch festhaftender Haut oder von freier und namentlich sehr
dicker Röhrencrouphaut ganz ausgefüllt, so endet der Verlauf
etc. fast stets tödtlich. Max Müller war es auch, der die In¬
halationen durch die Canüle (Zerstäubuung von erwärmter Aq.
Calcis vermittelst eines Gummiballons) empfahl,‘ allerdings
mehr um die Krustenbildung in der Röhre zu verhindern, als
den Bronchialcroup zu behandeln, und glaubt er durch 4ie expecto-
rirende Wirkung der Dämpfe einige Operirte gerettet zu haben.
1869 empfahl Adolf Weber 4 ) (Darmstadt) Milchsäure-Inhala-
* tionen gegen Croup, die er anfangs nach der Tracheotomie an-
j wandte, theils um aut die bis in die Bronchien reichenden
I Membranen zu wirken, theils um das Reinigen der Canüle zu
| umgehen; später behandelte er ihm zur Operation zugeschickte
I Fälle nur mit obigen Inhalationen auf die Gefahr einer Ver-
| zÖgerung — und heilte alle. Leider blieben diese Beobachtungen
j vereinzelt und deuten eben auf eine aparte Epidemie.
Das klassische W r erk Hüter’s 5 ) hat in der Nachbehandlung
! besonders die Operation durch den elastischen Catheter in den
I Vordergrund gestellt. „Erst das Herabsteigen (pag. 64) des
diphtheritischen Processes in die feinsten Bronchien setzt den
Wirkungen der Aspiration eine Schranke. Aber keineswegs in
allen Fällen. Zuweilen gelingt es, die membranösen Abgüsse
der Bronchien einer ganzen Lunge mit den feinsten und zier¬
lichsten Verzweigungen mittels der Aspiration herauszufördern
und so die freie Respiration wieder herzustellen. Oft muss das
Verfahren alle 2 Stunden oder doch mehrmals täglich wieder¬
holt werden, nicht etwa weil die Membranen an derselben Stelle
sich so schnell reproduciren könnten, sondern um andere Ab¬
theilungen, welchen unter diesen der Zutritt der Luft durch
das Anwachsen der Membranen abgesperrt wurde, von den¬
selben zu befreien und der Respiration wiederzugeben“.
Die Aspiration ist kein ungefährliches Verfahren für den,
der sie ausübt, und erst neulich sollen zwei Pariser Aerzte
dadurch inficirt und gestorben sein (Dr. Cintrat und Dr.
Carriere. Allg. Wien. med. Zeit. 1877. 30). Ich übe sie
nun auf Hüter’s treffenden Vergleich des Chirurgen mit dem
Soldaten auf dem Schlachtfelde sofort nach der Incision der
Trachea immer aus, weil sie mir in der That in diesem Moment
als die wirksamste Methode zur Entfernung der Membranen, der
1) Chir. Klinik. Zürich 1860—1867. p. 201.
2) Beiträge zur Chirurgie, p. 303.
3) Langenbeck’s Archiv, Bd. VI, p. 432.
4) Centralblatt, 1869, No. 22.
5) Pitha-Billroth: Tracheotomie und Laryngotomie.
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
25. Februar 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
105
vor der Kehlkopfstenose aufgestauten Secrete und des etwa
eingedrungenen Blutes erscheint. Aber der Umgebung, dem
Pflegepersonal dieselbe während der Nachbehandlung zuzu-
muthen, dafür kann man wohl schwerlich die Verantwortung
übernehmen. So oftmalige persönliche Besuche andererseits
sind dem practischen Arzte wirklich unmöglich; ausserdem kann
gerade der Moment die Aspiration erfordern. Ich musste des¬
halb immer zur Ausfederung zurückgreifen. Auch möchte ich,
zumal für dte Privatpraxis, das Verfahren nicht als empfehlens-
werth bezeichnen. Kinder unter 3 Jahren sind nach der Ope¬
ration keineswegs so beruhigt und fügsam wie ältere, der Ver¬
lust der Sprache scheint ihnen besonders unerträglich; sie sind,
selbst wenn sie objectiv die Symptome der Genesung bieten,
ungeduldig und schlagen nach dem Arzte. Fügt man nun zu
den Schrecken eines Suffocations-Anfalles die Aspiration *) hin¬
zu, so trägt man wahrhaftig nicht zur Popularisirung der Tracheo¬
tomie bei, die ja wohl immer, selbst wenn ihre Resultate sich
bessern werden, matribus abominata sein wird.
So war ich mir sofort des grossen Fortschrittes bewusst,
der in der Einführung der consequenten Inhalationen
durch die Canüle liegt, als ich die überzeugenden Mitthei¬
lungen des Laryngologen Boecker 4 ) las, der übrigens anführt,
dass bereits Burow jun. die segensreiche Wirksamkeit dieser
Inhalationen betont hat. Warum wir früher nicht den Muth
hatten, durch die Canüle inhaliren zu lassen, ist merkwürdig;
vereinzelt, auch behufs experimenteller Prüfung der Resorption
von Medicamenten durch die Bronchialschleimhaut geschah es
ja. Aber selbst Hüter (p. 62) hat nur durch eine feine Glas¬
röhre Wasserdämpfe direct gegen die äussere Canüle geleitet.
Ohne Zweifel fürchteten wir eine Inundation der Trachea und
man muss ja auch Pausen machen und den Dampfkegel immer
wieder wegziehn, wenn die Expectoration beginnt.
Jetzt nun sind nach den Mittheilungen E. Küster’s in dem
schönen Werke: Fünf Jahre im Augustahospital (1877) die
Inhalationen wohl zweiffellos der Nachbehandlung der Tracheo¬
tomie für immer gewonnen. Was Küster in seiner anregenden
Studie (p. 88) aus dem enormen Materiale Berlins folgert, er¬
klärt so manchen Widerspruch der Resultate der Operation in
verschiedenen Epidemien.
„Die häufigste Complication ist der Bronchialcroup, erkenn¬
bar an der Entleerung dichotomischer Membranen, Doch zeigen
verschiedene Endemien hierin grosse Verschiedenheiten. In der
einen bleibt der Process im wesentlichen auf den Rachen be¬
schränkt und führt höchstens durch Erzeugung von Oedema
glottidis zur Dyspnoe; in der anderen greift der Process auf
den Kehlkopf, vielleicht auf den oberen Theil der Trachea über,
aber zeigt keine Neigung noch weiter hinabzusteigen. In einer
dritten bedeckt sich in kürzester Zeit die ganze Schleimhaut
des Bronchialbaums mit leicht lösbaren Croupmembranen,
1) Alle Ersatzverfahren (Stromeyer’s zusammengepresster Gummi-
ballon etc.) sind obsolet.
2) Berl. klin. Wochenschr. 1876, No. 23 und Deutsche medic.
Wochenschr. 1876, No. 27. Vortrag in der Hufeland’schen Gesellschaft.
Bei der Discussion will Herr Dr. Schlesinger die Resultate der Tracheo¬
tomie hei Croup und Diphtheritis streng scheiden. Die Pharynxdiphth.
gebe gute Prognose; die Larynxdiphtherie nicht. — Das entspricht gar
nicht der gewöhnlichen Beobachtung, wo man Beläge in den Fauces
und croupöse Entzündungen des Larynx findet. Die Larynxdiphtherie
ist selten. Die Tracheotomie hat zunächst mit dem pathologischen Pro¬
cess nichts zu thun, sie ist gegen die Laryngostenose gerichtet und
zwar gegen jede. Uebrigens wie soll man denn vor der Tracheotomie
Larynxdiphtherie diagnosticiren und sich dadurch von der Tracheotomie
abhalten lassen? Cfr. unten Küster’s Darstellung und Virchow:
■Charitö-Annalen, neue Folge I.
welche auch nach der Ausstossung grosse Neigung zum Wieder¬
ersatz zeigen und schnell lobuläre Pneumonien zu Wege bringen.
In einer vierten endlich treten an Stelle der Croupmembranen
auch in den Bronchien festhaftende diphtheritische Schorfe“.
Diese klare Darstellung giebt die prognostische Handhabe
für die tracheotomischen Erfolge; leider sind wir vor der Ope¬
ration kaum im Stande, mehr als Vermuthungen über diese
vier Complicationen zu haben. Aber so erklären sich gewiss
die so betrübenden Erfahrungen einzelner Epidemien, in denen
alle oder fast alle operirten gestorben sein mögen. Man muss
wirklich erst ein paar Dutzend Tracheotomien gemacht haben,
d. h. eben mehrere Epidemien durchkämpfen, ehe man sich
ein Urtheil darüber bilden darf. Enthalten verdienstvolle und
weit verbreitete Lehrbücher solche wenig ermunternde Auf¬
fassungen über die Operation, so ist der Schaden unberechen¬
bar. Denn bei der grossen Verbreitung der Diphtheritis können
die Kliniken nicht mehr das tracheotomische Bedürfniss decken,
und jeder moderne Practiker muss die Operation in seinem
Heilarsenale praesto haben. Ein solch schiefes Urtheil fällt
Oertel in seiner Therapie (Ziemssen’s Lehrbuch, 1874 *),
p. 658) aus 12 Tracheotomien von v. Nussbaum und betont be-
besonders die ausserordentliche Gefahr der secundären Wund-
infection, die gerade bei Tracheotomien erfahrungsgemäss ge¬
ring ist; denn daran sterben fast nie die operirten; die Wunde
heilt sogar meist von selbst. — Das moderne Lehrbuch darf
nicht entmuthigen, sondern muss lehren:
Jede progrediente Larynxstenose, gleichviel wodurch be¬
dingt, indicirt die Tracheotomie; denn nur so kann der sichere
Tod vermieden werden.
Was nun die Wirksamkeit der Inhalationen anbetrifft, so
sind es unter obigen vier Categorien besonders die dritte, bei
der, wie Küster sagt, die Inhalationstherapie von ausserordent¬
licher Wirksamkeit ist. „Zwei Voraussetzungen sind dafür
nothwendig; 1) möglichst frühe Operation, damit man den
Atelectasen und Catarrhalpneumonien zuvorkommt (obgleich
auch ein solcher Fall durchkam), 2) Anpassung der Inhala¬
tionen an den einzelnen Fall, für gewöhnlich 2stündl., in einzelnen
Fällen unaufhörlich“. „Der Apparat wurde dann so aufgestellt,
dass der Dampfkegel den entblössten Hals des ruhig in seinem
Bett liegenden Kindes traf, und habe ich von dieser energischen
Anwendung der feuchten Wärme selbst in verzweifelten Fällen
auffallende Wirkungen gesehen“. Solche Fälle, wo am 2.—4.
Tage Häute von der Grösse heraus befördert wurden, dass
dieselben kaum durch die Canüle gepresst werden konnten,
beschreibt auch Boecker: 2 Nächte hintereinander musste un¬
ausgesetzt inhalirt werden; starke Wunddiphtheritis, Lähmung
des Gaumens und der Kehlkopfschlussmuskeln; Canülenentfernung
nach 9 Wochen.
Wenn die nachfolgenden 4 Fälle — die letzten in meiner
Praxis — welche alle bei dem Gebrauche der Inhalationen
erhalten, auch nicht so schwere, wie der eben erwähnte sind, so
erlaube ich mir doch, sie genauer einzutheilen, weil sie die so
gewonnene Erleichterung wirksamer Nachbehandlung in der
Privatpraxis illustriren, und solche Erfahrungen vielleicht
manchen zögernden Collegen anregen werden, die Operation
um jeden Preis in seinem Kreise zu erzwingen.
Die Tecknik der Inhalationen ist selbstverständlich; kleine
portative Apparate mit feststehenden Glasröhren, mit Ventil
und Handhabe sind wünschenswerth. Als bestes Mittel möchte
j ich das Kalkwasser empfehlen, das, wie man sich an Mem¬
branen überzeugen kann, die grösste Lösungskraft hat.
Wanda Schulz, l 1 2 /, Jahr alt, Eisenbahnarbeiterkind aus
1) Früher schon Vogel: Lehrbuch der Kinderkrankheiten.
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. ft
Oberwilda, wird am 18. März v. J. früh mit weithin hörbarem
croupösen Athmen in meine Sprechstunde gebracht; zu dem
seit 10 Tagen bestehenden Catarrh soll sich seit gestern
Athemnoth und Bellhusten gesellt haben. Das schwächliche
Kind zeigt hochgradige laryngostenotische Dyspnoe, sehr tiefe
Einziehung des Epigastrii, deutliche erbsengrosse, weisshäutige
Beläge der Fauces, und erscheint beim tiefen Herunterdrücken
der Zungenwurzel mit dem FränkeTsehen Wundspatel die
Epiglottis nicht weiss belegt, sondern stark geröthet. Die sofort
unter meiner Leitung unternommenen 2®/ 0 Milchsäure-Inhalationen
sind ohne jeden Erfolg, keine Expectoration, keine Lockerung
von Membranen. Es wird daher die Tracheotomie, der mit
Rücksicht auf obigen Befund keine ungünstige Prognose gestellt
wird, unter Assistenz meines Vaters und Bruders gemacht.
Die aufgehobene Hautfalte wird in Narcose nach Markirung
der Schnittlinie mit einem Dintenstrich vom unteren Schild¬
knorpelrande bis zur Fascia sterni auf einmal durchschnitten,
ein stark blutender Randtheil mit der Spencer-Wells’schen
Klemme gefasst, die Fascie gespalten und sofort der weisse
Streif zwischen den Sternothyreoid. durchschnitten; dann ein
federnder Wundhaken eingelegt, die Fascia media gespalten,
ein paar Längsvenen doppelt unterbunden und dann nach er¬
neuter Narcose nach Zerreissung des Gewebes mit einem Ohr¬
löffel der Ringknorpel freigelegt; derselbe wird am oberen
Rande mit einem scharfen Häkchen gefasst und nun durch¬
schnitten. Apnoe wie immer. Trachea anscheinend frei. Geringe
Nachblutung am unteren Ringknorpelrande, die durch Einführen
der Canüle und einen darunter geschobenen Wattetampon ge¬
stillt wird Keine Naht. Das Kind mit vollkommen freier
Respiration ist sehr unwillig, trinkt etwas Milch und schläft, in
seinen Wagen gelegt, bald ein. Mein Bruder begleitet den
kleinen Pat. aufs Dorf; ihm verdanke ich die nachfolgenden
Notizen.
Puls vor der Operation schwankt zwischen 96 und 120.
Respiration vorher 40, zwischen 28 und 40, T. früh 37,7, A.
38,9 in ano. Die niedrigen Zahlen sind wohl im Schlafe be¬
obachtet, was für kranke Kinder sehr empfehlenswerth ist.
Inhalationen von Aqua Calcis durch die Canüle.
19. März früh 9 Uhr: P. 84, R. 24, T. 37,8. Nachts gut
geschlafen. * Oeftere Aspiration von Croupmembranen. In der
Trachea mässiges Rasseln hörbar. Canülenwechsel, der wohl
hätte unterbleiben können, am Nachmittag. A. 6 Uhr: R. 36,
T. 39.
20. März M. 12 Uhr: P. 96, R. 32. T. 39,0. Die Inhala¬
tionen Tags 3stündlich, Nachts 3 mal vom Vater des Kindes
besorgt, dem die jedesmalige Erleichterung imponirt. — Zunge
sehr belegt, Nachts 5 Stühle. In den Fauces noch spärlicher
Belag. Die Wunde reinigt sich. Eine Ligatur liegt vor. Ord.
Haferschleim mit Rothwein. A. 6 Uhr: P. 96, R. 32, T. 38,8.
Trachealschleimhaut etwas röthlich. Cont. Inhalationen.
21. März M. 6 Uhr: P. 96, R. 30, T. 38,2. A. T. 38,5.
Nachts guter Schlaf; noch viel tracheale, auch etwas sanguino¬
lente Secretion. Ist noch sehr unwillig, schlägt um sich. Keine
Verkrustung der Secrete. Verschluckt sich. Bei der Beobach¬
tung mit dem Reflexspiegel nach herausgenommener (2. Mal)
Canüle sieht man beim Trinken von Milch auf der hinteren
Wand der Trachea langsam einen Milchstreifen herunterfliessen,
der erst in gewisser Tiefe Husten auslöst. Ord. festweiche
Nahrung.
22. März. Mittags 37,8. Sehr unwillig, hustet dann lange
hintereinander. Albuminurie (V« des Reagensglases). Respira¬
tion wegen Aufregung nicht verlässlich zu zählen (36?). Ab
und zu langer anfallsweiser Husten (Herabfliessen von Speichel
in die Trachea?). Wunde und Trachealschleimhaut roth; ver¬
schluckt sich. Es wird eine Tampon-Canäle improvisirt, indem
ein Tampon über die gewöhnliche Canüle gestreift wird. Als
dann geht das Schlucken sehr gut von Statten.
22. März. Abends 38,8. Verschluckt sich weniger. Die
Tampon-Canüle wird 2 Mal täglich eingeführt.
23. März. Mittags 96. 38.
25. März. Nachmittags 39,1. 24. Spät Abends 38,7. Kind
sehr erregt. Sputum etwas blutgestreift. Wir entschliessen
uns, die Doppel-Canule, da die Wunde ganz rein ist, zu ent¬
fernen, und legen eine Lissard’sche Nachbehandlungs-Canüle
ein, deren dorsaler Spalt weit herauf geht; dieselbe wird nach
einer Weile mit einem Korken zugestopft; deutliche Exspiration
durch den Mund ist zu constatiren. Husten fängt an etwas zu
tönen.
26. März. Mittags 1 Uhr Temp. 38,9, Abends 30 Resp.
Temp. 39. Definitive Entfernung der Nachbehandlungs-Canüle;
trockener Watteverband; Pat. ist noch heisser und athmet tö¬
nend. Noch Stat. gastr. R. hinten unten bis zur Lin. ax. Schall
gedämpfter, als links, Athmen abgeschwächt.
27. März. Früh 8 Uhr Temp. 38,7, Mittags 12 Uhr Temp.
38,2 Starker Schweiss im Schlaf; trinkt viel. Auf Tonsillen
noch punktförmige weisse Beläge.
28. März. Früh Temp. 38,2, Abends Temp. 38,8. Wunde
noch offen. Hustet noch viel. Urin frei von Albumen.
Von dem weiteren Verlauf ist nichts zu berichten. Wunde
schloss sich in ein paar Tagen, und das Kind erholte sich in
den nächsten zwei Wochen vollständig.
Ich habe mir erlaubt, diesen Fall ausführlicher mitzutheilen,
weil noch immer durch die Literatur die Meinung geht, dass
tracheotomirte Kinder unter zwei Jahren gewöhnlich nicht durch¬
kommen, und in der Privatpraxis jeder auch nur von fern be¬
rechtigte Gegengrund gegen eine Operation nur zu begierig auf¬
gegriffen wird. Ich habe bei meinen 24 Tracheotomien, die
alle privatim fast immer unter den ungünstigsten Umständen ge¬
macht wurden, viele Irrthümer und viel Unglück erlebt; jedoch
von 3 Kindern unter 2 Jahren 2 geheilt; das eine allerdings,
15 Monat alt bei der Operation, mussse wegen Granulations¬
stenose 1 ) 2 Jahre lang die Canüle tragen. ’
Es ist ja auch klar, dass gerade, je kleiner der Kehlkopf
ist, schon geringere pathologische Veränderungen den Grad der
Laryngostenose erzeugen werden, der progredient wird, dass
also gerade da die Tracheotomie absolut indicirt ist, je früher,
desto besser. Ich habe erst dieser Tage einen solchen Fall
erlebt, der da zeigt, wie foudroyant solche Fälle im zarten
ersten Kindesalter verlaufen.
Ein 6 monatlicher Säugling (Martha Grusciewicz; Keller¬
wohnung) zeigt am Abend des 25. October Schnupfen, Heiser¬
keit, keine Spur Dyspnoe, 38,5 in ano. Ord.: Nasenausspritzun¬
gen mit lauem Salzwasser, Emeticum. Den nächsten Morgen
Dyspnoe; mein Vater constatirt epigastrische Einziehung. Man¬
deln vollkommen frei. Um mich vor einem Bravourstück zu
hüten, bitte ich 2 Collegen zur Consultation, 80 Resp., 180 P.,
39 Temp. in ano. Die Dyspnoe ist wohl laryngeal tönend, aber
doch nicht so, wie beim Croup; kein Bellhusten; keine lange
giemende Inspiration; die epigastrische Einziehung massig. Die
bekanntlich schwierige Differentialdiagnose zwischen Catarrhal-
pneumonie mit Larynxcatarrh 2 ), wo die Tracheotomie kaum
indicirt ist, und Croup schwebt uns vor. Ord.: warmes Bad,
graue Salbe. Die Operation wird für Mittag in Aussicht ge¬
nommen. Das war um 11 Uhr. Um 2 Uhr fand ich 42,5 in
ano und stand ab von der Operation; um 5 Uhr Tod. Section
1) Cfr. Centralblatt für Chirurgie, 1877, No. 45.
2) Jürgensen (Ziemss. Lehrbuch), Bd. V. 1. pag. 232.
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25. Februar 1S78.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
107
den nächsten Morgen ergab Fauces frei; Nasenmuscheln einfach
entzündlich geschwollen (der harte Gaumen wurde herausge-
meisselt); deutlich zusammenhängende Membranen von der hin¬
teren Epiglottisfläche beginnend bis zur Mitte der Trachea; Em¬
physem der oberen (resp. mittleren) Lappen; untere Lappen im
Engounement.
Entschieden war die Operation hier am Morgen indicirt.
Es existiren übrigens in der französischen Literatur schon meh¬
rere glückliche Fälle bei Kindern unter einem Jahr; Winiwar-
t er l ) beschrieb neulich einen solchen bei einem lOmonatlichen
Kinde.
Um auf meinen ersten Fall zurückzukommen, so characte-
risirt ihn die niedrige Temperatur und, wie sich herausstellte,
das Freisein der Bronchien als einen besonders zur Operation
geeigneten. Ob die Inhalationen auch in solchen Fällen un¬
umgänglich sind, könnte man bezweifeln; jedenfalls wurden sie
gut ertragen, 1 bindern die bekannte Verkrustung der Secrete
und haben einen Vortheil, den ich damals noch nicht kannte;
sie reduciren oder ersparen den Canülen-Wechsel, der bekannt¬
lich in den ersten Tagen sehr peinlich ist.
Einen zweiten Punkt möchte ich kurz berühren, nämlich das
Verschlucken des Kindes, welches ja oft nach Diphtheritis mit
und ohne Tracheotomie eintritt. Max Müller übrigens (Langen-
beck’s Arch. 1873, 3. Heft S. 549) beobachtet es auch nach einer
prophylactischen Tracheotomie behufs Herausnahme eines Ober¬
kiefers, eine schwer deutbare Beobachtung; der Kranke bekam
eine Schluckpneumonie, der er erlag. Das Symptom hat eine
doppelte Begründung: nicht blos die Muse, thyreoaryepiglottici,
weiche den obersten Sphincter des Larynx darstellen, sind
gelähmt, sondern die Schleimhaut ist bis zur Trachea anästhe¬
tisch ; daher man die Milch bis tief in die Luftröhre hinabfliessen
sah, ehe Hustenstösse ausgelöst wurden. Die Sensibilitäts-Prü¬
fungen mit der Kehlkopfssonde durch Leube 2 3 ) und Acker*)
haben das ja auch längst ergeben, und der anatomische Schluss
auf den Nervus laryngeus superior, der eben jene Muskeln und
die Schleimhaut des Larynx versorgt, während der Recurrens
die Trachealschleimhaut mit sensiblen Fasern innervirt, ist wohl
berechtigt, und damit der Hypothese von Weber, dass die
diphtheritischen Lähmungen durch örtliche Läsionen der periph.
Nervenäste bedingt sind, eine neue Stütze verliehen.
Ob das Verschlucken häufig Schluckpneumonien zur Folge
bat, darüber finden sich keine Angaben in der Literatur. Mir
schien immerhin das Symptom berücksichtigenswerth, wenn es
irgendwie beträchtlicher war, und da die Ernährung mit der
Schlundsonde bei Kindern sehr leicht Erbrechen erregt, ernäh¬
rende Lavements auch kaum tolerirt werden, improvisirte ich
auf obige Weise eine Tampon-Canule, die ich 2 Mal täglich ein¬
führte, wobei das Kind reichlich trank; in der Zwischenzeit
wurde nur fastweiche Nahrung verabreicht Da die Parese meist
erst nach ein paar Tagen eintritt, in welcher die Wunde bereits
zu einem Canal formirt ist, hat die Einführung eines Tampons
über die Canule keine Schwierigkeit; allerdings würde es sich
empfehlen, die Form^für Kinder zu wählen, die Beschorner 4 )
zur Thyreotomie eines kleinen Kindes angab. üebrigens werden
Schluckpneumonien selten angeführt; E. Küster erwähnt einen
Fall, der übrigens heilte; Hüter betont ihre Möglichkeit, aber
auch die Schwierigkeit der künstlichen Ernährung bei Kindern.
1) Jahrb. f. Kinderheilkunde 1876,
2) Deutsches Archiv VI, Neuropath. Mittheilungen aus der Erlanger
Klinik, 266.
3) Deutsch. Arch. XIII, 416, Lähmung u. Diphtherie.
4) Klinische Zeitschrift für Chirurgie, II. 4 u. 5.
Somit dürfte der Vorschlag einer Kinder-Tampon-Canüle als
Fütterungs-Canüle immerhin gelegentlich zu verwerthen sein.
Die drei anderen glücklichen Fälle von Tracheotomie sind
für die Wirksamkeit der Inhalationen beweisender: Emilie Sonn¬
tag, 2Vi, Jahr alt, wird mir den 26. August v. J. mit Diph¬
theritis Faucium vorgestellt, und zeigt am 29. August früh stridu-
löse Athmung. Milchsäure-Inhalationen. Um 2 1 /, Uhr Nach¬
mittags Tracheotomie in meinem Sprechzimmer mit Herrn Collegen
Fink aus Moschin. Langer, vorher beze ; chneter Schnitt; nach
Trennung des weissen Muskelstreifens erweist sich der Ring¬
knorpel von der Schilddrüse bedeckt; daher wird die inferior
gemacht, die sehr leicht gelingt, denn ich hatte nur nöthig mit
dem Ohrlöffel das Zellgewebe zu zerreissen, und die Trachea
lag glänzend weiss vor uns. Membranen flogen bei der Eröffnung
heraus. Inhalationen von Milchsäure durch die Canüle 2stünd¬
lich zuerst, dann von Kalkwasser. Dieselben enthoben mich
aufrichtig gesagt, trotzdem wie aus der Temperaturtabelle her¬
vorgeht, der Fall kein so leichter war, der Nachbehandlung,
die ich, eben Reconvalescent vom Flecktyphus, auf ein paar
Besuche beschränkte. Die Temperatur, zwischen 38 und 39,5
schwankend stieg am 1. September auf 40 (Pneumon. lobi. sin,
inf.), betrug noch am 6 Abend 40;2, und war am 10. September
zum 1. Mal normal; daher Canülen-Entfernung. Gegen das auch
hier vorhandene Verschlucken wurde breiige Nahrung mit Er¬
folg gereicht und das Trinken tagelang untersagt.
Ich möchte epicritisch mir nur noch eine Bemerkung er¬
lauben: entschieden hat als typische Operationsmethode beson¬
ders seit Hüter und Bose 1 ) die Tr. superior den Sieg davon
getragen; aber es ist, wie ich mich wiederholt überzeugt habe,
ein Irrthum, alle möglichen Schwierigkeiten der Tr. inferior zu
imputiren. In Wirklichkeit macht sie sich leichter; in Bethanien,
wo wohl über 1000 Fälle operirt sein mögen, scheint sie die
typische Methode gewesen zu sein, und dass sie die Trachea
freier legt, als die Cricotracheotomie, ist wohl kein Zweifel.
Ob die Cricotomie den Vorwurf Küster’s verdient, häufiger
Granulationsstenose zu erzeugen, werden weitere Publicationen
ergeben.
Der 3. Fall, der die Wirksamkeit der Inhalationen durch
die Canüle beweist, betrifft das 3jährige Kind unseres hiesigen
Collegen Friedländer, das sonst kräftig am 19. September
v. J. an Tonsillardiphtherie erkrankt, Tags darauf ohne Wissen
des Vaters aufstand und am 21. früh stridulöse Athmung an¬
haltend zeigte, die sich des Abends zu solcher Höhe steigerte,
dass wir auf Wunsch des Vaters Abends 9 Uhr unter der Assi¬
stenz des Herrn Stabsarztes Samt er zur Cricotomie schritten;
nach Durchschneidung des Ringknorpels wollte ich, während die
seitlichen Wundhaken gehalten wurden, ohne dass in den un¬
teren Wundwinkel ein Lidhalter gelegt war, durch den ersten
Trachealring erweitern und erhielt eine ziemlich starke Blutung
aus dem oberen Schilddrüsenrande; daher rasche Canülen-Ein-
führung, Aspiration, Wattetampon unter die Canüle. Eine Stunde
später 160 P., 39,5 T., 48 R. Der Fall wird prognostisch als
mittelschwer bezeichnet; er machte auf uns alle, besonders aber
auf den das Kind unausgesetzt beobachtenden Vater den Eindruck,
als ob er ohne Inhalationen durch die Canüle nicht durchge¬
kommen wäre. Dieselben wurden mindestens 2stündlich, auch
des Nachts mit stets gleich wohlthätigem Erfolge gemacht. Das
zähe Secret, welches häufige Erstickungsanfälle erzeugte, ver
flüssigte sich bei jeder Inhalation; es entstand grossblasiges
Rasseln laut hörbar, und das Kind exspectorirte reichlich, ein
Mal sogar eine dichotomische feste Membran, die ja ein Beweis
des Bronchialcroups ist. Die Trachea erwies sich austapezirt
1) Lange nbcck’s Archiv XIV.
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 8
von fester, dicker, weisser Membran. Die Temperatur, welche
zwischen 38,8 früh und 39,8 Abends schwankte, betrug erst am
28. früh 37,5, Abends 38. Ganz entbehrlich war der Canülen-
Wechsel in den ersten 5 Tagen nicht; derselbe wurde zwei Mai
vorgenommen. Die Wunde diphtheritisch, die collaterale Röthe
reicht bis zur Mitte des Brustbeins. Die blutige Tinction des
Auswurfs veranlasste uns, eine Doppel-Caniile anzuwenden, deren
innere Canüle korbförmig, wie die Lissard-Roser’sche gestal¬
tet ist, um kein Decubitalgeschwür zu erzeugen, und drängte
zur definitiven Canülen-Entfernung am 12. Tage. Allerdings
verzögerte sich der Wundschluss noch 5 Tage. Die Larynx-
Schlussparese blieb auch hier nicht aus, wurde indess durch
penible Vermeidung jedes Getränkes paralysirt. Ein starker
Bronchocatarrh mit febrilen Steigerungen bestand noch bis zur
Mitte October. Dann hatten wir die Freude, das Kind ganz
genesen zu sehen.
Nach Abfassung dieser Zeilen tracheotomirte ich unter güti¬
ger Assistenz der Collegen Friedländer und Knypinski die
4*/Jährige Tochter des Pastors in Pudewitz Ruth Boettcher,
die am 10. November v. J. Mittags deutliche Croupsymptome
gezeigt hatte. College K. verordnete Emeticum, dann Calomel.
Am Abend fanden wir 39,5 T. 56 R.; Fauces frei, keine Drüsen¬
schwellungen. Ord.: Inhal, von Aq. Calcis mit Natr. caust.
solut. Montag 12. November früh 6 Uhr wurde die Tracheot.
inferior ausgeführt; doch zeigte sich schon damals hinten links
unten deutliche Dämpfung, daher die Respirationsfrequenz auch
weiterhin stets zwischen 36 und 40 schwankte. Das zarte, ge¬
weckte. zu Epistaxis sehr geneigte Kind athmete mit wahrem
Behagen und sichtlicher Erleichterung durch die Canüle 2 stünd¬
lich ein, Dank der Fürsorge der überaus sorgsamen Pfleger,
die sich von der erleichternden Wirkung überzeugten. Die Mem-
bran-Expectoration hörte zwar schon am 14. auf, doch war das
Sputum durch die Pneumonie überaus reichlich, und wenn wir
uns auch am 22. Novb. dem ersten ganz fieberlosen Tage
entschlossen, zumal der Auswurf blutig tingirt war, die Canüle
definitiv zu entfernen, so hatten wir doch noch mehrere bange
Tage, da den Abend nach der Canülen-Entfernung wiederum
das Fieber stieg, und zwar mit deutlicher Verstärkung der
Dämpfung links bis zum Schulterblattwinkel. Am 24. früh 7
Uhr zählte ich noch 40—46 Athemzüge bei 39,6 T.; von da ab
aber, wahrscheinlich durch reichlichere Expertoration, die noch
bis in die ersten Tage des December durch die sich sehr lang¬
sam schliessende Wunde stattfand und dort sofort sorgfältig
abgefangen wurde, besserte sich der Zustand, und der intelli¬
gente Vater, der immer für die Wiedereinführung der Canüle
plaidoyirt hatte, theilte mir am 8. December die volle Genesung
des Kindes mit. Also auch bei Complication von Anfang an
mit einer Catarrhalpneumonie, bewährten sich die Inhalationen
vortrefflich.
Ich glaube, dass mit der Einführung der Inhalationen durch
die Canüle ein wesentlicher Schritt vorwärts gethan ist; die
Heilungsziffer 1 ) wird erhöht, und die Nachbehandlung wird
bequemer, schonender, Laienhänden zugänglicher. Dadurch wird
die Operation noch viel mehr als bisher aus den klinischen
Anstalten in die Praxis heraustreten. Das Publikum wird den
Arzt drängen, sie zu machen, es wird ihm nicht ergehn, wie
Hensgen 2 ), der unter 31 Todesfällen 30 an Larynxstenose ver¬
lor, ohne einmal tracheotomiren zu dürfen.
1) Zu den Küste r’.sehen Zahlen kommen noch hinzu Bo ecke r und
Burow und meine 4 Fälle, und ergiebt sieh aus allen mit Inhalation
nachbehandelten eine Heilungsziffer aus 80 Fällen von 52 d. i. 59,5° 0 ,
2) Epidemie in Neustadt. Wien. med. Wochenschr. 1875.
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Croup und Diphtheritis sind sehr häufig, Kinderhospitäler
selten, selbst ärmere Leute geben ihre Kinder ungern fort. Im
Grunde kommen die meisten Fälle wohl zweifellos in die Hand
der Practiker. Zumal in Provinzialstädten, und bei grösserer
Popularität der Operation wird noch ein schöner Procentsatz
dem sichern Tode abgerungen werden, der jetzt nach Einfüh¬
rung der Inhalationen die bisherigen Resultateüberflügeln
wird.
Die Operation ist nicht leicht, wie Billroth mit Recht sagt.
Ich erröthe nicht zu gestehn, dass sie mich manches Opfer ge¬
kostet hat, und dass allerdings mir grade dabei die Wichtig¬
keit jener propädeutischen Kliniken immer wieder einfiel, wie
sie Ziemssen für die moderne Ausbildung fordert, und wie sie
für die Chirurgie doppelt nothwendig sind, um jene wünschens-
w r erthe Sicherheit heranzuziehen, die grade für die Tracheotomie
unerlässlich ist. Indessen hat Hüter’s klassisches Buch, die
anatomische Begründung der Tracheotomia supefior, die Ver¬
besserung der Technik und die Construction geeigneter Instru¬
mente 2 ) den operativen Akt so erleichtert, dass zur Noth jeder
practische Arzt allein die Operation ausführen kann, der den
künstlerischen und moralischen Ehrgeiz hat, alle Mittel der
Kunst zu erschöpfen, ehe er dem Tode die sichere Beute über¬
lässt.
IV. Referat«.
H. Quincke: Ueber Siderosis, Eisenablagerung in einzel¬
nen Organen des Thierkörpers. Festschrift dem Andenken
A. v. Haller’s dargebracht von den Aerzten der Schweiz am
12. December 1877.
Bekanntlich geben Eisenverbindungen mit Schwefelammonium einen
schwarzgrünen Niederschlag von Schwefcleisen, und werden mit Ferro-
cyankalium in saurer Lösung blau. Dies Verhalten eignet sich auch
zur microcheraischen Reaction, vorausgesetzt, dass man eine hinreichend
verdünnte Ferrocyankaliumlösung (etwa 1 : 1000) nimmt. Die Reaction
mit Schwefelammonium ist leichter und sicherer anzustellen wie die
mit Blutlaugensalz, weil letzteres die Eiweisskörper coagulirt Nach
dieser Methode ist schon früher von Nasse und Perls Eisen in der
Milz, dem Knochenmark, der braun indurirten Lunge, in einem Theil
des Zellenpigments der Muskatnussleber und in dem braunen Pigment
jugendlicher Bronchialdrüsen gefunden worden. Quincke hat die Be
obachtungen von Perls nach dieser Richtung vollständig bestätigen
können und sie auf die Lymphdrüsen, auf Stauungslebern der Menschen
und auf Hundelebern ausgedehnt. Pathologisch fand Q. den Eisengehalt in
fünf Fällen (von denen vier das Symptomenbild der pernieiösen Anämie
darboten, der fünfte ein Diabetiker war) in Leber, Pancrcs, Niere,
Knochenmark und Plexus ehorioides vermehrt und bestimmte die Total¬
menge des Eisens in der Leber dieser Fälle zu 7,09, 2,02. 1,37 und
26,96 (!) Grm. — während 100 Grm. getrockneten Menschenblutes nach
G orup-Besanez nur 0,158 Eisen enthalten. Versuche, welche an
Hunden mit Eisenfütterung angestellt wurden, lassen cs zweifelhaft, ob
längere Zufuhr desselben zu Anhäufung von Eisen in der Leber, Milz
oder dem Lymphapparate führt, jedenfalls blieb der Eisengehalt dieser
Organe weit hinter den eben genannten pathologischen Fällen zurück.
Für den gewöhnlichen Gehalt der genannten Organe an Eisen (wo es
auch in grösseren Kugeln abgelagert ist) kann man dasselbe mit Nasse
als das Product intermediären Stoffwechsels, vielleicht als ein Zeichen
des vorübergehend oder dauernd gestörten Gleichgewichts zwischen Unter¬
gang und Neubildung von Blutzellen ansehen, für die pathologische
Vermehrung glaubte Q. die wahrscheinlichste Ursache in dem Untergang
rother Blutkörperchen und Ablagerung freien Eisens (wofür auch die
Natur der hier am häufigsten zu Grunde liegenden Krankheit, der per-
nieiüseii Anämie spricht) zu finden. Indessen liess sich bei anderen
Anämien (Careinose, Ulcus vcntricnli u. ä., und bei wintcrsehlafenden,
im Zustande vollkommener Inanition befindlichen Murmelthieren) eine
auch nur annähernd gleiche Vermehrung des Eisens nicht nachweisen,
und muss in diesen Fällen, und ganz besonders in dem Fall von Dia*
1) ln dem grossen Gerhard’schen Werk über Kinderkrankheiten
spricht sieh Prof. Jakobi auf über 100 Tracheotomien gestützt auch
nicht begeistert für die Operation aus. Vielleicht wird er mit den In¬
halationen bessro Resultate erzielen.
2) Ich habe mir erlaubt, die geeignetsten Instrumente in eine Ver¬
band tasehe zusammenzustellen, die Herr Detert Berlin Französ. Str. 53
gern liefern wird; zur Nachtoperation verwende ich 2 Leuchter (Ravoth-
sche mit parabol. Retlector), die auch sonst sehr brauchbar sind.
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
5. Februar 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
109
betes mellitus, noch eine besondere, unbekannte Ursache angenommen
werden, als welche vielleicht eine abnorm reichliche Resorption von Eisen
anzuschen ist.
In einem Anhänge wird die microchemische Reaction des Schwcfel-
ammoniuras und seine Einwirkung auf die Form der rothen Blutkörper¬
chen beim Frosch und Säugethier beschrieben, welche der durch eine
*20 procentige Harnstofflösung hervorgebrachten ähnelt, aber mannigfal¬
tiger ist und im wesentlichen einen Zerfall in eine zähflüssige Masse
und kleinere Tropfen darstellt. Da dieser Zerfall durch den Bau der
Blutkörperchen bedingt sein dürfte, wird man aus der Art des ersteren
vielleicht Schlüsse auf letzteren machen können. Ewald.
Anleitung zur Harnanalyse für practischc Aerzte, Apo¬
theker und Studirende von Dr. Loebisch, Docent in Wien.
Wien 1878. Urban u. Schwarzenberg. 238 S. 8. Mit 26 Holzschn.
Diese „Anleitung“ wird sich unter dem m der Ueberschrift ge¬
nannten Publikum sicherlich viel Freunde erwerben, denn sie giebt in
klarer und übersichtlicher Form und überall auf dem Boden der neuesten
Untersuchungen stehend nicht nur alles wissenswerthe betreffs der
praciischen Ausführung der Harnanalyse, von der physikalischen zur
chemischen Untersuchung fortschreitend, sondern hat vor ähnlichen
Lehrbüchern, z. B. Neubauer und Vogel’s Anleitung zur Harnanalyse,
das voraus, dass die einzelnen Capitel mit kurzen physiologischen Be¬
merkungen eingeleitet sind und, so weit dies angeht, auf die pathologi¬
sche Bedeutung abnormer Befunde hingewiesen ist. Druck und Papier
sind vorzüglich und auf die Strapazen eines Laboratorium-Aufenthaltes
berechnet, die eingestreuten Holzschnitte sauber und corrcct in der
Darstel lu n g. E w a l d.
V. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Allgemeiner ärztlieher Verein iu Cöln.
Sitzung vom 19. December 1876.
1) Das Protocoll der letzten Sitzung wird verlesen und genehmigt.
2) Herr E. Barden he wer spricht über die Wirkung des Pilo-
carpinuui muriaticum bei Bleikolik und über die hieraus sich ergebenden
Schlussfolgerungen für die Theorie der Bleikolik. Der Vortrag ist in
No. 10 dieser Wochenschrift 1877 zum Abdruck gelangt.
3) Herr Baumeister spricht über Gaumen- und Oberkiefcr-De-
fecte und künstlichen Ersatz derselben. Den vorab nöthigen, unbedingt
festen und luftdichten Verschluss des harten Gaumens, an welchen bei
etwaiger Spaltung des weichen Gaumens der Sprechfortsatz Sucrsen’s
als Appendix angi-hcftet wird, sucht B. im Rande des Defectes und in
den über demselben liegenden Knochenpartien (Highmorshöhle, Nasen¬
höhle etc.). Die gebräuchliche Art des Schlusses des harten Gaumens
durch eine an die Zähne sich anklemmende Platte stellt er als eine
nur in wenigen Fällen mögliche und den Zähnen oft verderbliche dar,
da in der bei weitem grössten Zahl aller Fälle von angebornen oder
erworbenen Defecten die Zähne ebenfalls missbildet, mangelhaft, krank
oder verloren sind. B. hat bei einer ziemlichen Anzahl von Fällen 4
verschiedene Constructioncn versucht, die an Modellen demonstrirt werden.
Alle beruhen auf dem Systeme, dass durch irgend einen Mechanismus
der Obturator verkleinert und dadurch leicht durch die Eingangsstelle
des Defectes hindurch gebracht werden kann; durch Auslösung des
Mechanismus tritt alsdann wieder ein Breiter-- und Grösserwerden des
oberen Theiles des Obturators hinter der Eingangsstelle ein und alle
Punkte des Defectes und des Obturators liegen jetzt hermetisch an ein¬
ander, da der Apparat sowohl im Eingänge als auch über demselben
dem genauesten Abdrucke des Defectes entspricht,
B. stellt einen Patienten vor mit einem künstlichen Oberkiefer,
welcher nach der besten der genannten 4 Construetionen gebaut ist
(System Schmetterling von ihm benannt). (Dieses System ist jetzt bei
circa 14 Patienten von ihm angewandt und hat sich in allen Fällen
ausgezeichnet bewährt, bei einigen schon unverändert 5 Jahre hindurch.)
Patient hat eine völlig unverständliche Sprache, da der ganze rechte
Oberkiefer bis zum Auge (incl. Infraorbitalplatte) und ein kleiner Theil
des linken Oberkiefers (nach Operation) fehlt. Die Zähne fehlen sämmt-
lieli, der weiche Gaumen nur theilwei.se. Der sehr leichte aus Cautschuk
und Gold gearbeitete Obturator schliesst den Defect, ohne den unver¬
sehrten Gaumentheil irgendwie zu überdecken, so vollständig, dass die
Sprache tadellos ist. Patient kann den Apparat nach Belieben oft und
sehr rasch entfernen und wieder einsetzen.
Sitzung vom 15. Januar 1877.
1) Das Protocoll der letzten Sitzung wird verlesen und genehmigt.
2) Herr Bart hold demonstrirt einen Kranken mit einem Pulsus
paradoxus. Derselbe, 22 Jahre alt, kräftig und gut gebaut, über¬
stand im Jahre 1871 einen acuten Gelenkrheumatismus von 4 wöchent¬
licher Dauer und hatte seitdem zum öfteren nach körperlichen An¬
strengungen Athemnoth und Beklemmungen, fühlte sich aber im übrigen
stets recht wohl, und ergiebt die Untersuchung auch nur am Circu-
lationsapparatc Veränderungen.
Die ganze Herzgegend erscheint etwas vorgetrieben. Im V. Intcr-
eostalraum etwas nach innen von der Linea mammillaris sieht man eine
deutliche systolische Einziehung und fühlt ebendaselbst den nur
massig starken Herzchoc. Die Herzdämpfung ist nur nach rechts bis
etwas über die Mitte des Brustbeins vergrößert, sonst innerhalb der
normalen Grenzen und nicht abnorm intensiv. Man hört mit der Systole
einen unreinen Ton, die 2. Töne sind ganz rein, nicht verstärkt. Der
Puls ist ziemlich kräftig, aber etwas schlaff.
Lässt man den Kranken tief inspiriren, so bemerkt man, wie der
Puls der Radialis ziemlich plötzlich ganz klein wird und sogar für das
Gefühl vollständig aussetzt, solange die Inspiration auf ihrer Höhe sich
erhält, um dann bei der Exspiration seine frühere Beschaffenheit wieder
anzunehmen. Sphygmographisehe Darstellungen des Pulses von Seiten
des Herrn Riegel, sowie Zeichnungen mit dem Grunmach’schen
Polygraphen zeigen die Verhältnisse aufs deutlichste. Bei tiefer In¬
spiration verlieren die Herztöne an der Spitze (hauptsächlich der 1. Ton)
wenig an Intensität, während der Ton über der Aorta schwächer wird
und schliesslich nicht mehr zu hören ist. Venen am Halse sind nicht
sichtbar, treten auch bei keiner Athmungsphase hervor. Die übrigen
I Körper-Arterien zeigen das Phänomen des inspiratorischen Kleinerwerden
des Pulses ebenso deutlich wie die Art. radialis.
Zur Erklärung dieser Erscheinungen wurden ausser der inspirato¬
rischen Verkleinerung des Pulses und Schwächerwerden der Herztöne
verwerthet: zunächst die systolische Einziehung an der Herzspitze, welche
dafür spricht, dass Verwachsungen des Herzens mit dem Herzbeutel
vorliegen, ferner die einseitige Vcrgrösserung der Herzdämpfung nach
rechts, welche, da ein frischer Zustand nicht vorliegt, auf Reste einer
früheren Pericarditis hinweisen; für einen Klappenfehler spricht kein
Symptom.
Es erscheint demnach wahrscheinlich, dass es sich in diesem Falle
nicht um physiologische Verhältnisse (vergl. Riegel, diese
Wochenschrift 1876, No. 26) handelte, weil die bis jetzt angestellten
Untersuchungen niemals eine so exeessive Pulsschwankung bei der Ath-
mung ergeben haben, ferner dass auch nicht Verdickungen des gesammten
Pericardiums vorliegen, wie sie sich in dem von Traube mitgetheilten
Falle als Ursache des P. paradoxus herausstellten; sondern dass hier,
i analog den von Griesinger und Kuss maul mitgetheilten Sectionsbe-
funden. narbige, schwielige Stränge im Mediastinum zu ver-
muthen sind, welche bei tiefer Inspiration das Lumen der Aorta so ver¬
engern, dass der in dieselbe geworfene Blutstrom nicht mehr als deut¬
licher Puls in den Arterien fühl- oder darstellbar sich documentirt.
3) Herr Hopmann legt ein Präparat von er. 15 bohnen- bis hasel¬
nussgrossen Tumoren aus dem Cavum pharyngo-nasale vor, welche er
mittelst Drahtschlinge vom Munde aus bei einer 25 jährigen Lehrerin
durch Abquetsehen entfernt hatte. Die Geschwülste, von denen mehre
I ein vollkommen papilläres Aussehen, im übrigen aber die bekannten
platten- und hahnenkaminähnliehen Formen darboten, bestanden aus
! einem ge fass reichen Folliculargewe.be, stellten jedoch nicht allein Hyper¬
trophie der Tonsilla pharyngca, sondern auch Wucherungen des in
der Schleimhaut des oberen Nasenrachenraums besonders reichlich
vertretenen diffusen Adenoidgewebes der hinteren Wand und der
oberen Umrandung der Choanen dar. Letztere und der vom Gaumen¬
segel verhangene Theil des Pharynx waren durch die außergewöhnlich
grosse. Anzahl und Entwicklung der einzelnen Geschwülste fast com-
pLc.t ausgefüllt, so dass die in den letzten Jahren wiederholt be¬
schriebenen Symptome der Affcction (Athmen mit halbgeöffnetem Munde,
gestopfter Mundton, reichliche Sehleirnbildung. Blutungen, Husten,
Würgen, habitueller Kopfschmerz etc.) mit Ausnahme der fast fehlenden
Schwerhörigkeit stark ausgeprägt vorhanden waren. Da die Kranke aus
I schwindsüchtiger Familie stammte, so galt sie des oftmaligen Blutspuekens,
des Hustens, Auswurfs und der Kurzathmigkeit wegen ebenfalls für
schwindsüchtig. Nach der Beseitigung der Adenoidtiimoren im October
vorigen Jahres verschwanden genannte Beschwerden, und konnte auch
bisher in den Lungen keine Erkrankung nachgewiesen werden.
Derselbe demonstrirtc ein Präparat von Compressionsstenosc der
Luftröhre und des Kehlkopfs, welches von einer 36jährigen Frau her¬
rührte, die seit 18 Jahren an Kropf- und Athmungsheschwerden gelitten
hatte.
VI. Feuilleton.
Claude Bernard -J-.
Claude Bernard, dessen Tod wir in der vorigen Nummer melde¬
ten, war am 12. Juli 1813 zu Saint-Julien, nahe bei Villefranche und
unweit Lyon, geboren. Seine ersten schriftstellerischen Bestrebungen
galten der Bühne; erst in Paris, wohin er mit seinem neuesten Werke,
einer Tragödie, kam, wandte er sich medicinischen Studien und ganz be¬
sonders physiologischen Arbeiten zu, nachdem er im Jahre 1841 dem
Laboratorium Magendie’s als Präparator attachirt war. Aber erst im
Jahre 1853 erhielt er einen Lehrstuhl und zwar die eigens für ihn ge¬
schaffene Professur der allgemeinen Physiologie an der Pariser Facultät
(Sarbonne), die er im Jahre 1855, als Magen die starb, mit dessen Pro¬
fessur am College de France vertauschte. Diesen Lehrstuhl hat er bis
zu seinem Tode inne gehabt; Ehren aller und höchster Art sind ihm
während seines Lebens zu Theil geworden. Im December v. J. wurde
er von einem Blasenleiden befallen; er erlag einer damit verbundenen
Pyelo-Nephritis unter urämischen Erscheinungen.
Durch eine grosse Reihe ven Arbeiten, die er in der Zeit seines
Wirkens bis zum letzten Lebensjahre schuf, hat er unsere positiven Kennt¬
nisse in der Physiologie und zwar in fast allen Theilen derselben un\
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Gck igle
Original from
UNIVERSETY OF MICHIGAN
110
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 8
so reiche epochemachende Entdeckungen vermehrt, wie wenige Physiologen
irgend einer Zeit,um Entdeckungen,die von ihm,dem Schüler Magen die’s,
durch eine so mustergiltige Methode des Forschens gewonnen wurden,
dass sie, im Gegensatz zu manchen anderen neueren Forschungsresultaten,
allen Angriffen als unantastbar wiederstanden. Nennt man nur dio
jedem bekannte Entdeckung des vasomotorischen Einflusses des Sympa-
thicus, der Zuckerbildung in der Leber, der Function des Pancreas, der
Piqü re, so wird schon damit die Bedeutung dieses Forschens klar gezeich¬
net; es treten dazu als besonders bei uns gekannt: die Abhandlung über
die Action der giftigen Substanzen, über die Asphyxie und die Anasthetica,
über die thierische Wärme. Aber nicht nur in einzelnen Arbeiten, sondern
auch in grossen, ewig mustergültigen Bearbeitungen der ganzen Disciplin,
meist in Form von Vorlesungen, hat seine immense Thätigkeit und Begabung
sich geäussert. Es entstand so eine Zahl von Arbeiten uud Werken, wie sie
nur selten als Frucht eines nicht zu langen Lebens zu uns gekommen
sind. Wir führen im folgenden die Mehrzahl derselben mit vollständigem
Titel und Jahreszahl an. Du suc gastrique et de son role dans sa nutri-
tion. Doctorthese (1843). Recherches experimentales sur les fonctions du
nerf spinal dans ses rapports avec. le pneumo-gastrique (1844). De l’origine
du sucre dans l’economie animale (1848). Du suc pancreatique et de
son role dans les phenomenes de la digestion (1849). Nouvelle fonction
du foic considere comme Organe producteur de matierc sucree chez
l’homme et chez les animaux (1853). Lecons de Physiologie experimen¬
tale appliquee a la medecine (1855—1856). Legons sur les effets des
substances toxiques et medicamenteuses (1857). Lecons sur la Physio¬
logie et la pathologie du Systeme nerveux (1858). Lecons sur les pro-
prietes physiologiques et les alterations pathologiques des liquides de
l’organisme (1859). Introduction n 1’etude de la medecine experimen¬
tale (1865). Lecons sur les proprietes des tissus vivants (1866). Lecons
de pathologie experimentale (187*2). Lecons sur les anesthetiques et sur
l’asphyxie (1875). Lecons sur la chaleur animale et sur les effets de la
chaleur (1876). Precis iconographique de medecine operatoire et
d’anatomie chirurgicale (zusammen bearbeitet mit Huetle) (1876).
Endlieh Lecons sur le diabete (1877). Aus diesem Verzeichniss wird
am besten der rastlose Geist und der weite Umfang des von CI. Bernard
beherrschten und bereicherten Wissens sich erläutern. Deutlich wird
auch hervorgehen, dass seine Arbeiten meist entweder direct auf die
practische Medicin Bezug nahmen oder ihre Verwerthung dafür leicht
gestatteten: er hat dadurch einen Einfluss auf die practische Medicin
geübt, wie kein Physiologe vor ihm. Durch seinen Tod trifft die Wissen¬
schaft ein um so herberer Verlust, als er mitten in seinem regen
Schaffen hinweggerafft wurde. Er gehörte zu jenen Geistern, die nicht
auf in der Jugend gewonnenen Lorbeeren ausruhen, sondern denen
dauerndes Schaffen Bedürfnis und Nothwendigkeit ist. Sz.
!
Zu den ärztlichen Fortbildungs-Cursen.
Von j
Dr. M. Rosenberg, pract. Arzt etc.
Die in den hiesigen medicinisehen Wochenschriften früher verüffent- j
lichten Bemerkungen über die Fortbildungs-Curse für practische Aerzte
scheinen bei einem grossen Thcil der Herren Collegen, wenn überhaupt, i
so doch nur sehr flüchtige Beachtung gefunden zu haben. Daher wohl
die vielfachen, fast täglich einlaufenden Anfragen über Vorbedingungen,
die man längst allgemein bekannt glaubte. So gern auch,| wie bisher
so in Zukunft, jede verlangte Auskunft ertheilt werden wird, so ist es
doch sicherlich allseitig erwünschter, so weit möglich, Zeit und Mühe
zu sparen. Deshalb sei es gestattet, nochmals in Kürze Wesen, Zweck
und Einrichtung der Fortbildungs-Curse zu berühren.
Dieses Wort bedeutet Lehrvorträge, welche eine Reihe bewährter
Fachmänner, fast ausnahmslos Universitätslehrer alljährlich, je
nach Bedürfnis» ein oder zwei Mal zur selben Zeit über
sämmtliehe Zweige der Medicin in abgekürzter Form und gedräng¬
ten Worten, aber gestützt auf Anschauung und Hebung, vor aus¬
schliesslich practischen Aerztcn abhaltcn. Die einzelnen, sich zu einem
einheitlichen ganzen zusammensehliessenden Lehrvorträge lassen in
der Regel höchstens zwölf Theilnehmer zu, erfordern ein Honorar von
durchschnittlich *20 Mark, und laufen sämmtlich in etwa sechs Wochen ab.
Die Gesichtspunkte, denen sich die Fortbildungs-Curse eignen, sind
erfahrungsmässig mehrfacher Art. Ein Theil der Herren Collegen —
dies ist jedoch die Minderzahl — will in einem Einzelfache Einsicht und
Geschicklichkeit besonders vervollkomracn, um sich dann diesem Fache
vorzugsweise oder ausschliesslich zu widmen. Solche Speeialeurse werden
nun zwar von einzelnen Docenten gelegentlich mehrere Mal des Jahres
zu verschiedenen Zeiten abgehalten. und betheiligen sich an denselben
neben Studenten wohl auch practische Aerzte. Allein die Fortbildungs-
Curse gewähren den Vortheil, zu gleicher Zeit andere einschlägige Stu¬
dien machen und, was nicht minder wichtig ist, zu gleicher Zeit sämmt-
liche hervorragende Vertreter des Faches hören und alles dermaligo
Material benutzen zu können. Wenn aus ganz Deutschland und den
deutschspreehenden Ländern nur zehn Collegen in gleicher Absicht sich
zu den Fortbildungs-Cursen einfinden, so haben sie Gelegenheit, in einer
Specialität. Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten in so viel Wochen
zu erwerben, als zu anderer Zeit Monate erforderlich wären.
Ein anderer Theil der Herren Collegen hat die Vorbereitung zur
Phvsicats-Prüfung im Auge. Wohl giebt; es hier Männer, deren Berufs¬
geschäft es ist, jeder Zeit solche vorbereitenden Curse zu ertheilen. Allein
kommt es gleich für’s Examen nur darauf an. was man gelernt, und
nicht, von wem man es gelernt hat, so kommt doch für’s Examen wie
für’s Leben auch sehr viel darauf an, wie man etwas gelernt hat.
Die Vorbereitung durch einen einzelnen, wenn auch tüchtigen Mann
am grünen Tisch mit theoretischen Worten und in zugespitzter Form
dürfte sich wesentlich unterscheiden von einer solchen durch mehrere
Fachgelehrte in wissenschaftlicher Abrundung am Leichen tisch und im
Laboratorium.
Endlich giebt es viele Collegen — und diese bilden die Mehrzahl —
welche weder Specialisten noch Physiker zu werden beabsichtigen, son¬
dern einzig und allein den Zweck verfolgen, ihr allgemeines medlcinisches
Wissen und Können aufzufrischen, zu ergänzen und zu verjüngen. Eine
solche Veranstaltung, welche dem in voller Wirksamkeit stehenden Arzte
die Möglichkeit gewährt, in verhältnissmässig kurzer Zeit eine vollstän¬
dige Erneuerung seines medicinisehen Studiums zu erlangen hat es anher,
so viel bekannt, nicht gegeben; sie hat erst Leben und Gestalt gewonnen
in dom System der Fortbildungs-Curse für practische Aerzte.
Die Erfüllung der gedachten Zwecke hängt jedoch nicht bloss da¬
von ab, dass Lehrer und Hörer ihre volle Pflicht thun; dies kann ja
ohnehin mit Sicherheit vorausgesetzt werden. Das Gelingen hängt viel¬
mehr wesentlich auch davon ab, dass vor allem Anfang eine grosse
Menge verschiedenartiger Beziehungen befriedigende Regelung finden.
Fragen persönlicher und sachlicher, zeitlicher und räumlicher, "ja selbst
privater und behördlicher Natur müssen vorher erledigt sein, wenn Be¬
ginn, Fortgang und Ablauf der Curse keine Störung, deren Zusammen¬
schluss und Einklang keine Beeinträchtigung erfahren soll. Um aber
den zum Organisiren erforderlichen Gesammtüberblick zu gewinnen, ist
es durchaus nothwendig, dass die zur Theilnahme entschlossenen Collegen
ihre Anmeldung*) nicht zu spät bewirken; denn dann ist, um nur
dies zu sagen, jedenfalls Verlust an Zeit unvermeidlich, und Zeit ist
mehr als Geld.
Mögen diese Zeilen der Aufmerksamkeit der Herren Collegen bestens
empfohlen sein.
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. Am Sonnabend den 16. d. M. ist von den Collegen Thi-
loiiiiis und Zinn im Reichstag folgende Interpellation eingebracht
worden: 1) Beabsichtigt die Reichsregierung dem Reichstage noch in
gegenwärtiger Session a) einen Entwurf eines Leichenschauge.se t-zes. b) einen
Gesetzentwurf über die Anzeigepflicht bei ansteckenden und gemeinge¬
fährlichen Krankheiten, c) einen Entwurf eines Viehseuehengesetzes vor¬
zulegen V 2) Ist die Aufstellung einer Viehseuchenstatistik für das
Reich in Angriff genommen, und wie weit sind die bezüglichen Arbeiten
gediehenV Der Präsident des Reieliskanzleramts erklärte, er könne
nicht bestimmt sagen, ob es möglich S'in werde, den Wünschender
Interpellanten noch in dieser Session zu genügen. Es schweben noch
die bezüglichen Verhandlungen. Die Gesetzgebung auf dem Gebiet des
Medicinalwesens scheint im Reich wie in Preusson aus dem Stadium
der Vorverhandlungen schwer heraus kommen zu können.
— Veröffentlichungen des Gesundheitsamtes No. 7: In den Städten
mit mehr als 400)0 Einwohnern haben im IV. Quartal 1877 die Ge¬
borenen die Gestorbenen (aufs Jahr und 1000 Einwohner berechnet)
überwogen um:
Duisburg
26,1
Leipzig
14.3
Essen
*25,3
Strassburg i. E.
13.9
Dortmund
21,8
Lübeck
13.9
Bannen
21.1
Mainz
13,8
Kiel
19,8
Magdeburg
13.8
Halle a. S.
19.6
Breslau
13,7
Hannover
19.5
Dresden
13,6
Berlin
19,5
19.3
Braunschweig
13,5
Krefeld
Chemnitz
13,2
Mannheim
19.2
Posen
12,2
Altona
18,8
Karlsruhe
12,0
Düsseldorf
18,0
Königsberg in Pr.
11,5
Frankfurt a. 0.
17,5
München
11,5
Bremen
17,5
Danzig
10,7
Erfurt
17,0
Elberfeld
10,7
I Limburg
16,8
Potsdam
9,7
Köln
16.8
Metz
9,5
Aachen
16,4
Görlitz
9.2
Frankfurt a. M.
16,3
Kassel
7,7
Stuttgart.
15,9
Darmstadt
5,9
Nürn borg
15,7
Würzburg
5,3
Wiesbaden
Stettin
15.7
14.7
Augsburg
3,6
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Go igle
Unter den Städten mit weniger als 40000 Einwohnern hat eine
natürliche Bevölkerungseinbusse, nur Iserlohn (5,7%) erlitten, hervor¬
gerufen durch sehr heftiges Auftreten von Scharlach (47,9%, der Ge-
sammtstcrbliehkeit). In allen übrigen Städten überwog die Zahl der
Geborenen diejenige der Gestorbenen.
— An der psychiatrischen Klinik hierselbst ist eine Assistentenstelle
vacant. Meldungen nimmt Herr Prof. Westphal entgegen.
— In der Woche vom ‘27. Januar bis 2. Februar sind in Berlin
467 Personen gestorben. Todesursachen: Masern 7, Scharlach *20,
*) An meine Adresse: Berlin W., Matthäikirelistr. 28.
Original fram
UNIVERSETY OF MICHIGAN
"25. Februar 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
111
Pocken 1, Rothlauf 2, Diphtherie 21, Eitervergiftung 4, Febris puerperalis 2,
Typhus 5, Dysenterie 1, Gelenkrheumatismus 1, Syphilis 3, Delirium
tremens 1, Kohlenoxyd Vergiftung 5 (darunter 1 Selbstmord), Sturz 2,
Erhängen 6 (Selbstmorde), Lebensschwäche 21, Abzehrung 13, Atro¬
phie der Kinder 2, Bildungsfehler 1, Schwämmchen 3, Altersschwäche 11,
Krebs 13, Wassersucht 7, Herzfehler 10, Hirnhautentzündung 4, Ge¬
hirnentzündung 10, Apoplexie 16, Tetanus und Trismus 8, Zahn¬
krämpfe 5, Krämpfe 28, Kehlkopfentzündung 15, Croup 3, Pertussis 10,
Bronchitis acuta 6, chronica 20, Pneumonie 27, Pleuritis 1, Phthisis 62,
Peritonitis 6, Gebärmutterriss 1, Diarrhoe 4 (Kinder unter 2 J.), Brech¬
durchfall 4 (Kinder unter 2 J.), Magen- und Darmentzündung 1,
Magen- und Darmkatarrh 8 (darunter 7 Kinder unter 2 J.), Nephritis 8,
Blasenkatarrh 2, andere Ursachen 53, unbekannt 3.
Lebend geboren sind in dieser Woche 422 m., 429 w., darunter
ausserehelich 52 m., 56 w.; todtgeboren 27 m., 17 w., darunter ausser-
ehelich 8 m., 10 w.
Die durchschnittliche Sterblichkeit dieser Woche beläuft sich
auf 23,8 pro Mille der wahrscheinlichen Bevölkerungszahl, die entspre¬
chende Geburtenziffer auf 43,4 pro Mille (beide Summen mit Ausschluss
von 2,2 pro Mille Todtgebomen).
Witterung: Thermometerstand: 0,18. Abweichung — 0,03. Ba¬
rometerstand: 28 Zoll 1,58 Linien. Dunstspannung: 1,71 Linien.
Relative Feuchtigkeit: 83 pCt. Himmelsbedeckung: 8,9. Höhe
der Niederschläge: 2,95.
In der Woche vom 3. bis 9. Februar sind in Berlin angemcldet:
Typhus-Erkrankungen 14 (5 m., 9 w.), Todesfälle 3.
VII. Amtliche Ilittheilusgea.
Perionalia.
Auszeichnungen: Seine Majestät der König haben Allergnädigst ge¬
ruht, dum Ober-Medicinalrath und practischen Arzt Dr. med. Dommes
in Hannover den Königlichen Kronen-Orden dritter Klasse zu verleihen,
und dem practischen Arzt Dr. Wilhelm Schräder zu Quedlinburg
die Erlaubniss zur Anlegung der ihm verliehenen Ritter-Insignien
zweiter Klasse des Herzoglich anhaitischen Haus-Ordens Albrcchts des
Bären zu ertheilen, so wie dem Director der Provinzial-Irren-Anstalt
in AlbScherbitz, Professor Dr. med. Johannes Moritz Ko epp e, und
dem Sanitätsrath, Hofarzt Dr. Veit in Berlin den Character als Ge¬
heimer Sanitätsrath, und den practischen Aerzten Dr. Hannemann
in Wolgast und Dr. Boetticher in Berlin den Character als Sanitäts¬
rath zu verleihen.
Anstellungen: Der practische Arzt Ober-Stabsarzt a. D. Dr. Gustav
Anton Müller, zur Zeit in Berlin, ist zum Kreis-Phvsikus des Kreises
Schlochau, der practische Arzt Oberstabsarzt a. D. Dr. Rünger zu
Nauen mit Anweisung des Wohnsitzes in Liebenwerda zum Kreis-Phy-
sikus des Kreises Liebenwerda, der pract. Arzt etc. Dr. Hildebrand
mit Belassung seines Wohnsitzes in Naumburg i. H. zum Kreis-Wund¬
arzt des Kreises Wolfhagen, und der Sanitätsrath Dr. Schütze mit
Belassung seines Wohnsitzes in Landeck zum Kreis-Wundarzt des Krei¬
ses Habelschwei dt ernannt worden.
Niederlassungen: Dr. Betz in Sachsenhagen.
Verzogen sind: Dr. von Karwowski von Tirschtiegel nach Po-
dzameze, Dr. Gemmel von Birnbaum nach Posen, Arzt Feedmann
von Sachsenhagen nach Lauenau, Dr. Sippe 1 von Marburg nach Hanau.
Apotheken-Angelegenheiten: Der Apotheker Schlichting hat
die Blodau’sche Apotheke in Elbing, der Apotheker Stechern die
Werner’sche Apotheke in Praust, der Apotheker Degorski die
Corsepius’sche Apotheke in Grabow, der Apotheker Jasinski die
Ruppreclit’sche Apotheke in Grätz gekauft; dem Apotheker Stro-
schein ist die Administration der Eckert’schen Apotheke in Zoppot,
dem Apotheker Warsc ho w die Administration der Witt wo Heintze-
schen Apotheke in Danzig, dem Apotheker Sch leyer die Administration
der Brandenburg’schen Apotheke in Posen, und dem Apotheker
W. Nage 11 die Administration der Nagell’schen Hof-Apotheke in
Cassel übertragen worden.
Todesfälle: Regierungs- und Geheimer Medicinalrath Dr. Kessler in
Magdeburg, practischer Arzt Dr. Kleinschmidt in Altwasser.
Bekanntmachung.
Die Kreiswundarztstelle des Carthauser Kreises, mit welcher ein jähr¬
liches Gehalt von 600 Mark aus der Staatskasse verbunden ist, ist durch
Versetzung ihres bisherigen Inhabers vacant geworden und soll schleu¬
nigst wieder besetzt werden. Geeignete Bewerber um diese Stelle fordern
wir auf, ihre Meldungen unter Beifügung ihrer Zeugnisse spätestens binnen
4 Wochen an uns einzureiehen.
Danzig, den 8. Februar 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Inserate*
Bekanntmachung.
Die Stelle eines Arztes für Wörlitz und Umgegend ist vacant und
soll sofort wieder besetzt werden. Ein junger Doctor der Mcdicin wolle
hierauf reilectiren.
Wörlitz, 20. Februar 187S.
Bürgermeister
F. Corte.
Arzt-Geiucb.
Der Marktflecken Crossen, R.-B. Merseburg, sucht baldmöglichst
einen jungen Arzt. Crossen hat Apotheke und ist Bahnstation. Aus¬
kunft ertheilt
der Bürgermeister
_ Blechschmidt. _
An der Ostpreussischen Provinzial-Irren-Anstalt Allenberg bei
Wehlau wird die Volontärarztstelle zum 1. April er. vacant. Neben
freier Station 1. Classe Staatsremuneration von 600 M. und Provinzial¬
zuschuss von 300 M.
Nähe res bei dem Director Dr. ieniii. _
Bcfeänniinaclüinyi "~
Volontair-Arzt gesucht.
An der Bezirks-Irren-Anstalt Stephansfeld bei Brumath im Eisass
ist vom 1. April cur. an die Stelle eines VoIontair-Arztes za besetzen.
Gehalt 600 Mark und ganz freie Station. Verpflichtung auf ein Jahr.
Meldungen nebst Zeugnissen sind einzureichen bei
Stephansfeld, den 18. Februar 1878. dem Director
Dr. Stark.
Bewerber um die vom 1. April d. J. an vacante Stelle des Gehülfs-
arztes am communalständischen Landkrankenhause dahier, wollen ihre
Meldungsgesuche nebst Approbation, bezw. Prüfungszeugnissen bis zum
10. März d. J. an den Unterzeichneten einsenden.
Jahresgehalt 750 Mark nebst freier Wohnung und Station im Hause.
Fulda, 9. Februar 1878.
Der Dirigent des Landkrankenhauses
_ Dr. Kind. _
Die Stelle eines Assistenzarztes am hiesigen Stadtlazareth wird zum
1. April d. J. vacant. Gehalt 1200 Mark bei freier Wohnung, Heizung
und Beleuchtung. Qualificirte Bewerber werden ersucht ihre Meldungen
beim hiesigen Magistrat einzureichen.
Danzig, den 15. Februar 1878. _ Pr. Bin«, Oberarzt.
Die Stelle eines Assistensarztes am hiesigen städtischen Arbeits¬
hause, welches neben der Siechenstation zur Zeit auch noch die Irren¬
abtheilung enthält, wird zum 1. April d. J. vacant. Gehalt 1200 Mark
bei freier Wohnung, Heizung und 'Beleuchtung. Qualificirte Bewerber
werden ersucht ihre Meldungen beim hiesigen Magistrat einzureichen.
Danzig, den 15. Februar 1878. _ Pr. Baum, Oberarzt.
Ein beschäftigter Arzt sucht für den 1. oder 15. Mai zu seiner
Unterstützung und Vertretung einen jungen approbirten Collegen gegen
900 Mark Jahresgehalt und freie Station.
Näheres durch die Expedition d. Bl. unter S. B. 6 ._
Für Aerite.
In Bad Rehburg ist durch den Fortgang des einen bisherigen
Badearztes für die Badezeit die Niederlassung eines verheiratheten Arztes
als Badearzt erforderlich. Bei einer Frequenz von etwa 1000 bis 1200
Curgästen kann derselbe, da ausserdem nur noch ein Badearzt im Orte
ist, auf eine gute Einnahme rechnen, und würde mit dieser Stellung
auch ein Fixum von 300 Mark für die Behandlung der Armen des
Bades und ausserdem 400 Mark, im Ganzen 700 Mark verbunden sein.
Die Königliche Finanz-Direction in Hannover wp’d Auskunft auf An-
fragen ertheilen. _
An der Land-Irren-Anstatt za Eberswalde soll die in Folgu Beförde¬
rung des bisherigen Inhabers vacant werdende Stelle des Volontärarztes,
dem ausser freier Station von der Anstalt ein jährliches Gehalt von
450 Mark und vom Königlichen Ministerium eine jährliche Remuneration
von 600 Mark gewährt wird, ZSIR 14. März d. J. wieder gesetzt werden.
Bewerbungsgesuche sind unter Beifügung von Zeugnissen binnen
längstens 14 Tagen an die PirectiOll zn richten. _
Ein junger Arzt, der am 1. April d. J. seine Militärdienstpflicht
beendet, wünscht für die Sommermonate die Vertretung eines Collegen
zu übernehmen. Gef. Offerten sub E. V. 7 durch d. Exped. d. Bl.
Als ärztlicher Leiter eines seit 60 Jahren bestehenden Bades
(Wasserheilanstalt) wird ein pract. Arzt gesucht.
Gesicherte Stellung wird garantirt. Einlage eines sicher zu stellen¬
den Capitals oder Betheiligung mit einem solchen von or. 30,000 Mark
ist Bedingung.
Offerten unter Chiffer G. G. 8812 besorgt die Annoncen-Expedition
Th. Dietrich <fe Co. in Hannover. _
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gegen habituelle Stutalverhaltuiig und alle daraus resnltiren-
den Krankheiten ohne irgend welche üble Nachwirkung, auch bei längerem
Gebrauche, auf das Wärmste empfohlen.
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Job. Oerold.
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Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
BEUL INPIK K-LfNISCHK AATCHKNSCHK JFl’
Pepton
nach J>r. Adonila'ewicz.
WjVEtiiivi Krsufe ,ric*f BfVH^->Xbp>ug‘d>ei 5h«r«iiJ5un des Vßtfoüwtgp»
SystvTus »uid : .der ’
PoRomim str opiformo- #it Kly^nT^n Kilo 7 M;
Poj.f.oninn fujVoriuh uchmdticani zum <»pl>ram/h.
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IV£rtOtni^ Kitram :für nxjih nnu^Hi-ilu Zwook e.
1 KsslFVI t'pjd.oo-Syriin E» Cif;Mum ».THppnolii. 20 urunm • V |
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hti^HrgriUlhlu?* ;.u rm{.». hi- !», ih/t ISsbtf.ffcl W l•* •>«HlXid
30 CiHc/tr. hy^uplivsphorAs.
Zu habEtn ln den bekariuten ISMhderlagon, >. Nf. :>0_
10. Foloimv 1877, Kuni/rl. Kntü Prüf. Är* f. üorätiyL
Tvi’iirsÄCto* Hpthst lim Gol'raH'*lu‘ k*;iipdirlüi \<n htheile«
AVjia. I(K Aw*st IST?. Ih/tVXli Pr«f. Dr. n Bauiher^cr.
Tnx.AV'ifA.Ubid- rasch, zuv^^Fi^J^ und schmpr?lut;,
AVUfÄlturir.. 20 jijl'i. I V 7,
acheimrivih trat Hr. Scauxotti Fcciberr ** Iktoifeff
VorraihTü:- V .»Uuii Ajrtatho^l. MuipraFVpx^f' B. i.n0.i;. iu v i J tn.od)i-
schnftpu ' !-• trr;4i.s Ouiy;b «lh* Vcisvo.'iuu.as0.irr t 'ipn; ,i> JhiOd|?VF N'«cumU
ihn li.'vH»'.'- \Y - np-h." \**U
^.oüSillMiiic'fl Cli!«ral-ChrtrÄf«fm im.- hryX. Chimulhydrivt
Prof*‘Wr* LIehrch'h’A Cli 1«nilhydrot rn lihr-vXn U^kcneq
UkmiliMp'ivn!. Iv-iUNfr-.;, il*-olut IsailF Mr.- It;i p.U'lF
Chifiikk* h)''dr«broiiflf< puriw» wlnh, zu snb* vtUtrj.-n in-
j» i'iionori. lP'-i \oji rhuiMiMiOh-vi.
.%rl«iip.ni Rttclieylic* |iorl*s. ndnif-V Efhowar
ihr dit* MeilToip
Aatnki» HuUeylfc. purlw. cry^i,, -v»tUk*?iTtwion «vuinih
von miiiti-n»; *ius-:lifli«-m UvsohuviH;!». F'C v*.».. h m hjehduVtl w.-,-.s
''o ;V .j : ,,. (,-V I’VnI ili.-ti. IF-.l i' ’ 1 1 V oll l, * '«i:-1» fcliiC HlVd jKrhlV, -du.-' l'.dh-
iic’ip’ \(p'üi’irtin 11 .. 111 W ’ind AU d'oi
t’riijiava^ Hiwi, ü Htl#ier*i» Orl^inalverpoetilene«A v : Cf>;fkji me^ini
Chemische Fabrik \on l‘. Schering.
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Rin I i n oidei 1 1 a l
•h-'hVtfe" Ü^.!n‘:h^ # 'Ixtt ? ■ J hFwdhrcp? M üt'0 ü'/ßvNA WafSfr*
'lh?til*1 inu;'(Tt‘h.t»UrthÄar»wvi.siiM^
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hficlit. : iVibp4tit- ; »iPrtrl 191 i UM*o
$ic Ifei' 400 . . t
prornpi I>r* Meyer,
' ‘ , Schwnti A |u.dfinbv, 7 ( iil|cii' , v. ('pfh^nti^Th
Berliner FabriD tur medioinisclie Verbandstofte
\ •' II T K;- :':••! • ‘1', r> ! ,rn- 1 i ;*.
lL|M>l l»eke* 8cdiu tv. Sjmmiaiicrstr, 77.
Verwandt^»chatt för tp|iip XHiidlyiiipliP niul neuere
MetHeaiiieiite.
ÖP.'o.'Ü. ^Cfevinv-if h<fx in Bpidiri
VcThig. und Mi^nibüiü von A.ugu'st 'Mi t's^h.wä.ld;in Bxdm
Df« BwlItMS* KltniscTi« WAäiieDOCftrift Mbeb'ein : joden
Montag in «Ist Stirb* *dh 14 Dogen jrr. 4,
Pt*»s rtertdiibrhci» 3 Sf»rt. f»>s»t-4}untr«?n a*nro«n
ä\U &uchU*ndlt<ng';n nhd Po«t* An&talHo *«h
^jtrse« rtojio' jrrafn t>*rtöfv«i u&. «lit Kfldaction
. f>'. W. Dot<41*«.b»'sh Tv TS J dä<?f JW «iS« .?«-•
iJH5f>uc)ib.Tiij*uni-'Yttf> ,»ugb?t ttirsVbvuld in Ber¬
lin (J>. W, Unter <Un Liader. 6<L) «W#trad«&_
KLINISCHE WXHENSCIIEIET
Organ für practiseli« Amte.
Mit Berücksichtigung <ler preußische« McHicinolvenvaltung und Medicinalgesetzgebung
üHeK &mt!ieiiejt MittheHrcngen.
Redacteur: Prof. Ör, L Wald^nkrg.
Verlaj
% von August fiirsctiwaU in
Mn
Montag, den 4. März 1878.
S*3 9.
Fünfsehnter Jahrgang.
litbai
I. Die Desertion der Rippen bei retrocostalen
Abseessen.')
Cm
L>r. Hermann l»o 8 «en f
' a. 0 . I’ruf^ur de», Ctt?ri>r^ i?i
Dtfc bt*i sagen wir ganz
aUgemei# bei TetrocoaiaUn Abcessow warde bekanntlich zuerst
van litt ser im Jahre lÜ5ÜAßau?lt.uch dor&uaf. Gfrirnrgie y .df^te
Auflage) vttrcwhlageB; Zvmk def O^eriiKo» war ii|# 'üaviernde
Erweiterung von Empy**mß^teiii, Welch», mogeii $ie not» aadi
der Pnnctioo, dem Sehöitt oder dem #pu »taueo A t>f brt(cb runiefc-
geblieben seitu eine ausserordentliche Tendenz mr Vcretigemrig
zeigen. Jedem Arate werden derartige Pigfehi mehrfach
*tjr Beobachtung gekommen die wijr. Mto£«:2ilo*ti*fi Von den
zusaninjengerückteu ftippen das Euwtringea kaum *dimr 8«nde r
geschweige denn das ei«er Aii^püle&oqie gestatteten; Die Kt*
Weiterung drirch SehriitO ttfitr i>^höHf‘g dareh die Branchen einer
Koruzati|fe. dtsreh • oder Lamimiiva hatten nur
Aorfibeigeherrderi Erfolg cid er wnrdeu durch ihre Wieder hot ung
ftei» Krankeii. uu*ftr4gbrh Es war daher eiii durchaus pracv
ti.'s her. toVhv deti Roser gab, als er für derartige FlilR das
Abträgen X oder '% Rippen in der jg&r.hsteu- NH in der Fist«!
empfahl, Ein im Jahre i Hi%5 v<»n 'aqf dRj>«j Wefce $pe-
rirter Fall einer ÄjiAhrigen Empyvmtistel zvigte durch >'dh(r nv^rhe,
in td Tageu effötgte fJoilmig, wrV richtig der ÜalcfÜ. gewesen,
Retter - hatte seitdem, wie er (< '■marall/lart für A'jx.iyut;«’;»*-' Rh TA,
No. 3*) heryorhehR noch mehrere dßFa?“%tt Rcsorüonvu mit gutetn
Erfolge äüsaeifihrt,- und andere .Chirurgen, warvb meinem JGispu iv
gefolgt. Gleichwohl hatte sich die up«rruii»n Ui fbn mo<o«n
Klinikern, welchen im grossen ganzen doch mehr Ernjivmue he-
gegnei), Wenig Anhänger erworben. Es map .dies wohl darin
seinen Grund haben. <!&.>* matt ?,icb dort noch bis v*>r knr/etn
strirt über Function mit Luffabschlo» und Ineision, Und dnh*--i
der Frmcthoi im. ganzen den Vorzug :gäb. Seitdem diese Frage
hauptsächlich durch di» Arbeiten von K,n > h taa u 1, 8 a rt e 1 >:
iitul Licht heim >jo «imlieK endgültig efit§üÜted‘»o i st, und mati
»ncht nur bei dem Em|>y'enia neccssitatis. spiuimi bei jedvV ett-
- V Nh^h cühdn auf der Vfir^uüiiiiOTJg ra itteh-hefü^cto Acrsve in
- a,. : >1. V.'iriragi.' ' 1 •
rige« Heontis den Schnitt, die sog. Kadicaloperation he für»
wortet, ist auch von diwr Seite dem Ro^er’sdjen Käthe Recht
AvitkrföhTim, und man vruüdejrt üfth» avIc Fxäouel in ZierusgerFs
i$pec- Latholugic mid Tberaj/ie bchaiipteu karm^ Roser hätte
not iier Kipp* nresecüön bei Empyem ehieu geblechten" Rath
g«gebe»;
Iw Jahre 18i>J hatte die Goicg«nhfiit t bei emern
^äjAljrig&» .Mann<&> welcher »eit l 1 s Jahre» an einem UnksnVRgtn
Empyetö mit Fistel litt, die sechste Ripp» in der AuAdehmiug ron
3 Ctm. Zn Tesecireu, Ido Absicht w»r. die Fistel, welch« sich
trotz einer au^iehigeu Risision wieder fernst hvatbs und 4m
Am$püfav mthweTt», pennarmut offen zu halten. Er
»Isn hleii» dem R o s er sehen Vonschlage. Nach /diiigen Wochen
mckitu itolcMfcn die \Vundx7btder wieder so dicht au m&üdetr
da^s r wie früher« nur eine doiiukr £oude p«a>^iren kiüiht-fL Zu-,
^hHch abftf wurde eenstsRirb da.»s die Eirerhf'hle bedeuteiid an
«hgeiiommeö hatte, und obgteieii unntnrhr das Auio
spöbu dos Empyeme den gleichen .SehwirrigkeiieU wie vorher
heifto die Fistel nach n Wochen yttll&lähäig aug.
IJiH Eifi^ev»knng der sechslen Hippe konnte hei einer : vjiätereu •.
Lfifhcsnchung tleuiticii erkannt werden»
Iifcstev Fall. wclciien Peita v y (Rer), ldin. Wochefischrift
Ojkttrc tü} m»ÜhniR, brachte Simon in de?* Aosiflu. <la<s
hier die bippeuiescrtior, nicht etwa durch die LnuOgiichimg
tAofU Eiterahftur^e^\ Mindern durch die eines Bin^läkehs»
■ der krppo h'ölomt g«wirkt hatte. i>»e Ver.kloVuornng' »los Ifntd-
ra«ime<. welche Uvi der Starrheit det AYhude vorher iilrni^lfeb
wa*\ wurde durch die Resrctipn puofuohT orreirdibar.i Und -••
ieütvjfj sich die Ahcc< «.^v/iindf an einander und verheilten.
Wir v$h**on.< fttoi* IVlastdAmfiNtglu io*hcn anderen trsd*<dmn
Äiifr dem Gründe hauptsächlich Äcliwer oder gar nicht liciku,
weil che dein Mo^tdarm zugokehrte Wand de? Fistol» dureb d;>-
häuffgioi f''0-ntractio.üt?fj des Bphiuctcr aiji ahgeheheu wird. W$f
opalte.M daher du* 4 m*?‘ v Lo .#!• h. wir durchfronn»» de»• ^pbWror.--
\Vir koMiimn tcrin.*! Kuociientistehi, welch» nach
'r trontra.br Hrquitrlw zuweilen zuruckhhaibAOA ttaid abatfdht ladn»
Tctuh nz #ur Heitiuig •birieu. §i» hestchoM dnh»v lang. Sondor
mini, kö gelangt man nicht etwa auf einen yoirfickg^diehofieiv
Se*po*steL. Nomtern in en-c mit •schiaffen Granulationen au^ta*
phzirte 1»nrc Jfhhle Itiose Hühfe k^mi sich .idtebt,.. .s'cliU^.s^n,
weil die stunrui Knoi heüwkudc ni.*ht an eionnder zu nedu u im
Go ole
114
No. 9
BERLINER KLINISCHE
Stande sind, und die Granulationen nicht verknöchern. Meisselt
man die hohen Ränder einer solchen leeren Cloake reichlich
ab, verwandelt man die tiefe Höhle in eine flache Grube, so
ziehen sich alsbald die nächstliegenden Weichtheile hinein, die
Knochenfistel heilt aus, es entsteht die bekannte eingezogene
Knochennarbe.
Bei den alten Empyemen finden sich ähnliche Verhältnisse
wieder. Die vordere Wand derselben wird von den Rippen und
Zwischenrippenräumen gebildet, die hintere von der Pleura pul-
monalis. Die Rippen, hinten an der Wirbelsäule durch ein
Gelenk, vorn am Sternum durch nachgiebige Knorpel, unter ein¬
ander durch Weichtheile verbunden, bilden gleichwohl einen
ziemlich starrwandigen Ring um das Cavum pleurae. Eine Ver- j
grösserung oder Verkleinerung des Raumes kann nur durch
Heben und Senken der einzelnen Rippen, niemals aber durch j
ein Gewölbter- oder Flacherwerden ihres Bogens erzeugt werden.
Eine Verkleinerung insbesondere des Thorax durch Nieder¬
ziehen oder Niederdrücken des ausgespannten Rippenbogens ist
unmöglich. Bei alten Empyemen steht nun schon die Thorax¬
hälfte in Exspirations-Stellung, die Rippen sind gesenkt, ja sie
rücken durch den Narbenzug an den Zwischenrippenräumen noch
dichter zusammen, oft stehen sie geradezu aufeinander. Das
Spatium intercostale ist verschwunden. Hier ist die Grenze der
Verkleinerung an der vorderen Wand des Empyems erreicht.
Die hintere, von der Lunge getragene Wand des Abscesses ist
beweglicher und nachgiebiger. Sie verdankt die Beweglichkeit
aber nur der hinter ihr liegenden Lunge und ist von dieser
durchaus abhängig. Entfaltet sich nach einer eitrigen Pleuritis
die Lunge wieder vollständig, so nähert sich die bewegliche hintere
Abscesswand der vorderen starren, eine vollständige Heilung
tritt in nicht allzu langer Zeit ein. Sind dagegen Verdichtungen
der Lunge zurückgeblieben, oder heften dicke Schwarten und
Pseudomembranen Theile der Lunge an tiefere Thoraxabschnitte
fest, so ist auch die hintere Abscesswand unnachgiebig geworden;
das Empyem verhält sich ganz ebenso, wie eine leere alte
Knochenkloake. Machen wir in solchen Fällen die vordere Wand
beweglich, indem wir aus einem oder mehreren Rippenbogen ein
Segment herausnehmen, so kann jedes Stück für sich dem Narben¬
zuge folgen, die Vorderwand nähert sich der starren hinteren,
der Abscess heilt.
Simon hatte seine Ansicht von diesem Heilungsvorgange
bereits 1870 in einer Versammlung mittelrheinischer Aerzte zu
Mannheim vorgetragen und in seiner Klinik stets gelehrt. Un¬
abhängig von ihm scheint Hein ecke auf den gleichen Gedan¬
ken gekommen zu sein und hat ihn in seiner Operationslehre
niedergelegt.
Drei in den letzten Jahren von Stehberger und Peitavy |
in Mannheim ausgeführte Rippenresectionen bei Empyemen haben j
die Simon’sche Ansicht direct bestätigt. Sie sind in der Berlin,
klin. Wochenschrift 1876 No. 19 und in den ärztlichen Mitthei¬
lungen aus Baden 1876 No. 18 veröffentlicht. Der letzte von
Stehberger publicirte Fall zeigt den Heilerfolg durch Retrac-
tion der Rippen am deutlichsten.
Einen weiteren Fall kann ich selbst mittheilen. Er bietet
auch sonst noch manches interessante.
lru October 1876 consultirte mich eine junge Dame von
19 Jahren. Sie hatte au der rechten Seite des Thorax in der
Linie der Mammilla eine kleine, enge, nässende Fistel, deren Rän¬
der etwas eingezogen und fest mit den zunächstliegenden Rippen,
der 6. und 7., verwachsen waren. Die Anamnese, die ich theils
der Mutter der Patientin, theils dem früher behandelnden Arzte
verdanke, ergab: Als das Mädchen 2 Jahre alt war, fand die
Mutter bei dem Baden auf der rechten Seite des Thorax eine
Geschwulst, die der zugezogene Arzt als einen sich cntwickeln-
WOCHENSCHR1FT.
den Abscess behandelte und welche nach 8 Tagen auf brach.
Nach Entleerung einer reichlichen Menge Eiters wurde sondirt.
Man constatirte einen praecostalen Abscess, der einen harten
beweglichen Körper enthielt. Mit der Kornzange wurde zum
nicht geringen Erstaunen der Mutter und des Arztes eine 7 Ctm.
lange Stopfnadel herausgezogen. Wie und wo dieselbe einge¬
drungen, darüber war und ist nichts zu erfahren; das Wartper¬
sonal des Kindes konnte oder wollte darüber nichts aussagen.
Offenbar war die Nadel von aussen her eingedrungen und
durch die respiratorischen Bewegungen des Thorax vollständig
hineingeschlüpft. Uebrigens schloss sich nach dem Aufbruche
die Fistel nicht wieder. Sie entleerte meist wenig Eiter; nur
zeitweise wurden durch heftige Hustenstösse oder bei dem Lachen
grössere Mengen ausgestossen. Solchen Entleerungen gingen
dann regelmässig leichte Fiebererscheinungen voraus. Das Kind
entwickelte sich langsam, blieb etwas im Wachsthum zurück,
war aber dabei trotz der nicht versiechenden Eiterquelle in
leidlichem Ernährungszustände. Von Seiten der Lungen oder
der Pleura wurden keinerlei Symptome beobachtet.
Im 11. Jahre des Kindes wurde von Dr. Cahn aus Mann¬
heim, der nunmehr die Behandlung übernommen hatte, eine über
Zoll grosse Incision von der Fistel aus nach innen und vorn
ausgeführt. Man gelangte jetzt in eine hinter den Rippen ge¬
legene Tasche, welche die Sonde ca. 8 Ctm. eindringen Hess.
Von entblösstem Knochen keine Spur. Es folgten hierauf täg¬
liche Ausspülungen mittelst elastischen Catheters. Der Eiter
hatte guten Abfluss; aber eine Verkleinerung der Tasche war
nicht wahrzunehmen. Die Fistel dagegen wurde mit der Zeit
wieder ganz eng.
6 Jahre später, während deren die Kranke mit ihrer stets
eiternden Fistel kaum noch in ärztlicher Behandlung stand,
wurde von Simon eine nochmalige Spaltung vorgenommen.
Die Rippen waren damals so eng auf einander gerückt, dass
die Fingerspitze nicht eindringen konnte. Wiederum mehr-
wöchentliches Ausspülen ohne dauernden Erfolg.
Als ich Patientin zum ersten Male sah, konnte ich mit der
feinsten Sonde eben eindringen und gelangte in einen engen
Gang, der sich gegen den Proc. xiphoid. hin erstreckte. Ex-
cursionen waren unmöglich, da die Fistelränder die Sonde eng
umfassten. Dies konnte unmöglich alles sein, was hinter den
Rippen steckte, und ich schlug daher, um besseren Zugang zu
schaffen, die Resection einer oder zweier Rippen vor. Es war
dies auch, wie ich später erfuhr, der Vorschlag, den Dr. Cahn
im Vereine mit Dr. Peitavy gemacht hatte. Erst Mitte Januar
1877 entschloss sich die Kranke zu der Operation, die ich unter
gütiger Assistenz der oben genannten Collegen, am 18. Januar
ausführte. Es wurden die 6. und 7. Rippe je in der Ausdeh¬
nung von 2 Ctm. mit der Kettensäge resecirt. Nachdem die
Weichtheile zwischen den Rippen gespalten waren, gelangte man
in eine faustgrosse Höhle, welche sich nach aussen gegen die
Axillarlinie hin erstreckte und ziemliche Mengen eines rahmigen
Eiters entleerte. Ausspülung mit 5% Carbolsäure, Drainage,
Watteocclusion. Die Reaction war sehr unbedeutend. Die Tem-
I peratur stieg nur in den ersten drei Tagen bis zu 39°, dann
fiel sie zur Norm zurück. In der Folge werden täglich Aus¬
spülungen mit schwachen Carbollösungen vorgenommen. Die
Höhle verkleinert sich sichtlich, die zunächstliegenden Rippen
sinken deutlich ein. Patientin, deren Allgemeinbefinden in den
letzten Monaten vor der Operation sehr gelitten, bekommt Appetit
und erholt sich zusehends. Ein kleiner, wahrscheinlich in Folge
der Nekrose einer Sägefläche entstandener praecostaler Abscess
ward geöffnet, der kleine Sequester extrahirt.
Im März waren die Rippenenden durch die Narbenretraction
so sehr an einander gerückt, dass das Offen halten der Fistel zur
Original fro-m
UNIVERSITf OF MICHIGAN
4. März 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
115
Ausspülung wieder erheblichen Schwierigkeiten begegnete. Dabei
konnte immerhin noch eine ca. 6 Ctm. tiefe Tasche constatirt
werden.
Wir schlugen der Kranken eine nochmalige Resection vor
und entfernten am 10. April 1877 von der oberen Rippe 3 1 /*
von der unteren 1V* Ctm. Es lag nun fast die ganze, ein Dau¬
menendglied eben fassende Tasche frei vor uns; nur ein 2 1 /* Ctm.
langer Blindsack erstreckte sich noch hinter die Rippen. Ver¬
band wie früher. Keine Reaction. Nach 4 Wochen war die
Hohle für Catheter No. 12 gerade weit genug, 2 Ctm. tief. Die
Rippen zeigten sich noch stärker wie früher eingesunken. Die
Kranke geht aus, hat prächtigen Appetit und sieht vortrefflich
aus. In der Folge stiessen sich, wie der behandelnde Arzt Dr.
Cahn mir gütigst mittheilte, einige kleine Stückchen der Säge¬
flächen ab, welche noch ein längeres Nässen der kurzen Fistel
unterhielten.
Der mitgetheilte Fall scheint mir durch die Misserfolge
zweier einfachen Incisionen und wegen der nicht zu verkennen¬
den NothWendigkeit einer zweiten, ausgiebigeren Resektion so
recht beweisend für die Simon’sche Ansicht und lehrt, dass
man in der Grösse der zu entfernenden Stücke nicht zu spar¬
sam sein soll.
II. Ueber Myelogene Leukämie.
Von
Professor EL Weltmann in Königsberg i. Pr.
(Fortsetzung).
Nachdem ich hiermit den „blutbildenden“ Organen ihren
angezweifelten Einfluss auf die Entstehung der Leukämie aufs
neue gesichert zu haben glaube, kehre ich zu der Frage zu¬
rück, welche Stellung wir dem Knochenmarke in dieser Ange¬
legenheit gegenüber der Milz und den Lymphdrüsen zuzuweisen
haben? Wie sehr gegenwärtig noch die Meinungen hierüber
auseinandergehen, ist jedem mit der neueren Literatur über
Leukämie vertrauten bekannt.
Während Mosler 1 ) und Ponfick 2 ) der myelogenen Form
der Leukämie die Gleichberechtigung mit der lienalen und
lymphatischen zugestanden haben, hat Zenker*) noch kürz¬
lich sich beiläufig (ohne Angabe von Gründen) dahin aus¬
gesprochen, dass „die Bedeutung der Milz für die Leukämie
im Vordergründe stehen bleibe“; und dass es auch nicht
an Autoren fehlt, welche immer noch ausschliesslich bei
Leukämischen ihr Augenmerk auf Milz und Lymphdrüsen
richten und sich von der Wichtigkeit des Knochenmarkes
nicht überzeugt haben, geht daraus hervor, dass es selbst
in pathologischen Instituten noch nicht allgemeine Regel ge¬
worden ist, bei der Autopsie letzteres einer Untersuchung zu
unterwerfen. Ich selbst hatte mich bei der Mittheilung meiner
ersten Beobachtung über leukämische Knochenmarkserkran¬
kungen, da ein einzelner Fall keine allgemeinen Schlüsse
zuliess, darauf beschränkt, es wahrscheinlich zu machen, dass
in diesem speciellen Falle bei der Entstehung der Leukämie
die Veränderung des Knochenmarkes als „wesentlicher Factor“
mitgewirkt habe, und ich fügte die Bemerkung hinzu, dass ge¬
wisse Thatsachen, nämlich das Vorkommen bedeutender Milz-
und Lymphdrüsentumoren ohne Leukämie einerseits und die
1) Mos ler. klinische Symptome uud Therapie der medullären Leuk¬
ämie. Berl. klin. Wochenschr. 1876, No. 49.
2) Ponfick, weitere Beiträge zur Lehre von der Leukämie.
Virchow’s Archiv, Bd. 67, Sep.-Abd. p. 15.
3) Zenker, über die Charcot’schen Krystalle. Deutsches Archiv
für klinische Medicin, Bd. 18, p. 134.
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Beobachtungen über Leukämie ohne nachweisbare erhebliche
I Affectionen dieser Organe andererseits sich in befriedigender
Weise aufklären würden, „wenn durch weitere Untersuchungen
sich die Erkrankung des Knochenmarks als der allein constante
Befund bei der Leukämie heraussteilen sollte, welchem gegen¬
über die Milz- und Lymphdrüsen-Affectionen nur eine acciden-
telle Bedeutung hätten 1 )“.
Zur endgültigen Entscheidung der aufgeworfenen Frage
erscheint nun freilich das oben gesammelte Material noch
keineswegs völlig ausreichend, dennoch berechtigt es uns zu
gewissen Aufstellungen.
1. Als ein unbestreitbarer Gewinn, zu welchem jene Be¬
obachtungen uns verholfen haben, erscheint mir zunächst die
Erkenntniss, das es Fälle von Leukämie giebt, bei deren
Entstehung andere Ursachen als eine Erkrankung des
Knochenmarks nicht nachweisbar sind, Fälle also, die
wir als reine myelogene Leukämien bezeichnen dürfen. Den
besten Beweis hierfür liefert die sorgfältige Beobachtung Litten’s
(Fall 1), wo von sämmtlichen „blutbildenden“ Organen nur das
Knochenmark eine wesentliche pathologische Veränderung zeigte,
während die Lymphdrüsen „nirgend geschwollen“ waren, und in
der Milz nur eine „geringe Hyperplasie der Follikel ohne
Massenzunahme des Organes“ bestand. Für jeden, der von
der Richtigkeit der Ansicht überzeugt ist, dass eine Leukämie
nur aus einer Erkrankung gewisser Körperorgane, nicht aber
aus pathologischen Vorgängen im Blute selbst hervorgehen
kann, muss es in diesem Falle unzweifelhaft sein, dass das
Knocheumark der primäre und ausschliessliche Herd der Krank¬
heit war. Dasselbe gilt, wie wir trotz der Un Vollständigkeit
der bisher vorliegenden Mittheilung vermuthen dürfen, vielleicht
auch für den Fall von Englisch (2), sowie für den von Bro-
dowski (3) und für einige der in der zweiten Gruppe oben
zusammengestellten Fälle von Waldeyer, Immermann und
Ponfick. Auf eine nähere Erörterung der Frage, in wie weit
für letztere Fälle auch eine andere Deutung des Befundes zu¬
lässig erscheint, will ich hier nicht eingehen, da es mir zunächst
genügt, constatirt zu haben, dass die Existenz einer reinen
myelogenen Leukämie durch eine unzweideutige Beobachtung
sicher gestellt ist.
2. Für die richtige Würdigung derjenigen Fälle, in welchen
der anatomische Befund eine Combination von pathologischen
Zuständen der Milz, Lymphdrüsen und des Knochenmarks er-
giebt, erscheint es ferner von grosser Bedeutung, dass, wie sich
aus dem gesammelten casuistischen Material ergiebt, zwar
Leukämien ohne nachweisbare Erkrankung der Milz und Lymph¬
drüsen Vorkommen, dass aber bisher noch kein Fall von
Leukämie beschrieben ist, in welchem das Knochen¬
mark (bei vorgenommener Untersuchung) sich als normal
erwiesen hätte, und es dürfte auch kaum wahrscheinlich
sein, dass nachdem von mir die Frage nach der Constanz der
Knochenmarkserkrankuug bei der Leukämie aufgeworfen worden,
ein solcher Fall von zuverlässiger Seite beobachtet worden, ohne
zur Oeffentlichkeit gelangt zu sein. Es steht somit vorläufig
der Annahme nichts entgegen, dass die Leukämie constant
mit einer pathologischen Veränderung des Knochenmarks ver¬
bunden sei. Nur in scheinbarem Widerspruch hiermit steht
1) Die citirten Sätze aus meinem früheren Aufsatze (L c. p. 12)
zeigen, dass es vollständig unbegründet ist, wenn Ponfick mir den
Vorwurf gemacht, ich hätte, gestützt auf meine Beobachtung, zu weit¬
gehende Schlussfolgerungen hinsichtlich des Ursprunges der Leukämie
aus dem Knochenmarke gezogen, und wenn er meint, von mir angeblich
aufgestellte Behauptungen dadurch widerlegt zu haben, dass er in einem
Falle (auf den ich unten zurückkomme) das Knochenmark gesund ge¬
funden haben will.
Original fmm
UNIVERSfTY OF MICHIGAN
116
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 9
eine Mittheilung von Ponfick; denn eine genauere Prüfung der
von demselben über seine Beobachtung gemachten Angaben er-
giebt, dass dieselben die ihnen beigelegte Bedeutung nicht ver¬
dienen.
Die erste flüchtige Erwähnung des Falles findet sich in
einer Anmerkung, welche Ponfick dem Referate über meine
erste Beobachtung leukämischer Knochenmarkserkrankung im
Centralblatt f. d. medic. Wissensch. 1870, p. 119 hinzufügte;
hier wird das Mark als stark geschwollen und dunkel grau-
roth gefärbt beschrieben und angegeben, dass die microsco-
pische Untersuchung eine „bedeutende Hypeqdasie der zei¬
tigen Bestandteile" nebst „vielen blutkörperchenhal-
tigeu Zellen" erkennen liess. In seinem Aufsatz „über die
sympathischen Erkrankungen des Knochenmarks bei inneren
Krankheiten" (Virchow’s Archiv, Bd. 56) ergänzt Ponfick
diese Beschreibung nur durch die Angabe, dass die Verände¬
rung auch das Mark der Röhrenknochen betraf und in seinen
„weiteren Beiträgen zur Lehre von der Leukämie“ (Virchow’s
Archiv, Bd. 67) fügt er weiter hinzu, dass in dem Marke „die
so characteristische (?) Anhäufung dicht gedrängter lymphoider
Elemente kleinster Art", sowie „Uebergaugsformen" fehlten; er
bezeichnet hier übrigens im Widerspruch mit den ersten An¬
gaben die Schwellung und Suceulenz des Markgewebes als
„massigen Grades".
Auf Grund dieses Untersuchungsbefundes, dessen Beschrei¬
bung auf Vollständigkeit kaum Anspruch machen kann, war
Ponfick jedenfalls zu d^* Behauptung berechtigt, dass hier
die von mir in meinem ersten Falle beschriebenen Ver¬
änderungen des Knochenmarks nicht Vorlagen; sehr auffallen
aber muss es, wenn er den Befund geradezu als einen „nega¬
tiven" auffasst und aus demselben folgert, dass „die Betheili¬
gung des Knochenmarks, so wenig wie die der Lymphdrüsen
und der Milz ein constantes Vorkomnmiss bei der Leukämie
bilde". Hatte doch schon die Waldeyersehe Beobachtung,
welche meiner ersten Veröffentlichung bald folgte, ergeben,
dass der Character der leukämischen Knochenmarkserkrankung
nicht immer derselbe ist, wie ich ihn zufällig bei meiner ersten
Beobachtung angetroffen hatte, und dass an Stelle des von mir
beschriebenen eiterähnlichen Aussehens die macroscopische Be¬
trachtung des Knochenmarks eine viel weniger auffällige Be-
schaffenhenheit desselben darbieten kann! Mein zweiter Fall so¬
wie mehrere spätere Beobachtungen und sogar Ponfick’s
eigene letztpublicirten Fälle bestätigen dies, so dass dieser
Autor selbst sich veranlasst gesehen hat, die Fälle von leuk¬
ämischen Knochenmarkserkraukuugen in 2 Gruppen zu sondern
und denjenigen Beobachtungen, in welchen das Mark einem
dicken gelblichen Eiter gleicht, andere gegenüber zu stellen, wo
„das Mark eine grauröthliche bis fleischrothe Farbe besitzt und
eine saftige und glänzende, mehr oder weniger ausgesprochene
gallertige Beschaffenheit zeigt".
Vergleiche ich diese Beschreibung mit den obigen Angaben
Ponfick’s über seinen angeblich „negativen" Befund, so ver¬
mag ich in Bezug auf das macroscopische Apercu keinen wesent¬
lichen Unterschied auizufinden und auch die Bemerkung Pon- |
fick’s, dass bei einem jugendlichen Individuum (es handelt !
sich um eine 21jährige Frau) ein grösserer Gefässreichthum
des Markes und eine wesentlich lymphoide Grundlage des Ge¬
webes nicht Wunder nehmen kann, genügt nicht, um den nor¬
malen Zustand des Knochenmarks zu erweisen und den Ver¬
dacht des Vorhandenseins einer leukämischen Erkrankung von
dem Character jener zweiten Gruppe auszuschliessen.
Ebensowenig erscheinen die kurzen Notizen über den
microscopisclien Befund hierzu geeignet. Dieselben deuten viel- j
mehr mit einiger Wahrscheinlichkeit gerade auf ein patho¬
logisches Verhältniss hin; denn die erwähnte „starke zellige
Hyperplasie“ (die übrigens nicht durch genauere Analysen des
Befundes motivirt wird) lässt doch jedenfalls auf einen sehr
grossen Reichthum an lymphoiden Zellen schliessen, welcher,
ebensowenig als die vielen blutkörperchenhaltigen Zellen dem
normalen Zustande des Markes in den Röhrenknochen eitfer
erwachsenen Person entspricht. Was aber die beiden anderen
von Ponfick erhobenen Befunde, nämlich das Fehlen der „so
characteristischen Anhäufung dichtgedrängter lymphoider Ele¬
mente kleinster Art“ und das Fehlen der „Uebergangs-
formen“ betrifft, so will ich nur bemerken, dass durchaus nicht
in allen Fällen leukämischer Knochenmarkserkrankung lymphoide
Zellen kleinster Art einen hervorragenden Bestandtheil des
Markgewebes bilden (so in meinem ersten Falle, in dem Falle
von Litten u. a.), und dass, wie bekannt, das Fehlen kernhal¬
tiger rother Blutzellen (sogan. „Uebergangsformen") anstatt für
die Integrität des Knochenmarkes zu sprechen, gegentheils
vielmehr gerade eine Abnormität, wenigstens für die spongiösen
Knochen, auzeigt.
Ich glaube somit, dass auch diese in Ansehung der Wichtig¬
keit, welche man ihr beigelegt hat, hier ausführlicher besprochene
Beobachtung Ponfick’s nicht den Beweis dafür zu liefern ver¬
mag, dass es Leukämien giebt, bei welchen das Knochenmark
seinen normalen Zustand bewahrt, und es bleibt vorläufig ab-
zuwarteu, ob weitere Beobachtungen diesen Beweis bringen
! werden. Für die gegenwärtige Sachlage ist es gewiss characte-
ristisch, dass in einer kürzlich in den Schmidt’schen Jahr-
i büchern erschienene Zusammenstellung einer grösseren Zahl
von Leukämie-Fällen*) zwar eine besondere Gruppe vou Krank-
i heitsfällen unterschieden wird, welche sich durch eine „vor-
| wiegende" Betheiligung des Knochenmarks auszeichneten,-dass
. aber in den daneben gestellten Rubriken die Leukämia splenica
und der Leukämia lymphatica nur solche Fälle aufgeführt
werden konnten, in welchen eine Untersuchung des Knochen¬
markes entweder nicht vorgenommen worden war, oder wo die
' Untersuchung gleichfalls eine hochgradige Erkrankung desselben
; ergeben hatte, so z. B. die oben erwähnten Fälle von Kuessner.
3. Nachdem die Thatsache, dass eine Erkrankung des
Knochenmarkes ohne Mitwirkung der Milz und Lymphdrüsen
Leukämie hervorrufen kann, ausser Zweifel gestellt sein dürfte,
und nachdem wir gesehen haben, dass das bisher vorliegende
| Beobachtungsmaterial der Annahme von der Constanz einer
! Knochenmarksaffection bei der Leukämie günstig ist, ergiebt
sich als unmittelbare Consequenz, dass der seit Virchow’s
Arbeiten bei der grossen Mehrzahl der Autoren als unumstöss-
lich geltende Satz, dass eine Leukämie aus Erkrankungen
der Milz oder Lymphdrüsen hervorgehen kann, einer
neuen Prüfung und Feststellung bedarf; die früher für
denselben beigebrachten Beweise haben die Knochenmarks¬
affection unberücksichtigt gelassen, und in neuerer Zeit ist kein
einziger Fall zur Beobachtung gelangt, welcher in
ebenso unzweideutiger Weise durch Ausschliessung
jeder Betheiligung des Knochenmarks die Möglichkeit
eines lienal - lymphatischen Ursprungs erwiese, wie
die Litten’sche Beobachtung, in welcher Milz und
Lymphdrüsen ganz unverdächtig waren, die Existenz
einer Leukämie myelogenen Ursprungs darthut. Wenn
demnach jemand gegenwärtig an der Lehre von der lienalen
oder lymphatischen Leukämie festhält und die Ueberzeugung
vertritt, dass die Richtigkeit derselben hinreichend begründet
sei, so wird man von demselben den Beweis erwarten müssen,
1) Riemer: Ueber Leukämie und Pseudoleukämie. Sc hmidt’s
Jahrb. 1876, No. 12.
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
4. März 1378.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
117
dass in solchen Fällen, wo Leukämische neben einer Erkrankung
des Knochenmarkes Milz- oder Lymphdrüsentumoren darboten,
in der Erkrankung des ersten Organs nicht die Quelle der
Blut Veränderung gesucht werden durfte. Fragen wir aber, in
wie weit dieser Aufgabe bisher genügt ist, so müssen wir zu
dem Resultate gelangen, dass die in dieser Hinsicht gemachten
Versuche durchaus ungenügend ausgefallen sind, und dass sich
einem solchen Beweise überhaupt grosse Schwierigkeiten ent¬
gegenstellen.
Es würde sich nämlich darum handeln, entweder klinisch
festzustellen, dass die leukämische Beschaffenheit des Blutes
bereits zu einer Zeit vorhanden war, in welcher zwar die Milz-
resp. Lymphdrüsenerkrankungen bestanden, in der jedoch das
Knochenmark noch intact war, oder aus der Qualität der Blut¬
veränderung die Abhängigkeit derselben von der Milz- resp.
Lymphdriisenerkrankung zu demonstriren. In ersterer Beziehung
hat Ponfick eine von ihm mitgetheilte Beobachtung (Fall 7)
verwerthet und aus derselben den Schluss ziehen zu dürfen
geglaubt, dass der Beginn "einer leukämischen Blutveränderung
mit einer primären Erkrankung der Milz zusammenfallen und
erst in weiterer Folge eine Knochenmarksaffection sich hinzu¬
gesellen könne. Leider muss ich auch hier dem geehrten Autor
entgegentreten und behaupten, dass seine Beobachtung nicht das
beweist, was sie beweisen soll.
Wie bereits oben angegeben, hatten sich in diesem Falle
bei einem 37jährigen Manne die Symptome der Leukämie zu
entwickeln begonnen, nachdem er ungefähr ein Jahr zuvor einen
Hufschlag in der linken Seite -erhalten, und in Folge dessen
einige Zeit hindurch an Schmerzen daselbst gelitten hatte, die
sich auch später nach längerer Pause wiederholten; die Krank¬
heit führte in einem etwa 7J ä h r ig en Zeitraum zum Tode, und
die Section zeigte neben remarkabeln Alterationen des Knochen¬
marks in der Milz den Befund einer alten schwieligen Perisple¬
nitis (Verdickungen und feste Verwachsungen); die Dimensionen
der Milz selbst (15 1 / 2 Ctm. lang, IIV 2 Ctm. breit, 7 Ctm. dick)
überstiegen wenig die normale Grenze, und ihr Gewebe zeigte
auch auf dem Durchschnitt durchaus kein sehr abweichendes
Verhalten (hellgrauroth mit einzelnen schwarzrothen fleckigen
Herden, Weich, glatt und glänzend, die Follikel wenig hervor¬
tretend), die Lymphdrüsen nirgends nennenswerth vergrössert.
Diesen Angaben zufolge habe ich den Ponfick’schen Fall in
die Reihe derjenigen Beobachtungen stellen zu müssen geglaubt^
in welchen die geringe Affection der Milz- und Lymphdrüsen
im Missverhältnis steht zu dem Grade der leukämischen Blut¬
degeneration (die farbigen und farblosen Zellen verhielten sich
wie 10: 1), und Ponfick selbst hat zugestanden, dass die Mark¬
erkrankung die lienale weit überflügelt hatte; trotzdem glaubt
er in Berücksichtigung des vorangegangenen Trauma’s, welches
die Milzgegend betroffen und sowohl durch die klinischen als
die anatomischen Erscheinungen constatirt sei, in der Milz den
Ausgangspunkt der Leukämie sehen zu müssen, wobei er die
Yermuthung ausspricht, dass die perisplenitischen Schwarten
eine weitere Ausdehnung der Milz verhindert und ihr Zurück¬
bleiben hinter der secundär hinzugetretenen Hyperplasie des
Knochenmarks veranlasst hätte.
Ich muss hiergegen zunächst bemerken, dass, wenn wir uns
der Schwankungen erinnern, welche das Milzvolumen auch unter
ganz normalen Verhältnissen darbietet, die Annahme einer „fri¬
schen leukämischen Hyperplasie” der Milz im vorliegenden Falle
eigentlich nur auf der kurzen microscopischen Notiz Ponfick's
beruht, dass „eine kleinzellige Neubildung innerha lb bescheide¬
ner Grenzen” stattgefunden hatte. Vorausgesetzt aber, wofür
ja allerdings die Wahrscheinlichkeit spricht, d.'.ss die Milz wirk,
lieh pathologisch vergrössert war, können wir dann wirklich
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mit Ponfick behaupten, dass „eine causale und bedingende
Beziehung zwischeu jenem Hufschlage und der Entwickelung
der Leukämie mit aller der Sicherheit, deren die objective For¬
schung auf ätiologischem Gebiete fähig ist,” anzunehmen sei?
Sind genügende Gerantien vorhanden, dass wir uns hiermit nicht
dennoch des Fehlschusses post hoc ergo propter hoc schuldig
machen? Ich meinerseits muss diese Fragen verneinen. Dass
das Trauma eine chronische Perisplenitis zu Wege gebracht hat,
lässt sich allerdings aus der Uebereinstimmung der klinischen
Erscheinungen mit dem anatomischen Befund mit Bestimmtheit
folgern; dass diese Perisplenitis eine Hyperplasie des Milzgewebes
nach sich gezogen, oder dass letztere als Coeffect derselben
Ursache, des Traumas, sich entwickelt habe, ist bereits nichts
weiter, als eine Vermuthung, da die Krankheitsgeschichte nicht
ergiebt, wie lange bereits die Milzschwellung bestanden hatte,
und ob ihr Auftreten zurück zu datiren war auf die Zeit, in
welcher die Milzkapsel in Folge der mechanischen Einwirkung
erkrankte; noch weniger aber ist der Causalnexus zwischen
dieser, wie gesagt, jedenfalis sehr mässigen Milzhyperplasie und
der Leukämie erwiesen, da wiederum gar keine Angaben über
die zeitliche Aufeinanderfolge beider Phänomene existiren. Wenn
demnach auch die Richtigkeit von Ponfick’s Annahme, dass
das voran gegangene Trauma eine Milzschwellung bewirkt habe,
zugestanden würde, so würde eine Ableitung der Leukämie aus
letzterer nur dann statthaft sein, wenn es durch anderweitige
Beobachtungen bereits feststände, dass eine Hyperplasie der
Milz zur Leukämie führen könne; ein Beweis für letzteres kann
daher in der Ponfick’schen Beobachtung nur auf dem Wege
eines Circulus vitiosus gefunden werden.
Einen zweiten Fall, in welchem aus der Aetiologie auf
eine primäre Erkrankung der Milz als Ursache der Leukämie
geschlossen worden ist, obwohl die Autopsie neben einem Milz¬
tumor eine sehr hochgradige characteristische Erkrankung des
Knochenmarkes nachwies, hat Mosler (1. c.) mitgetheilt. Der
Kranke hatte nämlich nicht nur längere Zeit an Intermittens
gelitten, sondern auch durch einen Stoss gegen den Sattelknopf
beim Besteigen eines Pferdes eine heftige Quetschung der linken
Bauchseite erlitten, wodurch ein entzündlicher Zustand der Milz¬
gegend herbeigeführt wurde. Da die klinische Beobachtung
jedoch erst in einer Zeit begann, wo eine grosse Schmerzhaftig¬
keit des Sternum das Vorhandensein der Knochenmarksaffection
bekundete, erscheint auch dieser Fall nicht geeignet, um den
Zweifel zu beseitigen, dass erst durch letztere die bedeutende Ver¬
mehrung der farblosen Zellen im Blute zu Stande gekommen war.
Hieran anschliessend will ich dem Einwande begegnen, dass
in einer grösseren Zahl von Fällen, worauf in neuerer Zeit be¬
sonders Mosler 1 ) hingewiesen hat, ein Zusammenhang zwischen
Intermittens und Leukämie beobachtet worden ist, und dass in
diesen Fällen eine Entstehung der Blutkrankheit aus dem Milz-
tumor um so wahrscheinlicher sei, als Mosler in einem der¬
artigen, von ihm als Melanoleukämie bezeichneten Falle con-
statirte, dass die im Blute vorhandenen farblosen Zellen Pig¬
mentkörner enthielten, wie die Zellen der Milzpulpe bei Inter¬
mittens. Dieser Einwand hat, wie mir scheint, seine Bedeutung
dadurch vollständig verloren, dass Arnstein*) kürzlich gezeigt
hat, dass eine Melanose des Knochenmarks bei Malaria sich
ebenso constant ausbildet, als eine Melanose der Milz, und dass
das Pigment in dem Blute wahrscheinlich weder aus dem einen,
1) Mosler, PiUli-.InJe u. Therapie der Leukämie, p. 119—120.
2 ) Arnstein, Leber Melanaeinie u. Melanose, Vlrehow’s Archiv,
Bd. 61. p. 500. Vgl. auch Kelseh: eoniribution a ranafomie patliologinue
des raaladies palustres endrmiques. Archive de physiol. norm, et path.
1875, p. 690.
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Original from
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ns
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 9
noch aus dem anderen Organe herstammt, vielmehr primär im i
Blute entsteht. Von anderen ätiologischen Beziehungen, welche
auf eine ursprüngliche Erkrankung der Milz als Quelle der Leuk- I
ämie hinweisen, ist nach der umfassenden Darstellung Mos- j
ler’s nichts bekannt, und was die Lymphdrüsen betrifft, so l
lasseu Fälle, wie die von Virchow (gesammelte Abhandlungen, !
p. 198, 99) u. a. mitgetheilten, in welchen durch die raicrosco- j
pische Untersuchung des Blutes festgesteilt wurdfe, dass die Ver¬
mehrung der farblosen Zellen erst eintrat, nachdem bereits län¬
gere Zeit hindurch bedeutende Lymphdrüsentumoren bestanden
hatten, auch die Deutung zu, dass die Leukämie erst zu Stande |
kam, als eine Erkrankung des Knochenmarks zu der der Lymph- i
drüsen sich hinzugesellte, während letztere für sich nicht genügte, j
um einen solchen Einfluss auf die Blutmischung auszuüben.
Fragen wir nun aber weiter, welche Gründe der Unter- I
suchung des Blutes entnommen werden können, um daraus einen
lienal-lymphatischen Ursprung der Leukämie darzuthun, so scheint
hier vor allem die von Virchow ermittelte und vielfach be¬
stätigte Thatsache beachtenswerh, dass die Qualität der farb¬
losen Zellen im leukämischen Blute eine verschiedene zu sein
pflegt, je nachdem im klinischen Krankheitsbilde die Schwelluug
der Milz oder die der Lymphdrüsen prävalirt: während nämlich
im ersten Falle in der Regel verhältnissmässig grosse, entwickelte
Zellen mit mehrfachen, seltener einfachen Kernen im Blute
circuliren, findet man im letzteren Falle die Mehrzahl der Ele¬
mente als kleine Zellen, welche fast vollständig von einem ein¬
fachen, runden Kerne ausgefüllt werden, oder als scheinbar freie,
kleine Kerne. Indem Virchow in den Zellen ersterer Art Ab¬
kömmlinge des Milzparenchyms, in den Elementen der zweiten
Art dagegen Bestandtheile der Lymphdrüsen erblickte, gelangte
er dazu, gerade in dieser Verschiedenheit der Blutveränderung
einen wichtigen Beweis für die genetische Abhängigkeit derselben
von der Milz resp. den Lymphdrüsen zu finden. So bestechend
diese Argumentation erscheinen mag, so lassen sich doch auf
Grund der am Knochenmarke gemachten Erfahrungen Bedenken
gegen dieselbe erheben, wie sich am besten aus einer Gegen¬
überstellung der beiden von mir selbst beschriebenen Fälle von
Leukämie mit Erkrankung des Knochenmarks ergeben wird.
In der ersten Beobachtung (Archiv der Heilkunde XI) war
neben einer nicht erheblichen Schwellung gewisser Lymphdrüsen
(Mesenterial-, Inguinal- und Beckendrüsen) ein sehr bedeutender
Milztumor und eine vollständig puriforme Beschaffenheit des
Markes in den Knochen gefunden worden, das Blut enthielt
farblose Zellen von 0,008 bis 0,013 Mm. Durchmesser mit ein-
„ fachen oder doppelten Kernen; die zelligen Elemente des Knochen¬
marks waren von derselben Beschaffenheit, schwankten jedoch
innerhalb weiterer Grenzen (0,003 bis 0,0165 Mm.); in dem zwei¬
ten Falle dagegen (Archiv der Heilkunde XIII) bot das Blut
das exquisite Bild einer Lymphämie Virchow’s dar, indem das¬
selbe einen ausserordentlichen Reichthum an kleinen farblosen
Körperchen von 0,003 bis 0,005 Mm. zeigte, die grösstentheils
von nackten Kernen sich nicht unterscheiden Hessen, und neben
welchen nur spärliche, etwas grössere Zellen (in maximo 0,01 Mm.)
vorhanden waren; die Autopsie ergab zwar in der That eine
beträchtliche Schwellung der Lymphdrüsen in der Bauchhöhle
und ausgedehnte lymphatische Infiltrationen des mediastinalen
und subpleuralen Fettzellgewebes, ausserdem aber bestand eine
colossale Milzvergrösserung (die Milz hatte nahezu die gleichen
Dimensionen wie im ersten Falle) und eine starke Hyperplasie
des Knochenmarkes, welches eine graurothe Farbe und etwas
gallertige Beschaffenheit hatte, und sich ebenso wie Milz- und
Lymphdrüsengewebe durch die genaue Uebereinstimmung seiner
Zellen mit den beschriebenen Elementen des Blutes auszeichnete,
sie stellten sich „fast ausschliesslich als kleine freie oder von
sehr schmaler Protoplasmalage umschlossene Kerne“ dar, grössere,
den gewöhnlichen Markzellen entsprechende Formen waren nur
vereinzelt aufznfinden.
Hier zeigt sich demnach, dass, obwohl in beiden Fällen
ein fast gleich grosser Milztumor bestand, obwohl in beiden
Fällen die Lymphdrüsen sich an dem hyperplastischen Processe
nicht in besonders hervorragender Weise betheiligt zeigten (auch
im zweiten Falle waren nur gewisse Gruppen von Lymphdrüsen
erheblich vergrössert), dennoch die Beschaffenheit der farblosen
Zellen im Blute eine durchaus verschiedene war, so dass die¬
selbe im ersteren Falle der Virchow’schen Splenaemie, im
zweiten der Lymphaemie entsprach. Eine Erklärung für diese
Thatsache dürfte sich aus der Virchow’schen Doktrin nur mit
einigem Zwange ergeben, ebenso wie auch mit derselben die von
Virchow 1 ) selbst bereits gemachte Beobachtung, dass bei aus¬
gedehnten Erkrankungen der Lymphdrüsen „selbst die gleich¬
zeitige Erkrankung der Milz nicht genügt, den eigenthümlichen
Charakter zu verwischen, den die*Entmischung des Blutes von
den Lymphdrüsen aus erlangt“, und dass umgekehrt bei bedeu¬
tenden Erkrankungen der Milz trotz gleichzeitiger Hypertrophien
der Lymphdrüsen, „lymphatische Elemente nicht gefunden wer¬
den,“ nicht ganz im Einklänge steht, da doch in beiden Fällen
die im Blute vorhandenen Zellen einen gemischten Charakter
haben müssten. Berücksichtigen wir nun ferner, dass fn meiner
zweiten Beobachtung die hypertrophische Milz in ihrem
Parenchym durchaus nicht derartige grosse Zellen
enthielt, wie sie Virchow als charakteristisch für die
lienale Leukaemie (oder Splenaemie) hingestellt hat,
sondern vielmehr mit denselben kleinen Elementen
vollgepfropft war, wie sie in den Lymphdrüsen und
auch im Blute sich vorfanden, so muss sich auch für die¬
jenigen, welche an einem lienal-lymphatischen Ursprünge der
Leukaemie festhalten, die Consequenz ergeben, dass die Qualität
der im leukaemischen Blute vorhandenen farblosen Zellen keinen
bestimmten Rückschluss auf den Ursprungsort derselben ge¬
stattet, dass dieselbe vielmehr hauptsächlich abhängig ist von
dem Charakter, welchen der hyperplastische Process in dem er¬
krankten Organe annimmt, oder, genauer gesagt, von der Be¬
schaffenheit der Zellen, die er daselbst erzeugt. Von diesem
Gesichtspunkte aus, Hesse sich aber für unsere beiden Fälle
auch die Annahme rechtfertigen, dass sie beide in gleicher
Weise ihren Ausgangspunkt in dem Knochenmarke hatten, und
dass die Erklärung für das differente Verhalten der farblosen
Blutzellen in beiden Fällen in der verschiedenen Gestaltung,
welche der pathologische Process in dem Knochenmarke ange¬
nommen hatte, zu suchen war, da im ersten Falle grössere wohl-
ausgebildete Zellen, im zweiten kleine Zellen und scheinbar
freie Kerne, ganz entsprechend den im Blute vorhandenen Ge¬
bilden, den Hauptbestandtheil des Markes bildeten.
Soweit die Angaben anderer Beobachter über den histolo¬
gischen Befund in dem leukaemischen Blute bei den Fällen, in
welchen eine Erkrankung des Knochenmarkes festgestellt wurde,
sowie über die Beschaffenheit dieses letzteren selbst reichen,
so liefern mehrere derselben (wie z. B. die Fälle von Mosler
und Litten) ebenfalls einen Beleg dafür, dass Blut- und Mark¬
elemente untereinander übereinstimmten; in der Mehrzahl der¬
selben aber lässt sich wegen der Unvollkommenheit der Be¬
schreibung eine solche Uebereinstimmung nicht mit Sicherheit
feststellen. Es wäre wünschenswerth, wenn sich in Zukunft die
Aufmerksamkeit der Beobachter diesem Punkte mehr wie bis¬
her zuwendete, und ebenso möchte ich es als eine weiterer
Beachtung werthe Frage hinstellen, ob nicht die beiden, durch
1) Virchow in seinem Archiv Bd. V p. 84.
Original frnm
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4 März, 187S.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
119
unsere Fülle repräsentirten Arten der leukaemischen Knochen¬
markserkrankungen sich auch dadurch von einander unterschei¬
den, dass die eine derselben sich häufiger mit Hyperplasie der
Milz, die andere häufiger mit Lymphdrüsenschwellungen kom-
binirt; hiermit würde sich eine mit der Annahme des myelogenen
Ursprungs der Leukaemie wohl vereinbare Erklärung dafür
bieten, dass Virchow es als Regel aufstellen durfte, dass die
Beschaffenheit des Blutes bei leukaemischen Kranken mit aus¬
gesprochener Erkrankung der Lymphdrüsen eine andere ist als
bei solchen mit Milztumoren.
Ausser dem morphologischen Verhalten des Blutes ist be¬
kanntlich auch die durch die chemische Analyse nachgewiesene
Anwesenheit gewisser abnormer chemischen Bestandtheile von
Virchow als Stütze für seine Theorie der Leukaemie benutzt
worden. Durch die Untersuchungen Scherer’s 1 2 3 ), welcher in
dem leukaemischen Blute Hypoxanthin, Leucin, Harnsäure, Milch-
und Ameisensäure gefunden hatte, glaubte Virchow wenigstens
für die lienale Form der Leukaemie auch von chemischer Seite
den Ausgangspunkt der Erkrankung als festgestellt betrachten
zu dürfen, indem er die genannten Stoffe als »Milzabkömmlinge“
bezeichnete. Obwohl nun das Ergebniss der Analysen Scherer’s
durch spätere Untersuchungen (Folwarczny, Mosler und
Koerner, Salkowski, Salomon) bestätigt worden ist, so
dürfte es doch nicht ohne weiteres gestattet sein, in denselben
eine gesicherte Grundlage für eine lienale Ableitung der Leuk¬
aemie zu erblicken. Wenn es einerseits leicht begreiflich ist,
dass ein sehr bedeutend vergrössertes Organ, wie es die
Milz in den untersuchten Fällen war, durch Beimischung ge¬
wisser ihm eigentümlicher chemischer Körper einen Einfluss
auf die Constitution des Blutes ausübt, ohne dass man daraus
gleichzeitig auf einen Uebergang morphologischer Bestandtheile
desselben in das Blut zu schliessen genöthigt wäre, so ist anderer¬
seits der Beweis dafür, dass einer jener Stoffe wirklich als der
Milz eigenthümlich und sein Ursprung demnach auf diese zu¬
rückzuführen sei, noch durchaus nicht in exacter W eise erbracht.
Zweifelhaft ist dies namentlich geworden, seitdem Salkowski*)
bei der chemischen Untersuchung des Knochenmarks in meiner
ersten Beobachtung fand, dass dasselbe Hypoxanthin und Amei¬
sensäure enthielt und zwar in solchen Mengenverhältnissen, dass
ein ziemlich spärliches Material, kleinen Theilen einzelner
Knochen entnommen, zum Nachweise genügte, so dass sich ver-
muthen liess, dass diese Substanzen nicht ausschliesslich dem
in dem untersuchten Marke enthaltenen Blute, sondern zum
Theil auch dem Markgewebe selbst angehörten und in diesem
als Producte des Stoffwechsels entstanden waren.
Auch fehlt es nicht an anderen Thatsachen, welche dafür
sprechen, dass in Fällen, welche der herrschenden Doktrin zu¬
folge als Beispiele rein lienaler oder lienal-lymphatischer Leuk¬
aemie aufgefasst worden sind, ein Uebergang von Bestand¬
teilen des Knochenmarkes resp. der Knochen in das Blut statt¬
gefunden hatte. Ich erinnere an das bereits von Scherer im
leukaemischen Blute entdeckte Glutin, dessen Vorkommen eben¬
sowohl Mosler und Koerner*) als Salkowski 4 ) bestätigten,
und von welchem letzterer selbst sagt, dass es vielleicht
mit den von mir nachgewiesenen Knochenaflfectionen in Zusam¬
menhänge stehe, sowie an das in neuerer Zeit vielfach be¬
1) Scherer: Verhandlungen der Würzb. physikalisch-medicinischen
Gesellschaft II p. 325 VII p. 125.
2) Salkowski: Archiv der Heilkunde XI p. 15. (Anhang zu meinem
Aufsätze.)
3) Mosler u. Koerner: Zur Blut- und Harnanalyse bei Leukaemie.
Virchow’s Archiv Bd. 25.
4) Salkowski: Beiträge zur Kenntniss der Leukaemie. Virchow’s
Archiv, Bd 50.
sprochene Auftreten eigenthümlicher, zuerst von Charcot be¬
schriebener Crystallbildungen im leukaemischen Blute, welche,
wie ich gefunden habe 1 ), identisch sind mit gewissen crystalli-
nischen Ausscheidungen, welche sich constant einige Zeit nach
dem Tode in jedem normalen rothen Knochenmarke bilden und
demnaeh entweder als normale chemische Constituentien dessel¬
ben oder als Derivate solcher zu betrachten sind. Dass diese bei
Leukaemie in der gesammten Blutmasse und demnach auch in
sämmtlichen Organen sich zeigenden, ihrer chemischen Natur
nach übrigens immer noch räthselhaften Crystalle dem Knochen¬
marke entstammen, wird dadurch um so wahrscheinlicher, als
in gewissen Fällen von Leukaemie constatirt worden ist, dass
sie im Knochenmarke viel zahlreicher waren als in anderen
Organen *). Ich bemerke übrigens, dass ich nicht so weit gehen
möchte wie Zenker, welcher das Auftreten der Crystalle im
leukaemischen Blute für eine constante Erscheinung hält*); ich
vermisste sie in dem zweiten von mir beschriebenen Falle voll¬
ständig und finde sie überhaupt nirgend erwähnt, wo es sich
um eine Umwandlung des Knochenmarkes in ein Lymphdrüsen
ähnliches Gewebe handelte; es dürfte daher vielleicht die Frage
aufzuwerfen sein, ob nicht diese Crystallbildung ein ausschliesslich
deijenigen Klasse von leukaemischen Krankheitsfällen, in welchen
das Knochenmark eine puriforme Beschaffenheit annimmt, zu¬
kommendes Attribut sei.*)
(Schluss folgt).
UL Zar Nachbehandlung des hohen Steinschnittes.
Von
Dr. liesebifc in Namslau.
Nach dem hohen Steinschnitte treten, wenn auch nicht so
häufig, wie früher allgemein gefürchtet wurde, so doch dann
und wann üble Zufälle in Folge Harninfiltration in das umliegende
Gewebe ein. Um diese Gefahr so viel als möglich zu beseitigen,
wurden im Laufe der Zeiten verschiedene Mittel angegeben.
Le Cat empfahl zu diesem Zwecke warme Bäder, die in neuerer
Zeit besonders von Bruns ihrer günstigen Wirkung wegen em¬
pfohlen wurden. Frere Come ging sogar so weit, dass er
sofort nach Ausführung des hohen Steinschnittes eine Boutonniere
an der Pars membranacea zur Ableitung des Urins anlegte.
N ela ton empfahl, den hohen Steinschnitt in 2 Abschnitten aus¬
zuführen. Er legte zuerst die Bauchwunde an, hielt dieselbe
durch einen eingelegten Charpiebausch offen, und erst wenn die
Wundränder keine Infiltration befürchten Hessen, öffnete er die
Blase. Wenn auch diese Methode vor der Harninfiltration sicher
stellt, so hat sie doch das unangenehme, dass man in 2 Ter¬
minen operiren muss, und andererseits involvirt sie in Folge
der Nähe der tiefen eiternden Wunde am Bauchfell doch auch
Gefahren. Sicher schützt vor Harninfiltration die von Bruns
empfohlene Blasennaht, die schon durch Amussat eingeführt
worden, mit der Zeit aber wieder in Vergessenheit gerathen war.
1) E. Neumann: Archiv d. Heilkunde X p. 220, Centralblatt f.
d. med. Wissensch. No. 19. 1869.
2) Zu diesen Fällen gehört ausser meiner ersten Beobachtung, auch
der Fall 12 von Huber, den Zenker untersuchte („im Knochenmarke
waren die Crystalle auffallend zahlreicher als in der Milz und im Blute“).
Zenker muss diese von ihm selbst herrührende Angabe entfallen sein,
als er später (Deutsches Archiv f. kl. med. Bd. 18 p. 1 34) sagte, dass
bisher nur von mir eine besonders reichliche Ausssheidung der Crystalle
im Knochenmark aufgefunden worden sei.
3) Zenker: 1. c.
*) Berichtigung. In No. 7 ist auf pag. 90, Spalte 2, vorletzte
Zeile statt „diese Function“ zu lesen: die Function, rot he Blut¬
zellt n zu bilden.
9 *
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Gck igle
Original frn-rri
UNIVERSITY OF MICHIGAN
V20 BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. No. 9
Das missliche bei der Blasennaht ist nur, dass es ziemlich schwie¬
rig ist, dieselbe wasserdicht auszuführen. Deshalb hat Tren¬
delenburg 1 ) den Versuch gemacht, dadurch die Harninfiltration
zu verhüten, dass er bei offener Wundbehandlung die dauernde
Bauchlage anwandte und zugleich in die Blase ein Drainröhrchen
einlegte, an dem der Urin tropfenweise abfloss. In dem von
Trendelenburg mitgetheilten Falle hat sich diese Nachbehand¬
lung sehr gut bewährt, und deshalb sah ich mich veranlasst,
diese Methode bei einem hohen Steinschnitte, den ich Anfang
Juni v. J. machte, anzuwenden. Da diese Nachbehandlung viel¬
leicht erst vereinzelt angewandt worden ist, so will ich den
Heilungsprocess in diesem Falle, der auch schon wegen der be¬
deutenden Grösse des Steines erwähnenswerth ist, mittheilen.
Der 5 Jahre alte Knabe Horn aus Lorzendorf, von massig
kräftiger Constitution, litt nach Angabe der Eltern seit etwa
2 Jahren au Steinbeschwerden. Anfang Januar v. J. wurde
mir der Knabe zum ersten Male vorgeführt und zwar wegen
48ständiger Harnverhaltung. Beim Einführen des Catheters
stiess ich sofort auf einen Stein, dessen Grösse ich nach der
bi manuellen Untersuchung ungefähr auf die eines Taubeneies
schätzte. Ich machte den Eltern sogleich den Vorschlag, den
Stein entfernen zu lassen, dieselben konnten sich aber dazu
nicht entschlossen. Indess wurden die Symptome bei dem
Knaben immer bedenklicher, es stellten sich sogar krampfartige
Zufälle ein, und dies bewog die Eltern, den Knaben Anfang
Juni v. J. ins hiesige Kreiskrankenhaus behufs Ausführung der
Operation aufnehmen zu lassen. Da die Blase über 2 Finger
breit über die Symphyse hinausragte, so machte ich mit dem
Collegen Pfahl von hier den hohen Steinschnitt. Die Blase
brauchte nicht erst mit Wasser gefüllt zu werden, da bereits
wieder eine 48ständige Harnverhaltung bestand. Die Heraus¬
beförderung des Steines machte in Folge seines bedeutenden
Volumeus trotz der Trennung der Recti grosse Schwierigkeiten.
Die Länge des Steines betrug 4 Ctm., der Umfang des überall
gleich dicken Steines über 9 Cmt., die Consistenz war eine harte.
Nach beendigter Operation wurde der Wundwinkel durch zwei
Nähte vereinigt, in die Blase in der von Trendelenburg em¬
pfohlenen Weise ein Drainröhrchen eingelegt, und der Kranke
auf dem Bauche gelagert. Die Bauchlage ertrug der Knabe die
5 Tage, die ich ihn in dieser Lage verharren Hess, ganz bequem,
ln dieser Lage tropfte der Urin gut ab, von Harninfiltration oder
Entzündung war keine Spur. Nach 5 Tagen Hess ich den Kna¬
ben, da die ganze Wunde mit Granulationen bedeckt, und daher
eine Infiltration nicht mehr zu befürchten war, die Rückenlage
einnehmen und entfernte das in die Blase gelegte Röhrchen.
Vom 7. Tage ab entleerte der Knabe schon fast sämmtlichen
Urin durch die Harnröhre, und in 18 Tagen war die Wunde
völlig geheilt.
IV. Kritiken und Referate.
Bäder- und Brunnenlehre. Zum Gebrauche für Aerztc und Stu-
dirende von Dr. L. Lehmann, Sanitätsrath und Brunnenarzt in
Oeynhausen (Rehme). Bonn 1877. Max Cohen und Sohn (Fr.
Cohen). 521 S.
Seit der kritischen Sichtung des colossal angewachsenen balneolo-
uischen Materials durch Lersch hat es in Deutschland an Lehr- und
Handbüchern nicht gefehlt, in denen das Bestreben sich zeigt, die Bal¬
neologie, bisan nur Erfahrungswis.se nschaft meist zweifelhafter Art,
mit den Errungenschaften des physiologischen und pathologischen Ex¬
periments möglichst in Einklang zu bringen. Diese Versuche sind mehr
oder weniger gelungen: aber durch alle zieht sich, nicht wie ein rother
Enden, sondern wie „ein Seil“, das Bekenntniss, dass die klinische Er¬
fahrung das letzte Wort zu sprechen hat, dass sie, selbst im Widerspruch
mit den experimentellen Resultaten, allein massgebend für den Arzt sein
und alle Lücken ausfüllen muss. Vorzügliche, mit der Balneologie in
1) Bert klin. Wochensehr. No. 2, 1S77.
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Verbindung stehende Schriften ganz neueren Datums (Rührig, Bene ke)
j legen dafür Zeugniss ab, und auch das vorliegende, von echt wissenschaft-
; lichem Geist durchwehte Werk macht von dem gesagten keine Ausnahme,
i Der Verf. w T ar durch seine bekannten Forschungen und seine langjährige
Thätigkeit an einem der vorzüglichsten Soolbäder wohl berufen, die Re¬
sultate aus beiden in einem weiteren Umfangt; als bisher für Aerzte und
Studirende zu verwerthen. Wir können dem voluminösen Werke an dieser
Stelle nur eine „Spitzenbeleuchtung“ widmen: Der Titel desselben zeigt
j eine gewisse Beschränkung des Stoffes an; es enthält aber doch alles,
| was man in den Balneotherapien (im weiteren, jetzt gebräuchlichen Sinne)
| sucht, etwa mit Ausnahme der klimatischen Curorte, denen aber doch
| im baineotherapeutischen Theile ein wenig Rechnung getragen ist. Das
| eigenartige der Lehmann’schen Arbeit besteht in der streng systeina-
I tischen Behandlung des Stoßes, „in der Aufrichtung des balneologisehen
I Gebäudes auf physiologischen Grundmauern; die chemische Quellendiffe¬
renz soll nur die Wände ausfüllen.“ Wir geben zu, dass dem Verf. das
Gebäude im grossen und ganzen gelungen ist; es kann jedoch nicht auf-
i fallen, dass manche Bausteine, um beim Vergleich zu bleiben, nicht ge-
| hörig passen, andere eine Ungleichheit der Bearbeitung zeigen; auch fragt
! es sich, ob nicht „getheilte Arbeit“ für einen so umfangreichen Bau vor-
I zuziehen gewesen wäre. Trotz alledem ist der Bau stattlich und das
Material durchweg vortrefflich. Zu einer vergleichenden Balneologie hat
| der Verf. mit anderen einen bedeutenden Schritt nach vorwärts gethan.
Eines allgemeinen Theiles glaubte er entbehren zu können, weil er dessen
Inhalt als Grundlage seiner Anschauungen verwandte: zugegeben, dass
dadurch die systematische Einheit des Werkes gewonnen hat, so kann
doch nicht bestritten werden, dass durch einen solchen Theil manche
Wiederholung vermieden und vieles berührt worden wäre, was man nur
ungern vermisst. — Betrachten wir nur in der Kürze den Hauptinhalt
des Werkes; es zerfällt in drei Haupttheilc: die Bäder, die Brunnen
und die ba 1 nc o th erapc u t i s c h e Klinik. Der erste Theil, die Bii de r,
theilt sieh in die natürlichen und die künstlichen Bäder: die na¬
türlichen Bäder unterscheidet der Verf. als nicht hautrüthende Bä¬
der (das gewöhnliche laue Wasserbad als Prototyp, die lauen Wildbäder;
| von den differenten Bädern: die alkalischen und erdigen, die diluirten
| Kochsalzbäder mit Jod und Brom, die kühlen Schwefelbäder), als schtvach
i hautröthende Bäder (das heisse gewöhnliche Bad und das heisse Wild¬
bad, die diluirten heissen Kochsalz- und die Schwefelthermen; die Bäder
von concentrirten Soolen und Säuerlingen: das Sool- und Mutterlaugen-
bad, das kohlcnsäurerciche Bad mit den Stahl- und Thermalsoolbiidern),
endlich in die starke hau trö then den Bäder (das kalte Bad, insbe¬
sondere die Kaltwassercur, die Seebäder). Da es feststeht, dass unter
gewöhnlichen Verhältnissen keine Diffusion der flüssigen und gelösten
Stoffe durch die badende Haut vor sich geht, so müssen wir uns zu dem
durch zahlreiche Untersuchungen (0. Naumann) gestützten Canon be-
i kennen, den Röht ig in dem Satze gipfeln lässt, „dass die Bäderwirkung
an die Veränderungen, welehe die Nerventhätigkeit von der Haut aus
durch das Bad erleidet, gebunden und bestrebt ist, die krankhaften Stö¬
rungen durch Erregung des Nervensystems auszugleichen;“ zur Warnung
setzt er aber hinzu, dass man nicht in den Fehler verfallen dürfe, die
Wirkung der verschiedenen Mineralbäder von der ihrer Bestandtheile zu
trennen. Als allgemeines Kintheilungsprincip für die Bädergruppen ist
demnach eine Steigerungsscale aufzustellen, nach der ihre Wirkungen
zu messen sind: eine solche Scale findet L. in einer positiven und ne¬
gativen Wirkung der Bäder, nämlich eine starke, schwächere und keine
Hautröthe zu erzeugen. Die Gründe für diese Eintheilung führt derselbe
auf p. 39 weiter aus: sie spitzen sich in dem späteren Satze zu „es giebt
keine principiellen Unterschiede in der Bäderwirkung, sondern nur Wir¬
kungen höherer Intensität.“ Geben wir nun auch zu, dass die Hautröthe
eine Theilerscheinung des durch das Bad ausgeübten Hautreizes
ist, nach dem seine Grösse theilweise zu messen ist, so finden wir für
einige der angeführten Gruppen nicht bewiesen, dass sie die Haut nicht
röthen, z. B. die kühlen Schwefelbäder, meist Schwefelkalkwässer mit
einem bedeutenden Antheil an die Haut stark reizendem IIS, viele der
alkalischen Bäder mit starkem C0 2 Gehalt. Wäre überhaupt die Be¬
nennung der Bäder als „mild, stärker und starkreizende“ nicht vorzuziehen
gewesen? Indem wir vieles und der Besprechung werthes hier übergehen
müssen, sei nur hervorgehoben, dass namentlich das laue und heisse
Wasserbad, das Sool- und Mutterlau genbad, das Thermalsoolbad, das
kalte Bad mit Einschluss der Hydrotherapie,*) Gebiete, auf denen der
Verf. so durch Forschung wie Erfahrung heimisch ist, eine treffliche
Bearbeitung gefunden haben, mit einem hie und da etwas polemischem
Anflug. Die Entscheidung über manchen Cardinalsatz (z. B., dass die
| Ausathmungsluft und in ihr die ansgeschiedene C0 2 auch nach dem
I heissen Bade wachsen) müssen wir Physiologen vom Fach überlassen,
j Bei den differenteren, nicht hautröthenden Bädern, bespricht L. als eigent-
j liehe Wirkung der Mineralbestandtheile die Contact- und die etwas proble-
I matische Adhäsivwirkung, die er gegen Clemens aus der Adhäsiv¬
kraft der Haut herleitet, und aus der er flie sog. „Nachwirkung“ zu er-
; klären geneigt ist (E. Lehmann); auf die Permeabilität der Gase im
! Bade legt er nur ein geringes, nach unserer Ansicht ein zu geringes
; Gewicht. Die Trennung zwischen chemisch gleichartigen Wassern (die
J Wild- und Schwefelbäder in laue, kühle und heisse) folgt aus dem Ein-
theilungprfneip und wird manche Controver.se wachrufen; es ist irrelevant,
mit weicher Temperatur solche Quellen aus der Erde treten, sondern es
* *) Der Verf. bemerkt ausdrücklich, dass ihm das treffliche Werk
1 von Winternitz noch nicht Vorgelegen habe.
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
4. März 187S.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
121
fragt sich, mit welcher sie als Bäder gebraucht werden. Controversen
können ferner entstehen über die Anschauungen des Verf. bezüglich des
IIS, der C0 2 und der Stahlbäder, dieser und der Tliermalsoolbäder u. s. w.
Die zweite Abtheilung des ersten Theiles behandelt die künstlichen
Bäder und die Bäder im weiteren Sinne (Dunst- und Gasbäder, Douchen,
Moorbäder etc.), ein etwas bunt zusammengestelltes Material, das sich in
vielen Theilen (1er vom Verf. versuchten Eintheilung — nicht hautröthend
und hautröthend — entzieht, und neben vielen practischen Winken doch
auch manches obsolete enthält.
Der zweite Haupttheil umfasst die Brunnen. Sie w T erden ebenfalls
in 3 Classen eingctheilt: in die nicht abführenden Brunnen (alka¬
lische, erdige, Schwefel-, Brom- und jodhaltige Brunnen, die Stahlbrunnen
mit Ausschluss der salinischen), in die schwach abführenden Brun¬
nen (salinische Eisen- und Schwefelbrunnen, salinisch-alkalische Brunnen
oder Karlsbadgruppe), endlich in die stark abführenden Brunnen
(Marienbadgruppe, Kochsalz-, Bitterbrunnen). Wir können uns dieser
Eintheilung nicht anschliessen; das „Nichtabführen“ kann einer Reihe
von Brunnen nicht die ihm zukommende Signatur verleihen, die sich aus
ganz anderen Factoren bildet. Das gewöhnliche Wasser, als Trinkwasscr,
leitet auch hier ein; sodann folgen Aufführung der einzelnen Gruppen
der differenten Brunnen und Erklärung ihrer Wirkungen mit vieler Sach¬
kenntnis. Dass bei keinem Theile der Balneologie die Hypothese einen
so freien Spielraum hat, wie bei diesem pharmacodynamischcn ist selbst¬
redend (kohlens. Natron!). Controversen können entstehen über Schei¬
dungen von bisher zusammengehörigen Gruppen. Die Carlsbadgruppe, und
die salin. Eisenbrunnen von den betr. Gruppen zu trennen, kann gebil¬
ligt werden, nicht aber die Scheidung der sogen, salin. Schwefelbrunnen,
die der Mehrzahl nach keine abführende Wirkung haben. Fernere Con-
troversen bieten dar die falsche Fontan’sche Eintheilung der Schwefel¬
quellen, die Zersetzungsverhältnisse derselben, die Beziehungen der Kalk¬
salze zur Rhachitis u. m. a. Ein Anhang beschäftigt sich noch mit
Molken-, Kumys- und Traubenkuren; L. vertheidigt mit Recht die Molke;
unter den Indicationen für dieselbe vermissen wir die functioneilen Herz¬
störungen.
Der dritte Haupttheil umfasst die baineotherapeutische Kli¬
nik. Dieser Theil soll in allen Balneotherapien das Werk krönen, er
soll als Resultat der balneologischen Forschungen und Studien dem Arzt
zum Leitfaden für sein Handeln dienen. Im grossen und ganzen hat L.
seine Aufgabe gut gelöst: sie ist practisehcr ausgeführt, als man nach
den vielen systematischen Formeln erwarten sollte; es ist ein vorzüg¬
liches Material für die Differentialtherapie zusammengestellt und kritisch
verarbeitet worden. Indem wir uns hier jedes Eingehens auf einzelnes,
im zustimmenden und abweisenden Sinne (Herzkrankheiten!) begeben
müssen, wollen wir nur zwei Vorgänge in der Auffassung rühmend her¬
vorheben: das Eintreten gegen eine nihilistische Skepsis und das Be¬
streben, den altbewährten Ruf gewisser Bädergruppen für die Behandlung
bestimmter Krankheiten, also die klinische Signatur der Badeorte, be¬
stehen zu lassen. — Nach dem Vorbilde des Valcntincr’schen Hand¬
buchs sind die Analysen auf 101)0 Theile berechnet und die Tempera¬
turen nach Cels. bestimmt. In der Auflührung der Badeorte hätte wohl
eine grössere Beschränkung stattlinden können. — Das Lehmann’sche
Buch, ein Erzeugnis« jahrelangen wissenschaftlichen Forschens und Stre-
bens, sei schliesslich Aerzten. und Studirendcn zur Belehrung und zum
Nachdenken warm empfohlen. Reumont (Aachen).
Behandlung des Asthma mit Jodkalium und Jodäthyl.
Nach einer Mittheilung von G. See (France med. 2. Febr. 1S7S.)
giebt die lange fortgesetzte Behandlung des Asthma mit grösseren
Dosen von Jodkalium — wie auch schon seit lange von vielen anderen
Seiten gerühmt — die glänzendsten Erfolge. See hat an 24 Patienten,
theils Kindern, theils Erwachsenen, Beobachtungen angestellt, die an Dauer
immer mindestens ein Jahr, bei einigen drei bis vier Jahre betrugen.
Er giebt das Jodkatium in grosser, allinälig sich steigernden Dosen.
(In betreff der Angabe der Dosis liegt sowohl in See’s Originalartikel,
wie in dem Berichte der Gazette med. ein entschiedener Fehler vor.
See behauptet 1,8 Kal. jod. pro die in zwei Dosen zu geben. Seine
Verordnung ist jedoch folgende: Kalii jod. 10,0, Aq. destill. 200,0,
2 Mal täglich vor der Mahlzeit einen Dessertlöffel voll. Den letzten
bestimmt er selbst auf 8—9 Gramm. Die einfache Berechnung zeigt,
dass bei dieser Darreichung pro dosi ca. 0,4—0,45, also pro die 0,8—0,9
des Medicaments gegeben wird; wogegen See behauptet 0,9 pro dosi
— also gerade das doppelte! — zu reichen. Es wäre wünschenswert!^
dass der Herr Verf. den Irrthum aufklärt, ob seine Berechnung oder sein
Recept falsch ist. Wahrscheinlich ist es die erstere, und es soll heissen
0,8—0,9 pro die, 0,4—0,45 pro dosi. — Eine Einzelgabe von 0,8—0,9
würde doch wohl bei weitem zu stark sein, obgleich von englischen
Aerzten häufig noch viel höhere Dosen gegeben werden. Bei uns
dürfte bisher 0,5 als die Maximaldosis gegolten haben. Ref.) Der täg¬
lichen Dosis des Jodkalium fügt See zuweilen 0,1 Extract Opii oder ein
Gramm Chloralhydrat hinzu, um den Husten zu verringern. Die Erschei¬
nungen des Jodismus verschwinden gewöhnlich bald bei Fortgebrauch der
Dose, ausser dem Schnupfen. Sowohl der Effect auf die asthmatischen
Anfälle als auch auf den weiteren Verlauf des Leidens, auch des mit
Emphysem verbundenen, ist nach See überraschend. Das letztere ver¬
schwindet allinälig, bei catarrhalischem Character bleibt allerdings der
Catarrh längere oder kürzere Zeit bestehen. Auch bei vom Herzen aus¬
gehenden asthmatischen Beschwerden, wenn nicht denselben ein Klappen¬
fehler zu Grunde liegt, lässt Jodkaliuni die dyspnoetischen Anfälle ver¬
schwinden. Heilung soll fast in allen Fällen Folge der Behandlung sein;
doch muss die Darreichung sehr lange, Jahre lang fortgesetzt werden;
besondere diätetische Vorschriften sind nicht nothwendig. (Ref. hat das
Jodkalium gleichfalls häufig bei Asthma angewendet und vielfach mit
Nutzen. So glänzend waren die Resultate aber keineswegs, wie sie von
Söc geschildert werden.) Einen sehr schnell eintreteiulen palliativen Ein¬
fluss auf die asthmatischen Anfälle sah See ferner von der Einathmung
von Jodäthyl (Aether jodatus) in der Dosis von 6—10 Tropfen, welche
bei Lungenleiden bereits vor längerer Zeit von Huette empfohlen war.
(Vergl. Waldenburg: Lehrb. d. respirat. Therap. 2. Aufl. 1872 p. 680 ff.)
V. Verhaadlingei ärztlicher Gesellschaft«».
Berliner ntedieiniseh-psychologische Gesellschaft,
Sitzung vom 7. Mai 1877.
Vorsitzender: Herr Westphal.
Schriftführer: Herr W. Sander.
Herr von Chamisso trägt ein Gutachten über einen des Mordes
Angeklagten vor, bei welchem der Vorgutachter einfache Trunkenheit
angenommen hatte, während der Vortragende, als Referent des Medicinal-
collegium, einen pathologischen, als Tobsucht verlaufenden Rausch bei
Alco iio 1 i s m us i lach weis t.
Herr Westphal: Der Fall liege jetzt der Wissenschaft!. Deputation
zur Abgabe eines Superarbitriums vor, und er hätte deshalb, wenn er
gewusst, dass es sich um diesen Fall handle, Vortragenden ersucht, die
Besprechung desselben lieber auf eine spätere Zeit zu verschieben. Er
könne deshalb auch auf den Fall selbst hier nicht eingehen, möchte
aber bei dieser Gelegenheit im allgemeinen darauf hinweisen, dass
wenn Trunkenheit angenommen wird, dann der Fall überhaupt nicht
dem ärztlichen sachverständigen Urthcil unterliegt. Wenn im Gesetze
von krankhafter Störung der Geistesthätigkeit die Rede ist, so entsteht
die Frage, ob Trunkenheit dazu gerechnet werden kann, und diese
Frage ist durch die Motive zum Strafgesetzbuche entschieden, welche
ausdrücklich besagen, dass die Zustände der Trunkenheit nicht dazu
gehören. Wenn also ein Sachverständiger der Ansicht ist, dass eine
That in der Trunkenheit begangen sei, dann hat er, wie gegenwärtig
die Dinge liegen, einfach die krankhafte Störung der Geistesthätigkeit
abzuweisen. Dass dies auch vom psychiatrischen Standpunkt aus richtig
sei, wolle er nichtbehaupten. Der Gegenstand bedürfe einer erneuten
gründlichen Discussion, und es empfehle sich, ihn einmal in nächster
Zeit, auf die Tagesordnung zu setzen.
Herr Mendel glaubt, dass, wenn diese Anschauung allgemein an¬
genommen würde, wir dann in dieselbe Verlegenheit wie die Fran¬
zosen kommen würden, die die Trunkenheit auch nicht als besonderen
Entschuldigungsgrund aufgeführt hatten und schliesslich sich veran¬
lasst sahen, dieselbe direkt als demence passagerc aufzunehmen unter
die Entschuldigungsgründe. Er möchte glauben, dass die Trunkenheit
als solche nicht direkt zur Beurtheilung kommt, aber jede erhebliche
Trunkenheit setze einen Zustand von Bewusstlosigkeit, durch welche die
freie Willensbestimmung ausgeschlossen sei, womit die Forderung des
Gesetzes erfüllt sei. Er könne sich also der Meinung nicht anschliessen,
dass die Aerzte sich abhalten lassen sollten, die Trunkenheit unter
jene Zustände zu rechnen.
Herr Westphal: Die Bewusstlosigkeit würde im vorliegenden
Falle schwer zu erweisen seien.
Herr von Chamisso: Er wolle nur darauf hinweisen, dass er in
I dem vorliegenden Falle den Zustand nicht als einfache Trunkenheit an¬
gesehen habe, sondern mehr als chronischen Alkoholismus, der einmal
| in einer Art von transitorischer Manie explodirte.
Hierauf wurde dieser Gegenstand verlassen, und wandte sich die
Gesellschaft der noch ausstehenden Discussion über den Vortrag des
Herrn Leyden über experimentell erzeugte Sclerose des
; Rückenmarks zu.
| Herr Westphal: Herr Leyden habe, wenn er ihn recht ver-
I standen, acute Entzündungsherde im Rückenmark erzeugt und nach
längerer Zeit Veränderungen wie bei der Sclerose gefunden, woraus er
j den Schluss zog, dass die Sclerose ihren Ausgangspunkt von einer acuten
j Myelitis nehme. Gegen die Thatsache liesse sich nichts einwenden,
| aber gegen den Schluss. Es giebt nämlich gewisse Zustände im Rücken-
| mark, deren anatomische Beschaffenheit ganz analog denen ist, welche
! man bei der Sclerose finde, und von denen man kaum sagen könne,
dass sie einer Entzündung ihren Ursprung verdanken. Bekannt sind
die Zustände absteigender Degeneration, u. a. der Seitenstränge. Sie
ist ausgezeichnet durch die Bildung von Fettkörnchenzellen. Es kommt
aber bei Fällen, in denen das Leben lange erhalten blieb, vor, dass
; diese absteigende Degeneration vollständig das Bild einer Sclerose
(graue Degeneration) darbietet, keine Fettkörnchen zellen zeigt, sondern
derbes fibrilläres Bindegewebe, Schwund der Nervenröhren und macro-
scopisch die graue durchscheinende Beschaffenheit, also nicht zu unter¬
scheiden von der primären grauen Degeneration. Einen solchen Fall
dieser Art habe er vor längerer Zeit untersucht. In solchen Fällen
dürfte man kaum berechtigt sein, von einer Entzündung zu sprechen.
Ebenso wenig kann man wohl bei den gewöhnlichen früheren Stadien der
secundären Degeneration sagen, dass es sich um Entzündung handle.
Er glaube ferner behaupten zu müssen, dass aus der Thatsache, dass
: ein acut myelitischer Herd (künstlich erzeugt) später die Beschaffenheit
der Sclerose zeige, nicht gefolgert werden dürfe, jeder sclerotische Herd
Original fro-m
UNIVERSETY OF MICHIGAN
122
No. D
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
sei ursprünglich ein acut myelitischcr gewesen, und nicht ohne weiteres
eine Identität des Beginns des Processes angenommen werden dürfe,
wenn auch das schliessliche anatoinisclie Bild dasselbe. Was nun das Yer-
liältniss der chronischen sogen. Fettkörnchenzellen-Myelitis zur Sclerose
(graue Degeneration) anlangt, so glaube er auch, dass es sich um Dinge
handele, die nahe verwandt sind, und dass in der Thal die graue
Degeneration ihren Ausgangspunkt nimmt von einer chronischen Myelitis,
doch möchte er dafür ein anderes Argument beibringen. Aus einigen
Zeichnungen, welche er hier vorlegen kann, ersehe man, dass beide
Processe in einer Weise neben einander Vorkommen, dass man den
Schluss ziehen kann, dass die chronische Körnchenzellen-Myelitis nur ein
früheres Stadium der grauen Degeneration darstellt. Der betreffende
Fall stellte sich klinisch und anatomisch als graue Degeneration der
Hintersträngc dar, aber an der Peripherie des grauen degenerirten Keils
bestand das Bild der chronischen Myelitis, der graue degenerirte Keil
war umsäumt von einer Zone Fettkörnchenzellen und Verdickung der
Bindegewebsbälkchen. Bei dieser Gelegenheit wolle er noch kurz auf¬
merksam machen auf ein gleichzeitiges Vorkommen der grauen Degene¬
ration und der chronischen Körnchenzellen-Myelitis in verschiedenen
Strängen des Rückenmarks. Es giebt Erkrankungen des Rückenmarks,
bei denen die hinteren Stränge graue Degeneration und die Seitenstränge
Fcttkörnchen-Myelilis zeigen; nie dagegen habe er das umgekehrte ge¬
sehen, während graue Degeneration der Seitenstränge mit der der hinteren
wohl vorkommt.
Herr Leyden: Die Beobachtungen, die ich vorgetragen habe, sollen
weder zu dem Schlüsse führen, dass jede Sclerose chronische Entzündung
ist, noch zu dem, dass jede acute Myelitis in Sclerose übergeht. Ich glaube
auch nicht, das direct gesagt zu haben, und wenn dieser Gedanke zwi¬
schen den Zeilen zu lesen wäre, so wäre der Einwurf nicht unberechtigt.
Die Frage der chronischen Entzündung und der Degeneration ist schwer
zu entscheiden, und ich halte es für ebenso berechtigt zu sagen, jede
Sclerose ist Entzündung, wie zu sagen, ein Theil der Sclerose ist nicht
Entzündung, sondern secundärc Degeneration. Ich kann die Bemerkung
des Vorredners bestätigen und habe es, glaube ich, auch gesagt, dass
die Fettkörnchenzellcn in Sclerose übergehen. Aber auch jene Bezeich¬
nung als Entzündung ist nicht ganz unrichtig. Es ist immer noch schwer
zu verstehen, wie die Entwickelung von Fettkörnchenzellen zustande kommt.
Man kann sie wohl vergleichen mit der Entwickelung von Fett in atro¬
phischen Muskeln, aber der Vergleich ist nicht ganz zutreffend. Ich
halte also den Process für einen, der schwer zu beurtheilen ist. Es ist
nicht unmöglich, ihn mit Türck als einen chronisch absteigenden Rei-
zungsprocess zu bezeichnen, der sich nach der Function ausbreitet. Noch
eine Bemerkung über einen Punkt, von dem ich nicht weiss, ob ich
Herrn Westphal recht verstanden. Er scheint die Körnchenzellen-
Myelitis als chronische Entzündung anzuschcn. Ich betrachte sie aber
als acute oder subacute. Es sind frische Processe, wenn sie auch schlei¬
chend ablaufen können. Als chronischen Process betrachte ich die
Sclerose, wie die Cirrhose, die interstitielle Atrophie der Nieren. Die
von mir vorgetragenen Beobachtungen beweisen also nur, dass die Scle¬
rose aus einer acuten Entzündung hervorgeht, wenn dieselbe längere
Zeit bestanden hat, und dass die Sclcrtse als Product einer chronischen,
lange Zeit bestehenden Entzündung zu betrachten ist.
Herr Westphal: Er betrachte diese degenerativen Processe (auch
die Bildung der Fettkörnchen-Zellen) allerdings nicht als acute, sondern
grade als chronische. Als unterscheidendes Merkmal zwischen acuter
und chronischer (durch Bildung von Fettkörnchen charaeterisirter) Mye¬
litis betrachte er u. a. die starke Hyperämie und Erweiterung der
kleinsten Gefässe. Bei den acuteren Processen im Rückenmark sieht
man das oft schon macroscopisch an der veränderten Farbe, und ebenso
kann man es microscopisch constatiren. Finde man aber Fettkörnchen¬
zellen im interstitiellen Gewebe und keine abnorme Gefässfiillung und
Erweiterung (resp. Hamorrhagie), so spreche er von chronischen Processen.
Es ist jedenfalls zweckmässig, sieb darüber zu verständigen.
Herr Leyden kann dem nicht ganz beistimmen. Eine Gefässübcr-
fiillung im Rückenmarke halte er selbst bei kleineren Ge fassen lür zu¬
fällig. Wenn z. B. Quellung stattfindet, werden Gelasse eomprimirt.
Dagegen bei Lage der Leiche auf dem Rücken sieht man die Gefässe
gefüllt. Wenn er dagegen geltend mache, dass alle acuten Processe
nachweislich zwei Veränderungen setzen: 1. Quellung der Zellen und
Axencylinder, und 2. die reichliche Entwickelung von Fettkörnchenzellen,
so ist ein bestimmtes Zeichen gegeben. Z. B. bei frischen Degenerationen
findet man in den aufsteigenden Partien reichliche Entwickelung von
Kömehenzellen, bei älteren werden diese seltener, es tritt .Schrumpfung
ein, und wenn der Process Jahre lang besteht, ist die Veränderung von
Sclerose nicht zu unterscheiden. Beim Hunde war dies schneller vor¬
gegangen, da eine einmalige Verletzung vorhanden war; beim Menschen
entwickelt der Process sich langsamer, aber nach einigen Jahren ist das
Endproduct nicht von Sclerose zu unterscheiden, so nach Hirnkrankheiten
und nach der Kinderlähmung. Es sind ja Cebergänge vorhanden, wie
ja ein chronischer Process sich leicht aus acuten Schüben zusammen¬
setzen kann. Das ist namentlich hei Compressions-Myelitis der Fall; sie
zeigt längere Zeit Characterc, welche der acuten Myelitis zukommen, aber
man sicht dann auch, dass sie sich aus Schüben zusammensetzt, deren
einer schliesslich tödlct. Am schwierigsten sind die Fälle, welche der
Bulbärparalyse und progressiven Muskelatrophie angehören. Da ist fet¬
tige Degeneration der Nervenfasern und Körnchenzellen-Entwickelung in
den hinteren Seitensträngen vorhanden. Aber wenn sie lange Zeit be¬
stehen, so werden sie seiner Ansicht nach zur Sclerose der Seitenstränge.
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Diese fand er in Fällen, welche lange Zeit gedauert hatten, in anderen
waren allerdings Fettkörnchenzellen vorhanden.
Herr Westphal: Er möchte nur auf den Hauptpunkt noch ein
Mal zuriiekkommen, was h er als acut und was als chronisch zu bezeich¬
nen sei. Pis ist dies eine schwierige Frage, und er habe u. a. die Ge-
fässzustände hiefiir als massgebend betrachtet, wobei er bemerke, dass
tr eine Verwechselung mit der Blutfülle durch die Rückenlage wohl
vermeide. Was den Umstand betrifft, dass die sccundäre Degeneration
sich oft schnell entwickelt, so folgt daraus nicht, dass sie sich nicht
langsam entwickeln kann. Darauf käme es aber an. Direct beobachten
können wir es nicht, aber erschlossen nach den klinischen und anato¬
mischen Erscheinungen. Wie dem auch sei, er glaube, man muss sich
über die Bezeichnungsweise einigen; denn gegenwärtig ist eine Verstän¬
digung schwer, namentlich muss man sich einigen, ob man die klini¬
schen oder anatomischen Erscheinungen als massgebend ansieht.
Herr Leyden: Im wesentlichen bin ich damit einverstanden. Meine
Ansicht möchte ich dahin präcisircn, dass ich als eigentliche chronische
Myelitis das bezeichne, was man als heerdweise oder multiple Sclerose
bezeichnet hat. Das giebt den Vortheil der klinischen Betrachtung, denn
ich glaube zeigen zu können, dass sie in ihrer Vorbereitung so viel Ana¬
logien mit der Myelitis zeigt, als ein acuter Process mit einem chroni¬
schen haben kann. In betreff der strangförmigen (faseiculären) Sclerosen,
so rechne ich sie auch zu chronischer Entzündung, halte aber eine Ent¬
scheidung darüber, ob sie als chronische Entzündungen oder Degenera¬
tionen zu bezeichnen sind, für weniger wichtig, da ein bestimmtes Kri¬
terium der Differenz zwischen Degeneration und chronischer Entzündung
sich nicht wohl aufslellcn lässt.
Aerstlieher Verein n larbnrg.
Sitzung vom 3. Januar 1877.
Herr Prof. Cramer spricht über die Bedeutung der freien
Behandlung für die practische Psychiatrie. Zunächst wird
die historische Entwicklung derselben in den verschiedenen Ländern
Europas behandelt und für Deutschland besonders Meyer’s und Grio-
singer’s Verdienst in dieser Frage hervorgehoben. Die Art und Weise,
wie sich heute die freie Behandlung in den Anstalten gestaltet, bildet
den Hauptgegenstand des Vortrags, der wegen der vielen Detailangaben
nicht hier wiedergegeben werden kann. Wie den vielen excessiven
Neigungen der Kranken begegnet, wie ferner durch die freie Behandlung
eine genauere Beobachtung und exactere Therapie möglich wird, weist
der Vortragende nach und belegt seine Angaben mit vielen Beispielen.
Wie weit die freie Behandlung in der Privatpraxis ausgeübt werden
könne, wurde ebenfalls erörtert und gezeigt, dass sobald es ohne Zwangs¬
mittel nicht mehr gehe, die Anstalten aufgesucht werden müssten.
Schliesslich wurde nachgewiesen, dass mit den Bestrebungen der
freien Behandlung nicht nur die practische, sondern auch die theore¬
tische Psychiatrie einen enormen Aufschwung gewonnen hat.
Sitzung am 7. Februar 1877.
Der Entwurf einer Stand<\s-Ordnung, der von der dazu er¬
wählten Commission vorgelegt worden, kommt zur ersten Berathung.
Herr Prof. Dohm giebt weitere Mittheilungen über die in der
Praxis riner Hebamme fortdauernd von neuem auftretenden Pemphigus-
Fälle (cf. Novembersitzung lS7f>).
Sitzung am 9. März 1877.
Herr Prof. Külz legte Gehirnmodelle vor, sprach unter Vorführung
von Versuchen über Fluorescenzanalyse, zeigte das Spectrum vom Häma-
toporphyrin, besprach und demonstrirte den Effect der Sympathicus-
durchschneidung auf die Pupille, sowie die Wirkung des Atropins auf
die Pupille des ausgeschnittenen Froschauges und schloss seinen Vor¬
trag mit den Schpurpur betreffenden Demonstrationen.
jlerr I)r. 0. v. Heusingcr stellt zwei Kinder mit Spina bifida
vor. Die Eltern sind gesund, der älteste, jetzt 9jährige, Sohn ebenfalls;
der zweite Sohn, jetzt 7jährig, hat etwas Hydrocephalus und leidet an
Strabism. converg. Der dritte Sohn, jetzt 5jährig, ist der älteste der
beiden vorgestellten, er hat eine kleine Spinn bifida am 1. und 2.
Lendenwirbel; doch ist seine Entwicklung in ganz normaler Weise vor
sich gegangen, weder Lähmungen noch Convulsionen sind jemals beob¬
achtet worden, die Gesammternährung ist durchaus befriedigend. Vor
drei Jahren erlitt die Mutter einen Abortns im zweiten Monat, der Fötus
war verkümmert. Am 30. April 187(1 wurde wieder ein Sohn geboren.
Der Vortragende sah das Kind eine halbe Stunde nach der Geburt und
fand eine faustgrosse Spina bifida an derselben Loealität wie bei dem
Bruder; bei der Geburt war die Oberhaut von der Spina bifida zum
Theil abgeschunden, und in den Sack war ein Blutextravasat erfolgt, die
Geschwulst machte am anderen Taffe, wo sie auch Herr Geh.-Rath
Roser sah. den Eindruck, als würde sie brandig werden, und man
musste auf die Autopsie gefasst sein — aber der Zustand besserte sich,
und das Kind nahm körperlich in den nächsten Monaten zu, nur die
unteren Extremitäten erschienen gelähmt, und der Urin tröpfelte be¬
ständig ab, auch der Sphincter ani war schlaff. Gegen alles Erwar¬
ten verringerte sieh die Lähmung nach und nach etwas und zwar
gleichzeitig mit dem Hellerwerden des Inhalts der Spina bifida. Jetzt
stellt die Spina bifida einen kleeblattähnlich gelappten Tumor dar,
der auf der Höhe noch die Narbe von der bei der Geburt statt¬
gehabten Verletzung zeigt. Die Deckhaut erscheint oben durchsichtig
wie Pergament, nach den Rändern hin verdickt sie sich allmälig; da wo
die Geschwulst an die normale Rückenhaut grenzt, findet sich ein dichter
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
4. März 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
123
Wall von starken Haaren, und erscheint die Haut hier auch braun pig-
mentirt. Beim Betasten des Tumors, wo das Kind Schmerzen äussert,
hat man das Gefühl multiloeulärer Cysten, welche der oben erwähnten
Kleebatt form entsprechend in drei Abtheilungen getrennt erscheinen. Bei
Druck auf den Tumor treten Convulsionen nicht auf, auch kann eine
Veränderung in der Weite der Pupillen nicht constatirt werden, dagegen
erfolgt gewöhnlich eine Urinentleerung, und zwar in vollem Strahl, nicht
tröpfelnd. Das Kind ist zur Zeit sehr gut genährt, hat schon die ersten
oberen und unteren Schneiiezähne, sitzt gut und zeigt normale Intelligenz,
obwohl hydroeephalischer Schädelbau nicht zu verkennen ist. Die übri¬
gens gut genährten, freilich an lipomatose Bildung erinnernden unteren
Extremitäten zeigen nur in den Oberschenkeln einige Bewegungsfähigkeit
und Reflexerregbarkeit, die Unterschenkel sind fast unbeweglich, die Fuss-
gelenke ganz schlaff. Was die Grösse des Tumors anlangt, so ist der¬
selbe im langsamen Wachsen, am 6. Februar d. J. hatte er einen Um¬
fang von 24 Ctm., von oben nach unten gemessen betrug die Ansdehnung
lt>, von rechts nach links 12 Ctm. Nachträgliche Messungen ergaben:
am 8. April Circumferenz 25, von oben nach unten 11, von rechts nach
links 12 Ctm.: am 8. Mai 2b 1 /^ von oben nach unten 10* *, von rechts
nach links 12* 2 Ctm.; am 5. Juni 26, 10, 13 Ctm.: am 4. October*)
28, 14, 16 Ctm. Auch der Hydrocephalus ist etwas in Zunahme, der
der Kopfumfang betrug am 8. Mai 50 Ctm., die Entfernung von einem
Öhr zum anderen quer über den Schädel 29 Ctm., bei 70 Ctm. Körper¬
länge; am 5. Juni zeigte das Kind 71 Ctm. und einen Kopfumfang von
51 Ctm., während die Entfernung von einem Ohr zum anderen noch
29 Ctm. betrug. In den letzten Monaten hat die Intelligenz des Kindes
sehr zugenommen, es fängt an zu sprechen und ist aufmerksam auf seine
Umgebung, in der Lähmung der unteren Extremitäten ist keine Besserung
zu constatiren.
Herr Dr. v. Heusinger demonstrirt dann den Heusner’schen
Milchspiegel und zeigt an practischen Versuchen dessen Nutzen und
bequeme Handhabung. Weiter macht er Mittheilung über die in Nord¬
amerika gegründete „Hav fever Association“, welche 1874 in Beth¬
lehem in New Hampschire gegründet worden ist, einem Orte, der 1450
Fuss über der See liegt und eine der wenigen bekannten Loealitäten ist,
wo Hay fever heilt, bezw. nicht zum Ausbruch kommt, wenn die Kranken
rechtzeitig (vor dem 20. August) dorthin reisen und bis zum Eintritt
der kühlen Jahreszeit '1. October) dort verweilen. Der Gesellschaft können
alle an den beiden Formen des Heufiebers (Rose Cold [Juni] und Hay
fever [September]) Leidenden als Mitglieder beitreten: nach §. 7 können
auch „Ehrenmitglieder“ gewählt werden.
VI. Feuilleton.
Jline Statistik der Gewohnheitstri n ker.
Der Verein deutscher Irrenärzte hat die Frage, wie dem Schaden,
den der Alkoholmissbrauch in unserem Volke anriGhtet, auch von Seiten
der Irrenärzte entgegen zu treten sei, in Berathung gezogen und dabei
die Uebcrzeugung gewonnen, dass eine irgend wirksame Bekämpfung
der unleugbar grossen Uebelstande, welche durch die Trunkfälligkeit
hervorgebracht werden, nicht allein von den wohlmeinendsten und
eifrigsten Bestrebungen einzelner oder auch grösserer freiwilliger Ver¬
einigungen zu erwarten ist, sondern dass, wie in anderen Ländern
(namentlich Nordamerika, Schweden, Frankreich), staatliche Massregeln
nach verschiedenen Richtungen hin — beispielsweise Beschränkung der
Schänken und Bestrafung des Trunkes — als unentbehrliche Hilfsmittel
zu diesem Zwecke zu erstreben sein weiden. Um aber sowohl bei den
staatlichen massgebenden Behörden die Anerkennung der Nothwendig-
keit und Dringlichkeit eines solchen Vorgehens zu erlangen, als auch
bei dem grossen Publikum durch überzeugende Einwirkung auf die
öffentliche Meinnng eine thatkräftige und allgemeine Mitwirkung in der
Ausführung der auf die Bekämpfung und Beseitigung der Trunkfälligkeit
gerichteten Massregeln zu erreichen, ist es als eine Vorbedingung, deren
Erfüllung allein einen durchgreifenden Erfolg versprechen könne, be¬
zeichnet worden, dass durch Gewinnung und Veröffentlichung statisti¬
scher Data über die Häufigkeit und Art der pathologischen Folgen der
Tronkfälligkeit in grösserem Umfange auch für Preussen das Bedürfnis
einer Hülfe klar gelegt werde.
Da es jedoch bisher an genügendem statistischen Material mangelt,
hat der Verein der deutschen Irrenärzte bei dem Cultusrainister und bei
dem Minister des Innern beantragt, eine statistische Erhebung über die
in Krankenanstalten, Irren-, Armen- und Arbeitshäusern untergebrachten
Gewohnheitstrinker unter Anwendung einer vorgelegten Zählkarte vor¬
nehmen zu lassen. Demzufolge wurde diese Angelegenheit der statisti¬
schen Central-Comraission überwiesen. Diese Commission be¬
steht aus Vertretern sämmtlicher Ministerien, dem Director des Kgl.
statistischen Bureaus und aus je 3 Mitgliedern des Abgeordneten- und
Herrenhauses. In der Sitzung am 10. October v. J., in der von Aerzten
zugegen waren: Geheimer Medicinalrath Virchow, als Vertreter des
Abgeordnetenhauses, Dr. med. Guttstadt vom Kgl. statischen Bureau
*) Die Körperlänge beträgt jetzt 75 Ctm., der Umfang des Kopfes
52 Ctm. Die grosse Fontanelle ist beinahe ganz geschlossen; die In¬
telligenz entwickelt sich zur Zufriedenheit, Die Sphincteren der Blase
und des Mastdannes functioniren jetzt fast normal; im rechten Schenkel
traten periodisch Zuckungen auf, und kann das Kind jetzt besser wie
früher geringe willkürliche Bewegungen ausführen.
und Sanitätsrath Dr. Baer, Gefängnissarzt der Anstalt Plötzensee, der
sich mit der Trinkerfrage literarisch beschäftigt, wurde beschlossen, vor¬
erst probeweise in einigen grösseien Krankenanstalten, Irrenanstalten
und Gefängnissen Erhebungen über die Gewohnheitstrinker zu empfehlen.
Wesentlich ist hierbei die Definition über Gewohnheitstrinker. Der
Verein der deutschen Irrenärzte hat folgende Definition vorgeschtagen:
„Unter Gewohnheitstrinkern sind solche Personen zu verstehen, welche
sich dem regelmässigen oder periodischen Trünke notorisch in dem
Masse ergeben haben, dass sie ihre Selbstbeherrschung und die Fähig¬
keit ihre Geschäfte zu besorgen mehr oder weniger verloren haben,
ihre Pflichten vernachlässigen und sich und ihrer Umgebung gefährlich
werden“.
Inzwischen soll bereits praktisch in dieser Angelegenheit vorgegangen
werden. Namentlich auf Anregung des Geheimen Medicinalnaths Dr.
Nasse, Director der Provinzial-Irrenanstalt zu Andernach, wird in der
Rheinprovinz die Errichtung eines Asyls geplant, in dem die Heilung
der Gewohnheitstrinker angestrebt werden soll. Zunächst ist ein Asyl
für Gewohnheitstrinker aus höheren Ständen in Aussicht genommen.
Mittheilung über die obligatorische Leichenschau
in Anklam.
Von
Dr. Kirschstein daselbst.
Die Interpellation der Abgeordneten Dr. Thilenius und Dr. Zinn
in der fünften Sitzung des deutschen Reichstages vom 16. Febr. er., be¬
treffend den Entwurf eines Leichenschaugesetzes, veranlasst mich zu nach¬
stehender Mittheilung. Seit einigen Jahren ist durch die Fürsorge der
städtischen Behörden die obligatorische Leichenschau hier eingeführt. Zu
diesem Berufe ist in jedem armenärztlichen Bezirk ein Leichenschauarzt,
der von der Commune besoldet wird, mit der Verpflichtung angestellt,
dass er die Leichenschau ohne Rücksicht auf die Vermögensverhältnisse
des verstorbenen in jedem Falle bewirken muss, wo seine Thätigkeit
von den hinterbliebenen in Anspruch genommen wird. Selbstverständ¬
lich bleibt es aber den hinterbliebenen auch unbenommen, die Leichen¬
schau von einem anderen practischen Arzt bewirken zu lassen. Jeden¬
falls müssen die als Leichenschauärzte fungirenden Collegen das weiter
unten mitgetheilte Formular, „Todtenschein“ ausfüllen, welches bei der
Todesanmeldung dem Standesbeamten vorzuzeigen ist. Damit die Leichen¬
schauärzte über die Todesursache ein objectives, der Wahrheit möglichst
entsprechendes Urtheil fällen können, sind die zunächst betheiligten ver¬
pflichtet, möglichst unmittelbar nach dem Tode den Leichenschauarzt
zu rufen, und den Leichenwäscherinnen ist es verboten, die Leichen früher
zu berühren, bevor der Leichenschauarzt den Todtenschein ausgefer¬
tigt hat.
Das über jeden Todesfall auszufüllende amtliche Formular („Todten¬
schein“) enthält folgende 9 Rubriken: 1) Vor- und Zuname des Ver¬
storbenen; 2) Stand oder Beruf; 3) Sterbe-Wohnung; 4) Geburtstag und
Jahr des Verstorbenen; 5) Geburtsort; 6) Namen des Ehegatten; 7) Na¬
men der Eltern des Verstorbenen; 8) Todes-Ursache; 9) Tag und Stunde
des Todes. Dass ich mich persönlich von dem eingetretenen Tode und
von der Identität der Leiche mit der hier bezeiehneten Person überzeugt
habe, bescheinige ich hiermit. Anclam, den. Dr. N. N.
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. Den bedeutungsvollen Moment, in welchem in dem stolzen
Bau des neuen physiologischen Instituts die Vorlesungen am 6. November
v. J. eröffnet wurden, hat der Director desselben, Herr du Bois-Reymond
mit einer Rede gefeiert, die vor kurzen im Druck erschienen ist. („Der
physiologische Unterricht sonst und jetzt.“ Rede, bei Eröffnung des neuen
physiologischen Instituts der Königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität
zu Berlin am 6. November 1877 gehalten. Berlin 1878. Hirschwald.)
Der Rückblick auf die Vergangenheit, der sich von selbst jedem denken¬
den bei dieser Gelegenheit aufdrängte, gestaltete sich in dem formvollen¬
deten Vortrage des Redners zu einem in grossen Zügen klar gezeichneten
Bilde der Wandlung, die in den letzten 3—4 Jahrzehnten der Umfang,
die Richtung und die Methode der physiologischen Wissenschaft und
somit ihre Bedeutung als Unterrichtsgegenstand gewonnen, sowie der
Folgen, die diese Wandlungen auch auf die äussere Selbständigkeit des
physiologischen Lehrapparats haben mussten. Der Geschichte der phy¬
siologischen Institute, deren erstes in Breslau durch Purk ine nach vielen
Kämpfen mit den leitenden Behörden ins Leben gerufen wurde, widmet
nunmehr der Verf. einen Ueberblick, und indem er sich dann zu dem
berliner Institute wendet, das als das vollendeteste der heut existirenden
gelten muss, schildert er die grossen Schwierigkeiten, welche die Er¬
bauung und Errichtung eines so umfassenden Instituts — welches ein
physikalisches und ein chemisches Laboratorium, ein Vivisectorium, eine
histologische und eine embryologische Abtheilung umschiiesst — mit
sieh führt. In welch’ hervorragender Weise ein so trefflich ausgestattetes
Institut nicht nur die speciell physiologische, sondern ganz besonders
die allgemein medicinische Bildung des zukünftigen Arztes beeinflussen
muss, bildet die äusserst zutreffende Schlussbetrachtung der Rede. Wir
schliessen diese kurze Notiz mit dem Wunsche, dass das neue Institut
zur wissenschaftlichen Hebung unseres Standes — die mit der heut an-
gestrebten socialen stets Hand in Hand gehen muss — wesentlich bei¬
tragen und aus seiner Schule, wenn auch nicht immer grosse Entdecker —
denn diese lassen sieh durch Institute nicht schaffen — so doch Generationen
gebildeter und wissenschaftlich denkender Acrzte hervorgehen lassen möge.
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Gck igle
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UNIVERSETY OF MICHIGAN
124
No. 9
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
— Für die durch die Uebersiedelung Cohn heim’s nach Leipzig
erledigte Professur der pathologischen Anatomie in Breslau ist Herr
Prof. Ponfick in Göttingen berufen: für die Göttinger Professur ist
Herr Dr. Orth, erster Assistent am hiesigen pathologischen Institut,
ernannt worden. Eben so wie Breslau zu seiner Wahl, darf inan auch
die Göttinger Facultät zur Ernennung Orth’s aufrichtig beglückwünschen ;
denn wenn die letztere auch, wie verlautet, nicht dem Vorschlag der
Facultätsmajorität gemäss erfolgt ist ; so wird diese sich doch un¬
zweifelhaft sehr bald überzeugen, dass sie alle Ursache hat, aufs höchste
zufrieden zu sein, und dass eine bessere Wahl kaum hätte getroffen
werden können.
— Nach der auf dem letzten internationalen medicinischen
Congress zu Genf getroffenen Wahl hat sich, unter Mitwirkung des
ärztlichen Vereins in Holland und der Königlichen Niederländischen Aca-
demie der Wissenschaften, ein Organisations-Comite für die sechste Sitzung
des Congrcsses constituirt, welches aus folgenden Mitgliedern besteht:
Präsident: Prof. Dr. Donders, Utrecht. Secretair: Dr. Guyo, Amster¬
dam. Mitglieder: Dr. Van Cappelle, Referent für Medicinal-Angelegen-
heiten im Ministerium des Innern, Haag; Dr. Fabius, Amsterdam; Prof.
Dr. Hertz, Amsterdam; Prof. Dr. Heyns ins, Leiden; Prof. Dr. Hu et,
Leiden; Prof. Dr. Huizinga, Groningen; Prof. Dr. Koster, Utrecht;
Dr. Ramaer, Haag; Prof. Dr. Ros enstein, Leiden; Prof. Dr. Sänger,
Groningen; Prof. Dr. Sn eile n, Utrecht: Prof. Dr. Stokvis, Amsterdam;
Prof. Dr. J. W. R. Tilanus, Amsterdam; Dr. Zeeman, Amsterdam.
Das Comite hat beschlossen, dass die Sitzungen in Amsterdam
stattfinden sollen. Der ausschliesslich wissenschaftliche Congress soll
eine Woche dauern und wird seinen Anfang am Sonntag den 8. Septem¬
ber 1879 nehmen. Die officiclle Sprache ist die deutsche und französische.
Alle Mittheilungen, die Bezug haben auf den Congress oder auf
Fragen, welche zum Object von Berathschlagungen werden können, werden
bis zum 1. Juni 1878 vom Comite entgegengenommen. (Adresse Dr. Guye
in Amsterdam.) Nach diesem Termin wird das Comite definitiv die Sta¬
tuten und das Programm feststellen und die Berichterstatter ernennen.
— Das Kaiserliche Gesundheitsamt hat wegen Unbrauch-
barkeit der zur Anwendung gekommenen Schemata die Impfrcsul-
tate pro 1875 nicht mitgetheilt. Auch für 1870 ist es nicht in der
Lage, genauere Berichte zu veröffentlichen als folgende:'
Von je 100 Impfpflichtigen wurden mit Erfolg geimpft:
Staaten
und Landestheilc.
Nach § 1. Ziff. 1
(Vaccinationen)
Nach § 1, Ziff. 2
(Revaccinationen)
I. Preussen.
/ Preussen
81,2
54,2
1 Brandenburg
73.5
70,8
1 Berlin
39.6
70,7
1 Pommern
80.5
68.5
| Posen
88.7
60,6
l Schlesien
83.9
72,4
\ Sachsen j
89,4
69,0
I Schleswig-Holstein j
77.4
77,7
iHannover
90.6
72.8
1 Westphalen
86,5
75,2
J Hessen-Nassau j
90.8
77,4
\ Rheinland j
89.7
73.5
lienzollorn’sche Laude j
90.9
79.4
Preussen zusammen: j
84.7
69,3
II. Bayern. !
Oberbayern 1
94.3
91.3
i Niederbavcrn i
94.6
83.9
\ Pfalz
96.5
90,8
J Oberpfalz .
92.8
83,4
Vübcrf ranken 1
94.8
87.1
I Mittel franken j
95.2
86.2
f Unterfranken
92.7
88,5
^ Schwaben
95.:*)
| 86.4
Bayern zusammen:
91.6 |
87.6
111. Sachsen.
i Dresden
79,4
78,S
; Leipzig i
7U2
80,7
j Zwickau j
74.9
75.8
f Bautzen ;
80.5 |
84,1
Sachsen zusammen: |
75,7 |
Ts.r.
IV. Württemberg. 1
!
i Neekarkrei> (
MUT j
85.7
t Schwarzwald kreis
92.8
90.7
j .lagstkreis
90.1 !
85.5
f Donau kreis
91.:;
So. 8
Staaten
und Landestheilc.
!
i
Nach § 1, Ziff. 1
(Vaccinationen)
Nach § 1, Ziff. 2
(Revaccinationen)
V. Baden
91,9
87,3
VI. Hessen (An-
traben fehlen)
—
—
VH. Mecklenburg-
Schwerin
83,0
67,2
VIIU Sachsep-Weimar
87,2
79.5
IX. Mecklenb.-Streb
89,0 |
1 74.2
X. Oldenburg.
Herzogthum Oldenburg
80,3 1
77.2
Fürste nthum Lübeck
80.1
84,5
Fürstenth. Birkenfeld
98.0
81,5
Oldenburg zusammen:
.- 1
XI. Braunschweig i
94.8 i
84.8
XII. Sachsen-Mein.
86.7 1
82.9
XIII. Sachsen-AItenb.
70.4
86.2
XIV. Saehsen-Cob.-G.i
80.7
77,7
XV. Anita It
86.0
76,4
XVI. Schwarzbunt- 1
Rudolstadt
68.5
64.7
XVIL Schwarzburg- i
Sondershausen l
86.2
76.5
XVIII. Waldeck
89,8
79,1
XIX. Reuss ält. Linie
77.0 i
71.8
XX. Reuss i. Linie
88.8
75.2
XXL Schau mb.-Lippe
94.9
S6.8
XXII. Lippe
8s. 0
81.8
XXIII. Lübeck
9:1.4
72.0
XXIV. Bremen
82.2
75.9
XXV. Hamburg
24,5
59.8
XXVI. Elsass-Lwldii mit'.'
Sk i l ilter-Elsas»
84.8
65.8
^ \ Ober-l‘;lsass
79.0
59,6
22 l Lothrinm-n
86.2
49.9
Eisass-Lcthr '. /.imammen :
s:ui
52.*
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Gck igle
I — In der Woche vom 3. bis 9. Februar sind in Berlin 480 Per¬
sonen gestorben. Todesursachen: Masern 5, Scharlach 10, Roth-
lauf 3, Diphtherie 23, Eitervergiftung 2, Kindbettfieber 2, Typhus 3,
Dysenterie 1, Gelenkrheumatismus 2, Syphilis 2, mineralasehe Ver¬
giftung 1 (Selbstmord), Kohlengasvergiftung 1, Delirium tremens 1,
Sturz 1, Erschiessen 1 (Selbstmord), Schnittwunde 1 (Selbstmord), Er-
! hängen 2 (Selbstmorde), Lebensschwäche 21, Abzehrung 17, Bildungs-
| fehler 1, Atrophie 5, Scropheln 3, Altersschwäche 12, Krebs 11, Wasser-
I sucht 5. Herzfehler 17, Hirnhautentzündung 12, Gehirnentzündung 9,
1 Apoplexie 18, Tetanus und Trismus 4, Zahnkrämpfe 4, Krämpfe 38,
j Kehlkopfentzündung 12, Croup 5, Pertussis 6, Bronchitis acuta 6.
■ chronica 15, Pneumonie 32. Phthisis 75, Peritonitis 8, Folge der Ent-
| bindung 1, Gebärmutterblutung 1, Ererstocks Wassersucht 1, Diarrhoe 9
(darunter 8 Kinder unter 2 J.), Brechdurchfall 3 (Kinder unter 2 J.),
Magen- und Darmentzündung 2, Magen- und Darmkatarrh 5 (Kinder
unter 2 J.), Nephritis 5, Blasenleiden 1, andere Ursachen OO, un¬
bekannt 1.
Lebend geboren sind in dieser Woche 390 m., 378 w., darunter
ausserehelich 51 m., 35 w.; todtgeboren 13 m., 9 w., darunter ausser-
ehelich 2 m., 2 w.
Die durchschnittliche Sterblichkeit dieser Woche beläuft sieh
auf 24,8 pro Mille der wahrscheinlichen Bevölkerungszahl, die entspre¬
chende Geburtenziffer auf 39,5 pro Mille (beide Summen mit Ausschluss
| von 1,1 pro Mille Todtgebornen).
Witterung: Thermometerstand: 2,23. Abweichung 1,71. Ba-
! rometerstand: 28 Zoll 3,00 Linien. Dunstspannung: 2 Linien,
j Relative Feuchtigkeit: S2 pCt. Himmelsbedeckung: 8,9. Höhe
! der Niederschläge: 0,85 Pariser Linien.
| Die Zahl der in der Woche vom 10. bis 16. Februar gemeldeten
j Typhus-Erkrankungen belief sich auf 10 (4 m., 6 w.), Todesfälle auf 4.
VIL Amtliche MittheihmgeH.
Personalia.
Anstellungen: Der Arzt Dr. med. Holthoff ist mit Belassung seines
Wohnsitzes in Barleben zum Kreis-Wundarzt des Kreises Wolmirstedt
ernannt, und der Kreis-Wundarzt Dr. med. Hannstein zu Lehnin
aus dem Kreise Zauch-Belzig in den Kreis Oppeln mit Anweisung des
Wohnsitzes in Krupp versetzt worden.
Niederlassungen: Dr. Sah 1 men in Wiedenbrück, Dr. Schmitz in
Hallenberg, Arzt Werterhove in Gelsenkirchen, Dr. Voss in Witten,
Ober-Stabsaizt a. I). Dr. Gygas, Geheimer Sanitätsrath Dr. Burck-
hardt, Sanitätsrath Dr. Fleischer, Generalarzt a. I). Dr. K lat len
und Dr. Zink eisen in Wiesbaden.
Verzogen sind: Dr. Usinger von Wallau nach Ilofheim. Dr. Weiss
von Frankfurt a. M. nach Griesheim, Dr. Thewalt von Rausbach nach
Königstein, Dr. Stahl von Wiesbaden nach Berlin.
Apothekcn-An gelegen heit e n : Der Apotheker R a d k e hat die L ö w e -
sehe Apotheke in Schubin und der Apotheker Ilöffken die Honing-
sche Apotheke in llörde gekauft. Dein Apotheker Linke ist die
Verwaltung der Ebb i n gh us e n 'schon Apotheke in Hoverstadt über¬
tragen worden.
Todesfälle: Dr. König in Deutscb-Eylau, Sanitätsrath Dr. T)ö r gor
in Goslar, Dr. Westermann in Bochum, Dr. Engels in Mühlheim
a.,R., Dr. Frankenstein in Waldenburg.
| Bekanntmachungen.
Die Kreiswundarztstelle des Kreises Heilsberg ist noch vacant. Wir
I fordern qualificirtc Bewerber um diese Stelle hiermit auf, sich unter Ein¬
reichung der erforderlichen Zeugnisse und eines Lebenslaufs bis zum
; 15. April er. bei uns zu melden.
Königsberg, den 11. Februar 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Die mit einem etatsmässigen Gehalt von Sechshundert Mark jähr¬
lich dotirte Kiviswundarztstelie des Kreises Creuzburg ist erledigt. Qua-
| lifizirte Bewerber um diese Stelle wollen sieh unter Einreichung ihrer
Zeugnisse und des Lebenslaufes binnen 4 Wochen bei uns melden.
Oppeln, den 13. Februar 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Inserate.
Bekanntmachung.
Die Stelle eines Arztes für Wörlitz und Umgegend ist vacant und
soll sofort wieder besetzt werden. Ein junger Doetor der Medicin wolle
hierauf relb-etiren.
Wörlitz, 20. Februar 1878.
Bürgermeister
F. Corte.
Aß der UMi'ivussiselirn Provinzial - Irren - Anstalt Allenberg bei
W'hlau wird die Vidüniärar/Mcll<* /um 1. April er. vaeant. Neben
freier Station 1. Clas>e Staai-remmmraii-'ii von 600 M. und lYoviuzial-
ZUM'lm^ vop 300 M.
Näheres bei dem Ihn-eier Dr. Jensen.
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
4. März 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
125
Bekanntmachung.
Volontair-Arzt gesucht
An der Bezirks-Irren-Anstalt Stephansfeld bei Brumath im Eisass
ist vom 1. April cur. an die Stelle eines Volontair-Arztes zu besetzen.
Gehalt 600 Mark und ganz freie Station. Verpflichtung auf ein Jahr.
Meldungen nebst Zeugnissen sind einzureiclien bei
Stephansfeld, den 18. Februar 1878. dem Director
Dr. Stark.
An der Land-Irren-Anstalt zu Ebnrswalde soll die in Folge Beförde¬
rung des bisherigen Inhabers vacant werdende Stelle des Yolontärarztcs,
dem ausser freier Station von der Anstalt ein jährliches Gehalt von
450 Mark und vom Königlichen Ministerium eine jährliche Remuneration
von 600 Mark gewährt wird, Ztim 14. März d. J. wieder besetzt werden.
Bewerbungsgesuche sind unter Beifügung von Zeugnissen binnen
längstens 14 Tagen a n die DirectiOU zu r ichten.
Die Stelle eines Assistenzarztes am hiesigen Stadtlazareth wird zum
1. April d. J. vacant. Gehalt 1200 Mark bei freier Wohnung, Heizung
und Beleuchtung. Qualificirte Bewerber werden ersucht ihre Meldungen
beim hiesigen Magistrat einzureichen.
Danzig, Men 15. Februar 1878. Dr. Baum. Oberarzt.
Die Stelle eines Assistensarztcs am hiesigen städtischen Arbeits¬
hause, welches neben der Siechenstation zur Zeit auch noch die Irren-
abtheilung enthält, wird zum 1. April d. J. vacant. Gehalt 1200 Mark
bei freier Wohnung, Heizung und .Beleuchtung. Qualificirte Bewerber
werden ersucht ihre Meldungen beim hiesigen Magistrat einzureichen.
Danzig, den 15. Februar 1878. Dr. Baum, Oberarzt.
Ein beschäftigter Arzt sucht für den 1. oder 15. Mai zu seiner
Unterstützung und Vertretung einen jungen approbirten Collegen gegen
900 Mark Jahresgehall und freie Station.
Näheres durch die Expedition d. Bl. unter S. B. 6.
Als ärztlicher Leiter eines seit 60 Jahren bestehenden Bades
(Wasserheilanstalt) wird ein pract. Arzt gesucht.
Gesicherte Stellung wird garantirt. Einlage eines sicher zu stellen¬
den Capitals oder Betliciligung mit einem solchen von er. 30,000 Mark
ist Bedingung.
Offerten unter Chiffer G. G. S812 besorgt die Annoncen-Expedition
Th. Dietrich <fc Co. in Hannover.
Im Flecken Rotenburg, grösserem Kreisorte der Provinz Hannover,
ist, weil ein Arzt verzogen, eine Arzt sielte wieder zu besetzen.
Nähere Auskunft ertheill der Unterzeichnete.
Rotenburg, den 19. Februar 1878. Dedeeke.
Bürgermeister.
Ein praciisolier Arzt, gute Praxis, Fixum 1800 M., gesucht. Be¬
werbungen bis 15. März 1878, Besetzung zum 1. April 1878, werden
berücksichtigt.
Dorchheim bei Hadamar, Reg.-Bezirk Wiesbaden.
Meldungen an den Vorstand daselbst.
Meran {
Beginn der Frühlings-Saison am 1. April.
Molken, Milch, Kumys. Kräutersaft, Mineralwässer,
Bäder, Douchen, vollständige pnenmatiicbu Anstalt.
Dr. J. Pircher, Curvorsteher.
P ģ 4 Bad Neuenahr.
Alkalische Thermen, sehr reich an Kohlensäure. Specificum bei
chronischen Catarrhen des Magens, Darmes und der Respirationsorgane,
bei Blasenleiden, Gries, Stein, Diabetes in., Gicht, Rheumatismus und
Uterusleiden. Wird selbst bei Monate langem Trinken vortrefflich ver¬
tragen. — Nur das Curhötel (Hotelier Herr Peters) mit zeitgemässen
Tarifpreisen, Post- und Telegraphen-Bureau steht mit den Bädern in
directer Verbindung. Näheres durch den angestellten Badearzt Herrn
Dr. E. Munzel und durch den Direotor Herrn A. Lenne.
Wasser-Heilanstalt Laubbach
bei Coblenz am Rhein.
Das ganze Jahr hindurch geöffnet. Kalte und warme Bäder, Elek¬
trotherapie.
Hausarzt: Dr. A. Maurer. Inspector: F. Herrmann.
Mattoni’s
Ofner Königs-Bitterwasser
wird von den ersten medicinischen Autoritäten des In- und Auslandes
gegen habituelle Stuhl verhalt uiig und alle daraus rcsultircn-
den Krankheiten ohne irgend welche üble Nachwirkung, auch bei längerem
Gebrauche, auf das Wärmste empfohlen.
Durch seinen reichen Gehalt von Cblornatrium, Natron blcarbonicum
und Natron carbonicum verdient es den Vorzug vor allen andern Bitter-,
wassern des In- und Auslandes.
Mattoni & Wille, k. k. österr. Hoflieferant,
Besitzer der 6 vereinigten Ofner Königs-Bitter-Quellen.
Curvorschriften und Brochuren gratis.
Budapest, Porotheagasse Mo. B. _
Meine Heüanstalt für Brustkranke in G-örbersdorf
ist das ganze Jahr hindurch geöffnet. Der Pensionspreis betragt für
Wohnung, Bedienung, Bäder und vollständige Beköstigung pro Woche
36 bis 51 Mark, je nach der Wahl der Stube.
Görbersdorf ist Post- und Tclegraphenstation. Die nächste Bahn¬
station für die über Berlin oder Dresden kommenden Patienten ist
Dittersbach, und für die über Prag oder Breslau kommenden Friedland
Reg.-Bezirk Breslau.
Briefe an den Unterzeichneten.
Dr. Brehmer.
Für die Zeit von April bis Juli wird ein
Stellvertreter
gesucht für eine sehr angenehme, auf einen Ort beschränkte Praxis» in
der Nähe von Frankfurt a./M. Monatliches Fixum Rm. 250. Offerten
befördert die Exped. des Blattes sub C. L. 8. _
Für Franken hausen in Thüringen am Kyffhäuser-Gebirge, Fabrik-
und Kreishauptstadt, mit Landbezirk 4618 Einwohner zählend, viel
besuchter Sool-Badeort, in welchem neuerdings ein zweites Badehaus
neu erbaut und sonst eine Inhalationshalle und eine Heilanstalt für
scroplmlöse Kinder sich befinden, wird unter jetzt sehr günstigen Vor¬
aussetzungen und Bedingungen ein junger Amt gesucht. Bewerbende
wollen sich unter Beifügung ihrer Zeugnisse wenden an den Bürger¬
meister M ii 11er. _
Ein erf. verh. Arzt sucht in Berlin eine Stellung oder Beschäftigung.
Meldungen werden sub D. M. 9. durch die Exped. dies. Blattes erbeten.
Stellung als Krankenpflegerin in einer Augenheilanstalt sucht die,
mehrere Jahre als solche in der Augenkl. des Herrn Dr. Schoeler
beschäftigt gewesene Marie Busse, Neuenburgerstr. 27, III.
Wasserheilanstalt Gräfenberg
(Oesterr.-Schlesien).
Mein neues Kurhaus „Annahof* enthält 60 schön möblirte, heizbare
Stuben, eleganten Restaurationssaal und eine grosse gedeckte nach
Süden offene Veranda. Bade- und Doucheräume entsprechen den
modernsten Anforderungen. Kurarzt Df. Anjel wohnt im Hause.
Nächste Bahnstation „Ziegeilbals u 2 Meilen entfernt.
Neugebauer.
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in den Kuranlagen von tÄ7ip Q 'Ua/ : lnri Geschützte Lage.
Gleich massiges Klima. W lcSUducLL» Corafortable Einrichtung.
Wasser-, Bade- «ml Diät-Garen. Römische Dampf-, Fichtennadel- und
alle Arten künstlicher Mineralbäder. Heilgymnastik, Massage, Electrotherapie,
comprimirto Luftbäder (Glocken). Physiologisches Heilverfahren. Cur das
gante Jahr. Arzt im Hause.
Director: Dr. med. A. Zinkeisen, practicirender Arzt.
Soeben erschien bei uns:
Die Aerzte
und das medicinische Hülfspersonal,
die Apotheken und die Heilanstalten
sowie die
wissenschaftlichen medicinischen und pharmaceutischen
Vereine im Deutschen Reiche
nach dem Bestände vom 1. April 1876.
Herausgegeben vom
Kaiserlich Statistischen Amte in Berlin.
43 Seiten Folio. Preis 1 Mark.
Berlin, 64 Unter den Linden. Puttkammer & Mühlbrecht.
Im Verlage von Wilhelm Braumuller, k. k. Hof- u. Univers.-
Buchhändler in Wien, ist erschienen und durch alle Buch¬
handlungen zu beziehen:
Vorlesungen
über
allgemeine und experimentelle
Pathologie
von
Or. $. Stricker,
o. ö. Professor der aUg. u. exp. Pathologie in Wien.
I. Abtheilung, gr. 8. 1877. Preis 2 fl. — 4 Mark.
II. „ „ 1878. „ 2 fl. — 4 Mark.
Die erste Abtheilung behandelt hauptsächlich die Pathogenesis mit
besonderer Berücksichtigung der Infectionskrankheiten. Die zweite
Abtheilung enthält die Gefässnervenlehre und die Grundzüge
der allgemeinen pathologischen Histologie.
Die dritte Abtheilung (Schluss des Werkes) wird gegen Ende des
Jahres 1878 erscheinen.
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
126
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 9
Verlag von F. C. W. Vogel in Leipzig.
?. Ziemssens Handbuch.
Vierter* Band.
2. Hälfte.
Handbuch der Krankheiten
des
Respirationsapparates I.
(Trachea und Bronchien)
von
Dr. Fr. Riegel, und Or. 0. Frftntzel,
Director des Bürgerhospitab in Cöln. Professor in Berlin.
9. Auf läge.
603 Seiten, gr. 8. Preis 10 M.
Zehnter Band.
Haiuttaeh der Krankheiten
der
weiblichen Geschlechtsorgane
von
Or. Carl Schneller,
Prof, der Gynäkologie in Berlin.
Mit 147 Holzschnitten.
3. Auflage.
544 Seiten, gr. 8. Preis 10 M.
Medicinische Zeitschriften.
Deutsches Archiv
für
klinische Medicin.
HerausgegelKn von
Prof. F. .4. Zenker u. Prof. H. v. Zleinsseu.
in Erlangen. in Mönchen.
pro Band 15 Mark.
Archiv
für
Experimentelle Pathologie und Pharmakologie.
Herausgegeben von
Prof. E. Klebs Prof. B. Naunyn Prof. 0. Schmiedeberg
in Prag. in Königsberg. iu Strassburg.
pro Band 15 Mark.
Archiv
für
Ohrenheilkunde.
Herausgegeben von
Prof. v.Tröltsch Prof. A. Politzer Prof. H. Schwartze
in WQrabnrg. in Wien. in Halle.
pro Band 13 Mark.
Deutsche Zeitschrift
für
Chirurgie.
Herausgegeben von
Prof. C. Hueter u. Prof. .4. Lücke
in Graifswald. in Strassburg.
pro Band 15 Mark.
Deutsche Zeitschrift
für
Thiermedicin und vergleichende
Pathologie.
Herausgegeben von
Prof. 0. Bollinger u. Prof. L. Franck
in München. in München.
pro Band 9 Mark.
Jahresberichte
über
die Fortschritte der
Anatomie und Physiologie,
Herausgegeben von
Prof. F. Hofmann u. Prof. G. Schwalbe
in Leipzig. in Jena.
pro Band ca. 15 Mark.
Verlag von F. C. W. Vsgll in Leipzig.
Soeben erschien:
Ueber Veränderungen
des
Augenhintergrundes
bei internen Erkrankungen
von
Dr. August Schreiber.
Mit 8 chromolithogr. Tafeln.
(Separatabdr. a. d. Deutschen Archiv f. klin. Medicin.)
5 M. 60 Pf.
Handbuch der Krankheiten
des
! Rückenmarks
von •
{ Pro». Or. W. Erb
j in Heidelberg,
i 3. (Schluss-) Abtheilung,
i 4 Mark.
I — Der complete Band kostet 19 M. —
| (Aus von Zicmssen’s Handbnch, XL Band, 2. Hälfte.) _
j Bei Ambr. Abel in Leipzig ist erschienen und durch jede
j Buchhandlung zu beziehen:
| Compendium
_ der
Electrotherapie
von
Dr. med. R. H. Pierson.
Zweite umgearbeitete Auflage.
Mit dreizehn Holzschnitten.
8° broch. Preis n. 4 M.
Compendium der Balneotherapie
zum Gebrauche für practische Aerzte und Studirende
von Dr. med. Arthur Zinkefsen.
! *28 Bg. 8° brochirt. Preis 6 M.
Dies Werk, reich an Steif und Inhalt, bietet eine gedrängte Üeber-
I sicht des ausgedehnten Feldes der Balneotherapie lind wird °die darin
Rath suc henden nie ohne genügende Antwort lassen.
Verlag von Moritz Schauenburg in Lahr.
Soeben ist complet erschienen:
Lehrbnch der Geburtshilfe
für
Aerzte und Studirende
von
Otto Spiegelberg,
Professor und Director der geburtsh. Klinik in Breslau.
53 Bogen gr. 8°, mit vielen Illustrationen.
__ Frei« M. 30. _
In J. u. KenTs Verlag^(Max Müller) in Breslau ist
soeben erschienen:
Beiträge zur
Biologie der Pflanzen.
Herausgegeben von
Dr. Ferd. Cohn.
Zweiter Band. Drittes Heft. (Schluss des zweiten Bandes.)
Mit 5 Tafeln. Preis 12 M.
Dieses Heft ist wegen der darin enthaltenen Kocb’schen „Unter¬
suchungen über Bacterien“ (mit 24 Photogrammen) ven hervorragender
Wichtigkeit auch für weitere Kreise. — Früher erschienen: Band 1:
Heft 1 7 M., Heft 2 9 M., Heft 3 11 M.; Band H: Heft 1 7 M.,
Heft 2 10 M.
In Carl Winter’s Universitätsbuchhandiung in Heidelberg ist
soeben erschienen:
Wuhn, Professor, Dr. A., Lehrbuch 4er vergleichen¬
den Anatomie. Zweiter Theil (Schluss). Animale Organe nnd Apparate
des Thierkürpere. Mit 335 Holzschnitten. Lex.-8°, brosch. 16 M. Vorher
erschien: Erster Theil. Vegetative Organe and Apparate des Thferkürpers.
Mit 356 Holzschnitten. Lex.-8°, brosch. 12 M.
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
4. März 187S.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
127
Verlag von FERDINAND ENKE in Stuttgart.
Soeben erschien lind ist durch jede Buchhandlung zu beziehen:
Handbuch der Frauenkrankheiten
unter Redaction von Professor Dr. BülrOth in Wien.
Sechster Abschnitt.
Prof. Dr. Olsliausen in Halle: Hie Krankheiten der Ovarien.
Mit 33 in den Text gedruckten Holzschnitten.
gr. 8. geheftet. Preis 12 Mark.
Lehrbuch der Militär-Hygiene
von
Dr. C. Kirchner,
KÖnigl. Oberstabs- u. Regimentsarzt des 1. Schles. Dragoner-Reg. No. 4.
Mit 88 in den Text gedruckten Holzschn. u, 8 lith. T&feln.
Zweite gänzlich umgearbeitete Auflage.
gr. 8. Preis corapl. 14 M. 80 Pf.
Die erste Hälfte erschien im December 1876 zura Preise von 7 M. 60 Pf.,
die zweite Hälfte soeben zum Preise von 7 M. 20 Pf.
Handbuch der Allgemeinen Pathologie
als pathologische Physiologie
von
Prof. Dr. Samnel in Königsberg.
II. Abtheilung.
Allgemeine Hämo - Thermo - Neuro - Pathologie.
gr. 8. geheftet. Preis 5 M. 20 Pf.
Die dritte Abtheilung erscheint Ostern, die vierte Abtheilung (Schluss)
im Sommer 1878.
Die Echinococcnscysten der Nieren
und des perirenalen Bindegewebes
von
Dr. Gustav Simon,
weiland Professor der Chirurgie in Heidelberg.
Herausgegeben von
Dr. II. Braun,
Privat-Docent u. Assistenzarzt an der chirurg. Klinik in Heidelberg,
gr. 8. geheftet. Preis 2 Mark.
Physiologie der Seele.
Die seelischen Erscheinungen vom Standpunkte der Physiologie
und der Entwickelungsgeschichte des Nervensystems aus wissen¬
schaftlich und gemeinverständlich dargestellt
von
Dr. Karl Spanier,
Privat-Docent an der Universität Giessen.
8. geheftet. Preis 6 Mark.
Die cerebralen Grandzustände der Psychosen.
Von
I>i\ J. Weins,
Assistent an Professor Leidesdorfs Klinik.
8. geheftet. Preis 1 M. 60 Pf.
In Carl Wlnter’S Universitätsbuchhandlung in Heidelberg ist
soeben erschienen:
HAhne, Professor Dr. W., Untersuchungen aus dem
physiologischen Institute der Universität Heidelberg.
Band I. Hoft 2. Mit 4 Holzschnitten, gr. 8°, brosch. 4 M.
Inhalt: Ueber die Verbreitung des Sehpurpurs im menschlichen
Auge von W. Kühne. Zur Chemie der Ulerusveränderungen der Linse
von I)r. med. M. Knies. Das Sehen ohne Sehpurpur von W. Kühne.
Untersuchungen über den Sehpurpur von A. Ewald und W. Kühne.
Kurze Anleitung zur Verwendung der Verdauung in der Gewebsanalyse
von W. Kühne.
Weitere Hefte sind in Vorbereitung. Wir bitten die Fortsetzung
geil, verlangen zu wollen.
Bei Alfred Hufelaud in Minden erschien soeben und
ist durch jede Buchhandlung zu beziehen:
Schultz-Hencki, Reg.- und Med.-Rath, I)r. Der Regierungs-
Bezirk Minden. Eine medicinisclie Studie nebst Verwal-
tungsberiebt über das Sanitäts- und Veterinair-Wesen für
das Jahr 1875, Preis 8 Mk.
Verlag von J.-B. Bailli&re et Fils in Paris.
Hise en vente du Tome XXIV du
Nouveau dictionnaire de mädecine et de Chirurgie pratiques,
illustre de figures Iutercalees dans le texte reaige par Benj.
Anger, Barrallier, Bernutz, P. Bert, Chatin, Cusco, D’Heilly,
Denuce, Desnos, Desormeaux, A. Despres, Devilliers, Dieu-
lafoy, M. Daval, Fernet, Alf. Fournier, Ach. Foville, T. Gallard,
H. Gintrac, Gosselin, A. Guerin, Hallopeau, A. Hardy, He-
raud, Heurtaux, Hirtz, Jaccoud, Jacquemet, Koeberle, 0.
Lannelongue, Ledentu, J. Lucas-Championniere, Lunier, Luton,
Marduel, Martineau, Mauriac, Ore, Panas, Prunier, M. Ray¬
naud, Richet, Rigal, Ph. Ricord, Jules Rochard, Z. Roussin,
Saint-Germain, Ch. Sarazin, Germain See, Jules Simon,
Siredey, Stoltz, Straus, A. Tardieu, S. Tarnier, Aug. Voisin.
Directeur de la Redaction: le docteur Jaccoud. Se com-
posera d’environ 35 volumes grand in-8 cavalier de 800 pages,
avec figures intercalees dans le texte. Les tomes I ä XXIV
sont en vente. Prix de chaque volume. 10 Mk.
E. Courbit. Contribution ä l’etude des kystes du foie et des
reins et des kystes en general. Paris 1877. 8. De 64 pages
avec une planche lithograghiee. 1 M. 50 Pf.
FOItSSagrlves j. B., Traite d’hygiene navale. 2. edition complete-
ment remoniee et mise au Courant de progres de l’art
nautique et de Phygiene generale. Avec 145 figures inter¬
calees dans le texte. Paris 1877, 1 vol. 8. de 920 pages.
Preis 15 Mk:
Gillette. Chirurgie journaliere des höpitaux de Paris, reper-
toire de therapeutique chirurgicale. Paris 1878. 1 vol. in-8.
772 pages avec 662 figures. 12 Mk.
GOdard, J. Du Begaiement et de son traitement physiologique.
Paris 1877. 8. de 64 pages. 2 Mk. 50 Pf.
LenOls. Les eaux potables, canses des maladies epidemiques.
Paris 1878, in-8. 172 pages. 4 Mk.
Soeben erschienen:
Practische Spectralanalyse irdischer Stoffe. Anleitung zur Be¬
nutzung der Spectralapparate in der qualitativen und quan¬
titativen chemischen Analyse organischer und unorganischer
Körper, im Hüttenwesen, bei der Prüfung von Mineralien,
Farbstoffen, Arzneimitteln, Nahrungsmitteln, bei physikali¬
schen und physiologischen Untersuchungen etc. Von Dr.
Hermann W. Vogel, Professor der Photochemie und Spec¬
tralanalyse a. d. kgl. Gewerbeakademie zu Berlin. 25 l / t Bog.
Mit 136 Holzschnitten u. 3 Tafeln. Preis 8 Mk.
Verlag der C. H. Beck’schen Buchhandlung in Nördlingen.
Verlag von August Hirschwald in Berlin.
Soeben erschien:
Die
Pathologie und Therapie
des Wochenbetts.
Ein Handbuch für Studirende und Aerzte
von
Dr. F. Wftnckel,
Geh. Med.-Rath und Professor etc. in Dresden.
Dritte vielfach veränderte Auflage.
1878. gr. 8. 11 Mark.
Die
Secretion des Schwcisses.
Eine bilateral-symmetrische Nerveafuaction.
Nach
Untersuchungen am Menschen und an Thieren
dargestellt von
Dr. Alb. Adamkiewicz.
1878. gr. 8. 2 Mark.
Der physiologische Unterricht
sonst und jetzt.
Rede
bei Eröffnung des neuen physiologischen Instituts der Universität zu
Berlin gehalten von
Fmll du Jßois- Reymond.
1878. gr. 8. Preis 80 Pf.
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UNIVERSETY OF MICHIGAN
128
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. »
Verlag von August Hirschwald in Berlin.
Soeben erschien:
Charite - Annalen.
Herausgegeben von der
Direction des kgl. Charitö - Krankenhauses in Berlin.
Redigirt von dem ärztlichen Director
Dr. Dtehlhiuien,
General-Arzt .a la Suite des Sanitäts-Coqjs.
III. Jahrgang (1876).
Mit lithogr. Tafeln und Tabellen.
1878. Lex.-S. Preis 20 M.
Inhalts-Verzeichnis». I. Statistik bearbeitet von Dr. MehlkaNSea.
II. Kliniken: Medicinische Uni versitäts-Klinik. 1. Casuistische
Beobachtungen von Dr. M. Litten. 1. Ucber acute maligne Endocardi-
tis und die dabei vorkommenden Retinalveränderungen. 2. Ueber einen
eigentümlichen Augenspiegel-Befund in einem mit diffusem fieberhaften
Bronchialkatarrh complicirten Fall von Lungenemphysem. 3. Ueber Ge-
fässgeräusche bei Obturation der Pulmonalarterien und ihrer Aeste.
2. Ueber eine schwere Hauterkrankung im Gefolge allgemeiner Infec-
tion von Dr. M. Litten und Dr. 6. SalOfflOn. Propädeutische Klinik.
1. Bericht über die beobachteten wichtigeren Krankheitsfonnen unter
Ausschluss der Erkrankungen der Lungen, Nerven und Nieren von Stabs¬
arzt Dr. Znnker. 2. Uebcrsicht der im Winter 1876 77 behandelten Lun¬
gen- und Nervenkrankheiten von Stabsarzt Dr. Pfuhl. 3. Ueber experi¬
mentell erzeugte Riickenmarkssclerose und die Ausgänge der Myelitis.
Casuistische Mitteilungen von E. Leyden. (Hierzu Fig. 1 — 4.) 4. Ma¬
nometrische Messungen über den Druck innerhalb der Brust resp. Bauch¬
höhle bei Punctionen des Thorax resp. des Abdomens, von Demselben.
5. Klinische und experimentelle Mitteilungen von Dr. A. Fraenkel. 1. Zur
Lehre von der physiologischen und therapeutischen Wirkung des Pilo-
carpinum muriaticum. 2. Zwei Fälle von pernieiöser Anämie. 3. Ein
Fall von Icterus catarrhalis mit profusem Magen und Darmblutungen.
Unter dem Einfluss der letzteren beträchtliche Zunahme der Hamstoff-
ausseheidung. Nebenabtheilung für innerlich kranke Männer
und Frauen. Klinische Beobachtungen von Ober-Stabsarzt und Pro¬
fessor Dr. Fraentzel. 1. Ein Fall von Echinococcus in beiden Lungen.
2. Carcinose der Lymphgefässe der Lungen von einem Magenkrebs aus¬
gehend und intra vitam als Miliartuberculose der Lungen diagnosticirt.
3. Ein Fall von Miliartuberculose der Plexus Und Tela choroides ohne
gleichzeitige sonstige tuberculose Erkrankung der Hirnhäute. Gynae-
kologische Klinik. Mitteilungen von Stabsarzt Dr. Müller. 1. Ueber
Carcinoma uteri. 2. Ein Fall von Gaparo-Hysterotomie wegen eines
grossen, seit vielen Jahren bestehenden Fibroids. Heilung. Nerven-
Klinik. I. Casuistik von Professor Dr. Westphal. 1. Zwei Fälle von
Sclerodermie. 2. Paralysis agitans. Vorwiegende Beteiligung der lin¬
ken Extremitäten, des Kopfes, Unterkiefers und der Mundmusculatur-
Autopsie. Negativer Befund. 3. (Sogenannte Seitenstrangsclerose?)
Allmählich entstandene Paraplegie mit Rigidität. Söhr bedeutende Bes¬
serung. Wiedererlangung der Fähigkeit zu gehen. Schwinden der Ri¬
gidität. (Hierzu Fig 5.). 2. Die Ausscheidungswege des Jodkaliums
beim Menschen von Dr. Albert Adamkiewicz. Psychiatrische Klinik.
Casuistik von Professor Dr. Westpbal. Eine mit merkwürdiger Beziehung
zur Menstruation verlaufene Geistesstörung. Anklage wegen Mordes der
drei eigenen Kinder. Schwierige Beurteilung des Gemütszustandes.
Chirurgische Klinik. 1. Die wichtigsten Vorkommnisse auf der Kli¬
nik im Jahre 1876 von Stabsarzt Dr. R. Köhler. 2. Zwei Fälle von com-
plicirter Splittcrfractur des Schädels von Stabsarzt Dr. Meilly. 3. Die
physiologischen Principien bei der Behandlung rheumatischer Gelenk¬
entzündungen von Oberstabsarzt Dr. Starcke. Kind er-Klink. Mittei¬
lungen über das Scharlachfieber von Professor Dr. Henoch. Entbin¬
dungs-Anstalt. 1. Jahresbericht pro 1876 von Stabsarzt Dr. C. Richter.
2. Die einseitige, erworbene Oberschenkelluxation nach hinten und oben
in ihrer Einwirkung auf das Becken von Dr. H. Fatbender. Klinik für
Syphilis. Erythema exsudativum multiforme von Professor Dr. Lewlfl.
Au gen-Klin ik. 1. Jahresbericht der König]. Universitätspoliklinik von
Dr. Noretmaen. III. Pathologische Anatomie. Bericht über das
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.l&wV 6-M^fK- HtviteUBügen ttehtaW . li JA II I I |Vj IJ T I ß iigäbtiefi^todidris rpn-AAi^HÄt Üirs-.'i^ttJOsuö^r-
ailü Bucii^uainu^H« an»! P»s»~.\iwuU*i> an. |'| fl . f\ I i I j \ ' II , |~\ ' fin C^- w - v ' iMV ,i ““ <&'■)
Organ für praktische Aerzte.
Mit Berück&jcbtigußg der preußischen Medicinolverwaitung und Medicinalgesetzgebung
nach ajnUicIien Mittheiliutgeii.
Redacteur: Prof. Br. L. ffaUeDiturg. Verlag von Aagusl HirsrltwalJ in Bork
Montag, den II, März 1878. $if 1(). Fünfzehnter Jahrgang.
lahalV: t. Bernhard t: I>-bc*r MetäUoseopi'G —. --'TL $.eiim-iwi r>V CfeVr.,t»>Laukiimi»;-(Schluss). — III. Hank: Feber eme») KVd
eöflolHry.MgeÄl’er Exstirpation eines Falype.» »lei v«iVlftMto.Vom m (es m .wiHjf.ciiü der ]n&pjp?itbm».päü«*s — lA» b-roedci: bin iWtrag zur
Behandlungder Lähmung,en bei ApOpkktike.ru cd»l .Herv-Fbhrm “ V Mandel baum: Zar Hehaudiunir vtti (h?*e{i>v» ; ueu. •-*- \l. .‘lyDUk
: . r-Sp i ege^bftTjgi- Lehrbuch der imhttrtshiihb ihr Aenmv ohd t? VP.
mcdiöitosdui GWellschaft — A)i^«’m<dm*r. ärzilicfast' Verde >n ('«•};»). — VI11, E?.uHK*7aH (E. Havntfh f — Nachruf - ;
liebe Notizen). — IX, Amt!Ich« föiwhrtilampm.- —
la l'cber 5l^tnlloSfOp)f» ter cUfeot aa dessen schtm iftinale la«>c auf fe : Von. ihm
von geldbHeö Abtheilung in der Salpetrierö befindlichen Kranken
Im M, BcmhfifUL e\perim*?i>Ami>. alle ‘Vors[fcHt>5Ai««sipegein ergriff, *rra 4cp vor
Fast dreissig J.ahre -sind yerflüsdeöv seitdem Dr. ßnr>j zum Täusohacgeu zu sichen». Man legte mm hei. der. obeh •erwähn*
ersten mal bei leidenden, deren SehsiloBtät durch- verschiedene I ’tm Kranken aus einzelnen Goldstücken verfertigte Armbänder
Krankfefeiti^ö^ö4e jiCTahges^tzt war«, (len gfioHÜgim Eluftms - aaf ihren rechtem Arte und auf die lißgro 'UpraoFl>it«lis rnnwi
der Saueren Applikation verschiedener X)c.t&He bemerkt hatte * temporaljs; nach etwa 15 bis 2<» Minuten wurde, die Haut an-
Kkht ?ii)e Kracken, das hatte II scheu gefunden: . ^wurden v?»tt , den■■eotsprechemJen SfeHen roth, und <11**: Kranke, an, d.»n
einem Und Metall in gleich günstiger Weisft bcehi- ein Oefuhl voji KTiebelß und W^rrnc Je empfinden. —
fiusst: bei eilten war es. via«, 'Gobi ha IleiU (mdern Fixere ! oberÖSebljche Nadekttche wurdex» mm sditerzhatt empfunden'
Kupier oder Zink s dem er therapeutisolie Erfolge Verdankte^ ] and binteteiL Die Hhxfäliigkeit hatte sieh zudem ge.beSseri, so-
Diese 8e.f*iudo filhrtei» (len Eijiderker zu der Hypothese, es !< wie die F5liigke.it des rechten Auges. Farben deutlich m *».u-
n.u’»i;.ht^n bei feinzelncv KrHiinCrv welche sich v»»n dem einen odtir :. ferseheideu.
dem andlärn. Metall., -Sobald':;ce ;Ä^Tli.eh auf die Haut applicict i AehnlieVten Versuchen wurden nun noch andere'.Kranke,
war. l/e;soader< beeiuffusyt■zeigten,■ nv»rh bessere Wirkungen er* unterworfen: wir geben hier nur die (vesV*.nO«ehstv.».i Keseitätr
zielt Vierden, wenn tnan da^ iliueu nduqnate Mittel nun innerlich'{ der wiederholt rmd unter genauster Control!e angesteiiten Ver-
ymibreicht und so eine sUgemeiDe Wirkung m eimoglicbeu suche, .fed/^mai wuninu dtn Kranken die Augen fest verbun-
susbtf*. Hatt/ 1 föun vchdn die ersten Angaben des p/)jtdeckers den: sie wurden gätrz im mikllftflp darüber gelasAet^ pfi^s eaap
bezweifelt v m weiteren iielmhpttihgen-. von. der j ed&mal mit UviVen xdibahtfi. — »lir^ab ^eh. huh ÄUpjr^h^ti
Wirksamkeit der innerlich gereichten M etalle auf necli viel grdsse- dass neben der Rückkehr der Empfindlichk^f an .den eihe ‘ge.*
r«':n Widrtisprncfj unter den Aerzten: Die ganze Frage kam in .;• vrisse Zeit- ;vun ' den Alctallsnieken bedeckten SteHeü in de?
MisÄcredit Nicht abgeschreckt durch; dieses M:ssn*a«ett mul • Mptgebgog sidi eine. ( ,Dysasthesie^ bemerkbar machte, so
durchdrungen von der Wahrheit seiner B<.ohncbt»mg<m 'wamite dns>. k, 1». nint* Kranke, der .inan ein in sied»md»^ .Wasser ge-
sicii !>. im Angvisl J.8,7.! ; V a.u die Geseilsciiaft für Bh'dogie in Fa» • Tui?k au^-der betreffenden Stelle ■■ auf legte über ehi leV
ris mit der Bitte*, -eine Commission ernennen 'zy 'vollen, wob:in; ludirs Ivabögofilhl ■klagte und mngekohrt;. — Hatte man $0$$$
seine Angiibeu vorurtbeilsfrei prüfen upd über die Ergebnisse 1 gefiiudon; dass Gold es war., weiches auf d}e Krankl* in Uesum
iurer Uid^;r<uchuu«eo an die Gesellsclmft Bericht erstatten : mt die Rückkehr der Sensibilität etc.' wohlthüRg wirkte, s><
tnüchtiv. Ino*«'?. Gbmrnissiou wunjo ernannt. Fie bestand üus ergab dass Zink, oder Kupforoder ERon. luivvirksant tvar.
der* Hem: ?i CbarMif^ Ln Vs und. DirrriOntpal li er. von denen J wUhremi viel I eicht bei einer anderen Kranken gerade ekhs der
letzterer uR SprccTipr atu U. April IH77 folgendes* bembtete: zuletzt trwÄhoten Metalle sich erfolgreieli bewies. Bei.weite-
Der erste Yerkiich wurde au einem Iftjührigim. seit eim* rer Fortsetzung der vofersoduingcn stollM sich heraus , bas >
ge«.. Jahr ui hysterischen M^rlchen augektellt Dleye .-■Rerpoii war unt«>f der Applikation von Gojd z. B. nicht allun die, Anästb»-'
Vu der rechten Korperhiilfte, was'Haut und Muskeln betraf, voll- sie der Haut sohwand« sondern d^ auch vine dyinunometrisch
'Äp^sf^hetiscb. 'kbcifip wie und ,S#febigkeiit ; inr der GbldaufRgnng mudigewte^epe SeftwÄelm <lev Möskiel-
de> reckten .Ohre* und Auges (nach den l uter*Hebungen der kraft der empfindungslosen Seite 'sieb g^bobo« hälfe, öud »war
Hoyren• Docto.ren Gelle mul Landrj-lt} ovhebHeh hcrahgcaerzfc j um so viel, als die vorher kTjftigere. gosunde F J eit».* riugebii^v
«;:r Selbst .udii* ciefo NadeDtjcbn hi die Haut wurde?) rechts ! DassJbe war def Fall, als tbonoomeirisdi die TwTnpvratuT dm
hiebt evnpfmideh; auch bluteten sie nicht: die X'apiilarcireula- 1 erst gefühllosen, spater unter ilei MetkiyMohdttdlimg ihr Khw
tb>h wmr demnach e?bef)ilbR c Rnidr auf da.s rechte ; pfindungsvertijüge« zQiuckerbalteiidei) Haad gi*me^xbu r •
‘.»rtoriom war sehr C.mjdifKllich. . * j die Tempera irre zu. Aufatnr um J.5‘' .0. ..niedriger, &G die »ier
Es ist yelhstverständUob, • dass die J 'ommissioh. wx-lclie un- gesunden Hand, w&t nachher ) ,7“ höher? aber. --.' \<urh
W Go gle umvebwo- aVI
130
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
* No. 1
Verlauf von 2 l /t —3 Stunden kehrten, die früheren Erschei- i
nungen zurück, wie vor dem Experiment: die Kranken wa- j
ren sehr matt, schwach, schlafbedürftig und klagten über Kopf- (
weh. Der erste, welcher die Aufmerksamkeit auf die eigen-
thümliche Erscheinung lenkte, dass die vorher gesunde Seite |
an Empfindungsvermögen und Kraft verlor, was die I
kranke unter der Behandlung gewann, war der Dr. Gelle, der |
die Commission zunächst von der Richtigkeit der Thatsache bei j
seinen Gehörsinnsprüfungen davon überzeugte. Aehnliches con- I
statirte Landolt für das Farbenunterscheidungsvermögen der j
Augen, dasselbe endlich die Commission selbst für die Sensi- ;
bilität der Haut: absolut symmetrische Stellen der gesammten I
Haut wurden in dem Masse, als die vorher anästhetischen der |
kranken Seite an Empfindungsvermögen gewannen, unempfind- j
lieh. Es war von einer wirklichen Übertragung (Trans- I
fert) zu reden. j
Der interessanteste Fund der Commission war aber wei- *
terhin der, dass nicht nur hysterische, nach dem heutigen Stande J
der Wissenschaft nur functionell nervenkranke, sondern auch |
durch eine organische Hirnerkrankung hemianästhetisch gewor- |
dene Menschen denselben vortheilhaften Einfluss der Metallbe- j
handlung an sich erfuhren. j
Eine 54jährige Frau R. litt seit langen Jahren an rechts¬
seitiger Hemianästhesie und Hemichorea sowie Hemiplegie nach
einer Hirnkrankheit. Man versuchte es bei ihr mit verschiede¬
nen Metallen und mit negativem Erfolg in Bezug auf Gold,
Kupfer, Zink: nur das Eisen führte nach 20 Minuten zunächst
an den Applicationsstellen, später im Verlauf einiger Tage an
der gesammten rechten Körperhälfte die Empfindung zurück,
während zugleich die choreatischen Bewegungen erheblich ver¬
mindert wurden. Neue Auflegungen von kleinen Eisenplatten
auf die rechte Zungenhälfte und die rechte Nasenseite stellten
das dort verloren gegangene Geruchs- und Geschmacksvermö¬
gen wieder her. Ähnliches wurde bei einer anderen Hirnkran¬
ken erzielt. Besonders bemerkenswerth aber erschien die That¬
sache, dass die erhaltenen günstigen Resultate nicht wie bei den !
Hysterischen flüchtige und vorübergehende, sondern dauernde
w T aren.
Die Idee, welche Charcot vom Beginn der Experimente
an in Bezug auf die Erklärung der Wirkungsweise der Metalle
geäussert hatte, und welche auch von verschiedenen Mitgliedern
der biologischen Gesellschaft ausgesprochen war: es handle
sich hierbei wahrscheinlich um schwache, durch den Contact
der Metalle mit der Haut bedingte electrische Ströme, diese
Idee auf ihre Wahrheit hin zu prüfen, war die jetzt erwach¬
sende Aufgabe, welche von der Commission unter Beistand des
Dr. Regnard, Assistenten des Prof. Bert, in Angriff genom¬
men wurde. Mit Hülfe eines sehr empfindlichen Galvanome¬
ters wurde nachgewiesen, dass in der That durch das Auflegen
sowohl gemünzten wie ungemünzten Goldes electrische Ströme
entständen, die im Stande waren, die Galvanometernadel zwischen
3 u. 12 Grad abzulenken. Wandte man nun bei einer für Gold
empfindlichen Kranken, bei der zwei an derselben Köiperhälfte
(der kranken) aufgelegte Goldplatten einen Strom von 2° Na¬
delablenkung gaben, einen eben so starken galvanischen, auf
gewöhnliche Weise erzeugten Strom an, so hatte diese Proee-
dur dieselben Erfolge, wie sie vorher für das Gold geschildert ;
waren: die Haut wurde an den betreffenden Stellen roth, warm, j
blutete auf Stiche, wurde empfindend, mit einem Worte die |
eingangs beschriebenen Erscheinungen zeigten sich in ihrem |
ganzen Umfang. Nun war dieselbe Kranke unempfindlich ge¬
gen Kupfer: Kupferplatten aufgelegt lenkten die Nadel um 15
Grad, also stärker ab. als das Gold. Substituirte man jetzt j
einen galvanischen Strom, der 15" Nadelablenkung ergab, so
blieb die Kranke sowohl hiergegen, wie vorher schon gegen das
Auflegen der Kupferplatten selbst unempfindlich — es trat
keine Wirkung ein.
Wenn man demnach die »metallische Idiosyncrasie“ (wenn
dieser Ausdruck erlaubt ist) einer Kranken kennt, so kann man
statt der Metalle den ihrer Wirkung auf die Galvanometernadel
entsprechenden Strom substituiren, um dieselben Wirkungen,
Rückkehr der Empfindung, Erhöhung der Temperatur und Mus¬
kelkraft, zu erzielen. Noch interessanter wurde diese Thatsache
durch einen neuen Fund. Hatte man constatirt, dass eine Kranke
auf Ströme von 35—40° (Nadelausschlag) reagirte, und erhöhte
man alsdann die Stromstärke, so fand man, dass z. B. Ströme
von 50—70° unwirksam waren, dass aber die Wirkung aufs
neue eiutrat, wenn die Stromstärke bis auf 90° Nadelausschlag
gesteigert wurde. „Es giebt also in der galvanometrischen
Stufenleiter, so wurde diese Thatsache durch den Entdecker
derselben Regnard*) formulirt, gewisse, jedesmal für dieselbe
Kranke identische Punkte, wo unter dem Einfluss des Stromes
die Empfindung zurückkehrt, während dies nicht der Fall ist,
wenn der Strom entweder schwächer oder stärker ist, wie lange
man ihn auch appliciren möge.“ Diesen „Punkten“ gab Reg¬
nard den Namen: neutrale Punkte.
Am Schlüsse unseres Berichtes über die bisher in dieser
Frage festgestellteu Punkte angelangt, möchten wir mit den
Worten des Sprechers der Commission noch einmal das Factum
hier anführen, welches vor der Hand das interessanteste und
rätselhafteste erscheint, nämlich die Erscheinung des „Trans-
fert de la sensibilife. w
Hatte man die Hemianästhesie wohl constatirt durch Pro-
ceduren, welche man barbarisch nennen könnte, wenn sie nicht
eben an ganz empfindungslosen Theilen angestellt wären, und
war diese Anästhesie unter dem Einfluss der aufgelegten Metalle
oder eines electrischen Stromes gewichen, so fand die Commission
in zahlreich wiederholten Versuchen, dass diese Wiederher¬
stellung auf der kranken Seite auf Kosten der Sensibi¬
lität der gesunden vor sich ging. War an der anästheti¬
schen Seite der Vorderarm, das Bein aufs neue empfindend
geworden, so hatte an den entsprechenden Stellen die gesunde
Seite an Empfindung verloren. Verallgemeinerte man den Ver¬
such, Hess man an der empfindungslosen Seite einen Strom vom
Kopf zum F*uss gehen, so sah man an der gesunden Seite die
Sensibilität in dem Masse schwinden und in derselben Richtung,
in der sie sich auf der kranken Seite einstellte. In ganz glei¬
cher Weise biissten dabei die Sinnesorgane der gesunden Seite
an Functionsfähigkeit ein, was auf der kranken durch das an¬
gewendete Verfahren gewonnen wurde. — Wenn wir schliess¬
lich noch erwähnen, dass auch der Fall eintreten kann, dass
bei längerem Liegenbleiben der Metalle die restituirte Sensi¬
bilität und Muskelkraft wieder geringer werden und ganz ver¬
schwinden kann (anesthesie et amyosthenie de retour), so haben
wir im wesentlichen alles mitgetheilt, was durch den erschöpfen¬
den Commissionsbericht über diese Angelegenheit zu allgemeiner
Keuntniss gebracht worden ist. In einem jüngst an mich ge¬
richteten Schreiben spricht sich Charcot nach seinen eigeneu
persönlichen Erfahrungen etwa folgendermassen über diese An¬
gelegenheit aus:
„Der Einfluss metallischer Applicationen auf die Phänomene
der Anästhesie bei Hysterischen steht über jeden Zweifel erhaben
fest. Es handelt sich hierbei ausschliesslich um „Metallosco-
pie,“ keineswegs um „Metallotherapie“. Denn die thera¬
peutische Wirkung ist bis heute noch eine „probleraati-
*) Die von Regnard angewandten Ströme waren von der Stärke
der physiologischen Nervenstrüme.
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
11. März 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
131
sche tt . Trotzdem muss ich erklären, dass in vier Fällen schwerer,
inveterirter Hysterie bei Kranken, welche ich auswählte, die
Experimente Burq’s ausgeführt worden sind, und dass drei dieser
Kranken anger scheinlich unter dem Einfluss der Behandlung
eine bemerkenswerthe Besserung erfahren haben, und zwaf in
Bezug auf sämmtliche Symptome der Krankheit, während die
vierte thatsächlich als geheilt angesehen werden kann und seit
4 Monaten eine gute Wärterin auf der Abtheilung geworden ist.
Trotzdem glaube ich, muss man noch abwarten, ehe man sich
über den therapeutischen Theil der Burq’schen Theorie aus¬
spricht. Auf die Frage, ob die Wirkung der metallischen Appli-
cationen auf anästhetische Theile allein bei Hysterischen zur
Beobachtung kommt, kann ich nur anführen, dass in einem Fall
vollständiger Hemianästhesie aus organischer Ursache (es ist
derselbe Fall,' den ich in meinen Vorlesungen über posthemi-
plegische Hemichorea besprochen habe) die Metallauflegung zu
meinem grossen Erstaunen die Sensibilität in allen ihren Qua¬
litäten sehr schnell wieder hergestellt hat. Seitdem habe ich
einen ganz ähnlichen Fall beobachtet, bei dem die Applicationen
dieselbe Wirkung hatten. In diesen beiden Fällen, wo es sich,
ich wiederhole es, um cerebrale Hemianästhesie in Folge orga¬
nischer Verletzung handelte, waren die erhaltenen Resultate
definitive, dauernde, seit dem Anstellen des Experiments schon
über ein Jahr fortbestehende. Im Gegensatz hierzu trat in den
sehr zahlreichen Fällen, in denen Hysterische dieser Procedur
unterworfen worden waren, die Anästhesie nach einer halben,
zwei, höchstens 24 Stunden wieder ein, in demselben Grade,
wie sie vorhfer bestanden. Es scheint mir, dass dieser trans¬
itorische Character der Erscheinungen ein unterscheidender
Zug ist zwischen hysterischer Anästhesie und der auf ce¬
rebrale, organische Störungen zurückzuführenden.
„Ich habe die Metallauflegung in ganz verschiedenen Fällen
versucht, welche der Categorie „spinaler Anästhesie aus
organischer Ursache“ angehörten (Myelitis, Ataxie etc.), ohne
je das geringste Resultat erzielt zu haben.
„Das wäre in kurzen Worten das, was ich über die Metallo-
therapie oder vielmehr Metalloscopie zu sagen habe. Ich variire
in der letzten Zeit die Versuche und bin fest überzeugt, dass
hier ein hochinteressantes Studienohject vorliegt. Vielleicht
findet man in diesen Studien das Material zum Aufbau einer
Theorie; augenblicklich befinden wir uns noch ganz unerwarte¬
ten, merkwürdigen, fremdartig erscheinenden Thatsachen gegen¬
über, deren objective Wahrheit aber nicht mehr angezweifelt
werden darf. Natürlich geht Burq in seiner Begeisterung für
die durch ihn entdeckten Thatsachen weiter, als vorläufig die
ruhige Beobachtung erlaubt; ich habe aber die feste Ueberzeu-
gung, dass er durch seine feinen und geistreichen Beobachtungen
der Wissenschaft einen wahrhaften Dienst erwiesen, indem er
einen neuen Weg für fruchtbare Untersuchungen eröffnet hat.*)“
U. Leber ayelogeM Levkäme. j
• Von j
Professor SS. JMeamann in Königsberg i./Pr. !
(Schluss.) j
Es ist schliesslich unerlässlich, hier auch der physiolo- \
gischen Argumente zu erwähnen, auf welche sich die Lehre
von dem lienal-lymphatischen Ursprünge der Leukämie stützt.
Es kann feinem Zweifel unterworfen sein, dass es zu Gunsten
*) BemcrKen will ich übrigens, schreibt mir Herr C har cot, dass
Wich mann (I. Zur Diagnostik. Hannover 1800, Bd. I. pag. 159) in I
seinen: „Ideen zur Diagnostik“ als der wirkliche Vorgänger Burq’s in ,
der Metalloscopie angesehen werden muss.
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derselben spricht, dass einer fast allgemein verbreiteten Annahme
zufolge diese Organe normaler Weise farblose Elemente dem
Blute in gewisser Zahl zuführen.
Für die Milz ist nun aber eine solche Annahme keineswegs
erwiesen; iarchanoff and Swaen 1 ) haben sich nicht davon
überzeugen können, dass das venöse Blut der Milz regelmässig
mehr weisse Blutzellen enthält als das arterielle, und ich
selbst 1 ) habe schon früher bemerkt, dass, selbst wenn dieses
der Fall wäre, hierdurch noch nicht unbedingt der Schluss
gerechtfertigt würde, dass aus der Milz beständig mehr Zellen
hervorgehen, als ihr von den Arterien zugeführt werden. Was
dagegen die Lymphdrüsen betrifft so will ich keineswegs die
Skepsis so weit treiben, wie es Cohnheim*) thut, indem er
ihre Bedeutung als Bildungsstätte für die farblosen Blutzellen
gleichfalls durch die Bemerkung in Frage stellt, dass vielleicht
die Zellen, „welche mit den Vasa efferentia die Drüsen ver¬
lassen, farblose Blutkörperchen sind, die innerhalb der Lymph¬
drüsen aus dem Blutstrom ausgewandert sind“. Ich halte viel¬
mehr in Anbetracht der grossen morphologischen Verschieden¬
heit, welche, wie Virchow*) wiederholt mit Recht hervor¬
gehoben hat, zwischen den Zellen des Lymphdrüsenparenchyms
und den Elementen der Lymphe einerseits und der Majorität der
farblosen Blutzellen andererseits besteht, es nicht für gerecht¬
fertigt, beide zu identificiren, und möchte es demnach allerdings
als eine gesicherte Thatsache betrachten, dass aus den Lymph¬
drüsen neue Elemente in die Lymphe und mittelbar in das Blnt
übergehen. Indessen verliert diese Thatsache augenscheinlich
dadurch sehr an Gewicht für die Theorie der Leukämie, dass
gerade solche Fälle sehr selten beobachtet worden sind, in
welchen bei fehlendem Milztumor der Ursprung der Krankheit
lediglich in den vergrösserten Lymphdrüsen gesucht worden ist
(nach einer neueren Zusammenstellung von Coathey 1 ) befand
sich unter 20 Fällen von Leukämie nur ein einziger, in welchem
die Milz nicht vergrössert war, und der demnach als Beispiel
reiner lymphatischer Leukämie betrachtet wird), während es
andererseits bekannt ist, dass sehr häufig kolossale Lymph-
drüsengeschwülste ohne Vermehrung der farblosen Blutzellen
Vorkommen.
Unter diesen Umständen verdient es sicherlich Beachtung,
dass gewisse Thatsachen darauf hinweisen, dass ausser der M ilz
und den Lymphdrüsen auch das Knochenmark als physiologische
Quelle der farblosen Blutzellen in Betracht kommt. Schon in
meiner ersten, das Knochenmark in seiner Beziehung zur Blut¬
bildung betreffendun Notiz*) erwähnte ich des von mir beob¬
achteten Reichthums der Markgefässe an farblosen Elementen
und bald darauf 7 ) beschrieb ich folgenden, von mir seitdem
stets mit demselben Erfolge wiederholten, bisher jedoch, wie
es scheint, unbeachtet gebliebenen Versuch: man lege bei einem
Frosche nach vorheriger Enthäutung einer unteren Extremität,
durch Ablösung des die äussere Seite des Oberschenkels ein¬
nehmenden Muscnlus triceps s. extensor cruris communis (Ecker)
von seiner Knieinsertion und durch Zurückschlagen desselben
nach oben die Vena cruralis frei; in der Mitte des Oberschenkels
sieht man einen kurzen Ast dieser Vene unter nahezu rechtem
1) Tarchanoff und Swaen: des globules blaues dans le sang
des vaisseaux de la rate. Comptes rendus LXXX, p. 125.
2) E. Neumann: Weitere Beiträge zur Kenntniss der Blutbildung.
Arch. d. Heilkd. XV, p. 447.
3) Cohnheim: Allgemeine Pathologie p. 352.
4) Virchow: Cellularpathologie, 3. Auflage, p. 211.
5) Vjirchow-Hirsch: Jahresberichte f. d. ges. Med., 1873, II.,
p. 297.
6) E. Neumann: Centralblatt f. d. med. Wiss., 1868, No. 44.
7) Archiv der* Heilkunde, X., p. 88.
«
Original from
UNIVERSfTY OF MICHiGAN
132
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 10
Winkel nach aussen abtreten und alsbald direct in das Femur
sich einsenken, dieser Ast wird durchschnitten und das hierbei
aus der Vena cruralis hervortretende Blut beseitigt; fasst man
nun das Femufr oben oder unten zwischen die beiden Blätter
einer Scheere und drückt dieselben leicht zusammen, so wird
durch diesen Druck das Blut aus den Gefässen des Markes
hervorgepresst, quillt aus der durchschnittenen ausführenden
Knochenvene hervor und kann mit einem kapillaren Lymph-
röhrcben aufgesogen werden. Dieses Blut zeichnet sich häufig
schon macroscopisch durch eiue auffällig blasse Farbe aus und
zeigt bei der microscopischen Untersuchung einen höchst auf¬
fallenden Reichthum an farblosen Zellen, welche nicht selten
die rothen an Zahl übertreffen. Ebenfalls für die Annahme
sprechend, dass in dem Knochenmarke eine Bildungsstätte der
farblosen Blutzellen zu suchen sei, ist die interessante Beob¬
achtung Bizzozero’s A ), dass bei Winterfröschen, wo das Mark
zum grössten Theile aus Fettzellen besteht, das Verhältniss der
farblosen Blutzellen zu den farbigen 3,88% beträgt, während
das Blut der Sommerfrösche, deren Mark fast ausschliesslich
lymphoide Zellen besitzt, 8,97% farblose Elemente enthält.
Wenn ich diese Thatsachen auch nicht als einen voll¬
ständig hinreichenden Beweis dafür betrachte, dass das Knochen¬
mark auch bei höheren Wirbelthieren und dem Menschen bei
der Production der farblosen Blutzellen wesentlich betheiligt
ist, so dürften sie doch geeignet sein, einer solchen Annahme
einen gewissen Grad von Wahrscheinlichkeit zu verleihen.
Uebrigens aber sei es mir an dieser Stelle gestattet, zu wieder¬
holen, was ich bereits bei anderer Gelegenheit ausgesprochen
habe 1 2 3 ), dass nämlich die Discussion darüber, ob pathologische
Zustände des Knochenmarks eine Leukämie herbeizuführen im
Stande sind (und von anderen Organen gilt natürlich dasselbe),
in gewisser Beziehung unabhängig ist von der Frage, ob unter
physiologischen Verhältnissen eine beständige Einwanderung
von Lymphkörperchen in die Gefässe des Markes stattfindet.
Die vorstehenden Erwägungen legen die Gründe dar, aus
welchen ich auch gegenwärtig noch geneigt bin, dem Knochen¬
marke eine dominirende Stellung bei der Genese der Leukämie
zuzuschreiben und die Frage für berechtigt zu halten, ob nicht
jede Leukämie myelogenen Ursprungs ist. Ich will zum Schlüsse
einige Worte hinzufügen über das Wesen der leukämischen
Knochenmarksveränderungen in anatomischer und physiolo¬
gischer Beziehung, soweit sich dasselbe nach den vorliegenden
Erfahrungen bereits beurtheilen lässt.
Es ist bereits hervorgehoben worden, dass das macro-
scopische Aussehen des Markes ein sehr verschiedenes sein
kann, und es lassen sich hiernach die Veränderungen, wie auch
Ponfick gethan hat, hauptsächlich in zwei Categorien sondern.
Für die eine Reihe von Fällen lieferte meine erste Beobachtung
ein prägnantes Beispiel, und es gehören ferner dahin die Fälle
von Litten (1), Ponfick (9), Mosler (11), Huber-Zenker
(12), Scheplern-Fenger (13), Heiberg (14), Kuessner (16
und 17), sowie vielleicht auch einige der anderen Fälle (ins¬
besondere der letzte Fall Mosler’s, 22). Als characteristisch
ist hier zu bezeichnen das eiterähnliche Aussehen des Markes,
es hat nicht nur eine eitergelbe Farbe (die übrigens an der
Luft sich etwas röthet*)), sondern auch die Consistenz eines
1) Bizzozcro sulla funzione einatopoetica del midollo della ossa.
Gazetta Medica Italiana-Lombardia, November 1868.
2) Archiv der Heilkunde, XI., p. 9.
3) Letztere Beobachtung wird von Stricker in seinen „Vorlesungen
über allgemeine und experimentelle Pathologie“ (p. 439) Ponfick zu¬
geschrieben, sie findet sich jedoch bereits von mir verzeichnet in meinem
Aufsätze: Archiv für Heilkunde, XI., p. 5. 1869.
| visciden, zähen Eiters, so dass es auf einem Objectträger sich
| ausbreitend gleichsam auseinander fliesst und in der That mehr
einer Flüssigkeit als einem Gewebe gleicht. Ich sah mich
dadurch veranlasst, zu bemerken, dass man an eine über das
Skelett verbreitete purulente Osteomyelitis denken könnte, und
es ist erklärlich, dass später von Heiberg (1. c.) die Ver-
muthung ausgesprochen worden ist, dass ein Theil der in Frank¬
reich als „Typhus des membres“ beschriebenen und als acute
Osteomyelitis angesehenen Fälle leukämischer Natur gewesen
sei. Die microscopische Untersuchung des so veränderten Markes
anzustellen, hat natürlich ausserordentliche Schwierigkeiten, und
dieselbe muss sich im frischen Zustande auf die Betrachtung
der zelligen Elemente beschränken, die in dichter Anhäufung
scheinbar ausschliesslich das Mark zusammensetzen und sich
leicht isoliren, übrigens, wie es scheint, meistens als relativ
grosse Rundzellen sich darstellen. Erst in jüngster Zeit ist es
mir gelungen, in dem einen Falle, welchen Kuessner aus der
hiesigen medicinischen Klinik beschrieben hat (17), das Mark
des Humerus durch längeres Einlegen in Müller’sehe Flüssig¬
keit und Alcohol in genügender Weise zu erhärten, so dass
sich Schnitte daraus hersteilen Hessen. Diese ergeben, dass von
einer wirklichen puriformen Liqueszenz des Gewebes, für welche
der äussere Anschein sprach, und wie eine solche bei der
purulenten Osteomyelitis stattfindet, nicht die Rede ist, dass
vielmehr ein geweblicher Zusammenhang der Elemente sich er¬
halten hat, freilich in einer von der normalen Beschaffenheit
des Markes sehr abweichenden Weise; das Gewebe erscheint
nämlich reducirt auf schmale von Rundzellen dicht infiltrirte,
netzförmig verbundene Züge, welche weite Maschenräume von
runder oder länglicher Form einschliessen; das Gewebe erhält
hierdurch eine exquisit cavernöse Beschaffenheit und eine ge¬
wisse Aehnlichkeit mit dem maschigen Lungengewebe. Der In¬
halt der durchschnittlich 0,06 Mm. weiten Maschenräume fehlt
in den Präparaten, und ich kann daher nur eine grosse Wahr¬
scheinlichkeit für die Annahme in Anspruch nehmen, dass die¬
selben dem kolossal erweiterten, übrigens bekanntlich schon
im normalen Zustande sehr stark entwickelten capillaren Venen¬
plexus des Markes entsprechen und ursprünglich mit leuk¬
ämischem Blute gefüllt waren. Von einer besonderen Begren¬
zungsschicht kann ich an ihnen nichts erkennen als hie und
da eine Lage zarter endothelialer Zellen; doch erscheinen sie
überall als scharf ausgeschnittene Lücken in dem Gewebe.
Jedenfalls lässt sich vermuthen, dass ein Austausch von zelli¬
gen Elementen zwischen diesem erweiterten Theile des Gefäss-
apparats und dem dasselbe umschliessenden Markgewebe wenig
Hindernisse gefunden haben wird. Ob eine früher von mir
ausgesprochene Annahme, dass mit der Erkrankung eine wirk¬
liche Aufhebung der Continuität des Blutgefässsystems ver¬
bunden ist, richtig ist, kann ich bei dem Mangel künstlicher
Injection auch gegenwärtig nicht erweisen.
Ein ganz anderes Bild bietet das Knochenmark in einer
zweiten Reihe von Fällen, zu welchen die Beobachtungen von
Waldeyer (4), von Ponfick (6 und 7), von mir (10) und
von Kelsch (15) gerechnet werden müssen. Die Farbe schwankt
hier zwischen roth und grau in den verschiedensten Ueber-
gängen und Combinationen, die Consistenz ist theils gallertig
weich, theils ziemlich derb, ähnlich einer succulenten Lymph-
drüse, der Zusammenhang der Gew ehstheile stets ein viel
festerer, als in den Fällen der ersteren Art, so dass ^s mir in
meinem Falle leichter als dies bei den gewöhnlichen normalen
und pathologischen Zuständen des Markes möglich ist, gelang,
durch Härtung in Chromsiiure und Alcohol den Markcylinder
der Röhrenknochen in einen schnittfähigen Zustand für die micro¬
scopische Untersuchung zu bringen. So hat es hier denn auch
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
133
11. März 1S78.
keine Schwierigkeit, sich davon zu überzeugen, dass man es
mit einem Gewebe zu thun hat, dessen Structur mit dem
adenoiden oder reticulären Gewebe der Lymphdrüsen grosse
Aehnlichkeit hat: lymphoide Zellen, meistens in den bisherigen
Beobachtungen der kleineren Formation angehörig, liegen dicht
gedrängt in den Maschen eines ziemlich dichten, unregelmässigen
Reticulum, in dessen membranös abgeplatteten Knotenpunkten
zahlreiche ovale, mit Nucleolus versehene helle Kerne (von den
eingelagerten Lymphkörperchen ausserdem durch die bedeu¬
tendere Grösse und den mangelnden Glanz unterschieden) sich
befinden; der Gefässapparat, soweit derselbe sich ohne Injection
zur Anschauung bringen lässt, zeigt Kapillaren von geringerem
Durchmesser als in dem gewöhnlichen rothen Knochenmarke,
die Wandungen derselben mit denselben grossen ovalen hellen
Kernen besetzt, wie sie im Reticulum sich finden, und mit den
Fäden desselben in Verbindung stehend, indem diese sich theils
an die Kernstellen der Gefässe inseriren, theils in feine kernlose
fadenförmige Fortsätze der Gefässwand übergehen 1 ).
Ueber die Frage, zu welchen pathologischen Processen die
beschriebenen Veränderungen des Knochenmarks bei der Leuk¬
ämie zu rechnen seien, viele Worte Zu verlieren, dürfte zur Zeit
nicht gerathen sein, und wir werden uns, wie zuerst Wal de y er
vorgeschlagen hat, vorläufig sehr wohl damit begnügen können,
von einer Hyperplasie des Knochenmarks zu sprechen, da we¬
nigstens für beide erwähnten Formen der Erkrankung, so ver¬
schieden sich das mikroskopische und makroskopische Bild der¬
selben auch gestaltet, erwiesen ist, dass sie in gleicher Weise
zu einer Volumszunahme des Knochenmarkes auf Kosten der
umschliessenden Knochensubstanz führen, wie namentlich die
Beobachtungen von Mosler (11 und 22) für die ersteren,
die Fälle von Waldeyer (4) und mir (10) für die zweite Reihe
zeigen. Da es übrigens noch an Beziehungen für diese beiden
Formen der Hyperplasie fehlt, so möchte ich mir erlauben, die¬
selbe als „pyoide“ und „lymphadenoide “ Hyperplasie zu
unterscheiden, da hiermit in genügender Weise die äusseren
characteristischen, zum Theil auch die histologischen Merkmale
beider Zustände gekennzeichnet sein dürften. Hoffentlich wird
eine nicht ferne Zukunft uns in den Stand setzen, nach genaue¬
rer Feststellung der pathologischen Prozesse Ausdrücke zu wäh¬
len, welche für das Wesen derselben bezeichnender sind! Vor¬
läufig möchte ich in Bezug auf die Bedingungen, welche dem
sehr differenten makroscopischen Verhalten des Markes in bei¬
den Fällen zu Grunde liegen, nur bemerken, dass ich Ponfick
nicht beistimmen kann, wenn er dieselben in der „verschiede¬
nen Dichtigkeit der zelligen Anhäufung“ sucht, indem bei ge¬
ringerer Anhäufung die Gefässe noch blutgefüllt, das Gewebe
daher geröthet, bei stärkerer Anhäufung die Gefässe ischämish.
das Gewebe blass und eitergelb erscheinen solle. Ich finde die
Zellanhäufung im intervasculären Gewebe in beiden Fällen gleich
1) Diese Beschreibung ist meiner zweiten Beobachtung entnommen
(Fall 10). 3 Jahre später (1875) hat Kelsch (1. c.) in seinem Falle
(15) ähnliches beschrieben in der Meinung, dass hier von ihm zum drit¬
ten Male das Knochenmark bei Leukämie einer vollständigen Untersuchung
unterworfen worden sei; die beiden ersten Beobachtungen schreibt er theils
sich selbst theils Ran vier zu, obwohl er selbst diese beiden Fälle nur
als „cas de lymphadenie“ bezeichnet, und obwohl wenigstens in dem
Falle Ranvier’s (der allein publicirt und oben von mir in der Casuistik
erwähnt ist) die Leukämie durch die Untersuchung des Blutes nicht sicher-
gestellt ist. Sehr sonderbar klingt es daher, wenn Herr Kelsch, um
das Verdienst seiner Beobachtung in’s rechte Licht zu stellen, sich nicht
scheut zu sagen „on ne peut compter que sous b6n6fice d’ inventaire
les recherches de Neumann, de Waldeyer, de Ponfick, qui se sont
bornes ä constater la richesse de la moelle en elements cellulaires et ä
deerire la forme de ces elements!“
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massenhaft, die Gefässe bei der pyoiden Hyperplasie sogar wie an¬
gegeben. bedeutend weiter als bei der lymphadenoiden und glaube
vielmehr den wesentlichen Grund des sehr verschiedenen Aus¬
sehens in der verschiedenen Beschaffenheit der zelligen Ele¬
mente finden zu müssen; wenigstens konnte ich in meinen bei¬
den Fällen, welche exquisite Repräsentanten der beiden Formen
der Erkrankung darstellten, denselben Unterschied, den das Mark
darbot, auch in den aus farblosen Zellen bestehenden Blutgerinn¬
seln des Herzens und der grossen Gefässe erkennen; im ersten
Falle mit puriform verändertem Marke hatten auch diese Ge¬
rinnsel ein grünlichgelbes eitriges Anssehn, im zweiten mit grau¬
rötlichem, etwas durchscheinendem Mark fehlten eiterähnliche
Coagula im Blute vollständig, und es fanden sich vielmehr ne¬
ben rothem Cruor röthlich weisse Abscheidungen, welche aus
dichtgehäuften farblosen Blutzellen zusammengesetzt waren. Be¬
denken wir, dass es sich in dem einen Falle um meistens stark
granulirte Zellen, im andern um blasse homogene Kerne fast ohne
jede Protoplasmahülle handelte, so kann der Unterschied in
dem macroscopischen Aussehen nicht auffälliger und wunder¬
barer erscheinen, als der Unterschied zwischen einem von Eiter
infiltrirten Gewebe und einer Lymphdrüse, welche ja auch beide
eine gleiche Anhäufung von Zellen darbieten können, bei denen
aber die Beschaffenheit dieser Zellen in analoger Weise, wie bei
dem Knochenmarke in meinen beiden Fällen divergirt.
Nicht minder beschränkt, wie die anatomische Erkenntniss
der Vorgänge, ist begreiflicher Weise einstweilen unsere Ein¬
sicht in die Art und Weise der Beziehungen derselben zu der
Blutveränderung. Beruht die aus ihnen hervorgehende Vermeh¬
rung der farblosen Zellen im Blute auf einer übermässigen Ein¬
fuhr derselben vom Marke aus? oder handelt es sich vielmehr
um eine durch die pathologische Veränderung desselben be¬
dingte Hemmung der Entwickelung der farbigen Blutzellen aus
farblosen? Zwischen dieser Alternative zu entscheiden, muss
gerade für die vom Marke ausgehende Leukämie um so schwie¬
riger erscheinen, als demselben vielleicht die doppelte phy¬
siologische Function zukommt einerseits farblose Zellen dem
Blute zuzuführen, andrerseits farblose in farbige umzubilden
und demnach Veränderungen seiner Textur füglich als Ursache
von Störungen nach beiden Richtungen hin beobachtet werden
könnten.
Die Stellung welche ich zu dieser Frage einnahm, ergiebt
sich daraus, dass ich, wie ich oben bereits hervorgehoben habe,
es vorläufig nicht für genügend erwiesen ansehe, dass die Bil¬
dung der rothen Blutzellen im Knochenmarke, für welche die
kernhaltigen rothen Blutzellen Zeugniss ablegen, auf einer Me¬
tamorphose der farblosen Zellen des Blutes oder des Markge¬
webes beruhe; ich muss daher die Annahme einer Entstehung
der Leukämie durch Hemmung dieser Metamorphose, welche noch
neuerdings Cohnheim 4 ) für plausibel erklärt hat, für eine auf
unsicherem Fundamente ruhende Hypothese halten. Geht näm¬
lich, wie ich es nach neueren Untersuchungen für nicht unwahr¬
scheinlich halte, die Entwickelung der kernhaltigen rothen Blut¬
zellen des Knochenmarks unabhängig von den farblosen Zellen
desselben vor sich, stellen jene also keine wirklichen „Ueber-
gangsformen“ zwischen weissen und rothen Blutkörpern dar
(als welche sie leider trotz meiner Mahnung a ) noch immer bona
fide bezeichnet werden), so ist es klar, dass eine Störung des
im Knochenmarke vor sich gehenden Processes der Bildung
rother Blutzellen zwar zu einer Verminderung dieser, aber nicht
zu einer Vermehrung der farblosen Zellen führen kann.
1) Cohnheira: Vorlesungen über allgemeine Pathologie. I. p. 380.
2) E. Neumann: Knochenmark und Blutkörperchen. Archiv für
microsc. Ant., XII,, p. 793.
2
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
134 BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. No
Hieraus folgt zugleich, dass ich das in neuerer Zeit von
vielen Untersuchern (zuerst von Klebs und Böttcher) con-
statirte Vorkommeu kernhaltiger rother Blutzellen im leukämi¬
schen Blute auch nicht, wie es meistens geschehen ist, als einen
Beweis für die mangelhafte Verwandlung der farblosen Blutkör¬
perchen in farbige gelten lassen kann; diese Bedeutung könnte
der genannten Thatsache natürlich nur dann zugeschrieben wer¬
den, wenn es feststände, dass die kernhaltigen rothen Blutzel¬
len wirkliche „Uebergangsformen“ sind. Ich kann aus dem
Auftreten dieser Gebilde im Blute von Leukämikern nur den
Schluss ziehen, dass unter dem Einfluss der anatomischen Ver-
änderungen, welche das Gewebe des Knochenmarks bei der ’
Leukämie erleidet, embryonale, in ihrer Ausbildung noch nicht
vollendete Blutkörper in die Circulation übergehen, während :
unter normalen Verhältnissen nur fertige d. h. kernlose rothe i
Blutzellen aus dem Knochenmarke hervortreten. Ob dabei eine
Verzögerung der Umbildung der kernhaltigen Zellen in kern- J
lose oder vielmehr eine Beschleunigung ihres Eintritts in den j
Blutstrom im Spiele ist, muss vorläufig dahin gestellt bleiben.
Jedenfalls nimmt der Befund der kernhaltigen rothen ßlutzel- j
len im allgemeinen Blutstrome ein hohes Interesse insofern für
sich in Anspruch, als es uus schon am Krankenbette einen
Einblick gewährt in die der klinischen Erkenntniss sonst uur
ausnahmsweise zugänglichen pathologischen Processe. welche
sich im Innern der Knochen abspielen, und ich muss einem ganz
unmotivirten Widerspruche Ponfick’s gegenüber daran festhal-
ten, dass ihnen ein gewisser diagnostischer Werth zukommt.
So lange ein anderes Organ, welches im extrauterinen Leben j
kernhaltige rothe Blutzellen enthält, nicht bekannt ist als das
Knochenmark, werden wir berechtigt sein, dieselben, wenn wir sie j
im allgemeinen Blutstrome finden, auch aus dem Knochenmarke
abzuleiten und krankhafte Vorgänge in demselben anzunehmen, |
welche ihren gewissermassen prämaturen Eintritt in die Circula¬
tion veranlasst haben. Nur darin kann ich Ponfick beistim- j
men, wenn er sagt (was übrigens bisher von niemand bestrit¬
ten ist), dass nicht jede leukämische Knocheumarkserkrankung |
nothwendig mit einer Anwesenheit kernhaltiger rother Blutzel¬
len im Gesammtblute verbunden ist; wenigstens will ich zuge- \
ben, dass ihre Auffindung daselbst nicht immer gelingt, wenn
auch nach meinen Erfahrungen die grosse Mehrzahl der Fälle
sie ohne Schwierigkeit wahrnehmen lässt 1 ).
1) Ich kann hier die Bemerkung nicht unterdrücken, dass es noch
immer zahlreiche Microscopiker zu geben scheint, welche mit der Auf¬
findung der kernhaltigen rothen Blptzellen auch im Knochenmarke kein
Glück haben, und fast möchte ich vermuthen, dass auch Ponfick zu
diesen gehört, denn in seinen pathologische Zustände des Knochenmarks
behandelnden Aufsätzen (Virch. Arch. 11. cc. und Bd. 60) geschieht jener
Zellen in einer Weise Erwähnung, welche den Eindruck macht, dass er !
bei aller Hochachtung vor denselben sich mit ihnen nicht gerne abgiebt. |
Einen entschiedenenen Vorwurf muss ich aber den Verfassern neuester |
Lehrbücher der Gewebelehre machen, welche sich nicht veranlasst gefunden
haben , sich auf dein von mir vor nunmehr fast 10 Jahren angegebenen j
einfachen Wege eine Anschauung von den embryonalen Blutzöllen des ;
Knochenmarks zu verschaffen, und die Specifität derselben deshalb be- !
zweifeln. Jeder indessen, der dieselben ein Mal in ihrer characteristischen
Erscheinungsweise gesehen hat, weiss, dass dieselben von den farblosen ;
Zellen des Marksaftes toto coelo verschieden sind, und wird sich deshalb
der tröstlichen Hoffnung nicht verschliessen, dass auch Herr Toldt die !
„Schwierigkeit 14 einer solchen Unterscheidung, die in der Thal nicht j
grösser ist als die der Unterscheidung zwischen den farblosen und ge
färbten Zellen des Froschblutes, wenigs tensin Zukunft überwinden lernen |
wird. Auch Herr Frey hat sieh in der neuesten Auflage seines Hand- |
buehes seinen Standpunkt gänzlicher Unerfahrenheit in dieser Frage j
bewahrt, ist aber in liebenswürdiger Weise bemüht, mir jede Verant-
wortlichkcil für die ketzciisehe Neuerung von den Schultern zu nehmen i
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Ich möchte hiernach einstweilen mich dahin ausprecheu,
dass es wahrscheinlich lediglich die Einfuhr zahlreicher farb¬
loser Zellen aus dem Knochenmarke ist, welche als Folge der
pathologischen Vorgänge in demselben die leukämische Beschaffen¬
heit des Blutes bedingt. Daran wird ja niemand zweifeln können,
dass, wenn das in die starre Knochenwand eingeschlossene
Kuochenmark der Sitz expansiver Processe wird, ohne dass ein
adaequater Theil der Knochensubstanz selbst durch Einschmel-
zung verloren geht, die Zellanhäufung entweder durch Ver-
schliessung der Markgefässe zur Necrose des Gewebes führen
oder durch Uebergang eines Theiles der Zellen in den Blut¬
strom regnlirt werden muss. Berücksichtigen wir nun ferner,
dass die schon unter physiologischen Verhältnissen zarten Wan¬
dungen der Markgefässe einen solchen Uebergang begünstigen
müssen, und dass bei der leukämischen Hyperplasie die Gefässe
vielleicht tlieilweise ihre Eigenwandungen gänzlich einbüssen
so scheint es mir, dass gegen obige Annahme erhebliche Ein¬
wendungen kaum vorgebracht werden können; nirgends im
übrigen Körper wenigstens dürften die mechanischen Bedingun¬
gen für den angenommenen Vorgang günstiger sich gestalten als
im Innern der Knochen.
Ich gebe zu, dass diese Theorie für eine Thatsache, die
bereits in früherer Zeit Virchow mehrfach urgirt hat, und die
später durch Welcker 1 ) in exacter Weise sicher gestellt ist, ich
meine die gleichzeitig mit der Vermehrung der weissen Blut¬
zellen einhergehende numerische Abnahme der rothen Blutkörper
keine Erklärung giebt; aber man wird nicht behaupten können,
dass dieselbe mit ihr in Widerspruch steht, und ich möchte in
dieser Beziehung hier nochmals auf die besonders interessante
Beobachtung Litten’s aus der Frerichs’schen Klinik zurück¬
kommen. Wenn wir derselben oben bereits eine hohe Bedeu¬
tung als Beispiel einer unzweifelhaft myelogenen Leukämie vom
reinsten Typus beigemesseu habeu, so ist in einer anderen Be¬
ziehung ihr Werth nicht minder unschätzbar; selten nämlich
dürfte ein Fall der Beobachtung sich darbieten, welcher hin¬
sichtlich seines genetischen Zusammenhanges eine solche Durch¬
sichtigkeit darböte.
Wir sehen hier bei einer durch vorangegangenes Puerperium
und langdauernde Lactation bei ungenügender Kost geschwäch¬
ten Person die Krankheit mit denjenigen Erscheinungen, welche
als characteristisch für das typische Bild der sog. progressiven
pernieiösen Anämie von den Autoren beschrieben werden, be¬
ginnen und alsdann nach Verlauf einiger Wochen durch eine
tumultuarisch sich entwickelnde leukämische Alteration des
Blutes zum letalen Abschluss gelangen. Dass in diesem Falle
die so auffällige Combination von progressiver Anämie und Leuk¬
ämie keine zufällige, sondern dass das Auftreten der letzteren
durch die erstere ursächlich bedingt war, lässt sich bereits
und dieselbe Herrn Bizzozero aufzubürden. Das Mittel, dessen rr sich
bei diesem bekannlich bereits von anderer Seite gemachten und von mir
wiederholt (Arch. f. Heilk. XI. p. 11. Anmerk., Arch. f. inierosc. Anat.
XII. p. 793) zurückgewiesenen Versuch bedient, ist überraschend, aber
zweckentsprechend: er cit-irt (1. c.. p. 12S) in dem Literaturverzoichniss
eine den Gegenstand angeblich betreffende Arbeit des Herrn Bizzozero
aus dem Jahre 186S, die gar nicht existirt! und übergeht dafür
meine ersten Mittheilungen. Vielleicht ist bereits unter dem Einflüsse
dieser interessanten Forschungsresultate des Herrn Frey die gleichfalls
historisch unrichtige Darstellung Stricker’s (Vorlesungen über alle:,
und exp. Pathologie p. 437) entstanden. „Bizzozero hat ausser den
farblosen Elementen des Knochenmarkes solche beschrieben, welche eine
Uebergangsreihe von rothen zu farblosen Blutkörperchen darstellen;
unabhängig davon hat X. dann(!) im rothen Knochenmark kernhaltige
rothe Blutzöllen gesehen.“ Dieser Irrthum wird selbst durch die Bo 11-
schen Referate im medic. Centralblatte nicht gerechtfertigt!
1) Welcker, Zeitsehr. f. ration. Medicin XX 3. p. 305.
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11 März 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
135
aus dem angegebenen klinischen Verlaufe mit grosser Wahr¬
scheinlichkeit vermuthen, wird aber meiner Ansicht nach zur
Gewissheit, wenn man in Erwägung zieht, dass das Knochen¬
mark, welches, wie der Sectionsbefund in unzweideutiger Weise
ergab, den Ausgangspunkt der leukämischen Bluterkrankung
bildete, zugleich auch ein Organ ist, welches bei jeder
Anämie der Sitz wichtiger, sein physiologisches Gleich¬
gewicht störender Veränderungen ist. Wie ich nämlich
gezeigt habe, 1 ) und wie neuerdings Litten und Orth bestäti¬
gen,*) macht sich in demselben unter dem Einfluss anämischer
Zustände eine gewissennassen compensatorische Steigerung der
physiologischen blutbildenden Thätigkeit geltend, welche, wenig¬
stens für die Röhrenknochen eine totale Umwälzung der dem
normalen Ruhezustände entsprechenden Structurverhältnisse her¬
vorruft. Da wir nun aber aus zahlreichen anderen Erfahrungen
wissen, wie leicht eine über das gewöhnliche Mass hinausgehende
Steigerung physiologischer Vorgänge zur Ursache pathologischer
Störungen eines Körperorganes wird, so kann es uns nicht son¬
derlich befremden, wenn in jenem Falle die durch die Anämie
angeregten bedeutenden Veränderungen des Knochenmarkes sich
in einer pathologischen Richtung fortentwickelten und zu einer
leukämischen Hyperplasie desselben ausbildeten. Hiernach würde
sich die Kette der Erscheinungen in Litten’s Beobachtung in
folgender Weise gestaltet haben: Anämie — compensato¬
rische Metaplasie des Knochenmarks — pathologische
Hyperplasie desselben — Leukämie.
Wenn wir in dieser Beobachtung demnach einen Beweis
dafür vor uns haben, dass die Verminderung der Zahl der
farbigen Blutzellen (eine solche war ja unzweifelhaft bereits
in extremem Grade vorhanden zur Zeit des perniciös-anämischen
Stadiums) der Entwicklung der Leukämie vorausgehen
kann und nicht immer als ein mit der Vermehrung der
weissen Blutzellen coordinirtes Symptom der Leuk¬
ämie betrach tet worden darf, so müssen wir uns die Frage
vorlegen, ob ähnliche Verhältnisse nicht anch in anderen Fällen
vorliegen, und ich glaube, die klinischen Erfahrungen müssen
«ns geneigt machen, diese Frage zu bejahen.
So eigenartig nämlich auch der Litten’schen Fall dasteht,
so lässt sich doch vielleicht behaupten, dass derselbe nur ein
besonders scharf ausgeprägtes typisches Beispiel für eine grosse
Gruppe analoger Beobachtungen darstellt, in welchen die Ent¬
wicklung der Leukämie auf dem Boden einer bestehen¬
den Anämie stattfindet. In der That kehrt ja in allen
Beschreibungen der Krankheit, welche wir in den Lehrbüchern
finden, constant die Angabe wieder, dass im Beginne derselben,
noch bevor eine nachweisbare Vermehrung der farblosen Blut¬
zellen stattgefunden hat, das Bild einer Anämie mit allen ihren
Symptomen in optima forma bemerkbar ist, und wir dürfen an
der Richtigkeit dieser Angabe, wenn es auch an genauen Unter¬
suchungen des Blutes der Kranken während dieses Initialstadiums
in den wenigen Fällen, in welchen die Entwicklung der Leuk¬
ämie unter den Augen zuverlässiger Beobachter erfolgte,*) fehlt,
um so weniger zweifeln, als es sicherlich in einer grossen Zahl
von Fällen anämisirende Einflüsse sind, auf welche in letzter
Instanz der Ursprung der Leukämie zurückzuführen Ist, ich führe
zum Beleg die Worte eines Autors an, welcher durch seine ein¬
gehenden Studien auf diesem Gebiete gewiss Vertrauen verdient,
»ärmliche Verhältnisse, schlechte Nahrung, übermässige geistige
und körperliche Anstrengung, Kummer und Sorge spielen eine
wichtige Rolle bei der Entstehuug der Krankheit“. 1 )
Was wir so eben für den Litten’schen Fall ausführten,
wird demnach jedenfalls allgemeinere Bedeutung beanspruchen
dürfen; durch das Knochenmark kann der Uebergang anämischer
Zustände verschiedenster Abstammung in eine Leukämie ver¬
mittelt werden, und wenn es vordem räthselhaft sein konnte,
welche Einflüsse ein scheinbar in seiner Verborgenheit so ge¬
schütztes Organ wie das Knochenmark zur Erkrankung zu bringen
und eine Leukämie zu erzeugen vermögen, so wird uns durch
die Erkenntniss, dass jeder anämische Zustand eine eingreifende
Wirkung auf das Knochenmark ausübt und die Bedeutung einer
wirklichen Krankheitsnoxe für dasselbe gewinnen kann, ein Ein¬
blick in die Pathogenese der myelogenen Leukämie eröffnet,
welcher hoffentlich der Ausgangspunkt weiterer Aufklärung wer¬
den wird.
111. Heber eiita Fall eadelaryagealer fixstirpatiea
eiaes Polypen der vordere» Commissur währeid
der Inspiratienspanse*).
Von
Dr. Wilhelm Hack,
Assistenzarzt der chirurgischen Klinik in Freiburg i. B.
M. H.! Ich erlaube mir, Ihnen einen Fall von Exstirpation
eines Polypen der vorderen Commissur auf endolaryngealem
Wege mitzutheilen, der namentlich in einer Beziehung Ihr
Interesse in Anspruch nehmen dürfte. Abgesehen von einer
ganzen Reihe von Schwierigkeiten, bedingt durch den Sitz und
die Kleinheit des Polypen, bedingt durch die enorme Reizbar¬
keit der Larynxgebilde, hat mich nämlich ein eigenthümliches
Verhalten des Kehldeckels gezwungen, die operativen Eingriffe
vorzunehmen in der Athempause auf der Höhe der In¬
spiration. Die Geschichte des Falles ist in Kürze folgende:
Otto Linser, 30 Jahre alt, Sergeant im Freiburger Infanterie-
Regiment, wurde mir durch die Freundlichkeit des Herrn Prof.
Bäumler zur Behandlung zugewiesen. Pat. giebt an, seit den
Herbstmanövern des vorigen Jahres, bei denen er sich wieder¬
holt verschiedenen Durchnässungen und plötzlichem Tempera¬
turwechsel aussetzen musste, an andauernder Heiserkeit gelitten
zu haben. Vorher sei seine Stimme stets rein und klangvoll
gewesen; eine besondere Neigung zu Kehlkopfkatarrhen habe
er nie gehabt. Lungen gesund, Lues auszuschliessen.
Die laryngoscopische Untersuchung des beinahe aphonischen
Pat. war verhältnissmässig leicht, da derselbe schon von
Militärärzten wiederholt, freilich resultatlos, gespiegelt worden
war, und so eine ziemliche Abstumpfung der Rachengebilde
vorlag. Der Kehldeckel war nur ^mässig nach hinten über¬
geneigt, so dass beim Versuch, ein hohes i zu intoniren, wobei
die Epiglottis noch etwas mehr aufgerichtet wurde, die Stimm¬
bänder in ihrer ganzen Länge überschaut werden konnten. Es
ergab sich, dass bei der Intonation zwischen den Stimmbändern
eine schmale Spalte bestehen blieb, und als Ursache derselben
die Einkeilung einer kleinen Geschwulst am vorderen Stimm¬
bandwinkel. Bei tiefen Inspirationen liess sich feststellen, dass
die etwa linsengrosse Geschwulst mit breiter Basis am linken
Stimmband inserirt war, etwas unterhalb der scharfen Kante
desselben, unmittelbar an der vorderen Commissur, und frei in
1) E. Neumann: Centralblatt f. d. med. Wiss. 1869 No. 19, und
Berl. klin. Woehenschr. 1877 No. 47.
2) Litten u. Orth: Berl. klin. Woehenschr, 1877, No. 51.
3) Virchow’s gesammelte Abhandlungen, p. 199. Mos ler: Path.
u. Therap. d. Leukämie, pag. 142.
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1) Mosler, 1. c., pag. 129.
*) Nach einem Vortrage, gehalten auf der 50. Versammlung deutscher
Naturforscher und Aerzte zu München im September 1877, in der 3. Sitzung
der Section für Laryngologie.
2 *
Original from
UMIVERSITY OF MICHIGAN
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Stnrnhbändes kaum ukp eil acht tioij in ebr-fehum ähnlich wie t*s beim tis/nn Schlucht
'Figur ' l. Fi-rnr i. der FaÜ Dt 3 vormdiweir hess. /Vf* wurde durch diese uimnter-
btocbeuö K.- fle \ on rasch anfematider tolff^udcu kürzeren ln
spiWiöjmn <j»t' ipaifctitatyflg ähgDÄachl. Krfrflgtf*
jetzt tf r$ ExspjratfoTi.; so War auch durch^w^o* übrigens dmkaniit-
lidt nicht mdm Methode nichts erreicht * die momentane Ab-
0 df,%ur 4 ^ /los Wulstes schWartd sofort wieder, derselbe legte sich
wjeder um Älter der» vorderen Th eil dm Glottis. der Laryti^ schien
tioob sOn^thlci geworden w»c* vorher. Lie 51 > ich nun aber
Auf cfur flohr der lttisjt?ir?itioTt'?an$tren^u : H^ vor der
& &&p i rati on den A fhe m ach & 11 et»/So blielf iti din^vrn
Moment e d ie Ab flach uog bestehe». o n d c$ tjr a i dar in
i)k Mdativo Lembtigk^/ der S p i e g e hi u l c iS » t ehi u i & verführte cuie tniffallende rnempDudVich'keit (Los Lnrvu's. nftt
mich. AVboir in der /»/te» : Sitaung. iu*t 'der Einffdmjujr <b-r So k.»**».•• ich W, dieser AthHppu«.m' vop der FAsphatiu» n»r.*^
jvoh(koplf>v?u:4o jSli' frt&wtVf oh' $icr stie^'lth -fiidttev Auf crioritve : nur yftiltg ^telotfi^ hhorsLitauen, ddöerty ftitcbi» ftVdlh’Tr
Schvvienifk*‘ v don. \ or altem wur die Laryui'eahrhh'imhftii?. um* fiii dh* Dauer -weniger Seeiuidrn. ziemlich s; chi*r ä.-;t IV
’gatix itu (ie^cpöAt^ %üm. . Verhalten des Soliiüfhjkopfns von «ii.rer ; ::#truTneutcrt dvü. jibrynx eingchen. Diese AthoondösV: 1
anvsfivinit iitlichen ktö/barkrh: j.-de. am;i» dk hbeste (hwuhwitig ein ei ;<erdiho'-hv;riifUnp* Inspiratidtt|yceun ich es - timüPu dotT*
lo>te; 'Mifott die V)(^ 1 vvA®iidj!‘k llaÄ^^ivr^tÄfde Aiifc-* tljtv der erni%dddv^ nkr d**r tsondo. die vöifi|pf>*
i;ato!|iiii*de t'uVd sehr'd) 11 et>:'< \ 0rko !‘d. v-rji i.rus ;m D♦ *i*m*i> rc• v i» der *_i*>>o!iwtiDt »mth nrripentlieh iiire fevrof , oo^)'shTn>; iö>t'iöe,trillen
•*nvh»e; D;o ihu»pjhdo-h-reiid aber ' hrd .ein eigfiithüniUid^k LHi hoürito endlich’ ans dom zur Ifendming- 'der Oeddosn|. ; t
\ erhiUten des Kohhi*'«*kelw. do.>. Wevm auch << ion* von ambe^d (toihi^en KciiinfooHA^rad dor Sourke den antsj>reFifcn*loo feir
Autoreh hrnhn^lit-o. ;:•«> /.♦'<< rrtdir /»* -ein -eheint. (iporati»>n>inst r\i meute iiestimrneil.
Wallend niicAlich die ;.y'feiw1ich’ 3utuen< hi*n blieb.. d rnbi^ du:!, vvfihrernt! der erw-aiinfeij'. Atheiup:».o.-e di». <.:»••
WL'lbteu -o'h d- ; e uiittlorofi und m.iteroTi I'&rt*ori d»*-. K».ddde»:kel> mrvccddIdo IdudO-n» <.e vindertv sich doch oft de
•SM hfo-l-^rodi^: >:ur*»ck. dass nieht nur die Vn-atz-teilr ({:<-. Sduattou. kdrnj Kcbhkckfd und •StiMHabd.mlor nein» X.i^ibdn'e.
V‘o{; v pet}. so.udct'n f ineh die vuj/b re' fL«M'te der Dkdtfir , der . |d; 5 p‘ratontspressHU^ ihr altes ^pbd wiedot bcgotoünv • •
iHisiddhAt wurde i;riv. ;:) .i-dbrib'M auders als mit. dem 'gedeckten ;'w«di,,, r ;~
Ich irA.b tnir?» «h/t HdTnutifc^■..hfÄ...jiafch ticwithridf/g am fiAÄ-]b'4^|^V'.Ales>^r crn^dgchoH Auci/ jetzt ndch 'Mit, ■ AbrsDpoifttfb^i-..;
hj.ifuhie-,, der tic-nAfoonJe de* Ivn^hOrkcn der Larj nwddenN- mH auNsvrordentHohen br-lnviengkoden \erkinipff Wi-iren d.-t
liAul hohen und dann durch rloi» ^uir des trrd^ofiihrfnn Irt^tru- tvlojuh^it rlot tic>nbwuKt. wpjbmj ihr» v s SiUo^ am' vonkn^ten Tiiri?
v.oeote- .{url« die ttetereu borteui de*- «obldcekeD nufnchtfih ’CH ,. dos :-'iinind»nnd»*‘;. wogai der nur stfonrtdeulan^^n Däo^b ' |!5 det
kbi»!M-!i: • tugbviij-u Sitziiitü'>>0 wurdet dotch 1 i Togo d»e der operativ»'■ KingvifV ertT?\gonwurde, wt-g-en doi Art vmi.lieh <<■■■■
Ar'.fH-urlf^ irdt »äjt*f Atu v e die hark elf wa«' .OpdfAt-t» utst iVs.t r.ui.tioiif4 as ddi*4h ‘Iitoitc Deekuh^
dndmrb hur .noch tnehr gv^deigeTi wniden mtd zwar in einem dn Lontt'dic mit dem Autro wesentlu h •linoiritrAVIiUgto.- De.1i
sfdehen Dfside. d;i'<: oft sr-bon die ^itibiblmifr, d;e- in-trumcot/ ? gdiAug:V.x utir I»ereil;., nach wenigen Sn/unirrh. durch eine
tifili??rr <tch: lioTri \i ehtk• »pfeingaMg'e.' hiiirejchte„ tirii die lst ffio stu>» von :Vhie?toi\, »{.’»•• >e.harf am c tihiitibamlrand die Rnsis »1er <ie-
< Dotlisktäuipfo >;u Aveekeu. Ich ging min übdr y,nr Pinsel ne g. uelnruist tfatVris die Ili^'rtien^odJe florselbeu >0 zu versrhniMeriu
mit '.enue.-nrnrien louoin«ii)yr«rin-L^smt«roii, die wli’ifdf bei dass der l'ontor nur;- noch' - durch einen fadenförmigen Stf&jlg
uhd^r^i jrtfelgrgicli sirw iösrif liaitchv. tni<l v*r- ntD’ doKi §tinnV)band tuwm nr»^^ bir*)r Bin Versuch ; itcii jotgt
reichte dadurrh in tvditefer». 14- T.Hgeo Wenigsten^ dä> ente. dn>s frei Ib'.niremicf» ibdvp^n jurt <1er £aii&:e wegzunebmetu Imdr-•..<dne;‘
diV?. Dlnttiskrämfde und. IfjustruAnfälle sich weswitlich Aenuimler? ■ hefffiren Hu-fcruinfaii ;uis. nach dessen lleendignng .die Dc^chw-tti'»
teu. Das lästige Spiel des Kehbb-ckeDvulsips war dagegen y*i -ch\v*»iide«i ?vor. Auch -ein St)ei war abe<Ti>‘-en 4 und aD
dasselbe geblbdo-H. es war sogar •••<» härtnAvklfr geworden, dass l'cbg: ftir die wdt?fbe vizzU- LvDtfonnung war nur: ofhc pnuki-
»*•'.. ‘dnmal durch Sondeneinfulirung*: gedeckt, währemb der Dauer fofriiige Vetdiekving an der Stelle der ejiomaligen : InsCtliiUi tu
der , AfHdi spontan eiurrat und ^elbni «Ihr Spiegcdiiutef- ur'kHi.uum. 0 ^ ( v ’
«urhung; nninbgheb machte. Ich vorf*ijeht»' eno* fbvibe der he« l'muitiolbar u;tch dev* .UperaTion blieb bei der IntoyAtihu
kannten instrümentcllen Methudo?«; dm' tlön - lvehb.b'*cktd' venu-' noch jede schuräk* Spalte /•^isciieu den Stirrimbiinderu liestvlieti.
ziehen, ohne jeden Bfbdg, ?»r durch rhr-<’ Midhoden ein Zug wob! in l ; ntge einer idore-w ; dir sin durch die (tperoDrois-
uur auf den Icatid der Kpigbtftm atrign.viiir vzink so tvnrdff» die iu«i nt tue nt e;h.ei J N'o fgrr u.fcner !Kat:\ rrlf etzeuirt Iisrbcji, mochte,. Aber
tude-roti ('artipn der-.»dh**n mein tuminfiussd. .Aber scib^t das scoh.u uneb i J -Tas*' v n war. die Stimme wieder voHkmntuoi» klar
Vorziohad de< Bandes imssglückfe io der AL'hrzahl der bdjie mul klangvoll goW'OTdoü Frfi)lparit A\ar mir. dass dei
wogen der -iioch b^teheodon .Ket/djarke.f der liiumrefi Kohl- job/t i -dikommen leieJit d»w lUnffihning der JnstThmoMlo.' oetr.ijg,.
dcekojlfiÄcJiC' Auch das Kv.strvb^b. Vm hoho 4 » \ rn intouitreug ohne «fass *b;h die oben ervrihutvij Stdtwiengkoiten gezeigt fiirt-
hru'-hb* • lei) Wulsr nicht /mo A ccm: hwiud u\. Bei tiefen Mo.tf-\ tmj, ‘ 0!f^i>har bat.te die Abwesnuheit d?« Tnimu , reHidditr in
zerdhüf fospirationoü kuu-nte t/d» cim- m-n-e:- \bflachung »b-t A evhiudmjg ,ndl dem später binengntretetteu K<u;mdi. »Aue D>-
Wölbung bemerken, .aber die li{.Atrfioiisg»clbf des ju,flypen kauJ peiäSDioSld dcV b.arV!i>sclM*dndiaut zdr i'oigA
i <- i. tjUnvi röcht zu DesiVht. Zwei M^oure nE»ch der Hpi/rainm sah b-»t den
Se i tjpj; Ivlvuibed iler zu /‘uifcrmoididi DevchA^n^r. knuotv wieder - H* war mtmogl.irh. mi? dmo Spiegol die. Meile toiim-
Mn »oif 1 >per<o?o im Dunkeln uhrto,f» i>»ijngji|tg ;de- ^irat'/ptmku ^'; bitd/n, Wn dy* thdvp haDr Die Stfttmo* v?nr ober
ondD .gedoxd'n wnidcir »vlfhAht h.o-'VrD*- •u‘unwh(dite di»* s< v h»*Hf rasejiend klar and kräfDt. Of»d der Fafir.n s.db-o \ewirlnor,*
Go glc ■■
11. März 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
137
raicli hoch erfreut, dass er sich nicht erinnere, jemals eine rei¬
nere und vollere Stimme besessen zu haben.
M. H.l An den eben vorgetragenen Fall darf ich vielleicht
noch eine kurze Bemerkung anreihen. Der Erfolg, den das er¬
wähnte Verfahren mit sich führte, war also ein doppelter: ein¬
mal wurde die vorher nur momentan auftretende Abflachung
des Epiglottiswulstes noch etwas länger festgehalten; zweitens
aber wurde die äusserst sensible Laryngealschleimhaut für eine
zum operativen Eingriff ausreichende Zeit völlig unempfindlich.
Ich bin nun weit davon entfernt, dieses in einem vereinzelten
Fall mit Erfolg gekrönte Verfahren zur Methode erheben zu
wollen, um so mehr davon entfernt, als der wichtigsten Vorbe-
dingurg zu seiner Anwendung, einer grossen Willensstärke des
Patienten, gewiss nicht immer genügt werden kann. Immer¬
hin aber, glaube ich, war der Erfolg in meinem Fall ein so
überraschender, dass ich mir erlauben darf, das Verfahren der
Prüfung der Fachgenossen zu unterbreiten.
Dann noch eines! Sie wissen, dass schon lediglich bei
einem Sitz der Neubildung am vordem Stimmbandwinkel, ohne
Complication mit wesentlichen Schwierigkeiten durch den Kehl¬
deckel, von verschiedener Seite die Thyrotomie gemacht wurde.
Dem Vorgänge von Gilewski, der, wie ich glaube, zuerst bei
stecknadelkopfgrossen Polypen der vordem Commissur den Kehl¬
kopf spaltete, sind eine Reihe von Operateuren gefolgt, und die
Resultate waren bekanntlich in vielen Fällen äusserst zweifel¬
hafter Natur in Bezug auf die Güte der erlangten Stimme.
Vielleicht dürfte das vollkommene Resultat meines Falles mit
in die Wagschale gelegt werden zur Stütze der Anschauung,
dass bei gehöriger Geduld und Ausdauer — von Seite des Pa¬
tienten freilich nicht minder, wie von der des Operateurs —
die Thyrotomie eingeschränkt werden darf auf eine sehr be¬
scheidene Zahl von Indicationen.
IV. Eia Beitrag rar Behandlung der Lähmnngen bei
Apoplektikern mit Herzfehlern.
Von
Dr. droedel in Nauheim.
ln dieser Zeitschrift — 1870, 22 und 1875, 9 — sowie in
einer besonderen Monographie — zur Therapie des Gelenkrheu¬
matismus und der ihm verbundenen Herzkrankheiten. Berlin,
Hirschwald — wurde wiederholt von Prof. Beneke auf die vor¬
zügliche Wirkung der kohlensäurehaltigen, zwei- bis vierprocen-
tigen Soolbäder von 25 — 26° R. bei Herzfehlern, insbesondere
bei solchen nach Gelenkrheumatismus, hingewiesen und durch
zahlreiche Krankengeschichten klar gelegt, dass die Bäder
von Herzleidenden ausgezeichnet vertragen werden; dass durch
dieselben in allen Fällen eine Besserung des rheumatischen
Leidens, sowie auch eine Beruhigung der Herzthätigkeit erzielt
wurde, stets eine Hebung des Allgemeinbefindens und manch¬
mal sogar eine Besserung des Herzleidens, namentlich in frischen
Fällen. Durch jene Abhandlungen hat sich Herr Prof. Beneke
das Verdienst erworben, zuerst eine neue Indication der Balneo¬
therapie einverleibt und weiteren Kreisen bekannt gemacht zu
haben, und die Folge davon war, dass in den letzten Jahren
an hiesigem Badeorte eine ungewöhnlich grosse Zahl Herzkranker
anwesend war. So wurde denn den hiesigen Aerzten reichlich
Gelegenheit geboten, weitere Studien über die Wirkung unserer
Bäder bei Herzkranken zu machen, und kann nur gesagt werden,
dass stets die Beobachtungen Beneke’s ihre Bestätigung fanden.
Auch wir finden den Hauptvortheil einer Badekur für Herzleiden
nach Gelenkrheumatismus namentlich in der Besserung des rheu¬
matischen Leidens, in der Verhütung von Recidiven, welche das
Herzleiden meist steigern, in der Hebung des Allgemeinbefindens,
Digitized by
Gck igle
und in einzelnen Fällen können auch wir eine Besserung des
Herzleidens selbst constatiren. Hierauf heute näher einzugehen
liegt nicht in unserer Absicht, und wird auf oben erwähnte ver¬
dienstvolle Arbeiten hingewiesen. Vielmehr soll uns heute die
Frage beschäftigen, die auch schon von Beneke in seiner Mo¬
nographie gelegentlich berührt worden ist, wie sich Apoplek¬
tiker mit Herzfehlern gegen die warmen kohlensäurereichen Sool¬
bäder verhalten. Es sind mir mehrere dahin einschlägige Fälle
zu Gesicht gekommen, und kann ich vor allem die Behauptung
aufstellen, dass die Bäder auch hier zunächst beruhigend auf
die gesteigerte Herzaction einwirken, wie dies auch Beneke in
ähnlichen Fällen sah. Ferner konnte ich eine Besserung der
vorhandenen Lähmungserscheinungen in fast allen Fällen, sowie
Kräftigung des Gesammtorganismus wahrnehmen. Für den Raum
dieses Blattes wäre es zu weitgehend, wollte ich mehrere Kranken¬
geschichten aufführen; nur eine sei mir erlaubt zu berichten,
einmal weil sie ausserordentlich instructiv ist, dann aber, weil
es sich um einen Patienten aus Nauheim selbst handelt, den ich
schon seit seinem apoplektischen Anfall beständig unter den
Augen, habe und so in der Lage bin, genau über den ganzen
Zustand und namentlich die Anamnese Auskunft zu geben, was
sonst bei unseren Badepatienten der leider allzukurzen Berichte
der Hausärzte wegen nicht leicht möglich ist. Ich werde dann,
im Anschluss an den Fall, meine Ansicht über die Zulässigkeit
solcher Kranken zu Badekuren entwickeln.
Frau M. aus Bad Nauheim, jetzt 49 Jahre alt, hat als
18jähriges Mädchen einen schweren Gelenkrheumatismus durch¬
gemacht. Dass sie einen Herzfehler dadurch acquirirt, war ihr
unbekannt bis vor etwa 2 Jahren. Vor 5 Jahren hatte sie den
ersten apoplektischen Anfall und zwar Nachts im Bette während
des Schlafes. Derselbe ging jedoch, ohne Spuren zu hinterlassen,
im Verlauf von ein paar Stunden vorüber, so dass gar keine
ärztliche Hülfe in Anspruch genommen wurde. Aehnliche An¬
fälle wiederholten sich in den nächsten 3 Jahren noch 5 mal,
l immer mit gleichem Verlauf und ohne ärztliche Behandlung.
Im Winter 1874/5 dagegen kam ein so heftiger Anfall, dass nun
endlich ein Arzt herbeigerufen wurde. Es zeigte sich absolute
Lähmung der ganzen linken Seite — Bein, Arm und Gesichts¬
muskulatur —, längere Zeit anhaltende Bewusstlosigkeit und
Unfähigkeit zu sprechen. Auf die eingeleitete Behandlung hin
erholte sich Patientin in einigen Tagen wieder, bis auf die Läh¬
mung der Extremitäten. Bei der Untersuchung des Herzens
hatte sich eine jedenfalls schon lange, wahrscheinlich von dem
Gelenkrheumatismus her bestehende Insuff. valv. mitral, mit
allen ihren Folgeerscheinungen ergeben. Von einer atheroma-
tösen Erkrankung der Gefässwandungen konnte nichts nachge¬
wiesen werden. Es scheint mir ausser allem Zweifel, dass es
sich gar nicht nra eine eigentliche Apoplexie, sondern um Gehirn¬
embolien haAlelte. Es fragte sich nun, als der Sommer heran¬
kam und die Frau noch immer ihre Lähmung hatte, dabei häufig
Herzklopfen und Oedeme, die fast alle 3—4 Wochen ein Infus.
Digital, nöthig machten, ob es angezeigt sei, hier Bäder nehmen
zu lassen. Ich zauderte gar nicht lange in Erwägung der bei
Herzkranken beobachteten Wirkung und verordnete ihr verdünnte,
kurz dauernde Bäder, 26 0 R. warm, einen über den andern Tag
j zu nehmen. Der Erfolg war ein ganz überraschender, was die
Lähmung betraf; aber auch sonst war er ein recht erfreulicher.
Die ganze Kur dauerte 7 Wochen. Während dieser Zeit fühlte
sich Patientin ausserordentlich wohl, am wohlsten aber im Bad
selbst, so dass es ihr wiederholt streng anbefohlen werden
musste, nicht über die vorgeschriebene Zeit hinaus im Bad zu
verweilen. Die Herzaction, vorher eine durchaus unregelmässige,
der vorher sehr frequente und kleine Puls näherten sich dem
' normalen. Oedeme nicht mehr zu sehen, Digitalis-Infusum
Original from
UNIVERSITY OFMICHtGAN
138
No. 10
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
während der ganzen Kurzeit nicht nöthig. Die auf die Kur
folgende Zeit Hess noch lange den günstigen Effect der Bäder
erkennen, bis erst im Verlaufe des Winters wieder häufiger die |
alten Erscheinungen von Herzklopfen und Oedemen sich ein- |
stellten, aber doch in geringerem Masse, als früher. Im ver- ;
gangenen Sommer liess ich die Frau wieder baden. Auch jetzt
derselbe Erfolg, wie das Jahr zuvor. Leider aber musste Fami¬
lienverhältnisse halber die Kur unterbrochen werden. Im letz¬
ten Winter war denn auch der Zustand der Frau wieder schlim¬
mer als im Winter nach dem Gebrauch einer ordentlichen Bade¬
kur. Von apoplektischen Erscheinungen oder, besser gesagt,
von GehirnemboUen zeigte sich seit der Erkrankung im Winter
1874/75 keine Spur mehr.
Durch diesen Fall wurde mir vollständig das bestätigt, was
ich mir aus anderen Fällen und nach reiflicher Ueberlegung der
Verhältnisse in Bezug auf die Indication der Bäder bei Apoplexie
durch Herzkrankheiten zur Norm gemacht hatte. Handelt es
sich um eine ächte, wahre Apoplexie, wie solche also nament¬
lich durch Atherom der Gehirnarterien verursacht ist, so soll
das warme kohlensäurehaltige Soolbad vermieden werden, da
wir sehen, dass durch die Bäder der Blutdruck, resp. die Span¬
nung der Gefässwandungen eine höhere wird — worüber ich
im kommenden. Sommer noch eingehende Beobachtungen zu
machen gedenke, die dann mit bereits gemachten zusammen
veröffentlicht werden sollen. — Durch diese höhere Spannung
aber können leicht zerreissbare Gefässe, die eine geringere Span¬
nung gewöhnt sind, zum bersten gebracht werden. Wir sehen
ja allerdings in solchen Fällen oft eine Besserung der Lähmun¬
gen; aber man sollte doch deshalb nicht riskiren, einen neuen
apoplektischen Anfall zu provociren. Anders ist es mit Fällen,
wie der vorliegende, wo es sich eigentlich nicht um Apoplexie,
sondern um ähnliche Erscheinungen durch Embolie handelt, und
diese Fälle sind meines Erachtens sehr häufig bei alten Herz¬
fehlern. Man darf immer dann ziemlich sicher Gehirnembolie
annehmen, wenn man apoplektische Erscheinungen bei Herz¬
kranken sieht, ohne atheromatöse Processe constatiren zu können.
Für solche Patienten aber halte ich die Bäder für durchaus
zweckdienlich. Hier braucht man nicht zu befürchten, durch den
gesteigerten Blutdruck, durch vermeinte Spannung der Gefäss-
wände neue Anfälle hervorzurufen. Im Gegentheil ist hier an¬
zunehmen, dass durch Vermehrung der Energie der Herzaction
die Bildung von Gerinnseln und Niederschlägen, die ja nur bei
träger Herzthätigkeit möglich sind, also der Stoff zu neuen Em¬
bolien, verhütet wird. Ferner ist noch anzunehmen und wird
auch durch den Erfolg bestätigt, dass Gehimdistricte, welche
durch eine embolische Verstopfung ihrer Gefässe verödet sind
und so die apoplexie-ähnlichen Erscheinungen hervorrufen, in
Folge des stärkeren Blutdrucks durch einen Collateralkreislauf
wieder Nahrung zugeführt erhalten, und auf die# Weise dann
eine Badekur die Lähmungen beseitigt oder doch bessert.
V. Zar Behaadlaag von Geschwüren.
Von
Dr. W. Mandelbaum in Odessa.
Anknüpfend an den Becker’schen Artikel über die Behand¬
lung der Unterschenkelgeschwüre (Berl. klin. Wsch. 1877 No. 47)
erlaube ich mir folgende kurze Notitz über diese Frage. Nach¬
dem ich alle möglichen Behandlungsweisen dieses hartnäckigen
Uebels versucht habe, unter andern auch einen dem von Herrn
Dr. Becker beschriebenen ganz ähnlichen Heftpflasterverband,
ebenso die Reverdin’sche Ueberpflanzungsmethode und die ener¬
gische Cauterisation mit dem Aetzkalistift, blieb ich bei folgen-
len drei Mitteln stehen: dem Hebra’schen Schabeisen (modifi- I
Digitized by Gck >gle
cirter Volkmann’scher Löffel), dem Jodoform und dem Em-
plastrum mercurial. c. empl. saponat. ana. Ich kenne keine
Unterschenkel- und andere Geschwüre, welchen Alters, welcher
Form, Ausdehnung und Abstammung sie auch sein mögen,
die diesem Verfahren widerstanden hätten. Sind die Geschwüre
sehr tief, der Zerfall der Gewebe bedeutend, die Ränder un¬
eben, zerfressen, unterminirt, callös, so wird das Geschwür
erst mit dem Schabeisen gründlich —- bis ans gesunde Gewebe
— gereinigt, dann mehrere Tage hindurch mit einer dicken
Schichte Jodoform bestreut, bis frische Granulationen kommen
— und sie kommen; — dann, wenn sich das Geschwür aus¬
gefüllt hat und der Grund desselben das Niveau der Haut
erreicht, verbinde ich es täglich mit Empl. merc. et saponat.
ana.; dieses letztere muss sehr genau und eben — ohne
Kanten — auf Leinwand gestrichen und ziemlich weich verfer¬
tigt sein. Sehen die Unterschenkel- oder sonstige Geschwüre
nicht so schlecht aus und sind blos mit einer dicken Eiter¬
schichte belegt, so ist die Jodoformbestreuung ohne vorherge¬
gangenes Ausschaben hinreichend, gute Granulationen hervor¬
zurufen, und die Vernarbung geht unter dem erwähnten Pflaster
von statten.
Mit diesem Verfahren habe ich die verschiedensten Geschwüre,
die Jahre und Jahrzehnte lang den mannigfachsten Behandlungs-
weiseu getrotzt, endlich zum Vernarben gebracht. Ich halte es
für überflüssig, diese kurze Notiz durch Anführung einer langen
Reihe von Krankengeschichten zu chargiren, da dieselben doch,
jede für sich, nur detailUrt das enthalten würde, was oben im
allgemeinen gesagt wurde
VI. Kritik.
Spiegelberg-* Lehrbuch der Geburtshülfe für Aerzte und
Studirende. Mit 144 Abbildungen. Lahr, Moritz Schauenburg,
1877/78 gr. 8. 874 S.
Wäre die Geburishülfe im ganzen eine starre und in sich so abge¬
schlossene Doctrin, wie sie in einzelnen Theilen es ist, so müsste bei der
grossen Anzahl der vorhandenen Lehrbücher und Compendien das Erschei¬
nen eines neuen Lehrbuches Wunder nehmen. Ein flüchtiger Blick je¬
doch auf die Zahl der Jahr aus Jahr ein veröffentlichten einschlägigen
Monographien und Aufsätze zeigt, dass die Geburtshülfe sich fort bildet
und fast in allen ihren Theilen von den Fortschritten ihrer Hilfswissen¬
schaften, als welche nicht blos Anatomie, Physiologie, path. Anatomie,
sondern auch die Chirurgie zu betrachten ist, profitirt. Ist doch der Einfluss
der Lis ter’schen Methode der Wundbehandlung in der Prophylaxis und
Therapie der Wochenbettskrankheiten jetzt geradezu ein doininirender.
Sind doch die neusten anatomischen Untersuchungen verdienter Forscher
derart, dass uns jetzt- erst über längst ad acta gelegte scheinbar einfache
Verhältnisse, wie das Verhalten des Gebärmutterhalses in Schwangerschaft
und Geburt, ein neues und wie es scheint richtiges Licht aufgeht. Obschon
nun das Bedürfnis nach einem neuen Lehrburch der Geburtshilfe kein
dringendes war, da die alten hebammenarligen durch gute Lehrbücher,
vorzüglich das Schröder’sche als abgethan zu betrachten sind, so fehlte
dennoch eines, welches weniger in dogmatischer als in klinischer Form die
gesammten geburishülfliehen Lehren auf Grund reicher Erfahrung des
Verf. in kritischer Weise vereinigte. Dieses nach physiologischen Grund¬
sätzen zu thun und das reichliche in den letzten Jahrzehnten zusaramen-
getragene Material mit eignen Erfahrungen so zu verarbeiten, dass der Leser
ein einheitliches, nicht durch Text und unbearbeitetes Material enthaltende
Anmerkungen zerrissenes Bild bekommt, war in dem so mannigfaltigen
und reichen Umfange, den die Geburtshilfe bietet, kein leichtes Unter¬
nehmen. Dem Verf. ist dieses in vollem Masse geglückt und, wie er es
sich vorgesetzt hat, gelungen, die noch immer grosse Kluft, welche zwischen
der Geburtshülfe der Klinik und Schule und der der täglichen Praxis be¬
steht, durch sein Lehrbuch zu überbrücken. Einem exclusiven Zwecke
dient das Buch aber darum nicht; indem es einen vortrefflichen Leit¬
faden für den Unterricht und einen sichern Führer für den Practiker ab-
giebt. stellt es ein so getreues und vollständiges Abbild unseres gesamm¬
ten geburtshilflichen Wissens und Könnens dar, dass es auch dem Fach¬
mann bei seinen Studien und Arbeiten in den einzelnen hierher gehörigen
Zweigen eine gute Grundlage bietet. Bei einer Anzeige dieses Lehrbuches
in dieser besonders von Practikern gelesenen Wochenschrift möge blo^
auf einzelne mehr die Praxis betreffende Punct-e hingewiesen werden.
Der Plan und die Eintheilung sind durchaus logisch. Es werden
betrachtet: 1. Die untere Rumpfhöhle, das Becken und die Geschlechts-
theile (der Geburtscanal). 2. Physiologie und Diätetik der puerperalen
Vorgänge (Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett), 3. Pathologie und
Original ffom
UNIVERSETY OF MICHIGAN
11. März 1S7S.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
139
Therapie der puerperalen Vorgänge (Schwangerschaft, Geburt, Wochen- |
bett), 4. die geburtshülflichen Operationen. Der Schilderung der ana- !
tomischen Verhältnisse der Becken-Organe sind ausser den üblichen eine
Anzahl neuer sehr instructiver Durchschnitte beigegeben, die für die Pa¬
thologie der Vorgänge in der Geburt, wie im Wochenbett gleich wichtig
sind. Die Diagnose der Schwangerschaft wird mit Recht als eine der
wichtigsten und schwierigsten der Praxis betrachtet, und demgemäss wird j
die diagnostische Verwerthung der Schwangerschaftszeichen in ausführ¬
licher und dabei so klarer Weise behandelt, dass man mit Hülfe dieser
Lehren „die so häufig vorkommenden, in ihren Consequenzen so bedeu¬
tungsvollen Irrthümer“ sicher vermeiden wird. Aus dem Capitel über die |
Physiologie der Geburt möge die rationelle Diätetik hervorgehoben werden, j
Wenn der Verf. hier mit den Worten beginnt: „Tausende von Weibern !
gebären ohne jeden sachkundigen Beistand glücklich, und von der Hülfe,
welche so viele unserer Hebammen zu leisten im Stande sind, ist es
fraglich, ob sie diesen Namen immer verdient“, so hat er seinen von
jeder Vielgeschäftigkeit freien Standpunkt, von dem aus man die günstig¬
sten Resultate erzielt, hinreichend bewiesen, so dass man ihm überall
da, wo er wirklich positive Rathschläge giebt, unbedingt folgen kann und
muss. So ist alles, was er über Lagerung, Bekleidung, Dam m Unterstützung
der Kreissenden etc., später über die Behandlung der Geburten in patho¬
logischen Fällen sagt, richtig und erprobt. Ganz besonders aber gilt das
von der vom Verf. aus England nach Deutschland eingeführten Methode
der Nachgeburtsbehandlung, deren Vorzüge gegenüber der allgemein ver¬
breiteten sog. Crede’schen erläutert werden. Während beim Verfahren |
nach Crede Wehen-Anomalien sich unbeachtet ausbilden können, ist das
bei dein in der Dubliner Anstalt üblichen, von dem Verf. aceeptirten
Handgriff nicht möglich, der den Uterus vom Augenblicke des Kopfaus¬
trittes an bis zur Lösung des Kuchens überwacht, und so die sicherste
Prophylaxe gegen Störungen in der Nachgeburtsperiode bietet. Es folgt
ein Capitel über das Chloroformiren Gebärender, dessen Gefahren von
den Practikern allzusehr überschätzt werden, und das als therapeutisches
Mittel weit seltener, als manches wirklich gefährliche in Anwendung kommt.
Ebenso beherzigenswert!) ist das über die Diätetik des Wochenbetts ge¬
sagte. Auch hier wird vor jeder Vielgeschäftigkeit gewarnt.
In der Pathologie der Schwangerschaft wird die Complication der¬
selben mit zufälligen Erkrankungen (acute Infeclionskrankheiten, Malaria,
Icterus, Herzkrankheiten, Erkrankungen) gründlicher abgehandelt, als es
sonst in den Lehrbüchern geschieht. Fast jedes nun folgende Capitel
ist für den Practiker von grosser Wichtigkeit, und es mag hier nur auf
dieselben verwiesen werden. In dem Capitel „der intrauterine Tod des
Fötus (habituelles Absterben, Maceration und Mumifieation des Fötus,
Retention des Eies, Missed labour)“ und dem folgenden „Blutungen aus
der Gebärmutter“, die vorzeitige LTnterbrechung der Schwangerschaft,
ist die Lehre vom Abortus genau geschildert. Unter den Behandlungs¬
weisen des letzteren findet sich das vom Verf. schon seit Jahren geübte
Auskratzen des Uterus mit der Curette als ein sehr zweckmässiges Ver¬
fahren erwähnt. Im übrigen behandelt der Verf. den Abortus auch :
expectativ und greift nicht ohne Noth in die natürliche Ausstossung j
des Eies ein. Ein Bruchstück aus dem Capitel über Placenta praevia
hat Verf. schon in Volkmann’s klinischen Vorträgen veröffentlicht. i
Die Pathologie der Geburt wird eingeleitet mit den Wehen-Ano- j
malien, über welche der Verf. äussert. dass je mehr man gelernt hat, den i
Einfluss des den Explosivkräften gegebenen Widerstandes auf deren
Erscheinungsweise und Character zu würdigen, je mehr man die be¬
treffenden Variationen practisch zelegen kann — man um so seltener
Wehenanomalien begegnet und in den meisten solchen Fällen Fictionen
erkennt, um der Routine einen scheinbar wissenschaftlichen Untergrund
zu geben. In seiner Klinik wenigstens ist das Thema „Wehenanoraalien“
fast gänzlich unbekannt. In der That ein beherzigenswerthes Wort für
diejenigen, welche mit der genannten Diagnose freigebiger sind, als es
den realen Verhältnissen entspricht.
Es folgt das wichtige Capitel: Die Anomalien des Beckens. Nach¬
dem Eintheilung, Begriff und Häufigkeit, die Diagnose des engen Beckens,
die Beckenmessung abgehandelt sind, werden die drei Hauptformen des
engen Beckens: das einfach platte Becken, das allgemein gleichmässig
verengte Becken, das allgemein verengte Becken, getrennt von den
Seltneren und practisch unwichtigeren Formen des engen Beckens ab-
gehandelt. Die Grundsätze in der Behandlung, die Indicationen für
künstliche Entbindung und die Art derselben werden bei den einzelnen
Formen genau erläutert. Der Verf. ist weit entfernt, schematische
Regeln aufzustellcn und etwa dieses oder jenes Entbindungsverfahren
für Becken mit so und so grosser Conjugata diagonalis oder diese und
jene Form zu empfehlen, er hebt im Gegentheil nachdrücklich hervor,
dass in jedem einzelnen Falle individualisirt werden muss. Im all-
gemenen räth er: „Abwarten, wo und so lange die spontane Passage
des Kopfes möglich und ungefährlich erscheint; wenn längeres Warten
in Rüeksicht auf die Mutter nicht mehr zulässig, Perforation und Extraction
mit Cranioklast bei hochstehendem Kopfe, Zange nach überwundener Enge
bei lebendem Kinde; bei ungünstiger Kopfeinstellung, bei innerhalb einer
gewissen Frist nicht erfolgenden Fixation des Kopfes, Wendung und
Extraction“. Es dürfte schwer sein in präciserer und besserer Form all- !
gemeine Grundsätze für die Behandlung der Geburt beim engen Becken I
zu geben, die, wie dies hier der Fall, wirklich allgemein, d. h. bei ‘
jedem einzelnen Falle, anwendbar sind. (
Dem Abschnitt über das enge Becken sind sehr schöne und zumeist |
neue Abbildungen von engen Becken mit kurzen instructiven Geburts¬
geschichten beigegeben. Einzelne Becken-Exemplare sind in ihrer Art von 1
hervorragender Schönheit, so ein schräg verengtes synostotisches Becken
Fig. 94, das schon einmal im Arch. für Gyn. Bd. II veröflentlicht wurde,
ein Becken mit rechtsseitiger Coxalgie und linksseitiger Verengerung und
Verschiebung Fig. 95, diese sowie die Becken Fig. 86, einfach plattes
Becken, Fig. 87 rhachitisch plattes Becken, Fig. 88 dito, Fig. 89 Zwerg¬
becken, Fig. 90 allgemein verengtes Becken, Fig. 91 allgemein verengtes
plattes Becken, Fig. 92 allgemein verengtes platt-rachitisches Becken
rühren sämmtlich von Personen her, hei welchen der Geburtsverlauf in
der Breslauer Klinik vom Verf. beobachtet ist, und von denen daher die
genaue Geburtsgeschichte, der letzten wie der vergangenen Geburten, 1
sowie die Masse genau bekannt sind, welche Beispiele das Interesse für
den Text wesentlich erhöhen. Eine Schilderung der Anomalien der
Sexualorganc, der Anomalie des Kindes und seiner Anhänge beschliessen
den ersten Theil der Pathologie der Geburt. Bis auf die eigentlichen
geburtshülflichen Operationen ist natürlich zur speciellen Pathologie
auch die specielle Therapie zugegeben, die ohne weitschweifige historische
Erläuterungen über längst abgethane Heilmittel nur das wirklich er¬
fahrne und erprobte aufweisst. Besonders zeigt sich dies in dem nun
folgenden Theil bei den durch den Eintritt gefährlicher Zustände
eomplic.irten Geburten, wo sich die Pathologie und Therapie noth-
gedrungen auch mit nicht speciflschen geburtshülflichen Zuständen
beschäftigen muss, wie bei dem Capitel der Eklampsie, der Inversion
der Gebärmutter.
Den Schluss des Lehrbuches bildet eine Abhandlung über die
grösseren geburtshülflichen Operationen, nachdem die kleineren, das
Blasensprengen, die Expression des Fötus, die Wegnahme resp. Lösung
der Nachgeburt, in der speciellen Pathologie der Geburt besprochen
worden sind. Der Verf. verweist, und es kann dies als goldene Regel
für jeden Geburtshelfer gelten, auf das im Eingang zur speciellen
Pathologie der Geburt gesagte: „Ist die Wahl gegeben, so greife man
immer zu den sehonendsten Mitteln und suche nur nothgedrungen in
Operationen die Hülfe. Langes Warten und Beobachten erfordern frei¬
lich viel Zeit und Geduld, und die Anforderungen des ärztlichen Lebens
gewähren diese nicht immer; trotzdem vergesse man nie, dass die Hülfe
auch wirklich eine solche sein muss und nicht neue, an sich vermeid¬
bare Schäden setzen darf. Es ist statistisch naehgewiesen, dass gestei¬
gerte Operationsfrequenz eine thatsächliche Abnahme der Todesfälle von
Mutter und Kind erzielt“. Die künstliche Frühgeburt, der künstliche
Abort, die Wendung, die Extraction am unteren Körperende, die Zangen-
Operation, die Verkleinerungs-Operation der Frucht, der Kaiserschnitt
werden in ihren Indicationen Bedingung, Ausführung auf einem ver¬
hältnismässig kurzen Raum so gründlich und klar abgehandelt, dass
dem Lernenden ein besonderer Grundriss über die geburtshülflichen
Operationen völlig entbehrlich wird.
Auch über die äussere Ausstattung des Werkes kann nur die eine
Stimme herrschen, dass sie des vortrefflichen Inhaltes würdig ist. L.
VII. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Berliner medieinische Gesellschaft,
Sitzung vom 31. October 1877*)
Vorsitzender: Herr v. Langenbeck.
Schriftführer: Herr B. Frankel.
Das Protocoll der vorigen Sitzung wird verlesen und genehmigt.
Für die Bibliothek sind als Geschenke eingegangen: 1. Medieinische
Jahrbücher der Wiener Gesellschaft der Aerzte. Jahrg. 1877, III. Heft.
2. La Coxalgia v. Clements Romano, Professor in Neapel. Neapel
1877. 3. Vorläufiger Bericht über den fünften deutschen Aerztetag in
Nürnberg. 4. Dr. Baginski, Centralzeitung für Kinderheilkunde, No. 1
und 2 mit der Verheissung der folgenden Nummern für die Bibliothek
der Gesellschaft. 5. Griffiths (Dublin). Progress of therapeutics.
6. Dr. Otis. Circular des War Depart. der U. S. Transport der Ver¬
wundeten auf Lastthieren.
1) Herr Curschmann demonstrirt ein Knochenpräparat (Femur)
von einem 56 jährigen, zwei Tage vorher im Barackenlazareth unter dem
heut zu Tage als „progressive pernieiöse Anämie“ bezeichnten
Symptomencomplex verstorbenen Mannes.
Bis auf die sehr wesentlichen Veränderungen am Knochensystem
ergab die Leichenschau nichts weiter als hochgradigste Anämie fast sämmt-
licher Organe, Hydrothorax und Ascites mittleren Grades, und mässige
Verfettung und Dilatation des Herzmuskels. Das Knochengerüst wurde
einer ausgedehnten Untersuchung unterworfen, welche in fast allen Röhren¬
knochen in gleicher Weise eine sehr characteristische Veränderung des
Markes ergab. Dasselbe war weich, gallertig, an vielen Stellen fast zer-
fliessend, von gleichmässig dunkelrother Färbung. Die microscopische
Untersuchung ergab, dass dasselbe aus einem weichen gallertartigen,
ausserordentlich reich vascularisirten Bindegewebe bestand, mit dicht
nebeneinander eingelagerten weissen, rundlichen Zellen.
Dieselben waren meist um die Hälfte grösser als weisse Blutkörper¬
chen. selten ebenso gross oder kleiner als diese, gewöhnlich mit einem
grossen, minder häufig mit 2—3 kleinen Kernen versehen. Die für das
Knochenmark Erwachsener so characteristischen Fettzellen fehlten voll-
*) Das Protocoll dieser Sitzung konnte erst am 3. Februar 1878 der
Rcdaction ds. Woch. übergeben worden und ist also verspätet abgedruckt.
B. Frankel.
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140
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 10
ständig. Die roihen Blutkörperchen, welche zahllos, theils in den Ge¬
lassen, theils extravasirt sich finden und nach den neusten Cohnhe im-
sehen Publicationen besondere Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen
mussten, zeichneten sich vor allem durch eine sehr variable Grösse aus;
nicht wenige erschienen grösser als die not malen Blutzellen, daneben
kamen massenhaft Microcyten vor, von denen die kleinsten etwa ein
viertel der normalen] rothen Blutkörperchen massen. Kernhaltige
rothe Blutkörperchen fehlten fast vollständig, selbst bei
stundenlangem Durchsuchen zahlreicher Präparate wurde nur hier und
da einmal ein solches gefunden.
Auf letzteren Umstand glaubt der Vortragende darum besonderes
Gewicht legen zu müssen, weil in jüngster Zeit eine entschiedene Nei¬
gung zum Generalisiren der Cohnheim’schen Beobachtung hervorgetreten
ist, wozu, wie ausdrücklich hervorzuheben ist, nach der vorsichtigen
Fassung der betreffenden Cohnheim’schen Publicationen kein Grund
gegeben war. Der Vortragende hat übrigens schon vor einigen Monaten
einen Fall von pernieiöser Anämie secirt, in welchen ebenfalls im genau
untersuchten, dem demonstririen sich gleich veihallenden Knochenmarke
keine kernhaltigen ftdhen Blutkörperchen aufzufinden waren.
2; Herr G. Behrend: Zur Lehre von der hereditären Sy-
p hilis.
Der Vortragende macht auf eine von ihm in mehreren Fällen beob¬
achtete Foim der Syphilis-Erkrankung aufmerksam, die nach seinen bis¬
herigen Beobachtungen nur an Kindern und auch hier nur angeerbt vor-
kommt, und die er nach der Zeissl’schen Terminologie als Syphilis
neonatorum hämorrhagica bezeichnet.*) Dieselbe characterisirt
sich durch Ecchymosenbildung auf der äusseren Haut, sowie durch Blu¬
tungen aus dem Nabelhöcker nach Abfall des Nabelschnurrestes, so dass
sich eine Purpura syphilitica und eine Omphalorrhagia syphi¬
litica unterscheiden lasse, die entweder zugleich oder getrennt von
einander auftreten und mit profusen Blutungen bei zufälligen Verletzun¬
gen verbunden sein können.
Den ersten Fall von Purpura syphilitica beobachtete er bei einem
Kinde, das ausgetragen und gut genährt mit einem Schuppensyphilid zur
Welt gekommen war, und bei dem nach dem Verschwinden der letzteren
zahlreiche stecknadelknopfgrosse Petechien auftraten, die bei dem Fort¬
gebrauch der von Anfang an verordnten Sublimatbäder schwanden. Ein
Decubitus, welcher sich auf dem rechten Tuber ischii einstellte, und der
wahrscheinlich gleichfalls mit der syphilitischen Dyscrasie in Zusammen¬
hang stand, verheilte; indes starb das Kind im Alter von 14 Monaten
unter den Erscheinungen eines Hydrocephalus internus.
Bei einem zweiten Kinde, das ausgetragen und wohl genährt zur
Welt kam, jedoch gleich nach der Geburt nach vergeblichen Athem-
bewegungen abstarb, fanden sich Petechien und Ecchymosen in grosser
Anzahl über den ganzen Körper zerstreut, ausserdem bei der Section
Syphilis der Lunge, Leber, Milz und Knochen.
Der Vortragende hat aus der Literatur mehrere derartige Fälle zu¬
sammenstellen können, aber nur bei wenigen ist auf einen directen Zu¬
sammenhang mit Syphilis hingewiesen worden, wahrscheinlich weil man
diese Blutungen bisher allgemein als von anderen Ursachen abhängig
betrachtete.
Seltener als .die Purpura syphilitica scheint die Oraphalorrhagia sy¬
philitica vorzukommen, wie überhaupt Nabelblutungen zu den seltensten
Affcctionen gehören. Der Vortragende theilt fünf derartige Fälle mit,
von denen drei in einer Familie, und zwar an drei nach einander ge¬
borenen Kindern vorkamen. Das zweite Kind zeigte ausserdem noch
Abschälungen der Epidennis an Flachhand und Fusssohle, zeichnete sich
im übrigen aber durch ein übermässig reiches Fettpolster aus. Der
Vater derselben litt vor- und nachher an Syphilis cornea palmaris in
Form warziger Epidermisauflagerungen. Bei dem dritten Kinde, welches
von Herrn Steinauer gesehen wurde und cachectisch war, trat die Nabel¬
blutung mit Ecchymosen an der Haut vergesellschaftet auf. Die beiden
anderen Fälle, welche ihm von Herrn Seemann mitgetheilt wurden,
betrafen Zwillinge, die von einer Amme genährt wurden und sehr wohl
aussahen.
Als Ursache dieser Blutungen sieht der Vortragende eine leichte
Zcrreisslichkeit der Gefässwand an, die durch eine fehlerhafte Beschaffen¬
heit des Blutes bedingt, in letzter Reihe auf die Syphilis zurückzuführen
ist. Trotz ihrer Aehnlichkeit mit der Hämophilie ist diese Erkrankungs¬
form von letzterer dennoch zu trennen, da diese angeboren und ein
bestimmtes in Familien heimisches Leides ist, bei dem Ecchymosen auf
der Haut nur dort, wo mechanische Einwirkungen .stattgefunden haben,
Vorkommen, während sie bei Syphilis sich spontan entwickeln. Die bei hä-
mophilen Kindern constatirten Nabelblutungen fanden in der hei weitem
grössten Mehrzahl vor Abfall der Nabelschnur statt, was bei der Sy¬
philis niemals der Fall ist. Hier stellt sie ausserdem mehr den Ausdruck
einer transitorischen Diathese dar, während sie bei der Hämophilie das
erste Symptom einer durch das ganze Leben bestehenden, einer perma¬
nenten Anomalie bildet.
In der an diesen Vortrag geknüpften Discussion bemerkt
Herr Simon: Hämorrhagien seien nicht nur bei hereditärer Syphilis,
sondern auch bei der acquirirten Erwachsener beobachtet worden. Es sei
aber der Zweifel gerechtfertigt, ob die hämorrhagische Diathese ein
**) Nachträglich wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass ein
analoger Fall bei einem Erwachsenen von Bältz im Archiv der Heil¬
ande 1876 veröffentlicht worden ist. Dies ist der einzige mir bisher
k:\nnt gewordene Fall bei einem Erwachsenen. G. B.
Symptom der Syphilis oder lediglich der Cachcxie sei. Sie käme auch
bei anderen Cachexien vor, und spräche für eine solche bei den Fällen
des Herrn Behrend schon das gleichzeitige Auftreten von Gangrän.
Zuweilen werde bei luetischen Erwachsenen Purpura an den unteren
Extremitäten gesehen, während der übrige Körper nur Roseola zeige.
Er deute diese Beobachtung darauf hin, dass bei ungünstigen Verhält¬
nissen der Circulation Blut austrete. Aehnliches finde sich bei Variola.
Nach Cohnheim kann auch der Austritt rother Blutkörperchen per
diapedesin unter gewissen Bedingungen der Stauung eintreten. Es bliebe
auch bei Hämorrhagien immer eine offene Frage, ob hier ein specifisches
Symptom der Syphilis vorläge, oder sie lediglich ein Zeichen der Ca¬
chexie seien.
Herr He noch pflichtet dem Vorredner bei, dass die Fälle des Herrn
Behrend nicht überzeugend genug seien um eine Syphilis hämorrhagica
anzunehmen. Er erinnert daran, dass man den Pemphigus auch für eine
speeifische Krankheit angesehen habe, während es jetzt von Cailloux
wahrscheinlich gemacht sei, dass er auch bei nicht syphilitischen vor¬
komme. Die ererbte Syphilis zeige sich einmal sofort nach der Geburt
oder — und dies geschehe in der Mehrzahl der Fälle — im 2. Monat.
Alle diejenigen luetischen Kinder nun, die schlecht genährt würden,
zeigten von vornherein deutliche Cachexie. Es zeige sich dieser Unter¬
schied deutlichst zwischen Privatpraxis und klinischem Material. Letzte¬
res bestände meist aus miserabel genährten Kindern, bei denen sich
eine ganze Reihe cachectischer Erscheinungen wahrnehmen lasse, Augen-
affectionen, Rupia, Decubitus und auch ab und zu Hämorrhagien. Bei
wohlgenährten habe er dagegen niemals Blutextravasate beobachtet, weder
auf der Haut, noch Nabelblutungen. Man müsse deshalb in der An¬
nahme einer Syphilis hämorrhagica sehr vorsichtig sein. Bei den cha-
chectischen Kindern müsse man sich vor der Anwendung des Mercurs
hüten. Das klinische Material sei fast ausnahmslos rettungslos verloren.
Jod, Jodeisen, Sublimatbäder — jede Behandlung lasse im Stich. Die
Kinder sterben an Cachexie, ohne dass in manchen Fällen die Section
eine genügende Todesursache ergäbe; die in guten Ernährungszustand
befindlichen würden jedoch meist hergestellt. Bei cachectischen Kindern,
auch solchen, die nicht syphilitich seien, seien dagegen Blutungen eine
häufige Erscheinung. Es müsse davor gewarnt werden, jetzt schon eine
Syphil. hämorrh. in die Handbücher aufnehmen zu wollen.
Herr Behrend betont, dass es sich in einigen seiner Fälle nicht
um cachectischc Kinder gehandelt habe, sondern um solche mit reich¬
lichem Fettpolster und gutem Ernährungszustände. Die Blutungen seien
so beträchtlich gewesen, dass sic sich nicht anders als durch rhexis er¬
klären liessen.
Herr Seemann bestätigt, dass es sich in den von ihm mit Herrn
Behrend gemeinsam gesehenen Fällen keineswegs um cachectischc
Kinder gehandelt habe.
Herr Stein au er bemerkt dagegen, dass das von ihm gesehene Kind,
welches Herr Behrend erwähnt habe, äusserst cachectisch gewesen sei.
Dagegen sei die Syphilis erst durch die Section mit Sicherheit bewiesen.
Herr Hcnoeh: In den Behrcnd’schen Fällen habe es sich um
Hämorrhagien bei syphilitischen Kindern gehandelt; es sei aber der
Beweis nicht gebracht, dass die Syphilis die Ursache der Hämorrhagie
gewesen.
Herr Baginsky erwähnt eines Falles von Melania neonatorum bei
einem Kinde, welches 3 bis 4 Wochen nach der Blutung syphilitische
Erscheinungen gezeigt. Wäre hier die Blutung von der Syphilitis ab¬
hängig gewesen, so sei es anzunehmen, dass sie sich während der
Manifestation der Symptome derselben nochmals wiederholt habe, wa^
aber nicht der Fall gewesen sei.
Herr Simon: Es könfften ausser der Kachexie noch andere Momente
das zufällige Zusammentreffen von Syphilis und Blutung bedingen,
z. B. Herzanomalien.
Herr Behrend betont auch das Fehlen von Herzfehlern in seinen
Fällen und nochmals den Umstand, dass einige derselben sehr wohl
genährt gewesen seien.
Herr Litten: Das Fettpolster schwände nicht immer bei Kachexien,
z. B. käme bei pernieiöser Anämie die Erhaltung dos letzteren vor.
Auch grosse Blutungen, z. B. Darmblutungen bei Diabetikern könnten
durch Diapedesis entstehen.
8) Herr B. Frankel bespricht die durch mangelnde Glottis¬
erweiterung bei der Inspiration bedingte Glott iss tenosc
unter Ausschluss des Spasmus glottidis. Zunächst erwähnt er di
doppelseitige Lähmung der crico-arvtänoidei postici, von
welcher Affection er 4 Fälle beobachtet hat. Er hebt namentlich dir
Erhaltung der Stimme bei dieser Krankheit hervor und betont, dass
auch hohe Töne von mit diesem Leiden behafteten Patienten angegeben
werden könnten. Die Stellung der Ary-Knorpel in und ausserhalb der
Phonation sei dabei in nichts von derjenigen abweichend, die der nor¬
male Kehlkopf bei entsprechender Einstellung zeige. Er schliesst
hieraus, dass die Mm. crico-ary tänoidei postici bei der Pho¬
nationsstellung des Kehlkopfes nicht in Action treten.
Sodann erwähnt er der durch Peri chondri tis cricoidea gesetzten
Veränderungen, die zu einer permanenten Annäherung der Stimmbänder
führen könnten. Phthisis laryngis führe weniger häufiger diesen Zustand
herbei, als die Infcctionskrankhcitcn, weil erstere mehr den Processus
vocalis und die vordere Fläche des Ringknorpcls befalle, während nament¬
lich die Pecubital-Geschwüre des Typhus die hintere Fläche der
Platte des Ringknorgels heimsuchten. Auch für diese Affection giebt
Vort. ein casuistisches Beispiel an. Drittens könne diese Form der
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UNIVERSETY OF MICHIGAN
11. März 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
141
Larynxstenose bedingt sein durch perverse Action der Stimm¬
bänder, für welche Erscheinung der Vort. einen Fall beschreibt, den
er längere Zeit zu beobachten Gelegenheit hatte. Bei diesem Kranken,
der weder für einen Simulanten, noch für einen hysterischen Mann ge¬
halten werden konnte, fuhren die Processus vocales und die Stimmbänder
bei jeder Inspiration zusammen, so dass Athemnoth und Stridor ent¬
stand , während sie bei jeder Exspiration ad maximum auseinander
wichen. Der Patient hatte im Jahre 1874 Diphtheritis überstanden, und
daran hatte sich zunächst Lähmung der Mm. crico-arytaenoidei postici
angeschlossen. Jetzt kann dieser cigenthümliehe Zustand der bei der
Exspiration stattfindenden vollständigen Glotliserweiterung wegen weder
für diese Lähmung noch für einen Spasmus gehalten werden. (Der
Vortrag ist ausführlich in No. 6 u. 7 der deutsch. Zeitschrift für practische
Medicin erschienen.)
An diesen Vortrag knüpft sich folgende Discussion:
Herr Guttmann: Ich habe 2 Fälle von doppelseitiger Lähmung
der M. crico-arytänoidei postici bei Hysterischen gesehen. Der erste
Fall war hochgradig, indem die Stimmbänder sich bei jeder Inspiration
bis fast zum vollkommenen Glottisschluss einander näherten. Ohne
Tracheotomie trat hier in kurzer Zeit Heilung ein. Ein so günstiger
Ausgang ist bei dieser Lähmungsform selten; in einer Zusammenstellung
von Ziemssen über 9 in der Literatur mitgetheilte Fälle findet sich
nur einer, der vollständig geheilt wurde: unter den in der jüngsten Zeit
beschriebenen Fällen von Klemm (Archiv der Heilkunde, 1S76), Rehn
(Archiv für klin. Medicin, 1876) und von einem englischen Arzt (Lancet,
1. September 1877) sind 2 als fast vollständig geheilt verzeichnet. —
Dass bei der Lähmung der Crico-arytänoidei postici die Stimme voll¬
kommen erhalten bleibt, kann nicht auffällig erscheinen, weil die Glottis
schliesst CM. arytänoideus transversus und arytänoidei obliqui, sowie die
Cricro-arytänoidei laterales), und ebenso die Stimmbandspanner intact
bleiben, folglich phonatorischer Schluss der Glottis und Schwingung der
Stimmbänder in normaler Weise zu Stande kommt. — Was den zweiten,
von Herrn Frankel berührten Punkt betrifft, nämlich die Erklärung,
in welcher Weise bei einer Lähmung der Crico-arytänoidei postici die
inspiratorische Annäherung der Stimmbänder zu Stande komme, so
hatte ich früher auch die Vorstellung, es sei dieselbe bedingt durch
das Uebergewicht, welches die Glottisverengerer erlangen, wenn die
Glottiserweitcrer gelähmt sind. Indessen ist vielleicht eine andere Er¬
klärung natürlicher, dass nämlich die Stimmbänder bei der Inspiration
in Folge der Steigerung des negativen Druckes an einander angesaugt
werden, sobald die Crico-arytaenoidei postici, die im normalen Zu¬
stande die Stimmbänder bei der Inspiration von einander entfernen, in
ihrer Function gelähmt sind, also der Wirkung des Luftdruckes nicht
mehr entgegen wirken können.
Herr Waldenburg bemerkt, dass die doppelseitige Lähmung der
Crico-arytänoidei postici viel häufiger vorkomme, als es nach den spar¬
samen Publicationen scheinen könnte.
Herr Fränkcl bemerkt, dass er sich absichtlich über die Vorgänge
beim Glottisschluss nicht weiter verbreitet habe und es ihm heute in
dieser Beziehung nur darum zu thun gewesen sei, die Inactivität der
Glottiserweiterer bei der Phonation zu betonen.
Allgemeiner aritlieher Verein in Cöln.
Sitzung vom 13. April 1877.
Prof. N. Zuntz (Bonn) spricht über den Einfluss der Inner¬
vation auf den Stoffwechsel ruhender Muskeln.
Die Existenz einer Wärmeregulation im Organismus der hömöothermen
Thiere auch in dem Sinne, dass die Wärmeproduction und nicht
nur der Wärmeverlust dem Bcdiirfniss, d. h. der äusseren Temperatur
angepasst wird, kann nach den älteren und neueren dieselbe beweisenden
Experimenialarbeiten nicht mehr bezweifelt werden.
In Gemeinschaft mit Röhrig*) hatte ich vor Jahren den Versuch*
gemacht, den Mechanismus dieser Regulation aufzudecken, und wir waren
zu dem Ergebniss gekommen, dass höchst wahrscheinlich beständig
Reflexe von der durch die niedrige Temperatur gereizten Haut auf die
Muskeln stattfinden, wodurch in letzteren ein Zustand minimaler Thätig-
keit beständig unterhalten wird, der zwar zu schwach ist, um als Con-
traction wahrnehmbar zu sein, der abes, weil beständig wirksam, einen
sehr erheblichen Antheil am Stoffwechsel des Muskels, also auch am
Gesammtstoffwechsel des Organismus hat.
Ich habe nun seitdem mich bemüht, die Bedeutung der Innervation
für den Stoffwechsel des ruhenden Muskels direct zu erforschen, und
wenn auch die bis jetzt erhaltenen Resultate noch Einwände zulassen,
geben sie doch den oben entwickelten Ansichten eine weitere Stütze. —
Der Stoffwechsel der Muskeln wurde in der Weise gemessen, dass ich
den Gehalt an Sauerstoff und Kohlensäure im zu- und abführenden
Blute verglich und gleichzeitig die Blutmenge, welche den Muskel in
der Zeiteinheit durchströmte, bestimmte. Zur Untersuchung dienten die
Oberschenkelmuskeln grosser Hunde, und zwar in der Weise, dass ent¬
weder der Stoffwechsel im selben Schenkel vor und nach Durchschnei¬
dung der Nerven bestimmt wurde, oder dass gleichzeitig das Blut beider
Schenkel untersucht wurde, wo denn auf einer Seite die Nerven durch¬
schnitten, auf der anderen intact waren. Die Circulation in den zu
untersuchenden Muskeln war keinen Augenblick unterbrochen; wie in
*) Pflüger’s Archiv Bd. IV, p. 57.
den bekannten Versuchen von Sczelkow*) wurde in die Vena femoralis
peripher vom Abgang der profunda eine Canüle in der Richtung nach
oben eingebunden und eine Schleife um die Vene central von dieser
Stelle gelegt. So lange diese offen war, floss das Blut normal zum
Herzen, sollte es aus der Canüle aufgefangen werden, so wurde der Weg
zum Herzen durch Emporheben der Schleife gesperrt. — Neu war an
meiner Versuchsanordnung nur die Art des Auffangens des Blutes.
Dasselbe sammelte sich unter reinem Olivenoel, dieses aus dem Mess¬
rohre durch ein weites, in jeder Höhe fixirbares Ausflussrohr verdrängend.
Das Ausflussrohr wurde in dem Momente, wo der Versuch begann, so
gestellt, dass der Druck, weichen das in das Messrohr einströmende
Blut zu überwinden hatte, genau gleioh war dem unmittelbar vorher
gemessenen Seitendrucke, in der frei nach dem Herzen sich entleerenden
Vene. Da demnach das Blut, welches zur Analyse aufgefangen wurde,
unter genau demselben Widerstande ausslrömtc, gegen den cs vorher
dem Herzen zuiloss, wurde durch den Aderlass der Blutstrom in den
Muskeln durchaus nicht verändert. Natürlich musste der Blutverlust
beim Aderlass so gering bleiben, dass er als solcher den Kreislauf nicht
merklich alterirte. — Sofort nach Beendigung des Aderlasses wurde das
Oel ohne Luftzutritt durch Quecksilber verdrängt und mit letzterem das
Blut defibrinirt. Ein Controllversuch zeigte, dass das Oel keine in
Betracht kommende Aenderung der Blutgase bedingt.
Die im folgenden anzuführenden Versuche sind nur solche, bei denen
keine Spur von Muskelbewegung in dem noch innervirten Schenkel
während der Dauer des Aderlasses sichtbar war, und wo auch vorher
das Thier längere Zeit ruhig war.
Versuch vom 24. September 1875. Es konnte nur das Blut aus
einer ganz kleinen Muskelvene verwendet werden.
Blut der Ven. fern, dextra = 1,2 0 ,, 0, 36,32% C0 2 **)
gleichzeitig Art. Carotis = 14 ,4% 0, _ 21,92% C0 2
In den Muskeln verbraucht (—) 13,20% 0, (■+•) 14,40% C0 2
resp. gebildet
10 Ccm. Blut flössen aus der Vene in 65,3 Secunden. — Nach
Durchschneidung des Nerv, ischiad. und Cruralis dexter.
Blut d. Ven. fern, dextr. 2.85% 0, 33,16% C0 2
gleichzeitig d. Art. Carotis 13,30% 0, 23,06%, CO 5
Differenz (—)“lO,45% 0, (+) 10,1 % C0 2
10 Ccm. Blut flössen in 92,5 Secunden.
Hieraus berechnet sich der Gaswechsel per Minute vor der Nerven
durchschneidung = 1,21 Ccm. 0 und 1,32 Ccm. C0 2 , nach der Nerven
durchschneidung = 0,68 Ccm. 0 und 0,65 Ccm. C0 2 .
Versuch vom 31. October 1875 giebt bei gleichzeitiger Untersuchung
beider Körperseiten, wo rechts die Innervation normal, links Cruralis
und Ischiadicus durchschnitten waren.
Rechts per Minute = 1,42 Ccm. 0 und 0,834 Ccm. C0 2 .
Links per Minute = 1,34 Ccm. 0 und 0,124 Ccm. C0 2 .
Versuch vom 20. October 1875. Nerven intact. Venenblut hat
6,10% 0, 38,26 % C0 2 . Es fliessen 17,1 Ccm. Blut per Minute.
Gleichzeitig am anderen Bein, wo die Nerven durchschnitten. Venen¬
blut = 4,9% 0, 33.48% CO*. Es fliessen 12 Ccm. Blut per Minute.
In diesem letzten Versuche ist der Sauerstoffverbrauch bei durch¬
schnittenem trotz des geringeren Procentgehalts kleiner als bei intactem
Nerv, weil die Strömung so sehr verlangsamt ist. Die C0 2 Differenz ist
gerade hier sehr gross im erwarteten Sinne.
Vorstehende Versuche zeigen alle die Herabminderung der Muskel¬
oxydation in Folge der Nervendurchschneidung; doch muss ich selbst
zugestehen, dass ihre Zahl zu gering ist, um sichere Schlüsse daraus zu
ziehen. Ich war leider bis jetzt verhindert, die Versuche fortzusetzen.
Es wird hei der Complicirtheit des Experiments nicht Wunder nehmen,
wenn ich aus sehr vielen Versuchen nur diese 3 als einwurfsfrei hin¬
stellen kann. Nebenbei wurden eine grosse Menge Zahlen über den
Blutdruck in der Vena femoralis gewonnen. Derselbe schwankte zwischen
6 und 30 Mm. Quecksilber. Letztere Zahl wurde nur bei grosser Un¬
ruhe der Thiere beobachtet, hei ruhigem Verhalten überstieg der Druck
nie 17 Mm. Hg. — Es ist also im ganzen der Blutdruck in der Vena
femoralis kleiner als man gewöhnlich annimmt.
Die Versuche wurden im hiesigen physiologischen Laboratorium
angestellt, für dessen Benutzung ebenso, wie für die mir gewährte per¬
sönliche Unterstützung ich hier Herrn Geh.-liath Pflüger meinen Dank
ausspreche. Auch den Herren DDr. Nussbaum und Finkler habe
ich für die mir bei den Versuchen gewährte Hülfe zu danken.
VIII. Feaillet«i.
F. Ravoth -j-.
Am 2. März 1878 starb im 61. Jahre F. Ravoth, Geh. Sanitäts¬
rath und Privatdocent der medicinischen Facultät zu Berlin. Seinen
Patienten und den C'ollegcn, die ihn consultirten, wird seine Sorgfalt
und Erfahrung, namentlich auf gewissen Gebieten der Chirurgie, die
er mit Vorliebe cultivirte, wie dem der Hernien, seinen zahlreichen
Schülern aber die Einfachheit und mathematische Klarheit seines
Vortrages über Chirurgie in gutem Andenken bleiben. Wenn er
in den letzten Jahren seine Thätigkeit als Privatdocent an der Uni-
*) Wiener acad. Sitzungsberichte, Bd. 45, S. 171.
**) Alle Gase gemessen bei 0° und 1 M. Druck.
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
142
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 10
versität mehr beschränkte, weil gerade ihm die ermunternde Anerken¬
nung, die vielen ein Sporn des Schaffens ward, nicht zu Theil wurde;
so hat er doch durch eifriges Mitwirken an den Bestrebungen zur Reform
des medicinischen Unterrichts, worüber er auch eine wichtige Brochüre
veröffentlichte, sein Interesse für die Alma mater immer warm bethätigt.
An den Arbeiten der Berliner medicinischen Gesellschaft, der Hufeland-
schen Gesellschaft, des ärztlichen Freitagsclubs, des Vereins der Privat-
docenten medicinischer Facultät in Berlin hat er thätigen Antheil ge¬
nommen. Die Krankenpflege hat er durch Lehrbücher und practischen
Unterricht in der Königl. Charite wesentlich gefördert. Seine zahlreichen
Schriften sind beliebte Handbücher der Studirenden und practischen Aerzte
und zum Theil in mehreren Auflagen erschienen; die bekanntesten
derselben gruppiren sich nach dem Publicationsjahre folgendermassen:
Schlemm, Operations-Übungen am Cadaver. Dargestellt und als Leit¬
faden für dieselben bearbeitet von Friedrich Ravoth. Berlin, 1845.
2. Auflage. 151. — Ravoth, Prolegomena zur rationellen medicini¬
schen Diagnostik und Semiotik für Kliniken und Klinicistcn. Berlin,
1851. — Klinik der Knochen- und Gelenkkrankeiten. I. Berlin, 1856. —
Handbuch für Heilgehülfen. Berlin. 1. Auflage 51. 2. Auflage 1861.
3. Auflage 69. — Unterleibsbrüche. Berlin. 1. Auflage 63. 2. Auf¬
lage 67. — Ravoth, Darstellung der wichtigsten chirurgischen Instru¬
mente. Leipzig, 1869. — Ravoth, Corapendium der Bandagenlehre.
Berlin, 1870. — Ravoth, hernio logische und klinisch-chirurgische Er¬
fahrungen und Beobachtungen. Stuttgart, 1873. — Gedicke’s Hand¬
buch der Krankenwartung, 5. vermehrte Auflage, neu bearbeitet von
Ravoth. Berlin, 1874. Hirsch borg.
Nachruf.
Die Trauerbotschaft von dem am 2. März erfolgten Tode des Ge¬
heimen Ssnitätsrathes und Privat-Docenten Dr. Ravoth, sowie sie in
den weitesten Kreisen Aerzte und Nichtärzte schmerzlich berührt, hat
auch der Hufeland’schen Gesellschaft eine tiefe Wunde geschlagen.
Der Verewigte, seit mehreren Jahren im Vorstande, hat sich an den
wissenschaftlichen Bestrebungen der Gesellschaft, so wie an allem, was
zur Förderung der Standesinteressen und der ärztlichen Humanität durch
Wort und That beitragen konnte, lebhaft betheiligt und sich über das
Grab hinaus ein ehrenvolles Andenken unter uns gesichert! Sanft ruhe
seine Asche!
Der Vorstand der Hufeland’schen Gesellschaft.
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. Von der Berliner ärztlichen Unterstützungskasse
ist der 23. Jahresbericht, der über das Jahr 1877, erschienen. Derselbe
zeigt eine erfreuliche Zunahme an Mitgliedern, und zwar 559 gegen 507,
leider aber keine entsprechende Erhöhung der Einnahmen, vielmehr eine
Mindereinnahme — 4297 Mark gegen 4374 Mark im Vorjahr. Wir müssen
dies als ein neues Zeichen dafür ansehen, dass — wie bereits in No. 1
dieser Wochenschrift des weiteren ausgeführt wurde — die Einnahmen
dcrAerzteim vorigen Jahre durch dieUngunst derVerhält-
nisse erheblich gelitten haben und die Collegeu dadurch zur Be¬
schränkung ihrer Ausgaben genöthigt wurden. Dennoch wagen wir den
Herren Collegen zuzurufen, sie mögen die Nothwendigkeit ihre Ausgaben
zu beschränken am allerwenigsten die ärztliche Unterstützungskasse fühlen
lassen; denn wo schon die gebenden leiden, mehrt sich erst recht die
Zahl derer, welche der Hülfe bedürftig sind! In der That ist im Jahre
1877 die bisher grösste Summe an Unterstützungen verausgabt worden,
und zwar 3226 Mark gegen 3145 Mark des Vorjahrs. Es entfallen hier¬
von Unterstützungen an drei Aerzte, an einen mit 180 Mark, zwei mit je
150 Mark — gewiss spärlich genug! fern* r an 13 Arztwittwcn mit zu¬
sammen 1944 Mark, 6 Wundarztwittwen mit zusammen 375 Mark, 3 Arzt¬
waisen mit zusammen 190 Mark — im ganzen 25 Petenten mit 2989 Mark,
also kaum 120 Mark auf einen Petenten! Wer dazu irgend im Stande,
stcure reichlicher bei, um die ärztliche Unterstützungskasse in ihrer
segensreichen Wirksamkeit zu unterstützen. — Wirksamer freilich als
diese symptomatische Behandlung der ärztlichen socialen Leiden wäre
eine gründliche prophylactische, aber hier sind die Aufgaben noch
zu complicirt, die helfenden Factoren nicht willig genug, hier gilt es
immer noch: Eile mit Weile. Jedoch die Indicatio vitalis verträgt keinen
Aufschub — hier helfe bald und mit vollen Händen, wer helfen kann!
— Ueber die Schwefelthermen von Helouan unweit Cairo, die
erst vor wenigen Jahren durch unseren Landsmann Herrn Dr. Reil zur
weitern Kenntniss gelangt sind, berichtet Tyle (Lancet vom 9. Februar
1878) näheres. Der Ort ist mit der Eisenbahn, die vor kurzem durch
den Khedive angelegt ist, in einer Stunde von Cairo aus zu erreichen;
er liegt in der grossartigsten Umgebung südlich von dieser Stadt, hart
an der Wüste, 1 2 Meile vom Nil. Das Hotel, das an den Bädern ge¬
legen, zählt 40 Zimmer und ist mit allem neuen Comfort ausgestat¬
tet; Telegraphenstation ist ain Orte. Wahrscheinlich werden in kurzem
auch kleine Privathäuser für Gäste entstehen.
Das Bäderetablissement ist in zwei Theile getheilt: ein Theil ist
für den Harem des Khedive reservirt, der andere, für das Publikum be¬
stimmt, ist in 14 Badezimmer getheilt. Eine der vier vorhandenen Quel¬
len dient zur Speisung eines grösseren offenen Bassins. Die Temperatur
der Schwefelquelle ist ca. 30° C. an den Quellen, und ca. 25° C. an den
Bädern, welche indess durch heisse Wasserrohren höher temperirt werden
können. Nach der Analyse von Prof. Gastenel-Bcy enthält ein Liter
des Wassers: a) Gas: Schwefelwasserstoffgas 0,044, Kohlensäure 0,120,
b) Feste Bestandtheile: Chlorcalcium 0,188, Chlormagnesium 1,812,
Chlornatrium 3,212, schwefelsaurer Kalk 0,240, kohlensaurer Kalk 0,360,
in Summa: 5,812.
Trinkquellen, ähnlich dem Carlsbader oder Püllnaer Wasser ent¬
springen in kurzer Entfernung vom Orte.
Die ungemeine Milde des Klimas — die Temperatur ist nur etwas
niedriger als in Cairo — zusammengenommeu mit dem besonderen Heil¬
apparat wird den Ort gewiss für manche Fälle ganz besonders geeig¬
net machen. Ein besonderer europäischer Arzt soll in kurzem angestellt
werden.
— In der Woche vom 10. bis 16. Februar sind in Berlin 548 Per¬
sonen gestorben. Todesursachen: Masern 7, Scharlach 11, Diph¬
therie 28, Eitervergiftung 2, Febris puerperalis 3, Typhus 4, Dysenterie 1,
Syphilis 5, Kohlcngasvergiftung 4 (darunter 1 Selbstmord), Delirium
tremens 1, Brandwunden 1, Sturz 2, Stichwunde 1 (Mord), Folge der
Operation 1, Erhängen 7 (davon 5 Selbstmorde), Ertrinken 1, Lebens¬
schwäche 29, Bildungsfehler 1, Abzehrung 2), Atrophie 9, Rhachitis 2,
Altersschwäche 9, Krebs 12, Wassersucht 6, Herzfehler 12, Hirnhaut¬
entzündung 13, Gehirnentzündung 8, Apoplexie 14, Tetanus und Tris¬
mus 9, Zahnkrämpfe 5, Krämpfe 45, Kehlkopfentzündung 27, Croup 1,
Pertussis 9, Bronchitis acuta S, chronica 16, Pneumonie 28. Pleuri¬
tis 6, Phthisis 93, Peritonitis 10, Diarrhoe 6 (Kinder unter 2 J.), Brech¬
durchfall 7 (Kinder unter 2 J.), Magen- und Darmkatarrh 5 (darunter
3 Kinder unter 2 J.), Nephritis 6, Blasenkatarrh 1, andere Ursachen 51,
unbekannt 1.
Lebend geboren sind in dieser Woche 471 m., 407 w., darunter
ausserehelich 55 m., 52 w.; todtgeboren 14 m., 20 w., darunter ausser-
ehelich 1 m., 6 w.
Die durchschnittliche Sterblichkeit dieser Woche belauft sieb
auf 27,9 pro Mille der wahrscheinlichen Bevölkerungszahl, die entspre¬
chende Geburtenziffer auf 44,8 pro Mille (beide Summen mit Ausschluss
von 1,7 pro Mille Todtgeborncn).
Witterung: Thermometerstand: 2,10. Abweichung 1,90. Ba¬
rometerstand: 28 Zoll 1,36 Linien. Dunstspannung: 2,03 Linien.
Relative Feuchtigkeit: 82 pCt. Himmelsbedeckung: 7,6. Höhe
der Niederschläge: 1,375 Pariser Linien.
Die Zahl der in der Woche vom 17. bis 23. Februar gemeldeten
Typhus-Erkrankungen belief sich auf 9 (6 m., 3 w.), Todesfälle auf 4.
II. Amtliche Mittheihngea.
Personal!*.
Anstellungen: Der ordentliche Professor Dr. Ponfick in Göttingen
ist in gleicher Eigenschaft in die medicinische Facultät der Universität
zu Breslau versetzt, und der Privatdocent Dr. Krabler in Greifswald
zum ausserordentlichen Professor in der medicinischen Facultät der
dortigen Universität, sowie der Privatdocent bei der Universität zu
Berlin Dr. Oskar Simon zum aussei ordentlichen Professor in der
medicinischen Facultät der Universität zu Breslau ernannt werden.
Niederlassungen: Arzt Meitzer in Deutsch-Eylau, Stabsarzt Dr.
Loew in Spandau, Assistenzarzt Dr. Stolte in Potsdam, Dr. Tschört-
ner in Freienwalde, Dr. Köllner in Neuhof bei Ueckermünde, Dr.
Proskaucrin Cösiin, Dr. Burchardy in Stolp, Dr. Poll in Görlitz,
Arzt Wohllebe in Barmen, Dr. Dräck in Geldern, Dr. Burgmann
in Lennep, Dr. Cruewell in Barmen.
Verzogen sind: Dr. Nicke von Jasraen nach Altona, Sanitätsrath
Dr. Sander von Barmen nach Hamburg.
Apotheken-Angelegenheiten: Der Apotheker Siemens hat die
E s l e b e n ’schc Apotheke in Radevormwald gekauft. Apotheker G rö g e r
hat die neu angelegte Apotheke in Penzig eröffnet.
Todesfälle: Kreiswundarzt Dr. Schön feld in Labes, Geheimer Sani¬
tätsrath Dr. Ravoth in Berlin, Dr. Bennewitz in Lövenich, Wund¬
arzt Dittrich in Giessmannsdorf.
Bekanntmachung.
Die Krciswundarztstelle des Kreises Regenwalde mit dem Wohnsitze
in Labes ist durch den Tod des bisherigen Inhabers erledigt. Diejenigen
approbirten und per physicatu oder als gerichtliche Wundärzte geprüften
Aerzte, welche sich um diese mit einem etatsmässigen Gehalt von 600 Mk.
dotirte Stelle bewerben wollen, werden hierdurch aufgefordert, ihre Appro¬
bationen und sonstigen Zeugnisse, sowie einen Lebenslauf innerhalb
6 Wochen bei uns einzureichen.
Stettin, den 1. März 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Inserate.
Die Stadt Biesen mit Umgegend — ca. 6000 Einwohner — sucht
sofort einen Arzt.
Für gleichzeitige Uebernahme der Armen-Praxis — die unbe¬
deutend ist — erhält derselbe ein jährliches Honorar von 600 M. aus
der Kämmcrci-Casse gezahlt. Reflectanten wollen sich baldigst melden.
Der Magistrat.
Die Stelle eines zweiten Badearztes zu Bad Rehburg ist besetzt.
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UNIVERSETY OF MICHIGAN
11. März 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
143
Auf der inneren Station von Bethanien soll ein unbesoldeter
Volontärarzt auf ein halbes Jahr angestellt werden. Jüngere Aerzte
(approbirt und promovirt), die zur Uebernahme der Stellung geneigt
sind, wollen sich bis zum 1. April bei dem Unterzeichneten persönlich
melden.
Berlin W., Potsdamerstr. 134. _ A. Goltdammer.
Eine Praxis von 6000 Mark in einer kleinen Stadt vier Stunden
Eisenbahnentfernung von Berlin ist abzutreten. Bedingung Uebernahme
und sofortige Auszahlung der Aussenstände von circa 1400 Mark.
Offerten befördert die Exped. d. Bl. sub W. 12. _
Zum sofortigen Antritt (spätestens 1. April) sucht ein Landarzt
auf 3—4 Wochen eine Vertretung in seiner Landpraxis, wozu event. ein
Cand. mcd. kurz vor seinem Examen ausreicht.
Angenehmer Aufenthalt und Fuhrwerk zur Disposition. Offerten
sah 0. P. 11 d. d, Exped. d. Bl. _
Arzt gesucht!
In der Gemeinde Wagenfeld, Amt Diepholz, mit nächster Umgebung
ca. 6000 Einwohner, findet ein Arzt lohnende Beschäftigung. Apotheke
im Orte. Fixum nach Vereinbarung.
Der Gemeinde Vorstand
_ Bulk. _
Bekanntmachung.
Die Stelle eines Arztes für Wörlitz und Umgegend ist vacant und
soll sofort wieder besetzt werden. Ein junger Doctor der Mcdicin wolle
hierauf refiectiren.
Wörlitz, 20. Februar 187S.
Bürgermeister F. Corte.
Ein beschäftigter Arzt sucht für den 1. oder 15. Mai zu seiner
Unterstützung und Vertretung einen jungen approbirten Collegen gegen
900 Mark Jahresgehalt und freie Station.
Näheres durch die Expedition d. BI. unter S. B. 6. _
Ein praetischer Arzt, gute Praxis, Fixum 1800 M., gesucht. Be¬
werbungen bis 15. März 1878, Besetzung zum 1. April 1878, werden
berücksichtigt.
Dorchheim bei Hadamar, Reg.-Bezirk Wiesbaden.
Meldungen an den Vorstand daselbst. _._
Für die Zeit von April bis Juli wird ein
Stellvertreter
gesucht für eine sehr angenehme, auf einen Ort beschränkte Praxis in
der Nähe von Frankfurt a./M. Monatliches Fixum Rm. 250. Offerten
befördert die Exped. des Blattes sub C. L. 8.__
Für Frankenhausen in Thüringen am Kyffhäuser-Gebirge, Fabrik-
und Kreishauptstadt, mit Landbezirk 4618 Einwohner zählend, viel
besuchter Sool-Badeort, in welchem neuerdings ein zweites Badehaus
neu erbaut und sonst eine rnhalationshalle und eine Heilanstalt für
scrophulöse Kinder sich befinden, wird unter jetzt sehr günstigen Vor¬
aussetzungen und Bedingungen ein junger Arrzt gesucht. Bewerbende
wollen sich unter Beifügung ihrer Zeugnisse wenden an den Bürger¬
meister M ü 11 c r. __
«egen die lieiden der Hnrnorgnne.
Ä» Bad Wildlingen vÄ
bei Cassel. O bis 10. October.
Gegen Stein-, Gries-, Nieren- und Blasenleiden. Bleich¬
sucht, Blutarmuth etc. sind seit Jahrhunderten als speeifische Mittel
bekannt: Georg-Victor-Que 1 le und Helenen-Quelle.
Bäder vom 15. Mai. Bestellungen von Mineralwasser oder von
Wohnungen, Anfragen etc. sind zu richten an die
Inspection der Wildunger Mineralquellen-Acticngesellschaft.
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ixilllUlU Säuglings an der UEutterbrust. Fortlaufende
Wagungen während der Säuglingsperiode. 4°. Preis 1. M. 50. Leipzig.
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gehalten in der 2. öffentL Sitzung der 50. Versammlung deutscher
Naturforscher und Aerzte zu München am 18. September 1877, nebst
einem Vorwort, enthaltend die Entgegnung auf Virchow’s Rede:
Ueber „die Freiheit der Wissenschaft im modernen Staat“,
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Br. Edwin Hiebs,
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144
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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Oberlappen, sowie über die Organisation der centralen weissen Marksub¬
stanz des Cerebellum und ihrer grauen Kerne etc. Roval 4“. Mit 25
Taf. Abbild, in Eoyal-Folio, 1.-4. Lief. Text 24 M. Atlas 1. Hälfte |
(12 Tafeln) 24 M. (Die Schlusslief, und 2. Hälfte des Atlas erscheinen j
im Januar.) ;
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Anatomie. Zweite vermehrte Auflage, gr. 8. Preis 4 Mk. |
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i 187fi bi- 24. Februar ISIS. —
eb>r 1 Imm. — Itt ‘ A.'o'tltt8-£kfc y: Wrswth »hu? ^infad’jivp Suiiir-KitniLiJiüiis-
*di<tbodr — nt. -$ « b öi H it tm-rtw. Oa.sm*Gic. »irr. chrom »*hcn t'l.’i)nni:»h*»«* d. r N»u'h- r Krbilcopf- mul LuflröUr»?nstUünia.Uaiit ~
g^üÄ ii a fithr foputHm dfcr ein Trauma — VL Referate .<>*ftpÄ‘p|r^iscHir Dmhefeä — Ziira Gebrauch xfes Judhfom/. -r
1. Rerkht «her 56 „LUter’srlie“ IHamiiMsif’«, aus-
gefäfert in Berlin vom 25. Mai 1876 bis 24. Februar lS7x.
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Carl üchs-of^fr*
Die fi(f in L* 4 sichren 'von nfir '-■aUHggföbrtei) Ovariutvntiien
w*rÄs? ick imnScbst in IttbellertBirnr /.iK^mujea^teilbri und dawi
eutige aiiÄ ihnen her*orggh«irie Ef^übni.^« nnd kurze Betrarh-
tungen über die /dpsratian -d^T»ii knüpfen;
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E. j Ohne Tub>V eiÄtihpVrt.
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fl er Uperah
dem keine Oramhge
He hwere. J£c-iH;m yül -
. Murihnjid v?^>Buidih
; d. Cyste. Subseröser
:>i!v Ver-enktt Liga-
Ptri Ä Untere
CjstenieirniVriL '
% j lbite TulK' ^Grpir«.
R. \ lirlröpVnlß»*»ih Cat'
. riiiUKu ^efebes hnH
.,: br^itbjvsig aufsritzt,
insoweit mija{. esit\P|i.
j VVrf/itng, durch Car-
\ c:\sm<i des Darms.
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■[ DermnOF mit., i. >r.tn..
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iTntTnung d. Baneb-
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an tfept Peritopi'tfi
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146
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 11
Datum u* Ort
So. der Name 22 Heimath Ausgang der Bemerkungen
Operat. Ofer.
Exsudat. Nähte geh.
per rectum ab. Pro-
trahirte Reconval.
30 25. VII. Frau F. 23 Bötzow Genesung E. Doppelte Achsendreh.
des Stieles.
31 7. VIII. Frau v. C. 1 Potsdam Genesung E.
32 3. VIII. Frau H. 42! Berlin Genesung | E. SubseröserSitz. Ab-
! schnür, der Cysten-
I j basis. Exsudat.
33 14. VIII. Frl. H. 231 Angerburg Genesung j E.
I O.-Pr. " j
34 15. VIII. Frl. B. 30; Stralsund Genesung j E.
35 6. IX. M. B. 42j Berlin Genesung 1 E.
36 S. IX. Frau T. 40' Potsdam Tod am ! E. Stark blutende Ad-
: 10. Tage I häsionen in grosser
1 | an i Ausdehn., besonders
I innnerer . auch i. ganz. Duglas-
| 1 Blutung sehen Raum. Guter
1 Verlauf, a. 19. Tage
| plötzl.Tod anlläma-
I i tocele.
37 27. X. Frau P. 51 \.-Strelitz Genesung ! E.
38 29. X. | Frau B. 4(1: Liebenau Genesung E. Operat. b. chronischer
I I Peritonitis. Myxom
| des Ovarium u. <les
‘ ! I Peritoneum. Gesund
! i ! : bis jetzt.
39 30. X. W. D. 13 Schön- Tod am E. j Colossales carcinoma-
j werder 10. Tage | töses Ovarialkystom.
I an I Starke Verwachsun-
, J | Carcinom 1 , gen. Tod an aus-
j 1 | gedehnter Carcinose
des Diaphragma.
40 24. XI. I Frau B. 61 Elbing Genesung E. Innige Verwachsung
I | m. d. Proc. vermif.
41 26. XI. Frau M. 38 Berlin Genesung j E.
42 28. XI. Frau St. 53 Bei Tod am E Carcinom. Bcginnen-
| Fi lehne 19. Tage | de Carcinose d. Peri-
! an I toneum. Subseröse
! Carcinom : Entwicklung. Rest
J | ' des Tumors in die
Bauchw. eingenäht.
, I Tod an rapider Car- j
1 cinose des Netzes u. :
! , Peritoneum. j
43 2. Xll. Frau B. 50j Ingers- \ Genesung j E. j
bürg '
44 9. XII. j E. J. 22 Berlin , Genesung j E.
1878. j | !
45 12. I. j Frau K. 59 Bromberg j Genesung E. ;
46 13. I. Frau R. 46 Moabit j Genesung E. ! Eigentümliche sub-
; ! 1 | serös entwick. Tubo-
i | | ovarialcyste. Rest in
i , j die Bauchw. genäht.
47 19. I. Frau S. 40 Berlin ! Genesung E. Dermoide, m. grossem
| 1 ' Haarwulst. Compli-
l | cation mit Abscess
! d. Bauchw. Gleich-
| zeitig mit der Ova-
I I | | riotomic Eröffnung
1 I | des Abscesses unter
, ! ; ! L i s t e r m. Drainage.
48 27. I. Frau J. 28 Char- Genesung E. Gravida im 4. M. Sehr
i lottenburg : dünner langer tor-
| | quirtcr Stiel. Sehr
! ! I feste Adhäsion oben
j 1 ; rechts mit d. Bauch-
I ! ! wand.
49 18. II. l Frau L. 44 Frankfurt Genesung E. j Vereitertes Kystom,
! j a. 0. | I welches z. Th. ma-
j I I j lign und überall
! I ! i durch starke Adhä-
1 1 sionen fiixirt ist. Da-
; bei so morsch, dass
| die Entfernung sehr
j schwer ist.
50 24. II. I Frau K. 42 Spandau Genesung E. Cystocarcinom.
Bei der Beurtheilung des Resultates dieser Ovariotomien
ist es zunächst nothwendig, 3 Fälle auszuscheiden, in denen
die Kranken nicht an den Folgen der Operation starben, sondern
in 10, 19 und 45 Tagen an fortschreitendem Carcinom zu Grunde
gingen. Man kann selbstverständlich, wenn man wissen will,
welche Prognose die Operation als solche giebt, diese Fälle
nicht als ungünstige Ausgänge mit in Rechnung ziehen. Da es
auf der anderen Seite auch nicht berechtigt ist, sie als günstig
verlaufene Operationen zu betrachten, so ist es das richtigste,
sie aus der Gesammtheit der Fälle auszuscheiden.*) Wir be¬
halten dann 47 Operationen mit 7 Todesfällen, also 14,9% Todte
und 85,1% Genesene.
Sieht man sich die Tabelle genauer an, so fällt die un-
I gleiche Vertheilung der Todesfälle auf. Sehen wir von den
! 3 an Carcinom gestorbenen ab, so starben unter den ersten 24 = 6
(25%), unter den letzten 23 = 1 (4,3%)- Dies Hesse sich vielleicht
! für die häufig aufgestellte und gewiss nicht ganz unberechtigte
Ansicht verwerthen, dass mit fortschreitender Uebung des Opera-
| teurs auch die Resultate bessere werden. Nach meiner Ansicht
aber ist eiue andere Erklärung die richtigere. Ich werde noch
I darauf zurückkommen, dass ich für die fast ausschliessliche
j Todesursache nach der Ovariotomie die Infection halte und des-
1 wegeu ist der Unterschied in den Resultaten für mich begründet
durch die äusseren Verhältnisse, unter denen operirt wird. Mit
je grösserer Sicherheit sich die Infection abhalten lässt, desto
besser sind die Resultate.
Scheiden wir die Operationen nach den Localitäten, in denen
operirt wurde, so finden wir, dass, mit Weglassung der an Car-
1 cinom gestorbenen, von den in der Entbindungsanstalt operirten
33 Kranken nur 1 — 3% gestorben ist, während die Operirten
! iu anderen Localitäten 6 auf 14 = 43% ergaben.
Dies für die Operationen in der Entbindungsanstalt so ausser-
gewöhnlich günstige Resultat ist vielleicht für jeden und nicht
am wenigsten für diejenigen, die die Verhältnisse der Berliner
Entbindungsanstalt kennen, auffallend. Die Anstalt ist unter¬
gebracht in einem früheren Privathaus; die sanitär ganz unzweck¬
mässig situirten Räume sind stets überfüllt, so dass die normale
Belegzahl ganz gewöhnlich um die Hälfte und mehr überschritten
wird; die Anstalt ist ferner die Ablagerungsstätte für die meisten
mit ganz besonderen Schwierigkeiten und Gefahren verbundenen
Geburten der Millionenstadt; sehr häufig ist es, dass Kreissende
mit stinkender Secretion oder Frauen mit jauchigen Abortusresten
zur Aufnahme kommen; auch Einzelfälle von puerperaler In¬
fection sind unter diesen Verhältnissen von Zeit zu Zeit un¬
vermeidlich — so sollte man denn meinen, dass sich nicht leicht
*) Man könnte höchstens die Frage aufwerfen, ob denn nicht die
Operation in diesen Fällen hätte unterbleiben sollen? Ich glaube‘auch
diese Frage verneinen zu können. Denn so wenig ich natürlich geneigt
wäre, in einem Fall zu operiren, in dem sich nach weisen lässt, dass die
maligne Degeneration andere nicht entfernbare Organe bereits ergriffen
hat, so halte ich es doch für richtig in dubio zu operiren, da in der
Operation die einzige Möglichkeit der Rettung liegt. In dem einen von
den 3 Fällen (No. 18) liess der Tumor sich nicht ganz radical entfernen,
da er retroperitinal lag, die Kranke lebte noch 45 Tage und starb an
Inanition in Folge von Carcinose des Darms, Fall 39 betraf ein junges
Mädchen mit colossalem als Sarcom gedeuteten Tumor. Die Operation
wurde auf die Möglichkeit einer vollständigen Entfernung hin z. Th.
aus Mitleid gemacht, da die Kranke vor Schmerzen schrie. Sie starb am
10. Tage an vollständiger Carcinose des Zwerchfelles. Die 3. Kranke
(No. 42) liess nichts von maligner Erkrankung ahnen, nur erschien hei
der Operation eine Stelle des Tumors weich und brüchig, und kleine
linsengrosse weisse Flecke auf dem Peritoneum machten den Fall suspect.
In diesem Fall verlief die Carcinosis galopirend, so dass nach dem 19 Tage
später erfolgten Tode sich das ganze Peritoneum parietale sowohl wie
viscerale und das Netz in z. Th. zolldicke Krebsmassen umgewandelt fand.
In noch 3 anderen Fällen (No. 38, 49 und 50) enthielt der Tumor ma¬
ligne Elemente ,No. 38, in dem es sich um ein Myxom handelte, ist bis
jetzt normal geblieben; die beiden letzten Fälle sind zu frisch, um end¬
gültig beurtheilt werden zu können, doch ist der maligne Tumor voll¬
ständig exstirpirt und sind sie zunächst ganz normal verlaufen.
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
IS. März 1S78.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
147
eine für Ovariotomien ungünstigere Localität finden Hesse als die
Berliner Entbindungsanstalt, und trotzdem ist, abgesehen von
3 Carcinomatösen, unter 33 Operirten nur eine einzige gestorben,
und auch diese nicht infectiös, sondern, ich möchte sagen, durch
einen unglücklichen Zufall, nämlich am 19. Tage nach der Ope¬
ration, bei bis dahin ganz normalem Verlauf, an intraperito¬
nealer Hematocelenbildung; es ist also von 3(i in der Anstalt
Operirten keine einzige inficirt worden.
Der Schlüssel zu diesem Räthsel liegt darin, dass in einer
gut eingerichteten Anstalt die Controle der Personen und Ge-
räthschaften so vollkommen ist, wie nirgends anderswo, dass
also bei richtiger Anordnung die Infectionsstoffe sich von den
Operirten mit grosser Sicherheit abhalten lassen.
Man wird dies begreiflich finden, wenn ich kurz die Art
und Weise schildere, in der hier operirt wird.
Die Operationen werden vorgenommen in den Privatzimmern
der Anstalt, in denen niemals Wöchnerinnen und nur ganz aus¬
nahmsweise eiternde Kranke liegen.
Auf alle bei der Operation gebrauchten Gegenstände wird
die äusserste Sorgfalt verwandt. Die sämmtlichen Instrumente,
die bei der Operation nöthig sind, kommen stets frisch geputzt
vom Instrumentenmacher und liegen in 5°/ 0 iger Carbollösung;
die Schwämme sind absolut neu, werden von der Oberhebamme
Tags vorher auf das sorgfältigste gereinigt und ausgebrüht und
liegen die Nacht in Carbollösung.
Bei der Operation selber sind ausser dem chloroformirenden
Assistenten 5 Personen beschäftigt. Nur der Operateur und ein
Assistent kommen mit der Wunde in Berührung, ein zweiter
Assistent besorgt die Instrumente. Die Oberhebamme mischt
die Lösungen und übernimmt sonstige Handreichungen, und eine
Wärterin steht mit einer Schale voll Carbollösung zur Seite des
Operateurs. Niemand von den übrigen Anwesenden darf irgend
etwas berühren, sie schauen ausschliesslich zu.
Die Oberhebamme, die nur auf dem Entbindungszimmer
zu thnn hat, in den Wochenzimmern nur die Aufsicht führt, ist
angewiesen, sich von allen Infectionsstoffen fern zu halten, die
'Wärterin ist nur für Ovariotomirte da und kommt mit anderen
Kranken und Wöchnerinnen in gar keine Berührung. Meine
Assistenten und ich selber verwenden auf Fernhaltung infici-
render Stoffe die peinlichste Sorgfalt.
Die Operationen werden stets Morgens ausgeführt, bevor
wir mit anderen Kranken in Berührung gekommen sind: im
Sommer um */ a 8, im Winter sobald es hell ist. Ich nehme
nach dem Aufstehen ein Bad, kleide mich so an, dass Infections¬
stoffe an meinen Kleidungsstücken fehlen, und beginne nach
Waschung in Carbollösung die Operation.
Schon wenigstens eine halbe Stunde vorher ist im Opera¬
tionszimmer der Dampfspray in Thätigkeit gesetzt worden, und
so wird, nachdem die Kranke abgewaschen ist in reiner Atmos¬
phäre, mit reinen Händen und reinen Geräthschaften die Ope¬
ration vorgenommen.
Operirt man in dieser Weise, so bekommt man über die
Verletzungen des Peritoneum ganz andere Anschauungen. Man
überzeugt sich, dass dem Peritoneum in exquisitem Masse die
Eigenschaft zukommt, Entzündungen zu localisiren. Man kann
mit dem Peritoneum anfangen, was man will, man kann es zer¬
schneiden, in Stücke reissen, zerquetschen, verbrennen, abreissen,
niemals kommt es zu dem klassischen Bild der allgemeinen
Peritonitis, stets verkleben die lädirten Flächen mit den benach¬
barten Theilen des Peritoneum; ja fremde Körper, wie Blut,
Geschwulstmassen, Ligaturen werden durch örtliches Exsudat
abgekapselt. Das Bild, welches wir als allgemeine Peritonitis
kennen, ist das der septischen Peritonitis.
Hält man die Infectionsstoffe ab, so ist die Eröffnung der Pe¬
ritonealhöhle ein durchaus ungefährlicher, ja ein ziemlich gleich¬
gültiger Eingriff; selbst nach sehr schwierigen Operationen, die
lange dauerten, und bei denen das Peritoneum in ausgedehnter
Weise insultirt wurde, fehlt fast jede Reaction. Der Puls allein
ist häufig etwas erregt, 90—100, die Temperatur steigt nur bis
etwa 37.8, ausnahmsweise am ersten Abend etwas über 38,0;
nicht selten bleibt sie absolut normal; nach der sehr schwieri¬
gen Operation No. 49 wurde 37,1 in den ersten 10 Tagen nicht
überschritten.*)
Erbrechen ist sehr hänfig am Tage der Operation, hängt
von der Narcose ab und dauert nur ausnahmsweise bis zum
nächsten Tag; constant ist heftiger Durst. Schmerzen fehlen.
Am 2. und 3. Tag stellt sich lebhafter Appetit ein, und die Pa¬
tienten verhalten sich wie Gesunde, die im Bett liegen, und
brauchen keine besondere Wartung.
Den Occlusivverband lasse ich 9 Tage unberührt liegen;
am 10 Tage wird er unter Spray gelüftet, und werden die
Nähte entfernt. Die Wunde ist dann per primam vereinigt,
nirgends, auch in den Stichcanülen und an den Nähten nicht,
ist ein Tröpfchen Eiter.
Dies ist nicht etwa der ausnahmsweise, ideale Verlauf,
sondern der regelmässige. Fast die sämmtlichen in der letzten
Zeit Operirten haben denselben dargeboten.
Dabei kann es nach schwieriger Operation oder durch den
Reiz der versenkten Ligaturen zu circumscripten Exsudationen
in die Bauchhöhle kommen, die nicht selten in den Dann
durchbrechen; dieselben entstehen aber ohne Fieber und bringen
kaum eine Gefahr.
Operirt man in der geschilderten Weise, so ist die Gefahr
eine so geringe, dass, vom Carcinom abgesehen, die Todesfälle
wohl nur als besondere Unglücksfälle, z. B. Nachblutung aus
dem Stiel oder Adhäsionen, Darmknickung u. dgl. Vorkommen,
vorausgesetzt, dass es sicher gelingt, die inficirenden Stoffe ab¬
zuhalten. Dies letztere ist allerdings nicht ganz leicht und
nicht einfach, und in der Möglichkeit, dass gelegentlich trotz
der penibelsten Sorgfalt und trotz aller Vorsichtsmassregeln
doch iuficirende Substanzen den Zutritt zur Bauchhöhle finden
können, liegt nach meiner Ueberzeugung noch die Hauptgefahr
der Eröffnung des Peritoneum.
Von entschieden geringerer Wichtigkeit ist die Schwere
des Falles und die Art und Weise, in der operirt wird. Jeder,
der obige Tabelle durchsieht, wird zugeben, dass nicht leicht
eine grössere Anzahl schwierigerer und complicirterer Operationen
unter 50 auf einander folgenden sein wird, und doch sind die
Resultate recht gute, uud hatte eiue Reihe der complicirtesten
Operationen einen günstigen Ausgang.
Was die Methode der Operation anbelangt, so ist die Ver¬
senkung des Stieles wichtig, da die extraperitoneale Befestigung
die Durchführung des Lister’schen Verfahrens erschwert; die
seidenen Ligaturen reizen entschieden, ich weiss aber nicht,
wie sie zu entbehren sind, da Catgut nicht zuverlässig ist, und
ich auch dem Ferrum candens nicht traue. Die Drainage der
Bauchhöhle, die ich nur in einem Fall (No. 5) angewandt
*) Unmittelbar nach der Operation fällt die Temperatur regelmässig
sehr erheblich, sie kann bis unter 35° heruntergehen. Für so wichtig
ich die von Wegner nach dieser Richtung hin Angestellten Untersu¬
chungen auch halte, so kann ich seinen Folgerungen über die Gefahr
dieser Temperaturerniedriegung nicht beitreten. Die Operirten befinden
sich auch bei einer Temperatur von 35* gut, in keinem einzigen Fall,
obgleich ich verschiedene Male bei Collabirten operirte, habe ich bedenk¬
liche Erscheinungen dabei gesehen. Auch stärkere Carbolintoxicationen
habe ich bei den Operirten nie gesehen, nur Carbolharn trat einige Male auf.
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Go igle
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
14S
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Ne. 11
habe, ist niemals nothwendig, mitunter allerdings wohl un¬
schädlich.
Das, worauf es in erster Linie ankommt, ist die Fern¬
haltung der Infectionsstoffe. Gelingt dies, so wird die Morta¬
lität nach der Ovariotomie eine sehr geringe, sie wird unter
10 •/«* ja wahrscheinlich unter 5% bleiben, und somit kann man
es getrost aussprechen, dass die „Lister’sche“ Ovariotomie mit
fast vollkommener Sicherheit und mit sehr geringer Gefahr ein
im höchsten Grade gefährliches und sonst unheilbares Leiden
radical heilt.
II. Kanpher gegen die Schlaflosigkeit weiblicher Irren.
Von
Dr. Eugen Witt ich,
Assistenzarzt der Grossherzogi. Hess. Landesirrenanstalt bei Heppenheim,
emerit. Assistenzarzt der acadcmischen Poliklinik zu Tübingen.
Die Berliner klinische Wochenschrift hat in der neueren
Zeit zwei Aufsätze gebracht, welche die Absicht in sich ein-
schliessen, innerhalb der Irrenanstalt gesammelte und erprobte
therapeutische Erfahrungen dem Publikum der practischen Aerzte
mitzutheilen und zur Berücksichtigung zu empfehlen. Ich meine
den Aufsatz von Herrn Dr. Rabow über die Behandlung der
psychischen Erregungs-Zustände (Berliner klinische Wochen¬
schrift 1876 No. 23) und ferner den Aufsatz von Herrn Pro¬
fessor Dr. Ludwig Meyer über die Behandlung der allgemei¬
nen progressiven Paralyse (Berliner klinische Wochenschrift
1877 No. 21).
Es kann kein Zweifel darüber bestehen, dass bei der ebenso
ausgebreiteten wie unverschuldeten Unbekanntschaft der prac¬
tischen Aerzte mit der Psychiatrie und insbesondere der The¬
rapie der Geisteskrankheiten kaum etwas mehr gerechtfertigt
erscheint, als das Vorgehen der genannten beiden Herren Col-
legen. Allein man darf hierbei nicht ausser Augen lassen, dass
gar manches therapeutische Verfahren sich zwar innerhalb der
Irrenanstalt sehr wohl ausführen lässt, ausserhalb derselben
aber auf bedeutende und in manchen Fällen unübersteigliche
Hindernisse stösst. Es gilt dies, wie mir scheint, gerade in
Bezug auf die Vorschläge der Herren Dr. Rabow und Prof.
Dr. Meyer, von welchen der erstere neben manchem anderen
für erregte Geisteskranke die Behandlung in der Bettlage und
das Einbetten derselben in Seegras empfiehlt, letzterer die Ein¬
reibung des Schädels mit Tartarus - stibiatus - Salbe in Fällen
von Dementia paralytica. Beiläufig bemerkt, wird in der hie¬
sigen Anstalt bei bestimmten psychischen Erregungs-Zuständen
die methodische Behandlung der betreffenden Kranken in der
Bettlage schon seit dem 24. August 1870, an welchem Tage
die hierzu bestimmte Station eröffnet wurde, versucht.
In den nachstehenden Zeilen beabsichtige ich nun, mich
den Herren Dr. Rabow und Professor Dr. Meyer anzuschliessen,
und zwar mit der Empfehlung eines Schlafmittels, dessen An¬
wendung keinerlei Schwierigkeit entgegen steht, und welches, in¬
dem es auch in sehr hartnäckigen Fällen die Schlaflosigkeit
einer bestimmten Gruppe unruhiger Geisteskranker zu überwin¬
den vermag, der Berücksichtigung der practischen Aerzte wür¬
dig erscheinen dürfte. Dieses Schlafmittel ist der Kampher.
Wohl hätte ich mit der Veröffentlichung dieser Empfeh¬
lung noch länger gezögert, um alsdann dieselbe ausführlicher
besprechen und in der üblichen Weise auf eine grössere Reihe
von Krankengeschichten stützen zu können, wenn nicht in einem
kürzlich im Druck erschienenen Vortrag, in welchem Herr Di-
rector Dr. Böttcher*) über die Wirkung einer Kampher-Ver-
bindung — Monobrom-Kampher — und die bezüglichen Ar¬
beiten mehrerer französischer Collegen referirte, die hypnoti¬
sche Wirkung dieser Kampher-Verbindung ausdrücklich an-
gezweifelt worden wäre.
Ich wende den officinellen Kampher als Schlafmittel in der
Weise an, dass ich innerlich in Oblaten Gamphor. trit. 0,1 bis
0,2 darreiche, oder, und zwar häufiger, von einer Lösung von
Camphor. trit. 1,0 in 01. amygdal. dulc. 10,0 dieselbe Dose
subcutan injicire. Die Injection selbst ist schmerzlos, jedenfalls
weniger schmerzhaft, als die Injection von Morphium. Injections-
abscesse habe ich nie, selbst nicht nach lange Zeit fortgesetzter
Anwendung des Mittels, gesehen. Zu beachten ist nur, dass
das Lumen der Injections-Canüle etwas weit sein muss, weil
sich sonst das Oel schlecht injiciren lässt; am besten eignen
sich hierzu die früher fast ausschliesslich bei der hypodermati-
schen Injection in Gebrauch gezogenen goldenen Canülen. Stö¬
rende Nebenwirkungen habe ich ebenso wenig beobachtet, wie un¬
günstige Nachwirkungen.
Pharmacodynamisch leite ich die schlafmachende Wirkung
des Kamphers aus der excitirenden Eigenschaft dieses Mittels
her, und stelle es also in gewisser Beziehung dem von mir als
Hypnoticum empfohlenen Bier*) an die Seite.
Am wirksamsten hat sich mir der Kampher und zwar die
subcutane Injection desselben in frischen Fällen einer bestimm¬
ten Gruppe melancholischer weiblicher Kranken gezeigt. Die
Krankheits-Erscheinungen, welche die betreffenden Patienten
darbieten, sind in kurzem folgende:
Die Kranke zeigt die heftigste Angst; sie ist in steter Be¬
wegung, ob sie sich nun im Bett hin und her wiegt und wälzt,
oder im Zimmer rast- und planlos umherirrt, sie stöhnt und
jammert, indem sie stets dieselben Töne ausstösst; diese Er¬
scheinungen dauern, wie die später zu erwähnenden, ohne jede
Unterbrechung fort, die einzelnen Bewegungen wiederholen sich
stets in derselben Form, und werden sie auch nach und nach
kraftlos und unsicher, wird auch die Stimme rauh und klang¬
los, wie automatisch spielen sich dennoch dieselben Aeusserun-
gen weiter ab. Die Kranke hat jede Aufmerksamkeit für ihre
äussere Erscheinung verloren, jede Annäherung des Arztes oder der
Wärterin wird abgewehrt, das Nehmen der Nahrung wird ver
weigert, alle Versuche der Kranken zuzureden, sie zu nähren,
zu reinigen etc. steigern die Erscheinungen der Unruhe zu einem
höheren Grad, während die Form derselben unverändert bleibt,
die Sinnes-Wahrnehmungen sind gestört, die Kranke weiss nicht
recht, wo sie ist und was sie soll, sie bezeichnet die Personen
ihrer Umgebung mit den verschiedensten Namen als alte Be¬
kannte und jammert dann bisweilen selbst über ihre Verwirrt¬
heit und über ihre Unfähigkeit, sich zn orientiren; in manchen Fäl¬
len treten Hallucinationen der verschiedensten Art, insbesondere
des Gesichts und Gehörs auf, ihr Inhalt, wie der Inhalt der Vor¬
stellungen der Kranken überhaupt, ist Elend, Angst, Furcht und
Schrecken, dabei fehlen einzelne distincte und die Kranke lei¬
tende Wahn-Ideen, vielmehr herrscht auch hier dieselbe diffuse
Rastlosigkeit und Unordnung, wie in den äusserlichen locomo-
torischen Erscheinungen, die Vorstellungen entwickeln sich in
wirrem Wechsel, gleichsam nur rudimentär und gelangen nur
in Bruchstücken zur Aeusserung, als Motive des Affectes wer¬
den oft absurde und unmögliche oder ganz unbedeutende oder
auch geradezu komische Dinge geltend zu machen versucht.
Die Höhe des Affectes endlich, die an sich in den einzelnen
Fällen bei sonst gleichen Erscheinungen eine sehr verschiedene
sein kann, bleibt zugleich, wenn keine Störung von aussen her
eintritt, stets dieselbe; ebenso wie der hin und her schwan-
*) Allgemeine Zeitschrift für Psychiatrie. Band 34. Seite 623.
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Goi'gle
*) Westphal’s Archiv. Band 6. No. 14.
Original fro-m
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IS. März 1S7S.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
149
kende Gang und die Monotonie des Jammerns und Stöhnens
durch den Wechsel des Vorstellungs-Inhalts nicht alterirt wird.
Der Schlaf fehlt ganz oder ist sehr mangelhaft, und es ist ge¬
rade dieses Symptom, welches, wie es die Kranke selbst schwer
benachtheiligt, das Wohlbefinden der Umgebung derselben in der
empfindlichsten Weise bedroht und die ärztliche Behandlung
bedeutend erschwert.
Die Kranke erscheint ferner in der Ernährung auf das
äusserste heruntergekommen, in hohem Grade anämisch, der
Herzschlag ist schwach, die Arterien leer, Stuhl- und Urin-Ent¬
leerung sind retardirt, die Haut ist grau und schlaff, aus der
Mundhöhle entwickelt sich ein starker Fötor, die Augenlider,
die Unterschenkel und Fösse sind ödematös, Fieber fehlt. Es
unterliegt nach alle dem keinem Zweifel, dass die vorliegende
Krankheit als eine sehr schwere erscheint und das Leben der
Kranken unmittelbar bedroht.
Vergebens versucht man eine solche Kranke auf dem ge¬
wöhnlichen "Wege zu beruhigen. Die Anwendung von Chloral-
hydrat, Morphium und Bromkalium lässt ebenso im Stich, wie
die Anwendung von Bädern der verschiedensten Art. Bei dem
Widerstreben der Kranken ist man fast auf die subcutane An¬
wendung von Morphium beschränkt. Mehr erreicht man aber
nicht als höchstens eine ganz vorübergehende Abschwächung
der Unruhe, die Kranke sitzt vielleicht in der unbequemsten
Haltung auf dem Rande des Bettes, der Kopf ruht mit dem Kinn
auf der Brust, die Augenlider sind geschlossen, der Oberkörper
schwankt langsam hin und her, die Füsse hängen angeschwollen
neben dem Bett herab. Dabei dauert aber das Jammern und
Stöhnen halblaut, wie flüsternd und in verlangsamtem Tempo
fort, und es dauert nicht lange, so fährt die Kranke plötzlich
auf, und die traurige Scene erneuert sich mit allen früheren
Einzelheiten.
In solchen Fällen — auf eine erschöpfende Beschreibung
der Erscheinungen kommt es bei dem nächsten Zweck dieser
Zeilen nicht an — hat nun mir und der Kranken die subcutane
Anwendung des Kamphers nicht seiten die besten Dienste gethan.
Schon wenige Minuten nach der Injection beruhigt sich die
Kränke und sinkt bald in mehrstündigen Schlaf. Erwacht, zeigt
sie wohl die früheren krankhaften Erscheinungen wieder, aber
in geringerem Grade, oder sie zeigt schon n^ch dem ersten
Schlaf eine grössere Ruhe und Besonnenheit; zugleich mindert
sich die Abneigung gegen das Nehmen der Nahrung. Die Wieder¬
holung der Injection sichert wiederholt den Schlaf und die gün¬
stige Nachwirkung auf das psychische Befinden. Es soll aber
hier nicht unerwähnt bleiben, dass in einzelnen Fällen die
hypnotische Wirkung bei der einmaligen Dose von 0,1 sich ein¬
gestellt hat, während bei einer Dose von 0,2 diese Wirkung
ausgeblieben ist. Es möge also stets mit der ersteren Dose
begonnen werden
Ich schliesse diese Zeilen mit der Bitte, dieselben freund¬
lich aufnehmen zu wollen. Meine Ausführungen erheben keinen
weiteren Anspruch, als den einer aufrichtigen Bestrebung, den
Interessen der Geisteskranken und der practischen Aerzte gleich-
massig zu nützen.
Vielleicht ist es mir später noch einmal vergönnt, auf mein
Thema zurückzukommen und dann auch von denjenigen Erfah¬
rungen zu sprechen, welche ich in Bezug auf die Anwendung
des Kamphers nach anderen Indicationen bei geistesgesunden
und geisteskranken Patienten beiderlei Geschlechts zu sammeln
Gelegenheit hatte.
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III. Versuch einer einfachen Staar-Extractions-
Methode.
Von
Dr. Ml. Th. §audreczky,
Arzt der Deutschen Hospitäler zu Jerusalem.
Wenn man die schönen, so viele Menschen beglückenden
Resultate der linearen Extractionsmethode mit vorausgeschickter
Iridectomie kennt oder gesehen hat, welcher ein Gräfe, Don-
ders, Snellen, Pagenstecher sich rühmen können, so sieht
! es wohl vermessen aus, von einem nicht ausschliesslich die Augen-
I heilkunde treibenden Arzi eine neue Operationsmethode bekannt
gemacht zu sehen.
Deshalb nenne ich auch in aller Bescheidenheit meine
Operationsart nur einen Versuch, da die 3 Fälle, welche ich
I mit Erfolg operirt habe, wegen Mangels an Operationsbediirf-
j tigen oder eigentlich geneigten nicht mehr sein konnten.
Die Meister der Augenoperationskunde möchte ich nur
bitten, dieselbe zu prüfen und zu versuchen, da dieselben gewiss
auch unruhige Patienten haben, und das Chloroformiren viele
schlechte Zufälle mit sich bringt.
Zuerst muss ich auseinaudersetzen, warum mir die be¬
kannten, bewährten Operationsmetboden nicht genügten, und
wie ich zu dieser neuen kam.
Meine Patienten waren Orientalen, welche, wie bekanut,
sehr wenig Selbstbeherrschung besitzen, den geringsten Schmerz
nicht ruhig ertragen können und durch eine nur etwas länger
dauernde Operation und Einführen von mehreren Instrumenten,
wie bei zwei meiner früher operirten, das Resultat der Operation
sicher gefährden.
Ich suchte also die Operation zu vereinfachen und wo¬
möglich nur ein Instrument bei derselben zu gebrauchen.
Dieses ist ein einfaches, schmales Messer, wie das Gräfe-
sche. Meine Schnittführung ist die von Liebreich angegebene.
Sobald die Spitze des
mit der Schärfe nach
unten sehenden Messers
den Rand der durch Atro¬
pin möglichst erweiterten
Pupille erreicht, drücke
ich die Spitze des Messers
Cornea.
Gut erweiterte Pupille.
Cor neal- Lappen-
Schnitt.
gegen die Linsenkapsel und gleite langsam mit etwas nach
aussen gewendeter Schneide durch dieselbe bis wenig vor dem
entgegengesetzten Rand der Pupille, nehme die (erste) Anfangs¬
position des Messers ein, pausire einen Augenblick und vollende
durch Ausstich und langsames Ausziehen des Messers den
Schnitt in der Cornea. In dem Augenblick, wo das Messer
die Cornea verlässt, müssen die Augenlider gleich geschlossen
werden, um eine zu stürmische Entbindung der Linse zu ver¬
meiden. Nach einigen Secunden öffne ich das Auge, drücke
mit dem stumpfen Rücken des Messers gegen den, den sichel¬
förmigen Schnitt umgebenden unteren Rand, um denselben zum
Klaffen zu bringen und unterstütze dieses Manöver, wenn nöthig,
mit einem sachten Gegendruck auf der entgegengesetzten oberen
Seite, und die Linse gleitet schön heraus. Manchmal stürzt die
Linse gleich nach Beendigung des Schnittes dem Messer nach,
was nicht gut ausfallen kann.
Ich verbinde das Auge nach Einträufeln von Atropin-
Lösung, lasse das Auge, wenn nicht Contraindicationen eine
frühere Oeffnung verlangen, drei Tage geschlossen und den
Kranken eben so lange still liegen.
Einfach und schnell auszuführen ist gewiss diese Operations-
Methode; mögen nur bei grösserer Zahl die Resultate eben so
gut, wie die jetzigen meinigen sein.
Original from
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 11
Die von mir operirten waren Patienten von 40—60 Jahren,
und litten 2 an hartem, 1 an hart-weichem Staar.
Das Sehvermögen war gut, Kapselreste verdunkelten die
Pupille nicht.
Die Cornea war bei meinen Patienten normal gewölbt,
was zur guten Ausführung meiner Operationsart von grossem
Belang ist.
Ich vermeide den Schnitt mit Verletzung der Sclera, Con-
junctiva, weil ich schlechte Resultate dabei hatte durch Ent¬
zündung, Vereiterung, nicht Anheilenwollen der Wundränder,
was wohl den Grund hat in der Reizbarkeit, manchmal auch
in der Trägheit der oft früher erkrankten Conjunctiva.
IV. Zur Casaistik der chronischen Blennorrhoe der |
Nasen-, Kehlkopf- and Laftröhrenschleimhaat. j
(Aus dem klinischen Ambulatorium des Herrn Prof. Stoerk
in Wien.) j
Mitgetheilt von
Dr. J. Schmithuisen in Acireale.
Die in folgendem mitgetheilten zwei Fälle, die wir neben¬
einander zu beobachten Gelegenheit hatten, gestatten einen ziem¬
lich vollständigen Ueberblick über den Verlauf <’er Seltenen in
Rede stehenden Erkrankungsform. Der erstere der Fälle bot
ein verhältnissmässig frühes Entwicklungsstadium, während
der zweite schon die Erkrankung in ihren consecutiven Er¬
scheinungen zeigte.
Beide Fälle sind auch noch in sofern von Interesse, als
die Patientinnen beide aus der Nähe von Wien stammen, also j
nicht aus Polen, Galizien oder Bessarabien, welche Länder nach '
den Stoerk’schen Mittheilungen bisher die meisten der zur ;
Beobachtung gekommenen Fälle gestellt hatten. Die erste j
Patientin, aus einem niederösterreichischen Dorfe stammend, ist '
nie über die Grenzen Niederösterreichs hinausgekommen, die |
zweite verlebte ihre Jugend an der niederösterreichischeu Grenze
in Mähren, von wo sie als erwachsenes Mädchen nach Wien zog.
Für die Erlaubniss diese Fälle zu veröffentlichen bin ich
Herrn Prof. Dr. Stoerk und besonders seinem Assistenten
Herrn Dr. P. Heymann, der während der Ferien in Abwesen¬
heit des Professors das Ambulatorium leitete, zu aufrichtigem
Danke verpflichtet. Letzterer hatte ausserdem die Güte, meine
Beobachtungen sorgfältig zu prüfen und mir bei Abfassung
dieser Arbeit in jeder Beziehung behilflich zu sein.
Die erste Patientin, Frl. J. D., 17 Jahre alt, eine kräftig
gebaute, gesund aussehende Person, erschien am 10. Juli 1Ö77
auf dem klinischen Ambulatorium des Herrn Prof. Dr. Stoerk
mit der Angabe, dass sie seit einiger Zeit an Athembeschwerden
bei der Arbeit und an übelem Geruch aus Mund und Nase
leide. Die laryngoscopische Untersuchung ergab Borkenbildungen
im Larynx unterhalb der Stimmbänder und in der Trachea als
die Träger des Foetors.
Die genau aufgenommene Anamnese bot folgendes: die
Eltern der Patientin sollen von kräftiger Constitution sein;
doch haben angeblich der Vater und seine 4 Brüder in ihrer
Jugend an Skropheln gelitten, und der das Mädchen begleitende
Onkel zeigt noch jetzt Spuren dieser Erkrankung — Schwellung
der Submaxillardrüsen und Cornealflecke, die von in der
Jugend häufig dagewesenen Augenentzündungen herrühren sollen.
Später aber haben sich die 5 Brüder, besonders der Vater des
Mädchens, den wir später auch zu sehen Gelegenheit hatten,
zu kräftigen Männern entwickelt. Die Familie der Mutter wird
als gesund bezeichnet. Die 4 Geschwister der Patientin er¬
freuen sich angeblich einer guten Gesundheit und zeigen jeden¬
falls keinerlei Andeutungen der in Rede stehenden Krankheit.
Ueber ihre Jugend giebt Patientin an, dass sie, soweit ihre
Erinnerung reiche, immer an Schnupfen und Rachencatarrh ge¬
litten habe, welche Erscheinungen sich zwar zeitweilig besserten,
stets aber in alter Weise wiederkehrten. Das anfangs dünn¬
flüssige Secret soll ganz allmälig zäher und dickflüssiger ge¬
worden sein und dann eine grünliche Verfärbung und einen in
geringem Grade übelen Geruch angenommen haben. Seit etwa
2 Jahren sollen nach Angabe der Patientin von Zeit zu Zeit aus
dem Nasenrachenraum durch Räuspern feste grünlich-schwarze
übelriechende Borken entleert worden sein. Erst im letzten Winter
wurde Patientin von ihren Angehörigen auf übelen Geruch aus
Mund und Nase aufmerksam gemacht. Im Frühjahr wurde sie
ohne weitere Veranlassung eines Tages etwas heiser, welche
Heiserkeit sich im Verlaufe des folgenden Tages bis zu voll¬
ständiger Aphonie steigerte. Sie bemerkte, dass jetzt allmälig
der Auswurf auch aus dem Kehlkopf fester, grünlich grau und
stinkend wurde. An Athemnoth will sie nur bei Anstrengung
gelitten haben, an Hüsteln zeitweilig, an eigentlichem Husten
nie. Nach siebenwöchentlichem Bestehen der Aphonie suchte
Patientin ärztliche Hilfe und erlangte nach einmaliger Anwen¬
dung des faradischen Stromes wieder den Gebrauch ihrer
Stimme. Bald aber steigerten sich ihre übrigen Leiden —
foetor ex ore, Athemnoth, Auswurf etc. — dermassen, dass sie
nach einigen Wochen im Ambulatorium erschien und unsere
Hilfe nachsuchte.
Brust- und Bauchorgane gesund. Syphilis mit grosser Sicher¬
heit auszuschliessen. Die Untersuchung des Pharynx ergab geringe
Röthung. Die Schleimhaut des Nasenrachenraums ist blassroth
und mit einem grünlich-gelblichen dünnen Eiterbelag überzogen,
der sich in dünnen Lagen bis zu den Choanen hin erstreckte.
Der obere und mittlere Kehlkopfraum sowie die beiden Stimm¬
bänder erschienen abgesehen von geringer Röthung völlig normal;
die Stimmbänder frei beweglich. Der untere Kehlkopfraum da¬
gegen, ebenso wie die Trachea bis zum 11 oder 12 Ringe, soweit
man hinab sehen konnte, mit dünnen graugrünlichen Borkenhäuf¬
chen bedeckt, die getrennt von einander der Wand anhafteten und
in das Lumen der Trachea hineinragten. Im Verlaufe der Be¬
obachtung sah man die einzelnen Krustenhaufen allmälig
wachsen, sowohl in das Lumen der Trachea hinein als auch
in der Peripherie, bis sie sich schliesslich zu einem zusammen¬
hängenden Rohre vereinigten. Die einzelnen Borken ragten mit
ihren theils spitzen, theils breiten Fortsätzen zackenartig in das
Lumen der Trachea hinein, so dass man das cliaracteristische
Aussehen von Stalactiten in einer Tropfsteinhöhle erhielt; das
Lumen der Trachea war bedeutend verengt. Der gleichmässige
Ueberzug war von schwärzlich grau-grün lieh er Farbe; die Kuppen
erschienen meist graulich weiss, wie mit Mehtetaub bedeckt.
Es wurden nun reichliche Inhalationen von Kochsalzlösungen
angeordnet, um die Borken zur Lösung und Expectoration zu
bringen. Dies hatte auch scheinbar den gewünschten Erfolg; nach
etwa 4 Tagen, in welchen täglich zweimal reichliche Flüssigkeits¬
massen inhalirt wurden, verlor der Belag der Trachealschleim-
heit sein characteristisches Aussehen und verwandelte sich in
eine breiige Masse, welche einen mephitischen Geruch annahra,
und zum grössten Theil expectorirt wurde. Die Schleimhaut
der Trachea, von welcher jetzt grössere Theile zu Tage lagen,
zeigte sich geröthet, rauh und oberflächlich erodirt; eine Ver¬
dickung ist nirgends wahrzunehmen, die hindurch scheinenden
Trachealknorpel waren deutlich zu erkennen. Patientin ist jetzt
frei von jeder Athemnoth. Trotz der fortgesetzten Inhalationen
sieht man am folgenden Tage die Schleimhaut wieder mit ein-
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IS März 1S7S.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
151
zelnen Belägen wie besäet, welche sich in den nächsten Tagen
zu dem characteristischen Bilde, wie oben geschildert, entwickeln.
Patientin expectorirt während dieser Tage fast gar nichts. Theils
zur Reinigung der Trachea, theils um ein Object zur microsco-
pischen Untersuchung zu gewinnen, wurde mit einem mit Salz¬
wasser getränkten langen Kehlkopfpinsel in die Trachea hin¬
eingegangen, und der obere Theil derselben, besonders die vordere
Seite erschien gereinigt. Obwohl diese Auspinselungen längere
Zeit täglich wiederholt wurden, obwohl die gereinigte Schleim¬
haut mit Adstringentien (argent. nitric. u. a.) wiederholt berieselt
wurde, obwohl die Inhalationsflüssigkeit wiederholt gewechselt
und nach einander fast alle zu diesem Zwecke angegebenen
Mittel versucht wurden, konnte doch nichts das Wiederentstehen
der Borken verhindern, welche in häufiger Wiederholung den
oben beschriebenen Verlauf in fast typischer Weise durchmach¬
ten, so dass das Krankheitsbild im Laufe der Beobachtung keine
wesentliche Aenderung erfuhr. In der letzten Zeit zeigten sich
allerdings die wahren Stimmbänder etwas mehr geschwollen und
geröthet als im Anfänge. Nur durch Inhalationen von Carbol-
säure und Thymollösungen wurde zeitweilig der stark fötide
Geruch in etwas ermässigt.
Die microscopische Untersuchung der mit dem Pinsel heraus¬
geholten Borken ergab, dass dieselben aus reichlichen Detritus¬
massen, Eiterkörperchen, Micrococcen und Bacterien bestand. In
einzelnen Präparaten fanden sich Anhäufungen von Leptothrix-
fäden. Vereinzelte grosse Epithelien schienen der Mundschleim¬
haut zu entstammen.
Die zweite Patientin, Frau B. H., 41 Jahre alt, giebt an,
sich mit Bestimmtheit seit ihrem 17. Jahre ihrer Krankheit zu
erinnern. Sie scheint jedoch schon früher — als Kind — an
Catarrhen der Nase gelitten zu haben, da sie noch heut zu
erzählen weiss, sie habe immer mehr Taschentücher gebraucht
als ihre Geschwister. Seit dem 17. Jahre leidet sie an Heiser¬
keit und Husten, welcher sie namentlich des Morgens häufig
quält. Mit der Dauer der Erkrankung wuchsen die Beschwerden.
Häufig wurde sie Nachts durch dyspnoetische Anfälle gestört,
zeitweilig war sie Morgens beim Erwachen aphonisch. Nach¬
dem sie durch eine Tasse Thee die Expectoration angeregt hatte,
konnte sie wieder phoniren, wenn auch mit heiserer und rauher
Stimme. Das Sputum bestand theils aus zähen eitrigen Massen,
theils aus festen, grünlich schwarzen Borken. Die Borken, er¬
zählt Patientin, habe sie theils durch Husten aus dem Kehlkopf,
theils durch Räuspern aus dem Nasenrachenraum entleert.
Uebelen Geruch will Patientin weder an ihrem Auswurf bemerkt
haben, noch haben ihre Angehörigen sie auf einen solchen aus
dem Munde oder der Nase aufmerksam gemacht. Ihre Eltern
erfreuen sich in hohem Alter einer guten Gesundheit. Ihre
sonstigen Angehörigen (ihr Mann, 6 Geschwister und 4 lebende
Kinder) sind gesund und kräftig. Einer ähnlichen Erkrankung
in der Familie weiss sich Patientin überhaupt nicht zu erinnern.
Seit dem 17. Jahre soll die Krankheit annähernd stationär
geblieben sein, zur Zeit der Gravidität jedoch jedesmal erheb¬
liche Exacerbationen erfahren haben, welche sich nach der
Geburt unter reichlicher Ausbildung der Expectoration wieder
zurückgebildet haben sollen. Bezüglich ihrer Stimme giebt
Patientin an, dass sie zwar zeitweis erheblich reiner gewesen
sei, aber im allgemeinen im Laufe der Jahre an Rauhigkeit
zugenommen habe. Zu gleicher Zeit sei ihr das längere Sprechen
immer schwerer geworden.
So bildet denn auch die Stimmstörung die Hauptklage,
weshalb Patientin in’s Ambulatorium gekommen war.
Patientin ist eine kleine, untersetzte, kräftige Person. Die
Untersuchung ergiebt gesunde Organe, namentlich keinerlei An¬
haltspunkte für Lues. Die Stimme der Pat. ist leise, rauh und
heiser. Die Schleimhaut des Nasenrachenraumes und der Nase
ist blass, atrophisch, etwas succulent, jedoch von vollständig
intacter Oberfläche. Die rechte Tonsille ist etwas geschwollen.
Bei der Untersuchung des Larynx sehen wir die den oberen
Kehlkopfraum umgrenzenden Theile hypertrophisch verdickt.
Der Nodulus Epiglottidis, die falschen Stimmbänder und die
hintere Wand springen als Wülste in das Lumen des Kehlkopfes
hervor; namentlich sind die vorderen Theile der falschen Stimm¬
bänder derart verdickt und prominent, dass sie sich in der
Regel vollständig berühren und nur bei länger dauernden tiefen
Inspirationen ein wenig auseinandertreten, so dass man die
vorderen Theile der wahren Stimmbänder noch erblicken kann.
Die wahren Stimmbänder erscheinen als schmale, ein wenig
verdickte, die Taschenbänder nur um weniges überragende leicht
geröthete Säume. Beim Phoniren schliessen sie in ihrem hinteren
Theile nur unvollkommen an einander, weil sich die gewulstete
hintere Wand keilförmig zwischen sie hineinschiebt. Die Schleim¬
haut erscheint über diesen hypertrophischen und verdickten
Partien glatt, blass, mager und atrophisch und nur an wenigen
Stellen, namentlich über den falschen Stimmbändern, etwas
stärker geröthet. Nirgends sieht man Erosionen oder Granula¬
tionen. Auf der gewulsteten hinteren Wand findet man ver¬
dicktes graulich getrübtes Epithel.
Die Partien unmittelbar unterhalb der Stimmbänder, be¬
sonders im vorderen Winkel, wo die Schleimhaut wulstartig in
den unteren Kehlkopfraum vorspringt, sind in ähnlicher Weise
verdickt und geröthet, wie die Taschenbänder. Diese Schwellung
setzt sich nach unten in das Trachealrohr fort, soweit der durch
die Wulstung sehr beschränkte Einblick in die Trachea hin¬
abreicht.
An einzelnen Stellen, besonders im vorderen Winkel, sowohl
oberhalb als auch unterhalb der Stimmbänder, findet sich zeit¬
weis ein fetziges, zähes, graugrünliches, festhaftendes Secret.
Wenn im Laufe der Beobachtung der Belag an Menge zuge¬
nommen hatte, war die Stimmstörung erheblicher geworden, so
dass Patientin nur leise und fast aphonisch sprach. Trat dann,
wie wir wiederholt unmittelbar zu sehen Gelegenheit hatten,
reichlicherer Auswurf dieser Massen auf, so wurde die Stimme
deutlicher und vernehmlicher, blieb aber immer rauh und leise.
Weder der in unserer Gegenwart entleerte Auswurf, noch
der Athem der Patientin hatte den bei der vorigen Kranken
notirten fötiden Geruch; nur zeitweis wurde ein leicht fader
Geruch des Athems bemerkt, der jedoch nicht intensiv genug
war, um auf die Umgebung irgend störend zu wirken. Am
seltensten sahen wir Secretanhäufung an der hinteren Wand.
Dieselbe Beobachtung machten wir auch bei der ersten
Patientin. Auch sahen wir bei beiden Patientinnen fast immer
die Abstossung der gebildeten Secretmassen an der hinteren
Wand zuerst vor sich gehen. Der Grund hierfür dürfte wohl
in der grösseren Beweglichkeit der hinteren Trachealwand in
Folge des Mangels der Knorpelringe zu suchen sein. Auch
dürfte bei der normalen Configuration des Respirationsrohres
die hintere Wand von dem Expirationsstrome am stärksten ge¬
troffen werden.
In beiden Fällen können wir aus der Anamnese mit Sicher¬
heit entnehmen, dass der Process mit geringfügigen Symptomen
in der Nase und im Nasenrachenraum beginnend, allmälig in
den unteren Larynxraum und in die Trachea hinabgestiegen ist,
um daselbst die geschilderten tiefgreifenden Veränderungen zu
veranlassen, während die Krankheit der Nase und des Rachens
auf einer relativ geringen Stufe stehen blieb und keine erheb¬
lichen Störungen zur Folge hatte. Der geringe eiterhaltige
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152
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. II
Schleimbelag im Na^enraume wich leicht der gewöhnlichen ad-
stringirenden und desinficirenden Behandlung.
Ueber die Aetiologie der Erkrankung konnten wir keinen
bestimmten Anhaltspunkt gewinnen. Syphilis war in beiden
Fällen auszuschliessen. Es wären somit diese Fälle weite Be¬
lege für die Angaben Prof. Stoerk’s.
Die Prognose der Erkrankung ist nach den Erfahrungen
Stoerk’s eine sehr trübe. Die Degeneration und Verdickung
der Schleimhaut des Respirationsrohres nimmt allmälig grössere
Dimensionen an, so dass die Patienten theils durch die Steno-
sirungen der Respirationswege, theils an consecutiven Lungen¬
erscheinungen zu Grunde gehen.
Die bisher veröffentlichen Fälle dieser Erkrankungsform fin- j
den sich fast alle in den Publicationen Prof. Stoerk’s, der I
dieselbe auch zuerst als Krankheit sui generis characterisirt hat, |
auf der Breslauer Naturforscherversammlung 1 ), in der Wiener j
medicinischen Wochenschrift 2 ) und in dem ersten Hefte seiner i
Klinik der Krankheiten des Kehlkopfes, des Rachens und der |
Nase 3 ). Stoerk citirt daselbst einen Fall von Türk (Klinik
der Kehlkopfkrankheiten p. 294), wo sich auch der in unserem
ersten Falle bemerkte üble Geruch vorfand. Bei der Wiedergabe
der Stoerk’schen Fälle findet sich darüber keine Notiz. Prof.
Stoerk ermächtigt uns zu der Erklärung, dass dies irrthümlich
ausgelassen sein müsse, da fast alle seine Fälle an einem höchst
widerlichen Foeter gelitten haben. Auch B. Fränkel 4 ) scheint
einen hierhergehörigen Fall beobachtet zu haben und der im
vergangenen Jahre von B. Baginski 5 ) unter dem Namen Ozäna
laryngo-trachealis publicirte Fall ist mit unserem ersten Falle
so übereinstimmend, dass er wohl mit Sicherheit zu derselben
Erkranknngsform zu rechnen ist. ,
V. Reseetion der Scapula durch ein Trauma.
Von
Dr. Knauth, pract. Arzt.
Knabe Elze aus Hinsdorf bei Cöthen, 10 Jahre alt, gerieth
am 22. Febr. v. J. in das Schwungrad einer Häkselmaschine,
und wurde kurz nach dem Unfall folgender Befund constatirt:
Das eine Messer der Häkselmaschine hatte die Weichtheile un¬
ter der Scapula und diese selbst in der Gegend des Proc. cora-
coid. und des Halses durchgeschlagen, die Einschlagswunde war
ca. 18 cm., die Ausschlagswunde 15 cm. lang und hatte schliess¬
lich noch eine brückenförmige Verletzung des Oberarms bewirkt.
Die Blutung war auffallend gering; doch musste dieselbe nach
den Blutmassen in der Kleidung und im Zimmer zu urtheilen
sehr bedeutend gewesen sein. Die Verletzungen wurden theil-
weise genäht, mit 3% Carboisäurelösung ausirrigirt, Drains un¬
ter der Scapula durchgeführt und ein Lister’scher Verband an¬
gelegt. Am Abend desselben Tages subjectives Befinden gut,
viel Durst, kein Schmerz. Weder Shok noch eine Nachblutung
war eingetreten, Temperatur 38,0.
23. Februar früh. Subjectives Befinden recht gut. Pa¬
tient hat die Nacht gut geschlafen. Wunden sehen gut aus.
Temperatur 37,6.
23. Februar Abends. Temperatur 39,0. Kein Grund der
Temperatursteigerung aufzufinden.
1) Tageblatt der Breslauer Naturforscher-Versammlung 1874. Sec-
tion für innere Medicin. pag. 210.
2) Wiener medicinische Wochenschrift. 1874. p. 1041.
3) p. 161 ff. Cfr. Anzeiger der Gesellschaft der Aerzte zu Wien
No. 24. 1876, und Bresgen: Deutsche med. Wochenschr. 1876, No. 27.
4) Ziemssen’s Handbuch, Bd. IV. 1. Hälfte, p. 129.
5) Deutsche medicinische Wochenschrift. 1876. Nr. 25. p. 286.
24. Februar früh. Temperatur 39,6. An dem nach der
Wirbelsäule zu gelegenen Wundrande eine ca. V, Ctm. breite
bläuliche Verfärbung der Hautdecken.
24. Februar Abends. Temperatur 39,8. Die bläuliche Ver¬
färbung ist fortgeschritten, die blossliegenden Muskeln sehen
missfarben aus. Gangrän des ganzen Lappens aus Nutritions¬
störung wird angenommen. Weitere Therapie in Folge Consul-
tation mit Herrn Dr. Fitzan, Cöthen: Priessnitz’sche Um¬
schläge mit Carbolsäurelösung.
In den folgenden Tagen ergriff die Gangrän die ganze Breite
und Dicke Res Lappens; am 6. Tage nach der Verletzung, den
28. Februar hatte sich dieselbe begrenzt. Bis zum 4. März
stiessen sich die ganzen gangränösen Muskelu auf und unter
der Scapula los, das Fieber, das immer hoch gewesen, sank
bis auf 38,0, die Scapula lag bis auf ihre obere Partie frei,
und wurde dieselbe in Verbindung mit Dr. Fitzan leicht ent¬
fernt, dieselbe ist gerade in der von v. Langeubeck angege¬
benen Weise durch die Verletzung resecirt.
Von jetzt ab wieder trockener Salicylwatteverband, bis
die blossliegenden Knochentheile sich mit Granulationen bedeck¬
ten, dann mit Ung. basilic. später Arg.-Nitr.-Lösung verbunden.
Heute hat sich der ungeheuere Defect bis auf Fünfmark-
stückgrösse. geschlossen und sind nur Störungen durch Narben¬
zerrungen erfolgt, die vielleicht die vollständige Schliessung verzö¬
gern werden, so dass eine plastische Operation oder mindestens
Reverdin Transplantation nöthig sein werden. In wie weit der
Verlust der Scapula und ihrer Muskeln, so wie die Narbencon-
traction auf die Function des Arms von Einfluss sein w T erden,
ist noch nicht abzusehen.
VI. Referat«.
Phosphatischer Diabetes.
In der Sitzung der Londoner „Pathological society“ führte Ralfe
einen Fall von derjenigen Form des Diabetes an, bei welchem bei stark
vermehrter Urinmenge die Phosphorsäure eine erhebliche Steigerung er¬
fahren hat, und die von Tessier als „diabete phosphatique“ beschrie¬
ben worden ist. Der Fall betraf einen 20jährigen Mann, welcher seit
ca. 3 Wochen an grosser allgemeiner Schwäche litt, 18 Pfund an Gewicht
verloren hatte, sonst aber keine Zeichen besonderer Erkrankung bot.
Der Urin ergab die durchschnittliche Menge von 3263 Cctm., spec. Ge¬
wicht 1017. Die Menge des ebenfalls stark vermehrten Harnstoffes betrug
bei vier Untersuchungen 67, 116, 103 und 61 Grm., der Phosphorsäure
5,3, 9,1, 7 und 4.28 Grm. Bei einer anderen darauf hin an gestellten
Untersuchung ergab sich, dass die Phosphorsäure in Verbindung mit
Kalk und Magnesia 1,8 Grm., in Verbindung mit Alkalien 3,7 Grm.
betrug; der Harnstoff betrng in diesem Falle 89 Grm. Eiwciss oder
Zucker fanden sich nicht. Der Urin blieb während des Hospitalsauf¬
enthaltes unverändert, obwohl sonst der Kranke an Kräften und Gewicht
zunahm. Die Vermehrung im Harnstoff ist in diesen Fällen nicht cou-
stant, daher fallen dieselben nicht mit der von Prout beschriebenen
Azoturie zusammen. Tessier theilte, wie der Vortragende bemerkt,
seine Fälle in drei Gruppen ein: 1) solche mit vorherrschend nervösen
Symptomen. 2) solche, welche Lungenaffectionen vorhergeheu oder die¬
selben begleiten, 3) solche, welche in Zuckerdiabetes endigen oder mit
demselben abwechseln. Ein zweiter von Ralfe beobachteter Fall zeigte
folgende Verhältnisse: Urinmenge 2900 Cctm.. spec. Gewicht 1010; er¬
dige Phosphorsäure 2,3 Grm., alkalische Phosphorsäure 2,9 Grm. Harn¬
stoff 52 Grm.
Zum Gebrauch des Jodoform.
Innerlicher und ausserlicher Gebrauch des Jodoform wird auch von
Berkeley Hill (British med. Journal vom 26. Januar 1878) sehr gerühmt.
Weiche Schankergeschwüre heilen, entweder mit dem trockenen Pulv« r
oder noch besser mit einer ätherischen Lösung (1 : 6 Aether) mittels
eines Pinsels täglich bedeckt, nachdem sic vorher gereinigt sind, sehr
schnell. Innerlich bei alten syphilitischen Affeclionen gegeben, wirkt
cs schneller als andere Jodpräparate und wird auch nach den Erfahrungen
besser als Jodsalze ertragen. So schwanden z. B. sehr schnell hart¬
näckige Zungenaffectionen, die den anderen Heilmitteln gegenüber die
gewöhnliche Resistenz gezeigt haben, ebenso in einem Falle einer Hoden-
affection, und die heftigsten dolores osteocopi, welche dem Jodkalium
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UNIVERSETY OF MICHIGAN
18. Marz 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
153
Widerstand geleistet hatten. Hill gab das Arzneimittel in der Dosis
von ca. 0,09, allmälig steigend, in Pillen mit Extr. Gent.
VII. Verhaadluge« ärztlicher Gesellschaft««.
Berliner MedlcliUehe Gesellschaft
Sitzung vom 12. December 1877.
Vorsitzender: Herr v. Langenbcck.
Schriftführer: Herr Senator.
Das Protocoll der letzten Sitzung wird verlesen und genehmigt.
Als Geschenk ist eingegangen von Herrn San.-R. Dr. Speck in
Dillenburg: Kritische und experimentelle Untersuchungen über die
Wirkung des veräuderten Luftdrucks auf den Atheraprocess (Schriften
der Marburger naturw. Gesellschaft 1877).
Vor der Tagesordnung erhält das Wort zu einer Demonstration:
Herr Curschmann: Erlauben Sie, m. H., dass ich ihre Geduld
vor der Tagesordnung im Interesse ein:s Präparates in Anspruch nehme,
das wir vor einigen Tagen im Lazareth zu machen Gelegenheit hatten.
Der Patient, ein 19jähriger Mann, wurde mit Erscheinungen von
Bronchialectasie vor einigen Monaten aufgenommen und behandelt. In
den letzten drei Wochen hat er ausser über die Erscheinungen, die sich
auf die Lunge beziehen, Klagen geführt über ziehende Schmerzen in der
linken Seite, besonders im linken Arm und linken Bein. Nach einigen
Tagen merkten wir, dass eine leichte Hemiparese bestand; diese steigerte
sich bis zum Tode in merklicher Weise. Sie erreichte jedoch kurz vor
dem Tode keinen solchen Grad, dass die Glieder gelähmt erschienen;
Patient konnte schwach das linke Bein erheben und Druck ausüben.
Die Deutung der Hemiparese mit ihren Details, mit denen ich Sie
weiter nicht aufhalten will, war, dass wir sagten, dass es sich um eine
Erkrankung der linken Hemisphäre handelte. Die Section bestätigte in
der That unsere Annahme. Es zeigten sich bei diesem Kranken zunächst
in beiden Lungen Erscheinungen des chronischen Katarrhs mit leichtem
Emphysem. Es war eine cylindrische, thcilweise sackförmige Bronchial¬
ectasie in dem unteren linken Lungenlappen; die Bronchialschleimhaut
war dunkelbraun injicirt. In keinem Organ des Rumpfes, nicht in der
Leber, noch in der Lunge oder im Herzen waren Abscesse vorhanden;
das Herz war absolut normal. Es handelte sich also wesentlich um
eine sackförmige Bronchialectasie und um zwei Heerde im Gehirn, die
offenbar auf metastatischen Wege entstanden waren. Noch eins will ich
hinzufügen, nämlich, dass der Eiter des Abscesses ausserordentlich
putride war, etwa so, wie der Eiter in alten Zahngeschwüren, was dafür
spricht, dass die Entzündungserreger aus einem Herd stammten, wo
putride Zersetzung vorhanden war, nämlich den Cavemen.
Tagesordnung: Herr Levinstein: Ueber einen sogenannten
zweifei haften Gern üthszustand. (Der Vortrag wird ausführlich
veröffentlicht werden.)
Gesellschaft fir Geburtshilfe aad Gyaäktltgie ia Berlin.
Sitzung vom 11. December 1877.
Vorsitzender: Herr Schroeder.
Schriftführer: Herr Fasbender.
1. Herr A. Martin demonstrirt ein multiloculäres Ovarialkystom,
welches bei gleichzeitigem starken Ascites in grösserer Masse zwischen
die Blätter des Lig. latum gewachsen war und hier durch Enuclcation
entfernt wurde. Nachdem die Operation vor 8 Tagen gemacht, ist heute
die Wunde bereits vollständig geheilt.
2. Herr Benicke: Ueber die Anwendung des Mutterkorns
in der Geburtshülfe.
Der Herr Vortragende bespricht die Ansichten von Hecker, West,
Scanzoni, Schroeder, Spiegelberg u. a. über die praktische Ver¬
wendung des Secale und kommt dann auf die differenten Anschauungen
bezüglich der physiologischen Wirkung des in Rede stehenden Mittels.
— Die Gebärmutter contrahirt sich und darin liegt sowohl die beab¬
sichtigte Wirkung des Medicamentes als auch dessen Gefahr. Die Wehen¬
pausen werden kürzer, bis zuletzt eine anhaltende starre Zusammen¬
ziehung des Uterus übrig bleibt, wie wir sie sonst als Tetanus bezeichnen.
— Herr Benicke legt seine an grösserem Material mit dem Mutter¬
korn gemachten klinischen Erfahrungen ausführlich vor und formulirt
schliesslich die Resultate seiner Beobachtungen in folgenden Sätzen:
1) Secale soll nie in der I. Periode verabreicht werden;
2) in der II. Periode im allgemeinen nicht, event. nur gegen Ende
derselben im Hinblick auf eine spätere gehörige Zusammenziehung der
Gebärmutter. — Nach Verabreichung des Mittels ist die sorgfältigste
Controle der Herztöne nöthig. — Beckenendelagen, enge Becken, fehler¬
hafte Kindeslagen sind Contraindicationen.
3) Blutungen in der Schwangerschaft und während der Geburt in-
diciren Secale nicht; contraindicirt wird es durch Placenta praevia. —
Zurückgebliebene Eireste sind besser manuell zu entfernen.
4) Bei mangelhafter Zusammenziehung des leeren Uterus ist die
Anwendung des Mutterkorns besonders an der Stelle.
Herr Schroeder hebt hervor, dass in der Poliklinik so sehr viele
Geburten beobachtet würden, die erst durch vorzeitige Secale-Verab-
rcichung abnorm geworden. Er stellt an die Gesellschaft die Frage,
ob noch jemand von den Anwesenden das Mittel während der Eröff-
nungs- und Austreibungsperiode, es sei denn gegen Ende der letzteren,
empfehle.
Herr Solger hält die Secale-Verabreichung frühestens gegen Ende
der II. Periode für zulässig. Er warnt unter Mittheilung einer ein¬
schlägigen Beobachtung vor Anwendung desselben bei Aborten, weil die
nachtäglich etwa nöthige Erweiterung durch Pressschwamm so ausser¬
ordentlich erschwert werde.
Dem gegenüber empfiehlt Herr Odebrecht gerade bei drohenden
Aborten in frühen Monaten das Mutterkorn. Bei einer Smonatlichen
Schwangerschaft hat er durch Ergotin die Blutung, bei welcher diäte¬
tisches Verhalten nicht ausgereicht, gestillt und zwar mit Erhaltung der
Gravidität. Ruhe, Morphium würden die von Herrn Solger für später
gefürchteten Inconvenienzen beseitigen.
Auf die Aeusserung des Herrn Koch, dass Secale nach den Unter¬
suchungen von Winckel keinen Einfluss auf die Austreibung des Eies
ausübe, bemerkt Herr Odebreeht, dies könne nur für seine Ansicht
sprechen (Blutstillung, also Einwirkung auf die Gcfisse ohne Contrac-
tions-Anregung).
Herr Ebcll hält auch die spätere Entfernung von Eiresten für
schwieriger, wenn vorher Secale gegeben. Er hat verschiedene Male tief
herabgetretene Ovula unter der Wirkung des Mutterkornes wieder zurück¬
gehen sehen, die dann nachher manuell entfernt werden mussten. Erst
wenn die Frucht ausgestossen, nach Aborten, wenn das Ei ganz entleert
ist, dürfe Secale in Anwendung kommen.
Ebenso glaubt Herr Martin, dass bei Aborten nach vorheriger
Verabreichung von Secale die Entfernung von Eiresten viel schwieriger
sei, auch wenn man die Application von Morphium vorausschicke. Er
habe mehrere Male gesehen, wie bei Fussgeburten, nachdem Secale ge¬
geben, die Entwickelung des Kopfes enorme Schwierigkeiten bot und die
Früchte von Hebammen zerrissen waren. Die beste Hülfe gegen Wehen¬
schwäche in der II. Periode böten Opiate. — Nebenbei wolle er noch
bemerken, dass er die Qualität des Secale als eines harntreibenden
Mittels nicht bestätigen könne.
Herr Roeseier sah bei Hcrzaffeetionen bedenkliche Folgen nach
Secale-Gebrauch und widerräth es unter diesen Verhältnissen auch in
der Nachgeburtsperiode. Dagegen gab er es mit sehr gutem Erfolge
gegen starke Nachwehen.
Nach Schluss der Discussion. constatirt der Herr Vorsitzende, dass
sich keine Stimme für die Verabreichung des Secale zu einer früheren
Zeit, als gegen Ende der zweiten Geburtsperiode ausgesprochen habe.
3. Wahl neuer Mitglieder.
Als ordentliche Mitglieder wurden aufgenommen die Herren DDr.
Hofmeier, Thiede, Hofmann, Peltesohn, Schütte, Langen¬
buch und Wegscheider jun.
Berliner uedieiaisch-psyeheUgisehe Gesellschaft.
Sitzung vom 4. Juni 1877.
In Abwesenheit des Herrn Westphal übernimmt
den Vorsitz: Herr Skrzeczka.
Schriftführer: Herr W. Sander.
Herr Sander: Ueber einen Fall von Idiotismus. Nach einigen
allgemeinen Bemerkungen über Idiotismus weist der Vortragende auf die
mit halbseitiger Lähmung und Atrophie verbundenen Fälle von Idiotie
hin. In einem derartigen Falle fand sich eine Höhle in der Marksubstanz
der entgegengesetzten Hirnhemisphäre, welche rückwirkend eine Ver¬
kleinerung der Centralwindungen zur Folge gehabt hatte. Es ergab die
Autopsie ferner Kleinheit des Hirnschenkels, der Brücke, des Kleinhirns
und der Pyramide derselben Seite, auf welcher sich die Höhle im Centrum
semiovale befunden hatte. Der Vortrag wird ausführlich publicirt werden.
Herr Remak macht darauf aufmerksam, dass zu der durch den
Befund des Herrn Vortragenden über Atrophie der Centralwindungen
bei alter spinaler Kinderlähmung aufgeworfenen Frage, in wie weit Dege¬
nerationen der grauen Vordersäulen secundär Atrophie der motorischen
Corticalrcgion veranlassen, neuere Versuche vorliegen. Durch Valpian,
Dickson und neuerdings Genzmer ist festgestellt, dass Amputationen
nach Jahren Atrophie der gleichseitigen Vordersäule der Cervical- oder
Lumbalanschwellung zur Folge haben. Pit res hat nun untersucht, ob
derartige bei jungen Thieren durch Amputation experimentell verursachte
spinale Atrophien, welche er bestätigen konnte, Atrophie der motorischen
Corticalregion der entgegengesetzten Hämisphäre herbeiführen und diese
Vermuthung nicht bestätigt gefunden. Es bliebe daher vielleicht noch
die Frage offen, ob die Corticalatrophien immer wirklich secundär sind,
oder ob sie nicht etwa in gewissen Fällen der spinalen Kinderlähmung
die Primäraffection wären.
Herr Sander: Die letztere Frage sei gewiss gerechtfertigt, aber
für eine Lösung derselben liege wohl das Material noch nicht vor. Auf
die Literatur weiter einzugehen, habe er sieh absichtlicht enthalten, um
den Vortrag nicht zu umfan 4 ieich werden zu lassen. Er könne aber
die angeführten Experimente bei dieser Gelegenheit nicht als massgebend
ansehen. Es sei ja eine so bedeutende Differenz zwischen der Thätig-
keit einer menschlichen Extremität und der jedes, auch des geschick¬
testen Thieres grade in denjenigen Beziehungen vorhanden, welche wir
doch mit den. kurz gesagt, „psychomotorischen Centren“ (wenn man
überhaupt solche annehmen will) in Verbindung bringen müssten, dass
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
154
No. 11
BK II LIN KR KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
eine Rückwirkung auf sic durch den Verlust einer Extremität bei Thieren
kaum sichtbar werden kann. Wenn er übrigens überhaupt auf die
Literatur ein gehen wolle, so müsse er vor allem des eigonthümlichen
Befundes bei einem Hunde gedenken, welcher zufällig von Carville
und Duret entdeckt wurde, und welcher dem vorgetragenen Falle fast
analog gewesen. Diese Autoren fanden bei Gelegenheit von Experimenten
über die Erregbarkeit der Hirnrinde eine Hündin, bei der die Reizung
der Stirnwindungen einer Seite ganz unwirksam war. Die Autopsie er¬
gab auf dieser Seite einen ausgedehnten Erweichungsheerd in der weissen
Substanz unterhalb der Stirnwindungen, so dass diese von den weiter
abwärts gelegenen Theilen abgeschnitten waren. Das Thier hatte aber
während des Lebens keine motorischen Störungen gezeigt. Auch in
diesem Fall fand sich Atrophie des Hirnschenkels, der Brücke und der
Pyramide derselben Seite.
Eine weitere Discussion schloss sich an diesen Gegenstand nicht an.
Herr Wern icke demonstrirt im Anschluss an einen in der Sitzung
vom 7. Februar 1876 gehaltenen Vortrag den Sectionsbefund seines da¬
mals mitgetheilten Falles von Beschränkung der assoeiirten Augenbewe¬
gungen nach aufwärts und abwärts. Das Präparat zeigte Schrumpfung
des rechten Sch- und Vierhügels in Folge einer alten Krweio.hungsnarbc, j
so dass sich die damals gegebene Localisation als richtig herausstellte, j
Herr Sander machte darauf mit Bezug auf Publicationen von Lom-
broso, Bio Fon u. a. die Mittheilung, dass er eine mittlere Hinter¬
hauptsgrube an dem Schädel eines paralytisch Geisteskranken gefunden i
habe, ohne dass in diesem Falle ein verbrecherisches Leben vorangegangen, 1
und selbst ohne dass sich die Psychose in Beziehung zu diesem Befunde
bringen lasse. Bei demselben Manne fand sich auch eine eigvnthümlichc |
Zeichnung auf dem Querschnitt der Pyramiden, besonders der linken, ;
welche die Einsprengung von grauer Substanz hätte Vortäuschen können, >
sich aber bei näherer Untersuchung als die Folge von querverlaufenden
Nervenfaserbündeln herausstellte, die zu den fihrae amform, gehörig
nicht um die Pyramiden herum, sondern durch dieselben zur Raphe
verliefen. ,
VIII. Feuilleton.
Die Verflüssigung der permanenten Gase.
Mit der Vermehrung unseres Wissens gestalten sich die Gesetze der ,
Natur für uns immer einfacher: Ausnahmen ordnen sich der allgemeinen ]
Regel unter, und grade die vermehrte Erkenntniss macht Lehren und
Begreifen des erforschten leichter. .So ist, wie bereits aus den Tages- I
bläitern bekannt, die noch in den neuesten Lehrbüchern ganz eatego- ■
risch hingestellte Thatsachc: „Wasserstoff, Sauerst»»!!, Stickstoff sind i
permanente Gas»“, sie lassen sieh durch keinen Druck oder keine Tem¬
peraturerniedrigung zu einer Flüssigkeit eondensiren“ nach sicheren Er¬
gebnissen mühsamster Forschungen noch Ende des vorigen Jahres hin- ;
billig geworden; auch jene Gase haben sich dem allgemeinen Gesetze |
unterwerfen müssen, lieber die Experimente selbst liegen nunmehr hin- j
reichende authentische Mit t hei hingen vor, bes. in den Coinptes rendus ;
der französischen Academie der Wissenschaften, denen wir nach dem „Natur¬
forscher“ (No. 4 d. J. u. f.) folgendes entnehmen, ln die Ehre, den Sauerstoff |
— es wurde an diesem Gase zuerst die neue Entdeckung gezeigt-- verflüssigt
zu haben, theilen sich zw r ci Gelehrte französischer Abstammung, Herr j
Cai liefet in Paris und Herr Pietet in Genf; beide machten in der
Sitzung der französischen Academie am 24. December v. J. von ihren j
Resultaten vorläufige Mittheilungen, die später au'sge führt und ergänzt
wurden. Herr Ca i 1 le te t verflüssigte den Sauerstoff, indem er denselben j
im Comprcssionsapparat durch 300 Atmosphämidruek comprimirt hielt I
und nun ihn plötzlich entspannte“, ein Vorgang, der nach der Poisson- |
sehen Formel eine Temperatur von mindestens 200° unter dem Aus¬
gangspunkte hervorbringen muss. Man sieht dann einen intensiven
Nebel entstehen, den verflüssigten oder festgewordenen Sauerstoff. Pietet
schlug ein complicirteres Verfahren ein. Er brachte einmal durch den
Druck eines combinirten Pumpwerks .schweflige Säure und Kohlensäure j
zu einer Temperatur von — 140°; innerhalb der Röhre der so abgekühl¬
ten, erstarrten Kohlensäure brachte er in einer zweiten Röhre Sauer- !
stoff unter einen Druck von 500 Atmosphären: öffnete man den Ab¬
flusshahn der Sauerstoffröhl» und entspannte, so das Gas auf Atmo¬
sphärendruck, so sah man den Sauerstoff in Gestalt eines flüssigen Strahles
mit grosser Heftigkeit entweichen: leicht angebrannte Kohle entzündete
sich darin mit unerhörter Heftigkeit. Pietet combinirte also eine hohe,
vorher erzeugte Abkühlung mit Entspannung des durch einen ungeheuren
Druck comprimirten Gases.
Wenige Tage nach dieser Mittheilung, am 31. December 1877,
konnte Caillotet der Akademie anzcigen, dass ihm in gleicher Weise
auch gelungen sei, Stickstoff und die atmosphärische Luft flüssig zu
machen, und dass sogar der Wasserstoff Zeichen der Verflüssigung ge-’
geben habe. Reiner und trockener Stickstoff wurde von ihm bei einer
Temperatur von -f- 13° auf 200 Atmosphären comprimirt und plötzlich
entspannt: es entsteht dann eine Substanz, ähnlich einer pulverisirten
Flüssigkeit, aus Tröpfchen von wahrnehmbarem Volumen bestehend, es
verschwindet dann diese Flüssigkeit nach und nach von den Wänden,
zieht sich nach der Mitte der Röhre hin und bildet schliesslich eine
Art senkrechter Säule, die nach der Axe der Röhre hin gerichtet ist,
die Gosammtilauer der Erscheinung beträgt ca. 3 Secunden. Vollkommen
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gelang nunmehr auch, nachdem Sauerstoff und Stickstoff conduisirt
waren, die Verflüssigung reiner atmosphärischer Luft, während die Er¬
scheinungen hei der Condcnsation des Wasserstoffs, welcher stets als
das am wenigsten compressihle Gas angesehen wurde, in Cail lei et ‘s
Versuchen weniger deutlich waren. In dieser letzteren Beziehung
bildeten daher die am 11. Januar dieses Jahres in einem Briefe an
Dumas von Pietet gemachten Mittheilungen über die ganz vollkom¬
mene Darstellung von flüssigem und festem Wasserstoff eine sehr werth¬
volle Ergänzung. Pietet wandte denselben Apparat wie bei der Ver¬
flüssigung des Sauerstoffs an: zur Erzeugung der Kälte, die wiederum
etwa — 140° betrug, wählte er Stickoxyd statt »1er Kohlensäure. Um
den Wasserstoff unter Druck zu erhalten, zersetzte er ameiscnsaftivs
Kali durch kaustisches Kali. Der Druck erreichte, bevor er stationär
wurde, die Höhe von 650 Atmosphären; bei der Entspannung strömte
mit grosser Vehemenz der Wrpgerstoffstrahl heraus, derselbe war durch¬
sichtig und stahlblau. Tn demselben Momente hörte man auf dem Boden
der Wasserstoffröhre ein Prasseln, wie von Hagel, der auf die Erde fällt:
sofort wurde bei erheblichem Sinken des Druckes bis auf 215 Atmo¬
sphären der Strahl intermittirend. Pietet. schloss hieraus ein Festwerden,
ein Gefrieren des Wasserstoffs, eine Hypothese, die dadurch erwiesen
wurde, dass, nachdem man mit der Erzeugung »1er Kälte nachgelassen,
der Strom wieder continuirlieh wurde. Die Gefrierung war nach Pietct’s
Vermuthung dadurch zu Stande gekommen, dass nach der Entspannung
ein Theil der Flüssigkeit verdampfte und so durch Wärmebindung eine
noch grössere Kälte erzeugte. Da die latente Wärme des Wasserstoffs viel
grösser als die des Sauerstoffs ist, so würde sich hieraus auch erklären,
warum in dem entsprechenden Versuche der Sauerstoff nicht gefror. Die
Dichte des flüssigen Sauerstoffs hat Pietet nach 2 .Methadon berechnet:
nach der einen erhielt er 0,9787, nach de:' anderen 0.9896. Die Maximal¬
spannung des Sauerstoff-Dampfes ergab für die Temperatur der festen
Kohlensäure in drei Versuchen die Werthc 274, 271, 272 Atmosphären.
Wie Pietet mittheilt, hat bereits vor 50 Jahren Colladon in Genf
durch erheblichen Druck — 400 Atmosphären — die atmosphäriche
Luft zu verflüssigen gesucht; da er indess die Entspannung der Gase
nicht in Anwendung brachte, so ist damals der Versuch nicht, gelungen.
Siebenter Congress der Deutschen Gesellschaft für
Chirurgie.
Der siebente Congress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie findet
vom 10.—13. April d. J. in Berlin statt. Zur BcgriLssung versammeln
die Mitglieder sieh am 9. April Abends von 8 Uhr ah im Hotel du Nord
(Unter den Linden 35). Die wissenschaftlichen Sitzungen werden am
10. April, Mittags von 12' 4 Uhr, an den anderen beiden Tagen von
2 — 4 Uhr in der Aula der Königl. Universität, die für Demonstration
von Präparaten und Krankenvorslellung bestimmten Monrensitzungen von
10—1 Uhr im Königl. Universitäts-Klinikum und in der Charite ab¬
gehalten. Tn den Morgensitzungen vorzustellende, von auswärts kom¬
mende Kranke können im Königl. Klinikum (Berlin N. Ziegelstrasse No 6)
Aufnahme finden. Präparate, Bandagen, Instrumente u. s. w. ebendahin
gesandt werden. Für die in Aussicht genommenen operativen Demon¬
strationen in einer der Nachmittags-Sitzungen werden die Anmeldungen
möglichst bald erbeten, damit das dazu erforderliche Material verfügbar
gemacht werden kann. Ebenso bittet »Kr Unterzeichnete Anmeldungen
zu Vorträgen an ihn gelangen zu lassen. Eine Ausschuss-Sitzung zur
Aufnahme neuer Mitglieder findet am 9. April, Abends 9 Uhr im Hotel
du Nord siatt. Das gemeinschaftliche Mittagsmahl findet am 11. April
um 5 Uhr Abends im Hotel du Nord statt. Für die Thcilnehmer wird
ein Bogen zur Einzeichnung dm* Namen am 9. April Abends im Hotel
du Nord und am 10. April Mittags in der Sitzung ausliegen.
Berlin, NW., 3. Roonstrasse, 3. März 1878.
B. v. Langenbock,
d. Z. Vorsitzender.
An die Herren Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie.
ln der letzten Sitzung des vorjährigen Congresses wurde der Wunscfl
ausgesprochen und der Beschluss gefasst, auf dem nächsten Congress
in eine Discussion über die bösartigen Geschwülste einzutreten, und
hatte Herr Thiersch sieh bereit erklärt, die Fragen, die zur Verhand¬
lung kommen sollen, festzustellen und deren Reihenfolge zu bestim uoui
Die schematische Uebersicht dieser Fragen ist dem Unterzeichneten lei¬
der so spät zugegangen, dass es unmöglich war, sie allen Ausschuss-
Mitgliedern vorher mitzutheilen, wenn nicht die bereits verspätete Ein¬
ladung zum Congress noch länger verzögert werden sollte. Von Herrn
Thierseh dazu ermächtigt, habe ich mir daher erlaubt, in der Reihen¬
folge der Fragen, die zilr Verhandlung kommen sollen, Aenderungen
vorzunehmen und Zusätze, »lic von anderer Seite gewünscht waren, ein¬
zufügen. Wie das nachstehende Schema zeigt, wird es unvermeidlich
sein, bei der Discussion vielfach auf diejenigen Gewächse überzugreifen,
welche sonst für im klinischen Sin ne gutartige gelten. Es wird also ein
sehr umfangreiches Material verarbeitet werden müssen, wenn anders
die Discussion eine fruchtbringende werden soll. Um der Discussion
eine sichere Gestalt zu geben, wird es sieh empfehlen, dieselbe mit er¬
läuternden Bemerkungen über jede einzelne Frage einzuleiten. Die Re¬
ferate über verschiedene Nummern dürften so umfassende Vorarbeiten
voraussetzen, dass die kurze Frist bis zum Zusammentritt des diesjährigen
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
18. März 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
155
Congrosses dazu nicht ausreichen wird. Mein Vorschlag würde also da¬
hin gehen:
die Discussion über die Geschwülste auf denCongress von
1879 zu vertagen und in dem bevorstehenden Congress nur
das nachstehende Schema zu berathen, das ganze nächste
Congressjalir aberzu den Vorarbeiten zu verwenden.
Ich weiss, dass ich mit diesem Vorschläge den Wünschen von Mit¬
gliedern begegne, deren Mitwirkung uns verloren gehen würde, wenn
die Discussion schon in dem diesjährigen Congress stattfinden sollte.
Schema für die Discussion über die Geschwülste des men sch¬
lichen Körpers, insbesondere über die im klinischen Sinne
bösartigen Gewächse.
I. Aetiologie der Geschwülste und zwar besonders der malignen
Neubildungen. 1. Erblichkeit und congenitale Anlage. 2. Entstehung
der Geschwülste nach chronischen Reizungen und chronisch entzündli¬
chen Processen. 3. Einfluss anderer Krankheiten auf Entstehung und
Wiederkehr von Geschwülsten (Psoriasis, Eczem, Acute Exantheme, Lu¬
pus). 4. Beziehungen der congenitalen und erworbenen Syphilis und
speciell der Syphilome (Gummigeschwülste) zur Sarcom- und Carcinom-
bildung. 5. Entstehung von Geschwülsten in Folge einmaliger Trau¬
men und Verletzungen. 6. Uebertragbarkeit der Carcinome. 7. Be¬
ziehungen gewisser physiologischer Zustände auf Entstehung und Wieder¬
kehr von Geschwülsten (Schwangerschaft. Lactation, Pubertätsentwicklung.
Involutionsperiode). 8. Deprimircnde Gemüthsaffecte. II. Diagnostik der
Geschwülste, a) Verwechselung ulcerirter Syphilome mit Krebs, b) Ver¬
wechselung luetischer Ulcerationen der Haut und Schleimhäute mit Krebs,
c) Verwechselung des phagedaenischen Schankers mit flachem Epithelkrebs.
III. Verschiedener Grad der Bösartigkeit bei den verschiedenen anato
mischen Formen der Carcinome und Sarcome und nach ihrem Sitz an
den verschiedenen Organen und Körpergegenden. IV. Bösartiger Verlauf
von Gewächsen, welche sonst für im klinischen Sinne gutartige gelten
(Lipome» Fibrome, Enchondrome). V. Spontanheilung der Geschwülste,
insbesondere der Carcinome (durch Resorption, Schrumpfung [Verkalkung],
gangränöse Abstossung). VI. Dauer der Heilung nach blutiger oder
unblutiger Entfernung der Gewächse, besonders der bösartigen. 1. Blei¬
bende Heilung.* 2. Zeit des Eintritts der örtlichen Recidive. 3. Zeit
des Eintritts der erkennbaren Lymphdrüsenerkrankung. 4. Zeit des
Eintritts der Metastasen nach Krebsoperationen. 5. Treten die Metastasen
nach Operation oder ohne dieselbe häufiger resp. frühzeitiger auf?
VII. Erfolge der Behandlung bösartiger Geschwülste. 1. Einfluss der
Operationsmethode (blutige Operation, Cauterien). 2. Einfluss der Wund¬
heilung (Heilung per primam, Heilung der Wunde unter Eiterung).
3. Erfolge der eiectrolytischen Behandlung. 4. Erfolge der parenchyma¬
tösen Injectionen von nicht ätzenden Flüssigkeiten. 5. Erfolge der
inneren Anwendung von Medicamentcn, resp. der diätetischen Behand¬
lung. 6. Giebt es Mittel, welche, local angewendet, eine specifische
Wirkung auf die Elemente der Neubildung haben, dieselben zerstören,
ohne die gesunden Gewebe anzugreifen? VIII. Beiträge zur allgemeinen
Statistik der Geschwülste, besonders der malignen Neubildungen.
B. von Langen heck.
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. Den Reichstag beschäftigte in seincrSitzung am 2. d. M. der
Etat des Kaiserlichen Gesundheitsamtes. Die Mehrforderungen
für das Jahr 1878,79, deren Details wir bereits in unserer Zeitung mit-
getheilt haben, riefen, obgleich sie nur einen Betrag von 44528 Mark
ausmachten, eine lebhafte Opposition hervor. Das Centrum schickte
Herrn Reichensperger vor, der als Gegner der obligatorischen Im¬
pfung genugsam bekannt, die Bestrebungen des Gesundheitsamtes nach
verschiedenen Seiten hin angriff. Genau genommen ist er ein principieller
Gegner dieses Amtes, da er die Ansicht aussprach, dass die Gesundheits¬
pflege in Vereinen und durch populäre Schriften cultivirt werden könne;
sie von Staats w'egen betreiben zu wollen, hält er nicht für räthlich.
Wenn ein Gesetzgeber auf diesem Standpunkt stehen kann, wird man
sich nicht über das Publicum wundern dürfen, das bis heute noch wenig
Versländniss für die Tragweite der Bedürfnisse auf dem Gebiet der
öffentlichen Gesundheitspflege verräth. Herr Dr. raed. Mendel von der
Fortschrittspartei sprach sich ebenfalls gegen den Etat des Gesundheits¬
amtes aus, und zwar aus dem Grunde, weil er wissenschaftliche Aufgaben
dem Amte nicht zugestehen könne. Nach seiner Meinung ist eine gute Or¬
ganisation der Gesundheitspflege nur möglich auf dem breitesten Boden
der Selbstverwaltung; man organisire den ärztlichen Stand, bilde ärzt¬
liche Bezirks-, Kreis- und Provinzial-Aussc.hüsse und dann einen Staats-
Ausschuss. Die obligatorische Leichenschau müsse das Fundament aller
Bestrebungen des Gesundheitsamtes bilden. Der Abgeordnete Ritterguts¬
besitzer Dr. med. Lucius will ebenfalls keine Mehrbewilligung eintreten
lassen, da eine Ausdehnung der Wirksamkeit des Gesundheitsamtes nicht
geboten erscheine. Untersuchungen von Geheimmitteln z. B. gehören
nicht zur Aufgabe des Amtes. Lassen sich die Leute betrügen, so mögen
sie es thun. Das Amt ist in erster Linie eine berathende Behörde
in dem Sinne, dass es Informationen sammelt und ertheilt, und zu¬
gleich der Centralpunkt, in welchen die gesammte deutsche Gesund¬
heitsstatistik zusamraenläuft. In dieser Beziehung habe sich das Amt
bisher bewährt, deshalb wolle er die bisherigen Mittel bewilligen.
Für die Mehrforderungen des Gesundheitsamtes traten Dr. Wachs
und Direetor der Irrenanstalt Eberswalde, Dr. Zinn, ein. Besonders
darauf wies letzterer hin, wie die Summe von 109000 M., die das Reich
nunmehr für die öffentliche Gesundheitspflege ausgeben soll, gering zu
nennen sei ira Vergleich zu den Ausgaben, welche selbst kleine Staaten,
wie Holland, einige Cantone der Schweiz etc. dafür bereitwillig leisten.
Das Streben des Amtes verdiene alle Anerkennung. Trotz seiner be¬
scheidenen Mittel habe es sich bisher bewährt. Jetzt sei die Zeit ge¬
kommen, um es kräftiger zu organisiren. Als Bundescommissar
sprach der Direetor des Gesundheitsamtes, Dr. Struck: das Amt müsse in
die Lage gesetzt werden, wissenschaftliche Untersuchungen in grossem
Massstabe anzustellen, wenn es seine Ziele, die namentlich in der Ver¬
folgung der grossen Volks- und Wanderkrankheiten bestehen, erreichen
solle. Die kosmetischen Mittel können dem Gesundheitsamt nicht gleich-
giltig sein, da es schon die Menschlichkeit gebiete, auf die in solchen
Mitteln häufig enthaltenen gesund hei tsgefährliehem Stoffe aufmerksam
zu machen. Die Hygiene stütze sieh fest in allen Gebieten auf die
Chemie, daher ein Laboratorium zur Anstellung möglichst rascher und
endgiltiger Untersuchungen nothwendig sei. Im vorigen Jahre seien
9900 Mark zu chemischen Untersuchungen bewilligt, und es seien bis
heute 833 angestellt worden. Das Amt habe also gearbeitet und wolle
arbeiten. Das Amt, für welches bisher nur der Rahmen geschaffen sei,
könne die Mehrforderungen unmöglich entbehren. Werden dieselben
nicht bewilligt, so mache man eine gedeihliche Wirksamkeit desselben
unmöglich.
Danach wird der Antrag auf Ueberwcisung an die Budget-Commission
abgelehnt und der Etat des Reichs-Gesundheitsamtes unver¬
ändert genehmigt.
Dieser Beschlus darf in ärztlichen Kreisen allgemeine Befriedigung
hervorrufen. Man muss sich freuen, dass endlich einmal die Gesetzgebung
für hygieinische Zwecke eintritt und Mittel für dieselben zur Disposition
stellt. Ueber die hohe principielle Bedeutung dieser Thatsache sollte es
— wenigstens für jeden Arzt — ohne Belang sein, ob man bereits mit
der gegenwärtigen Thätigkeit des Reichsgesundheitsamtes und mit der
Richtung seiner nächsten Aufgaben einverstanden ist oder nicht. Die
richtigen Ziele muss und wird die Praxis bringen, und nicht die Theorie,
sondern die Erfahrung wird organisiren lehren.
— l)cr Reehtssclnitzverein Berliner Aerzte veröffentlichte
so eben seinen Rechnungsabschluss vom Jahre 1877. Von allgemei¬
nem Interesse ist die Uebersicht seiner Geschäftsthätigkeit: Aus dem
Jahre 187G waren in geschäftlicher Behandlung geblieben 2508 Liqui¬
dationen im Betrage von S4357 Mark. Im Jahre 1877 wurden dem
Verein zur Einziehung übergeben 6642 Liquidationen im Betrage von
112117 Mark; in Summa 196474 Mark. Hiervon sind eingegangen für
4893 Liquidutionen im ganzen: 74842 Mark, also nur 38 pCt. der Aus¬
stände. '1352 Liquidationen im Betrage von 22193 Mark erwiesen sich
überhaupt als uneinziehbar oder wurden erlassen. In geschäftlicher Be¬
handlung verblieben 2965 Liquidutionen im Betrage von 99438 Mark. —
Der Rechtsschutzverein sollte bald einmal daran gehen, eine kleine
Statistik seiner Thätigkeit und seines Betriebes aufzustellen! Wir
vermuthen, dass sich wichtige Schlüsse über die socialen Verhältnisse
der Aerzte und ihre Stellung zum Publikum daraus würden ziehen
lassen.
— Die neuesten Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheits¬
amtes enthalten folgende Nachrichten über das Ausland: Die Pocken -
epidemie in London scheint ihren diesjährigen Höhepunkt noch nicht
erreicht zu haben. Die Zahl der Pockentodesfälle in der Berichtswoche
ist wieder von 39 der vorhergegangenen Woche auf 54 gestiegen. Auch
der Bestand an Pockenkranken in den Hospitälern ist ein grösserer (710);
als neu erkrankt wurden 162 gemeldet. Auch in Wien und Petersburg
ist die Zahl der Pockentodesfälle auf 11 (von 8 resp. 9) gestiegen, während
in Pest, Prag, Triest, Warschau, Barcelona, di- Epidemie milder zu ver¬
laufen beginnt. Diphtherische Affectionen fordern in Wien und Paris
noch immer zahlreiche Opfer, sowie der Keuchhusten in London.
Typhöse Fieber grassiren in Petersburg und Bukarest heftig; in der
Woche vom 17. bis 23. Februar erlagen denselben in Petersburg 89
Personen an Unterleibstyphen, 66 an exanthcmatischen und 61 an re-
currirenden typhösen Fiebern, in Bukarest 40 Personen an Abdominal¬
und 3 an Flecktyphen, und tritt die Epidemie nach Mittheilung des
Chef-Arztes Herrn Dr. Felix daselbst, vorzugsweise in den von russischen
Erkrankten belegenen Militärspitälern auf. — Auch tödtlieh endende
Darmkatarrhe der Kinder erfuhren iu Petersburg eine namhafte
Steigerung.
— In der Woche vom 17. bis 23. Februar sind in Berlin 515 Per¬
sonen gestorben. Todesursachen: Masern 4, Scharlach 17, Pocken 1,
Rothlauf 2, Diphtherie 23, Eitervergiftung 1, Febris puerperalis 4,
Typhus 4, Interimttens 1, Rheumatismus articulorum acutus 1, Syphilis 1,
mineralische Vergiftung 1 (Selbstmord), Kohlenoxydgasvergiftung 1,
Sturz 1, Erhängen 2 (Selbstmorde), Lebensschwäche 21, Abzehrung 13,
Atrophie 7, Skropheln 1, Altersschwäche 16, Krebs 13, Wassersucht 5,
Herzfehler 8, Hirnhautentzündung 16, Gehirnentzündung 17, Apoplexie 20,
Tetanus und Trismus 5, Zahnkrämpfe 4, Krämpfe 46, Kehlkopfentzün¬
dung 20, Croup 4, Pertussis 14, Bronchitis acuta 8, chronica 14,
Pneumonie 49, Pleuritis 2, Phthisis 68, Peritonitis 5, Diarrhoe 13 (darunter
12 Kinder unter 2 J.), Brechdurchfall 2 (Kinder unter 2 J.), Magen-
und Darmentzündung 2, Magen- und Darmkatarrh 3 (darunter 2 Kinder
unter 2 J.), Nephritis 7, andere Ursachen 38, unbekannt 4.
Lebend geboren sind in dieser Woche 404 m., 434 w., darunter
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Gck igle
Original frn-rri
UNIVERSETY OF MICHIGAN
156
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 11
ausserehelich 53 m., 53 w.; todtgeboren 22 m., 15 w., darunter ausscr-
ehelich 5 m., 5 w.
Die durchschnittliche Sterblichkeit dieser Woche beläuft sich
auf 26,2 pro Mille der wahrscheinlichen Bevölkerungszahl, die entspre¬
chende Geburtenziffer auf 42,7 pro Mille (beide Summen mit Ausschluss
von 1,9 pro Mille Todtgebornen).
Witterung: Thermometerstand: 5,42. Abweichung 4,71. Ba¬
rometerstand: 28 Zoll 4,03 Linien. Dunstspan nung: 2.80 Linien.
Relative Feuchtigkeit: S6 pCt. IIimraelsbedeckung: 8,1. Höhe
der Niederschläge in Summa: 1.40 Pariser Linien.
In der Woche vom 24. Februar bis 2. März sind in Berlin an-
gemcldet: Typhus-Erkrankungen 11 (6 m., 5 w.), Todesfälle 7.
II. iMtliche Mittheilnngea.
Personal! a.
Auszeichnungen: Seine Majestät der König haben Allergnädigst ge¬
ruht, dem Sanitätsrath Dr. Vage des in Meppen den Charaeter als
Geheimer Sanitätsrath, und dem Kreisphysikus Dr. Hermann Bitter
in Osnabrück, den piap'ischen Aerzten I)r. Hartmann in Wiesbaden,
Dr. Brand und Dr. Schleich in Stettin und Dr. Hirstein in Berlin
den Charaeter als Sanitätsrath zu verleihen.
Anstellungen: Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht,
den bisherigen ersten Assistenten am pathologischen Institut der Uni¬
versität zu Berlin Dr. Orth zum ordentlichen Professor in der medi-
cinischen Facultät der Universität Göttingen zu ernennen. Der prac-
tisebe Arzt etc. Dr. Kollm zu Freistadt ist zum Kreiswundarzt des
Kreises Freistadt ernannt worden.
Niederlassungen: Dr. Klein, Dr. Heymann, Dr. Engelmann,
Dr. Jäckel, Dr. Wiihelmy, Dr. Emmerich und Dr. Keppler
Ein practischer Arzt, gute Praxis, Fixum 1800 M., gesucht. Be¬
werbungen bis 15. März 1878, Besetzung zum 1. April 1878, werden
berücksichtigt.
Dorchheim bei Hadamar, Reg.-Bezirk Wiesbaden.
Meldungen an den Vorstand daselbst.
Für junge Aerztel
Die Assistenzarztstelle an einem Diaconissen-Krankenhause einer
norddeutschen. mittel<rrossen Stadt wird demnächst offen. Zahl der
Betten ca. 100: Bed. 600 Rink, und freie Station. Näheres durch die
Expedition dieser Zeitung sub N. R. 14.
Einem tüchtigen fleissigen jungen Arzte wird eine lohnende Praxis
nachgewiesen. Deutsches Städtchen von 2000 Einw., Prov. Posen. Off.
St. B. 13 durch d. Exped. d. Bl.
Zum sofortigen Antritt (spätestens zum 15. April) sucht der Unter¬
zeichnete auf 3 bis 4 Monate eine Vertretung in seiner Praxis. Hierauf
reflectirende Collegen zu melden beim Dr. Danneil. Götze b. Garde¬
legen in der Altmark.
Arzt gesucht!
In einer kleinen Stadt der Landdrostei Lüneburg, welche lebhaften
Verkehr und eine wohlhabende Umgebung hat, findet ein tüchtiger Arzt
sehr günstige Gelegenheit zur Niederlassung. Anfragen sub S. R. 104
beförd. die Herren Haasenstein <fe Vogler in Hannover.
Zum 1. April wird ein Assistenzarzt für ein Krankenhaus von ca.
100 Betten gesucht, Gehalt 900 Mark jährlich bei freier Station. Adr.
sub M. 15 durch die Expedition.
in Berlin, Dr. Nescmann in Berlinchen, Dr. Gröger in Kalau, Dr.
Knopf in Nordhausen.
Verzogen sind: Dr. Schröder von Berlin nach Cöln, Dr. Harder
von Berlin nach Wiesbaden, Dr. Berthold Müller von Berlin nach
Dresden, Dr. Merten von Neuwedell nach Schloppe, Dr. Scharegge
von Worpswede nach Schwarme.
Apotheken-Angelegenheiten: Der Apotheker Bethke hat die
von Skotnicki’sche Apotheke in Nicolaiken, der Apotheker Schott
die Reimmann’sche Apotheke in Königswalde, der Apotheker
Sch lau ss die Halle’sche Apotheke in Dobrilugk gekauft, Apotheker
Paul Jung hat die Jung’Sche Apotheke in Berlin übernommen, und
die Apotheker Arlt und Leitmann haben die neu errichteten Apo¬
theken in Berlin eröffnet.
Todesfälle: Dr. Habedank in Tilsit, Sanitätsrath Dr. Haseloff
in Berlin, Dr. Dessa in Hameln, Sanitätsrath Dr. Dörger in Goslar,
Wundarzt Dunkelberg in Lüderode, Wundarzt Herzberg in Langen¬
salza, Apotheker Färber in Minden.
Bekanntmachung.
Die Kreiswundarztstelle des Kreises Regenwalde mit dem Wohnsitze
in Labes ist durch den Tod des bisherigen Inhabers erledigt. Diejenigen
approbirten und pro physicatu oder als gerichtliche Wundärzte geprüften
Aerzte, welche sich um diese mit einem etatsmässigen Gehalt von $00 Mk.
dotirte Stelle bewarben wollen, werden hiermit aufgefordert, ihre Appro¬
bationen und sonstigen Zeugnisse, sowie einen Lebenslauf innerhalb
6 Wochen bei uns 7 einzureichen.
Stettin, den 1. März 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Inserate.
Die Stadt Biesen mit Umgegend -- ca. 6000 Einwohner — sucht
sofort einen Arzt.
Für gleichzeitige Uebernahme der Armen-Praxis — die unbe¬
deutend ist — erhält derselbe ein jährliches Honorar von 600 M. aus
der Kämmerei-Casse gezahlt. Rcflectanten wollen sich baldigst melden.
Der Magistrat.
Zum sofortigen Antritt (spätestens 1. April) sucht ein Landarzt
auf 3—4 Wochen eine Vertretung in seiner Landpraxis, wozu event. ein
Gand. med. kurz vor seinem Examen ausreicht.
Angenehmer Aufenthalt und Fuhrwerk zur Disposition. Offerten
sub 0. P. 11 d. d. Exped. d. Bl. _______
Arzt gesucht!
In der Gemeinde Wagenfeld, Amt Diepholz, mit nächster Umgebung
ca. 6000 Einwohner, findet ein Arzt lohnende Beschäftigung. Apotheke
im Orte. Fixum nach Vereinbarung.
Der Gemeindevorstand
_ Bulk. _
Bekanntmachung.
In Obcrsitzko, Kreis Samter, wird die sofortige Niederlassung eines
thätigen Arztes, der polnischen Sprache mächtig, gewünscht.
Der Magistrat.
Ein junger Arzt, in der Psychiatrie nicht unerfahren, auch zur Zeit
an einer grösseren Privat-Anstalt als Assistent thätig, wünscht für die
Sommermonate einen Anstaltsarzt, sei es an einer grösseren Provinzial-
Irrenanstalt, sei es an einer psychiatrischen Klinik, zu vertreten.
Offerten werden erbeten unter W. J. 16 durch d. Exped. d. Zeitung.
Meran {
Beginn der FrAhllngB-Saftson am 1. April.
Molken, Milch, Kumys. Kräutersaft, Mineralwässer,
Bäder, Douchen, vollstisdige pzmMtisdM Anstalt.
Dr. J. Pireher, Curvorsteher.
Den geehrten Herren Aerzten empfiehlt
AethyJJodid 6 —10 Tropfen zu Inhalationen gegen Asthma
empfohlen, hierzu sind Inhalationsspitzen vorräthig.
Hydragyrum peptonatum nach Prof. Bamberger.
Ferrum dlalysat. peptonatum» erprobtes, sehr gut wirkendes
Eisenpräparat.
Kousso Granulös aus frischer Koussoblüthe bereitet.
Aconitin nfttrlc, V a —1 Milligramm von Gübler, Paris, gegen
Neuralgien empfohlen.
Pepsin-Essenz mit Milchsäure \ Verdauungs-
Pankreatin und Pepsin-Pastillen ana 0,3 / mittel.
China-Wein und Eisen-China-Wein mit bestem Malaga
bereitet.
Pepton für Clysmen und Pepton mit Fleisch-
Extract nach Dr. Adamkiewicz.
Kram-Apotheke.
Kerlla W., frieJrlchstmse IM. Dr. Heinr. Friedlaender
Vorzüglich geeignet
zur Errichtung einer Privat-Entbindungsanstalt oder Klinik für andere
mcd. Spezialitäten wird ein auf einem Hügel mit hübscher Rundsicht
frei und sehr gesund gelegenes Landgut zum Verkaufe angeboten. Das¬
selbe besteht aus grossem, vor 12 Jahren neu gebautem Herrenhaus mit
Saal, 10 Zimmern, Glasveranda, Terrasse, gewölbtem Keller, Pächterwoh¬
nung und allen Dependancen, ferner aus 4* 2 Hektaren Garten-, Gemüse-,
Wiesland und Weinberg. — Wasserleitung und Fahrstrasse bis zum Haus
wurden letztes Jahr neu angelegt. Das Landgut liegt 10 Minuten von
einer sehr gewerblichen Stadt der Ostschweiz entfernt. Preis M. 70,000. —
Näheres unter H. Z. 10. durch die Expedition d. Zeitschrift,
Direct bezogene ächte russische
Blatta orientalis.
Antihydropen. Tarakanen. Nach Dr. Bogoinoloff.
Bewährtes Mittel gegen Wassersucht. BTephrftls scarla-
tftnosa. Offerirt mit Gebrauchsanweisung zu erraässigten Preisen. Bei
100 Gramm und darüber Vorzugs-Preise. Versendung prompt»
Dr. Meyer.
___Schwan-Apotheke in Züllchow-Pommem.
Berichtigung.
In der Kritik über Spiegelberg’s Lehrbnch der Geburtshülfe
muss es auf S. 139, 2. Spalte, Z. 11 vom Ende heissen: Es ist stati¬
stisch nachgewiesen, dass gesteigerte Operationsfrequenz eine thatsächliche
Abnahme der Todesfälle von Mutter und Kind nicht erzielt.
Verlag und Eigenthum von August Hirschwald in Berlin. — Gedruckt bei L. Schumacher in Berlin.
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Dia Barlicrw Klmiaolae Wocfa*n*ch?ift erschöpf jed«n
Montag in der Stirk« ron wenigsten« 14 Bügen gr. 4.
rit'rteijÄäfJwh 6 Mack. BöfitpUnjigeu uebmao
4lis ßncbhandiang^n and Pösi-.Vnutalttti an.
BftitT&g« woHb man portofrei an die ßedachon
(K. W I»orotln«r7J»tr 70. 7$. > oder an die Var-
)agBb«<*.bljantUuTif von j\ ngflfiit; HirneInmld in B«r*
Un {i{. W. üütar den Luide/t 68) einenden.
KLINISCHE WOCHENSCHRIFT
Organ für praeiiselm Aerzte.
Mit Beröcksichtiguag der preussiachen Medicinaiterivaltung und Mediclnalgesetzgebung
nach amtlichen Mittheüangen.
Bedacteuri Praf. 8r. I. Walihabüfg. - Verlag von August HirscWd in Berlin
Montag, den 25. März 1878.
mm
Fünfzehnter Jahrgang.
gTy » Öse gcfferteu Abonnenten werden ergebenst ersucht, damit in der Zusendung keine toterbreeiittttg
eintrete, das Abonnement auf das It. Quartal 1878 bei den Baekhaadiuiigen oder PüSt.'ttlStalt<*I*
baldigst ?n erneuern. Oie VcrlagsbaisdiuBg,
Inhalt: J. QhFr^t'.. Ein Fkit \ rni .'iwmhan Carpolisniuig,' — )X- ' ; $in ftitrag zur physicÄUsohen Diaws'tik' rfcr'-Pie'uraexsinlafet.'•"
1UL T i-.' u t l.c r; VmUnüU;«; MiUhöüung ulter .-SlicksioO*- ii»Kalati:on.' IV. B i rn Ua-u m: _ Totale - Knickung - dos einen ZwiRingskindos.
nwl AüVfreibung der Frucht estndupllctm ctn-pre Ni ^-.dipif V. Kritik (fti r*cli; Gusulviobtv der 0|>lithaImolngiv»). -
VI. Fr-iiüi.Hfrh (VAvigU ÜftVoe* Wort iibur die Sh-lhm* der iiriplante üüd über die N(dht\v»difck<üi der idlgemcinereji Eiitfuhrriäg: dfir-'
1. Ein fall von »entern farboHsmus.
’ . v,,„ •' ■;'! ' ■''’
Ür. iYIaa O 9m» rat.
!m vergängeinm dis im; hatte ich als Assistent ou der chirm-
gtechidi Abtltfriluhg -des jfoankäpliaukes za Augisbinrg' ijelegeuiieU.
einen Fäll von ncitt^wv ($j&o|is.ro<xg > genau zü beobadttötb Die
MittbeOüng «liebes Fälle*, do auch uodi and^VweUig^-Jiitefsss«
bietet* dürfte, da miute Vsirgirtucgfu mit
mch A&b'i. häufig hefcchrteta bind* nicht luigtcfeditfettigt
erscheinen.
Kaspar Hertte. %i Jahrealt, T^eiotiaer. Wäf am 5) Jitl* .1^70
aus einer Mühe Von cirhÄ 4 Fü# mit dettt* Ucsässe Voraus in
de« Ftcss eiai ss . urag«^türztmf., ÖuizafijM.tK so nhglüj&kEöb gö-l
faihiu, ilasH der Htablte» circa >i Otm. weit iu den Ma^tdarni
eindrang. Nadniem HerOv -me einer momeutau eingetreteueu
liurzd4(*erddfdh piewiiKstk^iglcfei'i erwacht^ war er* ton d^n bef-
6g5<teu SchÄtmten gnpihlt.. Gehen war \nüknmrcien nnmOgUoh,
Ein alsbald zu Käthe gezogener Arzt a err»n]ne4tf. , damit mchts
nach ahwärfs sieh entieere^^ >iin. Bredimittel. >iaehdem daetrelhe
seine Schuldigkeit gethan, wniuhe ‘-ich ihr IVraukv^ an einen
anderen Arzt; derselbe verurduete braune fropfon (UpiUiti) and
die .alsbaldige Transtenrung in dah! Krankenhaus r,u, Aug>)hurg,
Seit der Verletzung bö^tehm ziemlich heftige koHk^rti^o 'Lctb-
sehmerzen; per anuiß eutleereu sich uuwillkürlich dünne (mit
Urin gemischte) Faeces.
Am ?;■ Jnti 1^7ii wurde Öertie Rrahkenhaw» auf-
genommen.' Ilmelbe i$\ Xu ziemlich .kräftig gehaßtes Individimn*
mittlerer Ernährung; ßestcht und sichtbare SchleHuhüute hia^s.
Unterleib gespannt, auf Orucfc uidtt schmerzhaft — Lungen
und Herz etc* nicht*? e\ wahnens^erthibo .Ful^ idhin. hart, mittcU
roll.; 77 — Temp. 37^7. bei /Vuseuianderziehcn der
leeren sich pex anii.ni dünne mit Utia geaiBebto Faeces; Amis-
rami yielfach eingerisseu;. Der ■ ptu- ufmm eingeführtc untern
»tlchende Finger gelangt in eine w.oit^.^därch. Vielfach vorrageude ;
Schleimlmutfetzen uuregelicäSKig hiiditige Wundhühle. Durch
den leicht in die Blase oingofiiltrrcn CatlmUr entleert siidi
wenig fuet: :u’l^ent riechender Urin. Der Uafheter kann durch den
tmtersuchenden Finger unbedeckt in geringer A us.de hmnigr- ge¬
fühlt werden. Nach Einfühnmg eiiie^ .vejtjich zu üffnuoden
Mo.st'dariü-SpeculMm.H zpigt «tch in: der vorderen Mhstdartnwantt*
fea. 4 % •Cf.uV''öböriKilb- d*r '. ; äusSgr.e'H' •Müddo.ii^v etwa mark-
Vtückgrmv.sc, unregelmässig fetzig begmizte. in die lljase per-
fonrendu Würgle; aüv der hinteren mid seitUcben AiasfdarmVihnd
Yiuif&cho oberflächliche
i)k v mmsfartiigen. die Wunde begreuzenden SchleimUanU
fei/eri tvirrden in 'FbIovoforrofi.äi’ku.ve.'\ou Henu Ohürarzt Ober-
>ta[ts;.ii;>l Dr. Spccnglor mit der Sclieere abgetragen and die
mm gfeiten V* v undvä , nder mittelst dreier («Vit dem Hubert Colli u -
sehen Apparate äiigelegter)^^ Draht^uturen Vereihigt; in die Urethra
tvjifde mn N ülatonVher (iäfheter eingelegt. iuiifirHüli Tioct
OpÜ croc. stümlHch b Tropfeii verabritieht. Sitzbäder.
Von n‘uü än war das eubjeetive Reüüdgai (fä^.t die
gapz f & rankfttdbv()auVr bind n i ch) fieberl t^eb ; Päfiüntcü gänz gut..
Keine irgendwie eiheblidjeu Sebmetzeu etc Scbort im Laufe
der nächsten Tage rissen 2 Nähte durch; Urin 0d& Zn in großen
Theii per a*mmi ab; kein miv;iHküdicher Kothabgang. Aus dem
eingelegten CathtAw eütleerte ßfch stärk fäebulfepit rlecbebder,
trüb bniungelher Urin» Am 10 JqH erzielte Ob RitsM? 15 V 0
schmerzlos reich liehen Stohlgang:.
Ara |3, J nli hätt e di fr ^ntle wiicg vop Urin per aimra anf-
gelrört. Ajeitweise kbnhie tier Uäfheter eötfernt werdenaud
war Patient mir; im Stande* auf die Dauer von circa % £tund«
den Uri« zurüfkzuhalten umb willkürlich zu- fruUeeroD. Urin
leicht alkalisch reagirend, scUkimig/eil/jg svdimeutireud Sndil-
guiig regelmässig, schmerzlos — Eitm am 2 ; b tnii vrugeuonmume
tüitersnchmig mit Specnlum zeigte gute öraAtfl&tma an der
AVünihg lV^batuüh$Stel1c juxFh etwä.i.üt>er
Die ein»! noch liegende Kühr wird entfernt, die Fistel mit
Argem. : riitr. in «Stihstaßz geiiizl. —• Die übrigen Wunden des
Alastdarms und Anus waren schon seit; mehreren Taget:« ver-
ujirbt, — Nach Ablauf weiterer £ W-oüb?« hatte sicli unter Vor»
Go gle
158 BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. No. 12
Zeit zu Zeit wiederholter Aetzung mit Argent. nitr. die Mast-
darm-Blasenfistel vollkommen geschlossen. Urin wurde sämmt-
lich willkürlich per urethram gelassen; doch war Patient, um
sich Schmerzen zu ersparen, genöthigt, seine Blase etwa alle
2 Stunden zu entleeren.
Zur Beseitigung seines Blasenkatarrhs verblieb Hertle noch
in der Anstalt.
Am 6. August sollte Patient wegen mehrere Tage an¬
haltender Stuhlverstopfung Morgens nüchtern 1 Glas Aq. Huny-
adi trinken. Durch einen Irrthum der dienstthuenden Wärterin
wurde das Glas mit 5% wässeriger Carbolsäure-Lösung gefüllt.
Mit ein paar herzhaften Schlucken war es vom Kranken geleert.
Da das Glas 180 Gramm Flüssigkeit hielt, so hatte Patient
9 Gramm Carbolsäure zu sich genommen. Durch die sofort
auftretende Unruhe des Kranken, hin- und herwerfen im Bette
aufmerksam gemacht, erkannte die Wärterin alsbald ihren
Irrthum nnd rief mich eiligst. Zufällig in der Nähe des
Krankenzimmers, war ich rasch zur Stelle. Ich fand nun (etwa
3 Minuten, nachdem der gefährliche Trunk geschehen) den
Kranken vollkommen bewusstlos, mühsam stöhnend athmend. —
Das Gesicht war bleich, mit klebrigem Schweisse bedeckt, die
Extremitäten kiihl, Pupillen mittelweit; die mimische Gesichts¬
muskulatur convulsivisch zuckend, die Extremitäten heftig
zitternd; Kiefer stark gegen einander gepresst, heftiger Trismus.
Bauchmuskulatur gespannt. Körpertemperatur (mit der auf¬
gelegten Hand geschätzt) wenig erniedrigt. Puls klein, leer,
fere insensibilis.
Magensonde und Magenpumpe hatte ich in kürzester Frist
zur Hand. Während der Mund, nachdem die Zahnreihen ge¬
waltsam von einander entfernt waren, durch einen eingeschobenen
Holzkeil geöffnet erhalten wurde, führte ich bei dem liegenden
Patienten die Sonde mit leichter Mühe in den Magen. Mittelst
der Wymann’schen Pumpe entfernte ich nun ca. 150 Gramm j
einer stark nach Carbolsäure riechenden, mit zähem Schleim
gemischten Flüssigkeit; alsdann begann ich den Magen mit
kühlem Wasser auszuspülen. Während dieser Procedur hatten
die Convulsionen, der Trismus aufgehört, das Gesicht röthete
sich, Patient öffnete die Augen. Nachdem circa 2 Liter Wasser
durchgespült waren, war das Bewusstsein ziemlich wieder¬
gekehrt. Puls kräftiger, mässig beschleunigt (88 Schläge in
der Minute). Doch bestand noch grosse Apathie; auf wieder¬
holt gestellte Fragen gab Patient träge, kurze Antwort mit
etwas heiserer Stimme. Nach Ablauf von 3 Stunden hatte
sich der Kranke ziemlich erholt; ausser geringen Schmerzen
bei Schlingbewegungen, leichtem Brennen im „Magen“ bestanden
keine Klagen. Mund und Rachenschleimhaut schwach geröthet. —
Sensorium frei. Puls kräftig, regelmässig, 74 Schläge in der
Minute; Temperatur 36,4. Der spontan gelassene Urin zeigt
dunkelgrünlich schwarze Färbung, geringe Menge Eiweiss; spär¬
liches schleimig-eitriges Sediment, Reaction: sauer. — Patient
erzählt nun, es sei ihm, als er das vermeintliche Bitterwasser
geschluckt, allerdings der etwas scharfe Geschmack aufgefallen,
er habe etwas Brennen im Halse verspürt, gleich dann aber
sei ihm das Bewusstsein geschwunden. — Der am nächsten !
Tage nach 01. Ricini erfolgte Stuhlgang bot nichts irgendwie
erwähnenswerthes. Urin hatte wieder die normale Färbung. !
Die weitere Convalescenz wurde durch die intercurrirende Ver- 1
giftung in keiner Weise gestört; die geringen genannten Störungen j
verloren sich ohne besondere Medicatiou in den nächsten Tagen.
Auf den vorhandenen heftigen Blasenkatarrb hatte der acute
Carbolismus einen entschieden günstigen Einfluss. Während am
5. August der Harn noch stark schleimig-eitrig sedimentirte, stark
alkalisch war, behielt er vom Tage der Vergiftung an die saure
Reaction etc. — Auch die subjectiven Beschwerden der Cystitis
schwanden bald, so dass Hertle vollkommen geheilt am
28. August 1876 das Krankenhaus verlassen konnte.
Hieran anschliessend seien mir noch einige Worte über
Carbolsäure und acute Carbol-Vergiftung erlaubt.
Die Carbolsäure, bekanntlich von ihrem Erfinder Runge
(1834) l ) bereits in ihren antiseptischen Eigenschaften erkannt,
fand erst durch die Bemühungen des Engländers Crace
Calvert (Fabrikant in Manchester) und insbesondere des
Franzosen Lemaire*) (1865) die ihr gebührende Anerkennung.
Bei der nun folgenden ausgebreiteten (nicht allein medicinischen)
Anwendung ist es nicht zu verwundern, dass schon im Laufe
der nächsten 4 Jahre etwa^in Dutzend Fälle von Vergiftung mit
Carbolsäure bekannt geworden waren. — Bis heute hat sich diese
Zahl etwa vervierfacht. In den meisten Fällen ist das Gift
durch Zufall oder zu therapeutischen Zwecken in den Orga¬
nismus eingebracht worden; in 2 Fällen handelt es sich um
Selbstmord. Die Applicationsstelle war in den meisten Fällen
die Magenschleimhaut, in mehreren die äussere Haut (als Mittel
gegen Krätze etc.), in einigen Fällen (2 Fälle von Michaelis
und Pinkham) das Rectum®).
Die Vergiftungserscheinungen werden nicht nur durch die
Individualität und die Menge und Concentration des Giftes, das
Alter etc. des vergifteten, sondern auch durch die Applicationsstelle
beeinflusst. Am heftigsten und stürmischsten sind die Er¬
scheinungen nach Husemann 4 ) bei subcutaner Einführung des
Giftes. Der Application auf die Magenschleimhaut steht die
Application auf die Mastdarmschleimhaut an Gefährlichkeit der
Wirkung nicht nach; die ungefährlichste Applicationsstelle ist
die äussere Haut, Wunden, eiternde Flächen etc.
Concentrirte Carbolsäure bewirkt Coagulation der Protein-
Körper. Durch dieselbe wird die Resorption verzögert; schwä¬
chere Lösungen werden demnach, ceteris paribus, da rascher
und vollkommener resorbirt, zu rascheren und heftigeren Er¬
scheinungen führen, als die concentrirte Säure. (Pinkham. 5 ))
Ueber den Einfluss des Geschlechtes etc. auf die Heftigkeit der
Vergiftungserscheinungen lässt sich eine bestimmte Angabe nicht
machen. Das kindliche Alter ist gegen Carbolsäure höchst
empfindlich. Schon kleine Gaben (0,01 — 0,2 Grm.) können
die beunruhigendsten Erscheinungen hervorrufen.
Die Wirkung der Carbolsäure äussert sich in localen und
allgemeinen Erscheinungen. In Folge ihrer Affinität zu den
thierischen Stoffen, Coagulation der Eiweisskörper ätzt concen¬
trirte Carbolsäure ziemlich lebhaft; doch soll die Aetzung und
Schorfbildung bei Application auf die äussere Haut sich nicht
über das corpus papillare hinauserstrecken (Lemaire); in ge¬
ringerer Concentration bewirkt Carbolsäure Röthung, Schwel¬
lung, Exsudation etc. In gleicher Weise ätzend wirkt die Car¬
bolsäure auch auf die Schleimhäute. Die Sensibilität wird durch
die Carbolsäure selbst noch in schwachen (2%) Lösungen er¬
heblich herabgesetzt.
Von der Applicationsstelle aus rasch resorbirt, ruft die Car¬
bolsäure, in die Blutmasse gelangt, die bedrohlichsten Erschei-
1) Poggendorf’s Annalen, XXXI, 66.
2) De 1’aeide phenique, de son action sur les vegetaux etc.
Paris 1865.
3) In 33 von Böhm gesammelten Füllen (Handbuch der specieilen
Pathologie und Therapie von v. Ziemssen, Bd. 15) war das Gift
22 mal innerlich genommen worden; in 9 Fällen hat es äussere An¬
wendung gefunden.
4) Deutsche Klinik, 1870, No. 38 etc.
5) Philad. med. and. surg. Rep. XIX. Dez. 186S.
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25 Marz 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
159
nungen hervor. Doch rasch wieder wird das Gift, nachdem es
verschiedenartige, grösstentheils noch ungekannte Zersetzungen
eingegangen, durch die Nieren ausgeschieden. — Nur ein gerin¬
ger Theil der Carbolsäure verlässt den Organismus unverändert.
Eine cumulative Wirkung der Carbolsäure giebt es nicht. Der
*/ 4 bis mehrere Stunden nach Aufnahme der Carbolsäure in
den Organismus entleerte Urin besitzt die bekannte grünlich-
braune bis tiefgrünschwarze Färbung. Diese Färbung hängt
von den Oxydationsproducten der Carbolsäure ab und gestattet
keinen Schluss auf die Sättigung des Organismus mit Carbol¬
säure (Salkowski 1 2 3 )). In anderen Se- und Excreten wurde
Carbolsäure meines Wissens noch nicht mit Bestimmtheit nach¬
gewiesen. Im Blute eines an acuter Carbolvergiftung gestorbenen
21jährigen Mannes (Fall von Köhler) konnte Hoppe-Seyler*)
Carbolsäure nachweisen. Im Falle Mosler’s*) roch das durch
Aderlass entleerte Blut nach Carbolsäure. Was die Wirkungs¬
weise der Carbolsäure auf den Organismus betrifft, so sind die
Meinuugen ziemlich getheilt. Die Annahme, dass die Carbol¬
säure, ins Blut aufgenommen, in Folge ihrer Affinität zu Eiweiss¬
körpern, Coagulation und Embolien in Lunge und Gehirn, und
dadurch den Tod herbeiführe, darf wohl als verlassen bezeich¬
net werden. W. E. Jeffreys und John Hainworth 4 ) glauben,
gestützt auf einen beobachteten nnd obducirten Fall, dass der
Tod durch Erstickung eintrete. Durch die Einwirkung der
Carbolsäure auf ein vom Vagus versorgtes Organ werde derselbe
derart gereizt oder gelähmt, dass Hypersecretion in den Lungen,
Schleimanhäufung, Tod durch Erstickung eintrete. Salkowski,
auf sorgfältige Thierversuche gestützt, nimmt Reizung des Vagus
und des respiratorischen Centrums in der Medulla oblongata
an; der Reizungszustand wird durch Anhäufung von Kohlensäure
im Blute zu Lähmung; asphyctisch tritt der Tod ein.
So viel nun steht fest, dass die Carbolsäure zu den starken
Nervengiften zählt; der anfangs eintretende Excitationszustand
kann in rasch tödliche Lähmung übergehen.
Die letale Dosis der Carbolsäure lässt sich, da in vielen
Fällen von Carbolvergiftung eine genaue Angabe über die ge¬
nommene Menge fehlt, noch nicht mit Gewissheit bestimmen.
Der volle Magen erträgt grössere Mengen als der leere. Huse-
mann (1. c.) giebt als letale Dosis auf 1000 Gramm Körper¬
gewicht an: bei Hunden 0,5, bei Katzen 0,08—0,42, bei Kaninchen
circa 0,35—0,4 Gramm; hiernach würde sich als Dosis letalis
füT einen Menschen von 60—65 Kilogramm Körpergewicht die
ungefähre Menge von 18—32 Gramm anführen lassen. In zwölf
tödlich verlaufenen Fällen, die ich in der mir nur spärlich zu
Gebot stehenden Literatur theils in Originalien, theils in Refe¬
raten auffand, in denen die Menge genau angegeben war, betrug
die Dosis letalis zwischen 15 und 30 Gramm. Unter 30 Fällen
von Carbolvergiftung fand ich keinen, in denen mehr als 15 Grm.
genommen worden waren, ohne den tödlichen Ausgang herbei¬
zuführen. Diese Angaben haben natürlich nuT für die interne
Application (per os oder per rectum) Geltung. Für die Fälle
von Vergiftung durch Application der Carbolsäure auf die äussere
Haut etc. ist die Dosis letalis aus begreiflichen Gründen nicht
einmal annähernd zu constatiren.
Der Verlauf der acuten Carbolsäure-Vergiftung ist ein rascher.
In leichten Fällen tritt bald Aufregung, bald Stupor (Lemaire),
Kopfschmerz, Schwindel, Ohnmacht, Kribbeln, Ameisenkriechen
in Händen und Füssen, starke Schweisssecretion, Mattigkeit,
1) Arch. f. Physiologie, Marz 1872.
2) Würtemberg. Corr. Bl. XLII., 6. April 1872.
3) Deutsch. Arch. f. klin. Medic. Bd. 10. 1872.
4) Med. Times Gaz. 15. April 1871.
Ringsehen (Neumann), Brechneigung, Nausea, Erbrechen ein.
Lawson Tait hebt plötzliches Sinken der Kräfte und der Eigen¬
wärme, Pulslosigkeit hervor. Alle diese Symptome schwinden
ohne irgend welche Nachwirkungen zu hinterlassen, ohne jede
Behandlung in dem Zeitraum von höchstens einer Stunde.
In schweren Fällen ist die rasch eintretende Bewusstlosig¬
keit (nach Swain spätestens 5 Minuten nach erfolgter Ver¬
giftung) das hervorstechendste Symptom. Die willkürlichen Be¬
wegungen sind verloren gegangen, es besteht volle Anästhesie.
Gesicht ist bleich, mit klebrigem Schweisse bedeckt, sichtbare
Schleimhäutei blass oder leicht livide gefärbt. In einzelnen
Fällen besteht heftiger Trismus (Fälle von Mosler und We-
lander 1 )), der zu therapeutischen Zwecken die gewaltsame
Entfernung der Kiefer von einander erfordert In zwei Fällen
von Taylor*) und Sutton*) setzte Contraction der Speiseröhre
der Einführung der Schlundsonde ein starkes Hinderniss ent¬
gegen. Krön lein 4 ) hatte bei einem Versuche, die Sonde ein¬
zuführen, das Gefühl, als sei die Passage des Oesophagus stark
verengt. Allgemeine Convulsionen, die in den Thierversuchen fast
niemals fehlen, finden sich nirgends verzeichnet. In dem Falle
Mosler’s (1. c.) traten sogleich nach dem Verschlucken von
circa 11,0 Gramm Carbolsäure Krämpfe der Extremitäten auf;
in unserem Falle bestanden Convulsionen der mim. Gesichts¬
muskeln; bei einem längere Zeit mit Carbolsäure behandelten
Kranken beobachtete Salkowski Convulsionen, die jedoch nur
die oberen Extremitäten betrafen; heftiger Tremor wird in meh¬
reren Fällen erwähnt. Pupillen sind in den meisten Fällen,
in denen darauf geachtet wurde, eng; in dem Falle von A. Og-
ston 1 ) waren die Pupillen sehr weit; bei Welander (1. c.) an¬
fangs normal; erst im späteren Verlaufe erweiterten sich die
Pupillen und begannen erst, als das Bewusstsein wiederkehrte,
sich zu contrahiren. — In einzelnen Fällen besteht Erbrechen;
die erbrochenen oder durch die Magenpumpe entleerten Mengen
rochen stets stark nach Carbolsäure. Mund und Rachenhöhle
zeigen bei Einwirkung concentrirter Säure das Bild der Aetzung;
die Schleimhaut ist geröthet, geschwollen, entweder diffus weiss-
lich gefärbt oder auch mit kleinen weisslichen Flecken, Aetz-
schorfen bedeckt. Stuhlgang ist meist angehalten; die etwa
entleerten Faeces zeigen nichts characteristisches; der in den
nächsten Stunden spontan oder künstlich entleerte Urin bietet
die oben bezeichneten Merkmale. Welander (1. c.) beobachtete
einen 4 Tage andauernden Eiweissgehalt. In unserem Falle
war der Eiweissgehalt unabhängig von dem Carbolismus. Puls
ist immer sehr klein, fast unfühlbar, die Temperatur meist etwas
herabgesetzt. Unter stertoröser, hier und da aussetzender Ath-
mung (Jeffreys und John Hainworth, A. Ogston, 1. c.,
etc.) tritt in den schwersten Fällen rasch in tiefstem Collaps
der Tod ein. (Nur in wenigen Fällen kehrt das Bewusstsein
auf kurze Zeit wieder.) Erfolgt der tödtliche Ausgang nicht etwa
im Laufe der ersten 12 Stunden nach der Vergiftung, so kehrt
allmälig das Bewusstsein wieder, der Puls wird kräftiger, die
Athmung regelmässig, die Kranken klagen über leichten Schwin¬
del, etwas Kopfschmerz, spüren wohl auch Brennen im Munde,
Rachen etc., erholen sich jedoch meist rasch, ohne irgend welche
Folgen davonzutragen. Nur in wenigen Fällen werden die
Kranken in der Reconvalescenz von heftigem Erbrechen geplagt.
Der anatomische Befund bietet ausser den Zeichen der hier
1) Hygiea XXXVI, 3. Mars 1874.
2) Guy’s Hospit. Reports HI. series, Vol. XIII. 1868.
3) Brit. medic. Journ., April.
4) Berliner klinische Wochenschrift. 1873. No. 51.
5) Brit. med. Journ. Febr. 4. 1871.
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No. 12
160
und da bis in’s Duodenum sich erstreckenden Aetzung, Röthung
der Bronchial-Schleimhaut, Oedem der Lungen, dünne, dunkele,
flüssige Beschaffenheit des Blutes nichts constantes. —
Die Diagnose ergiebt sich fast in allen Fällen von selbst,
da ja die Reste der geschluckten (oder anderweitig applicirten)
Flüssigkeit, die wohl meist zu Gebote stehen, keinerlei Zwei¬
fel aufkommen lassen. In den Fällen, in denen dies untrügliche
Hülfsmittel fehlen sollte, müssen unter den angeführten Sym¬
ptomen insbesondere die Beschaffenheit der Mund- und Rachen¬
höhle, der durch Erbrechen oder durch die Magenpumpe ent¬
leerte, in der ersten Zeit nach der Vergiftung immer nach
Carbolsäure riechende Mageninhalt, in späteren Stadien der Ver¬
giftung die charakteristische Beschaffenheit des Harnes (der¬
selbe muss wohl immer mit dem Catheter entleert werden) auf
den richtigen Weg führen.
Die Behandlung des acuten Carbolismus erheischt als drin¬
gendste Indication die möglichst rasche Entfernung des Giftes
aus dem Organismus, wenn dieselbe auch wegen der rasch ein¬
tretenden Resorption keine vollkommene sein kann. Am zweck-
mässigsten und wenn die Anätzung des Magens keine ausnahms¬
weise sehr hochgradige ist, ganz ungefährlich geschieht dies
(in Fällen von interner Application des Giftes) durch Anwendung
der Magenpumpe mit nachfolgender ergiebiger Ausspülung (am
besten wohl mit wässrigen Lösungen von Zuckerkalk, s. unt.)
Mosler (1. c.) verband mit der Anwendung der Magenpumpe
einen depletorischen Aderlass mit dem günstigsten Erfolge.
Von der Darreichung von Brechmitteln ist wegen der Ge¬
fahr weiterer Anätzung und des Eindringens des Giftes in die
Luftwege abzusehen (Husemann). Von innerlichen Medica-
menten empfehlen Husemann und Ummethun, gestützt auf
zahlreiche Thierversuche, Zuckerkalk als das kräftigste Gegen¬
mittel. In vielen Fällen, in denen Hülfe zu spät zur Hand ist,
oder bei äusserer Application des Giftes wird man sich auf
symptomatische Behandlung beschränken müssen.
II. Gin Beitrag zur physicalischen Diagnostik der
Pleuraexsudate.
Von
Dr. Otto mar Rosenbach,
Privatdocent und Assistenzarzt am Hospital Allerheiligen in Breslau.
Den Veränderungen des Percussionsschalls am Thorax,
welche durch Respirationsbewegungen oder durch Lagewechsel
der untersuchten bedingt werden, ist bis in die neueste Zeit
nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden, obwohl die eben
genannten beiden Factoren in nicht geringem Grade auf die Er¬
gebnisse der physicalischen Untersuchung einzuwirken vermögen.
Zwar sind gewisse Modificationen des Percussionsschalles,
welche durch die primäre Haltung und Umgebung des explo-
randen (in Rückenlage, auf schallender oder dämpfender Unter¬
lage, in der Nähe der Wand etc.) oder Differenzen des Schalles
der beiden Körperhälften, welche durch asymmetrische Körper¬
haltung bedingt werden, schon längst bekannt und verwerthet,
zwar ist auch der Einfluss, welchen Respirationsbewegungen
unter gewissen pathologischen Verhältnissen (Bronchitis, Pleu¬
ritis) auf das Resultat der Percussion ausüben können, bereits
von Traube näher gewürdigt worden, aber eine eingehende
Berücksichtigung haben diese interessanten Verhältnisse erst in
neuerer Zeit erfahren. So sind die durch den Lagewechsel be¬
dingten Veränderungen des Percussionsschalles namentlich von
Gerhardt*) studirt worden, welcher auch denVersuch machte, sie
diagnostisch zu verwerthen, während die von den Respirations¬
*) Deutsche Klinik 1859.
bewegungen abhängigen Differenzen des Percussionsbefundes von
Da. Costa*) beschrieben wurden, welcher ebenfalls die Resul¬
tate seiner Untersuchungen für die Diagnostik nutzbar zu machen
sich bestrebte.
Im Anschlüsse an die eben genannten Arbeiten habe ich**)
die verschiedenen Verhältnisse, unter welchen durch Lage Wechsel
und Respiration eine Aenderung des Percussionsschalles in Be¬
zug auf Höhe und Intensität zu constatiren ist, näher geprüft und
bin zu Resultaten gekommen, welche den diagnostischen Werth der
unter genannten Umständen auftretenden Veränderungen des Per¬
cussionsschalles sehr herabzumindern geeignet sind. Wenn ich
auch die Beobachtungen der genannten beiden Forscher fast
durchgehend zu bestätigen Gelegenheit hatte, so erschienen mir
doch ihre Schlüsse anfechtbar sowohl was die Ursache der
Schalländerung anbetrifft als auch mit Rücksicht auf die aus
den Ergebnissen abgeleiteten diagnostischen Folgerungen.
Ich habe versucht den Nachweis zu liefern, dass zur Er¬
zeugung des Schalles am Thorax die Thoraxwand mehr beitrage
als die Lunge, und dass namentlich die Differenzen in der Span¬
nung des Lungengewebes bei In- und Exspiration durchaus
nicht die grosse Verschiedenheit der Percussionsergebnisse bei
den verschiedenen Respirationsphasen zu erklären im Stande
seien. Sicht man diesen Beweis als gelungen an, so muss man
natürlich bei allen Schallveränderungen am Thorax erst den
Einfluss der Thoraxwandung auf das Zustandekommen dieser
Ergebnisse feststellen, bevor man diagnostische Schlüsse auf
den Zustand des Lungengewebes machen kann. Da nun ver¬
mehrte Spannung der Brustwand oder ihrer einzelnen Theile
(Spannung der Haut, der Muskeln, der Rippen) den Percussions¬
schall in mehr oder minder bedeutendem Masse erhöht, so
können wir Veränderungen desselben nicht als diagnostisches
Hilfsmittel benützen, da sowohl bei Lageveränderungen als bei
der Respiration die eben geschilderten Verhältnisse eintreten:
in beiden Fällen werden die Thoraxmuskeln contrahirt, und da¬
durch sind veränderte Spannungsverhältnisse am Thorax be¬
dingt, welche in der vorhin erwähnten Weise schallerhöhend
wirken.
Man kann demnach aus der Erhöhung des Percussions¬
schalles beim Sitzen nicht schliessen, dass die Ursache der
Schallveränderung die verschiedene Spannuug des Lungengewebes
in beiden Lagen sei, sondern vor allen Dingen muss der An-
theil, den die Thoraxwand an der Differenz der Resultate
hat, Berücksichtigung finden. Um den Körper in aufrechter
Haltung zu fixiren, müssen die Thoraxmuskeln und namentlich
die sich weit am Thorax herauf inserirenden Bauchmuskeln
angespannt werden; ausserdem pflegt man, wie sich leicht beob¬
achten lässt, beim Aufsetzen eine unwillkürliche Inspira¬
tion zu machen, wodurch natürlich eine erhöhte Spannung der
Brustmuskeln und der erhöhte Percussionsschall bedingt wird.
Entspannt man die Muskeln, so wird der Schall wieder tiefer.
Da also der Schall am Thorax stets im Sitzen höher
ist als ijn Liegen, so kann man den Lagewechsel auch nicht
zur Diagnose der Lage und Gestalt von Cavernen benutzen, wie
dies Gerhardt gethan hat. Namentlich darf man aus dem
Höherwerden des Schalls im Sitzen nicht schliessen, dass der
Lägendurchmesser einer vorhandenenen Caverne parallel der
Körperachse ist, da, wie gesagt, diese Schalländerung allein
durch die veränderten Spannungsverhältnisse der Thoraxwand
verursacht sein kann. Das umgekehrte Verhalten (Tieferwerden
des Schalles bei aufrechter Haltung des Körpers) dürfte eher
einen diagnostischen Anhaltspunkt liefern, obwohl auch hier
*) American Journal, Juli 1875.
**) Deutsches Archiv für klinische Mediein, Band 17 und 18.
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
161
25. März 1878.
manche Fehlerquellen auf das Resultat einwirken können. Auch j
die Verwerthung des Schallhöhenwechsels beim Oeffnen und |
Schliessen des Mundes als diagnostisches Symptom unterliegt
zum Theil denselben Bedenken, da viele Individuen beim Oeff¬
nen des Mundes unwillkürlich tief inspiriren. Wenn der
Wechsel demnach nicht sehr frappant ist, so ist auch hier Vor- I
sicht in den diagnostischen Schlüssen geboten.
Welchen bedeutenden Einfluss aber die Beschaffenheit der ;
Wandungen auf den Percussionsschall hat, dafür liefert der
tympanitische Schall den besten Beweis. Der tympanitische
Schall des halbmondförmigen Raumes, am Abdomen oder über
Cavernen verschwindet vollständig, wenn die oberhalb des
tympanitisch schallenden Bezirks gelegenen Theile(Haut, Muskeln)
stärker gespannt werden. Bei tiefen Inspirationen lässt sich
der tympanitische Schall über Cavernen wegen der starken Span¬
nung der Brustwandungen vollkommen zum Verschwinden brin¬
gen*), ebenso der Schall am Abdomen bei energischer Wir¬
kung der Bauchpresse.
Es lässt sich demnach der Höhenwechsel des Percussions¬
schalles bei den Respirationsphasen nicht als sicheres Kriterium
für die Ausdehnungs- und Spannungsfähigkeit des Lungenparen¬
chyms verwerthen. Das Bestehen solcher Aenderungen wäh¬
rend der Athmung jedoch muss zur Vorsicht beim Percutiren
mahnen, da bei einer Vergleichung zweier symmetrischer Stellen,
z. B. der Supra- und Infraclaviculargegenden, bei denen subtile
Schallunterschiede bereits diagnostisch wichtig sind, dadurch
leicht Anlass zu Täuschungen gegeben werden kann, dass man
auf beiden Seiten während verschiedener Respirations-
phasen percutirt. Percutirt man auf der einen Seite während
der In-, auf der andern während der Exspiration, so ist in den
meisten Fällen der Schall am letzteren Orte tiefer und lauter.
Ob die Aenderung der Schallintensität bei der Respiration,
das Lauterwerden des Percussionsschalles bei der Inspiration,
diagnostisch verwerthbar sei, darüber sprach ich mich in mei¬
ner Arbeit dahin aus, dass aus dieser Veränderung vielleicht
ein vorsichtiger diagnostischer Schluss gemacht werden könne.
Wenn man bei der Percussion der Lungenspitzen ein deut¬
liches Lauterwerden des Schalles während der Inspiration wahr¬
nehmen kann, so ist mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit an¬
zunehmen, dass das Parenchym nicht infiltrirt oder cirrhotisch j
geschrumpft sei. j
Auch beim pleuritischen Exsudate kann man aus dem Lauter- I
(Voller-) werden des Schalles über den retrahirten Lungenpartien
während der Einathmung den diagnostischen Schluss mit Vor¬
sicht machen, dass das Lungengewebe nicht völlig splenisirt,
sondern noch ausdehnungsfähig ist.
Als ich mit den Untersuchungen über respiratorischen Schall¬
höhenwechsel beschäftigt. Kranke mit den verschiedensten Lungen-
affectionen stets während eines längeren Zeitraumes und in den
verschiedensten Lagen tief respiriren Hess, machte ich häufig die
*) Wenn Waetzold in seiner unter Ewald’s Leitung gearbei¬
teten Dissertation meine Angaben in dieser Richtung nicht völlig be¬
stätigen konnte, so liegt das eben daran, dass er ungeeignete Indi¬
viduen zu seinen Untersuchungen verwandte. Es ist klar, dass Phthi¬
siker im letzten Stadium nicht recht geeignet sind, die Wirkung kraft¬
voller Muskelcontractionen zu illustrircn, auf die es ja allein hier an¬
kommt. An Leuten, die nicht tief genug zu inspiriren vermögen, kann
man natürlich nicht den Einfluss der Thoraxspannung auf die Percussions¬
verhältnisse nachweisen. Dies gilt namentlich für das Verschwinden des
tympanitischen Schalls bei Cavernen, da hier starke Inspirationen erforder¬
lich sind. Uebrigens hat Ferber (deutsche Zeitschrift für praktische
Medicin No. 42, October 1876) meine Angaben über das Verschwinden
des tympanitischen Schalls in der Magengegend durch Muskelcontrac¬
tionen völlig bestätigt.
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Beobachtung, dass die L>ämpfungsverhältnisse an der Hinter¬
fläche des Thorax im Laufe der Unteruchung sich sehr veränder¬
ten An Stellen, die eine mehr oder weniger intensive Dämpfung
dargeboten hatten, trat lauter, voller Percussionsschall auf.
Die Erklärung für dieses Verhalten ist leicht zu geben; auch
ist das Factum, dass nach tiefen Athemzügen atelectatische
Bezirke an den hinteren Partien der Lunge sich ausdehnen, satt¬
sam bekannt; nur ist wohl nicht oft in ganz methodischer Weise,
wie es bei solchen Untersuchungen über Schallhöhenwechsel
nothwendig ist, diese Schallveränderung geprüft worden. Der
Percussionsschall über solchen atelectatischen Partien wird nicht
nur bei der ersten Inspiration bedeutend (relativ) lauter, son¬
dern er wird auch absolut lauter (voller), d. h. er bleibt auch
in der Expirationsphase lauter als vorher.
Ueber diese nicht von bronchitischen Processen abhängeude
Atelecta.se bei länger dauernder Rückenlage (im Typhus und bei
anderen fieberhaften Krankheiten) brauche ich kein Wort zu
verlieren, da ihr schnelles Verschwinden und die davon abhängige
Veränderung der physicalischen Symptome genug bekannt sind.
Diese häufig von mir gemachten Beobachtungen jedoch gaben
mir den Schlüssel zur Aufklärung einiger interessanteuThatsachen,
welche meines Wissens nach nirgends beschrieben sind, obwohl sie
in manigfacher Beziehung Beachtung verdienen. Meine Mitthei¬
lungen betreflen die Veränderungen des Percussionsschalles und
des auscultatorischen Befundes, welche bei mittel grossen, serö¬
sen, pleuritischen Exsudaten durch längerdauernde aufrechte Hal¬
tung des Oberkörpers und tiefe Inspirationen hervorgerufen werden.
Von den deutschen Beobachtern wird eine Schallverände¬
rung bei pleuritischen Exsudaten durch Lagewechsel meist be¬
stritten, nur bei Gerhardt (Lehrb. der Ausc. II. Aufl. S. 208)
finden sich Andeutungen darüber, und Fräntzel*) hat in seiner
umfassenden Abhandlung nur jene Veränderungen des Percussions«
schalles an der vorderen Thoraxwand, welche (bei einer ge¬
wissen Beschaffenheit des pleuritischen Exsudates) durch Lage¬
wechsel bedingt werden, eingehend berücksichtigt, weshalb ich
für diesen Punkt auf genannte Arbeit verweise.
Meine Beobachtungen betreffen die an der hinteren Thorax¬
wand bei Lagewechsel und aufrechter Körperhaltung (gegenüber
der Rückenlage) zu beobachtenden Modificationen des Befundes
bei der Percussion und Auscultation.
Zwar habe ich nur an 5 Fällen Gelegenheit gehabt, die
einschlägigen Verhältnisse zu studiren, aber die Prägnanz der
Resultate, welche ich öfter demonstriren konnte, veranlasst mich
von meinen Beobachtungen Mittheilung zu machen. In allen
meinen Fällen bestanden seröse Pleuritiden mit continuirlichem.
nicht zu hohem Fieber. 3 der Kranken waren junge Männer,
zwei Fälle betrafen Frauen, die beide im mittleren Alter
standen; die Erscheinungen waren in allen Fällen sehr aus¬
gesprochen: es bestand Dämpfung bis zur Spina scapulae oder
zum Scapulawinkel mit der characteristischen nach der Seiten¬
wand abfallenden Dämpfungsgrenze, welche nach unten an In¬
tensität noch znnahm, ferner war über den gedämpften Partien
lautes oder abgeschwächtes Bronchialathmen zu constatiren.
Der Pectoralfremitus war meist nicht im ganzen Bereiche der
Dämpfung von gleicher Beschaffenheit; oft war in dem oberen
Theile der percutorisch nachgewiesenen gedämpften Partie der
Pectoralfremitus bedeutend weniger abgeschwächt, oft sogar
stärker als über den entsprechenden Partien der anderen Seite;
über den unteren Theilen der Dämpfung war er stets ver¬
mindert, theil weise ganz aufgehoben. Alle Kranken, mit Aus¬
nahme eines Falles, der in der zweiten Woche nach einem
initialen Schüttelfrost in Behandlung kam, waren bei der ersten
*) v. Ziemssen’s Handbuch, Bd. VI, 2.
2
Original frem
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 12
Untersuchung in der ersten Woche der Krankheit; in keinem
Falle dauerte das Leiden bis zur völligen Heilung länger als
4 Wochen; also betrafen meine Untersuchungen relativ gut¬
artige Fälle.
In dem ersten dieser Fälle, bei welchem ich die bald zu
schildernden Beobachtungen machte, handelte es sich um einen
jungen Mann, der alle Symptome einer Pleuritis in ausgesproche¬
nem Masse darbot. Als ich in der zweiten Woche der Krank¬
heit die Dämpfung am Morgen anzeichnete, reichte sie links
hinten bis zur spin. scapulae, das Athmen war bronchial vom
Scapulawinkel ab, oberhalb desselben bestand unbestimmtes
Athmen. Am Nachmittage desselben Tages reichte die Dämpfung
nur noch mit mässiger Intensität bis zum Scapulawinkel; das
Athmen über der Scapula war rein vesiculär ohne jedes Neben¬
geräusch, weiter herunter bestand etwas abgeschwächtes Vesi-
culärathmen und nur über der untersten Partie der Lunge hörte
man Bronchialathmen.
Dieser plötzlich so bedeutend veränderte Befund war mir
völlig unerklärlich, da an eine so rapide Resorption kaum gedacht
werden konnte. Am nächsten Morgen, nachdem der Kranke
die ganze Nacht gut geschlafen hatte, constatirte ich, dass ohne
jede Steigerung des Fiebers oder der subjectiven Beschwerden
die physicalischen Erscheinungen wieder ganz die nämlichen
waren, wie 24 Stunden vorher. Nun war die Lösung des Räthsels
gefunden. Da ich schon vorher beobachtet hatte, dass beim
tiefen Inspiriren der Schall über den gedämpften Partien stets
deutlich lauter gewesen war, so leitete ich den Wechsel der
Dämpfungsverhältnisse von Verschiedenheiten der Lage und
Differenzen in der Art der Respiration ab. Bei lang dauernder
Rückenlage im Schlafe hatte sich eine Atelektase ausgebildet,
im wachen Zustande war sie geringer geworden. Auf mein
Befragen gestand mir der Patient, dass er sich, verführt durch
sein subjectives Wohlbefinden während des Nachmittags gegen
mein Verbot eine mehrstündige Promenade im Zimmer gestattet
hatte.
Die Richtigkeit meiner Erklärung wurde dadurch bewiesen
dass, nachdem Patient Erlaubniss erhalten hatte, im Zimmer
umherzugehen die Dämpfungsverhältnisse bald wieder denen des
vorhergehenden Nachmittags entsprachen. Auch das Athem-
geräusch veränderte sich in entsprechender Weise. Nachdem
meine Aufmerksamkeit auf diese Verhältnisse gelenkt war, beob¬
achtete ich dieselben Vorgänge in den nächsten Fällen in mehr
oder minder ausgesprochener Weise. Alle diese Fälle boten
das vorhingeschilderte Symptom, ein Vollerwerden des Schalles
beim tiefen Inspiriren dar. In einem Falle waren nach längerem
Verbleiben in sitzender Stellung drei Zonen des Schalles zu
unterscheiden, während vorher starke Dämpfung von der Mitte
der Scapula bis zur Lungengrenze mit nach unten hin etwas
zunehmender Intensität bestanden hatte. Diese drei Zonen
waren: 1) eine normalen Lungenschall bietende, bis zum un¬
teren Winkel der Scapula reichende, 2) eine Zone ziemlich
lauten tympanitischen Schalles, welche etwa einen Zoll breit
war und welche allmälig in die untere dritte absolut gedämpfte
Partie überging. Ebenso verändert war das Athemgeräusch.
Während vorher, namentlich in der Umgebung des Scapula¬
winkels sehr lautes hohes Bronchialathmen bestanden hatte
hörte man jetzt überall entsprechend den beiden ersten Zonen
Vesiculärathmen; über der untersten gedämpften Partie war
nur sehr abgeschwächtes bronchiales Athmen zu hören. Diese i
Veränderungen der Ergebnisse der Auscultation und Percussion ;
konnte man während der letzten Hälfte der zweiten Woche j
beliebig hervorrufen, wenn man den Patienten entweder herum- ,
gehen oder im Bett eine längerdauernde Rückenlage einnehmen
liess; der Pectoralfremitus über den afficirten Partien war I
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immer, wenn sich die Dämpfung aufgehellt hatte, viel dentlicher
als vorher.
Zu bemerken ist noch, dass in allen vorliegenden Fällen
gleich nach dem Aufrichten des Patienten die hintere obere Grenze
des gedämpften Schalles sehr steil nach den Seitenwänden hin
abfiel, eine Thatsache, die für die Erklärung der Schallverände-
rungen von grosser Wichtigkeit ist. Vorn war in keinem Falle
eine bedeutendere Dämpfung zu constatiren, wohl aber bestand
in den beiden oben erwähnten Fällen abnorm tiefer, lauter
Schall unter der Clavicula der entsprechenden (linken) Seite.
Wenn wir nun die eben geschilderten Beobachtungen kurz zu¬
sammenfassen, so ergeben sich folgende interessante Momente.
Bei mittelgrossen pleuritischen Exsudaten seröser Natur
(über eitrige fehlt mir in dieser Beziehung die Erfahrung), bei
denen die Dämpfungslinie von der Hinterfläche des Thorax auf¬
fallend stark nach den Seiten abfällt, und bei denen während
der Inspiration ein deutliches Lauterwerden des gedämpften
Schalles eintritt, kann man eine totale Veränderung der Per¬
cussionsergebnisse und des auscultatorischen Befundes dadurch
herbeiführen, dass man die Patienten tief einathmen lässt, oder
dadurch, dass man ihnen freie Bewegung im Zimmer gestattet.
Es ist möglich, dass ein solcher Wechsel im physikalischen
Befunde erlaubt eine günstige Prognose zu stellen, wenn man
aus fünf Fällen, die günstig verlaufen sind, einen Schluss machen
darf. Auf welchen physikalischen Vorgängen beruht nnn diese
schnelle Aenderung der Untersuchungsergebnisse? Die Antwort
kann nicht schwer sein, da wohl nur zwei Momente für die Er¬
klärung in Frage kommen können. Es wäre erstens möglich,
dass die Dämpfung von zäher, sich schwer senkender Flüssig¬
keit und morphotischen Bestandtheilen, welche in der Flüssig¬
keit suspendirt oder den Pleurablättern aufgelagert sind, bewirkt
sei, oder zweitens, dass der unterste Theil der Dämpfung von
einem flüssigen Exsudat, der obere von atelectatischen Lungen¬
partien herrühre.
Gegen die erste Annahme spricht der Umstand, dass eine
seröse Flüssigkeit dem Gesetz der Schwere gemäss bei Lagewechsel
schnell ihr Niveau verändert (wie dies erst neuerdings Ferber
nachgewiesen hat), wenn nicht abnorme Verklebungen der Pleu¬
rablätter vorhanden sind; ferner lässt sich gegen die Möglichkeit,
dass morphotische, den Pleurablättern anhaftende Bestandtheile
den Schall dämpfen, einwenden, dass Auflagerungen irgend
welcher Art auf den Pleurablättern schon eine relativ bedeutende
Dicke haben müssen, um auch nur in mässigem Grade schall¬
dämpfend zu wirken. Sind die Auflagerungen aber so massig,
dass sie einen solchen Einfluss auf den Schall ausüben können,
so ist nicht abzusehen, wie dieselben bei Lagewechsel ihren Ort
verändern sollten. Auch Hesse sich durch die Annahme solcher
pleuritischer Schwarten (die ja auch bei serösen Pleuritiden nicht
Vorkommen), das bronchiale Athemgeräusch nicht erklären.
Alle Erwägungen zwingen uns anzunehmen, dass ein Theil
der Dämpfung (und zwar die obere Zone) durch Atelectase
der Lungen bedingt ist, und dass zum Zustandekommen
derselben zwei Umstände fast gleichzeitig beitragen, nämlich
das raumbeschränkende Exsudat und die Rückenlage,
die die Ausdehnung des Thorax in den hinteren Partien verhindert.
Es ist vielleicht nicht allzu hypothetisch, wenn man annimmt,
dass durch die entzündliche Affection der Pleura Elasticitäts-
veränderungen des Lungengewebes, leichte Betheiligung der an
die Pleura grenzenden Lungenpartien und dadurch eine gewisse
erhöhte Disposition zum Collaps gesetzt sei.
Es ist meiner Annahme zufolge demnach in der Rückenlage
ein grösserer Theil der Lunge an der hinteren Thorax wand
atelectatisch als in der aufrechten Stellung, und die Höhe der
Dämpfung ist nicht ganz abhängig von der Menge des Exsudates.
Original fro-m
university ofmichsgan
25. März 1878. BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 163
Das Exsudat senkt sich sofort und ist zu erkennen an der
ausserordentlich intensiven Dämpfung (man spricht ja gewöhn¬
lich bei pleuritischen Exsudaten von einer nach unten hin inten¬
siver werdenden Dämpfung), während die oberen Partien nur
wegen der Atelectase der Lunge gedämpft schallen. Kann sich
die Lunge oberhalb des Exsudates bald wieder entfalten; was
durch tiefes Atbmen geschieht, so wird der Schall lauter oder
gedämpft tympanitisch.
Auch die Veränderungen des Athemgeräusches, welche so
frappant sind, lassen sich aus dieser Annahme wohl am besten
erklären; über der atelectatischen Lunge erhält man lautes, über
den Partien, unter welchen sich Exsudat befindet, sehr abge¬
schwächtes bronchiales Athmen. Dehnen sich die atelectatischen
Partien aus, so wird das Athmen vesiculär, und nur über den
unteren Partien der Lunge, die sich wegen des Exsudates nicht
entfalten können, bleibt die Dämpfung bestehen. Aehnliche
Veränderungen bietet der Pectoralfremitus.*)
Es ist nur noch der Einwand zu widerlegen, dass die Ate-
lectasen von Verstopfungen der Bronchien herrühren, und dass
die Veränderung der Lage die Expectoration und damit die Ent¬
faltung der Lunge begünstigt. Gegen diese Annahme lässt sich
anfQhren, dass keiner von den Patienten hustete oder auswarf,
und dass keine Rasselgeräusche in den betreffenden Thorax¬
partien zu constatiren waren.
Nimmt man meine Deutung der Thatsachen als richtig an,
so ergeben sich aus den erörterten Beobachtungen nicht un¬
wichtige Resultate für die Diagnose, Prognose und Behandlung
solcher mittelgrosser, pleuritischer Exsudate.
Man darf die Grösse des pleuritischen Ergusses
nicht gleich nach dem Aufsetzen aus der Höhe der
Dämpfungsgrenze bestimmen, sondern muss längere Zeit
tief respiriren lassen, dandt die collabirten Lungenpartien sich
wieder entfalten können. Vielleicht darf man nur den Bezirk
der intensivsten Dämpfung für die Bestimmung der Grösse des
Ergusses benutzen. Namentlich Exsudate, bei welchen der ge¬
dämpfte Schall an der Rückenfläche auffallend hoch hinauf¬
reicht, ohne dass an der Vorder- oder Seitenfläche des Thorax
entsprechende Dämpfung besteht, müssen zu einer Untersuchung
nach längerem Verbleiben in aufrechter Stellung auffordern.
Auch bei der (namentlich beim Bestehen lauten Bronchial-
athmens) oft schwierigen Entscheidung, ob man es mit reiner
Pleuritis oder mit einer complicirenden Pneumonie zu thun habe,
kann man beim Fehlen anderer für die Pneumonie characteri-
stischer Symptome, die nach tiefen Respirationen etwa eintreten¬
den Veränderungen des physicalischen Befundes als differential¬
diagnostisches Moment benutzen. Verschwindet das Bronchial-
athmen einige Zeit, nachdem der Patient sich aufgesetzt hat,
so ist natürlich nur eine Atelectase vorhanden. Den sichersten
Aufschluss verschafft allerdings in zweifelhaften Fällen die nicht
genug zu empfehlende Probepunction mit der Pravaz’schen Spritze.
Selbst für die Prognose lassen sich, wie schon oben erwähnt
ist, aus dem Bestehen solcher Veränderungen der Percussions¬
verhältnisse einige vorsichtige Schlüsse ziehen. Ist der Schall¬
wechsel sehr ausgesprochen, so kann man vielleicht eine gün-
*) Ich kann nicht unterlassen darauf hinzuweisen, dass die neuer¬
dings von Baccelli (Berl. klm. Wochenschr. XIV 21.; beschriebenen
und von Gerhardt bestätigten Differenzen in der Fortleitung der Stimm-
vibrationen bei serösen, eitrigen oder nicht homogenen pleuritischen Ex¬
sudaten vielleicht theilweise durch grössere oder geringere Ausbildung
der hier erörterten Atelectase bedingt sein mögen. Natürlich ist dabei
vorausgesetzt, dass die Atelectasen nicht durch bronchitische Processe
bedingt sind, und dass es sich eben nur um collabirte, nicht um
comprimirte Lungenpartien handelt.
Digitized by Gck igle
j stige Prognose stellen; doch müssen hierüber erst noch vielfache
Beobachtungen Aufschluss geben.
Was endlich die Verwerthung der beschriebenen Verhält¬
nisse für die Therapie anbelangt, so dürfte vielleicht eine me¬
thodische Lungengymnastik (öfter vorgenommene tiefe Athem-
züge) nicht ohne Werth sein, vorausgesetzt, dass die heftigsten
Entznndungserscheinungen bereits vorüber sind. Sind dieselben
noch vorherrschend, so wird ja wohl die Schmerzhaftigkeit der
Bewegungen jede stärkere Erweitung des Thorax verbieten;
haben sie aber bereits nachgelassen, so wird die methodische
Lungengymnastik dazu beitragen, dass die consecutiven Verän-
I derungen, welche in atelectatischen Partien einzutreten pflegen,
sich nicht oder nur in geringerem Grade ausbilden, dass end¬
lich die Respirationsfläche nicht übermässig verkleinert werde.
Jedoch auch, wenn sich noch keine bedeutenden Atelectasen
ausgebildet haben, wenn also durch tiefe Inspirationen nicht
direct luftleere Partien entfaltet werden, so wird doch, da ja
durch die Rückenlage (bei fieberhaften Krankheiten) die Con-
traction der Lunge (wegen geringerer Ausdehnungsfähigkeit des
Thorax) begünstigt wird, durch Aufsetzen und durch tiefe Athem-
züge der Ausbildung von secundären Atelectasen im Gegensätze
zu den primären, für welche das Exsudat direct Entstehungs¬
ursache ist, entgegengewirkt.
Zum Schluss möchte ich in Bezug auf das Baccelli’sche
i Phänomen noch bemerken, dass ich das Vorhandensein der exqui¬
siten Flüsterstimme bis jetzt fast stets bei der crupösen Pneu¬
monie und häufig bei chronischen (phthisischen) Infiltrationen,
namentlich der ünterlappen constatirt, dass ich es dagegen sehr
häufig selbst bei zellenarmen serösen pleuritischen Exsudaten
vermisst habe. Dies Verhältniss scheint mir zu beweisen, dass
das Phänomen seine Entstehung überhaupt nur der besseren
Leitung in dem Röhrensystem der Bronchien verdankt, und dass
es das analogon des Bronchialathmens darstellt. Es wird stets
dann vorhanden sein, wenn das Lungengewebe luftleer geworden
ist (durch Infiltration oder Retraction), ohne dass die Bron¬
chien comprimirt oder verstopft sind. Bis jetzt habe ich fast
überall da, wo man lautes Bronchialathmen hörte, anch das
Vorhandensein der Flüsterstimme constatirt.
UI. Yarläifige Mittheilug Aber Stiekstef-Iahalatiea.
Von
Dr. Treutier in Blasewitz bei Dresden.
Angeregt durch die günstigen Erfolge bei vielen Lungen¬
kranken nach dem Gebrauche der Stickstoff-Inhalation im Insel¬
bad, ist es mir nach vielen Versuchen und Bemühungen ge¬
lungen, den Stickstoff zum Zwecke der Einathmung bei dem
Gebrauche der pneumatischen Apparate leicht und mit geringen
Kosten herzustellen. Ich behalte mir für später vor, über diese
Bereitungsweise*) Mittheilung zu machen, und erlaube mir für
jetzt nur einige hierauf bezügliche Krankheitsfälle zu veröffent¬
lichen.
Von ca. 90 bisher behandelten Fällen entnehme ich dem
Krankenjournal nachfolgende Beispiele, welche als verschiedene
Entwicklungsformen chronischer Lungenerkrankung, sowie da-
! durch, dass sie meist noch längere Zeit nach erfolgter Cur der
Beobachtung zugänglich blieben, mir zur Mittbeilung resp. Be-
urtheilung der Methode geeignet erscheinen.
I. Beginnende Erkrankung, jugendliches Alter.
1. Agnes T., 13 Jahre alt, Getreidehändlerstochter (über¬
wiesen von Dr. Kretschmar in Stolpen), aufgenommen 16. Fe¬
bruar 1877. Seit 1 Jahr Stechen in der linken Seite, kurzer
*) Die vom Kaiserl. Reichsamt patentirt ist, und über die ich bereit bin,
' sich hierfür speciell interessirenden Collcgen nähere Auskunft zu ertheilen.
Original from 2 *
UNIVERSITY OF MICHIGAN
164
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No 12
Athem, Husten, besonders Nachts, meist trocken, Frösteln und
Hitze, Mattigkeit, Herzklopfen. Vater und ein löjähr. Bruder
starben an Schwindsucht. Thorax flach, Schultern herabhängend,
L. bis 4. Rippe abwärts weniger beweglich; Percussionsschall
am rechten Schulterblatt leicht gedämpft. L. rauhes, ver¬
schärftes Athmen, in beiden Spitzen feinblasiges Rasseln. —
Aussehen sehr anämisch, Resp. 30, Durchschnittstemperatur 38,2.
Gewicht 80 Pfund. Brustumfänge und Excursion oben 67 bis
69 Cm., mitten 637, bis 66, unten 567, bis 59 (also Excur¬
sion resp. 2, 27,, 27, Cm.), Capacität 570 Ctm.
Befund am 16. April: Subjective Beschwerden beseitigt,
Appetit und Aussehen gut. Resp. 17, Temp. 36,8. Gewicht 84.
Brustumfänge etc. 0 . 67 bis 71, m. 64 bis 67, u. 587, bis 63 */*.
Cap. 1100. Catarrli — zuletzt links — völlig geschwunden.
P. stellt sich im November wieder vor, hat sich kräftig
entwickelt und ist völlig frei von bedenklichen Symptomen; im
Januar c. dasselbe Befinden brieflich bestätigt.
2. Frau P., 27 J., Müllersfrau, aufgenommen 18. Juni 1877.
Seit Anfang Januar erst trockener Husten, dann mit morgend¬
lichem grünen Auswurf, Stechen in den Schultern, Abmagerung.
P. sehr schlank, hager und bleich, Brust flach, Dämpfung L. H.
in der Fossa supraspin., Catarrh beider Spitzen.
24. Juli geheilt entlasssn, im November vorgestellt, völlig
frei von subjectiven und objectiven Schäden; kräftiger geworden.
11. Vorgeschrittene Erkrankungen.
3. Gustav G., Tischler, 35 J. (von Dr. Donau, Dresden),
aufgenommen 15. Juli 1876. Im Frühjahr 1875 rechtsseitige
Pleuritis von 11 wöchentlicher Dauer. Rückbleibender Husten
steigert sich bis Mai, gepaart mit Stechen, Brennen, starkem
Auswurf, erschöpfenden Schweissen und nicht zu stillender
Diarrhoe (seit 10 Wochen), enorme Kurzathmigkeit, Abmagerung j
und Schwäche. Mutter und sechs Geschwister starben an ,
Lungenkrankheit (?), ebenso die Kinder des Onkels.
Thorax leidlich gewölbt, R. 0. höherer, kurzer Percussions- j
schall, saceadirte Insp., beiderseits verschärfte und verlängerte |
Exsp., beiderseits Spitzenrasseln. Resp. 36 (sehr oberfl.), Temp. ,
äs, 6. Gewicht 117 Pfund. Capac. 1000 Om. — Ordin.: 2 mal !
täglich Inhalation mit 17% Ogehalt. — Aussetzen aller Me¬
diation.
Nach 5 Tagen Diarrhoe, nach 8 Tagen Schweisse beseitigt,
nach 6 Wochen (27. August) entlassen: Catarrh beseitigt, rechts
noch verlängerte Exsp., Husten noch vorhanden, Resp. 22,
Gewicht 125 Pfund, Temp. 36.8, Capac. 1400.
P. ist nachträglich viel stärker geworden, hat den Winter
1876 1877 und auch den gegenwärtigen bis jetzt sehr gut ver¬
bracht.
4. Theodor H., 10 J., Klempner (von Dr. Eales, Dresden,
als aufgegebenes Versuchsobject), aufgenommen 20. Juli 1876.
Anfang Februar bis Mitte März Pneumonie, seitdem Stechen in
Brust und Rücken, hochgradige Kurzathmigkeit, Körperschwäche
und Abmagerung, colliquative Schweisse, Husten mit Auswurf.
Sternum im unteren Drittel tief eingedrückt; die ganze rechte
Thoraxhälfte dehnt sich nur wenig aus, daselbst namentlich
hinten allgemeine Dämpfung, vorn tympanitisch. — R. unbe¬
stimmtes, L. w r eit verbreitetes saccadirtes Athmen. In der
rechten Spitze klingendes Rasseln, übrigens hie und da Rassein.
Aussehen aschfarben, bleich, grösste Erschöpfung bei geringer
Bewegung. Resp. 28, Temp. 38.5. Gewicht 116 Pfund. Capac.
650. Brustumfänge 81 — 83, 75' /,— 78%, 71 — 74. — Ordin.:
Inhalation 2 mal 17% Ogehalt.
P. fühlt sich schon nach 4 Tagen so kräftig, dass er den
Weg von der Stadt (1 Stunde) zu Kuss geht. Nach 14 Tagen
Nachtschwefase geschwunden, Dämpfung nur noch hinten, unten
handtellergross. Rasseln nicht zu hören. Bei der Entlassung
am 27 August ist: Resp. 19, Temp. 36,7. Gewicht 125 Pfund.
Capac. 1100.
(P. wurde im Winter 1876 in der Gesellschaft für Natur-
und Heilkunde vorgestellt, dort mehrfach untersucht, für genesen
erklärt und ist noch heut völlig gesund.)
. III. (avernen, Phthisis im letzten Stad. etc.
5. Frl. Fanny S., 20 J. (Geh.-R. Dr. Pusinelli, Dresden),
aufgenommen 28. März 1877. Vor 3 Jahren linksseitige, im
September 1876 rechtsseitige exsudative Pleuritis. Seitdem
Husten, Stechen, Schweisse, Fieberbewegungen, bedeutende Ab¬
magerung, Schwäche, Appetitlosigkeit.
P. gross und schlank, sehr anämisch, Thorax flach, rechts
geringe Excursion. R. H. bis zur Mitte der Scapula, abwärts
Dämpfung, daselbst unbestimmtes, z. Th. bronchiales Athmen,
klingendes Rasseln. Vorn an der Schulterspitze unbestimmtes
Athmen. Resp. 32, Temp. 38,5. Gewicht 112 Pfund.
4. Mai. Allgemeinbefinden ausgezeichnet, Aussehen blühend,
subjective Klagen bis auf rauhen (Kehlkopf-) Husten sämmtlich
geschwunden. — Dämpfung hinten geringer, aber noch vor¬
handen, Bronchialathmen dagegen fehlt, ebenso die consonirenden
Geräusche. Resp. noch rauh, 18, Temp. constant 37,0. Gewicht
121 Pfund. P. ging zur Nachcur nach Reiboldsgrün (Höhen¬
klima) und ist jetzt verheirathet.
6. F. H., Stud. jur., 22 J. (von Geh.-R. Wilms und Dr.
Jacobsohn, Berlin), aufgenommen 13. Mai 1877, aus gesunder
Familie, stets selbst gesund und kräftig, bekam vor 4 Jahren
nach Tanzen Blutsturz, seitdem Husten, Stechen, Abmagerung,
in letztzter Zeit rapid zunehmend, Fieber, Nachtschweisse.
Thorax rechts flacher, rechte Schulter herabhängend, Su-
praclaviculargegend eingesunken; R. vorn bis 3. Rippe kurze,
höhere Perc., hinten beträchtliche Dämpfung bis zur Angul.
scapul. abwärts. Daselbst Bronchialathmen, starke Broncbo-
phonie, ungleichblasiges klingendes Rasseln, weit verbreitet.
(Schallhöhewechsel nicht deutlich wahrnehmbar.) Sehr anämisch.
Gewicht früher 150, ist in den letzten 4 Wochen auf 113 ge¬
sunken Temp. 38,7. Capac. 800.
10. Juli entlassen mit vorzüglichem Allgemeinbefinden.
Temp. 37,0. Gewicht 121 Pfund. Capac. 2400.
P. ging, gegen meinen Rath zu seiner Familie in den Harz,
verschlechterte sich dort anfangs wieder, schreibt jedoch neuer¬
dings von wesentlicher Zunahme der Kräfte.
7. Frau K., Kaufmaunsfrau, 27 J. (San.-R. Abarbanell,
Berlin), aufgenommen am 9. April 1877. Erkrankt im Herbst
v. J. nach Wochenbett mit Hüsteln, flüchtigen Stichen; seitdem
zunehmende Entkräftigung, Abmagerung starkes Fieber, colli¬
quative Schweisse und Diarrhöen, welche sie seit 4 Wochen
ans Bett fesseln. Wird als unrettbar, nur auf dringendes Bitten
der Angehörigen aufgenommen. Untersuchung findet wegen zu
grosser Schwäche erst am 21. April nach 12 Inhalationen, wo¬
rauf P. erst wieder im Stande ist allein zu g^hen, statt und
ergiebt: Grosse Caverne in der linken Spitze, Infiltration der
ganzen linken Thoraxhälfte, rechts ebenfalls aber geringere In¬
filtration ohne deutliche Symptome vorhandener Höhlenbildung,
hohes Fieber, Temp. 39.5, Gewicht 95 Pfund, Capacität 500.
Wider Erwarten verschwindet Diarrhoe nach 4, Schweisse nach
6 Tagen, Appetit und Kräfte heben sich langsam; Temperatur
steigt anfangs über 40, fällt erst seit dem 29. April auf 38.3.
Am 21. Mai nach fortschreitender Kräftigung, findet man sie,
kurz nach starker Gemüthserregung todt auf ihrem Sop'ia. Der
Sectiousbericht von Dr. Birch-Hirschfeld ergiebt: Grosse
Caverne L. 0., zahlreiche kleinere im unteren Lappen. Die
Zwischensubstanz fast durchweg grauweiss bis gelbweiss infil-
trirt. Rechts zahlreiche, gelbweisse, trockene Herde, in der
Spitze eine narbige Schwiele, im ganzen etwa zu % ausser
Original fro-m
UNIVERSITf OF MICHIGAN
25 März 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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Function, sehr blutarm. Der Tod ist durch Herzparalyse
erfolgt.
Interessant ist in diesem Fall, die wenn auch vorüber¬
gehende, dennoch auffallende Wirkung der Inhalation selbst im
letzten Stadium der Phthisis.
Als von besonderem practischen Interesse möchte ich noch
einen Fall erwähnen, weil derselbe eine gravida betrifft, deren
Wochenbett — welches sonst bekanntlich nur die schlechteste
Prognose gestattet — günstig verlaufen ist.
8. Frau W., Fabrikbesitzersfrau, 37 Jahre, aufgenommen
zuerst am 19. October 1876 und zum 2. Mal am 22. Mai 1877.
Im Erühjahr 1874, im 6. Monat schwanger, trat nach rechts¬
seitiger Pleuritis Abortus, danach Kindbettfieber (?) mit an¬
dauerndem Husten ein. Im Juli desselben Jahres linksseitige
Pleuritis. Landaufenthalt mit Milchcur. 1875 Hämoptysis, da¬
nach wie auch Sommer 1876 in Streitberg, von da am 19. Oc¬
tober 1876 zu mir mit anhaltendem Husten, besonders Nachts
und Morgens, meist trocken, zuweilen mit gelblichem Auswurf.
Stechen rechts oben und links unten.
Brust leidlich gebaut, rechts wenig beweglich, hinten bis
zur 9. Rippe abwärts Dämpfung, starke Reibungsgeräusche,
Rasseln in der Spitze.
P. konnte nur wenig Wochen wegen rauher Witterung blei¬
ben und wurde bald nach ihrer Rückkehr schwanger; sie kehrte
deshalb im Mai wieder, wo beiderseits Spitzencatarrh bestand.
Das Allgemeinbefinden war — wie meist während der Gravi¬
dität — gut.
P. benutzte die N. Inhalationen bis 2 Tage vor ihrer im
Juli erfolgenden Entbindung, wo der Catarrh verschwunden war.
Sie hat das Wochenbett gut überstanden und befand sich im
Januar er., laut Nachricht, noch wohl.
Aehnliche Fälle sind mir leider nicht vorgekommen.
IV. Totale Knickung des einen Zwillingskindes nnd
Austreibung der Frucht conduplicato corpore bei
zweiter Beckenendlage.
Beobachtet von
Pr. Rudolf Birnbaum, praktischem Arzte in Sehwalbach.
Am 6. März 1875 Morgens 10 Uhr wurde ich zu einer Primipara
über Land gerufen, weil „der dicken Eihäute halber der Blasen¬
sprung trotz guter Wehen nicht erfolgen könne.“ Die Frau be¬
fand sich am richtigen Ende der Schwangerschaft, die Wehen¬
thätigkeit hatte am Abend zuvor gegen 11 Uhr begonnen. Der
Ueib war besonders nach oben und rechts sehr stark aus¬
gedehnt und prall; in der oberen rechten Seite des Fundus
hess sich ein fester runder Körper durchfülilen; in der unteren
Bauchgegend machte die Straffheit der Bauchdecken eine palpa-
torisclie Diagnose unmöglich. Die Portio vaginalis war nicht
ganz verstrichen; durch den etwa in der Grösse eines Mark¬
stückes eröffneten Muttermund waren während jeder Wehe die
hart gespannten Eihäute durchzufühlen. Ich glaubte deshalb
die Frau, welche frei von Fieber und sehr kräftig war, sich
selbst überlassen zu können, besuchte sie im Laufe des Tages
uoch zweimal und fand gegen Abend die Geburt so weit vor¬
geschritten, dass der Blasensprung bei weit geöffnetem Mutter¬
munde und guter Wehenthätigkeit sehr bald erfolgen musste,
tm 7 1 , Uhr sprang die Blase spontan und in sehr kurzer Zeit
erfolgte in I Schädellage die spontane Geburt eines normalen
scheintodten Knaben. Nachdem ich etwa zehn Minuten mit der
Belebung desselben, welche mir auch gelang, beschäftigt ge-
Wesen ? fand ich, da die Placenta nicht folgte, bei der deshalb
unternommenen Untersuchung ein in den leicht contrahirten
Muttermund hineinragendes Händchen eines zweiten Kindes. Bei
der durch die sich steigernde Wehenthätigkeit sehr erschwerten
fortgesetzten Untersuchung ergab sich, dass dieses zweite Kind
nicht, wie ich aus dem Herabtreten des rechten Armes zuerst
geschlossen hatte, in Querlage sich befand; denn an dem Arm
in die Höhe gehend, fand ich den Kopf der Frucht in der rechten
oberen Fundushälfte von den Unterschenkeln wie von einer
Gabel umfasst. Bei der sich so darbietenden zweiten Becken¬
lage (zweiten Unterart — Naegele) war aber der Steiss nicht
der am meisten nach unten stehende Kindstheil; ich fand den¬
selben vielmehr erst, als ich statt mit der lmken mit der rechten
Hand untersuchte, und zwar war er nach vorn den mütterlichen
Bauchdecken zugekehrt, und die Unterextremitäten waren ganz
' in die Höhe geschlagen. Meine Versuche, zuerst die Wendung
auf die Füsse, und als dies nicht gelang, die auf den Kopf aus-
j zufüliren, waren ohne Erfolg. Da die Wehenthätigkeit geringer
wurde und keine Herztöne hörbar waren, hielt ich die Zer-
! Stückelung des Kindes für den geeignetsten Weg zur Beendigung
| der Geburt, schob diese jedoch, da weder Blutung noch sonstige
I dringende Indication Vorlagen, bis zur Ankunft eines Collegen,
welche etwa gegen Mitternacht erfolgen konnte, hinaus. Gegen
10 Uhr wurden jedoch die Wehen wieder kräftiger und die
Zwischenräume kürzer und gegen 11 Uhr trat zuerst das linke
• Hypochondrium des Kindes im zweiten schrägen Durchmesser
I durch den Beckenausgang, und schnell folgte bei leichter Drehung
| nach links und hinten der an den Thorax des Kindes dicht an-
| gepresste, nach oben gerichtete Steiss und bei immer stärkerer
| Drehung nach links und hinten der zwischen die Unterschenkel
; eingeschlagene Kopf in rascher Bewegung.
Das so geborene todtfaule sehr kleine Kind bot einen merk-
! würdigen Anblick. Der Rücken zeigte eine Knickungslinie, welche
vom linken Hypochondrium quer aufwärts nach der rechten
! Axillarlinie ging; den entsprechenden Verlauf hielt die vordere
I Knickungslinie ein, in welcher die Haut äusserst dünn, durch-
' scheinend und faltenreich war, während die über der Rücken¬
knickung ad maximum gespannt erschien. Im übrigen war die
Frucht dem Ende des sechsten Monats entsprechend ausgebildet
und ohne andere Abnormität. Ein Fall oder sonstige Störung
war in der Schwangerschaft nicht beobachtet worden.
Dass es sich hier nicht um einen der zuweilen beobachteten
Fälle von „Selbstentwickelung“ handelt, dafür spricht erstens
der Umstand, dass diese (soweit mir bekannt) bisher nur bei
Scliulterlageu beobachtet wurde, ferner und hauptsächlich dass
ich die Knickung des Rumpfes schon in dem Augenblicke fest¬
stellen konnte, als ich mich vom Vorhandensein einer zweiten,
noch gar nicht in’s kleine Becken eingetretenen Frucht über¬
zeugte. Während bei der sogenannten Selbstentwickelung die
! Knickung erst in partu durch das Durchschneiden der Frucht
I herbeigeführt wird, ist hier unzweifelhaft dieselbe, schon ehe
! das erste Kind geboren war, zu Stande gekommen.
V. Kritik.
Geschichte der Ophthalmologie von Prof. August Hirsch in
Berlin. (Handbuch der Augenheilkunde von A. Gräfe und Th.
Sämisch, VH. 2. 235—554. Leipzig 1877.)
Wie die Geschichte eines Volkes erst im Zusammenhang mit der
seiner Nachbarn und Zeitgenossen lehrreich und verständlich wird, so
kann die Geschichte einer Wissenschaft nur im Zusammenhang mit
der der übrigen Disciplinen, mit denen sic im Wechselaustausch des
Gebens und Empiängens gestanden, vollständig begriffen werden. Die
Geschichte der Augenheilkunde, welche Prof. Ä. Hirsch uns geliefert,
ist ein Capitel aus einer Culturgeschiehte des Menschengeschlechtes von
den ältesten historischen Zeiten bis auf unsere Tage. Wenn wir nicht
irren, war die Herausgabe des grossen Handbuches der gesammten Augen¬
heilkunde. in welchem die deutsche Mediein des letzten Drittels unseres
Jahrhundert# ein würdiges Denkmal und eine Leistung von bleibendem
Werthe hervorgebracht, nur die äussere Veranlassung zu diesem Werk,
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Original from
UNIVERSETY OF MICHIGAN
166
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 12
das zum ersten Mal den gewaltigen StoiT gesammelt und kritisch ver¬
arbeitet hat; der Plan des Werkes und die Vorarbeiten reichen weiter
zurück, in jene Zeit, wo A. v. Gräfe zur Entscheidung wichtiger Fragen
aus der Geschichte der Ophthalmologie, z. B. über das Alter der Staarex-
traction, die collegiale Unterstützung des Verfassers in Anspruch nahm,
und mit der Vertiefung in den Gegenstand sowohl das Interesse wuchs,
als auch das Bedürfniss, der relativ vollendetsten Disciplin der Heilkunde
die Darstellung ihrer geschichtlichen Entwicklung nicht länger vorzu¬
enthalten. sich immer dringender geltend machte. Es ist nicht so leicht,
der Vorzeit völlig gerecht zu werden, namentlich auf dem Gebiete der
angewendeten Physik, wo die letzten 200 Jahre mit ihrer streng expe-
rimentirenden Richtung einen solchen Umschwung hervorgebracht, dass
es uns fast schwer fällt, die Sprache der Vorfahren zu verstehen, selbst
wenn wir den grammatischen Sinn ihrer Worte völlig begreifen.
Nur die Erkenntniss der stetigen, wenn auch keineswegs gleich-
massigen Entwicklung der Wissenschaft vermag uns sicher zu leiten.
Immer haben wir zu fragen: was hat eine Periode den folgenden, was
hat ein Volk den späteren, was hat der einzelne seinen Nachfolgern
an befruchtenden Ideen und bleibenden Errungenschaften hinterlassen?
Von diesem Gesichtspunkt aus konnte den orientalischen, zwar
relativ früh vollendeten . aber nach aussen hin streng abgeschlossenen
Culturen der Egyptcr und Inder nur eine kurze einleitende Betrachtung
gewidmet werden. Hinsichtlich der Egypter schliosst sich A. Hirsch
nicht jenen Enthusiasten an, welche uns neuerdings so vielfach, auch
in den politischen Zeitungen, von der tiefen Weisheit und den gründ¬
lichen physicalischen Kenntnissen der alten Bebauer des Nilthaies unter¬
halten. Dass die griechische Medicin und speciell Ophthalmologie ganz
wesentlich auf der egyptisc.hen beruhe, dürfte doch schon nach dem
competenten Urtheil des Galen hinfällig werden, der die 6 heiligen
Bücher gekannt und sie für albernes Geschwätz erklärt hat. (al eööyXovoTt
iraaat Aypog iun ) Uebrigens werden wir hierüber bald genaueres wissen,
wenn Prof. Ebers seinen berühmten Papyros über die Arzneimittel, der
wahrscheinlich das 4. jener 6 hermetischen Bücher darstellt und 1562
v. Chr. geschrieben ist, übersetzt haben wird.*)
Die indische Medicin (Charake, Susruta) hat sich nicht über
das Niveau einer von theosophisch-philosophischen Speculationen getrage¬
nen rohen Empirie erhoben; in dem künstlichen Aufbau, der ihr schein¬
bar eine systematische Abrundung gegeben, ist keine Spur eines anato¬
mischen Verständnisses, einer wissenschaftlichen Bearbeitung zu finden.
Susruta giebt die ausführliche Beschreibung einer Methode, (ien grauen
Staar von einem Einstich in der Sclera aus niederzudrücken, eine Methode,
die sich genau in der vorgeschriebenen Weise bei den Empirikern in
Indien, Persien, Centralasien bis in unser Jahrhundert hinein erhalten
zu haben scheint. (Von den Chinesen wird uns nichts mitgetheilt,
wahrscheinlich weil nichts sicheres mitzutheilen ist.)
Die Heilkunde bei den Griechen hat ursprünglich denselben An¬
fang genommen, wie bei den Culturvölkem des Orients. Ueber die vor-
alexandrinische Zeit kann die Sammlung der Hippocratischen Schriften,
die naturwissenschaftlichen Arbeiten des Aristoteles und seiner Schüler
sowie Fragmente aus den Philosophen uns Aufschluss geben. Die Kennt¬
nisse von der Anatomie des Auges waren oberflächlich, jedoch die drei
Häute und die Augenfeuchtigkeit, sowie die Sehnerven (ro/ooe), die zum
Gehirn führen, bekannt.
Bezüglich der Theorie der Gesichts Wahrnehmungen hat Aristoteles
das bedeutendste geleistet. Er erklärt das Licht für eine Bewegung,
die sich auch den durchsichtigen Mitteln des Auges mittheilt und erfasst
die Aehnlichkeit der Licht- und Schallbewegung. Die eigentliche Oph¬
thalmologie trägt den Stempel des dogmatischen Humorismus; der Catarrh
dominirt. Unter den ätiologischen Momenten der Augen krank hei ten
werden traumatische, en- und epidemische, Witterungs-Einflüsse, Conta-
gion, Hirnkrankheiten u. a. richtig hervorgehoben. Die Entzündungen
werden nach der Art der Absonderung und nach der Schwere des Ver¬
laufs, aber nicht nach dem anatomischen Sitze unterschieden. Der leichte
Catarrhus senilis wie die schweren Schleimflüsse, Hornhautgcschwüre
und ihre Folgen, Hypopyon, Blutung in die Vorderkammer waren wohl
bekannt. Amblyopie (Amaurose) wird als eine besonders bei Greisen
und auch in Folge der Hirnwassersucht vorkommende Krankheit beschrie¬
ben. [Eine berühmte Stelle in der pseudohippocratischen Schrift von der
Sehkraft lautet: „Wenn jemand bei gesunden Augen die Sehkraft verliert,
so muss man am Vorderkopf einschneiden, die Haut ablösen, den Knochen
aussägen und so die Wasseransammlung ablassen. Auf diese Weise
werden die Augen hergestellt.“ Wer wird diese Stelle noch für einen
kölschen Scherz halten, wenn er liest, dass Ogston und Dyee David¬
son zu Aberdeen am 24. Februar 1876 einen 39jähr. Schiffszimmermann,
der vier Jahre lang an Himsymptomen und schwerer Amblyopie durch
Sehnervenatrophie gelitten, durch Trepanation und Entleerung von
250 Gramm Eiter geheilt haben? Vgl. Centralblatt für Augenheilkunde
*) Dr. Magnus (Geschichte des gauen Staares, Leipzig 1876, p. 3)
ist mit Stern, dem Mitherausgeber des Papyros Ebers, der Ansicht,
dass die daselbst als „ach ento muau em erd“ d. h. das Aufsteigen des
Wassers im Auge bezeichnete Krankheit den grauen Staar bedeute, da
der alexandrinische Ausdruck unoxuoig, oder Ergiessung (Suffusio) und
der mittelalterilch-arabische „Nusul ul Ma“ d. h. Herabsteigen des Wassers
im Auge“ sich gleichfalls auf den Staar beziehen. Wenn es aber ibidem
(p. 77) von den egyptischen Augenärzten heisst: „Ich neige mich der
Ansicht zu, dass sie die Scleroticonyxis ausgeführt haben,“ so ist dies
eine blosse Hypothese.
1877, p. 89.] Unter Glaucosis wird neben anderem auch der graue Staar
beschrieben und für unheilbar erklärt. Strabismus wird zu den erblichen
Krankheiten gezählt und als Folge tief eingewurzelter Epilepsie erwähnt.
Die Liddeformationen werden ausführlich, die Krankheiten der Thränenor-
gane gar nicht besprochen. In der Therapie kam es neben der Schonung
des Organs hauptsächlich auf „Ableitung vom Kopfe“ an; neben Aderlässen
spielten die Ustio venarum und tiefe Einschnitte in die Schädeldecken eine
grosse Rolle. Bei acuten Ophthalmien wurden Topiea verworfen, bei
chronischen namentlich schon Kupfer und Blei angewendet Trachom
wurde mechanisch zerstört (Blepharoxysis, noch heute in Griechenland
und der Levante üblich); Triehiasis mit Epilation, Entropium mittelst
einer Fadenoperation beseitigt. Vergleicht der moderne Kaukasier alles,
was von wörtlichen Uebersetzungen der alt-egyptischen und alt-indischen
Literatur existirt. mit diesen hippocratischen Schriften, so kann er das
Bekenntniss nicht zurück halten: „Du, Geist von Hellas, bist mir näher.“
Mit dem Hinüberführen der griechischen Medicin auf den Boden
Alexandriens beginnt für dieselbe eine neue Phase der Entwicklung,
wesentlich bedingt durch die Bearbeitung der Anatomie. Unter egyp-
tischem Einfluss scheint hier das Specialistenthum in der Auscnheilkunde
seinen Anfang genommen zu haben, das nachher auf römischem Boden
zur höchsten Bliithe gelangte, aber wegen der Trennung von dem Mutter¬
boden der gesammten Heilkunde zu dem Verfall dieses Zweiges der
Medicin nicht wenig beigetragen. Aus der römischen Kaiserzeit besitzen
w T ir zahlreiche Stempel für Collyrien. Die wichtigste Quelle für
diese Periode ist Celsus. Von Rufus (zur Zeit des Nero) haben wir
eine exacte Beschreibung der Häute und Flüssigkeiten des Auges, ein¬
schliesslich des Crystallkörpers, von dem nach Celsus die Sehkraft
ausgeht: eine Ansicht, die bis zur Wiedergeburt der Wissenschaften die
herrschende geblieben. Der Fortschritt in der Physiologie ist gering,
bedeutender in der Nosologie und besonders in der operativen Technik.
Für Ophthalmie hat Celsus den Begriff Lippitudo und unterscheidet
mehr trockene und feuchtere Formen (L. arida und scabra oder ^po^aXfua
und tpwpo^^aXpMt). Characteristisch schildert er das Trachom (Aspritudo),
welches den Patienten das Leben verbittert. Prognostisch werden die
seit dem frühesten Alter bestehenden Schleimflüsse für unheilbar erklärt;
therajieutisch die Ableitungen der Hippocratischen Schule beibeihalten,
in die Incisionen der Schädclgcgend Methode gebracht, adstringirende
Collyrien nur bei chronischen Entzündungen oder nach der Acme der
acuten angewendet und gegen die Aspritudo die Hippoeratische Blepha-
roxysis mit der rauhen Seite eines Feigenblattes u. s. w. empfohlen.
Geschwüre und ihre Folgen, sowie Exophthalmus werden beschrieben,
der letzte auch durch partielle Excision behandelt. Pterygium wird
mittelst einer Fadenschlinge vom Bulbus gelöst, mit dem Scalpelstiel
abpräparirt und excidirt, Staphylom wird unterbunden oder partiell
excidirt. Glaucom und Hypochyma werden jetzt getrennt; ersteres ist
bläuliche Verfärbung des Crystallkörpers, letzteres entsteht durch Ein¬
dickung der zwischen Crystall und Cornea befindlichen Feuchtigkeit.
Es werden heilbare und unheilbare Fälle der Suffusio unterschieden.
Von der operativen Behandlung des Staares mittelst der Reelination
giebt Celsus eine berühmte und klassische Beschreibung. Pliriius
erwähnt, dass man „zur Parasentese“ die Pupille mittelst der Einträufe¬
lung des Anagallissaftes erweitert. Natürlich gingen auch ausser Linsen¬
trübungen verschiedene andere Zustände, z. B. Pupillenverschluss, als
Hypochyma. Der nosologische Begriff der Cataract im modernen Sinne
war den Alten unbekannt. Cataractextraction wird in der vorchrist¬
lichen Zeit nirgends erwähnt. Celsus beschreibt die Thränenfistel als
Aegilops und giebt die cauterisirende Behandlung an, beschreibt die Ger¬
sten- und Hagelkörner der Lider (xpc$y und ^aAaCtov) und räth die tnci-
sion, bei den letzteren auch von innen her, wie wir es heute noch üben;
beschreibt die Balggeschwülste (a&ijpatßara)^ bei deren Operation Helio-
dorus vor dem Anschneiden des Balges warnt, da langwierige Eiterung
folgt: eine sehr richtige Bemerkung. Gegen Triehiasis und Distichiasis
empfiehlt Celsus Cautcrisationen mit einer rothglühenden Nadel (Webe r’s
Operation) und erwähnt die Illaqueatio: Man durchsticht den Lidrand mit
einer Nadel und führt das Haar mittelst einer Fadenschlinge nach aussen
(S n e 11 e n’s Operat ion). Gegen Entropium empfiehlt er Excision einer Haut¬
falte mit nachfolgender Sutur und sorgsamster Abmessung, sowie auch Inci-
sion der inneren Lidfläche parallel dem Hornhautrande (Burow’s Ope¬
ration). Hochgradiger Lagophthalmus ist ihm unheilbar; bei Entropium
räth er Cauterisation der Lidcutis an, bei Ankyloblepharos Trennung
auf der Hohlsonde, während ihm die Trennung der mit dem Aug¬
apfel verwachsenen Lider nie geglückt ist.
Die Glanzperiode der griechischen Heilkunde beginnt mit Galen
(130—160 n. Chr.) und dauert bis zum Sturze Alexandriens, also
600 Jahre. Die Anatomie und Physiologie, wie sie aus den Händen dieses
grossen Gelehrten hervorgegangen, ist das Evangelium für die Folge¬
zeit bis zum 16. Jahrhundert geblieben. Leider sind von seinen
Schriften diejenigen, welche die Ophthalmologie speciell behandeln, ver¬
loren gegangen. Seine Beschreibung des Auges (de usu partium) —
nach Studien an grösseren SäugeIhieren — ist geradezu klassisch. Er
erwähnt die Ciliarfortsätze und das Lig. ciliare; die Sehnerven, die sich
im Chiasma nur einfach an einander lagern, und die sich in der Netzhaut
flächenartig ausbreiten. Es ist natürlich, dass er dem menschlichen Auge
nicht 6 Muskeln vindicirt, sondern auch den 7. (Retractor), den unsere
thierischen Anverwandten besitzen. Die Thränen-Drüse und Leitungs¬
apparate werden zum ersten Mal genau beschrieben. Sehnerv und Netz¬
haut sind Leiter, der Crystall ist das Sehorgan, von dem das durch die
Poroi aus dem Hirn ihm gelieferte Pneuma ausströmt in Form eines
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25. März 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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Lichtstrahlen-Kegels. Auf der Linsenkapsel sollen die Bilder der äusseren
Gegenstände entworfen werden. In der Pathologie erhebt sich Galen
meist nur in formeller Hinsicht über seine Vorgänger. Unter Ophthalmie j
versteht er Entzündung der Bindehant (pXey/iovr) tou empuxöros öfitvog j
t? xeparoetd&e) und erwähnt auch ins besondere Entzündung der Horn- |
haut. Eine klare Beschreibung des idiopathischen Trachoma und seines 1
rebellen Characters haben wir von Severus. Die Therapie der Hippo-
cratiker hat Galen beibehalten, als mildes Topicum das Opium ein¬
geführt und die Blepharoxysis durch Collyrien ersetzt, während Severus
die methodische Aetzung mit nachfolgender Neutralisation gelehrt hat.
Mit grosser Genauigkeit werden Hornhautgeschwüre, bei denen reizende
Collyrien zu meiden, ihre Folgen, Irisvorfall, Staphylom, Flecken und
Narben beschrieben, die bereits tätowirt werden. (Operation von Wecker
1872). Hypopyon wird sorgsam geschildert, durch Schütteln des Kopfes
vom Hypochyma diagnostisch getrennt und durch Punction der Horn¬
haut geheilt. Ebenso wird die Iritis und die hintere Synechie erkannt.
Bezüglich des Hypochyma wird die Depression (nach Celsus) gerühmt
und die Discision des Milchstaars für jeden, der sie aus Erfahrung kennt,
auf das trefflichste beschrieben. („Mitunter ist das Hypochyma flüssig;
wenn man es punctirt, fliesst es sogleich auseinander; aber nach kurzer
Zeit schlägt sich ein Bodensatz nieder“.) Die Möglichkeit der Cataract¬
extraction wird wenigstens erwähnt, Glaucom für unheilbar erklärt.
Die mechanische Behandlung der Thränenleiden und Lidaffectionen wurde
wesentlich gefordert, und viele Bemerkungen stimmen durchaus mit den
heutigen Erfahrungen.
Nach der traurigen Periode des sterilen Mittelalters bildet das 16.
Jahrhundert einen der wichtigsten Marksteine in der allgemeinen cultur-
geschichtlichen wie auch speciell ophthalmologischen Entwickelung. Die
Anatomie des Auges wurde neu begründet und mit der Dioptrik der
sphärischen Flächen auch die des Auges von Kepplcr festgestellt und
von Scheiner und Descartes erweitert. Langsamer war, im Kampf
mit den empirischen Staarstechern. der Fortschritt der Ophthalmochirurgie
durch Andr. Parö (1590+) in Frankreich. Fabrizio (geb. 1537) in
Italien und Bartisch (geb. Anfangs des XVI. Jahrhunderts) in Deutsch¬
land. Der letztere hat zuletzt die Exstirpatio bulbi wegen Krebs ausgeführt;
er warnte bereits vor dem Missbrauch der Brillen*). Die Geschichte
der Cataract lehrt die Macht eines tief eingewurzelten Vorurtheils. Nur
langsam gelang es den Arbeiten von Lasnier, Quarre, Borei, Rolfink
um die Mitte des 17. Jahrhunderts den Sitz der Cataract in der Linse
fest zu stellen und so Da viel den Weg zu bahnen für die von ihm
(1746) erfundene Methode der Cataractextraction. Im 18. Jahrhundert
wurde die feinere Anatomie des Auges durch Albinus, A. v. Haller,
Zinn, Win slow, Somme ring u. a., die physiologische Optik durch
Newton, Porterfield, Jurin, A. v. Haller, Thomas Young
u. a. wesentlich gefördert. Haller fasste zuerst die Lichtbewegung als
Reiz der Sehnervcnfasem auf. Young wies die Abhängigkeit der Accom-
modation von einer Gestaltveränderung der Crystalllinse nach und be¬
gründete die Lehre von drei (subjectiven) Grundfarben. Den Auf¬
schwung, welchen die Augenheilkunde im 18. Jahrhundert genommen
hat, verdankt sie dem Geiste der Aufklärung, welcher die ganze Heilkunde
jener Zeit durchweht. Die ersten Schritte sind von der französischen
Medicin ausgegangen, welche auch während des grössten Theils des 18.
Jahrhunderts das Principat behauptet hat (Maitre Jean, St Yves, Janin,
Guerin, Ancl, Pourfour du Petit, L. Petit, Daviel); erst in der
2. Hälfte dieser Periode entwickeln sich die Leistungen der deutschen
and englischen Aerzte (a. Heister, Mauchardt, Platner, Richter,
Wentzel: b. Woolhouse, Taylor, Cheselden, der Erfinder der
Künstlichen Pupillenbildung, Ware); am Ende des Jahrhunderts sehen
wir den Schwerpunkt von Frankreich nach Deutschland verlegt, welches
nun in Gemeinschaft mit England an die Spitze der Bewegung trat und
von dem dann erst nach dem Laufe mehrerer Dezennien die Strahlen
der Aufklärung wieder jenseits der Vogesen drangen.
Boerhave war der erste, welcher academ. Vorträge über Augen¬
heilkunde gehalten, und wie wir hinzufügen möchten, die Refractions-
fehler der Augen mathematisch-physicalisch behandelt hat.
Die einzelnen Erkrankungen der Augen wurden auf ihre anatomische
Basis zurückgeführt, obwohl namentlich bei den Ophthalmien noch man¬
ches willkürliche mit unterlief. Einen der interessantesten Fortschritte
der Augenheilkunde des 18. Jahrhunderts bezeichnet die künstliche
Pupillenbildung (Woolhouse, Cheselden, Heuermann u. a. —Iri¬
dotomie; Reichenbach, Wentzel, Richter, Beer — Iridectomie)
welche selbst die Philosophen (Voltaire u. a.) zu begeisterten Schilde¬
rungen veranlasste. Den Glanzpunkt bildet die Cataractextraction. Selten
hat sich ein operatives Verfahren, das mit allen früheren Anschauungen
im vollkommensten Widerspruch stand, so schnell und allgemein Bahn
gebrochen wie die Daviel’sche Methode der Cataractextraction durch
einen Hornbautlappenschnitt. Aber trotz der Verbesserungen (Wentzel,
Richter, Beer) gewann gegen das Ende des Jahrhunderts daneben
noch die Reclination der Linse Platz. Zu den neuen Encheiresen ge¬
hört auch der Cathetcrismus des Thränen-Nasencanals (1713, Anei).
Mit dem 19. Jahrhundert tritt die Medicin in eine neue Aera, her¬
beigeführt durch den Einfluss allgemeiner philosophischer Aufklärung, so¬
dann durch den Einfluss der Naturwissenschaften. Unter den Männern,
welche im Gebiete der Anatomie und Physiologie die neuesteEntwickelungs-
*) Betreffs des Brillengebrauchs im Alterthum möchten wir gegen
Hirsch mit Lessing (antiqu. Briefe) annehmen, dass Concavlinsen un¬
bekannt und Nero nicht kurzsichtig sondern übersichtig gewesen.
phase inaugurirt haben, nimmt an Genialität der Gedanken, an Univer¬
salität des Wissens, Productivität des Schaffens Joh. Müller die eiste
Stelle ein, der mit Purkinje die physiologische Optik begründete. Die
Dioptrik des Auges hat auf Grund der Gauss’sehen Arbeiten Listing
geliefert. Die accommodative Form Veränderung der Linse wurde von
M. Langenbeck, Cramer und Helmholtz entdeckt, wobei der letztere
sein Opthalmometer zur Messung der optischen Constanten des lebenden
Auges eonstruirte und durch die Erfindung des Augenspiegels der neuen
Aera das Siegel aufdrückte. J. Müller entwickelte das Gesetz der spe-
cifischen Energien der Sinnesnerven, H. Müller erkannte die Stäbchen¬
schicht der Netzhaut als das eigentlich lichtempfindliche Organ. E. H.
Weber u. a. raassen genauer die centrale Sehschärfe*). Die Lehre von der
Tiefenwahrnehmung wurde durch die Erfindung des Stereoscops (Wheat-
stone 1838) wesentlich gefördert. Erst gegen den Ausgang der Periode
fasste die Physiologie in der Augenheilkunde festen Fuss und vermittelte
den glanzvollen Aufschwung, mit welchem die Ophthalmologie der neuesten
Zeit zu einer der ersten Stellen unter den vorgeschrittensten Gebieten
der pathologischen Wissenschaft vorgerückt ist. Die feinere Anatomie
und Histologie des Auges fand zahlreiche Bearbeiter.
Von grösstem Einfluss war zunächst Richter durch die vollendete
Darstellung, durch den wissenschaftlich-universellen Geist, durch Begrün¬
dung einer ophthalmologischen Schule und des Interesses für Augen¬
heilanstalten. Klinischen Unterricht in der Augenheilkunde ertheilten
in Göttingen Himly und Langenbeck; in Wien Schmidt, Beer,
Jäger; in Prag Fischer, Arlt, v. Hasner; in Berlin C. Gräfe,
Jüngken etc. ln England folgten Saunders, Travers, Mackenzie
u. a. Am spätesten machte sich das Bedürfniss eines besonderen oph-
thalmiairischen Unterrichts in Frankreich geltend. Zeitschriften fürOphth.
werden gegründet (Himly, Schmidt, Langenbeck, C. Gräfe, von
Walther, Ammon, schliesslich A. von Gräfe, ferner Cunier). Der
Aufschwung, den die Augenheilkunde im Anfänge des 19. Jahrhunderts
nahm, ist von Deutschland ausgegangen. Zunächst war die Wiener Schule
(Beer, Schmidt, Jäger) und die Göttinger (Himly, Langenbeck)
betheiligt, ausserdem sind auch C. Gräfe und Jüngken, von Walther,
Benedict, Rosas, Reisinger, Fischer, Chelius, Weller, Ritte-
rich, Pieringer, Ammon, Rüte zu nennen. In Italien wirkten
Scarpa, Quadri, Flarer u. a.
Eine wesentliche Förderung hat die Augenheilkunde während dieser
Periode in England erfahren, wo die in Deutschland und Italien ge¬
machten Fortschritte überall Eingang fanden und die neubegründeten
Augenheilanstalten grosses Material boten: Wardrop (pathol. Arzt
des Auges, Markschwamm der Netzhaut), Saunders, Stevenson,
Gibson, Travers, Vetsch, Adams, Wishart, Guthrie; ferner:
Mackenzie, Beer’s Schüler, der sich durch sein Lehrbuch ein unver¬
gängliches Denkmal gesetzt; (erste genaue Beschreibung der sympathi¬
schen Augenentzündung); endlich Lawrence, Guthrie, Jacob,
Middlemoore, Tyrrel, Wilde. In Frankreich blieb die Augenheil¬
kunde mit der Chirurgie verbunden, ohne jedoch an den wissenschaft¬
lichen Fortschritten derselben Theil zu nehmen. Die tüchtigsten Oph-
talmologen waren Ausländer: Stöber aus Strassburg; Rognetta aus
Neapel, Carron du Villard aus Pavia und vor allem Jules Sichel**)
aus Frankfurt, der mit seinem eminenten Allgemeinwissen gezeigt, was
wissenschaftlicher Speeialisrauss bedeutet und der Gründer der neuem
französischen Schule (Desmares pere u. a.) geworden.
Die genauere pathologische Anatomie des Auges ist von Arlt und
Hasner bearbeitet, die Teratologie von Walter, Gescheidt, Ammon;
die Entozoen von Sömmering, Mackenzie, Gescheidt, Nordmann
u. a. In der Lehre von den Entzündungen hielt Beer den specifischen
Standpunkt fest, der zunächst von allen angenommen wurde. Die Op¬
position erfolgte von Weller (1830) und von der französischen anato¬
mischen Schule (Velpeau 1844, med. Academie) sowie von den histo¬
logischen Forschungen in Deutschland. Durch die Einschleppung der
ägyptischen Ophthalmie wurde die granuläre Conjunctivitis bekannt
(Vetsch, Saunders, Rust, Müller, Eble, Pieringer, Bendz,
von denen der letztere zuerst scharf zwischen papillären und folliculären
Granulationen unterscheidet). Die Conj. neonat, und gonorrh. wurden
genauer beschrieben (Ware, Ammon, Lawrence). Die Entzündungen
der Hornhaut sonderte zuerst Wardrop. Das Hypopyon unterschied
Beer in ein wahres (von Iris etc. herrührendes) und in ein falsches
(aus geborstenem Homhautabscess). Die Paracentese kam mehr in Auf¬
nahme. Bei unheilbaren Hornhauttrübungen verfiel man auf Korektomie,
Sklerektomie, Keratoplastik. Fruchtbringender aber war die Verallge¬
meinerung der künstlichen Pupillenbildung seit Richter. Den Pannus
erkannte Beer als Entzündung des Bindehautblättchens der Hornhaut,
er unte;-schied den scrofulösen und den traumatischen; Fabini fügte
den granulären hinzu; Scarpa erfand die Peritomie. Das früher so
mythische Staphylom wurde von Weller, Jones, Arlt, Sichel,
Frerichs u. a. als Narbenbildung in der Hornhaut beschrieben.
Der Keratoconus (Ammon) wurde vom Staphylom abgesondert und
als Atrophie der centralen Hornhautregion erkannt und durch Sichel
mit Cauterisation, durch Fario mit Excision erfolgreich abgeflacht.
Die Ophthalmia interna des vorigen Jahrhunderts wurde von
Schmidt auf Iritis reducirt, und mit Mydriaticis erfolgreich behandelt,
von Beer, Saunders, Travers die syphilitische Iritis erkannt und
*) Die ersten Messungen sind nicht von Tob. Mayer 1750, sondern
80 Jahre früher von Hooke angestellt.
**)- Nicht 1856, sondern 1868 gestorben.
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 12
die mercurielle Behandlung eingeführt; von Ammon Iris-Wucherung und
Atrophie, von Schindler die parenchymatöse und seröse Iritis unter¬
schieden; endlich von Ammon, Tavignot, Hasner das Krankheits-
bild der Cyclitis festgestellt.
Die Choroi'ditis wurde von Sichel und Schroeder van der
Kolk anatomisch studirt, die pyämische von Fischer und Arlt, während
die scrofulöse (tuberc.) Choroi'ditis nur eine regressive (käsige) Meta¬
morphose eitriger Producte darstellt*).
Glaucom bedeutet in der griechischen Medicin blaugrüne Verfärbung
der Pupille, welche man in die Linse verlegte und dem entsprechend
für unheilbar hielt. Brisseau (Anfang des XVIII. Jahrh.) erkannte
die Natur der gewöhnlichen Cataract und verlegte das Glaucom in den
Glaskörper; ihm folgte Beer, der auch den Cirsophthalmus als Aus¬
gang arthritischer Entzündung betonte, und Desinares, Wardrop,
Rosas u. a. Mackenzie hat neben vielem irrtlunnliehen die intra-
oculare Druckzunahme betont und durch Scleralpunction behandelt,
(worin ihm schon Richter vorangegangen), auch das acute Glaucom
(Choroi'ditis) vom chronischen unterschieden. Die Choroi'ditis als Ur¬
sache von Glaucom wurde dann von Canstatt, Sichel, Schroeder
van der Kolk besonders hervorgehoben und von Arlt bereits die
Druckzunahme in Folge der Choroi'ditis betont.
Die Krankheiten der Netzhaut (abgesehen von Markschwamm, der
in Wardrop seinen classischen Autor fand), sind erst in neuester Zeit
— seit Helmholtz — richtig gewürdigt worden.
Die Amaurose hat zuerst Boerhave richtig auf Erkrankung der
Netzhaut oder der Sehnerven oder des Hirns bezogen, was Richter,
Guerin und Beer weiter ausführten. Beer unterscheidet functioneile
und anatomisch bedingte, ferner eine idiopathische und deuteropathische
Amaurose etc., giebt ein vortreffliches Bild des schwarzen Staars und
rationelle Prncipicn der Therapie. Einen vorgeschrittenen Standpunkt
nimmt Mackenzie ein, der die rein functionelle Amaurose liiugnet.
Stilling und Türk fanden die Amaurose in Folge von Spinalleiden,
Seidl und Kanka in Folge von Herzfehlern, Bright und Laudouzy
Bouchardat, Türk bei Nierenleiden, Bouchardat bei Diabetes.
Die Frage nach der Genese und Natur der Cataract wurde von Walter
in Angriff genommen. Wichtig waren die Experimente von Dietrich
(1824), Beger, Werneck über traumatische Cataract; Ammon unter¬
suchte die congenitale, Arlt die catar. capsular. ant.
Pauli (1838) unterschied zuerst Phakosclerom und Phakomalacie.
Malgaigne (1841) fand den Ursprung der Linsentrübung zwischen
Kapsel und Kern, die beide durchsichtig bleiben; Sichel und Höring
behaupten dagegen die Existenz von Kapseltrübungen. Die „speci-
fischen“ Staare wurden aufgegeben (mit Ausnahme des diabetischen),
und die über 60 betragende Zahl der Staarformen auf ein vernünftiges
Mass reducirt. So effectvoll Da viel mit seiner Extractionsmethode
auf der ophthalmiatrischen Bühne aufgetreten war, so rasch häuften
sich die Mittheilungen von Misserfolgen und von neuen Operationsmethoden.
Vor allem ist hier Buchhorn’s Keratonyxis (Magdeburg 1810) zu
nennen, namentlich zur Discision weicher Staare. Für die Depression der
harten wurde die irrationelle**) Scleronyxis festgehalten. Allerdings wurde
für diese auch die Extraxtion, wenn auch in engeren Kreisen, auf das
ernsthafteste gepflegt. Hier hat sich Beer (mit dem unteren Halb¬
bogenschnitt) ein grosses Verdienst erworben, und später Jäger, Sichel,
Arlt und Hasner. Reimann iti Hamburg (1796) hat vor der
Extraction Einträufelung von Belladonna angewendet, ihm folgten Loder,
Schiferli, Himly mit Hyoscyamus, Schmidt u. a. Reisinger,
Wilde und Gun ier mit den Alkaloiden.
Die Anomalien der Accommodation und Refraction sind erst durch
die classischen Arbeiten von Helmholtz ermöglicht und von Donders
bearbeitet worden. Im innigsten Zusammenhang damit steht die (erst
von Donders und v. Grade behandete) Lehre vom Strabismus. Den
Muskelschnitt zur Heilungdcs Schielens hat Stromeyer (1838)empfohlen
und Dieffenbach mit Euthusiasmus ausgeführt. Die Pathologie der
Thränenorgane rührt von Schmidt und Beer, die rationelle Therapie
mittelst methodischer Sondirung vom geschlitzten Canaliculus aus erst
von Bowraan (1851) her. Die Blepharoplastik ist von C. Graefe
(1818), Fricke, Dieffenbach u. a. gelehrt worden.
„Mögen kommende Generationen nie vergessen, auf welchem Wege
die Ophthalmologie zu dem hohen Grade der Vollkommenheit vorge¬
schritten ist, deren sie als eines der edelsten speciellen Gebiete der
Heilkunde sich heute erfreut.“
A. Hirsch’s Geschichte der Ophthalmologie ist nicht nur für
die Fachmänner unentbehrlich — abgesehen von solchen, welche die
vor 10 Jahre publicirten Arbeiten schon für verschollen erklären, —
sondern auch für jeden wissenschaftlichen Arzt eine Quelle der gründ¬
lichsten Belehrung, die wir uns durch unberufene Kritik nicht trüben
lassen wollen. J. Hirschberg.
*) Es giebt aber eine, wiewohl seltene Cheroi'ditis tuberculosa, dio
von den dissem. Aderhauttuberkeln wohl zu unterscheiden. Vergl.
Centralbl. d. pr. Augenhlk. Febr. 1877.
**) erst von A. v. Graefe definitiv beseitigte.
VI. Feuilleton.
Offenes Wort über die Stellung der Impfärzte und
über die Nothwendigkeit der allgemeineren Einfüh¬
rung der animalen Vaccination.
Von
Dr. med. Leonhard Voigt, Oberimpfarzt in Hamburg.
Unter dem Eindrücke der Kunde von der Impfsyphilis in Lcbus
einerseits und der Verhandlung des Deutschen Aerztetages über den Ab¬
impfzwang andererseits ist das folgende geschrieben, gestützt auf die
Erfahrungen, welche mir aus meiner amtlichen Stellung und aus 18jäh¬
riger ärztlicher Praxis geworden sind.
Wenn das Reichimpfgesetz, bestimmt zur Vermeidung der Wieder¬
kehr jener seit Jenner unerhörten Einbusse, welche die Variola-Epidemie
1871 erforderte, zu Stande gekommen ist, so geschah dieses in der Er¬
wartung, dass dem einzelnen kein zu grosses Opfer auferlegt würde.
Eine vorübergehende Unbequemlichkeit sollte jeder verschmerzen, damit
sich nicht tausende von Leichen auf häufen und massenhaftes Elend und
Jammer in die Familien eindringe.
Im Gefolge dieses Gesetzes muss wohl oder übel jeder Familien¬
vater sein theuerstes, seine Kinder, der Impfung unterziehen lassen,
eines Gesetzes, dessen Bestimmungen von fast allen wissenschaftlich
durch gebildeten Aerzten mit Freuden begrüsst wurden, weil sie annahmen,
dass obige Erwartung nicht getäuscht werden würde, und weil sie der
Meinung waren, dass die dem einzelnen auferlegte Pflicht nichts be¬
denkliches in sich hege.
Fälle von Impfsyphilis, wie in Lebus, stehen aber mit dieser guten
Meinung im Widerspruch, sie dürfen sich nicht wiederholen, und die
Impfärzte müssen in den Stand gesetzt werden, bei der Auswahl der
Abimpflinge so vorsichtig zu sein, dass sie derartige Uebertragungen
auch wirklich vermeiden können.
Wiederholen sich solche Unglücksfälle, so ist der Eingriff des Staates
auf das Selbstbestimmungsrecht seiner Bürger ein zu grosser, und wird
das Reichsimpfgesetz Gefahr laufen, wieder aufgehoben zu werden.
Diesen Rückschritt würde ich für ein sehr grosses Unglück ansehen,
hunderttausende von Trauertällen würden seine Folge sein, denn die
alsdann nicht mehr allgemein durchgeführte Impfung würde, ebenso wie
früher, keinen Schutz für die Gesammtheit mehr sichern.
Worin bestehen die Unglücks fälle bei der Impfung?
Der Impfung wird von den Impfgegnern nachgesagt, sie verbreite
Scrophulose. Schwindsucht, Syphilis, und sie tödte zuweilen durch die
Erzeugung der Rose.
Die Entstehung scrophulöser Ausschläge nach der Impfung ist ge¬
legentlich beobachtet, aber diese Ausschläge schädigen den Organismus
nicht oder sehr wenig, und sie sind heilbar. Sie betreffen zudem von
früher scrophulose Kinder, die nach der Impfung einen Ausschlag be¬
kommen, der dann unwillkürlich scrophulöser Impfausschlag genannt
wird. Die Furcht vor Verbreitung der Scrophulose kann nach meinen
Erfahrungen die jetzige Einrichtung des Impfgesetzes nicht discreditiren.
Die Verbreitung der Schwindsucht durch die Impfung ist ein ganz will¬
kürlich aufgestellter Satz der Gegner der Impfung. Wir finden keine
Beweise dafür, selbst nicht im dritten Hilferufe der Impfgegner, der doch
gewiss eine Parteischrift ist. Freilich muss von den Freunden der
Impfung ebensowohl zugegeben werden, dass geimpfte nach Jahren
manchmal die Schwindsucht bekommen haben, als von gegnerischer Seite
man nicht leugnen wird, dass auch schon einige ungeimpfte an der
Schwindsucht gestorben sind. Der Causalnexus zwischen Schwindsucht
und Impfung fehlt eben.
Die Ursache der Leiden und der Todesfälle durch die Rose nach
der Impfung haben die Eltern ge : mpfter Kinder in der Regel bei sich
selbst zu suchen. Gedankenlose Vernachlässigung des geimpften Armes
bildet die gewöhnliche Ursache der Rose, die bei einiger Sorgsamkeit,
sicher schwindet, Nachlässigkeit in betreff der Schonung des Impflings
während der Reaction nach der Impfung führt leicht zu gastrischen und
bronchialen Erkrankungen, die bei sorgsam gehaltenen Kindern ausbleiben.
Das Zerkratzen der Impfstellen und nachheriges Ein wischen der Lymphe
in die Augen kann zur Augenentzündung führen, aber doch nur dann,
wenn die Kleinen aus Nachlässigkeit hieran nicht gehindert werden.
Alle solche der Impfung zugeschriebenen Schädlichkeiten und Schänd-
lichkeiten sind (einzelne Unglücksfälle abgerechnet) nur im mittelbaren
Zusammenhang mit der Impfung, und sie können vorsichtige Eltern nicht
abschrecken, die eigenen Kinder impfen zu lassen.
Anders ist das aus allgemein bekannten Gründen mit der Syphilis.
Diese darf durch die Impfung nicht verbreitet werden; sollte sich deren
Verbreitung nicht vermeiden lassen, so wird das Reichsimpfgesetz modi-
ficirt werden müssen.
Man könnte sagen: die Aerzte werden im eigenen Interesse vorsichtig
sein und kein syphilitisches Kind zum Abimpfling wählen; sie verfallen
ja sonst dem §. 17. des Reichsimpfgesetzes. Dieser §. 17. und die
§§. 222. und 230. des Strafgesetzbuches sind allerdings recht einschnei¬
dend, und sie können einem Arzte Ruhe und Ruf abschneiden, wenn er
so unglücklich sein sollte, ihnen zu verfallen. Auch würden sie nicht
im milden Sinne ausgelegt werden, wenn sie mit Grund in Anwendung
kommen sollten; denn die Syphilis soll und darf durch die Impfung
nicht übertragen werden. Dieses verlangt das Gesetz, dieses fordert die
öffentliche Stimme, und wer dagegen fehlt, wird sich wahrlich keiner
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‘25- März 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
169
Nachsicht zu erfreuen haben. Ausserdem würde ein solcher Fall mit
der Erduldung der Strafe nicht abgebüsst sein; denn die Civilklage der
Geschädigten auf Ersatz würde williges Ohr bei den Richtern finden.
Kann die Uebertragung der Syphilis bei der Impfung vermieden
werden V
Einzelne Ungliieksfälle kommen immer im Leben vor. so weiss ich
von Aerzten und Hebammen, die bei von ihnen geleiteten Geburten
«. dergl. (gewiss sehr ungern) syphilitisch geworden sind. Daher kann
auch bei der Uebertragung eines Impfstoffes ein Unglück passiren. Aber
bei ernstem Streben, unablässiger Ueberwachung kann die Impfsyphilis
vermieden werden, wenn die Impfanstalten so ausgerüstet werden mit
Arbeitskraft und dem Ilülfsapparat der animalen Vaccine, dass die Impf-
iirzte in der Auswahl der Abimpflinge sich nicht bequem, aber doch frei
zu bewegen im Stande sind. Versagt man tüchtigen Aerzten die freie
Auswahl, so kann man sie nicht für deren Ausfall verantwortlich
machen.
In meiner jetzigen Stellung als Oberimpfarzt in Hamburg bin ich
verantwortlich für die glückliche Abwickelung der Impfungen eines der
grüssesten Impfdistricte Deutschlands. Meine Anstalt ist jetzt im ganzen
nach meinen Wünschen eingerichtet, auch mit animaler Vaccine ausge¬
rüstet, und ich hoffe dort noch lange und mit Erfolg wirken zu können.
In Hamburg wird jetzt von den Kälbern direct auf die Kinder möglichst
mit frischer Lymphe geimpft und daneben die Impfung von Arm zu Arm
cultivirt. Von 4800 Impflingen des Jahres 1877 erhielt ich 496 Ab¬
impflinge, also 10 bis 11 pCt. Mit der von diesen und von etwa 140
Kälbern gewonnenen Lymphe habe ich die an mich für 3000 Schulkin¬
der und für die Aerzte gemachten Ansprüche bestritten und fast nie Ueber-
fiuss an Lymphe gehrbt. Ohne die animale Vaccine hätte ich also mein
Amt nicht durchführen können. Als ich früher diese Hülfe noch nicht
hatte, war es mir zeitweilig nicht möglich, den Bedarf an Lymphe zu
decken.
Da fragt es sich denn, ob ich nicht vielleicht zu ängstlich bei der
Auswahl der Abimpflinge verfahre. Meiner Meinung nach nicht. Ich
habe noch keinen Fall von sogenannter latenter Syphilis gesehen, bei
dem allgemein härtlich fühlbare Drüsen gefehlt hätten, daher bestimme
ich kein Kind, dessen Drüsen überall fühlbar sind, zum Abimpfling.
Wäre ich weniger vorsichtig gewesen, so hätte ich mehrmals Kinder, die
vor einiger Zeit syphilitisch gewesen waren, zur Abimpfung zugelassen.
Ich erinnere mich u. a. der beiden folgenden Fälle.
1. Ich behandelte einen Bahnbeamten erfolgreich wegen tertiärer
Erscheinungen mit Jodkali, als auch sein jüngstes etwa V 4 Jahr altes
Kind unzweifelhaft hereditär syphilitisch erkrankte; die früheren Kinder
waren gestorben. Dieses Kind wurde mit Calomel per os und Sublimat¬
bädern so weit geheilt, dass es nachher ganz gut gedieh. Als dasselbe
mir etwa ein Jahr später in der Impfanstalt zur Prüfung auf seine Taug¬
lichkeit als Abimpfling vorgestellt wurde, untersuchte ich ganz genau
und fand es gut genährt, aber noch mit härtlich fühlbaren Drüsen be¬
haftet, sonst von augenblicklicher oder früherer Syphilis keine Spur.
Hätte ich das Kind nicht früher selbst behandelt, so hätte ich nicht
wissen können, dass hier Syphilis vorhanden gewesen.
Der zweite Fall, der noch viel eclatanter die gefährliche Lage des
Impfarztes illustrirt, ist der folgende.
Eines Tages hatte ich meinen sämmtlichen Lymphevorrath verbraucht,
erwartete aber 5 in voriger Woche geimpfte Kinder, die event. als Ab¬
impflinge dienen konnten. Vier erschienen rechtzeitig, eins verspätete
sich um eine halbe Stunde, und im Impfsaal harrten etwa 20 Kinder
der Impfung.
Die ersten beiden zur Revision gestellten Kinder waren erbärmliche
Geschöpfe, also zur Abimpfung untauglich. Dann kam eine Frau mit
2 stämmigen Knaben von etwa 7 und 9 Jahren, die absolut gesund aus¬
sahen und wunderschöne Pusteln aufwiesen, deren Drüsen aber allgemein
härtlich fühlbar waren. Die Mutter sagte, die Knaben seien jetzt, gesund,
hätlen aber früher manchmal Stellen am Mundwinkel gehabt; ihr Mann
und sie selbst sei jetzt auch gesund. Weil ich nun in Verlegenheit war
wegen der Lymphe, lag mir’s nahe, meinem Princip untreu zu werden
und von den, wie es schien, sonst untadeligen Kindern abimpfen zu
lassen. Ich blieb aber fest und schickte die Leute fort. Schon in der
Thiire, dreht die Frau sich um und sagte: Sie thun ganz recht, denn
mein Mann und ich sind syphilitisch, und die Kinder sind auch so krank
-gewesen.
Das an jenem Tage um l j t Stunde verspätete fünfte Kind konnte
.als Abimpfling gebraucht werden. Wäre dieses auch unbrauchbar gewesen,
so hätten die 20 Kinder ungeimpft aus der Anstalt fortgeschickt werden
müssen, nachdem sie dort lange gewartet hatten.
Wäre von den drei besprochenen Impflingen abgeimpft und Blut
mit übergeimpft worden, so hätten wir vielleicht Impfsyphilis erzeugt.
Die Methode aber, jegliches Blut oder Eiterkörperchen von der Ueber-
impfung auszuschliessen, wird nie erfunden werden, obwohl sie immer
als selbstverständlich vorausgesetzt wird.
Die Frage, ob ein Individuum latent syphilitisch sei, ist bekanntlich
schwer zu entscheiden. Der Vertrauensarzt einer Lcbensvcrsichcrungs-
gisellschaft wird dieser Frage gegenüber nach vorgenommener gründ¬
licher Untersuchung ein vorsichtiges Gutachten abgeben. Viel schwerer
ist es im Impfsaal mit seinem Gedränge sieh über dieselbe schlüssig zu
machen und doch hängt hier mehr davon ab.
Als sicherstes Zeichen, dass keine Syphilis vorhanden ist, halte ich
das Fehlen der allgemeinen Drüsenanschwellung.
Bei Behandlung seeundärer Syphilis schwinden in der Regel die
andern Symptome zuerst, und doch wird man die Cur nicht beenden,
sondern den Kranken erst dann als geheilt erklären, wenn die Drüsen
ebenfalls beseitigt sind. Weil aber sehr viele Leute überhaupt allge¬
mein fühlbare härtlichc Drüsen ohne eine Spur der Syphilis haben, so
gilt cs ja auch als allgemeine Regel, dass der Arzt bei der Behandlung
einer frischen Infection, wo die Frage, ob constitutionelle Syphilis folgen
werde, noch nicht feststeht, zunächst sich nach dem Zustande der Drüsen
erkundigen muss. Unterlässt er dieses, so kann er nachträglich den
Werth des Drüsenbefundes nicht taxiren. Er darf dann nicht schliessen:
hier hat sich das Ulcus indurirt, hier wurden die Drüsen indolent härt¬
lich fühlbar, daher ist die Syphilis da; denn das Ulcus könnte ja ent¬
zündlich indurirt und die Drüsenschwellung älteren Datums sein.
Ueber syphilitische und nichtsyphilitische Drüsenschwellung kann
jedoch im Impfsaal des Zeitmangels wegen, wenn überhaupt, höchstens
dann eine differentielle Diagnose gestellt werden, wenn der Andrang
gering ist. Ausserdem wird die Entscheidung List unmöglich, weil es
eine Beleidigung gegen die das Kind begleitende Mutter einschliessen
würde, wollte der Impfarzt sie fragen, ob sie selbst oder ihr Mann wie
der Impfling syphilitisch gewesen oder es noch sei. Der Impfarzt kann
eben fast nur nach dem, was er sieht oder fühlt, urtheilen. Findet er ein
Musterkind, so darf er es als Abimpfling verwenden; findet er aber etwas
auszusetzen, so darf er es nicht.
Als ich noch nicht im Besitze der animalen Vaccine war, trieb ich
den Procentsatz der Abimpflinge auf 20—25 pCt. in die Höhe, und als
im vergangenen Winter die Rinderpest meine Kälberanstalt für 2 Mo¬
nate in die Luft sprengte, musste ich auch Abimpflinge zulassen, die
ich sonst lieber nicht verwendet hätte.
Damals bei 12—1500 Impflingen pro anno und im Wintef konnte
ich genauer untersuchen als jetzt, wo 5000 zu absolviren sind, weil mehr
Zeit für das einzelne Kind erübrigte. Ich war mir aber so klar über
die Unhaltbarkeit der Position, dass die animale Vaccine eingeführt wer¬
den musste.
Ich verwende kein Kind unter 6 Monaten, keines, dessen zahlreiche
Geschwister gestorben sind, keines, dessen Mutter habituell abortirte,
und ich überzeuge, mich von der guten Ernährung, Beschaffenheit der
Haut, Genitalien und Nates, sowie der Drüsen. Ausserdem halte ich
mir ein Buch, in welchem ich alle diese Fragen über jedes zur Ab¬
impfung bestimmte Kind beantworte, so dass ich stets gerichtlich nach-
weisen kann, wie der Status praesens war. Bei Antiimpfvereinsscheere-
reien hat mir dasselbe schon mehrmals gute Dienste geleistet.
Ich habe im letzten Jahre 10—11 pCt. der geimpften Kinder
zur Fortpflanzung der Vaccine für tauglich befunden. Impfärzte, die
weniger zu thun haben, dürften einen etwas höheren Procentsatz erzielen,
aber auch mit solchen können sie den Bedarf an untadeliger Impflymphe
nicht bestreiten, es sei denn, dass ihnen anderweitige Hülfsmittel zu
Gebote stehen.
Da ist zuerst zu nennen die Verdünnung der humanisirten Lymphe
mit Glycerin, in zweiter Linie die animale Vaccination.
Da hier in Hamburg keine verdünnte Lymphe verwendet wird, und
da die früher bis 1874 unter Anwendung der Glycerinlymphe ausge¬
führten Revaccinationen nicht revidirt worden sind, so ist über diese
Hülfe von mir kein Aufschluss zu erwarten. Indessen lauten die Be¬
richte von Müller*) in Berlin, Weiss**) und Schenk ***) ja so gün¬
stig, dass es mit der Glycerinlymphe möglich sein wird, dort wo die
animale Vaccine nicht am Platze ist, manchem Mangel abzuhelfen. In¬
dessen wird diese Verdünnung immer ein Nothbehelf bleiben.
Ueber die animale Vaccination kann ich eigenes Urtheil liefern, da
sie sich in meiner Anstalt seit 1874 bewährt hat. Freilich mussten wir
manches lernen, bis wir befriedigenden Erfolg erreichten. Die Schwierig¬
keiten der animalen Vaccine liegen einmal in der Beschaffung der ersten
Einrichtung wie der Bestreitung der Kosten für ihre Unterhaltung +),
ferner darin, dass diese Impfung nur dann günstig wirkt, wenn sie von
geübter Hand gemacht wird. Um gute und den Impfstichen an Zahl
entsprechende Pusteln bei den Kindern zu gewinnen, kommt es haupt¬
sächlich darauf an, dass der Impfarzt nur ganz brauchbare Pusteln des
Kalbes zur Verwendung bringt. Dieses wird aber bei maschinenmässi-
gem Verfahren und von Anfängern leicht übersehen. Es muss eben
accurat gearbeitet werden.
In Hamburg konnten bisher aus verschiedenen Ursachen die Zahlen
der mit den verschiedenen Lymphsorten erzielten Pusteln nicht stati¬
stisch verarbeitet und verglichen werden. Ich bin aber der Meinung,
dass unsere Resultate mit der animalen Vaccine wesentlich besser sind
als die Utrechter. Nach einer Zusammenstellung des Herrn Dr. B.
Carsten ++) sind in Holland von animalen Vaccinationen gemacht wor¬
den im Jahre 1876:
*) Müller, Berl. klin. Wochenschrift 1871, 39. 1S74, 23.
**) Weiss, Viertelj.-Schrift für gerichtl. und öffent. Medicin.
1871. Juli.
***) Schenk, Deutsche Viertelj.-Schrift für üffentl. Gesundheitspfl.
1873. V. 2. 1874. VI. S. 58 ff.
f) Voigt, Deutsche Viertelj.-Schrift für öffentl. Gesundheitspflege.
1876. 3.
tt) La vaccination animale dans les Pavs-Bas. Haag. Imprim. de
l’etat 1877.
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UNIVERSETY OF MICHIGAN
170
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 12
in Rotterdam
- Amsterdam
- Haag
- Utrecht
Summa
1933, davon erfolglos 13,
2336, - - 0,
1936, - - 2,
545. - - 39.
6750, davon erfolglos 54.
Der geringe Misserfolg von 0,8 pCt. ist ein Resultat, welches dem¬
jenigen bei der Impfung von Arm zu Arm durchaus an die Seite zu
stellen ist.
Wir hatten in Hamburg bei Verwendung der unverdünnten huma-
nisirten Vaccine, frisch und in Röhrchen conservirt, und der animalen
Vaccine, frisch und zwischen Glasplatten conservirt, folgendes Gesammt-
resultat:
Impfung der Kinder
im Jahre vom Jahrgang Impfung, mit Erfolg ohne Erfolg
1S76: 1867—76 5194. 98=1.85 pCt.
1877: 1868-77 4790. 75=1,55 -
Revaccinationen
im Jahre vom Jahrgang Impfung, mit Erfolg ohne Erfolg
1876: 1861-66 2284 551 = 19,5 pCt.
1877: 1862—67 2458 684=20,2 -
Diesem doch immerhin leidlichen Resultate gegenüber kann die
abfällige Aeusserung des Herrn Collegen Chalybäus*) nicht gar zu
schwer ins Gewicht fallen. Hier in Hamburg sind wir Impfärzte seit
1874 des Personalwechsels wegen noch nicht ganz aus den Lehrjahren
heraus, wie sollte es in Dresden seit 1877 anders sein?
Freilich eignet sich die animale Vaccine zur Versendung weniger
gut als die humanisirte: aber bei directer Ueberimpfung und bei rich¬
tiger Auswahl nur guter Pusteln findet sich weder bei der Vaccination
noch bei der Revaccination eine wesentliche Differenz zwischen beiden
Sorten Lymphe.
Daher glaube ich diesen Artikel mit der Aufforderung an die Be¬
hörden schliessen zu dürfen, überall da, wo die Möglichkeit gegeben ist,
d. h. in allen grösseren Städten, Anstalten zur Züchtung animaler Vac¬
cine zu gründen, um den Mangel an Lymphe zu beseitigen und cs den
Impfärzten zu ermöglichen, dem Publicum nur Prima-Waare zu bieten.
Sind diese Anstalten geschaffen, so sollten die Impfärzte der städtischen
Institute die animale Vaccine im eigenen Locale verwenden, während sie
die humanisirte Lymphe mit oder ohne Glycerinzusatz zur Versendung
brächten. Dann dürften auch die Impfärzte der ländlichen Districte im
Stande sein, den ihnen gegenüberstehenden Anforderungen bequemer zu
genügen als bisher hie und da.
Würde so der chronische Lymphemangel beseitigt, so kann der
dritte Hilferuf der Impfgegner ruhig ad acta gelegt werden. Werden
solche Verheuerungen aber nicht möglichst allgemein und rasch herge¬
stellt, so dürfte das Rcichsiinpfgesetz sehr bald in Gefahr gerathen wie¬
der aufgehoben zu werden. Möchten obige Betrachtungen zur Abwen¬
dung dieser Gefahr beitragen.
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. Von dem Reichstagsabgeordneten, Herrn Collegen Dr.
Mendel geht uns folgendes Schreiben zu, das wir gern veröffentlichen:
In Nr. 11 der Klinischem Wochenschrift findet sich unter den „Tages¬
geschichtlichen Notizen“ in dem Bericht über die Sitzung des Reichs¬
tages vom 2. d. M. die Bemerkung, dass ich ebenfalls gegen den Etat
des Gesundheitsamts und zwar aus dem Grunde gesprochen hätte, weil
ich wissenschaftliche Aufgaben dem Amt nicht zugestehen könne. Dies
entspricht nicht ganz den thatsäehlichen Verhältnissen. Ich habe erstens
nicht gegen den Etat, sondern nur gegen eine Position desselben und
zwar gegen den Titel 1, insoweit derselbe zwei neue definitive Stellen
schaffen wollte, gesprochen, und zweitens meinen Widerspruch nicht in
der oben angegebenen Weise begründet. „Wir wollen ihm (dem Reichs¬
gesundheitsamt) alles gewähren, aber keine definitiven Stellen schaffen,
ehe wir nicht über die Zukunft dieses Amtes eine gewisse Sicherheit
haben,“ waren meine Worte. Dass das Reichsgesundheitsamt es sich
nicht als Aufgabe stellen soll, die Wissenschaft auszubilden, darüber
waren übrigens sämmtlichc Redner einig. Indem ich Sie bitte, nach
dieser Richtung hin meine Aeusscrungen in der betreffenden Debatte
klar zu stellen, bin ich etc. Mendel.
— In der Woche vom 24. Februar bis 2. März sind in Berlin 541
Personen gestorben. Todesursachen: Masern 7, Scharlach 11, Roth-
lauf 2, Diphtherie 24, Febris puerperalis 5, Typhus 7, Dysenterie 1,
Rheumatismus articul. acutus 1, Syphilis 3, Kohlengasvergiftungen 3
(davon 2 Selbstmorde), Brandwunden 1, Verletzung 2. Ersticken 2, Er¬
hängen 1 (Selbstmord), Ertrinken 4 (davon 3 Selbstmorde), Lebens¬
schwäche 26, Abzehrung 19, Bildungsfehler 1, Atrophie der Kinder 6,
Rachitis 5, Skropheln 2, Altersschwäche 21, Krebs 14. Wassersucht 2,
Herzfehler 2, Hirnhautentzündung 12, Gehirnentzündung 13, Apoplexie 14,
Tetanus und Trismus 10, Zahnkrämpfe 11, Krämpfe 56, Kehlkopfentzün¬
dung 18, Croup 3, Pertussis 16, Bronchitis acuta 15, chronica 13,
Pneumonie 33. Pleuritis 4, Phthisis 59, Peritonitis 11, Diarrhoe 3 (Kinder
unter 2 J.), Brechdurchfall 4 (Kinder unter 2 J.), Magen- und Darra-
*) Bericht über die Verhandlungen des deutschen Aerztetages.
1877. p. 34.
entzündung 1, Nephritis 6, Blasenleiden 1, Harnvergiftung 1, Baueb-
schwangersehaft 1, andere Ursachen 62, unbekannt 2.
Lebend geboren sind in dieser Woche 440 m., 398 w., darunter
ausscrehelich 74 m., 55 w.; todtgeboren 18 m., 17 w., darunter ausser-
ehelich 6 m., 4 w.
Die durchschnittliche Sterblichkeit dieser Woche beläuft sieb
auf 27,6 pro Mille der wahrscheinlichen Bevölkerungszahl, die entspre¬
chende Geburtenziffer auf 42,7 pro Mille (beide Summen mit Ausschluss
von 1,8 pro Mille Todtgebornen).
Witterung: Thermometerstand: 6,03. Abweichung 4,20. Ba¬
rometerstand: 27 Zoll 10.97 Linien. Dunstspannung: 2,85 Linien.
Relative Feuchtigkeit: 83 pCt. Himmelsbedeckung: 8,6. Höhe
der Niederschläge in Summa: 10,575 Pariser Linien.
In Berlin sind in der Woche vom 3. bis 9. Marz gemeldet: Typhus-
Erkrankungen 10 (5 m., 5 w.), Todesfälle 5.
VII. Aältliche Mittheilugea.
Personal!».
Auszeichnungen: Seine Majestät der König haben Allergnädigst ge¬
ruht, dem Ober-Stabsarzt 1. Klasse Dr. Müller beim Invalidenhause
zu Berlin die Erlaubniss zur Anlegung des ihm verliehenen Kaiserlich
japanesisehen Verdienst-Ordens vierter Klasse zu ertheilen, dem Kreis-
physikus Sanitätsrath Dr. Leonhard zu Mühlheim a. Ruhr und den
Sanitätsräthen Dr. B ran dis und Dr. Mayer zu Aachen den Character
als Geheimer Sanitätsralh, sowie dem Kreisphysikus des Landkreises
Aachen Dr. Trost zu Aachen, und den practischen Aerzten Dr. Bre-
dow zu Danzig, Dr. Eduard Michaelis und Dr. Carl Idelcr zu
Berlin den Character als Sanitätsrath zu verleihen.
Anstellungen: Der seitherige Kreiswundarzt Dr. med. Wiewiorowski
zu Seeburg ist zura Kreisphysikus des Kreises Labiau ernannt worden.
Niederlassungen: Dr. Schnettler in Ilagen, Dr. Flehinghaus
in Dortmund, Dr. Vogt in Iserlohn, Dr. Georg Sippel in Borken,
Dr. Albert Sippel in Hanau, Dr. Bruckner in Aachen.
Verzogen sind: Dr. Weber von Windecken nach Fechenheim,
Arzt K a es c m o d e 1 von Frankenau nach Landsberg, Dr. W ae h en f e 1 d
von Borken nach Berlin.
Apotheken-Angelegenheiten: Der Apotheker Wilhelm Werner
hat die Apotheke in Elpe übernommen, dem Apotheker Teicher
ist die Administration der Filial Apotheke in Hallenberg übertragen
worden.
Todesfälle: Arzt Ferber in Bilstein, Di. Ruthenberg in Iserlohn,
Apotheker Dorn in Königsberg i./P., Kreisphysikus Sanitätsrath Dr.
Wilckinghoff in Nordkirchen.
Bekanntmachung.
Durch das Ableben des Kreisphysikus für den Kreis Lüdinghausen,
Dr. Wilckinghoff zu Nordkirchen, ist das Physikat des gedachten
Kreises erledigt. Bewerber um diese Stelle haben sich unter Einreichung
ihrer Approbation und sonstigen Zeugnisse binnen 6 Wochen bei uns
zu melden. •
Münster, den 11. März 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Inserate«
Zum sofortigen Antritt (spätestens 1. April) sucht ein Landarzt
auf 3—4 Wochen eine Vertretung in seiner Landpraxis, wozu event. ein
Cand. med. kurz vor seinem Examen ausreicht.
Angenehmer Aufenthalt und Fuhrwerk zur Disposition. Offerten
sub 0. P. 11 d. d. Exped. d. Bl. _
Für junge Aerztel
Die A ssistcnzarztstelle an einem Diaconissen - Krankenhause einer
norddeutschen, mittelgrossen Stadt wird demnächst offen. Zahl der
Betten ca. 100; Bed. 600 Rmk. und freie Station. Näheres durch die
Expedition dieser Zeitung sub N. R. 14.
Bekanntmachung.
Die Stelle eines Assistenz-Arztes an unserem Krankenhospital zu
Allerheiligen hierselbst, mit welcher ein Jahrcsgehalt von 900 Mark
nebst freier Wohnung und Beheizung verbunden ist, soll vom 1. Mai
d. J. ab anderweit besetzt werden.
Approbirte Aerzte, welche gesonnen sind, sich um diese Stelle
zu bewerben, wollen ihre schriftlichen Meldungen nebst Qualifications-
Zeugnissen binnen 14 Tagen bei uns einreichen.
Breslau, den 12. März 1878.
Oie Directioa 4cs KrackcR-BocpItalc ti Allerheiligen.
Arzt gesucht!
In einer kleinen Stadt der Landdrostei Lüneburg, welche lebhaften
Verkehr und eine wohlhabende Umgebung hat, findet ein tüchtiger Arzt
sehr günstige Gelegenheit zur Niederlassung. Anfragen sub S. R. 104
beförd. die Herren Haasenstein & Vogler in Hannover.
Ein junger promov. Arzt sucht zum Frühjahr Praxis mit Fixa in
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.E/lanifim. PA Mar» ISIS. Prof. W,
Der Kpjisphyitias Herr hr-H e tf tc r tpei^clbst wird aus ßesmul-
b^<t£~Itoek>i Ahlen am r t. April er. -seihe gesamtste, Privat prwus nߣ^mi r
»Aöd >üt':danu iu, biesigef Stadt und einem jjmkeense vpn »ut
vorhanden.; Die Nkderlrifisnng noch ;dn$s Ar*teW.%^ diiher .ein
drtr a; v,ides Bedürfnis*:
imüecu vir hierauf auimerksam machen. bemerken- wir n.r.rh, dass
aiieb die KrovswüwtorÄtaielJi:- des Kreises ainbesetiit hi, sowie, dass <l«r
H'frt; ;i>r. H v «fl er. bis.ttei laludicli 24U Mark als Impfaht; uw 1 l$'.J Mark
^s Artnojunm , h«u<;<A! hat. und sind wir zurKitheilunp weiterer Aus-
kunft über die wunduren Verhiiltwisse gern bereit.
Templm. den 12. Mürz 1878.
Uor Magistrat
l.kirt4»MrS!> UeOau*üjU»tn-*iv4 Vim l yV5#'Sa’i^ tof »l)<u K«aiikhoU»»«i
•W«i. ,«$^(Uv& *V,»m,v.»>u Mft.^'C'1 u* ’ah& Ußteaielbe, «otb «»,?
v :A. ; v , J>rea*iO. des Unter*ajba , y&WfetKUtrn oet Leber u i<J Milt, (mm
o • Q>tt.lh«tLcbt, Öloht r*
WÜiierHljfe&Uer -‘fU >-Sohwß,rr , vU*^i. J ifefc^uJ,v »ool- u. 5£iefernadd2-B&der-
>>,;?ik*i5.^*.t^4*iivt imaua mal X»hiv**fw •• WMiUüaifcitgiu
Vv>r.5?f>jrUob»‘- Molken., v.o>\ ßtiwv fe-jiaur v<* ^^OenxelJ tuireUat.
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J>(k Reinheit d*r lVi^chen Beryluft **i»i»äeWr Hotaburs Ve-
*r.uAm Im lü/UrfceoÄvms «.»fear bau n&r 2Tein«*»u*Ac*Äi(U,
-JLt&iif-M ■ 'jjhV -firiiusu c*!*u ’A-ii»t;<eKixit¥i^o +*aiuCsM>fi; Bflil iUo»
1 -r vf.^ibmr'vAVftw- r -K».- va>irig,'c f?*£rk yxt< '-v w-c» ■ iAuiv« A<ü.ty*s» ■ eie •wiwipromifr*
tf&'fifiint'f- T-Wk» - -. , VfAbiteAtM etc )' 'eil&ftfit AtkutUvu\^^vV
Fik meine. Hetl- und PttL^eanstaU für Nerven- und Hemü'diskninko
^.u'eho »eh oinen Assisieiuarzt.
G%litx. . ' _Dr. ^
Jfe \?.l wünsobtiimweiuh, da>.^ ambw .deu hier ansibfsififv*u -xw^i :Ai:r2.H*n
si?-h «:c^h" ein ärmer iur tAl^rnabfm- von Stad.t- und LiiudpraAA .mrder-
Bsaik. Den ffewerbern kdlirb ttmMi nbarung: rotf.'.dänA
dA^t^He des 1 mpfaiid.es des ?K esse hi gen Bezirke mit eurpr Iioxo uimmtfoti
•;?rift ; .3}ÜÖ Mark - sowie- d*A: Krankenkassen v« Ank-
Aitlbi:'^St^lii; Wbrdnjc. - . ; • * '. ; / ; , ‘ A ..
AuskunH ertbniten eern die Hi'-iTr-n. .(r iln t \. .;• r , \dl. r- \p.-i.hei,T.. und
Münziel. MobivijAVndüibth^.bpUv. 1 -I-'
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Ofner Königs-Bitterwasser
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; aegvn httliHuelle ÄtuhlverliÄltttwgr ynd alt«:- daiAu? resiiltirou-
den Krankbmten ohne irgend welche Ihle Nadiwlrknng. amdi hei dajagorem
: GebravtehA auf Warmnto «.'ninKdiien.
Durch .s..trviv lvidron^-..Ochati^ ChlarnalriniR f flatrhn bicarbOBicnm
und Natron cgrbfl(flcill!l l .ürdienr es -v o V-.«mty; vor atpm aurn-ni Dit.t..-r-
wassrni dos ln- und. Ausland«'.'’
Mattolii & Wille, k, k, Mtw. Hoflieferant.
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Gmb«:r‘.d.)ri ; i«i- Pose- .und 'f.dc^raphcnsiatlou. Die .nen'-bjute ßah'm
! Station für die Amt tk riin od.«tr Üt'VsdAiu.; kmurfietuUni i-’Atir/iteti ist
Ditier^baubv Uri4 iür Ifjv über i’Aig odpr- Ör^hyr kptoipeutei FriedlaiuC
I lleii.-IHizirk HrerlaUi
Briefe au : »1« ;» riu..->vm<*hn!;(;r»r
* Or. Bretiiuer,
TAj’-.j? Bczj^n'ilTirm auf Km Au^tirtubcn, «'
'i\AU u. KVank^itbaiiscn ImSr.ulVntL _xur Mudirielv
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Bekuiuifiiiaehuiia.
d;A'd'üf AVyivJtÄ ,üntl Kin^e^wvdj^t; /bm ;
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Redruefe^ bot L. Soli0machet m Rcdiii
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174
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Ne. 13
des Microscops war erfüllt von runden und eckigen farblosen
Zellen mit grossem, blassem Kern, zwischen denen etwa in
gleicher Zahl als die blassen Zellen selbst normale rothe Blut¬
körperchen lagen. Kernhaltige rothe Blutkörperchen fehlten,
oder waren wenigstens so selten und so unbestimmt ausgeprägt,
dass sie keinen wesentlichen Theil des Befundes ausmachten.
Dagegen habe ich in einem Falle an mehreren Stellen Bilder
erhalten, in denen einzelne Kerne der farblosen Zellen deutliche
Hämatinfärbung zeigten und auch sonst in ihrem Aussehen
täuschend wie die kleineren Formen der rothen Blutkörperchen
aussahen. Von den blutkörperchenhaltigen Zellen unterschieden
sich diese Zellen dadurch, dass die eingeschlossenen Gebilde
keine Andeutung einer rückgängigen Metamorphose zeigten: keine
Schrumpfung und nicht die bekannte gelbe Farbe, welche die
eingeschlossenen Blutkörperchen sonst characterisirt, sondern
scharfe runde Conturen und die grünlich schimmernde Farbe
normaler rother Blutkörperchen.
Von diesem Befunde, den die Markveränderung des höchsten
Grades darbot, waren nun bei den geringeren Veränderungen
alle möglichen Uebergänge bis zu dem Bilde wie es das ge¬
wöhnliche fettige Markgewebe darbietet, bestehend in allmäliger
Zunahme des Fettes und Abnahme der granulirten blassen Zellen,
bis schliesslich die Fettzellen das ganze Gesichtsfeld einnahmen
und zwischen ihnen Gefässe und rothe Blutkörperchen, denen
in normaler Weise spärliche weisse Blutkörperchen beigemengt
waren, den ganzen Befund bildeten.
Vergleichen wir diesen Befund mit den Veränderungen,
welche das Knochenmark bei anderen Affectionen darbietet, so
ist hierbei zuerst die Leukämie zu berücksichtigen.
Das leukämische Knochenmark zeigt sich bekanntlich unter
zwei verschiedenen Formen: entweder ist es von eitergelber
Farbe und von der Consistenz eines zähen visciden Eiters, oder
die Farbe desselben ist roth und grau in den verschiedensten
Uebergängen und Combinationen, die Consistenz theils gallertig
weich, theils ziemlich derb ähnlich einer succulenten Lymph-
drüse (s. Neumann, Berl. kl. Woch. 1878, p 132;.
Von diesen beiden Formen würde nur die letztere eine
gewisse Aehnlichkeit mit derjenigen Beschaffenheit des Knochen¬
marks haben, wie sie sich in meinen Untersuchungen darstellte.
Was den microscopischen Befund betrifft, so gleicht sich der¬
selbe in beiden Fällen durch die starke Zunahme der blassen
granulirten Zellen, ohne dass freilich die Zunahme in meinen
Fällen so bedeutend gewesen wäre, wie meistens bei den leuk¬
ämischen Affectionen des Knochenmarks. Ob übrigens in meinen
Fällen die Veränderung des Knochenmarks mit einer Vermeh¬
rung der weissen Blutkörperchen im Gesammtblut verbunden
war, kann ich nicht angeben, da ich keine von anderen Stellen
entnommene Blutproben auf den Gehalt an weissen Körperchen
untersucht habe. Wie ich bereits früher angegeben habe, war
die Milz in meinen Fällen nie erkrankt, die dem Entzündungs¬
herde zunächst gelegenen Lymphdrüsen dagegen stets erheblich
vergrössert. (Deutsche Zeitschr. f. Chir., Bd. 8, p. 296.)
Die Beschaffenheit des Knochenmarks bei der acuten Anä¬
mie, wie sie von Neumann und Litten und Orth auch ex¬
perimentell durch starke Blutentziehungen an Hunden dargestellt
wurde, gleicht macroscopisch vollkommen deijenigen, wie sie
sich in meinen Fällen darstellte, unterscheidet sich aber micro-
scopisch durch das sparsame Auftreten der kernhaltigen rothen
Blutkörperchen in meinen Fällen. Diese Thatsache ist von den
Herren Litten und Orth an meinen Präparaten constatirt,
während ich wieder Gelegenheit hatte, an ihren Präparaten
mich von der grossen Anzahl kernhaltiger rother Blutkörperchen
zu überzeugen. Es liegt also hier kein einfaches Uebersehen
der betreffenden Zellformen vor. Es ist übrigens gar nicht da¬
ran zu denken, dass die Knochenmarksveränderungen in meinen
Fällen als anämische betrachtet werden können, da die Hunde
bei meinen Experimenten nur sehr wenig Blut verloren.
Was schliesslich die dritte Gruppe der Erkrankungen be¬
trifft, in welcher beim Menschen oft das rothe lymphoide Mark
in den Röhrenknochen gefunden wird; so sind es nach den
gemeinsamen Angaben von Neumann, Ponfik, Litten und
Orth hauptsächlich Zustände, welche zum Marasmus führen,
vorzugsweise die phthisischen und carcinomatösen Affectionen.
Auch diese Gruppe bietet in ihrer Entstehungsart keine Analogie
zu den Markveränderungen in meinen Fällen, welche sich inner¬
halb weniger Tage unter dem Einfluss einer mit hohem Fieber
verbundenen acuten Entzündung bildeten.
Es wäre nun schliesslich die Frage zu beantworten, ob es
von besonderer ätiologischer Bedeutung für die Veränderungen
des Knochenmarks ist, dass die primäre Entzündung in einem
Knochen ihren Sitz hat, oder ob die Veranlassung überhaupt
nur eine acute Entzündung ist, gleichgültig ob sie ihren Sitz
in den Weichtheilen oder im Knochen hat. Die Erfahrungen
am Menschen sprechen nicht sehr für die letztere Annahme.
Litten und Orth fanden bei acuten, mit hohem Fieber ver¬
bundenen Entzündungen, wie bei Scarlatina, Pneumonia fibrosa
und Abdominaltyphus, öfters nur hyperämisches Fettmark. Eher
konnte man daran denken, dass der septicämische Character,
der allen meinen Fällen, die in der ersten Woche tödlich endeten,
in hohem Grade anhaftete, als wesentliche Bedingung für die
Markveränderung zu betrachten sei; denn auch Litten und Orth
fanden in sämmtlichen 8 Fällen von septicämischen Erkran¬
kungen, welche meist Puerperae zwischen 17 und 37 Jahren
betrafen, rothes lymphoides Mark (Berl. kl. Wscji. 1877, p. 745).
Es ist daher wohl möglich, dass der Sitz der primären Ent¬
zündung in einem Knochen kein wesentliches Moment für die
Entstehung der Markveränderung ist, und dass jede acute sep¬
tische Entzündung dieselben Veränderungen hervorzurufen im
Stande ist. Auf experimentellem Wege durch Hervorrufung
septischer Entzündungen in Weichtheilen habe ich die Frage
nicht geprüft.
Auf alle Fälle scheinen mir diese Markveränderungen nach
der Richtung hin von Bedeutung zu sein, dass sie uns ansser
der Embolie noch eine zweite Möglichkeit der Erklärung für
die Multiplicität geben, welche die Osteomyelitis des Jünglings¬
alters in so hohem Grade characterisirt, denn dass diese Ver¬
änderungen durch eine weitere Steigerung schliesslich bis zum
eitrigen Zerfliessen des Marks führen müssen (ebenso wie bei
den höchsten Graden der leukämischen Knochenmarks-Entartung),
ist nach dem microscopischen Befunde nicht zweifelhaft. Es
stellt sich dann die interessante Frage: wodurch unterscheidet
sich das acut leukämische Knochenmark von dem acut vereiter¬
ten? Diese Frage ist bereits von Neu mann und Heiberg
gestellt (Berl kl. Wsch. 1878, p. 132), und von letzterem ver-
muthet, dass ein Theil der in Frankreich als Typhus des mem-
bres beschriebenen und als acute Osteomyelitis angesehenen
Fälle leukämischer Natur gewesen sei.
Ich möchte mich dieser Vermuthung nicht anschliessen. Die
Symptome der acuten Entzündung mit Periostablösung, Necrose
und Epiphysentrennung etc. sind nie bei Leukämie beobachtet und
bilden ein scharfes Unterscheidungsmittel zwischen beiden Krank¬
heiten. Da aber der microscopische Befund des leukämischen
und vereiterten Markes identisch ist, so muss man sich zur
Erklärung dieser Differenz nach einem verschiedenen ätiologi¬
schen Moment umsehen, und dieses dürfte in der Anwesenheit
oder Abwesenheit septischer Processe liegen. Die Leukämie
ist eine Krankheit, die stets ohne die leiseste Andeutung von
Sepsis verläuft, die acute Osteomyelitis dagegen ist durch sep-
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1. April 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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ticämische Processe stets in besonders hohem Grade characte-
risirt. Die Sache würde sich dann schliesslich so stellen, dass
die Osteomyelitis eine septicämische Hyperplasie des Knochen¬
marks ist, d. h. eine unter den Einfluss septischer Substanzen
stattfindende kolossale Vermehrung der runden farblosen Zellen
in dem Mark eines oder gewöhnlich mehrerer Knochen, und
diese Deutung dürfte vielleicht im Stande sein, uns das Ver
hältniss des eitrig zerflossenen leukämischen zum osteomyeliti¬
schen Knochenmark zu veranschaulichen.
II. lieber Kehlkepfsvereigerug ttarch ■MMbnnartlge
Narbei in Felge ree Syphilis.
(Nach einem Vortrage in der medicinischen Section der schle¬
sischen Gesellschaft für Vaterländische Cultur.)
Von
Dr. Julias Sommerbrodt, Docent in Breslau.
M. H.! Der oppositionelle Standpunkt, den ich*) vor 8 Jahren
gegenüber Cohn-Kaposi in betreff der Sensibilität des Kehlkopfs
bei ulcerösen Processen auf syphilitischer Basis eingenommen,
hat durch eine grosse Reihe weiterer Beobachtungen immer
wieder neue Unterstützung erhalten. Wenn Kaposi 1 ) als „eine
nicht genug zu betonende Eigenschaft der syphilitischen Kehlkopf¬
geschwüre die ausserordentliche Schmerzhaftigkeit“ bezeichnet,
so muss ich eben auf das bestimmteste widersprechen. Wenn
man wiederholt gesehen hat, wie der Verlust einer ganzen Epi¬
glottis sich durch Geschwürsprozesse vollzog, ohne dass die
Kranken mehr als eine gewisse Unbequemlichkeit im Schlunde
bemerkt haben, oder wenn es vorkommt, wie ich es gesehen,
dass eine Kranke lediglich mit der Klage über Hustenreiz und
vermeintliche Brustaffection sich vorstellt, während das einzig
auffindbare bei genauester Untersuchung ein tiefgreifendes syphi¬
litisches Ulcus mit Defect der Epiglottis war, und ferner, wenn
in den Stimmbändern flache oder elevirte syphilitische Geschwüre
eine Zeit lang bestanden, ohne dass die Klagen auf etwas ande¬
res gerichtet waren als auf die rauhe Stimme, dann ist man
im Recht, wenn man die geringe Schmerzhaftigkeit syphilitischer
Geschwüre im Larynx geradezu diagnostisch verwerthet und in
zweifelhaften Fällen deutliche Schmerzhaftigkeit eher zu Gunsten
der Annahme von Affectionen benutzt, welche im Zusammen¬
hang mit Lungenphthisis am Kehlkopf Vorkommen.
Es gilt dies am prägnantesten von der Entzündung und
Verschwärung der Epiglottis, in der die furchtbaren Schling¬
hindernisse durch den Schmerz bei einer Reihe vcha Phthisikern
in einem schneidenden Gegensatz stehen zu den fast fehlenden
Beschwerden bei den syphilitischen Ulcerationen an gleicher Stelle.
In dieser geringen Schmerzhaftigkeit syphilitischer Larynx-
Affectionen liegt eine nicht geringe Gefahr für den Kranken,
weil sie zweifellos die irgendwie vorhandene Neigung zur Ver¬
nachlässigung begünstigt. Nun wird zwar diese Gefahr einiger-
massen dadurch compensirt, dass selbst ziemlich lange Zeit vor¬
handene Ulcerationen nicht selten entweder bei der Heilung
eine Zurückführung zur Norm zulassen, oder dass die übrig¬
bleibenden Narben in Beziehung auf das Athmen und Schlingen
gar keine, in Beziehung auf die Stimme nur geringe functionelle
Störungen im Gefolge haben. Indess ist die Reihe der Beob¬
achtungen doch keine geringe, in denen erheblichste Schädigung
der Larynxfunctionen auch nach Tilgung der eigentlichen Grund¬
krankheit zurückbleibt.
Zu den interessantesten und wichtigsten dieser letzteren
1) Die ulcerüisen Processe der Kehlkopfschleimhaut in Folge von
Syphilis. Wien. med. Presse. 1870. No. 20. ff.
2) Die Syphilis der Schleimhäute. Erlangen. 1866. p 140.
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gehören die membran- und diaphragmaartig quer durch das
Lumen des Kehlkopfs ausgespannten Narben, einmal deshalb weil
sie eine besondere Hochgradigkeit der functionellen Störungen
bedingen, andrerseits weil sie durch Operation beseitigungs¬
fähig sind.
In der Gesammtliteratur finden sich 21 derartige Beob¬
achtungen, zu denen ich selbst eine neue hinzufügen kann,
welche ein besonders klares Paradigma abgiebt.
Von diesen 22 wurden 6 von Eisberg 1 ) in Newyork mit-
getheilt; von den übrigen 17 Fällen kommen 11 auf den euro¬
päischen Südosten (Wien, Pest, Breslau). — Schrötter 1 ) und
Türck 8 ) haben allein 7 davon beschrieben; Navratil 4 ), Schnitz¬
ler 8 ), Stork 8 ) und ich sahen je einen. — Der Rest vertheilt
sich auf Tob old 7 ) (2). Rossbach 8 ), Mackenzie 8 ), Massei 18 ).
Ich halte es nicht für zufällig, dass in Europa */ 4 aller
Fälle im äussersten Osten beobachtet sind, sondern halte diese
Thatsache vielmehr direct abhängig von der grösseren Indolenz
der daselbst ansässigen oder der grenznachbarlichen niederen Be¬
völkerung, die erfahrungsgemäss mehr als anderswo erst dann
Hülfe sucht, wenn es sich bereits um hochgradige Störungen han¬
delt, besonders wenn die Schmerzhaftigkeit der Affectionen eine
geringe ist. Welchen Grad die in Rede stehenden Störungen er¬
reichen können, will ich Ihnen wenigstens an ein paar Beispielen,
bevor ich meinen Fall referire, erläutern. Türck’s erste Beob¬
achtung betraf einen Mann, der seit 3 Jahren zweifellos syphi¬
litisch war, dem die Nasenknochen eingefallen, und dem die Uvula
und ein grosser Theil des weichen Gaumens fehlte. Bei diesem
waren die Stimmbänder derart von der vorderen Oommissur
an durch eine narbige Membran verwachsen, dass im hintersten
Theil der Rima glottidis nur noch ein rundliches Loch von
3—4 Mm. Durchmesser für den Durchtritt der Luft übrig blieb.
Einen sehr ähnlichen Fall publicirte Schrötter. An der Grenze
des möglichen steht eine Beobachtung von Eisberg. Ein
48jähriger Mann, der schon in jungen Jahren und seitdem oft
an Syphilis erkrankt war, litt seit 10 Jahren an Heiserkeit,
allmälig zunehmender und jetzt aufs höchste gesteigerter Dyspnoe.
Der narbig verzerrte Larynx zeigte zwischen den wahren Stimm¬
bändern eine Membran, welche das Lumen vollständig zu schliessen
schien. Bei der Inspiration konnte Eisberg gar keine Stelle
entdecken, wo er hätte annehmen können, dass daselbst der
Durchtritt der mühsam passirenden Luft stattfinde. Bei der
pfeifenden Exspiration konnte er wenigstens aus einer kleinen
Bewegung am hintersten Ende der Membran und einer kleinen
Hervorwölbung schliessen, dass daselbst die Luft ausströme.
Die von mir Ihnen vorgestellte 36jährige Frau trat am 16.
Jan. 1877 in meine Behandlung; sie gab an, vor V/ t Jahren
ein schmerzhaftes Halsleiden mit starker Behinderung beim Schlin¬
gen gehabt zu haben; ein halbes Jahr später begann Heiserkeit,
welche seitdem bestehen blieb; im Laufe des letzten Halbjahres
gesellte sich dazu eine zunehmende Athemnoth, welche sie an
der Verrichtung ihrer ländlichen Arbeit fast ganz hinderte und
sie nun endlich veranlasste ärztliche Hülfe zu suchen.
Vor 2 ! / 2 und vor 8 / 4 Jahren hat sie abortirt; über eine In-
1) American Journal of Syphilographie and Dermatology. Januar,
1874.
2) Jahresberichte der Klinik für Laryngoscopie. 1870 und 1871—73.
3) Krankheiten des Kehlkopfes 1S66. (S. 408 und 409.) und Atlas.
4) Laryngolog. Beiträge. 1871.
5) Wiener medicinisc-he Presse. 1867.
6) Wiener medicinische Wochenschrift. 1867.
7) Laryngoscopie. 1874. S. 299.
8) Langen heck’s Archiv. B. IX.
9) Medical Times and Gazette. 1871.
10) Lo sperimentale. Fase. 9. (Virch. Jahresber. 1872.)
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UNIVERSSTY OF MICHfGAN
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1. April 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
177
mehr zur specifischen Therapie vorliegt. Die Durchtrennung
der Membran kann mit dem Messer geschehen, und zwar würde
dazu sich stets am meisten das einfache ungedeckte, geknöpfte,
nach Art eines Herniotoms geschliffene Kehlkopfmesser, das die
Stärke einer Sonde ja. kaum übertrifft, empfehlen. Der ein¬
fache Schnitt hat aber in einer Reihe von Fällen nur momentan
geholfen. Die Verwachsung vom vorderen Winkel her begann
von neuem, was auch durch Bougiren des Larynx nicht ver¬
hütet werden konnte. Aus diesem Grunde hat Schrötter
prophylaktisch zuerst in möglichster Nähe der Commissur ein
Loch hergestellt, einmal nvttelst des Galvanokauters, ein
anderes Mai durch diesen und Kali causticum und im ersten
Fall darauf erst die Membran durchschnitten, im zweiten durch
fortgesetzte, die ursprünglich gemachte Oeffnung erweiternde
Aetzungen die Membran allmälig getilgt. Es ist auch gelungen
durch einfache galvanokaustische Durchtrennung der ganzen
Membran von hinten nach vorn dieselbe ein für alle Mal zu
beseitigen (Eisberg).
Bei günstigem Effekt wird von einer Wiederherstellung der
Stimme nur in seltenen Fällen die Rede sein, die Verminderung
vorhandener Dyspnoe immer gelingen.
Meine nicht hier ansässige Patientin hat sich bisher nicht
zur Operation entschliessen können, da ihre Beschwerden —
abgerechnet die mangelnde Stimme, auf welche sie aber keinen
Werth legt — relativ geringe sind.
HI. lieber eine bisher nicht beobachtete Form sub-
■ictoer laemorrhagie der Kehlkopfsehleimhaat.
Von
demselben.
Bekannt sind die Haemorrhagien, welche acute Laryngitis
begleiten können, besonders durch die Fränkel’sehe Beschrei¬
bung der Laryngitis hämorrhagica. In den wenigen bisher be¬
obachteten Fällen dieser Art handelte es sich um kleine Blu¬
tungen ans den strotzend gefüllten Schleimhautgefässen meist
frei auf die Fläche. Ich hatte im vorigen November Gelegen¬
heit bei einer gravida im 9. Monat eine Laryngitis acuta zu
sehen, bei der dunkelrothe blutige Suggillationen in beiden
wahren und eine grosse im rechten falschen Stimmbande be¬
stand, und bei der seit 3 Tagen auch der Expectoration blutige
Streifen beigemengt waren. Die Resorption der submucösen
Ergüsse ging rasch von statten. Diese Beobachtung bildet
gewissermassen den Uebergang zu den beiden von Bogros
und Pfeuffer. Ersterer sah in einem Falle von Variola hae-
morrhagica blutige Infiltration der Plicae aryepiglotticae, welche
durch begleitendes Larynxödem tödtete, und Pfeufer consta-
tirte tödtliche Larynxstenose durch einen grossen submucösen
Bluterguss unter den rechten Ventriculus Morgagni in Begleitung
einer sehr heftigen Stomatitis mercurialis.
Ganz ohne Analogon ist meine folgende Beobachtung.
Ein 20jähr. Mädchen stellte sich mir am 20. Januar 1878
mit dem Bemerken vor, dass sie vor 2 Stunden beim Mittag¬
essen etwas verschluckt haben müsse, was ihr im Halse
stecken geblieben sei; sie empfinde seit einem ihr bestimmt er¬
innerlichen Augenblicke an einer Stelle im Kehlkopf höchst
lästigen Druck und Stechen, und der Versuch durch Genuss
von Brotkrusten den fremden Körper zu entfernen hätte keinen
Erfolg gehabt.
Die laryngoscopische Untersuchung zeigte auf den ersten
Blick zwischen der Mitte der hinteren Larynxwand und der
Pharynxschleimhaut einen kirschkerngrossen, schwärzlichen,
rundlichen Körper. Der übrige Kehlkopf vollkommen normal.
Im ersten Augenblick konnte man an eine Bleikugel oder den
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Knopf einer Nadel denken. Die zufühlende Sonde erwies jedoch
den Körper als weich, indess an der Regio interarytaenoidea
postica festsitzend und bis dicht an den obersten Rand der
hinteren Kehlkopfwand heranreichend. 'Die drängenden und
schiebenden Manipulationen an dem Körper mit der Sonde
machten der Patientin weder Schmerz noch Blutung. Den
Inhalt des Körpers konnte ich bestimmt als ein wenig schlotternd
erkennen. — Es war leicht, der Patientin selbst mit Hilfe eines
Gegenspiegels dies alles zu demonstriren.
Der tactile Eindruck und die Farbe Hessen mich nicht
zweifeln, dass es sich hier um einen submucösen Bluterguss
der Regio interarytaenoidea postica handele, welcher
subjectiv und objectiv einen Fremdkörper vortäuschte.
Beim Einsenken des ungedeckten Lanzenmessers floss
dunkeles, schwärzliches Blut aus, und von diesem AugenbUck
an war subjectiv und objectiv der Fremdkörper verschwunden.
Die Entstehung dieser submucösen Haemorrhagie ist, wie ich
glaube, lediglich durch eine Quetschung der betreffenden Partie
durch harte Bissen zu erklären. Ich habe wenigstens einen
ganz ähnlichen kleinen Blut-Tumor einmal auf der Wangen¬
schleimhaut gerade an der Stelle gesehen, wo die oberen und
unteren Zahnreihen aufeinanderstossend die benachbarte Schleim¬
haut leicht einquetschen können.
IV. Zur Anwendung der Nasendonche.
Tater welchen Bedingungen ist die neaerdlngs als ein so gefahr-
veiles Mittel geschilderte Nasen-Rachen-Beaehe zulässig and ebne
Befahr für das Gehörorgan in benutzen!
(Vortrag, gehalten in der Hufeland’schen medic. Chirurg. Gesell¬
schaft in Berlin am 28. December 1877.)
Von
Dr. Weber-Lftel,
Docent für Ohrenheikonde a. d. Universität zu Berlin.
M. H.l Es ist Ihnen bekannt, dass bei vielen Affectionen
des Nasen-Rachen-Raumes die öftere und möglichst schonende
Reinigung der erkrankten Schleimhautflächen von Schleim und
von Eiter ein erstes therapeutisches Desiderat sei. Es ist nicht
nur erwünscht, sondern meist auch nothwendig, dass die er¬
krankten, den unmittelbar manuellen Eingriffen schwerer zu¬
gänglichen Partien häufiger, als dies unter ärztUcher Controlle
geschehen kann, einem längeren Contact mit Arzneiflüssigkeit
ausgesetzt werden.
Diesen Anforderungen schien die Nasendouche von Th.
Weber in vielfacher Beziehung am besten zu entsprechen.
NamentUch haben die Ohrenärzte sich derselben allerwärts in
ausgiebigem Masse bedient. Die günstigen Resultate, welche
man damit erzielte, rechtfertigten ihre stets zunehmende Ver¬
breitung. In der neueren Zeit nun ist bei vielen Aerzten ein
Umschwung in den Ansichten über die Verwendbarkeit des
bisher so beUebten Mittels eingetreten, seitdem eine grössere
Anzahl von Fällen veröffentHcht worden ist, wonach in Folge
der Th. Weber’schen Nasendouche heftige Ohrentzündungen
mit lebensgefährlichen Gomplicationen aufgetreten seien. Man
glaubte sich den gemachten Beobachtungen gemäss überzeugt
zu haben, dass die Ursache der Entzündung das Eindringen
der durch die Nase einströmenden Flüssigkeit auf dem Wege
des Tubenkanals in die Paukenhöhle gewesen sei. Diese Gefahr
Hege stets vor, meinen die einen, sie sei nicht zu verhüten,
und deshalb verwerfen sie die Nasendouche vollständig; andere
Practiker dagegen glauben 'durch gewisse Vorsichtsmassregeln
und durch modificirte Methoden der Douche das Eindringen
von Flüssigkeit in das Mittelohr verhüten zu können.
Es bewegen sich eben aUe die Auffassungen von ameri-
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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kanischen, englischen und deutschen Aerzten, welche bis jetzt
über diese Streitfrage sich haben vernehmen lassen, einzig nur
um das Thema des Eindringens von Flüssigkeit in’s Mittel¬
ohr, und ob dies zu verhüten sei oder nicht. Es ist dies aber
nicht der einzige und Cardinalpunkt der Sache, um welche es
sich handelt Bei näherer Betrachtung zeigt es sich, dass zwei
Hauptmomente zu beachten und wohl aus einander zu halten
sind:
I. Die Möglichkeit des Eindringens von Flüssigkeit aus
dem Nasen-Rachen-Raum in das Mittelohr;
II. die Bedingungen, unter welchen die in das Mittelohr
eingedrungene Flüssigkeit zu einer Ohrentzündung Veranlassung
giebt. Dass letzteres nur unter gewissen Umständen geschieht,
werde ich zeigen. j
Das Eindringen von Flüssigkeit in das Mittelohr hängt j
aber ab: -
a) nicht nur von der Methode der Nasendouche und der !
Art, wie sie ausgeführt wird; sondern auch i
b) von dem Verhalten des Lumens der Tuba Eust., welcher Ca¬
nal sich gegenüber der Möglichkeit des Eindringens injicirter |
Flüssigkeit in den Nasen-Rachen-Raum bei verschiedenen
Patienten durchaus verschieden verhält.
Die Bedingungen des Auftretens einer Entzündung 1
nach Eindringen von Flüssigkeit in’s Mittelohr liegen ebenfalls '
nicht so ohne weiteres in jedem Falle gleich gegeben vor, j
sondern sie hängen, wie ich darlegen werde, ab:
a ) von der Qualität der zur Einspritzung verwendeten Flüssig- |
keit;
ß) von dem Verhalten der Paukenhöhle und dem Zustande j
des Nasen-Rachen-Raums und der Tuba E. zur Zeit der
geschehenen Injection; |
y) von dem Verhalten des Patienten nicht nur während der !
Nasendouche, sondern auch nachdem dieselbe beendigt |
worden.
Was die Methoden der Nasendouche anbetrifft, so genügt j
es, drei von denselben in’s Auge zu fassen: 5
Die Th. Weber’sche Nasendouche: ihr eben werden ja ,
neuerdings die schlimmsten Dinge nachgesagt. Ob dies in der
Art ihrer Anwendung oder in der eigenthümlichen Einwirkung j
derselben gegründet sei, kann nur die experimentelle Beobach¬
tung entscheiden.
Ich setze voraus, m. H., dass Ihnen die Th. W.’sche Nasen¬
douche und ihre Anwendung bekannt sei. Es handelt sich dabei,
was ich gleich hervorheben muss, nicht um einen continuirlichen
Wasserstrahl, sondern nur einen solchen, welcher in den sich
folgenden Momenten mit der Abnahme des Druckes bei fort¬
schreitender Entleerung des Wassergefässes immer schwächer
wird und auch deshalb absatzweise wirkt, weil die den Schlauch
haltende Hand nicht ganz ruhig und unverrückt gehalten zu
werden pflegt. Demgemäss beobachtet man denn auch, dass
während der Einwirkung dieser Douche die Contraction der
sichtbaren Muskelgebilde keine gleichmässige ist, sondern dass
sich die hinteren Gaumenbögen und das Velum in einer Art
zitternder Bewegung, in einem Zustande wechselnder Contraction
befinden. Wenn also der Levator veli es ist, der, wie ich zuerst
glaube gezeigt zu haben, den Introitus Tubae bei seiner reflec-
torischen Contraction wallartig vortretend vor dem Eindringen
der einströmenden Flüssigkeit schützt, so ist es begreiflich, wie
in den Momenten der nachlassenden Muskelanschwellung die
gewissermassen ruckweise durch die Nase einströmende Flüssig¬
keit Gelegenheit findet, in die Tuba vorzudringen. Dazu kommt,
dass nach Experimenten, welche ich selbst mit einigen meiner
Zuhörer mit verschiedenen Arten der Nasendouche gemacht
habe, es kaum möglich ist, die Douche länger als eine halbe
Minute hinter einander wirken zu lassen ohne dass der Nisus
oder die Nöthigung zu einem Schluckact ein tritt. Hierbei wird
aber wiederum Gelegenheit zur Eröffnung des Tubeneingangs
gegeben, und wenn nicht sofort die Douche unterbrochen wird,
muss Flüssigkeit in die Tuba eintreten, die dann bei längerer
Fortdauer des Druckes der Douche in das Mittelohr weiter
eingetrieben wird.
Diese Wirkung discontinuirlich und in wechselnder Stärke
in den Nasen-Rachen-Raum einströmender Flüssigkeit auf die
Gaumen-Tubenmuskulatur beobachtet man noch in ausge¬
sprochenerem Masse, wenn man mittelst der neuerdings zur
Nasendouche empfohlenen Davidson’schen Spritze (Clysopomp)
durch das stossweise Zusammenpressen eines Gummiballons die
aus dem Wassergefäss aspirirte Flüssigkeit in den Nasen-
Rachen-Raum treibt; hierbei dürfte zum leichten Eintreten von
Flüssigkeit in die Tuba noch eher Gelegenheit gegeben sein.
Es hat aber letztere Form der Nasendouche den Vorzug, dass
sie kräftiger wirkend znr Reinigung der von ihr betroffenen
Nasen-Rachen-Partien mehr geeignet ist. Auch werden ihre
Gefahren entschieden gemindert durch den von B. Fränkel
gegebenen Rath, schon vor dem Beginne des Wassereinströmens
in die Nase und während der ganzen Dauer der Douche die
Vokale u, u, u laut intoniren zu lassen. Bei diesem Phonations¬
act wird der Levator veli so energisch contrahirt und sein an¬
geschwellter Muskelbauch so ausgiebig in das Ostium tubae
pharyngeum eingestülpt, dass, wie es scheint, der Reiz des
intermittirenden Wasserstrahls diesen Effect weder zu mehren
noch zu vermindern vermag. Doch sehr leicht tritt ein Ueber-
druck des Wassers in dem Nasen-Rachen-Raum ein durch ein
geringes Plus der Balloncompression. Wenn hiermit der Ver¬
schluss des Isthmus pharyngo-nasalis nachlässt und die Nöthi¬
gung zu einem Schluckacte eintritt, so möchte unseren Ver¬
suchen nach doch eine grosse Einübung und Geistesgegenwart
von Seiten des Patienten dazu gehören, die Douche sofort im
richtigen Momente zu unterbrechen, ohne vorher mit der
Phonation nachzulassen.
Ich benutze seit Jahren nur die Spritze zur Douche für
den Nasen-Rachen-Raum. Meine Nasen-Rachen-Spritze ist von
Glas, damij man sehen kann, dass der Inhalt der Spritze auch
rein und frei von unreinen Beimischungen sei; das Volumen des
Glascylinders fasst soviel Injectionsflüssigkeit, wie sie der Nasen-
Rachen-Raum beim Erwachsenen aufnehmen kann. Die beiden
Enden der Spritze sind von Hartkautschuck; ihre Spitze hat
Olivenform, und am unteren Ende des Glascylinders befinden
sich zwei flügelartige Fortsätze, damit hieran Zeige- und Mittel¬
finger bei der Injection ihren Anhalt finden. Der Spritzen¬
stempel ist von Metall und endigt in einem Ringe, in welchen
der Daumen eingefügt wird. Die Injection geschieht bei mög¬
lichster Geradstellung des Kopfes, welcher mit der anderen
Hand des Arztes umfasst und fixirt wird. Die olivenförmige
Spitze wird fest und in gerader Richtung in die eine Nasen¬
öffnung eingesetzt, und zwar derjenigen Nasenseite, welche
nach vorhergegangener Untersuchung (Exspirationsversuche, bei
welchen der Mund und bald die eine, bald die andere Nasen¬
öffnung geschlossen wird; Untersuchung mit dem Catheter)
sich am wenigsten durchgängig erweist; die Injectionsflüssig¬
keit findet dann kein Hinderniss am Abfliessen aus der ande¬
ren Nasenöffnung. Sie sehen, m. H., mit welcher Kraft ich
ohne jedes Bedenken den ganzen Inhalt dieser Spritze auf
einmal in meinen Nasen-Rachen-Raum entleere, und wie sofort
die Flüssigkeit in starkem Strahl aus der anderen Nasenöffnung
entweicht. Wenn Sie, während dem die Injection verschiedene
Male hinter einander erfolgt, das Verhalten der Gaumenbögen
und des Velums inspiciren, so werden Sie finden, dass die
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
1. April 1878.
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hinteren Gaumenbögen plötzlich sich anspannend näher zu¬
sammen und an -die hintere Rachenwand treten, und dass zu¬
gleich die reflectorische Contraction der muskulösen Gebilde
des Gaumensegels so energisch erfolgt, dass dasselbe, dach¬
förmig eingezogen, mit einem Ruck sich über die horizontale
erhebt und sich an die hintere Rachenwand anlegt. Man be¬
obachtet keine zitternden Bewegungen und in keinem Moment
die Theile ungleich angespannt, wie dies bei den anderen Me¬
thoden derDouche bei aufmerksamer Beobachtung wahrzunehmen
ist. Es handelt sich eben nicht, wie bei diesen, um eine Folge
von ungleichen, bald stärkeren, bald schwächeren Jduskelcon-
tractionen als Reaction auf eine Folge hintereinander wirkender,
wechselnder Reize, sondern nur um eine einmalige ener¬
gische Contraction in Folge des einmaligen kräftigen Reizes
des in einem Strahle entleerten Spritzeninhaltes: das Nichtein¬
dringen des Wassers in die Tuba E., bei diesem Versuche er¬
klärt sich eben nur durch eine mit dem Beginn des einmaligen
kräftigen Reizes so energisch hervortretende Contraction der
Levatores veli, dass dadurch der Eingang der Tuben nicht nur
zur Seite geschoben, sonder vollständig verlegt wird. Geschieht
die Injection nur nach und nach und mit geringem Spempel-
druck, so kommt dieses Verhalten nur in geringerem Grade
zem Ausdruck; dafür ist aber auch der Druck der Wassersäule
um so geringer, als die Contractionsschwellung eine weniger
ausgiebige ist. Noch einen Vortheil hat die Benutzung der In¬
jection mit der Spritze vor anderen Nasendouchen voraus: Man
ist bei Gebrauch des Instrumentes in den Stand gesetzt, die
Injectionsflüssigkeit mit allen Theilen des Nasen-Rachen-Raumes
in Contact zu bringen und eine vollständige Ausspülung zu er¬
möglichen. Durch das Experiment an einem Leichenpräparate
habe ich mich überzeugt, dass bei der Th. Weber’schen Nasen-
douche die einströmende Flüssigkeit nur die Theile unmittelbar
hinter der Choane, nicht den Fornix des Rachenraumes erreicht.
Sie sehen, m. H., wie ich im Stande bin, den ganzen Inhalt
der Spritze, wobei indess nur ein sehr mässiger und lang¬
samer Stempeldmck erlaubt ist, in meinem Nasen-Rachen-Raum
zn entleeren und dort Minuten lang zurückzuhalten, wenn während
der Einspritzung in das eine Nasenloch das andere zugehalten
wird*). Man bemerkt bei der Inspection des Rachens, dass
auch unteT diesen Umständen das Velum so kräftig und un¬
verrückt contrahirt bleibt, dass nichts von der Flüssigkeit in
den unteren Rachenraum abfliessen kann; man lasse den Patienten
nur ruhig athmen und das Sprechen vermeiden. Mit dem Mo¬
mente jedoch, wo der Nisus zu einem Schluckact eintritt, öffne
man das zugehaltene Nasenloch, damit die zurückgehaltene
Flüssigkeit abfliessen kann.
Nicht unter allen Umständen ist es erlaubt, in der ge¬
schilderten Weise unbedenklich die Nasendouche mittelst der
Spritze auszuführen. Bei gewissen Personen nämlich dringt die
durch die Nase einströmende Flüssigkeit relativ leicht selbst
*) Presst man. wenn beide Nasenöffnungen geschlossen sind, die
Flüssigkeit rasch unter kräftigem Stempeldruck in den Nasen-Rachen-
Raum, so dringt dieselbe bei nicht eollabirtem Tubencanal sofort in’s
Mittelohr: es überwindet der hohe Wasserdruck den Tubenverschluss.
Um medieamentöse Flüssigkeiten in eine oder beide Tuben zu schallen
und zugleich auf den Nasen-Raehen-Raum arzneilich einzuwirken, hat
letzteren Modus der kräftigen Injection mit der Spritze J. Ci ruber
schon vor 12 .Jahren empfohlen. Wir benutzen diese rnjection unter
hoh cm Druck hei Verschluss beider Nasen Öffnungen indess nur, wenn
Substanzverluste im Trommelfell vorliegen, in chron. Fällen, und linden
wir sie dabei sehr zweckentsprechend: das ganze. Miltelohr wird von
Secreten gereinigt , und die injicirtc Flüssigkeit läuft durch die Perfo¬
rationsöffnung nach aussen ab; bei Schutz vor Erkältung sahen wir
darnach nie entzündliche Erscheinungen ein treten.
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bei mässiger Kraft der Injection in das Mittelohr. Man wird
finden, dass dies am ehesten da der Fall ist, wo auch bei
Schlnckacten oder bei der Phonation das Gaumensegel nur un¬
vollkommen gehoben wird. Während der Dauer der Nasen¬
douche ist es betreffenden Patienten schwer Schlackacte zu ver¬
meiden, das einströmende Wasser fliesst weniger durch die
andere Nasenöffnung ab als hinter dem Gaumensegel hinunter.
Die directe rhinoscopische Untersuchung, welche ich bei einigen
Patienten während der Phonation anstellte, hat mich belehrt,
dass in diesen Fällen mit dem unvollkommenen Abschluss des
Nasen-Rachen-Ranms auch ein unvollkommener Verschluss des
Tubeneinganges wegen insufficienter Contractionsanschwellung
der Levatoren verbunden war. Aus diesem Grande also ist es
geboten, diejenigen Methoden der Nasendouche zn vermeiden,
welche den Druck des einströmenden Wassers nicht so genau
zu reguliren und abzuschwächen erlauben, wie die Injection mit
der Spritze.
Kinder haben einen sehr kurzen und weiten Tubencanal;
hier beobachtet man öfter, dass selbst bei weniger kräftigen
Injectionen in die Nase Flüssigkeit in’s Mittelohr dringt.
Demnach ist hier besondere Vorsicht anzuwenden, obschon die
Erfahrung zeigt, dass gerade bei Kindern das Eindringen von
Flüssigkeit in das Ohr selten Entzündungserscheinungen zur
Folge hat.
Andererseits giebt es wieder zahlreiche Fälle — und dies
sind gerade diejenigen, welche die Nasendouche am häufigsten
indiciren — wo selbst die kräftigste Injection mit der Spritze
und auch jede andere Methode der Nasendouche selbst unvor-
schriftsmässig und unvorsichtig angewandt, kein Eindringen von
Flüssigkeit in die Tuba in Gefolge hat. Es sind dies diejenigen,
bei welchen die Tuba E. nicht nur durch Insufficienz ihrer Mus-
culatur collabirt, sondern auch noch catarrhalisch verschwollen
oder verrengt ist, wie dies mittelst der Bougies und der Luft-
douche constatirt werden kann — auch letzteres Moment ist
noch nicht hervorgehoben worden, und doch scheint es mir
bei Beurtheilung der Frage, ob in dem individuellen Falle
die Nasendouche unbedenklich angewendet werden könne und
in welcher Weise sie zu benutzen sei, von besonderer Wich¬
tigkeit.
Was nun die Bedingungen der Entwicklung einer Ohr¬
entzündung in Folge des Eintretens von Flüssigkeit in’s Mittel¬
ohr anlangt, so habe ich zunächst zn constatiren, dass alle
Publicationen über diesen Gegenstand eine Hauptfrage bis jetzt
ausser Acht gelassen haben, welche den meines Erachtens
wichtigsten Punkt betrifft.
Es muss nämlich die Frage gestellt werden: Ueben denn alle
Flüssigkeiten, wenn sie in das Mittelohr gelangen, eine so feind¬
liche Wirkung aus, dass daraus eine heftige reactive Entzündung
resultiren muss ? Darüber hat man von anderer Seite weder Beob¬
achtungen mitgetheilt, noch Experimente angestellt. Ich aber
möchte zunächst an Grub er’s Angaben erinnern, welcher Autor
nach medicamentösen Injectionen in das Mittelohr zwar das Auf¬
treten von Reizerscheinungen, aber keine Entzündungen im Ohr
beobachtete. Dann aber möchte ich auf diejenigen meiner Pu¬
blicationen*) aufmerksam machen, worin mitgetheilt wurde, wie
verschiedene Arzneisolutionen, per tubam in’s Mittelohr ge¬
langend, durchaus verschiedene Grade der Entzündung erregen;
dass ich z. B. nach Injectionen von Cupr. sulfuric. oder Zinc.
sulfuric. wohl heftige Mittelohrentzündungen, aber nie Perfora-
*) Deutsche Klinik No. 3., 18G(J, und Monatsschrift für Ohrenheilk.
No. 4. u. No. 6., 1870. „Ueber die durch das Eindringen von Flüssig¬
keit in die Paukenhöhle hervorgebrachten entzündlichen Erscheinungen
deren Prophylaxis und Behandlung.“
2 *
Original from
UNIVERSITY OF MICHIGAN
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 13
tion des Trommelfelles beobachtet habe; dass aber im Gegeu-
theil nach dem Eindringen einer Lösung von Arg. nitric. oder
Sublimat, corros. in die Paukenhöhle stets schon nach kurzer
Zeit eine heftige Entzündung mit schnell eintretender Perforation
des Trommelfelles sich entwickelt habe.
Im Laufe des letzten Jahres stellte ich mit einem meiner
Zuhörer, Herrn Dr. Acker aus Washington, (der auf meine
Veranlassung auch eine Dissertation »Ueber Injectionen in den
Nasen-Rachen-Raum und in die Tuba E.“ Berlin 1877, ver¬
öffentlicht hat) Versuche bei Thieren an über die Einwirkung
verschiedener Arzneisolutionen auf das Mittelohr, wenn dieselben,
durch die Nase eingespritzt, per tubam dahin gelangen.
Das Ergebniss dieser Experimente, welche Herr Dr. Acker
beschrieben und ich später noch weiter ausgeführt habe, war
folgendes: Spritzte man bei einem Kaninchen mittelst einer kleinen
Nasen-Rachenspritze (Spritze fest eingesetzt in die eine Nasen¬
öffnung, die andere fest verschlossen, Entleerung der Spritze
in einem Ruck unter kräftigem Stempeldruck) eine stark ge¬
färbte Flüssigkeit ein, so gelangte ein Quantum in die Pauken¬
höhle, wie dies die nachherige Section ergab. Wurde bei der
Injection in das eine Nasenloch die andere Nasenöffnung des
Thieres nicht verschlossen, so drang die Injectionsflüssigkeit
sofort in einem Strahle aus dem anderen Nasenloche heraus;
die Section zeigte, dass nichts von der gefärbten Flüssigkeit
in das Ohr gedrungen, keine Entzündung entstanden war. —
Wiederholt wurden Experimente mit warmer Salzwasserlösung
in verschiedenen Dilutionsgraden gemacht, beide Nasenöffnungen
geschlossen, kräftiger Injectionsdruck, so dass die Flüssigkeit
in die Ohren gelangen musste. Die V ersuchst hi er e, welche ich be¬
nutzte, wurden schon nach einigen Stunden getödtet; diejenigen,
an welchen wir beide experimentirten, erst an den nachfolgenden
Tagen. Bei der Section zeigte sich, dass in Folge des Eindringens
von Salzwasser in die Paukenhöhle schon nach kurzer Zeit eine
hochgradige Entzündung sich entwickelt hatte (die Gefässe des
Promontoriums und des Trommelfells bedeutend injicirt, starke
Secretion, in der massenhaft weisse Blutkörperchen). Nach
längerer Dauer kommt es zur Perforation des Trommelfells:
bei den Versuchs-Thieren, welche wir zusammen untersuchten,
war das Trommelfell perforirt, und fanden sich besonders bei einem
Kaninchen nicht nur die Trommelhöhlen, sondern, auch beide
äussere Gehörgänge gefüllt mit fibrinösem, eitrigem Exsudate.
Ebenso entstand bei Kaninchen nach Einspritzung von Argent.
nitric. (schwache Lösung) eine eitrige Entzündung der Trommel¬
höhlen mit Perforation der Trommelfelle.
Ganz different gestalteten sich die Resultate, wenn Lö¬
sungen von Natron carbonic. pur. zur Einspritzung ver¬
wendet worden waren: in keinem der Fälle kam es zur Per¬
foration des Trommelfells, wenn auch die Spuren einer ab¬
gelaufenen Entzündung in einzelnen Paukenhöhlen positiv nach¬
zuweisen waren.*)
Diese Beobachtungen stimmen vollständig mit denen, welche
man bei Menschen zu machen Gelegenheit hat. Ich lenke also aus¬
drücklich die Aufmerksamkeit darauf hin, dass in allen den
Fällen, wo beim Menschen gefährliche Mittelohrentzün¬
dungen der Nasendouche folgten, nach übereinstimmenden
Mittheilungen Salzwasserlösung angewendet worden war,
gerade wie sich nach Injectionen von Salzwasser in die Nase
von Thieren das Auftreten perforativer Paukenhöhlenentzün¬
dungen experimentell ergeben hatte. Andererseits weisen die
an Thieren mit Injectionen von reinen Sodalösungen erhal¬
tenen Resultate darauf hin, dass dieselben in Beziehung auf
*) Zu den zusammen mit Dr. Acker gemachten Experimenten fügte
ich noch zwei Controllversuche.
das Mittelrohr ein viel weniger gefährliches Agens darstellen.
Ja beim Menschen scheinen sich die Verhältnisse noch ungleich
günstiger zu gestalten; nur durch das Hinzutreten besonderer
Schädlichkeiten möchten vielleicht subacute Paukenentzündungen
erregt werden, wenn sehr starke Sodalösungen in die Trommel¬
höhle gelangt sind; beobachtet aber habe ich dergleichen üble
Zufälle nach Soda-Injection noch nie. Mittelst der von mir
angegebenen Paukenkatheter ist man bekanntlich im Stande,
direct in das Cavum tympani bei unverletztem Trommelfell
Arzneisolutionen einzupressen. Diese Behandlungsmethode übe
ich mit Sodalösung bereits seit einer Reihe von Jahren bei ver¬
schiedenen Paukenhöhlenaffectionen (Adhäsivprozesse, Anwesen¬
heit von eingedicktem Secret in der Paukenhöhle), und ich kann,
wie es dem Ernst der Sache zukommt, mit voller Bestimmtheit,
ohne mich einer ungewissen Angabe schuldig zu machen, er¬
klären, dass der Einpressung einer Sodalösung direct in die
Trommelhöhle (mittelst des Koniantrons) auch nicht in einem
einem einzigen Falle ein namhafter Schmerz oder gar eine
Mittelohrentzündung gefolgt ist.*) Man könnte mir erwiedern,
dass es unsicher sei, oh überhaupt bei meinem Vorgehen die
Arzneisolution in das Cavum tympani gelange. Dieser Einwendung
pflege ich in meinen Cursen durch folgendes Experiment zu
begegnen: Es wird der Sodalösung ein Minimum arsenfreien
Anilinroth zugesetzt, so dass die Flüssigkeit eine rothe Farbe
annimmt; bei Patienten, welche der Untersuchung gemäss aus¬
gedehnte Verwachsungen des Trommelfells haben, gelingt die
Demonstration am besten. Es wird das an der Spitze seitlich
durchbohrte Paukencatheterchen des Koniantron’s durch den sil¬
bernen Catheter hindurch bis in die Paukenhöhle geführt und
mittelst sich stossweis folgender, kräftiger Compressionen des
Ballons die Flüssigkeit in den restirenden lufthaltigen Raum
der Trommelhöhle gepresst.
Ich wüsste mich keines Falles zu erriunern, wobei nach
dieser Procedur weder spontan noch auf Befragen das Auf¬
treten einer schmerzhaften Empfindung im Ohr angegeben wor¬
den wäre. Nun wohl nach der Einpressung kennzeichnet
sich das Eingedrungensein der gefärbten Flüssigkeit in die
Trommelhöhle meist ganz genau durch das Durchscheinen von
Anilin gefärbter Partien, die besonders im vorderen Theile des
Trommelfelles und um die adhärenten Stellen herum deutlich
markirt hervorzutreten pflegen **)
Warme Sodalösungen sind es nun auch, welche ich seit
einigen Jahren ausschliesslich zur Nasendouche verwende und
ich darf, wie bemerkt, offen erklären, dass seitdem mir unange¬
nehme Zufälle oder gar Entzündungszustände in Folge der Nasen¬
douche bei vorschriftsmässigem Verhalten des Patienten nach
der Injection nicht mehr zur Beobachtung kamen; es bieten ja
die angegebenen Thierversuche einigermassen die Erklärung für
diese Thatsache.
*) U. a. nahm ich im Laufe des letzten Sommers Gelegenheit, Herrn
Prof. J. St. Röosa aus New-York (der ja zuerst über Fälle von Ohren¬
entzündungen nach Gebrauch der Nasendouche geschrieben hat), als er
mich mit seinem Besuche beehrte, meine Methode der Nasendouche,
sowie der Injectionen von Sodalösung in die Paukenhöhle mittelst des
Koniantron zu demonstriren.
**) Zu der Beobachtung, dass eine Flüssigkeit, gefärbt mit arsen-
freiem Anilin in der beschriebenen Weise unbedenklich und ohne allen
Schaden eingeführt werden könne, hatte mich der Missgriff eines meiner
Zuhörer geführt, welcher, als er die Benutzung des Paukenhöhlencatheters
und des Koniantrons im Curse selbst versuchte, die Spritze des Instru¬
ments irrthümlich mit einer Lösung aus einem Fläschchen gefüllt hatte,
welches eine schwache Anilinlösung enthielt. Der Fall machte mich
damals sehr ängstlich; doch, wie eine längere Nachbeobachtung zeigte,
verlief derselbe ohne jedes reactive Symptom.
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1. April 1378.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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Man benutze demgemäss also bei der Nasendouche keine
Salzlösungen mehr, sondern versuche es einmal mit schwachen
Sodalösungen!
Es ist für mich ferner keinem Zweifel unterworfen, dass
nicht nur das Verhalten der Paukenhöhle, sondern auch das
der Schleimhaut des Nasenrachenraumes und der Tuba zu Zeit,
wo die Nasenrachendouche angewendet wird, ebenfalls ein Mo¬
ment bietet, wovon das mehr oder weniger leichte Eintreten
einer Mittelohrentzündung abhängt. Die meisten Ohrenärzte
werden ja wohl mit der Beobachtung übereinstimmen, dass man
ohne Bedenken die kräftigste Injection in den Nasenrachenraum
machen kann, wenn bei chronisch eitrigem Catarrh ein Substanz¬
verlust im Trommelfell besteht: die in die Nase eingespritzte
Flüssigkeit sieht man dann durch die Oeffnungen im Trommel¬
fell aus dem äusseren Gehörgang abfliessen; selbst wenn Salz¬
wasser angewendet und darnach die nöthige Vorsicht vor
Erkältung durch Verstopfen des äusseren Gehörganges und
Ueberbinden desselben geübt wurde, sah ich unter diesen Um¬
ständen noch nie eine Mittelohrentzündung anheben. Anders ver¬
hält es sich, wenn die Theile sich gerade im Zustande einer er¬
höhten Reizung oder subacuten Entzündung befinden. Dies ist
besonders dann der Fall, wenn kein Substanzverlust im Trommel¬
fell bei chronischem Catarrh besteht. Es ist meinen Erfahrungen
gemäss durchaus nicht gleichgültig, ob man die Nasendouche an¬
wendet, wenn gerade ein Nasenrachen-Catarrh in Entwicklung
begriffen oder auf seiner Höhe ist. Die Schleimhaut der Tuben,
wie auch die der Paukenhöhle betheiligt sich ja, namentlich wenn
sie sich ohnehin, wie bei vielen Ohrkrankheiten, in einem hyper-
ämischen Zustande befindet, an allen Reizzuständen des Nasen¬
rachenraums, ausserordentlich leicht; besonders bei jungen Perso¬
nen werden solche accidentellen Reizzustände durch gewisse sub-
jectire Symptome signalisirt: zeitweise auftretende Schmerzen,
Stiche im Ohre, vermehrtes Vollheitsgefühl, vermehrte Pulsations¬
geräusche. Tritt nun in einer solchen Zeit das Irritament der
Nasenrachendouche hinzu, so ist eine Steigerung des entzündlichen
Zustandes fast stets die Folge; die leichteste Erkältung ist in
einzelnen Fällen danach im Stande, eine heftige Entzündung
anzufachen. Ich selbst habe an mir eine dahin bezügliche Erfah¬
rung gemacht, als ich einmal während der Entwicklung eines
Schnupfens die Anwendung der Nasendouche mit einer nicht mehr
ganz warm gebliebenen Flüssigkeit an mir selbst demonstrirte.
Es drang ganz gewiss nichts von der Flüssigkeit in die Pauken¬
höhle — dies kann ein Sachverständiger, der durch Versuche
an sich selbst mit den verschiedenen Sensationen nach Eindrin¬
gen von Flüssigkeit in die Tuba E. oder bei Einführung von
Bougies in die Tuba vertraut ist, wohl beurtheilen; — es machte
sich auch unmittelbar nach der Einspritzung kein anderes Ge¬
fühl geltend als ein Brennen auf der rechten Seite des Nasen¬
rachenraums in der Gegend der Tubenmündung. Einige Stun¬
den danach aber, als ich viel gesprochen hatte, fing mir
jede Schluckbewegung an unangenehm fühlbar zu werden, und
es machte sich ein erhöhtes Wärmegefühl, ein zeitweises Brennen
im Mittelohr geltend. Dazu trat heftiges Pulsationsgefühl im
Ohre und, wenn ich die Nase zu schnäuzen versuchte, eine
schmerzhafte Spannung am Trommelfell mit dem Gefühl, als
wenn Schleimblasen platzten. Warmhalten und Verstopfung des
Ohres gab Erleichterung, und da ich mich den ganzen übrigen
Tag ruhig verhielt und das Zimmer nicht verliess, verschwanden
die drohenden Erscheinungen. Ich glaube mich überzeugt halten
zu dürfen, dass wenn, wie dies bei einem Laien wohl voraus¬
zusetzen sein möchte, die genannten Y orsichtsmassregeln nicht
eingehalten worden wären, der Irrit°tionszustand sich zu einer
heftigen Mittelohrentzündung gesteigert haben würde, auch ohne
dass Flüssigkeit bei der Douche in das Ohr gelangt war.
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Das Verhalten des Patienten nach geschehener Injection
in den Nasenrachenraum scheint also auf das bestimmteste
regulirt werden zu müssen mit Rücksicht auf die gewiss nicht
zurückzuweisende Annahme, dass nach der Nasendouche Patient
sich in einem Zustande erhöhter Disposition zum Auf¬
treten einer Mittelohrentzündung befindet, und dies be¬
sonders dann, wenn ohnehin ein hyperämischer Zustand des
Mittelohres vorliegt. Solche acut-entzündlichen Symptome, zu
deren Entwicklung die Douche nur die Disposition abgegeben
oder gemehrt hat, treten seltener unmittelbar nach dem vorauf¬
gegangenen Reiz auf, sondern erst nach einem Zwischenstadium
vollkommner Euphorie; sie entwickeln sich erst nach Verlauf
von 4—10 Stunden durch das Hinzutreten weiterer Schädlich¬
keiten, und müssen als solche vornehmlich Erkältungen nach
voräusgegangener Aufregung oder Erhitzung bezeichnet werden.
Besonders für den Fall also, dass unmittelbar nach der Nasen¬
douche sich auch nur das leiseste Gefühl des Unbehagens im
Ohre geltend machen sollte, müssen die Patienten angewiesen
werden, dasselbe nicht nur fest zu verstopfen, sondern auch
durch ein übergebundenes Tuch zu schützen, sich den ganzen
Tag über ruhig zu verhalten, Conversation zu vermeiden, sowie
auf keinen Fall Gesellschaften, Concerte und das Theater zu
besuchen.*)
Dass schliesslich das Verhalten des Patienten während
der Anwendung der Nasendouche ein ferneres wichtiges Moment
abgebe, wovon das Eindringen von Flüssigkeit in das Mittel¬
ohr als entzündungserregenden Factors abhänge, ist auch von
anderen Autoren schon früher erkannt und beschrieben worden.
Danach soll Patient die Douche nicht eher an wenden, als bis
er zu ruhigem Athmen gekommen; er soll während dem das
Sprechen und Schlucken vermeiden und, wenn ein Schluckact
nicht länger hingehalten werden könne, sofort die Douche aus¬
setzen; zu beachten sei auch, dass bei der Douche der Kopf
gerade und nicht nach hinten oder nach vorn übergehalten
werde, weil vornehmlich im letzteren Falle die Injectionsflüssig-
keit leicht in die Stirnhöhlen dringe; ferner ist mit Recht her¬
vorgehoben worden, dass nach der Douche die Nase nicht ge¬
schnäuzt werde, weil dadurch leicht Flüssigkeit und Schleim,
welche durch den Wasserdruck der Douche in den Anfangstheil
der Tuben getrieben wurden, in das Mittelohr weiter geschoben
wird. Wichtig ist auch, worauf ich auch schon hingewiesen habe,
dass die Injection in die Oeffnung desjenigen Nasenganges ge¬
schehe, welcher am wenigsten durchgängig, am meisten ge¬
schwollen ist, damit der Abfluss des Wassers aus dem Nasen¬
rachenraum ohne Behinderung geschehe. Der weitere Vorschlag
Fränkel’s während der Nasendouche die Vokale u, u, u into-
niren zu lassen, scheint mir besonders da zweckmässig, wo eine
weite Tube und insufficientes Contractionsvermögen des Levator
veli das Eindringen von Flüssigkeit in die Tuba leichter mög¬
lich machen.
Alle diese Punkte scheinen aber vor der Wichtigkeit jener
einen durch die Erfahrung und Experimente erwiesenen That-
sache zurückzustehen, dass die Qualität der zur Nasendouche
verwendeten Flüssigkeit den Hauptfactor abgiebt, von dem in
erster Linie die Möglichkeit des Eintretens einer Mittelohrent¬
zündung bestimmt wird. Ich halte mich überzeugt, dass wenn
künftig, nicht wie bisher Salzwasserlösungen, sondern warme
*) Man lese übrigens die Casuistik der verschiedenen Publicationen
über die Entzündungen nach Nasendouche sorgfältig durch: man wird
unter den ausführlicher beschriebenen Fällen verschiedene finden, wo
die Patienten gerade zur Zeit der Nasendouche entweder an einem
Schnupfen laborirten oder sich nach der Douche der Gelegenheit zu
groben Erkältungen aussetzten (Eisenbahnfahrten und dgl.).
Original from
UNIVERSETY OF MICHIGAN
182
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 13
Lösungen von reiner Soda zur Nasendouche oder besser zu
Injectionen nach meiner Angabe verwendet werden, die Herren
Collegen bei gleichzeitiger Beobachtung der anderen Cautelen
ebenso wenig wie ich weitere unangenehme Erfahrungen mit
der Douche machen werden.
V. Referate.
Anatomische Veränderungen des Sympathicus bei Diabetes.
Nach einer Mittheilung von Poniklo wurden bei der anatomischen
Untersuchung von 5 auf der Krakauer Klinik beobachteten Fällen von
Diabetes folgende Veränderungen an den Ganglien des Sympathicus beob¬
achtet: 1) In allen Fällen eine starke Wucherung und Vermehrung des
Bindegewebes, mitunter so beträchtlich, dass nur mit Mühe Ncrven-
elemente entdeckt werden konnten. An einzelnen Stellen, besonders
in der Umgebung der Blutgefässe, fand sich zwischen den Fasern des
Bindegewebes eine Infiltration von zum Theil rundlichen, theils läng¬
lichen Zellen. 2) In einem Falle eine abnorme Erweiterung der Gefässe
in Ganglion solare, dieselben waren gewunden und mit Blutkörperchen
angefiillt; dabei waren rothe Blutkörperchen in die Umgebung ausgetreten.
3) Den wichtigsten und zwar constanten Befund bildete eine Atrophie
der Nerven« lemente: die Nervenzellen zeigten verdickte Kapseln, erschie¬
nen kleiner als normal, ihr Protoplasma war mehr homogen, in einem
Falle war ein erheblicher Betrag von braunem Pigment darin. Was
die Nervenfasern der Ganglien anbetrifft, so fehlten die Bündel mark¬
haltiger weisser Fasern, welche sich in der Norm neben den grauen
marklosen Fasern finden; nur hier und da konnten einzelne ganz atro¬
phische Fasern inmitten der grauen gefunden werden. Der ganze Befund
stellte eine vorgeschrittene Degeneration der Gangiien dar, und würde
mit den Versuchsresultaten von Cyon und A lad off, welche nach
Exstirpation der Cervicalgangiien unmittelbaren Diabetes eintreten sahen,
übereinstimmen. (The Lancet, 23. Februar 1878.)
Kiemenfisteln am äusseren Ohr.
Von den sehr seltenen Kiemenfisteln des äusseren Ohres hat Paget,
wie er in der Royal med. and chirurgical society am 27. November 1S77
mittheilte, mehrere Fälle in ein und derselben Familie gesehen. Wie
die sog. Halsfisteln, welche gegen den Pharynx oder Oesophagus führen,
haben sie ihren Ursprung in unvollkommenem Schluss der Kiemenbögen,
speciell in dem unvollkommenen Verschluss der fissura post-oralis, zwi¬
schen Unterkiefer- und Zungenbögen, und zwar in dem Theile derselben,
welcher sich nicht an der Bildung der Tuba Eustach., Tympanum und
Meatus auditor. ext. betheiligt. Der Vater der Familie hatte eine Hals¬
fistel rechterseits; sein Vater und e : ne Schwester, sowie vier seiner Kinder
hatten ebenfalls angeborene Halsfisteln. Ausserdem aber hatte der Vater
selbst, seine Schwester und fünf seiner Kinder Fisteln am Helix eines oder
beider Ohren. Diese Ohrfisteln sind fein, ihre Oeffnungen klein, ihre
Länge 7« Zoll, sie secerniren nichts und haben keine Unannehmlichkeit
im Gefolge. Diese Fistclgänge, deren Wesen als Kiemenfisteln durch die
Gleichzeitigkeit der Fisteln am Halse bewiesen wird, können nach Paget
nicht so selten sein, als sie scheinen; dieselbe Ursache, die sie hervor¬
bringt, würde nach Paget auch die Ursache sein der vollständigen queren
Theiiung der Ohrläppchen und anderer Bildungsanomalien des Ohres.
Paget, erwähnt, dass bisher in der Literatur nur einige wenige Fälle
dieser Fisteln, vornehmlich von Heuzinger erwähnt sind.
Zur Behandlung des Vomitus gravidarum.
Von neuem wird von Jones (in Chicago) gegen das hartnäckige
Erbrechen der .Schwangeren Aetzung des Os und des ganzen cervix
uteri mit Höllensteinstift als überaus erfolgreich gerühmt. In den fünf
behandelten Fällen genügte 1—2 malige Application des Causticuin. Der
Mittheilung von Jones fügt Marion Sims einen Fall an, in welchem
er — auf die mündliche Empfehlung des ersteren — in einem überaus
hartnäckigen, bei jeder Conception sich wiederholenden Erbrechen eine
Bepinselung mit concentrirter Höllensteinlösung, eine zweite dann mit
reiner Carbolsäure applicirte und eben falls überraschend schnell Heilung
eintreten sah. (The Lancet vom 23. Februar 1878.)
VI. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Berliner medlelnische Gesellschaft.
Sitzung vom 19. December 1877.
Vorsitzen«!er; Herr B ard e 1 eben.
Schriftführer: Herr B. Frankel.
Das Protokoll der vorigen Sitzung wird verlesen und genehmigt.
1) Herr 11 irschbcrg: Ueber Hemianopsie.
Die Semidecussation der Schnervenfasern im menschlichen Chiasma
ist von Newton angenommen, von den beiden Wenzel, Johannes
Müller (182f>) und H an nover (1852) anatomisch nachgewiesen worden.
Zur Erklärung der Hemiopie (nach dem Vortragenden besser Hemi¬
anopsie) ist. sie von Vater und Hei necke (1723), Wollaston (1824)
und besonders von A. v. Graefe (185G) benutzt worden. Der letztere
unterschied gleichseitige H. (Affection eines Tractus mit seinem
Fascic. lateralis und cruciat) von der gekreuzten temporalen H. (Affection
des gekreuzten, medialen Bündels beider Tractus). 1873 ist die Semide¬
cussation von Mandelstamm und Michel bestritten worden.
Was den Standpunkt der vergleichenden Anatomie und
Physiologie anbetrifft, so schaut die rechte Hirnhälfte nach links, die
linke nach rechts: darum müssen die Thiere, z. B. Kaninchen, mit völlig
getrennten Gesichtsfeldern beider Augen totale Kreuzung zeigen; bei
den Thieren mit binocularem Sehakt, d. h. theilweiser centraler Deckung
der Gesichtsfelder beider Augen, muss für jeden Tractus opticus ein
ungekreuztes Bündel hinzukommen.
Was die directe anatomische Untersuchung des menschlichen
Chiasma betrifft, so hat Mandelstamm durch Zerzupfung, Michel
durch Horizontalschnitte sieh von der totalen Kreuzung überzeugt;
Gudden aber nachgewiesen, dass die gekreuzten Bündel in der unteren,
die nicht gekreuzten in der oberen Hälfte des Chiasma liegen, und
He nie sich für Semidecussation ausgesprochen, mit der Massgabe, dass
das gekreuzte Bündel das stärkere sei.
Wegen der Schwierigkeit dieser Untersuchung gewinnen die patho¬
logischen Befunde einen erhöhten Werth. Fünf Scctionen von
Fällen typischer gleichseitiger Hemianopsie liegen vor fHirschberg,
Hughlings-Jackson, Förster, Pooley, Jastrowitz), wo aus¬
nahmslos in der dem Gesichtsfelddefect entgegengesetzten Seite des Hirns
die Herderkrankung gefunden wurde. In den Fällen, wo Schrumpfung
eines Augapfels Jahre lang bestanden, fand Vcsal Atrophie des Tractus
derselben Seite, Cruveilhier Atrophie des Tractus bald derselben,
bald der entgegengesetzten Seite, Woinow (1875) und Schmidt-
Rimpier (1877) Atrophie beider Tractus, so dass sie für partielle
Decussation sich entscheiden.
Nach Gudden’s Experimenten bewirkt Enucleation eines Auges
beim neugeborenen Kaninchen (mit getrennten Gesichtsfeldern) Atrophie
des Tractus opticus der entgegengesetzten Seite; hingegen beim Hunde
(mit theilweise über einander fallenden Gesichtsfeldern) Atrophie beider
Tractus. und Zerstörung des Centralorgans der Sehnervenfasern in einer
Hirnhälfte beim Hunde bewirkt starke Atrophie des Tractus dieser Seite,
während der Unterschied der Sehnerven gering ist und fehlen würde,
wenn nicht der Fascic. cruciatus der stärkere wäre.
Die Angaben von Mandelstamm und Michel haben zahlreiche klini¬
sche Entgegnungen hervorgerufen, (Mauthner, Jackson,Schweigger,
Hirschberg, Heiberg, Schön, Abadie, Knapp u. a ). Auch
Förster und Leber haben sich für Semidecussation ausgesprochen.
Der Vortragende demonstrirt die Gesichtsfelder eines Mannes, der
vor 2 Jahren von Hemianopsie befallen worden. Genau die rechte
Hälfte des Gesichtsfeldes jedes Auges fehlt, und in dem Defect fehlt
jeder Lichtschein. (H. dextr. totalis et absoluta.) Die centrale Seh¬
schärfe und die Farbenempfindung ist in der linken Hälfte jedes Ge¬
sichtsfeldes normal und ebenso der Spiegelbefund. Er demonstirt ferner die
Gesichtsfelder von 2 Fällen rechtsseitiger Hemianopsie, die fast identisch
sind bei ganz verschiedener Ursache (Tumor des linken Stirnlappens beim
ersten, syph. Encephalopathie beim zweiten); sodann einen Fall von
r. Hemianopsie, wo bei guter centraler Sehschärfe und Farbenperception
nicht die rechte Hälfte des Gesichtsfeldes, sondern genau * 8 fehlen,
in sofern die untere Hälfte (45°) des rechten unteren Quadranten er¬
halten sind, und wo die Trennungslinie für beide Augen mathematisch
congruent ist; endlich einen Fall von gekreuzter temporaler H., wo
nach 1 Jahr Amaurose des linken Auges, Defect der rechten Hälfte
des Gesichtsfeldes vom rechten Auge bei hochgradiger Amblyopie desselben
(S. = V 3 ) un( l Atrophie beider Papillae opticae nachweisbar ist.
Die Lehre von der Semidecussation erfordert, dass die gleichseitige
Hemianopsie relativ am häufigsten vorkomme, dass sie scharf begrenzt
und statitonär sei; dass die gekreuzte H. relativ seltener vorkomme und
nicht so scharf begrenzt und progressiv sei, d. h. in Amaurose über¬
gehe. Alle diese Postulate werden durch die Erfahrung bestätigt.
Gleichseitige H. deutet auf ein Leiden des der Seite des Gesichtsfeld-
defccts entgegengesetzten Tractus oder seiner Himfaserausstrahlung. Die
Prognose ist gut in Beziehung auf das Fortschreiten der Hemianopsie
in die intacten Hälften der Gesichtsfelder; schlecht in Beziehung auf
Heilung einer absoluten Hemianopsie. Von der Prognose der II. muss
man die des GrundIcidens unterscheiden, das oft genug ein ernstes und
unheilbares ist. Die gekreuzte temporale H. kann in Ausnahinställen
(Basilanneningitis) stationär bleiben oder selbst heilen; meist aber ist
diese Form progressiv und Amaurose der Ausgang, was bei dem Sitz
der Grundkrankheit am vorderen oder hinteren Chiasmawinkel, also in
dem Knotenpunkt, wo alle Sehnerven fasern am dichtesten zusammen¬
gedrängt verlaufen, eigentlich selbstverständlich erscheinen muss.
(Die ausführliche Publication ist in der deutschen Zeit sehr. f. pract.
Medicin von I)r. B. Frankel 1878. No. 4 fgd. erschienen.)
In der an diesen Vortrag geknüpften Diseussion bestätigt Herr
Wcstphal. das nicht seltene Vorkommen von rechtsseitiger Hemianopsie
bei rechtsseitiger Hemiplegie und Aphasie. I)ics«'s Zusammen!!reffen
würde wahrscheinlich noch häufiger beobachtet werden, wenn die
Schwierigkeit, der Verständigung mit den Aphasischcn nicht so gross
wäre. Redner erwähnt dann des Vorkommens von Aphasie und rechts¬
seitiger Hemianopsie ohne gleichzeitige Lähmung und schildert einen
solchen Fall. Der betreffende Patient, der auf einem Kirchhofe von dem
Leiden befallen wurde, sei erst dadurch auf seine Krankheit aufmerksam
geworden, dass er rechts gehend die Vorübergehenden rechts anlief.
Die Aphasie sei in diesem Falle zwar deutlich ausgeprägt, aber keine
vollständige gewesen.
Herr Israel erwähnt eines bei einem 9jährigen Mädchen beob¬
achteten Falles, in dem sich Hemianopsie an einseitige epileptische An¬
fälle anschloss.
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UNIVERSETY OF MICHIGAN
1 April 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
183
Herr Lowe: Die dritte Augenkammer.
Der Vortragende weist nach, dass in den bisherigen Kenntnissen
von Bau des Auges nothwendiger Weise eine Lücke sein müsse. Bisher
habe man nämlich auf allen Schematen der Augendurchschnitte die Retina
an der Ora serrata blind endigen lassen. Dies könne unmöglich richtig
sein, denn da der ganze Organismus aus der Einrollung dreier Keim¬
blätter bestehe, so könne nirgendwo im Organismus ein Gebilde blind
endigen. Immer müsse dasselbe sich entweder in sich selbst schliessen
oder in ein entsprechendes Organ der anderen Seite übergehen. Da
beides nun an der Retina der bisherigen Augendurchschnitte nicht der
Fall sei, so liege hier offenbar eine Lücke in der Erkenntniss des Baues
des Auges vor.
Ferner werde bisher immer die Zonula in Verbindung mit der
Retina resp. mit der Pigmentlage der Chorioidea gezeichnet. Auch dies
könne unmöglich richtig sein, da die Zonula als rein bindegewebiges
Gebilde sich nicht mit dem epithelialen Ciiiartheil der Retina verbinden
könne.
Endlich finde man auf den bisherigen Augendurchschnitten meistens
eine klaffende Spalte zwischen Iris und Linse als sog. „hintere Augen-
karamer“ gezeichnet, was auch embryologiseh nicht gerechtfertigt werden
könne. Der Vortragende weist an der Hand entwicklunggeschichtlieher
Präparate, die hauptsächlich den spätesten Embryonal-Perioden und den
ersten Monaten des extrauterinen Lebens entnommen sind, nach, dass
das Ciliar-Epithel der Retina sich (auch beim erwachsenen Menschen)
bis zum Pupillarrand erstrecke und an letzter Stelle — ebenso wie beim
Embryo — der Umschlagsland des vorderen Blattes der secundären
Augenblase in das hintere gelegen sei. Dass man diese Thatsache bis¬
her noch nicht erkannt habe, beruhe auf dem Umstand, dass die ciliare,
eine Epithelzelle hohe, immer pigmentlose Fortsetzung der Retina von
der Iriswurzel angefangen, plötzlich ihr Aussehen ändere und stark pig-
raentrirt werde. Von den beiden an der Unterfläche der Iris gelegenen
Pigmcntzel Umlagen repräsentirt mithin die untere stärkere als Fortsetzung
der Retina das vordere Blatt der secundären Augenblase, die obere
schwächere Pigmentzellenlage dagegen das hintere.
Die mittlere Augenkammer ist auch im erwachsenen Zustand nicht
eine klaffende Kammer, sondern nur ein ganz schmaler Spalt zwischen
vorderer Linsenkapsel und Irishinterfläche. Zum Beweis dessen demon-
strirt der Vortragende Präparate von Augendurchschnitten durch die
vordere Augenhälfte mit erweiterter und verengerter Pupille, bei denen
Zonula und vordere Linsenkapsel in ihrer natürlichen Lage gegen die
Iris erhalten sind. Ausserdem beweist der Vortragende die Nichtexistenz
einer klaffenden hinteren Augenkammer durch die Art und Weise ihrer
Entstehung. Ursprünglich hängt nämlich der Zonulatheil des Glaskörpers
continuirlich mit dem Irisstroma und der Membrana capsulo-pupillaris
zusammen. Letztere zerfällt dadurch in zwei hintercinandergelcgene Ab¬
theilungen, dass sich in ihr ein Gcwcbsspalt, der vorderen Linsenfläche
parallel, ausbildet. Der vor dem Spalt gelegene Theil der Membrana
capsulo-pupillaris wird zur eigentlichen später einreissenden Pupillarhaut,
der dahinter gelegene zur vorderen Linsenkapsel. Die Seitentheile des
Spaltes werden nach dem Einreissen der Pupillar-Membran zu dem
schmalen Zwischenraum zwischen Irishinterfläche und Linse, den man
bisher hintere Augenkammer genannt habe. Der mittlere Theil des
Spaltes ccmmunicire dagegen nach dem Einreissen der Pupillar-Membran
in voller Breite mit der vorderen Augenkammer und werde zu deren
hinterstem Theil. Durch die Ausbildung des Gewebsspaltcs zwischen
Pupillan- und Capsular-Mcmbran und durch das Einreissen der erstcrcn
wird der ursprüngliche Zusammenhang zwischen Glaskörper und Bruch¬
scher elastischer Haut der Iris und Chorioidea gelöst.
Was die Verbindung der Zonula mit der Retina betrifft, so muss
man in dieser Beziehung überhaupt zweierlei Modi der Vereinigung zwi¬
schen Glaskörper und Netzhaut statuiren. Einmal nämlich verkleben
beide Gebilde einfach dadurch, dass eine unorganische Kittmasse mit
zackigen Vorsprüngen sieh zwischen die Radialfaserkegel und die Linea
limitans hyaloidea einlagert. In die Räume zwischen den Zacken der
Yerklebungsmasse werden kugelige Ballen des gleichen Kittmaterials ab¬
gelagert. Auf diese Weise kommt fast an der ganzen Augenperipherie
eine einfache unorganisirto Verklebung zwischen Glaskörper und Netz¬
haut zu Stande. An oder in der Nähe der Papille dagegen, verbinde sich
der Glaskörper direct und untrennbar mit der Netzhaut, indem er sich
in Folge der embryonalen Entsprossung seiner Gefässe und der Netzhaut
vielfach in letztere hineinschiebt. So kommt es, dass während man an
etwas macerirten Augen den Glaskörper überall leicht von der Netzhaut
loslösen kann, derselbe an und in der Nähe der Papille fest mit letzterer
verwachsen bleibt.
Es kann sogar entsprechend der Verwachsungs- und Gefässein-
sprossungsstelle später eine Gewebslakune im Glaskörper vor der Papille
entstehen und diese sich verschieden weit nach der Seite hin ausbilden.
Dieser Spalt ist bei denjenigen Vogelspecies, bei denen der Kamm in einen
Glaskörperlymphraum gelegen ist, constant. Da er bei den Vögeln so¬
bald man sich den Kamm daraus entfernt denkt, einen ansehnlichen
Hohlraum darstellt, so schlägt Vortragender im Interesse einer überein¬
stimmenden Nomenclatur vor, ihn auch beim Menschen, wo er, wenn
überhaupt vorhanden, in der Regel nur ganz schmal ist, als dritte Augen¬
kammer zu bezeichnen. Soweit wie letztere reicht, kann sich ein voll¬
ständiger Endothelbelag an der Retina ausbilden, während dasselbe an
den übrigen Punkten der Retina-Peripherie bekanntlich fehlt.
(Schluss folgt.)
Gesellschaft für Gebartshnlfe and Gynaltelogie in Berlin.
Sitzung vom 8. Januar 1878.
Vorsitzender: Herr Schroeder.
Schriftführer: Herr Fasbender.
1. Herr B eni c k e: Demonstration eines Präparates. Dasselbe stammt
von einer 33 Jahre alten Frau, die zweimal spontan ausgetragene Kinder
geboren hat, zuletzt vor 12 Jahren, dann vor 5 Jahren abortirte und eine
Perimetritis überstand. Anfang Februar 1877 letzte Regel. Glaubte sich
dann schwanger. Schwangerschaft normal. Bewegungen bis zum 22. October,
wo neben wehenartigen Schmerzen erhebliche Beschwerden im Leibe auf¬
traten. Ziemlich heftige Peritonitis folgte, welche damals eine genauere
Untersuchung nicht zuliess. Bei der Ende December von HerrnB. vorgenom¬
menen Untersuchung fand er den Leib ausgedehnt, etwa dem 8. Monat der
Schwangerschaft entsprechend, durch einen Tumor, der sich genau wie
ein Ovarialtumor verhielt. Uterus nach vom liegend, 9 Ctm. lang, links
deutlich Fluctuation, rechts unebene Beschaffenheit. Brüste secemirten
eine milchige Flüssigkeit. Die Frau kam von Tag zu Tag mehr
herunter.
Am 28. December Laparotomie. Cyste links ganz frei, rechts frische,
leicht trennbare Adhäsionen mit der vorderen Bauchwand. Nach dem
Becken zu feste Verwachsungen. Cyste hatte sich von rechts her
zwischen die Blätter des Lig. latum entwickelt. Bei Eröffnung derselben
kam die Frucht zu Tage. Wird extrahirt. Nachgeburt sass an der
Innenwand der Cyste auf an ihrer dem Zwerchfell zugekehrten Wand,
lässt sich leicht trennen, es erfolgt keine Blutung. Der tiefe Theil der
Cyste wird zurückgelassen und durch einige 20 Suturen mit der Bauch-
Avunde vereinigt. Operation unter Carbolnebel.
Frucht, weiblichen Geschlechtes, wog 778 Gr., war 35 Ctm. lang.
Kopf völlig zusammengefallen, Körperbedeckung faltig, darauf körnige
Ablagerungen. Unterextremitäten noch ziemlich intact.
Nabelschnur 62 Ctm. lang. Plac-cnta 830 Gr. schwer, auf ihr viele
entfärbte Blutgerinnsel. Gewebe derb und fest. Auf dem Durchschnitt
sieht man ein fibröses Gerüst, in diesem kleine bis kirschgrosse Apo¬
plexien.
Die entfernten Theile der Cyste wiegen 235 Gr., Wandungen an
einzelnen Stellen bis 1 Ctm. dick, in ihnen die Lumina grosser Arterien
und Venen. Aussenscite ganz glatt.
Heute, am 12. Tage, befindet sich die Operirte ziemlich gut. Ver¬
band zuerst mit Carbol. später mit Chlorwasser. Massiges Fieber. Guter
Appetit, spontane Stuhl- und Urinentieerungen. Es ist völlige Genesung
zu hoffen.
Herr B. hält den Fall für eine Graviditas ovarica wegen der freien
Entwickelung der Cyste in die Bauchhöhle hinein, des Sitzes der Pla¬
centa und der Beschaffenheit der Cystenwandungen.
2. Herr Veit: (kasuistische Mittheilungen:
a) Kreissendc mit thalcrgrossem Muttermund, in demselben bloss¬
liegendes Scheitelbein, neben welchem übelriechende Jauche ablloss. Die
Anamnese ergab, dass die Frau ihre Entbindung vor 3 Wochen erwartet
batte, und dass auch damals unter Wehenthätigkeit Fruchtwasser abge¬
flossen war. Seitdem fortwährend fötider Ausfluss. Extraction am Schä¬
del mit der Hand bei Expression \*on aussen. — Uterus keine Contrac-
tion, Wandungen schlaff, liessen sich in Falten legen. Placenta manuell
entfernt, kein Blutabgang, Carbolinjection in die Gebärmutter. —
IV* Stunden post partum starke Blutung, der bis zum Nabel reichende
Uterus mit Coagulis gefüllt. Entfernung der letzteren, Injection von
unverdünntem Liquor ferri in die Gebärmutter, dann Einlegen von
Eisstücken in dieselbe. Analeptica. — Am 4. Tage wieder Blutung
bei noch immer nicht contrahirtem Uterus. Am 18. Tage gesund ent¬
lassen.
Der Herr Vortragende deutet seinen Fall als „missed labour“, wel¬
chen Begriff er einer von Müller (Nancy) unter Stoltz gearbeiteten
Preisschrift gegenüber aufrecht erhalten will. Müller erklärt die in
der Literatur hierhin gezählten Fälle als Extrauterinschwangerschaften
mit übersehenen Perforationsöffnungen, durch welche die Abgänge statt¬
gefunden, oder er will sie auf falsche Schwangerschaftsberechnung zurück¬
führen. Für eine Reihe von Fällen giebt Herr Veit die Richtigkeit
dieser Anschauung zu, während er glaubt, dass bei anderen dieser Er¬
klärungsversuch nicht zutreffe.
b) Geburtsfall bei Uterus septus und Vagina septa.
Bei' einer Erstgeschwängerten wurde eine Verdoppelung der Vagina
wahrgenommen, worauf die in der Narcose fortgesetzte Untersuchung
2 Vaginalportionen nachwies, die zu einem grossen in 2 Hälften getheil-
ten Uterus führten. Die rechte Hälfte war schwanger.
Bei der Geburt eröffneten sich beide Orificien, Scheidewand stark
verdünnt. II. gemischte Steisslage, Blasensprengung, Herabstreckung des
rechten Fusses in die rechte Vagina. Kräftige Wehen treiben darauf
den linken Fuss in die linke Vagina, Avorauf an dieser Seite auch ein
Nabelschnurvorfall eintritt, Der Rest des Septum, auf dem das Kind
reitet wird durchschnitten und darauf ein 1030 Gramm schweres Mäd¬
chen extrahirt. Am 2. Tage des Wochenbettes ging aus der linken
Uterushälfte Decidua ab, und die Untersuchung ergab bei der Entlassung,
dass nur noch ein Septum in der Uterushöhle vorhanden war.
Bezüglich des ersten Falles beantAvortet Herr Veit die Frage des
Herrn P. Rüge nach dem Verhalten des Uterus bei der Entlassung dahin,
dass dieser 9 1 / 2 Ctm. lang, retrovertirt, schlaff und der Cervix gut zurück¬
gebildet gewesen sei. — Den zweiten Fall anlangend, fragt Herr Ehe 11
wie weit das Septum hinaufgereicht habe, wo die Placenta gesessen und
Original frn-rri
UNIVERSITY OF MICHIGAN
184
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 13
wie es mit der Contraction der "beiden Hälften des Uterus gewesen sei.
Herr Veit erwidert, cs habe sich um Uterus septus und Vagina septa
gehandelt, auf die andern Punkte sei nicht geachtet worden.
3. Herr Schroeder: Fall von einseitiger Haematometra
bei Uterus bicornis.
Nachdem der Herr Vortragende im Jahre 1866 auf die klinische
Bedeutung des genannten Zustandes aufmerksam gemacht hat, sind unter¬
dessen etwa 40 — 50 einschlägige Beobachtungen publicirt worden. Der
jetzt von ihm beobachtete Fall betrifft ein 16jähriges Mädchen, welches
unter sehr grossen Beschwerden einen Beckentumor trug. Die Unter¬
suchung in der Narcose ergab folgendes: Rechte Hälfte des Scheidengewölbcs
durch einen Tumor vorgebuchtet, Portio vaginalis nach links und etwas
nach hinten gedrängt, an dem genannten Tumor gleichsam wandständig,
so dass es den Eindruck machte, als ob die rechte Wand der Portio
und die rechte Hälfte des Laquear vag. fehlte. Die Sonde erweist eine
Uteruslänge von ca. 7 Ctm. Die nach rechts gelegene Geschwulst ist
kindskopfgross, und auf derselben sitzt noch ein zweiter kleiner bis zum
Nabel reichender Tumor auf. Das Mädchen war zuerst vor 1 Jahre, im
ganzen 3 mal, das 3. mal unter geringem Blutabgang, in letzter Zeit
nicht mehr mehr menstruirt worden, und hatte bisweilen an stärkeren
Schmerzen zu leiden gehabt. Herr Schroeder deutet den Fall als
rechtsseitige Haematometra bei Uterus bicornis, und hält den Befund
für characteristisch. Den kleineren, dem grösseren Tumor aufsitzenden,
spricht er nicht etwa als eine ausgedehnte Tuba, sondern, der festen
Consistenz wegen, als das Corpus des rechten Uterushornes an, dessen
untere Partie in ihrer Ausdehnung durch Blut die beschriebene grössere
Geschwulst darstellte. Es wurde die Punctiou mit Biutentlccrur.g ge¬
macht und die Patientin nach ca. 7 Woeben mtlassen, nachdem noch
4 Wochen lang peritonitischc Reizungen bestanden hatten. Die Punctions-
öffnung war später in das Septum gezogen. — Der Herr Vortragende
legt ganz besonderes Gewicht darauf, dass man sich nach der Punction
jeder irgendwie eingehenden Untersuchung enthalte.
Auf eine Bemerkung des Herrn Markwald, er habe in 2 Fällen
gesehen, wie einfache Haematometra eine Bicornität des Uterus Vor¬
täuschen könne giebt Herr Schroeder zu, dass die bezügliche diffe¬
rentielle Diagnose hier (bei einfacher Haematometra) unter Umständen
grosse Schwierigkeiten zu bieten im Stande sei. Nicht so im umgekehrten
Falle. Ein Befund, wie er sich in seiner eben mitgetheilten Beobachtung
geboten, lege die Sachlage unzweifelhaft klar.
VII. Feuilleton.
Zwei Schriftstücke aus den Acten der Berliner
medieinischen Facultät, betreffend die Ansprüche
des medieinischen Docenten-Vereins auf das Recht
zur Ertheilung klinischen Unterrichts.
Von dem Decan der medieinischen Facultät, Herrn Geh.-Rath
Prof. Dr. du Bois-Reymond sind der Redaction die folgenden amt¬
lichen Schriftstücke, „welche die Ansprüche des hiesigen medieinischen
Docentenvereins auf das Recht zur Ertheilung klinischen Unterrichts be¬
treffen, und von welchen die Facultät hofft, dass ihre Verbreitung dazu
beitragen werde, die vielfach sehr irrige Auffassung dieser Angelegenheit
zu berichtigen“, zur Veröffentlichung zugegangen:
An den Königlichen Staatsminister und Minister der geistlichen, Unter¬
richts- und Medicinal-Angelegenheiten Herrn Dr. Falk, Exeellenz,
hiersei bst.
Unter dem 14. Juni er. überreichte der Privatdocent Dr. Kristeller
als „Vorsitzender des Docenten-Vereins der Berliner medieinischen Fa¬
cultät“ die Statuten dieses Vereins und ein namentliches Verzeichniss
der Mitglieder, welches 31 Namen enthält. Wir erlauben uns eine Ab¬
schrift der Statuten beizufügen. Obwohl der Name des neuen Vereins
leicht das Missverständniss erregen kann, als sei der Verein eine Ein¬
richtung der Facultät, und als habe er eine Art von officieller Bedeutung,
so haben wir es doch bis jetzt vermieden, uns den Theilnehmem desselben
gegenüber zu äussern.
Schon unter dem 30. v. M. folgte eine Eingabe, worin wir gebeten
wurden, bei Ew. Exeellenz die Zurücknahme des Erlasses vom 24. No¬
vember 1853 zu beantragen und die Ermächtigung für die Privatdocenten
zu erwirken, innerhalb ihrer venia legendi auch klinische und poliklini¬
sche Krankenvorstellungen anzukündigen und zu halten.
Da uns eine Anzahl gedruckter Exemplare dieser Eingabe zur Ver¬
fügung gestellt wurde, so sind wir in der Lage, Ew. Exeellenz ein solches
Exemplar vorlegen zu können.
Die Motive, mit welchen dieses Gesuch begleitet ist, geben eine viel¬
fach nicht zutreffende historische Darstellung der Vorgänge seit dem
Erlass jener Verfügung vom 24. November 1853. Bevor wir jedoch näher
darauf eingehen, müssen wir hervorheben, dass, aus einer allerdings zu
entschuldigenden Unkenntniss, davon ausgegangen ist, dass es sich um
eine nur die Privatdocenten betreffende Ausnahme-Massregel handle, welche
erst durch den Erlass von 1853 gegenüber einer bis dahin bestandenen,
absoluten Lehrfreiheit getroffen sei. Dies ist ein vollständiger Irrthum,
der in seinen Folgen für die Erörterung der Petenten in jeder Beziehung
verwirrend eingewirkt hat.
Schon in den Jahren 1842 und 1843 ist die Frage, ob der klinische
und poliklinische Unterricht solchen Lehrern der Facultät, welche
nicht ausdrücklich durch ministerielle Genehmigung dazu
ermächtigt sind, gestattet werden dürfe, Gegenstand der ernstesten
Erwägungen und schliesslich einer Ministerial-Entscheidung geworden.
Veranlassung dazu boten einerseits Versuche des damaligen, bald nach¬
her wegen einer Criminal-Verurtheilung removirten Privatdocenten Dr.
Isensee, eine Poliklinik für Eautkranke ins Leben zu rufen, anderer¬
seits Streitigkeiten zwischen dem Director der medieinischen Poliklinik,
dem damaligen ausserordentlichen Professor Dr. Romberg und
zwei anderen Professoren, nämlich dem ordentlichen Professor Geh.
Medicinalrath Dr. Wagner und ‘dem ausserordentlichen Professor
Dr. Kranichfeld, welche begonnen hatten, in dem Locale der Univer¬
sitäts-Poliklinik private Polikliniken zu halten. Die Ministerial-Entschei-
dung vom 2. April 1843 bestätigte die von der medieinischen Facultät
vertretene Auffassung, dass zu derartigen klinischen Uebungen und Vor¬
lesungen die Autorisation des Ministeriums erforderlich sei. Es wurde
unter eingehender Darlegung der Gründe von dem Minister Eichhorn
erklärt:
dass im allgemeinen die Docenten der medieinischen Facultät in Folge
der ihnen zustehenden Lehrfreiheit noch nicht zum Ankündigen und
Halten klinischer Vorträge und zur Errichtung klinischer Privatanstalten
berechtigt seien, dass hierzu vielmehr in jedem Falle die vorherige
besondere Genehmigung des Ministeriums nothwendig sei.
Es wurde allerdings ausnahmsweise und unter dem Vorbe¬
halt des Widerrufs, abgesehen von anderen Bedingungen, den Pro¬
fessoren Wagner und Kranichfeld, auf dringende Verwendung des
Rectors und des Senats gestattet, ihre Polikliniken foitzuführen. Aber
es wurde das Princip festgehalten, dass kein Lehrer der Facultät, gleich¬
viel ob ordentlicher oder ausserordentlicher Professor oder Privatdocent
als solcher berechtigt sei, Kliniken einzurichten und zu halten odex kli¬
nischen Unterricht unter der Sanction der Universität zu erthei-
len, es sei denn, dass er besonders dazu autorisirt sei. Mit Recht wurde
dabei bemerkt, dass
dem betreffenden Docenten die Zulassung von Studirenden zur Behand¬
lung von Kranken in seiner Privatpraxis, wenn die Kranken selbst
nichts dagegen haben, als ein Privatact nicht verwehrt werden könne,
dass aber zwischen einer solchen Zulassung und einem unter der Sanc¬
tion der Vorgesetzten Behörde anzukündigenden und zu haltenden
poliklinischen Unterrichte noch ein grosser Unterschied obwalte.
Nach Massgabc dieser Entscheidung wurde seitdem im allgemeinen
verfahren. Wie es in der Natur der Universitätscinrichtungen liegt, so
geschah dies niemals mit Strenge oder gar mit Härte. Im Gegenthcil,
der Wechsel des Decanats brachte von Zeit zu Zeit sogar eine zu grosse
Milde in der Ausübung der statutenmässigen Aufsicht der Facultät, und
cs wurde dann leicht auch von den folgenden Decanen in den Ankün¬
digungen der Docenten manches durchgclasscn, was in Anwendung der
festgestelltcn Grundsätze hätte zurück gewiesen werden sollen. So geschah
es, dass der ausserordentliche Professor Kran ich fei d, auch nachdem
ihm später die Fortführung seiner Privatklinik in der Universität nicht
mehr gestattet wurde, dieselbe nicht nur in einem Privatlocal der Stadt
fortsetzte, sondern auch, wie aus Verhandlungen hervorgeht, die im Jahre
1857 geführt wurden, an dem betreffenden Hause ein Schild mit der
Bezeichnung „Universitäts-Privat-KUnikum“ aufhängen liess, auch ge¬
legentlich seine Ankündigung unter demselben Titel in den amtlichen
Index lcc-tionum brachte. Noch grössere Unannehmlichkeiten erwuchsen
durch amtliche Verwickelungen, zu welchen der damalige Privatdocent
Dr. Friedberg in der Zeit von 1853—1858 wiederholt Veranlassung
gab. Im Jahre 1853 waren klinische Vorlesungen angekündigt durch
die Privatdocenten Angelstein, Friedberg, von Gräfe, Henoch
und Leubuscher, und ein Ministerial-Erlass vom 13. September 1853
forderte Bericht darüber, wie die Facultät die nöthige Controle über
diese Vorlesungen geführt habe.
In dem unter dem 23. October 1853 erstatteten Berichte führte
die Facultät aus, dass eine solche Controle an sich gänzlich unausführ¬
bar sei, dass auch eine Prüfung der um die venia legendi sich bewer¬
benden Candidaten in Bezug auf ihre technische Befähigung zur Leitung
klinischer Anstalten und Uebungen weder durch die Statuten vorgeschrie¬
ben, noch jemals vorgenommen sei, und dass die Facultät daher den
Beschluss gefasst habe, in Zukunft alle dergleichen Ankündigungen von
Privatdocenten abzuweisen, auch Testate derselben über deigleichen
Uebungen nicht zu berücksichtigen. Darauf erfolgte das mehrfach er¬
wähnte Ministerial-Rescript vom 24. November 1853, worin einerseits
anerkannt wurde, dass der Facultät zu einer irgend wirksamen und
zweckentsprechenden Beaufsichtigung der von Privatdocenten angekün¬
digten klinischen Privat-Institute und Uebungen alle Mittel fehlen, an¬
dererseits der Beschluss der Facultät bestätigt wurde, jede amtliche
Ankündigung von Privatdocenten, betreffend Privat-Institute, klinische
Institute, practische Uebungen an Kranken oder Leichen, Vorführung
von Kranken u. d. m. abzuweisen.
Eine Ausnahme wurde nur für diejenigen Privatdocenten zugelassen,
welchen die Leitung von klinischen Instituten im Charite-Krankenhausc
übertragen sei. Vorstellungen der Privatdocenten Dr. Friedberg und
Leubuscher gegen diese Verfügung wurden abschläglich beschieden,
obwohl der letztere in dem Hospital des städtischen Arbeitshauses, also
in einer öffentlichen Anstalt, seine Vorträge hielt.
In einer Eingabe der Privatdocenten Ebert, von Gräfe, Angel¬
stein, Gurlt, Veit, Henoch und Remak vom 30. December 1S53
wurde anerkannt, dass Missbrauche stattgefunden hätten, aber das Be¬
dauern ausgedrückt, dass um des Benehmens Einzelner willen, das ganze
bis dahin ehrenwerthe Institut der Privatdocenten leiden solle. Die Pe-
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UNIVERSETY OF MICHIGAN
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
185
1. April 1878.
tentcn sprachen die Hoffnung aus, dass die Facultät sich in concreten
Fällen für die Aufrechterhaltung der practischen Vorträge der Privat-
docenten aussprechen werde, wenn anders solche einen Nutzen
gewähren. Um jedoch der immerhin peinlichen Nothwendigkeit der
Einzclpetition zu entgehen, baten sie, die Facultät möchte sich in genere
dem Herrn Minister gegenüber über die Qualification derjenigen Privat-
docenten äussern, welche bisher practische Demonstrationen und Uebungen
mit ihren Lehrvorträgen verbunden haben.
Eine ähnliche Eingabe, worin die Petenten sich bereit erklärten,
ihre Anstalten unter eine jede, von dem Ministerium eingesetzte Oontrole
zu stellen, war auch an den Minister selbst gegangen. Herr v. Raumer
erklärte bei dieser Gelegenheit — No. 27733. 21. Januar 1854 — seine
volle Uebereinstimmung mit. den in dem Erlass seines Amtsvorgängers
vom 2. April 1843 ausgesprochenen Grundsätzen, welche auch auf das
vorliegende Gesuch anzuwenden seien.
Pie Facultät beschied dem entsprechend das Gesuch ablehnend.
Die in der jetzigen Eingabe des Docenten-Vereins gemachte Angabe,
es seien zu Anfang des Jahres 1854 mildernde Zusätze von Seiten der
Facultät und des Ministeriums erfolgt, ist irrthümlich. In der Antwort,
welche die Facultät unter dem 21. Januar 1854 den petitionirenden
Privatdocenten ertheilte. wurde allerdings erklärt, dass der Ministerial¬
erlass vom 24. November 1853 die Lehrfreiheit der Privatdocenten nicht
beeinträchtige, aber es geschah dies keineswegs in dem Sinne, als solle
dadurch ein Zurückgehen von dem Beschlüsse in betreff der Privat¬
kliniken ausgedrückt werden. Vielmehr wurde die Aufrechterhaltung
dieses Beschlusses ausdrücklich ausgesprochen. Seitens des Herrn Mi¬
nisters von Be thmann-Ho Uweg wurde noch in einem an den Privat¬
docenten Dr. Fried borg gerichteten Erlass vom 22. November 1858
d*"r von seinen Vorgängern ausgesprochene Grundsatz von neuem bestätigt.
Allerdings hat das nicht gehindert, dass einzelne ungehörige An¬
kündigungen von den Deeanen übersehen und sowohl in dem Leetions-
Catalog. als am schwarzen Brett zugelassen wurden. Obwohl schon unter
dem 21. November 1853 sämmtliehen Privatdocenten die Ministerial-
bestimmungen durch Circulare raitgetheilt und die Kenntnissnahme von
denselben durch ihre Namens-Unterschrift bestätigt worden war, so kamen
doch immer neue und immer zahlreichere Ueberschreitungen vor. Die
Facultät hatte zu wiederholten Malen Veranlassung, sich mit dieser
Angelegenheit zu beschäftigen, zumal da vielfach von Privatdocenten der
Versuch gemacht wurde, durch allerlei Umschreibungen (demonstratio
clinica, exercitatio practica, eursus practicus etc.) die Privatkliniken
wieder in das Lections-Verzeichn iss einzuführen. Es wurde daher durch
ein Circular vom 3. Deceinber 1867 den Privatdocenten mitgetheilt, dass
die Facultät beschlossen habe, die Bezeichnungen eursus und clinicum
in den Ankündigungen der Privatdocenten gar nicht, die Bezeichnungen
practicus in Beziehung auf klinische Vorlesungen ebenfalls nicht, da¬
gegen demonstratio und experiinentum überall zuzulassen. Als dagegen
unter dem 30. Januar 1868 ein grosser Theil der Privatdocenten vor¬
stellig wurde und die Bilte aussprach, dass den Privatdocenten der Ge¬
brauch der Worte „Cursus“ und „practisch“ für ihre Ankündigungen
wiedergestattet werde, glaubte die Facultät, ohne die Bestimmungen
von 1853 zu ändern, ihnen die weiteste Auslegung geben zu dürfen,
und sie eröffnete den Petenten unter dem 7. Februar 1868, dass sie
hinfort das Wort „Cursus“ und wo es nicht ausdrücklich in der Ver¬
bindung mit Privat-Instituten, practischen Uebungen an Kranken oder
Leichen, Vorführung von Kranken und dergleichen vorkomme, auch das
Wort „practisch“ zulassen wolle.
Obwohl die Facultät damit bis an die äusserste Grenze zulässiger
Interpretation gegangen war, so blieben doch die Ueberschreitungen nicht
aus, und es wurde daher unter dem 12. November 1872 ein besonderes
Circular an die Privatdocenten erlassen, worin ihnen die bestehenden
Bestimmungen in Erinnerung gebracht, die Gründe dafür dargelegt und
an ihre Ehrenhaftigkeit appellirt wurde, dass die zugestandenen Milde¬
rungen nicht benutzt werden möchten, um unter einer zweifelhaften Form
doch Unterrichtsgebicte zu usurpiren, welche den Privatdocenten versagt
sein sollten.
Dieses Circular, wovon wir beifolgend eine Abschrift ganz gehorsamst
überreichen, hat sämmtlichen damals habilitirten Privatdocenten Vorge¬
legen, wie aus ihren Unterschriften hervorgeht. Es ist ferner seitdem
allen neuen Privatdocenten schon bei ihrer Meldung mitgetheilt, und
dass dies geschehen, in dem besonderen Protokoll, welches über die
Meldung aufgenoramen wird, festgestellt worden. Jeder der jetzt habili¬
tirten Docenten ist darauf hin verpflichtet worden, und er hat Kenntniss
von den Gründen erhalten, welche den Beschluss der Facultät bestimmt
haben.
Das Streben nach Ueberschreitung der geltenden Vorschriften hat
jedoch nicht aufgehört. Freilich ist es nicht wieder so stark in die
Erscheinung getreten, als im Jahre 1872, wo unter dem Namen „Berliner
allgemeine Poliklinik“ eine Anstalt gegründet wurde, an welcher sich
€ Privatdocenten unserer Facultät als Aerzte und Lehrer betheiligten
und zwar, wie in einem Schreiben des Privatdocenten Dr. Fr. Falk an
die Facultät ausgeführt wurde, weil sie sich zu einer solchen Mitwirkung
berechtigt und verpflichtet hielten, um auch die Universität nach
einer Richtung hin, wiewohl mit schwachen Kräften, bei einem so
gemeinnützigen Unternehmen zu vertreten. Es wurde ausgeführt,
dass, „wenn die Herren die neue Poliklinik für ihre Vorlesungen, die
sie bisher in ihrer Behausung gehalten hätten, vorzögen, sie hiermit nur
einen Wechsel des Locals vornehmen würden, in dessen Wahl sie
ja gesetzlich nicht eingeschränkt seien.“ Eine Schädigung des
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Lehrmaterials der ordentlichen Kliniken sei nicht zu besorgen, da
„selbst mit Gründung der Poliklinik der Bedarf noch nicht hinlänglich
gedeckt 9ein könnte“, was daraus hervorzugehen scheine, „dass dem
Vernehmen nach andere Kräfte noch neue Polikliniken in anderen
Stadtbezirken zu gründen beabsichtigen.“
In der That hat es an solchen neuen Gründungen nicht gefehlt,
und die Ankündigungen am schwarzen Brett gaben Zeugniss davon,
dass nicht bloss in den städtischen Krankenhäusern im Friedrichshain
und in Moabit sowie im Augusta-Hospital, sondern auch an zahlreichen
anderen und zum Theil sehr entfernten Orten in Privatkliniken Unter¬
richt ertheilt oder wenigstens angeboten wird.
Obwohl die Facultät fern davon ist, dies Verhältniss für ein regel¬
mässiges und dem Studium zuträgliches zu halten, so ist sie doch nicht
eingeschritten, sondern sie hat nach wie vor die mildeste Praxis geübt.
Ein Blick auf die neuesten Lections-Verzeichnisse genügt, um zu zeigen,
dass die Mehrzahl aller von Privatdocenten angekündigten Vorlesungen
mit Demonstrationen oder Uebungen verbunden ist, die zu einem grossen
Theil an Kranken vorgenommen werden sollten; ja, noch der Catalog
für dieses Sommersemester ergiebt, dass darin wiederholt diagnostische
Curse über innere, äussere, Geisteskranke u. s. f. angekündigt worden,
also ganz unzweifelhaft klinische Vorträge und Uebungen, wenngleich
nicht gerade unter diesem Namen.
Das ist der thatsächliche Hergang dieser, für die Facultät höchst
belästigenden Angelegenheit. Wir haben denselben um so mehr klarstellen
zu müssen geglaubt, als die Tagespresse auch mit der uns vorliegenden
Petition schon beschäftigt worden ist und der Vorwurf, als werde die
verfassungsmässige Lehrfreiheit beeinträchtigt, ohne dass auch nur ein
Grund dafür den Betheiligten bekannt geworden sei, auch uns gegen¬
über hervorgetreten ist. .So sehr wir unsererseits überzeugt sind, dass
unser Verhalten ein durchaus legales ist, und dass, wenn uns ein Vor¬
wurf gemacht werden kann, dies nur der Vorwurf zu grosser Milde in
der Anwendung der geltenden Bestimmungen sein könnte, so haben wir
doch, bevor wir den petitionirenden Privatdocenten antworten, die Sach¬
lage Ew. Excellenz vortragen und um eine massgebende Meinungs¬
äusserung bitten wollen.
Unserer Auffassung nach hat die verfassungsmässige Lehrfreiheit mit
der vorliegenden Angelegenheit nicht das mindeste zu thun. Als Bürger,
ausserhalb der Universität, kann jeder Privatdoeent lehren, was er will,
er kann auch Krankenanstalten gründen und sowohl darin, als auch in
anderen öffentlichen oder Privatanstalten klinische Vorlesungen und
Uebungen halten. Aber innerhalb der Universität, als Privatdoeent hat
er nicht mehr Recht, als ihm die Facultät auf Grund ihrer und der
Universitätsstatutcn ertheilen kann und wirklich ertheilt Er ist be¬
schränkt in dem Umfange seiner Lehrthätigkeit auf das Fach oder die
Fächer, für welche er sich habilitirt hat, und für welche er angenommen
worden ist; will er ein neues Fach lehren, so muss er sich einem neuen
Prüfungsverfahren unterwerfen. Er hat also nur eine beschränkte Lehr¬
freiheit, und doch hat niemand darin eine Verletzung der Verfassung
gesehen; ja die Petenten sehen sie noch heute nicht darin. Und mit
Recht, denn innerhalb ihres Faches geniessen sie des vollen Schutzes
der Verfassung, und zwar um so mehr, als es die Facultät als Glied
der Universitäts-Coqjoration und keine Staatsbehörde ist, welche die
venia legendi ertheilt. Der Grundsatz; „Die Wissenschaft und ihre
Lehre ist frei“, würde die Facultät nicht hindern einen Doctor der
Medicin von der Habilitation auszuschliesscn, wenn derselbe bei seiner
Prüfung Lehrsätze ausspräche oder vertheidigte, welche nach der Meinung
der Facultät unwissenschaftliche wären. Nur ihrem Urtheile, von welchem
es keine Appellation giebt. ist cs anheim gestellt, die besondere
venia legendi zu ertheilen, welche der Universität eigen¬
tümlich und mit der allgemeinen Lehrfreiheit nicht iden¬
tisch ist.
Da aber die Prüfung der Facultät Statuten massig sich nur auf die
wissenschaftliche, keineswegs aber auf die practische Befähigung der
Habilitanden erstreckt, so ist es selbstverständlich, dass die venia legendi
an sich nicht practische Unterriehtsgegenstände betrifft , und dass jede
über das rein wissenschaftliche Gebiet hinausgehende Lehrthätigkeit der
Docenten an die besondere Zustimmung der Facultät gebunden sein
muss.
In Wirklichkeit hat die Facultät^ wie vorher nachgewiesen ist, auch
in Bezug auf die practische Lehrthätigkeit der Privatdocenten die grösste
Freiheit gestattet. Ja, wir hätten eher erwarten können, den Ausdruck
des besonderen Dankes der Docenten dafür zu empfangen, dass wir ihren
Wünschen fast über das Mass des Erlaubten hinaus nachgegeben haben.
In der That ist ihnen auch in den rein practischen Disciplinen, wo es
sich nicht mehr um die Lehre der Wissenschaft, sondern nur noch
um die Anwendung derselben handelt, aller Vorschub geleistet worden.
Was ihnen, mit einigen, aus Uebersehen hervorgegangenen Ausnahmen,
versagt worden ist, das ist die officielle Ankündigung der Privat¬
institute, vornehmlich der klinischen.
Die Universität ist eine öffentliche Einrichtung des
Staates.
Ihr Organismus ist weit genug, um auch den Privatdocenten eine
segensreiche Wirksamkeit zu gestatten. Aber er würde unserer Meinung
nach auf hören, ein lebenskräftiger Organismus zu sein, wenn es jedem
Privatdocenten freistehen würde, seine Privatinstitute oder andere, ganz
fremden Organisationen angehörige Anstalten in ofllcieller Form in die
Universität einzufügen. Mit Recht ist die Facultät durch ihre Statuten
verantwortlich gemacht für die Vollständigkeit des Unterrichts in ihrem
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
186
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 13
Gebiete; aber die Vorlesungen der Priwatdocenten sind ausdrücklich
davon ausgeschlossen, bei Erwägungen dieser Art in Betracht gezogen
zu werden (Fac.-Statuten, Abschn. III, § 41. Univers.-Statuten, Abschn. II,
§ 6). Wie sollte nun gar die Form gefunden werden, um freie Anstalten
der Privatdocenten in einer Weise in den Organismus der Facultät ein¬
zufügen, dass die letztere den Studirenden gegenüber, welche durch
officielle Ankündigung zum Besuche dieser Anstalten aufgefordert
werden, welche diese Anstalten unter der ausdrücklichen Sanction der
Universität angekündigt sehen, die Verantwortlichkeit übernehmen könnte,
dass die Lehrmittel dieser Anstalten das Material an Kranken und In¬
strumenten auch nur einigerraassen dem Bedürfnisse des Unterrichts
entsprechen? Wie sollte sie auch nur die Bürgschaft dafür übernehmen,
dass diese Anstalten ein ganzes Semester hindurch in regelmässiger
Weise fortgeführt werden?
Die Zahl der Privatdocenten an unserer Facultät beträgt gegen¬
wärtig 45. Sie ist grösser, als die der 12 ordentlichen und 18 ausser¬
ordentlichen Professoren zusammengenommen. Niemand wird uns daher
den Vorwurf machen können, dass wir engherzig oder abwehrend dem
Zustrom jüngerer Kräfte entgegengetreten wären. Wir waren stets und
sind noch heute der Meinung, dass gerade unsere Facultät eine reiche
Pflanzschule für neue Professoren in ganz Deutschland und über seine '
Grenzen hinaus gewesen ist. Aber wir können nicht so weit gehen,
dass wir das Privatdocententhum als einen Organismus in dem Organis¬
mus der Facultät anerkennen, einen Organismus ohne Pflichten und mit
ungemesssenen Rechten seiner Glieder.
Wenn „die Berliner allgemeine Poliklinik“, von der wir oben ge¬
sprochen haben, das Recht erlangt, als eine Universitäts-Anstalt oder
auch nur als eine von der Universität anerkannte und den Studirenden
empfohlene Anstalt zu erscheinen, so würde sofort eine Art von freier
Facultät neben der staatlichen Facultät geschaffen werden, ohne dass
auch nur eine Spur von Controle, ja auch nur von Einwirkung auf die
Einrichtungen oder die Lehrtätigkeit an derselben vorhanden wäre. Man
braucht nur den neu gegründeten Docenten-Verein etwas weiter zu ent¬
wickeln, so wäre die freie Facultät fertig.
So lange eine solche freie Facultät ausserhalb der Universität steht,
so lange haben wir weiter nichts damit zu thun und nichts dagegen zu
sagen. Aber wir müssen, nicht in unserem, sondern im Interesse der
Studirenden, auf das bestimmteste dagegen Einspruch thun, dass inner¬
halb der Facultät derartige Sonderorganismen ohne besondere Autori¬
sation Zutritt erhalten. Die jetzige Eingabe des Docenten-Vereins ver¬
langt nur das Recht, Testate zu crtheilen. Abgesehen davon, dass dieser
Verzicht w T ohlbegründeten Einrichtungen der Universität widerstreitet,
sind w'ir fest überzeugt, dass, wenn erst das Recht der Ankündigung
für die Privatinstitute erlangt wäre, die Forderung des Testirrechtes
nicht lange auf sich warten lassen würde. Ja, wir sind der Meinung,
dass es nicht würde verweigert werden können.
Es kann Verhältnisse geben, wo man ein solches Zugeständnis
macht, weil das Bedürfniss des Unterrichts es erfordert.
Manche Universitäten sind so kümmerlich mit öffentlichen Anstalten
ausgestattet, dass eine Ergänzung derselben durch Privatinstitute
wünschenswert!! erscheinen kann. In der Eingabe des Docenten-Vereins
ist eine Reihe solcher Beispiele angeführt, um darzuthun, dass die
Privatdocenten der Berliner Facultät gegenüber anderer Facultäten be¬
nachteiligt seien. Wir wollen das nicht leugnen. Allein die practischen
Einrichtungen unserer Facultät sind zahlreich genug, um in jeder Rich¬
tung des practischen Unterrichts dem Studitenden eine gewisse Fülle,
ja häufig eine Auswahl unter mehreren von ihnen zu benutzenden In¬
stituten zu gewähren. Wo sich ein Mangel zeigte, da hat die Facultät
und zwar bis in die neueste Zeit, ihre Pflicht; erkannt, Anträge auf neue
Anstalten bei dem hohen Ministerium zu stellen. Auch wir haben zeit¬
weilig Privatanstalten von Privatdocenten empfohlen und anerkannt.
Aber wir haben es dann stets für unsere Aufgabe gehalten, dahin zu
wirken, dass solche Privatanstalten bald in öffentliche umgewandelt
werden. Wir dürfen in dieser Beziehung nur an die Zahnklinik erinnern.
Zu unserem grossen Bedauern ist durch das immer erneuerte An¬
drängen der Privatdocenten die Frage nach der Zulässigkeit von klini¬
schen Privatinstituten seit mehr als zwei Decennien immer nur mit
Rücksicht auf die Privatdocenten erörtert worden, während sie doch eine
ganz generelle ist. Wir haben dies schon oben, wo wir von dem Erlass
vom 2. April 1842 sprachen, nachgewiesen, und wir möchten Ew. Excellenz
bitten, sie wieder in dieser Allgemeinheit in’s Auge zu fassen. Unserer
Meinung nach sollten alle klinischen Einrichtungen, gleichviel
ob sie von Professoren oder von Privatdocenten geleitet
w r erden, wenn sie ohne specielle Autorisation auf treten,
von der Universität ausgeschlossen werden. Es wird jedesmal
eingehender Prüfung bedürfen, ob die Mittel, die Einrichtungen, die
Leitung solcher Anstalten derartige sind, dass sie die Bürgschaft der
Dauer und der Vollständigkeit bieten und ihr Besuch den Studirenden
empfohlen werden könne. Denn jede Ankündigung im Lections-Catalog
und am schwarzen Brett der Universität ist eine positive und sehr wirk¬
same Empfehlung, und zwar nicht bloss für die Studirenden, sondern
auch für das Publikum. Sie schafft nicht bloss Zuhörer, sondern auch
Praxis. Nur in den seltensten Ausnahmefällen wird Privatpersonen das j
möglich sein, was einst A. v. Gräle mit seinen grossen Mitteln und ■
mit seinem noch grösseren Talente zu schaffen gewusst hat, und man
sollte nicht vergessen, dass man um solcher Ausnahmefälle willen keine •
allgemeine Regeln machen darf.
Nichts steht unserer Meinung nach im Wege, in solchen Ausnahme¬
fällen auch Privatdocenten die Autorisation zur Ankündigung wohl be¬
festigter Privatanstalten zu gewähren. Aber sicherlich folgt daraus nicht,
dass man beliebigen Privatdocenten die Verlockung nahe legen soll, sich
mit ihren kümmerlichen Anstalten in die Universität einzuführen.
Das Interesse der Studirenden oder, anders ausgedrückt, das Bedürf¬
niss des Unterrichts erfordert nicht die Vermehrung der practischen In¬
stitute in das endlose, sondern die Vermehrung und Verbesserung der
Einrichtungen in den vorhandenen Instituten. Eine zu weit gehende
Vermehrung der Anstalten selbst führt zu einer Zersplitterung des Un¬
terrichts, welche auf individuelle Ausbildung der meisten Studirenden
eher einen nachtheiligen, als einen fördernden Einfluss ausübt. Schon
jetzt ist die Klage in hohem Masse begründet, dass nicht wenige Stu-
dirende die Zersplitterung des practischen Unterrichts schwer zu büssen
haben. Wir sind deshalb wiederholt in Bcrathung darüber getreten,
in welcher Weise der ganz in Vergessenheit gerathene Paragraph der
Universitätsstatuten (Abschn. VIII, §. 8) wieder in Kraft gesetzt werden
könnte, welcher anordnet, dass alle Vorlesungen in dem Uni¬
versitäts-Gebäude oder wenigstens in dem Universitäts-
Bczirk oder in öffentlichen gelehrten Instituten gehalten
werden sollen. Nachdem es jetzt Sitte geworden ist, dass der eine
Doccnt in der Linienstrasse, der andere am Halleschen Thor, der eine in
Moabit, der andere vor dem Landsberger Thor seine Vorlesungen hält,
so kann es leicht geschehen, dass die Universität sich schliesslich bis
auf den Namen in lauter Einzelheiten auflöst, denen der Student rathlos
gegenübersteht, und welche sich jeder geordneten Aufsicht entziehen.
Wir würden es für dringend geboten erachten, dass auch den Privat¬
docenten wieder die Möglichkeit gewährt werde, ihre Vorlesungen in
öffentlichen, der Universität zustehenden Gebäuden, sollten es auch selbst
gemiethete Gebäude sein, zu halten. In einzelnen Fällen sind wir schon
mit Erfolg zu Gunsten von Privatdocenten eingeschritten, aber wir sind
ausser Stande, allen zu helfen.
Zum Schlüsse bitten wir Euer Excellenz, uns gestatten zu wollen,
diesen Bericht den Privatdocenten mitzutheilen und eventuell veröffent¬
lichen zu dürfen.
Berlin, den 17. Juli 1877.
Decan und Professoren der medicinisehen Facultät.
(Gez.) Virchow, Decan. v. Langenbeck, Prodecan.
Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-
Angclegcnheiten.
Der medicinisehen Facultät erwidere ich auf den Bericht vom 17. Juli
d. J., dass ich die von einer Anzahl hiesiger Privatdocenten gewünschte
Aufhebung des Ministerialerlasses vom 24. November 1853 für unstatthaft
und vielmehr seine Aufrcchthaltung in der Beschränkung, welche er
durch die in dem Bericht dargelcgte Praxis der Facultät erfahren hat.
für geboten erachte.
Es handelt sich, wie auch die Facultät bemerkt, bei der aufgeworfenen
Frage überhaupt nicht bloss um die Privatdocenten und deren Befug¬
nisse, sondern um eine Beschränkung, welche jeden Universitätslehrer
trifft, der nicht Leiter eines Universitätsinstitutes oder eines ausnahms¬
weise amtlich anerkannten Privatinstituts ist.
Es darf nicht die amtliche Organisation des Unterrichts an der Uni¬
versität dadurch in Unklarheit oder Unsicherheit gebracht werden, dass
irgend welche von einem Universitätslehrer auf eigene Veranlassung und
Verantwortung getroffene Veranstaltung in dem amtlichen Lections-
verzeichniss oder in andern unter der Autorität der Universität ergehen¬
den Manifestationen unter demselben Namen oder einer ähnlichen Be¬
zeichnung, wie die officiellen Institute, erscheint, oder sonst in einer
Weise den Studirenden und dem Publicum vor geführt wird, welche die¬
selbe als einen Theil des Organismus der Universität selbst erscheinen
lassen würde.
Der Erlass vom 24. November 1853 in der von der Facultät geüb¬
ten Auslegung unterwirft daher auch, so wenig wie er eine Beschränkung
der Lehrfreiheit enthält, die medicinisehen Privatdocenten der hiesigen
Universität keiner ausnahmsweisen Behandlung, sondern ist nur eine
Anwendung eines allgemeinen Princips. ln den von den Privatdocenten
angeführten Beispielen von andern Universitäten liegen theils durch das
Unterrichtsbediirfniss gerechtfertigte Gestattungen seitens der betreffenden
Facultäten zur Ergänzung der amtlichen Veranstaltungen, theils solche
Fälle vor, in welchen die von den Petenten hervorgehobene Bezeichnung
nach Lage der Verhältnisse einen Irrthum der angedeuteten Art nicln
zu veranlassen vermag.
Ich bin aus diesen Gründen damit einverstanden, dass die Facultat
den Petenten einen abschlägliehen Bescheid ortheilt.
Berlin, den 19. November 1877.
Falk.
An
die medieinisclie Facultät der Königl. Friedrich-Wilhelms-
Uni versi tat hicrsclbst.
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1. April 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
187
Vom Kriegsschauplatz.
Von
Dr. O. Heyfelder.
14.
Alexandropol, 5/17. Februar 1878.
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Die Typhus-Epidemie, welche mit den türkischen Gefangenen von
Kars aus über unsere Truppen, ganz Transkaukasien, besonders aber
über Alexandropol und Tiflis gekommen, ist im Abnehmen begriffeil,
sowohl was die Zahl als was die Intensität der Erkrankungen betrifft.
Was die Form anbelangt, so haben wir meist Fleckentyphus, etwas we¬
niger Abdominaltyphus und Recurrens und nicht ganz selten gemischte
Formen. Die Curven. soweit wir sie zu verfolgen vermögen, sind selten
ganz normal. Von mir und anderen werden vielfach Erkrankungen beob¬
achtet, welche mit einem Recurrensanfall beginnen und nach einer stark
accentuirtcn Remission in Petechialtyphus übergehen. Ebenso sehen wir
Kranke, die nach mehreren Anfällen des kaukasischen Wechselliebers
typhös werden. Durch drei Momente sind wir im grossen und ganzen
an einer regelrechten Messung und continuirlich exaeten Beobachtung
gehindert gewesen: 1) durch die Zahl der Kranken, 2) durch die con¬
tinuirlich fortschreitende Evakuation und das Nachrücken neuer Kran¬
ken, 3) durch den Mangel an Sanitätspersonal. Nicht als hätte unsere
oberste Militär-Medicinal-Behürde nicht ausreichend für Aerzte gesorgt.
Noch nie war für einen Krieg ein so grossartiges Aufgebot von Sanitäts¬
personal geschehen. Aber das Bediirfniss überstieg eben plötzlich alle
Berechnung und, wie das st ts der Fall ist, erkrankten die Aerzte, Feld-
scheerer und barmherzigen Schwestern in ganz immenser Proportion. Ich
habe sieben Wochen meist mit einem Assistenzarzt, zeitweilig auch
ohne einen solchen durchschnittlich 250—350 Kranke im Hospital gehabt
und besorgt. Wurde mir ein Arzt als Erzatz für die Erkrankten zu-
kommandirt, so erkrankte auch er nach wenig Tagen. Alle Feldscheerer
bis auf einen erkrankten (2 starben), 3 von 4 Schwestern lagen am
Flecktyphus darnieder, und die vierte pflegte sie. Alle Schreiber, der
Buchhalter lagen zu gleicher Zeit, so dass auch die Administration und
Jiüreauarbeiten dem Oberarzt zum Theil zufielen. Dabei hatte ich
wochentl eh 2—3 mal zu den grossen Evacuationstransporten 30—50
Mann und mehr zu stellen, und erhielt zu jeder Stunde des Tages und
der Nacht Nachschübe aus Kars und Erzeruin. Da blieben wir alsbald
mit den Temperaturmessungen und -notirungen zurück, Scctionen wur¬
den zur Ausnahme, und 7—8 Stunden im Hospital verbracht reichten
kaum aus, die nothwendigste Therapie und Pflege, die unabweislichen
Operationen und Verbände ins Werk zu setzen.
Da die wenigsten Aerzte nach iiberstandenem Typhus unmittelbar
wieder in Thätigkeit zu treten vermochten und vielfach zeitweilig beur¬
laubt werden mussten, so haben die Militär-Medicinal-Behörden mit
grösster Energie und Umsicht Ersatz herbeigezogen, und wir haben auch
in dieser Beziehung das schlimmste hinter uns. Mit Abnahme der Ty¬
phusepidemie traten aber die Erfrierungen der Glieder, namentlich der
Füsse, so massenhaft auf, dass man von einer neuen Epidemie, nämlich
der Congelationen zu sprechen versucht ist. Vielfache Amputationen
und Exarticulationen, nicht wenige Doppeloperationen an ein und dem¬
selben Individuum sind in allen Hospitälern dadurch nothwendig gewor¬
den; wie begreiflich sind die Resultate nur theilweise günstig.
Woran wir aber in Alexandropol in hohem Grade laboriren, das
sind die allgemeinen hygienischen Bedingungen. Unsere Sanitätskom¬
mission, der intelligente Commandant, alle Aerzte, die Stadtpolizei, wir
alle kämpfen einen schweren Kampf mit asiatischem Schmutz und arme¬
nischer Indifferenz, mit den eingewurzelten Gewohnheiten der Bewohner.
Die wenigsten Häuser haben Aborte; jeder Winkel, jede Grube in und
ausser den Häusern wird von den Eingeborenen mit Excrementen
verunreinigt. Abfuhr existirt nur in der Festung, die überhaupt allein
ein geordnetes Gemeinwesen darstellt. Die Einwohner der Stadt schlach¬
ten vor ihren Häusern, der Abfall bleibt liegen. Crcpirt ein Pferd von
den vielen tausend und tausend Fuhren, so lässt man es da liegen, wo
es verendete, und wäre es dicht an der Stadt, an der Festung, an den
Hospitälern. Besorgten nicht die grossen halbwilden Hunde die Skelet-
tirung solcher Thierkadaver in relativ kurzer Zeit, wir könnten trotz des
Winters vor G^ank keine Chaussee passiren. Nun sterben aber die
Hunde in Folge des ekeln Frasses oft massenhaft und bleiben dann ihrer¬
seits liegen. Frieren einem Kameel aus einer der zahlreichen Caravanen
die Füsse ab, so lassen die tatarischen Treiber es mit einem kleinen
Heuvorrath am Platze liegen und ziehen weiter. Unsere Sanitätskom¬
mission hat nun zwar schon manches erreicht. Auch ist in Tiflis eine
Summe von 25,000 Rubel für Assanisation von Alexandropol angewiesen,
ferner erwarten wir von dort täglich eine Commission, welche mit Geld,
Händen und Vollmachten ausgerüstet, das Werk im grossen «angrei¬
fen soll, welches wir als Stückwerk bisher zu betreiben genöthigt waren.
Dieselbe soll namentlich auch den überfüllten Kirchhöfen ihre Sorgfalt
2uwenden. Ich habe für letztere, wie für alle durch zerfallende orga¬
nische Stoffe inficirte Localitäten das Besäen mit Gras und Korn, Be¬
pflanzen mit Bäumen und Sträuchem in grossem Massstabe in Vorschlag
gebracht, welches sich bekanntlich auf dem Schlachtfelde von St. Quen¬
tin trefflich bewährt hat.
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Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. Dr. Julius Robert Mayer, der berühmte Vorgänger von
Helmholtz, welcher die mechanische Wärmetheorie, die zur Erkennt¬
nis des Gesetzes von der Erhaltung der Kraft führte, bereits in klarer
Weise entwickelt hat, ist in seiner Vaterstadt Heilbronn, wo er am
25. November 1814 geboren ist, am 20. März er. gestorben. Seine bedeut¬
samsten Schriften sind: Bemerkungen über die Kräfte der unbelebten
Natur (Liebig’s Annalen, Bd. XLII., 1842), die organische Bewegung
in ihrem Zusammenhänge mit dem Stoffwechsel (Heilbronn 1845) und
Bemerkungen über das mechanische Aequivalent der Wärme (1851).
Seine gesammelten Schriften erschienen 1867 und in 2. Auflage 1874
unter dem Titel: Die Mechanik der Wärme. Robert Mayer, den
die Welt nur als grossen Naturforscher kennt, hat Medicin studirt und
ist — seine Berufsgenossen dürfen stolz auf ihn sein — als Arzt thätig
gewesen.
— Heute, am 1. April d. ,T., sind seit dem Geburtstag William
Harvey’s 300 Jahre verflossen. In England ist man im Begriff, ein Denk¬
mal dem Entdecker des Blutkreislaufs zu errichten, für welches bereits
1600 Lstr. — die Hälfte der dazu nöthigen Summe — gesammelt sind.
— Zu den Ergebnissen der Impfung pro 1876 enthalten die
Veröff. des Gesundheitsamtes No. 11 folgenden Nachtrag:
Von je 100 Impfpflichtigen wurden mit Erfolg geimpft:
VI. Hessen: Nach §. 1, Ziff. 1. Nach § 1, Ziff. 2.
(Vaccinationen.) (Revaccinationen.)
Prov. Starkenburg . 94,4 71,7
„ Oberhessen . 95,9 77,8
„ Rheinhessen . 97,1_73,4_
Zusammen 95,8 73,9
Das Verhältniss der erfolgreichen Impfungen zur Zahl der mach
§. 1 Ziffer 1 des Impfgesetzes Impfpflichtigen war demnach für das Jahr
1876 in Hessen das günstigste unter sämmtliehen deutschen Staaten.
— In der Woche vom 3. bis 9. März sind in Berlin 511 Personen
gestorben. Todesursachen: Masern 8, Scharlach 12, Rothlauf 3,
Diphtherie 22, Eitervergiftung 3, Febris puerperalis 2, Typhus abdom. 4,
Rheumatismus articul. «acutus 2, Syphilis 3, Delirium tremens 1, mine¬
ralische Vergiftung 1 (Selbstmord), Sturz 2, Eischiessen 2 (Selbstmorde),
Operation 1, Erhängen 3 (Selbstmorde), Ertrinken 1 (Selbstmord), Lebens¬
schwäche 29, Bildungsfehler 1, Abzehrung 16, Atrophie der Kinder 5,
Skropheln 3, Altersschwäche 22, Krebs 11, Wassersucht 2, Herzfehler 4,
Hirnhautentzündung 12, Gehirnentzündung 10, Apoplexie 13, Tet<anus und
Trismus 8, Z«ahnkrämpfe 7, Krämpfe 42, Kehlkopfentzündung 24, Croup 1,
Pertussis 9, Bronchitis acuta 8, chronica 11, Pneumonie 36. Pleuritis 3,
Phthisis 70, Peritonitis 9, Eclampsie der Schwangeren 1, Folge der Ent¬
bindung 1, Eierstockswassersucht 1, Diarrhoe 15 (Kinder unter 2 J.),
Brechdurchfall 6 (Kinder unter 2 J.), Magen- und Darmentzündung 1,
Magen- und Darmkatarrh 4 (Kinder unter 2 J.), Nephritis 3, andere
Ursachen 51, unbekannt 2.
Lebend geboren sind in dieser Woche 43G m., 405 w., darunter
ausserehelich 62 m., 51 w.; todtgeboren 16 m., 8 w., darunter ausser-
ehelich 2 m., 1 w.
Die durchschnittliche Sterblichkeit dieser Woche beläuft sich
auf 26 pro Mille der wahrscheinlichen Bevölkerungszahl, die entspre¬
chende Geburtenziffer auf 42,7 pro Mille (beide Summen mit Ausschluss
von 1,3 pro Mille Todtgebornen).
Witterung: Thermometerstand: 4,47. Abweichung 2,19. Ba¬
rometerstand: 27 Zoll 10,66 Linien. Dunstspannung: 2,35 Linien.
Relative Feuchtigkeit: 77 pCt. Himmelsbedeckung: 6,9. Höhe
der Niederschläge in Summa: 11,125 Pariser Linien.
In der Woche vom 10. bis 19. März sind gemeldet: Typhus -
Erkrankungen 9 (3 m., 6 w.), Todesfälle 5.
VIU. Amtliche Hittheilngea.
PenoitAli».
Auszeichnungen: Seine Majestät der König haben Allergnädigst ge¬
ruht, dem Kreiswundarzt des Stadtkreises Cöln, Dr. med. Franz Jakob
Leuffen zu Cöln und dem practischen Arzt etc. Dr. Bollert zu
Rummclsburg bei Berlin den Character als Sanitätsrath zu verleihen.
Anstellungen: Der Arzt Dr. med. Teeke ist mit Belassung seines
Wohnsitzes in Bobersberg zum Kreiswundarzt des Kreises Crossen und
der Arzt Dr. med. Ad ick es mit Belassung seines Wohnsitzes in
Hannover zum Kreiswundarzt des Kreises Wennigsen ernannt worden.
Niederlassungen: Arzt Reeker in Damgarten, Dr. Lemcke in
Grimmen, Dr. Engel in Schmidtsdorf bei Friedland, Stabsarzt Dr.
Einhaus in Stade, Dr. Peine in Drochtersen, Dr. Schroeder in
Cöln, Dr. Weber in Euskirchen, Dr. No hl in Gummersbach.
Verzogen sind: Dr. Bengelsdorff von Greifswald mach Putbus,
Dr. Crüwell von Damgarten nach Barmen, Stabs«arzt Dr. Jacubasch
von Stade nach Berlin, Dr. Niessing von Emsdetten nach Schapen,
Dr. Trieseh von Fechenheim nach Oberurscl, Dr. Perreti von Sieg¬
burg nach Andernach, Dr. Stoltenhoff von Siegburg nach Hamburg,
Dr. Becker von Gummersbach nach Wiesbaden.
Todesfälle: Regierungs- und Geheimer Medicinal-Rath Dr. Sch aper
in Aachen, Dr. Michelsen in Posen, Sanitätsr«ath Dr. Stcns in Bonn.
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
188
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 13
Inserate.
Für meine Heil- und Pflcgeanstalt für Nerven- und Gcmüthskranke
suche ich einen Assistenzarzt.
Görlitz. Dr. Kahlbaum.
Bekanntmachung*
Die II. AssUtcnzarztstelle an der hiesigen medicinischen Poliklinik
mit einem jährlichen Gehalt von 1200 Mark, ist sofort zu besetzen.
Bewerber wollen ihre Meldungen mit Angabe ihres Approbationszeugnisses
direct an den Unterzeichneten richten. Die ev. zusagende Antwort er¬
folgt vor dem 1. April.
Erlangen. 19. Mä rz 1878. __ Prof. W. Leubc.
Bekanntmachung.
Der Kreisphysikus Herr Dr. lleffter hierselbst wird aus Gesund¬
heits-Rücksichten am 1. April er. seine g«-sammte Privatpraxis aufgeben,
und ist dann in hiesiger Stadt und einem Umkreise von 2* 2 Meilen nur
ein Arzt vorhanden. Die Niederlassung noch eines Arztes ist daher ein
dringendes Bedürfnis«.
Indem wir hinauf aufmerksam machen, bemerken wir noch, dass
auch die Kreiswundarztstelle des Kreises unbesetzt ist, sowie, dass der
Herr Dr. lief ft er bisher jährlich 240 Mark als Impfarzt und 180 Mark
als Armenarzt bezogen hat. und sind wir zur Ertheilung weiterer Aus¬
kunft über die sonstigen Verhältnisse gern bereit.
Templin, den 12. März 1878.
Der Magistrat
N i i zs c h k e.
Einem tüchtigen lleissigen jungen Arzte wird eine lohnende Praxis
nachgewiesen. Deutsches Städtchen von 2000 Einw., Prov. Posen. Off.
St. P». 13 durc h d. E x ped. d. Bl.___
Einem tüchtigen und ihätigen Arzt weisen wir eine sehr gute Land¬
praxis nach (9 —10000 Seelen, Eisenhahn-Stat.. Reg.-Bez. Cassel) und
befördern gef. Anfragen mit Angabe des seitherigen Wirkungskreises.
Peter Buhl & Sohn, Cartonnage-Fabrik in Cassel.
ln einer {*ymnRfiiRlstRdt führe ich einen Collegen in meine
Praxis ein (2 bis 3000 Thaler jährliche Einnahme, noch vergrösserungs-
fähig) gegen eine Vergütigung von 1000 Thalern. Bis spätestens 8. April.
Gef. Offerten sub P. P. 21 durch d. Exped. dieser Zeitung. _
Ein erfahrener practischer Arzt, Wundarzt, Geburtshelfer, Operateur
und Augenarzt (früherer Assistenzarzt des Geh. Rath Prof, von Graefe
und anderer berühmter Kliniker) sucht baldigst eine lohnende Praxis
in einer kleineren, mittleren oder grösseren Stadt. Offerten gef. sub
U. X. 20 durch die Exp._ __ __
Ein jüngerer Arzt wünscht während der Sommermonate eine Ver¬
tretung zu übernehmen, am liebsten für einen Spitalassistenzarzt. Gef.
Off. unter C. C. 18 durch die Expedition dieses Blattes.
Ein junger, gut empfohlener pract. Arzt wünscht auf-gleich oder
für später Stellung als Assistent in einer augenäratl. Klinik. Gefällige
Offerten mit Angabe der Bedingungen werden erbeten unter Chiffre
L. R. 23 durch d Exped. d. Zeit.
Ein junger Arzt sucht zur Begründung seiner Praxis 1000 Mark.
Oef. Offerten durch die Expedition unter Fa. 22.
Zur Berichtigung. In No. 9 dieser Wochenschrift wird ein Arzt
für den Flecken Rotenburg in Hannover gesucht. Es kann jedoch hier
von einem Mangel an Aerzten nicht die Rede sein, da hier ausser mir
noch ein freilich kränklicher College practisirt, ausserdem in der nächsten
Umgegend auf Entfernung von 1 — 2 Meilen Collegen ansässig sind.
Rotenburg, im März 1878. Dr. Jahn, pract. Arzt.
Bad Assmannshausen am Rhein
am Fusbp des Niederwaldes.
Eisenbahn- nnd Telegraphen-Station. — Dampfschifverbindnng.
Lithium reichste alkalische Therme,
besonders zu empfehlen gegen Gicht und rheumatische Affectionen,
Ischias, Catarrhe der Harnorgane mit Gries- und St-einbil-
dung. Ilyperaomiicn und Anschwellungen der Leber mit Gallen¬
stau urige n . Gallenstcitn-. chronische Catarrhe der Digestions- und
Respirationsorgane und Hautkrankheiten.
Knrhauseröffniing den 1. Mai.
Trink- und Bad. kur, Douche. K net kur, Eleetrieität, Inhalation
verdünnter und verdichteter Luit, diätetische Küche.
Dirigir« nder Arzt: Herr Dr. med. H. Mahr.
Generalversand de» Assmannshäuser Wassers:
Fliiiuin 3 Co. in Frankfurt a. 91.
Wasserheilanstalt Bad Elgersburg
im Thüringer Walde.
Die Wiedereröffnung der Anstalt erfolgt am 1. April.
Der Director
Dr. Marc.
Verlag und Eigtnthum von August Hirschwald in
Verlag von August Hirsehwald in Berlin.
Das
Denken in der* Miedicin.
Rede,
von
Dr. H. Helmholtz.
2. Auflage, neu durch gearbeitet.
1878. gr. 8. Preis:' 1 M.
Franzensbad in Böhmen.
Die Versendung der Edger-FrunzenfibAder Mineralwässer
(Franzens-, Malz-, Wiesen-, Neuquelle und kalter
Sprudel) für die Saison 1828 hat begonnen und werden die¬
selben nur in Glasbouteillen versendet. Bestellungen hierauf, sowie
für Franzensbader Mineralmoor und Moorsalz werden
sowohl direct bei der Unterzeichneten Direction, als auch bei den De¬
pots natürlicher Mineralwässer in allen grösseren Städten des Con-
tinents angenommen und prompt cfTeetuiri. Brochuren über die
eminenten Heilwirkungen der weltberühmten Bger-Franzens-
bader Mineralwässer werden gratis verabfolgt.
Stadt Egerer Brunnen-Versendungs-Blrection in
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Original from
UNIVERSITY OF MICHIGAN
DUf Berliner Klinisch« Wöcbpfl»cJ»xift wach«int jeden
MonUg in äex Stärke vun wösigslwii 14 ü*%ca gr. *.
Frti* Tierte^ibi-lifh 6 Mark. B««t^!lnngea nehmen,
all« ßacMwadlangfln and Poet- VnaUllon atu
Beiträg« wolle mau portofrei *ä dm £U>daoU«ft
fS. "W. j>flt©th**a*tr *4: 7i»ä <f<ter «a die Ve*~
lag*bttchhandl«t»g von fUl^ohWal4 ln Her-
ha (>i; W. U&Wt
Organ für practiseke Aerzte.
Mit Berücksichtigung der preüssischen Medicifiaivewsitong und Medicinalgesetzgebung
nach amtlichen Mittheiienge«.
Verlag ypp fodiwaStf in lerSa
Redacteur: Prot Br. fc.
Montag, den 8. April 1878.
m 14.
Fftnfeehnter Jahrgang.
j nh ä Lt: I. Hau.^.s metfj 11: Zur ' BefeifÜu&g wunder Hmitwär^efi — il. DAi sei hör liebe»: 4 a* V0£ ko «nmeti * der Goocühäeterjo -»optica m einem
Zülmahs^osH. - HI. ’Üö.-r i mau«%hvcrlxongke»I 'bei Ivmdem, verursacht durch rhrüüisohe.ü Na^ciiracbüncaini^. - IV,
MatiTOfra/AQ.» (ilnbaliinvthr. V Elitdt^t-.u'tlUr; i&kunp'u? im -5. Monu« *Ut fc : « , h^aw^Pisi*liaft. — VI. Kritik (M eiin»;uASj|n;
; — yij. Verbaudjönpiti ctruitLpber WösetL^bafleB (ß|Cümvr tocdiciaiticb^ Ötöjsgnsebaft — Hufobind V«hr_ (sD^ltefchaft int.
Berlin -* ^i^ltrrhcinischrt (»nseli.vahu/t Hit Natur- und liyiUatitdtj. ip Uaim. VUf. F^mUttoji (Statuten nud rütiidön »Ds Ifcrimtr
li^öit-o-V-^ftiris — T^osscesehtetuliche Notizen).— IX- Amtlich-*' MiUhmiuiurrn. -* Ingram,
1. Zur BehautUaug minder Brustwarzen.
.; ; :1 , >\’V /■•■ /y; 1 .' ■vA'';^ Ave
Dr. Mau*wm«mi m Bertiy.
Während bereits in der ältesten Zeit die Erosionen der Brust¬
warzen erkannt, aber der Uisprang der B r u$ tdrn$eaentzifrrtjnngen
1 . R Töii ;Afttius ? J und Paal*) triebt mif sie, sondern auf die
Verdorbene Milch Eurückgeführt Word^ü Jst, verdankt man erst
der neueren '2«it genauere Nachforscb.tiuger/ über -d*e gegen«
seihgeri ßeziehungen der genannten Erkrankungen. jrsrt'*
*$ oüsbisher ebenso wenig wie den Al Um geha^fch» eiru-nc^fciti'j die
einmal vorhandene Erkraukuog vier Rnisdwarze. sUls auf diese
zu Msrliränkcö. andererseits zu vcThuteü,dass sie nicht,
Uätoe&rifF-U wgivo sie • doppelseitig «rpc:j^pt 1? wogeiK der durrh
sie beim SAugen bepforgerbf^dön »norlfä-giichen Schmerzen mit-
‘istL-r tiorli 70ifn Absrtxeo des Kindes n^thigi. Diese vor» den
melsCeii oeaeren AüioreD (trm Vhip^ka^^'^canxojli, 4 ) Schr?»-
ilerAi ^ pi e 1 b e rg ,*) -H o b i g; 7 }) bestätigte erscheint
um w hedßwtutig^voller. da <He Affectkmcu der Brustwarze hn
Anfänge des Wocheubettes keineswegs selr^n beohrirlirt.et werden*
Svi uäbDe v.. B. Prof. Win ekel") bei K4Ü W.Oelmenmieu Borken
an den Brnstwarxen B5. Mal, wunde' Wirifed ; -:'(E'^>lüö«o) 74 Mal >
Fissuren Z* M&h Oe.^cIiWüT% 47 Mai, ICeobreaoiCeD' L4 Mal, fiö-
tbdagen Und ?5dtTjierzh.aftigkeit M&l; imd hiebt wek»entHch
seraeju^dftn veltbaHiöo &5cb die. An^khen ältfer^r Beobachtnr, von
denen i. B. ör ensaT*) einmal hei 4T2 WdcbÄ^rinnen 20 Mal,
spater bei o04 Wdehneriviren 47 Mai urid endlich bei 784 Frauen
t) jL\hti tntdbhuctfe I^Ti Ba.nlcac 1535 Ub. XVI c. 85—41 m&SZ
,*ÖeprftVAtum Ui» interelum qaoquc priVaU inätamariüin vasi^ula. exnleerat“.
n s. W> ./ . > :■''; V
2) ICotiufs rei xosdicae bbn VII. Basilestö 355ft. lib Ul r. 35, S. löß.
,Posv partum iac saepe a^lUt iu caanm cöftcresretc», mftami»atione« circa
matain^ efbcjt^
S) Tra^t^ <1^ maladies de sein. Pans 1554
4) Lobt buch d. Ochm-Uh., IV. Ault, Wien im\ Bi Ul 5. 478.
2») Lehrbuch d. Uchurtsh.; T. Botm 1877
R). .Lehrbuch d Sfehürfek, Lahr 1875 — 7 %B: ^ ;i 898 .
7) l^hrboch der specieUcn Chirurgie, Berlin 1875. h $. 68$.»
Ä) öeriehte and Stndieu aus der K. S. K'nthJuduBgmhsLiU m Dres-
üttL ß0td L 1876, S. Sk
.9) Moeats^chr. f. Gebansktrnde uud FrsticiükTühkheitcnl Band XI1
>.4hi xxv. s m. xxrx. s. 40 .
40 Mal das Wnndseiii der Brustwarzuii aufge^eichrief bat» Was
ferner die Hänligkeit der liiUvSidruisAnentzduduu^en Adbelangt,
so erwähnt. die Dr. Maria Vogt!in') aus der Dresdener Ent-
bindungrsanstalt unter 040 Erstgebärendew bei 7,7 ö /ft Fissuren
oder Ciß^cllwöre der Brustwarzen und bei U V.i. eine absepdirende
ilrustdrüseucntznridüfig. üDter 4'nl Zweit- L5 ATertgebürenden-,
b. fi dm erster«u uud 0 3 der letzteren lind eudlicb . unter
70 Ednfi- ?md At v cbr^re-bärcöd^ -5,0% der: ^räten^r und. 1,4% der
letztst EAtegori'^ Öb^biyn hier das AetltäBiiiss beider Reiben
zu einander ein ziem lieb günstige ^ ist, so steht docli bti der
auerktAimten Abhängigkeit der m'eiAl^n BniätdruKeiHüiIzüridniigön
vmi Erkr.anknng;c.!) dei* Bmstwi»rzvij tn bptfhn, dass durch deren
rpebtzcitig.e und erOdgrciche Heiluug die Häufigkeit Jeoär’ aotb..
um ein beträclitiiches vermtudert werden kann
; 8i> ]%?<£$ die Zahl der äcB Alters her gegen du* warnlcn
Brustwarzen cfotßfnhlenen MUteJ ist, so ist es doch bisher trotz
allevkin o»cht gelnngeu , ein., absolut rregeu jene zu er¬
finden*. mich der in der ueuarcM Zeü am mv^teri ^priesene
Höllenstein (von V^lpean. Sc.Mzoui, 8 jtiegcjhCTg< Kchrh-
der, König ii» a.) Usst unäv wie ich reihst wmderlRdt erfahreu
habe, mitunter ehens.o wi« die %um ßchtldz^ d^er warben
seit AmbroiHc Pore »;jud 8cultet empfohlenen W.metthiHehei)
und detöft Uareits votv Ä LiisUanus >md tA Atfiand eipgefähr-'
ien Üxhenng von Kuheuter u. dgl. nx. gänzlich im 8tirb Aus
diesem Drnnde theile ich die nachstehenden Beobachtungen mit,
ip Weichen il*h 4ie gegenwärtig ho vielat?ltig. geprüfte Qu'r b <j l -
sä«re mir efera so «nmBtelbareä und scfÄgentffro Erfolge
gehranebt hälie, dass Ich in jedenj ncBen FaHe auf sie
jsfierst zttrückj^feifcö würde.
I Bcobac b tdw g. Fran Riiö August 1 876 «w.sa ersten
Mal entbunden, zeigte uadr d»vi f;igen m der rechten ßni.st.-
warjre mehrere ^chrnnflen and zwei Bläscbeu, welche sie beim
Sängen des lunde* kehr Acbmw.len; ich ät^te die Fisr nreii und
eröRneieti mit dem Höllensteinstift, Hess nachher 81ei>
wswseTum^chläge machei» mni empfahl eadlich ein selteneres
Äölegen des Säuglings an die kranke Sei tu. Trotz dieser'sorg-
fällig darr.hgefübrten Rebamlhiug vmtriöheu zwei quafvullQ
VVocben, ehe die rechte Brustwarze. vOlUg■geheilt, war.
Anfang Ocbibcr lA77 gebar die Frau, welche »ach etwa
1} IM ' XV i fi c V e I -1, c .
Go gle
190
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 14
5 Monaten das Nähren wegen einer neu eingetretenen Empiäng-
niss hatte aussetzen müssen, zum 2. Male, und zeigten sich dieses
Mal am 3. Tage des Wochenbettes an beiden kleinen und sehr
unebenen Brustwarzen mehrere z. Th. bereits verschorfte Bläs¬
chen, sowie beiderseits mehrere Schrunden. Ich entleerte die
Bläschen, ätzte wiederum alle wunden Stellen mit dem Höllen¬
steinstift, indess verminderten sich die Schmerzen bei dem nach¬
folgenden Anlegen des Kindes so wenig, dass noch am Abend
desselben Tages versucht wurde, ihm die Brust unter dem
Schutze eines Gummiwarzenhütchens zu reichen, welches aber
gänzlich verschmäht wurde. Am nächsten Tage waren die
Schrunden vergrössert, stark geröthet und wie die Ränder der
Bläschen leicht blutend; unzweifelhaft war somit seit gestern
keine Besserung eingetreten, und erwog ich grade, ob ich die
wunden Stellen insgesammt nochmals ätzen, oder nur die Um¬
schläge fortsetzen lassen sollte, als mein Blick auf die Carbol-
säurelösung fiel, welche ich seit den von Bischoff 1 ) und mir 5 )
veröffentlichten Untersuchungen dieser Frau, sowie jeder Gebären¬
den und Wöchnerin zum Waschwasser für die Geschlechtsorgane
verordnet hatte. Da dieses Heilmittel neben seiner ausserordent¬
lichen aseptischen eine mächtige antiphlogistische und anästhesi-
rende Wirkung ausübt, so müsste es, sagte ich mir, erstens
auch ohne den hier nicht streng durchführbaren Lister’schen
Verband am ehesten einer Infection von den wunden Brust¬
warzen aus Vorbeugen, gegen diese aber ferner ebenso heil¬
sam wie die bekannten Arzneien sein, und endlich voraus¬
sichtlich das Anlegen des Kindes an jene weniger schmerzhaft
machen. Letzteres wäre hier wegen der Doppelseitigkeit der
Affection, welche eine Schonung der Brustwarzen unmöglich
machte, von einem besonderen Werthe gewesen, und entschloss
ich mich daher zu einem Versuche mit der Carbolsäure, indem
ich Umschläge mit der vorhandenen 5° 0 igen Lösung, welche
alle 2—3 Stunden erneuert werden sollten, verordnete. Selbst¬
verständlich liess ich vor jedem Anlegen des Kindes die Brust
sorgfältig reinigen, um jeder Aufnahme der Säure durch das
Kind vorzubeugen.
Unmittelbar nach dem ersten Verbände, welcher in der
Weise gemacht wurde, dass ein mit der lau temperirten Lösung
befeuchtetes, reines, leinenes Läppchen auf die Brustwarzen ge¬
legt wurde, liess der Schmerz in ihnen nach und kehrte auch
nicht wieder, als dem Kinde die vorher sorgfältig gereinigte
Brust gereicht wurde; die Fissuren selbst waren am nächsten
Tage kleiner, verblasst, die Schorfe verschwunden, und nach
zweitägiger regelmässiger Anwendung der Carbolsäure alles ge¬
heilt. Die Frau nährte bis in die letzten Tage hinein, ohne je
wieder Schmerzen in den Brustwarzen empfunden zu haben.
2. Beobachtung. Mehrere Wochen darauf hatte ich
wiederum eine Wöchnerin zu behandeln, deren beide Brustwarzen
wund waren, und bot sich mir die erwünschte Gelegenheit, die
Carbolsäure nochmals zu erproben.
Frau H., vor 3 1 /, Jahren zuletzt entbunden, empfand am
zweiten Tage dieses Wochenbettes bei den Saugeversuchen des
Kindes Schmerzen, welche stetig Zunahmen, mir aber erst
am 4. Tage raitgetheilt wurden. Ich fand die Brustwarzen gut
hervorragend, von normaler Grösse, auf der Oberfläche der
rechten zwei und auf der linken eine etwa 3 — 4 Mm. lange
und 2 Mm. tiefe Schrunden, links ausserdem einen jedenfalls
aus einem geborstenen Bläschen entstandenen flachen Schorf
in der Haut der Brustwarze selbst. Ich liess dieses Mal in der
gleichen Weise und unter denselben Vorsichtsmassregeln Um¬
schläge mit einer nur 2° 0 Carbolsäurclösuug machen und zwei-
| stündlich erneuern. Wie ich des Abends erfuhr, zeigte sich,
als nach ungefähr zwei Stunden das Kind zuerst wieder an-
j gelegt wurde, die linke Brustwarze weit weniger empfindlich,
wogegen das Erfassen der rechten noch recht schmerzhaft war,
| das Saugen an der letzteren, das früher ebenso peinlich gewesen
war, nunmehr aber ohne jede unangenehme Empfindung von
statten ging. Ich ordnete die Fortsetzung der Umschläge an.
Obschon die letzteren in der nächsten Nacht nicht regel¬
mässig gemacht wurden, so war doch am nächsten Tage das
Fassen und Saugen des Kindes an der linken Brustwarze völlig
schmerzlos, rechts dagegen nur noch das erstere mit einer seit
gestern allerdings bedeutend geringeren Schmerzhaftigkeit ver¬
bunden. Bei der Besichtigung zeigten sich die Schrunden ver¬
kleinert und verblasst.
Trotz der nicht regelmässigen Anwendung der Umschläge
I war im Laufe des Tages auch in der rechten Brustwarze jeder
Schmerz gewichen, und konnte das Nähren ohne die geringsten
Beschwerden von der Frau fortgesetzt werden. Acht Tage da¬
rauf empfand sie jedoch beim Anlegen des Kindes von neuem
heftige Schmerzen in der rechten Brustwarze, welche, wie ich
mich später überzeugte, von einer neu entstandenen kleinen
Fissur ausgingen; ein einziger mit einer 5% Carbolsäurelösung
gemachter Umschlag, welcher anfangs ziemlich heftig brannte,
genügte, um das nächste Anlegen des Kindes völlig schmerzlos
zu machen, wogegen die Fissur selbst erst nach zwei Tagen
verschwunden war.
Es ist mir aus eigenen früheren Erfahrungen bekannt, dass
einzelne Fissuren, Excoriationen und selbst kleine Geschwüre
der Brustwarzen namentlich wie hier bei Mehrgebärenden auch
durch andere Mittel, wie den Höllenstein, die Gerbsäure, den
Bleiessig u. s. w. erfolgreich bekämpft werden; indess möchte
dieses Ergebniss kaum je so schnell erzielt worden sein, ins¬
besondere dann nicht, wenn die Doppelseitigkeit der Erkrankung
die Schonung der Brustwarzen unbedingt ausschliesst oder we¬
nigstens sehr erschwert. Recht auffällig tritt der Unterschied
der verschiedenen Behandlung bei der ersten Frau hervor, bei
welcher die im ersten Wochenbett mit dem Höllenstein und
Bleiwasserumschlägen behandelte einseitige Erkrankung der Brust¬
warze trotz ihrer Schonung erst nach 14 Tagen wich, wogegen
die doppelseitige im zweiten Wochenbett durch die Carbolsäure
trotz des nicht unterbrochenen Säugens bereits nach zwei Tagen
beseitigt war. Auch die zweite Beobachtung spricht übrigens
dafür, dass die stärkere (5%) Carbolsäurelösung der verdünnteren
(2°/ 0 ) unbedingt vorzuziehen ist.
Ausser der ja auch bei einer anderen Behandlung nicht
ausgeschlossenen Möglichkeit, das Säugen während dieser Zeit
fortsetzen zu können, und der Kürze der letzteren ist aber zu
Gunsten dieser Säure noch anzuführen, dass ihre Anwendung
nicht entfernt so schmerzhaft ist, wie die des Höllenstein¬
stifts, mit dem es endlich nicht einmal immer gelingt, in die
feinsten Furchen der wunden Brustwarzen einzudringen, wo¬
gegen jene Lösung naturgemäss auch in die tieferen Gewebe
gelangt, wie, abgesehen von ihrer flüssigen Beschaffenheit, aus
den Angaben der zweiten Frau erhellt, welche nach jedem Um¬
schläge nicht blos in der Brustwarze selbst, sondern auch in deren
Umgebung ein mässigesBrennen empfand. In dieser Fähigkeit,
alle durch die wunde Stelle blossgelegten Mündungen
der feinsten Lymphgefäss.e nicht blos zu erreichen und
| oberflächlich zu ätzen, sondern auch vollständig zu
! durchdringen, liegt nach meiner Ueberzeugung der
! grösste Vorzug der Carbolsäure vor allen bisher em¬
pfohlenen festen und flüssigen Heilmitteln, da es
1) Correspondenz-Blatt f. Schweiz. Aerzte 1875, No. 22 u. 23. , durch die regelmässige Anwendung ihrer concentrir-
2) Virchow’s Archiv für pathologische Anatomie, Bd. LXVII. teil Lösung (5%) ermöglicht ist, nicht nur einzelne
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Original fro-m
UNIVERSETY OF MICHIGAN
8 April 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
191
durch den kindlichen Mund*), sondern eben alle durch
die Wöchnerin oder deren Arzt und Wärterin mit ihren
Händen oder Schwämmen u. s. w. auf die wunde Brust¬
warze übertragenen, vermehrungsfähigen parasitären
Keime oder ipfectiösen organischen Stoffe irgend wel¬
cher Art sofort zu zerstören und somit die Entstehung
fast aller Entzündungen der Brustdrüse selbst zu ver¬
hüten.
II. Ueber das VwkiuM der Ceeeebaeteria septiea
ia eiaen Zahnabseess.
Von
demselben.
Obgleich das Eindringen der im Munde so regelmässig auf¬
tretenden Bakterien und Leptothrix in die Zähne namentlich
durch Leber und Rottenstein 2 ) sehr eingehend beschrieben
worden ist, so ist mir doch keine Arbeit bekannt geworden, in
welcher das nunmehr sehr nahe liegende und für die Erklärung
der mitunter*) beobachteten schweren septischen Erscheinungen
jedenfalls nicht bedeutungslose Vorschreiten dieser oder der aus
ihnen entstandenen Organismen in die Abscesse, welche cariöse
Zähne öfter begleiten, auch wirklich nachgewiesen worden
wäre: aus diesem Grunde theile ich eine Untersuchung mit,
welche ich im letzten Herbste an mir selbst an gestellt habe.
Am 22. September des vorigen Jahres entstand an der Wur¬
zel meines etwas cariösen Eckzahnes des linken Oberkiefers
eine Entzündung, welche trotz einer Eisblase unter mässigem
Fieber und sehr heftigen Schmerzen allmälig zunahm und bis
zum 27. d. M. zu einer nicht unerheblichen, zwischen der Schleim¬
haut der Oberlippe und dem Alveolarrand hervorragenden Ge¬
schwulst führte. Da diese deutlich fluctuirte, so stach ich
die sorgfältig desinficirte weiteste Canüle einer Pravaz’sehen
Spritze ein und entleerte durch gleichzeitig von aussen aus¬
geübten Druck einige Tropfen einer schleimig eitrigen Flüssig¬
keit, deren übler Geruch mich bewog, den an der Mündung
haften gebliebenen zähen Inhalt sofort unter das Mikroscop zu
bringen. Während ich damit beschäftigt war, wuchs indess
die Spannung und der Schmerz in der Geschwulst von neuem,
und ich eröffnete sie nunmehr mit einer gewöhnlichen Aderlass-
lancette so weit, dass der schleimig eitrige Inhalt sich voll¬
ständig entleerte, und die Heilung ohne Störung verlief.
Der, wie bereits angegeben worden ist, aus der Mündung
der Canüle frei von allen Beimengungen aufgefangene Eiter
zeigte eine ausgeprägt saure Reaction und enthielt unmittelbar
nach dem ersten Einstich bei 7 500 Vergrösserung ausser den
wenigen durch jenen ihm zugemischten Blutkörperchen:
a) Schleim- resp. Eiterkörperchen mit einem grösseren Kern,
b) unbewegliche Bakterienfäden, deren Länge ungefähr von der
eines farbigen Blutkörperchens bis zu der doppelten schwankte,
c) Gliacoccus und
d) zahlreiche einzelne Mikrococcen, dazwischen einzelne zu
zweien mit einander zusammenhängend; längere Ketten fehlten.
Die Beschaffenheit des mit der Lancette entleerten Eiters
kann dagegen nicht verwerthet werden, da er nicht rein auf¬
gefangen werden konnte, der Mund inzwischen wiederholt mit
einem Mundwasser gereinigt worden war, und ausserdem end¬
lich Luft und Mundinhalt freien Zutritt zu dem Abscess gehabt
hatten.
1) Vergl. hierüber meine Schrift: Die Parasiten der Brustdrüse.
Berlin 1S74, S. 1 u. f.
2) Untersuchungen über die Caries der Zähne. Berlin, 186 7.
3) Vergl. König: Lehrbuch der speciellen Chirurgie. 2. Auflage.
Berlin, 1878. S. 314.
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Der voranstehende Befund bestätigt die Angabe Billroth’s, 1 )
dessen Nomenclatur ich gefolgt bin, dass der übelriechende Eiter
einer mit einer Wunde communicirenden Höhle stets Mikrococcen
enthält, insofern, als offenbar das von einem kranken Zahn aus¬
gehende Geschwür ursprünglich mit ihm in Verbindung stand,
und erst später eine Verlegung der Oeflfnung eintrat, in deren
Folge die Geschwulst nun fortwuchs, bis sie von mir eröffnet
wurde.
Am auffälligsten war das Missverhältniss zwischen der spär¬
lichen Zahl der Bakterien und der grossen Menge der anderen
Organismen, die jedenfalls erst im geschlossenen Abscess sich
so beträchtlich vermehrt hatten und wegen dieser Abweichung
von dem normalen Befunde des Mundinhaltes auch abgesehen
von den angegebenen Vorsichtsmassregeln die Reinheit und Zu¬
verlässigkeit dieser Beobachtung verbürgen. Da die letztere in¬
dess wegen ihrer Vereinzeltheit Schlüsse zu ziehen nicht ge¬
stattet, so möchte ich nur mit Rücksicht auf die ähnliche histo¬
logische Auskleidung und die von mir *) nachgewiesenen gleichen
grösseren Parasiten des Mundes und der Scheide auf die ab¬
weichenden Ergebnisse hinweisen, welche ich*) in dem normal
sauren Scheidenschleime unter den verschiedenartigsten Bedin¬
gungen ermittelt habe.
III. Schwerhörigkeit bei Kndera, verursacht durch
chronischen Naseurachencatarrh.
Von
Dr. Arthur Hartmann in Berlin.
Mit den folgenden Zeilen möchte ich mir erlauben, eine
'Ansicht zu widerlegen, welche vielfach verbreitet ist und neuer¬
dings von Störk aufgestellt wird, dass die durch chronischen
Nasenrachencatarrh bedingte Schwerhörigkeit bei Kindern keiner
Rückbildung fähig sei, und die Tubenverengerung nicht gehoben
werden könne. Bei der Besprechung des durch habituelle
Impermeabilität der Nase bei Kindern veranlassten Intumescirens
der Schleimhaut und der consecutiven Granulationswucherungen
im Rachen äussert sich Störk über die Behandlung*): „Von
einem Operiren dieser Wucherungen habe ich bis jetzt wenig
Erfolg gesehen. Sie entwickeln sich vom 5. bis zum 15. Lebens¬
jahre, werden in der Regel von den Aerzten während dieser Ent¬
wicklungszeit wenig beachtet und sind dann bleibend für’s ganze
Leben. Wenn durch diese Erkrankung einmal eine Verengerung
der Tubenmündungen zur Thatsache geworden ist, kann freilich
kein noch so geschickt gemachter Eingriff das allmälig verloren
gegangene Gehör wieder hersteilen”.
Zur Widerlegung dieser Ansicht mögen 2 Fälle dienen,
die ich aus einer grösseren Anzahl meinen Krankenjournalen
entnehme.
1. Fall. Wilhelm Kunkel aus Nitzow, 9 Jahre alt, kam in
meine Behandlung 13. August 1877. Nach Angabe der Eltern
ist der Knabe schon seit 6 Jahren schwerhörig und hatte ausser¬
dem wiederholt an Augenentzündungen und Drüsenschwellungen
am Halse gelitten. Anfänglich bestand die Schwerhörigkeit nur
in geringem Grade, steigerte sich mehr und mehr, so dass der
Knaben schon seit längerer Zeit in der Schule seinen Lehrer
nicht mehr verstehen konnte, und soll er in der letzten Zeit
1) Untersuchungen über Coccobacteria septica. Berlin, 1874.
2) Die Parasiten der weiblichen Geschlechtsorgane des Menschen
’und einiger Thiere. Berlin, 1870.
3) Centralblatt für die medicinischen Wissenschaften. 1868. No. 27;
die Parasiten S. 46.
*) Klinik der Krankheiten des Kehlkopfes etc. von Prof. Dr. C. Störk.
Stuttgart 1877. S. 117.
*
Original from
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 14
weniger gesprochen und einzelne Worte verlernt haben. Früher
klagte Patient über Summen im Ohre, das jetzt nicht mehr vor¬
handen ist. Besonders auf der reohten Seite war wiederholt
Ohrenreissen aufgetreten. Seit der Zeit des Auftretens der
Schwerhörigkeit bestand verstopfte Nase und starke Schleim-
secretion aus derselben. Alle 3—4 Wochen treten Anfälle von
heftigem Kopfschmerz auf, und besteht auch ausser dieser Zeit
meist Benommenheit des Kopfes; der Knabe ist träge, miss-
muthig gestimmt, spielt nicht mit seinen Kameraden. Ein Arzt,
der vor mehreren Jahren zu Rathe gezogen wurde, glaubte das
Leiden als unheilbar bezeichnen zu müssen und beschränkte
sich auf die übliche Verordnung der Oeleinträufelung in den
äusseren Gehörgang.
Stat. praes. Der Knabe ist gut entwickelt, hat etwas
anämisches Aussehen. Die Specularuntersuchung des Ohres
ergab beiderseits hochgradige Einziehung des Trommelfells,
etwas stärker rechts als links, die Trommelfelle auf beiden
Seiten etwas getrübt erscheinend, von röthlicher Färbung. In
der Nase zeigen sich besonders die unteren Muscheln und der
Boden geschwollen, so dass sich Septum und Boden einerseits
und Muscheln andererseits berühren. Diese Schwellungen fühlen
sich mit der Sonde hart an. Die Rachenschleimhaut ist mässig
hyperämisch geschwollen, Granulationen spärlich entwickelt,
Tonsillen etwas hypertrophisch. Beim Valsalva’schen Ver¬
suchs tritt keine Luft in die Paukenhöhle, bei Anwendung des
Politzer’schen Verfahrens mit meinem Kompressionsapparate*)
war beiderseits eine Druckstärke von 90 Mm. Hg (Quecksilber¬
säule) erforderlich, um den Lufteintritt gelingen zu lassen. Was
das Hörvermögen betrifft, so wird die Taschenuhr weder links
noch rechts percipirt, ebenso Politzer’s Hörmesser. Laute
Sprache wurde 1. in 1 */, Schritt, r. in 2 Schritt Entfernung
vernommen. Die Kopfknochenleitung ist für die Uhr aufgehoben,
für Politzer’s Hörmesser vorhanden.
Es bestand somit hochgradige Schwerhörigkeit, herbeigeführt
durch Tubenverengerung in Folge eines chronischen Nasen-
racheucatarrhes.
Die Behandlung erstreckte sich auf die Dauer von 5 Wochen,
und wurde täglich das Pölitz er’sche Verfahren angewandt
und pulverförmige Einblasungen in die Nase gemacht. Zweimal
wurde die geschwollene Schleimhaut der Nasenmuscheln galvano¬
kaustisch behandelt (ohne merkliche Schmerzempfindung von
Seite des Patienten), und wurden ebenso die hypertrophischen
Tonsillen galvanokaustisch verkleinert. Ausserdem wurden
wiederholt kleine Quantitäten concentrirter Höllensteinlösung
auf die Schleimhaut des Nasenrachenraumes applicirt.
Leider wurde die Behandlung dadurch, dass Patient wieder
zu seinen Eltern zurückkehren musste abgebrochen, ehe voll¬
ständige Heilung erzielt war. Am Ende der Behandlung war
das Hörvermögen so weit hergestellt, dass die Uhr beiderseits
in 3 Ctm. Entfernung, Politzer’s Hörmesser 15 Ctm. und
Flüstersprache l. 6, r. 5 Schritt weit vernommen und nach¬
gesprochen werden konnte. Die Tuben waren während des
Schlingactes schon bei einer Druckstärke von 40 Mm. Hg durch-
gängig. Die Tonsillen waren verkleinert, die Nasenschleimhaut
weniger geschwollen und geröthet, die unteren Nasengänge
wieder frei permeabel, die Secretion aus der Nase sehr gering.
Kopfschmerzen waren noch einmal während der Behandlung
aufgetreten, Benommenheit des Kopfes geschwunden, Patient ist
viel aufgeweckter geworden.
2. Fall (Schon Archiv für Ohrenheilkunde, Band XIII. 1,
erwähnt). Wilhelm Jehlo, 13 Jahre alt, von schwächlicher
*) Ueber die Luftdouehe und ihre Anwendung in der Ohrenheilkunde
von Dr. Arthur Hart mann. Virchow’s Archiv, Bd. 70, 1877.
Constitution, häufig mit Catarrhen behaftet, kam zum 1. Male
in meine Behandlung am 12. M*ai 1876 wegen einer Schwer¬
hörigkeit, die seit 4 Jahren bestand und angeblich nach Masern
aufgetreten war, dieselbe wurde allmälig immer hochgradiger,
so dass Patient in der Schule nur mit Mühe seinen Lehrer ver¬
stehen kann. Die Untersuchung ergab die Trommelfelle beider¬
seits getrübt, stark eingezogen, Lichtkegel fehlend. Die Rachen¬
schleimhaut zeigt massigen granulösen Catarrh ohne Hyperämie,
wenig Schleimsecretion, nur Morgens ist Patient genöthigt sich
öfters zu räuspern. Die Tonsillen sind mässig hypertrophisch,
die Schleimhaut der Nase wenig geschwollen. Beim Politzer-
schen Verfahren tritt Luft in die Paukenhöhlen, ebenso beim
Katheterisiren mit trockenem, scharfem Anschlagegeräusch, dem
bisweilen Schleimrasseln beigemischt ist. Hörfähigkeit: die Uhr
wird nur 1. beim Anlegen an’s Ohr, r. nicht vernommen, von
den Kopfknochen ebenfalls nicht, laute Sprache 1. in der Ent¬
fernung von 3, r. von l 1 /, Schritt. Nach 2 monatlicher Be¬
handlung mit Luftdouehe, Dampfinhalationen, adstringirenden
Einspritzungen durch die Tuben wurde das Hörvermögen nnr
soweit hergestellt, dass laute Sprache beiderseits auf 5 Schritt
Entfernung gehört wurde. Als die Besserung keine weiteren
Fortschritte machte, blieb Patient fort. Nach Jahresfrist fand
er sich wieder ein; der Befund war derselbe wie früher, nur
war die Schwerhörigkeit so hochgradig geworden, dass laut
gesprochene Worte beiderseits nur auf V* Schritt Entfernung nach¬
gesagt werden konnten. Nach meiner Untersuchungsmethode*)
konnte ich nun bestimmen, dass beim Valsalva’schen Versuche
kein Lufteintritt in die Paukenhöhlen stattfindet beim Maximal¬
drucke von 130 Mm. Hg., beim Politzer’schen Verfahren mit
meinem Oompressionsapparate war 1. eine Druckstärke von 80,
r. von 100 Mm. erforderlich, um Luft in die Paukenhöhlen ein¬
zutreiben, während durch den Catheter schon bei 10 Mm. Hg.
die Luft frei einströmte. Es war dadurch sicher gestellt, dass
sich die Tubenschwellung auf das Pharyngealostium beschränkte.
Um mir nun die Rhinoscopie zu ermöglichen, wurden die hyper¬
trophischen Tonsillen verkleinert, worauf es mir gelang, am
Racliendache adenoide Wucherungen zu entdecken; ausserdem
zeigten sich sowohl die hintere, als die seitlichen Wandungen
des Nasenrachenraumes stark gewulstet. Die Wucherungen ent¬
fernte ich mit meinem Schlingenschnürer**) und suchte die
Schwellungen galvanocaustisch zum Rückgänge zu bringen. Die
Tubenostien wurden mehrfach mit Höllenstein in Substanz von
der Nase aus touchirt, ausserdem wurde die Luftdouehe an¬
gewandt, theils das Pölitz er’sche Verfahren, theils der Cathe-
terismus. Die Hörweite ist nun, trotzdem sich der Patient nur
sehr unregelmässig zur Behandlung einstellte, so weit hergestellt,
dass beiderseits Flüstersprache in 6 Schritt Entfernung nach¬
gesprochen wird, eine Besserung, die sich noch erhalten fand,
nachdem der Patient die Cur 4 Wochen lang ausgesetzt hatte.
Was das Verhalten der Tuben betrifft, so konnte durch den
Valsalva’schen Versuch kein Lufteintritt in die Paukenhöhle
erzielt werden, beim Politzer’schen Verfahren trat beiderseits
die Luft schon bei einem Druck von 40 Mm. Hg. ein, während
durch den Catheter wie früher freier Lufteintritt erfolgte schon
bei 10 Mm Hg.
Es war somit in beiden Fällen nicht nur die Schwerhörigkeit
fast vollständig beseitigt, sondern es waren auch die Tuben
durchgängiger geworden, trotzdem die Krankheitsprocesse schon
seit einer Reihe von Jahren bestanden natten.
*) Ucber eine neue Untersuehungsmethode des Gehörorgans von
Dr. Arthur Hartmann, Archiv für Ohrenheilkunde, Band XIII 1.
**) Uebcr Polypenschnürer und ihre Anwendung im Ohre, in der
Nase und im Nasenrachenraume, von Dr. Arthur Hart,mann. Deutsche
med. Wochenschrift, 1877, No. 26.
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Original fro-rri
UNIVERSITY OF MICHIGAN
8. April 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
193
Als prägnantes Beispiel einer hauptsächlich auf operativem
Wege erzielten Heilung einer sehr hochgradigen Schwerhörigkeit
möchte ich noch einen von Politzer veröffentlichten Fall*) er¬
wähnen, welchen ich selbst Gelegenheit hatte zu sehen. Die
Erkrankung betraf einen 17jährigen jnngen Mann, bei dem seit
dem 2. Lebensjahre Schwerhörigkeit bestanden hatte. Bei Be¬
ginn der Behandlung wurde laute Sprache 1. 1 1 /., Meter, r. V* M.
weit gehört; mit dem Politzer’sehen Verfahren konnte keine
Luft in die Paukenhöhlen getrieben werden, und gelang auch
mittelst des Catheters die Lufteintreibung nur schwierig. Nach
der Entfernung von adenoiden Vegetationen im Nasenrachen¬
raume, wiederholten Aetzungen mit Höllenstein und häufig aus¬
geführter Luftdouche wurden die Tuben durchgängig, und konnte
am Schlüsse der Behandlung ein normales Hörvermögen con-
statirt werden.
Aus diesen Erfahrungen an Kranken geht hervor, dass
gerade die durch chronische Nasenracbencatarrhe bedingten
Schwerhörigkeiten im kindlichen und jugendlichen Lebensalter
die günstigste Prognose für die Behandlung bieten, da auch in
den veraltetsten Fällen Heilung erzielt werden kann und er¬
zielt wird. Es sind dies auch diejenigen Fälle, bei welchen be¬
ginnende Taubstummheit in ihrer Entwickelung aufgehalten
werden kann, und auch die Möglichkeit vorliegt, schon vorhan¬
dene Taubstummheit zu beseitigen.
Während die Behandlung des einfachen chronischen Nasen-
rachenkatarrhes eine mühsame und langwierige ist, bietet die
mit adenoiden Wucherungen auftretende Form der Erkrankung
geringere Schwierigkeiten, da durch das operative Entfernen
der Wucherungen die Heilung rasch gefördert wird.
Bei den vorliegenden Krankheitsprocessen treten am aus¬
geprägtesten die nahen Beziehungen hervor, in welchen Ohr,
Nase und Nasenrachenraum stehen, welche den Grund dazu
geben, dass bei der Behandlung diese einzelnen Gebiete nicht
von einander getrennt werden können. Während Störk durch
das Operiren der Wucherungen wenig Erfolg erzielen konnte,
konnte ich, als ich in Fall 2 bei der ersten Behandlung nur
das Ohr berücksichtigte, ebenfalls nur einen geringen Erfolg ver¬
zeichnen; erst dadurch dass der ganze Krankheitsprocess in
seinen verschiedenen Localisationen in Angriff genommen wird,
kann die Heilung erzielt werden.
IV. Maategazza’s Cllobalinetcr.
Von
Dr. Edgar Kurz in Florenz.
Im physiologischen Laboratorium des Instituto superiore
wohnte ich einer Demonstration des Globulimeters von Prof.
Mantegazza bei, eines sehr sinnreichen Apparats, der seiner
Einfachheit und Zweckmässigkeit wegen eine allgemeine Ver¬
breitung verdient. Von den verschiedenen Methoden, den Ge¬
halt des Blutes an rothen Blutkörperchen zu bestimmen, erscheint
mir die von Prof. Mantegazza die bequemste und zugleich
die sicherste, deshalb vor allem für Kliniken empfehlenswerth,
statt des mühsamen, zeitraubenden und unsicheren Zählens
unterm Microscop. Die Methode besteht darin, dass durch das
Blut, welches untersucht werden soll, die Flamme einer Stearin¬
kerze betrachtet wird. Das Blut wird vorher durch eine alka¬
lische Lösung in bestimmtem Masse verdünnt. Zwischen dem
Auge des Beobachters und der Flüssigkeit befinden sich blaue
Gläser, die je nach ihrer Anzahl die grössere oder geringere
Durchsichtigkeit der Flüssigkeit und damit ihren relativen Gehalt
an rothen Blutkörperchen anzeigen.
*) Ref. Archiv für Ohrenheilkunde, Bd. X., S. 55.
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Gougle
Zur Ausführung der Untersuchung öffnet man eine kleine
Vene der Hand, um 1 Cubikctm. Blut zu gewinnen, welches in
eine graduirte Pipette aspirirt und dann in ein Glas gebracht
wird, welches genau 96 Gramm einer Lösung von kohlensaurem
Natron enthält (1 Gramm Natron auf 2 Gramm Wasser). Nach¬
dem die so verdünnte Blutflüssigkeit gut umgerührt ist, füllt
man mit derselben durch den kleinen Trichter (b) den Cylinder (a)
des Instruments, welcher mit gläsernen Fenstern versehen ist.
An demselben wird nun die Scheibe (c) angebracht, welche an
ihrer Peripherie über runden Oeflfnungen die blauen Gläser
trägt. Man bringt zunächst die Oeffnung der Scheibe vor den
Cylinder, welche keine Gläser hat, und betrachtet durch die¬
selbe in einem dunklen Zimmer die Flamme einer Stearinkerze
aus der Entfernung von einem Meter. Sieht man das Bild der
Flamme nicht, so ist das Blut plethorisch, ungewöhnlich reich
an rothen Blutkörperchen. Sieht man dasselbe, so dreht man
die Scheibe und bringt der Reihe nach die mit blauen Gläsern
in verschiedener Anzahl versehene Oeffnungen vor die Flüssig¬
keit. Die in Röhren angebrachten Gläser tragen successive die
Bezeichnungen; 1) Durchschnitt beim Mann, 2) Durchschnitt
beim Weib, 3) leichte Anämie, 4) Anämie. Wenn man die
Flamme nicht mehr sieht, so hält man inne und liest die Be¬
zeichnung der letzten Röhre, durch welche die Flamme noch
sichtbar war. Auf diese Weise findet man den Reichthum an
rothen Blutkörperchen. In der Röhre mit der Bezeichnung:
„Durchschnitt beim Mann” befinden sich 4 Gläser, in No. 2
9 Gläser, in No. 3 14 Gläser, in No. 4 20 Gläser.
Das Etui des Aparates enthält noch eine weitere Röhre
mit der Bezeichnung: „Schwere Anämie”. In dieser Röhre kann
eine Anzahl von 1—40 Gläsefn angebracht werden, und sie dient,
indem sie über der freien, mit „Plethora” bezeichneten Oeffnung
der Scheibe angesetzt wird, zu feinerer Bestimnung des Gehalts
an rothen Blutkörperchen. Mit ihrer Hilfe lässt sich genau
feststellen, bei welcher Anzahl von Gläsern die Flamme ver¬
schwindet, und somit lässt sich der Grad des Gehalts an rothen
Blutkörperchen exact untersuchen, ja es lassen sich beim Blut
eines Kranken die kleinsten Differenzen erkennen, die durch die
Verschlechterung seines Zustandes oder durch die bessernde
Wirkung eines Medicaments herbeigeführt werden. Diese Ver¬
hältnisse werden am einfachsten illustrirt durch die Tabelle der
Gläser und ihres Werthes, wie sie Prof. Mantegazza nach
langen und sorgfältigen Experimenten zusammengestellt hat.
Dieselbe stimmt, wie man sieht, mit den in Deutschland ge¬
machten Beobachtungen vollständig überein. Jeder einzelne
Grad des Globulimeters, d. h. jedes einzelne blaue Glas be¬
deutet 125000 rothe Blutkörperchen. Jedes blaue Glas also,
das sich hinzufügen lässt bis zum Verschwinden des Flammen¬
bildes zeigt an, dass 125000 rothe Blutkörperchen weniger vor¬
handen sind auf jeden Cubikmillimeter des untersuchten Blutes.
Ürigiral frernr 2
UNIVERSITY OF MICHIGAN
194
No. 14
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Zahl der Gläser
oder Grade
Zahl der rothen Blut¬
körperchen für jeden
Klinische Bedeutung
der Grade.
des Globulimeters.
Cubikmillimeter
Blut.
0°
50250.K)
Plethora.
1°
2°
550D000
5375000
3°
5250000
4°
5125000
1 Mittl. Gehalt a. rothen Blut-
5“
5000000
/ körperchenbeim ges. Mann.
6°
4875000
7°
8°
4750000
4625000
9°
4500000
Mittlerer Gehalt beim ge¬
10"
4375000
sunden Weib.
11"
12°
4250000
4125000
13°
400000Ö
14°
3875000
Leichte Anämie. !
15"
3750000
16°
3625000
17"
18"
19"
3500000
3375000
3250 >00
1
20 9
3125000
Anämie.
21"
3000000
22"
2875000
23"
2750000
24°
2625000
25 0
2500000
26"
27"
2375000
2250t >00
| Schwere Anämie. S
28°
2125000
29 0
2000000
30"
1875000
i
Die Bestimmung der Zahl der rotlien Blutkörperchen, die
Prof. Mantegazza zur Demonstration seines Apparates mit
dem Blut eines gesunden Menschen vornahm, erforderte — den
kleinen Aderlass mit eingerechnet — nur wenige Minuten. Es
ist klar, dass ein Cubikcentimeter Blut dem Menschen auch bei
starker Anämie ohne Schaden entzogen werden kann. Auf
geburtshilflichen Kliniken könnte ausserdem das erforderliche
Blutquantum auch gelegentlich bei Geburten oder bei gynäko¬
logischen Operationen gewonnen werden. Prof. Mantegazza
hat eine grosse Versuchsreihe bei Gesunden und Kranken aller
Art angestellt und veröffentlicht (schon im Jahre 1865), was
die Einfachheit der Untersuchungsmethode in der leichtesten
und präcisesten Weise möglich macht. Mit Recht wünscht Dr.
Eduard Seguin in New-York, der ebenfalls den Globulimeter
Mantegazza’s mehrfach angewendet hat, „derselbe möge eines
der Lieblingsinstrumente positiver Diagnose für unsere Collegen
werden.“
Edanpsie in §. Monat« der Schwangerschaft').
Von
Dr. Rheinataedter in Cöln.
Der Güte des Herrn Reg.-Med.-Rath Dr. Schwartz ver¬
danke ich folgenden Fall:
Am 26. September v. J. kam eine 41jährige Schwangere
(X p.) zu Herrn Schwartz mit der Klage über anhaltende,
heftige Kopfschmerzen, die gänzliche Schlaflosigkeit zur Folge
hatten; auch bememerkte sie, dass die Füsse geschwollen seien,
und gab als Ursache ihres Unwohlseins eine Erkältung an, die
sie sich bei Gelegenheit des Cölner Schützenfestes dadurch zu¬
gezogen habe, dass sie in einem feuchten Restaurationslocale
den ganzen Tag über in Zugluft gestanden. Herr Sch. ver-
ordnete ihr Morphiumtropfen und liess sie nach Hause fahren.
Am Abende des folgenden Tages traten schon eclamptische
Krämpfe auf, welche die Nacht hindurch sich in grösseren
Pausen wiederholten. Als ich am nächsten Morgen (28. Sept.)
1) Nach einem Vorträge, gehalten im Allgem. ärztl. Vereine zu Cöln.
hinzukam, befand sich Patientin in einem soporösen Zustande,
das Gesicht war bläulich roth, Zunge dick belegt, der Puls hart
gespannt, 108 Schläge, Resp. wenig beschleunigt, Temperatur
schien dem Gefühle nach erhöht. Haut trocken.
Der Fundus uteri stand 1 Zoll über Nabelhöhe, rechts und
links grosse Kindestheile durchzufühlen, Herztöne und Kindes¬
bewegungen deutlich wahrzunehmen, Wehen waren nicht vor¬
handen. Der hochstehende Scheidentheil war weich, aufgelockert
und zeigte einen bis ins linke Scheidengewölbe gehenden Ein¬
riss. Ein vorliegender Kindestheil war nicht zu erreichen.
Diagnose: Querlage zu Ende des 6. Schwangerschaftsmonats.
Bald nach der Untersuchung, vielleicht durch den Reiz
derselben veranlasst, stellte sich bei starker Contraction der
bisher erweiterten Pupillen unter dem bekannten Rollen der
Bulbi ein heftiger Krampfanfall ein, der sämmtliche Muskeln
des Skelets ergriff und nach etwa 2 Minuten langer Dauer
unter stertorösem. Athmen und lange anhaltenden Inspirations-
pauseu endete.
Da seit 4 Tagen keine Stuhlentlerung erfolgt war, wurden
zunächst eröffnende Klystiere und innerlich Tinct. Golocynthidis
als drasticum verabreicht. Als sich aber die Anfälle wieder¬
holten, goss ich mit dem Hegar’schen Trichter 2 Grm. Chloral-
hydrat ins Rectum ein. Seit Anwendung dieses Mittels erfolgten
keine weiteren Anfälle mehr.
Es konnte nunmehr eine genauere Untersuchung des Herzens
und des Urins stattfinden, welche folgendes ergab: der Spitzen-
stoss ist abnorm verbreitert und verstärkt und reicht entsprechend
der Herzdämpfung über die Mammillarlinie nach links hinaus;
Herztöne rein, 1. Ton an der Herzspitze verstärkt.
Der Urin, welcher das Aussehen von trübem Biere hatte,
erstarrte vollständig beim Kochen und Säurezusatz und liess
j microscopisch Blutkörperchen und massenhafte Fibriucylinder,
durchsetzt von Epithelien, theils intacten, theils verfetteten, er
kennen. Ein mit Salzsäure befeuchteter und vor den Mund der
Pat. gehaltener Glasstab ergab keine Ammoniak-Reaction , ).
Der ophthalmoscopische Befund (Dr. Walter) lautete: öde-
matöse Schwellung der Papille, keine Exsudate auf der Retina.
Die Therapie bestand weiterhin in der Sorge für dünn¬
breiige Stuhlentleerungen und in täglichen \,stündigeu
Bädern von 30° R. mit darauf folgendem 3 Stunden
langen Schwitzen in wollenen Decken, Während dieser
Proceduren wurde auf den geschorenen Kopf ein Eisbeutel
applicirt.
Ausserdem erhielt Pat. 3 X täglich 1 Theel. voll Tart. dep.
und eiw r eissreiche Nahrung.
Unter dieser Behandlung wurde das Sensorium, welches
noch mehrere Tage nach den Anfällen sehr eingenommen war —
es bestand namentlich eine hochgradige Gedächtnissschwäche —
immer frei.er, das Sehen täglich besser, der Puls weicher und
kleiner, die Zunge rein und der Appetit gut; nur der Kopf¬
schmerz gab noch mitunter zu Klagen Veranlassung. Auffallend
waren die subnormalen Temperaturen 35,7—36°, die ich wieder¬
holt, auch lange nach dem Aussetzen der Bäder, constatirte.
Der Urin, den ich öfters untersuchte, wurde immer klarer und
t gab schon am 17. October beim Kochen nur noch eine geringe
durchscheinende Trübung, zeigte keine Exsudatcylinder mehr,
i dagegen viele Nieren- und Blasenepithelien.
Erst am 28. October, nachdem schon acht Tage vorher
' Herztöne und Kindsbewegungen nicht mehr wahrzunehmen ge-
1) Die exacte Untersuchung auf Ammoniak im Blute war mir in Er¬
mangelung eines Kühne-Strauch'sehen Apparates nicht möglich: auch
hätte zu diesem Zwecke ein Aderlass gemacht werden müssen, den ich
zu vermeiden wünschte.
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
8. April 1S7S.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
195
wesen, erfolgte nach 3stündigen starken Wehen die
Geburt eines dem Ende des 7. Monats angehörenden
todten Knaben. Weder bei der Geburt, noch im Wochen¬
bette war eine Störung zu vermerken.
Zur Vervollständigung der Anamnese füge ich noch hinzu,
dass Pat. neunmal geboren und dreimal abortirt, dabei jedes
mal an Oedemen, aber niemals an Krämpfen gelitten hat, ob¬
schon bei den zwei letzten Entbindungen schwere Wendungen
gemacht wurden.
Eclampsien im 6. Monate der Schwangerschaft sind seltene
Vorkommnisse, denn wenn man überhaupt auf 500 Geburten
1 Eclampsie und auf 5 Eclampsien zu Ende der Schwangerschaft
eine im Verlaufe derselben rechnet, so kommt also auf 2500
Geburten eine Schwangerschaftseclampsie, und von diesen fallen
bei weitem die meisten auf den 9. Monat; jaScanzoni erklärt
noch in der der III. Auflage seines Lehrbuchs, dass er nie vor
der Mitte des 9. Monats eine Eclampsie erlebt habe 1 ).
Nächst dem 9. Monate scheint der 6. am ehesten zur
Eclampsie zu disponiren; ob der Eintritt des Kopfes ins untere
Uterinsegment 2 ) oder der durch den Stand des Fundus in der
Nabelhöhe bedingte Druck auf die Nierenvenen hierbei von
Einfluss ist, will ich nicht entscheiden, jedenfalls war bei unserer
Pat. die erstere Ursache auszuschliessen. — Einen einzigen Fall
habe ich bei Naegele*) erwähnt gefunden, der im 5. Monate
tödtlich endete. Unser Fall wird aber auch dadurch noch be¬
sonders bemerkenswerth, dass die Krämpfe durchaus keine
Wehenthätigkeit hervorriefen und die Geburt erst 47* Wochen
nachher eintrat, ohne dass die Krämpfe recidivirten. In der
mir zugänglichen Literatur fand ich nur 9 ähnliche Fälle 4 ).
Die Heredität und die Concurrenz der Fälle, die von fast
allen Autoren betont wird, spielte auch in dem vorliegenden eine
Rolle: Die Schwester unserer Pat. starb an Eclampsie, und an
demselben Tage, an welchem unsere Pat. erkrankte, hatte Herr
Dr. Sch wart z eine andere, tödtlich verlaufende Eclampsie zu
behandeln. Ausserdem sind noch 7 andere Fälle zu meiner
Kenntniss gekommen, die in jüngster Zeit sich in Cöln und
nächster Umgegend ereigneten.
Zur Begründung der Therapie möge es mir gestattet sein,
einige Worte über die Genese der Eclampsie vorauszuschicken.
Wenn auch wohlbeobachtete Fälle von Ammoniämie*) ver¬
öffentlicht sind, so reicht doch die Frerichs’sche Theorie, nach
welcher jede Eclampsie auf Urämie beruhen soll, offenbar nicht
zur Erklärung aus. Schröder 4 ) citirt 62 Eälle, in denen ent¬
weder das Eiweiss im Urin fehlte, oder erst während, der Anfälle
auftrat, oder in denen bei der Section gesunde Nieren gefunden
wurden. Andererseits giebt es viele Fälle von Morb. Brightii
in der Schwangerschaft, die nicht zu Eclampsie führen. Wäre
Morb. Brightii und Urämie stets die Ursache der Eclampsie, so
müssten meines Erachtens auch bei Männern eclamptische Krämpfe
viel häufiger Vorkommen, während sie hier sehr selten und meist
nur terminal znr Beobachtung kommen. Es kann aber auch
schon deshalb keinem Zweifel unterliegen, dass die Eclampsie
im engsten Connex mit der Schwangerschaft und der Ge-
1) Es mag dies wohl in dem Umstande begründet sein, dass in den
Gebäranstalten die Schwangeren erst im 8. oder 9. Monate aufgenommen
werden.
2) Cohen, Archiv für Gynäk. VII, p. 120.
3) Naegele, IV. Aufl., p. 603.
4) 5 hei Scanzoni l. c. p. 629; 3 bei Naegele 1. c. und 1 in
der Herl, kl in. Wochenschr. 1876, p. 390.
5) Spiegelberg Archiv I. p. 383.
6) Geburtshülfe V. Aufl. p. 689.
Digitized b'
Google
| burt steht, da in den allermeisten Fällen die Eclampsie erst
| durch die Wehenthätigkeit zum Ausbruche kommt. Zur Er-
! kenntniss dieses Zusammenhanges giebt uns die jetzt ziem-
I lieh allgemein adoptirte Traube - Rose ns t ei n’sche Theorie,
durch welche alle Arten der Eclampsia gravidarum ihre Er¬
klärung finden, den besten Aufschluss. Kommt das hydrämi-
scheBlut der Schwangeren im Aorten System unter beträcht¬
liche Druckerhöhung, so transsudirt es leicht und giebt
Veranlassung zu Oedemen; das Oedem des Gehirns comprimirt
die arteriellen Gefässstämme und bringt arterielle Gehirn¬
anämie zu Stande. Diese ist nach den Kussmaul-Tenner-
schen und Nothnagel’schen Experimenten die Ursache der
Eclampsie; die im Verlaufe des eclamptischen Anfalles eintretende
venöse Stauung erklärt sich durch die Contractionen der Hais¬
und Respirationsmuskeln.
Dass das Blut der Schwangeren hydrämisch ist, d. h., dass
Fibrin- und Wassergehalt vermehrt, der Gehalt an Blutkörper¬
chen und Salzen vermindert ist, haben die Nasse’schen Ver¬
suche 4 ) erwiesen. Selbstverständlich wird die Hydrämie durch
Albuminurie noch gesteigert, und es werden daher nephritische
Schwangere am ehesten von Eclampsie befallen.
Es handelt sich also noch um den Nachweis des höheren
Druckes. In den Fällen, wo die Eclampsie mit den Wehen
beginnt — und das sind die bei weitem zahlreichsten — reicht
zur Erklärung der Drucksteigerung schon die Wehe selbst aus,
bei der ja ausser dem voluminösen Uterus sich die meisten
Körpermuskeln contrahiren und der Thorax in Exspirations-
I Stellung verharrt.
Bei den Fällen, wo keine Wehenthätigkeit der Eclampsie
vorhergeht, aber Morb. Brightii besteht, ist nach Traube die
| Drucksteigerung veranlasst durch die Wiederstände, welche die
! Circulationsstörungen in den Nieren setzen, wodurch sich dann
secundär auch meist die Hypertrophie des linken Ventrikels
! ausbildet.
Aber auch wenn kein Morb. Brightii besteht, und die Ec-
; lampsie ohne Wehenthätigkeit verläuft — ich weiss zwar nicht,
ob solche Fälle existiren — so sind doch bei jeder Schwange¬
ren Momente genug gegeben, die eine vermehrte Herzarbeit
bedingen und zu Drucksteigerungen im Aortensystem Veran-
, lassung geben können.
I. Die Blutmasse der Schwangeren ist nach den Unter¬
suchungen von Spiegelberg und Gscheidlen*) absolut ver-
1 mehrt, und wenn auch Löhlein*) gegen die Theorie der ver¬
mehrten Herzarbeit geltend macht, dass der Foetus für seinen
Theil die Herzarbeit selbst besorgt, so muss doch die ganze
Blutmasse das mütterliche Herz passiren, dasselbe muss also
mehr Blut fortschaffen, und da es dies nicht etwa durch schnellere
resp. häufigere Contractionen thut, so muss es mehr Blut fassen
und zur Bewältigung desselben mehr Kraft aufwenden.
^ II. Das mütterliche Herz muss die enorm verlängerten und
hypertrophischen Gefässe des schwangeren Uterus versorgen,
wodurch jedenfalls eine verstärkte Thätigkeit bedingt wird. 4 )
III. Die Aa. spermaticae, welche hauptsächlich die Muskel-
1) Das Blut. Bonn 1836 und Arch. f. Gynäk. X. p. 315.
2) Arch. IV, p. 412.
3) Zeitschr. f. Geburtsh. u. Frauenkrankh. v. Martin u. Fassben¬
der pag. 490.
4) Wenn Lahs Arch. IX p. 306 dieser Auffassung seine physica-
lischen Experimente entgegen hält, nach welchen die Verlängerung eines
Stromgebietes durch Einschaltung mehrerer Röhren bei unveränderter
Aus-und Einflussöffnung die Strömungswiderstände vermindert,
so scheint mir die Anwendung auf das Hinzutreten des Gefässbezirks
des schwangeren Uterus und des höchst eigenartigen Placentarkreislaufs
doch eine sehr gewagte.
* 2 *
Original from
UNIVERSETY OF MICHIGAN
196
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 14
Substanz des Uterus mit Blut versehen, entspringen aus der
Aorta in der Nähe der Aa. renalis, manchmal sogar aus diesen j
selbst. Letztere werden also an der vermehrten Blutzufuhr Theil j
nehmen, und wenn auch kein Morb. Brightii zu Stande kommt, I
so ist doch Hyperämie der Nieren l ) aus diesen anatomischen
Gründen schon sehr wahrscheinlich, und auch aus teleologischen
muss man sie wohl supponiren, denn es werden doch an die i
Functionen der mütterlichen Nieren erhöhte Ansprüche gestellt,
da sie die excrementitiellen Stoffe des mütterlichen und fötalen
Blutes zu einem grossen Theile eliminiren müssen. Schröder
1. c. p. 687.
In unserem Falle war sowohl hochgradige Hydrämie als
auch eine ausgesprochene Drucksteigerung im Aortensystem vor¬
handen: ob die Erkältung eine Exacerbation der Nierenentzün¬
dung herbeigeführt hatte, und hierdurch die Eclampsie zum
Ausbruche kam, will ich nicht behaupten, jedenfalls gaben Wehen
nicht das veranlassende Moment ab.
In den meisten Fällen stellt aber kurz nach Ausbruch der
Eclampsie sich die Wehenthätigkeit ein, und wird als Grund
hiervon wiederum die arterielle Gehirnanämie angenommen, in
analoger Weise, wie bei den Kussmau 1-Tenner’schen Ver¬
suchen sich die Geburt bei verblutenden trächtigen Thieren zu
vollziehen pflegt.
Die Therapie des ecl. Anfalles besteht zunächst in der An¬
wendung der Narcotica, um die Erregbarkeit der Centralorgane
herabzusetzen: am meisten empfehlen sich hierzu Cliloralklystiere
oder Chloroforminhalationeu, da Chloroform gleichzeitig den
Druck im arteriellen System verringert. Auch Amylnitrit ist
in einem von Schröder 1. c. p. 698 citirten Falle von Jenks
mit günstigem Erfolge angewandt worden; rationell ist seine
Anwendung deshalb schon, weil es der arteriellen Anämie durch
Erweiterung der Arterien entgegenwirkt.
Der Aderlass ist für extreme Fälle zu verspüren, wo es
sich um robuste Individuen und um möglichst schnelle Hülfe
für den Augenblick handelt; denn wenn der Aderlass auch sein-
prompt den Druck im Aortensystem heruntersetzt, so wird doch
die hydrämische Beschaffenheit des Blutes durch ihn gesteigert.
Wie beim Aderlass in der Pneumonie die Herzschwäche, so
haben wir bei der Eclampsie das Gehirnödem zu fürchten, und
dennoch wird es Fälle geben, wo wir den Aderlass bei beiden
Krankheiten anwenden werden.
Dass aber bei Morb. Brightii auch während der Schwanger¬
schaft die sonst übliche Behandlung von Nutzen ist, das hat
unser Fall glänzend bewiesen, denn in Folge der Entlastung
der Niere durch Abführmittel und schweisstreibende Bäder sind
das Eiweiss und die pathologischen Formelemente der Nieren
bis auf ein minimum geschwunden und die Geburt ist ohne jeefe
Störung verlaufen. Auch Jacquet und Porter 5 ) sahen bei
Anwendung hydropathischer Einwickelungen die eclamptisehen j
Anfälle günstig verlaufen.
Ich stehe daher nicht an, unsere Behandlungsweise auch
prophylactisch für die Fälle zu empfehlen, wo hochgradige
Oedeme und nachweisliche Drucksteigerung (Hypertr. des linken
Ventrikels) Eclampsie befürchten lassen. Besonders aber ist
die diaphoretische Methode geeignet, die hydrämische
Beschaffenheit des Blutes und die Drucksteigerung im arteriellen
Systeme in kürzester Zeit zu vermindern.
2) Es scheint mir zu weit gegangen, den Einfluss der Compression
der Nierenvenen und der Lrcteren auf die Eclampsie aus dem Grunde zu
leugnen, weil andere grosse Uterus- und Abdominaltumoren fast niemals
Eclampsie hervorbringen. Es fehlt ja bei diesen ein wesentliches Moment:
Die specifische Beschaffenheit des Blutes der .Schwangeren.
2) Sch r ü der 1. c. p. 693 u. f.
Bezüglich der Einleitung der künstlichen Frühgeburt bei
Mangel der Wehen und der Beschleunigung der im Gange be¬
griffenen Geburt erscheint mir der Rath Scanzoni’s am plau¬
sibelsten, der dahin geht, in jedem Falle, wenn der Uterus zu¬
gänglich ist, so rasch als möglich zu entbinden, niemals aber
die Wehenthätigkeit einzuleiten durch Mittel, die erst nach langer
Anwendung von Erfolg sind (Catheter, Douche, Pressschwamm,
Colpeurynter) oder die durch zu heftige Reizung Gefahr drohen
(gewaltsame Dehnung des Muttermundes), sondern nur solche
Mittel anzuwenden, vermittelst welcher man möglichst schnell
zum Endresultate kommt, im äussersten Nothfalle also auch
durch tiefe Incisionen den Cervix permeabel zu machen. Da¬
gegen äussern sich Fehling, Crede 1 ) und Louis Mayer 5 )
für die Aggressivmethode auch in der die Geburt vorbereiten¬
den Zeit.
In unserem Falle hätte die künstliche Frügeburt jedenfalls
kein lebensfähiges Kind zu Tage gefördert, auch wenn sie vor
dem 20. October, dem Tage des Verschwindens der fötalen Herz¬
töne, eingeleitet worden wäre.
VI. Kritik.
C h a r i 1e - A. n n a 1 c n. Herausgegeben von der Direetion des Königl.
rhanic - Krankenhauses in Berlin. Redigirt von dem ärztlichen
Diivrtor Dr. >! eh Ihausen, Generalarzt n la suite des Sanitäts-
oorps. III. .lahrgang (1876). Mit lithographischen Tafeln und
Tabellen. Berlin, 1878. Hirschwald. 767 8.
Wie in den bisher publicirten zwei Bänden der neuen ..Gharite-
annal *n“, so wird auch in dem vorliegenden dritten ein reicher, wissen¬
schaftlich wie practiseh wichtiger Inhalt geboten. Es lässt sieh der letz¬
tere im wesentlichen in drei Gruppen theilen: in eine solche, welche
rein statistische Aufstellungen enthält, in eine andere, in weicher auf
Grund des beobachteten und auch anderweitig angezogenen Materials
grössere, monographisch gehaltene Arbeiten geboten werden, in eine dritte
endlich, welche einzelne casuisti.sehe Mittheilungen enthält. Es schliessen
sich noch hieran einige experimcntellc Arbeiten, welche mehr oder we¬
niger der durch das Krankenmaterial gegebenen Anregung ihren Ursprung
verdanken. Der überaus mühevollen Aufstellung der Statistik des ganzen
Haus'-s hat sieh wiederum der Herausgeber, Herr Generalarzt Mehl¬
hausen. mit rühmenswerthester Sorgfalt unterzogen. Dem allgemeinen
Theile dieser mehr als 130 Seiten umfassenden tabellarischen U'eber-
siehten. welche jede einzelne Abtheilung -- ausser der geburtshilflichen,
deren statistisches Material, ebenso wie das des SVetionshauses von den
Referenten besonders abgehandelt wird — berücksichtigt, entnehmen
wir, dass während des Jahres 1876 im ganzen 13705 Kranke, incL 805
in der Anstalt geborener Kinder, und zwar 8171 Männer und 5534 Weiber
mit 470252 A r erpilegungstagen behandelt wurden. Gestorben sind 1263
Kranke. Den stärksten Zugang zeigte der .Januar mit 1118, den schwäch¬
sten der September mit 936 Kranken. Von den einzelnen Abtheilungen
gewährt hinsichtlich der Mortalität ein besonderes Interesse die Kinder¬
abtheilung insofern, als sie ein gutes Beispiel bietet, wie die Sterblichkeits¬
ziffer allein durch eine Veränderung des Aufnahmemodus beeinflusst, wird.
Die sehr hohe Mortalitätsziffer (über 50%) dieser Abtheilung erklärt sieh
nämlich hinreichend daraus, dass bis zum Jahre 1873 Kinder unter 2 Jah¬
ren nur in Begleitung ihrer Mutter aufgenommen wurden, und auf diese
Weise die Zahl so jugendlicher Kinder sehr beschränkt blieb, seit jenem
Jahre aber Kinder jeden Alters auch allein aufgenommen wurden und
hierdurch im Laufe der .Jahre die Kinderklinik zu einer „Ablagerungsstätte“
für elende uneheliche Kinder wurde, von denen ein grosser Theil schon am
Tage der Aufnahme zu Grunde geht. Von den grösseren klinischen Ar¬
beiten ist zuerst aus der F rer ich.suchen Klinik der Aufsatz von Litten
„über acute maligne Endocarditis und die dabei vorkommenden Retinalver¬
änderungen“ hervorzuheben, in welchem der Verf. den Retinalblutungen
j für septicämische Processe einen besonders hohen diagnostischen Werth
beilegt, anderseits die Unabhängigkeit dieser Blutungen von einer gleich¬
zeitig vorhandenen Endocarditis darlegt. Aus der Ley den’schen Klinik fasst
Stabsarzt Zunker »die wichtigen Krankheitsformen unter Ausschluss der
Lungen, Nerven und Nieren“ in einem Berichte zusammen, während von den
letztgenannten Krankheiten diejenigen der Lungen und Nerven von Stabs¬
arzt Pfuhl summarisch dargestellt werden. Aus der erstgenannten Ar¬
beit ist hinsichtlich der Therapie bei Typhus abdominalis hervorzuheben,
dass im Gegensatz zu den beiden verflossenen Jahren, in welchen nur
Bäder von mittlerer Temperatur (22° R.) verwerthet wurden, die Be¬
handlung in einer energisch durchgeführten Kaltwasserbehandlung bes'and
(Bäder von 10—16° lt.). Nachtheile dieser Methode sind nicht bemerkt,
besonders Darmblutungen nicht häufiger beobachtet worden, nur scheinen
1) Arch. f. Gynäk. IX p. 328.
2) Berliner kl. Wochenschr. 1876, p. 176.
Digitized by
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Original fro-m
UNIVERSETY OF MICHIGAN
8. April 1878
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
197
auch auf dieser Klinik die grössere Häufigkeit von — übrigens leichten — ;
Rccidiven (14°/ 0 ) durch den Einfluss der Bäder verursacht worden zu sein. ;
Hinsichtlich der Salizylsäure-Behandlung bei Gelenkrheumatismus wird
hervorgehoben, wie nothwendig, zur Verhütung von Rccidiven, ein langer,
bis Ende der 4. Woche fortgesetzter, wenn auch verringerter Gebrauch
des Arzneimittels sei. Bemerkenswerth sind auch die von demselben Ver- j
fas so r geschilderten Beobachtungen von Afleclionen der Medulia spinalis |
als Nacherkrankungen des Typhus. Aus dem Berichte von Pfuhl über j
die Erkrankungen der Lungen verdienen besonders 4 Fälle von reinem j
Asthma bronchiale hervorgehoben zu werden, bei welchen jedesmal in dem
spärlichen Auswurfe die von Leyden früher beschriebenen „Asthma-
crystalle“ sich vorfanden. Aus der gynäkologischen Klinik lasst Stabsarzt
Müller die während der letztvergangenen drei Jahre daselbst beobach¬
teten 112 Fälle von Carcinoma Uteri zusammen und giebt dabei manche,
besonders in diagnostischer Beziehung practische Bemerkungen. Einen
sehr ausführlichen, alle wichtigen Vorkommnisse betreffenden Jahres¬
bericht liefert die Barde le ben’sche chirurgische Klinik durch den j
Stabsarzt Köhler: es wurden daselbst mehr oder weniger ausführlich
dargestellt: alle in der Anstalt selbst entstandenen accidehtollen
Wundkrankheiten, alle Fülle von Delirium tremens, alle grösseren Am- j
putationen. Exarticulationen, Gelenkreseelionen und eomplicirto Frac-
turen der grossen Röhrenknochen. Die streng antiseptische Methode ist !
wie in den früheren Jahren die regelmässige Wundbehandlung ireblieben.
Aus der chirurgischen Nebenabtheilung bespricht Oberstabsarzt Starcke
auf iirund der dort gemachten Erfahrungen „die physiologischen Prin-
cipien bei der Behandlung rheumatischer Gelenkentzündungen, bei wel¬
chen er eine Kombination der Massage, der Kälte und der Kompression,
in Lreigneten Fällen auch Anwendung heisser Bäder als physiologisch
begründet empfiehlt. Die Kinderklinik bet heiligt sich mit einer grösse¬
ren Arbeit ihres Direktors, Prot, ilenoch: seine „Mittheilungen über
das Scharlachtieber“ betreffen Anomalien der hauptsächlichsten Symptome
des Scharlachs, wie sie sieh als Beobachtungsrestiltat von 125 Fällen
ergeben haben. Der A erlauf des Fiebers. die Malignität., die entzünd¬
lichen Komplieationon der Respirationsorgane, der serösen Häute, die ner¬
vösen Symptome, die Formen des Exanthems werden in ihren mehr oder
weniger selten vorkommenden Abweichungen vom gewöhnlichen besprochen
und hierbei für die Praxis sehr beraerkenswerthe Winke gegeben. Auch
der Therapie widmet Vcrf. einen Abschnitt: er hebt darin besonders
den Werth der Stinuilantjen, Moschus und Kampher. starkem Kaffe, Wein
etc. bei drohender Ilerzpnralyse hervor. Für die Entbindungsanstalt liefert
Stabsarzt Richter, für die Universitätspoliklinik für Augenkranke
Horst mann den Jahresbericht. Aus der Klinik fiir Syphilis erhalten
wir eine treffliehe Monographie von Prof. Lewin über „Erythema ex¬
sudativum multiformc“, welche mit rühmenswert lies trm Fleisse und gründ¬
lichster Literaturkenutniss auf Grund von 56 eigenen lind 3(H) aus der
Literatur gesammelten Beobachtungen dieser höchst interessanten Krank-
heitsforin eine nach allen Seiten hin ausführliche Darstellung zu Tlieil
werden lässt. Die Ansicht des Verf., die er bereits in einer vorläufigen
Mitteilung (diese Wochenschrift No. 23, 1876) zum Ausdruck brachte,
dass dieses „Erythem, exsud.“ eine Gefassneurose ist, die mit den mannig¬
faltigsten Complieationen der serösen Häute, besonders der Gelenke und
des Endocards sich verbinde, und sowohl durch centrale, auf das Gefässeen-
trum wirkende Reize, als refleotoriso.h besonders durch Reizung von der Ure¬
thra her, hervorgerufen werden könne, gelangt hier zur ausführlichen
Entwicklung. Der hohe practische Werth der näheren Erörterung dieser
Krankheitsform beruht besonders in der erwähnten häufigen Neigung zu
Compiicationen und in dem Umstand, dass wegen der Polymorphie
ihrer Efftorescenzen und ihres zeitweise meist fieberhaften Verlaufs die
Krankheit sehr häufig mit Pocken, Syphiliden und sogar Typhus ver¬
wechselt wurde.
Ausser diesen grösseren Arbeiten werden, wie schon erwähnt, aus den
verschiedenen Kliniken eine ganze Reihe kleinerer casuistischer Mittheilun¬
gen und endlich eine Anzahl experimenteller Studien geliefert. Von den
ersteren sind einige Beobachtungen von Litten und Salomon aus der
Frcrich s’schen Klinik, von Leyden ein in Strassburg beobachteter
Fall von rec-idivirender Paraplegie, in welchem die Autopsie in der Medulia
drei dem Verlaufe während des Lebens entsprechende Stadien erkennen
liess, hervorzuheben; interessante Kasuistik liefert ferner Fräntzcl aus
der Nebenabtheilung für kranke Männer und Frauen; von den Beob¬
achtungen des letztgenannten verdient der Fall von Echinocoecen beider
Lungen, der von circumscripter hämorrhagischer Peritonitis und der von
Carcinose der Lymphgetas.se beider Lungen bei Magcnearcinom besondere
Beachtung. Aus der Nervenklinik theilt ferner Westphal zwei Fälle
von Sclerodermie mit, von welchen der eine als bemerkenswerthes Sec-
tionsresultat multiple partielle Indurationen der Hirnwindungen zeigte.
Sehr beachtenswerth ist ferner ein von demselben Autor beschriebener
Fall eines Symptomencomplexes, welcher dem als Seitenstrangsclerose
beschriebenen Krankheitsbilde entsprach, aber fast vollständig heilte.
Verf. spricht sich bei dieser Gelegenheit dahin aus, dass für das klinische
Bild, welchem man den erwähnten pathologisch-anatomischen Namen
gegeben, durchaus noch nicht die Berechtigung diesen Namen zu führen
nachgewiesen sei, dass vielmehr ein solches Krankheitsbild wahrschein¬
lich bei sehr verschiedenartigen Rückenmarkserkrankungen Vorkommen
könne. Von demselben Verf. ist endlich auch ein der psychiatrischen
Klinik angehöriger interessanter forensischer Fall „einer mit meikwiirdiger
Beziehung zur Menstruation verlaufenden Geistesstörung“ beschrieben. Zwei
Fälle von „complicirter Splitterfractur des Schädels“ referirt aus der Bar-
delebe n ’schen Klinik Stabsarzt Mcilly; aus der geburtshülf liehen Klinik
Digitized by Google
deraonstrirt Fasbender an zwei Fällen die Einwirkung einseitiger, seit
Kindheit bestehender Verrenkung des Oberschenkels nach hinten und
oben auf das Becken: Horst man n beschreibt einen Fall von Herpes Zoster
ophthalmicus. Experimentelle Abhandlungen endlich sind von Leyden,
A. Frankel und Adamkiewicz geliefert worden: Festerer schrieb über
„experimentell erzeugte Rückenmarkssclerose und die Ausgänge der
Myelitis“, wobe : die Sclerose als das Schlussresultat einer nicht zur Er¬
weichung zielender Myelitis hingestellt wird. Derselbe Autor hat ferner
„manometrische Messungen über den Druck innerhalb der Brust- resp.
Bauchhöhle bei Punktionen des Thorax und des Abdomen“ angestellt,
welche für die Kenntniss der Veränderungen, die der Druck in jenen
Höhlen unter dem Einfluss von Exsudaten erfährt, von Interesse sind.
A. Frankel liefert einen Beitrag zu den Wirkungen des Pilocarpinum
rnuriat. auf das Herz, Adamkiewicz berichtet über „die Ausscheidungs¬
wege des Jodkalium beim Menschen“ und weist nach, dass die Excretion
dieses Salzes aus allen Drüsen stattfindet, dass besonders auch die Talg¬
drüsen sich an dieser Ausscheidung betheiligen und so Anlass zu der
von ihnen den Ursprung nehmenden Jodakne geben.
Den Schluss der Annalen bildet wie früher „der Bericht über das Lei-
chenhaus des Charite-Krankenhauses für das Jahr 1876, erstattet von dem
Proseetor Rudolph Virchow“. ln der grossen Zahl der von dieser Ab¬
handlung gebotenen interessanten und wichtigen Thatsaohen stellt die¬
selbe die Fruchtbarkeit des pathologisch-anatomischen Materials recht
deut lieh wieder vor Augen, trotzdem sieh dasselbe, wie Virchow in den sta¬
tistischen Bemerkungen hervorhebt, auch in dem Berichtjahr wieder an Zahl
erheblich verringert — gegen das Vorjahr um 423, gegen das Jahr 1872 um
1040 — und an Einförmigkeit — besonders durch Vermehrung der Phthise
— zugenommen hat. Von den einzelnen wichtigeren zurSeetion gekommenen
Krankheitsgruppen, die Virchow sowohl aus allgemeinen Gesichtspunkten
als im Detail bespricht, beansprucht ein ganz besonderes Interesse die puer¬
perale Endocarditis. Es fand sich dieselbe bei 10 unter 45 gestorbenen Wöch¬
nerinnen, also 28.8° „. Es zeigt sich nun. dass, w ie Virchow dies schon
für die gewöhnliche Endocarditis betont hat, als prädisponirendes Mo¬
ment fast jeder puerperalen Endocarditis die Chlorose anzusehen ist, wie
dies an der Beschaffenheit der Aorta, deren Durchmesser und Wand¬
stärke oft der eines unreifen Mädchens gleicht, deutlich hervortritt. Es
muss ferner den Sectionsresultaten zufolge fast als Regel angesehen
werden, dass der maligne puerperale, durch die parasitäre Beschaffenheit
gekennzeichnete Process sich erst auf einer bereits bestehenden, entweder
frischen oder meist einer während der Schwangerschaft oder nach der
Geburt recurrirendcn Endocarditis entwickelt. Eine solche maligne Wen¬
dung einer vorhandenen Endocarditis hat Virchow übrigens nicht ganz
selten auch im Verlaufe von ulcerösem, sehr verschieden localisirten
Careinom bei Männern und Frauen eintreten sehen, so dass in diesen
Fällen die Wahrscheinlichkeit sehr gross ist, dass durch faulige Krebs-
geschwiire Microorganismen den bereits erkrankten Klappen zugeführt
wurden. Dass übrigens bei infeetiüsen Processen die Endocarditis für
die anderen gefundenen emboliseben Veränderung nicht zu einseitig ver¬
antwortlich gemacht werden muss, betont auch Virchow. — Hin¬
sichtlich der Typhus-Statistik ergiebt sich das auch früher für Berlin fest-
gestellte Verhältnis!, dass die Acme der Todesfälle in den Spätsommer
und Herbst, die niedrigste Mortalität in den Nachwinter und die erste
Frühlingszeit fällt. In zwei Typhusfällen erfolgte der Tod durch Peri¬
tonitis nach Perforation, und in einem derselben war es wahrscheinlich,
dass ein grosser — in der Bauchhöhle sich vorfindender Spulwurm —
zur Perforation direct beigetragen hat. In einem anderen bemerkens-
werthen Falle ging ein Puerperalfall mit Typhus einher: es fanden sieh
neben den deutlichen Erscheinungen einer vor ganz kurzem stattgehabten
Geburt oder eines Aborts die characteristischen Typhusveränderungen.
Bei exanthematischem Typhus, der in 8 Fällen zur Section kam, beob¬
achtete man, wie wir schliesslich hervorheben, in zw T ei Fällen (Männer)
als ganz eigenthümlichen Befund im Magen je zwei Längseinrisse der
Schleimhaut, die zum Theil die letztere vollständig durchdrangen.
Die vorstehenden Mittheilungen mögen genügen, um den Reichthum
und die Mannigfaltigkeit des Inhalts auch dieses Bandes der Charite-
Annalen darzuthun und die Aufmerksamkeit unserer Leser auf das Stu-
desselben zu lenken. Sz.
VII. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Berliner «eälelnisehe Gesellschaft.
| Sitzung vom 19. December 1877.
I (Schluss.)
An diesen Vortrag knüpft sich folgende Discussion:
Herr Schweisrger bemerkt, dass er das vorigemal nur constatirt
habe, dass das, was an dem vorliegenden Präparat zu sehen war, ihm
schon häufiger vorgekommen sei, und er dasselbe für eine Leichen¬
erscheinung halte.
Herr Hirschberg. M. H.! Von allen histologischen und ernbryo-
' logischen Details will und muss ich an dieser Stelle vollständig absehen.
I Ich möchte aber hervorheben, dass der Herr Vorredner das, was er ver¬
sprochen, den Nachweis einer neuen dritten Augenkammer zwischen
Glaskörper und centralem Theil der Netzhaut, nicht geleistet hat. ln
einer Kammer muss doch irgend etwas liegen können. Eine microsco-
pische Spalte zwischen der inneren Begrenzung der Netzhaut und der
äusseren des Glaskörpergewebes war lange bekannt und wird als capillare
i Flüssigkeitsschicht zwischen Limitans interna retinae und zwischen llya-
Qritjircal fro-m
UNIVERSETY OF MICHIGAN
198
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 14
1 oides bei Schwalbe*) erwähnt; kann aber doch ebenso wenig wie etwa
der perichoroi'dale Lymphraum als .eine neue Augenkammer bezeichnet
werden. Was der Herr Vorredner uns an die Tafel gezeichnet, hat, ist
nach seiner eigenen Angabe ein hypothetischer Raum irn hinteren
Theil des Glaskörpers vom Säugethierauge; die normalen Kaninchenaugen,
in denen die dritte Augenkammer existiren soll, haben wir nicht zu sehen
bekommen.
Was er uns aber in der neuliehen und in der heutigen Sitzung
wirklich gezeigt hat, sind Präparate einer uns sehr wohl bekannten, wenn
auch nicht übertrieben häufigen, pathologischen Veränderung von Men¬
schenaugen. Es ist derjenige Befund, welchen vor mehr als 100 Jahren
Morgagni,**) der eigentliche Begründer der pathologischen Anatomie
des Auges, als Verflüssigung des hinteren Theiles der Glaskörpersubstanz
beschrieben; welchen vor mehr als 20 Jahren unter demselben Namen
(Synchysis) v. Arlt in seinem klassischen Lehrbuche der Augenheilkunde
als spontane Veränderung myopisch verlängerter, dabei noch sehtüchtiger
Augen, als eine Art von Hydrops e vacuo nachgewiesen; welchen zu der¬
selben Zeit der unvergessliche Heinrich Müller richtiger als Ablösung
des Glaskörpers, oder wie er sich ausdrückte, der Glashaut von der Re¬
tina erkannt hat; welchen endlich Iwanoff vor 8 Jahren in einer vor¬
trefflichen Monographie auf das eingehendste geschildert hat. Die Glas¬
körperablösung ist bisher nachgewiesen 1) in myopisch verlängerten
Augäpfeln, wo sie vielleicht das Prodromalstadium der Netzhautablösung
darstellt; 2) nach der Staarextraction ohne Glaskörpervorfall: 3) nach
allen Perforationen der Bulbuskapsel, welche mit Glaskörpervorfall coin-
plieirt waren; 4) nach dem Eindringen von Fremdkörpern, wo zuerst
eitrige Infiltration, später Schrumpfung der Glaskörpersubstanz eintritt.
Falls ein Endothel an der Innenfläche der centralen Netzhautregion
existirt, was ja schon in verschiedenen histologischen Arbeiten behauptet,
in anderen ebenso energisch bestritten worden ist, so würde die Pradi-
lection der Glaskörperablüsung gerade für diese Stelle dadurch erklärt
werden können, während die feste Verwachsung der aequatorialen Partie
des Glaskörpers (auch des hinten abgelösten) mit der Netzhaut schon
von Iwanoff naehdrücklichst betont worden ist.
Wenn der Herr Vorredner behauptet, dass kein Organ des mensch¬
lichen Körpers in anatomischer Hinsicht weniger bekannt sei als das
Auge und in dieser Hinsicht den Merkel’schen Bulbusschnitt zum Pa¬
radigma wählt, so ist zunächst zu erwähnen, dass es weit bessere Ab¬
bildungen giebt, z. B. die von Arlt, der 300 Augen untersucht hat,
und namentlich die von Henle, wo die vom Vortragenden getadelten
Fehler durchaus nicht vorhanden sind: wo erstlich die Zonula in die
Grenzschicht der Glaskörpersubstanz richtig übergeht und zweitens die
Iris der Vorderfläche der Linse richtig anliegt. Dass eine hinter der
Irisebene gelegene zweite Augenkammer, die durch die Pupille mit der
ersten communicirt, trotz der Behauptung der älteren Anatomen und
trotz Merke Ts Zeichnung nicht existirt, ist jedem Ophthalmologen be¬
kannt, der die physica löschen Untersuchungsmethoden, die uns IIelto¬
ll oltz gelehrt hat, und die diesen selber vor 20 Jahren schon zu den
richtigen Anschauungen geführt haben, auf das lebende Menschenauge
anwendet. Wir sind in der beneidenswerthen Lage, jeden Tag an einem
überreichen Material die richtigen Lageverhältnisse dieser Theile im
lebenden gesunden Menschenauge unter weit günstigeren optischen
Bedingungen als die Anatomen zu untersuchen und unbeirrt von den
Fehlerquellen, welche durch postmortale Transsudationen und Quellungen
bedingt werden.
Wir wissen, dass im lebenden gesunden Menschenauge der Pupillar-
rand der Iris der Vorderfläche des Crystallkörpers sich innigst an¬
schmiegt und zwar in Folge eines zarten Muskelspieles zwischen Tensor
und Dilatator, das erloschen ist, wenn das anatomische Messer in seine
Rechte tritt. Wir wissen, dass die Iris keinen Schlagschatten auf die
Vorderfläche der Linse wirft, dass auch bei maximaler Mydriasis der
Pupillarrand nicht merklich von der Linse absteht, und dass erst gegen
den Aequator der Linse ein schmaler, mit wässeriger Flüssigkeit ge¬
füllter Raum existirt, dessen Lumen der berühmte Petit im Anfänge
des vorigen Jahrhunderts nach der Untersuchung gefrorener Bulbi —
und nach ihm, ohne seiner spec-icll zu erwähnen, mancher sehr moderne
Anatom — darum überschätzen musste, weil er nicht genügend berück- i
sichtigle, dass Wasser beim Gefrieren plötzlich sich sehr beträchtlich, I
nämlich um 1 l0 seines Volumens, und mit grosser Kraft ausdehnt, so I
dass ihm nicht eiserne Bomben oder die Röhren unserer Wasserleitung, j
geschweige denn die Lageverhältnisse so zarter Theile, wie sie im mensch- |
liehen Auge vorhanden sind, Widerstand zu leisten vermögen. Indem J
plötzlich der grösstentheils wässerige Inhalt der Bulbuskapsel beim Ge- j
frieren sich um 1 ln seines Volums ausdehnt, wird die Bulbuskapsel stark j
gespannt, die concave Furche zwischen Sclera und Cornea ausgeglichen,
der periphere Irisansatz nach vorn und aussen gezogen und die ganze 1
Iris von der Linse abgezerrt. Und aus solchen Befunden will man die i
Resultate widerlegen, die mit den feinsten Hilfsmitteln der Optik am j
Lebenden gewonnen werden? j
Herr Loewc erwidert auf die Angabe des Herrn Hirschberg, 1
wonach „den Augenärzten die Nichtexistenz einer sogenannten zweiten
Augenkammer zwischen Iris-Hinterfläche und Linse schon längst bekannt |
*) Anat. des Auges (Handb. d. Augenheilk. von A. v. Gräfe und
Ch. Sacmisch, I.) p. 370.
**) De sedibus et causis morborum LXIII, ß. Vitreus humor magna
ex parte in aquam convcrsus: pars reliqua naturali quadantenus similis,
annexo Crystallino (allido) restitit. Vgl. Epistol. anat. XVIII, 38.
gewesen sei,“ dass die hintere Augenkammer dem ungeachtet bisher in
fast sämmt liehen Augendurchschnitten abgebildet sei; die Frage nach
der Existenz oder Nichtexistenz eines Raumes hinter der Iris müsse daher
bis jetzt jedenfalls als controvers bezeichnet werden. Erst durch die
von dem Vortragenden angegebene Methode ist es ermöglicht microscopische
Durchschnitte sowohl durch die ganzen Augen, als auch durch die vor¬
dere Augenhälfte erwachsener Menschen und Thiere mit in situ befind¬
licher vorderer Linsenkapsel, Zonula und conservirter Glaskörper-Masse
und mit Beibehaltung der verschiedenen Contractions-Zustände der Pu¬
pille zu liefern und damit den directen Beweis von der dichten An¬
lagerung der Linse an Iris und Ciliarfortsätze zu führen. Was ferner
| die Angabe des Herrn Hirschberg anbet reffe, wonach Schwalbe schon
! ähnliche Anschauungen wie der Vortragende über die Begrenzung der
Retina gegen den Glaskörper hin geäussert habe, so habe Herr Hirsch-
berg hierin die Quintessenz der in Rede stehenden Frage offenbar miss¬
verstanden, denn die Ausführungen des Vortragenden richteten sich ge¬
rade gegen Schwalbe. Der Vortragende halte Retina und Glaskörper
durch die zwischen beiden eingeschobenen Kittsubstanzzacken für einfach
mit einander verklebt. Nur in der Gegend vor und neben der Pupille
existire entweder eine ganz feste Verbindung in Folge mechanischer Ein¬
schiebung der Glaskörpersubstanz in die Netzhaut, oder sogar ein freier
Raum im Glaskörper selbst mit consecutiver Abtrennung einer feinen
Glaskörperlamelle und Verwachsung derselben mit der vorderen Netzhaut-
i fläche. Schwalbe dagegen plaidire für einen überall zwischen Retina und
i Glaskörper befindlichen endothellosen freien Raum. Weit mehr Verwandt-
| schaft habe die Anschauung des Vortragenden mit der Angabe Merkel’s.
| Denn auch Merkel glaube an den innigen Zusammenhang zwischen
Glaskörper und Retina, nur kenne Merkel nicht den vor der Papille
im Glaskörper selbst gelegenen Spaltraum resp. die Verwachsung von
Glaskörper und Netzhaut an der betreffenden Stelle. Ueberhaupt habe
bisher noch niemand erkannt, dass (mindestens beim Kaninchen) zwei¬
erlei Arten von Verbindung zwischen Glaskörper und Netzhaut existirten,
je nachdem man die vor und in der Nähe der Papille und die ander¬
wärts gelegenen Abschnitte der Glaskörperperipherie in’s Auge fasste.
Hufel&nd’sche Gesellschaft in Berlin.
Sitzung vom 30. November 1877.
Nach Verlesung und Annahme des Protocolls der vorigen Sitzung
wird die Witterungs- und Krankheitsconstitution von Mitte Octobcr bis
Mitte November festgestellt.
Herr Steintha 1 leitet darauf die Besprechung der Ammenfrage mit
einem Vortrage ein, in welchem er die schreienden jetzt bestehenden
Missstände schildert und die Gesellschaft auffordert, Mittel zur Abhülfe
I vorzuschlagen. Nach einer sich hier anknüpfenden Debatte, an welcher
' sich die Herren Albu, Martin, Seemann, Schlesinger, Bad und
I Mühsam betheiligen, wird eine Commission ernannt, welche die Frage
! weiter berathen und Vorschläge machen soll.
Herr Siissbach als Gast berichtet darauf über neue Erfahrungen
auf dem Gebiete der Hydrotherapie.
Bei unregelmässiger Herzt hat igkeit, gleichgültig ob durch Klappen¬
fehler bedingt oder nicht, empfiehlt sich folgendes Verfahren: Der Kranke
J wird in ein trockenes, leinenes Laken so eingehüllt, dass nur Mund,
* Nase und Augen frei sind, dieses dann mit Wasser von 28 — 32° aus
j einer Giesskanne benetzt und dann eine jähe, mittlere oder mild».* Ab¬
kühlung in Anwendung gezogen; bei Herzfehlern empfiehlt sich eine mitt¬
lere Benetzung mit Wasser von 2fi° und Abkühlung mit solchem von 22°.
Die Wirkung tritt sehr rasch ein und besteht in einer Regulirung der
Herzthätigkeit,
Dasselbe Verfahren bringt rasche Hülfe bei Potatoren mit hart¬
näckigem Magenkatarrh. Ist das Herz gesund, so wird eine Benetzung
mit Wasser von 28° gemacht, und der Kranke darauf mit solchem von
10° begossen. Es tritt eine starke Füllung der Hautcapillaren und rasche
Besserung der Magenbeschwerden ein.
Sitzung vom 28. Deccmber 1877.
Das Protokoll der vorigen Sitzung wird verlesen und angenommen,
hierauf die Witterungs- und Krankheits-Constitution von Mitte Novem¬
ber bis Mitte December fostgestellt.
Vom Herrn Cultusminister ist ein Antwortschreiben auf die von
der Gesellschaft an ihn gelichtete Petition wegen der Eröffnung der
Krankenhäuser für die Fortbildung der Aerzte eingegangen. Der Herr
Vorsitzende bringt dasselbe zur Kenntniss der Gesellschaft,
Herr Dr. Weber-Liel hält hierauf den angekündigten Vortrag
Unter welchen Bedingungen ist der Gebrauch der Nasenrachendouche zu¬
lässig und ohne Gefahr fiir das Gehörorgan?
(Der Vortrag ist in der vorigen Nummer der Berliner Klinischen
Wochenschrift abgedruckt.)
Niederrheinische Gesellschaft für Natur- und Heilkunde in Bonn.
Sitzung vom 21. Januar 1878.
Vorsitzender: Geh. Rath Leydig.
Prof. Doutrelepontstellto einen 4jährigen Knaben vor, an welchem
er die Osteotomie der Tibia und Fibula ausgeführt hatte.
Pat. zeigte neben geringeren Verbiegungen beider Oberschenkel und
Unterschenkel unterhalb der Condylcn der Tibiae an der Grenze des
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8. April 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
199
mittleren und. unteren Drittels beider Unterschenkel in Folge früherer :
Fracturen eine besondere, links fast rechtwinklige Verkrümmung und j
zwar mit nach innen offenem Winkel. Da es nicht gelang den Knochen
an dieser Stelle subcutan zu brechen, entfernte D. den 2t. Novbr. 1877
am linken Unterschenkel zuerst an der Fibula, welche dort verdickt und
sehr fest war, ein keilförmiges Stück durch den Meissei, dann als trotz¬
dem die Tibia, welche verdünnt erschien, sich noch nicht einbrechen
liess, wurde diese auch freigelegt und durchgemeisselt, worauf die Grade¬
streckung gelang. Beide Wunden wurden mit Catgut genäht und der j
Lister’sche Verband angelegt. Die Wunde an der Fibula heilte ganz j
per primam int., die der Tibia durch Eiterung, war aber schon nach I
3 Wochen geschlossen. Nur dreimal wurde der Verband gewechselt und j
am 20. December, nachdem es gelungen war am rechten Beine die Unter- j
schenkelknochen einzubrechen, an beiden Beinen Gvpsverbände angelegt. |
Die Temperatur stieg hur am Abende des 5. und 6. Tages, als die Tibia¬
wunde eiterte, auf 39° C. in recto, sonst war der Verlauf ganz fieberfrei.
Sodannn sprach D. über die Versuche zur Radicalheilung
von Hernien, welche unter streng antiseptischer Behandlung in der
neueren Zeit von Nussbaum, Czerny, Riesel, Schede u. a. ge- i
macht worden sind und stellte einen Patienten vor, an dem er die ;
Operation ausgeführt hatte. j
S. Blatter, 22 Jahre alt, Fabrikarbeiter, wurde in’s evangel. Hospital
wegen einer Hernia ing. ext. dextra aufgenommen, welche zwar reponibcl |
war, aber durch ein Bruchband nicht zurückgehalten werden konnte; ;
die Bruehpforte liess sehr leicht zwei Finger eindringen; die Bruch-
gesehwulst über Gänseeidicke. Der sonst gesunde Patient verlangte j
dringend operirt zu werden, da er schon viele Bruchbänder vergebens
versucht habe und er durch sein Bruchleiden arbeitsunfähig sei. Nach¬
dem längere Zeit durch Abführmittel, horizontale Lagerung und durch
ein passendes Bruchband den Bruch zurückzuhalten vergebens versucht j
und der Patient mit den Gefahren der Operation bekannt gemacht war, |
entschloss sich D. auf den dringenden Wunsch des Patienten einzugehen
und führte am 14. December 1877 die Operation aus. Nach Spaltung j
der Haut wurde der Bruchsack freigelegt und der Versuch gemacht, ihn j
von allen Seiten zu lösen: es stellte sich jedoch heraus, dass er auf der |
hinteren und unteren Seite sehr fest mit dem Samenstrang und den i
Häuten des Hodens verwachsen war, welcher Umstand von der voll- j
ständigen Exstirpation desselben abzustehen zwang. Der Bruchsackhals !
liess sich jedoch an der Bruehpforte ganz lösen und wurde, nachdem
er soweit als möglich aus dem Inguinalkanale hervorgezogen war. und j
nachdem man sich überzeugt batte, dass der Bruchinhalt vollständig |
reponirt war, mit einem dicken Uatgutfadon unterbunden. Hierauf wurde
der Bruchsack erst, gespalten und seine vorderen Wände, so weit sie mit
der Umgebung nicht verwachsen waren, exstirpirt. Unterhalb der Ligatur
wurden 3 Gat gut nähte, welche den zurückgebliebenen Thcil des Bruch- I
saeks mit der äusseren Haut vereinigten, jederseits angelegt, in den |
unteren Theil des Bruchsacks eine Drainröhro eingesetzt und darüber i
die Haut auch mit Catgutfäden zugenäht. Der Verlauf nach der Ope- ;
ralion war sehr günstig: nur am Abend des zweiten Tages stieg die I
Temperatur auf 38,8° C., in den ersten 8 Tagen 4 mal 38,2, sonst
während des ganzen Verlaufs unter 38° C., keine Lcibschmerzcn, Ver- j
dauung geregelt. Beim zweiten Verbandwechsel zeigte sich, dass das an j
der Haut angenähte Stück des Bruchsacks gerade unter der Ligatur,
welches von der Umgebung ganz abgelöst worden war, sich brandig ab-
stiess, ohne jedoch weitere Erscheinungen zu machen.
Am 24. Tage nach der Operation (bis dahin war der Verband 6 mal
gewechselt) konnte ein Bruchband angelegt werden, und der Patient
verlies* das Bett. Bei der Untersuchung stellte sich heraus, dass auf
der operirten Seite der Anprall der Därme beim Husten des stehenden
Patienten geringer ist als auf der gesunden Seite.
Prof. Busch bemerkt zu diesem Vortrage: Wir leben zwar nicht j
mehr in den Zeiten des alten Lawrence, welcher in Bezug auf die j
Radicalcur des beweglichen Bruches aussprach: „Wer sich eines ein¬
geklemmten Bruches wegen operiren lässt, unterwirft sich der Operation,
um sein Leben zu retten, wer aber einen nicht eingeklemmten Bruch
hat, setzt sein Leben auf das Spiel“; denn das Lister’sche Verfahren
hat auch hier, wie überall, viel von den Gefahren der Operation zerstreut.
Dass aber die Operation nicht absolut ungefährlich ist, haben Sie aus
dem Vorträge entnommen, indem von 26 Operirten einer starb. Ausser¬
dem ist in der jüngsten Zeit auch ein Todesfall durch Herrn Küster
bekannt gemacht worden.
Fast wichtiger noch als die Gefährlichkeit ist aber die Unsicherheit
des Resultates in Bezug auf die Beseitigung des Bruches. Wenn wir
in den Zeiten der früheren Wundbehandlung einen eingeklemmten Bruch j
mit Eröffnung des Bruchsackes operirt hatten, so geschah die Heilung
in der Weise, dass von den Wänden des Sackes Gewebssprossen aus¬
wuchsen, welche mit einander verschmolzen und den Sack obliterirten.
Trotz dieser festen und derben Narbe gehörte die Radicalheilung
zu den allerseltensten Ausnahmen. Die Patienten waren in der Regel
nur von der Lebensgefahr befreit, hatten aber nach wie vor ihren Bruch
und mussten ein Bruchband tragen. Da nun schon diese feste Narbe
nicht ausreiehl, das Austreten des Bruches zu verhindern, so wird es !
auch weniger der Fall sein bei der am meisten gebräuchlichen der mo- j
dernen Radicaloperationen. Wenn wir den Bruchsackhals an dem äusseren |
Leistenringe unterbinden, so bleibt, wie auch in dem demonstrirten Falle, i
der BauchfelUrichter in dem Leistencanale zurück, ln diesen werden j
sich wieder Eingeweide senken und, wenn sie nicht dauernd durch ein '
Bruchband zurückgehalten werden, den Trichter dehnen und einen nach j
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aussen vortretenden Bruch hervorbringen. In einigen Fällen hat man
zwar auch versucht, diesen Trichter zur Obliteration zu bringen, indem
man den Leistencanal spaltete, den Bruchsaek ohngefähr in dem Niveau
des inneren Leistenringes unterband und dann den Leisteneanal durch
tiefgreifende Suturen, selbstverständlich mit Schonung des Samenstranges
verschloss, aber man machte dann durch den grösseren Eingriff die Ope¬
ration auch wieder um so gefährlicher.
Unter diesen Umständen glaubt B., dass die Operation der nicht
eingeklemmten Brüche auch heute noch nur ein sehr beschränktes Terrain
behalten wird. Es werden ihr nur diejenigen Brüche anheimfallen, bei
welchen es durch kein anderes Mittel möglich ist, die Retention durch
ein Band zu bewirken und so dem Patienten die Arbeitsfähigkeit wieder
zu geben. Dass dieses auch bei mobilen Brüchen Vorkommen könne,
leugnet B. nach den Erfahrungen anderer Chirurgen nicht; es muss aber
ausserordentlich selten sein. Er selbst hat noch keinen mobilen Bruch
gesehen, der, mochte er so gross sein, wie er wollte, und mochte er noch
so lange unreponirt getragen sein, nicht schliesslich unter Anwendung
von langer Rückenlage, kalten Umschlägen und leichtem Abführen, leich¬
ter Diät zurückgebracht werden und dann auch durch ein Band zurück-
gehalten werden könnte. Das wesentlichste Contingent werden für die
Radicaloperation daher die adhärenten Brüche stellen.
Prof. J)outrelepon t hob noch einmal hervor, dass über die be¬
schriebene Operation als Radicalcur erst die Zukunft entscheiden werde,
dass bei grossen Brüchen wie in dem vorgestellten Falle der Leistencanal
sehr verkürzt wäre, so dass durch Hervorziehen des Bruchsackhalses aus
demselben vor dem Anlegen der Ligatur der zurückbleibeiule Trichter
nur sehr klein sein könne, wenn überhaupt noch vorhanden, und dass
man doch einen Unterschied machen müsse zwischen der Heilung nach
der jetzigen Operation, indem der Sack abgebunden und entweder ex¬
stirpirt oder ganz gespalten und durch Granulationsbildung zur Oblite¬
ration gezwungen würde, und der Heilung nach der Herniotomie mit
Eröffnung des Sackes, bei der man die Verödung des Bruchsackes nicht
direct bei der Nachbehandlung erstrebt habe. Jedenfalls habe die Ope¬
ration in dem vorgestellten Falle erreicht, dass der Patient wieder arbeits¬
fähig geworden und durch das Tragen eines Bruchbandes dem Wieder¬
austreten der Därme entgegengewirkt werden könnte.
Prof. Bus eh bespricht noch einmal die Luxation des Penis.
Tn der Sitzung vom 23. Februar 1875 hatte er bei Gelegenheit der
Veröffentlichung des Moldenhauer’schen Falles darauf aufmerksam
gemacht, dass bei dieser Verletzung der Penis eine durchaus passive
Rolle spiele, und dass vielmehr die Haut, wenn eine Gewalt das Präpu¬
tium erfasst und vorwärts zieht, über den Penis weggezogen werde, so
dass der letztere dann, je nach der Richtung des Zuges entweder in das
Serotum oder unter die Bauchhaut schlüpfe. Bedingung für das zu Stande
kommen der Verletzung ist natürlich ein langes Präputium, welches die
Eichel überragt, so dass die einwirkende Gewalt eine Handhabe findet.
Auf Grund von Beobachtungen von totalen Abreissungen der Penishaut
durch Maschinengewalt glaubte B. damals annehmen zu müssen, dass
die Stelle, an welcher die Verbindung des Penis mit der Haut einrisse,
so dass er zurückschlüpfen könne, die Insertion der äusseren Haut am
inneren Blatte des Präputiums sei. Gegenwärtig, wo er zum 1. Male
diese seltene Verletzung beobachten konnte, muss er diese Annahme
zurücknehmen. Ein kleiner Knabe war, sechs Tage vor seiner Aufnahme
in die Klinik, von einem Pferde zu Boden geworfen und auf die Ge-
sehlechtstheilc getreten worden. Ausser geringen Blutextravasaten fand
man die Hauthülle des Penis leer, ein Einkniff derselben bestand auf
der linken Seite. In der rechten Sero talhälfte fühlte man neben dem
etwas geschwollenen Hoden den Penis. Glücklicher Weise hatte der
Stollen des Hufeisens die Scrotalhaut gegenüber der Spitze des Penis
vollständig durchbohrt, so dass der Knabe durch diese Oeffnung uriniren
konnte, und dass Urininfiltrationen vermieden wurden.
Behufs der Reposition musste die Penishaut auf dem Rücken in
der ganzen Länge gespalten werden. Hierbei sahen wir, dass die In¬
sertion des äusseren Blattes des Präputiums an das innere vollständig
erhalten war, dass hingegen das innere Blatt von seiner Insertion hinter
der Corona glandis abgerissen war. Die Trennung hatte nicht in der
ganzen Circumferenz stattgefunden, sondern auf der linken Seite war
ein kleiner Theil der Anhaftung erhalten, so dass bei dem Zuriick-
schlüpfen des Penis in das Serotum durch diese Anheftung die Penis¬
haut eingezogen wurde. Beiläufig sei bemerkt, dass nach der Spaltung
der hakenförmig gekrümmte Finger den Penis leicht hervorholen konnte
und dass nach der Heilung das Glied das Ansehen eines solchen hatte,
hei welchem die Phimosenoperation durch Incision gemacht war, der
Hautschnitt aber etwas weit auf den Penisrücken hinaufreichte.
Dr. Walb demonstrirte einen Apparat für die Zerstäubung
von Flüssigkeiten im Nasenrachenraum. Derselbe ist nach dem
Richardson’sehen Princip construirt und hat ein catheter-ähnliches
Spritzrohr, wodurch ersieh von dem Trö It sch ’ sehen unterscheidet und
auch zur Einspritzung in die Tuba gebraucht werden kann. Dieser
Theil des Apparates ist ausserdem abnehmbar, wodurch eine bequemere
Handhabe erzielt und die Benutzung für beide Seiten ermöglicht wird.
Auch lässt sich derselbe hierdurch während des Gebrauchs drehen und
so die Spitze nach allen Richtungen wenden. Die Brauchbarkeit für die
Tuba wurde bei Patienten mit Perforation des Trommelfells constatirt,
wo es gelang die Flüssigkeit am äussern Ohr auszutreiben.
Dr. Kocks sprach über die nachträgliche Diagnose der
Schädellagen und des Geburtsmechanismus überhaupt aus
den Geburtstraumen bei der Mutter.
Original from
UNIVERSITY OF MICHIGAN
200
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 14
Prof. Leydig bespricht, auf Grund fremder und eigener Unter¬
suchungen das Vorkommen und den Bau der Jacobson’schen
Organe beim Menschen und den Thicren.
VIII. Feuilleton.
Statuten und Petition des Berliner Docenten-
Vereins.
Im Anschluss an die in der vorigen No. dieser Wochenschrift publi-
cirten zwei Schriftstücke aus den Acten der Berliner medicinischen Fa¬
cultät übersendet uns der Vorstand und der Petitions-Ausschuss des
Docenten-Vereins die Statuten dieses Vereins, so wie den Wortlaut der
Petition vom 30. Juni 1877, mit der Bitte um Veröffentlichung.
Statuten des Docenten-Vereins.
§. 1. Zweck des Vereins ist die Besprechung und Förderung ge¬
meinsamer Interessen. — §. 2. Jeder Privatdocent der Berliner medici¬
nischen Facultät ist zur Mitgliedschaft berechtigt und wird einmal
durch den Schriftführer zum Beitritt aufgefordert. — §. 3. Die ordent¬
lichen Versammlungen finden einmal im Beginne des Semesters auf Ein¬
ladung des Vorstandes statt. Ausserordentliche Versammlungen können
auf Beschluss des Verstandes oder auf Antrag von fünf Mitgliedern durch
den Vorsitzenden berufen werden. — §. 4. Der Vorstand besteht aus
dem Vorsitzenden, dem stellvertretenden Vorsitzenden und dem Schrift¬
führer. Derselbe wird in der ersten Wintersitzung durch Stimmzettel
mit einfacher Majorität gewählt. Der Vorstand erwählt Ausschüsse,
soweit es für bestimmte Zwecke erforderlich ist.
Wortlaut*) der vom Doccnten-Verein der medicinischen Fa¬
cultät lau t Besch luss vom 13. Juni 1877 an den Herrn Decan
und die Herren Professoren der medicinischen Facultät
der Berliner Universität gerichteten Petition.
Der ergebenst Unterzeichnete Verein erlaubt sich hierdurch, Ew.
Spectabilität und die Herren Professoren der medicinischen Facultät der
Berliner Universität zu bitten, bei dem Ministerium der geistlichen,
Unterrichts- und Medicinal- Angelegenheiten geneigtest beantragen zu
wollen, dass unter Aufhebung der entgegenstehenden Bestimmungen des
Ministerialrescripts vom 24. Novbr. 1853 den Privatdocenten der Berliner
medicinischen Facultät wieder gestattet werde,
innerhalb deijenigen medicinischen Disciplin, für welche sie die Venia
docendi erlangt haben, jede Vorlesung, insbesondere auch klinische
und poliklinische Kranken Vorstellungen im Lections-Katalog und am
schwarzen Brett der medicinischen Facultät anzukündigen und zu
halten.
Motive. Das qu. Ministerialrescript vom 24. Novbr. 1853 lautet
(vgl. v. Rönne preuss. Verfassung VIH. 2, S. 527: Nationalzeitung 1853
No. 591: Allgem. Berl. med. Centralzeitung 1853, S. 796) folgender-
massen: „Alle Ankündigungen von Privat-Docenten, betreffend Privat-
Institute, klinische Institute, practische Uebungen an Kranken oder
Leichen, Vorführung von Kranken und dergl. sind künftig weder in dem
halbjährigen Leetions-Verzeichniss dieser Universität, noch in den unter
der Autorität der medicinischen Facultät geschehenden Anschlägen am
schwarzen Brett zuzulassen, auch etwaige Testate von Privat-Docenten
über dergleichen Uebungen behufs Zulassung zu den medicinischen Pro¬
motions-Prüfungen nicht weiter zu berücksichtigen. Die mit dem Kgl.
Charite-Krankenhause in Verbindung stehenden klinischen Institute,
deren Leitung Privat-Docenten übertragen ist, oder in Zukunft über¬
tragen werden könnte, sind von dieser Massregel ausgenommen.“
Dies Rescript erfuhr bald, nachdem es erlassen war, in medicinischen
und politischen Zeitungen eine herbe Kritik. (Vgl. Nationalzeitung l. c.,
Allgem. Berl. med. Centralzeitung 1. c., Deutsche Klinik 1855, S. 15.
Wiener medicinische Wochenschrift 1854, No. 51.) Man erblickte in
dem Rescript „eine der Wissenschaft zum wesentlichen Schaden ge¬
reichende Massregel“, durch welche „das alte Palladium preussiseher
Grösse, die unbegrenzte Freiheit wissenschaftlicher Entwicklung und
Bestrebung“ einen harten Schlag erfahren habe, und für welche „der
Facultät die Verantwortlichkeit auferlegt wurde“. Es wurde bemerkt,
„dass Männer, wie v. Gräfe, Ilenoch u. a. damit gewissermassen von
der Facultät desavouirt werden“, ja, „da das „„und dergl.““ des Erlasses
sehr dehnbar“ sei, — selbst Du Bois-Reymond nur durch den zu¬
fälligen Umstand, dass er Mitglied der Academie sei, einem gleichen
Geschick entgehe.“
Die nächste Folge des Rescriptes war, dass mehrere Privat-Docenten,
darunter v. Gräfe und Henoch für die folgenden Semester überhaupt
keine Vorlesungen bei der Universität ankündigten.
Das bedenkliche der erwähnten Massregel scheint zu Anfänge des
Jahres 1854 mildernde Zusätze von Seiten der Facultät und des Mini¬
steriums veranlasst zu haben. Die Berliner Nationalzeitung (1854,
No. 91: vgl. auch v. Rönne 1. c.) bemerkt hierüber folgendes: „Die
früher gemeldete Beschränkung der Privat-Docenten der hiesigen medi¬
cinischen Facultät hinsichtlich der Veranstaltung klinischer Vorträge
*) .ledern gedruckten Exentplar dieser Petition war die folgende
Bemerkung hinzugefügt : „Es wird gebeten, die Petition discret zu halten,
um jede Publication ohne besonderen Beschluss des Vereins zu verhüten.
Der Vorstand.“
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ist insofern modificirt worden, als die Facultät den betheiligten Uni¬
versitätslehrern die Erklärung hat zugehen lassen: der Ministerial-Erlass
sei missverständlich aufgefasst worden, und es liege demselben die
Absicht, der Lehrfreiheit Schranken zu setzen, nicht zu Grunde. Auch
der Minister v. Raumer hat sich in gleichem Sinne ausgesprochen.“
Diese mildernden Zusätze hatten indess keine praktischen Folgen.
Die Ankündigung klinischer und poliklinischer Demonstrationen blieb
vom Katalog ausgeschlossen, v. Gräfe sah sich genöthigt, seine Stellung
als Universitäts-Docent förmlich aufzugeben, insofern er während der
sieben folgenden Semester sich im Index lectionum jedesmal der Formel:
„Lectiones postea indicabit“ bediente, während in den deutschen Lections-
Catalogen jener 7 Semester der Name v. Gräfe’s überhaupt nicht ge¬
nannt wird. Dagegen kündigte derselbe in medicinischen Blättern (vgl.
Deutsche Klinik 1855, No. 16 und 45) einen eigenen Lehreursus seiner
ausser Connex mit der Universität gesetzten Augenklinik an, in welcher
von ihm und den Doctoren Aug. Müller, Liebreich, v. Z e h e n d e r
und Michaelis neun verschiedene Lehrgegenstände abgehandelt wurden.
Erst im Wintersemester 1857/58, nachdem v. Gräfe zum ausserordent¬
lichen Professor ernannt und dadurch von den Schranken jenes Ministerial-
Rescriptcs befreit war, findet sich im Lcctions-Calalog wieder eine An¬
kündigung v. Gräfe’s.
Im Jahre 1868 petitionirten die damaligen Privat-Docenten bei der
Facultät um Beseitigung der drückenden Verordnungen des Rescripts
vom 24. Novbr. 1853, und ihre Bemühungen hatten zur Folge, dass
Seitens der Facultät der Gebrauch der Worte „exercitatio“, „demon¬
stratio“, „eursus“ und „practicus“ in den Ankündigungen der Docenten
gestattet wurde. Noch günstiger für die Docenten lag die Angelegenheit
zu Anfang der 70er Jahre. Zu dieser Zeit wurde das Rescript Seitens
der Facultät, sei es absichtlich oder zufällig, nicht in Anwendung ge¬
bracht. Für das Wintersemester 1871,72 kündigte Dr. Hirschberg,
dem bei seiner Habilitation, ebenso wie verschiedenen anderen Habili-
tirten, dies Rescript nicht; mitgetheilt worden war, eine „Klinik der
Augenkrankheiten“ (im Index lectionum: „clinicen ophthalmiatricam“)
an. Ebenso kündigten für das Wintersemester 1872/73 — also unter
einem anderen und zwar dem nächstfolgenden Dekanate — Dr. Eulen¬
burg „practische diagnostische Uebungen an Nervenkranken“ („exer-
citationes diagnosticas de systematis nervosi morbis“), Dr. Hitzig „ambu¬
latorische Klinik für Nervenkrankheiten“ („clinicen ambulatoriam mor-
borum systematis nervosi“) und Dr. Hirschberg „Klinik für Augen¬
krankheiten“ an. Im Wintersemester 1872/73 wurde jedoch das Rescript
Seitens der Facultät den damals habilitirt gewesenen Docenten wieder
in Erinnerung gebracht. Es sollten zwar auch fernerhin die Bezeichnungen
„exercitatio, demonstratio, eursus, practicus“ gestattet werden: aber es
wurde in einem Circular an die Docenten hervorgehoben, dass der kli¬
nische Unterricht in Privatinstituten den Privat-Docenten versagt bleiben
solle.
Der ergebenst Unterzeichnete Verein hat nun geglaubt, um Auf¬
hebung des Rescripts vom 24. November 1853 petitioniren za müssen,
weil dasselbe 1) die durch die Verfassung gewährleistete Lehrfreiheit
beeinträchtigt, weil es 2) die Docenten der Berliner medicinischen Fa¬
cultät in ihrer Stellung und in ihren Rechten gegenüber den Docenten
anderer Universitäten auf das empfindlichste herabsetzt, und weil 3) nach
seinem Dafürhalten eine Aufhebung jenes Rescripts der Universität nicht
zum Nachtheile, sondern vielmehr direct zum Vortheile gereichen werde.
ad 1. Artikel 20 der Preussischen Verfassung vom 31. Januar 1850
lautet: „Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei.“ Dieser Satz
— so heisst es bei v. Rönne (Pr. Verf. 1. c. S. 396) trat seit 1848 „an
die Spitze aller Verfassungsbestimmungen über das Unter¬
richtswesen, sowohl in der Reichsverfassung, als in den Einzel¬
verfassungen vom 5. Decbr. 1848 und vom 31. Januar 1850.“ Mit dem
Artikel 20 der Verfassung aber ist der Inhalt des Rescripts vom 24. Novbr.
1853, wie auch der desCirculars vom Wintersemester 1872 73, nach welchem
ausdrücklich gewisse Unterrichtspunkte den Privatdocenten versagt sein
sollen, nicht in Einklang zu bringen. Erfahrungsgemäss haben die
Studirenden weder grosse Neigung, noch auch — in der kurzen Studien¬
zeit von 4 Jahren — gehörige Müsse, um die theoretischen Vorlesungen
zu besuchen, welche nach dem qu. Rescript den Privat-Docenten aliein
gestattet sind. Ebenso ist es für die Docenten keine ihren wissenschaft¬
lichen Zielen entsprechende Thätigkeit, sieh auf theoretische Vorlesungen
zu beschränken. Da vielmehr der Schwerpunkt des Unterrichts in allen
practischen Fächern der Medicin in der Demonstration von Kranken urd
in der Beobachtung an Kranken liegt, so ist durch das Verbot der
Kranken Vorstellungen der Lehrtätigkeit fast aller medicinischen Docenten
gerade das allerwichtigste Terrain abgeschnitten. Wenn also in den
mildernden Zusätzen der Facultät und des Ministeriums vom Jahre 1854
gesagt worden ist, dass nicht die Absicht bestehe, der Lehrfreiheit
Schranken zu setzen, so muss dem gegenüber bemerkt werden, dass
factisch durch jenes Rescript die Lehrfreiheit der Privat-Docenten
schwer geschädigt, und die gedeihliche Entwickelung dieser Institution,
die sowohl vom Ministerium wie auch von der Facultät als eine wichtige
anerkannt und als eine vorteilhafte Eigenthümliehkeit gerade der deut¬
schen Universitäten bezeichnet worden ist, gehindert wird.
Im besonderen kommt noch der Uebelstand hinzu, dass die qu.
Bestimmungen in Bezug auf den Grad der durch sie veranlassten Be¬
schränkung der Lehrfreiheit keineswegs klar und deutlich sind. Es sei
davon abgesehen, dass das „und dergleichen“ des Rescripts verschiedene
Deutungen zulässt, und dass dem Wortlaut des Rescripts nach nur die
„Ankündigung“ klinischer Lehrthätigkeit untersagt ist, während das.
Original from
UNIVERSfTY OF MICHSGAN
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
201
S. April 1878.
Verbot offenbar zugleich auch die klinische Lehrthätigkeit selbst betreffen
sollte. Es kann jedoch der Umstand nicht verschwiegen werden, dass
es den Docenten unmöglich ist, eine scharfe Grenze zu finden zwischen
klinischer und poliklinischer Lehrthätigkeit einerseits und einem Unter¬
richt andrerseits, bei dem practische Curse, Uebungen und Demonstrationen
gestattet sind, und dass demnach die Docenten, wenn sie auch noch so
sorgsam bemüht sind, die gesetzlichen Bestimmungen zu beobachten,
doch beständig in Gewissens-Conflicte gerathen müssen, ob sie genau
im Sinne jener Bestimmungen verfahren oder nicht.
ad 2. Das Rescript vom 24. Novbr. 1853, seinem Ursprünge und
seinem Wortlaute nach nur für die Berliner Universität bestimmt, ist
zu keiner Zeit für eine andere Universität zur geltenden Massregel er¬
hoben worden. Es sei in dieser Beziehung erwähnt, dass z. B. für das
Sommersemester 1877 nach dem deutschen Universitäts - Kalender von
Ascherson und Seelmann Kliniken oder Polikliniken von Privat-
docenten officiell angekündigt werden: zu Bonn 1, Breslau 2, Göttingen
1, Greifswald 2, Halle 8, Kiel 2, Königsberg 1, Leipzig 5, München 1,
Strassburg 1, Würzburg 1. Was die ausserdeutschen Universitäten be¬
trifft, so werden in Wien 9, in Prag, Graz, Dorpat, Bern und Basel je
1 Klinik oder Poliklinik von Privatdocenten angekündigt. Es wäre nun
freilich nicht unmöglich, dass unter diesen Kliniken und Polikliniken
es auch solche gäbe, welche einen officiellen Character tragen, und zur
Universität in einem ähnlichen Verhältnisse stehen, wie dies in Berlin
lur die klinischen Institute der Charite obwaltet. Indess ist doch soviel
sicher, dass, wenn dies der Fall sein sollte, es keineswegs für alle oder
auch nur für die Mehrzahl der betr. Institute zutrifft.
Es stehen mithin die Berliner raedicinischen Docenten unter einem
Ausnahmegesetz, und dies kann füglich nur so aufgefasst werden, als
wenn gerade von ihnen allein oder doch von ihnen ganz besonders ge¬
fürchtet werden müsste, dass sie irgend welchen die Universität schädi¬
genden Missbrauch mit der Freiheit in der Ankündigung klinischer De¬
monstrationen treiben könnten. Es ist aber offenbar, dass hierdurch die
Berliner Privatdocenten gegenüber den Docenten anderer Universitäten,
an welchen ähnliche Beschränkungen nicht bestehen, in ihrer Stellung
und in ihren Rechten eine Herabsetzung erfahren, die sie empfind¬
lich berühren muss.
ad 3. Der ergebenst Unterzeichnete Verein ist endlich der Meinung,
dass aus der Aufhebung des Rescripts vom 24. Novbr. 1853 der Uni¬
versität keine Nachtheile, sondern nur Vortheile erwachsen werden.
Es erscheint nicht glaublich, dass etwa befürchtet werde, es könnte
durch die Kliniken und Polikliniken der Privat-Docenten den officiellen
Unterrichtskliniken Unterrichtsmaterial entzogen werden. Eine solche
Befürchtung würde offenbar gerade für die grösste und bevölkertste
Stadt Deutschlands mit ihrem enormen Krankenmaterial am allerwenigsten
zutreffend sein. Auch ergiebt sich ihre Grundlosigkeit aus den factischen
Verhältnissen, da mehrere solcher Privatinstitute seit Jahren bestehen.
Mussten die Docenten auf die Benutzung des Krankenmaterials bei ihren
Vorlesungen verzichten, so waren doch viele von ihnen genöthigt., wenn
sie nicht alle wissenschaftliche Thätigkeit auf practischera Gebiete auf¬
geben wollten, sich private klinische oder poliklinische Institute einzu¬
richten. Dass hierdurch die officiellen Anstalten benachtheiligt worden
sind, ist bisher nicht behauptet worden, und dürfte durch Zahlenbeläge
auch wohl nicht erwiesen werden können.
Ebenso wenig wäre anzunehmen, dass die entgegengesetzte Befürch¬
tung gehegt wird, es werde in den betr. Privat-Instituten den Studirenden
zu deren Nachtheil kein genügendes Krankenmaterial geboten werden.
Es ist Thatsache, dass der grösste Theil der gegenwärtig bestehenden
Privat-Institute von Kranken zahlreich frequentirt wird, wie dies durch
statistische Angaben würde belegt werden können. Ueberdies darf die
Facultät, welche ja die Verantwortlichkeit für die von den Privatdocenten
angekündigten theoretischen Vorlesungen übernimmt, der Gewissenhaftig¬
keit der Privatdocenten wohl so weit vertrauen, dass dieselben keine
Kliniken oder Polikliniken ankündigen werden, für welche sie kein Ma¬
terial haben. Ein Docent, der dies thäte, würde ja auch in den Augen
der Fachgenossen und der Studirenden nur sich selber schaden.
Sollte weiterhin gefürchtet werden, dass die Studirenden eine Berück¬
sichtigung der Testate der Privatdocenten über klinische Uebungen bei
der Zulassung zu den medicinischen Prüfungen verlangen könnten, so
•sei dem gegenüber bemerkt, dass es nicht die Absicht des Vereins ist,
durch die vorliegende Petition die Aufhebung desjenigen Passus des
Rescripts vom 24. Novbr. 1853, in welchem von den Testaten die Rede
ist, herbeizuführen. Wenn endlich befürchtet werden sollte, dass die
Erlaubniss des klinischen Unterrichts in Privatinstituten Seitens einzelner
Docenten zu Ausschreitungen Anlass geben könnte, die die Würde der
Universität schädigen, so erscheint eine solche Befürchtung im Hinblick
auf §. 55 der Statuten der medicinischen Facultät hinfällig, nach wel¬
chem der Facultät bei „gröberen Verstössen“ der Privat-Docenten die
weitestgehenden Befugnisse zustehen.
Dahingegen ist es, wie zum Schluss auszusprechen übrig bleibt, die
Ueberzeugung und Zuversicht des Vereines, dass die Wiedergewährung
der altherkömmlichen Freiheit der Berliner Privat-Docenten in der An¬
kündigung klinischer und poliklinischer Demonstrationen der Universität
direct zum Vortheile gereichen werde. In den kleineren Kliniken oder
Polikliniken der Privatdocenten, die ja in der Regel nur eine relativ
geringe Anzahl von Zuhörern finden werden, können letztere durch die
bequemere Gelegenheit zur Beobachtung besser als bisher für den Be¬
such der grösseren Universitätskliniken vorbereitet werden, und es würde
somit nicht nur die Schmälerung der Lehrmittel der Berliner Universität
beseitigt, sondern auch der propädeutische Unterricht, in welchem er-
fahrungsgemäss ein Hauptanziehungsmittel der kleineren Universitäten
liegt, gefördert werden.
Der ergebenst Unterzeichnete Verein giebt sich Aach diesen Aus¬
einandersetzungen der Hoffnung hin, dass Ew. Spectabilität und die
Herren Professoren seine Bitte erfüllen werden, damit einem Zustande
ein Ende gesetzt werde, der den Docenten die Freude an ihren Unter¬
richtsbestrebungen und den Studirenden den Nutzen derselben verkümmert,
einem Zustande, der seit Anbeginn als eine harte, bedrückende, die
Lehrfreiheit schmälernde und die Universität schädigende Massregel von
allen betheiligten Docenten schwer empfunden worden ist, und der, je
länger er aufrecht erhalten wird, in um so grösseren Widerspruch mit
der Zeitrichtung wird treten müssen.
Berlin, den 30. Juni 1877.
Der Docentenverein der medicinischen Facultät zu Berlin.
Vorsitzender: stellvertr. Vorsitzender: Schriftführer:
Dr. S. Kristeller. Dr. B. Fränkel. Dr. J. Wolff.
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. Am 19. März starb der Kgl. Regierungs- und Geh. Medi-
cinalrath Dr. Carl Wilhelm Ludwig Schaper in Aachen. Derselbe
wurde am 7. September 1801 in der Nähe von Halberstadt geboren,
promovirte 1825 in Berlin und liess sich 1826 in Elbing als Arzt nieder,
wo er 1832 zum Physicus ernannt wurde. 1845 wurde er als Regierungs¬
und Medicinal-Rath nach Danzig berufen, 1859 in gleicher Eigenschaft
nach Coblenz, 1868 nach Aachen versetzt. Bei seinem im November
1875 gefeierten 50jährigen Doctorjubiläum zeigte sich die hohe Aner¬
kennung, Theilnahme und Liebe, welche er in weiten Kreisen genoss.
Diese wird auch über das Grab hinaus seinem Andenken gesichert
bleiben!
— An die Stelle des verstorbenen Prof. Hoffmann ist der bis¬
herige ausserordentliche Prof. Dr. J. Kollmann in München ab Prof,
ord. für Anatomie, Histologie und Embryologie nach Basel berufen
worden. — Zur Besetzung des durch Kollmann’s Berufung erledigten
Lehrstuhls für Histologie in München sollen, wie wir hören, die Herren
Prof. Dr. Räuber in Leipzig und Dr. Ludwig Loewe in Berlin in Vor¬
schlag gebracht sein; indess soll wegen Erkrankung des Directors des
Münchener anatomischen Instituts, Herrn Prof. Bischoff, als dessen Assi¬
stent Prof. Kollmann bisher fungirte, vorläufig für den nächsten Sommer
noch keine Berufung in Aussicht stehen. — Der Privatdocent Herr Dr.
Ranke in Halle, Assistent von Richard Volkmann, den Lesern dieser
Wochenschrift durch zahlreiche Arbeiten wohl bekannt, hat einen Ruf
als Professor der Chirurgie nach Groningen erhalten.
— In der letzten Sitzung des Central-Ausschusses der ärzt¬
lichen Bezirksvereine zu Berlin wurden als massgebend für die¬
jenigen Vereine, welche dem C.-A. beigetreten sind und noch beitreten
werden, folgende normativen Bestimmungen aufgestellt: 1. Zu den
Zwecken eines ärztlichen Bezirksvereins gehört obligatorisch die Pflege
der Collegialität, sowie der Standesinteressen. 2. Die Aufnahme in
einen Verein erfolgt nach vorgängiger Beschlussfassung des Vereins über
jeden Candidaten. 3. Ein Arzt kann Mitglied mehrerer Bezirksvereine
sein, jedoch ist derselbe nur in einem Vereine nach eigener Wahl stimm¬
berechtigt und ist von den anderen Vereinen als nicht stimmberechtigtes
ausserordentliches Mitglied in den Listen zu führen. 4. An der Spitze
jedes Bezirksvereines muss ein Vorstand stehen, der aus mindestens drei
Mitgliedern besteht. 5. Jeder Bezirksverein ist verpflichtet, einen Ehren¬
rath einzusetzen. 6. Statuten und Mitglieder-Verzeichniss sowie Aen-
derungen derselben und die Namen der ausgeschlossenen Mitglieder sind
dem Central-Ausschuss sofort anzuzeigen. 7. Der Vorstand eines Bezirks¬
vereins ist für das Kalendeijahr zu wählen. 8. Jeder Bezirksverein ist
verpflichtet, dem Deutschen Aerzte-Vereinsbund beizutreten.
— Die Veröffentlichungen des Gesundheitsamtes Nr. 13 bringen
folgende Nachrichten über die Krankheiten im Ausland: Die Pocken¬
epidemie in London nimmt langsam ab. Die Zahl der Todesfälle an
Pocken sank in der Berichtswoche auf 42 (von 53 der vorangegangenen
Woche); der Bestand an Blatternkranken in den Hospitälern betrug 693,
der Zugang an Neuerkrankten 128. Auch in Wien, Petersburg, Barcelona
war die Zahl der Pockentodesfälle geringer, in Warschau, Odessa grösser
als in der Vorwoche. Die Typhusepidemie in Petersburg und in
den anderen grösseren russischen Städten zeigt eine geringe Reduction
der Todesfälle, auch in Bukarest und Krakau ist die Zahl derselben
etwas kleiner, in Wien etwas grösser geworden. Entzündliche Affectionen
der Athmungsorgane und Keuchhusten forderten namentlich in London
viel Opfer. Darmkatarrhe der Kinder verliefen in Petersburg, Warschau,
Wien und Pest noch häufig tödtlich. — Aus Petersburg wird 1 Todes¬
fall an Cholera gemeldet. Der Gesundheitszustand in Hedjas und bei
den heimkehrenden Pilgern ist den aus Damascus, Bagdad und Djedda
einlaufenden Telegrammen gemäss, ein befriedigender.
Aus den Berichten der drei Inspectoren der türkischen Hauptstadt
und des Bosporus geht hervor, dass die Blattern unter den Emigranten
theils ganz aufgehört (europäische Seite des Bosporus), theils in bedeu¬
tender Abnahme begriffen sind, trotz ungenügender Evacuation aus den
Krankheitsherden und trotz des Misserfolgs der Impfungen. Erklärt wird
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
202
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
dieses günstige Ergebniss aus dem Umstande, dass die für eine Pocken-
epidemie günstigen Monate (December bis Februar) verflossen seien. In
zweiter Linie muss berücksichtigt werden, dass die Mehrzahl der Emi-
grirten geimpft ist und dass die Hauptträger der Pockenverbreitung, die
Tscherkessen und Zigeuner, bei Zeiten aus der Hauptstadt entfernt wor¬
den sind.
Die Sterblichkeit unter den Flüchtlingen von Stambul ist 0,76 pro
mille, am Bosporus nicht ganz 1 pro mille wöchentlich. Von den Ge¬
storbenen sind 60% Kinder, unter den übrigen 40% vorwiegend Greise
und Frauen. Die Ursachen der Sterblichkeit sind Diarrhöen, Brust¬
erkrankungen und Marasmus. Die Kranken in den Hospitälern tragen
mehr oder weniger ein typhöses Gepräge.
Die Erkrankungen am Ileotyphus nehmen an der europäischen
Seite des Bosporus zu; in den meisten Theilen von Stambul selbst wird
eine Abnahme constatirt. Dagegen beginnt in dem ersten Kreise (Sultan
Bajazid) das Fleckfieber epidemisch zu herrschen, als dessen Haupt¬
herde die Moscheen bezeichnet werden.
Einer amtlichen Mittheilung vom 11. März 1878 zu Folge ist in
der Umgegend von Konstantinopel der Rindertyphus (Typhus bovin)
zum Ausbruch gekommen. Aus Bukarest wird vom 18. März gemeldet,
dass die Rinderpest in der Abnahme begriffen ist, dass dagegen eine
seit 2 Wochen daselbst herrschende Influenza-Seuche viele Pferde tödtet.
Wie der Kaiserliche Botschafter in Konstantinopel auf Grund einer
amtlichen Mittheilung hierher berichtet hat, ist seitens der dortigen
Regierung in Folge einer in Villajet Adana ausgebrochenen Viehseuche
die Ausfuhr zu Wasser und zu Lande von Thieren aus jener Provinz
auf die Dauer eines Jahres verboten worden.
— In der Woche vom 10. bis 16. März sind in Berlin 502 Personen
gestorben. Todesursachen: Masern 8, Scharlach 9, Rothlauf 2,
Diphtherie 20, Eitervergiftung 2, Febris puerperalis 1, Typhus abdom. 1,
Syphilis 2, Vergiftungen 1, Brandwunden 2, Sturz 1, Erschiessen 1
(Selbstmord), Operation 1. Erhängen 2 (Selbstmorde), Lebensschwäche 32,
Bildungsfehler 1, Abzehrung 22, Atrophie 7, Rachitis 2, Altersschwäche 11,
Krebs 8, Wassersucht 2, Herzfehler 13, Hirnhautentzündung 9, Gehirn¬
entzündung 15, Apoplexie 11, Tetanus und Trismus 8, Zahnkrämpfe 6,
Krämpfe 31, Kehlkopfentzündung 28, Croup 2, Pertussis 10, Bronchitis
acuta 9, chronica 12, Pneumonie 38, Pleuritis 2, Phthisis 78, Peritonitis 8,
Gebärmutterleiden 1, Eierstockskrankheit 1, Diarrhoe 6 (Kinder unter
2 J.), Brechdurchfall S (Kinder unter 2 J.), Magen- und Darmentzün¬
dung 1, Magen- und Darmkatarrh 5 (darunter 3 Kinder unter 2 J.),
Nephritis 3, andere Ursachen 54, unbekannt 1.
Lebend geboren sind in dieser Woche 403 m., 430 w., darunter
ausserehelich 56 m., 60 w.; todtgeboren 21 m., 13 w., darunter ausser-
ehelich 5 m., 5 w.
Die durchschnittliche Sterblichkeit dieser Woche beläuft sich
auf 25,6 pro Mille der wahrscheinlichen Bevölkerungszahl, die entspre¬
chende Geburtenziffer auf 42,5 pro Mille (beide Summen mit Ausschluss
von 1,7 pro Mille Todtgebornen).
Witterung: Thermometerstand: 1,30R. Abweichung—0,82 R.
Barometerstand: 28 Zoll 0,49 Linien. Dunstspan nung: 1,81 Linien.
Relative Feuchtigkeit: 80 pCt. Himmelsbedeckung: 8,4. Höhe
der Niederschläge in Summa: 9,50 Pariser Linien.
Vom 17. bis 23. März sind in Berlin angemcldet: Typhus-Er¬
krankungen 8 (5 m., 3 w.), Todesfälle 4.
IX» Amtliche Mittheilangen.
Personal! a.
Auszeichnungen: Seine Majestät der König haben Allergnädigst ge¬
ruht, dem Ober-Stabsarzt 1. Klasse und Iiegimentsarzt Dr. Li pp eit
beim Herzoglich Braunschweigischen Husaren-Regimcnt No. 17, dem
Stabsarzt Dr. von Scheven und dem Stabsarzt Dr. Gross heim,
beide vom med. chirurgischen Friedrich-Wilhelms-Institut und comman-
dirt zur Militär-Medicinal-Abtheilung des Kriegs-Ministeriums, ferner
dem Stabs- und Bataillonsarzt Dr. Vahl beim Garde-Pionicr-Bataillon,
dem Stabs- und Bataillonsarzt Dr. Stricker beim Kaiser Alexander-
Garde-Grenadier-Regiracnt No. 1 und dem Stabsarzt Dr. Bruberger
vom medicinisch-chirurgischeu Friedrich-Wilhelms-Institut den Rothen
Adler-Orden 4. Klasse; dem Generalarzt 2. Klasse und Corpsarzt des
9. Armee-Corps Dr. Cammerer den Königlichen Kronen-Orden 2. Klasse
mit Schwertern am Ringe: dem Ober-Stabsarzt 2. Klasse und Regiraents-
arzt Dr. Bussenius beim Infanterie-Regiment No. 72, dein Ober-
Stabsarzt 2. Klasse und Garnisonarzt Dr. Giihde zu Magdeburg, dem
Ober-Stabsirzt 2. Klasse und Regimentsarzt Dr. Hahn beim Kaiser
Alexander-Garde-Grenadier-Regiment No. 1 und dem Ober-Stabsarzt
2. Klasse und Regimentsarzt Dr. Peipet beim Kürassier-Regiment
No. 3 den Königlichen Kronen-Orden 3. Klasse; dem Kreis-Physikus
des Ober-Taunuskreises Dr. med. Rosenkranz zu Usingen und dem
practischen Arzt etc. Dr. med. Neufeld in Kordon den Character
als Sanitätsrath, sowie dein Apotheker Wilhelm Nage 11 zu Cassel
das Prädicat eines Königlichen Hof-Apothekers zu verleihen.
Anstellungen: Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht,
dem Geheimen-Sanitätsrath Dr. med. Georg Friedrich Heinrich Abegg,
dem Sanitälsrath Dr. med. A rnd Wiebe und dem Sanitätsrath Dr.
med. Carl August von Bockei mann, säinmtlich zu Danzig, zu
Medicinalräthen und Mitgliedern des Medicinal-Collegiums der Provinz
Westpreussen zu ernennen. Der practisehc Arzt etc. Dr. Carl Starck
Noj4
zu Danzig ist zum chirurgischen, der Apotheker Carl Friedrich Hende-
werk zu Danzig zum pharmaceutischen und der Departements-Thier¬
arzt Carl Anton Hertel zum Veterinär-Assessor bei dem Mcdieinal-
. CoUegium der Provinz Westpreussen; der practische Arzt etc. Dr
Noeidecken mit Belassung seines Wohnsitzes in Lichtenburg zum
Kreis-Wundarzt des Kreises Torgau und der practische Arzt etc. Dr
Zernial in Neuhaldensleben zum Kreiswundarzt des Kreises Neu¬
haldensleben ernannt worden. Der in den Kreis Oppeln versetzte
Kreis-Wundarzt Dr. med. Hannstein in Lehnin ist auf seinen Antrag
in den Kreis Zauch-Belzig zurückversetzt.
Niederlassungen: Dr. Wieczorek in Bauerwitz, Dr. Bertling in
Solingen, Dr. Ispert in Schlebusch, Assistenzarzt Dr. D ah mann in
St. Johann (Saarbrücken).
Verzogen sind: Dr. Dummen von Jüchen nach Rheydt, Arzt
Heyl von Thalfang uach Werneuchen, Dr. Jodocus Möller von
Hermeskeil nach Losheim.
Apotheken - Angelegenheiten: Der Apotheker Hoene hat die
Lagemann’sche Apotheke in Alt-Landsberg, der Apotheker Mirisch
die Scholz’sche Apotheke in Branitz, der Apotheker Brabaender
die Himmelbach’sche Apotheke in Elberfeld und der Apotheker
Mathiae die Stock’sche Apotheke in Berncastel gekauft. Dem Apo¬
theker Brünn er ist die Verwaltung der Woltersd orfsehen Apo¬
theke in Tamowitz, dem Apotheker Gr o eg er die Verwaltung der
Ferche’schen Apotheke üi Sohrau und dem Apotheker Eichen die
Verwaltung der Filial-Apotheke in Sonnborn übertragen worden.
Todesfälle: Dr. Paul Schneider in Berlin, Dr. Herrn. Lange in
Buckau, Generalarzt a. D. Dr. Hammer in Erfurt, Dr. van Münster
in Emmerich, Arzt Fischer in Cronenberg, Dr. Hilgers in Speicher,
Sanitätsrath Dr. Proske in Bauerwitz, Apotheker Woltersdorf in
Tamowitz, Apotheker Ferche in Sohrau, Apotheker Stock in Bern-
castel.
Bekanntmachungen*
Die Kreiswundarztstelle des Kreises Otteradorff ist anderweit zu be¬
setzen. Aerzte, welche das Physikatsexamen bestanden haben oder sich
verpflichten, dasselbe binnen 2 Jahren zu absolviren, werden aufgefordert,
sich unter Einreichung ihrer Zeugnisse innerhalb 4 Wochen bei uns zu
melden. Die nach Ablauf dieser Frist etwa noch eingehenden Bewer¬
bungen bleiben unberücksichtigt. Dass der Kreiswundarzt sich am Sitze
des Kreisphysikus niederlässt, ist zwar wünschenswert, jedoch können
auch Bewerber, welche an einem anderen Orte des Kreises wohnen, Be¬
rücksichtigung finden.
Stade, den 26. März 1878.
Königliche Lauddroslei.
Die Kreiswundarztstelle des Kreises Marieivwerder ist noch nicht
besetzt. Qualificirte Medicinalpersonen fordern wir auf, sich mit Ein¬
reichung ihrer Zeugnisse innerhalb 6 Wochen um die Stelle bei uns zu
bewerben.
Marienwerder, den 27. März 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Die Kreiswundarztstelle des Kreises Buk mit einem jährlichen Ge¬
halt von 600 Mark ist. erledigt. Qualificirte Bewerber wollen sich unter
Einreichung ihrer Zeugnisse und ihres Lebenslaufs innerhalb 6 Wochen
bei uns melden.
Posen, den 27. März 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Inserate.
Die Stelle des zweiten Arztes der Schics. Prov.-Irren-Heil-
Anstalt in Leubus mit 3000 M. Gehalt, Farailienwohnung und Emolu¬
menten ist vacant.
Ein Arzt wird gesucht
für das Städtchen Gemünd (Reg.-Bezirk Aachen). Das Fixum des bis¬
herigen Arztes betrug 984 Mark, ausserdem bezog derselbe als inter-
mistischer Kreis-Wundarzt 600 M. Meldungen sind zu richten an den
Bürgermeister Kleinen in Gemünd oder an den Kreisphysikus Dr.
We Honst ein in Urft.
Für junge Aerzte!
Die Assistenzarztstelle an einem Diaconissen-Krankenhause einer
norddeutschen mittelgrossen Stadt wird demnächst offen. Zahl der
Betten ca. 100; Bed. 600 Rmk. und freie Station. Näheres durch die
Expedition dieser Zeitung sub N. R. 14. __
Einern tüchtigen fleissigen jungen Arzte wird eine lohnende Praxis
nachgewiesen. Deutsches Städtchen von 2000 Einw., Prov. Posen. Off.
St. B. 13 dur ch d, Exped. d. Bl. _______
Einem tüchtigen und thätigen Arzt weisen wir eine sehr gute Land-
praxis nach (9 —10000 Seelen, Eisenbahn-Stat., Reg.-Bez. Cassel) und
befördern gef. Anfragen mit Angabe des seitherigen Wirkungskreises.
Peter Buhl & Sohn, Cartonnage-Fabrik in Cassel.
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Gck igle
Original fro-m
UNIVERSETY OF MICHIGAN
8. April 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
203
In einer dymnMialstadt führe ich einen Collegen in meine
Praxis ein (2 bis 3000 Thaler jährliche Einnahme, noch vergrösserungs-
fahig) gegen eine Vergütigung von 1000 Thalem. Bis spätestens 8. April.
Gef. Offerten sub P. P. 21 durch d. Exp cd. dieser Zeitung. _
Ein erfahrener practischer Arzt, Wundarzt, Geburtshelfer, Operateur
und Augenarzt (früherer Assistenzarzt des Geh. Rath Prof, von Graefe
und anderer berühmter Kliniker) sucht baldigst eine lohnende Praxis
in einer kleineren, mittleren oder grösseren Stadt. Offerten gef. sub
U. X. 20 durch die Exp. _
Ein junger Arzt, der am 14. Mai er. seine Militärdienstpflicht be¬
endet, sucht Anfaug Juni oder Juli eine Stelle als Assistenzarzt an einer
Klinik oder grösseren klinischen Anstalt. Gefl. Offerten werden erbeten
sub B. M. 24 durch die Exped. dieses Blattes._
Ein junger Arzt wünscht die gute Praxis eines Collegen in einer
Stadt gegen entsprechende Vergütung zu übernehmen. Off. sub T. Z.
470 an Haasenstci n <fe Vogler, Magdeburg, zu übermitteln. _
Pr. Corpract. Arzt in Lugano. ___
Den Herren Collegen bringe ich mit der ergebensten Anzeige, dass
ich mich seit vorigem Jahre als Badearzt in Salzungen niedergelassen
habe, dieses ausgezeichnete Soolbad in empfehlende Erinnerung.
Or. Weniroth,
Oberstabsarzt a. D.
Bad Nenndorf
an der Eisenbahnstation Nenndorf der Hannover-Altenbekener Bahn,
resp. in der Nähe der Station Haste der Hannoverschen Staatsbahn,
eröffnet seine Schwefel-, Soof-, Schwefel-Schlamm- und Gasbäder, sowie
seine Zlegen-Molken-Aasfalt am 15. Hai.
Die Krankheitsforraen, bei denen der Heilapparat Nenndorfs sich
besonders bewährt hat, sind: Gicht, RheHmatlamaa, ehre«. Hantkraakheltea,
ehrte. Katarrhe und gewisse speciflscbe Langeukrankheite« (Laet), Matal I-
nrgiftvngen, Uoterlelbsstockangea und Nimorrboidea, Scropheln etc., sowie
die Folgekrankheiten dieser Leiden.
Die Herren Brunnenärzte — Ober-Medicinalrath Dr. Grandidier,
Sanitätsrath Dr. Neussei und Stabsarzt Dr. Ewe — sowie der pract.
Arzt Dr. Varenhörst geben in ärztlicher und die Badeverwaltung in
sonstiger Beziehung Auskunft. Post und Telegraphenstation ist vorhanden.
Bad Nenndorf, am 1. April 1878.
Königl. Preussisehc Brunnen-Direction.
Bad Assmannshausen am Rhein
am Fusse des Niederwaldes.
Eisenbahn- and Telegraphen-Station. — Damptschiffverblndung.
Lltliftiimreicliste alkalische Therme,
besonders zu empfehlen gegen Gicht und rheumatische Affectionen,
Ischias, Catarrhc der Harnorgane mit Gries- und Steinbil¬
dung, Hyperacmieen und Anschwellungen der Leber mit Gallen¬
stauungen, Gallensteine, chronische Catarrhe der Digestions- und
Respirationsorgane und Hautkrankheiten.
Kurhauseröflhirog den 1. Mai.
Trink- und Badekur, Douche, Knetkur, Electricität, Inhalation
verdünnter und verdichteter Luft, diätetische Küche.
Dirigirender Arzt: Herr Dr. med. N. Mahr.
Generalversand des Assmannsh&user Wassers:
Klmaln 1 Co. In Frankfurt a. M.
Gegen die Leiden der Harnorgane.
Station n i htu l Saison
Wabern Bjiü WlHlUIl £CI1
bei Cassel. bis 10. October.
Gegen Stein-, Gries-, Nieren- und Blasenleiden. Bleich¬
sucht, Blutarmuth etc. sind seit Jahrhunderten als specifische Mittel
bekannt: Georg-Victor-Que 1 lc und Helenen-Quelle.
Bäder vom 15. Mai. Bestellungen von Mineralwasser oder von
Wohnungen, Anfragen etc. sind zu richten an die
Inspection der Wildunger Mineralquellen-Actiengesellschaft.
Cur- u. Wasser-Heilanstalt Dietenmühle
in den Kuranlagen von Xlin DQ 'UQi1 DT , Geschützte Lage.
Gleichmässiges Klima. VYlGSDaUcIli Comfortable Einrichtung.
Witter-, Bade- mi Dlät-Curen. Römische Dampf-, Fichtennadel- und
alle Arten künstlicher Mineralbäder. Heilgymnastik, Massage, Elactrotberapla,
eamprimirte Luftbäder (Glocken). Physiologisches Neilverfabreu. Car das
gaaze Jahr. Arzt im Hause.
_Director: Dr. med. A. Zlukeisea, practicirender Arzt._
internen Kurhaus St. Beatenberg. U5 ° b M M ter
Eröffnung der Sommersaison den 1. fflai. Mittlere Temperatur im
Mai (Beobachtungszeit 4 Jahre): Morg. 7 Uhr 10,34°, Mittags 1 Uhr
15,24°, Ah. 9 Uhr 9,76°.
Brochuren und Prospecte gratis zu beziehen vom
Besitzer und Curarzt
Dr. med. Alb. DMAIIer.
Kiefernadelbad und Wasserheilanstalt Carlaruhe
bei Oppeln 0. S.
Eröffnung den 15. Mai.
Curarzt Dr. Gräber.
Schönau,
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bei Teplitz in Böhmen.
5 Minuten von der Station Teplitz der Aussig-Teplitzer
Eisenbahn entfernt.
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dffereate Quallen von 22 bis 38 6rad R , vorzfiglich anzuwandaa bei
Gicht, Rheumatismus, Lähmungen, Gelenks- u. Knochenkrankheiten, Wunde«,
Folgekrankheiten nach schweren Verletzungen, Hautkrankheiten, bei ge¬
steigerter Sensibilität und Hyperaesthesie.
Vorzüglich gut eingerichtete Badeanatalttn, Ptrztllanbecke«, Doucke-
und Moorbäder, höchst angenehme, einem Carorte vollkommen eat-
sprechende Lage, prachtvolle romantische Umgebung, ausgedehnte
Promenaden und Parkanlage«, Trinkhalle mit in- und ausländischen
Mlaeralwässera.
Während der Saison werden Militalrconcarta abgehalten.
Comtortable eingerichtete Logirhäasor.
Eröffnung am 1. Mai.
Ueber anher gerichtete Anfragen ertheilt Auskunft
der Bürgermeister von Schönau.
(Nachdruck wird nicht honorirt.)
Meine W asser - Heilanstalt (vorm. Marti ny)
in Seid. Liebenstem ist eröffnet; billige Preise.
(in Thüringen)_Dr. M. Menge.
Alexandersbad
Bayern im Fichtelgebirge, nahe bei Eger-
Franzensbad. Wasserheilanstalt u. Curort
für Nervenkranke. Bahnstation Wunsiedel. Saison vom 15. Mai bis
October. Dr. med. E. Cordes.
Bad Alt-Haide
in der Grafschaft Glatz. Eisenbahnstation Glatz.
Klimatischer Curort in lieblichster Gebirgsgegend. Brunnen- (stark
alkalienhaltiger Eisensäuerling), Milch- und Molkencur. Stahl-,
Moor und Douchebädor. lndicationen: Anaemie, Chlorose, Hysterie,
Gicht, Rheumatismus, Catarrhe der Respirationsorgane, Menstruatious-
anomalien, allgemeine Schwächezustände etc. — Brunnen versandt
(stets in frischer Füllung) in Flaschen ä 30 Pf. Anmeldungen heim
Badearzte Dr. Seidelmann oder beim Badebesitzer W. Ho ff mann.
Kad Neuenahr.
Alkalische Thermen, sehr reich an Kohlensäure. Specificum bei
chronischen Catarrhen des Magens, Darmes und der Respirationsorgane,
bei Blasenleiden, Gries, Stein, Diabetes in., Gicht, Rheumatismus und
Uterusleiden. Wird selbst bei Monate langem Trinken vortrefflich ver¬
tragen. — Nur das Curhötel (Hotelier Herr Peters) mit zeitgemässen
Tarifpreisen, Post- und Telcgraphen-Bureau steht mit den Bädern in
directer Verbindung. Näheres durch den angestellten Badearzt Herrn
Dr. E. Mfinzel und durch den Director Herrn A. Lenne.
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bad, Neuenburgerstr. 15 und Kalserwllhelmgbad, Lützowstr. 90.
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gegen habituelle Stuhlverhaltung und alle daraus resultiren-
den Krankheiten ohne Irgaad welche Ihle Rachwlrkuag, auch bei längerem
Gebrauche, auf das Wärmste empfohlen.
Durch seinen reichen Gehalt von Chlornatriaai, Natron bicarbonicuui
und Natron curboulcuui verdient es den Vorzug vor allen andern Bitter¬
wassern des In- und Auslandes.
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Besitzer der 6 vereinigten Ofner Kinigs-Bitter-Quellen.
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Gen igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
204
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 14
Yerlag von August Hirschwald in Berlin.
Soeben erschienen:
Claude Bemard’s Vorlesungen
über den Diabetes
•and die thierische Zackerbildang.
Deutsch herausgegeben und ergänzt
von
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Sprudelsalzcs besorgt die
Carlsbader Mineralwasser-Versendung
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Niederlagen und Depots bei allen Mineralwasser-Handlungen,
Apotheken und Droguisten.
Uebersceische Depots in den grösseren Städten aller Welttheile.
Herzlichen Dank den Herren Aerzten.
Als vor Kurzem Seitens ausländischer Verkäufer sogenannter Bitter¬
wässer die Grundlagen verändert wurden, auf denen der Handel mit
natürlichen Mineralwässern bisher beruht hatte, entstand für uns unter
Anderem namentlich die Frage, ob wir diesen Händlern auf die ab¬
schüssige Bahn reclamhafter Anpreisungen folgen oder den von uns inne
gehabten soliden Weg weiter wandeln sollten. Wir zopen das Letztere
vor in der Erwägung, dass der Consum eines Mineralwassers in letzter
Instanz von dem sachverständigen und durch Reclame
nicht zu beeinflussenden Urtheil der Aerzte ab¬
hängig ist.
Unser Vertrauen auf dieses Urtheil hat uns nicht getäuscht! Nicht
nur. dass von im hächsten Grade com petenten Autori¬
täten die Unterschiede in der Zusammensetzung und Wirkung der
verschiedenen Bitterwässer und die Vorzüge des Friedrichshaller
ohne unser Zuthun gewürdigt worden, hat sich der Consum auch im
abgelaufenen Jahre nicht nur nicht verringert, sondern im Gegentheil
wesentlich gehoben.
Wir eonstatiren, dass sich die Wissenschaft durch Reclame nicht
vom rechten Wege abbringen lässt, und nehmen Veranlassung, den
Herren Aerzten hierdurch unseren besten Dank für das unver¬
änderte Vertrauen zu unserer Heilquelle auszusprechen.
Die Brunnendireotion Friedriohstiall.
C. Oppel & Co.
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Herren Aerzten Engros-Preise. Zu haben in den meisten Apo¬
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sanitärer Einrichtung u. bisher unübertroffener Genesungsstatistik seit
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Füllungen ihrer Quellen versehen, expedirt dieselben, sowie alle
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gebrautes
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Dasselbe ist von verschiedenen medicinischen Autoritäten geprüft
und anerkannt worden und eignet sich seines reichhaltigen Malzextractes
und Phosphorsaure-, sowie des geringen Alcoholgchaltes wegen, haupt¬
sächlich für Reconvalescenten, Wöchnerinnen, stillende Mütter u. dgl. m.
Nach der letzten Untersuchung des pharmaceutischen Kreisvereins
Leipzig, vom 3. December 1877, hat das Bier folgende Zusammensetzung
in 100 Gewichtstheilen ergeben:
5,25 Th. Malzextract einschliesslich 0,088 Tb. Phosphorsäure
3,07 Th. Alcohol
91,68 Th. Wasser und Kohlensäure
Sa. 100,00 Th.
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Hectolitern, ä Liter 19 Pfennige, ab dort unter Nachnahme oder Ein¬
sendung des Betrages.
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zurückgenommen.
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in
5
H
Organ für praetisclie Aerzte.
Mit BerÜck'üichtigiing der pretissischen MedieiualVerwaltung und Medicinalgesetzgebung
nach amtlichen Mittheflongen.
Verlag von August Hirsdiwald in Borlm.
Redacteur: Prot ilr. L. Watiksbi:
Montag, den 15 . April 1878 .
m io.
Fünfzehnter Jahrgang,
l ri ’< 4 i i: J. >tr. t hnagti; Feber I/dteuz ton • Kitiiihirm-Tkrankuugeri-und -ö.bfir- i.rreh«dbm j Auwe. \\ MAr i i n:Zur tyruu-, —
.UL Bfökiag: Semen Cucurbitae Als Mittel i-vn d«-n A.Ugdwhflb -- IV. iE*» Todr-srali iii Pnjy v;ty BäißnrrkyAe.
fV-uoreas ~ ^ ur Behandlung ihr Migräne— Zur B^ftaurilunj; der lnirrti%* t.w RnuDsftBvf' —Emjache UolrurNv) scluyjie ÜoihUrg
‘hueb flrjrotinge'biaueh — Zur B^haudlamr drs runden Ase-rhwur'd. V Yerl^uü laugen Av/piöHer CvsH Uv hätten liiwin.cr uu4«-
eittbeLe Gesellschaft — AU^emeiner Verein di CfHji). — VL P-aiiJUtctj (Anfliehe Sitzung flvs < Vit:
de» ri{4tljchen ßeztvkstxrfeiue zu Berlin am ft Apjil 1$?'$ — Notizen X — Vif« AfiXUiche MUt heil Urig »dt-
I. Ober Latenz von Kleinhirnerkranknngen and ober ;
terebellarc Ata\ie.
Pr. II. Hothnagel, Professor in Jena 1
I>?e ib den nachfolgenden • Zeilen. eilten ;
frilgerupgen basirtfö*. ausser auf mehreren eigenen BenbachtuPgrn.
auf der Analyse von etwa 25p Iq der. Uteratut mitgetlveßten
Einzelfölleu von KfelnbiniBrkrankiuvgeii. — Blut-.. ErweieUmtg»*, !
Ah^ess-Berde* Geschwülste. Atrophie. Bei ihrer V«Mrw?-rtbnnp -
wurde eitie xn^^ftt ^einfältiger Kritik geübt. «ach Maßgabe
der dtubdsäüse. welche ich. bei früherer (Deutsches l
Archiv für klinische Mediän« .XIXi. Bei) daftgeiegt habe, he-
^ügtieh der Öencftznrig von cerebralen iJeid^rkraükiiftgen für i
das £Hudiuni der topischen X^Ägwn^iik, Ich inu.es es mir in der
vorliegenden Mittbeihmg bei der B^ipnbefechrhpkimg dieser Zeit¬
schrift versagen, die literarischen iGdvge, die Grundlagen für
meine-hier ausgesprochener» Ansichten im einzelnen Lcozi»bringen r :
es wird dies in einor s>"uier orse-bej>]eilde d m riuog^aph?sttben
Bearbeitung der ib^chefl Diagnostik dnr ÄVukraukhetAeit «aeb
$m\t werden,
Ein»? That^ar'bt' »Iriiügt >Dj» dem prfifeuden Blick aV-.liald
auf, -wenu er die lange Bctbe der Eitizelfllle vor» OerebcUc»- ;
Erkrankungen durcbruusteVt — ö>. ist die, d&s# dieselben m i
'*e}lea > eEbotgaj blViben künnen, vtergesf&it. da^s vt ährend ]
des Lebens auch hiebt eintnai der .Gedanke au ein Gebihiioideu >
•überhaupt ßtitstand, weH du-v betreffende Individuum aiiscbeineud ;
nicht* irgend wie auffällige? darIvot — und hm der. Svttioö j
findet man dann eine rvclu. vvmfäügiißbe tlerd-erkr^nkVn)^ im i
Kbdnhirn. Lterartige Beobaelifmigen verschulden es. dass ein-
zelue Autoren aicb immer wieder zu »lern Hchju'S.se verleiteji
ljesseu. Lcre.be|!tftrerkraj».kuiigeu maditen tUxM'baupt gar keine
EymidnupiTy ^Pnilcrri Alk* dabei etwa vorkomraendöri !fecbi>i- t
nringen wAren das Ergebnis einer Fundums^türung benacn-
barter füchirntbeUe. Dieser Schluss ist aber falsch.
Da die Thatsache -dys zuweilen lateuren Verlaufes der flute- \
betlarbereife, festebr< sc» isr dix unchste Aufgabe zn »rTrmtfeln. 1
uhttrr wdclnfn ^^».mdj6r^w VefhHjtnissep d,r^ ^ihtritl.
Znvf/rdrirst ldtWD die Efeobaebhrnger*. da>s die Nfalnr des j
• bestimmten Crtade hierfür
nicht in Betracht kommt. Blutherde. ; Erweichtingt;u; Absces^e,
triherkei, anderweitige GeäehWülste. Atrophie« — alle diese
VOTgängt: konmrn unter bestimmten Bedingungen ^ynipfonrierdos
’ hfestehirri.
AVdferliiri bedingt die ahsnlntc Orökse. te wrkrankten öe-
^irkf^ — -febeufälU bis zu ebirim gewissen Gmde - noch nicht
das Auftreten von &r&cheiiiungen v selbst tnnioren von dein Um¬
fange einer Wallnus^ and noch mehr küniteu ivnter IJm^täüdfeR
latent bleib an-
tfeheiüt Vieh nn« aus der (Jnsajsmtnteog^ dir Bis-
pbachtuiigeo tu ergnbrni, dass vor allein der Sit«, des FJtfTd.es
massgtfb'ftnd^^ ist: für das Auftreten oder Fc;blen klinischer. Er-,
Schelbnngnw? nur wtfnn die Erkrankung in einer Heäii-
s*p h ür e | r*.r- h I i si rt ist. k ß n n sie s y m p t o m e d ln ß v e t -
lau'feö.
Weitere ßedingUDg ist. dasü» diese: Herde bzw, Erkraa-
kitnge« ihrer'Xatur nach nicht im Afande sind, in irgend web:her
W durch Prank bder sowst wie, auf ihre Umgehung, sei ea
den Wurm. *eien ee. die ßrücko, v».oinngertus Alark, Vierliiigel,
cMizuwirkeu. So handelt es sich in einigen Fällen laienter Er-
krankU»g um eine ang-eUorer>tf : Atrophie ; in. anderen ntu <iu
(Moodi, in wiedev ?i>ulnrrn um alte verkäste Tuberkel, altn
sbitioTiirre Bbü- und Ktweiehmigsiierile.
; AllerdiugA giebt. ja auseerordeutüch y.Mb) reiche Bei spiele
dafür, ds>v auch Erkrahkuugeü bi den llem^phdvtfif Syinplome
hervonufei! köhueo; die Auah^e' dieser Beispiele lehrt aber
imshTes EvachteiW ijuwidedeglich v da# hier immer der Er-
kvaükiiögsproce^s iu irgend emor Wei# aiif ben^chharte Partien
tutiwirkft Dergestalt beobachtet niairErscliVißiftigen, wenn es
^ich um frische Blutungen »»der Erw.eiohiUrge.n. Um wachsende
AbH?es*e oder raumbeschrUnkende • O.A*chwfikt.e : ' haüd.rft.
Wir glanhOo dcimiach ab Ergebnis* der kfiuiKheß Beub-
aelilUrtgon den Satz aufstcHeTi zu kütmefi:
Der Aus fall der $ uh s tau t. eift er Kl ein h \ enhem! -
s phär.e bdin p t k eIi*erDVi. wenigfitwri:> keiue bi.v jefjzt
uns erk.Minbav n KrauklieitssymptiiifV 1 .
AD Ergebriisv eiher ckperituentelleu Uriteryuidiuugsitdbn
i?i„.r die Fiinchoneri *1 o,s lyloinhhm ( V i rc h v» w ’s Archiv, dtf. Hd )
bÄbe.b'b frnhi*r aopr^h»vg: .,,Die'^».‘T^türujig^ einer, "clb^t
Nidcr fDuni^phami des Kl»nnhirn« lieifu Hauincheu bediugt
foti»hri>i AiisfalUsymptoth.e 11 . Lieiüglich der nAherfu KjtwteD
Go gle
206
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Ne. 15
beiten erlaube ich mir auf die betreffende Arbeit zu verweisen.
Hier begnüge ich mich damit, festzustellen, dass meines Er¬
achtens Experiment und klinische Beobachtung in guter Ueber-
einstimmung sich befinden.
Kein verständiger wird daraus den Schluss ziehen, als
wollten wir die Kleinhirnhemisphären für überflüssige Gebilde
erklären. Wir haben nur gesagt, dass die Läsion einer Hemi¬
sphäre „keine bis jetzt erkennbaren“ Ausfallssymptome macht,
keine nachweislichen Störungen der Motilität oder Sensibilität
oder der Sinnesnerven bedingt. Selbstverständlich werden sie
irgend welche Functionen haben. Nur andeutungsweise, da wir
hier keine physiologische, sondern eine klinische Abhandlung
schreiben, möchten wir folgende Bemerkungen einschalten.
Mehrere Autoren, neuerdings wieder Otto in der Epikrise
zu seinem Falle von Atrophie des Cerebellum (Arch. f. Psychi¬
atrie und Nervenkrankh., Bd. IV und VI), haben die Ansicht
ausgesprochen, dass „das Kleinhirn“ in bestimmten Beziehungen
zu psychischen Functionen stehe. Man hat in dasselbe den Sitz
für „das Gedächtniss“ oder auch „das Gemüth“ verlegt; eine
Kritik dieser älteren Ansichten findet sich bereits in gewohnter
gründlicher Weise bei Longet. Otto kommt zu dem Schlüsse,
dass „das Kleinhirn ein Hemmungsapparat für das Begehruugs-
vermögen, im weiteren Sinne ein Regulator des Willens“ sei.
Wir möchten es für wahrscheinlich halten, dass die end¬
gültige Lösung der Frage nach den wirklichen Functionen der
Cerebellarhemisphären nur durch Beobachtungen am Menschen,
welcher dieselben am entwickeltsten besitzt', gefunden werden
dürfte. Unter allen pathologischen Processen aber, welche hier¬
für in Betracht kommen können, dürften Atrophien des Cere¬
bellum die geeignetsten sein, weil diese beide Hemisphären in
gleicher Weise und bedeutender Ausdehnung betreffen können,
ohne zugleich benachbarte Hirntheile in Mitleidenschaft zu ziehen.
Durchmustert man die einschlägigen Fälle dieser Art, so findet
man — neben dem Symptom der unsicheren Bewegungen, der
sog. Coordinationsstörung — in der Mehrzahl geistige Störungen
angegeben. Sehr ausführlich beschrieben und ganz eigenartig
sind dieselben bei Otto’s Kranken, der allerdings auch im
histologischen Befund von den übrigen Fällen abweicht.
Wir sind in der That, gestützt auf diese Beobachtungen
und auf das vergleichend anatomische Factum der aufsteigenden
Massenzunahme der CerebellarhemiSphären in der aufstei-
gendeu Thierreihe bis zum Menschen, ebenfalls geneigt zu
meinen, dass dieselben irgend welche Beziehungen zu den
psychischen Processen besitzen. Andererseits halten wir
jedoch den Stand unseres heutigen Wissens auch nicht annähernd
so weit vorgerückt, um nur eine Vermuthungshypothese über
das wie und worin dieses Zusammenhanges sich zu bilden. Wir
vergessen namentlich auch nicht, dass in einigen Fällen doppel¬
seitiger Hemisphärenatrophie sogar von einer normalen Intelligenz
berichtet wird. Viele sorgfältige Beobachtungen werden noch
gemacht, viel thatsächliches Material wird noch gesammelt
werden müssen, ehe wir hier einen weiteren Schritt thun können-
Aber der Versuch des ersten Schrittes scheint uns jetzt bereits
erlaubt und möglich.
Für die Diagnostik können die vorstehenden Erörterungen
dahin zusaramengefasst werden:
Herderkrankungen, welche sich in ihren Wirkun¬
gen genau auf eine Kleinhi’rnhemisphäre beschränken,
können nicht diagnosticirt werden.
Schalten wir nun die Symptomen los verlaufenden Fälle aus
so finden wir, dass die Cerebellarerkrankungen — und zwar
ist dies die Mehrzahl der Fälle — in der That eine Reihe von
Symptomen bedingen, welche den verschiedenartigsten Character
tragen und in den verschiedenen Krankengeschichten bald häu¬
figer, bald seltener erwähnt werden.
Wir werden, in Uebereinstimmung mit den neuesten Autoren
über dieses Capitel, z. B. Ferber, Carion, später nach weisen,
dass die weit überwiegende Mehrzahl der beobachteten Phäno¬
mene unwesentlich, nur indirect durch die Kleinhirnerkrankung
bedingt ist.
Unbezweifelbar wesentlich ist jedoch die sog. ce-
rebellare Coordinationsstörung und der Schwindel;
sie hängen unmittelbar von der Cerebellarläsion ab. Erstere
Erscheinung wollen wir hier einer Besprechung unterziehen.
Schwankender Gang, Coordinationsstörungen sind das einzige
Symptom, welches nicht nur bei Kleinhirnleiden überhaupt am
häufigsten erwähnt ist, sondern welches auch regelmässig
bei einfachen Ausfallserkrankungen vorkommt, sobald dieselben
bestimmte Bedingungen bezüglich der Localisation erfüllen. Wir
! verweisen in dieser Beziehung zuförderst auf die 8 Fälle von
| Atrophie, welche Combette, Duguet (2), Pierret, Clapton,
Fiedler und Bergmann, Meynert, Huppert mitgetheilt
haben, die bezüglichen anderen, anscheinend, aber auch nur
l anscheinend dagegen sprechenden Beobachtungen von Atrophie
werden wir nachher berühren; in allen jenen 8 Fällen bestand
; unsicherer, schwankender, taumelnder Gang, auch in dem zweiten
| Falle Duguet’s, wie sich zweifellos aus dem Wortlaut des Ori-
: ginalberichts ergiebt, obwohl dieser Fall zuweilen als ein „sym-
ptomenlos“ verlaufener citirt wird. Eben dasselbe Symptom,
i ganz allein bestehend, oder vor anderen Symptomen sich zeigend,
■ kehrt bei Geschwülsten verschiedenster Art, bei Abscessen,
Blut- und Erweichungsherdeu wieder. Ehe wir jedoch auf die
1 Schilderung derselben eingelien, bedürfen einige wichtige Punkte
I der Erledigung.
Schon in den vorhergehenden Zeilen ist es ausgesprochen,
j dass der unsichere Gang durchaus kein constantes, stets vor-
, handenes Phänomen bei Kleinhirnleiden ist; giebt es ja doch
viele Fälle, die ganz latent bleiben, ganz symptomenlos verlaufen.
: Da dies nach der früheren Auseinandersetzung bei Herden in
den Hemisphären zutrifft, so folgt natürlich daraus, dass das
| in Rede stehende Phänomen von der Hemisphärenerkrankung
; nicht abhängen kann. Wir glauben wieder aus der Gesammt-
! menge der vorhandenen Beobachtungen den Schluss ableiten
zu dürfen:
Coordinationsstörungen treten mir daun auf, wenn
I die Erkrankung unmittelbar oder mittelbar den Wurm,
| den Mittellappen des Kleinhirns betheiligt.
An der Hand der einzelnen Beobachtungen lässt sich dies
nachweisen. Wir greifen zur Erläuterung aus der zahlreichen
i Literatur - Casuistik die Fälle vou Childs (Boston Journal
| 1858), Ferber (Beiträge zur Symptomatologie der Klein-
1 hirntumoren. Marburg 1875, Fall I — einen ganz analogen
habe ich selbst beobachtet), von Hughlings Jackson (Brit
j med. Journ. 1871, 4. Novbr.), Hamilton (Philadelphia med.
Times 1876, 29. April), Lanzoni (Raccoglitore med. 1876, April)
heraus, ln diesen Fällen beschränkte sich die Erkrankung auf
den Wurm, oder war primär von demselben ausgegangen; als
I Symptom tritt die Coordinationsstörung in den Vordergrund.
In einem Falle Griesinger’s war der Kranke (Herter) einem
! vom Wurm ausgehenden Markschwamm erlegen, unter einem
sehr complicirten Symptomenbilde. Schon frühzeitig zeigte der-
1 selbe ein höchst auffallendes Hiu- und Herschwanken bei jedem
Versuch zu gehen. Für ausserordentlich characteristisch und
sogar direct beweisfähig erachten wir in dieser Hinsicht die
| Fälle von Atrophie, auf welche wir deshalb noch einmal etwas
eingehender zurückkommen. Von 13 derartigen Beobachtungen
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müssen 3 (Andral, Fischer, Verdelli) aus bestimmten Grün¬
den, welche wir in der berührten monographischen Bearbeitung
darlegen werden, für die Verwerthung bei Seite gelassen werden.
Von den 10 bleibenden boten 8 das fragliche Symptom dar,
2 nicht. Es ergiebt sich nun aus der Analyse, dass in jenen
8 neben der Atrophie der Hemisphären eine ebenso bedeutende
Betheiligung des Wurmes vorlag. In dem Falle Otto’s jedoch,
wo das Symptom fehlte, war nicht nur das cerebellare Rudiment
überhaupt normal organisirt, sondern es hatten (wie ich einer
liebenswürdigen brieflichen Mittheilung des Herrn Dr. Otto ent¬
nehme) „Wurm und Hemisphären nicht ganz in relativ gleichem
Masse Antheil an der Atrophie“, der erstere ist im unteren und
hinteren Abschnitt von etwa normaler Breite. Also normale
Nervenelemente in dem Organ, und der Wurm erheblich weniger
betheiligt als die Seitenlappen. Endlich in dem Falle Lalle¬
in ent’s ohne Symptome im Leben fehlte allerdings die eine
Hemisphäre, aber die andere und der Wurm sind vorhanden,
also ein analoges Verhältniss, wie beim functioneilen Ausfall
einer Hemisphäre durch Osteom u. dgl.
Es sind mir in der Literatur auch der neueren Zeit unter
den reinen, uncomplicirten, ein Urtheil ermöglichenden und ge¬
stattenden Fällen nur drei aufgefallen, in welchen der Wurm
wirklich oder anscheinend betheiligt war, und doch das Sym¬
ptom der Coordiaationsstörung gefehlt hat. Da dieselben für
unseren Standpunkt eine principielle Wichtigkeit beanspruchen,
so müssen wir sie etwas näher besprechen.
Orisp (Transactions of the pathol. Soc. of London, 1872,
Vol. XXIII., p. 26—32) berichtet über einen ihm von Paddon
mitgetheilten Fall, in welchem eine 45jähr. Frau seit einem
Jahre in 2—4 wöchentlichen Intervallen von einem sehr hef¬
tigen Kopfschmerz befallen wurde, der im ganzen jedesmal eine
halbe bis einige Stunden dauerte, zuweilen von Erbrechen und
einige Male von vorübergehendem Bewusstseinverlust begleitet
war. In den Zwischenzeiten vollständiges Wohlbefinden, nur
bekam Pat. bei heftigeren Bewegungen Unbehagen im Kopfe.
Sie starb ganz plötzlich in einem solchen Anfall. Section:
Structur des Gehirns gesund und fest, ebenso die des Kleinhirns
„except superficially on the under surface corresponding to that
portion which forms the roof and sides of the fourth ventricle,
where it was much altered in density, and was almost diffluent;
dieser ganze Theil des Kleinhirns hat ein unebenes, zernagtes
Aussehen, und ist abnorm weich und brüchig bei Berührung.“
Diese Beschreibung lässt manches zu wünschen übrig, denn
„Dach und Seitenwände des 4. Ventrikels“ sind gar zu un¬
bestimmte Bezeichnungen. Ist das ganze Dach gemeint, oder
nur der vordere bezw. hintere Abschnitt desselben? Sind etwa
gar die Tonsillen oder Flocken als „Dach“ bezeichnet? Und
wenn der Wurm wirklich selbst betheiligt war, so war dies
nur „oberflächlich“, d. h. also vielleicht nur in der grauen
Substanz, ohne Mitbetheiligung seiner mehr centralen Markmasse.
Wir können demgemäss bei der oberflächlichen Beschreibung in
dem Fehlen der Coordinationsstörungen in diesem Falle nichts
auffallendes gegen unseren oben ausgesprochenen Satz ver-
stossendes finden.
Ferner müssen wir eine merkwürdige Beobachtung von
Hughlings Jackson (Med. Times and Gaz. 1877. 1. August)
berücksichtigen, einen 34jähr. Mann betreffend, welcher im No¬
vember 1871 plötzlich von Schmerzen im linken Ohr befallen
wurde, und sich so benommen (stupid) fühlte, dass er nicht
allein aufrecht stehen konnte (that he couldnot stand up by
himself). Dann Schmerzen im Hinterkopf, Erbrechen und Ab¬
nahme des Gesichts. Die spätere Untersuchung ergab doppel¬
seitige Neuritis optica. Aus anderen Symptomen wurde die
Diagnose auf intercranielle Syphilis gestellt. Es traten dann
Besserungen und wieder Verschlimmerungen im Zustande ein;
im Octoher 1872 vorübergehendes Irrereden. Nur 14 Tage vor
dem Tode (Januar 1873) Gehstörungen. „Er ging schlecht. Es
bestand leichtes Taumeln; es war ausserordentlich leicht (ex-
ceedingly slight). Er ging mit seinen Beinen etwas sonderbar
und schwankte ab und zu etwas.“ — Section: Hydrops ventri-
culorum. An der hinteren unteren Oberfläche der linken Klein¬
hirnhemisphäre war diese und ihre Pia mit der Dura durch
eine oder zwei kleine erbsengrosse Massen verlöthet. „Die
Haupterkrankung war eine Geschwulst (offenbar syphilitisch)
von ungefähr Haselnussgrösse im hinteren und unteren Theil
des Mittellappens des Kleinhirns.“
Wie es kommen mag, dass das Symptom des Schwankens
erst so spät bemerkt wurde („was noticed“) und so unbedeu¬
tend war, vermögen wir hinterher nicht zu entscheiden. Wir
wollen nur auf folgendes hinweisen: wochenlang vor dem Tode
blieb Patient im Bett, um den Eisbeutel besser anbringen zu
können; bestand das Schwanken etwa schon länger und war
nur nicht bemerkt worden? Ueberhaupt ist uns die Deutung
dieses Falles in mancher Beziehung unklar. Wie sollte es kom¬
men, dass der Tumor 1 '/ 4 Jahr lang heftige Schmerzen und Er¬
brechen veranlasst und erst 14 Tage vor dem Tode Schwanken?
Sollte derselbe selbst im ersten Beginne schon, als er noch ganz
klein war, jene Symptome veranlasst haben und erst nach dem
Erreichen einer gewissen Grösse auch Schwanken? Eine ein¬
gehende Untersuchung des Gehirns ist nicht mitgetheilt, ins¬
besondere nicht, ob etwa die neuerdings, namentlich von Heubner
studirten diffusen luetischen Erkrankungen der Hirnarterien vor¬
handen waren. Wir wissen aber (vergl. die Krankengeschichten
bei Heubner, Die luetische Erkrankung der Hirnarterien.
Leipzig, 1874), dass Erbrechen und Kopfschmerz u. s. w. auch
ohne Herderkrankung bei Syphilis des Gehirns Vorkommen
können. Wäre es nicht möglich, dass die syphilitische Ge¬
schwulst im Wurm erst in den letzten Lebensmonaten sich ent¬
wickelt hätte? Man sieht, dieser Fall ist nach manchen Be¬
ziehungen hin lückenhaft. Jedenfalls aber, und dies ist das
wichtigste, bestand in ihm thatsächlich bei einer Affection des
Wurmes das Symptom des Schwankens.
Endlich ist eine Beobachtung Gintrac’s (Traite des
maladies de Pappareil nerveux, 1871, IV. Bd., p. 708) abwei¬
chend.
Ein 26jähriger Mann leidet seit 3 1 /* Monat an heftigem
Kopfschmerz, der nach kurzem periodisch wurde, um 4 Uhr
Morgens erschien, Nachmittags 5 Uhr schwand; daneben öfters
Erbrechen. Sonst keinerlei Störungen. Auch die Beobachtung
im Krankenhause vom 16.—24. August ergab ausser einer „Art
Zittern“ in den Händen, wenn sie erhoben gehalten wurden,
nichts auffallendes.
Bei der Section fand sich folgendes: „An der oberen Fläche
des Kleinhirns, entsprechend der Gegend des Oberwurms, findet
sich ein Tumor in die Hirnsubstanz, wo er sich ein Behältniss
(löge) gebildet zu haben scheint, eingebettet. Dieser Tumor
ist eiförmig; er misst 4 Ctm. von vom nach hinten, 3 quer und
2 in der Höhe. Seine Consistenz ist weich, ähnlich deijenigen
erweichter Hirnsubstanz.“
Wir erkennen an, dass dieser Fall unserer Ansicht zu wider¬
sprechen scheint. Indessen da er die einzige wirkliche Aus¬
nahme ist, gegenüber der überwältigenden Mehrzahl überein¬
stimmender Fälle, däucht es uns richtiger, nach einer Deutung
auch dieses Ausnahmefalles zu suchen. Die Handhabe für eine
solche scheint uns in folgendem zu liegen. Der Tumor scheint
nur die obere Partie des Wurmes eingenommen zu haben, der
Beschreibung nach (2 Ctnk hoch); seine Consistenz (wie „er¬
weichte Hirnsubstanz“) scheint ihn kaum befähigt zu haben,
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No. 15
Fernwirkungen auszuüben — vielleicht waren also grade die
Partien des Mittellappens, deren Läsion Coordinationsstörungen
nach sich zieht, unbeeinträchtigt. Wir wollen den Weg der
Hypothese nicht weiter betreten: ein sicheres Urtheil wird sich
hinterher doch nicht gewinnen lassen.
Beobachtungen endlich bei ganz kleinen Kindern, wir nennen
z. B. eine von Stiebei (Journal für Kinderkrankheiten, 1855),
in welcher neben Tuberkeln in den Cerebellarhemisphären auch
solche auf der linken Seite des Oberwurmes sich fanden, und
in welcher nur von einem leisen Zittern der Hände die Rede
ist, können für unsere Frage nicht zur Discussion benutzt werden.
So handelte es sich in Stiebel’s Fall um ein 2 V 2 jähriges, ab¬
gemagertes, tuberculöses Kind, bei dem von einem Studium der
Gehstörungen wohl nicht die Rede sein kann.
Nach dem bis jetzt vorliegenden Beobachtungsmaterial glau¬
ben wir uns in der That zu der Annahme berechtigt, dass Er¬
krankungen des Wurmes stets mit dem seit Flourens so oft
beschriebenen und so viel erörterten Symptom der sogenannten
cerebellaren Coordinationsstörung einhergehen. Auf welche Theile
dieses Gebildes es im genaueren dabei ankommt, das lasst sich
noch nicht entnehmen.
Es mag gestattet sein, hier auf eine Thatsache der ver¬
gleichenden Anatomie hinzuweisen, welche mir für die vorstehend
besprochenen pathologischen Verhältnisse nicht ohne Bedeutung
zu sein scheint. Wenn die Flourens’scheu Experimente und
die aller späteren Forscher über die Bedeutung des „Kleinhirns“
schlechtweg angeführt werden, so wird nicht selten dabei ver¬
gessen, dass nicht nur an Hunden und Katzen, sondern auch an
Kaninchen, Meerschweinchen, namentlich aber auch, speciell von
Flourens, an Vögeln gearbeitet ist — und bei allen diesen
Thieren kommen die „Coordinationsstörungen“ zur Beobachtung.
Nun ist es aber bekannt, dass in der absteigenden Thierreihe die
Hemisphären des Kleinhirns immer mehr zurückgehen. Bei den
Nagern schon ist der Mittellappen im Vergleich zu den Seiten¬
lappen sehr gross, und das Kleinhirn der Vögel entspricht mir
dem Wurm der Säugethiere, und hat keine eigentlichen Hemi¬
sphären. Demnach beziehen sich Versuche am Kleinhirn der
Vögel mit allen ihren Ergebnissen eigentlich nur auf den
Wurm. Wir glauben nicht des breiteren darlegen zu müssen,
wie diese Thatsache geeignet sein dürfte, eine grosse Stütze für
die Schlussfolgerungen abzugeben, welche wir vorstehend aus
den Beobachtungen der menschlichen Pathologie gezogen haben.
Von dem so gewonnenen Standpunkt aus werden wir nun
auch die Fälle beurtheilen können, in welchen nicht unmittelbar
im Wurme selbst, sondern nur in den Hemisphären oder über¬
haupt in der hinteren Schädelgrube befindliche Erkrankungen
Coordinationsstörungen bald erzeugen, bald nicht. In derartigen
Fällen handelt es sich zunächst immer darum, ob die Erkran¬
kungen ihrer ganzen Beschaffenheit nach geeignet sind, auf ihre
Umgebung in grösserer oder geringerer Fmtfernung einzuwirken,
d. h. also gelegentlich auch den Wurm zu beeinträchtigen;
denn nur wenn letzteres geschieht, treten die Bewegungsstörun¬
gen ein. Demgemäss wird ein solcher Effect vor allem von
Geschwülsten zu erwarten sein, und in der That sehen wir das
Symptom bei ihnen am häufigsten, auch wenn sie ihren Sitz
in der Hemisphäre haben. Dass frische Hämorrhagien dasselbe
nicht zur Erscheinung kommen lassen, ist begreiflich, da die
Kranken im Coma sterben, oder noch eine Reihe anderer Störun¬
gen darbieten, welche das Gehen unmöglich machen. Aber selbst
andere Erkrankungsformen, welche gar nicht einmal in der Sub¬
stanz des Kleinhirns überhaupt sitzen, können in dieser Weise
zu Coordinationsstörungen Veranlassung geben. Ich erlaube
mir bei dieser Gelegenheit auf einen derartigen von mir beob¬
achteten sehr charakteristischen Fall bei einem Kaninchen hiu-
zuweisen, bei dem ein auf die hintere Schädelgrube beschränk¬
tes meningitisches Exsudat sich fand (Virchow’s Archiv
71. Band).
Es kann jedoch andererseits nicht überraschen, dass selbst
solche Tumoren und andere Erkrankungen der Kleinhirnhemi¬
sphäre, welche nicht nur Fernwirkungen ausüben können, son¬
dern thatsäcblich im concreten Falle ausübten, dennoch die
cerebellare Coordinationsstörung im Leben nicht immer liervor-
rufen. Dies begreift sich, w T enn man sich klar macht, dass
der fernwirkende Druck sich ja nicht immer gerade
auf den Wurm geltend zu machen braucht. Ob dies ge¬
schieht oder nicht, das wird ausser von anderen Bedingungen,
die sich vorläufig der Beobachtung entziehen, selbst bei Tumo¬
ren u. dergl. noch von der Grösse und dem genaueren Sitz in
der Hemisphäre abhängen. Ist die Geschwulst nur unbedeu¬
tend, und sitzt sie mehr nach der Peripherie zu, so braucht der
Wurm gar nicht in Mitleidenschaft gezogen zu werden. Aber
auch grössere Geschwülste, namentlich wenn sie von der Ton¬
sille, der Flocke, dem Lobulus semilunaris inferior, Lobulus gra-
cilis, biventer ausgehen, können ihre Wirkungen mehr nach
unten, gegen Brücke und verlängertes Mark hin geltend machen
und die mannigfachsten Symptome erzeugen, unter denen je¬
doch Coordinationsstörungen vollständig fehlen können. Aus
vielen derartigen Beispielen wählen wir einen jüngst von Ley¬
den mitgetheilten Fall aus (Klinik der Rückenmarkskrankheiten
II. Bd. S. 154), in welchem ein Tumor von der Basis der Klein¬
hirnhemisphäre ausgehend, die Medulla oblongata comprimirt
und das Bild einer Bulbärparalyse erzeugt hatte, ohne dass in
dem bunten Bilde cerebellares Schwanken erw T ähnt ist; ferner
einen Fall Hughlings Jackson’s (Med. Times and Gaz. 1872
November und December), in welchem ein Tumor in der rech¬
ten Kleinhirnhemisphäre die rechte Hälfte des Pons und der
Medulla abgeflacht und die mannigfachsten Erscheinungen, dar¬
unter jedoch keine Coordinationsstörung, producirt hatte.
Das klinische Bild der Coordinationsstörungen soll jetzt
noch etwas näher geschildert werden.
Es ist bekannt, dass Duchenne anfänglich (Arch. gener.
de med. 1858 Dec. et suiv.) eine grosse Aehnliclikeit zwischen
den Bewegungen eines Trunkenen und eines Tabikers einerseits,
und dann zwischen denen eines Tabikers und Kleinhirnkranken
andererseits (Electrisat. localisee 1*61) gefunden hatte. Diese
Meinung hat er später geändert (Gaz. liebd. 1864); er bemühte
sich später, die Unterschiede zwischen den Bewegungsstörungen
eines Tabikers, welche er als titubation asynergique produite
par l’ataxie locom. progr. bezeichnet, und denjenigen eines Ce¬
rebellarkranken (titubation vertigineuse produite par les affec-
tions cerebelleuses) genau festzustellen; nur die letzteren er¬
klärte er jetzt noch für übereinstimmend mit denen eines Trun¬
kenen (titubation vertigineuse produite par Pivresse alcoolique).
Dass eine derartige Aenderung der Auffassung möglich sein
konnte, muss bei einem so feinen und scharfen Beobachter wie
Duchenne einen anderen Grund haben, als den einer mangel¬
haften Beobachtung; und dies ist wirklich der Fall.
In der Mehrzahl nämlich der ausgebildeten Fälle dürften
auch unseres Erachtens die Bewegungsstörungen eines Tabikers
von denen eines Kleinhirnkranken wohl zu unterscheiden sein.
Dazwischen liegt jedoch eine Reihe von Fällen, in welchen die
Züge sich verwischen, namentlich in der Richtung, dass bei
einem Kleinhirnkranken einzelne Erscheinungen an einen ata-
ctischen Tabiker erinnern, seltener wohl umgekehrt.
Sehr geringfügig und gewöhnlich kaum bemerkbar ist
ein Unterschied beim Stehen. Der Cerebellarkranke steht ge¬
wöhnlich breitbeinig, mit der Fusssohle voll auf; bei geringerem
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Grade der Functionsstörung kann er fest stehen, bei höherem
tritt auch bei gespreizten Beinen Schwanken ein. Schliesst er
die Schenkel und Füsse an einander, so sieht man gewöhnlich
ein beständiges Flectiren und Extendiren, Heben und Senken
der Zehen und des Mittelfusses. Zugleich tritt jetzt ein Schwan¬
ken, Wiegen, Hin- und Herbewegen des ganzen Körpers ein,
dessen Stärke wechselt, gelegentlich aber so bedeutend ist, dass
der Kranke, findet er keinen Halt, zu Boden stürzt. Die Rich¬
tung des Schwankens ist nur selten und in einzelnen Fällen
eine gleichmässige, gewöhnlich erfolgt es unregelmässig nach
den verschiedensten Richtungen hin; genau dasselbe gilt von
der Fallrichtung.
Das Gehen erfolgt ebenfalls breitbeinig, wobei wieder das
erwähnte Spiel der Zehen bemerkbar wird. Der Kranke — und
zwar derselbe Kranke — tritt bald mehr mit dem Hacken,
bald mit dem Ballen, bald mit der ganzen Fusssohle auf; bald
flectirt er das Kniegelenk, bald ist es nach hinten durchge¬
druckt, bald ist gar nichts besonderes in dieser Hinsicht zu
beobachten. Der Fuss wird in den meisten Fällen nur wenig
oder nur mässig vom Boden erhoben. Das auffälligste beim
Geben ist ein starkes Hin- und Herschwanken des ganzen Kör¬
pers, ein entschiedenes Taumeln, welches den Kranken nicht
grade ausgehen lässt, sondern im Zick-Zack. Der Vergleich
mit dem Gange eines Trunkenen ist sehr bezeichnend. Einem
meiner Kranken ist das Missgeschick begegnet, verschiedene
Male wegen dieses seines Ganges von der Polizei seines Vater¬
städtchens als Betrunkener in das Gewahrsam gesteckt zu
werden.
Man hat früher besonderes Gewicht darauf gelegt, dass
Kleinhirnkranke vorwärts, namentlich aber, dass sie rückwärts
fielen oder gingen, und wollte gelegentlich auf letzteres Symptom
die Diagnose eines Kleinhirnleidens begründen. Dass derartige
Kranke rückwärts fallen oder laufen, kommt vor; aber viel häu¬
figer noch fehlt dieses Verhalten. Ein von mir beobachteter
Patient lief rascher rückwärts als vorwärts; aber dies war durch¬
aus kein „Trieb" rückwärts zu laufen, vielmehr stellte sich die
Sache folgendermassen dar. Der Mann ging stark schwankend
und langsam vorwärts, plötzlich kam der Gang ins Stocken, der
Fuss haftete gleichsam am Boden, er schwankte und fiel bald
nach rechts, bald nach links, bald nach vorn, bald nach hinten —
war letzteres der Fall, so machte er einen, dann rasch mehrere
Schritte rückwärts, anscheinend um das Fallen zu verhüten,
und fiel dann doch, wenn er nicht gehalten wurde. Andere
Male sieht man, dass die Patienten hauptsächlich vornüber,
wieder in anderen, dass sie namentlich nach rechts oder links
fallen. Unseres Erachtens ist die diagnostische Bedeutung dieser
bestimmten Fall- oder Laufrichtungen folgendermassen zu beur-
theilen: dieselben sprechen allerdings mit einer gewissen Wahr¬
scheinlichkeit für ein Cerebellarleiden, aber nicht an und für
sich, sondern weil sie das weitere Ergebniss, so zu sagen die
weitere Steigerung des cerebellaren Schwankens sind. Aus der
Richtung der Fallbewegung lässt sich bezüglich der genaueren
Localisation bis jetzt nichts bestimmtes aussagen; es scheint
allerdings, als ob dieselbe hauptsächlich nach deT Richtung hin
erfolgte, wo die Läsion im Kleinhirn ihren Sitz hat; doch kennt
die Literatur eine Reihe entschiedener Ausnahmen davon. Wir
persönlich sind der Ansicht, dass eine ausgesprochene Fallrich¬
tung nach einer Seite hin dann bemerkbar wird, wenn die Er¬
krankung die mittleren Kleinhirnschenkel bzw. ihre Einstrahlung
in das Cerebellum in Mitleidenschaft zieht. Da jedoch ein siche¬
rer Beweis hierfür auf Grund der vorliegenden Beobachtungen
noch nicht zu liefern ist, so gehen wir nicht weiter darauf ein.
Zuweilen ist es dem Kranken möglich, mit Unterstützung
sicherer zn gehen, und ich habe gesehen, dass eine Patientin, die
sonst keinen Schritt gehen konnte, dies vermochte, wenn auch
| langsam und immer noch unsicher, sobald man ihr nur je einen
| Finger zum Halt gab. Andere Male dagegen wird das Schwan¬
ken und Taumeln schon beim blossen Stehversuch so hochgradig,
dass der Kranke auch nicht einen Schritt zu thun im Stande
ist, sondern sofort zu Boden stürzt. Gewöhnlich wird es auch
beim raschen Umdrehen stärker. Dagegen ist das Verhalten
bei geschlossenen Augen oder im dunkeln wechselnd; in manchen
Fällen wird die Unsicherheit der Haltung und des Ganges da¬
durch noch stärker, in anderen wollen die Kranken keinerlei
Unterschied, Steigerung dabei bemerken. Bei der Rückenlage
im Bett erfolgen die Bewegungen der Beine energisch, rasch
und sicher; der Kranke hat klare Vorstellungen von der Hal¬
tung derselben und vermag mit Genauigkeit activ dieselbe
Stellung der zweiten Extremität zu geben, in welche man passiv
die erste gebracht hat.
Man erkennt, dass dieses Verhalten in vielen Punkten von
den characteristischen ataktischen Störungen eines Tabikers ab¬
weicht. In einzelnen Fällen jedoch, wie bemerkt, verwischen
sich die Unterschiede. So kommt es vor, dass auch schon im
Bett, namentlich bei geschlossenen Augen, die erhobenen Beine
eines Cerebellarkranken hin- und herschwanken, dass ihre Be¬
wegungen mehr stossweise erfolgen. Auch der Gang nähert
sich zuweilen den Beschreibungen nach (denn ich selbst habe
einen solchen Fall nicht beobachtet) dem eines Tabikers; die
Beine werden hoch erhoben und stampfend niedergesetzt, sie
gerathen zuweilen über und durch einander und dergleichen.
Besonders hervorheben möchte ich, dass in vielen Fällen
mit hochgradigen Bewegungsstörungen der Beine und des Rumpfes
die oberen Extremitäten ganz frei sind; in der Mehrzahl meiner
eigenen Beobachtungen verhielt es sich dergestalt, dass die
Kranken selbst die feinsten Verrichtungen ohne Spur von Un¬
sicherheit oder Schwanken mit den Händen ausführen konnten.
Dagegen ist in einigen Beobachtungen ausdrücklich bemerkt,
dass die Greifbewegungen unsicher waren, dass bei feineren
Verrichtungen eine auffallende Ungeschicklichkeit sich bemerk-
lich machte und dergleichen. Es ist mir unmöglich, in den
einzelnen Beobachtungen bestimmte Bedingungen, besondere
Verhältnisse aufzufinden, welche dieses abweichende Verhalten
zwischen oberen und unteren Extremitäten erklären könnten.
Wir sehen davon ab, eine Erörterung der vorstehend ge¬
schilderten Erscheinungen in physiologischer Beziehung zu be¬
ginnen. Ob das Kleinhirn ein Centrum für die Coordination
bildet, oder nur leitende Bahnen enthält, ob es ein Centrum für
den Muskelsinn ist, und wie die physiologischen Fragen sonst
lauten, thut den uns hier interessirenden klinischen Thatsachen
keinen Abbruch, welche das in obigem niedergelegte Ergebniss
liefern.
D. Zar OvariotoMie.
(Vortrag, gehalten in der Berliner medicinischen Gesellschaft.)
Von
Dr. A. Martin.
Zu verschiedenen Malen schon ist Ihnen, meine Herren,
von den gewaltigen Fortschritten Bericht erstattet worden,
welche in dem letzten Jahrzehnt die Kenntniss und Therapie
der erkrankten Ovarien gemacht hat. Zuletzt vor einem Jahre
konnte Herr Professor Schröder Ihnen die so ausserordent¬
lich glänzenden Resultate vorlegen, zu welchen die von ihm
zuerst 1 ) bei der Ovariotomie verwandte antiseptische Methode
1) Sitzungsb. d. phys. med. Soc. zu Erlangen 10. Mai 1875.
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 15
geführt hat. Der damit gethane Fortschritt erscheint heute, wo
diese Methode fast allgemein, von den deutschen Fachgenossen
wenigstens, adoptirt ist, als der grösste, welchen die Geschichte j
dieser Operation überhaupt verzeichnet; unter ihrem Einfluss,
in allen ihren verschiedenen Modificationen, hat die Ovariotomie
eine ganz andere Bedeutung gewonnen, indem ihr Erfolg eine
früher stets vermisste Sicherheit bietet. Wenn nun aber die |
Operation als solche eine ganz andere geworden, so mussten |
sich naturgemäss auch die Indicationen derselben wesentlich !
verschieben, und vornehmlich über diesen Punkt Ihnen eine i
kurze Mittheilung zu machen, ist heute meine Absicht.
Vergegenwärtigen wir uns zunächst die Entwickelung der
erkrankten, degenerirten Ovarien, so zeigt wenigstens die über¬
wiegend häufigste Form der Degeneration, die kystomatöse,
einen Verlauf, der ganz wesentlich von dem anderer erkrankter
Tlieile des Geuerationsapparates abweicht. Während in diesen
nämlich, so lange sie nicht maligner Natur sind, wenn nicht
früher, so doch mit dem Erlöschen der geschlechtlichen Functio¬
nen in der Regel das Wachsthum spontan aufhört und dann in
diesen pathologischen Gebilden eine der physiologischen ana¬
loge Schrumpfung und Rückbildung einzutreten pflegt, sind die
Beobachtungen einer spontanen Rückbildung degenerirter Ovarien
sehr selten; nur ganz ausnahmsweise verschwinden dieselben durch
spontane Heilungsvorgänge. Der Verlauf dieser Art krankhafter
Processe ist vielmehr in der Regel so, dass in stetem, wenn
auch zuweilen langsamen Wachsthum das Allgemeinbefinden
der Trägerin gestört wird und durch den Verbrauch an Stoff¬
wechselmaterial oder durch die mechanische Beeinträchtigung
der Functionen des Leibes der Tod herbeigeführt wird. Dieser
in der Regel chronische Verlauf wird nun aber erfahrungsge-
mäss nicht selten durch intercurrente Affectionen gestört und
damit die Lebensgefahr plötzlich zu einer acuten gemacht.
Unter solchen will ich hier gar nicht auf die Veränderungen j
hinweisen, welche oft genug mit jeder Menstruation sich ein- :
stellen und bald wieder schwinden, bald aber deutliche Spuren
der Zunahme der Geschwulst hinterlassen. Unmittelbar gefähr¬
licher erscheinen die Peritonitiden, welche theils durch Traumen, !
theils ohne nachweisbare äussere Veranlassung entstanden, zu ^
Verklebungen der Geschwulst mit ihrer Umgebung führen, so j
dass bald strangartige Brücken vom Tumor zur Bauchwand oder
den Baucheingeweiden sich entwickeln oder aber flächenhafte
Verwachsungen von grosser Ausdehnung, unter welchen dann
die Grenzen zwischen den einzelnen Organen und dem Tumor
verschoben, ja auch wohl ganz verwischt werden. Ausser die¬
sen mehr an der Oberfläche sich abspielenden Erkrankungen
kennen wir noch eine ganze Reihe solcher den Tumor selbst
betreffender: so das Bersten der Hülle, besonders bei multilo-
culären Tumoren, Hämorrhagien in die Geschwulst hinein, Ver¬
eiterung derselben, Zerfall wie er bei Achsendrehung des Stie¬
les der Geschwulst sich entwickelt, dann muss auch die wohl
nicht ganz seltene maligne Entartung einer vorher gutartigen
Neubildung genannt werden. An dieser Stelle darf endlich auch
der Einfluss nicht unerwähnt bleiben, welchen Schwangerschaft
auf die Ovariengeschwülste ausübt: können wir auch denselben
zur Zeit noch nicht abschliessend definiren, so wissen wir doch
jedenfalls so viel, dass die Raumbeschränkung in der Bauch¬
höhle an sich schon verhängnissvoll werden kann, dass ganz
besonders später bei der Geburt und im Wochenbett die Gefahr
aus dem Verhalten der Geschwulst eine ausserordentlich be¬
drohliche ist.
Bei diesem, wie ich glaube, in allgemeinen Zügen richtig
skizzirten Verlauf der gewöhnlichsten Form der Ovarienerkran¬
kung ist nun bis jetzt die Indication zum Einschreiten wesent-
ich durch die ausserordentliche Gefahr des Eingriffs beherrscht
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worden. Man war wohl schon seit lange darüber einig, dass
jede andere Therapie neben der Radicaloperation einen sehr
zweifelhaften Werth besitze; die Schwierigkeit bestand vielmehr
darin, zu bestimmen, wann mau einschreiten solle? Selbst die
glücklichsten Operateure wollten mit wenigen Ausnahmen erst
dann zur Ovariotomie schreiten, wenn das Leben der Patientin
durch die Geschwulst nachweislich gefährdet zu wer¬
den beginne. Wann aber, so muss naturgemäss der Praktiker
fragen, wann tritt der Zeitpunkt ein, dass die Geschwulst ihrer
Trägerin unmittelbar gefährlich wird? Dieser Moment ist bis jetzt,
wie ich meine, nicht in hinreichend deutlicher Weise defiuirt.
Man wollte die Grösse des Tumors als Massstab benutzen; aber
auch das erscheint unzulässig, denn schon eine kleine apfel¬
grosse Geschwulst kann sehr bedrohliche Symptome machen,
während ein mannskopfgrosser Tumor ohne besondere Beschwer¬
den ertragen wird, Immer scheute man sich, der grossen Ge¬
fährlichkeit der Operation wegen, zu operiren, ehe nicht die
! Gefahr der Krankheit jene selbst unverkennbar zu überwiegen
I schien. Und in der That war ja auch vor Einführung des
antiseptischen Verfahrens die Gefahr eine unleugbar grosse;
I sieht man von den Erfolgen einzelner Operateure ab, so er-
hob sich, zumal in Deutschland, das procentische Verhältnis
I der Genesungen kaum über 60. So erschien es wohl gerecht-
| fertigt, dass man in praxi fast nur unter einer Indicatio vitalis die
Ovariotomie als zulässig betrachtete. Naturgemäss blieben die
Resultate dabei auch unbefriedigende, denn wie soll ein meist
dann schon im hohen Grade geschwächtes Individuum eine
Operation überstehen, zumal wenn unter den dann gegebenen
Verhältnissen Adhäsionen und Functionsstörungen aller Art den
Eingriff noch erschweren? — Erst als man auf anderen Gebie¬
ten erkannt hatte, dass ein rationell ausgeführtes Operations¬
trauma an sich in der Regel nicht das gefährliche sei, sondern
vielmehr, ja fast ausschliesslich, die septische Infection der
Wunde, trat auch für die Ovariotomie ein Umschwung ein. Es
lag nach Analogien nahe, anzunehmen, dass die Laparatomie,
die Verletzung des Peritoneum, die Freilegung und Insultirung
der Baucheingeweide u. dgl. mehr nicht an sich jene hohe Ge¬
fährlichkeit bieten, sondern dass eben auch hier die septische
Infection allein den im übrigen rationell geleiteten Eingriff zu
einem so eminent gefährlichen machen. Von dieser Erkenntniss
bis zur Anwendung des antiseptischen Verfahrens auch für die
Ovariotomie war ein an sich nur kleiner, aber unvergleich¬
lich erfolgreicher Schritt. Schon die ersten Fälle, welche
Schröder streng nach Lister’scher Methode (a. a. 0.), mit
diesem wohl gleichzeitig He gar in der von ihm eigenartig ansge¬
bildeten Weise des antiseptischen Verfahrens, ausführten, bewiesen
auf das schlagendste die Richtigkeit der oben angeführten An¬
sicht über die wahre Natur der jener Operation beiwohnenden
Gefahr —• Es liegen nun allerdings seit jener Einführung des
antiseptischen Verfahrens noch keine so ausgedehnten statisti¬
schen Tabellen vor, wie über die ohne Antisepsis d. h. ohne
die mit Rücksicht auf die heutigen Anschauungen über septische
Infection und deren unmittelbare Verhütung eingeleiteten Schutz-
massregeln ausgefährten Operationen, so dass ein Vergleich
beider Methoden zur Zeit noch nicht auf Grundlage eines gleich
grossen Materials ausgeführt werden kann. Wenn man aber
die immerhin doch nicht kleinen Beobachtungsreihen von Schrö¬
der 1 ), Hegar a ) und Olshausen 3 ) zusammenhält mit gleich
grossen nicht antiseptischer Operationen, besonders deutscher
1) Berl. Kl. Wochenschrift No. 11. 18. Marz 1878.
•2) Volkmann, Kl. Vorträge No. 107. 1877.
3) Volkmann, Kl. Vorträge No. 111. 1877 und Krankheiten der
Ovarien 1877.
Original fro-m
UNIVERSETY OF MICHIGAN
15. April 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
211
Operateure, so wird sich niemand dem überzeugenden Eindruck
verschliessen können, dass die Gefährlichkeit der Operation
durch die antiseptische Methode in überraschendster Weise ver¬
mindert worden ist. Mag man unter dem Spray einer desinfi-
cirenden Flüssigkeit arbeiten oder nicht, darauf scheint es ja
weniger anzukommen, wenn nur durch eine extrem pedantische
Desinfection aller Instrumente, Geräthe und Hände, vor allem
aber der Luft, welcher die Wunde ausgesetzt werden muss,
nach Möglichkeit das Eindringen fäulnisserregender Stoffe ver¬
hütet wird, sei ihre Natur, welche sie wolle. Dann sehen wir
auch bei der Ovariotomie nicht allein die unvermeidlichen Wun¬
den, welche wir anlegen müssen, um die krankhaften Gebilde
uns zugänglich zu machen, eine rasche und sichere Heilung
meist per primam intentionem durchlaufen, sondern, und das j
erscheint als das viel wichtigere, auch die der Resorption noth- j
wendiger Weise überlassenen Stümpfe des Stieles, unterbundene
Adhäsionen, versenkte Geschwulsttheile, alle werden in einer
für den übrigen Organismus unschädlichen Weise resorbirt resp. !
zurückgebildet, und mehr noch, eitrige Peritonitiden, gleichviel j
ob acuten oder chronischen Charakters heilen, wenn das Bauch- j
feil nach der Entfernung der Geschwulst und der gesetzten Ex- ;
sudate mit den desinficirenden Flüssigkeiten in Berührung ge¬
bracht worden ist, ohne Rückwirkung auf das Allgemeinbefin¬
den in überraschender Weise. Der ganze Heilungsvorgang j
scheint nach solchen Operationen unter antiseptischen Cautelen
sich in viel intensiverer Weise abzuspielen, nicht nur, dass die I
Mehrzahl der Fälle fieberlos verläuft — ähnliches beobachtete
man auch nicht selten in den günstig verlaufenden Fällen ohne j
antiseptische Operation — die Heilung nimmt auch augenschein- t
lieh sehr viel kürzere Zeit in Anspruch, wie ich selbst das an
meinen eigenen 16 Fällen und anderen beobachtet habe, in
welchen ich unter Anleitung meines Vaters die Nachbehandlung
zu verfolgen hatte. Während ferner bei den ohne Antisepsis ope- j
rirten Fällen — von meinen eigenen gehören hierher die ersten 6 — !
selbst wenn sie ganz reactionslos verliefen, nicht vor der drit- I
ten Woche, meist sogar in der zweiten Hälfte derselben das
Aufstehen der Patienten zulässig erschien, habe ich bei den mit
Antisepsis behandelten durchschnittlich am 10. Tage den ersten |
Aufstehversuch erlauben können, ohne auch nur den geringsten
Nachtheil davon zu beobachten; ich darf allerdings dabei nicht ,
unerwähnt lassen, dass die Methode der Stielversorgung in den ;
nicht antiseptischen (siehe unten die Tabelle) eine grössere |
Vorsicht zu erfordern schien. Gewiss wird durch die antisep¬
tische Operationsweise es nicht immer gelingen, eine Infection j
fern zu halten, selbst bei aller Vorsicht in der Handhabung j
aller der darauf hinzielenden Massnahmen, so viel scheint mir
aber doch mit überzeugender Gewisssheit aus der oben citirten
Publication und auch aus meinen eigenen Beobachtungen her¬
vorzugehen, dass durch die antiseptische Methode der
Ovariotomie diese Operation an sicheine relativ un¬
gefährliche Operation geworden ist. Die Gefährlichkeit
derselben wird wesentlich durch die Complicationen bedingt,
aber auch deren Einfluss ist eben durch die antiseptische Be¬
handlung derselben gegen früher ganz erheblich vermindert. —
Einen vielleicht recht überzeugenden Vergleich der Bedeutung
allein der Laparatomie bieten die Fälle von explorativer Inci-
sion, bei welchen theils die Tumoren als von der Bauchhöhle
aus nicht operirbar gefunden wurden, oder aber ein abgesacktes
Ascites einen Irrthum der Diagnose verursacht hatte. Unter
3 1 ) ohne Antisepsis in dieser Weise von mir operirten mach¬
ten 2 eine sehr verzögerte Reconvalescenz durch, eine starb;
1) 1 mal wurde die Operation wegen allseitiger Adhäsionen aufge-
geben, 2 mal handelte es sich^um abgesackte Exsudate.
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unter 4 l ) mit antiseptischen Cautelen operirten überstanden
alle die Operation selbst ohne wesentliche Störung, die Recon¬
valescenz verlief reactionslos.
Wenn ich somit glaube, der Ovariotomie als solcher die
vordem mit Recht ihr zugeschriebene hohe Gefährlichkeit ab¬
sprechen zu dürfen, sobald dieselbe unter antiseptischen Cau¬
telen ausgeführt wird, muss ich folgerichtig aber auch die nach
den früheren Erfahrungen präcisirte Indication für die Exstir¬
pation der erkrankten Ovarien als heute nicht mehr zulässig
betrachten. Zu warten bis der Tumor erst lebensgefährlich
wird für seine Trägerin, das heisst unter solchen Umständen,
nur einer leicht verhängnisvollen Complication der Operation
durch Störung des Allgemeinbefindens und durch Adhäsionen
mit den Nachbargebilden sich aussetzen. Und so, glaube ich,
muss mit Rücksicht auf die relative Sicherheit des Erfolges der
Ovariotomie unter antiseptischen Cautelen jeder Ovarialtu¬
mor, sobald derselbe nicht lediglich als das Product
einer vorübergehenden Schwellung in Folge acuter
Oophoritis an zu sehen ist, die Operation zu seiner
Entfernung indiciren. In praxi wird diese Indication
naturgemäss dadurch eine Einschränkung erfahren, dass die
meisten dieser Tumoren erst entdeckt werden, wenn sie etwa
durch Störung ihrer Nachbargebilde oder ihr Volumen Be¬
schwerden verursachen. Sobald dieselben überhaupt nur von
der Bauchhöhle aus zugänglich sind, muss dann ihre Ent¬
fernung als gerechtfertigt anerkannt werden, sei ihr Volu¬
men welches es wolle, auch ehe sie durch rapides Wachs¬
thum, durch drohende Berstung, durch Veränderungen ihres In¬
haltes u. s. w. das Leben der Trägerin unmittelbar gefährden.
Schon die Möglichkeit, dass die Patientin schwanger werden
könne, muss zu einer möglichst frühzeitigen Radicaloperation
drängen.
Gegen ein solches frühzeitiges Einschreiten, dem mit an¬
deren Köberle auch früher schon das Wort geredet, hat man
ausser der excessiven Gefährlichkeit der Operation als solcher
eingewandt, dass bei so kleinen Geschwülsten eine Stielbildung
auf absonderliche Schwierigkeiten stosse. Dieses Bedenken war
gewiss gerechtfertigt, so lange als man glaubte, dass das Punc¬
tum saliens für einen glücklichen Ausgang die Klammerbehand¬
lung des Stieles sei, eine Ansicht, welche zahlreiche neuere
Erfahrungen widerlegen. Auch in betreff der Zugänglichkeit
kleiner Geschwülste, welche noch im kleinen Becken liegen,
bieten die Beobachtungen bei der Exstirpation nicht entarteter
Ovarien wesentlich bessere Aussichten.
Unter meinen eigenen Operationen sind die 3 (No. 2, 3, 4,
Tab. 2) am glattesten verlaufen und ebenso die Reconvalescenz,
in denen ich Geschwülste von nicht über ZweifaustgTösse ent¬
fernte.
Neben dieser Indication, bei welcher wir die Wahl des
Zeitpunktes mehr oder weniger in der Hand haben, giebt es
nun noch eine Reihe anderer, für welche durch die Sicherheit
des Erfolges der antiseptischen Operation die Berechtigung der
früher allgemein gültigen Anschauungen in hohem Grade zwei¬
felhaft geworden sind. Hierin gehören zunächst diejenigen
Fälle, in welchen durch acute Zwischenfälle in und am Tumor
eine unmittelbare Gefahr gesetzt wird. Vordem perhorrescirte
man unter solchen Umständen jeden Eingriff, in der Hoffnung,
1) 2 mal wurde die Laparatomie gemacht, um ausgedehnte Fibroide
des Uterus zu entfernen, diese Operation aber wegen grosser Adhäsionen
des Uterus aufgegeben; 1 mal bei einer Cyste des Lig. latum, welche
später von der Scheide aus operirt wurde; 1 mal bei maligner Entartung
des Omentum und der retroperitonealen Drüsen (Pat. erlag 6 Wochen
p. operat., nachdem sie von dieser sich erholt hatte).
Origiral frei 2*
UNIVERSITY OF MICHIGAN
212
BERLINER, KLINISCHE WOCHENSCHRIFT
No. 15
dass j!. B. bei acuter Peritonitis eine energische Antiphlogese, oder j
z. B. bei Blutung in die Cyste eine strenge Eisbehandlung die aus
diesen Zufällen entstehenden Folgen abwenden, den Collaps der !
Patientin verhüten könne. Gewiss hat man auch früher schon i
sich gesagt, dass in solchen Fällen es weitaus besser wäre, die j
causa peccans zu beseitigen; allein man wagte es nicht, die !
ohnehin schon so bedrohlich geschwächte Patientin auch noch der i
Gefahr der Ovariotomie auszusetzen. Und doch hat schon beson- ;
ders Th. Keith 1 ), dessen eigenartiges Operationsverfahren auch j
ohne specielles antiseptisches Beiwerk den Anforderungen der j
Antisepsis fast vollständig entspricht, dieses Wagniss im Gegensatz ,
zu den herrschenden Anschauungen unternommen. Er entfernte
in solchen Fällen den Tumor, mochte dieser selbst der Sitz des
Uebels sein oder seine erkrankte Umgebung durch seine An¬
wesenheit fortdauernd gereizt werden. Und seine Fälle, so¬
wie die einiger anderer Beobachter, forderten schon vor der
Einführung der antiseptischen Methode bestimmt zur Nachahmung
auf. Die überzeugenden Beweise für die Richtigkeit eines solchen
Verfahrens haben in der That schon die bisherigen Publicatio-
nen über antiseptische Ovariotomie geliefert. (Vgl. Olshausen,
Die Krankheiten der Ovarien, Cap. XLI.) Ich selbst habe ein¬
mal bei bedrohlicher Blutung in die Cyste operirt; es war meine
erste Operation, welche ich im Herbst 1873, also vor der Ein¬
führung des antiseptischen Verfahrens, ausführte. Die 18jäh-
rige Patientin war, weil sie zunächst die Radicaloperation ver¬
weigerte, zur Beseitigung der intensiven Respirations- und Dige¬
stionsbeschwerden punktirt worden. Es wurde nur eine geringe
Menge Flüssigkeit aus dem multiloculären Tumor entleert. Da¬
gegen stellten sich alsbald die Symptome der inneren Blutung
ein. Als Eisumschläge, Ergotineinspritzungen, der Genuss von
Liq. ferr. sesquichl. erfolglos blieb, machte ich 4 Stunden nach
der Punktion die Ovariotomie. Der ganze kolossale Tumor war
mit ergossenem Blute gefüllt. Pat. starb 2 Stunden später
anaemisch, trotz Transfusion. Heute würde ich mich nicht so
lange mit solchen erfolglosen Versuchen der Blutstillung auf¬
halten, sondern sofort die antiseptische Ovariotomie ausführen.
Wesentlich umstimmend haben die heutigen Erfolge der
antiseptischen Ovariotomie auf die Ansichten betreffs der Com-
plication von Ovarialgeschwülsten und Gravidität eingewirkt.
Wenn auch nicht bestritten werden kann, dass bei vorhande¬
nem Tumor die Schwangerschaft einen normalen Verlauf neh¬
men kann, so ist doch nicht zu läugnen, dass diese Compli-
cation eine bedenkliche Fülle von Gefahren mit sich bringt.
Nicht nur, dass die Raumbeschränkung der Bauchhöhle auf die
Entwickelung des Uterus hemmend einwirkt, auch die Gefahr
der Axendrehung der Geschwulst, der Vereiterung und Berstung
derselben ist eine unverkennbare schon während der Schwan¬
gerschaft, und hierzu gesellt sich dann nicht eben selten eine
Störung des Geburtsaktes und Veränderungen in der Geschwulst
während des Wochenbettes, welche dann ausserordentliche the¬
rapeutische Schwierigkeiten machen und eine sehr üble Pro- >
gnose schaffen können. Betrachten wir neben diesen Gefahren
die relative Sicherheit der antiseptischen Ovariotomie als sol¬
cher, so muss man die letztere gewiss einem ruhigen Zuwarten j
ganz entschieden vorziehen, selbst wenn auch nicht die bishe- j
rigen Erfahrungen, ganz besonders die von Schröder (a. a. 0.)
publicirten. laut dafür sprächen. Während der Schwangerschaft 1
erscheint darnach die Prognose der antiseptischen Ovariotomie [
kaum ungünstiger, als ausserhalb derselben; sie übt durchaus |
nicht immer einen störenden Einfluss auf die Gravidität aus. 1
1) The Lancet 1865, p. 480. Vgl. a. Bryant, Spencer-Wclls,
Clay, \V. A. Freund u. a.
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Viel ungünstiger erscheint dagegen auch die antiseptische Ova¬
riotomie während des Wochenbettes und schon, um die Mög¬
lichkeit einer solchen auszuschliessen, muss die Operation wäh¬
rend der Schwangerschaft, und zwar je eher, um so besser,
dringend anempfohlen werden. (Schluss folgt.)
III. Senen Ciarbitae minie ab Nittel gegei
den Bandwurm.
Von
Dr. Brftking.
Sommer in Soden — Winter in Sanremo.
Schon während meines Aufenthaltes in Pisa erfuhr ich vor
einigen Jahren, dass die in Massen auf den Strassen feil¬
gebotenen Kürbisskerne nicht bloss als Genussmittel, sondern
auch als diätetisches Wurmmittel gekauft und verzehrt würden,
und fand ich später in Walden bürg-S imon’s Arznei verord¬
nungslehre unter Semen Cucurbitae bestätigt, dass dieselben auch
bei uns als Wurmmittel in Vorschlag gebracht seien. Ob das
Mittel in der That gegen irgend eine Art der im menschlichen
Darme sich aufhaltenden Würmer wirksam sei, hatte sich bisheT
keine Gelegenheit zu erproben; erst in den letzten Tagen wurde
ich in Sanremo darauf aufmerksam gemacht, dass die frischen
Kürbisskerne hier vorzugsweise gegen Taenia gebraucht werden,
und konnte bei einem meiner Patienten die Erfahrung machen-)
dass die frischen Samen von Cucurbita maxima (nach Duchesne)
wahrscheinlich das sicherste, jedenfalls aber das angenehmste
Bandwurmmittel sind.
Ein älterer, 70jähriger Patient hatte schon mehrere Wochen
Capsules do Goudron gebraucht, und wurden dieselben, da keine
Contraindication vorlag, und der Patient sich besser darnach
befand, auch in Sanremo weiter genommen. Vor 8 Tagen liess
der Appetit nach, und gingen zur selben Zeit einige Glieder
von Taenia trocken ab, so dass es unter diesen Umständen
zweifelhaft bleiben musste, ob die Capsules Magen und Taenia
krank gemacht, oder ob die Verdauungsstörungen nur von der
Anwesenheit des Parasiten herrührten. Auf alle Fälle blieb es
angezeigt, den unliebsamen Gast aus dem Darme zu vertreiben,
und hatte ich mich entschlossen, frische Granatwurzelrinde zu
geben. Bei der Verordnung des Mittels in der Internationalen
Apotheke hierselbst, rieth mir der Besitzer, Herr Vacchiere,
doch lieber einen Versuch mit Cucurbitae maximae zu machen,
welche ihm in seiner Familie und auch bei anderen Kranken
schon so sicher geholfen, dass selbst nach 3 Jahren bei den
betreffenden Personen keine Recidive erfolgt seien. Da mein
älterer Patient und ich selbst schon mit Schrecken an das fast
immer nach dem Genuss der gebräulichsten Bandwurmmittel
erfolgende Erbrechen dachte und die lebhaften Schmerzen im
Leibe fürchteten, liess ich mich gerne zu dem schlimmsten Falls
unschädlichen Versuch bestimmen, und fand nach kurzem Zureden
auch meinen Kranken geneigt, das neue Mittel zu nehmen.
Gewöhnlich werden die Kerne mit den Zähnen von den zähen
Hülsen befreit und gekaut, doch ist dies für viele Patienten
mit schlechten Zähnen mühsam, und daher die Darreichung der
frisch enthülsten und mit Zucker zu einer Pasta verarbeiteten
Kerne vorzuziehen. Anch bei meinem älteren Kranken liess ich
die übliche Dosis Samen — sämmtliche Kerne von 2 grossen
Kürbissen, circa 500—600 Stück, im Gewichte von 50—60 Grm. —
enthülsen und mit Zucker und Wasser zu einer Paste verar¬
beiten. Nachdem Patient am Tage vorher gefastet und nur
Mittags und Abends einen stark gezwiebelten Häringssalat ge¬
nossen, um dem Thiere nur krankmachende Nahrung zuzuführen,
wurde am Morgen die Pasta theelöffelweise gegessen, wobei
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
15. April 1878,
213
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
sich der Geschmack als sehr angenehm, ähnlich der Mandel j
erwies. Um Mittag, etwa 2 Stunden nach dem letzten Löffel ;
Pasta liess ich 50 Grm. Ricinusöl reichen und hoffte so in
einigen Stunden damit den Darm zu entleeren. Doch blieb die
gewünschte Wirkung bis Abends gegen 9 Uhr aus, und möchte j
ich glauben, obschon der Kranke stets an Constipation litt, i
dass die Pasta zu sehr compact geblieben — es war nur ein |
Glas Wasser dazu getrunken — und stuhlanhaltend gewirkt I
habe. — Gern würde ich schon am Nachmittage nochmals Ol.
Riciui oder Ofner Bitterwasser verordnet haben, wenn ich nicht
eine zu starke cumulirende Wirkung hätte fürchten müssen.
l T m Störungen der Nachtruhe zu vermeiden, liess ich Abends
9 Uhr 1 Klystier setzen, und da auch hiernach der Erfolg auf
sich warten liess, verordnete ich eventuell für den folgenden
Morgen das gewohnte Bitterwasser, bei dessen Gebrauch stets
schon nach 2 Stunden Stuhlgang erfolgte. Doch schon in der
Nacht kamen einige Entleerungen; zuerst ging fast nur das
Klystier ab, nach einigen Stunden, gegen 11 und 1 Uhr, erfolgten
mit sehr geringen Schmerzen im Leibe 2 dünnere Stühle, in
welchen sich am anderen Morgen die Taenia vorfand. Leider
wurde der Kopf nicht gefunden; doch möchte ich daraus nicht
schliessen, dass derselbe nicht abgegangen, weil die Auswaschung
nicht mit der gehörigen Vorsicht — in Ermangelung eines feinen
Siebes nur auf einer hölzernen Bank mit vielen Ritzen — ge¬
schehen konnte, und überdies verabsäumt wurde, den nach¬
folgenden Stuhl zu untersuchen. Letzteres erscheint aber un¬
erlässlich, weil Herr Vacchieri bei einem Kranken die dünnsten
Glieder und den Kopf erst am zweiten Tage in einem neuen
Abgänge entdeckte.
Aus meinem Versuche resultirt also nur, dass das Mittel
überaus angenehm zu nehmen ist, keinerlei Beschwerden macht
und rasch auf den Wurm wirkt. Die Sicherheit des Mittels auf
den Kopf der Taenia basirt bisher nur auf den früheren Ver¬
suchen Vacchieri’s, welcher 2 mal den Kopf, einmal am
ersten Tage mit den Gliedern, das andere Mal am zweiten Tage
mit nur einigen Halsgliedern vorfand, und bei einigen weiteren
Kranken den Abgang des ganzen Wurmes vermuthet, weil in
2—3 Jahren keine Recidive erfolgt sind, die betreffenden Pa¬
tienten sich wohl befinden, und selbst der wiederholte Gebrauch
von Semen Cucurbitae keine Glieder mehr abtreibt. Ob das
Mittel auch nach dem Transporte im Norden wirksam bleibt,
müssen Controll-Versuche zeigen, nach den günstigen Erfahrungen
in Sanremo möchte ich es glauben und bis auf weiteres an der
Hoffnung festhalten, dass neue Versuche die frischen Samen der
hiesigen Kürbissart an die Stelle des sichersten und angenehmsten
Mittels gegen Taenia erheben werden. Augenblicklich sind noch
frische Kürbisse in Sanremo zu haben, und werde ich, um eine
rasche Entscheidung der Frage herbeizuführen, in den nächsten
Tagen 2 Dosen Kerne und 2 Dosen fertiger Pasta an meinen
lieben Freund und Collegen Dr. G. Thilenius nach Berlin
schicken, und hoffe bald zu erfahren, dass auch in unserem
Lande das Mittel die warme Empfehlung verdient, die ich dem¬
selben für Sanremo ertheilen kann. Falls Mittel und Präparat
sich bei diesen Versuchen bewähren, möchte der Wunsch nahe
liegen, die Kerne bei uns einzupfianzen, um mit geringerer Mühe
frische Samen zu ernten. Der Versuch kann immerhin gemacht
werden, doch ist der Erfolg zweifelhaft, weil Herr Vacchieri
mir mittheilte, dass nur die Kerne, welche in einem Klima mit
grosser, langdauernder Hitze gereift seien, in frischem Zustande
volle Wirkung entfalten, dass aber alle in Paris mit Kernen dort
gereifter Früchte angestellten Versuche vergeblich gewesen seien.
Gelingt die Ernte in Deutschland nicht; so ist ja nicht zu viel da¬
mit verloren, wenn das Mittel nach dem Transporte nur wirksam
bleibt. Sanremo, resp. Herr Vachieri, würde im Stande sein,
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allen etwaigen Nachfragen mit frischen Kernen oder mit Präpa¬
raten aus denselben zu genügen. Des Erfolges ist der lebhafte Herr
schon so gewiss, dass er in der nächsten Zeit alle möglichen
Versuche anstellen will, um frische Kerne für eine längere
Conservirung geeignet zu machen. Auch ist er gern bereit, au
Polikliniken noch einige Proben gratis abzugeben, falls solche
gewünscht werden. Die Adresse ist: Italien, Signore Vacchieri,
Sanremo, Farmacia interuazionale, und kann die Correspondenz
deutsch geführt werden, da Frau Vacchieri der deutschen
Sprache mächtig ist.
Was die Darreichung des Mittels anbelangt, habe ich kurz
zu recapituliren, dass die Kerne aus der Tasche ad libitum
auf dem Spaziergange, selbst bei der Arbeit gegessen werden
können, es nur wünschenswerth bleibt, den Kranken zwischen¬
durch mehrere Gläser Flüssigkeit, Wasser oder Milch, trinken zu
lassen. Reichlicheres Trinken ist aber namentlich beim Genuss
der compacteren Pasta geboten, damit dieselbe nicht stuhlan¬
haltend wirkt. Ricinusöl muss jedenfslls in grösseren Mengen ge¬
geben werden. — Da bei dem Gebrauche der wohlschmeckenden
Kerne kein Erbrechen, keine Schmerzen auftreten, so wird das
Mittel sich in der Kinderpraxis wahrscheinlich noch mehr be¬
währen, als bei Erwachsenen, da ja selbst der Verordnung relativ
grösserer Dosen bei der sonstigen Unschädlichkeit des Mittels
nichts im Wege stehen würde.
IV. Referate.
Ein Todesfall in Folge von Hämorrhagie des Pancreas.
Bei einer 62jährigen Geisteskranken, deren psychisches Leiden
während der Entwicklung eines noch bestehenden Ovarialtumors auf¬
getreten war, sahen Challand und Rabow (Mittheilung an die Societe
vaudoise de medecine, Sitzung vom 4. October 1877), ohne dass eine
acute Erkrankung vorausgegangen war, Collaps eintreten; ausser wieder¬
holtem Erbrechen waren weitere objeetive Erscheinungen nicht vorhanden;
die Kranke seufzte oft und klagte über Schmerzen in der Lendengegend
und im Epigastrium, die sich übrigens auf Druck nicht steigerten. Der
Zustand tiefen Collapses dauerte ca. 13 Tage bis zum Tode an. Bei der
Section fand sich eine weit über mannskopfgrossc Cyste des linken Ova-
riuni mit wenig adhärirenden Wandungen, die übrigen Organe gesund,
ausser dem Pancreas, dessen Volumen auf das doppelte des normalen
vermehrt war und welches im Innern eine etwa faustgrosse Höhle trug,
die mit grossen schwarzen Gerinnseln angefüllt war; eine gewisse Menge
Blut war schon beim Einschneiden herausgellosscn. Das Gewebe der
Drüse war dunkelbraun und sehr erweicht. Diese Fälle schliessen sich
den von Zenker auf der Breslauer Naturforscherversammlung mitge-
theilten Fällen von plötzlichem Todesfall durch Hämorrhagie des Pancreas
an (diese Wochenschrift No. 48, 1874). Oppolzer ist in einem Falle
im Stande gewesen, die Diagnose während des Lebens zu stellen.
Zur Behandlung der Migräne.
Nach Seguin’s längere Zeit fortgesetzten Beobachtungen, die er
in der Academie der Medecin in New-York mittheilte, ist bei der Be¬
handlung von Hemikranie die von Greene angeführte Therapie lang
fortgesetzter Dosen von Cannabis Indica von entschiedenem Werthe.
Monate lange Befreiung von den Anfällen, so lange das Arzneimittel
genommen wurde, sah S. in der Hälfte der Fälle eintreten. S. giebt
bei Frauen das alkohol. Extract 0,02 in Pillen 3 Mal täglich vor jeder
Mahlzeit, diese Dose wird in wenigen Wochen auf 0,03 gesteigert. Männer
können gleich mit dieser Dose beginnen und auf 0,045 steigen. Die
Hauptsache bleibe langer und sehr regelmässig fortgesetzter Gebrauch.
Nebenerscheinungen erheblicher Art traten bei diesen Gaben nicht auf.
(Med. Times and Gazette, 16. Februar 1878.)
Herr Stabsarzt a. D. Dr. S chaetzke in Sonneberg (Sachsen-Meiningen;
empfiehlt in einer der Red. zugegangenen Mittheilung gegen nervöse Mi¬
gräne den Gebrauch von Natrum salicylicum, und zwar 2 Grm. in einem
halben Glase Zuckerwasser auf einmal, sofort beim Beginn der Migräne
zu nehmen; er erklärt das Mittel für zuverlässig.
Zur Behandlung der Intertrigo im Kindesalter.
Bei Intertrigo der Kinder empfiehlt Wertheimber (deut. Arch. f. klin.
Med., Bd. XXI, Heft 2 u. 3) als erfolgreichstes Mittel den äusserlichen Ge¬
brauch von Sublimatlösung (Hydrarg. bichlorat. corros. 0,05, auf Aq, dest.
100,0). Grössere oder kleinere Stücke Lint werden mit der Lösung
getränkt auf die wunden Stellen gelegt; oft ist es schon ausreichend,
wenn die Lösung 3 bis 4 Mal täglich eine Stunde lang in Berührung
mit der wunden Fläche gehalten wird; nicht immer bedarf es der dauern¬
den Einwirkung. Die heilende Wirkung tritt überaus schnell ein, oft
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
214
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. i:>
ist schon nach 24—36 Stunden die dunkle Rüthe und die Exsudation
geschwunden. Allgemeinerscheinungen in Folge etwaiger Resorption
hat Yerf. nie eintreten sehen; die Gefahr ist um so geringer, als die
Application meist nur wenige Tage nöthig ist. Ist die Heilung bis zu
einem gewissen Grade vorgeschritten, so lässt Verf. noch eine Zeit lang
Ung. diachyli gebrauchen.
Einfache Polyurie; schnelle Heilung durch Ergotinge- i
brauch. !
Einen Fall von sehr intensiver Polyurie sah Ren du bei einem j
46jährigen kräftigen Manne auftreten, nachdem derselbe ca. 20 Tage
vorher in’s Meer "gestürzt war und sich nur mit grosser Anstrengung I
gerettet hatte. Zehn Tage nach diesem Sturze hatten sich Schwindel, |
Kopfschmerzen und Brechneigung, auch vorübergehende Bewusstlosigkeit !
eingestellt, und wiederum 10 Tage später waren profuse Schweisse, häu¬
figes massenhaftes Uriniren nebst sehr gesteigertem Durst und Hunger
aufgetreten. Die tägliche Quantität des Urins betrug pro die 10 Liter,
sein spcc. Gew. 1017, derselbe war ohne Zucker und Eiweiss. Atropin¬
gebrauch (0,001) reducirte zwar die Harn menge, rief jedoch starke Trocken¬
heit im Halse hervor. Sehr schnell aber wurde ohne weitere Störung
die Heilung bei Gebrauch von Sccale cornutum herbe: geführt, welches I
den Pat. zu nur 0,5 pro die gereicht wurde, so dass die Harnmenge j
vom 21. November an bis zum 30. November von 7 Liter 800 Gramm ;
auf 2 Liter zuriickging. Gleichzeitig schwanden die übrigen Symptome, i
so dass der Kranke am 5. December entlassen wurde. Die Harnstoff-
menge betrug bei einer fiir 6 l /2 Liter Harn pro die angestellten Rech
nung 87 Gramm, die Menge des eingeführten Stickstoffs 207 Gramm: !
in Stickstoff berechnet würde jene Harnstofftnenge 43 Gramm betragen,
also das Verhältniss des ausgeschiedenen zum ein ge führten Stickstoff ,
wie 1:5 sich verhalten. Dies Missverhältniss änderte sich bei Ende der I
Behandlung so, dass es 1:16 betrug. ,
(France medieale No. 17, 1878.) I
Zur Behandlung des runden Magengeschwürs. j
Der Gebrauch des Chloralhydrats bei Behandlung des chronischen
Magengeschwürs wird gleichzeitig von Hertzka (Poster med. Chirurg, i
Presse, März 1878, Sep.-A.) und Davis (The New-York Medical Record, 1
23. Februar 1878) ausserordentlich gerühmt. Hertzka reichte, indem i
er sowohl die anästhesirende, die blutcoagulirende, die desinficirendc
Eigenschaft und endlich ganz besonders die öfter gerühmte Fähigkeit i
des Chlorals, Gesehwiire gut und schnell zu Indien (vgl. u. a. diese Woch. •
No. 15, 1875), in Betracht zog, einem Kranken, der seit 10 Jahren an I
den heftigsten Erscheinungen eines sich allmälig vergrößernden Ulcus i
ventriculi litt und auf dio vielfältigste Weise wigebens behandelt worrlen :
war, Chlorhydrat 14 Tage hindurch allabendlich zu 3 — 4 Gramm iri
3 Dosen mit je 2stiindlieher Pause, liess übrigens auch gleichzeitig —
zuin Zweck der Abspaltung von Chloroform — Karlsbader Wasser wäh¬
rend des Tages trinken. Der Effect war ein höchst überraschender, !
indem schon 8 Gramm die heftigen Cardialgien, das regelmässige Er¬
brechen, die häufigen Blutungen «vssiren und den Magen zur Aufnahme
gut verdaulicher Nahrung auch für die Dauer vollkommen geeignet j
machten. — Ebenso sah Davis bei einer sehr geschwächten Kranken, die '
er allerdings 5—6 Wochen später an Erschöpfung verlor, das fortwährende j
peinigende Erbrechen bei Gebrauch von Chloralhydrat — 0,12 vierstünd- ,
lieh — fast unmittelbar nach Beginn dieser Verordnung nahezu vollständig
verschwinden. Auch Davis hatte das Chloral in der Vorstellung ver¬
ordnet, dass es, wie bei äusseren Geschwüren, so auch beim Ulcus
ventric. seine heilende Wirksamkeit äussern würde.
V. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Berliner ■edielnische Gesellschaft
Sitzung vom 9. Jauuar 1878.
Atersitzcnder: Herr v. Langenbeck.
Schriftführer: Herr E. Küster.
Vor der Tagesordnung erhält das Wort Herr Schüler zu einer
Krankenvorstellung.
Tagesordnung. Herr Virchow: Vorstellung einer ungari¬
schen Microcephalen. (Der Vortrag wird in dieser Wochenschrift
veröffentlicht werden.)
Sitzung vom 16. Januar 1878.
Vorsitzender: Herr v. Langcnbeck.
Schriftführer: Herr Senator.
Das Protocoll der letzten Sitzung wird verlesen und angenommen.
Tagesordnung. I. Herr Zülzer: Ucber einige Verhältnisse |
des S t o f fw e o h s e ls, I
II. Hojr Mendel: Ueber moralischen Wahnsinn.
Beide Vorträge werden ausführlich veröffentlicht werden. j
Sitzung vom 21. Januar 1878.
Vorsitzender: Herr Hon och.
Schriftführer: Herr I». Krankel.
Das Protocoll der vorigen Sitzung wird verlesen.
Zum Protocoll bemerkt Herr Zuelzor: Ich bin von verschiedenen
Seiten, namentlich von den Herren DDr. Adelmann, J. Wolff u. a.
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aufmerksam gemacht, dass bei meinem Vortrage die Arbeit v. Langen-
beck’s „Ueber krankhaftes Längenwachsthum der Röhrenknochen 11 ausser
Envähnung blieb. In der That hat gerade diese Arbeit für meine Theorie
eine principielle Bedeutung und bildet das direkte Gegenstück zu Schiffs
Experimenten. Während hier durch locale Depression in Folge von Nerven¬
durchschneidung die Knochen an Kalk verarmen und nur partiell eine
relative Vermehrung desselben zeigen, beweisen die Beobachtungen von
Langenbeck’s, dass locale Reize, pathologische oder experimentelle, eine
Zunahme des im Wachsthum befindlichen Knochens in der Länge wie
in der Dicke zur Folge haben.
Wenn die Ermittlung des relativen Werthes der anorganischen Ex-
cretionsstoffc ein zuverlässiges diagnostisches Hilfsmittel für physiolo¬
gische. und pathologische Zwecke bildet, so erhalten wir durch diese
Arbeiten besondere Anhaltspunkte bezüglich der Bedeutung des Kalkes
für den Stoffwechsel.
Ich bitte mir zu gestatten, diese Bemerkung nachträglich dem Pro¬
tocoll einfügen zu dürfen.
Von dem Redac-teur des British Med. Journal, Herrn Ernest Hart,
ist an den Schriftführer ein Brief eingegangen, in welchem die Gesell¬
schaft aufgefordert wird, sieh darüber zu äussern, ob die in England als
Tafelgetränk viel gebrauchte Apollinarisquelle ein natürliches Mineral¬
wasser sei oder nicht. Herr Liebreich erbietet sich, die betreffende
Untersuchung zu machen und schlägt vor, ihm hierzu einige Herren, z. B.
Herrn Senator beizuordnen. Herr Hirsch borg bemerkt, dass cs die
Gesellschaft bisher abgelehnt habe, in solchen Angelegenheiten ein
Urthcil abzugeben. Nachdem von Herrn B. Frankel und Henooh in
dieser Sache noch das Wort genommen, werden Herr Liebreich und
Herr Senator beauftragt, die betreffende Untersuchung zu machen und
an die Gesellschaft zu berichten.
Der Apotheker Herr Dr. Hcinr. Fried Binder sucht in einem Briefe
die Erlaubnis nach, der Gesellschaft eine kleine Ausstellung seiner
neuesten Präparate der Phannaeopoea elegans sowohl wie der neuesten
Arzneimittel zu veranstalten. Nach kurzer Debatte, in welcher u. a.
Herr Liebreich bemerkt, zu dieser Ausstellung könne unmöglich ein
einzelner Apotheker zugelassen werden, und sich erbietet event. die
Ausstellung durch «'inen Vortrag zu erläutern, bcschliesst die Gesell¬
schaft auf Herrn Lieb reichte Antrag sich wegen einer zu veran¬
staltenden Ausstellung von Medicamenten mit dem Apotheker-Verein in
Verbindung zu setzen.
Darauf tritt die Gesellschaft in die Tagesordnung ein.
I. Diseussion über den Vortrag des Herrn Mendel über moralischen
Wahnsinn.
Herr Westphal: Einiges, was Herr Mendel als Sätze der neueren
Psychiatrie bezeichriete, vermöge er nicht als solche anzuerkennen. So
könne er die Loealisirung des Erkenntnisvermögens. in den Hirn- und
des Gefühlsvermögens in den Hinterhauptlappen nicht einmal als eine
wahrscheinliche Thatsache gelten lassen. Bekannt sei nur, dass Er¬
regungen gewisser Regionen der Hirnrinde gewisse Bewegungen aus lösten,
und aus neuester Zeit, dass die Exstirpation gewisser Hirnpartien die
Fähigkeit zu gewissen Sinnoswahrnehmungen vernichte. Aber die Be¬
weise auch für diese T hat Sachen über die Localiation gewisser Func¬
tionen im Hirne seien erst bei Thieren und noch nicht für den Menschen
zuin Abschluss gelangt. Ueber die Localisation der eigentlich psychi¬
schen Fähigkeiten, Vorstellungen zu bilden etc. sei dagegen noch nichts
bekannt. Die moderne Wissenschaft habt“ nichts neues zu der alten
Annahme hinzugefügt, dass das Stirnhirn der Sitz der Intelligenz sei,
und eine hohe Stirn geistige Begabung bedeute. Man könne nicht weiter
gehen, als zuzugeben, dass das Gesammtvolumen des Hirns in einer ge¬
wissen Beziehung zu den geistigen Fähigkeiten stehe. Herr Mendel
habe aber nicht nur angeführt, dass da, wo bloss das Gefühlsvermögen
erkrankt se : , die graue Substanz dos Hinterlappens der Sitz der Er¬
krankung sei, sondern habe überdies den moralischen Wahnsinn geradezu
als Paraesthesie des Hinterlappens bezeichnet; durch derartige Bezeich¬
nungen werde man versucht, zu glauben, man wisse mehr, als dies in Wirk¬
lichkeit der Fall ist. Unter der Bezeichnung „moralischer Wahnsinn“ seien
sehr verschiedene Dinge beschrieben worden. Die Art des moralischen Wahn¬
sinns, von der uns Herr Mendel unterhalten wollte, sei eine bestimmte
Krankheitsform. Es seien eigenthümliche, häufig schwer zu erkennende
Fälle, die von Jugend auf bestehen und sich darin geltend machen
sollten, dass bei Intactheit der Intelligenz eine krankhafte Perversität in
der Gefiihlssphäru besteht. Der Schilderung, die Herr Mendel von dem
Zustande selbst gegeben, sei im allgemeinen beizustimmen, aber Itednr
glaube eine andere Auffassung desselben vertreten zu müssen. Es handele
sich dabei nicht um einen eigentümlichen Erkrankungsprocess, sondern
um einen Defect in der psychischen Thätigkeit, um einen Defect, der
nicht bloss die Gefühlssphäre („Gemüthsidiotic“), sondern auch die In¬
telligenz beträfe. Der Defect sei kurz als Schwachsinn zu bezeichnen,
allerdings eines höchst eigentümlichen Grades, zu dessen Erkennung
grosses aufmerksames Studium, viel Zeit und Uebung gehöre. Die
betreffenden Personen dächten öfters richtig und logisch und überlegten
in gewisser Beziehung; aber es fehle ihnen doch ein gewisses etwas, und
namentlich seien es allgemeinere Begriffe, allgemeine Anschauungen und
Urteile, zu denen sie absolut nicht fähig seien. Ihr Denken höre an
oiner gewissen Stelle auf, und zwar sobald es sich darum handele, all¬
gemeine Urtbeilf zu bilden, die jeder auch ganz ungebildete leicht
findet: sie täten zwar so, als urteilten sie, aber in der That hätten
sie keine Vorstellung davon. Zu diesen Begriffen gehörten die Begriffe
von Sittlichkeit, von höheren socialen Verhältnissen etc.
Original fnun
UNIVERSfTY OF MICHIGAN
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
215
15. April 1878.
Zu diesem Defecte in der Intelligenz, der häufig auch weiter gehe,
z. B. bis zur Unfähigkeit in der Schule weiter zu kommen, geselle sich
immer eiu Defect in der Gemüthssphäre. Es sei aber auch hier kein sich
entwickelnder Process. sondern ein von vorn herein bestehender Defect
gewisser geistiger Gefühle. Gewisser Gemüthserregungen seien sie niemals
fähig, es fehle ihnen absolut die Anlage dazu von Jugend auf.
Aus der Combination dieser Erscheinungen, zu denen sich noch
perverse Erregungen gesellten, könne man sich ein verschiedenes Krank¬
heitsbild zusammensetzen. Durch die verkehrten Handlungen, die sie
auf Grund dieser Defecte begehen, erschienen die Patienten oft bösartig,
leidenschaftlich, während sie einer eigentlichen Leidenschaft gar nicht
fähig seien. Was als Leidenschaft erscheine, seien augenblickliche An¬
triebe und Impulse, denen sofort nachgegeben werde. Redner will hier
nicht weiter auf die Sache eingehen, sondern nur hervorheben, dass es
sich um einen Defect handele, und dass gleichzeitig neben dem Defecte
in der Gemüthssphäre auch ein Defect der Intelligenz bestehe, der frei¬
lich von eigenthümlicher Natur sei und zuweilen verdeckt würde unter
der Maske der Perversität der Gefühle.
Schliesslich hemerkt Redner, das Beispiel von Pinel, das Herr M.
angeführt habe, gehöre nicht in diese Categorie.
Herr Mendel: Die vorgerückte Zeit habe ihn das vorige Mal seinen
Vortrag etwas einschränken lassen, und freue er sich, bei der Diseussion
noch einzelnes klar stellen zu können. Dass der Sitz der Intelligenz im
Stirahim und der Sitz des Gemüths im Hinterhauptslappen wäre, habe er
nicht als Thatsache, oder als vermeindliche Thatsache angeführt, sondern
nur die Gründe angegeben, die zum Theil aus der comparativen, zum
Theil aus der microscopischen und pathologischen Anatomie hergeleitet
seien, die uns darauf führen könnten, eine solche Annahme zu machen.
Einen bindenden Schluss aus jenen Thatsache» zu ziehen, habe er
weder bei seinem Vorträge gewagt, noch wage er ihn heute. Uebrigens
lägen diese Gründe für die Loealisation einzelner Geistesfunctionen
weniger in den Schlüssen, die aus den motorischen Centren und den
Experimenten über Seelenblindheit und Seelentaubheit gezogen werden
könnten, als in der Localisirung der Sprache und der Lehre von der
Aphasie. Oh das Empfindlings- und Seelenleben getrennt localisirt
werden könne, sei zur Zeit eine offene Frage, deren Entscheidung eine
Aufgabe für die Zukunft sei. Redner habe nur das vorliegende Material
über diese Frage zusammengestellt.
Was den Ausdruck Para^sthesie anlangt, nicht des Hinterhaupts¬
lappens, sondern des Gcmüthslebens, wie er ausdrücklich gesagt habe,
so habe Zeller schon den moralischen Wahnsinn als Gemüthsverrückt-
heit bezeichnet, und Griesinger, der die Manie als Kinese, als Krampf
des Denkens betrachtet, theile einen unzweifelhaften Fall von moralischem
Wahnsinn mit, den er bei den Erkrankungen des Gemüths unter der
dritten Abtheilung, nämlich der krankhaften Herabsetzung des Empfindens
rubricire. Redner habe aber mit diesem Ausdrucke nichts erklären wollen,
und auch dies habe er hervorgehoben und gesagt, dass dieses Wort nur
gewählt sei, um einen Anschluss an die Pathologie der sensiblen Nerven
zu haben, bei denen wir auch von Paraesthesie sprechen, obwohl wir
wissen, dass mit diesem Ausdruck nichts erklärt sei.
Als Defect könne er den moralischen Wahnsinn nicht, betrachten,
weil er keinen sich gleich bleibenden Zustand darstelle, sondern starke
Remissionen zeige. Ein Defect könne keine zeitweise Steigerungen und
dann wieder Herabsetzungen erfahren. Vollständig unerklärt blieben
dann auch die Fälle von erworbenem moralischen Wahnsinn, die von
allen Autoren angenommen werden, und hei denen man doch nicht an
die plötzliche Entstehung eines Defects denken könne. Was den Schwach¬
sinn anlange, so stimme er darin mit Herrn Westphal überein und
habe sich auch in einem Aufsatz über moralischen Wahnsinn in der
Deutschen Zeitschr. f. pract. Med. im Jahre 1876 bereits dahin ausge¬
sprochen, dass ein solcher in allen Fällen dabei vorhanden sei. Es be¬
weise dies aber nicht, dass der ganze Process von Schwachsinn abhänge.
Bei der innigen Verbindung der einzelnen Theile in dem eomplicirten
Baue des Gehirns könne ein Theil kaum erkranken, und alle anderen
gesund bleiben. Gewöhnlich würden auch die anderen mehr oder minder
mit erkranken, und da beim moralischen Wahnsinn die Erkrankung vor¬
zugsweise in der Gemüthssphäre sich zeige, in krankhaften Trieben und
Neigungen, so sei zu schliessen, dass auch hier vorzugsweise der Herd
der Krankheit sei. Auch der ganze Entwicklungsgang der an moralischem
Wahnsinn Leidenden disponire in gewisser Beziehung dazu, als schwach¬
sinnig hinter anderen zurückzubleiben. Der Name „Schwachsinn“ sei
übrigens eine sehr incommensurable Grösse; was bei dem studirten Mann
schwachsinnig erscheine, sei hei den Bauern ganz gewöhnlich. Mit der
Annahme des Schwachsinnes müsse man sehr vorsichtig sein. Es sei
gefährlich, dem grossen Publikum gegenüber beweisen zu wollen, dass
jemand schwachsinnig sei. Wenn man diese Krankheit erklären wolle,
müsse vor allem darauf hingewiesen werden, wo der Hauptschade sitze,
nämlich in der Sphäre des Gemüths.
Den Fall von Pinel habe er nicht als moralischen Wahnsinn an¬
geführt, sondern um zu zeigen, dass auch schon vor 80 Jahren die Sach¬
verständigen nicht zum Worte kamen, wenn es sich darum handelte,
einen, der vernünftig sprechen konnte, für wahnsinnig zu ei klären. Der
Fall passe auch nicht zu der von ihm gegebenen Beschreibung des
moralischen Wahnsinns. Er habe ausdrücklich hervorgehoben, dass
Pinel unter „Mania sine delirio“ vieles zusammenwirft.
Herr Westphal: Ein psychischer Defect könne nicht mit einem
körperlichen verglichen werden. Wo ein Defect bestehe, könnte um so
leichter sich eine weitere psychische Störung hinzugesellen. Auch aus-
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Gougle
gesprochene Verstandes-Idiotcn könnten intercurrent maniakalisch werden.
Uebrigens stimme ja Herr Mendel der Ansicht zu, dass auch die In¬
telligenz leide und habe dieses wahrscheinlich nur der Kürze der Zeit
wegen das vorige Mai zu erwähnen unterlassen. Redner erwähnt auf
eine Frage aus seiner Nachbarschaft, dass auch das Individuum, welches
in dieser Gesellschaft den Vortrag über moralischen Wahnsinn veranlasst
habe, entschieden schwachsinnig sei in der eigenthümiiehen, hier vor¬
kommenden Form des Schwachsinnes.
Herr Mendel: Man könne nicht eine so scharfe Sonderung zwischen
Geist und Körper ziehen,'sondern müsse dahin streben, den Geist mög¬
lichst zu localisiren. Der angeborene moralische Wahnsinn könne mit
den angeborenen Herzfehlern verglichen werden, wenn man überhaupt
einen Vergleich machen will.
Allgemeiner ärztlicher Verein in €dln.
Sitzung vom 12. März 1877.
1) Herr Michel stellt einen Kranken vor, der Jahre lang eine grosse
Anzahl von Nasenpolypen mit sich herumtrug, in Folge dessen eine starke
Erweiterung der Nasenhöhle erlitt und nun sehr gut sich eignet zur Be¬
sichtigung der Tubenmündung von der Nase aus. Bequem lässt sich
auch der vom Vortragenden angegebene Nasenraehenspiegel einführen.
Die Demonstration geschieht mittelst Kalklichtbeleuchtung. Herr Michel
fügt einige Bemerkungen an, des Inhaltes, dass in der Krkenntniss und
Behandlung der Nasenhöhlenleiden deshalb erst in der neueren Zeit
grössere Fortschritte gemacht wurden, weil man an die völlige Durch-
forschbarkeit dieser Höhle nicht glaubte und auch ungenügender Be¬
leuchtung sich bediente. Er schliesst, indem er bemerkt, dass der Vor¬
wurf, es stünden die im Jahre 1873 veröffentlichten Beobachtungen (über
die Tubcn-Mündung etc.) im Widerspruche mit den im Jahre 1875 be¬
kannt gegebenen, durchaus falsch wäre, denn die ersteren bezögen sich
auf die Tuben-Mündung, die letzteren auf die Tubenspalte, welche nur
mittelst des durch die Nase in den Nasenrachenraum geführten Nasen¬
rachenspiegels den Blicken hätte erschlossen werden können.
2) Herr Riegel theilt einen auf der inneren Abtheilung des Hospi¬
tals zur Beobachtung gekommenen Fall von Peripleuritis mit. Der
Fall ist im Deutschen Archiv f. klin. Med., Bd. XIX in extenso ver¬
öffentlicht.
Sitzung vom 14. Mai.
1) Das Protocoll rler letzten Sitzung wird verlesen und genehmigt.
2) Herr Hop mann: Ueber die Theilnahme des Kehlkopfs bei der
Lautbildung.
Sitzung vom 11. Juni.
1) Das Protocoll der letzten Sitzung wird verlesen und genehmigt.
2) Herr Tuczek: Ueber Vaguslähmung.
Der Vortragende berichtet über einen auf der Riegel’sehen Ab¬
theilung beobachteten Fall von abnorm (bis zu 208 Schlägen in der
Minute) gesteigerter Herzfrequenz mit secundärer Lungenblähung hei
einem 38jährigen, nicht fiebernden, mit chronischer Spitzenpneumonie
behafteten Manne. Bei dem Fehlen aller Symptome eines centralen oder
eines organischen Herzleidens konnte dieses Phänomen, das nur während
weniger Tage bestand, nur gedeutet werden als eine vorübergehende
Neurose des Vagus, und zwar Lähmung der cardialen, Reizung der pul¬
monalen Fasern mit nachfolgendem Bronchialkrampf und acuter Lungen¬
blähung.
Der Fall ist in extenso veröffentlicht im Deutschen Archiv f. klin.
Medicin, Bd. XXI.
Sitzung vom 16. Juli 1877.
1) Das Protocoll der letzten Sitzung wird verlesen und genehmigt.
2) Herr Bardenhewer: Ueber Behandlung der Bronchiectasie.
Der Vortrag ist in No. 52 der Klinischen Wochenschrift 1877 ver¬
öffentlicht.
3) Herr Riegel: Ueber das Verhalten des Pulses im Fieber.
Der Vortrag ist in der Klinischen Wochenschrift 1877, No. 34, ver¬
öffentlicht.
Sitzung vom 13. August 1877.
1) Das Protocoll der letzten Sitzung wird verlesen und genehmigt,
2) Herr Servaes theilt zwei Fälle von Schok in Folge Blitz¬
schlags mit. Der erste betraf ein 13 jähriges Mädchen, welches während
eines Gewitters an einem nicht ganz geschlossenen Fenster sass; der
Blitz fuhr ungefähr 10 Fuss von dem Kinde auf die Strasse. Sofort
heftiger Schmerz in der dem Fenster zugewandten rechten Schulter. Ein
Versuch, vom Fenster zu entfliehen, endete damit, dass Pat. nach wenigen
Schritten niederstürzte. Grosse Blässe, anfänglich vollkommene Para¬
plegie, Gefühl von Eingeschlafensein in allen Extremitäten, Kältegefühl
im ganzen Körper, Anurie. Gegen Abend liessen schon sämmtliche Er¬
scheinungen nach. Am folgenden Morgen noch Unsicherheit und Par¬
aesthesie, namentlich in den Füssen, schwankender Gang. Nach weiteren
24 Stunden vollkommene Genesung.
II. Fall. Ein Maurer wurde vom Blitze in den Nacken getroffen.
In einem 2—3 Ctm. breiten rothen Streifen erkenntlich war der Blitz
am ganzen Rücken heruntergegangen, dann über das rechte Bein bis
zur Mitte der Wade. Unmittelbar nach dem Schlage tiefe Bewusstseins¬
pause, welche ca. \ 2 Stunde anhielt, mit leichenartiger Blässe der Haut.
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
216
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 15
Dann plötzlich jähes Erwachen, heftige Jactation, Klage über unerträg¬
lichen Schmerz im Nacken und in beiden Schultern, abwechselnd Starr¬
krämpfe, anfänglich von der Dauer mehrerer Minuten, später kürzer.
Letztere wurden auch durch die leiseste Berührung der Haut an Nacken,
Schultern und Armen geweckt, traten aber anfänglich auch bei jedem
Schluck versuch ein. Zwischendurch Pansen, in denen Pat. ruhig mit
geschlossenen Augen dalag.
Langsamer Nachlass der Erscheinungen; vom 3. Tage ab nur noch
seltene Zuckungen, während die Hyperaesthesie erst am 10. Tage völlig
verschwunden war. Nach drei Wochen Entlassung aus der Behandlung
als gesund.
VI. Feuilleton.
Ausserordentliche Sitzung des Central-Ausschusses
der Ärztlichen Bezirksvereine zu Berlin am
5. April 1878.
1. Es wird einstimmig beschlossen, den Nord-Verein, auf Grund
seiner Statuten und nachdem die Namen seiner Mitglieder verlesen worden
sind, aufzunehmen. — 2. In betreff der Delegirten - Wahl zum Aerzte-
tag am 6. und 7. August in Eisenach wird den Vereinen empfohlen,
sich die Freiheit der Wahl zu sichern durch Gewährung von Reisediäten.
Auf 25 Mitglieder eines jeden Vereins ist 1 Delegirter zu entsenden. —
3. Die Referate über die Tages-Ordnung des deutschen Aerztetages be¬
ginnt Herr Guttstadt, indem er Mittheilungen über die Stellung der
deutschen Aerztevcreine zur Leichenschaugesetzfrage macht. Die Ver¬
sammlung scbliesst sich einstimmig folgender These I: „des deutschen
Aerztetages in Nürnberg 1877 an: Der Aerztctag spricht es als seine
Ueberzeugung aus, dass auch in dünn bevölkerten und mit Aerzten wenig
besetzten Gegenden die obligatorische Leichenschau nicht entbehrt werden
kann, da sie zur rechtzeitigen Erkenntnis« von auftauchenden Epidemien
oder sonstigen socialen Missständen durchaus nothwendig ist.“
Dagegen sieht sich der Central-Ausschuss zur Zeit nicht in der Lage,
These II: .der Aerztetag fordert die ärztlichen Vereine auf, sich darüber
auszusprechen: Soll das Zustandekommen des Leichenschaugesetzes von
den ärztlichen Vereinen dadurch unterstützt werden, dass sie erklären,
überall da, wo die gesetzliche Leichenschau ein geführt wird, das Ein¬
trägen der Todesursachen für die in ihrer Behandlung verstorbenen Un¬
bemittelten unentgeltlich leisten zu wollen V“ den Vereinen zur Annahme
zu empfehlen, weil bei uns mit der Ausstellung eines Leichenschauscheins
ein Besuch verbunden ist.
An die Petition des Aerztetages um Einführung der allgemeinen
obligatorischen Leichenschau, welche dem Reichstage eingereiht werden
soll, empfiehlt der C.-A. den Vereinen einstimmig, sich anzuschliessen.
4. Die Herren Börner und Semler referiren über die Lebens¬
versicherungsfrage, wonach die Versammlung ihren Anschluss an folgende
Thesen des Aerztetages zu Nürnberg ausspricht: I. Die Begründung
einer allgemeinen Invaliden- und Wittwenkasse für deutsche Aerzte auf
dem Wege der Lebensversicherung ist nach den mit den verschiedenen
Lebensversicherungsgesellschaften gepflogenen Unterhandlungen zur Zeit
noch nicht möglich. II. Der Aerztetag erkennt an, dass die Unter¬
stützung der Invaliden und Hinterbliebenen zur Zeit am zweckmässigsten
von den ärztlichen Local- oder Landesvereinen ausgeübt werden kann,
während eine allgemeine Unterstützungskasse des deutschen Aerzte-
vereinsbundes nur auf einer Grundlage gebildet werden kann, die rech-
nungsmässig feststehende Ansprüche gewährleistet. Der Aerztetag em¬
pfiehlt deshalb: a) Ausbau der bestehenden Unterstützungskassen, b) Be¬
gründung solcher Kassen, wo sie noch nicht bestehen.
5. Ueber die Zwangspfiieht der Aerzte zur Hülfeleistung in Noth-
fällen (§. 360. 10 des R-Str.-G.) erstattet Herr Körte Bericht im An¬
schluss an die im ärztlichen Vercinsblatt No. 67 und 71 erwähnten Fälle,
welche die Regierung zu Koblenz und das Ministerium des Innern ver¬
anlasst haben, das polizeiliche Verlangen von ärztlicher Hülfe unter Bezug¬
nahme auf den §. 360, 10 des R.-Str.-G. als gerechtfertigt zu erklären.
Der C.-A. ist der Ansicht, das auf Grund der vorliegenden Fälle die
Gefahr der Einlührung des §. 200 des früheren preussischen Str.-Ges.
nicht vorliege. — 6. In betreff der Beaufsichtigung und des Schutzes
der Haltekinder macht Herr Stropp Mittheilungen. Bestimmte Mass-
regeln dafür vorzuschlagen, hält der C.-A. bei dem Mangel an Material
über diese Frage für verfrüht.
7. Gegen den Beschluss des II. Aerztetages, die Verleihung des
medicinischen Doctortitels erst nach abgelegtem Staatsexamen sei zu be¬
antragen, spricht sich Herr Leyden aus, indem er 1) die Motive des¬
selben nicht für ausreichend, 2) denselben nicht für durchführbar 3) wenn
durchführbar, ihn nicht lür zweckmässig erklärt. Der C.-A. tritt den
Ausführungen des Referenten bei und empfiehlt den Delegirten zum Aerzte¬
tag, nicht für die Erneuerung des angeführten Beschlusses des II. Aerzte-
tages zu stimmen.
8. Herr Küster beantragt: der C.-A. w T olle die Vereine zum bal¬
digen Bericht auffordern, a) wieviel Kranken- resp. Gesundheitsvereine
in jedem Bezirk vorhanden, b) wer die Aerzte dieser Vereine, c) wieviel
Honorar dieselben beziehen, d) wieviel Besuche dieselben durchschnittlich
iäglich zu machen haben. Weil die Bezirksvereine noch nicht die ganze
Stadt umfassen, wird die beantragte Statistik nicht für ausführbar ge¬
halten. Auch wird cs für bedenklich gehalten, gegen diese Vereine
vorzugehen, weil ein Schulz gegen die Ausnutzung der Aerzte sich nicht
schaffen lasse. Der Schaden, den diese Vereine stiften, sei auch nicht gross,
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Gck igle
da viele Mitglieder derselben den Arzt des Vereins nicht benutzen, son¬
dern nur aus Wohlthätigkeit demselben angehören. Die Versammlung
lehnt daher den Antrag ab und stellt dem Antragsteller anheim, erst
privatim eine Statistik darüber zu schaffen und dann Vorschläge zu machen.
9. Den Schluss der Tages-Ordnung bildet die Verhandlung über
den Antrag Oldendorf: Niedersetzung einer Commission zur Entwertung
einer Standes-Ordnung. Mit dieser Aufgabe wurden betraut die
Herren Küster, Oldendorf, Lissa, Doebbelin und Guttstadt
und dazu cooptirt die Herren Semler, Veit, Ulrich, Krüger, Sel-
berg und Witte.
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. Der siebente Congress der deutschen Gesellschaft
für Chirurgie ist am 10. April unter sehr zahlreicher Betheiligung in
der Aula der Königlichen Universität eröffnet worden. Herr v o n L an gen -
beck ist durch Acclamation zum Präsidenten wiedergcwählt worden.
— Der Director der chirurgischen Klinik in Giessen, Herr Prof.
Wernher, ist auf seinen Antrag pensionirt worden; zu seinem Nachfolger
ist sein früherer Assistent, Herr Dr. Bose, welcher bis jetzt seit vielen
Jahren als Assistent an der v. Langenbeck’schen Klinik hierselbst
fungirte, ernannt worden.
— Während der diesjährigen Ausstellung, und zwar während der
ersten beiden Wochen des Augusts, wird in Paris ein internationaler
Congress der Hygieine stattfinden. Von dem OrganisationseomitS
sind eine Anzahl von Fragen der Hygieine, die zur Discussion kommen
sollen, nachdem sie vorher von Specialreferenten einer im Druck zu ver¬
öffentlichenden Bearbeitung unterzogen worden sind, bereits aufgestellt.
Dieselben betreffen 1) die Hygieine der Neugeborenen. Referenten Ber¬
ti 1 Ion, Bergeron, Marjolin. 2) Die Veränderung (alteration) der
Wasserläufe. Ref. Durand-Claye, Proust, Scliloesing. 3) Nah-
rungshygieine (besonders Verfälschung der Nahrungsmittel). Ref. Bouley
und Nocard, Bouchardat und Gautier. 4) Die Wohnungen der
ärmeren Klassen. Ref. Trölat, Du Mesnil. 5) Gewerbehygieine. Ref.
Gubler und Napias. 6) Prophylaxe der Infections- und contagiösen
Krankheiten. Ref. Fauvel und Val 1 in. Ausser diesen Fragen werden
noch andere von anderer Seite kommende zur Discussion gestellt werden,
wenn dieselben mindestens einen Monat vor dem Congress dem Organi-
sationscomite zur Entscheidung, ob dieselben zur Discussion geeignet
sind, übersendet worden sind. Die Versammlungen werden täglich zwei¬
mal, von 9 bis 12 und von 2 bis 5 Uhr stattfinden: die Sitzung Nach¬
mittags wird der Erörterung der von dem Comite aufgcstellten Fragen
reservirt bleiben. Vorsitzender des Organisationscomite ist Herr Gubler,
Gencralsccretär Herr L i o u v i 11 e.
— ln dem Nachtrag zum Reichshaushaltsetat lür 1878,79 wird vom
Reichskanzler folgender Antrag zur Beschlussnahme dem Reichstag vor¬
gelegt: Das veterinärärztliche Mitglied des Kaiserlichen Gesundheitsamtes
(Herr Geh. Rath Roloff) beabsichtigt, einem Rufe der Königl. preussi¬
schen Staatsregierung zur Uehernahme der erledigten Stelle des Dircctors
der Thierarzneischule in Berlin Folge zu leisten. Im Interesse des Ge¬
sundheitsamtes liegt es indessen, dass der Genannte auch nach der
Uebernahme dieser Stellung als Hauptamts seine bisherigen Functionen
beim Gesundheitsamt, nebenamtlich wahrnimmt. — Um hierfür eine etats-
mässige Grundlage zu gewinnen, empfiehlt es sich, eine bezügliche An¬
merkung in den Etat aufzunehmen und dabei zugleich zu berücksich¬
tigen. dass bei einer Verwaltung der Stelle im Nebenamte dieselbe nicht
mit der vollen Normalbesoldung auszustatten sein, der zu ersparende
Theil vielmehr zur Remuncrirung einer veterinärärztliehen Ilülfskraft
zweckmässige Verwendung finden wird.
In der Woche vom 17. bis 23. März sind in Berlin 532 Personen
gestorben. Todesursachen: Masern 7, Scharlach 10, Rothlauf 4,
Diphtherie 15, Kindbettfieber 2, Typhus 5, Dysenterie 1, mineralische
Vergiftungen 3 (Selbstmorde), Delirium tremens 1, Sturz 1, Erschiessen
2 (Selbstmorde), Erhängen 2 (Selbstmorde), Ertrinken 2 (Selbstmorde),
Lebensschwäche 28, Bildungsfehler 1, Abzehrung 17, Atrophie der Kinder
5, Rachitis 1, Scropheln 4, Altersschwäche 15, Krebs 15, Wassersucht 4,
Herzfehler 15, Hirnhautentzündung 12, Gehirnentzündung 13, Apoplexie
10, Tetanus und Trismus 8, Zahnkrämpfe 4 , Krämpfe 49, Kehlkopfent¬
zündung 49, Croup 4, Pertussis 11, Bronchitis acuta 6, chronica 12, Pneu¬
monie 39. Pleuritis 5, Phthisis 70, Peritonitis 7, Folge der Entbindung 1,
Eierstockswassersucht 1, Diarrhoe 10 (Kinder unter 2 J.), Brechdurch¬
fall 5 (Kinder unter 2 J.), Magen- und Darmkatarrh 3 (Kinder unter
2 J.), Nephritis 7, Krankheiten der Blase 2, Diabetes< 2, andere Ursachen
66, unbekannt 2.
Lebend geboren sind in dieser Woche 399 m., 407 w., darunter
ausserehelich 65 m., 51 w.; todtgeboren 20 m., 18 w., darunter ausser-
ehelich 4 m., 5 w.
Die durchschnittliche Sterblichkeit dieser Woche beläuft sich
auf 27,1 pro Mille der wahrscheinlichen Bevölkerungszahl, die entspre¬
chende Geburtenziffer auf 41 pro Mille (beide Summen mit Ausschluss
von 1,9 pro Mille Todtgebornen).
Witterung: Thermometerstand: 3,34 R. Abweichung 0,83 R
Barometerstand: 27 Zoll 10,79 Linien. Dunstspannung: 2,10 Linien.
Relative Feuchtigkeit: 78 pCt. Himmelsbedeckung: 8,6. Höhe
der Niederschläge in Summa: 6,40 Pariser Linien.
Vom 24. bis 30. März sind in Berlin angemcldet: Typhus -Er¬
krankungen 9 (3 m., 6 w r .), Todesfälle 2.
Qrifinal from
UNIVERSITf OF MICHIGAN
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
217
15. April 1878.
YIL Antliehe Hfttkcihugea.
Personal!».
Auszeichnungen: Seine Majestät der König haben Allergnädigst ge¬
ruht, den practischen Aerzten etc. Dr. Josten in Münster und Dr.
Getz in Frankfurt a./M. den Character als Sanitäts-Rath zu verleihen.
Anstellungen: Der practische Arzt Dr. Fielitz ist mit Belassung
des Wohnsitzes in Lauehsted t zum Kreis-Wundarzt des Kreises Merse¬
burg ernannt Vörden. Der Kreis-Wundarzt Forst ner zu Willenberg
ist aus dem Kreise Orteisburg in den Kreis Carthaus versetzt worden.
Dem practischen Arzt Dr. Wilhelm Johann Otto in Stettin ist die
Armenarztstelle bei der französisch reformirten Gemeinde in Stettin
verliehen worden.
Niederlassungen: Dr. Wutzdorff in Cüstrin, Dr. Nieke in Zanow,
Dr. Alexander in Belgard, Arzt Olbrich in Pilgramsdorf, Arzt
von Scredynski in Probst hain, Dr. La Roche in Liegnitz.
Verzogen sind: Dr. Springer von Thiergart nach Dt. Eylau,
Arzt Meitzer von Dt. Eylau nach Thiergart, Dr. Rahm er von Brieg
nach Beuthen 0. Schl., Dr. Hlubck von Löwen nach Brieg, Ober-
Stabsarzt Dr. Rüppell von Mainz nach Glogau.
Aj>ot helfen-Angelegenheiten: Der Apotheker Augspach hat die
Sicht i ngVhe Apotheke in Prausnitz. der Apotheker Dan ne mann
die-Schlich teweg’sche Apotheke in Heringen, der Apotheker Frey¬
berger die Kloz’sche Apotheke in Schwarme und der Apotheker
von Jess die Sertürner’schc Apotheke in Hameln gekauft.
Todesfälle: Sanitiits-Rath Dr. Sachse in Woldenberg, Dr. Wilhelm
Hernes in Erkelenz.
ministerielle Verfügungen und Krlasse. j
Im Verlage von Paul Czihatzky, Besselstrasse No. 4 hierselbst, ist !
eine Schrift des Augenarztes Dr. Katz unter dem Titel: „Die Ursachen i
der Erblindung, ein Droh- und Trostwort“, erschienen, welche in allgc- j
mein verständlicher Darstellung ein grösseres Publicum über diese wichtige
Frage zu belehren sucht. Da bei einem derartigen Zwecke eine weitere
Verbreitung der Schrift wünschenswerth erscheint, so veranlasse ich die
Königliche Regirung pp., die ihr untergeordneten Behörden, sowie das
Publicum durch das Amtsblatt oder in sonst geeignet erscheinender
Weise auf diese Schrift aufmerksam zu machen, deren Anschaffung auch
durch den billigen Preis erleichtert wird, da das Exemplar für 50 Pfennige
an Behörden abgelassen werden wird.
Berlin, den“ 30. März 1878.
Der Minister der geistlichen-, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten.
(gez.) Falk.
An
sämmtliche Kgl. Regierungen und Landdrosteien, sowie auch
an das Kgl. Polizei-Präsidium hierselbst.
Das Königliche Provinzialsehulkollegium erhält Abschrift obiger Ver¬
fügung zur Kenntnissnahme mit der Veranlassung, dem „die Schuljahre“
betreffenden Kapitel dieser Schrift eine besondere Aufmerksamkeit zu
widmen, da dasselbe die Verschuldung der Schule an der Kurzsichtigkeit
eines grossen Theils ihrer Schüler in inassvoller Weise darlegt und auch
geeignete Vorschläge zur Abhilfe bezw. zur Verhütung dieses Uebels liefert.
Berlin, den 30. März 1878.
Der Minister der geistlichen-, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten'
Falk.
An
sämraliehe Kgl. Provinzial-Schulkollegien.
Bekanntmachungen.
Die Physikatsstelle des Kreises Tecklenburg ist vacant. Bewerber
um diese Stelle haben sich unter Einreichung ihrer Approbation und
sonstigen Zeugnisse binnen 6 Wochen bei uns zu melden.
Münster, den 1. April 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Die abermals zur Erledigung gekommene Kreiswundarztstelle des
Kreises Oppeln, mit welcher ein etatsmässiges Gehalt von 600 Mark, die
Verwaltung des Kreiskrankenhauses zu Kupp mit einer Remuneration
von 600 Mark aus Kreismitteln und eine Einnahme von 700 Mark für
das Impfgeschäft verbunden sind, soll besetzt werden. Qualificirte Be¬
werber um diese Stelle wollen sich unter Einreichung ihrer Zeugnisse
und eines Lebenslaufes binnen 6 Wochen bei uns melden. Der Wohn¬
sitz des Kreiswundarztes ist Kupp.
Oppeln, den 2. April 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Sterblichkeit In Berlin im Imt Utfember 1877.
Todesursachen: Masern 3 m., 5 w.; Scharlach 49 m., 56 w.; Rose
2 m., 4 w.; Rachenbräune 57 m., 36 w.; Eitervergiftung 1 m., 5 w.;
Kindbettfieber 21 w.; Karbunkel 1 m.; Nervenfieber 27 m., 26 w.; Ruhr
2 m., 2 w.; Acuter Gelenkrheumatismus 1 w.: Syphilis 4 m., 3 w.;
Mineralische Gifte 2 m., 3 w.; Giftige Gase 3 m.; Trunksucht 2 m.;
Schwämmchen 1 m.; Verbrennung 3 m., 1 w.; Sturz und Schlag
13 m., 1 w.; Schussvcrletzung 7 in., Folgen einer Operation 1 m.,
3 w.; Ersticken 1 m., 3 w.; Erhängen 14 m., 4 w.; Ertrinken 2 m.;
Lebensschwäche der Neugeborenen 63 m., 66 w.; Bildungsfehler 3 w.;
Zahnen 5 m., 9 w.; Englische Krankheit 1 w; Schwindsucht der Kin¬
der 8 m., 6 w.; Drüsenabzehrung, Scrofulosis 7 m., 3 w.; Erschöpfung
43 m., 34 w.; Altersschwäche 13 m., 41 w.; Druckbrand 1 w.; Krebs
und Geschwülste IS m., 37 w.; Kropf 1 w.; Blutfleckenkrankheit 1 m.;
Blutmangel, Anaemia 2 m., 1 w.; Wassersucht 6 m., 7 w.; Zucker¬
krankheit, Diabetes meUitus 1 m.; Zellgewebeentzündung, Phlegmone
7 m., 5 w.; Krankheiten der Haut und der Zellgewebe 3 w.; Entzün¬
dung der Knochen und Gelenke 1 m., 6 w.; Herzbeutelentzündung,
Pericarditis 3 m., 2 w.; Herzvergrösserung 1 m., 1 w.; Herzfehler,
Vitia cordis 18 ra., 25 w.; Herzlähinung 9 m., 10 w.; Hirnhautent¬
zündung 16 m., 15 w.: Tuberculose, Hirnhautentzündung 1 m., 2 w.;
Gehirn Wassersucht 3 m., 2 w.; Gehirnentzündung 29 m., 26 w.; Ge-
hirnschlag, Apoplexia etc. 31 m., 26 w.; Gehirnlähmung 11 m.,
8 w.; Geisteskrankheit 1 w.; Rückenmarksentzündung 2 m.; Rücken-
marksschwindsucht 2 m., 2 w.; Eklampsie der Schwangeren 1 w.;
Fallsucht, Epilepsie und Veitstanz 3 w.; Starrkrampf, Tetanus et
trismus 17 m., 15 w.; Sonstige Krämpfe 75 in., 65 w.; Kehlkopfent¬
zündung 21 ra., 18 w.; Croup 9 m., 5 w.; Keuchhusten 8 m., 15 w.;
Kehlkopfverengerung 2 w.; Halsschwindsucht 2 m.; Acute Bronchitis
7 in., 10 w.; Chron. Bronchialkatarrli 14 m., 22 w.; Lungenentzün¬
dung, Pneumonia 35 m., 47 w.; Lungenschwindsucht, Phthisis pulm.
149 m., 100 w.; Lungenhlutsturz, Haemoptoe 6 in., 2 w.; Lungen-
emphysen^ 7 m., 1 w.: Lungenbrand 1 m.; Lungenlähmung 29 m.,
20 w.; Brustfellentzündung. Pleuritis 3 m., 6 w.; Brustwassersucht
2 m., 2 w.; Krankheiten der Ohrspeicheldrüse 2 m.; Unterleibsent-
ziindung 8 m., 15 w.; Bauchwassersucht 1 m.; Brüche 1 m., 1 w.;
Darmverschluss. Ileus 1 m., 3 w.: Magenkatarrh 7 m., 3 w.; Magen¬
geschwür 1 in., 1 w.; Magen Verengerung 1 m.; Bluterbrechen 3 m.,
1 w.; Darmblutung 1 in.: Darmzerreis.su ng 1 m., 1 w.; Durchfall
31 m., 23 w.: Brechdurchfall 9 m., 12 w.; Kinderdurchfall 1 w.; Magen-
und Darmentzündung 1 m.: Magen- und Darmkatarrh 13 m., 11 w.;
Unterleibsschwindsucht 4 m.; Sonstige Unterleibskrankheiten 1 in.;
Gelbsucht 5 m., 4 w.; Leberentzündung 1 w.; Chronische Leberatro¬
phie 3 m., 2 w.; Entzündung der Harnwege 3 m.: Sonstige Leiden der
Blase u. der männl. Geschlechtstheile 2 m.; BrighCsche Krankheit
16 in., 15 w.; Fehlgeburt, Abortus 2 w.; Folgen der Schwangerschaft
und Entbindung 1 w.; Gebärmutterleiden ausserhalb Geburt und
Woehenbett 1 w.; Unbestimmte Todesursachen 5 m., 1 w\; zusammen
999 m., 951 w.
Davon waren alt: Bis 1 Jahr 335 m., 308 w.; über 1 bis 2 Jahr
69 m., 86 w. | über 2 bis 3 Jahr 36 m., 34 w.: über 3 bis 4 Jahr
26 m., 32 w.: über 4 bis 5 Jahr 26 in., 19 w.; über 5 bis 10 Jahr
46 m., 55 w r .: über 10 bis 15 Jahr 14 m., 14 w.; über 15 bis 20 Jahr
18 m., 15 w.: über 20 bis 25 Jahr 30 m., 36 w.; über 25 bis 30 Jahr
47 m., 37 w.; über 30 bis 40 Jahr 85 m., 81 w.; über 40 bis
50 Jahr 111 m., 49 w.; über 50 bis 60 Jahr 66 m., 55 w.; über 60
bis 70 Jahr 45 m., 61 w.; über 70 bis 80 Jahr 39 m., 46 w.; über
80 Jahr 6 m., 23 w.
Temperatur. Mittlere Temperatur 6°,02 It. = 1°,52 C. Abweichung
vom 25jährigen Mittel 3,18 R. — 3.97 C. Wärmster Tag: 7. November
mit 9,50 R. = 11,87 C. Kältester Tag: 27. November mit 2,67 R. =
3,34 C. Absolutes Maximum (am 8. November) 12,6 R. = 15,75 C.
Absolutes Minimum (am 29. November) 1,0 R. = 1,25 C. Luft¬
druck: Mittlerer Stand: 27" 8'" 51. Abweichung vom 17jährigen
Mittel 3.09. Beobachtetes Maximum 28" 5"' 31 am 15. November
2 Uhr Nachm, bei S. Beobachtetes Minimum 27" 2"' 18 am 25. No¬
vember 6 Uhr Morgs. bei S. Dunstspannung: Mittlere Dunstspannung
2"' 85. Beobachtetes Maximum 4,14 am 9. November 2 Uhr Nachm.
Beobachtetes Minimum 1,79 am 22. November 6 Uhr Morg. Relative
Feuchtigkeit: Mittlere 83 pCt. Beobachtetes Maximum 100 pCt.
am 29. November 6 Uhr Morg. Beobachtetes Minimum 48 pCt. am
2. November 2 Uhr Nachm. Niederschläge: 15 Tage mit Regen,
3 Tage mit Nebel. Höhe der Niederschläge in Pariser Linien 13"'
025. Abweichung vom 15jährigen Mittel — 5,335. Windrichtung:
Zahl der beobachteten Winde: 1 N., 2 NO., 58 S., 18 SW., 7 W.,
4 NW. Mittlere Windrichtung 17° 54 von S. nach W.
Inserate«
Für hiesige Stadt ist die baldige Niederlassung eines
Arztes
erwünscht und werden geehrte Reflectanten ersucht wegen des Näheren
sich an den Unterzeichneten zu wenden. Fixum 1215 M.
Elterlein i. Sachsen, am 2. April 1878.
Der Stadtgemeinderath.
Die Stellung eines Assistenzarztes an einer grösseren Privat-Kranken-
anstalt hier ist sofort zu besetzen. Vorläufiges Gehalt 1000 Mark bei
Wohnung, Beköstigung, Licht, Heizung. Näheres in der Hirschwald-
schen Buchhandlung.
Die Volontairarztstelle an der Üstpreussischen Provinzial-Irren-
Anstalt Allenberg bei Wehlau ist noch nicht besetzt. Neben freier
Station I. Classe 600 M. Staatsremuneration und 300 M. Remunerations¬
zuschuss.
Näheres bei dem Direetor Dr. JeJtStH.
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Gougle
Original fro-rri
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Mo* halbe
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Bekanntmaebun^
Die Sudle dn&s Itupiarzfes für dun an« den Biirgenncistercien Herrnes-
keil, Otzenhausen, Keil, Farschweiler und Beuren bestehenden Cunion
HÄmesVeü im Lundkreis»« Trier ist., zu 'besetou
Der Kndä gewahrt, »..ine Vergrütuoir - von einer Mark für jede Impfung,
stiit Eriütg; su dass di& Jhlß&s-Hiiinahinfc ra, . 420 # Mark betrogt.
fieTrerber um ; Ö|^' Stelle 'yj&dtety’ sieh unter Beifügung;
ihr ?.t Qttaliöeatiens- and SousUgcj? Zeugnisse bei dem Unlfti'sfeiefcneten
innerhalb 14 Tagen schriftlich .?ra möj$i 3 }, •
Bemjemaen der BewUrhfci\ welchem diese Xrnptarz! steile übertrugen
wird, bleibt es überJaAsen, sieh wegen X r ebemohme der Armenarzt-
FünetiomnU welche mich, dem bisherigen Inhaber übertragen waren / au
die betrefTenden Büa^müiabjr zu wenden.
Der Königliche Lanfbuth Geheimer Ibigiemügs-fUlh
im KömgUcli SäohsisoHen Voigtlaade.
OwßhabnstehOfi irischen «dchenbäch mal £$*?♦
Sais»n Kirn 15 » Mal bis &€**
Öesundisie (legend m roimiutischri Waldgegend, (.Seeftöhc 1459 P, F,)
' Moorbäder ans *ulinlsehom. Ersau.in.nor, \lbicralwosserhibier mit und ahne
JQmnpfbeüutig, ITCiih- und ZiVgeiuublkcn. Telegr^gh'tmsk&ibn, Postamt
Zu den Alk&lisoh «almistihen hÄti^ueetijs^n finden, die
MineralqiielieH von Elster -wj^hn ibivs IbäHDbums, t-heil«: an alkalischen
ßalzveihtmlungen, thaiks unTiDen und freier Knhiciisaurc, da ü'R.-
reiche Anwendung,. wo es nnkUdod ’uniilibhe Anfealn» ist., efliweikr
imsdir. Kmo.kl»hit«er!{e.he/üititi^eb-üfd^r- JUutäümkuiigi?« in : den Örganbö
th s Ciitorbnberf mit allen ihjüri cous.L*nntiVuü JDkuj kMl$xu*t;LmU>i >n h:*-
Jvranillieits halber suche
Assist^nzafat an f die Datier
a __ ,
Ine« Jahres. Ci drall: UM) Al, nub freie Station» Näheres brieflich,
rcbtershauaeti- üx Jdfüfrngjfrn Pr Ke. H/gii$ßn sterin
Ein Arzt wird gesucht
•mi das »Städtchen Gemünd. (Bcgv-Bezirk A-Uoheii). ; Das Fixum des bis-
heng^n Arztes betrug 9*4 Mark., aifssindom hozt?&. rlerstühe als intern
mOiOcher Kr^s-Wundarzt 800 M. Meldungen .sind *u Do Ilten an den
'.Bürgermdst **! 4 Kleinen io Gemünd «der m den Fn-Dplirsikus Di.
Wellen« idii in FrU.
Ihir KftrtigHthe RflürronimDsar.
L*l'.imüstkO-, . 1 .^ ,f'«. rijfsr iSlßy ge riete rti'
Die ' AssisteQ&Mtäf&k an mnom Diaconisfien • Krankenhause einer
norddeatsf'hen mitfelgrowrm Stadt wird demnächst' ofl'c«, Zahl fe
Betten ca. UHU tied, 800 ' liivik und freit“ Süititfa. Nähert durch di-
Exped ition di es er Z aitaug m b N R, 14
In. der demnächst v.ü crüthisunlen RhßiniMditm ProVihzial-In'en-Hnd*
und Pflegeiansiftlt- «u Dürrix. dat dif; Stelle iuims Vuluntäratzie». am 1» Msb.
d. S T, ;.j^ni:iJii«ratii;fh; jfaferfic^: 800 Mark ond fi\do Slaibbi
erster (‘lasse. -- TMm Königreich. Prmisse« äuge hörige Hr werber wo! hm
dir fn-sodh -nebst Zeugnisse« an Dnier^cichueieii •dxiwmb.m.
^Mj^Sihnvin %u.» 4 <>iV<uwi». Ufr« Wafr«sa»
r^;;V 5 t>n\*ß« ä*g Oat^V.latb*.
^■■^■. 0 ß!b«oo 4 i 6 \ ölAlxf. «o>\
Miiyöi'iibAdjfir
’iAr.AWV. JfäiHit&m
Vö-vädg-Uuir^ an«-.!*»»»*. ^Mev^«
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Vi« &0iAli«rit dj»r mitci^Ci »ts-g-l*»{■<» »jHiyßftinfc Kamhnrg gfAxuK Uo-
fH Aafeö.il*rtW für jEl«jr«r 4 u)f
•.Ow?- Xvi^iuä bnsV"«?» j»Vf‘»VU i<a<>.
• ViWäjätSlfXJMu^n-< titif. ,ZbtAttogl &$lrk ittit-aiStigtolhhfet' A'nfoq&**' n^NCiHü^SöHsf
' K»Ui 4 Mü'wnjSfrtycfc*' fW f 4 y»
l^nunbipiijViv'tu, %to»)
tfutor l« Jbft
ri.acbfcuffurM'«». pbutsehn? Siädichcn you $000 Einw. ?
St iB> 13 dotyb'd v Exp^d. d. BU • j .
Fini'Lt tO**Utigmi und tbätigen Arzt weisen mm
praxiv o»«^h (H - JCKKX) Soideii. Eificnbidiö-Stat.. «eg.-
beiurd'-ri' gvb Am hager« mit Anghbu dm^ sciihfiri*:»-« AV
__ Peter Buhl Sohn, C-artücumgc-Fa
Em seit; drei Jahren practicirender Arzt mit btgrten
i ö^d. ^tAiimlorl . . *
an 'bu Eisi*nlfdmstat'i«>n XenmWf dar Ifaunuvm - Alv-nl>ekC;uor tbibn,
I >e;;]e in der Nätie der Station Ibiste der Himnover’.sd)«*.» StaaislvibtL,
nrülfpet '3&w Schwefsb, Soof-, Sfibwtf«!-$chl*niw- und 6 as!ultfer, &mW
. . 'mm Staiv
. Dm Kmukheilsinrmeit- bei b>mmr der Hmlapparat y&iiniit'iir.H'- su-Ü.
besundev« bewabit luvt, sind; Cickt. Rhemnatisrous, chron Hautkrankheiten,
Chrom Katirrhe : i - he Mflgaflkrankheitcd (tuet), Mctaib
yergOtttages, Üi»t«rleib**fwk«rtgirt mtl Hscuirrluiirfcn, Scropheln etc«, sowie
I die folgekriakbeiteo d^ar bnden.
t; Die licj-ten HvummiiirviO f)b^ Medioimilrath. Dr. Orand i d ier,
i SairUäfSmt\ Dr, ttdd' 80 iX>a : ^ntt Dr. Ewe- — sowie üf?r praei.
j Arzt l>r. Var« üb**r>r -eben *.«>• aiculhd,‘-r mvi d« B'adcve.rwalt:ting in
j. .yvii^digur' BcsielHvjig Anskioiit. Post, und , J^l.egmpb'?irsdati».Mv''isA vorUa.!>d^, r
iD-t N'-onÜMTi -uf« F April ls? 8 .
bonr./]. l’tiMi.sxindio IDuimen-Dirertpm.
formellen Gründen ziim ELyrfjreri noch hiebt
als Assistent oder Vertreter. Oft. durch die
Ein Cand. imxt., au«>
ixtgelassen, sucht Stellung
Exp. sab fC. F > . *j->
0r. (Xariili«, prarb AirrJ In
^Wasserheilanstalt Bad El
im Th»iri«»fer WalÄry-
Bad A ssmannslia usen am Rhein
ara Fu^e des Niederwaldes.
Eiiftfibatw- tmd Tciegraphen-Stadon. OawpBcbiHvcrisimlMftg.
liltlftliimreieli^te alkaü^uite Tlieme,
besondci ^ ui t.-mj-teiilcii exm H i c h i und rt«« umalBctK ■*.iY«*^ f • *»njjfp
Ischias,, Fa rair h .• ilt-i' FiiPurgiru mit ijud ^iciotMt*
.durrg'. Bxjivraeoiiet'u und An»cH}¥eilun’ix:.n üct IFber vmj Bnlleri*
sta.uangrn. Ballen,shom', chronische ('aurrb«* der und
Resp ira r * und IlaufkrftukJi^ltmn ’
Kmliauseröftiiung den 1. Ü
Trink-utnl >1^,1; kuv, Domihc, Koe-tkui. Elcctf'
'‘♦Artdfüiufür bild xcr'i wht ot «v bu fl, dburüseb'x Küche.
lyrcrgitvAtdef A \‘A: BefV Dfi mbÜ- H, Hi
Oön* 5 e«iY»“r‘»&nd d«a A.ecpmun*h*>u#®r ,Wa«W»
EliKftbi I la. I n F rnti kfu rt a,
Soollmd Nauheim
b. ^Frankfurt a. M». Mat. fl, jflain^Wewer-Balin.
Hattirwarme, kehiensättrereiche So el bä der; Mimische Trinkqueilen
viüd alkalische SäuerMhge ? ozonhaltige 6racMrfall; Ziegen-Mqlke.
Saisnrtdawü’ vom 1 . Mai bis 30 , Sf*v»fcember, Abgäbe von Bildeni auch
vor- Ke?->. 'nach diuser Zeit. Örossli» llesav Ihw.lwli^mtifm.Ilad Naahoim.
iäger, Bfergaarh.
uit. lnhahiDoii
Wasser-Hella iistalt
in Thalc üm ilPrfz« Alle NcrTf«*-. iumf-. .l-ÜUefimbs* und aueb amlcre
Knnkhmten femeieft hei milde,r Bur und ütljüluigü' FrDirri.itm: des Arztes
■^(et.s- sn^hefv; Erfotgm AFit dem Hnbeftus-Bade IwibF jehv'iM'dEÄ^A'i^üeüV.
Der db-mu'-nd-- \v/« Dr. I 5 ft. t*r*$«#._
: liABrcFhadAllui rB utui' \Y•«,** e r h.« i 1 'a.ms t.a 11 (^rtsruhe
VYasser - Heilanstalt
Bad Liebeiistein ,
\ BHl ige Pi <• 4 äi
• Aßi'y H. Ilesuse.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCSaiKT
K ö n igsdo r ff- Jas t r z e m b e r
Soole (Mutterlauge)
mit stärkerer Wirken# ®ls lireuzftAeh.
In Berlin stete bei Je!iiröiieiii5er«N»; Unter den Luiden ti
'durch alte grhÄseren und Mirieralbrnnaer!-
Bad Alt-Haide
in der (iratscb&fr (Hatz. Eisenbahnstation „LlaUv
Klimatischer Outortm lieblichster Gedürgsg^ud. Övun n-ora - (stark
uiknlje-nhsUj^r EisensaöexHng), Milch- und Malfefiti&ur. Stahl-,
Meer und Döuche.bader, Indicatimseh. Atemic ; Uhlcms,*. Hysterie,
Gicht, Ktieumaiisnius, Catarrhe der Itespirfttio'fiao'fgunc. Mensiruations-
aviOiualieri, .allgemeine- Sehwäehezusiände etc» — Br unnen versandt
(Siete tu frischet Fällung) in Flaschen u MO F‘f. Annceldurigen beim
Badeärzte Df, Sv r>1 1 1man 11 oder Wim Badebhä 1 1,zft W. Uof/uinan.
zu haben, auwie
H and langen zu Ive/iebvu.
Bäder stets vorrithfg: OIistm^Ady 1 &» Vicloila-
bftdi Neucnbnrgerstr L 1i> und lirt Lüfzoics lr. 90,■
Mattöni"»
Ofner Königs-Bitterwasser
Wasserheilanstalt, (iriifenberg
(Oestepr.-ScWmpB),
Nä^hßtc Bahnstat um Ziep»hal* Mk ubrrschJes. Eisenb^bn)
‘2 Meilen »>ntfvnii j»imuiiwteehf Knireß.
p$& neue Kurhaus „Anwüte enHKH m ; l>?.ü allem-■ wünsc»u-nsworUu-.n
LÄfldl vbrzugücb .Uhucbvwiiume, Nähere-il&s-
hftiff Hlhmlt ' ' „ -
wird von den ersten, nu'dicihiseb^ Ain^rftHKU) dos ln- lind'■ Ausliiwks;.
gegen faabUiirlte Stuhl r erhftHund aili* daraus vw BUrcn-
den Kranlchciten ohne irgend wtlche üble Nächwirlüisg, auch: bei längerem
Gebrauche rmi' das Wärmste, empfohlen.
Durch seinen Indien Oplurtt ><m Chlsrnatrlam, JSsim feScateofiicMW
und Natron cärbonicunt verdient es mm Vorzug vor WUlm Mufanl BRteT*
wassnni des ln- und Aus lindes.
Mattoni & Wille, k. k. östßrr. Hoflieferant,
ßetititr der 0 vereinigten Ofner Königi-SUTer-Odellen.
Garyowoftrift*D und Broshuren gratis.
ISiHiwiN^f, OorotHeti^äis^e I«* O»
iV:r taub jähes-Yersfüüi: der
SalzsehHrler Minerahv.asser
inshß«htidcte der V'nlen^iVir'n^icivBi, ;jod-, brojn- mal Btb^önbaJtrighT;;
Ronitar i usbrunruen
ist eröffnet*
Fischt, ^orgtälng^t-e HHlrtugCU •dud durch alle W ino ra f w<i> verband -
bin gen und Apöijv.U« ». y.cyu 1 durch die ViTwaJtsuur -b-s K-,,!,:s SaL>
S'‘hlirf zu b*V.sebe,u -- in B e r 1 i iv .duteb die M •;. r i-;.i I w u - ■ * um e u r i
von D>v l«r h fonnn J. _
Kwrom 0r ? An]«!.
'ÜIilH mM® ä
T " v r , . .JU ■ V >Ulh5rtt
Irekar)uteri tbOenN^ssötn. d^s t> kbninu.'o Qlh>nVj^b^/ wIKtsam und
,b'b, JanggK-m Brbr.'uieln- xttn \i , ;.‘dbvvf<?>-dOdof, Folgen begbatel’. i*fu
Wooi, ‘2’2. Apnl 1^7 7 . fr«f. Bf*'äan f«cld< 58 ilorf.
' Attehurd sieh' •.d#hii v <:>; ; :i 4 4Jh:d thOdon,-hiebt uhangc-
{tflcgftrtr He-elnoi'd. UaL
• 15 . Febrdtif fß,7. : Ititb tr*l fe ?. KoräayL
liüirM fr«L #r. i, llumberger.
, • :,iBB Wirkung ist ^a»c.jby . und{ .sebmirztns.
Wöv?J'.>ijtrg. : } ii. Juli Ims7 7.
Gf'briüuatli Frut Ör Stantotii freiberr r, llcht«nfeh.
A'dmüidg in nLl^-ü A tpfdlv<rk»y r und Alb_n>ya 1 • 'Bruunan-
i.gV^tU öovch' die V^rsendhre^sdireroLgr ia
AK N-:>rrar*l- i‘"- : - i l t. taiilrs *,V••uie* V vaU
UarlsbaiScr
Tfliifemr in* llwttKe.
1878..-V
Carlsbador Mineral AVasscr.
Vrmandt Aitfahg Mfini;-
Carlsbäder Sjuiidcl-Salz
zur Unterstökhnö d^r Lsrl&badßr Tffiukcur,
■ <?i Flivsidii'fi zu 1Ü7* ijiAum», 7dH.l
*fäuftHmrtg
mH Schutzmarke (Carlsbüdch Stadtwappöffl und. Firma versehe
Hm Vemandi d< f U:«.i tslader MiiFrälwä-sof und flv- Cäii>U*d
Aj-i udej^ali. s ’OiG
Oarlsbader ^liueräbvass^v-Vßr^idiiog
UW Stbitlttidtr, farl«l»afU
Nioderlag'/n und DquiF ted ';alkh
Xifni
U^borso'oische OLfftpdU in , bll.er 'VV'eittheilc-
Kiiit- Miahbimdi** -md. G.e.baudvh. jAideni. NoibJändi^nu
Invoniar — (B v Mr»rt:fii Burk. -* b» sieiv Nuij-e-1-ni tuiK unin- -r .j n % j jgv i.
Bvdir.gnngen /U verlaiibm. . . $«'Hauff) Berlin W.,
_^ k;ui:.->ir Nm.jL Nuedim. d —.7 Uh r.
Für KreifswtuKlärzie!
ist ein wenig vfür nur
;.o H.-M. .Statt bo li.-M. m bah eh,
Chnstodl n. S. In.d'< u 11 majii»,
Nestie’s liiiiderniehl
das anerkannt teste Ersatzmittel der Mntterniilek,
w(dob'-K yoii deiü ersten Autoriidb/n vricdA.'^i-
laulh: leb wir den Herren Aerztcn; .Kikrdn,fvdv das lilllkstr fthrant^'vmlh^
dieser Art in gomrsde KcihnWuxfg zu Upna^tX, • . . v
\ T ci'(vauiWpreis der kleifVefi .uonä 1^« 1(30 und ilsr grnriSfcri ndso 5t T'jftO.
Th. Werder s Haupt-J'liedenage
d.es JHestle'seben Kinderuielils für SbM-lVü^»*5larni
m Berlin .S. 4Ö. l)rrs>l-'uet-Sir.is>.\ 4-0»
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220
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
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Fräis -'tiwfctfjföfUt'h 6 M*rk. Bfrirtellongsn «eh««?
»II« Baehh»ndfwi$i»n and Po*t- \c»Ult«m au.
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‘agubnchbarjdluag tolt Aü^rtAt HirwltvttW in B«r-
li» ('*. W. ü aW aoii Lindmi 6 I>.> emienden.
Organ für practische Aerzto.
Mit Berücksichtigung der preussischen Medicinalverwaltung und Medicinalgesetzgebung
nach amtliches Mittheil nagen.
Redacteur: Prof. Br. L. Waldenburg. Verlag von Augasl Hirschwati ia ferita.
Fünfzehnter Jahrgang,
JL Leyden; Hebet viimn Fall vtfn Fettherz* — II. Martin: Zu.v Ovariotomif (Schluss). — tll. Wim wer: Pi* Cumimd v Kf»-tts&»!»c.tis in
ihn-f pPrsik£Uiicr.li t ri und pliysinlo^oih-ebÄrftisrlieH Bedeutung. — IV Hemmte (tfo j td am .m-er: lyncht über «he fenintte n- r Kalt--
wa-sfecubeluttidlung dvs Beptyphus im j?mitkiiübause. Bethanien m Berlin — Finkelnburg; Die Entpestung dev Seme durch <ii*j Be¬
fielst ütugttiuUigmt 4 eU ücnnevtBietv bei PaG$)-— V. VörhatuJhtn^en ärztlicher (rDSellscluften (GeselSchaft für (tebvtftshliln.* und
Gynäkologie m Berlin). - VI, K<noijevon Statistischer'-'Bericht über die Wirksamkeit des Institutes für *nontde Inceumukui—
Ok-streich- lhb>.r laiptiüig — Schulart, Zur Impunig— Tagesgesehitihtliche Notizen). — VL1. Amtliche.Mittiievlün^u* üiserate.
I. lieber eine» Fall von Fettherz.
(Vurtvag, gehalten in «)«r Berit dw metiicimächen Gesellschaft
ara 13. Mä« 1878.)
Von
E, Eeyden.
Pie Beobachtung. welche ich mii erlaub en will Ihn tu bmt#
v mnmtr^geüv betrifft eiuvü Fall von Fetthera «#&. wie, ;
ich glt»cb bewierk«u wüG nicht von fettiger PegeoeyaGtori
<Ür J \^rmxmke jf<c>Wn, ppudem von jener Form, d<?¥VU Ayis-
ganppbuil0 eine sehr refehlieh* Bitdiüigund Ablagerung von
Fettgewebe mn das Herz ist Derartige Pille, welfcbe in der j
•PritatpraxH »'au** se.br wichtige Rolle spielen, 'kommen im Spital j
^ rh-UmissraüsM^ wenig xur Beulmclitbüg; daher die'Gelegenheit. ,
zui' Au|orpsie utul gu seiner genauen ■ anatomisch $u ünterKuebung 1
biir selten geboten Wird. Ich hoffe daher, tü nicht ohne. j
Interne feeiii Wir(1 a hiue derartige Beobachtung, bei welcher j
die Autftpsi»; gemacht werden knnutiv hier vorzutrageu. zumal j
öle ö £ .eitrige, wie teil glaube, uichf anwt^%A ; üt'iie J
Besuhate ergehen hat. ••••j
Fhe (eh- xür MUthcilimg: der Krankeuge^chigbtk ff}fergeb= . :
ellnnWu Öie nur noch einige oirdeitendn Bemerkuu^et) vlrran [
w • schicken, um zu zGigoit, von welch ein Genie bts:{'»»uikte auK }
dieselbe meiner Ansicht nach von Intern»»« i«t. }
Unter.?etUitbrz oder Fctterkranhung di^. Herzens ver- I
s^ht. mau hpp.tÄUtäge michrern Krftnklmit.^*orgüngc, Weiche, genau j;
gen om in eit;' nicht viel mir einander gemein halfen .weiche aber
doch nicht scharf genug von einander unterschieden wertigri; I
NaHieutlich sind v* zwei ^jfistünd^ welche allgemein ab? Fett-
ht'ns be-zelchnet und $q wenig an^eüi&nder gkbalteu werden. ,
dass mau jeden Arzt oder Pathologen, wenn er von Fettherz j
spridit, erst fragen muss, von welcher der beiden 'Formen |
eigentlich die Rede i.st, Die eiuc dieser Erkrankungen i>1 du
fertige Degeneration dot PrimitiVmüs.kelfase:rn des lfm*- ’
xrns, welche, wie- es die htüfcdgeude Zckhn'uu.c vpni6s-cha.u3ic.hfen
snll. darin besteht, dass m dem Inhalt <WAluxkeH^sero FtdD
trhpfchen voiy ^ringcrer oder bfetrechtlicherer öi> 3^4
in der Kegel in Längfireihen Äflgebf*l«gi;. M; <!a»s,s ;die-
unter dem Microscop ein srhwrir/.hcbes’ Ansehen erhält. ]
idese Alteration i^fc i'm.weaiuitlichcci eine•microscopiFclie, '.welche, 'r
sich m.acre|fcppiscb mir für die genaue Ifetrachtnog dnrclf eni j
gg'Sc.ektbgödvr peticidirte.s AlW&ehcn der ^tltfankteJk^üske[partien )
222
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 16
einer Functionsstörung des Herzens. Ich will diese Form hier
nur erwähnt haben, und gedenke nicht wieder auf sie einzugehen.
Von einem um so grösseren Interesse sind die beiden ersten
Formen, welche gewöhnlich unter der Bezeichnung Fettherz
oder Fetterkrankung des Herzens zusammengefasst werden.
In allen neueren Lehr- und Handbüchern über Herzkrankheiten
finden Sie beide Zustände in einem Capitel abgehandelt, mit
dem Bemerken, dass sie annähernd dieselben Symptome erzeugen
und nicht genügend von einander abgegrenzt werden können.
Diese Auffassung kann in der That Wunder nehmen, da beide
Zustände ihrem Wesen nach nicht mehr mit einander gemein
haben, wie eine sonst gesunde, von reichlicher Fettkapsel um¬
gebene Niere, mit einer solchen, deren Parenchym in mehr
weniger ausgedehnter fettiger Degeneration begriffen ist.
Diese ungenaue Auffassung wird begreiflich, wenn man etwas
näher auf die geschichtliche Entwickelung unserer Kenntnisse I
und Anschauungen von der Fetterkrankung des Herzens eiugelit:
es ergiebt sich dabei, dass die fettige Degeneration zunächst
als nichts weiter denn ein frühes, nur microscopisch nachweis¬
bares Stadium der Fetterkrankung des Herzens betrachtet wurde.
Es ist leicht begreiflich, dass diejenige Veränderung am Her¬
zen, welche in der Entwickelung der pathologischen Anatomie zu¬
erst auffiel, die macroscopische war d. h. die Fettumwachsung
desselben. Fast ebenso lauge, als überhaupt Autopsien von
Menschen gemacht wurden, ist diese Veränderung wahrgenommen
und bekannt gemacht worden, und ebenso lange hat man die¬
selbe in Verbindung gebracht mit gewissen Störungen der Herz¬
function, welche bei Lebzeiten beobachtet waren und welche
selbst als die Todesursache angesehen werden mussten.
Bereits Harvey im 17. Jahrhundert hat eine solche Beob¬
achtung von Fettherz veröffentlicht. Er fand bei der Autopsie
eines reichen Mannes das Herz von Fett vollkommen bedeckt. 1 )
Lancisi giebt Beschreibungen analoger Befunde, ebenso Bon net
in seinem bekannten Sepulcretum. Bonnet fand, als er einen
sehr fetten Menschen, welcher plötzlich gestorben war, öffnete,
das Pericardium sowie das Herz in eine ungeheure Fettmasse
vergraben. Die wichtigsten Facta aber, welche die Lehre vom
Fettherzen begründet haben, lieferte Morgagni in seinem
klassischen Werke: De sedibus et caussis morborum etc. Lugd.
Batav. 1767. Hier sind mehrere einschlägige Beobachtungen mit-
getheilt und den Obductionsberichten eine kurze Angabe der
vorangehenden Krankheit, sowie einige epicritische Bemerkungen
angeschlossen.
Morgagni betrachtet das Fettherz als Ursache von Apo¬
plexie, Hydrops, Angina pectoris sowie von Herzruptur. 2 ) Ueber
die pathologische Bedeutung der übermässigen Fettansammlung
um das Herz und ihren gefährlichen Einfluss auf die regel¬
mässige Function des Organs scheint Morgagni nicht zweifel¬
haft gewesen zu sein. — Eine fast ebenso wichtige Beobachtung
besitzen wir von dem englischen Arzte Fothergill 3 ), betreffend j
einen 58jährigen corpulenten Mann, welcher seit 3 Jahren an I
heftigen Anfällen von Angina pectoris Heberdenii litt. Die
Autopsie ergab Hydrops, Erguss in die Pleurasäcke, das Me- '
diastinum mit Fett überladen, das Pericardium ebenfalls mit j
1) „Cor adipe plane tectum.“
2) 1. c. XXVII macht M. folgende Bemerkung: „Woher kommt es,
dass bei dieser fetten Frau, ebenso wie bei anderen fetten Personen Blut
durch Zerrcissung in den Herzbeutel austrittV Hiervon sahen wir 4 Fälle.
Sollte die Fettheit, welche, wie ich glaube, bei dieser alten Frau die
Rippenknorpel noch weich erhalten hat, auch die Muskelfasern in ihren
Zusammenhang Lockern, und sie gegenüber einer Zerrung, wenn eine
solche in bedeutendem Grade cintritt. weniger widerstandsfähig machen V“
3) Case of Angina pectoris with Remacks by John Fothergi 11. Med.
Ohservations and Inquiries. Yol. V. p. 233. London, 1776.
einer reichlichen Quantität talgigeu Fettes bedeckt, das Herz
selbst von gewöhnlicher Grösse, anscheinend ganz gesund. Im
Abdomen ist das Omentum durch Fett beträchtlich vergrössert
und verdickt. In den an diese Beobachtung geknüpften Er¬
wägungen kommt der Autor zu der Ansicht, dass die reichliche
Ablagerung von Fett die Blutbewegung durch Herz und Lungen
wesentlich beeinträchtigt haben müsse *).
Seither finden sich bei den folgenden Autoren über Herz¬
krankheiten ähnliche Beobachtungen niedergelegt und eine ähn¬
liche Anschaung vertreten. Aber auch schon frühzeitig machte
sich eine zweifelnde Kritik geltend, so namentlich von seiten
Laennec’s. Indem nun gleichzeitig die microscopische Unter¬
suchung mehr und mehr in die pathologische Anatomie ein¬
geführt wurde, so richtete sich die Aufmerksamkeit mehr auf die
fettige Degeneration des Herzfleisches. Laennec ist der erste,
welcher die Fettumwachsung des Herzens von der fettigen De¬
generation in bestimmter Weise trennte (De la surcharge et de
la degeneration graisseuse du coeur), obgleich er in Bezug auf
das symptomatische Krankheitsbild nicht glaubt, dass man beide
Zustände in ihrer Bedeutung und ihren Symptomen von einander
unterscheiden könne. Er stellt aber die fettige Degeneration
als die bedeutsamere Erkrankung hin und bezweifelt die Wich¬
tigkeit der Fettablagerung um das Herz 2 ).
Die Einwände gegen die Bedeutung der Fettsucht des Herzens,
wie sie Laennec erhob, sind auch späterhin anerkannt worden,
und besonders seit Hamernik nach wies, dass das Fett im
wesentlichen die Rolle einer Ausfülluugsmasse *) spiele, bestimmt
die Lücken zwischen Herz- und Brustwand, welche sonst leer
bleiben würden, auszufüllen, seitdem schien der pathologische
Werth der Fettumwachsung des Herzens mehr als problematisch.
In fast allen neueren Lehrbüchern über Herzkrankheiten findet
sich die Bemerkung, dass die Bedeutung der Fettumwachsung
des Herzens bisher überschätzt sei, freilich ist auch wohl nirgends
die Möglichkeit abgeleugnet, dass ihr eine pathologische Bedeu¬
tung zukommen könne. 4 )
1) „Soweit ich mich solcher Fcälle entsinne, waren gewöhnlich Per¬
sonen befallen, welche zur Korpulenz neigten. Es ist daher nicht unlo¬
gisch, anzunelmien, das ein Thcil ihrer Beschwerden aus einer Fettab-
lagcrung innerhalb des Thorax entsteht, welche, indem sie die Expansion
der Lungen hindert, die natürliche freie Action des Herzens unterbricht.“
2) „Corvisart glaubt,“ heisst es bei Laennec, „dass eine enorme
Anhäufung von Fett um das Herz bisweilen diese Folgen (d. h. der
Angina pectoris) bewirken könne, obgleich er häufig bei Individuen,
bei denen er sehr fette Herzen antraf, nichts beobachten konnte, was
bewiesen hätte, dass dieser Zustand pathologisch sei, d. h. dass er constant
und bis zu einem Grade, wo er als Krankheit zu bezeichnen ist, die
Functionen dieses Organs beeinträchtigt.“ — Die Stelle bei Corvisart
(Essai sur les maladies du coeur. Paris, 1818. Cap. V., Art. VII. p. 181
de la degenerescence graisseuse du tissu musculaire du coeur) lautet: „Je
ne eite aucun fait de ce genre qui mc soit propre; j’ai cependant plu-
sieurs fois observe des coeurs, reconverts d’une couche considerable de
graisse, mais je n’ose prononcer, que cet etat fut pathologique, c’est
ä dirt; porte au point, ä deranger constamment et ä un point qui fait
maladie, la fonction de Borgarie, quoique je concoive tres bien, que dans
tous ces cas, les mouvements du coeur aient du se trouver genes et
entraves par cette surabondancc graisseuse et que je sois in time ment
eonvaincu, que les mouvements du coeur ne peuvent etre habituellement
genes et entraves, sans constituer le sujet dans un 6tat de lesion de sante.
toujours grave, par Bimportancc de la fonction troublöe. — Je ne deute
möme aucunement, que quand Baccumulation de la graisse est porte au
point, oü on la voit dans les ohservations, que je viens de rapportcr,
eile nc doive etre consideree comme le cause de la mort et quclquefois
meine de la mort seubite “ etc.
3) Das Herz und seine Bewegung. Prag 1858.
4) Z. B. von Duehek (die Krankheiten des Herzens und der Ar¬
terien, 1862 p. 205) sagt: „Die Fettanhäufung um das Herz war schon
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22. April 1S78.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
223
Um so mehr gewann mit der weiteren Entwicklung der mi-
croscopischenUntersuchung die fettige Degeneration an Werth
und Bedeutung. Anfangs als der erste Grad der Fetterkrankung
betrachtet, erschien sie bald als der eigentliche Repräsentant
derselben, und es wurde Aufgabe der klinischen Beobachtung,
die Symptomatologie der fettigen Degeneration des Herzens, des
Fettherzens in diesem Sinne festzustellen. Man betrachtete
diese Degeneration als eine Form oder einen Ausgang der Myo-
carditis, deren Symptome mit denjenigen, welche früher für das
Fettherz aufgestellt waren, zum grossen Theil zusammen fielen.
In neuester Zeit jedoch hat sich, wenn ich nicht irre, dieser Stand¬
punkt wiederum nicht unwesentlich geändert, und zwar in so fern,
ais wir die fettige Degeneration nicht mehr gut als Ausdruck einer
Entzündung ansehen können, sondern nur als Folge einer Störung
des normalen Stoffwechsels; und zwar weisen neuere Unter¬
suchungen darauf hin, dass die Entziehung des zur normalen
Ernährung nothwendigen Sauerstoffs den fettigen Zerfall der
Gewebe bedingt. Insbesondere knüpft sich dieser Umschwung
der Auffassung an zwei Formen der Fettdegeneration des Her¬
zens, welche wir heut zu Tage nicht mehr als Zeichen einer
primären entzündlichen Erkrankung des Herzfleisches, sondern
als Folge und Ausdruck einer Blutalteration betrachten; ich
meine die fettige Degeneration des Herzfleisches • bei
der Phosphorvergiftung und bei der neuerdings viel be¬
sprochenen progressiven perniciösen Anämie. In beiden
Fällen ist fettige Degeneration des Herzens ein zwar nicht ganz
constanter, aber sehr gewöhnlicher Befund; man war früher
geneigt, denselben als primäre Myocarditis zu deuten, während
man ihn heute auf die in beiden Fällen nachweisbare Erkrankung
des Blutes und die dadurch bedingte ungenügende Zufuhr von
Sauerstoff zurückführt. Uebrigens ist diese Fettdegeneration
an keine bestimmten Symptome gebunden; wir sehen sie fehlen
wie vorhanden sein, in den verschiedensten Graden der Inten¬
sität, ohne dass bei Lebzeiten etwas anderes beobachtet war,
als eine fortschreitende und schliesslich zum Tode führende
Herzschwäche. Ebenso zeigt es sich in anderen Fällen, dass
bei den gleichen Symptomen von Herzschwäche die fettige Dege¬
neration des Hezfleisches p. m. bald gefunden wird, bald fehlt.
Insbesondere möchte ich dies Yerhältniss noch hervorheben von
der fettigen Degeneration des rechten Herzens, welche nach
langedauernden Zuständen von Cyanose in Folge von chronischen
Lungenkrankheiten öfters gefunden wird. Traube hat seiner
Zeit 1859 den Versuch gemacht, die Symptomatologie der Fett¬
degeneration des rechten Ventrikels zu formuliren, aber er hat
sich, so viel ich weiss, späterhin selbst überzeugt, dass hier
kein coustantes Verhältniss vorliegt, und dass die fettige Dege¬
neration bei ganz demselben Symptomen-Complexe bald vorhan¬
den sein bald fehlen kann.
Meiner Ansicht nach ist die fettige Degeneration des Her¬
zens kein solcher Process, welcher an einen bestimmten Sym-
ptomen-Complex und einen bestimmten Verlauf gebunden ist; sie
erscheint vielmehr als etwas mehr zufälliges und inconstantes.
Die fettige Degeneration des Herzens kann daher bei Lebzeiten,
als mehr oder minder wahrscheinlich vermuthet, sie kann aber
nicht als ein bestimmtes Krankheitsbild mit Sicherheit diagno-
sticirt werden.
den ältesten Schriftstellern bekannt und finden wir bei Morgagni,
forvisart u. a. genaue Angaben darüber. Doch hat man die Bedeu¬
tung dieses Zustandes durch die Annahme, dass in Folge dessen die
Herzthätigkeit gehemmt werden könne, falsch aufgefasst. Die Unter¬
suchungen von Hamernik wiesen erst nach, dass dieses Fett in vielen
Fällen nur die Bedeutung einer Ausfüllungsmasse habe und die Fixirung
des Herzens erzeugen helfe.“
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Bleiben wir hier einen Augenblick stehen, so scheint es,
dass die Lehre von der Fetterkrankung des Herzens gegenwärtig
stark ins Schwanken gerathen ist. Auf der einen Seite ist die
frühere Lehre von der Fettumwachsung des Herzens, der Poly-
sarcie desselben, nicht mehr anerkannt, die Bedeutung dieses
pathologischen Zustandes erscheint in früherer Zeit bedeutend
überschätzt; andererseits hält auch die Lehre von der Fett¬
degeneration einer Kritik der neuesten Thatsachen uicht Stand:
sie erscheint als eine mehr zufällige anatomische Alteration,
nicht als ein bestimmter, an ein gewisses Symptomenbild ge¬
bundener Process.
Dieser Unsicherheit gegenüber ist es gewiss bemerkens-
werth, dass sich in der ärztlichen Tradition ein ziemlich be¬
stimmtes Bild von der Fettumwachsung des Herzens erhalten
hat, welches den älteren Anschauungen im ganzen gut ent¬
spricht. Mir werden in jedem Jahre von verschiedenen Collegen
mehrfach Krankheitsfälle zugeschickt, bei denen die Diagnose
auf Fettumwachsung des Herzens oder selbst Eindringen des
Fettes in die Herzsubstanz gestellt worden ist. Alle diese Fälle
stimmen darin überein, dass sich bei Menschen im vorgerückten
Alter, jenseits 40 oder 45, bei denen gleichzeitig eine gewisse
Corpulenz besteht, Symptome von Kurzathmigkeit, von Angina
pectoris, eingestellt haben, welche eine wechselnde Intensität und
Gefährlichkeit bekunden. Manche dieser Kranken haben ihre
frühere Fettleibigkeit bereits eingebüsst, aber die Herzbeschwer¬
den dauern fort und sind sogar gesteigert. Unstreitig sind
fettleibige Menschen im allgemeinen Herzerkrankungen (ohne
Klappenfehler) mehr ausgesetzt, als magere. Es ist daher der
Schluss gerechtfertigt, dass in der Corpulenz die Disposition
zur Herzerkrankung gegeben sein müsse. Die alte Annahme,
dass die Fettablagerung daran betheiligt sei, ist um so mehr
begründet, als viele solcher Patienten in den leichteren Graden
der Affection, durch eine Cur in Marienbad oder Karlsbad völlig
hergestellt werden. In den schweren Fällen freilich sehen wir
trotz solcher Curen keine oder nur vorübergehende Besserung.
Trotzdem die Corpulenz und das Fettpolster schwindet, bestehen
die Herzbeschwerden oft noch in gesteigertem Masse fort. Es
ist klar, dass am Herzen Veränderungen eingetreten sein müssen,
welche nicht oder wenigstens nicht mehr von der Fettablagerung
abhängig sind.
Untersucht man solche Patienten genau, so findet man fol¬
gende Symptome: sie klagen über asthmatische Beschwerden;
beim schnellen Gehen, beim Treppensteigen werden sie von
Beklemmungen befallen, welche sie zwingen still zu stehen und
zu verschnaufen. Weiterhin treten ähnliche Anfälle auch bei
ruhigem Verhalten, besonders des Nachts auf, verbunden mit
dem Gefühle grosser Angst und mit einem Schmerze in der Herz¬
gegend. welcher mitunter nach Art der Angina pectoris Heber-
denii in den linken (seltener den rechen) Arm ausstrahlt. Die
objective Untersuchung des Herzens ergiebt die Zeichen einer
Dilatation, in der Regel beider Ventrikel, ohne Hypertrophie,
oder Dilatation des linken mit Hypertrophie des rechten Ventri¬
kels. Die Herzdämpfung ist vergrössert, und zwar ebenso wohl der
Breite wie der Länge nach. Der Spitzenstoss ist nach aussen ge¬
rückt, jenseits der linken Mammillarlinie, aber er ist niedrig und
wenig resistent, leicht unterdrückbar. Nach rechts hin ist
die Dämpfung auf dem unteren Theil des Sternum intensiv und
überschreitet oft den rechten Sternalrand um ein beträchtliches.
Der Herzstoss über dem rechten Ventrikel ist oft abnorm stark,
über dem linken dagegen schwach, zitternd. Die Herztöne sind
meist rein, zuweilen hört man mit der Systole ein kurzes Blasen
oder einen' Doppelton (bruit de galop), der diastolische Ton
ist mitunter über der Aorta deutlich abgeschwächt, nur äusserst
selten in dem Masse, wie es der sogleich mitzutheilende Fall
Original fn>m
UNIVERSETY OF MICHIGAN
224
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 16
ergab. Das Arteriensystem bietet die Zeichen geringer Füllung
und Spannung, insbesondere die Radialarterien sind eng, von
geringer, mitunter auffallend geringer Spannung. Dabei ist der
Rhythmus der Herzcontraction häufig ganz normal und regel¬
mässig, zuweilen tritt mehr oder minder ausgesprochene Arhyth¬
mie ein, zuweilen ist die Pulsfrequenz abnorm gesteigert (100 bis
120 P.). Wir haben hier also augenscheinlich die Symptome
der Herzschwäche mit Vergrösserung des Herzens, ver¬
bunden mit Anfällen von Angina pectoris. Es ist bekannt, dass
der Verlauf dieser Fälle im ganzen ein schwerer ist, ohne in¬
dessen eine ganz präcise Vorhersage zu gestatten. Manche
Patienten ertragen diesen Zustand mit wechselnder Intensität
und zuweilen sehr erheblichen Besserungen Jahre lang, bei ande¬
ren tritt ein schneller und unerwarteter Tod durch Herzschwäche
ein, bei noch anderen entwickelt sich das Bild der Compen-
sationsstörung mit Hydrops und dem ganzen schleppenden, qual¬
vollen Verlaufe, der Ihnen allen genügend bekannt ist. 1 )
Was ist nun die Ursache dieser Herzschwäche. Wenn die
Beobachtung ergiebt, dass sie (unabhängig von körperlichen
Anstrengungen, unabhängig von Erkrankung der Klappen und
der Coronar-Arterien) im Zusammenhang mit Corpulenz entsteht,
wie ist dieser Zusammenhang zu verstehen? Ist in der That die
Ablagerung von Fett um das Herz anzuschuldigen? Mir scheint,
es könne nicht angenommen werden, dass die blosse Fettablage-
rung um das Herz die Schuld auch an jenen schweren Formen
trägt. Sie kann an der häufigen Kurzathmigkeit corpulenter
Personen Schuld sein, indem die Excursionen des Zwerchfells
durch die Fettanhäufung behindert sind, und die inspiratorische
Aspiration durch die Fettmassen nicht unbedeutend verkleinert
werden kann. Allein es ist nicht wahrscheinlich, dass dieser
Umstand allein zu schweren Folgen führt. Denn wir sehen
viele sehr fettleibige Personen Jahre lang im vollkommenen
Wohlsein und mit vollkommen normaler Circulation. Auch bei
den Autopsien findet man Menschen mit enormen Fettablage¬
rungen um das Herz, welche niemals an Herzbeschwerden ge¬
litten haben. Die bereits von Laennec und Hamernik aus¬
gesprochenen Einwürfe gegen die alte Lehre von der Fett-
umwachsung des Herzens erscheinen völlig gerechtfertigt. Es
müsste, um die schweren Symptome begreiflich zu machen, ein
weiteres Moment hinzukommen, welches den Herzmuskel in
seiner Tliätigkeit oder seiner Ernähruug beeinträchtigt. Dies
Moment ist in verschiedenen Verhältnissen gesucht worden.
Hasse hat beobachtet, dass das Fett in solchen Fällen auch
zwischen die Muskelfasern eindringt, allein es geht aus seinen
Angaben nicht deutlich hervor, in wie weit er ein solches Ein¬
dringen beobachtet und ob er es ganz scharf von der fettigen
Degeneration getrennt hat.
Von anderen Seiten ist eine mit der Corpulenz verbundene
abnorme Vermehrung der Blutmenge (Plethora) als Ursache der
Herzsymptome angeklagt worden. Diese Anschauung, welche
v. Recklinghausen in seinen Vorträgen ausführt, ist neuer¬
dings auch von Köster vertreten worden. Es scheint mir
indessen noch nicht erwiesen, dass Plethora vermehrte Arbeit
des Herzens und damit Hypertrophie des linken Ventrikels be¬
dingt, vornehmlich aber scheint es mir, dass diese Lehre nicht
auf jene Fälle passt, wo sich eine Dilatation des Herzens mit
Herzschwäche ausbildet und auch nach dem Verschwinden der
Corpulenz und der Plethora unverändert fortdauert und selbst
sich steigert.
Die folgende Beobachtung nun liefert, wie ich meine, den
Beweis, dass in gewissen Fällen die Fettbildung tief in die
1) Ob dieser Zustand auch zur Herzruptur rlisponirt. wie Morgagni
annimmt, wage ich nicht zu entscheiden.
| Substanz des Herzens eindringen, die Muskelfibrillen ausein-
i ander drängen und comprimiren kann, so dass nachweisbare ana¬
tomische Erkrankungen der Herzmusculatur resultiren, welche
für die beobachteten Functionsstörungen des Herzens von Be¬
deutung sein müssen. Einmal leidet dadurch die Elasticität
des Herzens, so dass es zu einer Dehnung, namentlich in der
Gegend der Herzspitze disponirt ist, sodann aber kommt es
auch zu einer microscopischen Atrophie in zwar kleinen, aber
zahlreichen Herden der Herzmusculatur. Ich muss Ihnen diese
Beobachtung genauer vortragen, um den Beweis zu liefern, dass
keine andere Ursache der Herzerkrankung, als die der Fett¬
leibigkeit bei einem Potator vorlag, dass die Symptome zwar un¬
gewöhnlich schnell und intensiv verlaufen sind, doch die gewöhn¬
lichen und oben besprochenen waren, und endlich dass die
Autopsie neben der enormen Fettanhäufung Dilatation beider
Veutrikel ergab, und die microscopische Untersuchung bemerkens-
i werthe Alterationen des Herzfleisches constatiren konnte.
Wenn man nun beobachtet, dass sehr corpulente Menschen
oft genug von jeder Störung der Herzfunction frei bleiben,
und dass man bei der Autopsie nicht selten starke Fettauflage¬
rung des Herzens ohne Dilatation und ohne Zeichen gestörter
Herzfunction antrifft, so wird man zu der Annahme gezwungen,
dass nicht die blosse Fettumlagerung des Herzens Ursache
der schweren Symptome ist, sondern dass diese erst die
Disposition setzt zu einer tieferen, durch das Eindringen der
Fettentwicklung bedingten Alteration des Muskelfleisches, und
ferner dass diese Alteration auch bei corpulenten, fettleibigen
Personen sich erst unter dem Einfluss weiterer Schädlichkeiten
geltend macht, welche die Kraft, ich möchte sagen, die Wider¬
standsfähigkeit des Herzmuskels herabzusetzen geeignet sind.
Solche Momente sind: a) vorgerücktes Alter; — jüngere Leute,
auch wenn sie sehr fett sind, erkranken selten unter bedeutenden
Herzbeschwerden; ältere fette Leute sind ihnen mehr unter¬
worfen. b) physische Erregungen, c) Strapazen, z. B. Jagd,
d) reichlicher Genuss von Spirituosen, wie es bei üppiger
| Lebensweise nicht selten vorkommt. (Schluss folgt.)
IL Zur Ovariotonie.
(Vortrag, gehalten in der Berliner medicinischen Gesellschaft.)
Von
Dr. . 4 . Martin.
(Schluss.)
Ich habe bis jetzt einmal bei einer Gravida (Tab. 2. No. 3.)
die Ovariotomie gemacht. Die Patientin war zum 3ten Male
schwanger, sie hatte einmal leicht ein ausgetragenes Kind ge¬
boren, einmal im 4. Monat abortirt. Jetzt war sie wieder im
3. Monat schwanger, und wiederum stellten sich die Symptome
des Abortus ein. Ueber dem Uterus, der ganz auf den Beckeu-
boden herabgedrückt lag, wurde ein eben 2 faustgrosser Tumor
gefühlt, der zwar leicht beweglich erschien, den Uterus aber
an seiner Ausdehnung in das grosse Becken hinauf hinderte.
In der Hoffnung r durch eine Beseitigung dieses Druckes die
Schwangerschaft zu erhalten, führte ich sofort die Ovariotomie
aus. Die Patientin genas ohne Störung, nachdem die vorher
schon bestandenen Wehen durch grosse Dosen von Morphium
’ vollständig beseitigt worden waren. Am 26. Januar 1878 bat
I Pat. in meinem Beisein leicht und spontan ein kräftiges Mädchen
I geboren.
Ganz besonders ist endlich durch die Einführung der anti-
septischen Methode die Behandlung der Adhäsionen beeinflußt
worden. Mit Zunahme der Sicherheit, mit welcher wir beson¬
ders nach antiseptischer Operation Adhäsionen und Tuniortheile
nebst den sie mnscliinirendeti Ligaturen, mögen diese von wel-
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22. April 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
225
chem Material auch immer gewählt sein, sich selbst überlassen,
tritt die Bedeutung der Adhäsionen naturgemäss mehr und mehr
zurück. Mögen die so versenkten Gebilde sich abkapseln, re-
sorbirt werden oder nach aussen ausgestossen werden, wir
können sie nach antiseptischer Operation ruhig sich selbst über¬
lassen. Zu den vielen Belegen für diesen Satz, welche die
Litteratur bietet, sei es mir gestattet, hier einen weiteren eigen¬
artigen meiner eignen Erfahrung ausführlicher zu beschreiben.
(Tab. 2. No. 8.) Fr. L., 22j. Nullipara, hochgradig scrophu-
lös, beobachtete seit Anfang 1877 eine Zunahme des Leibesum¬
fanges. Im Herbst dieses Jahres entwickelte sich ein beträcht¬
licher Prolaps der vorderen Scheidenwand neben sehr quälenden
Schmerzen bei Stuhl- und Urinbeschwerden. Operation am
5. Decbr. 1877. Nach Entleerung einer ca. 12000 Grm. be¬
tragenden Menge ascitischer Flüssigkeit wird ein reichlich
mannskopfgrosses multiloculäres Cystom durch die Bauchwunde
hervorgeleitet, welches nur mit seiner kleinern oberen Hälfte in die
Bauchhöhle hineinragte, mit seiner grössern zwischen die Blät¬
ter des Lig. latum sinistr. gewachsen war und hier bis auf den
Beckenboden und entlang dem Ileopsoas sich erstreckte. Durch
einen Zirkelschnitt trennte ich den Peritonealüberzug und schälte
aus diesem analog wie bei intraparietalen Myomen die voll¬
ständig abgekapselte Geschwulst aus. Die Tube musste isolirt
unterbunden werden. Es entstand nun nach Entfernung der
Geschwulst ein Sack, der nur mit seinem untersten Ende der
Beckenwand anlag. Hier vereinigte ich die einander gegenüber
liegenden Wände dieses Sackes, ebenso entlang dem breiten
Mutterbande bis zum Uterus durch die Naht, trug die darüber
liegenden Wandtheile ab und schloss die Bauchhöhle. Patientin
ist unter geringen Reactionserscheinungen genesen.
Es lag auf der Hand, dass die so verbesserte Prognose
der Exstirpation erkrankter Ovarien auch noch in anderen
Richtungen fruchtbringend wirken musste. Zunächst musste
man sich dadurch ermuthigt fühlen, die Erkrankungen aller
Baucheingeweide allgemein, soweit sie überhaupt für chirurgische
Eingriffe geeignet erscheinen, solchen zu unterwerfen. Für die
Gynäkologen ergeben sich daraus ganz speciell noch eine An¬
zahl von Indicationen, welche ihre Begründung in den Wechsel-
beziehungeu der einzelnen Theile des Generationsapparates haben.
Erst neuerdings hat Hegar, der zuerst diese Indicationen
in der Praxis, und zwar mit sprechendem Erfolge verwerthete,
dieselben dahin präcisirt 1 ), „dass er die Exstirpation der nor¬
malen Ovarien für angezeigt hält, bei unmittelbar lebensgefähr¬
lichen, in kurzer Frist zum Tode führenden oder solchen Ano¬
malien und Erkrankungen, welche ein langdauerndes, fort¬
schreitendes, qualvolles, den Lebensgenuss und die Beschäftigung
hinderndes Siechthum bedingen, sobald andere Heilverfahren
ohne Erfolg angewandt wurden, während der Wegfall der Keim¬
drüse Heilung verspricht.“ Gewiss mit vollem Recht sagt
Hegar an jener Stelle selbst, dass die speciellen Indicationen für
die Entfernung normaler oder nur wenig erkrankter Ovarien zur
Zeit noch theilweise auf schwankenden Füssen stehen. Einige
unter denselben werden allerdings in der Praxis steten Zweifeln
begegnen, zumal wenn die nach ihnen vorgenommene Operation,
wie in den Fällen von Battey 5 ) so unvollkommen ausgeführt
wird; weiter aber wird voraussichtlich nicht selten die Opera¬
tion unter solchen Verhältnissen auf derartige Schwierigkeiten
1) Centralblatt für Gynäkologie. No. 2. 1878. S. 28.
2) Exstirpation of the functionally active ovaries for thc remedy o
otheriwise incurable diseases by R. Battey. Transactions of the ame-
rican gynaec. Soc. Boston 1877. Vol. 1. p. 161; vgl. auch M. Sims,
Battey’s Operation. Brit. med. Journ. Dec. 1877.
stossen, dass der Erfolg ein sehr zweifelhafter ist, so bei chro¬
nischer Oophoritis und Perioophoritis, bei chronischen Entzün¬
dungsprocessen der Tuben, des Beckenbauchfells und Parame-
triums. Andere hingegen erscheinen so klar und so sicher
durch theoretische Deductionen gestützt, dass Hegar gewiss
mit Recht von ihnen sagt (a. a. 0. S. 28), „es könne über die
Zulässigkeit der Operation in solchen Fällen kein Zweifel sein,
wenn auch die weitere Erfahrung vielleicht noch Modificationen
und Einschränkungen ergeben wird.“ Hierin rechne ich die
Fälle von Ovarialhernien mit Einklemmungs- und Entzün¬
dungserscheinungen, sobald die gewöhnliche Antiphlogose und
Versuche der Reposition nicht zum Ziele führen; ferner sol¬
che Hernien, bei welchen der Eierstock sich in beginnender
Cystendegeneration befindet. Hierher rechne ich ferner die
dritte und vierte der Hegar’schen Specialanzeigen, \on denen
jene die Ovariotomie für indicirt erklärt bei Zuständen des
Uterus, welche da§ Zustandekommen der menstrualen Ausschei¬
dungen unmöglich machen oder äusserst erschweren, während
die Eierstöcke vorhanden sind und functioniren; die andere
aber die Operation empfiehlt bei Atresien des Uterus und der
Scheide mit Zurückhaltung des Menstrualblutes, bei Unmöglich¬
keit die natürlichen Wege zu öffnen oder einen anderen Ausweg
zu schaffen. Die erstgenannte unter diesen beiden Indicationen
ist mir vor kurzem nahegelegt worden bei einer 22jährigen
Frau mit Defect der Scheide, welche an ausserordentlich hefti¬
gen Menstrualbeschwerden leidet, die alle 4 Wochen auftreten,
einen ausgesprochen peritonitischen Charakter haben und in
der letzten Zeit jedesmal an Intensität noch zugenommen haben.
Während den jedesmal 4 bis 5 Tage andauernden Schmerzen
wird bei der Urinentleerung, zu welcher sich ein fortwährendes
Drängen einstellt, eine geringe Menge frischen Blutes per ure-
thram ausgestossen, immer ehe die geringe Menge Harns ab-
fliesst. Die Untersuchung von der Blase und dem Mastdarm
aus lässt keine Spur einer Scheide wahrnehmen; wohl aber
beginnt etwa 5 Ctm. oberhalb des Orificinm urethrae ein der¬
ber, anscheinend solider Strang, der sich im Bogen nach rechts
und hinten verfolgen lässt, woselbst er in ein ungleichförmiges,
etwa haselnussgrosses Gebilde von unebener Oberfläche aus-
läuft. An diesem Körper hängt nach hinten zu noch ein an¬
deres erbsengrosses Körperchen beweglich an. Nach der linken
Seite hin lässt sich eine Fortsetzung jenes Stranges nicht er¬
kennen, ebensowenig wie hier mit Bestimmtheit ein dem Ge¬
bilde auf der rechten Seite ähnliches wahrzunehmen ist. Der
in der rechten Seite liegende Körper schwillt bei jeder Men¬
struation deutlich und neuerdings sehr beträchtlich an, seine
Empfindlichkeit erscheint dann bedeutend gesteigert. Während
der noch kurzen Zeit meiner Beobachtung ist es noch gelungen,
durch Ruhe, Blutentziehungen, Eisumschläge und Narkotika die
Beschwerden zu beheben; lassen aber auch diese im Stiche, so
bin ich der Ansicht, wird bei weiterer Rückwirkung dieser eigen-
thiftilichen Menstruationsverhältnisse auf das Allgemeinbefinden
die Exstirpation der rudimentären innern Genitalorgane gebo¬
ten sein.
Weitaus die wichtigste unter den Specialanzeigen Hegar’s
I scheint mir die von ihm zuletzt angeführte zu sein, nach wel-
] eher die Excision der normalen Ovarien vorzunehmen ist „bei
| Erkrankungen der Gebärmutter, wie insbesondere bei Fibro-
- myomen, chronischem Infarct, besonders bei solchen mit schwer
zu stillenden Blutungen verbundenen, bei Retroflexionen und
j Anteflexionen, überhaupt allen pathologischen Veränderungen des
Organs, sobald sie zu den in der allgemeinen Indication auf¬
geführten Consequenzen führen und erfahrungsgemäss durch
den natürlichen Klimax eine bedeutende Besserung oder selbst
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226
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 19
Heilung erfahren.“ Gewiss lassen sich vielerlei Zweifel gegen
eine so bestimmte 'Wechselwirkung zwischen Ovarien und Ute¬
rus, besonders aber bei den genannten Erkrankungen des Ute- !
rus, theoretisch erheben, dieselben werden sich aber nur durch
die Praxis selbst auf ihre Berechtigung ergründen lassen. Und
schon nach den von Hegar selbst angeführten Beobachtungen 1 )
lässt sich nicht bestreiten, dass in den betreffenden Fällen die |
Castration eine vorzeitige Involution des Uterus und mit ihr
eine Heilung der üterinerkrankung bedingt hat. Ich selbst
bin nun in der Lage, den so viel ich habe verfolgen können j
in der deutschen Litteratur nach isolirten Mittheilungen He¬
gar’s zwei weitere Krankengeschichten anfügen zu können,
welche meines Erachtens für den Zusammenhang zwischen der
künstlichen Entfernung der Ovarien und der Involution des Ute¬
rus von beweisender Bedeutung sind.
1. (Tab. 2. No. 5.) Fr. v. R., 46jähr. Frau, zweimal geboren,
zuletzt vor 15 Jahren; im Jahre 1867 nach länger bestandenen
Blutungen von meinem Vater von einem apfelgrossen Cervixpolypen
befreit. Seit 1875 traten von neuem mit den sonst regelmässi¬
gen Menses profuse Blutungen ein, als deren Ursache ein damals
kindskopfgrosses Myom der vorderen Wand des Corpus nach¬
zuweisen war. Trotz 100 Ergotineinspritzungeu, trotz des lange
und regelmässig fortgesetzten Gebrauches von Jodpräparaten j
wuchs der Tumor bis zu Mannskopfgrösse an, und wurden die
Blutungen mit nur kurzen Remissionen immer heftiger, wenn
sie auch noch immer die menstruellen Perioden inne hielten.
Da das Allgemeinbefinden mehr und mehr gestört wurde und i
eine Operation des Myoms per vaginam unausführbar war, un- !
terwarf sich Pat. der Castration. Am 4. Nov. 1877 entfernte !
ich, 9 Tage nach der Menstruation, ohne besondere Schwierig¬
keit nach der Laparotomie die beiden Ovarien, welche als von
normaler Grösse vorher an der normalen Stelle liegend deut- |
lieh hatten nachgewiesen werden können. Die Reaction war
eine sehr geringe; Pat. verliess am 12. Tage das Bett und
wurde am 20sten genesen in ihre Heimath entlassen. Die
vollständig excidirten Ovarien enthielten mikroskopisch unver¬
kennbare, entwicklungsfähige Follikel in beträchtlicher Zahl.
Diese Dame hat nur in der ersten Woche nach der Operation,
14 Tage vor der eigentlichen Zeit der Periode noch einmal 2
Tage lang einen dem menstruellen .ähnlichen Blutabgang ge¬
habt. Am Ende des dritten Monats nach der Ovariotomie zeigte
sich noch einmal 1 Tag lang eine Spur von Blut, im übrigen
hat jeder blutige Abgang per vaginam aufgehört. Pat. hat
sich jetzt sehr erholt, sie ist kräftiger geworden, und fühlt sich
bis auf klimakterische Wallungen sehr wohl. Ich habe die
Geschwulst im Februar zuletzt untersucht und ihr Volumen
auf nahezu die Hälfte reducirt gefunden. Die Länge der Ute¬
rushöhle betrug jetzt 9 gegen 11 Ctm. vor der Operation. Die
in der vorderen Wand sitzende Geschwulst war ebenso wie
früher hart und knollig.
2. (Tab. 2. No. 6.) 38jähr. Virgo, stets regelmässig mensti4irt,
litt seit 7 Jahren an continuirlichen, durch keinerlei Medikamente
zu beseitigenden Unterleibschmerzen, als deren Ursache 1876
multiple Myome sich erkennen liessen, welche von der vorderen
Wand des Cervix und Corpus sich subserös abhoben und, wie
sich das nach Dilatation der Harnröhre constatiren liess, die
Blase vom Cervix abdrängten. Diese Myome, von denen 2 be¬
sonders tief sassen, wuchsen im vergangenen Sommer beträcht¬
lich. Die Menses, sonst von mässiger Intensität, wurden profus
1) Stahl, Der anticipirte Klimax durch Exstirpation der Ovarien
bei Fibroidcn des Uterus. Deutsche klinische Wochenschrift, 1876.
No. 50.
und unregelmässig, so dass Pat. dadurch in hohem Grade er¬
schöpft wurde; es stellten sich quälende spastische Harnbe¬
schwerden ein, welche in Verbindung mit jenen Blutungen und
den gleichzeitig erheblich zunehmenden, früher selteneren epilep¬
tischen Zufällen die Kranke in bedenklichster Weise schwächten.
Da auch hier 23 Ergotininjectionen vergeblich waren und der
mit ihnen hervorgerufene Reiz auf die Blase eine Fortsetzung
dieser Medication verbot, anderweite Mittel aber sich vollstän¬
dig erfolglos erwiesen, machte ich am 11. Nov. 1877 die Ex¬
stirpation der Ovarien. Die Ovarien schienen bei der Untersu¬
chung vor der Operation ungleich hoch zu liegen, das linke tief
im kleinen Becken, das rechte nahe dem Beckeneingang. Die Ope¬
ration war sehr schwierig. Das rechte Ovarium war zwar leicht
zu erreichen, es war aber kranzartig umgebeu von der mässig
prall gefüllten hydropischen Tube und lag neben einer kirsch-
grossen Geschwulst des Lig. latum. Ich unterband und ent¬
fernte Tube und Geschwulst zugleich mit dem Ovarium. Um
das linke tief im Becken fixirte Ovarium zugänglich zu machen,
musste ich den Rectus abd. der linken Seite quer durchschnei-
den und dann die Unterbindung ganz in der Tiefe machen, da
der Eierstock nicht hervorzuheben war. — Trotzdem erfolgte eine
fast ganz ungestörte Reconvalescenz, die Temperatur stieg nur
am 2. und 3. Tag auf 38,5, die Pulsfrequenz war gleichmässig
zwischen 80 und 96. Die Harnbeschwerden verschwanden vom
dritten Tage an, die Schmerzen im Unterleibe hörten von der
Operation an auf. Die Menses sind bis jetzt noch nicht wieder¬
gekehrt, die Myome sind bedeutend geschrumpft, so dass sie
nur noch eben wahrnehmbar sind. Seit Mitte Januar dieses
Jahres leidet Pat. wieder an Ischurie. für die ich bis jetzt kei¬
nen Grund aufzufinden vermag. Die epileptischen Anfälle waren
kurz hintereinander am 5. und 6 Tage nach der Operation aufge¬
treten, daun aber bis Mitte Januar ausgeblieben, so dass »ich
Pat. bei vollständiger Euphorie sehr erholte. Jetzt sind ausser
den Harnbeschwerden auch diese Anfälle wieder, wenn auch
schwächer, hervorgetreten. Die Ovarien dieser Patientin erwiesen
sich als von ganz normaler Beschaffenheit; sie enthielten beide
massenhafte normal aussehende Follikel. Ais Cessationsbeschwer¬
den sind bis jetzt nur Herzklopfen und nächtliche Schweisse
eingetreten.
Der Erfolg dieser beiden Fälle scheint die oben angeführte
Indication für die Ovariotomie voll zu bestätigen, auf jeden
Fall müssen sie zu weiterem Vorgehen in dieser Richtung er-
muthigen.
Gestatten Sie m’*r, meine Herren, noch mit wenigen Worten
das Verfahren selbst zu skizziren, welches ich zur Zeit bei der
Operation eingehalten habe. Nachdem ich 6 Mal ohne antisep¬
tische Cautelen operirt habe, ohne Drainage, mit Klammerver¬
sorgung des Stieles, habe ich, seitdem ich als Assistent Herrn
Professor Schröder bei diesen ersten hier operirten Ovariotomien
zur Seite stehen durfte, mich streng an die antiseptischen Vor¬
schriften gehalten. Ich habe meine sämmtlichen letzten zehn
Ovariotomien in einem lediglich für gynäkologische Operationen
eingerichteten Privathause gemacht, mit Ausnahme einer, welche
ich in der Wohnung der Pat. ausführte. Die Operationen selbst
wurden unter einem 2 proc. Carbolspray gemacht, die Bauch¬
höhle, da wo es nöthig erschien, ausgiebig mit Carbolwasser
ausgewaschen. Den Stiel habe ich, wo ein solcher vorhanden
war, in einzelnen Partien mit starken Seidenfäden unterbunden,
ebenso die Adhäsionen. Die einfach mit Messer und Scheere
abgeschnittenen Stümpfe wurden versenkt. Die möglichst exact
verschlossene Bauchwunde wurde mit einem antiseptischen
Druckverband bedeckt, der bis zum 7. Tage unverändert liegen
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
22 April 1S78.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
227
blieb, wenn nicht eine frühere Revision der Wunde speciell ge¬
boten war. Die Drainage habe ich dabei nicht angewandt,
eine nur partiell entfernbare Cyste des Liq. lat um — die erste
der antiseptisch operirten Pat. — habe ich nach Schröder’s
Vorgang 1 ) in die Bauchwunde eingenäht und nach oben drainirt:
Pat. starb septisch am 0. Tage. Selbst bei grossen Adhäsionen,
wenn ich viele Ligaturen in der Bauchhöhle zurück lassen
musste, habe ich mich mit einer einmaligen Auswaschung mit
Carbolwasser begnügt, und davon allerdings einmal (Fall No. 7)
einen bedenklichen Carbolcollaps gesehen, sonst aber keine
üblen Zufälle beobachtet. Für die Wirksamkeit solcher Aus¬
waschungen möchte ich hier meinen letzten Fall als Beleg an¬
führen, in welchem allerdings dieOvariotomie weder intendirt.noch
als Hauptmoment der Operation aufzufassen war. Es handelte
sich um eine verjauchende Extrauterinschwangerschaft bei einer
53jährigen Frau. Dieselbe hatte 7 mal geboren, zuletzt 1866.
Sie wurde 1868 wegen Peritonitis von meinem Vater behandelt, der
eine Extrauterinschwangerschaft diagnosticirte und, da das Kind
abgestorben war, nach Beseitigung der acuten Symptome Pat. ent-
liess. Seit Weihnachten 1877 stellten sich, nach verhältnissmässiger
Euphorie, heftige Unterleibsschmerzen ein, allabendliche Schüttei
fröste markirtenein sehr beträchtliches Fieber. Unter sehr grossen
Beschwerden wurden mit dem Stuhl Knochen von Extremitäten
und vom Schädel eines etwa 7 monatlichen Fötus entleert. Im
höchsten Grade verfallen, trat Pat. am 21.' Februar d. J. in
meine Behandlung. Jn der natürlich nur schwachen Hoffnung,
durch die Beseitigung des Jaucheheerdes die Frau zu retten,
machte ich die Laparatomie am 25. Februar. Es fand sich
dabei, dass das verjauchende Ovulum hinter einer reichlich
2 faustgrossen Geschwulst des rechten Ovarium lag. Um über¬
haupt zu jenem zu gelangen, musste diese Geschwulst erst be¬
seitigt werden, und so reserirte ich dieselbe bis auf einen klei¬
nen im kleinen Becken adhärenten Theil und vernähte diesen
Tumorstumpf. Dann fand sich, dass der ganz zerfallene Kopf
des Fötus derartig in ein Stück des absteigenden Colon hinein¬
gedrängt war, dass bei dem Versuch, denselben zu extrahiren,
dieses gangränöse Darmstück vollständig zerbröckelte. Ich re-
secirte nun auch das ganze reichlich 6 Cm. lange Stück Colon
nnd vereinigte die beiden Darmenden durch die Darmnaht.
Nun erst konnte ich den Fötus vollständig entfernen, ebenso
die Eihülle und von der Placenta, was von diesen Gebilden
noch vorhanden war. Die Placentalstelle war an der vorderen
Fläche des Cavum Douglasii. Nach gründlicher Auswaschung
mit Carbolwasser (erst 2 pCt., dann 1 pCt.) schloss ich die
Bauchdecke, welche beiderseitig quer eingeschnitten worden.
Pat. war sehr schwach, fand sich im übrigen aber subjectiv
sehr wohl, bis sie am dritteu Tage, nachdem sie schon Hoff¬
nung auf Genesung geboten, collabirte und dann 67 Stun¬
den nach der Operation verschied. Die Temperatur hatte sich
erst am 2. Tage auf 35,5 bis 36,0 erhoben, kurz vor der Agone
stieg sie plötzlich bis zu 39,4. Bei der Section fand sich die
Bauchhöhle ohne eine Spur von Peritonitis, die Darm¬
naht und die Naht am Stumpf des Ovarientumor war
in guter Verheilung begriffen, der Sitz des Eies
rein. —
Schliesslich gebe ich eine Zusammenstellung meiner Fälle,
nach dem von Schröder in der Nummer 11 dieser Zeitschrift
(18. März 1878) benutzten Schema.
Tabelle 1. Ovariotomien ohne antiseptische Cautelen.
So.
Datum
der
Operat.
Name
| Alter 1
Heimath
Ausgang
öirj
fcr
Oper.
Bemerkungen
I
* 1873.
| 10. IX .
A. Br.
'18
Berlin
Tod 2 Std.
E.
Blutung in der Cyste
2
1875.
25. VII.
Fr. K.
41
i
Berlin -
p. op.
Genesung
E.
nach Function.
Klammerbehandl.
Klam merbehandl.
3
26. IX.
Fr. D.
43
Berlin
Genesung
E.
Doppelte Ovarioto-
4
7. XI.
Fr. E.
5-
Dreetz
Tod am
E.
mie. Klammerbeh.
Colossale uniloculäre
5
1876.
9. IV.
Fr. P.
24
Velten
6. Tage
Genesung
Pr.
Cyste, gr. Adhäsion
mit d. vord. Bauch¬
wand. Drainage der
Cyste durchd.Bauch-
wunde. Septicämie.
Klammerbehandl.
6
9. VI
A. B.
31
Lucken-
Tod 2 Std.
P.
Carcinom der Ovarien
j
#
w j Ide
j
!
i
p. op.
und Omentum. Ra¬
sche Ansamml. eines
stark bluthaltigen
Ascites und dadurch
bedingte Indicatio
vitalis.
Tabelle 2. Ovariotomien nach Li st er.
No.
Datum
der
Operat.
Name
4 )
<3
1_
Heimath
j Ausgang
Ort
der
Oper,
Bemerkungen
1
1876
10. IX.
Fr. Fr.
37
Berlin
Tod am
P.
Subseröser Sitz. Ab-
2
1877
10. V.
C. Bl.
29
Nauen
6. Tage
Genesung
eig.
Woh
P.
I schnürung der Cy¬
stenbasis und Ein¬
nähen derselben in
die Bauchwunde.
Septicämie.
Kleine uniloculäre
3
29. VII.
Er. Kr.
28
Berlin
I
Genesung
Cyste. Stielversen¬
kung, wie in allen
folgenden.
Gravida mens III.
4
25. X.
M. S.
30
1
Berlin
Genesung
P.
Entbindung spontan
26. I. 1876. Klei¬
ner Dermoidtumor.
Stielversenkung.
Kleine uniloculäre
5
4. XI.
!
Fr. v. R.
47
Neustadt
Genesung
P.
Cyste.
Doppelte Ovariotomie
6
11. XL
A. T.
38
a. D.
Berlin
Genesung
P.
wegen Myoma uteri.
Doppelte Ovariotomie
7
25. XI.
Fr. F.
30
Berlin
Genesung
P.
wegen Myoma uteri.
Doppelte Ovariotomie
8
5. XII.
Fr. L.
22
Sudenburg
Genesung
P.
wegen multiloculärer
Cystenbildung. Car-
bolintoxication.
Theilweise subseröse
1
9
1878
24. II.
Fr. K.
73
Kyritz
Tod am
P.
Entwickelung des
multiloculären Tu¬
mors. Enucleation.
Myxoma ovarii et Pe¬
i
10
25. II.
Fr. II.
53
Berlin !
7. Tage
Tod am
P.
ritonitis myxomatosa
Collaps.
Gravid itas extrauteri-
'/I
1
i
I
1
3. Tage
|
%
1
i
na. Subseröser recht¬
seitig. Ovarialtumor.
Gangrän des Colon.
Resection des Colon
und Darmnaht. —
Tod an Collaps am
3. Tage.
*) Pr. = Privathaus, E. = Entbindungsanstalt (Dorotheenstr. 5).
1) Zeitschr, f. Geb. u. Gynäk. Bd. II. S. 365.
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2 *
Original fro-rn
UNIVERSITY OF MICHIGAN
228
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 16
III. Die Curmittel Kreuznachs in ihrer physikalischen
und physiologisch-chemischen Bedeutung.
Von
Dr. C. A. Wimmer,
K. Pr. Medicinalrath und pract. Arzt zu Kreuznach.
A. Die Bäder.
Die Mehrzahl der Bäder Kreuznachs wird von dem Haupt¬
brunnen der am rechten Nahe-Dfer belegenen Saline Karlshalle
mit Badewasser versorgt. Eine neue sorgfältigere Analyse dieser
Quelle giebt es nicht. Nach älteren Analysen soll sie 98, nach
einer neueren, jedoch unvollständigen, 135 Theile festen Gehalt,
worin 118 Chlornatrium, das übrige grösstentheils Chlorcalciura,
in 10000 Theile» enthalten haben. Temperatur: 24° C.
Abgesehen von der nur zum Trinken benutzten Elisenquelle,
von welcher später die Rede sein wird, besitzen wir nur eine
genaue Analyse der im Privatbesitz befindlichen Oranienquelle
von Knapp und Liebig.
Dieselbe enthält:
Tabelle I.
Chlornatrium.
in 10000 Theilen
141,54 Kohlensaures Eisenoxydul
0,464
Chlorkalium.
0.6
Brommagnesium.
2,318
Cldormagniuin.
0,19
Jodmagnesium.
0,016
Clorenlcium.
29.4
Phosphorsaure Thonerde .
0,124
Chlorlithium.
Spuren
Kieselerde.
1,3
Kohlensaurer Kalk ....
0,53
Summa
176,482
Die der Oranienquelle benachbarte Lage der Quellen zur
Karls- und Theodors-Halle einerseits und der Elisen- und Nahe-
Quelle andererseits — das Wasser der letzteren wird im öffent¬
lichen Badehause mit zum Baden benutzt — ferner die gemein¬
schaftlichen geognostischen Verhältnisse machen es wahrschein¬
lich, dass der feste Gehalt sämmtlicher Quellen annähernd derselbe
ist. Bei dem Durchschnitts-Gehalt von 1%% festen Bestand¬
teilen bietet das Karlshaller Wasser nach dem jetzigen Stande
unseres Wissens über die physiologische Wirkung der Bäder,
im Vergleich zu anderen Soolbädern Deutschlands mit 3, 4, 5
und mehqirocentigem Kochsalz-Gehalte nur eine schwache Soole
dar, und dieser Umstand ist in der neueren Bade-Literatur be¬
nutzt, um auf Kreuznach einen mitleidigen und bedauernden
Blick zu werfen.
Schon vor 20 Jahren ist durch Beneke, Lehmann und
andere, so auch von mir*) nachgewiesen, dass in einem 4 bis
57, lauwarmen, % bis a / 4 sündigen Soolbade auch nicht eine
Spur von Kochsalz zur Aufnahme durch die Haut ins Blut
gelangt, dass mithin die Wirkung der Soolbäder nicht durch
Resorption von Kochsalz, sondern durch die reizende Wirkung,
w r elche dieses auf die äussere Haut und durch Fortpflanzung
dieses Reizes auf das Centralorgan und durch Reflexwirkung
von diesem auf den übrigen Körper ausübt und hierdurch eine
Beschleunigung des Stoffwechsels, insbesondere beschleunigte
Rückbildung verursacht, bedingt wird.
Diese Ergebnisse sind wiederholt durch andere bestätigt
und von neuem begründet, so dass es keinem Zweifel unterliegen
kann, dass der grössere oder geringere Kochsalz-Gehalt des
Wassers, trotzdem dessen Wirkung nicht durch Resorption des
Kochsalzes im Bade zur Geltung kommt, für die Beurtheilung
der Kochsalzwasser in betreff des Umfangs ihrer Wirkung, und
zwar vermöge der Intensität des Reizes, welchen sein grösserer
oder geringerer Kochsalzgehalt auf die äussere Haut ausübt,
massgebend ist.
*) Das Soolbad Rothenfelde in Westphalen, auf physiologisch-
chemischen Wege dargestellt von Dr. Wimmer, Göttingen, 1859.
Dieterich’scho Verlagsbuchhandlung.
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j Ein zweiter nicht minder wichtiger Factor für die Beur¬
theilung eines Soolwassers resp. bei der Verordnung eines
solchen, ist der Zustand der Reizbarkeit der äusseren Haut
und des Gesammt-Organismus des betreffenden Kranken. In
! Fällen von hochgradigem Erethismus der äusseren Haut und
i des Gesammt-Organismus «wird schon durch schwachprocentige
Soolbäder der Kranke oft überreizt und nachfolgend erschöpft,
während bei torpiden Naturen, bei inveterirten Dermatosen, bei
torpiden scrophulösen Subjecten mit aufgedunsenem, phlegma¬
tischem Habitus u. s. m. kaum eine Einwirkung derselben auf
den Organismus beobachtet wird.
Kreuznach besitzt in der Mutterlauge ein Mittel, je nach
dem vorhandenen Reizzustande der äusseren Haut und des
Gesammt-Organismus den Salz-Gehalt seiner Bäder erhöhen und
! selbst bei den torpidesten Naturen bis zu einer dem Krankheits-
j zustande entsprechenden Einwirkung bringen zu können, wenn
dies die vorhandene Reizbarkeit des Kranken gestattet, und
solches ist bei Vergleichung der Bäder Kreuznachs mit den von
anderen an Kochsalz reicheren Quellen nicht ausser Auge zu
; setzen. Die Mutterlauge der benachbarten Theodors-Halle wird
; bei den hiesigen Bädern am meisten als Zusatz benutzt. Dieselbe
enthält nach einer neuesten Analyse vom Apotheker Dr. Aschoff
. in Kreuznach:
Tabelle 11.
in 10000 Theilen
Chlorcalcium .... 2567,75 Chlurkalium. 297,10
Chlnrstrontian .... 0,85 Chlornatrium .... 211,53
Clormagncsium . . . 219,12 Chlorlithium .... 0.48
Broinmagnesium . . 0,76 Chlorcaustium \
Judmagnesium . . . 0,0009 Chlorrubidium/ * ‘ s l’ urL ’ 11
feste Bestandtheile 3297,59
Spec. Gewicht bei -f- 17,5° C. = 1,3348.
Die festen Bestandtheile der Mutterlauge bestehen mithin
I annähernd aus: 1) 75% Chlorcalcium, 2) 9 7 0 Chlorkalium,
' 3) 8% Chlornatrium, 4) 7% Chlormagnesium, 5) 1% Brom-
; niagnesium; also aus 99% Chlorverbindungen (Alkali-Metalle
und metallischen Erden) und kaum 1 % Brommagnesium.
Jod, welches früher zur Reclame für Kreuznach benutzt
; wurde, ist in 10000 Theilen Mutterlauge in der maximal be-
j rechneten Spur von 0,0009 Jodmagnesium enthalten. Dieser
Jod- und Brom-Gehalt kann nach dem jetzigen Stande unseres
Wissens über die Wirkung der Mineral-Bäder den 99% Chlorver¬
bindungen gegenüber nicht im geringsten in Betracht kommen.
Die, hiesigen Badewannen für Erwachsene fassen 250—300
Liter Flüssigkeit. Ohne Zusatz von Mutterlauge enthält ein
Bad von 250 — 300 Liter der Carlshaller Soole = 3 — 5,5 Kilo
Salze. Ein Liter Mutterlauge enthält annähernd 500 Gramm
= 7? Kilo an Salzen. Nach Zusatz von je 1 Liter Mutterlauge
zum Bade wird dessen Salzgehalt um 1 Kilo vermehrt, mithin
bei Zusatz von 10 Liter um 5 Kilo, so dass ein solches Bad mit
den ursprünglich im Soolwasser enthaltenen 3 — 8,5 Kilo nun
l 8 — 8,5 Kilo Salze enthält.
Durch den Zusatz von Mutterlauge ist nun allerdings nicht
das in dem Soolwasser enthaltene Chlornatrium wesentlich ver-
j mehrt, welches nur 8% der festen Bestandtheile der Mutterlauge
I ausmaclien, sondern hauptsächlich Chlorcalcium, welches zu 75 %
in derselben enthalten ist. Die 5 Kilo feste Bestandtheile, welche
mit den 10 Liter Mutterlauge dem Bade zugesetzt sind, bestehen
mithin aus 3% Kilo Chlorcalcium und annähernd aus je % Kilo
Chlorcalium, Chlornatrium und Chlormagnesium
Damit ist nicht allein die chemische, sondern auch die pliv-
sicalische Natur der Badeflüssigkeit verändert; in derselben
ist an die Stelle des Chlornatriums das Chlorcalcium die vor¬
herrschende Chlorverbindung geworden, und beide Chlorate ver¬
halten sich physicalisch wesentlich verschieden. Ein Versuch
Original from
UNIVERSITf OF MICHIGAN
22. April 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
229
von gleichprocentigen Lösungen von Chlornatrium und Chlor¬
calcium weist dies mit Bestimmtheit nach.
Bereitet man sich eine ö°/ 0 haltige Chlornatrium- und eine
gleichprocentige Chlorcalcium-Lösung in Wasser, erwärmt beide
gleichmässig bis zu 27® R. und taucht in die erstere den rechten,
io die zweite den linken entblössten Vorderarm, so fühlt man
schon nach wenigen Minuten ein mässiges Prickeln und Stechen
im linken Vorderarm und sieht die Hautfarbe desselben be¬
ginnen flecken weise sich zu röthen. Im Verlaufe der folgenden
zehn Minuten breitet sich das stechende prickelnde Gefühl und
die Röthe über den ganzen linken Vorderarm aus. Auf dem
rechten Vorderarm fängt erst 20 Minuten nach dem Beginn des
Bades die Haut an stellenweise sich schwach röther zu zeigen
als die Haut des nicht im Wasser befindlichen Oberarms der¬
selben Seite und nur ein schwach prickelndes Gefühl sich be¬
merkbar zu machen. 25 Minuten nach dem Beginn des Bades
hat sich die Röthe über den ganzen linken Vorderarm diffus
ausgebreitet und das Gefühl des Prickelns in demselben zu einem
leisen brennenden Gefühl sich gesteigert; während im rechten
Vorderarm ein mässig stechendes Gefühl fortdauert. Die Haut¬
farbe beider Vorderarme nach dem halbstündigen Bade vor
und nach dem Abtrocknen mit einander verglichen, zeigte die
des linken Vorderarms bei weitem intensiver und voller geröthet
als die des rechten. Auch nach dem Bade dauern Röthe und
Stechen im linken Vorderarm länger an, als im rechten. Eine
halbe Stunde nach dem Bade zeigte der rechte Vorderarm die
normale Hautfärbung; der linke noch stellenweise Röthung,
welche erst nach dem Verlaufe von weiteren 30 Minuten völlig
schwanden.
Dieser vielfach von mir mit denselben Ergebnissen wieder¬
holte Versuch zeigt, dass bei gleichem Procent-Gehalt beider
Lösungen die des Chlorcalciums bei weitem rascher und inten¬
siver auf die gesunde äussere Haut einwirkt, als die des Chlor¬
natriums; dass mithin nicht allein die chemische, sondern auch
die physicalische Natur beider Lösungen eine wesentlich ver¬
schiedene ist.
Auf diese intensiv reizende Einwirkung des Chlorcalciums
auf die äussere Haut lässt sich schon a priori aus der physi-
calisch-chemischen Natur desselben und aus den Beobachtungen
schliessen, welche man bei der localen Anwendung der Mutter¬
lauge mittelst Aufschlägen, Umschlägen u. s. w. macht. Bei
diesen röthet sich die Haut frühzeitig selbst bei 3 und 4faclier
Verdünnung mit Brunnenwasser, und die Epidermis erweicht
sich und erhebt sich zu kleineren und grösseren Bläschen, wenn
man die Mutterlauge, der Reizbarkeit der Haut entsprechend,
nicht gehörig verdünnt, oder sie zu lange einwirken lässt.
Das Chlorcalcium ist also ein viel intensiveres Reizmittel
für die äussere Haut als das Clornatrium, und da die festen
Bestandtheile der Mutterlauge zu 75 °/ 0 aus Chlorcalcium, zu
9% aus Chlorkalium, 8% aus Chlornatrium und zu 7®/ 0 aus
Chlormagnesium bestehen, so kann es keinem Zweifel unter¬
liegen, dass das Chlorcalcium der feste Bestandtheil der Mutter¬
lauge ist, welcher diese zu einem so intensiven Reizmittel für
die äussere Haut, zu dem wichtigsten Körper der Mutterlauge
macht.
Dass das Chlorcalcium in dieser Wirkung durch die übri¬
gen Chlorate der Mutterlauge, das Chlorkalium, das Chlormag¬
nesium, welche in ihrer Gesammtheit 24% der festen Bestand-
tlieile der Mutterlauge ausmachen, unterstützt wird, ist nach
der chemischen und physicalischen Natur derselben auch nicht
zu bezweifeln.
Dem entgegen ist das Jod (0.0000 Jodmagnesium) und das
Brom (annähernd zu 1% Brommagnesium) in den festen Bestand-
theilen der Mutterlauge in so geringer Menge vertreten, dass
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Gck igle
man ihnen eine die Chlorate unterstützende Wirkung kaum zu¬
schreiben kann.
Durch den gradatim vermehrten Zusatz von Mutterlauge
zu den Bädern vermag man je nach dem gegebenen Reizzustande
der äusseren Haut und des Gesammt-Organismus den Reiz auf
die äussere Haut derartig zu steigern, dass diese selbst in den
torpidesten Fällen in einen entsprechenden Reizzustand versetzt
werden kann, um durch die Fortpflanzung des Reizes vermittelst
der sensitiven Nerven zu dem Centralorgan (verlängertes Mark),
und von diesem durch reflective Wirkung auf den gesammten
Organismus, den Oxydationsprocess in den Organen und Krank-
heitsproducten zu bethätigen.
Alle Kochsalzbäder wirken in gleicher Weise; diejenigen
mit geringerem oder grösserem Chlorcalciumgehalt wirken nur
intensiver. Das Chlorcalcium kann sogar die Epidenniszellen
schliesslich chemisch auflösen, wenn es längere Zeit mit der
äusseren Haut in Berührung gebracht wird. Jedoch die Dauer
eines mit Chlorcalcium (Mutterlauge) versetzten Bades, oder die
locale Anwendung desselben mittelst Aufschläge u. s. w. so lange
Zeit auszudehnen oder denselben Chlorcalcium resp. Mutterlauge
in solchem Umfange zuzusetzen, bis diese, oder damit diese
chemische Lösung eintritt, würde in allen Fällen weit über die
gegebene Aufgabe hinausgehen und über das Ziel hinausschiessen
heissen. Abgesehen davon, dass der grösste Torpor der äusse¬
ren Haut und des Gesammt-Organismus eine Einwirkung bis zur
chemischen Lösung der Epidermiszellen gar nicht gestatte, ohne
die grösste Erschöpfung und selbst Lebensgefahr mit sich zu
führen, würde der fast immer vorliegende Zweck, durch längere
Zeit hindurch wiederholte Anwendung der Bäder oder Aufschläge
eine länger dauernde bethätigende Einwirkung auf die Oxydation
im Körper auszuüben, ganz und gar verfehlt werden.
Um die reizende Einwirkung der in der Mutterlauge ent¬
haltenen Chlorate auf die Hautnerven zu erzielen, genügt eine
Imbibition der Epidermis mit der Lösung derselben von einer
Dauer und einer Concentration, welche höchstens zu einer mässi-
gen Erweichung, zu einer beschleunigten Abstossung und einer
rascheren Regeneration, aber nicht zu einer chemischen Lösung
der Epidermis führt.
B. Die Trinkcur.
Eine zweite Heilpotenz Kreuznach’s bietet dessen Trinkquelle,
der an der südlichen Grenze des Curparks, am rechten Nahe¬
ufer belegene Elisenbrunnen.
Derselbe enthält nach der Analyse von Bauer (1840)
Tabelle III.
in 10000 Theilen
Chlornatrium
Chlorkalium .
Chlorraagnium
Cblorcaleium
Chlorlithium
Kohlensaurer Kalk .... 2,064
Kohlensaures Eisenoxydul 0,26
Kohlensaures Manganoxydul 0,012
Kohlensaures Baryt .... 0,39
Brommagnesium . 0,359
Jodmagnesium . 0,0009
Phosphorsaure Thonerde . . 0.28
Kieselerde . .. 0,409
Summa 117,441
95,18
1.265
2,128
14.996
0.098
Die quantitativ hervorragendsten Bestandtheile der Elisen¬
quelle sind das Chlornatrium und das Chlorcalcium. Die
übrigen festen Bestandtheile sind in so geringer Menge darin
vorhanden, dass sie in Rücksicht auf ihre Wirkung auf den
thierischen Organismus den gedachten beiden Chlorverbindungen
weit nachstehen müssen.
Die pharmacodynamische Wirkung des Chlornatriums ist
ebenso wie die des Chlorcalciums durch physiologische und
klinische Versuche nur höchst unvollständig aufgeklärt. Den
meisten Aufschluss über das Chlornatrium haben Versuche an
Thieren ergeben.
Fast alle unsere Organe und Säfte enthalten Chlornatrium.
Original from
UNIVERSITY OF MICHIGAN
230
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 16
Dasselbe ist von allen Salzen im Blute am umfangreichsten ver¬
treten, und zwar zu */ 4 —1 pCt.
Chlorkalium und die Mittelsalze: kohlensaures und phosphor¬
saures Natron, schwefelsaures Kali und phosphorsaurer Kalk
sind bekanntlich in viel geringerer Menge im Blute vorhanden.
Nach Richardson, Nasse, Udlerhott, Scherer rechnet
man in 1000 Theilen normalen Menschenblutes 5—10,3, ira
Mittel 8,26; in 1000 Theilen Serums 6,5—11,6, im Mittel 9,45
lösliche Salze.
Für die Absorption der Salze eines Mineralwassers ist der
Gehalt des Blutes an löslichen Salzen und das Verhältniss der
löslichen Salze zum Wassergehalt des Gesammtblutes und ins¬
besondere des Blutserums am meisten von Einfluss.
In unseren Blutgefässen fliesst ein Mineralwasser, welches
in 1000 Theilen im Mittel 8,26, im Serum 9,45 gelöster Salze
führt. Das Wasser des Elisenbrunnens enthält in 1000 Theilen
11,8 lösliche Salze, ist also um 1,7—2,8 pro mille salzreicher,
dichter.
Von zwei verschieden dichten Flüssigkeiten, welche durch
eine todte thierische Membran in Austausch treten, giebt die
dünnere vorzüglich Wasser an die dichtere, diese aber vorzüg¬
lich Salze an jene ab.
Dass auf diese Weise das Chlornatrium und die übrigen
Salze des Elisenbrunnens im Magen und Darmkanal mittelst
der Capillaren in das um 1,7—2,8 pro mille minder salzreiche
Blut übergehen, ist im höchsten Grade wahrscheinlich, obgleich
beide Flüssigkeiten nicht durch eine todte, sondern durch eine
lebendige Membran in Austausch treten müssen. Diese Wahr¬
scheinlichkeit wird zur Gewissheit durch Untersuchungen des
Harnes, bei welchen wir innerhalb der nächsten 24 Stunden
das mittelst des Elisenbrunnens genossene Chlornatrium zum
grössten Theile wieder finden. Ausser den Nieren werden auch
die übrigen Absonderungsorgane, die äussere Haut, die Schleim¬
häute u. s. w. mehr Chlornatriura absondern. Es entspricht
dies der mittelst vielfacher Versuche bei Thieren gemachten
Erfahrung, dass die gewöhnlich im Blute enthaltenen Salze, in
ausserordentlicher Menge den Verdauungsorganen zugeführt und
aus diesen in die Blutmasse übergegangen, auch in ungewohnter
Quantität von den Secretionsorganen wieder abgesondert und
ausgeschieden werden, und die Ausscheidung dieser Salze so
lange währt, als diese im Blute im Uebermasse verhanden sind
Es ist nur die Frage, welche Wirkung die dem Körper auf
diese Weise in aussergewöhnlicheni Umfange zugeführten Salze,
und zwar zunächst das Chlornatrium, auf seinem Wege von den
Verdauungsorganen an bis zu den Absonderungsorganen hat.
Ein Erwachsener kann Brunnenwasser kurz hintereinander
in einer Menge von 700—800 Grm. trinken, ohne das geringste
Gefühl von Unbehagen dabei und danach zu empfinden. Setzt
man dem Brunnenwasser soviel Chlornatrium zu, wie etwa das
Blut enthält (*/ 4 — 1%), so ist es kaum möglich, von diesem
Wasser eine gleiche Quantität kurz aufeinander folgend zu trinken.
Das Gefühl des Vollseins, von Druck und Schwere in der Magen¬
gegend, Uebelkeit tritt schon nach dem Genüsse des zweiten
Viertheils ein, und überwindet man sich schliesslich zum Genüsse
der letzten Hälfte, so steigern sich Druck- und Schwere-Gefühl
in der Magengegend, und es tritt bald eine purgative Wirkung
ein. Es liegt hier der Nachweis, dass Wasser, welches einen
dem Blute annähernd gleichen Chlornatrium-Gehalt hat, eine
bei w eitem längere Zeit zur Aufnahme in die Blutgefässe bedarf,
als gewöhnliches Brunnenwasser, und bei verzögerter Aufnahme
durch Reizung des Dannrohrs Purgiren bewirkt.
Trinkt man die 700—800 Grm. Salzwasser in 3—4 Abthei¬
lungen in Zwischenräumen von 20—25 Minuten, so stellen sich
die gedachten Beschwerden und das Purgiren entweder gar
nicht oder doch in einem bei weitem geringeren Grade ein, ein
! Beweis, dass das Chlornatrium in den Zwischenräumen zum
, grössten Theile aus dem Magen und Darm durch die Capillaren
; in die Blutmasse übergegangen ist.
Je grösser der Chlornatriumgehalt des Wassers im Verhält¬
niss zu denen des Blutes, um so hervortretender sind die ge¬
dachten Erscheinungen der Indigestion mit dem Schlusseifecte
des Purgirens; das Chlornatrium kommt in nur höchst geringem
Umfange zur Aufsaugung.
Das Blut, als die weniger dichte Flüssigkeit, muss bei dem
Begegnen mit der dichteren Chlornatrium-Lösung Wasser an
diese abgeben. Allein das exosmotische Vermögen des Chlor-
natriums ist sehr gering; es lässt nur wenig Wasser durch eine
todte thierische Membran durchdringen, wenn es dieselbe in
entgegengesetzter Richtung durchdringt, und es lässt sich hier¬
aus vermuthen, dass das Chlornatrium das Blut nicht so sehr
entwässert als das schwefelsaure Natron und deshalb auch
| nicht so leicht Purgiren erregt als dieses. Die purgirende Wir-
! kung, welche das Chlornatrium bei Lösungen von stärkerem
I Chlornatriumgehalt als das Blut resp. das Blutserum äussert,
! ist eine Folge der verzögerten Aufnahme des Chlornatriums ins
| Blut und Reizung des unteren Theiles des Darmkanals durch
das nicht resorbirte Chlornatriura.
Zur Trinkcur empfehlen sich deshalb nur Kochsalzwässer,
1 welche einen dem Blute annähernd quantitativ gleichen Inhalt
j von leicht löslichen Salzen haben, oder doch in Bezug auf ihre
Quantität die des Bluts nur massig überragen
I Alle Forscher stimmen darin überein, dass die Verdauung
durch das Chlornatrium wesentlich befördert wird, wenn man
es in mässig vermehrtem Umfange dem Magen zuführt. Es ver¬
mehrt die Absonderung der Chlorwasserstoffsäure im Magen und
des der Galle nöthigen Natron. Wenn auch die Chlorwasser¬
stoffsäure nicht absolut nothwendig zur Verdauung des Eiweisses
und Faserstoffs ist — die Magen- und Phosphor-Säure kann
sie ersetzen — so hat sie sich doch als ein vorzügliches Ver-
dauungsprincip bewährt.
Ferner bedingt das Chlornatrium als Reizmittel der Schleim¬
haut des ganzen Verdauungscanals vom Munde bis zum Mast¬
darm und mittelbar aller damit in Verbindung stehenden Se-
cretionsorgane eine stärkere Absonderung, erhöht damit das
ganze Verdauungsgeschäft und steigert hierdurch das ganze Nah-
rungs-Bedürfniss.
Nach Barral’s Versuchen befördert die vermehrte Zufuhr
von Chlornatrium auch die Diurese, d. i. vermehrt das Wasser
des Harns nicht blos absolut, sondern auch relativ hinsichtlich
der Menge der genossenen Flüssigkeiten, jedoch nicht in solchem
Umfange, um danach das Chlornatrium als ein kräftiges Diu-
reticum bezeichnen zu können.
Durch die Versuche von Bischoff(L. W. Bischoff, Harn¬
stoff als Mass des Stoffwechsels 1853) ist erwiesen, dass durch
vermehrte Zuführung des Chlornatriums der Stoffwechsel, ins¬
besondere die Rückbildung der Organe (vermehrte Harnstoff-
ausscheidung und fortschreitende tägliche Gewichtsabnahme) be¬
schleunigt wird. Wie bei der Fütterung von Thieren mit Chlor¬
natrium beobachtet ist, kann diese Rückbildung vermöge des
durch das Chlornatrium erhöhten Nahrungsbedürfnisses durch
stärkere Zuführung von Nahrungsmitteln wieder ausgeglichen
werden.
(Schluss folgt.)
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
22. April 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
231
IY. Referate.
Berichtübcr die Resultate der Kaltwasserbehandlung des
Ileotyphus im Krankenhause Bethanien zu Berlin von
Dr. Goltdammer. (Deutsches Archiv für klinische Mcdicin, j
Bd. XX, pag. 52.) |
In dem vorliegenden Bericht erörtert der Verf. an der Hand
eines reichhaltigen Materials die Frage nach dem Werth der Kalt¬
wasserbehandlung des Typhus. Er vergleicht die Mortalität und Behand¬
lungsdauer seit Einführung der Kaltwasserbehandlung in Bethanien mit
den”Resultaten, die früher daselbst mit der cxspectativen Methode erzielt
worden sind. Von 1848 bis 1S67 wurden 2228 Typhusfälle behandelt
mit 405 Todesfällen = 18,1% (exspeetative Methode). Seit der Einfüh¬
rung der Hydrotherapie im Jahre 1868 wurden bis zum 1. December 1876
behandelt 2086 Fälle mit 267 Todten = 13.2%. Die Abnahme der
Sterblichkeitsziffer beträgt dennoch ca. 5%. Gleichzeitig liess sich eine
Herabsetzung der Bchandlungsdauer der genesenen Fälle um 6,3 Tage,
nämlich von 46,1 auf 39,8 Tage nachweisen. Wenn die von vornherein
so gut wie hoffnungslosen Fälle vernachlässigt werden, so ergiebt sich j
eine” Mortalität von 15% für die erste und von 10,5% für die zweite I
Periode, was einer Herabminderung der Sterblichkeit um ein volles Drittel j
uleichkommen würde. Die angewendete Methode war „eine ziemlich strenge,
aber nicht übertriebene Kaltwasserbehandlung.“ Als Contraindication
der Bäder wurde neben Darmblutungen, Pneumonien etc. besonders auch ;
ausgesprochenere Herzschwäche angesehen. Wenn gleich Verf. sich als |
entschiedenen Freund der Methode bekennt, so kann er doch nicht die j
unbedingte Sicherheit des Erfolges anerkennen, die andere derselben I
vindiciren wollen. — Die lange, eine grössere Anzahl verschiedener Epi- j
demien umfassende Periode der Beobachtung, sowie die grossen Zahlen, I
die- der Arbeit zu Grunde liegen, endlich die Thatsaclie, dass das ganze
Beobaehtungs- und Yerglcichsmaterial demselben Krankenhause ent¬
stammen, geben den vom Verf. mitgetheilten Zahlen und Urtheilen einen
über die gewöhnlichen therapeutisch-statistischen Arbeiten hinausgehenden
Werth.
Verf. bespricht sodann genauer die drei letzten Jahresepidemien
(.783 Fälle). Eine Zunahme der Darmblutungen durch die Hy¬
drotherapie erkennt Verf. nicht an. Sie wurden 51 Mal beobachtet.
Perforation kam 13 Mal. croupüse Lobärpneumonie 11 Mal vor, Pleuritis
13 Mal. Auch die so seltenen Gelenkaffectionen wurden einige Male ge¬
sehen. Bei zwei Kranken trat ein Ausbruch eines ausgedehnten Pemphigus-
exanthems ein, eine bisher nicht beschriebene Complication. Beide Fälle
endeten tüdtlich. ln Bezug auf die Recidive spricht sich Verf. in sehr
überzeugender Weise für die Annahme einer „Selbstinfection“ im Gegen¬
satz zu einer erneuten Infection von aussen aus. Zur Bekämpfung der
Schlaflosigkeit sowie der wilden Delirien empfielt Verf. dringend das
Chloral, in Dosen von 1,0 hei einfacher Schlaflosigkeit und von 2,0 bis
höchstens 3.0 hei schweren Aufregungszuständen Am Schlüsse folgt
eine übersichtliche Zusammenstellung der durch Complicationen voran- j
lassten Todesfälle._ Ewald.
Finkelnburg. Die Entpestung der Seine durch die Berie- ;
sei u n gs an lagen zu Gennevilliers hei Paris. (Nach den
amtlichen Verfügungen des Seine-Präfecten dargestellt.) Deutsche j
Vierteljahrsschrift f. öffentl. Gesundheitspflege, Bd. X. Heft 4.
Das Pariser Canalwasser wird seit dem Jahre 1869 zur Berieselung
der Ebene von Gennevilliers (auf einer von der Seine umflossenen Halb¬
insel gelegen) benutzt, und zwar in derart steigendem Massstabe, dass
1869 650000 Cuhikmeter Flüssigkeit auf eine Fläche von 6.38 Hcetaren,
1874 SOO'JOOO Cuhikmeter Flüssigkeit auf 115.53 Hcetaren geleitet wurden, j
d. i. pro Hectare 1869 = 10562,5 Cubikm. und 1874 = 69519,3 Cubikm.
Es zeigte sich nun 1) dass im Jahre 1872 das Grundwasser nach dem
in diesem Jahre bestandenen Hochwasser nicht auf sein früheres Niveau
zurück ging, sondern um 1%—2 Meter höher stehen blieb: 2) dass die
in G. zwar nie ganz fehlenden Wechselfieber an Häufigkeit und Hart- ;
näckigkeit Zunahmen, und 1874 eine 3 monatliche Ruhrepidemie ausbrach. !
Da man beide Krankheiten der Ueberladung des Bodens mit Sehmutz¬
wasser zuschrieb und durch den Hochstand des Grundwassers mancherlei
directe Unzuträglichkeiten entstanden, kam es zu einer amtlichen, den j
Ministern des Innern und der öffentlichen Arbeiten von der National- I
Versammlung (18. November 1875) überwiesenen Untersuchung, mit 1
welcher eine besondere aus Ingenieuren, Verwaltungsbeamten, Landwirthen
und Aerzten bestehende Commission betraut wurde.
F. giebt eine Darlegung des von der Commission erstatteten Berichtes,
welcher allerdings die oben genannten Schäden mehr weniger anerkennen
musste, zu gleicher Zeit aber die (in England bereits vorher erkannten)
Normen der Berieselung feststellt, gegen welche hei Anlage und Betrieb
der Felder von G. vielfach gefehlt wurde. „Diese technische Vorsicht
vorausgesetzt, ist aber aus dem ganzen Verlaufe der Untersuchungen und
Verhandlungen kein einziges Moment zu entnehmen, welches geeignet
wäre, die Unschädlichkeit und die allen anderen Verfahren vorausstehende
hohe Nützlichkeit des richtig ausgeführten Berieselungssystems behufs
Reinigung des städtischen Abfuhrwassers irgend wie in Frage zu stellen.“
Nur sollten die Leiter eines solchen Werkes nicht aus schlecht verstan¬
denem Interesse jeden etwaigen Fehler in der Anlage und Handhabung
abstreiten, sondern anerkennen und ihm abhelfen, weil sich sonst leicht
die Opposition statt gegen die eoncrete Ausführungsweise gegen das
Princip richtet, wie dies thatsächlich auch in G. statt hatte.
_ Ewald.
Y. Verhandlung«» ärztlicher Gesellschaften.
Gesellschaft für Gehartshilfe aad Gyiikelegie ia Berlia.
Sitzung vom 22. Januar 1878.
Vorsitzender: Herr Schröder.
Schriftführer: Herr Fashender.
1) Herr Kau ff mann stellt den Antrag zu beschliessen, dass ein
Mal im Monat im Anschluss an die Sitzung ein gemeinsames Abendessen
auf Kosten der Gesellschaft stattfinde. — Die Discussion über diesen
Antrag wird bis zur nächsten Sitzung vertagt.
2) Herr Veit legt einen von ihm construirten Cranioklasten vor,
der sich dadurch auszeichnet, dass die eine zugespitzte und geschärfte
Branche als Perforatorium benutzt wird. Er hat damit ohne besondere
Schwierigkeit den Knochen in der Gegend der Tuber parietale durch-
stossen. Die Ansicht des Herrn Be nicke, dass hei Anwendung eines
solchen Instrumentes der Abfluss des Gehirns behindert werden müsse
(das trepanförmige sei besser), kann Herr Veit auf Grund seiner Erfah¬
rungen nicht gelten lassen.
3) Herr C. Rüge demonstrirt a) ein Ovulum aus dem zweiten Mo¬
nate, b) den Uterus einer Greisin mit primärem Carcinom des Corpus,
welche Neubildung jetzt etwas die Gegend des innern Muttermundes
überschritten hatte. Dieser zweite Fall stammt aus dem Elisabeth-Kran¬
kenhause, und Herr Lehn erd t bemerkt zu demselben, dass die 70jährige
Patientin hei sonst senilen Genital-Verhältnissen einige Zeit einen übel¬
riechenden Ausfluss aus dem vergrösserten Uterus gezeigt habe. Bei der
Untersuchung in der Nareose fühlte man unter dem inneren Muttermunde
eine verjauchende Masse, die den Eindruck eines Carcinoms oder eines
zerfallenden Myoms machte und deren Entfernung mit dem scharfen
Löffel von der Kranken nicht gestattet wurde. Letztere ging kachectisch
zu Grunde.
4) Herr Schröder zeigt eine von ihm operativ entfernte Dermoid¬
cyste. in der sich eine schmierige Masse, äussere Haut, ein Stückchen
1 Knochen und verfilzte Haare in grosser Menge befanden. Der Tumor
musste zunächst den Eindruck machen, als handele es sich um eine
: Degeneration des rechten Ovariums, aber cs Hessen die Anhänge, die
man in der Nareose verfolgen konnte, sowie der Nachweis des rechten,
I nicht vergrösserten Ovariums keinen Zweifel darüber bestehen, dass der
j mehr nach rechts gelegene Tumor dem linken Ovariuin angehöre. Die
allseitig verwachsene Geschwulst liess sich nicht nach links verschieben.
Einen grossen Ahseess in den Bauchdecken ist Herr Schröder nicht
geneigt als Durchbruchs-Vorbereitung, sondern als zufällige Complication
zu deuten, da die entsprechenden Adhäsionen im Vergleich mit der
Grösse des Abscesses zu gering waren. Nachdem die Operation unter
Spray gemacht, wurde ein Drainrohr eingelegt
5) Herr P. Rüge: Uebcr Eierstocksgeschwülste als Geburts-Compli-
cation.
Der Herr Vortragende demonstrirt zunächst einen Ovarialtumor, den
er im Puerperium exstirpirt hat. Es handelte sieh hei demselben um eine
Combination von Colloid-, Dermoid- und einfachen Cysten. Es ist be¬
sonders zu betonen, dass sich mehrere theils zusammenhängende, theils
gegen einander abgeschlossene Dermoidcysten finden, was in einem Ova-
rium sehr selten vorkommt. Ausserdem enthalten diese letztgenannten
Cysten neben blonden auch schwarze Haare, sowie Milch zähne in
grosser Zahl.
Das Präparat stammt von einer IIIp. Die erste Gehurt vor 3 Jahren
war leicht, die zweite vor 1% Jahren etwas verzögert gewesen und durch
Expression beendet worden — ob wegen eines mechanischen Hindernisses
ist nicht festzustellen Jetzt Ende der Schwangerschaft am 6. November
Wasserabfluss, am 8. Wehenanfang, am 9. Presswehen, Kreissende sehr
angegriffen, I. Schädellage mit nach rechts abgewichenem Kopfe; das
Becken von einer prall-elastischen Geschwulst so ausgefüllt, dass man
nur mit Mühe zwischen Tumor und Symphyse hinaufdringen konnte,
um nach dem vorliegenden Kindestheil zu fühlen. Repositionsversuch
in der Nareose ohne Erfolg und darauf ebenso vergeblicher Wendungs¬
versuch. Bei der alsdann vorgenomraenen Punetion entleerte sich eine
colloide Masse in geringer Menge. Es wurde nunmehr eine 4 Ctm. lange
Incision vom hinteren Scheidengewölbe aus gemacht und dann, nachdem
noch Septa im Innern der Geschwulst zerstört worden, durch Druck von
anssen ein reichlicher Abfluss des Inhaltes erreicht. Jetzt förderte die Zange
ein asphyktisches, bald belebtes Kind zu Tage. Nachdem die Placenta
entfernt und der Uterus sich gut contrahirt hatte, war der Verlauf des
Wochenbettes bis zum 7. Tage ein durchaus befriedigender; am genannten
Tage Temperatur von 40. Am 20. hatte der vergrüsserte Tumor die
Höhe des Nabels erreicht, während er gleich post partum nicht gefühlt
worden. Er fluctuirte und cs wurde eine Vereiterung in demselben an¬
genommen. Deshalb am 20. November Ovariotomie, sehr stinkender Eiter
in der Geschwulst, Versenkung des Stieles, Drainrohr durch die Oeffhung
im hinteren Scheidengewölbe. Ausspülungen, Eisblase. Letaler Ausgang
am 22. November unter den Erscheinungen der Septicämie.
Nach einer epikritischen Besprechung seines Falles nimmt Herr
Rüge weiter Veranlassung, unter kritischer Berücksichtigung der ein¬
schlägigen Literatur die unter solchen Umständen überhaupt möglichen
Behandlungsmethoden näher zu beleuchten.
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232
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 16
- VI. FeiilletoB.
Statistischer Bericht über die Wirksamkeit des
Institutes für animale Yaccination.
Von
Dr. Pissin in Berlin.
Mein Inslitut für animale Yaccination besteht ununterbrochen seit
Juni 1865. In der ersten Zeit benutzte ich nur Milchkühe, wie ich in
der „Deutschen Klinik“ 1865 No. 29 ausführlich mitgetheilt habe.
Später ging ich zur Neapolitanischen Methode über und brachte in
der Berliner klinischen Wochenschrift, 1865 No. 35 darüber das nähere. —
Ich beginne die 10jährige Uebersicht mit dem Jahre 1867, weil erst von
diesem Zeitpunkte an, wegen ermässigten Preises, die Bestellungen auf
Kuh-Lymphe zahlreicher wurden. Ich gebe zunächst eine generelle Ueber¬
sicht über die Jahre 1867—1876 in Bezug auf die Zahl der jährlich be¬
nutzten Kälber, der verschickten Röhrchen und der von mir in Berlin
ausgeführten Impfungen.
Jahr
Anzahl
der benutzten
Kälber
Anzahl
der versandten
Röhrchen
Anzahl
der Impfungen
in Berlin
Summa d.
Röhrch. u.
Impfungen
1867
38
1620
505
2125
1868
40
1287
591
1878
1869
46
1219
474
1693
1870
49
2033
815
2848
1871
96
5434
2495
7929
1872
60
2105
330
2435
1873
49
2053
265
2318
1874
36
1253
150
1403
1875
42
1899
271
2170
1876
32
2196
237
2433
Summa
488
21099
6133
27232
jährlich
rund
48
2109
613
2723
Rechne ich nun auf jede Impfung 1 Röhrchen, wie ich es in der ;
That stets verwende, wenn ich mit unvermischter Kuh-Lymphe impfe,
so sehen wir, dass ich jedes Kalb in dieser 10jährigen Periode mit
55,8 Röhrchen verwerthet habe. Dieses Resultat ist aber in keiner Weise
massgebend für die Anzahl der wirklich gewonnenen Röhrchen, sondern
es zeigt vielmehr nur an, wie weit die Wirklichkeit hinter der Möglich¬
keit zurückgeblieben ist. Ich weiss nämlich bestimmt aus Erfahrung,
dass 1 Kalb nur ausnahmsweise weniger als 100 Röhrchen geliefert hat.
Die meisten gaben 100 und darüber. Nehme ich aber, um nicht zu
hoch zu rechnen, auch nur 100 Röhrchen im Durchschnitt an, so wären
im Laufe der 10 Jahre 21568 unbenutzt verloren gegangen, d. h. ich
habe sie wirklich abgenommen, aber nicht benutzen können, weil nicht
so viel Bestellungen gemacht oder Impflinge vorhanden waren, und weil
ich, statt alte Lymphe zu verwenden, die unsicherer wirkt, immer wieder
frische erzeugte.
Um nun zu beweisen, dass die Zahl 100 keine willkührlich aus der
Luft gegriffene ist, gebe ich von den aus meinem Geschäfts-Journale
Monat für Monat ausgezogenen Tabellen folgende Uebersicht, und zwar
das Jahr 1871 ganz, aus dem Jahre 1870 nur den Monat April, in
welchem die Pockenfalle zahlreicher waren.
1870
Kälber
Röhrchen
Impfungen
Summa der
Röhrch. u. Impf.
April
1871
8
539
360
899
Januar
8
640
14
654
Februar
9
799
131
930
März
12
942
378
1320
April
14
866
535
1401
Mai
14
639
720
1359
Juni
S
345
97
442
Juli
6
187
76
263
August
5
86
26
112
September
3
46
2
48
Uctober
2
107
80
187
November
9
420
317
737
December
6
357
119
476
1871 Summa
96
5434
2495
7929
■ i ■ *
Man sieht also hieraus, dass, wo sich die Gelegenheit bot, wie 1870
im April und 1871 im Februar, März, April und Mai, ich jedes Kalb |
mit voll 100 Röhrchen und theilweise sogar darüber verwerthen konnte, i
Durch die angegebenen Zahlen ist aber nicht etwa die Leistungsfähigkeit
meines Institutes erreicht. Ich bin vielmehr bei meinen Einrichtungen j
im Stande monatlich 20 Kälber zu impfen und die Lymphe abzunehmen, I
so dass ich in den 5 Monaten vom 1 Mai bis Ende .September, wo die i
öffentlichen Impfungen stattflnden, sehr gut 10000 Impfungen durch
Röhrchen vermitteln könnte. Diese Zahl lässt sich nun aber durch
Zumischung von Glycerin zur animalen Vaccine, ohne deren Wirksamkeit
Abbruch zu thun. nach meinen Erfahrungen leicht auf das 5 fache er- j
höhen, so dass mein Institut sehr wohl im Stande ist, die Lymphe für 1
alle öffentlichen und unen tg e ltlichen Impfungen in Berlin zu
liefern, wobei ich annehme, dass dieselben sich auf eher weniger als
mehr denn 50000 belaufen werden. Meine Versuche mit Glycerin habe
ich schon bald nach Beginn meiner speciell auf die Vaccination ge¬
richteter Bestrebungen angestellt und in der Allgemeinen medicin.
Ccntral-Zeitung 18G6 No. 65 und 66 veröffentlicht.
Leider waren damals die Erfolge nicht meinen Erwartungen ent¬
sprechend günstig. Ich habe dieselben daher in der neueren Zeit wieder
aufgenommen und zwar mit Rücksicht auf die Ausführung nach meiner
Special-Methode der Impfung, wie ich sie in meinem Vortrage in der
Berliner medicinischen Gesellschaft (Berliner klinische Wochenschrift,
1874, No. 46) dargestellt habe. Die Resultate waren von da an günstiger,
und habe ich dieselben in der hiesigen Allgem. medien. Central-Zeitung,
1877, No. 45 und 46, sowie in dem Wiener medicinischen chirurgischen
Central-Blatte. 1877, No. 21 und 22 mitgetheilt. Um aber den Beweis
der Möglichkeit auch öffentlich zu liefern, so habe ich im Sommer 1877
in Gemeinschaft mit dem Bezirks-Physikus Herrn Dr. v. Folter sämmt-
liche öffentliche und unentgeltliche Impfungen des 35. Impf-Bezirks nur
mit durch Glycerin vermehrter animaler Vaccine vollzogen. — Nachstehend
gebe ich eine Uebersicht dieser Impfungen. Von 450 Vaccinationen
waren 46 ohne Erfolg, d. h. 10 pCt. Dieser Procentsatz ist unverhält-
nissmässig hoch, da ich bei reiner unvermischter Kuh-Lymphe noch
nicht 1 pCt. Nicht-Erfolg mit Sicherheit rechnen kann. Er erklärt sich
daraus, dass wir wegen der Rinder-Pest verhindert waren, sets frische
Lymphe nehmen zu können, wie es bei der verdünnten noch mehr als
bei der reinen animalen Vaccine dringendes Erforderniss ist. Es ver¬
theilen sich nämlich die 46 Nicht-Erfolge folgendermassen:
1. Frische Lymphe ' 390 Vaceinat., davon 28 ohne Erfolg = 7 pCt.
2. 8 Tage alte Lymphe: 22 Vaceinat., davon G ohne Erfolg = 27 pCt.
3. 14 Tage alte Lymphe: 23 Vaceinat., davon 7 ohne Erfolg = 30 pCt.
4. 3 Wochen alte Lymphe: 15 Vaceinat, davon 5 ohne Erfolg = 33 pCt.
Also von 46 ohne Erfolg Vaccinirten fallen 18, d. h. 39 pCt. auf
nicht frische Lymphe, während bei der frischen Lymphe nur 7 pCt.
Fehiimpfung waren. Aber auch diese Zahl würde noch kleiner aus-
fallcn, wenn wir nicht, statt nach meiner Special-Methode stets durch
Kreuzschnittchen m zu impfen, auch einfache Längsschnitte versucht
hätten, weil dieselben bei der humanisirten Lymphe genügen, und man
damit schneller fortkommt. Dass es uns aber oft darauf ankommen
musste, Zeit zu sparen, wird man gern glauben, wenn ich mittheile,
dass wir an manchen Impftagen und meistens gerade in der heissesten
Zeit mit über 150 Kindern zu thun hatten, die entweder geimpft oder
revidirt und mit Impf-Scheinen versehen werden sollten. — Nichts¬
destoweniger ist der einfache Längsschnitt bei der animalen Vaccine in
der Regel zu verwerfen und die Ausführung durch Kreuzschnittchen als
obligatorisch anzusehen. — Was die Anzahl der entwickelten Pusteln
betrifft, so ist folgendes zu bemerken. Wir machten stets auf 1 Arm
6 Schnittchen. Die 404 erfolgreichen Vaccinationen vertheilen sich nuh
folgendermassen:
56 hatten 1 Pocke, 69 hatten 4 Pocken,
56 hatten 2 Pocken, 77 hatten 5 Pocken,
63 hatten 3 Pocken. 83 hatten 6 Pocken.
175
229
Es entwickelten sich also bei einer bedeutenden Majorität mehr als
die Hälfte der gesetzten Pocken.
Wenn ich nunmehr schliesslich zu den Revaccinationen übergehe,
so wurden von 219 nur 93 mit Erfolg geimpft, d. h. 42.4 pCt. Von
diesen hatten:
38 . .
, . 1 Pocke,
11 . .
. . 4
Pocken,
16 . .
, . 2 Pocken,
. 3 Pocken.
8 . ,
. . 5
Pocken,
12 . .
66
8 .
~
. 6
Pocken.
Hierbei kommen nun aber ausser den schon voraufgehend ange¬
führten Momenten noch folgende weitere in Betracht:
1. Sind viele Kinder nicht in dem ersten Lebensjahre, sondern erst '
später geimpft gewesen, und war die Empfänglichkeit für die Wieder¬
impfung noch nicht hinreichend erwacht,
2. War circa die Hälfte bereits im vergangenen Jahre geimpft
worden, und da bei unvollkommenem Erfolge, der sich bei vielen Re¬
vaccinationen in der That oft nur erzielen läs^t, stets der Impfschein
„ohne Erfolg“ gegeben wird, so isi es fraglich, ob sich bei diesen
überhaupt ein Erfolg erzielen lässt.
3. Hatte ich gegen Ende der Impf-Periode, wo wir die Revacci¬
nationen Vornahmen, nicht immer so frische Lymphe zur Disposition,
wie zu Anfang.
Im grossen und ganzen wird sieh aus dem vorstehend mitgetheilten
gewiss mit Recht der .Schluss ziehen lassen, dass die .animale Vaccination
auch bei uns sich sehr gut in grossem Massstabe ausführen lässt.
Ueber Impfung.
Von
Dr. J. Oestreich in Düren.
In No. 52 dieser Wochenschrift vom vorigen Jahre haben mehrere
Aerzte, angelegt durch einen Artikel Dr. Koeniger’s in No. 47, ihren
Ansichten über die Frage Ausdruck gegeben, ob eine einzige zur Ent¬
wicklung gekommene Impfpustel den mit der Impfung beabsichtigten
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22. April 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
233
Zweck zu erfüllen vermöge. Dr. K. stellt frischweg die Behauptung
auf, dass eine Weiterimpfung von einer einzigen wohlentwickelten Pustel
auf dasselbe Individuum ohne Erfolg sei, und auf seinen Wunsch, auch
andere möchten ihre Erfahrungen über diesen Gegenstand mittheilen,
treten dann in No. 52 gleich hinter einander drei Verbündete auf. Nach
Hoffert l ) steht ihnen keine geringere Autorität als Pappenheim
zur Seite, ebenso Zimmermann 2 ). Hoffert selbst huldigte früher
dieser Ansicht, hat sich aber durch die von ihm gemachte Erfahrung,
„dass mehr Schutzblattern dauernderen Schutz gewähren, als wenige,“
von derselben abgewandt.
Es giebt wohl kaum einen Impfpraxis ausübenden Arzt, dem nicht
zahlreiche Fälle zur Beobachtung gekommen wären, in welchen nach der
Impfung nur eine Impfpustel zur Entwicklung gelangte, und wo eine
sofort vorgenommene Wiederholung der Impfung, sei es mit Lymphe der
eigenen, sei es aus fremder Pustel, keinen Erfolg zeigte. Der Boden
war eben, um mit Dr. Stropp 8 ) zu reden, durch die eine Pustel er¬
schöpft und besass nicht mehr die zur Lebensfähigkeit des Variola- und
Vacc-inepilzes erforderlichen Stoffe; die Disposition zur Ansteckung war
getilgt. Daraus aber den Schluss zu ziehen, dass nun überall eine
gut entwickelte Vaccinepustel die Fähigkeit zur sofortigen Erzeugung
weiterer bei demselben Individuum aufhebe, erscheint doch sehr kühn.
Hundert hintereinander beobachtete derartige Fälle berechtigen noch
nicht zu dieser Behauptung, welche durch einen einzigen folgenden von
gegenteiligem Resultate umgestossen wird. Wenn nun Dr. Mandel¬
baum in Odessa (No. 52 d. Bl. 1877) sagt: Es ist ganz überflüssig,
dem Kinde oder auch dem Erwachsenen viele oder auch nur mehrere
Impfsticlie beizubringen,“ wenn er ferner bei Gelegenheit der Mittheilung,
dass er nie mehr als zwei Stiche macht und nur einen machen würde,
wenn er voraus von der Entstehung einer Pustel aus demselben über¬
zeugt wäre, hervorhebt, dass der städtische Impfarzt in Odessa, der
jährlich tausende von Kindern impfe, dasselbe Verfahren befolge, so be¬
weist das nach meinen Beobachtungen nur, dass bei einer etwa in Odessa
auftretenden Blatternepidemie die Ante-Impf-Fanatiker sich vergnügt die
Hände reiben und uns mit Odessaer Impfstatistik in schönster Farben¬
zusammenstellung regaliren könnten.
Dr. Stropp ist in No. 4. d. Bl. 1878 der Behauptung der genannten
Aerzte mit triftigen Gründen entgegen getreten und erwähnt dabei die
Beobachtung von Dr. Richter, welcher in mehreren Fällen v T on einer
Vaccinepustel dasselbe Kind mit Erfolg weiter impfte. Cless 4 ) giebt
den Rath, wo nur eine Pustel sich bildet, sofort oder später wieder
zu impfen; er hat also jedenfalls die Möglichkeit einer erfolgreichen so¬
fortigen Wiederimpfung erprobt. Mir selbst nun stehen aus der öffent¬
lichen Impfung des verflossenen Jahres Erfahrungen so unzweifelhafter
Art zu Gebote, dass ich, zumal noch so viele Aerzte von Ansehen die
Meinung von der Hinlänglichkeit einer Impfpustel theilen, es wohl für
gerechtfertigt erachten darf, dieselben in ausführlicher Weise hier mit-
zuiheilen. Sie betreffen sechs Fälle von Entwicklung nur einer Impf¬
pustel, in denen ich theils von dieser, theils mittelst fremder Lymphe
die Kinder gleich im Revisionstermine mit Erfolg weiter geimpft habe:
1) No. 24 der Impf liste. M. Agn. Becker, geb. 19. August 1876,
geimpft von Arm zu Arm am 13. Juni 1877. Resultat: 1 ausgebildete
Pustel: von der eigenen Pustel wiedergeimpft am 21. Juni — 5 Schnitt¬
chen — Resultat: 5 vollkommene Vaccinepusteln.
2) No. 144 der Impfliste. P. J. Fassbender, geb. 12. Januar 1876,
geimpft mit Glycerinlymphe am 20. Juni 1877. Res.: 1 P.; mit frem¬
der Lymphe wiedergeimpft am 27. Juni 1877 — 9 Schn. — Res.:
8 vollk. P.
3) No. 205 der Impf liste. W. Harren, geb. 8. October 1876,
geimpft mit Glyc.-Lymphe am 20. Juni 1877. Res.: 1 P., wiedergeimpft
wie der vorige — 5 Schn. — Res.: 4 vollk. P.
4) No. 312 der Impfliste. Anna Koperberg, geb. 22. Juli 1876.
geimpft am 20. Juni 1877 mit Glyc.-L., Res.: 1 P., wiedergeimpft wie
der vorige, Res.: 5 voUk. P.
5) No. 494 der Impfliste. Mich. Rüssel, geb. 4. September 1876,
geimpft von Arm zu Arm am 13. Juni 1877, Res.: 1 P.; wiedergeimpft
wie die vorige am 20. Juni 1877 — 8 Schn. — Res.: 8 vollk. P.
6) No. 551 der Impfli3te. Anna Schüsseler, geb. 25. October 1876,
geimpft mit Lymphe des Königl. Impfinstituts zu Cöln am 30. Mai 1877.
Res.: 1 P., wiedergeimpft von der eigenen Pustel am 6. Juni 1877 —
9 Schn. — Res.: 9 vollk. P.
Zu dem sub 5 erwähnten Falle bemerke ich, dass das Kind aus
den von der zweiten Impfung erzielten Vaccinepusteln die
Lymphe zur Revaccination von 74 Schülern hergegeben hat,
welche bei 30 derselben von Erfolg war.
Was in solchen Fällen auch immer der Grund des geringen Er¬
gebnisses der ersten Impfung sein mag (nach meinen Beobachtungen
ungenügende Qualität der Lymphe, da mit Ausnahme des 6. Falles bei
allen die Lymphe von demselben Kinde, und zwar aus sogenannten Impf¬
seen stammte), so viel ergiebt sich wohl aus meinen Fällen mit Evidenz,
dass eine Vaccinepustel nicht immer hinreicht, um die Disposition für
Erzeugung weiterer Vaccinepusteln, also auch für Erkrankung an Va-
1) Kritik der haupts. gegen Kuhpockenimpfung angef. Einwürfe.
Danzig, 1868. S. 37 ff.
2) Ueber Blattern und Impfung. Salzbach, 1844.
3) Vaccination und Micrococcen. Berlin, 1874.
4) General-Impfbericht v. J. 1866. Würtemb. med. Correspondenzbl.
1867, No. 45.
riola, zu tilgen. Die Consequenzen für das Verfahren der Impfärzte in
Bezug auf die Zahl der anzubringenden Impfischnitte oder Stiche brauchen
hiernach nicht weiter erörtert zu werden.
Zur Impfang.
Von
Dr. Schüler jun. in Cüstrin.
Angesichts der immer mehr überhand nehmenden Agitation gegen
den Impfzwang und namentlich angesichts der erst jüngst allen Co liegen
Deutschlands zur Unterschrift zugeschickten Petition des Leipziger Pro¬
fessors der Mediein Herrn Dr. H. F. Germann scheint es Pflicht der
Freunde des Impfzwangs ein jener Petition entgegengesetztes Material
zu sammeln. Aus diesem Grunde will ich eine kleine Mittheilung aus
meiner Praxis veröffentlichen, die für den Impfzwang, besonders für die
zweite Impfung und für die Impfung der Rekruten spricht.
Während des Feldzuges 1870/71 stand ich in den Monaten Januar
und Februar 1871 in der kleinen französischen Festung Rocroi an der
belgischen Grenze. In der Festung herrschte eine kleine Pockenepidemie,
und da der einzige französische Arzt geflüchtet war, so wurde ich von
dem preussischen Commanrlanten Grafen Bredow mit der Behandlung
der französischen Kranken beauftragt. Ich behandelte vom 1. Januar
bis 15. Februar 44 Pockenkranke; von diesen waren überhaupt nicht
geimpft drei, zweimal geimpft keiner, alle übrigen im ersten Lebensjahre
geimpft. Von unseren Soldaten, die alle mindestens zweimal geimpft
waren, erkrankten nur zwei, ein Uhlan uud meine Wenigkeit; wir beide
aber nur an Variolois, während von den 44 Franzosen nur 20 Variolois
hatten und 24 Variola. Dabei muss bemerkt werden, dass von einer
Circulation Fremder in die Festung und von einer Veränderung der
Bevölkerung bei dem strengen Belagerungszustand nicht die Rede sein
konnte. Von den 44 französischen Kranken starben 15, wir beiden
preussischen Kranken genasen sehr schnell.
Die preussische Garnison betrug 750 Mann, das ergiebt bei zwei
Kranken eine Erkrankungszahl von 1 / 8 — l /* o / 0 ; die französische Bevöl-
berung betrug 900 Personen; es erkrankten also 5% und die Mortalität
ketrug 30 1 / 2 0 /o> immerhin eine grosse Zahl!
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. Das Gutachten der preussischen wissenschaftlichen Deputa¬
tion für das Medicinal-Wesen vom 2. Mai 1877, über die Frage, ob und
wie weit der Abfluss von Spüljauche und Abtrittsstoffen in die Wasserläufe
einem sanitätspolizeilichen Bedenken unterliege, hatte sich dahin aus¬
gesprochen, dass die Fäcalstoffe von den Wasserläufen fern zu halten
seien. Dieses Gutachten hatte eine Verfügung des Staatsministeriums
unter dem 1. September desselben Jahres zur Folge gehabt, in welcher
die Regierungen angewiesen wurden, jedes Canalisationsproject einer Stadt
der ministeriellen Entscheidung zu unterbreiten. Da dieselbe in zwei
Specialfällen auf Grund jenes Gutachtens bereits ablehnend ausgefallen
und daher anzunehmen war, dass jenes Gutachten überhaupt als Norm
für derartige Entscheidungen gelten würde, so hat der deutsche Verein
für öffentliche Gesundheitspflege bereits in seiner vorjährigen
Versammlung diesen Gegenstand in Berathung gezogen und sich dahin
ausgesprochen, dass ein solches absolutes Verbot nicht gerechtfertigt
scheine. Zur Begründung der damals gefassten Resolution veröffentlicht
in letzter Zeit der Ausschuss des Vereins eine Denkschrift, aus weicher
wir folgendes hervorheben: Dieselbe betont zunächst, dass der Unter¬
schied zwischen solchen Canalwässem, in welchen Closetstoffe hinein¬
geleitet werden, und solchen, in welche nur Küchenabfälle, gewerbliche
Abfälle, Strassenspülwasser etc. gelangen, in chemischer Beziehung gar
kein erheblicher ist, sowohl wegen der relativ geringen Masse der exere-
mentiellen Stoffe, als auch weil die Hineinführung der letzteren in
die nur für Hauswässer bestimmten Leitungen nicht verhindert werden
kann. Es müssten also, um Flüsse rein zu halten, sämmtlicbe städtische
Canalwässer von denselben fern gehalten werden, nicht nur die Closet¬
stoffe. Nun sei aber, wie die Denkschrift ferner hervorhebt, die gesund¬
heitliche Schädlichkeit eines verunreinigten Flusswassers weder durch
directe Forschung noch durch die Statistik vollständig erwiesen, und
auch die Uebertragung von Krankheitskeimen durch den Genuss inficirten
Trinkwassers sei nach den Untersuchungen der neuesten Zeit sehr zweifel¬
haft geworden. (Die Geringschätzung der solchen Zweifeln entgegen¬
stehenden positiven Thatsachen scheint uns die schwächste und mit vollem
Recht angreifbare Seite der Denkschrift zu sein. Ref.) Unter solchen Um¬
ständen erscheint dem Verein eine absolute Versperrung „der natürlichen
Wege zur Fortschaffung jeglichen Unrathes“ der Wasserläufe für wissen¬
schaftlich nicht begründet, und wenn man weiter in practisclier Beziehung
in Betracht zieht, dass für manche Städte ein anderes Reinigungs-, beson¬
ders das Berieselungssystem nicht durchführbar ist, also auf diese Weise
segensreiche sanitäre Verbesserungen ganz unterlassen werden würden, wäh¬
rend doch vielleicht durch die Benutzung des Flusses eventuell nur eine
ganz unbedeutende Verunreinigung des Flusses entstehen würde, so ergäbe
sieh auch vom Standpunkte der Praxis sofort die Unzulässigkeit eines solchen
absoluten Verbotes und die Nothwendigkeit einer Vermittlung. In wirt¬
schaftlichen Fragen wie die vorliegende, bei welchen der Streit der
Interessen und die Kostenfrage in eindringlichster Weise stets in den
Vordergrund treten, müsse man, wie die Denkschrift schliesslich hervor¬
hebt, den practischen Standpunkt annehmen, und nicht theoretische
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Original fro-m
UNIVERSETY OF MICHIGAN
234
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 16
Erwägungen allein zum Ausgangspunkt des Handelns hinstellen. Die
einseitigen Erwägungen der wissenschaftlichen Deputation würden gerade
eine Prämie auf die Erhaltung schlechter sanitärer Zustände in den
Städten setzen, während der practische Standpunkt, den der Verein
einnehme, das erreichbare gute im Auge habe. Was gesetzlich fest-
gestellt werden müsse, seien exacte Normen für den zu gestattenden
Grad der Verunreinigung eines Flusses, die Aufstellung von Grenz¬
bestimmungen, durch welche den Wasserldufen sowohl die Benutz¬
barkeit als Abzugscanäle wie als Wasserspender gleichzeitig gesichert
werde. Da aber die Aufstellung dieser allgemein gültigen, genauen
Normen als Sache des Reiches anzusehen sei, so habe sich der Ver¬
ein an den Reichskanzler gewandt, um eine Modification des speciellen
preussischen Verbotes zu erbitten und den Antrag auf baldige genaue
Vorschriften hinsichtlich der Verunreinigung der Flüsse zu wiederholen,
nachdem bereits eine solche Anregung von Seiten des Vereins im Jahre
1876 gegeben, aber vor andern Aufgaben des Reiches in den Hinter¬
grund getreten war.
— Der Privatdocent an hiesiger Universität und frühere langjährige
Assistent an der Universitäts-Poliklinik Herr Dr. J. Schiffer hat sich
in Carlsbad niedergelassen.
— In der Woche vom 24. bis 30. März sind in Berlin 574 Personen
gestorben. Todesursachen: Masern 4, Scharlach 18, Rothlauf 1,
Diphtherie 22, Eitervergiftung 3, Kindbettfieber 2, Typhus 2, Dysen¬
terie 2, Gelenkrheumatismus 1, Syphilis 3, Kohlengasvergiftung 2, Brand¬
wunden 2, Ueberfahren 1, Sturz 1, Erschiessen 1 (Selbstmord), Ersticken
1, Erhängen 4 (Selbstmorde), Ertrinken 1 (Selbstmord), Lebensschwäche
33, Rachitis 1, Atrophie 6, Abzehrung 22, Altersschwäche 9, Krebs 16,
Wassersucht 3. Herzfehler 9, Hirnhautentzündung 13, Gehirnentzündung
8, Apoplexie 17, Tetanus und Trismus 6, Zahnkrämpfc 8, Krämpfe 48,
Kehlkopfentzündung 27, Croup 6, Pertussis 7, Bronchitis acuta 7, chronica
18, Pneumonie 50, Pleuritis 4, Phthisis 83, Peritonitis 3, Folge der Ent¬
bindung 1, Diarrhoe 13 (Kinder unter 2 J.), Brechdurchfall 3 (Kinder
unter 2 J.), Magen- und Darmkatarrh 8 (darunter 7 Kinder unter
2 J.), Nephritis 10, Blasenleiden 1, andere Ursachen 59, unbekannt 2.
Lebend geboren sind in dieser Woche 385 m., 369 w., darunter
ausserehelich 40 m., 49 w.; todtgeboren 17 m., 17 w., darunter ausser-
ehelich 2 m., 4 w.
Die durchschnittliche Sterblichkeit dieser Woche beläuft sich
auf 29,2 pro Mille der wahrscheinlichen Bevölkerungszahl, die entspre¬
chende Geburtenziffer auf 38,4 pro Mille (beide Summen mit Ausschluss
von 1,8 pro Mille Todtgebomen).
Witterung: Thermometerstand: 3,39 R. Abweichung — 0,36 R.
Barometerstand: 27 Zoll 6.93 Linien. Dunstspannung: 1,99 Linien.
Relative Feuchtigkeit: 73 pCt. Himmelsbedeckung: 5,4. Höhe
der Niederschläge in Summa: 4,25 Pariser Linien.
Vom 31. März bis 6. April sind in Berlin angemcldet: Typhus-
Erkrankungen 12 (9 m., 3 w.), Todesfälle 2.
VII. Amtliche Mittheilfwge».
Personalia.
Auszeichnungen: Seine Majestät der König haben Allergnädigst ge¬
ruht, dem praetisehen Arzt Dr. Müller zu Beedenbostel, Amts Celle,
den Rothen Adler-Orden vierter Klasse zu verleihen: dem Geheimen
Medicinalrath und Professor Dr. Esmarch an der Universität zu Kiel,
Mitglied des Medicinal-Collegiums daselbst, die Erlaubnis zur Anlegung
des ihm verliehenen Sterns zum Ccmthurkreuz des Kaiserlich öster¬
reichischen Franz-Joseph-Ordens zu ertheilen, und dem praetisehen
Arzt etc. Dr. med. Siegmayer in Berlin und dem Direetor der Pro-
vinzial-Irren-Anstalt zu Leubus, Dr. med. Jung in Leubus, den Cha-
racter als Sanitätsrath zu verleihen.
Anstellungen: Der seitherige Kreiswundarzt des Kreises Inowraclaw
Dr. Sentius zu Gniewkowo ist zum Kreisphysikus des Kreises Czar-
nikau mit Anweisung des Wohnsitzes in Czarnikau, der practische
Arzt etc. Dr. med. Hoogewcg zu Gumbinnen zum Kreisphysikus des
Kreises Landeshut mit Anweisung des Wohnsitzes in der Kreisstadt,
und der Privatdocent in der medicinischen Facultät der Universität
zu Kiel Dr. F. A. Falck zum ausserordentlichen Professor in derselben
Facultät ernannt worden.
Niederlassungen: Arzt Pf itzer in Lyck, Dr. Salzmann in Schmallen¬
berg, Dr. Samuelson in Gesecke. Dr. G rave in Welper, Dr. Schmidt
in Warstein, Dr. St ein wirker in Frankenau, Dr. Do rinkel in Mel¬
sungen.
Verzogen sind: Dr. Herr mann von Bromberg nach Seeburg,
Dr. Betz von Sachsenhagen nach Frankenhausen, Dr. Hoffmann
von Gemünd nach Gumbinnen. i
Apotheken-Angelegenheiten: Der Apotheker Weiss hat die väter- ,
liehe Apotheke in Cayinen käuflich übernommen, der Apotheker M ü Il er i
die Tesch k«• ‘sehe Apotheke in Braunsberg, der Apotheker Nadolleck
die Eschholz’schc Apotheke in Willenberg, der Apotheker Gabriel !
die Wiese’sehe Apotheke in Habelschwerdt, der Apotheker Rumter ;
die Fridrieho wicz’sche Apotheke, in Juliusburg, der Apotheker '
Koch die Sp re nger’sche Apotheke in Rotenburg gekauft. Dem |
Apotheker Kahler ist die Administration der Pape’schen Apotheke !
in Obernkirchen übertragen worden. I
Todesfälle: Geheimer Sanitätsrath Dr. Sehwarzschild in Frank- I
furt a./M., Kreisphysikus Sanitätsrath Dr. Peipers in Solingen, Dr.
Schreiber in Königsberg O./Pr., Dr. Knorz in Nentershausen.
ministerielle Verfügungen und Erliuie.
Eurer Excellenz beehre ich mich auf das gefällige Schreiben vom
12. v. Mts. ganz ergebenst zu erwidern, wie ich mit Hochdenselben da¬
rin übereinstimmc, dass eine Combinirung der dreijährigen Servirpfücht
als Apotheker-Gehülfe mit dem vorgeschriebenen dreisemestrigen phar¬
mazeutischen Studium der Absicht der Bekanntmachung, betreffend die
Prüfung der Apotheker, vom 5. März 1875, zuwiderlaufen würde und
dass daher eine derartige Vorbereitung zum Nachweise der nach §. 4
p. 2 und 3 dieser Bekanntmachung für die Zulassung zur Prüfung er
forderlichen technischen und wissenschaftlichen Qualifieation nicht geeig¬
net ist.
Berlin, den 3. April 1878.
In Vertretung des Herrn Reichskanzlers:
gcz. Eck.
An
den Königl. Staats- und Minister der geistlichen, Unterrichts-
u. Medicinal-Angelegenheiten Herrn Dr. Falk Excellenz.
Vorstehendes Schreiben wird hierdurch zur öffentlichen Kenntniss
gebracht,
Berlin, den 12. April 1878.
Der Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten.
In Vertretung: Sydow.
Bekanntmachungen.
Die Kreiswundarztstelle des Kreises Cöslin ist erledigt. Qualificirte
Medicinalpersoncn werden aufgefordert, sich innerhalb 6 Wochen unter
Einreichung ihrer Atteste und einer Darstellung ihres Lebenslaufes bei
uns zu melden.
Cöslin, den 10. April 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Die Kreiswundarztstelle des Kreises Zellerfeld kommt demnächst zur
Erledigung und ist anderweit zu besetzen. Aerzte, welche das Physikats-
examen bestanden haben oder sich verpflichten, dasselbe binnen 2 Jahren
zu absolviren, werden aufgefordert, sich unter Einreichung ihrer Zeug¬
nisse innerhalb 3 Wochen bei uns zu melden.
Hildesheim, den 5. April 1878.
Königliche Landdrostei.
Inserate.
Für hiesige Stadt ist die baldige Niederlassung eines
Arztes
erwünscht und werden geehrte Reflectanten ersucht wegen des Näheren
sich an den Unterzeichneten zu wenden. Fixum 1215 M.
Elterlein i. Sachsen, am 2. April 1878.
Der Stadtgemeinderath.
Die Volontairarztstclle an der Oslpreussischen Provinzial-Irren-
Anstalt Allenberg bei Wehlau ist noch nicht besetzt. Neben freier
Station I. Gasse 600 M. Staatsremuneration und 300 M. Remunerations¬
zuschuss.
_N äheres b ei dem Direetor Dr. Jenien.
In der demnächst zu eröffnenden Rheinischen Provinzial-Irren-Ileii-
und Pflegeanstalt zu Düren ist die Stelle eines Volontärarztes am 1. Mai
d. J. zu besetzen — Remuneration jährlich 600 Mark und freie Station
erster Gasse. — Dem Königreich Preussen angehörige Bewerber wollen
ihr Gesuch nebst Zeugnissen an Unterzeichneten einsenden.
_ Der Diree tor Dr. Rlpptaf.''
Arzt
gesucht für Schupbach, Amts Runkel, in Nassau. Zugesichert werden
600 Mark fixes Einkommen von Schupbach und eine erfahrungsmässig
ganz ergiebige Praxis in Schupbach und den umliegenden Gemeinden,
mit welchen ebenfalls Verträge abgeschlossen werden können. Nähere
Auskunft ertheilen auf Verlangen Herr Bürgermeister Manger und
__ C K Caeur, Pfarrer.
Gesucht Bad-Arzt
für ein gut renommirte« Bad.
Anmeldungen erbeten ppftl. Wejgolthaiten in Bayern sub S. N. K.
Einem tüchtigen floissigen jungen Arzte wird eine lohnende Praxis
nachgewiesen. Deutsches Städtchen von 2000 Einw., Prov. Posen. Off.
St. B. 13 durch d. Exp cd. d. Bl. _
In einer kleinen Stadt bei Berlin wird ein jüngerer Arzt zur Stell¬
vertretung für einige Monate sofort gesucht, Off. unter Lit. F. S. 30 be¬
fördert d. Exped. d. Bl.
Sofort wird einem energischen College» eine lohnende Praxis
unentgeltlich naehgewiesen.
Gef. Off. sub II. Q. 29 Exped. d. Wochenschr.
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UNIVERSETY OF MICHIGAN
22. April 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
235
Ein junger Arzt sucht für die Sommermonate die Vertretung eines
Collegen, besonders eines Hospiialassistenten. Gef. Off. sub. J. R. 31.
d. d. Exp. d. Bl.
Ich habe mich in Carlsbad niedergelassen und bin daselbst vom
25. d. M. ab in den drei Mohren am Markt zu sprechen.
Berlin, im April 1878.
Dr. J. Schliff,
_ pract: Arzt u. Docent a. d. Universität
Ich habe mich als Specialist für Gehirn- und Nervenkrankheiten
hier niedergelassen. Sprst. 8—9 Vorm. u. 3—5 Nachm.
Berlin W., Französische Str. 18. I.
Or. Wernick«,
_ Docent a. d. Universität.
Den Herren Collegen bringe ich mit der ergebensten Anzeige, dass
ich mich seit vorigem Jahre als Badearzt in Salzungen niedergelassen
habe, dieses ausgezeichnete Soolbad in empfehlende Erinnerung.
Or. Weaoroth,
_ Oberstabsarzt a. D.
_ Soolbad Frankenhanaen Pr. H. Betz. _
Pr. Cornila, pract. Arzt ia Lugano. _
Schönau,
Curort I
bei Teplitz ln Böhmen.
5 Minuten von der Station Teplitz der Aussig-Teplltzer |
Eisenbahn entfernt. 1
Die Wässer des Schönauer Quellengebietes sind weltberlhats in- j
dfareute Quellen von 22 bis 38 Grad R. p vorzüglich anzuwenden bei i
Gicht, Rheumatismus, Lähmungen, Gelenks- u Knochenkrankheiten, Wunden,
Folgekrankheiten nach schweren Verletzungen, Hautkrankheiten, bei ge- 1
I steigerter Sensibilität und Nyperaesthesie.
Vorzüglich gut eingerichtete Badeanstalten, Porzellanbecken, Donchn- !
und Moorbäder, höchst angenehme, einem Cnrorte vollkommen ent¬
sprechende Lage, prachtvolle romantische Umgebung, ausgedehnte i
Promenaden und Parkanlagen, Trinkhalle mit in- und ausländischen ;
, Mineralwässern.
Während der Saison werden MIHtatrcoucerte abgehalten.
Comtortable eingerichtete Logirhänser.
| Eröffnung am 1. Mai.
Ueber anher gerichtete Anfragen ertheilt Auskunft '
der Bürgermeister von Schönau. ,
(Nachdruck wird nicht honorirt.) !
Wasser-Heilanstalt Laubbach
bei Coblenz am Rheio.
Das ganze Jahr hindurch geöffnet. Kalte und warme Bäder, Elek¬
trotherapie.
Hausarzt: Dr. A. Mäurer. Inspector: F. Herrmann.
Bad Bertrich.
Das milde Carlsbad, 1 Meile von der Moselstation Alf, eröffnet die
Saison am 15. Mai. Nähere Auskunft ertheilen der K. Bade-Inspector
Major z. D. Forstner und der Kgl. Kreisphysikus Dr. Cüppers.
Bad Reiboldsgrün in Sachsen.
Klimatischer Curort für Lungenkranke (2120' hoch), inmitten
grossartiger Nadel Waldungen. Stahl- und Moorbäder. Pensionsverpflegung
wöchentlich 2l Mark. F. Reimer, klimatische Sommereurorte, 1877,
pag. 118—122. Am 1. Mai eröffne ich zugleich ein ärztliches Pen¬
sionat für schwächliche Mädchen, speciell für solche, diebleich¬
süchtig, scrophulös, lungenschwach sind, oder wegen chronischen
Augen-, Ohren-, Nasen- oder. Halsleidens einer längeren spe-
cialistischen Behandlung nebst Stahlbädern und Waldaufenthalt be¬
dürfen.
_ Or. Privw.
Dr. Behread’s S««lbade-Anstoltea
in Colberg,
dem nlnzlgnn Orte, der zugleich (5proc.) Soolbäder mit Seebädern (und
Seeluft) bietet, verbunden mit einem Pnusiouut fir kranke Kinder, werden
Ende Mai eröffnet.
Alle gebrinckHchemndidalsche Bäder, auch kohlnntänrnhalllge Soolbäder —
Inhalatorium für Hals- und Brustkranke. — Heilgynnastischer Unterricht. —
Logtrhaus, 20 Wohnungen von 12—30 Mark wöchentlich und vorzüglicher
Restauration.
Eröffnung der Seebäder Mitte Juni.
Gefällige Anfragen sind zu richten an die dirigirendeu ÄffZte der An¬
stalt, Oberstabsarzt Or. Nötzel nad Dr. F. Behread, oder die Besitzerin der
Anstalten, Frau Or. Behread.
Colberger Badesalz ist stets in diesen Anstalten zu haben.
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Gougle
*
St Andreasberg im Harz.
2000' hoch.
Climatiseher Carort.
Nähere Auskunft ertheilt den Herren Collegen gern
_ Dr. Aag. Ladeedorf.
Römerbad
(das steierische Gastein).
Eröffnung der Badesaison am 1. Mai. Kräftige Akratothermen von
30 bis 31* R., grossartiges Bassin, neue elegante Marmor-Separat- und
Wannenbäder, herrliches Klima, schattenreiche Parkanlagen etc. etc.
_ Badearzt Or. H. Mayrhafff, Operateur in Wlat.
Baff Schinznach, Schweiz. Xel B e Ä en ‘
Paaer der Saison vom IS. Mal bis 15. September.
Therme mit reichem Gehalt an Kalk, Kochsalz, Schwefelwasserstoff
und Kohlensäure; berühmt durch ihre Heilwirkung bei Scropheln (Drüsen-),
Haut-, Knochen- und Schleimhautkrankheiten, chronischem Catarrbe,
Emphysen, Asthma und allgemeiner Schwäche.
Mildes Klima. Wald. Milchcuren.
Pension I. Classe Frs. 7 — II. Classe Frs. 4 — pr. Tag.
Ziramerpreise v. Frs. 1,50 bis Frs. 8. —
Für nähere Erkundigungen beliebe man sich zu wenden an:
_ H. Stnehly» Director.
Aachener Schwefelbäder u. Trinkquellen.
Während des ganzen Jahres geöffnet. Anfang der Saison 1. Mai. —
Alkalisches Schwefelwasser, speeifisch wirkend gegen Gicht, Rheumatis¬
mus, Hautkrankheiten, Metallvergiftungen und besonders Mercurialleiden.
Badehäuser für alle Stände, Douchen, Dampfbäder, Inhalationen, Molken. —
Reizende Umgebung. Theater und Concerte. — Versendung des Thermal¬
wassers durch die städtische Brunnenverwaltung. — Niederlage in allen
grösseren Städten. _
Bad Schwalbach im Taunus.
Bekannte gasreiche Eisenquellen. 1000 Fuss über dem Meer. Muster¬
gültige Badeeinrichtungen. — Bahnstation Wiesbaden und Zollhaus und
Eltville. Ueber Eltville directe Billets und Omnibusverbindung. Er-
öffnung der Saiso n am 15. Mai.
Bad Berka a./Jlm in Thüringen,
1 Meile von Weimar, klimatischer Cfffft, besonders für Brustkranke,
Stahlbatf, Kielernadelbad, neu errichtetes Sand-, und Moor-Bad, Inhatatious-
Zimmer, pneumatischer Apparat, Milch- und Molkencur.
Badearzt Sanitäsrath Dr. Ulbert.
__ Grossberzogl S. Bade-Inapectlon.
Hall in Tirol
höchst und am meisten gegen Süden gelegenes, jodhaltiges Soolbad und
Sommeraufenthalt in dessen Umgebung.
Saison von Mai bis September.
Die Soole von Hall (Tirol), sehr reich an Chlormagnesium und kleine
Mengen Jod und Brom enthaltend, erweist sich höchst wirksam bei
Drüsenleiden aller Art, bei Stauung innerer Organe, bei trägem Stoff¬
wechsel, bei Haut- und Knochenleiden, bei Gicht.
Hall, freundlichst mitten im schönen Innthal und nahe der Landes¬
hauptstadt gelegen, mit sehr gesunder Luft und vorzüglichem Trink¬
wasser. zieht von Jahr zu Jahr mehr Gäste an, zu deren Aufnahme
ausser dem seit Langem bestehenden Bade in heilig Kreutz 2 neue Eta¬
blissements (Pleinor und Bad zur Hallerinnbrneke) und zahlreiche Privat¬
wohnungen, theilweise mit Badegelegenheit, thcils in der.Stadt, theils
in deren Umgebung bereit stehen.
Preise der Zimmer von 2 bis 7 Fl. per Woche.
Anfragen richte man an’s Comilö für Curinteressen.
Or. Ganner.
P Ää Bad Neuenahr.
Alkalische Thermen, sehr reich an Kohlensäure. Specificum bei
chronischen Catarrhen des Magens, Darmes und der Respirationsorgane,
bei Blasenleiden, Gries, Stein, Diabetes m., Gicht, Rheumatismus und
Uterusleiden. Wird selbst bei Monate langem Trinken vortrefflich ver¬
tragen. — Nur das Curhötel (Hotelier Herr Peters) mit zeitgemässen
Tarifpreisen, Post- und Telegraphen-Bureau steht mit den Bädern in
directer Verbindung. Näheres durch den angestcllten Badearzt Herrn
Dr. E. Mfinzel und durch den Director Herrn A . Lenne.
intern Kurhaus St. Beatenberg. U6 ° b ^ ter
Eröffnung der Sommersaison den 1 . Mai. Mittlere Temperatur im
Mai (Beobachtungszcit 4 Jahre): Morg. 7 Uhr 10,34°, Mittags 1 Uhr
15,24°, Ab. 9 Uhr 9,76°.
Brochuren und Prospecte gratis zu beziehen vom
Besitzer und Curarzt
Dr. med. Alb. Miller«
Original frn-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
FRÜH JOSEF : BITTER QUEUE
BKRLtNER W»m$0m. WOOH^SOlilUrT:
Wilt»e!«ih 4 te feei Cassel btniUtim Peniiöiufeaet yoft ör. Wstuhfr*»}*
zutn (kbrau^h BiectwtHefapefitle^her Düren. gj^eteren APaUs m ',Vjm-
ibndung mit HydroUiöfaiiit:. ; warmen . Badern • und .Manage.’ iMtv'iisfOier
Kiloiitfi Nftti« ; rö^ nnT Wunsch liut'c'b Pin^p octe. ■(?<•»ffnet' da.v ganz e Jahr.
Pension für Nmenleidende
de* Hr. rued. Oscar JEyselefn in ttiAikkenbursi am Harz,
Verlag von August Hirschwald in Berlin.
Handbuch
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Dr< 1F* Rath, und Dr. B. Un. 9
"K. jMch#v : .^^twwr#Jfixai, K. Pro «89. ObArstsh***'«!.
Drei jfcjtde. Mit V&7 tl.fdzsohnjftcn. 1873 .1^7, 50 >1
Anleitung 7Jim zweckin&ssigreit Verhaften beim (ge¬
brauch der Wasserkuren von Dr. Ai*^i I • icumvxt au
der Wassbihbiisnstali. Grafenborg. gr, 8. 187Preis:-1 M. 60 Pf.
Katalog W ander lieh «Weber,
A«d(w S*. ?äftt *«*»'.
S'o.tt'ii i-Tsehien;
Abirxcichnu* der von Herren Ffttf Ör C ft. A. Wunderlich, Kgl.
Sachs. Geh ; Ru‘h ui Uiptfg und Prot ßr C H. Weber, Kgl. Sacln. G<di.
Medicinalrath ?u Uipzlg hutt^rlus^chnri Bibhutfmkun, welche am.21.Mai
(678 in T ft, Weigel'« Anettens* üical in -Ulpllfe Kduigrwtfasse I versteigert,
wcrdeu sollen.
Düs V'moiohniss ist au^se^rdsptbeh midihaMig au werth vollen Zeit¬
schriften ririd vdrsüglicheu, Wei fcvn aus Ucn Gebieten der Medici« und
Nafurw (ssensubafteh.
Dasselbe sieht auf Verlangen gratis pu Djenötstt. Zur Ausführung
von Auttragv.u balter mh mich empfohlen,
g| WlMsMäS '
i*«**; 0 itiwwahhri' uietw * w*
des in- uno Umlandes n:mn «icii üDiroinsf.imm«.u;de t\ Güta-dueii inid
Analcsoii der Herren Profossoron Halo, i.au|-ts!Üdi. amt 1, Chemiker
mul ! v. HernatJ)' Mithin »u lO,fKK> GeHteht>ihmb?»i 522J& fc
Bestandthrilv upd zwar;
Doppelt ’koibil^o&aurfsv Satrön 31,80 ^cJiwcfelsauiHi Magnesia .247.8b
Chluntf^no^ia V 17M du. Natron , »HMD
Tltonrtd« : - ... ö T u5 du. Kadi . Y .. 0.07
Eisenoxyd m. MMigauspüren 0,05 du. Kalk . ,
Kiesci.S;iti.?v ..... Ö.,H) frei«- u. halbfrKobJchYuird 4,0)
jfrehc» tnft f tumn.nch llttlna mit KO pH., Fnedrtehshnd mit
307 ]«Cr. N)id*.-hülf m»f. 1‘2*> pCu. ,Ul<* Ohmr Hitterqvieüun mit ‘36
bis lOOpCt MehrgeJbalt an wiEk^pten Salzen (Jod und Bf um wurde«
nicht vorgefuijdeJi)- Hie ehGiLiatstun Zeugnisse übcrwzikltv jfctif-
eriölgo liegen vor. Bmmensebnfteh sowie IVoheftas-cJi-er’i in Vbh-
sufhszwccken den Hemm AerÄfen griri^ und franco, durch dr« Vif*
&ef><iiutgs-Dtrectieii ln Budaptst
Vorrä’tlug- in allen Apniheken dfrd Mitveiaiwassviiiatrdlnirgen.
T* O, Welzei*
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iWijS/ dmn {mphiliMitut dos iitV-U. Vereins v-. .Thumigeiv versende ich tu
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Hnldvrt a. M. Joseph Bser & p>*
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Omer Königs - Bitterwasser
wird • von dVe Ptstöu mtidioinischen Antotiinivn ‘tos ln- und 'Ausland:;?}
.jfFjgeii hfthlttftfllf JitwhlWpfciittKiif iitid süito damiA uHiöfftth'en-
don Krankludten ohne irgsnP welche ßfele Hecbwlrkün^ auch bei binarem
Gobraiivtn, abf • *las Wärmste empfuhleri.
liürult. sunkm reichen Gehalt vojti ChlOf«atttttm # Hstrsa hlCitirbonicüRi
und Natron CSfÖOfllCMRI verdient es den Y-.f/.ue \uv -ideu and.mti Bitter-
wössefo -ded ln- und Auslandes.
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Quant tun zu crmii»?iiglait un-gfn^-Pr^i^rit. : Bei Htt) iir&wct liivd dafub-d
n*wfc V«jfzugs-iPi'dise. Ybr^eni^ung- jtr&mptt
Fiir Brunnen- nnd Badekuren.
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ZülicKoW. • fVminftr«.
Dciv gechflcn Hemm Aerzom empfiehlt'
£ifptfN& Vnant«|%«ptnQiN tÖ^ifö^RiW -sn^eft^dath
Dispnusatio« in kleinsom Quantjt.iittmv inuvrbcfi ü" „ Dbsani
Ferrum dlalytat. peptonst., Caapfoblün^.wcfrtdWs- l^^eaiuäfiav.'it
triiideni selbst m: gros-'Höri -'Dcnftsu- -y« Dt- £? ö t vcrtragun ? in (1
!>»» natürlictie
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wnd an-- -i■;■». bf»nm - Wilhelms - FeEenitutdluo uettönnen und enthält die
i» > anuten ksilkflltfgefl Bfitaadttietts -irr Km *t Queilen .in 2ÖfWhcr Yon-
vMjniratimi. — Anwendung findet dasKelhc' zur IflhalstiOfl, zum Gurgeln
uiuf ziu’ V'.irsl{irkung dt's ttmsef Th er In $ iwims^rs .beim Trinken; Zu be¬
zieht. |t durch all* Apnihokru mul Minemlwasscrhamlhingen des In- und
Auslamles.
König-Wilhelms-Pelsenquelleü in Ems.
KroöCH-ApotlielEe
>laxiiifal-Tht‘rinof»rtrr für Aerzte,
K<*w)e alle in dius Fach sciikgmtde Artikel lieh biji. h<d gtössU
C. P. Sohurrtöchcr, »iodrtohshfgtuh)b.T^ftn* PrutstöitmiUjf Vötbhgf. ttiV-.
Verlag und fcageötlluni- reu Äugüst Hirschwald in. Berlin- Gcttruekf bei L. ScbuniAeher'^in^Berlih
ln Weimar.
: Wir
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Knufgiesudi.
kanten ugd. vhn , 4 ftgab^.Jet
P«i BeiHow 81 1 b i*oh6 WWchfßtteliejBf j«ä«R
Mpspyg in •äer SlAj'k* *oo w**mgs»i«n» lf .Bogen gr, i
Prtil ' ?tort4$i'fet , hck 6 'M4r&. Befl’.eilnogen nehmt-n.
*11« Bneiihixsdlor.g«u *»& Poäv-Abh ulten ab.
Beitrag« weite cian pbnoffÄi tun dio Ä?d*CVion
?K. W„ Deretlieenv-tr* 7*. 79. > oder »o die Ver-
lagehBehbaHdlnng tob Angnst Hirsobiuld io Ber¬
lin (K. W. Cnktr deu Linde* AR V eiase»d«i.
Organ für praktische Aerzte.
Mit Berücksichtigung der preussischen Metlieinal Verwaltung und Medicinalgesetzgebung
nach amtlichen Mittheilaagen.
ß«dacteur: Frot Br. L Waldraklirg.
Verlag von Augosl Hirschwald in
Berliu.
Montag, den 29, April 1878. £?
*S 17.
Ftaföehnter Jahr
gang»
Inhalt: 1 Keyden: XVbtir einen F.dl v»m IVitkerv: (Schluss)'. — II. Tsoh.i r.jc w? Experimentf-Ho Cnt^iehttjjgön. über te Knieptetnomeu —
111, Wjrtimcv. Dkr Cunmnoi Kreuznachs in ihrer physikalischen und’ phpnolo^iseh'i^n-is^ien. Bedeutung (Schlag). - I V. Verband-
lutugeo ärztlicher Crt£f*V!$<&frftch (Herüfu-i iimdietnisehrt Gesellschaft). -• V. PeuiHeton (Vfh Coögrns* der Hcutsehyn &?\s*.l}.sGhai't-'frir
Chirurg**''— X^ek^^sc'hjch.tiiohAj Nötigen)* —. VI. Amtliche Miltbe-ilnngeu. — Inmrrak:.
I. lieber eben Fall voa Fetihera.
(Wortxag:, gehalten in der Berliner medicinischen Gesellschaft
am 13. März 187*0
. . ; Von
£. Leyden.
(Schluss).
ReoVafchtö og.
Bin FaU von Cur ttdlgfosum nebst UMucAionsbefund
und nvleroseopSseher räterä-y'chung. des Hertfleise heg.
L>er 3öj&hrige Redi^wrktw S#iaidt wurde am
:M. N'ovbr. 1877 auf die propädeutische Kliriik aüfgenomineo.
ErDammt aus gesunder Famifie* wör seihst Hörner sehr gesund
uhd kräftig) In» Jahre 183? ftharet&Tiil er die Pueken. ohne
darnach irgend welfehe Folgen tlaViVri zu ypßten.
Bereits Anfangs Mai 1877 bekam er eisie Äntfehwetluog 4 er
Fmse, welche Xm m den Komn hinauf stieg, aber nach em&r.
3 wöchentlichen 'ßeiiaiidlung wich. hat. fübUc Ach nun wieder
•den ganzen •Stnn.öie.r'hf.nrlur-eli ziemlich 'wähl. Erst vor 1.4 Tage« :
(also Anfang Sovrofiftr) schwollen die Beine von neuem, an, die.
Geschwulst wach* Mir schuell und erstreckte Mich bald bis auf
die Anne und <fc Abdötnen. Glgfcks&lfig bemerkte £fat« .
die Menge des Harus almahm uml seine Farbe dunkler, wurde.
Bereits xur Zeit der ersten Am Schwellung bestand Hasten >»ml
KumtWtgkeit, welche» indessen fast vollständig wieder yttv
schwant)?«. Anfang Oct ob er * teilte sich der Husten wiederum
ein und besteht noch fori. Seit derselben Zmf- sind Abfälle
vup Angina jtentnrls (Asthma cardiaG) swfgfefcrfc’tfeD, nivwlwi iu
infetvallou von zwei Tage«., attivregfeis, jede Nacht) sie waren
besonders nach 'Gmb th*bewegungen. heftig und bestanden tn
etnvin plötzlich Anffretendcn starke»» Angstgefühl mit Scimmfz
in fe Herzgegend, der von hier aus nach der. linken Schulter,
und bis in den linken Arm • ai^fehlfe. Die Häufigkeit -dig'skr.
Anfälle ^roigertc« sich mit der Dau^r 4er Krankheit und nt jetzt
zw eirmr eitonriOn Höhe eatwlvkelt.
Stöto.s praesens \om ^7. Aovbr. Pat nt von in ein lieh
grosser Statüiv von sehr starkem EnociieUban. kniftiger "Mus-
ciil.atur.uud enorm starierm ifeftpolster,. der Baudi ist zu
einem staTkeji. Wanst. eHtwickeil, das L'ijterhaut^ttgevf^be m\
ganzen .Körper'i»r migywühnüch starker Weise' an^gebildef. Die
Wangen und Uppen find .ziemlich lebhaft gerdthet. tnclit cyauo-
tisch. Dfis G^iehi Kei/r feist und nind, ö^ichtsausdruck äiVwk
lieh frei, im ganzen joyial YicUeieht etwas ängstlich. — Cun-
mnetiva leicht ikteriseh. Die Haut überall prall gespannt, von
| gewöhnlicher Fhthnng, keine Exantheme. Ziemlich sfarkes Gedern
: des ganzen Körpers, so toto die an sich geben diu-ch Muskdu
und Fett umfangreichen Extremitäten .sehr deform erscheinen,
j Der Umfang dei* Waden beträgt. 4? ('tm., der grösste Emtog
der Oberschenkel 04. Amfaiig der Abdomen 132 Otm., Olw?r-
arm 40 €tm. — Dum Serottün !*t massig geschwollen. Die Haut
; etwas feucht, Ihre, l'empemtur glejehinäHsig vertheilt, :;7,sb
Puls Uü, regeklein, uiedfig% leicht unterdrüekha» ,
’ RespirationHi — 20.
Die Aubjectiven Klagen des Hat. bezieh er. sich auf die Au-
i, die Anfälle von Asthma.
Das Feusorinm des Pat. ist vollkommen frei, Schlaf nur
wenig And unruhig, kein Kopfschmerz, keine Delirien ~~ Appetit
gering: DfirKtgefühi gesteigert, 2u«ge rein, beim Heraus.strecken
; ytark'ziftdrnft StdUlgang regetnuisAg, Das Abdomen ist stark
> nu^dehnt hxul aufgetriHto,, deutliche Fluctnation.
Die ‘Emju-enz der Athmung beträgt für gewöhn fick uuv
J .A4-rr-2^. '-aiher in den Anfällen von Aiheiünnth auf
): Ab und wc&(y Djabei ist die Attonng mühsam, angestreotgt.
[ unter ^färke'f BeihHf^." : 4e'r'Hal^röuskMii, die Exspiraftön activ. Der
: Thorax, ist sehe kräftig gebäul und Yohjmitt% v 4oCii nicht fass-
; b-unig. Husten ziemlich hiinfig, Aufwurf einige Eßlöffel he-
j tragend [ gmnwoks,. catanhaliseh. lU*r l 1 erCns + ston^scha 1! tibiXr
! den kutig^d ist voil, laut, beidetöfcit# ziemiich gieich. llntet
! den €hiVlv v wiac ve^kulkre*» A$hjWn mif rvlcddichem PMfen und
Seüuurren
Die. rufeTAtdä»iu»|j v d»is Hexzensy dtvrch Fett und Oedejn
I sehr etwdiwert, ergifebt einen nicht starken, sehr diffusen Herz-
: stos-Sv Spitzenstoß dicht deutlich aufönfiwlen. Die BtM-zdämpfnog;
ist nach allen $eiteny hßonderv stark nach rechts vergrößert.
Sic beginnt am linken Stenialmndn bereit 4 * von <i>-> h..
reicht nach nntoo bis gegen die- i\ K., ofteh ane$en bD mf
• •'•link(d'i : M.anyüullarlitiie., auf dem unteren The.il des S.tenmin
deutliche* zien»iick inforisive Dämpfung. wVdche den n?rhfen
STerimhand nach recht> in urnimo um d Dm, ulmnsducU^
Mit de! S);stoIe hupt m&u tibmiÜ am Herzen mn k«Wi, gc-
raoM hähf.ifchie- .Sciiidlmmnun^ tniT <l»-c Ina^toh* hört man ülmr
"J* r AD. puhruHifUis* ejaon yeiwtäiktvjf Tun'-, über dvr • Aof .i
uipCTi -ehr rchwaoher» Tor»; e,enn man sidi vom recht*-in
Go gle
“238
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 17
Sternalrand nach rechts entfernt, so hört man sehr bald mit
der Diastole gar nichts mehr. In der Carotis schwaches,
dumpfes systolisches Schwirren, mit der Diastole nichts hörbar.
Kein Galopprhythmus.
Zunge ziemlich rein, Durst lebhaft, Leber in massigem
Grade vergrössert, vorderes Milzende nicht fühlbar.
Am 80. Novbr. wurde Pat. in der Klinik vorgestellt. Die
Untersuchung ergab an diesem Tage folgendes:
Der Thorax des überhaupt sehr kräftig gebauten, äusserst
fettleibigen Pat. ist umfangreich, gut gebaut, stark gewölbt, so
dass das Sternum eher hervorgetrieben erscheint. Die Re¬
spirationsfrequenz beträgt 24, Inspirationstypus costoabdominal
mit starker Hebung der oberen Rippen, ziemlich starker
Excursion des Abdomen, active Exspiration. (Deutliche ob-
jective Dyspnoe). — In der Herzgegend ist eine diffuse,
zitternde Erschütterung sichtbar. Auch die in der Herzgegend
aufgelegte Hand fühlt eine nur mässig starke Erschütterung,
besonders bei der Exspiration. Der Spitzenstoss findet sich,
ziemlich deutlich sichtbar und fühlbar im 5 JCR, nach
aussen von der Mammillarlinie, von nur geringer
Breite und Resistenz. Auch auf dem unteren Theil des
Sternum ist durch das Gefühl eine pulsatorische Erschütterung
zu constatiren, im Epigastrium deutliche Pulsation. — Bei der
Percussion beginnt die Herzdämpfung am linken Sternalrande
bereits von der 3. R., sie ist abnorm intensiv und reicht nach
unten bis gegen den Rippenrand. Nach aussen reicht die Herz¬
dämpfung bis in die Gegend des Herzstosses. Auf dem
unteren Theil des Sternum deutliche Dämpfung, welche den
rechten Sternalrand nach rechts in maximo um 3 Ctm. überragt.
Im ganzen ist also die Herzdämpfung entschieden
und nach allen Richtungen hin vergrössert.
Die Auscultation ergiebt an der Herzspitze lauten dumpfen
systolischen, sehr schwachen diastolichen Ton; über der Aorta
lauter systolischer Ton mit kurzem Geräusch, sehr schwacher,
dumpfer diastolischer Ton. Auch auf dem Sternum ist der
diastolische Ton sehr schwach, ohne Geräusch. Ueber der Pul-
monal-Arterie deutlicher diastolischer Ton, über der Basis sterni
ebenfalls deutlicher, aber sehr schwacher diastolischer Ton. —
Ueber den Carotiden dumpfer systolischer Ton, Mangel des
diastolischen. Der Radialpuls mässig frequent (96), regel¬
mässig, sehr klein, leer, mässig hohe Welle, sehr geringe Span¬
nung. — Temperatur eher subnormal 36,5.
Die Diagnose, welche sich aus diesen Ergebnissen der
Untersuchung ergab, war folgende:
Vergrösserung des Herzens nach allen Dimensionen (also
wahrscheinlich beider Ventrikel) ohne Hypertrophie, mit ent¬
schiedenen Zeichen der Herzschwäche. Diese war deutlich aus¬
gesprochen in dem schwachen, zitternden Herz- und Spitzen¬
stoss, den kleinen, wenig gespannten Arterien und der bedeu¬
tenden, sehr auffälligen Abschwächung des diastolischen Tones.
Keine Unregelmässigkeit des Pulses, kein Klappenfehler, Anfälle
von Angina pectoris. Hydrops.
Die Herzaffection konnte demnächst als Angina pectoris
(Asthma cardiale) mit passiver Dilatation des Herzens (ohne
Hypertrophie) u*d mit deutlicher Schwäche (weakened heart)
bezeichnet werden.
Welches war nun die Ursache dieser Herzaffection? — Pat.
selbst wusste eine bestimmte Veranlassung seiner Krankheit
nicht anzuschuldigen. Weder war eine anderweitige schwere
Krankheit, wie Rheumatismus u. dgl. vorhergegangen, noch hatte
er sich besonders starken Körperanstrengungen ausgesetzt. Da¬
gegen musste nach Beschäftigung und Constitution Abusus spiri-
tuosorum vorausgesetzt und bei dem ungewöhnlich grossen Fett¬
reichthum ein Zusammenhang der Herzkrankheit mit dieser
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Gck >gle
Fettleibigkeit angenommen werden. Unstreitig erinnerte das
Krankheitsbild an die bekannten Fälle von Herzaffection, welche
sich bei sehr fettleibigen, üppig lebenden Personen ausbilden,
und welche wir gerade in den besseren Ständen nicht sehen
beobachten. Diese Fälle sind im wesentlichen dadurch characteri-
sirt, dass sich bei den so disponirten Individuen asthmatische Be¬
schwerden von verschiedener Intensität ausbilden, welche in hohen
Intensitätsgraden mit den Zeichen von Herzschwäche (kleinem,
frequentem, öfters unregelmässigem Pulse), mit vergrösserter
Herzdämpfung ohne Hypertrophie verbunden sind und schliess¬
lich zu hydropischen Ergüssen führen. In Aetiologie und typi¬
schen Symptomen stimmte unser Fall durchaus überein und diffe-
rirte nur durch die grosse Heftigkeit und Gefahr der Erschei¬
nungen, indem die Dyspnoe und die stenocaTdischen Anfälle sehr
heftig waren, und die Herzschwäche einen so hohen Grad er¬
reicht hatte, dass der diastolische Ton über der Aorta kaum
hörbar wurde.
Ord.: Infus. Digital. (1,0) 150, Sol. Succi Liquirt. 20,0
2 stündlich 1 Esslöffel. Thee von Spec. diuretic.
Am 1. December Temp. 36,8, P. 96, Resp. 24, Pat. hat
nur wenig geschlafen, und während der Nacht mehrere asthma¬
tische Anfälle gehabt. Diese Anfälle waren characterisirt durch
grosses Angstgefühl und äussersten Lüftmangel, dabei be¬
stand ein stechender drückender Schmerz in der Herzgegend,
welcher bis in die linke Schulter und den linken Arm ausstrahlte.
In den Zeiten der Ruhe respirirt Pat. ganz gleichmässig und
tief, und zeigt nur einen mässigen Grad von Dyspnoe (Betheili¬
gung der Halsmuskeln, active Exspiration). Die Inspirationen
sind im ganzen regelmässig, aber ungleich, öfters von seufzen¬
dem Character (Respiratio inaequalis, interdum suspiriosa). Die
Auscultation am Herzen ergiebt links überall zwei, aber freilich
nur sehr schwache Töne. Ueber der Aorta ist auch heute die
sehr geringe Intensität des zweiten Tones auffällig; in derJCarotis
schwaches, dumpfes, systolisches Geräusch; mit der Diastole
absolut nichts hörbar. Ueber der Pulmonal-Arterie ist der
diastolische Ton am deutlichsten, an der Herzspitze auch noch
deutlich hörbar, aber schwach. Harn 1000 (bis 1500) dunkel¬
gelb, spec. Gew. 1006, kein Eiweiss.
Ord. 4 Blutegel ad jugulum. Nachts Morphium-Injection.
Nachm. Temp. 36,9. P. 100, Resp. 24. Pat. hat den grössten
Theil des Tages im Stuhle sitzend zugebracht, dabei sind kaum
eigentliche Anfälle aufgetreten. Die Expectoration war sogar
leichter.
2. Decbr. T. 36,9, P. 88., Resp. 27. Pat. hat die Nacht
ziemlich gut im Bett zugebracht, bis ihn um 3 Uhr eine Nach¬
blutung aus den Blutegelstichen weckte. Zu einem stenocardi-
schen Anfall ist es nicht gekommen, wenngleich die Luft zu
wiederholten Malen sehr knapp wurde. Die Expectoration war
ziemlich leicht, das Sputum beträgt etwas mehr als einen Ess¬
löffel voll, ist schmutzig - grauröthlich, schaumig, zähe. Urin
1700, trübe, ohne Eiweiss, sp. Gw. 1017. Die Oedeme haben
zugenommen, besonders an deu herabhängenden Händen.
Im allgemeinen ist Pat. heute ruhiger, besonders auch der
Gesichtsausdruck ruhiger. Massige Cyanose der Lippen. Re¬
spiration gleichmässig, ohne das Gefühl der Beängstigung. Die
Herztöne sind noch weniger deutlich wie gestern. Am linken
Sternalrand hört man zwei Schallmomente, der erste erscheint
verdoppelt, eine Andeutung von Galopp-Rhythmus.
Ueber der Aorta ist heute nur ein systolisches Geräusch,
mit der Diastole nichts hörbar. — Leichter Icterus der Con-
junctive.
3. Decbr. T. 37,0, P. 108, Resp. 22. Gestern Abend stell¬
ten sich wieder die heftigsten orthopnoischen Anfälle ein; wäh¬
rend eines solchen Anfalles war der Puls klein, etwas frequenter.
Original from
UNIVERSITY OFMICHiGAN
wmm
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BBKtANKK; KLBtf ISCHE ^KHC H)<i> ! T
M*eb afe regotossig; Ein _ ZuBe)i»»^i der kmankaLseUen &h. tkv Herzspitze, wo ewte achwache -an• ury smattecb e-Br***»-
tiof.iosch^* war ivichf stii bemerken* lenmg ausgeblhfet ist. in btideu Ventrikeln sind die PapilUr-
Örd. Morphium - lojectlofi, Nach derselben stellte sich -so- njuskejn und Trabekelq relativ dimn. namentlich -an der inneren
fort ein sxibji^tiYeti Wöblle^ndeo‘dsi; Pat schlief, im l^ehnstnhb Oberfläche der erwäferto« Spstee des linlcen
:dtatm<L ein, hü Schlafe '.war das Stokes* Oheyne'sche Phänomen..! Ventrikels. IHe.Hemubjstäns tef überall von schlaffer Co osteten*
aiigedeutet. Fat, schlief hi« girren Uhr, da du trat ein An- ! and brüehig&r- B'ttediaffenFtei.k die Farbe j«t blassrofck, mit einem
fall von massiger Heftigkeit . Morgens ziemlich starker ‘ Stich ta gelbliche, am «tftjpkiet^n'.'tet-.dfe.ve Veränderung iwi rechten
Oollaps, fortdauernde Ntigm#-.mm : Schlaf, Respiration, gleich- | Ventciket wo mau sogat dhe^dhlfelH^tnchelung wahcnimmt.
massig, ziemlich tief* weilend seufzend, ratteaige objective. j Die Aortenklappen zeigen ur)l«e<feHtemfe Verdickungen, Aorta
Dyspnoe, massige Cya'öbtte.. Hera töne regelmässig, ziemlich i meUtsehr we» t dünnwandig, sebtefL die Ooronar-Arterien von
frequent. UeberaU am Bmen briet mau zwei »SchalImomenfce* » oonnalei Beschaffenheit. /
auch ein diastolischer Ton ist über der Aorta hörbar. Die Längen in ihre™ onferen wmf -hinteren fheilen spie-.
Die Oedeme haben ÄUgenommeö. es werden an beiden luter*- . ntei rt, dunkol-kif.^iiroth,, stark Odemätüs. In der Spitze des
schvnkctu kleine PuTiettensoffuungen der E&itt appUeirt. rechten kippens piite schiefrige imi watten, Milz, stark Ver*
ftrd. Tief; fejri. chlor . aoth
Morphium-] ujeetipft.
Stöudl fCTritpf^». Abends i 4«rh, Adi da
(Vflm der Digitalis idi/d 5,0 verbraucht.) r ..Die -Nieren sind
Aus den Punctioö^Affntingen reichlich swrüae, zum ; geluLBl. Da$ Organ &
Theil blutig gefärbte PlÖ^igkeit ab. l^otzdem keiipV Erfeich- [ Das Paraichym blutrc
feruug. Grosser Luftm&ngfd, ohne dass eigentliche Anfälle auf*- Leber sehr gro.v*
treten. Zunehmende C/?afcD*e. Verfall der Kräfte giger Cnüsteteiiz, Acn
Tod am 4. Deeember, Morgens 4 Uhr. Die Autopsie : graar-faUlich rm> sehnt
wurde am ft, December vftn Herrn th. Jürgens gemacht — Die • 4eielit fetep^h.
Leiche ist von grosser Statur, sehr breitem Kjaftcheubatu Ausser- ; (Dfeäuatoißisehe 1
steiü Fett reichte um. Obert? inid untere Extremitäten *fark «de** , cordte* Übesita* ronte
matfts geschwollen. Das Fettpolster der Bauchdecken misst ■']• rys*n&Cordte; - Pauun
ca, 4 Otm., im Unterhautgtw'ebe der Brustdecken ca. HV Ä . Das • Hepatitis ebrowra teb
$ubr fettreiche, Netz U%t fast zur Hälfte Im Hodeösack. nait ? däntti» rePnm. Icteru
ihm ragt ein Tbeil de.^ Colon transversum liinerr«. -* Ohe-sife universal
Bei det Erüftnung der Birtwthßbiß zeigen deb die Pleura- Db?. mxcro^copD
xäcke, he^>r*dm der rechte von einer leicht trüben, röthliehen, 3) die fettige Degi
^ässngen Flüssigkeit erfüllt, Der vordere Hand beider Lungen intensiv und be^Unini
überdeckt im oberen Theife den BÄtid fc Herzbeutels um ca. j inneren v/berükehe be
8 Ctm., während die älteren Lappen stark retralürt sind, ! zäigfc^ieb. d&i Hef^eü
fJirr ffer^betiteUJi^gt' iö aehr-grosaer Ausdehnung frei. Dm xnpfeö ovehr weich imi
änsserc Ob^aclie dw Herzlicufete, an welchem eine : Ausser st wie gewPlmltric. Ifc
starke Kntwickfimg de^ ?mbpfeömlen und medjastiimfew FetL Kemps m 'fernen 1
ge wehes .statt, hat, Htte^t mt Diaphragma 21 oberbälb i) AäifaJtewl ist
des Gmms arferiosiLS 7 Ctns. Boi. Eröffnung des lierzbeutote i dem'. Peoc^tMiam.. wjcl
zeigt sich deTselbe fast ganz ohne Fte^igk^itv beide Blätter j hier aus schiebei? <w
des Pericatd.v sind intact., die fkrr^pitze ist Mwas nach links j die Gfefiisse hegfoifemi
out} oben dtelrteart. dieselbe wird Vorwiegend idm rechten 'Veh->
trikej gehiJdet.
lax Utufähige ßamj&tttUrh des rechten Veutrikcte. «loch aucli
an den übrige# Sfejiett. xtfigf äii^h Cbcäfäils ^ivc iHigewühnlich
starke Eotwicklnrig de« sub^erb^n Pettgüwehss,. wekhes übrigens
seine nörmale pÄrhdng tnatl Cöösisleß^ haL
Im rechten;• Vorhof und Ventrikel finden sich grosse Mengen
vöo Grtmr und SpeckgeriansrL Der linke Ventrikel ist leicht
contrahirt l>a.i ganze Herz bodeuteud v^rgrü^ert. Die Baste
dca Cin misst ca. 14 Oti» H v<m der Baste mz Spitze
falte 14 Ctm., die innere Länge des l V Voix der Baste der
mittleren Aortenklappe bis zur %utm ea. J2. Ctro. (o hm die
^Vamiung), Die Wandung dieses V. =• 2,5, der Herzspitze
kaum fU. Die innere Länge de? r. V. von der 'SpltmMf W'
Basis der Pulmonalte-Kiappen — 10,i2, die grüßte Breite
= td LHiü., VVAnddicke = b,b.
Beide* Ventrikel «ind dfemnacb stark dilatirt iuiiI $?m Tbeü
bypertrophL*>cJi. Besorider-s deutlich verdünat ist die Wandpartic
den reebteü Vefnrikels vorn und'unten, da xvp das subsevosü
Fettgewebe stark entwickelt istt hier sieht man voü dm» sub-
Fettgewebe aus zalilrcdche schmale Septä vori Fett-
blAKchcu sich in die Substanz des Herzens hiueiudräugen Dabei
"zeigt die Hei‘ 2 svib?tan* selbst eine leiicht gej^khe Nuance.
Im linken Ventrikel zeigen ^ich dieselbeji Zustände vorzüglich
Mn-icfcopischc Tferde rnterstlhielk'T Jetteniv\'ickt'lüug-
zwisdieu df*o. ,Mu>köIt>tet.rw des Iferzcn§, . ; .
240
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 17
Mitte der Wanddicke des Ventrikels nach innen erstrecken.
Zwischen den Muskelfibrillen, sieht man vielfach kleine Fett¬
tropfen, welche indessen keine merkliche Vergrösserung der
Zwischenräume bewirkt haben. Ausserdem aber constatirt man
an den gut erhärteten Präparaten kleinere Herde von fettiger
Infiltration, welche sich zunächst unter dem Microscop durch
eine dunklere Färbung aus der übrigen Muskelsubstanz hervor¬
heben, dann bei vorsichtigem Aufhellen durch Essigsäure sich
so darstellen, wie es die Zeichnung (Hartn. Obj. 4.) wiedergiebt.
Es erscheinen in diesem Herde die Zwischenräume zwischen
den Muskelfibrillen nicht unbeträchtlich vergrössert und von
dunklen, glänzenden, mehr weniger grossen Fetttropfen erfüllt.
Entsprechend der Verbreiterung der Interstitien sind die Muskel-
fibrilleu etwas verschmälert und ein wenig dunkler als die übrigen.
Diese Herde fettiger Infiltration haben nur eine microscopische
Grösse, welche in nicht sehr beträchtlichen Grenzen wechselt.
Sie werden zwar nicht überall gefunden, doch besonders gegen
die Spitze des linken Ventrikels hin reichlich, und hier wiederum
in um so grösserer Anzahl, je mehr man sich der pericardialeu
Oberfläche nähert. Sie lassen sich bis fast zur inneren Ober¬
fläche verfolgen. Die Zeichnung ergiebt eine Stelle, welche
der pcricardialen Oberfläche ziemlich nahe liegt und die beschrie¬
benen kleinen Herde relativ zahlreich darbietet: in jedem Ge¬
sichtsfelde wurden etwa 3—4 gefunden.
3) Endlich ausser diesen kleinen Herden von Fettinfiltration
finden sich noch, zwar in geringerer Anzahl, aber doch eben
nicht vereinzelt, kleine Herde, wo die Muskelsubstanz deutlich
atrophisch erscheint: sie ist hier verdünnt, gitterartig, indem
die verbreiterten Interstitien zwischen den verschmälerten Muskel¬
fibrillen hindurch scheinen. Diese Interstitien enthalten ein
ziemlich derbes, leicht streifiges Bindegewebe mit wenig Kernen
und einzelnen Fetttropfen; die in diesem Herde eingeschlossenen
Muskelfasern sind deutlich verschmälert, dunkler gefärbt, nament¬
lich um den Kern herum, nicht fettig degenerirt. Die Grösse
dieser atrophischen Herde wechselt, einzelne sind sehr klein,
andere nicht unbeträchtlich, aber doch auch nur microscopisch
wahrnehmbar. An der Peripherie geht der Herd ziemlich scharf
in das normale Muskelgewebe über; hier an der Peripherie finden
sich dann Partien, wo die Interstitien mit Fetttropfen erfüllt
sind, ganz so, wie in den zuerst beschriebenen Fettherden. Dies
.Verhalten lässt mit grosser Wahrscheinlichkeit schliessen, dass
die atrophischen Herde aus den Herden der Fettinfiltration her¬
vorgegangen sind, indem das Fett resorbirt wurde und die
verbreiterten Interstitien eine derbere Beschaffenheit annahmen.
Unsere Beobachtung hat also in dem Herzfleische eine ana¬
tomische Erkrankung nachgewiesen, welche wohl geeignet ist,
die im Leben beobachteten Krankheitserscheinungen der Herz¬
schwäche, der Herzinsufficienz, zu erklären. Auch die passive
Dilatation des Herzens in beiden Ventrikeln, die aneurysmatische
Ausdehnung der Herzspitze wird durch die Erkrankung des
Muskelfleisches begreiflich. Diese Erkrankung besteht in dem
Vorhandensein reichlicher, disseminirter kleiner Herde, in denen
die Muskelfasern zunächst durch Fett auseinander gedrängt
und zu einer gewissen Atrophie gebracht sind, während weiterhin
die Fettinfiltration verschwindet und ein atrophischer Herd mit
Verdichtung der interstitiellen Substanz zurück bleibt. Diese
Herde stehen nun mit der Fettentwicklung in einem nicht zu
verkennenden Zusammenhänge, denn 1) liegen sie zunächst dem
Pericard am reichlichsten und intensivsten, und verlieren sich nach
der inneren Oberfläche zu, 2) bestehen sie zuerst in einer Fett¬
infiltration der intermuskulären Interstitien, welche durch Druck
zur Atrophie der Muskeln führt. Es handelt sich also um eine
wirkliche Lipomatose der Muskeln, welche Ursache der Muskel-
atrophie durch Druck wird.
Die beschriebene Beobachtung giebt also den Beweis, dass
die Fettentwicklung um das Herz sich bis in die Herzsubstanz
fortsetzen und zwischen die Primitivbündel eindringen kann,
wodurch einerseits die Elasticität der Herzsubstanz verringert,
andererseits eine Atrophie der Muskelfasern in kleinen micro-
scopischen Herden bewirkt wird. Beide Momente zusammen
scheinen ausreichend, um die bei Lebzeiten beobachteten Sym¬
ptome der Herzschwäche und Herzdilatation begreiflich zu
machen.
II. Experimentelle Untersuchungen über das
Kniephänomen.
Von
Dr. S. Tschirjew aus Petersburg
mitgetheilt in der Berliner inedicinisch-i>sychologisehen Gesellschaft.
M. H.! Ich will Ihnen kurz über die Resultate meiner Ver¬
suche berichten, welche ich zur Aufklärung des Ihnen wohl
bekannten Kniephänomens und mit ihm verwandter Erscheinungen
im hiesigen physiologischen Institut angestellt habe.
Die Literatur dieses Gegenstandes ist noch zu frisch im
Gedächtniss jedes sich dafür interessirenden, als dass es nöthig
wäre, darauf vorläufig zurückzukommen.
In der ausführlichen Mittheilung werde ich jedoch zeigen,
dass die Auffassung dieses Phänomens von Herrn Prof. C. West-
phal seiner Zeit vielleicht die einzige berechtigte war. Von
diesem Standpunkte aus konnte man auch alle späteren Beob¬
achtungen ziemlich gut erklären.
Um zu entscheiden, ob wir es wirklich hier mit der un¬
mittelbaren Muskelreizung zu thun haben oder nicht, habe
ich folgende zwei Wege gewählt: erstens Untersuchung der
Richtung der Muskelwelle am M. quadriceps bei der Contraction
in Folge des Anklopfens; zweitens, Klopfen auf das Ligamentum
patellae bei der künstlichen Herstellung des Muskeltonus durch
schwache electrische Reizung des peripherischen Stumpfes des
N. cruralis beim Kaninchen.
Entstände die Contraction des M. quadriceps beim Klopfen
auf die Patellarsehne in Folge der unmittelbaren Muskelreizung,
so müsste man erstens im Stande sein, eine von unten nach
oben laufende Muskelwelle zu constatiren, und zweitens müsste
das Kniephänomen nach der oben genannten Herstellung des
Muskeltonus wieder vorhanden sein.
Nun haben die Untersuchungen ergeben, dass hier von
irgend einer bestimmten Richtung der Muskelwelle keine Rede
sein kann, wie es für den Fall der Muskelreizung vom Nerven
aus zu erwarten war, und dass das nach der Durchschneidung
des N. cruralis verschwundene Kniephänomen auch nach der
künstlichen Herstellung des Muskeltouus nicht zurückkehrte.
Nachdem dadurch der reflectorische Weg als der einzig
mögliche sich herausgestellt hatte, bin ich zur Bestimmnng
sowohl der Stelle des Rückenmarks, wo diese Uebergabe ge¬
schieht, als auch zur Ermittelung der centripetalen Nervenbahnen
übergegangen. In dieser Beziehung bin ich zu folgenden Re¬
sultaten gelangt.
1) Es geschieht die Uebergabe des Reizes beim Klopfen
auf die Patellarsehne eines Kaninchens im Rückenmarke, ent¬
sprechend dem oberen Theile des sechsten und dem unteren
Theile des fünften Lendenwirbels, kurz der Eintrittsstelle des
sechsten Paares der Lumbalwurzel (nach Krause), so dass
2) das Kniephänomen beim Kaninchen nach der Durch-
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
29. April 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
241
schneidung des Rückenmarks zwischen dem fünften und dem
sechsten Lendenwirbel beiderseits und nach der Durchschneidung I
der hinteren Wurzel eines der beiden sechsten Lumbalnerven
nur auf der entsprechenden Seite sofort verschwindet. j
3) Der durch das Klopfen bewirkte Reiz findet entweder j
da statt, wo es Herr Prof. C. Westphal vermuthet, d. h. an j
der Grenze zwischen der Sehne und den Muskelfasern, oder in I
den dem Muskel nächst anliegenden Sehnenschichten; nur wird I
dabei jedenfalls nicht die Muskelsubstanz selbst gereizt, sondern
am wahrscheinlichsten trifft der Reiz die von Herrn Dr. C. Sachs
beschriebenen Sehnennerven.
Man kann nämlich die Patellarsehne oberhalb der Patella
abschnürend unterbinden, sie von der Tibia trennen, und wenn
man dann an ihr Ende einen Faden befestigt und sowohl die
Patellarsehne mit der Patella als auch den unteren Theil der
sie bildenden Muskelgruppe von ihren Verbindungen mit dem
Knie und Oberschenkel löst, so bekommt man nach der genü¬
genden Ausspannung der Muskeln durch Anziehen des Fadens
beim Klopfen auf das Ligamentum oder sogar auf den Faden
ganz deutliche Contraction der Muskeln. Ebenso gelingt es,
wenn man den Faden mit einem Muskeltelegraph von Herrn
E. du Bois-Reymond verbindet und die Muskeln genügend
(nicht zu stark) belastet.
4) Die Sehnen dienen bei diesem Vorgänge nur als elasti¬
sches Medium zur Uebertraguug der durch das Anklopfen be¬
wirkten Erschütterungen auf die Reizstelle. j
5) Die Zeit, welche zwischen dem Momente des Anklopfens j
und dem Anfänge der Muskelreizung vergeht, unterscheidet sich i
sehr wenig von der Zeit, welche ungefähr nothwendig wäre für
die Fortpflanzung des Erregungsvorganges in den Nerven bis
zum Rückenmark und zurück.
Dieses letztere Resultat stimmt vollkommen überein mit
dem Befunde, dass die centripetalen Bahnen auf der gleichen
Höhe mit den centrifugalen in das Rückenmark einmünden.
Ausserdem weist dieser Umstand auf die Häufigkeit des be¬
schriebenen Reflexes intra vitam.
Da die ganz analogen Phänomene auch an allen anderen
Muskeln, deren Sehnen irgend wie günstig dafür gelagert sind,
beobachtet werden (es muss jedoch dabei sehr wohl die idio-
musculäre Contraction von dieser reflectorischen unterschieden
werden), so lässt sich aus gewissen Gründen folgendes behaupten:
6) Jeder Muskel im Organismus bildet zusammen mit seinen
centripetalen und centrifugalen Nervenbahnen und deren Ver-
binflungen im Rückenmarke ein in sich geschlossenes System.
Eine gewisse Spannung der Muskelsehnen, welche durch ge¬
wisse anatomische Verhältnisse oder durch die augenblickliche
Lage der Hebel, an denen sie befestigt sind, gegeben ist, ver¬
ursacht Dank dem Vorhandensein dieses Systems einen tonischen
Zustand der Muskeln — den längst bekannten Brondgeest’-
schen Muskeltonus. Bekanntlich wurde die Existenz des Muskel¬
tonus bis jetzt angezweifelt, hauptsächlich weil man für ihn
keine genügende Erklärung zu finden vermochte.
Auf die grosse Bedeutung des letzteren Satzes für die Me¬
chanik unserer Bewegungen will ich in der späteren ausführ¬
lichen Mittheilung dieser Versuche näher eingehen.
Was die Verwerthung dieser Resultate für klinische Zwecke
anbelangt, so kann man vorläufig folgende Sätze aufstellen:
7) Das Fehlen des Kniephänomens an sich weist nur auf
eine ganz beschränkte Erkrankungsstelle des Rückenmarkes hin,
nämlich entsprechend dem Ursprung des dritten und vierten
Paares der Lumbalnerven oder deren Wurzeln (die genaue Unter¬
suchung in Bezug auf das Fehlen oder Vorhandensein dieses
Reflexes für verschiedene Muskeln kann vielleicht als klinische !
Methode benutzt werden zur Ermittlung der Topographie der
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Rückenmarkserkrankung). Das Fehlen des Kniephänomens bei
anderen auf Tabes dorsalis hinweisenden Symptomen zeigt nur,
dass die Degeneration der Hinterstänge bis an die eben genannte
Stelle des Rückenmarks fortgeschritten ist, was wieder mit den
Angaben von Herrn Prof. C. Westphal auf das vollkommenste
übereinstimmt.
8) Dagegen schliesst das Vorhandensein des Kniephänomens
noch keineswegs die Möglichkeit der Erkrankung von anderen
Theilen des Rückenmarks aus.
9) Ein gewisser Theil der Ataxie bei den Tabischen, die
bekannten schwankenden Bewegungen des Beines oder des Ar¬
mes um den Zielpunkt, die ich der Kürze halber als periphe¬
rische Ataxie bezeichnen möchte, lässt sich auf die vollkommene
Zerstörung oder eine gewisse Herabsetzung der Leistungsfähigkeit
der hinteren Wurzeln, respective der Verbindungsbahnen im
Rückenmarke zurückführen, welche zwischen den centripetalen
und centrifugalen Nervenbahnen der Muskeln eingeschaltet sind.
Dieses äussert sich in der geringeren oder grösseren Erschlaffung
der Musculatur der Extremitäten.
10) Die Erhöhung des Kniephänomens bei der spastischen
Spinalparalyse muss man zum Theil anf die bevorzugte Parese
der Antagonisten zurückführen. Beim Kaninchen bewirkt die
Durchschneidung des N. ischiadicus bedeutende Erhöhung des
Kniephänomens.
Eine ausführliche Beschreibung der betreffenden Versuche
und der Methoden, deren ich mich dabei bediente, erscheint
demnächst im Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten.
111. Die Cvrniittel Kreuznachs in ihrer physikalischen
und physiologisch-chemischen Bedeutiug.
Von
Dr. C* 4. Wimmer,
K. Pr. Medicinalrath und pract. Arzt zu Kreuznach.
(Schluss.)
Die von Lehmann gemachte Beobachtung, dass Exsudate,
welche zur Eiterbildung neigen, neben Phosphaten und Kali¬
salzen immer eine sehr grosse Menge Chlornatrium mit sich
führen, während die plastischen Exsudate nur geringe Mengen
von Chlornatrium enthalten, sowie die die einfachste Form der
zellenenthaltenden Flüssigkeit, die an Chlor reiche Milch, lassen
eine innige Beziehung des Chlornatriums zur Zellenbildung ver-
muthen.
Sehen wir von der hier nicht in Betracht kommenden
Wirkung des Chlornatriums bei massenhafter localer Anwen¬
dung auf die organische Substanz, welche nicht durch Epider¬
mis geschützt ist, ab, so ergeben die bisher erörterten That-
sachen:
Vermehrter Genuss von Chlornatrium vermehrt
vorübergehend den Chlornatrium-Gehalt des Blutes
und aller Secrete, beschleunigt den Stoffwechsel, ins¬
besondere jedoch die Rückbildung der Organe, und
vermehrt das Nahrungsbedürfniss.
Das Salz, welches nächst dem Chlornatrium am umfang¬
reichsten im Elisenbrunnen enthalten (0,14 Proc.) ist das Chlor¬
calcium. Seme physiologische Wirkung ist völlig unbekannt.
Wir wissen nichts über seine Aufnahme ins Blut und über seine
Ausscheidung durch die Absonderungsorgane. Man vermuthet,
dass {es, wegen seiner Umwandlung in Chlornatrium, einen
ähnlichen Eindruck wie dieses auf den Magen ma<Jit. Es soll
leicht die Verdauung stören, die Esslust vermindern, Uebelkeit,
Druck in den Praecordien und heftigen Durchfall erzeugen.
10—15 Gramm davon sollen bei Erwachsenen Purgiren und
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
242
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 17
grössere Gaben Erbrechen, allgemeines Zittern, Ermattung,
Schwindel, Kleinheit des Pulses bewirken.
Therapeutisch ist das ClorcaHum fast ausser Gebrauch ge¬
kommen. Früher wurde es als Antiscrofulosum von Fourcroy,
James Wood, Hufeland und anderen bei nach Syphilis zurück¬
gebliebenen \ erhärtungen und Anschwellungen der Lymphdrüsen
in der Leistengegend, von Sommerveil und anderen als Diu-
reticum gerühmt.
Bei der Mangelhaftigkeit unseres Wissens über die physiolo¬
gische Wirkung des Chlorcalciums lag die Aufgabe nahe, durch
eigene Versuche zur Aufklärung derselben etwas beizutragen.
Ich machte diese Versuche zuerst im October 1876 in einem
dreiwöchentlichen Cyclus. In den ersten 7 Tagen stellte ich
den Umfang des Stoffumsatzes meines Körpers fest, bestimmte
deshalb täglich zu derselben Stunde das Gewicht meines Körpers,
ferner das der Einnahme an festen Speisen und Fluidis und
das der Ausscheidung durch Harn, Defaecation und durch Haut
und Lungen; letzteres durch vergleichende Berechnung des Ge¬
wichts der Harn- und Darm-Ausscheidung mit dem des Körpers.
Die Quantität und Qualität des Harns, seine Reaction und sein
spec. Gewicht wurden zweimal des Tages, Morgens 8 Uhr und
Abends 6 Uhr, bestimmt, und nach den bekannten Titrir-
methoden von Neubauer und Vogel auf den Harnstoff-, Harn¬
säure-, Schwefelsäure-, Phosphorsäure- und Chlor-Gehalt mit
äusserster Sorgfalt und unter Beobachtung aller Cautelen analysirt.
Lufttemperatur, Barometerstand, Windrichtung, Wetter, Be¬
finden, Beschäftigung und Hautfunction wurden dabei sorgfältig
beobachtet.
In dem unmittelbar auf die Voruntersuchungs-Periode fol¬
geren 7tägigen Zeitraum nahm ich täglich 0,5 Grm. Chlor¬
calcium und in den auf diese zweite Periode folgenden 7 Tagen
1,0 Grm. Ohlorcalcium Morgens nüchtern in einem Trinkglase
Brunnenwassers gelöst, setzte die tägliche Bestimmung meines
Körpersgewicht, der Einnahme und Ausgabe meines Körpers,
sowie das Analysiren meines Harns fort und beobachtete ein
möglichst annähernd gleiches Verhalten und gleiche Lebensweise ;
wie während der Voruntersuchung.
Nur die Bes'immung sämmtlicher fester Speisen wurde zu
lästig, und da seit langen Jahren meine Lebensweise Tag für
Tag fast eine gleiche in Bezug auf den Genuss von Gemüsen,
Brod, Zucker u. s. m. ist, so wog ich nur meine tägliche Fleisch¬
portion ab, weil der Fleischgenuss auf Harnstoff- und Harnsäure-
Ausscheidung wesentlich influirt.
Die in dieser dreiwöchentlichen Untersuchungsreihe gewon¬
nenen Resultate waren so frappant und überzeugend, dass es
einer zweiten Untersuchungreihe nicht bedürft hätte. Dennoch
zog ich es vor, eine solche von etwas längerer Dauer vorzu¬
nehmen, um der etwaigen Beschuldigung eines voreiligen Urtheils
vorzubeugen. Wegen längerer Erkrankung im Winter 1876/77
wurde es mir erst im April 1877 möglich, dieselbe auszuführen.
| Kartoffeln, Nachmittags eine Tasse Kaffee und Abends Thee
mit Brod, Butter und Fleisch.
Ich gebe in folgendem die Ergebnisse der zweiten im
| April 1877 vorgenommenen vierwöchentlichen Untersuchungen,
und zwar in berechneten Mittelwerthen, weil die Wiedergabe
der täglichen Untersuchungsergebnisse einen zu grossen Raum
beanspruchen, und die der Mittelwerthe vollständig zur Beur¬
teilung der Sache genügen.
Ich füge nun noch hinzu, dass die Ergebnisse der zweiten
Untersuchungsreihe mit den bei der ersten im October 1876
i gewonnenen der Hauptsache nach völlig identisch sind, und
dass ich 57 Jahre alt bin.
Tabelle IV.
I. Periode. Voruntersuchung.
3.—10. April 1877.
Durchschnitt!. Barometerstand: 27" 10'". Mittlere Lufttemperatur 7,5 R.
2684 Grm. Gesammt-Ausgabc: 2664 Grm.
Gesammt-
Einnahme.
Tabelle V.
II. Periode (0,5 Grm. Chlorcalcium).
10.—17. April 1877.
Durchschnitt!. Barometerstand: 27" 4'". Mittlere Lufttemperatur 7° R.
2684 Grm. Gesammt-Ausgabe: 2727 Grm.
Gesammt-
Kinnahme.
Tabelle VI.
III. Periode (1,0 Grm. Chlorcalcium).
17.—24. April 1877.
Durchnittl. Barometerstand: 28" 3"'. Mittlere Tages-Temperatur: 7,8° R.
Ich fand keine Veranlassung bei dieser zweiten Unter¬
suchungsreihe von der in der ersten befolgten Methode abzu¬
weichen, und liess auch hier wieder eine 7tägige Untersuchung
vorausgehen. In den ersten 4 Tagen bestimmte ich alle Ein¬
nahmen, feste Speisen und Fluida (nach C. C. gemessen und
umgerechnet in absolutes Gewicht) nach dem Gewicht; später
nur das täglich zu geniessende Fleisch. Dieses liess ich macro-
scopisch von dem daran haftenden Fett befreien und nahm es
theils roh, gehackt, theils schwach gebraten. Zwischen den
verschiedenen Fleischsorten, Ochsen-, Schweine- und Kalbfleisch
wurde gewechselt, jedoch vorwaltend das erstere genommen.
Zum ersten Frühstück nahm ich Thee und Weissbrod ohne
Butter, zum zweiten ein Butterbrod, zum Mittag Fleischsuppe,
Gemüse und rohes oder gebratenes Fleisch mit nur wenigen
Original from
UNIVERSITf OF MICHIGAN
29. April 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
243
Tabelle VII.
IV. Periode (1,5 Grm. Chlorcalcium).
24. April bis 1. Mai 1877.
Durchschnitt!. Barometerstand: 28" 5'". Mittlere Lufttemperatur: 8,7* R.
2759 Grm. Gesammt-Ausgabe: 2884 Grm.
Gesarnmt-
Einna.hme-
Der Geschmack des Chlorcalciums ist salzig und unan¬
genehm bitter. Brennen und überhaupt unangenehme Empfin¬
dung’ en in der Magengegend und im Unterleib traten während
der ganzen Dauer der Untersuchungen nicht ein.
Der Appetit wurde nicht gesteigert, aber auch nicht ver¬
mindert. Die Zunge blieb fortdauernd unverändert, und ebenso
boten Herzbewegung und Puls nichts vom normalen abweichen¬
des. Nur das Durstgefühl begann in der Mitte der III. Periode
sich zu steigern, und es wurde Bedürfniss durch Zuführung von
etwas mehr Wasser (75 Grm.) dasselbe zu befriedigen. Im
übrigen blieb die Zufuhr der festen Speisen während der ganzen
Untersuchungsdauer dieselbe; es machte sich auch kein Bedürf-
niss dazu geltend, vielmehr trat in der IV. Periode eine ge¬
wisse Gleichgültigkeit dagegen ein.
Das Chlorcalcium wirkt, wie die Tabellen V—-VII nach-
weisen, entschieden diuretisch. Schon in der II. Periode —
täglich 0.5 Grm. Chlorcalcium Zufuhr — steigerte sich die Harn¬
ausscheidung durchschnittlich täglich um 1,8 Grm. Diese Wir¬
kung begann erst am 4. Tage dieser Periode hervorzutreten
und steigerte sich in den folgenden Tagen. In der III. Periode
nahm sie durchschnittlich täglich noch um 29 Grm. und in der
IV., allerdings bei täglich vermehrter Zuführung von 75 Grm.
Wasser, um 60 Grm. zu.
Die Defäcatiop veränderte sich in der II. Periode, sowohl
in Bezug auf Gewicht, als auf Consistenz, nicht; in der III.
mehrte sie sich durchschnittlich täglich um 6 Grm., und in der
IV. um 19 Grm., verglichen mit der in der I. Untersuchungs-
Periode. Die Consistenz war in der IV. Periode, statt der vor¬
ausgegangenen mehr festen, eine dickbreiige. Das Chlorcalcium
wirkt mithin bei Gaben von 1.5 Grm. täglich nicht purgirend.
Die Ausscheidung durch Haut und Lungen war in der
II. Periode fast gar nicht verändert, in der III. sogar durch¬
schnittlich täglich um 13 Grm. vermindert, in der IV. jedoch
um 40 Grm. vermehrt. Diese Vermehrung ist wahrscheinlich
der höheren Lufttemperatur zuzuschreiben; die Thätigkeit der
äusseren Haut war in dieser Periode in der Schweissabsonderung
belebter.
Trotz der dinretischen Wirkung vermehrt das Chlorcal¬
cium auch die festen Bestandtheile des Harns. Das spec.
Gewicht desselben nahm stetig zu; von 1021,5 in der Vorunter¬
suchungs-Periode bis zu 1023,2 in der IV. Periode.
Die Quantität aller festen Bestandtheile des Harnes, mit
Ausnahme der Harnsäure, wurde vermehrt.
Die Harn Stoff-Ausscheidung nahm im Verlaufe der drei
täglich mehr ausgeschieden, als in der I. Voruntersuchungs-
Periode.
Demgegenüber wurde die Harnsäure stetig weniger aus¬
geschieden — durchschnittlich täglich 1,146 in der I. und 0,442
in der IV. Periode, also pro 1 Tag = 0,704 Grm. weniger.
Schwefelsäure und Chlor boten eine fast gleiche pro¬
gressive Zunahme; erstens 2,25 in der I. und 3,94 in der IV.
Periode; mithin 1,69 Zunahme; letzteres in der I. Periode 11,56,
in der IV. Periode 13,82; mithin 2,26 Grm. Zunahme.
Die Phosphor säure war in der II. und III. Periode nur
um ein sehr geringes; in der IV. jedoch um 0,79 Grm. durch¬
schnittlich täglich im Vergleich mit den Ergebnissen der Vor-
! Untersuchung vermehrt.
Die stickstoffhaltigen Körper verlassen den Organismus
| grösstentheils in der Gestalt des Harnstoffs. Harnstoff und
Schwefelsäure — die letztere ebenso wie der Harnstoff ein Pro-
! duct der Albuminate durch Oxydation des Schwefels in diesen,
und nachher die weniger kräftigen Säuren aus den alkalischen
| Salzen austreibend — nahmen zu oder ab, je nach der grösseren
! oder geringeren Menge der eingeführten eiweissartigen Körper
| (stickstoffhaltiger Nahrung), resp. entsprechend der Nahrungs¬
zufuhr je nach dem grösseren oder geringeren Umfange des
Oxydationswassers.
Harnsäure und Phosphorsäure vermehren sich im Gegentheil
bei geringerem und vermindern sich bei grösserem Umfange des
i Stoffwechsels.
Die vermehrte Ausscheidung von Harnstoff und Schwefel-
I säure und die verminderte Ausfuhr bei Harnsäure bei gleicher
! Nahrungszufuhr beweisen im vorliegenden Falle, dass das Chlor-
| calcium den Oxydationsprocess trotz seiner mässigen Dosis nicht
unbedeutend gesteigert hat.
Die Harnsäure ist eine niedrigere Oxydationsstufe des Harn¬
stoffs; bei gesteigertem Oxydationsprocess vermindert sich die
Harnsäure im Harn, weil die gesteigerte Oxydation die höhere
Oxydationsstufe in vermehrtem Umfange erzeugt. Die vermehrte
j Ausscheidung von Harnsäure berechtigt deshalb, umgekehrt
wie die des Harnstoffs, auf eine verminderte, die verminderte
Ausscheidung auf eine erhöhte Oxydation im Organismus zu
schliessen.
! Auch die Phosphorsäure (phosphorsaure Erden) verhält sich
ähnlich wie die Harnsäure; ein gesteigerter Oxydationsprocess
mindert sie im Harn; ein an Intensität geringerer vermehrt sie
Im vorliegenden Falle wurde sie, wenn auch in geringem
Grade, doch stetig vermehrt gefunden, so dass dieses mehr in
j der IV. Periode, verglichen mit deren Ausscheidung in der I.
durchschnittlich täglich 0,79 Grm. betrug.
Diese Vermehrung der Phosphorsäure und des Chlors —
letzteres durchschnittlich täglich 2,26 Grm. in der IV. Periode
mehr als in der I. Voruntersuchungsperiode bei fortdauernd
gleicher Zufuhr von festen Speisen — machen es in hohem
Grade wahrscheinlich, dass das Chlorcalcium im Körper sich
zersetzt, Chlorcalcium und phosphorsaurer Kalk daraus ent¬
standen, und die dadurch erzeugte für das Blut aussergewöhn-
liche Menge von Chlornatrium und phosphorsaurem Kalk zum
Theil mit dem Harn wieder ausgeschieden ist, ein Vorgang, wie
er bei allen dem Blute im Uebermasse zugeführten Salzen statt¬
findet, und »dass das durch Zersetzung des Chlorcalciums ent¬
standene Chlornatrium der wesentlichste Factor der im vor¬
liegenden Falle vermehrten Oxydation gewesen ist.
Allerdings hatte ich die Einnahme der Fluidea in der IV.
Untersuchungsperiode um 75 Grm. täglich wegen vermehrten
Durstgefühls vermehrt, und das Brunnenwasser, welches ich
letzten Versuchswochen stetig zu, und der Harnstoff wurde
schliesslich in der IV. Periode um 5,42 Grm. durchschnittlich
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• X V1IVV1V UU1 v»
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während der ganzen Untersuchungsdauer als Trinkwasser be¬
nutzte, ist etwas kochsalzhaltig. Aber dieser Kochsalzgehalt
Original fro-m
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 17
kann doch, wie die Tabellen nachweisen, nur von geringem Ein- j erhöhte Nahrungsbedürfuiss sich geltend zu machen. Eine vier
fluss auf die Vermehrung des Chlors im Harn in der IV. Unter¬
suchungsperiode gewesen sein; denn schon in der II. Unter¬
suchungsperiode hat sich das Chlor im Harn um 0,8, und in
der III. um 1,5 Grm. durchschnittlich täglich, verglichen mit
dessen Ausscheidung in der I. Voruntersuchungsperiode, bei
derselben gleichen Zufuhr von Fluidis vermehrt.
Dem gesteigerten Oxydationsprocesse bei gleicher Nahruugs-
zufuhr entspricht auch die stetige Abnahme des Körpergewichts.
In der VorunteTsuchungsperiode blieb sich dasselbe annähernd
gleich; in der II. Periode nahm dasselbe um 42, in der III. Pe¬
riode um 76, in der IV. um 125 Grm. durchschnittlich täglich
ab, so dass der Körper innerhalb drei Wochen 1700 Gramm
(1 7 /ie Kilo) an Gewicht verloren hatte.
Auch das körperliche Befinden wurde gegen Mitte der
IV. Periode wesentlich verändert. Das Gefühl des Angegriffen¬
seins, häufig eintretende Ermüdung und Arbeitsunlust machten
sich geltend. Wenn gleich ein Theil dieses Befindens auf Rech¬
nung der Frühjahrsluft gebracht werden konnte, so waren doch
die stetige Abnahme des Körpergewichts, das Schwinden des
Panniculus adiposus zu deutlich sich markirende Thatsachen,
welche dafür sprachen, dass in dem gesteigerten Oxydations-
process im Körper bei fortdauernd gleicher Nahrungszufuhr die
wesentliche Ursache solchen Befindens liegen müsste. Wenn¬
gleich es meine Absicht war, die Untersuchungen noch auf die
5. Woche auszudehnen, so hinderte mich doch dieses Befinden
daran.
Dass bei solch’ vermehrter Oxydation im Organismus das
Nahrungsbedürfniss sich nicht entsprechend erhöhte, ist ein Er- j
gebniss, dessen ursächliches Moment höchst wahrscheinlich in
der Quantität des Chlorcalciums und in der Form — 1,5 Grm.
in einem Trinkglase voll Brunnenwasser gelöst — lag, welche
und in welcher ich dasselbe in der IV. Untersuchungs-Periode
nahm. Allerdings wurde der Oxydationsprocess auch in der
II. bei 0,5 Grm., und in der III. bei 1,0 Grm. vermehrt (Ab¬
nahme des Körpergewichts durchschnittlich täglich 42 und
76 Grm.), und demnach nahm das Nahrungsbedürfniss nicht
zu; die Vermehrung der Oxydation nahm aber in der IV. Pe¬
riode in solchem Umfange zu (durchschnittlich tägliche Abnahme
des Körpergewichts = 125 Grm.), dass man eine Erhöhung
des Nahrungsbedürfnisses billigerweise hatte erwarten können.
Statt dessen machte sich sogar eine gewisse Gleichgültigkeit
gegen die Nahrung geltend. Wahrscheinlich war es die täg¬
liche Dosis von 1,5 Grm. Chlorcalcium, auf einmal in einem
Trinkglase voll Brunnenwasser gelöst genommen, welche meine
Verdauung, wenn auch nicht geradezu benachtheiligte, doch ver¬
langsamte. Auf mehrere Male im Verlaufe eines Tages in im¬
mer grösserer Quantität Brunnenwassers genommen, würde die ge¬
dachte Gabe wahrscheinlich das durch den vermehrten Oxyda¬
tionsprocess gleichzeitig erhöhte Nahrungsbedürfniss mehr zur
Geltung haben kommen lassen.
Der Elisenbrunnen enthält auf 1000 Grm, 1,499 Grm. Chlor¬
calcium, also dieselbe Quantität, welche ich in der IV. Periode,
nur etwa in 150 Grm. Brunnenwasser gelöst, Morgens auf ein
Mai nahm. Wenn man einen Erwachsenen täglich 1000 Grm.
Elisenbrunnen zu zwei verschiedenen Malen, Morgens und Abends,
jedes Mal in Intervallen von 15—20 Minuten zu 120—150 Grm.
trinken lässt, so ist eine solche Verordnung schon immer eine
ausnahmsweise hohe, ganz abgesehen davon, dass dieselbe Quan¬
tität Chlorcalcium in fast siebenfach diluirter Lösung ge¬
nommen wird, als ich sie nahm. Es liegt auf der Hand, dass
diese viel concentrirtere Lösung, in einer Gabe genommen, die
Verdauung längere Zeit beschäftigen musste, und dadurch ver¬
hinderte, das dem vermehrten Oxydationsprocess entsprechend
Mal am Tage verabreichte Gabe zu je 0,5 Grm. bei Erwachse¬
nen, und zu 0,03 bis 0,06 bei Kindern in reichlicher Verdünnung
wird die Verdauung nicht im geringsten verlangsamen.
Jedenfalls ist das Chlorcalcium, schon seiner viel leichteren
Löslichkeit wegen, viel leichter verdaulich als der in Soolwasser
häufig vorkommende schwefelsaure Kalk (Gyps), dessen Bekannt¬
schaft beim Trinken von Soolwasser ich früher Gelegenheit
hatte zu machen.
Fassen wir die Resultate der mit dem Chlorcalcium an-
gestellten Untersuchungen zusammen, so ergeben dieselben:
Das Chlorcalcium befördert schon in verhältniss-
mässig geringer, fortgesetzter Gabe 1) den Oxy¬
dationsprocess, besonders die Rückbildung im Kör¬
per; 2) die Diurese, und 3) verlangsamt in grösserer
concentrirter Gabe dessen Verdauung und Aufnahme
in’s Blut.
Ausser dem Chlornatrium und Chlorcalcium sind von Cblo-
ralen noch Chlorcalium zu 0,12, Chlormagnesium zu 0,21, Chlor¬
lithium zu 0,008 in 1000 Grm. des Elisenbrunnens vorhanden.
Von diesen Chloraten ist ausser dem Chlornatrium nur das
Chlorkalium, wenn auch in viel geringerer Menge als das
erstere, im Blute nachgewiesen, während in den Muskeln nach
Liebig und Hennefeld der Gehalt an Chlorkalium viel be¬
deutender ist, als der an Chlornatrium.
Therapeutisch ist das Chlorkalium fast nur noch bei Croup
und Diphtheritis in Gebrauch.
Chlormagnesium findet sich als solches nicht im Körper;
wohl aber phosphorsaure und kohlensaure Kalkerde in den
Knochen und im Schmelz der Zähne. Dasselbe ist sehr
leicht zerfliesslich und therapeutisch nicht im Gebrauch.
Das Chlorlithium ist in vielen Mineralwässern in sehr
geringer Menge vorhanden.
Von den alcalischen Erden ist der kohlensaure Kalk
im Elisenbrunnen vertreten (0,22). Der Kalk ist im Blute nun
in der Verbindung mit der Phosphorsäure als basisch phosphor¬
saurer Kalk nachgewiesen. Der kohlensaure Kalk ist in den
Knochen zu 11%, ferner in den Zähnen und im Hirnsande vor¬
handen. Wegen seiner schweren Löslichkeit wird er wahr¬
scheinlich durch das Eiweiss im Blute löslich erhalten — ist
deshalb im Blute schwer nachzuweisen — und als solcher zu
den Knochen und Zähnen übergeführt.
Der Elisenbruunen enthält eben so viel kohlensaures
| Eisenoxydul wie der Weinbrunnen zu Schwalbach.
Mit Einschluss des Eisens und Lithions sind die übrigen
festen Bestandtheile: Baryt, Brommagnesium, Jodmagnesium,
phosphorsaure Thonerde und Kieselerde in höchst geringer
Menge vorhanden.
Eisen, Thonerde und Kieselerde sind normale Be¬
standtheile des Organismus, welche diesem durch das Trinken
von Elisenbrunnen in so geringer Menge zugeführt werden, dass
man ihnen bei Berücksichtigung der durch das Chlornatrium
und das Chlorcalcium bedingten Wirkung eine besondere Ein¬
wirkung auf den Organismus nicht zuschreiben kann.
Auch von einer Wirksamkeit des Jods (0,0009 Jodmag¬
nesium in 10,000 Th. Elisenbrunnen) kann bei dem Gebrauche
des Elisenbrunnens nicht die Rede sein, wenn man nicht alles
Wissen über Jodwirkung negiren will.
Schon eher würde man dem Brom bei dem Gehalte des
Elisenbrunnens von 0,362 Brommagnesium eine Wirkung auf
den Organismus vindiciren müssen; ob aber bei der gedachten
Quantität dasselbe eine die Oxydation resp. die Resorptions-
thätigkeit fördernde Wirkung ausübt, wie solche bisher an¬
genommen ist, muss so lange verneint werden, bis diese Wir-
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29. April 1S7S.
kung des Broms überhaupt nachgewiesen ist. Ich habe wohl
bei einer täglich 2—3 Mal wiederholten und Monate lang fort¬
gesetzten Gabe von 2 — 4 Grm. Bromkali eine calmirende Wir¬
kung auf das Nervensystem, aber nicht eine in das Auge
fallende, die Oxydation befördernde Wirkung gesehen.
Die mittelst meiner Versuche im October 1876 und im April
1877 gewonnenen Resultate haben mich veranlasst, im letzten
halben Jahre das Chlorcalcium therapeutisch anzuwenden, und
zwar in 4 Fällen von Struma parenchymatosa (Str. follicularis
Virchow); in 2 Fällen von Anschwellung und Verhärtung
der Lymphdrüsen in beiden Leistengegenden, welche nach Sy¬
philis zurückgeblieben waren, in 1 Falle von Anschwellung
und Verhärtung des rechten Hodens, ebenfalls ein Residuum
von Syphilis, und schliesslich in einem Falle von Ascites, be¬
dingt durch Insufficienz der Mitralis.
Die Struma-Fälle betrafen 3 junge Frauen von 26—34 Jah¬
ren, von welchen die eine ein Mal, die anderen schon mehrere
Male geboren hatten, und einen jungen Mann von 19 Jahren;
die Hodenanschwellung einen Mann von 27 Jahren, und die
Anschwellung der Inguinal-Drüsen junge Männer von 21 und
25 Jahren. In allen Fällen waren im Winter zuvor 5—G Mo¬
nate lang alle möglichen Jodpräparate innerlich und äusserlich
ohne bemerkbaren Einfluss fortgesetzt zur Anwendung gekommen.
Ich liess die gedachten Kranken ohne Unterschied 1,0 Grm.
Chlorcalcium in 125 Grm. Wasser gelöst in 4 Absätzen täglich
nehmen, und zwei bis drei Mal täglich */,—1 Stunde lang lau¬
warme Aufschläge mit einer Chlorcalcium-Lösung (1 : 25) machen.
Die Erfolge waren ausserordentlich günstig, so dass sie mich
zur Wiederholung bestimmen.
Auch in dem Ascitesfalle bethätigte das in gleicher Weise
gereichte Chlorcalcium derartig die Diurese, dass ein bedeu¬
tender Rückgang der Wasseransammlung und eine grosse Er¬
leichterung im Befinden eintrat.
Das Chlorcalcium ist seit der Erfindung des Jods thera¬
peutisch fast ganz ausser Gebrauch gekommen und dem Jod
hintenangesetzt, während es früher bei Scrofulose, scrofulösen
Drüsenanschwellungen, rheumatischen, arthritischen und rein
entzündlichen Exsudaten, bei serösen Ergüssen u. s. w. von
den tüchtigsten Practikern auf das wärmste empfohlen wurde.
Jedenfalls verdient das therapeutische Verhalten desselben eine
wiederholte Prüfung, und diese möchte ich den Herren Collegen,
insbesondere den Herren Klinikern empfehlen.
Wir glauben in dem vorstehenden nachgewiesen zu haben,
dass I. das Chlornatrium und das Chlorcalciuro, sowohl in der
Form von Bädern als bei innerer Anwendung, den Stoffumsatz,
insbesondere die Rückbildung im Organismus entschieden be¬
fördern;
II. der Gebrauch der Kreuznacher Bäder, mit und ohne
Mutterlauge, in dieser Wirkung durch das Trinken des Elisen¬
brunnens wesentlich unterstützt wird;
III. dass Chlorcalcium, in der Form von Bädern ange¬
wendet, ein bei weitem intensiveres Reizmittel für die äussere
Haut ist als das Chlornatrium, und deshalb durch Zusatz von
Mutterlauge zu den Bädern ein bei weitem intensiverer Reiz
als durch die einfachen Soolbäder auf die äussere Haut aus¬
geübt werden kann, dessen Grenzen je nach individueller Reiz¬
barkeit der äusseren Haut und des Gesammt-Organismus sich
bestimmen;
IV. dass die Kreuznacher Bäder ihre bekannte Wirkung
in Folge ihrer reizenden Einwirkung auf die äussere Haut, ihrer
Förderung des Stoffumsatzes und insbesondere der Resorptions-
thätigkeit in den torpiden Fällen von Hautkrankheiten (Psori¬
asis, Lichen, Eczema, Acne), Scrofeln, Drüsen-Anschwellungen,
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bei parenchymatösen und freien plastischen Exsudaten, seien
diese scrofulösen, rheumatischen, arthritischen Ursprungs oder
Residuen acuter oder chronischer Entzündungen (Metritis chro¬
nica, Parametritis, Perimetritis) nicht den Spuren von Jod oder
dem geringen Gehalte von Brom (1% Brommagnesium in der
Mutterlauge), sondern wesentlich dem Clorcalcium verdanken,
welches als quantitativ umfangreichster Bestandteil der Mutter¬
lauge durch Zusatz zu den Bädern einen bei weitem inten¬
siveren Reiz als das Chlornatrium und die übrigen Chlorate
auf die äussere Haut ausübt.
IV. Verhaidlugea äntlieher Gesellschaften.
Berliner «edieinisehe Gesellschaft
Sitzung vom 21. Januar 1878.
(Schluss.)
II. Herr Sch öl er: Zur Enucleatio bulbi.
Bis zu dom Jahre 1841 (Bonnet. Annales d’oculistique 1S42,
j T. VII.) wurde Jahrhunderte, ja vielleicht Jahrtausende hindurch in
| all’ den Fällen, in welchen der Augapfel aus der Augenhöhle cnt-
j fernt werden sollte, derselbe mit allen Anhängen herausgeschnitten (Ex-
stirpatio bulbi). bis Bon net die jetzt übliche Methode der Herausschä-
! lung ersann (Enucleatio bulbi).
i Nach derselben gemäss wird der Augapfel glatt aus seiner Bekleidung
! mit thunlichster Schonung der Bindehaut, der Muskeln, wie der Ten on-
schen Kapsel herausgeschält. Bei ihr ist man somit bedacht, einen
i möglichst umfangreichen Stumpf zu erzielen. Die zu dem gleichen
; Zweck in Ausführung gebrachten Verfahren: „der Ausschneidung der
| Hornhaut mit nachfolgender Entbindung der Linse, wie eines Theiles
des Glaskörpers“ und ferner „der Abtragung der vorderen ßulbushälfte
mit dem Beer’schen Staarraesser“ (II i m 1 y, William s) fanden keine
! Verbreitung in der Praxis. Die Schuld daran trugen nicht nur die
bisweilen darauf erfolgenden lebensgefährlichen Blutungen aus den Cho-
; rioidal- und Netzhautgefässen, 1 ) sondern wohl vornehmlich der Umstand,
' dass die Anzeigen zur partiellen Entfernung des Auges mit der totalen
sich nur in den seltensten Fällen zu decken vermögen, Das gleiche
! gilt zum Theil für die von Camper und Ford 2 ) vorgeschlagene und
i von von Gräfe befürwortete „Vereiterung des Bulbus“, welche'mittelst
eines hinter der Ciliargegend durch die Scleralwände, die Augenhäute
und den Glaskörper gezogenen Faden erstrebt wurde. Auch sie ist nicht
' ungefährlich und hat gleichfalls, wie die soeben erwähnten Verfahren
ein in ihren Endausgängen unberechenbares Moment „die Schrumpfung“
im Gefolge.
Nach Arlt’s Operationslehre 3 ) sind im Einklänge mit den meisten
neueren Autoren die Anzeigen für die Enuclcation folgende:
1) Bösartige Nengebilde des Bulbus mit Ausnahme solcher in den
vorderen Abschnitten des Augapfels gelegenen, welche in ihrem vollen
- Umfange mit Schonung des Bulbus sich rein exstirpiren lassen.
2) „Staphylome der Hornhaut oder der vorderen Scleralzone mit
Amaurosis in Folge von Drucksteigerung, deren Beseitigung wegen Ent-
! Stellung gewünscht wird oder wegen Belästigung durch ihre Grösse,
durch Schmerzhaftigkeit oder durch zeitweilig im Cornealgewebe auf¬
tretende Geschwürsbildung angezeigt erscheint.“ Ferner werden die In-
dicationen für die Enucleation im Gegensatz zu von Gräfe auch auf
hintere Ectasien des Auges im gleichen Sinne ausgedehnt.
, 3) „Augen mit vermindeter Grösse, welche bereits erblindet sind,
! oder der Erblindung unaufhaltsam entgegen sehen und durch hartnäckige
' Schmerzhaftigkeit oder peinliche Photopsie belästigen oder welche, falls
| ein künstliches Auge verlangt wird, das Tragen eines solchen nicht ge-
: statten, mindestens nicht räthlich erscheinen lassen.“
j 4) Diejenigen pernieiösen Entzündungserreger, welche, wie Fremd-
1 körper, Entozoen etc. in den tieferen Gebilden des Auges Iridocyclitis
zur Folge haben. Zum Schluss reihen sich im engsten Anschlüsse an
dieselben drohende oder ausgebrochene sympathische Erkrankung des
zweiten Auges als Anzeige zur Enucleation des primär erkrankten Auges an.
Als Ge gen an zeigen für die Ausschälung sind floride Eiterungs-
processe des Bulbus (Panophthalmitis) aufzustellen. „Desgleichen lässt
sich die Herausnahme eines, wenn auch im beschränkten Grade oder
eventuell nach Tridcctomie noch sehfähigen Auges durchaus nicht recht-
fertigen, wenn, wie z. B. bei Leucoma adhärens ein weiterer Verlust an
Sehkraft nicht zu befürchten ist.“ 4 )
Nehmen wir nun von den eingangs für die Enucleation aufgestellten
Indicationen die erste aus, da, wo es sich um Entfernung von malignen
intrabulbären Tumoren handelt, bekanntlich bei Metastasen in der Nach¬
barschaft oder nach erfolgtem Durchbruch durch die Sclera selbst die
1) Cfr. St eil wag, Lehrbuch der Augenheilkunde, p. 5SS.
2) Cfr. Stell wag ibidem, p. 340.
3) v. Gräfe und Sämisch, Handbuch der gesammten Augenheil¬
kunde, Bd. II, p. 420.
4) Cfr. Arlt’s Operationsichre ibidem, (v. Gräfe und Sämisch
Handbuch der gesammten Augenheilkunde.)
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 17
Herausnahme des Auges nicht mehr genügt, sondern zur Exenteratio
orbitae geschritten werden muss, so fällt wohl jedem bald die Thatsache
auf, dass die Enucleation in ungünstigster Weise den ihr gemäss den
Indicationen supponirten Zweck überschreitet. Sie leistet zu viel und
erzielt daher zu wenig!
Drei und vier würde schon genügen, wenn man ein Mittel zur Be¬
hinderung der Fortleitung entzündlicher Reizzustände fände, welches
gleichzeitig den Schmerz im erblindeten Auge beseitigt und die Horn¬
haut insensibel macht. Bei zwei müsste zu diesen Leistungen noch die¬
jenige hinzutreten, dass entweder gleichzeitig dadurch das Auge verkleinert
würde oder jetzt durch einen besonderen Operationsact gefahrlos ver¬
kleinert werden könnte.
Allen diesen Indicationen (natürlich mit Ausnahme der ersten) würde
eine Durchschneidung der Sehnerven und aller Ciliarnerven
genügen. Schmerzhaftigkeit, Fortleitung entzündlicher Reizung (sym¬
pathisch) auf das gesunde Auge etc. hören mit einem Schlage auf, wenn
die Nervenleitung unterbrochen wird. Desgleichen kann der insensible
Bulbus stets gefahrlos, wenn er sich selbst nicht verkleinert, künstlich
verkleinert werden. Diese Operation ist bisher meines Wissens nie aus¬
geführt worden und bin ich der erste, welcher mit Hülfe derselben die
Enucleatio bulbi (mit Ausnahme der Fälle von intrabulbären, malignen
Tumoren) zu ersetzen es unternimmt.
Nachträgliche Anmerkung des Redners. (Berlin, den 27. März 1878.)
Nach Abfassung vorliegenden Vortrages und in Folge der Publi-
cation in meinem Jahresberichte bin ich von befreundeter Seite
auf die Gaz. med. 1876, p. 442—443 aufmerksam gemacht worden.
Daselbst hat A. Boucheron, ancien interne des höpitaux des Paris
folgende Mittheilung veröffentlicht:
„Note sur la section des mrfs ciliaires et du nerf optique en arriere
de Poeil, substituee ä l’enucl^ation du globe oculaire.“ Durch Versuche
von Hunden und Kaninchen hat derselbe sich überzeugt, dass nach
Durchschneidung des Ciliarnerven und des Sehnerven der Bulbus in
seiner Form erhalten bleiben kann, und schlägt daher das gleiche Ver¬
fahren auf den Menschen zu übertragen vor.
Ausgeführt hat B. dasselbe an Menschen zwar bisher
noch nicht, räth indessen auf Grundlage seiner Versuche an Leichen
zwischen M. rectus ext. und rect. sup., 1 Ctm. von der Hornhaut ent¬
fernt, mit einer nach der Fläche gebogenen Scheere einzugehen und die
Nerven zu durchschneiden. Nach Durchschneidung derselben empfiehlt
B. ferner das durchschnittene Ende durch Zug der Pincette am Bulbus
sich in der Wundöffnung zur Anschauung zu bringen. Als In di cation
für die Operation wird nur folgende aufgeführt: „Cette Operation
peut etre substituee ä l’enucleation dans tous les cas, ä moins que la
suppuration de l’oeil ne soit certaine.“
Leider habe ich diese Rectification meinem Jahresberichte nicht
mehr beifügen können. Um so mehr freut es mich, dieselbe vorliegen¬
dem Text einverleiben zu können. In der deutschen ophthalmologischen
Presse ist obiger Vorschlag Boucheron’s bisher unbeachtet geblieben,
und habe ich in der französischen keine Andeutung bisher finden
können, dass diese vorgeschlagene Operation in Frankreich jemals am
Menschen ausgeführt worden ist.
Zwar excidirte Grün ing (cfr. Arch. f. Augen- und Ohrenheilkunde
1877, p. 36) nach dem Vorbilde Knapp’s ein Myxom des Sehnerven
und, um sich Zugang zur Geschwulst zu verschaffen, mussten der Seh¬
nerv und die Ciliarnerven durchschnitten werden. Der Duichschneidung
der letzteren thut der Autor indessen nicht mal ausdrücklich Erwähnung.
Ihm schwebten von den meinigen so grundverschiedene Ziele vor, dass
er diese Thatsache als irrelevant übergehen konnte. Trotzdem zählt
der Fall Grüning’s zur Vorgeschichte der Operation, wiewohl er nicht
meine Erwägungen leitete, da derselbe erst nach Einleitung meiner Ver¬
suche publicirt wurde. Im übrigen enthalte ich mich einer eingehenden
Mittheilung desselben, da ein Theil des seltsamen Details in demselben
mehr verwirrend, als klärend wirkt und man zum Schluss nicht sicher
weiss, ob nun doch wirklich der Sehnerv plus Ciliarnerven durchschnitten
worden ist, oder nicht?
Vorbedingungen für die Ausführbarkeit des geplanten Operations¬
verfahrens ist die anatomische Thatsache, dass alle ins Auge tretenden
Ciliamerven um den Sehnerven herum in nächster Nähe desselben am
hinteren Pol die Sclera durchbohren. Ein Theil derselben verläuft auf
dem Sehnervenstamm, während es fraglich ist, ob sich ein Zweig in den¬
selben hinein senkt.
Die Eintrittsstelle derselben in den Bulbus liegt ausserhalb der
Tenon’schen Kapsel. Dass die Ciliarnerven die Schmerz- und Entzün¬
dungsreger, wie Fortleiter sind, steht sicher fest. Ob durch den Seh¬
nerven jedoch entzündliche Erregungszustände in vereinzelten Fällen
weiter geleitet werden können, bleibt, wenn gleich nicht wahrscheinlich,
so doch fraglich.
Beschreibung des CperationsVerfahrens der Neurotomia optico-ciliaris.
In tiefer Narcose, nachdem die Lider durch einen Sperrelevateur
geöffnet sind, und der Assistent den Bulbus nach innen mittelst Fixations-
pincette rotirt hat, wird mit einer nach der Fläche gebogenen Schicl-
scheere der M. rectus externus nach Eröffnung der Conjunctiva tenoto-
mirt., Darauf führe ich eine mit Catgut armirte Nadel durch die Sehne
des zurück gelagerten Muskels, dann durch die darüber gelegene Binde¬
haut hindurch. Während ich nun mit der linken Hand Bindehaut und
Muskel am Catgutfaden leicht anspannend abziehe, durchschneide ich
die Bindehaut nach oben und unten bis zu den entsprechenden geraden
Augenmuskeln hin und lockere dieselbe, mich hart an der Bulbusober¬
fläche haltend, nach rückwärts. Bin ich so bis zum Eintritt der Seh¬
nerven vorgedrungen, so führe ich eine nach der Fläche gebogene eng¬
lische Enucleationsscheere mit abgerundeter Spitze geschlossen bis zum
Sehnerven vor, öffne dieselbe und durchschneide dann vordringend die
Sehnerven mit einem Scheerenschlage. Im Momente des Durchschneidens
rücke ich von der Bulbusoberfläche ab, um einen möglichst ausgiebigen
Nervenstumpf am Augapfel zu erhalten. Ist die jetzt erfolgende Blu¬
tung stark, d. h. drängt sich der Bulbus stark nach vorne gegen die
Lider vor, so wird der Sperrelevateur rasch entfernt und das Auge so
lange mittelst eines Schwammes comprimirt, bis sich ein weiteres Vor¬
dringen desselben nicht mehr bemerkbar macht. Darauf lasse ich mir
die Lider von meinem Assistenten offen halten, rotire den Bulbus mit¬
telst Fixationspincette stark nach innen, und führe mit der rechten Hand
ein dem Schieihaken analog gearbeitetes Messer mit abgerundeter Spitze
durch die Wundöffnung in die Tiefe. Dieses Neurotom besitzt einen
biegsamen Stiel, welchem ich eine der Bulbusoberfläche entsprechende
Krümmung geben kann. In der Tiefe angelangt, überzeuge ich mich
durch excursive Bewegungen mit diesem Neurotom, dass keine Nerven¬
stränge stehen geblieben sind, und ziehe dann dasselbe aus der Wund-
öffnung hervor. 1 ) Zum Schluss constatire ich durch Betupfung mit einer
geknöpften Sonde dann, dass die Hornhaut, soweit ihr nicht Bindehaut
auf liegt, völlig anästhetisch ist. Desgleichen constatire ich, dass die
vordere Ciliargegend auf Druck nicht empfindlich geblieben ist, und lasse
das Auge durch einen strammen Verband schliessen.
War die Blutung nach der Durchschneidung des Sehnerven und der
Ciliarnerven eine mässige, so fällt die durch Entfernung des Sperrelc-
vateurs und Compression mittelst Schwamm erzeugte Pause fort, und wird
das Neurotom zur Exploration hineingeführt. Bei verkleinerten Bulbis
ist das letztere stets der Fall. Nicht die Blutung nämlich ist das, was
ich befürchte, da dieselbe mit leichter Mühe durch den Augapfel selbst
sich sistiren lässt, sondern der dadurch verursachte Exophthalmos, wel¬
cher bei vergrösserten Augäpfeln dieselben selbst vor die Lider treiben
kann, wenn obige Vorsichtsmassregeln nicht beobachtet werden.
Bei verkleinerter Bulbis, wo bei vorgeschrittenem Schwunde der
den Sehnerven umgreifende Muskelconus nicht völlig geschont werden
kann, ist diese soeben mitgetheilte Operationsmethode die einzig zulässige.
Bei vergrösserten Bulbis hingegen bin ich anfänglich anders vorgegangen.
Zwischen M. rectus externus und Rectus inferior wurde peripherer im
Abstande von 5 — 6"' von der Cornea die Eingangswunde angelegt und
darauf mit der nach der Fläche gebogenen Scheere Bindehaut wie Zell¬
gewebe bis zur Tenon’schen Kapsel gelockert. Nun wurde das Neuro-
tum eingeführt, und wurden mit demselben die Nerven durchschnitten*).
Mein Plan, aus dieser subcutancn Neurotomie eine Neurectomie ent¬
stehen zu lassen, ist bisher nicht zur Ausführung gelangt, weil mir bis¬
her ein federnder Doppelhaken, wie ich ihn brauchte, nicht angefertigt
worden ist.*)
Wenn in den Fällen drohender oder ausgebrochener sympathischer
Ophthalmie eine einfache Durchschneidung trotz des die Nervenenden
trennenden Blutcoagulum’s jemandem nicht die ausreichende Bürgschaft
gegen die Wiedervereinigung nicht nur des dicken Sehnerven, sondern
auch der zarten Ciliamerven gewährt, so dürfte sich eine Conjunctival-
sutur empfehlen. Analog der verstärkenden Sutur bei Tenotomien müsste
dieselbe in Richtung irgend eines geraden Augenmuskels angelegt werden.
Der einzelne, vorliegende Fall dürfte entsprechend der Deviation des
degenerirten Auges eine besondere Erwägung seitens des Operateurs jedes
Mal erheischen.
Bevor ich jedoch mich weiter über die Technik, wie die Zufälle bei
der Sehnerven-Ciliamerven-Durchschneidung ausspreche, sei es mir ver¬
gönnt, Ihnen, meine Herrn, einen der von mir operirten Fälle vorzustellen.
Die Gesammtzahl der neurotomirten Patienten beträgt zehn 4 ).
Die Discussion über diesen Vortrag wird auf die nächste Sitzung
verlegt.
1) Neuerdings übe ich nach Herausführung desselben mittelst Zeige-
und Mittelfinger der linken Hand einen Druck auf die äussere Lid-
commissur aus und rotire gleichzeitig den Bulbus stark nach innen.
Dadurch glückt es das durchschnittene Nervenende zu Tage zu fördern,
und wird dann der Muskel und die Conjunctivalwunde mittelst Catgut
vernäht. (Nachträgliche Zuschrift des Autor’s.)
2) Der Vortheil dieser subcutane Neurotemie besteht nur in der
Schonung aller Muskeln, ein Voi theil, welcher durch die grösseren Schwierig¬
keiten der Ausführung im Vergleiche zu dem in der Anmerkung mit-
getheilten Verfahren reichlich aufgewogen wird.
3) Nachträgliche Anmerkung des Autor’s: Seitdem ich jedoch den ob¬
genannten Modus des Vorhergehens gewählt und bewährt gefunden habe,
möchte ich den Gedanken der Neurectomie als überflüssig vorläufig bei
Seite schieben.
4) Die ausführliche Besprechung aller Fälle und ein weiter aus¬
geführtes Eingehen auf manche hier nur kurz berührte Fragen behalte
ich mir für meinen demnächst (bei II. Peters, Berlin) erscheinenden Jahres¬
bericht pro 1877 vor.
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Original from
UNIVERSETY OF MICHIGAN
29. April 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
247
V. feiilletH.
VII. Congress der Deutschen Gesellschaft für
Chirurgie.
Der VII. Congress der Deutschen Gesellschaft für Chir¬
urgie eröffnete, nachdem am Abend vorher die Begrüssung der
fremden Mitglieder in gewohnter Weise stattgefunden, am 10. April um
12 l / s Uhr unter dem Vorsitze des Herrn v. Langenbeck in der Uni¬
versitäts-Aula seine erste Sitzung. Nach Erneuerung des Bureaus, resp.
Wiederwahl des Herrn v Langenbeck zum Vorsitzenden und Erledi¬
gung einiger geschäftlicher Angelegenheiten ging die auch von Aus¬
wärtigen stark besuchte Versammlung zum ersten Gegenstände der
wissenschaftlichen Tagesordnung über, nämlich zum Vortrage des Herrn
König (Göttingen): Ueber die Methode des antiseptischen
Verfahrens bei bereits bestehender Sepsis. Als diese Methode
bezeichnete der Vortragende die übrigens bereits auch von anderen an¬
gewandte permanente oder prolongirte antiseptische Irri¬
gation oderAusspülung. Dieselbe sei namentlich bei Fascien- und
Sehnennecrose, bei nicht frischen Knochenbrüchen, nach Empyemopera-
tionen u. dgl. m. neben öfter wiederholtem Verbandwechsel vorteilhaft.
Die erkrankten Theile seien mit starker (5%) wässeriger Carbolsäure-
Lösung auszuwaschen und dann eine tropfende Irrigation mit Carbol-
oder Salicylsäure einzuleiten. Jedenfalls dürfe man mit der Carbolsäure
in starker Lösung nicht sparen. Zwar kämen daun ab und zu Erschei¬
nungen des Carbolismus vor, doch hätte er tödtliche Carboivergiftungen
dabei noch nicht gesehen.
ln der Discussion bemerkte zunächst Herr Bardeleben (Berlin),
dass er bereits seit 1872 in den von Herrn König näher bezeichneten
Fällen die Methode der Carbolsäure-Irrigation mit bestem Erfolge eulti-
vire. Eigentliche Vergiftungserscheinungen hätte er selbst bei länger
anhaltender Irrigation mit Carbolsäure nicht gesehen, obwohl die meisten
seiner Kranken dunklen Harn bekamen. Hinsichtlich des Ersatzes der
Carbolirrigationen durch solche mit Tbvmol (in der bekannten Lösung
von 1 : 1000 mit etwas Alcoholzusatz) erwähnt der Redner, dass derselbe
schon 1875 von den Stabsärzten seiner Abtheilung versucht, aber theils
des süsslicheu Geruches des Mittels, theils der durch dasselbe heran-
gelockten Fliegenschwärme wegen, aufgegeben sei. Erneute Anwendung
des Thymols im Laufe des letzten Jahres habe ihn persönlich belehrt,
dass man mit dieser ungefähr eben soweit käme, wie mit der von Carbol-
lösungen zu 1V,—2°/ 0 , weiter aber nicht. Habe das Thymol auch nicht
die unangenehmen, sogar * lähmenden“ Nebenwirkungen auf die Granu¬
lationen , so entbehre es doch der höheren antiseptischen Eigenschaften
concentriterer, speciell 5 0 / 0 -iger Carbollösungen. Auf diese wie auf die ana¬
logen Chorzinklösungen (beides ursprünglich schon von Lister ange¬
gebene Mittel) habe man sich daher — abgesehen von anderweitigen
Massnahmen — bei der Desinfection bereits septischer Theile zu be¬
schränken, und wenn er die Wahl hätte, zöge er die Carboisäurelösung
vor, weil diese als eine leichter verdunstende Substanz mehr als das
Chlorzink über das Rayon der directen Einwirkung hinaus noch zur
Geltung käme, während beim Chlorzink schon relativ früh die Schorf¬
bildung dem Effect des desinficiens Grenzen setzt.
Herr Hüter (Greifswald) hat seit 1869 die antiseptische Irrigation
erfolgreich bei septischen Wunden angewandt, was unter den erschwe¬
renden, die rechtzeitige ärztliche Hilfe bei grossen Verletzungen meist
ausseh liessenden Umständen seines Wirkungskreises besondere Hervor¬
hebung verdient, ln der Frage der Carbolsäureintoxication hält er con-
centrirtere Lösungen für harmloser wie die diluirteren. Specielle Vor¬
theile bietet die Carboisäureirrigation bei den intermusculären Vorder¬
armphlegmonen, wenn man dieselbe mit multiplen „knopflochartigen“ In-
cisionen verbindet. Die glückliche Anwendung der Garboisäureirrigation
in einem bereits 18 Stunden bestehenden Falle von Dreschmaschinen¬
verletzung der Bauchdecken bei einem Knaben, verbunden mit Prolaps
von 3 Fuss langen Darmschlingen, habe ihn zum Gebrauche des gleichen
Mittels bei Herniotomien veranlasst, und zwar mit dem Resultat,
dass Peritonitis nach gewöhnlichen Herniotomien ihm gar nicht mehr
vorkommt; vielmehr heilt die ganze Operationswunde bis auf die Stelle,
wo ein Drainagerohr liegt, durch erste Vereinigung.
Herr Küster (Berlin) hat Thymol in ausgedehntester Weise seit
d. 1. Jan. d. J. auf seine Abtheilung ein geführt, bereits aber wieder
wegen mangelnder Leistungsfähigkeit in aseptischer Beziehung verlassen.
Namentlich schreibt er 2 Todesfälle nach Laparotomien auf Rechnung
des Thymols. Ob es für kleinere Operationen wenigstens eine Zukunft
hat, erscheine schon aus dem Grunde sehr fraglich, weil die Verbände
damit ebenso tbeuer, wenn nicht theurcr als die mit Chlorzink sind.
Herr Olshausen (Halle) stimmt in seinen Erfahrungen mit dem
Thymol in Bezug auf Laparatomien, resp. Ovariotomien mit Herrn
Küster überein.
Herr Schede (Berlin) schliesst sich hinsichtlich der Erfolge der
Carboisäureirrigationen und der Unsicherheit des Thymols den Vorrednern
an; etwaige gute Resultate, die man anfänglich mit letzterem Mittel
bekomme, erklärten sich vielleicht z. Th. dadurch, dass in einem Hospi¬
tal, in dem strenge antiseptisch verbunden wurde, alle frische Wunden
keine grosse Neigung zu septischen Processen boten. Als einen neuen
Stoff hat Schede für die Zwecke der antiseptischen Irrigationen in
jüngsten Zeiten das unterschwefligsaure Natron erprobt; dasselbe kann
in 5- und mehr procentigen Lösungen ohne Gefahr einer Intoxication in
beliebigen Quantitäten verwendet werden.
Herr König (Göttingen) möchte ein Missverständnis hinsichtlich
des Gebrauches der Carbollösung beseitigen. Er habe dieselbe nur zum
Ausspülen, nicht zur dauernden Irrigation, für letztere viel¬
mehr immer nur Saiicylsäurelösung benutzt
Herr Thier sch (Leipzig) bedauert, dass niemand von denen, die
das Thymol noch vor kurzem so gerühmt, anwesend sei, um für dasselbe
einzutreten. Er selbst habe keine eigenen Erfahrungen darüber, glaube
aber, dass seine bald gute bald schlechte Wirkungsweise von seiner grossen
Flüchtigkeit resp. von der Art und Dauer seiner Conservirung vor seiner
Anwendung herrühre.
Herr Bidder (Mannheim) stimmt Herrn Küster in seinem Urtheil
über Thymol zu, empfiehlt dasselbe aber zum Auswaschen z. B. hei
jauchigen Empyemen, zumal es besser desodorisire als Carbolsäure.
Herr Schede (Berlin) glaubt die Verschiedenheit der Thymol-
Wirkung nicht auf eine Differenz in seiner Qualität schreiben zu dürfen,
da er sich ausschliesslich der Hallenser Präparate bedient.
Herr Wagner (Königshütte) hat in den letzten 8 Monaten 3 Fälle
von Empyem mit Doppelincision und Drainage nach König’schen
Grundsätzen erfolgreich behandelt; die längste Curdauer betrug dabei
8 Wochen.
Herr König erläutert seine Empyem-Behandlung des weiteren
dahin, dass er nur eine Incision macht und zwar möglichst nahe der
Wirbelsäule hart an der 8. Rippe, von der ein Stück resecirt werden
kann. In die Incisionswunde wird ein einfaches Rohr eingelegt. Dabei
ist vor zu starken und zu oft wiederholten Ausspülungen zu warnen.
Herr Schede (Berlin) macht die E rapyem-Operation immer
mit Rippenrescction. Jeden Verbandwechsel begleitet eine einmalige
Ausspülung mit Salicyl- oder Thymollösung.
Der Herr Vorsitzende, der bereite zur Zeit der Lewin’schen
Arbeit mit Thymol Versuche ohne besonderen Erfolg gemacht und
neuerdings dieselben wieder aufgenommen, hält es für ein schwächeres
Antisepticum als die Carbolsäure, empfiehlt es aber für die Kinderpraxis,
in der er die toxischen Wirkungen letzterer besonders fürchte. Freilich
müsse man dann meist auf einen völlig aseptischen Wundverlauf ver¬
zichten.
Der 2. Vortrag war der des Herrn Kocher (Bern): Ueber die
Aetiologie und Therapie acuter Entzündungen (acuterStru-
mitis und Osteomyelitis).
Der Vortragende ging davon aus, dass die sog. spontanen, acut¬
eitrigen Entzündungen in Wahrheit keine spontanen, sondern durch Ein¬
wirkung kleinster Organismen entstanden sind. Die klinische Begründung
hierfür findet er in den von ihm beobachteten Fällen acuter Osteomyelitis
und acuter Strumitis. — Die Zahl seiner Osteomyelitis-Fälle betrug
im ganzen 52, davon etwa die Hälfte von Anfang an behandelte. Es
waren dieses mit Pyärnie, mit Fettembolie, mit secundären Entzündungen
complicirte, aber auch leichtere, einfache Fälle, indem diese sich nach
K. von den „infectiösen“ Fällen (Lücke) nur durch die Localisation
unterscheiden, die inficirenden Eigenschaften letzterer überdies erst mit
der auf künstlichem oder natürlichem Wege stattgefundenen Eröffnung
zu Tage treten. Beweis hierfür ist das Thierexperiment, bei weichem es
weder auf mechanischem Wege (durch Anbohren), noch durch chemische
Einwirkungen eine Osteomyelitis zu erzeugen gelang. Sowie man aber
statt der blos chemisch reizenden Flüssigkeiten solche von septischem
Character verwandte, glückte der Versuch. Freilich dürfen die Faul¬
flüssigkeiten nicht allzu arm an Bacterien sein, da sie sonst nur als
chemische Agentien sich geltend machen; sie müssen vielmehr ausser
Sporen noch reichlich sog. Köpfehenbacterien enthalten. Mit solchen
gelingt es dann auch auf anderem Wege, als durch directe Injection in
die Knochenmarkhöhle, nämlich vom Darm aus eine micrococcenreichen
Eiter führende Osteomyelitis zu erzeugen, wofern man nämlich gleich¬
zeitig ein Trauma (Präparation der Markhöhle) auf den Knochen wirken
lässt. Dass die ätiologischen Verhältnisse bei der Entstehung der eitrigen
Osteomyelitis beim Menschen die analogen wie in diesen Thierversuchen
sind, ergiebt sich für K. aus vorstehendem ohne weiteres; doch muss
man wohl beachten, dass durch die im Verdauungscanal aufgenommenen
Fäulnisserreger verbunden mit dem localen Trauma zunächst eine ein¬
fache acute Entzündung, nicht gleichzeitig eine allgemeine Infection
herbeigeführt wird. — Genau den gleichen Vorgang supponirt K. ferner
für die Aetiologie der acuten Strumitis, von der er im ganzen
24 Fälle (darunter 6 sog. spontane, 9 nach allgemeinen Erkrankungen,
9 nach Jodinjeetion) und zwar 6 mit Gasentwickelung in den noch nicht
eröffneten Eiterheerden gesehen. Therapeutisch spricht er sich gegen
die frühzeitigen Incisionen, wie gegen die Incisionen überhaupt aus,
sondern empfiehlt sowohl bei der Strumitis, wie bei der Osteomyelitis
unter Anführung specieller Fälle die antiseptische Punction mittelst der
Pravaz’schen Spritze mit nachfolgender Carbolinjection.
Discussion. — Herr König (Göttigen) bemerkt, dass eine Arbeit
ähnlichen Inhaltes, wie der eben gehörte Vortrag, aus der Feder des
Prof. Rosenbach (Göttingen) stammend, sich unter der Presse befindet.
Herr Lücke (Strassburg), der vor der experimentell begründeten
Theorie Ko eher’s und Rosenbach’s in seiner bekannten Arbeit bereits
in Form einer bescheidenen Hypothese ausgesprochen, dass es ausser
Trauma, Erkältung u. dgl. noch etwas anderes sein müsse, was die In-
fectiosität der Knochenentzündungen bedinge, hat die Knochenerkrankung
„infectiös“ genannt, um ihre Analogie mit Typhus, Pyämie u. dgl. zu
bezeichnen. Herrn Kocher gegenüber bemerkt er, dass es sich nicht
immer ausschliesslich um eine Osteomyelitis, sondern wie er zwar nicht in
Bern, wohl aber in Strassburg gesehen, auch um eine Periostitis infectiosa
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. U
handelte, welche letztere ziemlich rein, ohne Betheiligung des Markes,
aber ebenso gefährlich wie die Entzündung dieses verlaufen könne. Auch
habe er die Microeoceen nicht immer in so grossen Massen gefunden,
wie dieses Herr Kocher behauptet. Er halte im weiteren das Krank¬
heitsbild der infectiösen Knochenentzündungen daher immer noch für
eigenthümlich genug, um es von dem der gewöhnlichen Ostitiden zu
trennen, wenn es auch mit dem der anderen secundären Herde erzeugenden
Infectionskrankheiten viel gemeinsames habe.
Herr Hüter (Greifswald): Er stelle sich hinsichtlich der Speci-
ficität auf Seiten Koch er’s, ja er glaube, dass zwischen den acuten j
Fällen von Osteomyelitis und den chronischen cariösen Knochener- i
krankungen nur graduelle Unterschiede, nicht solche in der Modalität [
der Aufnahme der krankheitserregenden Schädlichkeiten in den Orga¬
nismus bestehen. Er verweise hier auf eine bereits früher von ihm auf-
gestellte Hypothese, welche auch die Prädisposition des jugendlichen Or
ganismus für die qu. Erkrankungen erkläre, indem die im heran wachsenden
Körper stattfindende Sprossenbildung seitens der Gefässe Verzögerungen
im Blutkreislauf und dadurch stärkeres Festhalten etwaiger im Blut cir-
culirender Noxen bedinge.
Herr Kolaczek (Breslau) meint, dass es der Aufnahme von Fäulniss-
körpern durch den Darmcanal nicht in allen Fällen von Osteomyelitis
bedürfe, er schliesse aus einschlägigen Beobachtungen, dass hier die
im Blut kreisenden Bacterien ausreichen.
Herr F. Busch (Berlin) sucht unter Hinweis auf seine vielfachen
Versuche in eingehender Weise darzuthun, dass thermische, chemische
und mechanische Reize ohne Zuthun anderer Schädlichkeiten Knochen¬
entzündung der verschiedensten Formen bedingen können. Man müsse
indessen die Vorsicht gebrauchen, für Abfluss der in die Markhöhle ein¬
gespritzten Flüssigkeiten durch Anlegung eines zweiten Bohrloches zu
sorgen; dann wären selbst Faulflüssigkeiten von nur beschränkter localer
Wirkung.
Herr Schede (Berlin) erinnert, dass dem von Herrn Kocher ge¬
lieferten Nachweise einer Micrococceninfection bei der Osteomyelitis das
Factum der Nichtexistenz dieser Organismen in den vor einiger Zeit der
Berl. med. Ges. durch Friedmann und Senator mitgetheilten Fällen
gegenüberstände.
Herr Hüter (Greifswald) monirt an den Busch’sehen Knochen¬
versuchen, dass sie nicht unter Spray und antiseptischen Cautelen ge¬
macht sind. Seine eigenen nach Lister’s Principien unternommenen
Experimente, (in der Arbeit seines Schülers Hallbauer publicirt) stim¬
men ganz zu denen Kocher’s. Die Nichtexistenz von Mioroorganismen
sei ferner leichter zu behaupten, als zu beweisen, da auch innerhalb
der Eiterkörperchen Micrococcen Vorkommen.
Herr Max Wolff (Berlin) mahnt zur Skepsis in der Annahme von
Micrococcccn bei Osteomyelitis, da auch er in 2 Fällen dergleichen nicht
gefunden. (Ende der Discussion).
Den Schluss der Sitzung bildete der beinahe 1 Stunde währende,
sehr ausührliche Vortrag des Herrn Kuester (Berlin): Ueber die
giftigen Eigenschaften der Carbolsäure bei chirurgischer
Anwendung. Der Vortragende berichtet zunächst über 5 mehr oder
weniger sichere Vorkommnisse von schwerer acuter Carbolsäureintoxication
(mit f 4), welche er im Laufe von 3 Jahren von äusseren Wunden aus
gesehen. In der Literatur konnte er nur 20 analoge Fälle finden, was
wohl nicht dem wahren Sachverhalt entspricht. Es läge dieses an der
Unsicherheit der Symptomatologie, in Folge deren sich manche der¬
artige Intoxicationen unter den Namen Shock, Collaps und dergleichen
verbärgen, wie er das auch von 2 Bardeleben’schen, im letzten Köhler*-
schen Berichte referirten Fällen vermuthe. Zur Aufklärung der Sympto¬
matologie und zur Feststellung der letalen Carboisäuredosis hat K. mit
Herrn Max Marckwald eine noch nicht abgeschlossene Reihe von Thier¬
versuchen angestellt. Es ergaben sich hierbei gewisse Differenzen zwischen
Menschen und Thier (z. B. fehlen des Zitterns bei ersterem), als letale
Dosis für den Hund fand man 0,076 pCt. des Körpergewichtes, doch
werden kleine Thiere, sowie blutleere und vorher kranke Individuen re¬
lativ stärker von der Carboivergiftung befallen, als grosse und gesunde,
was völlig mit den Erfahrungen der chirurgischen Praxis beim Menschen .
übereinstimmt. Das Sonnen bürg’sehe Antidot, Glaubersalz sah K. |
nur bei leichten, nicht ganz acuten Fällen sich bewähren.
Die Discussion des verstehenden Vortrages wurde auf die nächste
Sitzung verschoben, und versparen wir uns auf unser Referat über diese
die Erwähnung von verschiedenen heut nicht berichteten Einzelheiten
aus demselben. Paul Güterbock. |
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. In Sachen des Leichenschaugesetzes hat die deutsche ,
Gesellschaft lür öffentliche Gesundheitspflege in Berlin sich mit einer I
Denkschrift an den Reichstag gewandt, in welcher sie an denselben das
Ersuchen stellt, «er wolle den Herrn Reichskanzler auffordern, jedenfalls
in der nächsten Session dem Reichstage ein Gesetz über die Einführung
der allgemeinen obligatorischen Leichenschau im deutschen Reiche vor¬
zulegen.“ Anlass zu dieser Denkschrift haben die im Anschluss an die
Interpellation der C’ollegen Thilenius und Zinn am IG. Februar d. J.
im Reichstage abgegebenen Erklärungen des Präsidenten des Reichskanzler¬
amtes gegeben, aus welchen hervorging, dass die Durchführbarkeit des
Gesetzes — nachdem dessen Vorlegung in den vorhergehenden Sessionen
als ganz sicher für die nächste Session von den Regierungscommissaren
angemeldet worden war — von der Regierung neuerdings in Frage gestellt,
und dass dasselbe noch Gegenstand der Vorbereitung im preussischen
Staatsministerium sei (vgl. d. Wochenschrift No. 8 d. J.). Anderweitig
verlautete ferner, dass die obligatorische Leichenschau nach dem neuesten
Entwürfe des Reichskanzleramts auf Städte von 5000 Einwohnern und mehr
beschränkt werden solle. Die genannte Gesellschaft ist, wie sie in der
Denkschrift ausführt, nach eingehenden Erörterungen zu der Ueberzeugung
gelangt, dass die gegen das Gesetz angeführten Einwände nicht schwer
wiegen, und dass im Gegentheil die bald möglichste Durchführung der
allgemeinen obligatorischen Leichenschau im deutschen Reiche ebenso
nothwendig, wie mit erheblichen Schwierigkeiten nicht verknüpft ist.
Der Verein weist darauf hin, dass die allgemeine Leichenschau in einer
Reihe von deutschen Staaten, besonders Baiern, Sachsen, Hessen, Baden
bereits zur Ausführung gekommen, ohne dass sich wesentliche Schwierig¬
keiten ergeben hätten; er betont ferner ganz besondere, dass die all¬
gemeine Einführung dieser Institute die Vorbedingung jedes wirklichen
Fortschrittes auf dem Gebiete der öffentlichen Gesundheitspflege sei, und
dass eine erspriessliche Thätigkeit des Reichsgesundheitsamtes wie der
Communen auf sanitärem Gebiete ihre wesentlichen Wurzeln in diesem
Gesetze habe, durch welches erst eine Erkcnntniss des öffentlichen Ge¬
sundheitszustandes und besonders möglichst schnelle Kenntnisnahme
auftauchender Epidemien und socialer Missstände ermöglicht würden. Die
Durchführbarkeit der allgemeinen — Städte wie plattes Land umfassenden
— obligatorischen Leichenschau erscheint der Gesellschaft für zweifellos:
doch wäre für die Ausführung ein gemischtes System — Leichenschau
durch Aerzte und durch Laien — zu adoptiren: in Städten bis zu
1500 Einwohnern wäre es, nach den vorliegenden statistischen Angaben
des neuesten Medicinalkalenders ohne Schwierigkeit möglich, die Leichen¬
schau obligatorisch durch Aerzte — und zwar selbstverständlich zunächst
durch die behandelnden Aerzte — vornehmen zu lassen; denn nur
17 Städte über 1500 und nur 44 Städte über 1000 Einwohner entbehren
jetzt schon eines Arztes. Für das platte Land und die kleineren Städte
wäre indess aus practischen Gründen auf die obligatorische ärztliche
Todtenschau zu verzichten, und die Todesconstatirung in die Hände nicht-
ärztlicher Todtenschauer zu legen, doch wäre bei allen behandelten
Kranken durch die Aerzte in der Wohnung der letzteren die Rubrik
Todesursache auszufüllen. Für die am meisten für die Zwecke der Hy-
gieine in Betracht kommenden Krankheiten, wie Cholera, Pocken, Typhus,
Diphtherie etc. würde auch die Diagnose durch Nichtärzte im ganzen
als zuverlässige gelten können. Die Denkschrift führt des genaueren
aus, von welchen anderweitigen sanitäriseben Vortheilen die obligatorische
Leichenschau sein würde, wie besondere dadurch die Inanspruchnahme
ärztlicher Hilfeleistung vermehrt werden würde, und namentlich die
Kindersterblichkeit in günstiger Weise beeinflusst werden könnte; sie
detaillirt ferner an den Beispielen Berlins, welches bereits seit mehr
als 50 Jahren obligatorische Leichenschau besitzt, wie gering die Kosten
für die Institution, und wie ganz und gar nicht die Gefühle der An¬
gehörigen durch die Todtenschau verletzt werden würden, ein Punkt.
5er in der Reichstagsitzung vom Präsidenten des Reichskanzleramte*
ebenfalls hervorgehoben war. Auch die Bedeutung der allgemeinen
Leichenschau als Schutz gegen das Lebendigbegrabenwerden, für die
Criminaljustiz wird hervorgehoben, und schliesslich dargethan, dass die
Einführung des Gesetzes ohne Zweifel Sache des Reiches, nicht der
Einzelstaaten sei.
— Die Privatdocenten Herr Dr. Sommerbrodt und Herr Dr.
Oscar Berger in Breslau sind zu ausserordentlichen Professoren daselbst
ernannt worden.
VI. Amtliche Mittheilangen.
Penonaiia.
Auszeichnungen: Seine Majestät der König haben Allergnädigst ge¬
ruht, dem Kreisphysikus Dr. Rosenthal in Brieg den Character als
Sanitätsrath zu verleihen. Dem Abtheilungs-Vorsteher im physiologi¬
schen Institute und Privatdocenten bei der philosophischen Faeultät
der Universität zu Berlin, Dr. med. et phil. Eugen Bau mann ist da>
Prädicat „Professor“ verliehen worden.
Anstellungen: Die Privatdocenten bei der medicinischen Faeultät der
Universität zu Breslau Dr. Sommerbrodt und Dr. Berger sind zu
ausserordentlichen Professoren in derselben Faeultät ernannt worden.
Niederlassungen: Dr. Soenderop in Labes, Arzt Klein in Stettin.
Dr. Dcttmar in Auras, Dr. Stohlinann in Dissen, Dr. Moeller in
Merzig, Dr. Volkmuth in Perl, Dr. Hisgen in Schweich.
Verzogen sind: Dr. Krau von Dramhurg nach Labes, Ober-Stabs¬
arzt Dr. Deiningcr von Berlin nach Pasewalk, Dr. Leibe von Dud-
weiler nach Speicher, Arzt Rosenberg von Losheim nach Ilildesheim,
Assistenzarzt Dr. Leimkühler von Cöln nach Saarlouis.
Apotheken-Angelegenheiten: Der Apotheker Reuland jun. hat
die väterliche Apotheke in Schweich übernommen, der Apotheker
Schöne weg die neue Apotheke in Perl eröffnet, dem Apotheker
Heise ist die Administration der Leyfcr’schen Apotheke in Kosten¬
blut übertragen worden.
Todesfälle: Dr. I nderfurth in Wickrath, Apotheker Mayer in Stettin.
Verlag und Eigenthum von August Hirschwald in Berlin. — Gedruckt bei L. Schumacher in Berlin.
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UNIVERSETY OF MICHIGAN
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tiAiÄ^n- Lei fuohii* iuifl »ii* Vla-Hiaf fozü-.dH'tutri Them-ieiu — VI. Vcrhc.m'UiJmirM myti'inhec rfusO|:.dhn.ft.»*n (Berliner mr.yli^misen-
p-xchutögisdh? W>.*,uiVch:dt — V?.rci?i für ■wi&vrnschkMlmlio Tieilkmirjc /n K..nird,< u ,f. IV«, VH, hVinii' (VH. <onjrjress -der
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1 Beiträge zur pathoiogisrhen Anatomie des Auges.
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Tat'tüutin wurde *«'f**ft •ver-htfiid*'« 1 u-ml ^Lettotiojitriie wdcheh-
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in. der Ehiiilt. Die VVuucL. heilte önd JtnfäV^ jududi mit
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hatHuu^ VrHdiel» PiitJoMtiii mehr nH 2 Mnnato lÄri^ - rnhi§
und mit ahsrd.wtef : ’ : ^hdrüirt^. ihrer . Anteil im Aj'HsitimLg a er-
tfunkelted' Ziün'ruHt;. $h hesi^ud enn grosse KeVÄhm'kirit,
Lieht, a erLnud*)« md 'm-‘.«i : .'th;.i-,chen lL<chvvrrdeu. -v*eiche :ee)t
;nirb derh ^esurulrTi Auge mittheHteu Ajii Apend. des 14. .hili*
'fUo et\v,a I Monnte ucich thu Ver).erknn^:. fuiu! ich pldldich
■ Tericnrucailttjeclirifi. des vefletvtteii Anp.*, fri.^hr Vrisrelun-AiioM
der \on der v erdeten ^Y!iechi»i ciimotioriunouer« Hordhe\>.
vpft lder Airs^t4>end eine Fällung di^ - ur>V-4vm
IriBumitltariien mit oroinuMT AUfhebniiEr dor VarderkAmmer.
■u\\i«: .irljt*icl»xuiiii£ üfiH-Uüri- Uef/uin^ des «reHunden Aup^ Am
Muiguw ihi*. roLXtnidun T«jr«*«* nulim ich lmturiirh die Fftuek^
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^z.
‘250
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 18
Dieser retrovitrinale Raum besitzt eine Tiefe von 13 Mm., eine
Höhe — entsprechend dem Aequatorialdurchmesser des Aug¬
apfels — von etwa 23 bis 24 Mm. und einen Volumeninhalt,
der grösser ist als die Hälfte des ßinnenraumes dieses schon
vor der Verletzung so ungewöhnlich grossen Angapfels. Dabei
ist die Consistenz des in seinem Volum so erheblich verringerten
Glaskörpers*) keineswegs wesentlich grösser als in einem völlig
normalen, gleicher Härtung unterworfenem Augapfel. Das Mi-
croscop zeigt natürlich, wie Sie sich an den Präparaten über¬
zeugen können, das bekannte Bild der leichten Glaskörper¬
reizung, namentlich Infiltration mit zelligen Elementen, haupt¬
sächlich rundlichen, aber auch sternförmig verästelten. Zu
bemerken ist noch, dass auch die vordere Fläche der Glas- j
körpersubstanz so eben anfängt, sich von den Zonularfasern j
abzuheben, so dass nur noch in der Gegend der Ora serrata j
auf die Längenausdehnung von einigen Millimetern ein inniger I
Zusammenhang zwischen Netzhaut und Glaskörper stattfindet.
Es sind auch Schnittpräparate von der Narbenregion unter das I
Microscop gelegt, — hauptsächlich zum Vergleich mit den .
Staarschnittnarben - Präparaten, auf die ich nachher eingehen !
Fig. 2.
in der Linse
werde, aber auch wegen ihres eigenen Interesses. Sie zeigen
(siehe Figur 2) sehr deutlich den äusseren subepithelialen Narben-
knöpf, die geringere Dehiscenz der vorderen, die stärkere der
hinteren elastischen Schicht der Hornhaut; die Einheiluug der
oberen Lefze der von einer Bindegewebsschicht bedeckten vor¬
deren Linsenkapsel sowie der unteren Hälfte der Iris in die Horn¬
hautnarbe, das breite Klaffen der vorderen Kapselwunde und,
was besonders merkwürdig ist, den Ersatz eines grossen Theiles ,
der intracapsulären Linsensubstanz durch ein hauptsächlich von j
der Iris ausgehendes ausserordentlich zellenreiches Granulations- j
gewebe, so dass man nach Analogie des Eiterstaares der Alten ]
den vorliegenden Fall als traumatischen Granulationsstaar**) !
bezeichnen könnte. Ich verzichte auf histologische Details, da
die erwähnten Befunde genügen, um für den vorliegenden Fall
das bedenkliche einer jeden intraocularen Operation, sei es
eine entspannende Iridectomie, sei es eine dem Lichteinfall
bahnbrechende Staarausziehung, auf das deutlichste zu veran- .
schaulichen. I
M. H.! Ich habe Ihnen das Präparat vorgelegt, um die |
*) Dass viol Glaskörpersubstanz bei dem Act der Verletzung vor- I
loren gegangen, ist nicht wahrscheinlich.
**) Die untere Linsenhälfte war bei der klinischen Beobachtung J
durch die Adhäsion der oberen Linsenkapsel und der Iris dem Blick
des Beobachters entzogen. Das einzige, was man so eben noch entdecken
konnte, war Andeutung einer zartröthliehen Vascularisation unterhalb
des vorderen Linsenpoles während der Verheilungsperiode. Die obere
Hälfte der Linse erschien graulich. Blähung und Austritt von Linsen-
masse in die Vorderkammer fand nicht statt.
Elast.anb.
Hornhauhpilhe]
Perforation »n a r b e
r Hornhaalepithel
f t rn.a"- EUs ( (] „ hc
Elasl.post
Vorder Kam er oben
"Linsen Kapsel
CoraciL
/ Linsinfasern*
Zonula \
’XapsefouflajKrung
Praeparaticns ^“Linson Kapsel
ücKe in der Linse
Granulationsgenrebe
Abhebung des Glaskörpers Von der Netzhaut zu erläutern.
Entdeckt ist diese Veränderung von Morgagni, der ja über¬
haupt als der Begründer einer feineren pathologischen Anatomie
des Auges anzusehen ist*). Allerdings hat er einen vortrefflich
beschriebenen Fall als Verflüssigung des hinteren Glaskörper¬
abschnittes bezeichnet, ein Name, den Sie bis über die Mitte
unseres Jahrhunderts hinaus noch in den Arbeiten eines v. Graefe
und v. Arlt wiederfinden, v. Graefe unterscheidet auf Grund
ophthalmoscopischer Beobachtungen schon im ersten Hefte seines
Archivs (I., 1., 361, a. 1854) die einfache Verflüssigung des
durchsichtigen Glaskörpers, die zur Spontanluxation der Linse
führen kann, von der flockigen Dissolutiou. v. Arlt beschreibt
in seinem klassischen Lehrbuch (III., p. 16) auf Grund genauer
anatomischer Untersuchungen von Augen, die vergrössert, mit
Staphylom behaftet sind, das Vorkommen von rein wässriger
Flüssigkeit, die sich zwischen Netzhaut und Glaskörper durch
eine Art von Hydrops e vacuo bildet, oder in welche, wie er
hinzufügt, der hintere Theil des Glaskörpers übergeht; er be¬
schreibt auch die traumatische Synchysis und den senilen
Schwund des Glaskörpergerüstes.
Die richtigere anatomische Auffassung des Zustandes als
Ablösung der Hyaloides an der Netzhaut hat H. Müller 1856
(Sitzungsber. der würzburg. phys. med. G.) gefunden, und die
Verwandtschaft des Prc-cesses mit der Ablösung der Netzhaut
von der ChoroTdes hervorgehoben. Eine sehr gründliche Arbeit
über die Ablösung des Glaskörpers von der Netzhaut verdanken
wir Herrn Prof. Iwanoff (Arch. f. Ophth., XV, 1, p. 1 — 69,
mit Abbildungen, a 1869). Derselbe fand spontane Ablösung
des Corpus vitreum in hochgradig myopischen Augen, wo der
Glaskörper nicht proportional mit der Verlängerung des Aug¬
apfels zunimmt; ferner traumatische Ablösung des Glaskörpers,
auf die Umgebung der Papilla beschränkt, nach der Altersstaar-
extraction, auch ohne dass dieselbe mit Glaskörpervorfall com-
plicirt war; sodann sehr gewöhnlich, auch bei Thierversuchen,
nach der mit Glaskörpervorfall complicirten Linsenextractiou
und bei analogen Verwundungen und geschwürigen Perfora¬
tionen; endlich durch Schrumpfung des Glaskörpers in Folge
eingedrungener Fremdkörper. Schliesslich ist im Jahre 1875
(Centralbl. f. in. W. No. 42 und Arch. Ophth. XXII, 2, 271,
a. 1876) von H. Pagenstecher die Ablösung des vorderen
Glaskörperabschnittes genauer studirt worden.
Die spontane Abhebung des Glaskörpers in einem hoch¬
gradig verlängerten, myopischen Auge mit secundärer Luxation
der Linse in die Vorderkammer, Drucksteigeru^ und Amaurose
hatte ich Ihnen im Jan. 1876 demonstrirt**). Die Linse lag
zwischen Hornhaut und Iris; der Glaskörper war hinten von
der Netzhaut vollkommen abgelöst und haftete als relativ dünne,
flockig geronnene Masse der hinteren Irisebene an; die Netz¬
haut war mit ihrer Unterlage in normalem Contact geblieben.
Heute zeige ich Ihnen noch das Präparat einer beginnenden
Schrumpfung und Abhebung des Glaskörpers durch traumatische,
von einem eingedrungenen Fremdkörper bedingte Abscedirung.
Ein 11 jähriger Knabe gelangte am 6. Nov. 1877 in meine
Klinik. Er hatte 9 Tage zuvor ein mit Kupferhütchen versehenes
Terzerol abgedrückt. Wenige Minuten nachher bemerkte er
Thränen des rechten Auges, wozu sich im Verlauf des Tages
Schmerzen gesellten, die weiterhin von Tag zu Tag Zunahmen.
*) Ich gedenke seine z. Th. noch heute recht werthvollen Befunde,
zur pathologischen Anatomie des Auges, von denen nur einzelne Ein¬
gang in die Lehrbücher gelunden, im Zusammenhang den Fachgenossen
vorzuführen.
**) Vgl. unsere Vcrhandl. (18. Januar 1876) resp. die berliner klin.
Wochenschr. 1876 No. 18 und das Arch. f. 0. XXII, 1, p. 65.
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6. Mai 1878.
251
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Bei der Aufnahme zeigte der amaurotische Bulbus Pericorneal- seitiger überreifer Catar. nigricans, bei dem (wie ich es gewöhn-
iejection, eine grosse Hornhautnarbe mit dachziegelförmig hervor- Kch bei so hochbetagten Leuten mache) nur das eine Auge zur
stehender oberer Wundlefze. Die Pupille war eng und durch Operation kam. Ich extrahirte am 4. August 1877 das rechte
eitergelbe Masse verschlossen, die Iris grünlich und stark ver- Auge nach oben, ohne Narcose. Die extrahirte Linse war 9 Mm.
dickt, der Bulbus auf Berührung ausserordentlich schmerzhaft, gross, bernsteingelb, homogen, ohne Corticalmassen. Die Heilung
An der Anwesenheit eines Fremdkörpers im Augeninnern konnte erfolgte regelmässig. Am 18. Tage nach der Operation konnte
nicht gezweifelt werden, und da der Schmerz noch am Aufnahme- i Patient mit passendem Staarglas die feinste unserer Druckschrif-
tage so erheblich zunahm, dass das Kind sich wehklagend am 1 ten lesen. (-[- 1/2 l / 4 Sn. 1V* in 8", -f- */ 4 Sn. L in 15'., S —
Boden umherwälzte, so trug ich kein Bedenken, schon am fol- | '/* bi 3 7*0 Patient, der an Prostatahypertrophie litt, bekam
genden Morgen die Enucleation des verletzten Augapfels unter sehr bald nach der Entlassung stärkere Urinbeschwerden, die
Narcose vorzunehmen. Die Heilung erfolgte in der gewöhnlichen ihn zur Aufnahme in das Königliche Clinicum veranlassten und
Weise, und das andere Auge ist natürlich gesund geblieben. daselbst seinen Tod am 30. August, also 27 Tage nach der
Den enucleirten Augapfel eröffnete ich sofort durch einen j Staaroperation herbeiführten. Herrn Dr. Sch edel, Assistenzarzt
Verticalschnitt. Von der Hornhautwunde zieht ziemlich direct : am Königlichen Clinicum, verdanke ich den operirten Augapfel,
nach hinten ein System weisser Membranen durch den Glas- den ich in Müll er’scher Flüssigkeit erhärtete und im Januar 1878
körperraum. Offenbar ist dies der Weg, auf weichem der Fremd- durch einen Verticalschnitt spaltete, von welchem die Staar-
körper den Bulbus von vorn nach hinten durchsetzt hat. Denn j schnittnarbe ungefähr in der Mitte ihres Verlaufes senkrecht
in der Fortsetzung dieses weissen Zuges findet sich dicht neben ‘ getroffen wird.
der Papilla optica eine feste Verwachsung .zwischen dem Glas- ! Vom blossen Auge erkennt man die Staarschnittnarbe als
körper und der Netzhaut; während sonst der Glaskörper, na- | eine sehr feine weissliche Linie, welche ganz im durchsichtigen
mentlich hinten, durch eine mehrere Mm. dicke Schicht wässeriger Hornhautgewebe verläuft, fast 2 Mm. unterhalb des oberen Gipfel-
Flüssigkeit von der Netzhaut abgelöst ist. Die kleinere obere Hälfte I punktes der Vorderkammer, die Hornhaut fast senkrecht gegen
des abgelösten Glaskörpers ist in eine grünliche gelatinöse, von | die Richtung ihrer Oberflächen durchsetzt und an der Innen-
einem zierlichen System weisser Membranen durchsetzte Masse ver- fläche der Hornhaut rückwärts umliegend unmittelbar in den
wandelt. Der grössere untere Theil des Glaskörpers stellt einen j Stumpf der excidirten Iris übergeht. Die intacte untere Hälfte
dicken weissgelben Abscess dar, welcher auf der Schnittfläche etwa j der Iris verläuft in der Ebene der Cornealbasis und dicht da-
den Umfang eines Haselnusskernes besitzt. In diesem Abscess 1 hinter die Linsenkapsel, die im Pupillargebiet eine glasartige,
fand ich ein aufgeschlagenes Kupferhütchen von 10 Mm. grösster ausserordentlich feine, durchsichtige Membran darstellt; im
Länge, 5 Mm. Breite und 3 Mm. grösster Dicke. Es ist ein gutes extrapupillaren Theil weisslich, aber immer noch papierdünn,
Beispiel desjenigen Stadiums der traumatischen intraocularen etwa halb so dick, wie die Iris erscheint. Von einem Crystall-
Eiterung, das sich macroscopisch, bei relativ geringerer Verän- wulst ist keine Rede. Der Glaskörper liegt der Netzhaut voll-
derung der Augenhäute im wesentlichen als Glaskörperabscess ständig an.
darstellt, aber sehr bald in Panophthalmitis überzugehen pflegt. Die genaueren topographischen und histologischen Details
Ich habe erwähnt, dass nach der Altersstaarausziehung, erkennen Sie an den Schnittpräparaten, welche ich nach der
auch bei ganz normalem Operationsverlauf, mitunter Glaskörper- alten Methode einfach mit dem Rasirmesser angefertigt und
abhebung durch die anatomische Untersuchung constatirt wird; Ihnen unter dem Microscop vorgelegt sowie auch bei schwacher
so auch in der berühmt gewordenen Abbildung eines in nor- | Vergrösserung abgebildet habe. Ich will nur von den Messungs¬
maler Weise mittelst des von Gräfe’schen Schnittes operirten resultaten hervorheben, dass die Dicke des Linsenrudimentes nur
Auges, mit welcher Prof. 0. Becker seinen Atlas der patho- 0,4 bis 0,5 Mm. beträgt, die der Hornhautnarbe 0,06 bis 0,09 Mm.
logischen Topographie des Auges eingeleitet, und welche — und dass die letztere 1,976 Mm. unterhalb der äusserten Peri-
trotzdem der Autor selber im Text das richtige angegeben — pherie der Vorderkammer verläuft. Die letztgenannte Distanz
vielleicht doch dazu beigetragen hat, dieses Vorkommniss für ist etwa noch ein Mal so gross wie in der erwähnten Abbildung
häufiger zu halten, als es in Wirklichkeit der Fall ist. Ich des Herrn Prof. 0. Becker und ungefähr ebenso gross, wie in
zeige Ihnen ein derartiges Präparat, wo der Glaskörper der Prof. v. Arlt’s Fall von Hornhautlappenextraction, welcher
Netzhaut vollkommen anliegt, und benutze die so seltene Gelegen- ebenfalls in Prof. Becker’s Atlas auf Fig. 2. Tafel III abge-
heit, Ihnen die topographischen Verhältnisse des nach der bildet ist. Somit habe ich eine anatomische Bestätigung meiner
von Gräfe’schen Methode am Altersstaar operirten und normal zunächst aus klinischer Beobachtung gewonnenen Ueberzeugung,
geheilten Auges kurz zu erläutern, zumal nur wenige Beobach- dass die neuere Modification des von Gräfe’schen Verfahrens,
tungen dieser Art (etwa 4, vergl. Becker’s vortreffliches Lehr- nicht etwa blos in meinen Händen, sondern auch in den zahl¬
buch der Krankheiten des Linsensystems p. 376 ff., No. 9, 24, reicher Fachgenossen, deren Operationen zu sehen ich auf Reisen
26, 33) bisher gesammelt werden konnten, und in unserer Gesell- Gelegenheit fand, wieder erheblich dem alten Lappenschnitt sich
schaft ein derartiger Befund wohl noch nicht demonstrirt worden I annähert, natürlich abgesehen von der begleitenden Iridectomie,
ist. Sie können an dem Präparat wieder die Erfahrung machen, I die wir immer nach von Gräfe — in der Regel gleichzeitig,
dass unsere best geheilten Fälle, welche functionell wie klinisch I mitunter vorher — ausführen. In der Mitte der Wunde fallen
ein durchaus befriedigendes Resultat liefern, in anatomischer j beide Schnittrichtungen fast zusammen. Die Wunddecken liegen
Hinsicht hinter unserem Ideal Zurückbleiben. Da jedoch nichts bei dem mödificirten von Gräfe’schen Verfahren etwas peri-
desto weniger zwei Abnormitäten, welche auf Prof. Becker’s pherer und darum weiter von der horizontalen Trennungsebene
Abbildung deutlich hervortreten — die erwähnte Abhebung des der Hornhaut entfernt, so dass nicht die halbe Hornhautperipherie,
Glaskörpers und ein ziemlich dicker Crystallwulst — in meinem sondern etwas mehr als ein Drittel Umschnitten wird. Und diese
Präparate fehlen, so kann dasselbe fast noch eher als Typus Errungenschaft der von Gräfe’schen Bestrebungen wird nach
einer normal geheilten Extraction nach von Gräfe angesehen meiner Ansicht bleiben, da selbst solche Fachgenossen, welche
werden. als Gegner des von Gräfe’schen Verfahrens auftreten, nament-
DeT Bulbus stammt von einem 78jährigen Manne mit doppel- ! lieh Warlomont in Brüssel, stillschweigend in jenen Compro-
Qriginal fra-m
UNIVERSITf OF MICHIGAN
252
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 18
miss zwischen Lappen- und Linsenschnitt gewilligt haben. Gewiss
hat von Gräfe, wie Arlt richtig hervorhebt, damit den Nagel
auf den Kopf getroffen, dass er uns das überflüssige Klaffen
des Staarschnittes vermeiden lehrte.
II. {Jeher Bleilähnug ud subacmte atrophische
Spiull&lmug Erwachseier.
(Vortrag, gehalten in der Berl. med.-psych. Gesellschaft,
Sitzung vom 5. Novbr. 1877.)
Von
Dr. Hl. Bernhardt, Docent zu Berlin.
M. H.! Die eine Kranke, welche ich Ihnen heute vorstelle,
A. Tieme, zur Zeit 49 Jahre alt, war im wesentlichen bis zum
Sommer 1868 gesund gewesen. Eine gewisse Schwäche in der
rechten Hand hatte sie bis dahin nicht besonders beachtet
und auf ihre Beschäftigung (Nähen sehr dicker Stoffe) bezogen.
Im Juli 1868 fing der linke Arm an zu zittern, das Halten
eines Tassenkopfes, eines Löffels wurde mühsam; zugleich
wurde die gesammte linke Oberextremität schwer, konnte aber
activ noch ganz gut bewegt werden. Anfangs August legte
sich die Kranke, welche keine Erscheinungen allgemeinen Un¬
wohlseins je an sich verspürt haben will, zu Bett (es hing
Wäsche in der Stube und ein Fenster soll aufgeblieben sein)
und erwachte am anderen Morgen mit einer vollkommenen
Lähmnng der gesammten linken Oberextremität. Nur wenige
Tage nachher trat auch eine sehr erhebliche Schwäche der
rechten Oberextremität ein, welche aber unter einer monate¬
lang fortgesetzten electrischen Behandlung sich sehr erheblich
besserte; auch die Lähmung der linken Oberextremität ging
zurück Es zeigte sich aber bald, dass dies nur für ein¬
zelne Muskelgruppen der Fall war, während andere dau¬
ernd gelähmt blieben und rasch abmagerten. Sowie der Zu¬
stand sich während der Jahre 1869 und 1870 (während welcher
eine electrische Behandlung statt hatte) hergestellt hatte, blieb
er bis heute (October—November 1877),^ohne dass eine
weitere Versch 1 immerung eingetreten, ohne dass andere
Muskeln weiterhin gelähmt oder atrophisch geworden wären.
Die Unterextremitäten waren von Beginn an unbetheiligt ge¬
blieben, die Urin- und Stuhlentleerung stets in normaler Weise
erfolgt, Störungen von Seiten der Psyche, der Hirnnerven nie
aufgetreten.
Die Kranke ist noch heute eine rüstige, gesund aussehende
Frau, welche, abgesehen von der Schwäche in den Oberextremi¬
täten, sich nicht für krank hält. An den Armen fällt nun
zunächst links die Schmalheit und Flachheit der linken Schulter¬
gegend gegenüber der rechten Seite auf; das Acromion tritt
deutlich hervor, zwischen demselben und dem Oberarmkopf ist
eine Rinne sichtbar, in die man bequem den Zeigefinger legen
kann. Der ganze linke Oberarm ist dünner als der rechte,
namentlich an der Beugeseite, der Vorderarm steht zum Humerus
in Hyperextensionsstellung, aus der er durch die Patientin ab¬
solut nicht in Beugung übergeführt werden kann. Giebt man
der Kranken auf, den linken Vorderarm zu beugen, so schwingt
sie den ganzen Arm in der Frontalebene im Schultergelenk
nach oben und lässt dann den Vorderarm der Schwere nach
auf den Oberarm zurückfallen. Der einmal so gebeugte Vorder¬
arm kann activ gestreckt werden. Bringt man passiv den ge¬
wöhnlich in Hyperextension zum Oberarm stehenden linken
Vorderarm in eine eben noch angedeutete Beugestellung, so ge¬
lingt es nun der Kranken mit einer grösseren Kraftanstrengung,
die Beugung selbst zu vollführen; dabei aber tritt nicht, wie
das sonst wohl bei Ausfall der eigentlichen Vorderarmbeuger
zu geschehen pflegt, der M. supinator longus vicariirend in
Function, sondern man sieht und fühlt vielmehr die Contouren
der ulnar gelegenen Hand- und Fingerbeuger (Flexor carpi
uln., Flex. dig. prof.) deutlich sich contrahiren; sie sind es,
welche die Beugung schliesslich zu Stande bringen.
Eine Supination des linken Vorderarms kommt überhaupt
nicht zu Stande; bringt man passiv denselben in eine supinirte
Stellung, so erfolgt frei die Pronation. Die Bewegungen der linken
Hand und Finger sind in jeder Beziehung frei und die hier in
Betracht kommenden tjebiete des Nv. radialis (die beiden M.
supinatores ausgenommen), ulnaris und medianus intact. Die
Hand ist zwar etwas gewölbt und die Haut des ganzen Vorder¬
arms etwas bläulich roth, aber von Oedemen, Exanthemen etc.
ist nichts zu bemerken. Es fehlt jede Atrophie der Zwischen¬
knochenmuskeln an der Hand und am Kleinfinger, resp. Daumen¬
ballen. — Der Arm kann trotz der an der linken Schulter
sichtbaren Atrophie sowohl in der Frontal- wie in der Sagittal-
| ebene gehoben und auch so gehalten werden, man sieht dann
| namentlich die Clavicularportion des linken M. deltoid. sich
contrahiren. Ebenso wird der Arm an den Brustkasten frei
adducirt, nach aussen und nach innen rotirt und nach hinten
gebracht, letzteres freilich nicht ganz so gut, wie auf der rechten
| Seite.
| Auf dieser fehlt am Oberarm jede Atrophie, die Bewe¬
gungen des Oberarms und des Vorderarms kommen frei zu
Stande (namentlich die Beugung des Vorderarms zum Oberarm,
sowie auch die Pro- und Supination), desgleichen können sämmt-
liche Beugebewegungen an Hand und Fingern gut ausgeführt
werden, und rechts so wenig wie links findet sich am Daumen¬
oder dem Kleinfingerballen oder den Mm. interossei irgend eine
; Atrophie oder Functionsbeeinträchtigung. Dagegen findet man
j auf der Streckseite des rechten Vorderarms ulnarwärts eine
entschiedene Atrophie. Die Handstreckung kommt zu Stande,
I ebenso auch die der Finger, dabei aber werden nur die basalen
| Phalangen des Daumens und Zeigefingers, nicht die der drei
| letzten Finger gestreckt, letztere bleiben auch bei starker
| Willensanstrengung in halber Beugestellung. — Die Streckung
| (und Beugung) der Mittel- und Nagelphalangen sämmtlicher
Finger rechts geht, wie bei Gesunden, ungehindert von Statten.
Hinsichtlich der Sensibilitätsstörungen empfindet Pat. nur
subjectiv ein Gefühl von Schwere, speciell im linken Arm;
gröbere, objectiv nachweisbare Störungen sind jedenfalls nicht
! vorhanden. — Was die electrische Erregbarkeit der ver¬
schiedenen Muskelgruppen an den Oberextremitäten unserer
Kranken betrifft, so ergiebt sich folgendes: Rechts sind direct
und indirect sämmtliche Muskeln zu erregen, mit einziger Aus¬
nahme des Extens. dig. communis, von dem sowohl bei in-
directer wie directer Reizung die Fasern, welche der Streckung
der Basalphalangen der drei letzten Fingern vorstehen, stumm
bleiben; schwächer als normal reagirt auch wohl der M. ex-
tensor carpi radialis, obgleich seine Contouren deutlich hervor¬
treten. Links ist vom M. delt. durch den Inductionsstrom nur
noch das sich an das Schlüsselbein ansetzende Faserbündel zu
erregen, der M. biceps, brachialis internus, die beiden M. su¬
pinatores bleiben absolut stumm; es ist fraglich, ob man
in den fettreichen Lappen, die man an der Innenseite des linken
Oberarms und an der Stelle, wo sonst der Supin. longus liegt,
fasst, überhaupt noch intacte Muskelfibrillen vorhanden sind.
Alle übrigen Muskeln am Ober-, Vorderarm und an der Hand
reagiren auf indirecte wie directe Reizung. Beim Ansatz der
einen Electrode an den Punkt, von dem man nach Erb 1 ) den
1) Erb: Uebcr eine eigentümliche Localisation von Lähmungen
im Plexus brachialis. Verhandl. des Heidelb. Naturhist.-med. Vereins
N. S. 1. 2. 1874.
Digitized by
Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
6. Mai 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
253
M. delt., biceps, brachialis int. und die Supinatoren zusammen
reizen kann (etwaige Austrittsstelle des 5. und 6. Cervicalnerven
zwischen den Mm. scalenis), ergiebt sich rechts in der That
eine deutliche Contraction der eben erwähnten Muskeln, während
dieselbe Procedur auch bei sehr hohen Stromstärken
links erfolglos bleibt. (Uebrigens sind die Mm. infraspinati
frei und erregbar.) — Ruht die Anode des constanten Stroms
im Nacken, die Kathode auf dem M. delt. (rechts an der rela¬
tiv gesunden Seite), so erfolgt bei 22 E (7 1 /,* N. A. Nadel-
ausschlag) eine schwache Kathodenschliessungszuckung, während
links bei 30 E (12 * N. A.) nur das Clavicularbündel mit einer
ziemlich raschen Zuckung antwortet, das Gros des Muskels aber
anerregt bleibt; bei 33 E (15®) zuckt das eben genannte frei
gebliebene Bündel des Deltoideus bei Anodenschluss.
Am M. biceps kommt links überhaupt keine Zuckung zu
Stande, rechts bei 13 E (27t*) Ka Sz. Von der Umschlags¬
stelle des N. radialis aus, erfolgt rechts bei 20 E (7•/,•) eine
kurze, schnelle Ka Sz im Zeigefinger und Daumen. Die Muskel¬
bündel des Extens. communis für die drei letzten rechten Fingern
sind weder direct, noch indirect zu erregen. (Kein Erfolg, auch
nicht bei 30 E (20®)). Links zucken mit Ausnahme der Mm. supin.,
die vom N. radialis innervirten Muskeln bei Reizung von der
ümschlagsstelle aus bei 20° E (10®).
Wir haben also im wesentlichen in diesem Falle vor uns
eine Lähmung und Atrophie des M. deltoideus, des
biceps und brachialis int., sowie beider M. supin. auf
der linken, und dasselbe bei einem Theil der Fasern des M.
extens. digit. communis auf der rechten Seite. Bevor ich zur
Besprechung dieses Falles übergehe, sei es mir gestattet, Ihnen
kurz noch den zweiten Kranken vorzuführen. Derselbe heisst J.
Neubilser, 29 J. alt, Maler. Er ist schon 14 Jahre in derselben
Thätigkeit und hat während der ersten 10 Jahre seines Gewerks¬
lebens, hier und da auftretende mässige Leibschmerzen ausge¬
nommen, keine auffallende Krankheit durchgemacht. Vor vier
Jahren überstand er einen längerdauernden Colikanfall, welcher
zwar das Gefühl einer gewissen Schwere in den Armen zurück-
liess, von dem sich der Kranke indessen vollkommen wieder
erholte. Ein neuer Colikanfall warf ihn im August 1877 auf
das Krankenlager: nach einigen Tagen hörten die Schmerzen
auf und machten einem relativen Wohlbefinden Platz, als, über
Nacht, sich ohne jede Betheiligung des Sensoriums eine Läh¬
mung beider Hände und Finger einstellte, wie ich sie des näheren
gleich beschreiben werde. Die Schultern und die Ober¬
arme blieben frei beweglich. Der Kranke ist ein nur
massig kräftig gebautes, eher mageres, zur Zeit bleich und
cachectisch aussehendes Individuum, mit einem auffallenden
pectus carinatum. Das Zahnfleisch ist livide und zeigt noch
deutliche Spuren schwärzlicher Ränderung (Bleirand). Patient
ist psychisch vollkommen frei, geht ohne Anstrengung umher,
zeigt von Seiten der Sinnesorgane und der anderen Hirnnerven
nichts besonderes; sein Allgemeinbefinden ist zur Zeit befriedi¬
gend, die Urin- und Stuhlexcration erfolgt unbehindert. Die
Stellung der Hände und der Finger von Kranken, welche in
Folge von Bleiintoxication eine Lähmung der Strecker der Hände
und Finger (i. e. deren Basalphalangen) sich zugezogen haben,
ist schon so oft beschrieben, dass ich hierüber mich des weiteren
nicht auslassen werde. Die Streckung des Vorderarms (Triceps-
wirkung), seine Supination ist rechts wie links frei; desgleichen
kann der Vorderarm im Ellenbogen beiderseits unter deutlichem
zu Tage treten des Contour des m. biceps gebeugt und der ganze
Arm rechts wie links nach jeder Richtung hin frei im Schulter¬
gelenk erhoben und gedreht werden. Es besteht somit, im deut¬
lichen Gegensatz zu den nicht ausführbaren Streckbewegungen
der Hände und Finger, in der Beugemuskulatur der Vorderarme
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und der gesammten Schultermuskulatur keine Lähmung. Da¬
gegen fällt eine andere Besonderheit in diesem Falle auf: es
ist nicht nur, wie das zeitweise beobachtet wird, das spatium
interosseum primum an beiden Händen eingesunken,
es besteht nicht nur, wie es gleichfalls schon beschrieben ist,
eine Atrophie beider Daumenballen, sondern beiderseits
sind 8ämmtliche Zwischenknochenräume an den Händen
vertieft, die dort liegenden Mm. interossei atrophisch und
! functionsunfähig, so dass auch bei passiv vorgenommener Dorsal-
I flexion der basalen Fingerphalangen (Ersatz der Function des
I extens. dig. communis) eine Streckung der Mittel- und Nagel-
| phalangen, sowie freie Seitenbewegungen der Finger (Function
der M. interossei) nicht zu Stande kommen. Verschmälert und
I atrophisch sind auch beiderseits die Kleinfingerballen. Augen¬
fällig liegt demnach zunächst eine Lähmung im Bereich der
Nv. radiales beiderseits vor, sowie einzelner dem Medianus-
| und Ulnarisgebiet angehörigen Muskeln. Diese an sich schon
! hinreichend interessanten Erscheinungen treten aber geradezu
j in den Hintergrund, wenn wir die Ergebnisse der electri-
i sehen Exploration der gesammten Muskeln der Oberextre-
I mitäten vornehmen. Was zunächst den Inductionsstrom
betrifft, so reagiren von den dem Gebiet des Nv. radialis an-
gehörigen Muskeln bei directer und indirecter Reizung links
I (an der weniger betroffenen Extremität) nur der extensor
| carpi ulnaris und supin. longus, aber beide sehr schwach, so
| dass ihre Contouren selbst bei starken Strömen nur eben noch
sichtbar werden; alle übrigen Muskeln bleiben stumm. Während
| ferner bei directer oder indirecter Reizung der linken Nv. ulnaris
oder medianus die Muskeln sich kräftig contrahiren, erfolgt
j die Zusammenziehung der Mm. interossei und der Thenarmuskeln
: nur sehr schwach, resp. gar nicht. Dasselbe, nur überall noch
| ausgeprägter in der Reactionslosigkeit auf Inductionsströme, ist
rechts der Fall: dort springt selbst bei stärksten StTömen der
! Contour des M. supinator longus, eines Muskels, der bekannter-
| massen in der Mehrzahl der Bleiradialislähmungen intact bleibt,
kaum hervor, und in schwachen Umrissen zeigen sich die Sehnen
der beiden extens. carp. rad. longus et brevis, ohne eine Spur
j wirklicher Locomotion zu bewirken. Man kann nicht sagen,
, dass mit Ausnahme der Unerregbarkeit oder wenigstens der
I ungemein schlechten Erregbarkeit der M. supinatores, die Re-
| sultate dieser Untersuchung besonders überraschende wären:
sie werden es aber, wenn wir sehen, wie Muskeln, welche
I ganz frei functioniren, die nach Belieben von dem
j Kranken gebraucht werden, deren Funtionsausfall nie
Gegenstand seiner Klagen gewesen, wie diese Muskeln,
I sage ich, selbst auf die stärksten Inductionsströme ent-
I weder gar nicht oder nur sehr wenig und jedenfalls viel
schwächer als dieselben Muskeln gesunder Menschen reagiren.
| Es gilt dies rechts wie links für den M. deltoideus (mit Aus-
j nähme seiner sich an den pector. major anscbliessen-
I den Clavicularportion), für den biceps und brachialis in-
■ ternus.
Hinsichtlich des constanten Stromes ergiebt sich: Am M.
deltoideus, biceps, supin. longus, an den M. extens.
manus et digitorum, erfolgen beiderseits (nur rechts noch aus¬
geprägter als links) erst bei hohen Stromstärken (30—40 El.
und einem Nadelausschlag von 10®—20°) langsam und träg,
nur bündelweise ablaufende Zuckungen; Oeffnungszuckungen
sind gar nicht, Anodenschliessungszuckungen entweder bei den¬
selben Stromstärken, wie Kathodenschliesszuckungen (mit steter
Berücksichtigung des Nadelausschlags) oder schon bei geringeren
Stromstärken zu erzielen; mit einem Worte, wir haben in den
gelähmten sowohl wie in den nicht gelähmten und nie
gelähmt ge wesenen Muskeln die ausgesprochenste »Ent-
Origiral fror 2
UNIVERSITY OF MICHIGAN
254
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. IS
artungsreaction“. Dabei zeigt sieh in betreff des linken M.
deltoideus noch die Besonderheit, dass einzelne Bündel auf den
Reiz mit kurzen, blitzartig schnellen normalen Zuckungen rea-
giren (die am meisten nach vorn, ebenso die am meisten nach
hinten gelegene Bündel), während die gerade in der Mitte liegen¬
den (in einem etwa 2 Ctm. breiten Streifen) die ausgesprochenste
Entartungsreaction zeigen. Weiterhin interessant sind die Er¬
gebnisse der electrischen Untersuchung, wenn wir es unternehmen,
von dem oben schon im ersten Falle erwähnten Punkt in der
Supraclaviculargrube aus die Muskeln deit., biceps und die su-
pinatores gemeinsam zu erregen. Es gelingt dies zunächst links
in dem Sinne, dass bei kräftigen Inductionsströmen der linke
Arm sich deutlich hebt und der Vorderarm sich beugt (Action
des M. biceps und brachialis internus), während die sonst so
deutlich hervorspringenden Supinatorumrisse kaum hervortreten;
dasselbe gilt bei Reizung mit dem constanten Strom (Anode
Nacken, Ka. am oben bezeichneten Punkt), welche normale Er¬
gebnisse (schnelle, blitzartige Zuckungen) liefert, trotzdem, wie
wir gesehen haben, einzelne Bündel der Deltoideus- und Biceps-
muskulatur bei directer Reizung Entartungsreaction zeigen. —
Rechts hat die indirecte Reizung vom Supraclavicnlarpunkt aus
sowohl für den Inductions-, wie den constanten Strom nur in
einzelnen (Clavieular-) Bündeln des Deltoideus und angedeutet
auch in einzelnen des Biceps Erfolg.
(Schluss folgt.)
III. Therapeutische ludicationeu des schwefelsaures
Eisenoxydul enthaltenden Moorbades.
Von
Dr. Jacob ln Cudowa.
Mittelst seiues schlechten Wärmeleitungsvermögeus erzeugt
das Moorbad einen Hautreiz, welcher in einer mit dem Ther¬
mometer von mir nachgewiesenen Erweiterung der Hautgefässe
einen präcisen Ausdruck findet. Die vom schwefelsauren Eisen¬
moorbade hervorgebrachte Hauthyperämie ist jedoch offenbar
auf die tieferen Hautschichten, ich meine das subcutane Zell¬
gewebe. eingeschränkt. Denn die Haut ist nicht allein blass,
sondern die Lederhaut ist auch grössteutheils geschrumpft und
in Falten gelegt, eine im Gegensatz zu der Wirkung der übrigen
hautreizenden Bäder befindliche Erscheinung, welche ich nur
aus der Anwesenheit des ja auch die Gefässe der Schleimhäute
verengenden schwefelsauren Eisenoxyduls zu erklären vermag.
Bezeichnen wir die für das schwefelsaure Eisenmoorbad
mittelst des Thermometers gefundene Grösse des die Haut¬
gefässe erweiternden Reizes mit 1, so ist dieselbe, wie ich durch
experimentellen Vergleich festgestellt habe, für das 5% Salz¬
bad gleich 2, für das kohlensaure Wasserbad von der Stärke
Cudowas gleich 3. Es wirkt also bei gleicher Dauer des Bades
und sonstigen gleichen Bedingungen das 5% Salzbad zweimal,
das kohlensaure Wasserbad Cudowas dreimal so stark als das
schwefelsaure Eisenmoorbad.
Ist die Steigerung der Functionen der sensitiven Nerven
der Haut, welche das Kochsalz- uud kohlensaure Bad bewirken,
auch für das Moorbad noch nicht erwiesen, so ist sie doch
nach der an jenen Bädern gewonnenen Erfahrung eine von der
Hauthyperämie untrennbare Erscheinung des Hautreizes, und
wird wahrscheinlich von den drei Bäderarten in demselben
Masse hervorgerufen wie die Hauthyperämie.
Mit der Zuerkennung der wesentlichsten Eigenschaften des
Hautreizes tritt das Moorbad überhaupt unter den seiner Be¬
sonderheit entsprechenden Modificationen in alle Rechte der
übrigen hautreizenden Bäder. Es ist demnach wie diese ein
Roborans, Antiphlogisticum und Antiparalyticum.
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Als Roborans, um den Begriff zu umschreiben, erhöht es
die Energie der Lebensthätigkeit, indem es entweder abkühlend,
die Wärmeproductiou erhöht, oder bei Nichtveränderung der
Wärmeökonomie nur auf die Nerven und mittelst derselben
wirkt, oder indem es erwärmend, dem herabgekommenen, nur
dürftig Wärme producirenden die zur normalen Vegetation
fehlende Wärme ersetzt. Als Antiphlogisticum entzieht es einer¬
seits dem internen Entzündungsherde, indem es das von Blut
überfüllte innere Organ auf Kosten der Haut von Blut entleert,
die Nahrung, namentlich wenn es in massigen Grenzen ange¬
wendet wird, die Temperatur des Organismus abkühlt und so
den Gesammtkreislauf nicht beschleunigt; andererseits vermag
es Entzündungsformen, welche sich durch Induration, Stockung
des Blutumlaufs, Mangel an Blutzufuhr, überhaupt an Lebens¬
thätigkeit characterisiren, zu raschem Abschluss zu bringen,
indem es durch intensiven Gebrauch oder durch Erhöhung der
Körperwärme den Blutkreislauf im Krankheitsherde belebt. Anti¬
paralytisch wirkt es theils durch Antiphlogose, wenn die Para¬
lyse bz. Anästhesie auf Entzündung beruht, theils durch Er¬
höhung der Function der Nerven und Muskeln, indem es entweder
die Wärme und damit die Lebensthätigkeit der gelähmten Organe
direct erhöht, oder indem es die Hautnerven und durch diese
auf dem Wege des Reflexes die motorischen Nerven uud Muskeln
erregt.
Wenn es also mit den übrigen hautreizenden Bädern auch
im allgemeinen die Indicationen tkeilt, so erwirbt es doch eine
besondere Stellung als schlechter Wärmeleiter. Es entzieht dem
badenden langsam Wärme und führt sie ihm ebenso langsam
zu, es vermag in differenten Temperaturen auf die Haut zu
wirken, ohne den Körper in schädlichem Grade abzukühlen oder
zu erhitzen. Nachdem es die Achseltemperatur in den ersten
10—15 Minuten auf einen bestimmten Grad gebracht hat, er¬
hält es dieselbe während der übrigen Zeit einer Stunde nahezu
constant, bringt also in kurzem den Körper auf ein in einem
höheren oder niederen constanten Grade der Innenwärme sich
ausdrückendes und so verändertes Wärmegleichgewicht, d. h.
Gleichgewicht zwischen Production und Ausgabe. Bei einstün-
diger Dauer des Bades von 31,8—38,2° C. überschreitet indess
die Achseltemperatur nach oben wie unten nicht die Grenze
des normalen.
Milde des Hautreizes und der Wärmewirkung, wie die da¬
durch ermöglichte lange Dauer des Bades sind also Eigen-
thümlichkeiten des Moorbades gegenüber den hautreizenden
Wasserbädern von differenter Temperatur. Es ist diesen gegen¬
über ein schonenderes Heilverfahren, welches durch Extensität
zu ersetzen vermag, was ihm an Intensität in der Zeiteinheit
gebricht, aber dennoch mit den feurigeren Gefährten meist in
gleicher Zeit am Ziele der Heilung anlangt.
Durch das Fe 0 SO,, welchem physiologische und thera-
| peutische Erfahrungen eine die Haut adstringirende Wirkung, eine
Verminderung der Hautsecretion und damit eine Schonung des
Stoffwechsels zusprechen, steht das Eisenmoorbad an der Spitze
der schonend roborirenden Bäder.
Wenn es gilt, mit der Application des Hautreizes eine Er¬
höhung der Temperatur des Körpers zu verbinden, den Blut¬
lauf zu beleben, indurirte Exsudate zu erweichen, resorbiren,
organisiren, so sind die Moorbäder allen anderen hautreizenden
Bädern vorzuziehen; wenn es sich darum handelt, zugleich
mit der Einwirkung des Hautreizes die Temperatur des badenden
herabzusetzen, den Blutlauf zu verlangsamen, örtliche Hyper¬
ämie zu bekämpfen, congestive Entzündungen zu heilen, so sind
die hautreizenden Wasserbäder, und zwar die schwächer er¬
regenden, die Salzbäder und die Kaltwassercur besonders am
Platze. Die kohlensauren Bäder haben ihre Hauptindication in
Original from
UNIVERSITT OFMICHSGAN
G. Mai 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
25>
der energischen Anregung der vitalen Fnnctionen, besonders
deijenigen des Nervensystems.
Wenn nun auch die chronische Entzündung aller Ein¬
geweide, der serösen und Schleimhäute, der Knochen, der Ge¬
lenke, der Muskeln und Nerven, sowie deren Lähmungen die
Indicationen des Moorbades im allgemeinen bilden, so hat doch
das Fe 0 S0 8 haltende einen specifischen Ruf in den Sexual¬
krankheiten der Frauen. Carteilieri vindicirt ihm Leukorrhoe,
Anomalien der Mepses, Sterilität, Neigung zu Abort, Senkung
und Knickung des Uterus. In dieser Allgemeinheit hat jedoch
die Stellung der Indicationen wenig Werth. Sie muss vielmehr,
abgesehen von der Leukorrhoe, den Zusatz erhalten: sobald
örtliche Anämie und Erschlaffung oder Entzündung, besonders
entzündliche Anschwellung diesen Anomalien zu Grunde liegt.
Ich füge den Car teil ieri’schen Indicationen hinzu die chro¬
nische Metritis, Paraperimetritis, Oophoritis, die Anschwellung,
den Catarrh, die Erosio, das Ulcus papillare seu hypertrophicum
des Cervix.
Dr. Hamburger hat darauf aufmerksamm gemacht, dass
nach dem Gebrauch der schwefelsauren Eisenmoorbäder eine
gewisse Rauhigkeit der Vagina eintrete. Ich habe dem hinzu
gefügt, dass die im Moorbade vorhandene etwa 1% Lösung
von Fe 0 SO a offenbar in die Vagina eindringe und jene Er¬
scheinung bewirke. Nachdem ich mich öfter vergeblich bemüht
hatte, mit dem geölten Finger die Angabe Hamburger’s zu
bestätigen, gelang mir dies aus begreiflichen Gründen ohne Ver¬
mittlung des Oels. Ich constatirte ferner nicht allein die Rauhig¬
keit, sondern bemerkte mittelst des Fingers und des Speculum,
dass die Schleimhaut der Vagina und des Cervix mit einer
Moorschicht überzogen war, ja ich fand znweilen ein kleines
Moorlager im hinteren Scheidengewölbe. Da meist auch der
Vorhof der Scheide mit Moorbrei gefüllt war, so lag der Ge¬
danke nahe, dass der Moor mittelst des untersuchenden Fingers
oder Speculum in das Innere hineingeschoben sein könne; ich
reinigte daher den Vorhof aufs sorgfältigste mit Watte und
erhob dadurch meine Beobachtung über jeden Zweifel. Das
Auswaschen des Vorhofs, welches die Frauen in dem auf das
Moorbad folgenden Reinigungsbade meist mit Energie bewerk¬
stelligen, genügt auch meistens, den Moor aus der Scheide zu
spülen und seine Wahrnehmung zu verhindern.
Die Wirkung des Moors auf die Schleimhaut ist derjenigen
ähnlich, welche er auf die Haut ausübt, nur weit intensiver.
Die Schleimhaut ist geschrumpft, oft in Falten gelegt, die Scheide
verengt, das Aussehen grau bis weiss, dasjenige grosser Blut¬
leere. Der Cervix ist an diesen Wirkungen natürlich betheiligt.
Dieselben werden durch ,A U8S Pulen der Scheide mit Wasser
zum grossen Theile aufgehoben. Diese Wahrnehmung ist leicht
begreiflich, wenn man sich erinnert, dass das hier in Frage
kommende Adstringens, das FeOSO s , mit dem Eiweiss, also
auch dem des Secrets und des Gewebes der Scheide in Wasser
lösliche Verbindungen eingeht und also von der Oberfläche der
Schleimhaut leicht weggeschwemmt und ans den oberflächlichen
Schichten des Gewebes, in welche es eingedrungen, ausgelaugt
werden kann.
Die rasche Sistirung des schleimigen oder eitrigen Fluor
vaginae, welche das Moorbad oft hervorbringt, sowie die gleiche
Verringerung des zähen glasigen Secrets des Cervix ist aus
der örtlichen Einwirkung des Fe 0 SO g leicht erklärbar. Selbst¬
verständlich tritt die definitive Heilung erst nach wochen- und
monatelanger Einwirkung ein; bei vorzeitigem Abbruch der Cur
tritt sofortiges Recidiv ein. Am überraschendsten von den lo¬
calen Wirkungen des Moors war mir die Heilung stark granu-
lirter Geschwüre des Cervix, welche in einem Falle Jahre lang
anderweitiger Behandlung widerstanden hatten, und die Ver¬
kleinerung des intumescirten Cervix. Wenn auch letztere zum
Theil, wie diejenige des vergrösserten Corpus uteri ganz und
gar, der ableitenden und resorbirenden Wirkung des Bades zu¬
geschrieben werden kann, so gewiss doch nicht die Schrumpfung
j und Uebernarbung üppiger Granulationen des Cervix. Diese
Heilungen waren vielmehr, theils zufällig, theils absichtlich,
j unter Bedingungen herbei geführt worden, welche eine örtliche
. Einwirkung des Moors am intensivsten gestalten musste,
j Das Eindringen des Moorbreis oder der schwefelsauren Eisen¬
lösung in die Vagina wird begünstigt durch Schlaffheit und
| Weite der Vagina und ihres Introitus, sowie dadurch dass Pa¬
tientin mit flectirten und möglichst abducirten Oberschenkeln
im Bade mehr liegt als sitzt. Das rasche Abfliessen und Aus¬
laugen des in die Vagina eingedrungenen Moors oder des ge¬
lösten Fe 0 SO g wird am zweckmässigsten dadurch verhindert
; oder aufgehalten, dass Patientin in dem aufs Moorbad folgen-
| den Reinigungsbade mit geschlossenen oder gekreuzten Ober-
j schenkein liegt und den Vorhof nicht auswäscht. Ferner darf,
wenn es auf unmittelbare Beeinflussung der Vagina und des
| Cervix hauptsächlich ankommt, an den zwischen zwei Moor¬
bädern liegenden Tagen kein anderes Bad, geschweige eine
Vaginaldouche genommen werden.
Ueber die von Carteilieri aufgestellten Indicationen des
Moorbades für Prolapsus und Flexio uteri besitze ieh keine Er¬
fahrungen; zweifle indess nicht, dass Prolapsus vaginae und
Descensus uteri als Folge der Schlaffheit der Vagina durch
locale Einwirkung des Moors auf diese Besserung und Heilung
erfahren können. Senkungen, Wendungen und Knickungen des
Uterus, welche auf entzündlicher Vergrösserung des Volumens
und der Schwere dieses Organes beruhen, werden weniger von
j der Vagina und Cervix direct treffenden, als vielmehr von der
an der Haut angreifenden entzündungswidrigen Wirkung des
; Moorbades geheilt werden. Diesen Erfolg muss es mit den
! anderen, die Grösse und Schwere des Uterus vermindernden
Heilverfahren theilen.
IV. Ueber eiie verschluckte Oberkieferplatte ait
3 künstlichen Zähnen.
Von
Dr. Seltsten,
Assistenzarzt im 1. Thüringischen Infanterie-Regiment No. 31.
Am 29. Juli 1877 ging der inneren Station des Gamison-
Lazarethes Hamburg-Altona der Gefreite Hettenhausen vom
, 2. hanseatischen Infanterie-Regiment No. 76 als Patient zu.
I Derselbe machte über sein Leiden folgende Angaben. In der
[ Nacht vom 27. zum 28. Juli erwachte er gegen Morgen
mit Schmerzen im Halse, während er gleichzeitig das Gefühl
| hatte, als ob ihm der Hals »zugeschwollen” sei. Dabei ver-
j spürte er Athemnoth und musste etwas husten. Letzteres und
| Schluckbewegungen waren dem Kranken sehr schmerzhaft. Pat.
I konnte nur flüssige Sachen und etwas aufgeweichte Semmel
gemessen. Er meldete sich deshalb gleich am Morgen des 2Ssten
' krank und wurde dem Lazareth überwiesen. Die erwähnten
i Schmerzen, sowie die heisere Stimme des Patienten veranlassten
I mich, denselben Nachmittag laryngoscopisch zu untersuchen.
| Die Untersuchung, resp. die dabei nöthige Kopfhaltung, das
weite Oeffnen des Mundes und das Herausstecken der Zunge
waren Bewegungen, die dem Patienten sehr schmerzhaft waren.
Sie sowohl als auch die durch den Reiz des eingeführten
Spiegels ausgelösten Reflexbewegungen erschwerten die Unter¬
suchung in hohem Masse. Indessen gelang es mir, hinter dem
Bilde der Stimmritze solches von drei wunderschönen Schneide¬
zähnen zu entdecken, welche die Stimmritze von hinten her,
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Gck igle
Origiral frei
UNIVERSITY OF MICHIGAN
256
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 18
schräg gegen letztere geneigt, überragten. Im hohen Grade er¬
staunt darüber, untersuchte ich jetzt die Mundhöhle des Patienten
genauer, und machte dabei die Entdeckung, dass dem Patienten
die beiden inneren oberen Schneidezähne und der rechte äussere
obere Schneidezahn fehlten. Jetzt argwöhnte ich sogleich, dass
Pat. falsche Zähne getragen und dieselben verschluckt habe. Auf
Befragen gab Pat. auch sofort zu, dass er eine Gaumenplatte mit
drei Zähnen getragen hätte, dass er aber seit jener Nacht, wo er
erkrankt sei, dieselbe vermisse. Er hätte die Platte am anderen
Morgen im Bett u. s. w. gesucht, habe dieselbe aber nicht
finden können, und sei ihm das Verschwinden derselben räthsel-
haft geblieben. Daran, dass er dieselbe verschluckt haben
könnte, dachte er gar nicht.
Bei der Palpation der Rachenhöhle konnte ich eben die
Zähne erreichen. Behufs Extraction fasste ich dieselben unter
Leitung des linken Zeigefingers mit einer Kornzange, welche
indessen zweimal abglitt. 'Nur allmälig unter leicht pendelnden
Bewegungen konnte ich die Extraction vollführen. Während der
Extraction gerieth Pat. in lebhafte Würgbewegungen und grosse
Athemnoth, so dass er ganz dunkelroth wurde. Nach vollendeter
Extraction entleerte er viel Schleim und Speichel; letzterer war
blutig gefärbt. Die Nachbehandlung bestand in Application
von Kaltwassercompressen auf die Halsgegend und im Ver¬
schlucken von Eispillen. Nach drei Tagen verlor sich die
Heiserkeit. Nach sechs Tagen war jede Spur von Schmerz be¬
seitigt, und Pat. konnte als geheilt entlassen werden.
Irgend welche bedeutende Läsionen der Pharynx oder Oeso-
phaguswand konnte die Platte, resp. die Extraction derselben
nicht gemacht haben, wenngleich ich zugestehen muss, dass die
auch später ziemlich schwierige laryngoscopische Untersuchung
keine ganz genügende zu nennen ist. Indessen kann ich mit
Bestimmtheit aussagen, dass irgend welche Abnormitäten am
Aditus laryngis nicht nachweisbar waren, während eine sorg¬
fältige Inspection des Pharynx nicht möglich war. Das Fehlen
weiterer Symptome in der Folgezeit bestätigt obige Annahme
nur. Erst vor kurzem sah ich Pat. wieder; derselbe befindet
sich ganz wohl, hat indessen Veranlassung genommen, sich eine
neue Platte machen zu lassen.
Die extrabirte Platte bestand aus Hartkautschuk, repräsen-
tirte ungefähr eine Viertelkugelfläche, hatte einen Umfang von
13 Cm., eine Länge von 3,2 Cm.; die grösste Breite (hinten)
betrug 3,7 Cm., die kleinste Breite (vorn) 2,5 Cm., an letzterer
sassen drei künstliche Zähne, welche, wie schon bemerkt, die
fehlenden beiden inneren sowie den rechten äusseren Schneide¬
zahn des Oberkiefers ersetzten. Der Krümmungsradius betrug
hinten, da wo die höchste Wölbung war, 2 Cm. An ihren Rändern
hatte die Platte auf der rechten Seite vier, auf der linken Seite
fünf dicht aneinander stossende halbkreisförmige Ausschnitte, be¬
hufs Stütze an den übrigen Oberkieferzähnen. Die Enden der kleinen
Halbbögen waren ziemlich spitz; sie erklären das auffallende
Festsitzen der Platte. Die früher einmal in der Mitte etwa quer
durchbrochene Platte war durch sechs seidene Kopfnähte wieder
vereinigt worden. Die oben auf der Platte angebrachte Saug¬
kammer war indessen dadurch nicht verletzt worden. Pat. macht
hierzu folgende Angaben. Als Knabe von 13 Jahren verlor er
durch einen Fall die drei genannten Schneidezähne. Sein Vater
liess ihm darauf durch einen Zahnkünstler die oben beschriebene
Platte anfertigen. Vor einem halben Jahre etwa brach die
Platte beim Durchbeissen eines Apfels quer durch, wurde in¬
dessen durch einen Zahnkünstler in der erwähnten Weise wieder
vereinigt. In Folge dieses Umstandes, noch mehr in Folge des
durch das fernere Wachsthum veränderten Oberkiefergewölbes
hat die Platte in letzter Zeit ziemlich lose gesessen, ohne dass
sie aber beim Essen und Trinken jemals dislocirt worden wäre.
Auf welche Weise es sich nun zugetragen hat, dass die Platte
| in jener Nacht gerade sehr lose geworden ist, speciell die Ur¬
sache, welche den Pat. veranlasste, die Platte zu verschlucken,
konnte selbstverständlich nicht eruirt werden, da Pat. überhaupt
keine Ahnung davon hatte, dass er die Platte noch bei sich
beherbergte. Dieses Factum erscheint um so räthselhafter, als
Pat. ein ziemlich intelligenter Mensch ist. Trunkenheit zu jener
Zeit wird von ihm entschieden in Abrede gestellt.
Thatsächlich also ist die Platte vom Pat. im Schlafe ver¬
schluckt worden und quer hinter dem Kehlkopf im Rachen, und
| zwar in den Sinus pyriformes, stecken geblieben. Dieselbe ist
| einfach in der Weise, wie sie am Gaumen gelegen, nach hinten
und unten dislocirt worden. Dafür spricht ausser dem Spiegel¬
befunde auch der Umstand, dass man bei der Palpation nur die
an der Platte befindlichen Zähne fühlen konnte. Einer Passage
bis zu den genannten Sinus konnte bei der Weite des Weges
nach dort nichts hinderlich sein, um so weniger als sich die
, Platte im denkbar günstigen Verhältnisse zu dem gewölbten
i Wege befand, insofern als ihre Krümmung der des Zungen-
i rückens etwa entsprach. An der Uebergangsstelle des Schlund¬
kopfes in die Speiseröhre wurde ihrer weiteren Wanderung durch
| die Enge der letzteren, sowie durch die an den Rändern der
I Platte befindlichen Zacken ein Ziel gesetzt.
| Ein Fall, wo, wie in dem eben mitgetheilten, die Extraction
unter immerhin schwierigen Verhältnissen so glücklich von statten
i ging, dürfte wohl um so günstiger genannt werden, als König
| in dem Pitha-Billroth’schen Handbuche in ähnlichen Fällen
vorschreibt, nicht lange zu zögern, sondern zur Pharyngotomie
■ zu schreiten.
V. Referate.
j Ueber die Veränderungen kleiner Gefässe bei Morbus
| Brightii und die darauf bezüglichen Theorien,
j ln einer grossen Beobachtungsreihe hat Ewald (Virchow’s Archiv
| Bd. LXX1, Heft 4) die Angaben englischer Autoren über die Erkrankung
| der kleinen Gefässe bei Nierenentzündung, welche in Deutschland ver-
I haltnissmässig zu wenig Beobachtung bisher gefunden haben, einer ein¬
gehenden Prüfung unterworfen. Vor mehr als 10 Jahren hatte G. John-
| son eine Reihe von Beobachtungen von Nierenerkrankungen veröffentlicht,
nach welchen in allen denjenigen Fällen wo Hypertrophie des Heizens
gleichzeitig vorhanden war, nicht nur die Muscularis der Nierengvfässe.
sondern die contractilen Elemente und die Muskelschicht der kleinsten
Gefässe des ganzen Körpers auffällig verdickt und die Lichtung derselben
verengt sein sollte. Johnson erklärte das zu stände kommen der
Hypertrophie des Herzens und der Gefässe bei Nierenerkrankungen in
der Weise, dass das mit Excretionsproducten überladenen Blut die Ge¬
fässe gleichsam durch einen Selbststcuerungsprocess, welcher den Zufluss
des kranken Blutes zu den Geweben herabsetze, unter Einfluss der Vaso¬
motoren zu dauernder Contraction, die schliesslich eine Hypertrophie der
Muscularis zu Stande brächte, anrege, und dass der hierdurch gesteigerte
! Widerstand wieder eine compcnsatorische Hypertrophie des Herzens her-
vörgehen Hesse. Dagegen hatten im Jahre 1872 Gull und Sutton auf
Grund microscopischer Gefässuntersuchungen zu erweisen gesucht, dass
sowohl dem Herz- wie dem Nierenleiden als ursprünglicher Process eine
allgemeine Gefässdegeneration zu Grunde liege, welche in der Anlagerung
einer eigenthümlieh hyalin-fibroiden Substanz an die Muscularis der
Arteriolen bestände, ohne die letztere selbst wesentlich in Betheiligung
zu ziehen. Das Nierenleiden sei nur eine Theilerscheinung des Processes,
es könne sogar fehlen. Die Aufstellung dieses Krankheitsprocesses, die
i die erwähnten Autoren als „Arterio-capillary-fibrosis“ bezeichneten, erfuhr
bereits in England im Laufe der Jahre viele Widersprüche, besonders von
Seiten John son’s. Ewald hat nun an sehr umfangreichen Unter¬
suchungen der Gefässe — und zwar der Piagefässe des Pons, an welchen
auch die englischen Autoren untersuchten — jene Angaben geprüft, und
| zunächst die Behauptung Johnson’s im wesentlichen bestätigen können,
! dass die fibroi’d-hyaline Anlagerung von Gull und Sutton im wesent-
; liehen die durch die mic-rochemische Behandlungsweise veränderte äussere
Gefässscheide sei. Dagegen wurde die von Johnson beschriebene ein¬
fache Hypertrophie der Muscularis in den mit Herzhypertrophic verbun-
I denen Nierenerkrankungen auch von Ewald constatirt, so zwar, dass
während das Verhältnis des Lumens zur Wand jener Gefässe sonst wie
: 1 :0,1 bis höchstens 0,3 ist, dasselbe zu 1 :0,5 bis 1 : 1,2 sich gestaltet.
| Es ergiebt sich hinsichtlich des Herzens und der Gefässe als genaueres
I Resultat aus einer Untersuchungsreihe von 62 obducirten Fällen, welche
tabellarisch genau in der Arbeit E wa Id’s analysirt werden, dass nahezu
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6. Mai 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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alle Fälle von Nephritis interstitialis chronica granularis Muskelhypertro¬
phie des Herzens und der Gefässe haben; dass von den Mischformen von
parenchymatöser und interstitieller Nierenerkrankung mit Ueberwiegen !
der interstitiellen Erkrankung zwei Drittheile Herz uud Gefässhyper-
trophie, ein Drittheil nur Herzhypertrophie, endlich von denjenigen Misch¬
formen, bei welchen die parenchymatöse Erkrankung prävalirt, alle
Herzhypertrophie, keine Gefässhypertrophie zeigen. Je mehr also die Ver¬
ödung des Parenchyms und Schrumpfung des Organs hervortritt, desto
eher kommt es zu gleichzeitiger Hypertrophie von Herz und Gefässen.
Es ist hierbei zu bemerken, dass Ewald als Massstab, weicher der beiden
Mischformen die betreffende Niere zuzuordnen sei, aus practischen Gründen
ein bestimmtes Gewicht derselben gelten Hess, nachdem anatomisch der
Character der Mischform constatirt war. Dagegen fanden sich die Fälle
von reiner parenchymatöser Entzündung — 16 an der Zahl — alle ohne ,
Gefässveränderung und nur um etwas weniger als in einem Drittel mit |
reiner Herzhypertrophie verbunden. Uebrigens betrifft die Herzhyper- ,
trophie, wie Ewald gegen die gewöhnliche Angabe, aber übereinstimmend j
mit einigen englischen Autoren constatirte, nicht nur den linken Ven¬
trikel allein, sondern in der Hälfte der Fälle auch gleichzeitig den rechten. j
Eine dritte Reihe von Untersuchungen, welche sehr verschiedenartige
Erkrankungen, Phthisen, Typheri, Leukämie, Atherom und besonders |
Herzfehler berücksichtigte, ergab als Regel, dass solche Erkrankungen, ;
auch die mit secundärer Nephritis und mit Herzhypertrophie aus anderer
Ursache als primärer Nephritis verbundenen, nicht zur Gefässhypertrophie j
führen. Für die Erklärung des zu stände kommens der Hypertrophie
kann Ewald die oben erwähnte Hypothese Johnson’s nicht acecptiren,
vornehmlich weil in derselben die Wirkung des Nervus depressor auf
das Circulationssystem gar nicht berücksichtigt wird, und weil die kli¬
nische Erfahrung, dass bei anderen Formen von Erkrankungen der kleinen
Gefässe, z. B. Atherom und Amyloiderkrankung, Herzhypertrophie fehlt,
dagegen spricht, die Gefässveränderung als Ursache der Herzhypertrophie
aufzufassen. Ewald glaubt vielmehr, dass mit Berücksichtigung aller in
Betracht kommenden Momente, und mit Zuhilfenahme gewisser physiolo¬
gischer Versuche nichts übrig bleibt, als für das zu stände kommen der j
Gefässhypertrophie das rein mechanische Moment des gesteigerten Seiten¬
druckes ganz unabhängig von nervösen Einflüssen, verantwortlich zu !
machen. Der ganze Vorgang würde sich nach Ewald in der Weise
abspielen, dass durch das bei dem Nierenleiden veränderte Blut ein
vermehrter Widerstand in den Capillaren hervorgerufen wird; die Folge
davon ist eine vermehrte Spannung im arteriellen System, welche zunächst :
Hypertrophie des Herzens hervorruft, allmälig aber als eine rein inecha- j
nische, ohne Zwischenkunft der Vasomotoren eintretende Folge, auch eine j
Hypertrophie der Muscularis bewirkt; damit letztere eintritt, muss aber die
Spannungserhöhung eine unausgesetzte sein, denn sie fehlt, wie bereits er- ;
wahnt, bei Nierenerkrankung, welche als Complicationen von Herzfehlern
auftreten, bei Atherom der grossen Gefässe mit Herzvergrösserung und bei !
den Herzfehlern selbst. Am Schluss seiner Arbeit berichtet Ewald über die :
microseopischen Befunde an den Nierengefässen bei interstitieller Nephri- j
tis; er erklärt sieh im wesentlichsten mit den bald nach seiner ersten j
Mittheilung über diesen Gegenstand publieirten Angaben Thoma’s in |
Uebereinstimmung, dass dieser Befund eine Neubildung zwischen Endothel
und elastischer Membran, eine Endarteritis fibrosa darstellt, die indess !
nach Ewald für gewöhnlich einen sehr zellenreichen Character trägt, |
was nach Thoraa die Ausnahme sein soll. Auch konnte Ewald keine I
Atrophie der Muscularis, wie Thorna, constatiren. Durch eigene An- J
schauung von Heubner’s Präparaten von Gefässen luetisch erkrankter
Organe, besonders des Hirns, konnte Ewald die nahe Beziehung, ja
die theilweise vollständige Uebereinstimmung zwischen seinen und Heub¬
ner’s Befunden constatiren, so dass nach Verf. diese Befunde nur ver¬
schiedene Stadien eines und desselben — einen specifiischen Character
nicht tragenden — Grundprocesses, welcher die Theilnahme der Gefässe
an den Processen in ihrer Umgebung ausdrückt, darstellen.
VI. Verhullugti ärztlicher Gesellschaft««,
lerliaer ■edieiiisck-psycktUgitcke Seselbekaft.
Sitzung vom 9. Juli 1877.
Vorsitzender: Herr Westphal.
Schriftführer: Herr W. Sander.
Herr Sander demonstrirt ein Gehirn, dessen Gestalt in mannigfacher
Weise, besonders auch durch eine Drehung des linken Hinterhaupt¬
lappens um die Längsaxe, von der Norm abweicht. — Eine Discussion
schloss sich hieran nicht an.
Herr Westphal trug den Fall einer Frau vor, welche in einem
melancholischen Angst an falle ihre Kinder tödtete. Die foren¬
sische Beurtheilung des Falles bot manche Schwierigkeit, und es musste
der Vortragende die Unzurechnungsfähigkeit der Kranken dem Urtheile
eines anderen Sachverständigen entgegen feststellen*).
Derselbe gab einen Nachtrag zu der früher besprochenen als
Kniephänomen bezeichneten Erscheinung. Das Fehlen derselben ge¬
hört zu den frühsten Erscheinungen der Tabes und kann daher im
Anfänge dieser Krankheit für die Diagnose, wenn diese sonst noch
Schwierigkeiten bietet, von entschiedener Bedeutung sein. Auch bei
*) Der Fall ist in den Charite-Annalen III. Jahrgang (pro 1876)
veröffentlicht.
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weiter entwickelten Fällen der Tabes kann das Fehlen des Phänomens
für die differentielle Diagnose von anderen Rüokenmarkskrankheiten
wichtig werden; ebenso bei paralytischen Geisteskranken, um die gleich¬
zeitig an Tabes Leidenden zu unterscheiden. Andererseits existirt eine
Gruppe von paralytischen Geisteskranken, bei denen das Kniephänomen
excessiv gesteigert ist, ähnlich wie in den Fällen, welche man als Scle-
rose der Seitenstränge bezeichnet hat. Der Vortragende bittet besonders
die Electrotherapeuten auf diese Erscheinungen zu achten, um ihre Con-
stanz festzustelien.
Herr Remak: Er könne das Fehlen des Phänomens bei Tabes,
auch im Anfangsstadium, bestätigen; er möchte aber auch darauf auf¬
merksam machen, dass es gemischte Fälle giebt, in denen mit der Tabes
noch Symptome, welche der Degeneration der Seitenstränge entsprechen,
einhergehen. In solchen Fällen kann dann das Phänomen, welches vor¬
her nicht vorhanden war, wieder auftreten. Erb habe dies bereits in
drei Fällen constatirt, in denen auch Rigidität eintrat. Er selbst beob¬
achtet gegenwärtig in einem Falle ein ähnliches Verhalten.
Herr Westphal: Er habe diese Fälle absichtlich nicht erwähnt,
weil sie noch zu dunkel seien; einiges der Art habe er wohl gesehen,
aber die Annahme Remak’s sei noch Hypothese.
Herr Bernhardt: Er habe noch in keinem Falle, den er für Tabes
hielt, das Kniephänomen hervorbringen können und halte es deshalb auch
für ein gutes Criterium. Er wolle aber eine andere Frage anknüpfen.
Es giebt Leute, welche über die verschiedensten Rüekenmarkssymptome
klagen, bei objectiver Untersuchung aber keine abnormen Erscheinungen
erkennen lassen, ausser, bei vorhandenem Kniephänomen, worauf es ihm
ankomme, dem sehr ausgeprägten Fussphänomen. Da letzteres bei Ge¬
sunden nicht leicht hervorgebracht wird, so werde es in solchen Fällen
zweifelhaft, ob nicht doch eine Affection vorhanden sei.
Herr Westphal: Es gü*bt Personen, ncuropathische und andere,
bei denen das Fussphänomen sehr leicht eintritt. Verschiedene Leute
bekommen dieses Zittern, wenn sie sitzend die Fusspitze auf den Boden
setzen. Es kann also bei einzelnen Leuten bei normalem Verhalten vor¬
handen sein.
Herr Jastrowitz fragt den Vortragenden, ob er eine Erklärung
dafür wisse, weshalb bei Tabischen, auch wenn die Sensibilität nicht
gestört ist, das Phänomen ausfällt.
Herr Westphal: Die Sensibilität sei ja seiner Ansicht nach bei dem
Phänomen nicht betheiligt; er erkläre das Fehlen des Phänomens durch die
eingenthümliche Schlaffheit der Musculatur, die man bei Tabischen findet.
Es stehe, wie er glaube, mit dem Tonus der Musculatur im Zusammenhänge,
der bei Tabes herabgesetzt ist; deshalb entstehe auch durch die mechani¬
sche Erregung keine Contraction, wie sie bei erhöhtem Tonus schon bei
leichter Erschütterung hervorgerufen wird. Im Anschlüsse hieran wolle
er noch eine andere, vor kurzem beobachtete Thatsache mittheilen.
Eine an rechtsseitiger Hemiplegie und Aphasie leidende Person bekam
des Sonntags früh einen neuen Anfall von Bewusstlosigkeit, nach welchem
auch die linken Extremitäten gelähmt und in Contractur waren. Zu¬
fällig war diese Kranke am Sonnabend vorher demonstrirt und dabei
gezeigt worden, dass auf der gelähmten (rechten) Seite das Knie- und
Fussphänomen sehr exquisit, auf der damals noch gesunden Seite das
Kniephänomen normal, das Fussphänomen gar nicht vorhanden war.
Eine Stunde nach dem Anfall fand sich auf der frisch gelähmten linken
Seite ein exquisites Fusszittem und das Kniephänomen bedeutend ge¬
steigert. Eine derartige Beobachtung lasse sich natürlich nur selten
machen.
Herr Senator: Er habe bei Tabischen auf das Phänomen geachtet
und erst vorgestern bei einem noch frischen Falle das Fehlen desselben
constatiren können, während erheblichere Sensibilitätsstörungen und
Schwanken hei geschlossenen Augen nicht vorhanden waren. In diesem
Falle, in welchem das linke Bein objectiv und subjectiv schlechter als
das andere sein sollte, fehlte das Kniephänomen links absolut und war
rechts nur schwach hervorzubringen. Darnach glaube er allerdings,
dass es ein wichtiges diagnostisches Hilfsmittel abgeben werde.
Yereia für wissenschaftliche leilkude n Königsberg i. Pr.
Sitzung vom 19. Februar 1877.
Herr Naunyn: Fall von Lepra tuberculosa.
Lepra kommt jetzt nur noch in Norwegen, in den russischen Ost¬
seeprovinzen, am schwarzen und Asowischen Meere, vielleicht in einigen
Gegenden am schwarzen Meere, vielleicht in einigen Gegenden der bas-
kischen Provinzen Spaniens vor; sehr verbreitet findet man sie in Asien,
Afrika, Südamerika etc. Eine scharfe Abgrenzung der beiden Formen
(nach Danielsen und Bo eck h) Lepra tuberculosa und anästhetica be¬
steht nicht. Der vorliegende Fall zeichnet sich durch mehrere Irregu¬
laritäten aus, z. B. Vorkommen von Knoten an der Planta pedis, Fehlen
aller anästhetischen Erscheinungen.
Herr v. Hippel stellte den in der vorigen Sitzung besprochenen
Fall ven Keratoplastik vor.
Sitzung am 19. März 1877.
1) Herr Michelson: 1) Die Oberhaut der Genito-crura 1-
Falte und ihrer Umgebung als Brutstätte von Oxyuris ver-
micularis. Microscopische Präparate werden demonstrirt. (Die Publi-
cation des Vortrags in dieser Wochenschrift ist erfolgt. 2) Die Eiter¬
körperchen im Urin von an Blasen-Catarrh leidenden Kran-
ken zeigen oft noch nach 3 mal 24 Stunden bei einfacher Aufbewahrung
Original fro-m
UNIVERSETY OF MICHIGAN
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 18
der Flüssigkeit in einem zugekorkten Fläschchen jene Gestalt-Verände- |
rungen, welche als eine Function der Contractilitiit des Zell-Protoplasmas j
von v. Recklinghausen, MaxSchultzc u. a. beschrieben sind. Die \
genannten Beobachter untersuchten mit Zuhilfenahme eigens zu diesem j
Behufe construirter, sinnreicher Apparate, der feuchten Kammer und des j
erwärmbaren Object-Tisches. Die Benutzung dieser Apparate ist nicht |
erforderlich, wenn es sich darum handelt sehr ausgiebig die Gestalt¬
veränderungen der Eiterkörperchen in der erwähnten Flüssigkeit vor
sich gehen zu sehen. Nicht selten kann man die in Rede stehende Er¬
scheinung noch beobachten, nachdem der betreffende Urin bereits hand¬
greifliche Erscheinungen der Fäulniss darbietet. Microscopische Präpa- [
rate werden demonstrirt. Eine vorläufige Mittheilung über den Gegen¬
stand wird demnächst im Central-Blatt für die medicinische Wissenschaft ;
erscheinen.
2) Herr Berthold stellt einen Fall von plastischer Lidoperation
vor, ausgeführt wegen eines Epithelial -Carcinoms am untern Augenlide, j
8) Herr Münster: Leber Behandlung der Steisslagen. Der Vor- i
tragende giebt zunächst eine Darstellung der durch Steisslagen beding¬
ten Geburtsverzögerungen und der dabei geübten Encheiresen und be¬
richtet dann über zwei Fälle, in denen er das von Hildebrandt seit
Jahren geübte Verfahren, die Application einer Schlinge um den auf
dem Beckenausgang stehenden Stetes mit gutem Erfolg angewendet hat.
Beide Kinder kamen lebend zur Welt.
Sitzung vom 30. April 1877.
1) Herr Prof. Schneider berichtet Uber einen Fall von Chopart’scher
Operation und spricht dann über einen Fall von hochgradigem Pes equinus,
der von dem Vortragenden durch Tenotomie der Achillessehne und der j
Fascia plantaris, wiederholte Brisements und schliesslich Anlegung eines
Scarpa’schen Stiefels mit vortrefflichem Erfolg operirt worden ist.
2) Herr Prof. Naunyn. Ankniipfend an einen in der vorigen Sitzung
referirten Fall von interstitieller Hepatitis, betont der Vortragende, dass
keineswegs bei dieser Krankheit die Leber in dem sogenannten 2. Sta¬
dium der Autoren immer verkleinert sei. vielmehr häufig bis zum Exi¬
tus letalis dauernd bedeutend vergrüssert bleibt. Es handelt sich in ;
solchen Fällen auch keineswegs nur um Complication mit Fettleber oder .
amyloider Degeneration, wie Frerichs meint, sondern die Vergrösserung
ist einzig und allein durch die hochgradige Bindegewebswucherung be- j
dingt. Die fast allgemein acceptirte, wenn auch nicht strict bewiesene
Annahme dass der Ascites durch Compression der Pfortaderäste in der
Leber durch das schrumpfende Gewebe entsteht (bekanntlich nahm da¬
gegen Oppolzer für viele Fälle Thrombosirung der Pfortadervcrzweigun- j
gen in der Leber an, eine Annahme, die in Liebermeister’s Beob- !
achtungen und in dem Friedlander’scben Befunde von Arteriitis obli- I
terans bei interstitieller Hepatitis eine Stütze findet); diese allgemein j
acceptirte Annahme von der Entstehung des Ascites war die Veranlassung, \
dass man meistens den Ascites der Rückbildung nicht fähig hielt. Es ;
ist nun aber keineswegs Ascites die nothwendige Folge selbst hoch- ;
gradiger Cirrhose; bestehen doch zahlreiche Anastomosen der Vena por-
tarum mit der Vena cava. Die Entwickelung dieser Anastomosen und j
somit die Bildung eines Collateralkreislaufs wird natürlich durch den ;
Druck des Ascites, wenn er einmal aus irgend welchem Grunde entstanden j
ist, in hohem Grade gehindert. Es ist daher klar, wie wichtig die Ent- !
leerung des Ascites gerade als curatives Mittel und nicht blos zur Er- ;
liillung der Indicatio vitalis ist. Die Punction mit den nöthigen Vorsichts- |
massregeln zur Verhinderung des Lufteintritts — dünnen Troicarts etc. — j
ausgeführt, ein ganz unschädlicher Eingriff, empfiehlt sich dringend zur 1
häufigen Anwendung Coup-sur-coup als curatives Mittel. !
Sitzung vom 14. Mai 1877.
1) Herr Samuelson spricht über Collapsus nach Diphtheritis. Die
Fälle von plötzlichen Collapsen bei acut fieberhaften Krankheiten wur¬
den bisher vielfach mit Herzverfettung in Verbindung gebracht, während
Senator sich in Betreff des Collapsus bei Diphtheritis mehr für die
Annahme von Innervationsstörungen des Herzens im Gebiete der Vagi
oder excitomotorischer Nerven entscheidet, bedingt durch eine vom Er¬
krankungsherde im Pharynx fortschreitende Neuritis. Herr Samuclson
spricht sich unter Mittheilung eines hierher gehörigen Falles, bei dem
leider keine Obduction gemacht worden ist, gegen die Senator’sehe
Theorie aus und hält acute Herzverfettung als Todesursache für wahr¬
scheinlicher.
3) Herr Caspary hat mit Bezug auf die für die Lehre von der
Syphilis wichtige Frage, ob ein Durchtritt fester körperlicher Elemente
von den Gelassen der Mutter in die des Foctus stattfinden könne, —
Injectionen von Zinnober in die Gefässe eines kräftigen Meerschweinchens
gemacht und sich von der Anwesenheit des Zinnolx-rs in den Organen
des ausgestossenen Foetus auf das unzweifelhafteste überzeugt.
4) Herr Prof. Berthold hat Untersuchungen an Kaninchen angestellt
über das Verhalten von in die vordere Augenkammer gebrachten Fremd¬
körpern (Stückchen Kaninchenohr, Epithelial-Krcbs, Holz etc.) Grosse
Stücke erzeugten stets eitrige Panophtalmitis, kleine wurden sehr gut
vertragen. Eine entzündliche Exsudation um die Fremdkörper herum
bildet sieh sehr gut in einigen Tagen zurück. Leber die weiteren Ver¬
änderungen werden spätere Mittheilungen Vorbehalten.
Derselbe zeigte ferner einige neuere Instrumente vor; unter anderen
einen von Politzer angegebenen Hörmesser.
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VII. Feuilleton.
VII. Congress der Deutschen Gesellschaft für
Chirurgie.
2. .Sitzungstag, Donnerstag, den 11. April 1878.
Morgensitzung von 10—1 Uhr im Hörsaale des Künigl.
Klinikums.
Der erste Gegenstand der Tagesordnung war die Vorst ellum:
eines mit dein Sayre’schen Gypscorset behandelten, an
Pott’seherKyphose 1 e i d e n«d e n Patienten durch den Vorsitzenden
Herrn B. v. Langenbeck. Da die Leser dieser Zeitschrift die Vorzüge
der .Sayre’schen Behandlungsmethode der Spondylitis durch die von
Herrn v. Langenbeck der Berl. med. Gesellsch. gemachte Mittheilung
bereits kennen, so wollen wir nur bemerken, dass die weiteren Er¬
fahrungen des Herrn Vortragenden mit der qu. Methode im allgemeinen
günstige waren, dass man jedoch leicht Decubitus durch das Gypscorset
bekommt, wenn man dasselbe nicht dick genug gepolstert hat, oder
aber wenn an Stellen, an denen das Corset aufliegt, die Wirbelsäule
sich ausbiegt. Man müsse daher auf Klagen über Schmerzen seitens
der kleinen Pat. wohl achten, um ja zur rechten Zeit den Verband zu
erneuern.
Die Discussion über diesen Vortrag wurde zuerst von Herrn Hahn
(Oberstabsarzt in Berlin) eröffnet. Derselbe fürchtete zwar anfangs dir
extendirende Behandlung bei Kyphosis. ist aber durch ihre guten Er¬
folge bei Caput obstipum in Folge von Spondylitis eerviealis zur An¬
wendung der temporären Lagerung der Kranken auf einem schiefen Brett
vorhanden mit Fixation des Kopfes durch einen Halsriemen in geeigneten
Fällen bewn-jx-n worden. Durch mehr oder minder schiefe Position des
betr. Brettes kann man den Grad der Extension dabei ziemlich genau
bemessen.
Herr v. Langenbeck, der ebenfalls die extendirende Behandlung
bei Spondylitis rühmt, w r ill darunter nur die allmälige Streckung ver¬
stehen, nicht das gelegentliche Aufhängen in der G lisso n’schen Schwebe,
die gewaltsame Extension u. dgl. m., was zu Reizungen der erkrankten
Wirbelsäule, Luxationen etc. führe. Die von ihm bevorzugte Gewichts¬
extension sei indessen nur angezeigt, wenn Kinder, wie z. B. wegen
Lähmungen, liegen müssten; das von ihm demonstrirte Gypscorset
Sa vre’s habe aber den Vorzug, in allen anderen Fällen das Umher¬
gehen der kleinen Pat. zu gestatten.
Herr Hüter (Greifswald) tragt Herrn v. Langenbeck, ob der¬
selbe (gleich wie Sayrc neuerdings in seinem Buche) meinte, dass die
Hauptwirkung des Gypscorsets in Fixation der Rippen bestände. Er hielte
eine solche ohne Beeinträchtigung des Athmens nicht für möglich.
Einen dem schiefen Brette des Herrn Hahn ähnlichen Apparat hätte er
übrigens schon von Shaw abgebildet gesehen; er machte ihm den Ein¬
druck grosser Brauchbarkeit.
Herr Schede (Berlin) erinnert daran, dass er schon 1870 über
glänzende Erfolge der Extension durch Gewichte berichtet, durch welche
namentlich bei Halswirbelcaries Lähmungen «chon nach wenigen Tagen
(1 Mal schon nach 1 Nacht) zurückgingen. Weniger nütze die Exten¬
sion bei Entzündungen unterhalb der Halswirbelsäulc: hier empfehle er,
wenn das Sayre’sche Gypscorset nicht anzulegen geht, die Rauch¬
fass’sehe Schwebe.
Herr Hahn (Berlin) trägt einige kleine Modificationen nach, die er
seinem Apparat bei Caput obstipum gegeben. Uebrigens gebrauche 'er
denselben auch bei reiner Contractur der Mm. Sternocleidomast.
Herr v. Langenbeck stimmt Herrn Hüter bei, dass das Sayrc-
sehe Corset die Rippenbeivegungen nicht aufhebe, wenn es gleich die¬
selben beschränke. Gegenüber Herrn Schede meine er, dass er selbst
bei Halswirbelcaries, falls die Kinder gehen können, den Sayre’schen
Verband der Extension vorziehe, um die Kinder nicht unöthig an das
Bett zu fesseln.
Herr v. Adel mann (früher in Dorpat) hat den von Herrn Hüter
erwähnten Shaw’schen Apparat erfolgreich angewandt, jedoch zur Ver¬
meidung von Decubitus am Gibbus diesem entsprechend ein Loch in die
Matrazc einschneiden lassen.
Herr Schede schliesst sich Herrn v. Langenbeck darin an, den
Patienten, wenn irgend thunlieh, das Umhergellen zu ermöglichen.
Herr Es mar eh (Kiel) findet ebenso wie Herr v. Langenbeck,
dass der Verband Sayre’s äusserst vortheilhaft wirke, namentlich kalte
Absc-esse ersticke, doch habe er noch nicht gew r agt (wie Herr v. L. es
thut), den qu. Verband in der Narcose zu appliciren. Gleichzeitig
möchte er fragen, wie Herr v. Langenbeck eigentlich mit den Armen
verführe, Sayrc hätte empfohlen, diese auch in die Höhe zu halten.
Herr v. Langenbeck lässt die Arme durch Aehselkriicken tragen.
Hinsichtlich der Narcose bemerke er, dass sie sehr wohl vertragen wurde,
ja sogar möglichst tief s'-in müsse, da so die Gibbosität; am wirksamsten
vermindert wird.
Herr Esmarch zieht die von Sayrc empfohlenen Tricotjacken als
Unterpolsterung dem Flanell oder der Watte vor:
Herr v. Langenbeck thut dies auch, bedauert aber, nicht über
Tricot verfügen zu können. (Heiterkeit. — Schluss der Discussion.)
Als zweiten Gegenstand der Tagesordnung stellte Herr v. Langen¬
beck einen Fall von Ellenbogengelenksexarticulation vor.
Letztere, vielfach in Misscredit stehende Operation zieht er seit einer
Reihe von Jahren der tiefen Oberarmamputation vor, statt deren sie
dort ausgeführt werden muss, wo sie ausgeführt werden kann. Kr
Orifinal frorri
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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macht die Operation mit volarem Lappon Hauptsorge sei ihm die Er¬
reichung der Heilung durch erste Vereinigung, zu deren behufe indessen
gewisse Cautelen nöthig seien. Die Haut der Ellenbogengegend ist so
retrahirbar, dass man durch einen von den beiden Epieondylis aus¬
gehenden Schnitt nie genügende Stumpfbedeckung erhielte, sondern
mindestens 1 Cm. tiefer anfangen müsse. Der so gebildete Lappen be¬
steht am besten nur aus Haut und Fascie. Die Auslösung der Ulna
mit dem Proc. olecrani aus der Grube des Oberarms ist ausserordentlich
leicht, wenn man, nachdem der Lappen in die Höhe geschoben und das
Gelenk vom Radius und Ulna eröffnet, das Messer schräg na^h aufwärts
stellt und die Seitenbänder unter den Condylon durchschneidet. Stellt
man dann den Arm in Hyperextension, so entwickelt sich das Olecranon
beinahe von selbst, und die Operation wird durch Ablösung der Triceps- ;
Sehne von diesem beendet. (Der Hospitalaufenthalt im vorgestellten
Falle, betr. ein Sarcom der Ulna, betrug nicht viel mehr als 1 Monat.) j
Herr v. Adel mann, die Verdienste ries Herrn Uh de um die in |
Rede stehende Operation hervorhebend, fragt an, ob die Tun. synovial,
jedesmal mit weggenommen wird. ,
Herr v. Langenbcck verneint dies. j
Hierauf werden von Herrn v. Langenbcck zwei Fälle von Ex- j
articulaiio genu vorgestellt. um auch diese Operation statt der ent¬
sprechenden Oberschenkelamputation zu empfehlen, zumal diese Kxarticu-
lation bei der jetzigen Wundtherapie viel weniger gefahrvoll sei,
und die daraus resultirende Gehfähigkeit eine sehr gute wäre. Die
Exarticulatio genu sei bei ganz oder partiell verödetem Kniegelenk
und bei Läsionen des Unterschenkels bei normalem Gelenk indicirt.
In ersterem Falle nimmt man von dem stark flectirten, nach hinten ge¬
wichenen Unterschenkel einfach die Gelenktläche der Tibia fort, das Ge¬
lenk dabei fast gar nicht eröffnend. Hr. v. L. hat eine derartige Operation
mit vorderen Hautlappen seit- 1851 3 mal ausgeführt; die Heilung war
stets eine sehr sichere. Gefährlicher ist die Exarticulation bei gesundem
Kniegelenk, die v. L. seit 1871 7 mal gemacht, in dem vorgestellten t
Falle mit Erhaltung der Patella. Er legt die Frage über die Erhaltung
der Patella bei gesundem Kniegelenke der Versammlung vor, da die
Bursa des Quadriceps selbst bei antiseptischer Behandlung nicht uner-
üffnet bleiben, sondern drainirt werden müsse. Er würde jetzt wohl stets
die Patella sammt der Bursa und ganzen Kapsel entfernen, obwohl er
die beiden Todesfälle, die er unter seinen 7 Operationen gehabt, und
die einen bereits vorher pyaemischen Pat. und einen sehr unruhigen
an Dementia paralytica leidenden Pat. betroffen, nicht besonders hoch
in dieser Richtung anschlage.
Herr Uhde (Braunschweig), der ausser mehreren Ellenbogcnexar-
ticulationen 12 Kniegclcnkscxarticulalionen gemacht, empfiehlt einen
dütenfönnigen Schnitt nach Vclpcau mit Zurücklassen der Patella.
Er verlor nur 1 oder 2 Patienten, während seine Fälle von Exarticulatio
eubiti alle genasen, was mit den Erfahrungen von Salleron über¬
einstimmt.
Herr Lücke (Strassburg), der bei Kniegelenksexarticulation Gan¬
grän des Yoiderlappens ein paar mal gesehen, möchte erwägen, ob nicht
zur Vermeidung dieser die Patella zurückzul&ssen sei. zumal dieses quoad
functionem ja völlig gleichgiltig sei, oder ob man eine andere Methode
als die des vorderen Lappens anzuwenden habe.
Herr Schede, der morgen die Gesellschaft durch Vorführung zweier j
einschlägiger Fälle auf die in Deutschland viel zu wenig geübte Exarti- ;
culatio genu noch einmal aufmerksam machen wollte, glaubt, dass ihr
durch die antiseptische Methode die Vortheile der Heilung p. prim,
in teilt, gesichert seien, und dass ihr wohl fast nie eine solche Atrophie
des Knochenstumpfes folgen würde wie der Amputat, fern. Hinsichtlich
der Frage nach der Totalexstirpation der Kapsel sammt Patella bei der
Exarticulatio genu ist Redner der Ansicht, dass das Zurückbleiben von
Synovialis nicht viel Einfluss habe, für das Entfernen der Patella aber
keine besondere Anzeige bestehe. Die Mortalität der Exarticulatio genu
würde von Jahr zu Jahr eine bessere: nach Andrews (in Chicago)
betrüge sie jetzt nicht mehr als die der condylären Amputation, während
sie früher um 6 D / 0 höher als diese gewesen sei.
Herr v. Langenbeck möchte die Exarticulatio genu vielleicht auch j
statt der hohen Unterschenkelamputation dort anwenden, wo kein Stelz¬
bein, sondern ein künstlicher Fuss später getragen werden soll. Herrn !
Uhde gegenüber empfiehlt er den vorderen Lappenschnitt, der nur einen !
Nachtheil habe, dass die Heilifng durch erste Vereinigung leicht von
Muskelkrämpfen gestört werden kann, und deshalb der Lappen aus¬
reichend gross anzulegen ist.
Herr Riedinger (Würzburg) hat in den beiden letzten Fällen von
Exart. genu in Würzburg Lappengangrän gesehen, darunter 1 Mal bei
einem blühenden Mädchen von 10 Jahren.
Herr Uhde empfiehlt nochmals den dütenfönnigen Cirkelschnitt
nach Velpeau, indem auch bei diesem die Narbe nach hinten zu
liegen käme.
Herr Thiersch (Leipzig) empfiehlt als Gegenwirkung gegen die
Muskelkrämpfe die Patella anzunageln; Herrn Riedinger fragt er, ob
in den von diesen beobachteten Fällen von Gangrän des Lappens letzterer
aus der ganzen Dicke der W r eichtheile entnommen sei, was Herr R.
bejaht.
Herr v. Langenbcck, der bis jetzt keine Lappengangrän gesehen,
bemerkt Herrn Thiersch’s Vorschlag, die Patella anzunageln, gegen¬
über, dass er die Muskelkrämpfe mehr den Flexoren als dem Extens.
quadriceps zuschreibe. Auf eine Frage des Herrn Schede erwidert er,
dass er die antiseptische Nachbehandlung angewandt, widerspricht aber
darin Herrn Schede, dass unter dieser keine Muskelzuckungen vor¬
kämen.
Herr Bardeleben (Berlin) schliesst sich dem an, ebenso Herr
König (Göttingen).
Herr Roser (Marburg) hat die Exarticulatio genu 4 mal ohne 1
Todesfall ausgeführt.
Herr v. Lange nbeck trägt nach, dass er zur besseren Coaptation
des vorderen Lappens einen hinteren Schrägschnitt anwendet, keinen
Hinterlappen, weil in diesem die Weichtheile schlotterten. (Ende der
Discussion.)
Es folgte jetzt Herrn v. Langenbeck’s Vortrag; Zur Resection
des Kniegelenks mit Krankenvorstellung. Dieselbe betraf ein
3jähr. Mädchen, bei welchem er mit seinem an der Innenseite verlaufenden
Bogenschnitt unter Exstirpation der Gelenkkapsel mit der Bursa des
Quadriceps und Absägung der Gelenkfacette der Patella vor 1 Jahr die
Operation gemacht. Das Wachsthum des Gliedes hatte nicht abgenommen,
da nur ca. 1 Cm. entfernt war, die jetzige Verkürzung gegenüber der
gesunden Seite betrug nur Cin., was bekanntlich gar nicht ins Ge¬
wicht fällt.
Herr Petersen (Kiel) fand bei einer vor 3 Jahren mit Erhaltung
des Epiphysenknorpels gemachten Resectio genu eine Verlängerung von
3 Cm., trotzdem das Knie nicht gerade, sondern in einen Winkel von
150—1(10° stand.
Herr Riedinger (Würzburg) hat in einem Falle die Patella er¬
halten, dieselbe aber durch einige Sägezüge ebenso wie die Vorder¬
fläche von Femur und Tibia angefrischt und an dieselben angenagelt
Herr König (Güttingen) hat selbst nach S—9 Jahren bei Erhaltung
des Kpiphysenknorpeis bei der Resection keine Verkürzung, wohl aber
eine anscheinend auf einer knöchernen, in Wahrheit auf einer knorpligen
Anchylose bestehende Flexionsstellung bemerkt. Uebrigens kann man
die zuweilen bei Auswärtsstellung und Flexion des Unterschenkels vor¬
handene abnorme Verlängerung des Cond. ext. fern, benutzen, um eine
etwaige Verkürzung zu compensiren. K. empfiehlt, kein bewegliches,
sondern ein anchylotisches Gelenk zu erzielen und als Operationsmethode
einen Querschnitt zu gebrauchen.
Herr v. Lange nbeck vertheidigt den inneren Bogenschnitt. der
ihm durch Erhaltung des musculoinotorischen Apparates in toto bei
beweglichem Gelenke sehr gute Erfolge gegeben und ausserdem die
Exstirpation des Rccessus der Tunica synovial, erleichtere. Letztere sei
bei der von Volkmann vorgeschlagenen queren Durchsägung der Patella
entschieden schwieriger. Sein Endziel sei stets die Erreichung eines
beweglichen Gelenkes, da die Anchylosirung das Längenwachsthum eben¬
falls beeinträchtige.
Herr Hüter ist neuerdings für den vorderen Lappenschnitt. Man
müsse das ganze Gelenk übersehen, um nicht blos die Gelenkknorpel
wegzuschnitzeln, sondern etwaige Cariesherde im Knochen der Tibia, die
häufigen Ausgangspunkte des ganzen Processes, aufzufinden resp. auszu¬
kratzen. Letzteres verbindet H. jetzt, mit Drainirung der Tibia, deren
Vorderfläehe er mit dem amcricanischen Rundbohrer eröffnet. Unter 5
neueren Fällen erzielte H. 3 Mal gute Beweglichkeit; er exstirpirt dabei
die Patella, sorgt aber durch schräge Abtrennung des Lig. patell. für
Anheftung dieses per prim. int. und Erhaltung des musculomotorischen
Apparates.
Herr Kocher (Bern), der 25 Mal die Res. genu (mit + 3) gemacht,
konnte zuweilen trotz Erhaltung der Epiphysenknorpel noch nach Jahren
eine nachträgliche Verkürzung constatiren, und spricht sich gegen Aus¬
heilung in schwacher Flexionsstellung aus, da man sonst die Pat. Jahre
lang Apparate tragen lassen müsse. Mit Hüter glaubt er, dass die
antiseptische Methode die Erzielung beweglicher Gelenke mehr begünstige,
als die offene- Behandlung. Nach letzterer habe er keine Todesfälle ge¬
habt, wohl aber nach dem antiseptischen Verbände, und in Anbetracht
der Nothwendigkeit, ein anchylotisches Gelenk zu erzielen, empfehle er
die offene Therapie.
Herr v. Langenbcck vorwahrt sich dagegen, dass er Heilung in
Winkelstellung empfohlen. Bei Anlegung des Verbandes wende er immer
Extension an, so dass ein Intervall zwischen den Sägeflächen bleibt: die
Wunde würde dabei durch die Naht geschlossen bis auf die Stelle der
Drainageröhre.
Herr Schede meint, dass das durch Anwendung des antiseptischen
Verbandes erzielte bewegliche Gelenk die Integrität des Streckapparates
erheische: diese fehle in Folge mangelnder solider Heilung des quer
durchnittcnen Lig. patellae bei Schlottergelenken; er plaidire daher, wolle
man nicht die Volkmann’sche quere Durchsägung der Patella an wenden,
für den Langenbeck’schen Längsschnitt. Gleichzeitig näht S. in letzter
Zeit stets die Sägeflächen der Knochen aneinander, theils mit Catgut,
theils mit Silberdraht, doch habe er nie knöcherne Anchylose erhalten.
Herr Hüter hält die Erzielung einer gewissen Beweglichkeit im
neuen Gelenk für das beste Mittel gegen Winkelstellung. Die sehnige
Durchtrennung des Lig. patell. gebe eine feste Verwachsung, mit deren
Hilfe der Tendo des M. quadriceps auf den Unterschenkel einwirkt. Für
die Resectionen nach Schuss Verletzung den Längsschnitt empfehlend,
folgt er Herrn v. Langenbeck in Fixation der Sägeflächen durch Dia-
stase mittelst Gypsverband.
Herr König glaubt, da s die Beweglichkeit nichts mit der Ver¬
wachsung des Lig. patellae zu thun habe. Uebrigens verfolge er bei
der Nachbehandlung strenge die antiseptiachen Principien bez. die von
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260
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Ne. 18
Schede genannten Regeln in Bezug auf Zusammennähen durch Silber¬
draht, obschon, wie er auf eine Bemerkung des Herrn v. Langenbeck
zugab, die Entfernung dieses zuweilen Schwierigkeiten mache.
Die Vorstellung eines Falles vonEnterotomie, welche im vorigen
Mai wegen Invagination des Dickdarmes durch Herrn v. Langenbeck
gemacht, und nach welcher der Pat. an dem widernatürlichen After eine
Gummiblase als Obturator trägt, veranlasst Herrn v. L. zur Hervorhebung
der Wichtigkeit des genügenden Verschlusses der neuen Dannöffnung.
Er habe ein mit der Colotomie erfolgreich behandeltes, an Mangel des
Rectums leidendes Kind vielleicht nur an dem durch Fehlen eines
geeigneten Obturators bedingten Prolaps der Darmschlingen ganz nach¬
träglich verloren.
Herr Trendelenburg (Rostock), der die Enterotomie 3 mal ge¬
macht, hält diese wegen der geringeren Weichtheilverletzung für viel un
gefährlicher als die Colotomie. Zum Verschluss der nach der Gastro-
tomie zurückbleibenden Fistel empfiehlt T. ein durch einen Hahn
versehenes Drainagerohr, das man durch Einlegen eines Korkringes zum
sicheren Verschluss in senkrechter Richtung fixirt. Ob in diesem vor¬
gestellten Falle das Drainrohr ausreichen würde, vermöge er indessen
nicht zu sagen.
Herr Czerny (Heidelberg) meint, dass abgesehen von der Abhän¬
gigkeit der Grösse des Prolaps von der Grösse der Oeffhung im Darm
derselbe bei Verwachsung der Serosa oberhalb der Oeffnung entweder
fehlt oder nur sehr gering ist, wie ein Fall, in welchem er den abstei¬
genden Schenkel mit dem zurücklaufenden Schenkel des künstlichen
Afters auf operativem Wege in Verbindung brachte, ihm beweisen dürfte.
Herr v. Langenbeck erwähnt zur Vermeidung von Missverständ¬
nissen, dass er in dem zuletzt von ihm angedeuteten Falle bei dem Kinde
nicht die Amussat’sche Operation, sondern eine wahre Colotomie, be¬
stehend in der Eröffnung der Flexura coli, gemacht. Die Oeffnung hätte
er ganz klein gemacht und glaube er, dass der Prolaps durch Invagi¬
nation zu Stande käme. Als nicht ungefährliches aber sicheres Mittel
zur Bekämpfung des Prolaps betrachte er die Anwendung eines in den
Darm hineinzuschiebenden Zapfens, die einer seiner Pat. aus eigenem
Antrieb Jahre lang mit Erfolg gebraucht.
Herr Rie dinger (Würzburg) erwähnt eines Falles von anus praeter
naturam nach Hernia incarcerata, in welchem bei Verwachsung des ab¬
führenden Darmrohrs von dem zuführenden ein starker Prolaps ausging.
Herr Thiersch (Leipzig) fragt Herrn v. Langenbeck, ob er sich
in seinem Falle ein Fortbestehen der Invagination, ohne dass es zu
Gangrän gekommen, denken könne, da hierfür keine Beispiele aus ana¬
tomischen Sammlungen ihm bekannt wären.
Herr Lossen (Heidelberg) spricht sich gegenüber der Empfehlung
der Enterotomie durch Herrn Trendelenburg für die Amussat’sche
resp. Littre’sche Operation aus, je nachdem es sich um eine Invagi¬
nation oder um eine Strictur handele.
Herr Czerny trägt nach, dass es sich bei der von ihm empfohlenen
Verwachsung des Darmes zur Vermeidung des Prolaps um einen flächen¬
haften, nicht bloss lineären Vorgang handele.
Herr Küster (Berlin) schliesst sich Herrn Lossen gegen Herrn
Trendelenburg an, schon weil man bei der Colotomie die Verletzung
des Peritonaeums vermeiden könne, was bei der Unmöglichkeit, die ganze
Operation antiseptisch auszuführen, nicht unwichtig sei.
Herr Hüter rühmt, die Colotoraia interperiton. anterior nach Tine,
die er bis jetzt 2 Mal am Lebenden ausgeführt, weil man sicher sei, das
Colon descend. zu eröffnen, und durch die straffe Fixation des Bauchfelles
kein Prolaps zu Stande komme.
Herr v. Langenbeck erwidert Herrn Thiersch, dass in seinem
Fall in der That eine Invagination existirt, deren langes Bestehen ge¬
mäss den von Cruveilhier gebrachten Beispielen nichts unerhörtes sei.
Herr König bezeichnet Herrn Küster gegenüber als einen Nach¬
theil der gewöhnlichen Colotomie die schwere Auffiudbarkeit des Colon,
während andererseits durch die einfache Verletzung des Peritonaeums
nach neueren Erfahrungen die Gefahr einer Peritonitis ziemlich gering ist.
Herr Trendelenburg vertheidigt ebenfalls die Gastroenterotomie,
zumal da man bei ihr nicht immer den Dünndarm zu eröffnen brauche.
Von der Schwierigkeit bei leerem Colon die Colotomie zu machen, habe
er sich andererseits an Leichen überzeugt; man könne da leicht in das
Pcritonaeum gerathen.
Herr Küster glaubt letzteres stets zu vermeiden, wenn man das
Colon immer nur öffnet, nachdem es durch eine Schlinge fixirt ist. So
verhüte man, dass Koth in die Bauchhöhle träte. Uebrigens fände bei
der Colotomie wahrscheinlich ein Prolaps der Darmschleimhaut nicht statt.
Herr Trendelenburg meint dagegen, dass das Annähen des
Darmes hinten schwerer als vorn, jedenfalls dort nicht luft- und wasser¬
dicht möglich sei.
Herr Lossen stimmt mit Herrn Küster überein, dass sich auch
das Colon hinten gut fixiren Hesse; die meisten Patienten Simon’s
lebten 5 Monate und länger. G. Simon hätte nur 1 Fall und zwar an
einer schweren Nachblutung verloren. Prolapse entständen allerdings
nicht gleich nach der Operation, wohl aber später.
Herr Bardeieben macht auf die Verwirrung aufmerksam, welche
aus der Bezeichnung Enterotomie für die Eröffnung des Colon von vorn
entstehen könne; man solle lieber 2 Arten von Colotomie, die C. von
v orn und die C. von hinten unterscheiden. Letztere sei beiläufig wegen
r variablen Verhältnisse des Bauchfelles zum Colon keineswegs beim
rachsenen so leicht, wie Simon es gerade bei seinen Fällen gefunden
habe. Der Name Enterotomie sei für Eröffnung des Dünndarmes zu
reserviren.
Herr Uhde mein*, dass die von Herrn Bardeleben gerügte Ver¬
wirrung auf dem früheren Gebrauch der Bezeichnung Colon für den
ganzen Darm beruhe. (Ende der Discussion.)
Den Schluss der heutigen Morgen-Sitzung bildeten die Vorträge des
Herrn Lossen (Heidelberg): Ueber Krebs der Stirn haut bei einem
18jährigen Mädchen, bei welchem es sich um eine Wucherung der
Talgdrüsen handelte, und des Herrn Vogt (Greifswald): Ueber die
functionellelndicationzurEllenbogengelenkresection. Letz¬
terer Vortrag war von der Vorstellung eines durch Wiederherstellung
einer nahezu normalen Beweglichkeit im resecirten Gelenke ausgezeich¬
neten Falles begleitet.
Nachmittags-Sitzung um 2 Uhr in der Universitäts-Aula.
Nachdem auf Antrag des Herrn Bardeleben (Berlin) die Versamm¬
lung die Aufstellung des Schemas der für nächstes Jahr
festgesetzten Geschwulstdebatte einer aus dem Herrn Vor¬
sitzenden sowie den Herren Esmarch, Lücke und Thiersch
bestehenden Commission übertragen, wurde die Discussion über den
Vortrag des Herrn Küster „über die giftigen Eigenschaften der
Carbolsäure bei chirurgischer Anwendung“ durch Herrn Lücke
eröffnet. Derselbe hat zwar keine schweren oder gar tödtlichen hierher
gehörigen Fälle, wohl aber viele leichtere gesehen, deren frühzeitige Dia¬
gnose wünschenswert!» sei, weil derCarbolismus immerhin eine unbehagliche
Complication sei. Diese Diagnose gründe sich nicht auf die Färbung
des Harnes, sondern auf das Schwinden der Schwefelsäure der Salze dieses.
Letzteres sei differential-diagnostisch auch in Fällen zu verwerthen, in
denen man zweifelhaft sei, ob Carbolismus oder prolongirte Chloroform¬
wirkung vorläge. Als besondere Erscheinung der chronischen Carbol-
säurevergiftung erwähnt L. die Carbo 1-Nephritis, die er ein paar
mal, besonders bei recht jungen Kindern gesehen und die auch bei Leuten,
die viel mit Carbolsäure hantieren, ohne dass sie äussere Wunden haben,
existiren kann. Das Auftreten und Schwinden der Albuminurie ist hier
völlig von dem des Carboigebrauches abhängig.
Herr Bar de leben, der seit 6 Jahren wässerige Carbolsäure-Lösung
in allen Formen auf seiner Abtheilung braucht, hat noch keine acute
Carboivergiftung gesehen: allerdings kennt er die Carbol-Wirkung bei
Kindern nicht, da er fast nie solche zu behandeln hat. Die von Herrn
Küster statuirte Möglichkeit einer Carbol Vergiftung in 2 seiner von
Köhler referirten Fälle weist B. in eingehendster Weise zurück: Er
stimme Herrn Lücke bei, dass dunkler Carbol-Harn kein Vergiftungs¬
symptom sei, und ohne jedes Kranksein seitens der Patienten vorkomme.
Auch er suche die Erscheinungen des chron. Carbolismus in Appetit¬
verlust, elendem Aussehen, Mangel an Theilnahme, vielleicht auch etwas
Fieber. Die Möglichkeit einer plötzlichen ernsteren Carbolvergiftung zu¬
gebend, hätte er sich bei der anerkannten Giftigkeit der Carbolsäure
längst nach Surrogaten für diese umgesehen. Ein solches sei abgesehen
von den Thymol- und Salicvlpräparaten, der Zusatz von schwefelsaurem
Zink, das er so mit Carbolsäure mischt, dass eine Lösung von 14% derselben
entstände. Aus dieser Mischung würde entschieden weniger Carbolsäure
als aus reiner Lösung in den Organismus aufgenommen. Ausserdem ist
ein Ersatz der Carbolsäure das Chlorzink, welches B. gelöst in Jute¬
kuchen so imbibiren lässt, dass diese 5% ihres Gewichtes davon aut-
aufnehmen. Die Jutekuehen würden dann merkwürdiger Weise durch
den Einfluss der Luft trotz ihres Chlorzinkgehaltes selbst bei längerem
Stehen nicht schmierig: bei ihrer Anwendung müsse man die Wunde
durch Interposition eines Stückchen Wac-hstaffet vor directer Chlorzink-
, Einwirkung schützen. Der antiseptische Effect wäre dann ein so guter,
I dass man manchmal derartige Chlorzink-Juteverbande nur alle 8 Tage
1 zu wechseln braucht. Schliesslich warne er, unter Berufung auf die
Geschichte des Chloroforms und die bei der Verwendung dieses Mittels
I vorgekommenen Unglücksfälle, vor der Uebertreibung der Gefahren des
Carbolismus.
, Herr König, noch einmal auf die Unschädlichkeit der antiseptischen
| Irrigation verweisend, hält die bei vorher nicht gesunden, sondern einer
i Operation, einer längeren Eiterung und dergleichen unterworfenen Per-
| sonen beobachteten Carboisymptome für zweifelhaft, namentlich das
| u. a. auch von Herrn Küster betonte Carbolfiebcr. Indessen gebe er
j wahre Carbolerschcinungen zu, in Bezug äüf welche er sich Herrn Barde¬
leben anschliesse. Diese seien besonders in der Kinderpraxis bedeutungs¬
voll, doch nähmen sie glücklicherweise gleichzeitig mit den Sympto¬
men der Sepsis in der Regel ab, so dass er der Carbolsäure deshalb
nicht entrathen möchte. Die Fälle des Herrn Küster hielte er (viel¬
leicht mit Ausnahme eines einzigen) für um so weniger beweisend, als,
wie Herr Küster nachträglich zufügt, nur einmal die Section und zwar
lediglich mit negativem Ergebnisse gemacht sei. Er hebe dieses alles
hervor, damit ängstliche Gemüther sich nicht von der wohlthätigen An¬
wendung der Carbolsäure abschrecken Hessen.
Herr Hüter wiederholt seine gestrige Ansicht von der relativ
grösseren Unschädlichkeit der stärkeren Carbollösungen. In einer 9jäbr.
Erfahrung habe er keine tödtliche Intoxication erlebt, obwohl er zum
Spray eine Lösung von 3%, statt einer solchen von 1%% anwandte.
Er stimme Herrn Küster nur darin bei, dass geschwächte anämische
Personen, wie Kinder und alte Frauen mit schlaffer Haut dem Carbo¬
lismus viel zugänglicher sind als andere: so wie er bei solchen Personen
schwarzen Urin sehe, greife er zur Salicylsäure: dieses sei seine einzige
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6. Mai 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
261
Vorsichtsmassregel gegen die Carboivergiftung, deren Gefährlichkeit er
mit der im gewöhnlichen Leben so häufigen Alcoholaufnahme in eine
gewisse Parallele zu stellen sucht.
Herr Lossen hält, unter Anführung einer eigenen Beobachtung von
Carbolsäure-Vergiftung nach Ausspülung eines cariösen Kniegelenks-
abscesses bei einem 12jährigen Knaben mit 5 u / 0 iger Carbolsäure und
Mittheilung des Sectionabefundes, die Küster’sehen Fälle für nicht
ganz beweisend.
Herr Küster hält seine Fälle nach wie vor als Carbolismus auf¬
recht. Hieran ändere nichts, dass nur 1 mal die Autopsie und zwar
mit negativem Ergebnisse gemacht sei, indem die anatomischen Ver¬
änderungen nach Carbo 1-Vergiftung auch dort, wo diese per os erfolgt
sei, keineswegs sehr characteristische wären. Im übrigen gäbe er für
drei seiner Fälle zu, dass eine entfernte Möglichkeit, aber durchaus keine
Wahrscheinlichkeit einer anderen Erklärung vorliege. Er bleibe dabei,
dass Carboivergiftungen von Wunden aus häufiger seien, als man aus
der Literatur ersieht, und fordere deshalb die Anwesenden zu Mittheilungen
noch nicht veröffentlichter Fälle auf. Was die beiden Bardeleben’-
schen Fälle beträfe, so erkenne er nur in dem einem derselben die Ab¬
wesenheit einer Carbolintoxication mit Sicherheit an. Der Rest des Vor¬
trages des Herrn Küster ist gröstentheils dem Nachweise der Existenz
des Carboifiebers lind der Carboinephritis gewidmet.
Rerr Olshausen (Halle) beschreibt ausführlich eine schwere, wenn¬
gleich nicht tödtliche Carbolsäureintoxication, bedingt durch Irrigation
des Uterus mittelst 2 1 2 %iger Lösung bei einer frisch Entbundenen. Hier
bestanden 3 ständige Erscheinungen tiefen Collapses, von denen sich Pat.
erholte, um später den Folgen einer Uterus-Ruptur zu erliegen. Es
zeigt dieser Fall die verschiedene Reactionslähigkeit verschiedener Per¬
sonen gegen das Mittel, nicht aber, dass die schweren Carbol-Symptome,
weil wir sie nicht constant beobachten, überhaupt nicht Vorkommen
bez. zweifelhaft wären. Sogar die gleichen Individuen reagirten zu
verschiedenen Zeiten auf die Carbolsäure verschieden, z. B. riefe deren
Verwendung selbst in grossem Massstabe bei einer Ovariotomie oft keiner¬
lei Symptom hervor, 5--6 Tage später träte aber in Folge des ersten
Verbandwechsels Carbol-Urin auf. Herr 0. nimmt hier an, dass die Haut
unter Einwirkung des ersten Verbandes viel resorptionsfähiger für das
Mittel geworden wäre. Schliesslich beschreibt Herr 0. ausführlich einen
Fall von tödtlicher Carbo 1 Vergiftung nach Eröffnung eines Abscesses der
Fossa iliaca bei einer Wöchnerin.
Herr Hahn (Ob.-St.-A. in Berlin) theilt mit, dass er unter 170
Schwer-verwundeten. die er während 4 Monate in Rumänien behandelt,
1 Mal nach 5 wöchentlichem Gebrauch des nassen Juteverbandes bei
einer Schussfractur eine Carboinephritis gesehen, die mit dem Aussetzen
des Mittels schwand.
Herr Kocher (Bern) theilt zwei Fälle schwerer Carbolintoxication mit.
Herr v. Langenbeck hat 1869 nur einen bedenklichen, nicht tödt-
lichen Fall von Carbolintoxication nach Lister’scher Abscessbehandlung
mit Oel und Pasta bei einem Knaben gesehen, bemerkt aber, dass in
der Poliklinik 2 anderweitige tödtliche Fälle vorgekommen, und zwar
nach unbedeutenden Operationen und Anwendung des trockenen Ver¬
bandes. Er wendet daher bei Kindern nie den Carbol-Spray an.
(Schluss der Discussion sowie der Sitzung.) Paul Güterbock.
Vom Kriegsschauplatz.
Von
Dr. O. Heyfelder.
15.
Alexandropol, den 19./31. März 1878.
Die Typhusepidemie besteht noch fort, doch nach einer nochmaligen
Steigerung während der letzten Wochen, befindet sie sich nunmehr ent¬
schieden in der Abnahme. Immer noch ist es das Sanitätspersonal,
welches vorzugsweise erkrankt: von den Aerzten namentlich zwei Cate-
gorien, nämlich die frisch aus Russland ankommenden und zweitens die
nach unvollkommener Convalescenz und ohne Unterbrechung ihres hiesigen
Aufenthaltes wieder in Dienst tretenden. Die letzteren machen entweder
nach einem überstandenen Abdominaltyphus den Petechialtyphus durch,
oder erkranken nach einer der beiden obigen Formen an einer Recurrens,
einer Febrieula oder einem sogenannten Abortivtyphus. Dabei ist es auf-
allend, wie relativ wenig die eingeborene Bevölkerung an der Epidemie par-
ticipirt, nicht als wäre nicht auch eine Anzahl Armenier erkrankt und gestor¬
ben; aber im ganzen sind die Bewohner des Landes, Armenier und die wenigen
deutschen Familien Alexandropols, der Ansteckung sehr wenig ausgesetzt.
Gelegentlich habe ich den einen oder den anderen kranken Einwohner in
seiner Behausung besucht und gesehen, wie sie meistens in ungeheizten Räu¬
men den hierselbst ziemlich harten Winter verbringen, wie alle Hausgenossen
in dem einen Hauptraum beisammen wohnen, wie sie ihren typhuskranken
Gast oder Hausherrn daselbst mitten unter sich halten und doch nur
in den seltensten Fällen angesteckt werden. Ich würde einen Einfluss
darauf der kühlen Temperatur und der starken Ventilation (durch ein
Oberlicht) des orientalischen Hauses zuschreiben, wenn ich nicht in den
halb unterirdischen Sakli der Dörfer und in den wohlgeheizten Zimmern
der hiesigen deutschen Familien dasselbe gesehen hätte. Bei einer
deutschen Familie wohnte ein Militärarzt, welcher 2 mal den Typhus
durchmachte (Abdominal- und Petechialtyphus), ohne dass irgend jemand
der zahlreichen Familie erkrankt wäre, obgleich sich unter den Haus¬
genossen auch drei erwachsene junge Leute befanden, ln einer anderen,
geradezu ominös fruchtbaren deutschen Familie wurden 4 oder 5 deutsche
Kolonisten aufgenommen, welche mit ihren Fourgons an den Kranken¬
transporten zwischen hier und Kars theilnahmen und am Typhus er¬
krankten und zum Theil starben. In der gastlichen Familie, wo man
sie Wochen lang gepflegt hatte, hat niemand die Krankheit geerbt. In
Klein-Karaklyss *), wo 3 Hospitäler mit türkischen Kranken und Ver¬
wundeten Herbst und Winter standen und viele Türken am Typhus
starben, haben die Einwohner nicht am Typhus participirt, und ist nur
ein Arzt an dieser Krankheit gestorben, wohl aber mehrere daran er¬
krankt. In diesem Aul waren die Kranken des Hospitals No. 7 und
No. 37 in Sakli untergebracht, die von No. 38 in geheizten Doppelzelten.
Ich besuchte im Januar den an einem chirurgischen Leiden erkrankten
Oberarzt des Kriegshospitals No. 37; er wohnte in einer Art kleiner
Scheune mit Lehmboden, mit einem von ihm selbst gesetzten Eisen¬
blech-Oe fchen, jedoch mit 2 wirklichen Fenstern. Sein Lazareth für
türkische Officiere war ia einem heizbaren, zur Hälfte unter der Erde
gelegenen, schwach erhellten, aber nicht kalten Raum. Sie waren zum
Theil wegen abgefrorener Gliedmassen amputirt, befanden sich aber er¬
träglich wohl. Aehnlich, nur vielleicht etwas enger und etwas schlechter
waren die türkischen Soldaten auch untergebracht. Ein anderer Arzt
wohnte wenigstens 5 Fuss tief in der Erde mit einem kleinen Oberlicht,
ein dritter dos-ä-dos mit den Büffeln seines Hausherrn. Diese thierische
Wärme-Methode ist bei den Armeniern und Türken besonders beliebt.
Eine Eigenthümiichkeit der jetzt abnehmenden Typhusepidemie ist
die Complication mit Affectionen der Respirationsorgane, namentlich mit
Bronchitis, seltener mit Larynxcatarrhen. Diese Complication geht übrigens
parallel mit dem herrschenden Krankheitsgenius. Seit die scharfen
Märzwinde über unser Hochland streichen, und Schneefall, Regen, Wind'
mit stillen, warmen Tagen abwechseln, laboriren auch alle Gesunden an
Krankheiten der Athmungsorgane. Somit ist die Complication eine
local und klimatisch bedingte.
Wir erhalten zum Glück und natürlicher Weise keine Complicationen
mehr. Von den alten haben sich eine Anzahl mit geringen Substanz¬
verlusten ohne Operation erholt und zum Theil die Hospitäler verlassen.
Andere, bei welchen die Gangränescenz nach Abfrierung sehr umfang¬
reich und tiefgreifend war, oder welche schon vorher mit einem Allgemein¬
leiden, z. B. eben mit Typhus, behaftet waren, starben. Auch die Am*
putirten erlagen nicht, namentlich in dem beständigen Militärkranken¬
hause der Festung, wo ein tüchtiger, junger Chirurg, Gräsnof, nunmehr
zu dem Entschluss gekommen ist, ferner nicht mehr zu operiren. Die relativ
besten Resultate haben meine beiden Hospitäler No. 35 und No. 36 ge¬
habt, welche auf dem sogenannten Kosackenposten, einem Hügel ausser¬
halb der Stadt, ln grösstentheils neuen Gebäuden sich befinden. Wir
alle, d. h. alle Chirurgen und operirenden Militärärzte, haben wirklich
gute Resultate nur da gesehen, wo es uns gelang, die einzelnen Zehen
(meist alle 10) jede besonders zu amputiren, oder zu cxarticuliren und
jede Wunde separat zu vereinigen. (Ich mit Silberdraht oder Catgut).
Dagegen habe ich eine Reihe von Resectionen und Evidements durch
die Typhusepidemien und alle Evakuationen, welche uns die besten
Operationsresultate entrückten, hindurch gerettet, und kann den durch¬
reisenden und hiesigen Collegen eine Reihe genesener Operirter in No. 35
vorstellen, welche nicht ermangelt, fast täglich einige medicinische
Gäste anzulocken. Gewisse Vortheile, an denen meine Kranken participi-
ren, sind keineswegs mein Verdienst. Nachdem fast mein'ganzes Ver¬
waltungspersonal am Typhus gestorben, ist es durch entschieden bessere
Kräfte ersetzt worden. Im Einklang mit demselben habe ich erreicht, dass
die Kost, Reinlichkeit und die Luft in meinen Hospitälern musterhaft ist.
Ausserdem erhielt ich durch die Gnade I. K. H. der Grossfürstin Maria
Pawlowna aus Petersburg und durch die Güte des Centralcomite’s des
rothen Kreuzes in Moskau von daselbst eine Fülle warmhaltender
Kleidungstüeke, z. B. 100 Pelze, ferner Wäsche, Verbandsachen, Tabak,
Pfeifen, Dosen, Bücher zur unabhängigen Vertheilung, so dass unsere
Leute eines grossen materiellen und moralischen Behagens thejlhaftig
wurden, wie die keines andern Krankenhauses in Alexandropol.
Berichtigung.**)
In dem Referat über die erste allgemeine Sitzung der deutschen
Gesellschaft für Chirurgie in No. 17 dieser Wochenschrift finden sich
hinsichtlich meiner Aeusserungen mehrere Ungenauigkeiten, deren Be¬
richtigung nothwendig ist.
1) Das unterschwefligsaure Natron ist nicht „als neuer Stoff“ von
mir, sondern als billigstes und sehr wirksames Antisepticum bereits in
einer vortrefflichen Arbeit von Minnich in Venedig empfohlen. Meine
Aeusserung darüber ging lediglich dabin, dass ich es für die antiseptisehe
Irrigation als zuverlässig und frei von unangenehmen Nebenwirkungen
erprobt habe.
2) Bei der Nachbehandlung des operirten Empyems bin ich weit
davon entfernt, bei jedem Verbandwechsel eine Aasspülung des Pleura¬
raumes vorzunehmen, sondern habe ein solches Verfahren aus¬
drücklich perhorrescirt. Ich nehme nur eine einzige Ausspülung
unmittelbar nach der Operation vor und unterlasse zuweilen selbst diese.
Später würde ich nur ausspülen, wenn Zersetzung der Secrete einträte,
was mir bisher kaum vorgekommen ist. M. Schede.
*) Klein-Karaklyss ist das schon früher von mir erwähnte armenische
Dorf 1 Wegstunde westlich von Alexandropol.
**) Eine Berichtigung in gleichem Sinne ist der Red. unterdess auch
von dem Referenten, Herrn Dr. P. Güterbock, zugegangen.
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262
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 18
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. Die belgische Academie der Wissenschaften und die Uni¬
versität Lüttich bereiten für Schwann, den grossen Entdecker der
thierischen Zellen, eine ruhmvolle Kundgebung vor, der sie, wie seiner
würdig, einen internationalen Character zu geben beabsichtigen. Es sind
jetzt nämlich gerade 40 Jahre her, dass Schwann’s epochemachende
Arbeit „Microscopisehe Untersuchungen über die Structur-Analogie zwi¬
schen Pflanzen und Thieren“ erschien, und ungefähr eben so lange, dass
er als Professor angcstellt ist. Im Jahre 1838 nämlich, bald nachdem er
jene berühmte Arbeit herausgegeben, wurde Schwann zum Professor
der Academie nach Löwen, 10 Jahre später nach Lüttich berufen, wo
er neben der Anatomie bald auch die Physiologie als Lehrfach erhielt,
worin er bis jetzt noch thätig ist. Es ist nun ein Co mite zusammengetreten
(Vorsitzender: Herr J. Stas, Mitglied der belgischen Academie der
Wissenschaften; Secretär: Herr Prof. Ed. van Beneden in Lüttich),
welches gegen Ende Juni im academischen Saal der Universität Lüttich
eine Marmorbüste Schwann’s aufzustellen und feierlichst zu enthüllen
beabsichtigt. Für diese Feier werden Vertreter fremder Universitäten,
Academien und wissenschaftlicher Versammlungen zur Theilnahme ein¬
geladen. Ausserdem werden die Vertreter dor biologischen Wissenschaft
aufgefordert, ihre Photographie nebst Autograph einzusenden, damit
diese, in einem Album gesammelt, dem Gefeierten als Zeichen per¬
sönlicher Hochschätzung überreicht werden. Es unterliegt keinem Zweifel,
dass jeder, der dazu berufen und im Stande ist, zur Hebung der Feier,
die in der gesammten gebildeten Welt ihren Wiederhali finden muss,
das seinige beitragen wird.
— Herr Prof. Dr. Guss en bau er in Lüttich, ein Schüler Bill roth ’s,
ist an des verstorbenen Heine Stelle zum Professor der Chirurgie in
Prag auf Vorschlag der Facultät ernannt worden.
— In der Woche vom 31. März bis 6. April sind hier 565 Personen
gestorben. Todesursachen: Masern 4, Scharlach 15, Rothlauf 2,
Diphtherie 25, Eitervergiftung 2, Kindbettfieber 2, Typhus 2, Rheuma¬
tismus articul. acutus 1, Syphilis 1, Vergiftung 1, Brandwunden 1, Sturz 2,
Erschiessen 2 (Selbstmorde), Folge von Operation 1, Erhängen 4 (Selbst¬
morde), Lebensschwäche 31, Biklungsfehlcr 1, Abzehrung 16, Atrophie 4,
Rbachitis 2, Scrophcln 2, Altersschwäche 16, Krebs 14, Wassersucht 1,
Herzfehler 12, Hirnhautentzündung 10, Gehirnentzündung 5, Apoplexie 14,
Tetanus und Trismus 6, Zahnkrämpfe 8, Krämpfe 61, Kehlkopfentzün¬
dung 30, Croup 2, Pertussis 9, Bronchitis acuta 11, chronica 17, Pneu¬
monie 42, Pleuritis 6, Phthisis 62, Peritonitis 4, Diarrhoe 12 (darunter
11 Kinder unter 2 J.), Brechdurchfall 8 (Kinder unter 2 J.), Magen-
und Darmkatarrh 4 (Kinder unter 2 J.), Nephritis 9, andere Ursachen 69,
unbekannt 4.
Lebend geboren sind in dieser Woche 368 m., 410 w., darunter
ausserehelich 48 m., 57 w.; todtgeboren 22 m., 18 w., darunter ausser-
ehelich 5 m., 7 w.
Die durchschnittliche Sterblichkeit dieser Woche beläuft sich
auf 28,8 pro Mille der wahrscheinlichen Bevölkerungszahl, die entspre¬
chende Geburtenziffer auf 39,6 pro Mille (beide Summen mit Ausschluss
von 2 pro Mille Todtgebornen).
Witterung: Thermometerstand: 4,92 R. Abweichung — 0,88 R.
Barometerstand: 27 Zoll 8,00 Linien. Dunstspannung: 2,23 Linien.
Relative Feuchtigkeit: 73 pCt. Himmelsbedeckung: 7,0. Höhe
der Niederschläge in Summa: 9,525 Pariser Linien.
Vom 7. bis 13. April sind in Berlin angemcldet: Typhus-Er¬
krankungen 8 (4 m., 4 w.), Todesfälle 4.
— in der Woche vom 7. bis 13. April sind hier 559 Personen
gestorben. Todesursachen: Masern 4, Scharlach 17, Rothlauf 3,
Diphtherie 20, Eitervergiftung 2, Kindbettfieber 2, Typhus 4, Dysenterie 2,
Karbunkel 1, Gelenkrheumatismus 3, Syphilis 1, mineralische Vergif-
tungeriy2 (darunter 1 Selbstmord), Kohlengasvergiftung 1, Sturz 3, Er¬
schiessen 3 (darunter 2 Selbstmorde, 1 Tödtung), Erhängen 2 (Selbst- j
morde), Ertrinken 1, Lebensschwäche 22, Rbachitis 2, Atrophie 8, |
Scropheln 3, Abzehrung 16, Altersschwäche 15, Krebs 10, Wassersucht 6, !
Herzfehler 11, Hirnhautentzündung 14, Gehirnentzündung 13, Apoplexie 1
22, Tetanus und Trismus 11, Zahnkrämpfe 1, Krämpfe 40, Kehlkopf- |
entzündung 14, Croup 8, Pertussis 13, Bronchitis acuta 10, chronica 11,
Pneumonie 48, Pleuritis 5, Phthisis 84, Peritonitis 9, Folge der Ent¬
bindung 2, Diarrhoe 10 (Kinder unter 2 J.), Brechdurchfall 8 (Kinder
unter 2 J.), Magen- und Darmkatarrh 3 (Kinder unter 2 J.), Nephritis 6,
Krankheiten der Harnorgane 2, andere Ursachen 59, unbekannt 2.
Lebend geboren sind in dieser Woche 415 m., 339 w., darunter
ausserehelich 66 m., 34 w., todtgeboren 16 m., 23 w., darunter ausser¬
ehelich 4 m., 3 w.
Die durchschnittliche Sterblichkeit während dieser Woche beläuft
sich auf 28,5 pro Mille der wahrscheinlichen Bevölkerungszahl, die ent¬
sprechende Geburtenziffer auf 38,4 pro Mille (beide Summen mit Aus¬
schluss von 2 pro Mille Todtgeborenen).
Witterung: Thermometerstand: 6,70 R., Abweichung: 0,32 R
Barometerstand: 28 Zoll 1,62 Linien. Dunstspannung: 2,66 Li¬
nien. Relative Feuchtigkeit: 74 pCt. Himmelsbedeckung: 6,6.
Höhe der N iedersch läge in Summa: 5,825 Pariser Linien.
Vom 14. bis 20. April sind in Berlin gemeldet: Typhus-Er¬
krankungen 17 (14 m., 3 w.), Todesfälle 4.
VIII. Aeriliche Mittheiluagea.
Personal ia.
Auszeichnungen: Seine Majestät der König haben Allergnädigst ge¬
ruht, dem ordentlichen Professor der Anatomie an der Universität in
Zürich Dr. med. et chir. von Meyer den Königlichen Kronen-Orden
dritter Klasse, sowie dem practischen Arzt Dr. Mahr zu Oldenburg
in Holstein und den practischen Aerztcn Dr. Bette und Dr. Keim
zu Magdeburg den Character als Sanitäts-Rath zu verleihen.
Niederlassungen: Arzt Weber in Westerburg, Dr. Keller in Geisen¬
heim, Dr. Sudhoff und Dr. Carl in Frankfurt a./M., Dr. Kroll in
Crefeld, Dr. Schraven in Cranenburg, Dr. Lindemann in Rott¬
hausen.
Verzogen sind: Dr. Dickmann von Langendernbach nach Hütte
Friedrichssegen bei Oberlahnstein, Dr. Wilhelm von Hütte Friedrichs-
segen nach Rödelheim, Dr. Hartmann von Frankfurt a./M. nach
Bateria, Dr. Bertling von Elten nach Solingen, Dr. Kramps von
Cranenburg nach Eiten, Dr. Draeck von Wachtendonk nach Düsseldorf.
Apothcken-Angelegenheiten: Der Apotheker Jansen hat die
Lutter’sche Apotheke in Joachimsthal, der Apotheker Koelln die
Veltmann’sche Apotheke in Driburg gekauft. Dem Apotheker Parrot
ist die Verwaltung der Hürle’schen Apotheke in Frankfurt a. M. und
dem Apotheker Thoren die Verwaltung der Hartrath’schen Apo¬
theke in Brüggen übertragen worden.
Todesfälle: Kreis - Physikus Sanitäts-Rath Dr. Steiner in Loetzen,
Dr. Schumann in Liegnitz, Dr. Meggenhoffen zu Frankfurt a./M.,
Dr. Engels in Mühlheim a. d. R.
Militär-Aerzte.
20. April. Dr. Behrens, Ober-Stabsarzt 2. Kl. des Uian.-Regts. No. 16,
zum Ober-Stabsarzt 1. KL, Dr. Richter, Stabs-Arzt des Mecklenburg.
Füs.-Regmts. No. 90, zum Ober-Stabsarzt 2. Kl. des 2. Schics. Dra-
goner-Regmts. No. 8, Dr. Müller, Assist.-Arzt 1. Kl. vom Schleswig.
Fuss-Art.-Bat. No. 9, zum Stabs-Arzt des 1. Westph. Inf.-Regmts.
No. 13, Dr. Riedel, Assist.-Arzt 1. Kl. bei dem Gen. und Korpsarzt
des XI. Armee-Corps, zum Stabs-Arzt des Inf.-Regts. (2. Westph.)
No. 15, Dr. Sommerbrodt, Assist.-Arzt 1. Kl. vom Invalidenhause zu
Berlin, zum Stabs - Arzt beim med. - Chirurg. Friedr.-Wilhi-Institut,
Dr. Flashar, Assist.-Arzt 1. Kl., vom 1. Schles. Drag.-Regmt. No. 4.
zum Stabs-Arzt des 5. Brand. Inf.-Regmts. No. 48 — befördert.
ministerielle Verfügungen und Krlasse.
Ew. Excellenz theile ich Abschrift des Circular-Erlasses an sämmt-
liche Königlichen Regierungen vom heutigen Tage (Anlage A.) mit dem
ergebensten Ersuchen mit, von der Einführung des neuen Hebaunnen-
Lehrbuchs den betreffenden Organen der Provinzial-Verwaltung gefälligst
Mittheilung zu machen und deren Zustimmung zu vermitteln, dass den
bedürftigen, bereits approbirten Bezirkshebammen der Provinz die Be¬
schaffung des neuen Lehrbuchs durch Bewilligung einer Beihülfe aus
dem Hebammen-Unterstützungs-Fond, wie es auch im Jahre 1866 ge¬
schehen ist, erleichtert werde.
Zugleich sehliesse ich — Exemplar des Lehrbuchs bei, um solches
durch Vermittlung der Provinzial-Verwaltung dem Director der Hebammcn-
Lehranstalt in N. zustellen lassen zu wollen.
Von dem Resultat Ihrer Bomühungen wollen Ew. Excellenz mir ge¬
fälligst Mittheilung machen.
Berlin, den 20. April 1878.
Falk.
An sämmtliche Königliche Ober-Präsidenten.
Anlage A.
Nachdem sich das Bedürfniss nach einem neuen Hebammen-Lehrbuch
fühlbar gemacht hatte, habe ich eine Commission von Sachverständigen
mit der Bearbeitung eines solchen beauftragt. Das hieraus hervorge¬
gangene Lehrbuch der Geburtshülfe für die Preussischen Hebammen ist
gegenwärtig in meinem Aufträge in Druck und Verlag der hiesigen
August Hirschwald’sehen Buchhandlung, Unter den Linden 68, erschienen
und wird hiermit bei dem Unterricht in den Hebammen - Lehranstalten
von dem Beginn des nächsten Lehrcursus ab als Lehrbuch eingeführt.
Auch bestimme ich, dass die mit den Bezirkshebammen vorschriftsmässig
abzuhaltenden Nachprüfungen sobald als möglich, jedenfalls aber nach
Jahresfrist nach dem neuen Lehrbuch vorgenommen werden.
Ich habe die Vermittlung des Herrn Oberpräsidenten in Anspruch
genommen, um die Zustimmung der Organe der Provinzial-Verwaltung
zu vermitteln, dass den bedürftigen, bereits approbirten Bezirkshebamraen
die Beschaffung des neuen Lehrbuchs durch Bewilligung einer Beihülfe
aus dem Hebammen-Unterstützungsfonds, wie es auch im Jahre 1866
geschehen ist, erleichtert werde. Wo eine solche Beihülfe nicht ein treten
kann, bleibt nur übrig, dass die bereits approbirten Bezirks-Hebammen
sich das Buch auf eigene Kosten anschaffen.
Indem ich der Königlichen Regierung beikommend 1 Exemplar des
Lehrbuchs für Ihre Bibliothek übersende, veranlasse ich Dieselbe, die
angeordnete Einführung des neuen Lehrbuchs durch das Amtsblatt
schleunigst zu veröffentlichen.
Berlin, den 20. April 1878.
Der Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten.
gez. Falk.
An sämmtliche Königliche Regierungen etc.
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Gck igle
Original fro-rn
UNIVERSETY OF MICHIGAN
6. Mai 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
263
Bekanntmachungen.
Offene Kreiswundarztstelle. Die Kreiswundarztstelle des Kreises Ost-
Pricgnitz ist durch den Tod des bisherigen Inhabers erledigt; wir fordern
für die Verwaltung, einer Kreis-Physikatsstelle qualificirtc Aerzte zur
Bewerbung um diese Stelle auf mit dem Bemerken, dass bezüglich der
Wohnsitznahme in einer der Städte des betreffenden Kreises auf die
Wünsche der Bewerber möglichst Rücksicht genommen werden soll. Die
Bewerbungen sind unter Beifügung der die Qualification nachweisenden
Zeugnisse und einer Beschreibung des Lebenslaufes bis zum 15. Juli bei
uns anzubringen.
Potsdam, den 11. April 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Die Kreis wundarztstelle des Stadtkreises Trier ist erledigt. Bewerber
um dieselbe wollen sich bei uns innerhalb 8 Wochen melden.
Trier, den 24. April 1878.
Königliche Regierung.
Die Kreiswundarztstelle des Kreises Verden ist aflderweit zu besetzen.
Aerzte, welche das Physikatsexamen bestanden haben oder sich ver¬
pflichten, dasselbe binnen zwei Jahren zu absolviren, werden aufgefordert,
sich unter Einreichung ihrer Zeugnisse innerhalb 4 Wochen bei uns zu
melden. Die nach Ablauf dieser Frist etwa noch eingehenden Bewer¬
bungen bleiben unberücksichtigt. Dass der Kreis-Wundarzt sich am
Sitze des Kreisphysikus niederlässt, ist zwar wünschenswerth, jedoch
können auch Bewerber, welche an einem anderen Orte des Kreises wohnen,
Berücksichtigung finden.
Stade, den 25. April 1878.
Königliche Landdrostei.
Die Kreiswundarztstelle des Kreises Schroda mit einem jährlichen
Behalte von 600 M. ist erledigt. Qualifieirte Bewerber wollen sich unter
Einreichung ihrer Zeugnisse und ihres Lebenslaufs innerhalb 6 Wochen
bei uns melden.
Posen, den 26. April 1878.
Königliche Regierung.' Abtbeilung des Innern.
Die mit einem jährlichen Einkommen von 900 M. verbundene Kreis-
physikatsstelle des Kreises Mogilno wird vom 1. Mai er. ab vacant und
soll sofort wieder besetzt werden. Qualifieirte Bewerber fordern wir auf,
sich unter Einreichung ihrer Atteste und eines Lebenslaufes binnen
6 Wochen bei uns zu melden.
Bromberg, den 27. April 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Inserate«
Bekanntmachung.
Auf Anregung des Königlichen Ministern der geistlichen, Unterrichts- j
und Medicinal-Angelegenheiten sind wir bereit, jungen Aerzten nach
bestandener Staatsprüfung Gelegenheit zu geben, in unserer Kranken- j
Anstalt, unter Leitung der beiden Oberärzte derselben, Medicinalrath I
Dr. Schneider und Sanitätsrath Dr. Hagedorn, gegen Gewährung j
einer freien Wohnung, die erworbenen Kenntnisse practisch zu üben. |
Diejenigen. welche hiervon Gebrauch machen wollen, fordern wir auf, |
sich schriftlich an uns zu wenden und gleichzeitig die veqräichtende
Erklärung abzugeben, ihre Kräfte mindestens U* Jahr lang unserer
Krankenanstalt zu widmen.
Magdeburg, den 21. April 1878.
Die Armendirection
Bötticher.
Es ist wünschenswerth. dass neben den hier ansässigen zwei Aerzten 1
sich noch ein dritter zur Uebernahme von Stadt- und Land-Praxis I
niederlässt.
Den Bewerbern kann, nach Vereinbarung mit dem Kreis-Ausschuss,
die Stelle des Impf-Arztes des diesseitigen Bezirks mit einer Remune- !
ration von 390 M., sowie des Arztes einiger Krankenkassen in sichere j
Aussicht gestellt werden.
Auskunft crtheilen gern die Herren Günther, Adler-Apotheker
und Münzel, Mohren-Apotheker. I
Suhl, den 18. April 1878. j
Der Magistrat. ■ j
Bei der hiesigen Anstalt wird bis zum 15. Mai er. die Stelle eines
medicinischen Assistenten vacant, mit welcher ein baares Gehalt von :
jährlich 900 Mark, neben freier Station (Verköstigung nach pos. C. des j
Speise-Regulativs, Wohnung, Feuer, Licht und Wäsche) verbunden ist. ;
, Geeignete Bewerber wollen ihre Meldungs-Gesuche nebst ärztlichen 1
Qualifications-Zeugnissen bei dem Unterzeichneten einreichen. ;
Landkrankenhaus bei Cassel, den 27. April 1878. I
Der Dirigent des Landkrankenhauses.
Dr. Rosenkranz.
Ein junger Arzt sucht für die nächsten Monate bis zum Octbr. vor- ,
übergehende Beschäftigung in einer klinischen Anstalt oder in Ver- i
tret ung* eines Collesren. Gefl. Anträge befördert unter „Medicus 3788“
die Annoncen-Expcdition v. Rudolf Messe, Leipzig. !
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CjCk -gle
Einem tüchtigen fleissigen jungen Arzte wird eine lohnende Praxis
nachgewiesen. Deutsches Städtchen von 2000 Einw., Prov. Posen. Off.
St. B. 13 durch d. Kxp c d. d. BI. _
In einer kleineren Stadt am Rhein kann ein College in eine gute
Praxis eingeführt werden. Bedingung ist Uebernahme des Wohnhauses
bei massiger Anzahlung. Offerten sub A. Z. 33 befördert d. Exped.
Ein Arzt in einer kleinen Stadt sucht für seine Mussestunden
litterarische Beschäftigung. Näheres durch die Expedition d. Bl. sub
D. Q. 17. _
Während der Saison (15. Mai bis 15. September; übe fch in Bmd
Benndorf brunnenärztliche Praxis aus.
Berlin. _ Stabsarz t a. D. Dr. Ewe, Brunnenarzt.
Den Herren Co liegen die ergebenste Anzeige, dass ich mit der be¬
vorstehenden Saison an in KönigsdorfT-Jastrzemb practiciren werde.
__ Dr. Weissenberg.
Ich habe meine Praxis in E ms wieder aufgenommen., Pr. Gölte.
Vom 1. Mai an werde ich wieder in Badenweiler practiciren.
Nervi, im April 1878.
_ Dr. H. J. Thomas, pract. Arzt.
Ich habe mich in Carllbad niedergelassen und bin daselbst vom
25. d. M. ab in den drei Mohren am Markt zu sprechen.
Berlin, im April 1878.
Dr. J. Schlier,
pract. Arzt u. Docent a. d. Universität.
Ich habe mich als Specialist für Gehirn- und Nervenkrankheiten
hier niedergelassen. Sprst. 8—9 Vorm. u. 3—5 Nachm.
Berlin W., Französische Str. 18. 1.
Or. Wereicke,
_ Docent a. d. Universität.
Den Herren Collegen bringe ich mit der ergebensten Anzeige, dass
ich mich seit vorigem Jahre als Badearzt in Salzungen niedergelassen
habe, dieses ausgezeichnete Soolbad in empfehlende Erinnerung.
Or. Wendroth,
Oberstabsarzt a. D.
Soolbad Frankenhausen Pr. H. Bet». _
Soolbad Sodenthal
bei Aschaffenburg, Eisenbahn-Station Sulzbach am Main.
Stärkstes Jod-Brom-Soolbad. Mildes Klima. Gebirgsluft. Reizender
Sommeraufenthalt. Comfortables Kurhaus. Bei Scrofulose, Frauen-,
Kinder-, Knochen-, Drüsen-Leiden, Hämorrhoiden etc. Badearzt: Dr.
K üm m el 1. Massige Preise. Equipagen auf Verlangen zur Bahn. Tele¬
graph Im Hange* Saison vom 1. Juni an. __
Soolbad Frankenhansen
i» Thüringen,
in weiten Kreisen durch die kräftige Wirkung seiner Quellen und seiner
angenehmen und gesunden Lage wegen bekannt, ist vom 18. Mai bis zu
Ende September [reöffnet. Zu den hier vorhandenen Curmitteln (als
Sool-, Mutterlaugen-, Dampf- und Wellenbädern, Trinkeuren aus der
Elisabethquelle) gehört auch ein nach den neuesten Erfahrungen ange¬
legter grosser Inhalationssaal zum Einathmen zerstäubter Soole, welche
für chronische Catarrhe der Luftwege als ausgezeichnetes Mittel bekannt
ist, und tritt denselben ein neues geschmackvolles Badehaus mit 14 Zellen
hinzu.
Hiesige Aerzte: Die Herren Badearzt Sanitätsrath Or. Oraef,
Dr. Betz, Or. Cpeneteie, Dr. Maeiske.
Nächste Station der Halle-Kasseler Eisenbahn ist Rossla.
—_____ Pie Bade-Pirectlon daielbit.
Soolbad KoenigsdorfT-Jiistrzemb,
Beginn der Saison 15. Mai,
angenehm und billiger Aufenthalt; Einrichtungen comfortebelet
Von Station Petrowitz ,(k. k. Ferd. Nordbahn), Rybnik und ftatibor aus
In kürzester Zeit zu erreichen.
Nähere Auskunft ertheilt die Bade*lnspection
_ vom Oroeling. _
Mineral- und Soolebad Empfing
bei Traunstein.
ErilMM, 1* 10. Mai. Curmittel: Alkalisch muriatische Mineral-,
Soole-, Moor-, Fichtennadelbäder, Kaltwasserheilverfahren. Gebirgsmilch,
Kräutersaft, Alpenklima. Der beruhigende Einfluss des Mineralbades auf
das Nervensystem, die mächtigen Reflexwirkungen der Soolbäder auf den
Circulationsapparat begründen den Erfolg dieser Bäder bei Gicht, Rheu¬
matismus, allgemeinen Ernährungsstörungen, Blutüberfüllung innerer
Organe, Herzleiden, Uterusinfarct, Nervenleiden u. s. w. Staubfreie wind¬
stille Lage, ringsum Fichtenwaldungen mit gepflegten Wegen, reizende
Ansicht des Hochgebirges. Aufmerksame Behandlung, gute und billige
Verpflegung. Badearzt ist Herr Dr. Leonpacher.
Weitere Auskunft ertheilt
Job. Scywald, Badbesitzer.
Ürigiral frem
UNIVERSfTY OF MICHIGAN
2G4
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 18
Verlag von August Hirschwald in Berlin.
Soeben erschien:
Cursus
der
normalen Histologie
zur Einführung in den Gebrauch des Mikroskopes
sowie in das practische Studium der Gewebelehre
von
Prof. Dr. Job. Orth.
gr. 8. Mit 100 Holzschnitten. 7 M.
Da sowohl der practische Arzt wie der Student zum Mikroskopiren
in der Regel nicht allzu viel Zeit übrig haben; und dafür ihre Zeit
möglichst gut ausnutzen müssen, wird ihnen die vorliegende Anleitung
zu mikroskopischen Untersuchungen speciell in dem Gebiete der nor¬
malen Histologie nicht nur erwünscht, sondern meist sogar nothwendig
sein. Die Vorschriften, welche Prof. Orth in diesem (’ursus gicbt. sind
grösstentheils altbewährte, und Jeder, der sieh genau danach richtet,
kann sicher sein, brauchbare Präparate zu erhalten
In meinem Verlage ist heute erschienen:
Reumont, Dr. A., Ueber die Behandlung der constitutio¬
neilen Syphilis und der Quecksilberkrankheit in
den Schwefelbädern, vorzugsweise in Aachen. Zweite ver¬
mehrte Auflage. Mk. 1.
Uff eimann, Dr. J., Darstellung des auf dem Gebiete der
öffentlichen Gesundheitspflege in ausserdeutschen Län¬
dern bis jetzt Geleisteten. Eine vom deutschen Vereine für
öffentliche Gesundheitspflege gekrönte PreiSSChrift, nebst einer
vergleichenden Darstellung des in Deutschland Ge¬
leisteten. Mk. 10.
Berlin, den 25. April 1878. G. Reimer.
= Badenweiler. “
Kli«atischer und Molkea-Carort — Neuerbautes Bassin-Bad, stets
durchströmendes Thermalwasser von 26° C. — Marmorpisrine in
elegantest eingerichtetem Badesaal. — Grosses Schwimmbassin unter
freiem Himmel. — Douchen. — Wannenbäder. — Eröffnung dar Salsan
an 1. Mai.
Das Comite.
Wasser-Heilanstalt
in Thale am Harz. Alle Nerven-, Kopf-, Unterleibs- und auch andere
Kranke erzielen bei milder Cur und 30jähriger Erfahrung des Arztes stets
sichere Erfolge. Mit dem Hubertus-Bade habe ich nichts gemein.
_Der dirigirende Arzt Dr. Ed. Preis»._
Schönau,
Curort
bei Teplltz in Böhmen.
5 Minuten von der Station Teplitz der Aussig-Teplitzer
Eisenbahn entfernt
Die Witter des Schönauer Quellengebietes sind weltberühmte in¬
neren!® Quellen von 22 bis 38 Grad R., vorzüglich anzuwenden bei
ßicht, Rheumatitmut, Lähmungen, Gelenkt- u Knochenkrankheiten, Wanden,
Folgekrankheiten nach tchweren Verletzungen, Hautkrankheiten, bei ge¬
steigerter Sensibilität und Hyperaesthesie.
Vorzüglich gut eingerichtete Badeanstalten, Porzellanbecken, Douche-
und Moorbäder, höchst angenehme, einem Carerte vollkommen ent¬
sprechende Lage, prachtvolle romantische Umgebung, ausgedehnte
Promenaden und Parkanlagen, Trinkhalle mit. in- und ausländischen
Mineralwässern.
Während der Saiten werden Militairconcerte abgehalten.
Comtortable eingerichtete Logirhiuser.
Eröffnung am 1. Mai.
Ueber anher gerichtete Anfragen ertheilt Auskunft
der Bürgermeister von Schönau.
(Nachdruck wird nicht honorirt.)
Wasser-Heilanstalt Laubbach
bei Coblenz am Rhei«.
Das ganze Jahr hindurch geöffnet. Kalte und warme Bäder, Elek¬
trotherapie.
Hausarzt: Dr. A. Maurer. Inspector: F. Herrmann.
Kgl. Stahlbad Brückenau
Unter franken in Bayern.
Reizende Lage; drei Quellen: Stahlquelle, eine der reinsten und
leicht verdaulichsten; Wemarzer und Siflflberger Quelle, wirksam als
I Säuerlinge bei allen chronischen Erkrankungen der Schleimhäute, be-
! sonders der Harnblase. Stahl- und Moorbäder von vorzüglicher Qualität.
1 ferner Salz- und Douchebäder. Peeumatische und electrische Apparate
Aerzte: Badearzt Dr. Wehn er , cons ult. Kgl. Bezirksarzt Dr. Imhof.
Bad Soden
am Taunus (Eisenbahn-Station).
Eröffnet am 1. Mai.
Bestellungen auf Mineralwasser und Offerten zur Errichtung
neuer Niederlagen nimmt entgegen die Bruaaen-Verwaltuag.
Bad Lippspringe.
Station Paderborn (Westf. Bahn) am Teutoburger Waide.
Stickstoffreiche Kalktherme (17° R.) mit Glaubersalz-Inhalationen,
feucht-warme beruhigende Luft, schweizer Molken. Erfolgreichstes Bad
bei chron. Lungensucht. pleuritischen Exsudaten, qiälenden trockenes Citarrbis
der Athmuogsorgane, Congestiooen dahin, nervftsem Asthma, reizbarer Schwäche,
verschiedener Art Dyspepsie. Frequenz circa 2300. Saison vom 15. Mai
bis 15. September. Die Curhäuser in den vergrößerten freundlichen An¬
lagen gewähren Comfort und vortreffliche Verpflegung. Die Cur-Ein¬
richtungen wesentlich verbessert: Orchester 18 Mann stark.
Den Wasserversandt bewirkt und Anfragen beantwortet
die Brunnen-Administration.
Bas natürliche
Emser Quellsalz
io gelöster Form
wird aus den König-Wilhelms-Felsenquellen gewonnen und enthält die
bekannten hoilkräftlgon Bestandteile der Emser Quellen in 20facherCon-
eentration. — Anwendung findet dasselbe zur Inhalation, zum Girfsti
und zur Verstärkung des Emser Thermalwassers beim Trinken. Zu be¬
ziehen durch alle Apotheken und Mineralwasserhandlungen des In- und
Auslandes.
König-Wilüelms-Felsenquellen in Ems.
E st e a n tion hn ' Bad Schinznach, Schweiz. Te & hen '
Dover der Soissv vom lä. Mol bis 13. September.
Therme mit reichem Gehalt an Kalk, Kochsalz, Schwefelwasserstoff
und Kohlensäure; berühmt durch ihre Heilwirkung bei Scropheln (Drüsen-),
Haut-, Knochen- und Schleimhautkrankheiten, chronischem Catarrhe,
Emphysen, Asthma und allgemeiner Schwäche.
Mildes Klima. Wald. Mi Ich euren.
Pension I. Classe Frs. 8 — II. Classe Frs. 4 — pr. Tag.
Zimmerpreise v. Frs. 1,50 bis Frs. 8. —
Für nähere Erkundigungen beliebe man sich zu wenden an:
_ H. Stae h ly. Director.
Mattoni’s
Ofner Königs-Bitterwasser
wü*d von den ersten medicinischen Autoritäten des In- und Auslandes
gegen habituelle Stuhlver haitu iijg und alle daraus resultiren-
den Krankheiten ohne irgend welche öble Nachwirkong, auch bei längerem
Gebrauche, auf das Wärmste empfohlen.
Durch seinen reichen Gehalt von Chlornatrinm, Natron bicarbifliCBV
und Natron carbonicum verdient es den Vorzug vor allen andern Bitter¬
wassern des In- und Auslandes.
llattoni & Wille, k. k. österr. Hoflieferant,
Besitzer der 6 vereinigten Ofner Königs-ßitter-Quellen.
Curvorschriften und Brochuren gratis.
Bu da pest, Perotheayasse Mo. 6.
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Wir suchen zu kaufen und erbitten gef. Offerten von Angabe der
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Bände.
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Frankfurt a. M. Jottph Baer i Co.
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Berlin, Lindenstrasse 86. A. Eichholtz.
Verlag und Eigenthum von August Hirschwald in Berlin.
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Gedruckt bei L. Schumacher in Berlin.
Original from
UNIVERSITY OF MICHIGAN
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Xontap in d«t St|rk? van \( ß«gfen
Pro ricrtey^hrhch 6 X&rk. BRsL*ütr>ß«n «ebmca
«Ha Bucbhaadiungen atid Pc«kAujrtaKia.>fc.
Beiträge WölTfe m«(J QöricfrR« «; die Rod&ctioa
f>, W! Öot(»itiet:u?tt. 7ft ^9.» c>der a& vlib 7«f-
•a^abocHMniSloti^ yon Au^rt'st hirs£h»r*l 4 iu Bar-
lis (NW, Öjfttaf 4on i:'tn4,ea 6£ ) «unketjdftu.
KUNM’llE\VO(ilENS('lli;iFr.
Organ für praktische Aerzte,
Mit Berücksichtigung der preussische» Medicinalverwaitung und Medicinalgesetzgebtmg
Bach amtliche» Mitthesirengen.
Redacteur: Prof. Df. L. Waldenburg. Verlag von August Hirscliwald in Berlin.
Montag, den 13. Mai 1878.
M 19 .
Fünfzehnter Jahrgang.
lufiaU: I, FraenlroJ: Rin Öoitr&g-Lehre von der acuten Phoapborvergiftung, — tl. ^Fi^h-drr voti-•^sicliisnöui'algie,. durch
JNervcruvs.v.tio:» gehöht oder gebessert IB. Bernhardt: Geber Biüiläbmung und mlxu-uic atrophische■»Spinallahmung Erwachsener
(Schluss). — IV, E«fcraf.' (Guttmanu: Jahrbuch für practteehe Aoi7.it- — Freu.öd: Eine biuj et'Methode rtej'Exstirpation des -gajiösn
Uterus). V, Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften -(Bertinür mediemistche GesoMsrhatt —' -(n^clhchaU für GdnifishnUe und Gynä¬
kologie in Berlin). — VI. ~ Feuilleton (VFL Coßgrg&s der Deutschen Ihr Chirurgie — .Täges^Kc.hi.chtÜehft Kothen).. —
Vll, AtnÜiöhe MittheUnxigetn — Inserate.
i. Ein Beitrag mr Lehre vom der amten Phosphor-
vergiftimg*}
(Ätes der jäOpaedeutisdv»*h JKlimk des Herrn ßuheimrath
• ' ' •. -... . * V r • " Le vtlea,)
■ V*n ,
ür„ ,1. Fmeokel,
otii d«-r propHedontf^hotj Iviiriik und boeenti a. d Libversität'.
(He Frage, wie weit es gestattet, sei, die Vorgänge fiel der
aimteh Leberätrophie iüad der ^Rps^felb’ergifttmg in ailatoftd^eher
feiermng sowohl $}%■ hittetehtifch des Stbtewechstds als nah*:
' ^ra-juidt oiltr-.gar mi Aidaurtei identische x« betrachten, ist seit
lebhafter Cmitro verse imter den Amteo ge-
wfc&jn. Während die «iiieu öidit hi>*feh<m, die Wirkung: heul er
. l'fm&tiK auf dem Oif^hisötd'b* titiA demgeteas^ ihr Epdergebütes
ah ihrem Wesen oach durefmi* von einander- abweichende auf-
iiufassen, hal^u sich amterc dahlu ausgesprochen, thisv
bei ihnen nor tue dep graduellen Unterschied eines* cialuua gtelßfc-
iftigeTi Vfttjräuge* .handele &äs£ abgesehen von ihretd tü
teft-tehen Irde/esse fiat die >n Rede stehende frag** in tteucfci?,
Zeit edüe tteimmtern pmcttSche Bed^utnng ttwh. iiYSwfani .vH&ngL.
ab zwei der bckäunicsteu und reiioiarnirtesten Fuvscher öftf.
fLcsepn Gebiet.; Schnitzen und Kies***), auf Grundlage mu*
fasender Ditetsltelmugen mir Ite.-dVmijithcit sich dahin äus.teriL
cewkse ftermlaritee, im normalen' Harn shn-it nicht »«^tretende*,
l'roductc des .Stoffwoetisets stets nur bei der einen; der beiden
gea&ö uten Affr.cti diien gefmideh pa l>ab *>ri> Wd hread dies.e.) hei> her
der A*ntwedhr nicht vorbauden ödei; d^rch erwartige
l'toducte ersttjit. sein >oile.n. SpecieH mit KncL^icbt auf das
'“ukcinmen vvu Lenem lind 1 vr.- >in. jener beiden iii du h-jjie
dcF ^ogemmnten .Aaiidosann s n gchtiilgiOö Körper:, 'deren reich •
- im- to hei :, Xmier Lebnratrpphk von F)’e : -
.tU'ks und ^taedlei' zuerst d;Ugethan wurde, wird die- n-i,
dniep behaupt et. iLigegen rollt das Auftreten von Kleis eh mikib-
gewissff» 4Vn-l R d|dot3C^;4hril!€he,n' vShbslaFi/^n eine den
AlffrrtifninHi -geju^u^aitte Kig^nthfinilmltkeit: seiu. mH dem
nych Iber beinilteu 1 ntev-ebb-be, di'uv. dn^tlbeu nt-
Vvr'' ' , ■' ' 'r\'.'‘ ■ •• ■ • ' V;
;<fi*.i:•: : : fan »*•-Ki-.nUvuIi-.iu.'V' - i' 1 ). ly, p.'-M 0 if
^hweren von in s^jir reichlicher
Menge iöv wäHrepd sie bei acuter
Leberatrophie vcrhalteissmüssfg nm in geringer Quantität an
Z'utruffett -seien. - Diesen .Behauphitigeti gagendlior e.vVstirl bisher
meipes Wissens mir eine einzige vhii VVygemachte und
aus 4 ei Xeii Ver der ftebilcatiöu der Sclioltxeh-Ries^kebeu
Arbeit horrüftrende Angabe in der Literatur, narb; v\-ek:iiei ie-
kgmitUch auch citunai aus. dem Hacn einer an abpiei; X’hosfd'ov
vergifteii^: verstbtdmunu Fehn T^fpsin. wie m in cfitäiiisfcjr
feinet« üüÄtäJttlf* dar^tklU wurde. Ha inti^ diesft Xltg&be ^
vielleicht lediglich der Form ihrer MttihCÜuug wegen — wenig
clvtuug gefuudCn hat. so ^imi die. # chl 1 v
tlpm n $ £ h;u 11 /. e n und Rtess gelangten, vor) las t allen spAteretä
Aurnre.ü als die dem wahre Tr Saeliveifmlf afhdb entsprechendtu
rückliaUios, acCeptjrt worden. Rjai so mehr Intovcsse dndto der
nÄchfölgend mltzutheilendo Fall bean.>priicli»?u, insofern deisolbe
dem Le^er nicht nur die Möglichkeit eim- mas.senliaften Vnl
trbtwtK von Löubln and Tyrosin auch im Harn lunl Blot bei
acuter FluispborvergiFtuug detnnnsHatp, soudern »ugteicb tbm Fe*
weis liefert, dass auch die atiatemische 8 eite der imvE’itigau^e-
berührten Krage, <d» uändudi dev KU«^ph>«r /.n einer auSge-
A)»rodmnen Ätropbif .des. lutu|jL-d*eh'Hv.h lodheilitten Organe*- der
Leb er; GUi reo könne, ;iü enf^ch&iltm posirivem Sinne ;gu beant-
w-ortetv sei. '
K nVi:» k e ft b e«‘ b Ach t li Ug.
Am K November 1 >G? 7 . wtutle dvr ^jährrge (kddarbeitei
J. Pli. unter )<nlizeitieber Aei-fuitteltiug aut die Krimh^oabthmb>tig
der propaedenüsehen Klinik des Herrn Ge!icun mi b Leydeu
bnic.hr . tnU dem Venm-vk. dass derselbe Seit den.* t.L. Ocinhüi-
etkLaukt $$,• und Äwar W^hr.scliniiilteh dir F»dgt*. Fmer Vr.T.giflnng
mit Pbns(du*r: Aus dem Babenten weicher vom AidiU'
giii» Stintes Aufenthaltes mi iFoypJtate lös m dem in denn-Klben
^erfolgten Tode rib im li-duMi .Grii*b' hbrminineue^ Sensurinm
darhiH> ftes.* sieh mit Aluim äha*utnc»ikcii.-intv däf* lu'räHsbitffgvm>
das? cf -tot. emer Keibe. ^ Tfigen fHte hufgeinonnieuv ^{fhtuu^
erbrochen bätet Ibage-im gbi^un Mx Äbtteuluug von »K-o Ae*
gehörigen d^> Kranke.} ..ieige' nac.li der ■ Aufnahme ftetete
■' sfhaftete' tW-sidbcw. au, wclet>* ; Aote i»iiXintii^: .^S^i>”
und iij seiner Wohiiimte incP-rL-s o. dte ipize eitHoPme-
■■ *j /)•■ * l *’J 1 ) ; < 1 die' \'k- uvAr ' ' Uj» 11 !. }• «’gi
266
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. I 9
enthielten, dass er Schulden halber den Entschluss gefasst
habe, sich das Leben zu nehmen und zu dem Zwecke Phosphor
(wahrscheinlich in Form eines Zündholzinfuses) zu sich ge¬
nommen habe.
Der am 9. November aufgenommene Status praesens ergab
folgendes: Patient, ein gracil gebautes, etwas abgemagertes In¬
dividuum, nimmt die horizontale Rückenlage ein und befindet
sich in tiefstem Coma, aus welchem er nur durch lautes Anrufen
und auch dann nur vorübergehend und unvollkommen zu er¬
wecken ist. Fortdauerndes lautes Stöhnen. Die Haut der ge-
sammten Körperoberfläche, sowie Conjunctivae intensiv icterisch
gefärbt. Von Extravasaten unter der Haut nichts bemerkbar;
dagegen besteht seit der Aufnahme wiederholtes Nasenbluten,
welches zeitweise auch von Blutungen aus dem Munde begleitet
ist. Die Radialarterien sind enge und wenig gespannt, der Puls
verhältnissmässig hoch und von hüpfender Beschaffenheit. Auf¬
fallend dumpfe, aber reine Herztöne; nur der systolische Ton
an der Spitze erscheint zeitweise von einem schwachen, hauchen¬
den Geräusch begleitet. Im übrigen ergiebt weder die Unter¬
suchung des Circulationsapparates, noch die der Lungen eine
auffallende Abnormität. Namentlich fehlt jede Spur von Cya-
nose. Man zählt 18 ziemlich unregelmässige, d. h. von häufigen
bis zu sieben Secunden währenden Pausen, unterbrochene, zu¬
gleich ausserordentlich oberflächliche Respirationen. Lippen
trocken; Zunge gelb-grau belegt; starker Foetor ex ore. Das
ziemlich stark gespannte Abdomen, welches fast das Niveau
des Thorax erreicht, erweist sich bei der Betastung äusserst
empfindlich. Namentlich die Berührung der Lebergegend ruft
lebhafte Schmerzäusserungen, durch verstärktes Stöhnen und
abwehrende Bewegungen des Kranken sich kundgebend, hervor.
Die Untersuchung der Leber selbst ergiebt eine unzweifelhafte
Vergrösserung des Organes. Ihre Dämpfung, welche oben in
der Höhe des unteren Randes der 4. Rippe beginnt, überragt
in der Mammillarlinie den Rippenbogenrand um nicht weniger
als 9 Cm., reicht in der Mittellinie bis zum Nabel herab und
erstreckt sich nach links noch um 7 Cm. über den linken
Sternalrand hinaus. Die Gesammthöhe der Dämpfung beträgt
in der Mammillarlinie 23 Cm.; die untere Grenze ist deutlich
palpirbar. Harn von dunkel rothbrauner Färbung, ohne Sediment
und ohne Eiweiss, giebt deutliche Gallenfarbstoffreaction. 24stän¬
dige Menge (mit dem Catheter entnommen) = 650 Ccm.,
spec. Gew. — 1027. — Temp. — 36,4° C., P. = 105. — Ver¬
ordnung: Gegen das Erbrechen Eispillen und Pulver aus Cerium
oxal. (2stündl. 0,1 Gr.). Ausserdem Aether acet., 3stündlich
10 Tropfen und Wein.
In den nun folgenden Tagen bis zum Tode änderte sich
im Zustande des Kranken nur wenig. Das tiefe Coma war
zeitweise unterbrochen von ziemlich lebhaften Delirien und
grosser Unruhe, welche die subcutane Application des Morphium
in kleinen Dosen nöthig machten. Der Icterus nahm an Inten¬
sität eher zu als ab; auch die Blutungen aus Mund und Nase
wiederholten sich in geringem Masse. Nur mit Mühe gelang
es, dem Kranken kleine Mengen flüssiger Nahrung beizubringen,
welche indess schliesslich zum grössten Theile auch wieder er¬
brochen wurden. Auffallend war das Verhalten der Leber¬
dämpfung. Dieselbe zeigte vom 9. November ab eine ent¬
schiedene Verkleinerung, derart, dass ihre untere Grenze
an dem genannten Tage in der Mammillarlinie um 4, in der
Mittellinie um 3 Cm. nach aufwärts gerückt erschien, während
sie zugleich von links nach rechts sich um 2,5 Cm. zurück¬
gezogen hatte. — Die Temperatur schwankte zwischen 36,5 und
37,2° C.; Pulsfrequenz = 96 —124 Schläge in der Min. —
Der Tod erfolgte in der Nacht vom 11. zum 12. November.
Autopsie am 13. November (Dr. Orth): Ziemlich muscu-
löse, sonst schlecht genährte Leiche mit allgemeinem, ausser¬
ordentlich intensivem Icterus. Hautdecken bieten eine fast in’s
grünliche spielende Färbung dar. Im Herzen und den grossen
Gefässen auffallend geringe Mengen eines dunkel schwarz tin-
girten Blutes. Das Herzfleisch selbst ist schlaff und von röthlich
brauner Färbung; die inneren Schichten des linken Ventrikels
von mehr gelblicher und hellerer Beschaffenheit als die des
rechten. Klappenapparat intakt. Unter dem visceralen Blatt
des Pericard bemerkt man auf der Rückseite des Herzens einige
punktförmige Hämorrhagien. Eben solche, etwas reichlichere,
finden sich unter dem Pleuraüberzuge der linken Lunge, im
mediastinalen Binde- und Fettgewebe, sowie in dem die Speise-
und Luftröhre umgebenden Zellgewebe. Lungen allenthalben
von normalem Luftgehalte; aus den Bronchien entleert sich ein
mit Blut gefärbter Schleim. — Bei der Eröffnung des Abdomen
ist von der Leber nur ein kleiner, etwa 2 Finger breiter, den
Rippenbogenrand überragender Saum zu sehen, welcher dem
linken Lappen angehört. Die Leber selbst ist 22 Cm. lang,
wovon 8 Cm. auf den linken Lappen kommen. Ihre grösste
Dicke beträgt links 3, rechts 8,5 Cm.; Breite des rechten Lappens
= 21, des linken = 12 Cm. Die Oberfläche des Organs zeigt
eine citrongelbe Grundfarbe mit eingestreuten rothen Flecken.
Auf dem Durchschnitt bemerkt man zu beiden Seiten des Lig.
Suspensorium eine, sich namentlich in den linken Lappen weit
hinein erstreckende, umfängliche dunkelrothe Partie, über welche
das Niveau des übrigen safrangelb gefärbten Parenchyms pro-
minirt. Eben solche, aber kleinere, atrophische Stellen finden
sich inmitten des übrigen Parenchyms des rechten Lappens
inselförmig verstreut. Vom linken Lappen ist nur die äusserste
Partie gelb gefärbt und nicht atrophisch. Die Acini erscheinen
in den dunkelrothen Theilen kleiner als in den gelben, ihre
Contouren daselbst sind verwischt, und ihr breites rothes Cen¬
trum nur von einer schmalen, gelb gefärbten Zone umgeben.
Die grossen Gallengänge sind leer, ihre Schleimhaut deutlich
gefaltet; aus dem Lumen ergiesst sich eine geringe Menge einer
farblosen Flüssigkeit. Auch die Gallenblase enthält nur ein
trübes, kaum gelblich gefärbtes Fluidum. — Milz klein, hellgrau-
roth, ohne deutliche Follikularzeichnung. Nieren von nor¬
maler Grösse und grauröthlicher Beschaffenheit; die Rinden¬
substanz bietet ein opakes Aussehen ohne die macroscopischen
Zeichen der Verfettung dar. Im Dünn- und Dickdarm reich¬
liche dunkelbraune, theerartige Massen. Beim Ablösen des Colon
ascendens gelangt man in eine neben dem Darme gelegene, mit
demselben theerartigen Inhalt, wie dieser, erfüllte abgekapselte
Höhle, welche durch mehrfache Geschwürsöffnungen mit dem
Coecum, dem Processus vermiformis und dem unteren Theile des
Colon communicirt.
Harnuntersuchung.
Schon bei der microscopischen Untersuchung des von dem
Patienten am 9. November entleerten Harnes, welcher zuvor
bis zur Syrupsconsistenz auf dem Wasserbade eingeengt worden
war, hatte mein College, Herr Stabsarzt Dr. Z unk er, neben
vielen Bilirubinnadeln die Anwesenheit zahlreicher rundlicher
Crystalldrusen constatirt, von denen es indess wegen ihrer fast
braunschwarzen Pigmentirung und dichten Lagerung als zweifel¬
haft angesehen werden musste, ob dieselben aus Leucin oder
Tyrosin bestanden. Es wurde daher auf Grund jenes Befundes
von mir die methodische chemische Untersuchung des Harnes
in Angriff genommen. Die Gesichtspunkte, von welchen ich
dabei ausging, waren von vornherein drei. Es handelte sich:
a) um die Feststellung der Natur jener im abgedampften Harn
beobachteten zweifelhaften Crystalldrusen, b) um die Ermittelung
der Menge derselben und ihres Verhältnisses zu dem im Harn
ausgeschiedenen Harnstoff auf dem Wege einer möglichst siche-
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13. Mai 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
267
ren quantitativ analytischen Methode, c) um die Bestimmung
der von dem Patienten innerhalb 24 Stunden ausgeschiedenen
Gesammtstickstoffmenge. — Als Untersuchungsobject diente der
schon abgedampfte Harn vom 9. November sowie die 24stün-
dige Menge des vom Vormittage des 10. bis zum Vormittage
des 11. November secernirten Urins, welche, da der Ham mittelst
Catheters entnommen wurde, genau einer Tagesperiode entsprach.
Das Volumen dieser Periode betrug 1187 Ccm. mit einem spe-
cifischen Gewicht von 1029. Bis auf einen Rest von ca. 100 Ccm.,
welcher zur Ausführung der sub b und c angeführten Bestim¬
mungen dienen sollte, wurde auch diese letztere Menge, nach
ihrer vorherigen Vereinigung mit dem Harn vom 9. November
auf dem Wasserbade eingeengt, der noch warme Syrup zu wieder¬
holten Malen mit grössereu Quantitäten gewöhnlichen Aleohols
extrahirt und schliesslich in einem Kolben mit Weingeist aus¬
gekocht. Es blieb hierbei ein zäher, in Alcohol unlöslicher
Rückstand zurück, von dem eine Probe unter dem Microscop
untersucht, die characteristischen Büschel des Tyrosins zeigte.
Behufs Reindarstellung des letzteren wurde der Rückstand in
einer grösseren Menge warmen Wassers wiederum gelöst, mit
Bleiessig gefällt, filtrirt, das Filtrat mittelst Schwefelwasserstoffs
vom überschüssigen Blei befreit und auf dem Wasserbade ein¬
geengt. Nach abermaliger Extraction mit ziemlich grossen
Mengen Aleohols und Abdampfen des Extractes resultirte ein
zäher, hellgelb gefärbter Syrup, welcher, einige Tage bei Seite
gestellt und dann mit wenig kaltem Wasser versetzt, sofort ein
schneeweisses Pulver zu Boden fallen Hess. Dieses, auf einem
Filter gesammelt, erwies sich bei der microscopischen Unter¬
suchung sowie nach allen mit ihm angestellten Reactionen
(Piria’sche, Hoffmann’sche Probe) so evident als Tyrosin,
dass von einer Bestätigung durch die Elementaranalyse Abstand
genommen wurde. Die Gesammtmenge des so erhaltenen Körpers
schätze ich auf ca. 4 Grm. Der Rückstand \on der letzterwähn¬
ten Alcoholextraction bestand fast gänzlich aus Harnsäure, welche
nach dem Vermischen mit etwas Wasser in den zierlichsten
Crystallformen (Dumbbells) zu Boden fiel. Die von Schultzen
gefundenen pepton-ähnlichen Körper konnten aus dem Rück¬
stände nicht dargestellt werden.
Es blieb nun weiter die Untersuchung des alcoholischen
Auszuges übrig, welchen der zur Syrupseonsistenz abgedampfte
Harn geliefert hatte. Dieser wurde nach dem Verdampfen des
Aleohols mit wenigen Tropfen Schwefelsäure angesäuert, hier¬
auf mit grösseren Mengen Aethers energisch geschüttelt, der
ätherische Auszug abgegossen und verdunstet, wobei ein nicht
sehr reichlicher, bräunlich gefärbter Syrup hinterblieb, aus
welchem nach längerem Stehen über Schwefelsäure geringe
Mengen von Hippursäure in den characterist’schen sternförmigen
Druseiusich ausschieden. Nach dem Abfiltriren derselben wurde
die Mutterlauge.in bekannter Weise auf Fleischmilchsäure, jedoch
mit negativem Erfolge, untersucht. Das Alcohol ex f ract selbst,
welchem nach dem Schütteln mit Aether die Schwefelsäure mit
Hülfe von Bariumcarbonat entzogen wurde, zeigte ein Verhalten,
wie es für analoge Fälle schon von anderen Autoren (u. a. auch
von Schultzen und Riess) beschrieben worden ist. Trotz
abermaliger Extraction mit absolutem Alcohol und Eindampfen
gelang es nicht, den sehr reichlichen Syrup durch Stehenlassen
über Schwefelsäure zur Crystallisation zu bringen, während
bekanntlich die Extracte normaler Harne bei entsprechender
Behandlung schnell zu einem mehr minder reichlichen Harnstoff¬
kuchen erstarren. Ebenso wenig konnte eine Crystallisation
erzielt werden, nachdem der vorhandene Harnstoff durch Fällung
mit alcoholischer Oxalsäurelösung entfernt worden war. Es
muss daher auch von uns in suspenso gelassen werden, ob der
betreffende Syrup Leucin enthielt oder nicht.
Fruchtbringender war die Untersuchung einer Quantität
Leichenblutes, im Betrage von ca. 220 Ccm., welches bei der
Section durch sorgfältiges Auspressen aus dem Herzen und den
grossen Gefässen gesammelt worden war. Dieses, mit der vier¬
fachen Menge Wasser verdünnt und mit Hülfe von einigen Tropfen
Essigsäure auf dem Wasserbade enteiweisst, hinterliess nach
dem Filtriren und Abdampfen einen verhältnissmässig sehr
j reichlichen braunen Rückstand, aus dessen alcoholischem Ex-
j tract sich nach dem Einengen und längerem Stehen weissliche
i Schüppchen ausschieden, welche sofort für Leucin imponirten.
Dieselben konnten denn auch nach nochmaligem Auskochen des
| Extractes mit absolutem Alcohol, wobei sie in Form eines weissen,
! flockigen Pulvers zu Boden fielen, microscopisch und chemisch
(Sch er er \s Reaction) als solches nachgewiesen werden.
Zu gleicher Zeit mit der so eben detaillirt auseinander¬
gesetzten qualitativen Untersuchung des Harnes wurden die von
vornherein intendirten quantitativ analytischen Bestimmungen
ausgeführt. 10 Ccm. des Harnes vom 10. November bedurften
I zur Erzielung der Endreaction 37,4 Ccm. der Liebig’schen
I Titrirflüssigkeit von salpetersaurem Quecksilberoxyd. Hieraus
I würden sich, falls wirklich alles gefällte Harnstoff gewesen wäre,
bei einer 24 ständigen Harnmenge von 1187 Ccm. : 44,39 Gramm
tl == 20,71 Gramm N. ergeben. In Wahrheit enthielt aber der
Harn, wie die Verbrennung von 5 Ccm. desselben nach der
älteren Voit’schen Methode im Verbrennungsrohr mit Natron¬
kalk erwies, 2,002 °/ 0 N., d. h. der Gesammtstickstoffgehalt der
24stündigen Menge an dem genannten Tage betrug 23,76 Gramm.
Um zu ermitteln, wieviel von dieser Zahl auf den von dem
Kranken wirklich producirten U und wieviel davon auf die aus¬
geschiedenen Amidosäuren zu beziehen sei, bedienten wir uns
der Bunsen’schen Harnstoffbestimmungsmethode, deren Vortheil
bekanntlich darin besteht, dass sie einen etwaigen, durch die
Anwesenheit von Amidosäuren bedingten Fehler der Analyse
ausschliesst. Danach fand sich ein Procentgehalt des Harnes
an U von 1,88 Gramm = 0,878 Gramm N., was auf die 24stän¬
dige Menge berechnet, die Summe von 22,31 Grm. = 10,42 Grm.
N. ergiebt. Zieht man die dem Harnstoff entsprechenden Stick¬
stoffmengen von den bei der Verbrennung des Harnes mit Natron¬
kalk erhaltenen Werthen ab, so würde demgemäss der Procent¬
gehalt des Harnes an N., welcher auf Rechnung der Amidosäuren
zu setzen ist = 1,124 Gramm und die zugehörige 24stündige
Gesammtmenge desselben = 13,34 Gramm betragen. Mit ande¬
ren Worten, unser Kranker schied in Form von Amidosäuren
nahezu 30% N. mehr, als in Form von U aus.
Epicritische Bemerkungen.
Dass es sich in dem obigen Falle wirklich um eine Ver¬
giftung mit Phosphor handelte, darüber konnte im Hinblicke
auf die uns vorliegenden, von dem Patienten selbst gemachten
Aufzeichnungen nicht der mindeste Zwelftl herrschen. Um so
auffallender sind die Ergebnisse, welche uns sowohl in chemi¬
scher, wie anatomischer Beziehung der Fall lieferte und welche
demselben ein über die Grenzen der blossen theoretischen Be¬
trachtung hinausgehendes Interesse verleihen. Was zunächst den
Leberbefund betrifft, so sind zwar ähnliche Veränderungen, wie
die hier bei der Section zu Tage geförderten, auch von anderen
Autoren (Mannkopf, Bolliuger, Tüngel, Schultzen und
Riess), wenn auch verhältnissmässig selten, beobachtet nnd
beschrieben worden. Indess dürften wohl nur wenige Fälle
in der Literatur existiren, in denen die Atrophie des Organes
bis zu einem solchen Grade vorgeschritten war, wie in dem
unsrigen. Sie hatte hier nicht nur den ganzen linken Lappen
ergriffen, an welchem das bis auf einen schmalen Säum durch
fettigen Zerfall der Zellen vordem untergegangene Parenchym
in ein gefässreiches Bindegewebe verwandelt erschien, sondern
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UNIVERSETY OF MICHIGAN
‘268
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 19
stellenweise auch den rechten in ihren Bereich gezogen. Leider
war von mir die microscopische Untersuchung der Leber sowohl,
wie der übrigen Organe anzustellen verabsäumt worden, und
muss ich mich in dieser Beziehung auf die Mittheilung der mir
nachträglich durch die Güte des Herrn Dr. Lesser zugekomme¬
nen Notiz beschränken, dass an den safran-gelb gefärbten Par¬
tien die Zellen in einen aus Fetttropfen der verschiedensten
Grösse bestehenden Detritus verwandelt erschienen, während an
den atrophischen Stellen nur Bindegewebe und Gefässe bei der
microscopischen Betrachtung zu sehen waren. Ob nebenbei an
diesen letzteren Orten es sich noch um eine wirkliche Neubildung
von interstitieller Gewebssubstanz und Kernanhäufung in dem
die Pfortaderäste umgebenden Bindegewebe handelte, wie solches
für analoge Fälle von Mannkopf beschrieben und bei acuter
Leberatrophie von Schultzen und Riess wiederholt gesehen
worden ist, Hess sich nicht eruiren. Auffallend war ferner das
Verhalten der übrigen Organe, namentlich des Herzens und der
Nieren unseres Patienten, welche von den sonst bei Phosphor¬
vergiftung so gewöhnlich zu beobachtenden Veränderungen,
bestehend in hochgradiger fettiger Degeneration dieser Organe,
macroscopisch nichts oder doch nur spurweise Andeutung dar¬
boten. — Desto ergiebiger war der Harnbefund.
Wie bereits in der Einleitung angedeutet, haben Schultzen
und Riess in den von ihnen beschriebenen Fällen von acuter
Phosphorvergiftung beim Menschen das Auftreten von Leucin
und Tyrosin im Harn regelmässig vermisst, während sie dem
Vorhandensein der genannten Körper bei der acuten Leber¬
atrophie einen für die Erkennung dieser Krankheit diagnosti¬
schen Werth beimessen, ähnlich wie wir heut zu Tage die
Anwesenheit von Zucker im Harn als unzweideutiges Symptom
eines bestehenden Diabetes auffassen. Diese in präcisester Weise
formulirten und überdies durch ein reiches Beobachtungsmaterial
gestützten Behauptungen der beiden Autoren haben nicht ver¬
fehlt, einen gewissen bestimmenden Einfluss auch auf die rein
practische Seite unserer Wissenschaft auszuüben. In einem
unserer gebräuchlichsten Lehrbücher über forensische Medicin
wird das Vorhandensein oder Fehlen von Leucin und Tyro¬
sin im Harn mit als ein Kriterium dafür aufgeführt, ob es sich
in einem gegebenen Falle um eine acute Leberatrophie oder
Phosphorvergiftung handle. Unsere Beobachtung nun steht in
Widerspruch zu den Anschauungen und Behauptungen von
Schultzen und Riess. Sie lehrt, dass eine sehr reichliche
Ausscheidung von Leucin und Tyrosin auch bei der Phosphor¬
vergiftung, wenngleich nicht zu den häufigen, so doch zu den
gelegentlichen Vorkommnissen gehört, dass anatomisch wie che¬
misch ein durchgreifender Unterschied zwischen den beiden in
Rede stehenden Affectionen nicht besteht, und dass mithin in
einem zweifelhaften Falle dem Gerichtsarzte es bis jetzt an einem
jeden sicheren Merkmale fehlt, welchen von beiden Processen
er vor sich habe.
Schultzen und Riess geben ferner an, dass sie in allen
ihren schweren Fällen, welche schliesslich mit dem Tode en¬
digten, ein Absinken der Harnstoffausscheidung auf ein minimum
bei gleichzeitiger erheblicher Zunahme der sogenannten extrac-
tiven Materien des Harns beobachtet hätten. Zugleich consta-
tirten sie unter solchen Umständen eine reichliche Ausscheidung
von den Peptonen ähnlichen Substanzen und von Fleischmilch¬
säure im Urin. Da sie selber den letzteren Körper in einem
ihrer tödtlich verlaufenen Fälle vermissten, so steht der Um¬
stand, dass es uns nicht gelang, denselben im Harn unseres
Kranken nachzuweisen, in keinem directen Widerspruch zu ihren
Angaben; Anders dagegen gestaltet sich die Sache mit dem Harn¬
stoff. .Zwar constatirten auch wir die im Gegensätze zu dem nor¬
malen Verhalten des Harns sehr auffallendeThatsache,dass die zur
Syrupsconsistenz eingedampften aicoholischen Extracte desselben
trotz wochenlangen Stehens nicht zum Krystallisiren zu bringen
waren. Indess bewirkte Oxalsäure in ihnen doch noch eine be¬
trächtliche Fällung von oxalsaurem U, und die Bunsen’sehe
Bestimmung zeigte, dass der Kranke an dem Tage vor dem
Tode nicht weniger als 22,3 Gramm Ö ausgeschieden hatte.
Eine nicht unwillkommene Bestätigung der bisher nur auf
dem Wege des physiologischen Experimentes festgestellten That¬
sache, dass unter dem Einfluss des Phosphors der Eiweissumsatz
eine erhebliche Steigerung erfährt, liefert unser Fall dadurch,
dass bei demselben zum ersten Male eine Bestimmung der Ge-
sammtstickstoffausscheidung durch den Harn ausgeführt wurde.
Bekanntlich haben Storch und Bauer*) vor einer Reibe vou
Jahren bereits den Nachweis geführt, dass, wenn man Hunden,
welche sich hinsichtlich ihres Stickstoffumsatzes im Zustande
des sogenannten Hungergleichgewichtes befinden, kleine Quan¬
titäten Phosphor einverleibt, die fj-Production in sehr beträcht¬
licher Weise zunimmt. Aus der von dem letzteren der beiden
genannten Autoren ermittelten gleichzeitigen Herabsetzung des
Gaswechsels, d. h. Verminderung der O-Aufnahme und C 0 ? -Er-
zeugung unter dem Einfluss des Giftes, erklärt sich die hoch-
i gradige Verfettung der verschiedenen inneren Organe, welche
man in der Mehrzahl der tödtlich endigenden Fälle von Phosphor¬
vergiftung antrifft. Ich selber habe, als ich im Herbste des
Jahres 1876, ausgehend von einem anderen Untersuchungsplane.
mehrfache Vergiftungsversuche am Hunde mit Phosphor unter¬
nahm, mich von der den Eiweissumsatz steigernden Wirkung
dieser Substanz zur Genüge zu überzeugen Gelegenheit gehabt. —
Unser obiger Patient nun bot zwar eine ausgesprochene Stei¬
gerung der Harnstoffproduetion nicht dar. In Anbetracht de>
Umstandes aber, dass es sich um ein im Zustande protahir-
tester Inanition befindliches Individuum handelte, ist die Summe
des von ihm im Harn ausgeschiedenen Gesammtstickstoffes. welche
sich auf 20,7 Gramm in 24 Stunden belief, als eine entschieden
abnorm hohe anzusprechen.
Schliesslich noch ein paar Worte über die Bedeutuug.
welche dem Auftreten von Tyrosin und Leucin in unserem Falle,
sowie auch bei acuter Leberatrophie überhaupt beizumessen ist.
Die Mehrzahl der Autoren ist der Ansicht, dass die Ausscheidung
I dieser Körper eine Folge der herabgesetzten Oxydation sei, iu-
j dem es an dem nothwendigen Sauerstoff mangele, dieselben bi>
I in das Endglied der aus der Zersetzung der Eiweisssubstanzen
hervorgehenden regressiven Stoffwechselproducte zu verwandeln.
Wir meinen diese Ansicht nicht theilen zu dürfen und zwar au>
folgenden Gründen:
Wie bekannt existirt eine ganze Reihe theils experimentell
zu erzeugender, theils beim Menschen vorkommender patholo¬
gischer Processe, von denen es entweder erwiesen oder doch
mindestens in hohem Grade wahrscheinlich ist, dass sie trotz
gleichzeitiger beträchtlicher Steigerung des Eiweissumsatzes mir
! einer Verminderung der oxydativen Vorgänge einhergehen. Nichts
destoweniger wird fast der gesammte N. in diesen Fällen in
Form von U im Harn ausgeschieden. So ist es wenigstens bei
der auf experimentellem Wege zu erzeugenden Phosphorver¬
giftung der Hunde, so bei der Kohlenoxydintoxication, bei
den Steigerungen des Eiweisszerfalles nach Blutverlusten und
endlich bei jener Zunahme des N-Urasatzes in Folge von un¬
mittelbarer Behinderung der O-Aufnahme, welche man am ein¬
fachsten durch wiederholte Erstickung von Thieren zu erzeugen
im Stande ist. Speciell in diesem letzteren Falle habe ich
! regelmässig eine völlige Uebereinstimmung der Ergebnisse der
Bunsen'sehen Methode mit denen anderer Bestimmungsweiseu
* *) Zeitschrift für Biologie, Bd. 7, pag. 63.
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13. Mai 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
269
des Stickstoffgehaltes des Harnes constatirt*) und gerade diesen
Umstand mit zu der Schlussfolgerung benutzt, dass der Vorgang
der Harnstoffb.ldung zum geringsten Theile als Oxydations-
process, der Hauptsache nach vielmehr als einfacher, an den in
den Thierkörper eingeführten Eiweisssubstanzen sich vollziehen¬
der Spaltungsprocess aufzufassen sei. Ist es also nicht mög¬
lich, das Auftreten der obigen Körper im Ham direct von einer
Herabsetzung der oxydativen Vorgänge abzuleiten, so bleibt
nichts übrig, als dasselbe mit dem Verhalten der Leber selbst,
d. h. der in Folge des Zerfalles von Parenchymzellen vermin¬
derten oder aufgehobenen Functionsfähigkeit des Organes in
Verbindung zu bringen. Dieser Annahme zufolge würde dem¬
nach der Leber, als Harnstoff bereitendem Organe, die Aufgabe
Zufällen, die zum grossen Theil an anderen Stätten des Orga¬
nismus durch Spaltung aus den Eiweisskörpern hervorgehenden
Vorstufen des fj, zu welchen wir vor allem die sogenannten
Amidosäuren zählen, in ersteren überzuführen, eine Anschauung,
welche bekanntlich auch von anderer Seite schon verhältniss-
mässig früh discutirt und vertreten worden ist. Unser obiger
Fall scheint derselben noch in sofern ganz besonders das Wort
zu reden, als das sonst bei acuter Phosphorvergiftung sicher
sehr seltene Auftreten von Leucin und Tyrosin im Blut und Harn
hier mit einer bereits weit vorgeschrittenen Atrophie der Leber
zusammenfiel.
n. Drei Fälle vea Gesichtsiearalgie, durch Nerven-
meetiea geheilt «der gebessert.
Mitgetheilt von
Dr. Carl Fieber,
Docenten der Chirurgie an der Wiener Universität.
Was den Fällen, welche ich dem Leser hier vorzuführen
gedenke, ein Interesse vorzugsweise zu verleihen vermag, ist
weder die Ungewöhnlichkeit und Schwere der ihnen zukommenden
Erscheinungen — nur den ersten, der manches besondere bietet,
ausgenommen — noch die Eigenart und Grösse der unter¬
nommenen Eingriffe, sondern vornehmlich der Umstand, dass
es mir möglich war, die Patienten viele Jahre hindurch zu beob¬
achten. Hierdurch erklärt sich auch die lange und absichtliche
Verzögerung ihrer Veröffentlichung, ein Umstand, welcher dieser
Publication hoffentlich eher zum Vortheile als zum Nachtheile
gereichen wird. Da trotz vielfach gemachter Erfahrungen doch
die Ueberzeugung von der grossen Nützlichkeit der Nerven-
resection gegenüber dem schrecklichen Leiden der Neuralgie
nicht allenthalben unerschütterlich feststeht, indem noch vor
wenig Jahren 0. Weber, gewiss eine gewichtige Autorität,
ein vollkommen verwerfendes Urtheil über sie fällte, so erscheint
es noch immer nicht überflüssig, vor allem über die endlichen
HelIresultäte solcher Operationen nach längerer Beobachtungs-
daner Rechenschaft zu geben. Ich skizzire in folgendem die
einzelnen Fälle.
I. Neuralgia N. supraorbital, sin. Resectio N. supraorb.
et frontalis sin.
Dieser Fall gehörte nicht meiner eigenen Praxis an, sondern
jener meines Bruders, Dr. Friedrich Fieber, damals Operateur
an Hofrath v. D umreich er* s Klinik, wurde aber von mir mit¬
beobachtet.
Die Kranke, Namens Caroline Ertel, ein 21jähriges Dienst¬
mädchen, war im December 1858 wegen Entzündung der linken
Cornea an der Augenabtheilung des Herrn Prof. v. Jäger im
allgemeinen Krankenhanse in Behandlung gestanden; es\hatte
sich ein Staphylom gebildet, nach dessen Abtragung und HeT-
long sie Mitte Eebruar 1859 entlassen wurde.
*) Virchow’s Archiv, Bd. 67
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Schon im März desselben Jahres Recidive; neuerliche Ab¬
tragung, die diesmal von Panophthalmitis gefolgt wurde. Bei
der Entlassung am 23. Mai war der Bulbus verkleinert, die
Linse zerstört, die Cornealnarbe ziemlich klein.
Bald nachher traten heftige Schmerzen in dem Auge ein,
die mit Intermissionen fortbestanden. Am 25. April 1860 wurde
Patientin neuerdings aufgenommen, und am 29. April der ohne¬
dies functionsunfähige Augapfel enucleirt. Am 16. Mai 1860
wurde Patientin entlassen.
Die Schmerzen schwanden indess nicht, und während sie
früher nur im Bulbus empfunden worden waren, verbreiteten
sie sich jetzt als bohrende und brennende über die ganze linke
Gesichtshälfte, waren fast continuirlich, doch dreimal täglich
auffällig excacerbirend. Ebenso erschienen sie beim Herannahen
der Menstruation sehr erheblich gesteigert.
Die Anfangs October vorgenommene Untersuchung zeigte
die Schmerzen zwar über die ganze linke im Anfälle sich stär¬
ker röthende Gesichtshälfte ausgebreitet, allein bei Druck waren
nur die Austrittsstellen des N. supraorb. und infraorb. heftig
schmerzhaft, während derselbe an den Austrittsstellen des N.
tempor. superf. des Zygom. malae und am harten Gaumen nur
unbedeutenden Schmerz verursachte. Berührung der erwähnten
Stellen mit der kalten Hand hob den Schmerz momentan.
Krämpfe einzelner mimischer Muskeln, Gähnen, stärkere Secretion
der linksseitigen Nasenschleimhaut, vorübergehende Schwer¬
hörigkeit (Patientin hörte die an’s Ohr gehaltene Taschenuhr
nicht) waren die begleitenden Erscheinungen des Schmerz¬
anfalles. Anstrengung des linken Armes steigert den Schmerz.
Es muss noch bemerkt werden, dass in Folge der Entfernung
des linken Bulbus das obere Augenlid tiefer herabgesunken
und in die Orbitalhöhle zurückgewichen war; auch die Augen¬
braue stand, muthmasslich in Folge von Narbenretraction, be¬
trächtlich tiefer als rechterseits. Das rechte Auge und Ohr
war normal, die rechte Gesichtshälfte schmerzfrei. Die Men¬
struation seit längerer Zeit spärlich und unregelmässig; im übri¬
gen nichts abnormes.
Die ziemlich regelmässigen dreimaligen Exacerbationen ver-
anlassten zuvor die versuchsweise Darreichung von Bisulf.
Chinini, das jedoch wirkungslos blieb. Vom 10. bis 14. October
nahmen die Schmerzen immer mehr zu, so dass zuletzt alle
2 — 3 Minuten ein eben so lange dauernder Anfall eintrat. Die
linke Gesichtshälfte geschwollen, im Anfalle geröthet, heiss,
der Puls intermittirend, Patientin mit Schweiss bedeckt; klo¬
nische Krämpfe verbreiten sich über den ganzen Körper, die
Kranke wirft sich umher, schlägt sich die Stirne etc. Starke
Morphiumgaben schafften bis zum 15. Oct. nur theilweisen Nach¬
lass, erst Extract. Belladonnae brachte Schlaf.
Am 20. Oct. Mittags machte daher lAv Friedrich Fieber
unter Assistenz von Herrn Dr. Hesser, Kassowitz und mir,
da der linke N. supraoib. die empfindlichste und constanteste
schmerzhafte Druckstelle bot, die Resection desselben nach
Prof. Schuh mittelst eines in der Linie der rasirten Augen¬
braue geführten Schnittes. Die Narcose war unangenehm, da
Patientin nur für Augenblicke bewusstlos wurde, während andrer¬
seits der Puls öfter ausblieb; nach Durchtrennung des M. orbi-
cularis und der Fascia tarso-orbitalis wurde vom Supraorbital -
nerven ein 7 Linien, von Frontalnerven ein 6 Linien messendes
Stück resecirt, die Wunde zum Theile vereinigt, zum Theile
offen gelassen.
Die beiden Nervenstücke wurden von Herrn Prof. Kl ob,
damals noch Assistenten der pathol. anat. Lehrkanzel, einer
genauen Untersuchung unterzogen, ohne dass etwas abnormes
gefunden werden konnte.
Um 7 Uhr Abends ist die Patientin schmerzfrei, die linke
Original firn 2
UNIVERSITY OF MICHIGAN
270
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Ne. 19
Stirn- und Scheitelbeingegend ebenso wie das obere Augenlid
mit Ausnahme des äusseren Winkels ganz empfindungslos. Um
8 Uhr, und um 12 Uhr Nachts heftige Excacerbation des Schmerzes
der wüthender als je auftritt, doch nur einige Minuten anhielt,
Extct. Bellad. brachte Schlaf. In den nächsten Tagen entwickelte
sich leichte Entzündung der Umgebung der Wunde mit Schwel¬
lung, Röthung und Eiterung. Die Vereinigung war nur theil-
weise gelungen. Am 22. October Entfernung der Naht. Die
Hautanästhesie bestand wie zuvor, in der anästhetischen Partie
jedoch Kriebeln und Kältegefühl vorhanden. Um den 25. Oct.
nahmen bei reichlicher Eiterung die Entzündungssymptome ab,
Anfangs November verminderte sich auch die Eiterung.
Am 30. Oct. um 10 Uhr Vormittags überfiel die Kranke
plötzlich ein lebhafter Schmerz in den sonst bisher ganz anästhe¬
tischen Hautpartien, mit dem Gefühle, als würde die Haut,
wie sie sagte, heftig „zusammengeschoben,“ der ununterbrochen
bis 4 Uhr Nachmittags dauerte. Um diese Stunde trat die
seit sieben Wochen cessirende Menstruation sehr stark
auf, und die Schmerzen schwanden fast momentan.
Im Verlaufe des November schwand endlich unter dem
Gebrauche einer Tanninsolution die Eiterung, und am 20 Nov.
war die Wunde geschlossen.
Die Grenzen des anästhet. Bezirkes waren noch immer ge¬
nau dieselben, wie nach der Operation. Die früher bei Druck
schmerzhaft gewesenen Stellen z. B. am Foram. infraorb. sind
gegen Druck ganz unempfindlich, so dass die früher auch von
diesem Punkte ausgegangenen Schmerzen sich als lediglich durch
Irradiation bedingte herausstellten. Das Hörvermögen des lin¬
ken Ohres soweit gebessert, dass der Schlag der nämlichen
Taschenuhr in der Entfernung von 6—8 Zoll gehört wird.
Die bei Berührung vorhandene Hautanästhesie blieb nun
bis Ende Februar 1861 ganz unverändert, doch trat oft ein
spontanes Jucken auf, gegen welches selbst ein bis zur Bildung
von Excoriationen gesteigertes Kratzen ganz erfolglos blieb.
Am 11. März erst zeigte sich in dem erwähnten Hautbezirke
wieder Empfindlichkeit bei Berührung. Die Kranke vermochte
indess nur anzugeben, ob man die fragliche Gegend berührt
habe (wobei die Empfindung weit weniger deutlich war, als auf
der gesunden Seite); bei dem Versuche, die Berührungsstelle
genau zu bezeichnen, irrte sie sich jedoch um Distanzen von
2 Zoll und darüber. Schmerzen traten nicht mehr auf und auch
das Jucken nur selten und geringer. Letzteres liess sich auch
künstlich durch leises Kratzen mit dem Fingernagel hervorrufen,
überging dann in Brennen und verlor sich schliesslich. In Folge
des Kratzens bekam Pat. im April schliesslich noch einen Fu¬
runkel am linken Augenbrauenbogen.
Die Neuralgie war beseitigt; Patientin vermochte ihre ge¬
wohnte Beschäftigung' wieder aufzunehmen, erholte sich und
gewann ein gutes Aussehen. Seit dem Jahre 1865 ist sie im
hiesigen Rudolfsspitale als Wärterin bedienstet. Von Interesse
ist es, dass Patientin, die ich zum letzten Male noch im März
den Kopfhaaren linkerseits plötzliches Niesen zur Folge zu
haben pflegt.
Gewiss ist ein derartiges Resultat einer Neurectomie, ein
nunmehr seit 17 V« Jahren constant gebliebenes Freisein von
dem quälenden Leiden erfreulich genug und berechtigt uns, hier
von einer vollständigen Heilung zu sprechen. Trotz des nega¬
tiven Befundes an den ausgeschnittenen Nervenstückchen kann
eine centrale Ursache hier ausgeschlossen werden, da sonst die
Heilung schwerlich eine dauernde geblieben wäre. In Ermange¬
lung anderer Erklärungsgründe scheint es mir nicht unmöglich,
dass durch die derEnucleation des Bulbus folgende narbige Schrum¬
pfung eine Zerrung an dem Supraorbitalnerven ausgeübt wurde,
welche die Veranlassung für die Entstehung der Neuralgie abgab.
Es wäre dann eben die Ausbreitung der irradiirten Schmerzen
; eine ungemein grosse gewesen. Da in unserem Falle kein Fo-
ramen supraorb., sondern nur eine Incisura supraorb. für den
Durchgang des Nerven vorhanden war, so ist wol eine Ein¬
schnürung und Compressiou desselben ausgeschlossen. Von
Interesse sind auch die die Anfälle begleitenden centralen und
Reflexerscheinungen sowie der eigenthümliche Umstand, dass
j der allerletzte, lange nach der Operation ein tretende Anfall
gerade mit dem Eintreten der Menstruation aufhörte. Endlich
verdient die lange Dauer der vollständigen und die noch viel
längere der unvollständigen Hautanästhesie besonders hervor¬
gehoben zu werden.
II. Neuralgia N. supraorb. dextri. Resectio N. supra¬
orb. et front, dext.
Therese Kerschbaumer, 39 Jahre alt, ledig, mittlerer Grösse,
ziemlich schmächtig, Nähterin, in Nussdorf bei Wien wohnhaft,
soll als Kind an Rhachitis und Keuchhusten und in späterer
Zeit häufig an „Kopfschmerzen” gelitten haben. Im Herbste
des Jahres 1865 wurde sie angeblich in Folge einer Erkältung
von reissenden und stechenden Schmerzen in der rechten Ge¬
sichtshälfte befallen, die stets in der Gegend der Austrittstelle
des rechten Supraorbitalnerven und der Augenhöhle begannen
und gegen die Stirn und Schläfe, bisweilen auch gegen die
! rechte Nasenrückenhälfte hin ausstrahlten.
Anfänglich traten täglich 4—5 Schmerzanfälle ein, in der
| jeweiligen Dauer einiger Minuten, dann wurden sie, obzwar noch
nicht häufiger, doch viel längerdauernd, bis zu einer Viertel¬
stunde. Oefters, doch nicht immer, begann der Schmerz gleich¬
zeitig in der rechten Oberlippe mit Ausstrahlung gegen den
Nasenflügel hin. Im Anfalle erfolgte krampfhafter Verschluss
des rechten Auges, Röthung der Lider und Thränenfluss. Der
Schmerz trat meist spontan auf, konnte aber auch durch Be¬
rührung der Gegend des N. supraorb. oder der rechten Naso-
labialfurche ausgelöst werden.
Mit wechselnder Intensität und oft von längeren, manchmal
mehrere Wochen dauernden Intermissionen unterbrochen, dauerte
der Schmerz nun fort, ohne dass die Anfälle an Häufigkeit und
Länge weiter zugenommen hätten. Während dieser Zeit wurden
v. J. wiedergesehen habe, ihrer Angabe nach seither, also bereits
über 18 Jahre lang eine Verminderung der Gefühlsschärfe an
der Haut der linken Stirnhälfte behielt. Ohne dass diese Partie
anästhetisch gewesen wäre, blieb sie doch stets in dem Zustande,
den der Volksmund in Wien „Pelzigsein” nennt; die Empfindung
war in ähnlicher Weise abgeschwächt, wie es an der mit dem
Handschuh bedeckten Hand der Fall ist. Manchmal, doch nur
sehr selten, stellte sich ein mässiges Jucken in der linken Stirn-
und Scheitelgegend ein. Seit 5 Jahren ungefähr ist indess auch
die Sensibilität der linken Stirnhälfte eine normalere und jener
der anderen Seite ähnlichere, jedoch noch immer nicht gleiche
geworden; Patientin sieht gut aus und befindet sich völlig wohl.
Eigenthümlich ist die Erscheinung, dass unerwartetes Zupfen an
verschiedene Mittel: Räucherungen, Blutegel an der Stirn, Ve-
sicantien, Senfteige etc. von der Patientin ohne Erfolg angewendet.
Seit Anfang Juni 1867 begannen aber die Anfälle immer
häufiger zu werden; sie traten 20—30 Mal täglich ein, auch des
Nachts. Auch die Dauer nahm zu und soll sich bisweilen bis
zu einer halben Stunde aübsgedehnt haben.
Am 2. August 1867 wurde Patientin im allgemeinen Kranken-
hause aufgenommen und zunächst dem electro-therapeutischen
Verfahren (Galvanisation des N. sympath.) unterzogen; ausser¬
dem bekam sie noch Sulf. Zinci und Laudanum. Im Verlaufe
von 5 Wochen trat, von mehreren Rückfällen unterbrochen, eine
so beträchtliche Abnahme der Zahl und Intensität der Anfälle
ein, dass manche Tage ganz schmerzfrei blieben. Vom 10. Sep-
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Original fro-m
UNIVERSITf OF MICHIGAN
13. Mai 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
271
tember an wurden die Schmerzen wieder sehr heftig, die Gal¬
vanisation des Sympath. blieb unwirksam. Vom 15.—20. Sep¬
tember abermals einiger Nachlass. Man ging zu subcutanen
Morphiumeinspritzungen über, die vorübergehend erleichterten,
doch rasch zu grossen Gaben gesteigert werden mussten (bis
zu 3—4 Gran täglich), um noch wirksam zu sein. Gegen Ende
October nahmen die Schmerzen wieder ab, und am 13. November
verlangte Patientin ihre Entlassung. Sehr bald verschlimmerte
sich der Zustand abermals, und die Schmerzen erreichten eine
solche Höhe, dass die Kranke die Operation wünschte und sich
deshalb in meine Behandlung begab.
Ich machte somit am 28. November die Resection des
rechten N. supraorb. und frontalis nach dem Verfahren
weil, meines Lehrers Prof. Schuh mittelst eines nach der
L&nge der rasirten Augenbraue laufenden Schnittes. Nach
Trennung des M. orbicul. und der fase, tarso-orbitalis wurden
die beiden Nerven blossgelegt und aus jedem ein 6 Linien langes
Stück excidirt. Auch hier war es schwer, die Patientin genü¬
gend zu betäuben. Die Wunde blieb offen; Verband bloss mit
feuchter Charpie.
Die beiden Nervenstücke wurden von Herrn Professor B i e -
siadecki, damaligem Assistenten der pathologischen anato¬
mischen Lehrkanzel microscopisch untersucht. Derselbe fand
in beiden neben bedeutend verdünnten Nervenfasern
einzelne, in denen Axencylinder und Nervenmark zu
Grunde gegangen waren, so dass diese Fasern einer Binde¬
gewebsfaser vollkommen gleich sahen.
Nach der Operation fühlt Patientin ausser dem Brennen
in der Wunde keinerlei Schmerzen. Das rechte obere Augenlid
und die innere Hälfte der Stirnhaut der rechten Seite sind bei
Berührung ganz unempfindlich, in der Gegend des Stirnhöckers
ist deutliche Empfindung vorhanden. Der Heilungsverlauf war
ganz regelmässig und schon die erste Nacht ganz schmerzfrei.
Am 29. November trat um 7 Uhr früh ein leichter Anfall ein
mit geringen Schmerzen.
Am 30. November Beginn der Eiterung; am Abende un¬
bedeutende Schmerzen. Am 2. December bereits ein Theil der
Wundränder vereinigt, das Gefühl für Berührung beginnt sich
wieder einzustellen, nur in einem etwa zollgrossen Umfange
oberhalb der Wundstelle ist die Haut noch anästhetisch. Die
Wunde wird nur mit lauem Wasser gereinigt und verkleinert
sich rasch. Am 5. December noch einmal ein leichter und kurzer
Anfall; seitdem gar keiner mehr. Am 18. December ist die
Wunde geschlossen und vernarbt. Die ganze zuvor anästhetisch
gewesene Hautpartie ist wieder bei Berührung empfindlich, das
Gefühl hat aber noch nicht dieselbe Schärfe und Deutlichkeit
wie an der gesunden Seite erlangt. .
Ich habe die Operirte seit dieser Zeit öfters wiedergesehen.
Die Heilung war vollständig, es trat niemals mehr Schmerz
ein; doch dauerte es gegen 3 Jahre, bis die vorerwähnte Haut¬
partie die nämliche Deutlichkeit und Feinheit der Empfindung
erlangte, als jene der linken Stirnhälfte. Seit etwa 4 Jah¬
ren sah ich die Patientin nicht mehr, und es gelang mir nicht,
ihren gegenwärtigen Aufenthaltsort ausfindig zu machen, so dass
ich über ihre weiteren Schicksale nichts angeben und nur eine
6jährige Dauer des schmerzfreien Zustandes constatiren kann.
Wäre indess J n der letzten Zeit eine Recidive eingetreten, so
ist es mir mehr als wahrscheinlich, dass Therese K-r. im Hin¬
blick auf das glückliche Resultat der Operation sich mir neuer¬
dings vorgestellt haben würde. Die Neuralgie war in diesem
Falle wohl zweifellos als eine peripherische aufzufassen.
III. Neuralgia N. infraorb. et inframaxill. dextr.
Resectio N. infraorb. et inframax.
Dieser Fall betraf einen Gastwirth, Johann Weinbier, 41 Jahre
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alt, klein, kräftig gebaut. Patient ist kein hinlänglich genauer
Selbstbeobachter, so dass seine Erkrankung sich nur in den
Umrissen skizziren lässt. Im allgemeinen gesund, litt er schon
etwa 10 Jahre, bevor ich ihn kennen lernte (etwa seit dem Jahre
1857), an heftigen Schmerzanfällen in der rechten Gesichtshälfte,
die anfänglich nur selten aufgetreten sein sollen, bald aber an
Zahl und Intensität derart Zunahmen, dass sich Patient, zur
Operation entschlossen, bereits auf die Klinik von weil. Prof.
Schuh hatte aufnehmen lassen. Er verlor indess den Muth
und trat wieder aus. Die Schmerzen nahmen zu dieser Zeit
namentlich die rechte Wange ein, gingen angeblich stets vom
unteren Augenhöhlenrande aus mit Ausstrahlung in das Auge,
den Nasenflügel und die Oberlippe der rechten Seite. Gesichts-
röthung und Thränenträufeln sollen während der Anfälle häufig
eingetreten sein. Die Anfälle selbst wechselten nach Zahl und
Intensität in den nächsten Jahren, schwanden auch manchmal
für Wochen und kehrten wieder; Pat. brauchte verschiedene
äusserliche Mittel ohne wahrnehmbaren Erfolg. Im Jahre 1867
endlich erreichte das Leiden eine solche Höhe, dass ihm sein
Zustand unerträglich wurde und er sich wegen Vornahme der
Operation an mich wandte.
Im November sah ich ihn und fand das typische Bild einer
Neuralgia infraorbitalis. Schmerzanfälle 40—50 Mal während
24 Stunden, stets ausgehend von der Gegend des rechten Infra¬
orbitalloches und in die Stirne, das Auge, den Nasenflügel und
in die Oberlippe ausstrahlend. Die Austrittsstelle des rechten
Infraorbital nerven ist beim Druck schmerzhaft, und löst derselbe
gewöhnlich einen Anfall aus. Reiben der Wange während des
Bestehens des Anfalles schafft Erleichterung. Oft traten die¬
selben spontan ein, häufig auch in Folge von Berührung der
Wange oder der Oberlippe, ebenso bei Bewegung des Mundes,
beim Kaueu, Sprechen etc. Die einzelnen Anfälle dauerten
1—2 Minuten, waren indess sehr heftig, das Auge thränend, die
Wange geröthet, wärmer. Die linke Gesichtshälfte intact, die
Zähne gesund, das Sehvermögen normal. Die Anfälle traten
auch des Nachts ein, und Pat. war durch sein Leiden, die Schlaf¬
losigkeit und mangelhafte Ernährung sehr herabgekommen.
Unter solchen Umständen schritt ich am 5. December 1867
zur Resection des rechten Infraorbitalnerven nach der
Methode von Malgaigne, modificirt von Schuh. Hautschnitt
am unteren Orbitalrande, Durchtrennung des M. orbicularis und
der Fascia tarso-orbitalis. Hierauf Ablösung derselben vom
Boden der Augenhöhle, die leicht gelang, Aufheben des Bulbus
mit einer Spatel und Durchschneiden des Nerven am hinteren
Ende des Infraorbitalkanals mittelst eines concaven starken
Tenotomes; sodann Isolirung des Plexus anserinus minor und
der Anfänge seiner Aeste. Nachdem diese durchschnitten waren,
suchte ich den Nerven mit Häkchen und Pincette aus dem Ca-
nale herauszuziehen; allein dies gelang nicht: er adhärirte so
fest, dass ein stärkerer Zug ihn wahrscheinlich zerrisssen hätte.
Deshalb entschloss ich mich, mit einem feinen Meissei nach
rechts und links vom Foram. infraorb. aus den Knochenrand
zu durchtrennen und von da aus convergirende, an der hinteren
Durchtrennungsstelle des Nerven zusammentreffende Meissei¬
schnitte zu führen, durch welche ein dreieckiges, den Nerven
sammt dem Canale in sich enthaltendes Stück des Augenhöhlen-
bodens umschrieben wurde, das ich in toto herausnahm. Es
war an der Basis 1 Ctm. breit und etwa 2 Ctm. lang. Die
Fase, tarso - orbital war, wie erwähnt, schon früher abgelöst
worden; die Lage des Bulbus erlitt mithin keine Veränderung.
Die das Dach der Highmorshöhle bekleidende Schleimhaut blieb
hierbei unverletzt, wurde jedoch von mir, um dem Eiter directen
Abfluss zu verschaffen, absichtlich durchschnitten.
Von der herausgenommenen Knochenplatte liess sich das
Ürigiralfror 2*
UNIVERSITÄT OF MICHIGAN
27*2
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 19
gegen l 1 /* Ctm. lange Nervenstuck, obsöhon mit einiger Mühe, :
durch Ausbrechen isoliren. Es wurde von Herrn Prof. Biesia- j
decki einer histologischen Untersuchung unterzogen. Das- «
selbe besass eine dicke bindegewebige Umhüllung
des gleichfalls verdickten Neurilemmas, welches die
Nervenbündel überdies ziemlich stark auseinander
drängte. An den Nervenfasern waren indess Veränderungen
nicht deutlich nachzuweisen. Prof. Biesiadecki sprach sich
dahin aus, dass dieselben möglicherweise bloss dünner geworden
sein möchten.
Auch diese Operation wurde durch die Schwierigkeit, den
Patienten, welcher als Gastwirth an den Genuss geistiger Ge¬
tränke gewöhnt war, etwas längere Zeit narcotisirt zu erhalten,
sehr in die Länge gezogen.
Die Hautwunde wurde bis auf eine kleine Stelle in der
Mitte, die offen blieb, vernäht und mit feuchter Charpie ver¬
bunden.
Unmittelbar nach der Operation fühlte Pat. nur den Wund¬
schmerz. Die Haut der rechten Wange und Oberlippe, des
rechten unteren Augenlides und Nasenflügels bei Berührung
unempfindlich; Druck, Sprechen, Kauen etc. lösen keine Anfälle
mehr aus.
Am 6. December gutes Befinden; die Nacht schmerzlos.
Am 7. Beginn der Eiterung; der Eiter entleert sich nach
vorne und durch die Highmors-, resp. Nasenhöhle. Die Heilung
schritt rasch vorwärts; bereits am 16. December war die Wunde
geschlossen und vernarbt. Pat. schmerzfrei und glücklich über
den Erfolg der Operation. Die Anästhesie verlor sich im Ver¬
laufe von 2—3 Monaten allmälig; doch blieb das Gefühl etwas
stumpfer als auf der linken Seite.
Wir können in diesem Falle wohl annehmen, dass die
Neuralgie Folge der Compression gewesen war, welche die
Nervenfasern des N. infraorbitalis in dem knöchernen Canale
erleiden mussten, welchen der Nerv durchläuft, wofür sowohl
der angeführte histologische Befund als das prompte Resultat
der Resection überzeugend sprechen. Der gesetzte Knochen-
defect bedingte fast gar keine Entstellung, da die erhaltene
Fase. orb. die Weichtheile nicht nachsinken liess, und es blieb
nur eine partielle, mehr für das Gefühl erkennbare Depression
eines Theiles des Augenhöhlenrandes zurück.
Gegen zwei Jahre befand sieh nun W. ganz wohl und war
schmerzfrei. Ende 1869 jedoch begannen sich ähnliche Schmerz¬
anfälle wie die früher erwähnten in der rechten Gesichtshälfte
einzustellen; doch betrafen sie diesmal, obschon sie auch im
Infraorbitalnervengebiete empfunden wurden, vornehmlich die
rechte Unterkieferhälfte und Unterlippe. Sie entstanden auf
dieselben Veranlassungen wie früher, und ihre Zunahme sowie
die schon einmal gemachte Erfahrung über den Nutzen eines
operativen Eingriffes bestimmte den Patienten, sich abermals
wegen Vornahme einer Operation an mich zu wenden. Da der
Schmerz anscheinend im Gebiete des rechten Unterkiefernerven
seinen Hauptsitz hatte, überdies gewöhnlich vom aufsteigenden
Unterkieferaste ausging, und die Austrittsstelle des N. mentalis
bei Druck empfindlich war, so machte ich am 25. August 1870
die Resection des rechten N. inframaxillaris nach der
Methode von Bruns. Hautschnitt von 2 1 /* Zoll Länge am
hinteren Rande des aufsteigenden Astes und am unteren Rande
des Körpers vom Unterkiefer bis gegen die Art. max. ext. hin,
sorgfältiges, ziemlich viel Zeit erforderndes Zurückpräpariren
der tief, bis nahe dem Winkel des Unterkiefers herabreichenden
Parotis mit der Hohlscheere, Ablösung des Periostes und der
Ansätze des M. masseter von der vorderen, des M. pteryg. int. I
von der hinteren Knochenfläche mit dem Elevatorium und I
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Go igle
schliesslich Entfernung eines rhombischen Stückes aus der
ganzen Dicke des Knochens mit Säge und Meissei.
Die Narcose war diesmal unglaublich schwierig; die Opera¬
tion hatte bis dahin an 2 Stunden in Anspruch genommen, da
der Patient nur für Momente betäubt und unempfindlich war,
während die Respiration bisweilen unregelmässig wurde. Unter
solchen Verhältnissen mochte ich die Narcose, nachdem wir
vier Unzen Chloroform verbraucht hatten, nicht weiter treiben
und brach die Operation ab. (Es war Nachmittags.)
Wider Erwarten ging die Nacht ganz leidlich vorüber, und
am nächsten Morgen, nachdem es gelungen war, den Patienten
für einige Momente neuerdings tief zu narcotisiren, fasste und
isolirte ich den Nerven uud resecirte ein 12 Mm. grosses Stück
desselben vor seinem Eintritte in den Unterkiefercanal. Das
Ausbleiben jeder Blutung bewies die Unverletztheit der Art
inframaxillaris. Die Wunde blieb ganz offen und wurde mit
einer 1 °/o^ en wässerigen Lösung von Carbolsäure verbunden.
Der Heilungsverlauf war ein günstiger und binnen 14 Tagen
die ganze Wunde geschlossen. Die Entstellung war nur äusserst
unbedeutend, fast nur ein leichtes Einsinken der Weichtheile
am Kieferwinkel. Jedenfalls ist das Bruns’sche Verfahren viel
schonender und minder verletzend als jenes der Trepanation
des Unterkiefers am aufsteigenden Aste.
Herr Prof. S. Schenk, damals Assistent der physiol. Lehr¬
kanzel, hatte die Güte, das excidirte Nervenstück inicroscopisch
zu untersuchen, vermochte jedoch keine krankhaften Verände¬
rungen nachzuweisen.
Der Erfolg dieser zweiten Operation war weit minder befrie¬
digend, als jener der am N. infraorb. vorgenommenen. Nur wenige
Wochen blieben die Anfälle ganz aus, dann kehrten sie wieder.
Sie erreichten indess dennoch weder an Häufigkeit noch an
Heftigkeit ihre frühere Höhe, und beiläufig ein Jahr nach der
Operation (ich habe den Patienten seither zu wiederholten Malen
gesehen) wurden sie beträchtlich seltener und traten nur ein
paarmal täglich ein. Um diese Zeit etwa hatte sich die Sensi¬
bilität der Gesichtshaut allmälig vollkommen hergestellt.
Patient hatte allerdings im Laufe der Zeit endlich auc
gelernt, alle kleine Schädlichkeiten, welche seinen Zustand zu
verschlimmern geeignet waren, sorgfältig zu meiden, wie z. B.
Zugluft, Wind, den Genuss stärkerer spirituöser Getränke etc.
In den folgenden Jahren, von 1872 bis inclusiv 1874, blieben
die Anfälle oft auch durch mehrere Wochen ganz aus, und im
Laufe des Jahres 1875 hörten sie ganz auf. Man konnte und
kann auch jetzt den Unterkiefer und das Foramen mentale
drücken ohne Schmerz zu erzeugen; Pat. vermag zu schlucken,
ohne dass Schmerz eintritt.
Seit etwa einem Jahre jedoch scheint sich eine neue
Affection im Gebiete des rechten Supraorbitalnerven zu ent¬
wickeln. Es treten öfter leichte Schmerzanfälle auf, die von
der Austrittsstelle dieses Nerven ausgehen; dieselbe ist auch
gegen Druck empfindlich. Leichte Berührung des rechten oberen
Augenlides ruft die Anfälle bisweilen hervor. Jedoch ist das
Bild noch kein ganz characteristisches und die Intensität des
Schmerzes noch lange nicht derartig, um eine Operation dem
Arzte angezeigt, dem Patienten wünchenswerth erscheinen zu
lassen.
Ueber die Veranlassung der Infraorbitalneuralgie bei unserem
Patienten habe ich mich bereits ausgesprochen. Eine bestimmte
Ursache für jene des Inframaxillarnerven vermag ich nicht an¬
zugeben. Der nunmehrige Beginn eines Zustandes im Gebiete
des ersten Trigeminusastes, welcher schon früher im Bereiche
des zweiten und dann des dritten Astes desselben Hauptstammes
aufgetreten war, lässt immerhin vermuthen, dass ausser dem für
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
13. Mai 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
273
die Entstehung der Infraorbitalneuralgie bereits gewürdigten
Compressionsmomente noch eine gemeinsame centrale, obschon
nicht näher festzustellende Veranlassung möglicherweise besteht.
111. lieber Bleilähmung und snbacnte atrophische
Spinallähmung Erwachsener.
(Vortrag, gehalten in der Berl. med.-psych. Gesellschaft,
Sitzung vom 5. Novbr. 1877.)
Von
Dr. M. Bernhardt, Docent zu Berlin.
(Schluss.)
Es fragt sich nun, wenn wir zunächst den Fall der Frau
A. Tieme ins Auge fassen, mit was für einem Krankheitsprocess
wir es zu thun haben. Da beide Oberextremitäten anfänglich,
nachdem ein Schwächezustand (Zittern) einige Tage voraus¬
gegangen war, ziemlich gleichzeitig von einer zuerst fast voll¬
kommenen Lähmung befallen waren, diese Lähmung sich aber
später besserte und nur in einzelnen Muskeln, welche dann auch
unter Verlust ihrer electrischen Erregbarkeit atrophirten, zurück¬
blieb, so wird man von vornherein darauf hingeführt, in dieser
AfFection ein Beispiel derjenigen Krankheit zu sehen, welche
man für das Analogon der „spinalen Kinderlähmung“ hält und
mit dem Namen der acuten (resp. subacuten) atrophischen,
spinalen Lähmung Erwachsener bezeichnet. Es ist dies
in diesem Falle um so wahrscheinlicher, als beide Oberextre¬
mitäten ergriffen waren, als an beiden verschiedene Muskelgebiete
der Lähmung und Atrophie anheim gefallen sind, und es eine
gewisse Schwierigkeit hat, sich vorzusteilen, es auch mit unserer
Erfahrung weniger übereinstimmt, dass gleichzeitig an dem einen
und dem anderen Arm periphere Lähmungen und dann in
verschiedenen Nerv engebieten auftreten. Andererseits wissen
wir, und ich selbst 4 ) habe nebst anderen solche Fälle beschrieben,
dass die acute atrophische, spinale Lähmung Erwachsener, wie
das ja auch bei den „Kinderlähmungen“ vorkommt, ganz ver¬
einzelte Nervenmuskelgebiete befallen und zur Atrophie bringen
kann. So lange Autopsien fehlen, wird man den Einwand der¬
jenigen, welche behaupten, man habe es in solchen Fällen mit
nichts anderem als mit peripheren Lähmungen zu thun, nie
ganz entkräften oder von der Hand weisen können: ich selbst
war, wenn mich meine Litteraturkenntniss nicht täuscht, der
erste, der diesem Gedanken Ausdruck gab. 2 ) Trotzdem also
bisher eine Sicherheit in der Anschauung und eine Gewissheit
in den Thatsachen fehlt, ist es uns doch, namentlich im Hin¬
blick auf die bei der so frappant ähnlichen Kinderaffection ge¬
fundenen Erkrankungsherde im Rückenmark, erlaubt, auch für eine
grosse Reihe analoger Processe bei Erwachsenen das Rückenmark
und dort vorwiegend die grauen Vordersäulen als Erkrankungs¬
sitz anzunehmen. Ob man nun in jedem solcher Fälle berechtigt
ist, von einer Myelitis, oder wie die neueren es nennen Polio¬
myelitis zu reden, ob nicht ganz verschiedenartige Processe im
grauen Mark dasselbe, nämlich eine Zerstörung der grossen
motorischen (trophischen) Ganglienzellen zur Folge haben können,
lasse ich so lange dahingestellt, bis ausreichende, durch eine
sorgfältige microscopische Untersuchung vervollständigte Ob¬
ducti onsberichte frischer, acuter derartiger Fälle bei Erwach¬
senen vorliegen,
Vou ganz besonderem Interesse ist nun in diesem Falle,
dass links Muskeln gelähmt und atrophirt sind, von denen die
motorischen Nerven nachweislich in den Wurzeln des 5. und
1) Bernhardt: Beitrag zur Lehre von der acuten atrophischen
(Spinal-) Lähmung Erwachsener. Arch. f. Psych. Bd. VII. S. 313.
2) Bernhardt: Ueber eine der spinalen Kinderlähmung ähnliche
AfFection Erwachsener. Arch. f. Psych. Bd. IV., S. 370. 1873.
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! 6. Cervicalnerven zusammengelagert sind. Dürfen wir in diesem
i Falle eine AfFection (was auch immer ihre Natur sein mag) des
j Halsmarks und in ihm der grauen Substanz zu Grunde liegend
denken, so ergiebt sich, dass dort eine ganz bestimmte Gruppe
von Ganglienzellen so zusammengelagert gedacht werden muss,
wie es die aus ihren Axencylinderfortsätzen entspringenden Nerven
in den vorderen Wurzeln in der That sind. Es wären das die
Zellen, aus denen die Nerven für die M. deltoideus, brachialis
internus und biceps und die M. supinatores ihren Ursprung
nehmen. .
j Schalten wir hier die Betrachtung unseres zweiten Falles,
des durch chronische Bleivergiftung gelähmten Kranken ein, so
haben wir als in die Augen fallend die Lähmung und Atrophie
der Hand und Fingerstrecker, der M. interossei, der Daumen-
und Kleinfingerballenmuskeln vor uns. Ungewöhnlich ist hier
zunächst die Betheiligung des Medianusgebietes (Daumenballen¬
muskeln), ungewöhnlich ferner die Lähmung und Atrophie der
Mm. interossei, äusserst selten, so dass sogar Remak 1 ) in seiner
gründlichen Arbeit über die „Pathogenese der Bleilähmungen“,
einen von ihm plublicirten derartigen Fall als ein unicum auf¬
führt, die starke Betheiligung der M. supinatores an der Läh¬
mung. In dem Remak’schen Fall war zugleich eine Lähmung,
und Atrophie des M. deltoideus, sowie des biceps uud brachialis
internus vorhanden. Davon war nun bei oberflächlicher Unter¬
suchung bei unserem Kranken nichts zu sehen: der Arm konnte
im Schultergelenk nach allen Richtungen hin gehoben, gedreht,
mit einem Worte, frei bewegt werden, dasselbe war mit den
Beugebewegungen im Ellenbogengelenk der Fall. Auch war keine
auffallende Atrophie des Deltoideus oder der Beugeseite des
Oberarms zu bemerken. Seitdem wir aber durch Erb 2 ) wissen,
dass ein Muskel nicht gelähmt und nie gelähmt gewesen zu sein
braucht, um bei einer gründlicheren electrischen Untersuchung
sich trotzdem als erkrankt zu erweisen, hielt ich es für meine
Pflicht, in passenden Fällen jedesmal die betreffende Unter¬
suchung anzustellen. Und sie ergab nun in diesem Falle die
deutlichste Erkrankung der activ frei beweglichen Muskeln, in
sofern dieselben auf selbst sehr starke Inductionsströme ent¬
weder nicht oder doch nur sehr wenig reagirten und auf Rei¬
zung mit dem constanten Strom die deutlichste Entartungsreaction
zeigten. Erkrankt waren also in diesem Falle nicht nur die
M. supinatores, sondern^auch der deltoideus, der brachialis in¬
ternus, der biceps, mit einem Worte diejenigen Muskeln, welche
functionell zusammengehören, welche durch Erkrankung ganz
bestimmter Nerven wurzeln functionsunfähig werden können und
welche, wie wir in der Betrachtung des Falles Tieme sahen,
ohne Vergiftung durch Blei durch eine aus anderen Ursachen
(Erkältung etc.) hervorgerufene Veränderung ganz bestimmter
Rückenmarksabschnitte erkranken und gelähmt werden können.
Aehnliche Betrachtungen waren es, welche Remak,*) Erb, 4 )
mich 5 ) selbst dahin führten, als pathologisch anatomische Grund¬
lage der sogenannten Bleilähmungen eine Erkrankung der grauen
Substanz des Rückenmarks anzunehmen, und ich glaube, dass
die beiden hier vorgeführten und neben einander besprochenen
Fälle eine neue Handhabe bieten, diese Ansicht, wenn auch nicht
zu beweisen, so doch wesentlich zu stützen.
1) Remak: Zur Pathogenese der Bleilähmungen. Arch. f. Psych.
u. Nervenkrankh. VI. S. 1.
2) Erb: Ein Fall von Bleilähmung. Arch. f. Psych. u. Nerven¬
krankh. Bd. V., S. 445.
3) Remak: 1. c.
4) Erb: Krankh. des periph. Nervensystems, u. v. Ziemssen’s
Handb. d. spcc. Path. XII. Bd., 1. Hälfte. 1874, S. 498.
5) Bernhardt: Beitrag zur Lehre von der acuten atrophischen
(Spinal-) Lähmung Erwachsener. Arch. f. Psych. Bd. VII., S. 313.
Original from
UNIVERSITY OF MICHIGAN
274
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 10
Damit aber scheint mir das Interesse, namentlich des letzten
Falles noch nicht erschöpft. — Nur durch eine sorgfältige elec-
trische Untersuchung ist es uns ja überhaupt möglich geworden,
die gar nicht gelähmten Muskeln: Deltoideus, Biceps, Brachialis
internus als erkrankt nachzuweisen. Sie konnten rechts, wie
links activ frei und mit ausreichender Kraft bewegt werden.
Es war zuerst Erb 1 ), welcher in einem Falle von Bleilähmung
auf dieses merkwürdige Verhalten aufmerksam machte und da¬
raus die Hypothese ableitete, dass im Rückenmark für die
Nerven und Muskeln verschiedene trophische Centralapparate
und Bahnen existirten, welche im gegebenen Falle isolirt von
einander erkranken könnten. In unserem Falle (Bleilähmung)
bestand an der rechten Seite, wenn wir z. B. den rechten M.
deltoid. und biceps ins Auge fassen: keine Lähmung, Unerreg¬
barkeit (oder wenigstens sehr herabgesetzte Erregbarkeit) bei
indirecter (Supraclavicularpunkt) Reizung sowohl wie directer
mit dem Inductionsstrom, sehr herabgesetzte Erregbarkeit bei
indirecter Reizung mit dem constanten Strom, deutlichste Ent-
artungsreaction bei directer Reizung mit dem const. Strom.
Links waren die Mehrzahl der Nerven und Muskelbündel in
normaler Weise sowohl für den Willen wie für die directe und
indirete Reizung mit beiden Stromesarten erregbar, und nur
einzelne Muskelbündelfasem zeigten bei directer Reizung
die bekannten Entartungsreactionen, ein Verhalten, wie es Erb
bei einzelnen Fällen von progressiver Muskelatrophie beob¬
achtet hat. Wenn nun also auch diese Thatsachen durch meine
Beobachtungen bestätigt werden, so ist damit für die Richtig¬
keit der obigen Hypothese in Bezug auf getrennt im Rücken¬
mark liegende trophische Apparate für Muskeln und Nerven
noch nichts bewiesen. In einer Arbeit, wie ich sie im An¬
schluss an meine erste Publication a ) über die später mit dem
Namen der Mittelform getauften Lähmungsart veröffentlicht habe*),
habe ich schon hervorgehoben, dass es denkbar sei, dass der
krankmachende Reiz den Muskel selbst treffe, sei es auch
mit den von ihm untrennbaren Nervenendigungen, dass er aber
diese von vorn herein entweder unverändert lässt, oder doch
nur so afficirt, wie sie sich im späteren Stadium beginnender
Heilung bei ganz schweren Lähmungen befinden mögen, dass er
in den Muskeln selbst pathologische Veränderungen hervor¬
bringt, wie sie zu erhöhter Erregbarkeit und abnormer Reaction
gegen den Reiz des galvanischen Stromes führen, ohne sie je¬
doch so zu zerstören, dass sie dem Reiz des Inductionsstromes
oder dem Willensreiz absolut nicht gehorchten.
Noch eine andere Hypothese hat Wern icke 4 ) neuerdings
über diese interessanten Erscheinungen aufgestellt, welcher in
einem Fall von Facialislähmung, in welchem die Kerne in der
med. obl. durch gewucherte Tumormassen vernichtet waren,
eine Anzahl von Nervenfasern ganz intact fand. Er sagt: „cs
liegt auf der Hand, dass bei Erhaltensein einer Anzahl von
Nervenfasern die faradische und galvanische Erregbarkeit —
besonders für das Zuckungsminimum — nicht erheblich herab¬
gesetzt sein kann, dass nur die Zuckungsgrösse bei stärkeren
Strömen eine viel geringere werden muss, indem nur der von
den erhaltenen Nervenfasern versorgte Theil der Muskelprimitiv¬
bündel erregt wird. Etwas mehr herabgesetzt muss sich die
Erregbarkeit des Muskels gegen den faradischen Strom bei di-
1) I. 1. c.; 11. Krankheiten des Riickemarks, II Abth., 1877, p. 312.
2) Bernhardt: Eigentümlicher Verlauf einer (schweren) peripheren
Lähmung des N. Facialis. Deutsch. Arch. f. kl. Med., Bd. 14., p. 433.
3) Beitrag aus der Pathologie peripherer Lähmungen zur Frage von
dem Bestehen einer specifischen Muskelirritabilität. Deutsches Archiv
f. kl. Med., 1875.
4) Wernicke: Ein Fall von Ponserkrankung. Archiv für Psych.
Bd. VII, Heft 3.
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Gck igle
recter Reizung zeigen, indem man hierbei die erhaltenen Nerven¬
fasern nur vereinzelt mit der Electrode trifft. Der bei weitem
grösste Theil der Muskelprimitivbündel, welcher mit den de-
generirten Nervenfasern zusammenhängt, erleidet dagegen die
bekannten Erregbarkeitsveränderungen, namentlich die Steige¬
rung der directen galvanischen Erregbarkeit und die Modifica-
tion der Zuckungsformel und des Zuckungsmodus; bei über¬
wiegender Zahl der degenerirten Fasern wird die veränderte
Muskelreaction deutlich hervortreten, bei geringer Zahl derselben
dagegen zwar auch vorhanden sein, aber nieht in Erscheinung
treten können, weil die zerstreuten erkrankten Primitivbündel
keine Locomotion bewirken können. Die sogenannte Mittelform
der rheumatischen Facialislähmungen unterscheidet sich dem¬
zufolge von der schweren Form durch das Verschontbleiben
einer gewissen Fasersumme, während bei dieser der ganze Quer¬
schnitt erkrankt ist; von dem Zahlenverhältniss beider Faser¬
arten zu einander muss die electrische Prüfung eine annähernde
Vorstellung geben können. Die gegebene Erklärung lässt er¬
warten, dass besonders Erkrankungen der Nervenkerne, bei
welchen einzelne Zellen und Fasern nach einander ergriffen
werden, diese Mittelform der ErregbarkeitsVeränderungen dar¬
bieten werden, und so erwähnt denn auch Erb zwei derartige
Beobachtungen, die eine von progressiver Muskelatrophie, die
andere von Bleilähmung, bei welcher in letzterer Zeit ebenfalls
eine Kernerkrankung wahrscheinlich gemacht ist.“
Ob nun diese von Wernicke für die Erklärung dieser in¬
teressanten Lähmungsformen aufgestellte Hypothese richtig ist
(sie würde uns, wie man sieht, von besonderen trophischen Cen-
tren für Nerven und Muskeln abstrahiren lassen können), oder
die Erb’s, ob für einzelne Fälle, wie ich es wahrscheinlich zu
machen suchte, eine direct die Muskeln befallende Erkrankung
zu ähnlichen Erscheinungen Veranlassung geben kann und sie
zu erklären ausreicht, lasse ich vorläufig dahingestellt. Zur
definitiven Entscheidung dieser so hochinteressanten Fragen be¬
dürfen wir sowohl gehäufter Beobachtungen am lebenden Men¬
schen, wie genauer mit Berücksichtigung aller Möglichkeiten
ausgeführter Obductionen und womöglich des Thierexperinients.
IV. Referate.
Jahrbuch für practische Aerzte (Fortsetzung von Grävell’s
Notizen). Unter Mitwirkung von Fachgelehrten, herausgegeben
von Dr. Paul Guttmann, Docent an der Friedrich- Wilhelms-
Universität zu Berlin. Erster Band. Erste Abtheilung. Berlin,
Hirschwald. 1878.
Unter dem neuen Titel „Jahrbuch für practische Aerzte" erscheinen
von diesem Jahre an die nunmehr seit 20 Jahren bestehenden „GrävelUs
Notizen“, und zwar unter unveränderter Redaction Guttmann’s. welcher
die Herausgabe seit 1869 leitet. Die Acnderung betrifft indess nicht
nur den Titel, sondern in sehr wesentlicher Weise auch die Ferm des
gebotenen Materials. Während nämlich bisher die Referate über die ein¬
zelnen Disciplinen lose aneinander gereiht wurden, werden dieselben in
dem „Jahrhuche“ als ein ganzes behandelt, als eine selbständige abge¬
rundete Uebersicht, in welcher zunächst durch einleitende Bemerkungen,
die Richtungen, in welchen sich im Berichtsjahre die Forschungen au!
dem specicllcn Gebiete bewegten, im allgemeinen hervorgehoben werden
und dann das einzelne in bestimmten Gruppen, die durch fortlaufende
Bemerkungen in einem inneren Zusammenhang erhalten werden, darge¬
stellt wird. Das Unternehmen ist auf diese Weise seinem Zwecke, „dem
practischen Arzte eine Uebersicht über die wichtigeren Leistungen
in der Mcdicin“ zu geben, noch wesentlich näher getreten als früher,
und cs muss von allen Seiten mit um so mehr Theilnahme bcgriisst
werden, als die Mehrzahl der anderen medicinischen Sammelwerke, z. B.
der in seiner Art musterhafte Jahresbericht von Vi reho w-Hirsch
wesentlich andere Ziele als nur practische im Auge hat. Pas Work
wird alljährlich in drei Abtheilungen erscheinen, die erste Abtheiiunc
im April, die zweite im Juli, die dritte im October. Die zur Zeit vor¬
liegende erste, umfassend Anatomie, Physiologie, Pharmakologie, ad*
gemeine Pathologie und pathologische Anatomie, und den grds.-eren Thei
der Gruppe Syphilis, beweist deutlich, dass die Redoetion mit den
geschaffenen Abänderungen auf den besten Weg gelangt ist: ganz be¬
sonders gewähren die Referate über Anatomie, referirt von Ludwig L" wC *
Physiologie, referirt von J. Munk, allgemeine Pathologie und pathoio-
Qriginal from
UNIVERSITÄT OF MICHIGAN
13. Mai 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
275
gische Anatomie, referirt vom Herausgeber ein sehr übersichtliches und
practisch brauchbares Bild des im vorigen Jahre in der betreffenden
Disciplin geleisteten. _ Sz.
Wilh. Alex. Freund: Eine neue Methode der Exstirpation
des ganzen Uterus. (Samml. klin. Vorträge No. 133.)
Das anatomische Verständniss und das Studium der Elimination des
invertirten, brandig gewordenen Uterus gaben dem wohlbekannten Gynä¬
kologen die Handhaben zu seiner neuen, einfachen und sicheren Me¬
thode, die er in ungemein anregender Darstellung in den Volkmann-
schen Heften veröffentlicht. Gelegentlich eines ausschliesslich über die
Schleimhaut des ganzen Uterus verbreiteten tiefen Cylinder-Carcinoms
einer 62 jährigen Frau machte Freund nach Ausspülung der Uterus¬
höhle mit 10° „ Carbollösung an der bestimmt gelagerten Pat. (Kopf
tief, Becken hoch) die für die Ovariotomie typische Eröffnung der Peri¬
tonealhöhle. liess die aus dem Douglas emporgehobenen Darmschlingen
durch ein Handtuch emporhalten, fmrte mittelst eines durchgezogenen
Fadenbändchens den Uterus, um mit dieser Schlinge alle erforderlichen
Bewegungen an dem Organe ausfiihren zu lassen, und unterband
beide Ligam. lata incontinuitate in 3 Portionen, und zwar durch¬
drang der obere Faden die Substanz der Tube und die des Lig. ovarii
(das atroph. Ovarium blieb zurück; andernfalls würde Freund es nicht
in continuo mit dem Uterus entfernen). Der mittlere Faden umfasste
die Substanz des Lig. ovar. und rotundum, der untere, die des letzteren
und das Laquear vag. zweimal, so dass er zuerst von oben nach der
Scheide und von da hinter der Basis des Lig. lat. in den Douglas geführt*)
wurde (Vermeidung der grösseren Venen). Dann Trennung des Uterus¬
halses von der Harnblase, Eröffnung des vorderen Laquear, hierauf nach
Durchschneidung des Grundes der Douglas - Tasche die des hinteren
Laquear: endlich die Trennung der Lig. lata median von den Schlingen
mit kaum nennenswerthem Blutverlust; nur eine kleine Arterie am
vorderen Umfang des Laquear spritzt. Sorgfältige Carbolausspülung der
Beckenhöhle, und nun werden die sechs Schlingen durch die Scheide
nach aussen geleitet und fest herabgezogen, so dass oberhalb derselben
das vordere und hintere Becken-Peritoneum durch eine Reihe von Nähten
an einander befestigt werden kann. Heilung ohne wesentliche Störung
in 19 Tagen. So ist das doppelte Postulat Hegar’s: Schutz vor Blutung
und Nebenverletzung, sowie Schluss der Peritonealwunde, um das Ein¬
dringen von Wundsecreten in die Bauchhöhle zu verhindern, durch
diese Methode, die eine bisher fühlbare Lücke ausfüllt und einen wesent¬
lichen Fortschritt bezeichnet, vollkommen erfüllt, und die nächste Zu¬
kunft wird über ihre Indicationen entscheiden. Das sinnreiche Herableiten
der Unterbindungsfaden behufs Umstülpung des Peritoneums will Freund
auch für die supravaginale Amputation in nächster Zeit statt der Stil¬
befestigung anwenden. Dass Freund nur auf einen**) Fall gestützt be¬
reits seine Methode publicirt, liegt an seinem difficilen Materiale (er leitet
nur eine Privatklinik); aber er behauptet mit Recht: in den Haupt¬
punkten wird die Operation, die den letzten Schritt in den Exstirpations¬
bestrebungen der Gynäkologen thut, schwerlich eine Aenderung erfahren
dürfen. Pauly (Posen).
V. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Berliner ■edielnheke (leeelliehnft.
Sitzung vom 30. Januar 1878.
Vorsitzender: Herr v. Langenbeck.
Schriftführer: Herr E. Küster.
Für die völlig mittellose Familie eines kürzlich verstorbenen, aus¬
wärtigen Arztes werden ausnahmsweise aus der Gesellschaftskasse 300 M.
bewilligt. Eingegangen: 1) Eine Schrift von Dr. Landmann: Ein
Plan zur Gründung einer Renten- und Erspamissbank für deutsche Aerzte.
2) Die Verwaltung des Apollinarisbrunnens wünscht ein Gutachten
der medic. Gesellschaft über die Qualität dieses Brunnens zu extrahiren.
In der an diesen Antrag sich knüpfenden Disscussion wird ein Ein¬
gehen auf denselben als unzweckmässig bezeichnet, weil es klar sei, dass
ein solches Votum nur geschäftlich ausgenutzt werden solle, und nach¬
dem zur Klarstellung der bereits geführten Disoussion über denselben
Gegenstand das Protocoll der vorigen Sitzung verlesen und genehmigt,
schlägt Herr Liebreich vor, dass Herr Senator mit ihm zusammen
das ihnen in der vorigen Sitzung übertragene Commissorium niederlege.
Herr Senator erklärt sich damit einverstanden, worauf Herr Liebreich
sich erbietet, eventuell einen Vortrag über Mineralwässer zu halten, ohne
sich dabei speciell auf das geforderte Gutachten einzulassen. Das An¬
erbieten wird mit Dank angenommen. Herr v. Langenbeck wird eine
in diesem Sinne gehaltene Antwort an die Verwaltung des ApoUinaris-
brunnens abfassen.
3) Herr Friedländer, Besitzer der Kronenapotheke, hat sich er¬
boten, wie schon in voriger Sitzung mitgetheilt, für die medicinische
Gesellschaft eine Ausstellung neuerer Medicamente zu veranstalten. In
*) In der geburtsh. Gesellsch. z. Berlin am 9. April zeigte Freund
eine dazu anwendbare gedeckte starke Nadel.
**) Prof. Olshausen hat neulich mit Glück einen Fall nach dieser
Methode operirt, Martini in Breslau 2, von denen 1 an Sepsis starb,
1 genas.
Anbetracht der Bevorzugung, welche hierdurch einem einzelnen Apotheker
zu Theil werden würde, beschliesst die Versammlung, den Apotheker¬
verein zu einer derartigen Ausstellung zu veranlassen.
Herr B. Fränkel beantragt eine Commission zu ernennen, welche
die Modalitäten einer derartigen Ausstellung verabreden solle, und schlägt
Herrn Liebreich als Mitglied vor, welcher indessen ablehnt. Auf Ver¬
anlassung des Herrn Vorsitzenden wird die Besprechung über diesen
Gegenstand auf die nächste Sitzung vertagt.
Tagesordnung.
Herr Leyden. Ueber progressive atrophische Bulbär-
paralyse und ihre Beziehungen zur Seitenstrangsclerose.
(Der Vortrag wird in extenso veröffentlicht werden.)
Gesellschaft für Geburtshilfe «id Gyaiktltgie !■ Berlin.
Sitzung vom 12. Februar 1878.
Vorsitzender: Herr Schröder.
Schriftführer: Herr Fasbender.
1) Herr Schröder stellt 2 Frauen vor, bei denen er vor 17 bezw.
23 Tagen die Ovariotomie ausgeführt hat. Der eine FaU betraf eine
Schwangere aus dem 4. Monat, welche 8 Tage nach der Operation die
ersten Kindesbewegungen wahrnahm und voraussichtlich in den nächsten
Tagen aufstehen wird. Schwangerschaft in keiner Weise gestört. Von
der anderen war das Präparat gewonnen, welches Herr Schröder in
der vorigen Sitzung gezeigt hat (Derraoidcyste). Der betreffende Abscess
in den Bauchdecken ist ebenso wie die Operationswunde vollkommen
geheilt.
2) Herr Frerichs (als Gast) demonstirt a) die Genitalien eines
26 jährigen, an tuberculcser Peritonitis zu Grunde gegangenen Mädchens,
desselben, bei dem Herr J. Veit wegen Steinbeschwerden s. Z. die
Lithotripsie gemacht und auf Grund einer Rectaluntersuchung die Dia¬
gnose auf Uterus bipartitus gestellt hatte (efr. Sitzung der Gesellschaft
für Gynäkologie vom 15. December 1875). Die äussereö Genitalien sind
gut entwickelt, Urethra sehr weit, Vagina fehlt, Uterus klein, solid, Ovarien
normal. Die Tuben nur an den äusseren Enden durchgängig, Rotunda
fehlen. — Bezüglich der Deutung der letztgenannten Punkte werden von
einigen Seiten Zweifel erhoben, b) einen Uterus bicornis. Rechte Niere
und Nierenarterie fehlen, linke Niere und rechte Nebenniere sehr gross.
3) Herr Veit legt die Geschleehtstheile einer vor kurzem entbun¬
denen Frau vor, die nach einer schweren Entbindung vor 4 Jahren
(pathologisches Wochenbett) und 2 Aborten jetzt am Ende der Schwanger¬
schaft angekommen war. Die Scheide fand sich um den Cervix herum
durch narbige Massen verschlossen. Eine Sonde drang ohne besondere
Schwierigkeit in eine Oeffnung ein, anscheinend der Muttermund. Letz¬
terer documentirte sich aber erst am folgenden Tage rechts von der
genannten Oeffnung, so dass diese sich im linken Scheidengewölbe be¬
fand. Laminaria, Muttermund äusserst resistent; Schief läge, Abfluss
von Jauche, Schüttelfrost, hohes Fieber machten Wendung und Extrac¬
tion bei mangelhaft erweitertem Orificium nöthig. Trotz Carbolauspritzung
und Drainage ging die Wöchnerin am 7. Tage bei Parametritis septisch
zu Grunde.
Desgleichen zeigt er die Genitalien einer 45jährigen IV p. und giebt
dazu folgende Geschichte. Jetzt im 5. Mouate schwanger, war die Frau
am 31. Januar gefallen und mit dem Bauche auf die Graniteinfassung
eines Rinnsteines aufgeschlagen. Heftige Schmerzen, Erbrechen, Blut¬
abgang. Am 2. Februar, wo Herr Veit die Patientin zuerst sah: Er¬
brechen, Blut- und Jaucheabgang, Cervicaleanal mit Mühe durchgängig,
Deciduafetzen. r Der eingeführte Catheter gelangte in die Bauchhöhle.
In der Anstalt wurde dann die Laparotomie ausgefubrt, und der verletzte
Fundus uteri resecirt. Die Rissränder waren in jauchigem Zerfall.
Drainage. Tod nach 4 Stunden.
4) Herr Schröder demonstrirt ein über mannskopfgrosses, weiches
Myom, welches vor der Operation durch seine Consistenz einen Ovarial¬
tumor vorgetäuscht hatte. Es sass im rechten Lig. latum, wie ein Aus¬
wuchs des Fundus, und liess in seiner Lage den Uterus ziemlich unberührt.
Die Geschwulst wurde mit der oberen Partie des Uterus (der Schnitt
lag über der Gegend des inneren Muttermundes) entfernt und dann der
Stumpf übernäht.
5) Discussion über den von Herrn P. Rüge in der vorigen Sitzung
gehaltenen Vortrag: Zur Complieation der Geburt durch Ovarialtumoren.
Herr Markwald: Nach mehrfachen vergeblichen, in Rücken- und
Knieellenbogenlage, auch vom Rectum aus, wenn nöthig mit Kraft zu
unternehmenden Repositionsversuchen ist für die cystischen Tumoren
die Punction in Betracht zu ziehen, sowie bei nicht zu hochgradiger
Beokenverengerung die Perforation. Die Incision von der Vagina aus
müsse er der grossen Gefahren wegen durchaus verwerfen. Er würde
dann die Laparotomie mit dem Versuche der Ovariotomie, eventuell der
Ausführung des Kaiserschnittes vorziehen.
Herr Martin hat in neuerer Zeit 2 Mal die Incision vom Scheiden¬
gewölbe aus, 1 Mal mit gutem, 1 Mal mit bis jetzt noch zweifelhaftem
Erfolge gemacht und glaubt, dass der Herr Vorredner die Gefahren dieser
Operation zu hoch anschlage. — Der nicht reponible Tumor werde sich
vor Ausführung des Kaiserschnittes wahrscheinlich nicht entfernen lassen.
Man solle diesen machen und sich dann danach richten, wie sich darauf
die Geschwulst verhalte. Der Kaiserschnitt unter Spray müsse für die
Zukunft eine bessere Prognose geben.
Herr Ebell hat in einem einschlägigen Falle die künstliche Früh-
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UNIVERSETY OF MICHIGAN
276
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 19
gebürt eingeleitet. Dermoidcyste links im kleinen Becken, Kopf hoch
stehend in erster Schädelläge, -wiederholter Repositionsversuch in der
Narcose, längeres Liegenlassen des Colpenrynters, Function des Tumors,
Expression eines lebenden Kindes. In den ersten Tagen des Wochen¬
bettes Wohlbefinden, dann Fieber, Drainage durch das hintere Scheiden¬
gewölbe, Genesung. (Operation Ende December.) — Jetzt befindet sich
die Frau wohl, und der Tumor ist bedeutend geschrumpft. — Die Zangen¬
operation sei schwer, die Kephalotripsie könne günstige Resultate geben,
wenn die Reposition nicht gelinge. Auch in den ersten Tagen des Puer¬
periums sei mit Glück die Ovariotomie gemacht worden.
Herr E. Küster hält auch die Incision vom hinteren Scheiden¬
gewölbe aus für verwerflich. Gelingt die Reposition nicht, so sei die
unter antiseptischen Cautelen nicht so gefährliche Laparotomie zu machen.
Vielleicht sei dann die Reposition durch Zug von oben möglich. Es
sei darauf Kaiserschnitt mit folgender Ovariotomie und Drainage zu em¬
pfehlen.
Herr Schröder meint, die Ovariotomie in der Schwangerschaft
müsse bei irgendwie grösseren Tumoren das regelmässige Verfahren, nicht
die Ausnahme sein. Die Operation an sich gebe keine schlechtere Pro¬
gnose als sonst, und die Mutter entgehe auf diese Weise einer Reihe
von Gefahren. Auch für das Kind seien die Chancen besser, da es mit
dem zu erwartenden glücklichen Ausgang der Ovariotomie von jeder
Gefahr befreit werde. Er bezweifele übrigens, dass die antiseptische
Methode in gleicher Weise die Prognose des Kaiserschnittes verbessern
werde, wie die der Ovariotomie. Abgesehen davon, dass man die Indi-
cation zur Sectio caesarea manchmal erst aus dem Geburtsverlauf her¬
leiten müsse, kämen hier auch die Uteruswunde und das Uterussecret
als wesentlich ungünstige Momente in Betracht.
Herr P. Rüge glaubt auch, dass man die günstigere Zukunftspro¬
gnose des Kaiserschnitts erst abzuwarten habe. Nach seiner Ansicht
gebe nach erfolgloser Reposition die Incision bessere Chancen. Ent¬
schlüsse man sich zur Laparotomie, so sei vor der Ausführung des
Kaiserschnittes zunächst die Ovariotomie zu versuchen.
6) Der Antrag des Herrn Kauffmann: Zu beschliessen, dass im
Anschluss an die erste Monatssitzung ein Abendessen auf Kosten der
Gesellschaftskasse stattfinde, wird angenommen.
VI. Feuilleton.
VII. Congress der Deutschen Gesellschaft für
Chirurgie.
3ter Sitzungstag, Freitag den 12. April 1S78.
Morgensitzung von 10 — 1 Uhr im Hörsale des König 1.
Klinikums.
Als ersten Gegenstand der Tagesordnung legt Herr Hüter (Greifs¬
wald) die Abbildung eines Molluscum contag. giganteum vor,
welche an den Titelkupfer des Virchow’schen Geschwulstwerkes er¬
innert.
Auf die Vorstellung von gelungenen Fällen der Resection
des Schenkelkopfes mit Hilfe des vorderen Längsschnittes
durch Herrn Schede (Berlin) bemerkt Herr Hüter (Greifswald), dass
auch er mit der einfachen Resection des Schenkelkopfes ohne Mitnahme
des Trochanter maj. sehr schönen Erfolg gesehen, allerdings ohne gleich¬
zeitige Anwendung von Schede’s vorderem Längsschnitt. Letzteren hat
er neuerdings öfters angewandt, seine Richtung ein klein wenig nach
aussen verlegend, so dass die Incision auf die Aussenseite des M. sartor.
kommt. Der Wundabfluss wird dabei, wenn nöthig, durch Anlegung
eines Knopfloches mit Drainirung regalirt.
Herr v. Langenbeck freut sich, dass die Ansicht nur den Schenkel¬
kopf zu reseeiren, wo dieser allein erkrankt ist, immer mehr zur Geltung
kommt, und verweist gleichzeitig auf ein einschlägiges von Heine stam¬
mendes Thierpräparat aus dem Würzburger Museum. Im übrigen macht
Herr v. Langenbeck auf die von ihm gewonnene Erfahrung aufmerksam,
der zu Folge anfänglich ein gut bewegliches Gelenk zeigende Resecirte
allmälig der Anchylose anheimfielen. Hinsichtlich des Schede “'sehen
Schnittes meint er, dass dieser in den meisten Fällen nicht practicabel
sei, und sich nur für spontane Epiphysenlösung bezw. damit analoge
Schussverletzungen eigene, indem dieser Schnitt auch für einfacho In¬
cision in das Gelenk zu verwerthen sei.
Herr Hüter bemerkt, dass ein von ihm 1869 als Knabe an der
Hüfte resecirter Pat. heut ohne Anchylose ginge, diese also nicht aus¬
nahmslose Regel sei.
Herr Petersen (Kiel) theilt einen bei einem 8jähr. Mädchen mit
dem Schede’sehen Schnitte ausgeführten günstigen Fall mit, ebenso
Herr Pau ly (Posen). Herr Szmula (Zabrze) berichtet über eine 1870 inter¬
mediär w r cgen Schussverletzung mit sehr gutem functionellen Resultat
verrichtete Hüftgelenkresection. Der betr. Pat. würde in den officiellen
Listen (auch in Herrn v. Langenbeck’s bekannter Arbeit) unter der
Rubrik „unbrauchbares Gelenk“ geführt.
Herr v. Langenbeck erklärt dies aus der wahrscheinlich zu rasch
nach der Ausheilung gemachten Superrevision des qu. Resecirten.
Als Beitrag zur operativen Behandlung von vorgeschrit¬
tenen und gleichzeitig vernachlässigten Klumpffussfällen
«teilen Herr Schede einen derartigen durch keilförmige Resection des
“sus geheilten Pat. und Herr Meusel (Gotha) einen ebenfalls mit Re-
on der Fusswurzelknochen erfolgreich behandelten Kranken vor. Die
Operation im letzteren Falle bestand in Herausnahme der dicht vor dem
Sprunggelenk gelegenen Tbeile. Dieselbe war bei der abnormen Dorsal¬
flexion sehr leicht auszuführen, doch müsse man sich in Acht nehmen, zu
viel von dem Knochen zu reseeiren, da sonst der Fuss zu kurz würde.
Auf eine Anfrage des Herrn Vorsitzenden bemerkt ausserdem Herr Meusel,
dass er die Achiliotomie in seinem Falle nicht der Operation voraus¬
geschickt; sie sei vor 12 Jahren, als sein Pat. ein ljähr. Kind war, in
Jena gemacht worden.
Der letzte Fall, welchen Herr Schede vorstellte, betraf ein junges
Mädchen, an welchem nicht weniger als 6 Gelenke, nämlich beide
Ellenbogen-, beide Hand- und beide Fussgelenke, und zwar wegen knöcher¬
ner Anchylose nach Polyartritis rheumatica, resecirt worden waren. Anden
Handgelenken mussten die Basen der Metacarpalknochen mitfortgenommen
werden. Der Herr Vortragende konnte im ganzen die quo ad functionem
erzielten Resultate als befriedigende bezeichnen, erwähnte indessen auf
eine Bemerkung seitens des Herrn Vorsitzenden, dass wegen stärkerer
Eiterung das eine Fussgelenk nicht in völlig rechtem Winkel ausgeheilt
werden konnte, so dass hierdurch der Gang der Pat. etwas beeinirächtigt
wurde.
Herr Paul Güterbock (Berlin) stellte hierauf ein 7jähr. Mädchen
vor, an welchem er wegen abnormen Längenwachsthums des Radius, be¬
dingt durch einen (abgelaufenen) necrotischen Process dieses Knochens,
eine keilförmige Excision des hervorstehendsten Theiles des nach
aussen convex verbogenen Radius gemacht. Das Resultat war Wieder¬
herstellung sämmtlicher Functionen, auch völlige Supination war activ
ausführbar.
Die von demselben Vortragenden vorgelegten zwei Knochenge¬
schwülste, welche mehr als Mannskopf gross von den beiden Ober¬
schenkelbeinen einer sechs Tage vorher obducirten Frau von 44 Jahren
stammten und von Herrn Güterbock vorbehaltlich der microscopischen
Untersuchung als Cystenchondrome bezeichnet wurden, zeichneten sich
durch ihre überau i gute Conservirung aus. Dieselbe war mit Hilfe einer
neuen, von dem Präparator Herrn Wickersheimer entdeckten Methode
geschehen, und hob Herr G. namentlich die gute Erhaltung der Blut¬
farben hervor, welche nur möglich ist, wenn das Präparat thunlichst
frisch in die betr. Conservirungsflüssigkeit gelangt. Hier erfolgte dies
fast unmittelbar nach der Section, welche 20 Stdn. post mortem ausge¬
führt war.
Herr F. Busch (Berlin) demonstrirt eine grössere Reihe von am
Hunde gewonnenen Präparaten von Knochenentzündung, auf welche er
bereits in der ersten Sitzung aufmerksam gemacht. Dieselben stellten
die verschiednen Grade und Formen der Necrosenbildung vor und waren
theils durch die galvanische Glühhitze, theils durch Einlegen von La-
minaria, theils durch Einwirkung chemischer Agentien auf die Markhöhle
erzeugt. Letztere dürfe man nicht im starken Strahle in die Markhöhlen
einspritzen, da man sonst Fettembolie bervorrufen ka.nn, sondern sie
müssten mit Hilfe eines Setaceums mit dem Mark in Berührung gebracht
werden.
Herr Trendelenburg (Rostock) stellte zunächst einen Mann vor,
bei welchem er wegen einer ca. 8 Wochen alten, durch breite Band-
massen verheilten Querfractur der Patella die An frisch ung der
Bruchränder und Vereinigung der Fragmente durch 3 Silber-
und 1 Catgut-Naht ausgeführt. Obschon Herr T. diese Operation
wie alle übrigen ohne Spray verrichtete, trat bei sonstiger strenger
Befolgung der antiseptischen Principien keine stärkere Reaction ein. Jetzt
(ca. drei Monate nach der Operation) ist völlige knöcherne Vereinigung
vorhanden.
Hierauf erwähnte Herr Trendelenburg einer Schrägfractur,
welche bei einem 56jährigen Manne durch das untere Ende des Fe¬
mur in das Gelenk übergehend mit Pseudarthrose geheilt war. Zur
Vereinigung letzterer durch Nähte wurde das Gelenk durch den Langen-
beck’schen inneren Bogenschnitt, wie bei der Resection eröffnet. Es
ergab sich, dass die Pseudarthrose durch Hineinklemraen eines Stückchen
Gelenkkapsel zwischen dem Fragmente bedingt war, so dass dieses erst
gelöst werden musste, ehe letztere durch einen Elfenbeinzapfen vereinigt
werden konnten. Die Blutung war so stark, dass 50 Ligaturen angelegt
werden mussten. Dennoch trat völlige Heilung pr. prim, intent. ein,
und bis auf eine kleine Auftreibung an der Stelle des eingeschlagenen
Elfenbeinzapfens und eine geringe Beschränkung der Extension sind Aus¬
sehen und Function des Gelenkes normal. Herr Trendelenburg
meint, dass diese und ähnliche Erfahrungen zu einem Versuche, die
intracapsulären Schenkelhalsfracturen frei zu legen und durch einen
Elfenbeinzapfen zu vereinigen, auffordem, zumal ein einschlägiger, unter
der damaligen Wundpartie allerdings nicht glücklicher Versuch bereits
vor längerer Zeit durch Herrn v. Langenbeck gemacht worden sei.
Nachdem Herr Trendelenburg ferner noch ein Präparat von
Arthritis deformansund einen bereits im Centralblatt für Chirurgie
beschriebenen Stelzfuss vorgelegt und als resorbirbares Material für
antiseptische Drainageröhren des Markes entbehrende Vö¬
gelknochen empfohlen, beschreibt Herr v. Langenbeck des weiteren
den Fall, bei welchem er schon in den 50ger Jahren die Vereinigo®#
der Schenkelhalsbruchfragmente durch eine silberne Schraube versucht,
und der dann aii Hospitalbrand zu Grunde ging.
Herr König (Göttingen) berichtet kurz, dass er bereits vor 3 Jahren
bei einer jugendlichen Patientin durch directe Coaptation der frei gelegten
Fragmente einen Schenkelbruch geheilt.
Herr v. Langenbeck, der dieser Operation eine Zukunft vindicirt,
glaubt, dass Elfenbeinstifte zur Coaptation der Fragmente nicht brauchbar
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UNIVERSETY OF MICHIGAN
13. Mai 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
277
wären, hierzu vielmehr eine Schraube mit Schraubengang anzuwen¬
den sei.
Es folgte jetzt Herrn Riedinger’s (Würzburg), mit Vorzeigung
von Photographien verbundener Bericht über 2 nach Al. Ogston’s
Methode operirte Fälle von Genu valgum. Wir heben daraus
hervor, dass der Herr Vortragende sich möglichst genau an den Vor¬
schriften Ogston’s gehalten. Er empfiehlt nicht die Esmarch’sche
Blutleere anzuwenden, da, wie ihm der erste Fall bewiesen, die nach¬
trägliche Blutung erheblicher sein kann, wie die Blutung während der
Operation. Man solle ferner das Bein nicht mit einem Contentivverbande,
sondern durch eine Schiene fixiren, da ersterer sehr bald durch Durch¬
tränkung mit Blut oder Wundsecret unbrauchbar würde. Nach der
Ausheilung bliebe stets eine grössere Gelenksteifigkeit zurück, die aber
durch passive Bewegungen (im ersten Falle durch Brisement in der Nar-
cose) zu bekämpfen wäre. Die schliesslichen Resultate seien indessen
hinsichtlich der Function vorzügliche Uebrigens sei die Ogston’sche
Operation an sich nicht ungefährlich und nur unter antiseptischen Cau-
telen zulässig.
Die Discussion über vorstehenden Vortrag ward bis zu dem des
Herrn Kolaezek (Breslau) verschoben und statt dessen von Herrn
Thiersch (Leipzig) ein auf eine Pseudarthrose bezügliches Prä¬
parat vorgelegt. Dasselbe stammte von einem Spliiterbruche des Unter¬
schenkels. weicher langsam mit starkem Callus in 4 Monaten geheilt
war. allmälig aber so weit wieder nachgab, dass das untere Ende des
Knochens gegen das obere in einem rechten Winkel geknickt erschien.
Bei einer Incision fand man es sehr schwer, das Ende des deformen
elfenbeinharten Callus mit dem Meissei anzufrischen; hierbei kamen
aber keine Fractursequester zum Vorschein, und Herr Th. meint, dass i
diese in späterer Zeit Ursache zu einer Ostitis und nachträglichen Locke- ;
rung des Bruches abgeben könnten. (Fortsetzung folgt.) i
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. Herr Dr. Friedrich Sander, früher in Barmen, seit kurzem
Director des allgemeinen Krankenhauses in Hamburg, ist nach kurzem .
Krankenlager gestorben. Durch sein Hinscheiden hat der ärztliche Stand
einen herben Verlust erlitten und vornehmlich die öffentliche Gesundheits- :
pflege einen ihrer besten Vertreter eingebüsst.
— Der alle 4 Jahre zur Verkeilung gelangende Preis, wel¬
chen s. Z. Herr Hofrath Dr. Stiebei bei Gelegenheit seines 50jäh¬
rigen Doetor-Jubiläums für hervorragende Leistungen auf dem Gebiete
der Entwickelungs • Geschichte und Ki nder-Krankheiten ge¬
stiftet, wurde am 3. Mai dem Herrn Geh.-R. Prof. R. Vo Ikmann in Halle zu¬
erkannt für die Förderung, welche die Kenntnis« und Heilung der Gelenk-
und Knochen-Krankheiten des Kindesalters während der letzten 4 Jahre
demselben zu verdanken hat. Die Preisrichter-Commission bestand aus
den Herren Physikus Dr. Bagge, Prof. Dr. Lucae, Dr. Flesch, Dr.
Heinrich Schmidt und^Dr. Lorey.
— Unser Landsmann Herr R. Liebreich ist vor einiger Zeit j
von seiner Stellung als Augenarzt am Thomas Hospital in London
zurückgetreten. Seine Stelle hat, wie jetzt gemeldet wird, Mr. Edward
Nett leship erhalten.
— Die neuesten Veröffentlichungen des Gesundheitsamtes bringen fol¬
gende Nachrichten über das Ausland: Die Pockenepidemie in London
weist in der Berichtswochc einen Nachlass auf. Sowohl die Zahl der
Todesfälle, wie die der neu Erkrankten ist geringer als in der Vorwoche,
auch der Bestand an Blatternkranken in den Hospitälen hat abgenommen.
Es starben 63 Personen (gegen 80 der vorangegangenen Woche) und
erkrankten 191.
Auch in Wien fand eine erhebliche Abnahme der Pockentodcsfälle
statt (die Zahl derselben sank von 20 auf 7). In Warschau, Odessa,
Lissabon und Barcelona ist dagegen die Zahl derselben noch eine hohe.
Die Typhusepidemien in den russischen Städten und in Bu¬
karest zeigen gegen die vorhergegangene Woche noch keine wesentliche
Veränderung. Aus Wien wird abermals ein Todesfall an Flecktyphus
gemeldet. Zwei an Bord von in Triest anlangenden Lloyddampfern
constatirte Fälle von Fleekthyphus gaben der kaiserlich österreichischen
Regierung Veranlassung zu strengeren Massrcgeln behufs Ueberwaehung
der aus der Türkei, Montenegro. Serbien, Rumänien oder Bessarabien
auf dem Seewege anlangendcn Passagiere und Schiffsmannschaften.
Amtliche Mittheilungen über den Gesundheitszustand von Callao,
betreffend das Jahr 1877, zu Folge, schreitet daselbst der Gesundheits¬
zustand von Jahr zu Jahr vorwärts, so dass die früher durch ihre hohe
.Sterblichkeit berüchtigte Stadt jetzt zu den gesundesten Plätzen an der
Westküste von Südamerika gerechnet werden könne. Dies Resultat sei
augenscheinlich durch eine gute Sanitätspolizei und grössere Reinlichkeit
erreicht worden. Man hat die Abzugscanäle vermehrt, das früher übliche
Ausgiessen des schmutzigen Wassers in die Strassen streng untersagt
und für Wegschaffung aller Abfälle einen geregelten Abfuhrdienst ein¬
gerichtet. Dieser Sorgfalt wird es zugeschrieben, dass sich im verflossenen
Jahre, trotz des sehr heissen Sommers und der ziemlich grossen Hitze,
am Ende des Jahres keine einzige ansteckende Krankheit zeigte.
— In der Woche vom 14. bis 20. April sind hier 602 Personen
gestorben. Todesursachen: Masern 6, Scharlach 13, Diphtherie 21,
Eitervergiftung 4, Kindbettfieber 2, Typhus 4, Dysenterie 1, Typhus
exanthemat. 1. Gelenkrheumatismus 1, Syphilis 4, Vergiftungen 2, Brand¬
wunden 1, Sturz 4 (darunter 2 Selbstmorde). Erschiessen 1 (Selbstmord),
Schnitt, 1 (Selbstmord), Folge von Operation 1, Erhängen 2 (Selbst¬
morde), Ertrinken 1 (Selbstmord), Lebensschwäche 28, Abzehrung 17,
Atrophie der Kinder 7, Scropheln 4, Altersschwäche 12, Krebs 15, Wasser¬
sucht 5, Herzfehler 10, Hirnhautentzündung 10, Gehirnentzündung 8,
Apoplexie 19, Tetanus und Trismus 7, Zahnkrämpfe 7, Krämpfe 58,
Kehlkopfentzündung 21, Croup 5, Pertussis 12, Bronchitis acuta 7,
chronica 28, Pneumonie 38, Pleuritis 4, Phthisis 104, Peritonitis 3,
Verblutung im Wochenbett 1, Abortus 1, Diarrhoe 16 (Kinder unter
2 J.), Brechdurchfall 13 (Kinder unter 2 J.), Magen- und Darmentzün¬
dung 1 Magen- und Darmkatarrh 3 (Kinder unter 2 J.), Nephritis 6,
Krankheit der Blase 1, andere Ursachen 59, unbekannt 2.
Lebend geboren sind in dieser Woche 403 m., 380 w., darunter
ausserehelich 46 m., 47 w., todtgeboren 17 m., 17 w., darunter ausser-
ehelich 1 m., 4 w.
Die durchschnittliche Sterblichkeit während dieser Woche beläuft
sich auf 30,7 pro Mille der wahrscheinlichen Bevölkerungszahl, die ent¬
sprechende Geburtenziffer auf 39,6 pro Mille (beide Summen mit Aus¬
schluss von 1,7 pro Mille Todtgeborenen).
Witterung: Thermometerstand: 10,86 R., Abweichung: 4,25 R.
Barometerstand: 27 Zoll 10,68 Linien. Dunstspannung: 3,50 Li¬
nien. Relative Feuchtigkeit: 70 pCt. Himmelsbedeckung: 6,6.
Höhe der Niederschläge in Summa: 2,60 Pariser Linien.
Vom 21. bis 27. April sind in Berlin gemeldet: Typhus-Er-
krankungen 8 (6 m,, 2 wi), Todesfälle 4.
VII. Amtlich« Mitthfilangen.
Personalia.
Auszeichnungen: Seine Majestät der König haben Allergnädigst ge¬
ruht, dem Sanitätsrath Dr. Valentin Lossen zu Kreuznach den Cha-
racter als Geheimer Sanitätsrath zu verleihen.
Anstellungen: Der Lehrer bei der Thierarzneischule in Berlin, Pro¬
fessor Dr. med. Schütz ist zum Veterinair-Assessor bei dem Medicinal-
Collegium der Provinz Brandenburg ernannt worden.
Niederlassungen: Dr. R. Falkson in Danzig, DDr. Steinbach,
Kempner, Harttung, Hofmeier, Klein, Reinsdorf, R. Weise
und Israel in Berlin, Dr. Hennicke in Cöslin, ArztWeyl in Schu¬
bin, Arzt Schwan ecke in Erfurt.
Verzogen sind: Dr. Berth. Müller von Berlin nach Dresden,
Dr. Krau von Berlin nach Labes, Prof. Dr. Simon von Berlin nach
Breslau, Dr. Volkmuth von Berlin nach Perleberg, Sanitätsrath
Dr. Vocke von Berlin nach Zehlendorf, Dr. Ebert von Berlin nach
Labes, Dr. Hautzsch von Hermsdorf a. K. nach Altwasser, Dr. Stark
von Friedeberg a. Q. nach Berthelsdorf, Dr. Sperling von Gräfen-
hainchcn nach Stendal, Assistenzarzt Dr. Mahlke von Erfurt nach
Posen.
Apotheken-Angelegenheiten: Der Apotheker Hollatz hat die
Prötzsch’sche Apotheke in Marienburg, der Apotheker Thiele die
Böttger’sche Apotheke in Neustadt W. Pr., der Apotheker Blume
die W üste fei d’sche Apotheke in Berlin, der Apotheker Wüste fei d
die Ruhfeldt’sche Apotheke in Berlin, der Apotheker Ruhfeldt
die Reimer’sche Apotheke in Berlin und der Apotheker Gülden-
pfennig die Friederici’sche Apotheke in Berlin gekauft. Der
Apotheker Arnheim hat die Haver’sche Apotheke in Eberswalde,
der Apotheker Memelsdorf die Janusch’sche Apotheke in Gnesen,
der Apotheker Schultze die Bötticher’scher Apotheke in Peters¬
dorf, der Apotheker Otto Müller die Kadur’sche Apotheke in Hohen-
friedeberg, der Apotheker Welzel die Lange’sche Apotheke in
Falkenberg und der Apotheker Grub die Be in er t’sche Apotheke
in Gleiwitz gekauft. Der Apotheker Beyer hat die Klotz’sche Apo¬
theke in Gebesee und der Apotheker Adolph Schwabe die väterliche
Apotheke in Heiligenstadt käuflich übernommen. Dem Apotheker
Schneller ist die Administration der Filial-Apotheke in Walschleben
übertragen worden. Der Apotheker Agahd hat seine Apotheke von
der Hasenhaide bei Berlin nach Berlin verlegt, und die Apotheker
Biegmann und Spisky die neu concessionirten Apotheken in Berlin
eröffnet.
Todesfälle: Dr. Paul Davidson in Meran. Dr. Blick in Magde¬
burg, Arzt Schultze in Hoyerswerda, Generalarzt a. D. Dr. Hammer
in Erfurt, Apotheker Schweitzer in Bielefeld.
Bekanntmachungen,
Die Physikatsstelle des Kreises Mors, mit welcher eine jährliche
Besoldung von 900 Mark verbunden, ist erledigt. Wir fordern diejenigen
Aerzte, welche sich um diese Stelle bewerben wollen, hierdurch auf, uns
ihre Bewerbung unter Beifügung der Approbation, des Zeugnisses über
bestandene Physikatsprüfung, eines Lebenslaufes und eines obrigkeitlichen
Führungsattestes binnen 6 Wochen einzureichen.
Düsseldorf, den 23. April 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Die Physikatstelle des Kreises Solingen, mit welcher eine jährliche
Besoldung von 900 M. verbunden ist, hat durch den Tod ihres bis¬
herigen Inhabers ihre Erledigung gefunden. Wir fordern diejenigen Aerzte.
welche sich um diese Stelle bewerben wollen, hierdurch auf, uns ihre
Bewerbung, unter Beifügung der Approbation, des Zeugnisses über be¬
standene Physikatsprüfung, eines Lebenslaufes und eines obrigkeitlichen
Führungsattestes binnen 6 Wochen einzureichen.
Düsseldorf, den 23. April 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 19
Die mit einem Einkommen von 900 M. dotirtc Physikatsstelle des
Kreises Loctzen ist durch den Tod des bisherigen Inhabers erledigt.
Qualificirte Bewerber werden aufgcfordert, sich unter Beifügung ihrer
Zeugnisse und eines kurz gefassten Lebenslaufs in 6 Wochen bei uns
zu melden.
Gumbinnen, den 24. April 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Das Kreis- Physikat des Kreises Waldbröl ist vacant. Practische
Aerzte, welche die Physikats-Priifung bestanden haben und diese Stelle
zu erlangen wünschen, wollen sich unter Beifügung eines curriculum
vitae und der Qualifications-Atteste baldigst bei uns melden.
Cöln, den 25. April 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Die Kreiswundarztstelle für den hiesigen Landkreis mit welcher ein
jährliches Gehalt von 600 M. aus der Staatskasse verbunden ist, soll
schleunigst besetzt werden. Geeignete Bewerber um diese Stelle fordern
wir auf, unter Einreichung ihrer Zeugnisse sowie eines kurzen Lebens¬
laufes sich spätestens in 4 Wochen Lei uns zu melden.
Danzig, den 30. April 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Inserate.
DniewkOWO. Durch die Ernennung des hiesigen practischen Arztes,
Wundarzt Dr. Senstius, zum Kreisphysikus des Kreises Czarnikau, ist
die baldige Niederlassung eines practischen deutschen Arztes hierselbst
erwünscht. Die Stadt und Umgegend mit überwiegend deutscher Be¬
völkerung sichern ihm eine gute Existenz. Die Praxis auf der Eisenbahn¬
strecke Thoni-Jnowraclaw kann derselbe übernehmen; auch hat derselbe
Aussicht auf Uebernahme der Kreiswundarztstelle.
Arzt-Gesuch.
In der Stadt Polkwitz in Schlesien findet ein thätiger Arzt lohnende
Praxis. Fixirtes Einkommen als Coramunal-Armen-Arzt 450 Rm. Auf
portofreie Anfragen ertheilt nähere Auskunft der Magistrat.
Für ein Krankenhaus von ca. 100 Betten wird ein Assistenzarzt ge¬
sucht. 900 Mark Gehalt und freie Station. Offerten sub B. M. 34 bef.
d. Exped. _
In Fürstenwerder, Kreis Prenzlau, ist die Niederlassung eines Arztes
Bedürfniss. Bisher wurden 300 M. für Armenpraxis gezahlt und über
900 M. von hies. Einwohnern an Jahreshonorar gezeichnet. Seit mehr
als 40 Jahren war die ärztliche Praxis hier lohnend. Apotheke am Ort.
Nähere Auskunft durch Kaufmann Züge
in Fürstenwerder.
Bei der hiesigen Anstalt wird bis zum 15. Mai er. die Stelle eines
medicinisehen Assistenten vacant, mit welcher ein baares Gehalt von
jährlich 900 Mark, neben freier Station (Verköstigung nach pos. C. des
Speise-Regulativs, Wohnung, Feuer, Licht und Wäsche) verbunden ist.
Geeignete Bewerber wollen ihre Meldungs-Gesuche nebst ärztlichen
Qualifications-Zeugnissen bei dem Unterzeichneten einreichen.
Landkrankenhaus bei Cassel, den 27. April 1878.
Der Dirigent des Landkrankenhauses.
Dr. Rosenkranz.
Ein Arzt in freundlicher Stadt der Rheinpr. überträgt seine Praxis
einem tüchtigen Collegen. Bedingung: Uebernahme des Hauses bei
mässiger Anzahlung. Frc.-Offert. sub M. 2724 befördert die Annoncen-
Expedition von Rudolf Mossc in Cöln. _
Ein Arzt wünscht verhältnissh. s. Stelle mit e. Colleg., welcher e.
angen. Landpraxis hat, z. vertausch. Schönste Gegd. a. Rhein; Gyinnas.,
Fix. ca. M. 1300, angen. Praxis u. Stellg. Frc.-Off. sub K. Z. 36 bef.
d. Exped. d. Bl.
Ein junger Arzt sucht für die nächsten Monate bis zum Octbr. vor¬
übergehende Beschäftigung in einer klinischen Anstalt oder in Ver¬
tretung eines Collegen. Gefl. Anträge befördert unter „Medicus 3788“
die Annoncen-Expedition v. Rudolf Mosse, Leipzig.
Ein junger Arzt, der schon einige Jahre practicirt hat, sucht eine
einträgliche Praxis, am liebsten in Mecklenburg, Pommern oder Lauen¬
burg; eventuell würde derselbe auch bereit sein, einstweilen* einen
älteren Collegen in den Sommermonaten zu vertreten. Gef. Off. sub
A. R. 37 bef. d. Exped. d. Wochcnschr.
Ein junger Arzt sucht von sofort Stellung als Assistenzarzt oder
Vertreter eines Collegen. Off. sub T. 40 durch d. Exped. d. Bl.
Ein junger Arzt sucht sofort oder später Stellung als Assistenzarzt
in einem Kranken- oder Entbindungshause einer grösseren Stadt. Off.
unter D. 0. 38 befördert die Expedition d. Bl _
Ein junger Arzt, früher Assistent an einem grossen Krankenhause
Berlins, wünscht einen älteren Collegen während der Sommermonate zu
vertreten. Gef. Adressen sub C. P. 39 b ef. d. Exped. d. Bl.
ESIn junger Arzt wünscht lür die Sommermonate die Stell¬
vertretung eines Collegen zu übernehmen. Gef. Offerten mit Bedingungen
sub H. 1384a an die Annoncen-Expedition von Haasenstein & Vogler,
Stettin, erbeten.
Ein junger Arzt, der nach einer fast vierjährigen Thätigkeit in einem
der grössten Hospitäler Deutschlands sich in Berlin niederzulassen beab¬
sichtigt, wünscht mit einem beschäftigten älteren Collegen daselbst be¬
hufs Vertretung oder Wahrnehmung einer Assistentenstelle in Verbindung
zu treten. Offerten durch die Exp ed. d. BL sub S. F. 35.
Zur Vertretung oder Assistenz für die Sommermonate er¬
bietet sich Collegen ein junger promovirter Arzt. — Offerten sub „Dr. M.“
Annoncen-Expedition Rudolf Mosse, Dresden.
Meine unterm Heutigen erfolgte Niederlassung hierselbst zeige ich
hiermit an. Dr. VOR (bell,
Bad Ems, den 27. April 1878. pract. Arzt.
Wohnung: Stadt Lüttich.
Vom 1. Mai ab verziehe ich um wenige Häuser und wohne Kanonier-
Strasse 10, I.
Dr. Wernicke,
Docent an der Universität.
Während der Saison (15. Mai bis 15. September; übe ich in Bad
Venndorf brunnenärztliche Praxis aus.
Berlin. Stabsarzt a. I). Dr. Ewc, Brunnenarzt.
Den Herren Collegen die ergebenste Anzeige, dass ich mit der be¬
vorstehenden Saison an in Königsdorff-Jastrzemb practiciren werde.
___ Dr. W e lsseuberg.
Vom 1. Mai an werde ich wieder in BAdenweiler practiciren.
Nervi, im April 1878.
Dr. H. J. Thomas, pract. Arzt.
Ich habe mich in Carltbad niedergelassen und bin daselbst vom
25. d. M. ab in den drei Mohren am Markt zu sprechen.
Berlin, im April 1878.
Dr. J. Schiffer,
_ pract. Arzt u. Docent a. d. Universität.
Dr. Katscr,
Badearzt In Hall«» Oberüster reich, ertheilt
vom 5. Mal daselbst jede auf diesen Curort bezügliche
Auskunft. Seine Badeschriften bei Braumfiller in
Wien.
Wilhelmthfibe bei Castel. Aerztliches Pnnifonsbans von Dr. Wiederhold
zum Gebrauch electrotherapevtischer Curen, gegebenen Falls in Ver¬
bindung mit Hydrotherapie, warmen Bädern und Manage. Diätetische
Küche. Näheres auf Wunsch durch Prospecte, Geöffnet das ganze Jahr.
Wasserheilanstalt Gräfenberg
(Oesterr.-Schlesien).
Nächste Bahnstation Ziegenhall (Station der oberschles. Eisenbahn)
2 Meilen entfernt. Electrotherapie, Massage, pneumatische Kuren.
Das neue Kurhau§ „Annahof“ enthält neben allem wünschenswerthen
Comfort vorzüglich eingerichtete Bade- und Doucheräume. Nähere Aus¬
kunft ertheilt
_ Kurant Dr. Aitjel.
Bad Driburg.
Station Westfälische Eisenbahn. Saison-Beginn 15. Mai. Stahlquelle
1. Ranges. Stahl- und Schwefelmoor-ßäder. Brunnenärzte: Geh. San -
Rath Dr. Brück und Dr. Hüller.
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Bad Reiboldsgrün in Sachsen.
Klimatischer Curort für Lungenkranke (2120' hoch), inmitten
grossartiger Nadelwaldungen. Stahl- und Moorbäder. Pensionsverpflegung
wöchentlich 21 Mark. F. Reimer, klimatische Sommercurorte, 1877,
pag. 118—122. Am 1. Mai eröffne ich zugleich ein ärztliches Pen¬
sionat für schwächliche Mädchen, speciell für solche, die bleich-
süchtig, scrophulös, lungenschwach sind, oder wegen chronischen
Augen-, Ohren-, Nasen- oder Halsleidens einer längeren spe-
cialistischen Behandlung nebst Stahlbädern und Waldaufenthalt be¬
dürfen.
_ Dr. Driver. _
St. Andreasberg im Harz.
2000' hoch.
Climatischer Carort.
Nähere Auskunft ertheilt den Herren Collegen gern
_ Dr. Ang. Ladendorf.
Römerbad
(das. steierische Gastein).
Eröffnung der Badesaison am 1. Mai. Kräftige Akratothermeu von
30 bis 31° R., grossartiges Bassin, neue elegante Marmor-Separat- und
Wannenbäder, herrliches Klima, schattenreiche Parkanlagen etc. etc.
Badearzt Or. H. Mayrhofer, Operateur in Wien. £
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UNIVERSETY OF MICHIGAN
13. Mai 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
279
Bad Schwalbach im Taunus.
Bekannte gasreiche Eisenquellen. 1000 Fuss über dem Meer. Muster¬
gültige Badeeinrichtungen. — Bahnstation Wiesbaden und Zollhaus und
Eltville. Ueber Eltville directe Billets und Omnibusverbindung Er¬
öffnung der Saison am 15. Mai. _
Bad Berka a./Jlm in Thüringen»
1 Meile von Weimar, klimatischer Carort, besonders für Brustkranke,
Stiblbad, Kieferaadelbad, neu errichtetes Sand- und IÄoor-Bad, Inhalatione-
zinmer, pneumatischer Apparat, Milch- uad Molkencur.
Badcaizt Sanitäsrath Ihr. Kbert*
Grossherzogi S. Badejaspectloa.
Jodbad Hall
Franzensbad
im nordwestlichen Böhmen.
Saison 1. Mai bis 30. September.
Glaabersalzhältige Eisen-Säuerlinge, glücklichste Verbindung des stär¬
kenden Eisens mit leicht lö enden Salzen. Moussirendc, nach neuesten
balneoloorischen Fortschritter; elegant eingerichtete Eisenbäder, heilkräftigste
unter den bekannten Moorbädern, Gasbäder. Angezeigt bei allen Schwäche-
ziständen in der Blutbereitung, den Verdamings- und Unterleibs - Organen,
insbesondere Frauenkrankheiten, bei gestörter Muskel- und Nerventhätigkeit,
besonders periphären Ursprungs, bei zurückgebliebenen Exsudaten und
Entkräftung nach schweren Erkrankungen.
Drei grosse Badetr user mit 320 Badecabinetten, directe Eisenbahn¬
verbindung durch die sächsische und bairische Staatsbahn, die bairische
Ostbahn, die Nordwestbahn, die Franz-Josefs bahn und die Buschtiehrader-
Bahn.
Herrliche milde 6ebirgsluft, musterhaft eingerichtete Bötels und Privat-
käuser, billigt Logis, schftne Anlagen, grosser Cur- mit neuerbautem präch¬
tigen Conversations-Saal, elegante Speisesäle, ausgezeichnete Brennencapelle
(Tomaschek) täglich früh bei den Quellen, nachmittags im Parke, bei
ungünsiger Witt -rung im Conversationssaale, Bälle, Reuionen, Concerte,
Theater zahlreiche Ausflüge Anerkannt gute Kost bei mässigen Preisen.
Katholische und protestantische Kirche, Israel. Bethaus.
Auskünfte ertheilt
das Bürgermeisteramt.
I ljlUUUUIIg
Dürkheim in der Pfalz.
Jod-, brom- und lithionhaltige Soolquellen. — Trink- und Bade¬
cure n — Gradirwerk und Saline. — Neues Badehaus. — Trauben-
cur. — Reizende Gegend. — Nähere Auskunft ertheilt bereitwilligst
I Die Curverwaltung.
Digitized fr,
Gougle
im Kaiserthume Oesterreich, Krenland Oberösterreieh.
Die bedentenste Jodqutile, von bewährter Heilkraft bei Scrophnlose, Rhachltis,
veralteter Syphilis, Haut- und Schleimhautleiden, Krankheiten der weiblichen
Geschlechtsspbäre, chronischen Knochen- und Gelesks-Entztiejhiiigep ppd ihren
Folgen n. s w.
Lage zwischen Steyr und Kremsmünster in einer der schönsten
Gegenden des Gebirgslandes Oesterreichs, dje Landes-Bade-Anstalt mit
eleganter Wändelbahn für Trinkcur comfortabel eingerichtet.
Für das Vergnügen der Gurgäste neurestaurirtc Conversations-Locali-
täten mit Spiel-, Credenz und Billardzimmer, Theater-Vorstellungen,
Bälle und Concerte und ausgedehnter Park mit prachtvoller Gebirg sschau.
MF* Eröffnung der Badesaison am 15. Mai.
Schluss derselben am 30. September.
Täglich viermalige Post-Expedition. Omnibusfahrten, Extrawagen von
Steyr nach Hall, directe Fahrkarten-Ausgabe von Wien, St. Pälten, St. Valentin,
Linz, Salzburg, Budpeis, Simbach, Paoeau, directe Rcisegepäcksförderung,
Telegraphenstation mit vollem Tagesdienste, Wohnunge-Auikunttlboreae in
Amtsfocale des Gemeindehautee.
Nähere Auskunft bei der Badeverwaltung in Bad Hall.
Tom o.-ä. LandesAusschusse.
FRANZ JOSEF : BITTERQUELLE
Ibas gehaltreichste Bitterwasser Ofens» sowie
des In- und Auslandes nach den übereinstimmenden Gutachten und
Analysen der Herren Professoren Balo, hauptstädt. amtl. Chemiker,
und J. v. Bernath; enthält in 10,000 Gewichtstheilcn 522,95 fixe
Bestandteile lind zwar:
Doppelt kohlensaures Natron 11.86 Schwefelsäure Magnesia . 247,85
Chlormagnesia .17,56
Thonerde. 0,05
Eisenoxyd m. Manganspuren 0,05
Natron .
Kali . .
Kalk . .
Kieselsäure. 0,10 freie u. halbfr. Kohlensäure 4,19
Ucbertrifft demnach Püllna mit 60 pCt.. Friedrichshall mit
107 pCt., Saidsehiitz mit. 125 pCt., alle Ofner Bitterqucllen mit 35
bis 100 pCt. Mehrgehalt an wirksamen Salzen (Jod und Brom wurden
nicht vorgefimden). Die ehrendsten Zeugnisse über erzielte Heil¬
erfolge liegen vor. Brunnenschriften sowie Probeflaschen zu Ver¬
suchszwecken den Herren Aerzten gratis und franco durch die Ver-
sendungs-Direction in Budapest.
Vorräthig in allen Apotheken und Mineraiwasserhandlungen.
Alovanflorcihnfl Ba )' enl im Fichtelgebirge, nahe bei Eger-
-£jLL“2LclIltX“l öUcLTl Franzensbad. Wasserheilanstalt u. Curort
für Nervenkranke. Bahnstation Wunsiedel. Saison vom 15. Mai bis
October. Dr. med. E. Cordes.
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in Flaschen zu 125 Gramm, 250 Gramm, 500 Gramm.
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mit Schutzmarke (Carlsbader Stadtwappen) und Firma versehen.
Den Versandt der Carlsbader Mineralwässer. und des Carlsbader
Sprudelsalzes besorgt die
Carlsbader Mineralwasser-Versendung
L6bel Schottlaender, Carlsbad.
Niederlagen und Depots bei allen Mineralwasser-Handlungen,
Apotheken und Droguisten.
Uebersceische Depots in den grösseren Städten aller Welttheile.
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im Thüringer Walde.
Director Br* Marc*
p s““ Bad Neuenahr. ££
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chronischen Catarrhen des Magens, Darmes und der Respirationsorgane,
bei Blasenleiden, Gries, Stein, Diabetes m., Gicht, Rheumatismus und
Uterusleiden. Wird selbst bei Monate langem Trinken vortrefflich ver¬
tragen. — Nur das Curhötel (Hotelier Herr Peters) mit zeitgeinässen
Tarifpreisen, Post- und Telegraphen-Bureau steht mit den Bädern in
directer Verbindung. Näheres durch den angestellten Badearzt Herrn
Dr. E. Munzel und durch den Pireotor Herrn A* Leime. _
intern Kurhaus St. Beatenberg. u 5 lT r
Eröffnung der Sommersaison den 1. Mai. Mittlere Temperatur im
Mai (Beobachtungszeit 4 Jahre): Morg. 7 Uhr 10,34°, Mittags 1 Uhr
15,24°, Ab. 9 Uhr 9,76°.
Brochuren und Prospecte gratis zu beziehen vom
Besitzer und Curarzt
Dr. med. Alb. Müller.
Bad Nenndorf
an der Eisenbahnstation Nenndorf der Hannover-Altenbekener Bahn,
resp. in der Nähe der Station Haste der Hannoverischen Staatsbahn,
eröffnet seine Schwefel-, Soof-, Schwefel-Schlamei- und Gasbäder, sowie
seine Ziegeu-Molken-Anofalt am 15. Bai.
Die Krankheitsformen, bei denen der Heilapparat Nenndorfs sich
besonders bewährt hat, sind: 6icht, Rheumatismus, chroe. Hautkrankheiten,
chron. Katarrhe und gewisse speciische Lungenkrankheiten (Lues), Metall¬
vergiftungen, Unterleibsstockungen und Hämorrhoiden, Scropheln etc., sowie
die Folgekrankbeiten dieser Leiden.
* Die Herren Brunnenärzte — Ober-Medicinalrath Dr. Grandidier,
Sanitätsrath Dr. Neussel und Stabsarzt Dr. Ewe — sowie der pract.
Arzt Dr. Varenhorst geben in ärztlicher und die Badeverwaltung in
sonstiger Beziehung Auskunft. Post und Telegraphenstation ist vorhanden.
Bad Nenndorf, am 1. April 1878.
Königl. Preussische Brunnen-Direction.
W asser-Heilanstalt
in Thale am Harz. Alle Nerven-, Kopf-, Unterleibs- und auch andere
Kranke erzielen bei milder Cur und 30jährigcr Erfahrung des Arztes stets
sichere Erfolge. Mit dem Hubertus-Bade habe ich nichts gemein.
Der dirigirende Arzt Dr. Kd. Preis».
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
280
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Verlag von August Hirschwald in Berlin.
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antiseptischen Behandlung der Wunden.
Heft 129. Langenbach, Carl, Ueber die gcschwiirige Freilegung von grossen |
Gefässsiämmen und deren Behandlung mit Chlorzinkcharpie.
Heft 130. Well, A., Ueber den gegenwärtigen Stand der Lehre von der
Vererbuug der Syphilis.
Heft 131. Volkmann, RiCfc., Ueber den Mastdarmkrebs und die Exstir-
patio recti.
Heft 132. Krausiold, Hermann, Ueh Nervendurchschneidung u. Nervennaht.
Heft 133. Freund, Willi. Alex., Eine neue Methode der Exstirpation des
ganzen Uterus.
Heft 134. Lichtheim, L., Ueber periodische Hämoglobinurie.
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; mittelbarer Nähe 15 Morgen zu Parkanlagen geeignete Lände-
: reien, mit grossem Garten etc. gehören (die Thalmühle genannt),
j aus fr. Hand zu verkf. Die überaus reizende gesunde Lage des
Ortes, sowie die bedeutende Wasserkraft, welche durch den An-
i kauf des Grundstückes mit erworben wird, lassen es in jeder
j Beziehung wünschenswert erscheinen, dass eine sich vorzügl.
rentirende Kaltwasserhellailtalt oder ein anderes medic. Kranken¬
institut daselbst errichtet werde. Wohl kein Ort Schlesiens
dürfte z. Kuraufenthalte für Kranke oder der Erholung Bedürf¬
tige sich besser eignen, als die sog. Thalmühle, wo jetzt schon
währ. d. Sommers dies. clim. heilkräftigen Ort Viele besuchen,
um Genesung zu finden. Die Beding, z. Ankauf d. werthv. Grund¬
stückes sind sehr solide u. wollen d. Herren Aerzte, welche
hierauf refl., sich bald wenden an den Besitzer C. Adling in
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Prtis TisJTUljÄljriicb 6 Matk, KesteUiamgea R*hmeti 1 jß li V ft. I I %{ fj.'- 1 Jr lagsl'nvKhsndlupijf tdo A«gr,*t Hlmi>wild i» B«r-
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Organ für prueüsebe Aorzte,
Mit Berücfe§5chtJgung' der-.pren^iselieii• und M^tljci^felgt^etzgßbung
»ach amtlieheü Mritheiltwgeih
Reclaeteur: Prof. Br. L Waldrnburg. Verlag von \mA Bir^buM in Berlin.
Montag, den 20. Mai 1878. £\j> 20. Fünfzehnter Jahrgang.
Inhalt: I. Si'hwe i u c«• t * Lebet *ympMhi&ebe Augerrlc'i/ivn. --.)). M fi Dot? Ftiidkou - UI. »Jab riefe i e-. I. eher
cation tler 5ckwn^gf:itstg»ft|r .tiud GeHurf mit niaWosqhibd&nß^Lh. ~J¥. ruxtg« *1 er fteiVJuÄ'Wpdfcn rßtfftftni — Die
Massenrfkraiiku.ijj, '«n Wiir/vii irn Juli 1H77 — ‘i.-dwUe UucIhuP.o. eiir Di3vi*»~* -Fe F‘ar»wnbimdliPit) - V. Verhamliiiiiuen ärztlicher
»T^eUschaucri (ffcwhiH;? tncdie-miscb.e Ge*eUeehivftb — VI. FputiU&m ■ H -. > \■ }*j ■ r-, V•••«». Krie^sebauplat* — ■ Tagi-:-«»*ehiebt liebe
Notizon). — "V tl ; Amtliche Mitthrilunueu. — füserate.
L lieber syiBjlftthische Auges,soM• wirklich alten Anlonli‘rutigcni. weMu* mau an dnu
Von " ' Nachweis eines ur.sHch lieben 2uaanfmenh$u£tef 4gtteri kann, <re-
Pr»)f. iu. Ke&wn|$ff!r. uiigt Glücklicher Weise ist dte^e traurige FAm dü* syidpa-
Sedtdeni Macfe.e miß stierst das ferk*T^r#§« t*ympatHtedmr tbidebtr/i Entzündung mteht die foS^ttfigste-v- «ympa-
Aiigenei-kranknii^ea iiacbgewiesefl nöd. ßöfio^i ein reiniicireiv thische EutAundoug^ormen der GefAsshäat itas Auges geben
Vtvriahr^ii für *% Enftevpimg dev Aag.Tpfel« augegeUe.ii batte, fci.iße.etwas bessere .^rogüoW. -Für nach gewitzen halte ich aller-
Und der Lehre sink 4bft sympathischen Sebstörungen uussählige j dliip mir da* Auftreten von Iritis and Choroidjtte in ihren
Augen geopfert worden, denn in den letzten ‘2& .laliren tvurde vert-eblrd^neu Formen: die *<>?. ■ xynipathi^cbe (‘borie-Betinitis
Gebiet ruubr mir Fl Kt oU mit Ertvdg bearbeitet. Der i^t nur eine da roh die Chon/iditi* bedingte ^er^e Dnp-hträtikittig
.Scb^fe^tcgit. den urväelibdiru Zusammen bang zsywohe!) zv,ei der ftetlna. welche man überhaupt bei armer exsudativer Ohn-
aafeinarider folgenden Tbatsacbmi .?n einer über .das. post bür roiditis öfter zu >^hen bekommt. Was mau sonst noch al:s
erger prnbter bpc biüaüsgebehdm Welse nachmiweiK6n s begegnen sy:inpatbisrbe pp.t?. ih\ tluilg0 1 bvsebfiebeö bat. entbehrt emes
wir Äwai uKorall in der Medioin; nur ju leicht werden die genügenden »cbweises, welcher, wie mk aus \k'm bereits mit-
zwischen ' devi 'BegebephHu^p kVaiferiden Lücken ausgetullt -mit getbeilteri ergiebt, gar .dicht so leicht m erbnpggii ist. Vor
dem, was: man CebewbgKög netmt, -**hei freilich diejenige^ ; a|jen I)iiigßn daif man nicht überleben, die sympathischer}
welche not Tbabaehen rechnen woljeii. und decn.^ { >s y.i ein lieb Enuinudmigen kein »pecifisebes objectises Keimz^ichen an sieb
'^leiebgultig ist, was dieser ad er 'jener für seine l cberieuj.«^ fragen, auch db Bebanptung, dass sich ein vjnopathDchn
erklrWt. sich nicht htfrietligl fühlen Icünnetu Gelten aber wird die samfu*^ daran erkf uneu bosse, dass jede Ver.Ncblimnicr.sng.
Aetiulugie so sehr zutu •.Angelpunkt. <(er Tiierapie e und WO(*h oder \ erbessei e, üe< k-»»ersi; s er letztem Auges auch eine ahn-
dazu, einer recht eiiigreitemleft. als gerade m 'der Lehre Von den hebe • Vovaader-mg m ft^ % ^nipnthjsdi erkränkteti Auge nach
sYmpathisdieu Augenlebleu. süb ziehe. wird_ durch die Eri^vMyw^ v iweiehg mau gevade
Wemi x. B. In Folge einer Verletzung do> eiue Anpi unter bw : fe^.4uhm-sm;n:K-s..fieii IrMocyotiti«-
Eisdmirmngen einer inueren Eutwliiitoog erblindet und macheM kann, wiederlegt Je schärfer gekeienuv, <ta* Krank-
Ärulaoenid it> einem Zustand von Keizuug tiüd Stiimhaftigkuit. heitsbild einer sympaThJdieii Bntziaalung erscheint, je . a V{ , er
verharrt', während uaeb 4—0 Wocheu auf dem anderen' Auge , wir dieses. KrankheiSbild spontan Auftreten sehen, »mr s:» r-l.it-,
eu.e Eutefmduüg auftritt ixnt nuvm Kranklmitsbild, de^sep selb- ! slürfim wir seine .sympathische Satnr geltea Tassen, besonders,
4am%e.s Auftreten wir kaum jemals, m **l«n bekommen, ao | wenn die Erkrankung kurz*' Zeit, aber rHcbt. aK etwa -
wird- die Häufung solcher Bvobaehtuugeu den ursächlichen .Zu- 4 W.ocheii nach'der.Verlemmg, mi cioem -<.*4her. > 0 % gefunden
yfimmenhang sicher stellen. Dies i-t B. der Fall bei der Aiage atuftrift. Die Sache ’indert s\ rh ^obeu *ehc. weüü zwischen'
sympathischen Iridocyclitis. Vier bi* M?clm Wochen «arlt der . der Verbdxuug des einen Augys «ra! der Erkrankung de:,, ewet-
VVrletaung des ersten Auges Verfallt da-* zweite in einen Zu^arid teu ein langer Zeitranm hegt, »Jiitf-Vollend*. daim/ wenn da»: ,.
»'utWu.dlicbfcr Reibung, welclid bald die EfwcUeinwngrn «n.*r hii» zweite Auge in eju^i Vntm erkrankt, welche wir ancb so^t
orkenm-ü läsest. Trotz Atvöpin .verengert sieh die PupUte, mehr häufig genug au vordem ganz ge*ümfeu Augen anftrcten «ehmi.
und mehr, das Uve-alhlatt der bis ^erwächst in seiner ganzen • wie z. B. Iritis oder iridochovoiditis.. Wün^heu^rerth wäre es
FiUche mit <U'\ Linseukap^b di.- Hornhaut wird rauchig gotrühf, freilich; aber l>3ider ist es nun einmal nicht* ibiv Va \b das? der
die .vordere K&iomer durch Venmndenmg des humor aoumis : Verlust des einen Auge,: einen Fi^ibnef geggu Erkrankung des-
verengt. r|^s Au^o verliert ^iiiy normale Sjuimiuiig, und corl- anderen abgebe: wer düs eine Auge verloren bat, Mnn auf
Jidi erfolgt vidlÄndige Erblindung durch Atrophia hu)bi. \\ dem audoren fritk (»der Irido chomidiii^ lielcommeo, ohne da«s
%\>.r ilb-wn frauriget, Verlauf überhaupt einmai pesAfinii ein sympuHii'sriier £u>mämenhang -tatthmlet, mul doch sdmn
ma, xrtgi^r Ihn rocht, w hAcht wieder, und beobachtet man . wir häufig genug- lediglich auf unsichere X^mmthWA bin die.
üuv nhvr £e«. uüth müwMxxthet Er blind img de> ersten : Diagnrwe einer wjaipatliiBche« Erkrankung gegründet, wenn db:
Go gle H ,,^i/eKsnSoSSLrtirtA m l|
282
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 2
Ueberzeugung des Beobachters gerade nach dieser Seite hinneigt.
Vollends aber geht jeder sichre Boden verloren, wenn das erste
Auge nicht traumatisch, sondern durch eine spontan aufgetretene
Erkrankung erblindete; denn was auf dem einen Auge geschehen
ist, kann selbstverständlich aus derselben Ursache auch auf dem
zweiten zu Stande kommen, ohne dass irgend ein sympathischer
Zusammenhang stattfindet; eine und dieselbe Ursache kann eben
auf beide Augen wirken, zugleich oder nacheinander.
Ein Beispiel für die Voreingenommenheit und Willkür, mit
welcher man die dunkelen Mächte der Sympathie zu Hülfe ge¬
rufen hat, liefert auch das sog. sympathische Glaucom, eine Er¬
findung, welche es erklären soll, warum nicht sogar selten
einige Tage nach der Glaucom-Operation auf dem einen Auge
glaucomatöse Entzündung auf dem zweiten ausbricht. Zunächst
möchte ich bemerken, dass ich dieses immerhin etwas unsympa- ;
thische Ereigniss sogar unmittelbar vor der Operation des ersten j
auf dem zweiten Auge habe eintreten sehen, und die Erklärung >
für diese Vorkommnisse liegt auch nahe genug. Es ist ja '
bekannt, dass Gemüthsbewegungen eine häufige Gelegenheitsur- j
sache glaucomatöser Entzündung sind, und bei den meisten
Patienten dürfte die Operation wohl nicht ganz ohne Gemüths-
bewegung abgehen. Ferner treten die sicher nachgewiesenen
sympathischen Entzündungen nicht wenige Tage, sondern frühe¬
stens 4 Wochen nach der Verletzung des ersten Auges auf.
Noch merkwürdiger ist es, dass man für diesen einen Fall sich
hinweggesetzt hat über den sonst bis auf ganz vereinzelte Aus¬
nahmen anerkannten Grundsatz, dass das Auftreten sympathi¬
scher Erkrankung das Vorhandensein von Iridocyclitis auf dem
erst erkrankten Auge voraussetze. Hierin liegt wenigstens einige
Beschränkung der sonst in der Annahme sympathischer Erkran¬
kung herrschenden Willkür, freilich nur eine ziemlich geringe.
Denn die Diagnose der Ciliarkörpererkrankung beruht ungefähr
ebenso sehr auf Ueberzeugung, wie die Annahme der Sympathie.
Dass z. B. wenn wir von Irido-Choroiditis reden, d. h. wenn
wir Iritis und Chorioiditis gleichzeitig nachweisen können, der
Ciliarkörper nicht als neutrales Gebiet dazwischen liegen kann,
ist selbstverständlich; aber gerade dieser Theil der Gefässhaut
entzieht sich jeder directen Beobachtung, und die Diagnose der
Irido-Cyclitis wird daher gewöhnlich dann gestellt, wenn eine
in Folge von Irido-Choroiditis schon Jängere Zeit VorhandI
oder auch erst beginnende Atrophie des Auges ~ j£i Schmerz¬
haftigkeit des Ciliarkörpers selbst leichte Berührung
verbunden ist. Merkwürdiger TVtJlse ist es immer der obere
Theil der Ciliargegend, wo wir diese Schmerzhaftigkeit vor¬
finden wenn SIC ^ nicht etwa auf den ganzen Umfang
desselh*'- v e r t> r eitet. Thatsächlich also steht die Sache so, dass
^^es mehr oder weniger atrophische Auge, dessen Ciliarkörper
auf Druck empfindlich ist, der sympathischen Einwirkung ver¬
dächtigt und darauf hin enucleirt werden kann. Dem gegenüber
muss denn doch Gewicht darauf gelegt werden, dass Schmerz¬
haftigkeit des Ciliarkörpers in atrophischen Augen Jahre lang
bestehen kann, ohne dass sympathische Erscheinungen auftreten,
und dass nicht alle Erkrankungen, welche das andere Auge
unter diesen Umständen befallen, sympathisch sind.
Eine womöglich noch grössere Willkür herrscht in dem |
Gebiet der sog. sympathischen Reizung. Ist z. B. das eine Auge \
durch Irido-Cyclitis erblindet, während auf dem anderen ohne i
objectiv wahrnehmbare Erkrankungen, bei den geringsten Ver- !
anlassungen starkes Thränen erfolgt, Empfindlichkeit gegen Licht j
und Unfähigkeit zu jeder Beschäftigung mit Lesen, Schreiben j
u. s. w. vorhanden ist, und dann diese sämmtlichen Erschei¬
nungen sofort nach der Enucleation verschwinden, so hat mau |
gewiss keinen Grund, die sympathische Natur dieser Reizungs- |
erscheinungen zu bezweifeln. Verschwinden die Sehstöruugen 1
im zweiten Auge nicht sofort und wie mit einem Schlage nach
der Enucleation des ersten, sondern findet nur eine allmälige
Rückbildung statt, so wird die Wahl zwischen post hoc und
propter hoc schon schwieriger, da ja die Besserung des zweiten
Auges durch allerhand andere unbekannt gebliebene Ursachen
erfolgt sein kann. Vereinzelte Beobachtungen beweisen hier gar
nichts, sondern nur ganze Reihen übereinstimmender Kranken¬
geschichten, und daran sind wir nicht gerade reich. Nur zu
häufig werden unbestimmte subjective Beschwerden ohne ob¬
jectiv nachweisbaren Grund, nur deshalb, weil das andere Auge
erblindet ist und vielleicht einen etwas schmerzhaften Ciliar¬
körper besitzt, als sympathische Reizungserscheinungen aufge¬
fasst. Man findet auch Fälle genug, in welchen unter diesen
Umständen die Enucleation ohne allen Frfolg ausgeführt wurde,
ja ich könnte sogar einen als sympathische Neurose beschriebenen
und durch die Enucleation angeblich geheilten Fall citiren, in
welchem die Schmerzen des mir persönlich bekannten Patienten
weder sympathischer Natur waren, noch durch die Enucleation
geheilt wurden.
Bei weitem in den meisten Fällen wird die Enucleation in
praeventiver Absicht ausgeführt; der Rath v. Graefe’s, lieber
10 mal unnöthiger Weise zu enucleiren als durch Unterlassung
der Operation auch nur eine unheilbare Erblindung zu ver¬
schulden, ist mehr als getreu befolgt worden. Es ist unglaub¬
lich, welcher Ausdehnung in dieser Beziehung die ärztlichen In-
dicationen oder Gewissen fähig sind. Der Satz, dass es erlaubt
sei ein unheilbar erblindetes Auge zu enucleiren, nur weil es
dem Patientin doch weiter nichts nütze, ist aufgestellt und be¬
folgt worden.
Aber auch abgesehen von diesen Verirrungen ist es nicht
zu leugnen, dass die Enucleation eine Verstümmelung ist, und
dass die darnach zurückbleibende Höhle sich viel weniger
eignet ein künstliches Auge zu tragen als ein atrophischer be¬
weglicher Stumpf. Seitdem also die Ueberzeugung Eingang
gefunden hatte, dass die Uebertragung des Krankheitsprocesses
von dem einen Auge auf das zweite in d©n Bahnen der Ciliar¬
nerven erfolge, lag es nahe «täte der Enucleation die Durch¬
schneidung der Cilmrnerven auszuführen. Die erste Anregung
hierzu e ili % von v * Graefe aus, und seitdem hat diese Idee nicht
aufgehört die Aufmerksamkeit aller derer zu fesseln, welche
sich mit den sympathischen Augenleiden zu beschäftigen hatten.
Die Ausschreitungen der Enucleation haben naturgemäss
eine Reaction zur Folge gehabt, und dafür, dass eine conser-
vative Therapie auch in dieser Frage mehr und mehr zur
Geltung kommt, liefert einen Beweis auch der neuste Jahres¬
bericht des Dr. Schöler. Nur die vom Verfasser beliebte
Ueberschrift: „Ein neues Operationsverfahren — die Neurotomia
optico-ciliaris, welches die Enucleatio bulbi zu ersetzen be¬
stimmt ist w — können wir nicht gelten lassen, neu ist weder
die Idee noch die Technik der Operation. Ich ziehe es vor,
in dieser Sache einem französichen Collegen das Wort abzu¬
treten, nämlich Herrn J. C. Vignaux, dessen Werk über die
sympathischen Augenerkrankungen (Paris 1877) wegen der
grossen Anzahl der darin enthaltenen, selbst beobachteten
Krankengeschichten einen sehr werthvollen Beitrag zu der Lite¬
ratur dieses Gegenstandes bildet. Pag. 172 lesen wir dort:
De Graefe indiqua encore de couper le tronc du nerf optique
dans l’orbite: il avait sans doute pour but de couper ainsi les
nerfs ciliaires. M. de Wecker approuve cette Operation, il
recommande un petit tenotome courbe qui, etant introduit sous
la conjunctive ä la partie supero-interne, glisse en appuyant
sur le globe et va sectionner d’un seul coup les nerfs ciliaires,
le nerf optique et Partere centrale. Und weiter pag. 174: En
1876, reprenant Pancienne idee de Graefe, M. Boucheron
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Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
20. Mai 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT
283
a publie dans la Gazette medicale de Paris une note „sur la tion sofort verschwinden. Ist letzteres nicht der Fall, so dürfen
resection des nerfs ciliaires et du nerf optique en arri&re de wir annehmen, dass die Beschwerden eben nicht sympathischer
l’oeil, substituee ä P6nucleation du globe oculaire dans le Natur waren. Allerhand Klagen unbestimmter Natur und ohne
traitement de Pophthalmie sympathique." In den Annales objectiv nachweisbaren Grund sind ja eine den Augenärzten
d’oculistique 1876, pag. 258 findet sich hierüber folgender Be- häufig genug vorkommende Beschwerde. Gerade hier aber darf
rieht: „Zwischen dem Muse. rect. superior und Reet, extemus, man ohne alle Bedenken die Enucleation durch die Ciliarnerven-
ungefähr 1 Centimeter von der Cornea entfernt, eröffnet man durchschneidung ersetzen; denn die sympathischen Reizungs-
die Conjunctiva und die Tenon’sche Kapsel, um eine gekrümmte erscheinungen gehen auch bei Jahre langem Bestand nicht in
Scheere zwischen dieser und der Sclera einzuführen. Indem Entzündungen über.
man nun das Auge nabe bei der Cornea mit einer starken Dass bei der sympathischen Iridocyclitis die Enucleation
Hakenpincette fasst und nach vorn zieht, sucht man den auf völlig unwirksam ist, wird übereinstimmend von allen Seiten
diese Weise straff gespannten Sehnerven auf und durchschneidet zugegeben, es mag daher nur noch erwähnt werden, dass
ihn, worauf auch die Ciliarnerven und Arterien mit einigen Fälle vorliegen, in welchen die Enucleation gleich am ersten
Scheerenschnitten durchtrennt werden." Tage einer eben zum Ausbruch gekommenen Entzündung, welche
„Will man die Operation in einer Art und Weise zu Ende nur noch die Erscheinungen einer einfachen Iritis darbot, ge-
führen, welche jeden Zweifel darüber ausschliesst, dass auch macht wurde, und dennoch den Uebergang in Iridocyclitis und
nicht ein Ciliarnerv der Durchschneidung entgangen ist, so er- völlige Erblindung nicht verhindern konnte *).
weitert man die Oeffnung der Tenon’schen Kapsel, fasst mit Dem gegenüber finden sich allerdings Fälle, in welchen
einer zweiten Hakenpincette die Sclera in der Gegend des hinteren sympathische Entzündung nach der Enucleation zurückging, und
Pols, welchen man auf diese Weise mit Leichtigkeit nach vorn P os t hoc er ?° propter hoc durch dieselbe geheilt wurde. Hier
kehrt, und kann nun bequem die sämmtlichen Ciliarnerven, ist nun zunächst zu beachten, dass sympathische Entzündungen
welche rings um den Opticus in das Auge eintreten, durch- auch ohne Enucleation 2 ) heilen können, während eine grosse
trennen." ' Reihe von Fällen vorliegt, in welchen nach der Enucleation
Das Verfahren, welches ich im Laufe meiner bisherigen e * ne Besserung eintrat, schliesslich aber doch Recidive und Er-
Operationen als das zweckmässigste erprobt habe, ist folgendes: blindung folgten. Ich will diesen \erlauf der sympathischen
Auf der Insertion des Rect. internus und parallel zu derselben Entzündungen zunächst durch eine Krankengeschichte erläutern,
wird die Conjunctiva in einer Länge von etwa 12 Ctm. einge- welche ich der schon oben erwähnten Schrift von Vignaux
schnitten, der Muskel wird dann durch zwei Catgutfäden ge- (P 8 #- 84) entnehme.
sichert, welche in der Mitte des Muskels eingestochen, der eine Der Zustand des sympathisch erkrankten rechten Auges
die obere der andere die untere Hälfte des Muskels umfassen, am Tage der Enucleation des vollständig erblindeten linken war
gleichzeitig aber durch die Conjunctiva geführt werden, so dass folgender: „Röthung der Conjunctiva in ihrer ganzen Ausdehnung
die Schlinge des Fadens auf der Conjunctiva liegt. Nun wird nebst deutlicher pericornealer Injection, unregelmässige Er¬
zwischen den Fäden und der Insertionsleiste der Muskel durch- Weiterung der Pupille. Kleine hintere Synechie am unteren
schnitten; das vorn stehen bleibende Ende der Sehne dient ümfang des Pupillarrandes, nebst einem kleinen, bei focaler
dazu, den Muskel am Schlüsse der Operation wieder anzunähen, Beleuchtung auf der Linsenkapsel wahrnehmbaren Fleck, Thränen,
und muss daher während der folgenden Vorgänge sorgfältig ge- Lichtscheu und Verminderung der Accommodationsbreite, Ciliar¬
schont werden. Dicht auf der Oberfläche der Sclera und stets Körper spontan und auf Druck schmerzhaft. Sehschärfe = «/„
innerhalb der Tenon’schen Kapsel präparirt man nun in der wenn das Auge vorher Ruhe gehabt hat; ist es ermüdet, so kann
Richtung nach dem Sehnerven hin weiter, bis man denselben Patient nur noch Finger zählen. Zwei bis drei Tage nach der
mit einer auf die Fläche gekrümmten Scheere erreichen kann. Enucleation haben die Schmerzen fast vollkommen aufgehört,
Bei atrophischen Augen gelingt diese sehr leicht, bei nicht es besteht gute Atropin-Mydriasis, die Synechien sind mit Hinter¬
atrophischen empfiehlt es sich manchmal, den Sehnerven mit lassung zweier kleiner Pigmentpunkte auf der Kapsel zerrissen,
einem Schieihaken aufzusuchen und anzuspannen, um ihn sicherer die Dichtscheu ist gering. Einen Monat später besteht kein
durchschneiöen zu können. Es macht nun gar keine Schwierig- Thränen mehr, keine Schmerzen, die Sehschärfe beträgt min-
keiten mit einem in der Nähe des Sehnerven in die Sclera ein- destens Patient wird mit einem künstlichen Auge ent-
geschlagenen kleinen scharfen Haken den hinderen Pol nach vorn lassen, und hier würde die Krankengeschichte aufhören, wenn
zu kehren, so dass man die Insertionsstelle des Sehnerven zu Herr Vignaux sich nicht die daukenswerthe Mühe genommen
Gesicht bekommt und rings um denselben herum die Sclera frei hätte, in allen von ihm mitgetheilten Fällen nach dem end-
präpariren kann, so dass jedenfalls kein Ciliarnerv der Durch- gültigen Ausgang zu forschen. Da ergab sich denn ein Jahr
schneidung entgeht. Zum Schluss wird der Muskel wieder an nach der Operation folgender Bescheid: Die nach der Enu-
seine Sehne angenäht und zugleich auch die Conjunctivalwunde cleation eingetretene Besserung hat nur zwei Monate gedauert:
geschlossen. Irgendwie erhebliche Blutungen habe ich bei dieser nach einer achttägigen Anstrengung des Auges trat ein Reci-
Operations-Methode, wenn es gelingt innerhalb der Tenon’schen div der Iritis ein, die Schmerzen und die Sehstörungen kehr-
Kapsel zu bleiben, nicht gesehen, auch der Heilungsverlauf war ten wieder, und nach zwei oder drei allmälig sich steigernden
in allen Fällen schnell und günstig. Rückfällen trat vollständige Erblindung mit andauernder Schmerz-
Technische Schwierigkeiten bietet also die Durchschneidung haftigkeit der Augen ein.
der Ciliarnerven gar nicht, die Frage ist nur, ob diese Operation Ein ähnlicher Fall findet sich bei Alt (Archiv für Augen-
bei den sympathischen Augenerkrankungen dasselbe Zutrauen and Ohrenheilk. 1877, pag. 259). „Patient, 9 Jahre alt, hatte
verdient wie die Enucleation. sich vor 7 Jahren mit einer Stecknadel ins linke Auge gestochen.
Wir müssen dieser Frage gegenüber zunächst untersuchen, Die darauf folgende Entzündung heilte unter ärztlicher Behand-
was die Enucleation denn nun wirklich leistet. Am meisten lung. Bei seiner Vorstellung am 24. Mai 1877 bestand links
jedenfalls bei den sogenannten sympathischen Reizungserschei- -
nungen, denn wir haben es ja als das characteristische Kenn- 1 ) Hirschberg: Klin. Beobachtungen 1874, p. 85.
Zeichen derselben angegeben, dass dieselben nach der Enuclea- 2) Samelsohn: Arch. f. Augen- und Ohrenheilk. IV. B., p. 280.
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
2S4
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 20
Iridochoroiditis chronica mit völliger Synechie und mit Verlust
des Sehvermögens, rechts Iritis serosa sympathica. Nach der
Enucleation verschwanden alle Symptome rechts so rasch, dass
Patient bereits am 29. desselben Monats wieder entlassen werden
konnte. Er kehrte jedoch bald mit einer erneuerten Entzündung
zurück, welche sich als Iridocyclitis plastica darstellte. Sein
Sehvermögen, vorher normal, war auf 7*oo gesunken. Es be¬
stand vollkommene circulare Synechie. Unter der gewöhnlichen
Behandlungsweise ward der Zustand des Auges wieder besser.
Der Versuch, durch eine Iridectomie das Sehen und die Ver¬
hältnisse des Auges zu bessern, ward dadurch vereitelt, dass
sich das Colobom langsam wieder schloss. Als er Mitte Juli
entlassen wurde, waren die Entzündungserscheinungen gering,
und S. = 2 7ioo- Damit endet der Bericht, aber wohl kaum die
Leidensgeschichte des Patienten.
Aehnliche Fälle, in welchen die sympathische Entzündung
nach der Enucleation sich erst besserte und nachher doch in
schlimmerer Weise recidivirte, Hessen sich noch mehrere an-
füliren. Wenn also die Enucleation nicht im Stande war,
das Recidiv zu verhüten, so kann mau ihr auch logischer Weise
nicht die post hoc eingetretene Besserung in Rechnung stellen,
da ja gleichzeitig eine Menge von Umständen Zusammenwirken
welche eine Iritis günstig beeinflussen; der Kranke ist allen Schäd¬
lichkeiten entzogen, liegt doch meistens nach der Enucleation im
Bett, wird mit Atropin behandelt u. s. w., so dass wir wohl
annehmen dürfen, dass auch ohne Enucleation der Verlauf der
sympathischen Entzündung genau derselbe gewesen sein würde.
Die Operationserfolge der prophylactischen Enucleation ent¬
ziehen sich dadurch der Kritik, dass wir ja in keinem Fall, in
welchem das andere Auge gesund bleibt, behaupten können,
dass es ohne Enucleation des andern erkrankt sein würde. Um
so mehr Gewicht zu legen ist auf diejenigen Beobachtungen, in
welchen zur Zeit der Enucleation das zweite Auge noch ganz
gesund war, dennoch aber sympathische Entzündung zum Aus¬
bruch kam. Mooren 1 ) theilt einen Fall mit, in welchem einen
Tag nach der Enucleation sympathische Iritis auf dem zweiten
Auge ausbrach; H. Schraidt-Rimpler 2 ) sah dasselbe 4 Tage
nach der Enucleation, beide Fälle gingen in Heilung über.
Dass übrigens auch in diesen beiden Fällen der günstige
Ausgang der sympathischen Entzündung nicht der Enucleation
zu gute geschrieben zu werden braucht, lehrt ein dritter Fall s ),
in welchem 9 Tage nach der Enucleation Irido-Cyclitis ausbrach
und eiuen sehr schlimmen Verlauf nahm. „Der 14jährige Patient
hatte sich 27 Tage vor der Enucleation eine Verletzung des
linken Auges durch Explosion einer in eine Glasflasche einge¬
schlossenen Pulvermasse zugezogen. Der Heilungsverlauf der
Enucleation war normal und rasch. Bis dahin war das rechte
Auge frei von jeglicher Spur einer sympathischen Entzündung
geblieben. 6 Tage nach der Enucleation ergab die Unter¬
suchung desselben volle Sehschärfe, bei Hypermetropie
normale Accommodatiou, gute Reaction der Pupille. Am neun¬
ten Tage sollte ein künstliches Auge eingesetzt werden. Bei
dieser Gelegenheit wrurde am rechten Auge eine kleine hin¬
tere Synechie nach unten bei geringer periconealer Injection
entdeckt; der Kranke wollte keine Abnahme der Sehschärfe
bemerkt haben, die Prüfung ergab S — 15 /i&* Von diesem
Tage an trat ziemlich rasch eine Zunahme der Injection, Trü-
rung des Kammerwassers und Abnahme der Sehschärfe ein.
Nach und nach entwickelte sich das Bild einer wahren sympa-
1) Sympathische* Gesichtsstünnuiyn, pan. 8.
2) Klinische Montagsblätler. 1874. p. 179.
3) H. Pagen Stecher und Genlh. Atlas der pathologischen Ana¬
tomie des Auges. Tafel XXXVlll., Fig. 12.
thischen Iridochoroiditis, gegen welche mit den verschiedensten
Mitteln erfolglos angekämpft wurde. 9 Monate nach der Ver¬
letzung war das Auge noch injicirt. Iris blaugrau verfärbt;
das Kammerwasser klar. Circuläre hintere Synechie durch dicke
Exsudatmassen; hinter der Linse ähnliche Exsudatmassen sicht¬
bar; zählt Finger auf 8'; Jäger No. 19 einzelne Worte.“
Offenbar war bei Schluss der Kraukheitsgeschichte der Pro-
cess noch nicht abgelaufen, aber in einem wenig hoffnungsvollen
Zustand.
Kann also neun Tage nach der Enucleation eine sympathische
Iridochoroiditis noch zum Ausbruch kommen, so müssen wir
wirklich fragen, wann denn die Schutzkraft der Enucleation
anfängt. Unerklärlich sind diese traurigen Erfahrungen keines¬
wegs. Wenn auch der Krankheitsprocess von dem ersten Auge
auf das zweite in der Bahn des Ciliarnerven übergeht, so ge¬
schieht dies doch keineswegs mit der Schnelligkeit, welche wir
sonst bei der Nervenleitung nachweisen können. Hat die in
den Ciliarnerven langsam fortkriechende Krankheit einmal die
Grenzen des ersten Auges überschritten und die Ciliarnerven
in ihrem orbitalen Theile oder noch weiter nach dem Centrum
hin befallen, so können wir nicht erwarten, die erkrankten Nerven
durch die Enucleation zu heilen. Die Operation kanu vielmehr
nur dann präventiv wirken, wenn es möglich ist, die Leitung
an einer noch nicht erkrankten Stelle zu unterbrechen. Alles
drängt also zu einer möglichst frühzeitigen Operation, sobald
einmal die Bedingungen für sympathische Erkrankung gegeben
sind. Der Enucleation aber stand von seiten des Patienten
der Abscheu gegenüber, welchen die Verstümmelung eines der
edelsten Organe erwecken muss; zu einer Operation, welche
kaum sichtbare Spuren hinterlässt, wird mau sich eher ent¬
schlossen können. Mehr natürlich als von der Enucleation wird
von der Ciliarnerven - Durchsehueidung auch nicht zu erwarten
sein, aber eben um diese Operation von vorn herein gegen un¬
gerechte Vorwürfe sicher zu stellen, war es nöthig, einmal mit
der Enucleation abzurechnen. Ein nahe liegender Einwaud, den
man gegen die Durchschneidung der Ciliarnerven erhoben hat.
ist die Möglichkeit einer Wiederverwachsung derselben; indessen
die Technik der Operation unterscheidet sich doch so wesentlich
von anderen Nervendurchschneidungen, dass man eine Wiederan-
heilung der durchtreunten Nervenenden nicht gerade für wahr¬
scheinlich halten kann.
Uebrigens wird es sich durch fortgesetzte Beobachtungen
leicht entscheiden lassen, ob diese Wiederverwachsung wirklich
zu Stande kommt. Da wo die Cornea noch erhalten ist, ver¬
liert sie sofort nach der Operation ihre Sensibilität. Allerdings
nicht vollständig, denn einzelne Randbezirke, welche vermuth-
lich den Verästelungen einiger aus der Conjunctiva eintreteudeu
Stämmchen entsprechen, behalten ihren Tastsinn; aber eine
Wiederverwachsuug der Ciliarnerven dürfte sich durch volle
Wiederherstellung der Hornhautempfindlichkeit verratheu. S#
lange die Cornea unempfindlich bleibt und auch der Ciliarkörper
bei Druck nicht schmerzhaft ist, darf man die Aufgabe der
Operation als erreicht betrachten.
II. Neuropathologisehe Studien.
Von
Dr. Franz Müller,
Secundärarzt im allg. Krankenhause in Graz.
Hemianästhesie.
In unseren Tagen, in denen die Localisation der Gehiru-
krankheiten und Hirnfunctiouen immer tiefere Wurzeln zu schla¬
gen und immer sichereren Boden zu gewinnen sucht, dürfte
nachfolgende Mittheilung nicht ohne wesentliches Interesse sein:
Original frn-m
UNIVERSiTY OF MICHIGAN
20. Mai 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
285
Durch die klinischen Arbeiten ausschliesslich französischer
Autoren, eines Piorry, Macario und Gen drin, ist die Hemian¬
ästhesie in die Semiotik eingeführt worden. Landouzy 1 ) und
Briquet*) hatten das klinische Bild derselben zur Vollendung
gebracht, so dass die neuere Zeit wenig oder gar nichts hinzu-
zufügen wusste. Nur Charcot und Brown Sequard machten
noch aufmerksam auf die Blässe und Abkühlung der anästhe¬
tischen Hälfte als Ausdruck einer mehr weniger permanenten
Ischämie. — Plötzlich, selten allmälig, tritt in der Hysterie
unter verschiedenen, hier nicht weiter anzuführenden Ursachen,
gewöhnlich auf der linken Körperhälfte, eine Anästhesie in die
Erscheinung, die, exact an der Mittellinie sich abgrenzend, alle,
oder nur einzelne Sensibilitäts-Qualitäten der Haut und der tief¬
liegenden Theile ergreift. Auch die Schleimhäute und die hö¬
heren Sinnesorgane derselben Seite sind betroffen. Ausgenommen
leichte Schwankungen und ein gewisses Fluctuiren einzelner
constituirender Symptome, zeigt sich die Hemianästhesie per¬
manent.
In dieser skizzirten Form wurde die Hemianästhesie von
Briquet geradezu als ein specifisches Symptom der Hysterie
angesprochen Sämmtliche Neuropathologen acceptirten die Lehre
Briquet’s. Niemand wagte an ihrer Dignität zu rütteln — zu
zweifeln. Hemianästhesie war gleichbedeutend mit Hysterie.
Doch bald zeigte es sich auch hier, wie schlecht das Generali-
siren in der klinischen Medicin ankommt; wie falsch es ist,
aus einem Symptom mit apodictischer Sicherheit auf die Natur
der Erkrankung schliessen zu wollen. L. Türck*) war es, der
die Lehre von der Hemianästhesie in eine neue Bahn lenkte.
Wie bekannt, unterbreitete er 1859 der kaiserlichen Academie
der Wissenschaften in Wien eine Arbeit: „Ueber die Beziehungen
gewisser Krankheitsherde des grossen Gehirns zur Anästhesie.“
In den 4 mitgetheilten, klinisch genau beobachteten und
pathologisch - anatomisch untersuchten Fällen handelte es sich
nicht um die gewöhnliche, leichte, ephemere, wenig aus¬
gesprochene Sensibilitätsstörung, wie sie bei apoplectischen und
Erweichungsherden des Gehirns öfters die Hemiplegie begleitet,
sondern um intensive, permanente Hemianästhesie, nachdem die
Hemiplegie längst ganz oder fast geschwunden. In allen 4 Fällen
zeigt Türck, wie Herd-Affectionen, die in gewissen Regionen
des Gehirnes sich etabliren, einen vollständigen und bleibenden
Verlust der Sensibilität auf der entgegengesetzten Körperhälfte
herbeiführen. Ihm gebührt das Verdienst, durch den Nachweis
von pathologisch-anatomischen Befunden der Lehre von der
Hemianästhesie eine neue interessante Seite abgewonnen und
hiermit die alte Lehre im Sinne der französischen Autoren ge¬
stürzt zu haben. Freilich zeigten die Türck’schen Befunde im
allgemeinen nur die Region im Gehirn an, wo man in ähnlichen
Fällen zu suchen hat, ohne gerade einen genauen distincten
Ort zu bezeichne^, dessen Läsion constant von halbseitiger
Gefühlsstörung gefolgt wäre. Türck’s Hoffnung, seine Mit¬
theilungen würden den Anstoss zu weiteren und ähnlichen Unter¬
suchungen bilden und so die Lösung der eigentlichen Localisations-
frage herbeiführen, erwies sich leider als eitel. Das, was bis
1872 hierüber gearbeitet wurde, ist kaum der Rede werth. Nur
Huglings Jackson hatte im Londoner Hospital-Rapport von
1866 einen Fall von exacter Hemianästhesie mitgetheiit, in
welchem es sich, sowie auch in der später von Luys veröffent¬
lichten Beobachtung, immer nm complicirte Gehirnläsionen han¬
1) Traite complet de l’hysterie 1847.
2) Traite clinique et therapeutique de l’hysterje 1859.
3) Sitzungsbericht der mathem. natur. Gasse der Academie der
Wissenschaften. Band 36.
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Gck igle
delte. (Thalamus opticus, Capsula interna in ihrem hinteren
Theile, Linsenkern.)
Da nun hiermit in evidenter Weise der Beweis erbracht
war, dass es auch eine Hemianästhesie aus cerebralen palpablen
pathologischen Läsionen giebt, so durfte und konnte auch die
Reaction hierauf von Seite der französischen Neuropathologen
nicht ausbleiben. Sie trat auch wirklich ein. — Aber wie? —
Ging es auch nicht mehr an, von der Hemianästhesie als von
einem pathognomonischen Zeichen der Hysterie zu reden, so
suchte man wenigstens soviel als möglich für diese proteiforme
Neurose zu retten. In diesem Streben ging Lebreton so weit,
dass er in seiner preisgekrönten Monographie 1 3 ) wörtlich sich
also ausliess: „Die Gehirnhämorhagien und die Encephalo-Ma¬
laden führen (ebenfalls) Störungen der cutanen Sensibilität
herbei; doch zeigt die hysterische Hemianästhesie sehr ausgeprägte
Charactere, die sie leicht zu differenziren gestatten werden. Man
constatirt in der That Verlust der Sensibilität im Gesicht und
an den höheren Sinnesorganen, aber diese Phänomene zeigen
sich auf derselben Seite wie die' motorische Paralyse und nicht
auf der entgegengesetzten Seite, wie in den Fällen von Gehirn-
hämorrhagien, und noch mehr, die hysterische Hemianästhesie
ist wohl viel intensiver als die, welche im Gefolge von ence-
phalischen Läsionen auftreten.“
Wie sehr diese so schön und stricte gezeichnete Differenzial¬
diagnose in flagrantem Widerspruche steht, zeigen schon die
2 letzten Fälle von Türck, in denen das klinische Journal aus¬
drücklich die gleichseitig tiefgehende Anästhesie der Gesichtshaut
und der höheren Sinnesorgane erwähnt.
So drohten die von Türck gezogenen neuen Geleise, die zu
fruchtbringender Verwerthung pathologisch-anatomischer That-
sachen führen sollten, unbenützt liegen zu bleiben.
Da machte Charcot, dem die Pathologie der Nervenkrank¬
heiten die neuesten und wichtigsten Aufklärungen und Unter¬
suchungen verdankt, den Symptomencomplex der Hemianästhesie
aus cerebraler Ursache der ärztlichen Welt von neuem bekannt,
indem er ihr in seinen einzig dastehenden Vorlesungen*) beson¬
dere Würdigung zu Theil werden liess. Durch Charcot wurde
die Lehre von der Hemianästhesie zum heutigen Standpunkt
gefördert. Seine diesbezüglichen Arbeiten bilden die Grundlage
unserer heutigen Kenntnisse. Nun beginnt es auf ein Mal rege
zu werden auf dem von Türck schon angebahnten Gebiete.
Durch Charcot und Vulpian wurde das klinische Bild der
Hemianästhesie aus cerebraler Ursache vervollständigt und fixirt.
Magnan stellte ähnliche Untersuchungen bei Alcoholisten an
und gelangte zu gleichen Resultate.*) Magnan hatte auch mit
dem constanten Strom in präciser Weise den Ausfall des Ge¬
schmacks-, Gesichts- und Acusticus-Phänomens nachgewiesen.
Aus der Charcot’schen Schule gingen dann hervor die These
von Virengue nnd die ebenso umfassende als eingehende Arbeit
von Veyssiere, in welchen der letztere einerseits alle bis dahin
plublicirten Falle, 20 an der Zahl, kritisch zusammenstellte und
andererseits mit Erfolg den Weg des Thierexperimentes gleich¬
sam zur Verification der klinischen und pathologisch-anatomi¬
schen Thatsachen beschritt.
Pierret und Raymond 4 ) zeigten, indem sie alle vorliegen¬
den Sectionsbefunde sichteten, dass in allen bisherigen Fällen
1) De differentes Varietes de la Paralysie hysterique, pag. 44. 1868.
2) Le<;ons sur le maladies du syst, nerveux. 1872 u. 1873.
3) De l’alcoolisme, des diverses formes du dälirc alcoolique. 1874
pag. 215.
4) Bulletins de la societ6 anatomique, 1874 Pierret. 1875 Ray¬
mond.
Ürigiralffc 2
UNIVERSETY OF MICHIGAN
286
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Ne. 20
von cerebraler Hemianästhesie ganz constant eine Erkrankung
des hinteren Theiles der inneren Kapsel, des Fusses des Stabs¬
kranzes sich vorfand. In der Gazette des höpitaux 1875 No. 101
ist ein Fall von Hemianästhesie mitgetheilt, der unter Jodkali¬
behandlung genas. (Hirn-Lues, Exostose?)
In neuester Zeit haben Soulier, Landouzy, Ringer
und Reinolds J. Rüssel einschlägige Beobachtungen mitge-
theilt. In der deutschen Literatur finden wir dieses interessante
Kapitel nur von Rosenthal 1 ) und Bernhardt 4 ) tangirt.
Ourschmann stellte in der Berliner medicinich-psychologischen
Gesellschaft am 5. Februar 1877 eine Kranke vor mit einer
scharf abgegrenzten vollständigen Anästhesie der ganzen linken
Körperhälfte. Die Deutung des Falles blieb streitig. Die An¬
sicht, dass es sich bei dieser Kranken um einen sogenannten
traumatischen Fall handelt, ist nicht ohne weiteres von der
Hand zu weisen, um so weniger, wenn man sich des von Vi-
rengue veröffentlichen Falles erinnert, wo ein 20jähriger Mann
einen Stoss mittelst eines Rappierknopfs auf den rechten Bulbus
erhielt und darauf von einer rechtsseitigen incompleteu Hemi¬
plegie und einer fast vollständigen Hemianästhesie auf derselben
Körperseite befallen wurde. (Die motorische wie die sensible
Lähmung schwanden ganz nach einem Jahre.) Soviel über das
historische der Hemianästhesie.
Die klinische Seite ist von C har cot erschöpfend und aus¬
führlich behandelt. Auch Ren du 8 ) lässt sich in seiner aus¬
gezeichneten Monographie über Anästhesie des weiteren über
den Symptomcomplex der Hemianästhesie aus cerebraler Ursache
aus: „Nach einem apoplectischen Anfall, abhängig von einer
Gehirnhämorrhagie oder von einer Encephalomalacie, constatirt
man eine mehr weniger complete Hemiplegie. Ferner aber sieht
man, dass die Sensibilität auf der paralytischen Seite abge¬
schwächt oder total vernichtet ist. Diese Anästhesie ist streng
unilateral. Sie grenzt sich stricte an der Mittellinie ab, sie ist
im allgemeinen sehr ausgesprochen und befällt gleichzeitig alle
Empfindungsqualitäten, die Contact-, Schmerz- und Temperatur¬
empfindung, vom Scheitel bis zur Sohle, das Gesicht nicht aus¬
genommen, und persistirt, wenn die Motilität schon längst
zurückgekehrt ist. An der Hautanästhesie participiren auch
die correspondirenden Schleimhäute; gewöhnlich sind auch die
Sinnesorgane betroffen, und Charcot fordert es geradezu. Es
zeigen sich in den ausgesprochensten Fällen unilaterale Am¬
blyopie, halbseitige Anosmie, Surditas. Die electromusculäre
Sensibilität, sowie der Muskelsinn sind auf der anästhetischen
Seite stets erloschen. Nur die Eingeweide behalten gewöhnlich
ihre Sensibilität, oft auch die Cornea. Dies das klassische Bild
der Hemianästhesie.
Was den Sitz der Hemianästhesie anlangt, geht aus den
bisher veröffentlichten Fällen zur Genüge hervor, dass keine
Bevorzugung einer Körperseite statt hat; sie findet sich bald
auf der linken, bald auf der rechten Körperhälfte.
In betreff des Verlaufes können wir uns kurz fassen. Die
Hemianästhesie geht manchmal parallel mit der Hemiplegie
einher, zuweilen aber persistirt sie, nachdem letztere schon längst
geschwunden.
Welchen Aufschluss bietet uns nun die pathologische Ana¬
tomie? Selbstredend dürfen zu entscheidenden anatomischen
Beobachtungen nur klinisch gut ausgesprochene und erschöpfend
beobachtete Fälle berücksichtigt werden. Diesem Postulate ist
in allen 15 bisher vorliegenden Fällen, die zur Autopsie ge¬
langten, in vollständiger Weise Rechnung getragen. Dies zu
1 )
2 )
3)
Rosenthal: Lehrbuch der Nervenkrankheiten, 1875, pag. 58.
Bernhardt: Berl. klin. Wochen.sehr. 12. Jahrg., No. 36.
Ren du: Anästhesie spontanee. 1875.
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v Google
beweisen, dürfte es genügen, wenn ich die Namen Türck, Char¬
cot und Vulpian nenne, als Beobachter von zur Sectiou ge¬
langten Fällen. A priori erscheint es kaum anders möglich,
als dass einem so scharf characterisirten Symptomcomplex auch
eine an einem ganz bestimmten Orte des Gehirns gesetzte Läsion
zu Grunde liegt, von der Natur der Läsion ganz abgesehen.
Pierret hat die bis heute gemachten Autopsien, 15 an der
Zahl, zusammengestellt und gezeigt, dass in ihnen die patho¬
logische Läsion sehr circumscript ist, und dass dem so markanten
Symptomencomplexe stets Läsionen entsprechen, die eine fast
constante Localisation zeigen. In allen Fällen, in denen man
in vivo Hemianästhesie constatirte, konnte man bei der Autopsie
einer Läsion der weissen Gehirnsubstanz begegnen, die die
Ausstrahlung des hinteren Theiles der inneren Kapsel,
den Fuss des Stabkranzes betraf.
Auch in den Fällen von Hemianästhesie, wo der Thalamus
opticus, das Corpus striatum (der der Linsenkern ergriffen waren,
konnte immer ein Propagiren des Destructionsprocesses auf die
innere Kapsel in ihrem hinteren Theile nachgewiesen werden.
Es ist daher gestattet zu vermuthen, dass in dieser Gegend
säramtliche Nerven, welche die sensiblen Reize von der Körper¬
peripherie her zur Corticalis leiten, dicht gedrängt nebenein-
i ander verlaufen. Eine Unterbrechung an dieser Stelle erklärt
i dann zur Genüge das Auftreten der gekreuzten Hemianästhesie.
j Da in der deutschen Literatur das Vorkommen der typischen
Hemianästhesie in Folge einer cerebralen Läsion, wie mir scheint,
noch unbekannt oder doch wenigstens noch lange nicht hin¬
reichend constatirt ist, publicire ich im folgenden einen Fall,
der sehr genau klinisch beobachtet ist und wegen seines wahr¬
haft klassischen Verlaufes das regste Interesse beanspruchen
darf. An dieser Stelle erfülle ich zugleich eine mir angenehme
Pflicht, wenn ich meinem hochverehrten Herrn Primarius Pr.
Platzl für die liberale üeberlassung des Falles meinen besten
w Dank sage.
Sölz Michael, 61 Jahre alt. ledig, aus Berndorf bei Graz,
wurde am 11. November 1877 auf der hiesigen 2. medicinischen
Abtheilung recipirt. Patient befand sich im Zustande des Al-
| coholismus acutus, fieberlos; den nächsten Tag wurden folgende
| anamnestische Momente ermittelt: Patient stammt aus einer
von Neuro- und Psychopathien freien Familie. Der Vater des
Patienten starb an Gehirnhämorrhagie. Die Jahre bis zur Pu¬
bertät verstrichen ohne nennenswerthe fieberhafte Krankheiten.
— Kein Trauma capitis. — Der Besuch der Volksschule war
von mittelmässigem Erfolge begleitet. Patient wurde militair-
frei. Mit 24 Jahren überstand er eine heftige Pneumonie, 6 Jahre
später einen typhösen Process. Bis vor 6 Wochen erfreute er
| sich, ein leichtes Unwohlsein abgerechnet, stets der besten Ge-
j sundheit. Excesse in Baccho werden nicht in Abrede gestellt,
( auch dem Schnaps war Patient nicht abhold: Er müsse ja die
| durch sein Geschäft — Patient ist Lumpensammler — ange-
j strengte Kehle auch befeuchten.“ Vomitus matutinus, Anorexie,
Pyrosis, Tremores manuum, Wüstsein im Kopfe, gesteigerte
Gemüthsreizbarkeit, unruhiger, leichter Schlaf, beim Einschlafen
Neigung zum Halluciniren, Ohrensausen, nächtliches Alpdrücken,
Abnahme des Gedächtnisses für die jüngste Vergangenheit, zu¬
nehmende Intoleranz gegen Alcoholica, werden als seit Jahren
bestehend, bestimmt und prompt angegeben, doch kam es an¬
geblich nie zu einem Delirium tremens. Auch will Patient nie
j an Schwindelanfällen gelitten haben. Vor 8 Wochen erlitt Pa-
! tient einen apoplectischen Insult, dem eigenthümliche Prodromi
| vorausgingen, die mehrere Tage währten. Unter immer wach-
sendem Kopfschmerz zeigten sich Knebeln, Eingeschlafensein,
! Formication in der rechten oberen Extremität. Die motorische
| Sphäre bot angeblich keine Alienation. Nach dem apoplectischen
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
20. Mai 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
287
Insult wurde constatirt: Rechtsseitige Hemiplegie, die an der
unteren Extremität weniger ausgesprochen war. Auffällig war
die durch 8 Tage bestandene Sprachlosigkeit (Aphasie?) In
14 Tagen war Patient soweit in seiner Besserung vorgeschritten,
dass er das Zimmer verlassen und seinem Geschäfte wieder
nachgehen konnte. Er merkte nur eine Schwäche am rechten
Fusse und in der Hand. Wegen Kopfschmerz und quälendem
Husten suchte Patient am 11. November die Spitalshilfe auf.
Status präsens. Mittelgrosses, marastisches, schlecht ge¬
nährtes Individuum, Panniculus adiposus geschwunden, die Haut¬
decken welk, missfarbig, mit einem Stich ins gelbliche, aus¬
gesprochene Tremores manuum, labiorum, linguae, agitirtes,
hastiges emotives und impressionables Wesen, eingeengter geisti¬
ger Horizont. Schädel von gewöhnlichen Dimensionen und
symmetrisch, keine Spur von einer Narbe zeigend, Defluvium
capillorum; die Augen halonirt, die Lider leicht ödematös, die
Pupillen mittelweit, die rechte weiter, keine Deviation in den
Achsen der Bulbi, Miene ausdruckslos, Gesichtszüge schlaff,
die rechte Nasolabialfalte fast verstrichen, der rechte Mund¬
winkel steht tiefer; bei mimischen, wie sprachlichen Impulsen
bleibt die rechte Gesichtshälfte zurück. Zunge belegt, leb¬
haftes, fibrilläres Zucken ihrer Musculatur; vorgestreckt, deviirt
sie etwas nach rechts mit der Spitze, Sprache leicht haesitirend,
keine Spur von Aphasie, keine Deviation der Uvula, keine Deglu-
titionsbeschwerden. Lunge emphysematös, keine Schalldifferenz,
Herzstoss 3 Cm. nach aussen und unten von der rechten Mammilla,
diffus palpabel, die Herzdämpfung reicht in der Breite von der
Stelle des Herzstosses bis zum linken Sternalrande und beginnt
in der Höhe am oberen Rande der 3. Rippe. Im linken Ven¬
trikel der erste Ton von einem schwachen Geräusch begleitet,
der 2. durch ein starkes Blasegeräusch ersetzt, das sich gegen
die Aorta zu verfolgen lässt. Die Töne im rechten Ventrikel
rein, über der Aorta ein deutliches diastolisches Geräusch. Der
2. Pulmonalton leicht accentuirt.
Milz und Leber nicht vergrössert. Blasen- und Darmfunction
völlig intact, kein Decubitus. Harn zucker- und albuminfrei, re-
agirt sauer, wird in geringer Quantität gelassen. Puls 100,
schnellend, irregulär, voll. Die zugänglichen Arterien deutlich
sclerosirt, die Femoral- und Brachialarterien tönen deutlich. Mit
dem rechten Arm sind sämmtliche Bewegungen, activ wie passiv
möglich, obwohl nicht so energisch und kräftig wie auf der
linken Seite. Der Händedruck ist rechterseits schwächer, die
rechte untere Extremität ist ebenfalls in einem Zustande leichter
Parese. Beim Gehen wird das rechte Bein weniger hoch ge¬
hoben und zugleich etwas nach geschleift. Durch meinen früheren
Primarius v. Krafft-Ebing auf die Sensibilitäts-Störung bei
Alcoholisten aufmerksam gemacht, unterzog ich die Sensibilität
auch in diesem Falle einer Prüfung. Dieselbe zeigte die über¬
raschende Thatsache, dass die gesammte rechte Körperhälfte,
vom Scheitel bis zur Sohle, das Gesicht nicht ausgeschlossen,
vollständig anaesthetisch war. Patient war nicht wenig be¬
troffen, als er eine Stecknadel von mir durch seine Haut hin¬
durch treiben sah, ohne eine Spur von Schmerz zu empfinden.
Hatte er doch bis zu dem Momente keine Ahnung gehabt von
dieser Anaesthesie. Ein Beweis, wie richtig die Worte Lasegue’s
sind: „Die Hemianaesthesie ist ein Symptom, das man auf¬
suchen muss.“
Dieselbe grenzte sich ganz stricte an der Mittellinie ab, so
dass z. B. am Nasenrücken der Uebergang von Anaesthesie zut
Aesthesie vollständig unvermittelt war. Auch die Sensibilität
der Knochen ist geschwunden. Druck auf die Leber wird dumpf
gefühlt. Auf Kitzeln, Kneipen erfolgen sowohl auf der oberen
wie auf der unteren Extremität Reflexbewegungen.
Untersuchung der Schleimhäute: Oonjunctiva bulbi et palpe-
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brarum, sowie Cornea vollständig anaesthetisch. Kitzeln vom
Meatus auditorius externus dexter sowie von der rechten Choane
aus bleibt reactionslos. Auch die Wangenschleimhaut, sowie
der weiche Gaumen und das Zäpfchen, Glans penis und Anus
sind rechterseits vollkommen anaesthetisch. Sind die Augen ge¬
schlossen oder verbunden, so fühlt Patient nicht, wenn man
seine rechte Körperhälfte mit der Hand, mit einem Nadelkopf
oder mit irgend einem Gegenstand berührt. (Gegenstände, in
seine Hand gelegt, werden nicht gefühlt.) Ebenso ist total der
Drucksinn erloschen, desgleichen werden kalte oder warme
Gegenstände nicht differenzirt. (Patient unterscheidet nicht, ob
J man die Hand in kaltes oder warmes Wasser taucht.) Ganz
j differente Gewichte, dem Patienten in ein um die rechte Hand
i geschlungenes Tuch zum Heben gegeben, bleiben völlig unge¬
schützt, Leber die Lage der Stellung seiner rechten Glieder,
sowie über die Grösse ausgeführter passiver Bewegungen ist
Patient bei geschlossenen Augen völlig unorientirt. Befiehlt
man dem Patienten bei geschlossenen Augen den rechten Fuss
zu heben, den man mit der Hand niederhält, so sieht man ihn
eine Zeit lang sich anstrengen, dann lässt er aber ab, in dem
Glauben, die aufgetragene Bewegung ausgeführt zu haben.
Quetschen der Muskeln, heftiger und intensiver Druck gegen
dieselben kann ungestraft ausgeführt werden. Die Exploration
mit dem faradischen Strom ergiebt: 1) Electro-cutane Sensibili¬
tät vollständig erloschen. (Reizung mit dem electrischen Pinsel
Stöhrer 1 El. Dist. 0 total schmerzlos.) 2) Electro-musculäre
Sensibilität vollständig geschwunden. Vollständige Tetanisirung
des Armes bleibt schmerzlos, während auf der gesunden Seite
schon bei 10 Mm. Rollen-Distanz der Strom unerträglich wird.
3) Die Contractions-Minima auf der rechten wie auf der linken
Seite sind bei Rollen-Distanz 15 Mm.
Constanter Strom: Stöhrer 30 El. Das einfache durch-
fliessenlassen wird nicht gefühlt. S. Z. und 0. Z. werden bei
20 El. von den energischesten Contractionen gefolgt, aber ohne
Spur von irgend einer Empfindung. Die directe, wie indirecte
Muskel-Reizung ergiebt keine lateralen Verschiedenheiten.
Applicirt man den negativen Pol am oberen Augenlid (bei
geschlossener Lidspalte), den -(- an der Halswirbelsäule, so tritt
das Purkinje’sche Lichtphänomen
am rechten Auge erst bei 6 El. Stöhrer) auf 0. und S. des
am linken Auge schon bei 2 El. StöhrerJ Stromes auf.
Bei Application der Pole auf den rechten Zungenrand traten
wohl Contractionen der Zungenmuskeln, aber kein metallischer
Geschmack auf.
Die Untersuchung des rechten Ohres nach Brenner wurde
nicht gemacht.
Nicht weniger interessant sind die Ergebnisse der Unter¬
suchung der höheren Sinnesorgane: Das rechte Auge ist aus¬
gesprochen amblyopisch, kaum dass sehr grosse Zeichen noch in
schwachen Umrissen gesehen werden, während das linke voll¬
ständig normal und keine Spur von einer excentrischen Gesichts¬
feld-Einschränkung zeigt. Sämmtliche Bewegungen des rechten
Bulbus sind vollkommen intact, keine von der Cornea ausgehende
Reflexbewegungen auslösbar. Die lichtbrechenden Medien voll¬
ständig frei von pathologischen Processen, mit Ausnahme eines
beginnenden Gerontoxon. Die Pupille über mittelweit, auf
Lichteinfluss und Atropin jedoch reagirend, obwohl träge
Ophthalmoscopischer Befund: (Umgekehrtes Bild.) Die diop-
trischen Medien frei, der Augenhintergrund von gewöhnlichem
blass rosafarbigen Aussehen, die Papille scharf contourirt, leicht
rosafarbig, mit einer unbedeutenden centralen Excavation, nach
innen und unten von einem schmächtigen halbmondförmigen
Pigmentringe umgeben. Keine Spur von atrophischen Stellen.
Die arteriellen Gefässe schmächtig, die Venen leicht geschlängelt,
Original fror
UNIVERSITY OF MICHIGAN
288
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 20
hie und da ausgedehnt, Macula lutea vollkommen normal, die
Gefässe der Chorioidea durchscheinend. Das linke Auge ist
vollkommen normal und zeigt keine Spur von einer Hemiopie.
2) Das Gehörvermögen ist rechterseits soweit herabgesetzt,
dass Patient das Picken der Taschenuhr nur bei Berührung
der Ohrmuschel hört, während dasselbe linkerseits auf 50 Cm.
gehört wird. Auch die Knochenleitung differirt zu Ungunsten
der rechten.
Ohrenspiegelbefund: Meatus auditorius externus normal;
Trommelfellbefund ausser einer leichten Inversion des hinteren
Segments negativ.
3) Der Geruchsinn war auf der rechten Seite vollständig
erloschen. Essigsäure, Bretenfeldisches Wasser wurde rechter¬
seits nicht percipirt. Auch ist zu bemerken, dass Patient bei
Application der Essigsäure kein Niesen und kein stechendes
Gefühl verspürte. (Trigeminus-Anaesthesie.) Die linke Seite
erwies sich als gesund.
4) Der Geschmack ist tief geschädigt auf der ganzen
rechten Zungenhälfte. Die mit allen Cautelen angestellten Unter¬
suchungen ergaben: Zungenspitze gegen concentrirte Zucker¬
lösung, Zungenrand gegen Acid. tartaric. ebenso gegen concen-
trirte Kochsalzlösung vollständig anaesthetisch. Application von
concentrirter Chininlösung auf den Zungengrund, Gaumen, Rachen
rechterseits verursacht gar keine Empfindung. Die ganze rechte
Hälfte der Zunge zeigte sich auch complet anaesthetisch.
Die Sinnesorgane der linken Seite erwiesen sich also voll- j
ständig intact. Die Speichelsecretion zeigt sich nicht merklich
alterirt. Die ganze rechte Stirnhälfte, hauptsächlich der rechte
Arm, sind der Sitz äusserst lebhafter, excentrischer remittirender |
Schmerzen. Die Bewegungen sind auf der rechten Seite schwächer,
aber doch regelmässig und wohl coordinirt. Beim Gehen mit i
geschlossenen Augen keine Spur von atactischen Störungen. \
Werden beide Hände horizontal ausgestreckt, so zittert die
rechte bedeutend stärker und sinkt auch früher nieder. |
Es wurde die Diagnose auf eine Aorten-Insufficienz, auf i
Alcoholismus chronicus und auf eine Encephalo-Malacie in der |
Nähe der hinteren Ausstrahlung der inneren Kapsel gestellt. \
Wegen heftiger Herzpalpation wurde in der Folge Digitalis i
ordinirt. Unter dieser Ordination wurde die Dyspnoö und die |
irreguläre Herzaction entschieden gebessert. Am 26. November
ist notirt: Die Hemiparese fast geschwunden, Händedruck rech¬
terseits noch etwas schwächer als links — Gangart nicht mehr
paralytisch, die Hemianästbesie gleich intensiv fortbestehend. ,
— Euphorie. — 29. November heftigere Dyspnoe, Patient kann !
nur in sitzender Stellung verharren, sehr unregelmässige heftige
Herzaction. — Rückwärts unten über der rechten Lunge Schall I
gedämpft, leer. Gegen den unteren Schulterblattwinkel zu Per- |
cussionsschall leer, tympanitisch. Daselbst intensive, gross- und |
kleinblasige Rasselgeräusche und unbestimmtes Athmen, in den
untersten Partien kein Athmungsgeräusch. — Sputum copiös,
schwarz blutig gefärbt. — Allgemeine Anasarca geringen Grades.
— Temperatur 38, Puls 112. — 3. December. Die Dyspnoe hat
sich gesteigert, Sputum gleich blutig; vorne links in der Gegend
zwischen 3. und 4. Rippe eine circumscripte Stelle mit leerem,
tympanitischem Schalle. An dieser Stelle stechender Schmerz,
Temperatur 37, Puls 108. — 4. December: Intensive-Dyspnoe^
stertoröses Athmen, Cheyne-Stokes’sches Athmungsphänomen.
— Ueber der ganzen rechten Lunge Schall leer, tympanitisch. !
Temperatur 36, Puls 132, klein, debilis. — 5. December: Exitus j
letalis. !
(Schluss folgt.) ;
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Ul. Ueber Ctaplititin der Schwangerschaft ud Gebart
aut Blasenseheidenistel.
Von
Dr. Offenste! n,
Docent an der Universität Heidelberg.
In der Literatur finden sich relativ wenige Beobachtungen
über die Complication der Schwangerschaft und Geburt mit
Blasenscheidenfistel. In den gangbarsten Lehrbüchern ist diese
Complication gar nicht erwähnt. Soweit ich mich orientiren
konnte, wurde nur auf der Naturforscherversammlung zu Stettin
die Frage aufgeworfen, ob glückliche Geburten nach geheilten
Fisteln vorkämen, und von Simon bejaht.
Meiner Meinung nach sollten hierbei zwei Combinationen
unterschieden werden: einmal Geburten mit fortbestehender,
zweitens Geburten nach geheilter Fistel.
Die Behauptung, dass Blasenscheidenfisteln Unfruchtbar¬
keit veranlassen, ist nur für die Fälle ausnahmslos richtig, in
welchen ein vollkommener Muttermunds- oder Scheiden Verschluss
besteht; sei es dass nach der Operation der Hystero- resp. Col-
pocleisis keine Lücke in der Vereinigungslinie zurückgeblieben
ist, sei es dass bei fortbestehender Fistel sich oberhalb der¬
selben die Scheide durch Narbenretraction geschlossen hat.
Besteht eine Lücke in der queren Obliteration, so kann durch
die wenn auch noch so kleine Oeffnung hindurch Schwanger¬
schaft erfolgen. In der Regel wird die Schwangerschaft aber
vorzeitig unterbrochen. In einem von Deroubaix (Traite des
fistules, 1870, p. 127) beschriebenen Falle von Hysterocleisis
erfolgte Abort mit Eintritt der Frucht in die Blase; in einem
von Winckel (Berichte und Studien Bd. II, p. 129) mitgetheil-
ten Falle erfolgte die Geburt im 5. Monat; in dem von Lane
(Lancet 1864, p. 207) publicirten Falle wurde der Uterus von
der Scheide aus punctirt, da Retentio mensium vermuthet wurde,
und die Frucht vorzeitig ausgestossen. Wird die Vergrösserung
der Oeffnung den Wehen überlassen, oder die Trennung der
Vereinigungslinie nicht exact vorgenommen, so treten leicht
combinirte Läsionen auf. Ich erinnere mich eines von Simon
vorgestellten Falles von Blasen-Scheiden-Mastdarmfistel in Folge
unzweckmässiger Trennung der Vereinigungslinie während der
Geburt.
Unfruchtbarkeit kann Vorkommen in Folge der Verände¬
rungen, welche der Uterus und seine Adnexa durch das intensive
Geburtstrauma und die consecutiven Puerperalerkrankungen
erlitten haben, ferner in Folge von Scheidenstenosen oder einer
absichtlichen Aufgabe fernerer Cohabitationen. Sicherlich kommt
letzteres aus Besorgniss, die geheilte Fistel könnte bei einer
nachfolgenden Geburt von neuem aulbrechen, bei Frauen vor,
welche die Leiden des unwillkürlichen Urinabganges längere
Zeit durchgemacht und selbst nach geheilter Fistel eine Incon-
tinenz im Stehen und Gehen für’s Leben beibehalten haben.
Was den Schwangerschaftsverlauf bei fortbestehender
Fistel betrifft, so kommen ebenso wohl vorzeitige Unterbrechungen
durch Abort und Frühgeburt, wie normal verlaufende Schwanger¬
schaften vor. Fälle der ersteren Categorie citiren Michaelis
(Das enge Becken, Beobachtung LXX1V), Jobert de Lam-
balle (Traite des fistules, Paris 1852, p. 205), Schwartz
(Schuchardt’s Zeitschr. f. pract. Heilkunde 1867, p. 97),
Winckel (Pathologie und Therapie des Wochenbettes, 3. Aufl.,
p. 86), derselbe (Handbuch der Frauenkrankh. v. Billroth,
p. 153, ferner Berichte und Studien II. Bd., p. 79), Spiegel¬
berg (Archiv für Gynäkol. Bd. *X, p. 502) Verneuil (Annales
de Tocolog. 1877. Jan.) Die vorzeitige Unterbrechung ist wohl
zum Theil bedingt durch die Veränderungen, welche die Gebär¬
mutter und ihre Anhänge bei der vorausgegangenen Geburt
erfahren haben. Zum Theil müssen wir aber auch die psychische
Original fro-m
UMVERSITY OF MICHIGAN
20. Mai 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
289
Depression in Anspruch nehmen, welche auf die Functionen des
Uterus influirt. In dem von uns mitgetheilten Falle wenigstens,
ferner in verschiedenen Krankengeschichten anderer Autoren
findet sich nicht selten die Bemerkung, dass die Menses erst
mit dem Verschluss der Fistel wieder auftraten, resp. regel¬
mässig wurden. L’urine a donc une influence reelle sur les
fonctions uterines, sagt Jobert, . . . des que l’urine a commence
ä reprendre son cours normal, les regles se sont montrees avec
abondance et regularite. Für den Einfluss des abfliessenden
Urins fehlt uns jedes Analogon, während es bekannt ist, dass
Gemuthsbewegungen, welche bei derartigen Leiden vorherrschen,
Amenorrhoe, vorzeitige Contractionen und Alterationen der Wehen
erzeugen können.
Nahezu ebenso häufig wie Unterbrechungen, scheinen un¬
gestört verlaufende Schwangerschaften zu sein. Von Berg
(Casper’s Wochenschrift 1842, No. 14/15), Gross (Würtemb.
Correspbl. 1858, 31), Joseph Schmitt (Siebold’s Journal,
Bd. VII, p. 340), Simon (Mittheilungen aus d. Chirurg. Klinik,
Prag 1868, p. 129), De la Garde (Brit. med. Journal. 1868,
Jan. 25), Wachs (Monatsschrift für Geburtskunde XXX, p. 54),
Winckel (Handb. von Billroth, p. 156), Spiegelberg-
Hempel (Archiv f. Gynäkol. X, p. 521) werden einschlägige
Fälle citirt.
Neben der Fistel finden sich nicht selten auch andere Ver-
letzungeD, wie vernarbte Dammrisse. In der Regel trifft man
organische Veränderungen in der Scheide, welche neben der
vorhandenen Beckenenge auf den Geburtsverlauf influiren. Ge¬
hörten lebender Kinder kommen vor, durchschnittlich sogar
häufiger als bei den Entbindungen, in deren Folge Fisteln auf-
treten. Auch wiederholte Geburten kommen trotz bestehender
Fistel vor. Die folgenden Entbindungen können die Fistel ver-
grössern, in der Regel aber bleibt die Fistel in statu quo, neue
Fisteln entstehen nicht. Der Umstand, dass bestehende Fisteln
bei nachfolgenden Geburten in der Regel nicht weiter einreissen
und die Entbindungen durchschnittlich günstiger verlaufen, lässt
darauf sch Hessen, dass ein Behinderungsmoment fortgefallen ist.
Die Harnblase bietet kein Geburtshinderniss mehr. Verbinden
wir mit dieser Beobachtung den Umstand, dass einerseits bei
den mit Beckenenge combinirten, in der Regel langwierigen
Geburten die Harnblase nicht 3—4 stündlich entleert wird, zum
Theil auch nicht entleert werden kann, dass andererseits die
Harnblase, welche in Folge der veränderten Lage und Gestalt
des Uterus bei der Contraction weder nach hinten noch oben
ausweichen kann, sich nach der Scheide zu vordrängt, so müssen
wir die Harnblasenfüllung zu gewisser Zeit der Geburt als
ätiologisches Moment für die Entstehung der Fisteln annehmen.
Wir lenken die Aufmerksamkeit auf dieses Moment, das viel¬
leicht nur noch Spiegelberg (Verhandl. der gynäkol. Section
der Naturforscher-Vers, zu Breslau 1874) zur Beurtheilung der
Genese einer Fistel anspricht, weil es unwahrscheinlich ist, dass
bei leerer, nicht dislocirter Harnblase, welche sich beiläufig
ungefähr in der Mitte zwischen Orif. inter. und extern, uteri
befindet, eine Blasenscheidenfistel durch Einkeilung des Kinds¬
kopfes entstehen kann.
Beobachtungen, wie die von Winckel sen., dass Blasen¬
scheidenfistein bei nachfolgenden Geburten durch die Quetschung
spontan verheilt sind, stehen ganz vereinzelt da. Häufiger
kommt es vor, dass der unwillkürliche Harnabgang in den ersten
Tagen des neuen Wochenbettes sistirt, sich später aber wieder
einstellt.
Was die Mittheilungen über den Geburtshergang nach ge¬
lungener Vereinigung der Fistel betrifft, so sind sie, wie
auch Holst hervorhebt, nicht allein von dem grössten Interesse,
sondern auch von weittragender practischer Bedeutung. Zu
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der Combination der Geburt mit Beckenenge tritt als neuer
Factor die Fistel narbe, welche intact erhalten werden soll.
Im allgemeinen werden die aus der Beckenenge resultirenden
Indicationen durch die Combination mit der Fistelnarbe nicht
modificirt, wenn man insbesondere die grossen Vortheile der früh¬
zeitigen Wendung für die Mutter berücksichtigt. Natürlich kann,
bei der Mannigfaltigkeit der hier ein wirkenden Factoren, auch
die Zange und spontane Geburt günstige Resultate aufweisen.
Aus der mir zur Hand liegenden Literatur citire ich nur
acht Beobachtungen, welchen eine selbst erfahrene angereiht ist.
1 Die Fälle sind entweder wirklich so selten oder werden, was
wahrscheinlicher ist, nur dann publicirt, wenn sie glücklich
abgelaufen sind.
Simon (Ueber die Operation der Blasen-Scheidenfistel,
Rostock 1862, p. 5 und 16). Nach Heilung der oberflächlichen
I Blasen-Gebärmutter-Fistel bei der 2. Geburt, nach l 1 /* Jahren
Zangengeburt. Kind todt. Fistelnarbe erhalten.
Nach Heilung der Blasen-Scheidenfistel bei der 2. Geburt
(36 Stunden nach Abfluss des Fruchtwassers) Zangengeburt.
Kind todt. Neue Fistel.
Simon (Mittheilungen aus der chirurgischen Klinik, Prag
1868, p. 129 und 136). Bei der ersten Geburt Fünfgroschen¬
stück grosse Fistel im linken und vorderen Vaginalgewölbe;
ein Theil der Fistel wird durch die vordere Muttermundslippe
gebildet. Vollständige Heilung. Nach 1 */ s Jahren glückliche
Geburt mit lebendem Kinde. Narbe erhalten.
Blasenscheiden- und Harnröhrenscheidenfistel. Atresie der
Harnröhre. Heilung. Nach einem Jahre Geburt eines lebenden
Kindes ohne Läsion der Narbe.
Holst (Beiträge zur Gynäk. und Gebk., II. Hft. p. 132).
Nach Heilung der Blasenscheidenfistel bei der 2. Geburt künst¬
liche Frühgeburt in der 33. Woche. Kind todt. Endometri-
' tische Processe. Fistel erhalten. Die Geburt war erleichtert
durch Steisslage und Tod der Frucht. (Den Fall citirt auch
Simon, Mittheilungen p. 133 und 183.)
Nach Heilung der Blasenscheidenfistel spontane Geburt.
Kind lebt. Fistel intact. Das Becken war normal.
Duclout (Gaz. med. 1869. No. 4 u 5).
Ist nach erfolgter Heilung zweimal mit der Zange entbun¬
den worden, ohne dass sich die Narbe wieder öffnete.
Spiegelberg-Hempel (Archiv für Gynäkol. X. p. 503).
Bei der 7. Geburt Incontinenz, enormer Defect im Scheiden-
Grunde. Nahezu vollständige Vereinigung. Bei der 9. Früh¬
geburt am Ende des sechsten Monats, Wendung und Extraction.
Tod durch traumatische Peritonitis.
Ueber den von uns beobachteten Fall ist folgendes mit-
^utheilen.
j Prophylactisch kam im Januar d. J. Frau V. aus Russland
| in die chirurgische Klinik des Herrn Hofrath Czerny, um sich
j einer plastischen Operation zu unterziehen, falls bei ihrer be¬
vorstehenden Entbindung eine neue Blasenscheidenfistel entstehen
■ sollte. Die Wahrscheinlichkeit einer neuen Fistel wurde von
j den Aerzten in der Heimat prognosticirt.
Patientin, 27 \ 2 Jahr alt, als Kind gesund, mit 16 Jahren
! verheirathet, mit dem 18. zum ersten Mal menstruirt, wurde im
| 22. Lebensjahre schwanger. Die Geburt trat zur normalen Zeit
| ein, dauerte über 24 Stunden und wurde erst durch dreistündige
| schwere Zangenextraction beendet. Der Kopf des kräftig ent-
; wickelten Knaben soll stellenweise durchquetscht gewesen sein,
j Sofort nach der Entbindung trat unwillkürlicher Urinabfluss ein.
i Die fünf Wochen später ausgeführte quere Obliteration der Scheide
verhinderte den Urinabgang weder im Liegen, noch im Stehen
der Patientin. Während des Scheidenverschlusses, ungefähr
' a / 4 Jahr, sistirten die Menses vollständig. Von Simon wurde
Original from
UNIVERSUM OF MICHIGAN
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No 20
230
die Obliteration wieder getrennt, um die Fistel selbst zu ver-
schliessen. Diese, ein 1 4 Otm. breiter und 2 Ctm. langer Quer¬
spalt, befand sich nach Simon s Schilderung (Wiener med.
Wochenschrift, 1876, No. 27. p. 677. Fall 3 des Concurs) im
oberen Drittheil der Harnröhre, ca. 2 Ctm. vom Orific. uretr.
entfeint in einem tiefen Graben der Harnröhren- und Blasen¬
scheidenwand. welche gegen den Arcus pubis eingezogen uud
sehr fest mit demselben verwachsen war. Die Fistelränder
waren sehr verdünnt, die Scheide ringförmig narbig stenosirt.
Ein zweites Fistelchen befand sich in der Nähe der vorderen
M uttermundslippe.
Nach Heilung der Fisteln kehrten die Menses vierwöchentlich
regelmässig wieder. Bei der Kürze der Harnröhre war nur im
Liegen \ollständige Continenz erzielt worden, im Gehen und
Stehen muss der Urin halbstündlich entleert werden. Bei jeder
stärkeren Anstrengung der Bauchpress# erfolgt unwillkürlicher
Harnabfluss. — Eine zweite Schwangerschaft wurde durch spon¬
tanen Abort unterbrochen; diesem folgten Metrorrhagien von
16 wöchentlicher Dauer. Die dritte Schwangerschaft begann um
Pfingsten 1877; in den ersten Monaten keine, in den späteren
Blasenbeschwerden, unwillkürlicher Urinabgang in jeder Position.
Psychische Depression, Besorguiss über den Ausgang der Geburt.
Bei der Untersuchung fanden wir massigen Hängebauch,
den Uterus schlaff und in die Breite stark ausgedehnt, den Fun¬
dus eine Handbreit über dem Nabel, Schieflage der Frucht,
Kopf am rechten Darmbein, kräftig entwickeltes, lebendes Kind,
reichliches Fruchtwasser. In der vorderen Vaginal wand, an der
Uebergangsstelle der Harnröhre in die Blasenscheidenwand, ist
die qi erverlaufende Narbe fühlbar, welche an der Lockerung
der Scheidenschleimhaut nicht participirt. Die Scheide ist sonst
gleichmässig weit, in ihren Seitentheilen fühlt man breite nar¬
bige Streifen; der untere Abschnitt des Cervicalcanals offen, kein
vorliegender Theil. Das Becken ist mässig gerade verengt:
Spinae 26, Cristae 29, Trochant. 29,50, Coniugata extern. 19,25,
Coniug. vera 9,75.
Liest man die Krankengeschichten der mit Blasenscheiden¬
fisteln afficirten genauer durch, so fällt es auf, dass bei ihnen
die erste Menstruation sehr häufig verspätet eingetreten ist.
Ich erkläre mir den Zusammenhang so, dass Rhachitis den Ein¬
tritt der ersten Menses verzögert, und dass andererseits be¬
sonders das rhachitisch gerade verengte Becken zur Fistelbildung
disponirt. Den Einfluss der Rhachitis auf den Eintritt der ersten
Menstruation habe ich schon früher (Archiv für Gynäkol., Bd. IV,
pag. 504) hervorgehoben.
Von den Entbindungsverfahren, welche bei unserer Patientin
in Frage kommen konnten, schlossen wir die künstliche Früh¬
geburt aus. Einerseits war die Schwangerschaft schon zu weit
vorgeschritten; zum normalen Ende fehlten nur noch 14 Tage
bis 3 Wochen, in welchen der quere Durchmesser des Kinds¬
kopfes sich kaum noch vergrössert. Andererseits war bei der
Schlaffheit der Gebärmutter, bei der iu Folge des Hängebauchs
mangelhaften Unterstützung der Bauchpresse und voraussichtlich
also insufficienten Wehenthätigkeit eine wesentliche Geburts¬
verzögerung zu erwarten. Die künstliche Frühgeburt hat nur
dann einen günstigen Ausgang, wenn die Wehen allein das
Kind in guter Stellung zur Welt fördern (Michaelis). Die
Rectification der Schief- in eine Schädellage, um die Geburt
sich selbst zu überlassen, oder mittelst der Zange frühzeitig
zu beenden, erschien im Interesse der Erhaltung der Narbe nicht
rathsam. Bei der Grösse und Härte des Kindskopfes musste
— ein Moment, auf das auch Jobert hin weist — ein tieferes
Herabdrängen des unteren Uterinabschnitts durch den Kopf über¬
haupt vermieden werden. Da der Schädel nicht besonders com-
pressionsfähig erschien, auch eine Unterstützung der Austreibung
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Gck igle
i durch die Contractionen nicht zu erwarten stand, wäre durch
: die Zangenapplication bei hochstehendem Kopfe die Geburt nicht
abgekürzt worden. Um übrigens bei dem reichlichen Frucht¬
wasser uud in dem schlaffen Uterus eine Geradlage der Frucht
zu erhalten, wäre der vorzeitige Blasensprung nothw T endig ge-
i wesen, welcher in der Aetiologie der qu. Läsionen bekanntlich
eine wesentliche Rolle spielt. Bei Tiefstand des Kopfes wäre
! die Zange aber eine Hilfsv er Zögerung gewesen, da bei diesem
Stande des Kopfes unter den gegebenen Verhältnissen ein
Geburtsdruck schon eingewirkt haben muss, welchem eine Narbe
weniger Widerstand leistet, als intacte Gewebe. Schliesslich
sprachen gegen die Zangenanwendung die Schwierigkeiten und
i Läsionen bei der ersten Geburt; wenigstens war aus dem tiefen
j Sitz der Fistel der Schluss gestattet, dass die Fistel durch
j Instrumentalhilfe erzeugt sei.
I Für die Wendung auf den Fuss mit event. Extraction sprach
| die Erfahrung, dass der nachfolgende Kopf leichter als der vor-
j angehende das gerade verengte Becken passirt, dass ein be-
i schräukter kräftiger Druck die Weichtheile weniger afficirt. als
| ein lang anhaltender, wenngleich minder intensiver. Auch von
j einer wirklichen Hilfsverzögerung, falls nur für möglichst lange
! Erhaltung der Fruchtblase gesorgt wird, kann hier nicht in dem
! Grade wie bei der Zange die Rede sein. Dazu kommt, dass
nach Bouque’s Zusammenstellung bei der Wendung und Ex¬
traction wesentlich seltener, als bei spontanen Geburten und
Zangenapplicationen Fisteln Vorkommen. Wenn sie häufiger
entstehen (s. d. Beobachtungen Lallemand’s), dann trägt die
Schuld die unzweckmässige und gewaltsame Durchleitung des
nachfolgenden Kopfes.
Von vornherein nicht empfehlenswerth, im weiteren Geburts¬
verlauf aber immerhin anwendbar erschien die Proposition der
Perforation, welche darauf basirt, dass bei Geburten, nach denen
Fisteln auftreten, nahezu alle Kinder todt geboren werden.
Die Geburt erfolgte 14 Tage später, als nach dem Termin
der letzten Menstruation angenommen war. Bekanntlich steht
die Feststellung des Partus serotinus noch auf sehr schwachen
Füssen: die Angaben der Schwangeren sind nicht immer zuver¬
lässig und die starke Entwicklung der Frucht kein positives
Criterium. Die Ursachen der Spätgeburt sind unbekannt. Die
Verlängerung der Schwangerschaft bei Complication mit Carci¬
noma colli uteri erkläre ich mir so, dass die am normalen
Schwangerschaftsende eingetretenen Wehen zu schwach waren,
das durch den krebsigen Mutterhals gegebene Hinderniss zu
überwinden. Bei der Leibesausdehnung unserer Patientin wäre
' eher ein frühzeitiger Geburtseintritt zu erwarten gewesen. Die
Contractionskraft der Gebärmutter war aber in Folge der vor¬
ausgegangenen Entbindungen erschöpft; die Erschlaffung war
überdies mit ungünstiger Form des Uterus combinirt. Dazu
kam die Furcht vor dem Ausgang der Geburt, welche die Pa-
[ tientin veranlasste, den Anstrengungen der Natur zu wider-
i streben, so weit das, wie Michaelis sagt, in ihrer Macht steht.
Ich meine also, dass bei vorhandener substantieller Veränderung
der Gebärmutter, die Gemüthsstimmung auf die Wehenthätigkeit
nachtheilig influirt und den Geburtseintritt verzögern kann.
! Die Geburtswehen traten so schwach auf, dass erst nach
20ständiger Einwirkung der Muttermund zur Wendung genügend
geöffnet war. An diese schloss sich, bei der andauernden
Wehenschwäche, die manuelle Extraction an. Der sehr kräf¬
tige Knabe mit ganz unnachgiebigen Schädelknochen wurde
asphyctisch geboren. Nach vierstündigen Wiederbelebungs¬
versuchen — Lufteinblasen mit jdem elastischen Catheter, in-
ducirter Strom, subcutane Injection von Moschustinctur und
Aether — welche die Athemzüge auf zwölf in der Minute
brachten, erlosch plötzlich die Herzthätigkeit. Die am ersten
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
20. Mai 1S78.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
291
Wochenbettstage besonders stark hervortretende Gebärmutter-
atonie erforderte Injectionen von heissem (40° R.) Wasser in
Uterus und Scheide. Ich kann diese Einspritzungen, welche ich
mit günstigem Erfolg wiederholt angewendet habe, warm em¬
pfehlen. Für den vollkommenen Abfluss aus dem Uterus sorgt
man durch Kneten des Fundus von den Bauchdecken aus.
Die Fistelnarbe ist vollkommen intact. Patientin hält den
Urin im Liegen 5—6 Stunden an. Die Incontinenz im Stehen
und bei Anstrengung der Bauchpresse ist durch den Geburts¬
und Wochenbettsverlauf weder gebessert noch verschlimmert
worden. Herr Hofrath Czerny, dem ich für Ueberlassung des
Geburtsfalles meinen verbindlichsten Dank ausspreche, legte
; fällen constatirt — an heftigen, der Cholera sehr ähnlichen Symptomen, zu
! welchen nach einigen Tagen auch pustulöse Entzündungen der Haut traten.
Als Ursache der Erkrankungen ergab sich der Genuss von meistentheils
| rohem und mehr weniger verdorbenem Fleisch von einer Kuh, die schwer,
i aber unter nicht genügend festgestellten Symptomen erkrankt und ge-
! schlachtet worden war. Bei drei von Huber angestellten Sectionen
fanden sich auf der Schleimhaut des ganzen Digestionscarais neben
Sehwellunng und Hämorrhagien eigenthümliche furunkelartige Infiltrate
von etwa Linsen- bis Bohnengrösse mit gleichzeitiger Schwellung der
Lymphdrüsen des Bauches und der Milz, im ganzen diejenigen Verän¬
derungen. welche bereits wiederholt (vgl. u. a. die Arbeit von Frankel
und Orth in dieser Wochenschrift — 1874, No. 22 und 23) als für die
intestinale Milzbrand in fection charact eristisch beschrieben worden sind.
Ausserdem ergaben microscopische Blutuntersuchungen die characteristi¬
schen Milzbrandbacterien (Davaine-Koch), so dass an der Natur der
| Erkrankungen als Milzbrandaffection nicht gezweifelt werden kann.
der Patientin ein sog. Schatz’sches Trichter-Pessarium an.
Bei der langen und gelehrten Abhandluug von Schatz sieht
man den Wald vor Bäumen nicht. Eine möglichst kurze und
präcise Schilderung, dass der Stiel des Pessarium im Scheiden¬
eingang. die Basis dicht an der Schamfuge liegen und auf der
hinteren Vaginalwand sich aufstützen soll, ist zur Verallge¬
meinerung derartiger Hilfsmittel gewiss angethan. Das Instru¬
ment besserte den Zustand, ohne die C-ontinenz ganz herzu¬
stellen.
Es ist nicht wahrscheinlich, dass Patientin noch ein lebendes
Kind gebären wird. Die Prognose für das Kind bei Geburten
mit Fistelnarben hängt von der Anstrengung ab, welche der
Uterus bei den vorausgegangen^n Geburten entwickeln musste.
Hat die Anstrengung, wie in unserem und in einigen der mit-
getheilten Fälle, eine nahezu unheilbare Wehenscliwäche herbei¬
geführt, auf welche wir auch den Abort, die langwierigen Blu¬
tungen und die Atonie des Uterus zurückführen, dann sind, je
häufiger Geburten folgen, die Bemühungen der Kunst zur Rettung
des Kindes noch immer vereitelt worden.
IV. Referate.
Zur Ernährung der fleischessenden Pflanzen.
In einem früheren Jahrgange (1875. No. 1) haben wir über die Be¬
obachtungen und Untersuchungen von Charles Darwin, Hooker und
Ferd. Cohn über „fleischessende Pflanzen“ ausführlich berichtet. In
letzter Zeit hat Francis Darwin (Nature Vol. XVIf, No. 429, Natur¬
forscher No. 16, 1878) die noch nicht exact entschiedene Frage zu lösen
gesucht., ob diese Pflanzen wirklich Vortheil. aus der Fleischnahrung
ziehen. Es wurden etwa 200 Pflanzen von Drosera rotundifolia in mit
Moos gefüllte Suppenteller umgepflanzt und in derselben weiter culti-
virt. .Jeder Teller war durch eine niedrige Scheidewand in zwei Hälften
gelheilt; die eine Seite sollte mit Fleischnahrung versorgt, die andere
ausgehungert werden. Jedes Blatt der ersteren wurde, nachdem die
Teller unter Gazeglocken gestellt, waren, mit einem oder zwei kleinen
Stückchen Braten versehen. Diese Fütterung wurde in der Zeit vom
12 Juni bis Anfang September alle paar Tage wiederholt. Die günstigen
Resultate dieser Ernährung zeigten sich sehr bald an einem helleren
Grün der Blätter, in einem gedeihlichen Aussehen und in den zahl¬
reichen, hohen stämmigen Blüthenstengeln. Das Endergelmiss der Cultur,
welche bis zur Reife der Samen fortgeführt wurde, stellte sich nun bei
der anatomischen Untersuchung der Pflanzen, der Wägung, Zählung
und Messung ihrer einzelnen Theile ganz erstaunlich günstiger für die
mit Fleisch genährten Pflanzen. Ganz besonders zeigte sich der er¬
haltene Vortheil in dem Samen und Blüthenstengeln und zwar in dem
Gewichte dieser Organe. Setzt man die Höhe der Blüthenstengel der
nicht mit Fleisch genährten Pflanzen = 100, so betrug diejenige der
anderen 159,9, die Gewichte aber verhielten sich wie 100 : 231,9. Die Zahl
der Samenkapseln verhielt sich bei den ausgehungerten zu den mit
Fleisch genährten wie 100:194,4; die Zahl der Samen pro Kapsel wie
100:122,7; das mittlere Gewicht der Samen wie 100:157,7; die Ge-
sammtzahl der Samen wie 100:241,5, das Gesammtgewicht der Samen
aber wie 100:379,7. Die so auffallend ausgesprochene Gewichtszunahme
von Stengeln und Samen spricht am deutlichsten für die durch die
Fleischnahrung gesteigerte Assimilation. Durch diese Beobachtungen ist
der Beweis dafür, dass die fleischessenden Pflanzen ihre Nahrung zu
ihrem besseren Gedeihen verwenden, thatsächlich geführt.
Die Massenerkranknng in Wurzen im Juli 1877.
Eine grosse bemerkenswerthe Epidemie intestinaler (Milzbrand) Mycose
beschreiben Butter und Huber (Archiv der Heilkunde 1878, Heft 1).
In Wurzen erkrankte Mitte Juli 1877 innerhalb weniger Tage eine grosse
Reihe von Personen — es wurden im ganzen 206 Fälle mit 6 Todes-
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Gestickte Buchstaben zur Diagnose der Farbenblindheit.
Statt der für die Untersuchung auf Farbenblindheit allgemein an¬
gewandten StillingV-hen Tafeln, die zu grosse Anforderungen an die
Auffassungsschärfe vieler Personen stellen, deshalb für Massenunter-
suclmngen schwer verwendbar sind, auch zum Theil sehr ungewöhnliche
Farbentöne enthalten und nicht ganz von Glanz frei sind, empfiehlt
Hermann Cohn (Centralblatt für practische Augenheilkunie, April 1878)
mit Beibehaltung des StiHing’.sehen Princips und unter gleichzeitiger
Anwendung der von Holmgreen angewandten Methode, farbige Buch¬
staben auf farbigen Canevas zu sticken und diese als Sehprobe zu be¬
nutzen. Cohn lässt blassgrüne, blassblaue, blassgelbe und blassgraue
Buchsaben in rosa Grund oder umgekehrt mit gleich beschaffner Wolle
sticken; für die Stücke Canevas genügt, eine Grösse von 4 Cm., für die
Buchstaben 2 Cm. Die Buchstaben dürfen nicht prominent sein.
V. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Berliner ■edicinhehe Gesellschaft.
Sitzung vom 6. Februar 1878.
Vorsitzender: Herr v. Langen!)eck.
Schriftführer: Herr Senator und Herr B. Frankel.
Das Protocoll der letzten Sitzung wird verlesen und genehmigt.
Eingegangen 1) von Herrn Henoch: Aus der Kinderklinik S. A.
aus den Charite-Annalen 1877; 2) von Herrn Haus bürg: Die Ver¬
fälschung der Nahrungsmittel und das Reiehsstrafgesetzburh. Berlin 1877.
Tagesordnung: 1) Discussion ii berden Vortrag des Herrn
S e h ö 1 e r: U e b e r E n u c 1 e a t i o b u 1 b i.
Herr Hirschberg: M. H.! Herr College Schüler hat uns in
seinem Vortrage neue therapeutische Versuche mitgetheilt, welche die
Durchschneidung der Ciliarnerven sowie des Sehnerven von erblindeten
Menschenaugen als Ersatz der Enucleation einführen sollen. Herr College
Schöler sagte, dass er dabei nicht ohne Vorgänger gewesen, indem
Stiel len einmal die Ciliarnerven und Grün in g einmal, bei Gelegenheit
der Exstirpation eines Sehnerventumors mit Erhaltung des Augapfels,
den Sehnerven durchschnitten habe. ' «•*
Dieser Art der historischen Darstellung kann ich Wstimmen. Al-
brecht von Gräfe war es, von dem die Angabe und Ausführung der
beiden Verfahrungsweiscn herrührt, die er im Schoosse unserer
Gesellschaft besprochen, durch Krankenvorstellungen erläutert
und an sehr leicht zugänglichen Orten veröffentlicht hat. So heisst es
im XII. Bande seines Archivs (II. Abth. p. 154) aus dem Jahre 1866,
in seiner berühmten Arbeit über die sympathische Ophthalmie: „An¬
gesichts der Ucberzmigung, dass die sympathische Ophthalmie durch
Vermittelung der Ciliarnerven entsteht, könnte man wohl auf den Ge¬
danken kommen, der Enucl. bulbi die Durchschneidung der Ciliarnerven
zu substituiren. Eine Durchschneidung sämmtlicher Ciliarnerven extra
scleram hätte wohl wegen der ausgiebigen, hierzu erforderlichen Um¬
schälung und besonders wegen der gleichzeitigen Durchtrennung der
Gefdsse ihr Bedenken. Dagegen kann die genaue Bestimmung der Tast¬
empfindlichkeit einen beschränkteren und leichter ausführbaren Plan
erwecken. Wo sich diese Empfindlichkeit, wie häufig, nur in einem
kleinen Terrain, z. B. nach oben, herausstellt, könnte man nach Lüftung
der Conj. in dieser Richtung Vordringen. Noch besser wäre es vielleicht,
die Durchschneidung intraoeulär zu machen, indem man ein feines Neu-
rotom in den desorganisirten Bulbus ein führt und von dessen Cavum
aus gegen die innere Scleralwand senkrecht gegen den Nervenverlauf
etwas hinter dem flachen Theil des Ciliarkörpers operirt. Das Ver¬
schwinden der früher constatirten Empfindlichkeit bei der Betastung
gäbe den Massstab für den Effect. Der Versuch, den ich noch nicht
angestellt, dürfte, wenn er gelänge, auch für die Lehre selbst von Werth
sein.“ v. Gräfe hat später den Versuch ausgeführt, jedoch bald wieder
verlassen, da er die Enucleation für sicherer hielt. Mit Eifer aber nahm
sich sein Schüler Ed. Meyer zu Paris der Sache an. Mein Freund
Ed. Meyer ist der erste gewesen, welcher im Mai 1866 die Operation
wirklich ausführte. Er hat schon im Jahre 1867 in den Annales d’Ocu-
listique eine Arbeit veröffentlicht über sympathische Ophthalmie und
ihre Behandlung mittelst der Durchschneidung der Ciliarnerven, ferner
in dem Pariser Ophthalmologencongress von 1867, in Zehender’s Mo¬
natsblatt vom Jahre 1868 und in den Annales d’Oculist. von 1869 darüber
Original from
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Y
,♦* * *
292
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 20
"berichtet. Er schildert in seinem ausgezeichneten Traite des operations
qui se pratiquent sur l’oeil ausführlich die Indicationen. sowie die Tech¬
nik und citirt die Arbeiten von Secondi in Genua (Giornal. d’oft. ital.
1868 und Annales d’Ücul. 1868) und von Lawrence in London (Lancet
1868, 14. Nov.), welche ihm nach folgten. Meyer hat 22 Operationen
dieser Art ausgeführt und in seinem Handbuch der Augenheilkunde,
welches in Frankreich wie in Deutschland bei Studirenden und Aerzten
in gutem Ansehen steht, ganz präcise Angaben darüber mitgetlieilt.
(Traite des maladies des yeux 1873 p. 173. Deutsche Ausgabe von
Block, Berlin 1S75 bei H. Peters, p. 173):
„Ich habe statt der Enucleation die Durchschneidung' der Ciliarnerven
nicht allein gegen die schon ausgesprochene sympathische Neurose,
sondern auch in allen Fällen angewendei, wo man eine sympathische
Affection zu fürchten hat. Wenn sich Druckeinpfindliohkeit in der Ciliar¬
gegend eonstat iren lässt, rat he ich, noch ehe sich ein Symptom sym¬
pathischer Erkrankung zeigt, die Durchschneidung vorzunehmen. Ich
habe die Durchsohneidung auch bei heftiger. Ciliarsehmerzen in Folge
nicht traumatischer Iridochoroiditis, die zum vollständigen Verluste des
Sehvermögens geführt hatten, ausgeführt und gute Erfolge davon gesehen.
Ed. Meyer hat den zweiten Plan v. Gräfe’s, die intraoeuläre
Durehschneidung der Ciliarnerven, verfolgt: den ersten Plan der extraoeu-
laren Trennung hat Prof. Sn eilen realisirt in einem Fall, wo dieser
Eingriff recht passend schien (Arch. f. 0. XIX): wo eine traumatische
Narbenbildung an der Aussen fläche eines durch Sehnervendurchtrennung
blinden, aber sonst keineswegs desorganisirten Augapfels eine unerträg¬
liche Ciliarneuralgib unterhielt. inellen hat sein Verfahren keineswegs
zu verallgemeineren beabsichtigt.
Ich komme zur Durchscheidung des Sehnerven.
Am 19. Juli 1867 hat Al brecht v. Gräfe uus einen Kranken,
den ich vor und nach der Operation wiederholt zu beobachten Gelegen¬
heit hatte, in unserer Gesellschaft vorgestellt* wie vielen Mitgliedern
erinnerlich sein wird, und einen Vortrag über Durchschneidung des
Sehnerven daran geschlossen.
Es heisst in unseren Verhandlungen: „Die Durchschneidung des
Opticus habe ich früher statt der Enucleaticn empfohlen, da wo sympa¬
thische Ophthalmie drohte. Es war zu einer Zeit, wo man sich dazu
neigte, die Sehnerven als Leiter der sympathischen Affection zu betrach¬
ten. Jetzt, wo man diese Rolle den Ciliarnerven überträgt, und zwar
mit guten Gründen, ist auch jener Empfehlung der Boden entzogen,
und es könnte sich, wenn man die Enucl. umgehen will, nur um Durch-
schncidung der Ciliarnerven handeln. Sämmtliche Ciliarnerven mit Er¬
haltung des Bulbus zu durchschneiden, wird füglich unthunlich sein,
dagegen kann ein Theil derselben, für dessen Auswahl die Schmerz¬
empfindung des erblindeten Auges eine Richtschnur giebt, sowohl extra
scleram als auch intra scleram durchschnitten werden. Die Umstände,
wegen deren ich Ihnen heute die Durehschneidung des Opticus empfehle,
sind ganz anderer Art. Es kommen zuweilen an erblindeten Augen so
quälende Licht- und Farben-Empfindungen vor, dass wir einzuschreiten
Grund haben, und musste ich mich derentwegen mehrmals zur Enuclea¬
tion des Bulbus anschicken.
„Die Operation der Sehnervendurcbschneidung selbst unterliegt keinen
Schwierigkeiten. Man zieht das erblindete, in der Regel phthisische
Auge mit einer Fixirpincette in der Richtung der Sehnervenaxe aus der
Augenhöhle straff hervor, führt dann ein geeignetes Neurotom hart an
der äusseren Orbitalwand gegen den Grund der Orbita und durchschneidet
den Strang der Sehnerven, welcher sich sehr gut dem Messer präsentirt,
wenige Linien vor dem foramen opt. Die einzigen Folgen, soviel ich
bisher urtheilen kann, scheinen ziemlich ausgedehnte Ecchymosirungen
der Orbita und der Lider zu sein, die sich indessen unter dem Druck¬
verband rasch zurück bilden. Die peinlichen Lichterscheinungen sind
danach sofort aufgehoben.“
Die Mittheilungen v. Gräfe’s sind nach meiner Ansicht denen des
Herrn Collegen Schöler der Zeit, der Technik und der Ind>cations-
stellung nach überlegen.
Die v. Gräfe’sche Methode der Sehnervendurchschneidung habe
ich mehrmals, wenn auch bisher nur als Voract der Enuleation eines mit
malignem Tumor behafteten Augapfels, ausgeführt und halte sie für die
einfachste. Das Verfahren, nach welchem Herr College Schöler operirt
hat, mit Ablösung eines graden Augenmuskels, ist von Dr. Landesberg
im XV. Band des Archivs für Ophthalmologie im Jahre 1869 veröffentlicht.
Dr. Landesberg übte die Vorsicht, den abgelösten Muskel nach Durch¬
schneidung des Sehneiven wieder an seine Insertion zu heften, um Beweg-
lichkeitsdefecte zu vermeiden. Endlich ist die Durehschneidung des
Sehnerven, bei Gelegenheit der Exstirpation eines Sehnerventuraors mit
Erhaltung des Augapfels, bisher nicht ein Mal, sondern drei Mal aus¬
geführt worden, von Knapp, Grüning und Mauthner.
Soviel über das historische. Ich wende mich jetzt zu dem mate¬
riellen des Vortrages, wobei ich mit Rücksicht auf die schon angeführten
Aeusserungen v. Gräfe’s ziemlich kurz sein kann.
Herr College Schöler gab uns einen negativen Theil, Tadel gegen
die Enucleation, und einen positiven, Empfehlung der substitutiven Nerven¬
durchschneidung. Der Tadel gegen die Enucleation scheint mir nicht
ganz gerechtfertigt. Die ausgiebige, sichere und rasche Ausführung der
Enucleation gehört nach meiner Ansicht zu den wesentlichen Errungen¬
schaften der modernen Ophthalmochirurgie, da die Operation Leben und
Sehkraft conservirt. Ich habe die Enucleatio bulbi etwa 150 Mal bisher
ausgeführt und niemals bei der Ausführung oder Heilung einen unlieb¬
samen Zufall wahrgenommen. Ich habe auch bei der Einsetzung eines
j künstlichen Auges keine erheblichen Schwierigkeiten beobachtet, mochte
es sich nun um die Entfernung staphylornatöser Bulbi oder um kind-
I liehe Individuen handeln. Bei einem Mädchen von 13 Wochen musste
, ich wegen angeborenen Markschwamms der Netzhaut einen Augapfel
; enucleiren und habe das Kind nahezu 3 Jahre beobachtet, bis die Litern
Berlin verlivsscn. Ich raodcllirte natürlich immer der Orbitalöffnuny
! entsprechende Bleiplatten, liess danach silberne unfertigen, diese tragen
und stieg regelmässig mit der Grösse des Ersatzstückes. Drei- bis vier¬
jährige Kinder können schon dahin gebracht werden, ihr künstliches
Auge mit .Stolz und Verstandniss zu tragen. Ich benutze die Gelegen¬
heit. um Ihnen einen jungen Mann zu demonslriren. der sieh heute vor
8 Tagen mir verstellst mit angeborenem Anophthalmus sinister. Obwohl
hier nichts geschehen, beträgt die verticale Verkürzung der OrbitalölTmin^
nur 5 Mm., die horizontale 3 Min., die horizontale Verkürzung dei Lid¬
spalte allerdings 10 Mm.
ln der Ausführung und den Folgen der Enucleation kann ich keinen
Hinderungsgrund erblicken, falls eben die Operation wirklich indicirt ist,
und dies ist sie, nach allgemeiner Ansicht, bei intraoculären Neubildungen
bösartigen Characier.s, ferner nach der Ansicht der meisten Fachgenossen
bei ausgebrochener ode»* drohender sympathischer Entzündung des zweiten
Auges oder bei unerträglicher Schmerzhaftigkeit des erst afficinen. nament¬
lich wenn dasselbe durch einen eingedrungenen Fremdkörper völlig entartet
ist. Natürlich, das Gebiet der präventiven Enucleation kann nicht absolut
scharf abgegrenzt werden. Der eine kann hier zu viel, der andere zu wenig
thun. Das letztere ist nach meiner Meinung schlimmer als das ersteie.
in sofern es sich um die absolut sichere Entfernung eines absolut nutz¬
losen, vielleicht gefährlichen Augapfelstumpfes handelt. Die echte sym¬
pathische Iridocyclitis ist eine ebenso fürchterliche, wie zum Glück seltene
Erkrankung. Ich habe dieselbe in 7 Jahren bei 22500 neuen Krankheits¬
fällen 20 Mal, d. h. in 0.9", on der Fälle beobachtet. Unter 100 von
mir verrichtete Enucleationen des Augapfels, über welche mein Assistent
Dr. Pu fah l eine Statistik veröffentlicht hat, habe ich 6 Mal wegen aus-
gebrochener sympathischer Ophthalmie und 65 Mal zur Verhütung einer
sympathischen Entzündung enucleirt und bei dieser Praxis und dem
Vermeiden jeder anderen eingreifenden, namentlich intraocularen Operation
an amaurotischen desorganisirten Augäpfeln das erfreuliche Resultat
erlebt, dass binnen 6 Jahren in dem unter meiner Behandlung stehenden
Krankenmaterial nur ein einziges Mal unter meinen Augen eine sym¬
pathische Entzündung ausgebrochen ist. die übrigens eine leidliche Pro¬
gnose zulässt. Die anderen Fälle kamen erst nach Beginn der sympa¬
thischen Entzündung in Behandlung. Ich kann hier nicht auf die Indi¬
cationen der präventiven Enucleation cingehen; aber blosse Verkleinerung
oder Vergrösserung des Augapfels, die Herr College Schöler als Motiv
der Nervendurchschneidung hingestellt hat, indicirt überhaupt an sich
noch keinen Eingriff, auch nicht die Nervendurchschneidung. Treten
jedoch wirklich gefahrdrohende Symptome auf, so scheint mir die
Enucleation des erstafficirten blinden Augapfels sicherer zu sein, als die
Neurotomie, wie ich bereite im ersten Heft meiner Beiträge zur pract.
Augenheilkunde hervorgeboben. Die Neurotomie scheint mir nur in
einzelnen Fällen indicirt zu sein. Auch v. Wecker giebt an (Handb.
d. Augenheilk. v. A. Gräfe und Th. Sämisch, IV.. p. 5*27). dass die
Durehschneidung der Ciliarnerven keine volle Sicherheit für die perma¬
nente Unterdrückung des Reizes gewährt. Es ist ja bekannt, dass sen¬
sible Nerven, wenn durchschnitten, indess zusammenheilen, resp. in die
Peripherie auswachsen. Schliesslich will ich noch hervorheben, dass die
von Herrn Collegen Schöler empfohlene Verkleinerung eines patholo¬
gisch vergrösserten Augapfels mittelst der Pravaz’schen Spritze mir
ziemlich unsicher zu sein scheint, sowohl nach den Versuchen, welche
vor etwa 10 Jahren Albrecht v. Gräfe darüber in der Chariteabtheilung
angestellt, als auch nach physiologischen Erwägungen. Ein durch ein¬
gepresste Flüssigkeit vergrösserter Cautschukballon kann durch partielles
Abzapfen seines Inhaltes wieder verkleinert werden. Ein vergrösserter
Augapfel kann dauernd nur verkleinert werden durch plastische Ent¬
zündung, namentlich des Ciliarkörpers und Uvealtractus überhaupt,
welche unter solchen Umständen von starker intraoculärer Blutung aus¬
geht. Da solche Zustände gerade die Gefahr einer sympathischen Oph¬
thalmie involviren. so kann man bei ihrer arlificiellen H .rvorrufung nicht
vorsichtig genug verfahren. (Schluss folgt.)
VI. Feuilleton.
Vom Kriegsschauplatz.
Von
I)r. O. Heyfelder.
16 .
Akstafa. den 5.17. April 1878.
Auf der Reise von Alexandropol nach Tiflis macht man eine ganze
Reihe von Regionen und Climaten durch. Auf den kahlen und kalten
Bergrücken nächst Alexandropol findet sich in den Schluchten und auf
den Gipfeln noch Schnee, die noch grauen Matten sind mit unzähligen
weissen und lila Crocus bedeckt: „das erste Pfand der neu verjüngten
Erde.“ Alexandropol liegt 5500 Fuss über dem Meere; die Strasse über
die Höhen führt reichlich 1000 Fuss höher; sie senkt sieh gegen Delidjan
immer mehr und mit jedem Schritt erscheint die Vegetation mannig¬
faltiger: sciila bifolia, viola odorata, tussilago farfara. primulaveris blühen
immmer üppiger längst der Chaussee und im Waidesanfang. Die Kätz¬
chen der Weidenbäume sind in voller Entwicklung: bei Delidjan blühen
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Gougle
Original fro-m
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20. Mai 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
293
auch die Schlehen und wilden Kirschen. Das hindert jedoch nicht, dass
Nachts Schnee fällt, der am Morgen von der Sonne aufgesogen wird.
Doch ist es diesem Umstand zuzuschreiben, dass die Hospitäler noch
ihre Winterhäuser inne haben, während meine Typhösen bei Hospital
No. 35 schon in Kibitken untergebracht sind. Das erste Hospital in
Zelten traf ich auf der Station Karawansarai, wo die Laubholzwälder
schon grün, die Pfirsich- und Birnbäume in voller Blüthe standen. Da¬
selbst hatte Kriegshospital No. 57 seine Bauernhütten und Erdlöcher
seit März verlassen und auf einem Hochplateau vor dem Walde die
grossen bekannten Doppelzelte aufgeschlagen. Bei anfangs sehr warmem
Wetter hatten die Kranken den günstigen Einfluss dieser Installation
empfunden. Seit 3 Tagen war aber bedeutende Kühle und Regen ein¬
getreten und gleichzeitig hatten sich Diarrhöhen bei den Kranken ein¬
gestellt. Das gute Wetter und leider auch bald die asiatische Sommer¬
hitze werden nicht ausbleiben. Die Strasse senkt sich immer mehr.
Gruppen riesiger Platanen zeigen deutlich, dass wir in eine noch wär¬
mere Region herabgestiegen. Akstafa ist ein armenishes Dorf, welches
nach einem Beschluss der Regierung zur Stadt erhoben, der Sitz des
Friedensgerichts und anderer Behörden werden soll. Vorläufig besitzt i
es ein ständiges Militärhospital (Oberarzt Djevezky) und ein Gefäng- |
liiss, in welchem bis jetzt Kriegslazaroth No. 44 mit Oberarzt Bar- I
jhnitzki gestanden. Ich fand somit etwa 400 Kranke vor, ungefähr !
dieselben Formen wie in Alexandropol. In beiden machte ich eine Reihe j
von Operationen an solchen, welche in Folge von Congelation Theile j
der unteren Extremitäiun verloren hatten, darunter die Exstirpatio ossis 1
metatarsi V und die Resrctio partialis ossis metatarsi I, Kxarticulation
von Zehen und von necrotischen, ohne Weichtheilbedeckung zurück¬
gebliebenen Phalangen. I
Das Kreisgefängniss hat asiatische Aborte, identisch mit denen, welche I
die Franzosen aus Algerien bekommen und in einzelnen Casernen und ;
Militärhospitälern eingebürgert hatten. Da die in Akstafa aber nicht
wie die französischen von einem continuirlichen Wasserstrahl bespülüt
werden, so verbreiten sie trotz aller Desinfection einen Übeln Geruch.
Sowohl in Akstafa wie in Karawansarai fand ich je 6 grosse Zelte
vom Moskauer rothen Kreuz als Stationslocal für die auf dem Transport
befindlichen Kranken errichtet. In der geringeren Hälfte stehen eiserne
Betten, in den meisten hölzerne Pritschen mit Heu oder Stroh als Lager¬
statt. Leider kommt der neue Transport meist an, wenn kaum der gestrige I
abgereist, so dass oft nicht Zeit bleibt, die Zelle zu lüften und die Lager- !
statt zu reinigen. Die Krankentransporte, welche seit Monaten ohne
Unterlass von Erzerum und Kars über Alexandropol. Delidjan, Kara¬
wansarai, Akstafa nach Tiflis und von hier bald auch Kutais, bald nach
Wladikawkos gehen, sind ein grossartiges, mühsames und interessantes i
ganzes; ein wohiorganisirtes, wenngleich vielfach unzureichendes Werk j
der Hygiene und der Decentralisatiou. Wir begegneten mehreren solchen
Wagenzügen unterwegs, sahen die Kranken in den Zellen installirt und I
wieder fortgeschafft, wie wir andrerseits seit Octobcr ihre Organisation
in’s Werk setzen helfen. Diese zu beschreiben behalte ich meinem nächsten 1
Briefe vor. j
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. Nach dem eben erschienenen Universitätskalender war die j
Zahl der Medicin-Studirenden an den einzelnen Universitäten im Winter- |
Semester 1877 78 folgende; Wiirzburg 498, München 477, Dorpat 3(17, '
Leipzig 365, Berl i n 345, Prag 235, Greifswald 218, Zürich 189, Graz 177, j
Breslau 168, Erlangen 166, Strassburg 150, Freiburg 147. Tübingen 146, !
Königsberg 134, Bern 134, Bonn 126, Göttingen 115, Halle 106, Mar¬
burg 100, Giessen 95, Kiel 82, Heidelberg 79, Basel 74. Jena 73, Rostock ,
36. — Leider fehlen in dem Universitätkalender für das Sommer-Semester
1878 die Angaben über die meisten österreichischen Uiniversitäten.
— Dr. Menzel, Primar-Chirurg aus Triest, ein bekannter Schüler
Billroth’s, seit dem letzten Chirurgen-Congress hier anwesend, ist am
12. d. M. im Augusta-Hospital gestorben.
— Zwei Vorträge, in welchen Herr Geh.-Rath Barde leben einige '
wichtige Capitel der Chirurgie in allgemein verständlicher Darstellung I
einem grösseren Publicum vor führte* sind jetzt im Druck erschienen (Ueber i
die Theorie der Wunden und die neueren Methoden der Wundbehandlung. I
Zwei Vorträge, gehalten im wissenschaftlichen Verein in der Sing-Ac-a- j
demie zu Berlin. Berlin 1878, Uirschwald). Für eine allgemein-
verständliche Darstellung Lot „die Theorie der Wunden“ grössere Schwie¬
rigkeiten als das Thema der Wundbehandlung, und es muss dem Verf.
als besonderes Verdienst angerechnet werden, dass er an sich etwas
nüchterne und dem Laieninteresse nicht allzunah liegende Dinge, wie
die Eintheilungsart der Wunden und Auseinandersetzung von Quetschung,
Erschütterung etc. dem allgemeinen Verständnis anzupassen wusste,
welches freilich zu der Zeit des ersten Vortrages (1872) durch das frische
Andenken an die Schlachten des letzten Krieges eine besondere Anregung
erfahren hatte. Lohnender stellte sich die Aufgabe, die Theorie und
die Ausführung der Lister'sehen Wundbehandlung zur Darstellung zu
bringen, und niemand war wohl fähiger dieser Aufgabe gerecht zu werden,
als der Vortragende, der verhältnismässig früh und sehr energisch
die neue Methode adoptirt hatte. Dies ist ein Capitel der Chirurgie,
welches das höchste Interesse auch dt*r allgemein gebildeten Laien in
Anspruch nehmen muss und für die letzteren auch ohne Schwierigkeit
zu verstehen ist. Beide Vorträge verbinden sich sehr gut zu einem ganzen,
welches in den wichtigsten Theil der modernen Chirurgie einen trefflichen
Einblick gewährt.
— Sterblichkeit in Preussen in den Jahren 1875 u. 1876.
Es sind gestorben;
I.
1875
1876
1875
1876
im
Alter
überhaupt:
unter
100,00 Gestorbenen
von Jahren
m.
w.
m.
w.
m.
w.
m.
w.
0-1
122406
98606
119940
96459
34,30
30,72
34,37
31,07
über
1—2
27310
25815
26761
25627
7,65
8,04
7,67
8,25
2-3
13030
12154
12645
12058
3,65
3,79
3,62
3,8S
3-5
13597
12656
13564
13036
3,81
3,94
3,89
4,20
5—10
13935
13429
12998
12619
3,90
4,18
3,72
4,06
n
10—15
5516
5759
5216
5398
1,54
1,80
1,49
1,74
n
15—20
6821
5893
6600
5598
1,91
1,84
1,89
1,80
20—25
9016
7581
8455
6937
2,53
2.36
2,42
2,24
25—30
8304
8741
8114
8080
2,33
2,72
2,32
2,60
30—40
18020
18358
18029
17375
5,05
5,72
5,17
5,60
40-50
211S6
16544
21091
15962
5,94
5,16
6,04
5,14
50—60
27912
22618
27529
; 21835
7,82
7,05
7,89
7,03
60—70
30152
29587|
30017
i 28619
8,45
9,22
8,60
9,21
n
70-80
26792
28813
25368
27453
7,51
8,98
7,27
8,84
80
9307
11471
9268
1 10911
2,61
3,57
2,66
3,51
unbekannt
3556
2917
| 3414|
| 2561
1,00
0,91
0,98
0,83
zusammen
356860
320942
349009|310528
100,00
100,00
100,00
100,00
11.
an folgenden
Tod esursachen:
1876
überhaupt
ra. ' w.
18
von
m.
76
100,00
w.
18
Gestorb
m.
75
enen
w.
Lebensschwäche
17955
14435
5,15
4,65
4,95
4,45
Atrophie der Kinder
11570
10862
3,32
3,50
2,64
2,78
Kindbett
—
6493
—
2.09
2,25
Altersschwäche
29106
36007
8,34
11,60
8,48
11,77
Pocken
429
381
0,12
0,12
0,14
0,14
Scharlach
6808
6163
1,95
1,98
1,70
1,72
Masern und Rüthein
4473
4267
1,28
1,37
1,13
1,21
Diphtherie und Croup
22120
19973
6,34
6,43
5,88
6,05
Keuchhusten
6786
7514
1,95
2,42
1,41
1,69
Typhus
8794
8238
2,52
2,65
\ <9 (4
2^90
Flecktyphus
148
59
0,04
0,02
Ruhr
1951
1744
0,56
0,56
1,14
1,15
Einheim. Brechdurchfall
5388
4746
1,54
1,53
1,83
1,85
Diarrhoe der Kinder
4665
3684
1,34
1.19
1,40
1,34
Acuter Gelenkrheumatismus
700
600
0,20
0,19
0,21
0,21
Scrophulosis und Rhachitis
1070
990
0,31;
0,32
0.24
0,25
Schwindsucht
43723
36047
12,53
11,61
12,65
11,52
Krebs
2701
3573
0.77
1,15
0,70
1,04
Wassersucht
8523
11672
2,44
3,76
2,35
3,76
Schlagfluss
16164
12022
4,63
3,87
4,66
3,82
Luftrühren-Entzündung und
Lungen ca tarrh
3576
3124
1,03
1,01
0.85
0,83
Lungen- u. Brustfcll-Entz.
13696
10287
3,92
! 3,31
4,20
3,43
Andere Lungenkrankheiten
6066
4472
1,74
1,44
1.62
i 1.43
Herzkrankheiten
2070
2164
0,59
0,70
0,53
0,64
Gchirnkrankheiten
6S07
5197
1,95
1,67
1,93
1,57
Nierenerkranknngen
1854
968
0,53
0,31
0,37
0,25
Krämpfe
62729
51135
17,97
16,47
17,72
16,07
Selbstmord
3731
717
1,07
0,23
0,81
0,17
Mord und Todtsehlag
357
114
0,10
1 0,04
0,11
0,05
Unglücksfälle
9304
2231
2,66
0,72
2,67
0,72
Andere und unbekannte
45745
40649
13,11
| 13,09
15,04)
14,94
zusammen
349009
310528
100,00
100,00
100,00
100,00
VII. Amtliche Mittheilnngen.
Personal!»*
Auszeichnungen: Seine Majestät der König haben Allergnädigst ge¬
ruht, dem practischen Arzt Dr. med. Clausen zu Gravenstein im
Kreise Apenrade den Rothen Adler-Orden vierter Klasse zu verleihen,
sowie Allerhöchsterem Leibarzt, dem Generalarzt erster Klasse und
Corpsarzt des Gardecorps, Geheimen Sanitätsrath Prof. Dr. von Lauer
die Erlaubnis zur Anlegung des ihm verliehenen Ehrenkreuzes erster
Klasse des Fürstlich lippeschcn Gesammthauscs zu ertheilen, und dem
practischen Arzt etc. Dr. Ben cd ix in Barby den Character als Sanitäts¬
rath zu verleihen.
Anstellungen: Der practische Arzt etc. Dr. Kob zu Stolp ist zum
Kreiswundarzt des Kreises Stolp ernannt worden.
Niederlassungen: Dr. Ed. Hoffmann in Gumbinnen, Dr. Krauspe
in Insterburg, Arzt. Heyl in Werneuchen, Dr. Rathmann in Peitz,
Or. Mahlke in Drossen. Dr. Schulze in Hannover, ArztRamdohr
in Langenselbold, Unterarzt Pauli in Bockenheim, Dr. Oberstadt
in Grossenlüder, Dr. Scheidmann in Frielendorf.
Verzogen sind: Oberstabs- und Regimentsarzt Dr. Michel von
Spandau nach Berlin, Arzt Faustmann von Werneuchen nach Steg¬
litz, Dr. Erl er von Eberswalde nach Dresden, Dr. Rudolph Weise
von Wriczen nach Berlin, Dr. Glauert von Drossen nach Leipzig.
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Original from
UNIVERSITY OF MICHIGAN
294
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 20
Apotheken-Angelegenheiten: Der Apotheker Plantiko hat die
Henning’sehe Apotheke in Bartenstein gekauft. Die Verwaltung der
Eyff’schen Apotheke in Mirunsken ist auf den Apotheker Krahn
übergegangen. Der Apotheker Decker hat die Röstel’sche Apotheke
in Landsberg a. W. gepachtet.
Todesfälle: Dr. Sachse in Woldenberg, Dr. Bode in Langenselbold,
Sanitätsrath Dr. Friedr. Sander in Hamburg.
Bekanntmachung.
Durch die Versetzung des bisherigen Inhabers ist die Kreiswundarzt-
Stelle des Kreises Orteisburg, mit dem Wohnsitze des Beamten in der
Stadt Willenberg, vaeant geworden. Wir fordern qualificirte Bewerber
um diese Stelle auf, sich unter Einreichung der erforderlichen Zeugnisse
und des Lebenslaufs bis zum 15. Juni er. bei uns zu melden, und be¬
merken, dass die Stadt Willenberg dem neu anzustellenden Kreiswund¬
arzte für ärztliche Behandlung der Ortsarmen eine Remuneration von
360 M. jährlich zusichert.
Königsberg, den 1. Mai 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Inserate.
In einer der grösseren Städte Westpreussens kann an einen womög¬
lich katholischen Arzt eine gute Praxis gegen eine solche in einer anderen
Stadt Schlesiens, Ost- oder Westpreussens, abgegeben werden. Gef. Off.
mit Angabe der ungefähren Einnahme durch die Expedition dieses Bl.
unt er H. H. 43. ____
Die mit einem jährlichen Gehalt von 1200 M. und mit sonstigen
Amtsemolumenten im etatsmässigen Jahreswerth von 735 M. ausgestattete
Stelle des dritten Arztes an der Provinzial-Irren-Heil- und Pllegeanstalt
in Allenberg bei Wehlau, Regierungs-Bezirk Königsberg, soll vom
1. Juli 1878 ab anderweit besetzt werden.
Qualificirte Bewerber werden ersucht, ihre Meldungen unter Bei¬
fügung ihrer Zeugnisse bis zum 1. Juni d. J. hierher einzureichen.
Nähere Auskunft enheilt der Director der Anstalt Herr Dr. Jensen.
Der Landesdirector der Provinz Ostpreussen.
Arzt-Gesuch.
In der Stadt Polkwitz in Schlesien findet ein thätiger Arzt lohnende
Praxis. Fixirtes Einkommen als Comraunal-Armen-Arzt 450 Rm. Auf
portofreie Anfragen ertheilt nähere Auskunft der Magistrat.
Ein junger Arzt sucht für die nächsten Monate bis zum Octbr. vor¬
übergehende Beschäftigung in einer klinischen Anstalt oder in Ver¬
tretung eines Collegen. Gefl. Anträge befördert unter „Medicus 3788“
die Annoncen-Kxpedition v. Rudolf Mosse, Leipzig._
Ein junger Arzt, der schon einige Jahre praeticirt hat, sucht eine
einträgliche Praxis, am liebsten in Mecklenburg, Pommern oder Lauen¬
burg; eventuell würde derselbe auch bereit sein, einstweilen einen
älteren Collegen in den Sommermonaten zu vertreten. Gef. Off. sub
A. R. 37 bef. d. Exped. d. Wochenschr.
Ein junger Arzt sucht von sofort Stellung als Assistenzarzt oder
Vertreter eines Collegen. Off. sub T. 40 durch d. Exped. d. Bl.
Ein junger Arzt, der mit 1. Juni seiner activen Militärpflicht Genüge
geleistet, wünscht bis dahin eine Stelle als Assistenzarzt an einer
grösseren Krankenanstalt. Gef. Offerten unter N. G. 42 befördert die
Expedition. _
Ein junger, thätiger Arzt, der an zwei Universitätskliniken als
Assistent sich weiter ausgebildet hat und mit den besten Zeugnissen
versehen ist, wünscht die Praxis eines älteren oder erkrankten Collegen
zu übernehmen. Gefl. Offerten bef. sub E, L. 41 die Exped. d. Bl.
Ein junger Arzt, früher Assistent an einem grossen Krankenhause
Berlins, wünscht einen älteren Collegen während der Sommermonate zu
vertreten. Gef. Adressen sub C. P. 39 bef. d, Exped. d. Bl. _
Ein Mediciner, der im Examen steht, wünscht sofort eine Vertretung
zu übernehmen. Off. durch die Expedition d. Bl. sub J. Q. 44. _
Einem tüchtigen lleissigen jungen Arzte wird eine lohnende Praxis
nachgewiesen. Deutsches Städtchen von 2000 Einw., Prov. Posen. Off.
St. B. 13 durch d. Exped. d. Bl. _
Den Herren Collegen die ergebenste Anzeige, dass ich mit der be¬
vorstehenden Saison an in Königsdorff-Jastrzemb practiciren werde.
__ Dr. Weissenberg,
Meine unterm Heutigen erfolgte Niederlassung hierselbst zeige ich
hiermit an. Or. VH Ibtll,
Bad Ems, den 27. April 1878. pract. Arzt.
Wohnung: Stadt Lüttich.
_ Soolbad Frankemhauwen Pr. M. Betas. _
Ich bin von meiner Reise znräckgekehrt.
Oeynhausen, Mai 1878.
Br. Braun.
Ende Mai nehme ich meine Praxis in Reinerz wieder auf.
Sau Remo, Mai 1878. Br. Secchl.
Dr. A. Frey ist von St. Blasien mich Baden-Baden gezogen.
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Die Ottilienquelle der Caranstalt Inselbad
wird bei beginnendem sowie schon fortschrittenem Langen¬
leiden seit langer Zeit mit bestem Erfolg angewendet. Sie befördert
die Expectoration und hebt die Verdauung. Wegen der Gebrauchsweise
wolle man seinen Arzt consultiren. Niederlagen in den Apotheken und
Handlungen. Generalagenturen: Br. Hl. Lehmann, Berlin C«,
Spandauerstr. 77 und W. CuRtor in Cüln.
Die Brunnendirectiou.
Bad Lobenstein. (Reust.)
1503 F. h. Bahnstat.: Reuth, Hof und Eichicht.
Gebirgscurort in waldr. Gegend Südthüringens. Starke Stahlquelle,
Schwarz’sche Stahlbäder. Warme Sandbäder. Kiefernadel- und Dampf¬
bäder. Kaltwasserheilanstalt. Milchcur. Auf die in hiesiger Anstalt
sorgf. bereiteten und je nach der Erkrankung in verschiedenen Tempe¬
raturen abgegebenen
Hoorb&der
macht der Unterz, die Herren Collegen noch besonders aufmerksam;
dieselben bewähren ihre, die Aufsaugung mächtig anregende Wirkung
namentlich in der Anwendung der in unserer Anstalt wohl zuerst in
grösserem Massstabe in Gebrauch gezogenen hohen Temperaturen (31 bis
33° R.) in Form von ganzen und halben Bädern bei Knochen- und
Uterusleiden, vorzüglich bei den durch peri- und parame tri tische Vor¬
gänge entstandenen Exsudaten und Verlöthungen im Douglas’schen
Raume und den dadurch hervorgerufenen Verkürzungen der Dougl.
Falten (die wichtigste Veranlassung zu Uterusverlagerungen). Abbild,
v. Lobenstein s. Lcipz. Illustr. Zeitg. No. 1817. Broschüre und Ausfe.
durch Dr. Aschenbach, Badearzt.
Bad Schwalbach im Taunus.
Bekannte gasreiche Eisenquellen. 1000 Fuss über dem Meer. Muster¬
gültige Badeeinrichtungen. — Bahnstation Wiesbaden und Zollhaus und
Eltville. Ueber Eltville directe Billets und Omnibusverbindung Er¬
öffnung der Saison am 15. Mai.
Bad Berka a./Jlm in Thüringen,
1 Meile von Weimar, klimatischer Cerort, besonders für Brustkranke,
Stahlbad, Kleferaadelbad, neu errichtetes Sand- und Moor-Bad, Inhalatioos-
Zimmer poenmatlacber Apparat, Milch- and Molkencor.
Baden,, zt Saniläsrath Br. Bbert.
__ GrotsberzoQl S. Bade-Inapoctjoo.
Bad Driburg.
Station Westfälische Eisenbahn. Saison-Beginn 15. Mai. Stahlquelle
1. Ranges. Stahl- und Schwefelmoor-Bäder. Brunnenärzte: Geh. San.-
Rath Dr. Brück und Dr. Müller.
_ Metz, Lieut. a. D. und Ad min.
St. Andreasberg im Harz.
2000' hoch.
Climatiseher Cerort.
Nähere Auskunft ertheilt den Herren Collegen gern
_ Dr. Aop. Ladtodorf.
Römerbad
(das steierische Gastein).
Eröffnung der Badesaison am 1. Mai. Kräftige Akratothermen von
30 bis 31® R., grossartiges Bassin, neue elegante Marmor-Separat- und
Wannenbäder, herrliches Klima, schattenreiche Parkanlagen etc. etc.
_ Badearzt Or. M. Mayrhofer, Operateur in Wiw.
Kuranstalten von Wcissenburg.
SimmenthaL Berner Oberland. Schweiz.
890 M. über dem Meere.* Therme von altbewährtem Rufe bei Krank¬
heiten der Athmungsorgane etc. Prachtvolle, gesunde Alpenlage, herr¬
liche Umgebung mit den schönsten Tannenwaldpartieen.
Saison vom 16. Mai bis 1. October.
Korarzf: Br. H. Schnyder, Besitzer:
gewet. Oberfeldarzt der eldgeo. Armee. _ Gebrüder Hauser.
me Wasserheilanstalt zu Oodesberg^f
ist das ganze Jahr für Curgäste geöffnet. Hmarzt : Or. Gwfctr.
__ Otr gerillt: W. «rwd.
Soolbad Sodenthal
bei AschaflTenburg, Eisenbahn-Station Sulsbach am Main.
Stärkstes Jod-Brom-Soolbad. Mildes Klima. Gebirgsluft. Reizender
Sorameraufenthalt. Comfortables Kurhaus. Bei Scrofulose, Frauen-,
Kinder-, Knochen-, Drüsen-Leiden, Hämorrhoiden etc. Badearzt: Dr.
Kümmel 1. Mässige Preise. Equipagen auf Verlangen zur Bahn. Tele¬
graph im Hause. Saison vom 1. Juni an.
Original fro-rri
UNIVERSETY OF MICHIGAN
haüfe llfamlg von Frankfurt.'«
BKRLl.VKH KUNlSCHß WOCKtiNSGHRU'T.
Beginn der Saison 15. Mai,
atgmbm u#i<3 hllllftr Aefenthiil!; ftnrichtavige» csmfortabefct
Von Station Pttrowltl (k k. Penl. Nnnibahn). RybHlk und RaHbor am
t* ftri**!«r l*lt Xu erreicht«
Nähere Atiskunii evtheill dt« Bade-Iimpeeto
>1 ine rat- und Soolebad Empfing
bei Traunstein.
;Crdl«*«g am tO, Mat. Cihmitfyi: Ä'tliaijsctf munati&el^
Moor-, i^ic*b toi»nm!oKa.li '.öabifgsuit^b',
KmtiAtpuftklimt, Jh*jr beiliftiffetül# Kirjfl us< #e$' Mifr^nUbado* auf
d&sftcmnirffctein, diu mächtigen ßvflex^H'Uiji^ßn «d,er äduÖ&ter
Cir«ubifKfi»sapX‘ai1»( bugriindeh 4en ’fe&lUr dieser R5jie>* bei ffifehtV ßbeu-
i;».>tisrnu‘-. aUgeMUMuen Eraalmjnss&iurutigvn.• Biuiuhcf HUtuug Hinter
(hvam. Herzleiden. Ub*ruffnlV»V*H. Nerv »-rU«. iden u. s, -w. Sfcürüfciie vind-
.ütHlt ha ge. juigsuük l*'»eh ton mR #;pSj&jeu Wngeiiv rüiy'etjila
Awht «las Hi>rheHii)ge> ; Autio*-rks.in*^ }h ; hfiii*iinne. gute und billige
Verpflegung. Barb'arzi tsi Htn- l)r; be^upaebbfet
Weiter'- Au-skunb *:-»!>ici
Ä^Run* ttw ÜJMterlelb*
i)tfep -4k$ örÄrt*» 4*s tftä'arleifeo
k -öVibuxsshi. öi«?fct ■ «
Aßn«-i:.i»!vaft«:T *wfaar;
Hefter
ftc-o) ■ ; Ztlvf<si«a4ei-BAtifr
ViitJtttKUöb^ «ciiesft..■>■=;(i «i««0} c-'«un<*t h\ Mm+MrSl iw«U«L •.
&it» Sf.fcinlveit ier ¥tiat>h.utL J 5 *rertupftehlt yiwofyvitf h*>-
fc&svdWfls so »t^irlrfloduia ÄüffcrtUiAlT fttr rv*ii 3 eid«o 3 »
..&*$ vi^an»*-liu;'*jaik> uuf Vio^n <-eiW> au<J f5o«
lob. $$¥»’*&
Cur-Anstalt
Inselbad
«Calrtfgw,« rijö. j errbftJii'A die £-
.Mw}t«nü4e< }v, Ttt*
liiacjhtfci
Pa«tfiktt und |hy| \pil^ll!l!lP SUUnn
Sprudels*!*. * >4,U llCtttUÜIII. lUmgen.
Alkäische IThtttm'jb, -sehr reich an Kohlensäure, Spcoifioottt bei
ehruijisehen COtarrivrn dns Mauv-i.-,, t »armes und der Respi rati'ohsor gane,'
bei LiJasenb-ib; ;j, trrieff, Stein, Diabetes in, itiffhi, Rheumatismus und
.Uterusleid6i»,- ; V':W^rii;.sislfebVbei langem Trinken vortrefflich ver¬
tragen. - Nur das Oinhdte! (ILOelier Beirr Peters) mit zeitpmässen
Tarifjtreist'.n, Post.- und Telographeu-Ut»rerm steht mit den Bädern . B»
direkter Vtfldn'Tiiug. Näheres durch den angcsteUtriU Badearzt ■ Hattn
Dr. €. Munzel und durch den Director Herrn bciinc.
F»derboru
w»; ..
blissemcuti, j\neh dem; hewnhrten ^lu^ter tlm Kallwasser-
emgrMchtei. tu herrlieher liAga, nimmt ..'-vom IS Mai Ins
ftrust- und lßi!sj»;nJtfi\d>^ ^htdUnt;shr/lnCRig(* auf;
rtcfifzümlujtg < Asihma. hmphysem. V.lurhm-t« n . Kr^iu-.lüa)-
terilÄiipdM^. tleis^rkejt yiffrl Polypen, Blu Uirmutli; TtJüi<?h-
sibU. — Alllriivvührte siiek.--iufflmiti.gt* Nu Iran- und Kiseri-
•ho.mllnng durch V'-rbiuduttg der •bau-.lis'di puetmuiii.^dicn
mit ,den V^rtbcilou des kltnmb v-urnildf und der K'ucM'-n.
g>ilVani,teau3XiHcH«* Tlf?iiahdiürig. —^ .If^äeRiige'
eckte Prcitieuade. Cuncrricv vsu^ügl ; Vrtpfbegung. gAriunirt
l/'s. - und imUr.pZimnva , t iüge’, j- tSv*hyr^t .et«. I-Vnsion
«v ah 9 M,. 7 M v t M. h<> Pf ffiu Tag, H»r ALUrs. Prospcrte-
d^andt »i» f hu ili-m^nclli* v.ühi-end gann n laln'm ---
W» CuMior, Cdln: jtif« M# Äi^tfmftnn. Bc.rii'n,
Bad Assmarmshauseii am Rhein
am Fasse des Niederwaldes.
Eisenbahn- und Teiegraphim-Ststlon. -- OampischlSverbindanf.
liHhhiinrelckiii« alkaHsclü 1 Therme^
be^oodtrts zu c.äijRdüeo sccgVn- .Bitih i und rhrniniatiscjc Aßhetioiifen r
D-rtuas, Oa.t arrh c »tcr Rv« nnorgane mi! <>ii>s- u ud Sie in bi i *
d^ingj Hfperaerniiiffifi Und Anschw«liiiiigcn der .Ltdior mit GallCU”
siauiThgC», .(ialleostcuic, chronische t'aUrrUe. der Digastivn's- and
Resjdrul ionsnVjgdrte mi& lb>ufk rankhenen
Kürliatisörbffiiiiiig deo f, Mai
Trink- lind ßndvkur. Dduofffb Knut kur IJ-ctncität, luhahztion
verdünnter and verdichbd.ir Lud, di;»»^tisvhe Küche.
ihrrgiivmKr Am:, fudf l><> med, fi. Mahr..
Qeaerftiväfsttffd du« Ae»« ia» ns?äaus*er Watförsl
Klmttln I fo* In Franlkrurl ä. HIV
Mineralbad AlexamlersbacL
FiCUtffmTadcb
Anfaffg dc.C Saison
Kr,d;i'g.-^ii t - Ki«''.Msüni‘tl'm|i:, Muny
«tu Kr^'Hhahry-iHbtHi yVnrtM'-it&t.
z-r^Ö«. [htdcAt/rt Dr,
Wifh. daeger,
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Verlag von August Mirscbwalil in Berlin.
S'U: f.'V't- • 'N/-h‘r-(>;
Archiv für Gyniekologie*
Herausfceßh'tom von
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lUüfttig). bohr i«: (Marburg}, Fr»ttk{*uJtiiidtser ur.W,s«r qw
(^ira^bunb;, van Heek* r (M'fmidjsdJr iii idbbr;wi d ' <Xo.Mgs.berg),
K *i h rtv (Uiessmi), K u h li iSAf/burg), bi• ‘is * r, tf >"}; inj), T\ M d I 1 ,m {'Born),
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Saison von Ulm Ms September.
Die &ioiij' Volt siibr rfiiph an ühi'-iifeüs
Mengen Jk«d und Brom. eiübaUerxl, erweist steh IioHisk: *\rk:*&in. iyv
•DruBöTilviclaii aller .Art, fk-i Stauung iQnctv-r t*ü
wt-chse 1. bei Haut- «Tut KnovhRtii^^ b.». (rieht.
Hai!, J'röun.t.iliclüif iniHvr* (in «dKteun hmlM uh»j oDr- rl-i -
hauytstailt •r' l '-i- M. nur vhr ^sumler Xm'i uM v.ov.b-u.-iiMn ‘jy.nk-
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Zweite Auttage.
>j\i :)?' vü den Te:.f -.• ( sni.Ai..>, Ibdz^eimiUen u*ni 1 )TaVeli
geh. $ VL
= Badenweiler. ~r
»:»:d ««Ikan-CyrBd — Nritauu-s so'n,
duu*bsl-i'umendf-s r TWm;t.i\vas-:u vwj '2(5“ . i:. — \bu tuoH-^noc u,
ein^ ri.-hu-iotn Il.ul.'.s.ui!. — I S.d»v •tujv.n-.iS'in untv.f
/rtdeiK Xlimmd. — Do nebelt — WaiiHenbadin - -- ö<? %i\m
am 1. Mai.
IlttA Comitf,
Kreuznacher Mutterlauge,
kreiiziiadier ü)H(t 4 iriaugei»ak
ElLsabetlilVfiiiixieii,
Die Eiafültnmg einer Urztlfehen Stiiutlesordnuiig
Morl fl V*öI.;
[)r, meil 0. ^cHeiihcliiieY
iTr Sid) u *
Dez«i;gneiiraöt\d auf ded l et-uin 1 . tlav< unter
immer mtlir jmehijcmaelitf: und ^n^t'^b'te Wp&vv ifi
bmebB n irtl«eheit V? i r ■ tflrS" Vct^nia^sG die dlAf ptu Ä r
hunmii 2u mnKlmn, \w\ Verordnnn^en rt^p. Hevtefiun^c^
mrU;d i, r e(nH»w*vt dft.mu! üft^nD äu ifiiÖSpr, das? snlblii' mU mU&$ n-
w?V*lich dejtujiVrfvr; IririXibf 1 .- DoHudbrUi'O. ^vruuz'muyVfS'.'ini^ rM*
Di.'b-dbo Iviludej sir-k U i Mui un lauge.nsft;;• .v!n ilvaudzeieDe*
der e j nen I l«e ki'-Csisfie- "d’.tt; f•t^i'4''S^VÄ?- M«. Tniil Ei\>.\br ttn;
bruimon als Si<.|.n.,:f*tund a<ii dvr in>a»- : S.eXUr;4€< : ft-'Av^s^-'t:?!»’V" •'
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d.iiir B.ötVdznriii werd^ti sreli ‘tUem$bdk l ud(’r I >-un.ou /gvrit •yn^hmör.
Vr;iw t ."K \V r ■ •. r <; bv jj
Physiologie des Menschen.
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De. Withelni WuTtdt.
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__ : Z; uohh’ Tlirseh. __
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lier.'iiot nach 1*rm. K. V'01.manu, .-imrj.fi.-tvlf flnf Vi_i1ian','it.' , !T-F<ittr.
von Dr, D. Jaager irt Hulh• ;i S.
Bruekfehler.Berirl)H^imje.
.tu No TA d< \\ : . rtfu jVhluW d^v tt-el'Ptiii .über dri'
.C'iugte^s TDUS>- es S*‘dv 277.' (2$. 7/«i.|e. •
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Verlag und Ftägoi.'tliu'm v«;ri.August H.irs-cbwatd.iu Berlm. — D-ohuvlt bc-i L...Sehumacb 01 -.u Bnrbu
PU B«ritc*r Klinische Wechsnschrift, cmio>h«latj*d«;
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lia (N. W. Gotfer den Linden 63 > eibaeaden.
KLLNISCHE WOCHENSCHRIFT
Organ für practisclie Aerzte,
Mit Berücksichtigung der preussisehen MedicinalvenvaJf.ung und Medicmalgeseizgebuiig
ß&eh amtlichen Mitiheilongen.
Redacteur: Prot Dr. L. ÄÄbiirg. Verlag von Ati^asi ttirscbkaW io Bwlk
Montag, den 27. Mai 1878.
SW 21.
FttofeeMtei* Jahrgang.
Inhalt; l tibix&tQti Zur KüiitUmStf vier SchaUGi'scüeitiifn^Gii an den peripheren Arterien nebst Bemerkungen über dk Änaenitatioü jtii*hohlen
und snüden &ii'tböseop.^i. . 11 . Müller; Neuiopatholngische Stndinn (Schlüss), HL Alexander; lieber ge Aeeoinmodaüunsr
föfcmttng-mit Mydtiasiä auf .syphiliteber Basis. — .IV. Kritik (H.w :ac blver#; Beiträge, zur pre^t-bobsn- ÄOg'mbeute'le).. — V. Ver¬
handlungen ärstfkhier Öesolbchaffce» (Btjrliner medictnisoh-ps3rcUiik<giBeh'e • GeavlkcbktC^r?? (VlU Gohgite** der DMitscbm
i iiesfelliaha'B für- Notizfen). — VIL Arotlidbe töxtibeüungmi. -** Inserate.
!. Zur Kenntaiss der ScJiaHerscheiniiageii an des peri¬
pheren Arterien nebst Bemerk nagen über die AhscbI-
taliftn mit hohlen ssd soliden Stethoseopen.
- (Kncfi einem im Verein der Charite-Aerzte zu Berlin
am 28. Fehruar .1878 gehaltenen V nt rage.)
Vf.ü
Binf. Ur. fl* §<fhHtor.
I ment lieh das Tönen der Art. hraehi<e w Vier Eitenbenge (Art.
I Vnbitalm), wekhe sich der Bequemlichkeit wegen zur Unter-'
| Mucbung «ehr mopftehlt, pur nicht *0 seife« ist. Inter einigen
tausend foii-fefttett, . Welche ich im Läute iksdergten Jahres darauf
j hm untersucht habe, fand ex sich an der genanten Steilo wohl
I <>Ö —80 Mal. davon um meisten bei Anämischen und Cldornti-
: schein nächst dejö hei Herzkranken.: .Fiebernde, l>m>nen waren
davuöter nur wej)jf$< 5 da der grösste Theil der mvteräuehte.h
Wäiirend noch bis vnr nicht langer Zeit das AnOreten vna.i von ämUtilatnrinchen Uatientfrn der Poliklinik gebildet wurde,
tutiavtigen SdiaUer<0»cimmirea in den vom Herze» entfernt ge- I Wenig-r bekannt noch durfte es dass es Fälle giebt,
tepeueu ÄfferiHnstäumieu, yllwifalU mit Ausnahme der Crural- j in denen nicht hlos greisere A i terienHtänime^ sondern
arteriell, als charaHemtiseh für die lp>.uftiem»u der Aorten- j das gesäumte periphere ;G efäsisy Stern, itishesondere
klappen "alt, hat man in dee letzten Jahren unch anderweitige j die Arterien und CapMlaren in ä u sgexproeli enste c
patbologische Zustände teilen 'fcetatfit, bei welchen au peri- j tyeFve ein Verhalten zeigen, wie man Cs bisher nur
pheren Arterien ohne Ak'frßndung irgend eines Drucks j bei beträchtlicher A^rtvnin^ufficivhz zu finden gc-
ein‘Ton geh ölt werden kann. Es ist. nies he) weitem am hitä' ' wohnt war, und in denen dennoch dieser Fe.hler nicht
%sten ein der H^r^sysfccde etÜKpm'heiicler, also ein fer . ^örhsiudho 3at, dass leicht ein di&gngstiiWher Trrfcbum be-
Ausdc.hn i\ pi g ditr Arterie dnreh die l’ulsweMft äii hörender l ^an^cu werden kants. So weit es sich nur um die akustisdieü
Tao. und hur vor diesem soll auch in deui fölgciBleUj wvlcte < Zeichen bandelt, liat auch hierauf schon AVe/il beiläufig hinge-
»dRen kleinen Beitrag zur Ivenutiriss und Wurdiguing desieihen I wiesen, indem er eines Falles acuteJc durch Hämorfhagien in der
liefern mag., die. Rede sein. Von anderweingcu Sch^lSersehei- ReconvalesccriA von Jtijotyphus rntsiandeuer Anämie gedeakt, hr\
nah ge ti au deu Arterieti^ uamBOtlicli von dem in letzter Ziiit .» iVßlrl^öi Allfe aück die liadial und Hdlifhähdarterieu
hosproebeueu Ooppelton der Cruialarterie. sehe ich hier f ionien. und über der Aorta und ftttmonäli* sowie der Uarotis
: u«ii 2 ab ; ). und Subclavia a*iu sy.stfthsche.s Geräusch zu hören war. Ersehet-
Vorzugsweise durch A. Weil 1 } ist auf Grund zahlreicher } tiungem weicht ;m •eme Kodm^arditis denken Tieäsi.it).^.Ju dem
UntersiichuDgCD festgesteilt worden, dass nicht bloss'bei Aorten- | fhlgeftdeis Falle fanden Sich nun nicht our die' Krscbßluuti^etv
. a^i deti Arjferi^ sondern äpeh an den OapillaTeh, wie. sie
tkr Aortoninsufftdenz zltkommeu, in eihetu Kelteiien Grade und
während lAngwr Z<M stark ausgeprägt.
Wv/Handelsrusna, H h ‘^ Jahre alt, stellte aich äir irn dnui 1877
wegdi hbefhaüfloehmendef Mattigkeit, Luftmahg©T und einer Gfe-
sebwobst in der linken Baucbseite vor. Diese IbtzGfe habe sich
seinerrAngaben nach vMum Schmerzen .seit einigen Monaten ent¬
wickelt. Ais Kmd sei er gesund gewesen bis zum 185 Lebens¬
jahre, wo er einige Zeit an r h c umati cls er Gel Oft keli h ö nd tib g ge¬
litten hatte; d öder 4 Jahre darauf habe er Wech^lficbei' bo-
kommen, wdches an Tang» jedm^/.weiten Tag, später ntiregeltnä'ssig..
n u iv/LctMu,.. t,,™ m m u , - u, - u 1iVi,n,r hi,,(i,,r,h »«^»iton h .*%™ *r
AlfeifllüGuo,) von Friedroi^b (Dcui-ndu-p. Aivh. f. ku». M-o. vxi , j'vnl^tSiidig ncrwrcUr worden. Fr<i vor 4 Jahm^ mich langer
- ^’U*' und B;j mb.creer (Das. S. 4-UB u:nvv^ o. .
-) lhe Auscaltaticii der Arteriell und Vcmui; hidpsrig. 18.7'».- Tj ». r. -'. i;4 ood >. : i.
klappen-insuJ'ljcit'üz, sondern auch, wenngleich seltener, bei
auöeren Herzfehk-vu, ferner in heberhaften ZtisUimle» und bei
Anämie ein Tori an Arterien auftreten kann, welche normal
‘jnvn. solchen nur ausnahmsweise oder niemals bömi Uss?m,
naraentlich an der Art. ernraüs lUid hraehialis.
Es ist' unnolbig. nach WeiUs zahlrcicluo} Untersuchungen
auch eioexi weiteren Beitrag xhr Bestätlgiihg dieser Thatsaehe
zu licfero.; jcti begnüge micb damit, da jiia ihrer verhäUTiiss-
Riissigeo Neuheit 'wegen vielleicht u«<ch nicht bekannt
H, hier auf sie hinzuwelsmi und hervorzohete, Jiihs sie und na-
Go gle
298
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 21
Zeit ungetrübter Gesundheit und Arbeitsfähigkeit, erkrankte er
wieder auf einer Reise, wie es der Beschreibung nach scheint,
an Brustfellentzündung (der linken Seite?), von der er nach
etwa 6 Wochen genas. Seine jetzigen Beschwerden haben sich
ganz allmälig ohne Fieber entwickelt, der Appetit hat sich ver¬
schlechtert, in letzter Zeit sind Abends die Füsse leicht ange¬
schwollen. — Der Patient wohnt seit Jahren in einem trockenen
Keller, hat nie unmässig gelebt, war nicht syphilitisch inficirt,
ist verheirathet und Vater eines gesunden Kindes von 1*4 Jahren.
In seiner Familie soll keine Krankheitsanlage sich bemerkbar
gemacht haben.
Pat. ist von kräftigem Knochenbau, aber ziemlich mager
und von auffallender Blässe der Haut und der sichtbaren Schleim¬
hautabschnitte. Die Muskeln sind schlaff, die Knochen nirgends
auf Druck schmerzhaft, keine Drüsenschwellungen, kein Oedem.
Der Leib ist wenig aufgetrieben, nirgends schmerzhaft. Im
linken Hypochondrium ist eine glatte, ziemlich harte Geschwulst
fühlbar, welche im Stehen zwischen vorderer Axillar- und
MammillaTlinie bis 6 Ctm. unter Nabelhöhe reicht und hier
deutlich einen abgerundeten Rand umgreifen lässt, ihr vorderer
Rand erreicht die Mittellinie, ein Hilus ist an demselben nicht
deutlich wahrzunehmen; seitlich lässt die Geschwulst sich bis
unter den Rippenbogen verfolgen. Die Dämpfung dieser Ge¬
schwulst reicht nach oben bis zur 7. Rippe und hat eine grösste
Höhe von 21 Ctm. In der Rücken- oder rechten Seitenlage
sinkt die Geschwulst etwas zurück, den Respirationsbewegungen
folgt sie deutlich. Die Leber zeigt die normalen Grenzen, und
im übrigen Theil des Abdomens ist nichts abnormes zu ent¬
decken.
Die Herzbewegung ist durch die magere Brust wand hin¬
durch deutlich sichtbar. Der Spitzenstoss, wenn Pat. steht, im
5. und 6. Intercostalraum je 1,5. Ctm. zu beiden Seiten der
Mammillarlinie zu fühlen, ziemlich stark hebend und massig
resistent; im Liegen ist er nur im 5. Intercostalraum sicht-
und fühlbar. Die Dämpfungsgrenzen sind die normalen. Bei der
Auscultation ist an der Spitze eip lautes systolisches Blasen und
ein dumpfer diastolischer Ton zu hören, das erstere pflanzt sich
längs des linken Sternalrandes bis zur Ursprungsstelle der Pulmo-
nararterie mit etwas abnehmender Stärke fort, an letzterer Stelle
hört man ausserdem zwei Töne, von denen der diastolische etwas
klappend, über der Aorta reine Töne, ebenso auf dem Proc. xiphoi-
deus und daneben noch ein ganz schwaches fortgeleitetes systoli¬
sches Blasen. In den Carotiden 2 dumpfe Töne, in beiden Jugular-
venen im Stehen ein continuirliches mit der Inspiration stärker
werdendes Blasen, welches in der Rückenlage verschwindet.
Die Radialartt. ziemlich weit, ihre Wandungen nicht merklich
verdickt, ihre Spannung sehr mässig, Pulswelle hoch und
schnellend, Pulsfrequenz etwas erhöht.
An beiden Femoral-, Cubital- und Radialarterien,
sowie in der Hohlhand ein deutlicher, mit der Aus¬
dehnung der Arterien zusammenfallender Ton auch
bei ganz leisem, jeden Druck vermeidenden Aufsetzen
des Stethoscops zu hören. An den Nägeln der Finger
ist ein deutlicher Capillarpuls zu sehen.
Die Untersuchung der Lungen ergiebt keine Abnormität,
ebensowenig diejenige des Harns. Eine Blutprobe unter das
Microscop gebracht, zeigt ebenfalls ausser einer etwas blässeren
Färbung der rothen Körperchen keine Abnormität. Der son¬
stige Befund ist ohne wesentliche Bedeutung.
Die beschriebenen Erscheinungen, namentlich das Tönen
der Arterien und den Capillarpuls, habe ich im Laufe der
nächsten Wochen bei wiederholter Untersuchung unverändert ge¬
funden. Die einmal von mir vorgenommene ophthalmoscopische
Untersuchung ergab bei Anwendung eines leichten Drucks auf
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den Augapfel eine deutliche Pulsation der Retinalar¬
terien im Bereich der Papille, ohne Anwendung eines
Drucks konnte ich mich von einer Pulsation nicht überzeugen.
Ich übergehe als hier nicht besonders interessirend den
weiteren Verlauf, welchen ich allerdings nur bis Ende Juli,
etwa 6 Wochen vor dem Tode des Patienten verfolgen konnte.
Er starb Anfangs September während meiner Abwesenheit von
hier, so dass ich von einer Section leider nicht berichten kann.
Nichtsdestoweniger darf ich es wohl als sicher hinstellen, dass eine
Aorteninsufficienz während meiner Beobachtung und zu der
Zeit, als* jene Erscheinungen vorhaoddn waren, nicht bestand,
sondern dass es sich um eine weit vorgeschrittene sogenannte
! Anämia splenica (Pseudoleukämie) bandelte. Das oben ge¬
schilderte Untersuchungsergebniss wird diese Diagnose hinläng-
. lieh rechtfertigen. '
Nur noch einmal habe ich ein Verhalten des Cireulations-
apparates, welches mit Ausnahme des Befundes am Herzen
der Aorteninsufficienz entspricht, in gleich vollständiger Aus-
1 bildung wie in diesem Falle, beobachtet und zwar bei einem
17jährigen Bureauschreiber, welcher durch häufig wiederholte,
wahrscheinlich auf Hämophilie beruhende Darmblutungen in
hohem Grade auämisch geworden war. Auch hier tönten alle
peripherischen zugänglichen Arterien, und war Capillarpuls
vorhanden, dagegen kein Pulsiren der Retinalarterien wahrzu¬
nehmen. Ain Herzen waren hier übrigens zeitweise und nament¬
lich im Liegen an allen Orten systolische Blasegeräusche zu
hören I ). i
Es lässt sich begreifen, dass derartige Erscheinungen, wenn
gleichzeitig die Herztliätigkeit aufgeregt ist und Geräusche am
Herzen bestehen, eine Endocarditis oder einen Klappenfehler
können vermuthen lassen.
Was nun die Entstehung dieser Arterientöne anlangt,
' so unterliegt es ja heutzutage keinem Zweifel mehr, dass die
Grundbedingung dafür in den Schwingungen der Arterienwände
gelegen ist, und dass, wie es Traube 2 ) ganz allgemein für die
Herz- und Gefässtöne ausgesprochen hat, es wesentlich abhängt
von der Grösse des Spannungszuwachses, welchen die schwin¬
gende Membran, hier also die Arterienwand, erfährt, und von
der Schnelligkeit, mit welcher dieser Zuwachs sein Maximum
erreicht, ob eine Schallerscheinung zu Stande kommt oder
nicht. Es ist mit einem Worte die Grösse und Schnellig¬
keit der Druckschwankung, welcher die Arterienwand unter-
; liegt, das bestimmende für die Entstehung eines Arterien-Schalles
I und zwar insbesondere des gewöhnlich als „Ton“ bezeichneten
j Schalles*).
I Allein man kann sich leicht überzeugen, dass bei unserer
| gewöhnlichen Art zu auscultiren, noch ein Moment mitspielt,
I welches früher (von Kiwi sch, Nega, Heynsius) ganz allein
I für die Erklärung von Arterientönen, namentlich den in der
| Carotis zu hörenden, in Anspruch genommen wurde, nämlich
j 1) Augenbbcklich befindet sich auf meiner Abtheilung ein diesem ganz
I ähnlicher Fall. Er betrifft einen sehr kräftig gebauten Brauer von 23
' Jahren, welcher in kurzer Zeit unter wiederholten Blutverlusten beim
! Stuhlgang auffallend matt, blass und arbeitsunfähig geworden ist. In
den ersten beiden Tagen nach seiner Aufnahme hörte man über der
| A. cubitalis und cruralis ohne Anwendung eines Drucks einen Ton,
I über letzterer Stelle bei leichtem Druck ein in 2 Absätzen erfolgendes
I Blasegeräusch. Diese Erscheinungen schwanden sehr bald, so dass ich
leider zu einer genaueren Untersuchung über den Sitz der Geräusche
nicht gekommen bin.
2) Allg. ined. Centralzeitung, 1859, No. 38 und Berlin, klin. Wochen¬
schrift, 1867, No. 44, Ges. Abhandl., II. S., 447 u. 793.
3) Sogenannte „Geräusche“ können ja auch ohne Mitwirkung der
Wand durch Wirbel in dem Inhalt entstehen.
Original from
UNIVERSITY OF MICHIGAN
27. Mai 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
299
die Schwingungen der Luft in der Stethoscopröhre.
Wenn man ausser dem hohlen Stethoscop ein solides, etwa das
hierzu ganz geeignete, von P. Niemeyer angegebene Hörholz
benutzt, so hört man nicht selten mit dem ersteren und zwar
immer bei vorsichtigstem Aufsetzen unter Vermeidung auch des
geringsten Drucks einen Ton, mit dem letzteren aber nicht.
Oder in anderen Fällen, bei denen ohne Druck nichts zu hören
ist, gelingt es mit dem hohlen Stethoscop schon bei ganz ge¬
lindem Druck auf die auscultirte Stelle der Arterie oder unter¬
halb derselben nach dpr Peripherie zu einen Schall zu ver¬
nehmen, während es dazu bei dem soliden Stethoscop eines
stärkeren Drucks bedarf 1 ).
Die Schwingungen einer Arterienwand können also mit
solcher Stärke und Schnelligkeit erfolgen, dass dadurch allein
ein für uns ohne weiteres wahrnehmbarer Schall entsteht, oder
sie können erst durch Mitschwingen einer begrenzten Luftsäule
bis zu dem Grade verstärkt werden, dass sie eine Gehörs¬
empfindung erzeugen. Indem wir mit einem hohlen Stethoscop
auscultiren, bringen wir einen Zuwachs zu schon vorhandenen
Schwingungen, ähnlich wie wir durch Druck auf die Arterie
ihre Schwingungen oberhalb (central) von der zusammenge¬
drückten Stelle verstärken und einen Schall hervorrufen können,
der vorher nicht vorhanden war, oder einen schon vorhandenen
Schall lauter machen können.
Der absolute Werth des Zuwachses ist bei den gebräuch¬
lichen Stethoscopen nur gering und kpmmt deshalb überall da
nicht in Betracht, wo ohnehin schon ein deutlich wahrnehmbarer
Schall besteht, wie gewöhnlich am Herzen und den ihm nabe
gelegenen Arterien; hier ist beim Auscultiren zwischen solidem
und lufthaltigem Stethoscop gewöhnlich in keiner Beziehung ein
Unterschied zu bemerken. Wohl aber ist jener durch Mit¬
schwingen der Luft erzeugte Zuwachs bei solchen Schwingungen
von Belang, welche nahe der Anfangsgrenze, d. h. dem Schwellen-
werthe der durch das Gehör wahrnehmbaren Schwingungen liegen,
nach dem psychophysischen Gesetz, dass im allgemeinen bei stei¬
genden Reizen die Empfindungen mit abnehmender Intensität
wachsen, d. h. dass, um eine durch irgend einen Reiz hervorge¬
brachte Empfindung zu verstärken, der Reizzuwachs um so grösser
sein muss, je stärker die schon vorhandene Empfindung, und um so
kleiner, je schwächer sie ist, am kleinsten also bei der schwäch¬
sten, d. h. bei der eben zum Bewusstsein kommenden Empfindung,
welche den Schwellenwerth grade nur erreicht hat. So erklärt
es sich, dass über Arterien, welche unter normalen oder patho¬
logischen Verhältnissen mit dem soliden Stethoscop einen ganz
schwachen Schall (Ton oder Geräusch) vernehmen lassen, dieser
mit dem hohlen Stethoscop deutlicher vernommen wird, sowie
dass mit letzterem überhaupt erst eine Gehörswahrnehmung
entsteht, wo bei der Auscultation mit jenem noch keine vor¬
handen ist. Hier sind die Schwingungen der Arterienwand ganz
nahe, aber doch noch nicht an der Grenze der Hörbarkeit,
welche vielmehr erst durch die Schwingungen der Luftsäule
erreicht und überschritten wird. 5 )
1) Man muss sich selbstverständlich hüten, die fühlbare Erschütterung
mit einer Gehörswahrnehmung zu verwechseln. Wenn man von dem
Niemeyer’schen Stethoscop das conische, in den Gehörgang einzu¬
führende Ansatzstück weglässt, (das auch bei den hier käuflichen „Nie¬
mey er’schen Stethoscopen“ gar nicht vorhanden ist), so wird eine solche
Verwechselung leicht vermieden.
In den beiden oben angeführten Fällen waren die Artcrientöne im
allgemeinen mit beiden Stethoscopen gut hörbar, in den Radialarterien
mit dem soliden etwas schwächer, in dem dritten, in der Anmerkung
angeführien Falle, bei der einmaligen Untersuchung ebenfalls mit dem
soliden etwas schwächer.
2) Uebcr den Werth der verschiedenen Methoden der Auscultation,
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Zum Schluss möchte ich noch darauf hinweisen, dass die¬
jenigen Bedingungen, welche erhebliche pulsatorische Druck-
schwankungen in den Arterien hervorbringen und sie zum Tönen
geschickt machen, Bedingungen, welche sich bekanntlich am
meisten bei Aorteninsufficienz, dann aber auch bei den eingangs
schon erwähnten anderen Zuständen finden, bei denen allen
zugleich die Pulswelle in Folge eben dieser Druckschwankungen
hoch (und meistens auch schnell ablaufend, „Pulsus altus et
celer“) ist, dass diese Bedingungen dieselben sind, welche
die Stärke (Höhe und Breite) des Herzspitzenstosses
vergrössern. Denn diese steht ja unter sonst gleichen Um¬
ständen in gradem Verhältnis zu der Kraft, mit welcher der
Herzmuskel sich zusammen zieht, und in umgekehrtem zu den
Widerständen, welche sein Inhalt bei der Austreibung findet.
Mit der kräftigeren Zusammenziehung des Herzmuskels aber
wird nicht nur, alles andere gleichgesetzt, der Spitzenstoss stärker,
sondern auch die pulsatorische Ausdehnung der Arterien wand,
und ebenso verhalten sich beide, wenn die Widerstände für die
aus dem Herzen aus- und in die Arterien eintretende Blutmenge
abnehmen, wie es bei abnorm geringer Spannung der Arterien
der Fall ist. Je nachdem die beiden Bedingungen, Energie der
Herzcontractionen und Abnahme der Widerstände in demselben
Sinne, sich summirend, oder im entgegengesetzten Sinne, also
sich gegenseitig abschwäcbend wirken, werden der Spitzenstoss
und die pulsatorische Ausdehnung der Arterien den höchsten
Grad erreichen oder aber bis zum Verschwinden schwach und
klein werden oder einen mittleren Grad zeigen. Im ersten Falle
werden zugleich die günstigsten Bedingungen für das Hörbar¬
werden der Arterienschwingungen, d. h. für das Tönen der Ar¬
terien gegeben sein, natürlich in den grösseren mehr als in den
kleineren in dem Masse, als mit der Entfernung vom Herzen
Triebkraft verloren geht.
Es ist leicht hiernach zu ermessen, unter welchen Umständen
und speciell in welchen pathologischen Fällen ein starker (hoher
und breiter) Spitzenstoss und tönende Arterien zu erwarten sein
werden, und es lässt sich gleichsam eine Stufenleiter von den in
dieser Beziehung günstigsten pathologischen Zuständen bis zu
den ungünstigsten bilden. Obenan wird die Aorteninsufficienz
mit weitem und hypertrophischem linken Ventrikel stehen, hieran
schliessen sich diejenigen Fälle von (reiner)Insufficienz der Mitral¬
klappen, bei denen ausser dem rechten auch der linke Ventrikel
der unmittelbaren und der mittelbaren, mit hohlen oder soliden Stetho¬
scopen, findet man nur spärliche und nicht übereinstimmende Ansichten.
So z. B. hält Gerhardt (Lehrb. d. Auscult. u. Percuss. IU. Aufl. 1876,
S. 159 u. 160) das röhrenförmige Stethoscop für nicht geschwinder,
sondern vollständiger leitend, als das stabförmige; jenes wirkt ausser¬
dem micht allein als Schallleiter, sondern nebenbei auch als Schall¬
verstärker, daher man Herztöne, pleuritische Reibegeräusche, gewisse
Aneurysmengeräusche mit dem hohlen Stethoscop besser hört als mit
blossem Ohr. Nach Guttmann (Lehrb. d. klin. Untersuchungsmethoden
etc., III. Aull. 1878, S. 133) hat dagegen die unmittelbare Auscultation
den Vorzug, dass man die innerhalb des Respirationsapparates entstehen¬
den Athmungsgeräusehe lauter als durch das Stethoscop hört. P. Nie¬
mey er (Jlandb. d. theoret. u. klin. Percuss. u. Auscult. II. Bd. 1870,
S. 4 ff.) wiederum hält es für allgemein feststehend, dass die mittelbare
Auscultation von der unmittelbaren lediglich formell verschieden ist,
und nur aus Rücksichten des Com fort s und der Opportunität den Vor-
| zug verdient, indem sie reinlicher ist und die Zeichen zu localisiren
gestattet. In dem hohlen Stethoscop wird die Leitung nach N. verun¬
reinigt, es ist ein zwitterhaftes Gebilde, während ein solides aus Tannen¬
holz gefertigtes Stethoscop allein rationell ist. Barth und Roger
(Traite practique de l’ancultation, IX. ed. Paris 1878, S. 18) fassen ihr
Urtheil dahin zusammen, dass die mittelbare Auscultation nicht besser
ist als die unmittelbare und umgekehrt. Andere (ältere) Meinungen,
ebenso wenig übereinstimmend, finden sich bei Niemeyer 1. c.
Originaffrcm
UNIVERSITY OF MICHIGAN
300
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 21
hypertrophisch ist, weil dieser dann seinen Inhalt nach zwei Seiten
entleert, also abnorm geringe Widerstände findet und eben des¬
wegen die mittlere Arterienspannung gering ist. Aehnlich dürf¬
ten sich vielleicht reine Fälle von Offenbleiben des Ductus Botalli 1 )
verhalten. Dann kommen anderweitige Zustände, bei denen
das Arteriensystem erschlafft ist, der Herzmuskel aber kräftig
arbeitet (Anämie, Chlorose, Fieber, auch wohl Stenose des Aorten¬
oder Mitralostiums mit starker linksseitiger Hypertrophie etc.).
Zu allerunterst aber würden die Fälle kommen von starken
Hindernissen am Ursprung der Aorta, oder allgemein erhöhter
mittlerer Arterienspannung (Nierencirrhose) oder angeborener
Enge der Arterien, wenn dabei zugleich der linke Ventrikel
degenerirt und wenig leistungsfähig ist.
II. Neuropathelogische Studien.
Von
Dr. Frans Malier,
Secundärarzt im allg. Krankenhause in Graz.
(Schluss).
Der Obductionsbefund, (Prof. Dr. Kund rat,) — soweit er
hier von Interesse ist — lautet: Gehirn leicht atrophisch, Hirn¬
häute auf der Convexität stark getrübt, serös infiltrirt, Venen
mässig injicirt, diese selbst geschlängelt, von weisslichen Streifen
eingesäumt, die Hirnsubstanz sehr feucht, mässig mit Blut ver¬
sehen, in ihrem grauen Antheile leicht in’s bräunliche verfärbt,
die Hirnhöhlen etwas erweitert, mit klarem Serum gefüllt —
ihr Ependym verdickt. — An der Spitze des 3. Gliedes des
Linsenkernes und von da in die ihr anliegende Mark¬
masse greifend, ein erbsengrosser, in’s gelbliche ent¬
färbter, gelockerter, stellenweise ganz zerfliessender
Herd — in dessen, der Spitze des Linsenkernes entsprechender
Mitte eine hanfkorngrosse, mit klarem Serum erfüllte, von flot-
tirenden, bräunlich pigmentirten Bindegewebsseptis begrenzte
und durchsetzte Lücke. — Weiterhin bei genauester Untersuchung
keine wie immer geartete Veränderung auffindbar, weder in der
Peripherie, noch in den Ganglien selbst. Weiters ergab der
Befund die Residuen einer Endocarditis mit Insufficienz der
Aorten-Klappen — Erweiterung der Aorta ascendens, ex¬
centrische Hypertrophie des linken Ventrikels mit Fettdegeneration
des Herzfleisches — Thrombosen zwischen den Trabekeln —
eine Embolie eines Astes der rechten Pulmonalarterie 3. Ord¬
nung im Unterlappen mit hämorrhagischer Infarcirung und Oedem
der etwas emphysematösen Lunge. — Kleine Infarcte der Rinde
der rechten Niere. — Leichter und universaler Hydrops mit vor¬
wiegendem rechtseitigen Hydrothorax.
Resumiren wir die ausführliche Krankengeschichte, so er¬
halten wir:
Ein Mann, im Senium stehend, in vorgeschrittener alko¬
holischer Degenereszenz, behaftet mit einer in die Oeconomie
des Organismus tief eingreifenden Aorteninsufficienz, wird nach
einem viele Tage dauernden, deutlich ausgesprochenen Prodomal-
Stadium von einem apoplectischen Insult befallen. Eine recht¬
seitige incomplete Hemiplegie und eine durch 8 Tage andauernde
Sprachlosigkeit waren die Folge. In 14 Tagen bildeten sich
die Lähmungen so weit zurück, dass nur mehr von einer Hemi¬
parese die Rede sein konnte. Patient konnte wieder seinem
Geschäfte obliegen. — Nachdem er wegen Dyspnoe die Spitals-
1) loh beobachte seit längerer Zeit eine Frau, welehe alle für
diesen Fehler als charaeteriseh angeoebenen Zeichen darbietet, und ausser
einem ziemlich breiten und hohen Spitzenstoss (an normaler Stelle)
tonende Cubitalarterien hat.
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hilfe aufgesucht, constatirt man — 7 Wochen nach dem apo¬
plectischen Insult:
Leichte, rechtseitige Hemiparese — complete, an der Mittel¬
linie sich stricte abgrenzende Hemianästhesie an der Haut und
an den tiefliegenden Theilen und sensorielle Anästhesie auf der
gleichen Seite. — Während die Hemiparese fast verschwindet,
persistirt vollkommen ungeschwächt die Hemianästhesie bis zu
dem durch einen Lungentnfarct eintretenden Tode.
Ohne jede weitere Auseinandersetzung fällt sofort die voll¬
ständige Identität des vorstehenden Falles mit dem von Charcot
bei Gehirnblutungen, Encephalo-Malacien und von Magnan bei
chronischem Alkoholismus aufgestellten typischen Symptom-Com-
plexe der Hemianästhesie auf. Ich glaube nicht, dass man eine
grössere Uebereinstimmung verlangen kann. — Was aber unseren
: Fall ganz besonders vor den übrigen 15 bisher veröffentlichten
j Fällen, in denen eine Autopsie folgte, auszeichnet, das ist die
ganz circumscripte, nur in einem einzigen Herde gelegene
Hirnläsion von ganz geringer Ausdehnung — so dass er nach
dem pathologischen Befund als eine von jedweder Complication
! freie, distincte Herderkrankung aufgefasst werden muss. — Noch
| mehr! Die gefundene Herzaction ist solcher Weise geartet,
dass im vorhinein jeder Zweifel ausgeschlossen ist, dass die in
vivo beobachteten Symptome nicht dem localen Defecte, sondern
einer Corapression, oder einer in ihrer Peripherie zu Lebzeiten
etablirten Zerrung, Irritation ihren Ursprung verdankten —
zeigte sich doch der Herd als eine consolidirte, obsolete Läsion.
Es kann nicht genug betont werden, dass es ganz und gar un¬
statthaft ist, dort, wo die zuletzt angeführten Eventualitäten nicht
sicher ausgeschlossen werden können, physiologische Schlüsse
über die Function gewisser Hirnpartien zu ziehen. Dasselbe
gilt ebenso uneingeschränkt auch für die Experimentalphysiolo¬
gie. — Nur mit Ausserachtlassung dieser Resultate war es mög¬
lich, dass die Hirnphysiologie zu den absonderlichsten, ein¬
ander geradezu diametral entgegenstehenden Resultaten gelangen
konnte. Dazu kam noch als weitere Fehlerquelle, dass ganz
präcis erhaltene Thatsachen des Experimentes falsch interpretirt
wurden. Nur so konnte das Labyrinth von Irrthümern ge¬
schaffen werden, aus dem kein sicherer Führer den Weg zu
zeigen schien.
Mit dem guten Willen, diese Fehlerquelle möglichst zu ver¬
meiden, werde ich versuchen, zu zeigen, ob und in wie weit
die gefundene Läsion die in vivo beobachteten Symptome deckt
und erklärt: Da die sämmtlichen Empfindungsqualitäten, auch
die höheren Sinnesorgane nicht ausgeschlossen, auf einer Körper¬
hälfte vom Scheitel bis zur Sohle, auf das schwerste sich ge¬
schädigt zeigen, so müssen wir den Sitz der Läsion — von ihrer
Natur abstrahirt — im Gehirne suchen. — Von den 29 bisher
in der Literatur verzeichneten Fällen, gelangten, wie schon er¬
wähnt, 15 zur Autopsie, unter denen man 13 mal den hinteren
Theil der inneren Kapsel, oder ihre Ausstrahlung daselbst, den
Fuss des Stabkranzes ergriffen fand. — (10 Mal nahm auch
i das 3. Segment des Linsenkernes an der Zerstörung theil.)
I Dieser constante pathologisch-anatomische Befund zwingt
J nothwendigerweise zur Annahme, dass zwischen ihm und dem
1 ebenfalls immer constant gefundenen klinischen Bilde das Ver-
| hältniss von Ursache und Wirkung bestehe, und dass an der
j oben bezeichneten Stelle folgerichtig die sensiblen, wie senso¬
riellen Nervenbahnen dicht zusammengedrängt verlaufen. — Nur
I unter dieser Amahme wird das klinische Bild verständlich.
Die sensiblen und sensoriellen Nervenfasern sind also in
! ihrem Zuge gegen die Corticalis als Perceptions-Centrum an
I der bezeichneten Stelle unterbrochen. — Es handelt sich dem-
| nach um eine cerebrale Leitungs-Anästhesie und um keine
1 Perceptions-Anästhesie.
Original from
UNIVERSITY OF MICHIGAN
*27. Mai 187S.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
301
Von physiologischer Seite könnte der Einwand erhoben
werden, dass Longe t’s und Vulpian’s exact ausgeführte Thier¬
experimente diesen Deductionen ja schnurstracks zuwider laufen;
denn beide haben immer Thiere nach Abtragung der Hemis¬
phären und der grossen Gehirnganglien, wenn sie nur den Pons
unversehrt Hessen, durch Kneipen, Zwicken znr Aeusserung von
kläglichen Lauten gebracht, folgUch — so schliessen Longet 1 )
und Vulpian*) — empfindet ein solches Thier noch Schmerz;
es hat noch Empfindung, und es liegt deshalb das sensitive
Centrum im Pons.
So richtig die von den beiden grossen Physiologen beob¬
achtete Thatsache ist, so falsch ist ihre Interpretation. Das
Schreien ist nichts anderes als ein einfacher Reflex-Vorgang. —
Von Bewusstwerden, von Schmerz, ist keine Rede. — Der Grad
der Kläglichkeit, mit dem die Thiere schreien, hängt nur von
der Energie der Reflexbewegung ab. — Auch die klinische Er¬
fahrung liefert zahlreiche Fälle, die zur Genüge beweisen, dass
bei neugebornen Kindern, an denen die Perforation gemacht
worden war, das alleinige intacte Vorhandensein der Oblongata
und der Brücke hinreichten zum unarticulirten, kläglichen
Schreien. Dass die executirten Bewegungen vom Schreien hier
nur sogenannte primäre, d. i. reflectorische und keine bewussten
sein können, geht schon daraus hervor, dass den letzteren die
Aufspeicherung von Bewegungsvorstellungen, die das Hirn aus
den reflectorischen Bewegungen schöpft, vorausgehen muss. —
Nun, glaube ich, wird es niemand geben, der behauptet, dass
ein solches Kind post partum schon Bewegungsvorstellungen
in seinen — fehlenden Hirnmassen — respective Corticalis auf-
gespeichert hat.
Wenn wir also von der falschen Interpretation Longe t’s
und Vulpian’s absehen, so stehen ihre Experimente, sowie die
klinischen Erfahrungen an perforirten Kindern eigentlich ganz
und gar nicht im Widerspruche mit der schon von Türck und
Char cot vorgetragenen Lehre der Hemianästhesie aus cere¬
braler Ursache, und es ist somit der von mir mitgetheilte Fall
vermöge seiner Entstehungsweise, seines Verlaufes und seines
pathologischen Befundes meines Erachtens eine weitere und
ganz unzweifelhafte Bestätigung des Vorkommens der Heinian?
ästhesie bei cerebralen Herderkrankungen, die ihren Sitz haben
in der Ausstrahlung des hinteren Theiles der inneren Kapsel.
Dass die an der bezeichneten Stelle liegenden Affectionen in
der That damit gekreuzte Hemianästhesien nach sich ziehen,
ist in neuerer Zeit auch auf dem Wege des Thierexperimentes
bestätigt worden. Veyssiere*) hat 1873 im Laboratorium von
Vulpian an Hunden experimentell Hemianästhesie erzeugt, in¬
dem er mittelst eines eigens construirten Instrumentes, das ihm
gestattete, im Gehirn scharfe Schnitte von im voraus bestimm¬
baren Dimensionen zu machen, die hintere Ausstrahlung der
innern Kapsel verletzte. — Die mit allen Cautelen ausgeführten
Experimente sind so überzeugend, dass nun nicht mshr zu zweifeln
ist, dass Zerstörung jener Partie des Gehirns unbedingt ge¬
kreuzte Hemianästhesie nach sich zieht.
Sehr gelungen sind namentlich die Experimente Nr. 10 und
11. — Aus den Experimenten geht zugleich weiter hervor, dass
Läsionen des Thalamus opticus, des geschwänzten Kernes und
des Linsenkernes allein niemals eine Abschwächung der Sen¬
sibilität hervorbringen. — Veyssiere schliesst seine Arbeit
mit den Worten:
„Ich glaube nicht mit Unrecht schliessen zu können, dass
um bei Hunden die Hemianästhesie durch eine cerebrale Läsion
1) Anatomie et Physiologie du Systeme nerveux. 1842.
2) Le$ons sur la Physiologie du Systeme nerveux. 1866.'
3) Arehives de Physiologie normale et pathologique, 1874, p. 288.
hervorzurufen, diese Läsion die Ausstrahlung des Pedunculus
cerebri befallen muss. — Die Läsionen, welche mit Hemian¬
ästhesie verbunden sind, haben ganz gewöhnlich als Sitz die
hintere und obere Partie der Capsula interna, oder den Fuss
des Stabkranzes.“
So diente also das physiologische Experiment zur Bestätigung
des von der pathologischen Anatomie schon längst gelehrten.
Fragen wir nun: „Stehen die gewonnenen Resultate auch im
Einklänge mit der Faserungslehre des Gehirns ?“
FreiUch mit der von Luys mit soviel Aplomb in seinem
so hoch gepriesenen Werke vorgetragenen Faserungslehre und
schön erdichteten Localisirung der verschiedenen Hirnfunctionen
gewiss nicht. — Das Sensorium commune, das Luys der eng¬
lischen Schule (Todd und Carpenter) folgend in den Tha¬
lamus opticus verlegte, durch den er, wie deutlich in einer Ab¬
bildung seines Werkes zn sehen, die einzelnen sensiblen, wie
sensoriellen Fasern nach gewissen Verdichtungs-Centren strebend,
hindurchgehen lässt — ist trotz aller der hübschen Kranken¬
geschichten, die er, um seine Theorie zu stützen, verstümmelt
citirt, ein Fantasiegebilde.
Es gehört wahrscheinlich keine besondere Schärfe der Kritik
dazu, um zu beweisen, dass die von Luys pag. 535 seines
Werkes *) citirte Krankengeschichte eines Fungus haematodes der
Thalami optici nicht nur nicht für, sondern sogar gegen seine
Theorie spricht, wenn man die vollständige Krankengeschichte
bei Lussana und Lemoigne 2 ) nachliest. Es ist überhaupt
unstatthaft, Hirntumoren zur Beantwortung der Localisations-
fragen der verschiedenen Hirnfunctionen zu verwerthen. Gegen
Luys sprechen ausser den pathologisch anatomischen Beob¬
achtungen auch noch die Experimentalergebnisse eines Dur et,
Carville, Schiff, Magendie, Nothnagel, die bei Reizung
der Thalami optici keine Spur von Sensationen, bei Zerstö¬
rung derselben keine Spur von Sensibilitätsdefecten constatiren
konnten.
Was lehrt nun Meynert? — Sein bester Interpret, Hugue-
nin # ), sagt:
„Der äusserste Fasertheil des Pedunculus besteht aus sen¬
siblen Fasern, weil wir sie weiter unten in den Hintersträngen
des Rückenmarkes verlaufen sehen. Er entsteht aus der Rinde
des Occipitalhirnes, wendet sich bogenförmig nach vorn und
innen, zieht hinter der hinteren Spitze des Linsenkernes weg,
dem Pedunculus zu und gelangt in die äusseren Theile desselben,
ohne durch irgend eine graue Masse hindurchgegangen zu sein. —
(Meynert. Gratiolet.)“
Diese anatomische Thatsache wurde auch von Broadbent,
der vollkommen unabhängig seine Untersuchungen ausgeführt
hat, vollständig bestätigt Zur Verständigung diene umstehende,
mit Genehmigung des Autors seinem Werke sub Figur 82
entlehnte Zeichnung.
Wir sehen also, dass die Meynert’sche Lehre über den
Verlauf der directen sensiblen Pedunculus-Bündel zur Hirnrinde
durch unseren Fall eine geradezu klassische Bestätigung erhält,
wie sie präciser kaum gedacht werden kann.
Da an der bezeichneten Stelle auch die sensoriellen Fasern
nach Meynert verlaufen, so ist auch die sensorielle Anaesthesie
in unserem Falle vollständig erklärt. Die Hemiparese ist ge¬
deckt durch den Befund im Linsenkerne.
Nur ein Punkt bebarf noch von anatomischer Seite einer
besonderen Beachtung:
1) Recherches sur l’anatomie et la physiologie du Systeme nerveux.
2) Arehives de physiologie norm, et pathol. 1877, pag. 149.
3) Huguenin: Allgemeine Pathologie der Krankheiten des Nerven¬
systems. Zürich 1873, pag. 125.
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2
Ürigiral fre
UNIVERSITY OF MICHIGAN *
302
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 21
C*
Verlauf des sensiblen Bündels vom Pedunculus nach hinten
in die Rinde des Occiput. Der ganze Thalamus ist weg¬
genommen und die Faserung des Pedunculus zum Corpus
striatum freigelegt. (Schema.) a. Corpus striatum; b. Linsen¬
kern; c. Pedunculusfasem ins Corpus striatum; x. Herd.
»Wie ist die einseitige Amblyopie zu erklären, für die weder
im Augenhintergrunde, noch in dem Verlaufe des Opticus vom
Cbiasma bis zur Papille eine pathologische Störung auffind¬
bar ist?“
Es ist eine durch experimentelle wie pathologische Ergeb¬
nisse vielfältig erhärtete Thatsache, dass die Decussation der
Nervi optici im Chiasma eine nur unvollständige ist. Hiernach
sollte also jedesmal bei einer Hemisphärenlaesion eine bilate¬
rale Hemiopie auftreten, und nicht wie in unserem Falle eine
hochgradige Amblyopie auf der opponirten Seite und völliges
Intactbleiben des gleichnamigen Auges. C har cot erklärt
die einseitige Amblyopie dadurch, dass er annimmt, dass die
Opticus-Fasern nach ihrem Durchtritte durch die Vierhügel
sich von neuem im Innern des Gehirnes kreuzen, wodurch dann
der Effect der ersten Kreuzung annullirt ist. Nach dieser Hypo¬
these würden sämmtliche Opticus-Fasern des rechten Auges in
der linken Hemisphäre endigen.
So sehen wir nun, wie sich hier das klinische Bild mit den
pathologisch-anatomischen Befunden, mit den physiologischen
und anatomischen Thatsachen vollständig deckt, wie sich letztere
gegenseitig verificiren. Aus dieser Thatsache erhellt wohl hin¬
länglich. von woher eine sichere Erledigung der Localisations-
frage der Hirnfunctionen und der Leitungsbahnen zu erwarten
steht: Eine genaue wissenschaftliche, nach allen Richtungen
hin das Krankheitsbild vollständig erschöpfende klinische Beob¬
achtung und nachfolgende genaue Section werden die niemals
irrenden Wegweiser sein durch das Labyrinth des Central-
Nerven-Organs.
Resumiren wir das mitgetheilte, so werden wir sowohl auf
Grund der auf eigenen Literaturstudien beruhenden Mittheilungen,
als auch unserer eigenen Beobachtung zum Schlüsse sagen dürfen:
Die im Gefolge von haemorrhagischen oder Erweichungs¬
herden des Gehirns auftretende Hemianaesthesie, characterisirt
durch den Verlust der Specialsinne, unterscheidet sich in nichts
von der hysterischen Hemianaesthesie, verdankt ihren Ursprung
einer Laesion der Capsula interna in ihrem hintersten Theile,
wo die Fasern der äusseren Partie des Hirnschenkelfusses direct
gegen das Occipitalhirn ausstrahlen, und bietet uns somit ein
äusserst wichtiges klinisch diagnostisches Mittel zur Bestimmung
des Sitzes einer Himkrankheit.
Die vollständige Identität der klinischen Bilder der hyste¬
rischen Hemianaesthesie und der in Folge von cerebralen Herd-
affectionen auftretenden weist auf eine functioneile Störung an
der gleichen, oben bezeichneten Stelle als Ursache der er-
steren hin.
Nachschrift. Während diese Mitheilungen sich unter der
Presse befinden, erhalte ich gelegentlich meines jetzigen Aufent¬
halts bei Charcot (Salpetriere) die jüngst erschienene sehr
lesenswerthe Arbeit von Lafforgue (etude sur les rapports
des lesions de la couche optique avec Phemianesthesie d’origine
cerebrale). Die Conclusionen L.’s über die Luys’sche sowie
über die Meynert’sche Lehre betreffs des Thalam. opticus
stehen in vollem Einklang mit den von uns gewonnenen Re¬
sultaten.
III. lieber einseitige itetmtditiftislilwn; mit
Mydriasis aaf syphilitischer Basis.
Von
Dr. Alexander in Aachen.
Die Krankheiten der Accommodation sind unserem Ver¬
stand niss erst näher gerückt, seitdem durch die epochemachen¬
den Arbeiten v. Graefe’s und Donders einiges Licht verbreitet
ist über die physiologischen Verhältnisse der Accommodation
und Refraction. Wenn auch schon Wells (cf. Nagel’s Ano¬
malien der Accommodation und Refraction) im Jahre 1811 rich¬
tige Vorstellungen über die Lähmung der Accommodation be-
sass, so wurde die Affection jedoch in den nächsten Jahrzehnten
von Himly, Jüngken, Sichel etc. vielfach noch falsch ge¬
deutet und zu den Amblyopien geworfen, bis erst Donders 1 )
und Jacobson *) durch ihre Arbeiten über Accommodations-
lähmungen nach Diphtheritis faucium die Natur der Sehstörung
richtig erkannten und deuteten. Nunmehr häuften sich die Be¬
obachtungen über diese Affection nach Diphtheritis derart, dass
sie heut zu Tage wohl einem jeden Arzte bekannt sein dürften.
Ich brauche mich daher auf dieselbe hier nicht näher einzu¬
lassen; erwähnen will ich nur, dass sie stets doppelseitig auf-
tritt, und dass Mydriasis, also Lähmung des den Sphincter pu¬
pillae innervirenden Astes des N. ocolomotorius, dabei nur
ausnahmsweise beobachtet wird (Scheby-Buch*)); aus diesem
Fehlen der Mydriasis schliesst Voelckers, dass die Lähmung
in den feinsten peripheren Nervenenden ihren Sitz haben müsse,
da bei centraler Lähmungsursache wahrscheinlich auch beide
hier in Betracht kommende Aeste des Oculomotorius von der
Lähmung ergriffen worden wären. Accommodationslähmung mit,
auch ohne Mydriasis ist ferner beobachtet worden nach Wund-
diptheritis (Roger, Desjardin, Raciborski, Caspary),
ferner nach Wurstvergiftung. Lawson 4 ) sah sie nach Dysen¬
terie und Urticaria, Gabler nach Erysipelas, Harlan*) und
Cohn # ) nach Traumen, Kittel 7 ) nach Trichinosis, Hut-
1) Donders Archiv für holländische Beiträge zur Natur- und
Heilk., Bd. H, Heft 4.
2) Archiv für Ophthalmologie, VI, 2, 180.
3) Arch. f. Ophth., XVII, 1, 265.
4) Lancet Vol. I, 1867.
5) Traumatic paralysis of the visual accommodation. Americ. Journal
of the medical Sciences. Vol. 61, p. 139—140.
6) Cohn H. Paresis accommodatoria o. d. nach Himschuss. Schuss¬
verletzungen des Auges p. 6.
7) Pathologische Erscheinungen an den Augen in der Trichinosis.
Allgem. Wiener medic. Zeitung p. 254.
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27. Mai 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
305
chinson 1 ) nach plötzlichem Schreck, Blutverlusten, Lactation
u. a. Bevor ich non meine eigenen Erfahrungen über syphili¬
tische Accommodationslähmung mit Mydriasis den Lesern dieses
Blattes mittheile, sei es mir gestattet, einiges über die Inner¬
vationsverhältnisse der beiden uns hier interessirenden Muskeln,
des Tensor Chorioideae als des eigentlichen Accomodations-
muskels sowie des Sphincter pupillae, welcher dem vom Sympathi-
cus innervirten Dilatator pupillae entgegenwirkt, vorauszusenden.
Hensen und Voelckers 3 ) haben durch Versuche an
Hunden, Katzen, Affen und an einem menschlichen Auge un¬
mittelbar nach der Enucleation *) den Beweis geliefert, dass
durch Reizung des Ganglion ciliare alle jene Vorgänge im Auge
ausgelöst werden, welche bekanntlich nach Helm holz und
Cramer die Accommodation ausmachen: Die vordere Linsen¬
fläche wird convexer, der Giliarmuskel contrahirt sich, und die
Chorioidea wird nach vorn gezogen; zu annähernd denselben
Resultaten gelangte Adamük bei seinen Versuchen im Utrechter
physiologischen Laboratorium. Nun ist das Ganglion ciliare ein
Nervenknoten, welcher sowohl aus motorischen wie aus sen¬
siblen, wie auch endlich aus sympathischen Fasern zusammen¬
gesetzt ist; die motorische Wurzel (crus breve) verdankt ihren
Ursprung demjenigen Zweige des N. ‘oculomotorius, welchen
derselbe zum M. obiiquus inferior sendet; die sensible oder
lange Wurzel (crus longum) entspringt aus dem N. naso-
ciliaris des Trigeminus und endlich die sympathische Wurzel
aus demjenigen Plexus des Sympathicus, welcher die Carotis
cerebralis umgiebt. Es wird sich nun zunächst darum handeln,
welcher von diesen drei Nervenästen den Ciliarmuskel (M. cili-
aris s. Tensor Chorioideae) innervirt, welcher Nerv mithin als
der eigentliche Nerv der Accommodation angesprochen werden
muss. Hierüber sind die Ansichten bis auf den heutigen Tag
noch nicht vollständig geklärt. Funke 4 ) sagt, dass die Nerven¬
bahnen der Accommodation noch nicht mit Bestimmtheit nach¬
zuweisen seien; demselben stimmt Fick bei. Ruete 5 ) spricht
den Trigeminus, Arlt 8 ) den Oculomotorius, Pilz, Stellwag,
Wundt, Henke, Graefe u. a. entscheiden sich für eine ge¬
meinsame Wirkung des Oculomotorius und des sympathischen
Nervengeflechtes. Auch die neuesten Untersuchungen von Traut-
vetter*) haben, wenigstens beim Hunde, kein positives Resultat
ergeben; nur bei Tauben konnte Trautvetter nachweisen, dass
der N. oculomotorius den Ciliarmuskel versorgt und hierdurch
der Accommodation dient. Wenn wir nun trotz all’ dieser
schwankenden Ansichten und trotz der negativen Resultate der
experimentellen Untersuchungen uns jetzt allgemein der Ansicht
hinneigen, dass der N. oculomotorius auch beim Menschen der
eigentliche Accommodationsnerv ist, so sind es vor allem die
Ergebnisse klinischer Beobachtungen, durch die wir einen Rück¬
schluss auf die physiologischen Verhältnisse machen dürfen.
Wir finden nämlich fast ausnahmslos bei jeder, aus welcher
Ursache auch immer entstandenen Mydriasis, gleichzeitig pare-
tiscbe Zustände im Bereiche des Ciliarmuskels; Graefe, Don-
ders, Arlt haben, meines Wissens, bei ihrer reichen Erfahrung
nie eine Ausnahme hiervon gesehen; der Fall Graefe’s 8 ), wo
1) Hutchinson: Löss of accommodation from nervous shok. Ophth.
hosp. reports VII, p. 39. — Failure of sight during lactation and
its meaning las a Symptom, ibid. p. 38.
2) Experimentaluntersuchungen über den Mechanismus der Accommo¬
dation. Kiel 1868.
3) Arch. f. Ophth., XIX, 1, p. 156.
4) Physiologie, III. Auflage, Bd. II.
5) Lehrbuch der Ophth. Bd. I, S. 308.
6) Krankheiten des Auges 1851—1859.
7) Arch. f. Ophth. XII, 1, 96.
8) Arch. f. Ophth. II, S. 299.
bei einer Lähmung sämmtlicher 12 Augenmuskeln die Accommo¬
dation erhalten blieb, wo also trotz der Lähmung des zum
Sphincter pupillae gehenden Oculomotorius-Astes der gleich-
werthige zum M. ciliaris gehende Zweig intact blieb, spricht
nicht dagegen, da in diesem Falle auch noch die Mm. levatores
palpebrarum, welche ja ebenfalls vom Oculomotorius innervirt
werden, functionsfähig geblieben waren. Bekanntlich wird nun
der Sphincter pupillae (durch dessen Lähmung die Mydriasis
entsteht) vom Oculomotorius versorgt; mag nun auch, wie Va¬
lentin, Magendie, Graefe, Trautvetter, Grünhagen u. a.
es vermuthen, den Fasern des Trigeminus eine gewisse Rolle
bei Verengerung der Pupille zufallen, so viel scheint denn
doch aus allen physiologischen Raisonnements, aus allen experi¬
mentellen Untersuchungen, so wie endlich auch aus der klini¬
schen Erfahrung hervorzugehen, dass dem Oculomotorius hier¬
bei die wesentlichste und hauptsächlichsteRolle zufällt. Finden
wir nun ausnahmslos bei mydriatischen Zuständen der Pupille,
also bei einer Lähmung des den Sphincter pupillae innervirenden
Oculomotorius-Astes, auch eine Accommodationslähmung i. e.
eine Lähmung des Ciliarmuskels, so wird es uns nach diesen
Erfahrungen nicht schwer fallen, den N. oculomotorius als den¬
jenigen Nerven anzusprechen, von welchem die Innervation des
M. ciliaris ausgeht. Die neuesten experimentellen Untersuchungen
von Hensen und Voelckers (Arch. f. Opth. XXIV, S. 1—26)
bestätigen diese lediglich pathologischen Verhältnissen ihren
Ursprung verdankende Ueberzeugung und wiesen zur Evidenz
nach, dass die Accommodationsnerven wirklich im Stamme des
Oculomotorius verlaufen. Denn wurde der hintere Theil des
Bodens des 3. Hirnventrikels und der Boden des Aquaeductus
Sylvii gereizt, so folgten der Reizung die einzelnen Bewegungen
des Auges in folgender Reihenfolge: Accommodation, Iriscon-
traction, Contraction des Reet, internus, Rectus super., Levator
palpebr. sup., Rectus infer. und endlich Obliq. inf. Ich kann
mich des näheren auf diese interessanten Versuche hier nicht
einlassen und verweise auf die Arbeit selber.
In den späteren Stadien der syphilitischen Diathese begegnen
wir zuweilen einer isolirten Lähmung dieser beiden Oculomo-
toriuszweige und als deren Folge einer Accommodationslähmung
nebst Mydriasis. Diese syphilitische Affection ist stets ein¬
seitig und wohl ausnahmslos centraler Natur; aus der isolirten
Lähmung jener beiden Nervenäste dürfen wir auf den centralen
Sitz des ursächlichen Leidens schliessen, da bei einem peripheren
oder einem intracraniellen, aber extracerebralen Sitze auch noch
mehr, vielleicht sämmtliche Zweige des weit verbreiteten Ocu¬
lomotorius ergriffen worden wären. Wie schon erwähnt, gehört
die Krankheit den späteren, selbst den spätesten Symptomen
der Syphilis an; mehrere, selbst viele Jahre (bis zu 20 Jahren)
waren seit der Infection verflossen, die Krankheit schien getilgt,
die Kranken erinnerten sich häufig kaum mehr ihres vor Jahren
überstandenen Leidens, Frauen hatten geheirathet und gesunde
Kinder geboren — als plötzlich mit geringen, oft ohne alle
Begleiterscheinungen die Lähmung eintrat. In den meisten der
mir zu Gesichte gekommenen Fälle schienen die der Infection
unmittelbar folgenden (die sog. secundären) Symptome leichter,
Natur gewesen zu sein. Eine schnell vorübergehende Roseola,
eine leichte Pharyngitis waren es, die zur Zeit nach Anwendung
einiger Quecksilberdosen oder einer leichten Schwitzcur getilgt
waren. Auffallender Weise wareu es viele Officiere und junge
Leute aus den besten Gesellschaftsklassen, welche von der Krank¬
heit ergriffen wurden; theils aus Scheu, theils aus Leichtsinn
und burschicoser Verachtung der Gefahr hatten die Patienten
ihrer Infection nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt, zudem
deren Folgen auch bald wie es schien — vollständig beseitigt
waren. Es bedurfte nur eines geringen Anlasses, der Erkältung
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 21
auf der Jagd, beim Manöver etc., um plötzlich und unvorbereitet
die Krankheit von neuem und jetzt in der Form einer partiellen
Lähmung wieder erscheinen zu lassen. Meistens wiesen bei der
Vorstellung des Patienten nur noch wenig Symptome auf frühere
Lues hin: hier und da waren noch die Reste überstandener
Iritiden, einige vergrösserte Lymphdrüsen, vereinzelte Pigment¬
flecken und nur in einem Falle eine ausgesprochene Psoriasis
linguae et oris nachweisbar. — Die Diagnose der Lähmung ist
selten mit Schwierigkeiten verbunden; sie wird objectiv gestellt
durch die weite, auf Lichteinfall und bei accommodativer Thätig-
keit wenig reagirende Pupille, sowie auch mit Hülfe der Coccius-
schen binocularen Loupe durch Untersuchung der Excursion der
vorderen Spiegelbilder der Linse; doch auch die Klagen des
Patienten, welcher trotz energischer accommodativer Anstrengung
alles nur verschwommen und undeutlich zu sehen vermag, geben
uns einen Fingerzeig bei der Diagnose. Am meisten klagen die
Hypermetropen, weil schon unter normalen Verhältnissen ihre
Accommodationskraft stark in Anspruch genommen werden muss,
um den vorhandenen Refractionsfehler auszugleichen; wird nun
noch der Ciliarmuskel in seiner Functionsfälligkeit herabgesetzt,
so wird das deutliche Sehen in der Nähe, Lesen, Schreiben etc.
fast zur Unmöglichkeit werden, während das Sehen in die Ferne
mit parallelen Sehaxen wenig oder gar nicht von der Norm
abweicht. Am wenigsten leidet der Myope, da hier durch Läh¬
mung der Accommodation der Nahepunkt höchstens dem Fern¬
punkt näher gerückt wird, welcher überdies ja noch in endlicher
Entfernung vor dem Auge liegt; zwischen beiden iu der Mitte
steht mit seinen Klagen der Emmetrope. Ferner verbindet sich
mit der Accommodationslähmung zuweilen nach Micropsie, d. h.
Kleinersehen der Gegenstände; ich habe dieselbe jedoch nicht
immer zu constatiren vermocht.
Wie schon erwähnt, ist die Affection stets einseitig; ich
gehe nun noch einen Schritt weiter und glaube die Behauptung
wagen zu dürfen, dass die meisten Fälle von einseitiger Accommo¬
dationslähmung mit Mydriasis veralteter Syphilis ihren Ursprung
verdanken. Während meiner 11jährigen Praxis in Aachen habe
ich diesen Zustand 28 Mal zu beobachten Gelegenheit gehabt;
davon waren 19 Fälle, mithin 68% zweifellos syphilitischer
Natur, in 5 Fällen, also in 18% war die Syphilis nicht sicher
nachweisbar, doch wahrscheinlich, und nur in 4 Fällen, mithin
in 14% der Fälle war sie sicher auszuschliessen, und die Affection
liess sich ungezwungen als eine rheumatische deuten. Allerdings
kann mir hierbei eingewandt werden, dass bei dem Conflux
syphilitischer Kranken an den Schwefelquellen Aachens dieses
Verhältnis nicht unzweifelhafte Beweiskraft beanspruchen dürfte,
da ja eben die an Syphilis leidenden von ihren Aerzten hierher
gesandt werden. Ich kann diesem Einwurf seine Berechtigung
nicht absprechen; doch betont auch Mooren mit seiner reichen
Erfahrung in seinen ophthalmologischen Mittheilungen vom
Jahre 1874 dieses AbhängigkeitsVerhältnis einseitiger Accommo¬
dationslähmung von der Syphilis, indem er sagt: »eine einseitige
Accommodationslähmung als Ausdruck einer vorhandenen My¬
driasis kann in mindestens */* der beobachteten Fälle constatirt
werden, wo in früheren Jahren Syphilis vorhanden gewesen.
Ich entsinne mich indessen nur eines Falles, in welchem die
Spuren der vorausgegangenen Lues noch sichtbar waren.“
Die Prognose dieser Fälle ist nach 2 Richtungen hin durch¬
aus ungünstig; zunächst habe ich trotz Monate lang mit allen
nur möglichen Cautelen durchgesetzter Inunctionscur, trotz der
Anwendung des Hydrargyrum in Form von Sublimat- und Ca-
lomelininjectionen und der iuneren Verwendung desselben in
den verschiedensten Formen und Präparaten, trotz des constanten
und inducirten Stromes, des Jodkaliums, des Calabar, des Eserin
licht irr einem Falle die Freude gehabt, die Accommodation
hergestellt, die Pupille dauernd verengt zu sehen. Auch Mooren
sagt 1. c. „trotz langer Anwendung des Kalium jodatum und
der Application des Inductionsstromes sah ich doch fast niemals
einen Ausgleich der in dieser Weise bedingten Störung.“ Die
sonst noch etwa vorhandenen Zeichen der Lues schwanden in
mehr oder weniger kurzen Zeit, die Kranken erfreuten sich eines
untadelhaften Wohlbefindens, dagegen bestehen die Beschwerden,
welche den Patienten, so weit ich sie habe verfolgen können,
aus der Lähmung des Ciliarmuskels und des Sphincter pupillae
erwachsen, bis auf den heutigen Tag in unveränderter Weise
fort und sind nur durch Anwendung geeigneter Convexgläser
etwas zu verringern. Meric*) kam zu besseren Resultaten:
bei ihm war der Ausgang in den meisten Fällen ein günstigerer.
— Noch nach einer 2. Seite hin ist die Prognose dieser Fälle
eine ungünstige — die Krankheit ist häufig als Vorläufer psy¬
chischer Störungen zu betrachten. In der Psychiatrie ist schon
seit langer Zeit einseitige Erweiterung der Pupille als malum
omen berüchtigt; bekannt ist, dass wiederholte Mydriasisanfälle
häufig die Vorläufer psychischer Störungen abgeben, welche
dann meistens in der Form des Grössen Wahnsinns auftreten;
auch in der Ataxie zeigt sich vorübergehende Mydriasis als
Prodrom, 2 ) Wernicke^ fand Erweiterung einer Pupille mit
vermindeter Contraction und Accommodationsparese ebenfalls
im Prodromalstadium geistiger Alienation. Arndt 4 ) fasst sie
nicht so ungünstig auf; er betrachtet sie als Reizerscheinung
des Rückenmarkes und hat Schwinden der Mydriasis nach An¬
wendung des galvanischen Stromes besonders bei vasomotorischer
Erkrankung gesehen. Was mich betrifft, so habe ich unter den
19 Fällen einseitiger Accommodationsparese mit Mydriasis
welche ich als auf Syphilis beruhend ansprechen zu dürfen
glaube, 6 Fälle, mithin 33% in geistige Störung übergehen
sehen; der eine Fall, den ich unten als den 7. anführe, ist
zweifelhafter Natur; einige von den Kranken habe ich aus den
Augen verloren, ich kann mithin über deren Schicksal nicht
berichten; die anderen erfreuen sich, wie schon erwähnt, bis auf
ihre Accommodationslähmung eines ungestörten Wohlbefinden^
Ich resumire das oben gesagte in folgenden Sätzen:
1) einseitige mit Mydriasis verbundene Accommodations-
lähmung ist in den überwiegend meisten Fällen syphilitischer
Natur.
2) die Affection gehört zu den spätesten Erscheinungen der
Syphilis; gewöhnlich waren die früheren Symptome der Lues
leichter und schnell vorübergehender Natur.
3) die Affection an sich ist unheilbar.
4) sie ist stets cerebraler Natur und muss
5) in vielen Fällen als Vorläufer psychischer Störungen
aufgefasst werden.
Es möge mir gestattet sein, einige der prägnantesten Fälle
unter denen, die ich beobachtet, hier kurz anzuführen.
I. Rittmeister v. M., 35 J. alt, sus Schlesien. Im Jahre 1855
fand die Infection statt, welcher bald darauf Plaques ad anum,
Pharyngitis und linksseitige Iritis folgten; durch eine 4wöchent¬
liche Zittmanncur und durch den zeitweiligen, wiewohl sehr
unregelmässiger Gebrauch von Quecksilberpillen will Pat. da¬
mals von seinem Leiden vollständig geheilt worden sein. Zehn
Jahre war Pat. von allen syphilitischen Erscheinungen befreit,
als sich plötzlich im Jahre 1868 rechtsseitige Mydriasis mit
1) Cases of syphilitie affection of the third nerve producing mydriasis
with and without Ptosis. British Medic. Journal I, p. 29, 52.
2) v. Wecker in Gräfe u. Sämisch’s Sammelwerk Bd. IV, S. 560
3^ Wernicke: Das Verhalten der Pupillen bei Geisteskranken.
Arch. f. patli. Anat. Bd. 56, p. 397—407.
4) Die Electricität in der Psychiatrie (Arch. f. Psych. II, p. 589—91)-
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27. Mai 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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Accommodationsparese einstellte. Als ich den Pat. im Herbst
1868 sah, constatirte ich:
Linkes Auge: auf der Kapsel einige rostbraune Flecken
als Residuen überstandener Iritiden; bei emmetropischem Bau
des Auges war die S = 1, die Accommodationsbreite (a) betrug
7,5 Dioptrien (D) (P = 13 Ctm., also nach der Formel a = p
ist a = 1## /u = 7,5 D) oder = */, des alten Systems.
Rechtes Auge: Pupille bis auf das doppelte erweitert,
fast reactionslos, die Accommodation gelähmt; ausserdem war
eine geringe Herabsetzung der Refraction eingetreten, der Pat.
hatte eine Hypermetropie von 0,75 D. acquirirt, die S war
übrigens =1. Der Nahepunkt lag in 40 Ctm. ( 10# / 40 = 2,5 D),
mithin war nach der bekannten Donders’schen Formel für
Hypermetropen
a = l> + r
die Accommodationsbreite a = 2,5 -j- 0,75 = 3,25 D (*/, t des
alten Systems).
Während Pat. linkerseits eine Accommodationsbreite von
7,5 Dioptrien (‘/ 5 des alten Systems) besass, betrug die rechts¬
seitige Accommodationsbreite nur 3,25 D. (Vii des alten Systems);
die Accommodationskraft war mithin um mehr als das doppelte
herabgesetzt, was sich bei jeder Arbeit, beim Lesen, Schreiben
etc. in sehr störender und empfindlicher Weise bemerkbar machte.
Die Cur, bestehend aus sehr lange fortgesetzten energischen
Inunctionen blieb auf die Accommodations- und Pupillenlähmung
ohne allen Eiufluss; 2 Jahre darauf, im Jahre 1870, starb Pat.
in Mentone vollständig paralytisch.
II. Hauptmann v. S. aus Schlesien, 36 Jahre alt, datirt
die Infection aus dem Jahre 1860; im Jahre 1863 wurde eine
schnell vorübergehende, rechtsseitige Mydriasis bemerkt, im Jahre
1866 trat sie zum 2. Male und jetzt in Verbindung mit gleich¬
zeitiger Abducenslähmung auf, die jedoch bald wieder vorüber
gingen; 1868 linksseitige Lähmung des Oculomotorius, welche
ebenfalls wieder schwand. Sonst war Pat. durchaus gesund,
hatte die Feldzüge von 1866 und 1870 mitgemacht, und präsen-
tirte sich mir im Jahre 1872 wegen seiner rechtsseitigen Pupillen¬
lähmung. Ich constatirte:
1. A. a = 9,5 D (V 4 des alten Systems), denn
p = 9,5 D.
r = oo u. da a = p ist, so ist die
Accommodationsbreite a = 9,5 D.
r. A. Hochgradige Accommodationslähmung mit
Mydriasis.
p = 2,25 D.
r = oo u. da a wieder =p ist, so ist
a = 2,25 D (7i« des alten Systems).
Es war mithin der rechtsseitige Tensor chorioideae um mehr
als das 4fache geschwächt; auch hier Inunctionen, Jodkalium,
Oalabar, Electricität etc. ohne allen Erfolg. Patient starb ein
Jahr darauf in einer Irrenanstalt.
III. Rentier C. aus Baiern, 52 Jahre alt, ist in seinem
27. Lebensjahre inficirt und hat zur Zeit die ganze Reihe syphi¬
litischer Folgezustände: Roseola, Plaques, Pharyngitis durch¬
gemacht; seit 20 Jahren will Pat. von allen sichtbaren Er¬
scheinungen der Lues verschont geblieben sein. Im Jahre 1872
bemerkte er zum ersten Male Doppelbilder bei rechtsseitiger Ab-
■ducens-Lähmung. Im Frühjahr des folgenden Jahres stellte
sich mir Pat. vor und constatirte ich: gleichnamige Doppel¬
bilder besonders beim Blick nach rechts, welche jedoch durch
Prismen von 6° leicht zur Verschmelzung gebracht werden konn¬
ten, S = 1, Hypermetropie = 1,5 D.
P rr— 3 D
r = 1,5 D, also a (= p -f r) = 3 D + 1,5D = 4,5 D
(V 8 des alten Systems).
L. A. Hochgradige Mydriasis mit Accommodationslähmung,
S = 1, Hypermetropie =1,5 D.
p = 0,5 D
also a = 0,5 + 1,5 = 2 D (7 lt des alten Systems), mithin auch
hier wiederum Functionsherabsetzung des linken Tensor cho¬
rioideae um mehr als das doppelte. Auch hier blieb jede Be¬
handlung ohne Erfolg; der Kranke lebt noch, hat jedoch eine
rechtsseitige Hemiplegie mit Wahnvorstellungen der verschie¬
densten Art acquirirt.
IV. Kaufmann H. aus Hamburg, 32 Jahre alt, ist im Jahre
1868 inficirt; der Infection folgten bald darauf die leichteren
Formen eines allgemeinen Exanthems, sowie schnell vorüber¬
gehende Pharyngitis. Im Jahre 1869 wurden zum 1. Male
Parese der linken Seite und Gehörshallucinationen bemerkt,
sowie Lähmung einiger Facialisäste. Im Jahre 1870 sah ich
den Pat., von syphilitischen Ercheinungen war nichts mehr zu
constatiren, dagegen wurde Pat. jetzt von seiner erweiterten
rechtsseitigen Pupille beunruhigt. Dieselbe war träge, weit und
fast vollkommen reactionslos, ausserdem bestand Accommoda¬
tionsparese:
1. A. a = 6 D (7 a des alten Symptoms)
r. A. a = 3,5 D (7 n des alten Symptoms).
Die Cur blieb auch hier ohne jeden Erfolg; Pat. verfiel
bald in einen Zustand geistiger Verworrenheit, in welchem er
auch kurze Zeit darauf zu Grunde ging. Die Section ergab
multiple Erweichungsherde.
V. Capitain G. aus England, 26 Jahre alt, ist im Jahre
1867 inficirt; schon im Jahre 1868 stellte sich mir Pat. mit
einer Lähmung des rechtsseitigen Oculomotorius in seinen sämmt-
Aesten vor. Bei der totalen Lähmung des ganzen Oculomotorius
durfte ich die Lähmungsursache als eine intracranielle, aber
extracerebrale ansehen und stellte demgemäss eine gute Prog¬
nose, die sich denn auch vollkommen bestätigte; nach mehr
als 3 monatlicher Behandlung mit Inunctionen, unserm Thermal¬
wasser, Jodkalium und Electricität verliess Pat. Aachen in einem
durchaus befriedigenden Zustande; alle vom Oculomotorius in-
nervirten Muskeln functionirten normal, nur ein geringer Grad
von Ptosis war noch vorhanden. Im Sommer 1869, als ich den
Pat. wieder sah, war auch diese verschwunden, dagegen war
linkerseits vollkommen Accommodationslähmung mit Mydriasis
vorhanden. Während
r. a = 9,5 D war (7 4 des alten Systems), war
1. a = 3,75 D (7io des alten Systems).
Die wiederum mehr als 3 Monate dauernde Cur blieb auf
die Sehstörung ohne allen Einfluss. Pat. verliess allerdings
Aachen in blühendem Aussehen, in guter körperlicher wie
geistiger Verfassung; doch entleibte er sich 2 Jahre darauf in
Indien in einem Zustande von geistiger Al;enation, nachdem
schon einige Monate vorher Exaltationszustände sich gezeigt
hatten.
VI. Kaufmann F. aus Hamburg, 39 Jahre alt, ist in seinem
21. Lebensjahre inficirt und wochenlang mit Decoct Zittmanni
und Pillen aus Hydr. behandelt, worauf sämmtliche Erscheinun¬
gen verschwunden sein sollen. Bis zu seinem 30. Lebensjahre
will Pat. nun vollkommen gesund geblieben sein; von da an
zeigten sich häufig schmerzhafte Stellen an der Zungenspitze
und den Zungenrändern, welche von sämmtlichen consultirten
Aerzten für syphilitische bezeichnet wurden; ebenso recidivirte
immer von neuem eine leichte Psoriasis palmarum. Beides,
die Zungenaffection und die Psoriasis verschwanden stets sehr
schnell, sobald nur 10—15 Einreibungen mit grauer Salbe ge¬
macht waren; Pat. hatte solcher Inunctionscuren hier in Aachen
bereits 4 oder 5 durchgemacht. Im Jahre 1873 präsentirte er
sich mir mit denselben Erscheinungen und einer vollständigen,
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 21
linksseitigen Accommodationslähmung mit Mydriasis. Schon
nach 14 Einreibungen war sowohl die Psoriasis linguae et oris
wie auch die Psoriasis palmarum vollständig verschwunden;
was die Accommodationslähmung betraf,
r. p = 7,5 D, r = oo, also a = 7,5 D ( l /i des alten Systems)
1. p = 3,5 r = oo a= 3,5 D (Vu des alten Systems),
so blieb dieselbe trotz der noch länger als 7 Wochen fort¬
gesetzten energischen Mercurialeinreibungen vollkommen unver¬
ändert. Pat. starb 2 Jahre später in einer Irrenanstalt.
VII. Gräfin X. aus Italien, 36 Jahre alt, ist vor 15 Jahren
inficirt und erfreute sich seitdem mit Ausnahme einiger nervösen
Beschwerden und einer im Jahre 1857 uberstandenen beider¬
seitigen Augenentzündung eines vollkommenen Wohlbefindens;
nichts erinnerte sie mehr an ihre frühere Erkrankung. Patientin
hatte inzwischen 3 Mal geboren, 2 Kinder leben und sind ge¬
sund, das 3. und jüngste starb im Jahre 1869 an Convulsionen.
Im Frühjahre 1871 trat plötzlich nach einer leichten Erkältung
rechtsseitige Mydriasis mit Accommodationslähmung ein; ich
sah die Pat. im August 1871:
1. A. Zeichen überstandener Iritiden, p = 6,25 D, r = 2,25,
also a (nach der Donders’schen Formel für Myopen
a= p — r) = 6,25 — 2,25 = 4 D (% des alten Systems)
r. A. p = 3,5 D. r = 2 D, also a = 3,5 — 2 = 1,5 D (V 24
des alten Systems),
mithin starke Verminderung der Accommodationsbreite. Die Be¬
handlung war die gewöhnliche: Inunctionen, Sublimat, Jodkalium,
Electricität, Calabar, Strychnin-Injectionen etc. — der Erfolg
ein kaum nennenswerter. Wie ich in vorigem Jahre von dem
die Patientin behandelnden Arzte erfuhr, so leidet dieselbe jetzt
an Lähmungen, welche jedoch von einer anerkannten Autorität
für hysterischer Natur angesehen werden; ob diese Diagnose
richtig ist oder ob es sich auch hier um Lähmungen cerebraler
Natur handelt, will ich heute nicht entscheiden.
Ich begnüge mich mit der kurzen Schilderung dieser 7 Fälle,
von denen bei 6 die beschriebene Affection als Vorläufer cere¬
braler Störungen aufgefasst werden musste, während ich den
7. noch als zweifelhaft hinstellen will. Die übrigen 12 Fälle,
in denen die Syphilis ebenfalls zweifellos als ursächliches Mo¬
ment nachgewiesen werden konnte, übergehe ich, zumal deren
Symptomatologie und Verlauf sich nicht wesentlich von den an¬
geführten unterscheidet. Der Erfolg der eingeleiteten und con-
sequent durch geführten Behandlung war auch in allen diesen
Fällen — soweit die Sehstörung in Betracht kam — ein nega¬
tiver; doch gestaltete sich das Schicksal dieser Patienten, so¬
weit ich dasselbe habe verfolgen können, nicht so ungünstig wie
bei den obigen 7 Kranken. 2 von ihnen habe ich aus den
Augen verloren; die übrigen, bei denen zum Theil schon eine
10jährige Periode seit der Behandlung vergangen, befinden sich
sämmtlich in körperlicher wie geistiger Beziehung wohl, einige
von ihnen sind glückliche Familienväter — resp. Mütter — ge¬
worden, bei niemandem haben sich sonst geistige Störungen
gezeigt. Ich darf daher nochmals wiederholen, was ich oben
bereits angeführt, dass eine einseitige, mit Mydriasis verbundene
Accommodationslähmung dasjenige syphilitische Symptom ^t,
welches an sich unheilbar, häufig als Vorläufer psychischer Stö¬
rungen aufgefasst werden muss.
IV. Kritik.
Beiträge zur practischen Augenheilkunde von Dr. J. Hirseh-
berg, Docent in Berlin. Drittes Heft. Mit 8 Holzschnitten. Leipzig.
Veit <fe Co. 1878.
Schon durch die beiden früheren Hefte sind wir gewöhnt, den Jahres¬
bericht der Hirschberg’schen Augenklinik als eine wirkliche Bereiche-
mg der opbthalmologischen Wissenschaft bezeichnen zu müssen, was
man bekanntlich nur von wenigen Jahresberichten, die ja meist Privat¬
zwecke verfolgen, sagen kann. Auch dieses neuste dritte Heft (8. Be¬
richt für 1877) ist wieder reich an guten klinischen Beobachtungen, die
in der Hirschberg eigentümlichen kurzen, aber das wesentliche
characterisirenden Darstellungsweise vorgetragen werden, und fast durch¬
weg neue Gesichtspunkte und neue Beziehungen bieten. Aber nicht
blos der Augenarzt wird für fernere Casuistik Belehrung finden, sondern
auch der practische Arzt, der sich ein Bild machen will von denjenigen
Augenkrankheiten, die zur Zeit besonders Gegenstand des Studiums und
der Controverse bilden, wird das Buch mit Befriedigung lesen. Die
Casuistik, 108 Fälle betreffend, ist besonders im Capitel Glaucom und
Cataract sehr interessant. Wir finden hier die schon anderwärts von H.
betonte Empfehlung der Iridectomie, wie sie v. Graefe gelehrt hat,
gegenüber den Vorschlägen der Sclerotomie wiederholt; H. hat auch
bei Glaucoma haemorrhagicum, der bekanntlich gefürchteten Species des
Glaucoms, Erfolg durch die Iridectomie gesehen.
Die Staaroperation übt H. nach v. Graefe; er hat im Jahre 1877
unter 38 Extractionen nicht einmal Wundeiterung gehabt; den Schnitt
macht er allerdings mehr lappenformig, so dass ein Drittel der Horn¬
hautperipherie von der Sclera abgetrennt wird. Die primäre Iritis kam
nur einmal vor. Dennoch trat 1 mal S = 0, 1 mal S = ^ und 2 mal
mittlerer Erfolg ein. — Unter 236 Kernstaarextractionen (davon 228 nach
Graefe und 8 nach Weber), die H. von 1870—1877 ausführte, waren
92% brauchbare, 4,2% unbrauchbarere (S < % 0 > % 00 ) Resultate und
3,8% Verluste. Das ist eine ganz zufriedenstellende Statistik. — Sehr
lesenswerth ist ein Fall von Blepharoplastik (Fall 107). Durch Milz¬
brand war das untere Lid eines Auges völlig zerstört worden; ein
zungenförmiger Lappen wurde aus der Wangenhaut eingepflanzt: nach
10 Tagen implantirte H. aus dem Vorderarm ein über 2" langes und
1%" breites Hautstück aus dem Vorderarm des Pat. in den Defect der
Wange. Es heilte gut ein, und nach 8—9 Wochen waren selbst die
sensiblen Nervenleitungen in dem völlig stiellosen Pfropflappen wieder
hergestellt. (Bei dieser Gelegenheit bemerke ich, dass es auffallend ist,
in diesem Buche, welches sich sonst ganz in modernen Anschauungen
und Nomenclaturen bewegt, mitten unter den Mcterbrillen immer noch
die Distancen, in denen gelesen wird, in Zoll und Fuss angegeben zu
finden. Wir werden uns gewöhnen müssen, dieses Mass, so sehr wir
auch darin geübt sind, völlig aus den Krankengeschichten in Zukunft
fortzulassen, falls das Metermass in der That durch die neuen Werke
weitere Verbreitung finden solle.)
Sehr dankenswerth ist die sorgsame Statistik, welche II. über 21440
Patienten giebt, an denen er 22523 Augenkrankheiten während 7 Jahren
beobachtete, da für solche Zahlen seitens eines einzigen Beobachters
bisher noch keine Promille-Berechnung vorliegt. Im grossen ganzen ent¬
sprechen die Zahlen denen, die Ref. aus 300000 Fällen aus verschie¬
denen Kliniken berechnet hat, so dass unter 1000 Augenleiden nach H.
kommen: 228 auf die Conjunciiva, 260 Cornea, 4 Sclera, 32 Iris und
Corpus ciliare, 22 auf Chorioidea, 9 Glaucom, 25 Retina und Opticus,
15 Amblyopia, 5 Amaurosis, 52 Linse, 11 Glaskörper, 14 Bulbus. 128
Refraction, 50 Accommodation, 49 Nervi etMusculi, 1 Nervus quintus,
25 Org. lacrym., 1 Orbita, 75 Palpebrae, Simulationes 1.
Vorausgeschickt sind den casuistischen Mitteilungen 2 Aufsätze,
welche in kürzerer Form den Fachgenossen schon durch Vorträge Hirsch¬
berg’s bekannt sind, der erste über Hemianopie (vorgetr. in der Berl.
med. Gesellsch.), der zweite über Veränderung des Augengrundes bei
allgemeiner Anaeraie (vorgetr. in der Heidelberger ophthalmol. Gesellsch.
im Jahre 1877). ln dem Aufsatze über Hemianopie zeigt sich H. als
absoluter Anhänger der Semidecussationstheorie, die den neueren For¬
schungen zufolge wahrscheinlich auch die richtigere sein mag: doch be¬
dauern wir, nicht alle Einwürfe der Gegner mit derselben Gründ¬
lichkeit vorgeführt zu sehen, wie die Ansichten der Verfechter jener
Theorie.
Einige Seiten sind der „elementaren Darstellung der Gaus suchen
Dioptrik kugliger Flächen“ gewidmet. Wenn dieselben streng genommen
wohl nicht als „Beiträge zur practischen Augenheilkunde" bezeichnet
werden können, sind sie doch eine schätzenswerte Zugabe für die¬
jenigen Augenärzte, die nicht das Buch schliessen, sobald eine Gleichung
erscheint.
Der Hauptwerth des H.’schen Buches liegt meines Erachtens in der
lehrreichen und präcis mitgetheilten Casuistik. Jlonnann Cohn.
V. Verhandln!)gen ärztlicher Gesellschaft».
Berliner medleiiiseh-psyehoiogistbe Üesellsehaft.
Sitzung vom 5. November 1877.
Vorsitzender: Herr Westphal.
Schriftführer: Herr W. Sander.
Herr Remak stellt einen 31jährigen intelligenten Mann vor, bei
welchem eine hereditäre Belastung insofern wahrscheinlich ist, als ein
23jähriger epileptischer Bruder anscheinend in einem Status cpileptieus
zu Grunde ging. Patient schreibt es einer starken Aufregung (Scandal
mit einem Offizier) im Juni 1876 zu, dass sich ganz allinälig in der
linken Hand eine Bewegungsstörung entwickelte, so dass dieselbe zuerst
im October desselben Jahres ihn beim Schreiben hinderte, indem er das
Papier nicht festhalten konnte. Erst seit 4 Monaten verspürt er eine
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27. Mai 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
307
leichte Störung am linken Fu9s und eine gewisse Behinderung der auch
früher nicht sehr geläufigen Sprache. Er hat nie Anfälle von Schwindel
oder Bewusstlosigkeit oder Krampfe gehabt, auch ist eine Abnahme Seiner
psychischen Fähigkeiten nicht bemerkt worden. Patient, etwas anämisch
ohne nachweisbare Störung der innern Organe, zeigt als auffälligstes Sym¬
ptom ein eigentümliches Bewegungsspiel der Finger der linken Hand, na¬
mentlich gut zu sehen, wenn dieselbe mit dem Rücken in gestreckter
Stellung der Finger einer Unterlage aufliegt. Alsdann werden die Finger
in ruheloser, schneller Aufeinanderfolge abwechselnd gebeugt und ge¬
streckt, adducirt und gespreizt. Am meisten betheiligt sich an den
Bewegungen der kleine und der vierte Finger, und nimmt allmälig die
Hand eine Ulnaradductionsstellung ein, so dass die Stellung im grossen
und ganzen bei adducirenden Bewegungen des Daumens der durch elec-
trische Reizung des Ulnaris erzeugten Stellung entspricht. Entsprechend
den Bewegungen sieht man ein fortwährendes Muskelspiel im Vorderarm
und in den Interossei, jedoch keinerlei Bewegung im Oberarm und der
Schulter. Auch bei anderen Stellungen der Hand treten die Bewegungen
in entprechend modificirter Form auf. So sieht man bei aufliegender
Vola klavierspielartige Bewegungen der Eitensoren. i)ie Bewegungen
nehmen zu, sobald die Aufmerksamkeit auf sie gelenkt ist, stören im
Einschlafen, so dass Patient die Hand unter dem Rücken festklemmen
muss, scheinen aber im Schlafe aufzuhören. Bei willkürlichen Bewe¬
gungen der Extremität nehmen die Zuckungen nicht zu. Weder kommt
es zu einer eigentlichen Ataxie noch zu choreatischem Schleudern. Nur
hindern diese tremorartigen Bewegungen feinere Verrichtungen wie Knöpfen
etc. Dabei besteht keinerlei Störung der motorischen Kraft und kein
Zurückbleiben des Armes bei beiderseitiger Erhebung. Der Vorderarm
ist nicht nur nicht hypertrophisch, sondern um 1 Cm. weniger umfang¬
reich als der rechte (physiologisch.) Es besteht keinerlei Rigidität und
keine Spur einer Sensibilitätsstörung. Die electrische Untersuchung,
mit allen Cautelen angestellt, ergiebt keine Abweichung von der ge¬
sunden Seite.
Am Gesicht beobachtet man bei ruhigem Verhalten ab und zu
Zuckungen im Bereich des linken Facialis, meist im Gebiet des Sphincter
palpebrarum, aber auch in den Backenmuskeln, welche zunehmen bei
willkürlicher Innervation der Gesichtsmuskulatur, welche übrigens kei¬
nerlei Lähmungserscheinung im linken Facialis erkennen lässt. Noch stär¬
ker treten diese Zuckungen als Mitbewegungen beim Sprechen auf, so dass
man bei der Langsamkeit der Sprache an die progressive Paralyse er¬
innert wird. Man überzeugt sich jedoch, dass weder eigentlich Arti-
culationsstörung, noch Silbenstolpern besteht, sondern nnr eine gewisse
Langsamkeit der Sprache. Die beim Herausstrecken nicht deviirende
Zunge zeigt einen leichten Tremor. Die Pupillen sind von mittlerer und
gleicher Weite. Am Bein sieht man in geringerer Intensität als in der
Hand leichtes Sehnenspiel der Flexoren und Extensoren der Zehen, ab
und zu auch ruckartige Bewegungen im Fussgelenk, niemals Zuckungen
im Oberschenkel oder höher. Auch hier besteht keine Hypertrophie,
keine Lähmung der motorischen Kraft, keine Sensibilitätsstörung, keine
Rigidität. Die Westphal-Erb’schen Phänomene fehlen an beiden
Fussgelenken und sind am Knie beiderseits gleich. Nach längerem Gehen
fühlt er eine gewisse Behinderung im linken Fusse.
Bei der Beschränktheit der sich wesentlich als ruheloses Muskel¬
spiel eharakterisirenden Störung auf die Extreraitätenenden einer Seite,
war der Vortragende zuerst versucht, an eine Analogie mit dem von
Hammond Athetose genannten Symptomencomplex zu denken, um so
mehr, als in der deutschen Literatur anscheinend der seinigen analoge
Beobachtungen als Athetose beschrieben worden sind, und namentlich
der Fall von Bernhardt, welcher in Deutschland die Aufmerksamkeit
auf diesen Symptomencomplex zuerst gelenkt hatte, in Bezug auf die
Art der Bewegungen ähnlich gewesen zu sein scheine. Die anwesenden
Herren Bernhardt und Ewald würden wohl Gelegenheit nehmen, die
etwaige Uebereinstimmung oder Differenz der Bewegungen in ihrem und
dem vorliegenden Falle nachher zu beleuchten. Er sei zu der Ueber-
zeugung gekommen, dass in der Literatur bereits sehr verschiedene
Bewegungsforraen als der Athetose zugehörig beschrieben seien, und dass
die ursprünglich von Hammond gegebene Schilderung dem vorliegenden
Falle insofern nicht entsprach, als die Langsamkeit und Gewaltsam¬
keit der nur mit dem äussersten Widerstand zu bewältigenden oder auf¬
zuhebenden Bewegungen von diesem Autor betont werde, in dessen Fällen
es sich um epileptische Individuen mit heraiparetischemErscheinungen han¬
delte, bei denen übrigens keineswegs eine objective Sensibilitätsstörung
bestand. Bernhardt hat dann die Analogie mit halbseitiger Chorea
betont und den Symptomencomplex der Athetose mit den von Weir-
Mitchell als Postparalytical chorea, von C har cot als Choree posthö-
miplegique beschriebenen Choreaformen der Hemiplegiker in Beziehung
zu bringen versucht, für welche Charcot die Coincidenz mit Hemianästhe-
sie hervorhebt, und für welche er auf Grund von 3 Obductionsbefunden
die anatomische Localisation im hinteren Theil des Thalamus opticus
und des Corpus striatum sowie dem hinteren Theil der inneren Kapsel
sucht. Charcot selbst hat sich dieser Bern har dt ’seben Auffassung
angeschlossen, indem er betont, dass die Bewegungsstörungen der Hemi¬
plegiker sehr verschiedene Charaktere annehmen können, theils die der
wirklichen Chorea, theils der Paralysis agitans, dass sie auftreten kön¬
nen in der Ruhe oder auch nur als Complication willkürlicher Bewegungen.
Dagegen hat Ewald, dessen Fall einen Paralytiker betraf, dessen Zwangs¬
bewegungen eine gewisse Analogie mit den hier vorliegenden gehabt zu
haben scheinen, seinen ebenfalls Athetose benannten Fall von einer Rinden¬
läsion des Schläfelappens abhängig gemacht, welche Auffassung schon
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Eulenburg vertreten hatte. Aber weder sein Fall, noch der von Lauen-
s'tein, welcher einen Herd im Thalamus opticus fand, scheint wirkliche
Athetose im engeren Sinne nach Hammond gewesen zu sein, wie das dem
Vortragenden namentlich aus einer ein grosses Material von 18 eigenen
Beobachtungen umfassenden Arbeit von Gowers hertorzugehen scheint,
welcher ein ausführliches vorgelegtes Schema der posthemiplegischen
Bewegungsstörungen aufgestellt hat, in welchem die Athetosis nur
eine kleine Unterabtheilung bildet. Das ausführlich durchgegangene
Schema umfasst allerlei Bewegungsformen, je nach ihrer Schnelligkeit,
ihrem intermittirenden oder remittirenden Character, je nachdem sie
continuirlich sind oder nur bei Bewegung auftreten, vom einfachen Tre¬
mor durch die Chorea und Incoordination und die continuirlichen lang¬
samen mobilen Spasmen der Athetose hindurch bis zu der krampfartigen
Incoordination der Bewegungen bei spastischer Hemiplegie der Kinder
und der variirenden oder permanenten tonischen Früh- und Spätcontrac-
tur. Seine ausführlichen Krankengeschichten lehren, das9 in der That
sehr verschiedene Bewegungsformen Vorkommen, dass eine feste Be¬
ziehung zu Sensibilitätsstörungen in keiner Weise besteht, sondern von
10 Fällen, wo die Sensibilität genauer untersucht wurde, in 6 Fällen
keine Störung bestand, und dass auch Fälle Vorkommen, wo Lähmungs¬
erscheinungen nicht bestehen. Unter diesen Umständen, glaubt der Vor¬
tragende, scheine es fraglich, ob es überhaupt gerechtfertigt wäre, einen
besonderen Symptomencomplex der Athetose festzuhalten. Wenn man
die vorkommenden halbseitigen unwillkürlichen Bewegungsformen durch¬
mustere, so kann man von zwei Gesichtspunkten ausgehen, indem man
entweder die Frage so formulire: Bei welchen anatomischen Herd-
Localisationen kommen derartige Bewegungen vor? oder zweitens so:
welche Formen der Bewegung sind klinisch zu unterscheiden, und sind
sie nothwendig an constante anatomische Localisationen geknüpft oder
nur als sogenannte Neurosen aufzufassen? Von wohl characterisirten
halbseitigen Zuckungen sind in den letzten Jahren mehrfach discutirt
worden die halbseitigen Krämpfe in Folge von Rindenläsionen, deren
höchsten Grad die partielle Epilepsie von Hughlings Jackson und
Charcot, meist auf syphilitischer Basis, darstellt. Vortragender selbst
beobachtete durch mehrere Tage hindurch derartige halbseitige Zuckungen
im rechten Facialis und Arm einer aphatisch und somnolent aufgenomme¬
nen Frau mit Deviation des Kopfes und der Augen nach links, welche
mit einem harten Hut einen Schlag auf die linke Kopfhälfte bekommen
hatte. Da der Fall zur Heilung kam, kann man eine meningiale
Rindenblutung nur vermuthen. Hierher gehören ferner die von West-
phal beschriebenen automatischen Gesticulationen bei Cysticercen der
Rinde, deren Bedeutung als Rindensymptom namentlich Samt auch bei
Paralytikern hervorgehoben hat. Diese könnten gelegentlich mal bei ge¬
ringer Stärke sich auf die Extremitätenenden localisiren uni dann eine
gewisse Analogie mit dem vorliegenden Fall bieten; vielleicht sei in dem
Ewald’schen Falle an so etwas zu denken. Endlich können aber auch
Herde in den Ganglien halbseitige Zuckungen hervorrufen, wie ältere Beob¬
achtungen u. a. von Leyden und die Beobachtung von Lauenstein
zeige. Auch die multiple Sclerose führt zu rhythmischen Zuckungen der
verschiedensten Muskelgruppen, wie Herr R. in zwei Fällen durch längere
Zeit beobachten konnte. Vielleicht kann auch gelegentlich einmal ein
Symptomencomplex wie der vorgestellte auf Grund multipler Sclerose zu
Stande kommen. Vom klinischen Gesichtspunkt aus kommen halbseitige
Tremorformen aber auch ohne bekannte anatomische Grundlage vor, oder
auch typische Paralysis agitans mit halbseitiger Localisation, für die der
Mangel des anatomischen Befundes das wesentlichste Criterium gegen
die multiple Sclerose bildet. Dann ist die Prädilection der echten
Chorea für halbseitige Localisation bekannt, wovon der Vortragende selbst
eine grössere Reihe von Fällen beobachtet hat. Er fand dabei, wie dies
von Ziemssen erwähnt, die Pupille der afficirten Seite in der Mehrzahl
der Fälle erweitert, welche Differenz sich bei der Heilung ausglich. Nach
der Beschreibung von Charcot ist es nun keinem Zweifel unterworfen,
dass ebenso wie Paralysis-agitans-Rewegungen bei Hemiplegischen Vor¬
kommen, auch echte Hemichorea sich mit Hemiplegie complicirt. Er selbst
beobachtete vor einigen Wochen eine 32jährige Frau, welche, nachdem sie
im zehnten Schwangerschaftsmonat von einer rechtsseitigen Hemiplegie be¬
fallen war, bei der Besserung der hemiplegischen Erscheinungen nach der
Entbindung, während ohne motorischen Impuls die Extremitäten völlig
ruhig waren, bei jeder intendirten Bewegung die exquisitesten Choreabe¬
wegungen im Arm und Bein zeigte. In diesem Fall bestanden auch Sensi¬
bilitätsstörungen an der gelähmten Seite, während Charcot Fälle von
Hemichoree posthemiplegique auch ohne Sensibilitätsstörungen bekannt
gab. In ähnlicher Weise scheinen die auf die Extremitätenden beschränkten
Bewegungen, von denen die Athetosis eine Unterabtheilung bildet, gern
organische Hirnkrankheiten mit Hemiplegien zu compliciren, aber auch
isolirt vorzukommen, wofür die Gowers’schen Beobachtungen sprechen
und der vorliegenden Fall zu verwerthen ist, wenn er auch nicht selbst
als Athetose zu bezeichnen wäre. Diese Auffassung der Affection als
eine Neurose analog der Hemichorea hat den practischen Werth, dass sie
therapeutische Versuche nicht geradezu verhindern wird. Auf Grund
früherer Erfahrungen bei Hemichorea hat der Vortragende einen Versuch
mit der galvanischen Behandlung des Nackens und zwar mit der Anode
gemacht und eine entschiedene Beruhigung erzielt, welche auch ange¬
halten hat im Vergleich zur Aufnahme, obgleich Patient behufs der
Vorstellung seit 3 Tagen nicht behandelt wurde. Erst später ist ihm
bekannt geworden, dass Gowers ebenfalls durch Galvanisation des
Nackens in einem von ihm als Athetosis angesprochenen Falle Heilung
erzielt hat.
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
308
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 21
Herr Bernhardt: Auf die direct an mich gerichtete Frage des
Vortragenden, ob ich den hier vorgestellten Fall für „Athetose“ halte,
antworte ich mit: nein. Es fehlt, wie Herr R. selbst beschrieben hat,
die Lähmung oder Parese des Gliedes (Arms), an welchem die ruhelosen
Bewegungen der Finger beobachtet werden. Diese Bewegungen selbst
erfolgen hier mehr krampfhaft und stossweise und schneller, als in den
von Hammond, mir und anderen beschriebenen Fällen: es fehlt ferner
die herabgesetzte Sensibilität der Haut der befallenen Extremitäten, es
fehlt die Hypertrophie der Vorderarmmusculatur, mit einem Worte der
Fall scheint mir nicht das von Hammond zuerst beschriebene Krank¬
heitsbild darzubieten.. Da H. zuerst den Namen Athetose für einen
ganz bestimmten Symptomencomplex gebraucht hat, so dürfen wir, die
Nachfolger, auch nur das Athetose nennen (wenn wir mal den Namen
gebrauchen wollen), was der erste Beschreiber damit bezeichnet hat.
Damit ist nicht gesagt, dass es nicht ähnliche Processe giebt, die viel¬
leicht nur schwer von der eigentlichen „Athetose“ zu trennen sind; be¬
sitzen wir doch bisher nur sehr wenige Autopsien, und ist doch die
Krankheit (wie ich es auch stets aufgefasst habe) eigentlich nur ein
Symptom, welches in vielleicht vielfachen Modificationen sich den ver¬
schiedensten Störungen des Centralnervensystems, besonders des Hirns
zugesellen kann.
Herr Ewald: Da er 3 Fälle gesehen und gewissermassen vom Vor¬
tragenden interpellirt sei, so wolle er in Kürze sagen, wodurch sie sich
von dem hier vorgestellten unterscheiden. Zwei waren, was die Be¬
wegungen betrifft, identisch mit diesem, unterschieden sieh aber darin
von ihm, dass eine Hemiplegie vorausgegangen war. Bei dem dritten,
welcher veröffentlicht ist, geschahen die Bewegungen langsamer; sie
waren mehr maschinenmässig, regelmässig wiederkehrend, übrigens sonst
von demselben Typus, den man am besten als „Greifbewegung“ be¬
zeichnen kann und hatten nichts zuckungsartiges. Die Sensibilität war
übrigens auch intact. so weit sie sich bei dem geistesschwachen Kranken
beurtheilen liess. Die Bewegungen hatten nichts choreaartiges. Im
übrigen halte er die Deductionen, welche er an seinen Fall geknüpft, auf¬
recht, glaube aber nicht berechtigt zu sein, in die Discussion darüber
cinzutreten, ob die Athetose ein selbständiges Krankheitsbild sei oder nicht.
Herr Remak: In den Bemerkungen der Vorredner finde er eine
Bestätigung seiner Anschauung, dass Hammond zunächst einen Sym¬
ptomencomplex fixirt habe, dass aber aus diesem Falle und zahlreichen
anderen der Literatur hervorgehe, dass gleiche oder ähnliche ruhelose,
auf die Extremitätenenden beschränkte, unwillkürliche Bewegungsformen
auch selbständig Vorkommen können, ebenso wie sie mit Hemiparese,
mit Ilernianaesthesie oder Hypertrophie einhergehen, so dass also, ab¬
gesehen von den unwillkürlichen Bewegungen, keine Componente des
Symptomencomplexcs als constant zu betrachten sei. Er habe seine
Ansicht deshalb so fornuiliren zu müssen geglaubt, dass diese Be¬
wegungsformen als Neurose einmal selbständig Vorkommen, andererseits
aber Herderkrankungen zu complieiren scheinen, welche für ein thera¬
peutisches Handeln wichtige Auffassung namentlich auch durch die
erwähnten Gowers’schen Beobachtungen gestützt werde.
Herr Westphal: Er habe zwei Fälle von Athetose im Sinne
Hammond’s gesehen, von denen der eine ihm genau erinnerlich.
Danach möchte er bei dem vorgestellten Patienten etwas anderes sehen,
als das, was H. beschrieben hat. Es war dies ein idiotischer Mensch,
der halbseitig gelähmt war und die Bewegungen zeigte. Sie waren
langsam und wie willkürlich. Der andere Fall w T ar ähnlich. Es w T aren
dies organische Hirnkrankheiten, bei denen die Bewegungen ein Symptom
an den betroffenen gelähmten Gliedern waren. Der vorliegende Fall
sei ganz anders; er sei keine organische Erkrankung, sondern eine Neu¬
rose; auch die Art der Bewegungen sei, worauf Gewicht zu legen, eine
ganz andere.
Herr Remak fragt, ob nicht, gerade wie Hammond es beschreibt,
abgesehen von diesen Bewegungen, eine spastische Contractur vorhanden
gewesen.
Herr Westphal: Er erinnere sich nicht genau, glaube es aber
verneinen zu müssen.
Herr Sander: Da er den ersten von Herrn Westphal erwähnten
Kranken auch kenne, so müsss er bemerken, dass allerdings die ge¬
lähmten, die athctotischen Bewegungen zeigenden Extremitäten auch
contracturirt waren. Er habe ausser diesem noch einen anderen Fall
derselben Categorie beobachtet und auf beide in der letzten Sitzung-
vorübergehend hingewiesen bei Gelegenheit seines Vortrages über einen
Fall von Idiotismus. Die Bewegungen anlangend, so seien sie denjenigen
des vorgestellten Kranken durchaus nicht ähnlich. Sie seien viel lang¬
samer, gewissermassen zähe, wie wenn ein elastischer Widerstand vor¬
handen wäre. Wer diese Bewegungen einmal gesehen, könne sie mit
anderen kaum verwechseln, so wie umgekehrt jeder, der sie zum ersten
Male sehe, wenn er die H.’sche Beschreibung im Gedächtniss hat, sich
gleich sagen werde, dass dies die Hammond’sche Athetose sei.
Herr Remak: Er habe diesen Fall nicht als Athetose beschrieben,
sondern nur deshalb mit der Athetose in Beziehung bringen müssen, weil
namentlich in der deutschen Literatur ähnliche Fälle als Athetose be¬
schrieben und ihre Obductionsbefunde für eine Theorie dieser Krankheit
verwerthet worden seien.
Darauf stellt Herr Bernhardt zwei Kranke vor, einen Fall von
Bleilähmung und einen von subacuter atrophischer Spinal¬
lähmung Erwachsenen er. (Der Vortrag ist in extenso in d. W.
1878, No. 18 veröffentlicht.)
VI. feaiiletM.
VII. Congress der Deutschen Gesellschaft ffir
Chirurgie.
(Fortsetzung.)
Hierauf zeigte Herr Thiersch ein von einer Ogston’schen Ope¬
ration des Genu valgum herrührendes Präparat vor. Die
qu. Operation sei, seitdem sie ihr Erfinder auf dem vor. Congresse be-
kannnt gemacht, ziemlich oft in Deutschland gemacht worden, durch
v. Nussbaum allein 14 Mal, durch ihn selber 6--7 Mal. Sie sei bei
Antisepsis durchaus ungefährlich, und auch in dem vorliegenden Falle
sei der Tod nicht in Folge des Eingriffes, sondern durch einen acuten
Urämieanfall (in Folge beiderseitiger Schrumpfniere) 6 Wochen später
cingetreten. (An dem Präparate war noch etwas Beweglichkeit des ab¬
gesagten Condylus zu constatiren, am Gelenke Schrumpfzustände, wahr¬
scheinlich die Ursachen der zurückbleibenden Gelenksteifigkeit: auf
Wunsch des Herrn v. Langenbeck wird übrigens eine Abbildung dieses
Präparates den ausführlichen Verhandlungen des Congrcsses beigegeben
werden.)
Hieran schloss sich die Vorstellung eines an beiden Knien
gleichzeitig nach Ogston Operirten durch Herrn Kolaczek
(Breslau). Die betreffende Operation wurde auf der einen Seite von
Prof. Fischer, auf der anderen von dem Herrn Vortragenden ausgeführt;
die Rcaction war gleich Null und konnte der erste Verband bis zum
12. Tage liegen bleiben, worauf Pat. nur eine Flancllbinde erhielt und
schon in der 4. Woche Gehversuche unternahm. Herr K. macht dabei
besonders darauf aufmerksam, dass gelegentlich der einen Operation eine
Menge Luft in das Gelenk gedrungen sei, die, ohne irgend welchen Ein¬
fluss auf das spätere Verhalten des Gelenkes zu haben, ausgedrückt
werden konnte. Er habe vor 1V 2 Jahren etwas ähnliches bei Entfernung
einer Knicgelenksmaus gesehen: auch hier wäre bei offener Behandlung
der spätere Wundverlauf ein tadelloser gewesen. Es wäre dies ein auch
für die Frage der Wundbehandlung im allgemeinen bedeutungsvolles
Factum., das er noch durch die Bemerkung ergänzen wolle, dass die
beiden vorliegenden Operationen ohne Spray ausgeführt seien. Letzterer
würde auch bei Ovariotomien in Breslau nicht angewandt, und doch
Hessen die Resultate von Prof. Freund nichts zu wünschen übrig.
Herr lleidcnhain, welcher bei Behandlung von Klumpfüssen wie
vom Genu valgum den elastischen Zug durch Gummiringe an-
nwendet, bringt beim Genu valgum den Gummizug an der inneren Seite
des Beines an. Er hat indessen den einschlägigen Apparat noch nicht
practisch Orprobt, hofft aber, dass derselbe eben so gute Dienste leisten
wird, wie sein (geichfalls demonstriter) Klumpfussapparat.
Herr Thiersch erwidert Herrn Ko 1 aczek, dass bei jeder Ogston-
schen Operation, wenn man nur einmal mit der Säge eingeht, Luft in
das Gelenk tritt. Er möchte nicht des Spray entrathen, da, wenn ein¬
mal eine Gelenksverjauchung erfolge, er nicht sicher sei, ob er dann
nicht die Ursache dieser sei.
Herr Uhdc, der selber auch die Ogston’schc Operation bereits
ausgeführt, weist auf einen Fall von nachträglicher Kniegelenkentziindung
hin, welche Ogston selbst nach einer seiner eigenen Operationen ge¬
sehen, die aber unschädlich verlaufen wäre.
Herr Bardel eben hat bei einem 33jähr. Pat. in einem sehr hoch¬
gradigen Falle die Ogston’sehe Operation dahin modificirt, dass er
ganz durchgesägt (mit einer gewöhnlichen Stichsäge) und den Condylus
nicht fracturirt habe. (Der Kranke wird morgen vorgestellt werden.) Er
hätte übrigens mit Spray operirt.
Herr Kocher (Bern) legt die Photographie eines nicht nach Ogston,
sondern durch keilförmige Excision (am Condyl int. fern.?) behandelten
Mädchens vor (bei welchem das Kniegelenk also nicht eröffnet worden).
Herr v. Langenbeck hat bei der von ihm in den fünfziger Jahren
hei Genu valgum oft geübten Durchschncidung des Ligam. later, ext.
sehr viel Luft in das Gelenk eintreten sehen — ohne jede schädliche
Folge.
Herr König hat sich noch nicht entschliessen können, Ogston’s
Operation zu machen. Leichenversuche haben ihn belehrt, dass die
Correction der Valgusstellung nicht durch Verschiebung des Epicondylus
nach oben, sondern durch Verbreiterung des Gelenkendes zu Stande
komme. Ausserdem fürchte er die Arthritis deformans, zu der bekannt¬
lich derartige Gelenke sehr neigen. Er will daher abwarten, wie die
hier vorgestellten Operirten noch nach Jahr und Tag gehen werden.
Den Schluss der Morgensitzung bildete Herrn Georg Wegner’s
(Berlin) Fall von Kehlkopfexstirpation. Es handelte sich um eine
52jähr. Frau, bei welcher im vorigen September wegen hochgradiger
Athemnoth die Tracheotomie und dann, da die laryngoscopische Unter¬
suchung ein Carcinotn wahrscheinlich machte, die totale Kehlkopfexstir¬
pation gemacht worden war. Gleichzeitig mit letzterer wurde die Epiglottis
entfernt, da bei der ersten gleichen Operation hier in Berlin ein be¬
sonderer Vortheil von ihrer Erhaltung nicht gesehen wurde, wohl aber eine
Erschwerung der Einführung eines künstlichen Stimmapparates zu ver-
muthen war. Es zeigte sich nun, dass diese nicht wesentlich gefördert
war, dagegen trat Verschlucken ein, gegen welches sich eine „künstliche
Epiglottis völlig insufficient erwies, so dass Pat, die bis jetzt ohne
Recidiv ist, nur für ganz kurze Zeit gelegentlich im Stande ist, eine»
Stimmapparat zu tragen. — Dagegen vermochte Herr W. an einem
lljahr. Mädchen die Wirkung eines solchen Stimmapparates
sehr gut zu demonstriren. Die betr. Pat., vor 7 Jahren in der Klinik
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Gck igle
Original from
UNIVERSETY OF MICHIGAN
27. Mai 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
309
wegen Diphthcritis tracheotomirt, konnte damals wegen Undurchgäugig-
keit des Larynx nicht ohne Canüle entlassen werden. Bei ihrer Wieder¬
aufnahme im vorigen Jahre bestand eine völlige Verwachsung des Kehl¬
kopfes mit narbiger Veränderung der Glottis, und liess sich durch diese
nur nach Monate langem Bougiren ein zum Athmen hinreichend weiter
Canal herstcllen. Herr W. hat Pat. jetzt einen Sprechapparat gegeben,
welcher von dem Wiener Original durch Fehlen der zungenförmigen
Epiglottis ausgezeichnet ist, und ferner noch die Besonderheit hat, dass
zuerst die Phonationscaniile (die am besten möglichst lang ist) und
dann die Trachealeanüle eingeführt wird. (Der Herr Vortragende legt
dem Kinde den Apparat ein und lässt es alta voce verschiedenes sprechen.)
Nachmittagssitzung in der Universitäts-Aula um 2 Uhr.
Der erste Vortrag war der des Herrn Tillmanns (Leipzig): „Experi¬
mentelle und anatomische Untersuchungen über Ery sipelas.“
Derselbe bezog sich auf einige 40 Versuche an Hunden und Kaninchen
und bezweckte das Studium der Uebertragbarkeit des Erysipelas von
Mensch auf Thier, resp. von Kranken auf Gesunde, der Wirksamkeit der
Carbolsäure auf den Infectionsstoff und endlich der Erregung beim ge¬
sunden Thier an und für sich Der Herr Vortragende, der theils
durch Impfung, theils durch subcutane Injcction, und zwar sowohl
mit Blaseninhalt des floriden Erysipelas wie mit Eiter von nachträg¬
lichen Abscedirungen operirte, erzielte nur bei Anwendung grösserer
Injectionsmengen in nicht mehr wie 2 Fällen ein wanderndes, resp. ein
recidivirendes Erysipel. Weiterimpfung des Blutes dieser Thiere be¬
dingte nur 1 mal eine wenige Tage dauernde Rose. Carbolsäure hob
die Wirkung des Injectionsmateriales auf. Eintrocknen des Blasen¬
inhaltes schien ebenfalls die Wirkung zu vernichten (vielleicht mit Aus¬
nahme eines Falles); Injection von Abscesseiter oder putrider Flüssig¬
keit konnte auch kein Erysipel produciren. Local finde man an den
erysipelatös veränderten Hauistellen meist keine Bacterien, so dass diese
von Herrn T. nur als ein Accidens angesehen werden.
Die Debatte über vorstehenden Vortrag eröffnete Herr Hueter.
Obschon sich in den letzten Jahren Zahl und Intensität der Erysipelas-
fälle in Greifswald sehr vermindert, so käme es doch noch ziemlich oft
dort vor. Dennoch sehe er relativ wenig davon, weil bei dem sehr
häufigen Anfang der Rose am Nachmittag (gewöhnlich durch einen
Schüttelfrost gekennzeichnet) die Assistenten gleich mit der Carbol-
injection vorgingen und so die Rose von vorn herein coupirten. Er
lege grossen Werth darauf, dass dies zeitig geschehe, nicht erst wenn
die Röthe ein paar Hände gross geworden wäre. Ist die Röthe erst so
weit, so sei die Carbolinjection unsicher, und ihre Verwendung in bereits
entwickelten Fällen wäre Ursache des bei manchen Chirurgen herrschenden
Glaubens ihrer Unwirksamkeit bei Erysipel. Die Dosis der Injection
regulire er so, dass auf eine Ausdehnung des Erysipelas von */* Karten¬
blatt-Grösse 1 Gramm Carbollösung von 3 Ü 0 (mit 3° /0 Spiritus-Zusatz)
komme. Ueber 12 Gramm wäre er bis jetzt noch nicht hinausgekommen.
Herr Max Wolff (Berlin) stimmt den Experimenten des Herrn
Till man ns in so fern zu, als überhaupt bis jetzt wenig Uebertragungs-
versuche des Erysipelas geglückt seien. Meist habe man Pseudoerysipele
erzeugt. Er selbst habe im Jahre 1869 mit Herrn Prof. Koenig in
der Rostocker Klinik gesehen, wie von dem Operationstische und zwar
wahrscheinlich von einem eingetrockneten Flecke desselben sich eine
Reihe von Erysipelen verbreitet habe. Von diesem Flecke habe er
ein wässeriges Extract gemacht und in 3 von den mit letzterem injicirten
Kaninchen positive Resultate gehabt. Dagegen gelangen 1872 von ihm
mit erysipelatösem Abscessinhalt (welcher reich an Micrococ-cenketten
war) versuchte Impfungen auf Meerschweinchen nicht, und dasselbe galt
von Weiterimpfungen des Contentums der dadurch gebildeten localen
Abscesse auf andere Thiere, auch wenn dieses mit Pasteur’scher
Flüssigkeit gezüchtet war. Kr habe dann in curativer Absicht zur Hei¬
lung von hartnäckigen Fussgesehwüren die Uebertragung des Erysipelas
unter allen möglichen Cautelen von Mensch zu Mensch versucht, aber
auch dieses mit negativem Resultat. Er pflichte daher dem Herrn Vor¬
tragenden bei, dass die das Erysipel erzeugende Schädlichkeit bis jetzt
noch nicht gekannt sei.
Herr Lange (Kiel), welcher über 9 an seinem eigenen Körper und
zwar an seiner linken Körperhälfte durchgeraachte Erysipele eingehend
berichtet, behauptet, dass er sich am wohlsten bei localer Application
von Tinct. Benz. comp, befunden. Auffallend wäre ihm gewesen, dass
während der primäre Infectionsherd allemal an der Stirne war, das Ery¬
sipel seinen Hauptsitz, z. Th. sogar ausschliesslich, am Arm gehabt
habe.
Herr Strahler (R.- und M.-R. in Bromberg) berichtet über eine vor
2 Jahren beobachtete Epidemie von Impferysipel von 25 Fällen (mit + 4).
Es handelte sich hierbei um eine directe Uebertragung, nicht um eine
spontane Entstehung (aus endemischen Ursachen), und müsse man hier¬
aus, sowie aus analogen Petersburser Beobachtungen den Schluss ziehen,
dass mit Erysipel behaftete Personen zur Vaccination sich nicht eigneten.
Zum Schluss der Discussion reicht Herr Tillmanns photographi¬
sche Abbildungen von in Ervsipelas-Fällen gefundenen Bacterien herum.
Hierauf hält Herr Hueter seinen Vortrag überscrophulöse und
t u be rc u l ös e Gelenkentzündung. Der Herr Redner ging davon aus,
dass er der von pathologisch-anatomischer Seite betonten Trennung von
Scrophulose und Tuberculose namentlich auf Grund klinischer Beobach¬
tungen einschlägiger Gelenkentzündungen wiedersprechem müsse. Hier
sei Scrophulose von sog. localer Tuberculose durchaus nicht zu sondern,
zumal da sowohl das Mat» ;, >V C ' Z lerer wif rein käsige Stoffe durch
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Weiterimpfung in die vordere Augenkammer von Kaninchen wieder zu¬
nächst locale, dann auch allgemeine Tuberculose zu erzeugen im Stande
seien. Den bei solchen Impfversuchen von anderen Autoren erzielten
negativen Resultaten gegenüber behaupte er, dass die Experimentatoren
nicht lange genug zugewartet hätten. Jedenfalls seien die von ihm er¬
reichten positiven Ergebnisse massgebend genug, um die klinische Vor¬
hersage der localen Tuberculose stets zu einer schlechten zu machen.
Ebenso müsse er die scrophulösen Herde anders als ein rein locales Uebel
auffassen, zumal da das vorübergehend gute Aussehen einer früher
käsige Massen enthaltenden Wände nicht vor Rückkehr des alten Zu¬
standes schütze.
Herr Bardeleben bestätigt die Hartnäckigkeit, mit der käsige
Massen den Wunden scrophulöser Individuen anhaften, indem solche
sogar bei Erwachsenen, auch wenn man das betr. Gelenk resecirt habe,
immer wieder kehren.
Herr Esmarch empfiehlt zur Behandlung scrophulöser Granula¬
tionen die Villate’sche Lösung (Cupr. sulf. mit Zinc. acet.).
Herr Czerny hat einen Fall beobachtet, der völlig einem Experi-
mentum ad hominem gleicht. Es handelte sich um einen hartnäckigen
kalten Abscess am Lig. Poupart., bei dessen Eröffnung seitens eines
Studenten das Bauchfell verletzt, Coecum mit Proc. vermiform. vorge¬
drängt und Eiter in die Bauchhöhle gebracht wurde. Herr Cz. reinigte
die Wunde, brachte die vorgefallenen Theile zurück und legte Nähte
ein. Es trat keine Peritonitis irgend wie wesentlichen Grades ein, und
Pat. genas von der Verletzung völlig, als er 8 oder 10 Wochen nach
dieser plötzlich von einem acuten maniakalischen Anfall ergriffen wurde,
dem er binnen 14 Stunden erlag. Die Autopsie ergab Tuberkeln am
Netz in geringen Mengen, ausserdem aber als Causa mortis eine Menin¬
gitis tuberculosa. (Schluss der Discussion.)
Es folgt Herrn Braune’s (Leipzig) Vortrag: Ueber Dislocation
der Harnblase bei der Simon’schen Rectalpalpation. Herr
Braune hat die Siinon’sche Rcctalpalpation an der Leiche dadurch
nachgeahmt, dass er eine Gummiblase, welche in das Rectum eingeführt
war, aufblähte. Es wurde dann die Leiche in Rückenlage durch Frost
gehärtet und ein Sagitalschnitt derselben in ihrer Mittellinie gemacht.
Hierauf nahm Herr B. von diesem Sagitalschnitt einen Gypsabguss ab,
dessen Verhältnisse Herr B. der Versammlung demonstrirte. Das Auf¬
fallendste war die erhebliche Dislocation der Harnblase nach oben und
vorn, bedingt durch eine enorme Dehnung, welche die Harnröhre nament¬
lich in ihrer mindestens um das doppelte verlängerten Pars prostatica
betrifft, so dass das Orif. vesicale Urcthrae oberhalb der Symphysis pub.
zu liegen kommt. Es ergiebt sich gleichzeitig dabei, dass die Krümmung
der Pars fixa urethrae sowohl bei den verschiedenen Individuen, als
auch bei jeder einzelnen Person von den verschiedenen Füilungszuständen
des Mastdarmes abhängig ist.
Der letzte Vortragende war Herr König; Ueber den Gang der
Temperatur bei dem Auftreten von Eiterung. Der Herr Vor¬
tragende hat durch eine grosse Reihe genauer Temperaturbestimmungen
den Beginn der Eiterung in einem bereits längere Zeit hindurch ent¬
zündeten Gelenke durch Erhöhung resp. Eintritt des Fiebers nachzu¬
weisen gesucht. Es handele sich hierbei nicht um Bildung kalter Abs¬
cesse, die häufig, wie bekannt, kein Fieber machen, sondern um Eiterungen
in den Gelenken selbst, welche durch anderweitige Methoden nicht darzu-
thun sind. Für die Praxis hätte die Möglichkeit eines solchen Nach¬
weises den Sinn, dass man sich so bald wie möglich zur Resection ent¬
schlösse. Er wisse zwar sehr wohl, dass der bereits im Gelenke gebildete
Eiter, vornehmlich bei Kindern, resorbirt werden könne, halte dieses aber
für unsicher, um deshalb die Resection auf eine spätere schlechtere Ge¬
legenheit zu verschieben.
Herr Schede ist mit Herrn König nicht ganz einverstanden. Er
habe sich bei analogen Fieberverhältnissen, wie der Herr Redner sie
skizzirt, durch Function mit der Pravaz’schen Spritze überzeugt, dass
die erkrankten Gelenke keinen Eiter, sondern nur Synovia enthielten.
Er glaube, dass das Fieber in diesen Fällen mit Erweichungsvorgängen
in den knöchernen Gclenkenden in Verbindung stehe.
Herr Lücke möchte Herrn Schede fragen, mit welcher Pravaz’¬
schen .Spritze er im Stande wäre, flockigen Eiter aus dem Gelenk zu
ziehen.
Herr Schede meint, dass man dort, wo keine Synovia ist, sich Spritzen
mit stärkeren Canülen bedienen könne, was indessen Herr Lücke nur
bei grösseren Abscessen mit Erfolg für möglich hält.
Herr König betont in Uebereinstimmung hiermit, dass er bei seinen
Untersuchungen nur die Entstehung von Eiter in Granulationen im Sinn
gehabt habe.
Herr Hueter glaubt,dass gelegentlich eine sehr bedeutende Eiterung
unter dem Gypsverband entstehen kann, ohne dass das Thermometer
Temperaturerhöhung nachweist. Im grossen und ganzen aber befiudet
er sich hinsichtlich der Temperatursteigerung bei chronischen Gelenk¬
entzündungen auf dem Standpunkte des Herrn König.
Herr Bardeleben stimmt Herrn Lücke darin bei, dass die Ent¬
leerung von synovia-ähnlicher Flüssigkeit aus einem entzündeten Gelenk
keinen positiven Werth in diagnostischer Hinsicht hat. Es könne immer
noch in der Tiefe Eiter Zurückbleiben, selbst wenn die Canülen die Dicke
einer guten Stricknadel hätten (Schluss der Discussion und der Sitzung).
Berichtigung: Im Referat der vorigen Nummer, p. 258, muss es
Zeile 33 v. o. statt: „das gelegentliche Aufhängen* — „das gelegent¬
liche Umherschwenken* heissen.
Trigiral from
UNIVERSSTY OF MICHIGAN
310
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 21
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. Ein würdiger, hochgeachteter College, Herr Geh. San.-
Rath I)r. Heinrich Friedberg beging am 19. Mai die Feier seines
50jährigen Doctorjubiläums. Ehrenbezeigungen und wohlverdiente An¬
erkennung wurden ihm von vielen Seiten zu Tbeil. Die medicinischc
Facultät übersandte ihm das erneuerte Doctordiplom mit ihren Glück¬
wünschen; die Berliner med. Gesellschaft, zu deren ersten und ältesten
Mitgliedern der Jubilar zählt, liess ihm durch eine Deputation , in der
sich u. a. die Vorstandsmitglieder Herren v. Langenbeck, Ilenoch.
B. Frankel, Ries, Falk befanden, gratuliren, und als Sprecher der¬
selben hielt Herr Henoch eine herzliche Anrede. Herr Skrzeczka
überbrachte den Kronenorden dritter Klasse. Viele Co liegen und per¬
sönliche Freunde des Jubilars kamen, ihn zu beglückwünschen, und auch
von verschiedenen, nichtärztlichen Vereinen, denen er angehört, erhielt,
er Beweise der Hochachtung und Theilnahme. Möge es ihm vergönnt
sein, der Erinnerung an seine schöne Jubiläumsfeier noch lange mit
rüstiger Kraft sich erfreuen zu können!
— Der Verwaltung des Soolbades Salzschlirf ist es gelungen, an
Stelle des Herrn Dr. von Me ring, der die badeärztliche Thätigkeit auf-
gegeben, eine vorzügliche Kraft für die ärztliche Direction des Bades zu
gewinnen in der Person des Herrn Dr. Löwe-Calbe, unseres berühmten
Abgeordneten, der als Arzt von jeher baineologischen Studien sich mit
Vorliebe gewidmet und auch bereits literarisch auf diesem Gebiete ge¬
arbeitet hat.
— Der Reichskanzler hat dem Bundesrathe folgenden Entwurf eines
Gesetzes, betreffend die Anzeigepflicht bei dem Auftreten ge¬
meingefährlicher Krankheiten zugestellt; §. 1. Von jedem Falle
einer Erkrankung an der Cholera oder an den Blattern hat der behan¬
delnde Arzt, sowie das Haupt der Familie, in welcher der Fall sich er¬
eignet, spätestens 12 Stunden nach erlangter Kenntniss unter Angabe
des Namens und Alters, der Wohnung und Beschäftigung des Erkrankten
bei der nächsten Polizeibehörde Anzeige zu erstatten. Ist ein Familien¬
haupt nicht vorhanden oder ist es behindert, so liegt die Anzeige dem¬
jenigen ob, in dessen Wohnung oder Behausung der Fall sich ereignet. —
§. 2. Von dem Auftreten anderer, mit gemeiner Gefahr verbundener
Krankheiten eine gleiche Anzeige zu erstatten, kann den Aerzten und
bezüglich der Krankheiten der Wöchnerinnen auch den Hebammen durch
Beschluss des Bundesraths zur Pflicht gemacht werden. — §. 3. Wer
die nach §§. 1 oder 2 ihm obliegende Anzeige unterlässt, wird mit Geld¬
strafe bis zu einhundert Mark bestraft Die Strafverfolgung tritt im Falle
des §. 1 nicht ein, wenn die Anzeige, obwohl nicht von den zunächst
verpflichteten, doch rechtzeitig erstattet ist. Landesrechtliche Bestim¬
mungen, welche eine weitergehende Anzeigepflicht begründen, werden
durch dieses Gesetz nicht berührt.
— Die neuesten Veröffentlichungen des Gesundheitsamtes enthalten
folgende Nachrichten über das Ausland; Die Pockenepidemie in
London hat im ersten Quartale dieses Jahres im ganzen 627 Opfer ver.
langt. In den „Metropolitan Asylum Hospitals* 4 fanden sich Ende März
682 Pockenkranke, und stieg diese Zahl im Laufe des Monats April
noch bedeutend. Doch scheint die Epidemie seit Mitte April im Rück¬
gänge begriffen zu sein. Es starben in der Berichtswoche in London
noch 60 Personen an Blattern, in den Hospitälern war der Bestand an
Kranken 890, die Zahl der Neuerkrankten an Pocken betrug 213. ln
Wien erlagen den Pocken in der Berichtswoche 10 Personen, in Peters¬
burg, Lissabon und namentlich in Odessa forderten sie gleichfalls in den
letzten Wochen wieder mehr Opfer. Die Sterblichkeit an Scharlach¬
fieber zeigte im verflossenen Quartal in England einige Abnahme, be¬
trug aber noch 3892 == 0,63° 00 der Lebenden aufs Jahr berechnet. Die
Zahl der Typhen in den meisten russischen und rumänischen Städten
zeigt noch immer keinen wesentlichen Nachlass. In Prag, Pest, London
wurden mehrere Todesfälle an Flecktyphus beobachtet. Amtlichen
Mittheilungen aus Rio de «Janeiro zu Folge starben daselbst seit dem
1. December 1877 bis 15. März 1878 Sl‘2 Personen am gelben Fieber,
darunter 163 Seeleute, doch schien die Seuche um letztere Zeit ihren
Höhepunkt bereits überschritten zu haben, da die Anzahl der Todesfälle
seit Mitte Februar allmälig abgenommen hatte.
— In der Woche vom 21. bis 27. April sind hier 567 Personen
gestorben. Todesursachen: Masern 5, Scharlach 18, Rothlauf 4,
Diphtherie 18, Eitervergiftung 3, Kindbettfieber *2, Typhus 4, Vergif¬
tungen 1, Sturz 5 (darunter 1 Selbstmord), Verblutung 1, Ersticken 1,
Ertrinken 6 (Selbstmorde), Lebensschwäche 30, Abzehrung 22, Atrophie
der Kinder 6, Scropheln 3, Scorbut 1, Diabetes 1, Altersschwäche 17,
Krebs 14, Wassersucht 4, Herzfehler 11, Hirnhautentzündung 11, Gehirn¬
entzündung 14, Apoplexie 14, Tetanus und Trismus 8, Zahnkrämpfe 7,
Krämpfe 49, Kehlkopfentzündung 15, Croup 7, Pertussis 4, Bronchitis
acuta 7, chronica 14, Pneumonie 42. Pleuritis 3, Phthisis 98. Peri¬
tonitis 5. Diarrhoe 18 (Kinder unter 2 J.), Brechdurchfall 16 (Kinder
unter 2 «J.), Magen- und Darmentzündung 1, Magen- und Darmkatarrh 8
(Kinder unter 2 J.), Nephritis 10, Harnvergiftung 1, andere Ursachen 31,
unbekannt 6.
Lebend geboren sind in dieser Woche 393 in., 361 w., darunter
ausserehelich 58 in., 47 w., lodtgeboren 32 m., 14 w., darunter ausser-
ehelich 8 in., 6 w.
Die durchschnittliche Sterblichkeit während dieser Woche beläuft
sich auf 28,8 pro Mille der wahrscheinlichen Bevölkerungszahl, die ent¬
sprechende Geburtenziffer auf 38.2 pro Mille (beide Summen mit Aus¬
schluss von 2,3 pro Mille Todtgeborenen).
Witterung: Thermometerstand: 9,01 R., Abweichung: 1,28R.
B*tr ometerstand: 28 Zoll 10,60 Linien. Dunstspannung: 2,82 Li¬
nien. Relative Feuchtigkeit: 63 pCt. Himmelsbedeckung: 5,0.
Höhe der Niederschläge in Summa: 2,425 Pariser Linien.
In der Woche vom 28. April bis 4. Mai sind in Berlin gemeldet:
Typhus-Erkrankungen 3 (2 m., 1 w.), Todesfälle 3.
VII, Amtliche Mittheilugen.
Personal!».
Auszeichnungen: Seine Majestät der König haben Allergnädigst ge¬
ruht, den Medicinalreferenten Dr. Bruns zu Hannover und Dr. Wie-
becke zu Hildesheim den Character als Medicinalrath, und dem Be-
zirksphysikus Dr. med. von Poller zu Berlin den Character als
Sanitätsrath zu verleihen.
i Niederlassungen: Dr. Hann hörst als Secundärarzt der Provinzial-
Irren-Heil- und Pflege-Anstalt zu Neuhof bei Ueckcrmünde, Arzt Annu-
schat in Biesen, Tomaszewski in Storchnest, Dr. Einstmann in
Oederquart, Dr. Blume in Dörverden. Dr. Schlingmann in Rheda,
Ober-Stabsarzt a. D. Dr. Ilelmbold in Hamm, Arzt Feaux und
Dr. M. Weber in Bonn, Dr. P. Becker in Köln Dr. Kuhlen in
Mühlheim a, Rhein, Dr. Müller in Siegburg, Dr. Rademaker in
Aachen, Zahnarzt Dorsch in Köln.
Verzogen sind: Stabsarzt Dr. Chlumsky von Unruhstadt nach
Neuruppin, Assistenzarzt Dr. Rost von Züllichau nach Unruhstadt,
Arzt M. Jacob von Kobylin nach Dresden, Arzt Bielawski von
Krotoschin nach Jutroschin, Dr. Bremer von Wilstedt nach Worps¬
wede, Dr. Stohlmann von Gütersloh nach Dissen, Dr. Neuen zeit
von Wickede nach Werl, Director Dr. Ripping von Siegburg nach
Düren, Dr. Kyll von Keyenberg nach Erkelenz.
| Apotheken-Angelegenheiten: Dem Apotheker Pohle ist die Ad-
j ministration der Schwerdtfeger’schen Apotheke in Jarmen und
| dem Apotheker Ludw. Wilh. Rolffs die Administration der Rolffs-
schen Apotheke in Lippspringe übertragen worden.
Todesfälle: Dr. Heidenhain in Bublitz, Stabsarzt Dr. Kribben in
Köln, Dr. Pappert in Aachen, Dr. Hermes in Erkelenz, Hofapotheker
Brande in Hannover.
Bekanntmachung*
Die Kreiswundarztstelle des Kreises Wreschen mit einem jährlichen
Gehalte von 600 Mark ist erledigt. Qualificirte Bewerber wollen sich
unter Einreichung ihrer Zeugnisse und ihres Lebenslaufes innerhalb
6 Wochen bei uns melden.
Posen, den 9. Mai 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Inserate.
Jahressitzung
des Vereist der destseben Irrenärzte am 14. Hiebst. 4 and 15. iaai 1878,
Vena. 9 Uhr za Caetal.
Vorläufige Tagesordnung.
1. Bericht über die Seitens des Vorstandes in der Frage: „Was
kann von Seiten der deutschen Irrenärzte zur Mitwirkung in der Be¬
kämpfung des Alcoholmissbrauches geschehen?“ geschehenen Schritte.
Refer.: Nasse, Andernach.
2. Bericht des Vorstandes über die in der vorigjährigen Versamm¬
lung zu Nürnberg ihm zur Prüfung und Antragstellung überwiesene
Frage: „Staatsaufsicht über die Irrenanstalten, ihre Nothwendigkeit und
Ausführungsart?“ Refer.: Zinn, N. Eberswalde.
3. Besprechung über die Formulare der amtlichen Irrenanstalts-
slatistik. Refer.: Nasse.
4. Geschäftliche Mittheilungen und Wahl von zwei «neuen Vorstands¬
mitgliedern.
5. Die §§ 13 und 83 der Preuss. Vormundschaftsordnung und die
Irrenanstalten: Z i n n.
6. Ideen zur allgemeinen Psychiatrie: Pelman, Grafenberg.
7. Ueber den epileptischen Schlaf und den Schlaf überhaupt:
Siemens, Harburg.
Die Anmeldung etwaiger weiterer Vorträge wird bis zum 4. Juni
an den Vorsitzenden erbeten.
Zu den Sitzungen und zur geselligen Vereinigung hat der Vorstand
des Lesemuseums in Cassel sein Local freundlichst zur Verfügung gestellt,
i Andernach, 20. Mai 1878.
| Der Vorsitzende des Vereins der deutschen Irrenärzte
_______ Geh. Medicinalrath Dr. Nasse. _
; Die mit einem jährlichen Gehalt von 1200 M. und mit sonstigen
I Amtscmolumenten im etatsinässigen Jahreswerth von 735 M. ausgestattete
: Stelle des dritten Arztes an der Provmzial-Trren-Heil- und Pflegean^talt
in Allenberg bei Wehlau, Regierungs - Bezirk Königsberg, soll vom
| 1. Juli 1878 ab anderweit besetzt werden.
| Qualificirte Bewerber werden ersucht, ihre Meldungen unter Bei¬
fügung ihrer Zeugnisse bis zum 1. Juni d. J. hierher einzureichen.
Nähere Auskunft ertheilt der Director der Anstalt Herr Dr. Jensen.
Der Landesdireetor der Provinz Ostpreussen.
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Kiet«ri(*Mfti. li». ilcvnui-.i^i!.- PfirorBui^^iI5e-
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' • tvii^be Kutvru
PUT* ilab^ Jahr hiudiireii
>cM - üeJ-*lu-KMU,:i bi »ilu.ii'i U».»n I \a!>. ••«: t b'bb.i imj«*, ? ,»jj n. *i-
^e./.vief. alUrf* i\vA» r •»«e-bf' »-'Ab
iur^iWb *iüj;t:i'U-bu'.^ AbiiuKr. Prel«e, Sbh&tfrii&rtfy rki»
iSfeb di-T ■ fterirH^JrrtsninitaH Stcphamfsld bei Struibera \ CJi brAk
x ekintv y.ukV^4r- ««»fort :u\ Jiliiebekb. %bait.
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Kxv^iitjr'h
itt b^teibömt* telcrrcieh, Kreulattd ^berbstemiel-
Oie bedeoten^ iedxmstts va/; bewährter Heilkraft bei Scrophulaie, 9bächii|» t
yereltekr Syphlbs, Haut* und Sehleimbautleidcn, Krankheiten der weiblichen
tocbfechTsiphäre, chroniachen Knochen- und Gelenke-Cnttundangen und Ihiren
Felgen u i. w
IJ.&V ..S<M-r ur*»i ; ».p.’;.^i«W '-.rlijf
*1«$. •<iVtm^yi>nV i h-:n- i>?.sn*nvfbb< ,• <IKv 1 »nü f lps-lind/c Aii\Ti|l t uut
vl--v.:ii'.‘ i r *\'-«\' 1. itc,i,;. !•< Y< »-ba
1' sii <!.'«•• V.Tunrk-.j. 'U v <n !»,••••*• :xrt i\ r• v • '0i»\.rr«f.vii.-1b*
:Wi]t Vi'MÄ- • xijnl lijllankijniivd--.
lliijtb nnd''•*.--<.ci / r , t>;-:' öftrl «a^' tf iVbnt.r}r t‘arU m 1 p"xM’öt)>*Vb.*I•''/-
%ßNfF Erölhmnfir der Iladpsaihou am 1»; ; Mai, - ^pj|
ScbfuRS derselben am 30. September.
T&ffi&fr Mi&wfawi i;t^»1 iki>)<4V‘!af»ik«>i^kt^in 'iij^rraw^fTt'. rwi
,#iryr <uclr IfxAi. directe fahrkarten-ÄMsgabe von Wien, $L Pölten, St ValenflÄ,
Uni* Satibarg. ftedweis» Sinbacb, Fastsu. : .
■ i r^raplir.nsiaik.t ! mir V.r.Uj m lA-eMhn^i,, ^ebnwng«-^uskönh*b»reau im
Äwtalocaie de» Oemcdndehautes.
Hähere Äutkunlf bat der Badeverwaitung in 8ad Halt
Um o.-ö. liÄndr«ftua»)rbu*«i’.
•f-t'- ’Al.'T; d</ . •*!?•• avjl-'V . C W V<’ ’>i »s J t> j,k'^)/ >;itH
»rvkMWA-f • liivi
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wriier*rt^M«t<‘t Mr.h m s’ARFt Wtrkwrts; dadnfrh vort.lndMta’ft vöji rien andei
iidkauntiKb RUMfÄÄf^rn. d tx. in' kleinrivu ^uni»iito*ten .-wirksam ai
i<?»' öi-bmuVüii \- ? pp' kvii^A’lbi ijt*|r-n. FoJAOt» bojikvift ist, ;
Ti. Aprti fd-77,.' Prof, Pr. Mai Leldesiforf,
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Buii.r»phst. 15; iVüru^v 1877., Könijii. ibitk Prof, Pr, *, Koran)!
Ifulraih Frof. ftr, t. Pambergtr«
krm, -t /u\• i iäs>i- und .-arutn NaI-.':
Jt», Juli IfciTTi -• : ; -
fi^teniraiii Praf. Pr ^eaißoiii Freiherr t. LlchienfeU.
Wu'miluv Jt iillfri« Apiit*i^^^ä443Köh»niwas^tu v I'i^iai}3 linUvüe:
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KrtiUnu«^’ der ^ai^ou am 1*>, Ja;«i.
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JMIgerneme Lebensversicherungsanstait zu Leipzig.
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vaicscenten.
Irt Fallen, xo
n ich t gejyteti mnd
pRabKssaiifcent» 4':' .. ........ .
Herrn C«&. MoKsmO) Qr. Oeitreich ans Berlin, und
HerrnfotRttmtfc ^
princip; thJfiy sst* tin4 Hülfe Irgend ufogliC
«Jede Auskunft- iHipsi •
R, Ruder,
Inhaber des kur- a Ka%-Ei ablisstincnts *!l*f-T
Chftrlotlenliur^ bei »c**Il**.
Reine animale Lymphe
10 Kiihiihin lf- M;uk '( '- iw '‘-’> >!«<! Ufuinerstasf frisflti.
Reine Iramaidsirte Land-Lymphe
10 RöhVelWrt 7 M. hO Pt
ip bekannter 7.im*rbi*sigko0,
Ncliwan-A potheke. Berlin,
StyandauersfT. 77,
VertaiHt9fiic(t8H tör neuere Medlesnufttfi ete.
tM^tirnjute Vorschriften
: durch die Ai*r?.;e des
Prische Glveeriinl ymphe,
/jv&i dyr Mini«!.-Veöugüug.-vitro HF MkV- 1*571 swtgüfrrtitgt : halt wfeü
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Hader vom 15. Mir. Bes^l&tvgan von .Mlftcruivraü^t -bd®r ’vhtf
Wohnun^n.'Anfragen etc. mi «1 <u mitten an die
dii^pfFHün ih r WilduhgfH* Mnii'raJiTtBiJihb-u^oHmlv^illlschdifl.
Frische Lymphe.
fjjjm von Bnsgelitderb' Lymphe siamcol von durchaus emutulen hiudc»n
und bellndet «leli an jeden» Rfthrcheii eine fmld,
welche mU dem w utis isefilhde« llrrknnft»*
Bcgiftter eorre«|»ori«HrL Pmis jhw Ruhr 75 PP
Scbedngs Oriine Apotheke.
Berlin PL 21 Chiasatce^Sfcf,
>ciio, Lfm^liK
Vtöhrehv-it 70. Bf. • |n)it3th.tfts*i
.St t-rn b r t y-, iveg.-H^ F rau fci
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w. v, iuluny. Mit 2S liuU^düViUyU in- !- vW und 43 Fi&Uritfi arO’
MciiidruckUitvin, Lrs •> btoach MU 12.
T ^ v G< h«nm»v: dbulirinaimfh und m Nizzg, Pie
J. .iKrenkbeOen Magens, |iUulkdb >ünd rriO '.dmstmdcbd' ‘ Ruck siel d
't Hyi »'■*♦«'■ u«v.V fhtuapje b»v»cfmd«.L 1,,-v. S, bro.srfu' Mn. Kt.
L^ ylvniij^rey, Dr. Fr„ |>m^ Äijt tn IkutyknUun, Verbreitung und
OWiliä^ fiSi# SS? Clhötiir*» »itaphwd> - tlt Hach L|&bÄoung
>! » yr.^yi-u d-. it. jicuzltvv dtntdi Indi. i» und wvUur durch Asien uml
jKib»dM MO h K;ot«-n, yV h bpiA/di Mk 3.
hfiflrmd s Mata-Extraet aiit btdtf rthra«.
lhwv> Frod^rtc har eir’h tu Putzer F^dt '-•j ^1.« Ficwtdy <w •
wmbop, v^n m».hn-rcji 4^ UG^osch d'UVtdriffU
^urßv. flimh .-metu vcyn haRc« * > Uftd h:i:kl»-th«;^: 4 s; Tjw!
Lnbütiitfivu >0 V’ yurdKup i w.-mr Auvy^dhti tdu-j/rcv)u'hd h:»b, ' o-J»
chP.b cjtrsichltosstdf. auch din bttidysfi vtreit<f^i» (TcwuhtinktfebotL •
Löflund's Malz-Eitract mit Eisen u. Leberttiran, sowie
l^flitnd's Maiz-Estract mit Ealk und Leherthian,
je aus irfodln j» der bj^fbrr PufnpvGO^. jV^didßrAd,
führ'.-a irrttl ■ : 11i. iii<■ ,t l* s ■ ■ Priifmraty in (iia^yrn m 2ft0 t riumm
ih r. II; v • j n it ,.u. VVrvvcndbiig. in si>sii: : Zu fm
Ml'irii 'durch 1 •'•!«■ •, ;••'■•«hc - 1
r lar a iikenwagra
fjfbi ?buu jiLfiivvrnvatfrr.
a v tithii ; ia v
bei L. öchuni<acher in Berlin
.D4& fiei'iiiner •jwsoktfnV j«4*tv
&oat*£ 1a »WStäffco fott wnijffitijfjis ]) irr, JK
Freia TlerteÖÄfcrfjrh 6 Mark. U**WlGujf«»tt nnhraea
*WaÖS(&htf^<UutigeB >n 4 Po«K\a*i*itW un.
BEBLINEK
Beiträge wolle mftn portofrei «* die Rodar-tia*.
fN. W. Ddrothe'äWstr 7H i$.) «dar *a die V»r-
tagabtur-hhanHltln^ *oa AagitaHIirschrrald ia »@r-
lio (N. W* Uuw 4«fn I.utdew 6 S 1 fcvn&eadea.
kijms(iii;\v()( iiKNsnimiT.
Organ für praetische Äerzte,
Mit Berücksichtigung der preussischen Medicinalverwaitung und Medicinalgesetzgebung
nach amtüehea Mittheilongeiu
Redacteur: Prof. Dr. L Waldenburg. Verlag von August Dirschwafif in Berlin.
Montag, den 3. Joni 1878.
SVs 22.
Fünfzehnter Jahrgang.
IiihaJt: L Au? den ßjiinfc. des XK?m GeJb. Itäth Prof. Frericbs; Litten: Zur Lehre von derAmyloiden Entartung der Nieren. 11 . Aus
där g;vi^kdlo^Beite»r tU(mk in Breslau: Alberta; Reohtsaeitige antnr finale Bebinococouisfiyste Probesehnitt; partielle Exo'aiVu); Drainage.
Peilung. — Üi, jArubasciu Bajonettstich dufeh «Pn UnO-ricib. — IV. uerseibe: Broch des knöcherne» Gidioi^aiige» in Folge,
eines -**■■ V .Wiskcmann: dey itfetl^cklichöti Blute w - TI. Referat (ff»tzr
Bericht’ülnx Arft Btindcii . Potsdam Und Fnuikfmi) — Vit Verhandlungen ärztlicher ÜcsnÜsdhafteA (BedlÄcr m.edicmische
Beöetlsfthaft — B^itakölo^iseiie iteeltehAit zu JDmsden)?— VUI. Ftrtiiiifiton (Ruth. Lieber die körperliche Grundige der Temperamente
' Tagea^scbiöbtiiehf -Notizen .). — IN. AtuObihe -MiUhei tm>g(rn, — Inserate.
I. Ans der Kliaik des Herr« Geh. Batb Prof. Freriehs.
Ivr lehre v«n der amyloide» Entartung der Nieren.
Von
Dr. !Ü. litten,
^Issialejftoh au tbA itrodVhw. Klinik und Dncente»
an ii;6r liuimsBät Berlin.
Unter den zahireicbeo Kraubb-eitBtnltlenu welche die ntHiere
Forschung auf.dem Geltet <jer Ni erenpaf bol.ogie aus dein Wirren
♦SymifUnöencoinplejf der als Morbus Biightu Kranke
heit aü*ge$OMdert urpi als selbstständige Krankheit,sform hinge-
stellt hat; giebt keixiA, weleh^a vom i ymptonmidlogDcjicn
Standpunkt aus vieigostalti^er und variabler .te, als da» der
amjloiden Niniwtüutärtüiig," Nirgends finde» wir mn we-rlmelns
Verhaften der Haruäb^oufieniog in Bezug auf die Menge
tuui 4io rhe^ihdie dfi* nirgends
Behwüiikungeii io der BV:^hö%.iüieit
sowie it> dein Vorluii^hnsdn mul der AushfeUimg der LydropD
sehen Erfttee, als gmuh hm. Nur die Aibumimirifi. .obgleich
auch dejv ailergrAsNten Sdiwaokungen unterworfen ist, hat
man gauz' allgemein aiv ew ronstan t<ss und rh-Arar.tenstisehof«
Syrnptoni der v*hiiegeiideii Affcrtiou angesehfjn. -
So feststehend iii?ui hidess auch dl esu TTiat^a.ehe erachtete,
so unklar blich mxu ^ch über den. Modus - derfSiweissausschoK
diing in der aroylbid enraHeteti Ni er«. Wäbiemi die einen das
Eiweiß aus den getänden G^fisse« unter de tu durch die colla-
terale Hyperamre Bbitdraclc, zumal b^i gleidizritig
v urhandeuej bydrämisdinr Bl utbeschaff e. fvhe i t itiadnrehtr eten
jadiA Fudern ln der Jimvioideu Entartung der Ge-
fässwände die der. PermeAfnTität ffir das
ServimeiweisiV Noch andere glauben, da^« es ukHt die atnylnjöe
Veränderung der G^fässe solche ist. Welche £or Älhuminnri»
führt, soudem ißdiglich die damit vedycoulene Erkrankung des
N iereo pareo ehyu\.s, die sog. cJirtun.seh -parenchymatöse Entzün-
dmig. Trotz dieser Verschiedeüh.eit, ihr Mthonngcn' ln luitreff
des Zu§taiidekotumehs (Ster Eiw'«i^saas«iiföh'eidiüfg; sfinjine.n alle
Autoren in der Thats.ache nhereio. dass die Aljunnionrie ein
co-.ostautes Symptom d‘-r aui>!mden Ni»;reii»iogcm;ratiou' bildet.
Bevor ich auf die Details meiner bi^folnpforhen rhtersuefumgeo
und dit' daraus nbzul/'itmukt» Schlüße nulter eiagohv. wmle
ich zunächst an der Hahd g^nhnT»eobacld^t^niKrarilvlieiI>s-
fälle den Nachweis? liefern, da^^ jenes Dogma der Nierenpatho-
logie „kein Nierenftnnldid ohne AHunniaurifi rt onhaitbar ist.
Die erste hierhergeht‘rigA Beohachthng stammt aus fern
Jahre 187fi imd betrifft einen 1* jähr- KÄufmafiuislehrling K.*
welcher am 12. Mai mit den ; . E^4|ieimmgeu »u.sg'ebreiteter
Spitzenplithbe der ir/odic. Rl.inFk Äugmg. ßloielam-iig konnte
schon bei der Aufnahme ei ne-Grosse — und f^ärte^u nähme der
Leber und MUz constatirt Werdem,. Es be-^nmd laichte Diarrhp^
hei felüeüdeii Hydropsku. Dyv Urin frei •*— Der
weitere Verlauf der Krankheit j^lich »m Wes?ehthcheh 4aw jeder
nlc.erhsett Lnugonphthisr*. Die ^erWürnngcn. io den Spitzen
uahmou /.a; bald konnten grössere CfiTeriWi liA^elb^ tiaclige-
wic^cn werdenv Das Fieber, welches vo» Ahfa«^ an vnrivatidt^i.
war ? hatte 4aw auageeprochetieit Cimracter' der Febr. hcctica
und war mt e.rscliopf«ndfin .nächtHche-»_ Schwei^seri verlninden.
DieiM&tthoö dauerte fort: es worden täglich dnnne fäcu-
teilte Stuhle ohne ^chmenen eutlorrt. Der Urin, welcher täg~
{.ich untersucht wurde, enthielt weder chemisch noch weroseo-
pisch abnorm» BestUüdtheUe. Die Menge ri.esse Um» schwankte
um 1000 Ccm. bei einem spec. Gew. ron 1,011 —16. Daliei
war hr klar, durchalchtlg^ von imilgetber Farbe. Pols abnorm
klein. Hydropisdie Erghsse nicht nachweisbar. Am 12. Juni
tfattm die Symptome einer lbksseitigeo trockenen Pleuritis auf,
welche «ehr war nnil die Anwenduhg vnn NarCbticis
fiot-liwendig jfiachie; bald gesellte ;dch eine trockne PeTicarditi»
hinzu. Am ^c), k#nte . -ei.ue.: Zuhälunc der BerzdÄüiplupg «öd
ein Schwächerw^rdeit des pericardialmi : Reibens nachgewiegen
werde». Gleichzeitig traten Spuren von Üedfcto an den tt^ren
Extremitäten s rtAtneiitiich an den Malle oben und auf dem Pösh-
n'icken auf. Pat. khigle. hbec Schmarzcii auf dom Abdomen,
welche bei Druck Zunahmen. Die Diarrhoen trotz der
Anwendung «typtiHcher Mittel fort. Der bis dahin helle und
klare Urin wurde düpktfl brannrotlu trübe, weih «per. Gew. ^tieg
auf 1,020 und darober- dio 24-^tatidige Menge sank von Oh0 Ccm.
i. M. auf 5 — OOif. ~ Da angfs'jolits. des. ganzep' ftratikheO*
bl Id es upd y&tfanfä. -m dein Vbrh andensei fi'eiri o r Aihy'lmd<)egi?ne^;.
ratidn der Ilfiterleib.sdrnseii vmd der f>arna$oTiwohl
gox-'v ei feit werden konnte, so war der Bescbafbmbert de> Barns
von Anfang a?i eine ganz he^oudere Aiifmerksanikeit^vü^fewendet
Worden, hiuess konnte trorz täglich 'V<>rgt-iion,Tnv?uer geinuv^or
Untersuchuiig niemals Eiwefss darin naohgciwk^etjt Werden;: auch
314
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 22
der mit concentrirter Glaubersalzlösung und Essigsäure versetzte
Harn zeigte beim Kochen keine Spur einer Trübung. Ebenso¬
wenig gelang es, im Bodensatz Cylinder aufzufinden. — Der
Puls blieb fortgesetzt äusserst klein und niedrig.
Während das pleuritische Reiben links fortbestand und
gegen Ende Juli auch rechts nachweisbar wurde, nahm der
pericardiale Erguss immer mehr zu, so dass die Herztöne kaum
noch hörbar waren. Die Menge des Urins blieb fortgesstzt
gering; häufig wurden kaum 500 Ccm. eines ziegelrothen, stark
sedimentirenden, aber eiweissfreien Harns entleert. Die Diarrhoen
und die Schmerzhaftigkeit des Abdomens bestanden fort. Das
Anasarca nahm langsam zu. Collaps. Am 4. August trat auf
Brust und Bauch eine ausgedehnte Eruption miliarer Petechien
auf, welche in den nächsten Tagen zunahm. Die Urinmenge
betrug 350 Ccm. Die heftigen Leibschmerzen rauben dem Pat.
die Nachtruhe; subcut. Injectionen von Morphium gewähren nur
wenig Erleichterung. Die Diarrhoen beschleunigen den Collaps
Zusehens. 8. August Urinmenge 380 Ccm., spec. Gew. 1,026,
sehr reich an Harnfarbstoffen, frei von Albumen. Puls kaum
fühlbar. Unter zunehmenden hydropischen Erscheinungen stirbt
der Kranke am 9. August.
Die Diagnose war abgesehen von der Entzündung der se¬
rösen Häute auf Lungen- und Darmphthise mit gleichzeitig vor¬
handener amyloider Degeneration der Leber, Milz und Darm¬
schleimhaut gestellt worden. Eine Mitbetheiligung der Nieren
an dem amyloiden Process musste auf Grund des chemischen
Verhaltens des Nierensecrets ausgeschlossen werden.
Die Section (9. August 1876, Dr. Jürgens) bestätigte die
Diagnose in ihrem positiven Theil vollständig und erweiterte
sie dahin, dass noch eine allgemeine Miliartuberculose sowie
amyloide Degeneration der Niereü vorhanden war.
Aus dem Sectionsbericht hebe ich nur den für uns wich¬
tigsten Befund hervor, so weit er die Beschaffenheit des Nieren¬
parenchyms betrifft. „Die linke nicht vergrösserfe Niere zeigt
auf der Oberfläche sowie auf dem Durchschnitt spärliche miliare
und etwas grössere weissgelbliche Tuberkelknötchen in der
Rindensubstanz. Letztere ist von normaler Breite, auffallend
blass, grauweiss gefärbt. Auf Jodzusatz erscheinen zahlreiche,
intensiv braune Punkte und Striche.“ Die rechte Niere wurde
behufs Injection in toto mit der Kapsel herausgenommen und
intact gelassen.
Die microscopische Untersuchung der erkrankten Nieren
ergab, dass die Glomeruli in grosser Anzahl entartet waren, und
zwar so, dass jedesmal der ganze Gefässknäuel ergriffen war
und in eine gleichmässige glasige Masse verwandelt erschien.
Daneben fanden sich gar keine Glomeruli, bei welchen die
Entartung auf einzelne Schlingen beschränkt geblieben war, so
dass normale und total degenerirte in bunter Reihe mit ein¬
ander abwechselten. Die letzteren bildeten jedoch bei weitem
die Mehrzahl. Ausserdem waren die Interlobulararterien sowie
die Vasa afferentia und die Arteriolae rectae mit in das Be¬
reich der Erkrankung gezogen worden und zeigten z. Th. sehr
ausgedehnte Entartung; auch die interstitiellen Capillaren
Hessen dieselbe deutlich erkennen. Das Nierenparenchym war
im wesentlichen intact; nur zeigten die Epithelien der Tubuli
contorti eine nicht unbedeutende Verfettung.
Der zweite Fall betraf die 23jährige F. S., welche am
1. April 1878 ebenfalls mit den Symptomen vorgeschrittener
ulceröser Lungenphthise aulgenommen wurde. Auch hier wies
die grosse harte Milz sowie das Bestehen profuser wässriger
Diarrhoen mit grosser Wahrscheinlichkeit auf das Vorhanden¬
sein einer amyloiden Entartung der Unterleibsdrüsen hin. Die
täglich aufs sorgfältigste ausgeführte Untersuchung des Harns
liess eine Abweichung von der Norm nicht erkennen. Während
der 13 tägigen Beobachtungsdauer der Kranken betrug die 24-
ständige Menge des Harns im Mittel 1000—1100 Ccm. bei einem
spec. Gew. von er. 1,010. Das Secret war hellgelb, klar, nicht
sedimentirend, frei von Eiweiss und Cylindem. Die unteren
Extremitäten waren bei der Aufnahme mässig geschwollen und
blieben es bis zum Tode. Der Puls war während der ganzen
Beobachtungszeit ungewöhnlich klein und leicht comprimirb&r,
etwas arythmisch. Herztöne rein. In beiden Lungenspitzen Ca-
vernen, Pleurahöhlen frei. Das Abdomen auf Druck mässig
schmerzhaft, der Stuhl diarrhoisch, 4—5 mal in 24 Stunden.
Der Tod erfolgte am 13. April nach kurzer Agone.
Unsere Diagnose lautete: Lungen- und Darm phthise neben
amyloider Degeneration der Milz und Darmschleimhaut. Daneben
wurde aber auf Grund der zuerst mitgetheilten Krankheitsge¬
schichte auch an die Möglichkeit einer gleichzeitigen Nieren¬
entartung gedacht.
Bei der Section fand sich ulceröse Phthise des Darms und
der Lungen, Sagomilz, Fettleber mit amyloider Degeneration der
Gefässe, Amyloid des Darms und der Nieren, Verfettung des
sehr schlaffen Herzens, namentlich des linken Ventrikels. Das
Protocoll über die Niere lautet: L. Niere erscheint leicht ver-
grössert, Oberfläche glatt, anämisch, Sternvenen mässig gefüllt
Auch auf der Schnittfläche sieht die Substanz sehr blass aus,
ohne jedoch sonst Veränderungen irgend welcher Art erkennen
zu lassen. Die rechte Niere wurde behufs Injection nicht auf¬
geschnitten.
Die macroscopische Jodreaction ergab kein sehr prägnantes
Resultat: vorzugsweise trat die characteristische Färbung im
Mark an den Vas. rect. hervor, wärend man in der Rinde kaum
hie und da einen braunroth gefärbten Glomerulus erkennen
konnte. Die microscopische Untersuchung bestätigte diesen Be¬
fund in so fern, als die Art. rectae in der That am stärksten
entartet waren; überall zwischen den Bündeln der geraden
Harncanälchen sah man in der Grenzschicht des Marks die
parallel verlaufenden Art. rectae bei Jodzusatz aufs schönste
rothbraun gefärbt. In der Rinde fand sich eine mässige Ent¬
artung der Glomeruli, welche überall nur auf einzelne Capillar-
schlingen beschränkt war, während ein grosser Theil der Ge¬
fässknäuel vollständig intact erschien. Die Interlobulararterien
sowie die Vasa afferentia und die interstitiellen Capillaren
waren ebenfalls stellenweise degenerirt, jedoch ungleich weniger,
als die arteriellen Stämmchen des Marks. Abgesehen von der
beschriebenen Gefässentartung liess die microscopische Unter¬
suchung der Nieren keine wesentlichen Veränderungen erkennen.
Nur fiel eine nicht unbedeutende Verfettung der geraden Harn-
canälchen des Marks auf, welche stellenweise so intensiv war,
dass man die einzelnen Epithelien nicht mehr von einander ab¬
grenzen konnte. Auch der Herzmuskel war in grosser Aus¬
dehnung fettig entartet.
Der dritte hierher gehörige Fall kam in fast genau der¬
selben Zeit zur Beobachtung und betraf die 42jähr. Frau K.,
welche vorzugsweise über Verdauungsstörungen klagte. Die
klinische Untersuchung wies das Bestehen eines Milz- und Leber¬
tumors nach. Beide Organe waren auf Druck schmerzlos und
fühlten sich derb und hart an. Die Oberfläche der Leber er¬
schien uneben, ohne gerade granulirt zu sein. Vielmehr konnte
man durch die schlaffen Bauchdecken deutlich Lappungen der¬
selben nachweisen. Es bestand ein geringer Ascites. In den
Brustorganen nichts Abnormes. Der Stuhl war normal, Ana¬
sarca fehlte vollständig. Die Harnmenge betrug bis kurz vor
dem Tode 900 —1000 Ccm. bei 1,011 — 13 spec. Gew. Das
Secret selbst war meist klar, gelb, ohne Sediment. Die täglich
angestellte Untersuchung auf Eiweiss und Cylinder ergab ein
negatives Resultat. Nach 14tägigem Aufenthalt auf der Klinik
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
3. Juni 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
315
verschied die Kranke. Die Section erwies die Leberverände-
rungen als exquisit syphilitische. Das Organ war in toto ver-
grössert, dabei vielfach geschrumpft und mit tiefen Narben¬
sögen durchfurcht; im Parenchym fanden sich einzelne Gummata
eingesprengt. Wie die microscopische Untersuchung lehrte, waren
viele Arterien- und Pfortaderäste amyloid degenerirt. Ausser¬
dem fand sich eine Sagomilz und glatte Atrophie des Zungen
rückens. Alte Geschwüre oder deren Narben waren nirgends
vorhanden. Die linke Niere war von gewöhnlicher Grösse,
auffallend anämisch und härter als normal. Bei der macrosco-
pischen Jodreaction färbten sich vorzugsweise die Gefösse in
der Papillarschicht, während die Rindengefässe und Glomeruli
keine deutliche Färbung annahmen. Die Techte Niere blieb be¬
hufs der Injection unaufgeschnitten. Das Herz welk und schlaff.
Unmittelbar nach der Section wurde die Niere microscopisch
untersucht. Auch in diesem Fall waren es die Arteriolae rectae,
welche am intensivsten entartet waren. Die Glomeruli waren
zum Theil ganz intact, zum andern stellenweise entartet, so
dass man in ihnen nur eine fleckweise Färbung auf Zusatz von
Jod oder Methylanilin erkennen konnte. Die Vasa affer. nahmen
ebenfalls nur zum Theil die characteristische Färbung an, während
die interstitiellen Rindencapillaren ganz gesund erschienen. Von
anderweitigen Veränderungen wäre nur noch eine geringe Ver¬
fettung der geraden Harncanälchen zu erwähnen.
In einem vierten Fall, welchen ich nicht selbst beobachtet
habe, fand sich bei der Section eines Phthisikers ebenfalls
amyloide Entartung der Nieren, obwohl in der letzten Zeit vor
dem Tode (wie lange — unbekannt) keine Albuminurie be¬
standen hatte. Ich verdanke die Mittheilung über diesen Fall
der Güte meines Freundes, des Herrn Dr. Weigert, welcher
die Section selbst ausgeführt hat. Auch hier erschienen die
Nieren macroscopisch sehr anämisch, sonst unverändert, und es
wäre die Gefässerkrankung derselben vielleicht übersehen worden,
wenn nicht deutliche amyloide Degeneration in anderen Organen
vorhanden gewesen wäre. Die microscopische Untersuchung er¬
gab eine raässige amyloide Entartung der Glomeruli sowie der
arteriellen Rindengefässe. Eine anderweitige Erkrankung der
Nieren konnte auch microscopisch nicht nachgewiesen werden.
Es war vorzugsweise die erste der hier mitgetheilten Be¬
obachtungen, welche mich aufs höchste befremdete. Trotzdem
während einer 3 monatlichen Beobachtungszeit niemals Eiweiss
durch die Nieren ausgeschieden worden war (nur ein einziges
Mal, am 7. Juni findet sich in der Krankengeschichte die Be¬
merkung „leichte Trübung in der Siedhitze nach NO s Zusatz“),
bestand eine sehr ausgesprochene Amyloidentartung dieser Or¬
gane. Ein Versuch, die Beobachtungen intra vitam mit dem
Sectionsbefund in Uebereinstimmung zu bringen, musste zu der
Annahme führen, dass entweder die Entartung der Nieren eine
so geringfügige, so wenig die gesammte Wand der erkrankten
Gefässe durchdringende wäre, dass dadurch keine Albuminurie
hervorgerufen wurde, oder dass die Entartung nur solche Ab¬
schnitte des Circulationsapparates in den Nieren ergriffen hätte,
welche sich an der Eiweissausscheidung überhaupt nicht be¬
theiligten. Beide Annahmen erwiesen sich bei genauer Unter¬
suchung sofort als hinfällig, denn die amyloide Infiltration hatte
nicht nur die ergriffenen Gefässe in ihrer gesammten Wand¬
dicke durchsetzt, sondern auch sämmtliche Abschnitte des Ge-
fässapparates in den Nieren (Glomeruli, interstit. Capillaren,
Iuterlobulararterien und Vasa recta) in Mitleidenschaft gezogen.
Somit fielen jene Hypothesen von selbst, — doch gab vielleicht
die Untersuchung des injicirten Organs weiteren Aufschluss.
Schon auf der Schnittfläche der mit blau gefärbter dünner Leim¬
lösung injicirten Niere erschienen die Glomeruli, trotzdem die
Injection sehr gut gelungen war, ausserordentlich wenig ge¬
färbt; nur hie und da sah man einen bfkuen Gefässknäuel in
der anämischen Rinde. Viel prägnanter trat dieses Verhalten
auf dünnen Schnitten hervor, welche einige Zeit in Jodjod¬
kalium — oder Methylanilinlösung gelegen hatten. Betrachtete
man diese unter dem Microscop, so erkannte man sofort, dass
in diejenigen Glomeruli, welche die characteristische braunrothe
resp. purpurrothe Färbung angenommen hatten, keine Farbmasse
eingedrungen war, während diejenigen Malpighi’schen Knäuel,
deren Capillarschlingen vollständig injiicirt waren, keine Amy-
loidreaction darboten.
Ich will im voraus schon hier andeuten, dass ich eine ganz
analoge Form der Amyloidentartung bezüglich der Anordnung
der erkrankten Gefässknäuel niemals wieder angetroffen habe.
Das Eigenartige und Besondere des Falles lag darin, dass nur
amyloidfreie und total degenerirte, für die Injectionsmasse ab¬
solut undurchgängige Glomeruli vorhanden waren, während die
Uebergangsformen, d. h. solche, bei welchen nur einzelne Glo-
merulusschlingen entartet waren, vollständig fehlten. Hierin
glaubte ich nun die Erklärung für jenen Fall suchen zu müssen.
Denn da trotz einer erheblichen amyloiden Erkrankung aller
übrigen Gefässabschnitte des Marks sowohl wie der Rinde
die Injection in diesen Abschnitten eine ziemlich vollständige
geworden war *), so lag der Gedanke nahe, dass im vorliegenden
Fall nur deshalb kein Eiweiss in den Harn übergegangen war,
weil an dem Ort der Eiweissausscheidung — den Glomerulis —
kein Blut in die verengten oder selbst undurchgängigen Capillar¬
schlingen eintreten konnte. Freilich involvirt dieser Gedanken¬
gang eine Praesumption, für welche noch der Beweis erbracht
werden muss, nämlich die, dass bei der amyloiden Degeneration
der Nieren das Serumeiweiss nur aus den Glomerulis stammt.
Der Leser wolle mir verzeihen, wenn ich auf diesen Punkt erst
an späterer Stelle eingehe und hier nur an die Thatsache er-
; innere, dass im vorliegenden Fall trotz intensiver Erkran¬
kung des gesammten Circulationsapparates der Nieren
kein Eiweiss während der 3 letzten Monate des Lebens ausge¬
schieden worden war. Während aber die erkrankten Glomeruli
die Injectionsmasse nicht aufgenommen hatten, erschienen die
übrigen Abschnitte des Gefässsystems ziemlich vollständig ge-
I füllt. Diese Thatsache lehrt, dass eine amyloide Entartung
I der Rindencapillaren bestehen kann, ohne dass gleichzeitig Albu¬
minurie vorhanden sein muss. Dass aber die erkrankten Capillaren
der Rinde für das Blut durchgängig waren, konnte nach dem
Resultat der Injection nicht zweifelhaft sein. Ganz anders ver-
I hielten sich dagegen die Glomeruli; von diesen war ein Theil
frei von amyloider Erkrankung, ein anderer vollständig zu einer
scholligen Masse degenerirt, in welcher man auch nicht einmal
eine Andeutung von Kernen erkennen konnte. Während aber die
erstem vollständig injicirt waren, boten die letztem nicht einmal
die Andeutung einer erkennbaren Injection dar. Wenn ich nun auch
weit davon entfernt bin, zu glauben, dass die Nicht-Injicirbarkeit
eines Gefössschnittes post mortem mit Sicherheit für ihre völlige
Impermeabilität während des Lebens spricht, so dürfte es doch
keinem Zweifel unterliegen, dass die betreffenden Gefässe auch
während des Lebens stark verengt waren und dem Blutstrom
bedeutende Hindernisse darboten. Da nun aber aus rein mecha¬
nischen Gründen das Blut in diejenigen Röhren strömt, in
welchen die geringsten Widerstände herrschen, so scheint es
1) Ich möchte hier darauf hinweisen, dass die interstitiellen Capillaren
der Rinde bei behinderter Circulation in den Maip. Gefässknäucln doch
ziemlich vollständig gefüllt werden können, da sie sowohl Blut von den
Kapselgefassen erhalten, als auch von denjenigen Vasa afferentia, welche
bevor sie sich in die Haargefasse des Glomerulus auflöscn, vielfach
Aestchen zu den Rindencapillaren abgeben.
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 22
plausibel, dass in ubserm Fall die intensiv entarteten Gefäss-
schlingen der Glomeruli auch während des Lebens kein Blut
empfangen haben, und dies erscheint um so wahrscheinlicher,
als es sich um ein sehr cachectisches Individuum handelte,
dessen Herz sich im Zustand der braunen Atrophie befand und
schon deshalb unfähig war, stärkere Circulationshindernisse zu
überwinden. Unterstützt wird diese Argumentation durch die
bekannte Thatsache, dass amyloid entartete Organe ungewöhn¬
lich anämisch sind 1 ).
Ich habe, um meine Auffassung dieses Falles auf ihre Richtig¬
keit zu prüfen, alle amyloid entarteten Nieren, deren ich seit
dem August 1876 in der Charite habhaft werden konnte, injicirt
und die Beziehungen zwischen ihrer Injectionsfähigkeit und dem
Grade und der Ausdehnung der amyloiden Erkrankung unter¬
sucht, ohne jemals ein gleiches Verhalten auffinden zu können.
Allerdings waren auch die Bedingungen in so fern andere, als es
sich sonst stets um Fälle handelte, bei denen während des Lebens
Albuminurie bestanden hatte. Im grossen und ganzen waren
die Verhältnisse derart, dass sich alle möglichen Uebergänge
zwischen intacten und vollständig entarteten glomerulis vor¬
fanden, so dass namentlich diejenigen Gefässknäuel in über¬
wiegender Anzahl vorhanden waren, in denen nur einzelne
Schlingen entartet waren. Demgemäss hatten auch die glome-
ruli fast sämmtlich — wenn auch in verschiedenem Füllungs¬
grade — die Injectionsmasse aufgenommen; nur vereinzelt fanden
sich daneben total veränderte Gefässknäuel, welche keine Spur
einer Injection erkennen Hessen.
Auch klinisch wurde in allen auf amyl. Degeneration nur
einigermassen verdächtigen Fällen der Harn täglich aufs sorg¬
fältigste untersucht, und post mortem in diesen Fällen die micro-
scopische Untersuchung auch solcher Nieren vorgenommen, welche
macroscopisch durchaus nicht den Eindruck der in Rede stehen¬
den Erkrankung machten. Erst nach 1V, jähriger Pause gelang
es mir wieder, eine ähnliche Beobachtung zu machen, und zwar
spielte mir der Zufall diesmal fast gleichzeitig zwei analoge
Fälle in die Hände, welche ich als II. und III. Beobachtung kurz
mitgetheilt habe. In beiden wurde während der 13- resp. 14tä¬
gigen Dauer der Beobachtungszeit kein Eiweiss ausgeschieden,
obwohl bei der Section eine deutliche Gefässentartung der Nieren
nachweisbar war, deren Ausbreitung sich allerdings in beiden
etwas verschieden verhielt. Während in Fall II die Entartung
die Glomeruli nebst den vas. affer. und die interstitiellen Rin-
dencapillaren, vorzugsweise aber die art. reactae des Marks er¬
griffen hatte, betraf dieselbe in Fall III ausschliesslich die Glo¬
meruli und einige grössere Gefässstämmchen in Mark und Rinde.
Die Betheiligung der Glomeruli war in beiden Fällen eine un¬
bedeutende, überall nur auf je eine oder ganz wenige Schlingen
beschränkte. Demgemäss war die Injection beider Nieren eine
sehr vollständige geworden, namentlich auch in ihren Rinden¬
abschnitten. Hier fanden sich die Glomeruli prachtvoll injicirt,
und selbst in denjenigen Schlingen, welche die für das betreffende
Reagens characteristische Färbung angenommen hatten, konnte
man hie und da die Injectionsmasse nachweisen. Somit lagen
die Verhältnisse in diesen beiden Fällen wesentlich anders, als
in dem ersten, und es konnte daher auch nicht die für diesen
letzteren versuchte Erklärungsweise auf jene übertragen werden.
Ebenso wenig aber kann die vorhandene Ernährungsstörung des
Herzmuskels oder die geringe Intensität der amyloiden Gefäss-
1) Für Diejenigen, welche das von amyloid entarteten Nieren aus¬
geschiedene Eiweiss aus den gesunden Gefassabschnitten stammen und
unter dem durch die collaterale Hyperämie gesteigerten Druck transsu-
diren lassen, dürfte dieser Fall an Beweiskraft nichts zu wünschen übrig
lassen.
erkrankung (Fall 2 und 3) die fehlende Albuminurie erklären,
da unter gleichen Umständen in vielen anderen Fällen Eiweiss¬
harn ausgeschieden wird. Ausserdem fehlte auch jede Er¬
krankung des Herzmuskels im 4. Fall von Weigert. Schon
die in diesen 4 Fällen hervortretenden Differenzen in der Aus¬
breitung der Gefässentartung müssen darauf hinweisen, den
Grund für die fehlende Albuminurie in einer anderen, allen
Fällen gemeinsamen Ursache zu suchen. Das ihnen allen Ge¬
meinsame aber war das Fehlen jeder entzündlichen Affection,
welche wir sonst so ausserordentlich häufig die amyloide Dege¬
neration der Nieren begleiten sehen, oder zu welcher die amyl.
Degeneration so häufig hinzutritt. Wir hatten es vielmehr in
jenen Fällen ausschliesslich mit der sog. „reinen“ Amyloid¬
entartung der Nieren zu thun, jener Affection, welche Grainger
Stewart als 1. Stadium der gesammten Affection betrachtet
(the stage of simple Degeneration of the vessels). 1 )
1) Wie wenig die Eintheilung G. Stewart’s nach Stadien berech¬
tigt ist, lehrt unser 1. Fall, in dem die Degeneration der Gefässe bis
zu einem extremen, übrigens sehr selten vorkommenden Grade gediehen
war, ohne dass jene secundären Veränderungen des Nierenparenchyms,
welche der genannte Autor für die späteren Stadien verlangt, sich auch
nur in den ersten Spuren gezeigt hätten. Vielmehr scheinen die Ver¬
hältnisse folgendennassen zu liegen: Es giebt 2 Formen der amyl. Nieren¬
entartung, von denen die eine secundär ist und in anderweitig er¬
krankten Organen zur Entwickelung kommt In diesen Fällen findet man
die Nieren stark vergrössert, von teigigt-fester Consistenz und glatter
Oberfläche. In dem gleichmässigen Graugelb der letzteren finden sich
in grosser Anzahl kleine Fleckchen und Süppchen von deutlich fett¬
gelber Farbe. Auf der Schnittfläche sticht in auffallender Weise der
buttergelbe verbreiterte und an den amyl. Stellen glänzende Cortei von
dem meist hyperämischen Mark ab; auch hier erkennt man überall in
der Rinde die erwähnten Verfettungsherde mit blossem Auge. Der Grad
der amyl. Entartung in solchen Nieren variirt innerhalb der allerweite¬
sten Grenzen. Während dieselbe manchmal die höchste Intensität erreicht
und kaum einzelne Glomeruli ganz intact lässt, finden sich andere Male
nur die ersten Andeutungen dieser Erkrankung, so dass man mehrere
Gesichtsfelder durchmustern muss, ehe man eine Stelle antrifft, welche
die Reaction in voller Schärfe darbietet. Daneben kommen aber auch
Fälle vor, bei welchen in Folge einer Dyscrasie Milz und Leber amyl.
degenerirt sind, während die Nieren, obwohl sie das eben angedeutete
Bild aufs getreuste wiederspiegeln, keine Spur von amyl. Entartung er¬
kennen lassen. Schon diese Ungleichheit in der Verbreitung der amyl.
Infiltration bei sonst in ganz gleicher Weise veränderten Nieren weist
mit grösster Wahrscheinlichkeit darauf hin, dass die amyl. Veränderung
das Secundäre des Processes ist. Von dieser Form unterscheidet sich aufc
wesentlichste jene andere, bei welcher die amyl. Gefässentartung als erste
krankhafte Erscheinung auftritt und die höchsten Grade erreichen kann,
ohne dass man schwerere Läsionen in dem Organ antrifft, als regressive
Metamorphose der Epithelien, welche die Folge der gestörten Circulation,
d. h. der arteriellen Anämie ist. Daneben kann es auch zu weit
schwereren Allgemein Veränderungen der Niere kommen. Dies ist sogar
überwiegend häufig der Fall. Das Organ kann* alsdann dieselben all¬
gemeinen Veränderungen darbieten, wie sie eben als characteristisch für
die erste Gruppe bezeichnet wurden. Ja es scheint mir sogar mehr als
fraglich, ob man es bei dem Vorhandensein dieser Form der Nieren-
affection dem anatomischen Präparat überhaupt anseheu kann, wie sich
die einzelnen anatomischen Veränderungen ihrer zeitlichen Entwickelung
nach verhalten, obwohl einige Autoren gewisse Unterschiede zwischen
beiden Gruppen hervorheben. So soll in den Nieren, welche der zweiten
Gruppe angehören (primäre Amyloiddegeneration mit nachfolgender
„parenchymatöser** Entzündung) die Consistenz eine festere sein, während
die Nieren der ersten Gruppe („parenchym.“ Entzündung mit secundärer
Amyloiddegeneration) einen eigenthümBchen gelben Farbenton darbieten
soUen (cf. Bartels 1. c. pag. 472). Ich habe mich von diesen Unter¬
schieden nicht überzeugen können und halte es für sehr schwierig, häufig
für unmöglich, im gegebenen Falle zu entscheiden, welche Form der
Erkrankung vorliegt Aehnlich verhält es sich mit der Combination von
amyl. Degeneration und Nierenschrumpfung. Auch hier wird es nicht
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3. Juni 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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Sollte nicht vielleicht hierin der Grund für die fehlende
Albuminurie zu suchen sein, und sollte nicht möglicher Weise
auch die allgemein verbreitete Ansicht, dass amyloid entartete
Gefösse für Serumalbumin permeabler werden, auf einer un¬
bewiesenen Annahme beruhen? Gipfelt doch der Hauptbeweis 1 )
dafür eben darin, dass amyloide Nieren Eiweiss secerniren, eine
Thatsache, der den mitgetheilten Beobachtungen zufolge keine
allgemeine Gültigkeit mehr zukommt. Wie, wenn das von derar¬
tigen Nieren ausgeschiedene Eiweiss der Nierenentzündung als
solcher und nicht der amyl. Gefässerkrankung seine Entstehung
verdankte? Ich kann nicht leugnen, dass mir diese Hypothese
angesichts meiner Fälle sehr verlockend erschien, denn die
Epithelveränderung, welche wir in den betreffenden Nieren gefun¬
den hatten, und welche ausschliesslich in Verfettung bestand,
scheint, wie wir dies von anderen pathologischen und physiologi¬
schen Zuständen wissen (Phosphorvergiftung, normale Verfettung
der Nierenepithelien bei Hunden und Katzen etc.), für das Zustan¬
dekommen der Albuminurie ohne Bedeutung zu sein. Andererseits
kann es keinem Zweifel unterliegen, dass die Beschaffenheit der
Epithelien für das Vorkommen von Eiweiss im Harn durchaus
nicht gleichgültig ist. Ja es steht nach den Versuchen von
Gergens 1 ) fest, dass gewisse Veränderungen der Epithelien (Trü¬
bung und Desquamation) allein ausreichen, um im Harn Eiweiss
erscheinen zu lassen. Zu diesen Veränderungen gehören wahr¬
scheinlich alle diejenigen, welche die Ernährung der Epithelien
und ihre Fähigkeit, Eiweiss aufzunehmen und zu assimiliren,
schädigen, so die Quellung 1 ) derselben, welche auf einer Im¬
bibition mit Eiweiss beruht, die höheren Grade der trüben
Schwellung, als deren Endstadium der Zellentod, die Necrose
des Epithels zu betrachten ist, und andere. Genügen diese
Veränderungen schon an und für sich zum Zustandekommen
der Albuminurie — und es kann daran nicht wohl gezweifelt
werden, dass man häufig genug Albuminurie beobachtet in
Fällen, in welchen die Section nur trübe Schwellung der
Nieren ergiebt — so wird dies in noch höherem Grade der
Fall sein, wenn sich zur epithelialen Veränderung noch Er¬
nährungsstörungen der Nieren anderer Art hinzugesellen, wie
entzündliche Processe an den Gefässen, Störungen der Circulation
nam. Stauung u. a. (Schluss folgt.)
II. Ans der gynäkologischen Klinik in Breslan.
Rechtsseitige antereule Eehiaeeeeeuseyste. Prtbetehaitt; partielle
ixeisita; Iraiaage. leilaag.
Von
Dr. Otto Alberta«
früher Secundärarzt der stationären Klinik, z. Z. Assistenzarzt am
Berliner Städtischen allgemeinen Krankenhause.
In der aus dem Nachlasse Simon’s von H. Braun her¬
ausgegebenen Schrift »Die Echinococcuscysten der Nieren und
immer möglich sein zu entscheiden, welche Affection primär, welche
secundär ist. Einen wenn auch nicht sicheren, doch verwerthbaren
Anhaltspunkt wird in solchen Fällen die Beschaffenheit des linken Ven¬
trikels gewähren können.
1) Die hei amyloider Entartung der Darmzotten beobachteten Diar¬
rhoen lassen sich mit Virchow (Cellularpatholog. IV. Aufl. p. 445)
durch die Annahme einer gestörten Resorption oder mit Traube (die
Symptome der Krankh. etc. p. 155) durch die vermehrter Peristaltik in
ausreichender Weise erklären, ohne dass es der Annahme einer gestei¬
gerten Durchlässigkeit der Gefdsswände bedürfte.
2) Archiv f. exp. Pathol. u. Pharmacol. Bd. VI. 1877.
3) Diese Quellung der Epithelien, welche man bei vielen patholo¬
gischen Zuständen antrifft (Nephritis scarlatin. parenchym. etc.), kann
man experimentell sehr schön durch Unterbindung der Nierenvenen nam.
auch bei gleichzeitiger Ligatur der gleichnamigen Arterie erzeugen.
des perirenalen Bindegewebes. Stuttgart, 1877“ sind diejenigen
Fälle dieser Erkrankung, bei denen operative Eingriffe gemacht
wurden, gesammelt und geordnet. Es sind, mit den beiden
von Braun der Simon’schen Arbeit zugefügten zehn, darunter
auch die beiden in unserer Klinik vorgekommenen, über welche
Herr Professor Spiegelberg im Archiv für Gynäkologie, I, p. 146
und III, p. 272 referirt hat.
In jüngster Zeit nun ist uns ein weiterer Fall zur Beob¬
achtung gekommen, in welchem gleichfalls die Operation als
Probeschnitt begonnen, die Kranke durch partielle Excision des
Sackes, Einnähen desselben in die Bauch wunde und Drainage
in relativ kurzer Zeit geheilt wurde.
Bei der Seltenheit solcher Fälle theile ich ihn, mit Erlaub¬
nis des Herrn Professor Spiegelberg, im folgenden mit.
Am 3. August 1877 meldete sich in der Poliklinik eine
28 Jahre alte Köchin aus Breslau (Poliklin.-Gyn. Journ. 1876/77
Nr. 256), um wegen einer Unterleibsgeschwulst, die sie seit etwa
einem Jahre wahrgenommen, und die ihr sehr lästig, Rath und
Hülfe zu suchen.
Sie ist seit ihrem 20. Jahre regelmässig und normal men-
struirt und hat einmal, vor ungefähr einem Jahre, geboren;
Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett ohne Anomalien. Bald
nach der Entbindung — bis dahin war sie stets gesund gewe¬
sen — traten ohne nachweisbare äussere Veranlassung Schmer¬
zen in der rechten Seite des Leibes auf, die in wechselnder
Intensität bis jetzt anhielten und Patientin nahezu arbeitsunfähig
machten. Gleichzeitig nahm, während die Menses immer spär¬
licher wurden, der Unterleib langsam, aber stetig, und beson¬
ders seit Ostern 1877, an Umfang zu. Letzte Menstruation,
ganz spärlich, einen Tag dauernd, am 1. August 1877.
Befund: Ziemlich gut genährte, zierliche brünette. Alle
Functionen normal; Urin frei von abnormen Bestandtheilen. Kein
Fieber. Die Palpation ergab einen median gelagerten, nahezu
mannskopfgrossen, rundlichen, elastisch-prallen, undeutlich fluc-
tuirenden, beweglichen Tumor, der, wie die bimanuelle Explo¬
ration zeigte, den Fundus uteri und das vordere Scheiden¬
gewölbe etwas herunterdrückte. Uterus frei, wenig mehr als
normal antevertirt, vergrössert. Der Tumor lag median der
Bauchwand dicht an, wölbte sie etwas vor, war nach oben wie
nach beiden Seiten hin von Darm umgeben und liess sich vom
Uterus etwas, aber nicht ganz abheben.
Patientin ward noch am selben Tage in die Klinik auf¬
genommen und in der klinischen Stunde vorgestellt. Die Cyste
ward mit Dieulafoy’schem Troicart unter allen antiseptischen
Cautelen in der Linea alba punctirt, und wurden ungefähr 900
Ccm. einer wasserhellen, klaren, nicht fadenziehenden, geruch¬
losen Flüssigkeft entleert, die keine charakteristischen Bestand¬
teile zeigte, und in dem Berichte des hiesigen pathologischen
Instituts als einfaches Transsudat aufgefasst wurde. Um
Lufteintritt zu vermeiden, ward, auf die Gefahr eines Nachflusses
in die Bauchhöhle hin, die Cyste nicht ganz entleert.
Eine Reaction trat nicht ein.
Die am 7. August wiederholte Exploration ergab nichts
neues — der Tumor ruhte wieder auf dem Fundus uteri —, und
Patientin wurde am folgenden Tage, da die Ferien eingetreten
waren, bis zum Anfang des nächsten Semesters entlassen.
Am 29. October 1877 ward sie wieder in die Klinik auf¬
genommen. Sie klagte über ihre alteu Beschwerden, war aber
vollkommen fieberfrei. Nachdem nun wiederholt das Vorhanden¬
sein eines cystischen Tumors festgestellt war, eines Tumors,
der anscheinend weder mit den drüsigen Bauchorganen (Leber,
Milz, Nieren) in Zusammenhang stand, noch auch den Generations¬
organen (Uterus, Ovarium, Tube, Ligamentum latum) angehörte;
nachdem mit Rücksicht auf den Bericht des pathologischen In-
Qrigiral ftom 2
UNIVERSITf OF MICHIGAN
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 22
stituts auch der Gedanke an Hydronephrose aufgegeben werden
durfte, konnte es sich nur noch um eine Cyste des Netzes oder
des retroperitonealen Bindegewebes handeln, wobei freilich die
Möglichkeit nicht ausgeschlossen blieb, dass ein abgestorbener
Echinococcussack vorlag.
Jedenfalls erschien die Probeincision völlig gerechtfertigt;
je nach dem Ergebnisse war dann die Exstirpation oder die
Drainage der Cyste vorzunehmen.
Die Operation wurde durch Herru Professor Spiegel-
berg ausgeführt am 1. November 1877.
Nachdem die Bauchdecken durch einen sehr kleinen Schnitt
durchtrennt waren, drängte sich das fettreiche Netz sofort massig
vor; es war der vorliegenden, sehr blutreichen Cyste in grossem
Umfange bis gegen den Beckeneingang hin adhärent. Die rechte
Seite der Cyste innig verwoben mit der Serosa parietalis bis
gegen die Lumbargegenden hin. Die obere Partie mit dem
Mesenterium des Dickdarms und einer grossen Anzahl Dünn¬
darmschlingen verwachsen, die linke Seite grösstentbeils frei,
zum Theil mit Dünndarmschlingen leicht verlöthet. An dieser
linken Seite drang die Hand gegen die Beckenhöhle vor, fühlte
den Uterus und beide Ovarien normal, im Douglas Dünndarm¬
schlingen; sie umfasste die Cyste an ihrem unteren Pole und
fühlte, wie sie, mit der Serosa parietalis verwachsen, nach oben,
rechts und hinten in die Bauchwand überging.
Die bimanuelle Betastung — intraabdominell und von aussen
— ergab die rechte Niere normal gross; zwischen ihrer unteren
Spitze und der Cyste fand die Hand freien Spielraum. Ebenso
war der Leberrand frei zu fühlen.
Das vorliegende Cystensegment ward nun in der Wunde
punctirt; die ausströmende Flüssigkeit war klar, gelblich, mit
einem Stich ins grünliche.
Bei der diffusen Adhärenz des Sackes an der rechten Seite
war an eine Exstirpation nicht zu denken, vielmehr beschloss
Herr Professor Spiegelberg, die vorliegende Partie zu ex-
cidiren, die Cyste in die Wunde einzunähen und so schrumpfen
zu lassen. Denn sie zurückzulassen, hätte die Kranke sehr ge¬
fährdet und eventuell ihr nicht einmal Heilung gebracht.
Demgemäss wurden, nachdem das hier vorliegende Netz
abgetrennt, entsprechend unterbunden und nach oben geschoben
war, durch das sich präsentirende Segment des Sackes und die
Bauchwandränder zwei Nadeln gestossen, so Cyste und Bauch¬
wand beiderseitig an einander fixirt und zwischen den um die
beiden Nadeln geführten Ligaturen ein thalergrosses Stück der
jetzt schon gerunzelten Cystenwandung excidirt. Der obere
Theil der im Laufe der Operation etwas nach oben verlängerten
Bauchwunde durch zwei tiefe Nähte geschlossen, ebenso der un¬
tere Wundwinkel, so zwar, dass nun die offene Cyste die noch
bleibende Lücke der Bauchdecken ausfüllte. Nachdem der Sack
so befestigt war, ging Herr Professor Spiegelberg zwischen
beiden fixirenden Ligaturen mit dem Finger in denselben ein,
fand ihn sehr gerunzelt und eine grosse eingerollte Mem¬
bran in seinem Grunde, die er mit der Kornzange sofort
hervorzog.
Einige Gefässe aus dem Schnittrande der Cyste bluteten
jetzt; sie wurden unterbunden, zum Theil mit Päquelin’s Ther-
mocauter verschorft. Dann wurde ein Catheter in den Cysten¬
sack geführt; Carbolöl-Watteverband wie gewöhnlich.
Der weitere Verlauf gestaltete sich folgendermassen;
Im Laufe des Tages heftige Reaction, Erbrechen, Schmerzen
u. s. w.; Morphium und Opium (per os wie im Suppositor gege¬
ben) besänftigen bald den ersten Sturm. In den nächsten fünf
Tagen schwankt die Temperatur zwischen 38,0 und 39,0, die
Pulsfrequenz zwischen 104 und 112. Die peritonitischen Erschei¬
nungen sind deutsch, und am 4. November ist rechts von der
Wunde ein etwa handflächengrosses Exsudat nachzuweisen. Unter
unserer gewöhnlichen Behandlung (Narcotica, heisse Cataplas-
men, Chinin mit Säure) bessert sich das Befinden zusehends, und
schon vom 15. November ab ist Patientin vollkommen fieberfrei.
Denn ein am 4. November aufgetretener, ziemlich intensiver
Icterus hält auch nur bis zum 14. November an; schon von
diesem Tage ab sind die Stühle wieder gallig gefärbt, der Urin
klar und frei.
Am 3. November wird beim Verbandwechsel der Catheter
entfernt, der Cystensack mit concentrirter Carbollösung vorsich¬
tig ausgespült und dann ein elastisches Drain eingelegt: schon
am nächsten Tage fliesst Eiter durch das Drain ab. 1
Vom 5. November ab zwei Mal täglich Ausspülung mit
schwacher Carbollösung; dabei werden zu wiederholten
Malen Membranfetzen mit entleert: Residuen der
Mutterblase.
15. November. Der Sack, viel kleiner geworden, wird
täglich einmal mit schwacher Carbollösung irrigirt; die Kranke,
vollkommen apyretisch, erhält kräftigende Diät.
Am 17. November verlässt sie zum ersten Male das Bett,
etwa auf eine Stunde: gegen Abend ganz acutes Auftreten eines
ziemlich starken Oedems der ganzen rechten Unterextremitfit.
Die fühl- und sichtbaren Venen der Extremitäten sind frei; im
Becken kein Exsudat: Thrombose einer tiefgelegenen
Beckenvene. Therapie: Fixation des rechten Beines in ele-
virter Lagerung, Priessnitz’sche Einwickelung; Purgantien.
19. November. Oedem im Schwinden begriffen. Sack be¬
deutend geschrumpft, kaum noch 8 Cmt. tief. — Ungestörte
Reconvalescenz.
Am 5. December wird Patientin auf ihren Wunsch nach
Hause entlassen. Der Sack ist etwa noch 5 Ctm. tief, zu einem
strangförmigen Gebilde geschrumpft, nur bei tiefem Druck em¬
pfindlich; die Deckenwunde vernarbt um die Cystenöffnung
herum, die nur noch eine Uterussonde passiren lässt, schön
granulirend. Genitalien frei. Ueber dem Kreuzbein ein kaum
erbsengrosser, flacher Decubitus.
Zunächst poliklinisch weiter behandelt und von einem Prac-
ticanten täglich verbunden, findet die Kranke dann bis zu ihrer
völligen Genesung freundliche Aufnahme und Pflege im hiesigen
Hospital zu St. Elisabeth.
Ende Januar d. J. stellt sie sich, in blühendem Gesundheits¬
zustände, wieder vor. Alle Functionen ohne Störung. Die
I Wunde vollkommen vernarbt. Von ihr ausgehend fühlt man
I in der Tiefe, immer noch etwas druckempfindlich, nach der
, rechten Nierengegend hin verlaufend, einen mehr als fingerdicken.
| straff gespannten Strang, den geschrumpften Sack.
Es hatte sich also um eine rechtsseitige anterenale solitäre
Ecchinococcuscyste gehandelt, die steril geworden war. Nach-
! träglich hatte die Patientin angegeben, dass sie vor mehrereu
Jahren bei einem Fleischer gedient und in dieser Stellung viel
| mit Hunden zu thun gehabt habe. — Den Tumor als einen der
! vorderen Bauchwand anliegenden cystischen zu diagnosticiren.
j war leicht: schwierig dagegen die Differentialdiagnose. Es er¬
hellt aus den oben angeführten Untersuchungsbefunden, dass
| Leber, Milz und Genitalien als Sitz der Cyste wohl auszuschliessen
waren, und dass in dieser Beziehung nur Netz, Nieren und retro-
peritoneales Bindegewebe in Betracht kamen. Die Schwierigkeit
der Entscheidung wurde aber noch besonders dadurch gesteigert,
dass die diagnostische Punction völlig negativ ausfiel und dass
die Lagerungsverhältnisse des Darmes nichts für retroperitoneal e
Entwickelung* der Cyste characteristisches boten (cfr. Spiegel-
berg, Sammlung klinischer Vorträge von Volkmann, No. 55,
p. 17). Der Vorschlag Simon’s (Braun, p. 15), in schwierigen
Fällen durch die Sondenuntersuchung des Inneren der Cysten-
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höhle während und nach der Entleerung zu eruiren, ob die
Geschwulst exstirpirbar oder nicht, konnte diesmal nicht befolgt
werden, da uns volle Entleerung der Cyste nicht zulässig er¬
schien, weil wir jedenfalls sie bald entfernen wollten.
So musste also trotz Anwendung aller zu Gebote stehenden
diagnostischen Hülfsmittel die Diagnose in suspenso gelassen,
die Operation als Probeincision begonnen werden.
Dass aber auch bei von vornherein gestellter Diagnose ein
operativer Eingriff nicht nur zulässig, sondern geboten war,
bedarf nach den oben mitgetheilten anamnestischen Momenten
kaum einer besonderen Betonung. Denn mit Recht heisst es bei
Simon (Braun, p. 19): »Die Behandlung der Ecchinococcen
des Unterleibes und damit zweifelsohne auch der Ecchinococcen
der Nieren ist so sicher und ungefährlich geworden, dass bei
richtiger Ausführung derselben nur in den seltensten Fällen ein
unglücklicher Ausgang zu verzeichnen sein wird. Daher wird
man künftig die Echinococcuscyste operiren, sobald sie an
den Bauchdecken prominirt und die Gesundheit beeinträchtigt.“
Mit der Operation hatte nun Simon vorzugsweise die Inci-
sion nach mehrfacher Punction im Auge; diese wie die sonstigen
verschiedenen Operationsmethoden hat er ausführlich genug er¬
örtert, so dass ich mich hier auf die nothwendigsten Bemerkungen
beschränken kann.
Wenn ich von der Electrolyse abstrahire, so präsentirt sich
zunächst die Punction in ihren verschiedenen Modificationen.
Die mit nachfolgender Jodinjection ist wegen der imminenten
Suppuration ganz zu verwerfen; ebenso irrationell ist, wie ich
glaube, die Punction in Verbindung mit Aspiration (Dieulafoy):
es ist einfacher und naturgemässer, die Cystenflüssigkeit unter
dem intracystösen und intraabdominellen Drucke ausströmen zu
lassen, als noch den luftverdünnten Raum des Aspirateurs zu
Hülfe zu nehmen. Die einfache probatorische Punction ist bei
Ecchinococcuscysten wahrscheinlich ebenso ungefährlich, wie bei
anderen Cysten, vorausgesetzt, dass sie unter antiseptischen Cau-
telen ausgeführt wird.
Bezüglich der Incision hat Simon vollkommen Recht, wenn
er ihr vor allen anderen Operationsmethoden den Vorzug giebt;
denn sie alle sind in den Erfolgen unsicherer und zum Theil
gefährlicher, keinesfalls weniger gefährlich.
Die Incision aber kann nur bei gestellter Diagnose gemacht
werden, bei zweifelhafter muss der Probeschnitt eintreten.
Die bei Simon’s Verfahren als Voroperation unerlässliche
mehrfache Punction fallt bei der Volk man n’schen Modiflcation
ganz weg: freie Incision bis aufs Peritoneum, Spaltung der pa¬
rietalen Serosa, Dilatirterhalten der Bauchdecken wunde durch
Gazetampon, comprimirender antiseptischer Verband; Abwarten,
bis Parietal- und Visceralserosa peripherer verklebt sind; breite
Incision der Cyste; sofortige Entleerung der Blasen (cfr. H. Ranke.
Ueber die operative Behandlung der Leberecchinococcen. Arch.
f. klin. Chir. 1877. XXI. p. 687). Diese Operationsmethode ist
ausserordentlich empfehlenswerth. Aber auch die von Herrn
Prof. Spiegelberg nunmehr zweimal mit glücklichem Erfolge
instituirte Methode ist entschieden nicht so gefährlich, wie man
denken sollte; beide Fälle sind gut und glatt geheilt. Auch
bei diesem Verfahren spielt zweifelsohne eine sehr wesentliche
Rolle die strenge Beobachtung aller antiseptischen Cautelen.
Es ist fraglich, ob nicht die bei partieller Excision der Cyste
gegebene Möglichkeit, den Schrumpfungsprocess und damit die
Heilungsdauer abzukürzen, dem Spiegelberg’schen Verfahren
neben dem Volkmann’schen eine Zukunft vindicirt.
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UI. Bajonettstich durch den Unterleib.
Von
Dr. Jacubaachj
Stabsarzt im Friedr.-Wilh.-Inst.
Als am 19. December 1873 eine Abtheilung Rekruten im
Laufschritte vom Exercier-Platz nach der Stadt H. zurückkehrte,
glitt ein Mann auf dem gefrornen Boden aus und stürzte, wobei
sich der Kolben seines Gewehres gegen die Erde anstemmte.
Der Hintermann des Betreffenden, Füsilier Düwert, hatte
das Unglück auf das vorstehende Bajonett aufzulaufen und zwar
derartig, dass die Spitze desselben in der Länge von ca. 5 Cm.
auf dem Rücken wieder zum Vorschein kam.
Der Verwundete brach mit lautem Aufschrei zusammen,
verlor jedoch nicht die Besinnung und riss sich sofort selbst
die Waffe aus der Brust.
Kaum eine Viertelstunde später untersuchte ich den Ver¬
letzten; ich fand ihn bei klarem Bewusstsein, wenngleich psychisch
sehr deprimirt. Das Gesicht war bleich, der Puls klein und
frequent, die Respiration oberflächlich und beschleunigt. Die
etwas unregelmässig dreieckige Eingangsöffnnng *) befand sich
2 Cm. unterhalb des linken freien Rippenbogens und genau in
der Mammillarlinie, die Ausgangsöffnung im 11. Intercostal-
raume, dicht über dem äusseren Ende der 12. Rippe. Der
Blutverlust hatte nur wenige Tropfen betragen; blutiger Aus¬
wurf resp. Blutbrechen war nicht aufgetreten. Schmerzen ver-
hältnissmässig gering.
Therapie: Collodium-Verband, Eisblasen, Eispillen, Tinct.
opii simpt., diete absolue.
Am nächsten Morgen war die Umgebung der Eingangs¬
öffnung etwas geschwollen, und die Geschwulst liess bei der
Palpation deutliches Schneeball-Knirschen erkennen. In der
Unterleibshöhle keine Ansammlung von Flüssigkeit (Blut) nach¬
weisbar. Allgemeinbefinden ungestört, Wundfieber so gut wie
gar nicht vorhanden*).
In der Nacht vom 21. zum 22. wurden die Eisblasen, deren
Kälte dem Patienten unangenehm zu werden begann, durch
kalte Compressen ersetzt, doch musste am 24., da sich leb¬
haftere Schmerzen und Meteorismus einstellten, nochmals zur
Anwendung von in Eiswasser getauchten Umschlägen gegriffen
werden. Die letztgenannten Beschwerden verschwanden jedoch
vollständig, als am 27., nach Application eines Kaltwasser-
Klystiers, der erste Stuhlgang erfolgt war. In den Faeces
Hessen sich keinerlei Blutüberreste nachweisen.
Die Diät war sorgfältig überwacht worden, und hatte Pat.
in den beiden ersten Tagen absolut nichts 1 ), am dritten eine
Tasse Bouillon und von da ab noch längere Zeit ausschliesslich
flüssige Nahrung erhalten.
Am 3. Januar 1874 waren die Stichwunden, ohne dass
sich ein Tropfen Eiter gebildet hatte, mit trockenen Schorfen
bedeckt und am 16. vollständig vernarbt. Patient wurde als
geheilt entlassen und befindet sich gegenwärtig (Ende Fe-
brauar 1875) vollkommen wohl und munter.
Eine Verletzung wichtiger Organe hatte in dem vorliegenden
Falle augenscheinlich nicht stattgefunden. Die Lunge resp. das
Brustfell mussten intact sein, weil deren untere Gränzen nur bis
zur 11. Rippe hinabreichen, dagegen lag die Möglichkeit einer
Perforation des Magens oder des Colon transversum ungleich
1) Das Bajonett war das bekannte 3eckige des aptirten Zündnadel¬
gewehres (M./70).
2) Die höchste beobachtete Temperatur betrug 37,8® C. (in der
Achselhöhle gemessen).
3) Das Hungergefühl war innerhalb der ersten 48 Stunden in Folge
des Opiumgenusses vollständig abgestumpft.
2 *
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 22
viel näher. Da Beides durch die weitere Beobachtung ausge¬
schlossen werden konnte, so musste man annehmen, dass die,
resp. das betreffende Organ dem Bajonette ausgewichen sei.
Immerhin bleibt aber bemerkenswerth, dass eine derartige,
doch keineswegs leichte Verletzung einen so auffallend gün¬
stigen Verlauf genommen.
IV. Brach des knöchernen Gehörganges in Folge
eines Hnfsehlags.
Von
demselben.
Der Trainsoldat Albert Schmidt erhielt am 29. August 1873
beim Beschlagen eines Pferdes einen Hufschlag gegen das Kinn,
so dass er auf den Rücken fiel und mit dem Hinterkopfe auf
das Pflaster aufschlug.
Beim Aufstehen bemerkte der p. Schmidt einen Blutaus¬
fluss aus beideu Ohren und zwar stärker aus dem rechten als
aus dem linken Ohre; die Gesammtmenge des Blutes mochte
nach der Schätzung des Patienten etwa einen reichlichen Ess¬
löffel voll betragen.
Ungefähr eine halbe Stunde nach der Verletzung consta-
tirte ich folgendes:
Ausser einer unbedeutenden Anschwellung am Hinterkopfe
und einer nicht erheblichen Wunde am Kinne sind äusserlich
keine Verletzungen aufzufinden. Aus dem linken Ohre hat die
Blutung bereits aufgehört, rechts dauert dieselbe noch tropfen¬
weise fort. Die Prüfung des Gehörsinns ergab rechts vollstän¬
digen Verlust, links erhebliche Abnahme, so dass das Ticken
einer Taschenuhr nur auf einen Fuss Distanc und laut ge¬
sprochene Worte bis zu einer Entfernung von 6 Schritt gehört
resp. verstanden wurden. Die Kopfknochenleitung erwies sich
für Töne und Geräusche als vollständig normal.
Augenscheinlich handelte es sich in dem vorliegenden Falle
nur um eine Verletzung der äusseren Gehörgänge, denn ein
Bruch der Schädelbasis, bei welchem bekanntlich Blutungen
aus dem Ohre zu den diagnostischen Merkmalen gehören, war
in hohem Grade unwahrscheinlich. Dazu war erstens die ein¬
wirkende Gewalt zu unbedeutend gewesen, und dagegen sprach
zweitens das Fehlen jeglicher Erscheinungen seitens des Gehirns.
Die Therapie beschränkte sich daher auf Anwendung der
Kälte, Fixirung des Unterkiefers und Darreichung flüssiger
Nahrung.
Am nächsten Morgen wai in der Umgebung beider Kiefer¬
gelenke eine flache, deutlich fluctuirende Geschwulst aufgetreten,
welche sich bis in die Gehörgänge hinein erstreckte und deren
Lumina, namentlich rechterseits, fast vollständig ausfüllte. Am
3. Sptember (bis zum 30. August waren noch geringe Mengen
einer blutig-wässrigen Flüssigkeit aus dem rechten Gehörgange
gesickert) wurden sämmtliche Blutcoagula durch Ausspritzen
mit lauwarmem Wasser entfernt, und dadurch das Gehör beider¬
seits wieder vollkommen hergestellt. Bei der Inspection des
rechten Gehörganges bemerkte man an der vorderen Wand eine
rundliche Anschwellung, weiche die Einsicht derartig beschränkte,
dass nur noch ein schmaler Saum des Trommelfells sichtbar
blieb. Soweit dasselbe übersehen werden konnte, erschien es
unverletzt und von normaler Färbung. Links fand sich eine
ganz analoge, nur kleinere Anschwellung vor, die nach weni¬
gen Tagen spurlos verschwand, während sich die Rückbildung
der anderseitigen auffallend verzögerte. Die Geschwulst spitzte
sich almälig mehr und mehr zu, und am 7. September wurde
ein Knochensplitter sichtbar, der die Haut durchbohrt hatte
und nun in der Länge von ca. 1 Mm. frei in den Gehörgang
hineinragte.
Dieser Knochensplitter erwies sich späterhin, als die An¬
schwellung noch weiter abgenommen hatte, als eine dreieckige,
in geringem Masse bewegliche Knochenplatte von der Dicke
der äussern Wand des Gehörganges, die mithin an dieser Stelle
fracturirt sein musste. Da sich das Bruchstück weder reponiren
noch ohne Anwendung von Gewalt entfernen liess, so wurde
vorläufig von weiteren Extractions-Versuchen Abstand genommen.
Leider verlor ich kurz darauf den Kranken aus dem Gesichte,
sodass ich über den weitern Verlauf keine Auskunft zu geben
vermag 1 ).
v. Trö ltsch*) sagt bei Besprechung des knöchernen Gehör¬
ganges: „Daher Gewalteinwirkungen, welche den Unterkiefer und
insbesondere das Kinn treffen, Bruch dieser Knochenplatte mit
Blutung aus dem Ohr hervorrufen können. Die verhältniss-
mässige Seltenheit solcher Folgen von Stoss oder Fall auf das
Kinn wird jedenfalls dadurch bedingt, dass der starke Zwischen¬
knorpel des Kinnbackengelenks die Gewalt solcher mechanischen
Einwirkungen in abgeschwächtem Grade erst auf das Schläfen¬
bein kommen lässt.“
Unzweifelhaft trägt dieser Zwischengelenksknorpel viel dazu
bei, die Kraft eines vom Kinn zum Schläfenbein fortgepflanzten
Stosses zu mildern, indessen genügt nach meiner Auffassung
dies eine Moment doch nicht, die relative Seltenheit derartiger
Brüche zu erklären. Zum Zustandekommen derselben halte ich
noch für unbedingt nothwendig, dass die einwirkende Gewalt
den Unterkiefer in der Richtung seiner Längsaxe treffe, weil
andrenfalls eine Drehung in den Gelenken und somit ein Ad-
schlagen gegen den Oberkiefer erfolgt.
V. Zur Uitenuhug des lämeglobiagehaltes des
menschlichen Blntes.
Von
Dr. Max Wiskemann.
Dr. Edgar Kurz in Florenz beschreibt in No. 14 der Ber¬
liner klin. Wochenschrift, Jahrg. 1878, Mantegazza’s Globuli-
meter. Gleich eingangs sagt er: „Von den verschiedenen Me¬
thoden, den Gehalt des Blutes an rothen Blutkörperchen zu
bestimmen, erscheint mir die von Prof. Mantegazza die be¬
quemste und zugleich die sicherste, deshalb vor allem für
Kliniken empfehlenswerth.“
Mit diesen Worten stellt Dr. Kurz Mantegazza’s Glo-
bulimeter nicht nur über Preyer’s Methode der spectroscopi-
schen Bestimmung des Hämoglobingehaltes des menschlichen
Blutes, sondern auch über die in seiner Vaterstadt zur Zeit
seines Studiums erfundene und practisch in ausgedehnter Weise
angewandte Methode der qantitativen Spectralanalyse.
Vierordt’s Methode der quantitativen Spectralanalyse
habe ich selbst zuerst zur Bestimmung des Hämoglobingehaltes
an 60 kranken und gesunden Individuen angewandt*). Etwa
die Hälfte des Materiales hat mir die geburtshülfliche Klinik
in Tübingen geliefert, an welcher Dr. Kurz gerade als Assistenz¬
arzt thätig war. Leicht hätte ich ihn damals überzeugen könneu.
dass ich bei Verwendung eines halben Tropfen Blutes (aus
1) Nach einer, mir neuerdings zu gegangenen brieflichen Mittheilung
scheint eine necrotische Abstossung der betr. Knochenplatte nicht er¬
folgt zu sein.
2) v. T., Lehrbuch der Ohrenheilkunde. 4. Aufl. Würzburg, 186S.
pag. 22.
*) Spectralanalytische Bestimmungen des Hämoglobingehaltes des
menschlichen Blutes von Dr. med. Max Wiskemann, Freiburger Disser¬
tation von 1875 und Münchener Zeitschrift für Biologie, I. Jahrg., IST*».
S. 434.
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3. Juni 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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der Fingerspitze durch Einstich gewonnen) ebenso rasch als
Mantegazza zu meinen Resultaten kam und — ich denke zu
genauem, das wird mir jeder zugeben, der Vierordt’s Me¬
thode aus der trefflichen Monographie ihres Erfinders und aus
meiner in Voit’s Zeitschrift gegebenen Beschreibung kennt
Wer, ohne selbst mit Blut gearbeitet zu haben, gleichwohl ein
Urtheil über die Zuverlässigkeit von Vierordt’s Methode, ins¬
besondere seiner Vorschriften für die Bestimmung des Hämo¬
globingehaltes des menschlichen Blutes mit Zuhülfe nähme
sehr kleiner Blutmengen sich bilden möchte, dem empfehle
ich ein eingehendes Studium der genannten Arbeiten. Eins
nur möchte ich hier Nasse gegenüber hervorheben. Nasse
sagt in seiner Arbeit über die Blutbeschaffenheit der Schwängern,
indem er die geringe Menge des untersuchten Blutes bearg¬
wöhnt, ich „behauptete" von meiner Methode Genauigkeit, ich
„behauptete" diese nicht nur, ich habe sie auch bewiesen, ich j
habe gezeigt, dass sowohl bei verschiedenen aus dem gl ei- I
chen Blute, als auch bei den durch verschiedene Einstiche
in eine Fingerspitze bei demselben Individuum gewonnenen
Blutproben die gefundenen Unterschiede die individuell für
mich an der Methode haftenden sehr geringen Schwankungen
nicht oder kaum überschreiten.
Dem Wunsche von Herrn Dr. Kurz, die Globulinunter¬
suchungen allgemeiner einzuführen, trete ich lebhaft bei. Für
Kliniken empfehle ich aber nicht Mantegazza’s Instrument,
sondern Vierordt’s Spectroscop; in der Privatpraxis mögen
mit jenem einigermassen brauchbare Resultate billiger sich ge¬
winnen lassen. Für Kliniken kommt natürlich ebensowenig die
Zeit in Betracht, welche zur ersten Aufstellung des Yierordt’-
schen Spectralapparates, zur Einübung der Methode nöthig ist, als
der relativ geringe Preis des Instrumentes.
Man stellt besondere Assistenten für’s tägliche ürinkochen
an, sollten diese nicht auch noch die qualitativ- und quantitativ-
spectral-analytischen Untersuchungen übernehmen können? Zur
Einübung der Methode würde ein solcher Assistent am ein¬
fachsten einmal auf 3 Tage nach Tübingen reisen, ich zweifle
nicht, dass Herr Prof. Vierordt mit derselben liebenswürdigen
Zuvorkommenheit ihn instruiren würde, für die ich dem Tübin¬
ger Professor mich verpflichtet fühle.
VI. Referat.
Bericht über die Blinden der Reg.-Bez. Potsdam und Frank¬
furt von Augenarzt Dr. Katz in Berlin (Eulenberg’s Vicrtel-
jahrsschr. Bd. XXVII, Hft. 2).
Diese bemerkenswerthe Arbeit ist eine Fortsetzung früherer Studien des
Verfassers über Blinden - Statistik, die er in diese Wochensehr. (1874,
No. 23 u. ff.) niedergelegt hat. Der erste Theil bespricht die allge¬
meinen Verhältnisse der Blinden. Der Reg.-Bez. Potsdam weist 656
Blinde auf (Blindenverh. 1:1677), der Reg.-Bez. Frankfurt 622 Blinde
(Blindenverh. 1 :1703). Der zweite Theil behandelt die einzelnen Er¬
blindungsgruppen im Sinne der Hygiene: unabwendbar ca. 25%, viel¬
leicht abwendbar 29%, sicher abwendbar 42%.
Erblindung durch progress. Myopie (Netzhautablösung) ist
unabwendbar, die Disposition dazu angeboren, ein schädlicher Einfluss j
d.er Schule (Ueberanstrengung der Augen) statistisch nicht nachweisbar, j
Dagegen wird der Keim für manche Erblindung bereits in der Schule j
gelegt: das sind die durch chronische Hornhautleiden (Keratitis j
recidiva) bedingten Fälle. Die Lehrer sollten hierbei mehr auf die |
Inanspruchnahme ärztlicher Hülfe hinwirken, die Kinder mit recenter
Keratitis vom Schulbesuch möglichst fern halten, in der Convalescenz
vor geistiger und körperlicher Ueberanstrengung hüten. Auch in der
Pubertätsperiode und später bedürfen Hornhautkranke der Schonung, da
die Narben bei Einwirkung äusserlicher Schädlichkeiten gern exacerbiren.
Die Sanitätspolizei hat somit dahin zu wirken, dass 1) schwachsichtige j
Kinder niemals, also auch nicht unter der in der Gewerbeordnung vor¬
gesehenen Beschränkung, in Fabriken beschäftigt, 2) Erwachsene mit
Hornhauttrübungen behaftete in Fabriken, Berg- und Hüttenwerken nur
zu leichteren Arbeiten verwandt werden.
Die Keratitis variolosa liefert jetzt nur noch einen geringen
Procentsatz der Erblindungen. Von den Blinden waren einige gar nicht,
die meisten mit Erfolg geimpft — revaecinirt dagegen keiner. Ein j
Zwang zur Revaccination wird gewiss auch nach dieser Richtung hin
wohlthätig wirken. Durch sympathische Ophthalmie erblindeten
ca. 5%, sämmtliche Fälle hätten sich wohl durch rechtzeitige Enucle&tion
verhüten lassen. Glaucom liefert 2,9%, Cataracta matura simplex
9,4%. Die meisten Glaucom-Blinden hatten ärztliche Hülfe verabsäumt,
ihr Unglück also selbst verschuldet. Der graue (Alters-) Staar ist hier
mit Recht als Erblindungsursache aufgeführt, von anderen Statistikern
dagegen nicht. Ueber % der Staar blinden unterwarfen sich der Ope¬
ration, eine der bekannten Operationsscheu alter Leute gegenüber er¬
freuliche Thatsache.
Als letzte Erblindungsgruppe figurirt Blennorrhoe und Trachom,
zunächst die Blennorrhoe im Verlauf von Masern und Scharlach. Meistens
wird Blennorrhoe und Trachom durch directe Ansteckung bedingt. Gute
Ventilation — Luft und Licht — ist die beste Prophylaxe vor dem
Ausbruch der Blennorrhoe, nach Ausbruch derselben sind 1) alle Per¬
sonen, die mit ansteckenden Augenleiden in Berührung kommen, sorg¬
fältig zu untersuchen, 2) die Gesunden von den Kranken zu trennen,
resp. in ihren wechselseitigen Beziehungen thunlichst zu beschränken,
3) die Kranken — die leichteren und heftigeren Formen möglichst ge¬
sondert — in grossen, gut ventilirten Räumen unterzubringen (für ge¬
schlossene Körperschaften, z. B. beim Militär, empfiehlt sich ganz be¬
sonders das Barackensystem), 4) die Kranken bis zu ihrer Heilung an
Ort und Stelle zu belassen, um der Verschleppung nach anderer Gegend
vorzubeugen. — Die Ophthalmia neonatorum verursacht die meisten
Erblindungen im kindlichen Alter (25—40%). Ueber die Hälfte blieb
ohne jede ärztliche Hülfe. 3 Erblindungen hatte die Hebamme durch
verkehrte Behandlung verschuldet, in einem Falle die Hinzuziehung eines
Arztes geradezu hintertrieben. Ein derartiges Verfahren müsste
wegen Körperverletzung durch Fahrlässigkeit bestraft werden. Der Ab¬
schnitt des preuss. Hebammenlehrbuches „von der Entzündung der Augen
und Augenlider der Neugeborenen“ ist aber offenbar nicht bestimmt
genug gefasst, und eine Revision desselben auf Grund der nunmehr ge¬
läuterten Lehre von dieser Krankheit dringend nothwendig.
VII. Yerb&ndlugea ärztlicher Gesellschaften.
Berliner Medicinische Gesellschaft
Sitzung vom 6. Februar 187S.
(Schluss.)
Herr Sch öl er: In der geschichtlichen Einleitung, welche ich meinem
Verfahren der Sehnerven- und Ciliamervendurchschneidung vorangeschickt
habe, habe ich in Berücksichtigung etwaiger Priorität aufgeführt, dass eine
Durchschneidung des Sehnerven, wie eine partielle Durchschneidung
der Ciliarnerven partiell zuvor bereits vorgenommen worden ist Ja selbst
eine gleichzeitige Durchscheidung des Sehnerven und der Ciliarnerven,
wie wohl letztere absichtslos von ihrem Autor Grüning und zu einem
ganz anderen Zweck ausgeführt war, habe ich erwähnt. Nichts desto
weniger nehme ich die volle Originalität des Gedankens hiermit noch¬
mals in Anspruch, da mein Plan durch dieselbe mit Schonung des Bulbus
die Enucleation zu ersetzen, weder zuvor gedacht, noch ausgeführt
worden ist. Der Vortrag des Herrn Prof. v. Gräfe, ahgedruckt in den
Sitzungsberichten der Gesellschaft, welchen Herr College Hirschberg
soeben verlesen hat, ist mir unbekannt gewesen. Aus demselben geht
indessen nur hervor, dass derselbe eine Durchschneidung aller Ciliar¬
nerven in den geeigneten Fällen zum Ersätze der Enucleation als füglich
unthunlich verwirft. Ueber eine Durchschneidung der Ciliarnerven ohne
gleichzeitige Durchschneidung des Sehnerven denke ich ebenso. Prof,
v. Gräfe ist seiner Zeit, wie allen übrigen bisher a priori die Möglich¬
keit nach Durchschneidung aller Nerven den insensiblen Bulbus zu er¬
halten unbekannt gewesen. In dieser überraschender Thatsache steckt
aber das Neue und die berechtigte Möglichkeit des von mir zum ersten
Mal in Anwendung gezogenen Verfahrens. Was den Fall der Sehnerveii-
durchschneidung von Landesberg anbetrifft, so habe ich ihn deshalb
nicht erwähnt, weil er nicht hierher gehört. Da bei derselben
die Ciliarnerven nicht durchschnitten wurden, musste nach weni¬
gen Tagen der Neurotomie wegen drohender sympathischer Entzün¬
dung die Enucleatio bulbi nachgeschickt werden. Beim Snellen’schen
Falle handelte es sich, wie bereits erwähnt, um eine partiell ausgeführte
Durchschneidung der Ciliarnerven. Bei localisirtem Druckschmerz nur
die die Entzündung erregenden Nerven und keine anderen zu durch-
schneiden, kann bei diesem Modus des Vorgehens in der Tiefe der Orbita
nur ein glücklicher Zufall genannt werden. Will man in solchen Fällen
nicht zu wenig thun, so wird man in Anbetracht der vorliegenden Ge¬
fahr zu viel thun müssen. Die zu erstrebende Sicherheit des Vorgehens
wird in solcher Lage aus einer partiellen eine totale Durchschneidung,
und zwar nicht nur der Ciliarnerven, sondern auch des Sehnerven in
richtiger Berücksichtigung der anatomischen Verhältnisse zweifelsohne
künftig schaffen. Was die 22 aufgeführten Fälle der Ciliarnervendurch¬
schneidung Meyer’s in Paris anbetrifft so theilcn sie mit dem von mir
befürworteten Verfahren nur den Namen. In der Sache selbst rubricirt
die intraoculäre Durchschneidung der Ciliarnerven unter das Himly-
Wiliam’sche Verfahren, welches ich seiner Unsicherheit, wie der mit
demselben verknüpften Gefahren wegen mit vollem Nachdruck zuvor
bekämpft habe.
Zur Sache selbst sei ausdrücklich nochmals betont, dass die hei
allen Patienten gerechtfertigte Scheu, sich ein Auge herausnehmen zu
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UNIVERSETY OF MICHIGAN
322
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 22
lassen, von grosser Bedeutung für die mich leitenden Erwägungen bei
Aufstellung des neuen Verfahrens gewesen ist. Häufig kämpfen wir
vergebens gegen die Vorurtheile der Kranken, wo viel, ja völlige Er¬
blindung beider Augen bei Unterlassung der Enucleation unabweisbar
droht. Eine gleiche Scheu, nur von anderen Gesichtspunkten geleitet,
greift von Jahr zu Jahr mehr um sich unter den geachtetsten Special-
Collegen. Sie gipfelt in dem Satze, dass die Erhaltung eines ver¬
kümmerten Stumpfes zweifelsohne dem schönsten, künstlichen Auge
vorzuziehen ist. Mitbestimmend für diese Anschauung mögen wohl die
schon gerügten Uebelstände einer leeren Höhle sein. Thränenträufeln,
Schleimsecretion, welche die Lider häufig exeoriiren, Einrollung der Cilien
mit ihren Folgezuständen und selbst Reizgranulationen beim Tragen
einer künstlichen Schale kommen da sehr in Betracht!
Herr Hirschberg stellt uns heute einen Patienten vor, wo bei
angeborenem Anophthalmus es ausnahmsweise, füge ich hinzu, nicht zu
einem gehemmten Wachsthum der Orbita gekommen ist. Ich kann Ihnen,
meine Herren, dagegen eine überreiche Zahl von Individuen vorstellen,
bei welchen nach Enucleation im jugendlichen Alter, nicht nur die
Lider, die Schleimhaut und die Orbita, sondern die betreffende Gesichts¬
hälfte in ihrem Wachsthum zurückgeblieben sind. Was nun den all¬
endlichen cosmetischen Effect, das Tragen eines künstlichen Auges,
anbelangt, so ist ja bekannt, wie wenig die Enucleation leistet. Wieder¬
natürliches Klaffen der Lider, welches dem Auge eine unangenehme
Starrheit verleiht, mangelhafte oder völlig fehlende Beweglichkeit und
Schwund des Orbitalfettes verkümmern das geplante Endziel leider meist
nur zu sehr. Je grösser nun die Contactfläche ist auf welcher die
künstliche Schale sitzt, um so freier die Beweglichkeit, um so vollen¬
deter der Effect. Bei Berücksichtigung dieses Satzes allein würde sich
schon ergeben, was die Neurotomie vor der Enucleation im Schönheits¬
effect beim Tragen der künstlichen Schale voraus hat Ich glaube in¬
dessen nicht zu weit zu gehen wenn ich behaupte, in derselben ein
Mittel gefunden zu haben, um die Täuschung vollends erscheinen zu
lassen und einem nicht ärztlichen Auge den Unterschied zwischen Natur
und Kunst zum Verschwinden zu bringen. Ist der Augapfel, welcher
neurotomirt worden war über die Norm vergrössrt, so bedürfte es natür¬
lich und um das Tragen einer künstlichen Schale zu ermöglichen, einer
vorhergehenden Verkleinerung derselben.
Leistet das die Natur, wie ich auf Grundlage meiner bisherigen
Fälle anzunehmen berechtigt bin, nicht in allen Fällen, so würde ich
zu dem Zweck eine Verkleinerung des Bulbusabschnitt mit nachfolgender
Conjunctivaldeckung (beim insensiblen Bulbus jetzt gefahrlos) ausführen
oder den Glaskörper mit der Pravaz’schen Spritze ansaugen. Dass das
letztere bei entarteten und blutig verflüssigten Glaskörpern möglich ist,
und eine Verkleinerung des Bulbus znr Folge hat, lehrt mich im Wider¬
spruch zu den Deductionen des Herrn Hirschberg ein Krankheitsfall,
welchen ich Ihnen, meine Herren, ohne mein Verschulden in Folge Ver¬
legung meines Vortrages auf eine Woche später nicht habe vorstellen
können. Dagegen räume ich bereitwilligst ein, dass dieses eine Idee ist,
welche sich auf eine zu geringe Zahl von Fällen stützt, um der¬
selben eine principielle Bedeutung beizulegen. In all den Fällen bei¬
spielsweise, wo der Glaskörper nicht verflüssigt ist, würde die Cohärenz
derselben schon eine Ansaugung mit den gewöhnlichen Ansatzröhren
der Pravatz’schen Spritze unmöglich machen. Zum Schluss meiner
Entgegnung möchte ich noch hervorheben, dass dieses mein Verfahren
der Seh- und Ciliarnervendurchschneidung ein ungefährliches und von
kurzer Heildauer ist, und cosmetisch den unter gegebener Sachlage best
möglichen Erfolg sichert. Dieses durch einschlägige Krankheitsfälle
Ihnen meine Herrn zu beweisen, mache ich mich jederzeit anheischig
und bedaure nur durch Verlegung meines Vortrages in die Lage ver¬
setzt zu sein, Ihnen nur einen Fall vorgeführt haben zu können.
Herr Hirschberg: Ich möchte trotz des Widerspruchs des Herrn
Collegen Schöler meine Ansicht aufrecht erhalten. Die citirten Artikel
in v. Gräfe’s Archiv, in den Verhandlungen unserer Gesellschaft und
in bekannten Lehrbüchern können doch nicht vergessen sein. Das punc¬
tum saliens ist, dass man blinde Augen, wenn sie reizfrei sind, unbe¬
rührt lassen kann, dass verkleinerte bulbi auch ohne Nervendurchschnei¬
dung ein künstliches Auge vertragen können, dass aber, wenn es sich
um gefahrdrohende Reizungen handelt, nicht die Nervendurchschneidung,
sondern die Enucleation genügende Sicherheit bietet.
Herr Sch öl er: Die Indicationen für mein Verfahren sind die gleichen,
wie sie von Prof. Arlt, unter allgemeinster Billigung kann ich hinzu
fügen, für die Enucleation aufgestellt worden sind. Nur der Fall intra-
bulbärer Neubildung macht davon, wie ich bereits früher erwähnt habe,
eine Ausnahme, indem bei ihm selbst häufig die Enucleation nicht mehr
genügt, sondern zu Exenteration der Orbita geschritten werden muss.
Ebenso klar wie ich die Endausgänge der Durchschneidung bei ge¬
schrumpften Bulbis übersehe, ebenso wenig reicht, offen gesagt, die Zahl
meiner Fälle aus. um bei vergrössertem Bulbis alle möglichen Folge¬
zustände nach der Neurotomie zu übersehen und meine für die letztere
geltenden Rathschläge zu generalisiren. Nur das eine weiss und betone
ich, dass auch in den letzteren Fällen durch vorliegendes Verfahren ein
grosser Fortschritt im Vergleich zur Enucleation erstrebt ist.
Herr Landsberg: Bei den in Rede stehenden Zuständen, wo die
Enucleatio bulbi in Betracht kommt, wird es sich vor allem um die
Sicherheit und Gefahrlosigkeit des Verfahrens handeln. Bei der ausser¬
ordentlichen Seltenheit von accidenteilen Wundkrankheiten oder von den
bei panophthilmitischen oder schwer verletzten Bulbis vorgekommenen, ver¬
einzelten Todesfällen nach der Enucleatio kann dieser Punkt bei der
Würdigung des Verfahrens sicher ausser Acht gelassen werden und wenn
ich ferner die Unbequemlichkeit des künstlichen Auges noch so hoch
veranschlage, so bestehen diese in gelegentlichen Reizzuständen der Con-
junctiva und in der Nothwendigkeit das Ersatzstück ab und zu zu er¬
neuern , Nachtheile, welche reichlich aufgewogen werden durch die Ein¬
fachheit und Leichtigkeit des operat. Verfahrens, durch die schnelle
Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, während die Durchschneidung
der Ciliarnerven eine viel längere Nachbehandlung erfordert und wie Sie
in dem Falle von Herrn Sch Öler gehört haben, durch das Auftreten
einer neuroparalytischen Keratitis, die wohl auch sonst häufig auftreten
wird, sich sehr lange ausdehnen kann. Was nun die Sicherheit des Er¬
folges betrifft, so weiss ich nicht, ob Herr Schüler sein Verfahren bei
wirklich sympathischer Ophthalmie angewandt hat und wie oft; jedenfalls
müssten darüber und namentlich über die Recidivfähigkeit weitere Er¬
fahrungen abgewartet werden; aber selbst wenn hierüber positiv günstige
Erfahrungen vorlägen, selbst wenn es gelungen sein sollte, drohende oder
bereits ausgebrochene sympath. Ophthalmie oder Amblyopie durch die
Durchschneidung der Ciliarnerven zu beseitigen, so würde ich doch bei
dem gegenwärtigen Stand der Anatomie, wo der eigenthümliche Verlauf
und die grosse Zahl der einzelnen Aeste die Möglichkeit nicht ausschliesst,
dass einzelne Fasern undurchschnitten bleiben könnten, und vor allem
mit Rücksicht auf die Wiederherstellung der Sensibilität nach erfolgter
Regeneration der durchschnittenen Fasern die Durchschneidung der Ci-
liarnerven für ein im Verhältniss zu der Wichtigkeit einer sympathischen
Ophthalmie wenig sicheres Verfahren halten.
Es erscheint mir letzteres auch noch aus einem anderen Grunde
gewagt. Man findet bisweilen in Bulbis, welche lange unter dem Bilde
der Iridochorioiditis oder Iiidocyclitis mit mehr oder weniger ausge¬
sprochener Phlhisis erblindet sind und wegen erneuter Schmerzhaftigkeit
enucleirt werden, Tumorenbildung. Diese Fälle von Tumoren und na¬
mentlich Sarcomen in phthisischen Bulbis sind nicht gar so selten, wie
unter anderem auch aus den anatomischen Mitteilungen von Alt (in
Knapp’s Archiv VI) und einem von mir selbst vor einigen Jahren publi-
cirten Fall von Sarcoma chorioideae mit Tensionsverminderung nach
Chorioiditis metast. hervorgeht; es sind mir aber auch sonst Fälle von
Tumorenbildung in alten blinden Bulbis bekannt, wo im ganzen Ver¬
laufe der Affection sich durchaus kein Anhalt für die Diagnose eines
Tumors fand.
Herr Sch öl er: Was die Sicherheit des Verfahrens anlangt, so
genügt meiner Erfahrung nach der nach der Neurotomie eintretende
Bluterguss, welcher den Bulbus nach vom drängt, völlig, um eine
Wiederverwachsung der zarten Ciliarnerven, auf welche es doch einzig
und allein vom Gesichtspunkt der Gefahr ankommt, zu verhüten.
Einer übergrossen Vorsicht könnte noch dadurch zur Genüge geschehen,
wenn man nach der Durchschneidung eine drainirende Conjunctivalsutur,
analog der verstärkenden Sutur nach Tenotoraien anlegt. Hinsichtlich
der trophischen Keratitis muss ich nur bemerken, dass sie dem Patienten
gar nicht lästig ist. Er weiss nichts davon, weder thränt, noch schleimt
das Auge, noch hat derselbe Schmerzen oder Lichtscheu! Ueberdiess
tritt dieselbe nur da nach meinen bisherigen Erfahrungen ein, wo der
Exophthalmus so stark ist, dass das Auge von den Lidern unbedeckt,
bleibt. Dieses Vorkommniss lässt sich jedoch, wie meine Erfahrungen
lehren, bei vollkommener Technik vollständig verhüten!
Auf unsere Unkenntniss des Verlaufes der Ciliamerven können wir
natürlich kein Verfahren gründen, aber auch keine Contraindication
gegen derselben schöpfen. Die Lage derselben, soweit sie bekannt ist,
befürwortet dagegen mein Vorgehen, wie auoh die durch die Praxis in dem
Sinne erzielten Erfolge. Was endlich die Möglichkeit einer latenten
Entwickelung von Tumoren in einem phthisischen Stumpfe anbetrifft,
so ist das jedenfalls ein so extrem seltener Fall, dass aus demselben
keine Contraindication gegen ein Operationsverfahren hergeleitet werden
kann. Im übrigen müsste die zukünftige Erfahrung erst lehren, ob d*e
veränderte insensible Ernährungsweise des Bulbus nach der Neurotomie
die Entwicklung solcher Tumoren nicht verhindert, oder wo sie ent¬
standen sind, ihre Fortentwicklungsfähigkeit hemmt.
II. Discussion über den Vortrag des Herrn Leyden:
üeber progressive atrophische Bulbärparalyse.
Herr B. Frankel: Bei einem Pat. des Herrn Westphal mit
Bulbärparalyse habe ich jüngst Gelegenheit gehabt, die laryngoscopische
Untersuchung zu machen. Diese war einigermassen erschwert wegen
des starken Speichelflusses und dann, weil Pat. ausser Stande war, die
atrophische Zunge vom Boden der Mundhöhle zu erheben, was auch
nicht durch Zug an derselben sich erreichen liess. Es fand sich die
von Herrn Leyden erwähnte Beobachtung bestätigt, dass die Muskel¬
atrophie auch im Pharynx und Larynx bei den Bewegungsstörungen
eine Rolle spielt. Schon die Stellung des Velums ist anders, als man
bei neuropathischer Paralyse derselben findet. In der Ruhe hängt es
ungefähr in der Lage eines gesunden Velums und nicht soweit nach
vorn, wie gewöhnlich bei Neurosen. Bei der Phonation beobachtet man
eine geringe Bewegung desselben, es kommt aber nicht zum Abschluss
des Isthmus pharyngo-nasalis. Die Stimmbänder stehen nicht in Cadaver-
stellung, sondern weiter nach aussen, ungefähr wie normale, sind sichtlich
atrophisch und zeigen keine Bewegung. Nur zuweilen gelingt es dem
Pat. einen Ton hervorzubringen, dann schliessen sich die Ary-Knorpel
dicht gegen einander, während die Stimmbänder schlaff und nicht ge¬
spannt erscheinen.
Herr Senator: Ich möchte hier einen von mir beobachteten Fall
erwähnen, der im Beginn ein meines Wissens bisher nicht beschriebenes
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3. Juni 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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Verhalten gezeigt hat. Er betriflt ein 36 jähriges Dienstmädchen, welches
sich zuerst im Februar 1876 in der Chirurg. Poliklinik des Augnsta-
hospitals wegen Anschwellung der Zunge vorstellte. Nach den Berichten
der Collegen war die Zunge damals beträchtlich geschwollen und machte
den Eindruck eines Lymphangioms. Spater, nach etwa 4 Wochen, wurde
sie der inneren Poliklinik überwiesen, wo ich sie Ende März zum ersten
Mal sah. Sie gab an, im September 1875 unter fieberhaften Erschei¬
nungen an Halsentzündung erkrankt und fast 2 Wochen bettlägerig ge¬
wesen zu sein, wobei sie Schmerzen auch beim Schlucken gehabt habe.
Danach sei die Zunge angeschwollen, sei aber allmälig wieder etwas
dünner geworden. Als ich sie sah, schien die Zunge noch in ihrer
vorderen Hälfte verdickt zu sein, zeigte aber schon tiefe Querfurchen,
so dass sie ein eichenblattähnliches Aussehen hatte und war schwer be¬
weglich, in der Mitte auch empfindlich auf Druck: deutliche fibrilläre
Zuckungen in der Zunge und den Kinnmuskeln, Speichelfluss und nä¬
selnde Sprache in Folge geringer Gaumensegel-Lähmung. Die Reaction
gegen den inducirten Strom war an der Zungenspitze rechts deutlich,
links schwächer, ebenso auf Kathodenschliessung beim Galvanisiren.
Schon damals konnte die Diagnose einer Bulbärparalyse nicht zweifel¬
haft sein, wie auch der Verlauf bestätigte. Leider blieb Pat aus der
Beobachtung später weg. Noch während meiner Beobachtung nafim die
Zunge mehr und mehr an Umfang ab. Wenn ich nun auch, auf die
zur Zeit meiner eigenen Beobachtung noch bestehende Anschwellung
kein erhebliches Gewicht legen will, weil man bei der Unbeweglichkeit
uud dem Plattliegen der Zunge sich sehr leicht über ihren Umfang
täuschen kann, so ist doch vorher auf der Chirurg. Abtheilung die An¬
schwellung mit Bestimmheit constatirt worden, und die Pat. selbst hat
wiederholt die auffallende Anschwellung hervorgehoben, was auch von
ihrer Schwester bestätigt wurde.
Herr Leyden: Ich möchte Herrn S. die Frage vorlegen, ob viel¬
leicht eine Hypertrophie des Fettzellgewebes vorlag. Dies würde über¬
einstimmen mit einem Fall von Barth in Leipzig, der allerdings nicht
unter dem Namen der progressiven Bulbärparalyse publicirt ist, sondern
als lypomatöse Muskelatrophie. Die Autopsie ergab eine Degeneration
der Seitenstränge und es ist wohl nicht zweifelhaft, dass es sich um
einen der Bulbärparalyse analogen Fall handelte. Eine gewisse Hyper¬
trophie des Fettgewebes ist übrigens immer vorhanden.
Herr Senator: Ich vermag über die Natur dor Anschwellung nichts
auszusagen.
Herr Seligsohn: Ich wollte Herrn Leyden fragen, ob ihm viel¬
leicht auch das Bild der Pseudobulbärparalyse bekannt ist. Ich habe
seit Jahren einen Fall mit Prof. Jacobson beobachtet, der das aus¬
gesprochene Bild der Bulbärparalyse erkennen lässt. Er unterscheidet
sich nur dadurch von Hrn. Leyden’s Fällen, dass er nicht eine absolut un¬
günstige Prognose bietet. Es ist in diesem Fall Besserung eingelreten,
die Salivation hat sich gebessert, die gestörte Sprach-Function ist inso¬
weit wieder heigostellt, als Aussprache einer Reihe von Worten in einem
gewissen Grade möglich ist. Ich habe den Fall vor einigen Tagen dem Col-
leü*--ii Bernhardt vorgestellt, welcher mir mittheilte, dass er einen ähn¬
lichen Fall von dieser sogenannten Pseudobulbärparalyse von Löpine
kennen geiernt habe, der in seinem allgemeinen Bilde ebenso verläuft
wie die wirkliche, und sich dadurch unterscheidet, dass eine Restitution
möglich ist.
Herr Leyden: Der Ausdruck Bulbärparalyse bedeutet zunächst
nichts anderes, als eine Lähmung, die von der Medulla obkmgata aus¬
geht. Nun sind in der That die Proccsse, die sich hier entwickeln,
ziemlich mannigfaltige. Es giebt acute und chronische Formen. Ich
selbst habe einen kleinen Aufsatz über acute Bulbärparalyse geschrieben,
welche für sich schon ziemlich differirten anatomischen Processen ent¬
spricht. Es giebt Apoplexien, Erweichungen verschiedener Natur, (syphi¬
litische und entzündliche Erweichungen), kurz schon die Anzahl der Pro¬
ccsse, welche die acute Form bedingt, ist recht mannigfaltig.
Auch der chronisch verlaufenden Formen giebt es mehrere; ich
nenne zuerst diejenige, die sich mit der Sclerose des Halsmarkes ver¬
bindet und progressiv verlaufen kann. Alle diese Fälle zeichnen sich
aus durch ein sehr ähnliches Krankheitsbild. Es wird hier ein Symptomen-
complex erzeugt, der sehr prägnant und sich vornehmlich in Lähmung
der Zunge und Lippen, häufig auch des Gaumens kund giebt und öfters
mit Extreraitätenlähmung verbunden ist Aus der Combination der Sym¬
ptome, ihrer Entwicklung und ihrem Verlauf ist in einzelnen Fällen der
anatomische Process zu erschlossen. Die acuten Fälle sind natürlich
einer Besserung und Heilung leicht fähig. Endlich ist in neuester Zeit
unter dem Namen der Pseudo-Bulbärparalyse ein Symptomen - Complex
beschrieben, welcher dem eben bezeichneten ähnlich ist, aber nicht von
einer Erkrankung der Medulla oblongata, sondern von einer Hirnerkran¬
kung abhängen soll. Ich selbst habe schon eine Beobachtung von Jolly
eitirt, welche hierher gezählt werden kann: es handelte sich um einen
Fall von cerebrospinaler Form der disseminirten Sclerose, bei welchem
die bekannten Störungen der Sprache (saccadirte Sprache) bestanden,
die Autopsie aber keinen Erkrankungsherd in der Medulla oblongata
nachweisen konnte. Auch die bekannten Articulationsstörungen bei
der progressiven Paralyse der Geisteskranken können hierher gerech¬
net werden, da wenigstens bis jetzt eine auf sie bezügliche Betheiligung
der Medulla oblongata des Processes nicht erwiesen ist.
Herr Seligsohn: Ich möchte noch hinzufügen, dass es sich in meinem
Falle um einen Mann handelt, der oftmals apoplcctische Zufälle gehabt
hat und Lähmung eines Arms zuriickbehalten hat. Später hat er im
Laufe der Jahre sehr häufig solche apoplectisc-he Zufälle gehabt, die
mit vorübergehender Lähmung verbunden waren. Das letzte Bild der
Bulbärparalyse trat ganz acut auf.
Hierauf hält Herr Senator den angekündigten Vortrag: I. Ueber
chronische interstitielle Nephritis.
Herr Senator stimmt der von englischen Autoren und in Deutsch¬
land von Bartels vertretenen Anschauung, dass die Granularatrophie
der Niere als selbstständige Krankheit in Folge einer schleichend sich
entwickelnden Wucherung des interstitiellen Bindegewebes auftrete im
allgemeinen bei, doch glaubt er, dass sich eine strenge Scheidung dieser
NierenafFection (Nierencirrhose) von dem Morbus Brightii im engeren
Sinne, der sogenannten chronischen parenchymatösen Nephritis nicht
überall durehführen lasse, da es auch bei dieser, wenn sie lauge genug
dauert, zu einer Schrumpfung kommen könne, welche sich weder klinisch,
noch anatomisch von der primären Nierencirrhose unterscheiden lasse.
Nach seinen Beobachtungen scheine das Ueberwiegen oder alleinige Auf¬
treten der interstitiellen Veränderungen hauptsächlich von dem Verlauf
und der Dauer abzuhängen. Je stürmischer der Beginn uud je schneller
der Verlauf, um so mehr treten die Erscheinungen der sogenannten
parenchymatösen Nephritis in den Vordergrund, während sie bei schlei¬
chendem Beginn und langsamem Verlauf mehr zurück, dagegen die Er¬
scheinungen der Cirrhose mehr hervortreten. Es giebt deshalb zwischen
den chonischen Formen der rein parenchymatösen nnd der rein inter¬
stitiellen Neppritis eine grosse Zahl von Mischfällen, in welchen je naeh
dem Stadium bald mehr jene bald diese Veränderungen, bald beide
gleichzeitig vorhanden sind, schliesslich aber bei hinlänglich langer Dauer
nur die interstitielle Wucherung zurückbleibt.
Was nun die typische Form der Nierencirrhose betrifft, so übergeht
der Vortragende deren ausführliche Schilderung, die in zutreffender Weise
Bartels in Uebereinstimmung mit den Beschreibungen der Engländer
gegeben hat und bespricht gewisse bisher theils gar nicht theils nicht
genügend berücksichtigte Punkte, welche für die Theorie von Wichtig¬
keit sind und welche zugleich eine Abweichung von dem Ver¬
halten der chronisch-parenchymatösen Nephritis zeigen.
Er hebt demnach hervor, dass im Gegensatz zu letzterem 1) von
vorn herein und während langer Zeit die Harnmenge nicht vermindert,
sondern selbst vermehrt ist, dass namentlich keine Verminderung der
Harnstoffausscheidung stattfindet, zumal wenn man noch den Eiweiss¬
verlust berücksichtigt, ausser wenn Complicationen eintreten, oder die
Krankheit sich ihrem tödtlichen Ende zuneigt. Es kann also keine
Zurückhaltung von Harnstoff (und wohl auch nicht anderer spec. Ham-
bestandtheile) im Blute stattfinden. 2) Dass die linksseitige Herzhyper¬
trophie, welche in der grossen Mehrzahl bei Nierencirrhose gefunden
wird, gewöhnlich eine einfache, mit gar keiner oder sehr geringfügiger
Dilatation verbundene ist, wenn nicht besondere Verhältnisse (Klappen¬
fehler, Pericardial- und Pleuraverwachsungen, starke Aortensclerose) im
Spiel sind. Hierfür führt Herr S. theils directe fremde und eigene
Beobachtungen an, theils die von Galabin und Ewald gegebenen
Gewichte der hypertrophischen Herzen bei den verschiedenen Nieren¬
entzündungen. 3) Dass oben deswegen der Nachweis der Herzhyper¬
trophie hier, sobald sie nicht einen ganz colossalen Grad erreicht hat,
durch die pbysicalischc Untersuchung der Herzgegend sehr schwierig
oder unmöglich sein kann, die Hypertrophie vielmehr häufig nur aus
anderweitigen Umständen erschlossen werden Auss, 4) dass deshalb aus
dem Mangel der physicalisehen Zeichen der Herzhypertrophie nicht auf
Fehlen derselben geschlossen werden darf und sich also nicht bestimmen
lässt, wann die Herzhypertrophie bei der Nierencirrhose auftritt und ob
sie nicht schon im allerersten Beginn vorhanden ist. 5) Dass ausser dem
Herzen auch die Gefässe und insbesondere die Arterien Veränderungen
zeigen, und zwar a) sehr häufig die als „Athenomasie“ bezeichneten
Veränderungen der Intima und Media vorzugsweise an den grösseren
Arterien und b) eine Verdickung der kleinsten Arterien und deren Aus¬
läufer, welche von Johnson als Hypertrophie der Muscularis, von Gull
und Sutton als Wucherung der Adventitia und Capillarscheide ange¬
sehen wird. — (Der Vortrag wird ausführlich in Virchow’s Archiv
erscheinen.)
Gynakelegiselie Gesellschaft i« fresdea.
Sitzung vom 20. Januar 1876.
Vorstands wähl: Vorsitzender Dr. Grenser, dessen Stellvertreter
Dr. Käuffer, Schriftführer Dr. Klemmer. Es wird beschlossen, die
Sitzungen auch ferner im Entbindungsinstitute abzuhalten und vom
nächsten Jahre au den Vorstand auf zwei Jahre zu wählen.
Dr. Käuffer: Breiter fremder Körper V 4 Jahr lang schad¬
los im Uterus. Der fremde Körper ist die wohlerhaltene platte Blech¬
kapsel der Sorte, wie sie früher der Spange des Roser’schen Hyster-
ophors anfgelöthet waren. Die Kapsel liegt vor, am Rande 1 Cm. dick,
Umfang reichlich 16 Cm., central mit einem 7 Mm. weitem Loche.
Patientin ist von Herrn Dr. Naumann aus Lommatzsch am 7. Octb. 1869
geschickt, circa 23 J. alt, hat vor einem Jahre geboren. Bald seien
Senkungsbeschwerden eingetreten, so dass man ihr vor Va J. einen Ge-
härniutterträger angelegt habe, der jedoch nach 1 / 4 J. wegen zu grosser
Beschwerden abgethan wurde. Danach Erleichterung, nur in den letzten
Wochen schlechter; die Regeln immer vorhanden, nicht wesentlich alte-
rirt. Die Scheide ist in Folge eines schlecht geheilten Dammrisses
leicht zugängig, nirgends empfindlich. In ziemlicher Höhe (7 Cm.) be¬
ginnt mittenin der die horizontal gebettete Platte ganz fest umklam¬
mernde Mutterhals. Unmittelbar hinter dem 2 Cm. grossen hartrandigen,
□ ifitized by
Gck igle
Original frorri
UNIVERSETY OF MICHIGAN
324
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 22
kreisrunden und central stehenden Muttermunde trifft der Finger direct
auf die centrale Partie des Blechkörpers. Entfernung weder mit Zug
möglich, noch mit Hebel. Einschnitt nach links hinten bis zum Rande
mit Erfolg. Blutung sehr gering. Heimreise nach 20 schmerzlosen
Stunden nicht zu verhindern. Dr. Naumann theilte 1S76 mit, dass
Patientin sich danach immer wohl befunden, nach */* J. geheirathet habe
und kinderlos geblieben sei. — Dr. Win ekel führt das lange Unbemerkt¬
bleiben auf die im allgemeinen geringe Empfindlichkeit der Gewebe
zwischen innerem und äusserem Muttermunde zurück.
Sitzung vom 3. Februar 1876.
Dr. Klemmer: Diätetik und Stoffwechsel im Wochenbett.
(Gedruckt in Winckel’s Ber. u. Stud. II. Leipzig 1876, S. 155.)
Sitzung vom 2. März 1876.
Dr. Käuffer demonstrirt ein reichlich zwei Monate altes patho¬
logisches Ei, welches unter starker Blutung ausgetreten und durch
abnorm reichliche Chorionzotten characterisirt ist. — Hierauf spricht
Dr. Grenser über Geburten bei alten Erstgebärenden.
(30 Fälle seiner Praxis.)
Sitzung vom 6. April 1876.
Frl. Dr. Lehmus: Ueber Lungenatelekta.se der Neuge¬
borenen (zu finden in Winckel’s Ber. u. Stud. II. Leipzig 1876.
S. 186).
Sitzung vom 6. Mai 1876.
Dr. Rabe: Demonstration eines lebenden Hermaphroditen, zwei
Jahre alt, rechter Hode deutlich zu fühlen.
Dr. Justus Schramm: Fall von Intermittens in der Schwan ge r-
schaft. Nach den Berichten verschiedener Gebäranstalten Deutschlands
und Oesterreichs kamen auf 25334 Schwangeren und Wöchnerinnen nur
12 Fälle von Intermittens, also 0,047 Procent.
Der vorliegende Fall betriflt eine Schwangere im 7. Monat, bei
welcher regelmässige Tertianfieberparoxysmen mit den deutlich ausge¬
sprochenen drei Stadien auftraten. Einige grosse Dosen Chinin (0,5)
beseitigten die Anfälle, nur war an den Tagen, an welchen eine Wieder¬
kehr des Fiebers erwartet werden konnte, noch eine Zeit lang stärkere
Schweisssecretion bemerkbar, die dem mehrtägigen Gebrauche von kleinen
Chiningaben wich. Die hohe Excursion der Temperatur (einmal 41,3°)
blieb ohne Nachtheil für das Leben der Frucht; letztere zeigte unge¬
wöhnlich lebhafte Bewegungen in den Froststadien. Nach Aufhören des
Fiebers konnte eine Abnahme der Milzdämpfung constatirt werden. Die
Geburt erfolgte rechtzeitig und verlief wie das Wochenbett ohne Störung.
Dieser Fall bestätigt die Angaben Wolff’s, dass 1. die Gravidität keinen
Einfluss auf den Character der Fieberanfdlle äussert, 2. dass die Pro¬
gnose der Intermittens in diesem Zustande eben so günstig ist als sonst,
und dass eine Unterbrechung der Schwangerschaft dadurch nicht ver¬
anlasst wird.
In der Debatte theilt Dr v. Hübner aus seiner Praxis in Riga
und Umgegend mit, dass er in 14 Jahron unter 70—80 Intermittens-
kranken vier Schwangere beobachtet habe, auch ohne Abortus. — Dr.
Win ekel giebt zu, dass Milzschwellung, intermitt. Fieber, starke
Schweisse, Prostration für Intermittens sprechen, doch müsse man mit
dieser Diagnose in der Schwangerschaft vorsichtig sein, indem die Milz
während derselben meist* vergrössert gefunden werde und schwer zu
percutiren sei. In solchen Fällen müsse auch auf Blutergüsse ins Ge¬
webe der Placenta und auf fibröse Schwarten geachtet werden. — Dr.
Schramm erwidert, dass im vorliegenden Falle auch andere Collegen
von der Zu- und Abnahme der Milzdämpfung sich überzeugt haben,
und die Diagnose durch den Tertiantypus des Fiebers, sowie durch die
characteristischen Stadien sicher gestellt sei. Die Placenta sei nicht
genauer untersucht. — Dr. Birch-Hirschfeld erwähnt, dass die Milz
Schwangerer allerdings gewöhnlich das Gewicht von 180 G. erreiche,
gegen sonst nur 140. — Dr. Grenser beobachtete unlängst nach einer
Hochfluth hier eine Intermittensneuralgie kurz vor dem etwas verfrühten
Eintritte der Geburt; baldige Heilung.
Sitzung vom 27. Mai 1876.
Dr. Win ekel: Ueber den Vergleich zwischen Entbindungen
in Gebär- und Privathäusern. S. Winckel’s Ber. u. Studien II.
S. 242 etc. — Im Verlaufe der Debatte spricht Redner aus, dass die
Häufigkeit der todtlichen Erkrankungen wohl nicht durch schlechte
sociale Verhältnisse gesteigert und durch die Dichtheit der Bevölkerung
nicht beeinflusst werde. — Hierauf demonstrirt
Dr. Winckel einen Fall von Lupus exulcerans der Nymphen
und einen Fall von Milzcyste (Ber. u. Stud. II. 136).
Sitzung vom 17. Juni 1876.
Dr. Grenser spricht über Electrolyse nach den neuesten Ver¬
öffentlichungen. Derselbe referirt zunächst kurz über Semeleder’s
„Keine Ovariotomie mehr“ (Wiener med. Presse 1875, 52), ein Aufsatz,
dessen Aufnahme nicht gerade zu Gunsten der Redaction dieses Blattes
spricht, und geht dann zu den neuesten Publicationcn v. Ehrenstein’s
über, allg. med. Centralzeitung 1876, No. 37, 38, 40, 48 etc., in welchen
er vorwiegend eine Reklame sieht. Es sei jedenfalls an der Zeit, die
Streitfrage einmal vorurtheilsfrei wissenschaftlich zu erörtern. Die be¬
liebte Erklärung durch Electrolyse sei bedenklich. Die Heilung von
Cystoiden durch Electrolyse sei wohl von vornherein auszuschliessen,
einfächrige Ovarialcysten aber im streng anatomischen Sinne kämen
sehr selten vor, gehörten vielmer dann meist dem Parovarium (Lig.
latum) an (Bantock, Gusserow, Schatz). Auch andere diagnosti-
Digitized b)
Google
sehe Irrthümcr seien möglich. — Die Heilung bei Electropunktur könne
mechanisch erklärt werden. Nach spontanen Rupturen und nach ein¬
maliger Punction seien solche Heilungen durch Auslaufen und Resorption
beobachtet worden. Die Möglichkeit der Wiederanfüllung der Bälge sei
bei E. noch nicht ausgeschlossen. Misserfolge seien nicht selten. Gr.
habe in kurzer Zeit 2 Fälle gesehen, wo E. ohne Resultate operirt
hatte, so z. B. eine Dame, welche nach angeblich 84 Sitzungen nicht
einmal eine Besserung bemerkt habe. Auch Brandschorfe habe Gr. ent¬
gegen von v. E. constatirt.
In der Debatte berichtet Dr. Mossdorf aus seiner Praxis von 1 Falle
mit 5 einstünd. Sitzungen während 20 Tagen. Die baldige Section zeigt
den Cysteninhalt unverändert; zweiter Fall auch tödtlich, Veränderungen
nur an den unmittelbaren Umgebungen der Nadelstiche. In der 2. Sitzung
des 3. Falls wurde der Durchbruch der Cyste nach dem Mastdarme
constatirt. 4. Fall trotz 60 Sitzungen kein Resultat.
Dr. Winckel demonstrirt sodann den Rutenberg’schen
Biasenbeleuchtungsapparat an mehreren Patientinnen.
Sitzung vom 5. October 1876.
Dr. Winckel demonstrirt einen Riegel’schen Sphygmo-
graphen, ferner eine an Sarcom der äusseren Genitalien Operirte;
drittens wird eine vermittelst des Simon’schen Verfahrens bedeutend
verkleinerte Blasenscheidenfistel gezeigt und besprochen, und zum
Schlüsse peri- und intrafistulär mit dem Ferrum candens behandelt.
Dr. Grenser theilt hierauf einen Fall mit von seltener Ver¬
nachlässigung der Geburt seitens einer Hebamme. (Im Auszuge:
Ccntralbl. f. Gynäk. 1878, S. 92.)
Sitzung vom 2. November.
Dr. Meyburg demonstrirt einen Uterus unicornis mit rudi¬
mentärem Horne. Gedruckt im Jahresbericht der Ges. f. Natur- u.
Heilkunde in Dresden, 1877, S. 92.
Dr. Grenzer demonstrirt ein Präparat von angeborner Retro-
flexion des Uterus. S. Arch. f. Gynäk. XI, 1.
Dr. Käuffer bespricht die Mutterlaugen nach ihrer Entstehung
und gegenüber den Soolen, graduirton Soolen und dem Meerwasser. Die
Analysen werden pharmacodynamisch durchgesprochen, wobei das Chlor¬
calcium als Hauptcharakteristicum hervortritt. Der Handel stellt die
Laugen der Bequemlichkeit wegen häufig aus Mutterlaugensalz dar, doch
ungenau, was sofort theils durch die veränderte Farbe und sonstige
Beschaffenheit nachzuweisen ist, chemisch auch durch die wesentlich
reducirte Bromreaction. Die Laugen sind deshalb am besten direct zu
beziehen.
Sitzung vom 4. December.
Dr. Grenser demonstrirt einen ungewöhnlich grossen Schleim¬
polypen.
Dr. Käuffer: Absterben des ausgetragenenKindes, missed
labour, Verbleib und Einschrumpfung des Eis in der Gebär¬
mutterhöhle. Der Vortragende beobachtete vor einigen Monaten bei
Fr. Pr. das Absterben des völlig entwickelten Kindes und die kurz vor¬
her energisch beginnenden, dann noch mehrfach aber immer schwächer
wiederkehrenden vergeblichen Geburtsanstrengungen. Er berichtet aus¬
führlich die Anamnese und die eignen Beobachtungen. Da die Kranken¬
geschichte jedoch erst nach dem späteren Ablaufe der Schwangerschaft
von bleibendem allgemeinen Interesse sein wird, so werde hier nur er¬
wähnt, dass die Therapie in den ersten Wochen die angestrebte Geburt
nur mild zu unterstützen suchte (Colpeurynter, vergeblicher, nicht for-
cirter Versuch mit der Krause’schen Methode, heisse Injectionen).
Wegen fast vollständig gewordenen Aufhörens der Wehen sollte endlich
die unblutige Erweiterung des Mutterhalses behufs Entleerung des Uterus
vorgenommen werden, wurde jedoch nicht gestattet. Die Motivirungen
der Diagnose und Therapie geschahen auf Grund der eigenen Beobach¬
tungen und der Literatur. (Beiläufig präsentirte sich Fr. Pr. 1877 in
gutem Wohlbefinden mit einem Leibesumfang von 96 Cm. zwischen Nabel
und Symphyse.)
Dr. Winckel findet die intrauterine Lage des Kindes doch nicht
ganz vollständig erwiesen, und würde dann die künstliche Entleerung
des Uterus nur bei Vorhandensein von dringlicheren localen Symptomen
vorgenommen haben.
VIII. feailletra.
Ueber die körperliche Grundlage der Temperamente.
Von
Dr. KSmanuel Roth in Belgard.
Unter Temperament verstanden die alten griechischen Acrzte speci-
fische Eigentümlichkeiten der Säftemischung, als deren Folge ihnen
Besonderheiten der Grundstimmung und der Erregbarkeit der Individuen
galten. Hi pp ok rat es führte im Anschluss an die Naturphilosophie
des Empedokles die Zusammensetzung des menschlichen Körpers zu¬
rück auf die Mischung von 4 Elementar- oder Cardinalsäfton, indem der
Wärme das Blut, der Kälte der Schleim, der Feuchtigkeit und Trocken¬
heit die schwarze und gelbe Galle entsprechen sollten; je nachdem von
der einen oder anderen jener Flüssigkeiten sich mehr im Körper befand,
als die entsprechende Temperatur verlangte, unterschied er die nach
diesen Cardinalsäften benannten vier Temperamente. Die Thatsache,
dass sich gewisse Temperamente in gewissen Climaten häufiger fanden
als in anderen, liess ihn eine Abhängigkeit der Temperamente von dem
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Juni 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
325
Clima annehmen; auch liess Hippokrates jedem Lebensalter ein be¬
stimmtes Temperament eigenthümlich sein, so sollte eine entzündliche
Beschaffenheit des Blutes dem Jünglingsalter, dem Frühling und den
Ländern eigen sein, in denen diese Jahreszeit vorherrschend ist; das
jugendliche Mannesalter, der Sommer, die warmen und trocknen Länder
sollten Galle und gallichte Krankheiten erzeugen; im reiferen Alter,
im Herbst und in Gegenden, wo die Luft feucht und dick, die Tempe¬
ratur veränderlich ist, lässt er die schwarze Galle und davon abhängige
Krankheiten vorherrschen; endlich sollten der kalte Schleim und die
catarrhalischen Zufälle dem Greisenalter, dem Winter und feuchten,
kalten Ländern eigenthümlich sein. Aristoteles giebt die für die
einzelnen Temperamente geeigneten Lebensmittel und Getränke an und
zählt die Krankheiten auf, die den einzelnen Temperamenten drohen;
im Blute, als dem allgemeinen Ernährungssafte, sucht er die verschiedene
Mischung der vier Elemente nachzuweisen und spricht deshalb von einem
heissen und kalten und einem leichten und schweren oder dicken Blut.
Wie bei Hippokrates und Aristoteles beruhten auch bei den
spateren griechischen Aerzten die Temperamente auf Verschiedenheiten
der Säftemischung und galten ihnen als auf dej Grenze zwischen Ge¬
sundheit und Krankheit stehend und zu bestimmten Krank hei ts formen
disponirend; auch erkannten sie, dass die Temperamente fast niemals
rein vorkamen, sondern Mischungen unter einander eingingen, weshalb
sie von temperirten Temperamenten sprachen, unter denen sie dasjenige
für das beste erklärten, das alle 4 Temperamente in gleicher Mischung
enthielt. Galen unterschied das warm-feuchte oder sanguinische, das
warm-trockene oder cholerische, das kalt-feuchte oder phlegmatische und
das kalt-trockene oder melancholische Temperament; auch bei ihm be¬
zieht sich der Ausdruck Temperament noch ausschliesslich auf die
Mischung der Körpersäfte, weshalb er von einem besonderen Tempera¬
ment der einzelnen Organe, des Herzens, Hirns u. s. w. spricht. Weiter¬
hin trat in Folge der Erkenntniss, dass Schleim und schwarze Galle
nicht zu den regelmässigen Bestandtheilen des Körpers zu zählen seien,
an die Stelle des phlegmatischen das lymphatische und an die Stelle
des melancholischen das nervöse Temperament. Die Alchemisten suchten
die Temperamente zu erklären aus dem relativen Mischungsverhältniss
der drei alchemistischen Elemente, Salz, Schwefel und Quecksilber. Als
dann im 17. Jahrhundert die Soüdar-Pathologie an die Stelle der
Humoral-Pathologie trat, war es mit den Säftemischungen als Erklärungs¬
gründen für die Temperamente zu Ende, und nahm man fortan zu den
festen Theilen seine Zuflucht. Stahl machte die Temperamente ab¬
hängig von dem Verhältniss dreier Factoren, der Beschaffenheit des
Blutes, der Porosität der Gewebe und der Weite der Blutgefässe, und
Haller wies nach, dass die Unterschiede der festen Theile denen des
Blutes verausgingen, und dass allein die grössere oder geringere Stärke
und Reizbarkeit der festen Theile die Temperamentsverschiedenheiten
bedinge. Nach P. J. G. Cabanis 1 ) sollte das sanguinische Tempe¬
rament characterisirt sein durch grosse Weite der Brust und Lungen
und dadurch bedingte reichliche Blut- und Wärmebildung bei massig
nachgiebigen Fibern, massig fettem Zellgewebe und hoher Kraft der
Zeugungsorgane, das cholerische Temperament durch grosse Weite der
Brust, der Lungen und Blutgefässe bei reichlicher Samen- und besonders
Gallenabsonderung und ursprünglicher Spannung und Steifheit der
Fibern, das phlegmatische gleichfalls durch grosse Weite der Brust
und der Lungen bei fehlender Energie der Leber und der Geschlechts¬
organe und ursprünglicher Schlaffheit der festen Theile, verlangsamter
Circulation und Schleimansammlung im ganzen Körper, endlich das
melancholische Temperament durch Enge der Brust und geringe Grösse
.der Lungen bei verlangsamter Circulation in den Unterleibsorganen,
Rigidität aller festen Theile und gesteigerter Einwirkung des Samens
auf die Himthätigkeit. Zu diesen vier Temperamenten fügt Cabanis
als fünftes dasjenige hinzu, das durch Ueberwiegen des Nerven- oder
Empfindungssystems über das Muskel- oder Bewegungssystem und als
/sechstes dasjenige, das durch Ueberwiegen des Bewegungssystems über
das Empfindungssystem characterisirt sein sollte. Als dann noch zu
Lebzeiten Hailer’s an die Stelle der Solidar-Pathologie die Nerven-
Pathologie getreten war, wurde die verschiedene Grösse und Stärke des
Hirns und der Nerven für die Temperamentsverschiedenheiten verant¬
wortlich gemacht, und so erklärte es sich, dass weiterhin die Lehre von
-den Temperamenten mehr und mehr zu einem Gegenstände der Psycho¬
logie wurde. Platner machte sie abhängig von dem Mischungsverhält¬
niss der beiden von ihm angenommenen Seelenorgane, des oberen, in
Gesichts-, Gehörs- und Tastnerven und des unteren, in Geruchs-, Ge¬
schmacks- und Gemeingefühlsnerven enthaltenen. Kant verschliesst
.sich nicht der Erkenntniss, dass die Temperamente eine körperliche
Grundlage haben mögen, behandelt sie aber doch als blosse Dispositionen
Her Seele, in welcher entweder das Gefühl oder das Begehrungsvermögen
und in Folge dessen die Thätigkeit vorwalte; da nun sowohl Gefühl als
Thätigkeit mit Erregbarkeit oder Abspannung verbunden sein können,
-ergaben sich ihm vier Temperamente, und zwar rechnet Kant zu den
Temperamenten des Gefühls das sanguinische und melancholische, zu
den Temperamenten der Thätigkeit das cholerische und phlegmatische.
Der Versuch der Naturphilosophen, aUe Lebensäusserungen mit Ein¬
schluss der Temperamente und Krankheiten zurückzuführen auf das
Gleich- oder Uebergewicht der von ihnen angenommenen, sogenannten
1) P. J. G. Cabanis, Ueber die Verbindung des Physischen und
Moralischen in dem Menschen, aus dem Französischen, übersetzt u. s. w
von Ludwig Heinrich Jacob, Halle und Leipzig 1804, I. Bd., p. 412 u. f.
Dimensionen des Organismus, als welche sie Reproduction oder vegeta¬
tive Thätigkeit, Irritabilität und Sensibilität unterschieden, fand bei den
Philosophen eine günstige Aufnahme. Her hart, der die Temperamente
definirt als Prädispositionen in Ansehung der Gefühle und Affecte, führt
dieselben in seinem Lehrbuch der Psychologie *) gleichfalls auf die drei
Grundpfeiler der Naturphilosophie zurück, giebt jedoch statt der üblichen
Temperamente Carricaturen derselben. Nach Erdmann 1 ) haben Phleg¬
matiker und Choleriker das gemeinsam, dass ihre Thätigkeit auf die
Sache gerichtet ist, bei dem ersten, um sie sich anzueignen, bei dem
letzteren, um dagegen zu reagiren, und Sanguiniker und Melancholiker
sind sich darin gleich, dass von ihnen alles auf das Subject bezogen
wird, von dem einen, um es, von dem anderen, um sich selbst zu ge¬
messen; das erste Paar Temperamente nennt er deshalb das thätige,
das zweite das geniessende Naturell, eine Eintheilung, die im wesent¬
lichen mit Kant’s übereinstimmt Indem Erd mann nach einer körper¬
lichen Grundlage der Temperamente sucht, bieten sich auch ihm als
bequemstes Auskunftsmitttel die naturphilosophischen Dimensionen dar,
und zwar führt er das phlegmatische Temperament zurück auf Vor¬
herrschen der vegetativen Thätigkeit, das sanguinische und cholerische
auf Vorherrschen der Irritabilität, deren vorzüglichste Organe Muskeln
und Blut sind, das melancholische auf Vorherrschen der Sensibilität;
die sich dabei ergebenden Temperamente sind eben solche Zerrbilder
der Wirklichkeit wie die Herbart’s. Drobisch 3 ) begnügt sich da¬
mit, Temperament und Gemüthsstirainung oder Gemüthsart für identisch
zu erklären. Harle ss 4 ) unterscheidet die Temperamente ab solche, bei
welchen der Geist, sich von äusseren Einflüssen nicht bestimmen lässt,
und solche, bei welchen er sich von ihnen bestimmen lasst; zu den
ersteren rechnet er das phlegmatische und cholerische, zu den letzteren
das sanguinische und melancholische Temperament. Joh. Müller er¬
klärt in seinem Handbuch der Physiologie die Temperamente aus der
verschiedenen durch die Zustände der organisirten Theile bedingten Dis¬
position zu Strebungen und Gemüthsbewegungen. Wenn Strebungen
und Gemüthsbewegungen wegen der organischen Grundlage weder heftig
sind noch anhalten, entstehe das phlegmatische oder gemässigte Tempe¬
rament; unter den ungemässigten Temperamenten zeichne sich das
cholerische aus durch starkes Streben mit Ausdauer der organischen
Actionen, das sanguinische und melancholische durch Heftigkeit des
Empfindens mit relativer Schwäche der Strebungen und organischen
Actionen, Vorherrschen der Lust sei dem sanguinischen, Vorherrschen
der Unlust dem melancholischen Temperament eigen. Einen Versuch,
den körperlichen Grund der Temperamente zu ermitteln, hat von den
neueren Philosophen Lotze 5 ) unternommen. Er versteht unter Tempe¬
rament „die formellen Verschiedenheiten“, die sich theils auf den An-
stoss äusserer Reize, theils ohne sie in der Geschwindigkeit, Mannig¬
faltigkeit, Intensität, Consequenz oder Unstetigkeit zeigen, mit denen der
Wechsel der Vorstellungen, der Gefühle, der Strebungen in den ein¬
zelnen Individuen vor sich geht.
Wie sehr alle diese formellen Eigenthümlichkeiten auf die Stimmung
des Gemüths, auf die Entwickelung der Intelligenz und die Bildung des
Characters einwirken müssen, ergiebt sich von selbst, und leicht erklär¬
lich wird dadurch jener Irrthum, welcher einzelne Züge dieses höheren
geistigen Lebens unmittelbar dem Bilde der Temperamente hinzufügte.
Wie sehr andererseits dieselben Eigenthümlichkeiten mit körperlichen
Dispositionen Zusammenhängen müssen, mögen sie nun zum Theil von
ihnen erzeugt sein, zum Theil rückwirkend sich selbst erst hervorbringen,
ist nicht minder klar, und deshalb wird der andere Irrthum erklärlich,
den Begriff der Temperamente durch Beziehung auf körperliche Consti¬
tution und Krankheitsanlage zu trüben“. Nachdem Lotze (1. c. § 472)
erwähnt, dass Krankheiten häufig Stimmungen hervorrufen, welche
den dauernden Temperamenten analog sind, fährt er fort, dass „nicht
Structurverhältnisse oder andere permanente Eigenschaften der Central¬
organe, sondern die Natur der Erregungen, die ihnen der übrige Körper
zuiührt, die Basis der Temperamente bildet“. Im Weiteren spricht
Lotze einmal der verschiedenen Beschaffenheit des Blutes, ferner der
Grösse der Circulation und Athmung einen Einfluss auf Form und Grösse
der Erregbarkeit der Centralorgane zu, andererseits können die von den
festen Theilen ausgehenden unzähligen kleinen Erregungen Stimmung
und Elasticität der geistigen Thätigkeiten eigenthümlich gestalten; end¬
lich schreibt er auch dem schnelleren oder langsameren Stoffwechsel eine
Rolle zu, in 9ofern dadurch das Mass lebender Wirkungsfähigkeit grösser
oder geringer wird, und Aenderungen desselben Aenderungen der psy¬
chischen Functionen zur Folge haben werden. Wir kommen auf (fiese
Erklärung Lotze’s weiter unten zurück. Wundt 6 ) lässt die körper¬
liche Grundlage der Temperamente unerörtert; er nennt dieselben
individuelle Dispositionen der Seele zur Entstehung der Gemüthsbewe¬
gungen; was die Erregbarkeit in Bezug auf die sinnliche Empfindung,
ist nach ihm das Temperament in Bezug auf Trieb und Affect. Wundt
1) §. 132. Anmerkung.
2) Psychologische Briefe.
3) Drobisch, Empirische Psychologie nach naturwissenschaftlicher
Methode, Leipzig 1842, p. 273.
4) Harless, Artikel: „Temperament“ in Wagner’s Handwörter¬
buch der Physiologie.
5) Lotze, Medicinische Psychologie oder Physiologie der Seele,
Leipzig 1852, p. 560 u. f. und §. 472.
6) Wundt, Grundzüge der physiologischen Psychologie, Leipzig
1874, pag. 816 u. f.
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
326
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 22
unterscheidet in dem individuellen Verhalten der Affecte nnd Begeh¬
rungen zweierlei Gegensätze, einen ersten, der sich auf die Stärke, und
einen zweiten, der sich auf die Schnelligkeit des Wechsels der Gemüths-
bewegungen bezieht. Zu starken Affecten neigt nach ihm der Choleri¬
ker und Melancholiker, zu schwachen der Sanguiniker und Phlegmatiker,
zu raschem Wechsel ist der Sanguiniker und Choleriker, zu langsamen
der Melancholiker und Phlegmatiker disponirt. Indem das schnelle Tem¬
perament der Stärke, das schwache der Langsamkeit bedarf, wenn beide
nicht in der blos hingebenden Haltung gegenüber den wechselnden Ein¬
drücken aufgehen sollen, treten beide als Temperamente der Thätigkeit
denen des Gefühls, dem sanguinischen und melancholischen gegenüber,
und bringt auf diese Weise Wundt seine Anschauung in Einklang mit
der Auffassung Kant’s. Da nach Wundt jedes Temperament seine
Vorzüge und Nachtheile hat, so besteht für den Menschen die wahre
Kunst des Lebens darin, seine Affecte und Triebe so zu beherrschen,
dass er nicht blos ein Temperament besitze, sondern alle in sich ver¬
einige. Von Physiologen, die nach einer körperlichen Grundlage der
Temperamente gesucht haben, ist ausser Böclard, der eigentlich gar
nichts erklärt, wenn er das sanguinische Temperament von einem Vor¬
herrschen des Blutgefässsystems, das melancholische von einem Vorherr¬
schen des Nervensystems abhängig macht, die beiden anderen Tempe¬
ramente aber verwirft, noch Henle zu erwähnen. Nach Henle 1 ) befinden
sich sowohl motorische als sensible Nerven fortwährend in einem an-
gebornen Zustande von Reizung, den wir Tonus nennen, und auf die
quantitativen Unterschiede dieses Tonus führt Henle die Temperamente
zurück. Die niederen Grade des Tonus sind dem phlegmatischen Tem¬
perament eigen, sie verrathen sich durch schlaffe Gesichtszüge, nach¬
lässige Haltung, gemessene Bewegungen; die geringe Energie, mit der
die Muskulatur des Gefässsystcms sich contrahirt, begünstigt die Exsu¬
dation der Ernährungsflüssigkeit und damit die Turgescenz der Gewebe,
in zweiter Linie wohl auch die Fettbildung. Die höheren Grade des
Tonus erkennt man nach Henle an dem lebhafteren Gesichtsausdruck,
dem fixirenden Blick, der strammen Haltung, der raschen Bewegung.
Hoher Tonus mit Erethismus, d. i. Reizbarkeit mit relativ rascher Er¬
müdung giebt das sanguinische Temperament, hoher Tonus ohne Ere¬
thismus giebt das cholerische Temperament; dem Choleriker am nächsten
verwandt ist der Melancholiker; er ist durch hohen Tonus ausgezeichnet,
ist tiefer Affecte und nachhaltiger Stimmungen fähig, aber er entbehrt
die Wohlthat, welche in bedrückenden Gemüthszuständen, wie bei kör¬
perlichem Schmerz die Ableitung auf motorische Organe gewährt. Nach
Henle gehören entschiedene Temperamente zu den Seltenheiten. Da
nach ihm die Gegensätze der Temperamente auf quantitaven Verschieden¬
heiten des angeborenen Tonus berühr», so ist hiermit nicht nur die Mög¬
lichkeit, sondern auch die Nothwendigkeit gegeben einer die Extrem¬
verbindenden continuirlichen Reihe von Zwischenstufen, die Nothwendig¬
keit, dass die unbestimmten Temperamente die Mehrzahl bilden.
(Fortsetzung folgt.)
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. Aus Heidelberg geht uns folgende Mittheilung vom 23. Ma*
zu: Die dritte Wanderversammlung süd westdeutscher Neuro"
logen und Irrenärzte fand am 18. und 19. Mai in Wildbad statt.
Die Sitzungen wurden im Kgl. Badehötel abgehalten, und begann die
erste um 2 Uhr Nachmittags unter dem Vorsitz des Herrn Hofrath
Prof, von Rinecker von Würzburg. Nach Erledigung einiger geschäft¬
licher Mittheilungen begann Prof. Leichtenstern (Tübingen) die Reihe
der Vorträge: über Tastsinnsprüfungen bei Nervenkranken. Ihm folgten
Prof. Fürstner (Heidelberg), weitere Mittheilungen über Sehstörungen
bei Paralytikern; Dr. Beck (Tübingen), über Tetanus traumaticus;
Dr. Schultze (Heidelberg), über das Verhältnis der Pseudohypertrophie
der Muskeln zur progressiven Muskelatrophie, Prof. Dr. Erb (Heidelberg),
zunächst über die Differentialdiagnose der verschiedenen Formen atro¬
phischer Spinallähmung, dann über einen eigenthümlichen bulbären
Symptomencomplcx (Zusammenauftreten von Ptosis, Kaumuskellähmung
und Nackenmuskellähmung). Um 5 Uhr wurde die erste Sitzung ge¬
schlossen und folgte hierauf das gemeinschaftliche Essen in dem Kgl.
Badehötel.
Am 19. Mai, 8 1 /» Uhr, stellte Geh.-Hofrath von Renz in dem Ka¬
tharinenstift eine grosse Reihe interessanter Erkrankungen des Central-
nervensysteras vor. Dann fand eine Besichtigung der Bäder statt. Um
10 Uhr wurde die zweite Sitzung eröffnet mit einigen Bemerkungen des
Prof. Erb über die vorausgegangene Krankenvorstellung. Sodann wurde
ciustimmig beschlossen, dass die nächstjährige Versainmlung der
.südwestdeutschen Neurologen und Irrenärzte in Heidelberg statt finden
sollen, und wurden zu Geschäftsführern für diese Prof. Dr. Fürstner
und Dr. Schultze von Heidelberg gewählt. Vorträge wurden dann
noch gehalten von Prof. Moos (Heidelberg), über das Vorkommen phos¬
phorsaurer Kalkconcremente im Stamme des Hörnerven; Dr. Rumpf
(Heidelberg), zur Histologie der grauen Degeneration des Rückenmarks;
Dr. Fischer jun. (Pforzheim), über den Einfluss des galvanischen
Stromes auf Gehörshallucinationen. Gegen 12 Uhr wurde die zweite
Sitzung geschlossen. Die Zahl der Theilnehmer an der Versammlung i
betrug 44.
1) J. Henle, Anthropologische Vorträge; erstes Heft (Von den ,
Temperamenten), Braunschweig 1876. I
Der ausführliche Bericht über die Versammlung wird in dem Archiv
für Psychiatrie und Nervenkrankheiten erscheinen.
— Von Seiten des medicinischen Docentenvereins geht uns folgende
Mittheilung mit der Bitte um Veröffentlichung zu:
Der Docentenverein hatte in der bekannten Petitions-Angelegenheit
am 4. April er. den Beschluss gefasst, eine Deputation von drei Mit¬
gliedern zu erwählen, welche in mündlicher Unterredung den zei¬
tigen Decan Herrn Prof. Du Bois-Reymond bitten sollte, die Faeultät
zu veranlassen
1) es genau zu präcisiren, was den Docenten nach der von dem
Minister zur Norm erhobenen „milden Praxis“ nunmehr anzukündigen
und zu lesen erlaubt ist, und
2) in den den Privatdocenten vorzulegenden Schriftstücken den
Apell an die „Ehrenhaftigkeit“ derselben zu vermeiden.
Zu Mitgliedern der Deputation wurden die Herren B. Frankel,
Schöler und Curschmann gewählt.
Die Faeultät hat, ebenfalls mündlich, durch den Herrn Decan die
Antwort ertheilt, „dass dieselbe die Vorstellung des Docentenvereins in
Eiwägung gezogen habe. Sie sehe aber keine Veranlassung, etwas zu
ihren Auseinandersetzungen Mnzuzufügen oder davon zu streichen, da
sie dieselben für hinreichend deutlich halte. Sie könne keinen Vortheil
davon erkennen, wenn die Unterschiede der Begriffe: „Cursus practicus“
und „Klinik“ genauer definirt würden, und müsse den Apell an die
„Ehrenhaftigkeit“ der Privatdocenten aufrecht erhalten, da dies die
einzige Controle darüber sei, dass die Privatdocenten sich bei ihren
Vorlesungen innerhalb der Grenzen des Erlaubten hielten.“
— Herr Dr. Rosenberg sendet uns folgende Mittheilung zu:
Nachdem mit Beginn des Sommerstudiumsemesters der Frühjahrs-
Cvclus der ärztlichen Fortbildungs- Cursc seinen Abschluss gefunden,
wollen wir nicht verfehlen über die Entwicklung des noch so überaus
jungen Unternehmens einen kurzen, wesentlich fhatsächlichen Bericht
abzustatten. Zunächst ist hier ein Umstand zu erwähnen, welcher, nicht
in Rechnung gezogen, auf das Gesammtergebniss von nachtheiligem Ein¬
fluss war. In sehr vielen ärztlichen Lesevercinen kommen nämlich An¬
zeigen, welche in sämintlichen hiesigen medicinischen Wochenschriften
veröffentlicht sind, weil nur eine der letzteren im Umlauf ist, den be¬
treffenden Mitgliedern häufig erst nach drei oder vier Monaten zu Gesichte,
so dass eine nicht geringe Zahl dringendster Anfragen erst cinlief, als
die Curse bereits in vollem Gange waren. Ein zweiter Umstand, welcher
gleichfalls auf den Erfolg unserer Bestrebung einigermassen störend
eingewirkt hat, ist der, dass aufklärende, Wesen und Bedeutung der
ärztlichen Fortbildungs-Cursc beleuchtende Bemerkungen in sämmtlichen
hiesigen medicinischen Wochenblättern gleichmässig zur Veröffentlichung
zu bringen als nicht statthaft erachtet worden ist. Trotz dieser nicht
eben günstigen Verhältnisse haben in Wirklichkeit zwanzig auswär¬
tige Aerzte aus den verschiedensten Gegenden Deutschlands an den
Fortbildungs-Curscn theilgenommen. Von sechs anderen auswär-
■ tigen Collegen haben vier wegen Krankheits- und Trauerfällen in eigener
| Familie ihre gemachten Zusagen wieder zurückgezogen, zwei derselben
! ohne Grundangabe unerfüllt gelassen. Von Berliner Acrzten haben sich
I im ganzen nur sieben betheiligt; die guten Absichten einiger anderer
j hiesigen Collegen gingen an Heterochronic nnd Iieterotopie der Mel¬
dungen zu Grunde, ein Beweis, dass bei einer noch so ganz im Fluss
| begriffenen Veranstaltung nur streng einheitliche Leitung zum Ziele führt.
Die Zahl der abgehaltenen Curse beläuft sich auf zehn, die wir wie
folgt einzeln vorzeichnen:
1) Normale und pathologische Histologie, Jürgens. 2) Patholog.
Anatomie mit Sectionsiibung, Grawitz. 3) Auscultation und Percussion,
Litten. 4) Pneumatische Therapie, Waldenburg. 5) Gynäcologie,
Schroeder. 6) Laryngoscopie, B. Fraenkcl. 7) Electrotherapie,
Bernhardt. 8) Ophthalmologie, Hirschberg. 9) Psychiatrie, W. San¬
der. 10) Gerichtliche Medicin, Falk.
Die Curse über Anthropotoraie und Otiatrie wurden das Opfer leidi¬
ger Centrifugalität.
Wir enthalten uns aller Betrachtungen über diese Thatsachen;
nur so viel möchten wir sagen, dass dieselben wohl geeignet scheinen
die Hoffnung dauernden Gelingens zu erhöhen und zu bestärken. Schliess¬
lich sei die Gelegenheit benutzt, den Herren Collegen schon jetzt be¬
kannt zu geben, dass der nächste, also der Herbst-Cyclus der ärztlichen
Fortbildungscurse etwa den 25. September beginnen und bis zum 3. No¬
vember dauern wird. Etwaige Meldungen bitten wir an Dr. M. Rosen¬
berg zu richten.
— Humor ist grade bei den Medicinern als wohlthätige Reaction
gegen die Sorgen und Mühen des ernstesten nnd schwersten Berufes
stets mit besonderer Vorliebe gepflegt worden. Gereimtes und unge¬
reimtes, mehr oder weniger Gelungenes, gelangt in grosser Menge, be¬
sonders durch „Festzeitungen“ alljährlich meist zu einem ephemeren
Dasein, da die Mehrzahl der Productiven sich bescheidct, für einen be¬
stimmten Abend und zu einem bestimmten Zweck das ihrige beigetragen
zu haben, und nach weiterhin sichtbaren Lorbeeren nicht strebt. Dies
ist gewiss für vieles derartig geschaffene die rechte, lobenswerthe Ge¬
sinnung, doch ist es andrerseits nicht zweifelhaft, dass manches davon,
gut gesichtet, eines langem Daseins werth und in weiterer Veröffent¬
lichung manchem Collegen willkommen sein würde. Wie viel Freude
haben den Deutschen Aerzten die allerdings bisher nicht erreichten
Schöpfungen des liebenswürdigsten aller medicinischen Poeten, des
Dr. Supinator Longus — Sanitätsrath Dr. K. in Magdeburg — ver¬
ursacht, wie hat besonders sein „Der Mensch und der Parasit“
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3. Juni 187S.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
327
jedes für poetische Naturauffassung zugängliche Gemüth erheitert.
Eine Fülle von Witz hot ferner das Bändchen, welches Adolf Loewen-
stein unter dem Titel „Humor in der Medicin,“ 1872, veröffentlichte,
eine Sammlung von medicinisch-humoristischen Vorträgen, Gedichten,
Rathsein, Epigrammen, alles Producte eines hervorragenden humoristischen
Talentes, von welchen es in der That zu bedauern gewesen wäre, wenn
sie für immer einem verborgenen Fache des Schreibtisches einverleibt ge¬
blieben wären; sie seien den Collegen als« erheiternde Lectüre auch jetzt
noch warm empfohlen. Dasselbe gilt von einem kleinen, soeben publi-
cirten Hefte: Aesculap. Lieder-Album für Mediciner und Freunde der
Naturwissenschaften von Dr. Supinator Brevis (Berlin, 1878, b«i
Staude). Der Wein- und Bierlaune entsprossen, oder auch geschaffen,
um dieselbe im Kreise der Collegen anzuregen, behandeln diese vier^
zehn — dem Dr. Supinator Longus gewidmeten — Lieder in harmloser,
meist singbarer Weise sehr verschiedene Dinge der Medicin: das Cavum
oris, die Ovariotomie unter Spray, die Physiologie des Harnes, die
Enuresis, die Laryngoscopie — alles mit Berücksichtigung der neuesten
Forschungen; ein Lied besingt den Dichter des „Mensch und der Parasit*,
andere erzählen die Geschichte der vorliegenden Gesänge. Wir wünschen,
dass diese Kinder der Müsse eines Berliner Collegen (Dr. S—n.) auch in
weiteren Kreisen viele Freunde finden mögen, und dass dem Dichter die
Erfüllung des für diesen Fall gegebenen Versprechens, eine zweite Serie
folgen zu lassen, leicht gemacht werde.
— Herr Dr. Lender, der bekannte Ozonforseher, hat sich als Bade¬
arzt in Kissingen, wo er schon in früheren Jahren vielfach verweilte,
niedergelassen.
11. Amtliche Mittheüangei.
Penonalia.
Auszeichnungen: Seine Majestät der König haben Allergnädigst ge¬
ruht, dem Geheimen Sanitäts-Rath Dr. Friedberg in Berlin den
Königlichen Kronen-Orden dritter Ciasse und dem Apotliekenbesitzer I
Neu mann in Lingen den Königlichen Kronen-Orden vierter Ciasse,
sowie dem Kreis-Physikus des Kreises Hofgeismar Dr. med. Ad. Bode
in Hofgeismar und dem Kreis-Wundarzt des Kreises Kreuznach Dr.
med. Fr. Heusner in Kreuznach den Charactcr als Sanitäts-Rath zu
verleihen.
Niederlassungen: Dr. Schottlaenderin Loewen, Dr. Peter Sch raitz
in Braubach, Dr. v. Ibell in Ems. Stabsarzt a. D. Dr. A. Becker in
Homburg v./H., Dr. Lautz in Dorchheim, Dr. Schoenefeld und Dr.
Roth in Leichlingen, Dr. Krantz in Wesel, Dr. Schis sei in Bre-
bach, Dr. Reich in Hermeskeil, Zahnarzt Boner in Wesel.
Verzogen sind: Dr. Roth er von Conradswaldau nach Falkenberg
O./Schl., Dr. Hertwig von Braubach nach Berlin, Dr. Schubert von
Ohligs nach Frankfurt a./M.. Dr. Kronenberg von Leichlingen nach
Münster, Dr. Büren von Höhscheid nach Solingen, Dr. Ruprecht
von Riegelsberg nach Neunkirchen.
Apotheken-Angelegenheiten: Der Apotheker Adamczyk hat die
Doulin’sche Apotheke in Silberberg, der Apotheker Ritzmann die
Lcyfer’sche Apotheke in Kostenblut gekauft.
Todesfälle: Geheimer Sanitäts-Rath Dr. Wustand in Dahme, Dr.
v. Kaup in Kiel. Kreis-Wundarzt a. D. Vicbrand in Halberstadt, j
Dr. Legrand in Holten.
Bekanntmachungen.
Durch die Beförderung des seitherigen Inhabers zum Kreisphysikus
ist die Kreiswundarztsteile des Kreises Rössel vacant geworden. Wir
fordern qualificirte Bewerber um diese Stelle hierdurch auf, sich unter
Einreichung der erforderlichen Zeugnisse und des Lebenslautes bis zum
20. Juni er. bei uns zu melden.
Königsberg, den 14. Mai 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Die Kreiswundarztstelle des Kreises Osterode ist noch nicht besetzt.
Wir fordern qualificirte Bewerber um diese Stelle hierdurch auf, sich
unter Einreichung der erforderlichen Zeugnisse und des Lebenslaufes
bis zum 1. Juli er. bei uns zu melden.
Königsberg, den 14. Mai 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Die Kreiswundarztstelle des Kreises Wareudorf ist vacant. Quali-
ficirte Bewerber um diese Stelle werden hierdurch aufgefordert, sich
unter Einreichung ihrer Approbation als Arzt, Wundarzt und Geburts¬
helfer, des Fähigkeitszeugnisses zur Verwaltung einer Physikatsstelle,
sowie sonstiger über ihre bisherige Wirksamkeit sprechenden Zeugnisse
und eines ausführlichen Lebenslaufes bis zum 20. nächsten Monats bei
uns zu melden.
Münster, den 20. Mai 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Durch den Tod des bisherigen Inhabers ist die Kreiswundarztstelle
des Kreises Bublitz, mit welcher ein Gehalt von 600 Mark verbunden
ist, erledigt. Qualificirte Mcdicinalpersonen, welche sich um diese Stelle
bewerben wollen, werden aufgefordert, binnen 6 Wochen unter Ein¬
reichung ihrer Zeugnisse und eines Lebenslaufes sich bei uns zu melden.
Coslin, den 21. Mai 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Inserate*
An der hiesigen Herzoglichen Irrenheil- und Pflegeanstalt wird mit
dem 1. August d. J. die Assistenzarztstelle frei. Mit derselben ist ein
Jahresgehalt von 1440 Mark nebst freier Wohnung, Beköstigung, Heizung
und Beleuchtung verbunden.
Approbirte Aerzte, welche bereits mit dem Anstaltsdienst vertraut
sind, wollen der Bewerbung die Zeugnisse und einen kurz gefassten
Lebenslauf beifügen.
Hildburghausen, den 16. Mai 1878.
Die Direction der Herzoglichen Irrenheil- und Pflegeanstalt.
__ Dr. Liebmann. _
V olontär-Arzt.
Bei der Bezirkt - IrrtMustatt StephaaiftM M Strassbarg i. EU. ist die
Stelle eines Volontär-Arztes sofort zu besetzen. Jährliches Gehalt
bei gänzlich freier Station 600. M.
Der Director
__ (gez.:) Dr. Stark.
Vertretung. —
Ein Landarzt sucht, um selbst eine dringend nothwendig gewordene
Cur unternehmen zu können, für gleich oder später einen wenn
möglich schon erfahrenen Collegen zur Vertretung für ein bis zwei
Monate.
Offerten mit Angabe der Bedingungen befördert die Expedit dies.
unter d. Chiff. G. F. 47. Blatt. _
Niederlassung eines Arztes.
Für die hiesige Stadt nebst Umgegend ist die Niederlassung eines
Arztes dringendes Bedürfniss.
Es wohnen hier 2 Aerzte, von denen der eine wegen hohen Alters
und Krankheit nur theilweise dienstfähig ist
Die Stadt Cremmen zählt 3000 Einwohner, und die im [Umkreise
von 10 Kilometer belegenen 10 Dörfer haben pp. 7500 Seelen.
Es kann daher eine lohnende Praxis, namentlich für einen recht
tüchtigen Arzt, der zugleich Geburtshelfer ist, in sichere Aussicht ge¬
stellt werden.
Cremmen, den 16. Mai 1878.
_ Der Mag istrat
Ein Arzt. .
In einem lebhaften Ort Pommern’s ist die Niederlassung eines tüch¬
tigen Arztes und Geburtshelfer dringend nötbig, da die nächsten
Aerzte 3—4 Meilen entfernt sind. Apotheke am Ort, Eisenbahn im Bau
begriffen. Näheres durch die Expedition des Blattes unter J. D. R. 50 .
Für Aerzte!
Loquard. (Ostfriesland.)
Die hiesige einträgliche und wenig beschwerliche „ärztlicheStelle“
ist vacant und ist deren baldige Wiederbesetzung dringendes Bedürfniss.
Auskunft ertheilen bereitwilligst
der Gemeindevorstand der Apotheker
_ J. H. Swyter. _ F. Wolff. _
Ein junger Arzt wird zn einer kurzen Vertretung in Berlin gesucht.
Offerten: Invalidenstr. 105, I. r. 8—9 u. 4—5. _
Offene Stelle.
Mit dem 1. Juni 1. J. wird die hiesige Communalarztstelle vacant.
Dieselbe ist mit einem BaaTgehalt von 800 M. jährlich aus der Ge
meindekasse dotirt. Ausserdem bezog der seitherige Inhaber als Bahn¬
arzt für die Strecke Hochheim-Höchst ca. 400 M. Flörsheim zählt
2600 Seelen. Sodann liegen in nächster Nähe die grösseren Orte Wicken,
Weilbach und Eddersheim und ist dadurch Gelegenheit geboten, sich
eine lohnende Praxis zu erwerben.
Lusttragende wollen sich an den Unterzeichneten wenden.
Flörsheim a. Main, den 22. Mai 1878.
Der Bürgermeister.
In Wlldatedt, Provinz HaMOver, wird ein W0JNÖ|llcb verbairatbatar,
tlckfipr Arzt gesiebt. Fixa: jährlich 1500 — 1600 Mk. Geräumiges,
neu eingerichtetes Haus mit Garten steht zu billigem Miethspreise zur
Verfügung. Apotheke am Orte. Nähere Auskunft ertheilt bereitwilligst
der Gemeindevorstand
__ Meyer. _
Da ich mich in einem Badeorte niederlassen will, so beabsichtig»
ich meine Praxis in einer Vorstadt der grössten Städte Mitteldeutschlands
mit einer jährlichen Einnahme von circa 5000 Mark gegen Anzahlung
von 200 Thalem an einen jungen Arzt abzutreten. Die Vorstadt zählt
12000 Seelen und ist nur ein Arzt hier noch ansässig. Adressen werden
erbeten sub N. 49 durch die Expedition der Zeitung. _
Ein Dr. med., der d. Staats-Ex. bis auf 1 Stat. bestand, wünscht
eine Vertretung oder Assistenz zu übern. Offerten sub. R. S. 365.
Berlin, Louisenstr. 22 postlagernd.
Ein junger Arzt sucht sofort Stellung als Assistenzarzt oder Ver¬
treter eines Collegen. Gef. Off. sub M. S. 48 durch die Exped. d. BL.
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328
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. «t
Bei August Hirschwald in Berlin, 68. Unter den Linden,
ist erschienen:
Lehrbuch
der
Geburtshülfe
für die
Preussischen Hebammen
hcrausgegeben
im Aufträge des Ministers der geistlichen, Unterrichts- und
Medicinal-Angelegenheiten.
Mit 9 Holzschnitten.
_ geheftet Preis 6 Mark. _
Praxis-Gesuch.
Ein junger, vor 5 Jahren approb. Arzt, welcher nach längerer
Assistenz an zwei grösseren Krankenhäusern als Badearzt thätig war,
wünscht eine einträgliche Praxis zu übernehmen.
Gef. Offerten erbeten unter S. R. 441 an die Annoncen-Expedition
von Haasenstein & Vogler, Leipzig. _
Ein junger Arzt sucht von sofort Stellung als Assistenzarzt oder
Vertreter eines Collegen. Off, sub T. 40 durch d. Exped. d. Bl. _
Den geehrten Herren Collegen zur gefälligen Nachricht, dass ich
vom 1. Juni er. ab in Pyrmont practicire.
Berlin. Dr. S. Ph. Marcus.
Der Unterzeichnete hat seine Badepraxis dahier wieder aufgenommen.
Bad Nauheim, 15. Mai 1878. _ Dr. med. Schott. _
Pr. E. Mandowski, pract. Arzt, Badenweiler._
Den geehrten Herren Collegen zur gef. Nachricht, dass ich vom 15. Mai
ab in Elster practicire.
Pr. Siegrfr.
Badearzt.
Dr. Katser,
Badearzt in Hali, Oberöster reich, ertheilt
vom 5* Mal daselbst jede auf diesen Curort bezügliche
Auskunft. Seine Badeschriften bei Braumuller in
Aachener Bäder.
Soptmersalson seit I. Mal.
Wasserversendung von stets frischer Füllung.
Bad Schandau.
Klimatischer Kurort in der sächsischen Schweiz. Eisenbahn und
Dampfschiffstation. — Bade- und Trink-Anstalt (Eisenquelle, moussirende,
Fichtennadel- und Soolbäder, fremde Mineralwässer und Molken). Nähere
Auskunft ertheilt die
_ Badecommi8 8lon.
Franzensbad
im nordwestlichen Böhmen.
Saisen I. IHai bis 30. September.
Blaabtrsalzhältig« Elten-Säuerliage, glücklichste Verbindung des stär¬
kenden Eiteas mit leicht lö enden Salzen. Moussirende, nach neuesten
baineologischen Fortschritten elegant eingerichtete Eisenbäder, heilkriftigtte
unter den bekannten Moorbädern, Gisbäder. Angezeigt bei allen Scbwäcbe-
zistäaden in der Blutbereilung, den Verdaenngi- und Unterleibs - Organen,
insbesondere Frauenkrankbeiten, bei gestörter Muskel- und Nerventhätlgkeit,
besonders periphären Ursprungs, bei zurückgebliebenen Exeudateu und
Entkräftung nach schweren Erkrankungen.
Drei grosse Badeh .user mit 320 Badecabinetten, directe Eisenbahn¬
verbindung durch die sächsische und bairische Staatsbahn, die bairische
Ostbahn, die Nordwestbahn, die Franz-Josefs bahn und die Buschtiehrader-
Bahn.
Herrliche milde Beblrgsluft, musterhaft eingerichtete HAtell und Prlvat-
biuter, billige Logt*, schöne Anlagen, grosser Cur- mit neuerbautem präch¬
tigen Conversations-Saal, elegante Speisesäle, ausgezeichnete Brunnencapelle
(Tomaschek) täglich früh bei den Quellen, nachmittags im Parke, bei
ungünsiger Witterung im Conversationssaale, Bälle, Reuionen, Concerte,
Theater, zahlreiche Ausflüge Anerkannt gute Kost bei nättigen Preisen.
Katholische ond protestantische Kirche, Israel. Bethaua.
Auskünfte ertheilt
__ das Bürgermeisteramt.
Hall in Tirol.
Jodhaltiges Soolbad, Sommeraufenthalt in dessen Umgebung. An¬
fragen an das Curcomite. Dr. Garnier.
Wasser-Heilanstalt Laubbach
bei Coblenz am Rhein.
Das ganze Jahr hindurch geöffnet. Kalte und warme Bäder, Elek¬
trotherapie.
Hausarzt: Dr. A. Mfi urer. Inspector: F. Herrmann. _
Franzensbad in Böhmen.
Die Versendung der Kger-Franzensbader Mineralwässer
(FranEens-, Salz-, Wiesen-, MTeuquelle und kalter
Sprudel) für die Saison 1878 hat begonnen und werden die¬
selben nur in Glasbouteillen versendet. Bestellungen hierauf, sowie
für Franzensbader HEineralmoor und Bloorsalz werden
sowohl direct bei der Unterzeichneten Dircction, als auch bei den De¬
pots natürlicher Mineralwässer in allen grösseren Städten des Con-
tinents angenommen und prompt effectuirt. Brochuren über die
eminenten Heilwirkungen der weltberühmten Fger-Franzens-
bader üElneralw&sser werden gratis verabfolgt
Stadt Egerer Brunnen-Versendungs-Pirectlon ftn
Franzensbad.
Soolbad Salzungen.
» Eröffnung der Saison am 20. Mai.
Den Herren Collegen bringe ich mit der ergebenen Anzeige, dass
ich mich als Badearzt in Salzungen niedergelassen habe, dieses vortreff¬
liche Soolbad in empfehlende Erinnerung.
Dr. Wendroth, Obe rstabsarzt a. D.
Pest Bad Liebenstein. Telegraph.
Werra-Bahn, Station Immelborn. 26. Mil eröffnet.
Mineral- (Stahl-, Sool-, Eisensool-) Bäder. Fichtennadefbäder, Molkenknr
(Ziegenmolken, Milchkuren). Wltsarheilanstalt. Klimatischer Kurort.
Analyse der Stahlquelle auf Verlangen franco, desgl. Prospect. Aerzte:
Medicinalrath Dr. Doebuer, Dr. L. Siebert.
_ Die Oirectlon dea Badet: von Etzel. _
W asser-Hcilanstalt
in Thale am Harz. Alle Nerven-, Kopf-, Unterleibs- und auch andere
Kranke erzielen bei milder Cur und 30 jähriger Erfahrung des Arztes stets
sichere Erfolge. Mit dem Hubertus-Bade habe ich nichts gemein.
_ Der dirigirende Arzt Dr. Ed. PreiMU
Ostseebad Dievenow bei Caiuniin.
Saison vom 15. Juni bis 20. September. Warme und kalte Bäder,
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
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Organ iur praktische Aer^te,
Mit Berücksichtigung .der preussisehen MeAiciualVerwaltung iöh! Medieinalgesetzgebung
Redacteur: Prot Kr. L. WiiUtniur^.
asch amtlichen Mlttheilnngen.
Verlag von August flifsciiwalil in Sfrltti.
Montag, den 10. fern 1878.
m 23.
Fünfzehnter Jahrgang,
ißhait: 1. KüsUtoV: Aa wipchuin Tago soll 1 1 1 c WochneTiri däs ß.ttfv vurjasneü/ — fj. P 0 rbr i n «je r:. i^ie(‘lr.silb«.*wnnTh«**is foi Rhu« aiUteJst*
Mrjssint'waU«j, — Ul. Auf der Klinik den Herrn Geh. RaUi JPro.f. FroriM»*) hrilop: Zur Lahn- Vivo der ojnvlojduv» f;m?ifUun, r der
Ni wen (^hlttss): •— fYV Eeierat (.Len.fr Zur Frage der Fiu?.s-Yeruftruini^ruig in .OcuisehURoi). — V. Yerhaiidlurigeit ämifeiKh <iWll>
sdiatteu (Vi-Jibcber V«reiß m Marburg») - VL Fuuilk-tu» (ViL iV.rigics« der |^iit»chirn OCseltenbaH für (-hirUJinC — 'Tuü*^v*sebu-M *
Iseho Notizen)', TIU Amtliche MitthnHufigeTi, — Inserate.
L Ab weichem Tag« soll di« Wöchnerin das Bett
verlassen!
t Von '
Otto Küiitiier,
Dpeente.ii )i> Je.na, .früher in, Halle. "'
Oh- ^ch^icrf^^ituu btü Wöchnerinneö TtdiTperÄttirörh^
bungen, fjexmidors Reiche Gratles, auf die nchiigu
Quelle z u tü cki,Ü%hrüi i’, ^inü bis auf den Ueutipeff n£bh
Rieh? ubyywüud&rb ' Zwar haben 4Je jetzt herrsclihtthon An*
•jfinuitmgen über WünderktmAcungott weüGjitlich dazu hefige-
tragen , ijte Pathologie des Wochenbettes Insofern zti- vertan-,
fachen, als wir eine Menge \r*n fioher erregenden üasarbeü,
welchen tiorJi vor 10 JahreD T ym.v rärugen Aotoreu auch noch
jetzt, hiöi* grosse Hudle. bei gern würde. In dem gegebenen.
Falle mit Vorsicht» vielleieht -mit Achse [zu ckeh als solche* atw
rrkeiiüert, joe jedüch ganfclicj» aus den MtiologifS'chen Momenten
der Wbcfcnhe.ttsWkTankungen nuszus’dtlinSHkH, mit Sicherheit
ansÄUKchljesvef) ist bisher nicht gohmgeii und gelingt wohl auch
nicht binnen kjjtrz^tür FrM* Zeigen wir auch noch so sehr
Ansicht, z. ß, eiüö^ GemüthseiTregung oder eine
Tasse ft m dfl elschbimi 11 oii bei einer Wöchnerin ebenso wenig als
hei eitlere anderen gesttnifen fii&oacWu Fieljer machen kam»,
*o werden wir unsere Gegner so Uliftfc nicht teiogreich be¬
kämpfen können. als Wir föf jödew Fäll Ihneri die minu¬
tiöse Wttnils, die 'nun eben gerade erkrankt ist und die an
5?g»gf$ einer verborgfnon Eck* des Cervix oder de? tRem*
•^Ut, zeigen und diese als die wahi'HchtMnllehere Fieheiiir^cji^
dHm>n.strii-en kennen. Andererseits aus dem^olben Ornndc,
eben «ler ganife Copitaltractus der Wöchnerin. fAp von
WündVh vielfach dui^hfurühteH Kehl 4atkt$Ut v den eh
; riözekie jederzeit m erkranken in rtdativ hohem Masse dis-
pööirt ist, schwer, anderen fiehefe.rt-egeuden MAtoeptcirj gegen -
dher die e.r?terw r ahnfeü auszuschlifesseit' e? fehlt uüä an Mitteln,
d eu ges*aüi£ßt^ü Genitafs&h lauch der Fra«, b^oüder«: d eh
ftärk^t verwumlkten Thojl das GterükihneTe, ehipr mir an-
nähörüd zoTt^lässigeo ÜT^fersüclimig auf ferkrauliUüg odör Niöiir-
(•fkraTikiiDg zu imterwu.>rfe.ü. AN atiirlicb spreche ich nur von
. •bfkrankoügou' 'Vöi.chteyer. Arjt-j' aber- .'»£ Afind auch eben nur die
l^irhterer Art-, welchen im Wochoitbette andere ürsüchen
^ Genitai^kranküiieen untergeschoben Werden.
Haben wir abo auch die Ansicht, dass das Wochenhett ejo
gesinider fSkherfrejef fand ist ünit (likibt iiütnr der Bedingtmg,
<tek die Wüchiierin iVicht während der GübiiTt. oder des Woclimi-r
Leu*;*: Mtfiiürt worden ist, und rAuioeu wir auch der fieherer-
fCgendon Wirkung sou higesta, (fenviRliseneguiigen etc der
Wöchnerin gegottuber keine grosser^ Akdtung ein. als bei anderen
Gefunden/ so müssen wir uns dabei bewusst sein. Pass wir
splcbe Ansicht hin te Detail nicht begründen können. Für die
IVaxis, die Therapie , du* Prophylaxe jedbeh kaiin eine Sülche
. Ah^tclit,.. hiiet; .tieiiti'# - Wir es Maxime, je mehr wir uns yün ihr
bchemcherf hassen, uni so grosseren Vortheil zeigen; 4«r-
; der am meisten vor» ihr dwrdtdmngen ist, wird
pflfe^tefobithiien Wöchiforirjn-mi vor dem gefahrheh^teü
Feinde, der Infectian. am sntipuIÖHe^fen zu schützüii wissen^.
JiüTlViC^r$eIib sind wir als Anhäügef dieser • am
bkfkhtgt;:. die Wochenl^ttsdiätetik von dem ihr xoit altürsJier
nnklebcndet) RebarnmebhOmbug zu entkMden zurück-
zufübren auf die rätvonelie l’eberwachiing eints normalen Zu¬
standes.
Ein ar^efst glhcjkffih^ und anerkeLMierrsw^rthör Schritt ist
in dieser Beziehung yt»r nicht langer Züt mf dm» Winckelr
Hcheft Inülitüt^ lü Dresden göthan worden^ Ww dnir Vafwueh von
Klemmer gemacht wurde, die Wöchnerin mm Aon d.ür Wasser-
suppeüdikt zü emaiicipireu und ihnen Speise 2 ü gel»eu. Weiche
nährt, wie jedem anderen Menschen. — hegou. wir t:*M mm die
Frage yor, gehurt das Bettliegen der Wöchnerinnen ehenfalte
m düs, HaüdkörbchV'ü der Hüfemmerij ikfe nicht auch eirie
WöchoerVü insoweit als gesund :eu bötraebteu, dass sie nicht
ata Tagn, . so adern nur zur XücbF/e ' jtü zubnügt. Das £
;Wassersuppe nicht nährt, war klar., da^s bei schmaler Kost
eine Wöchnerin, wie jeder andere Alensvli^ bferanterkmnmt. ja
noch mehr benmterkümmt, als ein solcher, da ^ie uorh eioen,
ahdetnn.M hülrren hat, lag auf der Harnl, und diirch Klemm»ir s
Bnobadiiafigea ist evident^ dass bei einer nährenden kost der
-Säugling ^ehneUer Kunimmt, die W T Öchnermüen sich ‘Wühler
behfuten, weniger an Gewicht ahnehmei). und doch nicht
fieberhaft'erkranken. Es entsprang aus diesen Beobachtungen
unmittelbar die Regel: wir so|lun üüyov Wöchneritiahiv
gut nährea, • feine Bügel, die von Aereuuelten Forschern
(Hehrer.) auch schon trüber gepredigt' jirul 'feegrüivdeA•v%.o : r-
deii ist, für die Aügemeinbeit allerdings noch mit recht
Go qI
e
330
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 23
illusorischem Erfolge. Auf eine ähnliche einfache Weise jedoch
plausibel machen zu wollen, dass eine Wöchnerin am ersten
Wochenbettstage das Bett verlassen soll, dem könnten doch
mancherlei Bedenken entgegenstehen. Trotzdem ist alles Ernstes
diese Frage dahin beantwortet worden, und will Grodell seine
Wöchnerinnen vom zweiten Tage an aufstehen lassen. Seine
Statistik, die ihm ein Beweis für die Richtigkeit seiner Ansicht
ist, sagt, dass von 750 nur 6 gestorben sind. Dagegen ist je¬
doch einzuwenden, dass solche Statistik in dieser Frage über¬
haupt nichts beweist; starben erstens die 6 Wöchnerinnen
daran, dass sie aufstanden, wieviel wurden ausserdem krank und
wieviel von denen, weil sie früh das Bett verlassen hatten?
Welche Schwierigkeiten dem im Wege stehen, diese letzte Frage
zu beantworten, ist oben gesagt worden. Dann aber, würden
wir selbst die günstigste Statistik von der Welt haben, würde
unter einer enorm grossen Anzahl von Wöchnerinnen, die auf¬
gestanden sind, nur eine einzige leicht erkranken, und würden
wir selbst in diesem Falle nicht nach weisen können, ob die
Erkrankung von dem Frühaufstehen herrührt, würde dann von
einer anderen gleich grossen Reihe von Wöchnerinnen, die bis
zum 9. Tage im Bett blieben, alle gesund geblieben sein, was
ergäbe sich aus einer solchen Parallele, was wäre dann heraus¬
gekommen, was resultirte als Regel? Wir liessen unsere Wöch¬
nerinnen im Bette liegen nach wie vor.
Eine practisch therapeutische Bedeutung in dieser elemen¬
tarsten Form konnten wir daher dieser Frage von vornherein
nicht beimessen, und ich würde sie auch nicht weiter angeregt
haben, wenn sie nicht ganz kürzlich in Amerika wieder dis-
cutirt worden wäre. Garrigues polemisirt gegen Goodell
und kommt dahin, dass eben die Wöchnerin im Bett bleiben
soll. Leider sind mir beide Arbeiten, die von Goodell sowohl
als die von Garrigues, nur aus dem Referat bekannt, und
war es mir nicht möglich, sie im Originale zu bekommen, so¬
viel jedoch aus dem Referate zu ersehen ist, ist von Garrigues
die Discussion mehr von allgemeinen Gesichtspunkten aus apri-
oristisch geführt als mit Daten. Das ist der einzige Grund,
weshalb ich ein paar früher einmal von mir gemachte Beob¬
achtungen der Oeffentlichkeit übergebe, ich hatte sonst längst, j
ja vielleicht von vornherein darauf verzichtet. Sie sind an der
Ülshausen’schen Klinik in Halle gemacht, während ich noch
an derselben Assistent war, und erfolgt die Veröffentlichung
mit der gütigen Erlaubniss meines damaligen Herrn Chefs.
Dass die Zahl eine relativ kleine blieb, hat seinen natürlichen
Grund einmal darin, dass dergleichen Beobachtungen schon
wegen des klinischen Unterrichts nicht übermässig lange Zeit
ausgedehnt werden können, ferner darin, dass ich Auswahl
treffen musste und nur solche Wöchnerinnen nehmen durfte,
deren Geburt möglichst physiologisch verlaufen war, und die
wenigstens äusserlich keine Verletzungen hatten. Ich liess die
Personen am ersten, zweiten u. s. w. Wochenbettstage ausser
Bett zubringen, jedoch nur dann, wenn sie selbst Lust dazu
hatten, und erstreckt sich sonach die Beobachtungsreihe über
16 Wöchnerinnen, die vor dem 4. (inclusive) Wochenbettstage
aufgestanden waren, es hatten von ihnen 6 zum ersten, 7 zum
zweiten, 2 zum dritten und 1 zum vierten Male geboren. Die
Beobachtungen, das ist zu betonen, fallen in eine Zeit, wo auf
dem Institute in Halle ein vorzüglicher Gesundheitszustand
herrschte, und es schon über Jahresfrist her war, dass einmal
eiue Wöchnerin einer puerperalen Infection erlag. Es waren
aufgestanden am 1 Tage 4, am 2. 2, am 3. 3, am 4. 7. Die
Wöchnerinnen, welche am 1. Tage aufgestanden waren — es
war in jeder Belieben gesetzt so lange ausser Bett zu bleiben,
als sie wollten — verweilten an diesem Tag über 4 Stunden nicht
ausserhalb; den nächsten Tag blieben sie schon länger auf den
Beinen, so dass sie den 4. Tag schon ganz ausserhalb des
Bettes zubrachten. Sobald eine von den Wöchnerinnen nach
dem Aufstehen fieberte, blieb sie fortan zu Bett. — Einer irgend
wie anstrengenden Beschäftigung unterzog sich die Wöchnerin
nicht, sie hatte höchstens ihr Kind selbst zu besorgen, trocken
zu legen, sonst nichts weiter zu thun.
Ein günstiger Einfluss nun, den das Aufstehen hatte, war
sofort in die Augen springend, der Einfluss auf die Function
des Darmes. Während wir sonst in den ersten Tagen des Wochen¬
bettes ausserordentlich häufig Retentio faecium beobachten, so
war es bei den aufstehenden Wöchnerinnen eine Ausnahme, dass
ein Eccoproticum nöthig wurde. Es wurde ein solches gereicht
(01. Ricini) wenn einen Tag kein Stuhlgang erfolgt war, und
war bei 13 von den 16 Wöchnerinnen während der Tage vom
Aufstehen bis zum 10. im ganzen nur 4 mal eine Dosis Rici-
nusöl verabreicht worden. Es würde durch diese Tbatsache
die Ansicht eine Bestätigung finden, dass die ruhige Bettlage
die Obstruction bedinge.
In der Urinabsonderung habe ich einen Unterschied nicht
finden können; 32 an 8 Wöchnerinnen gemachte Messungen er¬
gaben für den Tag eine Durchschnittsmenge von 1340 Ccm.,
ein Quantum, das etwa dem von Winckel gefundenen Mittel
entspricht; Catheter wurde nicht nöthig.
Die Schweisssecretion schien vermindert zu sein.
Der Appetit oder vielmehr Hunger kann wohl kaum bei
einer Wöchnerin aus niederen Ständen stärker sein, als sonst,
jedenfalls war er nicht im Vergleich zu dem der im Bett lie¬
genden gesunken.
Etwas abweichend schienen die Gewichtsverhältnisse zu sein.
Ich hätte erwartet, dass, da die Wöchnerinnen genau bei der¬
selben Kost gelassen wurden, welche die liegenden bekamen, und
welche immerhin noch zu der knappen gerechnet werden muss, sie
bei der erhöhten Muskelarbeit an Gewicht noch mehr verlieren
würden, als das Mittel des Gewichtsverlustes der Wöchnerin
überhaupt berechnet ist. War auch die Mehranstrengung,
welche die ausser Bett befindliche erlitt, eine geringe, so war
es doch immer auffallend, dass das Mittel des Gewichtsverlustes
bei 13 der beobachteten Wöchnerinnen nur 2530 Gramm wäh¬
rend der ersten 9 Tage betrug (gewogen gleich nach der Ge¬
burt und nach Beendigung des 9. Wochenbetttages). Das
Maximum betrug 4400, das Minimum 900 Gramm. Unter den
Wöchnerinnen befanden sich 2 Nichtstillende. Die Abnahme
war sehr stark in den ersten Tagen, allmäliger in den letzten,
Schwankungen derart, dass an einem folgenden Tage einmal
ein paar Hundert Gramme mehr notirt wurden, als am vorher¬
gehenden, sind ohne Belang und lassen bei der geringen Menge
| der Gewichtsbestimmungen immer noch keinen Schluss zu; (cs
sind im ganzen 146 Wägungen gemacht worden). Jedoch kann
j ich angeben, dass von 13 der 16 Wöchnerinnen 8 vom 3. Tage
an allmälig bis zum 9. im wesentlichen immer noch abnehmeu.
wenn auch nur immer wenige Hundert Gramme. Bei 4 blieb
das Gewicht vom 2., 3., 4. Tage an etwa gleich und zwar
waren diese am 3., 1., 2., 3., Tage aufgestanden, eine nahm
vom 4. Tage an, an welchem sie auch aufgestanden war, ent¬
schieden zu, ihr Anfangsgewicht (gleich nach der Geburt be¬
stimmt) erreichte jedoch bis zur Beendigung des 9. Tages keiue
wieder.
Trotzdem nun unsere Wöchnerinnen sicher nicht viel besser
verpflegt wurden, als die seiner Zeit in München, so ist auf-
I fallend, dass sich das Mittel doch erheblich unter dem von
l 7
Gassner gefundenen bewegt; Gassner berechnet den Gewichts¬
verlust in der ersten Woche bekanntlich auf 4500 Gramm,
j Mögen einen Theil dieser Differenz meine etwas kleineren Zahlen
, als Schuld tragen (Gassner’s Mittel ist aus 30 Wöchnerinnni
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10. Juni 1878
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
331
gezogen), jedenfalls berechnete ich zur Controle an 11 bis zum
9. Tage im Bett liegenden, gesunden Wöchnerinnen die Ab¬
nahme und fand hier auch nur 2890 Gramm; als Maximum
5000 als Minimum 1400 Gramm. Ich brauche natürlich nicht
zu bemerken, dass die Verpflegung der Ruhenden genau die^
selbe war als der Aufstehenden und wurde jede Nahrungszufuhr
von ausserhalb, soweit es irgend möglich überwacht.
Ich war umsomehr überrascht, keine stärkere Gewichts¬
abnahme zu finden, weder als Gassner’s Mittel noch als das von
mir gezogene, als ich mit Entschiedenheit wahrnahm, dass der
Lochialfluss bei den Wöchnerinnen ausser Bett stärker war,
als bei den liegenden; ferner war zu constatiren, dass das Lochial-
secret länger dünnflüssig, länger röthlich gefärbt, länger serös
blieb. Eigentliche Lochia lactea begannen bei den Aufstehenden,
weder bei denen, die sehr bald nach der Geburt aufstanden,
noch bei denen, die erst später das Bett verliessen, nie vor
dem 8. Tage. Eine Blutung, welche den Namen Metrorrhagie
verdiente, ist nicht beobachtet worden.
Inwiefern die längere blutige Tingirung der Lochien in
Zusammenhang stehen könnte mit einer schnelleren oder retar-
dirten Involution des Uterus, vermag ich nicht zu sagen. Es
ist wohl das wahrscheinlichere, dass die Bewegungen, welche
von den ausser Bett befindlichen Wöchnerinnen ausgeführt worden
sind, die physiologischen Genitalwunden längere Zeit offen ge¬
halten und so zu einer längeren Blutigfärbung des Secretes bei¬
getragen haben. Jedenfalls habe ich, soweit es mir durch Mes¬
sungen nachzuweisen möglich war, gefunden, dass bei 13 der
16 Versuchswöchnerinnen eine Störung der Involution des Uterus
nicht Statt gefunden hatte. Bei allen fand ich am 10. Tage
den Uterus normal anteflectirt, bequem über der Beckeneingangs¬
ebene noch zu tasten. Der innere Muttermund war für meinen
in der Mitte des Nagelgliedes 42 Mm. Umfang haltenden Zeige¬
finger bei 5 nocli eben durchgängig, bei allen anderen wäre es
nur auf forcirten Versuch möglich gewesen, ihn in das Cavum
uteri einzubringen. Die Länge des Uterus innen mittels einer
gewöhnlichen Sims’schen Sonde gemessen betrug zwischen 9
und 13 Centimetern, und zwar 9 bei 1 (die schon am 1. Wochen¬
bettstage aufgestanden war, Ilpara) 10 bei 2, 11 bei 4 und
12 bis 13 bei 6.
Wir kommen endlich zu der wichtigsten Frage, hatte das
Aufstehen der Wöchnerinnen vor Ablauf des 4. Tages Fieber
zur Folge oder nicht? Wie Eingangs gesagt, müssen wir uns
vor dem Schlüsse post hoc ergo propter hoc bei nichts mehr
hüten, als bei der Beurtheilung kleiner Fiebersteigerungen der
Wöchnerinnen, gegenüber eventuellen uns bekannten Noxen.
Nun war zu beobachten, dass bei 13 von den 16 auch nicht
die geringste Steigerung statt fand; keine derselben überschritt
während der Beobachtungszeit (10 Tage) die Temperatur von
38,0, meist hielt sich die Temperatur unter 37,8; 38,0 ist nur
im ganzen an 2 Abenden gemessen worden. Da jedoch nun
das Fieber stets an dem Tage auftrat, wo die Wöchnerin auf¬
gestanden war, von Seiten anderer Organe eine Ursache nicht
gefunden werden konnte, so stehe ich nicht an, einzuräumen,
dass dasselbe mit dem Frühaufstehen in causalem Zusammen¬
hänge gestanden habe. Es betraf die Fieberreaction eine Mehr¬
gebärende, die am 3. und 2 andere, die am 4. Tage aufgestanden
waren. Bei der einen hielt sie nur einen Abend an (38,6), um
dann wieder der normalen Temperatur Platz zu machen; bei
einer hielt sie 3 Tage, bei einer 4 Tage an und erreichte nur
bei der letzteren an einem Abende die Höhe von 40,0. Da
bei allen diesen Wöchnerinnen erst so spät im Wochenbette die
Steigerung aufgetreten war, so liegt es wenigstens nicht gerade
sehr nahe, noch an eine Infection von der Geburt aus zu denken.
Eine Infection von Aussen her während des Wochenbettes
war wenigstens in soweit vermieden worden, als bei allen Ver¬
suchswöchnerinnen weder \aginale noch uterine Injectionen
gemacht worden waren, eine Verschleppung und Uebertragung
durch Hände oder Instrumente mithin ausgeschlossen werden
konnte. Die äussere Genitalreinigung wurde mit desinficirenden
Flüssigkeiten vorgenommen. Es ist meiner Ansicht nicht un¬
denkbar, dass sich diese Wöchnerinnen durch ihre eigenen
Lochien inficirt hatten, eine Infection, die durch das Aufstehen,
Bewegungen, Wiederaufreissen von vielleicht bereits verklebten
Wunden und durch ein mechanisches Einreiben von Lochial-
secret in dieselben statt gefunden hat; es ist mir das um so
wahrscheinlicher, als gerade bei zweien Vaginalrupturen je
hinter dem Frenulum immerhin aber von sehr massiger Aus¬
dehnung und Tiefe nach der Geburt verzeichnet waren, und es
fand sich bei der nachträglichen Untersuchung die kleine Wunde
roth, granulirend, leicht blutend. Andererseits ist dem gegen¬
über hervorzuheben, dass gerade bei einer von den am 1. Tage
und bei einer von den am 2. Tage aufstehenden ähnliche Ver¬
letzungen von derselben Grösse bestanden hatten, und doch
fieberten diese Wöchnerinnen nach dem Aufstehen nicht. Nur
bei einer der 3 fiebernden Wöchnerinnen fand sich bei der Ent¬
lassung ein kleines Exsudat im linken Parametrium.
Dies sind also die Thatsachen, und wie gestaltet sich nun
unser Resume, vielmehr wie motiviren wir dadurch die bereits
oben ausgesprochene Ansicht, dass man das Wochenbett nicht
auf wenige Tage reduciren soll.
Können wir ja auch die bei ruhiger Bettlage so häufige
Coprostase leicht beseitigen, so ist es doch ein entschiedener
Vortheil, dass die herumlaufenden Wöchnerinnen ohne Nachhilfe
ihr^ Leibesöffnung haben. Dass Coprostase gerade in der Zeit,
wo der Genitalapparat am leichtesten zu Entzündungen dispo-
nirt ist, als etwas gleichgültiges zu betrachten sei, lässt sich
nicht ohne weiteres zugeben; ich erinnere an die Phlegmonen
des Bindegewebes unter den Douglas’schen Falten (Parame-
tritis posterior), welche, wie B. S. Schultze hervorhebt, in
sicher nicht seltenen Fällen ihre erste Ursache in Coprostase
hat. Es wäre also, wenn wirklich auch nur dieser eine Vor¬
theil aus dem Aufstehen erwüchse und sonstige Nachtheile nicht,
immer noch zu discutiren, *ob man nicht eben lieber die Wöch¬
nerinnen herumlaufen lassen soll. Dass sich der Uterus ausser
Bett schlecht involvire, ist nach meinen Beobachtungen nicht
gerade sehr Wahrscheinlich; ich muss gestehen, ich neige zu
der Ansicht, dass ein succulentes, in lockeres Bindegewebe ein¬
gehülltes Organ in seinem durch Resorptionsvorgänge bedingten
Involutionsbestrebungen eher dadurch unterstützt wird, dass
alle Leibesfunctionen normal sind, durch Bewegung der Circu-
lation in Anregung gebracht und der träge Venenstrom be¬
schleunigt wird, besser jedenfalls, als in ruhiger Rückenlage.
Garrigues scheint nach dem Referate des Dr. Munde in
New-York besonders die Schwere des puerperalen Uterus zu
bestimmen, die Wöchnerinnen so lange im Bett zu lassen, bis
der Fundus unterhalb des Beckeneinganges steht. Es mag ja
a priori die Befürchtung gehegt werden können, dass so ein
schweres Organ, wie der eben entbundene Uterus, eigene der
Gravitation folgende und von seinen normalen Fixationen un¬
abhängige Bewegungen mache, um so eher, als die Fixationen
kurz nach der Geburt lockerer, nachgiebiger zu sein scheinen,
als sonst; dass es so abnorme Stellungen einnähme, welche even¬
tuell stabil und zu bleibenden Lageveränderungen werden könnten.
Bekanntlich rieth in diesem Sinne Tylor Smith und Eduard
Martin, dass die Wöchnerinnen lieber auf der Seite liegen
sollten, als auf dem Rücken, damit so der sonst leicht ent¬
stehenden Retroversion vorgebeugt würde. Glaube ich nun
auch nicht, dass ohne weiteres, bloss nach den Gesetzen der
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No *23
Schwere eine Lageveränderung des Uterus (etwa durch conse-
quente Rückenlage der Wöchnerin) eine Retroversion entsteht,
wenn anders seine Befestigungen im Becken normale sind,
und haben auch die Beziehungen von Lageveränderungen zum
Wochenbette durch B. S. Schultze’s Arbeiten eine ganz andere
Gestalt bekommen, derart, dass danach eine solche unmittelbare
Aetiologie nicht recht denkbar ist, so wäre andererseits hervor¬
zuheben, dass der Uterus puerperalis am leichtesten dem Gesetze
der Schwere Folge leisten würde, ohne zugleich von seiner
normalen Stellung abweichen zu müssen, in der aufrechten
Körperhaltung der Frau; da fiele der Fundus vorn über, der
Uterus liegt antevertirt, anteflectirt.
Dass ferner durch die aufrechte Körperhaltung eine anomal
tiefe Senkung des Organes einträte, auch das ist mir nach
Messungen, die ich an Puerperen angestellt habe, nicht ersicht¬
lich geworden. Steckt man in den Uterus einer liegenden Wöch¬
nerin eine Schultze’sche Sonde No. 10 und führt sie soweit ein
als möglich, lässt die Frau dann aufstehen, so ragt die Sonde
nicht weiter aus den äusseren Genitalien heraus, als bei der
Liegenden, eher kam es mir manchmal vor, als ob man sie bei
der stehenden Person noch eine Idee weiter — über die ge¬
machte Marke hinaus — hätte hineinschieben können. Dabei
ist es gleichgiltig, ob die untersuchte Person eben aufgestanden
ist, oder ob sie bereits den ganzen Tag ausser Bett in auf¬
rechter Stellung verweilt hat. Ich glaube sonach, der Uterus
behält, ob die Frau steht, ob sie liegt, einen normalen Zustand
seiner Befestigungen im Becken vorausgesetzt, im wesentlichen
dieselbe Situation im Becken, und sind Lageabweichungen
nennenswerthen Grades von der Gravitation allein nicht ab¬
hängig, sondern, oder höchstens dann, wenn Alterationen seiner
Befestigungen vorliegen.
Doch zur Hauptsache. Drei von unseren Versuchswöch¬
nerinnen hatten gefiebert und bekannte ich schon oben, dass
ich zugebe, dass das Fieber von dem Aufstehen abhängig ge¬
wesen sei. Ueber den Entstehungsmodus hatte ich mich bereits
verbreitet. Ich hatte die Ansicht ausgeprochen, dass durch
Bewegungen die Genital wunden leicht maltraitirt werden, und
so leicht neue Resorptionsstätten für septische Stoffe werden
könnten. Es würde daher dem modernen Gange, den die
Wochenbettstherapie genommen hat, und der zu ihrem Heile
lediglich nach den für die Wundbehandlung allgemein geltenden
Principien construirt ist, gerade entgegen laufen, wollten wir
für das Wochenbett das bekannte Wort des grossen Philosophen:
Suivez toujours les indications de la nature so weit dehnen, als
wir die Wöchnerin jeder Obhut unbedürftig betrachten wollten
und sie das Bett verlassen heissen, wenn es ihr passt. Die
Wunden, welche jede Geburt schlägt, sind es, die es verlangen,
dass bis zu ihrer Heilung die Bauch- und Beckenorgane mög¬
lichst in Ruhe gelassen werden, die Wunden an den Genitalien
verlangen diese Ruhe um so eher, als sich in ihrer Nähe stets
ein leicht inficirender Körper, die Lochien, befindet. Für die
gewöhnlichen physiologischen Wunden mögen 7 bis 10 Tage
Ruhe genügen. Sind sie dann nicht verklebt, so granuliren
sie sicher so lebhaft, dass sie so gut wie resorptionsun¬
fähig geworden sind. Vier bis fünf Tage genügen durchweg
noch nicht; ich erinnere an die Kehrer’schen Versuche, durch
die nachgewiesen ist, dass gerade um diese Zeit des Wochen¬
bettes die Lochien am infectiösesten wirken. Sind grössere
Wunden da, so sei die Länge der Bettruhe verhältnissentsprechend
eingerichtet.
Also trotz Goodell’s Statistik müssen wir, was diesen
Zweig der Wochenbettsdiätetik betrifft, am alten Zopfe fest-
halten, und müssen unsere Wöchnerinnen etwa eine Woche
ruhen lassen. Einwände, dass bei so und so vielen Wöchne¬
rinnen, die ein gegentheiliges Verhalten einschlugen, nichts
nachtheiliges beobachtet sei, sind ohne weiteres von der Hand
zu weisen. So weit dergleichen Erfahrungen richtig sein können,
sammelt sie in der Armenpraxis jeder Arzt; dass aber wirklich
in allen den Fällen nichts geschadet ist, der wirkliche palpable
Nachweis dafür fehlt noch für die kleinste Statistik.
Endlich möchte ich den Leser nochmals bitten, nicht die
relativ niedrigen Zahlen, die ich gegeben habe, allein verant¬
wortlich zu machen für die von mir ausgesprochenen Grund¬
sätze. Unsere klinischen Institute sind, da sie zugleich dem
Lehrzwecke dienen, nicht recht geeignet das Material zu solcheu
Experimenten zu liefern. Die Versuche wurden daher auch nur
während der Ferien angestellt, und ich bin Herrn Prof. 01s-
hausen ausserordentlich dankbar dafür, dass er mir die Er¬
laubnis dazu .ertheilte. Ich wäre in der Lage, dergleichen
Versuche fortzusetzen und die Zahlen zu vergrössern; jedoch
ich kann wohl sagen, dass ich das für meine Ueberzeugung
nicht nöthig habe; und dann widert es mich doch an, gegen
meine bessere Ueberzeugung die Wöchnerinnen wohl gekannten
Gefahren auszusetzen. — Sollte bei uns in Deutschland jemand
zu seiner Ueberzeugung grössere Zahlen nöthig haben, so
könnte er nur Kliniken mit ungewöhnlich grossem Geburts¬
material oder Entbindungsanstalten, die nicht zugleich Univer¬
sitätslehrstätten sind, die Aufgabe stellen, ihm diese zu liefern.
II. Qneeksilbernaehweis in Harn mittelst Messingwallc.
Aus dem Laboratorium der medicinischen Klinik zu Heidelberg
mitgetheilt von
Dr. Paul FÜrbrlnger, Privatdocent.
Das im vorigen Jahre der Oeffentlichkeit übergebene Lud¬
wig’sehe Verfahren zum Nachweis des Quecksilbers in thieri-
schen Substanzen l ) theilt mit den früheren Methoden (insbe¬
sondere iener von Schneider 2 )) die Vorzüge einer eminenten
Empfindlichkeit und vermeidet die den ersteren anhaftenden
Nachtheile eines geradezu peinlichen Zeitaufwandes, sowie die
Unerlässlichkeit des Besitzes complicirter electrolytischer Appa¬
rate. Es wird daher zur Zeit fast ausschliesslich von Klinikern
und Aerzten geübt*).
Sein Princip, mit dem der Schneider’schen Methode über¬
einstimmend, besteht in der Amalgamirung eines fein vertheilten,
in der Flüssigkeit suspendirten Metalles (Kupfer- oder Zink¬
staubs), das zugleich Erzeuger der electrolytischen Reductions-
Vorgänge ist, Abscheidung des Quecksilbers aus dem Amalgam
durch Erhitzen im Glasrohr und Ueberführung in die Jodidver¬
bindung auf die längst bekannte Art 4 ).
1) Wiener med. Jahrb. 1877, p, 143—151.
2) Sitzungsber. d. k. k. Acad. d. Wiss. XL, p. 239.
3) Eine in demselben Jahre publicirte, dem gleichen Zweck dienend«
Methode von Mayer (Wien. med. Jahrb. 1877, p. 29 — 38), nach des
Autors Angabe von extremer Empfindlichkeit (0,00002 Hg noch „deut¬
lich“ nachgewiesen) dürfte sich des erforderlichen stundenlangen Kochens
und grösseren Apparats wegen für die Postulate des Practikers
schwerlich neben dem Ludwig’schen Verfahren behaupten.
4) Um den Leser in den Punkten, auf welche im Texte verwiesen
werden wird, schnell zu orientiren, halte ich eine kurze Characteristik
der Ludwig’schen Methode an diesem Orte für angezeigt: Der Autor
lässt in ca. Liter des mit 1—2 Ccm. H CI versetzten auf 50—60° C.
erwärmten Harns ungefähr 5,0 des Metallpulvers unter Umrühren ein¬
tragen, vom abgesetzten Sedimente decanthiren und dieses selbst auf
dem Filter mit heissem Wasser auswaschen, bei 60° C. trocknen und
in das Destillationsrohr cinbringen. Letzteres, aus einem Verbrennungs¬
rohr von 1,2 Cm. inneren Durchmessers gefertigt, hat eine Gesamnit-
länge von ca. 40 Cm., von denen etwa der 3. Theil auf den capillar
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10. Juni 1878,
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 333
Mittelst dieser Methode hat man bis zu 0,0001 Hg (als
Sublimat) in 500 Ccm. Harnes oder Wassers nachzuweisen
vermocht.
Ich selbst habe diese Methode mit Freuden begrüsst, sie
längere Zeit im Laboratorium der Klinik des Herrn Geheimrath
Friedreich gehandhabt und finde mich im Besitze zahlreicher
Harnanalysen, sowie in der Lage, die Angaben des Autors für
die weitaus überwiegende Mehrzahl der Versuche bestätigen zu
können; jedoch nicht für alle, selbst solche nicht, die nach
gründlicher Uebung und mit sorgfältigster Befolgung aller vor¬
geschriebenen Cautelen ausgeführt worden sind. So hat sich
beispielsweise bei Verarbeitung eines Liters, 0,5 Milligramm Hg
als Chlorid enthaltenden Harnes der gänzliche Misserfolg nicht
vermeiden lassen, während dasselbe auf die Hälfte verdünnte
Quantum (0,00025 Hg) einen deutlichen rothen Jodidring lieferte.
Es sind besonders 2 Klippen, an denen, wie übrigens auch
der Autor zugiebt, das richtige Resultat der Analyse scheitern
kann. Als die weitaus gefährlichste muss ich die Conden-
sation von Wasserdampf in dem kugelförmigen Abschnitt
zwischen Verbrennungsrohr und Capillare beurtheilen. Wird
derselbe nicht als solcher vom Luftstrom fortgeführt, was bei
einem irgend erheblichen Quantum in der Regel nicht ge¬
lingt, so ist selbst bei einer Weite des Capillarlumens bis zu
0,15 Cm. beim Versuch, das Quecksilber aus der Kugel durch
Erhitzen dieser zu evacuiren, fast stets die unausbleibliche
Folge, dass eine mehr weniger beträchtliche Quote, ja selbst
die ganze Menge des Metalldampfes mit dem ausfahrenden
Wasser aus dem Apparat fortgerissen wird.
Es wird sich fragen, was in letzter Instanz für diesen Vor¬
gang verantwortlich gemacht werden muss, und ob sich diese
Cnzukömmlichkeit vielleicht in den früheren Phasen des Ver¬
suchs vermeiden lässt.
Selbst nach vollständigem Trocknen des Amalgams können
relativ reichliche W r assermengen überdestilliren, Beweis, dass die
Quelle derselben nicht in der dem Metallpulver anhaftenden
Feuchtigkeit gesucht werden darf. Vielmehr sind es die theer-
artigen Producte, welche durch Verbrennung der vom Metall¬
staub aus dem Harn mitgerissenen organischen Körper sich
entwickeln und beim Contact mit dem glühenden Kupferoxyd
u. a. Wasser als Spaltungsproduct liefern. Ob diese Körper
aber in zu reichlicher oder unschädlicher Menge mitgefällt werden,
hängt von der Beschaffenheit des Harnes, insbesondere von der
Concentration desselben ab ! ).
Ein zweiter Uebelstand, der bei Anwendung von Zinkstaub
mitunter sehr störend empfunden wird und die richtige Deutung
des Resultats vereiteln kann, beruht, worauf übrigens der Autor
selbst eigens aufmerksam macht, auf der Ablagerung von
Zinkoxyd auf der Innenseite der Capillare. Es ist selbst bei
vorsichtigster Regulation der Flamme nicht immer zu verhüten,
ausgezogenen Abschnitt fallt. Zwischen diesem (Caliber: 0,1—0,15 Cm.)
und dem ursprünglichen Verbrennungsrohr findet sich eine kugelförmige
Auftreibung mit Asbestabschluss gegen das letztere. Ausserdem ist dem
Amalgam eine oberflächlich oxydirte Spirale von Kupferdrahtnetz vor¬
gelagert. Das andere Ende des Rohrs communicirt mit einem Gasometer,
welcher den Luftstrom liefert. Das Erhitzen geschieht im Verbrennungs¬
ofen mit 6— 8 Brennern während 10—15 Minuten. Das in die Kugel
überdestillirte Quecksilber wird durch Erhitzen dieser in die Capillare
geschafft, diese sammt Kugel abgeschnitten vermittelst Cautschukkappe
und Aspirator mit Jod chargirt, unter Fortdauer der Aspiration erwärmt
und somit die Erkennung des Metalls als rothes Jodid ermöglicht.
1) Ich bin aber auch auf specifisch leichte Harne gestossen, bei
deren Verarbeitung es factisch unmöglich war, zu vermeiden, dass die 1
überdestillirenden Wassermengen in der Capillare derart ihr Unwesen j
trieten, dass jede Spur von Quecksilber schleunigst den Apparat vcrliess. '
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| dass diese Beschläge die Quecksilberanflüge völlig überlagern
und deren Erkennung als Jodid unmöglich machen.
Die beiden Fragen also:
1) Lässt sich ein Amalgam hersteilen, das beim Erhitzen
im Verbrennungsrohre keine störenden Mengen theerartiger Ver¬
bindungen resp. Wassers liefert?
2) Lässt sich die Verunreinigung und Ueberlagerung des
überdestillirten Quecksilberanflugs mit Metalloxydbeschlägen
vermeiden?
mussten auf dem Wege des Experimentes zu lösen gesucht werden.
Gleichzeitig aber entstand ein drittes Postulat: Es galt
mir, ein einfaches, handliches Verfahren zu construiren, welches,
nicht nothwendig auf das Laboratorium angewiesen, der Prac-
tiker auch ohne die durch die Ludwig’sche Methode geforderten
Apparate auszuführen vermöchte. In Sonderheit war ich be¬
müht, Verbrennungsofen und Gasometer auszuschliessen. In
zweiter Linie suchte ich die Construction des Destillationsrohres
derart zu vereinfachen, dass dasselbe a tempore herzustellen,
endlich die Zeit, welche das Sedimentiren des Amalgams, das
Waschen auf dem Filter und Trocknen bei erhöhter Temperatur
beansprucht, durch Ausschluss des Filters und Wasserbades auf
das Thunlichste zu reduciren. .
In wieweit es mir gelungen, den Categorien der gestellten
Anforderungen gerecht zu werden, mögen Diejenigen entscheiden,
welche mein Verfahren geübt und geprüft haben werden.
Die erste Anordnung des Versuches gründete sich auf das
bekannte Experiment der Reduction eines gelösten Quecksilber¬
oxydsalzes beim Einbringen zweier in Contact stehender Me¬
talle 1 ) der Spannungsreihe in die Lösung und bestand in der
Eintragung von echtem 2 ) und „unechtem*)“ Blattgold in den
angesäuerten Harn. In der That erschöpfen je ca. 100 Q.-Cm.
der genannten Folien in einigen Minuten den Quecksiltyergehalt
so vollständig, dass es auf keine Weise mehr gelingt, eine Spur
des Metalls durch nachträgliches Einbringen von Zinkstaub nach¬
zuweisen. Zu demselben Resultat gelangte ich, wenn ich die
Goldfolie beim Versuche ganz ausschloss, Beweis, dass der Con¬
tact der Messingfolie mit dem Harn zu der erörterten Strom¬
wirkung genügt 4 ). Wurde dafür gesorgt, dass die gewöhnlich
in Fragmente zerstobenen Folien durch Umrühren mit allen
1) Z. B. einer Goldmünze, die in einer Sublimatlösung mit einem
Zinkspahn berührt wird. Es erfolgt sofort Amalgamirung des Goldes
an der Berührungsstelle, da das Zink vom Wasser H abspaltet und
dieser durch Bildung von HCl das Quecksilbersalz reducirt, etwa nach
folgendem Schema:
Au^HgCLJH, Q_Zn
2) Ich habe solche Folien ohne jede Spur unedlen Metalles aus der
Blattgoldfabrik von Erlenbach in Fürth benutzt.
3) Zumeist aus Kupfer, dem etwas Zink zugesetzt, bestehend.
4) Man wird sich die Erzeugung des Stromes hier so vorzustellen
haben, dass beim Contact der Messingfolie mit der angesäuerten Flüssig¬
keit eine oberflächliche Schicht der ersteren mehr weniger in Oxyd¬
salz verwandelt wird. Sobald dies geschehen, haben wir die Bedingungen
des Entstehens eines galvanischen Stroms: zwei heterogene Leiter
in einer Flüssigkeit, nämlich das Messingmetall und, wenn man so
sagen darf, das Messingoxyd (bei Verwandlung des Zinkstaubes Zink¬
oxyd). Sobald auch nur eine Spur von Quecksilbermetall durch Re¬
duction frei geworden, haben wir es mit mehrfachen Strömen zu thun.
Es scheint, als ob auch in der Legirung des Messings selbst eine elec-
trische Spannung gelegen, und dass der durch die Gegenwart der
3 Metalle und ihrer Oxydationsstufen bedingten complicirten Strom¬
wirkung die schnelle und vollständige Quecksilberausscheidung zuzu¬
schreiben ist. Derselbe Vorgang liegt wohl auch der rapiden Amalgami¬
rung der Messing-Quetschhähne zu Grunde, welche bisweilen beim Ur-Titri-
ren mit salpetersaurem Quecksilber in höchst unerwünschter Weise auf-
tritt. Warum bei Benutzung von Gold allein keine Reduction und
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Original from
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 23
Schichten des Harns in Contact gelangten, wurden erstere ge¬
waschen und getrocknet, so bildeten sie, einfach zum Kügelchen
zusammengerollt, ein Material, das bezüglich der Einbringung
in das Destillationsrohr (s. u.) und der Abscheidung des Queck¬
silbers in demselben ungleich günstigere Bedingungen bot, als
das so schwer handliche Zinkamalgampulver.
Störend wurde indess bei der Evacuation der Metallblätter
die Zartheit derselben empfunden: Die flottirenden Membranen
erschwerten ein schnelles Decanthiren, ihre innige Anschmiegung
an’s Filter die Trennung von demselben. Ich benutzte deshalb
in der Folge stärkere Messingfolien und glaube nach zahlreichen
Versuchen endlich in einem aus demselben gefertigten Präpa¬
rat, das ich als „Messingwolle" bezeichnen will, das geeignetste
Präparat für den in Frage stehenden Zweck gefunden zu haben.
Dieses Präparat wird entweder dadurch hergestellt, dass man
sogenanntes Rauschgold 1 ) in Fäden zerschneidet, oder aber
besser aus der Fabrik bezogen *). Man vermag mit diesem hand¬
lichen Material’) auf die denkbar einfachste Weise unter Er¬
sparung von Trichter, Filter und Trockenapparat zu arbeiten.
Es gestaltet sich mein Verfahren nunmehr folgendermassen:
In 500 bis 1000 Ccm, des fraglichen, mit irgend einer Mi¬
neral- oder stärkeren Pflanzenaäure 4 ) versetzten und auf 60 bis
80° C. im Becherglase erwärmten Harns 5 ) wird 7 4 bis 72 Grm.
möglichst aufgefaserter Messingwolle e ; ngetragen und 5—10 Mi¬
nuten unter öfterem Umrühren mit demselben in Contact ge¬
lassen. Der Harn wird hierauf einfach abgegossen, durch heisses
Wasser behufs Waschen des amalgamirten Metalls ersetzt, die
gewaschene Wolle mit der Pincette aus dem Glase gehoben,
durch Schwenken von den anhaftenden Wassertropfen befreit,
mit absolutem Alcohol und endlich mit Aether gewaschen.
Hierdurch wurden 2 Vortheile erreicht, einmal Befreiung des
Amalgams von solchen mitgefüllten organischen Verbindungen,
welche in Alcohol und Aether, aber nicht in Wasser löslich
sind, und dann fast augenblickliches Trocknen bei gewöhnlicher
Temperatur. Hat man nur dafür Sorge getragen, dass sämmt-
liche Fäden in Alcohol und Aether untergetaucht waren, so
genügt ein kurzes Schwenken des aus dem Aetherbade geho¬
benen Metalls zum völligen Abdunsten des Aethers. Die letzte
Spur von Feuchtigkeit kann man ausserdem durch Einwickeln
der Wolle in Fliesspapier und Klopfen, Drücken etc. entfernen.
Das trockene Präparat wird hierauf mit dem Finger zu einer
Kugel oder Spindel zusammengerollt und in das Destillations¬
rohr eingeschoben. Die genannten Manipulationen vollziehen
Amalgamirung stattfindet, ist aus dem Gesagten klar: Es kann sich
hier keine Goldverbindung als zweiter heterogener Leiter bilden.
1) Knitternde Messingmembranen.
2) Herr Papierhändler J. Wettstein Nachfolger dahier (Haupt¬
strasse No. 161) hält solche Messingwolle, die besonders zum Verzieren
der Weihnachtsbäume verwandt wird, vorräthig und giebt das Viertel¬
pfund (zu ca. 300 Analysen ausreichend) für den Preis von ca. 2 Mark
ab. Die Angabe der Fabrik wird mir auf das entschiedenste verweigert,
weil man Fahndung auf gesundheitswidrige Eigenschaften dieser Zierat
verinuthet.
3) Dasselbe stellt ein Gewirr von bandartigen, 10—100 Gm. langen
Messingfäden dar, die bei einer Breite von durchschnittlich 0,05 Cm.
so dünn ausgewalzt sind, dass auf das Gramm eine Länge von 12 bis
15 Metern kommt.
4) Teil pflege mit höchstens 5 Promillen Schwefel-, Salz- oder Essig¬
säure anzusäuren. Die Amalgamirung erfolgt auch bei Gegenwart der
normalen Harnphosphorsäure, ja sogar in neutralen und alealischen
Harnen, aber viel langsamer als bei Gegenwart stark leitender Säuren.
5) Derselbe bedarf keiner weiteren Vorbereitung: weder Trübung
noch Zersetzung, noch Eiweiss- oder Zuckergehalt stört. Nur stark sehleim¬
und eiterhaltig faulende Harne eignen sich schlecht zur directen Ver¬
arbeitung.
sich selbst für den Anfänger in durchaus geläufiger Weise binnen
einiger Minuten.
Meine Destillationsröhren werden höchst einfach aus dünnem
Verbrennungsrohre construirt. Ich benutze solches von 0,6 bis
0,8 Ctm. inneren Durchmessers, bringe es in einer Entfernung
von ca. 12 Ctm. vom offenen Ende in die Flamme einer Blase¬
lampe *) und ziehe es daselbst capillar aus. Die Capillare, deren
dünnster Lichtungsdurchmesser mindestens 0,1 Ctm. betragen
muss, 2 ) wird ungefähr in einer Länge von ca. 5 Ctm. abge¬
brochen,*) die Metallwolle eingeschoben und das Verbrennungs¬
rohr nochmals hinter derselben (etwa bei x der Figur) in gleicher
Weise capillar ausgezogen. 4 ) Auf diese Weise erhält man ein
spindelförmiges Destillationsrohr von ca. 15 Ctm. Gesammtlänge,
dessen mittlerer ca. 4 Ctm. langer Abschnitt das amalgamirte
Metall einschliesst. Letzteres liegt vom Beginn der Capillaren
beiderseits mindestens 1 Ctm. entfernt der Innenwand des Rohres
fest an. Die Capillaren bilden die bequemsten Handhaben beim
DcstiLlationsrohr. Die punctirten Linien zeigen die Conteuren
des Verbrennungsrohres unmittelbar nach dem Einschieben der
Metallwolle (a) au. b b Quecksilber nach dem Erhitzen.
Erhitzen des Mitteltheils, das am besten über einer ruhigen,
breiten Bunsen’schen Flamme vorgenommen wird. Dasselbe
darf niemals über die eben beginnende dunkle Rothgluth der
Metalleinlage gesteigert werden. Je genauer man die Flammen-
^ Wirkung begrenzt durch unverrückt gleichmässiges Rotiren des
; Destillationsrohres in derselben, um so schärfere Ringe bildet
j das in die Capillaren überdestillirende Quecksilber an der Innen¬
wand derselben. Neben den Quecksilberringeu, die oft haarscharf,
kaum mit der Loupe zu erkennende Anflüge vorstellen, destillirt
meist etwas Zinkoxyd über, das indess, und hierauf kommt
es an, vermöge der geringeren Flüchtigkeit sich diesseit des
Quecksilberringes zu Ringbeschlägen condensirt und sich bei Ein-
! haltung der genannten Cautelen niemals über den ersteren lagert,
j Theerartige Producte fehlen in der Regel ganz 5 ), wenn das Amal-
1 gam wie erwähnt gewaschen und völlig getrocknet wurde. Nur
I bei Verarbeitung sehr concentrirter Harne destilliren sie bis¬
weilen, zum Theil in Form von Wasserdampf 6 ) mit über, jedoch
j nie in einer solchen Menge, dass sie den Versuch scheitern
| lassen, da sie niemals das Capillarlumen ausfüllen, sondern
1) Zur Noth genügt auch ein gewöhnlicher Bunsen’scher Brenner
oder eine Spirit usflamme.
2) Die Herstellung solcher Capillaren gelingt bei einiger Uebung
leicht. Man beginne erst mit dem Zug im Augenblick, wo man das
glühende Rohr aus der Flamme hebt und verstärke ihn sehr schnell.
3) Indem man dies längs des ganzen Verbrennungsrohres in einer
Entfernung von ca. 20 Ctm. zu 20 Ctm. wiederholt und die erhaltenen
Spindeln in der Mitte durchschneidet, erhält man in kürzester Zeit einen
grösseren Vorrath von Destillationsröhren zur Chargirung mit der amal
gamirten Metallwolle fertig.
4) Man wähle hier die Flamme möglichst schmal, damit das dies-
I seitige Ende der Metallwolle nicht ins Glühen gerathe und Oxyd liefere.
Geringere Erhitzung schadet nicht, da etwa überdestillirendes Queck¬
silber den Apparat nicht verlassen kann.
5) Die Menge der von der Messingwolle mitgefällten Verbindungen
ist überhaupt verschwindend klein gegenüber der von dem Zinkstaub
aufgenommenen Quote, der einem schweren Niederschlag ähnlich diese
mit sich niederreisst.
6) In Folge des Contacts mit den erhitzten Messingfäden, die glühen¬
dem Kupferoxyd ähnlich wirken.
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höchstens in Form kleinster Tröpfchen am Glase haften, die j
zudem meist durch die Hitze abdampfen.
Der einmal gebildete Quecksilberring bedarf keines weiteren
Transportes, sondern wird an Ort und Stelle in Jodid verwandelt.
Zu diesem Behuf kann man 2 Wege einschlagen: entweder man
schöpft unmittelbar nach dem Erhitzen einige wenige Körnchen
reinen Jods durch die Capillaren *) in den Uebergangstheil zum
Mittelstück (aber nicht bis zum Metall selbst*)), woselbst
sie verdampfen nnd sehr bald sich mit dem Quecksilber ver¬
binden, oder, was sicherer, man lässt erkalten, bringt einige i
Körnchen Jods in die Gegend des Quecksilberringes (die jenseits
der deutlichsten Zinkoxydringe zu vermuthen) und erwärmt |
dort über kleinster Flamme.*) |
In beiden Fällen verbindet sich auch das Jod mit den
Oxydbeschlägen des Hessings und je nach dem Grade des Ein¬
wirkens entsteht eine reich nuancirte Farbenskala der Beschläge
vom hellen Gelbbraun bis zum gesättigten Braunroth. 1 2 3 4 ) Er¬
scheinen neben diesen Ringen nicht die characteristischen rothen
des Quecksilberjodids resp. die gelben des Jodürs, die sich durch
Zuführung von etwas Joddampf in die ersteren rothen ver¬
wandeln, so darf das Resultat als positiv nicht beurtheilt
werden. 5 ) Die einmal gebildeten rothen Jodidringe verhalten j
sich Monate und Jahre lang unverändert, während die übrigen j
Beschläge z. Th. mit der Zeit schwinden, weshalb die Destilla- j
tionsröhren in toto durch die Aufbewahrung als Demonstrations¬
objecte eher gewinnen.
Ich habe bis zur Zeit mehrere Hundert von Harnanalysen
auf die beschriebene Art ausgeführt, deren Resultat seiner Zeit
mitgetheilt werden soll.
Bezüglich der Empfindlichkeit dieser Methode fasse ich
meine Erfahrungen dahin zusammen, dass es mir nicht möglich
gewesen, gegenüber der Schärfe der Ludwig’schen Methode
eine Differenz zu constatirem 6 )
1) Die man zweckmässig durch Abbrecben der Enden etwas verkürzt.
2) Das in erhitztem Zustande durch den Contact mit freiem Jod
sehr voluminöse gelbbraune Verbindungen von ähnlicher Flüchtigkeit
wie das Quecksilber-Jodid liefert.
3) Am besten kleineren Weingeistflämmchen. Gasflammen deckt man
zweckmässig mit Drahtnetzkappe, um sie möglichst cinschrauben zu
können. Niemals darf das Glas in die Flamme gehalten werden. Es
gilt vor allem, einen Wärmegrad zu erhalten, der Jod, aber nicht Queck*
silberjodid verdampft. Bei starkem Erhitzen wird nicht nur der Jod¬
quecksilberring in statu nascenti zerstört, sondern es kommt auch zum
Transport der Zinkoxydbeschläge, deren Dampf sich jenem der Jod¬
verbindung mischen und somit das Resultat der Versuche vereiteln kann.
Man befolge in solchen Fällen von Zerstreuung des Jodquecksilbers den
Rath Ludwigs und ziehe die Capillaren langsam durch die Flamme,
derart , dass sich ein neuer Ring jenseits des ursprünglichen conccn-
triren kann.
4) Bei erheblicherem Ueberschuss von Jod, vor dem ganz besonders
zu warnen, ausserdem die voluminösen schwarzblauen Beschläge des
freien Jodmetalles.
5) Das sicherste Erkennungsmittel bleibt immer die Farbe der
Ringe. Ihre Löslichkeit in Jodkaliumlösung, die Configuration der
Krystalle, falls solche, was selten der Fall, wohl ausgebildet, ist weniger
massgebend. Man lernt übrigens sehr bald die „echten“ Ringe Von den
Pseudobeschlägen unterscheiden, selbst bei haarfeiner Breite. Matt
schwarze Grundlage und helles auffallendes Licht erleichtert ganz be¬
sonders ihre Entdeckung.
6) Während Mengen von V 4 bis V* Milligrm. Hg. stets mit aller
Prägnanz in Flüssigkeitsmengen von 2—300 Cctm. nachgewiesen werden
konnten, mangelte bei Probeversuchen mit 0,0001 Hg. und darunter
bisweilen die erwünschte Deutlichkeit des Resultates. Nur in ganz
vereinzelten Fällen blieb jede Spur des erwarteten rothen Beschlages
aus. Wie schon erwähnt, habe ich dieselbe Erfahrung auch bei Uebung
ier Ludwig’schen Methode gemacht.
Ich habe meine Zuhörer das Verfahren völlig a tempore
üben lassen. Das Anfertigen des Destillationsrohres gelang ohne
jede Vorbereitung, und abgesehen von der Ueberführung des
Quecksilbers in die Jod Verbindung, die zumeist etwas Nach¬
hilfe erforderte, ging jede Phase des Versuches glatt von statten. 1 )
Ich bin zur Zeit damit beschäftigt, auch auf andere Körper¬
flüssigkeiten dieses Verfahren zu übertragen ohne der Einbrin¬
gung von chlorsaurem Kali behufs Zerstörung der organischen
Verbindungen benöthigt zu sein, und werde etwaige positive
Resultate noch nachtragen. Fast das gesammte für den Gegen¬
stand dieser Mittheilung erforderliche Material verdanke ich
der Liberalität des Herrn Geheimrath Friedreich, und gern
gebe ich dem dankbarsten Verständniss für seine Güte an dieser
Stelle Ausdruck.
III. Ans der Klinik des Hern Geh. Rath Pref. Freriehs.
Zar Lehre von der amyleidea Entartung der Nieren.
Von
Dr. HK. Litten,
Assistenten an der medicin. Klinik und Docenten
an der Universität Berlin.
(Schluss).
üm auf den Ausgangspunkt unserer Betrachtung zurück-
znkommen, so würde sich die vorliegende Frage so gestalten:
beruht die Eiweissausscheidung bei der amyloiden Degeneration
der Nieren lediglich auf der Entartung der Gefässe, oder bedarf
es dazu noch besonderer Veränderungen der Epithelien resp.
anderer Abschnitte des Nierengewebes. Diese Frage muss nach
dem bis jetzt vorliegenden klinischen und anatomischen Material
dahin beantwortet werden, dass die blosse amyl. Entartung
der Nierengefässe genügt, um Eiweiss im Harn auf-
treten zu lassen, dass aber letzteres nicht jedesmal
auftreten muss, wenn die betreffende Entartung der
Gefässe vorhanden ist. Ich stütze mich hierbei ausser auf
meine eigenen Beobachtungen vorzugsweise auf eiue Angabe
Bartels 1 ), welcher sich in seinem Handbuch der Krankheiten
des Harnapparates (p. 464) folgendermassen ausspricht: „allein
deshalb kann ich auch mit Gewissheit sagen, dass in Fällen
von reiner Amyloiderkrankung der Nieren Eiweiss einen con-
stanten Harnbestandtheil bildet, sobald diese Entartung deut¬
lich erkennbare Veränderungen an den Nieren zu Wege gebracht
hat.“ Aehnliche Beobachtungen scheint auch Traube gemacht
zu haben*): „So lange die Amyloidentartung nur auf einzelne
Partien des Gefässapparates beschränkt ist — ich habe Fälle
gesehen, in denen sie sich auf einzelne Glomerulus-Schlingen
beschränkte — können die Nieren, obgleich im Harn schon
characteristische Veränderungen sich zeigen, noch völlig normal
aussehen.“ Selbstverständlich wird man derartigen positiven
Angaben gegenüber nicht daran zweifeln können, dass die amy-
loide Entartung der Gefässe als solche genügt, um Eiweiss
hindurch treten zu lassen, und es erscheint um so befremdlicher
wenn Lecorche*), ohne irgend welche Beweise dafür zu er¬
bringen, behauptet, dass in Fällen reiner amyl. Degeneration
1) Ich rathe Anfängern mit quecksilberreicheren, diluirten Harnen
zu beginnen. Sehr bald gestattet dann die Orientirung über die Art
der Bildung und Flüchtigkeit der Ringe und Beschläge in den Capillaren
das Uebergehen zu Harnen mit spurenhaftera Quecksilbergehalt.
2) Die Symptome der Krankheiten des Respirations- und Circula-
tionsapparates. Berlin 1867, p. 106.
3) Traite des maladics des reins. Paris 1875, pag. 669: „Lorsque
la dögönerescence amyloide existe ä l’6tat de purete, eile ne se traduit'
que par les troubles urinaires que nous venons de signaler; l’albumi-
nurie n’existe pas.“
2 *
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. No. 23
keine Albuminurie vorhanden wäre. Erst wenn im weiteren
Verlauf der Erkrankung Complicationen hinzu kämen (paren-
chym. oder interstit. Entzündung), erst dann sollte Eiweiss im
Harn aultreten. Es steht somit fest, dass mit der amyl.
Gefässveränderung eine gesteigerte Durchlässigkeit
für Serumeiweiss verbunden sein kann, nicht aber
nothwendig verbunden sein muss, ohne dass wir bis jetzt
die Bedingungen kennen, unter welchen das eine oder das
andere stattfindet. Darüber ergeben auch die mitgetheilten
Beobachtungen leider keinen genügenden Aufschluss, nur weisen
sie darauf hin, dass man. wenn andere Organe amyloid erkrankt
sind, auch bei scheinbar ganz gesunden Nieren und bei fehlen¬
der Albuminurie doch darauf gefasst sein muss, die gleichen
Veränderungen in den Nieren anzutreffen. Dass ein derartiges
Vorkommen nicht so selten sein kann, als es nach den vor¬
handenen Literaturangaben scheinen muss, geht daraus hervor,
dass ich ausser den meinen noch 5 analoge Fälle kenne, welche
von anderen Hospitalsärzten (den Herren Professoren Rosen-
stein, Waldenburg, Senator [2 Fälle], Lichtheim) beob¬
achtet sind. Die Literatur erwähnt des besprochenen Factums
gar nicht; Bartels weist das Vorkommen von Nierenamyloid
ohne Albuminurie mit den Worten zurück: „bei der grossen
Sorgfalt, mit welcher seit vielen Jahren in unserer Klinik die
Harnuntersuchungen ausgeführt werden, hätte es uns unmöglich
entgehen können, wenn Albuminurie bei amyloider Nierenent¬
artung fehlen könnte“ (a. a. 0. p. 463). Dagegen geben einige
Autoren an, dass im Beginn der Erkrankung, wenn die Ver¬
mehrung der Harnmenge bereits auf ein Nierenleiden hinweist,
Albumen im Harn fehlen könne, und ebenso, dass im Verlauf
der Erkrankung zeitweilig ein eiweissfreier Harn entleert wird.
Darüber indess, dass während des Verlaufes der Krankheit
Eiweiss längere Zeit hindurch im Urin fehlen könne, habe ich
keine Andeutung gefunden. Der Vollständigkeit wegen will ich
indess noch bemerken, dass P lei sch 1 und Kl ob 1 ) einige Fälle
von schwerer visceraler Syphilis mit amyloider Entartung ver¬
schiedener Organe, darunter der Nieren, mittheilen, in deren
Beschreibung sich die einmalige Notiz findet „kein Albumen
im Harn.“ Grainger Stewart 2 ) theilt einen Fall amyl. Ent¬
artung der Nieren mit, bei welchem er Anfangs kein Albumen
fand, während später geringe Mengen davon im Harn auftraten,
die aber auch nicht constant waren.
Wenn ich soeben sagte, dass die blosse Amyloidentar¬
tung der Nierengefässe genüge, um Eiweiss im Harn auftreten
zu lassen, so bedarf dies noch einer Beschränkung. Selbst¬
verständlich handelt es sich bei dem Durchtritt des Eiweiss
aus den Blutgefässen in die Harnkanälchen ausschliesslich
um die Capillaren, und dass auch diese für das Zustande¬
kommen der Albuminurie als nicht gleichwerthig aufgefasst
werden dürfen, das lehrt eine Vergleichung der anatomischen
und klinischen Untersuchungsresultate. Wir sahen in Fall
2 mässige Entartung der interstitiellen Capillaren neben ge¬
ringerer der Glomeruli, ohne dass Albuminurie vorhanden ge¬
wesen wäre; in Fall 1 starke Entartung beider Capillarbezirke
ebenfalls ohne Albuminurie. In anderen Fällen ausschliess¬
licher Degeneration der Glomeruli war der Eiweissgehalt des
Harns ein sehr bedeutender. Hieraus geht mit genügender
Sicherheit hervor, dass bei einer auf die Capillarsehlingen der
Glomeruli beschränkten Amyloidentartung Eiweiss im Harn er¬
scheinen kann und überwiegend häufig erscheint, während bei
1) Beiträge zur Pathol. der constitutione!]. Syphilis. Wiener med.
Wochenschrift 1860.
2) Gr. Stewart, ßrit. Rcv. 38. July 1866 und A practical treatisc
on Bright’s diseases of the kidneys. Edinburgh 1871, pag. 132 u. 152.
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einer auf die interstitiellen Capillaren beschränkten oder mit nur
! geringer Betheiliguug der Glomeruli verbundenen amyl. Dege-
; neration Albuminurie fehlen kann.
I Was das klinische Harnbild anbetrifft, unter welchem die
! mitgetheilten Fälle verliefen, so wurde in allen ein klarer, hell¬
gelber, eiweissfreier Harn in mittlerer Menge und von mittlerem
spec. Gewicht ausgeschieden, welcher weder Sedimente noch
morphologische Bestandtheile enthielt. Diese Verhältnisse änder¬
ten sich im 1. Fall beim Eintritt der profusen Diarrhöen. Die
Harnmeuge nahm ab, das spec. Gew. stieg, der bis dahin klare
und helle Urin wurde trübe, undurchsichtig, braunroth und liess
ein ziegelrothes Sediment fallen; indess blieb er auch jetzt noch
frei von Eiweiss und Cylindern. Hydropsien waren in den beiden
ersten Fällen in mässigfem Grade vorhanden oder traten wie
im 1. Fall mit Entwicklung des pericardialen Exsudates auf,
fehlten aber vollständig im 3. und 4. Fall. Das Herz war in
den ersten dreien atrophisch, z. Th. verfettet, und nur im letzten
intact. Dass unter solchen Umständen die richtige Erkenntniss
der bestehenden Nierenaffection unmöglich ist, wird wohl Jeder
i zugeben, und es erwachsen dadurch für die Diagnose der amyl.
I Nieren entartung neue Schwierigkeiten, welche kaum überwindbar
I scheinen. Wenn man in Fällen gleich den mitgetheilten, auf
Grund einer bestehenden Dyscrasie, bei gleichzeitig vorhandener
Schwellung der Milz und Leber, bei dem Bestehen profuser
Durchfälle auch an die Möglichkeit einer Complication mit
Nierenamyloid wird denken müssen, so handelte es sich selbst
im Fall einer Bestätigung durch die Section doch immer nur
um eine Vermuthung, welche weit entfernt bleibt von dem Werth
einer Diagnose. Ist die letztere doch selbst bei scheinbar ty¬
pischem Harnbefund oft genug trügerisch 1 Wenn die amyl.
Degen, secundär ist und daneben eine sog. interstitielle oder
parenchymatöse Nephritis (die grosse weisse Niere der Engländer)
besteht, so kann die Complication sehr leicht im Leben über¬
sehen werden, und andererseits scheint die Diagnose des Nieren¬
amyloids zweifellos in Fällen constitutioneller Krankheiten, in
denen ausgebreitete amyloide Degeneration anderer Organe,
(namentlich Milz, Leber, Darm) vorhanden ist, während man bei
| der Autopsie grosse weisse Nieren findet, die auch bei sorgfältigster
microscopischer Untersuchung keine Spur amyl. Infiltration er¬
kennen lassen. — Ueber die Diagnose des „reinen“ Nierenamyloids
habe ich keine eigenen Erfahrungen, da ich derartige Fälle
während meiner Hospitalsthätigkeit in Breslau gar nicht und
hier in Berlin nur in den beschriebenen 3 Fällen gesehen habe.
Wie sich diese letztere in Bezug auf das Nierensecret verhielten,
habe ich ausführlich mitgetheilt.
Es erübrigt noch, einige anatomische Punkte kurz zu be¬
rühren :
! Zur Ausführung der Amyloidreaction bediente ich mich
sowohl der älteren Methode (Jodjodkalium-Lösung mit und ohne
Zusatz von Schwefelsäure) als auch der Anilinfarbstoffe (Jod¬
violett und Methylanilin); nur da wo beide Reactionen deutlich
gelangen, glaubte ich mit Sicherheit auf das Vorhandensein von
Amyloid schliessen zu dürfen. Wesentliche Unterschiede in der
Reaction habe ich überhaupt nur einmal gesehen, und zwar bei
der Untersuchung einer amyloiden Niere, welche besonders reich
an Cylindern war. Hier sah man auf Querschnitten, namentlich
in den Sammelröhren den Epithelialbesatz deutlich erhalten und
| die Lumina mit einer homogenen, schwach lichtbrechenden Masse
j ausgefüllt, welche auf Jodzusatz gelb, mit Methylanilin intensiv
j roth gefärbt wurde. Die intra vitam entleerten Cylinder hatten
I niemals eine characteristische Reaction erkennen lassen. Ich
, möchte nun aus diesem Fall nicht entfernt den Schluss ziehen,
' dass es sich hierbei um amyloide Veränderung der Cylinder ge-
Original fro-m
UNIVERSUM OF MICHIGAN
10. Juni 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
337
handelt habe, noch in dem bezeichneten Farbstoff (Methylanilin)
ein schärferes Reagens auf Amyloid erblicken, wie dies auf
Grund einer ähnlichen Beobachtung Fürbringer *) gethan hat.
Zu gerade entgegengesetzten Ansichten ist Böttcher bei seinen
Untersuchungen über Leberamyloid gelangt: „dass Jod und
Schwefelsäure ein feineres Reagens auf amyloid degenerirte
Organe darstellt, als das Methylanilin“. Ich habe beide Reac-
tionen vielfach angewendet und mit einander verglichen, und
glaube, dass sowohl für frische, als gehärtete Präparate keine
Methode der anderen an Brauchbarkeit nachsteht; dennoch be¬
diene ich mich lieber des Methylanilins, einmal, weil die Farben¬
unterschiede prägnanter hervortreten, und dann weil die Reac-
tion viel leichter auszuführen ist, als die mit Jod-Schwefelsäure,
bei welcher man in der Concentration der angewendeten Rea-
gentien häufig modificiren muss.
Darin stimmen alle Autoren ausnahmslos überein, dass es
überwiegend oder sogar ausschliesslich der Gefässapparat ist,
welcher in der Niere amyloid erkrankt. Stets soll die Entartung
an den Glomerulis beginnen und von da auf die vasa afferentia,
die art. interlobulares, sowie auf die gestreckten Arterien des
Markes übergreifen. In letzter Reihe sollen die vasa efferentia
und die Capillaren der Rinde erkranken. Etwas abweichender
Ansicht ist Prof. Buhl, welcher in seiner jüngst erschienenen
Abhandlung über „Bright’s Granularschwund der Nieren und
Herzhypertrophie“ 2 ) ausdrücklich hervorhebt, dass in amyloiden
Nieren das vas efferens und die Capillaren durch Methylanilin
nicht roth gefärbt würden, während bei den Arterien und Glo¬
merulis die Reaction einträte. Meinen eigenen Untersuchungen
nach ist die amyloide Entartung der Rindencapillaren in der
That selten genug, selbst in Fällen intensivster Erkrankung der
Glomeruli und der Arterien, kommt aber zweifellos vor, wie
ich namentlich in den Fällen II und III, die ich oben mitgetheilt
habe, mit Sicherheit nachweisen konnte. Dagegen habe ich in den
vielen amyloiden Nieren, die ich untersucht habe, und auf zahl¬
losen Schnitten niemals ein Stelle gefunden, welche für die
Mitbetheiligung des vas efferens beweisend gewesen wäre. Als
beweiskräftig können nur solche Bilder erachtet werden, welche
den Glomerulus nebst zu- und abführendem Gefäss in charac-
teristiseher Färbung erkennen lassen. Derartige Bilder jedoch
habe ich nie erhalten. Wenn aber derselbe Autor an gleicher
Stelle sagt: „auch stimmen meine Untersuchungen an Speck¬
nieren dafür, dass sie (sc. die vasa recta des Markes) trotz des
Mangels an Quermuskeln für zugehörige des Arterien Systems
anzusprechen sind, da sie durch Methylanilin, wie die Arterien
und Glomeruli roth gefärbt werden“, so erlaube ich mir da¬
gegen zu bemerken, dass diese Reaction keineswegs als etwas
Characteristisches für die Arterien betrachtet werden darf, da
häufig genug Venen dieselbe Färbung annehmen, wie im Darm
und der Leber. Die Glomeruli bilden gewöhnlich den am meisten
erkrankten Abschnitt des'Gefässsystems, zuweilen den einzigen.
Dennoch möchte ich nicht zugeben, dass sie unter allen Um¬
ständen stets zuerst erkranken; dagegen sprechen Fälle, wie ich
sie untersucht habe, bei denen nur eine fieckweise Erkrankung
der Glomerulus-Schlingen vorhanden 'war, während die Inter¬
lobulararterien und nam. die art. rectae des Markes fast in toto
degenerirt waren. Aehnlich verhält sich der sub III mitgetheilte
Fall, in welchem eiweissfreier Harn entleert worden war. Hier
erkannte man bei Jodzusatz schon mit blossem Auge in den
Markkegeln parallele rothe Linien, welche sich bei microscopi-
scher Betrachtung als die entarteten art. rectae erwiesen, die
in hrem Verlauf wie injicirt aussahen. Es ist kaum anzunehmen,
1) Yirchow’s Archiv, Bd. 71.
2) Mittheilungen «aus dem pathol. Institut zu München. 1878, p. 48.
dass die Entartung an den Glomerulis begonnen haben und dann
hier stationär geblieben sein sollte, während sie an den anderen
Abschnitten des Gefässapparates so excessive Grade erreichte.
Die degenerirten Glomeruli haben, wenn die Entartung alle
oder den grössten Theil der Capillarschlingen ergriffen hat,
meistens eine bedeutende Zunahme ihrer Grösse erlitten; ihre
Kerne sind häufig selbst noch in solchen Fällen deutlich er¬
kennbar, in welchen der gesammte Glomerulus auf Zusatz des
Reagens die charakteristische Färbung angenommen hat. Erst
wenn der ganze Gefässknäuel in eine gleichmässig-glasige schollige
Masse verwandelt ist, werden die Kerne unsichtbar. Häufig ge¬
nug findet man alsdann den Glomerulus wieder verkleinert,
selbst kleiner als normal, ohne dass eine Spur bindegewebiger
Neubildung an der Kapsel desselben sichtbar wäre. — An den
arteriellen Stämmchen soll, wie dies allgemein angenommen
wird, die Entartung stets an der Muscularis beginnen und von
hier auf die andern Gefässhäute übergreifen. Ich habe mich zu
wiederholten Malen davon überzeugen können, dass diese Lehre
nicht für alle Fälle zutrifft. Man findet zuweilen Gefässtämmchen,
über deren Natur das Vorhandensein der Musculatur keinen
Zweifel lassen kann, mit fleckweise erkrankter Adventitia bei
ganz normaler Muscularis. Häufiger gelingt es, den Nachweis
zu führen, dass die Erkrankung von der Intima ausgegangen
ist; alsdann sieht man auf Querschnitten, die z. B. mit Methyl¬
anilin behandelt sind, rothgefärbte Herde in der Intima, wäh¬
rend die Media durchweg blau-violett gefärbt erscheint. In der
überwiegenden Mehrzahl der Fälle indess beginnt die Erkran¬
kung an der Media, geht aber bei nur einigermassen ausgedehnter
Entartung sehr bald auf die übrigen Gefässhäute über, so dass
bald die Gefässwand in ihrer ganzen Dicke infiltrirt ist. Anfangs
gelingt es alsdann noch, die Structur derselben zu erkennen und
die einzelnen Häute zu differenziren, bald indess bei fortschreiten¬
der Degeneration ist dies nicht mehr möglich, und das ganze Gefäss-
rohr ist in eine einförmige, structurlose, undurchsichtige Masse
verwandelt. — Der Grad und die Ausdehnung der Entartung an
den einzelnen Gefässen ist äusserst ungleichmässig. Vergleichende
Untersuchungen an möglichst umfangreichen Längs- und Quer¬
schnitten ergaben, dass die amyloide Infiltration sich weder
immer von einem Anfangsherd der Continuität nach ausbreitet,
noch an einer erkrankten Stelle stets die ganze Wanddicke des
Gefässes ergreift. So erhält man z. B. an glücklich getroffenen
Längsschnitten folgendes Bild: man sieht eine Art. interlobularis
mit einem oder mehreren abgehenden Vas. affer. und den da¬
zu gehörigen Glomerulis. Die Reaction mit Methylanilin zeigt
die erstgenannte Arterie an irgend einer Stelle ihres Verlaufs
in ganzer Wanddicke erkrankt, nun folgt eine andere Stelle,
welche absolut gesund erscheint, und dann eine dritte, dem
Vas afferens zunächst gelegene, welche wieder prachtvoll roth
gefärbt ist. Ein zunächst abgehendes Vas afferens ist vollständig
intact bis dicht vor seiner Auflösung in die Schlingen des Glome¬
rulus; erst hier beginnt die amyloide Entartung, welche sich
in verschiedener Intensität auf denselben fortsetzt. Dadtben
sieht man ein anderes Vas afferens, welches in der Mitte seines
Verlaufs an irgend einer Stelle die charakteristische Reaction
zeigt, während Anfangs- und Endtheil gesund erscheinen, und
dessen zugehöriger Glomerulus die rothe Farbe in voller Pracht
erkennen lässt. Das unter solchen Umständen von einer Aus¬
breitung der Erkrankung per continuitatem keine Rede sein
kann, liegt auf der Hand. Vielmehr muss man annehmen, dass
die Degeneration gleichzeitig an mehreren Stellen ein und des¬
selben Gefässrohrs resp. desselben Gefässsystems (d. h. in dem
Verästlungsgebiet einer Arterie) ihren Anfang nehmen kann.
Ebensowenig gleichmässig wie in der Continuität des Gefäss¬
rohrs entwickelt sich die amyloide Degeneration auch in Bezug
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
33S
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. *23
auf den Querschnitt desselben. Weder finden wir die Gefässe
stets in ihrer ganzen Circumferenz erkrankt, noch umfasst die
amyl. Infiltration stets alle Gefässhäute in gleicher Ausdehnung.
Wenn man eine grosse Reihe von gut getroffenen, amyloid ent¬
arteten Gefässquerschnitten untersucht, so findet man eine An¬
zahl, welche das eben Gesagte in deutlicher Weise demonstriren.
Während die meisten Querschnitte, auf welche man Methyl¬
anilin einwirken liess, einen gleichmässig breiten, überall ge¬
schlossenen rothen Ring darstellen, findet man andere, bei welchen
der Ring nicht vollständig geschlossen ist, sondern an irgend
einer Stelle durch eine blaue oder mehr violett gefärbte Zone
der Gefässwand unterbrochen erscheint. In andern Fällen er¬
kennt man in dem durchweg blau gefärbten Querschnitt in ver¬
schiedener Anzahl kleine rothe Einlagerungen, welche eben den
ersten Beginn der amyloiden Infiltration darstellen. Häufig ist
es ferner ausschliesslich die Muscularis, welche in der ganzen
Circumferenz erkrankt ist, so dass man dieselbe auf dem Quer¬
schnitt als rothen Kranz sieht, während die Adventitia und
Intima intact sind. Gewöhnlich betheiligt sich auch die Adven¬
titia sehr früh an der Entartung, so dass die Intima allein blau
gefärbt erscheint. Allmälig wird auch sie infiltrirt, und dann
sieht man den rothen Ring je nach der Wandstärke in verschie¬
dener Dicke. Im Centrum erkennt mau das kreisrunde Lumen
von anfangs normaler Weite, oder später bei zunehmender In¬
filtration als kaum noch erkennbaren Punkt. Schreitet der
Process in seiner Entwicklung weniger regelmässig vor, so kommt
es zu ungleichmässiger Infiltration der einzelnen Häute, vor¬
zugsweise der Muscularis. Hierdurch können circumscripte Aus¬
buchtungen der Gefässwand, namentlich nach dem Lumen zu
erfolgen, welche eine Verzerrung, und in höheren Graden eine
zuweilen sehr bedeutende Verengerung des letztem bedingen.
Bei zunehmender Entartung und namentlich bei gleichmässiger
Infiltration werden die Lumina allmälig immer enger, bis schliess¬
lich das Gefässrohr vollständig undurchgängig erscheint; dass
auch in solchen Fällen indess häufig noch eine Injection mög¬
lich ist, davon habe ich mich bei meinen Injectionsversuchen
oft genug überzeugt. Ich bediente mich zur Ausführung der
letztem stets einer dünnen, die Capillaren durchdringenden Leim¬
lösung, welche mit Berliner Blau gefärbt war. Diese Injections-
masse wurde warm in das erwärmte (unaufgeschnittene) Organ
theils mit der Hand, theils unter constantem Druck von 100 bis
120 Mm. Hg injicirt. Die Nieren wurden alsdann erhärtet und
nach vorangegangener Färbung microscopisch untersucht. An
Präparaten, welche auf diese Weise gewonnen wurden, erkannte
man sehr leicht, dass auch intensiv entartete Gefässe für die
Injectionsmasse noch sehr wohl durchgängig sein können. Selbst
wenn ein arterielles Gefäss an einer Stelle so verengt erschien,
dass auf dem Längsschnitt die bis dahin breite Säule der blauen
Injectionsmasse bis auf einen ganz schmalen Streif reducirt war,
sah man peripher von dieser Verengerung, sobald die Lichtung
wieder zunahm, die letztere wieder vollständig mit der Farbmasse
erfüllt. Von diesem Vorkommen kann man sich namentlich an
den Rindengefässen sehr gut überzeugen; hier sieht man z. B.
eine Art. interlobularis, welche an einer Stelle fast bis zum
Verschwinden des Lumens verengt erscheint; unmittelbar jen¬
seits der Stenose ist sie wieder vollständig injicirt, und ebenso
erscheinen die peripher von jener Stelle abgehenden Vasa affe-
rentia in toto injicirt; oder: ein Vas afferens zeigt in seinem
Verlauf eine derartige Verengerung, und trotzdem ist nicht nur
der peripher davon gelegene Abschnitt, sondern auch der zu¬
gehörige Glomerulus vollständig injicirt Dass es sich hierbei
nicht um Füllung auf collateralem Wege gehandelt haben kann,
liegt auf der Hand, denn für den Glomerulus ist sein zuführendes
Vas afferens ein End gefäss. Die eben erwähnten Stenosen im
Verlauf einer erkrankten Arterie findet man gar nicht so selten;
sie sind der Ausdruck jener oben erwähnten ungleichmässigen
Entartung der Muscularis, welche spindelartige Anschwellungen
bildet, wodurch das Lumen verengt wird. Aber ganz abgesehen
von diesen circumscripten Gefassstricturen, erwachsen dem Blut¬
strom durch die gleichmässige amyloide Infiltration der Gefäss-
wände bedeutende Hindernisse. Wenn diese durch die künst¬
liche Injection auch häufig in glücklicher Weise überwunden
werden, und selbst intensiv entartete Gefässe möglichst voll¬
ständig injicirt erscheinen, so darf man selbstverständlich hieraus
keine Rückschlüsse auf die Circulation intra vitam machen. Das¬
selbe, was für die Arterien gilt, gilt auch für die Capillaren der Glo-
meruli. Diese können bei starker Entartung für die Injection
absolut undurchgängig werden, wie im Fall 1. Man sieht alsdann
den purpurrothen homogenen Gefässknäuel ohne jede Spur blauer
Injectionsmasse In allen andern Fällen fanden sich gänzlich
uninjicirte Glomemli nur ganz vereinzelt, während alle übrigen
injicirt waren u. zw. um so vollständiger, je weniger entartet sie
waren. Häufig bekommt man Bilder, wie Bartels sie abbildet,
wobei in einem und demselben Glomerulus einige Behlingen in¬
jicirt sind, andere amyloid entartete dagegen keine Injections¬
masse aufgenommen haben. In noch andern erkennt man die
Injectionsmasse auch in amyloid entarteten Schlingen als blaue
Streifchen oder Klümpchen.
In keinem der 12 Fälle, in welchen ich die Nieren injicirt
habe, und welche den mitgetheilten Beobachtungen zur Grund¬
lage dienen, waren durch die Injection Extravasate entstanden,
sodass man eine vermehrte Brüchigkeit der amyloid entarteten
Gefässe nicht wohl annehmen darf. Hiermit scheint mir auch die
klinische Thatsache in Uebereinstimmung zu stehen, dass man
| bei der amyloiden Nierenentartung viel seltener Hämorrhagien
I (auf der Haut, Retina, im Gehirn etc.) auftreten sieht, als bei
den andern Formen der Nierenerkrankungen, namentlich den
i entzündlichen.
Soweit hatte ich meine Untersuchungen über den vor¬
liegenden Gegenstand abgeschlossen, als in kurzer Aufeinander¬
folge 3 Arbeiten erschienen, welche über die Amyloiddegeneration
der Leber handelten und welche in den Resultaten, zu denen
! die betreffenden Autoren gelangt sind, innerhalb weiter Grenzen
auseinandergehen. Während Hesclil 1 ) undTiessen 5 ) sich da-
hin äussern, dass die amyloide Degeneration keine parenchyma¬
töse Erkrankung der Leberzellen sei (E. Wagner), sondern
eine Ablagerung zwischen diese und die Gefässe (interstitielle
Infiltration, w T obei es nach T. zu einer Anhäufung amyloider
Schollen um die Capillarwand kommt, während das Gefässrohr
an diesen entarteten Stellen durchaus intact bleiben kann), ist
Boettcher*) der Ansicht, dass an der amyl. Degener. in der
Leber ebensoviel die Zellen (Virchow, Frerichs etc.), als die
Gefässwände theilnehmen. Vorzugsweise waren es die Angaben
Heschl’s und Ti essen’s, welche mich veranlassten, meine
Untersuchungen an den Nieren noch einmal aufzunehmen und
durch neue zu controlliren. Ich bediente mich dabei der von
diesen Autoren gebrauchten Methoden, obschon sie nur in un¬
wesentlichen Punkten von den meinigen abwichen. Diese er¬
neuten Untersuchungen haben meine erstem vollständig bestätigt,
aber nach einer Richtung hin erweitert. Ich fand nämlich Bilder,
welche man entweder auch als interstitielle Infiltration deuten
könnte, welche ich aber lieber als perivasculäre bezeichnen
möchte. So sieht man im Verlauf einer Arterie auf Längs-
1) Sitzun^sber. der K. Academie der Wissensch. zu Wien. Bd. 74.
p. 272.
2) Areh. der Heilkunde. IS. .Tahrg. VI. Heft. 1S77.
3) Virchow 1 » Archiv. Bd. 72. Heft 4.
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10. Juni 1S78.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
339
schnitten nicht sogar seiten Stellen, an welchen die amyloide
Infiltration nicht nur auf die Wand des Gefässrohrs beschränkt
bleibt, sondern sich über die Adventia hinaus ins benachbarte
Bindegewebe fortsetzt, während ober- und unterhalb dieser Steile
die Degeneration ausschliesslich auf das Gefässrohr beschränkt
bleibt. Das perivasculäre Gewebe an jener Stelle ist durch
zellige Infiltration in nicht unerheblicher Weise verdickt. Sehr
prägnant finden sich die eben beschriebenen Bilder auch an der
Uebergangsstelle des Vas afferens in den Glomerulus. Häufig
sieht man kurz vor der Einmündungsstelle das Vas. afferens
durchweg entartet. Aber die Entartung bleibt an dieser Steile
nicht auf das Gefäss beschränkt, sondern breitet sich nach allen
Seiten auf das verdickte Bindegewebe aus, welches hier das
Gefäss umgiebt. Nur darin weiche ich von den zuerst genannten
Autoren aufs allerentschiedenste ab, dass diese perivasculäre
Degeneration nicht das Primäre des Processes gewesen ist und
zu einer Compression des betreffenden Gefasses geführt hat.
Das Primäre war zweifellos die Gefässerkrankung, welche von
hier auf das Bindegewebe Übergriff. Es spricht dafür die Fort¬
setzung der Gefässerkrankung über die verbreiterte Stelle hin¬
aus und ferner die Möglichkeit, ein derartiges Gefäss zu injiciren,
welches an der genannten Stelle die Injectionsmasse ebenso j
vollständig aufnimmt, als ober- und unterhalb derselben. Dies
wäre natürlich, wenn eine Compression vorläge, nicht möglich, j
Ich glaube daher, dass die amyl. Degeneration in den Nieren
stets von den Gefässen ausgeht, und sich nur secundär auf
das interstitielle Gewebe fortsetzt. Dass jene Autoren an der
Leber, ich an der Niere gearbeitet, kann selbstverständlich einen
solchen principiellen Unterschied nicht aufklären, um so weniger,
als Böttcher ebenfalls an der Leber zu Resultaten gekommen
ist, welche den meinigen ganz analog sind.
Was die Epithelien und die Harnkanälchen anbetrifft, so
kommt in der Niere eine Erkrankung der Tunicae propriae und |
der secernirenden Drüsenzellen unzweifelhaft vor. Ich erinnere i
mich eines derartigen Falles aus Breslau, welchen i. J. 1873 !
Herr College v. Fragstein, damals Assistent am pathol. In¬
stitut secirte, und den ich während des Lebens im Hospital zu j
Allerheiligen beobachtet hatte. Hier war der allergrösste Theil j
der Harnkanälchen amyloid entartet, nicht nur die Epithelien, j
sondern auch die Tun. propr. Seitdem habe ich eine ähnliche j
Entartung niemals wieder gesehen, und auch jetzt nicht in den
sehr zahlreichen Nieren, welche ich untersucht habe. Dagegen
konnte ich mich wiederholt an ausgepinselten und ausgeschüttelten
Schnitten davon überzeugen, dass die Kapseln der Glomeruli
zuweilen an der Entartung Theil nehmen; an diesen Stellen
sind dieselben stets verdickt und geben deutliche Amyloidreaction.
Die Entartung erstreckte sich aber in meinen Fällen niemals
auf die ganze Circumferenz der Kapsel.
Die von frühem Beobachtern, namentlich von Bartels
erwähnte relative Häufigkeit der Nierenvenenthrombose bei amyl.
Degeneration habe ich in meinen Fällen 3 mal beobachtet.
Der klinische Verlauf hatte für eine solche Complication keinen
Anhaltspunkt ergeben, namentlich hatte der Urin niemals die
Beschaffenheit des Stauungsharns dargeboten. Es handelte sich
in diesen Fällen um sehr ausgebreitete Thrombose, welche nicht
nur den Stamm der Ven. renalis absolut verschloss, sondern
sich weit in das Nierenparenchym hin ein erstreckte. Die Nieren
waren weiss und zeigten keine Spur einer cyanotischen Be¬
schaffenheit. Hieraus und aus der Möglichkeit, dieselben voll¬
ständig und ohne Extravasate zu injiciren, geht hinlänglich
sicher hervor, dass Collateralvenen genug vorhanden waren,
oder sich bei dem langsamen Verschluss der Nierenvene bilde¬
ten, um die Circulation nicht zu beeinträchtigen. Eine aus¬
reichende Erklärung für diese Thrombose, welche meist ein¬
seitig, sehr selten doppelseitig auftritt, lässt sich zur Zeit nicht
geben. Die Verlangsamung des Blutstroms durch die Nieren
in Folge vermehrter Widerstände lässt sich angesichts der grösse¬
ren Häufigkeit der einseitigen Affection nicht wohl zur Erklärung
heranziehen.
IV. Referat.
Lent: Zur Frage der Fluss-Verunreinigung in Deutsch¬
land. (Correspondenzblatt des Nicderrh. Vereins für öffentliche
Gesundheitspflege, No. 7, 8 und 9, Juli, August, September 1877.)
ln Cöln steht die Frage betreffs der Entwässrung und Reinigung
der Stadt seit dem Jahre 1873 auf der Tagesordnung und stehen sich
auch hier die Projecte einer provisorischen Benutzung der vorhandenen,
nicht ausreichenden Strassencanäle zur Fortschaffung der Abtrittsstoffe,
| der Anlage eines Schwemmcanalsystems mit event,. Herbeiziehung eines
j Rieselfeldes und der Benutzung des Lienur’sehen oder Tonnensystems
gegenüber. Dr. Lent hat die verschiedenen hierauf bezüglichen Actcn-
stücke zusammengestellt und ein klares Bild der betreffenden Verhand¬
lungen gegeben, welches in kleineren Verhältnissen, die aus anderweitigen
Quellen von anderen Orten bekannten Vorgänge wiederspiegelt aber ge¬
rade desshalb den Vorzug grösserer Uebersichtlichkeit besitzt. Wir
können hier auf die Details der Frage nicht eingehen und wollen den
Wunsch aussprechen, dass der vorliegende Bericht, durch besondere
Veröffentlichung auch weiteren Kreisen zugänglich gemacht werde. Für
die Anlage der Schwemmcanälc und unbedingte Ableitung ihres Inhaltes
in den Rhein tritt Dr Lent, gegen dieselben und für Abfuhrssysteme
(an erster Stelle Lienur) Theodor Kyll ein. Die wissenschaftliche
Deputation für das Medicinalwesen entschied unterm 2. Mai 1877: „dass
das Project der Abführung aller menschlichen Exeremente in Cöln aus
den Wasserclosets in die städtischen Canalisations - Anlagen und durch
diese in den Rhein in sanitätspolizeilicher Hinsicht dem grössten Be¬
denken unterliegt und unter den gegenwärtigen Verhältnissen auch nicht
als Provisorium zu gestatten ist.“ Dieser Entscheid erfolgte auf Grund
einer polizeilichen Verfügung über den Anschluss der Closets an die
vorhandenen Canäle und des von der Stadtverordneten-Versammlung
dagegen eingelegten Rccurses,-dessen genauere Besprechung zu weit führen
würde. In Folge dessen ist der Gegenstand aber aufs neue von der Stadt-
verordnelin-Versammlung der Commission zur weiteren Berichterstattung
übergeben.
Wir wollen aber nicht unterlassen hervorzuheben, dass der Ent¬
scheid der wissenschaftlichen Deputation nur gegen den directen Ein¬
fluss der Exeremente in den Rhein gerichtet ist und sich auf die jetzigen
unzulänglichen Verhältnisse bezieht. Ueber den Werth oder Unwerth
der von Herrn Kyll gegen das Sielsystem zu Gunsten der Abfuhr vor¬
gebrachten Behauptungen wird sich jeder an der Hand des vorzüglichen
Capitels „über die Maassregeln zur Reinhaltung des Bodens“ in Fr. San¬
der’s Handbuch der öffentlichen Gesuneheitspflcge leicht ein Urtheil
bilden können. Ewald.
V. Verhaidlangen ärztlicher Gesellschaften.
Aeritlicher Verein in Marburg.
Sitzung am 9. Mai 1877.
Herr Dr. v. Heusinger berichtet über einen in den letzten Tagen
von ihm beobachteten eigenthümlichen Krankheitsfall. Derselbe betraf
: einen 74jährigen alten Herrn, der bisher nie ernstlich krank gewesen
i sein sollte. Dieser erkrankte eines Vormittags plötzlich beim Arbeiten
im Garten (in gebückter Stellung) mit heftigen Schmerzen in der Gegend
des linken Leberlappens, die Symptome wiesen auf eine innere Ein¬
klemmung hin und diese bestätigte sich bei der Autopsie als be¬
wirkt durch das Hineinschlüpfen des Colon transversum
in eine tiefe Schnürfurche des linken Leberlappens. Das
betreffende Präparat wurde in der Sitzung vorgelcgt. Der Tod erfolgte
übrigens nicht durch die Unterleibsaffection, sondern 24 Stunden
nach einem beim Aufstehen aus dem Bette erlittenen apoplecti-
formen Anfall, welcher linksseitige Parese bewirkte und mit einer
; sehr eigentümlichen Stellung der Augenaehsen verbunden war. Die
| Augen standen parallel nach rechts und oben; dabei war das
i Bewusstsein leidlich erhalten. Nach den Prevost’schen Beobachtungen
| hätte man einen apoplectischen Herd rechts und nach den Adamük-
1 sehen Versuchen in der Gegend der Vicrhügel erwarten sollen, die Au-
I topsie liess aber nichts davon erkennen, nur eine abnorme Blutfülle der
ganzen rechten Himhälfte wurde neben stark atheroinatöscn Gehirnarterien
! aufgefunden. Die ganze Krankheit dauerte 4 Tage.
Hcrrr Professor Dohrn thcilt folgende Beobachtung mit. Eine
Mehrgebärende, Frau eines Arztes, welche im ganzen leicht entbunden
war, hatte nach vorgängigem Wohlbefinden am 5. Wochenbettstage eine
Vaginalinjection gemacht und unmittelbar nach dieser das Rohr behufs
Verabfolgung eines Klysmas sich in das Rectum geführt. Bei diesem
j Einfuhren trat plötzlicher Collaps mit den einer Embolie zukom-
I menden Erscheinungen auf, welche nach 24 Stunden schwanden. Die
! Abwesenheit von Lähmungserscheinungen machte wahrscheinlich, dass
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
es sich um Embolie von Luft in den Uterinvenen gehandelt
hatte, welche durch die Bewegung der betreffenden Theile beim Ein¬
führen des Rohrs in das Rectum bewirkt war. Der weitere Wochen¬
bettsverlauf blieb ohne Störung.
Ferner spricht derselbe über die Anwendung von Hanfschnur zur
Decapitation der Frucht.
Die Berathung über die „Standes-Ordnung“ wird fortgesetzt und
kommen die Carlsruher-Bestimmungen mit verschiedenen Abänderungen
zur vorläufigen Annahme.
Sitzung am 6. Juni 1877.
Vorstellung der 7jährigen Microcephala: Margarethe Berner aus
Offenbach.
Herr Dr. Siemens berichtet über 2 Fälle von Haematoma durae
matris, welche in der hiesigen Irrenanstalt bei zwei Paralytikern be¬
obachtet wurden. Beide Kranke starben nach sog. paralytischen An¬
fällen, welche nichts characteristisches darboten, vielmehr mit Coma und
und unregelmässigen und wechselnden Krampf- und Lähmungserschei¬
nungen einhergingen. Das Durhaematom sass im ersten Fall auf der
rechten, im anderen auf beiden Hirnhemisphären, war hier links jedoch
viel stärker als rechts. Bei dem letzteren Fall wurde auch Stauungs¬
papille mit dem Augenspiegel beobachtet. Bei beiden Kranken fanden
sich Othaematome.
Der Vortragende bespricht sodann die verschiedenen Auffassungs¬
weisen der Entstehung des Durhaematoms in pathologisch-anatomischer
Hinsicht, speciell die von Virchow und die neuerdings von Huguenin
wieder vertheidigte Durand-Fardel’sche Ansicht, dass das Haematom
aus einer Blutschicht auf der Innenfläche der Dura entstehe. Es folgen
dann Bemerkungen über das Vorkommen und die Diagnose des Durhae¬
matoms, sowie über das gleichzeitige Vorkommen des Othaematoms bei
den beschriebenen Fällen.
Herr Dr. Ferber demonstrirt sein im Buchhandel erschienenes
Situs-Phantom und knüpft daran einige Bemerkungen über die Lage
der Milz zur linken Niere, sowie über den halbmondförmigen Raum.
VI. Feuilleton«
VII. Congress der Deutschen Gesellschaft Dir
Chirurgie.
4. Sitzungstag, Sonnabend den 14. April 1878.
Morgensitzung von 10—1 Uhr im Operationssaale der chirurgischen
Klinik in der Charite.
Die Sitzung wurde eröffnet mit dem Vortrage des Herrn v. Mo¬
sengeil (Bonn): Ueber aseptische Contentiv - Verbände.
Der Herr Vortragende empfiehlt bei complicirten Fracturen nach
genügender Desinfection der Wunde einen von vornherein dadurch
aseptischen Contentivverband zu legen, dass der Gypsbrei mit Carboi-
wasser ungerührt wird. Nach dem Trocknen werden spirituöse Lösungen
antiseptischer Stoffe aufgepinselt, besonders auf Stellen, an denen Wund-
secret. oder Blut den Verband durchdringen könnten. Statt spirituöser
Lösungen kann event. Carbolül, resp., um völligen Abschluss der Luft
seitens der Verbandoberfiäche zu bewirken, ein Ueberzug von Carbol-
wachs angewandt werden.
Nach einer kurzen Bemerkung des Herrn v. Langenbeck beginnt
Herr Lücke (Strassburg) seinen Vortrag: Ein Fall von Muskel-
n cc rose.
Der Herr Vortragende sah den betreffenden Kranken, einen jungen
Studenten, 11 Tage nach der in einem Fall bestehenden Verletzung.
Eine starke, sehr schmerzhafte Geschwulst, welche den ganzen Unter¬
schenkel, namentlich aber den oberen Theil dieses einnahm, nöthigte zu
einer Incision, welche aber keinen Eiter entleerte, obschon die Tibia an
einer Stelle von dem Periost entblösst war. Nur ein Stück wachsig ent¬
arteter Musculatur trat hervor. Der zunächst bei Lister’scher Behandlung
fast ganz eiter- und fieberfreie Verlauf (nur eine kleine eiterige Ge-
websmasse kam aus der Wunde) wurde bald durch hohe Temperaturen und
Emphysembildung unterbrochen. 10 Tage nach dem ersten Einschnitt
musste durch multiple Incisionen ein mit übel riechenden Gasblasen unter¬
mischter Eiter aus der Tiefe entfernt werden, und 6 resp. 7 Tage später
konnten durch die Ioeisionswunden beim Verbandwechsel der ganze M.
tib. aut., der M. ext. hallucis longus, der M. ext. digit. comm. in wachs-
farbenem, necrotischen Zustande herausgezogen werden. Hierauf trat
Heilung ein; Pat. musste aber als Ersatz der verloren gegangenen Streck¬
muskeln einen Apparat tragen. Als Ursache der Muskelnecrose konnte
man nur eine Vermuthung aussprechen, nämlich die einer partiellen Zer-
rcissung oder Abreissung der qu. Muskeln vom Periost mit nachfolgen¬
der Thrombose der zu führenden Arterie.
Herr v. Adel mann fragt, ob der Puls in der A. dors. ped. beob¬
achtet ist.
Herr Lücke erklärt, derselbe habe nie gefehlt.
Herr Mack (Braunschweig) hat bei einem 1870 aus dem Felde
zurückkehrenden Soldaten, der über Schmerzen in der Hinterbacke klagte,
unter massiger Eiterung die Entleerung analoger Muskelmassen mit Aus¬
gang in Heilung ohne Functionsstörung gesehen. Pat. gab nachträglich
an, auf die Hinterbacke gefallen zu sein.
Herr W. Koch (Berlin): Ueber embolische Necrosen.
Redner zeigt, dass nur die Embolie der typischen Art. nutritia Ob¬
ject der Untersuchung sein könne, da die Anordnung des periostalen
Gefässsystems so bekannt sei, dass man ohne weiteres den Effect von
Verstopfungen innerhalb dieses Gebietes voraus zu bestimmen in der Lage
sein dürfte.
Unterbindungen der Art. nutritia tibiae und Einführung solcher
Massen in dieselbe, dass nur etwa ihre Zweige 1. und 2. Ordnung par¬
tiell obturirt wurden (Laboratorium des Herrn Prof. Munk), ergeben,
dass das Gefass weder als wirkliche noch als functioneile Endarterie im
Cohnheim’schen Sinne aufzufassen ist, da nach diesen Encheiresen
weder der hämorrhagische Infaret, noch nutritive Veränderungen des
Markes zur Beobachtung kamen. i ’ i pCt. Kochsalzlösungen, in die
Nutritia eingeleitet, kamen tropfenweise am Sprunggelenkende der Tibia
bei Drucken zum Vorschein, die die normalen im arteriellen System nur
wenig übertrafen. Die Embolie der Nutritia führt aber trotzdem zur
Necrose des Knochens und Marks, wenn 1) septisch inficirte Emboli in
das Gefäss gelangen oder wenn 2) ausgedehntere Capillarbezirke desselben
verstopft werden. Im letzteren Falle pflegt entweder Verjauchung des
Marks mit allen ihren Folgen ober aber — bei geringerer Ausdehnung
der Embolie — eine necrotisirende Entzündung zu entstehen, welche
I zunächst am Sprunggelenkende der Tibia entspringt, in der Folge aber
um den ganzen Markraum u. s. w. sich verbreitet, so dass eine Total-
1 necrose wenigstens der Diaphyse der gewöhnliche Ausgang des ganzen Pro-
cesses ist. Redner führt zum Schluss aus, 'wie die Unterbindungs-.
versuche etc. zu beweisen scheinen, dass der Elimination des Stammes
i der Nutritia aus der Circulation ein Einfluss auf Entstehung der Pseu-
| darthrosen nicht beizumessen sei.
| Discussion: Herr Ko 1 aczek (Breslau) recapitulirt einen Fall von
j symmetrischer Knochcnnecrose, beide Schlüsselbeine, beide Oberarm-
I knochen und beide Radien betreffend, welcher 1876 von ihm in der
1 Deutsch, med. Wochenschr. veröffentlicht worden ist. Ursprünglich an
Embolie denkend, ist ihm jetzt der vasomotorische Character der Störung-
wahrscheinlicher.
Herr Riedel (Göttingen) macht darauf aufmerksam, dass das Queek-
1 silber nicht nur, wie es der Herr Redner dargestellt, mechanisch, sondern
1 auch im chemischen Sinne wirke.
Herr Koch erbittet für letzteres den Beweis.
Herr Riedel sieht den Beweis dafür darin, dass überall, wo Queck-
| silber einwirkt, nicht blos durch die Infarctbildung erklärbare Reizungs-
j ersehe i nun gen auftreten, und meint einer Gegenbemerkung des Herrn
Koch gegenüber, dass Quecksilber geradezu ätzende Einwirkungen auf
| die Gewebe ausübe.
Herr Gussenbauer (Lüttich) bestätigt, dass Quecksilber Eiterung
hervorrufe, was indifferente Körper nicht thäten. Er hätte übrigens
schon vor Jahren bei seinen Untersuchungen über die Knochenleiden
der Perlmutterarbeiter gefunden, dass es sich hier um einen embolischen
Process handele, und weitere Betrachtungen hätten ihm gezeigt, dass
beim wachsendenden Thiere, resp. Menschen, die capillaren Markgefasse
gegen die Diaphyse zusammengesetzte Gefässschlingen bilden, welche in
! gewissem Sinne als Endgefässe gelten können, nämlich wenn die zu¬
führende Arterie abgeschlossen ist.
Herr König hält dieses für die vorliegenden Versuche des Herrn
Koch für sehr irrelevant, weil dieselben nicht mit antiseptischer Be-
| handlung gemacht sind, so dass trotz der Reinigung des Quecksilbers
I etwas in die Wunden hineingekommen sein könnte, was den qu. Ver-
; suchen die Beweiskraft für die mechanische Erregung der Üsteoinylitis
raubte.
Herr Koch sieht durch die Äusserungen der Herren Riedel und
Gussenbauer eine chemische Einwirkung des Quecksilbers nicht für
erwiesen an. Dasselbe gehe in die Capillaren, verstopfe diese, führe zur
Necrose und so zur Eiterung. Uebrigens hätte auch die Einführung
gröberer Massen in die A. nutrit. nicht Infarctbildung bedingt. Gegen
die Einwände des Herrn König bemerke er, dass es sich nicht um
Entzündung äusserer Theile oder Wundflaehen bei ihm gehandelt, von
welchen (fremde) Substanzen in die Markhöhle eingedrungen seien.
(Schluss der Discussion.)
Herr Pauly (Posen): Zur Radicaloperation der Hernien.
Es wird der Bruehsack einer bei einer 43j. Frau bis zur Oberschenkel¬
mitte herabreichenden Hernie, welche Herr P. nach Cz-erny mit Exstirpation
des Bruc-hsackes radical operirt hatte, der Versammlung vorgelegt. Hin¬
sichtlich der Technik räth Herr Pauly, die Verschnürung des Bruch-
saekes mit Catgut immer erst nach Eröffnung des Bruchsackes zu
machen, damit man sicher sei, ja keinen Inhalt mitzufassen.
Herr Schneider (Königsberg) berichtet über einen Fall von
Resection von 5 Rippen sammt der Clavicula wegen pene-
trirender Schuss Verletzung der Brust. Dieser wichtige Fall
betraf einen 21jähr. Mann, welcher am 20. Octbr. v. J., 10 Tage nach
einem Selbstmordversuch, mit linksseitigem jauchenden Pneumohaemo-
thorax und Zerschmetterung mehrerer Rippen zur Behandlung kam. S.
erweiterte die Schusswunde und spülte die Pleurahöhle aus — alle necro-
tischen Lungenfetzen entfernend. Einige Tage später gelang es nach
Resection der fracturirten Rippen einen Papierpropfen und nach weiteren
3 Tagen die auf der Rückenseite der Pleura festsitzenden beiden Kugeln
herauszuholen, bezw. so zu lockern, dass sie von selbst herausfielen.
Trotzdem die Eiterung jetzt etwas nachliess, und namentlich das Allge¬
meinbefinden von Pat. sich besserte, war der Zustand immer noch ein
sehr preeärer. Herr S. fasste daher den Entschluss, die Pleurahöhle,
resp. deren Eiter producirende Fläche zu verkleinern und machte des¬
halb ca. 8 Wochen nach der Verletzung eine ausgiebige Resection von
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
10. Juni 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
841
der 2. bis 6. linken Rippe und entfernte, als ihm die hierdurch be¬
dingte Verminderung des Cav. Pleurae nicht ausreichend schien, 8 Tage
später ein 6 Cm. langes Stück der Clavicula. Von jetzt an nahm die
Ausfüllung der Brusthöhle so schnell zu, dass Herr S. den Kranken zur
Zeit völlig geheilt glaubt, wenigstens war bei der Abreise des Herrn S.
von Königsberg die Wunde der Pleura eine so kleine, dass nur noch
eine Bougie No. 15 eingeführt werden konnte. Zur Erläuterung des
damaligen Zustandes, der besonders auch in Bezug auf die physicalische
Untersuchung das grösste Interesse bietet, so wie der früheren Verhält¬
nisse des weit geöffneten, den Herzbeutel und die Gefässwurzeln sicht¬
bar machenden Brustkorbes, werden vom Herrn Vortragenden eine An¬
zahl von Zeichnungen und lebensgrossen Photographien, sowie endlich
auch die resec-irten Knochenstückchen demonstrirt.
Herr Barde leben erwähnt einen ähnlichen, ebenfalls günstig
endenden, von ihm 1866 im böhmischen Feldzuge beobachteten Fall,
bei welchem die ausgedehnte Entfernung von Rippenstückchen (excl.
Clavicnla) nicht von der Hand des Chirurgen ausging, sondern durch
die Art der Verletzung bedingt war.
Herr Schneider legt ferner der Versammlung [vor: den Unter¬
schenkelstumpf eines Mannes, den er vor 5 Wochen amputirt und der
2 Tage vor seiner Abreise gestorben war; den Oberschenkelstumpf
eines vor 3 Jahren von ihm amputirten und jetzt dem Delirium er¬
legenen Patienten, und endlich einen nach der Chopart’schen Fuss-
exarticulation gewonnenen Stumpf, den er bereits im Arch. f. klin. Chir.
beschrieben. Er meint, dass die schöne abgerundete Form der beiden
ersten Stümpfe auf Rechnung der Erhaltung eines mit den Weichtheilen
zusammenhängenden Periost-Lappens käme.
Herr P. Guetcrbock hält es für zweifelhaft, ob der Unterschenkel-
stumpf auch späterhin seine abgerundete Form beibehalten haben würde.
Die relativ grössere Häufigkeit einer Hyperostose gegenüber der Atrophie
des Stumpfes hervorhebend, läugne er den Einfluss des Periost-Lappens
auf diese oder den Schluss der Markhöhle überhaupt. Der Periost-
Lappen diene nur in geeigneten Fällen zum Schutze letzterer.
Herr Bardeleben glaubt, dass man über die spätere Gestaltung
eines Amputationsstumpfes nichts Voraussagen könne.
Herr v. L an gen b eck meint, dass das verschiedene, bald hyper¬
trophische, bald atrophische Aussehen von Amputationsstümpfen da¬
von abhänge, ob dieselben gebraucht würden oder nicht, resp. ob der
Pat. mit dem amputirten Fusse auftrete oder nicht.
HerrSchneider bemerkt hierzu, dass sein am Unterschenkel Am-
putirter direct mit dem abgerundeten Stumpf auf einem Stelzfuss ge¬
gangen sei.
Herr v. Langenbeck legt grossen Werth auf die Erhaltung des
Periostes, glaubt aber ebenfalls nicht, «lass dadurch erheblich viel neuer
Knochen gebildet und die Form des Stumpfes beeinflusst würde.
Herr Guetcrbock weist mit Bezugnahme auf die frühere Aeusse-
rung des Herrn v. Langenbeck darauf hin, dass auch andere Processe
als Gehen und mechanische Insulte nachträgliche Hyperostose des Stumpfes
bedingen können. (Schluss der Discussion.) (Schluss folgt.)
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. In der Generalversammlung am 5. Juni wählte die Ber¬
liner medicinische Gesellschaft ihren bisherigen Vorstand, wie auch die
Aufnahme-Commission wieder. Der erstere besteht demnach aus den
Herren von Langenbeck, Bardeleben, Henoch als Vorsitzende;
B. Fraenkel, E. Küster, M. Ries, Senator als Schriftführern;
Falk al 9 Bibliotheker und Klein als Cassenführer. Die Gesellschaft
besteht zur Zeit aus 441 Mitgliedern, gegen 414 des Vorjahres. Im
Laufe des Jahres schieden 8 Mitglieder aus, davon 2 durch den Tod, 3
durch Berufung an auswärtige Universitäten; neu hinzu traten 35 Mitglieder.
— Unter den amtlichen Nachrichten finden die Leser einen für Aerzte
wie für Apotheker wichtigen ministeriellen Erlass, betreffend die Verabfol¬
gung und die Reiteration differenter Mcdicamente, besonders des Morphium.
— Die neuesten Veröffentlichungen des Reichs - Gesundheitsamtes
enthalten folgende Nachrichten über das Ausland: Die Pocken¬
epidemie in London nimmt langsam ab. In der Berichtswoche erlagen
derselben 48 Personen (gegen 60 der vorangegangenen Woche). Auch
der Bestand in den Hospitälern (878) sowie der Zugang an Neuerkran¬
kungen (193) war geringer, als in der Vorwoche. In Wien ist die Zahl
der Pockentodesfälle auf 13, in Warschau auf 22 gestiegen, in Peters¬
burg, Odessa auf 11, resp. 25 gesunken.
Die Typhusepidemie in den russischen und rumänischen Städten
zeigt noch keinen wesentlichen Nachlass; in Wien ist abermals 1 Todes¬
fall an Flecktyphus vorgekommen. Diphtheritische Affectioncn
erscheinen in Wien und Paris, Darmkatarrhe der Kinder in Peters¬
burg und Warschau vermehrt.
— In der Woche vom 28. April bis 4. Mai sind hier 551 Per¬
sonen gestorben. Todesursachen; Masern 12, Scharlach 5, Rothlauf 1,
Diphtherie 22, Eitervergiftung l, Kindbettfieber 8, Typhus 3, Dysen¬
terie 3, Flecktyphus 1, Gelenkrheumatismus 1, Syphilis 1, Vergiftungen 2,
Sturz 9 (davon 1 Selbstmord), Erschiessen 2 (Selbstmorde), Schnittwunde
l (Tödtung), Folge von Operation 1, Erhängen 2 (Selbstmorde), Ertrinken
4, Lebensschwäche 26, Abzehrung 17, Atrophie der Kinder 6, Scropheln 6.
Altersschwäche 18, Krebs 13, Wassersucht 1, Herzfehler 12, Hirnhaut¬
entzündung 7, Gehirnentzündung 11, Apoplexie 16, Tetanus und Tris¬
mus 6, Zahnkrämpfe 5, Krämpfe 41, Kehlkopfentzündung 9, Croup 4,
Pertussis 8, Bronchitis acuta 9, chronica 14, Pneumonie 27, Pleuritis 3,
Phthisis 104, Peritonitis 7, Diarrhoe 14 (darunter 13 Kinder unter 2 J.),
Brechdurchfall 16 (Kinder unter 2 J.), Magen- und Darmentzündung 1,
Magen- und Darmkatarrh 5 (darunter 4 Kinder unter 2 J.), Nephritis 6,
Blasenkatarrh 1, andere Ursachen 58, unbekannt 1.
Lebend geboren sind in dieser Woche 401 m., 420 w., darunter
ausserehelich 60 m., 51 w., todtgeboren 26 m., 14 w., darunter ausser-
ehelich 8 m., 5 w.
Die durchschnittliche Sterblichkeit während dieser Woche beläuft
sich auf 27,9 pro MiUe der wahrscheinlichen Bevölkerungszahl, die ent¬
sprechende Geburtenziffer auf 41,6 pro Mille (beide Summen mit Aus¬
schluss von 2 pro MiUe Todtgeborenen).
Witterung: Thermometerstand: 11,93 R., Abweichung: 4,27 R.
Barometerstand: 27 Zoll 11,40 Linien. Dunstspannung: 3,30 Li¬
nien. Relative Feuchtigkeit: 61 pCt. Himmelsbedeckung: 3,7.
Höhe der Niederschläge in Summa: 0 Pariser Linien.
In der Woche vom 5. bis 11. Mai sind in Berlin gemeldet: Typhus-
Erkrankungen 12 (6 m., 6 w.) , Todesfälle 4. Im Barackenlazareth zu
Moabit sind bis zum 21. Mai 50 Fälle von Flecktyphus in Behand¬
lung gewesen.
VU. Amtliche Mittheilangen.
Personal!».
Auszeichnungen: Seine Majestät der König haben Allergnädigst ge¬
ruht, dem Doccnten im allgemeinen Krankenhause zu Venedig, Dr. Levi,
den Königlichen Kronen-Orden dritter Klasse, sowie dem Kreisphysikus
des Kreises Prüm, Dr. med. Koenig zu Prüm und dem practischen
Arzt etc. Dr. Viellöhner in Ober-Glogau den Character als Sanitäts¬
rath zu verleihen.
Niederlassungen: Stabsarzta. D. Dr. Schneider in Potsdam, Dr. Jä-
nicke in Templin, Dr. Arndt in Kolmar i./P., Dr. Ollendorf in
Nieder-Wüstegiersdorf, Arzt Hantzsch in Altwasser, Arzt Sielaff
in Crossen Reg.-Bez. Merseburg, Dr. Stadler in Bitterfeld, Dr. Käse-
model in Landsberg Kr. Delitseh, Dr. Neuendorf in Alt-Scherbitz,
Dr. Gorlepp in Lützen, Dr. Hessler in Schmiedeberg, Kr. Witten¬
berg, Dr. Heydloff in Erfurt, Dr. Götz in Suhl.
Verzogen sind: Dr. Brann von Thorn nach Woldenberg, Dr.
Besser von Droyssig nach Kemberg, Ober-Stabsarzt Dr. Ahrend ts
von Schmiedeberg nach Stendal, Assistenzarzt Dr. Scheibe von Kem¬
berg nach Stendal.
Apotheken-Angelegenheiten: Der Apotheker Rost hat die Hoff¬
man n’sche Apotheke in Culm, der Apotheker Tesch ke die Mei er’sche
Apotheke in Thorn und der Apotheker Förster die Schleus euer’sche
Ajjotheke in Grossengottern gekauft. Dem Apotheker Casten ist die Ad¬
ministration der Döge’sehen Apotheke in Vandsburg übertragen worden.
Todesfälle: Geh. Sanitätsrath Dr. Staberoh in Berlin, Sanitätsrath
Dr. Sehlochauer in Berlin, Ober-Stabsarzt Dr. Rawitz in Glogau,
Ober-Stabsarzt a. D. Dr. Stenzei in Neisse, Dr. Grub in Prettin.
Militär-Aerzte.
Berlin, den 21. Mai 1878. Dr. Thiele, Oberstabsarzt 2. CI. des
6. Thüring. Inf.-Reg. No. 95, zum Oberstabsarzt l. CI., Dr. Aefner,
Stabsarzt des Magdeburg. Füs.-Reg. No. 36, zum Oberstabsarzt 2. CI.
des Litth. Ulan.-Reg. No. 12, Dr. Karpinski, Stabsarzt vom Bez.-
Commdo. des Res.-Landw.-Reg. (Berlin) No. 35, zum Oberstabsarzt
2. CI. des 3. Garde-Gren.-Reg. Königin Elisabeth, Dr. Wächter,
Marine-Assist.-Arzt 1. CI. von der 1. Matrosendiv., Dr. Gärtner,
Marine - Assist-Arzt 1. CI. von der 1. Matrosendiv., Dr. Hüsker, Ma-
rine-Assist.-Arzt 1. CI. von der 2. Matrosendiv., — zu Marine-Stabs¬
ärzten, vorläufig ohne Patent, befördert. Dr. Frentzel, Oberstabs¬
arzt 1. CI. und Reg.-Arzt des 1. Garde-Feld-Art.-Reg., ein Patent
seiner Charge verliehen. Dr. Michel, Oberstabsarzt 1 CI. des 3. Garde-
Gren.-Reg. Königin Elisabeth, als Chefarzt zum 2. Garn.-Lazareth in
Berlin, Dr. Erdmann, Oberstabsarzt 1. CI. des Schl. - Holstein. Füs.-
Reg. No. 86, zum Ostpreuss. Cür.-Reg. No. 3, Graf Wrangel, Dr. Hoch¬
geladen, Oberstabsarzt 2. CI. des 2. Hess. Hus.-Reg. No. 14, unter
Verleihung des Characters als Oberstabsarzt 1. CI. und Beauftrag,
der divisionsärztlichen Functionen bei der 18. Div., ■zum Schlesw.-
Holstein. Füs.-Reg. No. 86, Dr. Tievenow, Oberstabsarzt 2. CI. des
Litth. Ulan-Reg. No. 12, zum 2. Hess. Hus.-Reg. No. 14, Dr. Stricker,
Stabsarzt des Kaiser Alexander-Garde-Gren.-Reg. No. 1, zum Bez.-
Commdo. des Res.-Landw.-Reg. (Berlin) No. 35, Dr. Zunker, Stabsarzt
vom med.-chir. Friedr.-Wilh.-Institut zum Füs.-Bat. Kaiser Alexander-
Garde-Gren.-Reg. No. 1 — versetzt. Dr. Vogel, Oberstabsarzt 1. Cl,
des Thüring. Hus.-Reg. No. 12, in Genehmig, seines Abschiedsgesuchs
als Generalarzt 2. Cl. mit Pens, zur Disp. gestellt,
Berlin, den 28. Mai 1878. Dr. von Langenbeck, Generalarzt 1. Cl.
und Professor unter Belassung ä la suite des Sanitätscorps der Rang
als Generalmajor verliehen.
Ministerielle Verfttgangen und Erlasse.
Die Bestimmungen im Titel HI. §. 2. lit. g und k der revidirten
Apothekerordnung vom 11. October 1S01 und im Anhänge zu derselben
I, a, c und f, wonach sogenannte directe oder indirecte Gifte weder
zum innerlichen, noch zum äusserlichen Gebrauche als Medicamente im
Handverkaufe an das Publicum abgegeben, auch von approbirten Aerzten
und Wundärzten einmal verschriebene und verfertigte Recepte, welche
Drastica, Vomitoria, Menses et urinam moventia, Opiata und dergleichen
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
342
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 25
stark wirkende Medicamente enthalten, ohne Vorwissen und Bewilligung
des Arztes zum anderen Male nicht wieder gemacht werden sollen, haben
wegen der Unbestimmtheit der darin gebrauchten Ausdrucke zu mehr¬
fachen Beschwerden der Apotheker Anlass gegeben und in mehreren
Verwaltungsbezirken eine verschiedene Auffassung und Anwendung ge¬
funden.
Zur thunlichsten Beseitigung dieser Beschwerden und zur Herbei¬
führung eines gleichraässigen Verfahrens bestimme ich demgemäss nach
Anhörung der technischen Commission für pharmaceutische Angelegen¬
heiten und der wissenschaftlichen Deputation für das Medicinalwesen
vorbehaltlich späterer Ergänzung, folgendes:
1 .
Die in dem beiliegenden Verzeichniss (Anlage a) aufgeführten Stoffe
dürfen in den Apotheken, unbeschadet der für den gewerblichen Ver¬
kehr mit Giftwaren massgebenden Vorschriften, an das Publicum nicht
ohne schriftliche Ordination (Recept) eines approbirten Arztes (Wund¬
arztes, Zahnarztes, Thierarztes), insbesondere also auch nicht im Hand¬
verkauf, verabfolgt werden.
II.
Folgende Arzneien:
1. Brechmittel;
2. Arzneien, welche zum innerlichen Gebrauche, zu Augenwässern,
Injectionen, Inhalationen oder Klystieren bestimmt sind,
a) wenn sie einen der in dem beiliegenden Verzeichniss mit einem
Stern (*) bezeichneten Stoffe oder wenn sie Quecksilberpräparate
— mit Ausnahme von Calomel, schwarzem Schwefelquecksilber
oder Zinnober — in irgend welcher Menge, enthalten,
b) wenn in ihnen Opium oder dessen Präparate, Codeinum, narco-
tische Extracte oder narcotische Tinkturen in einer, die höchste,
in Tabula A der Pharmacopoea Germanica für diese Medica¬
mente angegebenen Einzel-Gabe übersteigenden Menge ent¬
halten sind,
dürfen nur auf jedesmal erneute, schriftliche, mit Datum und Unter¬
schrift versehene Anweisung eines approbirten Arztes öfter als einmal
angefertigt werden;
3. Arzneien, welche Auflösungen von Morphium und dessen Salzen
enthalten, unterliegen der Vorschrift der No. 1 und 2 und zwar, wenn
die Auflösung zu Injectionen bestimmt ist, in allen Fällen, die Menge
des Morphiums etc. mag so gering sein als sie wolle, wenn sie aber zu
innerlichem Gebrauche oder zu Clystieren bestimmt ist, in dem Falle, dass
die Menge des verordneten Morphiums etc. den in der No. 2 b bezeich¬
neten Betrag, also nach der dort gedachten Tabula A 0,03 Gramm
übersteigt.
Die Königliche Regierung etc. wolle die vorstehende Verfügung unter
Hinweisung auf die Bestimmungen des §. 367 Ziffer 3 und 5 des Straf¬
gesetzbuchs etc. in geeigneter Weise zur Kenntniss der Apotheker und
Aerzte des dortigen Verwaltungsbezirks bringen und gleichzeitig die
Medicinalbeamten anweisen, etwaige Contraventionsfälle ungesäumt der
zuständigen Behörde zur Verfolgung anzuzeigen.
Berlin, den 3. Juni 1878.
Der Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten.
In Vertretung: Sydow.
An
sämmtliche Königliche Regierungen, Landdrosteien und
das Königliche Polizeipräsidium hierselbst.
Verzeichniss (Anlage a.)
derjenigen Stoffe, welche in den Apotheken unbeschadet der für den
gewerblichen Verkehr mit Giftwaaren massgebenden Vorschriften ohne
schriftliche ärztliche Verordnung an das Publikum nicht verabfolgt
werden dürfen.
Acetum Colchici.
„ Digitalis.
„ Sabadillae.
* Acidum arscnicosum.
* „ hydrocyanicum.
* Aconitinum et ejus salia.
* Aethylenum chloratum.
* Aether phosphoratus.
* Amylum nitrosura.
* Apomorphinum et ejus salia.
Aqua Amygdalarum amararum.
„ Lauro-Cerasi.
„ Opii.
* Arscnicum jodatum.
* Atropinum et ejus salia.
* Bromalum hydratum.
Brom um.
* Brucinum et ejus salia.
* Butyl-chloralum hydratum.
* Cantharides et Cantharidinum.
* Chininum arsenicicum.
* Chloralurn hydratum crystalli-
satum.
* Chloroformium (ungemischt).
Codeinum et ejus salia.
* Colchicinum.
* Coniinum et ejus salia.
* Curare.
* Curarinum sulfuricum.
* Digitalinum.
* Eserinum sulfuricum.
Euphorbium.
Extractum Aconiti.
„ Belladonnae.
„ Cannabis Indicae.
„ Colocynthidis.
„ Colocynthidis corai>os.
„ Conii.
„ Digitalis.
„ Fabae Calabaricae.
„ Gratiolae.
„ Hyoscyami.
„ Ipeeacuanhae.
„ Lactueae virosae.
„ Opii.
,, Pulsatillac.
„ Sabinae.
* ., ßecalis eornuti.
„ Stramonii.
„ Strychni aquosum.
„ Strychni spirituosum.
„ Toxieodendri.
Faba Calabarica.
Ferrum jodatum saccharatum.
Folia Belladonnae.
„ Digitalis.
* Hyoscyami.
„ Stramonii.
Fructus Colocynthidis praeparati.
Gutti.
Herba Cannabis Indicae.
w Conii.
„ Gratiolae.
* Hyoscyaminum.
Hydrargyri praeparata.
Jodoformium.
Kali causticum fusum.
Kalium jodatum.
Lactucarium.
* Liquor Hydrargyri nitrici oxydu-
lati.
* „ Kali arsenicosi.
Morphinum et ejus salia.
Narceinum.
Narcotinum.
* Natrum arsenicicum.
* Nicotinura et ejus salia.
* Oleum Amygdalarum amararum
aethereum.
* * Crotonis.
* „ Sabinae.
* „ Sinapis.
Opium.
* Phosphorus.
* Picrotoxinum.
* Pilocarpinum hydrochloricum
crystallisatum.
Plumbum jodatum.
* Pulvis arsenicalis Cosmi.
„ Ipeeacuanhae opiatus.
Radix Belladonnae.
„ Hellebori viridis.
„ Ipeeacuanhae.
„ Scammoniae.
Resina Jalapae.
n Scammoniae.
Rhizomata Veratri albi.
Sapo jalapinus.
* Secale comutum.
Semen Colchici.
„ Hyoscyami.
„ Stramonii.
Semen Strychni.
* Strychninum et ejus salia.
Sulp hur jodatum.
Summitates Sabinae.
Syrupus Ferri jodati.
„ opiatus.
Tartarus stibiatus.
Tinctura Aconiti.
» Belladannae.
„ Caladii seguini.
„ Cannabis Indicae.
„ Cantharidum.
„ Colchici.
w Colocynthidis.
„ Digitalis.
„ Digitalis aetherea.
„ Eucalypti globuli.
„ Euphorbii.
„ Gelsemini semperviren-
tis.
„ Hellebori viridis.
„ Ipeeacuanhae.
^ Opii benzoica.
„ Opii crocata.
„ Opii simplex.
„ Resinae Jalapae.
n Secalis eornuti.
„ Stramonii.
* Strychni.
„ Strychni aetherea.
„ Toxieodendri.
Tubera Aconiti.
„ Jalapae.
* Unguentum arsenicale Hellmundi.
Unguenta cum Extractis narco-
ticis parata.
Unguentum hydrargyri praecipi-
tati albi.
„ hydrargyri rubrum.
„ Tartar! stibiati.
* Veratrinum.
Vinum Colchici.
„ Ipeeacuanhae.
„ stibiatum.
Zincum cyanatum.
* lacticum.
„ valerianicum.
Bekanntmachung.
Die Kreiswundarztstelle des Kreises Buk, mit einem jährlichen Ge¬
halte von 600 Mark ist erledigt. Qualificirte Bewerber wollen sich unter
Einreichung ihrer Zeugnisse und ihres Lebenslaufs innerhalb 6 Wochen
bei uns melden.
Posen, den 31. Mai 1878.
, Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Inserate.
Niederlassung eines Arztes.
Für die hiesige Stadt nebst Umgegend ist die Niederlassung eines
Arztes dringendes Bedürfnis.
Es wohnen hier 2 Aerzte, von denen der eine wegen hohen Alters
und Krankheit nur theilweise dienstfähig ist.
Die Stadt (’reinmen zählt 3000 Einwohner, und die im Umkreise
von 10 Kilometer belegenen 10 Dörfer haben pp. 7500 Seelen.
Es kann daher eine lohnende Praxis, namentlich für einen recht
tüchtigen Arzt, der zugleich Geburtshelfer ist, in sichere Aussicht ge¬
stellt worden.
Cremmen, den 16. Mai 1878.
Der Magistrat.
Ein jüngerer tüchtiger Arzt findet lohnende Praxis in
einem schönen Landstädtchen Oberhessens. Fixum 5—600 Mark. Ge fl.
Offerten sub U. 5835 an die Annoncen-Expedition von Rud. Mosse in
Frankfurt a. M.
Am hiesigen städtischen Krankenhause soll ein Oberarzt angesteilt
werden. Die Anstellung erfolgt zunächst auf 6 Jahre, das jährliche
Gehalt beträgt neben freier Wohnung und Feuerung 7500 M. ohne
Pensionsberechtigung, Privatpraxis ist nur eonsultativ gestattet. Be¬
werber, welche sich wissenschaftlich und practisch bewährt haben, wollen
ihre Meldung unter Beifügung des Lebenslaufes und ihrer Atteste bis
zum 1. Juni d. J. bei uns ein reichen.
Stettin, den 29. Mai 1878.
Der Magistrat.
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UNIVERSETY OF MICHIGAN
io, Jam ms.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Vertretungr.
. .EiLi Landauf %uehi K um ijrtiibät .«uh: dringend nnthweniüg gcwurdottr
Cur ‘intffim’tiiUt’fi zn kimnen . fUr gleich oder .s{/ätnr «im?m \fen«
möglich schon ei-^HLmoün .tAdlbgeii zur Vertretung iib oi** *w«i
Monate.
OffPCier« itki.l der Hedkiititnicei) befördert die Fapcdit. A'm
unter ti <Mff . vO. K; 47* r F#fftL ,
Für Äferztef
n4^-hiiWtu^»:tntf^]icW'und ; v»>nig1üf^W^Ttichü
ist vHivint <ir»d iH'iKp'it ItAH.u. W• odur {if'Stüuuri'jj ; dringcndcs WdiVR.i-.*
Aiwtamfi . jfcftlteibrtv itnri11
der Fv t»i.; st m} *'. o*■>{ «1 def Aptfchi'fcßt
• H SwyVr,._ i' Wd'l ff.
Thd der jV\ytn?inJ^lrröji4loil^Änsui4t sind dw? Sudhui
■a) -d.&s i* • Aasten?..* Arat«* mit »‘inem -baa-rnn OnhaR -\un - Mart?
u<*bou freier AVAfttiuBg -ittel. fuid^ß^i^i^h^un^
Wa?ebt- und
b)- ?m «».'.•% Vidwjrmir A(^t; s mit entern b-ian n »udiaiP vn,r> '»bOd d./iR
nvlmu;ubdfdit’üßs lief? Wojimiüü irnd. ft« ; dsimic' und fh i M]i':lr!tmsr.
' so\i je f.d’iet iyViS^ijälffiS' jfu .fr&wxbi!
JJie dürrdie TVnriiujnMhridistdi 1 -- VetuflO^ü^-
Couimhvu'i ur. \rv 't.-. 1 ir* ■ f *.v,i •, m Vorbehalt juhrbchru Kündf;
.GVri^Tt'eH; JUD.gt\ unv ! ‘rluo.itf(bep^ AeFzto wvrdtm onm.udib ihn -khtih-
lieium FWwBtböistJp'ii tmte« ßojttiguiig df-r öretHtfh^n
und ifi xw# , ;..p:0 %der unWrze-iehneten Öjn,*ettÜjn pin^ditfud^jR.
öwinUt, fo* M m 1 Ö 78 .
Oie Uirectiori
dflr Prov/miiaEirreii .Hekf~A»&tett zu Owiturk be\ Posen.
ß- .rin-. Ai’.'t .de! Aivii mu:h m. iitVfV W-Z-hen tu* r auu-td'i x»t-• i, ... .i. nki..
xiAhr- i-./J * *.. >i-r 7v •■•:>>■ V-<^t r i ut'J ru imterFU'hrMvu. ;«ii ?L
^^rc^^V;dif:; •• i ^-UTiVv^’:
'Fdd dddrcr ,Xp/j sindu ^Ifen Stefjmng «nt*.' A'-^si.mtdiVnryr.wlcr V'öi*-
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Den .gö;|'rt'tVi0..ilint4'ii''CdlffgVd fe.U5t ; ’ •ßatk .-iSUdinell l. disybdi ViAi
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7Mi; : * Ha’» 1 jjj.■ ij rb.rtV'.rb'i'-litua m 1 1 MYfcd/«i:g UrtJ Pti)lb-.d..ri,
■&&{. iVe..>^4jV^s '■■■württeiU'
•'Ud'-h und von '•^r‘V J 2 öirir«it» Sfaliumin'
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■ Mai Ob ubardiüuw'.rit 4 Jainv>; Al»av- 7 OhY - ’^tüvg^ i Ohr
, Ia^4% .AB i» Wir • ♦.7-.
Ci-vx'lmn 1 !» fimi Pri'iie-ede ^riTio tva vom
. ■ , : : ' , .. *'’■; ■■ Be^iUct' und Curarz.i
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*j 4-tk/ii »hit-.iui :. ßiedtfwVbe-j*<v|f40* i.u-nni.eneh/ Kun-h,
•• tim htm- „ÄftHtfcol- eiuhiUl n^bvti. ,7HuüVlwnV)^rb*ji^w*:rt>i«n
Vvduu^beii ed^-ü'ieiiivfd ßaije- iimi {i.dtTielhi- rähnte. Nblmo- rAo:-ir:
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n*. -hit 7üftmi(St ' Ou £» W S| filgTirh. .fh'e Töcbisr
■der l »itf ;iWA t irr. wt’iHfe'j v si«?Ii al Iciu^t idii/- Da tuen- annebinc0.
- _ _ __ ; #niti • yjyd Wos t >; rnbagr n.
Die Ottilienquelle der Ouranstalt Inselbad
wird fi*>^U3.11 Addern sowie schon forisehri 1 tondm LnrU^u--
; d •• r« -rH .lan^r 'A-it ioii brabMii Kein ly, afignweftilrl. Niü lipfürdm i
4iv Eyjn'tuornixui «rmi . Ii.-'i»i di, Verdauung. Wegen' <lor OebragcbsweL*a; •
Widbrm-sri «.einen -Anu. cunsuimvit, Ndedm-luge« hi 'len Ajintlihkurt und
BApdffiji^QrUv ; Hl. IjHiiiioiui, Berlin Cm
; •'•i%t4fito‘ddi::.‘ 77 'iüH W. Custor in (Hin»
Die Brunnenilirectiöii,
Kuwyxt Or Uffifei
Xlnn niitörHcbr
E 111 s 6 r Qu e 1 i s a 1 z
J» gelöster For»n
wird .uD dop.'vbBUeWjBi'drn>,-F'. , lsx*nf|n , .d|^t lYwnnngu find i nthäJt die
jb'ikamiV-n hU{kfifflgeo0*tfiaaitth«ite d-u*Envsi-r c^ufdAn in Vff>tn-dp:i 'CrVffi ;
i emunumn. •— ÄtfrfWdung ßtwki d^sblbc wir IfthsOüen. v.tutt Gurgelfl
; und :>nr V-u'dUH^unö d s Emsur Tin-rm.Viwm^ -> bnitt« Tnn.lipn. Zu Im-
* zieh; ri duivh ai:** \5 • • iI:ejy : -> 1 und Mitu-t’iriv.a^sr’f’ha-ndlvmgFu In* un -1
; A-«slandc‘>.
| Konig-WilHelmß-FelaBjiquelleii in Ems.
i Soolbad koeiilgsdoif-Jasirzeini),
Brr Saison 15 . Mai,
! ssgflwIiiB unvi Ym „r .n Ciwrichföflßi!« cßtrtfartabeiÄr
'].: ■ • Vdv :,PfflwUl :h., .1 " v FjfiL-^.Ny-rdGADn-. Ävb«ifc «nd üalilvr aus
| »r-ftfftiiir'Zio x»
• Nähere \ twku.tü» j*nltniB die 8 atl&d»tpaU»aa
I von OroeÜn^,
Gö gk
344
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. ta
Verlag von Angnat Himfawald in Berlin.
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Instituts und ger. Stadtphysikus.
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Schweigoer, Professor, Director der ophthalmiatrischen Klinik.
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neuer Niederlagen nimmt entgegen die Brunnen-Verwaltung.
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_ Director Pr. Marc.
Neuenahr.
Die 4 Unterzeichneten seit vielen Jahren hier practicirenden Aerzte
erklären mit Bezugnahme auf die Inserate der hiesigen Bad-Actien-
Gesellschaft, dass sie eben so gut im Stande sind, über die Verhältnisse
Neuenahrs Auskunft zu ertheilcn, wie der erst seit vorigem Sommer
hier anwesende, von genannter Gesellschaft „zur Wahrung ihrer Inter¬
essen“ speciell angestellte Badearzt Herr Dr. Münzel.
Die Praxis ist hier, wie allerwärts frei, und hat die Bezeichnung
des Herrn Dr. Münzel als „erster“ oder „officieller Badearzt“ nur Sinn
in Rücksicht auf dessen Stellung zur Actiengesellschaft.
Or. Feltgon. Dr. Totchemacher. Dr. Richard Schmitz. Dr. Paul Uatchald.
R. H. PAULCKE, Engel-Apotheke, LEIPZIG.
Generalvertretung der Hunyady-Iäszlö-Bittersalzquelle
in Budapest.
Die grosse Zahl von Ofener Bitter wässern und die von ein¬
zelnen Quellenbesitzern öffentlich ausgefochtene Polemik, welche die
stärkste und beste sei, machen dem Arzte und Laien die Wahl schwer.
Thatsächlich ist unter den verschiedenen Quellen, die alle auf demselben
Rayon liegen, kein grosser Unterschied und richtet sich der Gehalt an
Salzen nach der mehr oder minder guten Construction der Brunnen,
sowie ob das Wasser bei trockener Witterung oder nach starken Regen¬
güssen geschöpft ist. Der neue Brunnenbau der Hüiyady - Lätzlö • Quelle
wird als mustergültig geschätzt und giebt daher die beste Gewähr für
die Gleiehmässigkeit ihres nach vergleichender Analyse stärksten Ge¬
halts an Salzen. Um jedoch eine ganz genaue Dosirung zu ermöglichen,
lässt die Verwaltung der Httnyady-Lätzlö-Quelle aus ihrem Mineralwasser
ein Extract in Form eines weissen leichtlöslichen Pulvers an der
Quelle selbst hersteilen, welches sämmtliche wirksame Bestandtheile
derselben enthält. Einer Dose Inhalt stimmt mit dem einer Flasche
Bitterwasser überein, 1 Kaffeelöffel = 1 Glase. Die Vorzige des Hinyady-
Läezlö-Extractl vor jedem Bitterwasser bestehen ausserdem in der An¬
nehmlichkeit, dass jenes in Oblate oder in jedem Getränk genommen
werden kann — somit von besonderem Werlhe für Alle, welche Wider¬
willen gegen Bitterwasser hegen —, und dass die kleine Dose auch auf
Reisen bequem bei sich zu führen ist. Preis der Dose 50 Pfennig. —
Pen Herren Aerzteo stehea Proben gratis and franco zu Oimmstem. _
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das anerkannt beste Ersatzmittel der Muttermilch,
welches von den ersten Autoritäten überall gern angewandt wird, er¬
laube ich mir den Herren Aerzten hierdurch als das billigste Nibmigsalttd
dieser Art in geneigte Erinnerung zu bringen.
Verkaufspreis der kleinen Dose M. 1,50 und der grossen Dose M. 7,06.
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NB. Auf die Hausnummer (40. Dresdener-Strasse) bitte genau zu achten.
Interessante Nie uh eit.
Den Herren Aerzten empfiehlt die Dampffabrik von J. Paul Lieb«
in Dresden
Liebe’s Malzextract-Leberthran,
eine Emulsion aus gleichen Theilen bestem Dorschleberthran und reinem
Malzextract (nach Dr. Davis in Chicago).
Dieses Präparat hält sich unverändert, wird, weil in Emulsionsform
(dem Chylus entsprechend), leicht assimltirt, und wegen des voll¬
ständig verdeckten Thrangcschmaekes in reinem Zustande oder ge¬
mischt mit der doppelten Menge Wassers oder Milch von den Patienten
sehr gern genommen.
Flacons ä 250,0 Inhalt zu 1 Mark — bei 6 Flacons mit Remis.
In meinem Privat-Impfinstitut ist stets frische Lymphe zu haben
Es wird nur durch Vorimpfung geprüfte und untersuchte Lymphe ver¬
sandt.
Pieschen, Proviuz Posen. Dr. Meinhof, Sanitätsrath.
Frische Lymphe.
Die von uns gelieferte Lymphe stammt von durchaus gesunden Kindern
und befindet mich an jedem Röhrchen eine Zahl,
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Organ für praetiselie Aerzte,
Mif Berücksichtigung der preussischen M e die in :ü vf;rvva,k un g und Medioinälgesetzgebung
nach amtlichen MittMlttnpn.
Redacteur: Prof. 8 r. L. Waldenburg. Verlag von August BifSrhwaii! in Berlin.
Montag, den 17. Juni 1878.
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eintrete, das Abonnement auf das III. Quartal 1878 hei den Buchhandlungen oder FOStaiWtaltfll
baldigst zu erneuern. Die Wlagshaudlung.
• Id liul t.. 1. H I)i« B«-harniItjna Et-y*jp*?is -auf der chirurgische« Klinik m myitYsjdd. — 11. Aas der inneren v>ui
■ßethankn: Rnegehoirf; Hydrops adiposus plcurtW« — III. Mow-bed* • Ein 1 Ali H*n . beidcrNtMtig-cr Lähmung <kU* <H<oiiscrw?itH»r
(Mtö. ericoarjta.M.notdjei po^tia) mh Ausgang in Hciluugy - r - IV Heubacb:; t'0V Reagens auf -Alst tu — Y. Uyft-rMe (UeL^r
die .T*rgänßre; her 4m Lungen braude und Üb^-x den Kinfju** verschiedener A.rsneimitUd auf dieatdiien — l. T clier die Witlnin^ des
und der statischen feilestririliit auf die hysterische. Hetui&msthesm). — VL Verhandlungen' dmUcher.
• ((>e?eM9«h&ft . ftir iWburtshuHtr und Gynäkologie in Ifoftm - AÄtlieher Verein zu Marburg). — VH FtoidSni/m/ (VII. rr.ogrc.ss- dur
AJeutech«r» Ge-seilsehaif dir Chirurgie. — Tagcsgesduehtliefee.Nbtizeu). ■ Vifl Amtlich#* Mitt-Iadinogen. — lateral*.:
I. Die Behandlung des Erysipels auf der chirurgischen
Klinik zu («reifswald.
;‘ -.'.A ■'/•'- Vow ■■ ,
: fax. II ermann Hup itfer * \
A.vvisiiruzrirst der Kl int 1.
Nachdem Zeit di« ved Professor Ha et er bei
der Beb&b$fang Erysipek zuerst empfohlenen Oarbotinjer-
tioneo vte.lfAdi A-teg^staud der Be^prethimg geworden sind,
sehe ich ??neh. verarthisst, angesichts der «ehr weit auseinander
gebenden Ansichten, die Aber die Wirksamkeit dieses Mittels
verüffeoilieht wurden, die Methodik der auf unserer Klinik ge.-:
übten Therapie des Emipek zu : bäscfireibeh. An dtese Dar»
le^urrg unserer Behandlung werde ich ein - Statistik der auf -der
chirurgischen stationären K.limfcvom 1- .Ma>; v 1&?7. bis jp»t«fc'—
also während das Zedraunie« von einem Jahre —~ heobHchieteu
Falle von Erysipel anknüpfen und die während jener Zeit ge-
wemneneri ReSuRate mit den früherer» vergleichen, a&mehttlcK
unter Berück sichrigijrtg der StPÜtslik< weiche Dr.
Schüller iü se*pte'uf Jahresberichte ’iHiserer Klinik vom Jahre
1&7K vapr^htiichte
Wenn feli zum Belege der Wirksamkeit unserer Therapie
nur du seit Anfang. Mai Vorigen, .fähre> - beobachteten Fälle
ber^nstehe,. so geschieht -das deshalb, weil erst ^eit jener Zeit
die ;B>?häüdlMb|:^wev^e, deren Erfolge zu erbüdem sind, hsdet
durebgefutot wurde,
Dabei w<U ich mit erlauben. den Weg- nocWaU- xn be-
ifeKo.1. dep imsere eigene: Ibidbadituug gegangen, weil ur tü-
gleich f.m Ver»f;D.id«>-ss für die L-ontroverteil der Kesultare er»
üifjüeT, ??<ä]che vnn verschiedenen Beobachtern ' bin Behaijflitmg
»iue. Eiryeipelas* xoit Ca-rboiinje^tioiien gew.mneii Würden.
Als «eh. am j ( Oe\uber IS7C hU A.ssisronzarzt luiseror Klinik
eii\trp.t, fand, ich E^häpdlung ybr.. deren tlruntkü^e den Lu
Huejl^r's Aügeroniher. Chirurgie ttiitwirlrelten tipsifhtpfmkten
ent^pTacJieo Vfathdem Haet^r diV Bacf^rieR' alt Trümer (t^r
ffrysipelÄtüsen Hautentzündung erkamtt tvmd die nabeo iiezie-
hrmgen zwischen Diphtberi^ und Erysipelas 1 klar gelegt batte.
.«clued er diese^^ Wundkrankheit dehuitiv aus der Reihe der
aenteii Exantheme, aas, der sie bis dahin immer - noch vatt einer
grossen Zahl der Klimker zugörechnef wurde. Dass entsprechend
dieser die locale Behandlung im Gegensatz zu dem
frülicren Läisser» aller eine andere und schwer wiegende Be-
deutüng gewann, vejr.steld sich von selbst. (Svehe HuetrrEs
Allgemeine Chiriirgie) Schon von den Theeresnreibmigea auf
die erjMpelathy erkrankten . Haurpartien kouute H?ieter glitt
Erfolge vetxeJchtjep, die aber bald in den .Schalteil gestellt
wurdtD. durch die prÄcise Wirkung der subcutansn Injection
von ßarbolifiKirng am Saiune des Erysipels. . (ßeurralblatt der
UJedk. WisseüHch. TS’74,’ Ko. h.)
Gie Wurden ivamentlkh awgewandt, um das V>r sch reiten
de.s Erysipels in irgend eiöer 'Richttm^ Ku verhindern, de nach,
der -Aiesbrcitung ' dßy' ■Ery^pelsaiim^.s wurden etwa 3—5' Fra»
va.r sehn Spitzen eiber R ft u (>arbohäufei}hsuag iDjiclri $)er
Erfolg war stets deutKek bemerkfeV •— wje aufh Xtr. Sc h ulA er
in seinem Jahresberichte betonte. jShch 3 —4 madiger AppK-
Cäcfiüii hurte da> Weiterkriechen dort, wo die (A'rboLspritze *>«•»
wirkt batte, auf. dagegen tuu*>-D' viciU-icht ?ui einer anderen
Sielte, wo d#* Erykipel progredlebt. geblinbeu war. der Kampf
in gfincher Weise wieder aufgeiioifimeii werden. So wirkiaru
sich also auch die Carbollnjectioneii in der nächsten Peripherie
der Einstichssfelle zeigten; den ganzen Proc^ vermochten wir
bei dieser BehaiHHungKweifte; uieht m beherrsdiep. Das ers^Jiieh
am detfffjch^fert damri werm der Saun) des Erydjphl■ gerade
nach der frichtung hin. iii Wfdchev das A’o'rscbreiteii verhindert
werden eblltex ychr au*5gebreitet wav Die Injeciion«si;elJeu
umsHten dann Aiernbch -tvg»t iiüsejüfiudergürurkt werden. W' d
-itamals nie mehr •ule etwa 4 — •> FiivipririjiugeU gemacht wtu-d^n.
Dann dningtcu v^di die Erysipelmckvju. als, oft- sehr schmal« 1 ..
Ankäufer kwivscheu dep Einstichsl-tbllen hiinlnvch. um wieder
an Ausbreitung alhnälig zu gewiüueu^ .UHchdeiu <\v die .Keine
der Iöjcctij)neu im Rücken hatten Auf dio^e Weise entstanden
innerhalb de< E ry>i pclgebi C. 16» erysi pol trete IP^etu. «dTealoar dem
Ycrbreititttgsbezirke: dyr eiugeiiHirteo ßärböl-
BS'tir-e entsprechend. Dies war denn auch, der .Oft. wo ich mir
346
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 24
zuerst eine, später durchaus bewährte, Anschauung über die
Breite der Wirksamkeit der Injectionen gebildet habe.
Die subcutane Injection einer Pravaz’schen Spritze 3%
Carbollösung beherrscht etwa ein Hautgebiet, welches der Grösse
eines halben Kartenblattes entspricht. Ausserhalb dieses Ge¬
bietes erfährt der Krankheitsprocess kaum irgend eine Alte¬
ration. Wenigstens konnte ich zu verschiedenen Malen beob¬
achten, wie ein Erysipel von einer kleinen Stelle aus, welche
ausserhalb der Carboleinwirkung gelegen, kaum beachtens¬
wert schien und sich nur noch durch eine circumscripte leichte
Röthe als erysipelatös documentirte, wieder rasch progredient
wurde, obschon an allen übrigen Punkten der Process als völlig
abgelaufen zu betrachten war. Um eine prompte Wirkung zu
erzielen, musste also jeder Theil des erkrankten Hautgebietes
unter die Einwirkung der Carbolsäure gesetzt werden. Lag es
nun im Bereiche der Möglichkeit den ganzen Bezirk hypoder-
matisch in der Weise mit Carbol zu bespülen, dass auf je eine
V, kartenblattgrosse Partie eine Spritze voll 3 % Carbollösung
zur Verwendung kam, dann musste, wenn unsere Beobachtung
richtig war, das Erysipel mit einem Schlage vernichtet sein.
Dass ein Verfahren in diesem Sinne bei der schon über grosse
Flächen ausgebreiteten Erkrankung einmal wegen der nahen
Gefahr der Carbolintoxication, dann aber wegen der Schmerz¬
haftigkeit allzu häufiger Injectionen unmöglich sei, lag auf der
Hand. Nur kleinere Erysipele konnten in dieser W’eise rasch
zum Schwinden gebracht werden, wie uns das auch schon
früher öfters gelungep, wenn wir ein eben beginnendes, noch
wenig ausgedehntes Erysipel rasch mit Carbolinjectionen ein¬
hegten. Dann hatte eben die Carbolsäure von der Peripherie
ausgehend die ganze erkrankte Fläche bespült.
Aber auch die weit ausgedehnten Erysipele hatten ein
Stadium durchlaufen, während dessen sie der eben beschriebenen
Behandlung absolut zugänglich gewesen sein würden, wenn die¬
selbe nämlich sofort bei dem Beginne der Erkrankung einge¬
leitet worden wäre. Entsprechend dieser Vorstellung richtete
sich nun meine Aufmerksamkeit auf eine möglichst frühe Dia¬
gnose dieser Wuudkrankheit.
Das Wartepersonal wurde von mir mit den Initialerschei¬
nungen der Wundrose bekannt gemacht und ihm aufgetragen
von jedem Schüttelfrost, jeder Uebelkeit, jedem Erbrechen, über¬
haupt jedem W T echsel in dem Befinden der Patienten, welcher
auch nur entfernt auf Erysipel bezogen werden könnte, sofort
Nachricht zu geben.
Da zeigte es sich nun bei der grossen Aufmerksamkeit,
welche dem Beginne der Erkrankung zugewandt wurde, dass
schon während der nächsten Stunden nach dem Auftreten
der Initialsymptome — sofern es sich wirklich um Erysipel
handelte — die Röthung der Haut unzweifelhaft beobachtet
werden konnte. Beiläufig will ich bemerken, dass Erysipele der
behaarten Kopfhaut in diesem Jahre nicht zur Beobachtung
kamen. An dieser Stelle kann das Erysipel bekanntlich unter
dem Bilde einer oedematösen Hautentzündung verlaufen, um an
jedem Punkte, namentlich aber beim Uebertritt auf Stirn und
Nacken in das legitime rothe Erysipel überzugehen. Oedema-
töse Entzündung wäre also an diesem Orte der Röthung aequi-
valent zu betrachten.
Nur in einem Falle konnte 6 Stunden nach dem Auftreten
von Frösteln und Uebelkeit, welches die Invasion eines, offen¬
bar sehr harmlosen Erysipels anzeigte, die Diagnose wegen
mangelnder Röthung der Haut nicht gestellt werden. Aber
schon 2 Stunden später war in der Peripherie der Wunde eine
rosige Röthung zu bemerken. Die Temperatur betrug jetzt am
Abend, obschon bis dahin keine Therapie eingeleitet rvar, nur
wenige Zehntel über 38°. Es handelte sich also um eine sehr
leichte Form. (Fall Griebenow.)
Ich habe diesen Fall nur deshalb für erwähnenswerth ge¬
halten, weil ich mich nach meinen Beobachtungen des Eindrucks
nicht erwehren kann, dass direct proportional zu der Aeuität
der Initalsymptome das Auftreten und die Verbreitung der ery-
sipelatösen Röthung mehr weniger rasch und intensiv erfolgt.
Leitete ein heftiger Schüttelfrost, schweres Unwohlsein mit Er¬
brechen und sofort hoch einsetzende Temperatur die Erkrankung
ein, so war ich sicher, schon während oder kurz nach dem
Frostanfalle eine unverkennbare Röthung in der Umgebung der
Wunde vorzufinden. Waren dagegen die Initalerscheinungen
leichter, so konnte vielleicht erst nach Ablauf von einigen
Stunden die Röthung der Haut nachgewiesen werden, und bei
dem eben erwähnten Falle, bei welchem die Verfärbung der
Haut am längsten auf sich warten lie*s, dauerte es etwa 8
Stunden bis dieselbe eintrat.
Nun waren wir also in der Lage nur noch Erysipele von
geringer Ausbreitung zu behandeln — soweit es sich nämlich
um die Fälle handelte, die auf der Abtheilung selbst ent¬
standen — und wenn unsere Beobachtung von der Wirksamkeit
der Carbolinjectionen keine Fehlerquellen enthielt, dann hatten
wir für unsere Patienten vom Erysipel wenig mehr zu fürchten.
Ich hoffe, dass es der Leser der Wichtigkeit des Gegen¬
standes zu Gute halten wird, wenn ich bei der nun folgenden
Erörterung der Therapie etwas sehr ins Detail eingehe, da
namentlich dem practischen Arzte Erysipele nicht häufig genug
zur Behandlung kommen, um von einigen theoretischen Gesichts¬
punkten aus die Technik für den Einzelteil sich rasch selbst
zu construiren.
Wir folgen in unserer Therapie den Bahnen, welche die
Noxe gegangen. Die Porta malorum, die Wunde wird einer
genauesten Revision unterworfen. Für den Fall, dass absolut
keine Abweichung von normalen Verhältnissen aufzufinden ist,
lasse ich es mit einer gründlichen Bespülung von 3% Carbol-
säurelösung genügen. Dass ist aber das seltenere Vorkommnis».
Die Granulationen sind vielmehr meist verändert. Die früher
frisch roth aussehende Fläche zeigt an verschiedenen, mehr
weniger circumscirpten Stellen einen matt grauen, vielleicht
noch etwas durchscheinenden Belag. Ein anderes Mal findet
man schon wirklich croupÖse Beläge und erst neulich hatte
ich Gelegenheit zu beobachten, wie eine am Morgen noch voll¬
kommen roth und normal aussehende Granulationsfläche unter
Einwirkuug eines unter den heftigsten Erscheinungen einsetzen¬
den Erysipels am Nachmittage an verschiedenen Stellen pulpös
infiltrirt war. In derartig schwereren und schwersten Fällen
lasse ich es nicht genügen, die Wunde mit Carbollösung zu
irrigiren. Hier werden je nach der Schwere des Einzelteiles
die Granulationen mit 5—8% Chlorzinklösung imprägnirt, die
belegten Stellen auf das gründlichste gesäubert und alles, was
etwa erweicht sein sollte, mit dem Chlorzinkw T attebausch ent¬
fernt. Namentlich rigorös wird mit diesem Verfahren vor¬
gegangen, wenn ein Erysipel seinen Ausgang von einer Höhlen¬
wunde nimmt. Die Möglichkeit, dass in irgend einem Winkel
ein Rest der Noxe zurückbleibe, zwingt uns hier unser anti¬
phlogistisches Verfahren bis zum Extrem zu betreiben. Jetzt
erst wird die erysipelatös erkrankte Haut in Behandlung ge¬
nommen. Ich habe schon oben erwähnt, dass eine Pravaz’sche
Spritze 3% Carbollösung (Acid. carbol. Spirit, vini. ana 1,5
Aq. dest. 50) ihre Wirkung über ein etwa */* kartenblattgrosses
Hautstück erstreckt. Da es nun unsere Absicht ist, das ganze
erkrankte Hautgebiet unter dem Einfluss der Carbolsäure zu
bringen, so müssen wir entsprechend dem Wirkungskreise der
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
17. Juni 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
347
Pravax'sehen Spritze auf ein ziemlich beschränktes Hautstück,
die Spritze öfter und an verschiedenen Stellen einsenken. Der
geringe Schmerz des Einstichs ist die einzige unangenehme
Seite des Verfahrens.
In vielen Fällen genügen bei der Aufmerksamkeit, welche
wir auf ein möglichst frühes Erkennen der Wundkrankheiten
legen, 2—3 Spritzen, in anderen, etwas schwereren Fällen
kommen etwa 5 Spritzen zur Verwendung und in den schwersten
Fällen bin ich über die Einverleibung von 12 Spritzen Carbol-
lösung nicht hinausgegangen. Um in diesen letzteren Fällen
den Patienten den Schmerz eines allzuhäufigen Einstechens der
Nadel zu ersparen, benutzte ich die stecken gelassene Canüle,
um an derselben Stelle noch eine zweite Spritze zu injiciren.
Wegen des grossen Diffusionsvermögens der Carboisäurelösung
in die Gewebe, ist dieses Verfahren mit keinerlei Unannehm¬
lichkeiten verbunden. Zur Höhe von 12 Injectionen habe ich
mich dann auch nur einmal bei einem besonders kräftigen
Manne verstiegen, bei dem unter den heftigsten Initialerschei¬
nungen das Erysipel sich in wenigen Stunden vom Handgelenk
bis zur Mitte des Vorderarms ausbreitete (Fall 9). Der Erfolg
war ein ausserordentlich prompter, da schon am anderen Morgen
die Erkrankung vollkommen getilgt war.
Wenn ein Erysipel sofort mit Lymphangitis und Lympha¬
denitis complicirt ist, so wird längs des gerötheten Streifen der
Lymphgefässe und in der Gegend der geschwollenen Drüsen
graue Salbe dick aufgetragen.
Mehrfach habe ich auch die erysipelatös erkrankte Haut¬
partie nach Application der Carbolinjectionen mit einem breiten
Ringe von grauer Salbe einhegen lassen. Es waren dies Fälle,
in welchen ich mich bei besonders empfindlichen Kranken oder
beim Auftreten der Wundkrankheit an sehr empfindlichen Körper¬
teilen auf eine, der Ausbreitung der Erkrankung nicht ent¬
sprechende, Zahl von Injectionen beschränkte.
Endlich wird nun die Wunde mit Einschluss der erkrankten
Haut mit einem feuchten Carboiwatteverband bedeckt, der täg¬
lich 2—3 Mal gewechselt wird und erst nach dem vollständigen
Verschwinden des Erysipels dem Lister’schen Verbände seinen
Platz wieder einräumt.
(Schluss folgt.)
II. Aus der inneren Abtheilnng vnn Bethanien.
Hydrtps adipisis plearae.
Von
Dr. E. Bo ege hold, Assistenzarzt.
Am IG. Januar 1878 wurde auf die unter der Leitung von
Herrn Dr. Goltdammer stehende innere Abtheilung von Be¬
thanien der Brennermeister Wilhelm D. aus F., 43 Jahre alt,
aufgenommen. Derselbe gab an, vor seiner jetzigen Erkrankung
stets gesund gewesen zu sein. Im September 1877 begann er
zuerst an Stuhlverstopfung, Schmerzen in der Magongegend und
Erbrechen zu leiden, bei dem auch schwärzliche Massen ent¬
leert wurden. Das Erbrechen stillte ein Arzt nach zweimonat¬
lichem Bestehen durch Darreichung von Pulvern. Vier Wochen
vor seiner Aufnahme in Bethanien traten Kurzathmigkeit ohne
Schmerzen bei der Respiration und etwas Husten ein, und die
Kräfte des Patienten nahmen in auffallender Weise ab. Abusus
spirituosorum und specifische Infection werden von ihm in Abrede
gestellt.
Status praesens. Pat., ein ziemlich kräftig gebauter
Mann mit mässig stark entwickeltem Pann ; culus adiposus, nimmt
die linke Seitenlage ein. Die äussere Haut ist sehr blass, mit
einem ganz leichten Stich ins gelbliche. Die sichtbaren Schleim¬
häute sind ebenfalls blass. Die Radialarterien sind schwach
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gespannt und von geringer Füllung. Puls er. 90 Schläge in
der Minute. Respiration 28 mal. Temperatur 37,0. Die In-
guinab und Axillardrüsen sind beiderseits zu wallnussgrossen
harten Tumoren angeschwollen, die auf Druck nicht empfindlich
sind. Die linke Thoraxhälfte ist besonders in ihrer unteren
Partie deutlich ausgedehnt, die Intercostalräume sind abge¬
flacht; die Weichtheile in den unteren äusseren Partien der
linken Brusthälfte mit den Resten von Jodpinselungen bedeckt
und stark ödematös geschwollen. Die Percussion ergiebt vorn
links bis zum oberen Rand der 4. Rippe lauten tiefen Schall,
ebenso hinten oberhalb der Spina scapulae. Von diesen
Grenzen abwärts ist der Schall absolut gedämpft. Im Bereich
der Dämpfung ist vorn schwaches unbestimmtes Athemgeräusch,
hinten entferntes Bronchialathmen zu hören. Der Pectoral-
fremitus ist abgeschwächt, die Flüsterstimme verstärkt. Ueber
der ganzen rechten Lunge ist lauter tiefer Percussionsschall und
vesiculäres Athmen zu vernehmen. Die Herzdämpfung reicht
nach rechts bis zur Linea parasternalis dextra. Die reinen,
ziemlich lauten Herztöne sind rechts vom Sternum ebenso deut¬
lich wie links von demselben zu hören. Der Leib ist ziemlich
flach, auf Druck nirgends empfindlich, die Bauchdecken sind
mässig gespannt. Das Sensorium ist ungetrübt. Der Urin ist
eiweissfrei. Die Untersuchung einer Blutprobe ergiebt keine
bemerkbare Vermehrung der farblosen Blutkörperchen.
Ord.: Dec. cort. Chinae und nährende Diät nebst Wein.
17. Januar. Da seit gestern das Exsudat bis zur 2. Rippe
gestiegen ist, so wird mit dem Apparat von Dieulafoy in der
Axiilarlinie (5. Intercostalraum) eine Punction ausgeführt und
ein Liter einer etwas trüben, dunkelgelblichen, geruchlosen,
alkalisch reagirenden Flüssigkeit entleert. Specifisches Gewicht
derselben 1023.
Nachdem die Flüssigkeit etwa eine halbe Stunde 'gestanden
hatte, bemerkte man auf der Oberfläche derselben eine weiss-
lich-gelbe Schicht von kaum 1 Millimeter Dicke, die wie ein
feiner Schaum aussah. Gleichzeitig setzte sich an den Wänden
des Glases ein feiner weisslich-gelber Beschlag an. Die micro-
scopische Untersuchung ergab, dass diese gelbliche Schicht
zum grössten Theile aus stark lichtbrechenden Fettkörnchen¬
kugeln bestand, welche die stattliche Grösse von 0,025—0,05
Millimeter erreichten. Neben diesen Körnchenkugeln fanden
sich auch einzelne grössere und kleinere freie Fetttrbpfchen,
sowie auch grosse Zellen, in denen neben vereinzelten Fett¬
körnchen, namentlich nach Zusatz von Essigsäure, ein umfang¬
reicher Kern sich erkennen liess. Schüttelte man die Flüssig¬
keit in einem Reagensglase mit Aether, so nahm dieser eine
gelbliche Färbung an, und es blieb nach dem Verdunsten desselben
Fett in Gestalt grösserer^ Tropfen zurück. Am Boden des Ge-
fässes setzte sich nach längerem Stehen eine dünne Schicht
von rothen Blutkörperchen, untermischt mit spärlichen farb¬
losen, sowie Fibrin ab. Beim Ansäuern und Kochen gerann
die Flüssigkeit.
18. Januar. Patient fühlt sich nach der Punction sehr er¬
leichtert. Er hat in der vergangenen Nacht gut geschlafen,
verspürt Appetit. Das Herz ist beinahe wieder in seine nor¬
male Lage zurückgekehrt. Temperatur 37,0, Puls 84, Respi¬
ration 20 mal in der Minute.
21. Januar. Das Exsudat ist allmälig wieder bis zur 2.
Rippe gestiegen, das Herz abermals verdrängt, die Dyspnoe
stark. Es wird deshalb aufs neue punctirt, und es werden
2 Liter dunkelbraunrother Flüssigkeit entleert Dieselbe reagirte
alkalisch, hatte ein specifisches Gewicht von 1021, war stark
mit Blut untermischt, liess beim Stehen ziemlich viel Fibrin¬
flocken fallen, und es bildete sich auf ihr abermals eine dünne
Rahmschicht von genau derselben Zusammensetzung wie bei
Original from %
UNIVERSITY OF MICHIGAN
348
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 24
der zuerst entleerten. Eine quantitative Bestimmung des Fett- ;
gehaltes ergab eine Menge von 0,049% in dem Exsudat.
22. Januar. Es ist eine fast vollkommene Euphorie ein¬
getreten. Temperatur 37,1, Puls 88, Respiration 22 mal in der
Minute.
25. Januar. Das Exsudat ist vorn wieder bis zur 3. Rippe
gestiegen; das Allgemeinbefinden ist noch ziemlich gut.
31. Januar. Das Exsudat reicht vorn bis zur 2. Rippe,
hinten bis zur Spina scapulae. Pat. ist sehr matt, hat starke
Dyspnoe. Es wird deshalb zur dritten Punction geschritten,
die aber nach Entleerung von 400 Ccm. unterbrochen wird,
weil Pat. einer Ohnmacht nahe ist. Die bei dieser Punction j
gewonnene Flüssigkeit entspricht genau der bei der zweiten :
Operation entleerten.
Am nächsten Tage war das Allgemeinbefinden des Patienten
sehr schlecht, die Dyspnoe stark, die Hautfarbe erdfahl. Gegen
Abend collabirte Patient, und am 2. Februar Morgens 3 Uhr j
trat der Exitus lethalis ein. j
Die Diagnose war intra vitam auf Magencarcinom mit |
Metastasen des Tumors auf die Pleura gestellt worden. Hierfür
sprachen die Anamnese, die schmerz- und fieberlose Entstehung
und die hämorrhagische Beschaffenheit des Exsudates, die |
Drüsenschwellungen in der Regio inguinalis und axillaris, der
schnelle Verfall der Kräfte, sowie die Analogie mit einem von
Quincke veröffentlichten Fall, dessen Besprechung später folgt.
Die Section ergab mit Uebergehung der unwesentlichen
Punkte folgendes:
Im linken Pleurasacke finden sich etwa 2 Liter dunkel-
rothbrauner Flüssigkeit, während im rechten Pleurasacke ein
Erguss nicht vorhanden ist. An dem nach rechts verschobenen
Herzen ist bis auf eine leichte Verfettung des Herzfleisches nichts
abnormes zu erkennen. Die linke Lunge ist auf ein Drittel
ihres normalen Volumens redueirt. Ihr Pleuraüberzug ist grau
verfärbt, leicht verdickt und mit stecknadelkopfgrossen, grauen
und graurothen Knötchen besetzt; auch einzelne hirsekorn- bis
erbsengrosse Blutextravasate sind vorhanden. Das Lungenpa¬
renchym ist blutarm, blass, aber noch etwas lufthaltig. Die
in grosser Ausdehnung aus dem Thorax herauspräparirte linke
Pleura costalis und Diaphragmatica zeigt sich überall stark ver¬
dickt, stellt eine gelbgraue, lederartige Haut dar. Es erheben
sich auf ihr eine Menge erbsen- bis groschengrosser, flacher
Knoten, von theils graurother, theils weisslich-gelber Färbung und
ziemlich weicher Consistenz. Auf der Höhe dieser Prominenzen
finden sich zahlreiche flache Geschwüre. Daneben ist die Pleura
von vielen Blutpunkten und Streifen durchsetzt, die von theils in
den Gefässen befindlichem, theils in die oberflächlichen Schichten
ergossenem Blute herrühren und die erwähnten Knoten hofartig
umgeben. Die rechte Lunge ist sehr voluminös, nirgends mit
der Pleura costalis verwachsen. Auf der rechten Pleura pul-
monalis finden sich zahlreiche Knötchen von Erbsengrösse und
rothgrauer Farbe. Auf dem Durchschnitt des Lungenparenchyms
ergiesst sich ein wässriger blutiger Schaum in grosser Menge;
die Farbe der Schnittfläche ist blassroth, härtere Stellen sind
im Parenchym nirgends durchzufühlen. Die rechte Pleura
costalis zeigt keine Veränderungen; die Pleura diaphragmatica
hingegen ist mit denselben hirsekorn- bis erbsengrossen Knötchen
besetzt wie linkerseits, doch sind auf diesen Knoten Ulcerationen
nicht zu entdecken. Die Drüsen an der Trachea sind hart an¬
zufühlen, haselnussgross; einige haben eine gelblich-weisse
Schnittfläche, bei anderen sieht dieselbe blauschwarz aus. Der
Ductus thoracicus wird aufgesucht und unversehrt gefunden.
Milz und Nieren zeigen nichts pathologisches. Die linke Neben¬
niere von halbmondförmiger Gestalt und ziemlich fester Consi¬
stenz ist 7 Cm. lang, 3 Cm. breit, 2,5 Cm. dick. An Stelle !
der Rinden- und Marksubstanz ist eine homogene, weisslich-
graue Gewebsmasse getreten. Die rechte Nebenniere zeigt die¬
selbe Beschaffenheit. Beide Nebennieren haben keine ausser-
gewöhnlichen Verwachsungen mit der Nachbarschaft eingegangen.
Der Magen zeigt in seiner Mitte eine von der kleinen zur grossen
Curvatur verlaufende Einschnürung. An dieser Stelle kann man
nur 2 Finger bequem hindurchschieben. An der hinteren Wand
desselben findet sich eine trichterförmige Einziehung und im
Grunde derselben ein zackiges Geschwür mit harten Rändern
und unebenem Grunde von der Grösse eines Fünfpfennigstücks.
Dieser Theil der Magenwand ist mit dem Netze und Pancreas
zu einem apfelgrossen Tumor verwachsen, der eine harte Con¬
sistenz und eine weisslich-gelbe Schnittfläche darbietet. Die
Leber, Gallenblase und Gallenwege zeigen keine Abnormitäten.
Im Ligamentum liepatoduodenale finden sich mehrere hasel¬
nussgrosse Tumoren, die derb anzufühlen sind und auf dem
Schnitte weisslich-gelb aussehen, gleiche Beschaffenheit zeigen
auch einzelne Mesenterialdrüsen. Die der Leiche entnommene
Pleuraflüssigkeit bietet genau dieselbe Beschaffenheit dar, wie
die bei der zweiten und dritten Punctiou entleerte. Die quan¬
titative Analyse ergab einen Fettgehalt von 0,06%.
Bei der microscopischen Untersuchung, welche theils an
frischen Objecten, theils an in Alcohol gehärteten und mit Car-
min gefärbten Gewebstheilen stattfand, zeigte es sich, dass die
Neubildung ein Careinom war, dessen ziemlich grosse, einen
umfangreichen Kern enthaltende Zellen zu Balken und Strängen,
Drüsenschläuchen ähnlich verbunden waren. Die Menge des
Stroma war nur eine geringe. An einzelnen Stellen (an der
Pleura und den Lymphdrüsen) enthielten die Zellen zahlreiche
kleine Fettkörner; diese Zellen waren vergrössert und ein Kern
in manchen trotz Zusatz von Essigsäure nicht mehr nachzuweisen.
In dem am Magen gelegenen Tumor waren die Krebselemente
sehr spärlich und fast alle verfettet, in reichliches Stroma ein¬
gebettet. Es liess sich hieraus und aus der ersichtlich schon
ziemlich lange bestehenden Verwachsung des Magens mit dem
Pancreas und dem Netze der Schluss ziehen, dass das Magen¬
carcinom, dessen Zellen in der regressiven Metamorphose am
weitesten vorgeschritten waren, der primäre Tumor gewesen ist,
und dass die übrigen Localisationen der Neubildung als Meta¬
stasen aufzufassen sind. Für diesen Umstand spricht auch die
Anamnese.
Der Zusammenhang des Vorhandenseins so zahlreicher
Körnchenkugeln und grosser neben einem Kerne auch einzelne
Fettkörner enthaltender Zellen mit der krebsigen Neubildung
in der Pleura liess sich leicht nachweisen. Spülte man näm¬
lich Stücke der linken Pleura costalis und diaphragmatica, auf
denen sich carcinomatöse Geschwüre befanden, mit einem Wasser¬
strahl ab, um alle etwa aus der Flüssigkeit niedergeschlagenen
Körnchenkugeln zu entfernen, und kratzte die Geschwürsflächen
dann mit einem Messer ab, so enthielten die auf diese Weise
gewonnenen• Massen zahlreiche, sehr grosse Körnchenkugeln
und grosse Zellen, die in ihrem Innern zahlreiche Fettkörner
um einen umfangreichen Kern gruppirt zeigten.
Auch bei der microscopischen Untersuchung von Durch¬
schnitten durch die auf der Höhe der Geschwulstmassen befind¬
lichen Geschwürsflächen an der Pleura costalis sinistra fand
man am freien Rande zahlreiche, theils vollständig zu Fett¬
körnchenkugeln degenerirte, theils neben einem Kerne einzelne
Fettkörner enthaltende grosse Zellen. Es lässt sich also mit
Sicherheit annehmen, dass die Körnchenkugeln als verfettete
Krebszellen aufzufassen sind, die ins Exsudat gefallen waren.
Die vorstehende Beobachtung entspricht genau, wie oben
bereits erwähnt wurde, einer Veröffentlichung von Quincke,
die im deutschen Archiv für klinische Medicin (Band XVI. pag.
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
17. Juni 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
349
121 und ff.) mitgetheilt ist. Quincke beschreibt hier unter
dem Namen Hydrops chylosus et adiposus drei Fälle von fett¬
haltigen Transsudaten der Pleura und des Peritoneum, von denen
sich bei zweien der Fettgehalt auf eine Extravasation von Chylus,
in dem dritten auf eine Beimischung einer grossen Menge von
Fettkörnchenkugeln zum Transsudate zurückführen liess. Letz¬
terer betrifft eine Carcinose des Peritoneum mit oberflächlichem
Zerfall der Carcinomknoten. Gerade diesem dritten Falle ent¬
spricht der unsrige vollkommen, nur mit dem Unterschiede, dass
es sich um einen Erguss in die Pleura und nicht in die Bauch¬
höhle handelt. Dass der Fettgehalt in unserem Falle nicht
auf einer Beimengung von Chylus beruht, ergiebt sich aus der
Unversehrtheit des Ductus thoracicus und aus der microscopi-
schen Untersuchung. Quincke citirt noch je einen von Lücke
und Friedreich beobachteten analogen Fall, die ebenfalls
durch Carcinose resp. Tuberculose hervorgerufene fetthaltige
peritoneale Transudate betrafen. Wir haben bei Durchsicht
„der Literatur keine weitere Veröffentlichung über diesen Gegen¬
stand finden können, und speciell ein Fall von Rahmbildung
in einer Pleuraflüssigkeit, verursacht durch das Aufsteigen
von zahlreichen Fettkörnchenkugeln, die als verfettete und ins
Exsudat gefallene Krebszellen aufzufassen sind, ist unseres
Wissens noch nirgends mitgetheilt worden. Wir haben deshalb
den Fall der Veröffentlichung werth gehalten, zumal da der
Befund ebenso eigenthümlich als characterisch ist und, wenn
er vorhanden ist, zu diagnostischen Schlüssen berechtigt. Findet
sich auf der durch Punction entleerten Flüssigkeit eine aus
Fettkörnchenkugeln bestehende Rahmschicht, so dürfen wir an¬
nehmen, dass es sich um eine maligne Neubildung, speciell
Carcinom, vielleicht auch Tuberculose der Pleura handelt, und
es stellt dieser Befund demnach ein diagnostisches Hülfsmittel
dar, welches in dunklen Fällen vielleicht nicht unerwünscht
sein dürfte.
ID. Eil Fall Yon beiderseitiger Lahnung der Glottis-
Erweiterer (Mn. cricearytaenoidei postiei) mit Ansgang
in Heilung.
(Nach einem im Verein für wissenschaftliche Heilkunde gehaltenen
Vortrage.)
Von
Dr. Frans Menchede,
Director der städtischen Krankenanstalt und Privatdocent an der Uni¬
versität zu Königsberg.
Die Zahl der bisher bekannt gewordenen und sicher con-
statirten Fälle von beiderseitiger Lähmung der Glottis-
Erweiterer ist noch eine so überaus geringe und der thera¬
peutische Erfolg der gegen diese Erkrankungsform versuchten
Behandlung in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle ein so
wenig befriedigender, zumeist sogar geradezu ungünstiger ge¬
wesen, dass ich wohl annehmen darf, es werde ein Fall dieser
Art, in welchem vollständige Heilung erfolgte, Interesse genug
darbieten, um eine nähere Mittheilung gerechtfertigt erscheinen
zu lassen.
Seitdem durch die im Jahre 1863 in Virchow’s Archiv
erschienene Arbeit Gerhardt’s „Studien und Beobachtungen
über Stimmbandlähmung“, sowie durch andere, erst mit An¬
wendung der Laryngoscopie ermöglichten Untersuchungen über
die Functionsstörungen der Kehlkopfsmuskeln, das Gebiet der
paralytischen Kehlkopfserkrankungen eine grössere Klärung er¬
fahren hat, unterscheidet man bekanntlich zwei Hauptgruppen
derselben, nämlich 1) phonische und 2) respiratorische
Lähmungen des Kehlkopfs. Letztere Kategorie wird repräsmtirt
durch die Lähmung derjenigen Muskeln, welche die Glottis
behufs Respiration öffnen resp. erweitern, also der Musculi
crico-arytaenoidei postiei, des einzigen Muskelpaares, welches
eine active Erweiterung der Glottisspalte bedingt und in dieser
Function den Verengerern der Stimmritze, insbesondere dem
paarigen M. cricoarytaenoideus lateralis als Antagonist gegen¬
über steht.
Während nun die phonische Stimmbandlähmung eine re¬
lativ häufige Erkrankungsform darstellt und demgemäss in der
Literatur reichlich vertreten ist, existiren über die Lähmung
der Glottis-Erweiterer erst einige wenige Beobachtungen.
Noch im Jahre 1871 bezeichnete Riegel diese Krankheit als
eine der allergrössten Seltenheiten: auch bis auf den
heutigen Tag ist die Zahl der hinlänglich sicher constatirten
Fälle von completer, beiderseitiger Lähmung der Mm.
crico-arytaenoidei postiei eine auffallend geringe geblieben. 1 )
Aber auch in prognostischer Hinsicht besteht eine be-
merkenswerthe Differenz zwischen den respiratorischen und
phonischen Lähmungen der Kehlkopfsmusculatur: Während
Heilungen phonischer Stimmbandlähmungen keineswegs selten
sind, die Prognose derselben vielmehr in der Regel als günstig
bezeichnet werden darf, ist dieses in Bezug auf die complete
beiderseitige Lähmung der Glottis-Erweiterer keineswegs der
Fall, vielmehr scheint hier ein ungünstiger Ausgang
die Regel zu sein.
Wenn wir die bisher publicirten Fälle zu Rathe ziehen, so
ergiebt sich, dass die vereinzelten Fälle, in welchen von Heilung
i berichtet wird, fast ausnahmslos solche sind, in denen entweder
nur eine unvollständige, wenig ausgeprägte Lähmung bestand
resp. nur eine unvollständige Heilung erfolgte, oder solche, die
für diagnostisch absolut sicher gestellt nicht erachtet werden
können, in denen namentlich die Möglichkeit einer Verwechselung
mit Glottiskrampf nicht ausgeschlossen erscheint. Riegel,
welcher mehrere Fälle von respiratorischer Paralyse beobachtet
und diese Erkrankungsform monographisch bearbeitet hat, spricht
sich in dieser seiner Arbeit 1 ) Seite 33 über die Heilbarkeitsfrage
j folgendermassen aus: „Die Mehrzahl der bis jetzt beobachteten
reinen Fälle sind nicht zur Heilung gelangt; in den wenigen
| Fällen, die zur Heilung gelangten, war theilweise die
| Lähmung eine unvollständige; theilweise sind diese
I Fälle nicht über jeden Zweifel erhaben.“ Wenn ich
! diesen Ausspruch richtig verstehe, so ist damit gesagt, dass ein
über alle Zweifel erhabener Fall von Heilung einer completen
beiderseitigen Lähmung der Glottis-Erweiterer bis Ende 1875
noch nicht Vorgelegen hat.
Bei dieser Sachlage habe ich geglaubt, einen von mir
beobachteten Fall, in welchem das Vorhandensein einer voll¬
ständigen beiderseitigen Lähmung der Muse, cricoary-
taenoidei postiei auf das Unzweifelhafteste constatirt worden,
in denen auch die Intensität der Erscheinungen nichts zu
wünschen übrig liess — und welche gleichwohl zu vollstän¬
diger Heilung gelangte — der Veröffentlichung nicht entziehen
1) Bei v. Ziemssen finden sich in seinem i. J. 1876 erschienenen
Handb. d. Krank, d. Respirations-Apparates L, S. 462 n. ff. 9 ausführ¬
licher mitgetheilte und 5 nur kurz erwähnte Fälle zusammengestellt.
Ausserdem sind mir noch bekannt geworden: 2 Fälle von Klemm, mit¬
getheilt im Arch. d. Heilk. 17. Bd. (in dem einen Falle wurde eine
„merkliche“ Besserung erzielt; in dem anderen die Tracheotomie
nöthig, später aber auch hier „bedeutende“ Besserung durch Electricität
und mechan. Erweiterung bewirkt); ferner eine Beobachtung von Glynn
(The Lancet Spt. 1. 1877) (Tracheotomie, dann Heilung), endlich neuer¬
dings ein in der med. Klinik dahier von Herrn Prof. Naunyn mit
günstigem Erfolge behandelten Fall.
2) Volkmann’s Samml. klin. Vorträge No. 95, ausgegeben am
16. Decbr. 1875: Riegel, Ueber respiratorische Paralysen.
o
Original froi
UNIVERS1TY OF MICHIGAN
350
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 24
zu dürfen, zumal der Fall auch in dem so eben erschienenen,
durch vortreffliche Illustrationen ausgezeichneten laryngosco-
pischen Atlas von Burow 1 ) Erwähnung und Abbildung gefunden
hat. Es findet sich dort auf Tafel X, Figur 6 das Bild des
Kehlkopfspiegelbefundes dieses Falles, wie es vom Verfasser
Herrn Dr. Burow auf Grund wiederholter laryngoscopischer
Untersuchungen aufgenommen worden ist.
Wenn hiernach die Diagnose vom laryngoscopisehen
Standpunkte aus aufs beste beglaubigt erscheinen muss, so war
andererseits auch das klinische Krankheitsbild nicht weniger
characteristisch und significant für die Paralyse der Glottis-
Erweiterer. Wie noch besonders hervorgehoben sein möge, war
namentlich eine Verwechselung mit sog. Glottiskrampf 1 ) auch
klinisch durch die lange Dauer heftigster Inspirationsdyspnoe
ausgeschlossen.
Was nun die Geschichte des Falles im speciellen be¬
trifft, so fällt der erste Theil derselben in die Beobachtung des
Herrn Collegen Burow und kann ich die Mittheilung des Falles
daher nicht besser einleiten, als indem ich entsprechend der
Chronologie der Krankheitsgeschichte die in dem eben erwähnten
Atlas enthaltenen Data hier vorausschicke.
Wie Herr Dr. B. auf Seite 128 seines Atlas mittheilt, war
ihm die in Rede stehende Kranke, ein 19jähriges Mädchen aus
Russland, von der Mutter mit der Klage zugeführt worden, dass
sie seit 2 Monaten absolut stumm sei; nach eingehender Unter¬
suchung war von ihm sofort festgestellt worden, dass Pat. in
der That weder ein Wort hervorzubringen noch die Zunge hervor¬
zustrecken vermochte. Während der nun folgenden Monate
langen Beobachtung und Behandlung ist von Herrn Dr. B. in
der Hauptsache folgender Krankheitszustand constatirt worden:
Die Kranke hatte andauernd etwas Blutauswurf, ohne dass je¬
doch ein stärkerer Grad von Husten vorhanden oder eine Lungen¬
krankheit nachzuweisen gewesen wäre; Essen und Trinken ging
zwar langsam, im allgemeinen jedoch befriedigend -von statten;
für alles was man sprach, zeigte Pat. ein gutes Verständniss.
Vor allem aber war es eine bedeutende Störuug der Respira¬
tion, welche sich als dominirendes -Moment in deu Vordergrund
der Erscheinungen drängte. Die nähere Schilderung dieser
Störuug und ihres Verlaufs lasse ich in wörtlicher Mittheilung
des betr. Passus hier folgen:
„Bei ruhiger Respiration war das Athmen schon etwas ge¬
räuschvoll und behindert, so zwar, dass eine inspiratorische
Dyspnoe vorlag. Nach geringen Körperanstrengungen aber wuchs
diese Athemnoth schnell, so dass sie zuweilen einen bedrohlichen
Character annahm und die jedesmalige Inspiration mit einem
heulenden Tone begleitet war. Die Respiration war verlang¬
samt, der Puls klein und beschleunigt. Die Menses, welche
immer unregelmässig gewesen, waren seit einigen Monaten aus¬
geblieben. Die Speculirung war in diesem Falle äusserst schwie¬
rig uud nur nach vielen Versuchen und Uebungen, welche durch
den paretischen Zustand der Zunge wesentlich erschwert wurden,
gelang es mir, die laryngoscopische Diagnose zu stellen. Unter¬
suchte ich die Kranke während ruhiger Respiration, so blieben
die Stimmbänder, welche eine in Figur 6 wiedergegebene Stellung
einhahmen, bei den Phasen der Respiration ruhig stehen, wobei
nur auffiel, dass sie aus der nahen Stellung in der Inspiration
1) Laryngoscopischer Atlas, enth. 61 Fig. auf 10 Taf. in Farben¬
druck v. Dr. Ernst Burow, Privatdocent in Königsberg. Stuttgart 1877.
2) Auf dem Gebiete der Kehlkopfskrankheiten scheint sich eine
sonderbare Nomenelatur einbürgern zu wollen. Man spricht einerseits
von Stimmritzenkrampf und andererseits von Stimmband-Erwei-
terern und Verengerern, während die Begriffs-Association doch gerade
die umgekehrte sein sollte!!
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nicht auseinander rückten. Respirirte aber die Kranke lebhaft
in Folge von Gemüthsaffecten oder Körperanstrengungen, so fiel
sofort ein verkehrtes Verhalten der Stimmbänder ius Auge:
während der Inspiration wichen sie nicht auseinander, sondern
sie näherten sich, so dass sie zuweilen fast bis zur Berührung
aneinander traten. Natürlich wurde zu solchen Zeiten die Di-
spnoe sehr heftig und der schon erwähnte heulende Ton deut¬
lich hörbar. Die Stimmbänder waren nicht gespannt und es
war im Laufe der Beobachtung ersichtlich, dass sie durch den
Inspirationsstrom nach unten und aneinander gerissen wurden.
Dabei war, wahrscheinlich auf mechanischem Wege entstanden,
etwas Catarrh der Stimmbänder vorhanden. Dass hier nicht
ein Glottiskrampf vorlag ging daraus hervor, dass keine Pa-
roxysmen auftraten, sondern nur jedesmal, sobald die Athmung
heftig wurde, auch die Stimmbänder einander sich näherten,
und dass ferner die Dauer für einen Krampf viel zu lang war.
Ich würde, wenn ich nicht diesen characteristischen Befund im
Larynx bekommen hätte, Pat. für eine hysterische Simulantin
gehalten haben, aber eine Paralyse der Glottisöffner, die hier
zweifellos vorlag, kann niemand simuliren. Nichts desto weniger
war es interessant zu beobachten, wie die Pat. darauf hin, dass
ich oft in ihrem Beisein laut äusserte, wenn sie nicht bis zu
einem gewissen Zeitpunkte spräche, würde ich sie mit dem
Glüheisen behandeln, kurz vor dem Termin erst in lallender
Weise zu sprechen begann und am Tage selbst, als ich in osten¬
sibler Art Ferrum candens zubereiten liess, ganz ordentlich
sprach — ein Beweis, wie die Grenze zwischen Simulation und
Hysterie oft verwischt ist. Auf die Lähmung der Glottisöffner
hatte diese Besserung aber keinen Einfluss. Patientin wurde
dann äusserer Verhältnisse halber in das städtische Kranken¬
haus aufgenommen; woselbst sich uterine Beschwerden zu ihrem
Krankheitsbild hinzugesellten, dann aber im Laufe von einigen
Monaten, hauptsächlich durch subcutane Anwendung von Strych¬
nin eine Heilung ihrer Paralyse erfolgte.“
Als ich die Kranke nach ihrer Aufnahme (die auf Grund
eines von Herrn Dr. B. ausgestellten, die Aufnahme befür¬
wortenden Krankheitsscheines, übrigens aber ohne weitere anam-
nestische Notizen erfolgt war) zum ersten Male sah, fand ich
sie in vollkommen sprachlosem Zustande und in einem Zustande
höchster Erstickungsgefahr. Es bestand Dyspnoe in einem Grade,
wie ich sie bis dahin nur bei Croup und bei sogenanntem Glottis¬
krampf gesehen hatte. Indess ergab sich sehr bald die Wahr¬
scheinlichkeits-Diagnose einer Lähmung der Glottis-Erwei¬
terer uud es wurde schon am 2. Tage nach der Aufnahme
mit Anwendung der Electricität begonnen. Einen definitiven
Character erhielt diese Diagnose sodann durch den mittler¬
weile zu meiner Kenntniss gelangten Umstand, dass der Zustand
schon seit geraumer Zeit, seit Monaten, bestehe, sowie durch den
characteristischen, wie erwähnt bereits von Herrn Dr. Burow
wiederholt festgestellten laryngoscopischen Befund.
Die Athemnoth der Patientin war so bedrohlich, dass unter
den therapeutischen Erwägungen auch die Tracheotomie in Frage
kam. Um nicht zu weitläufig zu sein, muss ich darauf ver¬
zichten, das gesammte Krankheitsbild, welches ein höchst frap¬
pantes und significantes war, im einzelnen auszumalen und mich
darauf beschränken, nur in der Hauptsache kurz anzuführen,
dass die Respiration den Character höchstgradiger inspiratori¬
scher Dyspnoe und überhaupt die Eigentümlichkeiten der so¬
genannten Laryngealdyspnoe darbot, nur mit Aufbietung aller
inspiratorischen Hülfsmuskeln vor sich ging. Das stridulöse
Athmungsgeräusch war so scharf und laut, dass es durch 2 bis
3 Krankensäle hindurch zu hören war.
Wie schon erwähnt war Pat. zugleich auch ausser Stande
zu sprechen und genöthigt, sich durch Zeichen verständlich zu
Original fro-m
UNIVERSITY OFMICHSGAN
17. Juni 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
351
machen; ebensowenig war sie im Stande die Zunge hervor¬
zustrecken. Ich möchte indessen diese Unfähigkeit nicht so
ohne weiteres als eine genuine und essentielle Lähmung quand
meine auffassen und halte dafür, dass auch dem hemmenden
Einfluss, welchen die drohende Erstickungsgefahr auf jeden
Versuch zu sprechen haben musste, einiger Antheil an der
Lahmlegung des Sprechmechanismus zuzuschreiben sein möchte.
Pat. war in der Zwangslage, mit der Exspiration möglichst
schnell fertig werden zu müssen, um nur für die gehinderte
Inspiration die allernöthigste Zeit zu gewinnen: nun erfordern
aber die Exspirationsbewegungen, deren wir uns bei der Stimm¬
bildung und beim Sprechen bedienen, eine viel grössere Dauer
als die gewöhnliche Exspiration; es folgt daraus, dass mit
jedem Versuche zur Phonation eine lebensgefährliche Beein¬
trächtigung der Inspiration und eine Steigerung der Dyspnoe
und der Estickungsgefahr verknüpft sein musste, und jeder
Versuch zum Sprechen sich daher unwillkürlich von selbst
verbot und als unausführbar erwies.
Bei Berücksichtigung dieser Momente kann es denn auch
nicht Wunder nehmen, wenn durch einen intensiven psychischen
Affiect (wie er offenbar durch die Drohung mit dem Glüheisen
hervorgerufen) der Zustand instinctiver und unwillkürlicher
Hemmung des Sprechmechanismus momentan überwunden werden
konnte, wie es ja bekannt ist, dass ein vorhandener Affect
durch einen anderen stärkeren übertrumpft werden kann. An¬
dererseits begreift sich auf diese Weise auch leicht, dass in
diesem Falle mit Nachlass der kritischen Situation sogleich
auch einige Sprachfähigkeit wieder sich einstellte. Doch will
ich auf die in unserem Falle beobachtete Sprachlähmung hier
nicht des weiteren eingehen, da dieselbe hier gewissermassen
lediglich die Bedeutung eines nur beiläufigen Symptoms hat, und
wende mich sogleich zu dem hauptsächlich interessirenden
therapeutischen Theile unseres Falles —- allerdings auch
hier auf Hervorhebung des wesentlichsten mich beschränkend.
Während der ersten 6 Tage des Aufenthalts der Pat. in
der städtischen Krankenanstalt wurde von therapeutischen Mass¬
nahmen (ausser diätetischen Anordnungen und gegen die vor¬
handene Obstruction gerichteten Mitteln) hauptsächlich nur die
percutane Faradisation angewendet — hiermit aber nicht
der geringste Erfolg erzielt.
Mit Rücksicht auf die bestehende Menostasie und Cere¬
bralhyperämie wurde von mir am 7. Tage ein Bad von
29 • R. mit einigen Eimern kalten Wassers zum Ueberguss auf
den Kopf verordnet, mit dem Erfolge, dass sich schon am
$. Behandlungstage die Menstruation einstellte. Eine Besserung
des dyspnoetischen Zustandes war hierdurch zunächst aber nicht
zu constatiren.
Am 10. Tage — nachdem also die Inspirationsnoth hier
in der Krankenanstalt in unverminderter Intensität bereits volle
9 Tage angedauert, und schon vor dieser Zeit bereits Monate
lang bestanden hatte, begann ich mit der subcutanen An¬
wendung des Strychnins.
Ich benutze nicht das übliche Strychninum nitricum, sondern
das besser lösliche Strychninum sulfuricum in einprocentiger
Lösung. Hier eine Uebersicht der Einzelgaben nnd ihrer
Wirkung:
10. Tag 1 ): 1. Injection von 0,001: Nicht die geringste
sichtliche Wirkung.
11. Tag: keine Injection, hochgradige Dyspnoe.
12. Tag, Vorm.: 2. Injection von 0,002. Pat. verfällt un¬
mittelbar nach der Einspritzung, nach wenigen Secunden in Schlaf;
1) Es sind hier und im folgenden immer die Tage des Aufent¬
haltes der Pat. in der Krankenanstalt gemeint.
die Augenlider schliessen sich, zucken leise und lassen einige
Thränen hervorquellen; die Inspirationsdyspnoe hört vollständig
auf, das Athmen wird leicht und ruhig; der Schlaf dauert
1 volle Stunde; nach dem Erwachen bleibt das Athmen noch
V 4 Stunde lang unbehindert; dann wieder heftige Dyspnoe.
12. Tag, Abd.: 3. Injection von 0,003: Dieselbe frap¬
pante Wirkung wie nach der Einspritzung am Vorm.:
sofort ruhiger Schlaf und unbehindertes Athmen
während 1 */ 2 Stunden; dann wieder starke inspiratorische
Dyspnoe wie vorher.
13. Tag, Vorm.: 4. Injection von 0,003: Wiederum sofor¬
tiger Nachlass der Inspirationsdyspnoe und unbehindertes Athmen
während 37 2 Stunden.
13. Tag, Abds.: 5. Injection von 0,003: Dieselbe günstige
Wirkung, Nachlass der Dyspnoe und freies Athmen während
4 Stunden.
14. Tag, Vorm.: 6. Injection von 0,0033: Nachlass der
Dyspnoe während 4% Stunden.
14. Tag, Abds.: 7. Injection von 0,0033: Freies Athmen
während 4 Stunden; zugleich ist ein Nachlass der
Dyspnoe überhaupt zu constatiren.
15. Tag, Vorm.: 8. Injection v. 0,003: Freies Athmen
während 7 Stunden.
15. Tag, Nm.: 9. Injection von 0,003: Dauer der Ruhe¬
pause nicht notirt.
16. Tag, Vorm.: 10. Injection von 0,003: Freies Athmen
während 5 V , Stunden.
16. Tag, Abds.: 11. Injection von 0,003: Hiernach ruhiger
Schlaf und freies Athmen während der ganzen Nacht.
17. Tag, Vorm.: 12. Injection von 0,003: Freies Athmen
während 9 Stunden.
18. Tag, Vorm.: 13. Injection von 0,003: Desgleichen
während 8 Stunden.
19. Tag: Pat. ist heute früh morgens zum ersten Male
ganz ruhig und frei athmend erwacht und hat einige Worte
(„Wasser”) gesprochen und etwas Blut ausgehustet, sie kann
die Zunge bis zum Lippenrande hervorstrecken.
19. Tag, Vorm.: 14. Injection von 0,0036: Hiernach freies
Athmen während 10 Stunden (bis zum Einschlafen); auch die
Nacht hindurch freies Athmen. Nach dem Erwachen am anderen
Morgen bleibt das Athmen, abgesehen von einigem Bluthusten,
ruhig und frei; Pat. kann ziemlich gut sprechen und die Zunge
über den Lippensaum hervorstrecken.
20. Tag, Vorm.: 15. Injection von 0,004: Das Athmen
bleibt den ganzen Tag ruhig und ungestört.
21. Tag, Vorm.: 16. Injection von 0,004: Die Inspi¬
rationsdyspnoe erscheint nunmehr vollständig be¬
seitigt; das Athmen bleibt fortdauernd frei und nur inter-
current durch geringen mit Blutauswurf verbundenen Husten
gestört.
22. Tag, Vorm., 17. Injection von 0,0043; 23. Tag, Vorm.,
18. Injection von 0,0044; 24. Tag, Vorm., 19. Injection von
0,0045: Die Inspirationsdyspnoe bleibt dauernd be¬
seitigt; die noch etwas lispelnde Sprache bessert sich zu¬
sehends; die Zunge kann in normaler Weise hervorgestreckt
werden. Husten stark mit Blutauswurf verbunden.
Die am 24. Beobachtungstage gemachte 19. Injection war
die letzte. Die Pat. blieb wegen complicirender Krankheits¬
zustände noch 34 Tage in der Krankenanstalt: während
dieser ganzen Zeit blieb dasAthmen ruhig und unbe¬
hindert. Im ganzen waren 0,063 schwefelsaures Strychnin
verbraucht und 14 Injectionen gemacht worden.
In Bezug auf die sonstigen Krankheitssymptome ist
in kurzem folgendes zu bemerken:
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o *
Ün^iral fron
UNIVERSITY OF MICHIGAN
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 24
352
Während der ganzen Krankheitsdauer bestand Neigung zur
Obstruction, gegen welche Lavements und Solventia mit gutem
Erfolge angewendet wurden. Die Menstruation stellte sich 28
Tage nachdem sie hier zum ersten Male erschienen, in nor¬
maler Weise wieder ein. Erwähnt zu werden verdient, dass
sich mit Nachlass der Inspirationsnoth Bluthusten einstellte,
welcher 24 Tage lang anhielt, ohne jedoch eine bedenkliche
Höhe zu erreichen; gerade während der Acme der Respirations-
noth wurde derselbe hier nicht beobachtet. Fast zu gleicher
Zeit machten sich auch perimetritische Symptome bemerklicü
(Schmerzhaftigkeit und Druckempfindlichkeit des Unterleibes,
erhöhte Temperatur des oberen Scheidengewölbes etc.). Die¬
selben traten jedoch ebenfalls erst zu einer Zeit auf,
als die Lähmung der Glottisöffner bereits unter An¬
wendung des Strychnins gehoben war und wurden durch
eine entsprechende Medication sehr bald beseitigt. Dasselbe
war mit einem in mässigem Grade bei der Pat. bestehenden
Fluor albus der Fall, der ebenfalls erst nach Beseitigung der
respiratorischen Paralyse in Behandlung hatte genommen werden
können.
Als Patientin nach überhaupt 57 Behandlungs¬
tagen aus der Krankenanstalt entlassen wurde, war
sie von allen diesen Leiden vollständig befreit.
Die Heilung blieb auch während eines Zeitraumes von vier
Monaten von Bestand. Nach dieser Zeit erlitt Pat. ein Reci-
div der respiratorischen Lähmung, wegen dessen sie wiederum
die Hülfe der Krankenanstalt in Anspruch nahm.
Zum zweiten Male fand sie hier nach fast drei¬
monatlicher Behandlung vollständige Heilung.
In betreff dieses Recidivs beschränke ich mich darauf zu
bemerken, dass die Symptome der Lähmung der Glottis-Erweiterer
dieses Mal viel weniger intensiv und bedrohlich erschienen als
das erste Mal — dass sie ebenfalls unter dem Gebrauche von
subcutanen Strychnin-Injectionen sehr bald beseitigt wurden —
und dass die Länge der Behandlungszeit dieses Mal lediglich
durch anderweitige Complicationen bedingt gewesen ist.
Epicrise. Wenn wir in Betracht ziehen, einerseits die
Hartnäckigkeit, mit welcher die in Rede stehende Lähmung in
der grössten Mehrzahl der bekannt gewordenen Fälle allen Heil-
versuchen Trotz geboten hat, sowie den Umstand, dass auch in
unserem Falle die zuerst in Anwendung gezogene Iherapie,
selbst nach Monate langer Fortsetzung, nicht im geringsten eine
günstige Wendung herbeizuführen vermocht hatte, dass während
derselben vielmehr eine Steigerung der Krankheitssymptome zu
beobachten gewesen war; wenn wir andererseits zu constatiren
haben, dass die erzielte Besserung sich unmittelbar an die sub¬
cutanen Strychnin-Injectionen anknüpfte und gleichen Schritts
mit diesen und — wie die mitgetheilten Zahlen erkennen
lä&sen — so zu sagen in genauem mathemathischen Verhältnisse
mit der öfteren Wiederholung und stärkeren Dosirung eine ste-
tigW^Zunahme bis zu völliger Heilung zeigte — so dürfte es
dböli Wöhl den Scepticismus zu weit treiben heissen, wenn man
ftfr c *dife:Meu Fall die Heilwirksamkeit der Strychnin-Injectionen
ifPZwktfel ziehen wollte. Der Umstand, dass die erste mit einer
Anfangs-Dosis von 0,001 ausgeführte subcutane Strych-
nin-lnjection• ohne jede Wirkung blieb, zeigt ausserdem deut-
17$F, durch diese Injection erzielte Erfolg, nicht
dAnung bloss psychischer Einwirkung ge-
sfetktf*^£rflen : Itfinli, da der etwa mitspielende psychische Effect
beV^ flör ‘'{Miteil [ U J übcutanen Injection jedenfalls am stärksten
Hiermit solF' ^Ül'*aber das Gewicht, welches für die The-
r^fpi^^öfelüf^Ztibtäf/dli auch auf eine allgemeine, namentlich
auf Regulirung stockender Functionen und sorgfältige Anpassung
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des gesammten diätetischen Regimes gerichtete Behandlung zu
legen ist, nicht im geringsten geschmälert werden, vielmehr
möchte ich bei dieser Gelegenheit die Wichtigkeit dieses thera¬
peutischen Gesichtspunktes — einseitiger specifischer Therapeu-
tik gegenüber — gerade noch besonders accentuiren, da ich
allerdings der Meinung bin, dass in dem vorliegenden Falle,
wie auch gewiss in vielen anderen Fällen das günstige Resultat
eben nur durch eine gleichzeitige Berücksichtigung und Erfüllung
der aus dem Gesammtkrankheitszustande, der Individualität und
der Localaffection sich ergebenden lndicationen erreicht wor¬
den ist.
Wenn übrigens gerade die Beziehung der Hysterie für die
respiratorische Kehlkopfsparalyse besonders betont und diese
Beziehung wiederum als Kriterium der Heilbarkeit betrachtet
worden ist, dergestalt, dass man die Fälle auf hysterischer Basis
als heilbare den übrigen als unheilbaren geradezu gegenüber
gestellt hat, so kann ich einer solchen Subsumirung eine be¬
sonders hervorragende Bedeutung nicht zuerkennen; denn ein¬
mal ist der Begriff der Hysterie überhaupt ein zu elastischer,
zu wenig scharf begrenzter, sodann aber ist auch die pathoge¬
netische Beziehung, welche bekanntermassen zwischen gewissen
Functionsstörungen der Kehlkopfsmusculatur einerseits und Ano¬
malien auf dem Gebiete des Central-Nervensystems und der
Genitalorgane andererseits obwaltet, keineswegs eine nur auf
das weibliche Geschlecht beschränkte, vielmehr eine ganz all¬
gemeine, auch beim männlichen Geschlechte zur Geltung kom¬
mende. Hierzu kommt noch, dass auch das Heilbarkeitskriterium
i kein durchschlagendes ist, insofern einerseits unter den unheilbar
; gebliebenen Fällen auch solche figuriren, die ausdrücklich als
| hysterische bezeichnet worden sind *) — und andererseits die
Prognose der in Rede stehenden Lähmung überhaupt doch wohl
nicht ganz so ungünstig sein dürfte, als es nach dem oben citir-
ten Ausspruche Riegel’s den Anschein haben könnte.
Von einigem Interessse erscheint in unserem Falle auch
| die nach den ersten Injectionen ganz deutlich hervortreteude
einschläfernde Wirkung, eine Erscheinung, die ich übrigens
auch noch bei einer anderen Kranken wiederholt habe beob-
: achten können, bei welcher ich wegen phonischer Stimm-
bandlähmung ebenfalls Strychnin-Injectionen in annähernd
gleicher Dosis mit gleich günstigem Erfolge angewendet habe. —
Sodann glaube ich auch eine andere Nebenwirkung nicht ganz
unerwähnt lassen zu sollen, welche, soviel mir bekannt ist,
ebenfalls noch keine Beachtung gefunden zu haben scheint. Es
j ist das der Eintritt einer ausgesprochenen Euphorie und einer
heiteren jovialen Stimmung.
Ausser in dem vorliegenden Falle ist diese Wirkung auch
noch in zwei anderen Fällen zu constatiren gewesen. In allen
drei Fällen machte sich diese Wirkung in so ostensibler Weise
geltend, dass sie dem (in dieser Beziehung übrigens in keiner
Weise präoccupirtem) Krankenwartpersonal auffallend genug er¬
schien um davon aus eigener Initiative Meldung zu machen.
Selbstverständlich liegt es nicht in meiner Absicht, auf eine Er¬
örterung dieser eigentümlichen Nebenwirkungen der Strychnin-
Injectionen hier näher einzugehen oder gar etwa aus den we¬
nigen eben erwähnten Beobachtungen definitive Schlüsse ziehen
zu wollen; immerhin aber habe ich in Anbetracht der Prägnanz
ihres Auftretens geglaubt, dieselben nicht unerwähnt lassen zu
dürfen und so mögen dieselben denn der gelegentlichen Be-
I) Vergleiche den von Bi er in er ein Jahr lang beobachteten und
ausführlicher in seiner Monographie „lieber Bronchialasthma“ (Volk¬
mann 1 ? Sammlung No. 12, pag. 13—17) mitgetheilten Fall, eine an
Hysterie leidende, „seit Jahren von grossartigen hysterischen Störungen
geplagte“ Dame betreffend, bei welcher die Lähmung der Glottis -Er¬
weiterer bereits 6 Jahre lang unverändert fortbestand.
Original fro-m
UNIVERSETY OF MICHSGAN
17. Juni 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
353
rücksichtigung und Prüfung Seitens anderer Beobachter em¬
pfohlen sein
In Betreff der Dosirung möchte ich hei dieser Gelegenheit
doch davor warnen, zu hohe Einzelgahen von Strychnin in
Anwendung zu bringen. Wenn namentlich Riegel in seiner
bereits citirten Monographie S. 35 sagt: „Nach den Versuchen
von Acker kann man seihst eine Dosis von 0,02 Strychnin,
nitric. täglich längere Zeit hindurch ohne schädliche Fol¬
gen injiciren,“ so kann ich die hiermit indirect ausgesprochene
Empfehlung so hoher Gaben doch nur in sehr bedingter Weise
gelten lassen. Es ist zwar richtig, dass A. in einem Falle
diphtherischer Lähmung mehrere (10) Tage hintereinander je eine
Injection von */» Gr. = 0,024 angewandt hat, ohne üble Folgen
zu beobachten; allein es darf demgegenüber doch auch nicht
verschwiegen werden, dass in einem anderen Falle von A. sich
nach einer wiederholten Injection von 0,02 bereits einigermassen
bedrohliche Symptome (Trismus und Tetanus) einstellten 4 ). Ich
selbst habe in einem Falle bereits nach einer Injection von nur
0,005 krampfhafte Zuckungen und eine aufs Höchste gesteigerte
Reflexerregbarkeit (namentlich in Bezug auf Gehörseindrücke)
eintreten sehen. Hermann erwähnt übrigens in seiner Toxi-
cologie 2 ) eines Falles von Vergiftung, welche durch 0,06 Upas
tieute „(== 0,04 Strychnin)** erfolgt war. Man wird also wohl
daran thun, immer mit kleinen oder mässigen Gaben zu be¬
ginnen, zumal starke Anfangsgaben in Folge der brüsken Ein¬
wirkung dem Heilzwecke weniger förderlich zu sein pflegen als
vorsichtig zu steigernde kleine Gaben, wie uns hiefür ja auch
die electrische Behandlungsmethode eine beachtenswerthe Ana¬
logie darbietet.
IY. BettendorflTs Reagens auf Arsen.
Von
Dr. H. Hcubach in Bonn.
Es giebt für die Zwecke des practischen Arztes keine ein¬
fachere und bequemere Methode, Arsenik beim gewöhnlichen
Workommen in hellgrüner Farbe zu erkennen, als die von
ßettendorff.
Auf Seite 588, Jahrgäng 1875 dieser Wochenschrift bespricht
Herr Professor Binz die Bettendorff’sche Probe auf Arsen,
die zuerst in der Zeitschrift für Chemie, Neue Folge V, 492
publicirt wurde. So wichtig es für den practischen Arzt ist,
eine Untersuchung auf Anwesenheit kleiner Mengen von Arsen
jederzeit selbstständig ausführen zu können, so darf man doch
kaum erwarten, in der Reagenten-Sammlung eines Arztes das
Zinnchlorür vorzufinden. Selbst die Pharmacopoea germanica
schreibt aber für die Prüfung des Tartarus stibiatus vor:
„In acido hydrochlorico solutus stanni chlorati parva copia
addita inter calefacicudum ne fuscetur.“
Nach Angabe der chemischen Lehrbücher wird das Zinn¬
chlorür durch Auflösen von Zinn in Salzsäure dargestellt, und
auch Bettendorff*) hat sich dieser Herstellungsmethode be¬
dient. Es zersetzt 4 ) sich indessen bei längerer Aufbewahrung
sehr leicht und wird dann als Reagens unbrauchbar, indem
durch Aufnahme von Sauerstoff und Wasser Zinnchlorid und
Zinnsäure gebildet werden:
2 Sn Cl 2 + 2 0 + H 2 0 = Sn Cl 4 + H a Sn 0 3 .
Diese Eigenschaft unseres Salzes involvirt leider ein schwer
1) lieber Lähmung nach Diphtherie und über subcutane Strychnin-
Injectionen. D. Arch. f. klin. Med., XIII, S. 421.
2) S. 317.
3) Neues Repert. f. Pharm. XX, 43.
4) Fresenius. Qualität. Analyse. 10. Auflage, p. 70.
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wiegendes Hinderniss für die Anwendung der sonst so vorzüg¬
lich brauchbaren Reaction. Doch lässt sich nach meiner Er¬
fahrung dies bequem umgehe.n, wenn man das Zinnchlorür
vorkommenden Falls jedesmal selbst darstellt und dann gleich
in Lösung verbraucht. Die Mittel dazu sind so einfach, dass
sie jedem practischen Arzt, der doch kein Laboratorium zur
Verfügung hat, leicht zu beschaffen sein werden.
Man thut etwa 2 Cc. rauchende Salzsäure (natürlich arsen¬
freie) in ein Reagensgläschen, fügt ein Stückchen Zinnfolie oder
Stanniol (etwa in der Grösse von 2 Ctm. im Quadrat, circa
0,05 dem Gewicht nach) hinzu und erwärmt über der freien
Flamme. Unter Wasserstoffentwicklung löst sich das Zinn in
der Salzsäure zu Zinnchlorür in ungefähr 5 Minuten auf.
Den auf Arsen zu untersuchenden Gegenstand — also ein
Stückchen Tapete, etwas von dem Anstrich einer Wand, von
einem Lichtschirm, einer Ballrobe, einem Kinderspielzeug — über¬
giesst man in einem Reagensgläschen mit einigen Cc. rauchender
Salzsäure. War arsenige Säure darin, so löst sich diese in der
Salzsäure zu Arsenchlorür:
As 2 0 3 -f 6 H CI = 3 H, 0 + As 2 C1 ä .
Giesst man nun den Inhalt der beiden Reagensgläschen
zusammen und erwärmt, so nimmt die Flüssigkeit, je nachdem
mehr oder weniger Arsen darin war, schneller oder langsamer
eine bräunliche Färbung (wie Rauchtopas) an, wird allmälig
immer dunkler und setzt — wenn viel Arsen vorhanden, einen
braunen voluminösen Niederschlag ab, der theilweise auf der
Glaswand, besonders nach stundenlangem Stehenlassen, einen
schönen Arsenspiegel bildet:
As 2 C1 6 -f 3 SnCl 2 = 3 SnCl 4 + 2 As.
Als höchst wichtig muss ich noch hervorheben, dass die
Reaction nur gelingt, wenn man concentrirte, sogenannte
rauchende Salzsäure verwendet; schon geringe Verdünnungen
mit Wasser hindern ihr Zustandekommen durchaus.
War die Salzsäure arsenhaltig, was häufig genug vorkommt,
so tritt beim Auflösen der Zinnfolie die Bräunung auch ohne
Zusatz der zu untersuchenden Substanz ein.
Bei den vielen Proben, die ich mit allen, mir irgend zu¬
gänglichen Stanniolsorten anstellte, fand ich in einigen Fällen
auch eine Verunreinigung des Zinn’s durch Schwefelantimon.
Es hat dies nichts zu sagen, das Schwefelantimon löst sich in
der Salzsäure auch bei längerem Kochen nicht auf, es fällt bei
ruhigem Stehenlassen nach wenigen Augenblicken als schwarzer
flockenförmiger Niederschlag zu Boden, und die darüber-
steheude klare Lösung des Zinnchlorürs kann man bequem in ein
anderes Reagensglas abgiessen und die Arsenprobe damit machen.
Sollte für den Untersucher ein Zweifel entstehen, ob er es
bei dem Ausfallen eines in Salzsäure unlöslichen Schwefel¬
metalls mit dem gesuchten Arsen oder nur mit Verunreinigung
des Zinn’s zu thun hat, so führe er sich den ganzen Process
erst mit Salzsäure, Stanniol und einem hinzugesetzten Körnchen
Arseniger Säure vor. Der Unterschied ist so characteristisch,
dass dann eine Verwechselung nicht mehr stattfinden kann.
Aber auch ohne Rücksicht auf die etwaige Verunreinigung
wird es sich jedem Ungeübten wohl empfehlen, die Reaction
zuerst sich mit ganz wenig Arseniger Säure oder Schweinfurter
Grün deutlich zu machen.
Die früher zu Malerfarben zuweilen benutzten Arsenver¬
bindungen, das rothe Realgar As 2 S 2 und das gelbe Auripigment
As 2 S 3 lösen sich auch in kochender concentrirter Salzsäure nicht
auf. Will man auf ihre Anwesenheit untersuchen, so erhitze
man die fragliche Masse, nachdem man sie mit etwas gepulver¬
tem chlorsauren Kali bedeckt hat, auf einem Stückchen Eisen¬
blech oder einer alten Messerklinge über der freien Flamme
bis zum Schmelzen des chlorsauren Kali’s. Etwa vorhandene
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UNIVERSITÄT OF MICHIGAN
354
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 24
Metalle oder Schwefelmetalle werden unter Feuererscheinung
oxydirt. Die nach dem Abkühlen erstarrte Masse kratzt man
ab, schüttet sie in ein Reagensgläschen und behandelt sie mit
rauchender Salzsäure, wie oben.
V. Referate.
Ueber die Vorgänge bei dem Lungenbrande und über den
Einfluss verschiedener Arzneimittel auf dieselben.
Nach Filehne’s Versuchen, die er unternahm, um die eigentliche
Natur des auffallenden Vorgangs festzustellen, durch welchen bei Lungen¬
gangrän das elastische Gewebe zerstört, das zartere Bindegewebe dagegen
häufig erhalten bleibt, ist dieser Vorgang kein einfacher Fäulnissprocess,
sondern es entspricht derselbe einem Verdauungsproeess. Denn durch
Glycerin ex tracte aus den Sputis der Kranken oder durch glycerinfreies
Filtrat aus denselben bei alcalischer Reaction wurde elastisches Gewebe —
vom Lig. nuchae des Kalbes — im Verdauungskasten bei Körpertemperatur
in 1—4 Tagen völlig gelöst. Bei neutraler Reaction ging die Auflösung
viel langsamer vor sich, in saueren Flüssigkeiten war nach Wochen noch
keine Veränderung zu bemerken; ebenso, -wenn das glycerinfreie Filtrat sich
weiter zersetzt hatte Brandige Flüssigkeit, aus den Lungen von Leichen
entnommen, leistete nichts. Andere putride Flüssigkeiten zeigten eine viel
langsamere Einwirkung auf das elastische Gewebe, als die ersterwähnten.
Auch gekochtem Hühnereiweiss gegenüber zeigten die ersterwähnten
Flüssigkeiten bei alcalischer Reaction schnell zerstörenden Einfluss; nach
10—24 Stunden waren kleine Würfel vom Eiweiss schon zerfallen und
zwar, wie aus der chemischen Reaction zu sch Hessen, unter Peptonbildung.
Dagegen zeigte es sich, dass leimgebendes Gewebe (Sehnen und Unter¬
zellhautgewebe von Kaninchen) von denselben Flüssigkeiten auch in
alcalischer Lösung innerhalb 14 Tagen nicht gelöst werden. Aus diesen
Versuchsresultaten schliesst F., dass der Vorgang bei denselben demjenigen
bei der Verdauung entspricht, sowie dass die Vorgänge beim lebendigen
den bei den Versuchen stattfindenden analog sein müssen. Die Wirkungen
des bei diesen Processen thätigen Verdauungsferments haben die grösste
Aehnlichkeit mit den von Kühne beschriebenen Wirkungen des Try¬
psins, welches ebenfalls in alcalischer Lösung Eiweiss und elastische
Substanz verdaut, dagegen nicht besonders präparirtes Gewebe nicht
verdaut. Mit Bezug auf die Verhinderung dieses „Verdauungsprocesses“
lehrten darauf hin angcstellte Versuche, dass Thymol, Terpenthin, Salicyl-
säure, Carbolsäure, Chininsulphat, denselben zu hemmen im Stande sind.
Für die Praxis bleibt es iniess zunächst zweifelhaft, ob diese Heilmittel
in genügender Concentration am Kranken angewandt werden können.
Die besten Dienste scheinen übrigens Thymol und Terpenthin — das
letztere als Inhalationsmittel bei Gangräna pulmonalis seit lange be¬
währt — zu bieten. _
Ueber die Wirkung des Magnetismus und der statischen
Electricität auf die hysterische Hemianästhesie.
Hinsichtlich der Natur der als Metalloscopie beschriebenen Erschei¬
nungen hatte Charcot bereits von Anfang an ausgesprochen, dass es
sich hier um die Wirkung schwacher galvanischer Ströme handele (vgl.
den Aufsatz von Bernhardt in No. 10, 1878 d. W.); auch war bereits
von Regnard nachgewiesen, dass durch das Auflegen von Goldstücken
nachweisbare electrische Ströme entstanden. In neuester Zeit hat nun
Dr. Vigouroux auf Anregung Charcots einige Versuche hinsichtlich
der Einwirkung von Magnetstäben auf die Empfindlichkeit Hemianästeti-
scher gemacht. Er ist dabei zu dem Resultate gekommen, dass in der
That ganz mit denen der Metalloscopie übereinstimmende Erscheinungen
hervorgerufen werden, wenn man Magnetstäbe, ohne die Haut selbst zu
berühren, auf die letztere in unmittelbarer Nähe einwirken lässt. Die
Experimente wurden so gemacht, dass entweder zwei Magnetstäbe senk¬
recht zur Axe des Vorderarmes und mit ihren entgegengesetzten Polen
zu beiden Seiten des Armes gebracht wurden, oder in eben derselben
Weise einerseits ein Magnetstab und auf der anderen Seite ein Stück
weiches Eisen gehalten wurde oder nur ein einziger Magnetstab oder ein
hufeisenförmiger Magnet auf zwei Längspunkte des Vorderarms gehalten
wurde, oder noch in anderen Modificationen. Immer kehrte die Sensi¬
bilität mit den bekannten Nebenerscheinungen in der von Burcq be¬
schriebenen Weise zurück; die Achromatopsie schwand in dem von
Charcot als characteristisch angegebenen Gange; die Erscheinung des
transfert wurde in gleicher Weise wie bei der Metallauflegung beobachtet.
Die Rückkehr der Anästhesie geschah ebenfalls in ganz entsprechender
Weise. Die Gegenprobe wurde in der Weise geliefert, dass, wenn man
nicht die Pole der Magnetstäbe, sondern den mittleren Theil, also die
neutrale Zone applicirt, keine Wirkung entstand.
(Gazette med. No. 18, 1878.)
VI. Verhrndlangea ärztlicher Gesellschaften.
Gesellschaft für Gebwrtshälfe and Gynäkologie ln Berlin.
Sitzung vom 26. Februar 1878.
Vorsitzender: Herr L. Mayer.
Schriftführer: In V. Herr Ben icke.
1) Herr Veit legt zwei Placenten vor. Die eine stammt von einer
30jährigen Mehrgebärenden, die 8 Tage vor Ende der Schwangerschaft
Schmerzen im Leibe bekommen hatte. Während der Geburt keine Blu¬
tung. Nach künstlicher Blasensprengung Geburt eines macerirten Kindes
in Schädellage. An dem einen Rande der Placenta grosser, bräunlich
gefärbter Bluterguss. Oedem unter dem Amnion.
Die andere Placenta besass einen grossen centralen Bluterguss, der
! eine tiefe Depression in der Mitte der Placenta bewirkt hat. Auch
I hier keine Ursache für die Blutung zu entdecken. Während der Wehen
! beständiger Blutabgang. Geburt eines todten Mädchens in Steisslage.
2) Herr Ebell: Geburt bei Uterus septus.
Der Fall betraf eine 36jährige Person, welche seit ihrem 15. Lebens¬
jahre regelmässig und ohne Beschwerden menstruirt war. Vor 6 Jahren
abortirte sie angeblich im 3. Monat, vor 5 Jahren leichte Geburt am
Ende der Schwangerschaft. Danach Wohlbefinden. Letzte Regel im
Januar 1S77. Im April traten Schmerzen in der linken Seite auf mit
Blutabgang. Herr Ebell sah sie zuerst am 16. April, Patientin war
blass, zeigte eine Kyphoscoliose der Brustwirbel. Uterus apfelgross,
sich beim Kneten contrahirend. Vagina und Portio aufgelockert. Ein
os externum zu fühlen, extramedian nach rechts stehend, im Cervix ein
elastischer Körper, der nach oben in einem Stiel ausläuft, der sich im
Uterus rechts und vorn inserirt. Links haftet dem Uterus innig ein
anderer Tumor an von teigiger Consistenz, der sich auch bei knetenden
Bewegungen contrahirt. Eine Communication mit der nach rechts ge¬
legenen Uterushöhle nicht nachzuweisen. — Vagina wird tamponirt, am
nächsten Tage das Ovulum ausgestossen, Foetus dem 3. Monat ent¬
sprechend. Deeidua manuell entfernt. Carbolinjectionen. Der links¬
seitige Tumor tritt mit dem nun entschwängerten Uterus tiefer. Am
18. Mai ganz geringer Blutabgang. Am 16. Juni stärkere Blutung und
Wehen. Portio verstrichen, äusserer Muttermund 50 Pfennigstück gross,
nach links stehend. Uterus faustgross. Im Muttermund die Frucht¬
blase und Füsschen. Auf dem Fundus uteri im rechten Drittheil eine
seichte Rinne zu fühlen. Am 19. Juni, Nachts 1 Uhr, Geburt des fünf¬
monatlichen Foetus. Placenta manuell entfernt. Jetzt deutlich 2 Ori-
ficia externa zu fühlen und eine sich von diesen bis zum Fundus
ununterbrochen fortsetzende Scheidewand. Normales W'ochenbett
Der Herr Vortragende macht zunächst auf die seltene Form des
Uterus septus aufmerksam, wo die Scheidewand schon beim äusseren
Muttermunde beginnt, bespricht dann einige ähnliche Fälle aus der
Literatur und betont die Schwierigkeit der Diagnose. In Betracht kommen
hier Myome, Haematometra einer verschlossenen Hälfte, Schwangerschaft
im rudimentären Ham, Parametritis, Extrauterinschwangerschaft. Mit
B. Hicks hält er für das sicherste Zeichen das Hervorrufen von Con-
tractionen am Tumor, die teigige Consistenz, später Kindesbewegungen.
Der Abort ist gewöhnlich die Folge der Raumbeschränkung und der
Differenz der Raumverhältnisse beider Seiten. Von Interesse ist ferner
die functionelle Unabhängigkeit beider Hälften, was dafür spricht, dass
jede Hälfte ihr besonderes motorisches Centrum besitzt, wie es ansser
bei Uterus septus auch bei Uterus bilocularis (Beigel) beobachtet ist.
— Etwaige Blutungen aus der entleerten Hälfte traten in dem zwei¬
monatlichen Intervall nicht auf.
Herr Haussmann sah bei einer Section einen Uterus septus mit
ungleicher Entwicklung der Wandungen beider Hälften. Er glaubt,
dass dies wohl häufig der Fall sein werde und hält besondere die Dünne
der Wandungen für die Ursache des Abortes. Für gesonderte motorische
Centren der beiden Uterushälften fordert er den anatomischen Nachweis.
Herr Ebell glaubt, dass man mit gutem Grund genaue Beobach¬
tungen an der Lebenden als Experiment ansehen und daraus Schlösse
ziehen könne, ohne stets den anatomischen Nachweis führen zu können.
3) Herr Ho fmei er: Geburtsfall mit drohender Cervixruptur.
Am 1. Februar wurde eine zum ersten Mal schwangere Person in
die Entbindungsanstalt geschafft, die seit 2 Tagen am normalen Schwan¬
gerschaftsende Wehen hatte. Kleine, 140 Ctm. hohe Person. Spitzbauch.
Uterus stark anteflectirt, Fundus ganz nach links gelagert, Uterus stark
um seine senkrechte Axe rotirt, so dass das rechte Lig. rotundum vom
unter den Bauchdecken sehr straff angespannt, von rechts unten nach
links oben ziehend zu palpiren, ja zu sehen ist. Kopf nicht über der
Symphyse fühlbar. Im rechten Hypochondrium auf der rechten Darm¬
beinschaufel ein harter grosser Körper. Pelvis plana rachitica. Conj. ext.
18., diag. 9,5. Promontorium stark vorspringend. Os externum sehr
hoch stehend, Scheide lang ausgezogen. Im Muttermund Kopf zu fühlen.
Tumor rechts in der Narcose als Kopf nachweisbar. Der Versuch, den
Uterus in der Narcose zu reponiren und den Kopf auf den Beckeneingang
zu bringen ohne dauernden Erfolg. Die leere Blase lag links. Rechts
trat immer deutlicher die Grenze eines anscheinend dünnwandigen Tumors
hervor, welcher als der sehr stark gedehnte Cervix angesproeben werden
musste. Wegen drohender Cervixruptur Perforation und unschwere Ex¬
traction. Ziemlich grosses Kind. Wochenbett normal.
Der Herr Vortragende betont als Ursache für die Verlagerung des
Uterus neben dem engen Becken die von der Person gemachte Aussage,
dass sie fast .stets die letzten Monate auf der linken Seite gelegen
habe. Dadurch sank der Fundus nach links herüber, der Kopf wich
nach rechts ab. Die Straffheit der Bauchdecken und der Uteruswan¬
dungen verhinderte die Entstehung einer Querlage. Der Kopf klemmte
nun den unteren Theil des Cervix rechts gegen die Beckenwandung fest,
so dass die Wehen den inneren Muttermund immer mehr in die Höhe
zogen. Der obere Theil des Cervix war jedenfalls schon während der
Schwangerschaft mit zur Uterushöhle genommen worden.
Herr Schröder hebt hervor, dass es besonders für die Praxis so
ausserordentlich wichtig sei, die Dehnung des Cervix während der Ge-
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17. Juni 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
355
burt recht genau zu beobachten, da unsere therapeutischen Eingriffe
davon abhängen. Wenn auch die Fälle nicht so ausgesprochen wären,
wie der eben mitgetheilte, so müsse man doch stets die Gefahr der
Cervixruptur im Auge haben.
Herr C. Rüge erinnert an ein Präparat im anatomischen Museum,
wo nur eine einseitige starke Ausziehung und Verdünnung der hinteren
Cefvicalwand nachweisbar wäre. Er glaubt, solche einseitige Ausziehung
könne dann ähnliche abnorme Lagerungen des Uterus, wie sie von Herrn
Hofmeier beschrieben, zur Folge haben.
Herr Veit hält die einseitigen Dehnungen des Cervix für nicht so
selten, er sah drei Mal bei hochgradigem Hängebauch die hintere Wand
des Cervix allein stark gedehnt.
Aerxtlieher Verein n larbirg.
Sitzung am 11. Juli 1877.
Herr Professor Roser demonstrirt ein Präparat von Kehikopf-
strictur und eine Anzahl von Zeichnungen über Kehlkopfnarben, be¬
sonders lupöse Narben und solche nach Kehlkopfoperationen.
Derselbe berichtet über einen Fall, bei dem er einem dreijährigen
Kinde einen in den rechten Bronchus gedrungenen Kirschkern
extrahirte. Als besonders brauchbar für derartige Operationen wird ein
vom Redner schon seit Jahren erfundenes Instrument, ein gestielter Ring
(Ringsonde) vorgezeigt, mit dem es auch einmal gelungen war, das
Beinchen einer Porzellanpuppe aus dem rechten Bronchus herauszuholen, j
Herr Prof. Dohrn erzählt einen Fall von Osteomalacie, bei dem die '
Vornahme des Kaiserschnitts gegenüber der künstlichen Einleitung der j
Frühgeburt in Frage kam.
Herr Professor H. Schmidt-Rimpier giebt Mittheilungen über
die Anwendung des Eserin und Pilocarpin in der augen¬
ärztlichen Praxis. Das erstere meist in V* proe. Lösung hat er
nach Laqueur’s Empfehlung in mehreren Fällen von GJaucoma simplex
angewandt und bisweilen eine Besserung des Sehvermögens dabei ein-
treten sehen. So besonders bei einer Kranken, die am linken Auge eine
tiefe Druck-Excavation der Papille zeigte und Finger nur in 1 1 2 Fuss
zählte, rechts hingegen bei beginnender Excavation noch halbe Sehschärte
hatte. Hier war nach raehrwöchentlicher Anwendung rechts die Seh¬
schärfe wieder normal geworden, links konnten Finger in 3 Fuss gezählt
werden. Ein Einfluss auf die Spannung des Bulbus war nicht sicher,
da hier starke Schwankungen an verschiedenen Tagen oder selbst im
Laufe eines Tages zu constatiren waren. In anderen Fällen war keine er¬
hebliche Besserung durch Eserin - Anwendung erzielt worden. Da der
glaucomatöse Process auch in seinem gewöhnlichen Verlauf grösseren
Schwankungen ausgesetzt ist, so kann erst eine lange und sehr ausge¬
dehnte Beobachtung über den Nutzen des Eserin entscheiden; jedenfalls
aber ist seine versuchsweise Anwendung indieirt. Weiter wurde das
Eserin vielfältig bei Hornhaut-Processen angewandt, ohne dass es jedoch
gelang, ihm einen speeifisehen Nutzen gegenüber dem Atropin zuschreiben
zu können. So war besonders bei Ulc. serpens kein Vortheil abzusehen,
einmal trat im Gegentheil bei centralem Sitz des durchschnittenen Ge¬
schwürs, nachdem Atropin ausgesetzt und Eserin angewandt worden, ein
unangenehmer Iris-Prolaps ein. Weiter konnte auch in einer Reihe
darauf hin untersuchter Fälle nicht constatirt werden, dass eine be¬
stehende Keratocele sich abflachte, wenn man Eserin anwandte — im
Gegensatz zu Ad. Weber’s Beobachtungen, der dies Experiment anführt,
um den Einfluss des Eserins auf eine Herabsetzung des Druckes in der
vorderen Kammer zu erweisen. Im ganzen ist der Vortragende der
Meinung, dass man bei perforirenden oder mit Perforation drohenden
Homhaut-Ulcerationen zwischen Eserin oder Atropin wählen soll je nach
dem mechanischen Effect, den man auf die Iris-Lage ausüben will: sitzt
das Ulcus central, so ist Atropin angezeigt, um durch die Pupillen-
Erweiterung den Sphincter aus der Nähe des Geschwürs zu bringen;
sitzt das Gesehwür peripher, Eserin, um Myosis zu bekommen. In einem
sehr schweren Falle von doppelseitigem circularen Rand-Geschwür der
Hornhaut, das allraälig einen grossen Theil der Hornhaut-Peripherie um¬
zogen hatte, trat bei Eserin-Anwendung und täglichen Paracenthesen
eine überraschend gute Heilung ein. Bei sehr ausgedehnten centralen,
gleichmässig tiefen und der Perforation nahen Ulcerationcn kann man
versuchen, durch Eserin die Pupille zu verengen und die Iris zu ent¬
falten und so von dieser einen Theil des Glaskörperdruckes tragen zu
lassen.
Störend bei der Anwendung des Eserins, besonders bei länger be¬
stehendem Iris-Prolaps oder beginnendem Staphvlom, wobei es auch nicht
gelang — abgesehen von den ev\ mechanischen Momenten — entschei¬
dendere Heil-Erfolge zu Gunsten des Eserins dem Atropin gegenüber zu
gewinnen, ist ein bald nach seiner Instillation eintretendes schmerzhaftes
Ziehen im Auge, zu dem sich meist auch Stirnschmerz gesellt, der
bisweilen ziemlich lange anhält.
Bezüglich der Anwendung von Injectionen mit Pilocarpin, muriatie.,
wie sie als schweisshervorrufendes Mittel von Ad. Weberin dankens-
werthester Weise empfohlen, stimmen, was die Allgemein-Erseheinungen
betrifft, die Beobachtungen mit denen anderer überein. Da nicht immer
l Cubiccent. einer 2 procentigen Lösung ausreicht, um reichlichen Schweiss
zu erzielen, so musste mit der Dosis gestiegen werden, wodurch die The¬
rapie immerhin etwas theuer wird. Auch zeigte schon die zweite Patientin,
bei der die Einspritzung gemacht wurde — eine 60jähr. massig kräftige
Frau — mehrstündige Nausea mit Erbrechen und. starkem Collaps, wobei
die Temperatur auf 36,2° sank. Weiter wurde bei einzelnen Patienten
mit Emphysem und chronischem Bronchial-Catarrh eine derartige Zu-
| nähme des Hustens nach der Einspritzung beobachtet, dass man deshaLb
davon Abstand nahm. Gerade für die ophthalmiatrische Praxis be-
achtenswerth ist der bei einzelnen Patienten beobachtete Antagonis¬
mus zwischen Pilocarpin und Atropin: schon eine starke Atro-
pinisirung der Augen schob den Effect des Pilocarpins bisweilen hinaus
oder hob ihn auch ganz auf. Folgender Fall diene als Beleg. Patientin
R. erhält am 3. Juli früh 9 1 / a Uhr eine Injection von Pilocarpin (2 proc.
Lösung — 1 Cc.). Kurz darauf bricht reichlicher Schweiss aus und
dauert bis 3 Uhr Nachmittags. Abends von 7 — 8 Uhr noch einmal
Schweiss. Am 4. Juli wird früh das rechte Auge atropinisirt; um 9
Uhr 40 Min.: Pilocarpin-Injection. Erst Mittags 12 Uhr tritt in massigem
Grade der Schweiss auf und dauert bis 5 Uhr. 5. Juli. Seit gestern
früh kein Atropin. Sofort nach der Piloearpin-lnjection (9 Uhr 30 Min.)
Schweiss, der in reichlicher Menge bis l j t 1 Uhr fortdauert. 6. Juli.
Früh stark atropinisirt. Piloearpin-lnjection. Es erfolgt weder Schweiss
noch Salivation. 7. Juli. Nicht atropinisirt. Piloearpin-lnjection. 10
M nuten später reichlicher Schweiss und Salivation bis 1 Uhr Mittags. —
Bei anderen Kranken fiel es auf, dass nur die Salivation bei der Atro-
pinisirung sich verringerte.
Da die Augenheilkunde öfter der Anwendung des Atropins neben
der schweisstreibender Mittel bedarf, wird aus dem eben Angeführten eine
gewisse Einschränkung für die Benutzung des Pilocarpins hervorgehen.
Andererseits dürfte es zu versuchen sein, die durch letzteres etwa ent¬
standene Nausea mittelst Atropin zu coupiren.
* Der Vortragende empfiehlt im übrigen die Anwendung des Pilo¬
carpins, wo auch soust schweisstreibende Mittel indieirt sind: eine spe-
cifische Wirkung bei Irido-Chorioditis hat er bis jetzt nicht gesehen. In
drei Fällen, wo längere Zeit Pilocarpin angewandt, ging man später zu
Subliinat-lnjectionen über und kam damit schneller zum Ziel.
Herr Professor Mannkopff sah bei einem Phthisiker, wo Atropin,
gegen die Nachtschweisse in Stich gelassen hatte, Erfolg vom Bo 1 e-
tus laricis und möchte für solche Fälle wieder auf dies altbekannte
i Mittel die Aufmerksamkeit lenken.
Sitzung am 8. August 1877.
Auf Vorschlag des Vorsitzenden wird Herr Dr. v. Heusinger durch
Ac-clamation zum Abgeordneten des Vereins für den diesjährigen Aerzte-
tag in Nürnberg gewählt. Die daselbst zur Verhandlung angesetzten
Fragen werden berathen.
Darauf berichtet Herr Dr. v. Heusinger über zwei Krankheitsfälle
mit e ige n th um liebem Vorkommen von Herpes, ln einem Fall
entwickelte sich gleichzeitig mit einer croupösen Spitzenpneumonie auf
derselben Seite im 3. Intercostalraum ein ganz typischer Herpes zoster —
der Verlauf war günstig —, im anderen Fall entstand bei einer Febri-
cula statt des in ähnlichen Fällen recht häufigen Herpes labialis ein
Herpes analis. — Der Anus war mit Gruppen von Herpesbläschen be¬
setzt, welche in gleicher Weise abheilten wie die Bläschen eines Herpes
labialis.
VII. Feuilleton.
VII. Congress der Deutschen Gesellschaft für
Chirurgie.
(Schluss.)
Herr Beoly (Königsberg) demonstrirt einige für orthopea-
dische Zwecke bestimmte Gyps-IIanfschienen. Dieselben sind
alle Nachahmnngen mehr oder weniger bekannter orthopaedischer Appa¬
rate und werden an Gypsabgüsscn der betr. Glieder gleich in situ vor¬
gezeigt, so dass der Herr Vortragende keine specielle Beschreibung der
einzelnen Modelle giebt.
Herr Ried ige r (Jena): Demonstration von schie fen Becken.
-- Es handele sich hier im wesentlichen um eine bereits u. a. von Ro¬
kitansky beschriebene Assymetrie der Becken, welche darauf beruhe,
dass der letzte Lendenwirbel auf der einen Seite zum ersten Kreuzbein-
wirbel wird oder umgekehrt der letzte Kreuzbeinwirbel zum ersten Lenden¬
wirbel. Herr Riediger legt weniger Werth auf diese geringe Assyme¬
trie des Beckens als auf die daraus resultirende Scoliose und den auf¬
gehobenen Parallelismus der unteren Extremität, in Folge dessen die
Crista tib. auf der einen Seite hoher steht als auf der anderen, und
welcher anch, wenn die Pat. sitzen, sich geltend macht. Rietz in Jena
hat diese Form der Scoliose bereits 16 Mal an Lebenden gesehen, und
| der Herr Vortragende deutet darauf hin, wie dieselbe vielleicht häufig
dort vorhanden ist, wo man bis jetzt eine sogen. Scoliosis habitualis
angenommen.
Herr v. Langenbeck hält die vorstehend beschriebeneScolio.se für
nicht neu noch auch für selten, glaubt aber, dass öfters auch eine Assymetrie
| des Beckens zunächst ohne Scoliose vorkommt und diese sich erst mit
der Zeit daraus entwickelt. Therapeutisch empfiehlt er die Kranken,
welche meist dem weiblichen Geschlecht angehören, reiten zu lassen
(so dass der Schenkel der höheren Seite auf der Gabel liegt). In
schlimmeren Fällen wende er Gewichtsextension am Kopf der Pat. an,
den Gegenzug an der höherstehenden ßeckenhälfte applicirend.
Herr Güssenbauer (Lüttich) berichtet über einen Fall von Dick
darmresection, weiche er bei einem Herrn in Brüssel am 6. Decem.
ber 1877 wegen eines das Darmlumen comprimirenden Tumors gemacht.
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 24
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Das 9—10 Monate durch Stuhlvcrstopfung und eine im linken Hypochon- |
drium bemerkbare Geschwulst sich manifestirende Leiden hatte zur |
völligen Obstruktion des Darmes geführt, so dass der Bauch wie eine '
Trommel in unerträglicher Weise ad maximum gespannt erschien. Die
Simon’sche Rectaluntersuchung zeigte eine faustgrosse, bewegliche,
scharf umschriebene in der Darmwand sitzende, in die Bauchhöhle frei
hineinragende Geschwulst, welche wahrscheinliich noch mit dem Mesen¬
terium einer Dünndarmschlinge, resp. mit dieser selbst verwachsen war.
Behufs Exstirpation dieser Geschwulst wurde unter antiseptischen Cau-
telen die Bauchhöhle durch einen Schnitt in der Lin. alba, welchem
eine quere Incision nach der linken Seite hin aufgesetzt war, eröffnet.
Bei der Ablösung der Geschwulst vom Dünndarm musste dieser eröffnet
und durch drei Catgut-Nähte geschlossen werden. Leicht gelang dann die
Trennung vom Mesenterium und Herr G. konnte jetzt zur Resection des
Dickdarmes schreiten. Hierbei ereignete es sich, dass während der Ab¬
lösung dieses von der hinteren Bauchwand, der Dickdarm an einer Stelle
oberhalb der Geschwulst einriss, und faecaler Inhalt herausfloss. Der
Pat. wurde daher bis zur Beendung der Resection, die in einer Aus¬
dehnung von 4 Zoll statt hatte, auf die linke Seite gewälzt und so das :
weitere Heraustreten von Darmeontenta gehindert. Mit der Dickdarm- |
resection war die Geschwulstexstirpation ebenfalls vollendet, da die Ge- j
schwulst völlig circumscript. und keine Lymphdriise, soweit sich bei der
Operation übersehen liess (eine Autopsie wurde später nicht gemacht),
betheiligt war. Behufs Vornahme der Vereinigung der beiden Dickdarm¬
rohre, welche G. durch die modificirte Lembert’schc Naht, resp. seine
Achternaht ausführte, musste das Mesenterium bis zu einer gewissen Grenze
abgelüst werden. Die Ausführbarkeit einer solchen Vereinigung hat
Herr G. bereits bei seinen auf die Exstirpation des Magenkrebses beziig- |
liehen Versuchen erprobt. Die Blutung bei Durchschneidung des Darmes
war gleich Null, auch während der 2ständigen Operationsdauer keine ;
Collapssymptome vorhanden. Die ersten 12 Stunden nach der Operation :
fühlte Pat. sich relativ wohl, dann aber trat Collaps ein, der in drei .
Stunden tödtlich wurde. !
Herr Schede hat in einem ähnlichen Falle, um das Ueberfliessen |
von Koth in die Bauchhöhle zu meiden, eine temporäre Ligatur um den |
Darm gelegt. Es gelang ihm übrigens hier nicht, das Mesenterium so
weit zu lösen, dass er beide Darmstücke einander nähern und zusammen¬
nähen konnte, er musste vielmehr einen künstlichen After etabliren.
Der betreffende Pat. sei am nächsten Tage gestorben. Auf eine Anfrage j
des Herrn Güssen bau er, ob Herr Schede auch eine zweite kreuz- j
weise Incision in die Seite des Bauches gemacht, wie er in seinem
eben berichteten Fall gethan, fügt. Herr Schede hinzu, dass er sich |
dessen nicht mehr genau erinnere.
Herr Thiersch bemerkt hierzu, dass es seine Schwierigkeiten habe,
bei meteoristisehem Dünndarm von einer medianen Incision aus die er¬
krankte Stelle des Dickdarms aufzufinden, wie er das an einem selbst I
erlebten ebenfalls tüdtlichen Falle des weiteren erörtert, ;
Auf eine Anfrage des Herrn v. Langenbeck trägt Herr Güssen- j
bau er nach, dass er die Lembert’sche Darmnaht in der Weise modi- .
ficirt habe, dass er nicht nur Sc rosa mit Serosa, sondern auch die beiden
Wundflächen mit einander vereinigt habe.
Herr v. Adel mann macht auf eine Darmresection aufmerksam,
w’elehe mit glücklichem Ausgange (Pat. lebte noch 6—7 Monate nach- i
her) vor eine Reihe von Jahren Key bard in Paris ausgeführt, I
Ebenso erinnert Herr v. Langenbeck an einen Dioffenbach- I
sehen Fall von Heilung einer Diiniidarmgangiän. Den Herrn Redner I
frage er, ob dieser den Kreuzschnitt durchaus immer für erforderlich
halte; es hätte ihn dieser am unangenehmsten berührt.
Herr Güssen baue r glaubt, dass in einfacheren Fällen ohne be¬
deutenden Meteorismus ein Medianschnitt ausreiche; bei seinem Operirten
würde er bei Anwendung des einfachen Medianschnittes nöthig gehabt |
haben, alle Därme herauszunehmen, um zur erkrankten Stelle zu ge¬
langen, so dass der Kranke durch die hiermit verbundene starke Ab¬
kühlung in Lebensgefahr gerathen sein würde. Auch würde eine einfache
Incision, der Localität des Tumors entsprechend, bei der Verwachsung
der Geschwulst mit dem Dünndarm nicht ausgereicht haben.
Herr K o c h e r (Bern) erwähnt kurz einen Fall von brandiger Hernie,
welche nach Vereinigung der beiden Darmenden in 4 Tagen geheilt sei.
Herr Czerny macht darauf aufmerksam, dass nicht blos der Ope- i
rateur, sondern auch dessen Assistent sich für derartige Operationen I
durch Thierexperimente eingeschult haben müsste. Er räth im übrigen i
Darmwunden durch eine doppelte Naht (in 2 Etagen) zu schliessen, j
nämlich erst durch eine einfache Naht und dann durch die Lembert- j
sehe Darmnaht. (Schluss der Discussion.)
Herr Gussenbauer, über das Endresultat der im vorigen
Jahre referirten Stomatoplastik berichtend, hebt hervor, dass
die von ihm in die Mundhöhle verpflanzte äussere Haut völlig die Be¬
schaffenheit einer Schleimhaut angenommmen habe, indem die Behaarung j
derselben verloren gegangen sei. Wahrscheinlich sei ferner der Aus¬
führungsgang der Parotis verödet, obgleich diese selbst nicht ange¬
schwollen sei. (Der Herr Redner legt eine photographische Abbildung
des Kranken vor.)
HerrThiersoh meint, dass das in dem G us senbauer’schen Falle
erreichte Resultat das überhaupt erreichbare war. Hinsichtlich der Be- j
haarung transplantirter Hauilappen erwähnt er einer Schussverletzung des
berkiefers, nach welcher er den zurückbleibenden Substanzverlust eben-
ls mit nach einwärts gekehrter Haut aus der ganzen Dicke der Wange
chlossen hat. Der Bartwuchs der betr. Stelle ist unverändert geblieben,
so dass Pat. genöthigt ist, sich alle 4 Wochen von der Mundhöhle aus
zu rasiren.
Herr v. Langenbeck schliesst sich dem Herrn Vorredner in der
Meinung, behaarte Theile bei plastischen Operationen, so auch bei Me-
loplastiken zu verwenden, an. Im übrigen erachtet er die von Herrn
Gussenbauer angewandte Methode, die Kieferklemme zu lösen, nament¬
lich bei jungen Kindern als die beste. Er habe früher nach Spaltum:
der Verwachsungen durch eingelegte Keile den Unterkiefer vom Ober¬
kiefer entfernt gehalten und die Wunde in dieser Position heilen
lassen; dies könne man aber nur bei Erwachsenen oder Kindern in
einem vorgerückten und etwas verständigeren Alter.
(Nach kurzer Debatte zwischen Herrn v. Adelmann und dem
Herrn Redner über den ev. Zustand der Parotis bei Patienten schliesst
die Discussion.)
Den Schluss der Sitzung bildete Herrn Madelung’s (Bonn) durch
die Demonstration von Gypsabgüssen illustrirter Vortrag: Ueber sog
spontane Subluxationen der Hand. Der Herr Redner hält diese
weder auf Trauma noch auf Entzündung zurück führbare Deformität,
von der er seit 1868 mehr als 12 Fälle gesehen, und zu der es auch
mancherlei Uebergangsformen giebt, für häufiger, als viele Autoren
meinen, und stellt sie in eine Reihe mit dem Pes planus, dem Genu
valgum, der Scoliose etc.
Herr Czerny bespricht zwei einschlägige Fälle eigener Beobachtung,
in einem derselben ein voran gegangenes Trauma hervorhebend.
Auf Wunsch des Herrn Esmarch vervollständigt Herr Madelung
seine vorstehenden Angaben dahin, dass es sich in seinen Fällen um
eine Subluxation der Hand gegen beide Vorderarmknochen, nicht nar
gegen die Ulna nach vorn handele. Durch Eingehen mit dem Finder
könne man constatiren, dass die ganze vordere Radiusepiphyse sich
gesenkt hat nnd dass ein beträchtlicher Schwund vom oberen Rand der
Gelenkfläche des Radius bestehe. In frischen Fällen sei ausserdem eine
abnorme Beweglichkeit zwischen den beiden Reihen der Carpalknoc-hen
vorhanden. Man könne zwei Gruppen von Fällen unterscheiden, solche
bei noch nicht ausgewachsenen, gewöhnlich weiblichen Personen von
14—22 Jahren, die hauptsächlich wegen des Schmerzes der affieirten
Hand zum Arzte kommen, und solche bei älteren Leuten, bei denen
eine Schwächung der betr. Extremität durch verschiedene anderweitige
Ursachen bedingt war. Für die Entstehung der Subluxation sei dann
weniger massgebend, dass die betr. Individuen an und für sieh zu
schwere Arbeit mit ihren Handgelenken zu leisten hätten, cs handelte
sich vielmehr um relativ zu starke Anstrengungen bei schwachen
Verhältnissen des Knochenbaues, und dies führe dann zur Abschleifung
der Knochenenden, wie er sie bereits vorher geschildert. Die Schmerzen
und sonstigen subjektiven Symptome glichen dabei völlig denen des Pes
plano-valgus, so dass man hier nach dessen Analyse von einer Manus
valga reden kann.
Herr v. Langenbeck hält diese Bezeichnung für nicht unbedenk¬
lich; nach seinen eigenen Beobachtungen möchte er schliessen, dass es
sich hier um primäre Erschlaffung der Gelenkbänder handele.
Herr Hirschberg (Frankfurt a. M.) hat 2 Fälle von Subluxation
der Hand bei jungen Damen, die viel Clavier spielen, gesehen. Dies
spräche für Herrn v. Langenbeek’s Ansicht. Er frage übrigens Herrn
M. nach der Therapie solcher Fälle.
Herr Madelung hat die Patt, mit geringeren Graden von Sub-
luxalio manus ihren Beschäftigungen nach in drei Gruppen getheilt:
1) Studenten, welche sich viel mit Fechten abgegeben. Hier ist das
Uebel als „Verpaucktsein“ bekannt; es entwickelt sich zunächst an der
rechten Hand und erst, wenn diese ausser Dienst gesetzt, an der linken.
2) Angehende Wäscherinnen, namentlich solche, die mit bereits geübteren
und kräftigeren Colleginnen zusammen arbeiten müssen. 3) Junge
Mädchen, die viel Clavier spielen. Was die Therapie betrifft, so ist es
schwer, dieselbe consequent bis zur völligen Heilung durchzuführen; sie
besteht nämlich in dauernder Application eines Gypsverbandes, in
welchem die Hand in Volarflexior zu liegen kommt. Herr Madelung
hat in einem Fall 8 derartige Gypsverbände ausgeführt, nur 1 Mal
ist er aber so weit gekommen, eine Kranke nicht nur zu bessern, son¬
dern ganz zu heilen. (Schluss der Discussion und der Sitzung.)
Nachmittagssitzung in der Universitäts-Aula um 2 Uhr.
Nach einigen geschäftlichen Mittheilungen berichtet Herr v. Langen¬
beck, dass die Krebscommission das provisorische Schema, das den
Mitgliedern sammt der Einladung zu dem Congresse zugegangen sei.
nur wenig zu amendiren hätte. Für das neue Schema hätte Herr Volk¬
mann die Aetiologie, Herr Thiersch die differentielle Diagnostik.
Herr Lücke den Verlauf, Herr Esmarch die Therapie und er selber
die Statistik zu bearbeiten übernommen, und werden die betreffenden
neuen Schemata den Mitgliedern zur Zeit übersandt werden. Gleich¬
zeitig bitte er auch ausserhalb der Versammlung stehende praktische
Acrzte für die Krebsfragc zu interessiren.
Hierauf folgt als erster Vortrag der des Herrn Wilh. Koch (Berlin)
Zur Lehre von den Gelenkneuralgien. Der Herr Vortragende
geht davon aus, dass die Hyperästhesie, nach halbseitiger Rückenmarks-
durchschneidung nicht nur die Haut, sondern auch die Gelenke betreffe.
Für die unteren Extremitäten muss der Schnitt in die Höhe des 3. Lenden¬
wirbels fallen, für die oberen in die Höhe des 6. Halswirbels: gleiche
Wirkung wie halbseitige Rückenmarksdurchtrennung habe auch die Durch¬
schneidung der Fleehsig’schen Kleinhirnseitenstrangbahnen. Durch Ver¬
letzung bestimmter Stellen letzterer könne man die Hyperästhesie der
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UNIVERSETY OF MICHIGAN
17. Juni 1873.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
357
Haut von der der Gelenke gesondert darstellen. Dagegen hätten Durch¬
schneidungen grösserer Nervenstämme keinen Einfluss auf Entstehung
der Hyperästhesie. — Für den Menschen hätten die vorstehenden Thier¬
versuche insofern Bedeutung, als hei den Gelenkneuralgien die Schmerzen
bei völliger Gesundheit des Gelenkes plötzlich auftreten, resp. ebenso
plötzlich bei Wegbleiben der Reizursache aufhörten. Herr Koch führt
als weitere Bestätigung hierfür das unilaterale und gleichzeitig multiple
Vorkommen der neuralgischen Gelenkaffectionen an, hierfür eine Reihe
einschlägiger Fälle aus der Literatur citirend. Im weiteren spricht er
sich für die Trennung der einfachen Gelenkhyperästhesien von den
Gelenkneuralgien s. d. aus. Therapeutisch seien gegen erstere stark
eleetrische Hautreize zu empfehlen. Zuweilen nützten auch wässerige
Saponin-Lösungen, niemals aber Narcotica.
Herr Es march . der die Gelenkneurosen nicht auf so schwere Central¬
läsionen, wie sie bei den Thierexperimenten stattgefunden, zurückführen
möchte, erachtet dieselben im wesentlichen für vasomotorischer Natur.
Nach einer kurzen Gegenbemerkung des Herrn Koch hält Herr
v. Adelmann seinen Vortrag: Zur Geschichte der vollständigen
Exstirpation der Scapula, Auf 61 in der Literatur gesammelte
Fälle sich stützend, ist dieser Vortrag fast ausschliesslich historischen
und statistischen Inhaltes, daher keines Auszuges tähig.
Die Herren Lossen (Heidelberg) und v. Langenbeck ergänzen
die Mittheilungen des Redners durch Beibringuug von je 1 hierher ge¬
hörigen eigenen Beobachtung.
Herr Czerny (Heidelberg): Ueber Laparotorai enach dem
Listerschen Verfahren. Herr C. hat bis jetzt 10 Laparotomien unter
antiseptischer Behandlung gemacht, darunter 6 Ovariotomien, mit + 1
und zwar an septischer Bauchfellentzündung bedingt durch Gangrän
des versenkten Stieles. Die übrigen Fälle waren: 2 supravaginale Uterus-
exstirpationen wegen Fibroide mit Fixation des Stieles in der Bauchwunde,
eine unter der Diagnose einer Geschwulst fälschlich incidirte Schwarten-
Peritonitis und ein unvollendeter Exstirpationsversuch eines in der Ge¬
gend der Aortenbifurcation aufsitzenden Tumors. Keiner dieser Fälle
endete letal. doch konnte nicht immer aseptischer Wund verlauf erzielt
werden.
Der letzte Vortrag war der des Herrn Passavant (Frankfurt a./M.);
l'eber die Verbesserung der Sprache nach Vollendung der
Uran op las tik. Nachdem der Herr Redner das Unzulängliche der bis¬
herigen Methoden hinsichtlich der Sprachverbesserung geschildert, be¬
schreibt er eingehend eine Modificatior. seiner Gaumenschlundnaht,
welche im wesentlichen in einer Trennung des harten vom weichen
Gaumen und Einlegung eines kleinen Obturators in den Defect besteht.
Herr Lossen (Heidelberg) berichtet über einen eigenen, nach
Schoenbo rn operirten Fall (Bildung eines Lappens aus der Rachen-
schleimhauO, in welchem die Sprache näselnd geblieben war.
Trotzdem noch eine Reihe wichtiger Vorträge auf der Tagesordnung
sich befand, sah sich der vorgerückten Zeit wegen der Herr Vorsitzende
genöthigt, die Sitzung und damit den VTI Congress der Deutschen Ge¬
sellschaft für Chirurgie zu sch Hessen.
Berichtigung: In No. 19 dieser Zeitschrift, pag. 277, muss es
3 Zeilen vom Schluss des Berichtes statt keine kleine heissen.
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. Der Central-Ausschuss der ärztlichen Bezirksvereine zu
Berlin hat in seiner Sitzung am 7. d. M. die Berathungen über die Er¬
richtung eines gemeinsamen Ehrenrathes begonnen.
— In der Woche vom 5. bis II. Mai sind hier 534 Personen ge¬
storben. Todesursachen: Masern 8, Scharlach 3, Diphtherie 16,
Kindbetifieber 2, Typhus abdom. 5, Dysenterie 2, Flecktyphus 6,
Syphilis 3, Vergiftung 1, Ueberfahren 3, Sturz 8, Folge von Operation 1,
Erhängen 2 (darunter 1 Selbstmord, 1 Fall nicht festgestellt), Ertrinken 3,
Lebensschwäche 33, Abzehrung 28. Atrophie der Kinder 5, Rhachitis 5,
Altersschwäche 16, Krebs 10, Wassersucht 3, Herzfehler 14, Hirnhaut¬
entzündung 8, Gehirnentzündung 9, Apoplexie 15, Tetanus und Trismus
5. Zahnkrärapfe 6, Eclampsie der Schwangeren 1, Krämpfe 40, Kehl¬
kopfentzündung 12, Croup 4, Pertussis 6, Bronchitis acuta 1, chronica 10,
Pneumonie 30, Pleuritis 1, Phthisis 76, Peritonitis 7, Blutung im
Wochenbett 1, Metritis 1, Diarrhoe 22 (Kinder unter 2 J.), Brechdurch¬
fall 16 (darunter 15 Kinder unter 2 J.), Magen- und Darmkatarrh 7
(darunter 6 Kinder unter 2 J.), Nephritis 6, Krankheit der männlichen
Geschlechtsorgane 1, andere Ursachen 68, unbekannt 4.
Lebend geboren sind in dieser Woche 393 m., 375 w. , darunter
ausserehelich 55 m., 53 w.: todtgeboren 19 m., 15 w., darunter ausser-
ehelich 6 m., 5 w.
Die durchschnittliche Sterblichkeit dieser Woche beläuft sich
auf 27 pro Mille der wahrscheinlichen Bevölkerungszahl, die entspre¬
chende Geburtenziffer auf 38,9 pro Mille (beide Summen mit Ausschluss
von 1,7 pro Mille Todtgebomen).
Witterung: Thermometer stand: 8,31 R. Abweichung — 0,89 R.
Barometerstand: 27 Zoll 11,69 Linien. Dunstspannung: 2.17Linien.
Relative Feuchtigkeit: 52 pCt. Himmelsbedeckung: 2,0. Höhe
der Niederschläge in Summa: 1,925 Pariser Linien.
In der Woche vom 12. bis 18. Mai sind in Berlin gemeldet:
Typhus-Erkrankungen 14 (8 m., 6 w.), Todesfälle 4.
— In der Woche vom 12. bis 18. Mai sind hier 644 Personen
gestorben. Todesursachen: Masern 9, Scharlach 21, Rothlauf 5,
Diphtherie 19, Eitervergiftung 1, Kindbettfieber 4, Typhus abdom. 3,
Flecktyphus 7, Dysenterie 2, Gelenkrheumatismus 1, Syphilis 3, Kar¬
bunkel 1, Sturz 4, Erschiessen 2 (Selbstmorde), Schnittwunde 1 (Selbst¬
mord), Folge von Operation 2, Ersticken 1, Ertrinken 1 (Selbstmord),
Lebensschwäche 34, Rhachitis 3, Abzehrung 25, Atrophie der Kinder 10,
Altersschwäche 10, Krebs 15, Wassersucht 5, Herzfehler 8, Hirnhaut¬
entzündung 19, Gehirnentzündung 13, Apoplexie 15, Tetanus und Tris¬
mus 14, Zahnkrämpfe 5, Krämpfe 41, Kehlkopfentzündung 21, Croup 3,
Pertussis 7, Bronchitis acuta 8, chronica 12, Pneumonie 42, Pleuritis 2,
Phthisis 96, Peritonitis 6, Gebärmutterblutung 1, Diarrhoe 24 (darunter
23 Kinder unter 2 J.). Brechdurchfall 37 (Kinder unter 2 J.), Magen-
und Darmkatarrh 12 (darunter 11 Kinder unter 2 J.), Nephritis 4,
wahrscheinlich Milzbrand 1, andere Ursachen 61, unbekannt 4.
Lebend geboren sind in dieser Woche 393 m., 416 w., darunter
ausserehelich 49 m., 53 w., todtgeboren 19 m., 18 w., darunter ausser-
ehelieh 1 m., 5 w.
Die durchschnittliche Sterblichkeit während dieser Woche beläuft
sich auf 32,5 pro Mille der wahrscheinlichen Bevölkerungszahl, die ent¬
sprechende Geburtenziffer auf 40,9 pro Mille (beide Summen mit Aus¬
schluss von 1,9 pro Mille Todtgeborenen).
Witterung: Thermometerstand: 13,91 R., Abweichung: 2,85R.
Barometerstand: 27 Zoll 11,41 Linien. Dunstspannung: 3,61 Li¬
nien. Relative Feuchtigkeit: 55 pCt. Himmelsbedeckung: 4,4.
Höbe der Niederschläge in Summa: 0,40 Pariser Linien.
In der Woche vom 19. bis 25. Mai sind in Berlin gemeldet: Typhus-
Erkrankungen 12 (7 m., 5 w.), Todesfälle 2.
Das Kgl. Polizei-Präsidium in Berlin theilt alle Verfü¬
gungen, welche dieAerzte angehen, von nun an dem Central-
Aussehuss der ärztlichen Bezirksvereine mit, weil die Bekannt¬
machung derselben auf diesem Wege sicherer, als durch die Zeitungen
den gewünschten Erfolg haben wird.
VIII. Amtliche HittheilwigeB.
Penonalia.
Auszeichnungen: Seine Majestät der König haben Allerguädigst ge¬
ruht, dem praktischen Arzt etc. Dr. Jaques Adalbert Lehwess in
St. Petersburg den Character als Sanitätsrath zu verleihen.
Niederlassungen: Dr. J. Richter in Glatz.
Verzogen sind: Dr. Daum an n von Wüstewaltersdorf nach
Schmiedeberg, Dr. Roepke von Hankensbüttel nach Wagefeld.
Apotheken-Angelegenheiten: Der Apotheker von Bötticher
hat die Strassburger’sche Apotheke in Liebenthal und der Apo¬
theker von Skotnicki die Scholz’sche Apotheke in Saabor gekauft.
Dem Apotheker Fuhst ist die Administration der Brande’schen
Apotheke in Hannover übertragen worden.
Todesfälle: Kreisphysikus Sanitätsrath Dr. Frantz in Genthin,
Kreisphysikus Sanitätsrath Dr. Henrici in Lehe, Sanitätsrath Dr.
Früh auf in Berlin, Arzt Goecken in Berlin, Hof-Apotheker, Com-
merzienrath Brande in Hannover.
Bekanntmachungen.
Die Kreisphysicatsstelle des Kreises Jerichow U. ist durch den Tod
des bisherigen Inhabers erledigt. Qualificirte Medicinalpersonen, welche
auf die Verleihung jener Stelle reflectiren, haben sich unter Einreichung
ihrer Zeugnisse und eines Lebenslaufes binnen 6 Wochen bei uns zu
melden. Dem anzustellenden Kreisphysicus wird die Stadt Genthin als
Wohnort angewiesen werden.
Magdeburg, den 1. Juni 1877.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Die Stelle des Directors der Provinzial-Irren-Anstalt zu Nietleben
bei Halle a./S. ist zum 1. April 1879 zu besetzen. Das etatsmässige
Gehalt der Stelle, neben freier Wohnung, Feuerung und Beleuchtung,
beträgt 6000 M., doch wird dasselbe voraussichtlich auf 7500 M. normirt
werden, wenn mit der Stelle eine unbesoldete ausserordentliche Professur
an der Universität Halle verbunden wird. Bewerbungen sind dem Unter¬
zeichneten einzureiehen.
Merseburg, den 30. Mai 1878.
Der Landes-Director der Provinz Sachsen.
Inserate.
Am hiesigen städtischen Krankenhause soll ein Oberarzt angestellt
werden. Die Anstellung erfolgt zunächst auf 6 Jahre, das jährliche
Gehalt beträgt neben freier Wohnung und Feuerung 7500 M. ohne
Pensionsberechtigung, Privatpraxis ist nur consultativ gestattet. Be¬
werber, welche sich wissenschaftlich und praktisch bewährt haben, wollen
ihre Meldung unter Beifügung des Lebenslaufes und ihrer Atteste bis
zum 1. Juli d. J. bei uns einreiehen.
Stettin, den 29. Mai 1878.
Der Magistrat.
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
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Coauul&ijüfi njiUv gcg>* nötigem Vorbehalt 1 % jäJirlicjLu r Hnndiguii^ i
ik viumrR'; jorgo, unvtj'hidratlr’ib AerzhA werden m^ucht liur >chri/i>- i
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Oie Dipectlon
der Provin^i3j-lrren-He|UAn»t4lt iM Owln%k M Posen,
im Kömglieli Sächsisölien Yoigtlande.
EUenbahflStatiGn iwUcbt« Relcbeabicb «ad Ejar.
latgom tom 15. Hai bb 30» September«
Gckikdoste Gegend in comahtischcr WAidgoVdyk IVxh.'.ü-: l KV.» k k.
MpurbfrKr aus -mH hi schein Kiseumoor. Jllnmjviwasserljfokr •• mk'n.ud
Da'ir.j.nv «hb's./ Kuh- und Zfogenmolkeu. r»:te^ravli«ir^iadmv>
'An den hlkq.li^«b saUmschcn Iksvfts&nmihiw*ii:. gshbng auden ' •
Hiutirnqyulfoiv von. Elster- ihr o> thi>&s, toejU an,
7 tb.edU* an Eisen und freier Ktvh^isaar^da err-k-
.tätebo, Anwnndiiugy wo es ^uh Koftst äczt].ieLn •A'u%9i»e' ist;«$-
misekii KMnkheit^fersebeinujii^Gii o$sr Btutsiöel?iinge>i um 4p& VT£AW#jf.
des Unterieihes mit allen ihren evuu<mu;liveu Kninklit-Us/ui.tu^tvWtj $j|
seltigfji. Je nach elfem HervoirtrüteB > di&wr ikfoi, jcnid* dvrftiC k heits^rseb
|fen sind entweder dk S.al^-juene oder du- .'^onrui'ekefnri ■' •• ■-' • ;
Moriir-.: Krdligs-.: Alkeris-, Jlaro^i-QUeUe uniiOtvt^L.- • bW'»*?n4e'0‘ > .•'*'•;•<..:>
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Aii'ic Aerirtc wdlen sich .u«kn ; .."Arrake ihrer.
^l^azv.Ä A von ttaaiimftteiR ft
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4 irA?ikmo Jui. wird ein ,\u;-r2yi\ tfit-hug.or GoUe-rß xd -di-vr i whehem-
k'cdien. Vuj'tretuüg für Stud? 'uriyi LüJidpfäxiK;in einer PrAihnzial-
•‘i»5p : iku^n^Thmir. BrhunsvlkmU: ^./vackt. i^ßievCfit werden ume* herul
erk/*n& Juel durch die Kujtfdi f nni suh ChÜIra W. X : £dV
kefJrderL v '
JBMS!; prjurüOv. A-rx.t atuvht ö^gkd.eh e. VextrefeUTag^ eine«
GolHg*« AjBök.t.eo-ten> v-‘ fl ’»'f- :■ n id. <j H Ja d-ueh d Iv.ued
die liHdcn der ilnrnortj) n**.
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Di F. ZimstefmaGti,
l. Badearzt.
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■Äo<»lb'<Mji 'tpÄtikenktttwe» Oi** H* Betz» prnct. Arzt
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.'V.kkitfttr crtljtujt dit*
Bad e<u>initiiA«do h *
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
360
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. *4
Verlag von August Hirsekwald in Berlin. j
Soeben erschien: !
Gesammelte Beiträge
zur |
Pathologie und Physiologie
von
Dr. L. Traube.
Dritter Band.
Herausgegeben von Dr A. Frinkel.
_ 187S. gr. 8. 16 M. _
In den Verlag des Unterzeichneten ging über und erschien soeben:
Archiv
für die gesammte Physiologie
des Menschen und der Thiere.
Herausgegeben von
I>i\ E. F. W. Pflüger.
Siebenzehnter Band, Heft 1 u. 2, mit 4 Tafeln.
Preis pro Band M. 20.
Inhalt: A. Heidenhain, Ueber secretor. u. trophische Drüsennerven.
— Th. W. Engelminn, Ueber das electr. Verhalten des thätig. Herzens.
— Fr. Goltz & J. Gaule, Ueber d. Druckverhältn. im Innern des Herzens.
— Jul. Bernstein, Ueber Erzeugung von Tetanus etc. — AI. Horwath,
Einfluss der Ruhe und Bewegung auf das Leben. — A. Zuntz, Wirkungen
des Stickoxvdulgases. _
Die Verlagshandlung ersucht alle bisherigen Abonnenten dringend,
ihre Abonnements bei der betreffenden Buchhandlung zu erneuern, da
sonst bei dem Verlags Wechsel leicht Störungen in der regelmässigen
Uebersendung eintreten könnten. Abonnements nehmen alle Buchhand¬
lungen und der Unterzeichnete entgegen.
Bonn, 21. Mai 1878. *»ll StnUM»,
V erlag sbnchhandlung.
Im Verlage von Aug. Schmidt in Mullheim (Baden) ist erschienen:
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12 M., Tuchei 6 M., Oels 18,50 M., Lübben 18 M., Heiligenbeil 15 M.,
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a./R. 23 M., Pr. Stargard 10,80 M., Grimmen 7 M., Steinau 13 M.,
Herrnstadt 6 M., W. Havelland 20,60 M., Nimptsch 8 M., Herford 16 M.,
Glatz 25,30 M., Stralsund 15 M., Pyritz 6 M., Jadegebiet 25 M., Stoip
13,30 M., Seehausen i./'A. 11,50 M., Bonn 86 M., Landsberg a. W 20 M.,
Schleusingen 12 M., Remagen 17 M., Neumarkt 36 M., Freiwalde 68,50 M.,
Stuhm 17 M., Eckernforde 21 M., Halle a./S. 18 M., Simmern 30 M., Sol¬
din 12 M., St. Johann-Saarbrücken 27 M., Neustadt a/O. 18 M.,
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Johannisburg 15 M., Münster 64 M., Paderborn 68 M., Görlitz 110 M..
Hamm 24,55 M., Naumburg 15 M., Schlochau 6 M., St. Wendel 6 M.,
Culm 9,05 M., Genthin 11,50 M., Wittstock 20,50 M., Wohlau 14.50 M.. Mün¬
ster 8,50 M., Torgau 12 M., Lübbecke 13,50 M., Löwenberg 20,50 M.,
Bartenstein 20 M., Greifenhagen 6 M., Beeskow 14,80 M., Salzwedel 18 M.,
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Aachen 30 M. Von den Herren Dr. Beeck, P. Holland 3 M., Dr. Stahr,
Trebnitz, 10 M., Dr. Levinstein, Schöneberg, 20 M., Dr. Cohn, Schöne¬
berg. 3 M., Dr. Köhler, Marienwerder, 10 M., Dr. Engelbrecht, Bischofs¬
burg, 5 M., Dr. Vloto, Minden 1,50 M., Dr. Oppert, Friedenau 3 M ,
Dr. Köppner Bürde 1,50 M., Dr. Altmann, Schöneberg 10 M., Dr. Rothe
6 M., Dr Seeliger, Bürde 1 M., Dr. Cohn, Steglitz 3 M., Dr. Alberto,
Steglitz 5 M., Dr. Greve, Tempelhof 5 M., Dr. Stiemer, Steglitz 10 M.,
Dr. Gutkind, Mittenwalde 3 M., Dr. Simson, Neumarkt 3 M„ Dr. Horn,
Zossen 5 M., Dr/Todt, Cöpenick 5 M., Dr. Rieck, Cöpenick 5 M.. Summa
1753,10 Mark, mit deren Beihilfe es der Wittwe möglich geworden ist,
ein kleines Geschäft zu begründen.
Görlitz, den 8. Juni 1878. Dr. HaltMaa.
Verlag und Eigenthum von August Hirschwald in Berlin. — Gedruckt bei L. Schumacher in Berlin.
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Original fro-m
UMIVERSITY OF MICHIGAN
IM« Berfrawr Klinische WöekejwfthHft trttelusfeV jeden
Hont»« in der Stärke vöa frenigfttaf« ij thgw gr. 4,
Fteös riertoIjAbrlicii 6 Mark. Be»t#;iis?jjv?jv liefcr&eo
»ü* BaöhhandltoffÄ« nnd ! f o41-Aftfe£»? t«o an.
Beiträge -wolle wan portofrei aa di« .RedaoUAn
(N. W. DöTOtWastr W, 19) oder an di« % w-
!ag*buclvhftn<Uonc too Aiigart .llimhwafd in Ber¬
lin (N. W. Unter den Lmd»a 6S.) «inätoden-
1
LJX-i.
X
<:nf-
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Ä
Organ .für practisehe Aerzte,
Mit Berücksichtigung der preussischeu Medicmalvei'Vsraltung uircl Medicißalgesetzgebung
nach aaitlicheo Mittheiliuigen.
ienborg. Verlag von August Jlirschwaid in Bpriin.
Redacteur: Prof. Br. L
Montag, den 24. Juni 1878.
.ffi . 25 .
Fünfzehnter Jahrgang.
Kt- geehrten Abonnenten werden ergebenst ersucht, damit in der Zusendung keine l'nterbreehnixig
«»trete, das Abonnement anf das Ul. Uuartnl 1878 bei den UndthandfungeH oder Postaiistalten
baldigst zv ernenenn Die Verlagshandlnng.
Inhalt: (. König' feie ÄimseptLscihe Beh.iudlnn& deä- Kmpye.ms. — H. Hwefcer: Die. Behandlung fe Erysipels mW'der uhtjrar^wt'JhöD 'Kbhdc
m OehswaM CSohitis*/« •— III Ord und Station:- Ein Nierenstein 'aus Indigo.. — IV. K.iiZ'. Ein Fall von ErfiitioreiMeas der L«d>.'i\
ixut r^i’fthbmci) m die Idiflwtjge, . ■'V. Bcfcslag: Mittbtilüog iA)td*'lWclireWuDg-.' Öjter^föns^ und.
Unh:fsa<'hunj 2 >t>^h<^ — Yt Rcter&fe CÜobcr die- Athetose -■ fniinvQttüSß Liijeetum Mdoii staf.i Bhutmfödw-uon — IJnicaria mit
Mbnmimu-M' - &Hi-ü* t i Handbuch döf iiÖenttichen i^ößtibeite^fiegti). — Y1I. Voihamilütteen ärztlicher ih-^jUebaiion (Berliner
mudicuüsshw. ktessi&dutftf, • Vül. F'iiuÜ.ldtöß (lioth: Usbet --iW ■ feorperlic.b^’-'-Gjp
Nnfi&tfH. -Uv..AmtlicheMiMeUimgeTi.-•
;6jfiiriä3^^ie: — Tiig^^hichtlichtv
I. Die antiseptische Behandlung des Empyems.
, ■ •" ■;.•■ 1.^ v. • ■ . '..d Iv.'.,v. w ,.v,-•• -. *• j,V,-.", '• ■/•.••• . . .. .
leb 11 ab O IV, i( ln>n>»rN wieviorht.if mtiilid .M*iijunir- üb«y die.
.zwfckma.v^ijisrv BehaijdJtf.üg der eitrigen fMenraexsmiate nach
dem* (mutierje u SiundjHiakl. urmefbr Ögecetm»** und Verband-
, rietst, in 4er meines
Lebrimchs {>!»!.. I. j>ac. (U7\ ■v-titiMi gelegentlich••eines Vortrags
über die antistfjiti^clto UdiäridtiiMg üifectid^r Eiterungen, welchen
ich auf dem diesjähmou Vougress der Chirurgen gehalten habe,
aHeia, es sdidiut mir timtzdem Zehntem die A n%ptegeuheit noch
titimäl in dics/mi viel<*:el/^«dieii Blatt xnr Sprache zu bringen,
um dh I'rutun^ (Ud 3h*lhodc. vott derea Hrauch}>arheit it-h mich
au eh- r&Ut bereits - pratdkch ühecmigt imbe. ei nein .i:fo^--roo
tims von Aerztmi anxnetn pfähl eh.
JcU will durch Mittbenung em.e-s > in der ^daebt^n Art
behandelten Falb»* die Z^eckmitssi^feeit des UBgew^adten Ver¬
fahren* anschaulich y.u machen suchen.
Eiu Aörtcv, iehhjäshrjgeA Mädchen. das Kind von FJterp:;
welche: beide an Lun^cnphihkü m t*rutJ$ö, ge gähnen v/aron,
crkmqk.h^ im Jahres an deh $>7nptnmea ejner links-
•'•viAdgeu- öxsodatnexi Fleuntis. / Als ich die Kleine im Februar
äuersT >ah. war bereiis .yweimai von dm behaad^pden hzrt-
te.i>, den Herren 'P^ uH^[
PuHCtinn gemacht wvirdoib und hatte, sieh das erste Mal schau
eine an, F/iterköri^Tchäd reiche> da^ zweite Mai bestimmt
eitrige Flüssigkeit« entb?ert. .letzt- war wkderüfa das Herz
.:?hfblmh tiach rechts verschoben^ die Tc.mpcvatur fieberhaft,
Äuma] in den NachimttagSsnmdep hoch, tmd die Ablagerung
(Ht kleinen, zarten 1‘aHebfin hatte ms*<>hde frrtsibritte ge-
ucÄchf , Ifabei war die I fvvpüoö nfavsig und die .InterciKsta-lräume
waren w.enie erweitert.
diesen« Ettndjmde'U wurde .von nrn? die Erftfl'iiuiig d$s
Hmstti5hlenaEsr;es«e^ fOr iinthweiulig erachtet und >n d^r Mitte
doA- ^ionat März ausgeföhTt.
Es tAclVjru ixdr bei den eugen lntercostnliäumeu der kieiheu
l^tientio m1nsci>cnswertl^"lrin^ OhS&lig; xgi TBenfabbile zu
; sclmFen. welche die (»arafttie hot, ein dickes .Vtraihvo'br' W#rcis4 :
der Dauer der Behandlung liegen lassen. zu k$nnnn D^batb
; führte ich die K^-ectiOtt ein«;* etwa 1 V ? Om. langen
, stücks aus. l€.li • Wählte Xu. di$Ker.* Op^tiun' die. «. Üipp^; 'hätte.
] ihrem hjntereü Fndhs t etwa am änssereii Rähd der Ei|ipehjttre?ker,
; Dadurch erreichte ich. .dass die Oeifnung in Bucfeti.la.ge' d^v
j klmnen Pationtln ro zramlirh dem tiefsten tbmkt des Flrev-
; hasKin« ehtspmcli; Nachdem durch diese, bi f.*bI»jmfo.rrmia ccchh' '
I und iiüter Spray vorgebomnmne OperÄtitm, Weicher dk- g.ee
.-j braucbUche. grüüiüieht:Ahseifang undin-sinfeefiun des-i‘perMtinos-
; gebiets yörausgiug. eine reichjiche Menge, ‘ziemlich dicken Eiters
; cuHcert wurden war, fnjgtfn ein»> Ausspnluhg. der Vleurahohlö
! mit' lauer Oarbnlsäurelösuhg (3 ,l o), - weiche >o lange Ibrtges^tzt
• Wurde., bis die Flüssigkeit wa^er&jar nhdos«.
Daiant' wurde ein LD-.tef Aehei Verband in folgeudbr Welse
l angelegt, ln die Bcscctbms^tfomig hinein iegte ich «dn klein-
; ÜngerdickAs? Drairmdir. welches sc» fang war., d^ss c-s die Wunde
! der {Meura.irtacr» noch um etwa 1 — t Om überragte,b Sudärm
■j kamen anf die Wunde der (Meura und gut handbreit dieselbe
j überragend, grosse Mengen nu^eordneter Lisfergaze. Cm diesen
j Haufen von Haze wurde ein riueFmaigor breiier Streifen von
loöjger i^alycilwatte gelegt, ur?<] umj *uħt «’n-v Verbund
5 durch eine carbnbsirfe ‘razeldndc tixirt. Dieser Verband welcher:
| alsB die iiestimmong. ..hätte. 4'ak tt-u;stUea^.eh4ii?-•'.Ätneffe zunächst
! änfzunehmeut, Wardfc üun mit einem, den gfuizen Thorax mn-
j gebenden, den cr^cn V^iMuind überall handbreit überragenden
I eigentlicbtni IMstctvbrband (ß. fache bage biaze niit zttisch^a.
; T I^gi- eingeschaltetem Gummtpapicrt bedeckt.
ln den ersten Tagen war es nüthig. täglich den Vemaud
zu eraenern. bald -aber koiinten die Verbände o--4 Tage Uud
I länger' liegen bleiben. Bqi dem Verband Wechsel wurde Spray
! angewandt, das ItTaimuhr wurde entfernt gereinigt und wieder
J.) B;nun näht dies; Kehr hi dis. b;Uitvvmtde inst,; willhtuul ich da
niiiehigleitim de^^dhftif däss, ich m omc
WäotT dns Rührei;.' .senkrecht, zifr Längsate do^'ihü'n oim 5 Silherben^padcl
einsteeiit*. welche sich quer vor die Wunde lieg».
362
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 25
eingeführt, ohne dass auch nur einmal wieder eine
Ausspülung der Pleurahöhle vorgenommen worden '
wäre. 1 ) Da in der 5. Woche die Secretion fast ganz versiecht
war, so wurde versuchsweise das bereits seit längerer Zeit sehr
viel dünnere Rohr weggelassen. Allein schon nach 4 Tagen
steigerte sich die Abendtemperatur und es musste wieder ein¬
geführt werden. Jetzt liegt noch ein Rohr von etwa schwefel¬
holzdickem Lumen, und bei der geringen Secretion, sowie der
wieder allenthalben vorhandenen Respiration kann es wohl bei
dem nächsten Verbandwechsel auch fortbleiben.
Das Befinden der kleinen Patientin ist von dem Augenblick
des Schnittes an rasch zur Norm zurückgekehrt. Das Fieber
schwand und kehrte nur für einige Tage nach der zu frühen
Entfernung des Rohres zurück, der Appetit kehrte wieder und
alsbald nahm das Körpergewicht in erstaunlichem Masse zu.
Bald konnte der Kleinen das Aufsteheu und nach einiger Zeit
auch die Bewegung im Freien gestattet werden. Das aus-
fliessende Secret hat während der ganzen Dauer der Behandlung
keine Spur von Fäulniss gezeigt.
Da die beschriebene Methode der antiseptischen Eröffnung
der Brusthöhlenabscesse eine einfache Consequenz dessen ist,
was wir Chirurgen jetzt bereits seit Jahren zur Behandlung
anderweitiger Höhleneiterungen thun, so versteht es sich wohl
ganz von selbst, dass auch andere mit der antiseptischen Tech- |
nik bekaunte Collegen ihre Empyeme in der gleichen Art be¬
handelt haben. Jedoch ist die Methode meines Wissens bis
jetzt nur von W. Baum in Danzig, und zwar in diesem Blatte
beschrieben worden.
Ich enthalte mich jedes weiteren empfehlenden Wortes
derselben und recapitulire hier nur, was ich für die Opera¬
tion frischer, nicht bereits fistulöser Empyeme nach
antiseptischen Grundsätzen geboten erachte.
1. Die Operation soll unter antiseptischen Cautelen (Des-
infection des Operationsfeldes, Spray etc.) gemacht werden.
2. Der Schnitt soll womöglich so liegen, dass eine An¬
sammlung von Secret im Thoraxraum nicht stattfinden kann,
also bei Rückenlage hinten, nahe der Wirbelsäule. Doppelinci-
sion ist nur unter besonderen Verhältnissen nothwendig, für die
einfachen Fälle genügt der einfache Schnitt.
3. Der Schnitt soll Garantie bieten, dass das Drainrohr
nicht geklemmt wird. Stehen die Rippen nahe zusammen, so
empfiehlt sich das Reseciren von einem Stück Rippe. Uebrigens
kann diese Operation auch noch nachträglich gemacht werden,
sobald sich zeigt, dass die Empyemfistel sich zu sehr verengt.
Ich habe übrigens den Eindruck gewonnen, dass bei der
fraglichen Methode, bei welcher die Lunge sobald wieder athmet,
und zwar wahrscheinlich deshalb, weil sie an ihrer Oberfläche
mit der Pleura costalis verklebt, eine so erhebliche Verengerung
der Intercostalräume überhaupt nicht eintritt. Ich möchte
daher für wahrscheinlich halten, dass die Rippenresection, zu¬
mal bei Erwachsenen, meist entbehrlich ist.
4. Ist der Eiter ausgeflossen, so folgt eine ein mal i ge gründ¬
liche Desinfection der Pleura. Man kann die Brusthöhle zu¬
nächst mit Salicylsäurelösung auswaschen, und erst wenn die
Flüssigkeit wasserhell ausfliesst, eine kurze Ausspülung mit
starker Carbo!säurelösung (etwa 2 ! / 2 —5 Proc., letztere Lösung
bei putriden Exsudaten) folgen lassen. Hueter hat wohl mit
Recht betont, dass solche starke Lösungen, weil sie Gerinnungen
1) Sowohl bei dem Verband, als auch während des Tages ohne Ver¬
bandwechsel, wurde die Kleine öfter an den Beinen so emporgehoben,
dass sich das im Thoraxraum angesammelte Secret durch das Drainrohr
entleeren konnte.
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I
hervorrufen, weniger schädlich sein mögen, als die schwachen,
welche rasch resorbirt werden.
Uebrigens ist es geboten, diese primäre Desinfection zunächst
noch mit Vorsicht zu machen. So wenig die giftige Carbol-
wirkung bei einer verdickten mit Exsudat bedeckten
Pleura in Frage kommen kann, so ist doch andererseits nicht
zu leugnen, dass bei geringeren Massen von Belag eine Resorp¬
tion von grösseren Mengen einzutreten vermag. Vielleicht be¬
dürfen die einfach eitrigen, putriden Ergüsse überhaupt nur
einer einmaligen Ausspülung mit Salycilsäurelösung.
Nach der Desinfection wird ein kleinfingerdickes gewöhn¬
liches Gummidrain in die Fistelöffnung eingeführt. Eine quer
durch die eine Wand des Rohrs gesteckte Sicherheitsnadel ver¬
hindert das Hineingleiten desselben in die Pleurahöhle. Es soll
gerade in die Pleurahöhle hineinragen, also etwa 5 — G Cm.
lang sein.
5. Für den Verband wird zunächst in grosser Menge un¬
geordnete Listergaze auf die Fistel und ihre Umgebung auf¬
gelegt. Darüber folgt ein den ganzen Thorax umgebender, du-
Gegend der Fistel breit deckender typischer Listerverbaud.
G. Der Wechsel des Verbandes erfolgt, sobald sich ein Fleck
irgend wo an der Oberfläche zeigt. In der Regel wird dies
für die ersten-Tage alle 24 Stunden nothwendig werden. Zeigt
sich bei dem Wechsel das Secret geruchlos, so wird
die Pleurahöhle überhaupt nicht wieder ausgespült.
Dies betrachte ich als sehr wichtig, und bezweifele nicht, dass
es in der Regel erreicht werden wird, wenn es sich nicht um
bei der Eröffnung bereits zersetzte Ergüsse handelte.
Sollte dies der Fall sein, oder sollte sich das Secret in Folge
eines Fehlers bei der Ausführung der Methode zersetzt haben,
so müsste allerdings vor jedem Verband die Ausspülung in der
oben geschilderten Weise wiederholt werden. Wir verkeimen
für diesen Fall nicht, dass die Ausspülung eine gewisse Gefahr
der Carbolintoxication, zumal bei geschwächten Patienten, in sich
trägt. Sehr gross ist jedoch die Gefahr nicht, die der zu¬
nehmenden Sepsis ist auf jeden Fall viel grösser. Wechselt
man in solchen Fällen den Verband zweimal, und übt die des-
inficirende Spülung täglich einmal, so wird man auch bald mit
der Fäulniss der Secrete fertig. In einem solchen Fall könnte
unter Umständen eine Contraincision nöthig werden, in welche
ebenfalls ein Drainrohr eingeführt werden muss.
Ich wiederhole, dass ich für die grosse Mehrzahl
aller Empyeme der Ansicht bin, sie werden sich ohne
wiederholte Ausspülung heilen lassen. Die öfter
wiederholte desinficirende Ausspülung soll nur als
Ausnahmsmassregel für primär putride oder putrid ge¬
wordene Brusthöhlenabscesse in Anwendung kommen.
Sind die ersten 8 Tage vorüber, so ist wohl meist nur sehr
selten Verbandwechsel (alle 4—8—10 Tage) nothwendig. Doch
muss sich dies stets nach der Masse des Secrets und der
Schnelligkeit der Durchtränkung der Verbandsstücke richten.
7. Das Lumen des Drainröhrchens kann allmälig kleiner
genommen werden. Man soll das Rohr übrigens nicht eher ganz
weglassen, als die Secretion fast null geworden ist. Sobald die
Verbände länger liegen bleiben, muss das Rohr jedenfalls bei
dem Verbandwechsel herausgenommen und wieder eingeführt
werden, da zu jener Zeit gern Granulationen in das Lumen
desselben hineinwachsen und es verstopfen.
Nicht die uubedeutenste Empfehlung dieser Methode liegt
in ihrer Einfachheit. Der Verband kann von jedem Arzt ge¬
macht werden, auch wenn er keine besondere Erfahrung in
der Application der antiseptischen Methode besitzt.
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UNIVERSITf OF MICHIGAN
24- Juni 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
363
II. Die Behaidhng des Erysipels auf der ehirargische«
Klinik zn Greifswald.
Von
Dr. Hermann Hueter,
Assistenzarzt der Klinik.
(Schluss).
Ich lasse jetzt in möglichster Kürze die Krankengeschichte
der im letzten Jahre beobachteten Fälle von Erysipel folgen.
1. Spalt, 17 Jahre alt, Urinfistel am Damme nach einer
8 Wochen vor der Aufnahme erfolgten Abquetschung der Urethra
unter der Symphyse durch Sturz,
Urethrotomie externa. Juteverband. 23. Mai Abends Tem¬
peratur 40. Von der urethrotomischen Wunde aus hat sich ein
Erysipel von der Grösse eines Handtellers nach dem Scrotum
und der rechten Inguinalgegend hin ausgebreitet. Zwei Carbol-
injectionen nach vorne und rechts von der Wunde. Bei dem
empfindlichen Patienten mochte ich keine grössere Zahl von
Injectionen vornehmen, wie sie eigentlich der Ausbreitung der
Erkrankung entsprochen hätte. Dagegen Hess ich in der Peri¬
pherie der erysipelatösen Hautpartie grauen Salbe tüchtig ein¬
reiben. Das Erysipel schritt nicht weiter. Da jedoch die
Temperatur am folgenden Tage noch einige Zehntel über 38
betrug und die Haut sich immerhin noch geröthet zeigte, so
wurden Morgens und Abends noch je 2 Carbolinjectionen gemacht.
25. Mai. Normale Temperatur. Röthung verschwunden.
Dauer 2 Tage.
2. Zeck, 18 Jahre alt. Exstirpation eines hühnereigrossen
Echinococcensackes der rechten Supraclaviculargrube. Lister-
scher Verband. Am 2. Tage nach der Operation, den 9. April,
Mittags Uebelkeit, Frost. Erysipel von der Wunde ausgehend
von noch geringer Ausbreitung, 3 Carbolinjectionen. Abends
Temperatur 38,8.
10. April. Morgens fieberfrei. Die Röthe jedoch noch
nicht vollkommen geschwunden. 2 Injectionen. Abends Tem¬
peratur 38,4; nochmals 2 Injectionen.
11. April. Morgens fieberfrei; die Röthe gänzlich ver¬
schwunden. Dauer 2 Tage.
3. Leibauer, 77 Jahre alt. Recidivirendes, wallmissgrosses
Carcinom über der linken Augbraue, infiltrirte Drüsen auf
dem linken Masseter. Exstirpation. Lister’scher Verband.
3. Juli. Abends Temp. 39. Erysipel von der Wunde auf
dem Masseter ausgehend. 3 Carbolinjectionen.
4. Juli. Haut abgeblasst. Fieberfrei. Dauer 1 Tag.
4. Frau V., 49 Jahre alt. Excision eines Scirrhus mammae
am 1. Juli. Operationswunde nahezu geschlossen.
19. Juli Abend. Leichtes Unwohlsein, Temp. 38,5. Beginn
eines Gesichtserysipels am linken Nasenflügel. Patientin hat
früher schon mehrfach an Gesichtsrose gelitten. 1 Carbol-
injection.
20. Juli. Fieberfrei. Von Röthung nichts mehr zu erkennen.
Dauer 1 Tag.
5. Frau Bahls, 57 Jahre alt. Amputation des Unter¬
schenkels wegen Synovitis granulosa des Sprunggelenks und Mye¬
litis granulosa vom Talus, Calcaneus und der Epiphyse der Tibia.
Von der absolut per primam geschlossenen Wunde erübrigt nur
noch eine etwa 20pfennigstückgrosse granulirende Stelle, der
Lage des Drainrohrs entsprechend. Von hier aus entsp^Mgt
am 19. August ein Erysipel. Temp. Abends 39. Händler-
grosse Ausbreitung der erysipelatösen Röthung. 3 Carbolinjec-
tionen.
20. August. Morgens fieberfrei. Die Röthe blasser, jedoch
noch nicht geschwunden. 3 Injectionen. Abend Temp. 38,5.
2 Injectionen.
21. August. Fieberfrei. Erysipel erloschen. Dauer 2 Tage.
6. Wulff, 38 Jahre alt. Resection des Metatarso-phalangeal-
gelenks des R. Mittelfingers wegen Schussverletzung des Gelenks.
13. August. Abends leichtes Erysipel bis zur Mitte des
Handrückens sich ausbreitend. Bei niedriger Temperatur und
der geringen Ausbreitung sind an diesem und dem folgenden
Abend nur wenige Injectionen nöthig, um das Erysipel bis zum
15. Morgens zum Schwinden zu bringen. Dauer 2 Tage.
7. Friese, 22 Jahre alt. Amputation des rechten Ober¬
schenkels wegen eines 8 Jahre alten Sequesters bei spitzwink¬
liger Oontractur im Kniegelenke. Amyloide Degeneration der
grossen Unterleibsdrüsen.
30. Juni. Abends wird auf der linken Hinterbacke ein
handgrosses Erysipel vorgefunden. 4 Carbolinjectionen. Am
anderen Morgen verschwunden. Dauer 1 Tag.
8. Feige. Sehr tiefgehende und ausgedehnte Exstirpation
käsiger Lymphdrüsen der Inframaxillargegend. Der unruhige
Junge entfernte mehrfach Nachts den Lister’schen Verband,
weil es ihn „juckte“.
Den 24. November Morgens ist die Wunde diphtheritisch
belegt, Hals und Gesicht auf der linken Seite diffus geschwellt,
jedoch ohne Röthung. Bei Temperaturen, welche Abends oft
über 40° stiegen, kommt es zur Bildung verschiedener Abscesse
an Hals und Wange. Nachdem der Process 8 Tage gespielt,
zeigt sich die hintere Halsgegend plötzlich dunkel geröthet und
nun werden, um das Weiterschreiten des Erysipels auf dem
Rücken zu verhindern, am Rande 2 Mal je 4 Carbolinjectionen
gemacht. Am 10. Tage hat der Kranke endlich abgefiebert,
die erysipelatöse Röthung des Nackens ist verschwunden. Im
weiteren Verlaufe stiess sich das Unterhautbindegewebe der
linken Wange necrotisch aus. Ich hatte den Process mit Rück¬
sicht darauf, dass die Haut anfangs ödematös geschwellt war
und keine Spur von Röthung zeigte, als eine tiefe Phlegmone
angesehen und mit Eiscompressen behandelt, wurde aber dann
durch den Verlauf belehrt, dass das Krankheitsbild namentlich
wohl auch mit Bezug auf den diphtheritischen Belag der Wunde
| als ein Pseudoerysipel anzusehen sei. Dauer 10 Tage,
i 9. Richter, 32 Jahre alt. Von dem ulnaren Schnitt einer
i 14 Tage alten Handgelenksresection geht am 27. Januar 1878
| unter den heftigsten Allgemeinerscheinungen ein Erysipel aus.
! Temperatur Nachmittags kurz nach dem initialen Schüttelfrost
j über 39°. Das Erysipel hat sich auf der Beuge- und Ulnarseite
in der kurzen Zeit von wenigen Stunden bis zur Mitte des
Vorderarms ausgebreitet. Injection von 12 Spritzen Carbol-
lösung, da der sehr kräftige Patient eine sehr ausgiebige An¬
wendung der Injectionen gestattete. Abendtemperatur 38,2.
28. Januar. Morgens kein Fieber. Das Erysipel absolut
getilgt. Dauer 1 Tag.
10. Bieg, 32 Jahre alt. Gummöse Periostitis der Hinter¬
fläche des linken Femur im unteren Drittel. Drainage.
10. Februar. Mittags Erbrechen, Frost, Temperatur 39,2.
In der Peripherie der hinteren Wunde die Haut im Umkreise
von etwa 8 Ctm. erysipelatös geröthet. 10 Carbolinjectionen.
11. Februar. Morgens Temperatur 38,6, Abends 39,2, je
6 Injectionen.
12. Februar. Morgens 37,4 Fast ganz abgeblasst. Abends
38,3. Noch 2 Injectionen an zwei durch ihre Röthung ver¬
dächtige Stellen.
13. Februar. Definitiv geschwunden. Dauer 3 Tage.
11. Frau Niemann, 39 Jahre alt. Parasynoviale Entzündung
am linken Kniegelenke. Drainage.
8. März Abends. Unter massigen Allgemeinerscheinungen
und einer Temperatur von 39° Ausbruch eines Erysipels um die
Incisionen. 4 Carbolinjectionen.
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364
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 2j
9. März. Morgens geschwunden. Dauer 1 Tag.
12. Griebenow, 24 Jahre alt. Seit 4 Jahren bestehende
Fistel am inneren Rande des L. tuber ischii, bis zur Gegend
des der Incisura ischiadica reichend, ohne auf erkrankten Knochen
zu führen. Auslöfflung.
17. März. Mittags Frösteln, leichte Uebelkeit. An der
Wunde nichts auffälliges zu bemerken. Abends 38,4. Leichte
erysipelatöse Röthung um die Wunde. 3 Carbolinjectionen.
18. März Morgens. Nichts mehr von Erysipel zu bemerken.
Dauer 1 Tag.
13. Frau Heuer, 48 Jahre alt. Amputation des linken
Oberschenkels wegen Elephantiasis mit sehr ausgedehnten Ul-
cerationen am Unterschenkel.
19. März. Abends Frost, Temp. 39,8. Handgrosses Ery¬
sipel an der Innenfläche des Oberschenkels. Die Amputations¬
wunde war per primam geheilt und schon seit 8 Tagen voll¬
kommen geschlossen. 4 Injectionen. In der Peripherie werden
4 Gramm grauer Salbe tüchtig auf der Haut verrieben. Am
anderen Morgen wird noch eine verdächtige Stelle mit einer
Injection bedacht, obschon die Kranke fieberfrei ist. Bis zum
Abend absolut abgeblasst. Dauer 1 Tag.
14. Beckmann, Mädchen, 24 Jahre alt. Lupus exulcerans
der linken Temporalgegend. Excision.
20. März. Mittags 2 Stunden lang Frost, Erbrechen. Tem¬
peratur 38,4, noch während des Schüttelfrostes gemessen. Ery¬
sipel von der am Morgen noch gut granulirenden Wunde aus¬
gehend. Granulationen an verschiedenen Stellen pulpös infiltrirt.
5 Injectionen. Graue Salbe. Abends 39,4. 4 Injectionen.
21. März. Morgens 37,6. 2 Injectionen an noch nicht
vollkommen abgeblassten Stellen. Mittags verschwunden. Dauer
1 Tag.
15. Borgwardt, 54 Jahre alt. Resection des rechten Unter¬
kiefers wegen eines von den Submaxillardrüsen auf den Kiefer
übergegangenen Carcinoms.
25. März. Abends Temperatur 39,2. Handgrosses Erysipel
in der Peripherie der bis dahin gut granulirenden Wunde.
7 Carbolinjectionen.
26. März. Morgens Temperatur 38. Abends 38,2. Noch¬
mals einige Injectionen.
27. März, fieberfrei. Hautfärbung normal. Dauer 2 Tage.
16. Eggert, 23 Jahre. Resection des Schultergelenks wegen
Caries sicca. Nach Ausheilung der Wunde bis auf eine etwa
groschengrosse Stelle wurde der Mann auf seinen Wunsch nach
Hause entlassen.
20. April. Wegen eines, am vorigen Tage entstandenen,
und von der Wunde ausgehenden Erysipels wieder auf die Klinik
aufgenommen. Wunde schmierig belegt, das Erysipel über Schulter
und vordere Brustwand etwa in der Ausdehnung von 3 Flach¬
händen ausgebreitet. Temperatur über 39°. Imprägnation der
Granulationen mit 5% Chlorzinklösung. 8 Carbolinjectionen.
Da die Zahl der Injectionen zu der weiten Ausbreitung der
Erkrankung in keinem Verhältnisse stand, wurde noch aus¬
giebiger Gebrauch von grauer Salbe gemacht.
21. April. Morgens fieberfrei, obwohl die erysipelatöse
Fläche noch nicht überall abgeblasst. 5 Carbolinjectionen.
Abends 38.
22. April. Geheilt. Dauer nach dem Eintritt in die Be¬
handlung 2 Tage.
17. Bade, .42 Jahre. Mentagra des Schnurrbartes. Der
rascheren Heilung halber werden die am stärksten infiltrirten
Stellen discidirt.
20. April. Mittags. Erysipel von einer kleinen Incisions-
wunde ausgehend. Temperatur 3-3,3. 4 Carbolinjectionen. Abends
fieberfrei. 21. April. Morgens 37°. Abends 38,3. Je 3 Carbol¬
injectionen.
22. April. Den ganzen Tag über fieberfrei. Obwohl die
erysipelatöse Partie noch nicht vollkommen abgeblasst. 23. April.
Abends 38,5®. 2 Injectionen. 24. April. Abends 38,2. 2 In¬
jectionen. Obwohl das Erysipel auch in diesem Falle nicht
über die ersten Grenzen hinausging, die Allgemeinerscheinungen
gleich Null und das Fieber sehr mässig war — es intercurrirte
j ja sogar ein absolut fieberfreier Tag — so dauerte es doch bis
| zur absoluten Entfieberung 4 Tage.
Als nächsten Erfolg unserer Behandlung konnten wir also
j in jedem Falle (ausser Fall 8) die Thatsache constatiren, dass
; das Erysipel nach der ersten Application der Carbolinjectionen
i sofort seinen progredienten Character verloren, dass es die bis
| dahin erreichten Grenzen nicht überschritt. In den am günstig-
I sten verlaufenen Fällen genügte dieser einmalige energische
I Eingriff, um die ganze Erkrankung mit einem Schlage zu cou-
| piren. In andern Fällen ist die Haut wohl abgeblasst, doch
' lässt das Hervortreten kleiner gerötheter Partien eine Wieder-
. holung der Injectionen rathsam erscheinen,
j Bei den schwersten Formen der Erkrankung musste ich
! mich allerdings begnügen, mittelst der ersten Injectionen dem
Weiterschreiten des Processes sicher Einhalt gethan zu haben,
! während erst eine zweite energische Application der Carbol-
I spritze ein deutliches Abblassen der Röthe zur Folge hatte.
Dabei ist das Allgemeinbefinden der Kranken gut, das Fieber
bleibt niedrig, so dass in keinem Falle eine antifebrile Medi-
cation nöthig wurde. Ganz in demselben Sinne sprach sich
übrigens schon vor 4 Jahren Dr. Aufrecht, Magdeburg aus
(Centralblatt für die medic. Wissenschaften, 1874, No. 9). Nach
. seinen Beobachtungen — die bei der Behandlung von 4 Erysipel¬
fällen mit Carbolinjectionen gesammelt sind — ist der Einfluss
auf das Herabgehen des Fiebers, die Pulsfrequenz und im Zu¬
sammenhänge hiermit auf die Besserung des Allgemeinbefindens
| ein eclatanter.
| Nun glaube ich noch eine Frage nicht unberücksichtigt
lassen zu dürfen, es ist nämlich die der Carbolintoxication. Be¬
stimmte mich früher die Furcht vor dieser Eventualität, sehr
vorsichtig bei der hypodermatischen Anwendung der Carbolsäure
vorzugehen, so bin ich jetzt nach über l 1 /*jähriger Erfahrung
sehr viel kühner geworden, nachdem ich nur in einem Falle
(10 Bieg) nach 3 maliger Einführung von 6—10 Spritzen Carbol
in 12 ständigen Zwischenräumen bei gleichzeitiger Application
von sehr grossen feuchten Carboiplatten am dritten Tage eine
mässige, auf dem Carboigebrauch zu beziehende, Verfärbung
des Urins folgen sah, während das Allgemeinbefinden des Kran¬
ken nichts zu wünschen übrig liess. Schon bis zum Abend
hatte der Urin seine normale Farbe wieder angenommen, nach¬
dem inzwischen der Carboiverband mit einem feuchten Salicyl*
verbände vertauscht war.
Von den 17 Beobachtungen des letzten Jahres war ferner
nur ein Fall als ein complicirtes Erysipel zu betrachten (Fall 8
Feige) und hier trat sofort der ganze Process unter dem Bilde
einer Phlegmone auf. Die Fälle, wo zugleich mit der Invasion
des Erysipels Veränderungen an den Granulationen zu bemerken
waren, welche mehr oder weniger diphtheritischen Character
trugen, rechne ich, indem ich den Anschauungen von Professor
Hufgjer folge, nicht zu den complicirten Fällen, eine Anschauung,
die ftllkommen durch den Verlauf bestätigt wird. Die übrigen
16 Fälle verliefen ohne jede weitere Complication und es ge¬
lang uns das Erysipel 8 mal in einem Tage, 6 mal in 2 Tagen
zu tilgen, während die beiden Erkrankungen von längster Dauer
3 und 4 Tage zu ihrer Heilung beanspruchten.
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24. Juni 1878. BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 365
Noch sei uns ein rascher Vergleich der eben vorgelegten 1
Statistik mit der vom Jahre 1876 gestattet. In jenem Jahre j
wurden auf der chirurgischen stationären Klinik 30 Fälle von j
Erysipel behandelt und doch hatte im Vergleiche zu früheren j
Jahrgängen die Zahl der Erysipelerkrankungen schon erheblich !
abgenommen. # Von diesen 30 Fällen verliefen ohne Complica- |
tionen 14 Fälle, mit Complicationen, und zum Theile schwerster j
Art, 16 Fälle. j
4 Patienten starben.
Die durchschnittliche Dauer aller Erysipele währte 6 # / l0
Tage. Siehe genaueres Dr. Schüller’s Jahresbericht über die
chirurgische Klinik zu Greifswald (Deutsche Zeitschrift für Chi- j
rurgie 1877). !
Es ergiebt sich also zunächst, dass in diesem letzten Jahre
die Summe der Erysipelerkrankungen erheblich gesunken, (30 i
zu 17) dass ferner die durchschnittliche Dauer des Einzelfalles
bedeutend vermindert, (6 9 / l0 zu 2 l / 4 Tagen), dass mit Ausnahme
des Falles Feige keines der Erysipele complicirt war und dass
wir endlich keiuen Kranken an dieser Wundkrankheit verloren. I
Soweit ich nun entfernt bin, die Summe dieser Erfolge
in ihrer ganzen Ausdehnung auf Rechnung der strengen Durch- |
führung obiger Behandlung zu setzen, so gewiss bin ich der ;
Ansicht, dass unsere Therapie auf dem richtigen Wege ist. !
Habe ich oben hervorgehoben, dass nur Erisipele von ge¬
ringer Flächenausdehnung unserer Behandlung zugänglich wären,
da uns die naheliegende Gefahr der Carbolintoxication daran
hindert, grössere Bezirke hypodermatisch mit Carbol zu bespülen
und die Nothwendigkeit des frühen Nachweises des Erysipels
aus eben diesen Gründen dargethan, so muss ich es als einen
besonderen Glücksfall betrachten, dass gerade in diesem letzten
Jahre kein Fall von schwerem und complicirten Erysipel von
ausserhalb der Klinik zugeführt wurde. Nicht allein, dass uns
in solchen Fällen im Vergleiche zu den früheren die Behandlung
ausserordentlich erschwert und in ihren Erfolgen sehr unsicher
wird, auch die Gefahr der Ansteckung anderer Patienten wird
trotz aller Vorsicht eine bedeutendere werden, wenn die Ery¬
sipele nicht mehr unter Antisepsis — sit venia verbo — ge¬
halten werden können. Dass solche Fälle zum Ausgangspunkte
für ganze Epidemien werden, dafür sprechen Erfahrungen, wefche
früher auf unserer Klinik gesammelt wurden (Schüller’s Jahres¬
bericht). Und mit dieser Gefahr der directen Uebertragung von
einem Patienten auf den andern, die natürlich um so grösser
wird, je länger das Erysipel in Blüthe steht, ist meiner Ansicht
nach die Reihe der Möglichkeiten, welche wiederum Erysipel¬
erkrankungen bedingen können, lange nicht erschöpft. Trotz
der grössten Sorgfalt werden wir es nicht vermeiden können,
dass Theile vom Verbandzeug, Spuren der Secretionen und Ex-
cretionen, welche das Contagium tragen, in den Betten oder
irgendwo in den Winkeln des Krankenhauses haften. Wenn
nun diese Contagien um so wirksamer sein dürften, je weniger
das Erysipel durch unsere Behandlung in seinem Verlaufe alte-
rirt ist und die Summe dieser Contagien, welche im Kranken¬
hause sich anhäufen, bei dem längeren Verlaufe der Krankheit
ansteigen muss, so wird offenbar die Wahrscheinlichkeit eine
v»el grössere sein, dass ein lang dauerndes und schweres Ery¬
sipel in ganz anderer Weise das Krankenhaus durchseucht, als
eines, welches sofort beim Beginne durch unsere Behandlung
coupirt wurde. Jenes wird um so leichter den Wiederausbruch
von Erysipel auf der Abtheilung bedingen.
Wir haben also nicht nur dem betreffenden Patienten ge¬
nützt, wenn wir sein beginnendes Erysipel sofort im Keime er¬
stickten, sondern auch die Chancen, dass die anderen Patienten
jetzt und in Zukunft in unserem Krankenhause erysipelatös er¬
kranken. gemindert.
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Durch den bedeutenden Abfall der Zahl von Erysipelfällen
in dem letzten Jahre glaube ich zu dem Aussprechen dieses
Satzes vollkommen berechtigt zu sein.
III. Eia Nierenstein ans Indign.
Der pathologischen Gesellschaft in London am 5. März 1878
vorgelegt von
W. !*. Ord,
M. B., F. R. P. I.cnd. I’hysieian am St. Thomas-Hospital in London
und nach dessen Originalmanuscript mitgetheilt
von
Felix Semon,
M. D., M. R. C. P. Lond.
Unter obigem Titel hielt mein Freund, Dr. Ord, am 5. März
einen Vortrag über ein von ihm entdecktes Unicum in der
Naturgeschichte der Nierensteine vor der Pathological Society.
Der Umstand, dass dies der erste überhaupt beobachtete Fall
dieser Art ist, überhebt mich aller Motivirung und Entscbuldi-
dung hinsichtlich seiner ausführlichen Mittheilung. Zweifelsohne
wird derselbe in Deutschland mit demselben Interesse auf¬
genommen werden, welches die Mitglieder der Path. Society
gelegentlich der Originalmittheilung des Entdeckers an den Tag
legten.
Der fragliche Stein wurde Dr. Ord von dem pract. Arzt
Dr. Bloxam zugesendet, welcher ihn aus dem Nierenbecken
der rechten Niere einer Frau von mittlerem Alter gelegentlich
deren Autopsie entfernt batte. Bei dieser Autopsie war gefunden
worden, dass die linke Niere durch ein weiches Rundzellen-
sarcom zerstört war, welches schliesslich den Ureter verstopft
und die Niere selbst zu einer Cyste reducirt hatte, in welcher
sich ein langer, zackiger, erdfarbner Stein vorfand. Die rechte
Niere war hypertrophisch und etwas hyperämisch, aber sonst
gesund. In dieser Niere nun fand sich der Indigostein vor.
Er hat die Grösse und ungefähre Gestalt eines 1 Markstücks
und wiegt 40 Gran. Seine Farbe ist theilweise dunkelbraun;
doch sind */ 4 einer seiner Oberflächen mit einer dicken, körnigen
und mattglänzenden Lage von schwarzblauer Farbe bedeckt.
Streicht man mit dem Stein über ein Blatt Papier, so hinter¬
lässt derselbe eine grobe blauschwarze Linie.
Die Untersuchung der Zusammensetzung des Steins begann
mit der Erhitzung eines Theils desselben auf einem Platinatiegel.
Dabei verdampfte derselbe zum grossen Theile unter Erzeugung
eines im höchsten Grade übelriechenden Rauches. Der Geruch
erinnerte theilweise an den Geruch verbrannter Federn, theil¬
weise an den von Kohlenruss, hatte aber dabei noch etwas
specifisches, das, wie Dr. Ord sich später überzeugte, eben
dem Indigo (auch dem käuflichen) bei seiner Verbrennung zu¬
kommt. Auf dem Tiegel blieb eine weisse, unschmelzbare Asche
zurück, deren Untersuchung ergab, dass sie aus phosphorsaurem
Kalk bestand.
Nunmehr wurde ein Theil des Steins microscopisch unter¬
sucht, nachdem er gestossen, gepulvert und ein Tropfen Wasser
zugesetzt war. Es zeigte sich dann eine Grundsubstanz von
[ dunkelröthlich-brauner Farbe, in welche eine fasrige, crystalli-
nische Substanz, einige wenige Haemincrystalle und Pigment¬
massen eingebettet waren. Das Pigment erschien fast schwarz,
aber am Rande einzelner Pigmenthaufen oder an vereinzelten
Pigmentkörnchen war eine tiefdunkelblaue Farbe zu sehen.
(Die sich ihm zuerst aufdringende Idee, er habe es vielleicht
I mit Blutpigment zu thun, das zufällig dem Präparat beigemischt
I sei, konnte Dr. Ord nach vielfältiger und mit grösster Vorsicht
j angestellter Wiederholung der microscopischen Untersuchung
> ausschliessen.)
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3G6
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. *25
Jetzt wurde ein Theil des Steins gepulvert, mit einer gleichen
Menge Chlornatrium gemischt, und so viel Acetum glaciale bin-
zugefiigt, dass das Pulver davon vollständig bedeckt war; dann
wurde die Mischung erhitzt, bis Aufbrausen eintrat, und nun¬
mehr wieder allmälig abgekühlt. Während des Kochens nahm
die Mischung eine schöne, blaue, reine Farbe an, während beim
Abkühlen ein crystallinischer kupferglänzender Niederschlag
erschien.
Viertens wurde ein Theil des Steins digerirt in einer
wässrigen Lösung (1:2) von Acid. hydrochlor. Dies geschah
theil weise, um die erdigen Bestandtheile zu analysiren. Doch
empfiehlt Dr. Ord diese Methode auch, um über die Natur der
organischen Grundsubstanz ins Klare zu kommen. (Die letztere
spielt [wie Dr. Ord a. a. 0. zu beweisen versucht hat] eine
sehr wichtige Rolle hinsichtlich der Form und des Zusammen¬
hanges der erdigen und crystallinischen Bestandtheile bei Nieren¬
steinen, und eine systematische Untersuchung dieser Grundsub¬
stanz giebt oft die wichtigsten Aufschlüsse.) Der in verdünnter
Essigsäure unlösliche Rückstand war im ganzen dem Material
vor der Untersuchung gleich, jedoch weich und leicht zwischen
zwei Glasplatten zu Pulver zu zerdrücken. Unter dem Microscop
erschien derselbe theilweise braun, theilweise von intensiv blauer
Färbung, theilweise purpurfarben. Doch war die blaue Färbung
bei weitem vorwiegend. Die Masse erschien theilweise crystalli-
nisch, während eine bestimmte Form der Crystalle nicht ersicht¬
lich war.
Da die blaue Färbung, welche in mehreren der beschriebenen
Versuche erschien, mehr Aehnlichkeit mit Indigofarbe, als irgend
einer anderen zeigte, und Indigo bereits als Harnbestandtheil
bekannt ist, so wurde nunmehr ein directer Versuch auf
diesen Stoff angestellt: die Sublimationsprobe. Eine kleine
Quantität (ungefähr 1 Gran) wurde gepulvert und in ein voll¬
kommen trocknes Reagensröhrchen gebracht. Bei vorsichtiger
Erwärmung desselben mittelst einer Spiritusfiamme entwickelte
sich ein purpurfarbner Dampf, der ungemeine Aehnlichkeit mit
Joddampf hatte. Derselbe füllte den unteren Theil des Probir-
röhrcheus, während der Geruch verbrennenden Indigos (wie im
ersten Versuch) sehr deutlich war. Sowie die Erhitzung auf¬
hörte, condensirte sich der Dampf sofort an Wänden und Boden
des Röhrchens. Die microscopische Untersuchung des Deposits
zeigte, dass dasselbe aus flachen Prismen von theils blauer, theils
schwarzer Farbe bestand, zwischen denen sich etwas feinkörnige
blaue Masse befand.
Nunmehr erhielt Dr. Ord ein permanentes microscopisches
Präparat in folgender Weise. Eine minimale Quantität des
gepulverten Steins ward auf einen Platinatiegel gebracht und
dieser mit einer reinen Glasplatte bedeckt. Auf letzterer schlugen
sich bei Erhitzung und nachfolgender Abkühlung die entwickel¬
ten Dämpfe theilweise nieder. Dann ward ein Tropfen Glycerin
zugesetzt, ein reines Deckgläschen darüber gedeckt, und man
hatte ein Präparat erhalten, dessen microscopische Untersuchung
genau dieselben Resultate zeigte, wie die microscopische Unter¬
suchung käuflichen Indigos. In beiden Fällen erschienen zahl¬
lose blaue Prismen, gemischt mit blauen Körnchen. Farbe und
Gestalt der Prismen (die in man¬
chen Fällen abgebrochen oder aus¬
gehöhlt erschienen) waren in bei-
denFällen genau dieselben. (Die
beiden microscopischen Präparate
waren bei Dr. Ords Vortrag in der Path. Society zum Vergleich
ausgestellt.)
Sechster Versuch. Ein kleiner Theil wurde sehr fein ge¬
pulvert und in einem Mörser mit Acid. sulfur. zerstossen. Die
Farbe der Mischung war anfänglich schmutzigbraun, nach einigen
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Tagen aber trübblau. Dr. Thudichum, der geschätzte Lehrer
der physiologischen Chemie am St. Thomas-Hospital, den
Dr. Ord um Analysirung dieser Mischung ersuchte, verdünnte
dieselbe mit Wasser, filtrirte sie und erhielt eine Lösung von
klarer blauer Farbe. Dieselbe producirte im Spectralapparat
eine deutliche Liuie im Gelb, ohne mit den rothdVi oder blauen
Strahlen zu interferiren. Dies Resultat correspondirt, soweit
es beiden Herren bekannt ist, nur mit Indigo und keiner an¬
deren blauen oder purpurfarbenen Lösung! — Die Lösung von
Cuprum sulfur., deren Färbung der schwefelsauren Lösung von
Indigo sehr ähnlich ist, zeigt im Spectralapparat eine Linie im
äussersten Roth, aber keine im Gelb. — Aus dem Urin erhal¬
tener Indigo dagegen, der in Chloroform gelöst ist, zeigt die
Linie im Gelb.
Die Reductionsprobe für Indigo wurde von Dr. Ord nicht
gemacht, weil die vorbeschriebenen Versuche völlig ausreichend
schienen, um zu einer definitiven Schlussfolgerung zu gelangen.
Dieselbe lautete dahin, dass der fragliche Nierenstein
aus Blutgerinnsel besteht, welches etwas crystalli-
sirten phosphorsauren Kalk und eine grosse Quantität
Indigo, hauptsächlich in Form einer dicken Incrusta-
tion enthält.
Der Beschreibung seiner interessanten Entdeckung fügte
Dr. Ord folgende Bemerkungen in der Pathol. society hinzu:
Das Vorkommen einer blauen, indigoähnlichen Substanz im
Urin ist schon öfter gelegentlich bemerkt worden. Das Vor¬
kommen einer farblosen, aber unter dem Einfluss von Sauer¬
stoff und Säuren intensiv indigoblau sich färbenden Substanz
als häufiger Constituent des Urins ist jetzt allgemein anerkannt
Soweit aber Dr. Ord die einschlägige Literatur bekannt ist, ist
der oben beschriebene Fall der* erste, in welchem das Vor¬
handensein von Indigo in einem Nierenstein beobachtet worden
ist, der sogar zum grossen Theil aus dieser Substanz besteht.
Was den Ursprung des Indigo in diesem Falle betrifft, so liegen
für denselben mindestens drei mögliche Quellen vor: 1) Nah¬
rung, 2) Medicinen, 3) pathologische Bedingungen.
Ad I. Obwohl viele Pflanzen ausser dem Waid einen farb¬
losen Saft enthalten, der unter gewissen Gährungsprocessen
Indigofarbstoff entwickelt, so liegt doch im allgemeinen kein
Grund zu dem Glauben vor, dass deren Genuss das Auftreten
von Indigo im Urin veranlassen könne, zumal auch Jaff6 nach¬
gewiesen hat, dass Indigo aus dem Urin von Thieren erhalten
werden kann, welche mit Ausschluss aller Vegetabilien gefüttert
wurden. Im vorliegenden Falle bestand die Diät aus Suppen
und stärkehaltiger Speise, die aller Wahrscheinlichkeit nach
keinen Indigo oder einen indigogenen Stoff enthielten.
Ad II. Ebenso wenig können im vorliegenden Falle die ver-
ordneten Medicinen als Indigoerzeuger angeschuldigt werden,
wenn auch die Patientin eine kurze Zeit Creosot genommen
hatte.
Ad III. Pathologische Verhältnisse im Körper bleiben also
als wahrscheinliche Quelle des Indigo allein übrig. — Im ganzen
ist zu sagen, dass der Ursprung des Indigo im menschlichen
Urin noch ziemlich dunkel ist. Schunck, der in indigohaltigen
Pflanzen einen löslichen Stoff gefunden hat, den er Indican nannte,
und der durch Säuren in Indigoblau und Indigozucker zerfällt,
argumentirt, dass dieser Stoff auch den Indigo im Urin bildet
Seine auch von andern vielbestrittene Theorie findet in England
ihren lebhaftesten Gegner in Dr. Thudichum, der den Ursprung
des Indicans bis jetzt für gänzlich unerwiesen hält. Jaffe hat
vor einiger Zeit viel dazu beigetragen, um eine definitive und
mehr oder weniger constant vorhandene Quelle des Indigogen
im Körper nachzuweisen. Er nimmt an, dass der Indigo des
Urins vom Indol abstammt. Dieser Körper, dessen Formel
Original frn-m
UNIVERSITf OF MICHIGAN
24. Juni 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
367
C* H 7 N lautet, kann aus dem Indigoblau (C g H 5 N 0) durch
theilweise Entziehung des 0 vermittelst H erhalten werden.
Er ist crystallisch, flüchtig und löslich in Wasser, Alcohol und
Aether. — Derselbe Körper wird erhalten, wenn Albumen durch
starke Alcalien zerlegt wird, und wenn Peptone durch Pancreas-
saft aufgelöst werden, und er findet sich auch in den Faeces,
die ihren eigenthümlichen Geruch, wahrscheinlich grösstentheils
ihm verdanken. Jaffe fand Indican im Urin von Hunden nach
subcutaner Injection von Indol; ebenso nach der Unterbindung
des Dünndarms, dagegen nicht nach der Unterbindung des Dick-
darms. Sehr viel Indican entdeckte er im Urin von Personen,
die an Fieber mit Betheiligung des Intestinaltractus litten, keine
Vermehrung bei andern Fieberkranken. Er nimmt daher an,
dass bei Verhältnissen, die zu einer Retention der Producte der
Pan creas-Verdauung oder zu ungenügenderWirkung der Darmsäfte
auf diese Producte führen, das Indol von den Därmen in grösserer
Quantität als normal absorbirt, und durch die Nieren als Indican
ausgeschieden wird.
Diese Beweisführung wird in der That durch andere Beob¬
achtungen unterstützt. Erstens ist von Gubler (1854), Hassall,
Thudichum u. a. gefunden worden, dass der Urin bei der
Cholera beim Stehenbleiben und Oxydiren indigoblau wird. Die
neueren Beobachtungen Senator’s über das Vorkommen von
Indican im Urin setzen Obstruction und audere DarmafFectionen
unter die Hauptfactoren für dessen Vermehrung. Ord selbst
ist mit Rücksicht auf die Ergebnisse anderer Beobachtungen
und auf seine eigenen zu dem Glauben geneigt, dass, wo und
wann immer im Körper eine ungewöhnliche oder sehr schnelle
Fällung albuminösen Materials vor sich geht, mit grosser Wahr¬
scheinlichkeit als Resultat und Beweis dieses Vorgangs im Urin
Indican zu finden sein wird. Während also ungenügender Magen¬
oder Darmchemismus eine Ursache für sein massenhaftes Auf¬
treten abgeben könnten, würden Fieber, Eiterung, Blutvergiftung
Ursachen der zweiten Categorie sein. Die specifisch grünliche,
oft blaugrünliche Farbe des Eiters ist bekannt genug, und durch
chemische Mittel hat man bereits aus seinen Bestandtheilen
einen indigoblauen Farbstoff ausscheiden können. Das Indigo¬
blau, welches sich auf Filtrirpapier vor der Path. society be¬
fände, sei aus dem Urin eines an Knochenkrankheit mit starker
Eiterung leidenden Knaben gewonnen worden. Und auch im
vorliegenden Falle giebt es einige Punkte, die bei dieser Auf¬
fassung einen guten Anhalt für die Erklärung des massenhaften
Auftretens von Indigo im Körper bieten. Die linke Niere war
der Sitz von Eiterung und Zerstörung des Gewebes, während
ein Hinderniss für den freien Abfluss des Eiters und des Detritus
existirte. Dr. Ord sowohl wie Dr. Thudichum kamen ziem¬
lich gleichzeitig auf den Gedanken, dass die Retention dieser
Bestandteile unter andern Resultaten der Zersetzung zur Ab¬
sorption von Indican führen könne; dass dies hier aus Indol
in Gegenwart von Alcalien hervorgehende Indican durch das
alcalische Blut weiter geführt würde bis zur gesunden Niere,
und dass hier vielleicht durch den Contact mit dem sauren
Ham ein Niederschlag in der Form von Indigoblau entstehen
könne. Indessen betonte Dr. Ord ausdrücklich, dass dies nur
eine Hypothese sei; der er selbst nur soviel Werth beilege, dass
er sie bei ferneren Beobachtungen im Auge behalten werde —
behufs Bestätigung oder Correctur, je nachdem.
Der von zahlreichen Wiederholungen der beschriebenen Ex¬
perimente begleitete Vortrag wurde mit grösstem Beifall entgegen¬
genommen. Eine eigentliche Debatte folgte bei der Neuheit
des Gegenstandes nicht; nur bestätigte Dr. Thudichum in län¬
gerer Rede die Ausführungen des Redners vollständig.
Digitized by
Gck igle
IV. Ein Fall tob Miitcteeu der Leber, mit Darch-
brneh h die Luftwege, leilug.
Von
Dr. El. Hatz in Berlin.
Obwohl die Fälle von Leber-Echinococcus, welche durch
Operation oder durch die Heilkraft der Natur einen günstigen
Ausgang nehmen, nicht zu den Seltenheiten gehören, so scheint
mir doch der folgende aus mehreren Gründen einer Erwähnung
werth. Der Fall zeichnete sich erstens durch eine ausserordent¬
liche Grösse des Echinococcussackes aus, sodann betraf er ein
Individium, bei dem wegen der begleitenden Erscheinungen die
schlechteste Prognose gestellt werden musste.
Der Lehrer R. aus Berlin litt seit 5—6 Jahren an Ver¬
dauungsstörungen, zeitweisem Icterus und allgemeiner Schwäche.
Im Frühjahr vorigen Jahres sah ich den Patienten zum ersten
Male und constatirte in der Gegend des Epigastriums einen
Tumor von der Grösse eines Kindskopfs, der sich stark heraus¬
wölbte, fluctuirte und, wie-man durch Percussion leicht finden
konnte, mit dem rechten Leberlappen zusammenhing. Der Pat.
war im höchsten Grade abgemagert und icterisch, fieberte un¬
unterbrochen und hatte tägliche Schüttelfröste. Die Diagnose
schwankte zwischen weichem, vereitertem Carcinom der Leber
oder Echinococcus der Leber. Der Kranke begab sich auf mein
Anrathen in die Universitäts-Klinik, wo Prof. Meyer die Probe-
punction ausführte. Man fand einen eitrigen, grüngelben Inhalt
des Tumors, welcher bei der microscopischen Untersuchung
deutlich den geschichteten Bau der Echinococcus-Membran zeigte.
Da eine indicatio vitalis vorlag, so wurde der Kranke auf die
chirurgische Abtheilung gebracht, wo von Herrn Geh.-Rath
v. Langenbeck der Tumor vorn in der Gegend der Gallen¬
blase eröffnet wurde. Es entleerten sich circa 5 Liter einer
intensiv stinkenden, grüngelben, z. Th. rein galliger Flüssigkeit,
in welcher Hunderte von Echinococcen (von der Grösse einer
Kirsche bis zu der eines Hühnereies) schwammen.
Nach einem zweimonatlichen Aufenthalt in der Klinik wurde
der Pat. entlassen. An der Schnittwunde hatte sich durch Aus¬
einanderweichen der Musculi recti eine Hernie (wahrscheinlich
Magenhernie) entwickelt. Der Pat. hatte sich in auffallender Weise
kürzlich erholt und zeigte ein frisches, gesundes Aussehen.
Aber diese Periode des Wohlbefindens dauerte nur ungefähr
4 Wochen. Er war mehrere Tage nach seiner Entlassung auf
mein Anrathen aufs Land gegangen, aber schon dort begann
wieder Icterus und Fieber. Als ich den Pat. 8 Wochen nach
seiner Entlassung aus der Klinik wiedersah, war bereits wieder
intensiver Icterus, grosse Abmagerung und bei stärkeren Be¬
wegungen Dyspnoe vorhanden. Die Untersuchung ergab eine
mässige Hervorwölbung der unteren rechten Thoraxgegend und
eine beträchtliche Dämpfung, hinten rechts an dem unteren
Winkel der Scapula beginnend und sich nach unten und vorn
in die Leberdämpfung verlierend. Bald zeigten sich wieder
heftige Schüttelfröste und es musste angenommen werden, dass
eine neue vereiterte Echinococcuscyste, von ziemlich grossen
Dimensionen, diese pyämischen Erscheinungen hervorrief. Die
Schmerzen waren zeitweise hinten rechts erheblich und strahlten
in die rechte Schulter hinauf. Einer neuen Operation wollte
sich der Pat. nicht unterwerfen, und bei der excessiven Ab¬
magerung und den heftigen Schüttelfrösten musste quoad vitam
eine durchaus ungünstige Prognose gestellt werden. Plötzlich
änderte sich das Bild mit einem Schlage. Nachdem der Pat.
Tage lang von heftigem Hustenreiz gequält worden, expectorirte
er auf einmal circa 2 Liter grüngelben, übelriechenden Eiter. An
den folgenden Tagen entleerten sich in einzelnen Schüben zu¬
sammen noch ungefähr 2 Liter. Die microscopische Untersuchung
Original from
UNIVERSITY OF MICHIGAN
368
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 25
ergab deutlich Echinococcushäkchen in nicht geringer
Anzahl. Schon 24 Stunden nach der ersten Expectoration war
der Kranke aufgestanden und es zeigte sich wesentliche Besse¬
rung der Dyspnoe; Schüttelfröste, Schmerzen etc. hörten auf.
Heute, circa 3 Wochen nach diesem günstigen Ereigniss, zeigt
der Kranke wieder Appetit, keinen Icterus und allgemeines
Wohlbefinden. Nur die Leberdämpfung ist hinten über die
Norm um ca. 4 Ctm. erweitert. Es dürfte angenommen werden,
dass der Echinococcus, der im hinteren Theil des rechten Leber¬
lappens sass, bei vorhandener Verwachsung der Pleura diaphrag-
matica, auf Kosten der rechten Lunge in die Höhe gedrängt, und
dann mit Hülfe der Exspirationsstösse beim Husten in die
Bronchien geplatzt ist. Eine mässige Pleuritis war mit Rück¬
sicht auf die vorhandenen Schmerzen sicherlich auch vorhanden.
Y. Mittheilung und Beschreibung eines zusammen-
legbaren Opente- ind ÜBtersnchugstisches.
Von
Dr. Retilagi Arzt in Berlin.
Der unten näher zu beschreibende Operations- und Unter¬
suchungstisch unserscheidet sich von den bisher gebräuchlichen
Tischen hauptsächlich dadurch, dass er zusammenlegbar und
leicht transportabel ist. Man braucht daher zu seiner Verwen¬
dung nicht ein eigenes Zimmer, sondern kann ihn, da er mit
möglichster Raumbeschränkung zusammengelegt bei Seite ge¬
stellt werden kann, im gewöhnlichen Sprechzimmer sowohl zu
Operationen als zu Untersuchungen benutzen, und dürfte sich
aus diesem Grunde der Tisch ganz besonders für practische
Aerzte in grösseren Städten empfehlen. Da er ferner ohne
Mühe auf dem Wagen zum Patienten mitgenommen werden
kann, so hat er dadurch auch einen besonderen Werth für
Landärzte, Chirurgen und die Armee. Es ist in ihm aber |
ausserdem alles vereinigt, was man nur irgend von einem
Operations- und Untersuchungstisch verlangen kann; er ist
dauerhafter, sauberer und eleganter als die bisher gebräuch¬
lichen Tische und bedarf behufs seiner Zusammenlegung nicht
erst der Entfernung der Kissen.
Figur I.
Seitenansicht als Operationstisch.
Der Tisch besteht im wesentlichen aus einem eisernen,
bronzirteu, viereckigen Rahmen (Fig. I, A), dem Haupttisch,
dessen gegenüber liegende Seiten mit dünnen Bandeisenstreifen
zur Aufnahme der Polster verbunden sind. Letztere sind, um
Blut und Eiter leicht abwischen zu können, mit braunem sog.
americanischen Leder glatt bezogen. Dieser Rahmen ruht auf
vier Füssen, die chamieraitig am Haupttisch angebracht sind,
so dass sie je nach Bedarf an demselben dicht anliegen, oder
auch, wenn aus einander geklanpt, als Füsse dienen können; '
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und zwar sind an ihnen Vorrichtungen getroffen, die sie am
Zusammenklappen hindern und den festen Stand des ganzen
sichern.
Am vorderen Ende des Haupttisches sind gelenkig zwei
Rahmen (Fig. I, B B) von der halben Breite des Haupttisches
angebracht, welche ebenfalls mit Polster belegt sind und den
Schenkeln als Lager dienen. Sie sind durch eine unterhalb
angebrachte Zahnstange jeder für sich je nach Bedürfniss höher
oder tiefer zu stellen oder ganz herabzuklappen.
Der Hauptisch trägt ferner an seinen beiden Längskanten
in der Höhe der Polster Oberfläche Schienen, auf welchen sich
zwei durch Stellschrauben zu fixirende Schlitten (Fig. I, C) hin
und her bewegen lassen. Die Schütten tragen an Charnieren
einen durch eben diese Charniere beweglichen Rahmen (Fig. I, D),
der ebenfalls mit Bandeisenstreifen zur Aufnahme eines Polsters
bespannt ist und als Kopfstütze dient. Mann kann nun mittelst
der beiden Schlitten die Kopfstütze an dem Haupttisch über
dessen Polster hinweg verschieben, somit also den ganzen Tisch
verkürzen oder verlängern, und durch die Stellschrauben das
Kopfstück auch in jeder Stellung fixiren, während eine an der
Rückseite durch ein Charnier mit ihm verbundene, doppelt¬
gezahnte Zahnstange (Fig. I, E), die mit ihren Zähnen in eine
am Ende des Haupttisches angebrachte Oese eingreift, der
Kopfstütze eine höhere oder niedere Lage zu geben gestattet.
Figur II.
Vorderansicht als Untersuchungstisch.
Um den Tisch auch als Untersuchungstisch, namentlich
der Geschlechtsorgane und des Mastdarms, benutzen zu können,
ist die Vorrichtung getroffen, dass man die zu diesem Zweck
I erforderlichen Assistenten, die die Beine zu fixiren haben, ent-
* behren kann. Dies geschieht dadurch, dass seitlich am
1 Vorderende des Haupttisches zwei Oesen angebracht sind, in
die man durch Stellschrauben der Höhe nach verstellbare Arme
I (Fig. II, F F) einstecken kann, deren jeder eine Fussstütze
(Fig. II, G G) trägt, welche auf Gelenken ruhend in dem Ann
i horizontal drehbar ist, und um nicht den Halt zu verlieren, in
| jeder Stellung auf einem unter dem Hacken angebrachten eiser-
| nen Kreisbogen auf liegt. Die Fussstütze selbst besteht aus einer
! Platte von ungefährer Grösse und Gestalt der Fusssohle und
trägt um den Absatz herumgehend ein senkrechtes Blech, welches
dem Hacken als Stütze, und am Vordertheil einen Riemen, der
dem Mittelfuss als Widerhalt dient. So können, nachdem mau
die die Schenkel tragenden Rahmen mit Polster herabgelassen
hat, die Füsse ganz hoch und breit auseinander gestellt und
| in dieser Stellung fixirt werden, so dass der für die beabsich*
| tigte Untersuchung resp. Operation des Mastdarms oder der
Geschlechtsorgane genügende Raum vorhanden ist.
Das Ganze lasst sich aber mit den Kissen, wie bereite
Original fram
UNIVERSITY OF MICHIGAN
24. Juni 1S78.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT
369
Anfangs erwähnt, zu einem einfachen flachen Stuck Zusammen¬
legen (Fig. III). Dazu braucht man nur die vorderen, die
Schenkel tragenden Kähmen herabzulassen, das Kopfstuck mit
Figur III.
Seitenansicht zusammen gelegt. j
seinem Polster nach vorn auf das des Haupttisches nmzulegen, i
den Tisch seitlich auf die Seite zu lagern und die Füsse über |
einander zu klappen.
VI. Referate.
Ueber die Athetose. j
Yon Hammond zuerst beschrieben und benannt, ist seitdem die
Athetose vielfach der Gegenstand von Beobachtungen und Veröffent- i
Hebungen geworden (vgl. u. a. auch d. Wochenschrift 1877, No. 3). j
Dieselbe kommt gewöhnlich bei gleichzeitigen anderen Störungen des i
Nervensystems meist nach Hemiplegien vor; als ihr charakteristisches
Symptom stellen sich bekanntlich unwillkürliche und continuirliche
Bewegungen der Finger und der Zehen meist einer Körperhälfte dar.
Bernhardt und später Charcot haben die Athetose nur als eine ;
Abart der nach Hemiplegien auftretenden Chorea angesehen, und dem j
entsprechend hat der erstere als pathologisch-anatomische Grundlage j
der Affection eine Läsion der nach Charcot bei der Chorea post-
hemiplegica betroffenen Hirntheile hingestellt, nämlich eine Läsion
des hinteren Endes des Thalamus opticus und des Corpus Striatum
und des hintersten Theiles des Fusses der Corona radiata. Für
diese Auffassung sprechen zwei der bisher von den Autoren veröffent¬
lichten Sectionsbefunde. In einer den jetzigen Stand der Lehre von
der Athetose beleuchtenden Arbeit führt Goldstein (Inauguraldisser-
tatio, Berlin, 1878) einen Fall aus der Praxis von Bernhardt an, welcher
jene Auffassung, dass die Athetose nur eine Modification der Chorea
hemiplegica sei, weiterhin zu stützen geeignet ist. Der Fall betraf ein
17jähriges Mädchen, welches nach einer nicht genau festzustellenden
Krankheit hemiplegisch und aphasisch geworden war. Zur Zeit der
Untersuchung wurde das rechte Bein etwas nach geschleppt, die rechte
Oberextremität konnte willkürlich nur wenig bewegt werden, und befand
sich dabei in dauernder ruheloser und heftiger Bewegung, vollständig
das Bild der Chorea posthemiplegica zeigend. Dabei Hemianopsie und
Aphasie. Nach mehreren Wochen Besserung der Erscheinungen und
Verschwinden der Hemichorea: es sind vielmehr nur langsam, und be¬
ständige Bewegungen der Finger, die ruhelos flextirt und extendirt j
werden, kurz das Bild der Athetose zurückgeblieben. !
Intravenöse Injection Milch statt Bluttransfusion.
Statt der Bluttransfusion hat Gaillard Thomas nach einer Mit¬
teilung in der Med. Gesellschaft zu New-York (New-York Medical
Record vom 27. April d. J.) Injection von Milch in eine der Armvenen
versucht, und zwar bis zur Zeit der Mittheilung in sieben Fällen, ein
Verfahren, welches bereits vor vielen Jahren von Holter und später
von Howe zur Ausführung gebracht worden war. Die Verschiedenartig¬
keit der beiden Flüssigkeiten, Milch und Blut, verliert nach Th. an Bedeu¬
tung, wenn man die nahen Beziehungen von Chylus und Blut und die
Aehnlichkeit des ersteren mit der Milch berücksichtigt. Injicirt wurden
180—360 Gramm, soeben der Kuh entnommener, erwärmter Milch ver¬
mittels einer Spritze, die mit Cautschukrohr und Glasröhre zum Einfügen
in die Vene versehen war. Der Einspritzung folgt, wie der Bluttrans¬
fusion, ein starker Frost und ein Ansteigen der Temperatur, doch sind
diese Erscheinungen vorübergehend und es tritt bald eine deutliche
Besserung des Befindens der Patienten ein. Von seinen Fällen theilt j
Thomas nur zwei ausführlicher mit: in dem einen handelte es sich
um eine Dame, die bei einer Ovariotomie einen starken Blutverlust er¬
litten hatte; hier folgte eine relativ schnelle Genesung. In einem an- ,
deren Fall bei einer Ovariotomie hatte die mehrmals wiederholte Operation 1
keinen dauernden Erfolg, da die Patientin zur Zeit der ersten Injection
uereits fast sterbend war: doch war der Eindruck sehr deutlich, dass j
das Leben derselben durch die Injectionen verlängert wurle. Thomas
Hält die Operation mit vollkommen frischer Milch für vollständig gefahr- j
los, während in Thierversuchen ein bis zwei Stunden vorher der Kuh
entnommene Milch tödlich wirkte, und empfiehlt solche Injectionen
dringend bei Erschöpfung durch Blutverluste und auch erschöpfenden
Krankheiten, wie Cholera, gewissen Formen von Pneumonie, Typhus etc.
Urticaria mit Albuminurie.
Bei einem mit Rheumat. art. acut, behafteten Mann sah Leube
nach einer Dose von 4 Gramm salicylsaurem Natron unter Herabgang j
les Fiebers, welches am folgenden Tage ganz schwand, Urticaria auftreten.
pabei zeigt der Urin Eiweissreaction, und zwar mit der eigenthümliehen, !
früher von Bence Jones angegebenen Modification der Reaction. Die 1
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Eiweissreaction war am nächsten Tage verachwunden, während die Urti¬
caria noch andauerte. Nach einer nochmaligen Gabe von 4,0 Natron sali-
eylicum entstand zwar wieder das Exanthem, aber kein Eiweissharn. In.
einem zweiten für die Beobachtung reineren Falle wurde bei einem sonst
gesunden Soldaten eire Urticaria — aus nicht eruirbarer Ursache ent¬
standen — beobachtet mit gleichzeitigem Eiweissgehalt des Harnes, der
übrigens dem gewöhnlichen Serumalbumin entsprach; dabei war die
Temperatur vollkommen normal (37,1—37,6): der Eiweissgehalt hielt
noch in den nächsten Tagen in schwachem Masse an. Auch diese
Beobachtung spricht mit vielen anderen für die Reciprocität von Haut
und Nierenfunetion.
(Correspondenzblätter des allg. ärztl. Vereins von Thüringen
No. 5, 1878.) __ Sz.
Fr. Sander. Handbuch der öffentlichen Gesundheitspfege.
Im Aufträge des deutschen Vereins für öffentl. Gesundheitspflege
verfasst. Leipzig 1877. 500 St. gr. 8.
Das Gebiet der öffentlichen Gesundheitspflege ist ein so weit ver¬
zweigtes, von so mannigfachen Interessen durchkreuztes und vorläufig
in vieler Beziehung noch so chaotisches und wenig geklärtes, es wird
von Berufenen und Unberufenen so vielfach und nicht immer mit den
lautersten Mitteln bearbeitet, Halbwissen und Phrase an Stelle exacter
Untersuchungen nehmen noch einen so breiten Raum in ihm ein, dass
es in der That einem systematisch geschulten Kopf, nicht nur in Bezug
auf die Infectionskrankheiten, wie Verf. p. 71 bemerkt, sondern auch
bei vielen anderen Gelegenheiten ganz wunderlich zu Muthc werden
muss. Wenn z. B. Herr Kyll, der Correfferent in der Canalfrage der
Stadt Cöln, allen Ernstes behaupten kann, normaler Urin enthalte nicht
4 0 0 feste Bestandteile und 96% Wasser, „weil man sich durch
Geruch, Zersetzung etc. des Destillates, wenn der Urin zu
etwa x s abdestillirt würde, leicht überzeugen könne, dass
das Uebergegangene nicht reines Wasser sei“, während doch jeder
Anfänger in der Chemie weiss, dass sich solche Zahlen auf Trocken¬
substanz beziehen und mit den Destillationsproducten absolut nichts zu
thun haben (Correspondenzbl. d. niederrhein. Vereins f. öffentl. Gesund¬
heitspflege, 1877, No. 7, 8, 9, p. 132), wenn ähnliche und nicht immer
auf Unwissenheit basirende „Irrthümer“ nicht selten sind, so muss es
für die beteiligten Kreise, die sich ja nicht allein aus Fachleuten zu-
sammensetzen, in hohem Grade erwünscht sein, von einem zuverlässigen
Gewährsmann, als welcher der leider nunmehr verstorbene Verf. mit gröss¬
tem Recht galt, eine allgemein verständliche Darstellung des Thatsäch-
lichen und der wissenschaftlich fundirten Meinungen auf diesem Gebiete
zu erhalten. Das grosse, eben vollendete Werk von Roth und Lex
zur Hand zu nehmen, ist nicht jedermanns Sache, zumal es speciell für
Mediciner geschrieben ist, während S. ausdrücklich unter seinen Lesern
„Aerzte, Beamte, Politiker, Techniker, Stadtverordnete und andere“ sich
gedacht hat. ln der That scheint uns das Buch an Klarheit und Durch¬
sichtigkeit der Anordnung und Behandlung des Stoffes und an Ver¬
meidung des nicht absolut nöthigen „medicinischen Kauderwelsch“ durch¬
aus dem aufgestellten Programm zu entsprechen, womit wir keineswegs
sagen wollen, dass es nicht auch für Aerzte, ja vielleicht in erster Linie
für Aerzte sehr empfehlenswert h und lesbar wäre. Verf. hat sich be¬
müht überall den Standpunkt des objectiven Berichterstatters zu wahren,
was vielleicht am besten aus dem Capitel „über die Lehre von den
vermeidbaren Krankheiten“ zu ersehen ist, wo sowohl der contagioni-
stischen als der localistischen Theorie ihr Recht wiederfährt, während
sich Verf. für seine Person einen vermittelnden Standpunkt wahrt. Denn
dass Verf. überall einer gesunden Kritik das Wort lässt, und dass er
durch seine Arbeiten auf dem Gebiet der öffentlichen Gesundheitspflege
dazu berechtigt ist, halten wir für einen zweiten nicht gering anzu¬
schlagenden Vorzug des Buches. Hervorheben wollen wir ausserdem die
Capitel „über die verschiedenen Arten der Wasserversorgung“ und die
„Massregeln zur Reinhaltung des Bodens“, wo Verf. vielleicht am ent¬
schiedensten von allen sonst besprochenen Fragen Partei und zwar für
das Sielsystem nimmt. Dass Verf. die umfängliche Litteratur gründlich
beherrscht, sieht man, auch wenn nicht alles und jedes citirt wird,
recht gut, und dürfen wir das Werk nach Tendenz und Inhalt als eine
wirkliche Bereicherung der hygienischen Litteratur betrachten.
E wald.
VII. VerhaidluagCH ärztlicher Gesellschaften.
Berliner ■eäieiaiseke tieaellsekaft.
Sitzung vom 13. Februar 1878.
Vorsitzender: Herr v. Langenbeek.
Schriftführer: Herr Ries.
Als Mitglieder neu aufgenommen sind die Herren Wegscheider»
Lemke, W. Lublinski, Fröhlich, Koppel, Paul Hey mann, Krön»
Massmann, Karow und Werner Körte.
Als Geschenk des Verfassers ist für die Bibliothek eingegangen:
Bros gen, Meine Anklage wegen fahrlässiger Tödtung.
Tagesordnung. Herr Senator: Ueber die Beziehungen
der Herzhypertrophie zu Nierenleiden.
Von den bei chronischen Nierenkrankheiten verkommenden Herzhyper¬
trophien sind diejenigen einfach zu erklären, welche sich bei Klappenfehlern
finden, deren Folgen sie eben sind. Die Klappenfehler selbst dürften nicht
Original from
UNIVERSITY OF MICHIGAN
370
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 25
immer als zufällige Complicatlonen des Nierenleidens zu deuten sein, son- |
dern auch als Folge desselben, da z. B. manche Nierenaffectionen, wie be- (
sonders die Nierencirrhose zu Atherom der Aorta disponiren (s. den Vortrag
der letzten Sitzung) und sich der Krankheitsprocess von dem Stamm der
Aorta leicht auf das Ostium und die Klappen derselben fortsetzen kann.
Ferner besteht bei Nierenleiden eine grosse Neigung zu Entzündungen serö¬
ser Häute des Pericards und der Pleuren, welche auch wieder zu Hyper¬
trophie des Herzens als weitere Folge der Nierenkrankheit führen können.
Nach Abzug der bei Klappenfehlern oder ihnen gleichwerthigen gröberen
mechanischen Circulationshindernissen vorkommenden, bleibt noch eine j
Zahl von Hypertrophien des linken oder auch des ganzen Herzens übrig |
neben Nierenleiden, welche zu erklären seit Bright viele Versuche
gemacht sind!
Herr Senator bespricht zunächst die in Deutschland am meisten
zur Anerkennung gelangte Traube’sche Theorie und weist nach, dass
dieselbe nach unseren jetzigen Kenntnissen über die Regulirung des Blut¬
drucks nicht mehr zu halten sei. Alle anderen Erklärungen, welche
von einer Verunreinigung des Blutes durch zurückgehaltene Harnbestand- :
theile ausgehen, passen nicht für die Mehrzahl der Herzhypertrophien,
die ja bei Nierencirrhose sich finden, sondern nur für die weit seltener
vorkommenden bei sog. chron. parench. Nephritis. Hier findet
sehr oft eine Verminderung der ausgeschiedenen Harn und HarnstofF-
mengen statt und ist das Blut mit Harnstoff überladen. Dieser bewirkt,
wie experimentell nachgewiesen worden, eine Blutdrucksteigerung und |
unter günstigen Verhältnissen kann es dadurch zu Dilatation und Hyper- |
trophie des linken Ventrikels kommen. Aehnlieh lässt sich die zuweilen ,
bei anderweitigen langwierigen Nierenleiden (Hydronephrose etc.) oder j
bei Mangel einer Niere beobachtete linksseitige Dilatation und Hyper- i
trophie erklären, wenn es bei reichlicher Bildung von Harnstoff zu einer
für Druckerhöhung genügenden Zurückhaltung desselben kommt und
diese lange genug dauert oder sich oft wiederholt.
Diese Erklärung passt aber nicht für die weit grössere Zahl der !
Herzhypertrophien, welche die Autoren hauptsächlich im Sinne haben,
nämlich der bei Nierencirrhose vorkommenden, denn in den reinen,
typischen Fällen dieser Krankheit ist von Wasser- und Harnstoffzurück¬
haltung im Beginn und lange Zeit während des Verlaufs keine Rede
und die Nierenaffection kann also weder in dem mechanischen Sinne der
Traube’schen Theorie, noch in chemischer Beziehung zur Erklärung
der Herzhypertrophien herangezogen werden.
Wie Herr Senator in der vorigen Sitzung hervorgehoben, erscheint
der Regel nach die Hypertrophie hier als nicht mit Dilatation verbundene,
wenn nicht besondere Momente noch für diese vorliegen. Dies kann
in zweifacher Weise gedeutet werden: Entweder 1) fehlt die Dilatation nur
scheinbar, indem sie durch die stark überwuchernde Hypertrophie der
Wandungen gleichsam verdeckt wird, ähnlich wie es (nach Bamberger)
sich häufig bei Stenos. ost. Aortae findet. In diesem Fall wäre die
(Dilatation und) Hypertrophie des Herzens secundar und ihre Ursache
müsste in dem erhöhten arteriellen Druck, welcher bei Nierencirrhose
besteht, gesucht werden. Die Ursache dieses letzteren könnte einzig
und allein in der über einen grösseren oder geringeren Theil
des Körpers ausgebreiteten Verdickung der Arterien und
deren Ausläufer gefunden w r erden, gleichviel, ob diese Verdickung
in Hypertrophie der Musenlaris oder Adventitia bestehe; denn jede Ver¬
dickung der Gefässe und Einengung ihrer Lichtung muss die Herzarbeit
erschweren. Oder 2) es handelt sich um eine wirkliche einfache, von
vorn herein ohne Dilatation verlaufende Herzhypertrophie. Alsdann
müsste diese als das primäre Leiden aufgefasst werden, als eine wirk¬
liche idiopathische Arbeitshypertrophie, verursacht durch eine directe
Reizung des Herzens zu abnorm häufigen oder abnorm starken Contrao
tionen, ohne dass im Beginn wenigstens ein Hinderniss für die Ent¬
leerung vorhanden wäre. Da aber eine einfache, nicht mit Dilatation
verbundene Hypertrophie für sich allein den mittleren Arteriendruck
nicht erhöhen kann, so ist man, um die Erhöhung des Druckes bei
Nierencirrhose zu erklären, wieder auf die Verdickung der Gefässe
als wesentliches Moment hingewiesen, nur dass sie in diesem Fall secundär
wäre. Es liesse sich denken, dass in Folge der gewaltigen systolischen
Ausdehnungen durch den hypertrophischen Ventrikel schliesslich die
Musculatur der Arterien, welche sich jedes Mal ebenso kräftig wieder
zusammenziehen, hypertrophirt, oder wenn die Verdickung nicht die
Muscularis, sondern die Adventitia betreffen sollte, dass durch die stets (
wiederholten abnormen Ausdehnungen der Gefässwand eine entzündliche j
Reizung eingeleitet wird. i
Zwischen den beiden bezeichneten Möglichkeiten glaubt Herr Senator ;
eine Entscheidung noch nicht treffen zu können. In jedem FaU aber
wäre die Nierenaffection nicht die primäre, wenigstens nicht der Aus¬
gangspunkt der Veränderung im Circulationsapparat, sondern eine Theil-
erscheinung oder Folge. (Der Vortrag wird ausführlich in Virchow’s J
Archiv erscheinen.) i
In der über diesen Vortrag und den in der vorigen Sitzung von !
Herrn Senator über chronische interstitielle Nephritis gehaltenen er- j
öffneten Discussion bemerkt I
Herr Ewald: Ich habe vor ganz kurzer Zeit über Veränderungen |
der kleinen Gefässe bei Morbus Brigthii einen Aufsatz in Virchow’s j
Archiv veröffentlicht, welcher die von Herrn Senator hier gegebenen j
Deductionen nahe berührt, weshalb ich mir näher auf dieselben einzu- j
gehen erlaube. Herr S. hat heute von zwei Reihen von Vorgängen ge- j
sprochen: Hypertrophie des Herzens 1) bei parenchymatöser Nieren- |
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erkrankung und 2) bei chronisch interstitieller Nephritis. Was die
erstere Reihe von Krankheitsfällen anbetrifft, so bin ich in Beziehung
auf die Erklärungen, die Herr Senator für das Zustandekommen giebt,
durchaus derselben Meinung, und ich glaube, dass ich dieselbe auch
direct in meinem Aufsatze ausgesprochen habe, dass nämlich die Retention
des Harnstoffs einen Reiz abgiebt und dieser die Hypertrophie des Herzens
zur Folge hat, indem der Harnstoff den Blutdruck erhöht. Ich bin
noch einen Schritt weiter gegangen und habe gesucht, auf den letzten
Grund dieser Thatsachen zu kommen, indem eine Erhöhung des Blut¬
druckes nur unter zwei Bedingungen zu Stande kommen kann, einmal
dadurch, dass die Herzarbeit wächst oder aber dadurch, dass sich Wider¬
stände an den Endpunkten des arteriellen Systems, bez. in den Capillarcn
einfinden, welche dort eine Stauung des Blutes bewirken und auf diese
Weise einen gesteigerten Druck veranlassen. Ich glaubte, dass man
nachzuweisen vermöchte, dass die Vermischung des Blutes mit Harnstoff
eine Verlangsamung der Strömung desselben durch die Capülaren hervor»
rufen könnte. Ich bin in dem Nachweis dieser Thatsachen, soweit er sich
auf experimentelle Versuche bezieht, nicht ganz glücklich gewesen, wenn¬
gleich ich es wahrscheinlich gemacht habe, dass das mit Harnstoff ver¬
setzte Blut schwerer durch die Capillarröhren fiiesst. Jedenfalls steht
die Thatsache fest, dass die Vermischung des Blutes mit Harnstoff den
Druck im Aortensystem allgemein erhöht und davon die Folge die Hyper¬
trophie und Dilatation des Herzens ist.
Was nun zweitens die Verhältnisse bei chronischer interstitieller Ne¬
phritis betrifft, so möchte ich auf einen Punkt aufmerksam machen und
Herrn S. darüber interpelliren. nämlich in Betreff der Harnausscheidung.
Herr Senator hat mehrfach darauf hingewiesen, dass der Harnstoff bei
der chronischen interstitiellen Nephritis in normalem Masse ausgeschieden
würde und dass, selbst wenn man procentisch eine Verringerung fände,
die vermehrte Menge dieses procentische Deficit ausgleichen würde. Bei
allen Schriftstellern, die ich darüber consultirt habe, finde ich aus¬
nahmslos angegeben, dass der Harnstoff auch bei diesen chronischen
Formen in geringerer Menge ausgeschieden wird. Bei einem der neusten
Autoren, Bartels, ist ausdrücklich vermerkt, dass der Harnstoff im
Blute zurückgehalten werde. Ich selbst habe eine Reihe freilich sehr ver¬
einzelter Untersuchungen über die Harnstoffausscheidung gemacht, ver¬
einzelt aus dem Grunde, weil ich glaube, dass Harnstoffuntersuchungen
nur einen sehr bedingten Werth haben, da man nicht wo iss, wie viel
die untersuchten Leute an Stickstoff mit der Nahrung einnehmen und
resorbiren, und nur findet, dass so und soviel Stickstoff ausgeschieden
wird. Indessen nach der Methode, die ich in der physiologischen Ge¬
sellschaft angegeben, habe ich den Gehalt des Blutes bei Nierenaffec¬
tionen untersucht und folgende Zahlen gefunden: bei zwei Fällen von
chronischer interstitieller Nephritis mit Urämie Frocentgehalt des Blutes
an Stickstoff 0,16 und 0,19, bei acuter parenchymatöser Nephritis 0,05
und 0,06, und bei einer ganzen Reihe von anderen Kranken im Mittel
0.04. Das weist meiner Meinung doch zweifellos darauf hin, dass es
sich um eine Retention des Harnstoffs im Blute handelt. Ist das aber
der Fall, so gilt kein anderes Moment, wie für die Fälle von chronischer
interstitieller Nephritis, und es würde sich nur darum handeln, zu unter¬
suchen, in wie weit die von Johnson nach der einen, und die von
Gull und'Sutton nach der anderen Seite zuerst bekannt gegebenen
Erkrankungen der kleinen Gefässe hierbei betheiligt sind. Auch Herr S.
hat in letzter Instanz die Hypertrophie des Herzens auf eine Verände¬
rung im Gefässapparat zurückgeführt, er hat aber nicht Aufklärung
darüber gegeben, wie weit diese Veränderung im Zusammenhänge mit
der Hypertrophie steht, und wie weit dies eine Folge oder Ursache der
Nierenkrankheit ist. Herr S. schien anzunehmen, dass durch diese Ver¬
änderungen der Gefässe die Strombahn innerhalb der kleinen Gefässe
verengert werde, und dass auf diese Weise eine Behinderung des Blut¬
stromes und damit eine Erhöhung des Blutdruckes eintrete. Indessen
beweisen die bisherigen Thatsachen nicht, dass es sich um eine Verenge¬
rung der Lichtung der kleinen Gefässe handelt, man hat bisher nur
gefunden, dass die Adventitia und Muscularis der kleinen Gefasst-
verändert und verdickt ist, über das Lumen wissen wir noch gar
nichts. Meiner Meinung nach fälschlicher Weise haben Gull und Sutton
angenommen und glauben, dass eine Verengerung statt habe und da¬
durch die Steigerung des Blutdrucks und schliesslich Herzhypertrophie
herbeigeführt werde. Sie betrachten aber die Verengerung der kleinen
Gefässe als eine ganz primäre Erkrankung, die sich nach Aussen in
der allerverschiedensten Form documentiren kann, einmal als Herz- das
andere Mal als Nierenkrankheit, während sie die Nierenkrankheit nur
als eine Theilerscheinung des gesammten Processes betrachtet haben
wollen. Ich habe in meiner Abhandlung die Ansicht ausgesprochen,
dass dieselben zu Grunde liegenden Ursachen vorhanden sind bei der
parenchymatösen und interstitiellen Nephritis, dass es sich demnach in
beiden Fällen um Steigerung des Blutdrucks handele, welche hervor-
gerufen sei durch Behinderung de$ Kreislaufes der kleinen Gefässe und
dass die Hypertrophie der Muscularis der kleinen Gefässe nur ein Pro¬
duct des gesteigerten Seitendrucks sei. Was nun das Verhältnis zwischen
der Hypertrophie des Herzens und der Dilatation desselben betrifft, so
macht Herr Senator darauf aufmerksam, dass bei interstitieller Nephritis
nur Hypertrophie, bei parenchymatöser Hypertrophie und Dilatation des
Herzens vorhanden sei. Er bezog sich auch auf die von mir angegebenen
Zahlen, er hat aber leider nur die Gewichtsverhältnisse berücksichtigt, und
ich habe die Herzen gerade deshalb immer nur gewogen, weil im Sections-
protocoli die Angabe über die Dilatation eine sehr schwankende und
Original from
UNIVERSITf OF MICHIGAN
24. Juni 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
371
naturgemäss subjective ist. Wenn man aber die blosse Gewichtszahl
betrachtet, so ist es verständlich, dass ein Herz viel wiegen kann und
doch nicht dilatirt ist, und es würde ein hieraus gezogener Schluss also
nur sehr wenig beweisen. Wenn man aber die Tabelle am Schluss
meiner Arbeit ansieht, so findet sich eine ganze Reihe von Fällen auch
unter denen, wo chronische interstitielle Nephrititis am Kopf steht, bei
welchen sowohl Hypertrophie als Dilatation vorhanden war. Es findet
sich auf der anderen Seite wieder bei Fällen von parenchymatöser Ne¬
phritis eine reine Hypertrophie und keine Dilatation. Meiner Meinung
nach wird der Unterschied zwischen beiden betreffs ihres Vorkommens
schliesslich darauf hinauslaufen, dass es eben auf den Ernährungszustand
des Patienten ankommt, ob in dem einen Falle das Herz hypertrophirt
oder nicht; dass bei Fällen von chronischer interstitieller Nephritis,
wo die Leute nachweisbar lange Zeit in gutem Ernährungszustände sind,
die Dilatation sich schwerer einstellt, das scheint nur eine sehr nahe
Folgerung zu sein. Dass aber in den Fällen von chronischer interstitieller
Nephritis die Herzhypertrophie gegenüber den Fällen von parenchyma¬
töser Nephritis so sehr überwiegt, das lässt sich sehr einfach und zwang¬
los dadurch erklären, dass bei chronischer interstitieller Nephritis, wie vom
Vortragenden auch angeführt wurde, die Wasserausscheidung die nor¬
malen Verhältnisse zeigt, resp. diese übersteigt, während bei der paren¬
chymatösen die Wasserausscheidung sich vermindert. In dem einen Falle
ist procentarisch das Blut reicher an Wasser als in dem anderen, und
die schädlichen Eolgen eines angehäuften Excretionsproductes werden
sich also weniger geltend machen, als in dem anderen Fall.
Herr B. Frankel: Herr Ewald hat zum Theil das schon bemerkt,
welches auszutühren ich das Wort genommen habe. Der Vortrag des
Herrn Senator gipfelt darin, dass die interstitielle Nephritis von der
parenchymatösen auch klinisch zu trennen sei. und zwar deshalb, weil
bei letzterer Retention von Harnstoff stattfinde, bei der interstitiellen nicht.
Der Beweis aber, den Herr Senator dafür anführt, dass bei der Schrumpf-
niere eine Retention von Harnstoff auszuschliessen sei, scheint mir nicht
stichhaltig. Dieser Beweis besteht in der Beobachtung der unvermin¬
derten 24stündigen Urin- und Harnstoffausscheidung. Es ist aber denk¬
bar, dass dies unter den gegebenen Verhältnissen statt finden könne
und trotzdem eine Retention von Harnstoff vorhanden sei. Ich erinnere
an das von Herrn Senator selbst für die Wärme-Verhältnisse beim
Fieber gebrauchte Beispiel eines Wasserbassins, in dem Zu- und Abfluss
gleich und an welchem der Abfluss eine Zeit lang gesperrt wird, wäh¬
rend der Zufluss fortdajiert. Das Niveau des Wassers wird darin erhöht
und bleibt ein erhöhtes, auch wenn der Abfluss wieder grösser wird.
Bei der Schrumpfniere kann man sich denken, dass zunächst eine Re¬
tention des Harnstoffs stattfindet und hierdurch der Blutdruck erhöht
wird- Unter dem compensirenden Einfluss der Erhöhung des Blutdrucks
wird nun eine normale Harnmenge ausgeschieden, sobald aber im Blute
nur noch eine normale Harnstoffmenge vorhanden, sinkt der Blutdruck
wieder und es findet wiederum Retention und Blutdrucksteigerung statt.
Man könnte einwenden, dass bei dieser Auffassung Remissionen statt finden
müssten; diese kommen aber in der That vor, wie dies z. B. die Kopf¬
schmerzen, welche häufig die ersten Klagen der Kranken ausmachen, und
vor allem die Beobachtung des Pulses in den urämischen Anfällen zeigt.
Ich kann deshalb in der Beobachtung der Urinausscheidung keinen
Beweis sehen, dass nicht im Blute eine Retention von Harnstoff statt
hat und muss verlangen, dass der Ausschluss einer solchen durch Ana¬
lysen des Blutes selbst bewiesen werde. So lange dies nicht geschehen
ist, fallt es mir schwer, einen Unterschied in den identischen Wirkungen
auf den Kreislauf einzuführen, die diese beiden Nierenkrankheiten aus¬
üben. Dass aber auch bei der Schrumpfniere die Function dieses Organs
Noth leiden müsse, lehrt die Betrachtung der pathologisch anatomischen
Verhältnisse.
(Schluss folgt.)
VIII. feüilletoa.
Heber die körperliche Grundlage der Temperamente.
Von
Dr. Emanuel Both in Belgard.
(Fortsetzung,)
So unzweifelhaft richtig es ist, dass der angeborene Tonus den psy¬
chischen Reactionsmodus, das sind die Temperamente, wesentlich mit
bestimmen hilft, so wenig reicht er allein zur Erklärung derselben aus.
Zunächst müssen wir ausser einem angeborenem Tonus der sensiblen
und motorischen Nerven auch einen individuellen Tonus der Hirnzellen
annehmen; ausschlaggebend aber ist für den psychischen Reactionsmodus
ein zweiter Factor, der zuerst von Cabanis betont, später besonders
von Lotze zur Erklärung der Temperamente herangezogen wurde, das
sind die peripheren Nervenreize, die ununterbrochen auf die Central-
organc ein wirken. Ein veränderter Zustand der Organe des Unterleibs,
und dadurch bedingte Aenderung der peripheren Nervenreize kann nach
Cabanis (1. c. I. Bd. pag. 70 u. f. und II. Band, VII. Abh.: Von dem
Einfluss der Krankheiten auf die Begriffe und Leidenschaften) nicht blos
Aenderungen der Gefühls- und Gedankenwelt nach sich ziehen, sondern
auch Aenderungen des Temperaments; ja er lässt schon Geisteskrank¬
heiten dadurch veranlasst sein. Auch bemerkt Cabanis, dass wenn
sich die Sensibilität auf gewisse Regionen des Unterleibs concentrire,
dadurch eine Steigerung der Einbildungskraft bedingt werde; „daher
muss eine solche Einbildungskraft selbst immer als eine Art von Krank¬
heit betrachtet werden“. Cabanis’ Irrthum liegt darin, dass er diese
peripheren Nervenreize (impressions) als Quellen bestimmter Vorstellungen
ansieht, wie er dies an dem Einfluss der Krankheiten der verschiedensten
Organe auf die Bildung der Ideen, Affecte und Leidenschaften nachzu¬
weisen sucht. Diese Nervenreize sind nicht Quellen bestimmter Vor¬
stellungen, sondern nur im Stande, hemmend oder beschleunigend auf
den Vorstellungslauf zu wirken, und da der langsame Ablauf der Vor¬
stellungen Unlustgefühle hervorruft, Unlust, und da der schnelle Ablauf
Lustgefühle hervorruft, Lust zu veranlassen. Weiter glaube ich aus
Erfahrungen der Physiologie und Pathologie folgern zu dürfen, dass der
Einfluss peripherer Nervenreize auf die Centralorgane ein verschiedener
i9t, je nachdem es sich um cerebrospinale oder sympathische Nervenreize
handelt, indem erstere den angeborenen Tonus der Centralorgane steigern,
letztere denselben herabstiramen, erstere die Thätigkeit der Centralorgane
erhöhen und beschleunigen, letztere auf dieselben herabstimmend und
verlangsamend wirken. Wenn Drobisch in seiner empirischen Psycho¬
logie Geschmacks- und Geruchssinn Belebungssinne nennt, weil sie den
Geist anregen, wie Schnupfen und Rauchen beweise, so gilt dasselbe auch
von den übrigen Sinnen, wie Jeder an sich auf einem Spaziergange, in
einem Concert oder bei massiger Erregung der sensiblen Rückenmarks¬
nerven beobachten kann. Schon Cabanis wusste, dass das Einschlafen
befördert werden kann durch alle Mittel, welche den Ton der allgemeinen
Sensibilität abspannen, besonders die äusseren Reize mildem und folg¬
lich die Zahl und Lebhaftigkeit der Sensationen vermindern; er sagt
(1. c. II. Bd. pag. 554): „alle Umstände, welche fähig sind, die Impressio¬
nen beträchtlich abzustumpfen oder die Macht des gemeinsamen Nerven-
centrums zu schwächen, bringen mehr oder weniger schnell einen tiefen
Schlaf hervor“. Wir haben dieselbe Erklärung des Schlafs, die neuer¬
dings von Pflueger wieder aufgenommen wurde; nach Pflueger ist
der wache Zustand, das heisst die Thätigkeit der grauen Substanz, ab¬
hängig von den continuirlich sie treffenden Erregungen der Empfindungs¬
nerven, eine Hypothese, die durch die Experimente E. Heubel’s 1 ) an
Thieren und neuerdings 2 ) auch experimentell am Menschen ihre Bestä¬
tigung gefunden. Von physiologischen Thatsachen, die die tonusstei-
gerude Fähigkeit peripherer cerebrospinaler Nervenreize beweisen, rechne
ich hierher die Fälle, wo es gelang, bei Krämpfen, sei es einzelner Ner¬
ven oder allgemeiner Art den Anfall durch starke sensible Hautreize
zu unterdrücken, so bei Krämpfen des N. facialis durch Druck auf den
Trigeminus, bei spinalen Convulsionen durch Umbiegen der Zehen und
Fiisse, wie esBrown-Sequard gelang: derselbe Forscher konnte bei
seinen Experimenten an Meerschweinchen den epileptischen Anfall unter¬
drücken durch starke sensible Hautreize. Eben dasselbe ist häufig beim
Menschen gelungen durch Umschniiren einer Extremität oder starke sen¬
sible Reize anderer Art. Lewinski 3 ) gelang es, die Sehnenreflexe zu
unterdrücken durch gleichzeitige Erregung sensibler Hautnerven (Zu¬
sammendrücken der Zehen. Erheben einer Hautfalte am Fussrücken).
Diese und ähnliche Reflexhemmungen, speciell beim Menschen, denke ich
mir in der Weise zu Stande kommend, dass von der Peripherie aus¬
gehende Reize cerebrospinaler Nervenfasern ton□ steigernd auf die Central¬
organe, speciell auf den Willen als vorzüglichstes reflexhemmendes Cen¬
trum im Sinne Setschenow’s, Soltmann’s u. A. wirken und auf
diese Weise eine Unterdrückung refiectorischer Vorgänge begünstigen.
Ob es sich bei den erwähnten Thier-Experimenten, sowie bei der Unter
drückung des Goltz’schen Klopfversuches durch gleichzeitige intensive
Reizung sensibler centripetaler Nervenfasern um einen ähnlichen Vor¬
gang handelt, oder ob, wie Goltz, Freusberg u. A. annehmen, ein
Centrum, welches einen bestimmten Reflexact vermittelt, an Erregbarkeit
für diesen einbüsst, wenn es gleichzeitig von irgend welchen anderen
Nervenbahnen aus, die an jenem Reflexact nicht betheiligt sind, in Er¬
regung versetzt wird, wollen wir dahingestellt sein lassen. Wenn in
früherer Zeit behufs Heilung des Stotterns Dieffenbach ein keilför¬
miges Stück ans der Zunge excidirte oder v. Langenbeck die Tonsillen
entfernte oder ein dritter das frenulum linguae löste, so trat bei Allen
derselbe momentane Erfolg ein: die Kranken beherrschten nach der
Operation ihre Stimmwerkzeuge vollständiger als bisher; in demselben
Masse aber als der durch den sensiblen Reiz gesteigerte Willensimpuls
wieder zu seiner ursprünglichen Höhe herabsank, schwand der Erfolg.
Von Thatsachen aus dem Gebiet der Pathologie mag es genügen, den
erregenden, tonussteigernden Einfluss hervorzuheben, den Hautkrankheiten
auf die Centralorgane ausüben; häufig sind vollständige Aenderungen
1) E. He übel, Ueber die Abhängkeit des wachen Gehörzustandes
von äusseren Erregungen; ein Beitrag zur Physiologie des Schlafes etc.
in Pflueger’s Archiv, Bd. XIV, Heft II—III, pag. 158 n. f.
2) Ich habe hier den auf der 50. Naturforscher-Versammlung in
München in der Section für innere Medicin von Dr. Struempell vor¬
geführten Fall eines Mannes im Auge, bei dem mit Ausnahme eines
Auges und eines Ohres sämmtliche Sinnesorgane ihre Functionen voll¬
ständig verloren hatten. Intelligenz und Gehvermögen waren intact.
Durch Verstopfen des einen hörfähigen Ohres und Zubinden des sehen¬
den Auges gelang es, den Patienten in kürzester Zeit (3—5 Minuten)
zum Einschlafen zu bringen, und konnte dies Experiment beliebig oft
wiederholt werden.
3) Lewinski, Ueber sogenannte Sehnenrefiexe und Spinal-Epilepsie,
Archiv für Psychiatrie VII. Bd., 2. Heft, pag. 327 u. f.
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372
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 25
der Tcmperaraentslage nach der Seite des gesteigerten Tonus durch
chronische Hautausschlüge veranlasst worden. Audi für die heitere
Laune und die gesteigerte Erregbarkeit Brustkranker liegt dieselbe Er¬
klärung nahe.
Auf der anderen Seite lehren uns Erfahrungen der Physiologie und
Pathologie, dass von den sympathischen Nerven und Nervengeliechter,
ausgehende Reize lähmend einwirken auf die Centralorgane, speeiell auf
den Willen als vorzüglichstes reflexhemmendes Cent nun. Le wissen’s
Versuche an Kaninchen haben bewiesen. dass man im Stande ist, Läh¬
mungen der unteren Extremitäten hervorzurufen, wenn inan nach Er¬
öffnung der Bauchhöhle Nieren oder Urotheren stark zwischen den Fin¬
gern drückt, und dass diese Lähmungen wieder verschwinden, sobald der
Druck nachlässt. Homberg unterschied Re Ilexparalysen, ausgehend
von den Eingeweiden. von der Blase und vom Gcniialapparat. also immer
von sympathischen Nenvngcfleohten aus, und wenn auch die meisten
derselben sich als fort gepflanzte Neuritiden erwiesen haben, für einzelne
derselben ist der relleeiorischc Character nicht zu leugnen. Für die
lähmende Einwirkung solcher von sympathischen Nervenfasern ausgehenden
Reize auf die Centralorgane spricht ferner die Depression, die wir bei
allen Erkrankungen der Unterleibsorgane beobachten, namentlich solcher
in der Nähe der Semilunar-Ganglicn, so hei Aneurysmen der cocliaca
und aorta, bei Geschwülsten in dieser Gegend, bei Peritonitis, wo die
ganze periphere Ausbreitung dieses Nerven ergriffen ist. Dieselbe tiefe
Depression charaeterisirt, den gleichfalls als Sympathikus-Affeetion auf¬
zufassenden morbus Acldisonii, ja von Virchow sind Fälle berichtet,
wo Kranke unter typhusähnlichen Erscheinungen ganz plötzlich starben,
bei denen die Seclion nur hämorrhagische Entzündungen in der Mark-
substanz der Nebennieren nachwics. Romberg unterschied die Hyper¬
ästhesien des ptexus solaris von den vom N. vagus ausgehenden Cardial-
gien in der Weise, dass er für erstere als charaeteristisch erklärte das
den Schmerz beleitende spoeifische Gefühl der Ohnmacht und drohenden
Lebensvernichtung, welches sich auch in der Circulation und im ganzen
Habitus ausspricht, wie er überhaupt als charaeteristisch für Hyper¬
ästhesien des Sympathikus das objeetive Gefühl der Ohnmacht und Hin¬
fälligkeit erklärte, welches der Kranke während des Anfalls empfindet:
Wille und Ich-Bewusstsein sind völlig geschwunden. Ganz besonders
beweist endlich auch diejenige Form der Hysterie, die zu Reizen sei es
des Genitalapparats oder anderer Unterleibsorgane in Beziehung steht,
wie anhaltende Reize sympathischer Nervenfaser: lähmend auf den Willen
einwirken und dadurch die Reflexvorgänge des Rückenmarks und der
Medulla steigern helfen.
Betrachten wir jetzt die wichtigsten Vermittler physiologischer Nerven¬
reize, so kommt in erster Linie das umgebende Medium in Betracht. Der
Einfluss, den das Klima auf Körper und Geist ausübt, war schon den
griechischen Aerzten bekannt. Hippokrates erörtert in seinem Buche
„von der Luft, dem Wasser und den Oertern“ den Einfluss, den jeder
dieser drei Factoren auf das Naturell der Individuen und auf die Sitten
der Nation ausübt, indem er eine Reihe von Völkerschaften, die unter
den verschiedensten Himmelsstrichen wohnten, mit feiner Beobachtungs¬
gabe schildert, und kommt zu dem Resultate, dass Sitten und Gewohn¬
heiten von dem Temperament und die Beschaffenheit des Temperaments
von den ganzen physischen Orts umständen abhingen, denen der Mensch
beständig ausgesetzt sei. Buffon macht den Volkscharakter in erster
Linie abhängig von dem Klima, wobei er ausser der Wärme und Kälte
auch der Feuchtigkeit und Trockenheit gebührend Rechnung trägt,
Cabanis 1 ) sucht nachzuweisen, dass feuchten und warmen und dabei
sumpfigen Ländern das phlegmatische Temperament eigenttnimlteh sei,
dem kalten und rauhen Klima jenes Temperament, wo das Muskelsystcm
über das Empfindungssystem prävalirt, das sehr heisse und feuchte Klima
jenes Temperament erzeuge, bei dem die Sensibilität überwiegend sich
geltend mache , während das gemässigte Klima zur Hervorbringung des
sanguinischen, das heisse und trockene Klima bei dürrem Boden und
strengem Winter zur Hervorbringung des cholerischen Temperaments am
geeignetsten erscheine; das melancholische Temperament findet sich nach
Cabanis einmal in heissen Ländern, wo aber die Hitze häufig durch
feuchte Kälte und scharfe Winde unterbrochen wird, dann aber auch,
wenn auch seltener, in Ländern, die in steten Nebel eingehüllt die Gegen¬
stände eintönig und farblos erscheinen lassen. Denselben Einfluss auf
die Bildung der Temperamente räumt Foissac dem Klima ein, ja er
hisst nicht blos die Temperamente sondern auch die geistigen und künst¬
lerischen Begabungen der verschiedenen Völker von dem Klima abhängig
seien, geistigen und socialen Factoren keine Beachtung schenkend.
Foissac 2 ) denkt sich den Einfluss des Klima’s auf den Mensehen der¬
artig. dass in Folge der Einwirkung desselben bestimmte Organe mul
Funeiionen vorherrschend werden, und dass aus dieser verschiedenen
Entwicklung der einzelnen Systeme des menschlichen Organismus Modi-
tieationen der Intelligenz und der Leidenschaften entspringen: in den
kalten Ländern soll der Respiration^ und Uirculationsapparat überwiegen,
und deshalb das sanguinische Temperament vorherrschen, in den heissen
Ländern die Gallenoigane und damit das biliöse oder cholerische Tem¬
perament u. s. w. Betreffs des Einflusses des Klima’s auf den Geist
1) 1. c. IX. Abh.: Von dein Einfluss des Klima auf die geistigen
Gewohnheiten.
2) Foissac. über den Einfluss des Klima auf den Menschen. Aus
dem Französischen übersetzt von Dr. A. Westrumb, Göttingen, 1-S4<h
\ 11)3 u. f.
sagt Foissac, dass das europäische Klima die günstigsten Bedingungen
I zur Entwicklung und Ausbildung des menschlichen Verstandes enthalte
j wegen der Ungleichheit und des Wechsels der Jahreszeiten; desshalb seien
! grosse Timten und geistreiche Erfindungen niemals weder in den käl-
I testen noch in den wärmsten Ländern vorgekommen; mit einziger Aus¬
nahme vielleicht von Muhamed sei Europa last ausschliessliches Vater¬
land aller grossen Männer, und wenn Foissac zugeben muss, dass
auch in andern Wclttheilcn Länder giebt, die hinsichtlich der Beschaffen¬
heit des Bodens und der Temperatur mit Europa grösste Aehnlichkeit
haben, ohne grosse Männer hervorgebracht zu haben, so nimmt er sei ne
Zuflucht zu gewissen eigcnthümlichen, wenn auch unerklärlichen Ver¬
hältnissen gerade des europäischen Klimas. Noch weiter ging bekannt¬
lich Montesquieu in seinem Esprit des lois. indem er die Staatsver-
fassungen der verschiedenen Völker ausschliesslich von den klimatischen
Verhältnissen abhängig machte, welche Abhängigkeit ziemlich um die¬
selbe Zeit, in England Falconer 1 ) darzuthun suchte, und die er nicht
blos in Bezug auf die politischen Verfassungen sondern auch in Bezug
auf die Religionen nachzuweisen bestrebt war. Werne 2 ) erfuhr es mehr¬
fach an sich selbst und anderen, dass der zeitweilige Aufenthalt in den
Tropen eine ungeheure Reizbarkeit des Temperaments hervorbrachte,
die später in Europa wieder verschwand. Nach Wailz 3 ) scheint da^
Klima die Teinperamentseigcnthümlichkeiten der Eingebornen sehr we¬
sentlich umzustimmen, „und wenn auch zugegeben werden mag. da$>
der Einfluss desselben weit intensiver an denjenigen herantritt, der aus
einer andern Zone eingewandeit ist als bei den Eingebornen selbst, s«<
wird sich doch schwer in Abrede stellen lassen, dass diese letzteren, deren
: Organismus sich mit den klimatischen Verhältnissen ihres Landes ins
| Gleichgewicht gesetzt hat, eben die Temperamentseigenschaften von Natu;
1 besitzen, die sich beim Einwanderer erst allmälig festzustellen streben."
1 An einer andern Stelle 4 ), wo von dem Einfluss speeiell des heissen Kli-
I ma’s die Rede ist, heisst es: „Mit der Unlust zu körperlichen Anstren-
| gungen verbindet sich eine entsprechende Schwerbeweglichkeit der Ge-
| dankenweit: Trägheit im Denken, Mangel an Energie des Willens und
geringe Erregbarkeit zu Affecten. Zu dieser allgemeinen Schlaffheit und
Schwerbeweglichkeit gesellt sich eine grössere Intensität und Unruh« 1 der
Bewegungen, ein grösseres Maass von physischer und psychischer Er¬
regung, wenn der Zustand der Ruhe einmal verlassen wird. Die fast
unglaubliche Anstrengung und Ausdauer, die namentlich der Neger im
Tanzen entwickelt u. s. w. weisen auf die bemerkenswerthe Eigentüm¬
lichkeit südlicher Naturen hin, sich in grösseren Kontrasten zu bewegen,
als dem Bewohner der gemässigten Klimate gegeben ist.“
So wenig sich bisher die von Montesquieu angenommene Prä-
stabilirung der Staatsverfassungen durch das Klima in der Geschichte
bewährt hat, indem vielmehr überall und zu jeder Zeit die unterrich-
tetsten und gebildetsten Völker auch die freiheitliebendsten waren, und
auch Charakter und Geist nicht, wie Foissac annahm, in erster Linie
durch das Klima sondern dureh den gesammten Culturzustand eines
Volkes bestimmt werden, so sehr müssen wir den Einfluss der klimati¬
schen Verhältnisse auf die ursprüngliche Bildung der Temperamente als
wichtigsten bestimmenden Factor betonen. Je weniger das Klima sich
den Extremen nähert, je wechselnder dasselbe ist, um so mehr wirkt es
erregend auf die Thätigkeit der Centralorgane, je einförmiger, monotoner
es ist und je mehr es sich den Extremen nähert, um so mehr wirkt cs
hemmend auf dieselbe. In erster Linie sind es Wärme und Kälte, in
zweiter Feuchtigkeit und Trockenheit, die die Unterschiede der Ein¬
wirkung bedingen, während Leichtigkeit und Schwere der Luft u. s. w.
von untergeordneter Bedeutung sind. Dem Zustande psychischer Erre¬
gung, gesteigerten Tonus, entsprechen das sanguinische und cholerische
Temperament, dem Zustande psychischer Depression, verminderten Tonus’,
das melancholische und phlegmatische Temperament. Auch darin hat
He nie Recht, dass entschiedene Temperamente zu den Seltenheiten ge¬
hören, und dass die mittleren Uebergangsfälle die Mehrzahl bilden. Wir
können in diesen mittleren Fällen von einem Innervationsgleichgewicht
des Organismus sprechen, d. h. cerebro-spinale und sympathische Nerven-
; reize halten sieh das Gleichgewicht. Sind dagegen durch Einwirkung
| übermässiger Kälte oder Wärme die peripheren cerebro-spinalen Fasern
1 perccplionsunfähig geworden, so treten die für gewöhnlich unmerklichen
j sympathischen Nervenreize aus ihrem Dunkel hervor, deren tonusvermin-
| dernder Einfluss sich entweder in einer krankhaft gesteigerten Phan¬
tasie und Vorherrschen der Gefühle der Unlust äussert oder in einem
! mehr oder weniger ausgeprägten Mangel an Energie oder in einer Ver-
1 bindung von Beiden». Wir müssten also bei den Naturvölkern im hohen
! Norden und Süden die Temperamente der Depression, bei den übrigen
i die dein Innervationsgleichgewicht entsprechenden mittleren Fälle oder
! bei stärkerer Erregung der Nerven der Oberfläche die Temperamente des
, gesteigerten Tonus antreffen, da ein Prävaliren sympathischer Nerven¬
reize. wie es die Gewohnheiten der Culturvölker, besonders sitzende
Lebensweise, unzweckmässige Erziehung und Lebensweise, geschlechtliche
Ausschweifungen u. s. w. leicht herbeiführen, bei den Naturvölkern der
; Regel nach auszuschliessen sein dürften; doch bleibt zu berücksichtigen,
j einmal dass die Einwirkung des umgebenden Mediums durch die Ge-
1) Falconer, Reinarks ou the influence of elimate. 1781.
2) W er ne, Expedition zur Entdeckung der Quellen des weissen Nil.
3) Th. Waitz, Anthropologie der Naturvölker. Berlin, 1348. 2. Auf¬
lage, hcrausgogeben von Dr. G. Gerland. I, p. 395.
4) 0. c. 1. p. 397.
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24. Juni 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
373
wohnheit abgeschwächt wird, und desshalb ein Klima, das auf Ein¬
gewanderte deprimirend wirkt, auf die Eingeborenen excitirend zu wirken
im Stande ist — hieraus erklärt sich die später zu erhärtende That-
saehe, dass die Temperamente des verminderten Tonus bei den Natur¬
völkern nicht vorzukommen scheinen — zweitens aber, dass unsere so¬
genannten Temperamente auf die Naturvölker nur eingeschränkt an¬
wendbar sind. Der psychische Reactionsmodus der Naturvölker muss
noth wendig ein anderer sein als der der Culturvölker, da ihre Psyche
eine andre ist ünd können wir desshalb nur die primitiven Keime un¬
serer Temperamente bei ihnen wiederzufinden erwarten. Wir haben zu
berücksichtigen, dass auf einer früheren Geistesstufe die Leidenschaften
im Allgemeinen überwiegen, und die Affecte heftiger verlaufen, weil
ein festes sittliches Ich sich noch nicht gebildet hat; eine weitere Folge
hiervon ist, dass das Geistesleben der Naturvölker sich fast ausschliesslich
in Contrasten bewegt in Folge der unbehinderten Association der Vor¬
stellungen. Die Erregbarkeit im allgemeinen und der Sinnesnerven im
Besondem ist gesteigert, woraus sich einerseits die grössere Lebhaftigkeit
der Reproduction der Vorstellungen auf Kosten der Treue derselben er¬
klärt, andrerseits die Thatsache, dass Freude und Schreck die Naturvölker
wie die Kinder in die grösste Verwirrung und Bestürzung zu bringen
vermögen, so dass sie in solchen Zuständen Thieren ähnlicher als Men¬
schen sehen. Dazu kommt, dass in Folge der Dunkelheit und Unklarheit
der Vorstellungen und des Prävalirens der begleitenden Gefühle die
Irradiationen in die Bewegungssphäre leichter erfolgen als bei grösserer
Klarheit der Vorstellungen, denn die Ausschläge nach der motorischen
Seite werden viel weniger durch die Stärke und den Inhalt der Vor¬
stellungen bestimmt als durch die Intensität der begleitenden Gefühle.
Waitz zählt unter den characteristischen Eigentümlichkeiten des Natur¬
menschen als dritte die völlige Zügellosigkeit seiner starr egoistischen
Begierden auf, den Mangel an Stetigkeit und Planmässigkeit in all’ seinem
Thun und Treiben. Der Mangel an Selbstbeherrschung documentirt sich
in einem stets freien leidenschaftlichen Sichgehenlassen und einer ausser¬
ordentlichen Heftigkeit der Affecte.
(Schluss folgt.)
Tagesgesehichtliche Notizen. !
Berlin. Prof. Bartels in Kiel ist am 20. Juni verstorben. Der
klinische Unterricht wie die Wissenschaft haben durch dieses Ereigniss
einen gleich schweren Verlust erlitten. Wir behalten uns vor, auf den
Lebensgang des Verstorbenen in der nächsten Nummer zurückzukommen.
— Die Rede, die der Abtheilungsvorsteher am hiesigen physio¬
logischen Institute, Herr Prof. Bau mann, bei seiner Habilitation an
der philosophischen Facultät gehalten hat, ist im Druck erschienen
(Ueber die synthetischen Processe im Thierkörper. Üeffentlicher Vortrag
zur Habilitation bei der philosophischen Facultät der Friedrich-Wilhelms- !
Universität. Berlin. Hirschwald). Es behandelt dieser Vortrag ein
für weitere Kreise interessantes Thema: an der Hand der neuesten
Forschungen — an welchen der Redner selbst vielfach Theil genommen —
•werden alle diejenigen Thatsachen der physiologischen Chemie vorgeführt,
welche beweisen, dass im Thierkörper, in welchem man bis vor relativ
kurzer Zeit im wesentlichen nur Oxydations- und Spaltungsprocesse vor
sich gehen liess, auch reducirende und synthetische Processe in grösserer
Anzahl und Ausdehnung geschehen. Da die meisten der hierher ge- j
hörigen Thatsachen erst aus den Forschungen der letzten Jahre hervor¬
gegangen sind, so wird die Schrift manchem der Leser eine sehr er¬
wünschte Erweiterung ihres Wissens über diesen wichtigen Gegenstand
verschaffen.
— Für den durch den Tod CI. Bernard’s erledigten Lehrstuhl am
College de France ist Herr Brown-S6quard dem Minister durch die
Professoren der Anstalt an erster Stelle vorgeschlagen worden.
— Unter dem Titel „Brain, a journal of neurology“ erscheint seit
dem April d. J. in Vierteljahrsheften ein neues englisches Journal für
Nervenkrankheiten; Herausgeber sind Bucknill, Crichton-Browne,
Ferrier und Huglings-Jackson.
— Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheitsamtes No. 24. —
Ausland: Die Pockenepidemie in London zeigt weitere Rückschritte.
Zwar ist die Zahl der Todesfälle in der Berichtswoche etwas grösser, als
in der vorangegangenen Woche (42 gegen 40), doch ist sowohl der Be¬
stand in den Hospitälern (601 gegen. 686 der vorangegangenen Woche),
wie namentlich der Zugang an Neuerkrankungen (89 gegen 128) wesent¬
lich kleiner. Auch in Wien betrug die Zahl der Todesfälle nur noch 5
(gegen 10 der Vorwoche), in Barcelona 3; aus Pest wird kein Todes¬
fall mehr gemeldet. Dagegen nimmt die Seuche in den russischen Städten
sehr an Heftigkeit zu, in Petersburg erlagen derselben 27, in Odessa 23, J
in Warschau 55; auch in Lissabon stieg die Zahl der Todesfälle an j
Pocken auf 9. — Die Typhusepidemien in Petersburg, Odessa und ;
Bukarest fordern noch immer wöchentlich viele Opfer, auch mehrte sich
in Odessa, sowie in Triest die Zahl der Rückfallfieber.
Der Keuchhusten in London zeigt nur eine geringe Abnahme
der Todesfälle (135 gegen 152). In Wien und Paris mehren sich die
diphtheritischen Affectionen. Aus Petersburg wird abermals 1 Todes¬
fall an Cholera gemeldet. Die Choleratodesfälle in Calcutta und Bombay
mehren sich wieder in bemerkenswcrthcni Grade; in der am 4. resp.
7. Mai er. beendeten Woche erlagen derselben in Calcutta 58, in Bombay ;
61 Personen.
Nach einer Bekanntmachung des königlich dänischen Justizministers
vom 23. Mai d. J. sollen die in den Verordnungen vom 16. März d. J.
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bezw. vom 1. Mai 1868 enthaltenen Quarantaine-Bestimmungen auf alle
von Riga und Helsingfors in Kopenhagen einlaufenden Schiffe angewandt
werden, weil in diesen russischen Häfen der exanthematische Ty¬
phus epidemisch auftritt.
— In der Woche vom 19. bis 25. Mai sind hier 620 Personen
gestorben. Todesursachen: Masern 11, Scharlach 15, Pocken 1,
Rothlauf 2, Diphtherie 23, Eitervergiftung 3, Typhus 2, Flecktyphus 1,
Dysenterie 5, Syphilis 1, mineralische Vergiftung 1 (Selbstmord), Delirium
tremens 3, Brandwunden 1, Sturz 1, Erschiessen 2 (Selbstmorde), Ersticken
4, Erhängen 1 (Selbstmord), Lebensschwäche 38, Bildungsfehler 1, Ab¬
zehrung 33, Atrophie der Kinder 9, Scropheln 2, Altersschwäche 13,
Krebs 13, Wassersucht 6, Herzfehler 9, Hirnhautentzündung 10, Gehirn¬
entzündung 10, Apoplexie 13, Tetanus und Trismus ?, Zahnkrämpfe 2,
Krämpfe 54, Kehlkopfentzündung 14, Croup 2, Pertussis 8, Bronchitis
acuta 3, chronica 7, Pneumonie 34, Pleuritis 2, Phthisis 63, Peritonitis
4, Folge der Entbindung 1, Eierstockswassersucht 1, Diarrhoe 32 (dar¬
unter 31 Kinder unter 2 J.), Brechdurchfall 72 (darunter 70 Kinder
unter 2 J.), Magen- und Darmentzündung 2, Magen- und Darmkatarrh
12 (darunter 10 Kinder unter 2 J.), Nephritis 10, Harnvergiftung 1,
Blasenkatarrh 1, andere Krankheiten 55, unbekannt 3.
Lebend geboren sind in dieser Woche 369 m., 375 w., darunter
ausserehelich 44 m., 40 w., todtgeboren 16 m., 12 w., darunter ausser-
ehelich 4 m., 1 w.
Die durchschnittliche Sterblichkeit während dieser Woche beläuft
sich auf 31,3 pro Mille der wahrscheinlichen Bevölkerungszahl, die ent¬
sprechende Geburtenziffer auf 37,7 pro Mille (beide Summen mit Aus¬
schluss von 1,4 pro Mille Todtgeborenen).
Witterung: Thermometerstand: 11,03 R., Abweichung:
— 0,66R. Barometerstand: 27 Zoll 9,09 Linien. D.unstspannung:
3,45 Linien. Relative Feuchtigkeit: 67 pCt. Himmelsbedeckung:
7,7. Höhe der Niederschläge in Summa: 4,20 Pariser Linien.
In der Woche vom 27. Mai bis l. Juli sind in Berlin gemeldet:
Typhus-Erkrankungen 4 m., Todesfälle 6.
IX. Amtliche Mittheihugei.
Personal!»«
Auszeichnungen: Seine Majestät der König haben Allergnädigst ge¬
ruht, dem Kreiswundarzt Rheins zu Neuss den Königlichen Kronen-
Orden vierter Klasse, sowie dem Director der Land-Irren-Anstalt in
Eberswalde Dr. med. Friedrich Carl August Zinn den Character als
Geheimer Sanitätsrath zu verleihen.
Anstellungen: Die Privatdocenten in der medicinischen Facultät der
Universität zu Königsberg, Dr. Burow und Dr. Caspary sind zu
ausserordentlichen Professoren in derselben Facultät ernannt worden.
Niederlassungen: DDr. Langendorf, Unterberger, Schütze
und Wodtke in Königsberg i./Pr., Dr. J. Brann in Woldenberg,
Dr. Ebert in Altenkirchen, Dr. Wiskemann in Nentershausen,
Dr. Schubert in Seckbach.
Verzogen sind: Arzt St enger von Königsberg i./Pr. nach Breslau,
Arzt Kahle von Königsberg i. Pr. nach Palmnicken, Arzt Naecke
von Königsberg i./Pr. nach Dresden, Arzt Klef fei von Königsberg i./Pr.
nach Lötzen, Arzt Dubois von Seeburg nach Johannisburg, Dr. Kroe-
nig von Hamm nach Essen, Amts Wittlage, Dr. Pottschweil von
Bettenhausen nach Preungesheim.
Apotheken-Angelegenheiten: Der Apotheker Ziegel hat die
Sommer’sehe Apotheke in Creuzburg O./Pr., der Apotheker Roy er
die Janowski’sche Apotheke in Buckow, der Apotheker Klütz die
Malmen’sche Apotheke in Loitz gekauft. Der Apotheker Rappe
hat die Brill’sche Apotheke in Eiterfeld gepachtet und der Apo¬
theker Coli mann die Administration der Filial-Apotheke in Oedels¬
heim übernommen.
Todesfälle: Stabsarzt a. D. Schräder in Berlin, Kreiswundarzt
Fritsch in Anclam, Dr. Schirmeyer in Essen, Medicinalrath
Dr. von Möller in Hanau, Arzt Weiler in Fronhausen.
Bekanntmachungen«
Die mit einem jährlichen Einkommen von 600 Mark verbundene
Kreiswundarztstelle des Kreises Inowrazlaw ist vacant und soll sofort
wieder besetzt werden. Qualificirte Bewerber fordern wir auf, sich unter
Einreichung ihrer Atteste und eines Lebenslaufes binnen 6 Wochen bei
uns zu melden.
Bromberg, den 7. Juni 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Die vor einiger Zeit vacant gewordene Kreis wundarztstelle des Kreises
Otterndorf ist noch unbesetzt. Aerzte, welche das Physicatsexamen be¬
standen haben oder sich verpflichten, dasselbe binnen 2 Jahren zu
absolviren, werden hierdurch nochmals aufgefordert, sich unter Ein¬
reichung ihrer Zeugnisse nunmehr spätestens bis zum 1. Juli d. J. bei
uns zu melden. Dass der Kreisw r undarzt sich am Sitze des Kreisphysicus
niederlässt, ist zwar wiinschenswerth. jedoch können auch Bewerber,
welche an einem anderen Orte des Kreises wohnen, Berücksichtigung
finden.
Stade, den S Juni 187S.
Königliche Landdrostei.
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
374
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 25
Bewerbungen qualificirter Medicinalpersonen um die noch immer
nicht besetzte Kreiswundarztstclle des Kreises Löbau mögen uns inner¬
halb 8 Wochen eingereicht werden.
Marienwerder, den 11. Juni 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Die Kreiswundarztstelle des Kreises Anklam mit dem Wohnsitze in
Anklam ist durch den Tod des bisherigen Inhabers erledigt. Diejenigen
approbirten und pro physicatu oder als gerichtliche Wundärzte geprüften
Aerzte, welche sich um diese mit einem etatsmiissigen Gehalte von jähr¬
lich 600 Mark dotirte Stelle bewerben wollen, werden hierdurch auf¬
gefordert, ihre Approbationen und sonstigen Zeugnisse, sowie einen
Lebenslauf innerhalb sechs Wochen bei uns cinzureichen.
Stettin, den 11. Juni 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Die Kreisphysicatsstelle des Kreises Lehe ist zur Erledigung gekommen
und daher anderweit zu besetzen. Geeignete Bewerber um diese Stelle
werden hierdurch aufgefordert , sich spätestens bis zum 15. Juli d. J.
unter Einreichung ihrer Approbation und Zeugnisse bei uns zu melden.
Die nach Ablauf dieser Frist etwa noch eingehenden Bewerbungen bleiben
unberücksichtigt.
Stade, den 13. Juni 1878.
Königliche Landdrostei.
Inserate«
Arzt gesucht!
In dem hiesigen, unweit der Eisenbahn-Stationen Bielefeld und Melle !
belogenen Städtchen wird wegen Verziehens des bisherigen Arztes bal- !
digst ein womöglich verheiratheter Arzt gesucht, dem neben einem Fixum i
von 450 Mark eine gute Praxis in der wohlhabenden Gegend und bei |
bestandenem Physikats-Examen die sofortige Uebertragung der vacanten I
Kreiswundarztstelle in Aussicht gestellt werden kann. ;
Nähere Auskunft wird von dem Herrn Kreisphysikus I)r. Krane-
fuss in Halle i. W. und dem Unterzeichneten bereitwillig ertheilt.
Borgholzhausen, den 17. Juni 1878.
Kessler, Amtmann.
Bei der hiesigen Brnviii/eal-lrren-Ileil-Ausialt sind die Steilen
a) des *2. Assistenz-Arztes mit einem haaren Gebalt von 2000 Mark !
neben freier Wohnung inel. Heizung und Beleuchtung, sowie freier
Wäsche und i
b) eines Volontair-Arztes mit einem haaren Gehalte von 1600 Mark |
neben gleichfalls freier Wohnung incl. Heizung und Beleuchtung, [
sowie freier Wäsche zu besetzen. !
Die Anstellung erfolgt durch die Provinzialstäridische Verwaltungs- ,
Commission unter gegenseitigem Vorbehalt 1 i jährlicher Kündigung.
Geeignete, junge, unvorheirathetc Aerzte werden ersucht, ihre .schrift¬
lichen Bewerbungen unter Beifügung der ärztlichen Qualiticationspapierc ,
und eines Lebenslaufes bei der Unterzeichneten Diveetion einzureichen.
Owlask, den 29. Mai 1878.
Die Direction
der Provinzial-Irren-Heil-Anstalt zu Owinsk bei Posen.
Vertretung.
Zu Anfang Juli wird ein junger, tüchtiger College zu einer 4 wöchent- j
liehen Vertretung für Stadt, und Landpraxis in einer grösseren Provinzial- |
stadt. des Herzogthum Braunschweig gesucht. Offerten werden umgehend 1
erbeten und durch die Expedition dieses Blattes sub Chiffre W. S. 53 |
befördert._ __ _ _
Vertretung. !
In einem Orte Ober-Hessens, Eisenbahnstation, sucht ein Arzt vom
1. Juli an auf 1 bis 2 Monate Vertretung, auch durch Candidaten in .
höheren Semestern. Offerten befördert die Expedition sub T. B. 57. !
Gesucht narb einer Stadt Schleswigs zur Verlretung eines ('«»liegen i
auf 5 bis (■> Wochen von Ende Juli bis Ende August ein approbirtcr
Arzt unter sehr vor!liedhaften Bedingungen. Gef. Off. sub II. E. 56 j
befördert d. Exped. d. BL_____ ___ ]
Ein junger Arzt in Berlin erbietet, sich Co! Legen daselbst zur |
Assistenz oder Vertretung. Gef. Offert, durch d. Exped. dieses Blattes j
sub L. D. 58. ____|
Ein j. promov. Arzt sucht sogleich Stellung z. Vertretung eines
Gollegen od. Assistenten. Gell. Offert, sub G. H. 55 durch d. Exp. d. Bl.
Zur Vertretung oder Assistenz für die Somnieniumair erbiet ;, sich
Collcgen ein junger Arzt, früher Assistent an einem grossen Kranken¬
hause. Offerten sub K. 0. 54 bef. d. Exped. d. Bl.
Ein junger Arzt sucht sofort .Stellung als AssiMciizaizt oder Ver- j
treter eines Collcgen. Gef. Off. sub M. S. 48 durch die Exped. d. Bl. |
Der Unterzeichnete hat seine Badepraxis dahier wieder aufgenommen. ;
Bad Nauheim, 15. Mai 1878. Dr. med. Schott.
Vom 15. Juni ab praetieirc ich wieder im .Seebad Heringsdorf.
___Pr Vogt.
Moolbad Frankenhausen Dr. H. Betz, pract. Arzt.
Ör. Julius Sacks, pract. Arzt,
Bad Liebenstein.
Das Nordseebad Wyk auf Föhr in Schleswig
ist von der Mitte des Juni bis zir Mitte Octobers geöffnet. MiMsstas
Rordsoebad. Schattige, gegen alle rauhen Winde geschützte Lage der
Wohnungen, unmittelbar am Strande, mit freier Aussicht auf die See.
Telegraphenstation. Reiseroute Hamburg pr. Bahn nach Husum: von da
mittelst des neuen, dem Badeort gehörenden Dampfschiffes in 3 Stunden
nach Wyk. Nähere Auskunft in Prospeeten, die unentgeltlich in den
Annoncen-Kxpeditionen von Haasenstein <fe Vogler zu haben sir.d, oder
schriftlich durch den Eigenthiimer der Badeanstalt
__O. We igelt.
In balneis salus.
w- Teplitzer Bäder * i ju.
wm~ Wiesbadener Bäder k i i k . » n
Der Analyse entsprechend, und von ausgezeichneter Wirksam¬
keit gegen rheumatische Beschwerden und Lähmungen, verabreicht
und empfiehlt
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Charlottenburg, am Hippodrom.
Bad Lippspringe.
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feuchtwarme beruhigende Luft, schweizer Molken. Erfolgreichstes Bad
bei chron. Longensucht, pleuritischen Exsudaten, quälende« trockenen Catarrhei
der Athmungsorgane, Congestionen dahin, nervösem Asthma, reizbarer Schwäch«,
verschiedener Art Dyspepsie. Frequenz circa 2300. Saison vom 15. Mai
bis 15. September. Die Uurhäus.T in den vergrößerten freundlichen An¬
lagen gewähren Comfort und vortreffliche Verpflegung. Die Cur-Ein¬
richtungen wesentlich verbessert: Orchester 18 Mann stark.
Den Wasserversandt bewirkt und Anfragen beantwortet
die Brunnen-Adminifitratioii.
Bad Assmannshausen am Rhein
am Fusse des Niederwaldes.
Eisenbahn- und Telegraphen-Station. — Dampfschiffverbindung.
Iiillilumreichste alkalische Therme,
besonders zu empfehlen gegen Gicht und rheumatische Affectionen,
Ischias, Catarrhc der Harnorgane mit Gries- undSteinbil-
dung. ilyperaemieeii und Anschwellungen der Leber mit Gallen¬
stauungen, Gallensteine, chronische Catarrhe der Digestions- und
Respirationsorgane und Hautkrankheiten.
Kurhauseröffming den l Mai.
Trink- und Badekur, Doucho, Knetkur, Electricität, Inhalation
verdünnter und verdichteter Luft, diätetische Küche.
Dirigirender Arzt: Herr Dr. med. H. Mahr.
Generalversand des Assmannshäuser Wassers:
Flmnin & Co. in Frankfurt a. D.
li st e a n “ n ' Bad Schinznach, Schweiz. Ie S'"'
Dauer der Saisua von 15. Mai bis 15. September.
Therme mit reichem Gehalt an Kalk. Kochsalz, Schwefelwasserstoff
und Kohlensäure ; berühmt durch ihre Heilwirkung bei Scropheln (Drüsen-),
Haut-, Knochen- und Schleimhautkranklleiten, chronischem Catarrhe,
Emphysen, Asthma und allgemeiner Schwäche.
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Zimmcrpreisc v. Frs. 1,50 bis .Frs. 8. —
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Unter franken in Bayern.
Reizende Lage; drei Quellen: Stahlquelle, eine der reinsten und
leicht verdaulichsten; Wernarzer und Sinnberger Quelle, wirksam als
Säuerling«- hei allen chronischen Erkrankungen der Sehleimhäute, be¬
sonders der Harnblase. Stahl- und Moorbäder von vorzüglicher Qualität,
ferner Salz- und Douehebädcr. Pneumatische und electfische Apparate
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Bad Schwalbach im Taunus.
Bekannte gasreiche Eisenquellen. 1000 Fuss über dem Meer. Muster¬
gültige Badceinrichtungen. — Bahnstation Wiesbaden und Zollhaus und
Eltville. Leber Eltville directe Billets und Ümnibusverbiridung Er¬
öffnung der Saison am 15. Mai.
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Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
24. Juni 187S.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
375
Carort Augustusbad,
bei Jtadeberg, sachs.-schles. Eisenbahn, nnweit Dresden.
Altbewährte StmMlquellen, Moorbäder, Milch- und
Molkenkur. Hervorragende Wirksamkeit bei Blntarmuth, Scrophu-
lose, chronischer Gicht, Rheumatismus und Hautausschlägen, specifische
hei Anomalien des weiblichen Geschlechtssystcms. Herrliche Lage, wind¬
stilles Thal, mit grossem Wildparke, Droschkenverbindung mit allen
Eisenbahn zögen, tägliche Concerto von der Badecapelle. Logiszimmer zu
den verschiedensten Preisen. — Prospecte und nähere Auskunft bei
dem Badearzte Br. Bräun ig und der Badewerwaltung
daselbst. ____
Yal Sinestra Conradinsquelle.
Bor und Lithion haltender Arsen Eisensäuerling, gegen Blutarmuth,
Frauenleiden, Wechselfieber, Scropheln, Ekcemcn etc. mit Erfolg an¬
gewendet, ist in diesjähriger Füllung zu beziehen durch Herrn Dr.
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sämmtlichen Apotheken <fc Mineralwasserhandlungen.
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durchströmendos Thermalwasser von 2G° C. — Marmorpisrine in
elegantest eingerichtetem Badesaal. — Grosses Schwimmbassin unter
freiem Himmel. — Douchen. — Wannenbäder. — Eröffnung dar SaitOB
aai 1. Mai.
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EröfFnung der Saison, am 15. Juni.
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im Mai 1878. Li ehr.
Soolbad Sodenthal
bei AscbaflTenburg? Eisenbahn -Station Sulzbach am Main.
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Sommeraufenthalt. Comfortables Kurhaus. Bei Scrofulose, Frauen-,
Kinder-, Knochen-, Drüsen-Leiden. Hämorrhoiden eic. Badearzt: Dr.
K ümm cl I. Massige Preise. Equipagen auf Verlangen zur Bahn. Tele¬
graph im Mause. Saison vom 1 . Juni an.__
Soolbad Frankenhausen
in Thüringen,
in weiten Kreisen durch die kräftige Wirkung seiner Quellen und seiner
angenehmen und gesunden Lage wegen bekannt, ist vom 18. Mai bis zu
Ende- September geöffnet. Zu den hier vorhandenen Curmitteln (als
Sool-, Mutterlangen-, Dampf- und Wellenbädern, Trinkcuren aus der
Elisabethquelle) gehört auch ein nach den neuesten Erfahrungen ange¬
legter grosser Inhalationssaal zum Einathmcn zerstäubter SooLe, welche
für chronische Catarrhe der Luftwege als ausgezeichnetes Mittel bekannt
ist, und tritt denselben ein neues geschmackvolles Badehaus mit 14 Zellen
hinzu.
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Or. Betz, Or. Epensteli, Br. Maaltke.
Nächste Station der Halle-Kasseler Eisenbahn ist Rossla.
Ble B ade-B irectlon daselbst._
Ostseebad Zoppot bei Danzig.
Station der Hinterpomnersehen Eisenbahn.
Reizende Lage, absolut sicherer Strand, vortreffliche Einrichtungen
zu kalten und warmen Seebädern, sowie zu Sool-, Schwefel-, Kiefemadel-
u. a. Bädern und Douchen. Eignet sich seines milderen Wellenschlags
wegen vorzugsweise für reizbare Personen, auf welche die stärkeren
Nordseebäder oft zu aufregend wirken. Waldenburg’s pneumatischer
Apparat und galvanisch-electrische Batterien. Eröffnung der Saison und
der täglichen Concerte am 15. Juni.
Nähere Auskunft ertheilt
die Baded irection.
Neuenahr.
Die 4 Unterzeichneten seit vielen Jahren hier practicirenden Aerzte
erklären mit Bezugnahme auf die Inserate der hiesigen Bad-Actien-
Gesellschaft, dass sie eben so gut im Stande sind, über die Verhältnisse
Neuenahrs Auskunft zu ertheilen, wie der erst seit vorigem Sommer
hier anwesende, von genannter Gesellschaft „zur W T ahrung ihrer Inter¬
essen“ speciell Angestellte Badearzt Herr Dr. Münzel.
Die Praxis ist hier, wie allerwärts frei, und hat die Bezeichnung
des Herrn Dr. Münzel als „erster“ oder „officieller Badearzt“ nur Sinn
in Rücksicht auf dessen Stellung zur Actiengesellschaft.
Or. Feltgen. Dr. Teschemacher. Dr. Richard Schmitz. Or. Paal Baseball
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Wasserheilanstalt Bad Elgersburg
im Thüringer Walde.
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j täglich mit Cammin. Durch Parkanlagen, Neubauten und Erweiterung
| der Badeeinrichtungen bedeutend verbessert. Wohnungen in Hotels und
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Eröffnet 15. Juni, geschlossen 30. September.
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I und Wilhelmsbafen 3 mal in der Woche Dampfschiffverbindung.
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Wasserheilanstalt Gräfenberg
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kunft ertheilt Kurarzt Or. Anjel.
Dr. Behrend’s Seolbade-Anstalten
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| dem eiazlgen Orte, der zugleich (5proc.) Soolbäder mit Seebädern (und
| Seeluft) bietet, verbunden mit einem Pensionat für krallte Kinder, werden
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| Restanration.
I Eröffnung der Seebäder Mitte Juni.
Gefällige Anfragen sind zu richten an die dirigirenden Aerzte der An¬
statt, Oberstabsarzt Or. Hützel und Or. F. Behrend, oder die Besitzerin der
Anstalten, Frau Or. Behrend.
Co lberger Badesalz ist stets in diesen Anstalten zu haben. _
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I Saison am 15. Mai. Nähere Auskunft ertheilen der K. Bade - Inspector
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Kranke erzielen bei milder Cur und 30jähriger Erfahrung des Arztes stets
sichere Erfolge. Mit dem Hubertus-Bade habe ich nichts gemein.
Der dirigirende Arzt Dr. Bd. Preis«.
Original ffom
UNIVERSfTY OF MICHIGAN
376
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. »5
Verlag von August Hirschwald in Berlin.
Soeben ist erschienen:
Lehrbuch
der
Nervenkrankheiten
von
Dr. Alb. Eulenburg,
ord. Professor in Greifswald.
Zweite völlig umgearbeitete Auflage.
Z wei Theile. 1878. gr. 8. 27 Mark. _
Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig.
Soeben erschien:
Die Castration der Franen
Von
Dr. Alfred Hegar,
Prof, der Gynäkologie in Freiburg i./B.
Velinpapier, gr. 8. Engl. Einband. M. 5. — n.
Dieses Werk, welches gleichzeitig als Heft 136—138 der von Richard
Volkmann herausgegebenen „Sammlung klinischer Vorträge u erschien,
den Nicht ab onnenten der Sammlung aber nur in obiger
Form abgegeben werden kann, wird von competenter Seite, als
für die gynäkologische Wissenschaft bedeutsam, der Beachtung der Fach¬
genossen empfohlen.
Soeben erschien bei Th. Chr. Fr. Enslin in Berlin:
Das
Preussische Physicats-Examen.
Geschichtlich medicinischer Leitfaden für Examinanden,
Physiker und Juristen.
Von
Dr. Fr. Berth. Loeffler.
Vierte umgearbeitete Auflage.
_ 8 Mark. _
Verlag von FERDINAND ENKE in Stuttgart.
Die Fibromyome des Uterus
von
^ Dr. Louis Michels,
pr. Arzt in Bad Creuznach etc.
_ gr. 8. Pr. 1 M. 20. _
Dr. Erlenmeyer’sche Anstalt
für Gemüths- und Nervenkranke
zu
Bendorf bei Coblenz.
I. Abth. Heilanstalt für Nerven- und Rückenmarks¬
kranke , Gemüthskranke ausgeschlossen, V 4 St. westlich vor
der Stadt gelegen, Electrotherapie, alle Bäder. H. Abth. für Ge-
mfttlisluTOiLke in der Stadt, besondere Häuser für die ver¬
schiedenen Formen und Stadien der Seelenstörungen. UI. Abth. für
chron. Geisteskranke, landwirtschaftliche Anstalt mit
Character und Preisen einer Pflegeanstalt, V« St. östlich vor der
Stadt. — Besondere Prospecte jeder Abtheilung stehen gratis zu
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bis zum nächsten Mittwoch unerledigt bleiben.
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Organ für praefehe Aerzt«,
Mit ßertteksiehtifnng' -der preussischen MediciiwlverwaiSuiig und Mediclnftlgesetzgebuog
nach asmtlichcß MittheUaagen,
Redacteur: Prüf. Pr. L. WaMtnborg: Verlag vqu Augjjai Hirschwaili ia Berlin.
Montag, den 1. Juli 1878,
Fünfzehnter Jahrgang.
Inhalt:
VJ fXiemTö C’ple eontagiöse Vnemfiönie- W /LmigcmcuUrindurtg in »lg?; ron Unfäller»,. ohne■ Verletzung — Leber Argme der inneren
Xjfganc}' — Y{J; YdrHandivm»*.*. iBeiTumr randichifeßljeAffiseltaMiiAft Allffäiheiuöf ärztlicher Yerem in Cölnb -—
W$ w . . ..
iieho Kotizoi«).. -—IX. ' Ämtliefce Inserate-
Y^rbfindlaagec äfäiTH^*r;i^%ljVJh»fkni. Allgemeiner ärztlicher Yerem m C-cHit).
(Hey fei der: VoVft--Krt«^^thaüpUi.t» — IWth: Leber* die ki?rpi?ri ich« Qriuidläge der Temperamente ^ Tagosgeseliich«-
I. Abs der Heidelberger Poliklinik des Herrn Prof,
v. Dusch.
Ei» fall tm geheilter loTaginati« hei eiuev § IRenaie alten Kinde,
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Bfy fiudewl^
Nach dau 'bisher'über JnvaginatioTi vephffentUclife^ ÄrbftBen
lassen sHKb bsaögtkji der v fhe|Ä|rie deutlich t .&n^en tiiiter-
xelieldetu
1 . Die Ml«, wielhbjk eine die inY&gm&tiwi direkt ip Angriff
n e&moudo liehandlnng verlangen •,
% T>1$ F&R«. bei dhnim ein ab^^rieniief. rein ftyihpthma-
!i st ehes Yerfab reu »iid ictrt ist.
Die erste Gruppe wird von de*V bttter Yöratitritt der Vatvuia
Bäuhini und abwärts-davon .^j&teb«rwlfcft : luvagi «atidpeu gebildet
Höher gelegene 'kphtiten • wegen düs in
Ooecaiklappe vorhftbdüiieia TepfeftniM *} bis jetzt liicbt auf mecha¬
nische AVefytf erfolgreich Irr genommen werdem iHe
mechaDiseh^ü Mittel siwd die B?iod 'oder theile-
Luft- oder WÄ^irüirjsjjtitjEuTigaö, |)ifc ß&d&cttw durch die. Häöd
kann sich «ur mi aehr tief sitendc fßtägiRa^neii ürstrücMh,
da nach de« Yewbr&üP von • jBi m ^^^'•'fländ nur bi?
et^wa zmn Promcmtormin vorgeföhrt lihd von. da durch Aus-
»trecke« von vier Fin^em der uixtersjte fhei) <\m S. Rom. er-
reicht werden Kam». Die Wirkung der SönÄe mwar hdher s
aber nach den Versuchen von 0ad ge und Simon auch nie
geiler, als bis zur Plexura cdll splenica und sogar meistens
nicht über das S, Rom, So bleibt für dte weiter nach: oben
Ms kut Cooralkiapf.e sitzenden Invaginationett nur noch die
Einspritznug von Luft oder Wasser Qbrig, die ih ihrer Wirkung
buide gleich zu sein scheinet*. Vrelfach . 'sind auch schon bei
den behob!enden Invag'irjatioiieri Bunde unrj 'WasscremgiesHung
f.ntnbtnirt worden
AUc- diese Tnecb.a»isehen Repo?-itiousmiitel sind natürlich
nur anwendbar, so iange noch keine zu starke Schwellung des
invagmirt^m Läarmstütkps oder gar eine ViTwac’h.snng' dw 4 b>^iden
seröse« Blätter vorhsnUen ist Wenn diese Erejgt»i«s?e dinm/d
eingetreten sind, so ist entweder die Laparotomie, za um che«,
die später noch erwähnt werden wird, «der 'j die ab wartende
Bphandiungsweise indicirt Mithin bilden diese Fälle den Leber*
gang zur zweiten Gruppe, die aus den durch mechanische Üittcl
nbiht. öietir enVich hären Invaginälioht m also ans den oberhalb
der l-oecälkkppe.' eiitspringende« besteht,
v/ i)bwolH eine Anzahl von Fällen üxjstirt, die entweder nach
- -1fö-P.’ A 1 ^t ;
spontan zut; De?i«vagination gelangten^o wird «ich doch der
^fegei pä# die Behandltmg nur daraof büvscfeänk^a^ die Kräfte
des Fatteoleo bis zur Abstossung des invagraii-teu DaripKtüekes
aötlerbt ?v. erftulten. Die? wird je•UÄ,e.}i d<sm-hctralfe^d^u.Falle
durch Nü.ffotiea, ExcitäGtia, Antiphlogt?tic& n. 5 . w. :<u errmchen
'•ggsiiöht wütdeü. B? noch bemerkt, ^ürilßu, * d^sük Midü
Arten der Bühaodhu»g, die mit ^echauischon iiod 'die .äiife ainer*
liehet» MitfcH« sieh in mancher Hm.siebt bernureu. Ba wird dje
Report ton entschieden durch Darreichung von Opium unter-
sf.itzt. und anderer-edt« verdient bei l.nvaginatn.me« des Ile>ini
da^ Mas?*re«t düs Abdom^is oder die BdiürfceImeihbde versucht
zu werden.
Beiden Gruppen der Bchandbiug gemeinsam ist auch die
Laparotomie. -Sind alle mech&nhchen Mifrel vergebbeh versucht
worden und hat wegen Erscheinungen vcm totaler Darmobstruc-
tföir das ab wartende Verehren nicht eingeacltlage« werden
können ^ oder .situl trotz längeren Abwartem? noch keine An-
zejehieu der hegibnenden Abstossüng varhähdetL die ; Kräfte : pkn
Patienten aber so herab gekommendass e'm. fe.nmreä : '2hwaHe.i?
nomoglich gewordcü -jat, »n muss die Laparotomie gemacht
werden. Welche! Methode der Laparotomie, ob dfe Ah^tiUjtun^'
der fjüvagmation, die Anlegung eines kiinstliefiüti Afters oder
diü BxcisiYn der in Vag* ht rteo I)änu partie angewän dt wer d eh doi f,
muss in diu» jüdesrnabge« Fall c*iit?hbiedoh- • werden.' ’
üb'XX so ^beo hier Mirgtbihrte Bejutndhmgssysten» hat
Heine volle Geltung fipr Ihr das vorgerückte* Alter, bei Kindern
und. namentlich In dum ABvr L)s /a) oiucr« Jahre-, düs Yer-
häHniss ein äödiA'ük Abgtsotieu uämbeb dav/Vo, daxs m diipv^T:
ZeiVdie Liv^tgiautio iiiaca sehr seifen vorkomrut. ■) m \*i\ dh’
!) teos tefo. ITa^. YirrnJiahAcht. 1 —T.
%\ VVrimpdlQrigeU Tfe r . deafrnhpu fär. Chirur^c bitter
H Pi 1/ hui 7-fi FftLle von IhvagiiMji.^ -'hi-L. FmvVt---äeB^
i >\k* il.'utTi. YSaeh LLiniitenstern nid 1hl. »lirs^/ib::i; AjX:,;
: : , ' ‘: • 's- '•.'' v -■■ Y-
Go gle
378
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 2G
Widerstandsfähigkeit des kindlichen Organismus doch zu gering, |
uni das Leben bis zur Einleitung der Naturheilung zu erhalten. 1 )
Es würde also für diese Lebenszeit das abwartende Verfahren
völlig auszuschliessen sein, dagegen die ausgedehnteste Anwen-
dungrfler mechanischen Repositionsmittel sich empfehlen. Lassen
auch diese im Stich, so wäre schleunigst die Laparotomie vor¬
zunehmen, da sonst das Leben des Kindes fast sicher verloren
ist. 2 3 ) Zwar wurde noch in neuester Zeit von Hüttenbrenner*)
die Ansicht aufgestellt, dass die Therapie der Invagination im
Kindesalter sich entweder auf ein rein exspectatives und sym¬
ptomatisches Verfahren oder auf die zeitliche Vornahme der
Laparotomie beschränke, denn alle anderen vorgeschlagenen
Mittel wären nicht nur ihrem Erfolg nach höchst zweifelhaft,
sondern sie könnten gerade von schädlichem Einflüsse sein; aber
die angeführten statistischen Belege sprechen zu deutlich für
unsere Meinung, als dass wir dieselbe fallen lassen könnten.
Recht bedeutend werden wir noch darin unterstützt durch drei
erst kürzlich veröffentlichte Fälle. Senator brachte bei einem
2 Monate alten Knaben eine in 17 Tagen 9 Mal recidivirende
Invagination durch Wassereingiessung und Einspritzung von Luft
zur Heilung. Fundenberg und Haynes erreichten denselben
Ausgang ebenfalls durch Wassereingiessung bei einem 6, resp.
7 Monat alten Kinde. Die beiden letzteren gaben allerdings
nach der Reposition noch Morphium. Dann aber gehört hier¬
her der von uns beobachtete Fall, dessen Mittheilung wir des¬
halb folgen lassen wollen. Herr Prof. v. Dusch regte uns
zur Veröffentlichung des Falles an und überliess uns das nöthige
Material in freundlichster Weise. Dafür fühlen wir uns bestens
zu danken verpflichtet.
Luise Diebach, gut genährtes, sehr kräftiges Kind vop
8 Monaten, das früher stets gesund gewesen war und nur an
der Mutterbrust getrunken hatte, bekam gegen Mittag des
12. December 1877, nachdem sich 3 Tage vorher massiges
Abweichen eingestellt hatte, plötzlich ohne nachweisbare Ur¬
sache heftiges Erbrechen grünlichgelber Massen. Fieber war
nicht vorhanden, Respirations- und Pulsfrequenz nicht erhöht,
Zunge mässig belegt, Stuhl schleimig weiss, Bauch nicht auf¬
getrieben.
Trotz der Darreichung von Creosot dauerte das Erbrechen
auch am 13. fort, und zwar in der Art, dass die genossene
Milch und Arznei sofort wieder erbrochen wurde. Ausserdem
waren im Stuhl blutige Streifen bemerkbar. Dies letztere Sym¬
ptom verschwand am 14., dagegen dauerte das Erbrechen mit
derselben Heftigkeit fort und das Gesicht der Patientin bekam
ein leidendes, eingefallenes Aussehen. Die Respiration war
stöhnend und die Inspiration durch Heben des rechten Aermchens
begleitet. Alle diese Symptome, vornehmlich das heftige, un¬
stillbare Erbrechen, für das eine anderweitige Ursache nicht
nachzuweisen war, legten den Gedanken einer stattgefundenen
Invagination nahe. Die daher am 15. vorgenommene Digital¬
untersuchung per rectum ergiebt: In das Rectallumen wölbt
sich von oben eine weiche, gleichmässig mit Schleimhaut be¬
kleidete Geschwulst vor, die nach hinten einen queren Spalt
zeigt. Durch diesen Befund war die Diagnose auf Invagination
festgestellt. Die Reposition wird durch den Finger ausgeführt,
und zwar mit dem Erfolg, dass Patientin die sofort nach der
1) Leiehtenslern kennt bei Kindern bis zu 1 Jahr nur 3 Fälle
von Abstossung auf 131 Invaginationen.
2) Nach Pilz ist von 73 einschläglichen Fällen nur einer genesen
und dieser durch Sondenreduction. Nach Leich t enstern kommen auf
131 Fülle 19 Heilungen, davon 17 ohne Ausstossung.
3) Jahrbuch für Kinderheilkunde. N. F. Band IX.
Reposition reichlich genossene Milch ohne Beschwerde bei sich
zu behalten vermag.
Gegen Abend des 15. tritt wieder Erbrechen ein; der Tumor
ist wieder vorhanden und wird wieder reponirt. Dieser Vorgang
wiederholt sich bis zum Vormittag des 18. noch 4 Mal.
Am Nachmittag des 18. bildet das invaginirte Darmstück
einen dunkel verfärbten, etwa wallnussgrossen Tumor vor dem
Anus. Neben dem Tumor kommt man mit einem Bougie, vom
Anus aus gerechnet, ungefähr 8 Ctm. in die Höhe. Da die
Reposition durch den Finger allein nicht mehr gelingt, so findet
dieselbe durch eine in den Querspalt der Invagination gesetzte
Schlundsonde und Eingiessung von ungefähr V4 Liter Wasser
unter 1 Meter Druck statt. Die Schlundsonde wird 16 Ctm.
über dem Anus fester engagirt. Der Widerstand verschwindet
mit einem gewissen Ruck und in Höhe von 18 Ctm. ist die
Sonde wieder frei. Nach der Reposition wird Opium in kleinen
Dosen gereicht. Dieselbe Procedur wird bis zum Vormittag
des 19. noch 2 Mal wiederholt. Am Nachmittag des 19. war
der Tumor nicht zu fühlen, trotzdem wurden die Wasserein¬
giessungen fortgesetzt. In der Nacht hatte das Kind 5—6 Krampf¬
anfälle, die mehrere Minuten andauerten, doch war auch am
20. weder der Tumor, noch das Erbrechen vorhanden, vielmehr
trat zum 1. Mal seit der Erkrankung breiiger, gelber Stuhl ein.
Aehnlicher Stuhl tritt auch in der Nacht ein. Ausserdem trinkt
Patientin mehrere Male in vollkommener Ruhe.
Am Morgen des 21. trinkt sie wieder, erbricht sofort und
schreit heftig. Das invaginirte Darmstück ist wieder vor dem
Anus sichtbar, und zwar diesmal in Fingerlänge, und zeigt an
seinem Ende einen grau verfärbten, ungefähr 1 Centimeter breiten
Ring, in dessen Bereich ein oberflächlicher Substanzverlust der
Schleimhaut bemerkbar ist. Nach der in der früheren Weise
ausgeführten Reposition behält Patientin wieder die reichlich
genossene Milch bei sich und äussert kein Schmerzgefühl.
Da trotz Opium und trotz dreimal erfolgter Reposition bis
zum 22., am Abend des 22. doch der pTolaps wieder vorhanden
ist, so bleibt nach der Reposition die .18 Cm. weit eingeführte
und mit Binden fixirte Schlundsonde bis zum andern Morgen
liegen. Dadurch ist die Invagination mit Erbrechen, Unruhe
und schleimigem Stuhl beseitigt bis zum 28. An diesem Tage
tritt wieder Erbrechen und grüner, etwas Blut und viel Schleim
enthaltender Stuhl ein. Die Invagination liegt wieder vor; die
Reposition wird ebenso wie das letzte Mal ausgeführt. Dieser
Vorgang wiederholt sich bis zum 11. Januar noch sechsmal
Dann ist die Invagination definitiv beseitigt und das Kind er¬
freut sich völligen Wohlbefindens. Nachträglich müssen wir
noch bemerken, dass während der ganzen Dauer der Krank¬
heit das Kind kein Fieber zeigte; (die Temperatur stieg nie über
38,0®) und dass Patientin fast stets mit grossem Appetit Milch
trank ohne Unterschied, ob die Invagination vorhanden war
oder nicht.
Interessant ist der vorliegende Fall hauptsächlich durch die
grosse Anzahl von Recidiven; Zweiundzwanzig Mal im Laufe
eines Monats wurde die Invagination constatirt und ebenso oft
musste sie reponirt werden. Ja, nachdem sich sogar 6 Tage
der Darm normal verhalten hatte, trat die Invagination doch
wieder ein, und dass trotzdem die Reposition stets eine völlig
gelungene war, dafür spricht der sofortige, jedesmalige Erfolg.
Ferner kann es sich hier, da neben dem Tumor nur 8 Cm. weit
vorgedrungen, die Invagination selbst aber schon durch Ein¬
führen einer Schlundsonde von 18 Cm. Länge beseitigt werden
konnte, nur um eine Intussusception des S. Rom. resp. des
Colon descendens gehandelt haben. Aus der Art des Erbrechens
auf den Sitz der Invagination zu schliessen, war nicht möglich,
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Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
1. Juli 1S7S.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
379
denn, während die Invagination sich sehr tief befand, stellte
sich das Erbrechen stets unmittelbar nach der Nahrungsauf¬
nahme ein. Was die Entstehung der Invagination in diesem
Falle anbelangt, so ist zu vermuthen, dass die stärkere Zusammen¬
ziehung der Ringmusculatur einer Falte zwischen zwei Haustra
die Möglichkeit der Einstülpung in den durch den voran¬
gegangenen Catarrh erschlafften Dickdarm darbot. Endlich aber
spricht dieser Fall recht deutlich für den Nutzen der mecha¬
nischen Repositionsmittel im 1. Lebensjahr. Ganz abgesehen von
dem bei Invaginatio colica so selten günstigen Ausgange 1 ), so
war die durch die jedesmalige Reposition erzielte Besserung in
dem Zustande der Patientin eine stark in die Augen fallende.
Patientin, die vor der Reposition alle genossene Milch sofort
erbrochen hatte, nahm gleich nach der Reposition eine bedeu¬
tende Quantität Milch, behielt dieselbe ohne Beschwerde bei
sich und benahm sich so, als wenn sie nie krank gewesen wäre.
Wohl kaum dürfte das Leben der Patientin ohne die Sonden-
reduction zu erhalten gewesen sein, jedenfalls aber wäre hier
die von Hüttenbrenner aufgestellte und schon weiter oben
mitgetheilte Ansicht nicht zutreffend gewesen.
U. lieber Epilepsie veseaoteria.
(Nach einem Vorträge, gehalten in der medicinisch-natur-
wissenschaftlichen Gesellschaft zu Göttingen.)
Von
Dr. Otto Biiftswanger,
früher Assistent am patholog. Institute zu Göttingen, jetzt in Breslau.
Mit der fast völligen Umgestaltung, welche unsere An¬
schauungen über das Wesen der Epilepsie, speciell des epilep¬
tischen Anfalls in den letzten 30 Jahren erfahren haben, ging
naturgemäss das Streben Hand in Hand, auf dem Boden der
gewonnenen Erkenntniss eine Ausscheidung der mannigfachen
Erscheinungsbilder der Epilepsie nach wohlcharacterisirten Sym¬
ptomengruppen zu erreichen, auf der andern Seite diejenigen
convulsivischen Zustände vom Krankheitsbegriff Epilepsie ab¬
zuscheiden, die bei einer grossen Zahl organischer Erkrankungen
als Begleit und Folgeerscheinungen auftreten. Demgemäss sind
die eclamptischen Anfälle der Kinder bei acutem Hydroeepha-
loid, die Krämpfe im Gefolge grosser Blutverluste, bei plötzlich
gesteigertem Hirndrucke, die toxämischen und urämischen An¬
fälle definitiv als Krampferscheinungen sui generis festgestellt.
Hingegen sind allgemein gültige Begriffsbezeichnungen für
die verschiedenen Epilepsieformen noch nicht gefunden worden.
Dieselben können sachgemäss nach zwei Gesichtspunkten geord¬
net werden: Entweder stellen wir die ursächlichen Momente für
das Zustandekommen der dauernden epileptischen Veränderung,
als deren Sitz wir nach den experimentellen Forschungen von
Schröder, van der Kolk, Kussmaul, Brown-Sequard,
Schiff und Nothnagel höchst wahrscheinlich den Pons varolii,
die Medulla oblongata und das obere Halsmark anzusprechen
haben, in Vordergrund, oder wir gehen vom Wesen der epi¬
leptischen Anfälle und dessen Aequivalenten aus und suchen
auf diesem Wege unterscheidende Merkmale zu gewinnen. Beide
Wege sind betreten worden.
Der 1. Weg führte zur Feststellung zweier Hauptgruppen:
1) einer idiopathischen oder primären Epilepsie als Aus¬
druck für diejenigen Fälle, bei denen sich kein äusseres Moment
für das Zustandekommen der epileptischen Veränderung auf¬
finden liess, und 2) einer secundären oder Reflexepilepsie, welche
1) Nach Leichtenstern verliefen von 70 diagnostisch sicheren Colon-
invaginationcn (ohne Ausstossung) 61 d. i. 87% letal.
diejenigen Fälle in sich begreifen sollte, welche nachweisbar
nach Gehirn-, Rückenmark- und peripheren Nervenverletzungen
entstanden waren.
Diese Auffassung, die über das Wesen der dauernden epi¬
leptischen Veränderung nichts präjudiciren will, hat in vielen
Punkten das physiologische Experiment für sich. Die bekann¬
ten Versuchsreihen von Brown-Sequard, Schiff, Westphal
und Nothnagel zeigten uns das Zustandekommen einer dauern¬
den epileptischen Veränderung nach peripheren und centralen
Verletzungen. Dass auch die Grosshirnrinde Ausgangspunkt
einer solchen werden kann, ist durch neuere Versuche Hitzig’s f )
sehr wahrscheinlich geworden. Es ist das Verdienst Noth-
nagel’s, in seiner monographischen Bearbeitung der Epilepsie 1 )
die Begriffe der primären und secundären Epilepsie zum ersten
Male genau festgestellt zu haben.
Der zweite Weg brachte auseinandergehende Eintheilungen.
Aelter und hauptsächlich von den französischen Autoren ge¬
pflegt ist die Eintheilung nach der Schwere des epileptischen
Insultes und der Art und Weise des Auftretens der epileptischen
Aequivalente. Wir gelangen auf diese Weise in absteigender
Linie zu den Begriffen des Status epilepticus, der Epilepsia
gravior, Epilepsia mitior, der epileptiformen Anfälle und der
epileptoiden Zustände. Die letztgenannten schliessen die bunten
Bilder des epileptischen Irreseins in sich.
Den ursächlichen Momenten des epileptischen Anfalls mehr
Rechnung tragend, ist ein Eintheilungsversuch je nach dem vor¬
wiegenden Ergriffensein eines der bei den Hauptfactoren des
epileptischen Anfalls, als welche wir den Ausführungen Noth-
nagel’s*) folgend, eines theils die Erregung der gangliösen
Centren für den willkürlich arbeitenden Muskelapparat, andern-
theils die Reizung der reflectorisch erregbaren vasomotorischen
Centrums in der Medulla oblongata zu betrachten haben. Die
Untersuchungen Nothnagel’s ergeben ferner, dass beim aus¬
geprägten epileptischen Anfall die Erregung des vasomotorischen
Centrums und die Erregung des „Krampfcentrums“ einander coor-
dinirt sind. Der typische epileptische Anfall würde demgemäss
einer gleichwcrthigen Erregung beider Centren entsprechen, wäh¬
rend eine Mehrbetheiligung der einen oder der andern Sphäre
zu den Begriffen einer vasomotorischen oder motorischen Epi¬
lepsie führen würde.
Am schlagendsten spricht für eine solche Eintheilung nach
physiologischen Grundsätzen die Thatsache, dass einzelne epi¬
leptische Attaquen der Epilepsia mitior und den epileptiformen
Anfällen angehörig, sich ausschliesslich auf das Ergriffensein
des einen der erwähnten Gebiete beschränken. Die Literatur
weist genugsam Fälle auf, bei denen der alleinig auftretende
Bewusstseinsverlust nur die vasomotorische Seite ergriffen zeigte;
weniger häufig sind Convulsionen ohne Bewusstseinsverlust. Ich
werde bei einem der mitzutheilenden Fälle Gelegenheit haben,
auf Anfälle letztgenannter Art aufmerksam machen zu können.
Diesem Gedankengange folgend, nahm ich für die Benennung
der folgenden Krankenbeobachtungen den theilweise verlassenen
Begriff der Epilepsia vasomotoria wieder auf.
Der Begriff der Epilepsia vasomotoria ist auf dem Boden
der Lehre von den vasomotorischen Neurosen entstanden, spe¬
ciell aus der Lehre von der Angina pectoris vasomotoria her¬
vorgegangen. Die Feststellung der Krankheitsbilder der Angina
pectoris vasomotoria verdanken wir den klinischenUntersuchupgen
1) Untersuchungen über das Gehirn. Berlin, 1878. S. 186 ff.
2) Ziemssen’s Handbuch der spec. Pathol. und Therapie, 12, II.
180 ff.
3) Ueber den epileptischen Anfall. Volkmann’s Sammlung kli¬
nischer Vorträge No 39.
Original from
UNIVERSITY OF MICHIGAN
380
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 26
von Landois 1 ) und Nothnagel 2 ). Das wesentliche desselben
ist der anfallsweise auftretende arterielle Gefässkrampf, beginnend
in den Extremitäten und in diesen die subjectiven Kältegefühle,
die kriebelnden und prickelnden Schmerzen, die objectiv con-
statirbare Temperaturabnahme, ferner das Erblassen und Er¬
starren der betroffenen Glieder erzeugend. Weiterhin verbreitert
sich dieser Gefässkrampf, die Widerstände im arteriellen Gefäss-
systeme werden abnorm gesteigert, die Herzinnervation in noch
unerklärter Weise beeinflusst und heftige Herzpalpitationen,
Schmerzen in der Herzgegend, Beängstigungs- und Beklemmungs¬
gefühle vollenden das Bild der Angina pectoris vasomotoria.
Der Uebergang zu den eleptiformen Zuständen und ausgebildeten
epileptischen Anfällen mit vasomotorischen Vorläufern liegt in
dem Weiterschreiten des arteriellen Gefässkrampfes auf das ce¬
rebrale Gefässgebiet. Flimmern vor den Augen, Schwindel¬
gefühle treten hinzu, leichtere clonische Zuckungen in der
Extremitätenmuskulatur, schliesslich Bewusstseinsverlust und all¬
gemeine Convulsionen und hiermit der ausgebildete epileptische
Anfall.
Eine solche Steigerung der Angina pectoris vasomotoria
zu epileptiformen und ausgebildeten epileptischen Anfällen ist
von mehreren Beobachtern mitgetheilt worden und wurden dann
folgerichtig die zuerst aufgetretenen peripheren Gefässkrampf-
erscheinungen als Auraerscheinungen bezeichnet, der epileptische
Insult selbst mit dem Namen Epilepsia vasomotoria belegt.
Dass in der That die Angina pectoris vasomotoria mit dem
Krankheitsbegriff Epilepsie in engerem Zusammenhänge steht,
scheint mir ausser dem oben Gesagten noch ein von Lustig*)
mitgetheilter, auf der Abtheilung von Oscar Berger in Breslau
zur Beobachtung gelangter Fall zu beweisen, in welchem ein
an Ang. pect, vasom. leidender Patient hereditär stark belastet
war, indem der Vater und ein Bruder an Epilepsie gelitten hat¬
ten. Pari ent selbst hatte im Verlaufe der Angina-Anfälle Flim¬
mern vor den Augen, so hochgradige Schwindelgefühle, dass er
zu Boden stürzte und schliesslich clonische Zuckungen in bei¬
den Armen.
Nothnagel wendet sich nun in seiner oben erwähnten
Bearbeitung der Epilepsie gegen die Bezeichnung Epilepsia va¬
somotoria, indem er betont, dass der Gefässkrampf den wesent¬
lichsten Factor beim Zustandekommen eines jeden epileptischen j
Anfallsbilde, die vasomotorischen Auraerscheinungen aber zur
Aufstellung einer besonderen Form nicht berechtigen, da wir
dann, entsprechend andern Auraerscheinungen auch eine Epi¬
lepsia motoria und sensitiva unterscheiden müssten.
Der von mir Eingangs entwickelte Begriff der Epilepsia j
vasomotoria scheint mir von diesem Einwand nicht betroffen,
da ich für denselben eine Mehrbetheiligung der vasomotorischen
Sphäre während des Anfalls selbst oder während aequivalenter
Zustände in Anspruch nahm.
Der äussere klinische Ausdruck einer solchen Mehrbethei¬
ligung der vasomotorischen Sphäre muss ausser den erst er¬
wähnten Erscheinungen in Aenderungen der Pulsfrequenz und
Pulsbeschaffenheit, in pathologischen Temperaturverhältnissen, |
sowie in quantitativen und qualitativen Veränderungen der
Urinausscheidung gelegen sein. Denn eine abnorme Erregung
oder Ermüdung des reflectorisch erregbaren, vasomotorischen
Centrums muss in Folge der hierbei auftretenden veränderten
Spannung der Gefässwand und veränderten Weite der Gefäss-
lumina abnorme Circulationsverhältnisse bedingen, die ihrerseits
1) CoiTespondenzblatt für Psychiatrie, red. von Erlenmey er 1866,
]j. 2 und IT.
2) Deutsches Archiv f. klinische Medicin. III. B., pag. 309 u. ff.
3) Ueber vasomotorische Neurosen. Inaug.-Dissert. Breslau, 1875.
sowohl die Bewegung und Beschaffenheit der Blutwelle im Ganzen
und die Blut wärme beeinflussen, als auch abnorme Filtrations¬
bedingungen in den Nierencapillaren schaffen müssen. Für die
gewöhnlichen Fälle von Epilepsie sprechen sich die meisten
neueren Bearbeiter derselben dahin aus, dass Temperatursteige¬
rungen zu den Ausnahmen gehören (Westphal), für jeden
Fall nie in typischer Weise aufzutreten pflegen Der Puls sei im
Anfang niedrig und klein und verlangsamt, die Radialis eng; im
weiteren Verlaufe des Anfalls werde der Puls voll und frequenter.
Die Urinmenge sei nach den Attaquen entschieden vermehrt
und von hellerer Färbung, doch fehle eine Aenderung des
specifischen Gewichts (Nothnagel 1. c. pag. 224). Neuer¬
dings theilte M. Huppert 1 ) mit, dass er bei seinen Beobach¬
tungen jeden ausgebildeten epileptischen Anfall von einem
transitorischen Ei Weissaustritt begleitet gefunden habe, ferner
etwa in der Hälfte der Fälle zugleich auch hyaline Cylinder in
dem nach den Anfällen gelassenen Urin sich vorgefunden hätten.
Die letztere Erscheinung habe ich bei lange fortgesetzten Unter¬
suchungen des Urins von 20 geisteskranken Epileptikern, die
; ich im vergangenen Jahre als Assistenzarzt an hiesiger Irren¬
anstalt zu beobachten Gelegenheit hatte, überhaupt nur einmal
constatiren können; auch die erste Angabe kann ich in ihrer
| Allgemeinheit nicht bestätigen, indem 9 meiner Fälle, die übrigen
i nur inconstant, Eiweissaustritt beobachten Hessen.
| Unter den genannten 20 Fällen geisteskranker Epileptiker
| Hessen sich bei längerer Beobachtung unschwer 3 derselben
als eigenthümlich und zusammengehörig auscheiden. Dieselben
zeigten in deutlicher und typischer Weise eine Mehrbetheiligung
I der vasomotorischen Sphäre in obigem Sinne. Bevor ich zur
Mittheilung der Krankengeschichten übergehe, muss ich be-
I merken, dass die Gewinnung fortlaufender, lückenloser Beob¬
achtungsresultate unmöglich war. E& Hegt in der Natur der
Erkrankung und des Geisteszustandes der betreffenden Kranken,
dass Temperaturmessungen hie und da nicht ermöglicht waren,
ebenso die 24ständige Urinmenge nicht gesammelt werden
konnte, wenn die Erregung der Kranken excessiv gesteigert
war. Ich habe selbstverständlich in letzterer Beziehung nur
Zahlen aufgenommen, deren Richtigkeit durch genaue Controlle
festgestellt war.
Die I. Beobachtung betrifft einen 22jährigen Epileptiker,
Th. Sch., aufgenommen am 27. August 1876. Vater des Pat.
soll dem Trünke sehr stark ergeben gewesen sein; sonstige
hereditäre Belastung nicht nachweisbar. Pat. bekam in seinem
12. Jahre den ersten epileptischen Anfall. Als Ursache wird von
den Angehörigen angegeben, dass Pat. als Kind „einmal auf
den Kopf gefallen sei“. Die epileptischen Anfälle traten anfangs
nur in grösseren Zwischenräumen auf, wurden aber in den letz¬
ten Jahren häufiger und kehrten zuletzt alle paar Tage wieder.
Mit der Häufung der Anfälle soll Pat. geistig erkrankt sein,
indem periodisch maniakalische Anfälle hinzutraten, die den
Aufenthalt in der Anstalt nothwendig machten. In den ruhigen
Intermissionszeiten trat allmälig immer deutlicher ein mittlerer
Grad von Dementia hervor.
Die genauere Beobachtung zeigte, dass klinisch die Aufre¬
gungszustände den recidivirenden, psychisch-epileptischen Aequi-
valenten zuzurechnen sind, wie sie neuerding von Samt so
treffend beschrieben sind. Es gab sich folgender Typus der
Erscheinungen kund: Der Kranke bewegte sich Wochen lang,
theils unthätig stumpf vor sich hinstarrend, theils mechanisch
leichtere Hausarbeiten verrichtend auf der Abtheilung umher.
Sein subjectives Befinden war in diesen Perioden gut. Die ein¬
zigen Klagen des Pat. bezogen sich auf die lästigen »Ruck-
1) Virchow’s Archiv, Bd. 59.
Original fro-m
UNIVER3ITY OF MICHIGAN
1. Juli 187S.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
3Si
Erscheinungen;“ Pat. erzählt selbst, dass er öfters des Tages, oft
bis 10 Mal, ganz plötzlich einen Ruck durch den ganzen Körper
verspüre, so dass er sich ganz in sich zusammenziehen müsse,
dabei flimmere ihm alles vor den Augen. Im nächsten Augen¬
blick sei er dann wieder wohl. Genaues und öfteres Fragen
ergiebt, dass während dieses „Ruckes“ das Bewusstsein soweit '
erhalten ist, dass Patient sich ganz genau des Ruckvorgangs
bewusst ist, denselben immer in derselben Weise schildert und
immer anzugeben vermag, wie viele solcher Attaquen er während
des Tages gehabt habe. Objectiv stellen sich diese Anfälle dar
als eine einzige Contractionswelle, die blitzartig durch den
ganzen Körper abläuft. Der Kranke sinkt plötzlich in die Knie,
um sofort wieder empor zuschnellen. Die Körpermusculatur
ist, soweit es sich bei dem raschen Ablauf der Erscheinungen
constatiren lässt, während der Anfälle in kurz dauernder teta-
nischer Spannung. Die Buibi treten starr hervor, das Gesicht
ist dunkelblauroth gefärbt, die Körpermusculatur ist bretthart
anzufühlen. Auraerscheinungen fehlen diesen Anfällen immer.
Häufen sich die Anfälle während eines Tages, so klagt Pat.
Abends über dumpfen Kopfschmerz.
Alle 3—4 Wochen erleidet Pat. im Verlauf einiger Tage
mehrere ausgebildete epileptische Anfälle, die mit länger dauern- i
der Bewusstlosigkeit und allgemein ausgebreiteten tonischen und
«Ionischen Krämpfen einher gehen. Als Auraerscheinung wird
hierbei constant Druckgefühl im Epigastrium angegeben. Direct
nach den Anfällen ausgeführte Temperaturmessungen ergaben
immer normale Körpertemperaturen. Bleibt nun die Steigerung
zum ausgebildeten epileptischen Anfall längere Zeit aus, so tritt
der folgende Symptomencomplex immer in derselben Weise,
aber mit verschiedener Intensität der Erregungsbilder hervor.
Pat. geht mit dunkelroth injicirtem Gesichte, starrem Blicke
und erweiterten Pupillen lebhaft auf der Abtheilung auf und
ab, klagt über Kopfschmerz und Summen im Kopfe und häufiges
Flimmern vor den Augen. Hierbei ist der sonst harmlose Kranke
rucksichtlos grob und auffahrend gegen Wärter und Mitkranke.
Dieses Prodromalstadium dauert gewöhnlich nur einen Tag lang;
mitten in der Nacht bricht dann die maniakalische Erregung
aus. Pat. fängt an laut zu singen oder mit monotoner Stimme !| :
sinnlose Sätze zu recitiren und mit Armen und Beinen den Tact j
zu schlagen; bei stärkerer Erregung springt er aus dem Bette, i
tanzt mit tollen Sprüngen im Schlafsaal umher, um schliesslich
ihätlich gegen Wärter und Mitkranke zu werden. Gewöhnlich
ist die Entwicklung der Symptome so langsam, dass Pat. noch
rechtzeitig isolirt werden kann, oft aber steigern sich die Er¬
scheinungen Schlag auf Schlag. Der 2. oder 3. Tag findet
Ihn schon beruhigter; er spricht leise vor sich hin, deutet &e-
heimnissvoll, offenbar stark hallucinirend, an den Wänden umher
oder schaut mit verzücktem Gesichte lebhaft gesticulirend gegen
den Himmel; kauert sich dann wieder ängstlich in eine Ecke,
.um plötzlich emporzuschnellen und in immer toller werdenden
Wirbel herumzutanzen. Andere Stunden des Tages liegt er
regungslos mit starrem glänzenden Blicke zu Bette oder ins !
Seegras eingegraben. Doch reagirt er auch in diesen Zeiten
•durch Anrufen, blickt einige Zeit geistesabwesend um sich, er¬
kennt aber nach öfteren eindringlichen Fragen die Umgebung
.und nennt z. B. den Namen des Arztes.
Nach 4—5 Tagen ist Pat. wieder ganz ruhig geworden,
bleibt dann noch für mehrere Tage ganz stuporös, um dann
.allmälig wieder in den gewöhnlichen Zustand zurückzukehren.
Jede Erinnerung an die eben zurückgelegte Erregungsperiode
mangelt dem Kranken.
Während der ganzen Zeit der Attaque fällt die abnorme j
Weite beider Pupillen auf; die Jugularvenen sind strotzend ;
gefüllt; der Radialispuls, noch mehr aber die Carotiden deut- 1
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Gck igle
lieh dicrot. Pulsfrequenz 120—128 in der Minute, während
die ruhigen Zwischenzeiten und auch die Zeiten nach den
grösseren epileptischen Anfällen immer eine Pulsfrequenz von
höchstens 76 zeigten.
Bezüglich der Urinausscheidungen und der Temperaturen
füge ich folgende Zahlen bei:
20. März. Psychisch-epileptischer Anfall mittlerer Inten¬
sität. Die Morgens sofort vorgenommene Temperaturmessung 1 )
zeigt 39,0. Mittags 38,2. Abends 39,4. Puls 120.
Urinmenge 420, dunkelbraunroth, stark sedimentirend, spec.
Gew. 1025, neutral reagirend, Spuren von Eiweiss enthaltend.
21. März derselbe Erregungszustand. Temp. Morgens 38,2.
Abends 38,0. Puls 112.
Urinmenge 600 Cctm., spec. Gew. 1025, neutrale Reaction.
Kein Eiweiss.
22. März. Pat. ruhiger. Temp. 37,8 Morg., 38,0 Abends.
Puls 96. Urinmenge 800 Cctm., spec. Gew. 1020, neutral. Kein
Eiweiss.
23. März. Pat. beruhigt. Temp. 37,5 Morg., 37,6 Ab.
Puls 92. Urinmenge 1200 Cctm., 1016 spec. Gew., sauer rea¬
girend.
24. März. Temp. normal. Urinmenge 1500, spec. Gew. 1010,
sonst normal.
Im weiteren: 30. Märi Urinmenge 2000 Cctm., spec. Gew. 1008.
25. Mai psych.-epilept. Anfall. Temp. 38,0 Morg., 38,1 Mitt.,
38,8 Ab. Puls 120.
Urinmenge 600 Cctm., spec. Gew. 1024. Kein Eiweiss,
stark sedimentirend, sauer reagirend, dunkelroth.
26. Mai. Temp. 38,0 Morg., 38,4 Ab.
Urin dunkelroth. Menge 700 Cctm., spec. Gew. 1026, sauer
reagirend. Kein Eiweiss.
27. Mai. Morg. 37,6, Ab. 38,2. Puls 112.
Urinmenge 900 Cctm., spec. Gew. 1025, sauer reagirend,
sedimenthaltig.
28. Mai. Bei völliger Beruhigung des Pat. normale Tempe¬
ratur. Puls 92.
Urin hellgelb. Menge 1450 Cctm., spec. Gew. 1020.
3. Juni. Urinraenge 2300 Cctm. mit 1010 spec. Gew.
17. Juli erneuter Anfall. Temp. 38,6 Morg., 38,5 Ab.
650 Cctm. Urinmenge, spec. Gew. 1025. Spuren von Eiweiss.
Neutral reagirend, dunkelbraunrothe Färbung.
Am 24. Juli die Urinmenge 2700 Cctm. mit 1010 spec. Gew.
II. 0. G., 27 Jahre alt, aufgenommen am 11. Juli 1873.
Anamnestisch ist folgendes hervorzuheben. Pat. ist hereditär
nicht belastet, entwickelte sich bis zum 7. Jahre ganz normal.
Zu dieser Zeit fiel er über ein Treppengeländer, aus einer
Höhe von 10 Fuss, auf den Kopf. Acht Monate nach dem
Falle soll eine entzündliche Hirnkrankheit aufgetreten sein.
Seit dieser Zeit fiel eine deutliche Abnahme der geistigen
Fähigkeiten auf. Pat. lernte nur nothdürftig lesen und schreiben
trotz mehrjährigem Besuche des Gymnasiums. Im 13. Jahre
machte Pat. abermals ein heftiges entzündliches Hirnleiden
durch von 6 wöchentlicher Dauer. (Ueber die Krankheitserschei¬
nungen dieser Hirnentzündungen ist nichts bekannt geworden.)
Darauf hin ganz verändertes Wesen; bald freundlich zudringlich
gegen ganz unbekannte Personen, bald bösartig und aggressiv
gegen seine nähere Umgebung. Im Januar 1867, also in seinem
16. Lebensjahre, trat der erste epileptische Anfall auf. Die
Anfälle wiederholten sich in der Folge, ungefähr alle Monate,
und waren theilweise so heftig, dass Pat. nachher 8 Tage lang
das Bett hüten musste, „da er nicht gehen und stehen konnte“.
U Sämmtliche in der Folge angeführte Teniperaturmessungen sind
in ano ausgeführt.
2
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
382
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 26
Pat. ist geistig* so herabgekommen, dass er zu keinerlei Arbeit
verwendbar ist. Während des Anstaltaufenthaltes machte er
mehrere grössere maniakalische Anfälle excessivester motori¬
scher Erregung durch, zerriss seine Kleider, schmierte mit
Koth und wurde thätlich gegen seine Umgebung. Am 18. April
1876 cummulirte epileptische Anfälle, fast 30 Minuten lang
andauernd. Der Urin zeigte damals nach dieser Attaque ge¬
ringen Eiweissgehalt. Im Laufe des letzten Jahres sind diese
hochgradigen Erregungsperioden nicht mehr aufgetreten. Pat.
ist im ganzen harmlos blödsinnig, lacht und pfeift oder spricht
unverständlich vor sich hin und läuft hierbei lebhaft gesticu-
lirend im Zimmer auf und ab. Epileptische Anfälle treten ziem¬
lich selten auf, ungefähr alle 7 Wochen, und wiederholen sich
dann mehrmals in wenigen Tagen.
Unabhängig von diesen Serien epileptischer Anfälle, be¬
ziehungsweise ohne auffindbaren Zusammenhang, treten in un¬
regelmässiger Reihenfolge stärkere Erregungen auf. Pat. sieht
dann völlig benommen aus, singt und spricht laut, gesticulirt
heftig mit den Armen, sucht zu entlaufen, wird hie und da
thätlich, schmiert mit Koth. Sehr deutlich tritt hierbei die
typische Verbigeration hervor, die bei der intellectuellen Schwäche
Temperatur von 38,5; doch schon am 20. April Morgens wieder
normale Morgentemperatur.
Am 23. April. Wieder unruhig. Morg.: 38,5, Ab.: 38,2.
24. April. Morg.: 37,2, Ab.: 37,6.
Weiterhin:
19.
Juni.
Morg.:
38,0,
Ab.:
37,8 1
20.
Juni.
»»
38,4,
»
38,5/
22.
Juni.
»
37,6,
»
37,6.
24.
Juni.
37,7,
»
38,0 1
25.
Juni.
»
38,0,
»
38,5 J
26.
Juni.
»
37,6,
»
37,8.
Pfeift u. singt lärmend.
Springt beständig auf
und ab.
Zerreisst seinen Rock;
lacht und singt unauf¬
hörlich.
23. Juli bis 30. Juli dauernd erregt.
Abendtemperatur am 28. Juli 38,7.
(Schluss folgt.)
III. Casnistische Mittheiluagi Sarcematöse Gesehwalst
in Wirbelkanal.
Von
des Kranken in sinnloser, mit erstaunlicher Geschwindigkeit
ausgeführter Recitation einzelner Zahlen besteht. Die Dauer
dieser Anfälle schwankt zwischen 1—4 Tagen. Auch diese
Erregungsperioden sind regelmässig mit Temperaturerhöhungen,
Pulsveränderungen und Sinken der Urinausscheidung verbunden.
Das Gesicht ist lebhaft geröthet, der Blick starr und benommen,
die Pupillen entweder hochgradig verengt oder abnorm erweitert
und geht in letzterer Beziehung der Wechsel auffallend häufig
und rasch vor sich.
Während die Urinmenge in den anfallsfreien Zeiten sich
bei einem spec. Gew. von 1008—1012 zwischen 15—1700 Ccm.
hielt, fiel sie in den Erregungsperioden bis auf 600 Ccm. herab;
hierbei stieg das spec. Gew. nie über 1018. Eiweiss wurde nie
im Urine anfgefunden. Die Pulsfrequenz war während der Er¬
regung bis 124 gesteigert; in den ruhigen Zwischenzeiten betrug
dieselbe durchschnittlich 72. Bemerkenswerth ist ferner, dass
während der cummulirten epileptischen Anfälle keine Temperatur¬
erhöhungen zu constatiren waren. Urinuntersuchungen waren
während derselben nicht möglich, da Patient in diesen Tagen
total unreinlich ist.
Es mögen hier noch einige genauere Daten Platz finden.
19. März 1877. Patient war Abends heftig erregt, springt
öfters aus dem Bette; Bulbi treten starr hervor; Pat. recitirt
immer 199, 199, schlägt mit den Händen gegen Wand und
Bettstelle; schliesslich springt er beständig im Zimmer auf und
ab und versetzt einem Kranken eine Ohrfeige. Gegen 9 Uhr
wird er ruhiger, und die sofort vorgenommene Temperatur¬
messung zeigt 40,2. Spec. Gew. 1018, dunkelbraunroth, viel
Uratsediment.
26. März, Morgens. Pat. ist völlig benommen, liegt mit
starrem Blick regungslos zu Bett. Die Extremitäten-Musculatur
schlaff. Der Leib kahnförmig eingezogen. Erbricht sich gegen
Mittag. Keine Nackenstarre. Pupille auffallend verengt. Un¬
reinlich. Temp. Morg.: 39,5, Mittag: 39,0, Ab.: 38,0.
27. März. Pat. noch leicht benommen, doch erkennt er
seine Umgebung. Isst mit grosser Hast das Frühstück ver¬
schiedener Mitkranken auf. Temp. Morg.: 37,5, Ab.: 37,8.
Urinmenge 1000 Ccm., spec. Gew. 1015.
28. März. Pat. wieder wie gewöhnlich. Steht Morgens
mit den übrigen Kranken auf. Entwickelt einen übergrossen
Appetit. Normale Temperaturen. Urinmenge 1400 Ccm., spec.
Gew. 1014.
Am 19. April ist Pat. wieder erregter, zeigt eine Abend-
Dr. HA nicken in Braunschweig.
Da Geschwülste, welche sich im Rückenmarke oder seinen
Häuten oder in den Wirbelkörpern bilden, immer zu den selt¬
neren Tumoren gehören, mag es gerechtfertigt erscheinen, wenn
ich einen derartigen von mir beobachteten Fall veröffentliche,
der sich im ganzen genommen durch die Raschheit seines Ver¬
laufes von anderen einschlägigen Beobachtungen unterscheidet.
Alwine G. in B. hatte im 9. Lebensjahre am linken Processus
mastoideus an einer kleinen harten Geschwulst gelitten, welche
nach 3 jährigem, langsamen Wachsen vom Medicinalrath Dr. U.
operirt wurde, und sich microscopisch als sarcomatöses Neu¬
gebilde herausstellte. Nach Verlauf eines Jahres war an der¬
selben Stelle eine recidivirende Geschwulst entstanden, deren
Wachsthum sich jedoch in verhältnissmässig bescheidenen Grenzen
hielt; dieselbe deckte den Processus mastoideus und die Fossa
infraauricularis in der Grösse eines halben Gänseeies und
blieb in diesem Umfange stationär; dieselbe verursachte zeit¬
weise heftigen Schmerz und blutete aus Granulationen, welche
sich auf dem am meisten prominirenden Theile der Geschwulst
gebildet hatten; die Blutungen traten in den späteren Lebens¬
jahren der Patientin häufiger ein, und trugen wesentlich dazu
bei, den an und für sich mangelhaften Ernährungszustand der¬
selben zu verschlechtern, doch wurde von einer abermaligen
operativen Entfernung des Tumors abgesehen, da bei dem
Character desselben ein zweites Recidiv bestimmt befürchtet
und aus dem Sitze der Geschwulst geschlossen werden musste,
dass dieselbe in die Substanz des Processus mastoideus selbst
eingedrungen war. Die jugendliche Kranke hatte ihr Leiden
mit grosser Geduld getragen und die verschiedensten Curen
mit Consequenz und Energie gegen dasselbe gebraucht. Nach
jahrelanger Inanspruchnahme von wissenschaftlicher und nicht
wissenschaftlicher Hülfe hatte sich Patientin schliesslich darauf
beschränkt, die Geschwulst mit einem indifferenten Pflaster
täglich 2 Mal zu verbinden. Ihr Allgemeinbefinden war ein
leidlich gutes, die Verdauung ungestört, der Kräftezustand ein
derartiger, dass Patientin täglich grössere Spaziergänge machen
konnte. Im Juli 1876 besuchte dieselbe das Bad Harzburg,
gebrauchte Soolbäder und machte täglich kleinere oder grössere
Touren in den Bergen, ohne Ermüdung zu empfinden. Im
Anfang August erstieg Patientin den Burgberg und fühlte auf
dem Rückwege beim steilen Bergabgßhen einen heftigen Schmerz
im Rücken, so dass sie längere Zeit ausruhen musste und der
sie begleitende Vater sie mit Noth und Mühe nach Haus geleitete.
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Original from
UNIVERSITY OF MICHIGAN
1. Juli 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
383
Der Schmerz im Rücken linderte sich nach tagelangem Ruhen,
kehrte jedoch beim Versuch des Gehens wieder, und sah sich
die Kranke in Folge dessen veranlasst, die Reise in die Hei-
math anzutreten. Ich besuchte Patientin zuerst am 2. Septem¬
ber 1876 und behandelte dieselbe in Gemeinschaft mit dem
Collegen Dr. B.
Fräulein G. war damals 24 Jahre alt, von blasser Gesichts¬
farbe, gracilem Körperbau und schlechter Ernährung. Die
Beschwerden bestanden zu jener Zeit hauptsächlich in einer
deutlich ausgesprochenen Schwäche der unteren Extremitäten,
heftigem Schmerz im Rücken, der bis in die Oberschenkel
ausstrahlte und hartnäckiger Stuhlverstopfung; Patientin konnte,
gestutzt auf den Arm eines Anderen, noch im Zimmer auf und
niedergehen, doch waren die Schmerzen im Rücken, welche
stets als krampfartig bezeichnet wurden, namentlich Nachts
so stark, dass sich Patientin stundenlangen Schreiens nicht
erwehren konnte, und der Schlaf regelmässig ein sehr gestörter
war, wenn nicht Narcotica- oder Morphiuminjectionen zur An¬
wendung kamen. — Bereits gegen Ende October hatte sich die
Schwäche der unteren Extremitäten zu fast vollständiger Para¬
lyse gesteigert, auch die Sphincteren, zuerst die der Blase,
dann die des Mastdarmes versagten den Dienst; gleichzeitig litt
die Sensibilität der unteren Extremitäten, wenn sich dieselbe
auch niemals zu vollständiger Anästhesie gesteigert hat; die
Reflexerregbarkeit war wesentlich vermindert. Der längere
Zeit hindurch angewandte inducirte Strom blieb ohne jedwede
Einwirkung; die electromusculäre Contractilität der Muskeln
der unteren Körperhälfte erwies sich bei der Faradisation un¬
gestört, die electromusculäre Sensibilität dagegen fast erloschen
Wiederholt vorgenommene genaue Untersuchungen der Brust¬
organe, der Unterleibsdrüsen und des Genitalapparates ergaben
die. vollständige Integrität dieser Körpertheile, und wenn auch
zu Beginn des Leidens bei der hochgradigen Sensibilität der
Patientin an den unbestimmten Begriff der hysterischen Läh¬
mung gedacht wurde, so musste doch die verhältnissmässig
rasche Steigerung der Beschwerden, sowie der Mangel jedweden
anderen Anhaltspunktes, den man in causalen Zusammenhang
mit dem bestehenden Leiden hätte bringen können, zu der
bestimmten Annahme führen, dass ein, das Rückenmark in seiner 1
Totalität beeinträchtigendes Leiden vorlag, welches die Nerven
der unteren Körperhälfte der Funktionsfähigkeit mehr oder
weniger beraubte.
Wenn nun Myelitis wegen des Fehlens aller Fieberer- I
scheinungen und des ausschliesslichen Beschränktbleibens der |
Lähmungssymptome auf die untere Körperhafte' mit ziemlicher
Gewissheit ausgeschlossen werden musste, war eine einen Druck
auf das Rückenmark ausübende Geschwulst in der Rückgrats¬
höhle zu vermuthen, und konnte der Sitz derselben mit ziem¬
licher Gewissheit in die Gegend der letzten Brustwirbel verlegt ;
werden, da das gelähmte und nicht gelähmte Muskelgebiet sich
in dieser Gegend am schärfsten begrenzte; hatte doch der ganze !
Verlauf des Falles, wenigstens in den letzten 3—4 Monaten nicht |
geringe Aehnlichkeit mit einer Fractur der Wirbelsäule, die erst 1
nach monatelangem Siechthum zum Tode führt.
Zu den erwähnten Beschwerden der Patientin, von denen !
nur die hochgradigen in beide Schenkel ausstrahienden Schmer- j
zen zeitweise durch Pulv. Doweri oder Morphiuminjectionen ge- ;
mässigt werden konnten, gesellte sich gegen Ende November
Decubitus. — Zuerst bildete sich derselbe am linken Labium
major und später an verschiedenen Stellen der Nates in so co-
lossalem Maassstabe, dass grosse 5 —15 Cm. im Durchmesser
betragende Hautpartien nebst dem Unterhautzellgewebe morti-
ficirten und nur durch stundenlanges tägliches Verweilen der
Patientin im warmen Bade ein einigermassen erträgliches Da-
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sein geschaffen werden konnte. Die starke Eiterung, welche
in Folge dieser zahlreichen grossen Decubitusstellen eintrat, so¬
wie die zeitweise beträchtlichen Blutungen aus denselben führten
allmälig zu einem Verfall der Kräfte, der sich trotz der besten
Ernährung immer mehr steigerte und schliesslich am 17. März
die unglückliche Kranke von ihre#* Leiden erlöste; seit das
Leiden zuerst in Erscheinung getreten, waren etwa 7 Monate
verstrichen.
Die Section, bei der ich mich auf Eröffnung der Rück¬
gratshöhle und Exstirpation des Tumors am Kopfe beschränkte,
ergab folgende Resultate: Bei Eröffnung der Wirbelsäule von
oben beginnend fand sich keine macroscopisch erkennbare Al¬
teration des Rückenmarkes oder seiner Hüllen bis zum zehnten
Brustwirbel; hier erweiterte sich der Wirbelkanal zu einer
etwa hühnereigrossen Höhle, welche mit einem Tumor von
gleicher Grösse ausgefüllt und zur Hauptsache durch einen so
bedeutenden Substanzverlust im 10. und 11. Rückenwirbelkörper
gebildet wurde, dass nur die Seitentheile derselben erhalten ge¬
blieben, der mittlere Theil dagegen bis auf die an der Vorder¬
fläche der Wirbelkörper herablaufende Fascia longitudinalis ge¬
schwunden war, und der eingeführte Finger durch diese bereits
sehr verdünnte Fascia direct in die Bauchhöhle gelangte. Die
Medulla war zwischen der Geschwulst und der hinteren Wand
des Wirbelkanals platt gedrückt, die Häute derselben erhalten
und ausser der abgeplatteten Form für das blosse Auge nur
eine grössere Weichheit der Markmasse bemerklich. Im tiefer
liegenden Theile des Wirbelkanals konnte eine pathologische
Veränderung picht wahrgenommen werden, und nahm hier auch
die Medulla wieder ihre normale Form und ConsiBtenz an —
die Geschwulst selbst war in eine von der Umgebung sich leicht
ablösende, nur mit der Dura mater verwachsene, cystenartige,
brüchige Membran gehüllt, und bestand in einer im Centrum
breiartigen, in der Peripherie consistenteren Masse, die sich
microscopisch als Zellensarcom herausstellte. Der Tumor am
Kopfe war von bedeutend grösserer Consistenz, bestand eben¬
falls aus einem Zellensarcom und durchsetzte den Processus
mastoideus bis zu den Höhlen desselben.
Nach 15jährigem Bestehen des Sarcoms am Kopfe hatte
sich demnach dies Recidiv im 10. Rückenwirbelkörper gebildet,
und 7 Monate, nachdem es symptomatisch in Erscheinung ge¬
treten, zum Tode geführt.
Als ätiologisches Moment möchte noch zu erwähnen sein,
dass die Mutter der Patieptin lange ^ahre an Tuberculose ge¬
litten hatte und einige Monate vor dein Tode der Tochter dieser
Krankheit erlegen war.
IV. Babiin aRtarthriticnm ladicpa.
Von
Dr. H* v. Hölder, Ober-Medicinalrath in Stuttgart.
Herr F. Huber, Director der Würtembergiscfyen Handels¬
gesellschaft, dessen Arzt ich bin, übergab mir vor etwa 4 Jahren
unter dem Namen „indischer Balsam a einen Pflanzensaft mit
der Bitte, Heilversuche damit anzustellen. — Derselbe sagte
mir, der Saft stamme aus den Tropen und werde von einem,
wahrscheinlich zu der Familie der Leguminosen gehörigen Baum
dadurch gewonnen, dass die Eingebornen Vertiefungen in die
grösseren Stämme hauen, in welche sich der Saft, so wie er
mir übergeben wurde, ansammele.
Die Eingeborenen sollen ihn zu Einreibungen am ganzen
Körper verwenden, um ihre Haut gegen den schädlichen Einfluss
der Feuchtigkeit und des Temperaturwechsels unempfindlich zu
machen, und namentlich auch, um rheumatische Schmerzen da¬
mit zu beseitigen.
2 *
Original from
UNIVERSiTf OF MICHIGAN
384
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 26
Der Saft ist von Syrupsconsistenz, hat einen eigentümlich
übelriechenden und beim Reiben stärker hervortretenden Geruch,
eine hellbraun trübe Farbe. —- Er enthält viel Pflanzenschleim,
welcher durch kurzes Aufkochen und Abfiltriren entfernt werden
kann, ohne die Wirkung wesentlich zu beeinträchtigen oder den
Geruch zu zerstören. — Dadurch wird er natürlich klarer.
Gegen acuten sowohl, als chronischen Muskelrheumatismus
wirkt er vorzüglich und übertrifft, meinen Erfahrungen nach, alle
anderen äusserlichen Heilmittel. In leichteren Fällen beseitigen
schon wenige Einreibungen die Schmerzen in ganz kurzer Zeit.
Beim acuten Gelenkrheumatismus habe ich die Einreibungen
als äusserliches Unterstützungsmittel der Salicylsäure häufig an-
gewendet, und bin überzeugt, dass sie wesentlich zur rascheren
Beseitigung der bei der Salicylsäure länger anhaltenden schmerz¬
haften Steifigkeit der Gelenke beitragen. — Die Wirkung beim
chronischen Gelenkrheumatismus und der Arthritis deformans
ist natürlich eine weniger auffallende, doch habe ich dieselben,
besonders bei letzterer, als gutes Unterstützungsmittel einer
massvollen Massage erprobt.
Gegen die Anfälle der Arthritis leistet der Balsam anfangs
nicht mehr als die bisher gebräuchlichen äusserlichen Mittel;
wenn aber die entzündliche Rothe und Schmerzhaftigkeit des
Gelenkes geringer geworden sind, so beschleunigen die Ein¬
reibungen unzweifelhaft die Wiederkehr einer schmerzlosen Be¬
weglichkeit derselben.
Zwei bis dreimal täglich wiederholte Einreibungen einer
verhältnissmässig geringen Menge des Balsams reichen in der
Regel aus; in den gewöhnlichen Fällen schon ein halber Kaffee¬
löffel voll, denn der Balsam giebt sehr aus und haftet lange.
Mit der innerlichen Anwendung habe ich keinen Versuch
gemacht.
V. Carbelsäare bei wanden Brustwarzen.
Von
Dr. W. Bernhardt in Eilenburg.
Der Aufsatz des Herrn Dr. Haussmann in Berlin, über
Behandlung wunder Brustwarzen mit 5*/ 0 iger Carbol-
säurelösung (No. 14 d. W.), veranlasst mich, nicht etwa um
einen Prioritätsstreit zu beginnen, sondern um die Casuistik zu
vermehren und zu zeigen, dass die Carbolsäure, auch noch in
anderer Weise applicirt, gute Dienste geleistet hat, mitzutheilen,
dass ich im October 1876 eine Frau mit einer Carbolsäure-
salbe (0,5 ad 10,0) behandelt und einen sehr guten Erfolg
erzielt habe. Ich habe die Frau jetzt, nachdem ich den qu. Auf¬
satz gelesen, noch wieder nach den einzelnen Umständen gefragt,
und sie hat mir mitgetheilt, dass sie das Kind ununterbrochen
angelegt habe und die Salbe zwei Mal habe machen lassen.
Wie ich auf die Carboisäuresalbe gekommen, die ich jedenfalls
nicht hatte „stehen sehen", ich weiss es nicht mehr genau,
wahrscheinlich weil alle anderen Mittel sich nie recht bewährt
hatten, so dass man schon selten zur Behandlung wunder Brust¬
warzen kommt, da die Hebammen bei geringerer Pein — denn
den Höllensteinstift führen sie denn doch nicht — keine schlech¬
teren Resultate erzielen.
Vielleicht werden Collegen veranlasst, weitere Versuche zu
machen und auch: ob Lösung, ob Salbe?
VI. Referate.
Die contagiöse Pneumonie.
ln der Strafanstalt Moringen beobachtete Kühn (Deutsches Archiv
für klinische Medicin, Bd. XXI. Heft 4) im Jahre 1875 eine grössere,
in epidemischer Weise auftretende Zahl von Pneumonien, die durchaus
den Character der Infectionskrankheit, und zwar einer contagiösen
! trugen. Bereits im Voijahre, in welchem die Anstalt überfüllt war.
waren zahlreiche fieberhafte Erkrankungen etwas variirender Natur vor¬
gekommen, die aber alle das gemeinschaftliche einer besonderen Be¬
troffenheit des Nervensystems und auch Neigung 'zu Erkrankungen
der Respirationsorgane hatten; im folgenden Jahre trat besonders bei
solchen Inhaftirten, die in einem vor kurzem fertig gewordenen, noch
feuchten Neubau wohnten, in intensiver Weise diese epidemische Er¬
krankung wieder hervor, jetzt aber mit der ganz entschiedenen Neigung
und schliesslich mit regelmässigem Auftreten von pleuro-pneumonischen
Processen. Von ca. 80 beobachteten Fällen dieser Art, boten 45
eine schwere Erkrankungsform, die folgende wesentlichen Symptome
zeigte. Nach 4 —8tägigen Prodromen vager, vorzüglich unter Er¬
schöpfung und nervösen Störungen ablaufender Symptome, begann
unter Frösteln, sehr selten unter Schüttelfrost, ein rasches Ansteigen
der Temperatur, bei gleichzeitiger Apathie, Bronchialkatarrh, belegter
Zunge mit rothem, nach hinten mit der Spitze gerichteten Dreieck und
deutlicher, diagnostisch wichtiger Angina catarrh., sehr starker Milz-
vergrösserung und Eiweisstrübung des Harnes; nachdem dieser Zustand
2—3 Tage gedauert, traten die pleuropneumonischen Processe deutlich
hervor: dieselben waren meist lobär, sehr häufig in den oberen und
dem rechten Mittellappen belegen, die Hepatisation war häufig wenig
constant in der Weise, dass der Schall sich bald wieder aufhellte und
statt des Bronchialathmens unbestimmtes Athmen auftrat, dafür aber
— wie bei wandernden Pneumonien — ein anderer Abschnitt ergriffen
j wurde; auch Nachschübe, bei schon eingetretener Entfieberung, unter
I plötzlicher Temperaturzunahme kamen vor. Sehr häufig waren auch
j lobuläre Verdichtungen in dem Oberlappen. Stets fanden sich schwere
pleuritische Symptome, nicht selten Pericarditis. Dabei von Seiten des-
Gehirns grösste, bis zur Bewusstlosigkeit sich steigernde Apathie oder leb¬
hafte Delirien; in 5 Fällen kam es zu ausgesprochener Meningitis, von
welchen 3 letal, 2 mit nachfolgender Dementia endigten. Albuminurie
blieb meist durch die ganze Fieberperiode, Milzanschwellung stieg bis
zur ersten Woche und ging dann zurück. Obwohl das Krankheitsbild,
besonders wenn Diarrhoen dazutraten, mit Typhoid vielfach Aehnlichkeit
hatte, so bot doch der Temperaturverlauf, der im ganzen für Pneumonie
durchaus charactcristisch war, ein wesentliches Unterscheidungsmittel.
Nur ging die Temperaturcurve im Beginn nicht so steil hinauf, wie bei
genuiner Pneumonie: nach der am 5—7. Tage stattfindenden deutlichen
Remission, trat bei Nachschüben ein neuer pneumonischer Fiebercyclus
auf, oder das Fieber wurde je nach den Complicationen (Pericarditis,
Pleuritis etc.) atypisch. Den ausgebildeten Fällen stehen Abortivformen
gegenüber, die entweder hinsichtlich des Fiebers den Character einer
Ephemera protracta trugen, oder auch, nach allmäligcm Ansteigen der
Temperatur, eine 2—3 Tage Febr. continua zeigten, um dann allmälig
oder plötzlich zur Norm zuriiekzukehren: diese Formen führten ent¬
weder gar nicht zur Entstehung eines specilischen Localprocesses oder
es kam in denselben nur zur Anschoppung der Lunge. Bei 16 Sectionen
— von denen 10 in der Göttinger Anatomie gemacht wurden — zeigte
sich ausser den pleuropneumonischen Processen verhältnissmässig häufig
Meningitis, ganz constant Milzschwellung und parenchymatöse Nephritis,
häufig Pericarditis und starke Schwellung der Darmfollikel. Auch diese
anatomischen Befunde sprechen deutlich für den Character der Er¬
krankung. Dieselbe erwies sich, wie erwähnt, als contagiüs, und zwar
wurde die Krankheit nicht nur direct von Erkrankten auf anderen
z. 13. von erkrankten Aufsehern auf Familienglieder, welche nie in die
Anstalt kamen, übertragen, sondern der Krankheitsstoff wurde nach¬
weislich von Gesundgebliebenen aus der Anstalt in andere Localitäten
verschleppt. Nach alledem ist es nach Verf. sicher, dass es eine con¬
tagiöse Krankheit giebt, welche unter dem für „primär asthenischen
Pneumonien“ (Leichtenstern) vorgezeichneten Bilde verläuft, aber
von den genuinen Pneumonien scharf abzugrenzen ist. Beide Krank¬
heiten sind nach Verf. so verschieden, wie Typhoid und Typhus exan-
thematicus. Mit den typhoiden Erkrankungen steht die contagiöse
Pneumonie jedenfalls in Beziehung und es bleibt nach Verf., der über¬
haupt die Möglichkeit des Uebcrgangs einer Infectionskrankheit in eine
andere für zulässig hält, nicht unwahrscheinlich, dass die contagiöse
Pneumonie in die eigentlichen Typhuserkrankungen übergehen kann.
Es verdient noch hervorgeholcn zu werden, dass die Zahl der Typhoid¬
erkrankungen im Jahre 1875 unter den Bewohnern der Stadt Moringen
eine fast verschwindend kleine blieb.
Eine kleine Epidemie eben dieser Pneumonieform hatte Müller in
Gunzenhausen (Ibidem Band XXI. Heft 1) vor mehreren Jahren beob¬
achtet. Eis erkrankten in einem Hause im Spätherbst 3 von den 4 Haus¬
bewohnern und 2 besuchende Verwandte, Personen sehr verschiedenen
Alters, u. a. ein 5 jähriges Kind, an Pneumonie, deren Temperaturverlauf
dem der genuinen Pneumonie entsprach, die aber in dem Hervortreten
der gastrischen Symptome, der Delirien und der Soranulenz, dem ty¬
phösen Zungenbeläge und dem gemeinschaftlichen Auftreten durchaus
die Cliaractere einer Infectionskrankheit zeigte. Pleuritis complicirte die
Krankheit in drei Fällen. Die Krisis trat am 9., 7. und 5. Krankheits¬
tage ein. Der erste Krankheitsfall im Hause war am 25. November,
die übrigen vom 5. bis 10. December erfolgt.
L un gen cn tzünd ung in Folge von Unfäl len, o hn e Verletzung.
Ein Fall von Lungenentzündung, welcher direct in Folge einer Er
schiitterung bei einem Zusarnmenstoss auf der Eisenbahn entstand,
bildete vor kurzem den Gegenstand einer civilreehtlichen Verhandlung
in Leeds (Lancet vom *27. April 1878). Der betroffene hatte an dem
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1 Juli 1878. BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 385
Tage des Unfalls, dem 19. Juni, nachweislich gesund sein Haus verlassen,
wurde bei dem Zusammenstoss sehr heftig geschüttelt, ohne dass aber
eine Seite einen besonders heftigen Stoss empfing, und durch diesen
Unfall heftig erschreckt. Am Orte seiner Bestimmung fühlte er sich
sehr schwach, klagte über seinen Rücken, vollbrachte indess noch
einiges Geschäftliche und kehrte am Nachmittag nach Hause zurück.
Sein Arzt fand an demselben Tage sein Athmen beschleunigt , Klagen
über Schmerzen in der rechten Seite und im Rücken waren vorhanden
und dieselbe Seite zeigte sich sehr empfindlich, doch war keine Spur einer
äusseren Verletzung vorhanden. Am folgenden Tage zeigten sich die
Symptome von Pneumonie in dieser Seite, zu welcher sich am 26. Juni
die der Pleuritis hinzugesellten, eine Diagnose, die von Clitford Albutt
am Tage des Todes, am 3. Juli, und durch die Section bestätigt wurde.
Beide Äerzte gaben ihr Urtheil dahin ab, dass die Pneumonie eine
Folge des Shok des Nervensystems und des dadurch herbeigeführten
Einflusses auf die Circulation des Blutes in den Lungen sei. Der
Richter schloss sich dem Urtheil der Sachverständigen an und die
Gesellschaft wurde zum Schadenersatz verurtheilt. Der Fall würde
somit nach der Auffassung von Albutt mit Bezug auf den Einfluss
der Nerven auf die Entstehung von Lungenentzündung von Interesse sein.
Ebenfalls eine Pneumonie in Folge eines Trauma ohne sichtbare
äussere Verletzung, die aber mit Sicherheit als directe Folge des Stosses
angesehen werden kann, wird aus le De nt u’s Klinik im Hospital St. An¬
toine von Lapierre beschrieben (France medicale vom 1. Mai 1878).
Ein 25jähriger Mann empfing einen heftigen Stoss in die linke Seite,
empfand bald darauf starke Athemnoth und hustete Blutgerinnsel in ziem¬
licher Quantität aus; Abends trat Hitze, gegen Mitternacht heftiger Frost
ein, und am 4. Tage, wo der Kranke das Hospital aufsuchte, wurde ganz
zweifellos eine Lungenentzündung des unteren Lappens der linken Lunge
constatirt, ohne dass eine Spur einer äusseren Verletzung sich fand.
Am Abend des 5. Tages nach einem Aderlass erhebliche Besserung,
schnelle Heilung. Einen ganz ähnlichen zweiten Fall beschreibt der¬
selbe Autor aus demselben Hospital bei einem 25jährigen Manne, bei
welchem Alcoholismus die Erscheinungen zu sehr heftigen machte, indess
doch Genesung eintrat.
Ueber Argyrie der inneren Organe.
In der Sitzung der Gesellschaft der Aerzte zu Wien am 1. März d. J.
sprach WeichseIbaum über Argyrie der inneren Organe, unter Vor¬
weisung von Präparaten. Die meisten Organe und Gewebe zeigten schon
bei freiem Auge die durch Silberablagerung bedingte Verfärbung in’s
bläulich-graue oder dunkelgrauc. Microscopisch zeigte sich das abge¬
schiedene Silber theils unter der Form ausserordentlich feiner, einzel¬
stehender oder zusainmenfliesscnder schwarzer Körnchen, theils als diffuse
braune Verfärbung der ergriffenen Gcwebselemente. Die Ablagerungs¬
stätten sind die Wandung der kleinen Arterien und Venen, der Zwischen-
substanz des fibrillären Binde- und Knorpeigewcbes, sowie die Membr.
propria mancher Drüsen: die zelligcn Elemente sind dagegen stets frei.
Relativ geringfügig war die Silberablagerung im Magen, Darm, in der
Milz und im Respirationstracte, etwas bedeutender in der Leber, im
Urogenitalapparate und in der Dura mater, noch bedeutender im Plex.
choroid., in den Zungenpapillen, im Endocard, in der Intima der grossen
Arterien, in den Gekröslymphdrüsen, Schilddrüsen, Nebennieren und in
deT Synovialis und den Knorpeln der Gelenke. Gehirn und Rücken¬
mark waren ganz frei. Die Silbematur der gefundenen Körnchen wurde
chemisch constatirt, ob es aber in metallischem Zustande, oder ob es
Chlor- oder Schwefelsilber war. sollte erst später festgestellt werden.
In derselben Sitzung berichtete Neumann über einen Fall von
Argyrie der Haut. Es fand sich in dem vorliegenden, wie in früheren
FäHen, dass Silber am dichtesten im Corp. papill. angehäuft war,
einzelne Körner waren auch in den übrigen Lagen der Cutis, dichter
an der Aussenwand der Haarbälge und Talgdrüsen, namentlich an den
Wandungen der Schweissfollikel, vereinzelt im Sarkolcmma der Muskeln,
in dem Neurolemma, in der Media und Advcntitia der Gefässe und
zwischen den Fettzellen. Die Epithelialelemente (Rete Malpighii, Aus¬
kleidung der Drüsen, der Wurzelscheiden) waren frei.
VII. Verhuillnfti ärztlicher Gesellschaften.
BerHmer ■ediciaisek« teidbdaft,
Sitzung vom 13. Februar 1878.
(Schluss.)
Herr Litten: Die Hypertrophie, welche sich im Verlauf der so¬
genannten parenchymatösen Nephritis ausbildet, ist von Herrn Senator
zurückgeführt worden auf Zurückhaltung des U im Blut; eine Annahme,
welche ganz plausibel erscheint, seitdem man weiss, dass U einspritzungen
den Blutdruck steigern. Ich selbst habe bereits vor Jahresfrist, von der¬
selben Idee ausgehend, Versuche angestelit, um durch täglich wieder¬
holte uinjectionen unter die Haut (5 Grmm. pro die) Herzhypertrophien
zu erzeugen. Dies gelang mir bisher niemals. Allerdings haben wir es
bei den Versuchshunden mit gesunden Nieren zu thun, welche den ein¬
geführten u sehr schnell und vollständig sccemiren. Indess tritt doch
jedesmal bei meiner Versuchsanordnung eine mehr oder weniger lange
anhaltende Blutdrucksteigerung ein, welche schliesslich doch die An¬
nahme einer resultirenden Hypertrophie gerechtfertigt erscheinen Hesse.
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Dies ist wie gesagt nicht der Fall. Andererseits gelingt der Nachweis
durchaus nicht immer, dass bei der parenchym. Nephritis der Ugehalt
des Blutes vermehrt ist, trotzdem eine Herzhyp. besteht. Hiervon konnte
ich mich in einem äusserst prägnanten Fall überzeugen. Ferner ist es
mehr als auffallend, dass bei der reinen Form der parenchymatösen
Nierenerkrankung die Herzhypertrophie so selten eintritt (vielleicht nur
in 1% der Fälle), während doch die Bedingungen für dieselben (Reten¬
tion des u im Blut) bei allen Fällen vorhanden sin.d
Was die Behauptung des Herrn S. anbetrifft, dass die Hypertrophie
bei der Nierencirrhose überwiegend häufig eine concentrische sei, so muss
ich dem auf Grund meiner Erfahrungen widersprechen. Ich habe behufs
dieses Zweckes eine grössere Reihe von Sectionsprotocollen durchgesehen
und finde etwa in der Hälfte der Fälle die Dilatation des linken Ven¬
trikels ausdrücklich erwähnt.
Auch der Ansicht des Herrn S., dass in einer Anzahl von Fällen
; interstitieller Nephritis die pleuritischen Adhäsionen zum Zustandekommen
| der linksseitigen Herzhypcrthrophic beitrügen, kann ich nicht beipflichten,
I da diese doch in erster Reihe auf den rechten Ventrikel einwirken müssten,
j und die Häufigkeit einer gleichzeitigen rechtsseitigen Herzhypertrophie
bei der Nierenschrumpfung gerade keine grosse ist.
; Was schliesslich die Vermehrung der Harnausscheidung bei Beginn
der interstitiellen Nierenerkrankung betrifft, so scheint es mir ausser¬
ordentlich schwer, ja unmöglich, den Beginn einer so schleichend ■ver¬
laufenden Krankheit zu erkennen. Namentlich findet inan in den von
1 Herrn S. angezogenen Fällen, in welchen das Nierenleiden erst durch
den Augenspiegel entdeckt wird, bei der Harnuntersuchung fast stets
j Albumen. Ganz intelligente Kranke, welche ich beobachtete, datirten
den Beginn ihres Leidens nur wenige Wochen zurück — und doch er¬
gab die bald ausgeführte Obdnction hochgradige Schrumpfung beider
Nieren. Herr S. legt ein ganz besonderes Gewicht auf die Vermehrung
der Wasserausscheidung, namentlich in früheren Stadien der Krankheit.
Ich gebe das Symptom unbeanstandet zu, möchte aber die Frage auf¬
werfen, ob die Vermehrung der Diurese wirklich das erste Symptom
der Krankheit ist. oder ob dieselbe nicht erst vielleicht dann eintritt,
wenn sieh bereits eine Hypertrophie des linken Ventrikels, die ja zu¬
weilen gar nicht nachzuweisen ist, ausgebild^t hat. Immerhin wäre es
denkbar, dass die Hypertrophie die Folge einer am Anfang der Erkran¬
kung stattfindenden Wasserretention wäre, und dass in einem so früh¬
zeitigen Stadium der Krankheit noch keine Oedeme aufträten, weil die
Gefässe der Haut noch intaet sind. Die bekannten Versuche, in weichen
künstliche Plethora des Gefässsystcms keine Blutdrucksteigerung ver¬
ursachte. sind vielleicht doch nicht direct für die vorliegenden Verhält¬
nisse vollständig verwerthbar, weil es sich hier um einen exquisit chro-
1 nischen Verlauf, dort um einen ganz acuten Eingriff handelt. Jeden¬
falls haben wir keinen entscheidenden klinischen Beweis dafür, dass zu
Beginn der interstitiellen Nicrenerkrankung die Harnmenge und die Harn¬
stoffausscheidung vermehrt ist.
Herr A. B a g i n s k y: Traube hat, was Herrn Senator ent¬
gangen zu sein scheint, ausser seiner bekannten Theorie des Zusammen¬
hanges der Herz- und Nicrenkrankheiten, augenscheinlich unter dem Ein¬
druck neuer Thatsaehen eine andere vorgetragen, welche im wesentlichen
; mit der im ersten Theile von Herrn Senator gegebenen übereinstimmt.
! Ich halte es für meine Pflicht dies zu erwähnen, da ich gelegentlich
eines Referates für die S chmidt’schen Jahrbücher im Jahre 1873 mit
| Traube’s Anschauungen bekannt wurde. In dem betreffenden Referat
(Schmidt’s Jahrb., Bd. 161, Heft 3, p. 262) heisst es: Dr. Fother-
i gill berichtet über eine Unterredung mit Traube in Berlin, aus welcher
; hervorgeht, dass letzterer 2 Formen von Gefassveränderungen annimmt,
, l) eine Degeneration der Gefässwände 2) eine wahre Hypertrophie der
Muscularis der kleinen Arterien. Letztere entstehe durch wiederholte
krampfhafte Contractionen der kleinen Gefässe, welche das mit Stoffen
| der regressiven Metamorphose überladene Blut durch Reizung des vaso¬
motorischen Centrum zu Wege bringe. Es entständen dadurch Behinde-
| rungen des Blutstromes ifnd Hypertrophie des linken Herz Ventrikels,
i und da nun beide musculäre Enden des arteriellen Gcfässsysteras hyper-
trophirt und übermässig gegen einander thätig seien, so werde die Elasti-
I cität der grossen Gefässe, welche den beiderseitigen Widerstand zu er¬
tragen habe, herabgesetzt. Auf solche Weise entwickele sich das Atherom.
, Die von Grainger-Stewart hervorgehobene Neigung aller Nieren-
i krankheiten zur Schrumpfung erkläre sich ans der Hyperämie, die hier,
wie in jedem andern Organe zur Bindegewebsausbildung führen müsse. —
, Man sieht, dass Traube den schroffen Unterschied zwischen der Granular-
atrophie und den chronisch -parenchymatösen Entzündungsformen aller¬
dings nicht gemacht hat. Dies konnte er auch nicht, da er von der
! Ueberzeugung ausging, dass es überhaupt keine Parenchymerkrankung
I der Niere giebt, bei welcher nicht das interstitielle Gewebe mitbetheiligt
ist. Sieht man sich die Sache etwas genauer an, so wird die scharfe
Trennung chronisch-parenchymatöse Entzündung und chro¬
nisch-interstitielle Entzündung sich kaum aufrecht erhalten
lassen, und es geht dies schon daraus hervor, dass gerade ira Gegen¬
satz zp Traube der Engländer Johnson von der Anschauung aus¬
geht, dass es überhaupt keine interstitielle Erkrankungsform gebe, bei
der nicht zuerst das Parenchym erkrankt sei. — Man thut also ent¬
schieden besser, die anscheinend exacte anatomische Bezeichnung chro¬
nisch interstitiell und chronisch parenchymatös gänzlich zu
verlassen, und anscheinend weniger exact, aber von Grund aus richtiger
die Bezeichnungen zu wählen, welche die Engländer haben, indem sie
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
386
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 26
von der „grossen weissen Niere“ und der „rothen Schrumpf-
nie re“ sprechen.
Wenn ich nun auf das Krankheitsbild noch ein wenig eingehen soll,
welches Herr Senator von der Schrumpfniere entworfen hat, so möchte
ich dasselbe dahin ergänzen, dass Hydrops allerdings fast niemals bei
den Kranken vorkommt, dass sich dieselben also schon in ihrem Aus¬
sehen von den an Morbus Brightii (an grosser weisser Niere) erkrankten
Personen unterscheiden. Die Kranken mit rother Schrumpfniere sind
bleich und ab gemagert. Wenigstens habe ich die ja immerhin nur
geringe Zahl meiner Kranken ganz erheblich in der Ernährung zurück¬
gehen sehen. Ganz besonders auffallend ist die tief bleiche Farbe. Ich
möchte ferner hervorheben, und dies ist für die Practiker von erheblicher
Wichtigkeit, dass die Kranken eine hervorragende Zerrcisslichkeit der
Blutgefässe documentiren, so dass sie häufiger Hirnhämorrhagien
unterliegen. Man achte bei Fällen von Hirnapoplexien wohlweislich auf
die Nieren, prüfe den Urin, weil man mit einem Schlage in das Krankheits¬
bild einen anderen Einblick gewinnt. Sehr geübte Diagnostiker sind
bei derartigen Fällen schon im Stande, aus der Radialspannung allein
die Diagnose zu steilen, wie ich dies in einem Falle, welcher noch in
meiner Obhut ist, von Traube gesehen habe.
Herr Senator: Was zunächst meine von den Vorrednern bestritte¬
nen Angaben über die Harnstoff-Ausscheidung in typischen Fällen
chron. interst. Nephritis betrifft, so bemerke ich erstens, dass ich selbst
nicht, wie Herr B. Frankel meint, aus der Harnmenge dieselbe nur
geschlossen, sondern sie direct untersucht und nicht vermindert gefunden
habe. Meine Bestimmungen halte ich für durchaus genügend, da ich
einige Mal auch zum Vergleich bei andern unter ähnlichen Ernährungs¬
verhältnissen stehenden Personen den Harnstoff bestimmt und keine er¬
heblichen Verschiedenheiten gefunden habe. Die Angabe des Herrn
Ewald ferner, dass die neuesten Schriftsteller nnd insbesondere Bartels
ubereinstimmeud und im Gegensatz zu meiner Darstellung von einer ver¬
minderten Ausscheidung des Harnstoffs und von einer Anhäufung des¬
selben im Blut bei chron. int. Nephritis sprechen, muss ich als irrthüm-
lich bezeichnen. Ich behalte mir vor, den Beweis dafür durch Vorlegung
der neuesten Schriftsteller in der nächsten Sitzung zu liefern*) und na¬
mentlich zu zeigen, dass Bartels’ Blutuntersuchungen sich nur auf
den letzten Zeitraum beziehen und er sich vor einer Schlussfolgerung
auf die Beschaffenheit des Blutes in der früheren Zeit ausdrücklich ver¬
wahrt. — Uebrigens müsste man, selbst wenn gar keine Harnstoff¬
bestimmungen vorlägen, schon nach der Thatsache, dass die Harnmenge
nicht vermindert, sondern selbst vermehrt ist, und dabei, wie so ge¬
wöhnlich, kein Hydrops besteht, es als ganz unwahrscheinlich bezeichnen,
dass ein so leicht löslicher und diffusibler Körper, wie Harnstoff, im Blut
zurückgehalten werden sollte; denn es müsste dann, wie auch Herr
Ewald richtig bemerkt hat, eine Eindickung des Blutes stattfinden,
welche sehr bald nicht eine Vermehrung, sondern Verminderung der
Hamsecretion bewirken würde, die doch eben nicht stattfindet. Uebri¬
gens würde, wenn eine Eindickung des Bluts stattfände, die Harnstoff¬
vermehrung im Blute gerade, deswegen noch keine verminderte Aus¬
scheidung des Harnstoffs beweisen, sondern nur vermehrte Wasser¬
ausscheidung.
Meine *\ngabe, dass die Lichtung der verdickten Gefässe verengt
sei, habe ich nur mit Rücksicht auf die Beschreibung von Gull und
Sutton gemacht. Der Einwand des Herrn Ewald, dass eine Verenge¬
rung nicht nachweisbar sei, mag berechtigt sein, doch wird dadurch
meine Erklärung nicht berührt, da gleichviel, ob die Gefässe verengt
oder nicht verengt sind, jede Verdickung der Gefässwandungen die Herz¬
arbeit erschweren muss, und darauf allein kommt es an.
Die Versuche des Herrn Ewald über die Transpiration des mit Harn¬
stoff überladenen Blutes habe ich nur der Kürze halber nicht erwähnt,
zumal da es für die hier vorliegende Frage gleichgiltig ist, wodurch der
Harnstoff den Blutdruck erhöht. Hier für uns ist die Druckerhöhung
allein das wesentliche.
Der Angabe des Herrn Litten, dass bei chron. parenchymatöser
Nephritis nach den Journalen der medicimschen Klinik von mehreren
Jahren überhaupt nur einmal Herzhypertrophie sich gefunden habe, steht
die Angabe des Herrn Ewald entgegen, wonach unter 16 Fällen chron.
pareneh. Nephritis auf derselben Klinik 5 Mal sich Herzhypertrophie fand.
Thatsache ist, dass, freilich viel seltener als bei interst. Nephritis, sich
Hypertrophie und zwar hier mit Dilatation findet und ebenso, wie ich
anführte, zuweilen bei gewissen anderen chronischen Nierenleiden (Hydro-
nephrose, Mangel einer Niere etc.).
Den Pleuraverwachsungen habe ich keineswegs einen „hervor¬
ragenden“ Antheil an derJErzeugung der Herzhypertrophie zugeschrieben,
sondern ich habe nur hervorgehoben, dass man sie bisher bei der Wür¬
digung der Herzhypertrophien neben Nierenleiden nicht berücksichtigt
habe, während sie bei der Sichtung der Fälle ebenso, wie die Klappen¬
fehler berücksichtigt werden müssen. Sie bewirken allerdings zuerst eine
rechtsseitige, können aber auch ausserdem noch eine linksseitige Hyper¬
trophie bewirken, gerade so wie Mitralfehler. Auch Herr Ewald hat
in seiner Abhandlung bemerkt, dass die Herzhypertrophien bei Nieren¬
leiden gar nicht selten das ganze Herz betreffen und nicht blos den
linken Ventrikel.
Ich stimme Herrn Litten darin bei und habe selbst angegeben,
dass die chron. interst. Nephritis sehr schleichend und unmerklich be¬
ginnt, so dass man den Anfang nicht mit Bestimmtheit bezeichnen kann,
*) Vel. das nächste Protocoll.
Digitized b'
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aber seine Vermuthung, dass immer eine Periode mit verminderter Harn¬
ausscheidung vorhergehe, ist ganz unhaltbar. Bei der typischen Nieren-
cirrhose findet man, wenn man noch so frühzeitig untersucht, die Ham-
menge nicht vermindert, sondern eher noch vermehrt und gerade dies
zugleich mit den sonstigen Characteren des Urins lässt erst die Diagnose
stellen. Ohne dies ist die Krankheit vielleicht latent und existirt für
uns nicht. Denn wenn eine Periode verminderter Harnabscheidung vor¬
her gegangen ist, so handelt es sich nicht um diese primäre interstitielle
Nephritis, sondern um die sogenannte secundäre Nierenschrumpfung.
Auch scheint mir ein Widerspruch darin zu liegen, dass er in seinem
Experiment von Hamstoffeinspritzungen zwar Erhöhung des Blutdrucks,
aber keine Herzhypertrophie gefunden hat, dagegen bei der Nephritis
die Hypertrophie von der präsumirten, dem sichtbaren Beginn der Krank¬
heit vorhergehenden Harnstoffzurückhaltung, wenn ich richtig verstanden
habe, ableitet.
Die historische Notiz des Herrn Baginsky war mir entgangen,
sonst hätte ich nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, dass Traube selbst
seine ursprüngliche Theorie zuletzt aufgegeben zu haben scheint, dass
aber die neue Erklärung von der meinigen ganz und gar verschieden
sei. Denn erstens hat ja Traube die Trennung in sogenannte parenchy¬
matöse und interstitielle Nephritis nicht gemacht und zweitens stelle ich
gerade für die letztere, welche ja hauptsächlich bei den Herzhypeitrophien
in Frage kommt, die Anhäufung von Harnstoff im Blut in Abrede, welche
j Traube zur Erklärung heranzieht.
Herr Litten: Ich glaube, dass Herr Ewald Fälle von parenchy-
! matöser mit solchen von interstitieller Nephritis zusammengestellt hat:
daraus erklärt sich der Befund von Hypertrophie des Herzens.
| Ferner habe ich nicht behauptet, dass zurückgchaltener Harnstoff
j keine Hypertrophie veranlasse; ich habe von der Harn menge, nicht
1 von der Harnsto ff menge gesprochen.
' Dass ich durch das Experiment gefunden habe, eine tägliche Ein¬
spritzung von Harnstoff mache keine Hypertrophia cordis, wenngleich
i sie jedesmal den Blutdruck steigere, scheint Herrn Senator nicht er-
j heblich genug, eine Hypothese umzustossen, während er doch anderer¬
seits auch nur durch ein Experiment die T raube’s : chen Behauptungen
widerlegen will.
Herr Senator: Ich unterschätze den Werth des Experimentes nicht,
aber das von Herrn Litten angeführte Experiment widerlegt meine
Erklärung der Herzhypertrophie hei der parenchymatösen Nephritis
nicht, weil es für unsere Frage nicht beweisend ist. Denn es kommt
darauf an, ob der Blutdruck lange genug erhöht bleibt. Meine Erklärung
stützt sich nur auf allseitig anerkannte Thatsaclien, nämlich, 1) dass
; bei parenchymatöser Nephritis Harnstoff im Blut sieh anhäuft, 2) dass
i eine Anhäufung von Harnstoff den Druck erhöht und 3) dass ein erhöhter
: Druek, wenn er lange anhält, Dilatation und Hypertrophie des Herzens
■ hervorrufen kann, aber nicht nothwendig muss. Wenn eine dieser That-
, Sachen als falsch erwiesen wird, so wird meine Erklärung hinfällig.
| Für Herrn Litten bleibt aber zu beweisen, 1) dass entgegen der allgc-
| meinen Annahme bei interstitieller Nephritis allererst eine Wasseranhäu-
fung im Blute stattfindet und 2) dass entgegen den Experimenten über
die Transfusion eine Ueberfüllung des Gefässsystems dauernd bestehen
und den Aortendruck erhöhen kann.
Herr Ewald: Ich möchte nur noch bemerken, dass die Disc-ussion
über Hypertrophie des rechten und linken Ventrikels sich leicht auf¬
klären würde, wenn wir darüber immer klar wären, in welchen Fällen
wir es mit interstitieller Nephritis mit parenchymatöser Degeneration zu
: thun haben und in welchen Fällen eine rein interstitielle chronische
; Nephritis vorliegt. Das ist ungeheuer schwer von einander zu ur.tei-
j scheiden. Ich habe eine Menge von Fällen untersucht und gefunden,
j dass eine reine interstitielle Nephritis sehr selten und fast immer mehr
i weniger parenchymatöse Degeneration dabei ist. Es hängt von der
Willkür des Diagnostikers ab, ob er sagt, hier ist eine rein interstitielle
Nephritis oder eine Mischform vorhanden, und ich habe ausdrücklich aus
diesem Grunde in meiner mehrerwähnten Abhandlung beide Formen in
einer Gruppe abgehandelt. Der eine Fall, auf den sich College Litten
bezieht, würde als ein solcher Fall mit einer Herzhypertrophie zu be¬
trachten sein, den ich vorhin ja auch erwähnt habe. Was meine Be¬
merkung über den Harnstoff anbetrifft, so bezieht sich dieselbe nicht
auf das Blut, sondern auf den Harn.
Allgemeiner AriUieker Verein ln Celn.
Sitzung vom 22. October 1877.
1) Herr Rheinstädter berichtet einen vor vier Wochen beob¬
achteten Fall von Eclampsie im 6. Schwangerschaftsmonate, complicirt
mit Morbus Brightii und Hypertrophie des linken Ventrikels. Bis dato
hatten sich keine Wehen gezeigt. Die Therapie der Anfälle bestand in
einem Chloralclystiere von 2 Gramm, wonach kein Anfall mehr eintrat-
Unter täglicher Anwendung schweisstreibender Mittel (zugleich Eis¬
beutel auf den Kopf) und Darreichung von Tartarus depur. in abführender
Dosis verschwanden die Exsudatcylinder aus dem Harn und der Eiweiss¬
gehalt, der sich zuerst durch Erstarren des ganzen Urins beim Kocher,
kund gegeben, wurde auf ein Minimum reducirt. Es ist dies ein Beweis
dass die auf Entlastung der Niere und Verminderung des Wassergehalt'-'
des Blutes ausgehende Therapie des Morbus Brightii auch in der Schwanger¬
schaft vor. Erfolg ist und daher auch prophylaotisch zur Verhütung v on
Eclampsie angewendet zu werden verdient.
Ueber den demnächstigen Verlauf des Falles soll später bericht-'!
Original from
UNIVERSITY OF MICHIGAN
1. Juli 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
387
werden: bei Wiederholung der Anfälle will Rh. eventuell zur künstlichen
Frühgeburt schreiten.
2) Herr Riegel: lieber die Behandlung der crouposen Pneumonie.
Nach einer kurzen kritischen Besprechung der neuerdings, insbesondere
von Jürgensen, Heidenhain gegen die Annahme der Pneumonie
als einer Localerkrankung geltend gemachten Gründe wendet sich der
Vortragende zu einer Darlegung der von ihm befolgten Principien der
Pneumonie-Behandlung. Da aus leicht ersichtlichen Gründen weder von
einer Coupirung. noch von einer causalen Behandlung die Rede sein kann,
so bleibt nur die symptomatische Behandlung übrig. Hier sind es zu¬
nächst zwei Momente, die besondere Berücksichtigung erfordern, d. i.
1. die gestörte Lungenthätigkeit, und 2. das Fieber. Beide wirken, wie
Jürgensen in seiner vortrefflichen Bearbeitung dieses Gegenstandes
im weiteren auseinandergesetzt, in letzter Instanz auf das Herz zurück.
Darum besteht die Aufgabe, das Herz während der Dauer der Pneumo¬
nie in den Stand zu setzen, diese beträchtliche Mehrleistung zu voll¬
bringen. Da aber besonders im Fieber ein das Herz schwächendes Mo¬
ment gegeben ist,, so muss auch das Fieber einer der ersten Angriffspunkte
der Therapie sein. Yortr. wendet in erster Linie kühle Bäd> r, meistens
indess nicht unter 20° an. Bei noch niedrigeren Graden wird um der
dann eintretenden stärkeren Verengerung der Hautgcfässe willen der
Wärmeverlust mehr beschränkt und darum zeigt sich auch keineswegs
eine mit der Zunahme der Temperaturerniederung des Bades parallel
gehende stärkere Temperaturherabsetzung des Körpers. In zweiter Linie
kommt das Chinin in der Dosis von 1—3 Gramm zur Anwendung. Da¬
gegen verwirft Yortr. für die in Rede stehende Erkrankung die Salicyl-
säure als Antifebrile.
Nach Besprechung der Behandlungsmethode der einzelnen Sym¬
ptome wendet sich Vortr. zur Besprechung der Behandlung der bereits
eingetretenen Herzschwäche, wie auch der Mittel dieser vorzubeugen.
Die Diät muss vom Anfänge an eine möglichst roborirende sein. Wein
muss in je nach dem Kräftezustande wechselnder Menge bereits vom ersten
Tage ab gereicht werden. Bei drohender Herzschwäche ist die stimu-
lirende Methode, vor allem Campher, mit aller Energie anzuwenden.
Sitzung vom 12. November 1877.
1) Das Protocoll der letzten Sitzung wird verlesen und genehmigt*
2) Herr Tuczek stellt die 8jährige Microcephale Johanna Becker
vor, die bereits wiederholt Gegenstand fachmännischer Untersuchung
war. Er erläutert sodann die Characteristica des microcephalen Schädels
und Gehirns an der Hand der Bischoff’- und C. Vogt’schen Unter¬
suchungen, mit Demonstrationen bildlicher und plastischer Darstellungen
und giebt eine kurze Darstellung der Theorien über die microcephale
Bildung. Nach C. Vogt repräsentirt dieselbe einen normalen Typus
aus der Entwicklungsreihe, nach Virchow und Bischoff stellt sie
eine Entwicklungshemmung dar.
3) Herr Schwarz: Ueber den Wirkungskreis der Aerzte in Kranken¬
anstalten. (Der Vortrag wird an anderer Stelle in extenso veröffentlicht
werden).
Sitzung vom 26. November 1877.
Herr Birnbaum führte eine Kritik aus über die verschiedenen
Methoden der Verkleinerung des Kopfes bei Beckenenge und
die davon abhängige Wahl der Instrumente, deren Resultat war, dass
lediglich die Eigentümlichkeit des gegebenen Falles hier massgebend
sei. Er sprach sich gegen die frühe Anwendung der Perforation als all¬
gemeines Verfahren aus, da hier allgemein keine feste Vorausbestimmung,
ob die Zange zum Ziele führen könne oder nicht, möglich sei. Der
Vorschlag, früh zu perforiren und dann abzuwarten, um später die
Extractionsverfahren auszuüben, mit der allgemeinen Empfehlung des
Kephaloblastes verbunden, könne höchstens bei den an die Kaiserschnitt-
indication grenzenden Beckenengen anknüpfen, sei aber hier sehr zwei¬
deutiger Natur und sonst allgemein verwerflich. Am verwerflichsten
sei in Fällen von Beckenenge diu frühe Anlegung der Zange, danach
aber die frühe Perforation, die manche Kinder opfern werde, die möglicher¬
weise noch in anderer Weise hätten erhalten werden können.
Der Nachtheil des Kephalotribs und der nach Perforation angelegten
Zange als Extractionsinstrument liege darin, dass die Basis des Schädels
unverkleinert beibe und so unverkleinert in das Becken gezogen werde.
Nach Eröflnung und Verkleinerung des Schädels lasse sich gerade
der senkrechte Kopfdurchmesser am leichtesten verkleinern, weil mit Ent¬
leerung des Gehirns das Schädeldach sich sehr leicht niederdrückc. Die
Basis des Schädels müsse daher statt mehr flach, möglichst steil zum
Beckeneingange gestellt werden, mit Niederziehung einer Seite derselben,
die zu Erhebung der andern führe. Die Scheitelfläche gleite dann bei
ihrer grossen Niederdrückbarkeit leicht am Promontorium oder an der
Symphyse vorbei ins Becken und statt des queren komme der senkrechte
Durchmesser mehr in den Eingang des Beckens und durch ihn hindurch.
Dieser schiefe Zug diiect auf eine Seite der Grundfläche sei nun
oft mit dem Kephaloblast und der Knochenzange leicht zu bewirken und
bedinge dann den grossen Vorzug dieses als Extractionsinstrument vor
dem Kephalotrib oder der Zange.
Die gleiche Wirkung sei aber oft mit dem Haken, scharf oder stumpf,
noch sicherer und leichter zu erzielen. Auch sei dessen Anwendung
bei der erforderlichen Vorsicht ganz gefahrlos. Gelinge es, den Hacken
in die Schädelhöhle nach innen zu bringen, so sei der Haken allen
anderen Extractionsinstrumenten vorzuziehen
Der Vortr. theilt hier einen Fall von 2 1 / 2 / 'igem Becken mit, wo alles
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Gck igle
zum Kaiserschnitt vorbereitet wurde, als plötzlich die Blase sprang und
mit ihr eine zwischen Kopf und Promontorium eingeklemmte, völlig puls¬
lose Nabelschmirschlinge herabschoss. Da auf Eihaltung des Kindes
verzichtet werden musste, machte er sofort mit dem Scheerenperforator
die Perforation durch die hoch auf dem Beekeneingange fühlbare Pfeil¬
naht und zerstörte Hirnhäute und Hirn in grossem Umfange. Nach
3 Stunden anhaltenden heftigen Wehen war der Kopf nicht im geringsten
tiefer getreten. Es gelang aber, durch die mit dem Finger auseinander¬
gezogene Pfeilnaht den stumpfen Haken in das Innere des Schädels
einzuführen und gegen die hintere Wölbung des Hinterhaupts in der
Gegend der hinteren Sutura occipit. zu dirigiren. Unter stetem starken
Hirnabgange wurde nun mit massiger Kraft ganz leicht erst die hintere
Wölbung des Scheitels, dann der hintere Rand der Grundfläche am Vor¬
berge vorbei in das Becken gebracht, worauf auch die vordere seitliche
Scheitelwölbung herabtrat und in kaum 10 Miuuten der ganze Kopf ent¬
wickelt war.
Bei nachfolgendem Kopfe, der wegen hochgradiger Beckenenge der
manuellen Entwicklung Trotz bietet, leistete dem Vortragenden neben
der Kephalotripsie, wenn auch die Zange im Stiche Hess oder nicht an¬
wendbar erschien, der scharfe Haken zur Perforation und Extraction
ebenfalls die besten Dienste, wenn eine Schuppenath erreichbar war, was
meist neben dem Promontorium in der Gegend der hinteren Seiten¬
fontanelle der Fall ist.
In einem Falle von 2 , / 2 "igem Becken war die Frau das erste Mal
durch Perforation entbunden und hatte dabei eine Fistula vesico-uterina
und eine Verlöthung der Blase mit der vorderen Uteruswand behalten.
Der Steiss stand bei der Aufnahme hoch im Beckeneingange und
kam trotz sehr kräftiger Wehen erst nach der sehr mühsamen Einleitung
eines Beines durch das Becken tiefer. Die Armlösung war sehr schwie¬
rig. Der Kopf trotzte hoch auf dem Bqckeneingange allen Entwicklungs¬
versuchen. Mit halber Hand erreichte der Vortragende die stark vor¬
springende Schuppenaht neben dem Promontorium und es gelang, die
Spitze eines kurzen scharfen Hakens über die Pars squamosa ossis tem-
poralis hereinzudrücken und die Naht bis zur Ohrenfontanelle im weiten
Umfange zu zerreissen. Der Kopf folgte dem Zuge nicht und der Haken
drohte, loszulassen. Auf dem in die KopfÖffnung eingeführten Finger
liess sich aber eine über die Fläche gebogene Polypenscheere tief in
die Schädelhöhle einführen, mit welcher Hirn und Hirnhäute zerstört
wurden. Bei Eindringen des Zeigefingers in die mit dem Haken er¬
weiterte Oeffnung gelangte man bis zu der Sella tureica und konnte so
den Kopf fixiren, um den Haken über sie herschieben zu können. Er
fasste hier sehr fest und gestattete erst sehr kräftigen Zug nach unten,
welcher die ganze eine Scheiteiwölbung am Promontorium vorbeibrachte,
dann nach vorne und später nach oben zur Entwicklung des ganzen
Kopfes. Das Wochenbett verlief vollkommen normal.
VIII. fenlletoH.
Vom Kriegsschauplatz.
Von
Dr. O. Heyfelder.
17.
Tiflis, 5./17. Mai 1878.
In Tiflis befindet sich wieder wie im vorigen Jahre das Baracken¬
hospital unter Dr. Kotlovsky, welches aus den niedrigsten, schlech
test ventilirten Baracken besteht, die mir von Lille bis Alexandropol,
vom schwarzen Meer bis zur Nordsee und zur Ostsee vorgekoramen. Da¬
neben befindet sich das aus vielen einzelnen Häusern und Gebäuden
zusammengesetzte ständige Militärkrankenhaus unter Dr. Krassno -
sklädof. In beiden wurden mir eine Reihe von mehr oder weniger trau¬
rigen Resectionsresultaten unseres so hochverdienten Collegen Dr. Reyher
gezeigt. Diese selben Fälle wurden auf Wunsch der Oberärzte photo-
graphirt und in der kaukasisch-medicinisehen Gesellschaft von Dr.
Minkievitsch, Oberchirurg der Kaukasus-Armee, zum Gegenstand einer
kritischen Besprechung gemacht. Diese schlotternden Arme und nicht
consolidirten Unterschenkel sind allerdings geeignet, zur Vorsicht in der
Anwendung der Resection im Kriege aufzufordern. Je beschränkter ein
Krieg, je mehr im civilisirten Land, um so breiter wird die Anwendung
der Resection und um so besser der Erfolg sein, je massenhafter die
Opfer der Schlachten, je weniger civilisirt das Land, um so seltener und
um so weniger glücklich muss nothwendig diese sonst so herrliche Me¬
thode sein.
Ausser obigen beiden grossen Militärhospitälern stehen in nächster
Umgebung der Stadt eine ganze Anzahl jener oft erwähnten fliegenden
Kriegslazarethe zu 200 Betten und 2 Privatkrankenhäuser: das Officiers-
lazareth I. K. H. der Grossfürstin Olga Fedorowna unter Dr. Watra¬
sch ewski und das Hospital des rothen Kreuzes, welches früher in Alexan¬
dropol unter Reyher functionirte, jetzt unter Dr. Berg. Das letztere,
in der Deutschen Colonie in einem stattlichen Gebäude untergebraeht,
ist reich an wichtigen Verwundungen und Operationen, beherbergt aber
nur Soldaten. Ersteres, nur von Officieren bewohnt, hat seinen Sitz in
einer hübschen Villa ausserhalb der Stadt an den Ufern des Kura, be¬
rühmt, weil in derselben die Ermordung der Nina Andrejewsky statt ge¬
funden hatte.
Um einen allgemeinen Begriff von der Anzahl und Verthoiluiig der
Militärkrankenanstalten im Kaukasus zu geben, lasse ich hier nach Offi¬
ce rigi real from
UNIVERSETY OF MICHIGAN
388
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 26
ciellen Daten deren Aufzählung folgen. Ständige Hospitäler: In
Starwropol, Konstantinow, Wladikawkas, Grosna, Pjatigorsk, Georgiewsk,
Tiflis, Kutais, Alexandropol, Djelal-Ogli, Jekaterinodar, Hasan-Jurtowsk,
Temir-Chan-Schurin, Eriwan, Psekup, Krüm, Ust-Labin, Petrowsk, Der-
bent, Achalzk, Zarckolodzi, Delijan, Karaklyss, Suchum-Kale. Halb-
hospitäler: In Gudoroakar, Surnabat, Akstafa. Hospital abtheilun-
gen: In Chumarin, zugehörig zum Militärhospital in Starwropol, in Kasbeck,
auf dem eigentlichen Kaukasus zugehörig in Wladikawkas; bei Suchum-
Kale, zugehörig zum Militärhospital daselbst, in Goijatschiwodsk und
Elisabeth pol.
Feldhospitäler: No. 1 in Podirwan, No. 2 in Gross-Tikma, No. «3
in Ardost, No. 4 in Karaklyss, No. 5, No. 6, No. 10, No. 35, No. 36,
No. 60, No. 61, No. 65, No. 67 in Alexandropol, No. in Sorokamisch,
No. 8 in Hassan-Kale, No. 9 in Sali-Ogli, No. 11 in Markari, No. 12 in
Ardagan, 13 in Achalkalaki, 14 in Ardanutsch, No. 15 in Etschmiadsin,
(berühmtes Kloster bei Eriwan) No. 16 in Kynakiri (bei Eriwan), No. 17,
18 und 19 in nächster Nähe von einander in Tschechatauri, Gurgeti,
Gora, No. 20 in Sorokemysch, No. 21 und 74 in Manglis, No. 22 in
Bjelo-Klutseh, No. 23 und No. 30 in der Stadt Gori an der Poti-Tifliser
Eisenbahn, No. 24 in Duschat, No. 25 und 29 in Delijan, No. 26, 27,
28 vereinigt zu einem grösseren Hospital in Tiflis, No. 31 in Suram an
der Tiflis-Poti-Eisenbahn, No. 32 in Okuin, No. 33 in Anamir an der
Grusinischen Militärstrasse, No. 34 in Ardagan, No. 37 und 38 in Klein-
Karaklyss bei Alexandropol. No. 39 in Alaschkert, No. 40 in Igdyr an
der persischen Grenze, wo 1877 das Hauptquartier von Tergukassof stand,
No. 41 in Borscham, Sommerresidenz des Grossfürst Statthalters. No. 42,
43. 48, die vereinigten 49 und 50, ferner No. 51, No. 52, No. 76, 77, 78 in
Tiflis, No. 44 in Akstafa, zwischen Tiflis und Elisabethpol, No. 46 in
Chorosan, No. 47 in Mzchet an der Tiflis-Poti-Eisenbahn nächst Tiflis,
No. 53 in Erzerum, No. 54 in Tschigindyr. No. 55 und 75 in Menglis,
56 und 58 in Kars, 57 in Karawanserai, 59 in Matschetli, No. 62 in
Ardagan, 63 in Gorabari, 64 in Poti, 66 in Azyarag bei Etschmiadsin.
Diese 72 Hospitäler sind durchschnittlich zu 200 Betten, repräsentiren
also zusammen 14400 Betten, während die ständigen Militärkrankenhäuser
und Halbhospitäler bei verstärktem Complcct 200, 600 und 1200 Betten
haben, also zusammen 10,000 —15,000 Betten enthalten, was mit jenen
zusammen 25,000—30,000 Betten repräsentirt. Dazu kommen 20 Divisions-
lazarethe, 40 Regimentslazarethe, 11 Kosakenlazarethe, und 29 Garnisons-
lazarethe. Von diesen zahlreichen, über den ganzen Kaukasus und die
besetzten türkischen Territorien vertheilten Militärkrankenanstalten unter¬
liegen die Feldhospitäler, Divisions- und Regimentslazarethe häufigem
Wechsel des Standortes.
Die von mir angegebenen Standorte stellen die unter dem Medicinal-
Inspector der Kaukasus-Armee, Dr. Broshniowsky, bestehende Ord¬
nung dar. Mit seinem Rücktritt zu Ostern 1878 und der Amtsführung
seines Nachfolgers Dr. Remmert und dem gleichzeitigen Anfang der
Sommersaison werden zahlreiche Ortsveränderungen und Combinationen
anfangen, von welchen im nächsten Brief.
Ueber die körperliche Grundlage der Temperamente.
Von
Dr. Emanuel Roth in Belgard.
(Schluss.)
Als zweiter Factor, der bei der Bildung der Temperamente mit¬
spielt, sind Sitten und Religion zu erwähnen. Dass abergläubische Vor¬
stellungen die Naturvölker oft ganz plötzlich der tiefsten Melancholie
überliefern, ist eine häufig beobachtete Thatsache. Als dritter Factor,
der bei der Bildung der Temperamente jedoch mehr der Cultur- als
der Naturvölker eine wuchtige Rolle spielt, sind Nahrungs- und Lebens¬
weise zu berücksichtigen. Nach Cabanis soll massiger Weingenuss
und leichte Nahrungsweise das sanguinische Temperament begünstigen,
und in der That scheinen in Weinländern die Menschen im allgemeinen
froher und geselliger zu sein; sie sind offen und zuvorkommend, leicht
erregbar, leicht aufbrausend und ebenso leicht beruhigt. Nach Gei gel 1 )
sind Menschen, die regelmässig Wein geniessen „lebendiger, thatkräftiger
und genialer“ als solche, die sich mit weniger vorzüglichen Surrogaten
begnügen miissea. Man hat sogar auf die Trefflichkeit der griechischen
Weine einzig und allein die Grösse Griechenlands zurückführen wollen.
Die eigentlichen Nahrungsmittel kommen in Bezug auf die Bildung der
Temperamente nur insofern in Betracht, als anhaltende schwere und un¬
verdauliche Kost die Unterleihsorgane belästigt und dadurch die von
ihnen ausgehenden Sensationen mehren hilft.
Betreffs der Lebensweise bemerkt Cabanis dass bei Leuten, die
für gewöhnlich schwere Arbeiten verrichten, sich das Temperament zu
finden pflegt, das durch Prävaliren der Muskelkraft über die Sensibilität
eharakterisirt ist, umgekehrt bei Leuten, die für gewöhnlich eine leichte
\rbeit verrichten, die Sensibilität prävalire; heftige körperliche An¬
strengungen, die fähig sind, Leidenschaften zu erwecken, bringen nach
Cabanis leicht das cholerische Temperament hervor, wesshalb man
dasselbe bei Jägern häufig antreffe; geistige Beschäftigung und sitzende
Lebensweise sollen die Entstehung des melancholischen Temperaments
begünstigen.
Sehen wir uns jetzt die Naturvölker in Bezug auf die bei ihnen
1) Geigel, Handbuch der üffentl. Gesundheitspflege in Ziemssen’s
Handbuch der spendier Pathologie und Therapie, Bd. I, p. 102.
| vorherrschenden Temperamente näher an, so werden die Eskimo’s von
I Waitz 1 ) als heitere, elastische, gutmüthige und friedfertige Naturen ge-
I schildert. Von den Grönländern ist es bekannt, dass sie sehr munter
und witzig sind, was auch ihre Gesänge beweisen, in denen sie öffent¬
lich ihre Streitigkeiten mit einander auszufechten pflegen. Die Neger
sind im allgemeinen Menschen von heiterer, expansiver, offener Natur,
wie auch ihre Liebe für Musik und Gesang beweist. Nach Waitz*)
zeigen unter den Naturvölkern die Neger entschieden die meiste musi¬
kalische Begabung. Gleichzeitig aber sind sie, und diesen Vorwurf
theilen sie mit allen Naturvölkern, Menschen des augenblicklichen Im¬
pulses und der stärksten Coritraste des Gefühls; daher die Wandelbarkeit
in ihren Vorsätzen, die unvermittelten Uebergänge von leichtfertiger
Lustigkeit zu düsterer Verzweiflung, von überspannter Hoffnung zu quä¬
lender Furcht, von glühender Liebe zu kalter Gleichgültigkeit oder bitte-
1 rem Hass. Ihre Unterhaltung characterisirt umständliche Geschwätzigkeit;
i Lärm und Rauferei gehören zu ihren Lieblingsbeschäftigungen. Gleich-
i falls als Menschen der extremen Gegensätze werden die Indianer im
| Osten des Felsengebirges geschildert; nach Waitz 3 ) sind sie bald an-
I gespannt thätig auf der Jagd und im Kriege, bald schläfrig apathisch.
; Leicht schreckhaft auf unbedeutende Veranlassungen hin werden sie
! durch Träume und geringfügige Naturereignisse, aus denen sie den Wil-
I len höherer Geister herauszulesen meinen, aufgeregt; dabei sind sie
j empfindlich gegen alles, was sie betrifft, und von grossen und gewaltigen
! Leidenschaften. Die Eingebornen im Innern des Oregon-Gebietes schei-
I nen wie die Eingebornen Brasiliens und Patagoniens sanfter und bieg-
| samer zu sein, sie werden von Waitz 4 ) als freundlich und zutraulich,
f fröhlich und munter geschildert. Die Pampas-Indianer werden als miss-
• trauisch, grausam, habsüchtig und äusserst tapfer geschildert. Die
| Mexicaner schildert Waitz 3 ) als langsam in ihren Bewegungen, schweig-
I sam und ernst, ausserordentlich beharrlich und geduldig und im höch-
! sten Grade friedfertig. Die Californier sind leidenschaft lich, dabei weich-
! herzig und ohne Rachsucht, im allgemeinen Sanguiniker. Die Malaien
von Malakka und den umliegenden Inseln, wo sie sich am Urpriinglich-
sten erhalten haben, werden als leidenschaftlich in der Liebe wie im
Hass, im Spiel wie im Kampfe geschildert: ganz besonders in ihrem
Lieblingsspiel, den Hahnenkämpfen, sind sie von blind wiithender Leiden¬
schaftlichkeit, die sich bisweilen zu vollständigen Tobsuchtsanfällen stei¬
gert. Sind die Leidenschaften nicht erregt, so erscheint der Malaie
friedliebend, sanft und gutmüthig, dabei massig und nüchtern. Ausser
Karten-, Würfel- und Ballspiel bestehen ihre Vergnügungen in Waffen¬
tänzen, Turnieren, Ilahnenkämpfen und Stiergefechten. Die Mikronesier,
Melanesier und Australier werden im allgemeinen als lebhaft und munter
geschildert; sie lieben Spiele und musikalische Unterhaltung. Gesang
und Tanz ist eine Lieblingsbeschäftigung der Australier, der Rythmus
ist schnell wie ihr Temperament. Endlich scheinen die -Polynesier *)
das heiterste, fröhlichste und vergnügungssüchtigste von allen Natur¬
völkern zu sein. Sind aber die Leidenschaften erregt, so scheinen sie
ebenso rachsüchtig wie die Malaien zu sein: angcthanc Beleidigungen
vergessen sie niemals, wenn es oft auch lange dauert, ehe ihnen der
günstige Zeitpunkt zur Ausführung der Rache gekommen zu sein scheint.
Vieles freilich, was uns auf den erster. Blick als Verrath oder lang hin-
gehaltne Absicht erscheint, erklärt sich, wenn wir genauer zuschn, aus
dem allen Naturvölkern gemeinsamen schroffen Wechsel der Stimmungen
und Gefühle: es ist gar nicht selten, dass ganze Gesellschaften plötzlich
i von der lärmendsten Freude zur tiefsten Trauer übergehn, wenn sie zu-
j fällig an irgend etwas Trauriges erinnert oder durch abergläubische Vor¬
stellungen perturbirt werden.
I Um die Unterschiede in den Temperamenten der Naturvölker richtig
[ zu würdigen, ist es vor allem nothwendig, den Einfluss, den die Be¬
rührung mit den Europäern auf die Naturvölker ausgeübt hat, in Rech¬
nung zu bringen. Wenn die Indianer im Innern des Oregon-Gebietes
als viel munterer und zutraulicher geschildert werden als die Indianer
im Osten des Felsengebirges, so müssen wir berücksichtigen, dass sie
bisher auch viel weniger traurige Erfahrungen gemacht haben als diese,
deren Temperament sich mehr und mehr dem nervösen oder melancho¬
lischen genähert hat 1 ). Bei den Pampas-Indianern müssen wir uns da¬
ran erinnern, dass sie bereits seit Jahrhunderten im Kriege mit den
Spaniern gelegen haben und nicht immer sehr glimpflich behandelt worden
sind. Betreffs der Mexicaner sagt Waitz, dass ihre grosse Genügsamkeit,
Langsamkeit, ihre Unlust zur Arbeit eine Folge des schweren Drucks sei,
unter dem sie gelebt haben; ihr ursprüngliches Temperament scheine
vielmehr das sanguinische gewesen zu sein, dafür spreche ihre äusserst
beredte Geberdensprache, und dass sie die Fröhlichkeit liebten, werde
durch die Menge von Spielen, Tänzen, Gesängen und belustigenden Kunst¬
stücken erwiesen, die wir bei ihnen antreffen. Endlich sind die Poly¬
nesier nur da heiter, wo die Europäer noch nicht feindselig aufgetreten
sind. Ein zweiter Punkt, der bei Beurtheilung der Temperamente der
Naturvölker zu berücksichtigen ist, wurde schon oben erwähnt, es ist
j der häufig unmotivirt erscheinende schnelle Wechsel ihrer Stimmungen
| und Gefühle. Wollten wir mit Waitz diese Neigung, sich in Gegen-
j Sätzen zu bewegen mit Ausschluss der Mittelzustände als das Charakte¬
ristische des nervösen oder melancholischen Temperaments ansehn, so
1) Waitz, o. c. III. Theil p. 309 u. f.
2) o. c. II, p. 202 u. f.
3) o. c. III, p. 160 u. l'.
4) o. c. III. p. 342 u. f.
5) o. e. IV, p. 122 u. f.
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Go gle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
1. Juli 1878
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
389
wurden wir allen Naturvölkern dieses Temperament zuschreiben müssen;
indess scheint es richtiger zu sein, wie oben auseinandergesetzt, bei
anderer Psyche einen andern psychischen Reactionsmodus zu erwarten
als bei den Culturvölkern. Endlich drittens darf nicht vergessen werden,
dass die Naturvölker bei Annäherung Fremder häufig, sei es aus Miss¬
trauen zurückhaltend, schweigsam und feindselig sich zeigen, was sie
für gewöhnlich nicht sind, oder aus andern Motiven übertrieben freund¬
lich und gesellig sich stellen.
Aus dem Gesagten dürfte hervorgehn, dass, soweit überhaupt unsere
Temperamente auf die Naturvölker passen, die Temperamente des er¬
höhten, gesteigerten Tonus ihnen eigen sind, und sehe ich den Grund
hierfür darin, dass die cerebrospinalen Nervenreize, um mich so auszu¬
drücken, bei ihnen die fast ausschliessliche Nahrung des Hirns bilden,
oder doch über die von den innern Organen ausgehenden Reize sym¬
pathischer Nervenfasern prävaliren. In demselben Masse aber als neben
dem umgebenden Medium, dessen Einfluss bei den Culturvölkern mehr
und mehr zurücktritt, die andern oben aufgezählten Factoren bei der
Bildung der Temperamente in den Vordergrund treten, kommt es zu¬
nächst zum Innervationsgleiehgewicht, weiterhin aber, sobald die durch
sympathische Nerven fasern vermittelten Reize das Uebergewicht erlangen
oder von solchen Nerven innervirte Organe eine gesteigerte Entwicklung
erfahren, zu den Temperamenten des verminderten Tonus. Ausgeprägte
Temperamente lassen darauf schliessen, dass das Innervationsgleichgewicht
gestört ist zu Gunsten sei es cerebrospinaler oder sympathischer Nerven¬
reize durch Prävaliren dieser oder jener Organe. Daraus erklärt es sich,
dass ausgeprägte Temperamente keiner irgend bedeutenden Abänderungen
fähig sind, während die mittleren Fälle mannigfache Modificationen und
Abänderungen erleiden können durch Aenderung der dem Gehirn zu-
fliessenden Nervenreize. Solche Aenderungen können veranlasst sein
durch Veränderung des Klima’s, durch veränderte Lebensweise, ver- i
änderte Sitten und Gewohnheiten, veränderte körperliche und geistige
Arbeit, sowie durch fortschreitendes Alter. Die Krankheiten verhalten
sich verschieden je nachdem sie acut oder chronisch verlaufen; während
erstere für gewöhnlich nur eine vorübergehende Verschiebung der
Temperamentslage bewirken, die später wieder zurücktritt, hat der Ein¬
fluss chronischer Krankheiten auf das jeweilige Temperament nichts
Auffallendes, da durch dieselben die dem Gehirn von der Peripherie
des Körpers und den innern Organen fortwährend zufliessenden Nerven¬
reize in dauernder Weise geändert werden, und wird sich dieser Einfluss
verschieden gestalten müssen, je nachdem die cerebrospinalen oder sym¬
pathischen Nervenreize eine dauernde Steigerung erfahren.
Es erhellt demnach! dass es genügt, drei Arten von psychischem
Reactionsmodus anzunehmen, insofern entweder die cerebrospinalen oder
sympathischen Nervenreize überwiegen, oder Innervationsgleichgewicht
besteht; in den beiden ersten Fällen sprechen wir von ausgeprägten
Temperamenten, der dritte Fall steht in der Mitte und bildet das Gros.
Wir sahen, dass der ursprünglich wichtigste Factor bei Ausbildung der
Temperamente, das umgebende Medium, hinter den andern Factoren
allmälig mehr und mehr zurüektrat, so dass sich der Einfluss desselben
heute nur noch bei schroffem Klimawechsel oder in minder auffälliger
Weise als Stimmungswechsel bei sich ändernden Temperaturverhältnissen
geltend macht. Unter Einwirkung der übrigen bei der Bildung der Tem¬
peramente concurrirenden Factoren, deren Resultate durch Vererbung
theilweise befestigt wurden, bildete sich ebenso wie eine bestimmte kör¬
perliche Constitution ein bestimmter psychischer Reactionsmodus aus,
der bedingt ist durch die jeweilige Beschaffenheit der Organe und der
von ihnen ausgehenden Nervenreize. Wenn auch die mittleren Fälle
das Gros bilden, verdanken wir doch der fortschreitenden Cultur eine
Zunahme der Temperamente des verminderten Tonus, wie die zunehmende
Zahl der Anhänger pessimistischer Weltanschauung beweist. Dieser
Weltanschauung, die über dem Negiren den Fortschritt der Menschheit
gänzlich aus dem Auge verliert, beugen wir am sichersten dadurch vor, I
dass wir das Innervationsgleichgewicht wiederherzustellen bestrebt sind
durch gesunde körperliche und geistige Erziehung. Auch unser Ideal
wahrer Erziehung muss, wie es in Griechenland zu Perikies Zeiten war,
die harmonische Entfaltung der leiblichen und geistigen Kräfte sein.
Tagesgeschichtliehe Notizen.
Berlin. Die Frequenz der berliner Universität gestaltet
sich im laufenden Semester folgendermassen. Von den 2834 immatricu-
lirten Studirenden des Wintersemesters sind 944 abgegangen, 617 neu
hinzugekommen, die Gesammtzahl beträgt demnach 2569. Hierdurch
wird wieder ein erheblicher Fortschritt gegen das Sommerhalbjahr 1877
bekundet, denn in letzterem betrug die Zahl der Studirenden 22"7, eine
Zahl, die wiederum einen erheblichen Zuwachs gegen das Sommersemester
1876 bedeutete, in welchem 1977 immatriculirt waren. Von den 2569
Studirenden sind 150 Theologen, 888 Juristen, 346 Mediciner, 1185
Philosophen. Zu den Immatriculirten kommen noch 90 vom Rector zu¬
gelassene Zuhörer. Ferner als zum Hören der Vorlesungen berechtigt
treten hinzu: 826 Studirende der Bauaeademie. 108 Studirende der
Bergacademie, 530 Studirende der Gcwerbeacademie, 14 Eleven des
landwirthschaftlichen Lehrinstituts, 6 remunerirte Schüler der Academie
der Künste, Gesammtzahl der berechtigten 4331. Im letzten Winter¬
semester betrug die Anzahl der Mediciner 345, im Sommersemester 1877
297, im Wintersemester 1876—77 281: es zeigt sich mithin, dass die Zu¬
nahme der Medicin Studirenden eine dauernde ist, un]d
nicht einmal durch die Ungunst des Sommersemesters be¬
einflusst wird. Mit den 188 Studirenden der militairärztlichen
Bildungsanstalten — gegen 215 des Winters — beträgt also die Ge¬
sammtzahl der Mediciner 534. Unter den 346 Civil - Medicinern sind
283 aus Preussen, 25 aus den übrigen deutschen Reichsländern und
aus Deutsch - Oesterreich 3. Von den anderen europäischen Ländern
lieferte, wie auch sonst, Russland die grösste Zahl, nämlich 21, Grie¬
chenland 3, Rumänien 2, Niederlande, Schweiz und Spanien je 1.
Aus Amerika sind 4, aus Afrika 2 Medicin Studirende. Pharmacie
und Zahnheilkunde studiren 61, welche bei der philosophischen
Facultät immatriculirt sind.
— Zu Mitgliedern der Commission zur Berathung der Reichs-
Entwürfe: 1) einer Bekanntmachung über die Prüfung der Aerzte,
2) einer Bekanntmachung über die Vorprüfung (tent. phys.) derjenigen
Studirenden der Heilwissenschaft, welche später die Approbation er¬
werben wollen, sind ernannt: 1. von ord. Univ.-Professoren die Herren
Hirsch-Berlin, Binz-Bonn, V o i t - Münchcn t Jürgensen-Tübingen;
als event. Stellvertreter: v. Wels-Würzburg, Win ekel-Dresden. 2. von
ausserord. Professoren und Privatdocenten: Lewin-Berlin, Bocken-
dahl-Kiel, Rüdinger-München, Hofmann-Leipzig, Fürbringer-
Heidelberg; als event. Stellvertreter: Hartmann-Berlin, Kohts- und
Krieger - Strassburg. 3. Von Medicinalbeamten und Aerzten: DDr.
Löwe, Zinn, Roth - Dresden , v. H ö 1 d e r - Stuttgart, Pfeiffer-
Darmstadt, Pfeiffer-Weimar, Flemming - Schwerin, Vix-Metz; als
event. Stellvertreter: W i 1 m s - Berlin, W a 11 i c h s - Altona, Nasse- Ander¬
nach, Metten hei mer-Schwerin, Scheven-Rostock.
— Der internationale hygieinische Congress, über dessen Programm
bereits in No. 15. d. J. berichtet wurde, wird in Paris vom 1. bis
10. August stattfinden. Das Bureau des Congresses befindet sich im
Tuilerien-Palais, Pavillon de Flore, und ist von 1 bis 5 Uhr geöffnet.
— In Paris starb vor kurzem der bekannte Chirurg Alphonse
A m u s s a t.
— In der Woche vom 26. Mai bis 1. Juni sind hier 732 Per¬
sonen gestorben. Todesursachen: Masern 15, Scharlach 17, Diph¬
therie 21, Eitervergiftung 1, Kindbettfieber 2, Typhus 6, Dysenterie 4,
Flecktyphus 1, Blutfleckenkrankheit 1, Wechselfieber 1, Syphilis 1,
Kohlengasvergiftung 2, Delirium tremens 1, Brandwunden 1, Sturz 4,
Erschiessen 2 (Selbstmorde), Folgen der Operation 3, Ertrinken 3 (Selbst¬
morde), Lebensschwäche 38, Schwämmchen 4, Abzehrung 35, Atrophie 6,
Scropheln 3, Altersschwäche 15, Krebs 14, Wassersucht 2, Herzfehler 13,
Hirnhautentzündung 14, Gehirnentzündung 17, Apoplexie 17, Tetanus
und Trismus 1 , Zahnkrämpfe 3, Krämpfe 50, Kehlkopfentzündung 21,
Croup 3, Pertussis 12, Bronchitis acuta 7, chronica 9, Pneumonie 33,
•Pleuritis 2, Phthisis 84, Peritonitis 2 , Folge der Entbindung 1, Gebär¬
mutterleiden 1, Diarrhoe 63 (darunter 59 Kinder unter 2 J.), Brech¬
durchfall 91 (Kinder unter 2 J.), Magen- und Darmentzündung 2, Magen-
und Darmkatarrh 15 (Kinder unter 2 J.), Nephritis 6, Blasenleiden 1,
andere Ursachen 57, unbekannt 4.
Lebend geboren sind in dieser Woche 369 m., 366 w., darunter
ausserehelich 36 m., 36 w., todtgeboren 16 m., 15 w., darunter ausser-
ehelich 6 m., 5 w.
Die durchschnittliche Sterblichkeit während dieser Woche beläuft
sich auf 37 pro Mille der wahrscheinlichen Bevölkerungszahl, die ent¬
sprechende Geburtenziffer auf 37,1 pro Mille (beide Summen mit Aus¬
schluss von 1,6 pro Mille Todtgeborenen).
Witterung: Thermometerstand: 11,59 R., Abweichung:
— 1,16 R. Barometerstand: 27 Zoll 10,63 Linien. Dunstspannung:
3,51 Linien. Relative Feuchtigkeit: 66 pCt. Himmelsbedeckung:
5,7. Höhe der Niederschläge in Summa: 13,27 Pariser Linien.
In der Woche vom 2. bis 8. Juni sind in Berlin gemeldet: Typhus -
Erkrankungen 15, Todesfälle 3.
11. Amtliche Hittheilugei.
Perflonalia«
Auszeichnungen: Seine Majestät der König haben Allerguädigst ge¬
ruht, dem Regierungs- und Medicinalrath Dr. Johann Friedrich Ewald
Wolff in Breslau den Character als Geheimer Medicinalrath, und
dem practischen Arzt etc. Dr. Ernst Hart mann zu Elbingerode im
Kreise Zellerfeld den Character als Sanitätsrath zu verleihen.
Niederlassungen: Dr. Stahl in Eltville, Dr. Metz in St. Goars¬
hausen, Arzt Jacob in Schupbach, Director Dr. Ripping und erster
Assistent Dr. Bartens in der neuen Irren-Anstalt zu Düren, Dr.
Rabbertz in Gemünd.
Verzogen sind: Ober-Stabsarzt Dr. Monde und Assistenzarzt
Dr. Dahmann von St. Johann Saarbrücken nach Strassburg, Ober-
Stabsarzt Dr. Dancker von Stendal nach St. Johann, Assistenzarzt
Dr. Heinecken von Tangermünde nach St. Johann, Dr. Herges
von Sierk nach Perl. ,
Apothekcn-Angelegenheiten: Der Apotheker Fusshöller hat
die Hämmerlein’sche Apotheke in Rüdesheim gekauft. Dem Apo¬
theker Poppe ist die Administration der Sch weitzer’schen Apotheke
in Bielefeld übertragen.
Todesfälle: Geheimer Medicinalrath Professor Dr. Bartels in Kiel,
Apotheker Schweitzer in Bielefeld.
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
390
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 2<5
Ministerielle Verfügungen und Erlasse.
Im Anschulss an die Verfügung vom 20. April d. J. (No. 1979 M.)
mache ich die Königliche Regierung etc. darauf aufmerksam, dass der
Preis von 3,SO M. für ein Exemplar des neuen Hebammen - Lehrbuchs
nur für die von der Königlichen Regierung etc. oder von den Vorständen
der Hebaramen-Lehranstalten ausgehenden Bestellungen bei der Verlags¬
buchhandlung gilt. Für anderweiten Absatz auf Bestellung einzelner
Hebammen oder Privatpersonen ist die Bestimmung des Preises dem
Verleger überlassen. Nach einer Mittheilung der Ilirschwald’schen Ver¬
lagsbuchhandlung beträgt dieser Preis 6 M.
Die Königliche Regierung etc. veranlasse ich die Betheiligten hier¬
auf aufmerksam zu machen.
Berlin, den 14. Juni 1878.
Der Minister der geistlichen-, Unterrichts- und Medicinal-Angelegcnheiten.
In Vertretung:
Sydow.
An
sämmtliche Königliche Regierungen und Landdrosteien
und das Königliche Polizei-Präsidium hier.
Bekanntmachungen.
Die mit einem Einkommen von 900 Mark dotirte Kreiswundarztstelle
des Kreises Lyck, mit dem Wohnsitze des Inhabers in dem Kirchdorfe
Borszymmen, in welchem sich eine Apotheke befindet, ist erledigt.
Qualificirte Bewerber werden aufgefordert, sich unter Beifügung ihrer
Zeugnisse und eines kurz gefassten Lebenslaufes in 6 Wochen bei uns
zu melden.
Gumbinnen, den 19. Juni 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Die durch den Tod des bisherigen Inhabers erledigte Stelle des |
Kreiswundarztes Calauer Kreises, mit dem "Wohnsitze in der Stadt Calau
und einem Jahresgehalte von 600 Mark, soll anderweit besetzt werden.
Qualificirte Medicinalpersonen, welche sich um diese Stelle zu bewerben
beabsichtigen, werden hierdurch aufgefordert, sich unter Einsendung |
ihrer Zeugnisse binnen 6 Wochen bei uns zu melden.
Frankfurt a. 0., den 20. Juni 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Inserate.
Im Juli er. wird die Stelle eines Assistenzarztes in hiesiger Pro-
vinzial-Anstalt frei, welche für die Geisteskranken der Provinz Westfalen
katholischer Confcssion bestimmt ist. — Mit der Stelle ist neben voll¬
ständig freier Station (I. Tischklasse) Wohnung, Heizung, Beleuchtung,*
Wäsche, ein Baar-Gehalt von 1200 Mark verbunden; wobei jedoch aus- i
wärtige Praxis nicht gestattet ist. j
Jüngere unverheirathete Aerzte, katholischer Confession, welche auf j
die Stelle reflectiren, wollen ihre Papiere, Lebenslauf etc. baldmöglichst
und spätestens bis zum 30. Juli bei der Unterzeichneten einreichen. — I
Vorhergegangene psychiatrische Praxis wird nicht gefordert. I
Marsberg, 20. Juni 1878. !
Die Direction des St. Johannes-Hospitals.
In Gross-Tychow bei Belgard ist unter den dort bei der Eisenbahn
beschäftigten Arbeitern der Typhus ausgebrochen und verlangt die dortige
Behörde von dem Unternehmer der Eisenbahn die sofortige Anstellung
eines practischen Arztes. Es wird demselben seine Reise und monatlich
pecuniäre Entschädigung von 75 Mark zugesichert, und ist ihm Gelegen¬
heit geboten, sich selbst bald eine lohnende Praxis zu schaffen, da der
dortige Arzt vor einiger Zeit gestorben und sich noch kein Ersatz ge-
funden hat. Näh, in Gross-Tychow bei Herrn Apotheker P. Otto.
Gesucht nach einer Stadt Schleswigs zur Vertretung eines Collegen
auf 5 bis 6 Wochen von Ende Juli bis Ende August ein approbirter
Arzt unter sehr vortheilhaften Bedingungen. Gef. Off. sub H. E. 56
befördert d. Exped. d. Bl.
Ein junger Arzt sucht sofort Stellung als Assistenzarzt oder Ver¬
treter eines Collegen. Gef. Off. sub M. S. 48 durch die Exped. d. Bl.
Ein junger practischer Arzt, der Mitte Juli seine Militairzeit absolvirt
hat, wünscht dann sich in einem kleinen Städtchen oder auf dem Lande
niederzulassen, auch ist derselbe bereit, eine Assistenzarztstelle oder
Vertretung zu übernehmen. Gef Off. sub C. Y. 60 durch die Exped.
d. Blatt.
Ein junger Arzt sucht von sofort Stellung als Assistent oder
Vertreter eines Collegen. Off. sub T. 40 durch d. Exped. d. Bl.
Ein junger Arzt sucht vom 15. Juli Stellung als Assistent, Ver¬
treter eines Collegen oder auch selbstständige Beschäftigung. Gef.
Off. sub A. S. 31 Troplowitz, Obcrschles. postlagernd.
Ein junger Militairarzt wünscht aus dem actiyen Dienst auszuscheiden
und sucht zu dem Zwecke eine Assistentenstellung an einer Klinik
oder einem grösseren Krankenhause. Gef. Off. unter P. N. 59 durch
die Exp, d. Bl. ___
Ich practicire auch wieder während der Saison dieses Jahres in
MTorderraey. _ Dr. Gazert, Medicinalrath.
Or. JallMt Sacht, pract. Arzt,
Bad Liebenstein.
Für approbirte Aerzte und Specialisten.
Zur Herausgabe eines für Haus und Familie geschriebenen populären
medicin. Volksbuches werden mehrere approbirte Aerzte, unter nicht
anonymer Autorschaft, gegen entsprechendes Honorar, als Mitarbeiter
zu interessireit gesucht. Gefällige francirte Offerten werden an die Ex¬
pedition dieses Blattes sub Chi ffre B. C. 857 erb eten._
Soolbad Frankenfiftuwen Pr. H. Betz, pract. Arzt.
Bim natürliche
Emser Quellsalz
ia gelöster Fora
wird aus den König-Wilhelms-Felsenqucllen gewonnen und enthält die
bekannten heilkräftigen Bestandteile der Emser Quellen in 20facher Con-
centration. — Anwendung findet dasselbe zur Inhalation, zum Burgein
und zur Verstärkung des Emser Thermalwassers beim Trinken. Zu be¬
ziehen durch alle Apothekeu und Mincralwasserhandlungen des In- und
Auslandes.
Köiüg-Wilhelms-FelsenqueHen in Ems.
Sool- u. Kiefern.-Bad Arnstadt.
Curmässig eingerichtete Pensionen, Bäder, Mineralwasser und Molken,
klimatischer Curaufenthalt bis zum Spätherbst.
__ Dr. E. N übergall.
|ä| Soolbad & Traubencurort
Dürkheim in der Pfalz.
Jcd-, brom- und lithionhaltige Soolquellen. — Trink- und Bade-
curen — Gradirwcrk und Saline. — Neues Badehaus. — Trauben-
cur. — Reizende Gegend. — Nähere Auskunft ertheilt bereitwilligst
Die Curverwaltung.
Die Ottilienquelle der Curanstalt Inselbad
wird bei beginnendem sowie schon fortschrittencm Langejx-
leiden seit langer Zeit mit bestem Erfolg angewendet. Sie befördert
die Expectoration und hebt die Verdauung. Wegen der Gebrauchsweise
wolle man seinen Arzt consultiren. Niederlagen in den Apotheken und
Handlungen. Generalagenturen: Br. M. Lehmann, Berlin €)„
Spandauen.tr. 77 und W. Custor in C&ln.
Die Brunnendirection.
neichenhall
(Eisenbahn-Station) Saison vom I. Mai bis I. Ootober.
Reichenhall, der grösste deutsche Alpencurort, in einer von 2000 M.
hohen Dolamitbergen gegen alle rauhen Winde geschützten weiten Thal¬
bucht, 456 M. ii. M. gelegen, ist klimatischer Curort und eignet sich
vermöge seiner reinen weichen Alpenluft vorzüglich zum Aufenthalt für
Brust- und Halsleidende, während seine starke Soole sich höchst wirk¬
sam bei Frauenkrankheiten erweist. Sp:*c. Curmittel: 25 proc. Edelquelle,
Mutterlauge, Kiefernadeldestillate, Ziegenmolke, Kuhmilch, Alpenkräuter¬
säfte — grosser pneumat. Apparat, Inhalationssäle, Gradirwerke, Soole-
fontäne. Ausgedehnte Parkanlagen mit gedeckten Wandelbahnen von
547 M. Gesammtlänge, nahe Nadelwälder und schattige Promenaden nach
allen Richtungen — 6 Badehötels mit 134 Badecabinetten; grösster Comfort
in Hotels I. und IE. Ranges uad zahlreichen, mit Gärten umgebenen
Villen*). Täglich 2 Concerte der Curcapelle. Reichenhall liegt inmitten
der Glanzpunkte des bayr. Hochalpengebietes und bietet reichste Ge¬
legenheit zu Ausflügen in die Umgebung, nach Salzburg */ 4 St. (Fahr¬
zeit), Berchtesgaden 2 St., Königssee 2 , / l St., Ramsau 2 St., Hintersee
2 St., Phumsee Va St., Mauthhäusel 1 1 / 4 St., Melleck 2 St. u. s. w. u. s. w.
Prospecte durch das Kgl. Badecommissariat gratis.
*) Bäder und Hotels: Bad Achselmannstein, Burkert, Dianabad
Hirsch, Bad Kirchberg, Louisenbad, Löwen. Marienbad, Maximiliansbad,
Post, Russ. Hof u. A. — Villen: Burger, Duschl, Eisenrieth, Harslem,
Hochglend, M. Grundner, Kapplmayr, v. Mann, Mayrhauser, Pfau,
A. Puchner, G. Puchner, M. Puchner, Schmitt, Schödtl, v. Schreyern,
Stauffen, J. Wel ker, M. Welker u. A.
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Saison vom 15. Juni bis 20. September. Warme und kalto Bäder,
Wellenschlag besser als in jedem anderen Ostseebade. Post- und
Telcgraphen-Amt. Täglich Dampfschiffsverbindung mit Stettin, 5 mal
täglich mit Cammin. Durch Parkanlagen, Neubauten und Erweiterung
der Badeeinrichtungen bedeutend verbessert. Wohnungen in Hotels und
Privat häusern ausreichend vorhanden.
Die Bade-Direction.
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
BJtRM'iEg KLINISCH» WOCaKtiSCfiKUfT
Wasser-Heilanstalt
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honen, hOniniergt*kominnn«o .Hwo/iva- l#s$ün.ftj 0 t ym d&ft-h Berufsgeschäfte
§ ~Mst 3 s und kOtpedrcb gtsehwäebl&rt Personon. ächte le und danenido
bsÄCtniiO wurde ohne A mm ah me ln\ -«■r«i{»btti;i*-»‘ti Ktmft;rn beobachtet.
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mit : A^^iVlUrt?; üji diO Schwai7.wald- und -wikttonT-
lo/rg-iscb* Bahn FipupAg'n nadj und von den genannten StaBOiiCö
jedwrtet im Hotel iut «Post“ zu habet». Zeitig!' Anmeldungen sind ik
nOKtext au dmr BoMtÄm’ButrfifiJer.
Für Brunnen- nud Badekuren,
Die Hauptmederiage natilii Mmeralbrunnea
von 0r. I. leluaan#. Berlin C., S|iandan«rstr. 77,
Von isämtatiiefen BturinetiditNicI1(1 p on f/* r.T w ;jt lirckd ijfcjfc lyis ehe 11
Fullirngeo Ihrer 'Quellen. veracht-t». cypgdfti dieselben ; sowie alle
Ha de , ÄWr. und Meh au^eroM^ Jifrcwifit üftd in J»V«rli«i#*ter
' ■ ' ’ Qteiffc ■.. .
östseehüd llcriiigsdorft
Eröflaung der um 15 «, Juni*
Auskunft ük*i \\.dii»uT?cc» , M .h-, .t- ^di •' vörhrtodcti. erfchcilf
Heriri^dorf, IHr iladedir^ctfou
im Mai i^TJS. bi ehr.
' . -.. j ;^t»?.UdO' 1 WB T • ä\ jßciiltcht
Bad Wolfsangel'. ,gi.
Hur» und WaBser-Meilast^ftilt, Waime-< KicfCrnadcD,
Sooft t;Vj; thbier. Tiusfustdre und rochisclie Kartonbädeft
KleetrieUSft .IbulgymmLstik-. Piveuinatifiche Apparate Be¬
handlung Luu^enkrankörnach Görbersdorfer Methode. IiüUctiKcbe
Kup on MhiciKUvib^cr. v .
HP’ D«^ g*«sse Älir hindurch geöffnet,
Mildes iftdariftskKma. in unmittelbarer Mim die Fulda und
Bo»'hwaMimg»U). $B^ernUf£r Park. l?>t) mehr oder- weit’igor eomr
turtubol Qinge-rihbtote Zirtitoor, Massige pföl*ö» Xahcf^ durch den
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Pnderftorn
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DAvS BtabU?.semont : . uiteft (ftm iiewahrten. Musk'r der Kattwassör-
rtiiigiuiehiV . in tn-irhehrf Bag'o-, liirnjul; ioni .15-.• Mni Im
Ifft . Optßher Brust- und tf^lsTtudeiuXe.. sowie ErholunusKc-durfttgc auf
cJKrorp ba>igun^uiiüudüng. A^iiinu e Tvtn.V' Ky^exu 7 BlutU'ustun, Broncbiäb
kataurh, ikftenPÄdung. TbnsorRett und Pulypor}, Btutarmutlj, Bleich
■-acht, Kervos.)Iäh —* AU-hewiiln-fß sUekstelfhaliägt; 'Kahron- und Eisen
0 *i»:llc. ~ Beharnllunf durch Vm'bindung der dliitctisch [ineuinatisebev
ifeiimcthodc mit den" VrtrrhuiJen dus ktimar. Curonhs and der Quclieh
— Für sfpec, fläh»luideiidf‘. gnitwvouattsBkchc Behafidlnuff. “ Pracbtigi
A K 13-gbne grtdihskfe l Jf /nmo.f\»dft C^neerK«, voj^ilgl.. Ah'rpflcgung\ garaiittr
reine' Weine. Se-se- und Biliard-'/hnuner, Piiiyci, Fischerei etc. Fcnsku
l. il. Hl Closs^ Xu DM., 7 M m 4 M. 5Ö Pf: Pf ospv^b
gratft. — .der OtiilienquelTe wahrend doS'. gou'/ch Jahres. —
W* Custor, CK!.n; Ufr. ItOPiViV
f r. W. H»ö«r in Hjunover Antnehl. eut erltric/i ho den Dirocttu
ftpirCirtlUTgt :©r* '.SrUjgrliiiÄnii«
nie.. Besitzen : ttftliMier.
itön isgsdorff - J astrzern!).
Bedeutende Jod- u, Brom-8oolquelle.
Durch dp? Analyse ^or t^ue.lte^ ton jCiiuigsdöfnft Jastmmh
durch Herrn Profossor G'scheiden. [S. Ub lft77) ist de» Beweis gc-
irt h ri worden, da« der iodphsH dmetben den der ÜressiwäNr ClBM*
quelle m n»»hf als die Hälfte fiberfritt, während der ßreiädtbäh beider
nahes« gfolift iet, .
Difv hidicutimtmi für d»e „Benutzung di^r so eiki-nthinnlieh
gknütig zus»tmmtfn^e§eizftrt Sz/oIqucBc den Herren CuHogen, ausein-
andci7.ii«ctzefi-, halW »Oh für vollkommen Oiheffidissig. Indessen sehe
ich mich; ve?uutrt^st,; gu veiiKdmrii, da^ der Comfort-, die. Wobnutigs-
ifhd Verpfirgüngs - VcThhltnisse gegenwärtig bedeutend verbessert
w roden .sind Die Bade-Ej»>Ochf urigen (Wangen - n Douche- und
Dampfftidui-) sind c.b'gaut und h'-quem, ebon^u die Zei-sthubungs-
iVpp.iraic für Nase, Hachen, Augen und Ohren; Für eine gut ein*
gefichUde Milch- und. Molken-Bur isr ebonfilft Sorge- gelrageu.
Or. Wellenberg.
Franzeusbäd In Bolimen,
Die Versendung üiix ':Mtoerß-lwfe^Vr
(Franzen«-, Salz-, Wlewa*, Aenquelle urni kalter
Sprudel) fiir die lH# hat hegoimcn «ml werden die¬
se lheu nur i n G lasfto u.vmi.Ä Bo»t^t|hii»xvn *h ierau f, -sowie
für FranzeiiBbader Mineratmoer und HIoorBalz werden
s-'Vvrthl direct hei der Unterzeichneten Direktion, als auch bei den De-
ipbt3 uatürUßher Mineralwaisfer in allen uruHSOJvii htädlc^» ■ Con-
Vincbts angenommen und prnrüpi cfTecfdirt. Brnchurcu i\h/?i ifk
ßcaiöyirtött Hcilwirkmirgon der Weltbcrlihmteh r Eä:er-PrjMMEeu»*»
[ Im der M i nerafw fwwer werde n gratis vrabfotgt. : Y
Eferer BraiineH 4 >rscod»n'x§-IIIreffio» i»
FrAiizeoBbail.
Neuenahr.
Die 4 uiitj'Tsteviebmdöu' se : H; ; Vivden • Jab'reh hiw prautieixendea Acnkc
iren mit Bczagnahiue auf die .UtscvaVr der hiesigen Bad - Aciien-
llsehaft. dasis sie eben so gut Tuv.^famU sind, uibci- die Verhältnisse
?habrs. Ausknnlt äu erthoUcn,’ seit vorigem Sommer
an Wesende;, vou* gekauntot «zur Walji-ürig ihrer jpödpis
F spccic-ii unbestellte ikdwtizt Uuir pp. AI utjzc I.
Die praVis rsi hier, wie atienviins fn.M'. u«4 bat die Bezeichnung
IftreW» f'lP Sf fi Ji 7 1 * I -r.lÄ (irjöfwr’ 4- . ..rtur tCml..« ^.‘4**- h.4. CI,...
PrivatheiJanstalt Maxbrimn,
München, ftommiigerstrM&e 31.-
Heilanstalt für innere Krankheiten. Hförofheraple.
Dr. Gg, Fischer, Pfivb.M.fctl r
392
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. %%
Verlag von August Hirschwald in Berlin.
Soeben erschien die erste Abtheilung:
Jahresbericht
über die
Leistungen und Fortschritte
in der
g esammten Mediein.
[itwirkung zahlreicher Gelehrten
herausgegeben von
Rud. Virchow und Aug. Hirsch.
XII. Jahrgang. Bericht für das Jahr 1877.
2 Bande (6 Abtheilungen). Preis des Jahrgangs 37 R.-Mark.
Soeben erschien:
Ueber
die synthetischen Processe
im Thierkörper
von Prof. Dr. E. Baumann.
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Reine humanisirte Land-Lymphe
Verlag von Reinhold Erott Kloz in Leipzig.
Soeben erschienen:
Dr. Johannes Stieglitz:
Heber das Zusammensein der Aerzte am Kranken¬
bette und ihre Verhältnisse unter sich überhaupt.
Nach Abänderung schwerverständlicher Sätze und Ausdrücke, auch hier
und da abgekürzt, für die ärztlichen Vereine Deutschlands
neu heransgegeben von
Dr. Ludwig Rohden-Llppspringe.
* Der Preis dieses geschmackvoll ausgestatteten, 6 Bogen umfassenden
Werkchens beträgt, im Interesse der Verbreitung, nur 60 Pf.
Leipzig._ Reinhold Ernst Kloz.
In allen Buchhandlungen ist vorräthig:
Pr#f. Heffman’s Lehrbaeh der Aaatmie des Heasehea
in zwei Bänden. Zweite umgearbeitete und vermehrte Aeflafe.
Creter Baad erste Lieferant: Aeussere Körperform, einfache Körper-
bestandtheile und Bewegungsorgane. Mit 348 Holzschn. Preis M. 9.
Erster Band zweite Lieferest: Eingeweidelehre. Mit 231 Holzschnitten.
Preis M. 8.
Zweiter Baad erste Lieferant: Gefässlehre. Mit 1S6 Holzschn. Preis M. 8.
Des zweit«« Bandes zweite Lieferung, enthaltend: Die Lehre von den
Nerven und den Sinnesorganen, bearbeitet von Professor Dr. 6. Schwalbe
in Jena wird noch im Laufe dieses Jahres erscheinen.
Erlangen, im März 1878.
Verlagsbuchhandlung von Eftoard Besold in EffHlflBtl.
R. H. PAULCKE, Engel-Apotheke, LEIPZIG.
Generalvertretung der Hunyady - L&szlö - Bittersaisquelle
in Budapest.
Die grosse Zahl von Ofener Bitterwässern und die von ein¬
zelnen Quellenbesitzern öffentlich ausgefochtene Polemik, welche die
stärkste und beste sei, machen dem Arzte und Laien die Wahl schwer.
Thatsächlich ist unter den verschiedenen Quellen, die alle auf demselben
Rayon liegen, kein grosser Unterschied und richtet sich der Gehalt an
Salzen nach der mehr oder minder guten Construction der Brunnen,
sowie ob das Wasser bei trockener Witterung oder nach starken Regen¬
güssen geschöpft ist. Der neue Brunnenbau der H««yaty*Läszl6-Qielle
wird als mustergültig geschätzt und giebt daher die beste Gewähr für
die Gleichmässigkeit ihres nach vergleichender Analyse stärksten Ge¬
halte an Salzen. Um jedoch eine ganz genaue Dosirung zu ermöglichen,
lässt die Verwaltung der H««yady - Läszlä - Quelle aus ihrem Mineralwasser
ein Extract in Form eines weissen leichtlöslichen Pulvers an der
Quelle selbst hcrstellen, welches sämmtliche wirksame Bestandtheile
derselben enthält. Einer Dose Inhalt stimmt mit dem einer Flasche
Bitterwasser überein, 1 Kaffeelöffel = 1 Glase. 01« Vorzüge de* Hieyady-
Lätzli-Extra Cts vor jedcai Bitterwasser bestehen ausserdem in der An¬
nehmlichkeit, dass jenes in Oblate oder in jedem Getränk genommen
werden kann — somit von besonderem Werthe für Alle, welche Wider¬
willen gegen Bitterwasser hegen —, und dass die kleine Dose auch auf
Reisen bequem bei sich zu führen ist. Preis der Dose 50 Pfennig. —
Oen Herr en Acrz t cn stehen Proben gratis and franco zn Diensten.
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Gck igle
Original fro-m
UNIVERSETY OF MICHIGAN
Die Bätümt KHöiscb« WncKirrwchriffc erscheint jedi»
Montag i» d &i Starke r*>n -w*ni#rten« 14 Bogen gr. 4.
Preis ?ieil«y&hrlt?h <5 äUtfc. Bestellnngea nehmen
alle Bnchhandlnögi'n nmi Vost- \nstalten an.
BERLINER
Beiträge wolle man portofrei an die Redactioo.
'S. _ W. Dorotheenstr. 78., »fl.V «der an die Vejv
iagsbuchban&lan? too Aagnet Hirspharald in Ber¬
lin (Ji. W. Unter den Linden 68.) eineenden.
KLINISCHE WOCIIENSCHRIFT.
Organ für praetisehe Aerzte.
Mit Berücksichtigung der preußischen Medicinalyerwaltung und Medicinalgesetzgebung
nach amtlichen Mittheilangen.
Kedacteur; Prof. (ir. L. Blaldesburg, Verlag von Aiigns
Montag, den L Juli 1878.
mm.
Fünfzehnter Jahrgang.
Inhalt: T. Steiner:' Aus* Aar GaBArubtheUung des Xfmididicm Charite Krankenhauses; Zur BehaudJune wunder Bnudwar^m, — If. Weber“.
ßelL&dontia gegen Ccdiapsus. — III. Bins wanger: U&fmr fipilepsJa vaseHiytum (Hebluss;. -- IV. BlbmmiOir: lieber aiden h^onäete^
Vorzug vrarmcr Sandbäder. — V. Etefoy&te (lieber amte — Zöt Wirkung der Clirysufdituisaure — Unhcr Vi»r>.,'
kommen und Ursachen abnorm niedriger Kürperteinperateren). — ".'VI, Verb amt i’ungnu ärztlicher' Gest I Gchaften (ttesoikehat't: für Geburt^-
hülfe und Gynäbdogiü i« .Berlin — .Borlcne.f mmdmimsftb-psyaboJogiBch« feeilschafl). — Ytf. Pusch: Notiz.. iUicr die VevAtendtH'g
des Hotel-Besitzer?» Boltfrwer durch den Meuchelmörder Ntehdmn — VifJ. Tagcsgrsehicbtliehe Notizen. -- KinJudäng 7 . um BeMieb der
gyTtäkidüjrmchcn SeeUoü der rom 18. bis zum 2A September d. I. in Cassel statUmdenden Versammlung deutscher und
Acrxte ~ IX.’ AmtlieRfi SUftheilongen. — Inserate. ,
1 . Abs der (iehäriibrhetla»g des Königlichen Chnrite-
Krankenhanse*.
Inr SebHiullung wunder Brnstw»«?#,
,. "Vod - •■■.■•: •• *
StahKarv.i. l)ts &£Hneiv
xVngeregt durch eine M-ittbeUtiiiVf 4estfisirfa;nr<
m 'Berlin (NW 14 ttea laufenden
betreffend die 'Itehaodlajig *w.um)cr Brust warben mit einer Oarbote
wurden auf der ^ebu'rtHhilBidf§« Abtheiluni* der '
einander geätzt wurden — je mit einigen Beewideo Zw&b’eW
pause. Der Haarpinsel emögltekf dabei ein
in die feinsten SpAlGiti. In dieser Weise schien
es an.<re3cberid, im Läufe des Tages «tea .MedteÄtöeiit;,-;C4ö resp«
-Wi Mül mzu wenden, Meistens wurde nur hei der AIöigeti-
Visite tubcWft. ‘ •.
düfeter Thenfpte atftemgL m der
lw%fö$%ieö fab die. wsiebtlich. Hervorgehabetf verdient zu
werden. da.vs di« Änxve»jdtJijg’ der Carhofeadrd (eiel. der $■'%
Lusupg)., abgesehen vo.u eineni leichten ßreriovu. ganz 8r>htnßt&~
IWtidicben Lkriritö — jfc Z. Hüter der Leitung W Privat- los ist und dass die ETopßndUchliftit der Warze, sehr bald nach-
ddeebten fem i)r. F a s b e Jt ?1 f x -- V ersuche an geteilt* .um
die WirkungKweisr dfcsefe MittelA an ohjüt grhs>iörhtv titnhe tujh
Tällen zu erprnbftfi.
fe^fj sc«, dass 4in Mdltfer nhue jede- (^ateidn^chiiu^' weikr' • säugen
kAAiueu. Bo.rr fK-. il. hcfaDf bereits dHisen, Umstand als einen
Vorxug des^^ Mittel umt kamr dies in v««l|üm MasSi-, bestätigt
..Vorati^wchkdc.öttist.««n&cN .-dam fe erschfeh, 1 werilftn. Mmstcnä Vei^härAhten die •Mutter da^: WämMihurebeu
die Art und Weise- vier AiiWenduVig etwas abzuuudeni. «o dass und müssten m semvfn Gebrauch oft- eindntiglich ermalmt vverdcii.
die eTbalteaeo Kesnhatt nut UeiH'ij des Herrn Ör B. nur itda- Was die. idihbobäiure aber ganz.’ besonders - schätzen^wmth
tiv verglichen werden kü'tin^n. Herr Dr. H. Hess- nämlich auf •: %n njuehen scheini.. .ih< der Tnudaud. dass sie trotz des Weiter-
nie erkTankteii Brustwarzen lad iemperirth Umsctiläge mir einer st.ifhns eine Verschliinmernng des ur.sprünglictio.u Leidens ziem-
■:i r „ re$\u 5°> 0 0arht>I1üsung machen lind die^dben alle $ &..; lieh jsdeher VerhindeTd. Gar^ ariders verhielt «ich da^ TTxjmii,i;
8hmden erTieueTn. Dids«^ts wuYdeildie ertoif^ten Stulleäu uhd | v*m dem eine r//snng I r UH»0 in HehrahVU gcÄOgeo wuiaJev
ihre nächste Ümgehmig mittelst eines geyröhölijchcö TnKchpin>(^ ! Zöu^Jb^t war der Moment, dev jede*m^ig*m ersten Applicafion
. mit der betreffenden Losung geätzt.' Batte hei dieser Abänderung ; recht • sehiwerzhÄfty dann aber versa Idirnmerte sjcJi cIää Leiden
der Gedanke an die Möglidih eit einer Verwechselung von Seiten ! last reget massig trotz sorgfältigster B-ehmid hing, so dass ychBeus-
de-r'Wöchnerin mit bereits geh rau eben den Flüssigkeiten nb-ht 1 lieh doch ziir OarbolsAbre ge^rrfferV wnriBi. Liese bewirkte dann
ATiuiK fern gr legen v so war doch bauptsäcliUrh der Umstand 8; ßl melle Heilung resp Besserung. In Full No 40 konnte dei
aiasHgcbend ge-yveseu, dass AUfrcIi die cJngeführte Anwendüngs.- ; Kintritt einer abscediremlen Alastitis .nicht verliindert werden;
‘-Bf zuverlässiger die etwa > .hlosKgelcgten Miindupgeu der fein- ! ob die OarhoBaare dieses-üble Verhütet hatte, moss
och Lymphgcfö — ' r.cidit rmd gefdzt werden mussten - 1 dahingevtcllt bleiben. Jodonfalte '\<t bet’ ihrer Anw^nümic uie-
IleiT Ilr. £i. AL ganz bes»findets ^esentUch hefvorhfcbt. Anderer-1 tnals unm Entzhmlung der Bnistdrü^ aufgetTctcn.
schien 6s sogar unwabrscheäriBch» da.ss die %Vände von tief öd I Als vorläuffges ErgebmKR dieser A^ersii che stelU döin*
Ra>al- K)iagaden Hei öiiifAchun Um^chlägch überhaupt mit dem I v.aeh liemus,"4A8s-. cTte;, (‘Ä-rbiilsäure die ihr durch Herrn i>r. H,
M^Bcament id infm vvÜAsdteh>8wurthe Berührung kommen könnten
Zuerst wurden Läppchen TWit •3‘V„ Carbol-Oei aufgelegt,
nachher abim glteclizeBig auch mit. 5V ß w&^rrigej* Lhyung toochirt.
Weiterhin üind Lösudgeif heifdlzt tvortln«
>niii /.war io. (kr W\iiA'6 T "naßhtijfm die BfüHfcwarze mit
'imun fciichted ^ei^äägt Worden,’ .die er-
kvmrkteir Stetten und rbre tuTehste Um geh ring 4—- 5 Mal hinter
m Th »dl gewördenö Empfehlung bei dev Therapie, der wunden
Brustv; mr en. wob 1 ztn vonlienen scheint.
LHe Stärke dev Lösung anlangend. so dürfte über (i T ' „ kaum
hinausg«ga?fgeh und 5 fi '„ als die .Grenze hach nuten bezeichnet-
werdeiL Ide h % Lte-orip ^chieti die günstigsten Resultate zn
geteihv doch sind die Zahidu hoch, zfx klein, mrd es nubHen erst
weitete Venstidhe darftber etedgfHf^^
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nung die iiai&ier• ^jiipf^je-|3r'4ir : Hett.tbUfigkeit tiOn zu be¬
leben, die kalten umi me#M mit profusem .Schlei« -s-e Itedeekten
Glieder wietier erwannt zu öndeu, und wie Beiten sehen Arir
den gewünschten Erfolg* Es dtlrff^ deshalb e\ne jede Bereiche-
rtmg na^öl'er' HwlfaiöiHftl• $$$$$ ■ «0 bäufigerj and auch für
den Kranken selbst nud seine Ctdgebmig so petrilichetf ?ym-
ptomeri-Onniplex wdlkotnrnen sein, besonders wenn «ich ein
.volcheÄ Mittel Onreh die Rleinheit der dazo nütlngen Ukw*,
snwin dutelt 'dlrr.HtcHerht'it mit der sich dasselbe immer etiir
bringen I4Ä eiit^ödcr innertich oder kwiieutttti^; ausgexeicbDftt.
Ein solches 'Mitu*l glaubt • dtvr Verfasser -diese* in der Bella¬
donna gefööden m haben. Selbstvemtihdiich erwart© igb keine
Bnmnglicbkslteti und h\tt ymit iritfzrm, Belladoüüa für ein
.sicheres Heilmittel aller Fillie. v<»!i' ; €.oliftjMus anjlrer^n «u wonen v
nur bildendes glaube ich auf Gf^bd tnelber ErbthTuiftgen aus-:
spreobetf v.ti. dHrfen, da^s HeliadoKha. etwas mehr leistet,
albr die oben genannten Stimulahtien zufivunnjem Ich wurde
396
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 27
zuerst bestimmt mit Belladonna Versuche in dieser Richtung zu
machen, durch einen Aufsatz in einem deutschen medicinischen
Journale, worin Belladonna als bestes Antidot gegen Digitalis¬
vergiftung gepriesen ward. Der Verfasser gab keine weitere
Erklärung über die Art und Weise dieser Wirkung, sondern
erklärte nur, dass die Resultate seiner an Thieren vorgenommenen
Experimente ihn zu dem Schlüsse berechtigten, dass Belladonna
der Digitalis gegenüber antagonistisch wirke. Collapsus wurde
in diesem Aufsatze nicht berührt. Mein erster Versuch wurde
deshalb in folgendem Falle vorgenommen:
Wilhelm H., acht Jahre alt, hatte letzten Sommer ein nicht
unbedeutendes Scharlach. Am 10. Tage seiner Erkrankung
trat schnelle Besserung aller Fiebersymptome ein, und die Ab¬
schuppung begann. Zwei läge später erneutes, sehr heftiges
Fieber, Puls 128 per Minute, Temperatur des Abends über
40° C., Schmerzhaftigkeit und leichte Schwellung der meisten
grösseren Gelenke, wie bei Rheumatismus acutus, ausserdem
Endocarditis. Da Patient alles Chinin wieder erbrach, so be¬
kam derselbe neun Gran (0,6) Digitalis im Infus, dieses in
24 Stunden zu verbrauchen. Ausserdem Milchpunsch. Nachdem
derselbe fünf Tage lang dieselbe Behandlung fortgesetzt, also
45 Gran (3,0) Digitalis genommen hatte, ohne irgend welche
bemerkbare Wirkung auf Puls, Temperatur oder Diurese, trat
plötzlich über Nacht eine grosse Veränderung im Zustande
meines Patienten ein, so dass ich morgens frühe eiligst ge¬
rufen wurde. Ich fand denselben in hohem Collapse. Eiskälte
und profuser Schweiss aller Gliedmassen, Leichenblässe und
verfallene Gesichtszüge, häufiges Erbrechen und einem ganz
unrythmischen Pulse von 52 per Minute. Ich verordnete: Extr.
Belladonnae 0,015, Acid. sulphuric. dilut. 1,3, Syrup. Zingib.,
Aquae ana 24,0, stündlich einen Theelöffel voll zu geben.
Nach Ablauf von zwölf Stunden sehe ich den Patienten wieder
und finde eine merkwürdige Veränderung zum Guten. Puls
jetzt 64 Schläge per Minute, ganz regelmässig und sehr
kräftig, Wärme des ganzen Körpers, keine Brechneigung mehr
und jetzt Beginn einer sehr reichlichen Diurese. Von nun an
genass derselbe in verhältnissmässig sehr kurzer Zeit und sieht
wohler aus als jemals vor seiner Krankheit, bietet aber
heute noch die Anzeigen einer leichten Insufficienz der Mitral¬
klappen. Die rasche und günstige Wirkung der Belladonna in
diesem Falle, reifte in mir den Entschluss, dieses Mittel beim
nächsten Falle von Collapsus zu versuchen.
Frau PL, 41 Jahre alt, war schon fünf Tage von einem
anderen Arzte an Gastro-Enteritis behandelt worden. Ich fand
dieselbe in lolgendem traurigen Zustande: Beinahe beständiger
Singultus, häufiges Erbrechen blutiger, kaffesatzartiger Flüssig¬
keit, häufige Diarrhoe, grosse Tympanites und ziemliche Empfind¬
lichkeit des ganzen Leibes, Kälte und Cyanose der Gliedmassen,
die mit profusem Schweisse bedeckt waren und mit einem sehr
frequenten, kaum fühlbaren Pulse. Herz und Lungen boten
keine auffallenden Krankheitserscheinungen dar. Da derselben
schon Milchpunsch verabreicht worden, so verordnete ich:
Extr. Belladonnae 0,05, Tr. opii gtt. XX, Kali chloric. 2,0,
Aquae menthae piper. 90,0, Misce/
Dieses in 24 Stunden ganz zu verbrauchen. Ausserdem ein
Klystier aus Stärkewasser mit 20 Tropfen der Tinci Opii der
Pharmacopoe der Vereinigten Staaten. Den nächsten Tag finde
ich die Patientin schon besser. Der Singultus hat aufgehört,
die Extremitäten sind wärmer und nicht mehr blau, Diarrhoe
sowie Erbrechen viel seltener und letzteres nicht mehr blutig,
sondern grasgrün. Von jetzt au jeden Tag Besserung. Am
vierten Tage meiner Behandlung: Gehörige Wärme aller Glieder
mit kräftigem Pulse von 90 bis 100 per Minute, bedeutende
Abnahme der Tympanites und Aufhöreu des Erbrechens und
der Diarrhoe. Am siebenten Tage keine Spur mehr von
Gastro-Enteritis, Patientin ist munter und klagt nur über
Hunger, ist jedoch sehr abgemagert und schwach. Bis hier¬
her gebrauchte dieselbe die Belladonna in der oben angeführten
Weise. Von nun an erhält sie etwas Chinin mit Salzsäure und
ausser passender Nahrung einen guten Wein. Patientin kann
erst nach Ablauf weiterer 14 Tage aus der Behandlung entlassen
werden, wegen ihrer grossen Schwäche.
Anna S., 6 7, Jahre alt, ist in der vierten Woche eines
recht heftigen Typhus abdominal., der sich von der ersten
Woche an durch besonders hohe Abend - Temperatur, trotz
Chinin-Behandlung, und sehr heftigem, allgemein verbreitetem
Bronchialcatarrhe ausgezeichnet hatte. Dabei grosse Schmerz¬
haftigkeit bei dem leisesten Drucke in der ganzen Gegend
zwischen Umbilicus und Process. ensiformis. In der Mitte der
vierten Woche finde ich diese Patientin des Abends in hohem
Collapsus. Eiskälte der Glieder mit Cyanose derselben und der
Lippen, Dyspnoe, Respirationen 42 in der Minute, Puls schwach
und kaum zählbar, keine Pneumonie, aber Pfeifen in allen
Bronchiolen. Ich mache weiter keine Veränderung in der
Therapie, als dass ich einer halben Flasche Chininlösung, von
der sie schon die Hälfte verbraucht hatte, noch Extr. Bejla-
donnae 0,015 hinzufüge, dieses über Nacht ganz zu verbrauchen.
Den nächsten Morgen bin ich angenehm überrascht durch den
Zustand der Patientin. Wärme aller Glieder, Puls kräftig und
100 Schläge per Minute, Respirationen nur 22 per Minute und
gänzliche Ab Wesenheit jedes Pfeifens in den Bronchien.
Das Kind ist munter und spielt mit seiner Puppe. Von nun an
schnelle und vollständige Genesung.
Da vielleicht mancher meiner Leser bezweifeln wird, ob
solche kleine Dosen Belladonna den Körper noch beeinflussen
können, so will ich besonders erwähnen, dass alle drei Patienten
sehr erweiterte Pupillen bekamen, und dass Frau PL, so lange
sie unter dem Einflüsse der Belladonna war, sehr durch Hallu-
cinationen des Gesichts genirt wurde, indem sie glaubte, Ratten
über ihr Bett springen zu sehen; Anna S. ferner weinte mehrmals
halbe Stunden lang und strich über ihre Hände, Aerme und
Bettdecke, um imaginäre Insecten davon abzustreifen.
Trotzdem meine Beobachtungen über die stimulirende
Wirkung der Belladonna erst während des letzten halben Jahres
gemacht wurden, so würde es mir doch möglich sein, die Zahl
der oben angeführten Fälle zu verdoppeln, hielte ich dieses
für nöthig, doch hoffe ich, dass die angeführten Fälle genügend
sind, um die Aufmerksamkeit meiner Collegen auf jenes Mittel
zu lenken und dieselben zu Versuchen damit anzuregen. Ich
will nun versuchen in möglichster Kürze darzustellen, wie ich
mir selbst den Modus Operandi dieses Mittels beim Collapsus
erkläre.
Theorie der Belladonna-Wirkung im Collapsus.
Hier finde ich jedoch nöthig, erst die Frage zu beantworten:
Welches ist das Hauptmoment bei dem Collapsus, wie wir den*
selben bei den Entzündungen und anderen Erkrankungen der
Baucheingeweide so häufig sehen? Woher rührt die Kleinheit
des Pulses und die Kälte der Peripherie, während das Thermo¬
meter im Mastdarm hohe Temperaturen zeigt und der Kranke
oft das Eis ganz verschluckt um seinem brennenden Inneren
Kühlung zu verschaffen? Die mir wahrscheinliche Antwort ist:
Eine Erweiterung der Arterien und Arteriolen in den Bauch¬
höhlen in Folge einer Anenergie der vasomotorischen Nerven.
Ich verweise hier meine Leser auf die interessanten Resultate
der Durchschneidung der Nervi splanchnici, welche einem Cholera-
Collapse ganz ähnlich sind. Ferner muss ich hier ein altes,
von Claude Bernard zuerst gemachtes und seitdem von vielen
wiederholtes Experiment anführen. Claude Bernard zerschnitt
Digitized by
Gck igle
Original frn-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
8. Juli 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
397
den rechten Halsstrang des Sympathicus an einem Hasen. Folge:
Vasomotorische Paralyse der rechten Kopfhälfte. Die Tempe¬
ratur, die vorher in beiden Ohren gleich gestanden und 94 Grade
(Fahrenheit) gezeigt hatte, stieg nun in dem Ohre der durch¬
schnittenen Seite auf 100 Grade, während sie auf der gesunden
Seite auf 91 Grade herab fiel. Galvanisirte jedoch Claude
Bernard das durchschnittene Ende des Sympathicus, so er¬
folgte sehr schnell ein Fallen der Temperatur auf der gelähm¬
ten und ein entsprechendes Steigen auf der gesunden Seite.
Auf ähnliche Art erkläre ich mir die Wirkung der Belladonna
beim Collapsus, indem ich, ganz im Gegensätze zu den vor¬
herrschenden Ansichten, eine die gesunkene Energie der
Gefässnerven reizende Wirkung der Belladonna annehme und
als Folge eine Verminderung der Blutfülle im Bauche und eine
entsprechend bessere Füllung der peripherischen und Gehirn-
gefässe. Ganz gewiss ist hierbei auch die schon seit länger
bekannte und meistens falsch gedeutete (weil durch Lähmung
der Vagusenden erklärte) Wirkung der Belladonna auf den Hals-
sympathicus nicht unwichtig, wodurch dieselbe die Herzschläge
beschleunigt und wie wenigstens ein Beobachter (Meuriot)
mittelst des Sphygmographen bewiesen, dieselben auch kräftiger
macht. Dass aber meine Annahme einer Gefässverengerung durch
Belladonna keine blos willkürliche und subjective, beweist
folgendes Citat aus Nothnagel’s Arzneimittellehre, welches
ich wörtlich wie im Texte folgen lasse: Auf die Schwimmhaut
eines Frosches gebracht bewirkt Atropin sehr schnell eine Ver¬
engerung der kleinsten Arterien, berichtet von Meuriot, Flem-
raing, Jones und Hayden. Ferner: Belladonna bringt eine
Verengerung der Gefässe des Rückenmarks hervor ähnlich wie
Ergotin (Brown-Sequard). Trotzdem nimmt NothnageL
nur eine nerven lähmende Wirkung der Belladonna an und
erklärt die durch dieselbe hervorgebrachte Beschleunigung der
Herzschläge durch Lähmung der Hemmungsfasern im Nervus
vagus. Mit einer solchen Annahme lassen sich meine Beob¬
achtungen nicht in Einklang bringen und ebensowenig der schon
lange bekannte und sicher bewiesene, hemmende Einfluss der
Belladonna auf die Secretionen der Speicheldrüsen, Brust- und
Schweissdrüsen. Zum Schlüsse glaube ich noch zwei Punkte
hervorheben zu müssen. Erstens: Die Gefässnerven erregende
Wirkung der Belladonna beanspruche ich nur für mittlere Dosen
dieses Mittels, da es mir nicht unwahrscheinlich erscheint, dass
toxische Dosen das Gegentheil, nämlich eine lähmende Wirkung
haben können, wie wir ja dasselbe von der Digitalis, den alco-
holischen Stimulantien etc. mit ziemlicher Sicherheit wissen.
Zweitens in Betreff der sogenannten antagonistischen Wirkung
des Opium und der Belladonna, muss ich ausdrücklich bemer¬
ken, dass ich häufig Belladonna mit Opium oder Morphium zu¬
sammen gegeben, ohne eine merkliche Verminderung der Bella¬
donnawirkung, mit einziger Ausnahme der auf die Pupillen¬
erweiterung, beobachtet zu haben. — Ich schliesse mit der
Hoffnung, dass in Zukunft auch andere Aerzte in der Bella¬
donna ein wirksames Mittel in der Behandlung ähnlicher Fälle
von Collapsus, und wie ich, zwar bis jetzt nur auf theoretische
Gründe gestützt, auch glaube, in der Behandlung des Cholera-
Collapsus finden möchten.
Anhang.
Nachdem ich vorliegenden Aufsatz beendigt, reichte ich
eine englische Bearbeitung desselben bei Herrn Horatio Wood,
dem Herausgeber der Philadelphia Medical Times, zum Zwecke
der Publication in seiner Zeitschrift ein. Zu meiner Ueber-
raschung theilte mir derselbe mit, dass er schon vor meheren
Jahren durch Experimente an Thieren zu der Ceberzeugung ge¬
kommen, dass Belladonna ein Stimulans für die Gefässnerven
sei und dies in seinem, vor einigen Jahren erschienenen Werke
bemerkt habe. Er erklärte mir jedoch ausdrücklich, dass er nie
Belladonna gegen Collapsus gebraucht, ihm jedoch der Gebrauch
derselben ganz rationell erscheine. Herr Dr. H. Wood ist Prof,
der Materia Medica an der Universität von Pennsylvanien und
sein oben genanntes Werk über Materia Medica wurde kürzlich
in das Italienische übersetzt und als Textbuch für die Universi¬
tät zu Pavia angenommen.
I1L lieber fipilepsia vasoitoitrk.
(Nach einem Vortrage, gehalten in der medicinisch-natur-
wissenschaftlichen Gesellschaft zu Göttingen.)
Von
Dr. Otto Binswanger,
früher Assistent am patholog. Institute zu Göttingen, jetzt in Breslau.
(Schluss).
III. E. H., 36 J. alt, Arbeiter, ausgenommen 4. Juli 1871.
Patient bietet das gewöhnliche Bild des chronisch-protrahirten
epileptischen Irreseins. Derselbe leidet angeblich erst seit
6 Jahren an Epilepsie. Doch sind die anamnestisch erhältlichen
Anhaltspunkte so dürftig und unvollkommen, das^an der Richtig¬
keit dieser Zeitbestimmung mit Recht gezweifelt werden kann.
Im Jahre 1868 wegen Obdachlosigkeit aus Hannover ausgewiesen
und nach seinem Heimathsorte transportirt, „ergab er sich der
Völlerei, dem Müssiggange und der Bettelei in der masslosesten
Weise“, und erlitt in der Folge mehrere Gefängnissstrafen. Die
epileptischen Anfälle wurden anfänglich von den Gerichten als
Simulation gedeutet.
Pat. ist hochgradig schwachsinnig, völlig unthätig, sehr
reizbar, und gegen die Umgebung oft sehr böswillig. Die epi¬
leptischen Anfälle treten in unregelmässiger Reihenfolge, etwa
alle 3—4 Tage, öfters auch an einem Tage gehäuft auf. Auf¬
fällig ist das hochroth injicirte Gesicht, der beschleunigte volle
und oft dicrote Puls und die abnorme Weite der Pupillen. Die
vasomotorischen Erscheinungen lassen keinen regelmässigen
Typus ihres Auftretens erkennen, sondern sind hierbei völlig
von äusseren Verhältnissen abhängig. Jede stärkere Gemüths-
bewegung, jede Exacerbation im Gebiete der Wahnideen docu-
mentirte sich in starken Schwankungen der Menge des ausge¬
schiedenen Urins. Traten dann während des psychischen Er¬
regungszustandes ein oder mehrere epileptische Anfälle hinzu,
so Hessen sich immer, wenn auch meist mässige Temperatur¬
steigeningen constatiren.
Während die täglich ausgeschiedene Urinmenge sich durch¬
schnittlich zwischen 1100 und 1400 Ccm. mit einem spec. Gew.
von 1016—1018 bewegte, fiel dieselbe am 25. April 1877 auf
380 Ccm. mit einem spec. Gew. von 1029 herab. Farbe dunkel-
roth, Reaction sauer, ohne Sediment. Kein Eiweiss. Pat. war
sehr aufgeregt, verlangte stürmisch nach Hause, da seine Frau
ihn dringend verlange. Die Temperatur Abends gemessen 37,8.
P. 80.
Am 27. April. Pat. immer noch zornig erregt, schimpft
beständig, wirft das Frühstück als zn „lumpig“ weg etc. Urin¬
menge 600 Ccm., spec. Gew. 1026, sauer reagirend, von dunkler
Färbung. Temperatur normal.
28. April. Stat. idem. Pat. erleidet Mittags einen schweren
epileptischen Anfall, die sofort nach dem Anfall gemessene
Körpertemperatur ist 38,5. Abends 6 l / 2 Uhr zeigt der Ther¬
mometer noch 38,0. Puls 112, deutlich dicrot.
Crinmenge 600 Ccm., 1026 spec. Gew , neutral reagirend,
kein Eiweiss, dunkel gefärbt.
Am 29. April Morgens wieder normale Temperatur.
Digitized b)
Google
Origiral fre 2
UMIVERSITY OF MICHIGAN
398
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 27
Urinmenge 700, 1024 spec. Gew. Kein Eiweiss, sauer
reagirend.
30. April. Urinmenge 900, spec. Gew. 1016, sauer, kein
Eiweiss; heller braunroth gefärbt.
Am 7. Mai hatte Pat. in der Nacht 3 Anfälle gehabt. Die
Morgentemperatur normal. Die am 8. Mai ausgeschiedene Urin¬
menge betrug 650 Ccm. mit 1026 spec. Gew. Dunkler concen-
trirter Urin, sauer reagirend.
Am 7. Juni wieder in obiger Weise erregt, erleidet am
Nachmittage 3 Anfälle.
Abendtemperatur 38,6. Die Urinmenge nicht vollständig
erhältl. Die 350 Ccm. vorhandenen Urins zeigten ein spec. Gew.
von 1028. P. Abends 120. Kein Eiweiss.
Am 8. Juni normale Temperatur. Urinmenge 900 Ccm.,
1020 spec. Gew., sauer.
Am 26. Juni erlitt er eine gleiche Attaque, nachdem er
wegen Mithölfe bei einem Fluchtversuch eines anderen Kranken
gezankt worden war. Nachmittags 2 Anfälle. Die Abendtempe¬
ratur 38,4. Puls 112. Der Urin nicht erhältlich.
Am 27. Juni normale Temperatur. Urinmenge 1000 Ccm.,
1020 spec. Gew., sauer.
Am 19. Juli Prügelei mit Mitkranken. Morg. 38,3, Ab. 38,0.
Morgens 1 Anfall. Urinmenge 650, spec. Gew. 1024, sauer, kein
Eiweiss.
20. Juli. Morg.: 38,5, Ab.: 37,9 ) Morg. 1 Anfall.
21. Juli. „ 37,4, „ 37,5 ( Erregt.
22. Juli. „ 38,0, „ 37,6 j Anfall in d. Nacht (?)
Die nächst folgende Zeit immer normale Temperaturen.
Vom 6. — 9. October eine gleiche Erregungsperiode mit
epileptischen Anfällen am 8. October und einer Abendtempe¬
ratur von 38,4. P. 116. Urinmenge am 9. October 720, spec. Gew.
1025, sauer, kein Eiweiss, dunkel gefärbt.
10. October. Urinmenge 1020 Ccm., 1019 spec. Gew., sauer,
hellroth gefärbt.
Dies die kleine Reihe der mitzutheilenden Beobachtungen,
die selbstverständlich ein abgeschlossenes Urtheil nicht er¬
lauben und deren Einzelheiten physiologischen Erklärungs¬
versuchen noch manches Räthsel bieten.
Uebereinstimmeud finden wir in allen 3 Fällen im Gefolge
der psychisch - epileptischen Aequi valente (Fall I und II) und
der typischen epileptischen Anfälle beim Hinzutritt grösserer
psychischer Erregung (Fall III) Temperatursteigerungen mässigen
Grades, je einmal aber in Fall I und II Temperaturwerthe, die
wir sonst nur höheren Fiebergraden zuerkennen. Hierzu das
constant auftretende Sinken der Urinausscheidung mit Steige¬
rung des specifischen Gewichts, der beschleunigte, volle, weiche
und häufig dicrote Puls, Symptome, die wir dem Begriffe Fieber
unterordnen. In der That glaubte ich das erste Mal, als ich
Gelegenheit hatte, einen der beschriebenen Anfälle zu sehen,
eine acut fieberhafte Erkrankung vor mir zu haben. Aber die
genauste und öfter wiederholte Untersuchung der Kranken liess
nie eine Organerkrankung nachweisen, ausser regelmässig auf¬
tretende Dyspepsie, die sich äusserlich in belegter Zunge, Appetit¬
mangel und Obstruction kenntlich machte. Doch liess in der
Folge der plötzliche Abfall und die typische Wiederkehr der
Erscheinungen bei mehreren gleichartig erkrankten Individuen
den Eingangs entwickelten Zusammenhang mit der epileptischen
Erkrankung erkennen. Bei Fall II könnte bei der erst ge¬
schilderten Attaque an eine meningitische Affection gedacht
werden. Der kahnförmig eingezogene Leib, das Erbrechen, die
engen Pupillen wurden hiermit in vollem Einklang stehen. Aber
auch hier machen der unvermittelte Abfall und die Wiederkehr
derselben Erscheinungsbilder, hauptsächlich aber das Fehlen
weiterer characteristischer Momente für Meningitis die Diagnose
Digitized b)
Google
höchst unwahrscheinlich. Ferner ist dem Einwand zu begegnen,
dass die Temperatursteigerung Folge erhöhter Muskelaction
wäre. Ausser der Thatsache, dass die Kranken der bei den
ersten Beobachtungen sehr oft während der Attaquen Stunden
lang in traumartigen Delirien regungslos, aber nicht in cata-
leptischer Starre dalagen, im letzten Falle aber grössere moto¬
rische Erregungen fehlten, spricht gegen diesen Einwand die
Loincidenz mit anderweitigen Erscheinungen, die wir auf vaso¬
motorische Einflüsse zurückführen müssen.
Wie stehen diese vasomotorische Erscheinungen mit der
Grunderkrankung im Zusammenhänge?
Längst bekannt und täglich zu beobachten sind die Ein¬
wirkungen psychischer Affecte auf die Vasomotoren. Ich er¬
innere hier nur an das Erröthen und Erblassen vor Freude und
Schreck. Im ferneren scheint mir die Beobachtung von Landois
hierhergehörig, dass die Angina pectoris vasomotoria haupt¬
sächlich nervöse, leicht aufgeregte Personen betreffe *). Wie viel
mehr muss dieser Einfluss bei Geisteskranken zur Geltung ge¬
langen, deren Empfindungssphäre im Zustand einer maximalen
Labilität, beeinflusst durch die mannigfaltigsten hallucinatori-
schen Vorgänge, sich befindet. Tritt hierzu die dauernde epi¬
leptische Veränderung, die wir seit Schröder v. d. Kolk in
einer „erhöhten Irritabilität“ der nervösen Centralapparate im
Pons und der Medulla oblongata zu suchen geneigt sind, so
haben wir Momente genug, den oben geschilderten Symptomen-
complex in causale Verbindung mit der bestehenden Erkrankung
zu bringen. Sehr evident ist der Einfluss einer stärkeren psychi¬
schen Erregung im III. Falle. Für die beiden ersten Beob¬
achtungen ist noch ein anderer Erklärungsversuch möglich, den
ich freilich mit aller Reserve ausspreche. Durch die Beob¬
achtungen von Bourneville und Obersteiner*) haben wir
die Thatsache kennen gelernt, dass der sogenannte Status epi-
lepticus mit Temperatursteigerungen oft maximaler Art (bis
42 # C.) eiuhergehen kann. Es liegt nun eine Parallele zwischen
den dort mitgetheilten Beobachtungen und unseren Fällen in
der Weise nahe, dass wir die psychisch-epileptischen Attaquen
bezüglich ihrer epileptischen Dignität als Status vasomotorii
auffassen und so klinisch in Uebereinstimmung bringen mit
anderweitigen Mittheilungen über höhere Temperaturwerthe bei
Epileptikern. Diese Auffassung wird für den II. Fall durch die
mitgetheilte anamnestische Beobachtung gestützt, dass Patient
im Verlaufe seiner Krankheit einen typischen epileptischen Status
von halbstündiger Dauer durchgemacht hat. Leider wurden
damals keine Temperaturmessungen vorgenommen. Ausserdem
sehen wir bei beiden Fällen, die aetiologisch das Gemeinsame
bieten, dass die epileptische Erkrankung auf eine Kopfverletzung
zurückgeführt wird, die epileptischen Anfälle immer serienweise
auftreten, so dass eine gelegentliche Steigerung zum epileptischen
Status auch für die erste Beobachtung nicht ausgeschlossen
werden darf. Freilich können wir auch hier des Einflusses der
psychischen Erregung nicht entbehren, da wir gefunden haben»
dass diese serienweise auftretenden Anfälle niemals die ge¬
schilderten vasomotorischen Begleiterscheinungen zeigten. Dass
die Anfälle von petit mal oder besser rasch ab laufenden moto¬
risch-epileptischen Attaquen der I. Beobachtung als ausgleichende
Momente der epileptischen Spannung in den betreffenden Nerven-
centren in Scene treten und so die Steigerung zum motorisch¬
epileptischen Status verhindern, muss wenigstens als möglich
1) 1. c. pag. 11 und 12.
2) Bourneville: Etudes Cliniques ct thermometriques sur les
maladics du Systeme nerveux. 1873. Obersteiner: Wiener medi-
cinische Wochenschrift 1873, No. 23. Vgl. hierzu Nothnagel: Epi¬
lepsie, pag. 240 und 241.
Original fro-m
UNIVERSUM OF MICHIGAN
8. Juli 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
399
beachtet werden. Grosse Schwierigkeiten bietet im weiteren
die Beantwortung der Frage, ob die geschilderten vasomoto¬
rischen Erscheinungen einer Reizung oder Ermüdung (Reflex¬
hemmung?) des vasomotorischen Centrums entsprechen. Der be¬
schleunigte, weiche und volle Puls, die weiche Radialarterie,
zugleich die Erhöhung der Körpertemperatur sprechen für letzteres.
Dann liesse sich der concentrirte Urin nur aus einer vermehrten
Wasserausscheidung auf anderen Wegen (Haut und Lungen) er¬
klären. In der That traten bei dem Kranken der I. Beobach¬
tung mehrmals mit dem vasomotorischen Anfalle profuse Schweiss-
secretionen auf. Alle 3 Kranken zeigten übereinstimmend bei
stark gerötheter Körperoberfläche immer zur Zeit des Anfalls
eine feuchtglänzende und weiche Haut. Auf der anderen Seite
Hessen sich die erwähnten Erscheinungen der Urinausscheidung
sehr bald mit einer reflectorisch erregten Verengerung der
Nierencapillaren vereinen. Hierzu kommt noch die überwiegend
auftretende Pupillenerweiterung, die auf Reizungen des Sym-
pathicus hinzuweisen scheint. Bei der mangelhaften physiolo¬
gischen Erkenntniss über die Wechselbezeichnungen zwischen
Gefässtonus und Herzaction ist in dieser Frage die beschleunigte
Pulsfrequenz auch nicht entscheidend.
Fassen wir, auf diese Ausführungen gestützt, die Ergeb¬
nisse der vorliegenden Beobachtungen zusammen, so dürfen wir
als das klinische Ergebniss derselben darstellen, dass es ge¬
wisse, vielleicht nur dem epileptischen Irresein angehörige Er¬
scheinungsbilder der Epilepsie giebt, die unter dem Namen der
Epilepsia vasomotoria zusammengefasst werden können. Die¬
selben documentirten sich in den vorliegenden Fällen durch
typisch auftretende Temperatursteigerungen, Aenderungen der
Pulsfrequenz und Pulsbeschaffenheit und auffälHge Verminderung
der Urinausscheidung verbunden mit entsprechender Steigerung
des specifischen Gewichts. Eiweissaustritt war hierbei nur
vereinzelt zu beobachten. Diese klinischen Erscheinungsbilder
einer Mehrbetheiligung der vasomotorischen Sphäre waren
gebunden an stärkere psychische Erregung, beziehungsweise
an unregelmässig auftretende Exacerbationen der bestehenden
Psychose.
Zum Schlüsse ist es mir eine angenehme Pflicht, Herrn
Professor Ludwig Meyer für die Ueberlassung des hierher ge¬
hörigen Materials meinen aufrichtigsten Dank auszusprechen.
IV. lieber eiiei besMilerea Vorng wamer Su4bä4er.
Von
Dr. med. Flemmlng,
pract Arzt u. Besitzer einer Heil-Badeanstalt zu Blasewitz — Dresden.
In No. 11 des vorigen Jahrganges der Wochenschriftnge-
stattete sich Verfasser einen kleinen Beitrag über den Werth
warmer Sandbäder bei der Ischias-Behandlung zu bringen und
hatte derselbe seit dieser Zeit reichlich Gelegenheit, sich von
den gründlichen Erfolgen dieser Behandlungsweise zu überzeugen,
sofern Patient nur wenigstens sechs Wochen sich ihr widmen
konnte. Ist einmal die Anwendung hoher Wärme angezeigt
und wird sie wie bei Personen mit nicht so leicht erregbarem
Gefässystem auch gut vertragen, so geschieht sie am zweck-
mässigsten, nicht minder bei noch manchen andern Krankheiten,
gerade in der Form dieser Bäder. Durch verschieden grosse
Menge des Wärmeträgers, sowie Vertheilung desselben vorzugs¬
weise auf besondere Körperstellen, durch kürzere oder längere
Dauer des Bades, endlich aber auch durch die verschieden hohen
Wärmegrade selbst, allgemein oder beziehendlich nur local,
kann man allen anderen Bädern gegenüber hohe Wärme am
meisten individualisirt übertragen.
Ueberzeugt sich hiervon schon jeder selbst, der ein Sand-
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bad genommen oder wenigstens bei der Anwendung derselben
zugegen war, so dürfte ein Beweis des soeben angeführten Satzes
vielleicht auch in nachstehendem gegeben werden, gestützt auf
zahlreiche eigene, möglichst genaue Wärmemessungen.
Trocken-warmer Sand behält, gleich allen anderen trockenen
Körpern, die ihm mitgetheilte Wärme wesentlich lange. Sehen
wir von den Thermen ab, die, namentlich wenn fortwährend
neue Badeflüssigkeit zuströmt, während des Bades natürlich keine
Wärme Verluste, im anderen Falle nur den ganz unbedeutenden
von 0*,4 während 30 Min. ergeben, so haben überhaupt trocken¬
warme Sandbäder im Vergleiche mit allen andern Bädern noch
die geringsten. Ein reines Wasserbad von 35*,0*) und von
30 Min. Dauer, Zinkwanne, verliert 3*,35, ein salinisches Wasser¬
bad unter gleichen Verhältnissen: 2*,95, ein Moorbad mittel¬
dicker Consistenz: 1°,95, ein Sandbad, gleich dem letzteren in
Holzwanne: 1*,50.
Die langsame Wärmemittheilung der Sandbäder giebt allein
die Erklärung ab, warum es möglich, ja geradezu nothwendig
ist, hier recht hohe Wärmegrade anzuwenden. Wasserbäder,
überhaupt Bäder flüssigen Inhaltes, giebt man, die selteneren
Fälle ausgenommen, in welchen man mehr Wärme durch Ver¬
mittlung der äusseren Haut dem menschlichen Körper zuführen
will, allgemein bekanntlich stets von 35°,0, der üblichsten Bade¬
temperatur, an abwärts; bei Localbädern aber ist wenigstens
39°,0 die höchste Wärme, die von den Hautdecken ohne leb¬
haften Schmerz vertragen wird. Allgemeine Wasserbäder von
37*,0, 38*,0 erregen in Folge der hier sehr raschen Wärme¬
mittheilung das Gefässystem so gewaltig, dass nur äusserst we¬
nige Personen und auch nur auf ganz kurze Zeit von ihnen
Gebrauch machen können.
Beabsichtigt man also durch hohe Wärme gleich auf die
ganze Körperoberfläche, eine rasche und vorübergehende Er¬
regung des Gefässystems, dann sind hierzu, mit oder ohne che¬
mischen Inhalt, warme Wasserbäder von 35*,0 an aufwärts ganz
am Platze oder am liebsten gleich Dampfbäder, die wegen der
bei ihnen schon etwas langsameren Wärmemittheilung sogar in
einer Höhe von 42*,0—45*,0 für den Anfang wenigstens gar
nicht so unangenehm befunden werden.
Kommt es hingegen darauf an, nachhaltig hohe Wärme
auf den menschlichen Körper einwirken zu lassen, so haben
wir uns an die trocken-warmen Bademedien zu halten und
hier werden 47*,0 — überhaupt die niedrigste Temperatur der
Sandbäder — allgemein 30 Min. lang und 50*,0 — 55*,0 auf be¬
sonders gewünschten Körperstellen bis 60 Min. lang, nicht nur
ohne jede Unannehmlichkeit und jeden Nachtheil, son4ern nur
mit Vortheil angewendet.
Des allgemeinen Interesses wegen mögen jetzt folgende
Wärmemessungen, welche an Sand-Badenden vorgenommen
wurden, in Kürze mitgetheilt werden. Sie wurden betreffs der
Erhöhung der Blutwärme im allgemeinen nicht, wie üblich, in
der Achselhöhle angestellt, sondern unter der Zunge bei fest
geschlossenem Munde; Grund hiervon war, dass die starke Haut-
secretion der Badenden durch eine Verdunstungskälte bei nicht
immer fest geschlossener Achselhöhle sehr häufig, ungenaue
Werthe ergab. Betreffs der Uebertragung hoher Wärme auf
Stellen, die kurz vorher gebadet wurden, geschah die Temperatur¬
messung in dem während der letzten 15 Min. des Bades fest
gebogenem Ellenbogengelenk.
Milde Sandbäder (Temperatur: 47®,0, Badedauer: 30 Min.;
nur Sitzen im Bade, die Arme aber bis oberhalb der Ellenbogen¬
gelenke noch mit Sand bedeckt) ergaben eine Temperaturerhöhung
unter der Zunge von 0*,25, im Ellenbogengelenk von 0°,70.
*) Sämmtliche Wärmeangaben sind nach C.
o *
Origiral ftc
UNIVERSITY OF MICHIGAN
400
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 27
Starke Sandbäder (Temperatur: 50°,0, Badedauer: 55 Min.,
sonst w. o.) bei derselben Versuchsperson: unter der Zunge:
1°,40, im Ellenbogengelenk: 0°,98.
Ein Vergleich dieser Werthe zeigt, dass durch ein mildes
Sandbad örtlich schon ganz erheblich Wärme übertragen wird,
während doch dabei das Gefässsystem im ganzen nur äusserst
mässig erregt wird; hingegen ist bei dem stärkeren Bade die
örtliche Wärme-Uebertragung schon eine noch erheblichere, als
bei der milden Form, aber die Temperatur des Blutes erreicht
hier eine ganz gewaltig hohe Ziffer. Wollen wir demnach die
allzu heftige Erregung des gesammten Gefässsystems vermeiden,
dennoch aber örtlich recht reichlich Wärme einwirken lassen,
örtlich eine ganz besondere Belebung der Hautdecken mit ihren !
Consequenzen, grössere Blutfülle, vermehrte Ausscheidung und
Aufsaugung, eintreten sehen, so haben wir dies bei den Sand¬
bädern mehr denn anderwärts ganz in unserer Hand. Wir
bleiben einfach bei der niederen Badewärme des Gesammtbades
stehen, verlängern dafür, wenn nöthig, die Dauer des Bades
und bedenken namentlich die Körper stellen, wo wir die Ein- ;
Wirkung der Wärme besonders wünschen, reichlicher mit Sand, i
zumal mit solchem noch etwas höherer Temperatur. Bleibt j
doch der Sand in seiner allseitigen Trägheit ruhig liegen, wo
er hingeschüttet, und theilt er nur der nächsten Umgebung seine ;
Wärme langsam mit. Würden wir gleich von Anfang an all¬
gemein hohe Badewärme anwenden, was in den Fällen auch j
geschieht, wo eine kräftige Erregung der gesammten Hautdecken !
bezweckt wird, so erreichen wir unser Ziel durch das Sandbad j
ebenso, wenn nicht noch entschiedener, als durch heisse Wasser- j
und durch Dampfbäder. Dies wäre aber noch kein besonderer :
Vorzug der Sandbäder! Der Schwerpunkt in der Wirkung dieser j
Bäder liegt vielmehr darin, dass wir das Gefässsystem im ganzen ;
gar nicht so zu erregen brauchen. Thuen wir dies, <
so begeben wir uns selbst des Vortheils, die Wärme lange Zeit
anzuwenden. Schon das einzelne Bad müsste in der Dauer ge¬
kürzt werden, und in der curgemässen Reihenfolge der Bäder
müssten unliebsamere längere Unterbrechungen eintreten.
Zum Schluss noch eine Zusammenstellung von Versuchen,
die vom Verf. an sich selbst angestejlt wurden, um die locale
Wärmeübertragung durch verschiedene Bäder mit einander zu
vergleichen. Es wurden nur Localbäder des ganzen linken
Armes genommen; die Menge des Bademediums betrug stets
15 Liter, die Badedauer 30 Min., die Badetemperatur 39° mit
Ausnahme bei dem Sandbade, wo nicht, wie bei den anderen
Bädern, die höchste, sondern die niedrigte Temperatur ange¬
wendet wurde, 47*.
15 Min. nach Schluss des Bades betrug die Erhöhung der
Temperatur des kurz vorher mitgebadeten Ellenbogengelenkes:
n. e. Wasserbade, dessen T., wie bei den Thermen, erhalten: 0,60 # ;
n. e. salin. desgl.: 0,60 # ; n. e. Wasserbade ohne Ergänzung der
Wärmeverluste: 0,35°; n. e. salin. desgl.: 0,43®; n. e. Moorbade:
0,30°; n. e. Sandbade: 0,95°.
Locale Sandbäder einer Temperatur von 50° und 60 Min.
Dauer bei einmaliger Ergänzung der Wärmeverluste durch
Nach schütten von Sand ursprünglicher Wärme ergaben wieder¬
holt eine Temperaturerhöhung von 1,50°. Ein einziges Mal
hat Verf. der Curiosität wegen ein Localsandbad von 60,0* ge¬
nommen; die grosse Schmerzhaftigkeii im weiteren Verlaufe
des Bades, nicht gleich von Anfang an, gestattete bloss eine
Badedauer von 30 Min. Die Temperaturerhöhung betrug eben¬
falls nur l,5n°, wäre gewiss aber auf 2,0 0 gestiegen, hätte das
Bad nicht nach 30 Min. schon abgebrochen werden müssen.
90 Min. nach Schluss dieses Versuchsbades war das Normale
der Temperatur des Ellenbogengelenkes, 36,85°, noch nicht j
wieder ganz erreicht. Im Vergleiche hierzu sei noch ange- '
geben, dass nach einem Versuchsbade von langer Dauer, GO Min.,
bei der nicht so extremen Badetemperatur von von 50,0°, eine
Stunde nach seinem Schlüsse die Temperaturerhöhung im
Ellenbogengelenk immer noch die ansehnliche Höhe von 0,60*
ergab. Auch hieraus ersehen wir, dass es wohl kein geeigneterem
Verfahren giebt, allgemein aber auch auf einzelne, besonders er¬
krankte Körpergegenden anhaltend die so entschiedene Kraft
hoher Wärme einwirken zu lassen — als eben durch die ge¬
nannte Art von Bädern.
V. Referate.
Ueber acute Miliar-Tuberculose.
Anknüpfend an drei Fälle eigener Beobachtung, in welchen nach
sehr schneller Resorption eines serös-fibrinösen, nicht eitrigen Pleura-
Exsudates acute Miliartuberculose auftrat, bespricht Litten (Volk-
mann’s Sammlung klinischer Vorträge No. 119) die Aetiologie, patho¬
logische Anatomie und Symptome dieses Leidens, wobei auf Grundlage
von 52 Scctionsbefunden — wovon 46 den Protocollen des Berliner
pathol. Instituts entnommen sind — bemerkenswerthe Thatsachen über die
pathologisch-anatomischen Verhältnisse mitgetheilt wurden. Als Grund¬
krankheit, als Herd für die Selbstinfection, ergab sich Lungenphthise
28 Mal; verkäste Drüsen 5 Mal; käsig zerfallene Tuberkel der Prostata
und Samenblasen, Spondylitis, Käseherd in den Nieren, Darmphthise
(ohne Lungenphthise) je 2 Mal, Osteomyelitis caseosa, käsige Peritonitis
je 1 Mal, schnell resorbirte Pleuraexsudate 3 Mal. Ganz reine Fälle
von primärer allgemeiner Tuberculose, ohne jede ältere Entzündungs-
producte, wurden 3 beobachtet, ausserdem 3, wo keine älteren entzünd¬
lichen Processe, aber gleichzeitig neben der allgemeinen Tuberculose
eine tuberculose Meningitis vorhanden war, welche möglicherweise als
Ausgangspunkt der ersteren gedient hat. Von den einzelnen Organen
sind die Lungen fast ausnahmslos betroffen; sehr häufig (36 Mal) die
Pleura. Von den Digestionsorganen fanden sich je 2 Mal im Pharynx
und auf den Tonsillen, 5 Mal auf der Zunge Tuberkel eruption; gewöhn¬
lich gleichzeitig mit Ulcerationen. Auf der Magenschleimhaut finden
sich sehr selten Miliartuberkel ohne Ulcerationen, dagegen relativ häufig
(3 Mal) tuberculose Geschwüre; dieselben gehen meist bis zur Museularis.
zuweilen gehen sie tiefer und können perforiren; nur in einem Falle
waren tuberculose Darmgeschwüre gleichzeitig nicht vorhanden. Diese
letzteren fanden sieh in 14 Fällen; davon je 1 Mal im Rectum und
Colon, die übrigen im Dünndarm. Auch die lymphatischen Organe des
Darmes fanden sich häufig mit Tuberkeleruption durchsetzt. Das Bauch¬
fell ist sehr häufig der Sitz von Eruptionen, zuweilen mit reichlichem
serösen Erguss und mit Exsudat verbunden, das indess nur äusserst selten
den eitrigen Character trägt. In der Leber und Mi’.z fanden sich die
Tuberkel fast in allen Fällen, theils frisch, theils verkäst: gleichzeitig
zeigt, besonders häufig die Milz, in 70%, eine durch Hyperplasie erzeugte
Volumzunahmc, welche diagnostisch von Werth ist. Ebenso häufig
werden die Nieren — zuweilen nur eine — der Sitz von Eruptionen,
die sehr zur Verkäsung neigen. Von den übrigen Organen des Uro-
genialtractus werden die Nebennieren und die Prostata häufiger der Sitz
von frischen Tuberkeleruptionen bei allgemeiner Miliartuberculose. Tn
den meisten Fällen dagegen handelt es sich um verkäste Tuberkelknoten,
welche als Begleiterscheinung einer chronisch-tubcroulösen Lungenphithise
oder selbständig als Phthisis des Urogenitalapparat cs auftraten und zu
der sich dann die allgemeine Tuberculose secundär hinzugesellt; in
diesem Falle sind die Organe des Urogenitalapparates in grosser Aus¬
dehnung mit älteren und jüngeren Knoten durchsetzt Sehr selten
fanden sich in diesen Organen ausschliesslich die Zeichen der acuten
MilL^uberculose. Immunität gegen Tuberkeleruption zeigt das Pancreas,
die Speicheldrüsen und fast vollständig die Muskeln, die letzteren sind
kaum in 2% betroffen; häufiger ist nur der Herzmuskel, ebenso wie das
Pericardium betheiligt. Das Knochenmark, besonders der langen Röhren
knochen und des Sternum, fand sich in 16 Fällen betheiligt, doch ist
nicht in allen Fällen die Untersuchung darauf gerichtet gewesen. Ein
fast constanter und diagnostisch bekanntlich überaus wichtiger Befund
sind die Aderhauttuberkel (39 Mal). In 30 dieser Fälle von Adcrbaut-
tuberkel war die schon von Cohnheim hervorgehobene, von Litten
für zufällig gehaltene Complication mit Tuberculose der Schilddrüse
vorhanden, in neun Fällen nicht. In neun anderen Fällen war die
Schilddrüse erkrankt, die Aderhaut nicht. Verhältnissmässig selten —
anders als man cs erwarten sollte — war bei Aderhauttubcrculose gleich
zeitig Tuberculose des Hirns und der Hirnhäute vorhanden, nämlich nur
in 19 Fällen, meist als Affection der Pia, selten der Dura, und zwar, wie
Litten ausdrücklich hervorhebt, sowohl als tuberculose Meningitis, als
auch als Tuberkelablagerung ohne jede Spur von Exsudat. Mit Tuber-
culosc der Pia ist meist Hydrocephalus int. vorhanden, doch nicht
immer; andererseits findet sich auch bei allg. Tuberculose Hydrocephalus
int. ohne Tuberculose der Häute. Die Häute des Rückenmarks sind in
der Mehrzahl der Fülle mit afficirt. lin Gehirn selbst und noch selte¬
ner im Rückenmark, und zwar in der grauen Substanz der Rinde und
der grossen Ganglien finden sich ebenfalls zuweilen iniliare Tuberkel.
8z.
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
8. Juli 1878,
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
401
Zur Wirkung der Chrysophansäure.
Neumann hat, wie er in der Sitzung der Gesellschaft der Aerzte
in Wien am 28. Marz d. J. mittheilte, mit Chrysophansäure-Behandlung
bei Hautkrankheiten sehr günstige Resultate erhalten. Besonders em¬
pfiehlt er wie auch die anderen Autoren das Medicament bei Psoriasis,
von welcher leichtere Formen schon nach wenigen Einreibungen beseitigt
werden. Die Schuppen werden vorher durch Einreibung von Seifenspiritus
entfernt und dann die Salbe (Acid. chrysophanici 10,0, Ung. cmoll.
40,0) mittels Charpiepinsel eingerieben. Ist die Haut stark infiltrirt,
so wird die Salbe, auf Leinwand gestrichen, aufgelegt. Sehr schnell,
schon nach 3 Einreibungen, weichen Herpes tonsurans und Pityriasis
versicolor dieser Bchandlungsweise. Da die Salbe eine eigenthümliche
Hautverfärbung und zuweilen Erytheme hervorruft, so ist es gut, die
Umgebung vor der Einwirkung durch Heftpflaster zu schützen.
UeberVorkommen und Ursachen abnorm niedriger Körper¬
temperaturen (Inaugural-Dissertation. Bern 1878. 44 S.)
hat Dr. G. Glaser auf des Ref. Veranlassung eine literarische Zu¬
sammenstellung gemacht und eine Anzahl einschlägiger Beobachtungen
aus den Berner Kliniken mit eingeflochten. Verf. findet, dass eine
grossere Labilität der menschlichen Temperatur in der Richtung nach
unten besteht, als gewöhnlich angenommen wird, so dass Temperaturen
zwischen 34 und 35° C. als ziemlich häufig zu bezeichnen sind, und
selbst ein Herabgehen unter 30° C. nicht zu den allergrössten Selten¬
heiten zu rechnen ist, besondere wenn man erwägt, dass die Aufmerk¬
samkeit im allgemeinen mehr auf Temperatursteigerungen gerichtet ist
und Messungen subnormaler Temperaturen deshalb oft unterbleiben.
Es ergiebt sich ferner, dass niedrige Körpertemperaturen an sich
durchaus nicht so lebensgefährlich sind, wie vielfach angenommen wird,
und dass Genesungen nach 24 und 26° C. (wofür auch 2 eigene Fälle
angeführt wurden) beobachtet wurden. Verf. hält für die Gefahr der
subnormalen, wie für die der febrilen Temperaturen, nicht allein den
Grad, sondern namentlich die Entstehungsweise für wesentlich, und
nimmt auf Grund von Beobachtungen sowohl eine individuelle ver¬
schiedene Resistenz, wie auch die Möglichkeit der Gewöhnung an sub¬
normale Temperaturen an, so dass für solche Individuen also gleichsam
eine grössere Breite physiologischer Temperaturschwankung bestände.
Zugleich macht er darauf aufmerksam, dass subnoimale Temperaturen
durchaus nicht immer mit Collaps einhergehen, sondern dass beide
Zustände durchaus unabhängig von einander Vorkommen können.
Die zahlreichen Zustände, bei weichen subnormale Temperaturen
beobachtet wurden, bringt Verf. in Gruppen und sucht nachzuweisen,
wie weit nach unseren gegenwärtigen Kenntnissen vermehrte Wärme¬
abgabe, verminderte Production und Abnormitäten der nervösen Wärme¬
regulation für die einzelnen Fälle zur Erklärung heranzuziehen sind.
A. Quincke.
VI. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Gesellschaft für Geburtshilfe und Gjrnäkelegie in Berlin.
Sitzung vom 12. März 1878.
Vorsitzender: Herr Schröder.
Schriftführer: Herr Fasbender.
1) Herr C. Rüge demonstrirt folgende Präparate:
a) Einen faustgrossen myomatösen Polypen, der, wie Herr Schröder
auf eine Anfrage des Herrn P. Rüge bemerkt, mit dickem Stiel un¬
gefähr an derselben Stelle aufgesessen hatte, an der vor einem Jahre
eine ebensolche Neubildung entfernt worden. Es fanden sich Lymph-
körperchen als Zeichen eines entzündlichen Zustandes, aber keine bös¬
artigen Elemente.
b) Einen 21 Ctm. langen, oben und unten ca. 6 Ctm. breiten
und l 1 /, Ctm. dicken, in der Mitte etwas schmäleren und dünneren
Gewebsfetzen, welcher 14 Tage nach einer normalen Geburt abgegangen
war. Das Gebilde stellt eine flächenhafte Ausstossung der Musculatur
der Gebärmutter dar.
c) Eine dritte Lunge, die sich bei einem Neugeborenen links unten,
in keiner Verbindung mit der normalen Lunge oder den Bronchien ge¬
funden hatte. Sie besteht aus gewöhnlichem Lungengewebe und bezog
•ein Gefäss aus dem 7. Intercostalraum. — Herz normal.
2) Herr Martin: Fall von Lithopaedion.
In neuerer Zeit sind Extrauterinschwangerschaften häufiger beob¬
achtet worden, weil man dieser Anomalie mehr Aufmerksamkeit zu¬
gewandt hat. Herr M. hat 10 solcher Fälle gesehen, die theils durch
die Section, theils durch Abgänge bestimmt als solche festgcstellt wurden.
In seinem jetzigen Falle handelte es sich um eine 37jährige Patientin,
die im Jahre 1862 geboren hatte und sich dann bis zum Jahre 1870
wohl befunden. In dieser Zeit traten Schmerzen, anscheinend peritoni-
tischer Art auf, die sich im Jahre 1875 wiederholten. Von da an
glaubte die Frau, bei übrigens nicht gestörtem Subjectivbefinden, im
Bauche rechts eine harte Geschwulst zu bemerken. Beschwerden, welche
4er Tumor dann später namentlich bei Bewegungen verursachte, brachten
Patientin im October 1877 in Herrn Martin’s Behandlung. Damaliger
Status: Harter Tumor rechts im Beckencingang, Uterus retrovertirt,
nach links geschoben. Beschwerden bei Bewegungen und bei der Defae-
•cation beunruhigen Patientin, welche deshalb dringend um die Ent¬
fernung der Geschwulst bittet. Laparotomie unter Spray am 15. No¬
vember 1877: Geschwulst von glatter Oberfläche, rechts am Eingang
des kleinen Beckens fest aufsitzend, nur mit Mühe aus diesem heraus¬
zubringen; Netz mit derselben in grosser Ausdehnung verwachsen. Ent¬
lassung am 14. Tage. Unterleibsbeschwerden nach 4 Wochen, Aufbruch
des unteren Wundwinkels und Abgang eines Unterbindungsfadens.
Der Tumor stellt eine bimförmige, fast kugelige, etwa kindskopf¬
grosse Masse dar und erweist sich als Lithopaedion. In einer Kalkkapsel
eingeschlossen erkennt man deutlich die Theile eines 5 monatlichen
Foetus. Der Herr Vortragende glaubt, dass es s»ch um eine Tuben¬
schwangerschaft mit Ruptur und Austritt der Frucht handele. Dafür
spreche, abgesehen von der relativen Häufigkeit gerade dieser Art der
Extrauterinschwangerschaft, der Sitz der Geschwulst (bei Abdorainal-
schwangerschaft Entwicklung meistens im Douglas’schen Raume), die
verhältn iss massige Isolirtheit derselben und vor allen Dingen der Um¬
stand, dass die Placenta nicht am Stiel des Tumore gefunden wurde.
Wegen der zu fürchtenden weiteren Beeinträchtigung der Nachbarorgane
hielt sich der Herr Vortragende für berechtigt, auf die Bitten der Kranken
die Operation zu machen.
Herr Schröder hält die Möglichkeit, dass eine Abdominalschwanger¬
schaft Vorgelegen, doch nicht für ausgeschlossen, wenn bei einer solchen
auch für gewöhnlich die Frucht ausgetragen werde. Hier brauche es
auch nicht nothwendiger Weise zu zahlreichen Adhäsionen des Eies zu
kommen. In der Regel pflege bei Tubenschwangerechaft das Platzen
des Eileiters vor dem 5. Monat zu erfolgen, worauf dann ja allerdings
die Frucht sich noch weiter entwickeln könne. Was ferner die Indica-
tion zur Operation anlange, so würde er sich unter den in Rede stehenden
Verhältnissen bei gestellter Diagnose nicht zu einem solchen Eingriff
entschliessen können. Eine Diagnose auf Lithopaedion habe ja ihre
grossen Schwierigkeiten. Mit voller Sicherheit sei sie aus der Unter¬
suchung allein nie zu stellen, eine ganz wesentliche Stütze müsse die
Anamnese liefern. Wenn die Kalkschale fertig, dann sei die Hauptgefahr
überstanden; besonders müsse man aber in Betracht ziehen, dass man
bei der Operation Verhältnissen begegnen könne, die im Stande wären,
dieselbe in ganz unberechenbarer Weise zu compliciren, viel mehr, als
bei der gewöhnlichen Ovariotomie. Nur sehr wesentliche Beschwerden
und drohende Gefahren würden ihn demnach hier zu einem radicalen
Eingriff bestimmen. Eine erhebliche Beweglichkeit des Tumors würde
den Entschluss zu dessen Entfernung erleichtern. Hätten die hier in
Betracht kommenden Vorgänge aber noch nicht in der vollendeten
Lithopaedionbildung ihren Abschluss gefunden, dann läge einem solchen
gefährlicheren Zustande gegenüber die Operationsfrage anders. — Wenn
sich, nebenbei bemerkt, bei Ovarialtumoren nicht besondere Gefahren
geltend machten, so fände er nur in ihrem Wachsthum die Aufforderung
zu ihrer operativen Beseitigung.
Herr Haussmann hebt die Analogie zwischen verkalkten Myomen
und diesem Lithopaedion hervor. Auch bei ersteren sei die Gefahr der
Operation grösser als die, welche ihre Anwesenheit mit sich brächte.
Herr Martin möchte seine Ansicht, dass er es mit dem Producte
einer Tubenschwangerschaft zu thun gehabt, auch nur für die wahr¬
scheinlichere halten. Vor der Operation habe er die Diagnose auf ver¬
kalkte Dermoidcyste gestellt. Er würde auch nicht bei jedem Steinkind
die Entfernung mit dem Messer versuchen. Dass übrigens hier die
Geschwulst so ganz unbedenklich gewesen, könne er nicht zugeben;
die Beziehungen zum Netz hätten zu unangenehmen Darmcomplicationen
führen können. Wäre die Operation erst gemacht worden, nachdem
etwaige entzündliche Processe aufgetreten, so dürfte die Prognose nicht
so günstig gewesen sein.
3) Herr P. Rüge: Fall von Elephantiasis vulvae bei einem
Kinde.
Herr P. Rüge legt eine taubeneigrosse, elastische (auch durch eine
Zeichnung illustrirte) Geschwulst vor, welche die durch Elephantiasis
entartete Clitoris mit dem oberen Theile der Nymphen eines 9jährigen
Mädchens daretellt. Louis Mayer hat unter 37 ähnlichen Fällen nur
4 bei Kindern unter 15 Jahren notirt. Es bestand eine mässige Vul¬
vitis und Colpitis, keine Zeichen von Lues, obgleich Vater und Mutter
syphilitisch gewesen waren. Hervorzuheben ist noch, dass die Mutter
an einer chronischen Schwellung der Labien leidet, die jedoch nicht etwa
als Elephantiasis angesprochen werden konnte. — Das Wachsthum der
Geschwulst war bei dem Kinde ohne erysipelatöse Processe erfolgt; der
Tumor wurde mit dem Messer abgeschnitten und die Blutung durch
Nähte gestillt, worauf die Heilung grösstentheils per primam eintrat.
Auf eine bezügliche Frage des Herrn Schroeder bemerkt Herr Rüge,
dass Onanie nicht nachweislich gewesen.
Sitzung vom 26. März 1878.
Vorsitzender: Herr Schroeder.
Schriftführer: Herr Fasbender.
1) Herr Lehnerdt: Entfernung eines verkalkten Uterus-
fibroids durch Zertrümmerung.
Patientin, im Jahre 1824 geboren, war von ihrem 13. Jahre an
stets regelmässig alle 4 Wochen, meist stark menstruirt worden. Nach
ihrer Verheirathung im Jahre 1853 abortirte sie einige Monate später
angeblich nach körperlicher Ueberanstrengung. Die Menses wurden nach¬
her noch reichlicher, blieben aber schmerzfrei. Seit 1866 Migräne-Anfälle,
seit 1868 wehenartige Schmerzen. Vom Jahre 1872 an unregelmässig
blieb die Periode 1875 bei der'nunmehr 51jährigen Frau aus und an
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UNIVERSETY OF MICHIGAN
402
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Ne. 27
ihre Stelle trat ein schleimiger Ausfluss ohne Übeln Geruch. Ende Mai :
1876 5 Monate lang Blutungen, nach deren plötzlichem Verschwinden '
äusserst foetide Abgänge zurückblieben. Seitdem bemerkte die Kranke j
bei häufigem Urindrang das Abgehen von Steinchen, von denen sie glaubte, ,
sie seien mit dem Urin herausgeschwemrat. j
Bei der Aufnahme der Patientin in das Elisabeth-Krankenhaus am j
4. Mai 1877 folgender Status: Allgemeinbefinden gut, blutiger, sehr j
übelriechender Ausfluss aus den Genitalien, Portio und äusserer Mutter-
mund nicht nachweisbar; im vordem Scheidengewölbe ein kindskopf¬
grosser Tumor, beweglich, median gelagert, neben welchem ein Uterus
nicht constatirt werden konnte. Erst nach wiederholter Ocularinspection
fand sich das sehr enge Orific. ext. Diagnose: Verjauchtes Fibroid,
welches die Wände des Uterus gedehnt und das Collum zum Verstreichen
gebracht. Sonden, die sich bald in etwas grösserer Starke einführen
Hessen, wiesen die Anwesenheit eines verkalkten Myoms zweifellos nach. —
Carbolinjectionen, Pressschwamm, darnach Infectionserscheinungen, später
bilaterale Incision des Muttermundes, Zertrümmerung und Entfernung der j
Geschwulst in 3 Sitzungen. Genesung bei zeitweisem Abgang kleiner
Geschwulstreste.
Bezüglich der Ausführung der Operation und der vom Herrn Vor¬
tragenden eingehend berücksichtigten einschlägigen Literatur wird auf
die Veröffentlichuug des Vortrages in III. 2 der Zeitschrift für Geb. und
Gyn. verwiesen.
2) Herr Schroeder: Ueber die totale Ausschneidung des
carcinomatösen Cervix.
Der scharfe Löffel, das Ferrum candens, der Ecraseur, die galvano-
caustische Schneideschlinge reichen bei Carcinoma uteri nicht aus. Die
Schlinge ist nicht so sicher anzulegen und ihre Wirkung nicht so zu
controliren, dass man ihr die Entfernung der Neubildung überlassen
könnte. Die Excision ist vorzuziehen. Wenn die Affection nicht weit
fortgeschritten und nur die Scheimhaut des Cervix betroffen ist, dann
empfiehlt sich eine trichterförmige Excision durch convergirende, ziem¬
lich hoch hinaufreichende Schnitte. Die Blutstillung gelingt leicht
durch Ferrum candens, Eisenchlorid oder das Zusammennähen der Lippen.
— Ist aber auch das Parenchym des Cervix und das Scheidengewölbe
mit betheiligt, so kann man in der angegebenen Weise nicht verfahren.
Man darf hier das Scheidengewölbe nicht schonen, wobei aber, abgesehen
von der nothwendigen Rücksichtnahme auf Blase und Peritoneum be¬
sonders zu beachten ist, dass der Uterus naehher leicht nach oben ent¬
schlüpft und die Verletzung der Uterina zu sehr erheblicher Blutung
(starker Blutinfiltration) Veranlassung geben kann. Herr Schroeder
legt desshalb unter diesen Umständen zunächst beiderseits durch das
Scheidengewölbe starke Seidenschlingen, die 1. als Handhaben zur Her¬
unterziehung und Fixation des Uterus dienen 2. die untersten Aeste
der Uterinae umgreifen (Umstechungsnähte) und 3. später als Nähte zum
Zusammenheften der Wundränder verwendet werden sollen. Darauf wird
das Scheidengewölbe ringsum durchschnitten, so dass seine krankhaften
Partien mit dem Cervix entfernt werden. Es muss bei der Schliessung
der Wunde der Uterusstumpf wenigstens an einer Stelle von der Naht
mitgefasst werden, weil es sonst zur Hämatombildung kommt. Hat die
Infiltration weiter auf das Beckenbindegewebe übergegriffen, dann ist
die Möglichkeit der Radica 1 Operation ausgeschlossen, während man ander¬
seits bei nicht ausgedehnter Erkankung nur einer Lippe geeigneten
Falles auch im Parenchym dieser letzeren operiren kann.
In 6 Fällen, in denen Herr Schroeder in den letzten 2 Jahren
an der im Beginn der carcinomatösen Erkrankung befindlichen Vaginal¬
portion operirte, ist bis jetzt kein Rccidiv aufgetreten.
Herr E. Küster möchte die Siche lungsschlinge durch den Uterus
selbst legen und nachher den Stumpf desselben in der ganzen Aus¬
dehnung an das Scheidengewölbe annähen.
Diesem Vorschläge tritt Herr Schroeder nicht principiell ent¬
gegen, er glaubt aber, dass seine Ausführung schwierig ist.
Herr Jaquet meint, dass sich bei den Krebsen der Vaginal-
portion auch durch die galvanocaustische Schneideschlinge eine voll¬
ständige Exstirpation erzielen lasse, wenn man, wie er, die kranken Par¬
tien mit scharfen Haken einsteche und beim Zuschnüren der Schlinge
den Stumpf anziehe. Er gebe allerdings der Excision dann den Vorzug,
wenn die Kranken durch Blutungen etc. nicht zu sehr heruntergekommen
seien. — Bei den supravaginalen Carcinomen sei die Sache anders.
Entweder sei die Degeneration auf das untere Segment oder auf die der
Schleimhaut nahe gelegenen Partien des Cervix beschränkt, dann sei
die Excision im Gesunden wohl möglich, ein Segen für die Kranke und
eine Bereicherung unserer Operationsverfahren. Oder aber, es sei die
Neubildung nach oben oder seitlich so weit vorgedrungen, dass eine
Abtragung im Gesunden nicht mehr ausführbar sei. Dann nütze die
Excision nicht mehr, wie die Auslöffelung; man habe möglicherweise die
Peritonealhöhle eröffnet und solle zwei carcinomatöse Flächen aneinander
nähen, die wahrscheinlich nicht mit einander verheilen würden. Man
habe dann einen sehr bedenklichen Zustand geschaffen. Da man aber
nicht bestimmen könne, welche von den angeführten Möglichkeiten in
dem gegebenen Falle vorliege, so sei man, fürchte er, doch noch immer
auf die symptomatische Behandlung der supravaginalen Uterinkrebse an- !
gewiesen. j
Herr Schroeder will sein Operationsverfahren auch nicht in allen i
Fällen anwenden. Selten würde es Vorkommen, dass die Nähte nicht |
irn Gesunden angelegt werden könnten und auch in einem solchen Falle ,
Vbe er gesehen, dass die Wundränder gut zusammenheilten. Habe aber
die Ausbreitung des Krebses zu grosse Dimensionen angenommen, dann
würde man wohl durch die nachweisliche Vergrösserung des Uterus etc.
gewarnt werden. _
Berliner medieiaiseh-psyektlegiftehe Gesellschaft
Sitzung vom 3. December 1877.
Vorsitzender: Herr Westphal.
Schriftführer: Herr W. Sander.
Herr Westphal sprach über ein Symptom der flcckweisen
grauen Degeneration. Bei einer Anzahl von Kranken, bei denen
man mit einiger Wahrscheinlichkeit die Diagnose auf fleckweise graue
Degeneration (Sclerose) des Centralnervensystems stellen konnte, beob¬
achtete der Vortragende zu einer gewissen Periode der Krankheit eigen¬
tümliche unwillkürliche rhythmische Bewegungen einzelner
Muskelgruppen, welche nicht nach Art schneller, plötzlicher Zuckungen,
sondern mit einer mässigen Geschwindigkeit, willkürlichen Bewegungen
ähnlich, erfolgten. Sie scheinen besonders an den Unterextremitäten,
speciell den fass- und Zehengelenken vorzukommen: Füsse und Zehen
(einer oder beider Seiten) werden abwechselnd gebeugt und gestreckt,
auch Ab- und Adductionsbewegungen der Füsse erfolgen dazwischen.
Indess kommen solche rhythmische Bewegungen auch am Ober- und
Unterschenkel vor, einmal sah sie der Vortragende auch an Schulter-,
Hals-, Kiefer- und Gesichtsmuskeln.
Bei einigen dieser Kranken bestand zugleich das von dem Vor¬
tragenden als paradoxe Muskelcontraction bezeichnete Phänomen,
d. h. es blieb der Fuss — auch zu einer Zeit, wo keine rhythmischen
Contractionen bestanden — wenn man ihn dorsalwärts flectirte, in dieser
Dorsalflexion durch eine dabei plötzlich erfolgende Contraction der Sehne
des Tibialis anticus in dieser Dorsalflexion fixirt, so dass es immer erst
eines kräftigen Willensimpulscs der Kranken oder einer kräftigen passiven
Bewegung bedurfte, um ihn wieder in die natürliche Stellung zurück¬
zuführen (plantarwärts zu beugen).
Zur Autopsie kam ein in seinen Erscheinungen genauer mitgetheilter
Fall, in welchem beim Beginn der Krankheit die rhythmischen Bewe¬
gungen sehr entwickelt gewesen waren; die Autopsie ergab fleckweise
graue Degeneration des Gehirns.
Der ausführlichere Bericht über diesen so wie über die anderen
Fälle wird später erfolgen.
Sitzung vom 7. Januar 1878.
Vorsitzender: Herr Westphal.
Schriftführer: Herr W. Sander.
Der bisherige Vorstand der Gesellschaft und die Aufnahmecommission
werden durch Acclamation »wied.r gewählt.
Herr Mendel spricht über den Verlauf der Fasern des Bindearms.
Der Vortragende beginnt mit einer kurzen Besprechung über die
bisherigen Anschauungen über den Verlauf und die Bedeutung der
Bindearme und verweist in dieser Beziehung auf die treffliche Schilde¬
rung von Forel (Arch. f. Psychiatrie VII, p. 421 u. f.). Abgesehen
davon, dass wir über den Verlauf und die Endigungen des Bindearms
jenseits des rothen Haubenkerns nichts sicheres wissen, ist auch be¬
sonders eine Differenz in den Anschauungen der Autoren darüber vor¬
handen, ob die Fasern desselben sich sämmtlich in der Raphe kreuzen
(StiHing, Luys, Meynert), einer Anschauung, der sich auch
Forel zuneigt, und zweitens, ob die Fasern sämmtlich in den H&uben-
kem gehen, oder ob der Haubenkem noch etwas anderes ist, als eine
einfache gangliöse Anschwellung des Bindearms (Luys, Forel).
Der Vortragende zeigt darauf eine grössere Reihe frontaler, hori¬
zontaler und sagittaler microscopischer Schnitte bei electrischem Licht,
die den Verlauf des Bindearms illustriren sollen. Diese Schnitte sind
aus einer fortlaufenden Reihe, die ersten beiden vom Affen, letztere
vom Menschen, entnommen und mit dem Gudden’schen Apparat ge¬
macht. Die Untersuchung der betreffenden Schnitte mittelst der Loupe
und des Microscops ergiebt, dass
1) der Acusticus mit einem sehr wesentlichen Bündel an der Bildung
des Bindearms bei seinem Ursprung im Corp. dentat. cerebelli betheiligt
ist (frontale Schnitte),
2) dass die Fasern des Bindearms sich nicht sämmtlich kreuzen,
sondern ganz deutlich eine Anzahl derselben nach aussen geht, nicht
zur Mittellinie (horizontale Schnitte),
3) dass ein Theil der Fasern, und zwar besonders in dem mittleren
Thcil des Bindearms einen Verlauf zeigen, der als Verbindungszug
zwischen dem Corpus dentatum der einen und der anderen Seite er¬
scheint, die demnach als Commissurfasern zu betrachten sind (Horizontal¬
schnitte).
4) dass ein Theil der Fasern nicht in den Haubenkem gehe,
sondern sich unter den Vierhügeln direct zu dem hinteren Ende des
Thalamus zu wenden scheine (Sagittalschnitt).
.Stellt man sich die Faserung des Bindearms in dieser Weise dar,
so fällt die ungemein grosse äussere Aehnlichkeit mit dem Chiasma
nv. opticorum auf, und ohne daraus irgend welche Schlüsse voraus
ziehen zu wollen, wozu vielleicht Schnitte des Hirns eines Hundes, bei
dem am ersten Tage seines Lebens auf einem Ohre der innere Gehör¬
gang und damit das Gehör auf diesem Ohre zerstört wurde, und der,
nachdem er ausgewachsen, getödtet wurde, eher führeu könnten (einige
solche Schnitte wurden ebenfalls gezeigt), macht er doch schliesslich
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Original fro-m
UNIVERSETY OF MICHIGAN
8. Juli 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
403
darauf aufmerksam, dass Meynert bereits (Stricker’s Lehrbuch p. 785)
die Idee, die Haubenkreuzung könnte die Bedeutung eines Chiasmas
des Gehörsinns erlangen, ausgesprochen.
Herr Wern icke: Er habe aus den Präparaten, so weit sie den
Zusammenhang des Acusticus mit den Bindearmen demonstriren sollen,
die Ueberzeugung davon nicht erlangen können, dass nämlich Fasern
des Acusticus direct mit den fertigen Bindearmen in Verbindung treten.
Es sei möglich, dass eine genauere microscopische Untersuchung sichere
Aufklärung geben könne, aber die Leistungsfähigkeit dieser Methode
sei doch sehr beschränkt, wie ja noch in letzter Zeit die Erfahrung ge¬
lehrt habe, dass selbst bei der Verfolgung grösserer Faserbünael
Täuschungen leicht Vorkommen. Er wolle auch noch auf einen Umstand
aufmerksam machen, der bei üorizontalschnitten zur Vorsicht mahnt,
nämlich dass sich der Bindearm nicht en masse kreuzt, sondern die
einzelnen Bündel in verschiedenen Ebenen. Darnach müssen auf Hori¬
zontalschnitten die Fasern immer theils gekreuzt, theiis ungekreuzt zu
verlaufen scheinen. Auch könne in dieser Gegend durch das Stratum
reticulare leicht der Anschein entstehen, als ob die Fasern einen con-
tinuirlichen Verlauf nach dem Schhügel haben; ob dies der Fall, sei
bei der Art der Demonstration nicht genau zu unterscheiden, sondern
erst nach einem genaueren Studium der Präparate; aber er habe darauf
hinweisen wollen, dass eine solche Täuschung leicht möglich sei.
Dasselbe gelte von den Commissuren. Er halte sie durch Schnitte für
eben so wenig nachweisbar, wie dies beim Opticus möglich ist; denn es
sei leicht möglich, dass durch die sich kreuzenden Fasern, welche in
verschiedenen Ebenen getroffen sind, eine Continuität vorgetauscht werde.
Etwas anderes sei es, wenn Fasern direct verfolgt werden könnten; dann
würden zwei oder drei Fasern zum Beweise genügen; er halte es aber
nicht für möglich
Herr Mendel: Er habe selbst in seinem Vortrage wiederholt gesagt,
dass die Art der Demonstration nicht zu einem vollkommen überzeugenden
Beweise ausreiche, dass dazu eine microscopische Untersuchung der Prä¬
parate erforderlich sei. Was die Kreuzung in verschiedenen Ebenen an¬
lange , so sei dieser Umstand ja sehr bekannt. Er sei aber absichtlich
nicht auf diese feinere Details eingegangen. Aber wenn man sehe, dass
ein Theil der Fasern aus dem Pedunculus gar nicht nach der Mittel¬
linie hingeht, sondern direct nach aussen, so habe das mit der Kreuzung
in verschiedenen Ebenen nichts zu thun. Man könne diese Fasern
zudem wenigstens so weit verfolgen, als die Kreuzung in der Median¬
ebene andauert. Er habe übrigens nicht gesagt, dass er Fasern bis zum
Thalamus optic. verfolgt habe, weil man bei der grossen Schwierigkeit
dies nicht thun könne. Dagegen habe er angegeben, dass er nicht an
diesen Bildern, sondern bei dirccter Beobachtung unter dem Microscop
gesehen habe, nicht dass eine einzelne Faser, sondern dass ganze Stränge
im Bogen von einem Corpus dentatum zum anderen gehen, und diese
habe er als Co mmissur fasern bezeichnet. Wenn Herr Wern icke dies
nicht für möglich halte, auch Gudden gegenüber, der es auch ge¬
sehen, so wolle er jenen bitten, sich erst seine (des Vortragenden;
Präparate anzm ehen und dann seine Ansicht darüber zu äussern.
Hierauf trägt Herr Baer über Trunksucht und Verbrechen
vor. Derselbe fasst seine Anschauungen am Schlüsse in folgende Sätze
zusammen:
1) Der Alcobolismus ist eine häufige Ursache zur Entstehung von
Geistesstörung; er trägt in erheblicher Weise dazu bei, die Zahl der
Geisteskrankheiten zu vermehren. Auch in den einzelnen Provinzen des
preussischen Staates zeigt sich ein gewisser Parallelismus zwischen der
Zahl der Branntweinverkaufsstellen, d. h. der Branntweinconsumtion,
und der ermittelten Zahl der Irren. Auch in Deutschland kann man
für diese Anstalten die Zahl der ex abusu spirituosorum bedingten Fälle
von Geistesstörung bei Männern auf %—% der Fälle angeben.
2) Die Trunkenheit und die Trunksucht ist eine sehr ergiebige
Quelle für die Vermehrung der Verbrechen und der Verbrecher, schon
um deshalb, weil die Unmässigkeit im Genüsse alkoholischer Getränke
alle Momente, die zum Verbrechen führen, die Einzel- und Massen-
armuth, Unwissenheit und Sittenlosigkeit, Müssiggang und wüstes, un¬
ordentliches Leben in sehr hohem Grade befördert, und zum Theil
bedingt.
3) Der Alcoholismus in den verschiedenen Abstufungen seiner In-
und Extensität ist die Hauptursache der Verbrechen gegen die Person;
er begleitet in den allermeisten Fällen die Verbrechen aus Leidenschaft
und ist in gar nicht wenigen Fällen mittelbar oder unmittelbar bei
den Verbrechen gegen das Eigenthum betheiligt. Die Ermittelungen in
den deutschen Straf- und Gefangenanstalten haben ergeben, dass unter
dem Einfluss des Alkohols verübt worden sind 46°/ 0 der Fälle von
Mord, 63 % der Fälle von Todtschlag, 74 % der Fälle von schweren
und 63% der von leichten Körperverletzungen, 76% der Fälle von
Wilerstand gegen die Staatsgewalt, 54% der Fälle von Hausfriedens¬
bruch, 60% der Fälle von Nothzucht und 77% der Fälle von Ver¬
gehen gegen die Sittlichkeit.
4) der Alcoholrausch hebt nicht nur bei denjenigen Individuen, bei
denen er wegen eines an geerbten oder erworbenen abnormen Verhaltens
des Nervensystems als sogen, pathologischer Rausch auftritt (bei Epi¬
leptikern, im Prodromalstadium der allg. Paralyse, nach Gehirnerschütte¬
rung etc.), die freie Willensbestimmung gänzlich auf — sondern er be¬
einträchtigt diese auch bei psychisch sonst ganz gesunden Menschen,
so dass die Strafwürdigkeit der im Excitationsstadium der acuten Alcohol-
intoxication begangenen gesetzwidrigen Handlungen in einem sehr be¬
trächtlichen Grade angezweifelt^ werden muss. Die Trunkenheit ist ein
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transitorisches Irresein; selbst in dem sog. ersten Stadium derselben
sind jdle sensoriellen Functionen in einem Zustande gesteigerter Exal¬
tation, und die Selbstbestimmung und Willensfreiheit in demselben
Grade vermindert als die Excitation gesteigert ist.
5) In vielen Fällen habitueller Trunksucht, bei denen es nicht zu**
ausgesprochenen Form des Irreseins gekommen ist, werden verbreche¬
rische Handlungen, insbesondere unter dem Einflüsse eines acuten Alkohol-
excesses impulsartig unter dem Druck eines krankhaften Motivs aus¬
geführt — hier ist namentlich an das sog. subacute Delirium zu er¬
innern —, deren Strafwürdigkeit ebenso zweifelhaft wird, wie in den
späteren Stadien des chronischen Alcoholismus, in denen die Energie
des Willens gesunken, das Gedächtniss und das Gefühl für die höheren
sittlichen Functionen des Menschens abgestumpft ist.
6) Bei der Entscheidung über die Strafbarkeit oder Nichtstrafbar¬
keit einer unter dem Einflüsse der Alcoholintoxication verübten gesetz¬
widrigen That ist die Zuziehung des Gerichtsarztes unbedingt noth-
wendig, weil die Feststellung des Grades und der Eigenartigkeit des
Rauschzustandes in dem concreten Falle, die Würdigung der lntoxi-
cationssymptome, so wie der individuellen Umstände nur von einem
Sachverständigen erhoben werden kann. Das Verfahren, dass der Richter
selbstständig entscheidet dadurch, dass er sich von den Zeugen darüber
aufklären lässt, ob der Angeschuldigte zur Zeit der That sinnlos be¬
trunken war oder nicht, kann als ein zutreffendes nicht bezeichnet
werden, weil sehr viele Betrunkene trotz des temporären Erloschensein
des Selbstbewustseins, wie Krafft-Ebing ausführt, eine Reihe von
planmässigen Handlungen automatisch, wie im traumartigen Zustande,
vollbringen, weil die Fortdauer dieser psychischen Existenz auf den
Laien den Eindruck des geistig gesunden macht — und dennoch ist der
Betrunkene sich dieser Handlungen nicht bewusst.
7) Von demselben Gesichtspunkte aus ist die strafrechtliche Be¬
stimmung, die die Trunkenheit als Milderungsgrund ausschliesst (Milit.-
Str.-G.-B. f. d. D. R. 1872), ebenso wenig zulässig und gerechtfertigt
als diejenige gesetzliche Massnahme, die in ihr sogar noch ein er¬
schwerendes Moment erblicken, die jedes in der Trunkenheit begangene
Verbrechen härter oder sogar doppelt bestrafen wolle, um auf diese
Weise repressiv gegen die Zunahme der Trunksucht zu wirken.
8) Die härtere Bestrafung eines im Zustande der Trunkenheit be¬
gangenen Verbrechens scheint um so ungerechter zu sein, je mehr die
Legislative das Trinken, selbst bis zum excessiven Missbrauch gestattet,
je mehr der Staat selbst die Verbreitung des Alkoholismus geschehen
lässt oder gar begünstigt.
9) Die Bestrafung der Trunkenheit selbst, sobald sie dem öffent¬
lichen Sittlichkeitsgefühl ein Aergemiss bereitet oder der öffentlichen
Wohlfahrt nachtheilig wird, dürfte dazu dienen, die Unmässigkeit zu
bekämpfen. Diese Strafe könnte in geeigneten Fällen auch als Sühne
für das unter dem Einfluss des Alkohols begangenen Verbrechen gelten.
VII. Notiz Aber die Verwundung des HÖtel*Besitzers
Holtfeuer durch den Meuchelmörder Nobiling.
Von
F. Busoh,
a. ö. Professor für Chirurgie a. d. Universität zu Berlin.
Bei der Ergreifung des Nobiling erhielt Herr Holtfeuer von dem¬
selben aus unmittelbarer Nähe einen Revolverschuss ins Kinn. Ich sah
den Kranken etwa % Stunde später zusammen mit seinem Hausarzt
Dr. Abarbanell. Nachdem die verletzte Gegend durch Rasiren frei¬
gelegt war, zeigte sich folgendes: in der Haut der Nase, der Lippen
und der Wangen war eine beträchtliche Anzahl von Pulverkörnern ein¬
gesprengt, rechts, dicht neben der Spina mentalis, befand sich eine enge
Schusseingangsöffnung mit verbrannten Rändern, etwas nach aussen vom
rechten Angulus mandibulae lag die Ausgangsöffnung. Zwischen den
Rändern dieser letzteren befand sich eine leere Papierhülse von 1 Ctm.
Länge und 3 Mm. Dicke, die ich entfernte. Aus beiden Schussöffnungen
fand eine geringe aber andauernde Blutung statt. Mit dem in den
Mund eingeführten Finger entdeckte ich, dass der zweite und dritte
Backzahn beweglich war. Die Schleimhaut des Bodens der Mundhöhle
war blutunterlaufen, eine Blutung in die Mundhöhle hatte dagegen nicht
stattgefunden. Das Kinn war nicht von der Mittellinie abgewichen,
Herr H. konnte den Kiefer bewegen und ziemlich gut sprechen und
schlucken.
Die oben erwähnte Papierhülse stellte sich später als der Zünd¬
spiegel von der Patrone des kleineren Dreyse’schen Zündnadelrevolvers
heraus. Derselbe sitzt in einer an der Basis der Kugel befindlichen
Vertiefung ziemlich fest auf. Bei Schüssen auf weitere Distanz trennt
er sich während des Fluges von der Kugel, bei diesem aus unmittel¬
barer Nähe abgegebenen Schuss war die Kugel bis zur Ausgangsöffnung
mit dem Zündspiegel in Verbindung geblieben. Erst dort hatten sich
beide getrennt, die Kugel war, wie sich gleichfalls erst später heraus¬
stellte, aus der Wunde herausgefallen, der Zündspiegel dagegen war
zwischen den Rändern derselben zurückgeblieben.
Das Ergebniss der Untersuchung Hess mich einen Bruch des Alveolar¬
fortsatzes in der Gegend des zweiten und dritten Backzahns annehmen,
dagegen glaubte ich nicht, dass der Unterkiefer selbst gebrochen war.
Wir beschränkten uns daher darauf, dem Patienten äusserste Ruhe
zu empfehlen und eine starke Kälteanwendung auf die verletzte Stelle
zu verordnen.
Original from
UNIVERSETY OF MICHIGAN
404
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 27
Als wir den Kranken Abends wiedersahen, hatte sich der Zustand
recht erheblich verschlechtert. Das Aussickern von Blut aus den Schuss¬
öffnungen hatte fortgedauert, gleichzeitig hatte sich aber auch eine sehr
bedeutende Anschwellung der verletzten Gegend gebildet, welche nur
darauf beruhen konnte, dass im Verlauf des Schusskanals eine ver¬
letzte Arterie ihr Blut in das angrenzende Bindegewebe hatte einströmen
lassen. Die Respiration war frei, das Sprechen dagegen fast unmöglich
und das Schlucken äusserst schmerzhaft. Dabei bestand vermehrte
Speichelabsonderung, welche den Patienten zu öfterem Schlucken zwang.
Die Spannung in den geschwollenen Theilen war so bedeutend, dass
Gangrän zu befürchten stand.
Unter diesen Umständen rieth ich zur Spaltung des Schusskanals,
die ich auch an demselben Abende in Anwesenheit und mit Zustimmung
des Herrn Geh. Rath Wüms ausführte. Einen zweiten Schnitt, parallel
mit dem ersteren und unterhalb desselben gelegen, fügte ich hinzu, um
den hier angcsammelten Blutmassen freien Abfluss zu gewähren. —
Nach der Spaltung des Schusskanals zeigte sich nun, dass in der Gegend
des zweiten und dritten Backzahns eine Splitterfractur des Unter¬
kiefers in seiner ganzen Dicke vorlag, die Splitter hatteten jedoch fest
am Periost der Innenfläche des Kiefers und griffen so genau in ein¬
ander ein, dass durchaus keine Verschiebung bestand. Die Blutung
war sehr gering und stand nach einiger Zeit von selbst. Die Wunden
blieben offen, sie wurden mit einem mehrfach zusammengelegten leinenen
Tuch bedeckt und auf dasselbe eine Eisblase gelegt.
Es trat nun ein reguläier Verlauf der Wundheilung ein. In den
ersten Tagen bestand ein ziemlich reichlicher Abfluss von blutigem
Serum, und gleichzeitig stellte sieh eine sehr erhebliche Abschwellung
der angrenzenden Theile ein. Dann folgte ein Intermediärstadium, in
welchem ziemlich reichliches dünnflüssiges und etwas übel riechendes
Secret entlcrrt wurde, nebst einigen aus dem Schusskanal stammenden
brandigen Gewebsfetzcn, und schliesslich entwickelte sich eine gute
Eiterung und kräftige Granulationsbildung, welche in Narbenbildung
überging. Bei Beginn des Intermediärstadiums wurde die Wund¬
behandlung dahin geändert, dass die Wunde 3 mal täglich mit 2%
Carbolsäure irrigirt und mit 10°, 0 Salicyiwatte verbunden wurde. Als
die Eiterung sich einstellte wurde der Verbandwechsel nur zweimal täg¬
lich ausgeführt.
Eine unangenehme Complication bildete der Eintritt eines Inter-
mittens-Fiebers, welches mit starken gastrischen Störungen und leichtem
Icterus verbunden war. Die Anfälle folgten keinem deutlich ausge¬
sprochenen Typus und bereiteten dadurch der Diagnose Schwierigkeiten;
man konnte mit Mühe 3 Anfälle herausrechnen. Eine grosse Chinin¬
dose führte den fieberlosen Zustand herbei.
Jetzt in der 5. Woche ist das Allgemeinbefinden vollkommen un¬
gestört, die zweite Incisionswundo längst geheilt, der gespaltene Schuss¬
kanal vgn beiden Enden aus gegen die Mitte vernarbt, aus der Mitte,
welche direct auf die Fractur führt, entleert sich dagegen noch ziemlich
viel Eiter, und es bleibt abzuwarten, ob sich hier noch ein Sequester
loslösen wird. Eine Verschiebung besteht auch jetzt in keiner Weise,
die Bewegungen des Kiefers sind vollkommen frei, jedoch noch kraftlos.
An einer functioneil vollkommenen Herstellung ist wohl nicht zu zweifeln.
Ich musste mir bei der Behandlung dieser Verwundung natürlich
die Frage vorlegen, ob es nicht geboten sei, bei derselben den anti¬
septischen Verband mit allen seinen Cautelen anzuwenden, und ich
glaube wohl, dass es möglich gewesen wäre. Man hätte sofort nach der
Verwundung den Schusskanal spalten müssen, die Wunde mit Strömen
2*/,—5°/o Carbolsäure auswaschen, ein kleines senkrecht auf die Fractur
gerichtetes Drainrohr und zwei ähnliche schräg gestellte für die Aus¬
gangs- und Eingangöffnung des Schusskanals einlegen müssen, die ganze
Wunde bis hart an die Drains mit Catgut nähen, mit Salicyiwatte oder
Listergaze bedecken und einer ziemlich starken Compression unterwerfen
müssen.
Ich halte ein solches Vorgehen indess für ein gewagtes Experiment,
das nur der mit der erforderlichen Sicherheit durchzuführen im Stande
ist, der durch hundertfache Erfolge mit dem Lister’schen Verbände
denselben vollkommen beherrscht. Wäre es geglückt, auf diese Weise
einen vollkommen aseptischen Verlauf der Wundheilung zu erreichen,
so hätte der Patient den Vortheil einer schnelleren und vielleicht gefahr¬
loseren Wundheilung erreicht. Glückte es aber nicht, entwickelte sich
unter den Suturen eine auf Blutung oder entzündliche Exsudation be¬
ruhende Schwellung, so war der Patient schlimmer daran, als bei der
offenen Behandlung und dem späteren Verbände mit antiseptischen
Stoffen, der weit davon entfernt war, ein typischer Listerverband
zu sein.
Da ich nun in meine Technik der Wundbehandlung nicht das
feste Vertrauen habe, in solchen Fällen einen absolut aseptischen Wund¬
verlauf durch Anwendung des typischen Listerverbandes mit Sicherheit
herbeizuführen, so stand ich davon ab und behandelte die Wunde in
der angegebenen Weise.
VIII. Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. Prof. Spiegelberg in Breslau ist von der Strassburger
Facultiit einstimmig und als einziger Oanditat für die an Prof. Gusse-
row's Sti lb; zu besetzende Professur vorgeschlagon worden.
— Die Jury der Abtheilung „Mb*Lein, Jlygieine und öffentliche
Krankenpflege“ der Pariser Ausstellung besteht aus den Herren Lister
für England, Evans für die Vereinigten Staaten, Bertani für Italien,
Vogt für die Schweiz, Hairion für Belgien, Beclard, Le Fort,
Trelat, Vulpian nebst Richet und Theophile Roussel als Stell¬
vertretern, für Frankreich.
— Der Deputirte Roger-Marvaise hat von neuem in der fran-
zösichen National-Versammlung den Antrag auf Abschaffung des Gesetzes
eingebracht, nach welchem dem Minister das Recht zusteht, fremde
Aerzte zur Praxis in Frankreich zuzulassen. Es sollen vielmehr alle
fremden Aerzte ein practisches, wie ein theoretisches Examen bei einer
französischen Facultät vorher ablegen. Nach den Aeusserungen der
französischen Fachblätter würde die Vorlage in dieser Form keinen
erheblichen Widerspruch erfahren.
— In der Woche vom 2. bis 6. Juni sind hier 676 Personen ge¬
storben. Todesursachen: Masern 9, Scharlach 11, Diphtherie 17,
Eitervergiftung I, Kindbettficber 5, Typhus 3, Flecktyphus 3, Dysen¬
terie 10, mineralische Vergiftungen 3 (Selbstmorde). Delirium tremens 2,
Sturz 2, Erschiessen 1 (Selbstmord), Erhängen 4 (Selbstmorde), Er¬
trinken 2 (1 Selbstmord), Lebensschwäche 31, Abzehrung 25, Atrophie
der Kinder 11, Altersschwäche 9, Krebs 12, Wassersucht 4, Herzfehler 9,
Hirnhautentzündung 9, Gehirnentzündung 14, Apoplexie 13, Tetanus
und Trismus 6, Zahnkrämpfe 5, Krämpfe 45, Kehlkopfentzündung 9,
Croup 5, Pertussis 6, Bronchitis acuta 4, chronica 11, Pneumonie 33,
Pleuritis 3, Phthisis 83, Peritonitis 6, Eierstockswassersucht 1, Diarrhoe
62 (darunter 61 Kinder unter 2 J.), Brechdurchfall 100 (darunter
98 Kinder unter 2 J.), Magen- und Darmentzündung 1, Magen- und
Darmkatarrh 17 (darunter 16 Kinder unter 2 J.), Nephritis 10, Blasen¬
leiden 1, andero Ursachen 55, unbekannt 4.
Lebend geboren sind in dieser Woche 382 m., 370 w., darunter
ausscrehelich 44 m., 57 w., todtgoboren 21 m., 13 w., darunter ausser-
ehelich 4 m., 2 w.
Die durchschnittliche Sterblichkeit während dieser Woche beläuft
sich auf 24,1 pro Mille der wahrscheinlichen Bevölkerungszahl, die ent¬
sprechende Geburtenziffer auf 38 pro Mille (beide Summen mit Aus¬
schluss von 1,7 pro Mille Todtgeborenen).
Witterung: Thermometerstand: 11,57 R., Abweichung:
— 2,47 R. Barometerstand: 27 Zoll 11,51 Linien. Dunstspannung:
3,62 Linien. Relative Feuchtigkeit: 71 pCt. Himmelsbedeckung:
6,8. Höhe der Niederschläge in Summa: 9,55 Pariser Linien.
In der Woche vom 9. bis 15. Juni sind in Berlin gemeldet: Typhus-
Erkrankungen 7, Todesfälle 4.
Einladung sum Besuch der gynäkologischen Seetion der vom 18. bis
mm 25. September d. J. in Cassel stattfindenden Yersantnling
deutscher Naturforscher nnd Aerxte.
Die Unterzeichnete, im vorigen Jahre in München gewählte Com¬
mission beehrt sich, die Fachgenossen zu den gynäkologischen Seetions-
sitzungen der diesjährigen Naturforscherversammlung einzuladen, und
zugleich die Bitte an sie zu richten, sich durch Vorträge und Demon¬
strationen an derselben betheiligen zu wollen. Folgende Vorträge sind
bereits angemeldet:
1) Leopold (Leipzig), Das scoliotisch und kyphoscoliotisch rachi¬
tische Becken — mit Demonstrationen nach Abbildungen und
Präparaten.
2) Kocks (Bonn), Demonstration eines mit Glück total exstiipirten
krebsigen Uterus und der drei dabei Vorgefundenen Ovarien.
3) B. S. Schultze (Jena), Zur Aetiologie und Prophylaxe der
Ovarialtumoren.
4) Derselbe, Demonstration einiger Instrumente.
5) A. Martin (Berlin), Zur Therapie der chronischen Metritis.
6) Fritsch (Halle), Demonstration eines Beckens.
7) P. Müller (Bern), Ueber Atrophie des Uterus.
8) Bandl (Wien), Zur Intrauterinbehandlung.
9) Kehrer (Giessen), Ueber die Ursachen der Veränderungen des
Foetalpulses während der Uteruscontractionen.
10) C. Rüge (Berlin), Anatomische Untersuchungen über die Scheiden¬
entzündung.
11) J. Veit (Berlin), Demonstrationen eines Präparates von doppel¬
seitiger Axendrehung der Ovarien.
12) Runge (Strassburg), Ueber den Einfluss der Herabsetzung des
Blutdrucks bei der Mutter auf das Leben der Frucht.
13) Zweifel (Erlangen), Ueber die Grundsätze der Abnabelung.
14) Derselbe, Die innere Athmung im Blute der Plaeenta.
15) Dohrn (Marburg), Demonstration von Hymenalpräparaten.
16) Schröder (Berlin), Ueber die Laparotomie bei Uterusmyomen.
Die Commission:
Gusserow. Olshausen. Schröder.
II. Amtliche Mittheilungen.
Pemonalia.
Auszeichnungen: Seine Majestät der König haben Allergnädigst ge¬
ruht, den poetischen Aerzlcn etc. Dr. Adolf Neissc r zu Liegniiz und
Dr. Sigismund Meyer zu Glogau den Character als Sanitäts-Rath zu
verleihen,
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UNIVERSETY OF MICHIGAN
8. Juli 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
405
Anstellungen: Seine Majestät der König haben AUergnädigst geruht,
den seitherigen Kreisphysicus und Medicinalrath Dr. Gustav Wilhelm
Ferdinand Voigt zu Magdeburg zum Regierungs- und Medicinalrath
zu ernennen. Der Regierungs- und Medicinalrath Dr. Voigt ist der
Königlichen Regierung zu Magdeburg überwiesen worden. Der pract.
Arzt etc. Dr. Wynen zu Ascheberg ist mit Anweisung des Wohnsitzes
in der Kreisstadt zum Kreisphysicus des Kreises Lüdinghausen, der
Arzt Dr. Gleitsmann ist mit Bclassung seines Wohnsitzes in Jaoobi-
hagen zum Kreiswundarzt des Kreises Saatzig und der practisohe Arzt
Dr. Baum in Aachen zum Kreiswundarzt des Landkreises Aachen
ernannt worden.
Niederlassungen: DDr. Boegehold, Marcuse, Eislen, Sommer¬
feld, Weigelt, Hertz, Wernicke und Fritsche in Berlin.
Verzogen sind: Dr. Moeller von Siegburg nach Merzig, Dr. Bar¬
te ns von Siegburg nach Düren.
Apotheken-Angelegenheiten: Der Apotheker Drugg hat die Ver¬
waltung der Voss’schen Apotheke in Ahrweiler übernommen.
Todesfälle: Kreisphysicus Dr. Wiebeck in Seehausen a./M., Kreis¬
wundarzt Hoffmann in Kalau.
■ekanntmaehnng.
Die Kreisphysicatstelle des Kreises Waldenburg, mit dem Wohn¬
sitz in der Kreisstadt und einem jährlichen Gehalt von 900 Mark ist
vacant und soll anderweitig besetzt werden. Qualificirte Personen werden
aufgefordert, sich unter Einreichung ihrer Approbation und sonstigen
Zeugnisse, sowie eines kurzen Lebenslaufes bis zum 15. August er.
schriftlich bei uns zu melden.
Breslau, den 21. Juni 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Sterblichkeit in Berlin im Htnat April 1878.
Todesursachen: Masern 11 m., 12 w.; Scharlach 34 m., 27 w.;
Rose 5 m., 4 w.; Rachenbräune 50 m., 40 w.; Eitervergiftung 7 m.,
5 w.; Kindbettfieber 14 w.; Karbunkel 1 m.; Nervenfieber 10 m., 5 w.;
Fleckfieber 2 m.; Ruhr 3 m., 1 w.; Acuter Gelenkrheumatismus 3 m.,
3 w.; Syphilis 5 m., 3 w.; Thierische und pflanzliche Gifte 1 m;;
Mineralische Gifte 3 m.; Giftige Gase 1 m., 2 w.; Trunksucht 1 m.;
Schwämmchen 3 w.; Verbrennung 1 m., 1 w.; Ueberfahren 2 m.;
Sturz und Schlag 11 m., 3 w.; Schuss Verletzung 6 m., 1 w.; Schnitt-,
Stich-, Bisswunde 3 m.; Folgen einer Operation 3 m.; Ersticken 1 m.;
Erhängen 9 m.; Ertrinken 8 m., 1 w.; Lebensschwäche der Neugebo¬
renen 59 m., 60 w.; Bildungsfehler 1 m.; Zahnen 16 m., 8 w.;
Englische Krankheit 4 m., 1 w; Schwindsucht der Kinder 9 m., 16 w.;
Drüsenabzehrung, Scrofulosis 6 m., 6 w.; Erschöpfung 32 m., 43 w.;
Altersschwäche 23 m., 37 w.; Brand der Alten 1 m., 1 w.; Krebs
und Geschwülste 17 m., 37 w.; Scorbut 1 w.; Blutfleckenkrankheit 2 w.;
Blutmangel, Anaemia 3 m., 2 w.; Wassersucht 8 m., 9 w.; Zucker¬
krankheit, Diabetes mellitus 1 m.; Blutschwärsucht, Furunculosis 1 w.;
ZeUgewebeentzündung, Phlegmone 3 m., 3 w.; Zellgewebeverhärtung
der Neugeborenen 1 m.; Sonst Krankh. d. Haut u. d. Zellgewebe 1 w.;
Progressive Muskcientartung 1 m.; Entzündung der Knochen und
Gelenke 10 m., 4 w.; Herzbeutelentzündung, Pericarditis 2 in., I w.;
Herzvergrösserung 2 m., 1 w.; Herzfehler, Vitia cordis 22 in., 25 w.;
Herzlähmung 9 m., 16 w.; Venenkrankheiten 1 w.; Hirnhautentzün¬
dung 28 m., 17 w.; Tubercul. Hirnhautentzündung 4 m., 1 w.; Gehirn*
Wassersucht 4 m.; Gehirnentzündung 26 m., 19 w.; Gehirnschlag,
Apoplexia etc. 35 m., 36 w.; Gehirnlähmung 16 m., 7 w.; Rücken¬
marksentzündung 1 m., 1 w.; Rückenmarksschwindsucht 5 m., 4 w.;
Rückenmarkslähmung 1 ra.; Fallsucht, Epilepsie und Veitstanz 1 m.,
1 w.; Starrkrampf, Tetanus et trismus 22 in., 12 w.; Sonstige Krämpfe
119 m., 94 w.; Kehlkopfentzündung 37 m., 45 w.; Croup 13 m., 11 w.;
Keuchhusten 16 in., 26 w.; Grippe 1 w.; Halsschwindsucht 3 m., 1 w.;
Acute Bronchitis 22 m., 18 w.; Chron. Bronchialkatarrh 36 m., 37 w.;
Lungenentzündung, Pncumonia 95 m., 83 w.; Lungenschwindsucht,
Phthisis pulm. 212 m., 176 w.; Lungenblutsturz, Haemoptoe 5 m.;
Lungenemphysem 4 m., 4 w.; Lungenbrand 4 m.; Lungenlähmung
28 m., 23 w.; Brustfellentzündung, Pleuritis 8 m., 10 w.; Unter¬
leibsentzündung 4 m., 21 w.; Darmverschluss, Ileus 2 w.; Magen¬
katarrh 6 m., 4 w.; Magengeschwür 1 m.; Magenverengerung 2 m.,
1 w.; Bluterbrechen 1 w.; Durchfall 28 m., 32 w.; Kinderdurchfall 1 w.;
Brechdurchfall 25 m., 23 w.; Magen- und Darmentzündung 2 m.,
1 w.; Magen- und Dannkatarrh 7 m., 14 w.; Darmkrampf, Colica 2 m.;
Unterleibsschwindsucht 2 m., 2 w.; Gekrösschwindsucht 1 m.; Sonstige
Unterlcibskrankheiten 3 m., 1 w.; Krankheiten der Milz 1 w.; Gelb¬
sucht 2 m., 1 w.; Leberentzündung 3 m.; Acute Leberatrophie 1 m.,
2 w.; Chronische Leberatrophie 5 m.; Entzündung der Harnwege 1 m.;
Sonstige Leiden der Blase 1 w.; Harnvergiftung, Uraemia 1 m.; Stein¬
krankheiten 1 m.; Bright’sche Krankheit 17 m., 16 w.; Fehlgeburt,
Abortus 1 w.; Folgen der Schwangerschaft und Entbindung 3 w.;
Unbestimmte Todesursachen 9 tn., 6 w.; Summa 1279 m., 1162 w.
Davon waren alt: Bis 1 Jahr 466 m., 407 w.; über 1 bis 2 Jahr
151 m., 142 w.; über 2 bis 3 Jahr 50 m., 50 w.; über 3 bis 4 Jahr
32 m., 24 w.; über 4 bis 5 Jahr 22 m., 18 w.; über 5 bis 10 Jahr
30 m., 31 w.: über 10 bis 15 Jahr 9 m., 14 w.; über 15 bis 20 Jahr
21 m., 14 w.; über 20 bis 25 Jahr 42 m., 31 w.; über 25 bis 30 Jahr
53 m., 46 w.; über 30 bis 40 Jahr 115 m., 83 w.; über 40 bis
50 Jahr 88 m., 72 w.; über 50 bis 60 Jahr 87 m., 65 w.; über 60
bis 70 Jahr 59 m., 70 w.; über 70 bis 80 Jahr 43 m., 72 w.; über
80 Jahr 11 m., 23 w.
Temperatur. Mittlere Temperatur 8®,33 R. = 10,41 C. Abweichung
vom 25jährigen Mittel 1,57 R. = 1,96 C. Wärmster Tag: 16. April
mit 12,60 R. = 15,75 C. Kältester Tag: 8. April mit 3,20 R. =■
4,00 C. Absolutes Maximum (am 30. April) 16,8 R. = 21,00 C.
Absolutes Minimum (am 1: April) 0,6 R. = 0,75 C. Luftdruck:
Mittlerer Stand: 27" 10'" 99. Abweichung vom 17jährigen Mittel
(1848—1865) 0,53. Beobachtetes Maximum 28" 2"' 82 am 7. April
10 Uhr Abds. bei N. Beobachtetes Minimum 27" 2'" 37 am 1. April
10 Uhr Abds. bei S. Dunstspannung: Mittlere Dunstspannung
2'" 82. Beobachtetes Maximum 4,37 am 17. April 2 Uhr Nachm.
Beobachtetes Minimum 1,55 am 3. April 6 Uhr Morg. Relative
Feuchtigkeit: Mittlere 69 pCt Beobachtetes Maximum 98 pCt.
am 9. April 6 Uhr Morg. Beobachtetes Minimum 29 pCt. am
30. April 2 Uhr Nachm. Niederschläge: 15 Tage mit Regen,
1 Tag mit Regen und Schnee, 1 Tag mit Graupeln, 2 Tage mit Nebel.
Höhe der Niederschläge in Pariser Linien 16'" 75. Abweichung vom
15jährigen Mittel (1848—1863) — 3,23. Windrichtung: Zahl der
beobachteten Winde: 9 N., 11 NO., 21 0., 9 SO., 21 S., 10 SW.,
3 W., 7 NW. Mittlere Windrichtung 34® 16 von 0. nach S.
Inserate«
Für das Bürgerhospital Worms soll ein Assistenzarzt angestellt
werden. Gehalt bei freier Station Anfangs 500 M., spater 600 M. An-
meldungen zu richten an den Bürgermeister der Stadt W orms: Heimburg.
In Gross-Tychow bei Belgard ist unter den dort bei der Eisenbahn
beschäftigten Arbeitern der Typhus ausgebrochen und verlangt die dortige
Behörde von dem Unternehmer der Eisenbahn die sofortige Anstellung
eines practischen Arztes. Es wird demselben seine Reise und monatlich
pecuniäre Entschädigung von 75 Mark zugesichert, und ist ihm Gelegen¬
heit geboten, sich selbst bald eine lohnende Praxis zu sohaffen, da der
dortige Arzt vor einiger Zeit gestorben und sioh noch kein Ersatz ge-
funden hat. Näh, in Gross-Tychow bei Herrn Apotheker P. Otto.
Ein junger Arzt sucht sofort Stellung als Assistenzarzt oder Ver-
treter eines Collegen. Gef. Off, sub M. S. 48 durch die Exped. d. Bl.
Ein junger Militairarzt wünscht aus dem activen Dienst auszuscheiden
und sucht zu dem Zwecke eine Assistentenstellung an einer Kllinik
oder einem grösseren Krankenhause. Gef. Off. unter P. N. 59 durch
die Exp, d. Bl. _________
Ein junger Arzt in Berlin erbietet sich Collegen daselbst zur
Assistenz oder Vertretung. Gef. Offert durch d. Exped. dieses Blattes
sub L. D. 58. __
Ein junger Arzt, seit 2 Jahren Assistenzarzt an einem grösseren
Krankenhaus, sucht eine Stelle als Arzt in einer kleinen Stadt oder auf
dem Lande. Massiges Fixum erwünscht. Gef. Offerten unter B. B. 61
durch die Expedition d. Bl. _
Ein Mediciner im 7. Semester bittet wegen seiner drückenden Lage
einen gut situirten Arzt um ein freundliches Darlehen behufs Beendigung
d. Studien. Gef. Offert, nebst Bedingungen erbet, sub E. K. 62 durch
d. Exped. d. Blattes. ___
Den geehrten Collegen zur Nachricht, dass ich vom 1. Juni ab in
Pymont practicire.
Berlin. _ Dr. S. Ph. Marcus.
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8. Juli 1878
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
407
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Neuenahr.
Die 4 Unterzeichneten seit vielen Jahren hier practieirenden Aerzte
erklären mit Bezugnahme auf die Inserate der hiesigen Bad-Actien-
Gesellschaft, dass sie eben so gut im Stande sind, über die Verhältnisse
Neuenahrs Auskunft zu ertheilen, wie der erst seit vorigem Sommer
hier anwesende, von genannter Gesellschaft „zur Wahrung ihrer Inter¬
essen 1 * speciell Angestellte Badearzt Herr Dr. Münzel.
Die Praxis ist hier, wie allerwärts frei, und hat die Bezeichnung
dies Herrn Dr.'Münzel als „erster“ oder „officiellef Badearzt*- nur Sinn
in Rücksicht auf dessen Stellung zur Actiengesellschaft.
Or. FcHgea Pr. Tcichewacher. Dr. Richard pohpift. Dr. fall UetchaH.
Bad Liebenstein. ***»*
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Medicinalrath Dr. D#ebuer, Dr. L. Sickert.
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Dr. Gg. Fischer, Privatdocent, ärztl. Dirig.
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worben, dass mir von mehreren Aerztcn der Wunsch ausgedrückt
wurde, auch mein eisenhaltiges und kalkhaltiges Malz-firtract mit
Leberthran zu verordnen. Dieser Anregung entsprechend, habe ich
mich entschlossen, auch die beiden weiteren Combinationen
Löflund’s Ktak-Extract mit Eisen u. Leberthran, sowie
Löflund’s Malz-Extract mit Kalk und Leberthran,
je aus gleichen Theilen der beiden Composita »bestehend, einzu¬
führen und empfehle diese neuen Präparate in Gläsern zu 200 Gramm ,
den Herren Aerzten zu geneigter Verwendung in der Praxis. Zu be¬
ziehen durch jede Apotheke.
Stuttgart, im Mai 1878. Kd. Loeflund.
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sämmtliche wirksamen Bestandtheile desselhen. Das Extract ist ein
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wasser vertragen, namentlich für Kinder. Sehr practisch auf Reisen,
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schluss der Orthopädie. Auf anatomisch-physiologischen Grundlagen
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logie der Gelenkkrankheiten am Rumpf und Kopf.“ Mit 45 Holz¬
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Mdbiet, Dr. J. P. (Leipzig). Grundriss dus Oeitscben MHitair-tanttttsveseas.
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Zahn, Dr. John (Rostock). Beiträge zur Pathologischen Histologie der
Oipbtkeritift. Mit 4 Tafeln, gr. 8. 6 M.
Ziewetea, Dr. 0. (Wiesbaden). Zur Therapie der coestitntieeelle« Syphilis.
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Redacteur: Prof Dr. t. WäMcaHurg,
nach amtlichen Mittheilungen,
Verlag von August Hirschwald in Berlin.
Montag, den 15. Juli 1878.
.V 28.
Fünfoehnter Jahrgang.
Inhal t; . ! ÄVM der chirurgischen Klinik des Herrn Prob Dr. Maä-< zO KfCii>u<y i. R: Ser i L»ä:. Hvitrage -zur Theohäiiischen RßhandJüim «Er
«V'iv..iy;kis. — II Lanuenbuch: Kliui.se her Beitrag «ur■ Lvhre *vdri Mj CarhntintnsieaRno — Ui. Käe'k^: K;ne Haarnadel mj'
IhrHk'ü'Otveb.c v.wisclten Bi,iKe uml Sehnde, — : iV- SUihr ; ßr.ijrajf zur Kmfmnig. über diu.'Wirksatiikvb <Es K<-uxivhm'* :gegen Schlaf*
!*,si^U• >1 vfdbiirh».!- l.nv./i. — V. Referate (Quincke: Heber dir Wirkung Woblen^iiütyhalH^r 'uuriinke — .QuinoVo: Hoher di*rr
KinRass do;«i Schlafes auf die Hari\abRondeF>jf»g:-— VVait^f i Uittersufchuiiirt-n filier den KlnÖUKs der Säuren auf .dbai'Ahimschen UrgÄaisR«»;
SeliL f pfi Oie ZüMundir und Wirkniito.Ti iJo* Kis.rns' im. nßswndcu ntei kranken Orgam.-an'us). — VI. Ycrlundiuiigeji .ärztlicher Oos.*!!..-
• schäfte« CfTeseHsebrffUür Gehurlshüifc und GyicRtelAgk neferlm)» — VTi'. Ecuilteton (Bv v f*1 <t e r:-■' V<m .Kric^SMdiauj/UCta — Einladung
Y»if ÜL VersartrütscJnSr AutUrfomdki?’.-.}}?$ '' ~~ 'Emladtint*- -?m % -Vctsammlttog des Aku&cltah Vertun.*? für öfPcniliche
Gc^ondhtnhipiJege, in Drttsnicja —/ Ta£&*£<wehteütth}fu5- $trtwäm)'.. VIR AiriUoüte Mitihoikiiiceu,— Inwcratu.
1 . Au» der «•liirurgisehen Mimik des Herrn Professur
Ilr. Maas km Preibarg LR.
Beiträge lur raefbauliche» der
* ' ' , ', ton > ' " ’ " {>
Dt r JL Xetihfk. '
1. Asw^i-cnt ,dcf . c3itrdrr;i:se.hcH Kfi k. *u R*rrit>u
Oie merimiiWb« Bcbamüiwt: Her Spondylitis wird, wiß
mau iw* cüjItiMiliien Mitthdluugeri m-sAht. fast von »lieft Cbi-
rutgßli m undir weniger cUDsnuuciRef Weise geübt, urid;l>ßüo,aäe.FS
in Kliniken und Krbüknnhaijseru finden verschiedene Apparate
imd Lagerungumeihoban- ihre AbW^faiwl«, Bei
aber hat sieh diest Rehamilung in det ärxtüche« l>faxhs Hahn
gfebtfiehen. W T ir mdleii deswegen durch die BuvpnenhuMg eider
I^jR ddinohiufähretide'n OehafHiluüp!, wie sie in
unserer Klinik von Brot Ma&<$ ein geführt Aufnierkäsam-
keit .der jvWdtN auf diese HehandlUngättidthöd^ richten.
Werfen wir zuerst emen hurxeö Rli«khlick auf die Ge¬
schichte der Therapie der SpoTiöylJttsR.sö findet) wir. dö,ss
dieses Leiden Jahrhunderte lang theils für unheilbar galt, theils
auch mit Sctdiu^e und anderen Vefkrümmdxigeu der "Wirbei-
s.ünie dusaniineugeworfßo wurde. Zwar hatte schon Hippo-
di)? 3 ln tichtuüg c< der Wirbel sru muchen versucht
ittdem er tlfefi Kvaukeo auf den Rauch legte nod eineo stark eh
Rrafk auf den (j?ihku^ iutühw/. aber gewalfcsaröe Ver¬
fahren fand keine Anhänger, Erst Ende des vorigen Jahr¬
hunderts wurde von TerÄcbifidenen Forscher 0 fast zu gleicher
Znil: dje Anatomie, der Bpoudybtis genauer untersucht, Aurran
ühd Dattd, A&rat* In Sw«, im Jahre 1771
nnd 177$ {>. wieder die
isänle> aber während Hi p'|tD'^T : -a ; t> m>' mif •'ziemli^heT.: Gewalt vor-
ging* bu^ut^t^p'. ^ie dfe; ulltöäJige ExU-nsl 0 ;f), indem xi« ab-
w«fAtö)&9 dteh tj-ifieiL Apparat not und durch ein
in dter «« wirken ver-
.sücbteir Ihre MeOinde wTArde aberr'nrcbt bekannt genug und
überdies noch vim den Tajiser AeUieit rerwoffen. . Pott (Ke¬
in a f k s oiv thsf kirn! of palsy of th»? lower ijiiibs etc<; London.
1779, Auch deutsch von Spo U r, Bemerkungen etc, Leipzig i 7#<?)
nnlefsagte jede mechajoische Beh&rnflpng »inrf jede ruhige Läge
mul erachtete als ailew» lafiuueöß Therapie lotütlß llauticizv
(Vesieantien mit Erbsen) um! A lli(eüi 0 inbehänd! 11 tig. i mim traten
Clhopart und Desault (Anleitung zur Ivenritnites alter chi-
•j rprgi sc'h^i Krank h di ton etc. .Atift Mm F r&üzQwst ijbm Kran k-
hRt lTM.) wieder niebr hir die ntechanisdiv Behandlung aut
; schlugen aber ein ganz eiUgegoogeseUti-s Verfahrcu YVie A urr^u
• und iiavid vor. Sie Iulssuu beslitudige Ruhf' hinltalien lUfJ
den Rum])f . vornüber beugen, ^daniit wird bi* zur Zusammen*
■schwoii^iitig der Wirhelbeitie fOrtgefalireh‘ a FowtaueUeb wurden
j zu bfcifleü Weitem de^ Buckels gelegt, s> auf solfdte. Art winJ dpt;
[ iijit Mn aufgelb?(en und autgoblätierten Tlreiieu arigefüllte
; Eiter eiiig<*sogen mul darch den Harn nie. ansgefübil. die eiu-
' ander geuaberteo Knochen ‘sehueisseu •zusammen unti der fUtDljR'
j wdrd umgoRaReh*'. Henknog^abscesse warnen sie m Offne,»,
Weil der Tod umRt einige Tage drunnf nntent-. U 0 y e r (.Ab-
: biuKlUingen über die chirnrgiscbeii ivfankiteitno(. bher*et/9 'von
J'es tur, Wür/.burg JS19. Jhj. L> 5».n^|*ttH die V u Ü ; solm
; Hehumilang und verwirft direct jede Bube, da sie 'eher schärL
| lieh sub llCd Lähmnhgy’ü. zu wolchmi er offenbar auch einfache
i MnskMschwäcbbn rechnet^ emphdhU , er ^foxoft und sagt , die
j Heilung werde liefönlorl diirch rocht fleissige? Leben der
i Muskeln und durch Crnhßrgeheuv Cotigösti 0 n*abcesse öffnet
j er durch kleine Lanzette Hebe, hat aber schlec hfce Kcish Itate,
j HarrtHwon (l’athulog'vcal and practical oh^ervatinus on xpiioxi
, ; dfi-nses, London und Sero y (Spinal cur y atu re,itH. con.se-
1 quences suul its eure. London IA4Q) stichtcu die inffonuitat
| theil.v durch dirccten brück mittelst Streckbetten, tkeUs durch
j Extmisio» am H^sd^r’jsdhen Krenx änsfeglejdhe«,
| im allgemeiuen war aber die Thcrajnc v»io Polt sehr he-
, hebt geworden, bis Rhelius (Hamlbuch riet Chirurgie 6. Auf-
| Uge. Heidelberg 1^4H) wieder oinn ganz ue.ue Art der Bidj&mR
J lung empfahl Et eifert sowohl gegen alle Streckapparato v hR
gegen das LQibergehen und veronlvuit honzmitale* Kücken ~
i oder Ranch läge (letsRre auch von" Ramp|li e| d empfohlen:
: ‘ Leber di - Krankheiten des Höckgrates etc, Deutsch \oj>
’ §ifcbeukaar, Ldpiig ihkVvJL um das stärkere ZusAtfftB'n*
sinken der Wirbeikorper m vrrhüteiu Bonnet (Leber die
■ Kratikheiteji der Gelenke. ÖentMcb von fLriip p. Leipzig 1847.
) wejhjier eint sfehr ß^te, Erklärung über das Entstehe« des
: Öifebk& gieht f lässt nur einen Theil der Patienten die Kückbu-
- läge Hirhftte». da er glaubt! dass hei ^hnn vnrhaoefener An¬
kylose diiicJi.Iho Slreckutig Sciuöorz erzyyrgy würde^ und
l^uer bei ,^eJhr Tf^ig^fthritteiM^i PVoe^s,^ di^h den, sEhEn
•mehrere Wirbelkürper zerstört seien, durch die Streckitug ein
Go,
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 28
luftleerer Raum entstände, der sich nicht solid ausfüllen könne.
Nelaton neigt sich wieder der Ansicht von Chopart und
Desault zu und behauptet, eine solide Ausheilung könne nur
dann erfolgen, wenn die noch vorhandenen knöchernen Schalen
der Wirbelkörper eingesunken seien, während Brodie (Ueber
die Krankheiten der Gelenke. Aus dem Englischen von Hol¬
scher. Hannover 1821.) dieses Einsinken für sehr gefährlich
hält. Humbert und Martin (Union medical, 1853) streckten
die Wirbelsäule auf einem Planum inclinatum oder einem Luft¬
kissen.
Trotzdem im Jahre 1834, als G. Ross in einem Aufsatz
über Coxitis die Distractionsmethode bei Gelenkentzündungen
als kräftigstes und oft allein ausreichendes Antiphlogisticum
empfahl, die Therapie der Knochen- und Gelenkkrankheiten in
eine ganz neue Periode trat und allmälig sich dieses Verfahren
mehr und mehr einbürgerte, dauerte es sehr lange, bis man
sich entschloss, auch die Wirbelsäule zu extendiren. Zuerst
war es Volkmann (Beiträge etc. Berl. klin. Wochenschrift
1867.), welcher dieselbe bei Gibbus der Halswirbelsäule in An¬
wendung brachte. Später veröffentlichte Schede (Weitere
Beiträge etc. Langenbeck’s Archiv XII, 1871.) mehrere hier¬
mit behandelte Fälle, welche auch die anderen Abschnitte der
Wirbelsäule betrafen. Sie gelangten zu dem Schluss, dass ein
wesentlicher Erfolg nur bei Spondylitis cervicalis zu erwarten
sei, bei Pott’schem Buckel der Rücken- und Lendenwirbel
seien die Resultate weniger bemerkbar, aber auch hier in ein¬
zelnen Fällen unerwartet günstig. Die Gewichtsextension wurde
mit der Glisson’sehen Schwinge ausgeführt. Volkmann
(Krankheiten der Bewegungsorgane in Pitha und Billroth
Handbuch etc. 1872.) empfahl dann auch vom Kopf oder vom
Becken aus mit Hülfe eines ledernen Gurts oder mittelst breiter
Heftpflasterstreifen, deren Schlingen sich in der Dammgegend
befinden, zu extendiren, oder die Extension mit der Glisson-
schen Schlinge, die Contraextension mit der Heftpflaster-Ansa
an beiden Beinen auszuführen. Im Jahre 1876 lobte Reyher
(Behandlung der Spondylitis etc. Langenbeck’s Archiv XIX,
1876.) sehr lebhaft und mit Recht den Rauchfuss’schen Appa¬
rat, welcher in ganz vorzüglicher Weise neben der Wirkung
der Distraction auch die Orthopädie berücksichtigt. Leider
aber ist er, wie alle anderen bis jetzt angegebenen Extensions¬
verfahren, nur für einzelne Abschnitte der Wirbelsäule zu ge¬
brauchen.
Hieran reihen sich noch einige von den Engländern und
Amerikanern angegebene Methoden der Behandlung, bei deren
Anwendung der Patient ausser Bett sein kann. Der wichtigste
und beste ist der von Ch. F. Taylor (The mechanical treatment
of angular curvature etc., New-York 1870) angegebene, welcher
im wesentlichen aus 2 parallel zu beiden Seiten der Dornfortsätze
verlaufenden Stahlschienen, die, genau an der dem Gibbus ent¬
sprechenden Stelle, durch eine Schraube ohne Ende in jedem
beliebigen Winkel festgestellt werden können. Durch Becken-,
Schulter- und Halsgürtel wird die Doppelschiene am Körper
befestigt, und durch allmäliges Gradestellen der Winkelschienen
soll auch der Buckel nach und nach ausgeglichen werden. Der
Oberkörper wird dabei rückwärts gezogen, und in Folge dessen
die Wirbelkörper distrahirt. Auch Gypsverbände wurden mehr¬
fach für Erkrankungen der Wirbelsäule empfohlen. In erster
Linie ist hier Szcymanowski (der Gypsverband, Petersburg,
1857.) zu nennen, der den Vorschlag machte, bei FractuTen
der Halswirbelsäule einen möglichst hohen Gypskragen, bei
solchen der Brust- und Lendenwirbel aber einen auf dem Rücken
gefensterten, mit Flanell gut unterpolsterten Gypspanzer anzu¬
fertigen, der auf der Crista ilei aufsitzt und bis unter die Achsel¬
höhlen reicht. Neuerdings hat wieder Sayre diesen Verband
für Spondylitis empfohlen und Bar well (On the treatmeut of
angular curvature of the spine etc. Lancet, 1877, No. XXIII.)
ihn veröffentlicht. Der Patient wird, mit Kopf und Schultern
an dem Heister’schen Kreuz oder einem eigenen Kopfhalter
befestigt, suspendirt, damit die Winkelstellung durch das Gewicht
des Beckens und der unteren Extremitäten etwas verbessert
wird, dann der Körper von den Trochanterspitzen bis in die
Achselhöhlen mit Flanellbinden eingewickelt. Die Darmbein*
kämme, bei Frauen die Mammae werden durch Wattepolster
vor Druck geschützt, eine mehrfach zusammengelegte Serviette
auf das Abdomen und hierüber ein Gypsverband angelegt. Nach
dem Trocknen desselben werden die Polster entfernt, und,
wenn ein Abscess vorhanden ist, ein Fenster geschnitten. Der
Verband muss alle 3—4 Wochen erneuert werden. Dr. Barwell,
welcher genaue Messungen des Buckels mit einem Bleidraht,
und auch der Körperhöhe gemacht hat, sagt, dass letztere durch
Abflachung des Winkels jedesmal um 1,5 — 2 Zoll (englisch)
zunehme. Die Patienten gehen damit umher und sollen sich
sehr bald daran gewöhnen.
E. Andrews (The plaster of Paris jacket in spinal diseases.
Chicago med. Journ. 1877, Dez.) verstärkt diesen Verband noch
durch Holz- und Metallschienchen, die analog den Fischbein-
stäben eines Corsets um den Körper liegen, und fügt hinzu,
dass dieser Corsetgypsverband, wie er ihn nennt, seinen
Hauptangriffspunkt an der Taille haben müsse, also hier be¬
sonders fest angelegt werden müsse.
Auf unserer Klinik, deren Krankenzahl sich durch einen
besonders grossen Procentsatz von Knochen- und Gelenkkrank¬
heiten auszeichnet, haben wir im verflossenen Jahre die Kyphosen
zum grössten Theil auf grossen, fest mit Rosshaaren ausge¬
stopften Rollkissen gelagert, und zum Theil auch die Wirkung
dieser einfachen Lagerungsextension verstärkt durch Gewichfc-
extension, die je nach dem Sitz der Erkrankung mittelst der
Glisson’schen Schlinge oder mittelst der Heftpflaster-Ansa an¬
gebracht wurde.
Zuerst möchte ich nun etwas näher eingehen auf das Prin-
cip dieser Behandlungsmethode und auf die Unterschiede, welche
sie je nach dem Sitz des Leidens erfahren muss und dann im
Anschluss an eine Anzahl von Krankengeschichten eine kurze
vergleichende Kritik bringen.
Reyher (1. c.) hat durch ein einfaches Experiment an der
Leiche bewiesen, dass die wirksamste Distraction der Wirbel¬
säule stattfindet, wenn wir dieselbe in der Höhe des Körper¬
schwerpunktes unterstützen und die beiden Körperhälften ah
Hebelarme wirken lassen. Er schlug, nachdem er die Bauch¬
höhle eröffnet und die Eingeweide zum Theil entfernt hatte, in
2 aufeinander folgende Lumbal wir bei körper (der Schwerpunkt
des Körpers befindet sich etwa in der Gegend des letzten Lenden¬
wirbels), welche er mittelst kleiner Kreuzschnitte an kleinen
Stellen vom Periost entblösst hatte, feine Stiftchen ein und
mass genau ihre Entfernung von einander. Dann hängte er
die Leiche in der Rückenlage so über einen Stab, dass die beiden
Körperhälften sich das Gleichgewicht hielten und fand, da$>
die Stiftchen sich um 1 — 2 Mm. von einander entfernten, ob¬
gleich der Bandapparat und die Zwischenknorpel ganz gesund
und unverletzt waren. Weiter constatirte er noch, dass die
durch diese Lagerung bewirkte Entfernung der Wirbelkörper
von einander proportional ihrer Entfernung vom Stützpunkt
eine immer geringere wurde, was ja schon a priori wahrschein¬
lich ist. Ich möchte desshalb diese Extension oder richtiger
Distraction als fächerförmige bezeichnen. Ferner ist hier
noch zu erwägen, dass die Distraction am stärksten ist, wenn
wirklich beide Hebelarme, obere und untere Körperhälfte gleich
schwer sind. Ein stärker belasteter Hebelarm aber wird störend
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Original fro-m
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15. Juli 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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auf die Lagerung des Patienten einwirken, indem er entweder
den leichten nach sich zieht, oder indem der Kranke die un¬
bequeme Lage dadurch auszugleichen versucht, dass er seinen
Schwerpunkt auf den richtigen Stützpunkt bringt. Da nun eine
vorhandene Kyphose fast nie mit dem Schwerpunkt zusammen¬
fällt, so verschiebt er entweder den Apparat oder seinen Körper.
Wir müssen demnach die Lagerung so einrichten, dass der Körper¬
schwerpunkt annähernd unterstützt wird, oder wenn dieser von
der erkrankten Stelle weiter entfernt ist, die leichtere Hälfte
zu belasten, die schwerere zu entlasten suchen.
Wenn ich soeben erwähnte, dass wir nur einen Theil des
Körpergewichtes zur Distraction benützen, so hat dieses seinen
gewichtigen Grund darin, dass, wie wir aus den weiteren Experi¬
menten Reyher’s annehmen dürfen, wenigstens bei Erwachsenen,
durch Benutzung des ganzen Körpergewichts ein Schaden ent¬
stehen kann. Zwei Mal ereignete es sich nämlich bei kräftigen
Leichen Erwachsener, dass bei der Extension über den Stab
nicht allein die Wirbelkörper distrahirt wurden, sondern sogar
ihr Synchondrosen zerrissen. Um wieviel leichter kann aber
ein solcher Zufall bei erkrankter Wirbelsäule, bei durch Gra¬
nulationen zerstörten Knochen und Weichtheilen eintreten?
Dieses Ereigniss wird allerdings in dem Rauchfussuchen
Apparat, seines breiten Gurts wegen sicher verhütet, aber es
wird auch andererseits in Folge der Breite, und besonders weil
sich der Gurt sehr bald dem Gibbus adaptirt, die Distrac¬
tion nicht in dem Masse erlaubt, wie auf dem Rollkissen,
welches wir hauptsächlich als Lagerungsapparat gebrauchen.
Diese Rollkissen sind 60—70 Ctm. lang, cylindrisch, ihr Quer¬
durchmesser schwankt, je nachdem sie für Erwachsene oder
Kinder bestimmt sind, zwischen 8—20 Ctm., d. h. er muss
mindestens § 2 —% so gross sein, als die Innenseite des Ober¬
arms des betreffenden Individuums lang ist. Der Ueberzug
besteht aus starker, grober Leinwand und sie sind mit Ross¬
haaren so fest gestopft, als es nur irgend geht. Grobes Zeug
zum Ueberzug wählen wir, damit der Patient festerdaraufliegt
und nicht so leicht herabrutschen kann. Bei Kindern ist es
in der ersten Zeit nothwendig, das Kissen an dem KöTper zu
befestigen. Wir bedienen uns hierzu eines Gürtels von Leder
oder starker Leinwand, der über der Brust oder dem Leib
an geschnallt wird. An jedem Ende des Kissens ist die eine
Gürtelhälfte angenäht oder angeknöpft, wie es leicht aus Fig. I
Figur I.
der Kreislinie, sind also nirgends einem die Extension hemmen¬
den Drucke ausgesetzt. Im Rauchfuss’schen Gürtel aber liegt
der ganze Winkel und noch die ihm benachbarten Dornfort¬
sätze auf einer dem Gibbus parallelen Fläche, welche natürlich
hemmend auf die Extension einwirken muss. Der Apparat
kann ferner, weil bei ihm die extensionshemmende Wirkung
durch um so schwerere Hebelarme ersetzt werden muss, nur
dann in volle Wirksamkeit treten, wenn die erkrankten Wirbel
sich in der Nähe des Körperschwerpunktes befinden. Da wir
aber die Ueberzeugung gewonnen haben, dass dieser bei einem
an Spondylitis leidenden schon an und für sich, durch die meist
hochgradige Abmagerung der unteren Extremitäten in die Höhe
gerückt ist, und dass weiter weder das Gewicht der oberen,
noch der unteren Ertremitäten bei der Distractionslagerung
sehr in Betracht kommen darf, weil sie durch den fortwähren¬
den Wechsel ihrer Stellung, den Hebelarm, welchem sie an¬
gehören, schwerer oder leichter machen, so wird hierdurch
ganz klar, dass der Rauchfuss’sche Apparat nur für die
Behandlung der Kyphosen im Bereich der unteren
Brust- und oberen Lendenwirbel mit Erfolg zu ver-
werthen ist.
Noch ein Punkt, welcher sehr zu Gunsten unserer Ivissen-
behandlung spricht, ist die bei weitem bequemere Lagerung
der Patienten, welche ja oft Monate lang an das Bett gefesselt
sind. Bei Kindern lässt sich der Schwebegurt schon längere
Zeit anwenden, aber anämische Erwachsene können das Hängen
des Kopfes kaum Minuten, geschweige Monate lang ertragen.
Wir wenden aus diesem Grunde Sch'webevorrichtungen auch
nur bei Kindern und widerspänstigen Erwachsenen an, um sie
in der allerersten Zeit zu zwingen, eine richtige Lage einzu¬
nehmen. Sobald sie sich ihre durch lange Zeit hindurch be¬
stehende, vornüber gebeugte Stellung abgewöhnt haben, ziehen
sie das Kissen der Schwebe schon deshalb vor, weil sie viel
besser die im Bette erlaubten Arbeiten und Spiele verrichten
können.
Noch einige Worte möchte ich sagen über die von uns be¬
nützte Extensionsschwebe (Fig. II), welche viele Vorzüge vor
dem Rauchfuss’schen Apparat hat, besonders aber den Haupt¬
vortheil, dass man sie an jedem beliebigen Bett anbringen
kann, während man zu letzterem eine eigene Bettstelle haben
muss. Der Gürtel, welcher eine Breite von 3G—40 Ctm. haben
Figur 1[.
Die Keilkissen sind von dem Zeichner im Verhältnis zu
diinn gemacht worden und ihr Querdurchmesser muss
deshalb mindestens l 1 /* nial grösser angenommen werden.
ersichtlich wird. Bei Anwendung eines Rollkissens liegt ja
streng genommen die Spitze des Buckels auf einem Punkte der
Kreisperipherie, die benachbarten Dornfortsätze dagegen liegen
ganz frei oder stützen sich zum Theil auf tiefer gelegene Punkte
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muss, ist 4flügelich. Die beiden inneren Flügel (aa) haben
eine Schnürvorrichtung und dienen zur Befestigung am Körper,
die beiden äusseren (b b) tragen jeder 2 Ringe an den Ecken,
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
No. 2$
412 BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
zur Befestigung der Schnüre. Die 4 Schnüre (cc), welche je
etwa 1 Mt. lang sind, laufen nach dem Ring eines Sförmigen
Hakens (d), welcher von einem über 2 Rollen (ff), die an der
Zimmerdecke über dem Bette befestigt sind, laufenden Seile (e)
getragen wird. Hierdurch ist jede beliebig hohe Stellung des
Patienten ermöglicht. Damit die äusseren Flügel des Gurtes
sich jedem dickeren oder dünneren Körper acommodiren, laufen
ihre Schnüre durch die 4 Löcher eines rechtwinkligen Brettes (g),
durch dessen Auf- und Niederschieben die Adaption leicht be¬
werkstelligt wird.
Nach diesen ausführlichen Vorbemerkungen will ich nur
kurz unseren Behandlungsmodus für die einzelnen Abschnitte
der Wirbelsäule angeben und zur Illustration je einige Kranken¬
geschichten hinzufügen.
(Fortsetzung folgt.)
II. Klinischer Beitrag zur Lehre von der Carbol-
intoxication.
Von
Dr. med. Carl Langenbuch,
dirig. Arzt des Lazarus-Krankenhauses zu Berlin.
Die sich an einen, vor dem diesjährigen Chirurgen-Congress
in Berlin, über die Carbolintoxication, von Herrn Küster ge¬
haltenen Vortrag anknüpfende Discussion, drohte bei der zu
Tage tretenden grossen Divergenz der Meinungen die Zeit über
Gebühr in Anspruch nehmen, und musste deshalb, ohne er¬
schöpfend geworden zu sein, abgebrochen werden. Die ersten
Redner bewahrten ziemlich entschieden eine ablehnende Haltung
gegen die Küster’schen Ausführungen und es gewann fast den
Anschein, als wenn der Verlauf der Debatte mit der völligen
Freisprechung der angeschuldigten Uebelthäterin endigen würde,
als sich hinterher doch wieder mehrere Belastungszeugen ein¬
fanden, denen sich zum Schluss noch die gewichtige Stimme 1
des präsidirenden v. Langenbeck mit einem Resume hinzu¬
gesellte. Trotzdem haben die Verhandlungen den Eindruck
hinterlassen müssen, als sei die Existenz der Carbolsäureintoxi-
cation noch eine so sehr anzuzweifelnde, dass es sich nicht
verlohne, dieser Frage eine grössere Bedeutung beizulegen.
Für diejenigen Chirurgen, welche gleich Küster und vielen
anderen mit der Carbolsäure ebenfalls unliebsame Erlebnisse
gehabt haben, gilt es nun, mit ihren Erfahrungen, soweit es
noch nicht geschehen, hervorzutreten, um der Carboisäure¬
vergiftung als wirklich existirende und das Leben gelegentlich
bedrohende Krankheit, sowie dem Streben nach Auffindung
wirksamer Gegenwehr zu ihrem Rechte zu verhelfen.
Ich verwende das antiseptische Verbandverfahren in dem
meiner Fürsorge anvertrauten Lazarus-Krankenhause schon seit
mehr als 4 Jahren, und zwar in einer solchen Ausdehnung,
dass durchschnittlich täglich 1—2 Verbandwechsel an den dazu
fälligen Patienten vorgenommen werden. Der Umstand, dass
eine verhältnissmässig sehr grosse Quote von den zur Behand¬
lung kommenden Krankheiten auf Rachen- und Kehlkopfdiphte-
ritis (jährlich ca. 50 Tracheotomien bei ca. 900—1000 Auf¬
nahmen pro anno) entfällt, bedingt die Nöthigung für eine
immerwährende, auch kleinere Wunden und Operationen be¬
zeichnende typische antiseptische Behandlung, und sind meine
mit letzterer gemachten Erfahrungen so günstig, dass ich auf I
keinen Fall jemals auf dieselbe verzichten möchte; auch hege
ich speciell für die Carbolsäure ein zu grosses Dankesgefühl, als
dass ich bis jetzt in die Versuchung gerathen wäre, gegen dies
so erprobte Hülfsmittel der Chirurgie ein minder bewährtes,
wenn auch noch so angepriesenes Antisepticum, wie z. B. das
Thymol, sei es auch nur versuchsweise, einzutauschen. Diese
den Chirurgen schon seit Jahren beglückende Erfahrung steht
aber eine andere, sich nach Art des hinkenden Boten hinterher
erst gebildete zur Seite, nämlich, dass, wie»von allen guten
und schöuen Gaben der Erde, so auch von der Carbolsäure
nur ein vorsichtig abgemessener Gebrauch gemacht werden darf.
Die Bäume wachsen nun mal nicht in den Himmel und wer
ein gutes Pferd hat, muss es auch reiten können.
Diejenigen Chirurgen — und die werden wohl noch die
Mehrzahl bilden — welche sich auf Grund theils der An¬
schauung, theils auch der Lectüre der bezüglichen Publicationen,
sowie eigenen Nachdenkens sich ihr Verband verfahren mehr
oder minder individuell schufen, haben natürlich vielfältige
Erfahrungen gemacht, und an der Hand dieser so viele Wand¬
lungen des antiseptischen Princips, wie Modificationen der
Technik durchlebt und durchprobirt, dass sich daraus für
jeden einzelnen eine Specialgeschichte seines Antisepticismus,
eintheilbar in verschiedene Stadien, construiren lassen dürfte.
Unter letzteren hebt sich das des anfänglich häufigen Misslingens
in Folge Mangels an Uebung (Volkmann), dann das darauf
folgende des Zuvielthun des Guten, sowie endlich das der regel¬
rechten und nur selten versagenden Handhabung, wenigstens
für mich, wie sicherlich auch für manchen anderen, in der
selbstprüfenden Erinnerung deutlich ab. Das zweite Stadium,
eben das vielumstrittene, hat sich, wie ich bekennen muss, für
einen längeren Zeitraum als rother Faden durch meine antisep¬
tische Methodik hindurchzuziehen gewusst.
Anfänglich folgte ich strenge dem Li st er’schen Ritual und
bediente mich also auch der nach seiner Vorschrift mit carbo-
lisirtem Parafln präparirten Gaze. Mancher Verband gelang
schon recht gut, zuweilen aber wurde aus dem Occlusionsver-
band alsbald ein Retentionsverband und ich sah mich alsdann
genöthigt, schleunigst zur »offenen Behandlung“ zurückzukehren.
Da sich solche Vorkommnisse öfter als wünschenswerth ein¬
stellten, fing ich an, die Lister’sche Gaze für unzuverlässig zu
halten und nach etwas besserem zu trachten; sicherlich mit
grossem Unrecht, wie ich später einsehen lernte, denn die Ur¬
sache des häufigeren Fehlschlagens lag natürlich an mir, d. h.
meinem „ersten Stadium“, dem Lehrlingsstande. Das bessere
glaubte ich nun in dem mittlerweile von Bardeleben ein¬
geführten feuchten Carboijuteverband gefunden zu haben und
insofern nicht mit Unrecht, als ein Mal die Verbände immer
besser gelangen und fürs andere die Kosten der antiseptischen
Behandlung entschieden abnahmen. Ich klammerte mich fest
an den Satz von der permanenten Ubiquität der Carbolsäure
in diesen Verbänden, und ging zur Sicherstellung derselben
äusserst gründlich zu Werke.
Es sei mir gestattet, mein Vorgehen an einem Falle von
Kniegelenkresection bei einem 10jährigen Knaben zu illustriren.
Schon seit Stunden liegen die Instrumente, das Nähmaterial,
die Verbandstoffe etc. in 5% Carbollösung. Die Extremität
wird abgeseift und mit 5°/ 0 Carbollösung hinterher desinficirt, des¬
gleichen die Hände des Operateurs, seiner Assistenten, sowie
aller sonst mit beschäftigten Personen. Anwendung 2V,%
Handsprays. Die Operation nimmt ihren Verlauf, die Geleqk-
enden werden entfernt, die fungösen Granulationen, wie die
Fistelgänge gründlich ausgeschabt und der neu hergestellte
Wundgrund mit 5% Carbollösung, um mit König zu reden,
überschwemmt; gilt es doch etwa noch restirende septische
Gewebsmassen wieder aseptisch zu machen. Endlich ist die
Wunde vernäht und mit den nöthigen Drainrohren versehen.
Das Glied wird auf eine Schiene gelagert, zu deren allseitiger
Desinfection keine Carbolsäure gespart wurd. Die Wundstreifen
werden mit Protective bedeckt und nun das Bein mit f>\.«
indessen sorgfältig ausgepressten Jutekuchen in grosser Aus-
Original from
UNIVERSITf OF MICHIGAN
15. Juli 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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dehnung eingehüllt. Darüber carbolisirte Gazebinden. Im Bette
wird noch ein vorher energisch desinficirtes grosses Gummituch
um den Verband geschlagen und für den Patienten eine 2%
Carbollösung zur gelegentlichen Wiederanfeuchtung des trocken-
werdenden Verbandes bereit gestellt. Die hier geschilderte
Procedur lässt sicherlich an Gründlichkeit der Antiseptik nichts
zu wünschen übrig, und man kann wohl dreist aussprechen,
dass es wohl überhaupt mit dem Lister’schen Verfahren nichts
auf sich habe, wenn bei solchem Vorgehen noch ein einziger
Coccus die Wunde erreichen kann. Der Kranke erwacht aus
der Narcose und befindet sich zunächst leidlich wohl. Aber
nach einigen Stunden, bei der Abendvisite? Bleich liegt er da,
die Haut mit kaltem Schweiss bedeckt, die Pupillen sind sperr¬
weit, das Auge erscheint todesmatt. Das Athemholen, durch
beständige Brechbewegungen unterbrochen, geht nur mühsam
vor sich, die Temperatur etwa bis auf 34* gesunken, der Puls
kaum fühlbar, erscheint sehr beschleunigt. Mit einem Worte,
der hochgradigste Collaps ist eingetreten und der exitus lethalis
sichtbar im Anzuge. Solche Collapse, wenn auch nicht immer
so hochgradige, sah ich recht häufig, speciell nach Operationen
an Kindern. Ich deutete sie mir schon damals als Erschei¬
nungen einer Carbolintoxication, deren Supposition für mich
durchaus nichts gezwungenes hatte, und half mich zunächst
damit den Verband gänzlich zu entfernen und durch den von
Thiersch eingeführten Salicylverband zu ersetzen. Zumeist
gelang denn auch die glückliche Abwendung der Katastrophe.
Am anderen Morgen befindet sich der Patient ungleich besser,
zwar würgt er noch immer und kann noch nichts geniessen,
und auch seine Temperatur ist noch subnormal, indessen doch
schon wieder auf 35*—36* gestiegen. Der gelassene Harn ist
schmutzig dunkelgrün. Da ich zu den Salicylverbänden niemals
ein rechtes Vertrauen fassen konnte, und sie nur nothgedrungen
als interimistisch anlegte, so suchte ich den Carbolverband so
bald als möglich zu reactiviren. Hierbei fiel natürlich meistens
die Chloroformnarcose, wie auch der Operationschoc, welche
man sonst als Mit- oder gar Hauptschuldige des Collapses an-
sehen konnte, fort, aber trotzdem waren sehr häufig mehr oder
minder heftige Carbolismen die erste Folge des Verbandwechsels.
Ich kann daher ohne Uebertreibung behaupten, dass der Carbo-
lismus zur Zeit dieser Verband weise etwas alltägliches in meinem
Krankenhause war und sieb der bezügliche Morgenrapport der
Assistenten nur darum drehte, wie intensiv die Erscheinungen
gewesen waren und ob ein Uebergang zum Salicylverband
nöthig gewesen oder nicht. Ich will unterdessen nochmals
betonen, dass besonders Kinder und schwächere Frauen zu
diesen Intoxicationen weit mehr als männliche Erwachsene
disponirt erschienen.
Wenn nun auch bei diesem Modus des Verbindens die
Resultate quoad antisepsin nichts zu wünschen übrig Hessen,
so veranlassten mich doch die widerwärtigen, sich ewig wieder¬
holenden Vergiftungserscheinungen, sowie die fast ebenso häufig
mit entstehenden eczematösen Hautulcerationen — die ich als
carboigeätzten Druckbrand der Haut, hervor gerufen durch ungleich-
mässige Vertheilung der Jute, betrachten musste — eine Aende-
rung resp. Milderung desselben anzustreben. Ich ging deshalb
dazu über, alle Verbandstoffe, welche bislang, wenn auch sorg¬
fältig ausgedrückt, so doch mit 5% Carbollösung imprägnirt
zur Verwendung kamen, vor der Application in 1—2V 2 ®/o
Carbollösung auswaschen zu lassen, sowie auch das Ausspülen
der Wunden mit starken Lösungen möglichst zu reduciren.
.Speciell dieses Punktes muss ich erwähnen, dass sich die
Anwendung einer 5% Säurelösung auf Amputations- und
Resectionswunden bei Kindern mir stets als so lebensgefährlich
erwiesen hat, dass es dazu kam, dass für mich für die Vor-
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nähme einer kindlichen Kniegelenkresection aus der Frage, ob
ich ein durch und durch septisch fungöses Gelenk nach vor¬
genommener Ausschabung wirklich nachdrücklich mit Carbol-
säure imprägniren darf oder nicht, zu einem peinlichen Dilemma
geworden war und mich beispielsweise einmal veranlasst hat,
bei einem recht üblen Falle, für den ich die Resection schon
in Aussicht genommen hatte, doch davon abzustehen und einen
anderen Modus procedondi einzuschlagen, lediglich in der Be-
sorgniss, das schwache Kind könnte mir „antiseptisch“ zu
Grunde gehen. Da dieser Fall zur Beleuchtung unseres Gegen¬
standes beiträgt, sei eine kurze Skizze desselben erlaubt: Ein
Junge von 7 Jahren fällt eine Treppe hinab und bricht seinen
Oberschenkel. Er wird ins Lazarus-Krankenhaus gebracht und
wir constatiren: Fungöse Gonitis sinistra mit multiplen Fisteln,
rechtwinklige ancylotische Flexionsstellung im Knie, sowie
Querbruch der linken Femurdiaphyse im unteren Drittel. Um
die Fractur in guter Stellung zur Heilung zu bringen, mussten
wir hier von dem so bewährten Extensionsverfahren abstehen
und das ganze Bein in seiner rechtwinkligen Stellung und mit
Zufügung eines Beckengürtels eingypsen. Die Consolidation
trat in der üblichen Zeitdauer und der gewünschten Stellung
ein. Nun sollte die Heilung des kranken Knies an die Reihe
kommen. Die Resection war vollständig indicirt; indessen —
ich scheute mich vor der mir unvermeidlich aus der zur Her¬
stellung einer vollkommenen antiseptischen Wunde nothwendigen
intensiven Desinfection resultirenden Intoxication. Denn nur
der Carbolsäure allein traute ich einen genügend tiefgreifenden
antiseptischen Effect zu, nachdem mich das Chlorzink (10—100)
in solchen Fällen mehrere Male im Stich gelassen hatte. Ich
verzichtete also zunächst auf die Resection und begnügte mich
damit, das Bein in der Narcose gerade zu strecken, die Fisteln
so tief als möglich auszuschaben, dieselben mit 3% Carbol¬
lösung auszuwaschen und dann unter Spray einen milden anti¬
septischen Verband nach dem anderen zu appheiren. Die
Carboiwirkung war nur eine geringe, indessen nach dem ersten
Verbandwechsel noch jedes Mal nachweisbare. Das Gelenk ist
auf diese Weise zur unerwartet schnellen Heilung gelangt, und
zwar sicherlich unter der allmäligen Herstellung einer voll¬
kommenen intraarticulären Antisepsis; doch muss wohl auch
dahingestellt bleiben, wie viel von dieser Gewebsmelioriation
auf die Rechnung der durch die benachbarte Fractur gesetzten
Ernährungsmodalitäten zu setzen ist.
Obwohl ich also gelernt hatte, wesentlich sparsamer mit
der Carbolsäure, namentlich bei Kindern, umzugehen, sollten
mir doch selbst jetzt noch nicht unerquickliche und traurige
Erfahrungen erspart bleiben. Hier ein Beispiel: Ein 5jähriges
blühendes und aussergewöhnlich wohlgeformtes kräftiges Mädchen
wurde mit einer ziemlich plötzlich aufgetretenen Coxitis im
März des vorigen Jahres aufgenommen. Der Verlauf war ein
subacuter, mässige Schmerzen, kein Fieber; sieben wöchentliche
Behandlung mit Streckverband, dann kalte Abscessbildung um
den grossen Trochanter herum, Eröffnung des Abscesses ohne
Chloroform und unter vollständig antiseptischen Cautelen, d. h.
Desinfection der Haut mit 5 % Carbollösung und 2 */* % Spray.
Die Incision war höchstens 3 Cm. lang und es entleerte sich
sofort das Hauptquantum des Eiters. Absichtlich unterliess ich
jede weitere Berührung der Wunde, weder ein Finger, noch
eine Sonde, noch ein Irrigator, auch nicht einmal ein Drain¬
rohr wurden eingeführt, sondern schnell der antiseptische Ver¬
band (5% Stoffe diesmal in 2% Carbollösung ausgewaschen),
welcher um das Becken wie die betreffende Hüfte bis halb zum
Knie herabreichte, aufgelegt. Das geschah am Vormittag. Am
Abend constatirte mein Assistent, Herr Dr. Brons, einen ge¬
ringen Collaps,, zunächst angedeutet durch mehrfaches Er-
Origiral fror
UNIVERSITY OF MICHIGAN
414
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 2S
brechen und Würgen, bleiche Gesichtsfarbe, sowie eine Tempe¬
ratur von 36,4, die sich aber nach 2 Stunden schon wieder auf
36,6 gehoben hatte. Puls 120. In der Nacht trat indessen
hochgradiger Collaps ein. Das Brechen hatte fortgedauert,
die blasse Haut war mit kühlem Schweiss bedeckt, die Ath-
mung oberflächlich und schnell und der Gesichtsausdruck ver¬
fallen wie bei Gholerakranken. Puls 120. Temperatur 36,0.
Herr Dr. Brons ersetzte sofort die Carboljute durch einen
Salicylwatteverband. Die kleine Patientin erholte sich allmälig
wieder und bot mir, als ich sie am folgenden Morgen gegen
10 Uhr sah, ausser der noch immer subnormalen Temperatur
von 36,4 nichts Beängstigendes mehr dar. Ich konnte mich
auch einiger Zweifel, dass es sich lediglich um einen Carbolis-
mus gehandelt hatte, nicht erwehren, da ja an die mit Pro-
tectivstoff bedeckte Wunde so gut wie gar keine Carbolsäure
gekommen war und liess, da alle Gefahr vorüber schien und
um meine Antisepsis, welche mich für diesen Fall besonders
interessirte, nicht ganz daranzugeben, gegen Mittag wiederum
einen 5%? wie oben ausgewaschenen, Carbolwatte- und Jute¬
verband auflegen. Indessen fing gegen Abend das Erbrechen
von neuem an. Temperatur Abends 36,3, in der Nacht 37,3,
und als Dr. Brons wiederum, aber erst gegen Morgen, ge¬
weckt, zur Kranken kam, lag die kleine Patientin in einer
bald zum Exitus iethalis führenden Agone. Die Section ergab
nichts was gegen die nunmehr nicht anzuzweifelnde Vergiftung
durch Carbolsäure hätte sprechen kennen. Ich brauche wohl
nicht zu sagen, wie sehr mich der fatale Ausgang dieser
Affaire deprimirte, und wie abgesehen von dem unerwarteten
Verluste der Patientin meine Verehrung für die Carbolsäure
als wesentlichstes Element des Lister’schen Verbandes herab¬
gestimmt werden musste. Ich glaubte doch so vorsichtig ver¬
fahren zu sein. Die lineäre Wunde war, ohne direct mit der Carbol¬
säure in Berührung gekommen zu sein, sofort mit dem sich fest an¬
schmiegenden Protectiv bedeckt worden, und die Verbandstoffe
durch das Auswaschen in 2 % Lösung, vermeintlich aller Giftigkeit
beraubt. Anch der Spray hatte nicht lange eingewirkt, und eine
nachträgliche Befeuchtung des Verbandes war wohl kaum vorge¬
nommen worden. Diese Ueberlegung führte für mich zur Clonclu-
sion, dass erstens die Carbolsäure, wenn auch nur in geringen
Quantitäten zur Resorption gelangt, dem kindlichen Organismus
gegenüber doch eine ungemein höhere Potenz als beim Erwachse¬
nen entfaltet, und dass zweitens die Haut, wahrscheinlich ver¬
mittelst ihrer Schweissdrusenapparate, die Resorption derselben in
weit höherem Grade, als man sich bis jetzt vorgestellt hatte, ver¬
mittelt. Die Carboiresorption geht also von der Wunde, wie
von der unversehrten Haut aus. Die Wundresorption ward und
wird vielleicht noch etwas überschätzt und die Aufsaugung von
der Haut aus unterschätzt. Der Haut wird die Säure auf viel¬
fache Weise zugeführt. Schon die Procedur des Abseifens,
Rasirens und Abschabens der Haut, muss die Resorptionswege,
als welche ich die Schweissdrüsen in erster Linie anzusehen
geneigt bin, mächtig offen legen und die Aufnahme eines ver-
hältnissmässigen grossen Quantums der so differenten Säure
begünstigen. Dann wirft der Spray, zumal bei längerer An¬
wendung, ein nicht unbedeutendes Quantum fein vertheilter
Carbollösung auf die Haut, die für die ganze Zeit wie in einem
Carbolbade in die Flüssigkeit eingehüllt wird. Hinterher wird
sowohl beim trockenen originalen Lister’schen als auch bei
dem feuchten Bardeleben’sehen Verbände der Haut mehr
als der mit Protectiv verschlossenen Wunde des Agens zuge¬
führt. Vielleicht üben die Auswaschungen von Wundflächen
mit stärkeren die oberflächlichen Gewebs-, d. h. Eiweiss-
schichten, schnell zur Coagulation bringende Carbollösungen
gar nicht mal den schlimmsten Einfluss aus (Hueter) und die
Digitized b)
Google
Haut übernähme mithin immer den Löwenantheil der Resorption.
Dafür sprechen auch manche meiner klinischen Beobachtungen,
welche durch diese Hueter’sche Ansicht für mich in ein be¬
sonderes Licht gesetzt werden. Es war mir nämlich schon
immer aufgefallen, dass besonders Verbände, welche die In¬
guinal- und Axillargegend, welche, beiläufig gesagt, mit be¬
sonders grossen Sch weissdrüsen ausgestattet sind, mit in ihr
Bereich zogen, zu Intoxicationserscheinungen führten; dann
machte ich auch an einer noch jetzt in meiner Behandlung
befindlichen Patientin einige Beobachtungen, die der Mittheilung
an diesem Orte werth erschien. Die 28jährige Patientin leidet
seit 10 Jahren an einer enormen Elephantiasis des linken Beins,
welches vom Fussrücken bis zur Hüfte hinauf mit collosalen
durch tiefe Furchungen getrennten elephantiastiscben Geschwülsten
besetzt ist. Nach längerer fortgesetzter Hochlagerung des Beins
verschwand die Schwellung zum grössten Theil, und nur kleine
kind- bis mannskopfsgrosse Geschwülste mit genau von ge¬
sunder Haut umschriebener Basis, die längs der hinteren und
inneren Partie des Gliedes situirt sind, demonstriren, dass das
Erkrankungsgebiet ursprünglich ein sehr local beengtes ist,
und dass ein grosser Theil der Haut nicht an den pathologi¬
schen Schwellungen participirt. Es lag hier also die Möglich¬
keit vor, das Leiden durch eine Exstirpation dieser hyperplasti¬
schen Geschwülste radical zu beseitigen. Zunächst nahm ich
den Fuss und Unterschenkel vor und exstirpirte mit dem Schutz
der Gefässconstriction mehrere solcher Tumoren. Um die Defecte
mit Haut zu decken, musste ich zur Lappenbildung und Vor¬
schiebung derselben meine Zuflucht nehmen, wodurch es mir
dann gelang, alles durch die Nath zu vereinigen, so dass auf
eine schnelle prima zu hoffen war. Ich applicirte einen Li st er¬
sehen Verband, am Abend zeigte sich eine recht deutliche
Carboiresorption, am anderen Morgen bestand noch Erbrechen,
blasses Aussehen und Unvermögen der Nahrungsaufnahme, gegen
Abend vollständiges Verschwinden dieser Erscheinungen. Am
nächsten Morgen Erneuerung des antiseptischen Verbandes ohne
Chloroform, wonach aber wiederum deutliche Resorptionserschei¬
nungen auftraten. Auch im 3. und 4. Verbände Hessen sich
diese nicht vermissen. Zugleich stellte sich antiseptische
Aetzungsulceration der gesunden Haut ein und veranlasste mich
nunmehr, wo alles verheilt schien, die Verbände fortzulassen.
Leider platzten die Hautränder wieder auseinander, und es
entstand durch immer mehr zunehmendes Ausein ander weichen
derselben in wenigen Tagen eine grössere Ulcerationsfläche,
welche nur antiseptisch behandelt wurde, da dieselbe nach
einiger Zeit, während welcher sich in ziemlicher Nähe mehrere
Diphtheritis-Kinder angehäuft hatten, ein gequollenes sülziges Aas¬
sehen bekam, hielt ich es für gerathen alle Granulationen mit
dem scharfen Löffel fortzukratzen, dann den Wundgrund mit
3% Lösung auszuwaschen und einen neuen Lister aufznlegen.
Ich musste wiederum anfangs täglich die Verbände wechseln,
konnte aber zu meiner Verwunderung constatiren, dass ent¬
gegengesetzt der berechtigten Erwartung die Carbolintoxicationen
nunmehr viel gelinder, ja kaum merkbar ausfielen. Ich wage
für diese Erscheinung die Erklärung darin zu suchen, dass bei
der Vernähung der Hautränder die Hautlappen sehr gespannt
und gezerrt und dadurch die Schweissdrüsenöffnung zum weiteren
Klaffen gebracht waren. Daher trotz Mangels einer Wundfläche
deutliche Resorption der Carbolsäure; als sich aber die Haut¬
verklebung wieder trennte und die Spannung wieder aufhörte,
zogen sich die Ostien der Drüsen wieder aufs Normale zusammen
und die Carboiresorption konnte trotz der neuentstandenen männer-
hand grossen Ulceration nicht in gleichem Masse, wie die vorgehen¬
den Verhältnisse es gestattet hätten, vor sich gehen. Bei dem
Kinde, welchem der Hüftabscess geöffnet wurde, konnte, wie
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
15. Juli 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
415
wir gesehen haben, in der That nur die Haut die Carbolauf-
nahme in das Blut vermittelt haben; in letzterem Falle aber
haben wir von der Thatsache Act zu nehmen, dass die Haut,
wenigstens die gespannte, ein höheres Resorptionsvermögen
entfaltet als selbst eine ausgedehnte Wundfläche.
Diese Wahrnehmungen veranlassten mich, meine Verband¬
methode zu Gunsten der Prophylaxe wiederum etwas zu modi-
ficiren. Zunächst genügt es, namentlich bei Kindern und
schwachen Frauen, die Haut vor der Operation mit 3—*4%
Carbollösung einfach abzuwaschen, oder auch nur mit Wasser
abzuwaschen und die Desinfection dem Spray zu überlassen;
das Abreiben und Bürsten der Haut aber kann, meiner Meinung
nach, getrost unterbleiben. Hat man eine -Operation zu machen,
bei welcher durch die ausgedehnte Hautentblössung eine we¬
sentliche Abkühlung zu fürchten steht, so mag sich vielleicht
die Erwärmung des Sprays sehr empfehlen; andererseits erzeugt
aber die kalte Sprayflüssigkeit eine lebhafte Contraction der
Hautmusculatur und dadurch als wünschenswerthen CoefFect eine
Compre8sion der Schweissdrüsenöffnungen. Arbeitet man mit
Dampfspray’s, so stelle man denselben möglichst entfernt von
dem Operationsfeld auf, damit der Sprühregen schon abgekühlt
auf die Haut falle. Viel wesentlicher und wirksamer indessen
erweist sich folgende von mir angewandte prophylactische Mass-
regel. Ich umhülle die sämmtliche Haut, welche voraussicht¬
lich hinterher vom Verbände bedeckt sein wird, unmittelbar nach
der Abwaschung und vor Anwendung des Sprays mit dem all¬
bekannten feinen Guttaperchastoff. Dieser Stoff, welcher rela¬
tiv sehr wohlfeil ist, vereinigt in sich viele angenehme Eigen¬
schaften. Zunächst lässt er sich gründlich desinficiren, denn
man kann denselben dreist auf viele Stunden lang in 5°/ 0 Carbol¬
lösung legen, ohne dass seiner Brauchbarkeit dadurch ein Nach¬
theil geschieht, er wird im Gegentheil durch eine Art Auf¬
quellung noch weicher und schmiegsamer. Ein zweiter Vorzug be¬
steht aber in der elastischen Schmiegsamkeit des Stoffes. Er lässt
sich demzufolge der Haut aufs innigste und accurateste anlegen,
so dass dieselbe gleichsam mit einer zweiten und wasserdichten
Epidermis versehen wird. Vor dem Gebrauche wird der Gutta¬
perchastoff in l*/ 0 Carbollösung ausgewaschen und dann in
grösseren Stücken auf die Hautflächen in oben angegebenem
Umfange applicirt, doch in genügender Freilassung des Operations¬
feldes.
Als dritte Tugend dieser Guttaperchablätter ist die völlige
Reizlosigkeit derselben zu rühmen. Die Haut kann wochenlang
damit überzogen sein, ohne dass sich irgend eine irritative Wir¬
kung davon verspüren Hesse. Es giebt wohl Pflaster und Carbol-
eczeme, aber keine Guttaperchaeczeme.
Wie schon vorhin bemerkt, wird die sorgfältig angelegte
Schutzdecke vor dem Verbände nicht abgenommen, sondern
bleibt, wenn mögHch für die ganze Behandlungsdauer liegen.
Etwaige kleine Schadhaftigkeiten werden durch Auflegen von
Flicken schnell und einfach reparirt. Um den nöthigen Secret-
abfluss zu ermöglichen, genügt es, an den zweckmässigen Stellen
mit der Scheere mehrfache Spaltschnitte anzulegen und die Mün¬
dungen der Drainrohre durch kleine Excisionen freizulegen.
Um die bei der ausschliesslichen Anwendung der Carbol-
jute so häufig vorkommenden Druckeczeme, welche sich übrigens
unteT dem Guttapercha in weit vermindertem Grade, da die Carbol-
ätzung ausfällt, entwickeln, gänzlich zu vermeiden, lege ich über
das Guttapercha zunächst einige Lagen Watte. Diese Verband¬
watte, billigste Sorte, Hegt beständig in 5*/ 0 Carbollösung und
wird nur vor dem Gebrauch in 1% Carbollösung sorgfältig aus¬
gewaschen. Nun erst lege ich die Jutekuchen, ebenso wie die
Watte behandelt, nach Bedarf auf und umwickle dann das ganze
mit Gazebinde (2%) und schliesslich mit einer wohl desinficirten
Digitized by
Gck igle
elastischen Binde, deren einzelne Touren jedoch nur minimal
angezogen werden dürfen. Hinterher wird der ganze Verband
nur in mässigem Grade periodisch wieder angefeuchtet und per¬
manent in ein grosses Gummituch gehüllt. Seit Einführung
dieser Modificationen haben sich die Carbolintoxicationen so
wohl an Zahl der Fälle, als auch an Intensität auf ein Minimum
reducirt und ist für mich die entente cordiale mit der Carbol-
säure vollständig wieder hergestellt.
Zum Schluss möchte ich noch meine, bezüglich dieser Frage
gewonnenen Erfahrungen in folgendem resumiren.
1) Die Carbolsäure, deren giftige Wirkung nach Einführung
einer grossen Menge in den Magen schon längst constatirt ist,
kann auch dieselbe Wirkung entfalten durch ihre Aufnahme
durch Wundflächen wie auf die unversehrte Haut.
2) Die Aufnahme der Carbolsäure durch die unverletzte
Haut bez. die Schweissdrüsen spielt bei den Lister’schen bezw.
den feuchten antiseptischen Verbänden eine nicht zu unter¬
schätzende Rolle, namentlich hinsichtlich der Kinder und Frauen
wie auch geschwächter Erwachsener.
3) Die prophylactischen Massregeln gegen die Carbolintoxi-
cationen gipfeln in dem Bestreben, die vorher in starker Lösung
zur Desinfection gelangten Verbandstoffe vor dem Gebrauch
möglichst zu descarbolisiren, und die vorher mild desinficirte
Haut des Operationsfeldes sofort in oben geschilderter Weise
mit einer wasserdichten, für die ganze Verbandperiode permanent
zu erhaltenden Guttaperchaschicht zu überziehen.
III. Eine Haarnadel im Bindegewebe zwischen Blase
and Scheide.
Von
Dr. P. ÄTäcfce in Dresden.
In meiner seitherigen Stellung als Assistenzarzt der städti¬
schen Krankenanstalt zu Königsberg i. Pr. hatte ich folgenden
interessanten Fall zu beobachten Gelegenheit, den ich hiermit
kurz der Oeffentlichkeit übergebe.
Am 8. September 1877 ward das 14jährige Dienstmädchen
Anna Kr., mit der Diagnose »Phlegmone der rechten Scham¬
lippen der Krankenanstalt übergeben. In der That gewahrte
man an der äusseren Fläche der rechten grossen Schamlippe
eine beträchtliche phlegmonöse Stelle, die schon gespalten und
ihres Eiters entleert war, aber immer noch bedeutende Quanti¬
täten eines stinkenden, jauchigen Inhaltes enthielt Die Höhle
erwies sich nach Ausspülung mit Carbolwasser von der Grösse
einer kleinen Wallnuss und ward regelrecht drainirt und mehr¬
mals täglich ausgespült; am 2&. September konnte das Mädchen
geheilt entlassen werden. Als ich nun, behufs näherer Fest¬
stellung des Ausgangspunktes und Umfanges der Phlegmone
eine genauere Untersuchung der Genitalien vornahm, gewahrte
ich zwischen den Lippen, wenig vorragend, einen spitzen,
eisernen Körper, der sich bei näherer Besichtigung als das
Ende einer Haarnadel erwies. Die Nadel sass so fest, dass
der erste Versuch, sie durch eine Kornzange herauszuziehen,
misslang und auch wegen der bedeutenden Schmerzen aufge¬
geben werden musste. Erst unter Chloroformnarcose gelang es
mir, nach einiger Mühe und öfterem Abgleiten der Kornzange,
dieselbe zu extrahiren; es ergab sich, dass beide Schenkel so
umgebogen waren, dass sie zusammen eine gerade Linie dar¬
stellten.
Die Nadel stak in einer Länge von er. 9 Gtm. im
Bindegewebe zwischen Urethra und Vagina, und war
stark eingerostet, was man schon aus dem Umstande vermuthen
konnte, dass die Extraction eine ziemlich mühselige war, und
Qrigiral frer 2*
UNIVERSITf OF MICHIGAN
416
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Ne 2$
besagter Körper nach Aussage der Kranken bereits se ; t zwei
Jahren getragen wurde und zeitweilige Beschwerden
beim Gehen veranlasst hatte. Die Untersuchung ergab
zugleich, dass die Phlegmone des rechten grossen Labiums mit
der Haarnadel selbst nichts zu schaffen hatte, sondern nur
accidentell war.
Trotz wiederholten Befragens gelang es nicht, von dem
Mädchen zu erfahren, wie die Haarnadel in das perivaginale
Bindegewebe gelangt war. Die Einführung des Gegenstandes
durch eigene Manipulationen wurde hartnäckig in Abrede ge¬
stellt, und doch ist dies die wahrscheinlichste Art. Immerhin
ist es merkwürdig, dass eine so tief in das Gewebe eingegTabene
Nadel so lange Zeit ohne erheblichere Beschwerden hat er¬
tragen werden und von den Aerzten, welche die Patientin vor
der Aufnahme in die Anstalt wegen ihres Localleidens be¬
handelt hatten, hat übersehen werden können.
Der Befund fremder, in die Blase oder die Scheide ein¬
geführter Körper ist bekanntlich kein gerade seltenes Vorkomm-
niss. Dagegen habe ich mich vergeblich bemüht, in der mir
zugänglichen Literatur einen dem oben mitgetheilten analogen
Fall (Einbohrung eines 9 Cm. langen Körpers in das Gewebe
zwischen Blasen- und Scheidenwand) aufzufinden, wie ich denn
auch in den gebräuchlichen Lehrbüchern von Schröder, Scan-
zoni etc. keinerlei Notiz hierüber gefunden habe. Einige Ana¬
logie mit unserm hier mitgetheilten Falle bietet ein schon vor
einiger Zeit von Meschede*) beschriebener Befund einer Haar¬
nadel in der Gebärmutterhöhle bei einer mit Hystero-
Epilepsie und manchen anderen Leiden behafteten Kranken des
Landkrankenhauses zu Sch wetz, welche längere Zeit an habi¬
tuellen, offenbar durch die Haarnadel angeregten Wehendrang
gelitten hatte. Ob seitdem weitere Beobachtungen der Art ge¬
macht worden sind, ist mir nicht bekannt; immerhin dürfen sie
zu den Seltenheiten gehören, da selbst die gynäkologischen Lehr¬
bücher, die zu den besten zählen, ein Capitel über Fremdkörper
im Uterus und in dem Uterus resp. Vagina umgebenden Binde¬
gewebe, noch vermissen lassen.
IV. Beitrag nr Erfahrung über die Wirksamkeit des
Kamphers gegen Schlaflosigkeit weiblicher Irren.
Von
Medicinalrath Dr. StAhr in Emden.
Was in der Berliner klinischen Wochenschrift (No. 11 d. J.)
Herr Dr. Eugen Witt ich, Heppenheim, über die schlafmachende
Wirkung des Kamphers bei weiblichen Irren mitgetheilt hat,
kann ich aus eigener Erfahrung (in der Privatpraxis) bestätigen.
Die Krankheitsfälle, worauf sie sich gründet, sind älteren Datums.
Ich habe bisher, weil deren nur zwei, Anstand genommen, das
Ergebniss meiner Beobachtung zur Publication zu bringen; nun
aber, im Anschluss an oben genannten Bericht, hat es Werth.
Beide Fälle, in denen (vor 10 resp. 2 Jahren) Kampher
von mir in Anwendung gebracht worden ist, waren Sexual¬
psychosen im Sinne localer Hyperästhesie. Sie traten acut in
die Erscheinung und hatten raschen Verlauf mit Ausgang in
dauernde Genesung. Bei beiden Damen, im Alter von 27 resp.
31 Jahren, war das Gepräge des Irrsinns höchstgradige Exal¬
tation, die nach wenigen Tagen üebergang nahm in förmliche
Tobsucht mit Zerstörungstrieb. Dabei unter Lärmen und Singen
völlige Schlaflosigkeit.
In beiden Fällen war alle erdenkliche sedative Medication
*) Dr. Meschede: Beobachtungen aus dem Landkrankenhause zu
Schwetz, No. 2: Eine Haarnadel in Cavo uteri (Deutsche Klinik, 1873,
No. 32).
frustran. Opium und Chloralhydrat hatten keinen Effect. Am
5. resp. 6. Tage der Krankheit verordnete ich Kampher (0,1 drei¬
stündlich). Die Erstwirkung war Schlaf; Beruhigung folgte
nach; das Selbstbewusstsein kehrte zurück, und waren Patien¬
tinnen nach achttägiger Dauer der Cur mit allmäliger Minderung
der Gabe wieder hergestellt. Wie ich an der letztbehandelten
Patientin beobachtet habe, potenzirte sich die Wirkung in
arithmetischer Progression. Nachdem sie eine ganze Nacht
hindurch geschlafen hatte, war alle Aufregung verschwunden.
Nach dieser Erfahrung unterliegt es keinem Zweifel, dass
der Kampher als schlafmachendes Medicament wirksam sich
erwiesen hat. Ob indirect? ob in erster Stelle nach ehemals
allgemein geltender Auffassung als Antaphrodisiacum? lasse ich
dahingestellt und ist solche Erörterung auch überflüssig. Die
Erklärung der Kampherwirkung ist, wie auch Herr Dr. Wittich
sie präcisirt, zu finden in der excitirenden, durch Cumulation
secundär narcotisirenden Eigenschaft des Mittels im allgemeinen.
Damit jedoch ist nicht Aufschluss gegeben, betreffend die
schlafmachende Wirkung des Kamphers auf weibliche Irren
xar i£o%yv. Vielleicht findet dieses Problem nach mehrfacher
Erfahrung seine Lösung in späterer Zeit.
V. Referate.
Quincke, Ueher die Wirkung kohlensäurehaltiger Getränke.
Archiv f. experiment. Pharmacologie u. s. w. Bd. VII, p. 101.
Der Einfluss, der im täglichen Leben und zu therapeutischen
Zwecken so vielfach gebrauchten kohlensäurehaltigen Getränke ist merk¬
würdiger Weise bislang noch keiner scharfen experimentellen Prüfung
unterstellt worden. Verf. constatirte durch exacte Beobachtungen, dass
in den nächsten Stunden nach Einführung kohlensäurehaltigen Getränks
in den Magen eine stärkere Haniseeretion stattfindet, als nach derselben
Menge kohlensäurefreien Getränks, welche die Folge schnellerer Resorption
zu sein scheint, da sie nicht wohl auf die anderen hier etwa noch in
Betracht kommenden Möglichkeiten (Nervenreizung durch die Kohlen¬
säure an verschiedenen Punkten des Organismus) geschoben werden kann.
An einem Hund mit Magenfistel sah Q. deutliche Röthung der Magen¬
schleimhaut nach Einfuhr kohlensäurehaltigen Wassers, nicht nach Ein¬
leitung gasförmiger Kohlensäure in den Magen. Veränderungen des
Blutdrucks hatten nicht statt, die Resorption war meist, aber nicht
immer verlangsamt. _
Quincke, Ueber den Einfluss des Schlafes auf die Harn-
absonderur.g. Ibidem p. 115.
A priori sollte man annehmen, dass des Morgens, wo die letzte Wasser
aufnahme meist 9—10 Stunden zurückliegt und eine Verarmung des
Körpers an Wasser vorauszusetzen wäre, auch eine verminderte Harn¬
abscheidung statt hätte. Quincke zeigt an diesbezüglichen Messungen
das Gegentheil, wie es sich besonders durch Vergleich der stündlichen
Harnmittel zwischen Nacht, den ersten drei Morgenstunden und der
gesammten (24 ständigen) Tagesquantität ergiebt. Während des Schlafes
erfährt die Harnsecretion eine Verminderung, um mit dem Erwachen
zu steigen und erheblich das Mittel des ganzen Tages zu überschreiten.
Ob dies die Folge der Wasserretention der Gewebe während des Schlafes,
welche sich nach dem Erwachen des aufgespeicherten Wassers entledigen,
oder einer directen Verringerung der Secretionsthätigkeit der Nieren
während desselben, welcher eine morgendliche Harnfluth der aasgeruhten
Drüse folgt, ist, wagt Verf. nicht zu entscheiden.
Fr. Walter, Untersuchungen über den Einfluss der Säuren
auf den thierischen Organismus. (Aus dem Laboratorium
f. experiment. Pharmacologie zu Strassburg.) Archiv f. experiment.
Pharmacologie u. s. w. Bd. VII, p. 148.
Die Frage, wie weit die im Blute vorhandenen Alkalien durch zu*
geführte Säuren neutralisirt frerden können, ist von verschiedenen Seiten
in Angriff genommen, aber in differentem Sinne beantwortet worden.
Frühere Forscher bedienten sich der Alkalibestimmung im Ham nach
Zufuhr von Säuren oder Säure bildender Nahrung, Verf. wandte ein-
zur Beantwortung anderer Fragen bereits von Estor und Saint Pierre
und vom Ref. (Reichert und du Bois’s Arohiv 1876, Heft 3 pag. 3.»)
eingeschlagenes Verfahren an, aus dem Gasgehalt des Blutes auf di*
Einwirkung der eingeführten Substanz zu schliessen, in diesem Falle
aus dem Kohlensäuregehalt auf die Menge der Alkalien im Blut, da
aller Wahrscheinlichkeit nach der Gehalt des Blutes an auspumpbarer
Kohlensäure proportional dem Gehalte desselben an Alkalien ist. R"
vergleichenden Blutgasanalysen normaler und mit Säuren behandelter
Thiere musste also eine Verringerung des Kohlensäuregehaltes bei letz¬
teren auch einen Rückschluss auf eine Alkaliverminderung im BF 1 '-'
derselben erlauben. Es wurden nun Kaninchen mit 0,5 bis 3.6 Gnu.
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15. Juli 1S78.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT
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verdünnter Säure pro Kilo Thier, und zwar Salzsäure, Phosphorsäure
und Salicylsäure gefüttert, wobei sich auffallender Weise der Grad der
Concentration, in der dieselben den Thieren einverleibt wurden, inner¬
halb gewisser Grenzen als ziemlich gleichgültig erwies, der Kohlensäure¬
gehalt des Blutes bestimmt und in der That stets eine ganz ausser¬
ordentliche Verminderung desselben gefunden, so z. B. im extremsten
Fall von 27,72 pCt. Kohlensäure im Blute eines normalen Thieres auf
2,07 in dem eines mit 3,6 Grm. Phosphorsäure pro Kilo Thier gefütterten.
Dennoch reagirte solches Blut immer noch schwach alkalisch. Es be¬
steht also eine sehr erhebliche, aber keine vollständige Alkalienentzie¬
hung und es tritt stets, bevor das Blut saure Reaction angenommen hat,
der Tod der Thiere ein. (S. auch CI. Bernard, Le<jon sur les liquides
de l’organisme, Paris 1859, p. 28 ff. Ref.) Ganz typisch ergab sich,
dass für 1 Kilogramm Thier 1 Grm. Salzsäure resp. das Aequivalent
einer anderen Säure erforderlich war, um den Kohlensäuregehalt des
Blutes unter 3 Vol. pCt. herabzusetzen. Bernsteinsäure und Hippur¬
säure erwiesen sich unwirksam, beim Hunde gab ein in diesem Sinne
angestellter Versuch mit Salzsäure ein zweifelhaftes Resultat, und es
blieb die Frage, wo die in so reichlicher Menge eingeführte Säure
bleibt, offen. Verfasser glaubt, dass besondere Quellen für das Auftreten
von Basen eröffnet würden, und hier das Ammoniak in Betracht komme.
Nach einer besonderen, von Schmiedeberg ausgebildeten Methode an-
gestellte Ammoniakbestimmungen des Harns nach Salzsäurezufuhr er¬
gaben in der That eine bedeutende Zunahme derselben im Harn, welche
mit Sicherheit auf die Zufuhr der Säure zurückgführt werden konnte.
Die Frage nach dem Ursprung derselben musste aber offen gelassen
werden. Da die Sectionen der nach Säurezufuhr in directen Gaben ver¬
storbenen Thiere keinerlei palpablen Veränderungen als etwaige Folge
derselben erkennen liessen, so schloss Verf., dass es die Alkaliarmuth
des Blutes sei, welche den Tod bedinge, und dass derselbe durch gleich¬
zeitige reichliche Zufuhr von Alkalien hintan gehalten werden könnte.
Dies bewahrheitete sich in überraschender Weise und es zeigte sich, dass
bei sonst tödtlichen Säure-Gaben, welche Lähmung der Respirations-
und Herzthätigkeit zur Folge haben, durch Einführung von Natrium¬
carbonat eine vollständige Herstellung erreicht werden kann. In Folge
der Alkaliverminderung im Blute tritt zuerst eine Reizung und dann
eine Lähmung des Respirationscentrums mit nachfolgender Lähmung
des Herzens ein, durch welche schliesslich ohne Ersatz des verbrauchten
resp. mit Beschlag belegten Alkalis der Tod eintritt.
Diese höchst interessante Arbeit bestätigt und erweitert also die
bereits von Miquel, Salkowsky und Lassar gemachten Angaben
über die Möglichkeit einer Alkalientziehung des Organismus; die Art und
Weise besagter Wirkung auf das Respirationscentrum bleibt freilich noch
unaufgeklärt. Verf. verspricht die Grundlagen hierfür in einem späteren
Aufsatz beizubringen.
L. Scherpf: Die Zustände und Wirkungen des Eisens im
im gesunden und kranken Organismus. Würzburg, 1877.
141 S. gr. 8.
Verfasser beabsichtigt eine klinische und experimentelle Studie über
das Eisen herauszugeben, von der hier der erste, historisch-kritische Theil
vorliegt. Er giebt das bisher Bekannte in seltener Vollständigkeit (das
Literaturverzeichniss enthält 288 Nummern) und klarer prägnanter Dar¬
stellungsweise wieder und versucht aller Orten das apokryphische von
dem gesicherten Bestände der Wissenschaft zu trennen. Wir be¬
halten uns vor, auf das Gcsammtwerk zurück zu kommen und hoffen,
dass in diesem auch der Mangel eines Index beseitigt und das Autoren
Verzeichniss alphabetisch angeordnet sein wird. Ewald.
VI. Verkndlngn ärztlicher Gesellschaften.
Gesellschaft tir Gebartshilfe nt Gjraikalagle la Serif».
Sitzung vom 9. April 1877.
Vorsitzender: Herr Schröder.
Schriftführer: I. V. Herr Veit.
Herr Schröder verliest die Namen der neu vorgeschlagenen Mit¬
glieder.
1) Herr Röseler legt ein äusserlich normales Kind vor, das nach
seiner Meinung intrauterin 4 Tage vor der Geburt gestorben ist, Quer¬
lage, Wendung und Extraction sehr leicht und rasch, Nabelschnur
4 Mal um den Hals geschlungen. Kind kam ohne Herzschlag zur Welt.
Section erwies Aspiration von Meconium und Vernix.
Herr Schröder widerspricht der Deutung des Herrn R.; das Kind
scheint ihm vielmehr während der Geburt abgestorben zu sein.
2) Herr Veit legt eine Struma eines vor 2 Tagen lebend gebornen,
inzwischen verstorbenen Kindes vor, die Mutter trägt eine kolossale
Struma, das vorige Kind hatte gleichfalls eine Struma. Hier ist die
Thyreoidea auf das 4—5 fache vergrössert.
Derselbe legt dann einen von ihm am Morgen in der Stadt exstir-
pirten Ovarientumor vor mit sich vorbereitender Ruptur an mehreren
Stellen einer Cyste. Heilung.
Herr Prof. Freund aus Breslau (als Gast): Eine neue Methode
der Exstirpation des ganzen Uterus.
Das einzig rationelle Heilverfahren beim Krebs des Uterus ist die
Exstirpation des ganzen Organs nach dem bei den krebsigen Erkran¬
kungen anderer Organe von den Chirurgen anerkanntem Grundsätze nur
in unzweifelhaft gesundem Gewebe zu operiren. Bei der bisher beim
Krebs des Scheidentheils geübten Amputatio portionis vaginalis, mochte
man dieselbe mit Messer, Ecraseur oder Schneideschlinge ausführen,
ist die augenblickliche Entscheidung während der Operation, ob man
sich in noch gesundem Gewebe bewege, unerreichbar.
Die Totalexstirpation des Uterus hatte aber bisher, mochte man sie
von der Scheide oder vom Bauche her versuchen, grosse Schwierigkeiten.
Man hatte sich bei den Amputationsoperationen am Uterus gewöhnt,
die Gegend der Portio supravaginalis, den Abschluss der Bauch- und
Scheidenhöhle, als Barriere für den Chirurgischen Eingriff zu respectiren,
weil die Erzählungen von dem Ueberspringen dieser auf der einen Seite
wenig Glaubwürdigkeit (Täuschung des Lesers durch die frühere von
der jetzigen abweichende veraltete Nomenclatur der Genitalien oder
grobe Selbsttäuschung des Operateurs), auf der anderen Seite keine
Nachahmung verdienten (Sauter, v. Siebold Dieffenbach). — Da
nun für viele Fälle das Bedürfniss der Totalexstirpatiou des Uterus
unzweifelhaft vorliegt, so musste eine Methode gefunden werden, ver¬
möge welcher die bisherigen Schwierigkeiten umgangen und die Ge¬
fahren vermieden werden konnten.
He gar und Kaltenbach weisen zum ersten Male in ihrer „opera¬
tiven Gynäkologie“ mit klaren Worten auf die an eine solche Methode
zu stellenden Forderungen hin, indem sie sagen: „Eine rationelle Methode
müsste vollkommenen Schutz vor Blutung und Nebenverletzung gewähren
und einen Verschluss der Peritonealhöhle ermöglichen, um das Eindringen
von Wundsecreten in die Bauchhöhle zu verhindern.“
Diesen Forderungen glaube ich mit meiner Methode gerecht zu
werden, die ich das erste Mal am 30. Januar 1878 an einer 62jährigen
Flau H. ausgeführt habe. Die Operation wird folgendermassen gemacht:
Die Patientin wird mit dem Kopf tief gegen ein Fenster gelagert,
der Steiss stark erhöht, der Operateur steht an der rechten Seite. Nach
der Incision der Bauchdecken, die vom Nabel beginnend stets bis an
den Symphysenknorpel gemacht werden muss, werden die Darmschlingen
aus dem Douglas’schen Raum in die Höhe geschoben, was bei jener
Lagerung leicht gelingt; sie werden dann mit einem feuchten, den
t Douglas’schen Raum gewissermassen austapezierenden Handtuch be¬
deckt und von einem Assistenten oben zurück gehalten. Dies hat den
wesentlichen Vortheil auf eine bequeme und sehr vollkommene Weise
das Becken dem Auge des Operateurs zugänglich zu machen. Nach¬
dem schon vor der Operation die Uterushöhle energisch desinficirt
worden, wird nun eine starke Fadenschlinge durch das Corpus uteri
gezogen und diese einem Assistenten übergeben, der mittelst derselben
sehr bequem den Uterus je nach den Weisungen des Operateurs
dirigiren kann. Es folgt nun die beiderseitige Unterbindung der Ligg.
lata in continuitate und zwar in je 3 Portionen mit Fadenschlingen,
die zuerst durch Tube und Lig. ovarii, dann durch Lig. ovarii und Lig.
rotundum und endlich durch Lig. rotundum und Laquear vaginae gelegt
werden. — Zur Anlegung der unteren Fadenschlinge empfehle ich eine
federnde Troicartnadel, mit der von der Vagina aus die Schlingen
durch viermaliges Durchstossen der Laquear (beiderseits je 2 Mal) be¬
quem in die Bauchhöhle gebracht werden
Die Nadel ist mit starker Seide armirt; die beiden Faden-
endeu (das vordere, an der Concavatät liegende, ist kurz,
das hintere muss mindestens 2 7, Meter lang [auf ein
Röllchen gewickelt] sein) liegen in den Einschnitten der
Troicartröbre. Die Nadel wird vorgestossen und springt
sich selbst überlassen, in die Röhre zurück. Nach Durch-
stossung des vorderen Laquear vaginae bis in die Peri¬
tonealhöhle vor der Basis des Lig. lat. wird das vordere
Fadenende eine Strecke weit hervorgezogen, die Nadel
hierauf zurückfedern gelassen, darauf durch das hintere
Laquear vag. in die Peritonealhöhle hinter der Basis des
Lig. lat. gestossen; wiederum der vordere Faden eine Strecke
aus der Nadel gezogen und abgeschnitten. — ln derselben
Weise wird die Schlinge auf der anderen Seite eingelegt,
ohne dass das Instrument frisch armirt oder ein Mal aus
der Vagina entfernt zu werden braucht. — Das eine Ende
der so eingelegten Schlingen muss schliesslich selbstver¬
ständlich in eine Nadel gezogen und durch das Lig. rotun¬
dum geführt werden, damit der untere Theildes Lig. lat.
von der Schlinge umfasst und umschnürt werden kann.
Die Fadenenden der festgeknüpften Schlingen werden sehr lang
gelassen und nun der Uterus aus seinen Verbindungen ausgeschnitten,
wobei unbedeutende venöse Blutung erfolgt. Hierauf werden die Faden-
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 28
enden der Unterbindungen der breiten Mutterbänder durch die Oeffnung
im Scheidengewölbe nach aussen geleitet und stark angezogen. Es ent¬
steht so ein Situsbild im kleinen Becken, wie in dem Falle der spontanen
Ausstossung des invertirten brandig gewordenen Uterus. Durch Anziehung
der Fadenenden bildet sich eine Spalte zwischen dem vorderen und hin¬
teren Beckenperitoneum; diese wird durch Nähte geschlossen. Man er¬
leichtert sich diesen Act der Operation wesentlich durch Fixirung des
vorderen und hinteren Peritonealblattes vor der Abtrennung des Uterus
von der Blase und dem Mastdarm mittelst durchgezogener Fäden. Es
erfolgt die Toilette, das Peritoneum und die Bauchnaht.
Zur Durchführung der anti4rptischen Methode habe ich in den
Trichter zwischen die Wundstümpfe unterhalb der Naht des Peritoneum
einen Tampon mit 10% Carbolöl eingelegt und diesen an einem be¬
sonders gekennzeichneten Faden nach aussen geleitet; er wurde nach
24 Stunden in der Scheide liegend gefunden.
Der erste in dieser Weise operirte Fall heilte (ein 36stündiges
mässiges, auf Abscessbildung im unteren Bauchwundwinkel berührendes
Fieber abgerechnet) auffallend schnell. Ein zweiter und dritter Fall
(von Herrn Dr. Martini operirt) wichen etwas von dem beschriebenen
Operationsverfahren ab, indem die Ligamenta lata in 2 Portionen unter¬
bunden und kein Carbolöltampon eingelegt war. — Bei beiden erfolgte
eine massige interielle Blutung bei der Ausschneidung des Uterus aus
der Basis der durchschnittenen Ligamenta lata, welche gesonderte Unter¬
bindung nöthig machte; der erste genas, der zweite ging am 5. Tage
septisch zu Grunde. Als Indication für die Operation stelle ich alle
diejenigen Fälle von Krebs des Uterus auf, bei denen die Umgebung
noch nicht infiltrirt ist und das Organ beweglich ist.
Herr Professor Olshausen (Halle) als Gast. 0. zollt der neuen
Methode die grösste Anerkennung und glaubt, dass die Operation selbst
sehr werthvoll ist. Er ist schon lange Zeit mit Yeruchen an Leichen
beschäftigt gewesen; an den Lebenden hat er sie zum 1. Mal vor 10
Tagen ausgeführt. Er ist hierbei in gleicher Weise wie Freund vor¬
gegangen, dessen Fall er schon kannte; seiner Patientin geht es bis
jetzt sehr gut. Er möchte fragen, ob die aus dem Douglas’sehen
Raum empor geschobenen Darmschlingen vor oder hinter den Bauchdecken
liegen sollen, er hat sie % Stunden von einem Carboltuch bedeckt
draussen liegen lassen müssen wegen fetter Bauchdecken, ohne dass seine
Besorgniss wegen Carbolintoxication oder späterer Torsion gerechtfertigt
gefunden zu haben. Olshausen hat bei seiner (30jährigen) Patientin
beide Ovarien mit entfernt und fürchtet hierbei sehr die Verletzung der
Ureteren, deren Nähe er durch Leichenversuche festgestellt hat. Er be¬
ginnt mit der Auslösung des Uterus hinten und meint dass die Blase
sich so leichter abpräpariren lässt; die ligg. lata will er erst in eine
Klammer nach Art der Dupuytren’sehen Darmklemme legen und
hierauf unterbinden. Jedenfalls wird im wesentlichen Herrn Freund’s
Methode als vollständig gelten müssen, wenn sie auch im einzelnen viel¬
leicht Modificationcn zulässt. So möchte er die obere Ligatur jedenfalls
kurz abschneiden, die untere vielleicht nach aussen leiten; später werden
auch wohl zwei Ligaturen für je ein breites Mutterband genügen. Wegen
der Gefahr septischer Injection von der Scheide aus empfiehlt er ausser
vorheriger starker Aetzung des Tumors in der Scheide mit einem Pinsel
durch die peritoneale Naht die Bauchhöhle vollständig abzuschliessen. —
Im allgemeinen wird die Operation ziemlich selten bleiben weil die Fälle
meist zu spät kommen.
Herr Freund will sich nach den Worten des Herrn Olshausen
dahin ergänzen, dass er die Möglichkeit einer Verletzung der Ureteren
für nicht so sehr naheliegend hält, seitlich liegen sie zu weit und vorn
zu tief, wenn nämlich die Verhältnisse normal sind. Allerdings können
sie durch retrahirende Paremetritis in die Nähe des Uterus narbig hin¬
gezogen oder in Krebsmassen eingehüllt leicht der Nadel und dem Messer
zugänglich werden; aber in diesem Falle ist die Operation nicht mehr
indicirt. Besonders schwierig würde die Sache werden, wenn schon die
gewöhnlich zuerst afficirten Drüsenpackete im Laufe des Retractor uteri
erkrankt sind, dann kann man den Ureter in seinem Verlaufe unter
dem hinteren seitlichen Blatte des Beekenperitoneuras treffen.
Eine Blutung erfolgt meist nur aus dem Uterus, in dem ja das Blut
gestaut ist, nachdem die Ligaturen angezogen sind; aus den Seiten
nur, wenn besonders die tiefste Ligatur nicht alles mitgefasst hat oder
nicht festgeschnürt ist. Freund näht das Peritoneum oberflächlich
und fasst nicht viel Bindegewebe mit. Endlich hält er es für wichtig,
auch die obersten Fadenenden nach aussen zu leiten, der Trichter bildet
sich so besser und die Anlegung der Naht ist dann leichter, besonders
wenn man vorher die Peritoneallappen durch Fäden fixirt
Herr Professor Schroeder ist mit Herrn Olshausen einig in der
Anerkennung und Würdigung der Operation; sie beweist wieder, wieviel
mit Hülfe des Lister’schen Verfahrens gewagt werden darf, Operationen
können mit Glück vollendet werden, an die man ohne dasselbe nicht
hätte denken können. Wenn die Technik der Totalexstirpation des
Uterus sich auch vielleicht im einzelnen ändern kann, im Princip wird
man stets nach Freund verfahren müssen.
Nur in Bezug auf die Indication ist Herr Schroeder verschiedener
Meinung. Allerdings hält sich das Cervixcarcinom nicht an die Grenze
des innern Muttermundes, sondern überschreitet denselben gewöhnlich,
man findet über den zerstörten Theilen meist die Länge der Uterus¬
höhle verkürzt. Aber hier ist es für die Operation Freund’s zu spät.
Wenn dagegen die Scheidenschleimhaut mit ergriffen ist, so empfiehlt
er die von ihm in der vorigen Sitzung besprochene Totalexstirpation des
ganzen Cervix; in diesen Fällen kann man nach oben hoch genug hin¬
auf kommen. Anders verhält es sich mit den seltenen Fällen, bei denen
die Schleimhaut des Cervicalkanals hoch hinauf erkrankt und sogar die
Schleimhaut des Körpers ergriffen ist, ohne dass die äussere Fläche der
Vaginalportion degenerirt ist. Hier und bei allen primären malignen
Erkrankungen der Schleimhaut des Uteruskörpers scheint ihm die Ope¬
ration indicirt und hier wird ihre Wirkung eine segensreiche sein.
Herr Prof. Win ekel (Dresden) als Gast fragt Herrn Freund,
warum er in diesem Fall von den sonstigen Principien der peritonealen
Operationen ab weicht, warum er nicht die Bauchhöhle nach unten voll¬
ständig abschliesst; die Stümpfe des Lig. lata werden besser mit Perito¬
neum übersäumt und sterben dann sicher nicht ab. Er fürchtet die
Infection von der Scheide aus.
Herr Freund hält trotz dieser Bemerkungen den Zug an den Fadeu-
enden für wichtig, er fürchtet die Infection des Trichters, wenn man
nach Herrn Win ekel ’s Vorschlag verfährt, weil die Stümpfe absterben.
Herr Win ekel erinnert an die abgeschnürten Stiele bei Ovarioto-
mien, diese sterben niemals ab, eine wichtige Rolle spielen bei der Or¬
ganisation die farblosen Blutkörperchen, übrigens hat er noch nach 1 Jahr
5 Monat ohne Gefahr für die Patientin Nähte ausstossen sehen.
Herr Olshausen hebt hervor, dass der Grund, warum abgeschnürte
Stielreste in dem einen Falle absterben, im andern nicht, darin liege,
dass sie der Luft ausgesetzt oder vom Peritoneum umgeben seien. Gegen
Herrn Freund bemerkt er, dass die Naht des Peritoneum auch ohne
Herunterziehen nicht schwer sei, dass eine eventuelle Antisepsis von
der Scheide durch permanente Irrigation bewirkt werden könne.
Herr Winckel betont die Uebereinstimmung mit Herrn Olshausen
und möchte gerade wegen der Gefahr des Zutritts von aussen die Bauch¬
höhle durch Peritonealnaht und durch Scheidennaht abschliessen.
Herr Freund: Die Umsäumung in der Winckel’schen Art hat
die Schwierigkeit, dass vorn das Peritoneum viel höher durchschnitten
ist als hinten; das einfache Zusammennähen des sich bildenden Spaltes
ist daher richtiger.*) (Schluss der Discussion.)
4) Herr Prof. Freund aus Breslau (als Gast): Ueber die topo¬
graphischen Verhältnisse und die Aetiologie der intraligamentär ent¬
wickelten Ovarialtumoren.
Bei der vorgeschrittenen Zeit beschränke ich mich auf kurze resu-
mirende Worte und auf die Vorlegung verschiedener Abbildungen. Die
gewöhnliche Erklärung der subserösen Entwicklung der Ovarialtumoren —
es sollen alte peritonitische Processe die freie Entwicklung hindern —
genügt für die meisten Fälle nicht; man findet gewöhnlich gar kein
peritoneales Exsudat oder auch nur Reste desselben. Es handelt sich
vielmehr um einen Entwicklungsfehler; nur wenn dasOvarium
primärintraligamentär liegt, kommt es auch zu dieser Art
des Wachsthums der Tumoren. Es kommen nun in der Lage des
Eierstocks ebenso grosse Verschiedenheiten vor, wie z. B. auch beim
Hoden. Auf die musculösen Fasern, die vom Ligamentum ovarii schräg
abwärts zum Uterus ziehen und hierauf entschieden von Einfluss sind,
ist neuerdings nicht hinreichend geachtet.
Gelegentlich möchte ich hervorheben, dass es sich in manchen Fällen
gar nicht um Eierstocksgeschwülste handelt, sondern nur um Tumoren des
breiten Mutterbandes neben denen, dann allerdings oft schwer zu finden,
ein atrophisches Ovarium liegt. Wie schwer es ist, sich intra vitarn und
auch am Präparat davon zu überzeugen, dafür spricht ein Fall, den ich sehr
lange beobachtete. Hier fühlte ich zuerst einen parauterinen Tumor und
beide Ovarien; als ich ihn später wieder sah, hätte ich eutschieden einen
ovariellen Tumor angenommen; die Laparotomie ergab, dass ein Myom des
Lig. latum vorlag, neben dem ich, nach längerem Suchen die normalen
Ovarien fand. Uebrigens war in diesem Fall der Ureter vor dem Tumor
gelegen und mit ihm verwachsen; derselbe musste 10 Ctm. lang vom
Tumor abpräparirt werden. Trotzdem erfolgte Heilung.
Herr Freund zeigt an zahlreichen Zeichnungen, die nach Präparaten
aus dem Cohnheim’schen pathologischen Institute angefertigt sind,
wie verschieden die Ovarien zum Uterus und zu den Ligamenten liegen
können und hebt für das Studium dieser Verhältnisse, die Wichtigkeit
der Untersuchung von Leichen nicht an gynäkologischen Affectionen
Gestorbener hervor, wie sie jetzt Winckel zur Herstellung seines neuen
gynäkologischen Bilderwerkes vorzugsweise betreibt.
(Die ausführliche Darlegung dieses Gegenstandes folgt in kurzem
in Volkmann’s klinischen Vorträgen.)
V1L FeailkUa.
Vom Kriegsschauplatz.
Von
Dr. O. Hejfelder.
18.
Alexandropol, den 20. Mai/1. Juni 1878.
Der neue med. Inspector der Kaukasus-Armee Dr. Remmert hat
einige Tage hier verweilt und ist von hier nach Erzerum weiter gereist.
Er begann seine Amtstätigkeit nämlich mit einer Inspectionsreise, an
*) Meine Mittheilung über die totale Uterusexstirpation im Centralblatt
für Gynäkologie vom 8. Juni 1878 erweitert und berichtigt die obigen
Angaben in manchen Punkten. Weitere Erörterungen haben sich also
an diese letztere Publication anzuschliessen. Freund.
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15. Juli 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
419
welcher ich von Tiflis bis hierher Theil nahm. Es wurden die Orte
für den Sommeraufenthalt der Hospitäler und zur Errichtung von Con-
valescentenstationen ausgesucht. Denn seine Absicht ist, kein Hospital
in Tiflis selbst zu lassen und die noch immer massenhafte Evacuation
von Kranken aus Erzerum und Kars nicht mehr bis Tiflis gehen zu
lassen. Durch Errichtung neuer Hospitäler auf dem Wege von Erzerum
bis Alexandropol und von Alexandropol bis Akstafa, durch Einführung
von Convalescentenstationen und Etappenhospitälem soll es möglich
werden, die Kranken sämmtlich auf dem Lande nächst den grossen
Verkehrsadern in Armenien und dem kleinen Kaukasus unterzubringen.
Die Truppenanhäufung hier und in Kars ist eine sehr bedeutende,
und damit zusammenhängend das Krankencontingent immer noch ein
grosses. Zur Erleichterung und Concentrirung des Dienstes hat der
neue med. Inspector an allen Centralpunkten je 3 Feldhospitäler unter
einem Oberarzt vereinigt; nur jenseits der Grenze auf türkischem Ge¬
biete bleiben der grösseren Beweglichkeit wegen die kleinen Feldlazarethe
zu 200 Kranken bestehen. Zugleich hat die Bewegung der Spitäler
aus den Städten aufs Land begonnen. Aus Tiflis sind sie theils längs
der Poti-Tifiiser Eisenbahn in dem waldreichen Suram- und Riongebirge
aufmarschirt, theils in der 60 Werft von der Hauptstadt entfernten
Sommerfrische Manglis. In Akstafa, Knotenpunkt der Strassen von
Tiflis, Elisabethpol, Alexandropol und Erivan, wird neben dem ständigen
Halbhospital ein solches vereinigtes Feldhospital von 600 Betten be¬
stehen, ein zweites in Karavanserei, wo die Waldgegend des kleinen
Kaukasus beginnt. In Delidjan, dessen liebliche Thäler, bewaldete
Berge und gesunde Luft ich in diesen Briefen wiederholt erwähnt habe,
werden die dortigen 3 einzelnen zu einem grossen Hospital vereinigt;
daselbst ist auch eine Convalescentenstation eröffnet; eine ähnliche wird
bei einer Eisenquelle unweit Karaklyss projectirt. Was die 9 Feld¬
hospitäler in Alexandropol betrifft, so habe ich die drei auf dem Kosaken¬
posten stehenden No. 35, 36 und 3 vereinigt, während 12 Werft von
der Stadt, an der Grenze des Plateaus und der Berge, bei dem arme¬
nischen Aul Tschutschuri die Feldhospitäler No. 5, 6, 10, 60, 61, 68
ebenfalls zu zwei grossen Hospitäler zusammengefügt sind. Sie stehen
ganz in Zelten und Kibitken, während wir unseren steinernen Pavillon
noch nicht verlassen, sondern denselben nur durch eine Anzahl von
Zellen und Kibitken vermehrt haben.
Scorbut und Wechselfieber sind in Alexandropol nicht bedeutend,
kommen aber unter den Truppen von Erzerum häufig vor. Dagegen
ist der Typhus immer noch nicht verschwunden. Wieder haben uns
die aus Erzerum und Kars evaeuirten Kranken den Flecktyphus in er¬
höhtem Masse gebracht und die Recurrens herrscht noch immer an Ort
und Stelle. Nicht ganz selten beobachtet man bei letzterer Krankheit
an schlecht genährten Individuen Oedema glottidis mit lethalem Aus¬
gang. Die nicht geringe Sterblichkeit bei diesen wie bei anderen patho¬
logischen Processen schreiben wir der schlechten Ernährung und den
grossen Strapatzen zu, welche unsere Truppen im Winterfeldzuge durch¬
gemacht haben.
In meinem Brief No. 15 (Berl. klin. Wochenschr., 1878, No. 18.)
haben sich zwei Druckfehler eingeschlichen, die ich bereitwillig auf Rech¬
nung meiner Handschrift nehme, die aber den Sinn der Art entstellen,
dass ich die Stelle verbessert noch einmal folgen lasse. Sie soll folgender-
massen lauten:
Wir erhalten zum Glück und natürlicher Weise keine Congelationen
mehr. Von den alten haben sich eine Anzahl mit geringen Substanz¬
verlusten ohne Operation erholt und zum Theil die Hospitäler verlassen.
Andere, bei welchen die Gangränescenz nach Abfrierung sehr umfangreich
und tiefgreifend war, oder welche schon vorher mit einem Allgemein¬
leiden, z. B. eben mit Typhus, behaftet waren, starben. Auch die Am-
putirten erlagen meist, namentlich in dem beständigen Militärkranken¬
hause der Festung, wo ein tüchtiger, junger Chirurg, Gräsnof, nunmehr
zu dem Entschluss gekommen ist, ferner nicht mehr zu operiren.
Ich habe schon früher erwähnt, dass diese Abfrierungen (Congela¬
tionen) meist auf dem Transport bei solchen Individuen Vorkommen,
deren Circulation durch Krankheit oder schlechte Ernährung herabgesetzt
war. Nachdem die Winterkälte aufgehört , sahen wir gleichwohl noch
nach dem Typhus häufig Gangränescenz der Zehen, seltner der Finger,
in vereinzelten Fällen der Nase, der Unterlippe im Hospital selbst ein-
treten. Necrose des Schulterblattes, der Rippen, der Kieferkochen sind
in dieselbe Categorie zu rechnen. Der Ausgang dieser secundären Affec-
tionen war in den Fällen gut, wo die Leute nicht allzusehr herab¬
gekommen waren oder wo eine ungestörte Verdauung alsbald eine
energische Ernährung gestattete, die wir ausser der Hospitalkost mittelst
Milch, Eiern, Wein, Cognak energisch betrieben. Erzerum ist nunmehr
ganz von Kranken befreit, Kars hat keinen oder nur noch einzelne
Typhöse, in Alexandropol ist die Epidemie noch immer nicht zum Ab¬
schluss gekommen, welche nach dem Auftreten vereinzelter Fälle während
des Spätsommers und Herbstanfanges im Monat November ausbrach und
seitdem hier geherrscht hat. Ich habe nie etwas ähnliches an Intensität
und Ausdehnung gesehen, wie diese Typhusepidemie.
Einladung zur 51. Versammlung deutscher Natur¬
forscher und Aerzte.
Die 50. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in München
hat zum diesjährigen Versammlungsort die Stadt Cassel erwählt.
Die Unterzeichneten Geschäftsführer erlauben sich nun, zu der vom
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18. bis 24. September abzuhaltenden 51. Versammlung die deutschen
Naturforscher und Aerzte, sowie die Freunde der Naturwissenschaften
ergebenst einzuladen.
Indem die Wahrung des streng wissenschaftlichen Characters dieser
Versammlung das Hauptziel ihres Strebens sein wird, haben die Unter¬
zeichneten, in Gemeinschaft mit einem Comit6, welches aus einer be¬
trächtlichen Zahl von Vertretern und Freunden der Naturwissenschaften
und Medicin, aus den beiden Bürgermeistern, Mitgliedern der städtischen
Behörden und aus angesehenen Bürgern sich zusammengesetzt hat, doch
auch dafür eine besondere Sorge getragen, dass nach geförderter Geistes¬
arbeit es den Männern der Wissenschaft an geistiger und körperlicher
Erholung nicht mangele. Insbesondere ist dafür gesorgt worden, dass ein
ungehemmter und anregender Verkehr zwischen den Fachgenossen nicht
blos innerhalb der Sectionen stattfinden, sondern in regelmässigen abend¬
lichen Zusammenkünften in geeigneten Localen fortgesetzt werden kann.
Wenn von glänzenden Festen und Bewirthungen von vorn herein
abgesehen worden ist, so bieten dafür die in das Programm aufge¬
nommenen Ausflüge in die näheren, durch ihre Naturschönheiten be¬
rühmten Umgebungen Cassels Gelegenheit sowohl zur körperlichen Er¬
holung und zur Erheiterung des Gemüthes, als auch zur Auffrischung
des Geistes.
Obwohl grundsätzlich auf jede Subvention von Seiten der Regierung
oder der Stadt Verzicht geleistet worden ist, und sämmtliche Ausgaben
aus den eigenen Einnahmen der Versammlung bestritten werden sollten,
hat dennoch die Stadt Cassel eine beträchtliche Summe zur Förderung
der Zwecke der Versammlung bestimmt, und zum würdigen Empfang,
sowie zur Besorgung einer guten Unterkunft der verehrten Gäste sind
von dem betreffenden Comitä die sorgfältigsten Vorbereitungen getroffen
worden.
Viele deutsche und österreichische Eisenbahn-Verwaltungen haben
bereitwilligst Fahrpreis-Ermässigungen bewilligt.
Indem wir die Erwartung aussprechen, dass allen Bedingungen zu
einem würdigen Empfang der Versammlung, wie zu einer erspriesslichen
Förderung ihrer Thätigkeit von uns auf das Sorgfältigste Rechnung ge¬
tragen werden kann, stellen wir an diejenigen geehrten Mitglieder und
Theilnehmer, welche sich durch Vorträge oder Demonstrationen zu be¬
theiligen beabsichtigen, das Ansuchen, die bezüglichen Themata ihrer
Mittheilungen den Unterzeichneten möglichst bald vor Beginn der Ver¬
sammlung kund geben zu wollen.
Das während der Dauer der Naturforscher-Versammlung an jedem
Morgen erscheinende Tageblatt soll von der Thätigkeit der Versammlung
möglichst genaue Rechenschaft geben, und wird zugleich der amtliche
Bericht über dieselbe sein.
Wir richten daher an alle diejenigen Mitglieder und Theilnehmer,
welche in den allgemeinen und den Sections-Sitzungen Vorträge halten,
das dringende Ersuchen: schon vor dem Beginn der betreffenden
Sitzungen eine schriftliche druckfertige Mittheilung über
den wesentlichen Inhalt ihres Vortrages bereit zu halten,
welche nach beendigter Sitzung dem Sections-Secretär ein¬
gehändigt wird. Nur je eine Blattseite des Manuscriptes darf be¬
schrieben sein. Die Vorträge, die in dieser Weise den Secretären nicht
eingehändigt werden, können entweder gar nicht, oder nicht in der
wünschenswerthen Ausführlichkeit zum Abdruck gelangen.
Schliesslich erlauben wir uns, in Folge mehrseitiger an uns ge¬
richteter Aufforderung, an die hervorragenden Förderer der verschiedenen
Disciplinen uns mit der Bitte zu wenden: unter ihren Fachgenossen
dahin zu wirken, das möglichst bald die Besprechung bestimmter The¬
mata in den verschiedenen Sectionen vorbereitet werde, damit nicht die
zum Vortrag und zur Discussion gelangenden ausschliesslich dem Zufall
überlassen bleiben. Die Geschäftsführer und die Sections-Einführer sind
gern bereit, desfallsige Benachrichtigungen entgegenzunehmen.
Cassel, im Juli 1878.
Die Geschäftsführer der 51. Versammlung deutscher Naturforscher
und Aerzte:
Dr. B. Stilling. Dr. E. Gerland.
Tagesordnung.
Dienstag, den 17. September. Abends: Begrüssung in den Sälen
des Lese-Museums, von 7 Uhr an.
Mittwoch, den 18. September. Um 8 4 / a Uhr: Erste allgemeine
Sitzung. 1. Begrüssung der Versammlung durch den I. Geschäftsführer,
Geh. Rath Dr. Stilling. 2. Vortrag des Herrn Prof. 0. Schmidt
aus Strassburg: Ueber das Verhältniss des Darwinismus zur Social-
democratie. 3. Vortrag des Herrn Prof. Hüter aus Greifewald: Ueber
den Arzt in seiner Beziehung zur Naturforschung und den Naturwissen¬
schaften. 4. Vortrag des Prof. Aeby aus Bern: Thema noch unbe¬
stimmt. Nach Schluss der Sitzung: Constituirung der Sectionen.
Von 3 Uhr an: Concert in dem Aue-Park und bengalische
Beleuchtung des Bassins,
Donnerstag, den 19. September. Von 8 bis 1 und 3 bis 6 Uhr:
Sections-Sitzungen und Demonstrationen. Abends: Theater, gesellschaft¬
liche Vereinigungen.
Freitag, den 20. September. Von 8 bis 12 Uhr, von 2 bis 4 Uhr:
Sections-Sitzungen und Demonstrationen. Von 12 bis 2 Uhr: Frühstücks¬
pause. Um 5 Uhr: Festbankett.
Sonnabend, den 21. September. Morgens 8 1 /* bis 12 Uhr: Zweite
allgemeine Sitzung. 1. Geschäftliche Mittheilungen und Wahl des Ver¬
sammlungsortes für die nächstjährige 52. Versammlung. 2. Vortrag
Original from
UNIVERSETY OF MICHIGAN
420
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT
No. 28
des Herrn Prof. De Bary aus Strassburg: Ueber Symbiose, Parasitismus
und verwandte Lebcnserscheinungen. 3. Vortrag des Herrn Prof. Klebs
aus Prag. Thema noch unbestimmt. 4. Vortrag des Herrn Prof. Fick
aus Würzburg: Ueber die Vorbildung des Arztes. Nachmittags: Fest¬
fahrt nach Wilhelmshöhe, daselbst bengalische Beleuchtung der
Wasserfälle.
Sonntag, den 22. September. Gemeinschaftliche weitere Ausflüge,
und zwar nach der Wahl jedes einzelnen: a) nach Marburg, b) nach
Göttingen zur Besichtigung der Universitäts-Anstalten, der Irren-Heil¬
anstalt etc., c) nach Wildungen, d) nach Nauheim, zur Besichtigung
der Bade-Anstaltcn, e) in den Habichtswald, f) nach Münden, g) nach
Wilhelmsthai.
Montag, den 23. September. Morgens 8 bis 12 Uhr, Nachmittags
3 bis G Uhr; Sections-Sitzungen und Demonstrationen. Nachmittags
Concert auf den Felsenkellern.
Dienstag, den 24. September. Von 8 1 /* Uhr an: Dritte allgemeine
Sitzung. 1. Geschäftliche Mittheilungen. 2. Vortrag des Herrn Prof.
Henke aus Tübingen. Thema noch unbestimmt. 3. Vortrag des Herrn
Dr. Baas aus Worms: Ueber William Harvey’s Leben und Wirken.
4. Vortrag des Herrn Dr. J. Stilling aus Cassel: Ueber Farbensinn
und Farbenblindheit. Abends: Abschieds-Commers.*)
Einladung zur sechsten Versammlung des Deutschen
Vereins für öffentliche Gesundheitspflege zu Dresden
vom 13. bis 17. September 1878.
Programm.
Freitag, den 13. September: I. Ueber Ernährung und Nahrungs¬
mittel der Kinder. (Referent: Herr Prof. Dr. Fr. Hofmann [Leipzig]).
II. Die Weinbehandlung in hygienischer Beziehung. (Referent : Herr Prof.
Dr. Neubauer [Wiesbaden]).
Samstag, den 14. September: III. Ueber die Zahl der Schulstunden
und deren Vertheilung auf die Tageszeiten. (Referent: Herr Prof. Dr.
B. G. Ho che, Director der Gelehrtenschule des Johanneums [Hamburg].
Correferent: Herr Dr. Chalybäus (Dresden). IV. Mittheilungen von
Herrn Gen.-Arzt Dr. Roth (Dresden): Ueber die hygienischen Einrich¬
tungen in den neuen Militärbauten Dresdens.
Montag, den 16. September: V. Experimentelles aus der Wohnungs¬
hygiene, eingeleitet durch einen Vortrag von Hrn. Gen.-Arzt Dr. Roth
(Dresden): Ueber die Behandlung der Hygiene als Lehrgegenstand.
Dienstag, den 17. September: VI. Besichtigung der Muldner Hütten
und der Modellsammlung der Bergakademie in Freiberg.
An den Nachmittagen: Besichtigungen der Militärbauten, des Wasser¬
werks, von Schulen, von Krankenhäusern, des Polytechnikums, der che¬
mischen Centralstelle, des Hoftheaters u. s. w.
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. In Strassburg starb im Alter von 86 Jahren Henri Ehr¬
mann, Professor an der vormaligen Strassburger Fakultät, der Nach¬
folger Lobstein’s auf dem Lehrstuhle der pathologischen Anatomie.
Ihm gebührt aus seiner gleichzeitigen chirurgischen Thätigkeit das Ver¬
dienst, zuerst — im Jahre 1877 — zum Zweck der Entfernung eines
Polypen die Laryngotomie ausgeführt zu haben. Erst im Jahre 1867
ist er von seinem Lehramte zurückgetreten.
— Am 4. Juni a. c. ist in Leipzig eine Gesellschaft zur wissen¬
schaftlichen Förderung der Ohrenheilkunde gestiftet worden. Die Lebens¬
fähigkeit des Vereins ist dadurch gesichert, dass sich bei der consti-
tuirenden Versammlung sofort 14 Aerzte zur Mitgliedschaft meldeten.
Unseres Wissens ist dies die erste Gesellschaft für Ohrenheilkunde inner¬
halb des deutschen Sprachgebietes.
— Die sechs und vierzigste Jahresversammlung der „British medical
Association wird vom 6. bis 9. August zu Bath abgehalten werden. Als
Präsident wird Herr Falconer aus Bath fungiren.
VIII. Amtliehe Hittheilugea.
Personal!»«
Auszeichnungen: Seine Majestät der König haben Allergnädigst ge¬
ruht, dem Oberstabsarzt 2. Klasse a. D. Dr. Gansert zu Rudolstadt,
zuletzt Stabs- und Bataillonsarzt im 7. Thüringschen Infanterie-Regi¬
ment No. 96 den rothen Adler-Orden 4. Klasse, sowie dem Leibarzt
Ihrer Hoheiten des Fürsten und der Fürstin von Rumänien, General¬
arzt und Professor Dr. Theodori den Königlichen Kronen-Orden
3. Klasse und den practischen Aerzten Dr. Samuelsohn in Königs¬
berg i./P. und Dr. Hartog in Memel den Character als Sanitätsrath
zu verleihen.
Niederlassungen: Arzt Dubois in Johannisburg, Dr. Tiessen in
Marienburg, Dr. Kuschke in Polkwitz, Dr. Langenmayr, Assistenz¬
arzt in Polkwitz, Sanitätsrath Dr. Hoff mann in Koesen.
*) Zur Erlangung event. Fahrpreisermässigung — die übrigens für
die von Berlin ausgehenden Bahnen nicht eintritt — und zur Voraus¬
bestellung einer Wohnung, vrende man sich unter Beifügung des Beitrages
(12 Mark incl. eines Damenbillets) an das „Anmeldebureau der Natur¬
forscher-Versammlung“ in Cassel (Herrn Friedr. Diehls, 56 Untere König¬
strasse) spätestens bis zum 10. September.
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Gck igle
I Verzogen sind: Dr. Kornalewski von Johannisburg nach Allen-
| stein, Stabsarzt Dr. F las har von Polkwitz nach Cuestrin, Wundarzt
Sylvias Woltf von Nimkau nach Wechselburg.
I Apotheken -Angelegenheiten: Der Apotheker Bock hat die Sättig-
1 sehe Apotheke in Sorau gekauft, der Apotheker v. Lieben die Syffert-
! sehe Apotheke in Lieberose gepachtet, und dem Apotheker Zaeske
die Verwaltung der Eckert’schen Apotheke in Zoppot, dem Apothe-
| ker Schnuppe die Administration der Gasten’sehen Apotheke in
: Vandsburg übertragen.
| Todesfälle: Garnison- und Oberstabsarzt Dr. Rawitz in Glogau, Stabs-
' arzt Dr. Loeffler in Stettin, Dr. Lehmann und Dr. Schultze in
Thom, Dr. Carl Pohl in Berlin, Wundarzt Stegt in Peterwitz, Apo¬
theker Lasch in Alt-Doebern.
Militär-Aerzte.
I Berlin, den 22. Juni 1878. Dr. Thilo, Stabsarzt des 1. Thüring.
I Inf.-Regts. No. 31, zum Ob.-Stabsarzt 2. Kl. des Rhein. Ulan.-Regts.
No. 7, Dr. Foerster, Assist.-Arzt vom 1. Schles. Gren.-Regt. No. 10.
zum Stabsarzt des 1. Thüring. Inf.-Regts. No. 31., Dr. Wolf, Assist.-
Arzt bei dem Gen.- und Corpsarzt XIV. Armeecorps, zum Stabsarzt
des Magdeburg. F'üs.-Regts. No. 36, Dr. Krocker, Assist.-Arzt bei dem
Gen.- und Corpsarzt IX. Armcecorps zum Stabsarzt des med.-Chirurg.
Friedrich-Wilhelms-Instituts — befördert. — Dr. Rüppel, Ob.-Stabs¬
arzt 1. Kl. des 3. Posen. Inf.-Regts. No. 58, beauftragt mit den divisions-
ärztl. Functionen bei der 9. Div., ein Patent seiner Charge verliehen.
; Dr. Opitz, Ob.-Stabsarzt des Thüring. Ulan.-Regts. No. 6, als Garnison-
arzt nach Altona, Dr. Monde, Ob.-Stabsarzt 2. Kl. des Rhein. Ulan.-
Regts. No. 7, zum Thüring. Hus.-Regt. No. 12, Dr. Meilly, Stabsarzt
vom med.-Chirurg. Friedrich-Wilhelms-Institut, als Bpts.-Arzt zum
Grossherz. Mecklenb. Füs.-Regt. No. 90 — versetzt, Dr. Böttcher,
Ob.-Stabsarzt 1. Kl. und Garnison - Arzt von Altona, mit Pension,
Steinara, Ob.-Stabsarzt 2. Kl. des 1. Bad. Feld-Art.-Regts. No. 14,
als Oberstabsarzt 1. Kl. mit Pension und der Uniform des Sanit.-Corps,
Dr. Peipers, Marine-Stabsarzt, mit Pension und der Uniform für Marine¬
ärzte, Dr. Groethuysen, Ob.-Stabsarzt 2. Kl. vom Res.-Landw.-Regt.
No. 35, mit der Uniform des Sanit.-Corps. Dr. Krueger I., Dr. Rasch-
kow, Stabsärzte vom Res. - Landw. - Regt. (Berlin) No. 35, Dr. Riesel,
Stabsarzt vom 2. Magdeburg. Landw -Regt. No. 27, Dr. Simon, Stabs¬
arzt vom 4. Magdeburg. Landw.-Regt. No. 67, Dr. Heynen, Stabsarzt
vom 2. Niederschles. Landw.-Regt. No. 47, Dr. Kayssler, Stabsarzt vom
2. Schles. Gren.-Regt. No. 11, Dr. Cornelius, Stabsarzt vom Res.-
Landw.-Bat. No. 39, Dr. Schwick, Stabsarzt vom Res.-Landw.-Regt.
No. 40 — der Abschied bewilligt.
Ministerielle Vertilgungen und Erlasse.
Aus der von Ew. Wohlgeboren und andern Fettwaarenhändlem zu
N. eingereichten Vorstellung vom . . . haben wir nach Anhörung der
Königlichen Regierung zu N. Veranlassung genommen, das Gutachten
der wissenschaftlichen Deputation für das Medicinalwesen über die Ge-
währbarkeit der von Ihnen gestellten Anträge zu erfordern. Ein Druck¬
exemplar dieses am 24. April d. J. erstatteten Gutachtens (Anlage A)
fügen wir zu Ihrer und der übrigen Mitunterzeichner Kenntnissnahme bei.
Im Anschluss hieran sind durch Verfügung vom heutigen Tage die
Provinzialbehörden veranlasst worden, den Vorschlägen der wissenschaft¬
lichen Deputation entsprechend,
1) amerikanische Speckseiten, welche sich bei der Besichtigung als
ganz muskelfrei ergeben, einer microscopischen Untersuchung
nicht ferner unterwerfen zu lassen,
2) auf die Einführung der microscopischen Fleischschau, wo solche
noch nicht oder in ungenügender Weise besteht, thunlichst
Bedacht zu nehmen,
3) die Nachrevision des als trichinös befundenen Schweinefleisches,
wo solche noch nicht eingeführt ist, anzuordnen.
Eine weitergehende Berücksichtigung der von Ihnen vorgetragenen
Wünsche müssen wir bei der in dem Gutachten entwickelten Sachlage
für ausgeschlossen erachten.
Berlin, den 21. Juni 1878.
Der Minister der geistl., Unterrichts- Der Minister des Innern,
u. Medicinal-Angclegenheiten.
I. V. gez. Sydow. I. A. gez. Ribbeck.
An Herrn N. Wohlgeboren zu N.
Abschrift vorstehenden Bescheides und ein Exemplar des Gutachtens
vom 24. April d. J. erfolgt anbei zur Kenntnissnahme und Nachachtung.
Der Minister der geistl., Unterrichts- Der Minister des Innern,
u. Medicinal-Angelegenheiten.
I. V. Sydow. I. A. Ribbeck.
An
sämmtliche Kgl. Regierungen u. Landdrosteien, u. an das
hiesige Kgl. Polizei-Präsidium.
Anlage A.
Eav. Excellenz haben die gehorsamst Unterzeichnete Deputation
durch Verfügung vom — beauftragt, sich gutachtlich darüber zu iiussern:
ob die Gründe für die Entbehrlichkeit der microscopischen Unter¬
suchung der amerikanischen Speckseiten als zutreffend anzuerkennen
seien.
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
15. Juli 1S7S.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
421
Indem wir die uns gleichzeitig utib ^fcsem Aufträge übersendeten
zwei Volumen Acten und die beiden Berichte der Königlichen Regierung
zu N. vom 9. und 10. März d. J. zurückreichen, erstatten wir nach¬
stehend unseren Bericht.
Soviel sich aus den Acten ergiebt, ist die uns vorgelegte Frage
zuerst von der Regierung in N. in einem Berichte an Ew. Excellenz
vom 22. Marz v. J., und zwar in Folge von Petitionen der Fettwaaren-
händler in N., angeregt worden. In einem Erlass vom 10. April pr.
haben Ew. Excellenz dahin entschieden, dass auf den Antrag, die Ver¬
wendung der trichinös befundenen amerikanischen Speckseiten in Zukunft
keiner Beschränkung zu unterwerfen, nicht einzugehen sei, es vielmehr
bei den bestehenden Bestimmungen sein Bewenden haben müsse. Unter
dem 12. Januar er. haben die Fetrtwaarenhändler von N. ihre Petition
von Neuem an die Regierung zu N. gebracht, und nachdem sie von
derselben unter dem 29. Januar, mit Bezug aut die Verfügung Ew. Ex¬
cellenz vom 10. April pr. abschläglich beschieden waren, ihre Wünsche
in einem neuen, an Ew. Excellenz gerichteten Gesuch vom 28. Februar er.
wiederholt. Sie formuliren dieselben dahin;
Ew. Excellenz wollen die Königliche Regierung in N. veranlassen,
dass der amerikanische Speck von der zwangsweisen Untersuchung
auf Trichinen ausgeschlossen werde, eventuell auch in den ande¬
ren Provinzen des prcussischen Staates die obligatorische Fleisch¬
schau einführen.
Nach ihrer Angabe sind seit etwa 6 Jahren 30 Millionen Seiten j
amerikanischen Speckes nach England und dem Kontinent importirt und
der grösste Theil davon in Deutschland konsumirt worden. Allein von
N. aus werden jährlich gegen 50000 Seiten vertrieben. Nehme man an,
dass etwa 0,5 pCt. davon trichinös gewesen seien, und erwäge man,
dass kein Fall konstatirt sei, wo solcher Speck der Gesundheit nach- I
theilig gewesen wäre, so gehe schon daraus hervor, dass alle Trichinen I
in dem Speck getödtet sein mussten, wie es in gut gesalzenem Speck j
in der That der Fall sei. Direkte Fütterungsversuche, welche auf
ihre Veranlassung Prof, von R. in Strassburg, der Apotheker N. in R., |
der Kaufmann Wilh. B. ebendaselbst und ein Arzt in N. veranstaltet
hätten, seien ohne schädliche Folgen geblieben; auch hatten wiederholt
Arbeiter, die bei ihnen beschäftigt wurden, ohne Schaden von dem j
Fleisch genossen. . '
Die Regierung in N. schloss sich in ihrem Berichte vom 22. März pr. ,
dieser Auffassung an, weil nach ihren Ermittelungen die Speckseiten !
frühestens P Monate nach ihrer Herstellung in den Handel kommen ;
und durchgehends mit einer fingerdicken Lage Salz bestreut seien. Nur j
in einem einzigen Fall hat in Bremen eine Infection an Menschen durch |
den Genuss von amerikanischem Speck stattgefunden. Auch in dem j
Berichte vom 19. März er. hält die Königliche Regierung im Wosent- :
liehen diesen Standpunkt fest, befürwortet jedoch mit Rücksicht auf die ;
noch bestehende Ungewissheit die Einleitung weiterer Untersuchungen •
und hebt die ungleiche und desswegen leicht zur Schädigung einzelner \
Bezirke führende Behandlung dieser Angelegenheit in den verschiedenen j
Provinzen des Staates hervor. I
Der Oberpräsident von Westfalen bat bei allen diesen Gelegenheiten ;
seine Bedenken gegen eine Lockerung der bestehenden Bestimmungen
ausgesprochen.
Unserer Ansicht nach ist dieser Standpunkt der allein berechtigte.
Allerdings ist die Zahl der Beobachtungen über die Schädlichkeit der
aus Amerika importirten Esswaaren, welche von Schweinen herstammen,
gering. Der erste Bericht darüber stammt von Dr. G. W. Focke in |
Bremen (Berliner klinische Wochenschrift 1873 S. 191). Darnach waren
durch einen geräucherten Vorderschinken 12 Personen inficirt worden;
später wurden weitere Erkrankungsfälle, aus anderen Schinken herrührend,
beobachtet und die Zahl der Erkrankungen war damals bereits über
20 gestiegen. „Die Untersuchungen“, heisst es, „ergeben immer häufiger
massenhaftes Vorkommen von lebenden Trichinen“, und es wird be¬
sonders angeführt, dass in der Tiefe, gegen die Knochen hin, das Fleisch
ganz wie roh und die Thierchen intakt waren. Mit diesen Angaben !
übereinstimmend, heisst es in dem von dem Gesundheitsrathe (Referent
Dr. Lorent) herausgegebenen vierten Jahresberichte über den Öffent¬
lichen Gesundheitszustand und die Verwaltung der öffentlichen Gesund¬
heitspflege zu Bremen, 1877. S. 47, dass auf Anregung des Medicinalamtes
in Bremerhaven 1875 die Begutachtung des Gesundheitsrathes veranlasst
sei, über die behauptete Thatsache, dass „Trichinen aus gesalzenem
amerikanischem Schweinefleisch durch Verfüttern auf andere Thiere sich
nicht übertragen lassen“, dass jedoch der Gesundheitsrath, gestützt auf
die gemachten Erfahrungen diese Behauptung „als unerwiesen und un¬
richtig“ habe zurückweisen müssen. Weil nicht alle Fütterungsversuche
gelingen, so lasse sich aus einzelnen negativen Erfolgen mit Sicherheit
kern allgemeiner Schluss ziehen. Wohl könnten in einzelnen Fleisch¬
stucken die Trichinen getödtet sein, während sie in anderen dickeren
Stücken lebend erhalten blieben und übertragbar seien. Beim Unter¬
richt der Fleichbeschauer seien den Proben und zufällig durch den
Schnitt geöffneten Kapseln wiederholt unversehrte und sich frei bewegende
Trichinen entnommen. Der erste, 1872 in Bremen beobachtete Fall von
Trichinose sei unzweifelhaft aus einem amerikanischen Schinken ent¬
standen, in welchem auch viele bereits abgestorbene Trichinen gefunden
wurden. Spätere Erkrankungen mussten mehrfach auf amerikanisches
Schweinefleisch zurückgeführt werden. Auswärts seien auch in amerika¬
nischem Speck und Schweinefleisch lebende Trichinen gefunden.
Auch in Hamburg ist die Zahl der Fälle, wo amerikanischer Speck
trichinös gefunden wurde, so gross gewesen, dass grade in der letzten
Zeit die dortige Presse mit Entschiedenheit das Einschreiten der Gesetz¬
gebung fordert.
Die Petenten bemerken dagegen, dass nach ihren Erkundigungen
bei dem Präses des Gesundheitsrathes in Bremen die dortigen Erkran¬
kungen lediglich durch den Genuss von Schinken, nicht von Speck,
entstanden seien, und dass Speck, wegen der auf demselben sich be¬
findenden nur dünnen Lage rothen Fleisches unschädlich sei, da die
Trichinen durch das Eindringen des Salzes getödtet werden mussten.
Dieser Einwand ist nicht unbegründet. Wäre der zum Verkauf gestellte
Speck ganz frei von Fleisch (Muskeltheilen), so würde nichts gegen den
freien Vertrieb zu sagen sein, da in der That die Trichinen nur in dem
rothen Fleisch Vorkommen. Indess folgt daraus keineswegs die
Aufhebung jeder Controle, sondern nur die Unnöthigkeit einer microsco-
pischen Untersuchung solcher Speckseiten, welchen gar kein Fleisch
anhaftet. In der Regel ist aber, wie die Petenten selbst angeben, der
Speck nicht muskelfrei, und es darf wohl als wahrscheinlich angesehen
werden, dass nicht selten eine erhebliche MuskeUage der Speckseite
anhaftet
Es ist möglich, dass auch in diesem Falle meistentheils die
etwa vorhandenen Trichinen durch das Einsalzen getödtet sind. Die
Fütterungsversuche mit negativem Ergebniss, auf welche sich die Pe¬
tenten beziehen und zu welchen noch die des Dr. F. Löper (Deutsche
Vierteljahresschrift für öffentliche Gesundheitspflege 1874, Bd. VI. S. 280)
hinzukommen, sprechen dafür. Aber sie würden auch für die Freigebung
der amerikanischen Schinken sprechen, da ein Theil von ihnen nicht
mit Speck, sondern mit Schinken vorgenommen ist. Und doch wissen
wir, dass positive Erfahrungen über die Schädlichkeit von amerikanischem
Schinken bei Menschen vorliegen. Was können dem gegenüber negative
Versuche beweisen? Wenn man solchen Versuchen im Allgemeinen in
den Naturwissenschaften nur einen bedingten Werth beilegt, so muss
man gewiss die Vorsicht des Bremer Gesundheitsrathes billigen, der
seine Einsprache nicht bloss gegen die Freigebung des Schinkens, sondern
auch gegen die Freigebung des Specks richtet. Es ist dabei in Betracht
zu ziehen, dass nach der Angabe des Dr. Focke auch in Amerika die
sogenannte Schnellräucherungsmethode angewendet wird. Sollte dies
wirklich der Fall sein, so würden sich die Bedenken noch mehr süb-
stantiiren lassen, und es würde begreiflich, dass, wie der Bremer Gesund¬
heitsrath in seinem Jahresberichte sagt, auch iu amerikanischem Speck
wirklich lebende Trichinen beobachtet sind.
Man wird aber von den Fleischbeschauern nicht verlangen können,
dass sie auch darüber entscheiden sollen, ob die von ihnen gefundenen
Trichinen noch am Leben sind oder schon durch die Behandlung des
Fleisches oder des Fettes ihren Tod gefunden haben. Darüber lässt
sich ohne die umständlichsten Untersuchungen ein sicheres Urthcil nicht
gewinnen. Ja, selbst nach solchen Untersuchungen kann es sich er¬
eignen, dass in einem oder in einigen Theilen noch lebende Trichinen
enthalten sind, während sie in anderen todt gefunden werden. Aus
diesem Grunde wird jedes Schwein und jeder fleischhaltige
Theil eines solchen als zu vernichten bezeichnet werden
müssen, in welchem überhaupt Trichinen beobachtet wurden.
Die Gütersloher Händler erkennen gegenwärtig, trotz ihrer früheren
Opposition, die Nützlichkeit der Trichinenuntersuchung offen an. Sie
gestehen sogar offen zu, dass es eine grosse Calamität für ihr Geschäft
sein würde, wenn irgend eine Infection durch amerikanische Import¬
artikel herbeigeführt würde. Sie mussten sieh also auch überzeugen,
dass es eben so nöthig ist, eine Controle über Speck, als über Schinken
zu führen. Ist diese Controle, wie die Königliche Regierung erkennt,
noch unvollständig, so sollte sie schleunigst vervollständigt werden.
Dabei geben wir ganz gehorsamst anheim, solche Speckseiten, welche
sich bei der Besichtigung als ganz muskelfrei ergeben, von der Ver¬
pflichtung einer microscopischen Untersuchung zu befreien. Diese
Besichtigung könnte ein Thierarzt vornehmen, nötigenfalls auch ein
Arzt, und die betreffenden Stücke wären ebenso mit dem Brennstempel
zu zeichnen, wie die microscopisch untersuchten und frei befundenen
Stücke.
Für vollständig begründet erachten wir die Klage über die ungleiche
Behandlung der einzelnen Provinzen. Noch jetzt ist die obligatorisch
microscopische Fleischbeschau nicht eingeführt in den Regierungsbezirken
Schleswig, Danzig, Cöln, Aachen und Coblenz, sowie in der Stadt Berlin;
ganz vereinzelt wird sie geübt in den Regierungsbezirken Stettin, Cöslin,
Oppeln, Düsseldorf. Es ist damit nicht nur eine Ungerechtigkeit gegen
das handeltreibende, sondern noch mehr eine Ungerechtigkeit gegen das
consumirende Publicum gegeben, und wir können nur von Neuem und
in dringlichster Weise den ganz gehorsamsten Antrag wiederholen, den
wir schon in unserem Berichte vom 8. Juli 1874 ausgesprochen haben, dass
die obligatorische Fleischscbau, insbesondere die microscopische
Untersuchung aller geschlachteter Schweine in Preussen allge¬
mein eingeführt werde.
Die Provinz Westfalen hat sich am längsten ihrer Immunität in
Bezug auf Trichinen gerühmt und demgemäss gegen die Fleischschau
Opposition gemacht. Der Bericht der Königlichen Regieruug zu N. vom
9. März d. J. zeigt nicht nur, wie nöthig und wie wohlthätig die neue
Einrichtung war, sondern auch, mit welcher Leichtigkeit und Sicherheit
sie sich bei gutem Willen der Behörden handhaben lässt. Wir sind
überzeugt, dass selbst in Berlin, wo scheinbar die Schwierigkeiten die
grössten sind, nur ein fester Entschluss dazu gehört, um alle Schwierig¬
keiten zu überwinden.
Der N.’er Bericht theilt zu unserer grossen Befriedigung mit, dass
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Original ffom
UNIVERSETY OF MICHIGAN
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 28
in dem dortigen Regierungsbezirk überall eine Nachrevision des als trichi¬
nös befundenen Schweinefleisches, soviel wir verstehen, durch die Phy¬
siker, beziehungsweise den Departementsthierarzt, stattfindet. Wir können
diese Einrichtung, welche übrigens schon früher in dem Regierungsbezirk
Erfurt eingeführt war, nur dringend empfehlen, da wir wissen, dass an
anderen Orten recht grobe Versehen stattgefunden haben, indem Psoro-
spermienschläuche oder vegetabilische Fäden für Trichinen gehalten
worden sind. Zum Mindesten möchten wir empfehlen, dass durch all¬
gemeine Verordnung bestimmt würde, dass
1 — 2 microscopische Präparate von den als trichinös befundenen
Schweinen oder Schweinetheilen, wohl verkittet, von den Fleisch-
beschauem an die Ortspolizeibehörde abgeliefert und dort zur I
eventuellen Revision wenigstens 2 Monate aufbewahrt werden j
müssen.
Wir sind um so mehr veranlasst, diesen Antrag zu stellen, als es
erst kürzlich vorgekommen ist, dass ein Fleischer, dem ein ganzes Schwein j
wegen der von dem Fleischbeschauer behaupteten Anwesenheit von Trichi¬
nen durch die Polizei confiszirt worden war, von dem Gerichte mit seiner
Entschädigungsklage gegen den Vorbesitzer abgewiesen wurde, weil der
letztere andere Sachverständige stellte, welche keine Trichinen in dem
Fleische des Schweines hatten finden können, und weil von den Präpa¬
raten des Fleischbeschauers keines aufgehoben worden war. Der Fleischer
strengte nunmehr eine Klage gegen den Fleischbeschauer wegen Ent¬
schädigung an. Das Resultat derselben ist uns nicht bekannt geworden;
wir glauben aber, dass das Angeführte genügt, um die Nothwendigkeit
einer Anordnung, wie die vorgeschlagene, darzuthun.
Es würde dann zu bestimmen sein, dass der Fleischbeschauer die
Präparate mit Glycerin, dem etwas Salz (Kochsalz oder Jodkalium) in
Lösung zugesetzt ist, anfeuchtet und mit Lack, welches um den Rand
des Deckglases gestrichen wird, einschliesst; dass er ferner auf das
Präparat einen kleinen Zettel aufklebt, welcher den Tag der Herstellung
und eine Angabe über die Herkunft des Präparates enthält.
Berlin, den 24. April 1878.
Königliche wissenschaftliche Deputation für das Medicinalwesen.
Seiner Excellenz dem Staatsminister und Minister der geistlichen,
Unterrichts- und Medicinalangelegenheiten, Herrn Dr. Falk.
Bekanntmachungen.
Die Kreiswundarztstelle des Kreises Schildberg, mit einem jährlichen
Gehalte von 600 Mark, ist erledigt. Qualificirte Bewerber wollen sich
unter Einreichung ihrer Zeugnisse und ihres Lebenslaufs innerhalb
6 Wochen bei uns melden.
Posen, den 1. Juli 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Die Kreiswundarztstelle des Kreises Warendorf ist vacant: qualifi¬
cirte Bewerber um diese Stelle werden hierdurch aufgefordert, sich unter
Einreichung ihrer Approbation als Arzt, Wundarzt und Geburtshelfer,
des Fähigkeitszeugnisses zur Verwaltung einer Physicatsstelle, sowie son¬
stiger über ihre bisherige Wirksamkeit sprechender Zeugnisse und eines
ausführlichen Lebenslaufs bis zum lä. nächsten Monats bei uns zu melden.
Münster, den 4. Juli 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Inserate«
Für das Bürgerhospital Worms soll ein Assistenzarzt angestellt
werden. Gehalt bei freier Station Anfangs 50t) M., später 600 M. An¬
meldungen zu richten an den Bürgermeister der Stadt Worms: Heimburg.
Durch den gestern erfolgten Tod des 2. Arztes hier, welcher zu¬
gleich das Amt eines Kreiswundarztes bekleidete, ist die Niederlassung |
eines 2. Arztes für hier und Umgebung dringendes ßedürfniss. Nähere ;
Auskunft ertheilt auf Verlangen die Unterzeichnete Behörde.
Liebau, den 6. Juli 1878.
Der Magistrat.
Für die im October zu eröffnende Irrenklinik zu Heidelberg wird
ln einem Städtchen des Reg.-B. Potsdam findet ein Arzt lohnende
Praxis. 1400 Mark Fixum. Näheres durch die Exped. d. Bl. sub L. F. 64.
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treter eines Collegen. Gef. Off, sub M . S. 48 durch die Exped. d. Bl.
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Czarnikau erbeten.
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Den geehrten Collegen zur Nachricht, dass ich vom 1. Juni ab in
Pyrmont practicire.
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__ Pr. P . Haufe.
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sachkundigen und energischen Arztes Pension gesucht. Näheres durch
Dr. Klamroth in Cöslin a. P. Pommern.
Val Sinestra ConradinsqueUe.
Bor und Lithion haltender Arsen Eisensäuerling, gegen Blutarmut!],
Frauenleiden, Wechselfieber, Scropheln, Ekcemen etc. mit Erfolg an¬
gewendet, ist in diesjähriger Füllung zu beziehen durch Herrn I)r.
M. Lehmann in Berlin & Herren J. F. Heyl & Co. in Berlin, und bei
sämmtlichen Apotheken <fe Mineralwasserhandlungen.
Für Brunnen- und Badeknren.
Die Hauptniederlage natürl. Mineralbrunnen
von Dr. H. Lehmann, Berlin C., Spandauerstr. 77,
von sämmtlichen Brunncndirectionen fortwährend mit frischen
Füllungen ihrer Quellen versehen, expedirt dieselben, sowie alle
Badesalze, hier und nach ausserhalb prompt und in Zuverlässigster
Qualität,
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(Ziegcnmolken, Milchkuren). Wasserheilanstalt. Klimatischer Kurort:
Analyse der Stahlquelle auf Verlangen franco, desgl. Prospect. Aerzte .
Medicinalrath Dr. Doebner, Dr. L. Slebert.
_Oie Oirection des Bades: von Etzel» _
Privatheilanstalt Maxbrunn,
München, Ismaningerstrasse 31.
Heilanstalt für Innere Krankheiten. Hydrotherapie. Eleetricität.
Dr. Gg. Fischer, Privatdocent, ärztl. Dirig.
eine circa 30 Jahre alte, geb. Oberwärterin, zugleich Weisszeugbeschliesse-
rin gesucht. Gehalt 750 Mark bei vollkommen freier Station. Kennt¬
nisse in der Pflege Geisteskranker erwünscht. Meldungen mit den betr.
Zeugnissen werden erbeten an die
Heidelberg, 6. Juli 1878. Dircction der Irrenklinik.
Prof. Fürstner.
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Alkalische Therme, sehr reich an Kohlensäure, Specificum bei chro¬
nischen Katarrhen des Magens, Darmes und der Resj■ irat ionsorgane. bei
Blasenleiden, Gries, Stein, Diabetes rn.. Gicht, Rheumatismus und Uterus-
leiden. Wird selbst bei Monate langem Trinken vortrefflich vertragen.
An der im October zu eröffnenden Irrenklinik zu Heidelberg sind — Nur das Curhötel (Hotelier Hr. Peters) mit zeit ge müssen Tarifpreisen,
zwei Assistcnzarztstellen zu besetzen. Gebalt 900 Mark bei freier Station. Post- u. Telegraphen-Bürcau steht mit den Bädern in directer Verbin-
Gof. Meldungen werden erbeten an die
Heidelberg, 6. Juli 1S78.
düng. Näheres durch den Angestellten Badearzt Hr. Dr. 12 . Mflnzel
Dircction der Irrenklinik I und durch den Dircctor Hr. A. Lenne.
Prof. Fürsther.
Gesucht wird zum 1. October 1878 ein jüngerer College als Assistenz-
Ostseebad Dievenow bei Cammin.
Dr. Lehmann.
Privat-Irrenanstalt. Pirna, Sachsen.
Ein jung. appfOb. Arzt als Vertreter, spätestens zum 1. August, auf
■ hrere Monate nach einem kleinen Städtchen (Prov. Hannover) gesucht,
Urten unter Angabe der Bedingungen durch die Exped. dieser Ztg.
,b litt. X. Z. 63.
Saison vom 15. Juni bis 20. September. Warme und kalte Bäder,
Wellenschlag besser als in jedem anderen Ostsee bade. Post- und
Telegraphen-Amt. Täglich Damp (Schiffsverbindung mit Stettin, 5 mal
täglich mit Cammin. Durch Parkanlagen . Neubauten und Erweiterung
der Badecinrichtungen bedeutend verbessert. Wohnungen in Hotels und
Privathäusern ausreichend vorhanden.
Die Bade-Direction.
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UNIVERSfTY OF MICHIGAN
15. Juli 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
423
R. H. PAULCKE, Engel-Apotheke, LEIPZIG.
Generalvertretung der Hunyady - Lfiszlö - Bittersalzquelle
in Budapest.
Die grosse Zahl von Ofener Bitterwässern und die von ein¬
zelnen Quellenbesitzem öffentlich ausgefochtene Polemik, welche die
stärkste und beste sei, machen dem Arzte und Laien die Wahl schwer.
Thatsächlich ist unter den verschiedenen Quellen, die alle auf demselben
Rayon liegen, kein grosser Unterschied und richtet sich der Gehalt an
Salzen nach der mehr oder minder guten Construction der Brunnen,
sowie ob das Wasser bei trockener Witterung oder nach starken Regen¬
güssen geschöpft ist. Der neue Brunnenbau der Hvnyady- Ll»zl6 - Quelle
wird als mustergültig geschätzt und giebt daher die beste Gewähr für
die Gleichmässigkeit ihres nach vergleichender Analyse stärksten Ge¬
halts an Salzen. Um jedoch eine ganz genaue Dosirung zu ermöglichen,
lässt die Verwaltung der N«ayady-Litzl6-Qualls aus ihrem Mineralwasser
ein Extract in Form eines weissen leichtlöslichen Pulvers an der
Quelle selbst herstellen, welches sämmtlicbe wirksame Bestandteile
derselben enthält. Einer Dose Inhalt stimmt mit dem einer Flasche
Bitterwasser überein, 1 Kaffeelöffel = 1 Glase. 01« VorzAg« de« Hüflyidy-
LAazIA-Extract« vor j«d«lR Bitterwasser bestehen ausserdem in der An¬
nehmlichkeit, dass jenes in Oblate oder in jedem Getränk genommen
werden kann — somit von besonderem Werthe für Alle, welche Wider¬
willen gegen Bitterwasser hegen —, und dass die kleine Dose auch auf
Reisen bequem bei sich zu führen ist. Preis der Dose 50 Pfennig. —
Ha« Herrn Aerzt«n stehen Proben gratis und franco zn Diensten»
Bad Assmannshausen am Rhein
am Fusse des Niederwaldes.
Eisenbahn- und Telegraphen-Station. — Oanpfschifverbindnng.
Iiithftumrelcliste alkalische Therme,
besonders zu empfehlen gegen Gicht und rheumatische Affectionen,
Ischias, Catarrhe der Harnorgane mit Gries- und Steinbil¬
dung, Hyperaemieen und Anschwellungen der Leber mit GaUen-
stauungen, Gallensteine, chronische Catarrhe der Digestions- und
Respirationsorgane und Hautkrankheiten.
Kurhanseröffhung den 1. Mai.
Trink- und Badekur. Douche, Knetkur, Eleetricität, Inhalation
verdünnter und verdichteter Luft, diätetische Küche.
Dirigirender Arzt: Herr Dr. med. H. Mahr.
Generalversand des Assmannshäuser Wassers:
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’’ <•-. t> G f A* Wir !•;.-!Jiiii'rn miy tkiiu-v, Vilw. den IL-i ivjj ,\<-rv.i> •:
aut da- Wann.m m , «ln. knn yurtt iy-:-,
rrAjvaGit 6jTtisifenurt' v lj sn u,V/rt. srt vx»rtlu**i-liaf*t
e-.r-s.ev kawri. tMjsu- Fabrikivi., .■.IGimin-meTwr-’/.o.iir 'h'-nl" u Proianyt,
l-l" ... Kviiu’jib.vi'J.r,'»>EG. AsHie. Ver.Gi/ 1 '•>]>>'• iS y.frR’j b-.>v- MG l,En.
A.vsPgsfe’ : üvvrtp' ft'-
Fre*ave,Gicf?l»mss ioipo uirti ^mGs.
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___ FrftKlri<rti.-W^ÜKirtftt t4lx ti. G w
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Vbysa$)«ila»^ rmrtt !>r. H.%u4ce
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Bnchun^^tiacb mrh Dr. R cts lug (l)entsyhi^ R^ifb* 5 -
|?utent 1S78) ist. stets bei mir . auf La^eriutni v.w\
vmv 75 \brk find. Kisseit) zu haben.
Beriitv S,W. «labnk« SehSosseriutf^tEG
•h; P^fsioR für ISwrilfiifRrfe
Oveay i« &kit>kenbtir$ «m- Ha«, yahercxs dUroii
-y.i'Tü •>;. iliE * »*.• |.jnaiiol» RooxfisE w’kdp
ii^eh• „Gi.Ryii- »yertjäG «ttplit «i-art mii’ i itiefe wichU*at*• ft tiVe^P
.''tilOftv ^ V»/u'ET'ijWertGy. 'Nai-vi'eG»?!«, häU>M(Mrk
f*V. Sti.-MUürt ■ 'fhüVJlfW:-'-?. • .- ;• '-•••' ■(■ \ i !.•:.sune <y) ■ ■ •'•:
btl^nPnHaatdntleltv t Vaglef i# frartWort a M. erb«»«,
ItertrackGliei L, Sä h tt mtLcher .i?f ’Bel'iio
Bto Berti*« JüiBiich* *j>ioheint jedan
MenUf to de» SUAe -»ee 'Hreuijfsi«,»* j j &.g*& ft. 4.
?ftt* vierU\}iU.rltrJi ft Mtrfc. b^«teU'»ng^i> n*bm«
«Hi« BachhuidJucg?« üft>l Vg*t-Apst*lte» aa.
Beitrtge wolle to*b p orte fr« a* die Re ilactiOQ
/??. Vf. Dorotheenetr. 73. 19 » oder *a die Ves>
iagsimchhandhiüg ton Aagutt Htrafrhwalä in Ber¬
lin (N. W. Pater d»n läsden 6fc.) einsendea.
KLINISCHE "WOCHENSCHRIFT
Mit Berücksichtigung der preugsischtia MsdicinalVerwöluing und Medicinalgesetzgebung
nach amttklit'B MBÜidlnngeB. ‘
Redacteur; Prot ßr. L. WaMeabrg.
Verlag von i
\iifiisi Birsthwald in Reriin.
Montag, den 22. Juli 1878.
P
ß
m
Fün&eliDter Jahrgang.
Inhalt; J. »um aaUsB^i^keP
Kliöik;.de» : Maas zu Fnöbarg. L iS^ ^pHb»-
IV, fteffcr&l« Au* meiner
1,1- ;P ft v • &it> Fall von eoupirter Sprache, — III. Aus der chirurgischen
HvUhry:^ für ut^hamsrkei» Behandlung der /SpoutJyUiis (Kv-risetzöiig). —
Nie.tvr. Lo 1- \>. — LVWr mfe^tiü;
. VI, Feiiipebm trff:'
;e Myusüiü). — V V'.-]rl»aj)dluiiu:e.:i ämiidie.r fevScUschaAr.-n (Le-.Hic.cf ' me/LeGnsche Geseli^baft). —
SpiectJsnhTib Irel tfuiikräakCa -- Tugesc' < s^hirbtiic'he Net'Üwn). - TO. Amtbvb^ ^ilibcdau^en. — Inserate,
L Einige VorsehlSge tum »atiseptisrhrn Verbände,
■' - ;< i'\')■’■'•''y*.'.' ' . . Vt»u ',
Fr*t Dri Pi««l-Brunfi in Tübingen,
die Wirkvftmkett
Mesoe gipsen nun 4ahln, Cärbolgaze auf einfache
Weiseherzu* ttd Jen »■.•.Ifteifci* ist aivief allen Umstände« eine dünn-
f?u*%ig:ekalte •Lösung- erfordert«*», welche v.on dem ßstimwhilgfe^
lit einer prftgserefi Keilte von Versuchen mit j wehe leicht aogesekiiifikt wird/ und zwar eignet sielt allein eine
jj$k$amket£ und An^^mU>&rkeit eiuev Anzahl t beite. bekamt- spdcoholfeck« L'fo'ttüf. weil h i 4te*er zugleich das Han löslich
tpr theite noch nicht zur Wlihdb eit and jung verwendeter Anti- ist. dessen man tur Fsxiruug der 1 'ärboteä.ure bedarf. Sur an
jjeptrea m prüfen, habe ,i:h einige- jirraptisch niciA nbwichHg« | dm Steile des P&Mfffu Weiht min ein■ hatlMAr Ktoff zu setzen.
Resultate erhalten, weicht eihP vorläufige Mitthciluiig der¬
selben reohtferttgbu leb hogpiägP n$eh hli^rhäjr mH
eftier k»r«^n DsrWgbttg 4cyHetbe« ; indem fte ll^il der Ex¬
perimente nmi Je i mischen Ergebnisse seiner Zeit bach d£»t A.b-
■SclddiAe der Arbeit Yprgeb'gt werden soll.
1 ^elVsfeWteifiißg aotiscptiflcb er Verbaodrnittel.
Einftiimmg des L i et er teilen Verbars.des hat sich wohl
in kr^i$k'^iiae$ta!t , <iß,' inWälejtfth derselbe angewandt wird.
weil das mit. Har* allem getränkte Uä^ezeng nn steif und raub
ist. Km Ersatz des Psraftin. ' welche** überdies ii« Alohoi nicht
• V.&stl#h .'-ist,' erscheint. iipch auä dein Grunde wdjw;clrtm^wedh,
weil demselben die Hauptschuld daran beigehitoen : rnr$.<. dass
der Lister sehe Verband von manchen Individuen wegen iiitcu'
si?er BantTei/.ang nicht ertragen wird. Nach zahlreichen V«rv
suchen mit verschiedenartigen Höb^WöKeii ergab sich, da8% der
Zusäf* g-snn geringen Menge' ( 4 Vfoc^üt) HiplnnidH d^n -.beab*.
das; jt?edörfuiss geitend cbniacht. das Verbändrnateriab welchem j siehtigteu Zweck vorzögtkdi erfüllt um! den .Verbandstoff sogar
bisher nur aus Fabriken bezogeö werden kann, auf möfadie viel wemb’ec Uiid g^acfeteidiger mauhf aU die LiäfHr
and biltige-re Weise selbst henusteHen. AbgeHeheu davon, das,* : Hass .aber .jener Zu säte eine macode Einwirkung auf die Haut
bei dep käuflichen Verbaudstoffeö namefliPteh die Meu^ des uidit ansübeii sondern ab vW% iwIifferenV gelten kann, gebt
darin «nthftBfcuen Antisäptkum einer genaaeren Vuntrole #icji schon au^ der gwiitghti Menge des Zn$&tz&i hervor, indem auf
entricht, kt dk Köstsprdigk&it der Präparate für manche mit
beschränkten Mitteln ausgestattefc Spitäler noch troraer e?n
Hindemtss^ das autiseptische Verfahren strenge durchzufnbiren.
Am metsbm fällt natörbeb der Preis der Carbolgaxß m<i Ge¬
wicht. welche am reichlichstem \cFwendet wird» und de^
balb kl ja aueb vieifäeh an die Stelle des trnekehen QärbbL
verbände* nach. dero • Vorgänge von öardefeb^n dor nasse
Carbo|vethand getreten, welcher zwar leicht und billig herxu-
I Meter täpaeietig hur «twa \ 3 Hiciaö^H kömmt
51 it einer solchen TränknugsfluiKigkeit kann nun
von jedermann iu kürzester Zeit Carboigaze selbst
bereitet werd ein Die Herstellung geschieiit auf folgende.
WetVe»
Der zu imprägiurende Gaze- oder Mutlstoff muss voll-
seäudig outfe t tet sein , um eiu binreicbeudes AnschfuckungS'
vermöge« zu besitzen , wie. es bar dem; in »len Verband^toff^
steljeu-, dagegen aber mit r»aucii«> Ünamichmiichkeiteu verknüpft fob'nkm käuflicben Kogenaunten wiliydrophilen M odet ^cherfefseh
ist da er' durch Aofträufeln von ÜarboUösahg beständig- feucht. | reinarp' Verbaiid.^toffe der Fall ist. Das TräukcA dus-seiben lässst -.
erhilteu w.erd^h niuss, ' 1 sich in jedem genügend flachen tiefössv, vornehfuaD. und
Öeka «nt lieh wird die b Jäter ^che -Carboilgaze iu dar Art , wupflehlt e$ ^ich„ %m da* gleich massige^^ Anschlucken dar^^JJV^ung
hergeäbdftv d#s der Ghzl^toff !d eiöfe erhitzte Mikchmig von ' zu begünstigen, nicht alteagi?ossa Portionen dor auf; ern-
1 rheji üarbotsänfc mir 6 tbeite Harz und 7 Thailen Parafßb j mal zu tränken (etwa 1 Kilo Gaze), Loa eine ganz genaue
gebracht und dänn in mehrfäcl'ian .tagen zwischen Rolle« hin- ; liosjinmg heim Imprägnireii za ermögliehe?i. Wird auf jade iVirtkm
durthgajites^t wird. Hierzu bedarf nafurlk-h bvwmli'U? Ma- ] Ga&asfolf. nur immer die zur rnilstämligeü imhibitiou gerade ouh-
ai-hi«e«. -wmi meines Wksbnk tsf. bisher üot die v. Nus's bautu- ,raichewih»;Menge der LiVsmig anfge^issen. näuilieh'die ^.*;.;. I« , *;hc
Hebe Klinik in München mit den Einrichtung«« zur Seihet- ; (Volum-) Menge da ^.'Gewichtes der Gaze. ä!--o ml 7‘*«pG:m,
f»bric.atimv der ti?ter v Hctien 'Gaze r*UHgestatl:et, von der jCüee / Gaze sUio f;cai. tflMing. Auf diese WeGi* j<* ^neb
Klinik allein jährlich lO.OOu Meter Verbraucht *), dein Cvöncentra1 1 «j nsgrade der CiHhollosung der Verbäüd'äoff roW
*---— y^i — niii<*in bt’lielHgco ProconTgthaDe an (;;»r(iolsäure nnpvujioveo.
- 1) l.'iriclit der 5fC Nitniilur.vch^rv-.fHaimn.nnic in OCwühkC l M2. hh habe bisher nur H»proceutige Carbolgaze hergeAviU ü>k?
426
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 29
daher eine 4 procentige Lösung verwendet (die Lister’sche Gaze
ist etwa 6—7procentig). Die Vorschrift ist folgende:
1 Kilo Gaze (ca. 25 Meter) wird getränkt mit 2500 Ccm.
Flüssigkeit, gemischt aus 100,0 Carbolsäure, 400,0 Colophonium
(fein gepulvert) 40,0 Ricinusöl, 2000 Ccm. Weingeist (die Carbol¬
säure wird erst zugesetzt, Wenn sich da« Harz beim einfachen
Stehenlassen im Weingeist gelöst hat).
In diese Flüssigkeit wird die Gaze eingetaucht und wieder¬
holt umgedreht, wobei sie die Flüssigkeit begierig anschluckt.
Es lässt sich nun sehr leicht eine ganz gleichmässige Im-
bibiton erzielen, wenn man den Stoff einige Minuten lang mit
den Händen verarbeitet, indem man ihn von dem einen Ende
zum andern ausdrückt und auswindet. Sofort wird er dann
zum Trocknen ausgebreitet und zwar am besten horizontal aus¬
gespannt, damit nicht etwa beim Aufhängen die Flüssigkeit sich
etwas senken kann. Bei der raschen Verdunstung des Alcohol
geht das Trocknen des Verbandstoffes in kurzer Zeit, etwa inner¬
halb V 4 — Vs Stunde vor sich, so dass in allem das Präparat
in weniger als einer Stunde zum Gebrauche fertig gestellt
werden kann *).
Die auf diese ausserordentlich einfache Weise bereitete
Carbolgaze ist viel weicher und schmiegsamer als die Li st er¬
sehe Gaze. Während es mit der letzteren bekanntlich schwer
hält, an einzelnen Stellen, wie z. B. an den Fingern, am Scrotum
u. s. w. die 8 fache Schichte glatt und gleichmässig anzulegen,
gelingt dies mit jenem Verbandstoffe selbst in dickeren Schichten
ohne Schwierigkeit. Bei einer mehrmonatlichen Anwen¬
dung desselben in der hiesigen Klinik sind Erschei¬
nungen von Dermatitis unter dem Verbände niemals
beobachtet, selbst nicht bei Kindern; seine antisep¬
tische Wirkung war eine derart sichere und glänzende,
wie man sie nur beim typischen Listerverbande zu
sehen gewöhnt ist.
Der Hauptvortheil beruht jedoch darauf, dass diese Carbol¬
gaze beträchtlich billiger zu stehen kommt, als die käufliche
Lister’sche Gaze. Denn zur Herstellung derselben bedarf es
keiner besonderen Einrichtungen, und bei der Selbstbereitung
braucht überdiess die Arbeit nicht bezahlt zu werden, welche
selbst in Krankenanstalten mit sehr grossem Bedarfe von jedem
Wärter in kürzester Zeit verrichtet werden kann. Berechnet
man den Preis der zur Verwendung kommenden entfetteten Gaze
mit 18 Pf. per Meter*), so kommt die nach der obigen Vor¬
schrift selbst imprägnirte Gaze auf 24 — 25 Pf. per Meter zu
stehen. Dagegen stellt sich bei einer Vergleichung der Preise
der Lister’schen Carbolgaze, wie sie in den Preiscourants der
gangbarsten Verbandstofffabriken in Schaffhausen, Heidenheim,
Chemnitz notirt sind, der Meter (gebleicht) auf 35 — 45 Pf.
(Brutto) — gewiss eine bei nur einigermassen erheblichem Be¬
darfe nicht unbeträchtliche Preisdifferenz. Noch viel mehr fällt
aber die Ersparniss in’s Gewicht, wenn man, wie es seit Ein¬
führung meines Verfahrens in der hiesigen Klinik geschehen ist,
den gebrauchten Verbandstoff wiederholt imprägnirt,
nachdem er durch starkes Auskochen (mit Zusatz von etwas
Natr. caust.) wieder vollständig gereinigt war.
In einer weiteren Reihe von Versuchen verfolgte ich die Ab¬
sicht, als Ersatz der Carbolgaze noch einen anderen gleich
wirksamen Verbandstoff herzustellen, welcher gleichfalls auf ein¬
1) Gerade aus diesem Grunde möchte sich der Verbandstoff nament¬
lich auch für die kriegschirurgische Praxis eignen, da er jeden Augen¬
blick aus dem Rohmateriale ohne besondere Hülfsmittel herzustellen ist.
2) Die Yerbandstofffabriken in Heidenheim und Schaffliausen liefern
die geeignete (etwa n 9 fiidige) gebleichte und entfettete Gaze in Stücken
on 40 Metern zu 18 Pf. per Meter.
fache Weise selbst bereitet werden kann. Es ist bekannt genug,
dass der Carboiverband von manchen Individuen, namentlich
bei länger fortgesetzter Anwendung nicht ertragen wird und
wegen intensiver Erscheinungen von örtlicher Reizung oder all¬
gemeiner Intoxication entfernt werden muss. Dass für solche
Fälle ein Ersatz des Carboiverbandes dringend wünschens¬
wert ist, wird längst allgemein anerkannt und dadurch be¬
wiesen, dass bereits eine Anzahl Surrogate der Carbolgaze Ein¬
gang in die Antiseptik gefunden hat. Ich übergehe hier ganz
die nassen Verbände, wie beispielsweise den nassen Salicyl-
verband von Thier sch, den Verband mit Lösungen von schweflig¬
sauren Alkalien von Minnich, denTerebeneverband von Waddy,
welche zwar leicht herzustellen sind, aber beständig feucht er¬
halten werden müssen. Zum trockenen Verbände sind na¬
mentlich die antiseptischen Watte-Präparate in Aufnahme ge¬
kommen, wie der Verband mit Carbolwatte, der Verband mit
Salicylwatte nach Thiersch, mit Benzoewatte nach Volk¬
mann. Allein die präparirte Watte ist eben keinesfalls ein
ebenbürtiger Ersatz der Gaze, da sie die Wundsecrete viel we¬
niger gut aufsaugt. So oft ich den Versuch machte, durch Ein¬
fügung einer Schicht Carbolwatte unter die Carbolgaze die Durch¬
tränkung des Verbandes hinauszuschieben und einen selteneren
Wechsel desselben zu ermöglichen, fand sich jedes Mal bei stär¬
kerer Secretion Eiter in verschiedener Menge auf der Wunde
angesammelt. Denn offenbar lassen die untersten Schichten der
Watte, wenn sie einmal mit Secret durchtränkt sind, weiterhin die
Flüssigkeit nur unvollkommen hindurchtreten. Auch Thiersch
hebt die geringere Durchlässigkeit der Salicylwatte gegenüber
der Gaze hervor und giebt ausdrücklich an, dass wenn der
trockene Salicylwatteverband 8 —14 Tage gelegen hat, man
zwischen Verband und Wunde angestauten Eiter in verschiede¬
ner Menge anzutreffen pflegt. Es erscheint mir deshalb über¬
haupt die Watte zur unmittelbaren Bedeckung der Wunde im
antiseptischen Verbände nicht geeignet und sollte, wenigstens
während der ersten kritischen Zeit der Nachbehandlung, nur
ausserhalb der Gaze zur weiteren Bedeckung und etwa unter
die äusseren Ränder derselben zum vollkommen dichten Luft¬
abschlüsse angebracht werden.
Aus diesem Grunde hielt ich bei meinen Versuchen an der
Gaze als Verbandstoff fest und hatte nun die Aufgabe, dieselbe
mit einem wirksamen Antisepticum auf einfache Weise in der
Art zu imprägniren, dass letzteres dauernd in einem beliebigen
Procentsatze fixirt bleibt und nicht durch Ausstauben unan¬
genehme Nebenwirkungen entfaltet.
Als ein solches Antisepticum bot sich zunächst die Benzoe¬
säure dar, welche bereits von Volkmann in die Antiseptik
eingeführt ist. In einer Reihe von Versuchen, in welchen die¬
selbe zu künstlicher Nährflüssigkeit für Bacterien sowie zu Eiter,
Blut- und Fleischwasser zugesetzt wurde, ergab sich, dass die
Benzoesäure schon in geringer Menge Fäulniss und Bacterien-
entwicklung verhindert. Ebenso fand Dougall 1 2 ), dass unter
den von ihm untersuchten Antisepticis die Benzoesäure unter
den organischen Säuren die 1. Stelle (die Carbolsäure die 5.)
einnimmt. Nach den sehr sorgfältigen Untersuchungen von
Buchholtz*) mit Pasteur’scher Nährflüssigkeit verhindert die
Benzoesäure schon in einer Verdünnung von 1:1000 die Ent¬
wicklung von Bacterien (Carbolsäure erst 1 :200) und vernichtet
ihr Fortpflanzungsvermögen in einer Verdünnung von 1:250
(Carbolsäure 1:25). Aehnliche Resultate erhielten Salkowski
und Fleck.
1) Med. Tim. und Gazette. April 27. 1872. p. 495.
2) Archiv f. experimentelle Pathol. u. Pharmacol., IV. Band, 1S75.
S. 37. SO.
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
22. Juli 1S78.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
427
Die Benzoesäure ist wenig löslich in Wasser (etwa in 200
Theilen kalten Wassers), dagegen sehr leicht löslich in Alco-
hol. Begnügt man sich nun damit, die Gaze mit einer wein¬
geistig-wässrigen Lösung zu tränken und dann zu trocknen, so
haften die ausgeschiedenen Krystalle der Säure nur so locker
an dem Verbandstoffe, dass sie -beim Hantiren ausstäuben und
in unangenehmer Weise die Schleimhaut der Athemwege reizen.
Jedermann, der mit der käuflichen Benzoe- oder Salicylwatte
zu thun gehabt hat, kennt diesen Uebelstand zur Genüge, da
bei der Zubereitung und Anlegung des Verbandes die Umstehen¬
den von Husten und Niesen befallen werden. Der Zusatz von
Glycerin, wie er von Thier sch vorgeschlagen ist, vermag selbst
in grösserer Menge (20 Procent) das Ausstäuben nur wenig zu
verhindern, dagegen gelang es mir, durch Zusatz einer geringen
Menge Ricinus-Oel das Ausstäuben ganz zu beseitigen.
Es genügt hierzu ein Zusatz im Verhältnisse von 3 — 4 Theilen
Ricinus-Oel zu 10 Theilen Benzoösäure, so dass d ; e lOprocentige
BenzoSgaze von ersterem höchstens 1,0 per Meter enthält.
Dass der angegebene Zusatz keine üblen Nebenwirkungen
mit sich bringt, lässt sich schon von vornherein annehmen; in
der That hat sich bei mehrmonatlicher Anwendung solcher
Präparate in der hiesigen Klinik in keinem einzigen Falle eine
reizende Einwirkung auf die Wunde oder die umgebende Haut
wahrnehmen lassen. Niemals zeigte sich insbesondere eine Spur
von entzündlicher Röthung der Haut, nur liess sich ziemlich
const&nt beobachten, dass nach etwa 8—14 tägiger Anwendung
des Verbandes eine vermehrte Abstossung der Epidermis sich
einstellte, ohne die geringsten Beschwerden oder Nachtheile zu
bewirken.
Ebenso zweckmässig habe ich es übrigens gefunden, jenen
Zusatz von Ricinus-Oel zur Hälfte oder einem Drittheile durch
Beimischung von Harz zu ersetzen, so dass etwa auf 10 Theile
Benzoesäure je 2 Theile Ricinus-Oel und Harz kommen.
Die Bereitung der Benzoegaze geschieht in ähnlicher
Weise wie die der CarboIgaze. Es versteht sich, dass die Im¬
prägnation mit der Benzoesäure in ganz beliebiger Concentration
geschehen kann; ich selbst habe bisher 5 und lOprocentige Gaze
bereitet und benutzt. Für alle frischen Wunden wurde die
lOprocentige Benzoegaze verwendet, in den späteren Stadien
der Nachbehandlung genügt die öprocentige. Zur Imprägnation
ist, wie bei der Carbolgaze, die 2‘/,fache (Volum-) Menge des
Gewichtes der Gaze erforderlich; daher benutzt man zur Bereitung
der öprocentigen Gaze eine 2procentige Lösung, zur Bereitung
der lüprocentigen Gaze eine 4procentige Lösung u. s. w. Auch
die Art des Tränkens und Trocknens ist dieselbe wie oben an¬
gegeben.
Beispiele:
1. Zur Bereitung der öprocentigen Benzoe-Gaze wird
1 Kilo, entfetteter Gaze getränkt mit 2500 Ccm. einer Lösung
aus 50,0 Acid. benzoic., 20,0 01. Ricin. (oder 01. Ricin. und Colo-
phon. ana 10,0) 2430 Ccm. Spirit.
2. Zur Bereitung der lOprocentigen Benzoe-Gaze wird
1 Kilo Gaze getränkt mit einer Lösung aus 100,0 Acid. benzoic.
40,0 01. Ricin. (oder 01. Ricin. und Colophon. ana 20,0) 2360 Ccm.
Spirit.
Ganz in derselben Weise lässt sich nun auch Salicyl-
Gaze bereiten, indem man einfach in der obigen Vorschrift
an die Stelle der Benzoesäure die Salicylsäure setzt. Das auf
diese Weise hergestellte Präparat bietet vor der bisher gebräuch¬
lichen Salicylwatte die wesentlichen Vortheile dar, dass es gar
aicht durch Ausstäuben belästigt, und überdies viel besser
Flüssigkeit anschluckt; es ist daher bei der ausgedehnten An¬
wendung, welche die käufliche Salicylwatte in der Praxis ge¬
funden hat, wohl nicht daran zu zweifeln, dass jenes Präparat
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sich noch als ein angenehmeres und wirksameres erweisen
wird.
Die beiden genannten Verbandstoffe, die Benzoe- und
Salicylgaze, unterscheiden sich beim Ansehen und Anfühlen
fast gar nicht von der einfachen entfetteten Gaze; erstere
verräth sich durch den characteristischen Geruch der aus
Hippursäure bereiteten Benzoesäure, letztere besitzt nur den
Geruch nach Ricinusöl. Beide Präparate sind ausserordentlich
weich und saugen Secrete überraschend gut auf; die Secrete
dringen daher rascher an die Oberfläche des Verbandes vor,
als bei dem Carbolverbände. Um nun doch den Verband länger
liegen lassen zu können, empfiehlt es sich, über die Gaze noch
eine Schicht antiseptischer Watte zu decken. Dann gestaltet
sich der ganze Verband so, dass unmittelbar auf die Wunde
gefenstertes Guttaperchapapier gelegt wird, um das Ankleben
zu verhindern, hierauf eine mehrfache Schicht Benzoe- oder
Salicylgaze, darüber eine Schicht Benzoe- oder Salicylwatte
oder -Jute, schliesslich Guttapercha- oder Firnisspapier und
Binde.
Bezüglich des Preises der Benzoe- und Salicylgaze ist zu
bemerken, dass beide bei gleichem Gehalte an Säure höher
als die Carbolgaze zu stehen kommen, da der Preis der Benzoö-
und Salicylsäure bisher noch ein beträchtlich höherer ist, als
der der Carbolsäure. Bei der Selbstbereitung beträgt nämlich
der Preis der lOprocentigen Benzoögaze per Meter ca. 30 Pf.
(der 5procentigen 26 Pf), der der lOprocentigen Salicylgaze
34 Pf. (der 5procentigen 30 Pf.)
Endlich bleibt noch zu erwähnen, dass die obigen Lösungen
von Benzoe- und Salicylsäure mit Ricinusöl auch zum Imprä-
'gniren von Verbandwatte und Jute zu verwenden sind, und so
auf einfache Weise Benzoe- und Salicylwatte und -Jute
hergestellt werden kann *). Dieselben haben vor den bisher
gebräuchlichen wiederum den Vortheil, dass sie nicht durch
Ausstäuben belästigen. Um jedoch bei der Bereitung auch
dickere Lagen von Watte gleichmässig tränken zu können, ist
es zweckmässig, eine etwas grössere Flüssigkeitsmenge zu
verwenden, als bei der Gaze; nämlich anstatt der 2 1 /,fachen
Volummenge des Gewichtes des Verbandstoffes etwa das 3 1 /*
bis 4 fache. Man braucht also nur jene oben angegebenen
Lösungen durch Zusatz von Weingeist auf 3500 bis 4000 Cctm.
zu vermehren, um 1 Kilo Watte zu tränken. Letzteres geschieht
am besten so, dass die Watte oder Jute in einem Gefässe lagen¬
weise in die Lösung eingetragen, dann mittelst eines Deckels
fest zusammengedrückt, wiederholt umgedreht und eine Zeit
lang unter einem genügend starken Drucke durch Beschwerung
des Deckels stehen gelassen wird; schliesslich wird sie zum
Trocknen ausgebreitet.
Da es unter Umständen von Wichtigkeit ist, die besproche¬
nen Verbandstoffe auf ihren Gehalt an Salicylsäure, resp. Benzoe¬
säure zu prüfen, so sei daran erinnert, dass das bezügliche
Verfahren für die Salicylsäure von Thiersch beschrieben ist.
Für den Nachweis der Benzoesäure ist folgendes einfache Ver¬
fahren zu empfehlen. Ein kleines Stück des Verbandstoffes
wird mit einem Alkali, etwa verdünntem Liq. Ammoniac. aus¬
gezogen und hierauf zu der (nötigenfalls filtrirten) Flüssigkeit
Salzsäure im Ueberschuss zugesetzt; nachdem die sich alsbald
erwärmende Flüssigkeit wieder erkaltet ist, scheidet sich die
Benzoesäure in leicht erkenntlichen Crystallen aus.
Herr Apotheker Schmid dahier, welcher mich bei meinen
Versuchen zur Herstellung der Präparate in dankenswerther
1) Seit Einführung meines Verfahrens auf der hiesigen Klinik werden
sämmtliche antiseptischen Verbandstoffe von einem Krankenwärter aus
dem Rohmateriale bereitet. Die Ersparniss ist x eine recht erhebliche.
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UNIVER5ITY OF MICHIGAN
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 29
Weise unterstützte, versendet auf Wunsch Proben der nach
meinem Verfahren angefertigten Verbandstoffe. Derselbe hält
ein Muster-Paquet vorräthig. enthaltend je 2 Meter lOproeen-
tiger Carbolgaze, 5- und lOprocentiger Benzoe- und Salicylgaze
(zur leichteren Unterscheidung sind von den beiden letzteren
Präparaten die lOprocentigen mit Carmin gefärbt).
II. Die permanente Irrigation mit essigsaurer
Thonerde.
Ein weiterer Vorschlag, den ich an dieser Stelle machen
möchte, betrifft die Anwendung der essigsauren Thonerde¬
lösung zur permanenten antiseptischen Irrigation.
Es ist bekannt, dass die essigsaure Thonerde zuerst von
Burow (1857) in die Wundbehandlung eingeführt und aufs
angelegentlichste empfohlen worden ist. Er wurde auf die¬
selbe durch die Versuche von Reich geführt, welcher in ihr
ein Mittel gefunden hatte, um den üblen Geruch des faulendes
Blutes, welches man in Zuckerraffinerien zum Klären benutzt,
zu beseitigen. Schon im Jahre 1827 hat jedoch Gannal 1 ) die
fäulnisswidrigen Eigenschaften der essigsauren Thonerde nach¬
gewiesen und dieselbe zum Einbalsamiren von Leichen ver¬
wendet, wie denn auch neuerdings wieder auf die Empfehlung
von Burow in einzelnen Anatomien die Conservirung von
Leichen mittelst Einspritzung dieser Lösung eingeführt worden ist.
Die essigsaure Thonerde besitzt in der That in hohem
Masse die Eigenschaft, thierische Substanzen dauernd vor Ver¬
wesung und Fäulniss zu bewahren und schon in kleinen Mengen
faulenden Substanzen beigemischt, die Geruchsstoffe zu binden
und den Fäulnissprocess zu sistiren. Sie vermag schon in sehr
schwachen Lösungen die Bacterienentwicklung sicher zu ver¬
hindern und ebenso die in lebhafter Vermehrung begriffenen
Bacterien zu vernichten. Aus einer grossen Anzahl von Ver¬
suchen, die ich über die antiputride Wirkung des Mittels an¬
stellte, und die an einem anderen Orte mitgetheilt werden
sollen, mögen nur folgende Ergebnisse kurz erwähnt werden.
Je 100 Cctm. frisches Ochsenblut wurden mit 50 Cctm.
der nachstehend angeführten Lösungen versetzt und in offenen
Gefässen im geheizten Zimmer aufbewahrt. Der 1. Portion
wurden 50 Cctm. einer 3procentigen Lösung von Alumina acet.
zugesetzt, so dass die ganze Masse 2 Procent der letzteren
enthielt. Das Blut nahm alsbald eine dunkelbraunrothe Farbe
und nach 24 Stunden die Consistenz des Syrups, nach 48 Stunden
die eines eben noch flüssigen Extractes an. Die Probe zeigte
uach Wochen und Monaten nicht die geringste Veränderung und
ist noch jetzt, seit mehr als 5 Monaten offen dastehend, frei von
jeder Spur von Fäulnissgeruch und Bacterien-Entwicklung. Es
genügt also schon ein Gehalt von 2 Procent Alum.
acet., um leicht faulende thierische Substanzen trotz
der die Fäulniss begünstigenden äusseren Verhält¬
nisse dauernd gegen Fäulniss zu bewahren. — Die
2. Probe, mit 50 Cctm. einer lprocentigen Lösung von Alum.
acet. versetzt (Gehalt der Blutflüssigkeit 0,66 Procent), blieb
14 Tage hindurch frei von Bacterienentwicklung, erst in der
3 , Woche liess sich letztere constatiren. — Die 3. Probe, mit
50 Cctm. einer */, procentigen Lösung von Alum. acet. versetzt
(Gehalt der Blutflüssigkeit 0,33 Procent), ging in der 2. Woche
ganz allmälig in Zersetzung über. — Zur Vergleichung wurden
2 weitere Portionen mit 50 Cctm. einer Thymollösung (1 :1000)
und einer Salicylsäurelösung (1:300) versetzt: beide Proben
zeigten schon nach dreimal 24 Stunden deutlichen Fäulniss¬
geruch und reichliche Bacterienentwickelung.
Bei einer anderen Versuchsreihe wurden je 50,0 Grm.
frisches Rindfleisch mit je 400 Cctm. verschieden concentrirter
1) LTnstitut No. 115. 138. Vergl. Berzelius Jahrb. Bd. 16. S. 392.
Lösungen von Alum. acet. angesetzt und in offenen Gefässen
im geheizten Zimmer aufgestellt. Von den hierbei beobachteten
Ergebnissen genügt es anzuführen, dass eine mit 400 Cctm.
einer 3 procentigen Lösung von Alum. acet. versetzte Probe
noch heute, nach mehr als 5 Monaten vollständig unverändert
ist; dieselbe ist vollkommen. klar, ohne Spur von Trübung
oder Fäulnissgeruch, das Muskelfleisch hat bei der microsco-
pischen Untersuchung seine normale Structur unverändert bei¬
behalten. Zwei gleiche, mit Thymollösung (1: 1000) und Sali¬
cylsäurelösung (1:300) versetzte Proben, zeigten schon vom 5,
bezw. 10. Tage an Trübung und Fäulnissgeruch, und gingen
dann rasch in vollständige Fäulniss über.
Es mag an den angeführten Beispielen genügen, um zu
beweisen, welch ein mächtiges Antisepticum die essigsaure
Thonerde ist. Trotzdem scheint dieselbe bisher wenig zum
Wundverbande verwendet und überhaupt nicht so bekannt ge¬
worden zu sein, wie sie es unstreitig verdient. Denn soviel
mir bekannt, haben sich nur zwei Stimmen zur Empfehlung
dieses Verbandmittels erhoben, nämlich die Burow’s und Bill-
roth’s. Burow 1 ) berichtete, dass er seit Jahren alle eiternden
Wunden mit einem mit essigsaurer Thon erd elösung imprägnirten
Läppchen bedeckte: „in eiternden Wunden, welche in dieser
Weise behandelt werden, bilden sich keine Vibrionen und ent¬
wickelt sich kein Fäulnissgeruch, und selbst bei stark jauchen¬
den Krebsgeschwüren kann der üble Geruch bei fleissiger
Application des Mittels auf ein Minimum herabgesetzt werden. “
Die ausnehmend günstigen Resultate Burow’s bezüglich der
Mortalitätsziffer seiner Operationen sind bekannt (beispiels¬
weise „bei weit über 200 Fällen von Mammaexstirpation kein
einziger Todesfall“); Burow gibt sogar an, in dem von ihm
geleiteten kleinen, sehr ungünstig angelegten und stets über¬
füllten Krankenhause niemals Pyaemie beobachtet zu haben.
Und diese günstigen Erfolge glaubt Burow nach seiner persön¬
lichen Ueberzeugung lediglich „der souveränen Anwendung der
essigsauren Thonerde“ zu verdanken.
Ebenso günstig lautet Billroth’s Urtheil, welcher die
essigsaure Thonerde als vortreffliches Verbandmittel empfiehlt,
welches selbst in schwachen Lösungen die Bacterien tödtet und
adstringirend auf die Wundflächen wirkt; „ich kann ihre An¬
wendung zumal zur Desinficirung der Verbandmaterialien nicht
genug empfehlen.“ 1 )
Nach eigener Erfahrung kann ich die günstige Wirkung
des Mittels voll bestätigen. Dasselbe ist vor vielen Jahren
auf die Empfehlung Burow’s von meinem Vater auf der hie¬
sigen Klinik eingeführt und längere Zeit hindurch fast aus¬
schliesslich zum Wundverbande verwendet worden, und zwar
zum Abspritzen, Ausspülen, Befeuchten der auf die Wunde
gelegten Compressen, zur permanenten Irrigation u. s. w. Mit
der Einführung des Lister’schen Verbandes wurde die essig¬
saure Thonerde zwar grösstentheil6 verdrängt, jedoch in gewissen
Fällen noch immer mit dem besten Erfolge verwendet Wenn
ich nun aber an dieser Stelle zu ihrer Empfehlung Veranlassung
nehme, so geschieht es nicht aus dem Gruude, weil ich die
essigsaure Thonerdelösung überhaupt für ein sehr wirksames,
unschädliches und billiges Verbandmittel halte, sondern weil
ich derselben einen ganz bestimmten Platz in der anti¬
septischen Wundbehandlung anweisen möchte, an
welchem sie die anderen Antiseptica entschieden über¬
trifft. Es ist das zur permanenten antiseptischen Irri¬
gation.
1) Deutsche Zeitschr. f. Chir. Bd. 2. S. 435.
2) Th. Bill rot h. Die Vegetationsformen von Coccobacteria septica.
Berlin. 1874. S. 239.
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22. Juli 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
429
Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass die continuirliche
Berieselung für gewisse Fälle ein unentbehrliches Hülfsmittel
der Antiseptik ist. Namentlich für Fälle von schweren Ver¬
letzungen, besonders complicirten Fracturen, welche nicht gleich
in antiseptische Behandlung kommen, oder bei denen es aus
irgend einem Grunde mittelst des gewöhnlichen antiseptischen
Verbandes nicht gelingt, die Wunde aseptisch zu machen. Tritt
hier entschiedene Reaction in der Umgebung der Wunde, starke
Secretion und Zersetzung der Wundsecrete auf, oder kommt es
zu eigentlicher Jauchung in Folge von necrotischem Absterben
stark gequetschter Weichtheile sowie zu fortschreitender Eiter-
und Jaucheinfiltration des Zellgewebes, so ist von dem typischen
Li st er 1 sehen Verbände anerkannter Maassen kein Erfolg zu
erwarten, selbst wenn eine gründliche Desinfection vorausge¬
schickt und Incisionen in ausreichender Anzahl und Tiefe an¬
gelegt worden sind. Gerade einige derartige Fälle von com¬
plicirten Fracturen des Unterschenkels und Ellenbogengelenkes,
welche nicht ganz frisch in Behandlung kamen, waren es, in
welchen ich mich gezwungen sah, den Lister’sehen Verband
zu entfernen und an seiner Stelle die continuirliche Irrigation
mit essigsaurer Thonerdelösung einzuleiten. Der Erfolg war
mehrmals ganz überraschend. War vorher selbst durch häufigen
Wechsel des Verbandes der starke Eitergeruch nicht zu beseitigen,
so verschwand derselbe alsbald unter der permanenten Beriese-
luug und man hatte überdies nicht nöthig, die fracturirte Ex¬
tremität behufs Verbandwechsels öfter aus ihrem Lagerungs¬
apparate herauszuheben. Gleichwie es in den oben angeführten
Fällen einige Male gelang, die drohende Nothwendigkeit der
Amputation zu verhüten, bewährte sich die Irrigation mit Alum.
acet. beispielsweise auch vortrefflich in 2 Fällen von Frost¬
gangrän des Fusses sowie bei Lappengangrän nach einer Syme-
schen Fussarticulation — lauter Fälle, in denen die Zersetzung
und der Zersetzungsgeruch auf keine andere Weise beseitigt
werden konnte. Meines Erachtens ist deshalb in denjenigen
Fällen, in denen mit dem trockenen antiseptischen
Verbände kein aseptischer Verlauf zu erzielen ist,
dieser Erfolg nur von der permanenten antiseptischen
Irrigation zu erwarten.
Hierzu eignet sich nun aber ganz besonders die essigsaure
Thonerdelösnng, weil sie noch in starker Verdünnung wirksam
desinficirt, desodorisirt und zugleich adstringirend auf die Wund¬
fläche wirkt. Von anderen, bisher angewandten, Mitteln eig¬
net sich die Carbolsäure namentlich bei grossen Wunden am
wenigsten, da zu einer wirksamen Desinfection starke Lösungen
erforderlich sind, welche bei länger danernder Berieselung so¬
wohl die Wunde und umgebende Haut zu stark reizen als die
Gefahr des Carbolismus mit sich bringen. Dagegen habe ich
-die Salicylsäure — und Thymollösung in den gebräuchlichen
Verdünnungen entschieden viel weniger wirksam im Vergleiche
zur essigsauren Thonerde gefunden.
Bezüglich der Technik der permanenten Irrigation mögen
noch eine Bemerkungen gestattet sein. Am besten bedient man
sich bekanntlich eines über dem Bette des Kranken anfgehängten
Irrigators; falls die Wunde sehr gross ist oder mehrere Wunden
vorhanden sind, werden mehrere Zuleitungsschläuche verwendet,
welche entweder mittelst eines angehängten Gewichtes oder knie-
förmig umgebogenen Glas- oder Zinnröhrchens im Irrigator be¬
festigt werden. Im Nothfalle genügt nach dem Vorschläge von
Thier sch eine umgekehrt aufgehängte Flasche, mit einem Loche
im Boden, in deren Mündung ein tubulirter Kork nebst Schlauch
gesteckt ist. Ebensogut kann man sich aber auch jedes beliebigen
Gefässes bedienen, welches neben dem Bette erhöht aufgestellt
ist; auf dem Grunde desselben befindet sich das eine, durch ein
■angehängtes Gewicht beschwerte Ende eines Gummischlauches,
während in das andere Ende des Schlauches, welches gerade
über der Wunde befestigt wird, ein kurzes Glasröhrchen gesteckt
wird. Um die Ausfiussgeschwindigkeit der Flüssigkeit ganz be¬
liebig zu reguliren, verfährt man am einfachsten so, dass man
in die Mündung des Glasröhrchens ein zugespitztes Streich¬
hölzchen steckt; je nachdem dasselbe mehr oder weniger fest
hineingesteckt wird, lässt sich der I ropfentall auf das exacteste
regeln.
So weit die Berieselung reichen soll, wird das Glied mit
einer einfachen, höchstens doppelten Schicht Gaze bedeckt, da¬
mit sich die Berieselungsflüssigkeit in der entsprechenden
Ausdehnung vertheilt; eine dickere Schicht ist deshalb un¬
geeignet, weil unter derselben leichter der Eiter stagniren kann.
Um die Haut im Umfang der Wunde gegen die macerirende
Einwirkung der Irrigation zu schützen, wird dieselbe häufig mit
Fett oder fettem Oele eingerieben; am besten hat sich mir
hierzu das neue Vaseline bewährt. Die von dem Gliede ab¬
träufelnde Irrigationsflüssigkeit wird durch eine passend an¬
gebrachte, wasserdichte Unterlage in ein neben dem Bette stehen¬
des Gefäss abgeleitet.
Was schliesslich noch die Bereitung und Dosirung der
essigsauren Thonerdelösung betrifft, so wird dieselbe am
einfachsten aus Kali-Alaun und Bleizucker dargestellt. Wird zu
einer wässrigen Alaunlösung Bleizucker zugesetzt, so bildet sich
durch wechselseitige Zersetzung beider Salze essigsaure Thonerde,
welche gelöst bleibt, und schwefelsaures Blei, welches als vo¬
luminöser Niederschlag sich absetzt. Nach der stecbiometrischen
Zusammensetzung kommen zur Neutralisation auf 1 Theil Alaun
1,6 Theile essigsaures Blei. Die stärkste Lösung, welche zur
Verwendung kommt, ist die 3procentige; sie wird dargestellt
aus 10,0 Alaun, 16,0 Bleizucker und so viel Wasser, dass die
Lösung 140,0 beträgt. Um beispielsweise 1 Liter 3procentiger
Lösung zu bereiten, dient folgende Vorschrift:
Alum. 72,0, Plumb. acet. 115,0, Aq. q. s. ut f. solut. 1000.
M. filtra. S. 3procentige essigsaure Thonerdelösung.
Die Lösung ist vollkommen wasserhell, von süsslich-ad-
stringirendem Geschmack und starkem Geruch nach freier Essig¬
säure. Zum Zwecke der continuirlichen Irrigation wird die
obige Lösung um das 3—6 fache (auf 1,0—0,5 Procent) verdünnt,
da sonst wegen des Gehaltes an freier Säure ein brennendes
Gefühl in der Wunde hervorgerufen wird. Schliesslich sei noch
darauf aufmerksam gemacht, dass durch Benetzung mit der
Lösung stählerne Instrumente angegriffen und Verbandbecken
von Messing schwarz gefärbt werden; an Stelle der Letzteren
benutzt man daher besser Porcellanschaalen.
II. Eh Fall tm CMpirter Sprache.
Von
Dr. A. Frey» pract. Arzt in Baden-Baden.
Bei Lungen- und Kehlkopf kranken findet man sehr häufig
eine Störung im Flusse der Sprache, die sich dadurch kenn¬
zeichnet, dass der Kranke stets nur eine ganz beschränkte
Anzahl Silben, oft nur eine einzige auf eine Exspiration aus¬
sprechen kann und darauf stets absetzen und inspiriren muss.
Da durch ein so häufiges Absetzen im Satze der Sinn desselben
sozusagen zerschnitten wird, sei mir gestattet, dieses Phänomen
der Einfachheit halber als „coupirte“ Sprache zu bezeichnen.
Bei Lungenkrankheiten beruht dieses Phänomen darauf,
dass den Kranken Schmerz, Erguss oder Infiltrat verhindert,
die gehörige Luftmenge aufzunehmen oder sie mit dem nöthigen
Drucke anzuwenden. Bei den Krankheiten des Kehlkopfes
(Ulceration, Lähmung u. s. w.), wo natürlich es mit Heiserkeit
von entsprechender Hochgradigkeit verbunden, darauf, dass der
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Origjir ?il fre
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 29
Kranke enorme Lnftmassen braucht, um die veränderte Stimm¬
bänder anzublasen.
Im Laufe des letzten Sommers hatte ich Gelegenheit, die be-
zeichnete Sprachstörung, beiintacten Lungen und bei intactem
Kehlkopf, offenbar central bedingt zu beobachten. Wenn wir
von ähnlichen Störungen, die ja bereits bei Paralytikern be¬
kannt sind, absehen, so ist meines Wissens über diesen Gegen¬
stand wenig bekannt, und es dürfte deshalb die folgende Mit¬
theilung nibht ohne Interesse sein.
Herr R. H. aus B., 52 Jahre alt,' stammt aus einer Familie,
deren männliche Mitglieder in den letzten Jahren bis auf einen
jüngeren Bruder an Schlaganfällen starben; er selbst war nie
in seinem Leben krank. Unter den günstigsten äusseren Ver¬
hältnissen hat es unser Patient zu einem ziemlich starken
embonpoint gebracht. Anfang Juli 1877 kam Herr R. H.
zum Sommeraufenthalte ins Gebirge und machte da zum Er¬
staunen der übrigen Gäste für seine Constitution ganz unglaub¬
liche Fusstouren; dem entsprechend war sein Hunger und
Durst auch etwas über das gewöhnliche Mass.
Am 16. August etwa um 5 Uhr des Abends, als Herr H.
allein einen Waldgang machte, wurde er plötzlich Yon Schwindel
überfallen, so dass er sich setzen und (er weiss nicht wie lange)
ausruhen musste. Als er wieder zu sich gekommen war, fühlte
er sich etwas müde, war aber im Stande, auf seinen Stock ge¬
stützt, allein nach Hause zu gehen und in sein Zimmer im
zweiten Stocke zu steigen; er legte sich alsbald auf sein Bett
und schlief einige Zeit.
Gegen 8 Uhr des Abends kam Herr H. in den Speisesaal,
setzte sich mir gegenüber, beklagte sich über Appetitmangel
und etwas Kopfschmerz, ass aber trotzdem zur Nacht und trank
sein gewöhnliches Quantum Bier (etwa 6 Viertel Liter). Von
dem Vorfall im Walde sprach er nichts, doch fiel mir sein
etwas verzogener Mund und die schwere Sprache auf. Bald
war ihm zu warm im Saale, er stand auf um im Freien etwas
Luft zu schöpfen, ging gegen die Thür, wobei aber sein Gang
so auffallend unsicher war, dass man ihm einen Kellner nach¬
schickte. Unter der Thür brach er zusammen und fiel in die
Arme des Kellners. Sofort brachte man ihn zu Bette, setzte
Blutegel hinter das rechter Ohr und legte eine Eisblase auf
den Kopf. Ordination: Infusum Rhei.
Unmittelbar nachdem die nöthigsten Vorkehrungen getroffen
waren, nahm ich folgenden Status praesens auf:
Patient mittelgross, kräftig gebaut mit sehr reichlichem
Panniculus adiposus, liegt in ruhiger Rückenlage, Gesicht stark
geröthet; Pupillen beide gleich weit, reagiren gut; der Mund
nach links verzogen; Zunge wird auf Verlangen nach rechts
herausgestreckt und ausgiebig aber langsam bewegt. Der Hals
ist kurz, breit, ohne Struma, die Carotiden sind beiderseits
nicht fühlbar. Bei der Athmung erweitert sich die Brust
gleichmässig und ausgiebig, die respiratorischen Bewegungen
des Zwerchfells sind sichtbar und fühlbar. Die Athmung selbst
ist jedoch in auffallendster Weise verändert, sie ist rythmisch
aussetzend, ähnlich wie bei dem Stokes’schen Phänomen, es
wechseln nämlich ganz regelmässig die Zeiten der Athmung
mit denen der Athmungspause in folgender Art. Nach einer
20 bis 25 Secunden dauernden Pause beginnt die Athmung mit
einer tiefen laut seufzenden Inspiration, auf die eine lang ge¬
zogene Exspiration folgt, darnach eine 5 bis 6 Secunden dau¬
ernde Pause und nach dieser etwa 12 bis 15 ruhige Respira¬
tionen, von denen die letzten sich immer mehr abflachen und
kaum merklich in die Athempause übergehen, während dieser
liegt Patient regungslos mit geschlossenen Augen, das Bild
eines eben Verschiedenen zeigend, bis nach etwa 20 bis 30 Se¬
kunden wieder die Athmung in oben beschriebener Weise mit
einer seufzenden Inspiration beginnt. Der Patient ist dabei
bei vollem Bewusstsein, hört und sieht alles was um ihn ver¬
geht, fühlt jede Berührung seines Körpers, antwortet aber auf
alle Fragen und mit einem schlecht articulirten „ja“ oder „nein“
oder mit anderen ganz unverständlichen Lauten, welche er
immer bei der Exspiration der ersten Respiration nach der
Pause ausspricht. Da diese der Sprache günstige Respirations¬
phase sich nur etwa alle 90 Sekunden wiederholt, so muss man
natürlich oft lange auf die gewünschte Antwort warten.
Das Herz zeigt percutorisch und auscultatorisch sich voll¬
kommen normal. Der Radialpuls ist frequent 90 Schläge in
der Minute, klein, leicht zu uuterdrücken, regelmässig; nur von
Zeit zu Zeit kommen einige schwächere Pulse, die mit der
ersten tiefen Inspiration zusammenfallen.
Der linke Arm ist bereits ganz gelähmt, das linke Bein
ebenfalls; Patient ist nur im Stande dasselbe noch im Hüft¬
gelenke zu rotiren und zu beugen. Die Sensibilität und Reflex¬
erregbarkeit gut erhalten. Die Temperatur in beiden Achsel¬
höhlen gleich, nicht erhöht.
Der am Abend und in der Nacht reichlich und willkürlich
gelassene Urin zeigt am folgenden Tage viel ziegelrothes Sedi¬
ment, das beim Erwärmen verschwindet, und nebenbei deut¬
liche Spuren Albumin.
17. August. Patient hatte reichliche Stühle, schlief in der
Nacht nicht, war sehr unruhig. Blutegelstiche bluteten stark
nach. Puls 110 in der Minute. Respiration und Sprache wie
gestern Abend. Im Laufe der Nacht sollen die Athempausen
oft so lang geworden sein, dass darüber erschreckt die Wärterin
den Kranken aufrütteln zu müssen glaubte. Rotation und Flexion
des linken Oberschenkels sind heute auch unausführbar. Keine
Temperaturerhöhung.
18. August. Die Respiration, die im Schlafe immer noch
den oben angeführten Rythmus einhält, ist im wachen Zustande
wohl unregelmässig, es wechseln tiefe und flache Athmungen,
die bald schneller bald langsamer auf einander folgen, etwa
20 in der Minute, doch lässt sich eine bestimmte Ordnung
dabei nicht mehr herausfinden.
Die Artieulation hat sich fast vollständig gebessert, so
dass der Patient jetzt ohne Schwierigkeit jeden Buchstaben
deutlich ausspricht. Jetzt erst fällt ein eigenthümliches Sym¬
ptom auf, unser Patient kann nämlich nicht mehr wie zwei
Silben mit einer Exspiration aussprechen; z. B. spricht er
ganz gut und deutlich „Wasser“, verlangt man ein mehr als
zweisilbiges Wort, z. B. Sodawasser, so zerlegt er dieses in
„Soda“, was er mit der Exspiration der ersten und „Wasser",
was er mit der Exspiration der folgenden Athmung ausspricht.
Wenn er aus eigenem Antriebe spricht, so werden die Worte
ebenso nach Silben auf die einzelnen Exspirationen vertheilt,
z. B. „guten — Morgen — lieber — Doctor“, wozu er gerade
vier Athemzüge braucht, was ein anderer Mensch gut auf
einen Athemzug machen hann.
Diese eigenthümliche Sprache veranlasste mich nochmal
genau die BrUstorgane und den Kehlkopf zu untersuchen, wobei
ich aber ausser etwas Schleimrasseln nichts Abnormes finden
konnte. Das Zwerchfell und die Bauchmusculatur arbeiteten
ausgiebig bei der Athmung mit. Bei tiefen Inspirationen er¬
weiterte sich der Thorax um 4 bis 5 Centimeter. Pneumato¬
metrisch und spirometrisch wagte ich nicht so kurz nach einer
wahrscheinlichen Hirnblutung die Athemorgane zu prüfen, um¬
somehr als dem äusseren Anscheine nach dieselben ganz nor¬
male sein mussten.
21. August. Die Respiration ist vollständig ruhig und
regelmässig, 18 in der Minute, auch im Schlafe kein Aussetzen
mehr bemerkbar. Die so eigenthümlich coupirte Sprache be-
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22. Juli 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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steht immer noch fort, hat sich jedoch in soweit gebessert,
dass Patient jetzt bis zu vier Silben auf eine Exspiration aus¬
sprechen kann. Dabei wird die erste stets sehr scharf accentuirt,
fast explosiv hervorgestossen und die folgenden immer schwächer
werdend angereiht, nach der dritten und vierten, Silbe vollendet
der Kranke ruhig das Exspirium, athmet darauf tief ein und
fährt dann erst fort zu sprechen. Wenn er dann seinem leb¬
haften Temperamente nachgebend etwas erzählen will, so häufen
sich, da er ja nur bis zu vier Silben auf eine Exspiration
nehmen kann, die Athmungen der Art, dass der ruhig zu Bette
liegende Herr bis 40 Respirationen in einer Minute macht, dabei
ganz in Aufregung kommt, und seine Sprache vollständig der
eines Menschen gleicht, der eben ausser Athem den Gipfel
eines Berges erklommen, und uns da sofort eine Erzählung
machen will.
1. September. „Wenn es morgen — schönes Wetter ist —
so möchte ich gerne — ein wenig aufstehen“ — so spricht
der Patient immer noch auf vier Exspirationen vertheilt, was
man gewöhnlich in einer, höchstens in zwei Respirationen aus¬
spricht. Dabei zeigen die Lungen normale vitale Capacität
und einen maximalen Exspirationsdruck von 130 Ctm. Wasser.
Im übrigen ist der Zustand im linken Arme und Beine
stets derselbe, sie sind vollständig gelähmt — Am linken Beine
hat sich bedeutende Reflexerregbarkeit ausgebildet, so dass bei
stärkeren Berührung oder Lageveränderung des linken sowohl
wie des rechten Beines, im ersteren schmerzhafte tetanusartige
bis zu einer Minute dauernde Streckkrämpfe eintreten. Im
kranken Arme ist nichts der Art bemerklich.
6. September. Heute liess ich den Patienten zählen und
fand, dass er, je nach dem er die ersten Silben accentuirt, bis
auf zwölf ja dreizehn auf einen Athemzug zählen kann. Hat
er so viele Silben nach einander ausgesprochen, so muss er
immer darnach eine tiefe Inspiration machen. Wenn er erzählt,
so bekommt natürlich durch diese häufig eingeschobenen In¬
spirationen seine Sprache einen ganz eigenthümlichen seufzenden
Character, der oft in comischem Contraste mit dem Inhalt
seiner Worte steht. — Heute sah ich den sonst heiteren Herrn
zum ersten Male lachen, was mir um so mehr auffiel, als ich
ihn schon oft ohne zu lachen lustige Geschichten erwähnen
hörte. — Husten, niessen und gähnen sah ich ihn schon Öfter.
15. September. Patient spricht jetzt bis zu 25 Silben in
einem Athem, dabei hätte er natürlich die Mittel correct accen¬
tuirt zu sprechen, wenn er verstände leichte Inspirationen nach
dem Sinne einzuschalten. Statt dessen verbraucht er, immer
gleichmässig fortsprechend, seinen ganzen Luftvorrath, bis er,
wie ein ungeschickter Vorleser, mitten im Satze, ja oft mitten
in einem Worte nach Luft schnappen muss.
1. October. Die Sprache des Patienten ist vollkommen
normal, und eine kleine Probe im Vorlesen besteht er glänzend.
15. October. Patient geht ohne welche Unterstützung allein
mit dem Stocke. Der Arm ist am Tage der Abreise noch in hohem
Grade paretisch, und hat sich, wie ich nachträglich erfahre,
nur wenig gebessert. Von Ende September ab wurde der
Kranke galvanisch behandelt, wobei ich am linken Arme mit
10 bis 12 Elementen 1 ), am linken Beine mit etwa 20 Ele¬
menten stets kräftige Zuckungen auslösen konnte. Die Zuckungen
am Arme waren zeitweise schmerzhaft. Die faradische Erreg¬
barkeit war stets gut erhalten.
Fassen wir die Krankengeschichte in ihren Hauptzügen zu¬
sammen, so haben wir kurz folgendes: Bei einem stets ge¬
sunden Menschen von ausgesprochenen apoplectischen Habitus
1) Ich bediente mich eines transportablen Stöhrer’sehen Apparates
von 30 Elementen.
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tritt ohne Insult verhältnismässig langsam eine motorische ge¬
kreuzte Lähmung ein, die sich auf rechtseitigen Facialis, Hypo-
glossus (Alalie) und linkseitige Arm und Beinnerven erstreckt.
Zugleich damit tritt Albuminurie ein und eine eigentümliche
Störung der Respiration, die an das Stokes’sche Phänomen
erinnert. Mit dieser Störung im Respirationsrhythmus ist bei
dem ohne dies schon an Alalie leidenden Patienten, eine
Sprachstörung verbunden, die dem Kranken nur gestattet höch¬
stens zwei Silben auf eine ganz bestimmte Exspiration (näm¬
lich die erste nach der Athem-Pause) auszusprechen. Alalie
und Stokes’sches Phänomen verschwinden bald, doch kann
der Kranke noch Wochenlang nur eine ganz beschränkte Anzahl
Silben auf eine Exspiration aussprechen, und ist in Folge dessen
genötigt beim Sprechen häufig zu inspiriren. Verhältniss-
mässig langsam kehrt die Fähigkeit längere Silbenreihen auf
eine Exspiration auszusprechen zurück, und erst nach etwa
sechs Wochen finden wir die Sprache des Patienten wieder
normal.
In den ersten Tagen der Krankheit finden wir das uns
interessirende Symptom, die coupirte Sprache, mit zwei anderen
Störungen, Alkalie und Stokes’sches Phänomen, verbunden,
nur dadurch entsprechend beeinflusst. Erst als nach etwa vier
Tagen die beiden letztgenannten Erscheinungen wieder ver¬
schwunden, tritt uns die coupirte Sprache in vollkommener
Reinheit entgegen, nur der Einfachheit halber wollen wir zur
Analyse derselben diesen Moment fixiren.
In dieser Zeit finden wir in unserem Kranken einen Mann
mit ganz gesundem Kehlkopfe, kräftig gebautem Thorax, der
bei den Respirationen sich ergiebig erweitert und verengt;
Zwerchfell und Abdominalmuskeln wirken bei dem Athem-
geschäfte sicht- und fühlbar mit, dem entsprechend ist auch
das Luftquantum, das mit einer Exspiration ausgeathmet wird,
ein ansehnliches, und der Exspirationsdruck, über den unser
Kranker verfügt, ein ziemlich hoher. Percussion und Auscul-
tation zeigen, dass die Organe des Thorax vollständig normal
sind. Dem entsprechend macht der Kranke auch in der Minute
16—20 ruhige Inspirationen. Bei alle dem kann nun unser
Patient nicht in gewohnter Weise über seinen Luftvorrath zur
Sprache verfügen, er kann nur zwei oder höchstens drei Silben
auf eine Exspiration hervorstossen, ich finde keinen besseren
Ausdruck für die eigenthümliche Art der Aussprache. Von
diesen zwei bis drei Silben hat immer die erste einen starken
Ton, die übrigen folgen bedeutend schwächer nach, zeitlich
fallen sie mit dem Anfänge der Exspiration zusammen. Dass
unmöglich auf die Aussprache der zwei bis drei Silben sämmt-
liche Exspirationsluft verbraucht wird, das zeigt uns die vor
den Mund des Kranken gehaltene Hand und die Auscultation
desselben beim Sprechen, wobei wir denn stets finden, dass
dies Exspirium noch einige Zeit, nachdem die gesprochenen
Silben bereits verklungen, ruhig weiter geht. DeT Kranke
kann also wie wir sehen, nur über ein ganz bestimmtes Luft¬
quantum zur Sprache verfügen, nämlich über das, was ganz
zu Beginn der Exspiration ausgeathmet wird, die folgende Ex¬
spirationsluft ist für seine Sprache unbrauchbar. Ob die Luft
in der Mitte und am Ende des Exspiriums, nachdem am Anfänge
desselben in erwähnter Weise einige Silben ausgesprochen
worden sind, unter zu geringem Drucke stand, liess sich pneu¬
matometrisch nicht bestimmen; jedenfalls lässt sich aber sagen,
dass die Ursache dieser eigenthümlichen Sprache, nicht in
Mangel an Exspirationsluft oder Exspirationsdrucke beruht,
sondern dass unser Kranke die Fähigkeit verloren hat, die
vorhandene Luftmenge in richtiger Weise zu reguliren, das
heisst, sie gleichmässig über längere Silbenreihen zu vertheilen.
Sofort drängt sich die Frage auf, welches ist der Apparat
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 2»
der die Regulirung der Luft bei der Sprache besorgt? und wie
lässt sich im vorliegenden Falle die geschilderte Störung im
Zusammenhänge mit den übrigen Erscheinungen erklären? Der
Anordnung der Sprachorgane entsprechend sind es zwei Punkte,
auf die es bei dem geregelten Luftverbrauche bei der Sprache
ankommt. Kehlkopf und Lungen bilden gleichsam ein mem¬
branartiges Instrument mit Blasebalg, und nur durch ganz har¬
monisches Zusammenwirken beider Theile wird die zur Sprache
nöthige Luftregulirung vollzogen werden können, deren Haupt¬
aufgabe darin zu bestehen scheint, mit möglichst wenig Luft¬
verbrauch und bei gleichmässig moderirtem Drucke, eine mög¬
lichst grosse Silbenreihe wohlaccentuirt auf eine Exspiration aus¬
zusprechen. Veränderungen sowohl in dem membranartigen
Instrumente als in dem Blasebalge müssen natürlich die Luft¬
regulirung stören und darnach müssen wir Störungen im Flusse
der Sprache bekommen die erstens vom Kehlkopfe aus und
zweitens von den Athemorganen aus bedingt sind.
Allgemein bekannt sind ja die Störungen der Sprache, die
durch hochgradige Veränderungen der Stimmbänder, Lähmungen,
Ulcerationen bedingt sind und bei denen (abgesehen von der
oft bis zur Aphonie l ) gesteigerten Heiserkeit) der Kranke ab¬
norm grosse Luftmengen unter hohem Drucke anwenden muss,
um die schlecht gespannten, oder durch Ulceration defect ge¬
wordenen Stimmbänder anzublasen. Wird für die einzelne Silbe
mehr Luft verbraucht, so muss, da ja das Luftquantum einer
Inspiration ein bestimmtes ist, die Anzahl der auf eine Ex¬
spiration ausgesprochenen Silben sich natürlich vermindern,
ja sie kann bis auf eine einzige reducirt werden.
Es kommen nun auch Fälle vor, in denen der Kranke nur
eine beschränkte Anzahl von Silben auf eine Exspiration aus-
sprechen kann, und bei denen, obgleich laryngoscopisch keine
Veränderungen nachweisbar sind, und obgleich die Stimme fast
ihre vollständige Kraft und Klarheit bewahrt, man den Kehl¬
kopf als Sitz der Krankheit annehmen kann. Man erklärt
dabei das Phänomen durch eine Schwäche der Stimmband¬
muskeln, die entweder die gehörige Spannung bei der Phonation
erschwert, oder eine normale Spannung nur auf relativ kurze
Zeit zulässt. Dass sich durch eine solche Annahme die coupirte
Sprache erklären lässt ist naheliegend, denkbar ist ja sogar,
dass auch die Accentuation vom Kehlkopf aus besorgt wird,
doch fehlt uns bis jetzt die genaue Kenntniss in der Thätigkeit
des Kehlkopfes, die uns nur zu einer Vermuthung berechtigt,
wie diese feinen Nüancirungen der Sprache durch den Kehlkopf
selbst erzeugt werden dürften.
Es liegt daher die Berechtigung nahe, in den Lungen selbst
den Apparat zu suchen, der die Arbeit der Luftregulirung und
Accentuation bei der Sprache besorgt. Allerdings werden wir
durch die folgende Betrachtung sehr auf das Gebiet der
Hypothese geführt, und wenn die aufgestellte Vermuthung in
der Horvath’schen Arbeit über die Musculatur der Trachea 2 )
eine schwache Stütze findet, so will ich doch nicht verschweigen,
dass ein gewichtiger Einwand gegen dieselbe noch übrig bleibt,
nämlich der, dass sie ein so feines Geschäft wie das in Rede
stehende den Muskelfasern des Bronchialbaums anvertraut,
deren organische Natur nunmehr zweifellos feststeht. So all¬
gemein anerkannt es ist, dass die organischen Muskelfasern
1) Erst wenn der iu Folge von Kehlkopfkrankheiten Aphonisehc
nach langen vergeblichen Versuchen sich überzeugt hat, dass trotz aller
Anstrengung eine Lautbildung unmöglich, wird er seine Luftregulirung
der Flüstersprache adaptiren, zum Unterschiede vom Simulanten, der
ohne jegliche Störung in der Regulation in die Flüstersprache übergeht.
2) Dr. Alexis Horvath, Beiträge zur Physiologie der Respiration,
^füger’s Archiv für die gesammte Physiologie, Band XIH.
dem directen Willenseinflusse fast ganz entzogen, und in ihrer
Contraction äusserst träge sind, so ist dies doch noch nicht nach¬
gewiesen für die Muskeln des Bronchialbaums und am wenigsten
bei denjenigen Thieren, die ihre Lungen nicht allein zum Athmen,
sondern auch als Luftreservoir und Blasebalg bei der Ton¬
bildung gebrauchen, und es ist daher die folgende Hypothese,
die ich jedoch nur mit der grössten Reserve auszusprechen
wage, bis jetzt nicht ausgeschlossen.
Bekannt ist die kurze abgerissene Sprache bei Kranken,
die an Pneumonie, Pleuritis, selbst Peritonitis leiden und die
Infiltration, Erguss oder Schmerz verhindert, die zur Sprache
nöthige Luftmenge aufzunehmen. Aehnliches sehen wir bei
Emphysematikern, bei denen, wenn die Krankheit hochgradig
genug, die Rigidität des Thorax es verbietet, die in den Lungen
vorhandene Luft in ungehinderter Weise für die Sprache zu
verwerthen. Auf die durch solche grobe Organ Störungen be¬
dingten Anomalien im Flusse der Sprache, die überdies selbst
jedem Laien auffallen, wollen wir nicht weiter eingehen, son¬
dern wir wollen den Muskelapparat aufsuchen, der im normalen
Zustande der Luugen die Luftregulirung bei der Sprache zu
besorgen scheint.
Da der ganze Vorgang der Sprache auf die Exspiration
verlegt ist, so muss natürlich die zur Sprache nöthige Luft¬
regulirung durch die Exspirationsmuskel ansgeführt werden, es
kommen also nur die exspiratorisehen Brustmuskeln, die Abdo¬
minalmuskeln und die Muskeln des Bronchialbaumes selbst in
Frage. Dass beim lauten Sprechen und Schreien Brust- und
Bauchmuskeln mitwirken, davon kann man sich durch das Ge¬
sicht und die aufgelegte Hand bei jedem Menschen überzeugen,
dass sie aber nur zur Unterstützung der eigentlichen Lufregu-
latoren mitwirken, wird ersichtlich, wenn wir einen Menschen
sprechen hören, bei dem in Folge von Krankheit diese Muskeln
gelähmt sind.
Genau erinnere ich mich aus meiner Freiburger Assistenten¬
zeit des etwa 12 Jahre alten Knaben Röpfer der im Jahre 1875
auf der Klinik des Herrn Geheimenrath Kussmaul beobachtet
wurde. In Folge von Caries der Halswirbelsäule war, wie
auch die Section ergab, bei demselben das Rückenmark in der
Gegend der unteren Halswirbel vollständig abgequetscht, er war
ausser Stand die Bauchpresse anzuwenden, stark zu blasen oder
zu schreien, trotzdem aber sprach er lange Silbenreihen wohl
accentuirt auf eine Exspiration aus. Exspiratori sehe Bauch-
und Brustmuskeln, die wir in diesem Falle gelähmt sehen, können
also die Luftregulirung bei der Sprache nicht besorgen — es
bleiben also nur noch die Muskeln des Bronchialbaumes selbst
zur Erklärung der in Rede stehenden Function, und in der
That scheinen diese fein angeordneten Muskelbündelchen am
meisten geeignet, einem so subtilen Geschäfte, wie die Luft¬
regulirung und Accentuation bei der Sprache es ist, vorzusteheu.
Haben wir doch in ihnen ein sämmtliche Bronchialverzweigungen
umgebendes feinstes Muskelfasersystem, was allein befähigt zu
sein scheint, durch Contraction die zu jeder Silbe nöthige Luft¬
menge mit dem der Accentuation entsprechenden Drucke durch
die Stimmritze zu treiben und so die Exspirationsluft über län¬
gere Silbenreihen gleichmässig zu vertheilen. Diese Annahme
gewinnt noch an Wahrscheinlichkeit, als sie ja die so innig ver¬
bundene Aufgabe der Stimmbandstellung und Luftregulirung in
die Bahnen eines und desselben Nerven, des Vagus, verlegt.
Hat die Muskulatur des Bronchialbaumes diese hypothetische,
wichtige Bedeutung, so ist es sehr naheliegend, dass durch ir¬
gend welche Störungen in ihrer Wirkungsweise auch Störungen
im Flusse und der Accentuation der Sprache bedingt sein müssen.
Wir haben demnach für die reinen Fälle der coupirten Sprache,
wo also keine Veränderungen des Kehlkopfes oder der Brust-
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organe nachweisbar sind eine doppelte Möglichkeit der Er¬
klärung, nämlich erstens eine Schwäche der Kehlkopfmusculatur
und zweitens eine Störung in der Thätigkeit der Bronchial¬
muskeln.
Es mag dem Leser anheim gestellt bleiben, welchen der beiden
Erklärunungsversuche er für unsern Fall als den wahrschein¬
licheren annehmen will; wie er sich entscheide, wird er auf
dieselbe Ursache zurückgeführt, da ja in beiden Fällen die
Störung durch die Bahnen des Vagus vermittelt werden muss.
Berücksichtigen wir unser gesammtes Symptomenbild, die
gekreuzte Lähmung, die mit Schwindel zu beginnen schien, die
Albuminurie, die Störung in der Athmung und in der Zungen¬
bewegung, so werden wir mit grosser Wahrscheinlichkeit die
gemeinschaftliche Ursache aller dieser Symptome in das ver- ,
längerte Mark verlegen müssen und zwar in unmittelbarer Nähe |
der Centren für Athmung und Articulation, vielleicht in die- j
selben selbst. Da für jede andere Localisation unserer beschrie- |
benen Sprachstörung kein Grund vorliegt, so neigen wir zur
Annahme, dass auch sie wie die übrigen Symptome von dem I
gemeinschaftlichen Krankheitsherde in der Medulla oblongata ,
aus bedingt ist und wir wagen die Vermuthung auszusprechen, '
dass im verlängerten Marke in der Nähe des Articulations- und ;
Respirationscentrum sich eine Stelle befindet, die der Luftregu- ,
iirung und Accentuation bei der Sprache entweder direct vor- |
steht, oder durch die Fasern verlaufen, die vom Grosshirn her¬
abkommend. diese doppelte Aufgabe erfüllen.
111. A«s der chirurgischen Klinik des Herrn Professor |
Dr. Haas zu Freiburg i.|B.
Beiträge zur mechanischen Behandlung der Spondylitis.
Von
Dr. J. Scriba,
I. Assistent der chirurgischen Klinik zu Freiburg.
(Fortsetzung.)
1. Halswirbelsäule: Glisson’sche Schlinge mit 5 bis j
15 Pfd. belastet und dünneres Kissen, oder auch anstatt des
Kissens wird die horizontale Rolle, über welche die Extensions-
schnur läuft, so tief eingeschraubt, dass der Kopf dadurch stark
nach hinten gezogen wird.
1. Fall. Elise E., 9 Jahre alt, zartgebautes, schwächliches
Kind. Im Herbst 1874 Scarlatina, in dessen Verlauf eine doppel¬
seitige eitrige Otitis völlige Taubheit verursachte. Bald darauf
heftige vom Nacken in die Arme ausstrahlende Schmerzen. Am
23 , März 1875: Mitte der Halswirbelsäule leicht scoliotisch
nach rechts und merklich kyphotisch; Kopf stark nach links
und vorn gebeugt, das Kinn stützt sich fast auf die linke Cla-
vicula. Versuch der Geradestellung leicht gelingend, aber sehr
schmerzhaft. Abscesse nicht vorhanden. Glisson’sche Schlinge
mit tiefer gestellter horizontaler Rolle, damit der Kopf nach
hinten gezogen, und die Kyphose leichter ausgeglichen wird.
Gewicht 3, später 4 Kgr. Nach 6 Wochen nur noch leichte
Neigung des Kopfs nach links vorhanden, die Bewegung des
Kopfs activ und passiv schmerzlos und gutes Allgemeinbefinden;
die vom Nacken nach den Armen ausstrahlenden Schmerzen
sind verschwunden. Pat. steht auf und setzt nur noch Nachts
und einige Stunden am Tage ihre Gewichtsextension fort. Am
17. November 1875 ist auch eine Neigung, des Kopfes nach
links kaum mehr bemerkbar. (Privatpat. d. H. Prof. Dr. Maas.)
2. Fall. Agnes Scheer, 11 Jahre alt, aus Polnisch-Warten¬
berg, kam am 23. September 1876 in Behandlung (Privatklinik
des Herrn Dr. 0. Riegner in Breslau). Früher immer gesund
gewesen. Im November 1875 8tägige Rachendiphtheritis. Ende
Januar 1876 ohne weitere Prodrome beginnende Parese des
rechten Beins, die zunahm, und 3 Wochen später auch im
rechten Arm auftrat. Unmöglichkeit zu schreiben, hochgradige,
periodisch auftretende Schmerzen, besonders in den gelähmten
Gliedern. Anfang März Parese der linken Extremitäten, die in
4 Wochen zu fast völliger Paralyse führte. Erst mich 6 monat¬
licher Lähmung Beginn der Behandlung, nach Anordnung des
Herrn Prof. Maas. Status: Auffallend intelligentes, massig gut
genährtes Kind von scrophulösem*Habitus. Die oberen Extremi¬
täten gelähmt, die rechte fast vollständig, namentlich die Vorder-
armmusculatur, die linke weniger. Hand und Finger in leicht zu
überwindender Beugecontractur, active Streckung unmöglich,
Beugung nicht bis zur Faust ausführbar. Sensibilität nicht
merklich herabgesetzt. Untere Extremitäten völlig paralytisch,
in Hüfte und Knie leichte Beugecontractur, beiderseits Pes varo-
equinus paralyticus. Sensibilität und Hauttemperatur herab¬
gesetzt, Reflexerregbarkeit deutlich erhöht. Stuhlgang retardirt,
Urinentleerung normal, innere Organe gesund, Appetit mässig
gut. Der Kopf wird steif gehalten, ist schwer beweglich und
jede Bewegung schmerzhaft. Ueber dem 5. und 6. Dornfortsatz
der Halswirbel diffuse, auf Druck empfindliche Anschwellung.
Gewichtsextension mit Glisson’scher Schlinge und tiefer
stehender horizontaler Rolle, local abwechselnd Blasenpflaster
und Jodtinctur. Tägliches Faradisiren der gelähmten Muskel¬
gruppen und electrische Fussbäder. Anfangs langsamer, dann
schnellerer Rückgang der Lähmung, zuerst links, später rechts,
am schnellsten in den oberen Extremitäten, so dass die Kleine
im October wieder allein essen und im Januar 1877 schreiben
konnte. Schon Ende December konnte sie stehen und einige
Schritte gehen. Am 3. Februar entlassen. Sie konnte gut
gehen, mit Armen und Händen jede Arbeit verrichten und den
Kopf schmerzlos bewegen. Sensibilität und Reflexerregbarkeit
normal, blühendes Aussehen.
3. Fall. Probst, Anna, 11 Jahre alt, von Burgheim, sehr
intelligentes, zart gebautes, anämisches Kind von phthisischem
Habitus. Herbst 1876 bekam es ohne bekannte Veranlassung
mehrere Anfälle, durch kurz andauernde Krämpfe der oberen
Extremitäten und mehrtägige, anfangs völlige Aphasie characteri-
sirt. Bewusstsein soll immer vorhanden gewesen sein. Weih¬
nachten 1876 heftiger Anfall, während dem sich eine weiche
Geschwulst am Hals entwickelte. Kopf wird steif gehalten und
beim Aufrichten im Bett mit beiden Händen gestützt. Incision
der Geschwulst *14 Tage später. Mitte Mai ausstrahlende
Schmerzen vom Nacken in die Arme und Parese des linken
Arms. Am 25. Juni 1875, Halswirbel fast gerade, die nor¬
male Lordose verschwunden, aber geringe Scoliose nach rechts.
Starre Haltung des Kopfes mit leichter Neigung nach links.
Fistel in der Mitte des hinteren Randes des Cleidomastoideus
secernirt seröse Flüssigkeit, bei Druck auf die Halswirbelkörper
entleeren sich viel Käsemassen, mit der Sonde kommt man
nach der Wirbelsäule ohne auf rauhen Knochen zu stossen.
Der linke Arm hochgradig paretisch, besonders die Musculatur
des Oberarms und der Schulter, mit der Hand können gröbere
Gegenstände noch gefasst werden. Sensibilität normal; innere
Organe, soweit nachweisbar, gesund. Die electrische Erreg¬
barkeit der gelähmten Muskeln wurde nicht geprüft, um rein
die Wirkung der Extension auf sie beobachten zu können. Am
28. Juni Glisson’sche Schlinge mit 4 Pfd. Belastung und
Lagerung der Halswirbelsäule auf dem Rollkissen. Schon am
29. Juni war die Lähmung so weit gehoben, dass das Kind den
Arm bequem auf den Kopf legen und ganz frei bewegen konnte.
Am 5. Juli Appetitmangel, Erbrechen, hochgradige Abgeschlagen -
heit, dabei aber macht die locale Besserung sichtbare Fort¬
schritte. Am 10. Juli völlige Bewustlosigkeit, klonische Krämpfe
der oberen Extremitäten, bald auch der Gesichts- und Augen-
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Google
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munkeln;. dann noch OptethbtnoioL' ' Ii^ftt^rrt?'gb.arkd't rode«
jiac.y^B Tagsu b»r m*ch im pareti.*chcu A*iö<? vorhanden;
Nadelstiche. .werden präeiS" ’ durch schwache Zuckungen bet
Fibg6r~ und Hamlbeugei . C«.tet imitier klaferefu :
Bibi einet 0*rebrospi nai meningitui Tod rtm 20. Juli. Svefiunt
Mili^ttiibd^atBse der Pu* der Oebin.iba.siji. 'die direct auf die
, Pia''de*.fiübkim At&rJks sieb. fomnfiL Letzter* istmR zahlreichen
Knötchen Ins zum oberen Rande X; Halswirbelis besetzt. ;
Die Körper des 4.—fl. Halswirbeln z. Tb, von käsigen Heerden
. durchsetzt uod an ihrer vorderen Fläche d$fü& cäriös zerstört,
ihre ZwiseheökjJi'rpeD/ebtdbeti oor gering verändert:. kaum etwas ;
gefasert. Die Fistel führt nach dfiein Eiterherd < welch er das
Ligamentum longitudinale, antentis. in ztextilkher Äu?delumjig |
aligdöxt hat. Scheiden des h. und b. Italsnerven etwas ver-
tRekO itie Nerveii selbst normal, Direefer Zusammenhang zwischen
Biathbereulose und der KimelienVereiterung niebt'.naehzuwnisen.
Einige weiter hierher gejninge Fade führe ich nicht auf,
dii jö die Vortreff Rohheit df&sür BhhauiBüttgAuicJhode allgemein
nnefkanuA LL , . •>
''2. Oberer Theil fler Hru&twirbelsäntn: Dickes hiil-
kisesen unter dem Gildms und zur Beschwerung des . ohuret»
Hebelarme.«. bt?*rtn<U$rs bei unruhigen Patienten die Glps;<nö-
sehe aAit'vV-^iÄ Pftl« Gewicht,
Di dieser Weise wunie z. iL bchrimlelU
4 F?j IL Scliworei. Emilie, b J ah re alt, von Mistelbrimo.
■iii$ ^4tipder< Familie. war in der Jugend mioifcf gesund. Vor
i Jahren ifacb einem Fall * auf KttefefT-eJher
; def•'3feh;öteiiwithh’l - ohhtr viel Beiihkrz. Da
da« Kind i?nme)r uüfhergiog, so VYrgrö&serk> «ich der, Gibhus
stack, und swt 2 Monaten kam heKige? . Güftvl>elimerz mit
Mirskvfktipkiuigeü iRusfth, Aftfjiahjtmj ln! ' unsere Apst$Ii am
II. Juni L4y7; Kräftiges, ^iemUob gut gunaRrfe Kind von
••»ohr bht^selö Aiv^mhop, Wfj?h$D&tRtg «tfjf, jede Drehling und
Metophrg;. #ftü Vermieden, pä’sSiVc Belegungen schmerzen. d»-
rectcV Druck nh v hi : D h> K>pliose. bildet ehiüü Winke! von
dcShCM ‘spitze'Born 4. UinMWirbel entspneht. Ourfelschnunz und
Mnsla•ljtncku«gi*»j ziemheh hochgradig. Lagerung auf <h*m Roll-.
k 1*4*0 tind. weil das Rind .-ehr unruhig Heut, OewichtsextenBon
mittelst der j^ftiihge Und ,4* später b. PRL Belastung. BehpiV
nach a Tagen sind $chüiurz ntfd ÄWke Lucken versohwuudeu.j
and die Exteusioti am Köpfende karm weggrjasaeß werdero
Verhes^^Tung der .Lage durch D pferch leben detr Anne unfef
die Kisscnemlen. Nade 4 Wochen kann sich däs Kind leicht
0ml .c*U»»t» Hülfe aüfeefzfem Am 1. August, geheilt entlassen
.Von' dev' Kyphose ist mir noch beim .Stehen ein Winket von
bemerkbar, das JOud kanu die WirbeLaule dreheii und
auch ohne. Behtnflrz etwa* beugen. Im Febhiar d. jf, stellt
oicb Fatieittin wieder vor und kann eine Hm 1 wog mit völlig
bewegUeher WSTrbeLaoW nad RnseiUgang jeder IÄtjlocafciou be¬
stätigt werden.
3, M Tli.ei I der Rru^twrrbelsäu le: Dicket
HollkisAcij, miter »lessett Enden, wie '.in Fig. 3 V die Arme des
1‘atkddrn g^ejiöbe.fj wetdinn Ltmihige. Kinder seltoallf tnan
RI.
:, äuI* |K’ ,-4.
,
...... . mm
m
psiR :
Ähf (Fig, 1% ü<)er /bdit ihnen BhieJacke mit m langen
an, dfis« sie die. Hände iibefvdgm* i^cliiebt die Arme unter deu
fwssnoewkoi durch und bindet dann die beiden Aermel xu>
sanmuni. Sie sind dann nicht im Stande, dass KLsen wischen
dato Röcken, und den Ariuep lievauszuzfeUon. Eine Resekwmmg
des ufet'n Hcbdarms ist:’auch dann nicht nothweudig, mm .
der Farthmt den Kopf gern etwas a'nfrecht hält
AIh Beispiele olienuti folgende Fälle:
V.. EitÜ. Schwester L-berUbRüt, Ivranketipffegerin., i'A dkhre
alt, hatte im dahre lb7;i H^moptu«r, die eir.h von ^eit zu 2^it
wiederboite.. Uctobty- feD) SU.w auf den Kücken; sofort t#eL
Dger Schmerz auf einer mft dein Finget Kuzudeckejidea
Stelle. I)ecwn)»er J.STCi rtcktuer/iuse EutwjckluDg eine« Ah-
sccsses auf der rechten Seite do.4 RöckcnSi DiciKion, in de?
Höbe der S* Rippe* Schmerz an. .der Verbitztm^teRe uamer
iuteimiver werderut Im w*itm*-n Verlaufe entwickelte sich im
% Absee-SK über der rockten JSck^tda, und ef\wurde die iha-
guose auf TWics scApuine g^ütellt. Am hl April Functiou
eines neuen Abscesses; der die Rippen bloösgdegt harte, ■ Aut
4. März 1S7B antLejitisclie ETüRnuHg von woitefen
der recittftfi R&cken^ßite dtitch FfoL CÄgpny^. Im Juni HMUeh
Baden- Während des Juli Späliniig; $ neuer Absce«^o M.
hierauf rasche Besseruug. Der Schmerz' au der Stelle dr>
TrantuE exacefbirte im Oetober, Pak it«lrde. ReRlägofig und git-
•Lrdifcjbfe wun Schlafen während de* ganzeti . Winters Abeuds
KÄL Gr. Tihioralhydrat. Am 2fi, März 1S77 gefiiige Kyphose
mol letclite Deviation des ,7. and b. Rrrnst wirbele nach meiit*.
Starke Extension über dem EollkLseu. Schon iu der erstci»
ISacht kann die Patientin rduve GhUmal tiehlöfeti und war nach
S Tagen fast völlig schmerzfrei. Am 1-S, April beiderleits «J>i
Kyphose je 11 Moxeu. Rur/ nachher gänzliclieS AuTbören dj?f
Schf'iiei’Zen und ycdlsiändijge^ V&4on idhe* grhe^en, Ak
^C;e^He r s längs d er reehtejx ula. 1‘Jie )toohgt‘adf|; abgjejftagcrt^
I'atienDh - erholte «ich rä-wch. Leider trateri die ErkßiminuögD»
der I’hthi.sic im Herbst wieder heftiger auf. rmii im Winter k.-a<i
eine cbrrmis-che Öasikvcmoningim hinzu. Lmgegeu traten Sne-
ptom^ welch« auf eipe Wirbeiorkrankuug deuten konu.tcii, nic%f
mehr auL und jetzt bat sieb dje Patieiitin wieder Siciitlivh efholt.
. i *4 Fall. Schoch, SfeYenn. 34 Jahre alt, FabTikauLehei.
kräftiger .Manu., jm Herb.-d l^Vö ohne bekannte Ursache • IcicHie
() 7{,yplu&e der Mi He de^ Rü^koowtfbc-lsäidfg IiöiTKlscbüiUjtt*v Steif
äbklfou dos Körpers beim iluckchv D.nDsjf «4 mottHilfcho nüU^v
Bcttlage bedeutende Tie^vpaÄg. Entlassung m Tuf ! orHCken
Apparat. Ein- Jahr später-, am Js». Jan Dar. |S<7. \\%tiersub
nähme in dm Klinik. Bedeutende ZunAhme : ; .dhk^ Gibho«, sei»
Winkel beträgt DKt* 1 , licibeiUgt sind der 4 —Hb Uückonwirbd.
der DorufiAteäk des 7, bildet die Spitze, H<tch.grcuLge Neu¬
rosen d4r loförco^talnerven und faät aübaltende SnpraorbiialV
ncumlcie; Mu«kelrucknngen; Schmerz bei Drück mf den GihbuS
Bis zum April IST? nur RückeiUugo auf enifer flachen Matraze
aber Ivauin oine ße^eruiig bemeckhaT; Von da ab E&teasmr
ober uera Kolikisse.u. .Sofort. Katrhla.s« dos GürfelöcKmerze« nnJ
dor Mu^kOLuckungeii.* nach .0 Wochen sind auch die Söjpra-
i ofbRalrieurajghm y erschvrnmleu. Grosse Hartnäckigkeit. Jedcr
Yrmidi aufzustchen y bringt, neue Sdimnrzeti, Im Deceinber ei^t
Sitol alle Ersdoomingon geschwunden und Fülle Januar hh
EntlasSting. Winkel der Kyphose nur noch i72 w gi<i^. r keju
Reif dir b ik: j e tot Die ReWdgbchkai i d ei \\ T ivimf 9 uu|v hat
zugenommeu.
T, luterer Th.eil der Brust und ohaver Thc'H der
L.OruUuv;irlH*t^hule; Tücken Rcdlki^en’ unter den Gibfn-,
btd tnirühigeLi 1‘atienten kann man dasselbe mü desn fö\*H ffel;
; ^ehhailen.; ’1 nihp.yfegt 111 die Extieif^öA?^
S5 uv <4 h‘ (gfe* 1 und ;»).
Go gle
22. Juli 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
435
Zum Verständniss mögen folgende Krankengeschichten
dienen:
7. Fall. Marie W., 3 Jahre alt, von Glogau, aus tuber-
culöser Familie stammend; nach einem Stoss rasche Entwick¬
lung einer Spondylitis der unteren Brustwirbel; heftiger Schmerz,
gesteigert bei Druck und Bewegungen; Gehen unmöglich; Abends
Fieber; Senkungsabscess nicht vorhanden, besonders stark pro-
minirt der Dornfortsatz des 9. Brustwirbels. Am 11. October 1876
Lagerung auf der Extensionsschwebe (Fig. 2). Sofort Nachlass
der Schmerzen, Verschwinden des Fiebers und subjectives Wohl¬
befinden, trotz der scheinbar unbequemen Lage Schon am
26. October war die Kyphose völlig geschwunden. Nach 6 Mo¬
naten hatte das Kind ein blühendes Aussehen, es konnte ohne
Schmerz und ohne unter den Kleidern sichtbare Difformität
umhergehen. Nach einem Jahr Tod an Meningitis basilaris
tuberculosa. Wirbelaffection war völlig geheilt. (Privatpatient
des Herrn Prof. Maas.)
8. Fall. Maurer, Ida, 10 Jahre alt, von Altbreisach, aus
tuberculöser Familie, erkrankte an Ostern 1876. Beim Eintritt
in unsere Anstalt am 7. Juli 1877 hochgradige Kyphose im
unteren Theil der Brust- und Lendenwirbelsäule, die einem
Winkel von ungefähr 150* entspricht. Sie beginnt am 8. Rücken¬
wirbel, steigt an bis zum 11. und fällt dann ziemlich senkrecht
ab. Der obere Theil der Brustwirbelsäule ist stark scoliotisch
nach links gebogen, es ist dann zwischen dem 10. und 11. Dorn¬
fortsatz ein Zwischenraum von 3 Ctm., und der ganze untere
Theil der Wirbelsäule ist nach rechts verschoben, so dass der
10. Dornfortsatz über ein Ctm. weiter links steht, als der des
11. Rückenwirbels. Der linke Oberschenkel ist spitzwinklig
gebeugt, nach aussen gerollt und abducirt, die ganze Hüftgegend
stark geschwollen und jede active oder passive Bewegung sehr
schmerzhaft. In der Narcose erscheint das Gelenk gesund und
ein Abscess in der Scheide des Psoas ist nur mit Wahrschein¬
lichkeit anzunehmen. Abends geringes Fieber. Extension der
Wirbelsäule über dem Rollkissen und Gewichtsextension mittelst
Heftpflaster-Ansa am linken Bein, anfangs 2, später 3 Kgr.
Belastung. Schon nach 2 Tagen ist das Kind fieberfrei und
das Bein nahezu richtig stehend. Im Verlaufe der nächsten
Monate schwinden Fieber und Schmerz absolut, aber die
Schwellung der Hüfte nicht völlig; und im October Entfernung
des Rollkissens, ohne dass von Seiten der Wirbelsäule eine
Reaction erfolgt. Dagegen muss Ende November ein Congestions-
abscess unter dem Lig. Pouparti eröffnet werden. Hüftgelenk
vollkommen gesund. Der antiseptische Verband wird jede Nacht
von Urin durchtränkt und deshalb öfters Fieber. Im Januar
starke Jaucheabsonderung und Vereiterung des Hüftgelenks.
Resection am 12. Februar. Jetzt, Anfang April, ist das Kind
fieberfrei, trotzdem es an einer Mitralinsufficienz und an chro¬
nischer Pneumonie leidet. In der Wirbelsäule ist seit October
weder Schmerz aufgetreten, noch hat sich der Winkel des
Gibbus, der damals 175° betrug, vergrössert. Die Beweglich¬
keit ist zum Theil wiedergekehrt, die seitliche Dislocation aber
noch vorhanden.
9. Fall. Albicker, Paul, 24 Jahre alt, von Säckingen,
Tagelöhner, bemerkte an Weihnachten 1876 eine leichte Ky¬
phose der Rückenwirbel, nachdem er schon sehr lange, zuweilen
heftige Intercostalneuralgien gehabt hatte. Ostern 1877 kind¬
kopfgrosser Abscess am Rücken, der sich in 3 Wochen gebildet
hatte, nach 6 Wochen von selbst aufbrach und seitdem eitert.
Eintritt am 3. August 1877; Kyphose vom 7. Brust- bis zum
2. Lendenwirbel gehend, von 170°, die Spitze entspricht dem
9. Lendenwirbeldornfortsatz. Handbreit nach rechts vom 3. Len¬
dendornfortsatz, eine Fistel, die reichlich dünnen Eiter entleert.
Mit der Sonde kommt man in der Richtung der Kyphose in i
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eine grosse Höhle. Auswaschen derselben mit Chlorzinklösung,
Drainage, Extension der Wirbelsäule über einem starken Roll¬
kissen. Schon am 28. August tritt Patient aus, die Fistel eitert
zwar noch, aber der Gibbus ist völlig geschwunden, ebenso die
Schmerzen, und die Wirbelsäule kann ziemlich frei bewegt
werden.
10. Fall. Simon, Heinrich, 37 Jahre alt, von Bretten,
Heizer, fiel vor 3 Jahren von dem Kessel einer Locomotive.
Kurz nachher heftiger, immer zunehmender Schmerz in der
Lendenwirbelsäule, der zeitweise ganz verschwand, bei raschem
Bücken oder Heben einer schweren Last mit vermehrter Inten¬
sität auftrat. Im Herbst 1875 kamen Intercostalneuralgien
hinzu. Simon hustete öfter und hatte schon seit Jahren an
Ozaena gelitten. Im Februar 1877 bemerkte seine Frau, welche
ihn täglich mit Jod pinselte, eines Morgens einen geringen
Buckel, der sich ganz rapid vergrösserte. Eintritt am 15. Mai 1877.
Hochgradige Abmagerung, kann kaum gehen, stützt beim Gehen
und Stehen die Hände auf die Oberschenkel. Fortwährendes
Muskelzucken, besonders heftig in Rücken- und Bauchmuskeln;
ziehende, beengende Schmerzen im Verlauf der mittleren Inter-
costalnerven. Zeitweise so heftiges Einziehen der Bauchdecken,
dass zu beiden Seiten der Linea alba tiefe Gruben entstehen.
Gibbus von 150°, dessen Spitze dem 12. Brustwirbel entspricht
und der nach oben bis zum 7. Brust-, nach unten bis zum
5. Lendenwirbel reicht. Dornfortsätze von einander sehr weit
abstehend, der des 12. Rückenwirbels ist mit den 4 darüber
liegenden stark nach links verschoben und 5 Ctm. von dem
des 1. Lendenwirbels entfernt. Congestionsabscess nicht nach¬
weissbar. Sofort Extension über dem Rollkissen. Durch die
Muskelkrämpfe an die vornübergebeugte Lage gewöhnt, ist ihm
die Distractions-Lagerung anfangs sehr unbequem. Schon am
3. Tage aber hat er das Kissen liebgewonnen, er liegt Tag
und Nacht darauf, die Krämpfe haben aufgehört, die Schmerzen
sich erheblich gemindert. Anfang Juli geringe Schwellung und
Contractur in der rechten Hüfte, tiefer, aus dem Foramen
ischiadicum kommender Abscess nachweissbar. Adduction, Beu¬
gung und Auswärtsrollung des Oberschenkels nehmen zu und
Mitte October Punction des Abscesses mit Dieulafoy’sehen
Aspirator. Langsam wieder geringe Füllung, dann wieder Ab¬
nahme. Jetzt, Anfang April 1878, noch immer Rollkissen¬
lagerung, die Dornfortsätze haben sich genähert, der des 12. Brust¬
wirbels steht nur noch 3 Ctm. von dem des 1. Lendenwirbels
ab, die seitliche Verschiebung besteht noch, aber der Gibbus
misst nur noch 172*. Patient kann sich gut aufsetzen, drehen
und stehen. Gutes Allgemeinbefinden, blühendes Aussehen. Con¬
tractur der Hüfte ganz verschwunden.
(Schluss folgt.)
IV. Referate.
C. M. Brosius: Aus meiner psychiatrischen Wirksamkeit.
Eine Adresse an die practischen Aerzte. Berlin, A. Hirschwald.
1878.
20jährige Erfahrungen einer unter Müh- und Drangsalen gereiften
Kraft, in schlichter und ehrlichster Weise dargestellt, verdienen nicht
nur von den dem psychiatrischen Wirken ferner stehenden Aerzten,
welchen die Adresse gilt, sondern auch von den speciellen Fachgenossen
beherzigt zu werden. Wie ein Chemiker, die Retorte in der einen, die
Stoffe, mit denen er experimentiren will, in der andern Hand, so explicirt
Br. an dem Entstehen und der Entwicklung seines Hauses, wie er
zu den Erfahrungen gelangt ist, die ein so unscheinbares Gewand tragen
und doch mit so viel Aufwand an geistigen und materiellen Mitteln er¬
rungen wurden. Die ganze Darstellung ist eine Rede pro domo im
edelsten Sinne des Wortes, eine Geschichte der Psychiatrie in nuce;
viel Raum und Luft in reizendster Lage, behaglichstes Dasein wie nur
Bendorf mit Villa Sayn und seiner Waldesruh sie bieten, die letzte
Forderung, welche der Verfasser, wenn nicht an die Wissenschaft, doch
an sich selbst stellt im Interesse des Wohlergehens seiner Kranken.
Sehr anerkennenswerth ist übrigens die Offenheit, mit welcher Br.
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
436
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No *29
auf die unvermeidlichen Schattenseiten seiner wie aller Irren - Anstalten
hinweist, die man dadurch nicht bessert, dass man sie verheimlicht, wie
z. B. die Selbstmorde. Die ungünstigen wie die günstigen Vorurtheile,
welche Laien und sogar viele Aerzte in dieser Beziehung den Anstalten
gegenüber hegen, werden durch eine mysteriöse Verdunkelung der Vor¬
gänge in den letztem nur erhöht. Endlich ist Br., der als einer der
ersten Uebersetzer von Conolly seinen Kranken die möglichste Unbe¬
schränktheit vergönnt, besonnen und muthig genug, um einzugestehn,
dass er dem Principe des No-restraint nicht unter allen Umständen
huldige, sondern sich die Freiheit der Handlung wahre, und auch von
diesem Gesichtspunkte aus ist das Schriftchen, das nur wenige Groschen
kostet, lesenswerth und den Collegen zu empfehlen. Fr.
Chauvet: Ueber die Gefahr der wirksamen Arzneimittel
bei Nierenleiden. (These. Paris, 1877).
Nachdem Tord und Dickinson festgestellt hatten, dass bei
Hirnaffectionen Opium und Quecksilber nicht vertragen werden und
ähnliches von Charcot und Bouchard berichtet war, hat Ch. die
Sache einer eingehenden Untersuchung unterzogen und gefunden : dass
Chinin sulph., (welches zu Va — */* hei gesunden Nieren wieder aus-
geschieden wird), bei interstitieller Nephritis nur zu 7 10 , Vmi Vsö - V 50
eliminirt wird. — Bromkalium ist bei gesunden Nieren spätstens am
20. Tage, bei Kranken erst am 30. — 35. ausgeschieden. 2 Grm. Jod¬
kalium normal nach 3. bei Nephritis nach 5—12 Tagen, 8 Grm. Natr.
salicyl. normal nach 2—3 Tagen — bei Nierenläsionen nach 5—6 Tagen. —
Verfasser räth daher mit Recht, sich bei der Ordination activer und
namentlich toxischer Mittel (besondere der Alkaloide) versichert zu halten,
dass die Nieren intact sind, ferner bei gerichtlich-medicinisehen Recherchen
bezüglich der Vergiftung durch Alkaloide etc. den Zustand der Nieren
wohl in Betracht zu ziehen.
Ueber infectiöse Myositis.
Die schon von älteren Autoren als maligne Myositis, von Hayem
infectiöse Myositis genannte Affeetion hat Nicaise zum öfteren
beobachtet und zwar in 2 Fällen spontan, in einem dritten nach einer
Lymphangitis cruris entstanden. Die Affeetion beginnt unter heftigen
Schmerzen und endet unter schweren Allgemeinerscheinungen rapid todt-
iich. Bei der Autopsie fanden sich einzelne Muskeln (meist der Ex¬
tremitäten und des Thorax) zu Eiter und Jauche aufgelöst. Da die
inneren Organe keine Spur von parenchymatöser Erkrankung oder von
Abscessbildung zeigten, so handelt; es sich wahrscheinlich um eine schwere
allgemeine Infection, deren hauptsächlicher anatomischer Ausdruck eine
diffuse, eitrige Myositis ist. (Die so wichtig erscheinende Frage, ob
nicht puriform zerfallene Venen-Thromben die erste Veranlassung seien,
ist gar nicht aufgeworfen, auch gar nicht nach solchen sorgsam gesucht
worden, Ref.) E. Pick.
V. Verhandlugen ärztlicher Gesellschaften.
Berliner ■edieinisehe Gesellschaft
Sitzung vom 20. Februar 1878.
Vorsitzender: Herr He noch.
Schriftführer: Herr Ries.
Das Protocoll der vorigen Sitzung wird verlesen und angenommen.
Zu demselben bemerken nachträglich:
Herr Senator: In der vorigen Sitzung hatte ich mir Vorbehalten,
Ihnen die Angaben der neuesten Schriftsteller und insbesondere Bartels 1
über die Ilarnstoffausscheidung und über etwaige Zurückhaltung von
Harnstoff im Blut im Original vorzulegen, da meine Behauptung, dass
diese ebenso wie ich, im Beginn und während der längsten Zeit der Krank¬
heit die Harnstoffausscheidung in der Regel nicht vermindert und daher
das Blut als nicht überladen mit Harnstoff angeben, bestritten wurde. Es
heisst nun in dieser Beziehung in dem hier vorliegenden Handbuch
der Krankh. des Harnapparates von Bartels, Leipzig 1875
(v. Ziemssen’s spec. Pathol. IX) S. 406: „In der Regel hält sich
der procentische Hamstoffgehalt bei ausgeprägten Fällen zwischen 1 und
2 Proc. und sinkt gelegentlich selbst unter 1 Proc. Durch die Poly¬
urie aber, womit die Krankheit meistens verbunden ist, '
wird in der Mehrzahl der Fälle der wegen des geringen
Procentgehalts scheinbare Ausfall in der Harnstoffaus¬
scheid ung Jahre lang gedeckt.“ Ferner S. 425 u. f.: „Allein prüft
man durch sorgfältige Harnanalysen die Gesammtlcistung der kranken
Nieren in dieser Hinsicht, so findet man, wie die oben von mir beige¬
brachten Ergebnisse unserer Analysen beweisen, dass der geringe
Procentgehalt des Urins an Harnstoff und Salzen durch die
grosse Menge des Gesammtharns ausgeglichen wird, ja
dass die kranken Nieren unter Umständen mehr Harnstoff j
abzusondern vermögen, als die gesunden Nieren abzuson¬
dern pflegen etc.“ Ueber das Blut sagt Derselbe S. 409—410: „Unter¬
suchungen des Blutes von mit Nierenschrumpfung behafteten Kranken
habe ich mit Ausnahme eines Falles leider nur in den letzten Stadien
der Krankheit angestellt. — Harnstoff habe ich mehrmals aus dem
A lcoholextracte des Blutes solcher Nierenkranken darstellen können; in
der Mehrzahl blieb der Versuch erfolglos. Die Ergebnisse
meiner Blutuntersuchungen gestatten nun durchaus keinen
Schluss auf die Beschaffenheit des Blutes in dem früheren '
Verlauf der Krankheit, da etc. . . . Nach dem vortrefflichen Er¬
nährungsstande und dem ungeschwächten Kraftmasse, dessen sich viele
Personen zuweilen noch Jahre lang nach Beginn des Nierenleidens er¬
freuen, muss man annehmen, dass das Blut trotz der Nieren¬
krankheit eben so lange normale Beschaffenheit und nor¬
male Mischungsverhältnisse bewahren kann. Erst wenn die
Nieren ausser Stand gekommen sind“ etc. Ferner S. 428 und 429:
„Zunächst ist ersichtlich, dass die Funetionssterangen, welche die Nieren
durch den Schrumpfungsprocess erleiden, nicht geeignet sind, die Blut¬
mischung von Anfang an wesentlich zu alteriren, dass also insbesondere
so lange wie die für diesen Process wesentliche Polyurie anhält, eine
Hydrämie nicht zu Stande kommen kann. — Nicht minder beweisend
für die naturgemässe Beschaffenheit des Blutes während langer Zeit des
Verlaufs dieser Krankheit ist der gute Ernährungsstand des Körpere etc.“
Sie werden, ra. H., hieraus ersehen können, ob iclf die Meinung
Bartels 1 richtig aufgefasst habe und was die Regel, was die Ausnahme ist.
Ein anderer neuester Autor, Lecorche, sagt in seinem „Trade
des reins, Paris 1875, S. 388“: „Man kann gegenwärtig behaupten, dass
immer Polyurie besteht —, dass für den Urin in chemischer Beziehung
characteristisch ist (que l’urine a pour caraetere chimique), in 24 S t under
die normale Menge Harnstoff zu enthalten.“
In Bezug auf das Blut bei derselben Krankheit heisst es dort
S. 385: „Das Blut ist noch nicht Gegenstand sehr ausgedehnter Unter¬
suchungen gewesen, indessen können wir sagen, dass man in ihm ver¬
gebens jene characteristischen Veränderungen einer Dyscrasie, wie >ie
manche Autoren annehmen, gesucht hat. Man findet Extractivstoffe
darin nur dann, wenn die Niere zur Entfernung derselben unzureichend
wird etc.“
Ich könnte noch englische Autoren anführen, welche sich ähnlich
aussprechen, nämlich, dass die Harnstoffausscheidung wenig oder gar
nicht verringert ist, so lange die Urinmenge nicht sinkt (Grainger
Stewart, Dickinson), wobei noch zu bedenken, dass ausserdem
1 Eiweiss ausgeschieden wird! Wo die Harnstoffmenge entschieden ver-
| mindert gefunden wurde, wie z. B. von Bostock, Christison, Fre-
, richs, Traube, Rosenstein, da ist zwischen chron. parenchyma¬
töser und interstitieller Nephritis, zwischen der sog. secundären Schrum¬
pfung und der primären Nierenschrumpfung nicht unterschieden, und
es beziehen sich ausserdem die Analysen fast stets auf die letzte Zei:
der Krankheit. Auf den gleichzeitig mit dem Eiweiss ausgesehk-dener
Stickstoff ist dabei von vielen auch keine Rücksicht genommen worden.
Herr Ewald: Ich habe mich bei meiner in der vorigen Sitzung
gemachten Bemerkung, dass auch Bartels vod einer Retention de?
; Harnstoffs bei chronischer interstitieller Nephritis spräche, auf folgende
! 2 Stellen bezogen: 1) „Durch die Polyurie aber, womit die Krankheit
meistens verbunden ist, wird in der Mehrzahl der Fälle der wegen
des geringen Procentgehaltes scheinbare Ausfall in der Harnstoffaus-
scheidung Jahrelang gedeckt.“ — In der Mehrzahl, also durchaus nicht
in allen Fällen. — 2) „Bei in der Gesammternährung sehr herunter¬
gekommenen Individuen nimmt aus nahe liegenden Gründen auch die
I Total-Menge des täglich ausgeschiedenen Harnstoffs beträchtlich ah:
ebenso wenn intercurrente Kreislaufsstörungen vermindert auf die arterielle
Spannung wirken.“ (p. 406 und 407 im Handb. d. Krankheiten des
Harnapparartes.) Im übrigen beharre ich bei meinen über den Werth
derartiger Harnstoffuntersuchungen bereits gemachten Bemerkung$r.
Vor der Tagesordnung berichtet Herr Falck über den Stand der
Gesellschaftsbibliothck. Dieselbe enthält zur Zeit:
670 Bücher, Monographien und Separatabdrücke, 1182 Dissertation:-!
und 71 Badeschriften, ausserdem in mehr oder minder vollständisrer.
Jahrgängen 84 deutsche, 21 englisch-amerikanische, 17 französische,
2 russische und 1 norwegische Zeitschriften.
Regelmässig gehen der Bibliothek zu 45 deutsche, 15 englisch-
amerikanische, 10 französische und 1 belgische, zusammen 71 Zeit¬
schriften, davon kostenfrei 3 durch die Redactionen und 7 durch die
Ilirschwald’sche Verlagsbuchhandlung und ira Austausche 6 deutsche
und 8 englisch-amerikanische.
Im Tausche mit wissenschaftlichen Gesellschaften erhält die Biblio¬
thek von Sitzungsberichten 10 deutsche, 3 englische, 1 belgische. 1 fran¬
zösische, 1 spanische und 1 norwegische.
(Schluss folgt.)
VI. feiillttti.
Spiegelschrift bei Hirnkrauken.
▼on
Dr. Wolzendorff, Greifswald.
In No. 1, 1S78 der klinischen Wochenschrift brachte Dr. Buch-
wald eine Arbeit über das Vorkommen der Spiegelschrift bei Hirn¬
kranken. Da nach seiner Angabe die einschlägige Literatur bis jetzt
sehr klein ist, so dürfte nachstehende, im Auszuge gegebene Kranken¬
geschichte um so mehr Aufmerksamkeit verdienen, als sie vielleicht die
erste Beobachtung dieser merkwürdigen Erscheinung darstellt.
Ein Mädchen von 21 Jahren litt an einem Unterechenkelgeschwiir,
nach dessen Heilung sich Appetitlosigkeit, Stuhlverstopfung, Laschheit
der Glieder, sowie jeden Nachmittag Uebelkeit, Erbrechen und Schaudern
einstellten. Vierzehn Tage später traten an die Stelle dieser schein¬
baren Intermittens-Anfälle sehr heftige, stundenlang anhaltende epilep-
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Gck igle
Original fro-m
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22. Juli 1378.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
437
tische Krämpfe, nach deren Beendigung d\e Kranke in einen extatischen
Zustand verfiel: Sie sang Hymnen, lachte, sagte deutsche Verse her,
redete über die Lage Verstorbener, von geöffnetem Himmel und zu¬
künftigen Dingen! Nach der Rückehr zum Bewusstsein fehlte die Er¬
innerung an das während des Anfalls Geschehene.
Diese Anfälle kehrten mit grosser Regelmässigkeit wieder, sie kün¬
digten sich an durch Angstgefühl und ein über den ganzen Körper ver¬
breitetes Frösteln. Stets entwickelten sie sich in bestimmter Reihenfolge:
Zuckungen der linken Gliedmassen folgten solche der rechten; alsdann
wurde der Kopf nach rechts und links geschleudert, der Mund verzerrt, und
schliesslich der ganze Körper so emporgehoben, dass er einen Bogen bildete.
Es heisst nun in der Krankengeschichte wörtlich weiter:
Immo totum denique latus sinistrum sensu motuque carebat, sic
ut nec iste oculus videret, nec auris audiret, abolito quoque linguae usu,
et saepe per 48. horas, quasi attonita cubaret. Tune, si quid veilet,
gestibus tabellam cum creta poscebat, tune laeva manu, ordine in-
verso, a dextra versus sinistram, Judaeorum more, quin in-
versis quoque litteris, clausis etiam oculis, ocyssime scribebat, hunc
vel illum v. gr. peregre venturum, hunc vel illum esse pro foribus etc.
:sic ut, quae scripsisset, legi non possent, nisi obversa speculo:
exempli gratia, quum scribere vellet: Gott Lob und Dank; ita scribebat
•quod jam utcunq; sana nulla arte efficere potest
In 4 Monaten besserte sich der Zustand etwas, wurde jedoch im
Herbst wieder schlimmer, um später abermals nachzulassen!
Diese interessante Krankengeschichte ist in den Ephemerides German.
Dcc. II. Annus VI, 201 vom Jahre 1688 von Dr. Rosinus Len-
tilius, phys. ord. in Nordlingen mitgetheilt! Obwohl er die Erkrankung
selbst ziemlich sicher als Kriebelkrankheit oder als convulsiones scor-
buticae ansieht, so ruft er doch am Schlüsse seines Scholium aus: Quae
autem sit ratio locutionis rhythmicae, miraeque scriptionis, aliis hactenus
inquirendum relinquam, tametsi nec mihi, quod opincr, desit!
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. In Breslau finden vom 1. October bis 1. November er.
practische Ausbildungscurse für Aerzte statt, welche folgende
Disciplinen umfassen: 1) Chirurgie (Prof. Fischer), 2) Dermatolo¬
gie und Syphilis (Prof. 0. Simon), 3) Gynäkologie (Prof. Freund),
4) Interne Medicin (Prof. Biermer), 5) Laryngo- und Rhino-
scopie, Otiatrie (Prof. Voltolini), 6) Neuropathol. und Elee-
trotherapie (Prof. Berger), 7) Ophthalmologie (Prof. Förster),
8) Pädiatrik (Docent Dr. Soltmann), 9) Pathol. Anatomie
(Prof. Pon fick). Diejenigen, welche sich an den Cursen betheiligen
wollen, müssen sich bis zum 15. September gemeldet haben. Anfragen
etc. per Adr. „Prof. Simon, Breslau, Allerheiligenhospital“.
— Herr Prof. Spiegelberg hat den an ihn ergangenen Ruf nach
Strassburg jetzt definitiv abgelehnt und wird somit der med. Facultät
in Breslau erhalten bleiben.
— Zum Deutschen Aerztctag, der am 6. und 7. August er.
in Eisenach stattfinden wird, sind für Berlin delegirt: vom Verein
Friedrich-Wilhelmstadt und Nord verein: Dr. Stropp; Verein Friedrich¬
stadt: Sanitätsrath Priv.-Doc. Dr. B. Frankel (zugleich von der medi-
cinischen Gesellschaft), Dr. A. Oldendorff, Priv.-Doc. Dr. Paul Gutt-
mann; Verein Königstadt: Medicinal - Assessor Priv.-Doc. Dr. Sander,
Dr. Seema nn; Verein Louisenstadt: Sanitätsrath Dr. Semler, Medicinal-
rath Dr. von Chamisso; vom Ostverein: Sanitätsrath Dr. Rintel;
vom Westverein: Dr. Bo er n er; vom Süd-Westverein: Dr. C. Küster.
Das Kgl. preussische statistische Burean hat den Decernenten für
Medicinalstatistik, Dr. Guttstadt, beauftragt, an den Verhandlungen
fies Aerztetages Theil zu nehmen. (Die Mittheilung der Tagesordnung
des Aerztetages erfolgt in der nächsten Nummer unseres Blattes).
— Die neuesten Veröffentlichungen des Gesundheitsamtes bringen
über das Ausland folgende Nachrichten: Den Pocken erlagen in Wien
in der Berichtswoche 17, in Odessa 26, in Petersburg 18, in Warsohau
HO Personen. Todesfälle an Unterleibs- wie Flecktyphen wurden in den
russischen und rumänischen Städten seltener; dagegen stieg in Odessa
die Zahl der Todesfälle an Rückfallsfieber auf 27. Auch Darmcatarrhe
der Kinder mit tödtlichcm Ausgange forderten in den russischen Städten
Petersburg, Odessa, Warschau, sowie in Pest zahlreiche Opfer.
In der Sitzung des internationalen Gesundheitsrathes zu Constan-
tinopel vom 26. Juni er. wurde beschlossen, den auf den Flecktyphus
sich beziehenden Vermerk auf den Gesundheitspässen dahin zu modifi-
ciren, „dass die herrschende Krankheit im Abnehmen begriffen ist.“
Die Berichte über den Gesundheitszustand unter den Emigranten
in Constantinopel lauten günstig. Die Blattern sind vollständig er¬
loschen, und in Stambul sowie auf der europäischen Seite des Bosporus !
ist der Flecktyphus in rascher Abnahme begriffen, während in Scutari j
und auf dem Alemdagh noch neue Fälle beobachtet werden. In Stambul !
ist die Mortalität unter den Flüchtlingen von 1000 auf 400 in der Woche
gesunken.
Laut Berichtes des Kaiserlichen Generalconsuls in Warschau vom
14. d. M. sind in der Gemeinde Drzewica, Kreis Opoczno, Gouvernement
Radom in Russisch-Polen die natürlichen Menschenpocken ausgebrochen.
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Gck igle
Bis zum 20. Mai d. J. waren 45 Personen daran erkrankt, von denen
19 genesen, 13 gestorben und 13 in Behandlung verblieben sind.
Einer amtlichen Mittheilung aus Montevideo vom 10. Mai 1878 zu
Folge haben sich seit dem 25. Februar dieses Jahres daselbst Gelbfieber¬
fälle wiederholt, zuerst, wie beim Anfang dieser Epidemie stets vorzu¬
kommen pflegt, von einigen Aerzten verneint, zuletzt jedoch als solche
allgemein anerkannt. Das Uebel hat sich jedoch nicht verbreitet und
dürften ihm im ganzen nicht über zwanzig Personen erlegen sein.
— In der Woche vom 9. bis 15. Juni sind hier 775 Personen ge¬
storben. Todesursachen: Masern 17, Scharlach 17, Rothlauf 2,
Diphtherie 23, Eitervergiftung 3, Kindbettfieber 3, Typhus abdom. 5,
Flecktyphus 2, Dysenterie 9, Gelenkrheumatismus 2, Syphilis 4, mine¬
ralische Vergiftung 1, Delirium trem. 1, Brandwunden 1, Sturz 5 (1 Selbst¬
mord), Erschiessen 2 (Selbstm.), Folge von Operation 2, Erhängen 2 (Selbst¬
morde), Ertrinken 2 (Selbstmorde), Lebensschwäche 37, Abzehrung 33,
Bildungsfehler 1, Atrophie der Kinder 9, Altersschwäche 11, Krebs 8,
Wassersucht 3, Herzfehler 6, Hirnhautentzündung 13, Gehirnentzündung 11,
Apoplexie 14, Tetanus und Trismus 8, Zahnkrämpfe 6, Krämpfe 49,
Kehlkopfentzündung 8, Croup 4, Pertussis 2, Bronchitis acuta 2, chronica 9,
Pneumonie 35, Pleuritis 2, Phthisis 81, Peritonitis 4, Metritis 1,
Hydrops ovajrii 1, Diarrhoe 75 (darunter 73 Kinder unter 2 J.), Brech¬
durchfall 147 (Kinder unter 2 J.), Magen- und Darmentzündung 1,
Magen- und Darmkatarrh 14 (darunter 13 Kinder unter 2 J.), Nephritis 5,
Blasenleiden 1, andere Ursachen 67, unbekannt 3.
Lebend geboren sind in dieser Woche 387 m., 399 w., darunter
ansserehelich 48 m., 58 w.; todtgeboren 28 m., 16 w., darunter ansser-
ehelich 7 m., 6 w.
Die .durchschnittliche Sterblichkeit dieser Woche beläuft sich
auf 39,1 pro Mille der wahrscheinlichen Bevölkerungszahl, die ent¬
sprechende Geburtenziffer auf 39,7 pro Mille (beide Summen mit Aus¬
schluss von 2,2 pro Mille Todtgebomen).
Witterung: Thermometerstand: 14,29 R. Abweichung: 0,58R.
Barometerstand: 27 Zoll 9,57 Linien. Dunstspannung: 4,66 Linien.
Relative Feuchtigkeit: 70 pCt. Himmelsbedeckung: 6,7. Höhe
der Niederschläge in Summa: 7,8 Pariser Linien.
In der Woche vom 16. bis 22. Juni sind in Berlin gemeldet:
Typhus-Erkrankungen 18 (9 fi., 9 w.), Todesfälle 7.
Berichtigung. Die erste Laryngotomie wegen Kehlkopfspolypen
durch Ehrmann geschah 1844, nicht 1877, wie ein Druckfehler in der
vorigen Nummer berichtete. __
VII. Amtliche HittheHugea.
Personal!».
Auszeichnungen: Seine Majestät der König haben Allerguädigst ge¬
ruht, dem Geheimen Medicinalrath und Professor Dr. Esmarch an
der Universität zu Kiel die Erlaubniss zur Anlegung des ihm ver¬
liehenen Grossherrlich türkischen Medschidje-Ordens dritter Klasse,
so wie dem practischen Arzt und Privatdocenten an der Universität
zu Berlin, Dr. Löhlein die Erlaubniss zur Anlegung des ihm ver¬
liehenen Ritterkreuzes erster Abtheilung des Grossherzoglich sächsi¬
schen Haus-Ordens der Wachsamkeit oder vom weissen Falken zu er-
theilen, und dem pract. Arzt etc. Dr. med. Dann eil zu Calbe a.,/Milde
den Character als Sanitätsrath, so wie dem Apotheker Otto Friedrich
Kirchberg zu Liegnitz das Prädicat eines Königlichen Hof-Apothe¬
kers zu verleihen.
Anstellungen: Der practische Arzt etc. Dr. Farne zu Stettin ist mit
Anweisung des Wohnsitzes in Danzig zum Kreiswundarzt des Land¬
kreises Danzig und der Arzt Dr. Schnabel aus Münsterburg mit
Anweisung des Wohnsitzes in Kupp zum Kreiswundarzt des Kreises
Oppeln ernannt worden.
Niederlassungen: Arzt Lingnau in Roessei, Arzt Lauenstein in
Rodewald, Dr. Alfred Neumann in Peckelsheim, Dr. Müller-War¬
neck in Bielefeld, Dr. Zacker in Düren, Irren-Anstalt, Dr. Barth
in Eupen.
Verzogen sind: Dr. Kornalewski von Johannisburg nach Allen¬
stein, Dr. Marks von Bielefeld nach Brackwede.
Todesfälle: Dr. Meyer in Rodewald, Assistenzarzt Dr. Schulz in
Münster.
Bekanntmachungen*
Die Kreis wundarztstelle des Kreises Warendorf ist vacant. Quali-
ficirte Bewerber um diese Stelle werden hierdurch aufgefordert, sich
unter Einreichung ihrer Approbation als Arzt, Wundarzt und Geburts¬
helfer, des Fähigkeitszeugnisses zur Verwaltung einer PhysicatssteUe,
sowie sonstiger über ihre bisherige Wirksamkeit sprechender Zeugnisse
und eines ausführlichen Lebenslaufes bis zum 15. nächsten Monats bei
uns zu melden.
Münster, den 4. Juli 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Darch den Tod des bisherigen Inhabers ist die Kreis wundarztstelle
des Kreises Bublitz, mit welcher ein Gehalt von 600 Mark verbunden
ist, erledigt. Qualificirte Medicinalpersonen, welche sich um diese Stelle
bewerben wollen, werden aufgefordert, binnen 6 Wochen unter Ein¬
reichung ihrer Zeugnisse und eines Lebenslaufes sich bei un s zu melden.
Cöslin, den 8. Juli 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
438
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 29
Die Kreiswundarztstelle des Kreises Cöslin ist noch nicht besetzt.
Qualificirte Medicinalpersonen, die sich um diese mit 600 Mark dotirte
Stelle bewerben wollen, werden aulgefordert, sich innerhalb 6 Wochen
unter Einreichung ihrer Atteste und eines Lebenslaufes bei uns zu melden.
Cöslin, den 8. Juli 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Inserate.
Für das Bürgerhospital Worms soll ein Assistenzarzt angestellt
werden. Gehalt bei freier Station Anfangs 500 M., später 600 M. An¬
meldungen zu richten an den Bürgermeister der Stadt Worms: Heimburg.
Durch den gestern erfolgten Tod des 2. Arztes hier, welcher zu¬
gleich das Amt eines Kreiswundarztes bekleidete, ist die Niederlassung
eines 2. Arztes für hier und Umgebung dringendes Bedürfniss. Nähere
Auskunft ertheilt auf Verlangen die Unterzeichnete Behörde.
Liebau, den 6. Juli 1878.
Der Magistrat_
Für die im October zu eröffnende Irrenklinik zu Heidelberg wird
eine circa 30 Jahre alte, geb. Oberwärterin, zugleich Weisszengbeschliesse-
rin gesucht. Gehalt 750 Mark bei vollkommen freier Station. Kennt¬
nisse in der Pflege Geisteskranker erwünscht. Meldungen mit den betr.
Zeugnissen werden erbeten an die
Heidelberg, 6. Juli 1878. Direction der Irrenklinik.
Prof. Fürstner.
An der im October zu eröffnenden Irrenklinik zu Heidelberg sind
zwei Assistenzarztstellen zu besetzen. Gehalt 900 Mark bei freier Station.
Gef. Meldungen werden erbeten an die
Heidelberg, 6. Juli 1878. Direction der Irrenklinik
_ Prof. Fürstner. _
Gesucht wird zum 1. October 1878 ein jüngerer College als Assistenz¬
arzt von
Dr. Lehmann.
Privat-Irrenanstalt. Pirna , Sachsen .__
Ein jung, approb. Arzt als Vertreter, spätestens zum 1. August, auf
mehrere Monate nach einem kleinen Städtchen (Prov. Hannover) gesucht.
Offerten unter Angabe der Bedingungen durch die Exped. dieser Ztg.
sub litt. X. Z. 63. _
Ich suche für ? — 4 Wochen im August einen Vertreter, der mit
den täglichen Vorkommnissen der ophthalmologischen Praxis vertraut
sein muss. Gef. Offerten direct an
Zittau. Dr. Otto Just, Augenheilanstalt.
An hiesiger Prov.-Irren-Anstalt ist die Stelle eines Assistenzarztes
mit einem Gehalt von 1200 Mark und freier Station I. Classe baldigst
zu besetzen. Jüngere, unverheirathete Aerzte evangelischer Confession,
welche darauf reflectiren, wollen ihre Bewerbung unter Einsendung ihrer
Zeugnisse und Lebenslaufs bis zum 1. September an den Unterzeichneten
richten.
Lengerich i. W., den 15. Juli 1878. Der Director
_ Dr. Vorst er. _
Ein promov. Dr. med., der bereits 2 volle Jahre ärztliche Praxis
selbstständig ausgeübt, wünscht einen Herrn Collegen während der Mo¬
nate August und September, mitunter auch October, zu vertreten. Gef.
Off. sub F. A. 67 durch die Exped. d. Bl.
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treter eines Collegen. Gef. Off. sub M. S. 48 durch die Exped. d. Bl.
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hier anwesende, von genannter Gesellschaft „zur Wahrung ihrer Inter¬
essen“ speciell angestellte Badearzt Herr Dr. Münzel.
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439
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■ Liebe’s Malzextmt-Leberthran,
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Malzextrect (inncli Dr. Pa vir i» : Chicago);
fcfiösü.s Pfiijjaral halt sirir utiveränderf, wird, m ^oiubi®its/6m
(-b>.tu Cbyius enuprccbmifi), ieicht auiraiürt, und wegen des voll-
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is^slmvHhatidlonsr von Jiigäät 'tltr*>rhyral4 in Öe* -
Ün fiC Vr, V#ü8*. den Luiden 68 i eioeencieu
ExNSCHIüPT
Organ für practiselie Aerzie.
Mit Berücksichtigung der preussischen Medicinalverwaltung und Medicinalgesetzgebüng,
nach amtlichen Mittheiinogen.
Redacteur: Prof. Br. L WaMcoborg. \^.rlug ; Vdü August Hirsrliwald in Brrliu.
Montag, den 29. Juli 1878.
MB
Füshelmter Jahrgang.
Inhalt; 1. W.‘.«tphal: Ücher 'MpU l!osoopio. — U St:b»/e3o 3 .'»UP.A’^uUttk und .Symplumo-tologie üpr A«irfcer»- Anc wtmwau. — Ilf. An*
*lur cblnargfschen Klinik des Herr» P*of l>f, Mä*s zu Frcftmrg L tt.t Äcrijb'a: I?; itniuv zw m^hanmeheti Bc J bR?jd Utri>;, r ;der. Spondylitis
(Schluss). — IV. Referate (Kino ••.nla-'L; üSietHMdc zur• nbomscovfacltfm Utvtsrsiichiuig des Hirnes aut S|»iri 11»-** - — Zur Im-uhuUmydes
Scharlach). — V. Viybaiidhuiger» äriUivfeor tlcaHUrh alten (Ötrji7i»:r nuaiicinisdtt •llcseJlsehafp. — VI. Femlktcm (Kfom SommeriVlsebe
im Ober-Epggclin. Pension jiv 'Wl Ftei.to TÄ^ost'trdpnng: Air (he Verbund lungeif dfi$.' Amtotägca ih Kiiwnafth äßi 6; wirf
7 August er. — Tagcsgescb »eht Wehe Noiizmv). — VH Amtliche Miu-heiluntjen. — (riscr.it:>.
1 . P«b«r JleUlbscopif.
(Vortrag geh^Uen in 4 w Berliner mp 4 icinisc.Uon ;< 5 e*d.tscliufk
Sitzung vom b, Juni 1$?K,)
.Von“
Frei. «. «>Rt{bhah
St. H.J SU j Litib.eii gewiss bereits von der merkwürdigen
Th&te&che fermtni»» geriummoir, die .stjlt: etwa uinem Jahre aus
. Frankreich heffciitet wird, das* aoHstbe-tispbe Hautpartien durch
blasses Auflegen von Metallplatten auf dieselben wieder sen¬
sibel gnwJäcJät künnen. Ein *ier#rAuf!egen von
JltftaiipUttanv ^elk^Bt in vpritcfciede^ü Lätwibrn zu verschie¬
denen Heilzwecken als Volksaiittel üblich gewesen und £ufti
Thcdl föfek im G^hrzvrb zu sein, fflu Thafo&cfeb indes»« um
J\a es sich gegen wUirtrg’- handelt,, knüpfen, zunächst au Buob-
Ächtußgeii an, die tiF.rsrt: in sie« Jahren 1^4*5 nnd l*4d von
dem frahzüßi5clieA Arzte Br; Bur<j gemacht und weiterhin in
den versciiiedengten lenser Ro^pitälern, im hopltal Gochin in
den Abtb.öd'uogai'' ben v e imd Nobat, später in
dör Salpetri^re m der Abtheiluoß rou Lelut u. s. w, angestellt
wurden. Barq <elieiat indess damals nicht recht zur Aner¬
kennung damit gelaugt zu sein, wenigstens hörte. man nichts
davon, big eP int August 1H76 bei d^r 8fudetc de biolagie den
Antrag stellte, eine (JocLindsHiou. zur Uötersuehuäg.' der von ihm
behaupteten That^sclien zu enienrum. Diese Oöiümigsfon wurde
in der Thal erbgiVöt aud bestarid aus den Herren Charcöti.
Lujs und Dumontpallier; Ifitzterer erstattete deu Bericht
der Cmumissum in der Sitzung der Societe de budogi^ vom
14. April 1-S77- Die Yor^ho so!bst waren in der Abtheihmg
des Herrn OliRrcot in der ^plpetnere angesteilt worden.
Bunt hatte folgende Stdiautdungen aufgusteijt;
1) Mau ianu die Rückkehr der .SettsiMJHäi der Eptf\ .bei
Anästhesie durch dte Äpjtiitutiöii. von j^efalteji auf die Haut
erzielen.
2) Jeder Kränke hat eine besondere Iilfns) nkrasie, d. b.
eine, imbvidneile iti»posUimi,.. durch dieses oder jenes Mctält
beeujftusst zu w»erden.
äi) Dies Verhalten der Sensibilität stellt in Beziehung zu
$ipte ^Ügcmeiiftzastande,, derart, (lass das Metall, welches die
Sensibilität, der jinasthetischeu f heile, des betreifeudou KrankßU
wieder heisttdlt. itineriicii gereicht, auch auf den Aü^eineiu-
zTi^tHnd h eilend eiijzuwirken v ermag.
Schon bevor die C^n^ru^Sioft tol-DuterSitchuiög ,h«goimeß
liUtle, waren voii Hbrrn niiUrCMf Ye-r^ucbo'; gcrtiachD deren
Resultate die Behauptungen von Hm gu hestAHgen geeig(*et
wüfreU, ln Deutschiaml dagegen^ utieh in Engiupd. wären diese
Thai:*iiehe?j mit dom giühstci« Misstrauen «nlgennmifbeu xvorften,
ein Misstraueu, welches ich um so mehr theiUe. äis einig« Vei -
Suehe an anästhetischen hysterischen Personen uns nur negative
ResnUate ergeben hätten; ich. Viüss:•••mdä«».' b.eihr'vk.ähv• dä»» die¬
selben cdclit ganz »tsteniatiscb augesteüt worden waren, in¬
zwischen häuften sich die von Paris auv honehteten f hntsacbeUv
die Commission erstattete ihren Bericht ini April. DS?7 im Sinne
der Angaben ßbr^W unter Öinzufügen neu gefundener Tliat-
sachen« Und Schien m der That nicht mehr eBupht, sich
einfach ähwmä'end. dagegen an verbalhm. Unter diesen
ständen hielt ich «s füv Vflh'bf. ^idbnt-an ijrt und Stelle von
den beliönptefen ThaDuchen Kexviitni^»- xd nehmen, uml begab
mich zu die'senii Zwecke im April d. J. nach Paris, Herr
Charcot hatte die DePUligkeit, mir in der Salpetrige die
Kranken« wetefte die in Kede Stehenden ErseUenmngeu zeigter!«
nach den ver^rjuedenun HicbtungeT) zu deinonstnren. Bevor
ich Ihnen jedoch über das, was ich gesehen. den Inhalt
dUK von der CmumDMon erstatteten Berichtes und über meine
eigenen, nach meiner Rückkehr angCKteUten Versuche: berichte,
«fei es nur gestaltet^ Ihnen einige Krunkh vorzufuhren, welche
die Art der Sen^ild|itätAsternng ze%on, nro welche allein es
sich mit dirrfgeri AhAnälimen — in den franzokiÄgn Vor-
sochen...-gehandelt hat. E» waren hystefmäie weihlinte; Indm-,
teß mir ^Der nach hpteriachea Anfällen oder .spohf&n
»tammrien Heiri»aUu>dhe>?ie, an welcher die Sinnesorgane Tlicji
nahjtpejK '.-dass 1 ^ die Sehschärfe und besonder» der Farjheu^in«.
die Her^chdxbi. Geschmack nod Geruch der betreffenden Seite
aufgehoben oder -stark, beeinträchtigt waren.
Sie kalten hier eine Patientin, bei welcher die Baut der
gsmäeii hrdvou Körper hälfte anästhetisch ist and zwar für alle
Umphrid»npqanbtäten. Ich steche eine Nadel tief m die Finger--
kuppet! find in die Haut zwhäcfee« die Finger, durchbohre den
NaseaßügeU die IJpjMin n. a. wy ohne das» die PaUedtiii wel»»,
■»lass überhnhpf .etwa» äh; ihv vofg^mtpmien l»t; die Hv.twia-
nästhe^ie schneidet- wie Sie stehen, scharf-in der Mittellinie ab.
Nur eine einzige Steife zeigt hjcU emphndlich dabei* wenn ich
eine etwa eirtc Mark ^ hinter dem Ohre treffe,
xnckt di<? Kranke jedr-sinal ?,ü»äramen unter .einer ^chnieiri :
emptindüng. .fe» '{si um so m erkwiitdiger % . al» ich ^uch
442
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 30
bei einer anderen Kranken — beide hatten sich, beiläufig ge¬
sagt, niemals gesehen — ganz dieselbe Stelle sensibel fand bei
sonst vollständiger linksseitiger Hemianästhesie. Es zeigt die
Ihnen vorgestellte Patientin gleichzeitig Verlust des Muskel¬
sinnes linkerseits, was sich sehr schön demonstriren lässt; ich
hebe den linken Arm in die Höhe, welcher eine Zeit lang in
dieser Position verharrt, und lasse die Kranke mit der rechten
Hand nach der linken greifen; Sie sehen, wie sie an die Stelle
greift, an welcher sich die Hand vorher, beim Herunterhängen
des Arms, befunden hatte, und wie sie nun, da sie sie dort
nicht findet, herumtastet und herumsucht. Sie hat also keine
Vorstellung von der dem linken Arm gegebenen Stellung. Eine
Anästhesie der Sinnesorgane ist bei dieser Kranken nicht vor¬
handen, dagegen besteht sie bei der zweiten Kranken, die ich
Ihnen vorführe, linkerseits und zwar verbunden mit Anästhesie
der Haut derselben Seite. Namentlich zeigt die Kranke auch
fast vollständigen Verlust des Farbensinnes. Leider kann ich Ihnen
im Augenblick diese Anästhesie der Sinnesorgane nicht demon¬
striren, da die Patientin durch die vor einigen Tagen geschehene
Application von Metallplatten ihre Sensibilität, auch der Sinnes¬
organe, wiedererlangt hat; erst seit heut beginnt die Sensibili¬
tät wieder abzunehmen, und Sie sehen, dass ein Theil der
linken behaarten Kopfhaut bereits wieder unempfindlich gegen
Nadelstiche geworden ist.
Eine andere Erscheinung von Interesse indess lässt sich
bei dieser Patientin noch demonstriren. Wie Ihnen bekannt,
hat Herr Charcot die Beobachtung gemacht, dass ein Druck
auf eine bestimmte Stelle des Abdomens der Seite, welche Sitz
der Anästhesie ist, sehr schmerzhaft ist, und zwar vertritt er die
Ansicht, dass es der Druck auf das Ovarium ist, welcher den
Schmerz verursacht. Dem entspricht das Verhalten bei unserer
Kranken: ich drücke auf die betreffende Stelle der linken
Seite, die Kranke schreit- laut auf unter der unzweideutigsten
Mimik des heftigsten Schmerzes und kann sich nur schwer
davon erholen; eine auraartige nach dem Halse und Kopfe
aufsteigende Empfindung, wie dies gleichzeitig öfter beobachtet
wird, hat sie nicht; rechts ist der gleiche Druck ganz unwirk¬
sam 1 2 * * ). Bei der ersten, gleichfalls linksseitig anästhetischen
Kranken dagegen ist ein Druck auf die rechte Ovarialgegend
schmerzhaft.
Solche hysterische hemianästhetische Kranke nun sind es,
an denen die Versuche mit Application von Metallplatten an¬
gestellt sind, und an denen sie mir gezeigt wurden. Ich sah
in der That, dass, wenu eine solche Metallplatte 5 ), bei der
einen Kranken von diesem, bei der anderen von jenem Metalle,
10 bis 15 bis 20 Minuten gelegen hatte, die betreffende Stelle
und gewöhnlich ein mehr oder weniger grosser Umkreis der¬
selben sensibel geworden war; in einigen Fällen kehrte von hier
aus die Sensibilität der ganzen anästhetischen Körperhälfte
wieder. Bei einigen Kranken mit starker Beeinträchtigung des
1) Ob i*s wirklich der Druck auf das Ovarium ist, welcher den
Schmerz verursacht, ist mindestens seht fraglich. Bei einer meiner
hysterischen Kranken, die Anfälle von sog. hysterischem Coma hat. war
während dieses Zustandes starker Druck auf das rechte Ovarium von
der Vagina aus (Herr Prof. Schroeder hatte die Freundlichkeit, den
Versuch auszuführen) von gar keiner Reaction gefolgt, während ein Druck
von aussen auf die Bauchdecken über der Ovarialgegend sofort schmerz¬
haftes Verziehen des Gesichtes der Kranken und abwehrende Bewegungen
zur Folge hatte; ein Druck auf die linken Bauchdecken war nicht
.sehmerzhai!.
2) Unter dem Namen .Armaimes du docteur V. Burq“ werden
solche Platten, mit einer Oes-* versehen, um sie auf ein Rand aufziehen
zu kühnen, in Paris verkauft.
Farbensinnes kehrte dieser zurück, nachdem Metallplatten an
die betreffende Stirn und Schläfengegend applicirt waren.
Gleiche Wirkungen hatten Magnete. Die Pole eines kräf¬
tigen Hufeisenmagneten wurden an die anästhetische Hautpartie
angelegt; nach einiger Zeit war die Sensibilität an der Appl:-
cationsplatte wiedergekehrt. Das Anlegen der 'hufeisenförmigen
Krümmung selbst, des neutralen Punktes des Magneten, hatte
keine Wirkung.
Die anästhetische Hand einer Kranken wurde zwischen die
Pole eines sehr kräftigen Electromagneten gebracht, ohne diese
zu berühren; die Sensibilität war nach etwa 15 bis 20 Minuten
l n der Hand zurückgekehrt.
Herr Regnard, welcher bereits die Commission bei ihren
Untersuchungen unterstützt hatte, stellte in meiner Gegenwart
folgenden Versuch an: Ein galvanisches Element wurde mit
einem Wagner’schen Hammer in Verbindung gesetzt; dieser
war mit einer aus wenigen Windungen bestehenden, etwa
fingerlangen Spirale eines dicken Drahtes verbunden, durch die
also ein regelmässig unterbrochener Strom hindurchging. In
diese Spirale liess man die Kranke einen der anästhetischen
Finger stecken, so dass der Finger frei in derselben lag, ohne
die Windungen zu berühren: nach einer gewissen Zeit war der
Finger sensibel geworden.
Bei allen diesen Versuchen zeigte sich das während der
Untersuchungen der Commission zuerst entdeckte Phänomen
des von ihr sogenannten „Transfers der Sensibilität, d. h. es
wurden bei der Wiederkehr der Sensibilität durch die Wirkung
von Metallen oder des Magneten, resp. der Spirale, die corre-
spondirenden Stellen der anderen gesunden Extremität an¬
ästhetisch, es fand also gleichsam eine Uebertragung
(Transfert) der Sensibilität von der einen Körperhälfte nach
der entsprechenden Stelle der anderen Körperhälfte hin statt.
Ich erwähne schliesslich noch eines von Herrn Regnard
angestellten Versuches. Wenn ein Gesunder auf eine aus rothen
und weissen Sectoren zusammengesetzte rotirende Scheibe blickt,
so sieht er rosa; ebenso die hysterische hemianästhetische
Kranke, wenn sie mit dem Auge, welches Verlust des Farben¬
sinnes zeigt, die rotirende Scheibe betrachtet. Sind die Sectoren
grün und roth, so sieht der Gesunde ein schmutziges weiss;
die Kranke, um die es sich handelte, erkannte kein grün mit
dem betreffenden Auge; dennoch sah sie die rotirende Scheibe
auch als weiss, also ebenso, als wenn sie das roth und grün
derselben empfunden hätte!
Dies sind die Hauptthatsachen, welche mir vorgeführt
wurden, und ich will hieran nur noch einige andere anreihen,
welche ausserdem von der Commission beobachtet sind. Die
anästhetischen Hautstellen sollen bei Nadelstichen nicht oder
sehr wenig bluten, die Blutung aber nach Wiederkehr der Sensi¬
bilität stärker sein; ferner soll die grobe Muskelkraft des an¬
ästhetischen Gliedes, nachdem man die Sensibilität wieder her-
gestellt hat, einen Zuwachs erleiden, und zwar soll auch hier,
in der motorischen Sphäre, eine „Uebertragung“ (Transfert)
Vorkommen, so dass 'Re gesunde Extremität, nachdem die Sensi¬
bilität an der anästhetischen wieder hergestellt, an Muskelkraft
das verliert, was die kranke gewonnen hat.
Auf eine Prüfung der Wirkung innerer Anwendung der
Metalle liess sich die Commission nicht ein. Dagegen ver¬
suchte sie unter Mitwirkung des Herrn Regnard eine Theorie
zur Erklärung der Thatsachen aufzustellen.
Herr Regnard fand, dass bei Application der Burq’scheu
Metallplatten auf die Haut galvanische Ströme entstehen, die
er an einem Multiplicator von 25000 bis 30000 Windungen
nachzuweisen vermochte. Verschiedene Metalle sollen Strome
verschiedener Stärke erzeugen, so z. B. hei Anlegen zweier
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
*29. Juli 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
443
Goldplatten an die Haut eine Nadelablenkung von 2®-—12°, zweier
Kupferplatten eine Ablenkung von 40°—45° u. s. w. entstehen.
Dies führte dazu, anstatt des Anlegens von Metallplatten äusserst
schwache galvanische Ströme („physiologische“ Ströme nennt
sie die Commission) auf die anästhetischen Partien wirken zu
lassen, die dann in der That das gleiche Resultat, die Rück¬
kehr der Sensibilität, zur Folge hatten. Später zeigte sich in-
dess, dass dasselbe auch durch Ströme sehr verschiedener In¬
tensität zu erzielen war> so zwar, dass eine, für jedes Metall
andere, von „neutralen Punkten“ unterbrochene Stufenleiter
von Stromstärken aufgestellt werden konnte, weiche die An¬
ästhesie beseitigten. Bei einer Kranken z. B., welche rechts¬
seitig anästhetisch war, und bei der Kupferplatten die Wieder¬
kehr der Sensibilität bewirkten, waren Ströme erfolglos, die
einen Nadelausschlag von 7®, 14®, 20® gaben; Ströme mit einem
Nadelausschlag von 35®, 40° dagegeb brachten die Sensibilität
zurück; bei 60°, 70® war der Erfolg negativ, bei 90® dann
wieder positiv. Bei einer anderen Kranken, die auf Gold rea-
girte (750 Gold, 1000 Kupfer), waren Ströme mit 2® Nadelaus¬
schlag wirkungslos; bei 20°, 15® kehrte die Sensibilität wieder;
bei 45°, 60® nicht, aber wieder bei 80® und 90®. Es existiren
also diesseits wie jenseits der wirksamen Stromstärken, welche
für dieselbe Kranke immer dieselben sind, unwirksame (neutrale
Punkte), wobei es ganz gleichgültig, wie lange Zeit die Elec-
troden applicirt werden.
Es ist schliesslich noch festgestellt worden, dass, wenn
man einen Pol (des wirksamen Stromes) an den Kopf, den
anderen an das Bein der anästhetischen Seite applicirt, die
Sensibilität in der ganzen anästhetischen Körperhälfte (die
Sinnesorgane eingesclilossen) zurückkehrt, während sie in dem¬
selben Masse und derselben Richtung auf der ganzen gesunden
Seite verschwindet (Transfert).
Dies die wesentlichsten Ergebnisse der Untersuchungen der
Commission.
Nach meiner Rückkehr von Paris nun habe ich mit Unter¬
stützung meiner Herren Assistenten auf meiner Klinik eine
Reihe von Versuchen an weiblichen Kranken angestellt, die
sich theils auf der Abtheilung für Nerven-, theils auf der für
Krampfkranke befanden. Von diesen Versuchen gestatten Sie
mir, Ihnen einige kurz mitzutheilen.
Einer 26jährigen hysterischen Kranken, Beyer, die an
linksseitiger Anästhesie der Haut, der Sinnesorgane (Amblyopie,
Farbenblindheit, Schwerhörigkeit, Verlust des Geruchs und Ge¬
schmacks links) und des Muskelgefühls litt (sie hatte keine
Vorstellung von der dem linken Arm gegebenen Lage etc.),
wurden am 24. April 2 Zweimarkstücke auf den linken Vorder¬
arm applicirt. Um 1 Uhr noch kein Erfolg. Um 2 1 /, Uhr
über dem linken Knie ein Gefühl von Laufen und Kriebeln in
der Haut; Pat. sticht sich in den Arm und bemerkt „mit
Schrecken“, dass sie empfinde, versucht sogleich, ob sie auch
die Temperatur warmen und kalten Wassers empfinde. Bei der
Untersuchung um 4 1 /* Uhr zeigt sich die ganze linke Körper¬
hälfte für Berührung und Stiche genau ebenso empfindlich, als
die rechte, auch die Natur des Materials, dass ihr in die Hand
gegeben wird (Glas, Holz, Metall u. s. w.), wird richtig ange¬
geben, ebenso warm und kalt u. s. w. Auch das Muskelgefühl
ist wieder hergestellt, ebenso ist die Anästhesie der Sinnes¬
organe der linken Seite geschwunden. Das Phänomen der
„üebertragung“ (Transfert) konnte zur Zeit der Untersuchung
nicht constatirt werden (vielleicht war es vorhanden gewesen
und bereits wieder geschwunden).
Bei derselben Kranken, bei welcher nach 4 Tagen die An¬
ästhesie sich wieder eingestellt hatte, wurden am 29. April
6 Uhr die Silberstücke wiederum auf den linken Vorderarm
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applicirt. Um 6 Uhr 25 Min. empfindet die Kranke lebhafte s
Kriebeln in der linken Handfläche; es zeigt sich bei der Unter¬
suchung, dass die ganze linke Körperhälfte wieder sensibel,
dagegen der (gesunde) rechte Vorderarm und die
rechte Hand anästhetisch geworden ist, ebenso die
rechte Hälfte des Gesichts und des Kopfes, begrenzt durch
einen hinter dem Ohre verlaufenden Bogen, unterhalb dessen
am Halse wie auch ain rechten Oberarm Hyperästhesie besteht.
Auch das Muskelgefühl im rechten Arm ist verloren gegangen.
Es war also in diesem Versuche die Erscheinung des Transfert
gleichfalls constatirt. Nach 5 Tagen wurde beobachtet, dass
die durch „Üebertragung“ entstandene Anästhesie der genannten
Theile der rechten Seite wieder verschwunden war, während
die Sensibilität links noch fortbestand, so dass nun die Sensi¬
bilität überall restituirt erschien. Nach einem bald folgenden
hysterischen Anfalle trat dann wieder das alte Verhältniss
(linksseitige Anästhesie) ein.
Eine 22jährige nicht hysterische Kranke hatte nach einem
Vergiftungsversuche mit einer enormen Dosis Chloralhydrat eine
halbseitige Anästhesie der rechten Körperhälfte zurückbehalten.
Als ich die Kranke sah, war die Sensibilität zurückgekehrt, nur
im Bereiche des N. ulnaris bestand noch eine Unempfindlich¬
keit für Berührungen und leichte Nadelstiche, während tiefe
Stiche, wenn auch nicht mit der normalen Schmerzempfindung,
wahrgenommen wurden. Am 18. Mai, 10* 2 Uhr Vorm., wurden
Silbermünzen vermittelst eines Bandes über dem Ulnarrande
der rechten Hand applicirt. Um 1 */ 4 Uhr. nachdem unbe¬
stimmte ziehende Sensationen in der Hand vorgegangen waren,
constatirt man die Rückkehr der Empfindung für die leich¬
testen Berührungen mit dem Nadelknopfe. Nachm. 5 1 /'. Uhr
bestehen subjective Sensationen, „Ziehen, Summen und Brennen“,
in der ganzen Hand. Nach Entfernung des Bandes mit den
Münzen zeigt sich, dass auch der kleine Finger und der Ulnar¬
rand des 4. Fingers für leichte Berührung mit dem Nadelknopf
empfindlich geworden sind. Das Band mit den Münzen wird nun
von neuem wieder umgelegt; trotzdem zeigt sich am folgenden
Tage, den 19., früh die Sensibilität der betreffenden Stellen
wieder schlechter, und um 3 Uhr Nachm, ist der kleine Finger
wieder für Berührungen mit dem Nadeiknopfe und für leichte
Stiche unempfindlich geworden; am Kleinfingerballen dagegen
werden noch Berührungen mit dem Nadelknopf wahrgenommen,
leichte Stiche noch ziemlich prompt als solche bezeichnet. —
Später in ganz analoger Weise angestellte Versuche bei dieser
Kranken ergaben stets negative Resultate.
Bei einer hysterischen Kranken, Sparr, bei welcher links¬
seitige Anästhesie bestand ohne Betheiligung der Sinnesnerven,
und rechtsseitige sogen. Ovarialhyperästhesie, war 5 Stunden
nach Application von Gold (fünf Zwanzigmarkstücke) auf den
linken Vorderarm die Sensibilität auf der ganzen linken Körper¬
hälfte zurückgekehrt; vorher hatte die Patientin ein Gefühl von
Kriebeln im Arme gespürt. Die Sensibilität erhielt sich drei
Stunden lang.
Bei einem zweiten Versuche erhielt sich nach gleich langer
Einwirkung die wiedergekehrte Sensibilität bis zum Morgen
des anderen Tages (die Platten waren in letzterem Falle liegen
geblieben).
Ein Versuch mit Eisen, bei derselben Kranken angestellt,
ergab das gleiche Resultat, d. h. nach fünfstündiger Einwirkung
war die Sensibilität überall zurückgekehrt; am Morgen des
anderen Tages war sie bis auf die einen Tag länger dauernde
Sensibilität des linken Oberschenkels wieder geschwunden.
Die Versuche bei dieser Kranken ergaben daher, dass die
gleiche Wirkung durch zwei verschiedene Metalle hervorgebracht
werden konnten.
Original frerm *
UNIVERSUM OF MICHIGAN
No. 30
444 BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Eine 26j. hysterische Person, Hinze, welche zuerst nach einer
Entbindung hysterische Erscheinungen dargeboten hatte, litt an
Anästhesie der ganzen linken (mit Ausschluss der Sinnesorgane)
und partieller der rechten Körperhälfte. Es bestand Ovarial-
hyperästhesie rechts. Am 27. April 5 ! / 4 Uhr Abends wurde
ein kleines galvanisches Element, bestehend aus einer kleinen
Platte von Zink und Messing, getrennt durch einen feuchten
Leinwandstreifen, auf die Haut des linken Vorderarms applicirt,
Zink nach unten. Am 28. April früh 5 Uhr fühlt Pat. an der
Applicationsstelle ein Jucken. Um 9 Uhr 15 Min. ergiebt. die
Untersuchung Rückkehr der Sensibilität, auf die Umgebung
der Applicationsstelle der Platten beschränkt. Am folgenden
Tage. Vormittags 11 Uhr, war die Stelle nur noch für tiefe
Stiche empfindlich.
Ara 3. Juni 11 Uhr 50 Min. wurde derselben Kranken
am linken Vorderarm ein sehr kräftiger Steinmagnet derart
applicirt, dass, während der Arm, mit einem dünnen Leinwand¬
lappen umgeben, auf dem Tische lag, die Polo des auf dem¬
selben Tische liegenden Magneten mit dem Arme in dauernde
Berührung gebracht wurden; der Südpol nach der Peripherie
der Extremität zu. Um 12 Uhr zeigt sich die Haut am Süd¬
pole empfindlich gegen Nadelstiche, um 12 Uhr 20 Min., nach
zahlreichen Zwischenprüfungen, auch am Nordpol, um 12 Uhr
30 Min. auch die interpolare Strecke; leichte Berührungen
werden jedoch nicht empfunden. In allen anderen Tbeilen
des Armes vollständige Anästhesie. Um 1 Uhr giebt Pat. ein
Gefühl von Kriebeln und Ameisenlaufen im Vorderarm an, das
sich bis zu den Fingerspitzen erstreckt. Um 1 Uhr 5 Min.
wurden auch leichte Berührungen in der Umgebung der Pole
und in der interpolaren Strecke gefühlt. Um 4 Uhr waren
nur noch die untereu zwei Drittel der interpolaren Strecke auf
Stiche empfindlich, um 6 Uhr wurden nur noch dicht am
untersten Ende (am Südpole) tiefe Stiche schwach empfunden.
Um 9 Uhr war nach Angabe der Patientin alle Sensibilität
wieder geschwunden. Der Versuch wurde bei der Kranken
wiederholt in derselben Weise angestellt, der Südpol des Mag¬
neten bald nach oben, bald nach unten, immer aber schien die !
Sensibilität zuerst am Südpol aufzutreten und zuletzt von dort
zu verschwinden.
Am 12. Mai Nachmittags wurden der Kranken Sparr
Kupferplatten auf den anästhetischen Arm applicirt, welche
an der dem Arme aufliegenden Seite mit Firniss überzogen
waren. Am Abend keine Veränderung. Am nächsten Morgen
8 Uhr früh — die Platten waren so lange liegen geblieben —
coustatirt man Rückkehr der Sensibilität auf der ganzen linken
Körperhälfte.
Am 31. Mai Vormittags ll 1 /, Uhr bei derselben Kranken
Application der Kupferplatten, die an der auf liegenden Seite
mit Siegellack überzogen sind. Eine Gazebinde wird
über den Platten sehr fest angezogen umgelegt, so dass die
Hand anschwillt und leicht cyanotisch wird (damit Pat. die
Platte nicht etwa beseitigt, war ein Strumpf über das Ganze
gezogen und mit Siegeln befestigt). Abends noch keine Wieder¬
kehr der Sensibilität. Am folgenden Morgen grosse Schmerz¬
haftigkeit des Vorderarms in der stark ödematösen Hand, die
seit 3 Uhr Morgens bestehen soll. Es ergiebt sich bei der
Prüfung Wiederkehr der Sensibilität der ganzen linken Körper¬
hälfte mit Ausnahme des Oberarms von der Stelle an, an
welcher die Umschnürung der Binde aufgehört hatte, und der
Schulter l is zur Spina scapulae. Am rechten (gesunden) Arm
sind Stiche schmerzhaft und angeblich mehr als sonst. Um |
10 Uhr Vormittags (die Binden und Platten waren um 7 Uhr Mor¬
us abgenommen worden) hatten Gesicht und Kopf die Sensi-
ität bereits wieder verloren, nur die Nasenschleimhaut ist
noch empfindlich, dagegen hat sich die Sensibilität auf dem
Oberarm bis zur Schulter verbreitet; am Vorderarme sind die
Angaben schwankend. Am rechten (gesunden) Arme hat sieb,
entsprechend der Partie, an welcher links die Platten gelegen
hatten, Anästhesie eingestellt (also die Erscheinung des Trans-
fert spät eingetreten.)
Am 22. Mai 10 Uhr Vormittags bei derselben Kranken
Application von knöchernen Spielmarken auf dem linken
anästhetischen Arm, die auf einer fest umgelegten Gazebinde
befestigt waren. Um 2 ‘/ 2 Uhr Nachmittags Schmerzen unter
den drückenden Spielmrrken: die Untersuchung ergiebt Rück¬
kehr der Sensibilität an den Stellen, an welchen die Marken
und die umschnürende Binde gelegen hatten; die übrigen Theile
des Armes waren anästhetisch geblieben.
Die Binden mit den Marken wurden nun über Nacht
liegen gelassen. Am folgenden Tage Vormittags hat sich die
Sensibilität über den ganzen Vorderarm mit Ausnahme der
Finger, eines Tbeils des Handgelenkes und des unteren radia¬
len Vorderarmabschnittes verbreitet. Das Vorhandensein der
Sensibilität schien abhängig von dem Grade der Einschnürung
und des Druckes. Die Hand ist geröthet, leicht geschwollen
und transpirirt stark. Nachmittags ist die Sensibilität über
die ganze linke Körperhälfte ausgedehnt, mit Ausnahme des
Kopfes, an welchem nur Stirn, Wange und Schleimhaut sen¬
sibel sind.
W r ährend meiner Abwesenheit in Paris hatte mein Assistent,
Herr Dr. Adamkiewicz, inzwischen Versuche mit Application
von Senfteigen auf die anästhetischen Theile angestellt.
Der bereits erwähnten hysterischen Kranken H nze, welche
eine vollkommene Anästhesie der ganzen linken Körperhälfte
und des Vorderarms und Unterschenkels der rechten Seite hatte,
wurde ein Senf teig auf die anästhetische Hautpartie des linken
Vorderarms applicirt. Als derselbe etwa 2 Stunden gelegen hatte,
zeigte sich die Haut in dem ganzen Bezirke, welcher geröthet
war, vollständig empfindlich gegen Stiche, Berührungen u. s. w.
Viele Versuche, die dem ersteren folgten, hatten stets den¬
selben Erfolg, so dass sich in dem ganzen Gebiete der An¬
ästhesie eine grosse Zahl sensibler Inseln herstellen Hess,
innerhalb welcher die Patientin bei geschlossenen Augen voll¬
kommen gut localisirte, während sie schon in der nächsten
Umgebung derselben die stärksten Reize nicht empfand. Die
Kranke befindet sich noch jetzt auf der Abtheilung und man
kann diesen Versuch jederzeit mit demselben Erfolge wieder¬
holen. Nach Herstellung der Sensibilität durch den Reiz des
Senfteiges überdauert sie die durch den Reiz desselben hervor¬
gerufene Röthung, und lange noch, nachdem letztere abgebiasst
ist, ist das Vorhandensein dei» Sensibilität an derselben Stelle
nachzuweisen. Gewöhnlich hielt sie sich sechs bis sieben Tage. 1 )
Derselbe Versuch wurde bei einer 22jährigen Kranken der
Nervenklinik, Hess, angestellt mit linksseitiger, auch die Sinnes¬
organe und das Muskelgefühl betreffenden Anästhesie, so wie
linksseitiger Schwäche der Extremitäten. Die Kranke bot in so
fern ein klassisches Beispiel hysterischer Hemianästhesie dar, als
sie bei Druck auf die linke regio iliaca einen sehr lebhaften sog.
Ovarialschmerz hatte, von dem aus jedesmal eine auraartige
Empfinduug zum Halse aufstieg, die dort als ein Gefühl von
Constriction empfunden wurde und dann auf den Kopf über¬
ging, wo sie an einer circumscripten, lebhaft schmerzenden
Stelle endete. Es wurde auf den Vorderarm der kiauken Seite
ein Senfteig gelegt: etwa 2 Stunden danach vollkommene
1) Eintauchen der anästhetischen Hand in heisses Wasser bis zur
starken Röthung und Turgescenz hatten keine Rückkehr der Sensibilität
zur Folge.
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
29. Juli 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
445
Rückkehr der Sensibilität an betreffenden Stelle zum
grössten Erstaunen der Kranken, die früher an dem gleichen
Orte die gröbsten Insulte nicht empfand. Eine schnell vor¬
genommene Untersuchung des Vorderarms der gesunden Seite
zeigte, dass genau der analoge Bezirk, welcher auf der kranken
Seite wieder sensibel geworden, auf der gesunden (rechten)
anästhetisch geworden war. Diese auf die gesunde Seite
übertragene Anästhesie verschwand schon nach ungefähr sechs
Stunden, während die restituirte Sensibilität der kranken Seite
bestehen blieb und sich allmälig so ausdehnte, dass die Pa¬
tientin drei Tage nach Anwendung des Senfteiges nicht die
geringste Sensibilitätsstörung mehr darbot.
Bei der erst genannten Kranken (Hinze) wurde später 1 )
noch der Versuch gemacht, gleichzeitig auf symmetrische
Stellen der beiden anästhetischen Vorderarme Senfteige zu
appliciren, um zu sehen, wie es sich unter diesen Umständen
mit dem Phänomen des Transfert verhalten würde. Es zeigte
sich nach Application der beiden Senfteige nur der eine (rechte)
Vorderarm sensibel, während der andere trotz- des Senfteiges
nunmehr anästhetisch blieb. Man muss sich demnach vorstellen,
dass die sensibilitätserzeugende Wirkung des rechten Senfteiges
überwog, und dass dem entsprechend die Wirkung des von
rechts her erzeugten Transfert stärker war und die sensibilitäts¬
erzeugende Wirkung des Senfteiges der linken Seite neutralisirte.
Schliesslich bemerke ich noch, dass bei allen diesen Kranken
Reize mit dem electrischen Pinsel auf die anästhetischen Haut¬
partien ohne Erfolg waren.
Ausser den berichteten habe ich noch eine grössere Zahl
analoger positiver Resultate verzeichnet; andere Versuche fielen
negativ aus, über die ich indess hier nicht berichte, da sie
bestimmte Schlüsse zu ziehen nicht gestatten, und mir zunächst
nur daran liegt, Ihnen die positiven Wirkungen der in Rede
stehenden Verfahrungsweisen auf die Beseitigung von Anästhesie
vorzuführen. Die behauptete Wirkung der Plattenanlegung auf
die motorische Kraft der Extremitäten habe ich bisher nicht
näher geprüft; selbst mit Hülfe eines Dynamometers scheint es
mir sehr schwer, zu einem zweifellosen Urtheil über das Mass
der Kraft zu gelangen, welches von einer Patientin aufgewandt
werden kann.
An die Mittheilung dieser Thatsachen erlaube ich mir noch
einige allgemeine Bemerkungen zu knüpfen.
Zunächst möchte ich der in ärztlichen Kreisen nicht selten
zu begegnenden Ansicht entgegentreten, dass es sich bei dem
Phänomen der halbseitigen Anästhesie bei Hysterischen um ein¬
fachen Betrug handelt, sei es auch nur ein Betrug, hervor¬
gegangen aus der bekannten Sucht gewisser Hysterischer zum
Uebertreiben und Täuschen; davon kann in diesen Fällen keine
Rede sein. Zum Beweise dafür führe ich an, dass bei einer
Patientin Nachts während tiefen Schlafes ein Stich in die an¬
ästhetischen Theile absolut ohne Reaction blieb, während ein
Stich in empfindende Hauttheile sofort Erwachen bewirkte.
Eine Anzahl der untersuchten Kranken wusste ferner vor der
Untersuchung gar nicht, dass sie irgendwo anästhetisch waren,
eine Erscheinung, die, so auffallend sie ist, auch von anderen
Beobachtern berichtet wird; so wurde z. B. bei der erwähnten
Patientin Hess unmittelbar nach Aufnahme in die Abtheilung
die Hemianästhesie mehr zufällig zu ihrer eigenen Verwunderung
entdeckt. Schliesslich spricht die zuweilen ganz eigentüm¬
liche Verteilung der Anästhesie der Hysterischen nicht zu
Gunsten von Simulation; selbst bei den Hemianästhesien finden
sich zuweilen einzelne kleinere circumscripte sensible Inseln
(sonderbarer Weise bei zwei meiner Kranken, wie erwähnt, eine
1) Nachträglicher Zusatz^
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circumscripte Stelle hinter dem Ohre). Ich habe es für er¬
forderlich gehalten, diesen Punkt ganz speciell zu betonen, weil
grade in Deutschland diese Anästhesien Hysterischer dem grösse¬
ren ärztlichen Publicum weniger bekannt zu sein scheinen, als
in Frankreich, wie denn auch die wissenschaftliche Bearbeitung
derselben wesentlich von Frankreich ausgegangen ist.
Auf der anderen Seite will ich nicht verschweigen, dass
ein Umstand die Glaubwürdigkeit meiner Kranken zu verdäch¬
tigen geeignet erscheinen könnte. Sie waren alle irgend ein
Mal, wenn auch in sehr unerheblicher Weise, zum Theil auch
unschuldig, mit dem Strafgesetz in Conflict gekommen. Ob
hier ein zufälliges Zusammentreffen vorliegt, ob vielleicht in
der Hysterie selbst die Disposition zu den kleinen Vergehen
gesucht werden darf u. s. w. möge hier dahingestellt bleiben;
wir sind aber nicht berechtigt, aus dieser Thatsache allein die
Unglaubwürdigkeit der betreffenden Kranken zu folgern, die im
übrigen bei ihrem Monate lang dauernden Aufenthalte in der
Klinik zu keiner Klage dieser Art Veranlassung gaben, an denen
Sucht zu täuschen, sich interessant zu machen, niemals beob¬
achtet wurde. Ich erwähne daher diesen Punkt nur, um meine
Ueberzeugung auszusprechen, dass er bei den betreffenden unter¬
suchten Personen nicht in Betracht kam, die zum grossen Theil
sicher nicht einmal Witz genug gehabt hätten, eine solche Rolle
der Hemianästhesie zu concipiren oder durchzuführen. Giebt
man aber dies zu, so liegt kein genügender Grund vor, die
Angaben über Wiederherstellung (resp. Wiederschwinden) der
Hautsensibilität durch die verschiedenen oben genannten Proce-
duren anzuzweifeln, zumal bei der ersten Kranken — später
war es nicht mehr möglich — ganz besonders darauf Bedacht
genommen war, sie nicht wissen zu lassen, worum es sich bei
der Anlegung von Metallplatten handelte. *) In Betreff der
Anästhesie der Sinnesorgane muss ich noch eines Versuches
erwähnen, dessen Resultate an Simulation denken lassen könnten.
Herr College Schweigger hatte die Gefälligkeit, die Kranke
Hess, welche u. a. links amblyopisch und farbenblind war und
namentlich grün nicht zu unterscheiden vermochte, zu unter¬
suchen. Der Versuch war u. a. so eingerichtet, dass, wenn
die Kranke durch ein Stereoscop sah, das, was sie mit dem
linken Auge zu sehen glaubte, in Wirklichkeit mit dem rechten
gesehen wurde, und umgekehrt. Auf diese Weise wurde er¬
mittelt, dass sie auch mit dem linken, farbenblinden Auge grün
sah, und dass dasselbe eine gute Schärfe hatte. 5 ) Es beweist
indess dieser Versuch ebenso wenig Simulation, als der früher
erwähnte mit der rotirenden, aus rothen und grünen Sectoren
zusammengesetzten Scheibe, wenn man eben annimmt, dass es
sich um krankhafte centrale Vorgänge handelt, die in das Ge¬
biet der Vorstellungen hineinspielen.
Man muss also, wenn auch vielleicht widerwillig, die That¬
sachen anerkennen, Thatsachen, welche in Paris und Berlin an
den verschiedensten Personen und unter verschiedenen Umstän¬
den in fast identischer Weise beobachtet sind. Ob ähnliche Beob¬
achtungen bereits in England gemacht sind, ist mir nicht be¬
kannt, doch habe ich Grund daran zu zweifeln, da mir Herr
Dr. Althaus in London noch vor kurzem schrieb, dass man
in England diese Fälle von halbseitiger Anästhesie gar nicht
1) Herr Charcot hat auch bei Hemianästhesie in Folge organischer
Hirnerkrankung Wiederkehr, und zwar dauernde, der Sensibilität nach
Anlegen von Metallplatten beobachtet. Bei Herrn Magnan sah ich
einen ähnlichen Fall, in welchem gleichfalls, aber vorübergehend, die
Sensibilität nach Anlegen von Platten wiederkehrte.
2) Ein ganz analoges Resultat ergab eine später an zwei anderen
hemianästhetischen hysterischen Kranken mit einseitiger Amblyopie und
Farbenblindheit von Herrn Dr. Hirschberg angestellte Untersuchung
der Sehschärfe, des Farbensinns u. s. w.
Original fm 2
UNIVERSITY OF MICHIGAN
446
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No 30
sähe, Anästhesie in irgend welcher Form bei Hysterischen
überhaupt dort äusserst selten sei. Vielleicht werden die Fälle
dort allmälig häufiger, nachdem einmal die Aufmerksamkeit
speciell darauf hingeleukt ist.
Durch unsere Versuche ist zunächst die Richtigkeit der
in Frankreich beobachteten Thatsache im grossen und ganzen
bestätigt worden. Die Zeit, binnen welcher die Sensibilität
nach Application von Metallplatten zurückkehrt, war in ein¬
zelnen Fällen bei uns viel beträchtlicher, als dies in Paris
beobachtet ist. Wenn wir nicht immer das Phänomen der Ueber-
tragung (Transfert) nachweisen konnten, so lag das möglicher
Weise an der Discoutinuität der Beobachtung: das Phänomen
konnte eben dagewesen und bereits wieder geschwunden sein.
Die Beobachtung desselben wurde durch die lange Zeit, welche
zur Wiederkehr der Sensibilität erforderlich war, sehr erschwert;
mau konnte nicht wohl viele Stunden lang hintereinander bei
einer Kranken sitzen bleiben. Es hat sich indess (abweichend
von der Ansicht Burq’s) gezeigt (ich habe nicht alle betreffen¬
den Versuche aufgeführt), dass bei einer und derselben Kranken
verschiedene Metalle wirksam sein können; dass die gleiche
Wirkung erzielt werden kann durch gefirnisste und mit
Siegellack überzogene Metallplatten, sowie durch nicht
metallische Platten (knöcherne Spielmarken), dass hierbei
jedoch die Wirkung langsamer zu erfolgen und der ausgeübte
Druck eine gewisse Rolle zu spielen scheint, und dass die
gleiche Wirkung (und zwar relativ schnell) durch Application
von Senfteigen auf die anästhetischen Hautpartien erzielt
werden kann.
Die durch die Versuche von Herrn Regnard gestützte
Theorie, dass die Wiederkehr der Sensibilität von galvanischen,
durch die Application der Metalle erzeugten Strömen abhängig
sei, wird durch unsere Versuche einigermassen erschüttert;
jedenfalls dürften galvanische Ströme wohl kaum mehr als der
allein wirksame Factor zu betrachten sein, es müsste denn nach¬
gewiesen werden, dass bei den genannten Verfahrungsweisen
gleichfalls Ströme ähnlicher Intensität entstehen. Vielleicht sind
es verschiedene Reize, die hier in Betracht kommen, jeden¬
falls nicht alle, wie das negative Resultat beim Eintauchen
der anästhetischen Partien in heisses Wasser und beim behan¬
deln mit dem electrischen Pinsel beweist. Wie aber diese Reize
wirken, ob direct auf die Enden sensibler Nerven, ob reflecto-
risch (auf die Gefässe? Erweiterung?) u. s. w., darüber lassen
sich die verschiedensten Möglichkeiten erdenken, die hier zu
erörtern überflüssig wäre, da keiner vor der anderen ein durch
Thatsachen zu begründender Vorzug gegeben werden kann.
Ganz unverständlich bleibt die Weiterverbreitung der Sen¬
sibilität von der local behandelten Hautstelle aus auf die ganze
Körperhälfte und die Erscheinung der „Uebertragung“. Es
wird noch zahlreicher anderer Versuche bedürfen, bevor man
daran denken kann, hierüber eine Vermuthung auszusprechen,
geschweige denn eine Theorie aufzustellen.
Nahe genug liegt es allerdings, in Betreff aller dieser Er¬
scheinungen auf das Gebiet der Vorstellungen zurückzugreifen,
deren Macht in Bezug auf Production sowohl, wie auf Nicht-
perception von Empfindungen bekannt genug ist. Der Versuch
mit dem Stereoscop beweist positiv, dass den Vorstellungen
ein Antheil an den Erscheinungen zugeschrieben werden muss,
wenngleich es auf der anderen Seite durchaus unmöglich ist,
alle Erscheinungen daraus zu erklären.
Was den therapeutischen Werth der Metalloscopie betrifft,
so geht bereits aus dem gesagten hervor, dass in vielen Fällen
die Wiederkehr der Sensibilität durch Anlegen der Metallplatten
auf den Ort der Application beschränkt und nur eine temporäre
ist; in einzelnen Fällen dagegen wurde die Sensibilität auf der
ganzen anästhetischen Körperhälfte durch eine einmalige Appli¬
cation dauernder wieder hergestellt; freilich pflegt ein neuer
hysterischer Anfall die Anästhesie wieder zurückzubringen. In
dem erwähnten Falle der Hess blieb nach einmaliger Applica¬
tion des Senfteiges die Sensibilität dauernd bestehen; ich sah
die Kranke nach einigen Monaten wieder und constatirte die
Abwesenheit jeder Anästhesie; zugleich hatten sich alle anderen
hysterischen Erscheinungen sehr bedeutend gebessert.
Sollte sich die sonderbare Thatsache bestätigen — und
es sind neuerdings einige solche Beobachtungen aus der Sal-
petriere veröffentlicht — in denen die innere Anwendung des
Metalles, welches die Anästhesie beseitigt, heilend auf den
gesammten hysterischen Zustand ein wirkt, so würde allerdings
die Metalloscopie die Bedeutung für die Therapie gewinnen
können, welche ihr Erfinder ihr jetzt bereits zuschreibt.
II. Beitrag zur Casaistik uad Symptomatologie der
Aorten - Aneurysmen.
Von
Dr. Scheele in Danzig.
Während meiner ärztlichen Thätigkeit hier am Orte hatte
ich mehrfach Gelegenheit, Fälle von Aorten-Aneurysmen zu beob¬
achten. Bei 3 derselben hatte ich das Glück, die Diagnose
durch den Sectionsbefund bestätigen zu können *). Diese Fälle
waren gerade besonders bemerkenswert!!, sowohl in Bezug auf
ihre Localisation, ihre diagnostischen Schwierigkeiten, als auch
namentlich hinsichtlich ihrer Aetiologie und ihres Symptomen-
Complexes. Trotz der bedeutenden Anschwellung der Literatur
über diesen Gegenstand glaube ich daher zur Publication dieser
Krankheitsfälle berechtigt zu sein, und das um so mehr, als
bei der Beobachtung derselben eine Erscheinung meine Auf¬
merksamkeit erregte, welche künftighin bei nicht ganz ausge¬
sprochenem Krankheitsbilde zur Sicherheit der Diagnose hilf¬
reich sein dürfte.
Bei der Schilderung der Krankengeschichten will ich die
chronologische Reihenfolge innnehalten, in der sich die Fälle
meiner Beobachtung darboten.
Fall I. Aneurysma aortae thoracicae in ihrem pe-
ripherst gelegenen Theile. Jahre lang bestehende
Kreuzschmerzen mit starker Abmagerung, ein Carci-
nom der Wirbelsäule vortäuschend. Spätes Erscheinen
von Pulsation im Epigastr., Geräusch daselbst etc-
Plötzliche Paraplegie. Tod.
Obductionsbefund: Citronengrosses Aneurysma
der Aorta, dicht oberhalb des Diaphragma. Usur der
Wirbelkörper. Thrombotischer Verschluss der Aorta
abdominalis.
Anamnese. A. Kiel, 43 Jahre alt, Schneidermeister. Die
Eltern des Patienten sind beide todt. Todesursache nicht eruir-
bar. Pat. selbst in seiner Jugend angeblich stets gesund, stellt
speciell syphilitische und rheumatische Erkrankungen in Abrede.
Er war laut eigener und seiner Angehörigen und Bekannten
Aussage stets ein solider, fleissiger Arbeiter. Abus. spirit. leug¬
net er entschieden. Im Winter 1869/70 war er sehr beschäftigt
j und gezwungen, die Nächte hindurch zu arbeiten. Dabei will
j er ganz plötzlich, als er mit einem schweren Eisen bügelte,
einen heftigen Kreuzschmerz verspürt haben, der ihn mehrere
! Tage aufs Bett streckte. Unter Blutentziehungen etc. liess der
! 1) Die anatomischen Präparate zweier von diesen Fällen (I und III)
I habe ich gelegentlich in einer Sitzung der niedicinischen Section der
i hiesigen naturforschenden Gesellschaft einem grösseren Kreise von Col-
» legen vorgelegt.
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Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
29. Juli 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHKNSCHRfFT.
447
sogenannte „Hexenschuss" nach, vn^^vholte sich aber Anfangs
in grösseren, später in kürzeren Intervallen, besonders nach
forcirten Körperanstrengungen in ganz ähnlicher Weise wie beim
ersten Male. Die Schmerzen sassen in der Höhe der Lenden¬
wirbel, strahlten selten und dann vorwiegend in die linke
Seite hin aus. Bald gesellte sich dazu eine hartnäckige Obsti¬
pation, welche die stärksten Drastica erfordert hatte. Diesen
schreibt Patient hauptsächlich die allmälige Abmagerung und
Schwäche zu. — Im Frühjahr 1872 bemerkte er, dass ihm dass
Bücken beschwerlich und schmerzhaft sei. Bald darauf fiel ihm
auch eine Abnahme seiner Potenz auf, und als er im Spät¬
sommer desselben Jahres mehr und mehr kraftlos wurde, die
Kreuzschmerzen ihm den Schlaf raubten, und er in keiner Lage
mehr schmerzlos war, wandte er sich an mich, um sich eines
vermeintlichen Rückenmarksleidens wegen galvanisch behandeln
zu lassen.
Stat. praes.,. 12. September 1872.
Stark abgemagerter, mittelgrosser Mann, von cachectischer
Gesichtsfarbe, mit schmerzhaftem Gesichtsausdruck, fieberfrei,
befindet sich ausser Bett, selbst während der Nacht, weil ihn
„nagende, bohrende" Schmerzen im Kreuz am Liegen hindern.
Dieselben sitzen fix in der Lendengegend, strahlen selten in
das linke Hypochondrium, noch seltener in die linke Reg. in-
guinalis aus.
Im Liegen ist die linke Seitenlage noch die erträglichste.
Bei der Untersuchung fällt zunächst die Steifigkeit der
Wirbelsäule auf. Beim Aufsitzen, Sichumdrehen und beson¬
ders beim Bücken ist Patient äusserst vorsichtig und ungelenk.
Um einen Gegenstand vom Fussboden aufzuheben, hält er die
Wirbelsäule gestreckt, und lässt die Beugung nur im Knie- und
Hüftgelenk erfolgen. Druck auf die Proc. spinosi ist dabei
nicht auffallend schmerzhaft. Bei starker Percussion der Wirbel¬
säule giebt Patient an, in der Höhe der untersten Brust¬
wirbel eine mässige Schmerzhaftigkeit zu empfinden.
Die linke Nierengegend ist bei bimanueller Untersuchung
schmerzhaft; eine Abnormität daselbst nicht fühlbar, weder ein
Tumor, noch abnorme Pulsation.
Im Bereiche der Unterextremitäten sind Motilitäts- oder
Sensibilitätsstörungen nicht zu constatiren. Die Kraft der Beine
ist der abgemagerten Musculatur entsprechend. Setzt man der
Beugung resp. Streckung der Unterschenkel einen Widerstand
entgegen, so klagt Patient bald über vermehrten Schmerz
im Kreuz.
In der linken Inguinalgegend sind 2 fast haselnussgrosse,
schmerzlose, nicht auffällig harte Lymphdrüsen zu fühlen.
Am übrigen Körper nichts krankhaftes bemerkbar. Keine
Atheromasie der Arterien, keine Differenz der Radial- und Cru-
ral-Pulse. Urin hell, leicht, ohne Album., ohne Zucker. Die
Entleerung desselben unbehindert. An den Genitalien keine
krankhaften Veränderungen nachweislich; eben so wenig am
After.
Die Flexura sigmoidea für das Gefühl und die Percussion ;
gefüllt nachzuweisen. |
Appetit mässig. Nahrungsaufnahme in jeder Form möglich, \
ohne darauf folgende vermehrte Schmerzhaftigkeit. Zunge nach I
hinten zu weisslich belegt. Stuhlgang retardirt. i
Meine präsumptive Diagnose war damals Carcinom der
Wirbelsäule und zwar speciell an den letzten Brustwirbelkörpern,
Eine Affection der Wirbelsäule lag unzweifelhaft vor. Die
fixe Schmerzhaftigkeit, die Schwerbeweglichkeit der Wirbelsäule
deuteten unabweislich darauf hin. Die Aetiologie und Genese
des Leidens freilich legte wohl einen chronisch-entzündlichen
1‘rocess daselbst nahe genug, allein dem widersprach einmal
das Freibleiben der Meningen resp. des Rückenmarks, vor allem
aber der Umstand, dass ruhige Lage keine Erleichterung, im
Gegentheil eher eine Verschlimmerung des Zustandes hervor¬
brachte. Dies Moment veranlasste mich schon damals, meine
ganze Aufmerksamkeit auf die Aorta und ein etwa dort befind¬
liches Aneurysma zu richten. Indessen da ich kein palpables
Zeichen dafür finden konnte, so liess das Alter des Patienten
die starke Abmagerung und die leichte Intumescenz der links¬
seitigen Inguinaldrüsen die obige Annahme eines Carcinoms als
die einzig denkbare und erklärliche übrig.
Von diesem Gesichtspunkte ausgehend, bestand die Thera¬
pie in subcutaner Anwendung von Morphium und Chloral alter-
nirend. Gegen die Obstipation erwiesen sich Lavements am
zweckmässigsten.
Während des Winters 1872/73 entschwand der Patient
meiner Beobachtung. Angeblich ging es ihm gut. Selbst d ; e
Ernährung hatte sich ein wenig gehoben, wie gelegentliche Be¬
gegnung anscheinend ergab. Dies relative Wohlbefinden dauerte
bis zum Hochsommer 1873. Alsdann steigerten sich die Be¬
schwerden wieder der Art, dass Patient im October von neuem
meine Hilfe in Anspruch nahm.
Stat. praes. 22. October 1873.
Subjectiv nichts wesentlich geändert. Bei der Untersuchung
des fieberfreien Patienten ist zuvörderst auffallend eine ziem¬
lich beträchtliche Pulsation im Epigastrium und systo¬
lische Hebung des freien linken Rippenrandes. Besonders hebt
sich der zum Proc. xiphoid. aufsteigende Theil desselben mit
dem Herzstosse rhytmisch und isochron. Die aufgelegte Hand
wird an dieser Stelle mit ziemlicher Kraft emporgeschnellt.
Stärkerer Druck ist schmerzhaft. Gegen den mehr nach rechts
gelegenen Theil des Epigastrium hin verliert sich diese Pulsa¬
tion; man fühlt daselbst nur eine geringe mitgetheilte, diffuse
Erschütterung. Eine scharfe Abgrenzung der Pulsation, eine
umschriebene Geschwulst ist indess, selbst bei Druck in die
Tiefe nicht zu constatiren.
Der Herzstoss ist dabei auffälliger Weise nicht ver¬
stärkt. Die Herzspitze nicht dislocirt. Der Spitzenstoss im
5. I. C. R. zwischen 1. Parasternal- und Papillarlinie wenig re¬
sistent, schwach fühlbar. Jedoch ist derselbe von der Pulsation
am freien Rippenrande deutlich zu sondern. Letztere verspätet
sich um ein Minimum. Fordert man den Patienten auf, sich
auf die linke Seite zu legen, und am Ende des Exspiriums die
Respiration anzuhalten, so fühlt man deutlich zwei geson¬
derte Pulsationen. Der Spitzenstoss befindet sich dann deut¬
licher als vorhin ca. 2 Ctm. ausserhalb der linken Mamillar-
linie. Die systolische Hebung des linken freien Rippenrandes
und die Pulsation im Epigastrium erleiden dadurch aber durch¬
aus keine Veränderung, weder in ihrer Intensität, noch in ihrer
Lage.
Lässt man den Patienten in der Rückenlage tief inspiriren,
so wird die Pulsation weniger deutlich, ohne jedoch völlig zu
verschwinden.
Die Palpation der Bauchorgane, der Leber, des Magens,
der Milz, ergaben weiter keine nachweislichen Formveränderun¬
gen. Die bimanuelle Untersuchung des linken Hypochondrium
ist sehr empfindlich, ohne dass in der Tiefe etwas abnormes
fühlbar ist.
Durch die Percussion erhält man wenig Aufschluss über
die Pulsation.
Die Herzdämpfung, weder von abnormer In- noch Extensi¬
tät, geht nach unten hin in die des linken Leberlappens über.
Der Schall ist über demselben gedämpft tympanitisch.
Die Dämpfungsgrenze des linken Leberlappens überragt
wenig die linke Parasternallinie. Der halbmondförmige Raum
ist nicht verkleinert. Die Milzdämpfung nicht vergrössert.
Original fron -*
UNIVERSITYOF MICHIGAN
448
BERLINKR KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 30
Ueber den Lungen vorn und hinten am Thorax keine Per- I
cussions-Anomalie. Die Lungengrenzen beiderseits gleich gut
verschieblich.
Die Auscultation ergiebt an der Herzspitze neben dem
dumpfen systolischen Ton ein schwaches, kurzes, systoli¬
sches Geräusch. Ueber den anderen Herzostien reine Töne.
Der diastolische Aortenton ist nicht wesentlich verstärkt; nur
um ein geringes lauter als der 2. Pulmonalton. Das systo¬
lische Geräusch nimmt unterhalb der Herzspitze an
Deutlichkeit zu. Verfolgt man mit dem Stethoscop die linke
Parasternallinie von der Herzspitze abwärts zu den Knorpeln
der falschen Rippen links, so steigert sich die Intensität des
Geräusches mehr und mehr. Dasselbe ist kurz, tief, dum*pf,
und lässt sich bis fast zur Höhe des Nabels verfolgen.
Hinten am Thorax ist die Pulsation weder sicht- noch
fühlbar. Die Wirbelsäule steif, gerade. Druck auf die Proc.
spinal is ist leicht schmerzhaft, ebenso ist die Gegend links von
den letzten Brustwirbeln sehr empfindlich auf Druck. An dieser
Stelle hört man bei jeder Körperhaltung ein ziemlich lautes,
auch längeres, mit dem Spitzenstosse isochrones Geräusch.
Die Radialarterie ist von mittlerer Weite, Wellenhöhe und
mässiger Spannung. Frequenz 96—104. Die Vergleichung
der Art. rad. und cruralis ergiebt eine merkbare Ver¬
spätung des Pulses an letzterer. Ausserordentlich deut¬
lich ist dies Verhältniss bei dem Vergleich der Radial, und
pediaea. Am auffallendsten jedoch ist die Differenz
quoad volumen. Schon die Cruralarterien sind enorm enge
und wenig gefüllt, beim Vergleich mit den Carotiden z. B.
kaum halb so weit; viel mehr noch findet dies an der Ped. und Tib.
postica statt. Diese Gefässe sind äusserst schwer aufzufinden
ihrer Enge wegen. Auch in Bezug auf die Wellenhöhe ist
ein merkbarer Unterschied zu beobachten. Evident ist dies
Verhältniss beim Vergleich der Art. brach, in der Ellenbeuge
und der Art. cruralis. Während bei ersterer die Welle schnell
ansteigt, fühlt man bei letzterer deutlich das allmälige An¬
steigen zum Wellenberge. Die Pulse der Unterextremitäten sind
beiderseits isochron.
Die Füsse sind kühl, trocken, ohne Oedeme. Sensibilitäts- j
und Motilitätsstörungen nicht nachweisbar. Die Inguinaldrüsen |
linkerseits leicht geschwellt. — Die übrigen Organe nachweis- I
lieh nicht erkrankt.
Diagnose: Folgende Erscheinungen:
1) Die abnorme Pulsation im Scrob. cordis, welche durch
Umlagerung vom Herzstosse wohl zu sondern und andererseits
von einer sog. Puls, epigastr. deutlich zu unterscheiden war;
2) Das systol. Geräusch sowohl über derselben als auch
hinten am Thorax links neben der Wirbelsäule (in der Höhe !
der untersten Brust- und obersten Lendenwirbel) hörbar; |
3) Die Differenz der ober- und unterhalb der Pulsation '
gelegenen Arterien-Pulse quoad tempus et volumen, j
sprechen mit Bestimmtheit für ein Aneurysma.
Die Localität der Pulsation, des Geräusches, der Empfind¬
lichkeit auf Druck neben der Wirbelsäule, besonders aber der
Umstand, dass durch tiefe Inspiration die Intensität der Pul¬
sation abnahm, berechtigten zu dem Schlüsse, den Sitz der
Erkrankung in die Aorta thoracica an ihrer tiefst gelegenen
Partie anzunehmen, während die Steifigkeit der Wirbelsäule auf
eine Usur der Wirbelkörper schliessen liess.
Mein Freund Dr. Wallenberg hier, dem ich den Pat. ge¬
legentlich vorstellte, bestätigte den gesammten Symptomen-
Complex.
Die Therapie bestand von nun an in wiederholter zeit¬
weiser Application der Eisblase und in subcut. Injectionen von
Extr. secal. cornut. nach v. Langenbeck. Beide Behandlungs¬
methoden waren dem Pat. lästig und schmerzhaft. Ein vor-
theilhafter Einfluss liess sich nicht constatiren.
Der weitere Verlauf war nun der:
Trotz der Ermahnungen zur Schonung und Enthaltung
von jeder anstrengenden Arbeit nahm der Pat. seine Beschäfti¬
gung wieder auf.
Am 2. December stand er Vormittags an seinem Zurichte¬
tische und liess sich ein grösseres Stück Tuch reichen, um
davon zuzuschneiden. In dem Augenblicke, wo er dasselbe
aufhob, stürzte er mit einem lauten Schrei zusammen und war
an beiden Beinen gelähmt.
Um 1% Uhr sah ich den Kranken wieder. — Pat. ist bei
freiem Sensorium. Gesicht blass, Facies Hypocratica, sudor
letalis. Pat. wälzt sich mit dem frei beweglichen Oberkörper
von einer Seite zur anderen, stöhnt laut vor Schmerz im Leibe
und im Kreuz, sowie in den Beinen.
Die Unterextremitäten völlig gelähmt, kalt; tiefe Nadel¬
stiche werden nicht empfunden, lösen keine Spur von Reflex¬
action aus. Diese Anästhesie setzt sich auch auf die Bauch¬
decken fort. Die Grenze derselben reicht etwa bis zur Höhe
des Proc. xiphoideus. Das Abdomen flach, die Bauchdecken
nicht gelähmt, wie man bei der unruhigen Lage des Pat. an
den Mm. rectis sehen und fühlen kann. Druck auf das Ab¬
domen, besonders in der Gegend des linken Hypochondrium
schmerzhaft.
Im Epigastrium sicht- und fühlbare Pulsation.
Radialpuls sehr frequent, eng, niedrig. Cruralpuls fehlt
beiderseits vollständig. Auch die Pulsation der Aorta
abdominalis nirgends zu fühlen.
Häufiger Singultus, Brechneigung, dünnflüssige Sedes in-
sciae. Urin ebenfalls unwillkürlich entleert. — Um 2V 2 Uhr
erfolgte der Tod.
Die Obduction wurde am 4. December von Dr. Wal len -
berg und mir im Sterbehause unter vielen erschwerenden Be¬
dingungen vorgenommen.
Sectionsbefund:
Sehr stark abgemagerter Leichnam; Pannicul. adipös, selbst
an den Bauchdecken äusserst gering. Trockene, rothbraune.
spärlich entwickelte Musculatur.
In der Bauchhöhle wenig Flüssigkeit; die Därme eng.
mit spärlichem Inhalt. An den drüsigen Organen, der Milz,
den Nieren, der Leber keine wesentliche Veränderung. Der
Magen wird unterbunden und entfernt, das Pancreas durch¬
schnitten und abgetrennt (ist leider nicht genügend untersucht).
In der Gegend des Hiatus aorticus zeigt das Peritonaeum und
das retroperitoneale Bindegewebe eine ziemlich ausgebreitete,
besonders in die linke Lumbalgegend sich hineinerstreckende
blutige Infiltration. Das Peritonaeum zeigt dabei noch keine ent¬
zündlichen Erscheinungen. — In der Brusthöhle zeigt das Peri-
cardium keine krankhaften Veränderungen. Die Pleurablätter
sind nirgend erheblich verwachsen, die linke Pleura diaphrag-
matica nur etwas schwerer löslich. An den Lungen selbst nnr
in den abhängigen Partien auf der Durchschnittsfläche spär¬
liche schaumig-blutige Flüssigkeit.
Das Herz ziemlich schlaff, nicht wesentlich vergrössert;
die Herzhöhlen enthalten ziemlich reichliche speckhäutige Ge¬
rinnsel. Die Herzspitze wird vorwiegend vom linken Ventrikel
gebildet. Die Musculatur des linken Ventrikels nicht auffallend
verdickt, ebensowenig die Papillar-Muskeln. Am rechten Ven¬
trikel ebenfalls nichts Krankhaftes zu entdecken. Die 2- und
3 zipfligen Klappen der venösen Ostien vollständig gesund, ohne
Auflagerungen und Verdickungen. Desgleichen fehlt an den
Semilunarklappen der arteriellen Ostien jede pathologische Form-
Veränderung.
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
\ . BKRUKRU KXdKtSüB.K OCftiiKSOll m
Dev Aren« Atyrtaw «rcht erweitert, Aus riöür |
ßefässhtmeu^entleert aidMhev refrW 1 ^ «licjklj^ig^ xum theU
auch ^er<friweiits Blut. -— Gej|t raun Vetfeif Aorta 1
thoracicü udlig frei, so sieht inan <ui Ahrem peripWsten Ab¬
schnitt, dicht oberhalb des Dmphragifta faftt fausfgrassen
Tumor. Das der Läng£ nach aufgeftchoittene Lumen der stark
mit Blut gefüllten Aorta führt auf aiwmi^smatisehen Sack*
weicher in seuier Lät^eoausdehonn^ dom unteren •.Tbe.Ü des
t0. x dföWi ganzen II. und der Bälfte des YZ E r u w i r h e i kr»cpars
etdsp'rieht. Die Form der an^nrysmatiscbea Geschwulst ist eiiit
■vale, der Längendu/elmie.NSi'f betragt er, $<■ Her Querdurch- _
ausser vr. 5 Otm. Sie *?tzt der \ orderet« Wand der Aorta fast
Gdfrtändig auf und ist. ihrem grösseren Theite nach gegen das
Unke Hy,poch»md^um hin geribfttet. K&ch rechts bin wird sje
hegr^häf 4tit<;h cl» 0 oben gebannte» Wirbelkörpfer. Yd«’ vörß
betrachtet bedeckt der periphere; Abschnitt derselben die Art.
emdiaca and Mesevaic. supenur,
Jlie Lage de* Aneurysma wit» Zwerchfell ist die. «lass es
mit. smüem peripheren Köde g&n£i* 2wi«?fch*» die Crura int,
dhl'iefboij, genau, tu den HUtus Abirticus eingefügt ist
Die Aorta ist unschwer v.ou den WirhöjkörpeTn lnszulföten
und mit ihr auch das Aneurysma. D&bei Amgt sich?»,' dass
dasselbe mit deiner ‘rhp|il ö b ^eifruwand m den Körper des
IL Brustwirbels eingebettet ist, und vorwiegend diesen, weniger
die bebten benachbarten usurirt hat. Ute InterwtebnUscksiben
• springen zwischen den u»-»ritten Wirb et körpern ieis.frmartig her-
vög :— Die in die ‘WjrbeJkifrper eingebettete Wand des Aneu-
»•Vsin.a eiscbeiht nirgends., ;.bwoU dies. nachweteliek. ruptwjrt;
;df»ew^dKfc)ütK 'laaM'-iÖlVVk» der WithelusiVr iier? eine Oomrunui-
caiten mit dem Whheloartai co.ir?>tatireri..
Das gäiixe Aneurysma * tefc aM^fdllt mit zam Theil völlig
uirgamsiiUm Thromben, diese lassen, sieh fatr vobuditwoive...von
dvr AneurvSTuawand abbebeti. Iteberajl ist die tteK*.s-biPnia
iiAtentet noch ijMtiteb xu erkermeh. zuii* Theil sehr uneben und
ouk atberon>ates .verdickt. • Die. .0umm«n»cati *n süffn» og• des
Do mvsote mit - der Aorta ist recht bedeutend. etwa teatergt;»***
l.'i'i Oeifuvmg liegt scharf über dem Abgänge der Art. eoeliaca
. > rmü 'i&. rim ds#£$frvn durch einen teisdeitfoiin^gfca nah X 1 .klönten,
Itelisf er» versblife.tieü, Vorsprung getrennt, der er. %/deS .Geftte*-
•humm* einnimmt und eine sioheh’örmige Tasche bildet. Auf
dieser Tasche lagert. Vou der vorderen Wand des Ammiysma
iykge.iöstv ein• • fester.* .-iutMfteh orgam^rter, etwa fingergltecU
grosser Thrombus auf, der das ganze periph^fK Geiff^skrolir 1
vergeh tiessl.
Oberhalb des Aneurysma zeigt die Ge&sswatid der Aorta
s-tarke Ätiieromasie. Die entfaltete Aorta misst dasolbst er.
4 Ctm t .unterhalb 'des Aneurysma in der Höhe der K teuren*
arterie» etwi/s über H Ofcm, (Diese. Messöngdri sind am Spiritus-
Präparat gemuckt).
Die Aon« unterhalb de« ^..tfeuryhmatiscliei« Sackes ist bis
Hi dm €rurat-A.tfr?ntn UlDoih idutle^r upd frei wegsam.
Der Wirb^lcar^t konnte bhfrr nicht geöffnet werdeu.
(Foriset/m/ig folgt)
HL Aas der ebirnrgisehee Klinik des Herrn Prelessor
Hr. Muss za Freibarg i.|B.
Beitrüf;« ivr »«ebanheheB B«htmdl«n; 4er Sji»n4ylUU.
•;••••'• ■ • \ot/
0r. X-
I. AsstHieid der chinirgSchcn Klinik m Frciburji.
(SchtuÄ^
T luterer Theil d er Lenijfen wirbeisäule. (Fig. IV.)
Dickes HoilkisScri uut«r dem Gibbus und Beschwerung des
Co gle
tmtereu, Hebelarms mit ftwbMm vou b—18 Pfund, die v.nt-
weder mit der HertpHastcrausu au beiden unteren Extremitäten
befestigt, oder durch aal die Knie aufgelegte Saudsäcke ersem
werden. Am eignen sich hierzu ganz lange, ,scbmaih
Sandsäcke, Wje «ie znt Fixation kranker Extremitätetj. durch
scitlicites Anlegen bfituiW werden-
Figut IV,
hi dlÄc Werke;ivurden folgende PatienteD behandelt;
11 Fall. Kuhle. jo>e{>b, von Stein Fach. 82 Jahre ult,
Balniarbeiter. kräftiger Mann, der hie krahfc tvaiv (pi Söptcrn^
bw JH7b »ach einer starken Durcthnäsfiimg und Erkältung
Abends Sch.ütfrljfrosf und heftigen Schmerz im Kreuz und den
Lenden. In den nächsten JJ Tägen Abendfrmperaturen bis
41,0 und Frsdicinungen einer acuten Peyitnnitis. besonders Unk-.
'Kttch \ Wp^ben allrniiljg imMer: hochgradigere C«.u»tractnr de«
:■ lirikv.fi' ■‘•:Oiiv.rscbvrikels i Jeder V^r-.nclt der GradesTelluug wird
e/irrgi s( < ti Äiü’iickgewiesen uiui hur geringe Kotntimi^Aewegungen,
«lie ^(diHierZfrei \vordnn können, lassen die Erkrankung
des Hüftgelenks aussdiliessen. Intensiver Gürtefrchmerz.; An-
fangi? DeDmtber wurdeeiu D&oasabscess nach aussen von der
iemnralis hidit- und Tühlbar. Am A. Ifrcerubur Aus^augeti mit
dem iJi.eulafoy schert Aypiratnr .und; Auswaschen der Höhle
mit b ! \ b Darholl.’Vsnng Abends fieberfrei, zum ersten Alaj.
HeftpHasderc\Xto»:ih>nsrverband a» da.s abdncirtüo. flectirie und
sujnnirte Bein mit vorläufig nur 5 Pfund Belastung, damit keiae
Zcrreissmng des durch Eiter zerstfirien paoas erfolge. Trotjt
ra&eher Wiederaufüllnng des hbd neti^r T'emöeTatn)A-
Steigerung, s i eh t lieh e Er hui h n g dpa fast -zunt Seetett abgemager-
ti*n Pafiehtei). . K&ch h Tagen ist das ß«dn nahezu gesfreckt'
Am 18. Denembev Spaltung und Drainiruug des :A b«>?sses,
streng antisepifreb. Nach d Wochen dMnmye Ad^höHwng.
. Contra cf uv völlig be.y?i f jgfr ’; : Al Igcm ehibefinden gut, Kühle
#tmd jeUt täglich aufr aber die ; der
traten wieder heftiger auf und nach "J Monaten miiHste ei
wieder liegen, da sieh die Wirbelsäule abzuflacjieu begann-
Die normale Lordose der Lendenwirbel war vergeh wundern
der Dornfrrtsatz 4es ;i, auf Druck sehr sekmetzhäft.. Ehi
vom April ah wurde Kühle aber dem ftoDkiasetr
Währeud ManateUnge Rücken läge nnd Den van Den ui^kta ge-
i holfen halten, waren }tot nach 8 Tag^n die SchöieTZen. ge-
: .schwunden. IntermAhT dpss in den MonätA»
: jeder Verknch zu •stehen. die Schmerzen meder krankte. Erst
J im November könnte er geheilt entlasse« werden.. Jetzt i«t
J volle Beweglb'kköit 4er Wirbelsäule vorhanden, mni Kühle so
! gut genährt und ho blüheinb wie nie vorher
12, Fall, GdrUher, Theresia. 21 JäfrW ;ait 4 von Thenaeii-
\ bronn. Seit Herbst 1^74 zeilwekie ht>Dkgen. } lange daqnnjiie»
j Racken- and Hufi^chtnerz Januar lH77- : zum 'tjmeii' Male beiia
Böcken Schmbti?. «laaa aoHäuenulcs heftiges ifreimeri in der
> Lehdcnwfrbeigvfgend und GürtelWtoßfeix Kasche Abmagerung,
| Eintritt am HU )Kf7. kräftig ^baUtes, anämisches Mädchen,
j Oberkörper wird v.urnübftr gchaltö«, beim Bücke» steiflialten
! der Wirbelsäule; Iw! jeder ravehen Bewegung Exacerbatioa des
450
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No 30
localen Schmerzes. Gürtelschmerz. Keine Dislocation der Wir¬
belsäule vorhanden, der 5. Lendendornfortsatz entspricht der
Schmerzstelle und ist bei Druck etwas empfindlich. In der
rechten Leistengegend grosse, sanduhrförmig z. Th. über, z. Th.
unter dem Poupart’schen Band liegende Geschwulst, welche
deutlich fiuctuirt. Spaltung unter Li st er, mit der Sonde
gelingt es eine Beckencaries auszuschliessen, an den erkrankten
Wirbel gelangt man nicht. Distraction auf einem dicken Roll¬
kissen, Heftpflasteransa mit je 5, später 7 Pfund Belastung.
Schon am 25. Juni geheilt entlassen. Der Abcess schon seit
8 Tagen geschlossen, Schmerz ganz, Steifigkeit z. Th. geschwun¬
den. Ist seitdem öfters untersucht worden, sie kann die Wirbel¬
säule so gut wie vorher bewegen und hat nie mehr Schmerzen
gehabt.
Von diesen 12 mit Distraction behandelten Fällen gehören
3 der Halswirbelsäule, 1 den oberen, 2 den mittleren Brust¬
wirbeln, 4 dem unteren Theil des Brust- und dem oberen Theil
des Leudenabschnittes gemeinschaftlich, und 2 den unteren
Lendenwirbeln an. Zehn wurden geheilt, einer (No. 10) ist noch
in Behandlung und einer (No. 3) starb während der Behandlung
an Basilarmeningitis. Von den geheilten starb ebenfalls 1
(No. 7) an derselben Affection ein Jahr später. Die Heilungs¬
dauer dieser 10 Spondylitiden betrug durchschnittlich 14 Wochen,
die längste ist mit 32, die kürzeste mit 4 Wochen zu verzeichnen.
Recidive kamen in keinem Falle vor, trotz der erstaunlich
kurzen Durchschnittsdauer der Behandlung, und ich glaube
diese guten Endresultate hauptsächlich dem Umstande zuschrei¬
ben zu müssen, dass alle Patienten die Lagerung auf dem Roll¬
kissen so lieb gewonnen hatten, dass sie gar nicht mehr ohne
ein solches schlafen zu können glaubteq, und deshalb die Be¬
handlung zu Hause, wenigstens während der Nacht fortsetzten.
Ferner sahen wir, wie einfach die fächerförmige Distrac¬
tion durchzuführen ist, und wie billig die dazu nöthigen Appa¬
rate sind. Neben dem Rollkissen sind nur in einzelnen Fällen
Sandsäcke oder eine Glisson’sche Schwinge nothwendig. Letz¬
tere kann auch bei armen Leute leicht durch ein einfaches
Halstuch, an welchem statt des Bügels 2 Schnüre befestigt
werden, zwischen die, analog dem Fussbrett, ein etwas längeres
Brett, als der Kopf breit ist, angebracht wird, ersetzt werden.
Bei dem Durchlesen dieser Krankengeschichten fallen uns
mehrere allen gemeinsame Punkte auf, welche direct als Wir¬
kungen der Distraction betrachtet werden müssen, weil sie
völlig analog den Erfolgen erscheinen, welche wir durch dieses
Verfahren bei Gelenkkrankheiten zu erzielen gewohnt sind.
Hierbei möchte ich ausdrücklich bemerken, dass die Spondylitis
eine reine Erkrankung des Knochens ist und mit den Gelenken
bei der weitaus grössten Anzahl der Fälle nichts zu thun hat.
Die Zwischenknorpelscheiben der ganzen Wirbelsäule sehen da¬
bei meist völlig gleichmässig aus, sie sind etwas aufgefasert
und haben einen Theil ihrer Elasticität verloren. Selbst bei
Zerstörung mehrerer Wirbelkörper ist der Gelenkapparat meist
gar nicht erkrankt, er zeigt zwischen den zerstörten Wirbeln
dieselbe Beschaffenheit, wie zwischen den gesunden. Gleiche
Bilder liefern uns die Zwischenknorpel der Wirbel von Pa¬
tienten, welche etwa in Folge einer Lähmung der Muskeln
ihre Wirbelsäule Monate lang nicht bewegt hatten, und doch
spricht kein Mensch hier von einer Erkrankung. In ganz sel¬
tenen Fällen scheint es, als ob die primäre Affection in den
Zwischenscheiben zu suchen sei, aber ein genaues Sections-
protokoll eines solchen Falles bin ich nicht im Stande gewesen
zu finden. Häufig dagegen sind die Gelenke der Gelenkfortsätze
der Wirbel Sitz der Erkrankung.
Zuerst ist es die schmerzstillende Wirkung, welche bei
allen Patienten sehr schnell eingetreten ist. Auch in alten
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Fällen von Spondylitis, in welchen schon knöcherne Ankylose
in fehlerhafter Stellung angenommen werden musste, haben wir
dieselbe zu beobachten Gelegenheit gehabt. Ein 32jähriger
Maurer, welcher von Kindheit an eine so hochgradige Kyphose
der ganzen ßrustwirbelsäule hatte, dass die Rippen sich auf
die Darmbeinkämme stützten, und welcher schon Jahre lang
an Gürtelschmerz litt, kam wegen eines Senkungsabscesses in
unsere Behandlung. Er gab an, dass fast jedes Jahr sich ein
Senkungsabscess in der Leistenbeuge eröffnet habe und meist
von selbst wieder geheilt sei, dass aber der Gürtelschmerz noch
nie ganz aufgehört habe. Nach 5 wöchentlicher Lagerung auf
dem Rollkissen waren alle Schmerzen geschwunden, obwohl
wie vorauszusehen, auch nicht der geringste günstige Einfluss
auf den Gibbus bemerkbar war. Dass dieser Erfolg ganz allein
der fächerförmigen Distraction und nicht etwa der Ruhe oder
der Abscesseröffnung zuzuschreiben war, dafür sprechen die
Fälle No. 5 und 11, in welchen trotz Monate langer ruhiger
Rückenlage und trotz Ausheilung der vorhandenen Abscesse,
die Schmerzen nicht eher nachliessen, als bis die Distraction
in Wirkung trat. Ferner sprechen dafür No. 8 und 10, in
denen Abscesse bestanden, oder in Bildung begriffen waren und
dennoch mit der beginnenden Kissenlagerung die Schmerzen
verschwanden.
Ein weiteres gemeinschaftliches Moment ist das sofortige
Verschwinden des etwa vorhandenen Fiebers beim Be¬
ginn der Distraction.
Mit Schmerz und Fieber hörten natürlich auch alle anderen
damit zusammenhängenden Symptome, wie Schlaflosigkeit, Appe¬
titmangel etc. auf, und das Allgemeinbefinden besserte sich we¬
sentlich.
Die Difformität wurde in allen Fällen mit gleicher Prf-
cision beseitigt, und gerade hierdurch unterscheidet sich unsere
Behandlungsmethode sehr wesentlich von allen anderen mir be¬
kannten, sie lässt die Orthopädie für sämmtliche Abschnitte
der Wirbelsäule in gleicher Weise zur Geltung kommen.
Ausser der Beseitigung der fehlerhaften Stellung sehen wir
aber einen Hauptvortheil unserer Behandlung in der in allen
Fällen mehr weniger vollständig wiederhergestellten Beweg¬
lichkeit der Wirbelsäule. Bis jetzt betrachteten es die
meisten Chirurgen für ein sehr gutes Resultat, wenn die Diffor¬
mität nicht zunahm, wenn sie in der bestehenden Stellung an-
kylotisch wurde, weil sie hierin die beste Garantie für eine
definitive Heilung zu sehen glaubten. Unsere geheilten Patien¬
ten aber konnten sämmtlich, soweit sie in Beobachtung blieben,
einige Zeit nach dem Aufstehen ihre Wirbelsäule soweit schmerz¬
los bewegen.
Am Halstheil hatte ja schon Volkmann (l. c.) durch sein
Extensionsverfahren ausgezeichnete Resultate erzielt. Von un-
sern 5 Fällen mit Spondylitis cervicalis wurde nur bei 3 ein
gutes Resultat erzielt. Bei 2 bestand nur ein Caput ob-
stipum, im 3ten allerdings eine geringe Kyphose. Ein 4. Pa¬
tient mit hochgradigem Gibbus und Parese der unteren Ex¬
tremitäten wurde zwar während einer 6 monatlichen Gewichts¬
extension mit der Glisson’sehen Schwinge gebessert und die
Lähmung verschwand, aber sehr bald stellten sich die Lähmungs¬
erscheinungen, dieses mal begleitet von eigenthümlichen Con-
tracturen der Extensoren und Flexoren, wieder ein. Im 5. Fall
handelte es sich mehr um Erkrankung der. Wirbelbögen und
wurde keine Besserung erreicht.
Habe ich auch nur 3 Fälle der Halswirbelsäule auf¬
geführt, so glaube ich doch, dass diese im Verein niit
denen der Brustwirbelsäule völlig beweisend dafür sind, dass
die Lagerung auf dem Rollkissen zum sicheren und vollstän¬
digen orthopädischen Erfolg nothwendig ist, weil die allei-
Qrigiraal fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
29. Juli 187S.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
451
nige Extension mittelst der sehen Schwinge nicht
präcis genug wirkt. Dasselbe, ich von dem Kissen
gesagt habe, gilt auch für die Behandlung mit tiefer stehender
Rolle, nur glaube ich, dass die Lagerung auf ersterem bequemer
ist und noch intensiver wirkt. Klarer tritt die Wirksam¬
keit unserer fächerförmigen Distraction für den Rücken- und
Lendentheil aus den vorliegenden Fällen hervor. Bei allen
schwand der etwa vorhandene Buckel, und stellte sich in über¬
raschend kurzer Zeit die Beweglichkeit mehr weniger aus¬
giebig wieder her. Dieser Erfolg ist um so schöner, als bis
jetzt noch keine Behandlungsweise bekannt war, welche so gün¬
stige Erfolge für die mittleren und unteren Abschnitte der Wir¬
belsäule aufweisen konnte. Einzelne gut geheilte Fälle sind
ja bekannt, aber selbst König (Lehrbuch der speciellen Chi¬
rurgie, Berlin 1877) muss bekennen, dass ein sicher wirkendes
Verfahren fehle. Die Extensionsschwebe ist ebenfalls, wie ich
schon oben auseinander gesetzt habe, nur für einzelne Abschnitte
zu gebrauchen.
Als weitere gemeinsame Wirkung können wir das rasche
Verschwinden der Lähmungen (No. 2 und 3) und der
Reizungszustände, welche sich in fast allen Fällen als
Gürtelschmerz, in einigen derselben noch als Muskelzuckungen,
oder auch als wahre Intercostalneuralgien mit fibrillären Muskel-
contractionen äusserten, betrachten. Meist schwanden sie schon
nach einigen Tagen, allerdings etwas langsamer als der locale
Schmerz an den erkrankten Wirbeln, was ja auch aus ihrer
Aetiologie zu vermuthen ist.
Congestionsabscesse sind hier sehr häufig, in den 13
erwähnten Fällen waren sie 8 mal vorhanden, und 2 mal traten
sie multipel auf. Mehrere kamen schon geöffnet in unsere Be¬
handlung. Es musste deshalb bei ihnen von vollkommener An¬
tisepsis abgesehen werden, aber durch gründliches Ausspülen
der Höhlen mit Chlorzink und durch geeignete Drainirung besser¬
ten sich alle und wurden zum Theil geheilt. Bei 3 Patienten
konnten wir die Bildung der Abscesse beobachten. Besonders
interessant waren die Prodromalerscheinungen bei Köhle (No. 11),
bei dem sich Abends ohne bekannte Veranlassung ein Schüttel¬
frost einstellte, dem 14 tägiges hohes Fieber folgte. Dann traten
Symptome auf, welche einer acuten Peritonitis entsprachen, zu
denen sich noch eine Contractur der Hüfte hinzugesellte. Erst
2 Monate später gelang es, einen Congestionsabscess mit cha-
racteristischer Psoasstellung des Beins nachzuweisen. Da der
Mann vorher immer gesund gewesen war und nie das geringste
Symptom, welches auf eine beginnende Spondylitis hingedeutet
hätte, bemerkt hatte, so haben wir hier demnach eine acute
Spondylitis vor uns, welche neben ihrem seltenen Vorkommen
auch in vivo selten oder fast nie mit Sicherheit zu diagnosticiren
sind. Das 14tägige Fieber entspricht dem acuten Processe der
Wirbelkörper, die peritonitischen Erscheinungen wurden offen¬
bar durch den subserösen Verlauf des Abscesses bedingt. —
Auch in den beiden anderen Fällen (8 und 10) stellten sich
unter geringen Fiebererregungen Anschwellung und Contractur
einer Hüfte ein, welche auch hier die Vorläufer von Abscessen
bildeten.
Wichtig ist die Kenntmss dieser Prodrome für die Prognose
einzelner Fälle. Stellt sich bei bestehender Spondylitis nur die
geringste Contractur oder Anschwellung der Hüfte ein, und ist
diese Erscheinung gar noch verbunden mit geringen Temperatur¬
erhöhungen, so liegt Verdacht auf Bildung eines Abscesses vor.
Fall 10 bietet aber noch speciell diagnostisches Interesse,
'weil der Abscess durch das Foramen ischiadicum ausgetreten
ist, was im allgemeinen seltener ist. und in Fällen, in denen
die anderen Symptome nicht so klar liegen, zu Irrthümern in
der Diagnose verleiten kann. Im Jahre 1876 war ein analoger
Fall in unserer Klinik in Behandlung:
Strittmater, Karl, 36 J. alt, Grenzwächter, litt seit 2 Jahren
an heftigen Schmerzen der unteren Rückenwirbel, die längs der
Intercostales ausstrahlten und ihn ganz arbeitsunfähig machten.
Beim Eintritt, am 12. November 1876, waren ausser obigen
Symptomen noch localer Schmerz bei Druck auf den 11. und 12.
Brustdornfortsatz und anfallsweise auftretende Zuckungen der
Bauchmuskeln vorhanden. Eine Dislocation an der steif gehal¬
tenen Wirbelsäule war nicht zu bemerken. Bei einer späteren
Untersuchung bemerkten wir beim Husten ein stossweises Her¬
vorwölben des linken Glutaeus und die aufgelegte Hand spürte
einen deutlichen Anschlag, wie von einer aus dem Foramen
ischiadicum kommenden Hernie. Eine Eiterung längs der Wirbel¬
säule oder im Becken war, soweit es sich durch die Bauch¬
decken oder vom Rectum her palpiren liess, nicht nachzuweisen.
Mehrere spätere Untersuchungen ergaben dasselbe Bild, An¬
schlägen bei jedem Hustenstoss, und sofortiges Verschwinden
der Verwölbung in den Pausen, vom Rectum aus war kein An¬
prallen zu fühlen. An der Hüfte war weder eine Anschwellung
noch eine Contractur vorhanden. Es fragte sich also ob wir
eine Hernia foraminis ischiadici oder einen Congestionsabscess
vor uns hatten. Gegen einen Bruch sprach das momentane
Verschwinden der Vorwölbung nach jedem Hustenstoss und der
Umstand, dass Patient nie eine Geschwulst oder Schmerz an
dieser Stelle bemerkt hatte. In den 4—5 mit Sicherheit con-
statirten Fällen dieser Hernie waren während des Lebens nie
Beschwerden oder Schmerzen vorhanden, es handelte sich jedes¬
mal um deutlich wahrnehmbare Tumoren, welche reponirt werden
konnten. In dem von Papen (Epistula ad illustr. virum Alb.
de Haller de stupenda hernia dorsali, Göttingen, 1750) erzähl¬
ten Falle lagen fast sämmtliche Därme und die Blase in dem
Bruchsack, und die Frau hatte nur insofern Urinbeschwerden,
als sie, um Wasser lassen zu können, jedesmal die^umfangreiche
Geschwulst heben musste. In unserem Falle sprachen alle
Nebenerscheinungen für Spondylitis und durch die Beobachtung
im Falle 10 ist die Diagnose auf Senkungsabscess gesichert.
In keinem Fall konnte ein günstiger Einfluss der Distrac¬
tion auf die Abscessbildung nachgewiesen werden. Es ging kein
vorhandener Abscess zurück, und in einem Fall bildete sich
sogar einer während der Lagerung.
Was die Behandlung der Congestionsabscesse betrifft, so
dürfte darüber noch mancher Zweifel herrschen.
Seit der Einführung der antiseptischen Wundbehandlung
ist auch hier, wie bei so vielen anderen Erkrankungen eine
rationelle Therapie möglich geworden. Während bis vor kurzem
die meisten Chirurgen sie mit Stromeyer, der ihre künst¬
liche Eröffnung für einen »sträflichen Leichtsinn 41 erklärte, für
ein Nolimetangere hielten, darf man jetzt diesen Satz nicht mehr
für allgemein gültig erachten. Nach den Erfahrungen, welche
wir auf unserer Klinik gemacht haben und welche fast mit
denen übereinstimmen, welche König (1. c.) ausspricht, ist vor
allem eine genaue Beobachtung erforderlich, bevor man sich zu
einem Handeln entschliesst. So lange die primäre Affection noch
nicht ausgeheilt ist, bietet uns das Lister’sche Verfahren nicht
die genügende Garantie gegen alle Lebensgefahr, besonders
weil bei Abscessen, die in der Hüftgegend zum Vorschein ge¬
kommen sind, eine Beschmutzung des Verbandes nach der In-
cision durch Faeces etc. nur sehr schwer zu verhüten, und der Ab¬
schluss des Verbandes durch Watte etc. nach der Genital- und
Analfalte zu auf die Dauer sehr schwierig ist.
Hierzu kommt noch, dass das jedesmalige Heben des Pa¬
tienten beim Verbinden, durch die dabei unvermeidlichen Be-
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
452
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 30
wegungen der Wirbelsäule, einen nicht unerheblichen Reiz auf
das erkrankte Knochengewebe ausübt. In solchen Fällen ist
es besser ein oder zweimal mit dem Dieulafoy’schen Aspi-
ratens zu punktiren und die Höhle mit 5% Carbollösung aus¬
zuspülen. Hiernach bleiben viele Abscesse stationär oder werden
auch zum Theil resorbirt. Oefteres Punktiren ist nicht anzu-
rathen; es ist dann die Incision vorzuziehen. Veranlasst ein
Abscess bedeutendere Störungen des Allgemeinbefindens, so
muss er geöffnet werden. Cm diese Allgemeinerscheinungen
als vom Abscesse abhängig zu erkennen, entleeren wir mit
dem Aspirator, und sehen zu, ob die Störungen verschwinden
und bei der Wiederanfüllung zurückkehren, oder ob sie bleiben.
Im ersteren Falle incidiren wir. Als Regeln für die Behand¬
lung der Senkungsabscesse lassen wir folgende Sätze gelten:
a) Operativ müssen behandelt werden:
1) Abscesse, welche nach aussen durchzubrechen drohen.
2) Abscesse, welche das Leben direct bedrohende Erschei¬
nungen hervorrufen, wie etwa die Retropharyngeal- und Retro-
oesophagealabscesse.
3) Alle, welche Fieber verursachen.
4) Alle, welche noch längere Zeit nach Ausheilung des
localen Wirbeileidens bestehen und nur geringe oder gar keine
Neigung zur Resorption zeigen.
b) Exspectativ müssen demnach behandelt werden:
Alle Abscesse, welche während oder vor Ausheilung des
Wirbelleidens an irgend einer Stelle zum Vorschein kommen,
und weder das Leben bedrohende Erscheinungen hervorrufen,
noch das Allgemeinbefinden stören, noch durchzubrechen drohen.
Was die Methode der Eröffnung anlangt, so machen wir
es mit geringen Abänderungen ebenso, wie es Volkmann in
seinen Beiträgen zur Chirurgie (Leipzig 1875) angiebt.
Wenn ich es oben auch nicht genauer erwähnte, so haben
wir doch in alleu Fällen zu beiden Seiten des Gibbus mehr
weniger intensiv wirkende Derivantien applicirt, zum Theil ein¬
fache hydropatisehe Umschläge, zum Theil eingreifendere, bis
das Cauterium actuale.
Was ich hier von den chronischen Entzündungen gesagt .
habe, gilt sicher in demselben Grade von den acuten. Aus
Analogie mit den Epiphysenerkrankungen darf man amiehmen,
dass die antiseptische Wirkung der Distraction ebenso prompt
bei acuter Spondylitis, wie bei acuter Gelenkentzündung auf-
tritt. Leider war unsere Rollkissenbehandlung noch nicht in
Anwendung, als der acute Fall (No. 11) in unsere Klinik kam,
und sie wurde erst in späterer Zeit bei ihm angewendet.
Im Gegensatz zu den Erfahrungen der Engländer und
Amerikaner, welche bemerkt zu haben glauben, dass die hori¬
zontale Lage durch Monate hindurch nur sehr schwer oder gar
nicht ertragen werde, sehen wir, dass in sämmtlichen oben er¬
wähnten Fällen die Patienten während ihrer beständig einge¬
haltenen Rückenlage ein blühendes Aussehen erlangt haben.
Auch stimmt die Ansicht vieler Kliniker mit unseren Beobach¬
tungen überein, dass nämlich mit Ausnahme der Greise und
Potatoren alle Kranken das Liegen ganz vorzüglich ertragen, ;
wenn sie nicht mit einem rasch fortschreitenden Allgemein- j
leiden behaftet sind, welches Anlass zu schweren Ernährungs¬
störungen giebt. Dieser Controverse wegen möchte ich am
Schluss meiner Arbeit nicht unterlassen, den Aerzten, welche
unserer Ansicht nicht huldigen, einen bei uns gebrauchten I
Kyphosen-Apparat zu empfehlen, welchen wir in vielen Fällen j
mit sehr gutem Erfolg zur Nachcur benutzt haben. Er be- !
steht anlog dem Taylor’schen Mieder aus 2 zu beiden Seiten
des Gibbus verlaufenden und im beliebigen Winkel stellbaren
Schienen, die durch einfaches Charniergelenk verbunden sind.
An jeder Stahlschiene befindet sich 6 Ctm. oberhalb und 6 Ctra.
unterhalb des Gelenks und nach hinten je ein frei vorstehender
Stift. Die beiden Stifte jeder Schiene werden durch ein Stück
sehr kräftigen Gummischlauchs verbunden, der 12 Ctm. lang,
also bei senkrechter Steilung des Rückentheils entspannt, bei
jeder Winkelstellung aber sofort stark gespannt wird. Hat sich
der Patient das Mieder angelegt, so kommt der elastische Zug
zur Wirkung. An den Rückenschienen ist noch eine Vorrich¬
tung angebracht, welche ihnen die Stellung in einem kleineren
Winkel, als der Gibbus hat, nicht erlaubt. Diese Schienen sind
durch Becken-, Schulter- und Halsgürtel am Körper befestigt.
Durch die Elasticität wird so eine dauernde Geraderichtung an¬
gestrebt. Während der Nacht liegen die Patienten nach wie
vor auf dem Rollkissen, und man ist aut diese Weise im Stande,
Recidive sicher zu vermeiden, oder auch Kyphosen zur Heilung
zu bringen, ohne dass die Kranken ständig an das Bett ge¬
fesselt sind.
Für ärmere Leute dürfte auch, falls sie das Liegen nicht
I ertragen, der Gypsverband zu verwerthen sein, besonders wenn
sie ambulatorisch behandelt werden. Jedoch muss ich vorher
bemerken, dass sich derselbe zur fächerförmigen Distraction.
oder zum Tragen des eben erwähnten Kyphosen-Apparats,
ebenso verhält, wie der Gypsverband zur Gewichtsextension
bei Behandlung von Gelenkkrankheiten. Durch die Extension
sucht man eine Ankylose zu vermeiden, durch den Gypsverband
aber eine solche zu erzielen. Da nun die Wirbelsäule nur in
sehr seltenen Fällen vor Anlegen des Verbandes richtig gestellt
werden kann, so muss ein fester Verband bei Spondylitis sehr
oft gewechselt werden, wenn man eine nur einigermasseu ver¬
besserte Stellung erzielen will. Die Vorschrift zu einem solchen
Verband habe ich schon kurz im geschichtlichen Theil ange¬
deutet. Eine Kritik über denselben, die sich auf eigene Be¬
obachtung stützt, bin ich nicht im Stande zu geben, jedenfalls
ist das Princip ein richtiges, und ich glaube auch, aus der
Analogie mit dem Gypspanzer bei Schlüsselbeinfracturen. der
Angabe, dass das Tragen desselben während längerer Zeit gut
ertragen werde, beistimmen zu dürfen.
IV. Referate.
Eine einfache Methode zur microscopischen Untersuchung
des Blutes auf Spirillen.
Um auch mit gewöhnlichen Microscopen von er. 300 Vergrösserungen
die Untersuchung des Blutes auf die Obermeier’schen Spirillen lx^
Febris recurrens in sehr vollkommener Weise vornehmen zu können,
empfiehlt sich nach Alb recht (Petersburger med. Wochenschrift No. 20.
1878) folgendes Verfahren. Die Methode ist nur bei Trockenpräparaten
anwendbar. Man breitet einen Tropfen Blut auf einer Glasplatte, nioh:
gar zu dünn, aus, lässt ihn eintrocknen und behandelt ihn dann mit
| einigen Tropfen Eisessig, die man nach einigen Secunden erneuert,
i Dadurch werden alle Blutkörperchen und Fibrinmassen zerstört und
i aufgelöst, worauf, nach einem vorsichtigen Abspülen der Säure mit
! destillirtem Wasser und abermaligem Trocknen, das Präparat sofort zur
j Untersuchung dienen kann. Bei einiger Vorsicht beim Abs mlen, welches
nicht im Strahle geschehen darf, braucht man ein Abwaschen der Spi¬
rillen nicht zu fürchten, besonders wenn das Präperat vor der Be¬
handlung mit Eisessig längere Zeit (6—12 St.) trocken gelegen hat
Unter dem Microscop sieht man jetzt nur die Kerne und Körnchen der
weissen Blutkörperchen, zwischen denen die Spirillen in sehr grosser
Anzahl und in den verschiedensten Anordnungen und Lagen sehr schön
und deutlich zu Tage treten. Die so bereiteten Präparate werden am
besten trocken aufbewahrt, während für einen Balsam- oder Glycerin-
einschluss dieselben mit den von Koch angegebenen Anilin-Farben —
methylviolet oder anilinbraun — gefärbt werden müssen.
Zur Incubation des Scharlach.
In einem Vortrage in der Clinical society vom 24. Mai d. J. be¬
stätigte Murchison die allgemein geltende Ansicht, dass die Incn-
bationsdauer des Scharlach nicht über eine Woche beträgt auf Grund
von 75 Beobachtungen, von deneij 23 bereits früher veröffentlicht waren.
In keinem der gesammten Fälle Murchison’s war die Incubationsdauer
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
59. Juli 1STS
453
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
länger als 6 Tage, in 44 betrug sic über 4 Tage, in 16 nicht
über 2 Tage, in 15 endlich nicht 24 Staden. Eine Quarantäne von
einer Woche Dauer würde also in der Praxis für alle Fälle genügen,
um festzustellen, ob der Betreffende inficirt ist oder nicht.
Y. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften. !
Berliner medielnische Gesellschaft
Sitzung vom 20. Februar 1878 (Schluss).
Tagesordnung:
Herr Litten: Zur Pathologie der Nieren. i
Der Vortragende berichtet über einen Fall von ulceröser Phthise j
mit hochgradiger Amyloidentartung der Nieren, Leber, Milz und des !
Darmes, bei welchem während der 3monatlichen genauen Beobachtung J
niemals Eiweiss im Urin gefunden wurde. Die microscopisehe Unter¬
suchung der injicirten Nieren ergab totale Entartung aller ergriffenen I
Glomeruli, so dass absolut kein Farbstoff in dieselben eingedrungen war,
sowie eine massige Entartung der interstitiellen Capillarcn, vasa affe- ,
rentia und v. recta. Diese letzteren waren sämratlich vollständig injicirt,
obschon die Oefösslumina stellenweise durch die amyloide Infiltration |
der Gefässwand . tark verengt waren. Daraus, dass trotz der Durch¬
gängigkeit der letzteren, namentlich der interstitiellen Capillaren keine
Albuminurie aufgetreten war. während die entarteten Glomeruli voll- I
ständig impermeabel für die Injectionsmas.se waren, schlicsst der Vor- j
tragende, dass die letzteren es seien, welche, falls sie für den Blutstrom f
noch durchgängig sind, bei der Amyloiddegeneration der Nieren das i
Eiweiss durchtreten lassen, um so mehr, als in den seltenen Fällen
ausschliesslicher Degeneration der Glomerularsehlingen stets Albuminurie
beobachtet wurde. Für die Betheiligung der Capillarschlingen der
(llomeruli bei gewissen Formen der Albuminurie spricht auch folgender
Umstand. Wie M. Hermann gezeigt hat, tritt Albuminurie auf nach
zeitweiliger Ligatur der Art. renalis. H. erklärt dieselbe durch Druck¬
steigerung in eien Capillaren, welche den während der Ligatur angehäuften
rothen Blutkörperchen ihr Entstehen verdanken sollte. Seit den Cohn-
heim’schen Untersuchungen wissen wir, dass zeitweilige Absperrung
der arteriellen Blutzufuhr gewisse Veränderungen der Gefässwände her¬
vorruft. Es ist daher natürlicher, auch auf die letzteren das Auftreten
der Albuminurie bei dem eben erwähnten Versuch zu beziehen. Nun konnte
der Vortragende durch natürliche und künstliche Injectionon (erstere
wurde mit indigs-hwefelsaurem Natron ausgeführt, letztere mit Berliner
Blau) den Nachweiss liefern, dass die interstitiellen Capillaren noch j
immer Blut bekommen, wenn die Art. renalis ligirt und die Blutzufuhr !
zu den Glomerulis abgeschnitten ist. Hieraus schliesst er, dass es nur
die letzteren seien, welche nach der Unterbindung vollständig des arte¬
riellen Bluts beraubt seien und somit eine Desintegration der Wand
erleiden, während die interstitiellen Capillaren noch eine Zeit lang mit
0haltigem Blut ernährt werden. Daher müssen es die Capillarschlingen
der Glomeruli sein, welche das Eiweiss durch die in ihrer Ernährung
beeinträchtigen Wandungen hindurchfiltiiren lassen. Indess trifft diese
Erklärung nicht für alle Fälle von Albuminurie zu; bei der venösen
Stauung sind es vorzugsweise die venösen Capillaren, welche betroffen
sind und Serumeiweiss transsudiren lassen.
Anatomisch unterscheidet sich der vorliegende Fall amyloider Dege¬
neration der Nieren dadurch von allen übrigen, welche Verf. untersucht
hat, dass in ersterem die amyloiden Gefässe für die Blutzufuhr voll¬
ständig undurchgängig geworden waren, während in den übrigen nur
eine Verengerung, kein völliger Verschluss der ergriffenen Gefässe ein¬
getreten war. Wo aber kein Blut ein treten kann, da kann kein Eiweiss
austreten. Principiell hat der Fall die Bedeutung, dass er das alte |
Dogma von der untrennbaren Zusammengehörigkeit der amyloiden Ent¬
artung und der Albuminurie erschüttert und der Diagnostik eine neue '
Bahn eröffnet. Klinisch war im vorliegenden Fall die Amyloiddegene- I
ration der Nieren nicht zu diagnosticiren; vermuthet wurde sie aus der
nachweisbaren Degeneration der Milz und Leber, sowie aus der zweifel¬
losen Mitbetheiligung des Darmes. Der Urin war stets concentrirt und
schwer gewesen — 1029, dabei von trüber Beschaffenheit und dunkler
Farbe. Eiweiss fand sich nie, Cylinder nur vereinzelt.
Ferner berichtet der Vortragende über einen Fall, welcher durch
wechselnde, zuweilen hochgradige Oedeme, starke Herzhypertrophie, sehr
bedeutende Retinalveränderungen (Blutungen, weisse Plaques, Neuro-
retmitis) und häufig sich wiederholende urämische Anfälle ausgezeichnet
war. Der Urin war trotz der vorhandenen Durchfälle meistens vermehrt,
häufig bis 3000 Cctm., sehr leicht (10 )5—1010), fast stets von hcll-
trriinlicher bis hellgelber Farbe, klar, meist ohne Sedimente. Micro-
sropisch fanden sich zuweilen Cylinder und häufiger weisse Blut-
h'irper. Die Diagnose wurde auf Sehrumpfniere gestellt, bestätigte
Mch aber bei der Section (9 Monate nach der Aufnahme der Kranken)
iiiriit. Es fand sich statt dessen eine enorm vergrössertc und ver¬
altete Niere. Die Interstitiell zeigten keine Kernvermehrung und
k-inc Verbreiterung, nur hie und da war ein Glomerulus geschrumpft
vmd zeigte eine streifige verdickte Kapsel. Es war das reine Bild der
sn ?. parenchymatösen chronischen Nephritis. Gleichzeitig beobachtete
der Vortragende einen zweiten Fall, welcher dem vorigeu absolut iden¬
tisch war. denselben Urin zeigte und ebenfalls mit Herzhypertrophie,
Retinitis albuminurica und häufigen Attaquen von Urämie complicirt
war. Der Tod erfolgte hier wie im vorigen Fall im urämischen Anfall.
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Die Section bestätigte diesmal die Diagnose der Schrumpfniere voll¬
ständig. Beide Nieren waren enorm verkleinert und geschrumpft. Der
Vortragende macht auf die Schwierigkeiten der differentiellen Diagnose
zwischen diesen beiden Krankheiten aufmerksam, welche zuweilen, wie
in den mitgctheilten Fällen, unüberwindlich sind. Sowohl die Herz¬
hypertrophie, als die Retinalveränderungen, als die urämischen Anfälle
können bei den verschiedenartigsten Formen chronischer Nierenerkrankung
Vorkommen und sind daher differentiell-diagnostisch nicht sicher zu
verwerthen. Auch die Beschaffenheit des Urins bietet nicht immer
genügende Anhaltspunkte für die Diagnose, da bekanntlich zeitweise
auch von sog. parenchymatös entzündeten Nieren ein heller, klarer,
leichter, eiweissarmer Urin in abnormer Menge ausgeschieden wird.
Dass indess bei der reinen Form dei chronisch parenchymatösen Nieren¬
entzündung viele Monate lang ein derartiger Harn (der nur zeitweise
sehr reich an Eiweiss und morphotischen Bestandteilen war) entleert
werden kann, erscheint dem Vortragenden in diagnostischer Beziehung
höchst bemerkenswert!!, da es in solchen Fällen namentlich bei gleich¬
zeitigem Vorhandensein einer Herzhypertrophie kaum möglich sein dürfte,
die Diagnose intra vitam zu stellen. Bemerkenswerth war in beiden
Fällen der Augenbefund. Neben massenhaften Haemorrhagien fanden
sich weisse glänzende Plaques, welche in Sternform angeordnet waren.
Diese weissen Flecken verschwanden während des Verlaufes der Krank¬
heit wiederholt vollständig, um nach einiger Zeit von neuem aufzutreten.
Ferner war in beiden Fällen eine nicht unbedeutende Neuroretinitis
mit starker Schwellung des Sehnervenkopfes vorhanden, welch’ letztere
jedesmal viel intensiver wurde, wenn ein urämischer Anfall im Anzuge
war. Nach Aufhören desselben erschien die Schwellung der papilla n.
opt. viel gerir ger. Dieses wiederholt beobachtete Phacnoinen weist jeden¬
falls auf eine Zunahme des intracraniellen Druckes während des jedes¬
maligen urämischen Anfalls hin. Der Vortragende demonstrirte darauf
die Nierenpräparate.
Herr Senator: Die Beobachtung des Herrn Vortragenden über
das Fehlen von Eiweiss trotz starker Amyloidentartung der Nieren kann
ich aus eigener Erfahrung vollständig bestätigen. Ich habe dasselbe
wiederholt beobachtet und anfänglich nicht beachtet, weil der Urin
nicht so lange Zeit und täglich untersucht worden war, wie in dem
vernommenen Fall. Aber ich erinnere mich genauer dreier oder vier
Fälle, in denen zwar auch nicht täglich, aber doch wiederholt an beliebig
Ürausgegriffenen Tagen (namentlich auch öfters der Nachmittagsurin)
vergebens auf Eiweiss untersucht wurde, obgleich ich nach dem sonstigen
Zustand der Kranken mit einer gewissen Zuversicht auf Eiweissharn ge¬
rechnet hatte, und die Section die Nieren 'neben anderen Organen
amyloid entartet zeigte. Die von mir beobachteten Patienten waren
alle Phthisiker in einem sehr heruntergekommenen Zustande, äusserst
anämisch, mit mehr oder weniger verbreiteten Oedemen, ungemein
schwach gefüllten und gespannten Arterien. Dies sowie die Beschaffen¬
heit des Urins, welcher, soweit ich mich erinnere, sparsam und
hochgestellt war. brachten mich auf eine Erklärung, die jedoch, wie ich
vorweg bemerke, mir weniger plausibel erscheint, als die von Hern L.
gegebene, welche ja überdies durch directe Beobachtung gestützt wird.
Indess wird meine Erklärung dadurch nicht ausgeschlossen, sie kann
vielleicht noch zur Ergänzung dienen. Ich dachte mir nämlich, dass in
Folge des offenbar sehr gesunkenen Blutdrucks es nur zu einer spar¬
samen Wasser- und gar nicht mehr zu einer Eiwcisausscheidung komme,
denn eine gewisse Höhe des Drucks muss doch als nothwendig dazu
vorausgesetzt werden. Es wäre nun wohl denkbar, dass selbst wenn
nicht alle zu den erkrankten Glomerulis führenden Gefässe ganz un¬
durchgängig, sondern, wie doch wohl anzunehmen, manche nur theil-
w r eise undurchgängig waren, in Folge des gesunkenen Drucks auch diesen
wenig oder kein Blut mehr zuflösse. Ich erlaube mir an Herrn L. die
Frage zu richten, wie es sich in seinem Falle und in den ihm sonst
bekannt gewordenen Fällen mit dem Kräftezustand, der Herzthätigkeit
und Arterienspannung verhalten habe.
Herr Litten: Es waren hochgradige Oedeme vorhanden, der Er¬
nährungszustand war schlecht, das Herz befand sich im Zustande der
braunen Atrophie, der arterielle Druck war sehr gesunken, die Urin-
menge vermindert.
Ueberhaupt aber weiss man noch nicht sicher, wie die Albuminurie
bei der Amyloiddegeneration zu Stande kommt, namentlich ob ein be¬
sonders starker Blutdruck dazu gehört. Wahrscheinlich ist, dass die
entarteten Capillaren trotz der Verdickung der Wandungen das ge¬
löste Serum-Eiweiss durehtreten lassen, so lange nicht der arterielle
Druck unter ein gewisses Mass heruntersinkt.
Herr Senator: Was den zweiten Theil des Vortrages betrifft, so
stimme ich Herrn L. ganz darin bei und habe ja auch in der vorletzten
Sitzung mich in dem Sinne ausgesprochen, dass eine so strenge Schei¬
dung, wie die Engländer und Bartels zwischen der sog. chronischen
parenchymatösen und der chronischen interstitiellen Nephritis machen,
sich in praxi nicht durchführen lasse, da es eine grosse Zahl von
Uebergangs und Misehfdllen giebt. Namentlich in den Hospitälern
dürften die Fälle von typischer Nierencirrhose zu den selteneren gehören,
aus den früher von mir angeführten Gründen, sic werden viel häufiger
in der Privaipraxis und in den Polikliniken, wenigstens in einer ge¬
wissen Zeit ihres Verlaufs beobachtet. Darin aber kann ich Herrn L.
nicht beistimmen, dass der von ihm berichtete Fall in klinisch e r Be¬
ziehung durchaus den reinen Typus einer primären Nierencirrhose ge¬
zeigt habe. Für die wirklich typischen Fälle ist das gänzliche Fehlen
des Hydrops oder seine Geringfügigkeit und Flüchtigkeit characteiistisch.
Original fram
UNIVERSITY OF MICHIGAN
454
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 30
Wo, wie in dem mitgetheilten Falle, starker Hydrops während langer
Zeit (nicht etwa gegen Ende, wo das Herz insufficient wird) besteht, da
kann wohl auch Cirrhose bestehen, aber sie sicher zu diagnosticircn
und andere Zustände auszuschHessen, ist dann sehr misslich und schwer.
Die in diesem Fall so lange Zeit vermehrte Harnmenge ist allerdings
auffallend, erklärt sich aber wohl dadurch, dass zugleich Amyloid¬
entartung bestand.
Herr Litten: Ich mochte von Herrn Senator wissen, was an dem
typischen Krankheitsbilde einer primären Nierencirrhose gefehlt hat;
was die Oedeme betrifft, so habe ich ausdrücklich hervorgehoben, dass
diese abwechselnd bald vorhanden gewesen, bald geschwunden waren.
Herr Senator: Ich wiederhole, dass der nach Herrn L.’s Angabe
bedeutende und lang anhaltende Hydrops nicht zu dem Bilde einer
reinen typischen und primären Nierencirrhose gehört, und dass, wenn
ein solcher vorhanden ist und lange Zeit vor dem Tode besteht, die
Diagnose unsicher wird.
Herr Litten: Oedeme kommen im Verlaufe fast jeder interstitiellen
Nephritis gelegentlich vor, und trotz derselben ist die Diagnose in
manchen Fällen sehr wohl möglich.
VI. Feuilleton.
Eine Sommerfrische im Ober-Engadin. Pension
Foult in Zntz bei Ponte.
Im Sommer 1877 führten mich und meine Familie der Zufall und
Empfehlungen in diesen stillen, idyllischen Ort, der, etwas niedriger als
St. Moritz gelegen, von Chur aus über den Schyn-Pass, Alveneu und
Albulapass mit der Post in einem Tage erreicht wird, eine weite, be¬
schwerliche, aber höchst lohnende Tour.
Zutz, ein ansehnlicher Ort, liegt noch im Ober-Engadin, unweit
von Ponte und ist reich an alten herrschaftlichen Häusern, deren
eines als das Stammschloss der Familie Planta bezeichnet ist. —
Das Clima ist mild und der Ort mehr als andere Orte des Engadins ge¬
schützt vor dem Wind, der durch den Luftaustausch des rauheren Ober¬
und des wärmeren Unter-Engadins (mit Zernetz) bedingt ist. — Auch
an heissen Tagen wird die Temperatur nie drückend, die Luft bleibt
rein, durchsichtig und in der Aussicht weite Distanzen sehr reducirend;
der Schweiss, unter dem man sonst zu leiden hat, ist nicht so reichlich,
wie in tiefer gelegenen Districten. Gelegenheit. zu Touren ist reichlich
geboten, so nach Guardwall bei Madulein, in die Arpigliaschlucht mit
Wasserfall und waldiger Umgebung, auf den Griatschoul. nach Capella
und Zernetz, nach Campogask und gleichnamiges Thal, St. Moritz mit
Maloja etc., Pontresina und Umgebung, Bernina mit Alp Grim und See
von Poschiaro etc. — Fuss- und Fahrpartien, wozu täglich gute Equi¬
pagen beim Posthaltcr zu Gebote stehen. Ein sehr comfcrtables Hotel
(Concordia von Herrn Rascher) wird auch weitgehenden Ansprüchen ge¬
nügen.
Einfacher, aber auch sehr billig und empfehlcnswerth ist Pension
Poult, die sich am Ende des Ortes in zurückgezogener Lage befindet,
in einem alten, geräumigen, dickwandigen Herrschaftshaus. — Ein etwas
schattiges Gärtchen findet sich am Hause. Ruhe, Erholung und zu¬
rückgezogenes Leben findet jeder Gast, Die Zimmer sind proper, ein¬
fach, aber sehr reinlich und geräumig; die Betten sind empfehlenswerth;
der Tisch bietet keine Table d’höte, aber er ist gut und nach den Regeln
der Diät (ä la Wiel) eingerichtet, ebenso kann man den Veltliner Wein
recommandiren. Die Bedienung entspricht bescheidenen Ansprüchen,
könnte aber leicht einen anspruchsvollen, durch Tlötelbedienung ver¬
wöhnten und daran gewöhnten Menschen nicht befriedigen. — Dafür ist
der Preis auch sehr billig (5—6 Francs pro die); und bei der Abreise
sind sehr wenig Trinkgelder zu entrichten, was in der Schweiz hervor¬
gehoben zu werden verdient.
Gelegenheit zu Bädern ist im Hotel Concordia geboten, ebenso in
der Pension zu Kuren mit St. Moritzer Wasser, das sehr gut, frisch und j
billig geliefert wird. Acrztliche Hülfe fehlt auch nicht. — Bescheidene
Ansprüche, die mehr auf Ruhe, reine Luft und gutes Wasser, als auf
andere Unterhaltungsmittel, wie Musik, Lesecabinete, Concerte etc, re-
flectiren, wird der Ort sicher befriedigen. Schade ist, dass die Berg¬
halden, an welche der Ort angebaut ist, ziemlich abgeholzt sind und
wenig Schatten bieten; der Föhren-Wald an der Arpigliaschlucht liegt
über dem Inn und ist in einer halben Stunde leicht zu erreichen.
Diese Annonce liegt ferne jeder Reclame; sie ist ohne Wissen und
Veranlassung der Familie Poult veröffentlicht; Dankbarkeit und Menschen¬
freundlichkeit haben dazu geführt. Dr. 0.
Tages-Ordnang für die Verhandlungen des Aerzte-
tages in Eisenach am 6. und 7. August er.
1. Geschäftsbericht des Präsidenten, Sanitätsrath Dr. Graf - Elberfeld.
2. Commissionsbericht über das Leichenschaugesetz. Ref.
Privatdocent Dr. Guttstadt-Berlin.
3. Lebensversicherungsfrage. Ref. Brauser - Regensburg.
Corrcf. Dr. Betz-Heilbronn.
4. Zwangspflicht der Aerzte zur Hülfeleistung in Noth- i
fällen. Ref. Sanitätsrath Dr. Semler-Berlin.
5. Beaufsichtigung und Schutz der Haltekinder. Ref. j
Dr. S i o ge 1 - Stuttgart. Gorref. Medicinalrath Dr. Stephani-Mannheim. .
6. Die Verleihung des medieinischen Doctortitels nach
abgelegtem Staats - Examen betreffend. Ref. Polizeiarzt Dr.
Voss - Glauchau.
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. Am 22. Juli ist in Wien Prof. Carl von Rokitansky
ira 75. Lebensjahre gestorben. Die bahnbrechenden Verdienste, die der
Verstorbene sich um unsere Kenntnisse der pathologischen Anatomie
erworben hat, sind unvergänglich, und gesellen seinen Namen denjenigen
zu, auf die unsere Wissenschaft zu allen Zeiten stolz sein wird.
— In Lüttich ist als Nachfolger Gussenbaucr’s, der einem Rufe
nach Prag folgt. Dr. v. Winiwarter aus Wien, ebenfalls ein Schüler
Billroth’s, auf den chirurgischen Lehrstuhl berufen worden. Es ist
auf diese Weise gegenüber dem Agitationssturm, der sieb bei der Be¬
rufung Gussenbauer’s vor einigen Jahren in belgischen Universitäts¬
kreisen gegen die Wahl von Ausländem erhob, in rühmenswertber
Weise auch in Belgien wieder das richtige Princ-ip befestigt worden,
dass für den Ersatz von Universitätslehrern die engen Grenzen des
eigenen Landes eine Schranke nicht bilden können.
— In Paris wird vom 5. bis 10. August im Tuilerienpalais auch
ein internationaler Congress für Psychiatrie stattfinden. Folgendes
Programm ist festgestellt. a) Verwaltung, Gesetzgebung und Sta¬
tistik der Anstalten: Ueber die Massregeln, welche mit Rücksicht auf
| die sogenannten verbrecherischen Irren zu treffen sind; b) Pathologie
der Geistes- und Nervenkrankheiten: Ueber die klinischen Varietäten der
allgemeinen Paralyse, c) Forensische Medicin: Ueber momentane, tran¬
sitorische Delirien vom Gesichtspunkte der forensischen Medicin.
— Unter Hinweis auf die früheren, die Fortbildungscurse betreffenden
Mittheilungen veröffentlichen wir nachstehendes Schreiben:
Gestatten Sie mir nochmals ankündigen zu dürfen, dass der
Herbstcyclus der ärzt lichen Fortbild ungscurse vom 25. September bis
zum 2. November stattfinden werde. Dieser ca. 5 wöchentliche, zwischen
dem Schluss der Naturforscherversammlung und dem üblichen Beginn
I der Universitätsvorlesungen gelegene Zeitraum ist fortan als tempus
i necessitatis festzuhalten, d. h. als diejenige Frist, welche für die Herbst-
curse ein für alle Mal feststeht.
Ein für den jedesmaligen Cyelus angefertigtes Cursenverzeichniss,
zumal ein solches, welches neben den gebräuchlichen Angaben der
academischen Lectionscataloge auch die Oenlichkeiten (Krankenhäuser,
wissenschaftliche Institute, Hörsäle, Privatwohnungen) bezeichnet, allwo
die Lehrverträge abgehalten werden, giebt es, wie ich auf vielfache
Gesuche hiermit erkläre, zur Zeit noch nicht.
Gleichzeitig möchte ich die Herren Collegcn, welche sich an den
Cursen betheiligen wollen, darauf aufmerksam machen, wie sehr es
erwünscht wäre, wenn sie in ihren an den Unterzeichneten zu rich¬
tenden Anmeldungen diejenigen Curse markirten, welche sie haupt¬
sächlich und in erster Reihe zu frequentiren beabsichtigen, damit für
den leicht vorkommenden Fall, dass Parallelcurse erforderlich sind, die
Herstellung derselben rechtzeitig und ohne Collisionen ermöglicht werde.
Dr. M. Rosenberg, pract, Arzt etc. in Berlin W., Mathäikirchslr. 28.
— In der Woche vom 16. bis 22. Juni sind hier 788 Personen ge¬
storben. Todesursachen: Masern 13, Scharlach 24. Rothlauf 2,
Diphtherie 20, Eitervergiftung 1, Typhus 7, Dysenterie 4, Gelenkrheu¬
matismus 1, Syphilis 2, mineralische Vergiftungen 3 (darunter 2 Selbst¬
morde), Delirium trem. 1, Sturz 2, Schnitt 1, Folge von Operation 1,
Erhängen 1 (Selbstmord), Ertrinken 1 (Selbstmord), Lebensschwäche 42,
Abzehrung 47, Schwämmchen 2, Atrophie der Kinder 10, Scropheln 1,
Altersschwäche 11, Krebs 16, Wassersucht 4, Herzfehler 10, Hirnhaut¬
entzündung 14, Gehirnentzündung 11, Apoplexie 12, Tetanus 1. Zahn¬
krämpfe 10, Krämpfe 41, Kehlkopfentzündung 12, Croup 5, Pertussis 11,
Bronchitis acuta 4, chronica 8, Pneumonie 23, Pleuritis 2, Phthisis 58,
Peritonitis 3, Diarrhoe 78 (darunter 76 Kinder unter 2 J.), Brech¬
durchfall 188 (Kinder unter 2 J.), Magen- und Darmentzündung 1,
Magen- und Darmkatarrh 18 (Kinder unter 2 J.), Nephritis 4, andere
Ursachen 54, unbekannt 4.
Lebend geboren sind in dieser Woche 401 m., 408 w. , darunter
ausserehelich 49 m., 47 w.; todtgeboren 19 m., 6 w., darunter ausser-
ehelich 1 m., 3 w.
Die durchschnittliche Sterblichkeit dieser Woche beläuft sieb
auf 3,98 pro Mille der wahrscheinlichen Bevölkerungszahl, die ent¬
sprechende Geburtenziffer auf 40,4 pro Mille (beide Summen mit Aus¬
schluss von 1,5 pro Mille Todtgebornen).
Witterung: Thermometerstand: 14,08 R. Abweichung: 0,11 R.
Barometerstand: 27 Zoll 11,68Linien. D unstspannung: 3,99Linien.
Relative Feuchtigkeit: 62 pCt. Himmelsbedeckung: 4,4. Höhe
der Niederschläge in Summa: 5,35 Pariser Linien.
In der Woche vom 23. bis 29. Juni sind in Berlin gemeldet:
Typhus-Erkrankungen 18 Todesfälle 6.
VII. Amtliche littkeilmgea.
Personal!».
Auszeichnungen: Seine Majestät der König haben Allergnädigst ge¬
ruht, dem Geheimen Hofrath und ordentlichen Professor an der Uni¬
versität zu Goettingen, Dr. med. Hasse den Königlichen Kronen-
Orden 2. Klasse, sowie dem Kreisphysikus Dr. Boehm zu Luckau,
dem Arzt der Diakonissen-Anstalt Dr. Hintzc zu Kaiserswerth und
Digitized by
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Original fro-rn
UNIVERSITY OF MICHIGAN
29. Juli \m.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
455
dem Oberarzt des .. ^ r 3-nkenhauses Dr. Meller zu Krefeld
den Character a\s Sa<* lIa,lSTa :“ Z U verleihen.
Anstellungen: Der praktische Arzt Dr. Krummacher zu Tecklen¬
burg ist zuin Kre\spby s ^ us ^9 Kreises Tecklenburg und der pract.
Arzt Dr. Deutsch zu Elbing zum Kreiswundarzt des Stadt- und Land¬
kreises Elbing ernannt worden.
Niederlassungen: Die Aerzte Bieda in Reichthal, Dr. Picker! in
Weitmar. Dr. Orochtmann in Werl, Dr. Wortmann in Hemmerde
und Ott in Hechingen.
Verzogen sind: Die Aerzte Dr. Rost von Schweidnitz und Dr. ln.ge-
nohl von Weitmar, Dr. Neuroth von Floersheim nach Oberursel.
Apotheken-Angelegenhciten: Die Verwaltung der Mentzel’schen
Apotheke in Bromberg ist an Stelle des etc. Marx dem Apotheker
Moritz Lucas übertragen worden. Die von dem Apotheker Bosch-
hagen verwaltete Filial- Apotheke zu Froeudenberg ist eingegaugen.
Die Flügel’sche Apotheke in Gelsenkirchen ist auf den Apotheker
Thüssing, die Greift’sehe Apotheke in Oespel auf den Apotheker
Hümmeler und die Boediker’schc Apotheke zu Rhynern auf den
Apotheker IIeine mann übergegangen.
Todesfälle: Der Arzt Dr. Paul Schmidt in Schweidnitz und der
Kreiswundarzt a. D. Müller ebendaselbst, sowie der 2. Arzt der Kur¬
anstalt zu Falkenstein Dr. Setzer.
Militär-Aerzte.
Berlin, den 16. Juli. Dr. Maeder, Stabs- und Bats.-Arzt des4. Posen.
Inf.-Regts. No. 59, zum Ober-Stabs.- und Regts.-Arzt des 1. Pornm.
Ulan.-Regts. No. 4, Dr. Tomasczcwski. Stabsarzt von der Unteroff.-
Schule in Biebrich, zum Obcr.Stabs- und Regts.-Arzt des 1. Bad. Feld-
Art.-Regts. No. 14, Dr. Loos, Assist.-Arzt 1. CI. vom 1. Hannov. Drag.-
Regt. No.'9, zum Stabs- und Bats.-Arzt des 8. Ostpreüss. Inf.-Regts.
No. 45, Dr. Ziegel, Assist.-Arzt I. CI. vom 2. Leib-IIus. Regt. No. 2,
zum Stab*- und Bats.-Arzt des Pomin. Füs.-Regts. No. 34, Dr. llaber-
korn, Assist.-Arzt I. CI. vom Train-Bat. No. 15, zum Stabs- und
Garn.-Arzt von Glogau, Dr. Kolbe, Assist.-Arzt I. CI. bei dem Gen.-
und Corps-Arzt des IH. Armeecorps, zutn Stabs- und Bats.-Arzt des
5. Rhein. Inf.-Regts. No. 65, — befördert. Dr. Köche, Über-Stabs-
u. Regts.-Arzt des 1. Pornm. Ulan.-Regts. No. 4, zum Thiiring. Ulan.-
Regt. No. 6. Dr. Ass mann, Stabs- und Bats.-Arzt des 1. Überschles.
Inf.-Reg. No. 22, zum Füs.-Bat. des 4. Posen. Inf.-Regts. No. 59,
Dr. Gilbert, Stabs- und Bats.-Arzt des 8. Ostpreüss. Inf.-Regts.
No. 45, zum 1. Oberschi es. Inf.-Regt No. 22, Dr. Gutjahr, Stabs¬
arzt vom medlc.-ehirurg. Friedr.-Wilh.-lnstitut zur Unleroft'.-Sehule in
Biebrich — versetzt.
Bekanntmaehttngfn.
Die mit einem jährlichen Gehalte von 600 Mark dotirte Kreiswund-
arztstelle des Kreises Münsterberg ist erledigt und soll anderweit besetzt
werden. Q.ualificirte Bewerber um diese Stelle, sowie auch Mcdicin.il-
personen, welche zwar die Physicatsprüfung noch nicht abgelegt haben,
sich zur Ablegung derselben aber bereit erklären, fordern wir auf, sich
unter Einreichung ihrer Approbation und sonstiger Zeugnisse, sowie
eines kurzen Lebenslaufs bis zum 5. October d. J. schriftlich bei uns
zu melden.
Breslau, den 13. Juli 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Die Kreiswundarztstelle des Kreises Tecklenburg ist vacant. Quali-
ficirte Bewerber um diese Stelle werden hierdurch aufgejordert, sich
unter Einreichung ihrer Approbation als Arzt, Wundarzt und Geburts¬
helfer, des Fähigkeitszeugnisses zur Verwaltung einer Physieatsstelle,
sowie sonstiger über ihre bisherige Wirksamkeit sprechender Zeugnisse
und eines ausführlichen Lebenslaufs bis zum 1. September er. bei uns
zu melden.
Münster, den 17. Juli 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Die Kreiswundarztstelle der Kreises Landeshut ist durch den Tod
ihres Inhabers erledigt worden. Aerzte, welche auf dieselbe rellectiren
und sich im Besitze der formellen Qualification zur Verwaltung einer
solchen Stelle befinden, wollen sich unter Beifügung des bezüglichen
Fähigkeitszeugnisses, ihrer Approbation als Arzt etc., eines ausführlichen
Curriculum vitae. und sofern sie nicht bereits als Medicinalbeamte an-
gestellt sind, eines Führungsattestes der Ortsbehörde, binnen vier Wochen
bei uns melden. Wünsche der Bewerber wegen Anweisung des Wohn¬
sitzes werden thunliche Berücksichtigung finden.
Liegnitz, den 18. Juli 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Die Kreiswundaiztstelle ries Kreises Prüm ist erledigt. Bewerber
um dieselbe wollen sieh bei uns innerhalb 8 Wochen melden.
Trier, den 16. Juli 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Die vaeante Kreisphysikatsstelle des Stadtkreises Magdeburg soll
demnächst wieder besetzt werden. Qualificirte Medicinalpersonen haben
sich unter Einreichung ihrer Zeugnisse sowie eines Lebenslaufes binnen
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6 Wochen bei uns um dieselbe zu bewerben. Dem anzustellenden Kreis-
physicus wird die Stadt Magdeburg als Wohnsitz zugewiesen.
Magdeburg, den 18. Juli 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Inserate«
Bekanntmachung.
Die Stelle eines Yalantatrantes der äusseren Statiou unserer Kranken¬
anstalt ist anderweit zu besetzen. Mit derselben ist freie Wohnung auf
der Anstalt verbunden. Wir fordern Aerzte, welche die Staatsprüfung
bestanden haben und bereit sind, ihre Kräfte unserer Anstalt mindestens
\ Jahr zu widmen, auf, sich unter Einreichung ihrer Atteste schriftlich
bei uns zu melden.
Magdeburg, den 18. Juli 1878.
Die Armen-Direction
__ _ Bötticher.
An hiesiger Prov.-Irren-Anstalt ist die Stelle eines Assistenzarztes
mit einem Gehalt von 1200 Mark und freier Station I. Classe baldigst
zu besetzen. Jüngere, unverheirathete Aerzte evangelischer Confession,
welche darauf rellectiren, wollen ihre Bewerbung unter Einsendung ihrer
Zeugnisse und Lebenslaufs bis zum 1. September an den Unterzeichneten
| richten.
j Lengerich i. W., den 15. Juli 1878. Der Director
I__ Dr. Vorst er.
Ein Arzt,
I 34 Jahre alt. verheirathet, deutsch und polnisch sprechend, seit mehreren
! Jahren dirigirender Arzt eines grösseren Hospitals (täglich bis 70 Kranke).
I chirurgisch tüchtig, wünscht entweder in ähnlicher Stellung engagirt zu
, werden oder sich an einem Ort mit lohnender Praxis niederzulassen.
! Gefall. Offert, sub R. S. 71 durch die Kxped. d. Bl.
Ein Dr. med., welcher das Staatsexamen mit Ausnahme der go-
j burtshülflichen Station absolvirt hat, wünscht als Reisebegleiter, Assistent
! oder Stellvertreter zu fungiren. — Gef. Offerten unter A. Y. 70 durch
; die Exped. dies. Blattes.
Ein junger Arzt, seit 2 Jahren Assistenzarzt an einem grösseren
Krankenhause, sucht eine Stelle als Arzt in einer kleinen Stadt oder
j auf dem Lande. Massiges Fixum erwünscht. Gef. Offerten mit. B. B. 61
I durch die Exped. d. Bl.
Bekanntmachung.
Die Stelle eines Knappschaftsarztes bei unserem Lazareth zu Laura¬
hütte, mit welcher
a) für die Behandlung der Kranken im Lazareth ein Jahres-Gehalt
von 1800 Mark, sowie nach unserer Wahl freie Wohnung im Lazareth
oder 20° 0 des vorbezeichneten Gehaltes als Wohnungsentschädigung und
freie Feuerung;
b) für die ärztliche Behandlung der Familienglieder unserer Vereins-
| genossen ein Jahres-Gehalt von 1350 Mark einschliesslich 150 Mark
I Fuhrkostenentschädigung,
verbunden ist, soll vom 1. November er. ab anderweitig besetzt werden.
Promovirte Aerzte im Lebensalter bis zu 40 Jahren werden ersucht,
ihre Bewerbungen um diese Stelle unter Beilegung ihrer Zeugnisse und
eines kurzen Lebenslaufes uns bis zum 1. September er. einzureichen.
Tarnawits, den 22. Juli 1878.
Der Vorstand
_ des Obersohlesisohen Knappschafts-Vereins. _
Ein junger Arzt in Berlin C. wünscht eine Assistenz oder Stellver¬
tretung zu übernehmen.
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Ein bisheriger Militairarzt, 30 J. alt, unverheiratet, sucht eine
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Miner !C|pelU;i\ vm Pbr-’i wog-;vi Zirvs ReiebttiuDis, ilmih an »IkaHwhcn
-SARv. »•liuüiurigcn ; thcTls vin iKiser* und freier l\ohk ; usä”UFt', du
reich.' An WC min fl «-.WO es >unhk* bst ür/tliohe Aufgabe isb, .entweder anii-
rrnsche Killnkheiisrrsc.bcinungen sdc.r iRut.yforkungen in den Organ-;»
3p bTu.-il.uhH;» ipa Rllw ihren AifiRflcuJ.vfn hr.iukkuKvusCii.fkn zu be-
S4-i0.gpn -b' tinpb fiern RervpnTAcV. dic^vr udef '.i-cncc'. Krani;heibs.-rstihe»-'
•'nuft^.rjf vifrvl cru^c.dcr &,<■■ SaR.qarllr oder die • eisemT»ch<treu Zaücflirre:
HkiCifz*. h'Z.iH.i.*:V'v Alber ts-, ^aru^irQuelle angc^-i^t. Res.mdcrs yeeignei
S'M-t Li' Kl-,r •>•,• tjucMfi: aueti m ‘ifKji-t.-iui-.i.f* Nachcuren nach vorbeib;‘int
HöhrutAh v/>u Küi Kbnd uxd! Murtetibad. ■ ’
W/xW Rolradi I>r^ Königin
Rmpr.cn- und Radcarsst Dr Oromer, Dp. Rahn,. Ür K liL*fr:?vüi„ Dr.
Pä^slvr. Dr* l- cLbrs^■ -«j’id Zu . jedhi-., in tla jv 'ärztlsche <Tel>i«h. TüH
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RitiureisU-r a, D. von Hoyrendorlf.
OrC fy.’Frerifilis’’
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Göttingen.
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ufp'br, n iidit vi**dau'.idi"
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Wif erlauben uns dab. r. .,'c.sm-ibf .Jen P-r*..- ■
aur fj<k» Wäymsfe /u emphthhm. da keu* 'arc-h v, *A
(üiDürai 'bi; Xiivipfuiileb sm vni.KKi.ndi< und sugJc>eb sc*
i.puuwri kAUO «i« uD^ v r FahrH’Al, tAJH’*' fl i*rep>ZA'
HP‘-KvUb-uiyvOr.'ivt. ;r * ■ ,• ?>. Ve«'fca.iOjH, Di«-r |),w ' M>;. |||
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Mont*# ja dwr St&ria *o» weüi§*tw\B \l «E
Preis YierteljÄlirlicti 6 M*rk; Bestatt anß«* ft*'"
»Ile BachöREdlTOgen oji 4 P6*t-\n<iUVttrfi Mt»
BnilrSfc volle man portofrei »n die Redaction
itf. W. Dorotbeeüfctr. .19. 79. > e'ier an die Tat-
lagflb&chfa^niDupg tou Aqpxst llirwlnralä iR Rer-
litt (&■. W> Dütet .den Liudeu 68.) einenden.
Organ ftir jraetisclie Aerzte.
Mit Berücksichtigung der preußischen. MedieiniüvevwaJtiii'jg und Hedicinalgesetegebimg
nach amtliche« Mitthejlnagen.
Redacteur: Prof. Br. I. Waldenburg. Verlag von Aa^usl llirscbalii in Btrlin.
Fünfzehnter Jahrgang.
I. bv}: AVoWyEiti Thamcotuiö; — II. .Frilnkoi: •'t>.bsr Gae I? rr.und VclW Tu!r%k-\\lirp;mi*n .-invs f 'tru», mit
• -i. s ^jrk'ranktcfi ScfuHdori^nntfes. — Hi. und ;: ; yroM-u!äi..}'iy ;t - dv r A,.rtei»-AiRUi'^icdW
— TV. ‘TdßWi Ein Fall'.van'V* Tfcfersftv XHEHrägk zur tv^ähti^ der h
. 4>a von Ei^rKss im Han« des .scusuiüfcni t- . •Mysu)Cdifftta}'. — V'l. -M ^rh/tadi(utffyir 1it?M
(■;■'.* i*hC'ii.-v,ische ln M'iKnlwm —• *r«'t>-*I.scli;ifi.• ius »«« ' *»rMt■>!«• m»» 1 »•; mh« karu.* in ltailmh -- VH, F*Midi-f t { ll< i, n.« u> l:y- f —
v l IbUfhÜdung atu Kulttoidivdratrn - li tü trt J iiih*- »— VfU. Am nie io MbthHlmiftv-it. —
: r-/höbe. vcli ku ilk-ifin Zwecke. einen Tmicar mif.' brdttrtn «lulcl»-
artigmi Stile* uw fertigen l&ssen. welcher. in den lntevaosiah\:tmij
plP^Rtucbiiu. htik* i V, (2t»u. breite ^chnittwuudf machte. Allem
das Eiiisfe^hon iiiioiov; |f}>fruiio-nts. war ,schwierig uurl schmerz-
Lall, ilie Wunde iudu gross genug. sw tW* Ich von seiner
Leistung . nicht befriedigt war. Sodann f&Gdd u { U die hiee,
durch MeSf*ev( , .hKii. welche in *l»e ('amiD' de-- Troiüir eiiih#-
schoben., sdttMntHifr.njii.t hon urspringen. .die Pnm.fion^rdlaniJg
in eint 1 w.•in- Srlmjttwnmh- m vf-vivombdn.' Durc.li
die freuudlrefie und 'ii<-ia-AMüudigo Lnit'r^n'H/.iUj^ dt- Hi.rrn
: i Prot Fr Üu^eb irt <*, mir mm P^ludtt, *.!a-- ümdi^tehmj.! In-
^eliriebene Inatrmnxmt; z« f-an.Htruire.ff, -welehes deri \ Cüi m]V
Anforrlrnmgfm yoitkmmbeu .entsjjricßf. Einon wosoni-
; ! ' Eig-.- i. ... •'
i Ki« Titnracfttoni.
l)i& Entj>yemn dordl Erdftrmng des Tlioraj(
fThi/Tm’oH(miej zywfeiion unter so on^iiostTgtdt Unlst lUld^)
an^ftib ri. wetderi v eine Vere'mfatnbnus. dor We-
tiuiiiea wird. J)ik bi>iuyr?ge OperaEiOTisitietbuile dm?rb
Mmdt. ztvar eio«$ kjbiab Oj>exat)blv, and ydtd dir»rb <?kb'ö
^vkblf;kteö .üjc^ra^iiir' i>i heilig; AH'duferi auiseeiulh't. Allgin ^ir
kami do^li tyjpJtl wtdd ohne I•.;li1*.yroffH*fU-Navco$?e vung6'iM>nirti<.o
tterdnn, sie setzt die Assisieir/ vor! I bir* i töiddlHm voraus
nuO njmftih, -werm eben wirbt ein gewaiidier:'ijperateur da ist:
dn.di lä'iigere in Ausj.rnoli. Es sind mm die Vorliäbrn^su
nicht e! b‘ 0 , \V'» die Qhloroform-Nrueose durch den Zostruid des
Eätioute« i cbiitraindicirt ist. weil sie jlini Geiabr bringt, und
w» nberbaupt wuinscben-swertn ist. kd srbnett als irgend
^>gbtb den Eingriff xu beendige«. SnlcJnr V>irhältöikkis ü«^ger.»
tustder Patieitt sehr hen 1 utergek 0 mim n, ^e?diwütdit und
Km %'tsüker Dyspnoe geplagt ist, AMntm ist e.4 duroUau^ dicht
coXnitflos,.. ilm inner 'Ohlnrnfnrrrr-Narense mid einer lüuger dao»
errtdeu <Vpexaticni und dueb kmm in solchen F.AlWi
?uMh du- Eritleeniug de« Epsudätes mit;, nachfolgetidev Aets^pu-
hing Aussicht auf Erhaltung des Lebens eröffnen. Man kann
'■mvso'dnrr, dass der Arzt mit der Operation nicht so lauge
warten darf,, n'xiti Avomt d.asorbaudeusein eines eitrigen Exsudats
c anRt&fiti tat, frühzeitig die Operatioh ausfüluß» sali. Allein man
nvj'>-. wie veTsebiodeim Verbidtntrise doch dabiw fuhren können:,
dass man erst, so zu sagen kurz ^ur Thores Schluss, mx Ope¬
ration kommt. Mitunter sarnfneU sich das Ersmlat mierwartet
schneH, und die Dyspnoe, aowje der Kräfteverfkll treten uner¬
wartet ein, «der der f‘at. lm> kicii geweigert. T>ass solche
• ; V.o
fltÜdUPg
458
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 31
liehen Vortheil bietet bei seiner Anwendung die Schnittführung
von innen nach aussen, zu welcher Prof. Busch die Anregung
gegeben hat.
Das Instrument, welches ich Thoracotom nenne, dessen
Frontansicht in Fig. 1, dessen Seitenansicht in Fig. 2 gegeben ist
der natürlichen Grösse), besteht aus zwei Theilen: a) dem
Troicar, b) dem Messerträger 1 ). Der erste Theil ist ein Troicar
von ziemlich beträchtlichem Volumen, wie er zur Punctiou des
Thorax oder des Abdomen angewandt wird. Derselbe weicht nur
dadurch ab, dass das Lumen der Canüle nicht rund, sondern oval \
ist, und dass die Wandung der Canüle entsprechend dem breitesten
Durchmesser des Ovals zwei lange Schlitze (S) trägt (s.Fig.2). Auf (
der Platte (P) der Canüle (C) befinden sich, ebenfalls entsprechend j
dem längsten Durchmesser, zwei Knöpfe (Kn), um die Richtung
dieses Durchmessers zu markiren. In dem ersten Act der Ope¬
ration wird nun der Troicar in den Intercostalraum einge-
stossen, nachdem mau sich vorher durch Probepunction mit der
Pravaz’schen Spritze von der Natur des Exsudats und von !
der Zweckmässigkeit der Einstichsstelle überzeugt hat. Nun- (
mehr, nachdem der Troicar eingestossen, wird die Canüle so j
gedreht, dass ihr breitester Durchmesser, gekennzeichnet durch j
die zwei Knöpfe der Einfassungsplatte, parallel dem Intercostal- ]
raum gerichtet sind. Dann zieht mau das Stilet heraus. Der
Eiter stürzt aus der Canüle hervor.
Sofort geht man zum zweiten Act der Operation über, in¬
dem man die Canüle durch Einführung des zweiten Theiles des
Instrumentes, des Messerträgers, wieder verschliesst. Dieser hat
etwa die Form eines Troicarstilets, nur ist die Spitze stumpf ,
und das ganze Stilet abgeplattet, entsprechend der ovalen Form
der Canüle. In dem Stilet liegen zwei gedeckte Messerchen,
mm., deren Lage aus Fig. 2 am besten ersichtlich ist. Von der
Basis der Messer gehen zwei Arme a. a. ab, die durch Federn
f. f. ausgespannt sind. Dieser Messerträger wird nun in ge¬
schlossenem Zustande, dargestellt durch die dunkle Zeichnung
(Stellung der Arme a t a t ), eingeführt, alsdann die Arme
zusammengedrückt, in die zweite, durch hellere Zeichnung
cliaracterisirte, Stellung a, a,, in der sie durch den Hacken h.
festgehalten werden. Mit diesem Zusammendrücken der Arme
sind die gedeckten Messerchen durch den Schlitz der Canüle
beiderseitig hervorgesprungen und in die durch hellere Zeich¬
nung angegebene Stellung der Fig. 1 eingetreten.
Der dritte Act der Operation besteht nun darin, dass der
ganze Apparat in einem schnellen Zuge aus der Thoraxwand
herausgezogen wird. Die Canüle ist nämlich durch das Hervor-
springeu der Messerchen so iqit dem Messerträger befestigt,
dass dies Herausziehen an dem Griff (G) geschieht, wobei eben
die Canüle folgt. Hierbei schneiden die Messerchen in den
Intercostalraum eine scharfe Schnittwunde, deren Breite ihrem
Abstand entspricht; und der in maximo bei unserem Instrumente
3 Ctm. beträgt. Für die richtige Direction des Schnittes nach
der Lage des Intercostalraums ist schon gleich bei der Einführung
gesorgt, indem die bezeichnenden Knöpfe in die richtige Lage
gebracht sind; man wird im Anfänge des 3. Operationsactes,
bevor man die Canüle herauszieht, noch einmal die richtige
Stellung controlliren.
Das Herauszieheu des Instrumentes und die damit verbun¬
dene Schnittführung gehen schnell, präcise und fast ohne '
Schmerzempfindung von Seiten des Kranken von statten, so j
dass die ganze Operation kaum mehr Zeit erfordert, als die i
Punction, auch keinen grösseren Eingriff darstellt, ja sie ist j
- !
1) Das Instrument wird von Herrn Instrumentenmacher Schmidt
(Berlin, Gr. Friedrichstr. 105c.) angefertigt. I
noch einfacher, da die der Punction folgende Aspiration nicht
ohne Belästigung des Kranken vor sich geht.
Aus der Schnittöffnung stürzt nun sofort der Eiter heraus:
durch Einführung des Fingers oder einer obturirenden Dauer-
canüle kann der Abfluss gehemmt und nach Belieben regulirt
werden. Der Schnitt ist breit genug, um die gewöhnlichen, ja
selbst die breitesten Dauercanülen aufzunehmen und um die
Ausspülung resp. Drainage des Thoraxraumes zu gestatten.
Es ist selbstverständlich, dass an den Aufgaben der Nach¬
behandlung durch diese Operationsmethode nichts geändert wird.
Es ist nur die Ausführung der Operation, welche schneller,
leichter und schmerzloser von statten geht.
Zu bemerken ist noch, worauf mich Herr Prof. Busch
aufmerksam gemacht hat, dass man vor dem Einstechen des
Troicars Acht haben muss, den Arm des Pat. nicht zu weit
zu erheben, um eine starke Verschiebung der Haut zu vermeiden.
Sonst correspondirt die Hautwunde nicht mit der Pleurawuude,
was zu Zerrungen Veranlassung giebt.
Die Vortheile dieser Operationsmethode sind, wie ich meine,
folgende:
1) vor allen Dingen ist die Chloroformnarcose vollkommen
entbehrlich;
2) der Eingriff ist nicht grösser als bei der Punctio tho-
racis und der schwächste Kranke kann ihm ohne Bedenken unter¬
worfen werden.
3) die Operation geht sehr schnell und fast schmerzlos von
statten.
4) sie kann ohne jede Assistenz ausgeführt werden.
Als Nachtheile wären zu erwähnen:
1) dass die Hautwunde nicht grösser ist, als die Pleurawuude,
2) dass die Schnittwunde der Pleura nicht immer weit
genug ist, um eine bequeme Entleerung und Ausspülung der
Höhle zu gestatten.
Beide Nachtheile sind kaum nennensw3rth, da die Grösse
des Schnittes bis zu 3 Ctm. gesteigert werden kann. Für alle
Fälle kann man durch eine Erweiterung mittelst des Pott’scheu
Bisturis dem Mangel schnell und leicht abhelfen, und wenn man
zunächst diesen Eingriff scheut, so kann man ohne Bedenken
mehrere Tage warten, bis die Schnittwunde anfängt sich zu
verengern. Diese Nachtheile können um so weniger ins Gewicht
fallen, da bei jeder Operationsmethode nach einiger Zeit die
Nothwendigkeit einer Erweiterung der Schnittwunde eintreten
kann. Auf keinen Fall werden hierdurch die wesentlichen Vor¬
theile berührt, welche das Instrument gewährt, nämlich die
schnelle, fast schmerzlose Ausführung der Operation ohne
Chloroform und ohne Assistenten.
Bis jetzt habe ich drei Mal die Operation des Empyems mit
diesem Instrumente ausgeführt, und es entsprach so vollkommen
meinen Erwartungen, dass ich glaube, es mit Recht den Colle-
gen empfehlen zu können.
II. Heber eise Freand’sche Totalexstirpatian eiies ear-
cinomatftsea Uterus, mit partieller Reseetiun des
seenndär erkrankten Scheidengrnndes.
(Vortrag, gehalten in der medicin. Section der Schlesischen
Gesellschaft für vaterländische Cultur.)
Vom
Vrivatdocenten Pr. Ernst Fr&nkel in Breslau.
M. H.! Der Ihnen hier vorgestellte geheilte Fall von Total-
extirpation des carcinomatösen Uterus ist, wie der andere,
heut hier zu demonstrirende, glücklich verlaufene Fall, das
volle geistige Eigenthum des Herrn Prof. Freund. Seine Pu-
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
5. August 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
459
blicationen in No. 133 der VolktHann’schen Sammlung kli¬
nischer Vorträge und in No. 12 des Centralblattes für Gynä-
kologie 1878 bieten in Bezug auf die Indicationsstellung für
dieses Heilverfahren, auf die eigentliche Operationstechnik und
den Heilungsvorgang alles Wissens- und Bemerkenswerthe in
vollem Umfange dar. Meine Bemerkungen zu dem von uns gemein¬
schaftlich behandelten Falle haben nur den Zweck, zu zeigen,
dass eine Erweiterung der ursprünglich für diese Operation
aufgestellten Indicationen noch möglich ist, und dass ferner diese
Methode in Folge der Exactität und prompten Durchführbarkeit
ihrer einzelnen Acte dazu bestimmt ist, in nicht allzulanger
Zeit populär zu werden und über die engen Kreise der Specia-
listen hinaus sich dem Gros der Aerzte mitzutheilen. Uud dies
ist von Wichtigkeit; denn der Specialist bekommt die Fälle
von Uteruskrebs — der ja die Hauptindication für die Total-
den, feuchtglänzend, leichtblutend, uneben. Ich diagnosticirte
ein im Stadium des beginnenden Zerfalls begriffenes Carcinom
der hinteren Muttermundslippe mit Uebergang auf die Scheide und
consultirte Herrn Prof. Freund, ob er mit Rücksicht auf den sonst
recht guten Kräftezustand der Patientin trotz des secundären
Ergriffenseins der Vagina den Fall für eine Totalexstirpation
des Uterus noch für geeignet halte. Herr Prof. Freund be¬
stätigte nach genauester und wiederholter Untersuchung meinen
Befund, constatirte aber ausserdem noch eine leichte
Verdichtung des rechten Pararae tri um und des rechten
M. retractor uteri, also dem Sitze nach genau der
Stelle der carcinomatösen Scheideninfiltration ent¬
sprechend. Jedenfalls war die parametrane Infiltration nicht
so bedeutend, um eine stricte Contraindication abzugeben.
Das carcinomatöse Scheidengeschwür anlangend, so
exstirpation der Gebärmutter liefert — gewöhnlich erst spät,
meist zu spät zu sehen. Wenn überhaupt in den Anfangs-
Stadien der Krankheit ein Arzt zugezogen wird, so ist es zu¬
meist der Hausarzt, dem also jetzt, wo eine Möglichkeit der
Radicalheilung bei früher Operation sich bietet, ein weitgehendes,
heilsames Feld seiner Wirksamkeit sich eröffnet.
Durch die folgende Schilderung der Eindrücke, die
ich als unparteiischer Beobachter der Freund’schen
Operation gewonnen habe, möchte ich dazu beitragen,
die Erkenntniss zu verbreiten, dass dieselbe nicht viel schwerer,
nicht eingreifender und — von geübter Hand ausgeführt — noch
nicht so gefährlich ist, als die jetzt allgemein, auch von Nicht-
specialisten geübte und mit Gluck ausgeführte Ovariotomie.
Die fragliche Kranke, Frau Lehrer N. consultirte mich
zuerst am 2. Mai d. J. wegen Metrorrhagien. Sie ist 50 Jahre
alt, hereditär nicht belastet, 28 Jahre verheirathet und hat in
diesem Zeiträume 13 Mal normal geboren (zuletzt vor 4 Jahren)
und 5 Mal in früheren Schwangerschaftsmonaten abortirt. Sie
hat von ihrem 14. bis zu ihrem 49. Jahre regelmässig, in vier¬
wöchentlichen Intervallen menstruirt. Die Menstruation dauerte
stets nui* 2 bis 3 Tage, war schmerzlos und der Blutverlust
nur mässig. Seit circa einem Jahre zeigten sich die Erschei¬
nungen des beginnenden Klimax; die Periode kam seltener, in
Pausen won 8 Wochen bis l j 4 Jahr und wurde noch sparsamer,
als sonst. — Seit Weihnachten 1877 bemerkt Frau N., was sonst
nie bei ihr der Fall, als erstes Krankheitssymptom Blutungen
bei und nach dem Coitus, seit dem April 1878 hatte sie auch
beim StuLlgange — es bestand von jeher Obstipationsneigung —
und bei stärkeren Bewegungen unregelmässige Blutverluste, in
der Zwischenzeit wenig und nicht sehr fötiden Ausfluss aus
den Genitalien. Becken- und Kreuzschmerz, in letzter Zeit bis
in die äusseren Genitalien ausstrahlend, war seit Januar 1878
vorhanden. Dyspespie und allgemeines Schwächegefühl hatte
sich diesen localen Beschwerden in letzter Zeit zugesellt.
Ich fand bei der noch ziemlich gut genährten Frau die
Inguinaldrüsen linkerseits leicht geschwellt (speciell auf diesen
Punkt komme ich weiterhin noch zurück), einen leichten Prolaps
der hinteren Vaginalwand, den Uterus beweglich, normal ge¬
lagert, scheinbar nur mässig vergrössert, nicht empfindlich, die
vordere Muttermundslippe etwas intumescirt, sonst anscheinend
intact, auch normal consistent, die Schleimhaut verschieblich auf
ihrer Unterlage, die hintere Muttermundslippe zerklüftet, härtlich,
bei Berührung leicht blutend, vom rechten Theile des hinteren
Scheidengrundes nicht abgrenzbar, vielmehr mit einer circa
1V* Ctm. im Durchmesser haltenden flachen, geschwürigen,
höckrigen Infiltration auf die Scheide übergehend.
Im Speculum erschien die vordere Muttermundslippe leicht
livid verfärbt, die hintere und ihr geschwüriger Uebergang auf
den Scheidengrund hochroth, mit eingestreuten gelblichen Her-
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sprach Herr Prof. Freund seinenPlan aus, dieses sammt
dem Uterus zu entfernen, da es sich noch auf die höchsten
Partien des Scheidengrundes beschränkt hielt, eine mittlere
Grösse nicht überschritt und in der That kein Grund einzusehen
ist, weshalb man bei nachfolgender peritonealer Ueberdachung
die Ausschneidung eines Stückes der hinteren Vaginalwand
scheuen soll.
In der Schwellung der Inguinaldrüsen sahen wir
beide keine Contraindication. Die Schulmeinung geht zwar
dahin, dass bei auch nur massiger, ein- oder beiderseitiger
Infiltration der Leistendrüsen bei Uteruscarcinom kein blosses
Localleiden mehr vorhanden sei, aber man kann sich durch vor¬
urteilsfreie Beobachtung überzeugen, dass eine mässige Schwel¬
lung dieser Drüsen, wie man sie bei vorhandenem Uteruskrebs
sofort als gleichfalls krebsig anzusprechen pflegt, bei vielen
andern genitalkranken Frauen, bei denen an Krebs garnicht zu
denken und bei denen man auch Lues ausschliessen kann, vor¬
handen ist. Ich fand diese Schwellung der Inguinaldrüsen sehr
häufig bei frisch Entbundenen, mit ulcerirenden oder schon ver¬
heilten Darmrissen, ich fand sie bei subacuten Entzündungen
des Uterus und seiner Adnexa, kurz bei den meisten Reizzuständen
frischeren Datums des Genitalschlauches; und als Ausdruck einer
solchen Reizung des Uterus durch die Krebswucherung auf seiner
Schleimhaut, und nicht als carcinomatöse Infiltration möchte ich
— wenigstens in vielen Fällen — die Leistendrüsenschwellung
betrachtet wissen. Dass es in unserm Falle so war, beweist,
dass die Leistendrüsen jetzt, nach entferntem Reize, fast ganz
abgeschwollen sind, und dass, wie man ja bei der Operation
sehr bequem fühlen konnte, die Beckenlymphdrüsen noch nicht
ergriffen waren. Es wird also, wenn nicht andere gleich¬
zeitig vorhandene Symptome für eine allgemeine
Krebsinfection des Organismus sprechen, aus einer
mässigen Schwellung der Inguinaldrüsen allein dieser
Schluss nicht zu ziehen und daraus allein keine Con¬
traindication gegen die totale Uterusexstirpation ab¬
zuleiten sein.
So wurde denn am 17. Mai zur Operation geschritten. Es
waren bei derselben anwesend und leisteten hülfreiche Hand:
Ausser Herrn Prof. Freund, Herr Prof. Richter, die Herren
Collegen Max Freund und Körner jun., Töplitz, Riegner,
Adalb. Heimann, Unverricht, Trümper und ich. Die Vor-
bereitungscur bestand in einigen warmen Vollbädern und in der
von Herrn Prof. Freund in seiner 2. Publication genau speci-
ficirten nahrhaften, aber wenigst voluminösen Kost, sowie einem
sichern Purgans, 12 Stunden vor der Operation. Das gleich
nachher zu besprechende Verhalten der Därme bewies, wie
nothwendig und erfolgreich diese Vorcur war. Die antisep¬
tischen Massregeln, aufs Strengste durchgeführt, brauche
ich nicht weiter zu schildern. Bemerken will ich nur, dass
Origiralfmr •
UNIVERSET/ OF MICHIGAN
460
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 31
Herr Prof. Freund keinen Carbolspray in die Bauchhöhle selbst
appliciren lässt. Ich habe mich in unserm Falle überzeugt,
dass man ganz gut von dieser Massregel Abstand nehmen kann.
Allerdings habe ich mit Nutzen bei Ovariotomien und Probe-
incisionen unter Carbolspray in der Bauchhöhle gearbeitet und
glaube, dass die gegentheiligen Erfahrungen anderer vielleicht
darin ihre Erklärung finden, dass die allgemein übliche 2% ge
Carbollösung zum Spray in die Bauchhöhle selbst zu stark ist.
Sie reizt das Peritoneum zu sehr; ich begnügte mich in meinen
Fällen mit , / J # / 0 g er Lösung, die, wie der Operateur an seinen
eigenen Händen bald merkt, noch genügende desinficirende
CarbolWirkung hat. Aber, wie gesagt, hier kamen wir auch
ohne Spray bei sonstiger strengster Antisepsis zum Ziele, und
es entfiel das bei einer langdauernden Operation, wie die
Extirpatio uteri totalis, so lästige Einschlafen und Gefühllos¬
werden der Hände des Operateurs durch den Spray. — Der
Bauchschnitt durch die Linea alba und die provisorische Drath-
schlinge zur Verhinderung des sich Ablösens und Herabsinkens
des vorderen Beckenperitoneums sind bekannt. Nun begann
ein Act, an den ich, ehe ich die Operation selbst mit angesehen,
eigentlich nur mit Scheu gedacht hatte: das Herausholen
der Därme aus dem Becken und Aufsuchen des Uterus.
Ich erinnerte mich, wie ungünstig stets der Vorfall von auch
nur 1 oder 2 Darmschlingen, bei Ovariotomien und Kaiser¬
schnitten, denen ich beigewohnt hatte, von den Operateuren
betrachtet worden war, und sollte mir nun vorstellen, dass der
ganze Inhalt des kleinen Beckens herausgeholt werden und
stundenlang ausserhalb der Bauchhöhle verbleiben sollte. In
Wirklichkeit machte sich die Sache jedoch sehr einfach. Die
Därme waren durch die vorausgegangene diätetische Cur dünn,
nicht aufgebläht, gut traitabel geworden; die wenigen Darm¬
schlingen, die das kleine Becken ausfüllten, wurden leicht
herausgehoben, in ein, in warme Carbollösung getauchtes, weiches,
leinenes Tuch gehüllt und auf die Bauchdecken nach aussen
und oben gebracht. Das Umhüllungstuch wurde während der
mit den Vorbereitungen und dem Verbände 2 1 /* Stunden dau¬
ernden Operation 1 mal gewechselt, und ich kann versichern,
dass trotz der durchaus nicht guten, durch häufiges Würgen
und Brechen unterbrochenen Narcose dieselbe durch weiteren
Vorfall etc. keinerlei Störung verursachten. Als Behufs Schlusses
der Bauchhöhle dieselben von ihrer Umhüllung befreit wurden,
zeigten sie sich normal injicirt, nicht aufgetrieben, warm und
Hessen sich mit Leichtigkeit wieder reponiren.
Nach Heraushebung der Därme hatte mau einen vollen
Einblick von oben her in das kleine Becken und bemerkte nun,
dass der Uterus eine bei weitem unsere Taxirung bei der bi-
manuellen Untersuchung (durch die allerdings recht fettreichen
Bauchdecken) überschreitende Grösse hatte. Sofort beim An¬
blicke dieses collossal vergrösserten und besonders auch ver¬
dickten Uterus muthmasste Herr Prof. Freund, dass sich die
carcinomatöse Degeneration nicht blos, wie es bei der Unter¬
suchung geschienen, auf den Cervix und die Scheide, sondern
auch in die eigentliche Uterushöhle hi nein strecken werde. Diese
Muthmassung erwies sich bei der nachträglichen Untersuchung
des herausgeschnittenen Uterus als richtig. Die carcinomatöse
Infiiltration erstreckte sich weit über den inneren Muttermund
hinauf, in Form einer sehr spitzen Pyramide, bis in das eigent¬
liche Cavum uteri. Auch die vordere, scheinbar noch intacte
Mundslippe, war nicht mehr frei. Es hätte also hier die Am-
putatio colli uteri, selbst mit hoher conoider Ausschneidung
absolut nichts genützt; ein Recidiv konnte eben nur die Total¬
exstirpation verhüten. Die Durchstechung und Anschlingung
des Uteruskörpers, die Unterbindung der Ligam. lata in conti-
nuitate, in je 3 Portionen rechts und links, setze ich als be¬
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kannt voraus. Nur die Anlegung der unteren Schlingen von
der Vagina aus, durch die hierbei benutzte, Vfcn Herrn Prof.
Freund erfundene lange Troicartnadel, bot auf der rechten
Seite des Laquears etwas besonderes dar, indem durch diese
Schlinge die carcinomatöse Stelle des Scheidengrundes um¬
schnürt und für die zum Schluss der Operation projectirte Ab¬
tragung isolirt und förmlich umgekrempelt wurde. — Am Schluss
der, wie schon bemerkt, 2*/ s ständigen Operation erforderte
jedoch der Zustand der etwas collabirten Kranken raschen
Verband. Da nun die carcinomatöse Scheidepartie fest um¬
schnürt, die Lymphwege für die Weiter Verbreitung des Krebses
also gesperrt waren, da ferner bei etwa eintretender Jauchung
der umschnürten Partie an jedem beliebigen Tage nach der
Operation die Abtragung v jrgenommen werden konnte, so unter¬
blieb diese Abtragung vorläufig und zwar bis 37 Tage nach
der ersten Operation. Die Wucherung hat inzwischen absolut
keine Fortschritte gemacht, auch nicht während der seitdem
verflossenen 5 Wochen gejaucht, stellt nur eine etwas rauhe,
unebene Stelle an der einen Lippe des Inversionstrichters
des Laquears dar, und ist eine Art trockene Necrose einge¬
gangen, so dass sie — wie gesagt — am 37. Tage nach der
Operation, in der Seitenbauchlage der Patientin mit der Sims-
schen Rinne freigelegt und mit der Pacquelin’schen Glüh¬
sichel leicht abgetragen werden konnte. Die Scheide zeigte
sich hierbei als ein nach oben leicht zugespitztes, durch die
querverlaufende Excisionsnarbe fest geschlossenes, cylindrisches
Rohr. Nach der Abtragung war im Grunde der Scheide, wie
überall, nur gesundes, nicht infiltrirtes Gewebe zu fühlen.
Nachdem nun die je 3 Schlingen um das Ligam. latum
rechts, wie links fest geknüpft waren, erfolgte die Ausschnei-
dung des Uterus, und zwar zunächst an der Vorderfläche 2 Ctm.
oberhalb der durch einen männlichen Katheter markirten Blasen¬
grenze, dann mit bogenförmiger Verlängerung median von den
unteren Schlingen nach dem Ligam. latis hinauf und zum
Schluss an der Hinterfläche des Uterus, 2—3 Ctm. oberhalb
der tiefsten Stelle des Douglas’schen Raumes. Der hintere
Schnitt liegt bei dieser neueren Freund’schen Schnittführung
tiefer, als der vordere, wodurch die nun folgende Peritoneal-
Nath bedeutend erleichtert wird. Nach Trennung des ante-
und postcervicalen Zellgewebes mit Finger und Scalpellstiel
bis auf das vordere und hintere Laquear, wurde dieses selbst
mit dem sehr praktischen Freund’schen gedeckten Messer
durchstossen, und der Uterus von dieser Oeffnung aus total aus
dem Dach des kleinen Beckens mit einer rechtwinkelig über
die Kranke und zugleich über das Blatt gebogenen Scheere von
der Vagina aus ohne Schwierigkeit herausgeschnitten. Hierbei
musste Herr Prof. Freund wegen der zurückbleibenden carci-
nomatösen Scheidenpartie und um die dieselbe abschnürende
untere Schlinge nicht zu durchtrennen rechts näher als links
an den Uterushals mit der Scheere herangehen, und so erklärt
sich ein an der rechten Seite des Uterushalses befindlicher
kleiner Defect; das betreffende Stückchen der Portio vaginalis
blieb an der Schlinge in dem Scheidentrichter zurück und stiess
sich mit den Fäden necrotisch ab.
Nach vollzogener Excision des Uterus zeigten sich in der
rechten Seite des Beckens 5 bis 6 kleine blutende Arterien.
Zweige des rechten Art. uterina und vaginalis, die wegen der
erwähnten abnormen Verdickung des rechten Parametriums und
wegen der rechtsseitigen carcinomatösen Scheidendegeneration
durch die untere Schlinge nicht fest genug hatten umschnürt
werden können. Die Stillung dieser Blutung in der Tiefe des
Beckens nahm viel Zeit in Anspruch, vielleicht */* Stunde, und
verzögerte bei der üblichen Art der Unterbindung mit Schieber-
pincetten und Fäden und bei dem hierbei unvermeidlichen Ab-
Qriginal fro-m
UNIVERSITf OF MICHIGAN
5. August 187b.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
461
gleiten, Versagen etc. die PeritonO^-Kath und den Schluss der
Bauchhöhle ungebührlich.
Herr Prof. Freund hat, um ähnliche Vorkommnisse in
Zukunft zu verhüten, auch hierfür eine Abhülfe ersonnen, und
zwar in Form von sehr sicher packenden und fest liegenden
Serres-fines-artigen Instrumentchen, die durch eine, an einem
Oehr in sie eingepasste und nach ihrer Anlegung zurückziehbare
lange Pincette an das blutende Gefässlumen applicirt werden.
Sie hängen nach Schluss des Peritoneums durch die Oefifnung
im Laquear in die Scheide hinein, von wo sie ebenso leicht,
wie Fäden später entfernt werden können.
Die nach Aussenleitung der Unterbindungsfäden durch die
Vagina in einem Strange nun ausgeführte Peritonealnaht und
der Schluss der Bauchhöhle boten nichts besonderes dar. Es
wurde ein fester, antiseptischer Wattecompressionsverband an¬
gelegt, und die Kranke unter denselben Cautelen wie nach
Ovariotomien gehalten. Es folgte absolut keine Reaction;
die höchste Temperatur war am 2. Tage 38,2, die höchste
Pulsfrequenz 84. Schon Abends 10 Uhr, nach der erst um
67* Uhr beendeten Operation, versicherte mich die Kranke
ihres vollsten Wohlbehagens, sie transpirirte reichlich, entleerte
vom 2. Tage an spontan Urin, vom 7. Tage an Stuhl und hatte
stets nur eine Klage, »über Hunger“.
Die aus der Vagina heraushängenden Unterbindungsfäden
verlängerten sich vom 12. Tage an bedeutend, zeigten so ihre
Lockerung an und konnten am 14. Tage durch leisen Zug mit
kleinen anhaftenden necrotischen Gewebsfetzen bis auf 2 ent¬
fernt werden, welche nunmehr auch beseitigt sind. Die Kranke
verliess schon am 14. Tage das Bett; ihr vorher sehr mangel¬
hafter Appetit hat sich normal gestaltet, ihr Kräftezustand,
wie aucli ihr Fettpolster hat sich bedeutend gehoben. Dieselbe
Erscheinung zeigt übrigens auch die von Prof. Freund zuerst
operirte und in den Volkmann’schen klinischen Vorträgen
erwähnte Frau Heidemann; sie hat neben örtlich vollkommenster
Heilung allgemein eine auffallende Zunahme der Ernährung und
volle Arbeitsfähigkeit (fürs Land!) aufzuweisen.
Wenn ich mir noch eine kurze Bemerkung über den Gesammt-
eindruclc, den diese Operation auf mich machte, erlauben darf, so
war es der, dass die übertriebenen Befürchtungen mit denen ich
derselben entgegen sah, völlig zerstreut wurden. Ich muss sagen,
dass unser im ganzen doch recht complicirter Fall mir in
seiner Behandlung und Durchführung viel einfacher uud weniger
verletzend vorkam, als eine nur einigermassen complicirte Ova-
riotomie. Wir werden bei dieser Methode wohl nie in die
unangenehme Lage kommen, die auch dem geübtesten Ovario-
tomisten nicht erspart bleibt, eine Operation für unvollendbar
zu erklären. Ich bin überzeugt, dass bei gehöriger Vorübung
an der Leiche — diese ist nöthig; denn die Unterbindung der
Ligamenta lata, sowie die E?cision des Uterus sind gewiss
nicht leicht — und bei vorheriger mehrfacher Assistenz bei
derartigen Uterusexstirpationen ein jeder Operateur sich die
Methode zu eigen machen kann und muss. Ich möchte ferner
betonen, dass die Gestalt der carcinomatös degenerirten Portio
vaginalis hier gar nicht ins Gewicht fällt, wie z. B. bei der
galvanocaustischen Amputation mit der Schneideschlinge. Eine
kurze, zerklüftete Portio, wie in unserem Falle, erlaubt ebenso
ihre Wegnahme, wie ein dicke, plumpe, pilzförmige, die ganze
Scheide ausfüllende. Nur das vordere Scheidengewölbe muss
ganz intact sein, kleine Ueberzüge seitlich oder hinten, leichte
parametrane Verdichtungen, die kein Verzerren der Uretheren
befürchten lassen, dürfen uns von der Operation nicht zurück¬
halten. Aber nicht blos die Carcinome der Portio vaginalis, son¬
dern auch die malignen Tumoren des Uterusfundus, die Sarcome
und Carcinome, ferner die subserösen und interstitiellen Fibro-
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myome erfordern viel eher die Totalexstirpation, als die sog. Am-
putatio supravaginalis, deren vorzüglichster Vertreter, Pean, bei
seiner Ablation partielle ou totale de Puterus par la methode
suspubienne unter 44 Fällen nur 14 Heilungen hatte. Im Ver¬
gleich hiermit bietet die Totalexstirpation des Uterus schon
jetzt weit bessere Resultate. Den gleichen Vorzug scheint mir
bei sonst unstillbaren Blutungen, verursacht durch nicht enu-
cleirbare Uterusfibro’ide die Totalexstirpation vor der Hegar-
schen Castrationsmethode zu haben. Denn letztere ist nach
aller Urtheil recht schwer ausführbar, nicht ungefährlich und
doch in Bezug auf prompte Blutungsstillung vielleicht nicht
ganz so zuverlässig, wie die Totalexstirpation des Uterus.
Ob die letztere z. B. in Fällen, wie dem unseren, wo schon
die Scheide ergriffen war, auch vor Recidiven schützt, lässt
sich vor Ablauf einer gewissen Spanne Zeit nicht bestimmen.
Wahrscheinlich ist das Erscheinen von Recidiven in einzelnen
Fällen, ebenso wahrscheinlich aber auch ihr Ausbleiben in
Fällen von früher Erkenntniss und Operation der malignen
Neubildung. Und auf diesen Punkt, die möglichst sichere Dia¬
gnose des Anfangsstadiums des Uteruscarcinoms, wird nun vor
allem das Augenmerk der Kliniker, wie der Pathologen zu
richten sein.
„Erst nach Jahr und Tag, sagt Herr Prof. Freund selbst,
werden wir über den Werth der totalen Uterusexstirpation als
Heilmittel des Uteruskrebses, resp. Sarcoms ein sicheres Urtheil
gewonnen haben. Bis zu dieser Zeit sollte man sich des wohl¬
feilen Raisonnements über diesen Punkt weislich enthalten.
Erfahrungen von Recidiv nach Totalexstirpation, die nicht aus-
bleiben werden, können nichts anderes beweisen, als dass in
den betreffenden Fällen zu spät oder nicht vollkommen exstir-
pirt worden ist. Wir haben gegenwärtig nur die Aufgabe, die
Operation zu vervollkommnen und in der operativen Gynäko¬
logie zu stabiliren, auf dass wir in der operativen Behandlung
der malignen Uterustumoren mit den Chirurgen anderer Gebiete
auf gleicher Stufe stehen, d. h. nach allgemein gültigen chirur¬
gischen Principien verfahren. Der Einführung der neuen Ope¬
ration drohen zwei Gefahren; die eine fliesst aus deT Ueber-
schätzung ihrer Schwierigkeit, die andere aus der Ueberschätzung
ihres Werthes. Nur auf dem angegebenen Wege werden wir
diese Gefahren umgehen. Es wird sich heraussteilen, dass diese
typische Operation durchaus nicht die Schwierigkeiten com¬
plicirter Ovariotomien und Hysterotomien (Fibrome) bietet und
dass wir berechtigt sind, dieselbe in den Anfangsstadien des
Uterus-Carcinoms und -Sarcoms vorzuschlagen, wo sie Radical-
heilung verspricht.“
Endlich noch eine kurze historische Bemerkung. Der
ältere Langenbeck hat nicht blos, wie dies Hegar und
Kaltenbach in ihrer operativen Gynäkologie p. 215 angeben,
eine „angebliche“ totale Exstirpation eines carcinomatösen
Uterus 1813 ausgeführt, von der sich später herausstellte, dass
sie nur partiell war und ein prolabirtes und hypertrophisches,
wahrscheinlich gar nicht carcinomatöses Organ betraf. Aus
einer in meinem Besitz befindlichen, 1826 in Berlin edirten
Dissertation von Ed. Casp. Jac. von Siebold (De scirrho et
carcinomate uteri, adjectis tribus totius uteri exstirpationis
observationibus) geht hervor, dass Langenbeck ausser dieser
noch 2 andere Totalexstirpationen des carcinomatösen Uterus,
die erste am 11. Januar 1825 nach der Gutberlet’schen Me¬
thode, von den Bauchdecken aus, mit Schnittführung und Lage¬
rung der Kranken, sehr ähnlich der Prof. Freund’schen
Methode, aber — was die Hauptsache und auch der Grund
seines Misserfolges — ohne Unterbindung des Ligam. lata und
Peritonealbedachung des geöffneten Laquears, die zweite am
5. August 1825 in situ von der Scheide aus nach der Saut-cr-
Original fro-m'
UNIVERSITY OF MICHIGAN
462
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Ne. 31
sehen Methode gemacht hat. Beide Fälle verliefen rasch
tödtiieh; die Kranken starben unter dem Zeichen des tiefen
Oollapses, angeblich jedoch ohne Blutung.(?)
Nicht besser ging es in einem dritten Falle, den Elias
von Siebold 1831 gleichfalls nach der Sauter’schen Methode
von der Scheide aus wegen Carcinom operirte; die Kranke
starb einen Tag darauf unter den Zeichen des Verblutungstodes.
Jedenfalls verdienen diese drei Fälle in die Literatur auf¬
genommen zu werden.
Einer späteren Zeit erst sollte es Vorbehalten sein, durch
die Beobachtung des analogen Verhaltens der inneren Genital¬
organe bei der Inversio uteri totalis auf den wahren Weg aller
Heiikunst, die Nachahmung der natürlichen Vorgänge geleitet
zu werden und so der schon früher und von anderen geübten
totalen Uterusexstirpation von der Bauchhöhle aus die Freund-
sche Unterbindung der Ligam. lata in continuitate, mit nach¬
folgender peritonealer Ueberdachung der Operationswundränder
und Stümpfe hinzuzufügen.
HI. Beitrag zur Casuistik and Symptomatologie der
Aorten - Aneurysmen.
Von
Dr. Scheele in Danzig.
(Fortsetzung.)
Epicrisis.
Der vorliegende Krankheitsfall bietet in seinen Erschei¬
nungen eine Menge beachtuugswerther Momente. Die initialen
Symptome: der quälende Kreuzschmerz auch in ruhiger Lage,
die Steifigkeit der Wirbelsäule, die Kachexie und die leichte
Schwellung der linken Inguinaldrüsen mussten, so lange jedes
andere physicalische Zeichen eines Aneurysma fehlte, zu dem
Irrthum verleiten, es handle sich um ein Carcinom der Wirbel¬
säule l ). Erst er. 8 Wochen vor dem Tode konnte aus den
damals zuerst wahrgenommenen physicalischen Erscheiuungen
die Schlussdiagnose auf Aneurysma der Aorta mit Sicherheit
gestellt werden.
Die lauge Latenz der Erkrankungsform findet ihre Erklä¬
rung in dem Sectionsbefunde und zwar vornehmlich:
1) in der geringen Grösse des Aneurysma,
2) in der Wandständigkeit desselben,
3) in der relativ grossen Communicationsöffnung zwischen
Aorta und Aneurysmasack.
Zur Füllung des relativ kleinen Aneurysmasackes war keine
erhebliche Flüssigkeitsmenge erforderlich, und das Circulations-
hinderniss war, zumal das Aneurysma wandständig war, ver-
hältnissmässig geringfügig. Somit ist klar, weshalb zu Anfang
der Beobachtung keine merkbare Differenz in den ober- und
unterhalb des Aneurysma gelegenen Blutbahnen sich consta-
tiren liess.
Ferner waren die Bedingungen zur Entstehung von Wirbeln
in der Blutflüssigkeit bei der etwa thalergrossen Communi-
cationsstelle und dem damals vermuthlich noch kleineren aneu-
rysmatischeu Sacke entschieden ungünstig. Die Oeffnung in
der Arterienwand hatte ungefähr das mit der Aorta gleiche
Caliber. Die Blutflüssigkeit strömte somit bei der Herzsystole
nicht durch eine engere Oeffnung in einen grösseren, Raum,
und es fehlten demnach die sonst wohl wahrzunehmenden systo¬
lischen Geräusche. Erst mit dem grösseren Wachsthura des
aneurysmatischen Sackes und der theilweisen Verlegung der
Communicationsstelle durch Blutcoagula traten die physica-
1) S. Leyden; Klinik der Rückenmarkskrankheiten. Bd. I, pag.
293, 199.
lischen Bedingungen zur Wirbelbildung und gleichzeitig damit
die deutlich hörbaren systolischen Geräusche auf.
Die übrigen prämortalen Symptome kann ich, da ich den
Obductionsbefund leider nicht vollständig beizubringen im Staude
bin, da ich den Wirbelcanal speciell nicht eröffnen durfte, nicht
mit genügender Schärfe definiren. Besonders fehlt für die
plötzlich eingetretene Paraplegie eine endgültige Deutung. —
Die Acuität im Auftreten derselben und der schnelle tödtliche
Ausgang legten den Gedanken an einen Durchbruch des Aneurysma
in den Wirbelcanal freilich nahe genug, und Fälle der Art sind,
wenn auch selten, so doch mehrfach bekannt geworden *). Allein
eine Summe von Erscheinungen zwingt durch ihre auffallende
Uebereinstimmung mit dem physiologischen Experiment zu der
Annahme einer sogen. Stenson’schen Lähmung. Es sind dies
einmal die schon intra vitam coustatirten Symtome:
a) der völlige Mangel der Pulse an den Artt. crural. und
der Aorta abdominalis;
b) der Mangel jeder Spur von gesteigerter Reflexerregbar¬
keit der Unterextremitäten, trotzdem die Quelle der Paraplegie
offenbar oberhalb der Cauda equin. sich befand;
c) das Vorhandensein der Contractilität der Bauehmuscu-
latur bei gleichzeitiger Lähmung der Spliincteren;
Sodann die damit correspondirenden Ergebnisse des Sections-
befundes:
a) das Fehlen jeder nachweislichen Eröffnung des Wirbel¬
canals durch das Aneurysma trotz sorgfältigen Suchen« danach:
ß) das vollständige Intactseiu des aneurysmatischen Sackes:
y) der Nachweis des das Aortenlumen verschließenden
derben Gerinnsels;
d) die damit zusammenhängende Füllung der Aorta ober¬
halb des Aneurysma bei völliger Leere des Gefässes unterhalb
desselben.
Alle (liese Momente machen die Annahme einer sogen,
ischämischen Paraplegie (Schiffer, Weil) zum mindestens
wahrscheinlich, während der Mangel einer derartige Läh¬
mungen begleitenden Muskelstarre in den betroffenen Theilen
wohl in dem Umstande seine Erklärung findet, dass der Exitus
letalis früher zu Stande kam, als dieselbe erfahrungsgemäss zu
ihrer Entwicklung an Zeit bedarf (Stan nius 2 ) und Schiffer 3 )).
Der schnell tödtliche Verlauf des Falles aber widerspricht
dieser Annahme keineswegs. Die in der Litteratur bekannt ge¬
machten Fälle von Perforation der Aneurysmen in den Spinal¬
canal überlebteu die Attaque des Ergusses sämmtlich noch
längere Zeit. Der Fall von Coats sogar noch 7 Wocheu.
Aehnliches wurde auch auf der inneren Station des hiesigen
Krankenhauses beobachtet, wo ein Fall von plötzlich ent¬
standener Paraplegia dolorosa laut einer mündlichen Mitthei¬
lung von Herrn Dr; Seelig mehrere Monate behandelt wurde,
und wobei die Section ein in den Wirbelcanal perforirtes Aneu¬
rysma nachwies. Der Grund hiervon liegt bekanntlich iu der
meist geringen Ausdehnung des Blutergusses. Andererseits frei¬
lich zeigen die Mittheilungen von Aortenembolie und Obiiteiatiou
(Leyden und Tutschek 4 )) ebensowenig einen so rapiden
tödtlichen Ausgang. Indessen in jenen Fällen befand sich der
1) Leyden: Klinik der Rückenmarkskrankheiten Bd. I, p.
und 369 (FalL von Olli vier nach einer Beobachtung Laeunec’s).
Harry Lcach: Med. Tim. and Gaz. 1S68. Decenib. 19. Coats:
, Glasgow med. Journ. Febr. 1872. Aneurysra of thoracic aorta am!
1 haemorrhagie into the spinal canal producing paraplegia.
2) S tan nius: Untersuchungen über Leistungsfähigkeit der Muskeln
und Todtenstarre. Vierordt’s Archiv Jahrg. XI, p, 1—50.
3) Centralblatt f. d. med. Wissenschaften 1869, p. 579, u. 99.
4) Leyden: Klinik der Rückenmarkskrankheiten Bd. II, p. 36
I und 37.
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5. August \Vl%.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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Thrombus in der ^Jöhe Bifurcationsstelle der Aorta, also
bei weitem deier — Ob und wie in dem obigen
Falle etwa die CircR^^onsstörung im Pancreas eine Rolle ge¬
spielt hat, vermag ich nicht zu entscheiden. Die Mittheilung
Zenker’s über d*e Hämorrhagie in dasselbe und deren schnell
tödtliche Folgen, war zur Zeit der Section dieses Krankheits¬
falles noch nicht erfolgt, und wurde deshalb bei derselben auch
nicht weiter darauf gerücksichtigt.
Fall II. Aneurysma aortae thoracicae in ihrem
tiefstgelegenen Theile. Zweijährige, ununterbrochene
Intercostal-Neuralgie linkerseits. Starke Erschütte¬
rung der ganzen linken Brusthälfte. Nachweis einer
zwiefachen Pulsation in der Herzgegend. Plötzlicher
Tod.
Sectionsbefund: Linksseitiger Haematothorax.
Kindskopfgrosses Aneurysma der Aorta thoracic.
Deutliche Rupturstelle daran. Starke* Usur des 8.
und 9. Brustwirbelkörpers, keine der Intervertebral¬
scheiben. Eröffnung des 9. Vertebro-Costalgelenks.
Anamnese. Reinhard Reiss, 42 Jahre alt, Magistrats-
Einsammler in Strohdeich bei Danzig. Eltern beide todt. Die
Mutter in sehr hohem Alter an nicht eruirbarem Leiden, der
Vater im Alter von 50 Jahren an einem dauernden Kopfleiden
gestorben. Ein Bruder des Pat. ist an Apoplexie zu Grunde
gegangen. Pat. ist bis auf leicht vorübergehendes Unwohlsein
angeblich stets gesund gewesen; speciell stellt er rheumatische
und syphilitische Erkrankungen in Abrede. In Baccho will er
nicht mehr wie Andere in seiner Jugend geleistet haben, und
hat sich vorwiegend an Bier gehalten. Mir selbst wurde er
im Jahre 1871 zuerst bekannt und war damals dem Anscheine
nach gesund. Pat. datirt sein Leiden seit dem Spätsommer 1K72,
und zwar von folgender Veranlassung her: Als Kassirer war
er gezwungen, häufig grössere Summen baaren Geldes zu tragen,
und hatte die Gewohnheit, die qu. Säckchen in die linke Seite
gestemmt zu tragen. Eines Tages trug er eiligst in dieser
Weise 1000 Thaler Silbergeld eine bergige Strasse hinan zu
seiner Wohnung, um einem drohenden Unwetter zu entgehen.
Plötzlich fühlte er einen heftigen Schmerz im Kreuz und in
der linken Seite, so dass er das Bett aufsuchen musste. Dieser
Schmerz kehrte in mehr weniger quälender Intensität wieder,
verschwand vollständig nie mehr und machte ihn wieder¬
holt für Wochen dienstunfähig. Dazu gesellte sich Herzklopfen,
Athemnoth, Schlaflosigkeit und Angstgefühl bis zum lauten
Aufschreien. Die verschiedensten Heilverfahren hatten sich
erfolglos gezeigt. Er hatte sich an fast sämmtliche Collegen
der Stadt gewandt und so hatte auch ich Gelegenheit, den Pat.
zu sehen.
Stat. praes. 27. October 1874. Grosser, kräftig gebauter
Mann von guter Ernährung, blasser Gesichtsfarbe und ängstlich¬
schmerzlichem Gesichtsausdruck, fieberlos, befindet sich in hocken¬
der Stellung im Bett. Pat. klagt über anhaltende Schmerzen in
der linken Brusthälfte und der Milzgegend von so heftiger Natur,
dass sie ihm den Schlaf rauben, ihm jede dauernde Lage un¬
möglich machen, meist blitzähnlich, bald in die Magengegend,
bald um die linke Brustseite zur Wirbelsäule hinschiessend,
ausstrahlen.
Ferner klagt er über anhaltendes lautes Herzklopfen und
vorübergehende Athemnoth, ohne Husten und Auswurf. End¬
lich klagt er über Verdauungsstörungen, über Beschwerden
nach der Mahlzeit, sei sie auch noch so leicht, und über hart¬
näckige Obstipation.
Pat. ist leicht dyspnoisch. Seine Erzählung wird durch
häufige, stöhnende, seufzende, tiefe Inspirationen unterbrochen.
In seinen Bewegungen zeigt er eine grosse Behutsam-
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kei t. Er stützt sich sehr vorsichtig auf die Hände, Umdrehen,
Aufrichten führt er sehr langsam aus.
Am kräftig gebauten, breiten, gewölbten Thorax fällt so¬
fort eine starke pulsatorische Erschütterung der Herz¬
gegend auf. Dieselbe beschränkt sich nicht allein auf die
Herzgegend, sondern die ganze linke Thoraxhälfte nimmt daran
Theil. Besonders stark hebt sich die Gegend der linken
untersten Rippen, das linke Hypochondrium. Die Hebung
I erfolgt sowohl im Tiefen- wie im Breitendurchmesser des Tho¬
rax, und zwar isochron mit dem Radialpulse.
Der Spitzenstoss befindet sich im 5. I. C. R. links, 2 Ctm.
ausserhalb der Papillarlinie, ist von ziemlich beträchtlicher
Resistenz, mässig hoch und spitz. Die auf das Herz gelegte
Hand wird besonders in der Richtung der Herzspitze gehoben.
Dabei bemerkt man, dass unterhalb der Herzspitze eben¬
falls deutliche systolische Hebung der Rippen statt¬
findet. Die Resistenz dieser 2. Pulsation ist noch fast be-
| deutender als die der Herzspitze. Sie ist dabei nicht um-
I schrieben, sondern ist noch in der Seitenwand des Thorax
j fühlbar, wenn gleich bedeutend schwächer, als auf der Höhe
j des 7—9 Rippenknorpel. Man kann somit auf das Entschie-
! denste 2 pulsatorische Erhebungen an der linken vor-
I deren Thorax wand constatiren, von denen die der Herzspitze
! entsprechende, oberhalb gelegene, der unterhalb befindlichen,
| dem 7.—9. Rippenknorpel entsprechenden, um ein Minimum
vorausgeht. Noch klarer wird dies Verhältniss, wenn man den
Pat. auf die linke Seite sich legen heisst; und dann die Finger¬
kuppen des Index und 3. Fingers der rechten Hand auf die
Herzspitze, diejenigen des 4. und 5. Fingers aber in den unter¬
halb der Herzspitze befindlichen 6. und 7. I. C. R. eindrückt,
* oder wenn man mit den Fingern beider Hände palpirt. Ausser-
i dem zeigt sich alsdann eine bedeutende Dislocation der Herz-
! spitze nach aussen. Die Entfernung von der Mammillarlinie
j beträgt fast über 5 Ctm., während die deutlich zu isoli-
; rende, den untersten Rippenknorpeln entsprechende Pulsation
( ihre frühere Lage beibehält, nur um ein gut Theil deutlicher
fühlbar wird. Am deutlichsten ist dies Verhältniss bemerkbar
| während des Exspiriums. — Diese linke Seitenlage ist dem
: Pat sehr schmerzhaft.
Die Percussion giebt über dies Verhalten wenig Auf¬
schluss. Die Herzdämpfung ist abnorm in- und extensiv. Sie
überragt sowohl den linken Sternalrand, als auch die Papillar-
I linie um ein weniges, beginnt am oberen Rande der 3. Rippe
und geht nach unten in die des linken Leberlappens über.
| Letztere ist sehr intensiv und reicht fast bis zur Papillarlinie,
I während sie unterhalb des freien linken Rippenrandes bald
i durch den tiefen tympanitischen Magenschall verdeckt wird.
I Eine abnorme Configuration der Dämpfung des linken Leber-
| lappens lässt sich nicht constatiren.
! Im übrigen am vorderen und seitlichen Thorax keine Per¬
cussions-Anomalie. Hinten am Thorax ist der P.schall
unterhalb des Ang. scap. inf. sin. weniger laut und tief als
rechts. Der Fremitus über dieser Stelle bedeutend schwächer
als rechts Ebenso ist das Athmungsgeräusch daselbst
schwächer, aber deutlich vesiculär und ohne Nebengeräusche.
Weiterhin ergiebt die Auscultation am Herzen abnorm
laute Töne, an der Herzspitze sowohl, wie weiter abwärts über
der tiefer gelegenen Pulsation. Besonders ist der systolische
Ton laut mit fast metallischem Beiklang. (Tintement metallique.)
Dasselbe hört man an der hinteren und Seitenwand des linken
Thorax.
Der 2. Aortenton ist laut, kurz und klappend. Nirgends
eine Spur von Geräusch hörbar, selbst nicht nach mehr¬
facher Bewegung des Kranken.
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No. 31
Die Radialarterien massig gespannt, durchaus nicht ent¬
sprechend dem Herzchoc gefüllt, beiderseits isochron, von
regelmässigem Puls und wenig vermehrter Frequenz (98).
Die Cruralpulse leicht fühlbar, eine Verspätung derselben
gegenüber den Radialpulsen nicht ausgesprochen, ebenso wenig
eine Aenderung der Wellenform oder des Lumen.
Bei fester, plötzlicher Compression beider Crural-
arterien h tempo klagt Pat. über vermehrten Schmerz
im Kreuz und in der linken Seite.
Bei der wiederholten Palpation, noch mehr bei der Per¬
cussion der linken Thoraxwand fällt die enorme Empfindlich¬
keit daselbst auf. Bei genauerer Prüfung zeigt sich dieselbe
vorwiegend beschränkt auf 3 Punkte (Valleix). Einmal vorn
am Thorax über den Rippenknorpeln, sodann in der linea
axillaris, endlich hinten am Thorax neben der Wirbelsäule.
Druck auf diese Stellen, und zwar über die 7., 8., 9. und
10. Intercostalräume ausgebreitet, ruft heftige Schmerzäusserung
hervor. Ausserdem zeigt sich über dieser Partie eine aus¬
geprägte Steigerung der Hautsensibilität gegen Nadelstiche, wie
gegen Temperatur-Eindrücke, im Gegensatz zur rechten Brust¬
hälfte. — Die untersten Brustwirbel zeigen bei Druck auf ihre
procc. spinosi ebenfalls hochgradige Empfindlichkeit.
Sonst ist an dem Pat. nichts krankhaftes zu ermitteln.
Die Milz nicht vergrössert, an der Leber, am Magen und Darm
keine Anomalie nachweislich. Keine Oedeme, keine Exantheme,
keine Drüsentumoren, noch Narben.
Urin saturirt, sauer, zeigt bei einer später vorgenommenen
Untersuchung spec. Gewicht von 1023, kein Album.
Die Diagnose dieses Falles war nicht ganz einfach, und
war es sehr verzeihlich, wenn dem Pat. in früherer Zeit, also
bei vermutlilich weniger ausgesprochenen Symptomen die ver¬
schiedenartigsten Aeusserungen über die Art und Heilmethode
seines Leidens gemacht wurden. Offenbar handelte es sich bei
dem Kranken um ein schwereres Leiden. Die Rückwirkung
auf die Blutbeschaffenheit, die ziemlich starke Blässe des Pat.,
die Unmöglichkeit irgend eine Lage dauernd beizubehalten, die
durch wüthende Schmerzen geraubte Nachtruhe, die Behutsam¬
keit bei jeder Bewegung sprechen für eine tiefein greifen de
Störung des Gesammtorganismus. Die abnorm ausgebreitete
Pulsation und starke Erschütterung der linken Thoraxhälfte
ferner, deutete wohl unabweisbar auf eine Erkrankung des
Circulations-Apparates hin. Folgende Momente aber waren
es besonders die mich veranlassten, ein Aneurysma der aorta
thor. anzunehmen:
1) der Nachweis einer 2., vom Herzen scharf zu sondern¬
den Pulsation in der linken Brusthälfte;
2) der „wahrhaft pulsatorische“ Character derselben, die
rythmische Erschütterung des Thorax nach jeder Richtung hin;
3) der vorwiegend unterhalb der Herzspitze localisirte Sitz
der 2. Pulsation;
4) die der starken Erschütterung und Hebung der Brust¬
wand durchaus nicht entsprechende Vergrösserung und Dislo¬
cation des Herzens;
5) die Schmerzhaftigkeit und Schwerbeweglichkeit der
Wirbelsäule;
6) die ausgebreitete linksseitige Intercostalneuralgie; (beide
wohl Folge von Wirbelusur.)
7) die geringe Dämpfung und Abschwächung des Fremitus
unterhalb der linken Scapula bei Erhaltung vesiculären Athmens;
8) der gesteigerte Schmerz bei Compression der beiden
Cruralarterien ä tempo.
Allerdings fehlten zur Bestätigung obiger Annahme zwei
Cardinalsymptome. Es fehlte jedes systol. Geräusch, es fehlte
ferner die Differenz der Arterienpulse, allein gegenüber der
Summe obiger Thatsachen glaubte ich auf diese beiden Momente
weniger Gewicht legen zu dürfen, zumal ich den Pat. nicht
längere Zeit hindurch beobachten konnte, andererseits es auch
gar nicht so selten vorkommt, dass systol. Geräusche über
selbst grossen Aneurysmen vorübergehend fehlen 1 ), die Puls¬
beschaffenheit aber nur mittels der Finger von mir geprüpft
werden konnte.
Ueber den weiteren Verlauf dieses Falles kann ich nur
berichten, dass Pat. einige Wochen nach meiner Untersuchung
ganz plötzlich starb. Die Wittwe zeigte mir den Tod an und ging
bereitwillig auf mein Gesuch um die Obduction ein. Dieselbe
wurde im Beisein des Oberarztes der chirurgischen Abtheilung
des hiesigen Stadtlazareths Herrn Dr. Häser und dessen
Assistenten Herrn Dr. Zuckschwerdt von mir vorgenommen
und bestätigte die Diagnose auf Aneurysma der aorta thoracica.
Sectionsbefund in Kürze.
Kräftig gebauter, gut genährter Leichnam, zeigt sehr spär¬
liche Todtenflecke, blasse Thoraxmusculatur. Bei Eröffnung des
Thorax zeigt sich die linke Pleurahöhle fast vollständig
mit nur zum kleinsten Theile geronnenem Blute angefüllt.
Das Herz in toto stark nach rechts verdrängt. Nach Entfer¬
nung des Blutes erscheint die linke Lunge vollständig compri-
mirt und gegen die Wirbelsäule gedrängt. Der linke untere
Lappen ist völlig atelectatisch (sinkt in Wasser zu Boden) und
ca. auf ein Drittel seines sonstigen Volums reducirt. Der linke
obere Lungenlappen ist noch zum Theil lufthaltig. Sonst
nichts krankhaftes daran. Der Herzbeutel enthält späTÜch Liq.
pericardii. Die Herzhöhlen sämmtlich leer, klein. Das Herz
ist stark contrahirt. Das Endocard auffallend blass, ebenso
das Herzfleisch. Die Herzspitze wird allein vom linken Ven¬
trikel gebildet. Die Musculatur desselben derb, mehr als drei
Mal dicker als die des rechten. Das Septum ventriculorum
ragt in die rechte Herzhöhle hinein. Die Papillarmuskeln derb
und breit.
Die Klappensegel an der Mitralis und Tricuspidalis frei
von Vegetationen und Verdickungen. Die Aortenklappen mit
sparsamen atheromatösen Verdickungen versehen.
Legt man sich die Aorta, nach Herausnahme der rechten,
blutarmen, sonst ganz gesunden Lunge, frei, so zeigt sich der
Arcus aortae in toto erweitert und ziemlich stark atheromatös.
An der Aorta thoracica trifft man alsdann ein etwa kinds¬
kopfgrosses Aneurysma an; dasselbe erstreckt sich vom 6. bis
11. Brustwirbelkörper, reicht mit seinem peripheren Ende bis
zum hiatus aorticus. Die Gestalt des Aneurysma ist elliptisch.
Schneidet man die Aorta der Länge nach auf, so übersieht
man den ganzen Sack des Aneurysma. Er ist nicht wand¬
ständig, sondern die Aorta erweitert sich vom 6. Brustwirbel¬
körper allmälig; die Dilatation erreicht in der Höhe des 9. Brust¬
wirbels ihre grösste Ausdehnung und veijüngt sich gegen den
Aortenschlitz des Diaphragma hin. Die Wand des Aneurysma
ist ziemlich dünn, mit sehr spärlichen, organisirten Thromben
bedeckt; meistentheils liegt die stark atheromatöse Gefässintima
frei vor Augen. An der gegen die Rippenhöcker zugekehrten
Parthie der Aneurysmawand befindet sich ein länglicher, mit
der Längsaxe des Körpers fast parallel verlaufender, mit zacki¬
gen Rändern versehener Schlitz von 5 Ctm. Länge. (Ruptur¬
stelle). Die Intervertebralscheiben springen frei in die Aneu¬
rysmahöhle vor. Die Wirbelkörper sind stark usurirt, besonders
der 8. u. 9. Das Köpfchen der 9. Rippe liegt bei völlig er-
öffnetem Gelenke frei zu Tage. Die Rippe selbst ist etwa
1) S. u. a. v. Oppolzer’s Vorlesungen über specielle Path. u.
Therap. v. Emil v. Stoffelia. Bd. I. p. 2SS. Skoda, Abhdlg. über
Perc. u. Auscult. 1364. p. 333.
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5. August
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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auf 1 l 2 3 / s Zo\\ ^ TeT ^^ost’s entkleidet. Das Aneurysma
ist in seineT Totalst mcbt völlig intact von den usurirten
Wirbelkörpern abzulösen. An einzelnen Stellen ist die Wand
derselben von den usurirten Wirbelkörpern selbst gebildet.
£ine Untersuchung der Intercostalnerven ist nicht vorgenommen.
Die weitere Section der Leiche musste unterlassen werden.
Epicrise.
Der obige Obductionsbefund bestätigt nicht allein die Dia¬
gnose, sondern erklärt die intra vitam beobachteten Symptome
auf das einfachste. Dass bei einer so bedeutenden Usur der
Wirbelkörper, bei völliger Eröffnung des 9. Costovertebral-
gelenkes und Entblössung der nämlichen Rippe vom Periost,
Steifigkeit der Wirbelsäule, heftiger Kreuzschmerz und links¬
seitige Intercostalneuralgie während des Lebens zu constatiren
sein musste, ist erklärlich. Nicht minder klar liegt die Er¬
scheinung der gedoppelten Pulsation in der Gegend der Herz¬
spitze. Der Sitz des Aneurysma hinter und unterhalb des
Herzens musste diese zwiefache Pulsation hervorrufen. An¬
dererseits ist es leicht ersichtlich, wie bei der Umlagerung i
des Pat. auf die linke Seilte das räumliche Verhältniss dieser
beiden Pulsationen zu einander verschieden wurde. Die freiere
Beweglichkeit des Herzens im Gegensatz zur festeren anato¬
mischen Anheftung des aneurysmatischen Aortensackes an der
Wirbelsäule ergiebt dies Verhalten folgerichtig.
Weiterhin lässt sich aus der Configuration des Aneurysma
das Verhalten desselben gegenüber der auscultatorischen Unter¬
suchung zugleich genügend deuten. Die relative Dünnwandig-
keit, der Mangel an fibrinösen Niederschlägen an den Wänden
des Aneurysmasacks bedingten offenbar eine grössere und regel-
massigere Schwingungsfähigkeit desselben. Die allmälig an¬
steigende Erweiterung des Aortenlumens zum elliptischen Aneu¬
rysma erschwerte ferner entschieden die Entstehung von Flüssig- |
keitswirbeln darin. Dementsprechend liess die Auscultation I
wohl einen lauten systolischen Ton, nicht aber das unter
günstigeren Bedingungen gewöhnlich wahrnehmbare systolische
Geräusch nachweisen. 1 )
Auffallend ist in diesem Falle der Umstand, dass für das
Gefühl eine Differenz der Crural- und Radialpulse in Form und
Zeit nicht nachweisbar war. Allein hierbei ist zu bemerken,
dass die Untersuchung, wie schon erwähnt, von mir nur mittels
der Fingerpalpation vorgenommen wurde, wobei selbst bei
Uebung und Aufmerksamkeit darauf eine Differenz in der
Wellenform mitunter schwierig nachzuweisen sein mag, wäh¬
rend andererseits in Rücksicht auf den Synchonismus dieser
Nachweis zuweilen ganz fehlen kann.*) Wollen doch Marx
und Fischer-Dietschy*) experimentell festgestellt haben, dass
dieser Unterschied meistens nur scheinbar sei, „indem die Curve
unterhalb des Aneurysma rechtzeitig zu steigen beginne und
nur verspätet ihren Gipfel, die Arterie also erst verspätet den
zur Wahrnehmung eben erforderlichen Spannungsgrad erreiche“.
Schliesslich möchte ich noch eines Symptoms Erwähnung
thun, das mir in diesem Falle, da einige sonst characteristische
Zeichen fehlten, bei der Diagnose den Ausschlag gab, und
welches, da letztere durch die Autopsie bestätigt wurde, ich
somit als pathognomonisch bezeichnen möchte. Es ist dies
1) Aehnliches hat Skoda beobachtet: „Ich habe in 2 Fällen, wo
das sehr grosse Aneurysma an der absteigenden Aorta eine Dämpfung
des Percussionsschalles am Rücken zur Folge hatte, beim Auscultiren
nirgends ein Geräusch vernehmen können.“ Skoda, Abhdlg. über Perc.
u. Auscult. 1864. p. 333.
2) S. Quinke, Krankheiten d. Gefässe in Ziemssen’s Pathologie
Bd. VI. p. 397. Anmerkung.
3) S. v. Ziemssen’s Handb. d. speciell. Path. u. Therap. Bd. VI.
p. 388.
die plötzlich gesteigerte Schmerzhaftigkeit in der
Gegend des Aneurysma bei Compression der Crural-
arterien.
Die Entstehungsweise dieses Symptoms liegt auf der Hand.
Der Verschluss zweier arterieller Gefässe von dem Querschnitte
der Crurales muss nothwendiger Weise mit den nächstfolgenden
Herzcontractionen das Blutquantum in der Aorta und somit
auch in dem aneurysmatischen Sacke steigern, und es muss
in Folge dessen der krankhafte Effect auf die Nachbargebilde
des Aneurysma ein bedeutenderer werden. In diesem concreten
Falle wurden durch den plötzlichen Spannungszuwachs im
Aneurysma die freiliegenden Nervenbahnen und Nervenendi¬
gungen der usurirten Wirbel und Rippengelenke in einen plötz¬
lich erhöhten Reizzustand versetzt uud damit die Schmerzhaftig¬
keit im Kreuz und der linken Thoraxwand zur unerträglichen
Heftigkeit gesteigert.
(Schluss folgt.)
IV. Ein Fall von Fiebersimulation,
mitgetheilt von
Dr. Max Tacke« pract. Arzt in Bonn.
Im Anschluss an die in No. 3 dieser Wochenschrift 1878
von- Herrn Dr. Seilerbeck mitgetheilte Beobachtung einer
Simulation von Fiebertemperaturen wird ein Fall vielleicht
von Interesse sein, wo gleiches auf viel einfacherem und dabei
auch sicherem Wege erreicht wurde.
Bei einem jüngst in meine Beobachtung gelangten Patienten
mit sehr geringer linksseitiger Spitzenaffection, der aber schon
seit längerer Zeit Temperaturen zwischen 38,5° und 41,0° in
Form eines remittirenden Fiebers verzeichnet hatte, fiel mir
von vornherein die im Verhältnisse zur Temperatur sehr geringe
Pulszahl auf — sie überschritt nie 85.
Patient wurde von einer sehr zuverlässigen wartenden
Person gemessen. Am dritten Tage meiner Beobachtung mass
ich selbst ausserdem noch mit demselben Thermometer an der¬
selben Stelle (Achselhöhle), erhielt aber an Statt der aufgezeich¬
neten Temperatur von 38,8® nur 37,2“; am fünften Tage Morgens
37,3° an Statt 38,5° der Tabelle, Abends 37,2° an Statt 40,6°
der Tabelle. Am dritten Tage Abends hatte Patient nach der
Tabelle 40,2°, am 4. Tage nach der Tabelle Morgens 38,6°,
Abends 39,8°.
Diese Verhältnisse, die Geringfügigkeit der Lungenaffection,
die geringe Pulszahl, das trotz lang anhaltender hoher Tem¬
peraturen gute Aussehen des Patienten weckten in mir die
Ueberzeugung, dass es mit den hohen Temperaturen wohl nicht
seine Richtigkeit haben müsse; ich beschloss ganz genau zu
beobachten, und zwar ohne dass Patient davon eine Ahnung
haben konnte.
Die wartende (wie gesagt sonst sehr zuverlässige) Person
legte einen gewöhnlichen Thermometer in die Achselhöhle des
Patienten, ging dann zu den anderen auf der Stube liegenden
Personen, gab ihnen Medicin, verband sie etc. Also Patient
war ungestört bis zum Ablesen der Temperatur. Während dem,
dass der Thermometer in der Achselhöhle lag, hustete Patient
jedes Mal sehr krampfhaft, und rückte dabei mit dem Ober¬
körper, und zwar nach der Seite, in der der Thermometer lag.
Beim Ablesen, was natürlich von Seiten der wartenden Person
geschah, hielt er den Thermometer immer etwas gesenkt, wäh¬
rend des Messens sogar fast senkrecht zur Erde.
Gestützt auf diese Beobachtungen stellte ich einen Versuch
unter ähnlichen Bedingungen an. Hier das Resultat:
Umschliesse ich das untere Ende des Thermometers fest
mit der Hand, richte denselben ziemlich steil nach abwärts,
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 31
und gebe ihm während des Steigens (hier also Sinkens) des
Quecksilbers durch eine kurze schleudernde Bewegung einen
Ruck, so schiesst das Hg des Thermometers unaufhaltsam nach
abwärts bis zur äussersten Grenze. Richte ich jetzt vorsichtig
den Thermometer allmälig auf, so wird bei einer gewissen Rich¬
tung desselben seine Hg Säule anfangen sich zurückzuziehen.
Ich kann sie dann auf jedem Punkte zum Stillstand bringen,
wenn ich den Thermometer wieder mehr senke und ihn dann
in dieser Stellung fixire. 1 ) Es ist bei diesem Versuch blos das
zu beachten, dass man den geeigneten Ruck während des Steigens
resp. des Sinkens des Hg ausführt. Ist die Hgsäule ganz hinab¬
geschossen, so kann man der Bequemlichkeit halber, an Statt
das untere Ende des Thermometers mit der vollen Hand zu
umfassen, dasselbe mit ein paar Fingern festhalten.
Am 6. Tage hatte Patient nach der Tabelle Morgens 38,6°,
Abends 40,3°. Am 7. Tage nach der Tabelle 38,5° und 39.8°,
nach meiner Messung 37,0° und 37,2°. Von jetzt ab wurde
wegen der Achselhöhlenkunststücke Patient im anus gemessen
fand also leider keine Gelegenheit mehr, seine am Thermometer
erworbene Fertigkeit zu zeigen. Dass seit der Zeit (14 Tagen)
von Fieber keine Rede mehr ist, brauche ich wohl kaum zu
erwähnen.
Ich bemerke ausdrücklich, dass der Versuch mit spielen¬
der Leichtigkeit nur bei gewöhnlichen sog. Fieberthermo¬
metern mit nicht zu dünner Hgsäule gelingt. Ein derartiger
Thermometer war der beim Patienten gebrauchte, ein anderer
ist in meinem Besitze, und auf den hiesigen Kliniken und beim
hiesigen Instrumentenmacher Eschbaum fand sich eine grosse
Zahl von ähnlichen Exemplaren vor. Sobald die Hgsäule zu
dünn wird, gelingt der Versuch sehr schwer. Der Versuch ist
für den Thermometer selbst wohl nicht nachtheilig, da zwei zu
sehr vielen Versuchen verwandte Thermometer, mit normalen
vorher und nachher verglichen, nicht die Spur einer Aenderung
zeigten.
Bei dem Patienten selbst lässt sich übrigens ein derartiger
von ihm allgestellter Betrug einfach dadurch beweisen, dass
man nach dem Ablesen den Thermometer aufrichtet, worauf die
Hgsäule sich wieder weiter bis auf den wirklichen Temperatur-
punkt zuriiekzieht, wird überhaupt durch ein Verweilen beim
Patienten während des Messens wohl unmöglich gemacht.
V. Referate.
Beil rüge zur Ken ntniss der Kaffee bestandth eile.
Auf Grund eigener Versuchsreihen, sowie der vorhandenen Literatur
kommt Hinz (Archiv für experimentelle Pathologie. Bd. IX, Heft 1 und 2)
über die Wirkung der Kaffecbestandtheile zu folgenden Schlüssen: 1) das
Kaffc'fn und das Kaileon (die flüchtigen Röstproducte der gebrannten
Bohnen, durch Ausschütteln des Destillats mit Aether erhalten; dasselbe
stellt eine ätherisch-ölige Substanz dar) haben in mittleren Dosen erre¬
gende Wirkungen auf das Gehirn, das Herz, die Athmung und die Wärme
2) Ein nennenswerthor erregender Einfluss der Kalisalze ist bei der ge¬
wöhnlichen Dosirung und bei der Aufnahme vom Darmkanal aus nicht
wahrscheinlich. 3) Stoffersparende Einwirkungen des heissen Aufgusses
von geröstetem Kaffee sind mit Sicherheit bis jetzt nicht dargethan worden.
Soweit derselbe in der gebräuchlichen Gabe den Stoffwechsel überhaupt
erkennbar ändert, ist eher an das Gegentheil zu denken. 4) Die vom
aromatischen Kaffeeöl bewirkte Steigerung der Körperwärme ist, wie beim
Weingeist, eine nur subjective, veranlasst durch die stärkere Füllung
der Hautgefässe.
Ucber die Ausscheidung von Eiweiss im Harn des gesun¬
den Menschen.
Auf Grund einer Massenuntersuchung gesunder Menschen — von
1) Bei der mittelst Reiben des unteren Thermometerendes empor¬
getriebenen Hgsäule (v. Fall von Dr. Sc 11 erbeck) gelang es mir nicht,
dieselbe selbst durch gradezu senkrechte Haltung des Thermometers auch
nur für kurze Zeit an irgend einem Punkte über der normalen Tempe-
atur der Achselhöhle zu tixiren: sie zog sich immer zurück.
i 119 Soldaten des 7. bayrischen Jägerbataillons, welche innerhalb 7 Tagen
untersucht wurden — ist Leube (Vircho w’s Archiv, Bd. LXXII. Heft 2§
] zu dem Resultat gekommen, dass die Ausscheidung von Eiweiss im Irin
nicht, wie bisher angenommen wurde, immer eine pathologische Erschei-
, nung ist, sondern bei gewissen Menschen zur Norm gehört. Es ergab
, sich bei diesem Befunden, die an sonst nachweislich ganz gesunden Sol-
! daten gemacht wurden, eine Differenz hinsichtlich der Tageszeiten und
| zwar fand sich: 1) der Morgenurin eiweishaltig bei 5 Soldaten von 119
1 d. h. bei 4,2 pCt. 2) Der Mittagurin eiweisshaltig bei 19 Soldaten uv
! 119 d. h. bei 16 pCt. 3) der Mittagurin allein (bei eiweissfreiem Morgen-
j urin) eiweisshaltig bei 14 Soldaten von 119 Soldaten d. h. bei 11.8 pO.
; 4) Der Mittag- und Morgenurin eiweisshaltig bei 5 Soldaten von Uv
] d. h. bei 4,2 pCt. Einzelne dieser Fälle wurden zu verschiedenen (2—3.
| Malen untersucht. Die Eiweisstrübung war zum Theil schwach. zum
Theil sehr in die Augen fallend. Die Untersuchung geschah dadurch,
dass der Niederschlag mit dem Millon’schen Reagenz und der Kali
kupferprobe geprüft wurde. Eine in zwei ausgezeichneten Fällen au>
geführte Quantitativbestimmung ergab 0,068 pCt. resp. 0.037 pCt.. alv
einen nicht bedeutenden Gehalt an Albumen. Ein etwa vorhandene*
Sediment ergab nur Harnsäurecrystalle, nie Cylinder oder Blutkör¬
perchen. Die Untersuchung des spec. Gew. ergab keine besonderen
Differenzen. Als deutliches ätiologisches Moment des Auftretens von
Eiweiss ergab sich bei dem grösseren Theile der Beobachtungen die
Anstrengung durch Märsche: erst der Mit tags urin, der nach den Uelmn
gen gelassen wurde, zeigte sich albuminhaltig. Wie kurz] die Dane-
der Wirksamkeit dieses Moments war, lehrte die Untersuchung eines Falles:
bei diesem war an 2 verschiedenen Tagen Morgen- und Mittag-Urin eiweiss-
frei gefunden worden; am 3. Tage aber nach 4ständigem Bataill'Ui.'-
oxerciren erwies sich der Urin des Mannes eiweisshaltig: dagegen war
der Nachmittags 4—6 Uhr gelassene Urin schon wieder eiweissfrei. t>.
einem anderen geringeren Theile der Untersuchten war, wie erwähnt, bereit-
der Morgenurin eiweisshaltig, also Märsche ohne Einfluss. Was d.-n der Er¬
scheinung. zu Grunde liegenden Process an betrifft, so müssten, wenn man
die Filtratinnstheorie zu Grunde legt, bei gewissen Individuen die Poren de.-
Gelass-Membran grösser als in der Norm angenomme n werden, und zwar
müsste dieser grössere Umfang der Poren bei einem kleinen Theile scheu
für gewöhnlich vorhanden sein, bei dem grossem erst nach Anstrengungen
sich eintinden. Nimmt man dagegen eine speeitische Thätigkeit der E^ithc-
lien bei der Abscheidung der einzelnen Urinbestandthcile in Anspruch, und
nimmt man speeiell bei der Eiweissausscheidung an. dass für gewöhnlich
Eiweiss diffundire, aber beim Verrücken des Harns dasselbe in die Drüsen*
epithelien wieder aufgenotnmen würde, so müsste man in den hier v-r-
; liegenden Fällen ein zeitweise eintretende Ermüdung der Epithelien an¬
nehmen, besonders wenn — nach Anstrengung — mehr Eiweiss als
gewöhnlich ausgeschieden wird. Die für beide Erklärungsversuche her-
ang'-zogene Voraussetzung, dass durch vorangegangene Körperanstrengung
die Eiweissfiltration im Glomerulus begünstigt wird, ist allerdings expe¬
rimentell noch nicht genügend begründet. — ln klinischer Beziehung
könnte der erwähnte Befund Verwechselung mit chronischer Sehrumpf¬
niere geben, und zwar in solchen Fällen, wo die andern bei jenem Nieren¬
leiden beobachteten Symptome noch nicht, vorhanden sind.
My xo ed ein a.
Mit diesem Namen belegt Dr. William 0 r d, Physician am Thomas¬
hospital in London, in einer klinischen Vorlesung, die im Brit. Med.
Journal 1878, Xo. 106, pag. 671 veröffentlicht ist, eine von ihm zum
ersten Male beobachtete erwachsenen Frauen cigenthümüche Affoeiior..
Seine beiden Patientinnen erschienen geschwollen, wie beim gewöhnlichen
Oedem, die Haut des Gesichts halb durchscheinend und blutleer, mit
Ausnahme einer scharf begrenzten und deshalb um so mehr mit den
anderen Theilcn contrastirenden Wangenrot he. Die Schwellung lasst
sich nicht, wie beim gewöhnlichen Oedem fortdrücken; die Haut ist
eigentümlich trocken und rauh. Die Gesichter erscheinen ausdruckslos:
j Sprache und Bewegungen vollziehen sich correct, aber eigenthümlieh
langsam. Der Gang ist unsicher, und beide Patienten sind in Folge
mangelnder Coordination zwischen den Bewegungen der Flexoren und
Extensoren leicht dem Fallen ausgesetzt. Keine Paralyse, Anästhesie
oder Muskelschwund, Urin normal, Temperatur unbedeutend erniedrigt
Beide Kranke sind verheirathet und haben Kinder. Bei beiden begann
die Affection erst, nachdem sie das Alter von 20 Jahren erreicht hatten,
und besteht jetzt 4 Jahre. — Solche Fälle wurden früher als allgemeines
Anasarca ohne Albuminurie betrachtet; Dr. Ord hatte indessen im
vorigen Jahre die Gelegenheit, eine Autopsie bei einer Patientin zu
machen, die im Leben die bezeichneten Erscheinungen dargeboten hatte,
und entdeckte bei dieser Gelegenheit folgendes: Das Bindegewebe war
überall im Körper bedeutend verdickt, die einzelnen Faserzüge vortreff¬
lich sichtbar, da eine gelatinöse Substanz zwischen ihnen infiltrirt war;
die Anzahl dieser Fibrillen bedeutend vergrüssert. und die Zellenkerne
vermehrt. Dr. Ord hielt die Infiltration für eine Hyperplasie der
gewöhnlichen mucinhaltigen Kittsubstanz, und das neue Gewebe erinnerte
ihn sehr an gewisse embryonale Bildungen, namentlich an die Struetur
des Nabelstrangs. Die chemische Untersuchung ergab die Richtigkeit
dieser Hypothese. Während im normalen Bindegewebe, in normaler
Haut und in der Haut oedematöser Personen eine verschwindend kleine
Menge Mucin gefunden wurde, fand sich in dem Falle von Myxoedemr
eine mehrhundertfache Vermehrung dieser normalen Quantität
Mucin. — Dr. Ord. der den ganzen Process als einen decenerativen
betrachtet, erklärt d : o oben genannten Symptom?, als resultirond aus
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5. August ISIS.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
der Einhüllung der peripheren Nervenendigungen in die gelatinöse Sub¬
stanz und aus deren daraus folgender verminderter Functionsfähigkeit.
Damit stimmt, dass die raicroscopische Untersuchung ergab, dass die
mucinhaltige Substanz Wülste um und in den Tastkörperchen bildete.
Dr. Ord glaubt, dass langdauernde verminderte Leitungstätigkeit zu
den Centralorganen einen gewissen Torpor derselben producirt und weist
nachdrücklich auf diese Abhängigkeit der letzteren von peripheren Ein¬
drücken hin. ln dieser Beziehung betont er ferner die Verwandtschaft
der neuen Affection mit dem Cretinismus, welch’ letzteren er geneigt
ist, nur als eine höhere Entwicklungsstufe des myxoedematösen Zu¬
standes anzusehen. — In dem oben erwähnten Falle, in dem die Autop¬
sie gemacht wurde, theilten Nieren, Leber und Herz den Zustand der
Haut und des Bindegewebes; doch konnte die mucinhaltige Substanz
nicht im Centralnervenapparat nachgewiesen werden.
469
VI. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Berliner medicinisch-psychoUgisehe Gesellschaft
Sitzung vom 4. Februar 1878.
In Abwesenheit der beiden Vorsitzenden übernimmt den Vor¬
sitz Herr W. Sander.
Vor der Tagesordnung demonstrirt Herr Mendel im Anschluss an
den in der letzten Sitzung gehaltenen Vortrag ein Präparat.
Hierauf hielt Herr Adamkiewicz den angekündigten Vortrag über
bilaterale Functionen.
So lange die Seele nur die beiden Elementarfunctionen vollfährt,
Eindrücke zu rccipiren, zu empfinden, und einfachste Impulse zu pro-
duciren, zu wollen, so lange stehen in ihrem Dienst nur zwei (Kate¬
gorien von Organen, nämlich die Sinnesorgane und die Muskeln. Wenn
sich die Seele entwickelt und die dritte Elementarfunction erwirbt, zu
reflectircn, dann beginnt sie auch Organe des vegetativen Lebens zu
beherrschen. — Der Verdauungsapparat, das Herz, die Blutgefässe und
namentlich auch gewiss»-* Drüsen werden nun von gewissen seelischen
Stimmungen zur Thätigkefl angeregt. Von einer Drüsenfunction, die
sich in einem geistig unentwickelten Wesen vollzieht, kann es zweifel¬
haft sein, ob ihr nur physicalisclu* Processc der Filtration und der Diffu¬
sion zu Grunde liegen, oder ob sie auch unter dem Einfluss von Nerven
steht. Mit dem Augenblick, wo sie von Vorgängen in der Seele an¬
geregt wird, wird es klar, dass sie von Nerven regiert wird. So hat in
der That auch der exacte Beweis geführt werden können , dass ebenso
wie der Darm, das Herz und die Blutgefäss'', auch diejenigen Drüsen
unter dem directen Einfluss von Nerven stehen, deren Thätigkeit mit
seelischen Processen coinoidiren — wie die Speicheldrüsen Thränendrüsen,
Schweissdrüsen 1 ). Doch haben diese, von der Seele beeinflussten, vegetati¬
ven Functionen nicht nur das gemeinsam, dass sie Nervcnfunctionen sind,
sondern auch die Art ihrer Innervation, die Natur der sie erregenden
Reize und namentlich auch die Form ihrer Erscheinungsweise ist ihnen
charakteristisch.
Während die animalen Functionen durch Erregungen cerebro-spi¬
naler und die vegetativen Vorgänge durch Erregungen sympathischer
Nerven geleitet werden, betheiligen sich bei der Innervation dieser dritten
Oategorie (psycho-physischer) Functionen beide Nervensysteme, sowohl
das cerebro-spinale, als das sympathische. Sie werden ferner nicht, wie
die rein vegetativen Processe, nur von chemisch-physicalischen, sondern
auch von psychischen Reizen erregt. — Speoiell für die Schweissdrüsen
hat der Vortragende experimentell nachgewiesen, dass sie von den drei
Elementarfunctionen der Seele — Bewegung. Empfindung. Vorstellung —
angeregt werden. — Aus dieser Thatsache darf man sch Hessen. dass
sie alle an der Oberfläche des Grosshirns, dort, wo wahrscheinlich die
seelischen Processe beginnen, Centreu besitzen. Das ist in der That
zum Theil bereits bewiesen worden und darf aus dem Umstand mit
einiger Wahrscheinlichkeit geschlossen werden, dass die Nerven aller
psycho-physischen Organe, bevor sie an ihren peripheren Verbreitungs¬
bezirk gelangen, insgesammt durch das verlängerte Mark geben 2 ). —
In ihrer Erscheinung zeichnen sich die psycho-physischen Functionen
durch eine bilaterale Thätigkeit ihrer Organe aus, wenn dieselben bila¬
teral angelegt sind, und durch ein bilateral-symmetrisches Zusammen¬
wirken in homologen Abschnitten gelegener Organe, wenn diese am
Körper ausgedehnte Verbreitungsbezirke besitzen (Blutcapillaren, Schweiss¬
drüsen). — So hat der Vortragende gefunden, dass ganz unabhängig von
der Natur eines einseitig wirkenden und die Schweissdrüsen erregenden
Reizes, immer homolog gelagerte Orte am Körper des Menschen schwitzen.
— Aehnliches ist für die Function der anderen bitateral angelegten
psycho-physischen Apparate ebenfalls bekannt. Die nicht in die Cate-
gorie dieser Apparate gehörenden und bilateral angelegten Organe zeigen
•dieses Verhalten nicht, da sie auf Einwirkung einseitiger Reize einseitig
reagiren, so beispielsweise die Muskeln. — Gewisse Andeutungen eines
bilateralen Zusammenwirkens treten indessen auch an den Muskeln
und zwar unter pathologischen Verhältnissen ein, nämlich dann, wenn
die den Willen zum Muskel leitenden Bahnen im Gehirn (bei Apoplexien)
oder im Rückenmark (bei der Sclerose der Seitenstränge) unterbrochen
1) Luchsinger: Arch. f. d. ges. Physiolog. Bd. XIII und XIV.
Adamkiewicz: Die Secretion des Schweisses. Berlin. — Hirschwald,
1878.
2) Vcrgl. Adamkiewicz: 1. c.
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sind. Unter diesen Umständen, wo also der F‘ >0*
die Thätigkeit der Muskeln beschränkt oder &
aber andere Muskelfunctionen in erhöhtem Masse <^ ss
Tonus und Reflexerrcgbarkeit. Es lässt sie x N»g
diese Functionen reine Nervenfunctionen sind und da. ^
hang der Nervenbahnen dieser Functionen mit dem Gehir.
wenn auch eine Leitungsunterbrechung derjenigen Nervei.
welchen der Wille verläuft. Die Erscheinung des Tonus *
die mit ihm in Zusammenhang stehenden Phänomene der
und der Seitenstrangselerose verschwinden im Schlaf u
Ausserfunctionssetzung des Gehirns durch die Na»
Der Vortragende schliesst daraus, dass die Muskeln von doppelten Ne*
bahnen innervirt werden. Auf der einen verläuft der Wille, auf <.
anderen gelangen automatische Reize zu dem Muskel und unterhaltet,
den Tonus derselben. Die Innervation beider Bahnen aber ist eine an¬
tagonistische, weil die Function der einen in erhöhtem Grade dann auf-
tritt, wenn die der andern gestört ist. Da bei der oben bezeichnten
Leitungsstörung der den Willen leitenden Fasern, wie erwähnt, bilate¬
rale Phänomene in den Muskeln auftreten, so meinte der Vortragende,
dass die geschilderte doppelseitige Thätigkeit der von seelischen Processen
beeinflussten vegetativen Organe ihren Grund habe in dem hier vor¬
handenen Mangel antagonistischer Strömungen und in dem Umstande, dass
die psycho-physischen Organe nur von solchen Bahnen versorgt werden,
welche den tonisirenden Fasern der Muskeln entsprechen. Die der Apo-
plexie und Seitenstrangselerose characteristischen Erscheinungen finden
bei der Degeneration der Hinterstränge ihr strietes Gegenbild. Daraus
folgt, dass die tonisirenden Fasern in' den Hintersträngen des Rücken¬
markes verlaufen.
An diesen Vortrag anschliessend bemerkt:
Herr Bernhardt: Wenn der Vortragende es als eine von der Zu¬
kunft zu erfüllende Rechnung hingestellt habe, an der Hirnrinde Punkte
aufzufinden, von denen aus ebenso wie die Willkiihrbewegungen auch
die unwillkührliehen Bewegungen beeinflusst werden könnten, so sei
zum Theil diese Aufgabe schon gelöst. Er erinnere an die Unter¬
suchungen Sc hi ff’s über den Einfluss der Hirnrindenreizung auf die
Herzbewe&nngen und an die von Bochefontaine über die Wirkungen
dei electrisehcn Rindenreizung auf die Contraction der Eingeweide, Blase,
Muttertrempeten. Milz auf den Blutdruck und an die Albertonis auf die
Speichclsccretion.
Was dann die bilateral (symmetrische) Funktion auch dir Hirn¬
rinde betreffe, so weise er auf die schon von Hitzig constatirte That¬
sache hin, dass man vom „Facialiscentrum“ aus Bewegungen doppel¬
seitig hervo i b riugen k ö nne.
Herr Remak möchte den von dem Vortragenden betonteu Unter¬
schied des vegetativen und des animalen Nervensystems in Bezug auf
die bilateralen Functionen jedenfalls nur als einen graduellen betrachten.
Abgesehen von den bereits erwähnten symmetrischen Mitbewegungen,
denen das Uebergreifcn halbseitiger Krämpfe in Folge von Hirnrinden¬
läsionen bei sogenannter partieller Epilepsie auf die andere Seite und
das symmetrische Auftreten von Reflexbewegungen anzureihen sei, wird
auch in der sensiblen Sphäre eine engere Verknüpfung epimetrischer
gangliöser Cemren bewiesen durch die bekannten Erscheinungen der
symmetrischen Seitenempfindung bei der centralen symmetrischen Irra¬
diation neuralgischer Schmerzen. Er selbst beobachtete bei einem Fall
schwerer Neuritis, welche von der Exarticulationsnarbe eines Mittelfingers
aus ganz gleichzeitig mit den schweren Schmerzen in dem nicht mehr
vorhandenen Mittelfinger Schmerz im Endgliede des Mittelfingers der
gesunden Hand. Hierher gehöre auch das vorübergehende Ueberspringen
neuralgischer Schmerzen auf symmetrische Stellen der andern Körper¬
hälfte, wie es oft bei der Heilung auch in Folge therapeutischer z. B.
electriseher Proceduren bei Ischias und Trigeminusneuralgie beobachtet sei,
und ferner gehöre hierher die Verwechselung beider Seiten, die symme¬
trische Projection von sensiblen Reizen, welche bei Myelitis, besonders
nach Charcot bei Compressionsmyelitis nicht selten vorkomme. Auch
muss auf eine engere Verknüpfung symmetrischer Ganglienapparate hin
ihre symmetrische Erkrankung bei gewissen chronischen Rückenmarks-
affeetionen, welchen das Gebiet der Poliomyelitis anterior chronica und
der progressiven Muskelatrophie gehören, sich beziehen. Die symme¬
trische Lähmung und Atrophie ganz bestimmter Muskeln ist ferner
besonders eigenihümlich der Bleilähmung.
Herr Adamkiewicz: Dass nicht nur Apparate des vegetativen,
sondern auch des animalen Lebens bilateral angelegt seien und bilateral
fungiren könnten, könne als allgemein bekannt vorausgesetzt werden.
Das darzutkun, hätte nicht im Sinne des Vortragenden gelegen. Er
habe vielmehr darauf hingewiesen, dass trotz der Gemeinsamkeit der
bilateralen Anlage beider nur die vegetativen (psycho-physischen) Appa¬
rate schon unter normalen Verhältnissen auf alle, selbst einseitige
Reize bilateral fungirten, während bei den anderen Organen, speciell den
Muskeln, etwas ähnliches erst unter ganz bestimmten pathologischen
Umständen eintrete. Diese Umstände, von denen näheres in des Vor¬
tragenden Abhandlung „Die Secretion des Schweisses, eine bilateral
symmetrische Nervenfunction“ ausgeführt sei, drängte zu der Annahme
einer doppelten und zwar antagonistischen Innervation einerseits durch
tonisirende, anderseits durch vom Willen erregbare Nervenbahnen in
den Skeletmuskeln. — Nur der normale Antagonismus beider Bahnen
bedingt die normale Muskelfunction. Würden die tonisirenden Fasern
in ihrer Leitung unterbrochen, so gewönnen die andern das Uebergewicht,
wodurch als functioneile Gleichgewichtsstörung der Muskelfunction die
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No. 31
466
^xie hervorgerufen würde. Im entgegengesetzten Falle, Leitungs
un Msrbrechung der willkührlichen Bahnen, würde die willkührliche Inner-
der Muskeln erschwert, während ihr Tonus und ihre Refiexerreg-
steigo und bilaterale Functionen sich einstellten. Daraus
folgern, dass die normale Erscheinung bilateraler Functionen bei
den psycho-physischen Apparaten sich vielleicht aus dem Mangel einer
antagonistischen Innervation und aus dem Vorhandensein nur eines
Systems von Nervenfasern erkläre, jenes Systems, welches den tonisiren-
den Fasern der Muskeln entsprechen würde.
Nach dem Schlüsse der Sitzung beging die Gesellschaft ihr Stiftungs¬
fest durch ein gemeinschaftliches Abendessen. *
Qrung
parkeit
iei zu
Gesellschaft für Gebartshülfe imi Gynäkologie in Berlin.
Sitzung vom 23. April 1878,
Vorsitzender: Herr Schröder.
Schriftführer: Herr Fasbender.
1. Herr Veit legt ein 8monatliches Kind vor, welches condupli-
cato corpore geboren ist
2. Derselbe: Schädelfractur bei normalem Becken
durch Darreichung von Secale cornutum.
Nach einigen allgemeinen Bemerkungen über Verletzungen des
Kindes bei der Geburt theilt der Herr Vortragende folgenden Fall mit.
Eine Erstgebärende am normalen Schwangerschaftsende bekam am
15. März d. J. die ersten Wehen. Sie sollen krampfhaft gewesen und
deshalb Pulv. Doweri gegeben worden sein. Darauf war am 16. und
17. März Secale verabreicht worden bis Herr Veit die Kreissende am
Abend des letztgenannten Tages sah. Er fand sie erregt, mit beschleu¬
nigtem Pulse und fest contrahirtem Uterus. Aeusserer Muttermund
zurückgezogen, Becken normal, Herztöne nicht zu hören. Der tief
stehende Kopf machte bei der inneren Untersuchung etwa den Eindruck,
als ob ein Kephalothryptor angelegt gewesen, trotzdem keine instru¬
menteile Hilfe geleistet worden. Expression gelang leicht. Das Kind
von 3240 Gramm zeigte auf dem Thorax einen vcm inneren Mutter¬
munde herrührenden hochrothen Schnürstreifen. Pericranium nament¬
lich rechts abgehoben, hier die Nähte gelöst, auf dem rechten Scheitel¬
bein 2 Fissuren. Links die Knochen sowie die Nahtverbindungen bis
auf eine Stelle in der Gegend der kleinen Fontanelle intact. — Squama
occipitis von den Gelenktheilen abgesprengt. — Nach der Geburt des
Kindes Uterus sehr mangelhaft contrahirt, Blutung, manuelle Losung
der Placenta. — Wochenbett gut. — Der Herr Vortragende bespricht
zum Schluss den mitgetheilten Fall noch epikritisch.
3. Herr Haussmann: Kann die Erweiterung des vereng¬
ten Muttermundes durch den Pressschwamm die Empfäng-
niss erleichtern?
Der Herr Vortragende giebt zunächst seine sehr eingehenden histo¬
risch-kritischen Studien über die Anwendung der Schwämme, der Lami-
naria, der Enzianwurzel, des Fliedermarkes zu gynäkologischen Zwecken.
Der Gebrauch des Schwammes zur Erweiterung der Geschlechtsorgane,
wie auch die Tränkung desselben mit adstringirenden oder theerhaltigen
d. h. nach unserem heutigen Sprachgebrauch aseptischen Arzneien, war
den Alten schon bekannt. Nach den Untersuchungen des Herrn Hauss¬
mann ist der Pressschwamm, dessen Quellungsmodus näher erörtert
wird, selbst wenn er nur 2 Stunden gelegen hat, vom Epithel des Mutter¬
halskanals bedeckt, während Bruchstücke der Schwammfasern sich in
dem abfliessenden Secret finden. Für die Bewegung der Samenfäden
kann diese Abstossung des Epithels nicht ohne Bedeutung sein. Dass
die veränderte Qualität des Secretes die Bewegung der Spermatozoen
ebenso vernichtet, wie die zur Desinfection verwendete Carbolsäure, haben
dem Herrn Vortrageuden seine Beobachtungen mit Sicherheit erwiesen.
Auch sei nach seiner Ansicht von der Begattung, die doch bald auf
die Pressschwammbehandlung folgen muss, eine Steigerung des auf die
Gebärmutter ausgeübten Traumas zu fürchten. Aus diesen Gründen
glaubt Herr Haussmann die Frage, die er sich als Thema seines Vor¬
trages gestellt, verneinen zu müssen. Von ähnlichen Nachtheilcn, wie
die Anwendung des Pressschwamms dürften aber auch Quellmeisscl aus
andern bisher verwendeten Material nicht frei sein.
VII. Feuilleton.
Rokitansky *f*.
Der äussere Lebensgang des jüngst verstorbenen grossen Forschers
gehört zu denjenigen, welche ohne grosse Kämpfe mit äusseren Gewalten
an ihrem Ziele an lau gen und deshalb dem oberflächlichen Beschauer
kein durch die Mannigfaltigkeit der Erlebnisse und der bekämpften
Hindernisse belebtes Bild gewähren. Es ist vielmehr Rokitansky ver¬
gönnt gewesen, aus einer harmonischen Anlage heraus, die in sich selbst
den Trieb steten Weiterstrebens trug, ohne die Bitterkeit, die vielfaches
Ringen mit hemmenden Factoren nicht selten hervorruft, zu einer bedeu¬
tenden wissenschaftlichen wie rein menschlichen Höhe zu gelangen. Carl
Rokitansky wurde am 11. Februar 1804 zu Königgrätz in Böhmen ge¬
boren. Seine medicinische Bildung empfing er zu Prag und Wien: in
dem letztgenannten Orte promovirte er 1828. Nachdem er mehrere Jahre
Assistent des Professors der pathologischen Anatomie, Wagner, gewesen,
wurde er nach dessem Tode im Jahre 1834 sein Nachfolger und gewann,
da ihm gleichzeitig die gerichtlichen Sectionen zufielen, damit das grosse
Material, welches er seitdem in so grossartiger Weise für unsere Wissen¬
schaft verwerthete. Während seines ganzen Lebens ist er dieser ersten
Stätte seiner Wirksamkeit erhalten geblieben. Eine seiner grossen Thäti^-
keit würdige Anstalt erlangte er von der Regierung erst im Jahre 1862,
wo der prächtige Neubau des pathologischen Museums feierlich eröffnet
wurde. Die Ehren, die ihm während seines Lebens zu Theil wurden, waren
zahlreich und gross. Er führte u. a. seit 18G9 das Präsidium der Akademie
der Wissenschaften, war Mitglied des Herrenhauses, wurde in den Frei¬
herrnstand erhoben und im Jahre 1869 Medicinal-Referent im Ministerium
für Cultus und Unterricht. An seinem siebzigsten Geburtstag im
Jahre 1874 bezeugte ihm eine Fülle von Ovationen den Grad des An¬
sehens, den er sich aller Orten, in der Heimath und im Auslande,
erhalten hatte. Nach den in Oesterreich geltenden Bestimmungen legte
er in demselben Jahre sein Lehramt nieder, behielt aber das Referat im
Unterrichtsministerium. Nachdem er an Anfällen von Herzneuralgie
verbunden mit asthmatischen Beschwerden, bereits in den letzten drei
Jahren gelitten hatte, erlag er einem dieser Anfälle plötzlich in der
Frühe des 23. Juli.
Rokitansky’s wissenschaftliche Stellung zeichnet sich klar auf dem
Bilde der Geschichte unserer Disciplin während der letzten fünf Jahrzehnte
ab. Er hat das grosse Verdienst, zu einer Zeit, wo über das Wesen der
Krankheiten zum allergrössten Theil ganz verworrene, durch die mannig¬
faltigsten Speculationen getrübte Anschauungen herrschten, durch ge¬
naue Beobachtung und Beschreibung der pathologisch - anatomischen
Befunde ein sicheres, naturwissenschaftliches Fund-nnent für alle späte¬
ren pathologischen Forschungen gelegt zu haben. Die Richtung, die in
Frankreich durch Bayle, Laennec, Louis, vor allem durch Cru-
veilhier eingeschlagen worden war und die schönsten Früchte zu Tage
gefördert hatte, übertrug er mit einem immensen Aufwande von Arbeits¬
kraft und mit dem grössten Erfolge auf deutschen Boden, im engen
Verein mit Skoda, der mit Hilfe der pathologisch-anatomischen Ver¬
änderungen die Bedingungen der physicalisch-diagnostischen Erschei¬
nungen wissenschaftlich feststeilte. Erst auf einer Grundlage, die eine
durch die genauesten Untersuchungen gewonnene Kenntniss der Merk¬
male der erkrankten Organe enthielt, konnte man zu richtigen An¬
schauungen über die die Veränderungen hervorrufenden Proecsse ond
zu allen jenen Forschungsmethoden gelangen, welchen wir seitdem eine
so mächtige Förderung unseres pathologischen allgemeinen wie specieilen
Wissens zu danken haben. Die Wiener Forscher blieben indess nicht
nnr bei der Anatomie als solcher stehen, sondern man suchte, indem
man die verschiedenen Stadien, die man einen Process durchlaufen sah,
zu einem Bilde vereinigte, auch für den Verlauf der Krankheit Resul¬
tate zu gewinnen, das gefundene für die Pathologie auszubeuten: so
wurde einer ganzen Anzahl schon benannter Krankheiten eine wirkliche
Grundlage erst jetzt gegeben; manches krankhafte, das bisher für ein
einfaches gegolten, als ein mannigfaltiges dargestellt, scheinbar unähn¬
liche Einzelbilder als zusammengehörig, als nach einander entwickelte
Stadien eines Processes erkannt. Viel ist seitdem über die Schwächen, die
mit der einseitigen Betonung der pathologisch-anatomischen Thalsachen
von Seiten der „Wiener Schule“ verbunden waren, gesprochen und
geschrieben worden; wir wissen wie in den Lehren derselben der Krankheits-
process vor dem Krankheitsproduct in den Hintergrund trat, wie besonders
in practischer Beziehung diese Richtung keinen Raum für die Aetiologie
liess und wie sie, angesichts der in die Augen fallenden Veränderungen der
Organe, die Möglichkeit, dieselben durch therapeutische Massnahmen zu
verhindern, zu sehr in Abrede stellte und so den vielberufenen »the¬
rapeutischen Nihilismus“ der Wiener SchuLe hervorbrachte. Aber durch
alles dies kann nie der gewaltige Fortschritt in Frage gestellt werden,
der sich durch Rokitansky’s Wirken für unsere Wissenschaft voll¬
zogen hat. Die Frucht der Forschungen Rokitansky’s war be¬
kanntlich sein „Handbuch der pathologischen Anatomie“ erschienen
1842—1846, in dritter Auflage IS55—1861. Seine Fähigkeit, das, was
er sah, in bündigster, erschöpfendster und plastischer Weise za be¬
schreiben, so dass der Leser ein überaus treues Bild des selbstangeschauten
empfing, bewährte sieh in diesem Buche in eminenter Weise. Ausser
diesem Lehrbuche verdanken wir ihm noch eine ganze Reihe einzelner
Abhandlungen, die meist in den Denkschriften der rnath.-naturwissen¬
schaftlichen Klasse der Acaderaie der Wissenschaften und in den „Medi-
cinischen Jahrbüchern“ abgedruckt sind. Als letzte grössere Arbeit er¬
schien von ihm im Jahre 1875: Die Defecte der Scheidemvände des
Herzens.
Rokitansky hat auch als Character das höchste Ansehen unter
allen denen genossen, die mit ihm Berührung kamen. Er konnte mit ge¬
rechtem Stolze bei der grossartigen Feier, die bei seinem 70jährigen Geburts¬
tage in der Aula der Universität statt fand, sagen: „Es wird mir stets zur er¬
hebenden und erquickenden Erinnerung dienen, wenn ich sagen könnte,
dass ich diese Ehren nicht nur meinem wissenschaftlichen Streben, son¬
dern meiner fortschrittlichen Gesinnung überhaupt und dem rückhalt¬
losem Beharren, das Rechte und Gute zu fördern, verdanke.“ In seiner
politischen Stellung vertrat er die Richtung unbedingten Fortschrittes
auf jedem Gebiete. Sohr schön und mit grösstem Freimuthe entwickelte
er seinen Standpunkt im österreichischen Herrenhau.se bei der Berathung
des Unterrichtsgesetzes im März 1868 in einer Rede für die Freiheit
des Unterrichts, die weithin über die Grenzen des eigenen Landes Aul¬
sehen erregte. Von hoher allgemeiner Bildung, ein begeisterter Verehrer
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469
Kants, auf den er seine Zuhörer hinzuweisen pflegte, „damit sie an der
Tiefe dieses Denkers und an seinem Freimuthe sich begeistern, “ ge¬
hörte er zu den edlen Naturen, die auch in späteren Jahren sich stetig
zu einem höheren Standpunkte fort zu entwickeln trachten und in der
Vollendung der eigenen Individualität die höchste Blüthe menschlichen
Strebens erblicken. Sz.
Fettbildung aus Kohlenhydraten.
Von
H. v. Idebig.
Durch eine mir zugesendete Abhandlung von La wes und Dr.
Gilbert im Journal of Anatomy and Physiologie 1877, worin diese
auf ihre Versuche über Schweinemast zurückkommen, auf welche ge¬
stützt, sie schon 1866 behaupteten, die Fettbildung aus Kohlehydraten
nachgewiesen zu haben, ersehe ich, dass im vorigen Herbste Dr. Gilbert
über diesen Gegenstand persönlich mit Prof. Voit gesprochen und
von diesem aufgefordert wurde, seine Versuche zu wiederholen. In dem
1877 erschienenem Aufsatze nun erklärt Dr. Gilbert, dass er nach
abermaligem Durchsehen und Berechnung seiner Resultate sich nicht
veranlasst sehe, neue Versuche zu machen, und ich glaube mit vollem
Rechte. Wenn ich auch von den vielen Versuchen derselben nur zwei ge¬
funden habe, mit welchen sich ein strenger Beweiss, der den Anforderungen,
welche die Hypothese von Prof. Voit stellt, liefern lässt, so reicht dies
für die Ansteller hin. Ich habe jedoch erst bei Auffindung von
4 weiteren, noch schlagenderen Beispielen, die volle Ucberzeugung und
Bestätigung gewinnen können, und ich habe diese in einem Aufsatz im
landwirthsch. Centralblatt für Bayern 1873 veröffentlicht. Dieselbe
wurde aber völlig ignorirt. Erst jetzt wurde mir bekannt, dass 1874
von Weiske und Wild in der Zeitschrift für Biologie ein Versuch
Aufnahme fand, der völlig beweisunfähig ist. Aus den Versuchen,
welche man in gleicher Weise vorher schon gemacht, musste man wissen,
dass d^e Nahrung, wie Nährstoffverhältnisse falsch gegriffen waren, und
das Resultat konnte jeder, der sich eingehender mit dieser Frage be¬
schäftigt, genau Voraussagen. Nur das eine fand ich zu meiner Zu¬
friedenheit darin, dass die Berechnungsmethode mit der mcinigen von
1873 völlig übereinstimmte. Es kann also im Bezug auf die Auffassung
der Sache, von Seiten Prof. Voit und mir kein Missverständniss vor¬
liegen. Ich lasse einfach die Zahlen als Zeugen auftreten, und jeder,
der sicli für diese hochwichtige Frage interessirt, kann sich leicht sein
Urtheil selbst bilden.
Zur Production von 100 Pfd. Zuwachs wurden verzehrt an Pfunden.
Versuch von
Rese.
Gerste.
darin
Eiweiss.
Fett.
Kohlehyd.
Nh: Nfr.
Gerste \
+ Kartoffel/
221
(389)
33,7
5,8
254
1:7
Lehmannn I
396
39,5
7,1
260
1:6,5
II
403
43,66
S,5
247
1:5,15
„ III
385
49,02
11,0
236
1:5,37
Lawes
565
62,5
12
328
1 : 5,68
Linsen und
Erbsen.
!
500
136,5
11,2
260
1:2
Bei allen Versuchen waren mehrere Schweine. Rechnen wir bei
Lawes Gerstenfütterung als unverdauliches Protein nur 10% und Fett
nur 5%, ferner als Fleisch- und Gewebeansatz 10%, so haben wir
42 Pfd. Eiweiss zur Fettbildung zur Verfügung, aus diesen können aber
nach Voit’s Berechnung nur 21,7 Pfd. entstehen, hierzu kommt noch
die Hälfte Fett in Futter, als abgelagert, zusammen 28 Pfd. Fett. Da
wir aber von Lawes durch Wägung bestimmt 42 Pfd. Fett im Zu¬
wachs gefuuden, so müssen 14 Pfd. des Fettes im ungünstigsten Fall
aus Stärkemehl gebildet worden sein. Die mit dem gleichen Futter
bei nahezu gleichalterigen Schweinen gemachten Versuche von Lehmann
gaben nun übereinstimmend noch weit bessere Resultate, mit aller Zu¬
verlässigkeit. Bei No. I bleiben uns zur Fettbildung nur 31,6 Pfd.
Eiweiss über, wir können also mit der Häfte Fett in Futter nur
16,8 + 3,6 = 20,4, also nicht einmal die Hälfte des producirten Fettes
decken. Der Versuch mit Kartoffel ist aber noch günstiger.
Meine Darstellung ist deutlicher als in Lawes Aufsatz, und wenn
ich auch weniger durch Kohlenhydraten gebildetes Fett berechne wie
dieier, so ist dies hier geboten. Wenn Weiske und Wild’s Versuche
und Berechnungen nun als gegenteilige, wenn auch nur negative Beweise
zu dienen aceeptirt wurden, so können diese gewissenhafte von mir
gewählten Versuche gleichfalls als Beweise für die Bildung von Fett
nicht zurückgewiesen werden. Ich habe nun zum Vergleich auch einen
Versuch mit viel Eiweiss von Lawes beigefügt, in welchem die Eiweiss¬
mengen das nöthige Quantum weit übersteigen. Wenn wir alles Fett
durch Eiweiss entstehen lassen, bleiben noch 64 Pfund übrig — die als
Fett oder Eiweiss den Körper in den Fäces verlassen haben müssen, denn
die 260 Pfd. Kohlehydrate konnten vollständig die nöthige Wärmemenge
und noch 20 Pfd. Fett dazu liefern; ich zweifle, dass soviel Sauerstoff
aufgenommen werden konnte um das überschüssige Eiweiss oder Fett
zu verbrennen.
Eine solche Consumption von Eiweiss und selbst viel geringere
Mengen muss der Land- und Staatswirtli als Luxusconsumption bezeich¬
nen. Dem Publicum ist es ganz einerlei, ob Organ-Eiweiss oder circuli-
rendes Eiweiss verbrannt wird, ob Eiweiss allein die Kraft oder Eiweiss
und Kohlehydrate zusammen Wärme und Kraft geben. Die Forderung
des Laien und Practiker ist die, zu wissen, wie viel Eiweiss, Fett und
Kohlenhydrate brauche ich, um diese Arbeitsleistung dauernd zu ver¬
richten oder jenes Mastresultat zu erzielen.
Die besten Verhältnisse hierfür festzustellen, waren seit 20 und
mehr Jahren das Bestreben der Agriculturchemiker und Diätätiker; die
Fortschritte die auf dem Gebiete der Thierernährung gemacht wurden,
sind viel bedeutender, als auf dem Gebiete der menschlichen Ernährung,
wo es auch für die armen und mittleren Bevölkerungsklassen überall eine
Grenze giebt, die überschritten, Luxus genannt werden muss, die allerdings
für die theuersten Nährstoffe Jdes Eiweisses, in der Praxis leider selten
überschritten wird. Hier gewinnt aber die Frage, ob auch die Kohlehydrate
zur Fettbildung dienen können, wieder ihre hohe Bedeutung.
Für Prof. Voit giebt es aber vom physiologischen Standpunkt aus
keine Luxusconsumption von Eiweissstoffen, und zwar mit Recht. Ziehen
wir aber die Consequenzen aus den Lehren Voit’s, so sehen wir, dass
nicht überall die Mediciner diejenigen sind, welche grade da, wo es am
wichtigsten ist und wo es das Wohl und Zukunft unserer Nachkommen¬
schaft betrifft gar keinen, oder den entgegengesetzten Gebrauch von seineu
Lehren machen. Die Natur giebt in der Muttermilch eine eiweissreiche,
fettreiche und zuckerarme Nahrung. Die officielle Medicin preist und
verwendet dagegen eiweissarme und zuckerreichc Kindermehle, und reicht
mit Vorliebe concentrirte Milch, die wir trotz den geringen Eiweiss¬
gehalt bei seinem Buttergehalt und unmässigem Ueberfluss von Zucker
nur als eminentes Mastfutter bezeichnen müssen. Die Schweineställe
der Anglo Swiss Compagnie sind ein Bild, ebenso freundlich für den
Mäster, als die oft nudelfetten, aber weichen, mit concentrirter Milch
aufgefütterten Kinder, ein keineswegs wünschenswerther Anblick für den
Physiologen sein dürften.
Ich füge noch hinzu, dass ich in kurzem auch bei einem Mast¬
versuche mit Ochsen von Henneberg und Nohmann, bei welchen die
Schlachtresultate und die Fettbestimmung im Fleisch vorliegen wie bei
Lawes, im Stande bin. den gleichen Beweiss für die Fettbildung aus
Kohlehydraten zu liefern, wie hier — wenn auch auf etwas andere
Weise, die jedoch auch hier für die Schweine seine Gültigkeit hat, und
zeigt, dass noch weit mehr Fett gebildet wurde, als aufgeführt.
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. Der allgemeine ärztliche Verein von Thüringen hat in seiner
letzten Generalversammlung am 16. Mai d. J. eine Angelegenheit, welche
ihn — wie die meisten deutschen Aerzte-Vereine — seit längerer Zeit
lebhaft beschäftigt hat, zu einem voraussichtlich recht segensreichen
Abschluss gebracht. Er hat nämlich, um seinen Mitgliedern die Für¬
sorge für ihre Angehörigen zu erleichtern und um zugleich die Mittel
zur Unterstützung hülfsbedürftiger Mitglieder oder ihrer Familien zu
gewinnen, mit der Lebensversicherungsbank für Deutschland in Gotha
eine feste Vereinbarung, durch welche den Vereinsmitgliedern für ihre
Versicherungen besondere Begünstigungen zugestanden werden, getroffen
und gleichzeitig auch die Errichtung einer Spar- und Unterstützungs¬
kasse beschlossen. — Nach dem Vertrage, welcher mit der Gothaer
Lebensversicherungsbank abgeschlossen worden ist, gewährt die letztere
auf die Versicherungen von Vereinsmitgliedern 10 pCt. der erstjährigen
Normal- und 2% pCt. der eventuellen erstjährigen Zusatzprämie, sowie
2% pCt. jeder folgenden Prämie an den Aerzte-Verein, welcher die
Hälfte dieser Bonificationen den einzelnen Mitgliedern zufliessen lässt,
und die andere Hälfte theils zu Unterstützungen, theils zur Erhöhung
der Ersparnisse solcher Mitglieder, die nicht versicherbar sind, und vor
Ersparung einer entsprechenden Summe sterben, verwenden wird. Um
diese Verwendung fest zu regeln, soll eine Spar- und Unterstützungs¬
kasse errichtet werden, welche einestheils sämmtlichen Mitgliedern Ge¬
legenheit zu sicherer und vortheilhafter Anlage jährlicher Ersparnisse,
sowie zur Aufnahme von Vorschüssen darbieten, andemtheils insbesondere
aber auch in Noth gerathenen Vereinsmitgliedern und Hinterbliebenen
solcher Unterstützungen gewähren, sowie die Ersparnisse nicht versicher¬
bar gewesener Vereinsmitglieder, wenn letztere vor Ersparung einer be¬
stimmten Summe sterben, nach festen Grundsätzen erhöhen soll. — Sehr
erfreulich ist das bisherige Resultat des Unternehmens. In den wenigen
Wochen, welche seit dem Abschluss des Vertrages mit der Gothaer Bank
verflossen sind, haben sich schon 61 Vcreinsmitglieder zur Versicherung
ihres Lebens bereit erklärt und, einschliesslich der bereits bestehenden
Versicherungen, eine Summe von nahezu 698,000 Mark bei der Gothaer
Bank angemeldet. Durch diese bis jetzt angemeldeten Versicherungen
allein ist der Spar- und Unterstützungskasse, zu deren Gunsten die
Mehrzahl der Angeraeldeten auf die ihnen gebührende Hälfte der oben
erwähnten Bonificationen der Gothaer Bank verzichtet hat, schon eine
sofortige einmalige Einnahme von 1000 bis 1200 M. und eine dauernde
jährliche Einnahme von mindestens 300 M. gesichert. Jedenfalls hat
dieser erste Anfang den Beweis geliefert, dass das Unternehmen lebens¬
fähig ist. An weiterer reger Betheiligung wird es bei dem collegialen
Sinne der Thüringischen Aerzte nun gewiss nicht fehlen. Sorgt doch ein
jeder von ihnen, der durch eine Versicherung bei der anerkannt soliden
Gothaer Bank für seine Angehörigen Fürsorge trifft, zugleich auch, ohne
dass er selbst aus eigenen Mitteln irgend welches Opfer zu bringen hat.
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
470
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 31
mit für b Hilfebedürftige Collegen und für die Hinterlassenen solcher,
denen die Lebensversicherung verschlossen und die genügende eigene
Versorgung ihrer Angehörigen nicht möglich war! — Möge diese kurze
Mittheilung dazu beitragen, andere Aerzte-Vereine zur Nacheiferung an¬
zuspornen.
— In der Woche vom 23. bis 29. Juni sind hier 1034 Personen ge¬
storben. Todesursachen: Masern 20, Scharlach 11, Pocken 1,
Rothlauf 2, Diphtherie 9, Eitervergiftung 1, Kindbettfieber 2, Typhus 6,
Dysenterie 13, Flecktyphus 1, Gelenkrheumatismus 2, mineralische Ver¬
giftungen 3 (Selbstmorde), Sturz 4, Erschiessen 1 (Selbstmord), Folge
von Operation 1, Ersticken 1, Erhängen 4 (Selbstmorde), Ertrinken 1
(Selbstmord), Lebensschwäche 32, Abzehrung 34, Schwämmchen 3, Atro¬
phie der Kinder 13, Scropheln 4, Altersschwäche 15, Krebs 13, Wasser¬
sucht 4, Herzfehler 9, Hirnhautentzündung 15, Gehirnentzündung 18,
Apoplexie 20, Tetanus et Trismus 5, Zahnkrämpfe 8, Krämpfe 67, Kehl¬
kopfentzündung 17, Croup 3, Pertussis 6, Bronchitis acuta 4, chronica 14,
Pneumonie 25, Pleuritis 6, Phthisis 60, Peritonitis 2, Eclampsia puerp. 1,
Diarrhoe 123 (darunter 117 Kinder unter 2 J.), Brechdurchfall 320
(darunter 317 Kinder unter 2 J.), Magen- und Darmentzündung 6,
Magen- und Dannkatarrh 16 (Kinder unter 2 J.), Nephritis 5, Krank¬
heiten der Blase 3, andere Ursachen 85, unbekannt 5.
Lebend geboren sind in dieser Woche 419 m., 419 w., darunter
ausserehelich 52 m., 45 w.; todtgeboren 26 m., 14 w., darunter ausser-
ehelich 6 m., 5 w.
Die durchschnittliche Sterblichkeit dieser Woche beläuft sich
auf 52,2 pro Mille der wahrscheinlichen Bevölkerungszahl, die ent¬
sprechende Geburtenziffer auf 42,3 pro Mille (beide Summen mit Aus¬
schluss von 2 pro Mille Todtgebornen).
Witterung: Thermometerstand: 16,71 R. Abweichung: 2,74R.
Barometerstand: 28 Zoll 1,55 Linien. Dunstspannung: 4,47Linien.
Relative Feuchtigkeit: 56 pCt. Himmelsbedcckung: 3,4. Höhe
der Niederschläge in Summa: 2,37 Pariser Linien.
In der Woche vom 30. Juni bis 6. Juli sind in Berlin ärztlich ge¬
meldet: Typhus-Erkrankungen 12, Todesfälle 7.
IX. Amtliche Mittheilnngen.
Bekanntmachung.
Die Stelle eines Knappschaftsarztes bei unserem Lazareth zu Laura¬
hütte, mit welcher
a) für die Behandlung der Kranken im Lazareth ein Jahres-Gehalt
von 1800 Mark, sowie nach unserer Wahl freie Wohnung im Lazareth
oder 20% des vorbezeichneten Gehaltes als Wohnungsentschädigung und
freie Feuerung;
b) für die ärztliche Behandlung der Familienglieder unserer Vereins¬
genossen ein Jahres-Gehalt von 1350 Mark einschliesslich 150 Mark
Fuhrkostenentschädigung,
verbunden ist, soll vom 1. November er. ab anderweitig besetzt werden.
Promovirte Aerzte im Lebensalter bis zu 40 Jahren werden ersucht,
ihre Bewerbungen um diese Stelle unter Beilegung ihrer Zeugnisse und
eines kurzen Lebenslaufes uns bis zum 1. September er. einzureichen.
Tarnawlti, den 22. Juli 1878.
Der Vorstand
_ des Obersohlesisohen Knappschafts-Vereins. _
Auf etwa 14 Tage im August wird ein junger Arzt zur Vertretung
vor dem Potsdamer Thore gesucht. Adr, sub W. 74 durch d. Exped.
Eilen Arzt zu vertreten
wünscht auf Wochen oder Monate ein Mediciner, der bereits die Hälfte
des Staatsexamens absolvirt hat. Gef. Off. sub M. x. 26 postlagernd,
Leipzig, Hauptpostamt.
Ein junger Arzt, seit mehreren Jahren als Assistenzarzt thätig,
sucht eine Stelle in einer kleinen Stadt oder auf dem Lande. Fixum
erwünscht. Gef. Offert, unter C. C. 72 durch d. Exped. d. Bl.
Ein junger Arzt mit vorzüglichen Zeugnissen, der schon einige Zeit
practicirt hat, sucht Stellung, womöglich mit etwas Fixum! Gef. Off.
sub D. Z. 73 durch die Exped. d. Bl. _
_______ Ein Arzt, ~~
34 Jahre alt, verlieirathet, deutsch und polnisch sprechend, seit mehreren
Jahren dirigirender Arzt eines grösseren Hospitals (täglich bis 70 Kranke),
chirurgisch tüchtig, wünscht entweder in ähnlicher Stellung engagirt zu
werden oder sich an einem Ort mit lohnender Praxis niederzulassen»
Gefall. Offert, sub R. S. 71 durch die Exped. d. Bl.
Penonalfta.
Auszeichnungen: Seine Majestät der König haben Allergnädigst ge¬
ruht, dem Oberamtswundarzt Dreher zu Krauchen wies, im Oberamte
Sigmaringen, den Königlichen Kronen-Orden 4. Klasse zu verleihen.
Anstellungen: Der seitherige Kreiswundarzt Dr. Liedtke zu Krau-
pischken ist zum Kreisphysikus des Kreises Loetzen und der Arzt
Dr. Vanselow zu Neustettin zum Kreiswundarzt des Kreises Neu¬
stettin ernannt worden. Dem Privatdocenten bei der Universität zu
Halle a./S. Dr. med. Ilollaender ist das Prädicat als Professor ver¬
liehen worden.
Niederlassungen: Die practischen Aerzte Dr. Krage in Fiddichow,
Dr. Wilh. Aug. Emil Schultz in Speldorf und Dr. Claus in Rees.
Verzogen sind: Die practischen Aerzte Dr. Westkamp von
Greiffenberg U./M. nach Osnabrück, Dr. Neumann von Gülzow nach
Greiffenberg U. M. und Dr. Egberding von Brackwede nach Dülmen.
Apotheken-Angelegcnheiten: Dem Apotheker Gustav Scheffen
ist an Stelle des Apothekers N a d o 11 c c k die Verwaltung der Schwerdt-
feger’schen Apotheke in Jarmen übertragen worden. Der Apotheker
Johann Berndorf hat die Lüdecke’sche Apotheke in Elberfeld
übernommen.
Ein bisheriger Militairarzt, 30 J. alt, unverheirathet, sucht eine
Stelle als Arzt in einer kleinen oder mittleren Stadt Norddeutschlands.
Fixum erwünscht. Gef. Offerten unter N. Q. 69. durch d. Exped. d. Bl.
Praxis-Gesuch.
Ein junger, vor 5 Jahren approb. Arzt, welcher nach längerer
Assistenz an zwei grösseren Krankenhäusern als Landarzt thätig war,
wünscht eine einträgliche Praxis zu übernehmen. Gef. Offerten unter
J. J. 5998 befördert Rudolf Mosse, Berlin S.W.
Ende Mai nehme ich meine Praxis in Reinerz wieder auf.
San Remo, Mai 1878. _ Pr. Secchi.
Dr. A. Frey ist von St. Blasien nach Baden-Baden gezogen.
Mineralbad Alexandersbad.
Reizende Lage im Fichtelgebirge. Erdig-sal. Eisensäuerling. Mine¬
ral-, Fichtennadel-, Moorbäder, Douchen. Eisenbahnstation Wunsiedel.
Anfang der Saison 25. Mai. Prospect gratis. Badearzt Dr. Hess.
_Wilh. Jaeger, Besitzer.
Meran
Klimatischer Curort in Südtirol.
Beginn der Traubencur 1. September.
Todesfälle: Die practischen Aerzte Ober-Medicinalrath Dr. Grandidier
in Kassel, Ober-Stabsarzt a. D. Dr. Wolff in Krossen a./O. und
Dr. Bl es er in Trier.
Bekanntmachung.
Die mit einem Einkommen von 600 Mark dotirte Kreiswundarzistelle
des Kreises Ragnit, mit dem Wohnsitze in dem Kirchdorfe Kraupischkcn,
in welchem sich eine Apotheke befindet, ist erledigt. Qualificirte Be¬
werber werden aufgefordert, sich unter Beifügung ihrer Zeugnisse und
eines kurz gefassten Lebenslaufe in 6 Wochen bei uns zu melden.
Gumbinnen, den 22. Juli 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Alpenklima, vorzügliche, fast absolut windstille Winterstation; muster¬
hafte Einrichtungen: Bäder, pneumatische und Inhalations-Anstalt.
Preise: Einzelne Zimmer 10 bis 40 fl. monatlich, Pension 2 bis 4 fl.
täglich. Schulen, Privatunterricht.
_ Dr, J. Plrcher, Curvorsteher.
Wiesbadener Mineralwasser-Versendung.
Wiesbadener Mineralwasser aus der Haupttrinkquelle , dem
Kochbrunnen, wird in stets frischen Füllungen in Kisten zu
12 Flaschen ä Mk. 6. —, 25 Flaschen Mk. 11. 90. und 50 Flaschen
Mk. 23. 50. versendet.
W. Neiiendorff, Wiesba den, Kochbrunnenplatz No. 1.
Neuenahr.
Inserate.
An hiesiger Prov.-Irren-Anstalt ist die Stelle eines Assistenzarztes
mit einem Gehalt von 1200 Mark und freier Station I. Classe baldigst
zu besetzen. Jüngere, unverheirathete Aerzte evangelischer Confession,
welche darauf reflec-tiren, wollen ihre Bewerbung unter Einsendung ihrer
Zeugnisse und Lebenslaufe bis zum 1. September an den Unterzeichneten
richten.
Lengerich i. W., den 15. Juli 1878. Der Director
Dr. Vorster.
In meiner Anstalt für Nerven- und Gemüthskranke ist die Stelle
eines Assistenzarztes von October ab zu besetzen.
Görlitz. Dr. Kahlbaum.
Die 4 Unterzeichneten seit vielen Jahren hier practicirendcn Aerzte
erklären mit Bezugnahme auf die Inserate* der hiesigen Bad-Actien-
Gesellschaft, dass sie eben so gut im Stande sind, über die Verhältnisse
Neuenahrs Auskunft zu ertheilen, wie der erst seit vorigem Sommer
hier anwesende, von genannter Gesellschaft „zur Wahrung ihrer Inter¬
essen“ speciell angestellte Badearzt Herr Dr. Münze 1.
Die Praxis ist hier, wie allerwärts frei, und hat die Bezeichnung
des Herrn Dr. Münzel als „erster“ oder „officieller Badearzt“ nur Sinn
in Rücksicht auf dessen Stellung zur Actiengesellschaft.
Of. Feitgen Dr. Tetcheaacher. Dr. Richard Schmitz. Pr. Paal Utitchili.
Hall in Tirol.
Jodhaltiges Soolbad, Sommeraufenthalt in dessen Umgehung. An-
1 fragen an das Curcomite. Dr. Garnier.
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
5. August ISIS.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
471
AlAYSmrtar»V>&U v*?' ern im Fichtelgebirge, nahe bei Eger
* r ^nzensbad. Wasserheilanstalt u. Curort
für Nervenkranke. Bahnstation Wunsiedel. Saison bis October.
_ Pr. med. E. Cordes.
Aachener Bäder.
Sommersalson seit f• Haft«
Wasserversendung von stets frischer Füllung.
Wasserheilanstalt Gräfenberg
(Oesterr.-Schlesien).
Nächste Bahnstation Ziegeahalf (Station der oberschles. Eisenbahn)
2 Meilen entfernt. Electrothcrapie, Massage, pneumatische Kuren.
Das neue Kurhaus „Annabtl“ enthält neben allem wünschenswerten
Comfort vorzüglich eingerichtete Bade- und Doucheräume. Nähere Aus-
kunft ertheilt _ Kifant Dr Aijel. _
Wasser-Heilanstalt Laubbach
bei Cebleu an Rhein.
Das ganze Jahr hindurch geöffnet. Kalte und warme Bäder, Elek¬
trotherapie.
_ Hausarzt: Dr. A. Mfiurer. Inspector: F. Herrmann. _
Bad Assmannshausen am Rhein
am Fusse des Niederwaldes.
QfMhahs- nnd Teiegraphen-Station. — OanpfschUvarbiadaag.
Utlilumrelchste alkalische Therme,
besonders zu empfehlen gegen Gicht und rheumatische Affectionen,
Ischias, Catarrhe der Harn Organe mit Gries- und Steinbil¬
dung, Hyperaemieen und Anschwellungen der Leber mit Gallen¬
stauungen, Gallensteine, chronische Catarrhe der Digestions- und
Respirationsorgane und Hautkrankheiten.
Kurhauseröffhung den 1. Mai.
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München, Ismaningerstrasse 31.
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cewpriarirte Laftbäder (Glocken). Physlolegiacbaa Heilverfahren. Car du
gaaze Jahr. Arzt im Hause.
Director: Dr. med A. Ziakeitea, practicirender Arzt.
R. H. PAULCKE, Engel-Apotheke, LEIPZIG.
Generalvertretung der Hunyady - Läszlö - BittersalEquelle
in Budapest.
Die grosse Zahl von Ofener Bitterwässern und die von ein¬
zelnen Quellenbesitzern öffentlich ausgefochtene Polemik, welche die
stärkste und beste sei, machen dem Arzte und Laien die Wahl schwer.
Thatsächlich ist unter den verschiedenen Quellen, die alle auf demselben
Rayon liegen, kein grosser Unterschied und richtet sich der Gehalt an
Salzen nach der mehr oder minder guten Construction der Brunnen,
sowie ob das Wasser bei trockener Witterung oder nach starken Regen¬
güssen geschöpft ist. Der neue Brunnenbau der Haayady-Lbtzlö - feallt
wird als mustergültig geschätzt und giebt daher die beste Gewähr für
die Gleichmässigkcit ihres nach vergleichender Analyse stärksten Ge¬
halts an Salzen. Um jedoch eine ganz genaue Dosirung zu ermöglichen,
lässt die Verwaltung der Haayady - Lbillö - Qtelle aus ihrem Mineralwasser
ein Extract in form eines weissen leichtlöslichen Pulvers an der
Quelle selbst herstellen, welches sämmtliche wirksame Bestandtheile
derselben enthält. Einer Dose Inhalt stimmt mit dem einer Flasche
Bitterwasser überein, 1 Kaffeelöffel = 1 Glase. 01a Vorzüge du Haayady-
Liszld-Extractt vor jedeal Bitterwasser bestehen ausserdem in der An¬
nehmlichkeit, dass jenes in Oblate oder in jedem Getränk genommen
werden kann — somit von besonderem Werthe für Alle, welche Wider¬
willen gegen Bitterwasser hegen —, und dass die kleine Dose auch auf
Reisen bequem bei sich zu führen ist. Preis der Dose 50 Pfennig. —
Ou Harren Aerztee stehen Proben gratis aad fraace za Diensten.
Soeben erschien in meinem Verlage und ist vorräthig in allen
Buchhandlungen:
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der Seebäder
mit besonderer Rücksicht auf das
Nordseebad Norderney
ud die ii de« letzten zehn Jahren daseihst erzielten
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Sanitätsrath Dr. Fromm,
erstem Badearzt zu Norderney und pract. Arzt in Berlin.
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Ricnrd's Traltü coaiplot du aialadiu vtabrteaau, 150 Francs, neues Exem¬
plar, neuste Auflage, Halb-Chagrineinband, für 80 Mark.
Das Werk enthält 72 nach dem Leben colorirte Tafeln mit 163 Fi¬
guren, fast alle in natürlicher Grösse, von welchen etwa 50 Figuren
die einfachen Fälle in allen Perioden darstellen, die übrigen die
complicirten und merkwürdigsten Fälle während der 50 jährigen
Praxis Ri cord’s am Pariser Krankenhause für Syphilis (höpital du
midi).
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Soeben ist erschienen und durch jede Buchhandlung zu beziehen:
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mit besonderer Rücksicht auf die dauernde Heilung durch operative Behandlung.
Nach Beobachtungen an der Wiener chirurgischen Klinik
des Prof. Dr. Th. Billroth
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Dr. Alexander von Winiwarter,
Privatdocentcn f. Chirurgie a. d. Univers. Wien.
Mit einem Vorwort von Dr. Th. Billroth.
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OcaUehe« Verein für Hedicinal-Statistik
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Dr. Schweig, Dr. Schwartz, Dr. Zuelzer,
Ober-Medicinalrath in Regierungs- u. Medi- dirig. Arzt im Charite-
Karlsruhe. cinalrath in Cöslin. Krankenhause in Berlin.
Heft III.
Mit 7 Tafeln und 2 Tabellen.
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Eine klimatologische Skizze
von
Dr. C. Veraguth,
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Mk. 5.
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
aERLJNKfi KLINISCH»; WOCHK.NSCHP.U.'r
Verlag von August Hirsehwaid in ’BerHp.
Topogrnphist’hf!
Anatomie des Menschen
iw Abbildung und Rw.'liwibtmg
I)r. Wilh. Sinke,
Solutio Alimiinis aeoticl Siiritwii
■üV rirr.- iii FJueexirf-;;i 250.0 Uri Jiir'AJk, 1 AH)»
D.i«j5cs lvä{»umi •niuj*rh’ln -gam grtirtu Hem
T>e, B uri w. vp:IcIv.-. i ( ich während meüv!s
m IvÜüi^h^rg i. Pr. rar Klinik niiä-r^i».
Iin • ;Ct.btij?cr; 'he/ieJW ni\$ aaP d“c Th. ne jt )& öfjtmVte
vf n Cf.!. s i h.u und Frßüjssftr Dr_ K r. »• h f. *\ r tu**.;
£» Storr»,
‘ \j».iih.-k.'f>t. •
in Berlin W, Potsdamer $tmu SS.
nach Zeiclinmtiefi-ifet M ♦Ärnifht}« S(uU$ri.
Eiste Hälfe Vdrri fein bi* zli-m Zwerfhi'Hl
Balsam antartli. imiieum
offeriren in Fbieotis z<r 54 rrod 11 örnrimr
Einain k €**>« Frankfurt a« fl,
Froheit filr die Herren AerKte ^mtii
Der Alcoholismus
Mbivityrng «ml seine Wirkung sowie die
Mittel, ihn zu fekauqddi.
Vc>.n firZ A« Huer»
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Kinciermehl
Göttlngen.
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»aiiluth. rs.mV.hi jijifctt und liielif 'fnifeb*
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operativen Geburtshülfe.
Dr. V flHl'tlll.
! >r‘. ' Pf . S
Kriselte Glyeet'inh’iviplse,
•Par Vi••((!' i. \ ■ Pfii j udp, v-*!ii IO >Wf 1 'S) Uyy i\ riiyi . !PUv wu-'iör
ilhja »Io* »•
ihp» j\\ • vPt* O- 4 Wkyer nt h«vK?iu N.-h.
Für ZahniM7.te
ööo. ÄrcJter in Rocbester
*■ »ii,t K.'i
Georg KfaSHri Wettlar, i iii.iic gerltn C H Pastsfr. 20*.
' : Pi -, :■■■■: - r • jji : %o iiivd ^»>' 1 ?!
Mnm'r's ^enmkJ.
-- freuie »l . 4! i
Ca;irn. v »nitr, Ilftförilat*llt irv ■. ? »i. \. Pfe]A
uMt FintV.U,
linorrY fiuii'iiumrfc liui^esifrOcllieAimeltle
(ivrl?.>on. Liaf üii, Hidioeni,
Muorr s Conoentr. fiepiüteiiimiil in 1 f PPl.-Patj.
ttiAorrV Gn’inkorYie\itracf (GvOokommek!).
Hliorr's Pt^i»; iiv#$h TaiAidHJli fat Kinder und Er-
U','i ; ck.<(*iie ; in v . Pill.-PiHjUrten ..und. Lcjmv«
tU'U'krkvn ii ! < miil ', tvilu.
iimirrV TÄliI«ewt-.dlt 0 lIt!Jiii€ fc iu 4 /Pki-Sduod»-
teln Hö.ki’Stüfe mu{ wutibinh ixtt'b kepd. ;
Afugt-ßi* irteiven mit zu. i lifön^iuu.
Heilt*romi am • ■
C. H, Knkr.
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; .•! i tf',! 10 MurV« dl., K'.UI Willfh' '-r 1 <> Ni fk,, VClfc J'K ' ■ ’ ■: 1
•• •• > ••• = . i ■; »m Ivpn m Z- ; ’.!• t •> u .f. :■; ■;
v*.. ? <V-t\ N,fi;»fnVivrU>- fvihw« V ri.i< V vCi'L^mJ. G'M ,. i: . !;.»;s.!.,•?< \ , ■
-■'iejM'ii .1 Sifir -U 10. Pt' AdifirOilCOpe >- 1 ; - r> aoo V-».. •
Mt Üisiif;)lr% ftcKr.tatiw tu \Wk h>. m»0 Unter HO todatfwif*
appa^ato ? P qaH!« X»> Marti, }< fthumkdft 27 Yi^r 1 «. du fioi»-l?«yMond.;« 2 u
Siöhrer 4 S' Muri;, du oiiF' 5 t 7 » . • Praviz• SpOtreu ; if-Mp
fOrnml. tw'ii 2 C’aiifttun *1)» Jlixrtc. »‘5 ',UrS- 5/sifjtiV
The^nionrelcf <u \ MVu.. Praumautchn dpsa/alt
ii. J’r-ii'. Pr. Wäldertbürg . ; \m .yi:u.K ; 0" • PF» M.i.l. Ile«»tt
verbesserte Badedouche lu x
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K:,|ic»F v. u. !... Oauh.' X. < ’••. in i-'=m*« i- ft.rf f ■ ■> .
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uatl ut tjsfepa ir.iucu zu. 14 ^»(»t.
Äflne Üät’lber.lfiAplie '»rKtnlxp t. th^WtlUih N .'hfu
^^ 4 pr, J.. Oldtuianii, iAfheii.
Verlag und Eig.e.rühuu! von August Wirsch n ald *ß- Bfrlin. — Xtedrui.Y? bei L. Seburnachcr in Berlin.
DU ßMlnftr VfbWcfcV?^ oiüt
MonUf i« fl« w . jw.,, * Hoggi, (;r 4.
Prw» ^en«l}itiTit»ii) 6 „ L ^Wtlen u«1 fnftfc
all« ßöohhawUma^'Sri an< * 1 ' '*^** 11*0 an.
ßeitrigti wöll« man poriwfrai an A5e S&lrttleB
f>\ W_ Dpr«tbe*Ji«tr 7B. 7V. i od»r an dl«! ?9c~
!«gribflc1iba8d;n«ig' »no Aog«<t DiwiiwatJ in Bw*
Im (K W. OaUr ilan Lindfiu AS.) *«A**aä«ä.
KUMs(iii:\von[i:\sriii:iiT.
Organ für praetische Aerzte.
Mit Berücksichtigang der preussischen MecHcm&lyerwaltang und Medicinalgesetagebung
nach amtliches Mittheilnogea.
Kedacteur: fro[ !)r, L SaWcfibars. Verlag von Alpst Birscbwald in Berlin
Montag, den 12, August 1878,
m 32 ,
Fünftehnter Jahrgang,
Inhalt: i Q uio e k «*': Ein Appütrat aur BlutürKvtoftlie.vtimifiUTig, Haemophnvtti^mcttir — U- Kex>ph*r; t»ie at5iü< Sip^iin-ftrpiffcnrig, und die
Bedeutung BapaoHift, als localen Anastbuiisutns. — III- S.eheeUvT beitrag wir Chsrmtil: andvSj-mptomafcologw 4er Aorteu-Aneurybioen
(Schluss)-, — IW Eelernt (lieber die Hcuwifküifgen des Jodoform). . V Yeriouuiiußgcii ärjfjicbev Gesellschaften (Gynäkologische
ÖcsjßUschaUt m Dresden). <— VI; Feuilleton ^o-Iiaietti; Ivasrl IMßfc Bbnu;*n&,.'ÄTO^ian■ und Bröfesor der früheren
ruedio Wnftai St>;v^hu.’£ k B. Tagv-sgrseloeiuiiche NotHcn). — Vit ÄmÜ’ehe MUtheiluruien.. — luse/ate
I. Ein Apparat rar Blatfarhstoffbestimmang,
Kaemochroroometer.
V>*r.
Prof- jpi. HU %uineke in Bern.
KeHdam da* Hämoglobin in seine« pbysicalt^cJien üiwlpby-
ifwlogtechfch Eigepsehalten genauer.erforscht ist. h^hOtr/dfe ^tm'-
litattefeh nhd ffUantitativen Veränderungen dasselbe u ati^i füi
die practisebe Sflediciri Wichtigkeit gewonnen. Von ife
tbpdt‘ii, d»o Mc«£c ries« Hämoglobin direct zu bestimme«.. ist die
eolorip^tri^ebe nach jH"öpp e -$<ty 1« r die emfaehstfc, hvi welcher
man das wi tihter$nt:)itjödB Bint in teta**. Wr Jäh$A mit
Wasser verdünnt, tik temt\ Karbe mit einer Hiv^tVgifddf^Osiaüg
vhü bekanntem Gehalt, die«hib/iw efoetfi gfetofött. 13IdwAwÄtkjäet»
übemtisfimmt, Die SchwiMtigkcii, frisch« Hünm^lohnei^sung
zum Vergleich x« haben * ■> erauiassUr H ai e wü>fc y *), eine, in
der Farbeimüaüce •'Lds-uog von üarmju und Fikrin-
säure als haif barere Vergleicbsflös^igkeH zu v er wen den.
Mit Beantzang d^ SpectralapparatHmachte zuerst.^reyer 5 )
Hämoglobin bestimmenden!- and ich*) bediente mich seines nur
wenig iöodiüctrten, Verfahrens, am dep .HämagfobingehaU des
Blutes in KrankheiteL* xn nntersucheii. Öjs zu emem hohen
Grade der' • Genauigkeit is>t die quaptUative SpectraianaJivse
später von Vierordt 4 ) atisgebUdet und. aach; zu''Häsuaglobtsi^
bestimwnmgeD angewendet woiden*)-
Neben der Genauigkeit hat diese Methode den grossen
Vortheil. il a$< sie nur kleine tiApfehen Blutes erfordert, da¬
gegen 8lud Apparat und Ausführung der Messung zietulich
coinplieiTt und rerlnügen eine grosse Kinuhung, so dass die-
seihe wohl nur an ^inzilhenv heshodfers gut aHsgestatteten
Kliniken in Anwendung koufmen durfte, i>em gegenüber sind
bei dem in der Ausführung ziemlich /eff? Ja eben Verfahren v« Y >n
Hcrppe-3eyhdr einige (Jubikcontimeter Blutes ribthig, die bei
m
\) pfir^cr's Arch f. Physkü. 1870, Bd: t% > 70.
' SJ AM' \m, ßd. 140.
H) VirV?btVir> 4vvh. Tld o4«, ; •
4% ®<f xie* .Tut»?ngeo 1 '8-71 <jl; 187.8,
b) tcc k'b : iyrtto;rö:.• Vnrß. ? im. urzll Y j?r>m Tübingen. Ver-,
bandltOfgtO': ? 1 . \H-r-.b o«.r Natu ft VVr^. 1877 . M Wi>Gimjiu)'
Xeitfji’br. L Biob X|l. p 4^*.
Piti
Kranken, und namentlich wiederholt, nicht leicht zur Verfügung
stehen. Auch bei der Frey er "sehen Methode wird nidiV viel
j weniger Blut und dazu noch der Spectralapparar gebraucht.
.Ich habe mich daher, durch das eigene BedöFfuiS^ veranlasst,
; btsmüht y eiuoö einfach coloriJuettischen VergteiAh aücb mit-.
| einem einzigen .Blutstropfen zu
i vieleu vergehUcheu Versucheo ihr Con^trucHcn des feilenden
' Apparates gekojamett *): Auf dein Au^sclmiit otuer rappkchejhe
•j S. sind In Gummi,bandö^en GlasrChren von etwa, ft Gin,
I Länge «e Äufgtespattpt, das«,ste nur etwas mehr, als ihr eigner
Durchinefiser von einander ahsteheu Zwei gfeinh gTosse I^app-
I «cimbmi S, uni S, sind hewcgticli mH 4er- ersteren vrr-
| himden, sq dass die drei Scheiben übereinander geklappt und
| in ein gesteckt, oder zum Gebrauch i» der. in der
Ztäphn jftfg; an gedeutetem Weite »u%estellt werden kümien f>ie
ft$hrrihen> an .W^ideu Enden zuguschmolzcu, enthalten erne
y : m gt&daGm ahn^hm erntet Cotjcetitratron und
Färhimg tmd dj^tteo äU clüe terttadfeiide «Scala zum Vergleich
für ein Öta^rhhTchrfv rr im.. g.twfeer •L.iciitung,' welche^ ebefi r
| falls durch Gummi Iva iid streifen auf dfcö Ana^-rlmltf 'lei 1 i’^pp-
1) 7J.er. ; Appär»t v»ut4e .scIipö im HcrbVijVauf drt
■ ha ihtifatihv/'r' ■A'efV'amialung 'd^menstrir'U. ■•'.IJ^rs.üiff«’ ‘•*5^-.; ^iiv ihvvu;
[ Fhbueko. ;jEh>'fbn« • li-fajistincnV.trv a ugfcf^tiigt;;.>.^teib ;'• •
Go gle
474
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 32
scheibe S, geklemmt ist und mit dieser auf der Scala ver¬
schoben wird. Der Ausschnitt hat eine solche Breite, dass
neben dem Röhrchen rr jederseits noch ein Röhrchen der
Scala dadurch gesehen wird. Man setzt sich mit dem Apparat
dem Fenster gegenüber, sieht durch die Röhrchen hindurch
auf die mit weissem Papier beklebte und gut beleuchtete Fläche
S 2 und sucht dasjenige Röhrchen, dessen Farbennüance der
Blutprobe am nächsten steht. Auf einer beigegebenen Tabelle
steht der Nummer des Röhrchens entsprechend der Carmin-,
resp. Hämoglobin-Gehalt und muss dieser, je nach dem das
Röhrchen mit I, 2, 3 Theilen Wasser verdünnt war, mit
2, 3, 4 multiplicirt werden, um den Gehalt des Blutes selbst
zu finden.
Die Glasröhren sind Thermometerröhren von kreisrundem
Querschnitt und am besten von 0,5 (0,4 bis 0,6) Mm. Durch¬
messer, sie müssen alle genau gleich weit und ebenso wie das
Röhrchen rr aus demselben Rohr geschnitten sein. Auf die
sorgfältige Wahl der Röhrchen kommt alles an. Die Picro-
carminlösiing habe ich (ähnlich wie für microscopische Zwecke
gebräulich ist) so bereitet, dass 5 Grm. bester Carmin (über j
SÜ 3 getrocknet) in 30 Cc. liq. Ammonii caustici gelöst und
unter Zusatz von 100 Cc. Glycerin und 5 Grm. Carbolsäure j
mit der nöthigen Menge Wasser auf das Volumen von 1 Liter
gebracht wurden; diese Flüssigkeit wurde mit 10 Grm. Picrin-
säure geschüttelt und stehen gelassen, nach mehreren Tagen
von dem ungelösten Rest der Picrinsüurc abgegosseu. Man er- 1
hielt so eine Lösung von 5 pro Mille Carmingehalt.
Da die Menge der gelösten Pierinsäure keine ganz con-
staute Lt, fällt die Farbennüance der Flüssigkeit etwas ver¬
schieden aus. und hat man sich vor Zubereitung der verdünnten |
Portionen je nach Umstunden durch Vermischen zweier Lö¬
sungen von gleichem Carmingehalt, aber ungleichem Picriusäure-
gehalt, die dem Blutfarbstoff entsprechende Farbennüance her¬
zustellen: für die Farbenintensität ist nur der Carmingehalt
massgebend. Bei dem von mir verwendetem Carmin fand sich,
dass eine Lösung von 8 pro Mille der Farbenintensität nor¬
malen Menschenbildes (als Mittel von 20 Fällen bestimmt)
entsprach. Zur Herstellung der vor dii unteren Lösung wurde
ein Gemisch destiHirten Wassers verwendet, das ebenso wie
die Carminlösung 10 Procent Glycerin und 0,5 Procent Phenyl
enthielt. Ans einer mneontrirten Carminlösung wurden durch
Verdünnen mit dieser Flüssigkeit die in der Tabelle aufge¬
führten 20 ('oneeutrationsgrade von 3,0 bis 0,72 pro Mille bereitet.
Nummer
des
Röhrchens.
Carmingehalt
pro
Mille.
Entsprechende
Procente des
Hämoglobin-
gehalts normalen
Menschenbluts.
Entsprechende
wirkliche
TEimoglobin-
Procente.
20
3,0
37.5
5.25
IS)
2,SS
36.0
5,04
18
2.76
34,5
4.83
17
2.64
33.0
4.62
16
2,52
31,5
4.41
15
2,40
30.0
4,20
14
2,28
28.5
3,99
13 !
2.16 j
27,0
3,78
12 1
2,04
25,5
3,57
ii !
1,92
24,0
3,36
io ;
1,80 i
22.5
| 3.15
9 |
1,68 j
21,0 1
2,94
8 1
1,56 1
19,5 i
2.73
7 1
1.44 1
18.0
2,52
6
1.32 1
16.5
2,31
5
1,20 !
15.0
2,10
4
1,08
13.5
1,89
3 !
, 0,96 !
12,0
i,6a
2 i
0,84 i
10,5
1.47
l I
0.72 i
9,0
1,26
Diese Flüssigkeiten wurden in wohl verschlossenen Fläsch¬
chen aufbewahrt und dann in die entsprechenden numerirten
Röhrchen eingeschmolzen.
Das Röhrchen rr, etwa 10—14 Ctm. lang, ist an seinem
unteren Ende mit einem Cantschukschlauch versehen und der
Länge nach in gleiche Theile (5 oder 10 Mm.) getheilt.
Von dem zu untersuchenden Blutstropfen, der durch einen
Nadelstich in die Fingerkuppe gewonnen wird, saugt man nun
eine Säule von beispielsweise 3 Theilstrichen in das wohl¬
getrocknete Röhrchen auf, trocknet mit einem feinen Läppchen
die Spitze ab, saugt aus einem Tropfen verdünnten liquor
Ammonii caustici, der sich auf einem Objectträger befindet, bis
zum Theilstrich 15, trocknet die Spitze von neuem ab und
mischt nun, indem man das Röhrchen auf einen trockenen
Objectträger aufsetzt, durch einfaches Blasen und Saugen das
Blut mit der Amoniakflüss’gkeit; ist dies geschehen, so wird
das mit der Mischung gefüllte Röhrchen rr auf die Pappscheibe
S 3 geschoben und sofort die Farben Vergleichung gemacht. Ver¬
dünnte Amoniakflüssigkeit muss statt reinen Wassers benutzt
werden, damit die zelligen Elemente des Blutes sofort aufquellen
und ihren Farbstoff austreten lassen, und so das verdünnte
Blut eine vollkommen durchsichtige Flüssigkeit darstellt. Der
Grad der Verdünnung richtet sich einigermassen nach dem
Farbstoffgehalt des Blutes, bei annähernd normalen Verhält¬
nissen nimmt man 3 Theile Flüssigkeit auf 1 Th eil Blut, bei
farbstoffärmerein Blut uur 1 oder 2 Theile.
Durch die Aufstellung des Apparates und die Anwendung
der. mit dem Ausschnitt versehenen Papp.scheibe S 3 wird
fremdes Licht möglichst ausgeschlossen und die Beurthcilung
der Farbenunterschiede erleichtert. In den mittleren und un¬
teren Graden der 8cala ist dieselbe leichter als bei den dunkler
gefärbten Röhrchen, übrigens gehört nur geringe Uebuiig dazu,
die Unterschiede in den gewählten Intervallen wahrzunehmen.
Wo die Blutprobe mit keinem der Röhrchen völlige Farben-
j gleichlieit zeigt, muss das Mittel aus den Werthen des nächst
! helleren und nächst dunkleren Röhrchens genommen werden.
| Da der Farbenunterschied der einzelnen Röhrchen 1,5 Prucent
| des normalen Hämoglobingehaltes des Blutes entspricht und
j die Blutproben mit 1 bis 3 Theilen Wasser verdünnt werden,
i wird eine Genauigkeit vou 2—3 Procent des Normalhämoglobin¬
gehalts gesunden Blutes oder von 0.3 bis 0.5 ° 0 des wirklichen
Hämoglobingehalts erreicht.
8tebt daher das Verfahren in Bezug auf Genauigkeit dem
V ieror dt 'sehen weit nach, so hat dasselbe den Vorzug der
Einfachheit und schnelleren Ausführbarkeit am Krankenbett.
Den gleichen Zweck verfolgen zwei von Malassez 1 ) und
Hayem 2 ) angegebene Verfahren; von denen der letztere den
Blutstropfen mit einer bekannten Menge Wasser verdünnt und
in einen kleinen Glastrog von bestimmter Grösse mit einer
Scala verschieden gefärbter Papiere Vergleicht, während Ma¬
lassez den 100fach verdünnten Blutstropfen, der sich in einer
parallelwandigen kleinen Glaskammer befindet, durch eine
kleine runde Oeffnung gegen das Licht betrachtet und vor
einer daneben befindlichen gleich grossen Oeffnung eiu mit
Picrocarmin gefülltes spitzwinkliges Prisma so lange verschiebt,
bis Farbengleichbeit eintritt.
Gegen das erste, mir in der Ausführung nicht bekannte
Verfahren lässt sich der Einwand der schwierigen Herstellung
der Papierfarbenscala erheben. Bei dem Malass ersehen
Hämochromometer entspricht der Durchmesser der Oeffnung dem
1) Archive* de physiologie IX. Jahrg. 1S77. pag. 1.
2) Gaz. des hop. 187G No. III II. Jahrg. verlos, v. Virche«*
Hirsch I. p. 256. 1876. Arch. de physiol. IX. Jahrg. 1877. p. 946.
Digitized by
Gck igle
Original fro-m
UNIVERSETY OF MICHIGAN
12. August \ m.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
475
zehnten Theil der und die beiden Randtheile daher
Prismaquerschnitten 70 R seht verschiedener Dicke und Farben¬
intensität, so dass die Bestimmung des Gleichheitspunktes
sowohl theoretisch, wie in der Ausführung mir unsicherer
erscheint, als bei meinem Verfahren, zudem ist der Apparat
zerbrechlich und erheblich theurer.
Obwohl nun Carmin einer der haltbarsten organischen
Farbstoffe, ferner die Lösung in sämmtlichen Röhrchen ein¬
geschmolzen, und dadurch äusseren zersetzenden Einflüssen
möglichst entzogen ist, darf ich doch nicht verschweigen,
dass ich im Lauf vieler Monate ein geringes Blasserwerden der
Scala habe constatiren können, so dass der Apparat von Zeit
zu Zeit einer revidirenden Vergleichung mit normalem Blut
bedarf. Da das Abblassen in meinen Apparaten indess immer
in proportionaler Weise stattfand und die Continuität der Scala
demnach keine Unterbrechung erlitt, konnte selbst bei geschehe¬
ner Abblassung durch Proportionsrechnung der wahre Farben¬
werth leicht festgestellt werden; bei der geringen Menge des
zur Messung erforderlichen Blutes kann die Controlle mit dem
Blut einiger gesunder Menschen leicht jeden Augenblick her¬
gestellt werden. Anderenfalls kann man normales Hundeblut ver¬
wenden, das an Hämoglobingehalt und Färbekraft dem des Men¬
schen fast gleich ist. Ij> der Tabelle habe ich den Hämoglobin¬
gehalt des Menschenblutes gleich 100 gesetzt, und die übrigen
Farbstoffwerthe auf diese Zahl bezogen, da ganz genaue Zahlen¬
bestimmungen für den Hämoglobingehalt des Menschenblutes
bisher nicht existiren. Legt man die Zahl Von 14% Hämoglo¬
bin, wie sie sich als Mittel aus einigen meiner früheren Be¬
stimmungen und den von Preyer berechneten Zahlen ergiebt,
zu Grunde, so kann man auch zu wirklichen Hämoglobin-
procenten gelangen, die sich von den absolut richtigen Werthen
wohl kaum mehr entfernen dürften, als die Fehlergrenzen der
Methode betragen. Vielleicht gelingt es übrigens noch einen
Farbstoff zu finden, welcher, in Glasröhrchen eingeschmolzen,
noch unveränderlicher Ist, als Carmin und nach den von Hoppe-
Seyler kürzlich gemachten Mittheilungen kann möglicher Weise
das Hämoglobin selbst dazu verwendet werden; — ein Versuch
mit dem ich noch beschäftigt bin.
Wie sich aus dem vorstehenden ergiebt, suche ich den
Nutzen des neuen Apparates in der Möglichkeit eine Blut¬
farbstoffbestimmung schnell und mit einem einzigen Blutstropfen
auszuführen — bei einer allerdings beschränkten Genauigkeit.
Aber schon dies erreicht zu haben, scheint mir ein wesentlicher
Vortheil zu sein, indem es dadurch nicht nur dem Hospitalarzt,
sondern auch dem practischen Arzte möglich wird, das Blut
desselben Patienten beliebig oft zu untersuchen, und so Ver¬
änderungen zu verfolgen, welche sich bisher unserer Wahr¬
nehmung völlig entzogen. Ich brauche nur daran zu erinnern,
wie unsicher und willkürlich bisher die Diagnose massigerer
Grade von Anämie resp. Hydrämie gewesen ist, um es wünschens-
werth erscheinen zu lassen, diesen Zustand einer annähernd
objectiven Messung unterziehen zu können.
Aus zahlreichen, mit dem Apparat ausgeführten Bestimmun¬
gen, die mein Assistent Herr Fankhauser demnächst mittheilen
wird, führe ich hier nur einige an:
So.
Name.
o
CD
U>
O
>
Alter.
Krankheit.
Proc. des
normalen
Hämoglo¬
bingehalt.
Wirklicher
Ub.-gehalt
d. Blutes
in Proc.
Bemerkungen.
1
Bl.
m.
16 J.
Chlorose.
26
3,6
Beim Spitalein¬
tritt.
52
7,2
6 Wochen später
bei Entlassung.
2
Pf.
w.
30 J. |
Anaemie.
50
7,1
Beim Eintritt
84
11,8
'3 Wochen später.
3
J.
w.
15 J.
Scrophulo-
67
9,3
Beim Eintritt
sis Nephri-
89
12,6
5 Wochen später.
tis.
4
H.
w.
17 J.
Vit. cordis.
95
13,2
Nach 14 tägigem
68
9,5
Rheumat. art.
acut.
5
V.
w.
50 J.
Nephritis
67
9,3
chron.
6
Pr.
w.
80 J.
Puerpe¬
52
7,2
rium.
7
R.
m.
Emphys.
98
1 13,6
8
pulm.
M.
w.
28 J.
Phthisis.
60
8,4
1
pulm.
Schon diese wenigen Beispiele zeigen, wie erhebliche Ver¬
änderungen des Hämoglobingehaltes bei verschiedenen Krank¬
heiten Vorkommen, und wie sehr dieser Gehalt sich im Laufe
der Krankheit ändern kann, so dass derartige Bestimmungen
nicht allein ein theoretisches, sondern auch ein diagnostisches
und prognostisches Interesse bieten.
0. Die «eate Saprainvergiftug, ud die Bedeatug
des Sapeaias, als leealm Aaisthetiraais,
durch das physiologische Experiment an sich selber untersucht
von
Dr. Fr. Keppler.
I.
In seinem Aufsatze „Ueber locale Paralyse durch Saponin
und ihm ähnliche Stoffe“ 1 ) spricht Eugen Pelikan die Er¬
wartung aus, dass dieser Stoff berufen erscheine, in der Zukuuft
als locales Anästheticum eine andere, als die ihm seither
zugewiesene, Rolle zu spielen, die freilich mehr als bedeutungs¬
los war. Herman Köhler, welcher die von Pelikan angeregten
physiologischen Versuche mit Saponin an Fröschen, Kaninchen
und Hunden fortsetzte und die physiologische Wirkung des
Glycosids festgestellt hat, spricht sich, indem er am Schlüsse
seiner Abhandlung die Resultate seiner Untersuchungen über
die Wirkungen des Saponins auf Frösche und warmblütige
Thiere zusammenfasst, über die Zukunft des Saponins, als
localen Anästheticums, folgendermassen aus: 1 ) „dürfte dem Sa¬
ponin, wie bereits Pelikan hervorhob, auch mit grosser Wahr¬
scheinlichkeit (endgültig ist diese Frage nur durch das
klinische Experiment zu lösen) eine Zukunft als locales
Anästheticum bevorstehen, so muss doch, was genanntem For¬
scher entging, auf die mit seinem Gebrauch bezw. Uebergang
in die Blutbahn verknüpften Gefahren (Lähmung des Herzens,
des vasomotorischen und Atbmungscentrums) ein grosses
Gewicht gelegt werden. Ueber die Höbe der bei Menschen zu
operativen Zwecken zu injicirenden Saponinmengen werden später
anzustellende Versuche entscheiden müssen. Innerlich hat
Schroff seine Versuchspersonen bis 0,2 Grm. Saponin nehmen
lassen. Vielleicht giebt die Puls- und Temperatur-herabsetzende
Wirkung desselben zu therapeutischer Anwendung bei hyper-
sthenischem Fieber Veranlassung. Dagegen dürfte die von
St. An ge vorgeschlagene Benutzung desselben gegen Gebär¬
mutterblutungen eben wegen seines paralysirenden Einflusses
auf die Herzbewegung, das vasomotorische und Athmungs-
centrum, keine Nachahmung verdienen. Um der irrthümlichen
Auffassung, als erachtete ich die aus der Wirkung des Saponins
auf das Herz kleiner Thiere sich ergebenden Gefahren auch für
1) Bülletin der Kaiserl Acad. zu St Petersburg XII, 1867, p. 253
flgd. Berl. klin. Wochenschr. 36, 1867.
2) Dr. Herman Kö hier: Die locale Anästhesirung durch Saponin,
Halle 1873, pag. 102.
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Ne. 32
den Menschen für so erheblich, dass sie die practische Anwen¬
dung desselben für chirurgische etc. Zwecke contraindiciren
könnte, von vornherein entgegenzutreten, bemerke ich an dieser
Stelle ausdrücklich, dass die Resultate der Experimente
an Fröschen und Kaninchen vorliegenden Falles um
so weniger auch auf den Menschen übertragen werden
dürfen, als selbst bei directer Injection genannten
GHtes in die Venen bei grossen Versuchsthieren z. B
dem Neufundländer von 19 Kilo, welcher die beigegebenen
Kymographioncurven lieferte, sehr grosse Dosen (0,1 bis
0,2 Grm.) Saponin erforderlich waren, um die früher ausführ¬
lich erörterte Lähmung der Vagusendigungen im Herzen u. s. w.
hervorzurufen. Die aus dem Uebergange des Saponins in das
Blut resultirenden Gefahren werden also (wenigstens für den
erwachsenen Menschen) nicht allzu hoch anzuschlagen sein,
wenn sie auch zu genauer Beobachtung des Pulses und der
Respiration während der Saponisirung ganz wie bei den übrigen
Anästheticis mahnen müssen. Ob die an der Injectionsstelle
zu Stande kommende Hyperämie (Gefässerweiterung) der Muskeln
sich schädlich erweisen wird, ist a priori nicht zu entscheiden/ 4
Soweit Köhler.
Eulenburg; 1 ) welcher der erste zu sein scheint, der das
Saponin wirklich klinisch zu verwerthen gesucht hat, kommt
zu dem Resultate, dass der hypodermatischen Anwendung
des Saponins eine therapeutische Verwerthung in erheblichem
Masse schwerlich zu versprechen sein werde. Da nun die von
ihm angestellten Versuche für die Beurtheilung der Symptome
der von mir beobachteten Saponinvergiftung von hohem Interesse
sind, so erlaube ich mir, sie im wesentlichen zur Vergleichung j
hier mit heranzuziehen. Seine erste Injection machte Eulen-
burg einem kräftigen, 41jährigen Fleischer, indem er auf einmal
0,01 Grm. Saponin an der Austrittsstelle des Ischiadicus und
in unmittelbarer Folge die gleiche Quantität am unteren
Rande des glutaeus magnus einspritzte. Der Injection folgte
nicht unerheblicher Schmerz und sofortige Röthung an den
Stichstellen; eine örtliche Herabsetzung der Sensibilität wurde
nicht beobachtet, Schmerzgefühl, electrocutane Sensibilität,
Ortssinn blieben unverändert. Im Laufe des Tages hatte die !
Versuchsperson mit anhaltender Uebelkeit zu kämpfen, doch
kam es nicht zum Erbrechen; am Abend etwas Frostgefühl;
die neuralgischen Schmerzen, gegen welche das Mittel versucht
worden war, zeigten sich im Vergleich zu den vorhergehenden
Tagen etwas vermindert. Am folgenden Vormittage war an
den beiden Injectionsstellen noch leichte Röthung, circumscripte
Induration vorhanden, die Empfindlichkeit bei Berührung ziem¬
lich bedeutend. Diese örtlichen Erscheinungen verloren sich
erst vom 5. Tage ab, die Neuralgie aber, wegen der der Ver¬
such angestellt worden, dauerte Unverändert fort. In seinem
zweiten Falle experimentirte Eulenburg mit einer Lösung
von 0,06 Saponin, welche er wegen einer überaus heftigen
Neuralgie der unteren Intercostalnerven der linken Seite, wobei
die entsprechenden Dornfortsätze der Brustwirbel (7—9) auf
Berührung erhöhte Empfindlichkeit zeigten, zur linken Seite der
schmerzhaften Dornfortsätze auf einmal injicirte. Unmittelbar
auf die Injection folgten, wie im ersten Falle, heftiger Schmerz
und Röthung; nach ca. 5 Minuten war jedoch um die Stich¬
stelle eine entschiedene Abnahme der Sensibilität sowohl, als
des cutanen Gemeingefühls, wie des Ortsinns vorübergehend
zu constatiren. Die nächsten Stunden verbrachte Patient sehr
schlecht, zunehmender Schmerz an der Stichstelle, viermalige
Ohnmacht, Kopfschmerz, beständiges Gefühl von Uebelkeit,
1) Eulenburg, Die hypodcrmatische Injection der Arzneimittel.
Autl., pag. 261 flgd.
einmal wirkliches Erbrechen. Fünf Stunden nach der Injec¬
tion trat Frost ein, der längere Zeit anhielt; dann Hitze und
Schweiss; dabei klagte Patient über taubes „gummi-artiges"
Gefühl in den Beinen bis zur Unterbauchgegend herauf, Kribbeln
in deti Händen, Flimmern vor den Augen, undeutliches Sehen.
Am fünften Tage bestand an der Einstichstelle noch dunkle
Röthung, ziemlich ausgebreitetes Oedem und hochgradige Em¬
pfindlichkeit auf Berührung. Am siebenten Tage war eben¬
falls noch starke Infiltration und pseudoerysipelatöse Härte vor¬
handen, die sich erst sehr langsam verloren. Auf die Inter-
costalneuralgie selbst hatte das Saponin keinen Einfluss.
In seinem dritten Falle spritzte Eulenburg wegen Epi¬
lepsie 0,06 Grm. auf einmal in die Occipitalgegend ein; sofort
bildete sich unter beträchtlichen Schmerzen um die Stichstelle
herum ein kleiner weisser Wall und in weiterem Umkreise eine
dunkle Röthe. Patientin klagte über eigenthümliche Sensationen
in Kopf, Rücken, Brust und über ein Gefühl von Mattigkeit in
Händen und Füssen. Am folgenden Morgen noch allgemeines
Unbehagen, Frost, Uebelkeit, taubes Gefühl in den Beinen,
starkes Brennen an der Stichstelle, die lebhaft geröthet er¬
schien. Im Laufe des Tages wiederholte epileptische Insulte,
die den zweiten Tag allerdings aussetzten, dann aber in der
gewöhnlichen Weise recidivirten. Noch am zwölften Tage
war die Umgebung der Stichstelle indurirt und auf Druck em¬
pfindlich.
Aus den angeführten Versuchen zieht Eulen bürg den
Schluss, dass von der Anwendung der Saponininjection zu local
anästhesirenden Zwecken Abstand zu nehmen sei; ob aber das
Saponin vielleicht zur Hervorbringung örtlicher Gewebsverände¬
rungen benutzt werden könne, lässt er dahingestellt; doch
scheinen ihm die wiederholt beobachteten allgemeinen Sym¬
ptome auch gegen eine derartige Verwendung zu sprechen.
Schroff hat das Mittel innerlich in Gaben von Grm. 0,02,
0,1, 0,2 geprüft und äussert sich darüber folgendermassen: 1 )
„Geschmack ekelhaft, etwas bitter, die Empfindung des Kratzens
im Gaumen erregend; die grösseren Gaben bewirkten Husten¬
reiz, eine vermehrte Absonderung von Schleim in den Luftwegen
durch mehrere Stunden; auf die Hautausdünstung und Harn¬
absonderung waren sie ohne Einfluss, ebenso wie auf die übrigen
Verrichtungen des Körpers." Auf den befremdenden Umstand,
dass Schroff bei innerlicher Anwendung der so enorm hohen
Dosis von 0,2 Grm. keine schärfer characterisirten Erscheinungen
hervorrufen konnte, werde ich am Schlüsse dieser Abhandlung
noch besonders eingehen. Ob St. An ge bei Gebärmutterblutun¬
gen . das Mittel wirklich versucht hat und dann in welcher
Weise, ob innerlich, subcutan oder gar als Vaginalinjection und
in welcher Dosis, hierüber mich zu vergewissern, ist mir nicht
gelungen; mir scheint fast, als ob er es bei dem abenteuer¬
lichen Vorschläge habe bewenden lassen.
Ich selbs* habe es unternommen, die Bedeutung des Saponins
als localen Anästheticums durch das physiologische Experiment
an mir selber zu erproben; dieselbe ist schon durch den ersten
und wahrscheinlich auch letzten Versuch dieser Art endgiltig
festgestellt worden.
Das von mir geprüfte Präparat ist von E. Merck in Darm-
Stadt bezogen, welcher dafür eine Löslichkeit von 1 :6 angiebt;
zwischen ihm und demjenigen, mit welchem H. Koehler seine
Versuche anstellte, sind übrigens einige Unterschiede vorhanden,
die ich nicht übergehen kann. Mein Präparat nämlich ist ein
amorphes hellbraunes (nach Koehler weisses) Pulver von
schwach saurer (Koehler: neutraler) Reaction; es löst
sich in concentrirter Schwefelsäure mit schöner, schwarzrother
1) Schroff, Lchrb. der Pharmacologie, Wien 1856, pag. 382.
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12. August
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
477
Färbung auf, giebt tnft Lösung von Plumbum aceticum
einen weissen Niederschläge iHit Chlorbaryum-Lösung eine weisse
Trübung. Eulenburg experimentirte mit einem von Gehe
bezogenem Präparat, das ein weisses Pulver von neutraler
Reaction darstellte. Ueber das von Schroff versuchte Prä¬
parat liegen keine Angaben vor.
Von dem Merck’schen Präparate fertigte ich eine zehn-
procentige Lösung an, die eine trübe, undurchsichtige, genau
wie junger Obstmost aussehende Flüssigkeit darstellte, welche
stark schäumte und schon während des Auflösens heftiges
Niessen, sowie nach einiger Zeit Brennen in den Augen und
im Schlunde erregte.
Für einen 19 Kilo schweren Neufundländerhund, an welchem
Ko eh ler experimentirte, war im Minimum 0,1 Gramm Saponin
erforderlich, um Lähmungen der Vagusendigungen im Herzen
hervorzurufen; da nun mein Körpergewicht 80 Kilogramm be¬
trägt, so war von vornherein anzunehmen, dass eine Dose von
0,1 Gramm, subcutan injicirt, für mich absolut ungefährlich sein
werde, insbesondere da Schroff seiner Versuchsperson inner¬
lich bis 0,2 Gramm Saponin ohne jede Gefahr beibringen konnte.
Somit empfahl sich die Dose von 0,1 Gramm entschieden als
niedrigstgelegener Ausgangspunkt für meine Versuche. Die
von mir benutzte Injectionsspritze fasst genau 1 Gramm Flüssig¬
keit, so dass also 0,1 Gramm Saponin an mir zur Einwirkung j
gelangen musste, da ich den ganzen Inhalt der Spritze injicirte. |
Als Injectionsstelle wählte ich der bequemen Beobachtung
halber die Mitte der Innenseite des linken Oberschenkels, indem j
ich es selbstverständlich vermied, eine Vene direct anzustechen, j
Der Puls zeigt, vor dem Versuche an der in der Ellen¬
bogenbeuge abnorm oberflächlich gelegenen Braehialis ge¬
messen, 85 Schläge, ist voll, regelmässig, leicht gespannt,
Körpertemperatur, vor dem Versuche in der Faust gemessen,
36,2 C., Zimmertemperatur 14 C. So oft es sich im nach¬
folgenden um Puls- und Temperatur-Angaben handelt, wurde
stets am Pulse deT Braehialis und in der Faust ge¬
messen; letztere Methode musste ich deshalb wählen, weil alle
anderen ohne Assistenten bei der nothwendigen oftmaligen
Wiederholung gar zu unbequem geworden wären.
Sämmtliehe Notizen sind sofort, wenn ich eine be-
merkenswerthe Beobachtung zu machen glaubte, und
nicht aus dem Gedächtnisse niedergeschrieben worden.
(Fortsetzung folgt.)
111. Beitrag rar Casnistik uad Symptomatologie der
Aorten - Anenrysmen.
Von
Dr. Scheele in Danzig.
(Schluss.)
Fall III. Aneurysma aortae abdominalis. Ein Jahr
langes Bestehen des Leidens unter heftigen Schmerzen
im Kreuz und der Magengegend: Digestionsstörungen,
zeitweise Dysurie. Subfinale Deglutitionsbeschwer-
den. Tod unter den Erscheinungen innerer Verblutung.
Sectionsbefund: Abundante Blutansammlung im
Peritonealsack. Mannsfaustgrosses Aneurysma der
Aorta abdominalis. 4 Ctm. grosse schlitzförmige Per¬
forationsstelle.
Anamnese. Mann, Fellekner, Lederzurichter, 43 Jahre
alt, hat als Kind Masern und Intermittens gehabt. Im Alter
von 26 Jahren acquirirte er ein Ulcus molle mit consecutivem,
rechtsseitigen Bub. inguinalis, der zur Eiterung kam und durch
Schnitt geöffnet wurde. Die Heilung dieser Affection soll inner¬
halb einiger Wochen erfolgt sein. In späterer Zeit hat er weder
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Exantheme bemerkt, noch will er über rheumatische Schmerzen
geklagt haben. Seit 12 Jahren ist Patient verheirathet, hat
1 lebendes, gesundes Kind.
Den Ursprung seiner Krankheit verlegt er in den Septem¬
ber 1874. Er hatte damals eine grössere Lieferung übernommen
und desshalb seinen Gesellen bei der Arbeit stark mithelfen
müssen. Die Beschäftigung bestand darin, dass Patient das
auf ein grösseres Brett gespannte, nasse Leder mit einem Reib¬
eisen abschabte. Dabei hatte er halb gebückt gestanden und
das Brett gegen die Magengegend angestemmt. Bei dieser Ar¬
beit hatte er plötzlich einen heftigen Schmerz im Kreuz und
beiden Weichen verspürt, so dass er „nicht Athem schöpfen“
konnte und sich stöhnend hatte zu Bette legen müssen. Er
glaubte „sich verbrochen“ zu haben und liess sich „ziehen“,
worauf die Schmerzen aber noch heftiger wurden. Unter einer
antiphlogistischen Behandlung mit Schröpfköpfen Hessen ‘die
Schmerzen etwas nach, kehrten indess seit jener Zeit in alter
Heftigkeit häufig wieder. Es gesellten sich dazu lebhafte Magen¬
schmerzen. Im Laufe der Zeit steigerten sich die Schmerzen bis
zur Schlaflosigkeit. Besonders waren es lebhaftere Bewegungen
welche sie hervorriefen; dann auch Genuss schwerer verdau¬
licher Speisen. Erbrechen hat er dabei nie gehabt; Aufstossen
erleichterte ihn angeblich. Der Appetit war dabei nicht beein¬
trächtigt worden. Die Defäcation wurde sehr retardirt und
musste der beim Drängen gesteigerten Schmerzen halber künst¬
lich durch Medicamente und Clysmata verschafft werden.
Die verschiedensten Curen hatten keinen Erfolg gehabt.
Es stellte sich ein „hämmerndes“ Gefühl in der Magengegend
ein. Die Schmerzhaftigkeit wurde durch die'Lage im Bett eher
vermehrt als vermindert. Die erträglichste Stellung war für
den Patienten die aufrecht sitzende, hockende, allenfalls auch
noch die halbe linke Seitenlage.
Im Mai 1875 gesellten sich dazu ganz plötzlich ohne Ver¬
anlassung Harnbeschwerden. Die Entleerung des Urins war
erschwert und schmerzhaft. Patient wurde wiederholt cathe-
terisirt. Ein Hinderniss hat sich dabei angeblich nicht gezeigt.
Im Juni und Juli war er dann noch längere Zeit am Rücken
galvanisirt worden. Am 7. August 1875 bat er mich, um eine
Untersuchung, weil ihm eines Magenkrebses wegen jede Hilfe
abgesprochen war.
Stat. praes. 7. August 1875. Brünetter, blasser Mann mit
tief schmerzhaftem Gesichtsausdruck. Sichtbare Schleimhäute sehr
anämisch. Temperatur dem Gefühle nach nicht erhöht. Puls 104,
von mittlerer Weite, mässiger Spannung und Höhe. Keine Exan¬
theme, keine Oedeme. In der Reg. inguinalis dext. eine zollange
Narbe. Lymphdrüsen weder dort noch am Halse und der Cu-
bitalbeuge geschwellt. — Schon in sitzender Stellung fällt eine
starke Pulsation im Epigastr. auf. Ziemlich beträchtliche
diffuse Herzerschütterung. Der Spitzenstoss dabei wenig sicht-,
deutlicher fühlbar im 6. I. C. R., mässig hoch und resistent.
Die Thoraxform ist lang, die Excursionsfähigkeit sehr gering.
Das Zwerchfell steht tief, die Lungengrenzen liegen am
oberen Rande der 7. Rippe. Die Herzdämpfung ist wenig in¬
tensiv. Die Lungengrenzen wenig verschieblich, reichen hinten
ato Thorax bis zur 11. Rippe.
Zur genaueren Untersuchung der Bauchorgane muss Patient
sich niederlegen. Dabei prägt sich die Pulsation im Epigastrium
noch auffallender aus. Dieselbe liegt nicht genau im Scorb.
cordis, sondern mehr nach links hin, setzt sich über den linken
freien Rippenrand hin fort, während sie rechts von der Linea
alba an Intensität nachlässt und ziemlich scharf absetzt.
Bei nicht erheblichem Druck auf das Epigastrium stöhnt
Patient. Durch die leise Palpation schon lässt sich eine deut¬
lich pulsirende Geschwulst nach rechts und gegen den Nabel
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47S
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 32
hin abgrenzen. Nach dem linken Hypochondrium zu verliert
sie sich unter dem Rippenrande, ist aber bis dahin deutlich zu
umgrenzen. Die pulsatorische Geschwulst dehnt sich für die
sie umfassenden Finger nach allen Seiten hin gleich aus. Genau
auf der Mitte zwischen Proc. xiphoideus und Nabel fühlt die
leicht aufgelegte Hand ein deutliches, mit der Pulsation isochro¬
nes, schwaches Schwirren.
Die Breite der Geschwulst beträgt 7 Ctm. die Länge 9 Ctm.
Ueber der ganzen Pulsation ist der Percussionsschall
gedämpft tympanitisch. Die Leberdämpfung ist davon nicht zu
sondern ebensowenig die Herzdämpfiing.
Bei tiefen Inspirationsbewegungen steigt die Geschwulst
nicht herab, sie wird aber undeutlicher fühlbar und es lässt
sich bei sorgfältiger Palpation der über sie dahingleitende linke
Leberlappenrand deutlich constatiren.
Bei Umlagerung auf die linke Seite dislocirt sich die pul-
sirende Geschwulst durchaus nicht, während die Herzspitze dies
nach aussen hin thut. In der Lage ä la vache verschwindet
sie nicht. Ebensowenig bei Contraction der Recti abdominis,
die aufgelegte Hand fühlt in beiden Fällen in der Tiefe die be- j
trächtliche Erschütterung.
Die Auscultation bei ganz leichtem Aufsetzen des Stetho- |
scops lässt über der ganzen pulsirenden Stelle ein deutliches,
kurzes, tiefes, systolisches Geräusch und einen dumpfen,
diastolischen Ton constatiren. Das Geräusch lässt sich bis in
die Nähe des Nabels hin verfolgen. Gegen das Sternum hin
nimmt es dagegen bald an Intensität ab und wird schon auf
dem Proc. xiphoideus sehr undeutlich, und durch einen lauten,
systolischen Ton verdeckt.
Ueber dem Cor hört man ebenfalls 2 reine Töne, sowohl
an der Herzspitze wie an den arteriellen Ostien. Ueber den
Aortenklappen lauter, klappender, diastolischer Ton.
Hinten am Thorax hört man links von der Wirbelsäule in
der Höhe der untersten Brustwirbel ein schwaches, systolisches
Geräusch. Dieses wird in der Höhe der obersten Lendenwirbel
lauter und höher.
Die Wirbelsäule selbst ist hier beweglich, und auf Druck
nicht schmerzhaft. Die Regio lumbalis siuistr. dagegen ist ziem¬
lich empfindlich auf tieferen Druck.
Bei Vergleich der Art. radialis und cruralis ist eine DifFe-.
reuz in der Zeit der Pulse nicht mit Sicherheit zu constatiren
Deutlicher wird ein Unterschied in dieser Rücksicht zwischen
den Carotiden und Cruralpulsen. Dabei ist die Art. cruralis
entschieden eng, die Welle niedrig, während die Carotis breit,
und die Wellenform hoch und leicht schnellend erscheint.
Comprimirt man die beiden Cruralarterien ä tempo,
so äussert Patient heftigen Schmerz in der Gegend der
Pulsation. Letztere tritt alsdann momentan schärfer hervor.
Lässt man durch Assistenz die Crural-Arterien comprimiren,
und auscultirt über dem pulsirenden Tumor, so zeigt sich, dass
das systolische Geräusch momentan verschwindet, und
erst nach einiger Zeit schwächer und langgezogener wieder auf-
tritt. Ebenso verschwindet bei diesem Versuch das Fre-
missement vollständig.
Im Bereich der Lungen ist ausser mässig starkem Emphy¬
sem nichts krankhaftes zu constatiren. Desgleichen weder an
der Leber, noch Milz, noch am Darm etwas wesentliches nach¬
zuweisen. üriu spärlich, dunkel, sauer, 1023 spec. Gew. ohne
Albuinen, ohne roicroscopisch nachweisbare pathologische Bei¬
mischungen auf dem Filter.
Die Diagnose dieses Falles ergab sich ohne Schwierig¬
keit. Die abnorme, stark pulsireude Geschwulst im Epigastrium,
das systolische Fremissement darüber; das mit dem Radialpulse
isochrone, sich bis zur Nabelhöhle fortpflanzende Geräusch; die
Differenz der Crural- und Carotiden pulse, Hessen von vorne
herein ein Aneurysma der Abdominal-Aorta supponiren. Die
weitere Untersuchung bestätigte diese Annahme. Dieselbe musste
ihr Augenmerk hauptsächlich darauf richten, ob nicht etwa
diese Geschwulst eiue oberhalb der Aorta gelegene sei.
Folgende Momente:
1) Dass sich die Pulsation gleiehmässig nach allen Seiten
hin ausbreitete, also eine wahre war.
2) Dass sich bei tiefer Inspiration der linke Leberlappen
deutlich über dem pulsirenden Tumor etwas verschob.
3) Dass bei Lageveränderungen des Kranken die pulsirende
Geschwulst sich nicht mit dislocirte, dass sie selbst bei der
Lage ä la vache bestehen blieb, waren gewissermassen für die
Richtigkeit der Diagnose entscheidend. — Noch mehr war dies
der Fall, durch den nachweisbaren Einfluss, welchen die Com-
pression der peripheren Crural-Arterien auf die abnorme, pul¬
sirende Geschwulst äusserte, gekennzeichnet durch:
a) die gesteigerte Schmerzhaftigkeit im Kreuz und der
Magengegend;
b) die momentane Grössenzunahme;
c) das Verschwinden des Fremissements;
d) die Abnahme des systolischen Geräusches an Intensität,
und die Aenderung seines Characters.
Auch diesen Fall demonstrirte ich gelegentlich den hiesigen
Collegen Herren DDr. Bramson, Tornwaldt und Wallen¬
berg und hatte die Freude, meine Ansicht und Beobachtung
dureh die ihrige bestätigt zu sehen.
Die Behandlung bestand anfangs wieder in subcutanen Er-
gotin-Injectionen (Bonjean) bei gleichzeitiger, möglichst ruhiger
Lage und Eis-Application. Weiterhin verleitete mich der nach¬
weisliche Einfluss, den die Compression der Crural-Arterien auf
das Fremissement und Geräusch zeigte, zu dem Versuche der
systematischen Digital-Compression der Artt. crurales. In der
Idee, ä la Brasdor Coagulation im Aneurysmasacke zu erzielen,
hielt ich diesen therapeutischen Eingriff für gerechtfertigt. Die
Schmerzhaftigkeit wurde durch subcutane Morphium-Injectionen
herabgesetzt. — Alle diese Maassnahmen erweisen sich als er¬
folglos. Das tödtliche Finale trat verhältnissmässig früh —
Ende September desselben Jahres — ein.
Stat. praes. 29. September 1875. Pat. noch anämischer
als früher, klagt über heftigen Schmerz im Kreuz und in der
Magengegend, Dysurie, Beschwerden beim Schlucken und zeit¬
weises Erbrechen. Die Schluckbeschwerden sind der Art
dass Pat. wohl Speisen herunterbringt,. allein er giebt das
Gefühl an, als ob sie ihm in der Brust stecken bleiben. Er
bezeichnet dabei die Gegend des unteren Sternums. Nach
einiger Zeit muss er dann das Genossene wieder erbrechen.
Dies gilt nicht allein von festen, sondern auch von flüssigen
Speisen. Genuss festerer Bissen ist alsdann noch von ganz
ausserordentlich heftigen Schmerzen gefolgt. — Die Harnbe¬
schwerden äussern sich meist im Gefühl der Blasenfülle und
anhaltenden Dranges bei Unmöglichkeit der willkürlichen Entlee¬
rung. Die physicalische Exploration ergiebt dabei keine wesent¬
liche Veränderung. Nur das systolische Fremissement über dem
Aneurysma fehlt. Die Percussion und Palpation der BlaseD-
gegend ergiebt nur sehr geringe Füllung derselben. Der mit
dem Catheter leicht zu entnehmende Harn ist dunkel, ca. 2 bis
300 Cctm. von saurer Reaction. Das Erbrochene reagirt alcaliscb.
(Die zu Hause vorgenommene Untersuchung de,s Harns er¬
giebt 1028 spec. Gewicht, kein Album. Das Microscop lässt
nur sparsame Blasenepithelien Nachweisen.)
Am 30. September haben die Beschwerden des Pat. noch
zugenommen. Puls 128 bis 130, wenig resistent. Extremitäten,
I Ohren und Nase kühl. Brennender Durst.
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12. Anglist vm.
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Ordin.: Eisstüc^^ 11 \u den Mund und subcutan Mor¬
phium.
Abends quälender Singultus.
1. SeptemberMorgens. Orthopnoe, grosses Angstgefühl
und häufiger Wechsel der Lage. Singultus, Brechneigung. Puls
an den kalten Händen kaum zählbar, sehr frequent (ca. 160).
Eisblase aufs Aneurysma.
Abends. Klage über heftiges Brennen im Leibe. Bauch¬
decken bei Berührung sehr empfindlich. Fortwährende Jactation.
7Vj Uhr Abends. Pat. ist nicht im Stande sich aufzu¬
richten, hat aber beständig das Verlangen danach. Bei einem
derartigen Versuch wirft er sich plötzlich hintenüber, es tritt
ein kurzer convulsiver Anfall ein, die Pupille dilatirt sich ad
Maximum. Unmittelbar darauf folgt der Tod.
Die Section wurde am 3. September 1875 unter Beihilfe
des Collegen Dr. Wallenberg hier ausgeführt.
Ausgeprägte Todtenstarre, starke Anämie der sichtbaren
Schleimhäute, blasse Färbung der Brust- und Bauchmusculatur.
Bei Eröffnung des leicht aufgetriebenen Abdomen sieht
man zunächst auf dem linken Leberlappen, um das grosse Netz
und die blassen Dünndarmschlingen herumgelagert, eine Menge
mehr weniger fester Blutcoagula. Das Peritoneum ist z. Th.
stark blutig imbibirt; entzündliche Wucherungen darauf nicht
sichtbar. Im kleinen Becken und den Lumbalgegenden beider¬
seits sehr reichliches, z. Th. schon geronnenes, meist aber noch
flüssiges Blut. Nach Entfernung desselben findet man den fast
gar nicht aufgetriebenen Magen mit den darunter liegenden
Gebilden durch z. Th. speckhäutige, z. Th. noch blutige, z. Th.
auch schon organisirte, aber leicht lösliche Massen verklebt.
Nach Eröffnung der Brusthöhle zeigt das Herz seine regel¬
mässige Lage. Im Pericard wenig seröse Flüssigkeit. Das
Herz stark contrahirt; der rechte Vorhof und Ventrikel ent¬
halten wenig geronnenes Blut. Der linke Ventrikel ist leer;
die Herzspitze wird vom linken Ventrikel gebildet. Die Muscu-
latur desselben etwa 4 Mal so dick, als die des rechten. Das
Endocard gesund, das Herzfleisch auffallend blass. An den
Semilunarklappen keine nennenswerthe Atheromasie.
Die Lungen sind vollständig lufthaltig, blass; an den
Rändern mässig emphysematös; nur durch spärliche Adhäsionen
mit der Pleura costalis leicht zusammenhängend.
Die grossen Gefässstämme sind völlig leer, die Venen ent¬
leeren sehr wenig geronnenes Blut.
Die Milz und beide NieTen werden herausgenommen, zeigen
keine namhafte pathologische Veränderung. Nach Unterbindung
des Duodenum wird die Leber mit einem Theile des Diaphragma
von ihren Umgebungen losgelöst; sie zeigt eine blasse, sonst
überall regelmässige Zeichnung.
Der Oesophagus wird gleichfalls unterbunden, alsdann der
Magen allmälig an der grossen Gurvatur von seiner Unterlage
losgelöst und gegen die Brusthöhle umgeschlagen. Das Colon
transversum und die Dünndarmschlingen an^der Symphyse mit
einem Haken fixirt.
Man sieht nun eine grosse, theilweise coagulirte und orga-
nisirte blutig gefärbte Geschwulstmasse vor sich. Entfernt man
die lösbaren Gerinnsel Schicht- und stückweise, so stellt sich
schliesslich eine platte über mannsfaustgrosse, in der Längsaxe
grössere Tumormasse dar. Dieselbe reicht, von dem Pancreas
z. Th. noch bedeckt, bis fast an die Kuppe des Zwerchfells
und an die Cardia des Magens hinauf. Diese Geschwulstmasse
lässt sich mit der behutsam gegen die Wirbelsäule hin vor¬
geschobenen Hand umgreifen und zeigt an ihrer nach links
gelegenen Seite, ca. I 1 /* Zoll unterhalb der Cardia eine schlitz¬
förmige ca. 4 Ctm. lange Oeffnung, deren Ränder leicht gezahnt
und mit frischen Blutgerinnseln bedeckt sind. Die Richtung
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dieses Spaltes geht von vorn oben und aussen, nach hinten,
unten und innen.
Entfernt man nun den Magen vollständig, löst die Därme
von ihrem Mesenterium ab, trennt das Pancreas in zwei seit¬
liche Hälften sorgfältig ab, so liegt die darunter liegende Aorta
und die vorhin bezeichnete Geschwulstmasse mit ihr zusammen¬
hängend frei vor Augen. Dieser Tumor nimmt ungefähr folgende
Lage ein:
Dicht unterhalb der Zwerchfellkuppe beginnend, liegt er
mit seinem oberen Theile den aufsteigenden Schenkeln des Dia¬
phragma noch auf und reicht etwa von dem 10. Brust- bis zum
2. Lendenwirbel; ist ca. 12 Ctm. lang und 8 Gtm. breit. Das
periphere Ende desselben reicht, unter dem Pancreas liegend,
bis über die Renalarterien hinaus. Die Vena cava bildet die
seitliche Grenze nach rechts.
Schneidet man alsdann die Aorta der Länge nach auf, so
trifft man auf einen mit Divertikeln, und ziemlich reichlichen,
nur zum kleinsten Theile organisirten Blutgerinnseln versehenen,
aneurysmatischen Sack, welcher dem Gefässrohr links seitlich
und vorn aufsitzt, und mit demselben durch eine ca. 2 Thaler
grosse Oeffnung communicirt. Die Communicationsstelle liegt
in der Höhe des 12. Brustwirbels und zeigt am oberen Ende
einen sichelförmigen Vorsprung. Das periphere Ende des
Aneurysma schneidet mit den Renalarterien ab. Die Art. coe-
liaca und meseraica superior entspringen noch aus der vorderen
Wand des Aneurysma. Die Abgangsöffnung der Art. coeliaca
ist schlitzförmig durch atheromatöse Auflagerung verengt. Ebenso
sind diejenigen der Artt. renales stark verengt, besonders die
der sinistra, in welche man nur mit Mühe ein Streichhölzchen
einführen kann. Die Art. meseraica sup. ist nicht afficirt.
Ebenso sind die Vena renalis sinistra und spermatica sin. in
ihrem Verlauf nicht beeinträchtigt und zeigen keine Thromben¬
bildung.
Die ganze Aorta zeigt besonders in der Nähe des Aneu¬
rysma ausserordentlich starke Atheromasie. Die Wandung des
Sackes führt nur in der Nähe der Communicationsstelle die
Bekleidung durch die Intima; weiterhin, besonders gegen die
Rupturstelle hin, fehlt dieselbe und ist hier die Wandung durch
organisirte, fibrinöse Schichten gebildet. — Die Wirbelkörper
sind völlig intact. — Im übrigen findet sich nichts erwähnens-
werthes.
Epicrise.
An der Hand des obigen Sectionsbefundes lässt sich das
vorliegende gesammte Krankheitsbild bis in seine feinsten Details
analysiren. Zunächst erklärt sich die Genese des Leidens aus
der Localisation des Aneurysma zusammengehalten mit den
ätiologischen Angaben des Pat. Der Sitz der Affection ent¬
sprach genau der Stelle, welche der Pat. während seiner
Berufsthätigkeit wiederholentlich einem mehr weniger heftigen
Druck ausgesetzt hatte. Es ist mit höchster Wahrscheinlichkeit
anzunehmen, dass an jenem Tage, im September 1874, mit der
plötzlich bemerkten, heftigen Schmerzhaftigkeit im Kreuz die
primäre Anlage zum Aneurysma stattfand. Mit dem weiteren
Wach8thüm desselben nnd der dadurch gesetzten Raumbeschrän¬
kung correspöndiren die späteren Druckerscheinungen:
1) die Kreuz- und Magenschmerzen. Die gesteigerte Em¬
pfindlichkeit nach Nahrungsaufnahme ist bei der anatomischen
Lage der erkrankten Aortastelle zum Magen leicht verständ¬
lich. (Die Obstipation mag wohl eine Folge der behinderten
Nahrungsaufnahme, zum Theil aber auch der Ausdruck der
Hemmungswirkung, der durch den häufig wiederkehrenden Reiz
in Erregung gesetzten Fasern des N. planchnicus gewesen sein
[Pflüger].)
2) Die sub finem auftretenden Deglutitionsbeschwerden und
2 *
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UNIVERSITY OFMICHSGAN
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 3:>
exquisiten Zeichen einer Stenose des Oesophagus, offenbar j
auf die Compression der Cardia durch den Aneurysmasack zu
schieben, welche letztere ja nach Luschka, entsprechend der j
Verbindung des 9. und 10. Brustwirbelkörpers vor der Aorta 1
unterhalb des foramen oesophageum zu suchen ist. Die Autopsie I
zeigte die Ausdehnung des Aneurysma bis zu jener Stelle hin. I
— Der Grund, weshalb dieses Symptom erst so spät auftrat,
erhellt aus der Tendenz des Wachsthums der aneurysmatischen
Geschwulst gegen das Zwerchfell hin, und dass dies wirklich
der Fall war, bestätigt der Umstand, dass bei der Section die
Aneurysmawand an jener Stelle nur noch von fibrinösen Massen j
gebildet wurde, so wie auch, dass dort die frischesten Blut¬
gerinnsel und die Perforationsöffnung zu finden waren. Anderer¬
seits findet die Wachsthums-Tendenz des Aneurysma nach jener
Richtung hin wohl ihre Erklärung, jn den durch die Respira-
tionsphaseu des Zwerchfells bedingten, wiederholten Widerstands¬
schwankungen.
Aus dem übrigen Symptomeucomplex verdient noch hervor¬
gehoben zu werden:
I. Die Erscheinung der behinderten Harnabsonderung.
Dieselbe war weniger Folge einer gehemmten venösen
Circulatiou, wie man aus der verminderten Menge und dem
Stauungsharn zu schliessen berechtigt gewesen wäre, als viel- j
mehr, wie der Sectionsbefund lehrte, der Ausdruck der durch j
die partielle Verlegung der Nierenarterien gesetzten Druck- j
abnahme in denselben. Da weder die Vena cava inf. noch die
Nierenvenen in ihrem Verlaufe durch das Aneurysma betroffen '
waren, kam es auch nicht zu merkbaren Oedemeu, weder an
der linken Scrotalhälfte, noch an den ünterextremitäten. Daher
lies $ sich auch keine Spur von Albuminurie uachweisen.
Auffallend war dabei der zeitweise Harndrang bei der Un¬
möglichkeit dei* spontanen Blasenentleerung. Erstere möchte |
ich aus der starken Concentration des Harns und dessen
saurer Reactinn, letztere davon herleiten, dass die volle Wir-
kuug der Baueiipns.se der dadurch gesteigerten Schmerzkaftig- j
keit wegen instinctiv vermieden wurde, und der Detrusor allein I
sich wohl contrahirte, indessen nicht kräftig genug, um den
durch die starke Concentration des Harns reflectorisch ver- 1
mehrten Sphinctereuschluss zu überwinden.
II. Die Erscheinung der erheblich gesteigerten Schmerz- |
haftigkeit im Magen und Kreuz bei plötzlich effectuirter Digital-
compression der Cruralarterien. I
Wie in Fall II, nur noch deutlicher bemerkbar wegen der =
stärkeren Schwellung des Aneurysma, auch wohl noch beför¬
dert durch den Umstand, dass die collateralen Bahnen der |
Nierenarterien und das Tripus Halleri in diesem Falle nicht 1
ihre normalen Gefässquerschnitte hatten, trat dies Phänomen
ganz constant auf.
III. Das Verschwinden des systolischen Fremissement und
Geräusches bei Compression der Cruralarterien. Offenbar ein
Beweis der während des Cruralis-Verschlusses entstandenen
Abnahme der Strömungsgeschwindigkeit innerhalb des Aneu¬
rysma.
Die ferneren physicalisehen Zeichen der Pulsdifferenz in
Radialis und Cruralis resp. hier der Carotis und Cruralis, des
systolischen Geräusches über dem pulsirenden Tumor, des Ein¬
flusses der Umlagerungen des Pat., der Lage ä la vache l ) sind
so vielfältig und ausführlich in der Literatur beschrieben worden,
dass ich füglich von einer Besprechung derselben absehen kann.
Der letale Ausgang des Falles Felleckner war, wie zu
vermuthen und später auch nachzuweisen, Berstung des Aneu¬
rysma. Die kurze Dauer des ganzen Leidens (13 Monate) ist
1) Moore. Jahrb. v. Virchow u. Hirsch. 1869. p. 84.
für Aneurysmen der Bauchaorta schon in frührer Zeit 1 ) ange¬
geben. Möglicherweise ist er hier noch beschleunigt worden durch
die Heil versuche mittelst temporärer Digital-Compression der
peripheren Arterien. Wenigstens sahen Bryant und BloxanD)
sehr bald nach Appliation eines Tourniquets auf die Aorta ab¬
dominalis tödtliche Ruptur in einem ähnlichen Falle eintreten.
Gegenüber den günstigen Erfolgen aber, die mehrfach durch
Compression der Aorta erzielt sein sollen, glauhte ich mit
dieser schonenderen Methode nicht zögern zu dürfen.
Nicht ohne Interesse ist endlich noch der tödtliche Aus¬
gang selbst. Es war klar, dass die Blutung aus dem ruptu-
rirten Aneurysmasack anfangs eine allmälige war. Dafür sprach
der progressive Collaps und die schliessliche Empfindlichkeit
des Abdomen. Dies bestätigten auch die bei der Section ge¬
fundenen, zum Theil speckhäutigen, zum Theil schon mehr
! organisirten Verklebungen und Gerinnsel um die Perforations-
| stelle. Immerhin aber war der endliche Nachschub der Blu¬
tung ein ziemlich abundanter, denn unter den Erscheinungen
der Verblutung, scharf entsprechend dem Kussmaul-Tenner-
schen Versuche, unter allgemeinen Convulsionen ging der Pat.
zu Grunde.
Bei näherem Vergleich der soeben ausführlich berichteten
Krankengeschichten ist eine gewisse Üebereinstimmuug in mehr¬
facher Hinsicht zu erkennen. — Was zunächst die Aetiologie
derselben anbetrifft, ergiebt sich bei allen drei Fällen die ge¬
meinschaftliche Ursache. Ueberall war es der durch heftige
Körperanstrengung bedingte Spannungszuwachs in dem Aorten¬
system, welcher das Leiden angeblich veranlasst hatte. Biese
Angabe gewinnt an Glaubwürdigkeit durch die in jüngster Zeit
constatirten Thatsachen bezüglich der Entstehung von Circu-
lations-Krankheiten. Wiederholt ist neuerdings der deletäre
Einfluss starker und häufiger Muskelanstrengungen auf die
lvreislaufsorgane nachgewiesen. Thum, Moinet 3 ), Fräntzel 4 )
und Seitz 3 ) haben eiue nicht geringe Anzahl von Erkran¬
kungen des Herzens, speciell Hypertrophie und Dilatation
desselben, beigebracht, deren Entstehungsursache zweifellos auf
mehr weniger andauernde Muskelarbeit zurückzuführen war.
Auch für die Entstehung der Aneurysmen ist dieser Modus
schon von Bamberger 6 ), Duchek 7 ), Greenhow, Uter-
hart u. a. 8 ) in einzelnen Fällen erwiesen. Ja Lawson 7 ) gebt
soweit, deren relative Häufigkeit in der englischen Armee zum
Theil auf starke Körperanstrengung bei unzweckmässiger Be¬
kleidung zu schieben. Zu ähnlichen Schlüssen kommt Myers 1 )
in seiner sorgfältigen statistischen Forschung und #ebt an.
dass unter den in den Jahren 1863—67 an Herzaffectionen ge¬
storbenen 320 brittischen Soldaten 138 Mal Aneurysma die
1) Aronsohn: Observation d’anneurysm. de Paort. abdomin. Gaz.
med. d. Strassbourg 12.
2) Jahresber. v. Virchow u. Hirsch 1872, p. 115.
3) s. Schrott er-: Krankheiten des Herzfleisches in Ziemssens
i Handbuch der speciellen Pathologie und Therapie. Bd. VI, p. 176
! und 183.
4) 0. Fräntzel: Ueber d. Entstehnng von Hypertrophie u. Dilatai.
der Herzvcntr. durch Kriegsstrapazen. Virchow’s Archiv Bd. 5".
p. 215.
5) Seitz: Die Ueberanstrengung des Herzens. Berlin. 1875.
6) Bamberger: Lehrbuch d. Krankheiten d. Herzens. Wien. 1337
p. 418.
7) Duchek: Die Krankheiten des Herzens und der Arterien. Er¬
langen. 1862. p. 239.
S) Quinke: Krankheiten d. Art. in v. Ziemssen’s Path. u. Thenj-
Bd. \T, p. 378.
9) Ibid. p. 381.
10) s. Seitz: p. 129.
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
1*2. August 187b.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
481
Todesursache war. In der diese Zahl eine äusserst
überraschende und da Mac Leatt 1 ) bei den vom.1. April 1867
bis 1869 in Nestley vorgekommenen 36 Fällen von Aorten-
Aneurysmen nur 5 Mal eine rheumatische, 3 Mal eine syphi¬
litische Aetiologie anamnestisch nachweisen konnte, ist die
Schlussfolgerung von Lawson und Myers wohl kaum auzu- j
fechten. — Dem entsprechend äussert sich denn auch Albut 2 ),
zugleich gestützt auf seine eigenen Erfahrungen, »dass weit
entfernt bedeutungslos zu sein, eine plötzliche Gewaltanstrengung
bei uns nicht bloss so eine beliebige unter den verschiedenen
Ursachen der Aneurysmen ist, sondern geradezu die gewöhn¬
lichste, denn in der Mehrzahl der Fälle wird diese Ursache
angegeben, und sie ist vernünftig; und sie ist die einzigste,
welche vorhanden/* Wenn der letzte Satz auch wohl zu weit
geht, so glaube ich doch auch, dass in der Aetiologie der
Aortenaneurysmen dies Moment zu wenig Rücksichtnahme findet.
Unter der bescheidenen Anzahl von derartigen Erkrankungen,
die ich genauer beobachtet habe (und deren Ziffer beläuft sich
meiner Erinnerung nach auf 11), waren es 4, bei denen eine j
Gewaltanstrengung als Ursache mit Bestimmheit angegeben
wurde 3 ). (Der 4. Fall betraf ein Aneurysma des Trunc. ano- |
nvmus. dessen Entstehung auf Heben eines schweren Balkens
geschoben wurde.) Leider steht mir nicht genügende Lite¬
ratur zu Gebote, um diesen Gesichtspunkt sorgfältig statistisch
begründen zu können.
Weiterhin bieten die Fälle I und II eine andere gemein¬
schaftliche Erscheinung. Ich meine die Localisatiou des Aneu¬
rysma. Bei beiden war der Sitz desselben in der Höhe der
letzten Dorsalwirbel, dicht oberhalb des Hiatus aorticus gelegen.
Diese Coincidenz scheint mir keine zufällige zu sein. Im Gegen-
theil bin ich geneigt anzunehmen, dass in beiden Fällen ähn¬
liche Ursachen auch gleiche Wirkungen zur Folge hatten. Bei
beiden Patienten war eine für ihren Kräftefond bedeutende
Leistung vorausgegangen. Beide datirten ihre Erkrankung da¬
her; beide gaben ziemlich ausgesprochene, characteristische
Initialsymptome dafür an.
Vergegenwärtigt man sich den Hergang einer Gewaltan¬
strengung, so ist dieselbe nicht allein mit einer vermehrten j
Action der Rumpf- und Extremitätenmuskeln verbunden, sondern !
es werden auch die Respirationsmuskeln, namentlich das Zwerch¬
fell in zeitweise energische, tonische Contractionen versetzt.
Die nächste Conseqnenz aasgebreiteter Muskeleontractionen ist
sodann eine massenhafte Compression der kleinen peripheren
Körperarterien, und damit geht Hand in Hand eine bedeutende
Vermehrung der Widerstände für die Propulsivkraft des Herzens.
Die Spannung der Arterien wächst, der Blntdruck im Aorten¬
system steigt (Hertel 4 ) und Traube 8 )). Der anatomische Ver¬
lauf der Aorta durch den Schlitz der Zwerchfell-Apertur macht
es alsdann nur zu plausibel, dass bei einer stärkeren, tonischen
Contraction des Diaphragma, die Schenkel desselben eine mehr
weniger heftige Compression auf das stark gefüllte Gefässrohr
1) Ibid. p. 142.
2) Seitz. 1. c. p. 34.
3) Einen weiteren Beleg hierfür konnte ich noch jüngst einem
grösseren Kreise hiesiger Collegen vorstellen. Es handelte sich um einen
sehr kräftigen Werftarbeiter, der bei dem Versuch, eine 4 Ctr. schwere j
Last um einer Wette willen zu heben, zusammenbrach und von Zeit zu Zeit J
kleine Mengen Blut hustete. 4 Wochen nach jener Kraftprobe liess sich
lra I. I. C. R. links eine deutliche, er. wallnussgrosse, leicht pulsirende
Prominenz und ein tiefes systol. Geräusch darüber nachweisen. Der
Mann bietet jetzt im Lazareth die exquisiten Symptome eines Aneurysma
a °rt. descendent. dar.
4) Hertel: Berl. klin. Wochenschr. 1871. No. 31, p. 376. I
5) Traube: Berl. klin. Wochenschr. 1872. No. 19. p. 223. '
ausübeu. Ein Analogon dafür besitzen wir in dem Verlauf der
Art. subclavia zwischen dem M. scalenus aut. und medius über
die erste Rippe hihweg. Ich erinnere mich lebhaft einer Demon¬
stration meines früheren Lehrers Prof. F. Goltz in Bezug auf
dieses anatomische Verhältniss und seine Wirkung auf den
Puls. Goltz erklärte das jeweilige Aussetzen des Radialpulses
bei tiefster Inspiration nicht allein im Sinne Weber’s aus der
Zunahme des intrathoracischen negativen Drucks, sondern aus
der Compression der Arteria subclavia durch die rippenhebenden
Scaleni. Man kann wohl ungezwungen dies Verhältniss auf
den Hiatus aorticus übertragen, und es ist leicht ersichtlich,
wie bei einer ähnlichen Raumbeschränkung der Aorta an jener
Stelle, oberhalb derselben eine Ausdehnung der Aortenfasern
über ihren Elasticitäts-Coefficienten hinaus zu einer bleibenden
Ausdehnung, zum Zerreissen resp. Schwunde der Muscularis in
der Gefässwand und somit zu einem Aneurysma führen muss.
Um so leichter wird dies geschehen können, wenn die Wand
des Gefässes durch vorausgegangene Atheromasie nicht mehr
ihre völlige Leistungsfähigkeit besitzt, und andererseits wird die
aneurysmatische Erweiterung vorwiegend nach jener Seite hin¬
neigen, wo durch weniger solide Nachbargebilde, wie hier die
nachgiebigen Lungen, das Gefässrohr ungenügend gestützt wird *).
Diese Ansicht wird, wenn ich so sagen darf, durch Fall III
illustrirt. Bei Felleckner wurde eine Verengerung des Aorteu-
stammes durch ein gegen die Magengegend wiederholt ange¬
stemmtes Brett bedingt. Es fand schliesslich eine oberhalb
jener Stelle gelegene aneurysmatische Erkrankung der Bauch¬
aorta statt. Ganz analoge Fälle haben Murray nnd Bahr dt
mitgetheilt. Bei Murray 2 ) war es ein Steindrechsler, in dessen
Beschäftigungsart es lag, ein Instrument gegen die Magengegend
anzustemmen. Bahrdt*) erzählt die Geschichte einer Kranken¬
wärterin, die aus Gewohnheit das Speisebrett in die linke
Seite gedrückt zu tragen pflegte. Beide Individuen acquirirten
Aneurysmen der Bauchaorta, die in ihrem Sitz, Verlauf und
Symptomen-Complex mit dem meinigen ungemein viel Aehnlich-
keit hatten.
Endlich haben Fall II und III eine Erscheinung gemein,
die, soweit ich die Symptomatologie der Aneurysmen habe
nachselien können, bisher nicht betont worden ist. Es ist dies
der Einfluss der Compression peripherer, grösserer Arterien¬
stämme auf das Verhalten des Aneurysma. In beiden Fällen
steigerte die plötzlich bereitete Unterbrechung des Blutstromes
in den Cruralarterien die subjective Schmerzhaftigkeit in der
Gegend der aneurysmatischen Gefässerweiterung. Dies konnte
nur geschehen durch eine momentane Volum- und Blutdruck-
Zunahme des Aneurysma. Dass durch Compression grösserer
Arterienstämme eine solche Steigerung des Blutdruckes ober¬
halb der comprimirten Stelle stattfindet, ist schon von Lan-
dois 4 ), neuerdings noch von Riedinger 8 ) durch sorgfältige
sphygmographische Untersuchungen dargethan.
Im Fall I hatte ich mein Augenmerk auf diesen Punkt
noch nicht gerichtet. Als sich mir dort die Symptome eines
Aneurysma darboten, waren dieselben so prägnant, dass ich
einer derartigen Hilfsmethode in der Untersuchung nicht weiter
1) Einen einschlägigen Fall berichtet Hayden. Ein junger Mann
brach beim Heben einer schweren Last plötzlich zusammen. Seit jenem
Tage entwickelte sich bei ihm ein Aneurysma aort. thoracic, in ihrem
j untersten Theile, und wurde durch die Section nachgewiesen. Jahrb.
I v. Virchow u. Hirsch 1870, Bd. 2, p. 84.
2) Jahresb. v. Virchow u. Hirsch, Jahrg. 1866, Bd. 2, p. 95.
3) Ibid. Jahrg. 1872, Bd. 2, p. 114.
4) Landois: Die Lehre vom Arterienpuls, 1872, p. 195.
5) Riedinger: Klin. u. experiment. Studien über künstl. Anämie.
Deutsche Zeitschrift f. Chirurgie. Bd. XVII, p. 493.
0rifmal fro-m
UNIVERSETY OF MICHIGAN
482
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 32
bedurfte. Erst der 2. Fall mit seinen versteckteren Erschei¬
nungen führte mich darauf, und Fall III bestätigte diese Wahr¬
nehmung in ecclatanter Weise. Hierhei kam es nicht allein
zu einem momentan sichtlichen Anschwellen der aneurysma¬
tischen Geschwulst, sondern es liess sich sogar ein zeitweises
Aussetzen des systolischen Fremissement und Geräusches con-
statiren.
In wie weit nun dies Phänomen constant ist, und welche Be¬
dingungen zu seiner Entstehung erforderlich sind, wage ich aus
der Beobachtung zweier Fälle natürlich nicht zu entscheiden.
Allein seine Bedeutung ist wohl wesentlich genug, um darauf
aufmerksam machen zu können, und es dürfte, wenn sich diese
Erscheinung in ähnlichen Fällen, wie es a priori wohl anzu¬
nehmen ist, mit Regelmässigkeit wiederholen sollte, die Dia¬
gnostik an Präcision dadurch etwas gewonnen haben. Be¬
sonders nicht ganz werthlos scheint mir ein derartiger Beitrag
für die Summe derjenigen Collegen, denen nicht der gesammte
klinische Apparat instrumenteller, diagnostischer Hilfsmittel zu
Gebote steht.
IY. Referat.
lieber die Heilwirkungen des Jodoform.
Sehr enthusiastisch rühmt Moleschott (Wiener racd. Wochensehr.
No. 24, 25 und 26, 1878) die Wirkungen des Jodoform in äusserer An¬
wendung zur Zertheilung von Drüsen-Geschwülsten. Ein faustgrosser
Complex solcher Drüsenanschwellungen am Halse, gegen welche sich eine
langjährige Behandlung mit den mannigfaltigsten Verfahren wirkungslos
erwies, wich einer Einpinselung von Jodoform-Collodium (1 : 15 Collod.
elasticum), welche Morgens und Abends angewandt wurde, sehr schnell,
so dass schon nach einem Monat die Geschwulst um die Hälfte, nach
er. 7 Wochen beinahe ganz geschwunden, und bei einer Vorstellung des
Kranken nach er. 2 Monaten nichts mehr wahrzunehmen war. Mehrere
ähnliche Fälle werden von M. erwähnt, ganz besonders einer, wo die
Geschwulst, ebenfalls am Halse, durch ihre Knorpelhärte sich auszeich¬
nete, und jahrelang bestanden hatte; fortgesetzte Einreibungen mit
Jodoforrosalbe (1 : 15) hatten bereits nach 3 Monaten deutliche Abnahme
und innerhalb eines Jahres völligen Schwund zur Folge. Auch in einem
Falle von lienaler Leukämie glaubt Verf. durch Einpinselungen von
Jodoform-Collodium die Anschwellung der Milz in Schranken gehalten
zu haben. Ebenso hat M. bei Orchitis, und ganz besonders bei Ergüssen
in die Pleura, ferner bei Ascites, Pericarditis das Mittel verwendet;
auch als schmerzstillendes Mittel, zum Bepinseln z. B. von Gichtan¬
schwellungen bewährte es sich dem Verf. In innerlichen Gaben in der
Dose von 5—7 Centigr. glaubt M. in einem Falle von Insuff, mitral, die
Unregelmässigkeit des Herzschlages in deutlicher Weise günstig beein¬
flusst gesehen zu haben. Um den prägnanten Geruch des Mittels bei
äusserer Anwendung zu vermindern, lässt M. die damit behandelten
Hautstellen mit Guttaperchapapier bedecken, und, wenn irgend möglich,
die Application nur Abends vollziehen und am nächsten Morgen die
Salbe abwaschen. Die energische Wirkung des Jodoforms erklärt M.
daraus, dass — nach dem Uebergang in den Körper, weicher auch bei
äusserer Application nach M. sicher stattfindet — sich das Jod sehr
schnell, im Vergleich zu anderen Jodpräparaten, abspaltet und nachweis¬
lich sehr allmälig den Körper wieder verlässt.
Auch mit Bezug auf die Verwendung des Jodoform bei Syphilis |
liegen einige neuere günstige Mittheilungen vor. In einer vorläufigen j
Mittheilung über die Verwcrthung des Jodoform auf der Siegmund- |
sehen Klinik (Wiener med. Wochenschrift No. 27, 1878) rühmt Mracek i
die Heilwirkung desselben, bes. mit Bezug auf die schnelle Reinigung .
und Granulationsbildung auf Wund flächen. Es wurden damit behandelt j
Ulcera, Sclerosen, Rhagaden, Gummata und Drüsenanschwellungen; je j
nach der AfFection wurden 1, verschiedene Präparate angewandt, nämlich ;
eine Lösung in Spiritus und Glycerin (Jodoform Spir. vini conc. ana 1,
Glycerini 5), ein Pulver (Jodoform 1, Sachari 3—4), eine Salbe (1:5), \
endlich zur Bcpinsclung von Drüsenanschwellungen das oben erwähnte j
Jodoform-Collodium. Das Präparat wird mit einem Pinsel auf die Wunde j
etc. gebracht und mit Charpie bedeckt; der Verband kann 12—24 Stunden
liegen bleiben.
Auch Zeissl, der bereits früher günstige Erfahrungen über das i
Arzneimittel veröffentlicht hat, fügt jetzt einige neuere hinzu (Ibidem j
No. 2S, 187S). Er bestätigt zunächst die schnelle Heilwirkung bei !
äusserer Application, bei der er gewöhnlich das Jodoformpulver benutzt, j
Namentlich aber sah er von neuem treffliche Resultate bei den auf Lues j
beruhenden Neuralgien, auch bei Dolores osteocopi, von der inneren ,
Anwendung (0,15 zweimal täglich zu nehmen). Auch bei Neuralgien, bei
denen .sich ein luetisches Moment als Ursache nicht nachweisen liess, I
-sah Z. in einzelnen Fällen sehr wohltliätigen temporären Einfluss. i
V. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Gynäk»l«gisehe Gesellschaft sa Vresdea.
Sitzung vom 18. Januar 1877.
Wahl des Vorstandes für 1877/78: Dr. Käuffer, Vorsitzender.
Dr. Justus Schramm, dessen Stellvertreter, Dr. Klemmer (später
Dr. Mewi9), Schriftführer.
Dr. Justus Schramm: Ueber Haematocele retrovaginalis
extraperitonealis. Der Thrombus vag. sei an die Zeit von Schwanger¬
schaft, Geburt und Wochenbett gebunden und liege tiefer, so dass er
sich nicht selten auf die äusseren Geschlechtstheile erstrecke. Die
seltenere Haemat. retrovag. trete ausserhalb des Puerperium auf in dem
Raum zwischen Douglas’scher Falte, Beckenbodenfascie, Mastdarm und
Scheide. In Wiirzburg beobachtete Dr. Schramm folgenden Fall:
Eva Wagner, 29 Jahr, gracil-anämisch, war immer regelmässig und stark
menstruirt gewesen. Das 5. Wochenbett hatte links neben den Uterus
ein flaches, jetzt hartes Exsudat gesetzt. Während der letzten Regel
hei schwerer Feldarbeit bekam Pat. plötzlich Schmerz und Drang im
Beckenausgange. Die Periode blieb während den nächsten 2 Tagen fast
ganz sistirt. Die Untersuchung ergiebt leichte Rasselgeräusche in der
rechten Lungenspitze, Insufficienz der Mitralis und fingerbreit unterhalb
des früher constatirten Exsudates eine prall-fluctuirende livide Hervor-
wölhung des retrovaginalen Gewebes nach Scheide und Mastdarm zu.
Vollständige Heilung nach mehreren Wochen hei hauptsächlich zuwar¬
tender Behandlung. — Dr. Käuffer erzählt einen eigenen, ebenfalls
völlig geheilten Fall und zweifelt eine besondere Seltenheit des Krank¬
heitsbildes an. (S. nächste Sitzung.)
Dr. Osterloh theilt Reiseerinnerungen aus Süddeutschland
und England mit.
Sitzung vom 15. Februar 1877.
Dr. Käuffer führt im Anschlüsse an die letzte Diseussion
besonders zwei Züricher Inauguraldissertationen an, die von W. Dock
über Haematocele extrautorina 1876 und die ziemlich gleichzeitige von
Kuhn über das Haematoma periutcrinum. Besonders in letzterer ist
einschlägige Casuistik zu finden. Der günstigen Prognose wegen bleibe
gewiss auch eine grössere Reihe von Fällen der Beobachtung und Be¬
schreibung entzogen.
Dr. Osterloh: Ein Fall von sogenanntem unstillbaren
Erbrechen in der Schwangerschaft. Bemerkenswerth dabei ist
die Besserung bei geeigneter Behandlung und mit dem Tode der Frucht
(lues), ferner die Fortdauer des Erbrechens in mässigem Grade bis zum
Eintritte der Geburt und die Heilung mit der Geburt. Redner empfiehlt
für die Behandlung knappeste kühle Diät, besser per anum, Morphium
subcutan und Atropin; den künstlichen Abortus als letztes Zufluchts¬
mittel. — Im Laufe der Debatte erzählt Dr. Win ekel von einem höchst
hartnäckigen Fall, der eine schnelle und dauernde Heilung durch Karls¬
bader Miihlbrunncn erfuhr.
Dr. Käuffer demonstrirt ein vollständiges, wohl erst 3 Wochen
altes Ei. Die jugendliche Drittgebärende, aus den höheren Ständen,
hatte zuletzt Ende December ihre Periode gehabt, sich in den darauf
folgenden Wochen durch Tanzen, Leicheubegleitung und mehrmaligem
Ortswechsel strapazirt, als sich ohne direete Anzeigen bei einem Aus¬
gange am 23. Januar Blutung einstellte. Redner fand die Gebärende
bei bestem Wohlbefinden im Bett. Schmerzen oder sonstige Andeu¬
tungen von Wehen seien weder bisher vorhanden gewesen, noch jetzt
da, wurden auch weiterhin nicht bemerkt. Patientin vermuthefe nur
gewisser Magenerscheinungen wegen eines Abortus. Uterus verhältniss-
mässig wenig grösser und weicher. Portio und os wie bei Menstruation.
Die sparsamen Blutgerinnsel werden genau besichtigt. Eine erbsengrosse,
durch Farblosigkeit gekennzeichnete glatte Stelle führt zur Auffindung
des unversehrten Eies. Nach Entfernung der Blutgerinnsel zeigt es fast
ringsum schlauchförmige, wenig sich verzweigende Zotten und ist 6 Mm.
lang, 5 Mm. breit. Ein Einschnitt lässt den 4 Mm. langen, nur in
seiner Knorpelanlage weniger transparenten und an seinen Enden ge¬
krümmten Embryo hervortreten.
Sitzung vom 1. März 1877.
Dr. Winckel spricht über Operation der Hydronephrose.
Der Vortrag ist gedruckt. Hierauf von demselben Vorstellung einer
Kranken mit malignem Tumor des linken Ovarium.
Sitzung vom 19. April 1877.
Vorlesung und Besprechung der Statuten der deutschen Ge¬
sellschaft für Gynäkologie.
Dr. Grenser demonstrirt einen malignen Tumor des U terus.
Dr. Käuffer: Ueber Kleinkinderwägungen. Eine weniger
zugängige Reihe von Wägungen (480) des Schweizer Arztes Altherr,
wird bei der Besprechung mit eingereiht, besonders aber auch die Re¬
sultate am eigenen Kinde in Beziehung gesetzt mit den verschiedenen
Ernährungsphasen, Landaufenthalt etc. — Im Anschlüsse theilt Dr. För¬
ster von seinen zahlreichen Erfahrungen über dieses Capitol mit und
erläutert die 5 Tabellen seiner eigenen Kinder.
Sitzung vom 3. Mai 1877.
Dr. Mewis: Ueber Lues congenita — erscheint im Buchhandel.
Dr. Käuffer: Eintritt der Erstempfängniss nach Jahres-
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12. August 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
483
zeit und Lebensalter, statistisch* Beitrag aus dem Dresdener
Entbindungsinstitute (Jahrgänge ‘1&68). Das Yerhältniss der Erst¬
gebärenden zu den Mehrgebärenden 53:47, der Unverheiratheten
zu den Frauen wie 4:1. Von den verzeichneten 5298 Erstgeburten
waren 4943 brauchbare zur Berechnung des Eintritts der Empfängniss,
und zwar musste Länge und Gewicht des Kindes nebst der Angabe über
den Eintritt der letzten Regel die Schwangerschaft als solche von nor¬
maler Dauer ausweisen. Rückrechnung um 9 bürgerliche Monate. Etwa
noch untergelaufene Ueberschätzungen der Dauer dürften durch die
mitgerechneten Spätgeburten ausgeglichen werden. Resultate nach
Jahreszeit: Im Februar, März und auch noch December steht die Curve
der Erstempfängniss über die allgemeine Schwängerungscurve, im Novem¬
ber, October, August darunter. An der in die Anstaltscurve am meisten,
nicht in dem Masse für Dresden und am wenigstens für ganz Sachsen her¬
vortretenden Hebung der Empfängnisscurve im August, betheiligt sich die
Empfängniss verhältnissmässig wenig. — Nach Lebensalter: unter
Berücksichtigung des Umstandes, dass das Lebensalter durchschnittlich
um 4V 2 Monat zu niedrig angegeben zu werden pflegt, fiel 1850 die
erste Empfängniss in das Alter von 24 Jahren 7 Monaten. Bis 1853
sank der Durchschnitt des Lebensalters um 9 1 /, Monat, während im
Laufe der nächsten 10 Jahre unter unbedeutenden Schwankungen der
Abfall nur 2 l / s Monat betrug. Von 1863—1866 sinkt die Curve um
13 Monate, so dass nunmehr die Abminderung des Lebensalters für die
Erstempfängniss seit 1850 etwas über 2 Jahre betrug. Für 1866—1868
resultirte eine Steigung von beinahe 6 Monaten.
Sitzung vom 4. October 1877.
Dr. Förster: Ueber die Eselinmilchanstalten Hollands.
Nach Besprechung verschiedener Thiermilchsorten erwähnt Redner,
wie in Holland, Frankreich und Italien Eselinnenmilch für Kinder und
Kranke vielfach, in Deutschland nur vereinzelt im Eisass, Baden, West-
phalen und Braunschweig verwendet werde. In Holland haben theil-
weise seit langen Jahren Amsterdam und Haag je 4 Eselinmilchanstalten,
Rotterdam 2, sämmtlich mit je 20 bis 80 Eselinnen. Ein Thier giebt
täglich 1—1V* Liter Milch ä 2—2 l 2 Mark. Die Thiere werden vor
dem Abnahmehause gemolken oder monatweise ins Haus gegeben. Redner
empfiehlt die Methode angelegentlich.
Dr. Win ekel berichtet über den ersten Gynäkologencon-
gress.
Sitzung vom 1. November 1877.
Dr. Grenser: Tod im Wochenbett durch perforirendes
Magengeschwür und Abortus in Folge tiefer Cervixnarbe,
zwei Fälle aus der Praxis. Desgleichen 6 Fälle von Cephalhämatom.
Im Anschlüsse machte Dr. Mewis Mittheilung über Vorkommen und
Behandlungsweise letzterer Krankheit in dem Entbindungsinstitute wäh¬
rend der letzten Jahre.
Dr. Mewis: Syphilis bei Wöchnerinnen. Erscheint bei Hirzel
im Druck.
Sitzung vom 6. December 1877.
Dr. Justus Schramm: Fall von Melancholia religiosa bei
Amenorrhoe. Die Dame (22 Jahre) menstruirte vom IS. Jahre an
spärlich bis zum 19. Jahre. An Stelle der nun weggebliebenen Regel
traten periodische Fluxionen zum Kopf, überaus heftige Kopfschmerzen
und psychische Depression. Ableitende Mittel, Eisenpräparate, ver¬
schiedene Emmenagoga erfolglos, desgleichen electrische Behandlung des
Unterleibs. Religiöse Schwärmerei, Hallucinationen, Verlangen nach dem
Kloster nahmen zu. Sexualorgane normal. Nach wiedeiholter Anwen¬
dung des lnductionsstromes auf den Uterus traten endlich die Menses
ein und danach auch das frühere Wohlbefinden. Redner erklärt, den
Krankheitszustand für eine Torpid ität der vasomotorischen Nerven der
Ovarien und des Uterus. — Derselbe berichtet einen Fall von Cysten
der Vagina. Die geringe Zahl der Cysten (b —G), der Sitz in der
unteren Hälfte der Vagina, das Vorhandensein hypertrophischer zotten¬
artig hervorragender Papillen und das Fehlen von Luft in den von
einer rahmähulichen gelblichen Flüssigkeit erfüllten, bis haselnussgrossen
Cysten, differencirten den Fall hinreichend von dem Winckel’schen
Krankheitsbilde der Colpohyperplasia cystica. Bemerkenswerth ist bei
dem Falle noch die gleichzeitig vorhandene Neigung zu Cysteubildung
in der Kopfhaut.
Dr. W’iuckel: Ueber Bildungsanomalien der Ovarien. Red¬
ner demonstrirt ein Präparat von dreifachem Ovarium. Es werde als
viertes dieser Gruppe bekannt werden, da der Olshausen’sche Fall
den accessorischen Ovarien zugezählt werden müsse. Die Erklärung des
Vorkommnisses erfordere die Annahme einer doppelten Anlage.
!
VI. fewUeton.
Nekrolog.
Karl Heinr. Ehrmaan,
Ehren-Dekan und Professor der früheren roedic. Facnltät
Strassbnrg i. E.
Von
Dr. med. Eduard Lobstein. Mr. F. D. H.
in Heidelberg.
Wieder ist einer geschieden aus dem engen Kreise jener hochver¬
dienten Männer, deren Wiege noch im vorigen Jahrhundert gestanden,
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und die ihr Leben und Wirken mit unverwelklichem Lorbeere zu krönen
gewusst haben; wieder entführte der Tod eines von jenen „Häuptern im
Silberglanze“, zu denen wir wie auf ehrwürdige Denkmale und Vorbilder
des Fleisses, der Verdienste und des Ruhmes mit Verehrung und Dank¬
barkeit empor zu blicken pflegen!
Am 19. Juni letzthin endete zu Strassburg im Alter von nahezu
86 Jahren seine irdische Laufbahn Karl Heinrich Ehr mann, weiland
Dekan und Professor der normalen und pathologischen Anatomie bei
der früheren Facultät der Universität Strassburg, ein Mann, dessen
Wirken und Verdienste um.die Wissenschaft und speciell um die Würde
einer Hochschule, die des deutschen Volkes Schosskind werden sollte,
segensreich und bedeutend genug gewesen sind, um seinem Leben einen
ehrenden Rückblick, seinem Hingange einen dankbaren Nachruf auch
aus deutscher Brust zu weihen. Denn, oh er gleich die letzten 10 Jahre
in stiller Zurückgezogenheit der verdienten Ruhe genoss, und sein Name
bei der Neugestaltung der Universität daher nicht mehr in Frage kommen
konnte, so erheischt doch, abgesehen von Gerechtigkeit und Pietäts¬
gefühl, schon allein das wissenschaftliche Interesse der Erben jener
Schule und ihrer Institute, dass die Namen und Leistungen ihrer hervor¬
ragenderen Meister für alle Zeit gekannt und gewürdigt werden. Aus
diesen Gründen dürfen wir wohl erwarten, dass eine kurze biographi -
sehe Skizze Ehrmann’s in fachwissenschaftliehen Kreisen Deutsch¬
lands freundliche Aufnahme finden werde. *
Geboren in Strassburg am 15. September 1792, stammt Ehrmann
aus einem Geschleehte, in welchem Talent und Fleiss gleichsam erblich
sind, und dem sein ebenso kerniger als wohlklingender Name darum
mit Recht gebührt. Ward ihm doch, diesem Namen, auch „ein Denk¬
mal, dauernder als Erz“ durch keinen Geringeren, als Goethe gestiftet,
der aus seiner Strassburger Studienzeit von 1770 in „Dichtung und
Wahrheit“: „die schöne hyppocratische Verfahrungsart seines verehrten
Lehrers, Professor Ehrmann’s, des Aeltcren, und die Schlussreden,
mit denen er gewöhnlich seine Stunden zu krönen pflegte,“ sowie: „die
anziehenden Lectionen über Entbindungs-Kunst seines Sohnes“ rühmend
hervorhebt.
Ersterer, Joh. Christian Ehrmann (1710—1795), war Ehrmann’s
Grossvater, der sich, wie als Professor und Kliniker, so auch als Stadt-
physicus, Arzt und Herausgeber der „Historia plantarnm alsaticarum“
von Marcus Mappus (1632—1701) um die Wissenschaft, um seine
Schüler und um das Wohl seiner Mitbürger verdient gemacht hatte;
letzterer, Joh. Friedrich Ehrmann, geb. 29. Juni 1739, der Vater
Ehrmann’s und ausserordentlicher Professor gleichfalls der inneren
Klinik, fiel leider als Opfer seines Berufs bei einer Typhus-Epidemie
schon am 15. December 1794, da sein einziger Sohn gerade 2 1 / 4 Jahre
zählte.
Obgleich dieser von seinen genannten Vorfahren weder eine per¬
sönliche Erinnerung haben, noch irgend welche Einwirkung oder Anlei¬
tung, wie sie sonst entscheidend für der Sohne Berufswahl und Studien
sind, mehr erfahren konnte, so scheinen ihm doch der Geist und die
Vorliebe für Medicin, wie gesagt, angeboren gewesen zu sein, denn er
wandte sich nach Absolvirung gründlicher Vorstudien im protestan¬
tischen Gymnasium (1800—1807) und der Philosophie» (1807—180S)
ohne Bedenken sofort dem ärztlichen Berufe wie durch Vorbestimmung
zu, und machte gleich im ersten Jahre so erstaunliche Fortschritte,
namentlich in Anatomie und chirurgischen Ilandtirungcn, dass er nach
Ablauf desselben schon mit 17 Jahren die Stelle eines Untergehülfen
(Chirurgien sous-aide) im Militärhospitale seiner Vaterstadt, neben seinen
Studien her, bekleiden konnte (1809—1811). Wiewohl nämlich seine
Studienjanre glücklicher Weise in eine Zeit fielen, in welcher die Stürme
und der Terrorismus der französischen Revolution, die so manches auf¬
strebende Talent nicdergehalten oder gar vernichtet hatten, bereits
überstanden, und die vom Convente aufgehobene medicinische Schule
durch Decret von 1808 wieder hergestellt waren, so verlangten doch die
Kriegs und Eroberungszüge Napoleon’s I. fortwährend ein starkes Con-
tingent auch von Militärärzten, welche bisweilen sogar aus den Reihen
von Anfängern, sofern sie nur gut qualificirt waren, rekrutirt bezw.
ergänzt wurden.
So diente Ehrmann ferner in den Jahren 1813 und 1814 bei der
„grossen Armee“ in einerCavalerie-Brigade als Regiments-Chirurg II. Classe
(Chirurgien aide-major), in welcher Eigenschaft er an dem Feldzuge in
Sachsen und den Schlachten bei Grossbeoren, Jüterbog und Leip¬
zig Theii nahm. Nach Napoleon’s Sturz und der ersten „Restauration“
erhielt er das Amt eines Wundarztes im Gofängniss-Hospitale zu Strass¬
burg, das er ohne Unterbrechung bis 1826 föhrte, und welches ihm
hinlänglich Zeit liess, um seine, durch Militärdienst beeinträchtigten,
Studien gedeihlich zu vollenden.
Als der junge Ehrmann die medicinische Schule von Strassburg
betrat, culminirte bereits in deren Zenith als Stern erster Grösse Thomas
Lauth (1758—1826), der berühmte Anatom und Schriftsteller, dessen
Schüler, der damalige Chef des travaux anatomiques, Joh. Friedrich
Lobstein, der Jüngere (1777—1835), eben daran war, die ersten Bau¬
steine zu sammeln zur Gründung jenes Museums der pathologi¬
schen Anatomie, dessen Weiterbau und Bereicherung dereinst die
dankenswertheste That des jungen Zöglings werden sollte. Es war gewiss
eine glückliche Constellation, unter welcher dieser Träger eines alten,
hochgeachteten Namens zum ersten Male das anatomische Amphitheater
sah, dessen düstere Hallen seinem Ehrgeize und Talente bald zur Arena
werden sollten, auf deren sonnigem Plane er eine Palme um die ander
erringen sollte.
Original from
UNIVERSITY OF MICHIGAN
484
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 32
Von seinen Lehrern nennen wir, ausser Lauth (Anatomie und !
Chirurgie), die Professoren: Nocl, Director der Schule (Hygieine);
Meunier (medicin. Physik); Masuyer (medicin. Chemie); Tourdes l
(allgem. und spec. Pathologie); Cailliot (Physiologie); Cöze sen. j
(Medicin und int. Klinik) und Tinchant (Geburtshülfe). \
Auf Grund seiner Prüfung und nach Vertheidigung der Inaugural- I
These „über die Ilaasenscharte“ unter Lauth’s Präsidium erhielt Ehr- j
mann mit nicht ganz 20 Jahren am 14. Juli IS 12 das medicinische j
Doctor-Diplom; 1818 wurde er Prosector; 1822 zum Chef des I
tavaux anatomiques befördert, wobei er.unter anderen Mitbewerbern
auch über den Neffen des Bischofs von Cambrai den Sieg davon trug, j
und 1826, im Deeember, zum ordentlichen Professor der Ana- ;
tomic, als Nachfolger seines Lehrers und Gönners, Lauth, ernannt.
Auch dies Mal zählten namentlich die Doctoren Duvernoy und Ristei¬
huber zu den ausgezeichnetsten seiner Concurrenten. Mit diesem Lehr¬
stuhle war von Alters her auch jener für Chirurgie und chirur- j
gische Klinik verbunden, und blieb es bekanntlich bis 1836, wo für '
diesen, allmälig so ansehnlich gewordenen Lehrzweig eine selbst¬
ständige Professur geschaffen wurde.
Es gehört nicht in deu Rahmen dieser Aufgabe, einen kritischen |
Blick auf die Organisation der Verhältnisse der alten mcdicinischen
Facultät und ihrer Beziehungen zur autokratischen Verwaltung des ,
städtischen Krankenhauses zu werfen, und wir berühren im Vorüber- \
gehen diesen Punkt nur um zu eonstatiren, dass Ehrmann, vermöge !
seiner fortgeschrittenen Anschauungen, seiner wissenschaftlichen Ueber-
zeugung und seines hohen Ansehens als Gelehrter wie als Bürger, einer
der glücklichsten Vorkämpfer und Vermittler beim Ausgleiche zwischen
Alt-Hergebrachtem und den Bedürfnissen der Neuzeit gewesen ist.
Als er seine Doppel-Professur antrat, waren der Catheder und das
Museum für pathologische Anatomie bereits seit 7 Jahren gegründet !
und durch Cu vier (1769 —1882) den Händen des vorgenannten, um '
16 Jahre älteren, Lobstein anvertraut. Ehrmann konnte sich daher
mit ungetheilter Kraft zunächst seinem speciellen Gebiete, der normalen
Anatomie, widmen, und in welch hervorragender Weise er dies gethan,
davon zeugen noch heutigen Tages die Mengen von Spiritus-, Wachs- '
und getrockneten Präparaten, zum Theil minutiösester Art, welche,
grösstentheils von ihm selbst verfertigt, eine Zierde des anatomischen
Cabinets bilden. Aber auch mit Lobstein, an welcheu ihn Bande der
Hochachtung wie Freundschaft fesselten, arbeitete er namentlich noch
als Chef des travaux anatomiques vieles gemeinschaftlich und lieferte
manche schätzbare Arbeit auch ins pathologische Museum. Besonderes
Verdienst erwarb er sich um die physiologische Section desselben durch !
seine schönen Lymphgefäss-Injectionen und einen hierzu erfundenen I
Apparat : durch die subtilen Präparationen der Gesichts- und Halsnerven j
sowie sämmtücher Anastomosen des Nerv, facialis mit dem Nerv, tri-
geminus. und durch den Nachweis der Beziehungen der Nervenfasern |
zu den Blutgefässen der Leber: sodass der Director dieses Museums in j
seinem Jahresbericht von 1824 seinem öffentlichen Danke an Ehr mann I
freudigen Herzens noch das Zeugniss: .,Ces picees attestent son Talent I
pour la Dissection“ beifügen konnte: endlich hatte Ehrmann dies Ca¬
binet noch durch 36 Wachsmodelle eigener Arbeit bereichert.
Kein Wunder, dass nach dem Tode Lob stein’s, an dessen Kranke £
lager er als Arzt und Freund gleich hingebungsvoll geweilt, Ehr mann
dessen nächster und bester Vertreter ward: hatte er doch unter den
Augen des Meisters lange genug gearbeitet und den Geist von dessen
Leitung tief genug erfasst, als dass nicht die öffentliche Stimme, die
Facultät und schliesslich auch die Regierung ihn als den würdigsten
Nachfolger Lobstein’s betrachten mussten. Nachdem er daher dessen ]
Lehr- und Directorial-Stelle bis dahin provisorisch versehen, wurde er j
gegen Ende 1837 durch Ministerial-Decret zu denselben officiell ernannt
d. h. sie wurden mit seinen bisherigen Functionen nach dem Gutachten
der Facultät vereinigt, und zwar so, dass Anatomie und Secirübungen
ira Wänter-, die Curse über pathologische Anatomie und Microscopie
sowie der chirurgische Operations-Curs (an Leichen) im Sommer-Semester
zum Vortrage kamen.
Da Ehrmann von seinem Vorgänger ausserdem noch das Amt
eines Oberhebarztes am Bürgerhospitalc nebst der damit ver¬
bundenen Professur an der Niederrheinischen Hebammen¬
schule von Strassburg überkommen hatte, so vereinigte er schliesslich .
auf seinen Schultern eine Geschäftslast, welche in unseren Tagen auf !
mindestens 4 Häupter vertheilt werden würde, und die der einzelne j
darum auf die Dauer auch nicht bewältigen konnte. |
In der That trat er von letztgenanntem Posten, nachdem er für ;
Zöglinge der Schule noch ein Internat ins Leben gerufen, nach 10jäh- j
riger Führung freiwillig zurück und überliess desgleichen wenige Jahre
später auch die Oberleitung des anatomisch-pathologischen Museums seinem ;
jüngeren, talentvollen Collegen, Dr. Koeberle, dessen Name als ebenso j
glücklicher wie gewandter Ovariotomist unbestritten zu den ersten seines j
Faches zählt, und durch dessen Forschungen und Arbeiten das Cabinet j
wesentliche Bereicherung erfuhr. x\ber trotzdem blieb diese Geschäfts¬
erleichterung Ehrmann’s nur eine formelle, indem sie durch Obliegen¬
heiten anderer Natur reichlich compensirt wurde.
Denn, abgesehen von einer vielbegehrten, namentlich auch opera¬
tiven Privatpraxis (zu Anfang der 1830er Jahre galt Ehrmann als der j
gefeiertste Wundarzt der Stadt); abgesehen von seinen Pflichten und ;
seinem Eifer als beliebter Lehrer, und von seinen literarischen, grössten¬
theils dem Archive des Museums gewidmeten Arbeiten, auf die wir zu¬
rück kommen werden, waren cs die verschiedenen Vereine für Natur-
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Gck igle
Wissenschaft, für Medicin, für Erhaltung vaterländischer Al-
terthümer, für Acclimatisation, für ärztliche Ueberwachung
der Gesundheitsverhältnisse ira Unter-Elsasse u. a. m., welche
seit 1844 der Reihe nach entstanden, und bei denen Ehrmann bald
als Mitgründer, Präsident oder Administrator, bald als Mitglied und
Correspondent nicht bloss thätig blieb, sondern in der Regel den Löwen¬
anteil der Arbeit zugewiesen erhielt. Dabei war er correspon diren-
des Mitglied der „Academie imperiale de Medecine“ und der „Societe
de Chirurgie“, sowie Ehren-Mitglied des „Vereins deutscher Aerzte -
in Paris; ferner Correspondent der „Societe imperiale de Medicinc“
und der „Societe statistique“ in Marseille; der „k. k. Gesellschaft der
Aerzte“ in Wien: der Vereine für „Medicin“ und „Naturwissenschaft“
in Goettingen; der „Naturforscher in Breslau“: der ärztlichen Vereine
von Leipzig, Erlangen, Freiburg, Heidelberg, Hamburg und Offenburg;
endlich der „Academie medico-chirurgicale“ in Neapel und des „National-
Instituts zur Verbreitung der Wissenschaften“ in Washington: Titel
genug, um die wissenschaftlichen Leistungen und den Werth ihres Trägers
nicht bloss kennen, sondern auch schätzen zu lernen.
Als Belege hierfür lassen wir im Anschlüsse eine Uebersicht
von Ehrmann’s Schriften folgen, soweit sie durch den Druck ver¬
öffentlicht worden sind. Es erschienen in chronologischer Reihe:
1812 „Essai sur le bec de lievre“. Strasbourg, 1812. 4°. (Die
erwähnte Dissertation.) — 1822 „De la strueture, des proprietes et des
alterations organiques des Arteres“. Strasbourg, 4°. (Die Concurs-These
für die Stelle des Chef des travaux anatomiques.) — 1827 „Description
de trois cas de teratologie luimaine“. (Memoire insere dans le Reper¬
toire d’Anatomie ct de Physiologie de Breschet. T. IV, 1. partie. Paris,
1827. ) — 1828. „Observation d’un Anevrisme de l’artere poplitee. opere
et gueri“ (im gen. Repert., T. V., 2. partie. Paris, 1828). — 1828. „Ob¬
servation de Hernie etranglee, avec circonstanees particulieres, operee et
gucrie“ (ebendaselbst, T. V., 2. partie. Paris, 1828.) — 1828. Histoire
et Observation d’une fistule vesico vaginale, operee ct guörie; Description
d’un nouveau speculnm (in Dissertation von Dr. Deyber. Strasbourg,
1828. 4°). — 1835. „Eloge historique de J. Fr. Lobstein, professeur
de cliuique interne et d’Anatomie pathologiquc ä la Faculte de Mede¬
cine de Strasbourg“. Strasbourg, 1836. Levrault. 4°. — 1837. „Premier
tableau statistique de l’Eeole dcpartementale d’accouchement du Bas-
Rhin“. Strasbourg, 1837. gr. fol. (Diese tabellarischen Aufstellungen
wurden bis zu des Verfassers Rücktritt (1847) regelmässig fortgesetzt.)
— 1837. „Eloge historique d’Ernest Alexandre Lauth, professeur de
Physiologie ä ia Faculte de Medicinc de Strasbourg“. 4°. — 1837. Musee
anatomique de la Faculte de Medecine de Strasbourg ou Catalogue rne-
thodique de son Cabinet d’Anatomie physiologique, pathologiquc et coin-
paree, avec indication des ouvrages, meinoires et observations oü so trou-
vent consignees les histoires des maladies, qui se zapportent aux diffe¬
rentes pieces, que renfenno cette collection.“ Impriine par ordre le la
Faculte. Strasbourg, 1837. 8". 1. vol. (eine gewiss dankenswerte,
weil sehr instruc-tive Arbeit des Verfassers). — 1843. „Nouveau catalogue
raisonne du Musee d’anatomie de la Faculte de Medecine de Stras¬
bourg.“ 8°. — 1844. „Laryngotomic, pratiquee avec succcs dans un cas
de Polype du larynx.“ 8°. (Diese Broschüre, auf welche später eine um¬
fassendere Arbeit folgte, hatte ihrem Autor die Pforten des „Institut
de France“ geöffnet.) — 1846. „Notice sur les accroissements du Musee
d’anatomie de Strasbourg“. 8". -- 1847. „Observations d’anatomie patho
logique, accompagnecs de l’hisloirc des maladies, qui s’y rattachent.“
(1. Band, kl. Fol. mit 6 lithogr. Tafeln bildet die Fortsetzung des ob-
genannten Catalogue methodique, und enthält folgende Abhandlungen:
1) Ilistoire d’une maladic organique de l’appareil biliaire. mit 2 Tafeln.
2) Idem de l’appareil voc-al, mit 2 Tafeln. 3) Idem de l’appareil osscux.
4) Idem de l’appareil urinaire.) — 1850. „Histoire des Polypes du Lv
rynx.“ gr. fol. (1 Band mit 6 lithographischen Tafeln mit den Abbil¬
dungen aller bis dahin bekannt gewordenen Fälle). — 1852. „Description
de deux Foetus inonstres, dont Fun acephale et l’autre monopode.“
(1. Bd. gr. fol. nebst 4 lithographischen Tafeln.) — 1857. Rapport sur les
nouveaux accroissements du Musee d’anatomie de Strasbourg (die Fort¬
setzung der Notice vom Jahre 1846). — 1861. „Paroles, prononcees sur
la tombe de Mr. le professeur Forget.“ (Nachfolger Lobstein’s als
interner Kliniker) Strasbourg, Silber mann. — 1862. „Nouveau recueil
de meinoires d’anatomie pathologique, basöes sur des faits cliniques ob-
serves par Mrs. les professeurs Sedillot, Rigaud, Stoeber et Mrs.
les agreges Strohl et Wieger.“ (1. Band mit 7 lithogr. Tafeln.)
Indem wir uns jeglichen tveiteren Commentars zu diesem Verzeich¬
nisse, in welchem ohne Zweifel manch schätzbare Beobachtung fehlt,
enthalten, überlassen w r ir es dem Leser, im Zusammenhalte mit unserer
bisherigen Schilderung sich ein Bild von Ehrmann’s vielseitiger Thätig-
keit zu construiren, und fügen nur noch hinzu, dass seinem langjährigen
treuen Wirken im Dienste der Wissenschaft wie speciell der strassburger
medicinischen Facultät, deren Decanat er über ein Decennium
hindurch (1857—1867) mit Ehren geführt, auch die staatliche An¬
erkennung nicht versagt blieb, indem er vom „Ritter“ der Ehrenlegion
(seit 1845) am 13. August 1862 zu deren „Officier“ befördert wurde.
Ob es nach dem bisherigen zwar fest steht, dass der Schwerpunkt-
von Ehrmann’s Wiiken in seinem Lehrtalente und seiner Arbeitskraft
liege, so dürfen wir doch nicht unerwähnt lassen, dass derselbe auch
für die materiellen und localen Interessen der Facultät und ihrer Attri¬
bute unermüdliche Sorge getragen, und vermöge seiner Autorität zweifel¬
lose Verbesserungen erwirkt habe. Ohne uns auf Details cinzulassen,
erinnern wir hier bloss an die Gründung des neuen Facultäts-
Qriginal fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
12. Amrust 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
485
ge bä u des auf dem Platz# , und an die Transferi-
rung der vereinigen anatomischen Sammlungen aus dem
entlegenen alten Academiegü'bäuOtü in, &ie erweiterten Localitäten beim
anatomischen Theater, welche beide unter Ehrmann’s Decanate um
die Mitte der 1850er Jahre statt gefunden haben.
Lass Ehrmann, als Gelehrter, Cosmopolit war, brauchen wir nicht
zu betonen; dass er aber spuciell mit den Producten deutscher Wissen¬
schaft, Literatur und Kunst innigst vertraut blieb, dafür zeugen seine
Bihliothek, seine Sammlung von Bild- und Kupferwerken, sein tadelloser
Dialect und vor allem sein biederer Character, das Erbthoil deutscher
Ahnen. Auch hat er die „Versammlungen deutscher Natur¬
forscher“ von 1834 in Stuttgart, 18PS in Freiburg (im Breisgaue)
und 1847 in Aachen besucht, und machte in der medicinischen Section
der erstgenannten eine interessante Mittheilung über einen ungewöhn¬
lichen, weil mehrfach complicirtcn Fall von häutiger Bräune bei einem
8jährigen Mädchen (seinem eigenen Kinde); in der letzten verbreitete
er sich in längerem Vortrage über Larynx-Polypen, und führte dabei
2 von ihm beobachteten Fälle auf, und zwar bei einem Knaben von 8
und einer Frau von 34 Jahren. Letzteren, durch ihn mit Erfolg operirten,
beschrieb er näher und erntete damit den Beifall seiner zahlreichen
deutschen Collegen.
So weit in kurzen Zügen Carl Heinrich Ehrraann’s Wirken
als Arzt, Professor und Decan.
Nach 56 jähriger, ununterbrochener Thätigkeit, die durch 49 Jahre
allein der Hochschule seiner Vaterstadt (die übrigen dem Militair- und
Civildicuste) gewidmet war, zog sich Ehrmann’s mittlerweile schnee¬
bedecktes Haupt im Alter von 75 Jahren aus dem öffentlichen Leben
zurück, um seine ferneren Tage in wohlverdienter Ruhe einem stillen
Familien- und Freundeskreise zu weihen. Begleiten wir ihn noch einen
Augenblick dahin, denn sein Bild würde unvollkommen werden, wollten
wir nicht auch sein Privatleben berücksichtigen.
Das Glück desselben bildete Ehrmann’s Familie, und diese wieder
den Glanz seines Hauses, dessen sinnig geschmückten Räume bekanntlich
zu den angenehmsten und gastfreiesten Strassburg’s zählten, weil die
offene Herzensgute der munteren Hausfrau mit dem Biedersinn und
Humore des Wirthes zu wetteifern pflegte, um ihren Gästen, worunter
seit drei Deccnnien die academische Jugend, den Eh rraann’schen Fa¬
milienherd unvergesslich zu machen. Aber auch er sollte des Schicksals
wechselvolle Laune erfahren und bald in ein Asyl klösterlicher Zurück¬
gezogenheit verwandelt werden!
Noch am 13. Juli 1869 hatte der „E hren-Decan derMedicini-
schen Facultät“ im Kreise der Seinigen das Fest der Goldenen
Hochzeit gefeiert mit Louise Friederike, einer Tochter des Notars
Zimmer aus Strassburg, welche ihn mit 2 Kindern, einem Sohne und
einer Tochter beglückt hatte, und schon l 1 , Jahre darauf traf ihn die
Schreckensbotschaft, dass dieser Sohn, welcher, der väterlichen Carriere
folgend, die Expeditionen nach Kabylien, Italien, Syrien und Mexico
bereits ruhmvoll mitgemacht, das Officier-Kreuz der Ehrenlegion sich
erworben und schliesslich als General- und Oberarzt 1. Classe bei
der Armee und dem Lazarethe in Metz die namenlosen Miihsale. Ent¬
behrungen und Gemüthsaffecte durch die Cornirung von 1870 gleich¬
falls mit jenem hohen Mannesmuthe und jener Pflichttreue, welche sein
Wesen characterisirten, getragen und überstanden hatte: dass sein theurer
Albert, der einzige Erbe seines Namens, plötzlich in Mans am 1. Januar
1871 durc^h Hirnschlag ihm auf immer entrissen sei! . . . Aber damit
nicht genug! Denn durch diesen frühen Verlnst eines hoffnungsvollen
Sohnes (derselbe zählte erst 29 Jahre) ward auch das liebende Mutter¬
herz, dessen Stolz er war, tüdtlich getroffen. Am 9. August 1874 geleitete
der 82jährige Greis seine treue Lebensgefährtin gleichfalls zum Grabe!
Seit dieser Stunde lebte er noch zurückgezogener, Winters in seinem
Hause zu Strassburg, einen Theil des Sommers auf dem Landgute seines
Schwiegersohnes Herrn Trawitz, im nahen Gebirgsstädtchen Barr, bis¬
weilen auch einige Tage in Baden-Baden.
Trotz seines hohen Alters doch fast bis zum Tode im Vollgenusse
geistiger wie körperlicher Kraft, bewahrte Ehr mann jenen klaren, ruhigen
Blick, jenes Interesse für Fragen der Wissenschaft, Politik und Huma¬
nität, jene warme Theilnahme und väterliche Fürsorge für die Seinigen,
jene Milde des Urtheils und Freundschaft, endlich jenen Trieb nach
Thätigkeit, wie sie in solchen Jahren so selten sind und alle zu¬
sammen genommen die Signatur seines Characters bildeten, ja! seine
Erscheinung, jene hohe, kräftige Gestalt, überragt von einem reich¬
geschmückten Silberhaupte, auf dessen wohlwollende Züge zuweilen der
Humor von ehedem zurückkehren zu wollen schien, dem Beschauer
gewiss ebenso unvergesslich machen, als Ehrraann’s Name und Ver¬
dienste in den Annalen der Wissenschaft fortleben und von seiner Vater¬
stadt Strassburg für alle Zeit gesegnet sein werden!
So viel von seinem Privatleben, dessen letzten Jahre durch verdoppelte
Sorgfalt und ausschliessliche Widmung einer, in der That exemplarischen
Kindesliebe seiner Tochter Amelie, „seiner treuen Antigone“ —
der hoch-klassische Ausdruck eines erkenntlichen Vatergcfühls! — und
ihres Gatten, der ihm den Sohn zu ersetzen redlichst bestrebt war,
getröstet, erhellt und erwärmt wurden. Sein Ende, in Folge eines apo-
plectischon Anfalles, den er einige Wochen vorher erlitten, war schmerz¬
los und friedlich: er entschlief in.den Armen seiner Kinder.
An Ehrmann’s Grabe trauert die Dankbarkeit von Hunderten,
welchen er Lehrer gewesen und Hort: trauert der pietätvolle Sinn zahl¬
loser Verehrer und Freunde; trauert die Bürgerschaft Strassburg’s, deren
.uneigennütziger Rathgeber, Arzt und (Beistand er ein Menschenalter
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hindurch gewesen; trauert die Wissenschaft, welcher sein Leben gewid¬
met und deren begeisterter Priester er war; trauert endlich das Vater¬
land, das in ihm einen seiner besten Söhne verlor!
Darum: „Friede über der Gruft dieses Ehrenmannes! und
seinem Andenken eine geheiligte Stätte!“
T&gesgeschichtiiche Notizen.
Berlin. Am 2. August d. J. Mittags 12 Uhr feierten die könig¬
lichen militairärztlichen Bildungsanstalten im grossen Hörsaale
des medicinisch-chinirgischen Friedrich-Wilhelms-Institute das Fest ihres
83jäbrigen Bestehens. Nach einem Gesänge der Studircnden: „Salvum
fac regem“ begrüsste der Subdirector der Anstalten, Herr Generalarzt
Dr. Schubert, im Aufträge des beurlaubten Generalstabsarztes der
Armee, Excellenz Dr. Grimm, die zahlreich anwesenden Gäste. In
dem festlich decorirten Saale prangte als eine neue, erst kürzlich an¬
gebrachte Zierde über der Rednerbühne das prachtvoll ausgefürtc Bild-
niss Sr. Majestät des Kaisers, welches derselbe, nachdem er von schwerem,
durch Frevlerhand bereiteten körperlichen Leiden glücklich genesen, den
Anstalten zum Geschenk gemacht hatte. Anknüpfend an diesen erneuten
Beweis königlicher Huld gab der Subdirector noch einmal dem Gefühl
des Dankes und der Freude über die glückliche Errettung des erhabenen
Herrschers aus Lebensgefahr beredten Ausdruck und schloss mit einem
dreifachen Hoch, in welches die Versammlung begeistert einstimmte.
Die darauf von einer unsichtbaren Capelle gespielte Nationalhymne hörte
die Versammlung stehend an. — Hieran schloss sich der Jahres¬
bericht des Subdirectors über das verflossene Studienjahr 1877/78,
welchem wir folgende Daten entnehmen. Die Zahl der Studirenden
betrug am Ende des vorigen Studienjahres 1876/77 163. Hierzu traten
als neu aufgenommen 51: es schieden aus nach beendetem Studium 25,
welche sämmtlich als Unterärzte in die Charite commandirt wurden, vor
beendetem Studium 6, durch den Tod 2 (darunter ein Charite-Unterarzt).
Demnach beträgt der jetzige Bestand an Studirenden 182. Neue
Anmeldungen sind für das nächste Semester bis jetzt eingegangen 76,
von denen jedoch nur ein Bruchtheil berücksichtigt werden kann. —
An Stabsärzten traten im verflossenen Jahre in die Armee zurück 8
und kamen neue hinzu 6. Im ganzen beträgt die Zahl derselben 25,
von denen 9 zur Charite commandirt sind. 2 Stabsärzte wurden mit
Unterstützungen versehen, um wissenschaftliche Reisen zu machen. —
Im Lehrkörper der Anstalten sind im Laufe des Jahres Veränderungen
eingetreten durch die kürzlich erfolgte Ernennung der Professoren
Geheimrath Dr. Leyden, Oberstabsarzt Dr. Fräntzel und Dr. Eich ler
(Botanik) zu ausserordentlichen Professoren der Acadcmic für das Mili¬
tair. Für den als Professor nach Göttingen berufenen Assistenten
Dr. J. Orth ertheilten den practisch-histologischen Unterricht die Herren
Dr. Jürgens und I)r. Sachs.
Den wissenschaftlichen Theil der Feier bildete ein Vortrag des
Studirenden Dr. Kirchner, über „die Entdeckung des Blutkreis¬
laufes“ (auch als Doctordissertation erschienen) und die Festrede des
Herrn Geheimrath l’rof. Dr. Leyden über „die Entwicklung des
medicinischen Studiums“. Diese letztere, für die Fragen des
medicinischen Unterrichts sehr beachtenswerthe Rede wird demnächst
im Buchhandel 1 ) zugänglich sein. Eine Vertheilung von Prämien an
4 Studirende bildete den Schluss der Feier. — Derselben hatten bei¬
gewohnt von Seiten des Cultus-Ministeriums der Herr Unter-Staatssecrctär
Dr. Sydow und der Geheime Regierungsrath Herr Dr. Goeppert, von
Seiten der Universität die Herren Geheimräthe Dr. E. du Bois-Reymond,
Dr. Bardeleben und Dr. Hirsch, sowie die Professoren Dr. Peters,
Dr. A. Orth u. a., ferner die beiden Directoren der Charitö, Herr
Generalarzt Dr. Mehl hausen und Herr Regierungsrath Dr. Spinola
und endlich zahlreiche Militairärzte der Garnison.
— In München ist am 24. Juli c. der Privatdocent der Chirurgie
Dr. Ludwig Mayer, Vorstand der chirurgischen Poliklinik, in seinem
39. Lebensjahre plötzlich gestorben.
— Der VI. deutsche Aerztetag in Eisenach ist durch den
Vorsitzenden Dr. Graf, Elberfeld, am 6. August er. eröffnet worden.
Nach Vorlage einer Reihe von Drucksachen, des Cassenberichts etc.,
wurde in die Tagesordnung eingetreten. Zu Punkt II derselben (Refe¬
rent Dr. Brauser) wurde die Erkläiung angenommen, dass die Begrün¬
dung von Unterstützungsvereinen für invalide Aerzte und für Hinter¬
bliebene von Aerzten am besten von den Local- oder Landes vereinen
geschieht. Punkt III der Tagesordnung. Leichenschaugesetz. Auf
Antrag des Referenten Dr. Guttstadt, wird folgende Resolution an¬
genommen: Der Aerztetag beschliesst anszusprechen, dass der vom
Kaiser!. Gesundheitsamt veröffentlichte Entwurf eines neuen Leichen¬
schaugesetzes unannehmbar ist, und erklärt, dass nur eine allgemeine
obligatorische und soviel als möglich von Aerzten ausgeführte Leichen¬
schau den Anforderungen entspricht, die die Gesundheitspflege an die
Gesetzgebung zu stellen verpflichtet ist. In Bezug auf Punkt IV der
Tagesordnung, die Impffrage, beschliesst der Aerztetag, eine Commission
von 5 Mitgliedern einzusetzen, welche durch die Mitwirkung der dem
Aerztevereinsbund angehörigen Vereine ausführliche Erhebungen bei-
bringen resp. Vorschläge machen soll. 71 Vertreter deutscher Aerzte-
vercinc, die eine Stimmzahl von 5940 vertreten, und welche 98 ärztlichen
Vereinen angehören, sind zum VI. deutschen Aerztetag erschienen,
ausserdem 20 Aerzte, die als Gäste und Zuhörer anwesend sind.
1) Verlag von Aug. Hirschwald, Berlin, Preis ca. 1 Mark.
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
486
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 32
— In Paris findet vom 12. bis 14. August auch ein internationaler
Congress für gerichtliche Medicin statt.
— Die 51. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte, welche
statutengemäss vom 18 bis 24.. September d. J. tagen sollte; muss
auf einstimmigen Beschluss der Geschäftsführer und des Central-Comit&’s
8 Tage früher, vom 11. bis 18. September, abgehalten werden, ohne
dass sonst an dem bereits veröffentlichten Programme etwas anderes,
als das Datum des betreffenden Wochentages geändert würde. Da in
Folge des Attentates auf den Kaiser die anfangs auf den Zeitraum vom
8. bis 14. September festgesetzten Kaisermanöver vor kurzem definitiv
gerade auf die Tage, in welchen die Naturforscher-Versammlung abge¬
halten werden sollte, gelegt sind, so befand sich die Geschäftsführung
vor der Alternative, entweder alle die Nachtheile und Schwierigkeiten,
welche die Verlegung der Versammlung mit sich bringt, auf sich zu
nehmen, oder den Verlauf der Versammlung selbst zu gefährden, da¬
durch, dass sie sich bei dem zu der Grösse der Stadt in keinem Ver¬
hältnisse steherden Andrang von Fremden, der bei diesem doppelten
Anlass voraussichtlich entstehen muss, der Mittel beraubte, die Natur¬
forscher und Aerzte genügend unterzubringen und zu versorgen. Unter
diesen Umständen glauben wir von zwei Uebeln das geringere zu wählen,
geben uns dabei jedoch der Hoffnung hin, dass diejenigen, welche die
Versammlung zu besuchen beabsichtigten, sich nicht durch die Noth-
wendigkeit einer Aenderung der vielleicht gemachten Reisedisposition
abschrecken lassen. Zu unserem grössten Bedauern müssen wir auch
noch diejenigen Vereine, welche Sitzungen sogleich vor oder nach der
Naturforscher-Versammlung abzuhalten vorhatten, bitten, auch ihrerseits
dieselben im Anschlüsse an jene zu verlegen. Wir benutzen schliesslich
diese Gelegenheit, um die im bereits mitgetheilten Programme noch
nicht angegebenen Themata der Redner in den öffentlichen Versamm¬
lungen zu vervollständigen. Es wird reden: Prof. Aeby aus Bern:
Ueber das Verhältniss der Mikrocephalie zum Atavismus; Prof. Klebs
aus P-ag: Ueber Cellularpathologie und Infectionskrankheiten; Prof.
Henke aus Tübingen: Ueber willkürliche und unwillkürliche Bewegung;
Prof. Fick aus Würzburg: Ueber Wärmeentwicklung im Muskel.
Cassel, Ende Juli 1878.
Die Geschäftsführer der 51. Versammlung deutscher Naturforscher u. Aerzte:
Dr. B. Stilling, Dr. E. Gerland,
Geheimer Sanitätsrath. Lehrer an der höheren Gewerbeschule.
VII. Amtliche Mittheilnugen.
Ferflonalla.
Auszeichnungen: Seine Majestät der König haben Allergnädigst ge¬
ruht, dem Kreis-Wundarzt Dr. Sigismund Adler zu Brieg und dem
Stadt- und Badearzt Dr. Ignatz Hirsch zu Teplitz den Character als
Sanitätsrath zu verleihen; sowie zu der von des Fürsten von Hohen-
zollern Königl. Hoheit beschlossenen Verleihung der goldenen Ehren¬
medaille des Fürstlich Hohenzollernschen Hausordens an den pensio-
nirten Oberarots - Wundarzt Dreher zu Krauchenwies Allerhöchst
Seine Genehmigung zu crtheilen.
Anstellungen: Der Arzt Dr. Carl Roller zu Trier ist zum Kreis-
Wundarzt des Landkreises Trier ernannt worden.
Niederlassungen: Die Aerzte Dr. Lipecki in Schoenlanke, Dr. Rud.
Alexander in Bublitz, Dr. Breitung, Unterarzt im Königs-Grena-
dicr-Regiment No. 7, in Liegnitz, Dr. Knappstein in Bonn als
Assistent bei der Kinderpoliklinik und der Zahnarzt Solf in Mühl¬
hausen.
Verzogen sind: Die Aerzte Dr. Buettner von Ratzebubr nach
Hohenleuben im Fürstenthum Reuss, Dr. Roth er von Conradswaldau
nach Falkenberg O./Schl., Dr. Schnabel von Münsterberg nach Kupp
Dr. Jacob Cohn von Breslau nach Liebau und Dr. Trompetter von
Bonn nach Breslau. Der Stabs- und Bataillons-Arzt Dr. A efner in Erfurt
ist als Ober-Stabsarzt versetzt worden und der Dr. med. Farne von
Stettin als Kreis-Wundarzt des Danziger Landkreises nach Danzig.
Apotheken-A ngelegenheiten: Der Apotheker Eugen Wetschky
hat die Apotheke seines Vaters in Gnadenfeld übernommen, der Apo¬
theker Lübeck hat die Lasch’sche Apotheke in Grossbodungen und
der Apotheker Hoffmann die Koch’sche Apotheke in Erfurt ge-
Inserate.
BekftnntnMhuH.
Im hiesigen städtischen Spitale „Mariabilf* sollen von nun an ex¬
terne Hülfsärzte' in unentgeldliehen Dienst zugelassen werden. Der
Zweck dieser Einrichtung ist, sowohl jüngeren Aerzten als auch solchen,
welche bereits in der Praxis stehen, Gelegenheit zur weitern Ausbildung
resp. zu Spezialbeobachtungen zu geben.
Die Bedingungen der Zulassung sind bei der Unterzeichneten Ver¬
waltung einzusehen oder von derselben gegen Erstattung der Copial-
kosten in Abschrift zu erhalten.
Aachen, den 1. August 1878.
_ . Aachener Amen-Verwaltung. _
Bekanntmaehang.
Die Stelle eines Knappscbaftsarztes bei unserem Lazareth zu Laura¬
hütte, mit welcher
a) für die Behandlung der Kranken im Lazareth ein Jahres-Gehalt
von 1800 Mark, sowie nach unserer Wahl freie Wohnung im Lazareth
oder 20% des vorbezeichneten Gehaltes als Wohnungsentschädigung und
freie Feuerung;
b) für die ärztliche Behandlung der Familienglieder unserer Vereins¬
genossen ein Jahres-Gehalt von 1350 Mark einschliesslich 150 Mark
F uhrkostenentschädigung,
verbunden ist, soll vom 1. November er. ab anderweitig besetzt werden.
Promovirte Aerzte im Lebensalter bis zu 40 Jahren werden ersucht,
ihre Bewerbungen um diese Stelle unter Beilegung ihrer Zeugnisse und
eines kurzen Lebenslaufes uns bis zum 1. September er. einzureichen.
TarMwIts, den 22. Juli 1878.
Der Voretand
_ de» ObertohleeUohen KnapptohafU-Vercln». _
In einer hiesigen Augenklinik ist iie zweite Assistentenstelle mög¬
lichst bald zu besetzen. Genauere ophthalmologische Kenntnisse sind
nicht durchaus nöthig. Darauf reflectirende junge Collegen werden ge¬
beten, ihre Adresse in der Hirschwald’schen Buchhandlung sub Ch. Y.
Z. 80 zu deponiren, worauf dann das Nähere besprochen werden kann.
Stellvertreter gesucht für Anfang September auf ca. 3 Monate,
ruhige Praxis nur in loco, Fixum Rm. 250 pro Monat. Offerten durch
die Expedition d. Bl. sub C. L. 78. _
Gesucht wird zur vertretungsweisen Uebemahme einer kleinen Land¬
praxis von Mitte Septbr. bis Mitte November ein approbirter Arzt Gef.
Off, snb N. J. 79 durch die Expedition dieses Blattes. _
Ein junger Arzt wird für die Zeit von Mitte Augast bis Ende Sep¬
tember als Stellvertreter gesucht. Kenntniss der polnischen Sprache
wäre erwünscht, sowie Angabe der Bedingungen.
Jakosch (Jakosc) Provinz Posen. _ Dr. Kihnt.
Ein junger approbirter Arzt wünscht eine Assistentenstelle an einer
Augenklinik oder einer chirurgischen Klinik sofort oder in kurzer Zeit
zu übernehmen. Gefall. Offert, mit Angabe der Bedingungen beförd.
d. Expedit, dieses Blattes unter V. 75. _
Ein junger Arzt, im Besitz der vorzüglichsten Zeugnisse sucht eine
Stelle als Arzt in einer Stadt Nord- oder Mitteldeutschlands. Die Ueber-
nähme derselben könnte im November d. J. erfolgen. Fixum erwünscht.
Gefl. Offerten unter M. T. 77 durch die Exped. d. Bl. _______
Ein Arzt,
34 Jahre alt, verheirathet, deutsch und polnisch sprechend, seit mehreren
Jahren dirigirender Arzt eines grosseren Hospitals (täglich bis 70 Kranke),
chirurgisch tüchtig, wünscht entweder in ähnlicher Stellung engagirt zu
werden oder sich an einem Ort mit lohnender Praxis niederzulassen.
Gefall. Offert, sub R. S. 71 durch die Exped. d . Bl. ______
Zu einem, Ende September beginnenden, practischen Cursus der
Electrotherapie für Aerzte nimmt Meldungen entgegen
Berlin W., Behrenstr. 5, I. Dr. ftaiak,
Privatdocent a. d. Universität.
kauft. Dem Apotheker Loewe ist an Stelle des Apothekers Lux die
Verwaltung der Krug’schen Apotheke zu Rosenberg O/Schl., dem
Apotheker Beusterien an Stelle des Apothekers Pohl die Verwal¬
tung der Filial-Apothcke zu Kontopp und dem Apotheker Pielki
an Stelle des Apothekers Beusterien die Verwaltung der Filial-
Apotheke in Rothwasser übertragen worden.
Todesfälle: Die Aerzte Dr. Scheffer in Kassel, Kreis-Wundarzt des
Stadtkreises Kassel, und Dr. Fritsch in Roessei, Kreis - Physikus
des Kreises Roessei. _
Bekanntmachung.
Die Kreiswundarztstelle des Stadtkreises Cassel ist durch den Tod
des bisherigen Inhabers erledigt. Qualificirte Medicinal-Personen, welche
sich um diese Stelle bewerben wollen, werden hierdurch aufgefordert,
ihre Gesuche, denen die nöthigen Zeugnisse und ein Lebenslauf beizu¬
fügen sind, binnen 6 Wochen bei uns einzureichen.
Cassel, den 27. Juli 187S.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
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Alkalische Therme, sehr reich an Kohlensäure, Specificum bei chro¬
nischen Katarrhen des Magens, Darmes und der Respirationsorgane, bei
Blasenleiden, Gries, Stein, Diabetes m., Gicht, Rheumatismus und Utenn-
leiden. Wird selbst bei Monate langem Trinken vortrefflich vertragen.
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dung. Näheres durch den angestelltcn Badearzt Hr. Dr. CS. Ultimi®
und durch den Director Hr. A. Lenne. __
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wird an der Quelle aus dem Original-Bitterwasser erzeugt und enthält
sämmtliche wirksamen Bestandtheile desselhen. Das Extract ist ein
weisses Pulver, das in jedem Getränk genommen werden kann. Be¬
sonders empfehle ns werth fürsQlche Kranke, die kein Bitter-
wasser vertragen, namentlich für Kinder. Sehr practisch auf Reisen,
des kleinen Volumens wegen. Preis einer Schachtel 50 Pf. Zu haben
in allen Apotheken und Mineralwasser-Handlungen. — Generalvertretung
für das Deutsche Reich R. N. Patrick« in Laipzip.
Digitized by UjOuöie
Original from
UNIVERSITY OF MICHIGAN
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J •> r<\ I1.V1. >i r, Uiid brü'-v.l U - h •■• !'•••. «■.. •
E. Stern,
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Pr»uict'U'Wi>iHU‘r iYliuerainioor uail i*f uor^tijhr.
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Iwulec H iiM*»‘*»Hva8i«ri’ ^» l > v d|3t* Jtra
t Kürg'VC'T ttirMitircip it
Pr« niHtiihkad,
In
■ S'-rk? vf>fi BföitkoiJf & Härtel ff* iCei^säg.
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lAP ^pfl/UHrf, .Ulf. A>JUtjaim, lllfli . \k Hier s.feyiAfe.S. U/> if.
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Crime« iddh i>.
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labcAlrmd wll Kfe«, H4b . Hu »in. I.ekeTUiran #lr,
Hovu-lkuixsab: i> i? Ivo i M. üo Vt
Kriselte Lymphe
dilti y :\rtl\ H d 1‘lrr k^r,Ij ii V ubri
Sä luiudichc 111‘iH‘re Ar/mciiitiHeL
Droguen &. Chpmicalferi
in grösster Reinheit zu Fabrikpreisen.
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ftcrltn S.. Chaiissfr-Slrasse Sf,
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(ui r4n.be njr ÖT.vc('■*' 10'riY'; .' if-hridh 1 VriptTi"
'!iT\hürff Plricurfii.^cs* Tiftd hr/sb'T <H i
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ba?Kf ;>fe> t-fÄHu - mk lr<-
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Kiptd, f\ Cc ’b, f.vfejr C Ei Iti Fr&ukiürt u. M
Die Castration der Frauen
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5$ der klinischen Wochenschrift beschriebene Tröicart-
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t * € Nät'h ejft\5Hi Denen pat^ttrten Verfahren bereifet, j
-StepKr I enthalt es rmlir Milch und mdir leicht verdauliche ?
Stärke und Dextrin, Ais uUe anderen KindermehlA 1
t*f - Wir criaubMi UDs dahc'r. dayM'lht den Herren Acrztcu
Auf das WätibfiTb zu ■ em’i.v^hlefi. da' keift anderes
Präparat, fli'c Mtifiertatfvh so voUstamli-; um) /.uelcißli so vor!heilhaft
ersf.dteo kann, wie »inFcr Fahrik/it. .ZiKrt üimfcn,«4!:t fan* 10,CH* „ Pf n teiltet*'
74° „. Kohlenhydrati.:, 2% Asche. Ve>k*uftptü ; f| chg i Dose Mp. K20.
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hiirriEct DMil Cl'oi. ß. Folfioami, uuifächlt iire Vir!}ittidat«j8'-B’atrik
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Vaeuo-m-P/äpaRite,.
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8u|ipn tu» S'iugTinif ur K>.fraotCniif.
Cxrr. malit'pli.äl'i.' fr'ermai}:), lichtgelb
\ijrd whhläcWtPkehd. Dricinalll.. wie bei t. ? s Nahriin^niittol a Mfd
netto 1 MC.
lair!>«*'« iWifflÄextrisct mit Elsen, extniefum roalti ferratüm
• Pli arm. tiennan. (Gebklt:. 2 pl't. ferrum pyrophosphuric. cum ammon.
(utrieo im Esslödoi 0.56.) Oir ix r i nal fl. a 3fH) t 0 1 Mk. 20 Ff.
Liehe*« lH«lfestrttC* mit Chinin und fiiien (Gehalt:
04 pCt, zwanzurprocciOi^ Chinineisensälz, im Em.sSöOoI (O.lll.) Ori-
-luatn a aooil l Mk. 25 Pr :
JjlfObe'ia Ml»Ij6t‘3ttra«!t mltKnlk (Gehalt: 1,2 pCt. Caloaria
k; r 4‘'i'lH>sphiuosu. fin Ksudi.iVci 0.30). Ori^inalfi. a 300,0 1 Mk. 2b Pf.
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Organ, für praktische Aerzte,
Mit Berücksichtigung der preiissischen Medkunalverwaltung und Medicinalgesetzgebung
; ; 'o , nacb amtlichen MitiMaagen.
Redacteur: Prof. Br. L. Waldraburg. Verlgg von August flirscbald ia Berlin.
Montag, den 19. August 1878. 0iß 33.
Inhalt: i SUroke: .Die Anwendung des ChloralhydraU per C)y*ma. — U, Spumer: Lieber die heutige und die frohere Steilüng der
Fs^bräfritr -'^^ütrtiattuedidin. — III. Kepplerv Die Öapbtimvr.Fgiftung^ und die Bedeutung *ic$; $^Mäav ids IdeAföb
Anästbet’cunis (FöftaetsüUg). — IV : . Meyer: Zur .Metailoscopiti. — V. Betrat (Wer«ich: KUiuscita DuterHatdi»ii\gen über die
Japanische Varietät den* Bcribcri-Krankheit). —•^ VI- V^hmidiungeir. tiretlichäE GescIlschafiUiö (Borluier .ntcdUeiiu*chc .
VII, Ff:m!)e«-.vi (Lebert: Die Curorte der Bivfem dt poiienm in feherapeuLisefieii Werthe in ‘Beäug auf Klungt'»legi«;. und Set»-
badi*r — 'Tagesgese.hioh11lebe .Notizen). — V'l 11. Amtlich*- .Mit-tbei Lumren..Jnserato.
jl ftie JUireadfaag des Chloralhydrats per ClysnM». j «chwäciw «me» sehr -hohen tW Kmieht'iwHe, .ei.s^ijto^ ich
Von '' oai'rh ttn.1 dJif> A!*vatbi»n l««fri-utnlet»;!‘»!oiia{:en Mt deiu 0^br?nii:lje;--;
.Obvrstai.isarsr irr. Storeke« des Chi^faUiydr'Ät«;:.' Dfrr kfriufee .tumnes gebot
Didier den chronic-dien Gebrauch des Ghiörathydrats sind ;• die grösste Vorsiebt* ieji selbst h^n«> die Furcbl \yegeu
die AieiTjungt^n der Fachgenosseu so sehr getheilt* dass ihk es tu Aussicht: -Hteh^nd^h rmf .s*im-r Appetits:
rar danken^werüi lullte, die Discussiun über d.eflHelbeo anzu- loT»gkt'it Uebcdke.it. etc. Um die fieiÄiiiiu; ^ler MaireuMdiloimbaUt
fegen. zotwal gerade, iü dieser Zeit iu Boglaod ein? Commissian ' zu vm'mddmw app!ieirte ich mir das.Mittel per rectum. Ich Ke-
niedergesetzt worden ist. ißii der Aufgabe, die Frage des nutzte eipe ^wohnlich»' Zun»xpv»Ue mW langem Arntitz. mit ekem
GTlörulkmus Im Gegeusaitz zum Morphirdsmm- zu *tudjren. Die Gehalt *on M Gramm, erwärmt»* Ali« b # „ wä^ri^e C’hl’»r:«.I-
Vonirtheile die hüiitigere Anwendung sind uamenUirb in Itydi'atlüsuuK bi< auf um sjeführ 'A~* h im<! mjit'irtA 4 davon Üigtiß
England ^ross, • Veranlasst durch die iibtlo Zufälle, die man b<v 10 Gramm und nach einer 1’anNe w« e'meT ViertfiUtuöilft wk*d«r
jwmderf» boi Trinkern b»:ob achtete. Von dort stammen ■ auch-die ; dieselbe Menge. *0 ■ dass i#di im, ganzen 1 Gramm <-Ji|oralbydrat
absdireckendftD ^chitderuiigen, die sieh in dem Worte ChlnraL a|Ipticirte. Ich nahm von einer Mischung mit ßin;^m schleim-
ra&h cnnc^hfrireti. ich.kann nicht längnen, dass ich st lbsi die haltigen Mittel Abstund, da ich miT nicht danken konnte, dass-
grösste Fnrcht vor dem häufiger». Gebrauche 'der %blsfmittb!-■; ehm r» Itösmug sehr irritirend wirke. Wenige AueenhiicK:'
hatte, gestützt auf die F'^hrmig: an eigfdier I y er$ofi, dä^,schon nach der püi fii.hr ung steIIte sich etA,vas ,prangehy Ieictite.r Ti-ifes-
nach kleiuen Mengen Morphium sich tiekm einer grossen all- mus* ein. ducli Mess er schon nach einigen Mumien nach,, tmi
gemeinen AbgeVfddagenheit eiö6 AhößLbme il^e JlaIvroDgstbedürf> .dein Gcfuhlo grossen alIgcin«fiü4n Behrigetis f e.grt^Hfe.r ißrieriieher
ui^sev för mehrere Tage oißstellte. f)i68 »^raßl^«te mich, den der Feberzengutjg der Sicheidmit >nr einer schlaf*
Gebrauch des Morphirims bei allen Kranken, deveri Ernährung be- lnstni;:Nägiiit'-.')’fatZ'. m 'maciiHi. 'Hatte ich früher immer •wmder •
sondert wichtig war, aüf das AUeruothvptuidigste Hnruschränkmi. AmdroufDifigtm machen müssen, um die Hfendett Gedanken ab-
■Demjzufolge übertrug ich tla$ Vorurthcd £«£«& Opiate auch auf zuwehnM*, >0 ^nhlbo »nich. jetzt nur die Uchenceuirung; dasn
das Ohl nralhydrat und, ich auch diy ün^chuldig* ‘ »ich ba}d ein stellen würde. • DhLsplbekAto^deil^
keit deß Mittels selbst' hei- .'gross^ici. ÜÄti : .-«i>n«fafi'ren tqu^te,' auch iföch kürzer■ Äfett.. ut»d währte traunvifixFttö^ß^rhirmhon
s*<t glaubte ich doch immer mit indi^idoollcn Begäbmigetj für f> Stunden. Meist kotinfe ich auch daim pm'.li
das Ertragen zu tbun zu haben. -Vurs erkrankte k-h selbst tm Kühe finden. —*' fß dio.-er W»?se habe ich mit? •währetut Ö Ma-
vorigen Jahre a?r. einem tdirnnisc-hen Mageneatarth mit yorwie- ; eato fast allabendlich Gyhraihydtal ängewendet. ^p dai'.s ic^i
gttnder Eiitwickiub$ vcm saurem Magwhinhalt Icdi magerte in dieser Zpit rt'D Gramm Mavrm verbrauchte. Die FMgFfi dieser
entsetzlicli abg verlor mehr und mehr An Korperkräfteu und ; Anwendung sind »uu die gewesen, das- ich last genau von
grgab mich der Annahme eines Magencarkmom» ; ln meinenfi : dem Tage an, wo Ich zuerst Chloraihydrat tiahm. wieder ge-
Leldcn bildete den grössten IVlxdstaud und das grösste Hindeiy t nas». .Gleich nach cloßi ersten Male erwachte - ich- Morgens seit:
üis3 der llt&my&U&mnz eine hartnäckige Sch Ia fl üsigkeit.; länget, lauge** Zeit mit dein. (VfuMe der Erijiiick«*ng. mit sehr
A ließ fl s von einer sch worou Müdigkeit ergritfeü. schlief ich sofort | lebhaftem N a b nt n g sh e d ü r f u iss ohne joden Kopfschmerz,
kim um schon wach moer halben, höchstens einer gaimm Stunde ; ohne Betäubung oder Äbges»ddag r c:nheit, uur mit dem Gefühle
vvied|jr tu Ich kattc danö da^ Ggftlhl tb*r eutsebie- der t>äukbarkeit ge^eu ein- Mitte!.. n'tirh^ mir eilt« s.o vor-
d^nsien c-chlakr.|üickuTig ohne jedes Br-dürfms.s eine- Wv-ih'rcn 1 tveiTlkhc, >e.k Jahren nicht erlebte N^eiii vto>chafir hatte.
Schlafes, Alle Mittel- denselben wieder herhcizDrufeo vmägteiu g Trotz der Wiederhol m»g kt die Wirkung inmior die, gle.i che giv
die im Laufe 4ö>: Tages vvrarheiteton Ideen drähglen -slcji wimlei ; nlio.ben* ja ich habe in der tmztcn Zmt stet - niu- dK Hfdftie
äuT auiieriL gö.^HHtor» wicb bim'u uihI verscheuchten jede Müilig- { der Dosis* das lickst <»/> Gramm (Mijoral nh.thig gebahf, mit
keit bis dmm eodüch. der aiibrechonde Morgen wlodär tmsw { gHchem Erfolge.
^fäudeti umiihig'mi .brächte.' Als die ailgemcihe Körper* 1 Me.lu Magu.itlel<Jen Ist* natüiiich nach unter AßWcndiaVg;
p| D^ai^kGo^ gle \ - un^RsIK'öFÄHLGAM '
Fünfzehnter Jahrgang.
490
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
anderer Mittel, dabei vollständig geheilt, meine Verdauung ist
eine durchaus normale geworden. An Körpergewicht habe ich
während der Zeit des Gebrauchs, 5 Monat, 30 Pfund zuge¬
nommen. Ganz besonders muss ich betonen, dass ich gegen¬
über den Opiaten, nichts verspüre, welches an den berüchtigten
Morphinismus erinnert. Ich habe auch keine Sucht nach
dem Mittel. Während der Gebrauchszeit legte ich mich jeden
Abend mit der Hoffnung nieder, der Schlaf werde bei der fort¬
schreitenden Besserung des ganzen Körpers spontan kommen.
Erst wenn ich mich immer wieder überzeugt hatte, dass eine
Schlaflosigkeit bevorstände, erst dann griff ich zu dem Mittel,
welches mir seine erprobte Hülfe dann auch nicht versagte.
Seit etwa einem Monat habe ich das Chloralhydrat auf meinem
Nachttische, als Regenschirm bei schönem Wetter, glücklicher¬
weise ohne dazu Zuflucht nehmen zu müssen. Zwischen dem
Gebrauch und dem Nichtgebrauch ist keine Periode der soge¬
nannten Abgewöhnung gewesen.
Die Application per rectum hat gewiss ihren besonderen
Vorzug bei Magenleiden, welche die reizende Einwirkung des
Mittels contraindiciren. Ich selbst versuchte zweimal Chloral¬
hydrat in Eigelb gerührt vom Magen aus wirken zu lassen, um den
G egensatz kennen zu lernen. Jedesmal erfolgte schon nach einigen
Minuten Erbrechen und vollständige Entleerung des Mageninhalts
ohne sonstige schlafmachende W'irkung. Das Ausbleiben aller Übeln
Nachwehen nach der Einführung als Clysma beruht gewiss zum
grossen Theile darauf, dass das Mittel in Action tritt, ohne vorher !
eine Zersetzung zu erleiden, wie dies bei dem Zusammentreffen j
mit den Agentien des Mageninhalts doch nicht ganz ausbleiben |
kann. Für uns in Berlin, wo wir an der Stelle der Chloralfabri- j
kation sind, brauche ich kaum darauf aufmerksam zu machen,
dass ein wohlthätiger Erfolg nur von einem ganz reinen Präparat
erwartet werden kann. Für die auswärtigen Collegen notire
ich, dass man die erwähnte Sicherheit erwarten kann, wenn |
das Chloral nach Liebreich’s Vorschrift umcrystallisirt war
durch Benzol, Petroleumäther etc. Hierauf hin sind etwaige
Bezugsquellen genau zu controliren. Die Unannehmlichkeiten
der Applioation.swei.se selbst bestehen zum grössten Theil in
der Einbildung. Das der Injection folgende Brennen im Mast¬
darm lässt sich wesentlich mildern durch gutes Einölen des
Spritzenansatzes. Das Gefühl entsteht im Bereiche der Sphinc-
teren und muss man die Berührung derselben mit dem Mittel
möglichst verhüten dadurch, dass man den Ansatz sicher über
dieselben hinausbringt und die Einspritzung nur in die geräu¬
mige Ampulla recti erfolgen lässt. Macht man sich selbst die
Injection, so kann man das Ablaufen nach dem oberen Theil
des Rectum dadurch sichern, dass man Bauch- oder Knieellen¬
bogenlage einnimmt. Im ganzen aber ist das drängende Gefühl
so wenig mächtig, dass auch willensschwache Personen dasselbe
leicht bekämpfen können; wesentlich ist nur, dass die Lösung
einmal vollkommen ist, andererseits dass die Erwärmung die
richtige, d. h. bis zur Körpertemperatur erfolgt ist. Unter
diesen Voraussetzungen möchte ich glauben, dass die meisten
Kranken diese Anwendungsweise vorziehen werden gegenüber
der Geschmacksbeeinträchtigung, wenn man Chloralhydrat durch
den Mund zur Wirkung kommen lässt. Auch ist wohl nicht
ausser Acht zu lassen, die geringe Dosis, welche bei dieser
Anwendungsweise erforderlich, und der es wesentlich zu ver¬
danken ist, dass die Wirkung ebenso angenehm wie dauernd
ungefährlich geschieht.
Ich habe, seitdem ich die Beobachtung an mir selbst durch
so lange Zeit controlliren konnte, die rectale Verordnung des
Chloralhydrat nicht nur mehrfach an Patienten mit Schlaf¬
losigkeit geprüft, sondern auch Collegen veranlasst, diese Me¬
No. 33
thode ausführen zu lassen. Jedesmal habe ich nur zustimmende
Erfolge rühmen hören.
Bei der zunehmenden Furcht vor den subeutanen Injectionen
des Morphiums wird das Chloralhydrat immer mehr die allge¬
meine Aufmerksamkeit auf sich ziehen, und namentlich den
zahllosen alten Leuten, deren Klagen über Schlaflosigkeit ihren
Arzt am meisten ermüdet, den gewünschten Erfolg bringen,
vorausgesetzt, dass sie sich entschliessen, die geringe Dosis von
1 'Gramm nicht zu überschreiten. Ich möchte glauben, dass
diese Menge nicht andere Nachtheile haben kann, wie die Ver¬
ordnung eines Glases starken Weins, dessen Alkoholgehalt wohl
von niemand gefürchtet wird. Jedenfalls kann ich versichern,
dass sowohl bei mir selbst als bei den Personen, die sich auf
meinen Rath in dieser Weise ihrer Schlaflosigkeit erwehrten,
keine Beeinträchtigung weder des Nervensystems, noch der
Verdauung gezeigt hat, selbst bei durch Monate lang fortge¬
setztem Gebrauch.
II. lieber die heutige und die frühere Stellung der
Psychiatrie zur Gesammtmediciu.
(Vortrag, gehalten in dem Giessener ärztl. Vereiue.)
Von
Dr. C. Spanier, Docont a. d. Universität.
Wenn man das Familienleben betrachtet, welches Hygieia
mit ihren, bekanntlich sehr zahlreichen Töchtern, Speciahvissen-
scliaften genannt, führt, so kann man der erhabenen Mutter
schon nach flüchtigem Blick den Vorwurf einer sehr offenkun¬
digen Parteilichkeit nicht ersparen. Während sie die älteren
Töchter der grossen Welt fortwährend vorführt, und sie ihr als
die vortrefflichen und unentbehrlichen preist, lässt sie die jünge¬
ren, wenn auch längst vollkommen erwachsenen, im Küchen-
gewände zu Hause sitzen, und wird erst durch heftiges und
langjähriges Drängen derselben bewogen, sie — und zwar zu¬
nächst gewöhnlich im bescheidensten Gewände — auch in die
grosse Welt einzuführen. Das gilt, wie gesagt, nicht von
noch unerwachsenen, noch von zwerghaften Töchtern, sondern
von wohlausgebildeteu, welche in dem grossen mütterlichen
Haushalte sich längst unentbehrlich gemacht haben. Man muss
heute besonders auf 2 hinweisen: 1) die Hygieine im engeren
Sinne und 2) die Psychiatrie, ich möchte hier nur auf Leistung
und Stellung der letzteren in der Medicin mit ein paar Worten
näher eingehen.
Dass die Kenntniss der krankhaften Seelenerscheinungen
heute noch von dem Arzte nicht verlangt wird, ja dass zu ihrer
Erwerbung an manchen Universitäten noch gar keine Gelegen¬
heit geboten ist, dies Factum wird — das kann man wohl mit
grösster Wahrscheinlichkeit heute sagen — in 50 Jahren den
dann vorhandenen Collegen kaum noch verständlich sein. Mau
wird dann als Erklärung dafür nicht mehr die heute wohl noch
öfter gehörten Gründe gelten lassen, dass die psychischen Er¬
krankungen einmal relativ seltene seien, und dass die Fälle
weiterhin doch alle gleich in Anstalten, in specialistische Be¬
handlung, verbracht werden müssten. Diese Gründe haben nur
solange einen Schein von Znreichendheit, als man unter „Geistes¬
krankheiten“ nur die aller ausgesprochensten' Formen psychi¬
scher Abnormitäten versteht, als man die Tausende von Fällen
chronischer Störungen, die ohne stürmische Erscheinungen ver¬
laufen, so dass deren Träger eben noch in der Welt zurecht¬
kommen können (freilich nicht ohne eine grosse Plage ihrer
nächsten Umgebung und oft auch ihrer weiteren, besonders ihrer
Aerzte, zu sein), als man diese ausser Auge lässt, und als man
ferner keinen Werth auf die Berücksichtigung (bezw. Erkennung)
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UNIVERSETY OF MICHIGAN
19. August 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
491
der Prodromal- und Initial-Symptome der „Geisteskrankheiten”
(d. h. der stürmischer verlaufenden Störungen) legt. In Bezug
auf letzteren Punkt muss man ganz besonders der progressiven
Paralyse gedenken, welche so oft unter unscheinbaren Sym¬
ptomen hereinbricht. Lassen wir die Streitfrage ganz bei Seite,
ob da, wo die unzweideutigen Erscheinungen der allgemeinen
Paralyse vorhanden sind, das ärztliche Handeln noch nennens-
werthen Einfluss auf den Kranheitsverlauf üben könne, nehmen
wir an, es sei dies absolut gar nicht der Fall, selbst schon zur
Zeit der frühesten, noch sehr vieldeutigen Symptome, so blieb
dennoch die Wichtigkeit frühester (Wahrscheinlichkeits- wie
Sicherheits-) Diagnose eine eminente. Es ist dann oft genug
ohne frühzeitige Erkennung der Gefahr unmöglich, die Ange¬
hörigen vor vielen und heftigen Aufregungen zu schützen, und
den Kranken und sie vor Vermögensverlusten, welche die oft
sehr früh auftretende Projectenmacherei und Grossthuerei leider
häufig hervorruft. Zudem dürfte aber sich wohl schwerlich
jemand getrauen, die Möglichkeit in Abrede zu stellen, dass in
den Fällen, wo die Erschöpfungserscheinungen des centralen
Nervensystems — die wir in der allgemeinen Paralyse vor uns
haben — nicht als Folge consumirender Vergnügungen, sondern
als Folge aufreibender Arbeit anzusehen sind, dass in solchen
Fällen eine durch den energischen Hinweis auf die drohende
Gefahr durchgesetzte Aenderung der aufreibenden Lebensweise,
oder ein zeitweiliges Aufgeben derselben, im Stande sein könne,
den Eintritt der Consumtionserscheinungen überhaupt hintan¬
zuhalten. Freilich muss dann die Massregel auf jeden Fall zur
Zeit der ersten ungewohnten Kopfschmerzen, der beginnenden
Schlaflosigkeit, der erhöhten sensitiven und psychischen Reiz¬
barkeit, der ungewöhnlich leichten psychischen und somatischen
Ermüdung etc. getroffen werden.
Muss man es in verschiedener Rücksicht bedauerlich finden,
dass das Studium der sog. seelischen Erscheinungen (der phy¬
siologischen wie pathologischen) heutzutage unter den übrigen
medieinischen Disciplinen noch nicht die Stellung einnimmt,
welche seine, practische Wichtigkeit — und, fügen wir gleich
hinzu, die Rangstufe dieser Erscheinungen, der höchsten zweifel¬
los unter allen vitalen Phänomenen — erheischt, so kann man
doch auch nicht umhin, gleich zuzugestehen, dass die Psychiatrie
selbst an diesem Verhältnisse ganz wesentlich die Schuld trägt,
allerdings nicht die heutige, aber die frühere.
Woxin liegt diese Schuld? Darin, dass sich die Psychiatrie
selbst geflissentlich bis vor kaum 3 Jahrzehnten von der
übrigen medieinischen Welt abschloss. Man hat damals — wie
es so oft im Leben und in der Wissenschaft geht — Nütz¬
liches und Nothwendiges übertrieben und verallgemeinert. Eine
gewisse, sogar bedeutende, äussere Verschiedenheit von den
übrigen Krankenanstalten und eine gewisse Abschliessung der
meisten Insassen von der Aussenwelt sind für alle Zeit gebotene
Dinge, diese Erfordernisse bedingen, bezw. rechtfertigen, aber
keineswegs die gänzliche Isolirung der Anstalten, wie sie früher
fast allgemein angestrebt wurde, die Absperrung derselben sogar
gegen die medicinische Welt. Aus gefängnissartigen Anfängen
entstanden, bildete sich in manchen Anstalten hinter den hohen
Mauern ein ganz eigenthümlicher Kastengeist, eine geistige Iso¬
lirung des Specialfaches von der übrigen Medicin, ein ver¬
knöcherter Schematismus, welcher in den Rahmen der klinischen
Medicin, auch wenn er hineingestrebt hätte, nicht gepasst haben
würde. — Wenngleich durchaus nicht behauptet werden soll,
dass Griesinger der erste gewesen, der diese Richtung ver¬
worfen und die klinische auch für dieses Fach angestrebt habe
(als er in Folge seiner Berufung nach Berlin zum zweiten male
Psychiater geworden war), so gebührt ihm doch das Verdienst,
durch sein allerdings zuweilen sehr hitziges Eifern gegen „Irren¬
hausverwalterei „ die Nothwendigkeit klinischer Betrachtungs¬
und Behandlungsweise der Geisteskranken allgemein fühlbar
gemacht zu haben. Es lebt seitdem diese Erkenntniss in den
weitesten Kreisen, es liegt wohl in der menschlichen Natur,
dass wohl auch einmal das andere Extrem nicht ausgeblieben
ist, die „gouvernementale” — s. v. v. — Kenntniss oder Be¬
fähigung für gar nichts zu achten. Was mich betrifft, so ge¬
stehe ich offen, dass wenn mir die Wahl würde, als Kranker
oder selbst als Arzt, in der Anstalt eines gewissenhaften und
humanen „Irrenhausverwalters”, d. h. ohne klinische Methode
verfahrenden ärztlichen Directors, zu leben, oder in der Anstalt
eines klinisch oder experimentell physiologisch erfahrenen Diri¬
genten, welcher sich aber um die Regulirung der Lebensweise
der Kranken, um Diät etc., um die Erhaltung des richtigen
Tones in der Anstalt, um die Zucht des Dienstpersonales u. dgl.
nur wenig bekümmert, diese Dinge als seiner Sorge nicht würdig
betrachtet — dass ich dann erstere weit vorziehen würde, so
wenig ich auch das Wirken des Ersteren für ein vollkommenes,
ganz tadelfreies halte.
Der grösste Fehler jenes alten Abschliessungs-Systems lag
in seiner Loslösung auch von der Neuropathologie. Es war
hiermit bei weitem die wichtigste Quelle des Fortschrittes der
Disciplin verstopft. Von vornherein ist es anzunehmen, dass
Hirnkranke mit vorwiegend psychischen Krankheitserscheinungen
— wie wir das Wort „Geisteskranke” definiren müssen — häufig
auch in anderen als den rein psychischen Hirntheilen, in dem
centralen Verlaufe oder den Zellencentren peripherer Nerven,
Störungen haben werden, Störungen, die wir dann an den peri¬
pheren Endausbreitungen dieser Nerven werden beobachten
können. In der That ist das der Fall, Geisteskranke bieten
ein reiches Material von sog. Nervensymptomen. Während
diese nun die frühere Psychiatrie — wenigstens eine grosse
Zahl ihrer Vertreter — in verwerflichem Dünkel (der allerdings
durch die damals auch niederere Entwicklungsstufe der Neuro¬
logie einigermassen entschuldigt wird) als ganz nebensächliche
Erscheinungen zum grössten Theile links liegen liess, betrachtet
sie die heutige Psychiatrie allgemein nicht nur als wissen¬
schaftlich interessante Erscheinungen, sondern benutzt sie auch
als wichtige Merkmale zur Erkennung von Ausbreitung, In¬
tensität und Prognose des Krankheitsprocesses. Ich erinnere
nur an die begleitenden choreatischen Erscheinungen, an die
Facialis-Paralysen und Paresen, an die Pupillen-Differenzen, die
Beschaffenheit des Augenhintergrundes u. s. w. — In dieser
Beobachtungsrichtung viel geleistet und sie zu allgemeiner An¬
erkennung gebracht zu haben, bleibt ein unbestreitbares Ver¬
dienst Griesinger’s, der auch — meines Wissens zuerst in
Deutschland — in seiner äusseren Stellung die Verbindung der
Neurologie mit der Psychiatrie repräsentirte.
Wie nahe liegend und nothwendig diese Verbindung ist,
das sieht man noch weit mehr in der Privat- als in der Anstalts¬
praxis. Während in die Irrenanstalten fast ausschliesslich
Krankheitsfälle kommen, bei denen die psychischen Kraukheits-
erscheinungen die Erscheinungen von Seiten der übrigen Theile
des Nervensystems weit überwiegen, begegnen uns in der Privat¬
praxis auch nicht ganz wenige, wo das Verhältniss ein umge¬
kehrtes ist, wo mässige krankhafte psychische Erscheinungen
eine untergeordnete Rolle spielen gegenüber den Nervenerschei¬
nungen (den Krämpfen, Lähmungen etc.). Das Werthverhältniss
beider zu einander kommt in allen möglichen Abstufungen vor,
bis zu einer Mitte hin, wo sie sich ungefähr die Wage halten,
wo man kaum weiss, welche Symptome man als die hervor¬
stehendsten bezeichnen soll. Letzteres ist freilich immer nur
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
492
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 33
kurze Zeit der Fall, in einem gewissen Stadium der Krankheit, ,
während im weiteren Verlaufe die einen oder die anderen wohl
immer zur Prävalenz kommen. Die zuletzt überwiegenden Er- j
scheinungen sind zuweilen auch die erst später aufgetretenen !
oder weniger entwickelten gewesen. Dadurch kommt es, dass |
manche Hirntumoren in früheren Stadien in Irrenanstalten ge¬
schickt werden, und umgekehrt, dass eine Menge von Paraly- 1
tikern wegen der anfänglichen Kopfschmerzen, Schlaflosigkeiten,
„Rheumatismen“, Paresen u. s. w. in die Behandlung von Elec-
trotherapeuten, von Kaltwasseranstalten oder anf Nervenabthei-
lungen kommt. |
Ich glaube, es erhellt schon ans den wenigen angeführten
Beispielen, dass es eine recht gründliche, wissenschaftliche,
klinische Psychiatrie ohne eingehende neurologische Beobach¬
tungen nicht giebt, dass eine solche ein unvollkommnes, seiner
natürlichen Basis entrücktes, des Fortschrittes nur wenig fähiges i
Sonderwesen in der Medicin darstellen muss. Wenn man dies j
anerkennt, braucht man noch lange nicht in das andere Extrem .
zu verfallen, in dem, was man gewöhnlich Neurologie nennt, die |
Psychiatrie sich schlechtweg inbegriffen zu denken. Die psychi- I
sehen Erscheinungen, die physiologischen sowohl wie die patho- j
logischen, bieten so viel Apartes, in so wesentlichen Punkten von
den üntersuchungsgegenständen und den Untersuchungsmethoden
der übrigen Physiologie verschiedenes dar, dass der Zeitpunkt j
noch nicht abzusehen ist, wo die physiologischen Seeleuerschei-
nungen in Verbindung mit der Experimentalphysiologie, die
pathologischen in Verbindung mit der inneren Klinik vorgetragen j
werden könnten — abgesehen davon, dass, wenn dies aus inneren j
Gründen möglich wäre, die Ausdehnung der 3 genannten Fächer
es immer verhindern müsste.
Ein Vorwurf, welcher der früher herrschenden psychiatrischen
Methode ausser deu erwähnten wohl noch zu machen ist, (der
übrigens, wie alle andern erwähnten Einzelpunkte den Mangel
klinischer Methode nur näher illustrirt), ist der, dass man viel¬
fach ein gründliches Studium der physiologischen Seelenerschei¬
nungen dem der pathologischen vorauszuschicken nicht für notli-
wendig fand, dass man Studium, wie Beschreibung und Vor¬
trag. jener weil es seit vorphysiologischer Zeit so hergebracht
war, mehr weniger vollständig den Philosophen überliess. Jenes
wird heute wohl niemand mehr gut heissen, auch der merk¬
würdige Dualismus, dass die physiologischen Seelenerscheinungen
fast nur von Nichtärzteu, die pathologischen nur von Aerzten
beschrieben werden (zur Entscheidung der Frage, ob in einem
concreten Falle der eine oder der andere Zustand vorliege,
indess doch in allen Culturstaaten nur letztere als competent
gelten), wird wohl nicht allzulange mehr dauern.
An die Erwähnung dieses merkwürdigen Dualismus knüpft
sich noch eine letzte Bemerkung über eine in der Wissenschaft
wohl überwundene Ansicht, die aber in den Köpfen vieler Laien
noch ihr, leider in mancher Beziehung gemeingefährliches Wesen
treibt. Ich meine die Vorstellung, das sonderbare Dogma, dass
es zwischen „geistesgesuudem“ und „geisteskrankem“ Zustande
eine ganz scharfe Grenze gebe. Den ersteren betrachtete ja
eben der Philosoph, den zweiten der Arzt! Die Annahme ist
aber absolut unhaltbar. Gilt es schon bezüglich der Zustände
in den übrigen Körperorganen, dass es eine ganz scharfe Grenze
zwischen „gesunden“ und „krankhaften“ Erscheinungen nicht
giebt, ja selbst nicht die Möglichkeit giebt, scharf zu definiren, .
was man unter dem einen und unter dem andern zu verstehen J
habe, so ist dies noch ungleich mehr bei den noch viel com-
plicirteren, und innerhalb der alltäglichen Breite ganz unver-
hältnissmässig mannigfaltigeren, psychischen Zuständen der Fall.
Sind die „Schrullen“, die „Sonderbarkeiten“, die „Idiosyncra-
sien“, welche von so vielen grossen Männern bekannt geworden
sind, keine Abnormitäten? Stechen sie nicht wie schwarze
Punkte grell ab von dem glänzenden Boden ihrer sonstigen
intellectuellen Organisation? Oder wo beginnen Schrullen „pa¬
thologisch“ zu werden? Etwa erst da, wo uns practische
Gründe nöthigen, einen Strich zu ziehen und zu sagen: jenseits
desselben beginnt die „Unzurechnungsfähigkeit“, die Straflosig¬
keit vor Gericht? Wie oft erweist es sich nur als ein Zufall,
dass solche höheren Grade von „Sonderbarkeiten“ zur foren-
sichen Begutachtung kommen! Schlecht situirte Individuen der¬
art können nämlich im bürgerlichen Leben nicht fortkommen,
müssen in Anstalten verbracht werden, während gleich „sonder¬
bare", die mit Reichthum oder mit aufopfernder Verwandtschaft
gesegnet sind, ganz gut so existiren können. — Wo ferner,
frage ich, beginnt die psychische Reizbarkeit „krankhaft“ zu
sein? Wie viele Personen des alltäglichen Lebens verbittern
sich und ihrer Umgebung durch solche ewig gereizte Stimmung
das Leben, ohne dies, für jedes dritte klar auf der Hand lie¬
gende Factum einsehen zu können? Ja, findet man nicht auch
solche, die es einsehen, und doch trotz der besseren Einsicht
und entsprechender Willensanstrengung, jene Gereiztheit nicht
zu unterdrücken vermögen? Ist das normal? Das wird wohl
niemand sagen, aber wie viele von denen, welche diese Frage
verneint haben, geben nun auch zu, dass hier ein krankhafter
Zustand des Geistes vorliege? Und warum sträubt sich die
Mehrzahl? Nur weil sie einmal sich gewöhnt hat die Worte
„geisteskrank“ und gerichtlich „unzurechnungsfähig“ für iden¬
tisch zu nehmen.
Ich muss mich hier damit begnügen, die Ausführung all
dieser Fragen nur anzudeuten. Das Gesagte genügt aber wohl
schon zum Beweise, dass man nach dem heutigen Stande psycho¬
logisch-psychiatrischer Anschauung eine scharfe Grenze zwischen
„geisteskrank“ und „geistesgesund“, zwischen „zurechnungs¬
fähig“ und „unzurechnungsfähig“, zwischen „bewusst“ und „un¬
bewusst“ etc. nicht annehmen kann, dass es, neben den Zu¬
ständen, die unzweifelhaft hüben oder drüben eiuzureiheu sind,
auch solche giebt, welche der Grenzlinie sehr nahe stehen, sie
nur wenig nach der einen oder anderen Beite hin überschritten
haben; ferner dass diese Grenzlinie keine mathematische ist,
sondern bis zu einem gewissen Grade dem Gutdünken des
einzelnen anheimgegeben. Es ist ja allgemein bekannt, dass
die Urtheile selbst der bedeutendsten Autoritäten über concrete
Fälle von einander abwichen, dass von der einen Seite Zu¬
rechnungsfähigkeit angenommen, von der anderen sie bestritten
wurde. Dies Factum begreift sich eben nur, wenn man erwägt,
dass es sich bei diesen Entscheidungen im Grunde nicht um
ein entweder oder, sondern um ein mehr oder weniger handelt,
und weiterhin, dass man auch sehr „sonderbare“, „unbegreif¬
liche“ Züge in unzweifelhaft zurechnungsfähigen, selbst hervor¬
ragenden, Psychen findet.
Ich schliesse, meine Herren, mit der Versicherung, dass
ich mir bewusst bin, Ihnen nur einen Hinweis auf die berührten
Fragen haben geben zu können, auf Fragen übrigens, die,
zweifellos ebenso wissenschaftlich interessant als practisch wich¬
tig für das ganze bürgerliche Leben, dennoch aus äusseren
Gründen in der medicinischen Tagesliteratur nur seltener be¬
handelt zu werden pflegen.
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
19. August 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
493
III. Die aeate Sapoiinvergiftnag, and die Bedeatang
des Saponins, als localen Anästhetieans,
durch das physiologische Experiment an sich selber untersucht
von
Dr. Fr. Keppler.
(Fortsetzung.)
II.
Erster Beobachtungstag. Mittags 12 Uhr. Schon
während der Injection entsteht um die Einspritzungsstelle ein
fast unerträglicher, brennender Schmerz, welcher kaum die Be¬
endigung der, mit möglichster Schnelligkeit ausgeführten, Ope¬
ration gestattet; gleichzeitig mit der Vollendung derselben tritt
Todtenblässe des Gesichts, kalter Schweiss auf der Stirne,
Schwindel und Verlust des Bewusstseins auf die Dauer von
2 Minuten 75 Secunden ein. Sofort nach ausgeführter Injection
bildet sich im Umfange von 5 Ctm. um die Injectionsstelle
unter lebhaftem Brennen intensive Röthe der Haut. Nach 5 Mi¬
nuten lässt der Schmerz an Intensität allmälig nach, ohne zu
verschwinden, die geröthete Stelle ist gegen die leiseste Be¬
rührung sehr empfindlich und reagirt gegen Druck sehr schmerz¬
haft; der Schmerz vermindert sich, je weiter der angebrachte
Druck von der Einspritzungsstelle sich entfernt; er ist besonders
heftig unter der sich schnell bildenden und bald bläulich fär¬
benden, in der Mitte einsinkenden, 3 Ctm. langen, 1 Ctm. breiten,
von dem Einstichspunkte ausgehenden, der Stromrichtung der
Einspritzung entsprechenden, Blase.
10 Minuten nach der Einspritzung: Puls 75, voll,
viel weicher, als vor derselben, regelmässig. Temperatur 36,2 C.
Ein 2 Mmtr. tiefer Einstich mit einer dicken englischen
Nähnadel
1) 2 Ctm. über J
2) 2 „ unter > der Injectionsstelle
3) 2 „ links von J
gemacht, erregt heftige Schmerzen, worauf sich augenblicklich
die Schmerzen um die Injectionsstelle selbst ausserordentlich
steigern.
10 Ctm. von der Injectionsstelle entfernt, in noch nicht
gerötheter Haut, schmerzt ein gleichfalls 2 Mmtr. tiefer Ein¬
stich, immer mit Nadeln von gleicher Grösse ausgeführt, kaum,
während 15 Minuten nach der Einspritzung 5 Mmtr. tiefe
Einstiche innerhalb der erwähnten Blase nicht im geringsten
mehr schmerzen, wohl aber als Tastempfindungen gefühlt werden;
dagegen dauert das schmerzhafte Brennen an der gerötheten
und sich unter den Augen vergrössernden, den Einspritzungs¬
punkt umgebenden Stelle fort und steigert sich durch jede,
selbst die leiseste, Berührung mit der Hand bis zum unerträg¬
lichen.
16 Minuten nach der Einspritzung wird innerhalb
der Blase die Nadel 1 Ctm. tief eingestochen, was keinerlei
Schmerz, kaum eine Tastempfindung auslöst; wird sie 2 Mmtr.
tiefer eingestochen, so entsteht heftiger Schmerz, der augen¬
blicklich nach dem Ausziehen der Nadel aufhört. Ein 2 Mi¬
nuten später angestellter Versuch hat den nämlichen Erfolg.
Die Nadel kann innerhalb der Blase 1 Ctm. tief eingestochen
werden, ohne irgend einen Schmerz, dieses Mal selbst ohne
eine Tastempfindung auszulösen; wird sie aber 2 Mmtr. tiefer
vorgeschoben, so stellt sich sofort heftiger Schmerz ein. Dabei
dauert das Brennen an der Injectionsstelle unausgesetzt fort
und steigert sich augenblicklich nach leisem Druck oder Be¬
rührung.
30 Minuten nach der Injection wurden drei weitere
Einstiche gemacht, je 5 Ctm. von der Injectionsstelle entfernt;
sie machen augenblicklich lebhaften Schmerz und steigern sofort
das immer vorhandene Brennen um die Injectionsstelle auf das
hochgradigste.
Ein nach 40 Minuten hart neben der Injectionsstelle ge¬
machter Einstich innerhalb der Blase macht jetzt ungemein
heftige Schmerzen.
Der Puls zeigt zur gleichen Zeit 70 Schläge in der Mi¬
nute, ist voll, gespannt, regelmässig; Temperatur 36,8 C.
2 Stunden nach der Einspritzung hat«sich in der Umge¬
bung der Injectionsstelle eine runde, harte, tief ins Unterhautge¬
webe sich erstreckende Geschwulst gebildet, die einen Durch¬
messer von 9 Ctm. hat. Die Injeetionsstelle selbst liegt dem hinte¬
ren Rande der Anschwellung näher, die Ausbreitung der Geschwulst
entspricht genau der Stromrichtung der injicirten Lösung. Die
Haut über der Geschwulst ist glänzend roth und prall ge¬
spannt, fühlt sich sehr heiss an und erweist sich bedeutend
schmerzhaft; die Schmerzen steigern sich bei der leisesten Be¬
rührung. In der Mitte der Geschwulst, der oben erwähnten
Blase entsprechend, befindet sich eine dunklere, blaurothe, ein¬
gesunkene Stelle. Aus den Nadelstichcanälen sickert dünnes,
spärliches, blassgelbliches Serum.
Einstiche von 5 Mmtr. Tiefe machen die heftigsten Schmerzen
! sowohl an der centralen, der Blase entsprechenden Stelle, wie
! an der Peripherie der Geschwulst.
j Der sehr volle und gespannte, aber regelmässige Puls er-
giebt jetzt 100 Schläge; Temperatur 38,5 C. Massiger, kühler
Schweiss am ganzen Körper.
7 Stunden nach der Injection, Abends 7 Uhr: Puls 100,
voll, gespannt, regelmässig. Temperatur 38,2.
Das Gesicht ist geröthet, Kopf und Augen schmerzen. Die
Schmerzen an der Injectionsstelle sind heftig. Gehen ist möglich,
ohne die Schmerzen besonders zu steigern. Appetit ist nicht
wesentlich gestört, und Durst nicht vermehrt.
Abends 9 Uhr: Die Schmerzen an der Injectionsstelle
steigern sich; das Gehen wird immer mehr erschwert, dabei
treten Schmerzen im linken Hüft- und Kniegelenke auf. Kopf
und Hände sind sehr heiss, heftige Stirn- und Augenschmerzen
brechen aus, die sich von Minute zu Minute steigern und auf
der linken Seite bedeutend bemerklicher machen, als auf der
rechten. Allgemeine Abgeschlagenheit, fortwährendes Frösteln,
von Zeit zu Zeit zu leichten Schüttelfrösten sich steigernd.
Puls 100, voll, stark gespannt, regelmässig. Temperatur 37,8 C.
Spärliche Ausscheidung normalen Urins.
10 Uhr Nachts: Geringfügige, breiige Stuhlentleerung;
Urin deutlich vermindert, ohne eine qualitative Veränderung
| zu zeigen.
I 12 Uhr Nachts: Puls 100, weniger voll, weich, regel¬
mässig. Temperatur 37,8 C.
Die Schmerzen in der stetig wachsenden Geschwulst, die
sich brennend heiss anfühlt, steigern sich fortwährend, insbe¬
sondere an der Injectionsstelle und werden bei der leisesten
Berührung geradezu unerträglich; die ganze linke Extremität
wird schwerer; das Gehen ist in Folge der Schmerzen unmög¬
lich, besonders schmerzhaft aber ist das Erheben aus sitzender
Stellung; die Schmerzen in Kopf und Augen nehmen fortwährend
zu und sind jetzt deutlich auf die linke Seite beschränkt; zu¬
gleich tritt schmerzhafte Empfindlichkeit der Augen gegen Licht¬
eindrücke auf; der drückende Schmerz im Knie- und Hüftgelenk
nimmt gleichfalls zu; die Lymphgefässe in der Hüftbeuge sind
als empfindliche, deutlich verhärtete Stränge .uffter der Haut
zu fühlen; allmälig steigen die Schmerzen bis zur linken Seite
des Kreuzes empor, wo ihre Linksseitigkeit ganz besonders auf¬
fallend ist; Kopf und Hände sind glühend heiss; das Frösteln,
mit leichten Schüttelfrösten abwechselnd, nimmt zu; Müdigkeit
und Abgeschlagenheit steigern sich anhaltend, dazu gesellt sich
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494
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 33
eine ganz eigentümliche stumpfsinnige Gleichgiltigkeit selbst
gegen den wahnsinnig-klopfenden Schmerz im Auge. Das Be¬
wusstsein ist dabei ganz klar, aber selbst der deutlich zum Be- j
wusstsein kommende Gedanke an die möglicherweise herein- j
brechende Vernichtung ist nicht mehr im Stande, eine Bewegung !
oder einen Hülferuf auszulösen; jede Willensbethätigung wird
zur Unmöglichkeit, selbst eine, wie ich mich deutlich entsinne,
entschieden gewollte Temperatur- und Pulsbestimmung kann j
nicht mehr ausgeführt werden. |
Soweit reicht völlig ungetrübt meine Erinnerung; das letzte,
dessen ich mich noch genau entsinnen konnte, ist der entsetz¬
liche Schmerz im linken Auge; ich dachte ganz objectiv, wenn
der noch eine Zeit lang so fort dauert, dann halte ich es nicht
mehr aus, dann bringt er mich um, doch hatte der Gedanke an
das Erlöschen des Lebens gar nichts entsetzliches für mich, es
war mir vielmehr ganz und gar gleichgiltig.
Jetzt kommt ein Stadium von vollkommener Bewusstlosig¬
keit, welches in einen tiefen, todähnlichen Schlaf übergegangen
zu sein scheint, der bis zum folgenden Morgen anhielt. Gegen
acht Uhr wurde ich, wie ich nachher erfuhr, mit grosser
Mühe von meiner Dienerin geweckt, die über meinen unge¬
wöhnlich tiefen Schlaf geradezu in Verzweiflung war und einen
benachbarten Bekannten zu Hilfe rief.
Z w eii t e r B e o b a c h t u n g s t u g.
Morgens 8 Uhr: Der erste Eindruck, der mir klar zum
Bewusstsein kommt, ist ein fast unerträglicher, bohrender, auf
die linke Hälfte der Stirn, die linke Schläfe und vor allem j
auf das linke Auge beschränkter Schmerz, dazu gesellten sich
massige Sehstörungen. Sofort macht sich auch ein leichtes
Frösteln um Schulter, Brust und Kreuz bemerklich, während
Kopf und Hände glühen; dabei ist allgemeine, aber massige
Diaphorese vorhanden. Sehr bald traten, und zwar wiederum
linkerseits, auch Schmerzen im Kreuze, Hüft- und Kniegelenke
auf. Gleichzeitig machten der herbeigerufene Freund und die
Dienerin die Bemerkung, dass das linke Auge stark nach innen
und oben verdreht und hochgradiger Exophthalmus vorhanden
ist, was in Gemeinschaft mit dem glasigen Ausdruck der beiden
Augen und dem hochgerötheten Gesichte, dem beiden gleicher- |
weise auffallenden, jetzt zum ersten Male auftretenden, mühe- i
volleren und dabei oberflächlichen Athmen und der langsamen,
energielosen Sprache einen recht unheimlichen Eindruck auf
sie machte, denn sie gestanden mir später, dass sie geglaubt
haben, ich sei über Nacht verrückt geworden, so sehr habe
mein Gesicht den Ausdruck des Wahnsinns gehabt. Die Stimm¬
bildung selbst ist in nichts beeinträchtigt, dagegen macht die
Sprache den Eindruck, als ob sie durch mühevolles Denken
verlangsamt und erschwert wäre. Die Schmerzen in der Ge¬
schwulst am linken Oberschenkel, deren Umfang sich über Nacht
nicht sonderlich vergrössert hat, sind sich gleich geblieben und
steigern sich bei jeder Bewegung. Das Stehen ist fast unmög¬
lich. Puls 100, weich, weniger voll denn gewöhnlich, regel¬
mässig. Temperatur 37,6 C.
Der Herzschlag ist kaum als leise Erschütterung fühlbar,
dagegen tritt jetzt ein ganz eigenthümliches, anhaltendes und
beängstigendes Gefühl von subjectiver Wahrnehmung der Herz¬
bewegung auf. Dieselbe gelaugt deutlich zum Bewusstsein.
Ausgesprochene Geistesträgheit und Denkfaulheit. Die Kopf- |
und Augenschmerzen steigern sich beim Schreiben und Lesen
zum unerträglichen, überhaupt ist grosse Lichtscheu vorhanden.
Der stark verminderte Urin zeigt nichts auffälliges.
Morgens 0 Uhr erscheint zum ersten Male Klopfen in
den Zähnen des Ober- und Unterkiefers, welches wiederum auf i
der linken Seite deutlicher ausgesprochen ist, als auf der rechten.
Den ganzen Morgen andauerndes Frösteln. Gegen Mittag
12 Uhr tritt mässiger Speichelfluss, leichte Nausea ein. Puls 100.
massig voll, weich, regelmässig. Temperatur 36,6 C.
Frösteln, Nausea, Speichelfluss nehmen zu, ohne jedoch
bedeutend zu werden; das Klopfen in den Zähnen des linken
Ober- und Unterkiefers steigert sich, in denselben tritt jetzt
entschiedener Schmerz auf, welcher jedoch gleichfalls nicht
sehr hochgradig wird. Hierbei bemerke ich noch ausdrücklich,
dass sämmtliclie Zähne kerngesund sind, und ich niemals zuvor
an Zahnschmerzen gelitten habe.
Der Herzschlag bleibt andauernd schwach, kaum zu fühlen,
und kommt doch fortwährend deutlich zum Bewusstsein.
Die Geschwulst um die Injectionsstelle ist gewachsen und
jetzt nach jeder Richtung 20 Ctm. lang.
Ein Versuch aufzustehen misslingt, weil die grosse Schmerz¬
haftigkeit der Geschwulst das Stehen unmöglich macht, und der
Schmerz im Hüftgelenke jede Bewegung hindert. Beide Pu¬
pillen sind verkleinert, die linke mehr als die rechte. Beim
Aufrichten des Kopfes tritt sofort starke Müdigkeit und Schmerz
in den Nackenmuskeln ein, Schwindel ist jedoch keiner vor¬
handen.
Um 1 Uhr traten massige Schlingbeschwerden auf; das
Frösteln steigert sich, der Schmerz an der Geschwulst lässt
etwas nach, die übrigen Erscheinungen dauern fort, zu der Mü¬
digkeit gesellt sich jetzt Schlafsucht, ohne dass es zu wirklichem
Schlafe kommt.
Um 3 Uhr tritt leichte allgemeine Diaphorese ein. die
Haut ist dabei am ganzen Körper heiss, das Frösteln wird
seltener, während die Müdigkeit in hohem Grade zunimmt; die
Schmerzen in den Nackenmuskeln steigern sich, Kopf- und
Augeuschmerzen dauern unverändert fort.
Um 4 Uhr sind beide Pupillen gleichmässig erweitert.
Gegen 6 Uhr steigert sich das Frösteln von neuem, der¬
gleichen sämmttiche Schmerzen, sowie der Speichelfluss; dabei
trockene Hitze und lästiges Kratzen im Halse; letzteres verur¬
sacht einen characteristiscken, trockenen Husten. Jetzt tritt
auch rechterseits im Hinterkopf Schmerz auf. Völlige Appetit¬
losigkeit, kein Durst. Puls 100, voll, w'eick, regelmässig, Tem¬
peratur 38.6 C.
Um 8 Uhr sehr starke Diaphrose.
Um 9 Uhr: Puls 100, klein, weich regelmässig, Tempera¬
tur 38,6 C.
Die Nacht im Halbschlafe zugebracht.
Dritter Beobachtungstag.
Morgens 7 Uhr. Die linksseitigen Schmerzen im Kopf
und Auge, sowie in der Geschwulst am Oberschenkel sind un¬
verändert, dagegen sind Zahn-, Gelenk- und Nackenschmerzeis
fast völlig verschwunden, nur im Hüftgelenk erzeugen Bewe¬
gungen noch Schmerzen. Puls 76, klein, weich, regelmässig.
Temperatur 37,5 C. Herzschlag ist nicht zu fühlen. Frösteln
hat an Intensität bedeutend abgenommen, dauert aber noch
fortwährend an. Die Hitze in Kopf und Händen ist viel ge¬
ringer, tritt aber jetzt in plötzlichen Anfällen in Zwischen¬
räumen von 20 bis 30 Minuten auf, um dann nach 2 Minuten
unter leichter Diaphorese wieder nachzulassen. Speichelfluss
und Nausea dauern in geringerem Grade fort, Appetit und
Durst fehlen. Dabei tiefes Schwächegefühl, Sinken jeglichen
Lebensmuthes. aber keine eigentlich traurige Gemüths-
stimmuug, bloss ungeheure Gleichgiltigkeit gegen alles, selbst
gegen das, was noch vor wenigen Tagen lebhafte Theilnahme
erregt hatte. Der spärliche Urin bietet nichts auffallendes.
Stehen ist unmöglich, nicht wegen Lähmung der linken Extre¬
mität, sondern wegen der dabei auftretenden heftigen Schmerzen.
Die nach allen Richtungen 20 Ctm breite Geschwulst um di e
Injectionsstelle ist stark geröthet, die Haut über ihr glänzend
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
19. August ISIS.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
495
und prall; sie fühlt sich sehr heiss an, ist aber entschieden
weniger schmerzhaft als Tags zuvor. Das Hitzegefühl und die
Schmerzen im Kopfe haben bedeutend nachgelassen und sind
erträglich geworden, desgleichen die Schmerzen im linken
Auge, wenn auch nicht in dem Grade, wie die Kopfschmerzen;
die verminderten Augenschmerzen steigern sich in halb- bis
einstfindigen Intervallen zu ganz plötzlich auftretenden, hoch¬
gradigen, aber schnell vorübergehenden glühenden Stichen hi
der Tiefe des linken Auges. Sehstörungen sind noch in un¬
bedeutendem Grade vorhanden und stärkere Lichteindrücke
noch immer schmerzhaft; das linke Auge fühlt sich, wie durch
einen grauen Nebel, verschleiert.
Um 11 Uhr sind die Kopfschmerzen fast ganz verschwunden;
nur noch von Zeit zu Zeit treten einzelne, dumpfe Stiche auf
beiden Seiten auf, dagegen dauert der Schmerz im linken Auge
als dumpfes Bohren in der Tiefe fort. Das Allgemeinbefinden
ist viel besser, doch sind Nausea, Speichelfluss, Zahnschmerzen
noch immer, wenn auch in geringerem Grade, vorhanden. Die
Schmerzen an der Injectionsstelle haben sich gleichfalls er-
mässigt.
Um 12 Uhr tritt plötzlich starkes Frieren am ganzen
Körper ein, welches nach wenigen Minuten wieder verschwindet.
Die Schmerzen im Kopfe und linken Auge haben jetzt nahezu
aufgehört, im Auge aber stellen sie sich beim Schreiben augen¬
blicklich wieder ein. Grosse Müdigkeit und Schläfrigkeit.
Um 1 Uhr macht sich plötzlich ein starkes Klopfen am
vorderen Aste der linken Temporalis bemerklich. Die Arterie
fühlt sich als harter, stark klopfender, sehr gespannter Strang
an, 4 Ctm. nach oben und hinten vom äusseren Winkel des
linken Auges befindlich. Das Tasten ihres Pulses, welcher 80
volle, harte, regelmässige Schläge macht, ist schmerzhaft. An
der entsprechenden Stelle der rechten Seite ist der gleichfalls
80 Schläge zeigende Puls klein, weich, kaum fühlbar, die Ar¬
terie selbst als solche nicht zu fühlen. Puls an der Brachialis
80, voll, etwas gespannt, regelmässig. Herzschlag nicht zu
fühlen; dabei kommt die Herzbewegung als dumpfe Erschütte¬
rung in der Tiefe der Brust noch immer zum Bewusstsein. Das
Gefühl von körperlicher und geistiger Ermattung hält an.
Appetit und Durst fehlen noch immer gänzlich.
Um 2 Uhr wird ohne eigentliches* Verlangen ein Apfel
und eine Schnitte Weissbrod gegessen; der Appetit kommt in
des Wortes eigentlichster Bedeutung mit dem Essen; es scheint
demnach, als ob der gänzlich mangelnde Appetit vorzugsweise
durch die langsamere Geistesbewegung, das unklare Wollen
und Bewusstsein bedingt gewesen sei. Sofort nach dem Essen
tritt ein starker Frostanfall ein, dabei ist der Puls an der
rechten Brachialis sehr schwach, klein und weich, aber regel¬
mässig, an der linkeu Temporalis gleichfalls sehr schwach,
aber härter, an der rechten Temporalis kaum fühlbar. Die Zahl
der Schläge ist in allen drei Arterien 80. Temperatur 36,6 C.
Der Fostanfall verliert sich nach einer Viertelstunde, doch
bleibt leichtes Frösteln den ganzen Rest des Nachmittags zurück.
Gegen Abend, um 7 Uhr, tritt stärkeres Frieren, grössere
Müdigkeit auf, desgleichen machen sich die linksseitigen Kopf-,
Augen- und Zahnschmerzen von neuem stark bemerklich. Puls
100, voll, weich, regelmässig. Temperatur 37,8. Die ganze
Nacht hindurch heftiges Hitzegefühl von Schlaflosigkeit be¬
gleitet. Die jetzt auf beiden Seiten gleich ausgesprochenen
Kopf- und Zahnschmerzen, sowie zum ersen Male auftretende
doppelseitige Gesichtsschmerzen nehmen, von geringfügigem
Speichelflüsse begleitet, hochgradige Dimensionen an; gleich¬
zeitig treten in beiden Augen namhafte Schmerzen auf, die¬
selben sind jedoch im linken viel heftiger als im rechten. Puls
um Mitternacht: 80, voll, weich, regelmässig. Temperatur 37,8.
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Vierter Beobachtungstag.
Gegen Morgen tritt sehr bedeutender Abfall der Kopf- und
Augenschmerzen unter plötzlich auftretendem starken Thränen-
flusse des linken Auges ein. Die Zahn- und Gesichtsschmerzen
beschränken sich auf die linke Seite, ohne an Heftigkeit abzu¬
nehmen. Im Cucullaris machen sich beim Zurückbeugen und
Drehen des Kopfes von neuem Schmerzen bemerklich. Puls,
um 7 Uhr Morgens: 80, voll, hart, regelmässig. Temperatur 37,0.
Eine breiige Stuhlentleerung. Der seit 24 Stunden zum ersten Male
wieder sehr spärlich ausgeschiedene Urin zeigt nichts auffälliges.
Im Laufe des Vormittags treten Kopf- und Augenschmerzen
bedeutend zurück, leichte Sehstörungen sind vorhanden. Das
linke Auge ist ödematös angeschwollen und fühlt sich wolkig
verschleiert. Grosse Müdigkeit in den Augen, die am liebsten
geschlossen werden, grosse geistige Ermattung, Müdigkeit in
den Nackenmuskeln; dagegen freiere Beweglichkeit in der
linken Extremität; Hitze, Spannung, Empfindlichkeit um die
Injectionsstelle haben bedeutend nachgelassen
Die Geschwulst um die Injectionsstelle nimmt ab, wird un-
gleichmässiger, ist im grössten Durchmesser nur noch 15 Ctm.
breit, weniger roth, weniger schmerzhaft.
Gegen Mittag treten erneute Schmerzen linkerseits im Auge
und Kopfe auf, die jedoch bald wieder nachlassen. Die Schmerzen
in den Nackenmuskeln sind um dieselbe Zeit nur noch auf der
linken Seite vorhanden.
Um 7 UhrAbends beginnen Zahnschmerzen und Speichel¬
fluss von neuem, ohne eine nennenswerthe Höhe zu erreichen.
Gleichzeitig mit dem Anzünden der Lampe tritt der Schmerz
im linken Auge wieder auf, um sich allmälig im Laufe einer
Stunde wieder zu verlieren. Doch bleibt für den ganzen Abend
eine grössere Empfindlichkeit im Auge zurück. Puls 70, voll,
gespannt, regelmässig. Temperatur 36,1 C.
In der Nacht ziemliches Wohlbefinden; viel geschlummert,
ohne in wirklichen Schlaf verfallen zu können. Mehrmals Durst
empfunden und viel getrunken.
Fünfter Beobachtungstag.
7 Uhr Morgens: Der eigentliche Kopfschmerz ist ver¬
schwunden; nur im linken Auge, das sich noch immer um¬
flort fühlt, sitzt noch ein dumpfer Schmerz. Jetzt wird zum
ersten Male in der Tiefe des linken Ohres ein nicht gerade
schmerzhafter, aber sehr unangenehmer Druck empfunden, der
ungefähr dasselbe Gefühl verursacht, wie Wasser, das nach
dem Untertauchen im Bade in den Ohren zurückgeblieben ist;
hierzu gesellt sich von Zeit zu Zeit heftiges Ohrensausen.
Beim Neigen des Kopfes auf die linke Seite spricht sich die
Empfindung im gleichnamigen Ohre entschiedener aus, und wird
der linke Sternocleidomastoideus contrahirt, so ist seine In-
sertionsstelle hinter dem Ohre empfindlich. Beim Rückwärts¬
beugen des Kopfes treten, aber nur linkerseits, Schmerzen im
Nacken- und Schultertheile des Cucullaris auf. Um diese Zeit,
genau 7 Uhr Morgens, tritt plötzlich ein ganz eigenthümliches
Vibriren über dem Herzen auf, der Herzschlag ist ganz leise,
unregelmässig, hin und herzitternd, die linke, hart unter
der Haut liegende Brachialis, deren Pulsationen deutlich sicht¬
bar sind, schwingt, wie eine Saite, von einer Seite nach der
andern; diess dauert 40 Secunden, hierauf ist der Puls der
linken Brachialis noch 30 Secunden lang in der Art unregel¬
mässig, dass auf eine grosse und volle Pulswelle bald eine,
bald mehrere schwächere und kleinere folgen. Puls um 8 Uhr:
68, voll, leicht gespannt, regelmässig.
Die seither immer in der rechten Faust gemessene Tem¬
peratur wurde diesmal zufällig in beiden Fäusten bestimmt und
zeigt rechts 35,8 Cels., links 34,2 Gels In der linken Wange
Gefühl von Taubsein.
2 *
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
496
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 33
Immer noch grosse Müdigkeit, und Denkfaulheit; Gedacht'
niss und Sprache bessern sich.
Die Geschwulst um die Injectionsstelle selbst ist im ganzen
nicht mehr schmerzhaft, nur von Zeit zu Zeit treten in ihr ver¬
einzelte Stiche, Zucken, Brennen auf, sie hat an Dicke und
Umfang ziemlich gleichmässig, an Röthe ungleichmässig abge¬
nommen. Die Röthe ist nämlich durch zwischenliegende lichtere
Stellen in drei Theile zerlegt: 1) die 4 Ctm. in längster Aus¬
dehnung messende nächste Umgebung der Injectionsstelle. Diese
ist dunkelblauroth gefärbt, sehr hart, auf Druck schmerzhaft,
das Tastvermögen in ihr ist deutlich abgestumpft. Diese
Stelle ist in grossem Umfange von noch geschwellter und stark
verhärteter, auf Druck schmerzhafter, aber fast entfärbter Haut
umgeben; 2) nach obeu, gegen die Schenkelbeuge hin, liegt I
die zweite, etwas grössere Stelle; 3) nach hinten, resp. mit
Rücksicht auf die horizontale Körperlage nach unten, die grösste, I
am intensivsten geröthete Stelle. !
Um 8 Uhr tritt zum ersten Male wieder die übliche mor¬
gendliche Erection ein, welche in den letztvergangeueu Tagen !
ausgeblieben war.
Ein um 12 Uhr gemachter Versuch zu stehen und gehen
fällt günstig aus und macht weniger Schmerzen. Dabei tritt
leichter Schwindel ein. Von Zeit zu Zeit machen sich noch
schnell vorübergehendes Klopfen sowie vereinzelte schmerzhafte ;
Stiche linkerseits in Wange. Zähnen und in der Tiefe des Auges
bemerklich; dieselben sind dann regelmässig von geringfügigem
Speichelflüsse begleitet. (Jonstant vorhanden ist noch immer
linkerseits dumpfer Druck in der Tiefe des Auges, Ohres und
der Wange.
Mittags 3 Uhr: Puls (15, voll, weich regelmässig. Tem¬
peratur beiderseits 33,6.
Das Auge ist nur noch wenig empfindlich gegen Licht, Lesen
ist längere Zeit ohne Beschwerden möglich. Der Schleier vor
dem linken Auge verschwindet immer mehr. Der Druck im
Ohre ist noch vorhanden, dabei aber keinerlei Gehörstörungen.
Abends fl Uhr: Puls 72, voll, weich, regelmässig. Tem¬
peratur beiderseits 35,5 Gels.
Der Kopf ist jetzt fast ganz frei, nur auf der Höhe des
linken Scheitelbeines wird noch ein dumpfer Schmerz gefühlt.
Das linke Auge ist frei von Schmerz, nur ein leiser Druck sitzt
uoch in seiner Tiefe und seine Beweglichkeit ist immer noch
etwas behindert. Der Zahnschmerz ist verschwunden; der dumpfe
Druck in der Tiefe des linken Oberkiefers hat gleichfalls ab-
genommen, desgleichen der im linken Ohre. Die linke untere
Extremität kann ohne Schmerz bewegt werden; das Gehen ge- j
lingt leicht, doch tritt immer noch massiger Schwindel dabei
ein. Sonst ziemliches Wohlbefinden; auch der Appetit kehrt
zurück. — ln der Nacht tiefer, erfrischender Schlaf.
Sechster Beobachtungstag. j
Der Kopf ist jetzt ganz klar, die Kopfschmerzen sind spur- :
los verschwunden, die Seelenstimmung trotzdem trübe, muthlos,
traurig. Das linke Auge fühlt sich noch immer leicht umwölkt, j
Leichtes Gefühl von Taubheit auf der linken Wange, der Druck
in der Tiefe des linken Ohres ist noch vorhanden, nimmt aber
zusehends ab.
Die Schmerzen um die Injectionsstelle sind nahezu ver- j
schwuuden. Die Röthung der Haut ist viel geringer, mehr lila- I
farbig; an der Stelle der ursprünglichen Blase noch tiefe, violette I
Röthe. Schwellung und Härte noch in weitem Umfange, aber
in viel geringerem Grade.
Nach dem Aufstehen tritt sofort Schwindel ein, der den
ganzen Tag anhält; grosse Müdigkeit und Abgesehlagenheit,
wie nach überstandener schwerer Krankheit; namentlich grosse j
Schwere in der verletzten Extremität. Die schwerere Beweg¬
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lichkeit der letzteren ist nicht sowohl durch die jetzt ganz
geringfügige Schmerzhaftigkeit an der Injectionsstelle oder die
immer noch bedeutende Spannung in deren Umgebung bedingt,
als durch den Eindruck der grossen Schwere, den das Glied
macht. Starker Appetit.
Gegen Abend einen kleinen Spaziergang gemacht, nach
welchem ungewöhnlich grosse Ermüdung, namentlich im Knie¬
gelenke, und starker Schwindel eintrat.
In der Nacht tiefer, ruhiger Schlaf Am folgenden Morgen
ohne alles Kopfweh erwacht. Die Erscheinungen in dem Augo
und der Wange sind verschwunden; nur in der Tiefe des linken
Ohres ist noch der erwähnte Druck, aber in viel geringerem
Grade, vorhanden.
Die Geschwulst in der Umgebung der Injectionsstelle ist
wiederum verkleinert und blässer geworden, immerhin aber ist
sie noch sehr umfangreich und hart; ihre Hitze und Schmerz¬
haftigkeit sind kaum mehr nennenswerth. Das Gehen ist nur
noch in unbedeutendem Grade erschwert.
Im Laufe der nächsten Tage verschwinden vollends sämmt-
lieh krankhafte Erscheinungen, am langsamsten die Geschwulst
in der Umgebung der Injectionsstelle. Noch ein Jahr nach dem
Versuche findet sich an dieser Stelle unter völlig normal ge¬
färbter Haut eine harte, 5 Ctm. lange, 2 Ctm. breite Schwiele
im Unterhautzellgewebe.
(Schluss folgt.)
IV. Zur Metalloscopie.
Von
Dr. Ad. Meyer in Gertrudenberg.
Am 31. December 1877 wurde in die Irrenanstalt zu Ger¬
trudenberg bei Osnabrück ein im Erregung.sstadium einer acuten
Manie befindlicher Kranker aufgenommen, der im wesentlichen
folgendes Bild darbot.
23 Jahre alter, mittelgrosser, wohlgenährter Mensch mit
gut entwickelter Musculatur, 75 Kilo Körpergewicht (er war
bis Anfang December 1877 Kanonier in einem Artillerieregiment
der deutschen Armee gewesen und damals wegen ausgebrochener
Psychose entlassen). Patient befindet sich in sehr »gehobener
Stimmung, redet und* lacht viel, zeigt ausgedehnte Personen¬
verwechselung, sehr lebhafte Ideenflucht, ist Nachts meist
schlaflos und laut. Dicht über dem Angelus inferior scapulae
linkerseits ist die Haut auf etwa einen Quadratzoll Flächen¬
ausdehnung im Verbreitungsbezirke des Ramus perforans late¬
ralis nervi dorsal. VIII vollkommen anästhetisch. Die Anästhe¬
sie besteht seit 1 ‘/ a Jahren und ist angeblich nach einem Herpes
zoster zurückgeblieben, den Pat. damals in Folge einer kalten
Uebergiessung bei stark schwitzender Haut dem Verlaufe des
genannten Nerven entsprechend acquirirte.
Die betreffende anästhetische Hautpartie ist sehr deutlich
durch dicht nebeneinander in horizontaler und verticaler Rich¬
tung geführte Nadelstiche zu umgrenzen. Pat. giebt jeden Stich
in der Umgebung, auch den leisesten genau an: auf der betr.
Stelle erfolgt selbst nach tiefen Einstichen gar keine Reaction:
die Blutung ist relativ gering.
Am 21. Januar Morgens 11 Uhr wurde, nachdem das Vor¬
handensein der Anästhesie abermals constatirt und die Haut¬
partie genau umgrenzt war, eine silberne Metallplatte (Zwei-
Markstück) auf die Haut gelegt und bei aufrechter Stellung
des Patienten durch den Finger des Arztes fixirt.
Der Kranke, dessen Erregung in den letzten Tagen be¬
deutend abgenommen, gab auf alle Fragen genügend Auskunft
und betrug sich ziemlich anstellig und ruhig. Es wurde ihm
gesagt, er müsse einige Zeit ruhig bleiben, weil etwas vor-
Qriginal fro-m
UNIVERSITf OF MICHIGAN
19. August im.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
497
genommen würde, um kranke Stelle auf dem Rücken zu
heilen. Nachdem die Metallplatte 5 Minuten lang auf der
Haut fixirt gewesen war, wurde Patient etwas unruhig und
klagte über Kitzel und Kribbeln in der linken Scapulargegend;
er gab ferner ein Gefühl von Wärme und Rieseln von der
Schultergegend über die linke Seite bis in den Oberschenkel
an und glaubte, man habe ihm Blutegel gesetzt. Er fühlt,
wie ihm seiner Meinung nach Blut über die Haut der Lende
langsam herabfliesst, und macht mehrfach den Versuch, dasselbe
mit der Hand abzuwischen. Das Gefühl des Kribbeln und der
Hitze steigerte sich nunmehr und wurde dem Patienten nach
etwa 10 Minuten unerträglich. Die Metallplatte wurde alsdann
entfernt, worauf die Hautpartie geröthet und die Anästhesie
vollkommen gehoben erschien. Patient gab die leisesten Nadel- |
stiche, von denen vorher nichts bemerkt war, genau an.
Leider wurde damals übersehen, die Sensibilitätsverhält-
nisse der entsprechenden Hautpartie auf der rechten Seite zu
prüfen. Dagegen schien eine gewisse Anästhesie in der nächsten
Umgebung der von der Metallplatte bedeckt gewesenen Haut-
Stelle vorhanden zu sein. Kürzlich war kein Unterschied zwischen
links und rechts zu bemerken, und auch durchaus nichts von
etwa wiedergekehrter Anästhesie in der früher gefühllosen Haut¬
partie uachzuweisen.
Patient, der inzwischen von seiner Manie vollkommen her¬
gestellt und dieser Tage als geheilt entlassen wurde, wieder¬
holte seine Aussagen von damals: es sei ihm gewesen, als kehre
plötzlich „wie mit einem Ruck“ das Gefühl in die Haut zurück;
das eigentümliche, sehr unangenehme Kribbeln habe er sicli
nichts anders erklären können, als dass man ihm Schröpfköpfe
oder Blutegel applicirt hätte.
Ohne weitere kritische Bemerkungen an die Thatsache an-
zukniipfen, wollte ich in der vorstehenden Mitteilung lediglich
einen Beitrag zur (Kasuistik der Metallotherapie geliefert haben.
V. Referat.
A. Wern ich: Klinische Untersuchungen über die Japa¬
nische Varietät der Bcriberi-Krankhei t. (Virchow’s
Archiv. Bd. LXXI, Heft 3.)
Die japanische Varietät der vielbesprochenen Krankheitsform, welche
unter dem Namen Beriberi auf vielen Inseln und Küsten Asiens,
sowie in Südamerika und Australien endemisch herrscht, ist der Gegen¬
stand der vorliegenden, auf eigener Beobachtung fussenden Dar¬
stellung. Dieselbe behandelt besonders die Symptomatologie in nahezu
erschöpfender Weise und verdient als erste Arbeit, welche dies mit
Benutzung der neuesten wissenschaftlichen Anschauungen und Hilfs¬
mittel thut, ganz besondere Beachtung. Die Krankheit verläuft be¬
kanntlich unter dem Bilde einer schweren, unter Auftreten von Oedemen
und meist von Lähmungen einhergehenden Ernährungsstörung, entweder
sehr schnell oder in protrahirterer Weise. Sie herrscht in Japan
während des Frühlings und Sommers, und betrifft meist männliche Ein¬
geborene, und zwar Jünglinge und erwachsene Männer, während sie
Weiber auffallend schont und Kinder und Greise sehr selten befällt.
Die in Japan Kak-ke genannte Krankheit — deren Identität mit Beri- I
Beri Verf. für unzweifelhaft hält — verläuft unter verschiedenen Formen,
von denen eine als die acut tödtliche verläuft: ganz plötzlich ein-
iretende Abgeschlagenheit in den Beinen, häufig Erbrechen leiten die¬
selbe ein, Herzklopfen, objective und subjec-tire Dyspnoe, als deren Ur¬
sache sich seröse Ergüsse in die Pleurahöhle und das Pericard ergeben,
zeigen sich, Oedeme treten im Gesicht, an anderen Stellen auf, und der
Tod erfolgt schon innerhalb 2—3 Tagen unter Steigerung der genannten
Symptome, zuweilen schon innerhalb noch geringerer Zeit. Eine zweite
Form, die mit abgeschwächten Symptomen verläuft und ganz allmälig
in Genesung übergeht, könnte man als abortive Form der Beriberi be¬
zeichnen. Unter den am häufigsten vorkommenden Verlaufstypus end¬
lich lassen sich die alten hydropisch -marastischen Formen zusammen-
iässen, mit deutlichen sich über Wochen ausdehnenden Krankheits¬
symptomen. Indem nun Verf. die letzteren in ausführlicher Weise
analysirt, gewinnt er für die ganze Mannigfaltigkeit derselben den Aus¬
gangspunkt und die Grundlage in den Veränderungen der Circulations-
organe. Diese zeigen sich im höchsten Grade afficirt, und ihre Ver¬
änderungen sind schon am frühsten den Beobachtern aufgefallen,
ohne indessen richtig gedeutet worden zu sein. Butuntersuchungen des
Verf. ergaben zunächst, dass die Blutkörperchen kleiner als normal, und
dass ihnen die Fähigkeit abgeht, sich in Geldrollenform zu reihen,
ausserdem fanden sich Formen derselben, die auf Schrumpfung hinzu-
weisen scheinen; das Blut zeigt also Eigenschafton, welche am meisten
denen eines ungenügend mit neuen Elementen regenerirten und serum¬
armen Blutes eigen sind. Die Circulation in den Venen zeigt sich
träge und ist leicht zu hemmen. Ganz besonders wichtige Erscheinungen
bot aber die sphygmographische Untersuchung der Arterien, welcher der
Verf. eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt und welche er durch zahl¬
reiche Curventafeln im Original erläutert hat. Es ergiebt sich, dass in den
ausgesprochenen Fällen die Pulscurve sehr steil ansteigt, mit dem ersten
Theil der Descensionslinic ein gleichschenkliges spitzes Dreieck formirt
| und in dem zweiten Theil der Descensionslinic starke Dicrotie zeigt;
! also — mit verschiedenen Modificationen — eine Gestalt bildet, welche
auf grosse Schlaffheit und Widerstandslosigkeit-, sowie auf äusserst mangel¬
hafte Elasticität des Arterienrohrs schliessen lässt. Weitere Untersuch¬
ungen lehrten, dass jene Abweichung der Pulscurve in geringer Weise
sich überhaupt bei einer grossen Anzahl anämischer Individuen in Japan
findet, sich Jahre hindurch unverändert erhalten kann, dass sich in der
Kakke-Saison diese Curve bei leichter Erkrankten verschlechtert und in
schweren Fällen die beschriebene Gestalt annimmt. In der Reconvales-
cenz nähert sich die Curve immer mehr, aber ganz allmälig der nor¬
malen, ebenso unterliegt allmälig das Blut der Veränderung zum Nor¬
malen. Am Herzen hat Verf. nicht, wie andere Beobachter, entzünd¬
liche Erscheinungen constatiren können; die daselbst gehörten systo¬
lischen, wie die selteneren diastolischen Geräusche sind nach ihm als
anämische aufzufassen, wofür auch der negative pathologische Befund
spricht. Die weiteren Symptome: sehr starke Abnahme der Harn-
! secretion, starker Hydrops anasarca, sowie Ascites, Hydrothorax und
[ Hydrops perieardii mit den dadurch hervorgebrachten Erscheinungen,
: ferner der Schwindel, Schlaflosigkeit, Kopfschmerz, ferner die characte-
| ristische Abstumpfung der verschiedenen Empfindungsqualitäten, welehe
von den Unterextremitäten aufwärts sich auf den Rumpf erstreckt, und
! zu welcher paraplegischc Symptome sich gesellen, die sich zuerst in
einer sehr characteristisehen Gangart dekumentiren — alle diese Sym¬
ptome erklären sich bequem aus der Decomposition des Blutes und
jenem zu hydropisehen Ergüssen führenden Mangel an Energie des Gefäss-
systems, welche auch in die Gehirn- und Rückenmarkshäute stattfinden
und so die nervösen Symptome hervorrufen. Eine kleine Zahl eigener
1 und eine Kritik der bisher über Beriberi veröffentlichten Sectionen er¬
gaben, dass ausser jenen Hydropsien und serösen Durchtränkungen,
! welche auch das Rückenmark bis zur Erweichung betreffen, keine w T esent-
, liehen, besonders entzündlichen Organveränderungen, vor allem nicht der
Nieren oder der Herzklappen anzutreffen sind, wie Verf. besonders gegen
| andere bisher veröffentlichte Anschauungen hervorhebt. Von Allgemein-
erschoinungen ist das sehr starke subjective Krankheitsgefühl im Beginn
der Krankheit und hinsichtlich des Fiebers, welches die Krankheit häufig,
aber durchaus nicht immer begleitet, hervorzuheben, dass die Tempe¬
raturerhöhungen sehr wechselnd sind; fast stets sind auch Digestions¬
erscheinungen vorhanden, besonders von Seiten des Magens. Die Sterb¬
lichkeit der Beriberikranken beträgt in Indien 29 pC-t., im Anfänge der
epidemischen Exacerbationen bis 40 pCt., bei der japanischen Varietät
in den schlimmsten Monaten etwa 15 pCt., auf das ganze Jahr vertheilt
noch nicht S pCt. Das Wesen der Krankheit sieht Verf. in einer Blut-
d<‘composition. durch welche das Blutserum im höchsten Grade die
Fähigkeit verliert, sich in den Circulationsorganen zu halten, und so
einerseits die starken hydropisehen Ergüsse und, andererseits jene un¬
genügende Beschaffenheit der zurückbleibenden Blutmenge hervorgerufen
werden. Was die Aetiologie der Erkrankung anbetrifft, so disponiren nach
Verf. die Lebensweise, in welcher der Mangel einer genügend fett- und
eiweissreichen Nahrung besonders hervortritt, und das feuchtwarmc Klima
jeden Japaner zu der Ernährungsstörung, welche das Wesen der Krank¬
heit ausmacht. Störung dieses labilen Gleichgewichts, in welchem sich
eine grosse Anzahl Japaner befinden, durch grössere Anstrengungen
geistiger oder körperlicher Art, steigern die vorhandene Grundlage
zur wirklichen Krankheit. Der Annahme eines inficirenden Miasmas
bedarf cs zur Erklärung de’* Entstehung der Krankheit nicht. Verf.
stellt dieselbe, wie er an einem anderen Orte näher ausführt (deutsches
Archiv f. klin. Med. Bd XXI, Heft 1) mit der pemieiösen Anämie, auch
mit der Chlorose und dem Scorbut in sofern zusimmen, als dies sämmt-
i lieh Ernährungsstörungen sind, welche Jahre lang latent verlaufend,
bei geringeren Mehrforderungen an den Organismus zur manifesten
Kachexie mit häufigem Exitus lethalis werden.
VI. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Berliner medlcinisehe fieselisehaft
! Sitzung vom 27. Februar 187S.
, Vorsitzender: Herr Bardeleben.
Schriftführer: Herr B. Frankel.
! Das Protocoll der vergangenen Sitzung (20. Februar) wird verlesen
und angenommen. Für die Bibliothek ist als Geschenk des Verfassers
eingegamren: Beiträge zur pract. Augenheilkunde von J. Hirschberg,
III. lieft.
Vor der Tagesordnung erhält das Wort Herr P. Guttmann zur
Demonstration eines Präparates:
M. H.! Ich erlaube mir, Ihnen ein Aneurysma der Aorta as-
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Original fro-rri
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498
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
een den s von aussergewöhnlichem Umfange zu demonstriren. Das
Präparat stammt von einer 57jährigen Frau, welche angeblich vor
13 Jahren zuerst Schmerzen in der rechten Brustdrüse bekam. All-
mälig entwickelte sich dann unter häutiger Wiederkehr der Schmerzen,
in sehr langsamem Wachsthum, eine Geschwulst auf der Vorderfläche
des rechten Thorax, welche, als ich vor 7 Wochen durch die Güte des
Herrn Collegen Julius Mayer die Gelegenheit hatte, die Kranke zu
untersuchen, mehr als Orangengrösse zeigte. Sie nahm auf der rechten
Thoraxhälfte die Stelle vom 2.—5. Rippenknorpel ein und überragte
etwas den rechten Sternalrand. Sie prominirte stark über das übrige
Niveau des Thorax, war prall-elastisch, schmerzhaft auf Druck und
pulsirte in ihrer ganzen Ausdehnung für den palpirenden Finger (und
auch bei der Inspection) aufs deutlichste erkennbar. Man hörte über
ihr zwei reine, dumpfe Töne. Die Untersuchung des Herzens ergab
normale Verhältnisse, nur die Herzspitze war etwas nach links dislocirt,
die Töne überall rein, Herzstoss in normaler Stärke, so dass man
Hypertrophie des linken Ventrikels und Klappenaffection ausschliessen
konnte. Die Erscheinungen, welche diese Geschwulst, die ich als Aneu¬
rysma der Aorta ascend. erkannte, hervorrief, waren bedingt durch
Druck, und zwar auf die Lunge, daher hochgradige Dyspnoe, Druck
auf die Vena cava sup., daher starke Ueberiüllung der Ingularvenen
und in etwas späterer Zeit auch Druck auf den Oesophagus (Dysphagie)
und auf die Trachea. Die Geschwulst fing nun an, noch rapider zu
wachsen, bis sie schliesslich fast die ganze vordere Fläche des rechten
Thorax einnahm; sie reichte von der 1. Rippe bis hinab unter die 5.
und in der transversalen Richtung vom rechten Sternalrand bis nahezu
zur rechten Axilla. Dabei war die Geschwulst enorm prominent und
zeigte an verschiedenen Stellen livide Flecke, welche darauf hmwiesen,
dass die Gefahr der Perforation nahe, oder wenigstens in nicht grosser
Feme lag. Erfahrungsgemäß verfließt noch eine längere Zeit, als man
nach dem Aussehen solcher verdünnten, lividen Hautstellen erwarten
sollte, ehe sie nach aussen perforiren. So habe ich im vergangenen
Sommer in der Praxis des Herrn Collegen Goldschmidt ein grosses
Aneurysma der Aorta aseendens gesehen, bei dem einzelne Hautstellen
schon so verdünnt und livide waren, dass die Gefahr der Perforation
eine augenblickliche zu sein schien, und dennoch trat die letale Per¬
foration erst 3 Monate spater (Ende November) ein.
In dem vorliegenden Falle ist der Tod durch Suffocation erfolgt.
Herr College Küster, welcher die Pat. ebenfalls gesehen, hat gestern
die Section ausgeführt und das ganze Präparat im Zusammenhang mit
den knöchernen Theilen herausgesehnitten. Es beginnt das Aneurysma
dicht über den Seminularklappen, welche selbst vollkommen intact sind.
Hieraus erklärt sich die mangelnde Hypertrophie des linken Ventrikels,
denn wir wissen aus zahlreichen Beobachtungen, unter anderen von
Axel Key. dass Hypertrophie des linken Ventrikels bei Aneurysmen
der Aorta nur dann eintritt, wenn die Aortenklappen insufficient sind.
Auch die übrigen Klappen sind normal. — Als bemerkenswerth ist zu
erwähnen, dass sich ausgebreitete Verwachsungen der beiden Pericardial-
blätter zeigen. Was das Aneurysma betrifft, so hat es einzelne Stellen
des Corpus sterni, sowie die mittleren Rippen usurirt oder zum Theil
ganz zerstört. Es misst jetzt, nachdem schon erhebliche Massen von
Gerinnseln entfernt worden sind, noch 15 Ctm. in der Länge und 13 Ctm.
in der Breite.
1) Herr Julius Wolff: Lieber das Operiren bei hängendem
Kopfe des Kranken.
Der Vortr. berichtet über nahe an 30 Operationen, die er bei in-
vertirter Kopflage ausgeführt hat. Es handelte sich um eine Reihe
von Operationen am harten und weichen Gaumen (darunter 6 Mal um
Uranoplastik, Staphylorhaphie oder Staphyloplastik), ferner um 7 Opera¬
tionen an den Kiefern, 6 an den Lippen, 2 in der Nasenhöhle und 5 in
der Trachea. — Hieran anknüpfend bespricht der Vortr. die Vortheile
und Nachtheile des Rose’schen Verfahrens. Der grösste Nachtheil des
Verfahrens besteht in der vermehrten Blutung der Operationswunden;
kleinere Nachtheile sind die leicht eintretende Möglichkeit von Irr-
thümern bei complicirten Schnittführungen durch die ungewohnte
Haltung des Kranken, ferner die leicht eintretende Beschmutzung der
Kleidungsstücke des Operateurs durch das herabrinnende Blut und die
öfters bei den Operirten eintretenden Kopf- und Nackenschmerzen in
den ersten Tagen nach der Operation. Ungerechtfertigt, dürfte bei
einiger Vorsicht die von Rose selbst ausgesprochene Befürchtung des
Entstehens einer Halswirbelluxation sein. — Die grossen Vortheile des
Verfahrens aber bestehen nicht allein in der Ermöglichung der Narcose
für alle diejenigen Kranken, die bisher von der Wohlthat der Narcose
ausgeschlossen waren, sondern auch in der vortrefflichen Beleuchtung
des Operationsfeldes und in der bequemen Haltung, die das Verfahren
dem Operateur und den Assistenten einzunehmen gestattet. — Die Ge¬
fahren der Narcose werden durch die invertirte Kopflage nicht vermehrt,
sondern im GegenUieil verringert. — Der Wortlaut des Vortrages wird
später veröffentlicht werden.
In der daran geknüpften Discussion bemerkt
Herr Barde leben: Der Vortrag des Herrn Collegen Wolff hat
mieh um so mehr interessirt, als ich von dem Tage an, an welchem
Rose seine Eröffnungen darüber gemacht hatte, das Verfahren fast in
allen Fällen von Operationen am Kopf, sowohl bei Lebenden als bei
Todten angewandt habe. Es ist auch bei Operationen an der Leiche
das bequemste. Hier kann man sehen, dass der Vorzug der guten
Beleuchtung vollkommen begründet ist. Ich muss mich, nach meinen
No. 33
Erfahrungen, die sich vielleicht auf 60 Fälle bei Lebenden belaufen
werden, noch viel mehr als Herr College Wolff zu Gunsten dieser
Methode aussprechen. Ich habe noch viel weniger die Besorgnis, dass
die Blutung zu stark werde, und bin der Ansicht, dass die Vermehrung
derselben sich nur auf die. Venen bezieht. Bei Resectionen des Ober¬
kiefers habe ich freilich niemals grosse Blutungen gehabt. Es mag dies
daher kommen, dass ich last immer in der Lage war, die von Dieffen-
bach empfohlene Schnittführung zu wählen. Man macht dabei bekannt¬
lich den Schnitt ganz genau in der Mittellinie, spaltet die ganze Nase
und Oberlippe, und schält dann geschwind alle Weichtheile vom Ober¬
kiefer ab, wie es Dieffenbach ohne Narcose in ein paar Secunden
fertig brachte. Das einzige Gefäss, das hierbei blutet, ist die Art. infra-
orbitalis, und diese ist in der Regel, sowohl vor als hinter dem Ober¬
kiefer (nach dessen Entfernung) leicht zu fassen. Die Blutung aus dem
| grossen Lappen wird durch die Finger des Assistenten sistirt. Daher
J mag cs kommen, dass ich nicht über bedeutende Blutung zu klagen
; habe. Ich habe aber auch mit Herrn Collegen v. Langenbeck über
diesen Gegenstand gesprochen und meine Erfahrungen von seiner Seite
| bestätigt gefunden, obwohl er in der Regel eine andere Schnittführung
j an wendet.
Ich möchte dann den Bemerkungen des Herrn Collegen Wolff
noch hinzufügen, dass auch ich üble Zufälle durch Anwendung des
Chloroforms bei hängendem Kopf niemals gesehen habe, und dass vor
einigen Jahren ein italienischer College, Herr Lesi, empfohlen hat,
man solle die Betäubung mit Chloroform immer am herahhängendeo
Kopfe ausführen, weil die Chloroformbetäubung viel günstiger eintrete
| und verlaufe. Er behauptet, dass ein Excitationsstadium sich dann
niemals einstelle. Darin hat er aber, wie ich nach wiederholten Er¬
fahrungen versichern kann, entschieden Unrecht.
Eine Erhöhung des Tisches habe ich aus dem Grunde nicht nöthig
gehabt, weil ich ein Stück kürzer bin, als der Herr College Wolff.
i Wenn Jemand noch kleiner ist, -wird das noch weniger nöthig sein.
Allerdings habe ich da, wo der Hals des Patienten zu liegen kommt,
ein Polsterkissen unterschieben lassen, einmal weil ich dem Patienten
dadurch eine bequemere Lage gebe, und ausserdem weil ein leichteres
Festhalten möglich ist. Für dieses ist ein solcher Gurt, wie ihn Herr
College Wolff demonstrirte, gewiss practisch. Da ich aber immer über
eine grössere Anzahl von Händen zu disponiren habe, so habe ich immer
einen der Assistcn beauftragt, den Kopf zu halten. Das ist mir über¬
dies lieber, weil ich nun eommandiren kann: mehr rechts, mehr links!
Der betreffende Assistent hat es allerdings unbequem und wird gründ¬
lich durchtränkt mit Blut, sieht aber dafür gut; dem Operateur werden
die Aermel durchnässt; das int aber bei allen unter Spray ausgeführten
Operationen der Fall.
Ich habe also in der (That Veranlassuug, meine Freude darüber
auszusprechen, dass der Vortr. und ich in allen wesentlichen Beziehun¬
gen übereinstimmen. Nur eine Differenz besteht, nämlich, dass ich die
Blutung nicht so hoch ansehlage; das kann aber leicht von Zufällig¬
keiten abhängen. Ich habe z. B. noch keine Gelegenheit gehabt, eine
Uranoplastik am hängenden Kopf zu machen. Dabei ist ja die Blu¬
tung ohnehin immer eine bedeutende. Dass beim Hintenüberhängen
des Kopfes eine Aufstauung von Venenblut stattfindet, wird niemand
bezweifeln; das hat auch der Erfinder der Methode selbst hervorgehoben.
Herr Wolff: Was die Frage der vermehrten Blutung bei den
Operationen am herabhängenden Kopf betrifft, so möchte ich noch
bemerken, dass man leicht in die Lage kommt, die Blutung 7,u über¬
schätzen. Die Blutung erscheint natürlich sehr viel bedeutender, wenn
alles Blut in ein und dasselbe Gefäss herabplätschert, als wenn, wie
bei der gewöhnlichen Art zu operiren, ein Theil des Bluts verschluckt
wird, ein anderer Theil sich auf dem Operationstisch und in den Klei¬
dungsstücken des Kranken verliert — Ferner muss ich zu derselben
Frage noch folgendes bemerken. Man darf sich nicht etwa vorstellen.
dass bei Operationswunden des invertirten Kopfes ein fortwährendes
Heraussickern von Blut aus den kleinen Ge fasse n statt lind et: es Jä>^:
sich vielmehr auch in Rose’scher Lage jede Blutung vollkommen stillen.
Auch habe ich oft den Herren, die mir bei der Operation assistiri-n.
gezeigt, dass, wenn man bei gewöhnlicher Haltung des Kopfes eine Blu¬
tung aus einer Operationswunde gestillt hat, und dann den
umkehrt, nun nicht etwa bloss durch die Umdrehung aufs neue Blu¬
tung erzeugt wird.
Dann möchte ich Herrn Bardcleben fragen, ob Lesi schon vt
N e laton die Umkehrung des Kopfes vorgeschlagen habe.
Herr Barde leben: Lesi machte seinen Vorschlag vor etwa dei
Jahren. Die Vorschläge sind übrigens verschiedene. Ne laten sch Me'
vor, den betäubten Patienten beim Eintritt übler Zufälle in diese Ln- r
zu bringen. Lesi aber will den Patienten in dies«; Lage bringen, b-
vor die Betäubung aufüngt, und behauptet, dass die durch diese Lee
herbeigeführte Ueberfiillung des Hirns mit Blut nützlich sei bet
Einleitung der Narcose und man einem unangenehmen Exci:atio:e-
' Stadium dadurch entgehe.
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UNIVERSETY OF MICHIGAN
19. August \m
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
499
Feuilleton.
Die Curorte der ftiviera di ponente in ihrem
therapeutischen Werthe in Bezug aut' Klimatologie
und Seebäder.
Von
Geheimrath Professor Dr. Lebert in Nizza.
So viel auch über die Riviera und ihre einzelnen Stationen ge¬
schrieben worden ist, besitzen wir doch keine gründliche, auf reiche und
lange Erfahrung basirende Würdigung ihres therapeutischen Werthes.
In meteorologischer Beziehung hat man ungleiche Materialien, welche
verschiedene Jahresreihen betreffen, zusammengestellt und verglichen.
Die physicalische Geographie dieses schönen Landes ist oft unvollkommen
berücksichtigt worden. In der Würdigung des Winteraufenthaltes hat
der so häufig nothwendige des Frühlings noch nicht hinreichende Rück¬
sicht L r etüniit‘ri, Bei den therapeutischen Indicationcn hat man die
Brustkrankheiten meistens hinreichend iifs Au sie gefasst. Für andere
Krankheiten ist dies für die Reviera im allgemeinen noch nicht hin¬
reichend geschehen.
Die bisher im Norden so unvollkommen gekannten, so wenig the-
rapeuthisch gewürdigten südlichen Seebäder der Riviera bilden einen
der wichtigsten Th eile ihrer ärztlichen Zukunft. Auch werde ich zeigen,
wie nützlich der innere Gebrauch des hü*ewasscrs werden kann, wenn
man ihm eine gut vertragene und angenehme Form zu geben weiss.
"Wenn ich daher meine jahrelangen Erfahrungen über die Riviera
kurz zusaminenfasse, so scheint mir diese Arbeit einem wirklichen Zeit¬
bedürfnisse zu entsprechen.
I. Einiges über die physicalische Geographie und Kli¬
matologie der Riviera im allgemeinen.
Eigentlich erstreckt sich die Riviera di ponente nur von Genua bis
Nizza (44°, 30' — 43”. 45' n. Br.). Indessen gleicht die provenza-
lischc Kiist»* von Nizza bis Toulon sehr der Revier» und ist ihre un¬
mittelbare Fortsetzung. Dieser ganze Küstenstrich ist zum nicht ge¬
ringen Theil durch hohe Gebirgszüge gegen rauhe, kalte Lüttströmungen
geschützt. Den iiussersien Wall bilden die Schweizer Alpenketten mit
ihren Ausläufern. Dann folgen anderen Alpenzügen ungehörige. von
Norden nach .Süden gehende Rergziige mit ihren Ausläufern. — Die Haupt¬
kette des Schutzes aber bilden nach der Küste zu die SeeaJpen, welche
zum Theil in hohen, fernen, schneebedeckten Spitzen gipfeln, deren Aus¬
läufer und peripherischen Jlöhenziige an der Riviera aber hinreichend
von der Schneeregion entfernt sind, um rasche Abkühlungen zu ver¬
hüten. Während aber die Meereswinde, besonders südliche, überall die
Küste bestreichen, ist diese* bei den Unterbrechungen und weit gehenden
Thaleinschnitten sehr ungleich gegen die Winde, welche vom Norden,
Nordwesten und Nordosicn kommen, geschützt. Diese ungleiche Be¬
schaffenheit giebt zwar der landschaftlichen Schönheit oft einen eigen-
thüinliehen Reiz, aber auch ein sehr ungleiches, bald rauheres, bald sehr
mildes Klima, mit welchem dann auch die Vegetation in Zusammen¬
hang steht.
Die geschützten Gegenden der Küste und der in sie einmündenden
Thäler bilden unsere klimatischen Curorte. Der Schutz dieser ist zwar
bedeutend, aber wiederum durch locale Verhältnisse von verschiedener
Beschaffenheit.
Es reicht hin, die schöne alte Bergstrasse der Riviera zwischen Ge¬
nua und Nizza zu befahren, um diese Unterschiede oft recht empfindlich
zu fühlen, wiewohl der gemeinschaftliche Character ein Zauber land¬
schaftlicher Schönheit ist, wie ihn wenige Länder Europa’s besitzen. Zu
meinen schönsten Erinnerungen gehört eine Fahrt von Mentonc nach
Nizza, an der Corniche entlang, in einer herrlichen mondhellen Nacht.
Geologisch besteht die Riviera mit den nahen Bergzügen aus theils
tertiären, theils der Kreide- und der Juraformation anuehörigen Kalken.
In dem östliche Theile, um Voltri und in den Seitenthälern trifft man
Urgebirge an. Bei Pegli fand ich Serpentin anstehend und den Meeres¬
grund, sowie die aus demselben hervorragenden Felsen bildend. Die
oberflächlichen Schichten bilden ein über altem Seeboden liegendes,
mächtiges Alluvium, unter welchem auch diluviale Bresehien sich be¬
finden, unter denen die Höhle, in welcher ein antihistorisches Menschen-
scelett gefunden wurde, am berühmtesten geworden ist.
Von Nizza bis Genua verlaufen die meisten Ausläufer der Seealpen
von Norden nach Süden, sind ziemlich huch und zum nicht geringen
Theile im Hintergründe durch hohe Bergrücken verbunden, also halb¬
kreisförmig, wie amphitheatralisch abgeschlossen und dadurch eben sehr
schützend. Weniger geschützt ist der Theil von Nizza bis Toulon, Cannes
abgerechnet, und zeigt der westliche Theil viel mehr Hügelland, mit
weiteren, fruchtbaren Ebenen, aber geringerer Abwehr gegen rauhe Luft¬
strömungen . als an dem übrigen Theile. An der Riviera der warmen
Kurorte tragen auch die steilen Bergwände, welche bei dem fast stets
heiteren Himmel die Sonnenstrahlen in rundlich ausgebuchtetem Küsten¬
lande reflect iren, nicht, wenig zu der bedeutenden Erwärmung der Cur¬
orte und des nahen Meeres bei.
Die Vegetation der geschützten Theile der Riviera und der klimati¬
schen Curorte ist eine für diese Breitegrade ganz auffallend südliche, land¬
schaftlich. wie in allen Details sehr schöne, mannigfache und reichhaltige.
Uebcrall gedeiht dort di-' Palme von reiflich und hei Bordighera
erreichen diese herrlichen Bäume eine fast afrikanisch'* Ueppigkeii.
Die seltensten Palmeüari» n halten in den Gälten im Freien aus. Die
Olivenbäume liefern reichlich das beste Ocl. Orangenbäume sind so
zahlreich und geben so wohlschmeckende Früchte, dass sie zu den grossen
materiellen Hilfsquellen des Landes gehören. Die zartere Schwester der
: Orange, die Citrone, gedeiht in den klimatischen Curorten so gut wie
| in Süd-Italien und in Sicilien. Die japanesische Mispel ist eine der
häufigsten Früchte der Riviera geworden, und prangen die vielen gold-
i gelben Früchte in lieblichem Anblick an den überladenen Zweigen. Der
l Mandelbaum blüht sehr früh und sehr reichlich. Ende Januar zeigte
ein Mandelbaum in meiner Villa bereits einen so reichlichen Blüthen-
schncc, wie in Mittel- und Nordeuropa die Kirschbäume im Mai. Der
Feigenbaum streckt im Winter scelettartig seine kahlen Arme aus. Hat
er aber angefangen, im April Blätter zu treiben, so kommt sein gross-
blätteriges Laub so schnell zu üppiger Entwicklung, dass der Schatten
grosser Feigenbäume in den Gärten zu den angenehmsten Ruheplätzen
gehört und bald sprossen nun auch von allen Seiten seine süssen, saf¬
tigen Früchte hervor.
Fast befremdend sind für den Nordländer die grossen Hecken von
Cactus und Agaven, mit reichen Blüthen hochaufsehiessender rother
(ieranien durchzogen.
Blumen bietet der Garten das ganze Jahr. Wie haben mich ira
December und Januar, neben vielen anderen Blüthen, die vielen schönen
Rosen erfreut, wie die Gebüsche grosser Heliotropien und Salvien.
Die Zuchtgärteil für Parfümerie sind im Januar und Februar be¬
reits voll Veilchen, Narcissen. Rosen etc., während bald darauf, im März
und April, die Blüthen der Orangenbäume förmlich die Luft mit Wohl-
geröchen erfüllen.
Schon im Januar sieht man wild wachsend überall Veilchen und
buntfarbige Anemonen, und ira Frühling findet sich eine Reichhaltigkeit
der Flora, besonders an schönen Liliengewächsen. Tulpen, Hyacynthon,
Narcissm, wie sie im Norden nur sorgsam kultivirte Gärten im Sommer
bieten. Die Wicke (Convolvulus) bietet eine grosse Reichhaltigkeit an
Arten, mit eleganten Farbentönen, und zwischen ihnen streckt zahlreich
der Cystus seine grossen weissen und rosigen Blüthen hervor.
Wo aber rauhe Luftströmungen an der Riviera Zugang finden, da
find» t sich auch diese schöne Vegetation unterbrochen, und' so sind die
wärmstem und geschütztesten Curorte auch die schönsten und blumen¬
reichsten.
Nicht minder südlich sind in allen geschützten Orten die tbierischen
Bewohner. Fische. Crustaccen, Conchilien und Polypen sind die süd¬
licher Meere. Die Inseeten, die Arnc-hniden, die Reptilien und Vögel
sind grössten theils die warmer Klimate und war <-s mir eine Freude,
noch itn December und Januar zierliche Schmetterlinge um die Blumen
flattern zu sehen.
Die für diese Breitegrade ungewöhnliche Milde des Klima’s ist be¬
kannt. Leider aber sind die meteorologischen Beobachtungen der meisten
Stationen nicht hinreichend, um ein definitives Urtheil über die mitt¬
leren Verhältnisse nach einer längeren Reihe von Jahren der Beob¬
achtung zu erhalten. Auch betreffen die Beobachtungen für die ein¬
zelnen Stationen oft ganz verschiedene Jahre und Jahresreihen.
Nizza allein besitzt seit 28 Jahren die sehr genauen und gewissen¬
haften. nach den besten physicalischen Methoden gemachten meteorolo¬
gischen Beobachtungen Teysseire’s.
Fassen wir alles hierüber bisher bekannte zusammen, so gelangen
wir zu einigen allgemeinen Ergebnissen über das Klima der Reviera.
Der Luftdruck schwankt im ganzen weniger als bei mittlerem,
geringerem Luftdruck. In Nizza ist er im mittleren 760,10. Deshalb
haben die extremen Zahlen von 779,3 und 735,5 keinen grossen Werth.
Sinken des Barometers ist mehr durch die Winde, als durch den Regen
bedingt.
Die Temperatur zeigt eine mittlere Jahreswärme zwischen 15°
und 16° C., sic ist 15°,67 für Nizza. Die Wintermonate von Anfang
November bis Ende März zeigen eine mittlere Wärme von 10° C. Diese
beträgt im Januar für Nizza 8°.38, während November und März eine
mittlere Wärme von 11 —12° bieten. Wenn die Brea’schen Zahlen
für Mcntone in einzelnen Monaten um wenige Zehntel höher erscheinen,
so ist für andere Monate dies Verhältniss ein umgekehrtes. Ein end¬
gültiger Vergleich war aber nur bei dem gleichen Zeitraum der Beob¬
achtung möglich. Will man überhaupt wissenschaftlich klar sehen, so
sind von den Behörden meteorologische Bureaus mit untadelhaften In¬
strumenten und strenger Controle einzurichten, wie dies in der Schweiz
zum grossen Vortheil des Landes schon längst der Fall ist.
Wie sehr Zweifel bisher berechtigt sind, geht unter anderem aus
der folgenden Thatsachc hervor: Valentiner 1 ) will beweisen, dass im
Winter die mittlere Monatstemperatur in Mentone höher ist, als in Nizza.
Vergleichen wir aber die Valentiner’schen, in Parenthese hier liinzu-
gefügten Zahlen für Nizza mit den zuverlässigen Tcy sseire ’schen, so
haben wir nicht geringe Unterschiede:
October T. 10,85 (16,5 V.) Januar T. S.38 (6,9 V.)
November „ 11,96(10.6 „) Februar „ 9.23 (7,9 „)
December „ 9,00 (9 4 „ ) März „ 11.08(10,6 „ )
Durchschnittlich sind also die Valentiner’schen Zahlen um so vieles
geringer, dass seine 6 Monate 5°,1 weniger bieten, als die Tey sseire -
sehen. Indessen fügt Valentiner, dieser gewissenhafte B»*obaehter,
hinzu, dass diese Zahlen nur als „ungefähr»* A n ha 1 tsp unk t e“ an¬
zusehen sri«*n. Was diese in der Wissenschaft bedeuten, wissen wir.
Die fs iedcrseh läge und die Hygrom»*trie zeigen auch sehr
1) Die t'urorte der Reviera. Berlin 1^65, p. 20.
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
50() BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
günstige Verhältnisse. Die Zahl der Regentage beträgt im Jahre nur
60—65 in dem westlichen Theile der Riviera, während in Rom, Florenz
und schon in Genua fast die doppelte Zahl erreicht wird. Die Genua
nahegelegenen Curorte, wie Pegli, haben schon die grössere Zahl der
Regentage Genuas. Die Regengüsse sind zwar nicht selten stark, halten
aber nur ausnahmsweise Tage lang an. ln Nizza, in Cannes, in Mentone
kann man fast an den meisten Regentagen während einer oder mehrerer
Stunden spazieren gehen. Die stärkeren Regenzeiten finden sich übrigens
ausserhalb der Cursaison. Die Luftfeuchtigkeit bietet in Nizza nach
dem August’sehen Psychrometer 61,6 (der Saturationspunkt = 100),
ist also eine mittlere und günstige. Das Klima ist im ganzen eher ein
trockenes.
Höchst erquickend und gesund ist das so überreich der Riviera zu-
getheiltc Sonnenlicht. Am Morgen heizt die Sonne schon früh die
Zimmer; schon früh erlaubt sie diesen den Zutritt der freien Luft. Etwas
später erlaubt sie ein relativ frühes Ausgehen und vielen Aufenthalt
im Freien, und ist selbst an windigen Tagen der Morgen oft windstill.
Dagegen ist der Untergang der Sonne von einer Abkühlung begleitet,
welche grosse Vorsicht nöthig macht.
Nebel ist in der Riviera sehr selten, ein gewiss grosser Vortheil.
Thaubildung ist am Morgen und Abend nicht unbedeutend und er¬
frischt die Vegetation, welche sonst durch die Regenarrauth leiden
würde.
Windige Tage sind im mittleren SO — 85 im Jahre, von denen
auf die 5 Wintermonate im mittleren 33 kommen. Von diesen sind nur
wenige sehr windig und auch an diesen kann man oft eine oder mehrere
Stunden zum Spazierengehen finden. Das Suchen nach absolut wind¬
stillen Orten ist nicht nur nicht realisirbar. sondern wären solche auch ge¬
wiss durchaus antihygienisch. Die kälteren Winde von Nord. Nordost, Nord¬
west sind selten und nicht anhaltend und schützen das Estereigebirge
zum Theil, sowie auch die übrigen Bergzüge Cannes, Nizza und .Mentone
vor häufigem, bekanntlich sehr unangenehmem Mistral. Frequenter als j
nördliche Strömungen sind Süd-, Südwest-, Südost- und Ost-Wind. Ich
habe oft an dem gleichen Tage verschiedene Stationen der Riviera be- j
sucht. War es aber an dem einen Orte windig, so habe ich es gewöhn¬
lich an den anderen gleich windig gefunden.
II. Die hauptsächlichsten Kurorte der Riviera, die Grund-
indicationen für die klimatischen Curen, die zu beobach¬
tenden V o rs i c h t s m a s s rege 1 n.
a) Die Curorte.
Die Hauptcurorte der Riviera sind Hyeres, Cannes, Nizza, Mentone
und San Remo. Kleinere und neuere Curorte sind Bordighera, Alassio
und Pcgli.
Hyeres, vom Meere schon entfernter, hat nur mittelbar ein See¬
klima. Am Südabhange eines Berges gelegen, ist besonders der untere
Theil der Stadt der Aufenthalt der Fremden. Gegen nordwestliche Winde
ist es weniger geschützt, überhaupt windiger als die übrigen grösseren
Stationen, Das Klima ist aber doch mild und warm, der Himmel ge¬
wöhnlich heiter, die Vegetation sehr schön. So erklärt sich die bleibende
Gunst dieser Station hei Aerzten und Kranken.
Cannes ist, nebst Nizza und Mentone, der Hauptcurort der fran¬
zösischen Riviera. Ueberhaupt bilden diese drei Curorte eine natürliche
besondere Gruppe, die eigentliche französische Riviera. Das Estcrelgebirge
schützt Cannes gegen West- und Nordwestwinde. Von den relativ we¬
niger hohen Seealpen im Hintergründe können zwar kühlen- Luftströ¬
mungen eindringen. werden aber nur selten lästig intens. Die Aussicht
auf das Meer ist sehr schön und bieten die Inseln St. Marguerite lind
Honorat eine angenehme Abwechselung. Halbmondförmig am Meeresufer
gelegen, ist Cannes, amphitheatralisch aufsteigend, an dem Fusse schützen¬
der Berge von vielen und schönen Villen umgeben. So hat man vom
Meeresufer, mit seinem inehr stärkenden, aber windigeren Klima, alle
Uebergänge bis zu mehr oder weniger vor Wind geschützten Anhöhen
und liegt Cannes, mit seiner sehr milden Luft, so günstig, dass es für
zartere Constitutionen und tiefere Erkrankungen der Athmungsorgane
ein sehr passender Aufenthalt ist. Die Vegetation und die Fauna sind
überall durchaus südlich, erstere besonders schön und mannigfaltig. Die
vielen Nadelgehölze in der Nähe geben der Luft an manchen Orten
etwas angenehm Balsamisches. Auch die Seebäder in Cannes sind vor¬
trefflich eingerichtet und das ganze Jahr hindurch brauchbar, so dass
Kranke noch bis Anfang November und dann wieder von Anfang April
an in der See baden können, was auch von den Fremden reichlich be¬
nutzt wird.
Cannes ist also ein in jeder Hinsicht sehr zu empfehlender klima¬
tischer Curort und vereinigt auch für Seebäder sehr günstige Bedin¬
gungen.
Nizza ist nicht nur der älteste, sondern bleibt auch einer der
wichtigsten und nützlichsten, einer der Hauptcurorte der Riviera. Man
hat es in neuerer Zeit vielfach verläunulet, aber die Verdächtigungen
und Anschuldigungen absolut unbewiesen gelassen, und dabei eine
grosse Unwissenheit der localen Verhältnisse gezeigt. Wann werden
endlich die Menschen anfangen, gemeinschaftliche Interessen richtig zu
w iirdigen!
Das jetzi ge Xizza s t.«■li t hintur keinem Curort de r Riviera
klimatisch irgend wie zurück. Man hat dort in der That die
vtT.sfhiedriisU-n klimbischen Verhältnisse Am Meeresufer ist es sehr
sonnig. ab«r etwa* windir-T als im InwTtt und hat man hi«*r besonders
die -tärki nd.-n und anregenden Eigeiisehallen dt-s Küstenklimas. Schon
! in St. Philippe, in St. Eticnne ist man geschützter, vom Meere etwas
1 entfernter. Der grosse, noch täglich grösser werdende Stadttheil Cara-
bavel hat ein auffallend mildes Klima und eine sehr geschützte Lag*.
Die höher gelegenen Villen und Hotels von Cinner, Brancollar etc. sind
zugleich geschützt und haben durch die etwas höhere Lage eine an¬
genehme, sehr reine Luft. Für Nizza, wie überall in klimatischen Cur-
orten, ist es nöthig, bald nach der Ankunft den Arzt über die Wahl
des Aufenthaltsortes zu consultiren.
Die meteorologischen Verhältnisse Nizza’s sind schon seit einer
Reihe von Jahrzehnten Gegenstand der Forschung der grossen Natur¬
forscher, wie Fodere, Risso, Roubandi etc., welche dort gelebt
haben, gewesen. Gegenwärtig besitzen wir seit *28 Jahren die absolut
zuverlässigen Beobachtungen Teysseire’s. Sie sind unstreitig di«-
besten und genauesten für die Riviera. Teysseire ist nicht Arzt,
was seiner Unparteilichkeit gewiss nicht schadet. Ich führe hier einig«*
Thatsachen nach diesem 28jährigen Ueberblick, wie Teysseire ihn nu
Nice medical*) bekannt gemacht hat, an.
Der mittlere Barometerstand ist 761,10. Die mittlere Jahrestempe¬
ratur 15,67. Die mittlere Monatstemperatur ist folgende:
Januar
8,38 C.
Juli
23,93 C.
Februar
9,23
August
23.62
März
11,08
September
20.61
April
14.29
Oetober
16,85
Mai
17,74
November
1U9G
Juni
21,40
December
9.00
Für den Winter, von Anfang November bis Ende März, haben wir
also 10 C. mittlere Wärme. Nun aber bleiben sehr viele Fremden den
ganzen April und bis Mitte Mai, nicht wenige bis Ende Mai. Rechnen
wir nun diese 7 Monate zusammen, so bekommen wir für d«?n Aufent¬
halt die Mittelwärme von 11.67. Schon der Uctober mit 16,85 ist sehr
angenehm in Nizza, und ist es ein nicht gering anzuschlagender YV*
theil, im April bereits 14,29, im Mai 17,74 mittlere Wärme bei heiterem
sonnigen Himmel zu haben, während in dieser Zeit, in den weniger
günstig gelegenen Ländern milde, selbst warme Tage mit vielen rauhen,
Sonnenreichen und windstillen mit einer grösseren Zahl vieler regneri¬
scher und windiger abwechseln. Deshalb verlängern auch grade die
erfahreneren Kranken oder nicht Kranken am häufigsten ihren Aufent¬
halt bis nach Mitte Mai, wo man erst anfangen kann, in Deutschland
die Orangenbäume aus den Treibhäusern ins Freie zu bringen.
Als mittlere Luftfeuchtigkeit haben wir 61,6 kennen gelernt. Das
Klima ist eher trocken als feucht zu nennen, und deshalb den Rheu¬
matikern zuträglich. Als stark windige Tage werden 80,5 im Jahre
bezeichnet. Diese ergeben für Januar 3,5, für Februar 7,5, für März 9,7,
für April 9.1, für Mai 8,2, für November 6.0 und für December 4.7.
Auffallend windstill sind also November, December, Januar und noch
zmn Theil Februar. In den windigeren Frühlingsmunaten übersteigt
die Zahl kaum 9 und kann man an den meisten Tagen eine oder mehrere
Stunden ausgehen, besonders in den Morgenstunden und nach 4—5 Ihr.
Sehr wichtig sind auch die Verhältnisse der heiteren, sonnigen, der
wolkigen und der Regentage. Im mittleren hat man 2US,5 vollkommen
heitere, sonnenreiche Tage, 86,5 bewölkte, an denen jedoch meisten*
die Sonne Stunden lang scheint. So bleiben nur G4,7 regnerische Tage,
von denen jedoch viele so wenig anhaltenden Regen bieten, dass man
Stunden lang im Freien zubringen kann. Auffallend begünstigt ist die
Saison. Wir haben für November 7.2 Regentage, für December 5,7, für
Februar 5,2, für März 6,4. für April 5,7, für Mai 6,2. Somit hat man
also auf 7 Monate nur 42 Regentage, von denen viele mit geringe:
Wassermenge, ein Verhältniss, wie man es nicht günstiger und ange¬
nehmer -wünschen kann. Hat doch Genua schon last die doppelte Zahl
Regentage. Die mittlere Höhe des Pluviometers ist 811,0 für das Jahr,
von diesen fällt der grösste Theil ausserhalb der Saison; so kommt au;
den Oetober allein die Zahl 153.
Für Gewitter ist die Mittelzahl des Jahres 14,1, für Hagel 2 Tage,
für eisartigen Reif (gresil) 1,1, für Schnee 1,2, fiir Nebel 2,1. Auch
hier haben wir wieder sehr günstige Verhältnisse.
Nizza hat also ein so mildes und angenehmes Klima, wie nur irgend
ein Curort der Riviera. Mit den Vortheilen der grossen Stadt verein;
Nizza die Annehmlichkeiten des Landlebens. Wer es nur irgend wünscht,
kann in den vielen Villen und Hotels ausserhalb der Stadt still und
zurückgezogen leben. Dabei besitzt Nizza aber auch eine sehr gro'j'-
klimatische Mannigfaltigkeit in seinen einzelnen Theilen, wodurch d*r
Aufenthalt sehr verschiedenen pathologischen Zuständen angepasst werden
kann. Der banale Ausspruch, „Nizza ist zu windig und staubig für
Brustkranke“, wird durch diese Auseinandersetzung gradezu lächerlich.
Das vortrefflich organisirte Besprengen der Strassen lässt sogar den
Staub viel weniger fühlen, als an anderen Stationen.
Mentone gehört zu den schönsten und besuchtesten Curorten dei
Riviera, und theilt mit Nizza und Cannes die grossen Vortheile und
die geringen Nachtheile ihres milden und herrlichen Klimas. Die meisten
Villen und Hotels liegen zerstreut in der Nähe des Meeres und in den
neuen Strassen. Viele geschützte finden sich hinter der Eisenbahn aul¬
steigend am Fusse der Berge. Auch hier weht am Meere mehr Wind
und ist es kühler als landeinwärts. Die Vegetation ist sehr schön, und
fällt der grosse Reiehthurn an Cilronenbäumen auf. Wie in Cannes und
in Nizza sind die grosseren, sorgfältig gehaltenen Gärten für den Nord¬
länder bezaubernd schön.
1) Niec-medical, Jan vier 187S, p. 119.
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19. August 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
501
Hinter den näheren Bergen schützen hohe Ausläufer der Seealpen
die Küste und ihren Hintergrund. Man stelle sich jedoch Men tone nicht
zu windfrei vor. Ich habe dort stets den gleichen Wind von gleicher
Stärke gefühlt, wenn ich dorthin kam und Nizza bei windigem Wetter
verlassen hatte.
Um Mentone herum ist die Bergstrasse der Corniche sehr schön,
stellenweise hoch und steil, aber sehr viel Abwechselung bietend.
Wenn die Brea’schen Zahlen der Mittel wärme für einzelne Monate
und für den Winter um wenige Zehntel höher sind, als für Nizza, so
hat dies weder meteorologisch, noch medicinisch Bedeutung. Um zu
definitiven Vergleichungsresultaten zu gelangen, müssten übrigens die
Beobachtungsmaterialien Brea’s die gleiche Jahresreihe umfassen, wie
die Teysseire’schen.
Wie dem auch sei, ist Mentone einer der schönsten, der geschätz¬
testen, der nützlichsten, der mit Recht besuchtesten Curorte der Riviera
di ponente.
Monaco, zwischen Nizza und Mentone, liegt zum Theil sehr ge¬
schützt und wird vielleicht klimatisch zu verwerthen sein. Bisher fehlen
darüber aber hinreichende Reihen genauer Beobachtungen und ist die
Nähe der Spielbank von Monte Carlo ein nicht geringer Nachtheil, einer¬
seits sehr verlockend, andererseits so antihygienisch wie nur irgend
möglich.
Bordiirhera hat eine schöne und geschützte Lage und zeigt, wie
bereits erwähnt, den grössten Palmenreichthum der Riviera. Trotzdem,
dass die relativ niedrigen Schutzwälle im Norden den kühleren Luft¬
strömungen etwas mehr Zutritt gestatten, ist doch das Klima sehr mild
und die Vegetation für diese Breite so südlich wie möglich. Auch habe
ich mich zum Theil von dem ganz südlichen Character der dortigen
Fauna überzeugt, ßordighera fängt an, ein besuchter Curort zu sein
und scheint mir sehr dazu geeignet.
San Remo gehört zu den besten Stationen der Riviera und kann
mit Mentone, Nizza und Cannes durchaus rivalisiren. Es ist der östlichste
dieser vier grossen klimatischen Curorte. Seine fast gradlinige Küste
steigt rasch g.-gen die Olivenwälder auf. Der Schutz des Hintergrundes
steht nicht hinter dem der erwähnten Curorte zurück, wie wohl ich
auch hier mehrfach, wie dort, unangenehme und intense Luftströmungen
empfunden habe. Die Hotels sind zum grossen Theil am Meer, was
ich für einen Nachtheil für manche Kranken halte. Indessen längt man
auch hier an höher hinauf, an dem unteren Theile der Berglehnen und
in den Olivenwäldern zu bauen. Auch in den höheren Theilcn der
alten Stadt finden sich geschütztere Wohnungen. Der Kalkstaub der
Strassen wird durch regelmässiges Besprengen sehr gemindert.
Sind auch die Seealpen hinter San Remo weniger hoch als um Nizza
und Mentone, so sind doch die Schneegipfel hinreichend entfernt, um
schnelle Abkühlungen durch starken Schneefall in den Alpen unmöglich
zu machen.
Die Vegetation ist reich, schön, südlich und bietet eine grosse
Mannigfaltigkeit, ebenso die Fauna. Für gutes Unterkommen, auch lur
wenigrr Bemittelte, ist gesorgt. Somit gehört auch San Remo in jeder
Hinsieht zu den Curorten ersten Ranges der Riviera,
A lass io hat eine schöne, sehr geschützte Lage, ein warmes, an¬
genehmes Klima und verdient in die Curorte der Küste einzutreten;
jedoch sind zu dieser Begründung noch genauere Ergebnisse ärztlicher
Erfahrung nöthig.
Pegli. in einer geschützten Bucht liegend, kenne ich seit Jahren
als einen milden und angenehmen Aufenthalt für Frühling und Herbst.
Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass auch der Winter mild und zu
klimatischen Curen geeignet ist. Jedoch sind hierfür die meteorologischen
und pathologischen Beweise wirklich wissenschaftlichen Werthes noch
beizubringen.
Die Seebäder sind in Pegli sehr angenehm, sehr zu empfehlen,
sollten aber früher als im Juni eröffnet werden, da die vielen Fremden
der Riviera gern schon, wann die Seebäder für sie indicirt sind, im
April und Mai baden, was in der französischen Riviera sehr gut orga-
nisirt ist. Sehr angenehm ist in Pegli die Nähe von Genua.
(Fortsetzung folgt.)
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. Für das neue Universitätsjahr wurde zum Rector der Ge¬
heime Regierungsrath Prof. Dr. Zeller, zum Decan der medicinischen
Facultät der Geheime Medicinalrath Prof. Dr. Bardeleben gewählt.
— Da die Versammlung der Deutschen Naturforscher und Aerzte
in Kassel acht Tage früher, als beabsichtigt war, vom 11. bis 17. Sept.
statt finden wird, ist auch, um ein Zusammentagen der beiden Ver¬
sammlungen zu vermeiden, die Versammlung des Deutschen Ver¬
eins für öffentliche Gesundheitspflege in Dresden auf 8 Tage
früher, und zwar auf den 6. bis 10. September verlegt worden.
— Die durch den Tod Claude Bernard’s erledigte Professur
für Physiologie am College de France in Paris ist Brown-Sequard,
welcher bekanntlich in erster Reihe Für dieselbe in Aussicht genommen
war, übertragen worden.
— Vom 13. bis 16. August findet in Paris auch ein internationaler
Congress zum Studium des Alcoholismus statt.
— Der Tod des Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Herrn. Lebert, von dem
in dieser Nummer noch obiger Artikel, wohl der letzte aus seiner Feder,
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veröffentlicht werden konnte, wird aus Bex in der Schweiz, wohin der¬
selbe nach einem thatenreichen Leben sich zurückgezogen hatte, gemel¬
det. Wir haben für diese Nummer nicht mehr die Zeit, dem gewiss all¬
gemeinen Bedauern über diesen Verlust vollen Ausdruck zu geben, und
werden später über den Lebensgang und die hervorragende wissenschaft¬
liche Bedeutung des Verstorbenen ausführlich berichten.
VIII. lntliche Mittheilugea.
Personaiia.
Auszeichnungen: Seine Majestät der König haben AUergnädigst ge¬
ruht, dem Krcisphysikus Dr. Schiebler zu Simmom den Character
als Sanitätsrath zu verleihen.
Anstellungen: Der seitherige Kreiswundarzt des Kreises Lehe,
Dr. Flickenschild zu Lehe, ist zum Kreisphysikus desselben
Kreises, und der seitherige Kreiswundarzt des Kreises Solingen,
Dr. Hecker zu Solingen, zum Kreisphysikus desselben Kreises er¬
nannt worden.
Niederlassungen: Die Aerzte Dr. Luch hau in Königsberg i./Pr.,
Dr. Lachmann, Dr. Meinberg, Dr. Brunck, Dr. Schacht,
Dr. Engelhardt, Dr. Wolff und Dr. Streisand in Berlin, M ueller
in Braetz, Dr. Niklaus in Murowana Goslin, Dr. Dembczak in
Obersitzko, Dr. Heinr. Frdr. Ludw. Schulze in Schlüsselburg.
Verzogen sind: Ober-Stabsarzt Dr. Peiper von Königsberg i./Pr.
nach Breslau, Assistenzarzt Dr. Kunze von Königsberg i./Pr. nach
Berlin, Dr. Wodtke von Königsberg i./Pr. nach Danzig, Kreisphysikus
a. D. Dr. Zippert von Mogilno nach Berlin, Dr. Lassar von Breslau
nach Berlin, Dr. Oliass von Potsdam nach Berlin, Assistenzarzt
Dr. Anschütz von Posen nach Krotoschin, Assistenzarzt Dr. Frdr.
Wolff von Militsch nach Lissa, Dr. Tiburtius von Berlin nach
I Rixdorf, Dr. S tah r von Trebnitz nach Wilxen, Ober-Stabsarzt Dr. Me n d e
von Saarbrücken nach Merseburg, Ober-Stabsarzt a. D. Dr. Vogel
I von Merseburg, Dr. Bruegelmann von Köln nach Paderborn und
Dr. Evens von Schmiedeberg (Sachsen).
| Apotheken- Angelegenheiten: Der Apotheker K e c h t in Alt-Moabit
| hat seine Apotheke an den Apotheker Kühtze, der Apotheker Agahd
! in Berlin die seinige an den Apotheker Fiebrantz und der Apotheker
Kujawa in Ostrowo die seinige an den Apotheker Boettger verkauft.
Dem Apotheker Jankiewicz ist an Stelle des Apothekers Todtmann
die Verwaltung der Klapper’schen Apotheke in Schildberg und dem
Apotheker Jacob die Verwaltung der Fri tzsch e’sche» Apotheke in
Lützen übertragen worden.
! Todesfälle: Die Aerzte Dr. Schlochauer, Dr. Früh auf und
| Dr. Pohl in Berlin, Dr. Prätel in Samter, Dr. Kompf in Kobylin
! und Meitzer in Schmiedeberg (Sachsen), sowie der Apotheker
j Bannitz in Königsberg i./Pr. und der Apotheker Fritzsche in
! Lützen.
Bekanntmachungen.
I Die Kreis-Physicatsstelle dos Kreises Osterburg ist durch den Tod
| des bisherigen Inhabers erledigt. Qualificirte Medicinalpersonen, welche
sich um jene Stelle bewerben wollen, haben sich unter Einreichung
ihrer Zeugnisse und eines Lebenslaufes binnen 6 Wochen bei uns zu
melden. Dem anzustellenden Kreis-Physicus wird die Stadt Seehausen i./A.
als Wohnort angewiesen werden.
Magdeburg, den 5. August 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Durch den Tod des Kreis-Physicus Dr. Fritsch ist die Kreis-Phy-
sicats-Stelle des Kreises Rössel vacant geworden. Wir fordern qualifi-
I cirte Bewerber auf, sich unter Einreichung der Zeugnisse und des Lebens¬
laufes bis zum 15. Sept. er. bei uns zu melden.
Königsberg, den 5. August 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Die mit einem jährlichen Einkommen von 600 Mark verbundene
erledigte Kreiswundarztstcllc des Kreises Inowrazlaw ist sofort zu be¬
setzen. Geeignete Bewerber fordern wir auf, sich unter Einreichung ihrer
Zeugnisse und. eines Lebenslaufs binnen 6 Wochen bei uns zu melden.
Bromberg, den 5. August 1878.
Königliche Regierung Abtbeilung des Innern.
Die vor längerer Zeit vacant gewordene Kreiswundarztstelle des
Kreises Otterndorf ist noch immer unbesetzt. Aerzte, welche das Phy-
sicatsexamen bestanden haben oder sich verpflichten, dasselbe binnen
2 Jahren zu absolviren, werden hierdurch anderweit aufgefordert, sich
unter Einreichung ihrer Zeugnisse nunmehr spätestens bis zum 15. Sep¬
tember d. J. bei uns zu melden. Dass der Kreiswundarzt, sich am Sitze
des Kreisphysicus niederlässt, ist zwar wünschenswerth, jedoch können
auch Bewerber, welche an einem anderen Orte des Kreises wohnen, Be¬
rücksichtigung finden.
Stade, den 6. August 1878.
Königliche Landdrostei.
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
502
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Ne. 3S
Sterblichkeit in Berlin im Monat Mai 187S.
Todesursachen: Masern 27 m., 22 w.; Scharlach 27 m., 29 w.;
Pocken 1 w.; Rose 5 m., 3 w.; Rachenbräune 50 m., 41 w.; Eiter¬
vergiftung 1 m., 4 w.; Kindbettfieber 12 w.; Karbunkel 1 m.; Nerven¬
fieber 10 m., 8 w.; Fleckfieber 15 m.; Ruhr 9 m., 6 w.; Kaltes Fieber
1 w.; Acuter Gelenkrheumatismus 1 m.; Syphilis 4 m., 3 w.; Milz¬
brand 1 m.; Mineralische Gifte 4 m.; Giftige Gase 2 w.; Trunksucht
5 m.; Schwämmchen 8 m., 2 w.; Verbrennung 1 m.: Ueberfahren 2 m,
1 w.; Sturz und Schlag 21 m., 3 w.; Schussverletzung 6 m.; Schnitt-,
Stich-, Bisswunde 1 m.; Folgen einer Operation 2 m., 4 w.; Ersticken
5 m.; Erhängen 2 m., 2 w.; Ertrinken S m., 1 w.; Lebensschwäche
der Neugeborenen 82 m., 68 w.; Bildungsfehler 2 w.; Zahnen 13 m.,
6 w.: Englische Krankheit 8 w; Schwindsucht der Kinder 17 m., 18 w.;
Drüsenabzehrung, Scrofulosis 4 m., 7 w.; Erschöpfung 64 m., 63 w.;
Altersschwäche 21 in., 45 w.; Brand der Alten 1 w.; Brandgeschwür
1 m.; Krebs und Geschwülste 18 m., 36 w.; Scorbut 1 m.; Blutflecken¬
krankheit 1 m.; Haemophil. 1 m.; Anaemia 1 m., 5 w.; Leukämie
1 m., 1 w.; Wassersucht 8 in., 8 w.; Diabetes mellitus 2 m., 1 w.;
Furunculosis 1 m., 2 w.; Phlegmone 4 m., 4 w\; Sonst. Krankh. d.
Haut u. d. Zellgewebe 1 m., 2 w.; Entzündung der Knochen und
Gelenke 5 m., 4 w. Pericarditis 2 w.; Herzvergrösserung 2 w.; Vitia
cordis 27 m., 25 w.; Herzlähmung 15 m., 13 w.: Arterienkrankheiten
1 m., 1 w.; Hirnhautentzündung 30 m., 20 w.; Tubercul. Hirnhaut¬
entzündung 4 m., 4 w.; Gehimwassersucht 4 m., 3 w.; Gehirnent¬
zündung 36 in., 28 w.; Gehirnschlag 35 m., 34 w.; Gehirnlähmung
9 m., 6 w.; Rückenmarksentzündung 1 w.: Rückenmarksschwindsucht
5 m., 3 w.; Rückenmarkslähmung 1 m.; Eclampsie der Schwangeren
u. s. Vf. 1 w.; Starrkrampf 14 m., 12 w.; Sonstige Krämpfe 127 in.,
75 w.; Kehlkopfentzündung 38 in., 33 w.; Croup 9 m., 6 w.; Keuch¬
husten 18 m., 13 w.; Kehlkopfverengerung 1 m.: Halsschwindsucht 6 m.,
1 w.; Acute Bronchitis 8 m., 14 w.; Chron. Bronchialkatarrh 18 m.,
28 w.; Lungenentzündung 86 m., 59 w.; Lungenschwindsucht 217 m.,
151 w.; Lungenblutsturz 5 m.. 4 vf .; Lungenemphysem 5 in., 9 w.;
Lungen lähmung 16 m., 22 w.; Brustfellentzündung 6 in., 4 w.;
Luftaustritt in d. Brusthöhle 1 w.; Krankh. d. Ohrspeicheldrüse 1 w.:
Untcrleibsentzündung 6 in., 16 w.; Brüche 2 m.: Ileus 5 m.; Magenka¬
tarrh 5 m., 9 v ,\; Magenverengerung 1 w.; Darmblutung 1 m.; Durch¬
fall 78 m., 62 w\; Brechdurchfall 121 m., 91 w.; Magen- und Darm¬
entzündung 2 m., 3 w.; Magen- und Darmkatarrh 24 in., 25 w.;
Darmkrampf 6 m., 3 w.: Gekrösschwindsnchl- 1 m.; Sonstige Untcrleibs-
krankheiten 1 m., 2 w.; Gallcnsteinkrankheiten 1 w.; Gelbsucht 3 m.,
2 w.; Leberentzündung 3 in., 2 w; Chronische Leberatrophie 13 m.,
10 vf .; Entzündung der Ilarnwege 1 m., I w.; Sonstige Leiden der Blase
und der männlichen Geschlechtstheile 2 m.; Uraemia 1 m.; Bright’sche
Krankheit 21 m., 9 w.: Folgen der Schwangerschaft und Entbindung
3 w.; Gebärmutterblutung ausserhalb Schwangerschaft. Geburt und
Wochenbett 1 w.; Sonstige GebärmuUcrleiden ausserhalb Geburt und
Wochenbett 1 w.; Eierstockswassersucht 1 w.; Unbestimmte Todes¬
ursachen 10 m., 3 w.; Summa 1517 m., 1240 w.
Davon waren alt: Bis 1 Jahr 651 m., 506 w.: über 1 bis 2 Jahr
138 m., 136 w.; über 2 bis 3 Jahr 49 m., 38 w.; über 3 bis 4 Jahr
35 m., 29 w.; über 4 bis 5 Jahr 24 m., 21 w.; über 5 bis 10 Jahr
45 m., 36 w.; über 10 bis 15 Jahr 8 in., 5 w.; über 15 bis 20 Jahr
16 m., 24 vf .; über 20 bis 25 Jahr 43 in., 33 w.; über 25 bis 30 Jahr
74 m., 45 vf.; über 30 bis 40 Jahr 125 in., 101 w.: über 40 bis
50 Jahr 112 m., 48 w.; über 50 bis 60 Jahr 89 m., 63 \v.: über 60
bis 70 Jahr 58 m., 69 w.; über 70 bis 80 Jahr 39 in., 62 w.; über
80 Jahr 11 m., 24 w.
Temperatur. Mittlere Temperatur 11°,43R. = 14,29 C. Abweichung
vom 25jährigen Mittel 0,72 R. = 0,90 C. Wärmster Tag: 18. Mai
mit 17,27 R. — 21,59 C. Kältester Tag: 9. Mai mit 4,83 R. =
6,04 C. Absolutes Maxiraum (am 18. Mai) 22,6 R. = 28,25 C.
Absolutes Minimum (am 9. Mai) 1,0 R. = 1,25 C. Luftdruck:
Mittlerer Stand: 27" 10'" 69. Abweichung vom 17jährigen Mittel
(1848—1865) — 0,91. Beobachtetes Maximum 28" 2"' 29 am 17. und
IS. Mai 6 Uhr Morg. bei SO. und S. Beobachtetes Minimum 27" 5 # " 20
am 24. Mai 10 Uhr Abds. bei S. Dunstspannung: Mittlere Dunst¬
spannung 3"' 26. Beobachtetes Maximum 5,25 am 28. Mai 10 Uhr
Abds. Beobachtetes Minimum 1,14 am 11. Mai 2 Uhr Nachm. Relative
Feuchtigkeit: Mittlere 61 pCt. Beobachtetes Maximum 88 pCt.
öfter. Beobachtetes Minimum 19 pCt. am 11. Mai 2 Uhr Nachm.
Niederschläge: 11 Tage mit Regen. Höhe der Niederschläge in
Pariser Linien 20,075'". Abweichung vom 16jährigen Mittel (1848 bis
1863) — 4,625. Windrichtung: Zahl der beobachteten Winde:
12 0., 17 SO., 30 S., 17 SW., 9 W., 8 NW. Mittlere Windrichtung
3° 9 von S. nach W.
Inserate,
Der Verleger und Herausgeber eines populair geschriebenen, medi-
cinischen Hausbuches, über Selbstbehandlung verschiedener chronischer
Krankheiten, sucht Aerzte und Specialisten zur Begutachtung und Auf¬
gabe von Reccpten, welche in diesem Buche unter dem Namen des betr.
Arztes pharmaceutisch verwerthet werden sollen.
Honorar Vereinbarung überlassen. Offerten unter R. S. 750 durch
die Expedition dieses Blattes erbeten.
Preis von Hundert Pfund Sterling.
(2000 Mark.)
Mr. Benelt Stanford M. P. bietet den obigen Preis für einen Auf¬
satz über die Hundswuth, ihre Natur, ihre Verhütung und ihre
Behandlung. Die Aufsätze müssen am oder vor dem ersten Januar 1880
an das „Royal College of Physicians of London“ ein-
gesandt werden, von dem der Preis zuerkannt sein wird.
Nähere Auskunft wird ertheilt auf Anfragen an
Royal College of Physicians
Pall Mall Rast.
London.
In der Rheinischen Provinzial-Irren-Heil- und Pflegcanstalt zu Düren
ist zum 1. Oetober d. J. die Stelle eines Volontairarztes zu besetzen. —
Freie Station erster Klasse und 600 Mk. Remuneration jährlich. — Dem
Königreich Prcusscn angehörige Bewerber wollen ihre Approbation und
sonstige Zeugnisse an Unterzeichneten baldigst einsenden.
Der Director
_ Dr. Ripping.
Für Aerzte.
Die Stelle des ordinirenden Arztes auf der äusseren Station des
städtischen Spitals „Maria-IIilf“ hier, ist vacant und zu besetzen. Mit
dieser Stelle, welche vorläufig die Privatpraxis nicht ausschliesst, ist
ein Jahresbezug von 1590 Mark verbunden. Das Spital ist für die
Pflege von Kranken aus allen Ständen eingerichtet und mit allen Hülfs-
mitteln ausgestattet. Approbirte Aerzte, welche sich um diese Stelle
bewerben, müssen als Operateure und insbesondere auch in der Behand¬
lung von Augenkranken tüchtig sein.
Die schriftlichen Bewerbungen nebst Qualificationsattesten sind bis
zum 1. Oetober d. J. bei der Unterzeichneten Verwaltung einzureichen.
Aachen, den 10. August 1878.
_ Aachener Armen-Verwaltung. _
Für den Monat September er. wird ein Arzt zur Vertretung gesucht.
Gefällige Offerten bis zum 15. August an den Unterzeichneten.
Obornik (Provinz Posen), den 8. August 1S78. Dr. Peters,
Kreisphysik us.
Ein Arzt in einer kleinen Stadt sucht für die Zeit vom 15. Sept.
bis 15. Oct. Vertretung. Offerten, zugleich mit Bedingungen, werden
erbeten sub II. M. 22, postlagernd Reetz i. N.
Die Assistcnzarztstelle in meiner Privatanstalt ist vergeben. Dies
den Bewerbern zur Nachricht.
Pirna, Sachsen. Dr. Lehmann.
Ein Arzt in Stadt, Norddeutschland, 3000 Einw., Gymnasium, Eisen¬
bahn-Station, gute Einnahme, 1400 M. Fixum, muss Praxis aufgeben
und will an Collagen abgeben gegen geringe Vergütung. Briefe sub
H. R, 83 befördert Exped. d. BI. _
Ein jüngerer Arzt, seit mehreren Jahren in Berlin in der Praxis
thätig, wünscht als ärztlicher Reisebegleiter nach dem Süden zu gehen.
Gef. Offerten unter 0. R. 81 Exp. d. Zeitung.
Praxis gesucht.
Ein vor 4 Jahren approbirter Arzt mit guten Kenntnissen, wünscht
in Mittel- oder Süddeutschland eine einträgliche Praxis zu übernehmen.
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scopischen und klinischen Untersuchungen und Arbeiten ertheilt der
Unterzeichnete.
B er lin. Wilhelmstrasse 82. II. _ Dil* Severin Robinski.
Zu einein. Ende September beginnenden, praetischen Cursus der
Eleetrotherapie für Aerzte nimmt Meldungen entgegen
Berlin W., Behrenstr. 5, I. Dr. Rftmak,
Privatdocent a. d. Universität.
Mentone.
Unterzeichneter wird von Anfang Oetober an in Mentone practiciren,
und ist erbötig, einigen Patienten in seiner Familie Aufnahme zu ge¬
währen. Grosse Villa in hübschem Garten. Aufragen an
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Wasserheilanstalt Gräfenberg
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Comfort vorzüglich eingerichtete Bade- und Doucheräume. Nähere Aus¬
kunft ertheilt _ ICnrant Dr Anjal. _
Wiesbaden.
Privat-Heil-Anstalt
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Aufnahme von Kranken und Reconvalescenten. Für Hautkranke
separirtes Gebäude. Thermalbäder und Electricität im Hause. Grosser
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Digitized by
Gougle
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
19. August 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIET.
503
Wasser-Heilanstalt Laubbach
bei Cobleu am Rhein.
Das ganze Jahr hindurch geöffnet. Kalte und warme Bäder, Elek¬
trotherapie.
_ Hausarzt: Dr. A. Mäurer. Inspector: F. Herrmann. _
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Wiesbadener Mineralwasser aus der Haupttrinitquelle , dem
Kochbrunnen, wird in stets frischen Füllungen in Kisten zu
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sanitärer Einrichtung und bisher unübertroffener Genesungsstatistik seit
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berg, Karpfengasse No. 6. __ _
ß. fl. PAÜLCKE, Engel-Apotheke, LEIPZIG.
Generalvertretung der Hunyady - Läszlö - Bittersalzquelle
in Budapest
Die grosse Zahl von Ofener Bitterwässern und die von ein¬
zelnen Quellenbcsitzern Öffentlich ausgefoehtene Polemik, welche die
stärkste und beste sei, machen dem Arzte und Laien die Wahl schwer.
Thatsäehlich ist unter den verschiedenen Quellen, die alle auf demselben
Rayon liegen, kein grosser Unterschied und richtet sich der Gehalt an
Salzen nach der mehr oder minder guten Construction der Brunnen,
sowie ob das Wasser bei trockener Witterung oder nach starken Regen¬
güssen geschöpft ist. Der neue Brunnenbau der Hunyady-Läszlö-Quelle
wird als mustergültig geschätzt und giebt daher die beste Gewähr für
die Gleichmässigkeit ihres nach vergleichender Analyse stärksten Ge¬
halts an Salzen. Um jedoch eine ganz genaue Dosirung zu ermöglichen,
lässt die Verwaltung der Hunyady-Läszlö- Quelle aus ihrem Mineralwasser
ein Extract in Form eines weissen leichtlöslichen Pulvers an der
Quelle selbst hersteilen, welches sämmtliche wirksame Bestandthcüe
derselben enthält. Einer Dose Inhalt stimmt mit dem einer Flasche
Bitterwasser überein, 1 Kaffeelöffel = 1 Glase. Oie Vorzöge des Hunyady-
Läszlö- ExtraClS vor Jedem Bitterwasser bestehen ausserdem in der An¬
nehmlichkeit, dass jenes in Oblate oder in jedem Getränk genommen
werden kann — somit von besonderem Werthe für Alle, welche Wider¬
willen gegen Bitterwasser hegen —, und dass die kleine Dose auch auf
Reisen bequem bei sich zu führen ist. Preis der Dose 50 Pfennig. —
Den Herren Aerzten stehen Prob en gratis und franco zu Diensten. _
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Dr. Burow. welches ich während meines sechszehnjährigen Apotheken¬
besitzes in Königsberg i. Pr. für seine Klinik anfertigte.
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5%ig), Benzoäwatte (10 u. 5%ig), Benzoijute (10 u. 5%ig).
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sionsform (dem Chylus entsprechend) leicht assimiHrt und wegen des
vollständig verdeckten Thrangeschmackes in reinem Zustande oder
gemischt mit der doppelten Menge Wassers oder Milch von den Pa¬
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Mittheilungen
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Dr. Hertel,
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Preis 4 Mark.
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Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
504
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 33
Verlag von August Hirsch wald in Berlin.
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ergüssen. Preisschrift. 8. Mit 2 Curventafeln. 1877. 2 M.
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Darstellung für Mediciner, besonders angehende Ophthal¬
mologen. gr. 8. Mit 4 Tafeln. 1877. 3 M.
Krönleln f Docent Dr. R. U. f Die v. Langenbeck’sche Klinik
und Poliklinik zu Berlin während der Zeit vom 1. Mai 1875
bis 31. Juli 1876. Ein Bericht, gr. 8. Mit 8 lithogr. Tafeln.
(Archiv für klin. Chirurgie, XXI. Bd., Supplementheft). 1877.
10 M.
KÖSter, San.-Rath Docent Dr. L, Fünf Jahre im Augusta-Hospi-
tal. Ein Beitrag zur Chirurgie und zur chirurgischen Sta¬
tistik. gr. 8. Mit 2 lithogr. Tafeln und 22 Holzschnitten.
1877. 9 M.
Neisser, Dr. A., Die Echinococcenkrankheit. gr. 8. 1877.
5 M. 60 Pf.
Pick, Dr. R., Ueber das Amylnitrit und seine therapeutische
Anwendung. Zweite Auflage. 8. 1877. 2 M
ScflWeigger, Prof Dr. C., Seh-Proben. gr. 8. 1876. 4 M.
Winckel, Geh.-Rath Prof. Dr. F. f Die Pathologie und Therapie
des Wochenbetts. Ein Handbuch für Aerzte und Studirende.
Dritte vielfach veränderte Auflage, gr. 8. 1878. 11 M.
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während Menstruation, Schwangerschaft und Wochenbett.
(Separatabdruck aus dem Archiv für Gynaekologie.) gr 8.
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Kröpfe. (Separatabdruck aus dem Archiv für klinische
Chirurgie.) gr. 8 1 M. 60 Pf. _
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Breslau, Weidenstrasse No. 33.
Für die Hinterbliebenen des Dr. Nepilly sind ferner (cf. 1877,
S. 712) eingegangen aus Beeskow 14,80 M.; Bielefeld 12 M.; Colberg
21,40 M.; Dilienburg 2,80 M.; Gentbin 11,50 M.; Glogau 13 M.; Löwen¬
berg 20.50 M.: Nienburg 15 M.; Saarb.ück 27 M.; Wetzlar 12 M.
Summa summarum 1647.05 M., welche mit den für die depoftirten Gelder
inzwischen erwachsenen Zinsen der verwittweten Frau Dr. Nepilly bis
zum 17. Mai d. J. ausgehändigt worden sind.
Gleiwitz, den 9. August 1878. Dr. Hauptmann.
Verlag und Eigenthum von August üirschwald in Berlin. — Gedruckt bei L. Schumacher in Berlin.
Digitized by fjOi «öle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Die BcfHtor jeden
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Ppci\ TWcfeljAbrVwi? * ÄfttV- . , ^’ lJ »i;?n n^hmeo •
’ alle BööWijwj^üa^f.n iflft Tw'AtiÄtaJten in.--
B*Ur**e> trolle man poi\H*ff*| an die KerUirtion
t?i,. V|C DormWfiBtsU T>», Ti> :f. nUnr. An din V«*
iiip«;bnchVandlan^ tun /‘npoi^i lür&iUUvaJ/l in Ber-'
lia ($.W. ÜaWr den f.indeu 6tC) «insenden.
KI J N1STI1E W()C IIENSC1IIMFT
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Mit Berücksichtigung der preußischen Jledicinalverwaltuxig und Medicinalgesetzgebung
Re&ucteür: Prof. Or. L, WaMenburg,
Verlag von /Vagus! liirsdiwaid in llcrliu.
Montag, den 26. August 1878.
m 34 .
Fünfzehnter Jahrgang.
inhalf: 1 Lotfe- \: — tl* VCtJfrW IVfctr InUaiaffenTui bei und Crhttyy *(Mi& nach "der Tr«nJhi?o1öfcu/ —
III Kf.p jHegv lib' rteatv- £^jMtt2fw:rg{ftiiog, <?öd die HttfoaUtag fifcfr-A&pßtfin.x als Ju&fcn Ihfcffftfi&wtifli @phiu^}, IV. PtvfxJj*:
Gclisttw FUljf. - V. i' r i» *1:: Ui Ute Beseht cibun^ j-nx-r iiUeresSAnten -- VI. aeferatc- ( Saint • FWtbM.vineiv's IJ.v^iu]
Öoport® — Ailu*!'.: Üosdk-.- ;.ui wo CkiVuifcir*). -- VH. VtTliaudluii«err äf*tbidn:r Ge^llsctufhui (.IWlmet mw1ieirn>«r:Jiv ib:-
scilsc Imüh — VHS. L^aii^tciu U-olwri; Hk* fin/WU*- der IHviera Hi pöitcn to in »tu cm tlouapi uh>ob*‘it 'Vf^rtliv? m LUaug >.n( Klima-
fc'rpbfttlet fitoj^rteü-ng} - Tauige Wucht hohe Notiztm) — LV AmUtefw MniK’-iUmir^n. -- fftsjörai*
f.-ti/'w ie r und 'Bcßt
li BrfrueMtt«g.
'(Vortrag. £4halt&u iw d»r EiUVtüg der üerliwer metftr.'öe*«.!|--
schaff an? Vi»; M*i is.Td.)
, ' • • V«in ' .■ ■ ■■ * ■■ . . -
t>x Mdüktätig IL&wp m lxHin.
51 H, T iKg Utxigu Jahre Üoihe ,\op Jlßf»d>
aciitüügeti über dicjeaigeo Ei rvii.eiuuUgV.u gebracht w»Ache' mm
aiu i.öticüdcu reifen Hi irr Alamgute der Bcfr,uchfü-ög
nehmen vermag, iUvse lfeedmchtmuren siml fithlfeh n**eh fijr-i.it
X» ,v;>üi ^ . man dies^Uxn mit- Sicherheit ab: auch
für ijefi MenWien gültig procU»nbmi kann. Immerhin ' iM- «lies
inv hohen Grade wahrscheinlich; dorm in Hede idbln-inien
IkAuiüiUmr '-Ers. lifi.iun-«Mi UU»s ?<m j liimM'lu n En:n?
<pudt in r+«tti<5xa an deiufii <k j r
am^btiit haher.i'rf mm in \hum d«n Ausdriirk idries.
^llgȧiHinm Heh,;nrktugu drbligkefi. Ri jmstaht
>i• M‘<inentu Y h\ drtfi. n* ypitie -vöUe Keife eviaugt
Uat, a*^ 0 ^ouidOudb-n: eryxj)?:, 4vm Kvm. zwidreüx ri^tn
Ibg, i iU-otopiasifiia. Rr,sit^er jigissf Ix-
kanrttiieh mul
Durirrm* lvgrijtöi'per<?Ä^u,
letzteueiuit mnii <k‘ii ../HidöjltriV 4
Vitik Kicr a«^r ‘Kfänsliüu-
cliaii und Dotter nweh eiim mehr
wcoiger «??jmp.luütt gdiatUe EilmJIe.
ag.v„;-ilv. Mees^ttftp die
: Mitättüte peUuelda. if itUg
ist. ?ther keirieswegs v ein tgith^-eU-
» 4 K>ma'*cM li ?P }s : <'»Hsfiliioii»- (.inss: r«ifc« F.it > ;
r»nx Uu^nschrMr. iiit'ij; ,• ;j ;. im iiegea.thbfh e« teik-hirt gio,
ej/i nadetes'- :K;i rfftr die Hvdniehtuhg an. iij\d für Ängähgjic.hbr
--ij«£iö<Mr Halb- teTMAiene^
l>ie #ste^ V erändeniüg. die ein tritt , weua '.das' E-i .^ch zur*
^’ittvnru afaheiiirkt, begeht dann. fcg smtj,
buch' eW ts> tuit dem mävnüirbeu Sarnen in Beriilivung kotmnt’f
von:;.allen-''üeitjmiigou Stoffen- befreit, welche Jiicht nr.Hiwemitg
Ui; dt« Ansfiildmig Hutt> netien Orgaßtsmu« geliraueht werden.
K-: igt ja klar, das« d*> Ei im LniiJe meiner nnlivianeU>n
hehet^gebVhiclite nitht aut solche Stoff? in sfek ’^atifffenortittien
huhtMi muss, welche btüvr weiteren Entwkkhuiir fähig ?ind 4
«opdfeCTj eK muss auch Secretious- (gleidksain Fäkal-) Stoffe in
1 «k'jf cUtfg^spejeifert haheU^ UntEfrut vf«nh*u rnff*#®!«.. wF^njt
-ie nicht himlefnd in dyn AfUhnir oim*.--. fit.no; n Innct:^- cnii::.nfnn
sollen. Wie Silber kann (Ja” Kl dies tlmnE Es entbehrt ja |j|
seiner einfachen »irgHimotjeu ^Uer Ap|>nr?n*\ ^errti'V»; *hM-»;«.u
sieh amlero hAber geh^üte; iliVim F&käUf rnl&i*
f Svr.-jvten zn hefremn \e.nmVgen? Eie Fadahrmig hat nun -htrinher
das F>i dal»e| uarh dricm ikincip verfährt. dttS'i
U 'Uuwt rmch in iler- N.^0» r h häutig gotroffeit wirdV
intd (|as nm.n wohl jgtfssewd mir dem tarnen tl<?h :i lE-inri]res dnr
i.7A|i!!ieiluiuc'* h.Oe^!>n U^no. iVas h**i*st: das Et Itietilt. viel* fo
i Ar Zellen: beide To?‘lirer^eHe«i .ffnien- djc-<dhe« Wtxentlndieu
Hestamhheilc wie tfa'E""AinUnf-Hi. so* UtHteheu also elnntfalh- aus
: Korn und Frotoplasnia.' Ai«cr sic. son! augtoicli ei***>r- diu
kleinere Zelle idrgt alle H'tera^toffg Sie geht spätcfr vpmio.- • m
Grunde, die grossere dagegen hot in sich alles leheusüthige,-
jut/.t Von freiudeu Btdm‘t*?ebungi’u gerantigiu Alntert^I
speichert, mul wird allein xuu» Audum des iiein-ii Eirgaoi -?.:»*fr
verwendet.
• Wie' verhält’-steil eine thierisuin-^ oder pfiaazhehe Zelic ühe r-
Haupt hei der ZeOtheilnag: Ftöhar Bat man itfL aildVineiueif
, aagegeUen, dass hg» der TheUfftig einer Z*-ll- nci. zuerst da.;?
b K^rukCirpEHdun Verdoppelt , und dass «umn der Kern seilet
' - / * *’ . ' 'VW »,
i.
i
W^-: Wk,
K*;iirtV.nr{*gtcheH ui
cmctiJ Kenn
;J>m ■
' lbS(|ujrU»hhngUs'
Sn-,'iin*u %$$
Km‘C'S.
t {istjij dEirffiigt^*
SUifhtdU . »hu
ganzen Zc l lg.
AUdhviitöh; •
ZHedh'dtUMii .
j; sirh i»,i'j|uitrormig em.selmdrc (Fig. ä). darauf «Ml« düs Z»‘ÜV«it-
: firfdoplasma diesem ÜPkpi*?lc IV>|ggn ? gtid die Figur CuAA
annefimeii : *on!Ic h <<dl die IVin lie S'iW'dil itu Kern al-v auch
t-fmZ»dleupt«»lopla ii rT>m' <hircli?clmoifIeu, und gg zwoi noto* Zediert
emstamleu sed». Eie ehen gegebene he-chreihimg ist nicht
richtig, wie denn AueJIi diesilrcrcn AuU»r-n -rolion irnmer grr»s>en
j Zvreifel in dieselbe gesetzt haben. Eie notiere B'eoh och taug
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Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
^icif i ifcuae $eit '-später) dta Etovlttedalk* <l<* SperotüfecUiis ft\ebf'£i> £tmder« erste Fnrcb&Hgäfcbgek tim *iü«rit ^^«drößjwji*
III iclcitu* Vertiefung vier £‘(töti^rüU^vte?k^: 1 •) ),••. dm* d *<•:>••'•* \ : .\ jetzt mebt w*Uy Funm. Th**tl dv> mutcerikhc»
|- r oder -väterlichen Organismus darstellt. *ömb>r!? <-kv>* b»
g m d«r beider Ijervc^^nij^m* imm- k^.-vv.^im in
. - /. ..... seiner feiafoebsteii Form rtepraxecHrt (Mir. s;. .
/ • •: , - 7"' ' )>w Weit&ir** fterlto sich nun <w. dj^tem »-interben Organ ii5~
_• , ■. ■ fiiiis aiWpiefebder Vorgänge diVHn <m » >.kr ’Fnfrlmnsrs-
" ' J;<„kern di e h* l b«• m . Met»nidrp.hi.<>»• m dm-<‘hfm*»:.bt. »Ü«.- in Fteor b |*js;
* .'?%?% ’iS^-o' *^7 von *1$*» lvii»>fd.Ä>e;te • tfuif - ^vf i^r *iH*i
i i f t daran*-. werden
bi« -di- piimttm* einfache.
Galkrihüik
Kobold der ^aaventmtetj in diu jkmie (ffce-Ehhft $«.»• tarne f ist,
*>fli*'•!’« er ■•‘f’UH'U .Tb^iiu. dm .».ch im km.nn.r Sur
*ejfi KV/pf bleibt efltMten. förlfctefbf: ■ iTjgn\i'$W, AAfrpiAzy
jtimkl fnr -ein neue.» Sy^vii» nott:i;m >*n-;»i»r.i fte; wahrend *>*iri
<••• eue- vlictv >oh:fö::r :'yi.:i) - r-.: : ,.i<n 7'i; al- Fon mini
.Hü^rt»»o>x*!i .fffe- i£). ■ V. _ - ’ / VC;.- ii
, " /'*• ' - Vk i Ife ' ’ , .7,.. ’■’
■•, ‘Ft m ? : i/f <?* u
cntstandDotttrhgul.
* • <• verh v n M< - i* t«u< m;iv.k*<- {.* tten '•Mmi ;wid» , r , *n^pmrmi-
hUten .^Fg^ntdd-r- dir vfiiwt d f jjw Wten- be.mk >dfrj£otlfci! treuen
fmdl il.'ii> fä ifmschftiimnrj 1 ' Hm ft rf«i braun mU hmidhrr -•>
b-kfl-, diitä rfb-V grämte IVi Viivm» j^fl«;y tfc* ottojmlM^iKM}
üImouB- tM-sif/t, nai d»4» v(i*ji»ii da< Kimlr‘mu«‘n j«»)«*.:
>••» ^;bn?-z»m, in dem' .Mouieor-s ,w.n d-;-' OiFj^ iU
-n^KiebrioTe kieiiH' OdttiVliiipd *k*ü lu»|»f mten r : U\ge-,
itÄi’Vi^tVftijr ; UjcpgH^iff. *rtOH'ikt : ->drl) ' »itt -tnti
jöoa nnnivv^bnr rivsolmn Civ>i*b\f-Uid^krd< »m«f cdlfeitM’- ^eb
Art : -divmtkchmn Niedemdil«^: oirik N-nc. iliVr '*br resi-
.«tenu* Itöot au di;r drnn^en [kfkriÜmrd>irtii; :*.*?- a’i^ j Z) %
d^durrb scbdf^t sjeh das E« «v^v»i Kindrfo^o yodes ^vodfreii
^«Srtöafedfta*. " ( *. . 1 ' ’ ’ / * ' ’ . • * ,. ^.
Hflmit i^i do ßufn?< *»!nrht<- »do^N jiarktni F<■•••>
<r>lkodot. nnd mh jjebe ii«m sau ^j iiiidvf uot do)’ Ikifnidytiing^ •
r»\rtUn^e lud .snlHioit Kit't'n u-*y :ait' ^»n.-r .comrdieirt
baoi^ii KibAMe »rr^H, »ind )»>» ylUerivijnMi kann o<■>.». aij j» d-mi
ftjit >i|n^r 2 oiitt peHueida vei^nb^rnA) Et.|fik;'
. 'fe li. ' •■ ... ,,
.&0" d'rÄ >anienJarl«ii>;i h *'.v}In»mU* f
■'4rf .' M-iFyatH’.br iririet'M.'boiidnin i-?t.
dio F.iHdüo Z.ui'y.
tü^ - ■•'; ...
dFv»-! Onwl-n dnf>'f},: r-.J. Am? iäAst
Aieiif :nitfbwe ; f^k.7 . da-^s Ifr n-d.'m , ''' ; . ,
Fnrr.-atr. dm» ^ ' •
dpf $pf ertm • ••.•*-
■- :■.!. kb'is.^aknit (die F:f**r •^•i'jKim-
meii ja. 'mijauk tü' .f • ^i.dyn •:•'. • 7 f ^ ,
sn Vervriiiie;v<J t >vo dor ^p^eti
div (F : 12- l$j
Eudlfdr iässt sich an fielen- «mt Hüllr vor.sein*neu Eiern
ein irtvaug lielleui' Verfölgen T der ton 4er M.rr'fö-:-
' £?rx •
*ft.! , ^2j^Umt r HA4, n*u
r(r:n Ttßt'trhauf.
Fy.vv:,; %wr t
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da^brnisie helle IVöpföheri j
•* ■;• :t ml köpf bt^om anunyfttnnr.-^
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W Fn nt rum <för -:d»n»^n d r nhUidp^iyy
f >' yaHBSrga
>ie(» ijii i r;jnt tföm riik'Tti. äoört t;i#g
.ybjtL ldf,».‘ ^oxvdo. Iföfnte' 7
m
KjDiJfiSPHJH» -^WiOGIJIiNSGJ!'8rfFT,. •'
pyie (Fig. 14) /.um Eikern rührt, ine><oi st.mag nennt mna
d*u- 'Samengang., weil der SpemaMeivhaeh seinem -Durchtritt '
durch dm Micropyle hing* dre>e* iliingt* in däs' ttiacre de?
Eins* biy«iuwii«dcrL Die ersten Erecliehiuiigcti nach der Y^rS
Bßt>chut)g von Ej und Sperma sind $$ den mit Hülle versehenen
.'ffetfl .'jgfettn'n.'diiesßDji'ett. wie de ahd* t^nd’en nackten Eiern be*.
schriebet! wnrderv Eine Amdahlvorj Spermafäden belegt sich
mit dem Kopf voran in schlängeiriden Toure n tun di* Ihmpherie
des Eies herum. Endlich. gelingt es einem. Spennäfadcn v die
Mi^ropyle zu päsydren, Sobald dies geschehen Dt» wiederholt-;
sich ein Vorgang, der ebenso, wie der obe« Von den fitiekten
Eiern hescliriehoue Mechanismus zniii Zweck hat dfm Bigegen
das Eiödringeu eiibt^ weiteren Spermaloflotm fcu> ,schüizeh.' Es
reisst nämlich der %ß»mjg$hg; von, der Mieropyle (Fig |Ü)-
zugleich ziehen jiieli die in Big, 1$ gezetchheron Üotterfort^äte
aus den Kadiärkanäleri der .Zoiüi. peBucjd» xurLek. .BAfoyt.
atrümt nnn das' Wasser durch die orbffhetar» Uathärkaosih' und
durch die Micropyle in das: Bi hmcnv.uml: fi*OHnelt sich //ftDrij.'i»..
Do Um Oberfläche und Znna pr.Mncidn. ;u\ (vi^. ln).
TV. \C,
Dadurch v„»td hiziiM.o vom, Ei abgehoben und, in imtvetd?
fn^jgP Erürnicmnge» gelegt, .wodurch? .äieji ;®e äßcrapyU. ver¬
stopft und deUj Eindringen .WfljA uiafad^li^ ein
iittdi>ersteighare,s -ft ehlgkgEusetsyU fHc,
dass bei VfrnebtHeo Kvrn d«e 2/>r»a p ei ln cidg vom Rtdnte
tet abgehoben sei. findet sah schon fn den" aHs£t*y.m chnt-ie-u
DntoVMtr.bmigen Fiscl*otf\ über die Entwicklung' ner Säuge*
thmreiei angegebAii Nur hat jlisc h alf dgrnals natürlich die
Yorgänge nicht auf hin Eilidriti^n Wäßriger BniKSigkeJt von
aaveu . tjmvdent v ielnushr auf ofhe JtetracÜon des Dotters zu-
rückg» funre
Ei »st in obigen Zeilen • in !>■* neueres Gewicht darauf
gelegt worden, die ThatNache ?A\i (kwionstrireii. dass zur BeFfnoh-
tmig einos reifen Eins immer nur ein etetger SphrrUafadän ver-
wenict wird, d/t das fhudum Vorrichtungen Fmshaf'. durch-■
welche es sich gegen das Eindringen eiucs jeden $wHti?Ti Endens '
zu vlim/cm veniiiig, Es kommt nun aber doch, bin und wieder
vor. dass, bei Thieron. die lange Zeit in der Gefangensejvnfi
gehalEu und schlecht genährt sind, die letkt erwähn tim' vom
piebl’ ^ihr mit .gelultigivr £>»?^o)iwiiuiigkofst ; eiiftrfcteir
so tei VA i h&tääebfeb & fmrmVtp^um genug?* i*i das innere
des Eins /m seldujdcjib Ifib> direct»' Beobaehtüns: hat buh er*
givbcu. dev m ko leben Füllen umher äDssidldungen, Doppel-
fttoifsfra m»\ ' efiDdehm.o Man ist geneigt, letztere mit dem
Eindringon mehr als eines Kperrnatnzmin in Verbindung: zu
bringen. Erhibch ums* dies dahju bleibeu, dadie Eier
ja schon a priori geschwächten Tlueron on'tnhmnja; ^ind. atjto* .-
ntOgtbdicrwoisc in dem h»^Hiutergebnmmenvn,Erpährnrjgszustond
der OMila de»' trgrupd für Missbildungen gelegen >scin kann.
Go gle
j ft. (’eber Inhalationen bei Hiphtheritis nnd Cronji,
sowie; nath der 1'rachcotoHtic.
' \'OH .
l)r. Ileinrlcli EldaiH.
praot. Ar?f in GunzeBhäü.H.en (Daverm.
Es ist eine »dnmso auffallende als unerklärliche Efsfiudmutg;
dH** bei Tuanrlien Krankheiten nicht nur die theoretisclniti Ao-
s ich ton über tiie Therapie total verschieden siüd, sooderu noch
' - mehr die - Berichte aus der Praxis über ganz entgegeogesefzb
Bfthändiuiig»methode-n dahin tetyn. das- jeder für seifte iie
tbude die besten Erhdge bäcli^mst und sie demnach ÜFmgeöä
empfiehlt. Dies isf bei keiner -Krankheit, mehr, als hei dc.f.
tKpMWUhc der Fall. Um ein recht 0 euthclu^ HdspU*! uaff.r
ne geben, führe k-h die Ä«#öpftiehe zweier Autoren, hlnn- di*.
Ai'tiumg bei l-Mphthm’iti^ mit einigou Äbkürzuiig»‘h ah.
Wuhimhurg snet in seinem ‘Lehrbuch (b*v re^inrab'irKcln:!/
therapie ,.% Auff.,-7 K., oW\ „Gegenwärtig .darf mao u;-
AnwenduuR von AYtx^pfbd.u W(»bl als hföen jühcrwpätDoen
^tandptmkt b^eichnen. Auch ich hfthe anfangs bei haeluMc
diphtjuniL* vielfach imt HäUensfciT). entweder in Los-ung odn
.in Sübsiaiiz geätzt, k^nrttt 11 uberr uieruals gltteu. dadorch en
reichten Erfolg beoffcHcbtea. oft vielmehr schien mir.diese \1*»-
thode genhio eher schädlich als iiützÜcb aOi seiUv
irrm den colossaieii SduncTOn, welche das Tqiichjien ft^Vdc
o?arht. zu, dem die f'atkmfeu meisi; mit gurosser vHi'o=
! ihrer heftigen Anfregtmg gezwiiügep vyerden. inüssmr, hruharhDh
ich namentlich Imchf Blutungen aus den geätzten SMleu uml
L die^e BUitnugen ^chieuhb mir vOn ofninüt^fr Bedeutuug .l/h
.bin deshalb seit vielen Jahren von dieser Methode znvn»;U
gek/onineu. um] ^ehe mit Kctrfedigmig. dass auch andere tJdl-vi:
dnreji ‘gleiche- Erfahrungen bidojirt, die Aet2»4iig?.n in gDDh*ir
Weise perliorn-scirövi/'
; Devtol Thtthbiogie und Therapit U. ü4T
' sagt^ >,Ek ist nnmüglich; selbst durch wiederholte Cankris%ii^
; das in der ganzen Mumlhühic verbn-bete diphthcrrfiscUo t .«»udv
viii’ü voüsi'onitu /.o venurbtoo. wenn auch noch\*v> ‘vm-üu-,
jed^-r• Belag zörAdri wird, Der oäri^te Erfolg einer auch n?$l)
so vorsichtigen AetztuUg ist ihimef en» mccbadischcr la^nlhdD
entzüudhteu *S.cbl.oi;mIjawtv und je nnisichtiger mau alle ic-:---
, grau hm Abf Jager uirgcn in - üviWk&ii A'ichf, iir«; h* mehr wiM
das sub^pitbhTinlc > h>mhe d^r ^iclilbubliaht bloiigefegt: vr^r^'k
ohne da^s der nächtigende AeizsrbmT erne allseitig schüfv»'T
Dv.fUe bihleb in der Muudhdlile s-lbst und in dem in ‘ihf ritt*
häHeueu Seid ei m und Speicjud sind M i c r' 1 ( > o c u s w u c k r- r; i f i ^ ^
hiuTdichmid vorhanden. imi in <be aüfgerü^vneo Arhlei.mhaiUv
partimi hoch ln gehügemhir Zahl emzudriiigou , . . ;;•.%■ boo ;i
■dc*Tj Jabrfeu.U>#4 • mu d I’RKb konittji ich. djese Thätsächen li^h-
aohfeu «ir.d es*«crimenteil •'■ na.chwiiuel».. Es konnic - dem» autvi
hiebt, fehlen, dass b§id. die uagün^tfg*Hi welcM.^
seifig do^Ch mehr rulm“ weniger eiihrgiScli aimgeffihrte ßäitt^r
uatmimn vr/itflt vpürffem. v«.«h dienern Verfahren zurückloi!'--''-
muKbte».“
W mn nun eben diese Ahtzmorhodc bei fhphthenti^ 'j$ß
‘.$$b8fyßm Y Brfnl^n in wird: wie in ih'^h
Wochenschrift in Nu, dfi s Jahrgang lft77, guftcheht*« ist ,‘' ,v
bu gvüsstcmheUs .mit dein Lapisstift behandelten Kindern vmrb^*
hiov.s.11). sn frappirt das im höchsten Drad, Eioe ErkläruiiV
. d,afur v^h«8tc Jeh picht zp ffhdem Ich ^elb^t kanu ah<r,
da.Nsv Ich Mi* tJapterisaficm nach dem» was ich ghschtä W { ,
k»>'m, Zutraimb gewinnen konnte^ uml dasvs «es mir wobt lo/ctiit
■» ö^gkieivT Vtii Änfäiig bei iihr ätclleu- oder dec:keu.w^De-rn -Dh v
tftoen der diphfiieriiAchen Hclägn sorgfältig zu ütxeu» d.-n* "
26. August 187b
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
509
mir aber rätliselhaft blieb, wie mau das bei ausgebreiteter
Affection fertig bringt oder in späteren Stadien, wo oft die
ganze Rachenhöhle wie austapezirt erscheint. Ich hatte daher
schon früher bei Diphtheritis inhaliren lassen und wurde darin
von neuem bestärkt durch Oertel’s Werk und zu einer ener¬
gischeren, daher auch wirksameren Methode veranlasst.
Die Inhalationstherapie selbst ist noch nicht ganz zwei
Decennien alt (siehe oben erwähntes Werk von Waldenburg
S. 15). Barthez war der erste, der 1860 einige Fälle von
Diphtheritis und Croup mit Tannininhaiationen behandelte. In
Deutschland waren 1862 Lewin und Waldenburg die ersten,
welche sich der neuen Therapie zuwandten. 1863 förderte
Siegle in Stuttgart dieselbe bedeutend durch Oonstruction des
ersten Dampf-Inhalationsapparates. 1864 wandte Biermer die
ersten Kalkwasserinhalationen mit grossem Erfolge bei Croup
an. Allmälig häuften sich die Veröffentlichungen zu Gunsten
dieser Therapie. Oertel vertritt neuerdings in Ziemssen’s
Sammelwerk sehr warm und energisch diese Methode, und ich
meine, dass schon vom theoretischen Standpunkte aus seine
Auseinandersetzungen einleuchtend genug seien. Diphtheritis
ist eine durch das Microsporon diphtheriticum hervorgerufene
Schleimhautentzündung der Rachen- und Athmungsorgane, welche
in den leichtesten Fällen einfach catarrhalisch bleibt, in den
meisten jedoch mit Fibrinausscheidung einhergeht. Die Micro-
coccenmassen und diese Fibrinausscheidungen bilden die diph-
theritischeu Membranen. Der Croup dagegen ist eine Schleim¬
haut-Entzündung mit Fibrinausscheidung in den Athmungs-
organen, weiche nicht durch einen Pilz, sondern durch andere
Ursachen (atmosphärische Einflüsse und andere Ursachen) be¬
dingt wird. Nicht selten finden sich die beiden Krankheiten
zugleich, indem die Rachenorgaue mit diphtheritischen Belägen, j
der Larynx und die Trachea croupös afficirt sind. Betreffs der !
Therapie jedoch sind die beiden Krankheiten nicht zu trennen. ]
Die therapeutische Aufgabe ist die Ablösung der Mem- !
brauen, wodurch bei der Diphtheritis auch zugleich die Ent¬
fernung der Micrococcen bedingt wird. Dies geschieht nach
Oertel’s Experimenten durch Eiterung des Schleimhaut¬
bodens, auf dem die Membranen aufsitzen. Die stärkste und
gleichmässigste Reaction der betroffenen Schleimhaut zur Eite- j
rung wird aber durch die Wärme erzielt, also durch die länger j
fortdauernde Einwirkung von Heisswasserdämpfen, Je öfter
und länger die Inhalationen gemacht werden, desto rascher
und prägnanter ist ihre Wirkung, und ich kann behaupten,
dass sie nie im Stich lassen, wenn nicht gar zu spät damit be
gönnen wird. . Es ist selbsverständlich, dass in verzweifelten
Fällen, wo schon Symptome von hochgradiger Larynx-Stenose
vorhanden sind, auch unausgesetzte Inhalationen nichts helfen
können; da bleibt nur die Tracheotomie als letztes Mittel.
Uebrigens wird das Publicum in einem Bezirk, in welchem
Diphtheritis und Croup öfters Vorkommen, ich möchte fast
sagen, dressirt auf diese „Halskrankheiten“, so dass es zu
Gunsten der Therapie kaum mehr vorkommt, dass der Arzt
im letzten Moment gerufen wird.
In meinem früheren Wohnort habe ich unter 29 Fällen von
Diphtheritis und Croup bei Kindern 20 nach der Inhalations-
methode behandelt und so günstige Erfolge gehabt, dass ich
nicht anstehe, diese Therapie bei Diphtheritis und Croup als
die beste zu bezeichnen.
Ich benutze einfach und practisch construirte Dampfinha¬
lationsapparate von Herrn Hofapotheker Heil in Coburg, welche
ich als die besten und billigsten gefunden habe und lasse Aq.
Oalcis inhaliren. Welches Medicament dazu benutzt wird, scheint
mir übrigens gleichgültig zu sein; denn ich habe mich nicht
davon überzeugen können, dass sich die Membranen auf lösen, ^
Difitized
sondern ihre Ablösung findet statt, und das bezweckt allein
die Wärme, indem sie Eiterung hervorruft. Am liebsten würde
ich ein Medicament zerstäuben und einathmen lassen, welches
direct desinficirend und pilztödtend wirkt wie Carbolsäure oder
Salicylsäure. Doch möchten auch schwache Lösungen länger
fort angewendet auf die Lungen schädlich wirken. Jedenfalls
wird durch sie bei fleissiger Anwendung eine entzündliche Rei¬
zung der Lippen- und Mundschleimhaut gesetzt, welche die
Kinder, wie ich selbst beobachtete, zu hartnäckigem Widerstand
veranlasst. Dass das Medicament irrelevant ist, beweist der
Umstand, dass diphtheritisch erkrankte Kinder allein durch
die Einathmung von Heisswasserdämpfen unter dem Zelt ge¬
heilt wurden, wie sie früher einmal in dieser Wochenschrift
empfohlen war, und wie ich selbst sie schon mit auffallend
günstigem Erfolg angewendet habe. Besonders dann ist diese
Methode der Einathmung heisser Dämpfe unter dem Zelt, resp.
unter einem Himmelbett mit rings dicht verschlossenen Vor¬
hängen, am Platz, wenn man es mit kleinen Kindern etwa unter
2 Jahren oder mit solchen zu thun hat, die absolut nicht in¬
haliren wollen.
Zu den Inhalationen selbst bekommt das kranke Kind ein
entsprechend dickes Glasspeculum (oder Trichter) zwischen
die Zähne, welches so gehalten wird, dass der Dampfkegel
durch dasselbe in die Mundhöhle streicht. Die Inhalationen
werden mindestens eine halbe Stunde lang mit \ 4 bis 1 / i stän¬
digen Pausen gemacht, ja manche Eltern Hessen ihre Kinder,
welche mit dem Spiegel im Mund während des Inhalirens ein¬
geschlafen waren, bis über eine Stunde lang unausgesetzt in¬
haliren. Nachts macht man einige längere Pausen, doch gilt
als Regel für die ersten 2 Tage und Nächte, dass das Kind
so oft und so lange als möglich inhaliren soll. Es klingt das
härter, als es wirklich ist, und man hat auch dieser Methode
den Vorwurf gemacht, sie sei „quälend“. Es ist wohl richtig,
dass den Kindern Abbruch an Schlaf geschieht, doch habe ich
immer gefunden, dass sie, nachdem einmal die Furcht vor dem
Apparat geschwunden ist, in den Pausen und häufig auch
während des Einathmens genügend schlafen. Wäre das Ver¬
fahren wirklich quälend, so würden gewiss viele, besonders
aber empfindliche Eltern Widerstand leisten. Doch ist mir dies
nie begegnet, im Gegentheil fand ich, dass sie sich mit regem
Eifer um die Sache bemühten. Der andere Einwand, dass ein
beschäftigter Arzt sich nicht zu einer so zeitraubenden Thätigkeit
hergeben könne, fällt auch, denn ich hatte nie öfters als einmal,
das erste Mal, nothwendig, die Inhalationen zu zeigen uud
selbst vorzunehmen. Mit dem oben genannten Apparat um¬
gehen, lernt auch der simpelste Bauer schnell, und das Kind
leistet dem Einführen des Glasspeculum zwischen die Zähne
sehr selten so heftigen Widerstand, dass Gewalt nothwendig
ist. Sollte aber ein Kind durchaus nicht dazu zu bringen sein,
und fürchtet man eine zu starke Aufregung desselben, so treten
die obenerwähnten Einathmungen unter dem Zelt an die Stelle.
Ausser diesen Inhalationen lasse ich ältere Kinder mit
einer Kal. chlor.-Lösung (10/200) gurgeln, jüngeren damit den
Mund ausspritzen. Innerlich gebe ich Kal. chlor. 4,0/120,0.
Um den Hals werden Leinbreiumschläge gemacht.
Von den 29 in einem Jahre behandelten Kindern hatten 4
reinen Croup, 25 Diphtheritis. Von den letzteren zeigten 2 be¬
reits Suffocationserscheinungen, als ich sie sah. Es konnte daher
von einem Erfolg der wenigen Inhalationen keine Rede sein,
und sie starben, da die Operation nicht gestattet wurde. Fünf
inhalirten nicht Wegen der leichteren Affection und da es ältere
Kinder waren, welche ordentlich gurgeln konnten. Bei einem
3jährigen schwächlichen Kinde wurde nicht inhalirt, da dessen
tracheotomirte Schwester alle Hände und die ganze Aufmerk-
2
Original ffom
UNIVERSITY OF MICHIGAN
510
Ng ?4
BE KL IN KR KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
samkeit der Eltern in Anspruch nahm, und die Prognose für I
das kleine heruntergekommene Wesen doch letal war. Es starb, j
Von den 4 mit Croup behafteten Kindern traf ich das eine
auch mit Larynxstenose und operirte es. Die Tracheotomie
war durch eine ziemlich grosse Struma erschwert. Kaum war
die Trachea eröffnet, als dicke lange Croup-Membranen halb
ausgestossen und wieder zurückgezogen wurden und das Kind
zu ersticken drohte. Ich entfernte rasch die Häute, führte einen
dicken elastischen Catheter durch den Trachealschnitt ein und
aspirirte noch eine grosse Zahl zäher Membranen so lange, bis
die Athmung ohne Störuug vor sich ging. Das Kind, ein kräf¬
tiger 5 1 /, Jahre alter Knabe, der vorher das ausgeprägteste
Bild der Erstickungsangst gegeben, war wie umgewandelt, mit
glücklichem ruhigem Gesichtsausdruck und ass mit Appetit. Da
das Dorf l l / A Stunde entfernt war, hatte ich den dortigen Bader
beauftragt, fleissige Inhalationen durch die Canüle zu machen.
Das that er aber sehr ungenügend und lässig, und 15 Stunden
nach der Operation starb der Knabe, wahrscheinlich wegen
verstopfter Canüle.
Es bleiben also 20 mit Inhalationen behandelte Fälle, 17 mit
Diphtheritis, 3 mit Croup. Von diesen Kindern waren drei 2,
drei 3, zwei 4, eins 5, sechs 6, zwei 7, eins 8, zwei 12 Jahre
alt. Am frappantesten war die Wirkung der Inhalationen bei
einem 6 Jahre alten, mit Laryngeal- und Bronchialcroup be¬
hafteten Mädchen. Schon als ich es sah, war die Athmung
stark stenotisch, laut pfeifend, das Kind in fortwährender Er¬
stickungsangst. Es inhalirte mit wahrer Verzweiflung fast un¬
ausgesetzt. 24 Stunden lang blieb der Zustand unverändert,
ja nach diesem Zeitraum entstand während des Inhalirens ein
so heftiger Erstickungsanfall, dass die Eltern das Kind für
verloren hielten. Derselbe war aber durch die Ablösung der
stenosirenden Membranen bedingt, welche kurz darauf durch
einige gewaltige Hustenstösse herausgeschleudert wurden. Sie
zeigten sich als dicke, lange, dendritisch verzweigte Abgüsse
der Trachea und der Bronchien. Noch zwei Mal bildeten sich
derartige Fibrinausscheidungen unter dem Bild der Stenose,
und zwei Mal lösten sie sich während einer Inhalation ab und
wurden ausgehustet.
Was die 17 Diphtheritisfälle anlangt, so waren 13 von
ihnen schwer und grade bei den jüngsten Kindern nicht un¬
bedenklich. In 4 Fällen war schon Heiserkeit vorhanden, j
also der Larynx bereits in Mitleidenschaft gezogen, wenn auch
nicht in dem Grade, dass das Athmen dadurch beeinträchtigt
worden wäre. Es würde zu weit führen, einzelne besonders
hervorragende Krankengeschichten davon autzuführen. In den
meisten Fällen waren die beiden Mandeln, die Gaumenbögen
und das Zäpfchen von Auflagerungen bedeckt, ja nicht selten
erstreckten sich die diphtheritischen Beläge seitlich so tief herab, j
als es möglich war, den Zungengrund niederzudrücken. Wie es
in solchen Fällen möglich ist, alle afficirten, besonders d : e tief¬
gelegenen Stellen gleichmässig und ausgiebig zu ätzen, ist mir
ein Räthsel. Ich Hess auch in diesen schweren Fällen, sowohl
in denen, bei welchen der Larynx bereits ergriffen war, als
auch bei den letzteren, in denen das Uebergreifen auf Epiglottis
und Larynx in Aussicht stand, voll Zuversicht inhaliren. Ein
sicheres Zeichen von dem Einfluss der Heisswasserdämpfe,
welches längstens nach 24 Stunden bemerklich ist, besteht in
einer intensiven Röthung der Schleimhaut an den Rändern der
Beläge, welcher sich später (in der Regel schon am zweiten
Tag) eine gelbliche oder graugelbliche Verfärbung der Mem¬
branen zugesellt, ja häufig findet sich bei fleissiger Anwendung
der Inhalationen bereits eine theilweise Ablösung derselben.
Nicht selten stossen sich die Membranen in grossen Stücken ab,
förmliche Abgüsse der Stellen zeigend, an denen sie gesessen,
und werden namentlich nach den Einspritzungen in Rachen-
und Mundhöhle herausbefördert.
Mag die Zahl von 20 geheilten Fällen auch im allgemeinen
zu klein sein, um beweisend zu erscheinen, mir haben sie die
vollste Ueberzeugung von der vortrefflichen Wirksamkeit der
Inhalationen ergeben, zunächst für alle die Fälle, bei denen
man nicht zu spät gerufen wird, in zweiter Linie aber auch
für solche, bei denen wegen Erstickungsgefahr die Tracheotomie
vorgenommen werden muss; denn diese Operation kann nur
dann zur Heilung führen, wenn die Nachbehandlung in der
regelmässigen Anwendung von Inhalationen durch die Canüle
besteht. Als Beleg für diese Ansicht kann ich auf die gediegene
Arbeit des Herrn Collegen Pauly in No. 8 dieser Wochen¬
schrift laufenden Jahrgangs verweisen, möchte mir aber erlauben,
einen Fall von Heilung nach Tracheotomie, der nach diesen
Grundsätzen behandelt w T urde, noch hier anzufügen.
Den 20. Januar wurde ich nach einem 10 Minuten ent¬
fernten Weiler zu einem 8jährigen Mädchen gerufen. Es hatte
diphtheritische Beläge im Rachen und lautes, pfeifendes Athmen
mit Einziehung des Epigastriums. Da Inhalationen von Kalk¬
wasser keine Besserung hervorbrachten, die Symptome der Larynx¬
stenose aber stärker wurden, nahm ich am 21. unter gütiger
Assistenz des Herrn Collegen Götz die Tracheotomie vor.
Nachdem die Trachea freipräparirt, jegliche äussere Blutung
durch Unterbindung auch der kleinsten Gefässe verhindert,
schneide ich den Ringknorpel ein. Sofort entstehen gewaltige
In- und Exspirationen, durch welche auffallend viel Blut, aus
der Trachea herrührend, und Membranfetzen ausgestossen und
theilweise wieder zurückgezogen werden. Da der Schnitt für
einen dicken elastischen Catheter zu klein war, verlängerte
ich ihn sofort, was wegen der starken Blutung und den un¬
gestümen Athmungsbewegungen sehr erschwert war, und der
College aspirirte nun durch den Catheter eine Masse Mem¬
branen und Blut, bis die Blutung stand und die Athmung ruhig
vor sich ging. Diese heftige, höchst frappirende Blutung war
dadurch bedingt, dass sofort nach dem Trachealschnitt durch
die starken ln- und Exspirationen die festanheftenden Membranen
mit einem Mal losgerissen wurden. Es wurde nun die Canüle
eingelegt und 2 stündlich Inhalationen von 1 * 0 iger Carbollösung
durch die Canüle gemacht. Die Expectoration war eine copiöse.
und trotz des fleissigen Inhalirens, welches der Vater des Kind#
Tag und Necht unermüdlich besorgte, bildeten sich viele Krusten
und Borken, so dass ich täglich 2 Mal die innere Canüle heraus¬
nahm und reinigte, ausserdem aber in den ersten Tagen mittelst
eines dünnen elastischen Catheters durch die Canüle Mcmbrau-
fetzen, eingetrocknete Massen' und Schleim durch Aspiration
herausbeförderte. Da wurde am 25. die ganze Wundfläche
diphtheritisch, und ein Erysipel entstand nach oben bis zum
Kinn, nach unten bis zur Jugulargrube und nach hinten zu
beiden Seiten des Halses. Dabei starkes Fieber, Schmerz beim
Aushusten des eitrigen Schleimes und der Borken.
Am 27. wird in der Narcose die Canüle entfernt, die ganze
grosse klaffende Wunde bis in die Trachea hinein mit dem
Lapisstift geätzt und dann die Canüle wieder eingelegt. Es
werden nun in den folgenden Tagen noch grössere Massen
Eiter expectorirt, da die Wunde stärker reagirt und der Eiter
durch die Trachealöffnung in die Wunde gelangt. Der Schnitt
ist jetzt bedeutend grösser geworden, besonders nach unten
! verlängert, theils durch die Wunddiphtheritis, theils durch den
Druck der Canüle. Nach und nach stösst sich der Aetzschorf ab,
das Erysipel tritt zurück, und der Boden der Wunde fängt an zu
granulireu. In diesen Tagen tritt Lähmung des Gaumens und
Verschlucken ein, so dass consistentere Nahrung gereicht wird.
4 Am 7. Februar (nach 17 Tagen) wird die Canüle entfernt, und
Original fro-m
UNIVERSITf OF MICHIGAN
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
511
26 August 187S.
der Schluss der üppig granulirenden Wunde erfolgt nun bald
mit einer quer über den Hals gehenden Narbe. Das Kind ist
abgemagert, mit wenig Appetit, theilnahmslos, Athmung ober¬
flächlich und kurz.
Am 18. Februar starke Dyspnoe, Fieber, grosse Hinfällig¬
keit, Dämpfung mit Brouchialathmen links hinten (chron. Pleuro-
Pneumonie). Anfangs März allmälig etwas besseres Befinden,
stärkere Expectoration, besserer Appetit, abendliches Fieber
noch bis 38,3, Dämpfung nimmt allmälig ab, ist im Mai ganz
verschwunden. Das Kind befindet sich nun den ganzen Tag
im Freien, isst wie ein Thyphusreconvalescent und nimmt rasch
zu. Stimme mit rauhem Klang, Athmung noch kurz, was nach
Untersuchung mit dem Kehlkopfspiegel durch eine Stenose der
Trachea bedingt ist. An der vorderen Wand, entsprechend
der Stelle des Schnittes, zeigt sich eine quer verlaufende Her-
vorragung in das Tracheallumen hinein. — Bis August dauerte
noch massige Schleimabsonderung fort, dann war das Kind
vollständig’ geheilt.
Bemerkenswerth an diesem Fall ist vor allem die bedeu¬
tende Blutung aus der Luftröhrenschleimhaut. Meines Wissens
ist nirgends erwähnt, dass eine solche Blutung in dieser heftigen
und gefährlichen Weise auftreten kann. Wird in einem solchen
Fall die Aspiration nach Hueter unterlassen, so ist das Kind
verloren. Ueberhaupt wird die Tracheotomie bessere Resultate
aufzuweisen haben, wenn jeder, der tracheotomirt, gar nicht
anders weixs, als dass sofort nach Eröffnung der Trachea mit
einem elastischen Katheter-Membranen, Schleim oder Blut aspi-
rirt werden müssen. Die Aspiration ist nicht so gefährlich, als
es den Anschein hat. Aeusserst selten gelangt von dem An¬
gesaugten etwas in den Mund, und auch dann kann man sich
durch baldige und energische desinficirende Ausspülung der
Mund- und Racheuhöhle vor Iufection schützen. In der Nach¬
behandlung selbst wird die Aspiration selten uothwendig sein,
weil die Inhalation durch die Canülc als vortreffliches Mittel
an ihre Stelle tritt. Es ist mir unzweifelhaft, dass die Heilung
des Kindes vorzugsweise den fleissigen Inhalationen zu danken
ist. Erstens wurde der diphtheritisch - croupöse Process in
Trachea und Bronchien, der nach der Tracheotomie noch fort-
bestand, ja am 4. Tag auf die äussere Wunde überging, durch
die Inhalationen direct behandelt und dadurch die immer wieder
sich bildenden croupösen Membranen zur Ablösung und Aus-
stossung gebracht, zweitens wäre es nie möglich gewesen, die
Canüle ohne die erweichende Wirkung der Heisswasser-Dämpfe
auf die eingetrockneten Massen ergiebig zu reinigen. Ja, ich
bin geneigt, auch als Ursache für die Reinigung der diphthe¬
ritisch inficirten äusseren Wunde mehr die Dämpfe als die
Aetzung anzusehen.
Nach Abschluss dieser Arbeit kam ich in einem eine halbe
Stunde von hier entfernt liegenden Dorf in die Nothwendigkeit,
eine Tracheotomie vorzunehmen, von welcher ich noch einen
kurzen Bericht beizufügen mir erlaube. Das Kind, ein 3*/ 4 Jahre
alter, blasser, gracil gebauter Knabe, war schon 5—6 Tage lang
krank, als ich ihn am 6. April Mittags sah. Er zeigte das
deutliche Bild der Larynxstenose, pfeifendes, erschwertes Ath-
men, starke Einziehung des Epigastriums, bläulich-fahle Gesichts¬
farbe, ängstlichen Gesichtsausdruck, weit geöffnete Augen, grosse
Unruhe. In den Fauces rechts und links diphtheritische Beläge.
Streng genommen war die Tracheotomie schon jetzt indicirt,
doch wollte ich wenigstens einen Versuch mit den Inhalationen
machen. Es wird also die ganze Nacht fleissig inhalirt, aber
ohne Erfolg. Am 7. April Morgens 9 Uhr wird, da der ganze
Zustand sich verschlimmert, die Tracheotomie vorgenommen.
Die ziemlich grosse Struma wird in der Mittellinie getrennt und
die Lappen an Fäden seitlich zurückgehalten, parenchymatöse 1
Digitized by GCK 'OlC *
Blutung aus der Schilddrüse hartnäckig. Nach Eröffnung der
Trachea wurden Membranfetzen ausgestossen, und ein Erstickungs¬
anfall tritt ein wie in den oben geschilderten Fällen, durch
Erwachen aus der Narcose wird der Knabe dazu sehr unruhig,
so dass die Schilddrüsenlappen wieder zu bluten beginnen. Ich
aspirire nun das eingedrungene Blut, sowie Membranen und
Schleim, bis jegliches Athmungshinderniss beseitigt ist. Nach
| Einführung der Canüle wird das Kind ruhig, trinkt und isst
I mit Begierde. Temperatur nach der Operation 37,5 Abends3 9,1.
Viel Expectoration besonders nach denJnhalationen, gute Nacht.
8. April Temp. 38,5, Abends 39,7, Resp. 36. Den Tag
über sehr viel eiteriger Schleim, Appetit gut, Abends in der
Umgebung der Wunde Haut-Emphysem, häufige Ructus. Nachts
nach 5 Stunden langem Aussetzen der Inhalationen wegen Wei¬
gerung von seiten des Kindes stark stenotisches Athmen mit
leichten Suffocationsanfällen. Nach einer lang andauernden In¬
halation reinigt sich die Canüle und wird eine Unmasse Eiter
und Schleim expectorirt.
9. April. 38,7, 39,2, Respiration 60, wenn mit der Inha¬
lation länger ausgesetzt war; 40 nach gereinigter Canüle d. h.
nach Inhalatihn. Wunde zeigt weissen Belag, Umgebung ge-
röthet und stark emphysematos geschwollen, mit einzelnen
Bläschen am Wundrand. Athem aus der Canüle foetid.
10. April. Nach einer guten Nacht plötzlich Morgens 5 Uhr
Collaps, Temp. 40, Wunde und Umgebung blass, fahl, Athmung
oberflächlich, rasch, kein Bewusstsein. Nach 5 Stunden Tod.
Auch dieser Fall zeigte wieder schlagend die vortreff¬
liche Wirkung der sofortigen Aspiration nach Eröffnung der
Trachea. Es war keine andere Möglichkeit, das durch d-e un¬
gestümen Bewegungen des kleinen Patienten aus dem Parenchym
der Schilddrüse kommende und in die Trachea gelangende Blut
wegzuschaffen und Erstickung zu verhüten, als eben dasselbe
| auszusaugen. Ebenso deutlich war aber auch der günstige
• Einfluss der fleissigen Inhalationen auf die Reinigung der Ca-
i nüle und Erleichterung der Athmung. Dass in diesem Fall die
| Inhalationen nicht die Heilung des diphtheritischen Processes
in der Trachea und auf dem Boden der Wunde bewirkten, da¬
für werden dieselben kaum verantwortlich gemacht werden
j können. Der operirte Knabe war von Haus aus zart und schwäch¬
lich, es hatte ihm die Kraukheit schon fast eine Woche lang
stark zugesetzt, und er war bereits über zweim; 1 24 Stunden
durch die Larynxstenose den Einflüssen der immer mehr sich
steigernden Kohlensäurevergiftung ausgesetzt, so dass sowohl
die Reaction des sauerstoffarmen Bluts gegen die diphtheritische
Allgemeininfection, als die locale Reaction der Trachealschleim-
haut und der Wundfläche nahezu erloschen war. Das in der
Umgebung der Wunde auftretende Hautemphysem (dessen Aetio-
logie mir dunkel ist) trug jedenfalls auch zu dieser Reactions-
unfähigkeit der Gewebe bei. Der kleine Patient, der durch die
Tracheotomie dem Tod des Erstickens entzogen worden war,
wurde so nach 4 Tagen ein Opfer der diphtheritischen Allgemein¬
infection.
III. Die aente SapeainTergiftuag, ud die Bedeutung
des Saptiin, als Idealen Anästhetieams,
durch das physiologische Experiment an sich selber untersucht
von
Dr. Fr. Keppler.
(Schluss).
III.
Zusammenstellung der während der Beobachtungszeit
gemachten Temperatur- und Puls-Bestimmungen,
a) Vor dem Versuche.
Temp. 36,2 C.; Puls 85, voll, leicht gespannt, regelmässig.
> Original from 2*
university of michigan
512
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 34
b) Nach dem Versuche.
1. Tag: 10 Minut. nach d. Vers. Temp. 36,2; P. 75, voll,
weicher, regelmässig.
40 Minut. nach d. Vers. T. 36,8; P. 70, voll, ge¬
spannt, regelmässig.
2 Stunden nach d. Vers. T. 38,1; P. 90, voll,
sehr gespannt, regelmässig.
3 Stund, nach d. Vers. T. 38,6; P. 100, schnell,
sehr gespannt, regelmässig, mässiger Schweiss.
7 Stund, nach d. Vers. T. 38,2; P. 100, voll,
gespannt, regelmässig.
9 Stund, nach d. Vers. T. 37,8; P. 100, voll, sehr
gespannt, regelmässig.
12 Stund, nach d. Vers. T. 37,8; P. 100, weniger
voll, weich, regelmässig.
2. Tag: 8 Uhr Morgens T. 37,6; P. 100, weniger voll,
weich, regelmässig.
12 Uhr Morg. T. 36,6; P. 100, mässig voll, weich,
regelmässig.
6 Uhr Abends T. 38,6; P. 100, voll, weich,
regelmässig, um
8 Uhr sehr starke Diaphorese.
9 Uhr Abds. T. 38,6; P. 100, klein, weich, regel¬
mässig.
3. Tag: 7 Uhr Morg. T. 37,5; P. 76, klein, weich, regel¬
mässig.
2 Uhr Mittags T. 36,6; P. 80, schwach, klein,
weich, regelmässig.
7 Uhr Abds. T. 37,8; P. 100, voll, weich, regel¬
mässig.
12 Uhr Nachts T, 37,8; P. 80, voll, weich regel¬
mässig.
4. Tag: 7 Uhr Morg. T. 37,0; P. 80, voll, hart, regel¬
mässig.
7 Uhr Abds. T. 37,1; P. 70, voll, gespannt, regel¬
mässig.
5. Tag: 8 Uhr Morg. rechts T. 35,8; P. 67, voll, leicht
gespannt, regelmässig, nachdem er eine Stunde
vorher eigentümlich unregelmässig gewesen.
8 Uhr Morg. links T. 34,2.
3 Uhr Abds. beiderseits T. 33,6; P. 65, voll,
weich, regelmässig.
9 Ühr Abds. beiderseits T. 34,6; P. 72, voll,
weich, regelmässig.
IV.
Bei Beurteilung der Symptome vorliegender Vergiftung
haben wir zwei Gruppen von Erscheinungen zu unterscheiden:
A. 1) Symptome, hervorgerufen durch rein locale Ein¬
wirkung eines stark reizenden Stoffes auf die Umgebung seiner
Injectionsstelle.
2) Die durch den rein localen Reiz bedingten Allgemein¬
erscheinungen.
Diese Gruppe hat mit der specifischen Wirkung des Sapo¬
nins, sowohl der localen, wie der allgemeinen desselben nichts
gemein, sondern hätte auch hervorgerufen werden können, und
wird thatsächlich hervorgerufen durch Injection jedes anderen,
stark reizenden Mittels, z. B. von Sublimat.
B. Erscheinungen, welche eine dem Saponin eigentüm¬
lich angehörende Wirkung darstellen.
Diese gliedern sich wieder in
3; specif. locale Beeinflussung der nächsten Umgebung der
Injectionsstelle durch das Saponin und
4) in die durch Aufnahme des Saponins in der Blutbahn
bedingten allgemeinen Vergiftungserscheinungen.
Die unter 3 und 4 namhaft gemachten Symptome kommen
ausschliesslich dem Saponin zu und sind für dasselbe charac-
teristisch.
Es ist nun von vornherein nicht leicht, die beiden Gruppen
von Symptomen auseinander zu halten, da es bei mehreren
derselben zweifelhaft erscheinen kann, auf wessen Rechnung sie
zu setzen seien.
Die local reizende Einwirkung des Mittels auf die nächste
Umgebung der Injectionsstelle kennzeichnet sich durch eine
ganz augenblicklich auftretende Hautentzündung, die in ihrem
Character das Prototyp eines Erysipels darstellt, die Schmerz¬
haftigkeit jedoch ist eine viel hochgradigere, als wie sie dem
echten Erysipel zukommt. Die Hautentzündung selbst wächst
24 Stunden lang, nach welcher Zeit sie ihre höchste Höhe
erreicht hat; auf dieser bleibt sie 24 Stunden stehen, um dann
relativ schnell wieder abzufallen.
Als durch den heftigen localen Reiz bedingte Allgemein¬
erscheinungen sind die augenblicklich an die Injection sich
anschliessende Blässe des Gesichtes, der kalte Schweiss, der
Schwindel, die Ohnmacht anzusehen. Sie kommen thatsächlich
bei allen stark schmerzenden Injectionen z. B. von Sublimat
vor. Hierauf und nicht auf die pulsherabsetzende Wirkung des
Saponins ist auch das 10 Minuten nach der Einspritzung beob¬
achtete Herabgehen des Pulses von 85 auf 75 Schläge zurück¬
zuführen, denn 10 Minuten nach der Injection kann es sich nicht
schon um die Allgemeinwirkung eines Mittels handeln, das so
schwer diffundirt, so langsam und allmälig erst zur Allgemeinwir¬
kung gelangt, wie Saponin. Als dem Saponin eigentümlich
angehörende Local Wirkung ist die 15 Minuten nach der Ein¬
spritzung eintretende, nicht 15 Minuten lang anhaltende An¬
ästhesie an der Injectionsstelle gegen neu ein wirkende Reize
anzusehen. Dieselbe erstreckt sich bloss soweit im Umfange,
als die von der injicirten Lösung gebildete Blase reicht, also
soweit, als sich die Saponinlösung im Unterhautzellgewebe aus¬
breiten und die Nervenendigungen direct umspülen kann, im
vorliegenden Fall 3 Ctm. in die Länge und je 1 Ctm. in die
Breite und Tiefe. Diese Anästhesie gilt, wie gesagt, nur für
neue, zur Einwirkung gelangende Reize, der Schmerz der durch
die Injection selbst verursacht ward, dauert fort.
Was nun die dem Saponin zweifellos eigentümlich
angehörenden Allgemeineinwirkungen anbelangt, so be¬
trachten wir zunächst seinen Einfluss auf die Temperatur. Letz¬
tere steigt bald nach der Injection (40 Minuten nach derselben
ist sie schon um 0,6 Grade gestiegen) stetig an, hat 3 Stunden
nach derselben ihre höchste Höhe (38,6) erreicht und fällt inner¬
halb 24 Stunden, vom Beginn der Injection an gerechnet, ganz
allmälig fast bis zur Norm wieder ab. (Vielfache Beobachtungen
haben für mich als normal eine Temperatur von 36,2 in der
Faust und 85 Pulsschläge in der Minute ergeben.) Vom zweiten
auf den dritten Beobachtungstag zeigt sie einen deutlich remitti-
renden Typus. Ihr Maximum ist wieder 38,6. Ara dritten Tage
ist Abends noch mässiges Fieber (37,8) vorhanden. Am vierten
Tage steht Morgens die Temperatur noch etwas über dem Breite¬
grad der Normalität, Abends beginnt sie unter denselben zu
sinken. Ara fünften Tage ist sie tief unter die normale ge¬
sunken.
Die Temperatursteigerungen der drei ersten Tage lassen
sich nicht nur durch den sich abspinnenden Entzündungsprocess
erklären, sondern es muss geradezu als auffällig erscheinen,
dass bei der so heftigen localen Reaction das Fieber
nicht beträchtlich höher gelegene Punkte erreicht hat. An letz-
Digitized by
Gougle
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
2m. August 187S.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
513
terem Umstand nun trägt offenbar der temperaturherabsetzende
Einfluss des Saponins* die einzige Schuld. Dafür sprechen zu¬
nächst die auffallenden subnormalen Temperaturen des fünften
Tages, wo mit dem Aufhören des entzündlichen Fiebers die
Temperaturen herabstimmende Wirkung des Saponins das ent¬
schiedene Uebergewicht erhält.
Die 10 Minuten nach dem Versuche festgestellte Herab¬
setzung des Pulses von 85 auf 75 Schläge schreibe ich aus¬
schliesslich dem durch den localen Reiz her vor gerufenen Schmerz
und der durch diesen bedingten Ohnmacht zu, während mit
der weiteren Herabsetzung auf 70 Schläge, welche 40 Minuten
nach der Einspritzung constatirt ist, die ersten Anfänge der
allgemeinen Saponinwirkung in die Erscheinung treten. Dafür
spricht, dass gleichzeitig mit dieser niedersten Pulsfrequenz
der vorher unter dem Einfluss der Ohnmacht auf 75 Schläge
herabgesetzte Puls sich weicher gezeigt hat, während er jetzt
schon wieder härter und gleichzeitig die Temperatur im An¬
steigen begriffen ist. Es wäre also dieses Härterwerden des
Pulses im Vereine mit der ansteigenden Temperatur bereits
als Reaction auf den localen Entzündungsprocess aufzufassen,
welchem die durch das Saponin gefesselte Herzaction noch nicht
zu folgen vermag.
Im übrigen gilt über den Puls genau dasselbe, was oben
über die Temperatur gesagt worden: die localen Erscheinungen
lassen eine höhere Frequenz erwarten, welche offenbar durch
den pulsvermindernden Einfluss des Saponins herabgesetzt
worden ist. Die Allgemeinwirkung des Saponins auf Puls und
Temperatur kommt in ihrer vollen Reinheit eigentlich erst
am fünften Tage zur Geltung, an welchem die durch den
heftigen localen Entzündungsprocess bedingten Complicationen
eliminirt sind. Die so spät nach dem Versuch noch beobachtete
Oollaps-Temperatur von 33,6 Cels., die Pulsfrequenz von 65,
beweisen die unheimliche Bedeutung des Mittels für die Central¬
organe des Nervensystems und legen die Vermuthung sehr nahe,
dass die Lebensrettung im vorliegenden Falle lediglich nur
durch die im höchsten Grade excitirend wirkenden localen Reiz-
< rscheinungen bedingt worden ist. Wenn aber eine einmalige i
Dosis Saponin über viermal 24 Stunden nach ihrer Injection !
hinaus noch eine solche Wirkung entfalten konnte, dass sie
die Körpertemperatur von der Normalgrenze bei 36,2 auf 33,6
und die normale Pulsfrequenz von 85 Schlägen auf 65 herab¬
drücken konnte, dann muss Saponin ein in hohem Grade schwer
diffundirender KörpeT sein, es muss lange dauern und ganz
allmälig zu Stande kommen, bis es seine Allgemeinwirkung
•entfalten kann, und diese muss sich, einmal zur Herrschaft
gelangt, auch längere Zeit hindurch auf derselben erhalten
können, weil das Mittel eben wegen seiner schwierigeren j
Diffusionsfähigkeit auch schwieriger wieder aus dem Organismus
ausgeschieden werden kann. Saponin müsste also, wenn es
in der Zukunft therapeutisch verwendet werden sollte, zu den
immer bedenklichen Mitteln gerechnet werden, welchen eine
«cumulative Wirkung in ausgesprochenem Grade zukommt. Auf
seiner geringen Diffusionsfähigkeit, vielleicht auf etwa besonders
hochgradiger Schwerlöslichkeit in den Verdauungssäften mag
der Umstand beruhen, dass Schroff mit einer Dosis von 0,2 Grm.
keine ausgesprochenen Vergiftungserscheinungen bekommen hat.
Subcutan einverleibt muss diese Menge unfehlbar den Tod
durch Hirn- und Herz-Paralyse herbeiführen, wenn anders
Schroff mit einem Präparate experimentirt hat, das dem von
mir versuchten gleichwerthig gewesen ist. Eulenburg hat
zweifellos ein dem meinigen äquivalentes Präparat untersucht,
da zwischen den von ihm beobachteten Fällen und den meini¬
gen nur ein qualitativer, den von ihm angewandteu kleinen
Dosen proportionaler Unterschied besteht.
Digitized by Google
Als Allgemeinwirkungen des Saponins sind ferner anzu¬
sehen die hochgradige geistige und körperliche Depression und
die Schlafsucht; als solche erkläre ich auch im Gegensatz zu
H. Koehler 1 ) den Speichelfluss und die mit ihm zusammen¬
hängenden Symptome im Mund und Rachen. Dass nach Sapo¬
nin Vergiftung das Verhalten der Pupille wechselnd, die Menge
und Beschaffenheit des Harns und der Excremente nicht beein¬
flusst ist, hat auch mein Versuch ergeben. Was den Rest der
Erscheinungen anbelangt, diejenigen nämlich, welche durch
ihre auffällige Linksseitigkeit ganz besonders eigentümlich
characterisirt sind, wie namentlich der Schmerz, Exophthalmus
und Strabismus des linken Auges, so denkt man wohl in erster
Linie daran, sie als unter dem Pflüger’schen Gesetze der
gleichseitigen Leitung stehende Reflexe von der Injectionsstelle
aus zu erklären. Diese Auffassung muss aber entschieden
zurückgewiesen werden, weil sich der merkwürdige Umstand,
der mir leider zu spät erst aufgefallen ist, ergiebt, dass am
5. Tage auch die Temperatur linkerseits durch das Saponin
| mehr beeinflusst ist, als auf der rechten Seite. Die Differenz
beträgt 1,6 Cels. (Täuschung durch mangelhafte Instrumente
! ist ausgeschlossen.)
Die Differenz der Temperaturen beider Körperhälften aber
beweist, dass auch die anderen, auf der linken Seite besonders
auffallend ausgesprochenen Erscheinungen, nicht als Reflex-
erscheinungen aufgefasst werden dürfen, sondern den specifi-
schen Allgemeinwirkungen des Saponins zugezählt und durch
. directe Alteration der Nervencentren erklärt werden müssen.
Die Schmerzen endlich im linken Knie und der linken Hüft-
beuge, die schmerzhafte Anschwellung der linken Leistendrüsen
fasse ich als directe Fortleitung entzündlicher Einflüsse von
der Injectionsstelle auf. Ueberhaupt kann ich mich bei der
auffallenden Linksseitigkeit aller Symptome, selbst der durch
offenbare Alteration der Nervencentren bedingten, sowie bei
der langsamen, stetigen Entwicklung derselben des Gedankens
nicht erwehren, als habe das Gift ganz ausschliesslich die
Lymphbahnen und Bindegewebsspalträume der linken Körper¬
seite zu seinem Vordringen von der Injectionsstelle aus benutzt.
Dadurch wäre grob-, aber rein-mechanisch alles befremdliche
erklärt.
Ob es mir gelungen ist, die beobachteten Erscheinungen
richtig zu sondern und zu deuten, lasse ich dahingestellt; den
nächsten Zweck meiner Arbeit, festzustellen, ob das Saponin
als locales Anästheticum für die chirurgische Praxis zu ver¬
wenden sei, habe ich erreicht. Der von mir fast mit dem
Leben bezahlte Versuch beweist mit zweifelloser Klarheit, dass
die diesbezüglichen Hoffnungen E. Pelikan’s Illusionen ge¬
wesen, und dem Saponin kein wenn auch noch so be¬
scheidener Platz unter den chirurgisch rerwerthbaren
Anästheticis gebührt.
Dagegen ist recht wohl die Frage aufzuwerfen, ob das
Mittel nicht als Antipyreticum eine entschiedenere Beach¬
tung verdient, als die ihm zu Theil geworden. Dass seine
Anwendung mit Gefahren verknüpft ist, kommt hierbei nicht
besonders in Betracht; Gefahren schliesst der Gebrauch jedes
energisch wirkenden Mittels ein, des Veratrins, der Digitalis,
des Chinins und Kalisalpeters in grossen Dosen, so gut wie
des Saponins, deshalb ist man eben wissenschaftlich gebildeter
Arzt und nicht Homöopath, um diese Gefahren wissen, abwägen
und verantworten zu können, und Saponininjectionen dürfte
man selbstverständlich nicht mit derselben Nonchalance ,ver¬
ordnen, mit der man ein Althäadecoct oder Rheuminfus auf¬
schreibt. Dass die subcutane Einverleibung des Mittels eine
1) 1. e. pa£. 102. No. 4S.
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHSGAN
514
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 34
besonders schmerzhafte Form der Verordnung darstellt, ist eine
leidige Thatsache, in die man sich eben fügen muss; subcutane
Sublimateinspritzungen sind um kein Haar weniger schmerzhaft
und haben doch eine respectable Verbreitung gefunden, eben
weil sie sich therapeutisch bewährt haben. Nun lässt sich
aber gerade die local stark reizende, „ableitende” Wirkung
der Saponininjection mit der temperatur- und pulsherabsetzenden
des Mittels sehr glücklich verbinden bei einer Reihe von
Krankheitsprocessen, die entschieden zur Behandlung mit Sa¬
ponineinspritzungen herausfordern. Dies sind in erster Linie
die mit hoher Temperatur und Pulsfrequenz und bedenklich
werdenden (pseudomeningitischen) Gehirnerscheinungen verbun¬
denen acuten Pleuritiden und Pneumonien, und ganz besonders
jene unheimlichen Formen von Endocarditis und Pericarditis,
die unter dem Bilde eines schweren Typhus verlaufen und von
diagnostisch unfertigen Aerzten ganz gewöhnlich als Typhus
behandelt werden: bei diesen sollten zunächst Saponinein¬
spritzungen versucht werden. Die Maximaldosis, mit der han- j
tirt xverden könnte, dürfte Grm. 0,06 nicht überschreiten.
Die ableitende Behandlung der Pleuresien und Pneumonien mit
Canthariden findet immer wieder Verehrer und hat entschiedene
Vortheile, Vortheile, die in erhöhterem Grade der Saponiu-
injection zu Gute kommen werden. Was aber die temperatur-
lind pulsbeeinflussende Bedeutung des Saponins in der Behand¬
lung der erwähnten Krankheiten anbelangt, so wird die Zu¬
kunft zeigen, dass sie die des Veratrins noch übertrifft.
Ich selbst wenigstens habe mir vorgenommen, mit aller
ConsequenZ die therapeutische Bedeutung des Mittels nach
dieser Richtung hin zu verfolgen; eine andere, in der es viel¬
leicht mit Erfolg versucht werden könnte, erlaube ich mir noch
anzudeuten. Da beobachtet wurde '), dass intercurrente Ery¬
sipele die rasche Resorption entzündlich gewucherter oder
indurirter Gewebe und selbst eigenthümlicher Geschwülste ver¬
mittelt haben, und die durch Saponininjection bedingte anato¬
mische Veränderung der Haut einem Erysipel aufs Haar gleicht,
so wäre immerhin ein Versuch zu rechtfertigen, in verzweifelten,
operativem Eingreifen nicht zugänglichen Fällen, die Rückbil¬
dung von Sarcomen, Fibromen, Lupuskuoten und ähnlichen
Neubildungen durch methodische Anwendung von Saponininjec-
tionen herbeizuführen.
II. Gelisterte Fälle
von
Dr. J. Pauly in Posen.
I. Zur Therapie der Handganglien.
Paula Lindermann, 10 Jahre alt, leidet seit 1 Jahre an
einem Ueberbein der rechten Hand, das sie in den letzten
Wochen wesentlich behindert: sie Hess alles fallen, was sie
fasste. Das kirschgrosse, harte, straffe Ganglion sitzt am Ende
des Radius auf der Volarfläche grade da, wo eine Linie Hand
und Vorderarm trennt. Nachdem die sofort angerathene Ex- j
stirpation sehr zögernd adoptirt ist, wird nach Esmarch'scher j
Constriction mit gewöhnlichem Schwefeläther local anästhesirt,
was binnen höchstens zwei Minuten prompt gelingt, und auf
den Sack eingeschnitten, wobei derselbe verletzt wird, so dass
ein dicker glasiger Inhalt aus zwei Buchten hervorquillt; daher
wird rasch die dicke Wand mit der Pincette gefasst und un¬
schwer ausgeschält; man sieht in dem blutleeren Gewebe die
Communication mit einer Sehnenscheide in Form einer steck¬
nadelkopfgrossen Oeffnung. Eine etwas stärkere Vene in der
1) Richard Volk mann im Handbuch der allgemeinen und spe-
ciellen Chirurgie von Pitha u. Billroth, I, 2. pag. 174 figd.
Tiefe der Wunde wird doppelt mit Catgut unterbunden und
2 Catgutfäden als Drainage herausgeleitet, 3 Nähte angelegt,
und während der Esmarch’sche Schlauch noch liegt, ein
Li st er Verband mit reichlicher Salicyl watte angelegt, erst dann
der Schlauch gelöst, und die Hand auf ein Handbrett gelagert.
Am 12., 14., 16., 19. Verbandwechsel; an diesem Tage Ent¬
fernung des Catgutrestes; am 23. Mai Entfernung der Nähte.
Am 17. Heilung bis auf eine kleine Kruste.
Die Radicaloperation der Ganglien war bekanntlich bei der
früheren Wundbehandlung äusserst riscant. „Der Stiel der
Ganglien nämlich ist 1 ) zuweilen hohl und dann communicirt
die Höhle des Ganglion mit der eines Gelenkes oder einer
Sehnenscheide, wenn auch das Lumen des Canals oft ungemein
fein ist, zuweilen nur die dünnste Sonde oder eine Borste durch-
lassend”. Diese unberechenbare Communication, welche ja
übrigens die Gosselin’sche Ansicht von der Entstehung dieser
Dinge aus abgeschnürten präformirten Synovialhautsäckchen
als die wahrscheinlich richtige erscheinen lässt, hat Schuld an
jenen überaus peinlichen, heftigen, progredienten Entzündungen
und Eiterungen nach freier Incision 2 ) der Ganglien, die erst
nach Monaten mit bleibender Rigidät der Gelenke „heilten” oder
auch, wie Hyrtl von Cloquet’s Haarseilbehandlung (top. Anat.
1875. II, 325) erzählt, gelegentlich zum Tode führten. Es ist
historisch interessant, dass aus dem Princip der Verhütung des
Lufteintritts in die Wunde eben die subcutane Operationsmethod^
grade bei den Ganglien zum ersten Mal empfohlen wurde, 3 )
und zwar von keinem geringeren, wie G. A. Richter. So
entstanden mehrfache therapeutische Enciieiresen von der Zer¬
sprengung mit dem Hammer, 4 ) bis zur Aspiration mit Carbol-
säureiujection. 3 ).
Das ist nun alles jetzt, Dank Lister, überflüssig geworden.
Ob das Ganglion mit dem Gelenk oder einer Sehnenscheide
communicire. ist uns wirklich gleichgültig. Gelingt wegen Dicke
des Balges die Zersprengung nicht oder recidivirt danach das
Ding, was hält uns ab, unter dem Schutze des antiseptischen
Verfahrens zu incidiren und zu exstirpireu? ln König’s vortreff¬
lichem Lehrbuch (II. 681) ist zwar die Gefahr nur „für nicht
gross” erachtet; es ist wohl aber gestattet die Vermuthung
auszusprechen, dass sie iu der ja bald folgenden zweiten Auf¬
lage für null erachtet sein wird.
Zweck dieser Zeilen ist die Empfehlung unseres mächtigen
Dreigestirns, der Anästhesie (und zwar der localen), der Anti¬
sepsis und der Constriction, auch für die kleine Operation des
Ganglions, die dann in der That an Präcisiou nichts zu wün¬
schen übrig lässt. Zunächst die Constriction: sie gestattet
nicht blos ohne Blutung zu disseciren, was ja hier nicht so
wesentlich wäre, sondern sie erfreut auch durch die präcise
Markirung der Theile (so sah ich die Communication mit der
Sehnenscheide) und gewährt endlich eine grosse Erleichterung
für die Richardson’sche Aetherdouche, die alsdann sehr
rasch eine absolute Localanästhesie erzeugt.
Grade diese Combination, die, glaub ich, zuerst von Girard
(Bern) empfohlen wurde, verdiente häufiger, zumal au Hand
1) Wörtlich aus Volkmann: Krankheiten der Bewegungsorgane,
pag. 639 (Pitha-Billroth).
2) Die totale Exstirpation schien nach Volk mann weniger gefähr¬
lich (in der vorantiseptischen Zeit), wobei er sich besonders auf Wern h c’s
Erfahrungen beruft; es ist denkbar, dass die etwaige Gelenkcommunica-
tion rascher nach der Exstirp., als bei freier Incision geschlossen wird.
3) Volk mann l. c. 843. Anmerkung.
4) Ich habe dazu stets den Percussionshammer genommen, ab¬
wechselnd Gumini und Mctallfläche, und alsdann ein Stück jodirter
Watte mit einer Binde befestigt.
5) Central bl. f. Chir. 1877. 52.
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by CjOOglc
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26. August 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
515
und Fuss angewandt zu w T erden. Ich muss gestehen, dass mir
früher die Localanästhesie mit dem gewöhnlichen käuflichen
Aether höchstens an den Fingern gelang, und dass mir erst
seit voraus geschickter Constriction der bekannte Erfrierungs¬
kreis prompt binnen 1—2 Minuten erscheint. *)
Es folgt unter antiseptischen Cautelen (den Spray dirigirt
gern ein Laie) die Exstirpation mit Catgutdrainage, die hier
sicherlich der üblichen mit einem desinficirten Gummiröhrchen
vorzuziehen ist, dann die Naht und sofortige Anlegung des
typischen Verbandes mit dicker Salicylwattepolsterung, und
nun erst wird der Schlauch gelöst, so dass die Blutung nun¬
mehr in den ersten Verband hinein stattfindet, ein Verfahren,
das bekanntlich bei grösseren Operationen Bedenken hätte und
den aseptischen Verlauf in Frage stellen könnte. Lagerung
auf einer Schiene. Verbandwechsel den nächsten Tag, dann
selten.
In dieser Combination lässt sich die kleine Operation ohne
Narcose, ohne Assistenz und ohne jedes Risico ausführen.
V. Kurze Beschreibung ei»er interessanten Missbildung
von
Dr. F. Brudi, pract. Arzt.
Im Krankenzimmer des 2. Württembergischen Feldartillerie-
Regiraents zu Ludwigsburg hatte ich während meiner Dienstzeit
das Glück, bei dem sich anderweitig krank meldenden Kanonier
S. eine ebenso interessante als seltene Missbildung zu finden,
welche ich mit gütiger Erlaubniss des Herrn Oberstabsarztes
Dr. Klein im folgenden veröffentliche.
Auf der grossen Zehe des linken Fusses, in dem Winkel,
deu der innere Rand des Nagelfalzes mit dem hinteren bildet,
sitzt mit einem kurzen, dicken, wenig beweglichen Stiele eine
Geschwulst von der Grösse eines Daumennagels, welche zur
Hälfte auf dem Nagel aufrecht, mit der anderen Hälfte ihn
nach innen zu überragt. Sie ist von etwas gerötheter, sonst
normaler Haut bedeckt. Man erkennt an dem peripheren Ende
derselben deutlich eine Gliederung, und bei näherem Zuschauen
sieht man, dass dieselbe einen vollständig ausgebildeten dritten
Fuss en miniature repräsentirt. Man findet nämlich nicht nur
fünf kleine Zehen, sondern entdeckt auch, dass jede Zehe ein
schönes scharfes Nägelchen trägt, das besonders an den drei
ersten Zehen gut entwickelt ist; die vierte und fünfte Zehe
sind mit einander verwachsen. Das Füsschen ist ein rechtes.
Heine grösste Länge, von dem Stiel bis zum Ende der grossen
Zehe ist 17 Millimeter; gegen die kleine Zehe zu wird diese
Entfernung von dem Stiel immer geringer, bis sie an der
kleinen Zehe selbst nur wenige Millimeter beträgt. Die drei
ersten Zehen sind durchschnittlich 4 Millimeter lang; die vierte
und fünfte etwas kürzer. Die dem Mittelfuss entsprechende
Partie hinter den Zehen hat eine grösste Breite von 15 Milli¬
metern und geht ohne scharfe Grenze in den sehr kurzen Stiel
über, der eine Breite von 6 und eine Circumferenz von 14 Milli¬
metern hat. Die Dicke des accessorischen Füsschens beläuft
sich auf 3—5 Millimeter.
Das ganze ist, wie schon oben bemerkt, mässig beweglich,
die Haut darüber derb und fest. Von einem Knochen- oder
selbst auf die Idee, „dass er wohl drei Füsse haben müsse“.
Beschwerden hat er absolut keine und ist auch in der Aus¬
übung seines Dienstes als Kanonier nicht im mindesten gestört.
Seine übrigen Extremitäten sind vollkommen normal. s Die Miss¬
bildung ist angeboren und etwas ähnliches in der Familie sonst
nicht nachzuweisen.
VI. Referate.
Saint Bartholomew’s Hospital Reports. Editcd bv James
Andrew, M. D. and Alfred Willett, F. R. C. S. *Vol. XII.
London, Smith, Eider et Co. 1876.
Dieser Band der vorstehenden Hospitalberichte enthält eine Reihe
mehr oder minder interessanter Mittheilungen, welche ihn der be¬
sonderen Aufmerksamkeit des deutschen Lesers empfehlen dürften.
Allerdings haben die in dem vorliegenden Bande vorhandenen 25 Auf¬
sätze nicht den gleichen wissenschaftlichen Werth; einige derselben
bestehen nur aus mehr gelegentlichen Bemerkungen allgemeiner Natur,
so der sehr geschickt geschriebene Artikel von Barton, über medici-
nische Ophthalmoscopie, während das wenige, was Sir James Paget
j über die chirurgischen Nachkrankheiten des Ileotyphus bringt, schon
der berühmten Person des Schreibers wegen Anspruch auf specielle
Beachtung verdient. Was aber den vorstehenden Band des St. Bartho-
| lorncw’s llosp. Reports vor allem auszeichnet, ist die präcise Wiedergabe
einiger seltener Fälle, deren Vorkommen dadurch eine Authenticität
erreicht, wie man sie hei den analogen Krankengeschichten früherer
Beobachter bisher nicht gefunden hatte. Wir rechnen hierher in erster
Linie den von Morrant Baker referirten Fall von Verletzung der
linken A. pharyngea asc. Dieselbe kam durch einen Fall in der Trunken¬
heit zu Stande, bei dem der betr. Pat. mit einer Tabakspfeife im Munde
auf das Gesicht zu liegen kam, und der Stiel dieser in der liegend der
linken Mandel in die Rachenwand bohrte. Pat. ging an secundärer
Blutung, nachdem noch in extremis die Carot. comm. unterbunden, zu
Grunde, und erst die Autopsie klärte genauer über die Stelle der Ver¬
letzung auf. Fast ebenso interessant ist Willett’s Fall von Blascn-
ruptur, in welchem noch ein nachträglicher Versuch zum Schluss der
durch Sectio alta blossgelegten Blasenwunde durch die Naht leider
mit tüdtlichem Ausgange gemacht wurde. Hieran schliessen sich eine
Laparotomie behufs Lösung einer Intusception bei einem Dmon. Kinde,
von Howard Marsh, und, um auch aus einem anderen Gebiete seltene
Casuistik anzuführen, die von Norman Moore berichteten Vorkomm¬
nisse von angebornen Herzfehlern, von denen einer, bestehend in be¬
deutender Verengerung im Anfang der Aorta, deshalb bemerkenswerth
ist, weil das betr. Individuum ein Alter von 57 Jahren erreichte. Von
sonstigen wichtigen Arbeiten wollen wir hier noch folgende nennen:
S. Gee, über Phrcnitis ästiva; Neville Hart, über epidemische Cerebro-
Spinalmcningitis; Wiek harn Legg, über die Ursachen der Gelbsucht;
Ha vi Hand Hall, über Diagnose und Behandlung pleurilischer Ex¬
sudate: T. Smith, über Varix aneurysmaticus der Oberschenkelvene
u. e. a. m. Die Statistik säramtlicher Cataractopeiationen im Hospital
seit 1870 aus der Feder von Henry Power, Cu-raberbatch’s Artikel
über Paracentese des Trommelfelles, Coleman’s Bericht über die Ab¬
theilung für Zahnkranke und der Aufsatz über Farbsehen bei Gelbsucht
von Wickham Legg und Harris beweisen, dass man in St. Bartho-
lomew’s Hospital sich die Fliege der medicinischen und chirurgischen
Specialfächer mehr angelegen sein lässt, als dieses in vielen ähnlichen
grösseren Anstalten der Fall ist. Dass aber auch die Studenten gleich¬
zeitig zu eigener Thätigkeit von ihren Lehrern in jeder jWeise, nicht
blos in den practischcn Fächern, sondern auch in der Physiologie her¬
angezogen werden, zeigen nicht nur die verschiedenen, dem unter
L. Brunton’s bewährter Leitung stehenden pharmacologisehen Labo¬
ratorium des Hospitals entsprungenen Arbeiten, sondern auch die zum
Schluss gedruckten Verhandlungen der Aber net hian S ociety, einer auf
das St. Bartholomew’s Hospital hauptsächlich beschränkten wissenschaft-
| liehen Gesellschaft, die ihren Namen von einem der Hauptbegründer
I des Rufes der Anstalt hernehmend, an interessanten Discussionen und
Vorträgen nichts zu wünschen übrig lässt. Wir wollen von letzteren
nur den Vortrag von Mills über die Vorzüge der verschiedenen An-
ästhetica hervorheben und gleichzeitig darauf hinweisen, dass die Aether-
narcose, welcher eine kurze Einathmung von Lustgas vorangeschicktzu
werden pflegt, sich einer grossen Gunst in St. Bartholomew’s Hospital
neuerdings zu erfreuen scheint. Aus einer, an anderer Stelle gegebenen
statistischen Zusammenstellung der verschiedenen Xarcosen für das Jahr
Knorpelgerüste ist nichts durchzufühlen.
So oft Patient den Nagel seiner grossen Zehe schneidet,
ist er auch genöthigt, die kleinen Nägelchen zu stutzen, weil
*ie ihn sonst zu sehr geniren würden. Er kam in Folge dessen
1) Nagelextractionen, Panaritien, Phlegmonen lassen sich so durch¬
aus ohne Chloroform absolut schmerzlos operiren: ich finde die Empfeh¬
lung mir von der Bruns’schen Klinik (Centralbl. f. (’liir. 1870. 37).
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1875 ersehen wir, dass gegenüber dem 617 maligen Gebrauche des Chlo¬
roforms eine 884fache Anwendung des Aethers steht, und zwar wurde
letzterer 120 Mal allein, 764 Mal aber nach vorangeschickter Lustgas-
narcosc gebraucht. Lustgas allein ist im ganzen nur 86 Mal, meist bei
Zahnoperationen, verwendet worden. Was die sonstigen statistischen
Zusammenstellungen aus dem Jahre 1875 angellt, so ist uns in diesem
die verhältnissmässig geringe Anzahl von Autopsien aufgefallen. Die¬
selbe betrug nur 371 bei 573 Todesfällen in toto und 21 todt ein-
gebrachtcn Personen. Jm übrigen zeichnen sich die verschiedenen
Tabellen durch Sorgfalt und Übersichtlichkeit vor manchen ähnlichen
Zusammenstellungen anderer Hospitäler vortheilhaft aus. Das gleiche
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. ;;4
gilt auch von der äusseren Ausstattung des Berichtes, welche hei dem
billigen, noch nicht 9 Rink, betragenden Preise, eine vorzügliche ge¬
nannt werden muss.
Beiträge zur operativen Chirurgie. Von Dr. W. Albert,
o. ö. Professor und Vorstand der chirurgischen Klinik an der
Universität Innsbruck. — Wien 1878, Urban und Schwarzenberg.
— I. Heft,
Die in vorstehender Brochüre enthaltenen Operationsgeschichten sind
bereits vom Verf. in der Wien. med. Presse veröffentlicht worden. Die
principielle Bedeutung einiger der mitgetheilten Fälle (wie z. B. die
Exstirpation eines Kropfes durch Lappenschnitt, die Heilung einer Knie-
gelenkreseetion mit vollständiger Naht durch Primärvereinigung etc. etc.;
dürfte indessen ihren Wiederabdruck manchem Fachgenossen, dem die
Wien. med. Presse nicht regelmässig zu Händen kommt, nicht ganz
unerwünscht erscheinen lassen. P. G.
VII. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Berliner medizinische Gesellschaft.
Sitzung vom 6. März 1S78.
Vorsitzender: Herr Barde leben.
Schriltlührer: Herr E. Küster.
Der Vorsitzende gedenkt des daoingeschiedenen R-avoth. imP'm
er dessen Lebensgang skizzirl und seine vortrefflichen Eigenschaften her¬
vorhebt, Die Versammlung erhebt sich sein Andenken zu ehren.
Tagesordnung.
1) Herr Hirsch borg: Beiträge zur pathologischen Ana¬
tomie des Auges. (Ist in extenso in dieser Wochenschrift zum Ab¬
druck gelangt.)
*2) Herr A. Martin: Zur 0 vari otomie. (Ist in extenso in dieser
Wochenschrift zum Abdruck gelangt.)
Herr Steina, u er fragt an, ob dem Vortragenden die Versuche von
Baumann bekannt seien, welcher in dem dem Organismus einverleibten
Natron sulphurieum ein Gegenmittel gegen die toxischen Eigenschaften
der Carbolsäule gefunden hat,
Herr Martin verneint die Frage.
Herr E. Küster erklärt, sieh in allen wesentlichen Punkten mit
den Ausführungen des Herrn Martin einverstanden. Auch er halte
die Laparotomie unter antiseptischen Cauielen für eine an sieh durch¬
aus ungefährliche Operation, selbst bei einem Leiden, bei welchem man
die Eröffnung der Bauchhöhle bisher als einen fast absolut tödtlichen
Eingriff angesehen habe, nämlich bei dem Careinom der Ovarien. Noch
Olshausen spreche sich in seiner Monographie über die Rankheiten
der Ovarien in diesem Sinne aus, obwohl er der Hoffnung Raum gebe,
dass auch hier die antiseptische Behandlung eine Aenderung der An¬
schauungen hervorrufen könne. Diese Hoffnung habe sich dem Redner
bestätigt. Vor einigen Monaten habe er ein Careinom des Eierstocks
in Behandlung gehabt, bei welchem die Diagnose gestellt und deshalb
jeder operative Eingriff abgelehnt war. Es entwickelten sich indessen
in schleichender Weise die Erscheinungen des Heus, und entschloss sich
Redner deshalb dennoch zur Laparotomie, um einerseits jede Möglich¬
keit eines diagnostischen Irrthums auszusehlicssen, andererseits den Ver¬
such zu machen, durch Befreiung des vermuthlich angelöthetcn Darmes
wenigstens das Leben zu verlängern. Bei der Eröffnung des Bauches
fand sich in der That ein Carcinom fies linken Üvarium, das Peritoneum
bereits mit Knoten übersäet, eine Diinndarmsehlinge in eine Krebsmasse
völlig eingehiillt. Nach Entleerung der ascitischen Flüssigkeit wurde
daher der Bauch sofort wieder geschlossen. Es erfolgte gar keine Rt ac¬
tio« auf den Eingriff, die Wunde verheilte in 8 Tagen prima intentione;
indessen dauerten die Symptome des Darmverschlusses selbstverständlich
in wachsender Stärke an. und erlag die Kranke in der 3. Woche nach
der Operation. Die Sectio« zeigte nur eine geringe adhäsive Peritonitis
in der Umgebung der Narbe. Redner glaube daher, dass man bei
zweifelhafter Diagnose die probatorische Laparotomie auch machen dürfe
auf die Gefahr hin. eine bösartige Neubildung anzutroffen. — Ein Punkt,
in welchem Redner nicht ganz die Anschauungen des Herrn Martin
thcilen könne, betreffe die Anwendung des antiseptischen Zerstäubers,
welchen der Herr Vorredner als vielleicht entbehrlich bezeichnet habe.
Es sei zweifellos, dass man bei Beobachtung aller übrigen Ciutelen,
besonders wenn man in einem sicher nicht infleirten Raume, also in
einer Privatwohnung operirc, nicht so ausserordentliches Gewicht auf
den Spray zu legen brauche. Allein die deutschen Chirurgen seien
meistens genöthiei, in Hospitälern ihre Ovariotomien zu machen, und
dann gebe es kein Verfahren, welches so grossen Schutz gegen die In-
fection der Bauchhöhle gewähre, als die Operation unter dem antisepti¬
schen Nobel. Freilich habe dies Verfahren auch seine erheblichen Schatten- j
seiten, besonders in betreff der giftigen Eigenschaften der Carbolsäule.
Schon eine der ersten Ovariotomien, welche unter Anwendung des Carbol- |
ncbcls durch von Nuss bäum ausgeführt wurde, führte zu einem so tiefen
Collaps, dass die Kranke mit genauer Noth entging, und seien stärkere
Lösungen von 2—2 l 2 n „ bei den ausgezeichneten Resorptionsvorrichtungen
der Bauchhöhle entschieden sehr gefährlich. Redner sei gegenwärtig im
Verein mit Herrn Marckwald mit einer experimentellen Arbeit über
diesen Gegenstand beschäftigt, und glaube er schon jetzt aus den Expe- 1
rimenten und seinen sonstigen Erfahrungen den Schluss ziehen zu diirCu.
dass die Carbolsäure sowohl bei Kindern als auch bei anämischen und
anderweitig herabgekommenen Erwachsenen sehr häufig ein lebe unge¬
fährliches Agens sei. Es dürfte sich daher vielleicht empfehlen, w«■nig-
stens bei der letztgenannten Categorie von Frauen, welche der üvario-
tomie unterworfen werden sollen, die Carbolsäure durch ein anderes-
antiseptisches Medicament zu ersetzen.
In neuester Zeit sei von Halle aus als ein sehr wiksame.s An1i>ej>-
ticum das Thymol empfohlen worden, welches allerdings, wie Redr.er
sich ebenfalls experimentell überzeugt habe, wenigstens in der aus-
I schliesslich gebrauchten 1 10 proeentigen Lösung, keinerlei giftige Eipn-
j schäften besitze. Auf die Empfehlung des Herrn Schede hin lebe
j Redner seit dem 1. Junuar d. J. die Thymolbehandlung im Augusia-
I Hospital durchweg in Anwendung gezogen; allein er habe bis jetzt nicht
: den Eindruck, als ob die Thyinolgaze dieselbe Sicherheit gewähre wi->
die Carboipräparate. Dagegen scheine der Thymolnebel nichts zu wini-
; sehen übrig zu lassen, sei übrigens auch bei weitem angenehmer, als <ir-
| Carbolnebel. An Ovariotomien habe er allerdings erst eine einzige der
Thymolbehandlung unterwerfen können, welche absolut rca^tionslos ver¬
lief, so dass die Kranke am 12. Tage das Bett veriiess: doch berichte
Ranke von 3 durch Olsliausen ausgeführten Ovariotomien, welche Ckh-
' falls ganz glatt verliefen. Es möchte demnach wohl du-eh die Vorsicht
: geboten sein, wenigstens sehr elende und sehr anämisch'- PaiientniiMi
nicht mit Carbolsäure. sondern mit Thymol zu behandeln.
Herr Martin hat sich aus dem Grunde über den Spray so vor¬
sichtig ausgedriiekt. weil He gar in Freiburg, welcher wohl die best.;
Statistik der Orariotomien in Deutschland aufzuweisen hat, den Spray
nicht nnwende, übrigens auch nicht Carbolsäure, sondern überall rta>
Chlorwasser als Desinficieus gebrauche. Die Gefahren der CarboliniSii-
eation seien dein Redner bekannt, doch glaube er, dass man, so lang-*
nicht weitere Experimente und Erfahrungen über das Thymol vorli-*r*u.
bei der Anwendung der Carbolsäure bleiben und deren Gefalmm in du.
vom Vorredner gekennzeichneten Fällen lieber durch stärkere Verdun mir.
öfter durch Anwendung des Schwefelsäuren Natron nach Bau man o
i vermeiden solle.
VIII. Feuilleton.
Die Curorte der Riviera di ponente in ihrem
therapeutischen Werthe in Bezug auf Klimatologie
und Seebäder.
Von
weiland Geheimrath Professor Dr. Lebert in Nizza.
(Fortsetzung.)
B. Uebef die therapeutischen Indieationen der Riviera aC
W i n t er - und F r ü hl irigsaufen thal1.
So sehr auch in vielen Fällen diese klimatische Cur nützpn kamt,
hüte man sieh jedoch, unnütz und ohne oder ge-gen bestimmte ln-ü-
j rationell Kranke hierher zu schicken. Bei leicht Kranken ist dies flicht
• selten eine Sache des Wunsches der Familie, und dagegen lasst sich
! nichts einwriiden. Sehr vorsichtig aber sei der Arzt in dieser Beziehung
, mit schwer Erkrankten, und theile vor der Abreise der Familie da-
! bedenkliche der Prognose mit.
I Man wider.setze sich, oder lasse ganz die Verantwortlichkeit dem
Kranken und der Familie, -wenn es sich um ausgesprochene, fortschrei¬
tende Schwindsucht mit hektischem Fieber handelt, oder wenn Carcinom
besteht, oder auch nur erst wahrscheinlich ist, wenn ein chronisches
Magengeschwür bereits sich in dem kachectischon Stadium befindet,
wenn Wassersucht vom Herzen, von den Nieren, von der Lobet aus be.
organischen Herzfehlern, chronischer Entzündung oder Degeneration Pr
Nieren, chronischer interstitieller Hepatitis mit oder ohne Schrumpfung.
I oder von Speckieber ausgehend, habituell geworden ist, besonders wenn
bereits andauernde Höhlenwassersucht existirt. Ebenso passt die kh-
i matiche Cur nicht bei Diabetes mellitus, sobald Lungrntuberculose ein-
getreten ist. während sie in früheren Stadien sehr günstig wirken kann,
i Auch bei bedeutenden chronischen Blutverlusten, deren Ursache mar.
nicht heben kann, bei der fortschreitenden schweren, sogenannten per-
liiciöse» Anämie, bei ausgesprochener Leukämie, möge sie von der Milz,
von den Drüsen, vom Knochenmark ausgehen, passt die Riviera nicht.
Wir müssen auch hier schon erwähnen, was wir bald bei den Brust¬
kranken ganz besonders betonen werden, dass eine klimatische Cur vor
allem hygienisch verbessernd wirkt, dass ihr aber jeder specifische Ein¬
fluss auf irgend welche Krankheit durchaus fehlt.
Der Süden giebt dem Kranken mehr Kraft des Widerstandes, dem
Organismus mehr Hilfe für den pathologischen Ausgleich, für das Leber-
wunden der Krankheit durch Wiederherstellung und gutes Erhalten der
physiologischen Functionen. So werden besonders Hindernisse der Heilung
beseitigt. Der Patient ist den Sorgen und Mühen des täglichen Lebens
entrückt und kann heiter und sorglos nur der Gesundheit bei ange¬
nehmer Zerstreuung leben. Der grosse Vortheil des Südens ist auch
die Möglichkeit, ganz ungleich mehr reine und freie Luft während eine-
nicht geringen Theils jeden Tages gemessen zu können, als bei weniger
geschütztem, weniger constantem Klima.
Der fast stets heitere, blaue Himmel, die lange am Horizont stehende
Sonne tragen nicht wenig zur Heiterkeit der Gemüthsstimmung und zum
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26. August 1878
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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Athmen einer um so reineren Luit als die Meeresbrise, angenehm
erregend für den Kranken, sehr diese Reinheit der Luft begünstigt.
Ein grosser Yortheil der Riviera ist auch, dass sie von den ver¬
schiedensten Ländern aus relativ leicht zu erreichen ist, und zwar ohne
die oft nicht angenehme Seereise, welche für Madeira, für Teneriffa, für
Cairo, für Algier nicht selten mit mannigfachen Unannehmlichkeiten
verbunden ist, und noch auf der Rückreise einen Theil der günstigen
Cur Wirkung verderben kann.
Die Frage wird oft mit Recht discutirt, liegt jedoch ausserhalb des
Bereiches dieser Arbeit, ob ein kühleres Bergklima, ein Mittelklima mit
noch zum Theil montanem Character dem Süden vorzuziehen ist. Alle
diese Stationen haben ihre volle Berechtigung. Wo aber der Süden
gewählt wird, entspricht wohl keine Gegend Europa’s auch nur annähernd
den therapeutischen Indieationen sowie den Annehmlichkeiten des Le¬
bens in dem Masse, wie die Riviera di ponente. Trotzdem dass noch
täglich neue Gegenden, neue klimatische Curmethoden empfohlen werden,
ist die Riviera stets im Zunehmen in Bezug auf die Frequenz im Winter
und Frühling begriffen. Ununterbrochen entstehen überall neue Wohn-
räume, Hotels und Villen in den bekannten Hauptcurorten, und mit
Recht verlangen auch immer mehr kleinere, bis jetzt weniger gekannte
Localitaten in die Reihe dieser so geschätzten Curorte einzutreten.
Hat nun die Riviera im allgemeinen keine specifische
Wirkung auf irgend welche Krankheit, so haben noch viel
weniger die einzelnen Curorte eine derartige specifische
Eigenschaft. Aerzte und Kranke haben aber bald für den einen, bald
für den anderen Curort eine gewisse Vorliebe, und ist auch nicht selten
eine Ortsveränderung wünschbar, wenn die Patienten sich an dem zu¬
erst gewählten Orte nicht oder nicht mehr wohl befinden, und ihre
vorherige Besserung stationär bleibt. Es ist also auch in therapeutischer
Beziehung gut, dass die verschiedenen Curorte sich gegenseitig ergänzen
und nicht in unnützem Streite sich und den Kranken schaden.
Gehen wir nun zu den positiven Indieationen über, so haben wir
vor allem eine grosse Klasse von Patienten, welche man weder gesund
noch krank nennen kann, welche aber durch Schwäche, Ueberanstrengung,
erhöhte Reizbarkeit, durch Allgcmeinstörung ohne bestimmte Localisa-
tion, durch Nervenstimmung, welche an Hysterie und Hypochondrie
grenzt, oder durch leichteres Erkranken mit hartnäckigem Verlaufe,
Catarrhe verschiedener Schleimhäute, rheumatoide oder neuralgische
Schmerzen, atonische Dyspepsie leichteren Grades, doch, ohne ernst
krank zu sein, nicht als gesund betrachtet werden können.
In diese Categorie gehören auch die Convalescenten schwerer Krank¬
heiten, wie Typhus, Ruhr, Diphtherie, chronische Pleuritis. Andere
Patienten sind durch zu starke, andauernde, normale oder pathologische
Blut- oder Säfteverluste geschwächt und dadurch zu ernsteren Erkran¬
kungen prädisponirt. Hierher gehören die habituell, ohne sonstigen patho¬
logischen Grund, zu starken Regeln, Anämie durch häufige Hämorrhoi¬
dalblutungen, Neigung zu häufigem Durchfall, Blasencatarrh, mässige
aber hartnäckige Eiterungen.
Bei noch anderen Patienten ist das ganze Allgemeinbefinden durch
zu grosse und anhaltende geistige Anstrengung, durch andauernde Ueber-
mtidung in dem Lebensberuf gestört. Durch häufige Exccsse verschie¬
dener Art haben andere ihre Gesundheit verloren, ohne gerade krank
zu s»*in. Noch andere haben durch hartnäckige Syphilis und ihre ener¬
gische Behandlung einen Theil ihrer Kräfte eingebüsst, und bereits ge¬
bessert oder ireheilt, sind sie einem der Cachexie ähnlichen Zustande
nahe gekommen.
Bei noch anderen hat eine unglückliche Leidenschaft die Ruhe der
Tage und den Schlaf der Nächte gestört. Bei wieder anderen ist die
Stimme durch zu starke Berufsanstrengung übermüdet und#ist Monate
lange Ruhe derselben sowie des ganzen Körpers nöthig, um eine tiefere
Erkrankung zu vermeiden.
Alle diese Krankheitszustände, ohne gerade Schuldiagnosen zu geben,
können, vernachlässigt, zur Tuberculose und zu mannigfachen anderen
respeetiven Erkrankungen führen, während die Ruhe, die angenehmen
Eindrücke?, die günstige Hygiene, die Schönheit des Landes, die Möglich¬
keit, viel im Freien zu leben, zu gehen und zu fahren, in wenigen Mo¬
naten dem Organismus seine Kraft, der Gemüthsstimmung ihre Ruhe und
Behaglichkeit wiedergeben können.
Wir Tvommen nun an einen der Hauptpunkte in der Therapie der
Riviera, an ihren Einfluss auf chronische Erkrankungen der Athmungs-
organe. Wir wollen gleich mit den häufigsten hier zu beobachtenden,
mit den tuberculosen Erkrankungen, der chronischen dissemenirten Pneu¬
monie antängen.
Auch hier haeide man vor allem jeden zu weit gehenden Optimismus.
Wir besitzen aus den letzten Jahre eine Reihe von statistischen Ueber-
blicken über an der Riviera behandelte Brustkranke, welche zum Theil
so günstige Resultate geben, dass schon von vornherein der mit diesen
Krankheiten Vertraute an ihrer wissenschaftlichen Richtigkeit zweifelt
und den Werth der Besserung oder Heilung oft nur für temporär halten
muss. Ueberdics ist es nöthig. dass die Beobachtung eines Schwind¬
süchtigen in der wohlhabenden Privatpraxis, sich über eine Reihe von
Jahreu erstreckt, um wirklich Werth zu haben. Wie oft sind die Wun¬
der einer Saison der Kummer des Arztes .schon in der nächstfolgenden!
Wie häufig treten unerwartete schwere Rückfälle, mit progressivem
schlimmen Verlaufe, nach momentanem, Monate, ein Jahr und länger
dauerndem Stillstände, mit scheinbar ganz günstigem Verlaufe, ein.
Vergessen wir auch nicht, einige der wichtigsten Thatsachen aus
der Naturgeschichte der Tuberculose, welche die Optimisten dann so
gern sich, ihrer guten Behandlung, ihrem unfehlbaren Curorte zu-
I schreiben.
ln allen Klimaten, unter allen Klassen der Gesellschaft, ja, bei der
verschiedensten Lebensart, beobachtet man eine Reihe von Fällen, und
zwar in nicht geringer Zahl, in denen Tuberculose und chronische,
disseminirte Pneumonie gar nicht oder spät zur Consumption, zur Schwind¬
sucht führen. Nach einer ersten Blutung, oder ohne dieselbe, nach
sonstigen Zeichen des Spitzencatarrhs und seines Einflusses auf das All¬
gemeinbefinden, bleibt die Krankheit erst stationär und macht allmälig
wieder einer guten Gesundheit Platz. Mag man die verkreideten Herde
der Spitzen deuten, wie man will, so viel steht fest, dass ein nicht geringer
Theil derselben, welche wir bei den verschiedensten Leichenöffnungen
an ganz anderen Krankheiten Verstorbener finden, früheren tuberculosen
bronehopneumonischen Herden angehören. In solchen Fällen war die
Heilung oft eine dauernde geblieben. Und doch stammen gerade diese
Beobachtungen grösstentheiis aus den Hospitälern, also aus der ärmeren
Volksklasse.
In einer Reihe anderer Fälle treten Rückfälle früher oder später
ein, aber lange bleibt das Uebel local, und nach schwankendem Verlaufe
tritt dauernde Besserung ein. Freilich erfolgt auch in anderen Fällen
dann noch spät der progressive, schlimme, mit Hektik und Marasmus
endende Krankheitscharacter. Sehr langer Stillstand, mit leidlichem
Befinden hat aber, trotz nicht günstiger hygienischer Verhältnisse be¬
standen.
In wieder einer anderen Reihe war der Spitzencatarrh weiter vor¬
geschritten. Alles liess einen beginnenden Zerstörungsprocess vermuthen,
und doch ist noch wieder Besserung, selbst Heilung eingetreten. Die
Herde sind verkreidet, das umgebende Lungengewebe ist verschrumpft;
ja, welcher erfahrene pathologische Anatom hat nicht sogar einzelne
Fälle von geheilten Cavernen anatomisch constatirt?
Nun aber ist selbst die lange localisirte Krankheit nicht ein abso¬
lut localer Process, und nur zu oft liegt allgemeine Krankheitsanlage,
allgemeine oder örtliche Dystrophie zu Grunde. Somit hängt noch lange
das Schwert des Damocles über dem Haupte der Coryphäen jener
brillanten Ergebnisse optimistischer Statistik, und nur zu oft entfaltet
die Krankheit dann später seine zerstörende Wirkung. Die als geheilt
aufgeführten sind für immer allen irdischen Leiden enthoben.
Vergessen wir endlich auch nicht, dass bei einer leider viel zu
grossen Zahl von Kranken der Verlauf bei geringen, momentan günstig
erscheinenden Schwankungen, doch ein progressiver ist, und schon im
ersten, nicht selten im zweiten Jahre, selbst unter den besten hygieni¬
schen Verhältnissen, dem Leben ein Ende macht. Solcher Fälle habe
ich nicht wenige bei der verschiedensten Therapie und in den mannig¬
fachsten und besten klimatischen Gurorten, theils an Ort und Stelle,
theils an von mir dorthin dirigirten Patienten beobachtet. Diese Kranken
wechseln dann gern die Station, was auch mitunter momentan, selten
für längere Zeit zu nützen scheint. Die Endstation ist aber dann doch
meistens die, welche wir alle kennen und gegen welche die rationellsten
Bestrebungen des Arztes und der Hygiene an der Riviera wie ander-
| wärts erfolglos geblieben sind.
' Es steht also fest, dass auch ausserhalb der klimatischeu Curorte
i Tuberculose gesund werden können, und dass in diesen nicht wenige
! derselben, trotz aller Mittel, der unerbittlichen Krankheit erliegen.
Derartige Thatsachen möchte mancher Curarzt nicht ausgesprochen
! wissen. Indessen wo die Wahrheit aufhört, giebt es keine Wissenschaft
! mehr, und wo die Wissenschaft aufhört, ist die Praxis rohe Empirie.
| Sicherlich kann auch der mit der ganzen Naturgeschichte der Tuber-
j culose und chronischen Pneumonie vertraute prognostisch viel richtiger
sehen und therapeutisch viel richtiger handeln, als der in optimistischer
j Illusion ist. Ja jetzt erst, bei Berücksichtigung dieser Thatsachen, er-
1 geben sich dem gewissenhaften Arzte die Indieationen, durch deren
i Erfüllung er noch vielen Brustkranken sehr nützlich zu sein im Stande ist.
' Vor allem nützt die klimatische Cur als Prophylaxe bei hereditärer
oder sonstiger Prädisposition zur Tuberculose, sowie im Anfang und in
| den frühen Stadien der Krankheit, wenn auch selbst in diesen der Erfolg
i keineswegs sicher ist.
| Was die Prädisposition zur Phthise betrifft, so schickt man viel
seltener junge Kinder nach der Riviera, als solche, die bereits der Pu-
I bertät nahe sind, oder dieselbe überschritten haben. Die einen haben
! ein gutes Aussehen und einen normalen oder fast normalen Brustbau.
i Andere sind schwächlich, ihr Thorax ist eng, flach im oberen Theil, an
der oberen Apertur nicht selten auffallend eng. Die relativ geringe
: Capaeität des Thorax begünstigt noch die Dystrophie der Athmungs-
! Organe, und zeigt die Spirometrie, bis zur Uebung vorher fortgesetzt,
eine unter der Norm bleibende Lungencapacität.
i Diese prädisponirten kommen leicht ausser Athem, haben Mühe zu
' steigen, zu laufen, haben häufige, mitunter hartnäckige Bronchialcatarrhe,
s und junge Mädchen sind zur Bleichsucht geneigt. Nicht selten haben
i sich in der Kindheit Zeichen der gewöhnlichen, einfach chronisch ent¬
zündlichen Scrofulose gezeigt, oder Tuberculose der äusseren, oberfiäch-
j liehen Lymphdrüsen hat bereits bestanden, mit Eiterung oder ohne die-
; selbe. In dieser oberflächlichen Localisation kann sich die tuberculose
i Anlage erschöpfen. Nicht ganz selten aber zeigt eine andere Lebens-
! phase, hei erblicher Anlage, dann Lungentuberculose. Es ist ein Irr-
| thura, dass diese sogenannte scrophulöse Phthise einen viel langsameren
Verlauf zeigt, als die gewöhnliche. Wie jede andere verläuft sie bald
I schneller, bald langsamer, bald sehr langsam. Wie jede andere kann
sie still stehen, heilen, wiederkehren, auch dauernd günstig verlaufen.
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
518
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. S4
Erbliche Anlage macht freilich die Prognose jeder Tuberculose ernster,
indessen habe ich auch bei dieser eine Reihe von Fällen mit relativ
günstigem Verlauf, wenigstens längerem Stillstand beobachtet.
Die zur Tuberculose prädisponirten suche ich möglieht abzuhärten,
und verordne täglich Waschungen oder kalte Abreibungen mit Seewasscr.
Die kräftigeren lasse ich gern in Nizza schon früh im Frühjahr, im
April und Mai und im Herbst bis in den November hinein in der See
baden, freilich mit kurzen Immersionsbädern. Man hat die Seebäder
bisher in derartigen Zuständen gefürchtet, aber gewiss mit Unrecht, und
kann ich sie empfehlen. Diese Hydropathie fügt mit der Seeluft mehr
als ein anderes Mittel die stärkende Wirkung hinzu und erhöht die
günstigen Chancen. I
Gehen wir nun zu der beginnenden Tuberculose über, so müssen I
wir vor allem in Erinnerung bringen, dass ein nicht geringer Theil un- j
serer Therapie hier hygienischer Natur ist, und nur als solche, aber !
als ein ganzer Comp lex guter hygienischer Verhältnisse. !
wirkt die klimatische Cur der Riviera. '
Wir sind im Stande, die Krankheit in frühem Anfänge, sowohl |
durch die phyüealischen Erscheinungen wie durch die Thermometrie
und die oft schon früh einlretende Störung des Allgemeinbefindens zu ;
erkennen. Je früher man unter diesen Umständen den Kranken den j
hygienischen Verhältnissen entzieht, welche seinen Zustand verschlimmern !
können, desto besser. Die in dieser Zeit noch bestehende günstige >
Tendenz zu Stillstand. Besserung, Heilung von verschiedener Dauer, wird
sehr durch unser Klima, durch das ruhige, heitere, allen Anstrengungen
und Sorgen entzogene. Leben in freier Luft, an der belebenden Sonne,
durch die überall gute und substantielle Kost, durch Geselligkeit und j
nicht ermüdende Zerstreuung gefördert.
Nicht selten ist der erste Anfang der Tuberculose so latent, dass ;
der Arzt sowohl wie der Kranke durch einen ganz unerwarteten Blut¬
sturz überrascht wird. Hat man festgestellt, was bei genauer Anamnese
und wiederholter gründlicher Brustuntersuehung; gewöhnlich möglich ist, 1
dass es sieh um eine Lungenblutung in Folge disseminirtcr Spitzenherde i
handelt, hat sieh dann nach der Blutungsphase das ganze Befinden
wieder merklich gebessert, oder ist es zur Norm zurückgekehrt, so ist dann
der günstige Moment gekommen, um dringend die klimatische Cur zu
empfehlen.
Folgt dagegen auf eine erste Blutung ein fieberhafter Zustand, so
warte man um so mehr ab, bis sich dieser beruhigt hat und der Kranke
sich wieder wohl befindet, als trotz der häufigen günstigen Wendung
nach einer ersten starken Blutung, es doch auch nicht selten ist, dass
nun der bedenkliche Verlauf mit Schwankungen ein progressiver wird.
Ja, mehrfach habe ich gesehen, dass jene erste unerwartete Blutung
Ausdruck bereits sich entwickelnder acuter Tuberculose war.
Hört bei langsamerem Verlauf das Fieber nicht ganz auf, hat man i
immer noch und eher zunehmende Zeichen der Krankheit, so kann der
Klimawechsel eine günstige Wendung entscheiden, ist also noch voll- ;
kommen indicirt. jedoch mit einigen llestrictionen in der Prognose. ;
Eine noch andere Verlaufsari indicirt vollkommen .iie klimatische
Cur. In dieser ist das Uehe-1 örtlich weiter vorgeschritten, ein oberer 1
Lappen scheint in nicht geringer Ausdehnung ergriffen. Aber das Hebel |
bleibt local. Fieber fehlt, oder tritt selten und in geringem Grade
auf, und das Allgemeinbefinden bleibt andauernd ein befriedigendes. :
Die bei einigen dieser Patienten von Zeit zu Zeit auftretenden stärkeren j
Lu n gen bl utu ngen sind keine Gegenanzeige, machen aber eine Reihe hy¬
gienischer Vor.Mchtsmassregeln nothwendig. I
Bevor man einen Brustkranken nach dem Süden schickt, ist vor
allem ein genauer Vergleich der örtliehen physiealisehen Zeichen und
des AI lg« uieinbefindens anzustellen. wobei der Zustand desselben noch 1
wichtiger und entscheidender ist als das Erg-‘bniss der Percussion und
Ausrultation. de weniger vorgerückt die örtlichen Veränderungen, je
besser das Allgemeinbefinden, desto grösser sind die Chaneen des Er¬
folges. .Ja diese sind noch nicht unb'ctiärhllieh, wenn selbst bei tieferen
und bereit« in Erweichung übergegangenen Veränderungen das Ucbri j
mehr local bleibt, das Fieder fehlt "der gering ist, die Kräfte und das j
Körtiergewicht des P-atlcnten nicht oder nur Wenig gelitten haben. In
jedem Jahre beobachtet man unerwartete, angenehm überraschende Hei¬
lungen derartiger Fälle, deren definitive Dauer dann freilich später eine
sehr verschiedene ist. i
Nicht minder wichtig für die Entscheidung der klimatischen Cur •
ist der Zustand der Yerduuungsorgane. So lange der Ap'p.oiit. die Magen¬
verdauung. der Stuhlgang normal sind, oder nur vorübergehend geringe
Störungen zeigen, sind die Aussichten günstiger, während ausgesprochene 1
lind ziemlich hochgradige Dyspepsie sowie Neigung zu häufigem Durch- |
fall sehr vorsichtig in dem Anradien des Südens, wie eines i ntfernteren i
klimatischen Curorts überhaupt, machen müssen. Je localisirter das
Brustleiden, je weniger Consumptionserscheinungen existiren, desto gün¬
stiger sind die Aussichten.
Man schicke daher auch nicht Patienten nach der Riviera, bei denen
schon von Anfang an der Verlauf ein progressiver, schlimmer, mehr oder
wenig febriler ist, schon früh die Kranken anfangen, bleich, schwach,
und mager zu werden. Man lasse sich durch die Schwankungen und
den öfters vorübergehend etwas günstigeren Verlauf nicht täuschen.
Jedes anhaltende Fieber mit abendlichen Exacerbationen mache in dem
Rathen des Südens sehr vorsichtig, selbst wenn die örtliche Unter¬
suchung ein günstigeres Resultat giebt, als der sonstige Zustand. Ca-
vernen sind an und für sich keine Contraindicationen; man beobachtet
sie ja mitunter mit Jahre langem leidlichen Befinden, mit seltenem,
oder fehlendem Fieber.
Ebenso können Erweichung und Hohlraumbildung auf einen oberen
Lungenlappen beschränkt bleiben und den Organismus lange in leid¬
lichem oder befriedigendem Zustande lassen. Die Riviera kann dum
sehr nützen.
Nur zu häufig aber sind Erweichung und Hohlraumbildung von hec-
tischeni Fieber, von Consumption, von progressivem Marasmus begleitet,
und, während man die Fortschritte der Cavernen nach oben constatirt,
findet man auch nach unten, vorn, hinten und seitlich Zunahme der
anfangs kleinen Krankheitsherde. Solche Kranken soll man nicht
von Hause wegschicken. Die meisten sterben elend in der Fremde,
fern von allem oder dem meisten, an welchem ihr Herz hängt. Frei¬
lich sehen wir Patienten noch in leidlichem Zustande im Herbst an¬
kommen, und erst im Winter zeigt sich dieser progressiv pernieiöse Ver¬
lauf. Hier trägt weder der behandelnde Arzt in der Heimath. noch der
der Station die geringste Schuld. Kann man zwar bei grosser Erfahrung
schon früh in den einzelnen Fällen der Phthise die Prognose iu Be¬
zug auf den Gesammtverlauf mit einiger Sicherheit stellen, so irrt
man sieh doch quell nicht selten. Wie mancher Patient findet im Süden
merkliche Besserung, ja Heilung, welchen der Arzt nur mit Besorgnis
hat reisen lassen. Nicht selten hat im Gegentheil der Patient die
Heimath fast gesund verlassen. Leichter Spitzencatarrh, eine Hämoptoe
haben slattgefunden; das Gleichgewicht ist bald wieder ein vollkommenes
geworden, und mit Recht hat der Arzt eine klimatische Cur verordnet.
Mag diese min in den Alpen, am Genfer See, an der Riviera, in Oairo
oder Madeira stattfinden, so ist doch eine Recrudeseenz. der Krankheit,
mit nicht selten gefährlichem Verlaufe, ein Ereigniss, auf welches man
gefasst sein muss. Freilich sind die günstigen hygienischen Verhält¬
nisse der klimatischen Cur hier nicht selten fü. dem günstigen Verlauf
direct entscheidend; aber mit Sicherheit kann man doch auch auf diesen
nicht rechnen.
Zu den Gegenanzeigen der Cur gehören, wie bereits erwähnt, hoch¬
gradige Dyspepsie, habitueller Durchfall, und können wir schwere Kehl-
kopfsleiden, besonders der Epiglottisgegend, mit Schlingbeschwerden,
sowie Nierenerkrankung mit habitueller Albuminurie, mit speckiger De¬
generation hinzufügen. Selbstverständlich ist ein Kranker mit subacu-
tein Fieber ebenfalls nicht von Hause wegzuschicken.
Gehen wir nun zu anderen, weniger bedenklichen Brustkrankheiten
über, so finden wir für eine ganze Reihe derselben bestimmte Indiea-
tionen, deren Erfüllung nicht selten ein guter Erfolg entspricht.
Die grosse Gruppe chronischer, hartnäckiger Catarrhe der Athmungs-
organe findet hier vor allem ihren Platz.
In erster Linie sind es chronische Kehlkopfscatarrlie und die nicht
selten mit ihnen verbundene granulöse Pharyngitis, welche hier mit
gutem Erfolge behandelt werden. Freilich muss man zuerst consratiren,
dass es sich nicht um einen secundären, symptomatischen Catarrh han¬
delt. Indessen auch dieser contraindicirt die Cur keineswegs; selbst wenn
es sieh um eine tiefere, aller relativ günstig verlaufende Brust Krankheit
handelt. Ist Syphilis mit im Spiele, so ist die specifisehe Behandlung
durch Queeksilbereinreibungen und inneren Gebrauch des Jodkali um
so mehr indicirt, als diese Therapie im Süden vortrefflich vertragen
wird und oft auch sehr gute Erfolge zeigt. Dieselbe findet daher auch
ihre volle Anwendung auf Lungensyphilis, welche nicht selten der schein¬
baren Lungentuberculo.se zu Grunde liegt. Es ist ein schlimmes Vor-
urthoil, syphilitischen Brustkranken die Wohllhaton dieser Therapie zu
entziehen, da man durch dieselbe nicht ganz selten unerwartet, günstige
Erfolge erzielt. _ _ (Fortsetzung folgt.)
♦
Tages&feschichtliche Notizen,
Berlin. Auf dem Monte Cevedale bei B»»rmi" verunglückf»*n am 18. <\
beim Besteigen des Gletschers zwei hiesige jüngere Co|legen. Der ein*-.
Dr. Carl Sachs, Assistent am hiesigen physiologischen Institut. der
sich durch eine wissenschaftliche Forschungsreise nach Venezuela und
seine daselbst vorgenommeiien gründlichen Untersuchungen d**r el-vtri-
schen Fische bereits tunen geachteten .Namen erworben hat. biisste dnhd
sein Lehen ein. Der ändere. Herr Dr. Georg Salomoii, A-sistuit an
der Frericlis’sclnui Klinik, kam durch einen glücklichen Zufall mg
dem Lehm davon, erlitt aber einen schweren Beinbruch. Ein dritter
Reiseg nosse und die beiden Führer dagegen sind gleichfalls als Leichen
aufgeftinden worden.
IX. Amtliche Mittheilnngen.
Personal in.
Auszeichnungen: Seine Majestät der König haben A1 Ierguädigst ge-
rulit, dem preußischen Stabsarzt der Landwehr a. D. Dr. Wagner
zu Odessa den rothen Adler-Orden 4. Klasse zu verleihen.
Ans teil litten: Seine Majestät der König haben Aliergnädigsl geruht,
den seitherigen Kreisphysieus des Landkreises Aachen. Sanitätsrath
Dr. Ferdinand Trost zu Aachen zum Regierungs- und Medicinalrath
zu ernennen; derselbe ist der Königl. Regierung zu Aachen überwies#
worden.
Niederlassungen: Die Aorzto: Dr. Holl weg in Loevenich und Dr.
Erich in Cremmen.
Verzogen sind: Die Aerztc: Oberstabs- und Regiinentsarzt Dr. Kar-
pinski von Berlin nach Spandau, Kreiswundarzt a. D. Schwartz
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
26. August X&%.
BERUNKft tixmSGM WOCHENSCHRIFT.
512
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Praxis gestiebt,
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in Miltt l- •"*• r S'MM' :<*>!■!.Uifi? <••!!'•. omtTÄgUclaiä i‘«ax.e ui ut-.nirItor»,.
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Km •{»( n«-.ioi»«rtV-r MA [>r, u.'rd •"■■; vW>, v-t?-rh»dru»b«*t. 'Irr
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V Ä'<i V; r V <K &|y<jfet EvMflvr M:\hv ->■* VTi ;:
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i, ,\ l -•dt-kofi fVltd M'.‘" r ■>. .• ♦•. '* >:• fi’.* 1 ; ; . •'
.;,• d.i K-. i- B «. Fa*jlc*e < : m lelpzip
Das Nordseebad Wyk auf Fohr In Schleswig
! isi vi»n to'llltt* det Jfiml bl* mr. »Itt* Octöbnr* g^'6'rn*t. lCH4*»i«b 11«^*
| sidtbaö. urt*. jpöj^n fiÄIi- -tauhcü- WtniKy^ ^c^KjSiä'ß -Ln^t d£3r VViib-r
;! tum^rrfi, afitiitttvlKar am '»Strstträ^., mit r ÄrvibV "adr. 4?^-
! Tvtegrajtlieii->*Ui.iou. ÜtiltTOItk: Hambuf yct Ba n uavli ttaVöwi;
• vvn da nulfTl.st des ueiv-Tt dm« Hadeori d:' hufenden p.a xnpf $ e h iTIcti
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520
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Mit Berüekbiditigiing dtr prenssiiißhun Medicinalverwaltiing pntl Meilicinalgt'iict.zgobüng
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ViafJ^g van Atigusl Birschwdd : in Berlin
Montag, den 2. September 1878.
m 35 .
Fünfzehnter Jahrgang.
■ ■■tpbzlp'i, l ■ VVrj - *g»Lt: l‘V r;.- »M*,r »ko iMcrloHii.vn.iri« <Ur- fiuviuN- und bvmcrktmiren kber den i^ufS trlniriit in <h\o Magen Ntni^eliunj;ier, —
ü. h n••i.e* i. Lat; vi*u n y .» Kng«» <!«** ^ivaiumlr» m*K <*on£reat»vir k-rjt.ölender Vergibst ramr d*»s
• fi■.'t ■'.■ m ■ •■•■ UI n.'.üi. jk'iirUi zur KiruiVunvi de» .»eiig'jiilhfluilich **tl» n i-r» H«Uih*J in hm !Mnnnu>dern»ji^.:n. v; — 1V\ [t>:UM.U
; \ r-v: i . L : in i i•.,*••>r r!v»•.!^tvHfd]u; V«')«.diipdioiht'Hcrr «(fl flirnhan«; <l>** Mi.r»«» h ••»>,» — V Verbund iurupm Uivüi^hi-T fir-nrlDchafiei»
. «.„\i«V(!V» rir?.niai»rr- V•■roiti m Cöln). —- VI K-utU* wn (U-ln d Du,, ('or^rf. ■ ;*:•» ft!>« rn di |i'*ui nii m ihn'm
AWt/itf «n 'uu'Mnd 3^'ttKd« [Vortv i, r.n?} — Ti-istß^c^Kr'jfef nrh« VII \fuf— Inäf-ratf
L lieber den Met'haftism«s der liuctus und Berner-
hange» über den InfNmtrUt in den Magen Veagf-
borener.
Dr. I\ Wci«»*sferiM»r,
»jraH. sr;< in Uli»rhstein, H»'-s n.
l'ehor TtueFU.-, kt bis jvtzt vpüüig gearbeitet, ln d*r -mir
zii^giigrgßn Literatur ^vpiug^tews komrtu luh hiebt
fftufefc Im AiJgfftDbiuttD versteht num nutu r..RnofciVs-';Gef$ü&?bv,
div durch jihtwei$i*n . von Gas nu» «km M&gou dme.h den
Hachen ehtstthtri.
klj würde, Veranlasst., d«r MccliaD ( ism«(> der tönettts-- ;za
<£fp)?ren,, durch folgeuden Kratikheitsfall, den ich
f m her rm-ilimriGcbebKHnik in Giessen iitf IjerWt \. J mv Bü-
,%h«w«v
:.. % N. litt sigif. tipjRgflUjr- an läst'j'geü Druck- •
gtifüb) in d»-V Ma^e.ngrg^Md ignt liärißgein AuB-tos^en, da t s an¬
fangs mir nach' detr»; 'aber • aU«?it. m‘ der Zwl^^hcn-
, sii'h einst ei Ite. lKö l?»nhaitung strenger Diät und der
Gebrauch vmi CarlfibmUg Salz etc. ete linkten kerne ‘Aeud.crttng-
des Zustandes bewirkt. l?cmerkcr>werth (st die Angabe dex
Kranken, <em|i Frau im Beginn meiner £rkrankuug gem»dut
habe. 1 1 imby äu Aufstu^eft» mc. jemand, der MnUer-
fehler habe.
Ih’r Kranke sah gesund aus. Die ausführUche er.vte Uötcr-
euchur s g ergab nichts besoitderaa^ scheinbarer geringer
Empfindlichkeit de* Abdomens. Aufi&Iiig W&r £3 mir» dass ge¬
rade wAbr^iid der Palpation des Keihefe häufig Rnctusi erzeugt
wurdeo. Erst bei der zweile.« \;ütgr^»chnu^ «rde ici darauf
aufmerksam, da^s je<I«r p,rack auf dem keib Änfsfossen hervor¬
rief Da auch leises Dyiicken diesen Efifect hatte, kniff ick den
Patienten M den itaiickffecken and batte dieselbe Wirkung.
Amch durch Kaeifeu an den Schenkeln und der Brast liess. sjicb
coivsfcant AufstoKsen kervorrufen.
Alr*ic;fet, an .dem> Kranken den Mechanismus dieser
Hucte , die ich innerhalb kurzer Zeit in grosser Zahl bei ihm
hervorndeu : kuhnte. experinienteli zu studireu< konDte ich nicht
ausfübren. da der Kranke schno am nächsten Tage ohne mein
das Spital vrrliess. Um den Gegenstand dneb weiter
verfolgen m konuen. versuchte ich durch Kacbahimmg der Be-
wcgmigetj. welche der Kranke während seiner fluctus aus-
fuhrte. selbst wilfkürliib Kuctus hervorzubriugcii: nach mehr
■vergcblicbe« Bbundimi gelang es mir,. und ‘ich könnt'.*
jVm ah mir ^cib^t dern MephAhi'mns Encfnt studlrciu
GthichzeVtig habe h-h auch den MucbaniFirnis der turwillkurltch
hei mit auftretendeti Buctus heoimcbiet; ehe leb aber die or-
haltenMi Besuluite nhtiheilev j*i es uotliig. einige pbydzdoeiicho
V orbeiherkuivgtät zu geben,
V hyn l o g i-s d..h u ; .A v khfö v ^k w k^rn ;
Bei jeder 1 nspiirattousV<eweguhg entsteht hij l'bornx ein
negativer Druck, der durch darf EiDStrömeu der Luft in die
•.' tiiago a-usLvgUclnui wird, Dt die Stimmritze. be> der. •Inspi-
•r^tidifsh.ew.egtmg:gerfehi'ö$Ä«Äii. Und das Zwcxchfel] fixirt, k<> fiidicr'
eine Au8gk‘i.cjfiing (tuht statt, selbst wenii der negative |)r(ick
iniiHrhaib de,*. TSrorax beträi'b'tiiVrhu Hßlte errmcht. Es ist dies
eine auffällige Tbatsadie; AVa.u- soilte erwarten, da-- der 0»:-e
phagiik ttüter Aiiitjahi«^ vnti Magoi.utiHnifc von tonten her #»der :
Luft von oben her, sich ausdehue, uiid so eine theilw^e Aus-
gleidiüng des negativen Druckes r.u Staude käme; Warum ge-
schiebt. dihs : nicht? .
Mau könnte amieboum, die (fesophagus-WamlungeD ‘lagen'
so fest aneinander, dai$s der tieg^ttv^ Druck nicht aus reiche
•:. sie; ^Wzudelureu. Diese Annahwi.e ^hede Hi«>r der Wirklichkeit
vollständig widersprechen, denn die Wandungen des Schlundes
! liegen nur ganz Dicht v gleiebsam Motfireud, ifcneiiiahder. Es
geht die.,* folgender Beobachtung hervor:
Wenn nmn die Seiüündsoödo yiuJilhri und ik Augen *,b*r-
seliimi den Ringkhotpc}- passirt haben, so bOri mao kibi%.
I iiamentlieh Weihi dor Kranke rasch attmiei, ein mir den Atbem-
bewiigmigeu synchrone« Geräusch m der Suude^ düs d^'üjmugeK.
: der ob nidit kMot, leicht er^ebreck^n |^öau, weil er dt/?
Sonde sei in die "travh^a gerathon^ : Dieses Geräusch lässt
sich nur m> erklärter Weü?t d^r ; Fariiirit rasch einathmet. ent¬
stein' im Thorax oiu Ktarker negativer Druck; dieser wirkt auf
die AussenSeite der Oesopbhghs- Wauduug, während auf die
! Innenseite, da wo das Soudoiiango gMleckt. wird, der gewöhn¬
liche Athmospharemlnik sich geltend uiacht; Die Differenz,
zwischen iutrathoramsebom negativen Druck und gew^höbchem
1 Äthmöspkärejidruck geoögt:, die Sehluoilwaadung vqu der Sojidi:-
* ateidrttcke« und J^uft (üiiströme.n ztv iäs.«a)i. A tbnbu Llutin der
Patient^ wieder rajsch ans, eö komtöt iir» iFborax VörSbhrgcdlhtld;
Go gl(
522
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
ein geringer positiver Druck zu Stande, durch welchen der
ausgedehnte Oesophagus zusammengedrückt und die in ihm
enthaltene Luft durch die Sonde nach aussen gedrängt wird.
Nach dem vorstehenden kann also das Hinderniss für die
Ausdehnung und Anfüllung des Oesophagus bei bestehendem
negativen Druck im Thorax nicht in dem festen Aneinander¬
liegen der Schlundwandungen bestehen, und man muss dasselbe
am Anfangs- und Endtheil des ^Schlundes suchen.
Dass aus dem Magen nichts in den Oesophagus Übertritt,
hat darin seinen Grund, dass an der Cardia ein gewisser Ver¬
schluss stattfindet. Bestände hier kein Verschluss, so müsste
ja bei jeder Inspiration durch den stärkeren Unterleibsdruck
Mageninhalt in den Oesophagus gedrängt werden. Der Verschluss
an der Cardia kann auch für gewöhnlich nicht gering sein;
denn es ist beim Erwachsenen eine beträchtliche Steigerung des
intraabdominalen Druckes durch Stoss oder Druck gegen die
Bauchdecken nöthig, um Mageninhalt nach oben zum Ent¬
weichen zu bringen.
Als Hinderniss für den Eintritt von Luft von oben her in
den Oesophagus bei bestehendem negativen Druck innerhalb
des Thorax betrachte ich das feste Anliegen des Kehlkopfs am
Oesophagus. Ich werde später zeigen, dass die Luft in den
Oesophagus eindringt, sobald durch Muskelwirkung der Kehl¬
kopf nach oben und vorne abgezogen wird.
Nach Feststellung dieser physiologischen Thatsachc wende |
ich mich zu dem Mechanismus der ltuctus.
Der Mechanismus der normalen Kuctus. !
Unter normalen Ructus verstehe ich diejenigen Geräusche, j
die bei jedem Gesunden nach dem Essen oder dem Genüsse
gashaltiger Getränke durch Entweichen von Gas aus dem Magen
durch den Bachen zu Stande kommen. Sie kündigen sich meist
durch ein gewisses Druckgefühl in der Magen gegen d an, und
dadurch wird es möglich, auf die einzelnen Vorgänge während
derselben genau zu achten. Bei manchen folgen die unwill¬
kürlichen Bewegungen so rasch auf einander, dass es wieder¬
holter Beobachtung bedarf, um sich über das Nacheinander
derselben eine Ueberzeugung zu verschaffen. Ich habe durch
Monate hindurch die Kuctus beobachtet, die bei mir theils von
selbst auftraten, theils nachdem ich vorher meinen Magen durch
Schlundaufblähung (s. später) und darauf folgendes Schlucken
aufgebläht hatte, und nehme hierauf folgende Mechanismen an.
Erstens: Durch blosse Contraction des Magens entweicht
das Gas direct nach aussen.
Die Annahme dieses Mechanismus stützt sich auf die Be¬
obachtung, dass das Geräusch bei ganz ruhigem Athmen und
ohne jede Mithilfe der Bauch presse zu Stande kommt. Die
Luft wird hier mit solcher Kraft durch die Cardia hindurch
getrieben, dass sie auch den am Oesophagus anliegenden Kehl¬
kopf noch abzuheben vermag.
Zweitens: Durch Contraction des Magens wird Magen¬
gas in den Schlund gedrängt; bei der nächsten Exspiratious-
bewegung schliesst oder verengert sich die Glottis; dadurch
wird im Thorax ein positiver Druck erzeugt und durch diesen
die im Oesophagus enthaltene Luftblase hinter dem Kehlkopf
her nach aussen gedrängt.
Die Annahme dieses Mechanismus stützt sich auf folgende
Beobachtung. Bei ganz ruhigem Athmen und ohne jede Thätig-
keit der Bauchpios.se höre ich in der Magen- resp. unteren
Thoraxgegend ein Geräusch und bei der nächsten mit dem
Gefühl des Glottisschlusses — ich erkenne nach langer Lehmig
dieses Gefühl ganz deutlich — eintreteuden Exspirationsbewe¬
gung entweicht unter einem zweiten Geräusch das Gas in den
Rachen. Der Grund, dass das Gas hier nicht direct nach
aussen entweicht, sondern im Oesophagus sich aufhält, liegt
wohl darin, dass es nicht mit der nöthigen Kraft aus dem
Magen ausgetrieben wird. — Es ist möglich, dass die im Oeso¬
phagus enthaltene Luftblase manchmal durch antiperistaltische
Bewegung und nicht durch den gesteigerten Thoraxdruck nach
aussen befördert wird, sicher aber ist, dass der Oesophagus
die Luftblase, die ihn ausdehnt, nicht immer nach oben (oder
unten) drängt; denn es gelang mir oft, nachdem ich das erste
Geräusch wahrgenommen hatte, durch mehrere leichte Respi¬
rationen hindurch das Gas im Oesophagus zurückzuhalten und
dann durch willkürlichen Glottisschluss während einer Exspi-
rationsbewegung nach aussen zu drängen.
Drittens: Durch die Bauchpresse, vielleicht auch durch
gleichzeitige Contraction des Magens, wird das Gas aus dem
Magen direct in den Rachen getrieben.
Die Beobachtung, auf welche die Annahme dieses Mecha¬
nismus sich stützt, ist kurz folgende: Ich mache unwillkürlich
eine rasche Inspiration und unmittelbar darauf bei geschlossener
| Glottis eine Exspirationsbewegung. Gleichzeitig mit letzterer
coutrahiren sich die Bauchmuskeln, und das Gas entweicht
unter einem Geräusch nach oben. Das entweichende Gas kanu
hier selbstverständlich nicht im Oesophagus sich aufhalten,
weil dieser wegen des gesteigerten intrathoracischen Druckes
sich nicht ausdehnen kann.
Viertens: Während der Magen sich nur schwach contra-
liirt, so dass er allein den Widerstand in der Cardia nicht
überwändet, wird durch eine Inspirationsbewegung bei ge¬
schlossener oder verengter Glottis ein negativer Druck im
Thorax erzeugt und das Magengas sowohl durch den gesteiger¬
ten Magendruck in den Oesophagus gedrängt, als auch durch
den negativen Thoraxdruck in den letzteren aspirirt. Bei der
nächsten Exspirationsbewegung wird dann das Gas aus dem
Oesophagus in derselben Weise wie bei dem sub 2 angegebenen
Mechanismus nach aussen getrieben.
Die Beobachtungen, welche diesen Mechanismus beweisen
würden, konnte ich leider nicht mit voller Sicherheit machen.
Derselbe stellte sich nur änsserst selten bei mir ein, und ausser¬
dem folgten die einzelnen Vorgänge so ungemein rasch aufein¬
ander, dass ich nicht vollständig mich überzeugen konnte, ob
wirklich bei der Inspirationsbewegung die Glottis sicli ver¬
seil Hesse. Ebenso konnte icli auch nicht mit absoluter Sicher¬
heit vor dem zweiten Geräusch ein erstes, welches dem Ent¬
weichen des Gases aus dem Magen in den Oesophagus eut-
I sprechen würde, wahrnehmen. Ich muss mir deshalb bezüglich
| dieses 4. Mechanismus noch weitere Beobachtungen Vorbehalten.
| Wesentlich verschieden von dem Mechanismus der nor¬
male» Ructus ist:
Der Mechanismus der Ructus, welche ich willkürlich
erzeugen kann.
Diese Ructus bestehen immer aus zwei Geräuschen, eine
Eigentümlichkeit, die nach meinen Beobachtungen auch den
meisten Ructus hysterischer zukommt und vielleicht die Frau
des oben erwähnten Patienten zu der Aussage veranlasste, ihr
Mann stelle sich au, als ob er einen Mutterfehler habe. Ich
kann dieselben zu ganz beliebiger Zeit, in beliebiger Zahl und
Aufeinanderfolge und innerhalb gewisser Grenzen auch in be¬
liebiger Stärke hervorbringen. Je nach Absicht folgen die
beiden Geräusche des einzelnen Ructus fast unmittelbar aut
einander oder nach athemlangen Pausen.
Der Umstand, dass diese Ructus willkürlich liervorgebracht
werden können, schliesst von vornherein die Möglichkeit ai»-
dass sie durch blosses Entweichen von Gas zu Stande kommen,
um! legt die Vermuthung nahe, dass auch während der Hervor¬
bringung Luft in den Körper eindringen müsse. Die Richtig¬
keit dieser Vermuthung wird bewiesen durch die Thatsache.
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UNIVERSETY OF MICHIGAN
2. September 1S7S. BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 523
dass bei geschlossenem Mund und geschlossener Nase die Er¬
zeugung nicht möglich ist. Es lässt sich weiter nachweisen,
dass Luft beim ersten Geräusch ein- und beim zweiten aus-
strömt. Wenn man nämlich eine Glasröhre mit dem einen
Ende in Wasser taucht und das andere Ende derselben mittelst
Gummischlauch mit dem Mund verbindet und dann bei ge¬
schlossener Nase Ructus hervorbringt, so sieht man regelmässig
beim ersten Geräusch das Wasser in der Glasröhre aulsteigen
und beim zweiten in demselben Grade niedersinkeu.
Nachdem der Nachweis geliefert war, dass während jedes
einzelnen Ructus Luft ein- und ausströmt, handelte es sich zu¬
nächst darum, den Mechanismus zu erkennen, durch welchen
das Einströmen bewirkt wird. Zu diesem Zwecke Hessen sich
folgende Thatsachen feststellen:
1) Es ist zur Erzeugung des ersten Geräusches eine In¬
spirationsbewegung nöthig.
Ich schliesse dies daraus, dass ich weniger leicht das Ge¬
räusch hervorbringen kann, wenn ich vorher schon leicht ein-
geathmet habe, und dass es mir gar nicht gelingt, wenn ich
vorher eine tiefste Inspiration ausgeführt habe.
2) Es schliosst sich, während das erste Geräusch zu Stande
kommt, die Glottis.
Ich konnte dies an einem Krankenwärter, den ich vorher
abgerichtet hatte, mit dem Kehlkopfspiegel direct beobachten.
3) Der Kehlkopf steigt während des ersten Geräusches
nach vorn und oben.
Hierfür spricht der Umstand, dass ich anfangs, als ich erst
wenig Uebung hatte, viel leichter Ructus hervorbringen konnte
bei vorgestrecktem Kinn, als bei gesenktem, wohl deshalb, weil
in erster Stellung die Ansätze der Muskeln, welche den Kehlkopf
abziehen. weiter von einander entfernt sind, als bei gesenktem
Kinn. Dass die Unterkiefer-Zungenbeinmuskeln sich wirklich con-
trahiren. lässt sich direct beobachten, wenn man während des
ersten Geräusches die Hand zwischen Kinn und Zungenbein
auflegt. Auch lässt sich durch Auflegen der Finger an das
Pomura Adami die Bewegung des Kehlkopfs direct wahrnehmen.
Nach diesen 3 Thatsachen glaube ich für das Einströmen
der Luft während des ersten Geräusches folgenden Mechanis¬
mus annehmen zu können: Durch die lnspirationsbeweguug
während des Verschlusses der Glottis wird im Thorax ein l
starker negativer Druck erzeugt. Wird dann der Kehlkopf
durch Muskelzug abgezogen und dadurch das Hinderniss für
das Einströmen der Luft in den Oesophagus aufgehoben, so
stürzt die Luft unter Geräusch in letzteren ein und bläht
ihn auf.
Weit weniger Schwierigkeiten bereitet die Erkenntniss des
Mechanismus, durch welchen das Ausströmen der Luft unter
Erzeugung des zweiten Geräusches zu Stande kommt. Es wird
während des zweiten Geräusches eine Exspirationsbewegung bei
geschlossener Glottis ausgeführt. Diese Beobachtung berechtigt
anzunehmen, dass die Luft, welche den Oesophagus ausdehnt, j
in derselben Weise hinter dem Kehlkopf, der sich nach dem
ersten Geräusch wieder angelegt hatte, durch den gesteigerten
intrathoracischen D»ick nach aussen gedrängt wird, wie bei
dem oben sub 2 angegebenen Mechanismus der normalen
Ructus.
Der ganze Mechanismus der willkürlich erzeugten Ructus
ist also folgender: Durch Inspirationsbewegung bei geschlosse¬
ner Glottis entsteht im Thorax negativer Druck. Wird dann
der Kehlkopf nach oben und vorne gezogen, so stürzt die Luft,
um den negativen Druck im Thorax auszugleichen, in den Oeso¬
phagus und bläht denselben auf. Hierauf wird, nachdem der
Kehlkopf sich wieder angelegt hat, durch Exspirationsbewegung
bei geschlossener Glottis positiver Druck im Thorax erzeugt
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und dadurch die Luft, welche den Oesophagus ausdehnt, nach
aussen gedrängt.
Man könnte versucht sein anzuuehmen, die Luft dringe
beim ersten Geräusch nicht blos in den Oesophagus, sondern
bis in den Magen, und es war nöthig diese Möglichkeit zu
berücksichtigen, da für den Neugeborenen (s. später) eine Auf¬
nahme von Luft in den Magen durch Aspiration angenommen
worden ist. Durch Aspiration kann beim Erwachsenen über¬
haupt keine Luft in den Magen eindringen während einer In¬
spiration, da ja immer der Magendruck stärker ist, als der
Druck im Thorax. Gas kann aus dem Oesophagus beim ersten
Geräusch des Ructus in den Schlund wohl entweichen, das
umgekehrte ist unmöglich. Wenn Luft durch den Schlund in
den Magen gelangen soll, so könnte dies nur dadurch geschehen,
dass sie durch Schlundcontractiun in den Magen geschoben
würde. Diese Annahme wird aber unwahrscheinlich durch die
Thatsache, dass ich die beiden Geräusche sowohl direct hinter
einander, als auch durch athemlange Dausen von einander getrennt
hervorbringen kann. Das Fortschreiten der Schlundcontractiouen
ist doch dem Willen nicht unterworfen, und deswegen sollte
man erwarten, dass immer eine gewisse Zeit nöthig wäre, bis
das zweite Geräusch hervorgebracht werden könnte, wenn un¬
willkürliche Bewegungen demselben vorausgellen müssten. Voll¬
ständig widerlegt wird die Annahme durch den Umstand, dass
die willkürlichen Ructus nicht den Beigeschmack zeigen, der
den normalen Ructus nach dem Genuss mancher Speisen und
Getränke nicht selten zukommt. Wenn die beim ersten Ge¬
räusch in den Rachen einströmende Luft bis in den Magen
gelangte, so würde sie sich dort mit dem Magengas mengen,
und die beim zweiten Geräusch entweichende Luft müsste den
dem Magengas zuweilen eigenen Geschmack besitzen.
Der Magen ist hiernach bei den in Rede stehenden Ge¬
räuschen, welche für das Ohr von den gewöhnlichen Ructus
nicht verschieden sind, gar nicht betheiligt, und der Ausdruck
Ructus für dieselbe, wenn inan hierunter ein Geräusch versteht,
das durch Entweichen von Gas aus dem Magen durch den
Rachen entsteht, ungeeignet; passeuder wäre die Bezeichnung
Schlundaufblähung.
Es liegt nahe anzunehmen, dass der Mechanismus der
Schlundaufblähungen auch bei den sog. Ructus hysterischer
statt hat, und ich nehme unter Vorbehalt weiterer Beobach¬
tungen am Krankenbette denselben Mechanismus für alle die
Fälle an, wo die sog. Ructus in grösserer Zahl rasch hinter
einander erzeugt werden, und wo sie doppelschlägig sind. In
diesen Fällen ist es doch unbegreiflich, wo das Gas, wenn nur
durch Entweichen desselben das Geräusch zu Stande kommen
soll, so rasch producirt werden soll. Die von manchen ver¬
tretene Ansicht, dass solche Kranke vorher erst Luft ver¬
schlucken , kann ich nicht theilen. Ich habe wochenlang
versucht Luft zu schlucken, konnte es aber nie fertig bringen;
dagegen gelang es mir sehr leicht, meinen Magen mit Luft
aufzublasen, wenn ich wie bei den Schlundaufblähungen Luft
in den Oesophagus aspirirte und dann eine Schluckbewegung
machte. Auch dann, wenn Luftaufnahme in den Magen durch
blosses Schlucken möglich ist, ist jene Erklärung nicht immer
ausreichend. Es giebt Kranke, bei welchen ein objectives
Aufgetriebensein des Leibes nicht besteht, und die so rasch
hinter einander eine grössere Zahl von Ructus hervorbringen,
dass ein Verschlucken von Luft zwischen den einzelnen Ge¬
räuschen gar nicht möglich ist. Die Entscheidung der Frage,
ob bei Hysterischen Schlundaufblähungen oder Ructus Vor¬
kommen, wird erschwert dadurch, dass wahrscheinlich den
ersteren manchmal normale Ructus sich zugesellen.
Bezüglich der Doppelschlägigkeit der Schlundaufblähungen
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Original from
UNIVERSITY OF MICHIGAN
524
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
muss ich noch bemerken, dass man, wenn nur ein Geräusch
hörbar ist, nicht schliessen kann, der oben angegebene Mecha¬
nismus habe nicht stattgefunden. Wenn nämlich der Kehlkopf
schon abgezogen wird, ehe durch Inspirationsbewegung ein J
starker negativer Druck im Thorax erzeugt ist, so stürzt die
Luft nicht mit starkem Geräusch in den Schlund, sondern dringt
unter einem leicht überhörbaren Schlürfen in denselben. Ebenso
ist das zweite Geräusch ganz leise, wenn im Beginn der Ex¬
spirationsbewegung der Kehlkopf abgezogen wird und die Luft
leicht nach aussen entweichen kann. Bei Schluss des Mundes
sind die Geränsche immer schwächer, als bei offenem Munde.
Bemerkungen über den Lufteintritt in den Magen
und Darm Neugeborener.
In einer im v. J. veröffentlichten Arbeit (Ueber die Bedin¬
gungen des respiratorischen Lufteintritts in den Darmkanal von
Prof. Dr. Kehrer) ist der experimentelle Nachweis geliefert, 1
dass beim Neugeborenen bei der Inspiration eine negative
Druckschwankung im Magen eintritt. In derselben Arbeit sind
Curven (Fig. 16—18) angegeben, welche ein Sinken des Magen¬
druckes unter den Atmosphärendruck während der Inspiration
beweisen sollen. Die Curven wurden mit dem Qucksilber-
manometer geschrieben, das mit einem luftgefüllten Catheter
der in den Magen von mehrtägigen Kindern eingeführt war.
durch einen Schlauch in Verbindung stand. Auf Grund dieser i
Resultate macht Herr Prof. Kehrer ausgangs seiner Arbeit
den Schluss, „dass das freie Magen- und Darmgas der athmeu-
den Neugeborenen durch inspiratorische Thoraxbewegungen in
den Darmkanal gelangt“. I
Bei der Untersuchung des Mechanismus der Ructus und ;
der Schlundaufblähungen hatte ich wiederholt Ursache, die !
Möglichkeiten zu erwägen, durch welche Luft in den Magen |
findringen kann, und es haben sich dabei gegen die Annahme, !
dass Luft durch Aspiration in den Magen eindringen könne,
nicht geringe Bedenken ergeben.
Von vorn herein muss darauf hingewiesen werden, dass
beim Neugeborenen der Magendruck nicht weit unter den
Atmosphärendruck sinken kann. Sobald ein negativer Druck
in dem oberen Bauchraume sich geltend macht, wird derselbe
durch Einsiuken der äusserst nachgiebigen Bauchdeckeu und :
durch Verschiebung der leicht beweglichen Eingeweide aus- j
geglichen. Das Bestreben nach Ausgleichung wächst mit der
Grösse des vorhandenen negativen Druckes, und da wegen der
leichten Beweglichkeit der Bauchdecken und der Eingeweide '
eine rasche Ausgleichung ohne gleichzeitige erhebliche Steige- §
rung des Widerstandes möglich ist, so ist hierdurch der Grösse
des negativen Druckes, der im Magen entstehen kann, eine
gewisse Grenze gesetzt.
Die Curven, welche Herr Prof. Kehrer mit dem Mauo- :
meter geschrieben hat, erlauben keinen Schluss auf die Grösse
des negativen Magendruckes. Nach denselben war die Queck¬
silbersäule, ehe sie den Atmosphärendruck anzeigte, bedeutend
gefallen, und es muss ein Theil wenigstens der Strecke, welchen
sie nachher noch unter den Atmosphärendruck gesunken ist, !
auf Rechnung der erlangten Endgeschwindigkeit des Queck¬
silbers gebracht werden. Wieviel von dem in der Curve an¬
gegebenen negativen Druck nach diesem Abzug noch übrig I
bleiben mag, will ich dahingestellt sein lassen, mache aber
noch darauf aufmerksam, dass das einmal im Sinken begriffene
Quecksilber leicht seine Bewegung fortsetzen kann, weil es
gegen Luft, ein sehr compressibeles Medium, sich bewegt.
Wenn demnach negativer Druck im Magen, resp. dem j
oberen Bauchraume zu Stande kommt, so kann er nicht gross j
sein, und es käme nun darauf an zu untersuchen, ob die Grösse
desselben ausreicht, um die Hindernissse zu überwinden, welche 1
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die Luft, die in den Magen aspirirt werden soll, auf ihrem
Wege findet. Es ist dies ein Punkt, der von Herrn Prof. Kehrer
meines Erachtens nicht genügend gewürdigt worden ist. Luft,
die in den Magen eindringen soll, hat zunächst das Hinderuiss,
welches der anliegende Kehlkopf bietet, zu überwinden. Dieses
Hinderniss ist beim Erwachsenen sicher vorhanden; warum es
beim Neugeborenen nicht bestehen sollte, kann ich nicht ein-
sehen. Luft, welche in den Magen dringen soll, hat ferner den
Verschluss an der Cardia zu überwinden. Ein solcher Ver¬
schluss muss auch beim Neugeborenen bestehen, denn sonst
könnte es nie zu einem positiven Druck im Magen kommen;
die Luft würde ja dann bei jeder Inspiration wieder zurück
in den Oesophagus entweichen. Das Hinderniss an dieser Stelle
kann so lange nicht unberücksichtigt bleiben, als nicht der
Nachweis geliefert ist, dass bei jeder Inspiration ein Nachlass
des Verschlusses statt hat. Schliesslich hat auch dann, wenn
die beiden angeführten Hindernisse nicht beständen, die Frage
noch ihre volle Berechtigung: Ist es möglich, dass auf dem
Wege der Aspiration Luft in den Magen dringt?
Die Physik lehrt, dass in einen Raum, der durch einen
Schlauch mit aneinanderliegenden schlaffen Wänden mit der
äusseren Luft in Verbindung steht, keine Luft dringt, wenn
man in demselben die Luft verdünnt, weil die Wandungen des
Schlauches sich dann fester aneinander legen, ln dem zu
untersuchenden Falle sind die Verhältnisse ähnlich. Der Magen
stellt hier den Raum dar, in welchem durch inspiratorische
Thoraxbewegungen eine Luftverdünnung, resp. negativer Druck
erzeugt wird, und der Schlund präsentirt den schlaffen Schlauch.
Freilich kann man entgegenhalten: Die Verhältnisse sind hier
anders; auf den Oesophagus wirkt während der Inspiration
der negative Thoraxdruck, und durch diesen werden die Wan¬
dungen desselben auseinander gehalten. Dem lässt sich aber
entgegnen: Sicher ist der negative Druck im Thorax geringer
als der des Magens, und wenn der Eingang zum Magen offen
wäre, müsste zunächst Luft aus dem Magen in den Oesophagus
dringen. Erst dann, wenn durch den negativen Thoraxdruck
die Oesophaguswandungen bis zur Grenze ihrer Elasticität aus¬
gedehnt sind, und der Oesophagus e : ner Röhre mit starren
Wandungen in sofern gleich kommt, als seine Wandungen nicht
weiter ausgedehnt werden können, wäre eine Aspiration von
Luft in den Magen denkbar.
Sollten diese complicirten Verhältnisse wirklich eintreten?
Wäre es nicht einfacher, wenn durch Einsinken der Bauchdecken,
was ja auch in der That jederzeit beobachtet werden kann, der
negative Druck ausgeglichen würde?
Die vorstehenden Erwägungen rechtfertigen wohl die Be¬
hauptung: Es ist nicht möglich, dass beim Neugeborenen durch
blosse Aspiration die Luft in den Magen dringt.
Durch welchen Mechanismus die Luft in den Magen gelangt,
ob der Neugeborene vielleicht den oben angegebenen Mechanis¬
mus: Schlundaufblähung mit darauf folgender Schluckbewegung,
sich bedient, oder ob er die Kunst des Luftschluckens versteht —
das ist durch fernere Untersuchungen zu entscheiden.
Nach Herrn Prof. Kehrer’s Ansicht .wäre der Lufteintritt
in den Magen des Neugeborenen etwas ganz nebensächliches,
nur von dem Bedürfniss des Athmens abhängig. Es muss dann
auffallen, dass das Kind, einerlei ob es heftige Athembewegungen
macht oder nicht, immer doch nur eine gewisse Menge Luft
in den Magen und Darm aufnimmt. Man sollte in diesem Falle
erwarten, dass bei starken Respirationsbewegungen viel Luft
und bei leichten wenig aufgenommen werde; dies ist aber meines
Wissens nicht der Fall. Der Umstand, dass Magen und Darm
immer bis zu einem gewissen Grade mit Luft sich anfüllen, legt
die Vermuthung nahe, dass diese Luftaufnahme nichts zufälliges
Original fro-m
UNIVERSITf OF MICHIGAN
2. September 187S.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
525
sei, sondern auf irgend eine Weise angeregt werde. Wie diese
Anregung zu Stande kommt, will ich versuchen zu erklären,
nicht um durch eine nicht erwiesene Erklärung anderer An¬
sichten zu widerlegen, sondern um zu weiterer experimenteller
Untersuchung anzuregen. Der Körper des Neugeborenen erfährt
durch die Geburt eine beträchtliche Druckeqtlastung: vorher
stand er unter dem Druck des Uterus, nach der Geburt steht
er unter gewöhnlichem Atmosphärendruck. Diese Druckent¬
lastung erfahren, da die Bauchdecken nicht starr sind, auch
die Baucheingeweide, und ihre zahlreichen Gefässe werden sich
in Folge davon nach der Geburt stärker anfüllen, als in utero.
Hierdurch wird derselbe Wechsel der Blutvertheilung bewirkt,
wie beim Erwachsenen nach Punction eines hochgradigen Ascites.
Durch die in den Baucheingeweiden eintretende venöse Hyper¬
ämie oder durch die dadurch bedingte Anämiedes Gehirns
wird der Neugeborene angeregt, reflectorisch die Bewegungen
auszuführen, durch welche die Luft in den Magen gemacht wird.
Die Anregung zu diesen Reflexbewegungen schwindet, sobald
durch Luftaufnahme in den Magen der intraabdominale Druck so
gesteigert ist, dass die Baucheingeweide wieder eine den Ver¬
hältnissen des Neugeborenen entsprechende Blutfüllung haben.
II. Fall tob angeborener Enge des gesammten Aorten-
Systems mit consecutiver bedeutender Vergrösserung
des Herzens.
Von
Dr. Jtnoevenagel in Cöln a. Rh.
Die Veröffentlichung des Krankheitsfalles scheint von Inter¬
esse einmal wegen des in mancher Beziehung eigentüm¬
lichen Symptomencomplexes, sodann wegen der Un¬
sicherheit der Diagnose, endlich mit Rücksicht auf die
aetiologische Seite.
Der Kranke ging am 6. April c. dem Lazareth zu, nach¬
dem er seit dem 25. März schon draussen ärztlich behandelt
war. Dort sollen die Hauptbeschwerden sich in Luftmangel
und wiederholtem Erbrechen bei sehr unregelmässigem Stuhl¬
gänge geäussert haben, und ergab eine weitere Erkundigung,
dass bereits vor einem Jahre nach längerem Arbeiten in den
Weinbergen (Patient war Winzer) Athembeschwerden mit starkem
Herzklopfen zeitweise ein getreten waren. Im Herbst 1876
stellte sich eine Anschwellung der Mandeln ein, ob diphtlieri-
tischer Art, war nicht zu ermitteln.
Sonstige Schlingbeschwerden, öftere Heiserkeiten, rheuma¬
toide Schmerzen in den Armen wurden, wie wiederholte Nach¬
fragen im weiteren Verlaufe ergaben, nie beobachtet.
Der Status präsens am 7. April war folgender:
Bleiches, gedunsenes Aussehen bei sonst sehr kräftigem
Körperbau und gutem Ernährungszustände.
Auffallendstes Symptom ist die enorme Kleinheit des Pulses,
rechts fast gar nicht, links nur sehr undeutlich zu fühlen, die
Frequenz daher nicht zu bestimmen. Percussionsschall auf dem
unteren Theile des Sternum gedämpft, weiter nach links inten¬
sive Dämpfung fast bis zur vorderen Axillariinie. Spitzenstoss
nicht zu fühlen; diffuse Erschütterungen ganz nach aussen von
der Brustwarze, welche hier links erheblich höher steht, als rechts.
Herzaction ausserordentlich unregelmässig; keine Klappengeräu-
sche; Systole und Diastole schwer zu unterscheiden; zeitweilig
erscheinen die Töne rauh, besonders links im Sternum, fast wie
pericardiale Reibegeräusche. Die Zahl der Herzcontractionen
scheint grösser zu sein, als die Zahl der auch an der Arteria
■cruralis sehr undeutlich fühlbaren Pulse. Die Unregelmässig¬
keit der Herzschläge fühlt die aufgelegte Hand deutlich durch.
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Carotidenpulse beiderseits vibrirend, nicht zu zähleu; man
hört daselbst sehr häufige, kurze, dumpfe Töne.
In den Lungen nur hinten links in den unteren Partien
feuchtes Rasseln mit abgeschwächtem Athmen; nirgends Däm¬
pfung und überall deutliche Verschiebbarkeit der Lungenränder.
Milz undeutlich zu fühlen; ihre Dämpfung erscheint grösser
als normal, ebenso die Leberdämpfung.
Temperatur subnormal: Morgens 36,0; Abends 36,5.
Subjective Klagen hauptsächlich Athembeschwerden beim
Marschlren und Treppensteigen, welche in stärkerem Grade
schon seit drei Wochen andauern.
Am 8. April Zunahme der letzteren auch in der Ruhe.
Temperatur Morgens 36,3, Abends 36,7. Noch mehr gedunsenes
Aussehen; Puls nicht deutlich zu fühlen. Auscultation des
Herzens ergiebt circa 140 Contractionen in der Minute. Ein
ganz normaler Stuhl. Urinmenge sehr sparsam in 24 Stunden,
nach Schätzung etwa 350 bis 400 Cctm.; spec. Gewicht 1,031,
Reaction stark sauer, reichliches Uratsediment; kein Eiweiss,
kein Zucker.
Behandlung: Grosses Vesicator auf die Regio cordis; Infu-
sum Digitalis (nur schwach) mit Chinin; daneben Tinct. Vale-
rianae aetherea.
Am 9. April starke Hervorwölbung des Epigastriums
zwischen Schwertfortsatz und Nabel; die ganze Partie fühlt
sich sehr resistent an, giebt einen stark gedämpften Ton, welcher
sich nach unten mit einem convexen Rande begrenzt. Die
durch Percussion gewonnenen Grenzen lassen sich durch Pal¬
pation controliren.
Eine halbe Stunde nach dem Genuss von Milch, Wein
u. dgl. tritt in der Regel reichliches Erbrechen ein. Drei spar¬
same Stühle. Urin wie gestern. 160 Herzcontractionen; über
den Cruralarterien ist nur unregelmässiges Vibriren zu fühlen.
Der Kranke wählt mit Vorliebe die Bauchlage.
Eine microscopische Blutuntersuchung ergab nichts beson¬
deres, namentlich keine Vermehrung der farblosen Blutkörperchen.
Am 10. April stärkere Cyanose der Lippen, etwas Oedem
der Füsse und Unterschenkel, undulirende Bewegungen der
Hervorwölbung des Epigastriums, welche mittelst der aufge¬
legten Hand zu fühlen sind. Die Herzerschütterungen immer
am deutlichsten nach aussen von der linken Brustwarze. Heut
kann man an den Cruralarterien annährend IGO Pulse zählen.
Erbrechen erfolgt seltener, seitdem kleinere Quantitäten
Nahrung auf ein Mal genossen werden.
Urin nur wenig reichlicher; etwas schleimig-eitriger Auswurf.
Patient befindet sich oft in der Knieellenbogenlage, weil er
dann mehr Luft hat. Puls auch so nicht deutlicher zu fühlen.
In der Nacht zum 11. April erfolgen reichliche Stuhlgänge,
dazu häufiger Abgang von Blähungen. Das Abdomen daher
weicher und flacher; man kann die Leber mit glatter Ober¬
fläche durchfühlen, in der Mammillarlinie 3 bis 4 Ctm., in der
Parasternallinie 7 bis 8 Ctm. unter dem Rippenrande, in der
Mittellinie 12 bis 13 Ctm. unter Basis des Schwertfortsatzes.
Am Morgen und Mittag Erbrechen. 140 Herzcontractionen,
intermittirend, Temperatur Morgens und Abends 36,8. Der
Kranke fühlt sich subjectiv leichter; hinten rechts vom 9. Brust¬
wirbel ab eine mässige Dämpfung und keine Verschiebbarkeit
des unteren Lungenrandes.
Am 12. April Temperatur Morgens 37,8, Abends 36,7.
Hautödem der Brust und des Oberbauches sehr ausgesprochen.
Am 13. April Temperatur 37,5, Abends 36,4. 6 dünn¬
breiige Stühle. Urinmenge fängt an reichlicher zu werden,
circa 800 bis 900 Cctm. 144 Herzcontractionen in der Minute.
Am 15. April auffallend viel Urin, circa 2500 Cctm., spec.
Gewicht 1008; ob zufällig oder unter Mitwirkung von neuer¬
em ri§i na I fro-m
UNIVERSUM OF MICHIGAN
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 35
dings angeordneten Terpenthinfomenten, bleibt zweifelhaft. Da¬
neben mehrere reichliche Stöhle, die einzelnen von sehr ver¬
schiedener Färbung und sehr differentem Gallengehalt. Nach
diesen Excretionen fühlt sich der Kranke viel freier; Tempera¬
tur Morgens 36,8, Abends 37,5. An den Cruralarterien gelingt
es bei grosser Aufmerksamkeit, die Pulsfrequenz annähernd zu
bestimmen auf 180 bis 190, entsprechend ungefähr der Frequenz
der Herzaction.
Am 16. April Urinmenge nicht mehr so reichlich, doch
noch etwa 1600 Cctm. Temperatur Morgens 36,9, Abends 37,5.
Sehr häufiges Bedürfniss zum Stuhl mit Empfindung von Tenes-
mus; die entleerten Massen enthalten reichliche schleimige
Beimengungen. Letzteres auch noch am folgenden Tage; in
der nächsten Nacht wieder einmal Erbrechen, welches seit
6 Tagen nicht mehr eingetreten war.
Am 18. April leider der alte Zustand, Temperatur sub-
normal, Morgens 36,2, Abends 36,8. Urinmenge mindert sich;
144 Herzcontractionen; Knieellenbogenlage.
Am 19. April scheint endlich, wenn auch vorübergehend,
die Wirkung des längeren Digitalisgebrauches sich zu äussern:
120 Herzschläge, die beobachtete geringste Frequenz!
Am 20. April schon wieder 140, sehr unregelmässig;
stärkere Dämpfung von rechts und von links; sehr ausge¬
sprochenes Unduliren des ganzen Epigastriums. Temperatur
Morgens 36,0, die niedrigste der beobachteten Temperaturen.
Die Darmreizung wieder verschwunden. Respirationsfrequenz
immer 32 bis 36 bisher.
Von nun an bleiben die Haupterscheinungen (enorme Fre¬
quenz der Herzschläge, subnormale Temperaturen. Pulslosig¬
keit, geringe Harnmengen. Athembeschwerdcn) unverändert bis
zum Tode.
Am 25. April wieder 2 mal Erbrechen.
Am 26. April stärkerer Tenesmus. Die Hervorwölbung
des Epigastriums wechselte, wie die täglichen Untersuchungen
ergaben, in Umfang und Spannung beträchtlich.
Eine nochmalige Untersuchung des Bluts ergab keine Ver¬
mehrung der farblosen Körper.
Die Urinmengen verminderten sich wieder auf 700, 600
500 bis etwa 400 Cctm.; ausserdem zeigte der Urin, was früher
nicht der Fall, ziemlich reichlichen Eiweissgehalt. Auf den
Knien bildeten sich, nach Art des Decubitus, in Folge der
permanenten Knieellenbogenlage, rothe infiltrirte Stellen und
zahlreiche pustulöse Eruptionen. Um auf die Diurese zu wirken,
wurde neben Wachholderthee Tartarus depuratus gereicht;
ausserdem zur Linderung und Beförderung der Expectoration
Tinctura Opii benzoica; die Digitalis war als wirkungslos schon
längere Zeit ausgesetzt.
Der an und für sich in hohem Grade qualvolle Zustand
des Kranken wurde Ende April noch gesteigert durch pressende,
schmerzhafte Empfindungen, welche sich vom Epigastrium bis
in die Gegend des Manubrium sterni erstreckten und sich von
da aus über die Brust in querer Richtung weiter verbreiteten.
Erbrechen trat nur noch ab und zu einmal ein; Temperatur,
wie immer, subnoTmal; die Respirationsfrequenz stieg auf 40,
44, vor dem Tode auf 52 in der Minute, ohne je stertorös zu
werden.
Vom 2. Mai ab zeigten sich spärliche rostfarbene Ballen
im Auswurf, ohne dass die physicalische Untersuchung etwas
anderes als catarrhalische Geräusche und nicht bedeutende
Dämpfung an den abhängigen Partien des Thorax ergeben
hätte.
Senfteige, Vesicatore, Pulvis Doweri konnten nur wenig
Linderung bringen.
Nachdem am 3. Mai noch heftige Schmerzen drückender
Art in den Lumbalgegenden aufgetreten waren, welche rechts
und links nach vorn ausstrahlen, erfolgte unter höchster Dys¬
pnoe und Cyanose und Hinzutritt profuser Schweisse, Unfähig¬
keit zu schlingen, jedoch bei vollem Bewusstsein in der Nacht
vom 6. auf den 7. Mai ziemlich plötzlicher Tod.
Besonders interessant in dem gesammten Symptomen-
complexe sind vor allem:
| 1) die excessive Herzaction, nebst den reibenden Geräuschen;
2) die Wahl einer Stunden, ja ganze Nächte lang andauern-
j den Knie-Ellenbogenlage;
j 3) die periodisch weniger starke und dann wieder stärkere
i tumorartige Hervorwölbung der Präcordien.
ad 1: Man hätte meinen sollen, dass in mühevoller Ueber-
windung der (wie die Section nachträglich ergab) durch ver¬
minderten Querschnitt des Aortensystems gesteigerten Reibungs¬
widerstände das Herz sehr langsam arbeiten müsste, wie es
ja für di% Stenosen der Aortenmündung characteristisch zu
sein pflegt.
Zur Erklärung bleibt, da anderweite Lähmnngserscheinungen
! von seiten der Nn. vagi durchaus fehlten, nur eine anhaltende
! Sympathicusreizung übrig, von der dann indirect auch die sub-
j normalen Temperaturen und die Undeutlichkeit der Pulse selbst
‘ an grösseren Arterien abhängen dürften.
i Interessant ist auch, was uuter Umständen ein Herz leisten
i kann, bei intactem Klappc*napparat uud im allgemeinen auch
noch intacter Musculatur, ehe es sich zu Tode jagt. Die zeit-
! weilig beobachtete rauhe Beschaffenheit der Herztöne, ähnlich
j wie bei pericardialen Reibegeräuschen, ist in sofern bemerkens-
werth. als post mortem keinerlei Erscheinungen von Pericarditis
i gefunden wurden. Wahrscheinlich handelte es sich also hier
bloss um ein Anstreifen des Herzens am äusseren Pericardial-
| blatt, wie das Seitz in analogen Fällen in seiner Abhandlung
i „Zur Lehre von der Ueberanstrengung des Herzens“ als Erklä-
i rung aufgestellt hat.
ad 2: Die Knieellenbogenlage scheint mir ein keineswegs
unerklärbares und dabei recht bemerkenswerthes Symptom zu
sein. Der Patient suchte sich instinctiv von einer dicht über
! oder unter dem Zwerchfell befindlichen Last dadurch zu be¬
freien; welcher Art, ganz allgemein gesprochen, der Tumor war.
so musste er in der erwähnten Körperstellung auf die Lungen
und die grossen zu- und abführenden Gefässe am wenigsten
drücken, Respiration und Circulation so weit wie möglich frei
machen.
Welchen Antheil daran vielleicht noch die einigermassen
abhängige Lage des Kopfes in jener Position hatte, durch
welche der arterielle Zufluss zum Gehirn möglicher Weise etwas
befördert werden konnte, bleibt dahingestellt. Ohne Zweifel
aber wurde es durch die Knieellenbogenlage bewirkt, dass die
Hautoedeme ganz vorwiegend den Raum zwischen Epigastrium
und Kehlkopf einer- und den beiden Mammillarlinien andererseits
einnahmen, während sie an allen anderen Körperstellen, nament¬
lich auch an den Extremitäten, nur gering waren.
ad 3: Die tumorartige Hervorwölbung der Präcordien ver¬
dankte, abgesehen von dem Antheil, welchen das Haut ödem
daran nahm, theils einer periodischen An- und Abschwellung
der Leber (parallel gehend mit der grösseren oder geringeren
Cyanose), theils verschiedenen Füllungszuständen des Magens
ihre Entstehung, wie durch die sofort merkbare Abflachung
nach reichlicherem Erbrechen und öfteren Stuhlgängen bewiesen
wurde. Das Erbrechen selber schien mir weniger durch Nerven¬
einfluss (N. vagus?), auch nicht durch chronisch-catarrhalische
Schleimhautveränderungen — der Patient hatte verhält niss-
mässig guten Appetit bis zum Ende — erklärt werden zu
können; ich betrachtete es einfach als die Folge einer Raum-
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2. Soj'U.‘inb f, r 187b.
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
beengung für den Magen, wofür auch wohl der Umstand sprach,
dass nach öfterem Genüsse kleinerer Nahrungsmengen ein ent¬
schiedener Nachlass zu beobachten war.
Die Momente ad 2 und 3 bedingten hauptsächlich die
Unsicherheit der Diagnose:
Während der zuerst aufgenommene Status präsens mit
Rücksicht auf die stark vergrösserte und sehr intensive Däm- !
pfung in der Herzgegend, sowie in Anbetracht der functioneilen 1
Abnormitäten auf ein grosses Fettherz deutete, trat diese An- j
sicht schon in den nächsten Tagen nach der Aufnahme in den
Hintergrund. Bestimmend hierfür war die Stellung des Kranken,
die Abgrenzung der stark ödematösen Partien längs des Ster¬
num vom Epigastrium nach der Kehlgrube (Rücklaufsstörung j
in den Venae mammariae superficiales et internae), endlich die j
in ihrer Höhe wechselnde tumorartige Hervorwölbung der Prä- j
cordien nebst dem häufigen und reichlichen Erbrechen bald
nach Anfüllung des Magens; alle diese Momente passten vor¬
trefflich auf eine raumbeschränkende, entweder im vorderen
Mediastinum oder dicht unter dem Zwerchfell ganz oben in
der Bauchhöhle liegende Ursache, event. einen Tumor, welcher
gleichzeitig das Herz nach links verdrängte, die grossen Ge¬
lasse in ihrem Lumen beeinträchtigte und sympathische Geflechte !
beeinflusste. Auf der Grundlage dieser Anschauung konnte
vorübergehend der Verdacht etwa einer Echinococcuscolouie f
an der convexen Seite der Leber Platz greifen, um so eher, ;
als die tenesmusartigen Beschwerden, die schleimigen Bei- |
mengungeu zu den Stühlen, die sehr differenten Färbungen
derselben die Aufmerksamkeit auf Leber und Darmkanal zu
lenken geeignet waren. In den Stühlen konnte jedoch nicht i
darauf bezügliches entdeckt werden, und der Verdacht musste
sofort fallen, als später (erst Ende April) durch zufällig an- |
wresende Verwandte anderweit wichtige Punkte in Erfahrung .
gebracht wurden. Diese deuteten mit Sicherheit auf eine an- I
geborene, beziehentlich ererbte Affection hin. So gewann die I
Ansicht, dass der Tumor wohl ein Aneurysma sein könne im ,
Verlauf des Aortenschlauches, eine gewisse Wahrscheinlichkeit, '
so wenig sonst, namentlich die durch Auscultation zu ertiiren-
den physicalischen Erscheinungen, das Fehlen der subjectiven ;
Schmerzen excentrischer Natur vor Eintritt der anderw r eiten i
schwereren Symptome dafür zu sprechen schienen. Eine fötale
Aortenstenose an der Mündung des Botalli’schen Ganges
musste mit in Betracht gezogen werden; indess es fehlte dafür
eines der characteristischen Zeichen, die Erweiterung peripherer
Arterien, um auf diesen ColIateTalbahnen das Blut aus den
Bezirken der Subclaviae resp. Mammariae internae in die Epi-
gastricae, Intercostales etc. und so auf Umwegen in die Aorta
descendens unterhalb der Verengerung zu leiten; auch war
nicht recht ersichtlich, warum dann der Puls an den beiden
Radialarterien fast unfühlbar und fehlend hätte sein sollen.
Ein dritter interessanter Punkt liegt, wie schon an gedeutet,
in den ätiologischen Verhältnissen.
Es konnte nicht zweifelhaft sein, dass hier ein erblicher
Fehler vorlag; denn Verwandte sagten aus, dass abgesehen
von einem Onkel, welcher lange an Bauchwassersucht gelitten
habe und nach Punction gestorben sei (Section nicht gemacht),
noch ein zweiter Onkel (Vaterbruder) vorhanden gewesen sei,
welcher nicht sitzen, auch nicht rücklings liegen, son¬
dern nur in vorn übergebeugter Stellung verbleiben
konnte, wobei er sich mit der Brust an einen Gegenstand
anlehnte. Derselbe starb nach elftägigem Krankenlager
ziemlich plötzlich. Weiteres war nicht zu ermitteln, doch
liegt es nahe, dieselbe bei unserem Kranken constatirte Ab¬
normität auch bei jenem Onkel zu supponiren.
Die Geschwister des ersteren sollen sich gesund befinden.
Damit wäre nun das interessante und lehrreiche an dem
Fall erschöpft. Allen unseren Annahmen entgegen (eine sichere
Diagnose war überhaupt nicht gestellt) zeigte sich bei der
Section, welche von Herrn Dr. Bartold mit grosser Bereit¬
willigkeit und Sorgfalt ausgeführt wurde, eine Verengerung des
gesammten Aortensystems mit erheblicher Vergrösserung des
Herzens. Da der von Herrn Bartold zu Protocoll gegebene
Sectionsbericht im Anschluss hieran gleichfalls folgt, so will
ich zum Schluss nur noch eins kurz andeuten:
Es fand sich post mortem, innerhalb des Krankenlagers
durch die ödematöse Schwellung der Kehlgrube völlig cacliirt,
eine Struma mässiger Ausdehnung. Wenn auch Exophthalmus
fehlte, so legt doch die Coincidenz einer Struma mit den er¬
wähnten functioneilen Anomalien des Herzens bis zu einem
gewissen Grade Beziehungen zum Morbus Basedowii nahe, und
es würde sich fragen, ob bei ausgesprochenen Fällen desselben
auch Abnormitäten im Lumen des Aortensystems öfters zu beob¬
achten wären.
Secti ons-Bericht von Dr. Bartold.
Mittelgrosse, untersetzt gebaute Leiche. Die Haut des
Gesichtes ist sehr stark ödematös, ebenso die vordere Seite
des Rumpfes und des Halses, und zwar so, dass das Oedem in
der Umgebung der Schlüsselbeine am stärksten ist. Die übrige
Haut ist mit Ausnahme der Partie um die Knöchel und in ge¬
ringem Grade um die Knie frei, zeigt jedoch überall ziemlich
reichliches lockeres Unterhautfettgewebe. Ueber der Patella
beiderseits oberflächliche Decubitalstellen. Die Körpermusculatur
ist nur schwach entwickelt und blass.
Der Unterleib ist aufgetriebeu, und quellen bei der Oeffnung
der Bauchhöhle die durch Luft stark ausgedehnten Dünndarm¬
schlingen aus der Schnittöffnung hervor. In der Bauchhöhle
circa 150 Grm. gelblicher klarer Flüssigkeit, Lage und Farbe
des Darmes bietet keine Besonderheit. Der untere Leberrand
überragt den Rippenbogen in der Linea mammillaris um 4,5 Ctm.,
in der parasterualis um 6 Ctm. Die Basis des Proc. xiphoideus
um 10,5 Ctm. Die convexe Leberoberfläche ist vollständig frei.
Der Stand des Zwerchfells entspricht rechts dem 8. und
links dem 7. Intercostalraum. In beiden Pleurahöhlen jederseits
circa 2 1 /* Liter gelblicher klarer Flüssigkeit, so dass die Lungen
vollständig frei, gegen ihre Wurzel hin zusammengedrängt sind
und ihre vorderen Ränder sich in der Mittellinie fast berühren.
Im Herzbeutel nur circa 200 Grm. klarer Flüssigkeit. Das
Herz selbst ist hauptsächlich in seinem rechten Abschnitt co-
! lossal vergrössert, und liegt seine Spitze im VI. I. C. R. 4 Ctm.
nach aussen von der Brustwarzenlinie.
Das Herz misst im Längsdurchmesser (vom Ursprung der
Gefässe bis zur Spitze) 18,5 Ctm., im Querdurchmesser 12 Ctm.;
auf den rechten Ventrikel kommen davon im Längsdurchmesser
auf der vorderen Seite bis zum Sulc. coronarius gemessen
13 Ctm., der quere Durchmesser auf der vorderen Seite liegt
gänzlich in der rechten Kammer. Das Herz liegt vollständig
frei der'Wirbelsäule und der Aorta auf und wird nur seitwärts
etwas von der linken Lunge gestützt.
Der grössere Theil des linken Ventrikels liegt auf der
hinteren Seite, während der rechte Ventrikel mehr die vordere
Seite einnimmt. Sämmtliche Herzhöhlen sind ziemlich prall
gefüllt und äusserlich fühlbar, in dem rechten Vorhof viel
flüssiges Blut, wenig Cruorgerinnsel, ebenso in der rechten
Kammer. In der linken Lungenvene ein speckhäutiges, in der
linken Kammer ziemlich reichliche ältere Gerinnsel. Die Herz¬
höhlen des rechten Herzens sind stark erweitert, die Muskel¬
schicht nicht verbreitert. Die Musculatur ist blassroth, der
Klappenapparat ist ebenso wie links intact. Die Höhle des
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Sc 35
Huken Ventrikels ist ebenfalls stark erweitert und befindet sich
an der Stelle der Herzspitze auf das Sept. atriorum übergreifend
in der Ausdehnung von circa 3 Ctm. eine Ausbuchtung, wo
die Musculatur bis auf 0,8 Ctm. an einer narbig erscheinenden
Stelle verdünnt ist, während dieselbe an den übrigen Stellen
eine gleichmässige Dicke von 2,4—2,5 Ctm. aufweist. Die Tra-
bekeln erscheinen überall platt, besonders an der Steile der
Ausbuchtung, und sitzen hier zwischen und unter ihnen Gerinnsel,
deren oberflächliche Partien mehr braunschwarz und gleich-
mässig, deren tiefere Schichten schmutzig graubraun und mit
zernagter faseriger Oberfläche erscheinen und sehr brüchig sind.
Auf der Intima der Papillarmuskeln finden sich einzelne gelb¬
liche sternförmige Zeichnungen, die Musculatur ist jedoch auf
dem Schnitt überall gleichmässig blass und nirgend gelblich
gefärbt.
Die microscopischeUntersuchung des Herzfleisches unterblieb.
Der Klappenapparat ist sehr zart und unverändert. Im
Verlauf der Aorta wurde etwas abnormes nicht gefunden, jedoch
ist letztere sehr eng und lässt selbst ihr Anfangstheil den Finger
kaum passiren. Sie misst über ihrem Ursprung in der Höhe
der Klappen 6 Ctm., unterhalb der Duct. art. Botalli 4 Ctm.,
ebenso unterhalb des Abganges der Subclavia sinistra, die
Aorta thoracica unterhalb des Abganges der 4. Art. intercostal
2,3 Ctm. breit, ebenso verhalten sich die Zweige der Aorta,
z. B. die Carot. sin. und dextr. misst 3 Ctm., über ihrem Ab¬
gänge je 1,8 Ctm., die Femoralis beiderseits am Poupart’schen
Bande 1,4 Ctm., die Radiales 0,6—0,7 Ctm. Die Aorta ist
dabei äusserst elastisch, ihre Wandung sowie die des gesamm-
ten Arteriensystems äusserst zart. Beide Lungen sind ziemlich
schwer, von blaugrauer Oberflächenfärbung, in den vorderen
Partien lufthaltig, auf der Schnittfläche glatt und auf Druck
reichlich schaumige Flüssigkeit entleerend. Im rechten Ober¬
lappen, entsprechend einer pleuralen, strahligen, dicken Narbe
ein fast keilförmiger verkalkter Herd. Die Schleimhaut der
Rachenorgane ist cyanotisch, auf der Trachea einzelne ganz
oberflächliche, punktförmige Blutungeu, in den Tonsillen narbige
Verdickungen. Die Glandula thyreoidea ist beiderseits etwas
vergrössert, auf dem Durchschnitt entleert sich viel Blut aus
z. Th. erweiterten Venen, im übrigen erscheint das Gewebe
durchaus drüsig und lappig.
Die Milz adhärirt dem Zwerchfell stellweise, ist 9,4 Ctm.
lang, 7,5 Ctm. breit und 3 Ctm. hoch, fühlt sich derb an und
enthält Blut in massiger Menge.
Beide Nieren sind von gewöhnlicher Grösse, rothblauer
Farbe und sehr derber Consistenz, die Markkegel heben sich
durch tiefblaue Färbung stark gegen die Rindensubstanz ab.
Nebennieren und Geschlechtsorgane ohne nachweisbare
Veränderung.
Im Magen finden sich in reichlichem Schleim 5 Spulwürmer.
Die Leber zeigt auf der Oberfläche wie auf dem Durch¬
schnitt eine ausgesprochene Muscatnuss-Zeichnung, indem das
blauschwarze Centrum des Acinus sich gegen die graugelbe
Peripherie scharf absetzt.
Mensenterialdrüsen ganz leicht vergrössert.
Im lleum finden sich mehrere bis linsengrosse submucöse
Ecchymosen.
Die Section des Gehirns ergab nur Oedem der Arachnoidea.
Die Untersuchung des Blutes ergab, wie auch intra vitam,
nichts besonderes.
III. Beitrag rar Kenntnis* der „eigeithinlich ?er-
zweigten Gerinnsel in den Darmansleernngen“.
Von
Dr. med. Otto Roth.
Die Mittheilung von Dr. Marchand in No. 48, Jahrgang
1877 dieser Wochenschrift „Ueber eigenthümlich verzweigte
Gerinnsel in den Darmausleerungen", hat mich an 2 ähnliche
Beobachtungen erinnert, welche ich vor 3 und 4 Jahren gemacht
habe. Ich bin noch in Besitz des einen, und zwar des noch
wohl erhaltenen ersten, nun über 4 Jahre alten Präparates.
— Die Aufbewahrung geschah in Spiritus mit etwas Glycerin
Die Gerinnsel sind darin nicht unbedeutet geschrumpft und
etwas grauer geworden, sonst nicht verändert. Sie schienen
als eine einzige „zum scheusslichen Klumpen geballte" zusammen¬
hängende Masse entleert worden zu sein, von gelblichgrauer
Farbe, mit grauglasigem zähem Schleim umhüllt, woran noch
kleine Kothbestaudtheile hingen. Gegenwärtig sind es fünf
grössere verzweigte Stücke und drei einzelne abgerissene Aeste.
Eines der grösseren Stücke, in entfaltetem Zustande ungefähr
12 Ctm. lang, zeigt eine sehr reichliche, durchweg — wie
auch die übrigen — dichotomische Verzweigung aus lauter
| gleichmässig runden Fäden von der Dicke eines sehr feinen
j Rabenfederkiels. Die übrigen sind stärker, weniger reich ver-
j zweigt und weniger gleichmässig gerundet, stellenweise eher
| membranartig, und zeigen hie und da die kugeligen Anhänge,
mit welchen die Präparate von Dr. Loewe in No. 21 des Jalirg.
1876 dieses Blattes abgebildet sind.
Diese Gerinnsel fanden sich bei einer ledigen, 40 und einige
Jahre alten Dame den zähen Darmausleerung beigemischt. Die-
; selbe litt damals eine Zeit lang an trägem Stulilgaug. Einige
Zeit vor Entleerung des von den Gerinnseln begleiteten Stuhles
empfand sie heftige reissende und ziehende Leibschmerzeu, da¬
nach blieb sie gesund.
Die Entdeckung des sonderbaren Gegenstandes verursachte
grossen Schrecken und die Meinung, am Bandwurm zu leiden.
Ich wusste auch nicht, was ich aus der Sache machen sollte,
erklärte das Gebilde aber auf gut Glück für geronnenen Darm¬
schleim, womit ich nach der Ansicht von Dr. Marchand über
die Genese dieses Symptoms auch das richtige getroffen zu
haben scheine, und das Ereigniss für bedeutungslos, wozu ich
mich bei dem sonstigen Wohlbefinden der Patientin für berechtigt
hielt. Uebrigens machen die ziemlich resistenten, anfangs grau¬
gelblich gefärbten Gebilde doch mehr den Eindruck, als ob sie
aus einer fibrinösen Ausschwitzung beständen, während der
dünnere viscide Schleim, wovon jetzt nur noch Spuren anhängen.
als einhüllende Masse deutlich davon unterschieden war.
Die zweite ganz gleiche Beobachtung machte ich etwa ein
-Jahr später bei einer verheirateten Frau — nicht Wöchnerin -
in ungefähr dem gleichen Alter, welche an habitueller Ver¬
stopfung litt, seit längerer Zeit ein selbstbereitetes Abführmittel.
Aloe mit Branntwein, dagegen gebrauchte und häufig über Leib¬
schmerzen neben anderen Hyperästhesien und Parästhesien klagte,
wobei zeitweise ein massiger Grad von Schwermut bestand
Ich erkannte auf den ersten Blick mit den oben beschriebenen
ganz identische Gebilde, die ich deshalb einer genaueren Unter-
suchung nicht mehr unterwarf. Der Abgang von Gerinnseln hat
sich auch bei dieser Patientin meines Wissens nicht wiederholt.
Nach allem scheint aber das Vorkommen solcher Gerinnsel¬
bildungen nicht gar so selten zu sein, obwohl die medicinisebe
Literatur bis auf die durch die Klin. Wochenschr. gebrachten
beiden Mitteilungen noch keine Notiz davon genommen bat.
welche die Erscheinung, die vielleicht als eine besondere Va-
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2. September 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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rietät von Kolitis ihre Stellung in der Pathologie finden dürfte,
gar wohl verdient, da sie für ängstliche Personen etwas höchst i
allarmirendes hat und den Arzt, der sie nicht kennt und von
dem man Auskunft verlangt, in Verlegenheit setzt. Deshalb ;
dürfte dieser weitere Beitrag zur Kenntniss jenes eigentüm¬
lichen Phänomens für den Practiker nicht ohne Interesse sein.
IV. Referat.
Arndt, Ueber einige bemerkenswerthe Verschiedenheiten
im Hirnbaue des Menschen. Virchow’s Archiv, Bd. 72,
p. 37—69.
Verf. weist zunächst darauf hin, dass die histologischen Elemente,
aus welchen sich die einzelnen Organe aufbauen, durchaus nicht so in
-ich gleichartig sind, wie man im allgemeinen anzunehmen pflegt. Die
betreffenden Elemente erlangen im Gegentheil einen ganz verschiedenen
Grad der Entwicklung. Ein Theil der sog. embryonalen Bildungszellen
bleibt auf einer sehr niedrigen Entwicklungsstufe stehen, ein anderer
trägt kaum noch erkennbare Merkmale der ursprünglichen Herkunft und
hat trotzdem nicht jenes characteristische Gepräge erreicht, welches die
/.eilen des betreffenden Organes auszeichnen. Je früher nun ein Organ
im embryonalen resp. fötalen Leben zur Entwicklung gelangt, desto
früher kommt es auch in histologischer Hinsicht zum Abschlüsse. Wir
linden deshalb derartige, noch im embryonalen Zustande verbliebene
Zellen relativ selten im Herzen, in der Leber, den Nieren, häufiger
schon in den Muskeln und am häutigsten im Gefdss- und Nervensystem,
als dem am spätesten in Bezug auf Wachsthum zum Abschluss gelan¬
genden.
ln letzterem entwickeln sich die embryonalen Bildungszellen ent¬
weder zu Nervenfasern oder zu Ganglienkörpern. Ersteros geschieht,
iiid**m sich die Zellen nach zwei Richtungen hin fadenförmig verlängern,
mit anderen reihenartig verbinden und schliesslich vom Kerne seitlich
abschniiren. Auf diese Weise entsteht der Axencylinder. Der Axcn-
cylinder kann nun einen verschiedenen Grad von Ausbildung erreichen:
er erscheint entweder scharf abgegrenzt, oder hebt sich nur unbedeutend
von seiner Umgebung ab, ja er kann, wie es scheint, selbst ganz fehlen
und wird dann (wie im N. sympathieus) durch das Protoplasma wenig
entwickelter Bildungszellen ersetzt, (ln der grauen Substanz des Ge¬
hirns und Rückenmarks scheinen unzählige Verbindungen auf letztere
Weise zu Stande zu kommen, und bei Fröschen hat Wal derer den
Ursprung von Axeneyl indem aus „Keimzellen’ 4 nachgewiesen.) Zuweilen
finden sich die Axencylinder in verschiedenen Abständen mit rundlichen,
schwach granulirten, kernhaltigen Körperchen besetzt, die als Ucberrcste
aus der Bildungsperiode aufzufassen sein dürften. (Diese Zellen hat
Verf. mehrfach bei Geisteskranken gefunden und sieht sie als Zeichen
einer mangelhaften Ausbildung des Gehirns an.)
Eine grosse Anzahl von Axencylindern ist bekanntlich mit Mark¬
scheiden umgeben. Letztere entstehen erst, wenn die Axencylinder be¬
reits ziemlich fertig gebildet sind; sie wachsen überaus langsam, fehlen
beim Neugeborenen noch an vielen Stellen (z. B. in den Pyramiden,
Himstielen), wo sie sich später vorfinden, sind beim Kinde noch dünn
und erreichen, wie es scheint, ihre volle Ausbildung erst im Mannes¬
alter. Die vollkommen entwickelten Markscheiden aus dem Gehirn- und
Riiekenmarke der Säugethiere erscheinen glasig glänzend, homogen und
vielfach doppelt gerändert, die aus dem sympathischen Nervensysteme
und dem cerebrospinalen der niedern Thiere dagegen häufig punctirt.
Begegnet man deshalb letzteren im Gehirn, so deutet dies auf ein theil-
weises Zurückbleiben in der Entwicklung.
Auch die Ganglienkörper sind vielfach verschieden. Die am höch¬
sten entwickelten stellen ganz bestimmt geformte (im grossen Gehirn
z. B. pyramiden- und kegelförmige), kernhaltige Protoplasmaklumpen
dar, von denen eine Anzahl Fortsätze ausgeht, und in denen die Ele-
mentarkdgelchen in bestimmten Zügen angeordnet sind. Man findet nun,
z. B. in den beiden Hirnrinden, dass die ungleich grössere Anzahl der
Ganglien eine weit weniger differenzirte Form zeigt, und glaubt Verf.
deshalb zu der Annahme berechtigt zu sein, dass das menschliche Ge¬
hirn noch nicht den Höhepunkt seiner Entwicklung erreicht habe,
sondern sich mit einer Unzahl seiner Fasern auf einer relativ niedrigen
Stufe der Ausbildung befinde. Eine höhere Entwicklung, wozu unzweifel¬
haft die Vorbedingungen gegeben sind, ist ihm möglicherweise noch
Vorbehalten.
In einzelnen Gehirnen trifft man überall auf gut entwickelte Gan¬
glien, in anderen finden sich dieselben sparsam oder auf einzelne Partien
beschränkt: ein Zeichen, dass das betreffende Gehirn in einzelnen Theilen
eine verschiedene Ausbildung erlangt habe. Die einseitigen Fähigkeiten
und Talente bei sonst mittelmässiger Beanlagung, niedrige Begierden bei
hervorragender Intelligenz u. s. w. dürften in einer solchen partiellen
Ungleichheit der Hirnrinde ihren Grund haben.
Die Quantität der psychischen Leistungen ist mit der grössten
Wahrscheinlichkeit an die Quantität der Rindensubstanz gebunden. Das
Gehirn eines Buschweibes, welches den Typus ihrer Racc rcprilsentirte,
fand Gratiölet arm an Windungen und diese sehr einfach und wenig
entwickelt; das Gehirn eines Voltaire, Beethoven zeichnete sich vor
tausend anderen durch die Unzahl seiner Windungen aus, und bei
Gauss fand Wagner sogar die Centralwindungen mehrfach zerklüftet.
Die Qualität der Leistlingen ist vorzugsweise von der Differenzirung
der Elemente abhängig. Sind die Axencylinder nicht gehörig entwickelt
oder von ihrer Umgebung losgelöst, so werden sie einestheils ihren
Dienst früher versagen, anderenteils die Erregung leichter auf ihre
Umgebung übertragen. Eine leichte Erschöpfbarkeit, eine Neigung
zu allerlei consensucllen Vorgängen (Mitempfindungen, Mitbewegungen
u. s. w.), wie wir dies bei Kindern und zurückgebliebenen Individuen
so häufig sehen, wird die naturgemässe Folge davon sein. Aehnlich
verhält es sich mit den Markscheiden, deren mangelhafte Entwicklung
sich post mortem namentlich bei Personen findet, die sich im Leben
durch nervöse Affectionen aller Art ausgezeichnet haben.
In den wohl ausgebildeten Ganglien ist das Protoplasma in ganz
bestimmten Zügen angeordnet, welche für die Fortleitung der Erregung
nicht ohne Belang zu sein scheinen. Eine Verbindung der Ganglien¬
körper unter einander durch Fortsätze ist bis jetzt noch nicht gefunden
worden, sondern wird indirect durch das Protoplasma vermittelt, in
welchem die Ganglienkürper eingebettet liegen. Ist diese Verbindung
kurz, so werden die Erregungen präcise übergeleitet, ist sie lang und
überdies breit, so führt sie leicht zu Abschwächungen, Zerstreuungen
und auf Abwege. Statt einer bestimmten, klaren Vorstellung wird eine
unbestimmte, durch allerhand nebensächliches getrübte ins Leben gerufen.
Je häufiger bestimmte Nervenbahnen benutzt werden, desto prompter
functioniren sie und desto mehr treten die Miterregungen in den Hinter¬
grund — eine Thatsache, welche den Einfluss der Erziehung und Bil¬
dung auf unser Denken und Handeln erklärt.
Von der Entwicklung der Ganglienkörper und ihrer Verknüpfung
unter einander hängt demnach die Schärfe der Auffassung ab; der klare
Kopf, der gesunde Menschenverstand wird deshalb als Resultat einer
möglichst weit gediehenen Differenzirung der Ganglienkörper sein.
Sprudelnden Geist und sprudelndes Leben finden wir vorzugsweise in
der Jugend, wo die Erregbarkeit an und für sieh grösser ist und ein
Ueberspringen des Reizes nach verschiedenen Richtungen hin wegen
Mangels fester Verbindungen möglich ist.
Jode mangelhafte Differenzirung bedingt Schwäche und leichte Er¬
schöpfbarkeit. Verstandesmenschen sind die geistig dauerhaftesten;
geistvolle, pikante Gesellschafter, übermüthige Witzbolde, die aber sonst
nicht gerade viel gescheutes leisten, das sind diejenigen, welche ein
beträchtliches Contingent zu den Bewohnern der Irrenhäuser liefern.
Die vorliegende, ziemlich umfangreiche Arbeit bietet eine solche
Fülle zum Theil ganz neuer Anschauungen und geistreicher Betrach¬
tungen, dass an dieser Stelle unmöglich mehr als ein kurzer Auszug
gegeben werden kann und im übrigen auf das Studium des Originals
verwiesen werden muss. Jacubasch (Berlin).
V. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Allgemeiner aritlieher Verein in Coln.
Sitzung vom 14. Januar 1878.
1) Das Protocoll der letzten Sitzung wird verlesen und genehmigt.
2) Herr Becker berichtet über einen kürzlich von ihm hierselbst
behandelten Fall von Typhus recurrens, dem ersten, der hier am
Rhein zur Veröffentlichung gelangt ist. Zum Schlüsse erwähnt der
Yortr. noch einer in diesem Falle beobachteten auffallenden Chinin-
Intoxication, welche nach einer Dosis von 2 Mal täglich 1 Gramm ein¬
trat. Diese Intoxication trat nach dem 1. Rückfälle ein; Patient, der
bis dahin nie eine Spur psychischer Störung gezeigt, kündigte plötzlich
starren Blickes an, er würde sogleich wahnsinnig werden, verfiel bald
darauf in Trismus und tetanische Krämpfe des ganzen Körpers, welche
einzeln von der Dauer einer Viertelminute, allraälig schwächer werdend
nach zwei Stunden durch einen ruhigen Schlaf ausgelöst wurden.
Sitzung vom 28. Januar 1878.
1) Das Protocoll der letzten Sitzung wird verlesen und genehmigt.
2) Herr Birnbaum spricht über ärztliche Vereine und stellt den
Antrag, dass der Verein sich als Schiedsgericht für alle ärztlichen Diffe¬
renzen constituire.
3) Herr Bardenhewer bespricht auf Grund sehr zahlreicher eige¬
ner Beobachtungen und der bis jetzt vorliegenden Veröffentlichungen
die Indicationen zur Anwendung des Pilocarpinum muriaticum.
Nach Erörterung der physiologischen Wirkungen des Alkaloids und der
Theorie derselben werden als die wichtigsten Indicationen der thera¬
peutischen Anwendung die acute parenchymatöse Nephritis und
die exsudative Pleuritis aufgestellt. Bei den meisten Formen des
Hydrops ist eine bedeutende symptomatische Hülfe zu erzielen. Die
Frage nach der Anwendung des Mittels bei Syphilis, Hautkrankheiten,
einzelnen acut fieberhaften Krankheiten u. s. w. hält Vortr. noch nicht
für spruchreif. Bei einiger Vorsicht und richtiger Dosirung bleibt die
Wirkung fast ausnahmlos von unangenehmen Nebenerscheinungen frei.
An der Discussion betheiligen sich die Herren Saraelsohn, Bar¬
denhewer und Riegel.
Sitzung vom 25. Februar 1S78.
1) Das Protocoll der letzten Sitzung wird verlesen und genehmigt.
2) Herr Michel: Ueber Schlingbeschwerden.
Der Vortr. erörtert zunächst den Schlingmechanismus, wie die Muskeln
des Schlundkopfs, der Kehle insbesondere sich daran betheiligen. Es
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BKRLINKR KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 35
wird eine Uebersieht gegeben von den acuten Krankheiten, die Schmerzen
erzeugen beim Schlucken, wobei einige Fülle von acuter Entstehung zahl¬
reicher gelber Bläschen auf der geschwollenen und gerötheten Phorynx-
und Larynxsehleimhaut erwähnt werden; nach dem Vonrange von Bre¬
ton neau u. a, wird diese Affection mit dem Namen Herpes pharyngis.
laryngis bezeichnet. Eine eingehendere Besprechung erfährt, das vom
Vortr beschriebene selbstständige acute Uedem der vorderen Kchldeckel-
fläche (Angina epiglottica anterior), wobei der Vortr. die .Ansicht iiussert,
dass gewiss manchmal Kinder, die Nachts plötzlich unter den Erschei¬
nungen des Croups erkranken, von dieser AtTection befallen sind. Als¬
dann wird darauf hin gewiesen, dass auch von seiten der Trachea Schmerzen
beim Schlucken herkommen können, besonders bei Entzündung im obersten
Abschnitt derselben. Vortr. berichtet von einem Falle, ein Dienst¬
mädchen betreffend, in welchem Aphonie, mühsames, geräuschvolles
Athmen, Schnurz beim Schlucken ein bedrohliches Krankheitsbild ab¬
gab cn ; es zeigten sich nur die untere Kchlkoplhöhle und der oberste
Abschnitt der Trachea mit grüngelben Borken grösstentbrils ansgefüllt,
nach deren Entfernung die Schleimhaut crodirt erkannt wurde. Gele¬
gentlich der Erläuterung der durch chronische Entzündungen im Rachen
u. s. w. veranlassten Beschwerden bemerkt der Vortr., dass die Hyper- j
trophie der Tonsillen auch deshalb besondere Berücksichtigung verdiene, j
weil anerkanntennassen die Diphtheritis meistens zuerst an den Mandeln !
auftrete. Eine möglichst kleine Beschaffenheit des Bodens, worauf die j
Diphtheritis sich mit Vorliebe zuerst entwickle, dürfte relativen Schutz |
gegen die Krankheit bieten.
Von rein nervösen Schlingbeschwerden erwähnt Vortr. einige Beob¬
achtungen bei nervösen Personen, die normale Empfindlingen für krank¬
hafte hielten. Den Schluss des Vortrags bildeten Lähmungen. Krämpfe
der Schlingmuskeln, des Oesophagus, die Aufführung der Hindernisse
für den Sehlingact, welche vom äusseren Halse ausgehen können.
3) Herr Barden he wer zeigt ein Careinom des Oesophagus, das
in die Aorta perforirt. war. ;
Das Präparat entstammt einem 42jährigen Patienten, welcher, nach- |
dem seit einem halben Jahre die Symptome einer Oesophagus-Stenose 1
sich eingestellt hatten, am 9. October 1877 in das Hospital aufgcnomineu
wurde. Pat. vermochte nur flüssige Nahrung zu sich zu nehmen; er
war abgemagert und kraftlos. Die Sonde wies ein Hinderniss im untern
Theil der Speiseröhre nach. Pat. nahm allmählig an Körpergcwioh'
wieder zu und vermochte allmälig wieder feste Bissen zu schlucken. Da
trat plötzlich am 24. Februar 1878 gleich nach G<*nuss der Abendsupp«'
abundante Ilämutcmcsis ein und nach einigen Minuten der Tod. — Bei
der Seetion zeigte sich der untere Theil des Oesophagus in der llühen-
Ausdehnung von 10 Cent, in ein cinguläres, an der Cardia scharf be- ;
grenzt, endigendes Krebs-Geschwür verwandelt, welches die Wand nur wenig 1
verdickte. Ungefähr in der Mitte der Geschwulst ist die Aorta thorac. desc 1
an den Oesophagus angdüthet. An der entsprechenden Stelle der Aorta.
10 Cent, unterhalb der Abgangsstelle der A. subclavia sin. eine 1 Cent,
im Durchmesser betragende runde Stelle, welche erweicht und grün¬
gelblich verfärbt ist; in der Milte derselben ein kleines Blutgerinnsel,
welches einen 4 Mm. grossen, horizontal gestellten, zackigen Riss ausfüllt.
Oesophagus und Magen mit viel Blut angefüllt. An der Aorta kein
Atherom. Alle übrigen Organe blutleer, sonst ohne bemerkenswert he
Veränderungen.
4) Herr Bo esc theilt einen Fall von Darmstenose mit, der in diffe¬
rentiell-diagnostischer Hinsicht interessant ist. Derselbe täuschte näm¬
lich vollkommen die Symptome einer beträchtlichen Magenectasie vor.
Er betraf einen 33jährigen Mann, der seit langer Zeit an schlechter Ver¬
dauung, Aufstossen, Kollern im Leibe, angehaltenem Stuhl und Leib¬
sohmerzen litt. Die Untersuchung ergab in der Magengegend, der Lage
des Magens entsprechend, eine Zone gleichmässig hohen tympanitischen
Schalles, dessen untere Grenze zwischen Nabel und Symphyse verlief,
in dessen Bereich und namentlich an der unteren Grenze häufige x>eri-
staltische Bewegungen sicht- und fühlbar waren, denen sich ein kollern¬
des Geräusch anschloss, wie wenn man Flüssigkeit in einem grossen,
lufthaltigen, glattwandigen Raume schüttelt.
Schüttelnde Bewegungen des Abdomen erzeugten ein lautes, weit¬
hin hörbares Plätschern; die P«3rcussion bei aufgelegtem Ohr liess die
schönsten Metallphänomene vernehmen, Lagewechsel des Kranken verän¬
derte die Dämpfungsgrenze. Dazu kam anamnestisch ein Suicidiums-
versueh mit rothem Quecksilbcrpräcipitat, nach welchem unter anfäng¬
lichem Blutbrechen und heftigen Magenschmerzen allmälig das jetzige I
Leiden eingetreten war. Ausserdem hatte der Mann an Lucs gelitten.
Die Magenpumpe und präcise geregelte Diät brachte anfangs grosse Er- j
leichterung. Nach mehrmonatlicher Behandlung mit abwechselnder Besse- I
rung und Verschlimmerung trat ziemlich plötzlich grosse Schwäche und j
fast absolutes Unvermögen von Nahrungsaufnahme ein, die jedesmal von ;
den heftigsten Schmerzen und krampfhaften peristaltischen Bewegungen
der Därme gefolgt war. Es wurde zur Ernährung mit Fleisch-Pankreas-
Clystieren geschritten und das Darmrohr jedesmal mit einer Hegar’schen
Eingiessung gereinigt. Damit verlor sich plötzlich der bis dahin be¬
stehende; hochgradige Meteorismus, und es entleerten sich in dünnen
Stühlen eine Menge von Obstkemen, namentlich Aepfel- und Birnen¬
kerne, Rosinensteine und Knöchelchen von Krammetsvögeln, alles Dinge,
die Pat. seit Jahresfrist, nicht mehr genossen hatte. Diese Speisereste
wurden von da an bis zu dem 14. Tage später erfolgten Tode täglich
mehrmals in grosser Menge entleert. Die Seetion ergab, dass der Magen
ganz intact war; die grosse Höhle, welche denselben vortäuschtc, be¬
stand in einer enormen Ausweitung des Colon ascendens, welche ihrer¬
seits durch einen ule-rosen Proeess in der ganzen Wand dieser Colon¬
partie und durch Verengerung an der oberen und unteren Grenze des¬
selben bedingt war. Die Wand der Höhle war mit zahlreichen Geschwüren
bedeckt, die zum Theil tiefe Taschen unter der Schleimhaut bildeten,
in denen Obstkerne und Knoehenstückehen noch in Menge steckten:
die Strieiurstellen wurden durch den narbigen Abschluss des uleerösen
Processus gebildet. An anderen Stellen war die Wand des Sackes dem
Durchbruch nahe und dort starke Injeotion des Peritoneums vorhanden,
sonst keine Zeichen einer Peritonitis.
VI. Feuilleton.
Die Curorte der Riviera di ponente in ihrem
therapeutischen Werthe in Bezug auf Klimatologie
und Seebäder.
Von
weiland Geheimrath Professor l)r. Lebert in Nizza.
(Fortsetzung.)
Die Anlage zu häufigen Bronohialeatarrhen in Folg«? von Haut-
schwäehe und oftmaligen Erkältungen wird durch Nizza und die Riviera
Überhaupt um so besser bekämpft, je mehr man damit die Meereshydro¬
path io, kalte Waschungen, kalte Abreibungen mit Seewasser, später See
bäder von kurzer Dauer verbindet.
Seit längerer oder langer Zeit bestehender chronischer Bronehial-
catarrh ist an und für sieh nicht oder nur ausnahmsweise gefährlich,
wird es aber nicht selten in der schlechten Jahreszeit durch die Häufig¬
keit acuter Exacerbationen, welch«; sich bis zur gefährlichen Bronchio¬
litis und zu der noch ominöseren Bronchopneumonie, welch«; besonders
hei Greisen so bedenklich ist, steigern. Unsere klimatische Cur kann
hier sehr nützen, jedoch müssen di«:>«..* Pate nten sieh besonders den Vor-
siehtsraassregoln unterwerfen . welche wir bald für den Aufenthalt au
der Riviera als allgemein nothwendig kennen lernen werden. Grösste
i Vorsicht: in Bezug auf Erkältung ist auch dann im Süden wie im Norden
nothwendig. Was wir vom einfachen chronischen Catarrh gesagt haben,
gilt auch von dem, welcher mit Broncliialerweiterung oder mit Lungcn-
emphysem coinplicirt, oder durch dieselben hedimrt ist.
Auch gegen ein anderes Element des Emphysems ist die Riviera
oft nützlich, gegen die habituelle Kurzathmigkeit und die bis zum Asthma
gesteigerten Paroxysmen. Im allgemeinen passen hier die geschützten
Lccalitäten der verschiedenen Stationen. Indessen sind Dyspnoe und
Asthma insofern unberechenbar, als sic nicht selten durch eine Locali-
tüt durchaus nicht gemindert, ja gesteigert werden, während eine andere,
oft nahe, ohne dass man sich über den Grund Rechenschaft gehen kann,
die Patienten sehr erleichtert. Hier kommt es also auf Versuche an,
welche sich aber durch bestimmt«; Regeln nicht formuliren lassen.
Befinden sich an Bronchialerweiterung oder an Lungenemphysem
Leidende bereits in einem der Cachexie nahen Zustande, besteht aus¬
gesprochene Neigung zu Wassersucht, allgemeiner Schwäche, Abmagerung,
so erspare man ihnen die weite, unnütze, eventuell qualvolle Reise.
Bestehen jedoch Oedcm, Anasarca, stärkere Dyspnoe nur ganz vorüber¬
gehend, so kann der Aufenthalt in unseren klimatischen Curorten noch
sehr nützen. Gern verbinde ich dann mit ihrer Wirkung die der Jod-
priiparato, dos Jodkalis, des Jodeisens.
Die Krankheiten der Pleura verdienen hier unsere besondere Auf¬
merksamkeit. Wir wissen, wie mannigfach und innig oft der Zusammen¬
hang zwischen Pleuritis und Tuberculose ist.
Schon an und für sich ist ein länger dauernder, reichlicher Pleura¬
erguss nicht ungefährlich, und wird bedenklich, wenn die eitrige Natur
des Ergusses wahrscheinlich wird, oder durch eine Punction constatirr
worden ist.
Nun ist aber nicht nur eine der nicht seltenen Folgen lange dauern¬
der Pleuraergüsse die Tuberculisirung der Athmungsorgane, sondern
besteht auch diese bereits öfters vorher latent und der Pleuraerguss ist
nur ihre Folge.
Aber auch ohne diese so bedenkliche Complieation leidet untc
dem Einfluss chronischer Pleuritis fast immer das Allgemeinbefinden sehr.
So kommen der Gründe viel«; zusammen, um in der Convaleseenz
dieser so multiform bedenklichen Krankheit einen längeren Aufenthalt
an der Riviera zu rathen. Die Ruhe, die gute Hygiene, die reine Luft,
das milde, sonnenreiche Klima können hier mannigfachen Gefahren Vor¬
beugen und die geschwächte Gesundheit wieder zur Norm, ja zu dem
Gefühl von Kraft und Behaglichkeit zurück führen.
Wo in solchen Fällen aber noch eine gewisse Menge des Ergusses,
ein habituelles Fieber existirt, das Allgemeinbefinden gelitten hat, hüte
man sich, den Kranken, welche passende chirurgische Hilfe zu Haus«;
noch retten kann, den Strapazen der weiten und anstrengenden Reise
auszusetzen.
Scrophulose und Tuberculose sind, wie wir wissen, ohne identisch
zu sein, mit einander nahe verwandt, und oft combinirt. Es handelt
sich also hier festzustellen, was die Riviera der Scrophulose gegenüber
zu leisten im Stande ist.
Sowohl die mehr rein chronisch entzündlichen Localisationen der
Scropheln der Haut, des subcutanen Zellgewebes, der Sinnesorgane, der
Knochen, der Gelenke, wie auch die Tuberculose der oberflächlichen
Lymphdrüscn, welche diese Zustände so häufig begleitet, werden sehr
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2. September 1S7S.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
531
günstig durch das südliche SeekWiaa modificirt. Besonders zu rathen
ist der tägliche lange Aufenthalt im Freien und am Meere selbst bei
mehr bestehender Anlage und in den nicht zu intensen Localisationen.
Haben die Patienten starke Eiterung mit Fieber, besonders bei intensen
Wirbel- und Hüftleiden, so ist der Aufenthalt nicht indicirt, während
massige Eiterung und geringes Fieber günstig modificirt werden.
In den meisten Fällen wirkt also das Klima sehr günstig, und wird
es durch inneren Gebrauch von Leberthran und Jodkali, durch warme
Seebäder im Winter und Baden in der See von Anfang April an, sowie
im Herbst bis Mitte, selbst Ende November sehr unterstützt.
Wir haben deshalb auch in unserer vortrefflichen raedieinischen
und klimatologisclien Gesellschaft von Nizza schon mehrfach die Frage
eines Asyls für unbemittelte Scrophelkianke angeregt. In Bezug auf
wanne Seebäder ist nicht unwichtig, dass, bei den 4 Procenten fester
Bestand Itheile des Seewassers, ein solches Bad einem Soolbad mit 8—10
Liter Soole entspricht. Auch künstliches kohlensaures Seewasser mit
Jodkalizusatz, nach später anzugebenden Regeln, kann die Cur unter¬
stützen. Gewiss hat die südlich-marine und klimatische Therapie der
Scrophulose viel Zukunft.
Herzkrankheiten sieht man an der Riviera in viel geringerer Zahl
als Briistkrankheii.cn, aber doch hinreichend, um sieh ein Unheil zu bilden,
was mir um so leichter wird, als ich hier die Verhältnisse und Indiea-
tihnen ähnlich finde, wie für Montreux.
Durchschnittlich günstig wirkt, bei passender Hygiene und guter
Leitung der Cur. das Klima der Riviera bei Neurosen des Herzens. Diese
Kranken dürfen nicht zu nahe an der See wohnen. Etwaige momentane
Exacerbationen. welche Arzneien nötliig machen, weichen der Combina-
tion von llromkali und Chinin.
In Montreux habe ich mehrfach lferzneurosen durch Nicotinvergiftung,
Missbrauch der Cigarren beobachtet und gümstig verlaufen gesehen.
Gewiss hat auch hier die Riviera den gleichen Erfolg. Natürlich müssen
die Patienten dem Tabak entsagen. Dann schwinden aber auch die
anderen lästigen Erscheinungen, wie Schwindel, Sehstöruntren etc.
Nicht selten sieht man wohlb* leible Kranke mit häutiger Dyspnoii,
besonders nach starker Bewvomig und Steigen, bei denen eine Uoher-
ladung des Epleardiums mit Feit nnznnehmen ist. Diesen ist der süd¬
liche Winter nützlich, und können sie, neben Silzen im Freien und
vielem Spazirenfahren, sieh täglich massige Bewegung machen, ohne zu
steigen. Die Nähe des Meeres ist ihnen nützlich, so wie auch tägliches
Sitzen am Meere in geschürzter Local inii. Dass man auch hier die Diät
so einrichten muss, dass die Fettbildner in relativ geringer Menge, je¬
doch aümälig und nicht zu rasch abnehmend, genossen werden dürfen,
ist se 1 bstverstünd 1 ich.
Eine klimatische Cur hat hier um so grösseren Werth, als ja auch
die Fett Überladung sich vom Kpicardium leicht zwischen die Muskelbündel
eindrängt, und so fettige Degeneration oder chronischen Reizzustajid der
Herzmuseulatur bewirken kann.
Bei der sonstigen chronischen Myocarditis und fettigen Muscnlar-
degeneration passt die südliche Cur nur in wenig vorgerückten oder in
langsam verlaufenden Fällen, mit noch nicht tiefen Kreislaufsstörungen,
Eine eigentliche Einwirkung auf Herzverfettung hat das Klima der Ri¬
viera nicht.
Was die chronische Endocardilis und die Klappenfehler betrifft, so
hat unser Klima auch keinen eigen tli Um liehen Einfluss auf dieselben.
Ruhe, Leben im Freien und passende Hygiene sind denen besonders
nützlich, bei denen der Verlauf ein langsamer, das Allgemeinbefinden
ein gutes ist, die Beschwerden relativ gering sind. Sind bedeutende
Athembeschwerden. Neigung zum Blutspeien, zur Wassersucht vorhanden,
so passt unser Klima nicht mehr. Hat man solche Kranken dennoch
zu behandeln, so weicht die symptomatisch hygienische Behandlung hier
nioht von der gewöhnlichen ab.
Mitunter, und hier mit vollem Recht, schickt man Patienten im
Winter nach dem Süden, wegen häufiger Anfälle von acutem Gelenk¬
rheumatismus, welche dann jedesmal den Klappenfehler verschlimmern
können. Diese Anfälle sind im Süden ganz ungleich seltener, und kann
daher diesen Kranken der Süden wirklich nützen.
Wegen chronischen Rheumatismus und Neuralgien wird die Riviera
nicht selten im Winter aufgesucht, und habe ich mehrfach gute Erfolge
beobachtet. Das relativ eher trockene als feuchte Klima bekommt be¬
sonders den an chronischem Muskelrheumatismus Leidenden gut, wenig¬
stens das von Nizza- Die Meeresnähe ist diesen Patienten weniger zu¬
träglich als geschützte Localitäten. Das gleiche gilt von rheumatischen,
von anämischen Neuralgien. Im Winter entwickeln sich mitunter in
Nizza Frontal Neuralgien, welche rasch grösseren Chinindosen weichen.
Gichtkranke haben durchschnittlich seltenere und weniger intense
Anfälle, weil sie sich viel Bewegung machen, und auch sonst das warme,
sonnen reiche Winterklima ihnen sehr zusagt.
Leber Arthritis deformans habe ich keine Erfahrung, und zweifle ich
an gutem Erfolge, leichtere Fälle abgerechnet. Gegen hochgradige, längere
Zeit dauernde derartige Erkrankungen, habe ich bis jetzt weder von
Bädern, noch von klimatischen Kuren befriedigende Resultate gesehen.
Anämische Zustände, Chlorose in ihren verschiedenen Formeu
werden in Nizza sehr gebessert oder geheilt, vorausgesetzt, dass ihnen
nicht eine tiefere organische Erkrankung zu Grunde liegt. Anämie durch
Blut- und Säfteverluste, welche gehoben sind, oder gehoben werden
können, Anämie durch mehr oder weniger tiefe Nervenstörungen werden
mit Erfolg behandelt und ist hier die marine Hydropathie mit der kli¬
matischen Cur zu verbinden.
Chronische Nervenkrankheiten hysterischer Natur, oder mehr oder
weniger an Hysterie grenzend, werden mit um so besserem Erfolge oft
behandelt, als diese Kranke, welche in der Heimath oft für Monate im
Winter an’s Zimmer gefesselt sind, an der Riviera förmlich im Freien
leben und täglich Stunden lang an der See sitzen können, sowie auch
mit Erfolg kalte Abreibungen machen und später in der See baden.
Gegen krampfhafte Neurosen leistet die Riviera wenig. Indessen
würden mich einige günstige Erfolge nordischer Seebäder in hartnäckiger
Chorea, ohne Herzcomplication, ermuthigen, die Wirkung des milden
Winters mit Hydropathie, mit auch im Winter, oder schon früh im
Frühjahr zu nehmenden Seebädern zu c-ombiniren und eventuell auch
längere Zeit kleine Dosen Arsenik gebrauchen zu lassen.
Epileptiker haben ihre Anfälle wie anderwärts.
(Fortsetzung folgt.)
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. Bei der jetzt in den Südstaaten Nordamerika^ in furcht¬
bar verheerender Weise herrschenden Gelbfieber-Epidemie möchte der
folgende Auszug eines an Herrn Prof. v. Heyden in Dresden gerich¬
teten, uns vor längerer Zeit zur Veröffentlichung überlassenen Briefes
des Herrn Cid legen Dr. Ilartwig Iiünz in Savannah von besonderem
, ln teres.se sein:
„Als gegen Ende August 1876 das gelbe Fieber in der Stadt Sa-
, vannah, Staat Georgia, sein Erscheinen machte und in kurzer Zeit sich
I zu einer so rasend wüthenden Epidemie entwickelte, dass der Mayor der
i Stadt um Hülfe von auswärts bitten musste, war ich der erste Arzt,
der diesem Rufe Folge leistete. Ich hatte das gelbe Fieber schon zu
zwei verschiedenen Malen keimen gelernt und reiste von Wilmington
J N. C. mit der bestimmten Absicht ab, meinen schon seit Monaten ge-
I hegten Wunsch, der Safieyl änre in dieser Krankheit einen gebührenden
| Versuch zu gönnen, zu erfüllen. Bei meiner Ankunft und nach Exa-
mination einer Anzahl von Fällen in verschiedenen Hospitälern musste
j ich zu der Ueberzeugung kommen, dass wir es mit dem intennittireiiden
j Typus des gelben Fiebers zu thun hatten, und wurde ich dadurch in
j meinem Entschluss, das Acid. salicyl. in Anwendung zu bringen, na-
j türlich noch bestärkt. Nach Anwendung der gewöhnlichen ersten Mittel
l (wie nämlich in der Havannah, Cuba, dieses Fieber behandelt wird):
als Emetiea, Pcdiluvien. Purgativa, Sudorifiea, und absolutem Hunger,
kalten Cataplasmcn auf den Kopf, Campherspiritus und Belladonna-
! Tinclur, sowie kleinen Dosen Tinet. aconiti., habe ich mich in keinem
: Falle darin getäuscht, dass ich fest auf eine innerhalb 24 bis 36 .Stun¬
den eintretende Remission rechnete. Dieses ist die Zeit, wo sonst das
Chinin als angegeben betrachtet, und als das mächtigste Mittel gepriesen
wurde. Statt dessen wandte ich nun hier, wie ich fest überzeugt bin,
zum ersten Mal, die Salieylsäure an, und zwar in einer Dosis von
1 \ 2 Drachmen beim Erwachsenen. Theils gab ich das Acid. sal. in
Lösung, theils in Gelatine-Capseln, öfter auch in Substanz als Pulver für
sieb allein oder mit Zucker verrieben. Stets habe ich die besten Erfolge
gehabt. Die Temperatur, die zwischen 104 —106° F. (40 — 41,1° C.)
zu sein pflegt«, ging bis auf 100" (37,77° C.), oder mindestens
doch auf 100,5° F. (38,05° C.) herab, in manchen Fällen auch
auf 09 0 (37.2° C.) und noch darunter, und der Puls, der durchschnitt¬
lich einige 120 Schläge zählte, oft noch bedeutend mehr, wurde fast
immer auf seine Norm zurückgedrückt. Mit diesem Erfolg bei sorg¬
fältiger Pflege und genauer Beobachtung der sich ferner noch zeigenden
Symptome, besonders in betreff des Urins und des Magens, hielt ich mich
nun stets bere ’ts für den Sieger über die Krankheit. Für den Fall dass
der Magen nicht im Stande war, das Medicament aufzunehmen, habe ich
es mit demselben Erfolg in doppelter Dosis als Clysma verordnet, aller¬
dings zum grossen Unbehagen der Patienten. Ich halte das Acidum
• salieylicum für das mächtigste Antipyreticuin beim Gelbfieber, und ich
bin der festen Ueberzeugung, dass die antipyretische Behandlung dieser
Krankheit die allein richtige ist, nur muss allerdings die Salieylsäure
so gegeben werden, wie Dr. Bellotte in Havannah vom Chinin sulph.
sagt: „il fallt qu’il soit bien indique, bien administre, et ä une dose
I convenable.“
Ob die antiseptischen Eigenschaften des Acid. salic. eine Rolle mit-
l gespielt haben, wage ich nicht zu entscheiden, da bei der ungeheuren
i Arbeit, die auf unfern Schultern lag, und die uns nicht einmal Zeit
| zum Essen liess, es eine reine Unmöglichkeit war, Untersuchungen über
die Beschaffenheit des Blutes anzustcllen. Später bekam ich selber
j einen heftigen Anfall der Krankheit, die mich 11 Tage an’s Bett fesselte,
| und nach meiner Genesung war ich lange Zeit so nervenkrank und
schwach, dass ich gezwungen war, ein nördliches Klima aufzusuchen.
Als ich wieder nach Savannah zurückkam, war die Epidemie be¬
reits erloschen. Das aber kann ich noch als Thatsache beifügen, dass
in den Fällen, die mit Chinin behandelt wurden, die Schmerzen im
Rückgrat und in den Gliedern stets den Patienten bedeutend mehr zu
1 quälen schienen, als bei der Anwendung von Aeid. salicylic. Als ich
selber heftig erkrankte, verordnet« ich mir (um zu versuchen, ob die
| Krankheit nicht zu chockiren, oder vielleicht gar zu coupiren sei)
1 V 2 Drachmen Aeid. salic. in einer Dosis und in Substanz unver-
mischt sofort beim Ausbruch der Krankheit, und ohne eine Remission
abzuwarten, was ich bei einem andern allerdings nicht gewagt hätte.
So schwer krank ich später dann auch gewesen bin (vielleicht besonders
auch weil das Mittel nicht indique und mal administn 4 war), ich kann
mich nicht erinnern, diese heftigen Kreuz- und Gliederschmerzen über-
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIET.
No. 35
haupt gehabt zu haben. Freilich muss ich wiederum hinzufügen, dass ich zwar wünschenswert, jedoch können auch Bewerber an einem andere 1 .
3 Tage und Nächte doliriös war, und mich ihrer vielleicht deshalb nicht Orte des Kreises Berücksichtigung finden.
erinnern kann, obgleich ich mir meiner sämmtlichen Delirium-Gebilde Stade, den 21. August 1S7S.
jetzt bewusst bin. Sei dem nuu wie ihm wolle, immerhin ist für mich Königliche Landdrostei.
das Acidum salicylic. sowohl beim intermittirenden als wie beim re- i -— —
mittirenden Typus des Gelbfiebers das beachtcnswerthestc Medicament; ■ Die Kreiswundarztstelle des Kreises Buk mit einem jährlichen <!*■■
ob es beim Typus contin. sich ebenso erfolgreich erweist, muss dieErfahrung halte von 600 M. ist erledigt. Qualificirte Bewerber wollen sich unt -
uns zeigen. Das Chinin hat bekanntlich bei diesem letzteren Typus ; Einreichung ihrer Zeugnisse und ihres Lebenslaufs innerhalb 6 VVoch-i
wenig oder keine Macht. Wenn ich diesen Winter mehr Müsse habe, ■ hei uns melden.
werde ich über meine Erfahrungen eine kleine Abhandlung mit genaue- J
ren Daten veröffentlichen. Bis dahin erlaube ich gerne jedem zu be¬
nutzen , was ich Ihnen in Kürze mitgetheilt. — Es starben unter Be¬
handlung mit Acid. salicylic. von 179 Patienten (Frauen, Kinder und ;
Männer) nur 4. Dr. Bünz. u i
Die gegenwärtige Epidemie ergiebt nach den bisherigen Meldungen
eine so erschreckend hohe Mortalitätsziffer, dass man leider annehmen j
muss, jede Therapie — und sicherlich ist auch viel mit der Salicylsäure, I
als einem neuen Mittel, experimentirt worden — habe sich machtlos
gezeigt. W r arten wir indess nähere, eingehende Mittheilungen ab, die
gewiss nicht ausbleiben werden.
— Der Privatdocent Herr Dr. Fasbender hierselbst, welcher seit j
längerer Zeit die früher von Herrn Prof. Schöller innegehabte geburts- |
hilf liehe Abtheilung der Charite provisorisch dirigirte, ist zum ausser¬
ordentlichen Professor an der hiesigen Universität ernannt worden. Die
Leitung der genannten Abtheilung wird vom 1. Oetober an Herr
Prof. Gusserow, welcher aus Strassburg in die hiesige Facultät be¬
rufen ist, übernehmen.
VII. Amtliche Mittheilungen.
Personal!».
Posen, den 22. August 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Inserate«
Verlag von August Hirschwald in Berlin.
Soeben erschienen die drei ersten Abtheilungen:
Jahresbericht
über die
Leistungen und Fortschritte
in der
gesammten Mediciii.
Unter Mitwirkung zahlreicher Gelehrten
herausgegeben von
Rud. Yirchow und Aug. Hirsch.
XII. Jahrgang. Bericht für das Jahr 1877.
2 Bände (6 Abtheilungen). Preis des Jahrgangs 37 R.-Mark.
Auszeichnungen: Seine Majestät der König haben Allergnädigst ge¬
ruht, dem Knippschaftsarzt Dr. Wilms zu Erfurt und dem prakti¬
schen Arzt Dr. Peine zu Nieheim den Character als Sanitätsrath zu
verleihen.
Anstellungen: Der bisherige Privatdocent Dr. Heinrich Fasbend er
ist zum ausserordentlichen Professor in der medicinisehen Facultät der
Universität zu Berlin ernannt worden.
Niederlassungen: Die Aerzte Sinai in Thora, Dr. Nünninghof
in Orsoy, Achenberg in Spangenberg, Dr. Weber in Schmalkalden,
Dr. Otto in Wiesbaden, Dr. Fester, Dr. Pauli und Dr. Lange in
Frankfurt a. M.
Verzogen sind: Die Aerzte Ober-Stabsarzt a. D. Dr. Müller von
Berlin als Kreisphysikus nach Schlochau, Meyer von Köslin nach
Thora. Weyl von Vandshurg nach Schulilz, Leupnld von Wiewiocken,
Dr. Pcipers nach Solingen, Dr. Stiff von Darp nach Linden,
Dr. van Ross um von Köln nach Kleve, Dr. Murdfield von Elber¬
feld, Dr. Sippcl von Hanau nach Bornheim, Dr. Metz von Spangen¬
berg nach St. Goarshausen, Stabsarzt a. D. Dr. Vogler von Kassel
nach Hofbieber, Dr. Brand mann von Grossenlüder nach Guxhaven,
Dr. Becker von Gummersbach und Dr. Ilaminer von St. Louis
(Amerika) nach Wiesbaden, Dr. Libbertz, zuletzt in Russland, nach
Frankfurt a. M., Dr. Adam Müller nach Rödelheim, Dr. Minor nach
Nassau, Dr. Lorent nach Falkenstein, Dr. Triesch von Oberursel
nach Frankfurt a. M., Dr. Jul. Schmidt von Wiesbaden nach Horch¬
heim, Dr. Gross mann von Ems, Dr. Simon von Nassau nach
Ludwigshafen und Sanitätsrath Dr. Wirth von Nennkirchen nach
Stuttgart, sowie der Zahnarzt Sporteder nach Düsseldorf.
Ap o th e k e n - A n ge 1 e g e n h e i 1 en: Der Apotheker B o e d i c k e r hat die
Maassen\sche Apotheke in Kaldenkirchen, der Apotheker Nachti¬
gall die Goosen’sche Apotheke in Orsoy übernommen, der Apo¬
theker Hopfer de l’Orme in Hanau hat seine Apotheke an den
Apotheker Wiegand verkauft, der Apotheker Rudolf Kastropp in
Salmünster hat die väterliche Apotheke übernommen, der Apotheker
Girs hausen hat seine Apotheke in Ncunkirchen an den Apotheker
Contzen verkauft, welcher die seinige in Dinslaken an den Apo¬
theker Otto Meyer veräussert hat, und der Apotheker Thill hat die
Philipps’sche Apotheke zu Eupen übernommen.
Todesfälle: Die Aerzte Dr. Schulze in Thorn, Sanitätsrath Dr. Theo¬
bald in Bergen, Dr. Friedleben, Dr. Gundersheim, Dr. Wal lach
und Geh. Sanitätsrath Dr. Schwarzschild in Frankfurt a. M.
Bekanntmachungen.
Die Kreiswundarztstelle des Kreises Warendorf ist vacant. Qualifi¬
cirte Bewerber werden hierdurch aufgefordert, sich unter Einreichung
ihrer Zeugnisse und eines ausführlichen Lebenslaufs bis zum 10. Sep¬
tember er. bei uns zu melden.
Münster, den 20. August 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Die Kreiswundarztstelle des Kreises Lehe ist zu besetzen. Aerzte,
welche das Physikatsexamen bestanden haben oder sich verpflichten,
dasselbe binnen 2 Jahren zu ahsolviren, werden aufgefordert, sich unter
Einreichung ihrer Zeugnisse innerhalb 6 Wochen bei uns zu melden.
Dass der Kreiswundarzt sich am Sitze des Kreisphisikus niederlässt, ist
Geographisch -medicinische Studien
nach den Erlebnissen
einer Reise um die Erde.
Von
l Dr. A. Wernich,
1 Docenten für specielle Pathologie «. Therapie a. d. Universität Berlin.
_ 1878. gr. 8. Preis: 10 Mark. _
Kranken-Anstalt zu Bremen.
Für einen erkrankten Assistenzarzt wird auf mehrere Wochen sofort
ein Vertreter gesucht. Etatsmässiges Gehalt und Reisekostenvorgutiguni:.
i Meldungen, jedoch nur von bereits upprobirten jungen Aerzten, erbitte 1
der dirigirendc Arzt
I _ Dr. Sc h olz.
Ihn älterer Arzt einer Provinzial-Stadt, welcher sich zur Ruhe setzen
| will, wünscht seine lohnende Praxis einem jungen Collegen zu über¬
geben. Käufliche Ucbernahme eines freundlichen Hauses und Garte!,'
unter soliden Bedingungen, erwünschte Adressen durch die Expeditr.-i,
dieses Blattes unter 0. U. 90 erbeten.
Ein j. Arzt wünscht die Vertretung eines Voilegen zu übernehmen.
Off, sub V. 91 d, Exped. d. Bl. _
Ein jüngerer Arzt mit besten Empfehlungen, seit 5 Jahren in 4:
Praxis, wünscht wegen Kränklichkeit sich in einem Curorte Italien"
I nicdcrzulasscn, welcher einem Anfänger zur Erlangung pract. Thätig-
keit möglichst günstige Aussichten bietet. Gefl. Auskunft durch di?
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Verlag und Eigenthum von August Hirschwald in Berlin. — Gedruckt hei L. Schumacher in Berlin.
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
sog. Lithoscop, an einer Steinsonde befestigt wird, oder nach dem
Vorschläge von Ralph, W. Leftwich 1 ) ein Stethoscop in Form
eines langen Gummischlauches, dessen eines Ende über den
Griff der Steinsonde gezogen wird, während das andere Ende
eine gewöhnliche Stethoscopplatte zum Anlegen an das Ohr
eines zweiten trägt; der Chirurg selbst hält die Steinsonde.
Diese Stethoscopplatte wird bei der angegebenen Verwendung
des Microphons gewissermassen ein Telephon vertreten.
Vor der Anwendung des Microphons zum Sondiren prüfe
ich zuerst durch Auflegen einer Uhr auf die wagerechte Platte,
ob die Töne derselben rein und deutlich ohne Nebengeräusche
hörbar sind. — Bei dem Sondiren kann man nun entweder
in der Weise vorgehen, dass man mit einer Hand das Microphon
an den Gummiröhren fasst und so mit der Sonde eingeht, mit
der anderen Hand das Telephon hält, oder dass ein oder meh¬
rere anwesende, von denen einer das Telephon hat, ihr Ohr
in die Nähe des Telephons bringen, während der Chirurg nur
das Microphon mit der Sonde führt.
Am Lebenden habe ich bis jetzt nur Sondirungen von
Fisteln, in deren Tiefe Knochen bloss lagen, vorgenommeu. Man
hört hierbei zuerst ein schwaches Geräusch, welches beim An¬
streichen der Sonde an den Wandungen der Fistel entsteht;
bei der Berührung des rauhen Knochens wird es durch ein
lauteres, auch in einiger Entfernung vom Telephon gut hörbares,
rauher klingendes Geräusch unterbrochen. Ebenso leicht kann
man unterscheiden, wenn die Sonde im Verlaufe eines Fistel¬
canals an einen Knochensplitter anstreicht. Es ist auf diese
Weise möglich, eine grössere Anzahl von Zuhörern, welche sich
um das Telephon gruppiren, gewissermassen an der Sondiruug
Thcil nehmen zu lassen. Man kann ferner bei genügender
Länge der Leitungsdrähte das Telephon bei einer beliebigen
Zahl entfernter sitzender oder stehender Zuhörer herumreichen.
Es ist so in dieser Anwendung des Microphons ein
sehr gut v erwert hbares Hülfsmittel für den Unter¬
richt- gegeben, besonders verwerthbar bei strenger Durch¬
führung der antiseptischen Methode. Man vermeidet, dass eine
grössere Zahl der Zuhörer die Instrumente und den Patienten
anfässt. Während der Untersuchung habe ich den Spra,y ge¬
brauchen lassen; er stört bei hinreichend feiner Zerstäubung
des Carbolwassers in keiner Weise.
Eine zweite Reihe von Versuchen stellte ich daun
so an, dass ich mit der Sonde verschiedene Körper: Knochen,
Holz, Metalle, Glas berührte. Es stellte sich bei diesen Ver¬
suchen heraus, dass sich nach einiger Uebung durch das Micro¬
phon unterscheiden lässt, ob die Sonde an einem Knochen, ob
sie auf Holz, Metall oder Glas aufstösst. Die bei diesen Son¬
dirungen mit dem Microphon entstehenden Geräusche sind deut¬
lich verschieden, während man beim einfachen Sondiren nur
das Gefühl hat, dass man an einen festen Körper anstösst.
Grade diese Unterscheidungsmöglichkeit zwischen Knochen einer¬
seits und den angegebenen Körpern andererseits bietet für die
differentielle Diagnose ein Hülfsmittel, wenn es sich
um die Entscheidung handelt, ob eine in der Tiefe
eines langen Wundcanals fühlbare rauhe Stelle dem
Knochen angehört, oder einem von aussen eingedrun¬
genen Fremdkörper, einer Bleikugel, dem Spreng stück
einer Granate, einem Stück Glas oder dgl. Es wird
diese Unterscheidung dadurch auch leichter werden, dass man
das beim Anschlägen der Sonde entstehende Geräusch mit einem
anderen Geräusche vergleichen kann, welches man durch Be¬
rühren der Sonde mit einem gleichen Fremdkörper, wie man
ihn in der Wunde vermuthet, hervorruft.
1) On an auscultatory sound. Lanct.L Ür!. 14, IsTG.
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No. 36
Eine dritte Frage, deren Entscheidung von besonderer
Wichtigkeit wäre, ist, ob bei der Berührung von festen Körpern
mit der Microphonsonde schon gut und deutlich vernehmbare
Geräusche entstehen, während man bei der einfachen Sonden¬
führung mit der Hand noch nicht das Gefühl hatte, dass man
mit der Sonde einen festeren Körper berührte. Dass es ver¬
mittelst etwas anders construirter Microphone möglich ist, das
Laufen eines kleinen Käfers, selbst einer Fliege zu hören, ist
bekannt; doch sind derartige Microphone, wie auch schon
H. Thomson hervorgehoben hat, für unsere chirurgischen
Zwecke nicht brauchbar. Es würden schon beim Anstreichen
der Sonde an den Fistelwandungen, an den Wandungen der
Harnröhre, der Blase sehr laute und während der ganzen Unter¬
suchung andauernde Geräusche entstehen. Bei dem von mir
gebrauchten, mit der Sonde verbundenen Microphon stellte sich
das Verhältnis« so, dass ich, sobald ein Geräusch am Telephon
deutlich hörbar wurde, auch das Gefühl hatte, als ob ich mit
i der Sonde den festen Körper, wenn auch nur ganz leise und
| unbestimmt, berührte. Ich muss also diese Frage vorläufig
| verneinend beantworten.
II. Zur Galvanocaustik,
! I. Stenose der Trachea. — II. Steüose des Larynx. —
i III. Ranula.
Von
Prof. Di. Voltolini in Breslau.
Wenn noch irgend Zweifel auftaueheu möchten, dass die
Galvanocaustik besonders in manchen Kehlkopf- und Luftröhreu-
krankheiten bis jetzt durch kein anderes Mittel zu ersetzen ist,
| dann werden wohl die folgenden Fälle eines anderen belehren.
| Ich wüsste keine andere Methode und kein anderes Mittel, wie
; den beiden Patienten in den beiden ersten hier beschriebenen
! Fällen dauernd und sicher hätte geholfen werden können, als
| durch die Galvanocaustik.
, I. Stenose der Trachea,
j Der Bäckermeister Kieling aus Rosenthal hei Breslau,
i 42 Jahre alt. hat mir über sein Leiden folgendes aufgeschriebeu:
j ~
I „Im September 1870 besuchte mich mein Schwager; als der¬
selbe wieder abreiste, begleitete ich ihn zum Bahnhöfe. Wir
hatten uns aber etwas verspätet und mussten den Weg in
schnellem Lauf zurücklegen, und ich hatte mich dabei so er¬
hitzt. dass mir der Schweiss in grossen Tropfen von der Stirn
I rann. Als ich in den Bahnhof eintrat, war der Luftzug so heftig,
dass in einigen Minuten schon mein Gesicht ganz trocken ge-
' worden war. Ich achtete weiter nicht darauf und begab mich
nach Hause. Am anderen Morgen ward ich heiser und ver¬
spürte Stechen im Halse; ich wendete Hausmittel an, aber ohne
| Erfolg. Es mochten 4 Wochen sein, als ich mich an einen
; Arzt wandte: abwechselnd trat Besserung, dann wieder Ver-
i schlinimerung ein, die mitunter so stark war, dass ich wegen
: Luftmangel fast über mein Vermögen mir meinen Beruf ver-
i richten konnte. Am 13. April 1877 wurde mein Sohn coufirmirt-
! und ich begleitete ihn zur Kirche; es war mein letzter Gang
| vor einer schweren Niederlage. Als ich unter der grösste
| Anstrengung wieder nach Hause gekommen war, brach ich
1 zusammen; man brachte mich ins Bett. Ich schickte sofort
zu dem früheren Arzte, da dieser aber nicht zu Hause war.
zum Dr. Becker. Dieser erklärte die Sache für lebensgefähr¬
lich und empfahl Professor Voltolini, zu dem ich sogleich
schicken sollte. Am anderen Morgen fuhr ich in Begleitung
meiner Frau zu dem genannten Herrn. Derselbe untersuchte
mich sofort, aber seine Antwort war für uns eine traurige: <r
verordnet** sofort starke Mittel und erklärte, als wir nach Haus«*
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UNIVERSITf OF MICHIGAN
9. September 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
537
fuhren, sobald am anderen nicht Besserung eintreten
sollte, gleich einen Boten zu ihm 2u schicken. Die Nacht dar¬
auf, nach gemachtem Besuche, war für mich eine schreckliche,
ich fühlte, so lange ich noch Besinnung hatte, dass mein Ende
herannahte; meine Füsse starben von unten herauf gänzlich ab,
ich verlangte bei meiner Todesangst Brot, zerpflückte und
würgte es hinunter, auch einen Schluck Wasser habe ich ge¬
trunken. Nachdem dies geschehen, weiss ich nichts mehr von
mir. Meine Frau glaubte, ich wäre todt; dies war ungefähr
2 Uhr Morgens. Um 5 Uhr kam allmälig wieder Leben in
mich; sofort wurde wieder zum Herrn Professor geschickt.
Derselbe verordnete wieder starke Mittel, erklärte aber, wenn
es bis Nachmittag nicht besser würde, müsste er den Hals
aufschneiden. Da keine Besserung eintrat, so wurde wieder
zum Herrn Professor geschickt, welcher dann um 4 Uhr mit
2 Herren eintrat; dieselben begannen nun ihr Werk!“
Ich habe durch diese Erzählung des Pat.meiner Beschreibung
etwas vorgegriffen, aber sie giebt uns ein lebendiges Bild der
Leiden desselben.
Am 15. April kam derselbe, durch Herrn Dr. Becker ge¬
sandt, zu mir. Der blosse Anblick des sonst kräftigen Patienten
liess schon den Sitz des Leidens und die Grösse desselben ver-
muthen: mit angstvollem Blick, hervortretenden Augen, bei
hoher Athemnoth, konnte Patient nur mit ganz tonloser Stimme
sein Leiden erzählen. Der Kehlkopfspiegel gab sogleich Auf¬
schluss über Sitz und Natur eines Leidens, welches ich bisher
unter Tausenden von Halskranken noch nie beobachtet hatte.
Die Stimmbänder standen in höchster Ausdehnung weit aus¬
einander, um dem Eintritte der Luft in die Trachea möglichst
Vorschub zu leisten; sie konnten bei der Phonation aber nicht
adaptirt werden. Die Schleimhaut unter den Stimmbändern,
zu beiden Seiten, war dermassen verdickt, dass sie von den
Stimmbändern an nach abwärts wie 2 schräge Dächer verlief,
die unten an einander stossen, wo man tief unten nur einen
feinen Spalt bemerkte, durch welchen die Luft bei der Respira¬
tion sich mühsam durchzwängte. Man sah es dieser Schwellung
schon an, dass es hartes Gewebe war, gleichsam schwielenartige
Verhärtung, wofür auch schon die lange Dauer des Leidens und
die Erfolglosigkeit der bisher angewandten Mittel sprach. Bei
diesem weiten Klaffen der Stimmritze hoffte ich, würde sich die
Operation leicht machen, und hatte ich im Plane, mit dem
Galvanocauter diese enge Stelle schnell zu durchbrennen, denn
ich glaubte, diese Stenose hätte nur etwa eine membranüse
Dicke. Da ich an diesem Tage (Sonntag) ganz allein war und
ich im voraus nicht wissen konnte, wie viel mir sogleich fort-
zubrennen gelingen würde, und ob nicht im Gegentheil, wenn
ich nicht viel des krankhaften schnell entfernen konnte, eine
momentane Anschwellung mit plötzlicher Erstickung erfolgen
könnte, so stand ich für den Augenblick von allem Operiren ab,
und wollte versuchen, durch Medicaraente in energischer An¬
wendung, eine geringe Abschwellung zu erzielen, um den Pa¬
tienten noch einige Tage hinzuziehen und dann mit einem
/Vssistenten mit mehr Ruhe operiren zu können; zu dem Ende
touchirte ich das Innere des Kehlkopfes mit Höllensteinlösung,
liess aussen am Kehlkopf Jodtinctur einpinseln und verordnete
innerlich Jodkali. Alles dieses vermochte jedoch die Lebens¬
gefahr nicht zu mildern, und schon am anderen Tage kam ein
Bote zu mir mit der Bitte, ich möchte zu dem Kranken hinaus-
kommen, es ginge sehr schlecht mit ihm. Mit Dr. Reichel
und Candid. medic. Br ach mann aus Leipzig fuhr ich Nach¬
mittags 3 Uhr zu dem Patienten, den wir auf dem Bette in
grosser Athemnoth sitzend fanden, mit beschleunigtem Pulse,
stieren, hervortretenden Augen; Appetit gänzlich geschwunden.
Ich hatte ausser den Instrumenten zur Tracheotomie auch eine
galvanocaustische Batterie mitgenommen, weil ich es jetzt unter
Assistenz der genannten Herren, und weil alles zur Tracheotomie
in Bereitschaft war, es glaubte wagen zu können, noch ein¬
mal den Versuch zu machen, mit dem Galvanocauter Luft zu
schaffen, d. i. die Stenose der Trachea zu durchbrennen. Wegen
des weit Offenstehens der Stimmritze machte sich die Opera¬
tion leicht, die ich bei einer gewöhnlichen Petroleumlampe, auf
die ich eine biconvexe Linse gesetzt, verrichtete. Ich etablirte,
so zu sagen, ein colossales Feuer im Kehlkopf resp. der Trachea
des Patienten, indem ich nicht blos mit den ganz feinen Brennern,
sondern sogar mit den grössten, die ich besitze (cf. mein Buch:
Anwendung der Galvanocaustik etc., 2. Aufl., 1871, Fig. 9) in
die Stenose hineinbrannte. Da die Batterie mit frischen Säuren
gefüllt war, so erglühten auch die grossen Instrumente schnell
und heftig. Mindestens 1 x j A Stunde — natürlich mit beständigen
Pausen zur Erholung des Patienten — hatte ich so operirt, und
war successive^mmer tiefer abwärts mit dem glühenden Cauter
gedrungen, als inzwischen die dem Untergänge nahe Sonne in
das Fenster schien, so dass ich den Patienten an das Fenster
brachte und bei directem Sonnenlichte laryngoscopirte. Leider
überzeugte ich mich nunmehr bei dieser, durch keine andere
zu ersetzende Beleuchtung, dass die Stenose sich nicht an einer
beschränkten Stelle befand, sondern in eine Verengerung des
ganzen Rohres, abwärts von den Stimmbändern aus bestand,
bis in eine Tiefe hinab, die ich mit dem Galvanocauter nicht
mehr erreichen konnte. Deshalb hatte auch alles bisherige
Operiren noch keinen Einfluss auf die Verringerung der Athem¬
noth des Patienten, im Gegentheil, derselbe klagte, dass er jetzt
noch weniger Luft habe, ausserdem war er im hohen Grade
angegriffen von der langen Operation. Ich entschloss mich
deshalb schnell zur Tracheotomie, da ich es nicht wagen konnte,
bis den anderen Tag den Erfolg des energischen Brennens ab¬
zuwarten. Die Tracheotomie führte ich mit dem Messer aus,
die sich schnell und leicht machte. Einer ziemlich starken
venösen Blutung schenkte ich keine weitere Beachtung, son¬
dern, unbekümmert um dieselbe, eröffnete ich die Luftröhre
zwischen Ring- und Schildknorpel, da mich frühere Erfahrungen
belehrt, dass dies nur Stauungsblutungen sind, die aufhören,
sobald bei freier Respiration die Circulation des Blutes freier
wird. So war es auch hier; alsbald wie die Luftröhre ver-
grössert war, hörte die Blutung von selbst vollständig auf. Der
Kranke schlief die Nacht nach der Operation vortrefflich und
befand sich schon des anderen Tages so wohl, dass er mir zu
Fuss in ein höher gelegenes Stockwerk seines Hauses folgen
konnte, in ein Zimmer, in welches die Sonne hinein schien.
Bei dieser Beleuchtung überzeugte ich mich nun mit Candid.
Brachmann aufs genaueste von dem Stande der Dinge. Der
Galvanocauter hatte ganz gewaltig eingegriffen; bis hinab in
die Luftröhre war ringsum eine starke Eiterung sichtbar, von
der ich mir nun den besten Erfolg für Rückbildung des ge¬
schwollenen Gewebes versprach. Und so war es auch! Bereits
am 8. Tage nach der Operation (am 23. April) sprach Patient,
ohne dass er sich die Canüle zuzuhalten nöthig hatte, mit deut¬
licher Stimme. Am 15. Tage nach der Operation (1. Mai)
entfernte ich die Canüle (und zwar in meiner Wohnung), denn
die Schwellungen, Schwielen iu der Trachea waren bereits so
geschwunden, dass wir alle (Dr. Reichel, Dr. Czarnecki,
Dr. v. Swiecicki waren anwesend) bei der Laryngoscopie von
oben deutlich die Canüle in der Trachea sahen. Am 5. Mai
war bereits die gauze Wunde fest und gut verheilt, Patient
sprach mit etwas heiserer Stimme, war aber sonst so munter
und wohl, als wenn überhaupt nichts besonderes vorgefallen
wäre. Nur unter dem rechten Stimmbande zeigte sich noch,
besonders vorn unter der Commissur, eine Verdickung, die nun
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
538
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 36
von oben mit dem Galvanocauter gebrannt wurde. Es zeigte
sich aber auch hier wieder die schon früher constant beob¬
achtete Erscheinung, dass, so leicht sich die Laryngoscopie und
laryngoscopische Operationen vor der Tracheotomie machen,
so schwer machen sie sich nach derselben. Während ich vor¬
her über eine Stunde operiren konnte, vermochte ich jetzt, so
lange die Canüle lag, nur mit grösster Schwierigkeit mittelst
des Cauter das krankhafte zu treffen. Als die Canüle entfernt
war, machte sich die Operation schon besser, und so wurde
dann auch in Pausen, blos bei directer Sonnenbeleuchtung,
alles krankhafte successive fortgebrannt. Der oben erwähnte
Umstand giebt auch den Beweis, wie gut es war, dass ich
vor der Tracheotomie so energisch und so lange gebrannt
hatte, als es eben möglich war, denn sonst trüge Patient sicher¬
lich noch heute die Canüle und wer weiss, wann er von der¬
selben hätte befreit werden können!
Am 12. Mai ergab die laryngoscopische Unfcrsuchung, dass
alles krankhafte in Folge des Brennens verschwunden war, auch
das in der Tiefe, wohin ich mit dem Cauter nicht mehr hatte
gelangen können. Patient ist völlig hergestellt; er spricht mit
guter klarer Stimme und versieht seinen Beruf. Interessant
ist nebenbei, dass Patient in dieser kurzen Zeit seit der Ope¬
ration ausserordentlich an Körperfülle zugenommen hat — der
Zug im Ofen (in den Lungen) ist wieder hergestellt und so
kann das Holz (die Speise im Magen) wieder verbrennen
(Liebig)l Mit dem Mangel der genügenden Oxydation des
Blutes lag auch der Appetit darnieder; sowie die Respiration
wieder frei wurde, fand sich auch der Appetit ein, und die
Körperfülle nahm schnell in einem merkwürdigen Grade zu.
Wenn der bekannte Hippocrates’sche Satz lautet: Quaecunque
non sanant medicamenta, ea ferrum sanat; quae ferrum non
sanat, ea ignis sanat; quae vero ignis non sanat, ea insanabilia
oportet — so muss auf das sanat der Nachdruck gelegt werden.
Der oben beschriebene Fall beweist es und die folgenden Fälle j
werden es auch noch beweisen, dass das Feuer nicht nur durch j
directes Zerstören des krankhaften Hilfe bringt, sondern dass ;
es auch eine sehr bedeutende heilende Wirkung ausübt, dass
es nicht bloss cuncta disturbat et dissipat, sondern auch sanat,
indem es zertheileud, resorbirend, gleichsam verflüssigend, zer- j
schmelzend wirkt. So war in dem obigen Falle nicht blos das !
krankhafte geschwunden, was direct mit dem Cauter zerstört
worden war, sondern die callösen Massen der Umgegend schwan¬
den in Folge der Eiterung gleichsam wie der Schnee vor dem
Feuer. — Jeder unbefangene wird sich hier sagen müssen,
diesem Kranken war auf keine andere bis jetzt bekannte
Weise zu helfen, als mittelst der Galvanocaustik. Die Tracheo¬
tomie konnte jeder Chirurge machen, aber damit wäre weiter
nichts erzielt worden, als dass dann der Kranke zeitlebens die
Canüle hätte tragen müssen. Wie aber sollten die callösen
Verdickungen entfernt werden; mit dem Messer hätte man
höchstens — wenn es überhaupt gelungen wäre überall hin¬
zudringen — hunderte von Scarrificationen machen können,
wobei das Blut in die Trachea geflossen wäre; Aetzmittel aber
anzuwenden, wäre ein noch gefährlicheres Beginnen in dieser
Region gewesen, als dasselbe offenbar bis in die Lunge hätte
fliessen können. Wie schnell und schmerzlos war das ganze
Leiden radical geheilt dureh die Galvanocaustik! Keine Spur
der Schwellung ist mehr vorhanden, und Patient geht wieder
seinem Berufe nach, wie dies Herrn Dr. Becker bekannt ist.
(21. December 1877.)
Der nun folgende Fall endete zwar nicht, wenigstens bis
jetzt, mit so völliger Herstellung, immerhin übertraf die Besse¬
rung alle Erwartung.
II. Knollige Auftreibung der ganzen inneren hinteren
und linken Kehlkopfwand.
Herr Th. B. aus Görlitz, 28 Jahre alt, besass zwar schon
immer eine Disposition zur catarrhalischen Affection, trotzdem
war er aber gesund und rüstig. Im März 1875 erkältete er
sich auf einem Spaziergange mit einer Gesellschaft, und hatte
am nächsten Morgen eine rauhe Stimme und Kratzen im Halse.
Gleichwohl machte er sich keine Sorge darüber, lebte wie ge¬
wöhnlich und versah auch seinen Dienst als Beamter. Von
seinen Freunden auf die Heiserkeit aufmerksam gemacht, wandte
er sich an einen Arzt, der ihm Kali chlor, verordnete. Wie
Pat. glaubt, durch die schlechte Lage seines Bureaus, wo er
beständiger Zugluft ausgesetzt war, verschlimmerte sich sein
Leiden von Tag zu Tag. Er wandte sich nun an einen Homöo¬
pathen; bei entsprechender Diät und Eintritt milderer Witte¬
rung besserte sich das Leiden, aber nicht lange. Im Mai 1875
consultirte deshalb Pat. einen Specialisten in Breslau. Dieser
erklärte das Leiden für einen umfangreichen, chronischen Hais¬
und Rachen - Catarrh und verordnete Emser Victoria-Quell-
Brunnen, Diät und Jahreszeit dienten in dem Masse, dass die
Stimme wieder ganz leidlich wurde, nur etwas schärfer wie
früher. Nach einigen Monaten wurde es wieder schlimmeT.
Jetzt wurden Bepinselungen mit Höllenstein vorgenommen.
Wieder trat eine Zeit der Besserung ein, die aber auch nicht
lange anhielt. Jetzt wurden Inhalationen mit Alaun vorge¬
nommen, aber ohne Erfolg. Von einem Arzte nun abermals laryn-
goscopisch untersucht, berichtet Patient, wäre folgendes gesehen
worden: „Wucherungen, Entzündung des linken Stimmbandes
und des linken Kehlkopfknorpels. Verordnung: Tannin-Inha¬
lationen. Eine Hebung des Zustandes wurde nicht erzielt, da
derselbe sich noch nicht voll (?) zeigte. Erst Anfang Ja¬
nuar 1877 zeigten sich am linken Kehlkopfknorpel die Formen
einer Neubildung, aus der Seite kommend. Im Verlauf des
Monats bildete sich dieselbe wesentlich aus. Der Spiegel zeigte
folgendes Bild an Stimmbänder und Stimmknorpel: linkes
Stimmband stark geschwollen, linker Stimmbandknorpel stark
geschwollen, aus seiner Seite kommend, die Stimmritze sperrend,
ein Papillom. Obiges Bild änderte sich sodann insofern, als
die Neubildung das linke Stimmband zurückdrängte." Dies die
wörtlichen Angaben des Patienten, die er mit einigen schwer
verständlichen Zeichnungen begleitete. Von Herrn Dr. Joachim
wurde er zu mir geschickt, und ergab die Untersuchung am
21. Januar 1877 folgendes: Von einer eigentlichen Neubildung
konnte ich nichts deutlich sehen. Die ganze linke Seite des
Inneren des Kehlkopfes war in eine knollige, höckerige Masse
verwandelt; namentlich war der linke Giesskannenknorpel enorm
angeschwollen, wie man dies ähnlich bei Tuberculose sieht;
diese knollige Auftreibung erstreckte sich auch auf die hintere
Wand des Kehlkopfes, ebenfalls wie man dies bei Tuberculose
beobachtet. Eine eigentliche Neubildung war hier nicht nach¬
zuweisen, die Schleimhaut ging glatt über diese Knollen hin¬
fort. Vom linken Aryknorpel erstreckte sich diese Schwellung
auch nach vorn über das linke Stimmband; von diesem war
gar nichts zu sehen, weil es verdeckt wurde von der Schwellung
der ganzen linken Wand des Kehlkopfes über dem Stimmbande.
Es schi|en nebenbei aus der linken Morgagnischen Tasche eine
mehr serös infiltrirte glatte Wucherung hervorzukommen; genau
konnte ich dies auch nicht erkennen ■*- kurz der Totaleindruck
der laryng. Untersuchung war: die hintere Wand und die ganze
linke Seite des Kehlkopfes stellte eine knollige, höckerige
Partie dar; dabei völlige Stimmlosigkeit, etwas Abmagerung
und Husten. Bei solchem Befunde lag mir der Verdacht der
Tuberculose nahe, namentlich wegen der Schwellung des Arv-
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
September 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
53 »
knorpels und der hinteren Wand des Larynx. Ich begann die
Gegend an der linken Morgagnischen Tasche mit feinen Kauteren
zu brennen, um das Stimmband frei zu legen. Nach wochen-
Jangem Bemühen hatte ich aber nichts erklekliches erzielt, und
mein Verdacht der Tuberculose war nicht geringer geworden. Unter
solchen Umständen [dachte ich hier ein »Entweder — Oder“ gelten
lassen zu müssen: ist es Tuberculose, so ist doch nicht viel zu
machen, und ist es keine Tuberculose, so ist nicht etwas an¬
deres zu thun, wie ja die Erfolglosigkeit aller bisher ange¬
wandter Mittel bewies. Ich nahm deshalb einen grossen Gal-
vanocauter (cf. mein Buch Fig. 10), und legte ihn an der ge¬
schwollenen hinteren Larynxwand und dem Aryknorpel an, und
liess ihn hier flüchtig erglühen. Das gleiche that ich mit
einem Kauter (1. c. Fig. 9) an der linken inneren Wand des Kehl¬
kopfes. Nachdem ich alles dies energisch gebrannt, schickte
ich den Patienten in eine kleine Stadt zu seinen Eltern, wo er
Lippspringer Brunnen trank, und nachdem die Eiterung im Halse
aufgehört, sich mit Höllenstein touchirte. Diese Operation und
Behandlung hatte den überraschendsten Erfolg; die knolligen
Auftreibungen schwanden, und das linke Stimmband kam zum
Vorschein. Nachdem ich diese Erfahrung gemacht, ging ich nun
noch dreister mit dem Galvanokauter vor, brannte an der
linken Seite des Larynx alles krankhafte energisch, bis schliess¬
lich das linke Stimmband gänzlich frei lag. Indessen zeigte es
sich, dass vorn über der Commissur der Stimmbänder allerdings
auch mehrere linsengrosse, birnenartige Neubildungen vorhanden
waren. Auch diese wurden fortgebrannt und Patient abermals
in die Provinz geschickt, um die Eiterung, resp. Heilung, ab¬
zuwarten. Auf diese Weise wurde Patient so weit hergestellt,
dass das krankhafte entfernt war, der linke Aryknorpel fast
seine normale Gestalt erreicht hatte, das linke Stimmband frei
lag, nur etwas verdickt erschien; seine Stimme war fast voll¬
ständig wiedergekehrt, nur etwas rauh; es ist aber zu hoffen,
dass durch fortgesetztes Touchiren sich auch dies noch verlieren
wird. Der Operirte hat an Körperfülle zugenommen und ist
Anfang Juni in seine Heimath gereist, um seinen Beruf wieder
anzutreten. Am 17. Juli besuchte mich Patient abermals, er
hat seinen Beruf sehr wohl versehen können, obgleich er bei
demselben viel zu sprechen hat; seine Stimme hat nur einen
heiseren Anklang, welches wahrscheinlich noch von Resten der
Polypen über der vorderen Commissur herrührt; sonst war im
Kehlkopf alles wieder fast glatt und eben, wie im normalen
Zustande; namentlich war das ganze linke Stimmband völlig
frei zu sehen, und war mir besonders merkwürdig, dass die
enorme Schwellung des linken Giesskannenknorpels ganz ver¬
schwunden war, und dieser Knorpel fast sein völlig normales
Ansehen wieder erlangt hatte. Auch bei diesem Falle frage
ich, wie hätten diese knolligen Auftreibungen anders beseitigt
werden sollen?
III. Operation der Ranula.
Hippocrates (de morbis. Lib. II, Cap. 10) nannte das
Leiden öt welches Wort die Uebersetzer Ranula wieder¬
gegeben haben. Die Acten über das Wesen der Ranula sind
noch nicht geschlossen. Die Ansichten über dasselbe laufen
der Hauptsache nach auf zwei hinaus, nämlich, ob man es mit
einer neugebildeten Cyste, oder mit einer Cyste durch Dilatation
des verstopften Ausführungsganges einer Speicheldrüse, nament¬
lich des Ductus Whartonianus zu thun habe. Die Ansicht von
Fleischmann, dass die Ranula ein Hygrom des Schleim¬
beutels der Genioglossus sei, erschien sehr plausibel, jedoch ist
die Constanz eines solchen Schleimbeutels nicht erwiesen. Aller¬
dings kann man einwenden, dass die Fälle von Ranula eben
solche sind, wo ein Schleimbeutel vorhanden ist. Die Ursache,
warum bis heute das Wesen der Ranula noch nicht sicher fest¬
gestellt ist, mag zum Theil darin liegen, dass wohl kaum jemals
ein solcher Fall zur Section kommt, wie auch Virchow dies
hervorhebt (die krankhaften Geschwülste Bd. I, S. 276): „die
Fälle (von Ranula) an den Mundspeicheldrüsen sind meist nur
chirurgisch untersucht.“ Merkwürdig bleibt immerhin, dass
wenn es eine blosse Cyste, diese eine ganz bestimmte Stelle
unter der Zunge einnimmt, aber eben so merkwürdig erscheint
es mir, dass, wenn es eine Retentions-Cyste, der Ductus wäre,
man durch blosse Zerstörung der Cyste in kurzer Zeit radicale
Heilung schaffen kann, ohne dass die Speicheldrüse dagegen
reaglrt, d. h. ohne dass sich hier ein Tumor in der Drüse
durch Ansammlung von Speichel bildet, denn wenn auch die
Drüse bei geschlossenem Ausführungsgange veröden kann, so
geschieht dies doch nicht sogleich, und würde sich gleich nach
der Operation doch erst das Secret in der Drüse ansammeln.
Was die Behandlung der Ranula betrifft, so ist sie zum Theil
geleitet worden von den Ansichten über das Wesen der Ra¬
nula. Der heutige Standpunkt der Operation der Ranula w r ird
characterisirt in dem trefflichen neuesten Handbuch der Chir¬
urgie von König (Lehrbuch der speciellen Chirurgie. Berlin.
1878.); dort heisst es S. 364, Bd. I: „aber wir stimmen Roser
vollständig bei in der Klage, dass sämmtliche Verfahren mehr
oder weniger unsicher sind.“
Bei so bewandten Umständen ist es wohl gerechtfertigt,
wenn ich mir erlaube, auch ein Schärflein zur Heilung der Ra¬
nula beizutragen.
Herr Heinrich Blay aus Kalisch in Polen, einige zwanzig
Jahre alt, berichtet über sein Leiden folgendes: „Mein Leiden
ist aus einer mir bis heute noch unbekannten Ursache entstanden.
Am Anfänge war der Auswuchs sehr klein und verursachte keine
Schmerzen, allein nach 2 Wochen wurde er schon grösser, un¬
gefähr wie eine Nuss, so dass ich mich genöthigt sah, mich an
einen Arzt zu wenden, welcher die Geschwulst öffnete und mit
Höllenstein ausbrannte. Dies war im October 1876. Die
Operation geschah mit dem Messer, worauf eine Flüssigkeit
herausfloss. Es musste wiederholt die Operation gemacht werden,
weil die Flüssigkeit sich immer wieder ansammelte, und so war
dies 3 Monate hindurch fortgegangen. Ungefähr am 12. oder
14. Februar 1877 wuchs die Geschwulst mit einem Male zur
Grösse siner Wallnuss heran, spannte mich derart, dass ich
keineswegs die Zunge zu bewegen, noch etwas zu geniessen
vermochte, und diese rapide Anschwellung bekam ich, als
ich eben vor Abend den Cafe trinken wollte, wobei ich
auch grosse Schmerzen und Spannung im Munde auszustehen
hatte; ich lief sofort zum Arzt, welcher auf bekannte Weise
wieder operirte und die Flüssigkeit beseitigte, so dass ich eine
momentane Linderung spürte und leichter sprechen konnte;
allein den folgenden Tag beim Mittagessen, als ich ein Stückchen
Semmel essen wollte, hob sich die Geschwulst wieder und ver¬
ursachte mir grosse Schmerzen, so dass ich wieder nichts ge¬
niessen konnte. Erst Abends wurde mir ein wenig leichter,
jedoch schon am dritten Tage verschlimmerte es sich, denn ich
konnte des Morgens sogar keinen Thee in den Mund nehmen,
so dass ich mich nun aufmachte und nach Breslau fuhr.“
Am 20. Februar 1877 operirte ich den Patienten mit der
Galvanokaustik; ich spaltete, horizontal, mit einem messerför¬
migen Galvanokauter die Ranula der ganzen Länge nach, und
brannte nach Entleerung der bekannten gelben, zähen Flüssig¬
keit die Innenfläche der Höhle. Als Pat. des anderen Tages
zu mir kam, hatte sich zum Theil die Höhle wieder geschlossen,
d. h. die Wundränder waren theilweise verklebt; Schmerz und
Reaction war nicht eingetreten. Ich spaltete noch einmal in
derselben Wunde noch weiter die Höhle und brannte sie zu¬
gleich mit demselben Kauter gut aus. Reaction trat nicht ein,
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UNIVERSETY OF MICHIGAN
540
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Ne. 36
und Patient konnte in einigen Tagen nach Hause reisen, ob¬
gleich die gebrannte Fläche noch eiterte. Patient berichtete
mir wiederholt, dass es ihm gut gehe, keine absonderlichen
Zufälle eingetreten seien, und er völlig hergestellt sei. Sein
letzter Brief lautet vom 1. Juli 1877, also 19 Wochen nach der
Operation: »Habe die Ehre mitzutheilen, dass in ich Folge Ew.
W. Behandlung völlig gesund bin, und dass mein Leiden nicht
die mindeste Spur zurückgelassen hat; es ist radical geheilt.“
Es wäre doch höchst erfreulich, wenn sich die angegebene
Operations - Methode in Zukunft bewährte (woran ich nicht
zweifele), und man auf eine so einfache Weise die Ranula ra¬
dical heilen könnte, denn die. ganze Operation ist in wenigen
Minuten abgemacht, ohne irgend eine Nachbehandlung, schmerz¬
los und ohne dass Reaction eintritt. Schneller, glaube ich, ist
es gar nicht möglich, das Uebel zu beseitigen. Wie viel um¬
ständlicher und zeitraubender sind dagegen alle anderen bisher
geübten Methoden. — Ich weiss nicht, wie weit man die Gal¬
vanokaustik gegen unser Leiden schon angewendet hat. Middel-
dorpf scheint sie selbst noch nicht bei der Ranula angewendet
zu haben, denn in seinem Buche über Galvanokaustik, das ich
aus seinem Nachlasse besitze, und welches auf durchschossenem
Papiere viele Notizen trägt, finde ich keine hierüber. Er sagt
nur: „In wie weit die Galvanokaustik sich bei Blutern. Yaricen,
Eröffnen und Ausbrennen kalter Abscesse, Cysten, Ranula
(Amussat) bewähren oder andere Verfahre^ vorzuziehen sein
wird, ist theils einleuchtend, theils bedarf es noch der Schule
der Erfahrung.“ (S. 262.)
III. Beitrag zor operativen Behandlung des Empyems
bei Kindern«
Von
Dr. Carl EliaR in Breslau.
Die subcutane Thoracocentese Guerin’s war in Frankreich
fast in Vergessenheit gerathen, als Dieulafoy seinen neuen
Aspirateur der Acaderaie vorlegte und ihn für die Behandlung
seröser wie eitriger Pleuritis empfahl. Er fand bald grossen
Beifall. Boucquoy, Bouchut, Behier, Biachez, Lieber¬
mann u. a. rühmten diese Application de vide prealable und
hoben an ihr besonders hervor: die geringe Verwundung durch
die Hohlnadel, mit der man in die engsten Intercostalräume
ohne Schmerz eindringen könne; die Unschädlichkeit zufälliger
Verletzung von Nachbarorganen; die schnelle und gleichmässige
Evacuation des Secretes; endlich die wesentliche Abkürzung
des Kranheitsprocesses, weshalb sich diese besonders für Be¬
handlung der Empyeme bei Kindern eigne. Bald wurde Aspi¬
rator und Hohlnadel von Potain und Castiaux vereinfacht
und verbessert, und ging letzterer mit Behier so weit, jeden
noch so geringen pleuralen Erguss mit der Aussaugungsmethode
zu behandeln, ohne Rücksicht auf dessen Beschaffenheit. Roger
aspirirte bei Empyemen der Kinder ebenfalls, ging aber bei
einer Wiederansammlung des Eiters zur Punction mit Einlegen
einer Metallcanüle über. In Amerika wurde die Aspirations¬
methode seit 1852 von Bowditsch, in England seit 1860 von
Rüssel geübt. Beide bedienten sich einfacher und recht zweck¬
mässiger Apparate. Auch in Deutschland wurde sie vielfach
versucht, fand aber bei Empyemen nicht. Beifall. Fast alle
Autoren sprechen sich gegen sie aus. Weder ermögliche sie
eine vollständige Entleerung der Pleurahöhle, da ja die Aspi¬
ration ohne Gefahr für Blutungen und Zerreissungen der Lunge
nur so weit getrieben werden kann, als der leer gewordene
Raum durch Lunge, Leber und Zwerchfell ausgefüllt werden
kann, noch einen permanenten Abfluss und eine vollständige
Ausspülung. Zudem genügt ja beim Empyem nur höchst selten
eine einzige Aspiration (Hamilton Roe’s Fall und ein von Wal¬
denburg operirter, von Blaschko veröffentlichter Fall 1 ) schei¬
nen bis jetzt die einzigen sicheren), sondern muss verschieden oft
wiederholt werden. Bouchut punctirte einen 7jähr. Knaben inner¬
halb 15 Monate 56 Mal, einen 5jähr. 33 Mal. Nehmen wir hiereu
die allgemeine Erfahrung, dass die Punction bei der serösen Pleu¬
ritis — wenn überhaupt bei Kindern nothwendig — nur in
3—4% wiederholt zu werden braucht, so bedarf es in der That
auch hier keiner neuen Aspirationsmethode, die einfacher und ge¬
fahrloser durch eine Punction nach Reybard ersetzt werden kann.
— Den eben angeführten drei Hauptindicationen bei Behandlung
des Empyems genügt nur die Punction und der Schnitt; beide
mit Einlegen von Metallcanülen, Drainröhren. Diese Methode
ist seit längerer Zeit in Deutschland von Kussmaul mit grossem
Erfolge angewandt worden. Er legt nach der Punction behufs
Erlangung eines fortwährenden Abflusses und einer gründlichen
Desinficirung eine dünne grade Canüle ä double courant ein.
Die Zu- und Abflussrohre gehen fast rechtwinklig ab und legen
sich gleichsam der äusseren Thoraxwand an, an die sie fixirt
werden. Die Zuflussröhre ist durch einen Gummischlauch mit
einem Heberapparat verbunden, der die Ausspülung von selbst
besorgt. — Das Einlegen von Drainröhren ist bei kleinen Kindern
wegen der Enge der Intercostalräume nicht ausführbar, eignet
sich demnach nur für grössere und hat neben manchen Un¬
bequemlichkeiten für die Kranken noch den Nachtheil der öfteren
Durchnässung der Verbandstücke. — Ich trage kein Bedenken
hier eine Thoraxcanüle zur ferneren Prüfung zu empfehlen, die
ich zuerst für einen Fall von hochgradigen Empyem, wo die
anderen üblichen Methoden unzureichend waren, construiren liess,
und die sich als sehr zweckmässig bewährt hat. Diese metallene
Canüle ä double courant (in nebenstehender Figur 2 )), von der
Form einer Trachealcanüle, 0V 2 Ctm. lang und beinahe 5 Mm.
dick, hat eine verschiebbare Platte, die durch eine kleine
Schraube an das Canülenrohr festgestellt werden kann, a giebt
die Seitenansicht, b die Vorderansicht, c die auf eiuem 6 Mm.
langen Hohlcylinder festsitzende Metallplatte. Diese hat seit¬
lich 2 Oeffnungen zum Durchführen von Bändchen, mit denen
sie an den Thorax befestigt wird. Diese verschiebbare Platte
hat den grossen Vortheil der Verkürzung der Canüle, je nach
Verkleinerung der Empyemhöhle, und kaim bis zur vollständigen
Verwachsung beider Pleurablätter in der Wunde gelassen werden.
Diese Thoraxcanüle wird unmittelbar nach einer Punction. oder
1) A 11g. in cd. Centralztg. 100. 1874.
2) Herr Instrumentenmacher H. Ha eitel in Breslau hat d;e->*
Thoraxcanüle in Silber und Neusilber stets vorrät big.
Digitized b'
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
9. September 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
541
Schnitt oder in schon bestehende Fisteln eingelegt. Sie liegt
vermittelst der Metallplatte der äusseren Brustwand fast luft¬
dicht an. Das Abflussrohr d wird mit einem längeren Gummi¬
rohre verbunden, durch das der Eiter in ein Gefäss herablaufen
kann. Das Zuflussrohr e wird nach jeder Ausspülung verstopft.
Sollte während dieses Actes noch Flüssigkeit neben der Canüle
aus der Pleurahöhle ablaufen, so genügt ein leichter Druck auf
die Platte oder das Unterlegen eines dünnen Gummiplättchens,
dieses zu vermeiden; ebenso ist es zweckmässig, unter Um¬
ständen in das Befestigungsband ein kurzes Gummibändchen
einzufügen, um jede Behinderung in den Respirationsbewegungen
fern zu halten. Selbstverständlich eignet sich diese Canüle
auch für die Behandlung des Empyems bei Erwachsenen, muss
dann aber 1—l 1 /* Ctm. länger sein. Der Krankheitsfall, in
dem diese Canüle zuerst Anwendung fand, war folgender. —
C. B., 5 V a Jahr alt, stammt aus gesunder Familie. Er erkrankte
am 17. October 1877 mit Frost, Hitze, Husten. Ich sah den
Kleinen noch am selben Tage und fand ihn mit gerötheten
Gesicht, beschleunigter Respiration, Schmerzen in der linken
Seite, Husten, Durst und hohen Fieber. Die Untersuchung
der Lungen ergab links abgeschwächte Athmungsgeräusche,
sonst nichts abnormes. Am nächsten Tage hatten alle Er¬
scheinungen zugenommen. Temp. 39,6, Puls 150, Resp. 65
bis 70. Links in der Linea axillaris ist eine Dämpfung bis zur
7. Rippe nachweisbar; Respirationsgeräusch noch schwächer;
hinten links ebenfalls abgeschwächt. Der Knabe klagte über
sehr heftiges Stechen. In den nächsten Tagen verbreitert sich
diese Dämpfung auch nach hinten hin, und war am Ende der
1. Woche bereits bis zur 3. Rippe gestiegen. Die Differenz des
Umfanges beider Brusthälften betrug 1 Ctm. Trotz einer seit Be¬
ginn der Erkrankung eingeschlagenen antiphlogistischen Behand¬
lung stieg das Exsudat immer mehr und war in der Mitte der
zweiten Woche bereits bis an das Schlüsselbein heraufgerückt.
Von da ab begann die Verdrängung des Herzens, das in wenigen
Tagen jenseits des Sternums lag. Das allgemeine Befinden
des Knaben war schlecht. Allabendliches Fieber nicht unter
39,3, an einzelnen Tagen 40,0; Morgenremission bis 38,5. Er
lag beständig gekrümmt auf der linken Seite und hustete viel.
Am Ende der 2. Woche war der Umfang der linken Brusthälfte
um V/ 4 Ctm. grösser als der rechten, und stellten sich nicht
selten heftige Anfälle von Dyspnoe ein. Nach der Mitte der
2. Woche blieben die Dämpfungsgrenzen einige Tage unver¬
ändert. Plötzlich, unter heftiger Fiebersteigerung auf 40,6 ver¬
mehrte sich das Exsudat noch mehr und war am 19. Tage
folgender Status: Linke Thoraxhälfte steht bei der Respiration
still, Intercostal räume vorgewölbt. Linke Seite 28 Ctm.,
rechte 27 Ctm. Umfang. 80 Respirationen, 150 Pulse, Tempe¬
ratur 39,6. Der Knabe, abgemagert, liegt auf der linken Seite.
Links Dämpfung von der Clavieula bis herunter; diese erstreckt
sich über die Lin. axill. sinistr. nach hinten und reicht an
der hinteren Brusthälfte ebenfalls bis nach oben hin. Hinten
etwas tympanitisch; vorn Schenkelton. Athmungsgeräusch kaum
hörbar. Rechts vorn tympanitischer .Percussionsschall bis zur
4.. Rippe, von da ab Dämpfung nach unten hin; hinten sonorer
Percussionsschall, seitlich bis über die Lin. axill. dextra; über
diese hinaus matter, leicht tympanitischer Schall. Rechts vorn
und oben schwaches vesiculäres Athmungsgeräusch mit zahl¬
reichen; hinten lauteres nur mit einzelnen Rasselgeräuschen.
Spitzenstoss des Herzens 2 Ctm. rechts von der rech¬
ten Mammillarlinie fühlbar. Herztöne schwach hörbar in
der Höhe der Brustwarze. Einziehen der Intercostalräume bei
jeder Systole.
Der Knabe wird in halbsitzender Stellung im 6. Intercostal-
rauin etwas nach innen von der Axillarlinie mit einem Probe-
Di gitizetl by
Gck igle
I
I
I
I
troicart nach Reybard punctirt, wodurch circa 150 Grm. dicken
grünlichen Eiters entleert werden. Am folgenden Tage eine
nochmalige Punction mit einem 4 1 /* Mm. dicken Troicart, wobei
fast 3 /i Liter Eiter abfliesst. Nachher eine Ausspülung mit 1 %
Carbollösung. Temperaturabfall von 40,2 auf 38,4. Herz rückt
4 Ctm. nach dem Sternum hin. Respiration ist sehr erleichtert
trotz beträchtlichen Pneumothorax. Die Troicartcanüle bleibt
zwei Tage liegen, nach ihrer Entfernung wird ein ebenso dickes
Charpiebourdonnet eingeführt und täglich 2 Mal mit einem
dünnen Catheter ä double courant ausgespült. Diese Manipu¬
lation bereitet dem Kinde viele Schmerzen, welches ebenso
wenig das Einlegen eines kurzen Bougies verträgt. Die Drai¬
nage ist wegen der Enge der Intercostalräume vermittelst eines
passenden Gummirohres nicht ausführbar. Wegen des unge¬
nügenden Abflusses fängt die Temperatur an ein bis zwei
Stunden nach jedesmaliger Desinfection zu steigen und ist
nach Verlauf von 10—12 Stunden fast constant über 39; bald
nach jener schwankt sie zwischen 37,5 und 38.
Ein am 13. November von der Punctionsöffnung aus ge¬
machter zolllanger Schnitt gewährte ebenfalls nur wenige Tage
ausreichenden Abfluss des Eiters, indem die Schnittwunde sich
sehr zu verengern begann und in ähnlicher Weise wie vorher
offen gehalten werden musste. Um nun einen fortwährenden
Abfluss herzustellen, wurde am 20. November eine dünne sil¬
berne Trachealcanüle eingelegt und um den Brustkorb herum
befestigt. Sie bewirkte allerdings einen ziemlich gleichmässigen
Temperaturstand zwischen 37 und 38 C., hatte aber den Uebel-
stand, dass die Menge der einfliessenden Desinfectionsflüssig-
keit nicht genau der Capacität der sich verengernden Pleura¬
höhle angepasst werden konnte. In Folge eines vielleicht zu
reichlich eingeflossenen Wasserquantums trat unerwartet ein
so heftiger syncopaler Anfall auf; dass das Leben des Kindes
mehr als bedroht war, und nur durch künstliche Respirations¬
bewegungen und kräftige Hautreize wieder hergestellt werden
konnte. Am 26. November wurde die oben beschriebene Thorax-
canüle eingelegt, und das eine Rohr mit einem 1 Meter langen
Gummirohr verbunden, wodurch der Eiter ununterbrochen
in ein unter dem Bette stehendes Gefäss abfloss. Die Aus¬
spülung der Brusthöhle ging ohne Beschwerden für das
Kind vor sich; nach derselben wurde das Zuflussrohr verstopft.
Die Cauüle wurde durch die Platte am Brustkorb gut fixirt
und von dem Knaben gut vertragen. — Die fernere Desinfection
wurde der Mutter gänzlich überlassen. Von da ab stieg die Tempe¬
ratur nicht mehr über 37,5. Unter dem Gebrauch von Ungarwein
( l 3 Liter pro Tag) erholte sich der Kranke allmälig, und konnte
am 7. December coustatirt werden, dass das Herz bereits unter
dem Sternum stand. Die hinteren Partien der linken Lunge,
ebenso vorn bis zum 4. Intercostalraum gaben normalen Per¬
cussionsschall mit lauten Respirationsgeräuschen, ebenso rechts.
Unterhalb der 4. Rippe links bis zur linken Axillarlinie hall»
kreisförmig Pneumothorax. Sobald die Canüle bei der Wieder¬
einführung in den Thorax auf ein Hinderniss innerhalb der
Pleurahöhle stiess, wurde sie um wenigstens 2—3 Mm. durch
Verschiebung der Platte verkürzt und konnte so fast bis zur
vollständigen Verwachsung beider Pleurablätter liegen gelassen
werden. Sechs Tage nach ihrer Entfernung, am 15. Januar 1878,
war auch die Brustwunde vernarbt. Eine Verkrümmung der
Wirbelsäule mit der Concavität nach der linken Seite ist nicht
vorhanden, dieselbe steht lothrecht. Eeine Einziehung der
Rippen linkerseits ist kaum zu bemerken. Der Brustumfang
links kaum */, Ctm. geringer als rechts. Die linke Thorax¬
hälfte wird bei tiefster Inspiration noch nicht so hoch ge¬
hoben und erweitert. Das Aussehen des Kindes ist vortrefflich.
Aus dem Verlaufe des Krankheitsfalles können wir er-
2 *
Original fro-m
UNIVERSITf OF MICHIGAN
542
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 36
sehen, dass die Thoraxcanüle allen Anforderungen bei der Be¬
handlung des Empyems zu genügen im Stande sein dürfte. Sie
wird, einmal in der Wunde liegend, sicher und schmerzlos am
Brustkorb fixirt, lässt eine vollständige Entleerung, dauernden
Abfluss und gründliche Ausspülung der eiternden Brusthöhle
zu, und kann wegen ihrer Einfachheit auch den wenig geübten
zur Handhabung überlassen werden.
IY. Zur Casuistik der primären infectiösen Knoehen-
entzündaag
▼on
JB. Tetz, practischem Arzt in Lublin (Königreich Polen).
Das rege Interesse, das der in der Ueberschrift genannten
Krankheit in jüngster Zeit von verschiedener Seite mit Recht
zugewendet wird, veranlasst mich einen hierhergehörigen Fall
aus meiner Praxis im israelitischen Krankenhaus zu Lublin, der
trotz des schweren, ihn begleitenden Fieberverlaufs den Aus¬
gang in Genesung genommen hat, bekannt zu machen. Doch
will ich von vorn herein gestehen, dass in dem Falle die
Diagnose ursprünglich auf Pyämie gestellt worden war, die
mich aber nicht befriedigt hatte, da der inficirende Herd, so
nahe er lag, mir zuerst entgangen war. Erst die letzte Zeit,
in der ich mit der localen und allgemeinen Erscheinungsweise
der in Rede stehenden Krankheit aus fremder und eigener
Erfahrung mehr vertraut geworden bin, hat mich den mir bis
dahin räthselhaften Fall richtig deuten gelehrt.
Frau Ch. L. Bermann, 26 J. alt, wtude den 17. Januar 1875
in das Krankenhaus aufgenommen. Der Beginn der Erkrankung
hat nach Angabe der Pat. vor 8 Tagen stattgefunden. A. T. 38,6°.
18. Januar. M T. 38°, P. 120. Körper massig gut ernährt.
Soll seit einem Jahre an Husten leiden, der auch jetzt heftig.
Ueber dem ganzen Thorax ist Schleimrasseln zu hören; auch
die Untcrschlüsselbeingegenden sind Sitz einer diffusen Bronchitis.
Appetitmangcl. — Patientin klagt über seit 8 Tagen bestehen¬
den Schmerz im rechten Unterschenkel. Derselbe zeigt etwa
in seinem mittleren Theil einige Schwellung ohne Fluctuation,
welche Stelle auf Druck sehr empfindlich ist. Ord. Ung. einer,
dick auf Leinwand gestrichen zum Einschlagen des Unter¬
schenkels. — A. T. 39,8°.
DJ. Januar. M. T. 39,2, P. 116. An der unteren Hälfte
des rechten Unterschenkels, entsprechend der inneren Tibiafläche
ist eine teigige Anschwellung bemerkbar. — Ord. Ung. einer,
wird fortgesetzt. Am Tage T. 38,9°, Ab. 39,6°.
20. Januar. M. T. 38,8°, P. 110. Der Zustand der Lungen
und des rechten Unterschenkels unverändert. Abends Frost-
anfall, T. 40,0°. Später am Abend T. 38,6°.
21. Januar. M. T. 38,3°, P. 114. Keine spontane Schmerz¬
haftigkeit des Unterschenkels mehr. Das Oedem über der Tibia
beinahe verschwunden. Auf Druck besteht nur noch einige
Schmerzhaftigkeit in der Wadengegend. — Husten mit reich¬
lichem schleimigen Auswurf. Am Tage T. 39,4°, A. T. 40,6°.
(Es wird 1,5 Chinin gereicht.)
22. Januar. Kein Fieber (2 Mal am Vormittag gemessen).
Nachts war Schweiss vorhanden. Athembeschwerden viel ge¬
ringer. Zwei Durchfälle. Keine Schmerzhaftigkeit am Unter¬
schenkel. — Das bis dahin fortgebrauchte Ung. einer, wird
ausgesetzt. — A. T. 38,6°.
23. Januar. M. T. 38,8°. Am Vormittag Frost. T. 39,5°.
Athembeschwerden wieder bedeutender. Sputa weiss, schleimig.
P. 108. Ab. 39,5°.
24. Januar. M. T. 38,2°, später T. 39,6°, P. 110. In den
letzten Tagen tägliches Nasenbluten. Ein Durchfall, ln den
Lungen ist nur Bronchialcatarrh nachweisbar. A. T. 39,4°.
25. Januar. M. T. 38,6°, später T. 39,2°, P. 100. Husten
häufig, feucht, schleimig. A. T. 38,8*, später 39,2°.
26. Januar. M. T. 38,6°, später 39°, P. über 120. Kein
Stuhl. Lungen mit Ausnahme des Catarrhs normal, ebenso die
Milz. Sputa unverändert. A. T. 39°, später 39,4° (1,5 Chinin).
27. Januar. M. T. 39,6®, später 40,1®, P. 112. Lungen¬
zustand derselbe. Milz nicht sichtlich vergrössert. A. T. 40,2®.
28. Januar. M. T. 40,6®, um Mittag T. 39,8®, P. 110.
2 Mal Erbrechen; ein flüssiger Stuhl. A. T. 38,4®, später 38®.
29. Januar. M. T. 38,7®, 11 Uhr T. 40,4® (2,5 Grm. Chinin
werden im Laufe einer Stunde gereicht). 2 Uhr p. merid.
T. 38,9°. Kein Erbrechen, ein flüssiger Stuhl. Husten etwas
geringer, P. 105. Abends und Nachts kein Fieber.
30. Januar. Morg. kein Fieber, P. 112. Gegen Mittag
T. 40,1°. Ein Durchfall. Schlaf besser. Husten feuchter. Fühlt
sich wohler. 6 Uhr p. merid. T. 38,6®, 10 Uhr T. 37,9®.
31. Januar. M. T. 38,3®, 1 Uhr p. mer. T. 39,8®, P. 114.
Respir. 42. Auswurf reichlich. Milz etwas vergrössert. In
den Lungen nichts besonderes. Harn mit reichlichem, beim
Erwärmen sich wieder lösendem Bodensatz. 8 Uhr T. 38.5°,
10 Uhr Nachts kein Fieber. (2 Gaben zu je 0,6 Chinin.)
1. Februar. Morg. kein Fieber (0,6 Chinin); 11 Uhr kein
Fieber; 1 Uhr p. mer. Frostanfall. T. 38,7°; 3 Uhr T. 40,4°:
P. weniger als 120. (Frost heute von kürzerer Dauer, aber
mehrmals wiederkehrend.) Auswurf reichlich, schleimig. Milz
etwas vergrössert. In den Lungen lässt sich nichts neues auf-
fiuden. Harn ohne Ei weiss, Schweisse fehlen. A. T. 38,8®,
noch später kein Fieber (0,6 Chin.).
2. Februar. Morg. kein Fieber, P. 90 (0,6 Chin.). Milz
vergrössert. Gegen Mittag T. 38,6°, A. T. 38,1°.
3. Februar. M. T. 38,5°, Vormittags T. 39.8", P. 120.
Linke Gesichtshälfte blauroth. Starker, schleimiger Husten.
Stuhlverstopfung. Am Mittag T. 40,2°. Objectiv nichts neues.
Schwäche zunehmend. 2 Uhr p. mer. T. 40,7®, 4 Uhr T. '39,8®,
6 Uhr T. 39,2°, 8 Uhr 38,3", 10 Uhr kein Fieber (2 Dosen zu
O, 6 Chin.).
4. Februar. Morg. kein Fieber (0,6 Chin.) Vormittags
T. 39.5", P. 120. Kein Frostanfall. Linke Wange vorzugsweise
geröthet. Husten bei Tag, wie bei Nacht heftig. Beim Per-
cutiren der Unterschlüsselbeingegenden erscheint der Ton links
kaum etwas leerer als rechts. Ebenso ist das Athemgeräusch
links etwas schwächer. Gegen Mittag Frostanfall, T. 40.4®.
6 Uhr T. 39,8°, 9 Uhr T. 39,2®.
5. Februar. M. T. 38,5®, 11 Uhr T. 39,2, P. 120. Ein
flüssiger Stuhl. Auswurf weiss, schaumig. Harn äusserst spär¬
lich. 4 Uhr p. mer. Frost, T. 40,2®, 6 Uhr T. 38,7®, 10 Uhr
T. 39®.
6. Februar. M. T. 38,5°. Gegen Mittag T. 39,2®, P. über
120. Sonst alles unverändert. Harn enthält kein Eiweiss, ist
spärlich. 6 Uhr p. mer. Frost, T. 39,2®, später T. 38,6®.
7. Februar. M. T. 38,8®, 11 Uhr T. 39,4®, l 1 /, Uhr T. 40,6®.
P. 120, äusserst schwach. Die vergrösserte Milz im linken
Hypoch. fühlbar. 4 Uhr- p. mer. Frost, T. 40,5®. (2,5 Grm.
Chin.), 7 Uhr T. 38,9®, 10 Uhr kein Fieber.
8. Februar. M. T. 38,5°. Gegen Mittag T. 39,7°. Erbricht
alles, auch flüssiges. Cyanosis faciei. Flüssiger Stuhl. A. T.
39,2°, später T. 38,8®.
9. Februar. M. T. 39,2°. Am Vormittag T. 39,9 0 , P. um
120. Stuhlverstopfung, mehrmaliges Erbrechen. A. T. 39.9°.
9 1 /, Uhr T. 39,6®
10. Februar. M. T. 38,8®. Um Mittag T. 39,3®. Weder
Erbrechen noch Stuhl. A. T. 38,6°, ein zweites Mal gemessen
T. 38,2®.
11. Fehruar. Morg. kein Fieber. Stuhlverstopfung. Reicli-
Digitized by
Gougle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
9. September 1S7S.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
543
lieber Auswurf. Kein Verlangen nach Speise, welche, wenn
genossen, erbrochen wird. Um Mittag T. 39,3°, A. T. 38,9°,
später T. 39,5®.
13. Februar. M. T. 38,5°. Gegen Mittag T. 38,8, P. mehr
denn 120, schwach. In den Lungen nichts auffallendes, eine
schwache Dämpfung rechts (vorn) ausgenommen. Frost alle
Tage. A. T. 39,6°, später 40,5°.
12. Februar. M. T. 37,9®. Gegen Mittag T. 38,2°. Weder
Stuhl noch Erbrechen. Husten geringer; besserer Schlaf.
A. T. 40,2®, später T. 39,7®.
14. Februar. M. T. 38,2®. Um Mittag T. 38,8. Husten
heftig. Gesicht roth, ins bläuliche. In 24 Stunden einmalige
Harnentleerung, ohne Eiweiss. Nachmittags T. 39,4°, A. T.
38,8°, später T. 39®.
15. Februar. M. T. 38,5®. Ein Durchfall. Aussehen heute
etwas besser, Gesicht nicht blau. P. gegen 120. A. T. 38,8°,
später T. 39,3®.
IG. Februar. M. T. 38,1°. Um Mittag T. 38,5°. Aussehen
wieder schlechter. Milz etwas vergrössert. Ab. kein Fieber.
17. Februar. Morg. kein Fieber, P. 105. Je einmal Er¬
brechen und Durchfall. Husten mit blutig gestreiftem Auswurf.
A. T. 3*.8“, 10 Uhr Nachts T. 40,2°.
18. Februar. Morg. kein Fieber. 3 Durchfälle. Auswurf
mit schmutzigem Blute gemischt. A. T. 38,5°, später T. 39,7°.
19. Februar. Morg. kein Fieber, P. 120 (Chinin 0,6).
A. T. 38.4°, später T 39,2®.
20. Februar kein Fieber (2 Pulver zu 0,6 Chin.). 12' 2 Uhr
T. 35,5°. P. 9G; klagt dabei, sie fühle sich unwohl. Durchfall
und Erbrechen vorhanden. Tags und Abends ohne Fieber.
21. Februar kein Fieber. 10 Uhr Vormittags Frost oder
vielmehr Zittern. T. 38,7", 11Uhr T. 40°. Klagt über Schlaf¬
losigkeit. A. T. 38,G", später T. 38°.
22. Februar kein Fieber, P. 105. Dennoch Dyspnoe und
starker Husten. Auswurf copiös. Milz noch vergrössert. Um
Mittag Frost, T. 38,9“. Am Tage T. 39,2°. Ab. kein Fieber.
23. Februar kein Fieber. Um Mittag T. 38,5°. Geringes
Nasenbluten. Hat Nachts geschlafen. A. kein Fieber.
24. Februar kein Fieber, P. 100. Hat die ganze Nacht
geschlafen. Durchfall. Beginnender Decubitus am rechten
grossen Trochanter. Ab. kein Fieber.
25. Februar kein Fieber, P. 105. Nacht schlaflos wegen
Husten. Kein Durchfall.
26. Februar kein Fieber, P. 105. Milz nicht geschwollen.
Husten besteht fort. Um Mittag T. 38,2°. Ab. kein Fieber.
5. März. Kein Fieber, P. 84. Stuhlverstopfung. Milz
nicht vergrössert. Kein Erbrechen. Dennoch Schlaflosigkeit
wegen Husten. Geringe Dämpfung rechts über und unter dem
Schlüsselbein. Symptome der Bronchitis viel weniger aus¬
gesprochen; trocknes Rasseln besteht noch vorzugsweise unter
den Schlüsselbeinen. Sputa cruda.
20. März. Auswurf weniger copiös. Nachts trockner Husten,
P. 9G resp. 40 (rechte Seitenlage).
23. März. Kein Fieber, P. unter 90, Resp. 36, Auswurf nicht
copiös, mehr mit dem Character der Sputa cruda.
26. März. Kein Fieber, P. 75. Schleimrasseln geringer,
am meisten noch vorne. Nirgends deutliche Dämpfung nach¬
weisbar.
IG. April. P. 110, Resp. 30. Guter Appetit. Speisen
werden theilweise regurgitirt (bereits seit 2 Jahren). Auswurf
mitunter reichlich. In den Lungen noch verbreitete rhonchi
sibilantes.
21. April. Die im Allgemeinzustande bedeutend gebesserte,
nur noch mit Husten behaftete Frau verlässt das Krankenhaus.
Nach Mittheilung des langwierigen Krankheitsverlaufs liegt
es uns ob, die Hauptsymptome desselben einer gesonderten
Betrachtung zu unterwerfen, um an ihnen Anhaltspunkte zu
gewinnen, die ein klares Bild von dem Krankheitszustand zu
entwerfen uns verhelfen sollen. — Die allgemeinen Symptome
finden ihren Ausdruck in dem das Krankheitsbild vorzugsweise
beherrschenden, über mindestens 5 Wochen sich erstreckenden,
ganz regellosen, bald continuirlichen, bald intermittirenden, oft
mit hohen Temperaturen einhergehenden Fieber. Von hervor¬
ragender Bedeutung für die Natur des Fiebers sind die meist
bei bereits abnorm hoher Wärme auftretenden, noch höhere
Temperatursteigerung ankündigenden Schüttelfröste, deren Zahl
(wie z. B. unter dem 13. Februar bemerkt ist) auf mehr als
9, die ausdrücklich notirt sind, sich beläuft. Inwiefern die
Milzschwellung zum Th eil wenigstens Fiebersymptom war, ist
an dieser Stelle der langsam und spät auftretenden und der
ebenso allmälig abnehmenden Milzvcrgrösserung Erwähnung zu
thuu. — Im Gegensatz zu dem schweren fieberhaften Allgemein¬
leiden steht die scheinbare Geringfügigkeit der örtlichen Sym¬
ptome. In dieser Beziehung ist zunächst die bei der Aufnahme
constatirte Affection des rechten Unterschenkels, welche bereits
seit 8 Tagen bestanden hatte und Hauptveranlassung dazu war.
dass Pat. das Krankenhaus aufsuchte, zu erwähnen. Mögen
die Veränderungen am Unterschenkel in Bezug auf deren räum¬
liches Verhalten in der Krankengeschichte etwas flüchtig skizzirt
sein — so haben doch, ausser der Umfangszunahme des Unter¬
schenkels, dem Oedem der Haut und der mit einer, freilich
nicht erwähnten Unfähigkeit zur Bewegung verbundenen bedeu¬
tenden Schmerzhaftigkeit keine weitere örtlichen Symptome
bestanden. Grade der Umstand liess den Befund am Unter¬
schenkel für mich räthselhaft erscheinen, dass für die eben
erwähnten örtlichen Erscheinungen keine Erklärung in den
Zeichen einer stattgehabten Contusion (die Pat. auch selbst
nicht beschuldigt hat), in dem Vorhandensein einer ausgesproche¬
nen erysipelatösen Küthe oder dgl. gegeben war. Auch Hessen
mich wohl diese Verhältnisse, wie aus der tagelangen Anwen¬
dung des Ung. einer, zu ersehen ist, einen entzündlichen Pro-
cess in der Tiefe des Gliedes ahnen; diesen aber näher zu
präcisiren vermochte ich damals nicht. — Als somit die Er¬
scheinungen seitens des Unterschenkels nach wenigen Tagen
sich verloren hatten. Pat. selbst nicht mehr über Schmerz in
der Beziehung klagte (theilweise vielleicht, weil sie ihres schwe¬
ren Zustandes wegen zum Stillliegen genüthigt war), traten
jene auch für mich allmälig in den Hintergrund, und ich wen¬
dete nun, und zwar für die ganze übrige Krankheitsdauer, den
Symptomen von Seiten der Lungen meine Aufmerksamkeit zu,
der Athemnoth, dem quälenden, die Nachtruhe störenden Husten,
dem reichlichen Auswurf. Trotzdem aber die Lungen immer
von neuem und so genau, als es der Zustand der Pat. nur
gestattete, untersucht wurden, um für die erwähnten Symptome,
namentlich für die Athembeschwerde, ausser dem Fieber und
der Bronchitis, noch eine anderweitige Erklärung, sowie für
das allgemeine fieberhafte Leiden eine anatomische Basis wo¬
möglich zu finden, konnte doch nichts derartiges entdeckt
werden. Wenn ich nämlich auch nicht versuchen will, für
den während des Verlaufs bemerkten etwas leeren Schall in
der linken und für die einige Zeit darauf gefundene geringe
Dämpfung in der rechten Schlüsselbeingegend eine Erklärung
zu geben, so dürfen doch diese Befunde, wegen der in der
Krankengeschichte hervorgehobenen schwachen Andeutung der¬
selben, sowie, weil sie nur ein, resp. zwei Mal constatirt wurden,
in obiger Beziehung keinen besonderen Werth beanspruchen:
auch konnten am 26. März, zu welcher Zeit Pat. bereits be¬
deutend gebessert war und hiermit einer genauen Untersuchung
zugänglicher sein musste, keine Residuen stattgehabter, objectiv
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 36
wahrnehmbarer Veränderungen in den Lungen nachgewiesen
werden.
Nun kann ich daran gehen, in Kürze die Diagnose zu
motiviren, wie ich sie während und längere Zeit nach beendigtem
Verlauf gestellt hatte, zur Zeit nämlich, wo die Affection des
Unterschenkels als etwas scheinbar ausser Zusammenhang mit
dem ferneren Krankheitsverlauf stehendes ausser Rechnung
geblieben war. Dies erscheint um so weniger unstatthaft, als
die spätere Diagnose in gewissem Sinne nur eine Ergänzung
der früheren ist. Da der Typhus sofort auszuschliessen war,
blieb zuerst etwa an einen phthisischen Process in den Lungen
zu denken. Einerseits sprach gegen einen solchen das Fehlen
entsprechender Veränderungen, wie bereits erörtert worden ist;
andererseits Hessen nicht sowohl die verhältnissmAssig kurze
Fieberdauer mit den oft hohen Wärmegraden, als vielmehr die
Schüttelfröste, die Milzschwellung einen destructiven Process
in den Lungen, auch einen solchen, der nur einzelne zerstreut
liegende Läppchen ergriffen haben sollte, ausschliessen. — Eine
acute Miliartuberculose durfte zurückgewiesen werden wegen
der Schüttelfröste, des Freibleibens des Sensoriums, vor allem
aber wegen des günstigen Ausgangs. Kommen auch ferner
Wochen lang der Behandlung trotzende Intermittensfälle vor,
sowie mitunter solche, die nicht nur im Beginn, sondern wäh¬
rend des bereits ausgeprägten intermittirenden Verlaufs für
einige Zeit in den continuirlichen Typus Umschlägen, um sich
dann wieder als Wechselfieberfälle zu demaskiren — so konnte
doch auch gegen die Annahme einer Intermittens wegen der
bei bereits erhöhter Temperatur eintretenden Fröste, der lang¬
samen und späten Milzschwellung protestirt werden. — Blieb
die Pyämie übrig, für die denn nun auch sämmtliche Erschei¬
nungen des Krankheitsverlaufs sich positiv verwerthen Hessen:
so das vom Chinin nur unvollständig beeinflusste Fieber, die
Schüttelfröste mit den jenem und diesen zukommenden bereits
geschilderten Eigentümlichkeiten, das erwähnte Verhalten der
Milzschwellung. — Dass keine Infarcte oder sonst welche me¬
tastatische Processe, speciell in den Lungen, nachgewiesen
werden konnten, durfte, abgesehen davon, dass sie mitunter
auch fehlen können, die Diagnose der Pyämie nicht entkräften, ;
weil dies oft genug wegen der Kleinheit der zerstreut liegenden ;
Infarcte der Fall ist. Andererseits hat der Zustand der Pat. !
die Untersuchung der Unterlappen erschwert, sowie es denkbar I
war, dass das Auffinden etwa von klingendem Rasseln, von
pleurrtischeu Reibegeräuschen durch die starke Bronchitis mög- (
licherwei.se vereitelt wurde. Die Schüttelfröste machten es \
gerade wahrscheinlich, dass Metastasen da waren, wofür auch '
die an zwei aufeinanderfolgenden Tagen bemerkten blutigen j
Sputa sprachen. In solchem Falle hätten jene für die Athem- 1
noth sowie für die während der Fieberdauer gesteigerte Bronchi- \
tis teilweise verantwortlich gemacht werden müssen. |
Führte also der positive Weg sowie der der Exclusion ;
zur Pyämie, so durfte man sich doch nicht verschweigen, dass j
eine solche Annahme nur halb genüge, so lange man die Quelle '
der Infection nachzuweisen nicht im Stande war. Da die An- j
nähme einer spontanen Pyämie (ich meine nicht die von manchen I
für die primäre Knochenentzündung so gewählte Bezeichnung) j
viel bedenkliches hat, so schwankte ich zwischen der oben j
nachgewiesenen Nothwendigkeit, eine Pyämie acceptiren, und |
der, diese Diagnose mit Misstrauen betrachten zu müssen, ohne i
dass ich im Stande gewesen wäre, den Knoten zu lösen. Dies j
thun zu können ist mir, wie bereits erwähnt, erst in der letzten
Zeit möglich geworden. — Die Schwellung, das Oedem der
Haut, die bedeutende Schmerzhaftigkeit und die Bewegungs¬
unfähigkeit des rechten Unterschenkels deuten, bei dem Fehlen
anderweitiger sichtbarer Veränderungen in den Weichtheilen,
auf einen acuten entzündlichen Process in der Tiefe des Gliedes,
und zwar auf einen selbstständigen primären hin. Ein derartiger
unter Fieber, wie hier der Fall war, auftretender Process be¬
ruht nun, bei der grossen Seltenheit und der geringeren Schmerz¬
haftigkeit der idiopathischen Entzündung des perimusculären,
sowie des peritendinösen Zellgewebes, fast immer auf einer
Periostitis resp. Osteomyelitis (nach Billroth). Die demnach
an und für sich begründete Annahme einer unserem Fall zu
Grunde Hegenden primären Knochenentzündung, und zwar der
Tibia, wird aber durch die unzweifelhaft pyämische Natur der
vorliegenden fieberhaften Erkrankung noch mehr bekräftigt, wie
denn auch umgekehrt diese letztere in dem so gedeuteten Local¬
leiden ihre ausreichende Erklärung findet. — Der Hergang ist
also unzweifelhaft nur so zu deuten, dass eine primäre Knochen¬
entzündung an der rechten Tibia (die Tibia ist ja nächst dem
Oberschenkelbein der von der Krankheit am meisten bevor¬
zugte Knochen) ihren Sitz aufgeschlagen, und nachdem sie
einen gewissen Grad der In- und Extensität erreicht hat, wieder
rückgängig geworden ist; hierbei wird es, inwiefern etwa das
Knochenmark vorzugsweise an der Entzündung betheiligt war,
zur fluxionären Stase, zu Zellen Wucherung und höchstens zu
einer nur partiellen Eiterung, wohl aber höchst wahrscheinlich
gleichzeitig zur Thrombenbildung mit nachherigem Zerfall in
demselben gekommen sein. Bevor und bis es aber zum Er¬
löschen des entzündlichen Processes gekommen war — der
Fieberverlauf und die Schüttelfröste machen es sehr wahrschein¬
lich, dass der Process in der Tibia noch längere Zeit nach dem
Verschwinden der objectiven localen Symptome sein Wesen
getrieben habe — gelangten von dem entzündlichen Herd aus
pyrogene Stoffe und wahrscheinlich auch periodisch, unter Frost
und Temperatursteigerung, Partikel zerfallner Thromben als
Emboli in die Lungen, vielleicht auch zur Milz, wobei dann
jene ihrerseits zur Infarctbildung, und wenn überhaupt, so doch
nur in beschränktem Masse, zu eitrigem Zerfall der Infarcte
geführt haben werden. — So erhalten wir ein einheitliches, der
örtlichen und der allgemeinen Symptomenreihe, sowie dem
günstigen Ablauf beider, Rechnung tragendes Krankbeitsbild,
das der Diagnose den Grad der Glaubwürdigkeit giebt. deu
eine intra vitam gestellte überhaupt nur beanspruchen kann. —
Wird auch der Fall als ganzes genommen, gewiss zu den gerade
nicht häufigen glücklichen Ausnahmen gezählt werden müssen,
so bietet er doch in seinen einzelnen Hauptmomenten nitm-
gradezu aussergewöhnliches; denn dass z. B. eine nicht zu
diffuser Eiterung führende Osteomyelitis unter günstigen Um¬
ständen, bei Unversehrtbleiben des Knochens, rückgängig werden
könne, wird ebenso allgemein angenommen, wie es bekannt
ist, dass eine Pyämie, deren Quelle über kurz versiegt, wenn
sie nicht zu zahlreiche, namentlich nicht zur Abscessbildung
führende metastatische Processe gesetzt hat, das Leben oft
verschone.
Was die Frage nach dem vorzugsweisen Sitz der primären
Knochenentzündung in dem Falle, ob im Periost oder im Knochen¬
mark betrifft, so kann darauf nur mit Vermuthungen geantwortet
werden. Das für die von Anfang an zur Beobachtung gekommenen
Fälle gewiss oft brauchbare Criterium, welches die Zeit des Ein¬
tretens der Gliedschwellung, des Oedems, bei bereits früh ent¬
wickelten anderen Symptomen, dem Fieber, der Schmerzhaftig¬
keit und der Functionsunfähigkeit giebt — kann hier wenig
in Anwendung kommen, da wir die Pat. zum ersten Mai erst
am 8. Tage der Erkrankung gesehen haben. Sonst spricht
aber für eine stattgehabte Osteomyelitis wenigstens ebenso viel
wie für eine Periostitis; denn ausser dass z. B. nach Hei necke 1 )
]) Volkmann, Sammlung klinischer Vorträge No. 63.
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UNIVERSETY OF MICHIGAN
9. September 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
545
die primäre Knochenentzünduug tneist auf einer Osteomyelitis
beruhe, ist es gerade diese, zu der eine Osteophlebitis, die wir
dem stattgehabten Verlauf nach anzunehmen Ursache haben,
am leichtesten sich hinzuzugeselien pflegt.
Was endlich die aus dem Falle zu machenden Folgerungen
betrifft, so beweist er vor allem, dass man lange aus fremder
and eigener Erfahrung lernen müsse, bevor es gelingt, eine
wenig gangbare Krankheitsform allseitig auffassen zu können.
Zweitens bestätigt auch dieser Fall, dass das vollendete Wachs¬
thum keine sichere Sperrgrenze gegen die Krankheit abgiebt.
V. Kritiken.
Kriegs - Sanität»-Ordnung vom 10. Januar 1878. Berlin,
Mittler u. Sohn.
Der für den letzten Feldzug massgebend gewesenen „Instruction
über das Sanitätswesen der Armee im Felde vom 29. April 1869“ ist
nunmehr nach fast einem Decennium diese neue „Kriegs-Sanitäts-Ord-
nung“ gefolgt: diesmal nicht „secrct“ als zu den Mobilmachungsacten
gehörig, sondern Jedermann zugängig. und für den Feldzug nicht blos
zur Verth ei lu ng an die Sanitätsbranchen, sondern ganz besonders auch
zum Gebrauch der militairischen Befehlshaber bestimmt. Und in der
That, die „Sanitätsordiiung“ braucht das Licht nicht zu scheuen: denn
der Leser irrt, wenn er hinter dem wohlbekannten'‘grünen Einbande nur
eine vermehrte und verbesserte Auflage jener früheren Instruction ver-
muthet, die man hauptsächlich dann zu Rathe zog, wenn man über
irgend welche Etatsposition etc. nicht ganz klar war. — Wiewohl überall
auf dem alten fussend, ist doch thatsächlich etwas vollkommen neues
geschaffen worden. Selbstverständlich bildet die Organisation und die
Regelung des Kriegs-Sanilätswesens auch jetzt den Hauptinhalt, aber an
den hier auf Grund der reichen Erfahrungen des letzten Feldzuges ge¬
troffenen Veränderungen und Verbesserungen hat zunächst nur der direct
betheiligte ein speeietleres Interesse. — Von einer viel weittragenderen
Bedeutung muss der unter der schlichten Bezeichnung: „Anlage. Ge¬
sundheitsdienst im Felde“ beigegebene Abschnitt erscheinen, da
er eine der höchsten culturhistorisclien Aufgaben zu lösen versucht, die
Aufgabe: die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung zum Gemeingut
der°Armee zu machen. Der vorbezeiehnete Abschnitt giebt nämlich
in nuce eine auch für den Laien verständliche Uebersicht über die
Grundprincipien unserer jetzigen wissenschaftlichen Militairhygicne —
sowe it sie frei von Controversen dastehen, und soweit ihre Kenntniss für
iedes einzelne Glied des Heeres wünschenswert!! erschien. Theoretische
Auseinandersetzungen sind ganz vermieden, wohl aber ist eine Fülle
practischer Rathsehlnge überall eingestreut.
In dieser Weise sind in der üblichen knappen, der militairischen
Instruction am meisten entsprechenden Paragraphenform besprochen:
I. Allgemeine Lebensbedürfnisse, und zwar: 1. Nahrung
und Nahrungsmittel. 2. Getränke, 3. Bekleidung. 4. Pflege des äusseren
Körpers und einzelner Körpertheile.
II. Gesundheitsdienst unter beso nderen Verhältnissen:
5. Auf Märschen. Sonnenstich und Hitzschlag. 6. Im Biwak, Lager und
Quartier, 7. Im Lazareth, 8. Auf Eisenbahnen, 9. Auf Schlachtfeldern.
III. Massre.geln zur Verhütung der Weiterverbreitung
und zur Vernichtung von Ansteckungsstoffen: 10. Gesund¬
heitliche Massnahmen und Sanitätspolizei bei Seuchen. 11. Armeekrank¬
heiten, 12. Anleitung zum Reinigungs- (Desinfections ) Verfahren.
Wenn die militairischen Befehlshaber diese einfachen Cardinaisätze
in succum et sanguinem aufnehmen, und es ihrer und der ärztlichen
Autorität gelingt, dieselben schon während der Kriegsbereitschaft, das
heisst im Frieden, durch Befehl, Beispiel und Belehrung dem einzelnen
Manne einzuimpfen, dann wird der Militairarzt im Kriege und im Frieden
verständnisvolleres Eingehen aut seine hygienischen Bestrebungen, Vor¬
schläge und Massnahmen bei Officieren wie Soldaten finden, als bisher —
es wird aber auch unsere militairpflichtige Jugend ins spätere bürger¬
liche Leben Anschauungen mit hinübernehmen, die in gleicher Weise
geeignet sein dürften, den Civilarzt und den Sanitätsbeamten in seinem
Kampfe gegen Aberglauben, Yorurtheile und C’harlatanismus zu unter¬
stützen.
Al» Anhang zu diesem Abschnitte ist eine Anweisung zur Errichtung
von Krankenzelten und Baracken, sowie eine sehr bemerkenswerthe
..Anleitung zur Trinkwasseruntersuchung im Felde“ beigegeben. Die
letztere soll zunächst nur für den Techniker — den Apotheker des Sanitäts¬
detachements — bestimmt sein, ladet aber durch ihr Streben nach mög¬
lichster Vereinfachung der Methoden, lohne der wissenschaftlichen Ge¬
nauigkeit Eintrag zu tbun. so sehr zur eigenen Ausführung ein, dass
sie sehr bald unseren Militärärzten und vielleicht auch manchem CiviL-
Sanitätsbeamten geläufig sein dürfte. Wie auch hier der grüne Tisch
fern geblieben ist, geht am besten aus dem kurzen Resume über die
Beurtheilung eines Trinkwa>sers hervor, dessen Schlusssatz z. B. lautet:
„Ist ein Trinkwasser mit Wahrscheinlichkeit als die Ursache von Gesund¬
heitsstörungen unter den Truppen anzusLen. so bleibt der Versorgung
dieser mit reinem, unverdächtigem Wasser erhöhte Sorgfalt zuzuwenden,
■auch wenn die chemische l’nteisuchung keine sicheren Grundlagen liefert.“
Ref. hat absichtlich nur auf diese allgemeiner interessirenden Ab¬
schnitte die Aufmerksamkeit lenken wollen, zumal der organisatorische
Theil bereits in den militairärztlichen Fachblättern eingehend besprochen
worden ist. Es genüge zu bemerken, dass der Dienst bei der Truppe,
beim Feldlazareth und beim Sanitätedetachement als hinreichend im
letzten Feldzuge bewährt, nur wenig Veränderungen erfahren hat; der
Rittmeister als Befehlshaber des Sanitätsdetachement ist beibehalten;
und sollte nicht in der That hier das alte „ne sutor“ etc. vorläufig noch
seine Berechtigung haben V Besondere Fürsorge ist dagegen denjenigen
Formationen zugewandt worden, welche auf Grund der beschränkteren
Verhältnisse des Feldzuges von 1866 bisher unzureichend organisirt
waren, so namentlich dem 1870/71 manchmal in recht unglücklicher
Lage befindlichen Lazareth-Reservepersonal und dem Lazareth-
Reservedepot; ob die getroffenen Veränderungen bereits ausreichend
sein werden, muss erneute Praxis lehren.
Völlig umgestaltet oder so gut wie neu geschaffen ist das Eva-
cuationswesen und der Dienst auf den Sanitätszügen; die
reiche Erfahrung des letzten Feldzuges und die darüber erschienenen
Publicaiionen sind dabei überall zu Grunde gelegt.
Der heikle Factor der freiwilligen Krankenpflege ist mit Glück
aus der eigentlichen Feldarmee ganz entfernt und in den Bereich der
Etappeninspection und der heimathlichen Behörden verwiesen, „wo sie
ausschliesslich bei der eigentlichen Krankenpflege, d. h. bei den Laza-
i ivth ij und bei den Krankentransportzügen das Feld ihrer Thätigkeit finden
| soll”. (Nur ausnahmsweise kann durch besondere Genehmigung des
! Armce-Übercommando’s einer freiwilligen Verwundeten-Transport-Coionne
I der Anschluss an die Feldarmee gestattet werden. Dieselbe wird aber
I dann einem Sanitätsdetachement zugetheilt, dessen Commandeur sie in
1 jeder Beziehung, an jedem Orte und mit allen Consequenzen der mili-
tairisehen Disciplin unterstellt ist.)
j Der zweite Band des Buches enthält die unvermeidlichen Etats, bei
; denen eine Vermehrung des Instrumentariums und die Mitführung der
| zur antiseptischen Methode erforderlichen Verbandstücke und Medica-
I mente beim Feldlazareth und San itäts de lach erneut hervorzuheben ist.
! - Sbdt.
| Riedel, Die Dienstverhältnisse der Kgl. Preuss. Militair-
j Aerzte im Frieden. Berlin 1878. 5 Mark.
R. giebt in übersichtlicher Anordnung eine Zusammenstellung der
j zur Zeit geltenden Verordnungen, Reglements und Bestimmungen über
| den Sanitätsdienst im Frieden, welche allen Militairärzten des activeu
! Dienst- und des Beurlaubten-Standes, denen das grosse Präger’sche
; Werk unzugänglich oder zu „dickleibig“ ist. willkommen sein dürfte.
Sbdt.
! Baer: Der Alcoholismus, seine Verbreitung und seine
Wirkung auf den individuellen und socialen Orga-
I nismus. gr. 8. 621. Berlin. Hirschwald 187S.
Der Verfasser hat in den Folgen des chronischen Alkoholgenusses,
■' der ihm als dem ärztlichen Dirigenten eines der grössten Gefängnisse
Deutschlands (Plötzensee bei Berlin) naturgemäss in den mannigfaltigsten
j Formen hat vor Augen kommen müssen, wie er selbst in der Vorrede
| sagt, die Anregung dazu gefunden, alle Thatsachen und Ermittelungen,
j sowie alle noch streitigen Fragen, welche den Alcoholismus betreffen,
! im Zusammenhänge darzustellen. — Er hat sich dieser Aufgabe mit
| voller Hingebung unterzogen und so ein Werk geschaffen, das der Nach-
! sicht nicht bedarf, um die er den Leser in der Vorrede bittet.
Die Einleitung führt uns in das Werk durch culturhistorische Stu¬
dien über die Reiz- und Genussmittel überhaupt ein. — Wir erhalten
hier wissenschaftliche Belege dafür, dass die Genusssucht der Menschen
ebenso alt ist, als glaubwürdige Kunde über dieselben existirt. und dass
! die Mittel, sie zu befriedigen, ebenso zahlreich sind, als Racen und
' Nationen über den Erdboden verbreitet sind. Nur die allerrohesten
Wilden sollen, nach Perty, sich mit Wasser als Getränk begnügen;
! und nur selten seien die Menschen, welche mit dem natürlichen Saft
i der Früchte zufrieden sind. Zum Tröste des gegenwärtigen Geschlechtes
sei es aber gesagt, dass es für seine Genusssucht die Schuld nicht allein
trägt. Denn es ist, nach Verf., keine Frage, dass „eine Generation, deren
physisches und psychisches Leben unter dem Einfluss künstlicher Erre-
gungs- und Betäubungsmittel abläuft, die durch diese Mittel erworbene
Schwäche der Gesammtconstitution und die Neigung zu ihnen auf die
i folgende Generation überträgt. — So kommt es, dass bei den spätem
Geschlechtern diese Neigung einen triebartigen Character annimmt, dass
be: diesen der Gebrauch dieser Mittel eine Nothwendigkeit, ein Bedürf¬
nis scheine und wird.“ — Dann geht der Verfasser auf die Ursachen
der Genusssucht über, und indem er die meisten Genussmittel als „Sor¬
genbrecher“ bezeichnet und jedem Menschen die Berechtigung zuerkennt,
sieh glücklich zu machen, billigt er, wenn auch mit Reserve, im all-
gemeinenen den Genuss. — Doch beweist er an Zahlen, dass die mo¬
derne Genusssucht von der modernen Lethe, dem Alkohol, ungeheure
Massen vertilgt und die Völker social und moralisch vernichtet. So hat
beispielsweise in den vereinigten Staaten von Nord-Amerika, nach Eve-
rett, der Consura an Spirituosen in den Jahren von 1866 bis 1870
der Nation eine directe Ausgabe von 2 Milliarden und eine indirectu
von 600 Millionen Dollar auferlegt, 300000 Menschenleben vernichtet.
100000 Kinder in die Armenhäuser geschickt und wenigstens 150000
Leute in Gefängnisse und Arbeitshäuser gebracht; wenigstens 2000 Selbst¬
morde . den Verlust von wenigstens 10 Millionen Dollar durch Feuer
oder Gewalt verursacht und 20000 Wittwen und 1 Million Waisen ge
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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macht. Gegenüber der Erfolglosigkeit aller Mittel, welche bisher gegen
die Trunksucht in Anwendung gekommen sind, könnte es fast scheinen,
als wenn es ein instinctiv begründetes, also unentbehrliches Ziel sei,
liegen das anzukämpfen als ein vergebliches Bemühen erscheinen könnte.
Dem ist nach des Yerf. Ansicht nicht so. Gegen einen so mäch¬
tigen Feind müssen mächtige Waffen in den Kampf geführt werden,
und es sei nur zu wünschen, dass der beste Erfolg zur Ausdauer in
diesem Streite ermuthige.
Der eigentliche Inhalt des Buches zerfällt in drei Theile. — In dem
ersten werden die physiologischen und die pathologischen Wirkungen
des Alkohols auf den thierischen Organismus klargelegt und in einem
dritten Abschnitt die Rolle besprochen, welche der Alkohol und die ver¬
schiedenen alkoholischen Getränke je nach ihrer Zusammensetzung als
Genuss- und Heilmittel spielen. Der zweite Theil enthält zunächst eine
Geographie der Trunksucht, und giebt genaue Daten sowohl über die
Verbreitung dieses Lasters in den verschiedenen Zonen und Klimaten,
als auch über Consum und Production der berauschenden Getränke in
den verschiedenen Ländern. Von Preussen, das uns speciell intcressirt,
erfahren wir, dass hier der Consum berauschender Getränke mit den
Jahren zugenommen, die Trunksucht aber insofern abgenommen habe,
als meist die unteren und die arbeitenden Klassen der Bevölkerung dem
excessiven Genuss spirituoser Getränke ergeben sind, während die mitt¬
leren und besseren Klassen des Volkes hauptsächlich dem Biergenuss
huldigen. Die nächstfolgenden Capitel sind dem Nachweis gewidmet,
dass die Trunksucht die Racc degenerirt und in der Nachkommenschaft
Dispositionen zu Erkrankungen wachruft, welche früher oder später her¬
vorbrechen, dass die Trunksucht die Widerstandsfähigkeit der Individuen
gegen Krankheiten mindert, dass sie direct durch Alkoholintoxication
und Delirium tremens sowie indireet durch Verunglückungen und Selbst¬
morde ein ansehnliches Contingent zur Mortalitätsstatistik liefert, und
endlich, dass die Trunksucht die Lebensdauer verkürzt, und dass in Folge
davon die Mortalität in den einzelnen Ländern zur Verbreitung ihrer
endemischen Trunksucht in einem gewissen Verhältnis^ steht.
W ie der Alcoholismus Ursache moralischen und sanitären Elends
ist, so ist er eine der wichtigsten Quellen des Pauperismus. Er gebiert
ferner die Unwissenheit von Generationen, untergräbt die Sittlichkeit
des Familienlebens, führt zu Verbrechen und spielt unter den ätiologi¬
schen Momenten der Geistesstörung eine hervorragende Rolle.
Der dritte Theil des Buches ist der Besprechung der Mittel ge¬
widmet, welche den Alcoholismus bekämpfen sollen. — In der Einleitung
zu diesem Theil erfahren wir, dass die Ansichten über die Art. wie der
Kampf gegen die Unmässigkeit zu führen sei, nach zwei Richtungen
auseinandergehen. „Die einen wollen den massigen Genuss alkoholischer
Getränke als berechtigt, für gewisse Verhältnisse als nützlich und noth-
wendig anerkennen, dagegen wollen sie den excessiven Genuss, aber nur
diesen, auf jede Weise bekämpfen. Die anderen glauben, dass der un-
mässige Genuss niemals anders als aus einem ursprünglich mässigen
entstehe, dass es unmöglich und vergeblich sei. die grossen Massen zur
Massigkeit anzuhalten, dass überall dort, wo der massig«.- Genuss gestattet
sei. es niemals gelingen werde, die Unmässigkeit zu vernichten, und dass
diese einzig und allein nur dadurch zu beseitigen sei. jeden Genuss eines
alkoholischen Getränkes zu untersagen. Volle Entsagung, gänzliche Ent¬
haltsamkeit muss erstrebt werden und nicht Massigung und Massigkeit.“
Der Verf. verwarft den absoluten Rigorismus von vornherein und meint,
dass man im Kampf gegen die Trunksucht nur das zu erreichen suchen
'■die, was überhaupt erreichbar sei. — Dann bespricht er die Geschichte
und die Principien der Gesellschaften, welche sieh zum Zweck der
Massigkeit und Enthaltsamkeit zuerst in Nordamerika seit 1SU8, dann
ui Grossbrittanien seit 1821), und endlich in Deutschland gebildet haben,
wo Friedrich Wilhelm III. 1837 Anregung zu Enthaltsamkeitsvereinen
auf dem Wege ministerieller Verfügungen gab. In Preussen eröffnete
«■in Franziskanennönch, Stephan Brzozows ki, eine Art Kreuzzug
gegen die Trunksucht, und bekehrte durch seine begeisterten Reden in
kurzer Zeit 500000 Männer und Weib.-r zu voller Enthaltsamkeit. „Am
Ende des Jahres 1845 waren in Ubersehlesmn 84 Brennereien einge¬
gangen und *206 ausser Betrieb gesetzt. Es wurden 4S0O0 Eimer Spi¬
ritus weniger gebrannt, und an Branntweinsteuer waren *254481) Thaler
weniger ein gegangen. Der König äusserte seine Freude über diese Be¬
wegung mit den Worten: „Ich würde es für den grössten Segen meiner
Regierung ansehen, wenn während derselben die Branntweinsteuer auf
Null herabsänke.“ Von Ohersehlesien aus verbreitete sich die Bewegung
gegen die Trunksucht über ganz Deutschland. dessen Nachbarstaaten,
Russland, Holland, Belgien, die Schweiz und Frankreich an derselben
in reger Weise Theil nahmen. — Die Mässigkeitsvcreine haben indessen
das nicht geleistet, was sie zu leisten berufen sein sollten. In den Fragen,
welche von ihm-n zu lösen waren, war jeder specifisch politische und
eonfessionelle Standpunkt ganz unwesentlich, und jede einseitige oder
gar exclusive Auffassung dieses Verhaltens ebenso unberechtigt als
schädlich. Nach des Verfassers Ansicht ist aber diese Auffassung nicht
diejenige gewesen, welche die Mässigkeitsgese 11 schäften im grossen und
ganzen zu der ihrigen gemacht hatten. Deshalb waren auch die Mittel,
mit denen sie auf die Massen zu wirken unternommen hatten, nicht
immer die richtigen und ergebnissreiehon. I
In den folgenden Abschnitten bespricht Verf. endlich die Mittel, j
welche die Trunksucht mittelbar und unmittelbar bekämpfen. — Zu !
den ersteren gehören die Massivgdn. mit denen der Staat die Production |
(Steuer) und den Verkauf (Sehankconcessionen) des Branntweins über- I
wacht, die gesetzlichen Bestimmungen, welche die Befugnisse der Schank- j
| wirthe und die Zügellosigkeit der Trinker beschränken, die Asvle,
I welche in manchen Ländern vom Staate oder von Privaten geschaffen
und eine Art von Hospitälern für Trinker sind. -— Die Vorschläge,
I welche unmittelbar der Trunksucht entgegentreten sollen, sind entweder
| gegen den Branntwein als solchen, oder gegen die Trunksucht im allge-
! meinen gerichtet. — ln ersterer Beziehung soll der Versuch gemacht
werden, den ärmeren Klassen den Genuss des Weines und des Bieres
! zugänglich zu machen, denen mar. die nachtheiligen Wirkungen des
| Branntweines abspricht, in zweiter soll die Schule erlösend wirken, in¬
dem sie durch Hebung der Bildung und Sittlichkeit vom Laster befreit.
Ein Anhang, der dem Buche angefügt ist, giebt über viele Punkte,
die in der Arbeit selbst haben unerledigt bleiben müssen, erklärende
Ergänzungen.
Der reiche Inhalt des Werkes, den wir nur kurz skizzirt haben, ist
klar geordnet und kritisch gesichtet. — Es ist ein fleissiges Werk, dem
wir Glück auf den Weg wünschen. A. Adamkiewicz.
VI. Verhandlangen ärztlicher Gesellschaften.
Berliner medicinische Gesellschaft.
Sitzung vom 13. März 1878.
Vorsitzender: Herr II e n o c h.
Schriftführer: Herr Ries.
Als Geschenke für die Bibliothek sind eingegangen: v. Liebig :
Reichenhall, sein Klima und seine H eilinittel. 4. Aufl. und Lender
Messungen der freien Kräfte der Luft im December 1877.
Tage s o r d n u n g.
Herr Leyden: Ueber Fettherz. (Der Vortrag ist in der Bcrl.
klin. Wochenschrift veröffentlicht worden.)
Herr Seligsohn: Ich habe mehrere Jahre hindurch einen Fall
von Fettherz bcybachtct, bei dem sich als hervorragendstes Symptom
eine dauernde erhebliche Herabsetzung der Pulsfrequenz bemerkbar
machte. Es handelte sich um einen last 50jährigen Mann von mitt¬
leren Ernährungsverhältnissen. Neben einer alheromatösen Beschaffenheit
der geschlängelten Radialarterien zeigte siel) constant eine Pulsfrequenz
von *28 bis 30 Schlägen, die sub tinem vitae bis auf 18 herabgine.
Stenocardisehe Anfälle traten während des ganzen Krankheitsverlaufes
nur in sehr untergeordnetem Grade auf, der Gesammtorganismus zeigte
eine ausserordentliche Toleranz gegen dieses schwere Leiden, bei welchem
Stauungsödeme und Asojtes auftraten : der Herzstoss war schwach fühlbar,
die Herztöne rein. Die mit Rücksicht auf die verringerte Pulsfrequenz
und die atheromatösen Radialarterien gestellte Diagnose auf Fettherz
wurde durch die nur unter sehr erschwerenden Umständen ausführbare
Section bestätigt : die Herzmusculatur zeigte sich dünn, blass und stellen¬
weise stark fettig degenerirt.
Da ich ähnliche Fälle in der Literatur nicht gefunden habe, so
drängte sich mir die Frage auf. ob nicht vielleicht das Gehirn von
irgend welchem Einlluss auf die Herabsetzung d« r Pulsfrequenz gewesen
sein möchte: ich behalte mir weitere Mittheilungen über den Befund d«:-s
zur Zeit dem Erhärtungsprocess noch unterliegenden Gehirns vor, möchte
aber den Vortragenden fragen, ob ihm ähnliche Fälle bekannt seien.
Herr Leyden: Die Ursachen einer stark verminderten Pulsfrequenz
sind wenig bekannt: dieselbe findet sich zuweilen individuell, bei Per¬
sonen, di«: sonst ganz gesund sind: ich kannte in Königsberg einen Mann,
der gewöhnlich 3*2, im höheren Alter sogar nur *28 Pulsschläge hatte.
Auch in den Fällen, wo die Pulsfrequenz plötzlich herunter ging. war
der Grund nicht klar. Englische Autoren wollen die Pulsverlangsamung
bei Selcrose der Coronararterieu gesehen haben. Bei Fettherz aber
steigt in den meisten Fällen die Pulsfrequenz: ein bestimmtes Verhalten
des Pulses hei dieser Krankheit ist jedoch nicht zu ccnstatiren.
Herr Ewald: Herr Leyden hat die bei Fettherz sieh einlindende
Dilatation im wesentlichen auf eine direete Erkrankung des Herzens
zurückgeführt. Es ensteht die Frage, oh nicht die grössere, durch d.-n
Druck, welche bei Fettleibigkeit die Capillaren und kleineren Ge fasse
i erleiden, hervorgerufene Blutfülle die Ursache sein könnte: die man¬
gelnde Hypertrophie andererseits wäre durch die Ernährungsstörungen,
welche ja auch die Atrophie des Herzmuskels bedingen, wohl zu erklären.
Da mir Herr Leyden diese seine Beobachtungen schon früher mit-
zutheilen die Güte hatte, habe ich in der Literatur darauf geachtet und
bei Haller die folgende, wie mir scheint, einschlägige Bemerkung
gefunden:
„Das Fett schadet, wenn es sich zu stark anhäuft, denn es drückt
die Blutadern, widersteht der Kraft des Herzens und verursacht Keuchen.
Sehlagiluss und Wassersucht.“ (Vgl. Ha 11er’s Physiologie, odit. Semme¬
ring, S. 17.)
Herr Leyden: Das Krankheitsbild. welches ich gegeben habe,
sehliesst sich an das an, welches von Altersher bekannt ist. Was die Er¬
klärung des Herrn Ewald betrifft, so glaube ich nicht, dass die Fett-
Ansammlung allein schon die Function der Gelasse durch Compression
beeinträchtigt: es wird immer noch das Eindringen von Fett in die
Herzsubstanz und die dadurch bedingte Veränderung in der Textur des
Herzens hinzukommen müssen.
Sitzung vom *20. März 1878.
Vorsitzender: Herr B. Frankel.
Schriftführer: Herr Senator.
Das Protneoll der letzten Sitzung wird verlesen und genehmigt.
Von Frau Gräfin Julie Rcichenbach auf Eichberg bei Schön leid
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UNIVERSfTY OF MICHIGAN
D. September 1878
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
547
flieg.-Bez. Liegnitz) ist ein SoAnevbeTV eingegangen, in welchem sie auf
Grund mehrfacher Beobachtungen eine dünne Suppe von Klossmehl
<Roggcnmehl) zur Ernährung kleiner Kinder und Kranker zur Prüfung
empfiehlt.
Tagesordnung.
1) HerrPincus: Ueber die chronische interstitielle Ent¬
zündung (S der ose). Der Vortrag wird ausführlich veröffentlicht
werden.
Herr Senator bemerkt mit Bezug auf die von Herrn Pincus
gegebene Auslegung der Traube’schen Theorie der Herzhypertrophie
bei Schrumpfniere, dass eine Behinderung des Blutstromes durch eine
active Contraction der Aeste der Nierenarterien dabei nicht wohl anzu¬
nehmen ist, sondern dass es sich um eine Verödung der Gefässausbrei-
t ungen handle, welche nothwendig collaterale Erweiterungen herbeiführe.
— Was die Alopecie nach Eczemen betreffe, so liesse sich diese vielleicht
dadurch erklären, dass der Entzündungsprocess in der Cutis in schwe¬
reren Fällen sich auf den Haarbalg und die Haarwurzel fortsetze und
diese zerstöre, oder dass sich, wie nach Friedländer bei den verschie¬
densten chronischen interstitiellen Entzündungen, die kleinen Hautarterien
an der Entzündung in Form der Arteriitis obliterans betheiligen und so
die Haare ihres Ernährungsmaterials beraubt würden.
Herr Pincus erwiedert, dass Traube allerdings von der passiven
Undurchgängigkeit der Gefässe in der geschrumpften Niere ausgegangen
sei. Er selbst möchte nur die Drucksteigerung in der Aorta als bedingt
durch das Nierenleiden betrachten, indem er entsprechend seinen Beob¬
achtungen über das Verhalten der Temporalarterien anzunehmen geneigt
sei, dass in den Nieren die kleineren Gefässe sich in Folge irgend eines
Reizes von Zeit zu Zeit tonisch contrahiren, während der Stamm der
Nierenarterie unverändert bleibe.
ftiedcrrheinische Gesellschaft für Natu- und Heilkunde in Bann.
Sitzung vom 25. Februar 1878.
Vorsitzender: Geh. Rath Leydig.
Dr. Madelung spricht über die sogenannte „spontane Luxa¬
tion der Hand nach vorne.“ Er schildert das Bild dieser durchaus
nicht seltenen, bisher aber nur ungenügend beschriebenen Form- und
Functionsstörung. Die spontane Luxation der Hand gehört zu der
Gruppe der Wnchsthumsstörungen, bildet ein Analogon zur Scoliose, dem
Genu valgum und dem Pes planus. Sie entsteht durch den allmälig
umformenden Einfluss, welchen relativ zu schwere Arbeit ausübt, auf
ein im Wachsthum begriffenes oder durch vorangegangene Ernährungs¬
störungen geschwächtes Handgelenk.
Prof. Leydig erläutert nach eigenen und fremden Untersuch¬
ungen den anatomischen Bau der Giftdrüse einheimischer
Schlangen.
Sitzung vom IS. März 1878.
Stellvertr. Vorsitzender: Dr. Leo.
Dr. Max Weber aus Bonn wird zum ordentlichen Mitglied aufge-
nommen.
Prof, von Mosengeil demonstrirt zwei Patienten, deren einer eine
schwere Verletzung dadurch erlitten, dass er mit der Hand zwischen
einen Transmissions-Riemen und das Rad gekommen und mehrere Mi¬
nuten lang mit herumgeschleudert worden; subcutane und complicirte
Fracturen, sowie starke Contusionen waren die Folge. M. legte nach
geeigneter Vereinigung der Wunden einen „aseptischen Contentiv-
Verband“ an, bei welchem der Gypsbrei mit Garbolwasser angemengt
wurde; an Stellen, wo Blut und Wundsecret den Verband von innen
her zu durchdringen drohten, wurden spirituöse Phenollösungen aufge-
strichen. Die Heilung ging aseptisch per primam vor sich. Später
stellte sich in Folge schlechter Ernährung ein Schwund der Knochen-
calli an Ober- und Unterarm ein, und) am letzteren trat eine spontane
Fractur auf, die langsam unter geeigneter Behandlung heilte.
Der zweite Patient war operativ von einer Radialisparalyse geheilt
worden. Diese war als Folgezustand nach einer brandigen Phlegmone
am Oberarm zurückgeblieben, wobei in der Mitte desselben hinten und
aussen eine handtellergrosse Partie der den Knochen deckenden Weich-
theile necrotisch zu Grunde gegangen war. Das bei der Heilung sich
bildende Narbengewebe hatte den Nerv comprimirt und gelähmt. — Bei
der Operation wurde derselbe an der Grenze des Supinator longus auf¬
gesucht, nach oben zu etwa 6 — 7 Zoll lang verfolgt und dabei eine
zolllange, in Narbenmasse fest eingebettete Partie freigelegt. Die Hei¬
lung der Operationswunde erfolgte per primam, die der Lähmung, welche
schon seit Monaten bestand, erst nach mehreren Wochen. Genaueres
über die Fälle ist in der deutschen Zeitschrift für practische Medicin
1S78, No. 15 veröffentlicht.
Prof. Busch bespricht eine eigenthümliche Form von Tuber¬
culum dolorosum und stellt die zwei betreffenden Patienten vor.
Ausser den eigentlichen wahren Neuromen sind in der Litteratur die
ihrer Structur nach mannigfaltigsten Geschwülste beschrieben, welche
der Sitz der heftigsten neuralgischen Affectioncn und selbst die Ursache
krampfhafter Zufälle waren. Am häufigsten sind es Neubildungen von
Geweben aus der Bindegewebsgruppe, aber auch Gefässgesehwiilstc,
Muskclgewebsneubildungen etc. waren es, welche die schmerzhaften Er¬
scheinungen veranlassten. Bald war sowohl bei der anatomischen Unter¬
suchung als auch zuweilen schon bei der Operation der Zusammenhang
des Knotens mit einem Nervenstämmchen nachweisbar, bald konnten
auch geübte Untersucher keine Nervensubstanz weder an noch in der
Geschwulst entdecken. Am häufigsten sitzen die Tubercula dolorasa in
dem subcutanen Gewebe, und besonders an den kleinen Hautcvsten am
Ende der Extremitäten.
Wir haben nun in der letzten Zeit zwei Mal Gelegenheit gehabt,
Tubercula dolorosa zu beobachten, welche an den Gelenkenden ent¬
stehend, dem Knochen fest aufsitzen, und welche aus einem absolut
nervenlosen, knorpeligen Gewebe bestehen, aber nichts destoweniger die
Vermittler der heftigsten Schmerzempfindungen sind. Der erste Fall
betrifft einen schwächlichen Schneider, welcher seit 4% Jahren zeit¬
weilig die heftigsten Schmerzen in der Gegend des Gelenkes zwischen
der ersten und zweiten Phalanx des rechten Daumens empfand, aber erst
anderthalb Jahre später zuerst ein, dann mehrere feste Knötchen ent¬
deckte, welche hart an der Knorpelgrenze der ersten Phalanx an dem
genannten Gelenke aufsassen. Bei der Untersuchung waren diese Körper¬
chen sehr leicht zu entdecken, sie waren hart, unbeweglich am Knochen
befestigt, die leiseste Berührung rief einen heftigen Schmerzanfall her¬
vor, welcher einige Minuten bis zu einer Viertelstunde dauerte. Aber
auch spontan traten diese Schmerzen auf, so dass der Patient unfähig
war, sein Handwerk auszuüben. In zwei verschiedenen Sitzungen wurden
vier dieser Körperchen entfernt. Eins von ihnen sass extra capsulam,
die anderen drei innerhalb der Gelenkkapsel und zwar so nahe der
Knorpelgrcnze, dass sie ganz ebenso aussahen, wie die osteophytischen
Wucherungen, welche bei Altersveränderungen in den Gelenken Vor¬
kommen. Das grösste Tuberculum hatte die Grösse einer Erbse. Sie
Hessen sich sehr leicht vom Knochen abschälen, aber dabei musste die
Rindensubstanz des Knochens verletzt werden. Die Untersuchung ergab,
dass die Knötchen von reinem hyalinen Knorpel gebildet wurden.
Gegenwärtig sind die Stellen, an welchen sie gesessen, absolut schmerz¬
los, wie die Betastung der kleinen Narben ergiebt, aber es besteht noch
ein fünftes Knötchen, welches noch exstirpirt werden muss.
Der zweite Fall betrifft einen 45 Jahre alten, sehr kräftigen Fabrik¬
arbeiter. Derselbe erhielt während seiner Dienstzeit als Soldat einen
Hufschlag gegen das rechte Knie. Nachdem eine in Folge des Traumas
entstandene ziemlich heftige Entzündung abgelaufen war, konnte sieh
Patient seines Beines wieder vollständig bedienen, und bemerkte 10 Jahre
lang nicht das geringste abnorme an demselben. Erst im Jahre 1864
trat eine leichte Schmerzhaftigkeit ein, indem sich bald nach dem Auf¬
stehen ein nach oben und unten ausstrahlcndcr Schmerz zeigte, welcher
aber nur kurze Zeit dauerte. Allmälig nahmen die neuralgischen An¬
fälle an Intensität zu, bis sie in den letzten Jahren eine unerträgliche
Höhe erreicht hatten. Mehrere Male am Tage wurde der Patient von
diesen eine halbe bis anderthalb Stunden dauernden Schmerzanfällen
heimgesucht. Wenn er im Gehen begriffen war, musste er sich nieder-
setzen; denn ein eonvulsivisches Zittern durchbebte das ganze Bein, so
dass er sich nicht auf dasselbe stützen konnte. In Folge der gestörten
Nachtruhe und der unerträglichen Schmerzen war der im übrigen kräf¬
tige Mann sehr heruntergekommen, und seine Gesichtszüge hatten einen
sehr leidenden Ausdruck. Als Ursache dieser Erscheinungen fand man
auf der inneren Seite des inneren Condylus femoris eine etwa bohnen¬
grosse, leicht gelappte, fest aufsitzende Geschwulst, deren leiseste Be¬
rührung einen längere Zeit dauernden Schmerzanfall hervorrief. Im
übrigen war das Kniegelenk ganz unverändert; es war keine Flüssigkeits¬
ansammlung in demselben, die Synovialis erschien glatt, und, wenn kein
Schmerzanfall vorhanden war, bewegten sich die Knochen im Gelenke
ganz frei. Vor der Operation liess sich nicht entscheiden, ob die kleine
Geschwulst noch innerhalb oder schon ausserhalb der Kapsel sich be¬
fand. Alle bisher angewendeten Verfahren gegen die neuralgischen An¬
fälle, Nervina, Hautreize, selbst die Anwendung des Ferrum candens,
Electricität waren vergeblich gewesen.
Bei der Operation fand sich, dass die Geschwulst innerhalb der
Kapsel lag und sich als eine gelappte, harte, knorpelige Knospe aus
einer Knochenstelle erhob, welche noch durch einen ziemlich breiten
Streifen Knochensubstanz von dem Knorpelrande getrennt war. Ihre
Basis erstreckte sich ziemlich tief in den Knochen hinein; denn nach¬
dem sie mittelst eines feinen Hohlmeisseis ausgegraben war, blieb ein
halbkugeliges Loch in der Knochensubstanz zurück, welches die Ein¬
führung der Spitze det kleinen Fingers erlaubte. Unter antiseptischer
Behandlung heilte die kleine Operationswunde in kurzer Zeit, aber
schon gleich nach der Operation waren die neuralgischen Anfälle voll¬
ständig verschwunden, und der Patient erholte sich sehr schnell.
Wir sehen also, dass kleine, aus dem Knochen in der Gelenkgegend
aufschiessende Enchondrome zuweilen der Sitz der heftigsten Schmerz¬
empfindungen sein können, sowohl bei der directen Berührung der
kleinen Geschwulst, als auch spontan. Da das hyaline Knorpelgewebe
nervenlos ist, so kann dies natürlich nur durch Vermittelung der Nerven
des Knochens oder Gelenkes geschehen. Diese Erscheinung ist aber um
so auffallender, als die gewöhnlichen Enchondrome fast immer ganz un¬
empfindlich sind, und nur äusserst selten und dann auch nur nach
stärkeren Insulten leicht schmerzen, niemals aber spontan die heftigen,
allgemeineren neuralgischen Anfälle verursachen.
(Schluss folgt.)
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 36
VIL Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. Sanitätsrath Dr Julius Braun in Rehme-Oeynhausen,
der sich durch sein Lehrbuch der Balneotherapie einen ehrenvollen Namen
unter seinen Standesgcuossen gesichert hat, ist am 29. August gestorben.
— Dr. Grave 11, bekannt durch die Begründung der nach ihm
benannten „Notizen“, die später von Helfft hcrausgegeben wurden
und gegenwärtig unter der vortrefflichen Leitung Paul Guttraann’s
als „Jahrbuch für practische Aerzte“ fortgesetzt werden, ist am 25. August
verschieden.
— Herr Dr. Georg Wegner, Assistent an der v. Langenbeck-
schen Klinik, ist zum dirigirenden Arzt am Stettiner städtischen Kranken¬
hause gewählt worden.
— In der Woche vom 14. bis 20. Juli sind hier 63S Personen ge¬
storben. Todesursachen: Masern 15, Scharlach 13, Rothlauf 1,
Diphtherie 19, Eitervergiftung 1, Kindbettfieber 1, Typhus abdom. 4,
Flecktyphus 1 , Dysenterie 7, Syphilis 3, mineralische Vergiftungen 2
(Selbstmorde), Delirium tremens 1, Sturz 4, Folge von Operation 1,
Ersticken 1, Erhängen 5 (Selbstmorde), Ertrinken 4 (Selbstmorde),
Lebensschwäche 32, Abzehrung 31, Atrophie der Kinder 12, Scropheln 6,
Altersschwäche 6, Krebs 7, Wasserkrebs 2, Wassersucht 4, Herzfehler 13,
Hirnhautentzündung 6, Gehirnentzündung 5, Apoplexie 10, Tetanus et
Trismus 13, Krämpfe 34, Kehlkopfentzündung 8, Croup 2, Pertussis 6,
Bronchitis acuta 8, chronica 4, Pneumonie 30, Pleuritis 3, Phthisis 41,
Peritonitis 4, Meteorrhagie 1, in puerperio 1, Eierstockskrankheit 1,
Diarrhoe 75 (Kinder unter 2 J.), Brechdurchfall 10G (darunter 105 Kin¬
der unter 2 J.), Magen- und Darmentzündung 2, Magen- und Darm¬
katarrh 14 (Kinder unter 2 J.), Nephritis 7, Krankheiten der Blase 2,
andere Ursachen 56, unbekannt 3.
Lebend geboren sind in dieser Woche 406 m., 409 w., darunter
ausserehelich 32 m., 57 w.; todtgeboren 22 m., 17 w., darunter ausser-
ehelich 4 m., 3 w.
Die durchschnittliche Sterblichkeit dieser Woche beläuft sich
auf 32,3 pro Mille der wahrscheinlichen Bevölkerungszahl, die ent¬
sprechende Geburtenziffer auf 41,2 pro Mille (beide Summen mit Aus¬
schluss von 2 pro Mille Todtgebornen).
Witterung: Thermometerstand: 16,71 R., Abweichung:
— 1,92 R. Barometerstand: 28 Zoll 0,29 Linien. Dunstspannung:
4,91 Linien. Relative Feuchtigkeit: 77 pCt. Himmelsbedeckung:
7,1. Höhe der Niederschläge in Summa: 4,96 Pariser Linien.
In der Woche vom 21. bis 27. Juli sind in Berlin ärztlich gemeldet:
Typhus-Erkrankungen 16, Todesfälle 7.
— In der Woche vom 21. bis 27. Juli sind hier 584 Personen ge¬
storben. Todesursachen: Masern 9, Scharlach 16, Diphtherie 26,
Typhus abdom. 7, Dysenterie 5, Gelenkrheumatismus 1, Sturz 3, Er-
schiessen 1 (Selbstmord), Folge von Operationen 2, Ersticken 1, Er¬
hängen 4 (Selbstmorde), Ertrinken 1 (Selbstmord), Lebensschwäche 33,
Abzehrung 24, Atrophie der Kinder 8, Altersschwäche 7, Krebs 18,
Wassersucht 2, Herzfehler 10, Hirnhautentzündung 14, Gehirnentzün¬
dung 11, Apoplexie 16, Tetanus und Trismus 8, Zahnkrämpfe 1,
Krämpfe 24, Kehlkopfentzündung 5, Croup 3, Pertussis 3, Bronchitis
acuta 2. chronica 0, Pneumonie 21, Pleuritis 3. Phthisis 50, Peritoni¬
tis 5, Metritis 1, Diarrhoe 71 (darunter GS Kinder unter 2 J.), Brech¬
durchfall 85 (darunter 83 Kinder unter 2 J.), Magen- und Darm¬
katarrh 14 (darunter 11 Kinder unter 2 J.), Nephritis 14, andere Br¬
achen 49.
Lebend geboren sind in dieser Woche 42G in., 410 w., darunter
ausserehelich 17 m., 12 w.
Die durchschnittliche Sterblichkeit während dieser Woche beläuft
sieh auf 29.5 pro Mille der wahrscheinlichen Bevölkerungszahl, die ent¬
sprechende Geburtenziffer auf 42.2 pro Mille (beide Summen mit Aus¬
schluss von 1.5 pro Mille Todtgeborencn).
Witterung: Thermometerstand: 15.80 R., Abweichung:
0.02 R. Barometerstand: 27 Zoll 10,90 Linien. Dunstspannung:
4,18 Linien. Relative Fe uch t i g ke i t: 56 pCt. ilim ine Is be dec kung:
1,7. Höhe der Niederschläge: 0.
In der Woche vom 28. Juli bis 3. August sind in Berlin gemeldet:
Typhus-Erkrankungen 27, Todesfälle 7.
VIII. Amtliche Mittheilungen.
Pereonalia.
Auszeichnungen: Seine Majestät der König haben Allergnädigst ge¬
ruht. dem pract. Arzt Dr. med. Rudolf Michaelis, erstem Badearzt
in Bad Reh bürg, sowie dem pract. Arzt Dr. Gallus in Sommerfeld
den Character als Sanitätsrath zu verleihen.
Anstellungen: Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht,
den bisherigen ordentlichen Professor an der Universität in Strassburg,
Dr. Adolf Gus sc ro w zum ordentlichen Professor in der medicinischen
Facultät der Universität zu Benin zu ernennen. Der Kreisphysicus
des Stadtkreises Kassel. Dr. Theodor Giessler ist zu in Dirigenten
des dortigen Impf-Instituts für die Provinz Hessen-Nassau und der
pract. Arzt Dr. Oskar Horn zu Nimptsch zum Kreiswundarzt des
Kreises Nimptsch ernannt worden.
Niederlassungen: Die Aerzte: Dr. Brackmeyer in Belzig, Jacobs
in Gross-Tychow und Dr. Raindohr in Düben.
Apotheken-Angelegenheit en : Der Apotheker Georg Nikol. Wol¬
ters hat die väterliche Apotheke in Bremervoerde als Eigentümer
übernommen.
Todesfälle: Kreisphysicus Sanitätsrath Dr. And ree in Neuhaus a. 0.
und Kreiswundarzt Brekenfeld in Richtenberg.
Militär-Aerzte.
Homburg, den 15. August. Dr. Kratz, Oberstabs- und Regts.-Arzt
des Drag.-Regts. Prinz Albrecht zum Oberstabsarzt 1. CI. befördert.
Dr. La Baume, Oberstabsarzt 1. Cl. und Regts.-Arzt des 3. Brand.
•Inf.-Regts. No. 20, mit Pens, und der Unif. des Sanitätscorps. Dr. Ar-
lart, Stabsarzt der Landw. vom 2. Ostpreuss. Landw.-Regt. No. 3.
Dr. Bleyhöffer, Stabsarzt der Landw. vom Res. Landw.-Regt. No. 35
— der Abschied bewilligt.
Bekanntmachungen.
Die mit einem Einkommen von 600 M. dotirte Kreiswundarztstelle
des Kreises Gumbinnen, mit dem Wohnsitze in der hiesigen Stadt, ist
erledigt. Qualilicirte Bewerber werden aufgefordert, sich unter Beifügung
ihrer Zeugnisse und eines kurz gefassten Lebenslaufs in 6 Wochen bei
uns zu melden. i
Gumbinnen, den 20. August 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Die Kreiswundarztstelle des Kreises Wresehen mit einem jährlichen
| Gehalte von 600 M. ist erledigt. Qualilicirte Bewerber wollen sich unter
| Einreichung ihrer Zeugnisse und ihres Lebenslaufs innerhalb 6 Wochen
I bei uns melden.
Posen, den 27. August 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Die Kreiswundarztstelle des Kreises .Schildberg. mit einem jährlichen
Gehalte von 600 Mark ist erledigt, Qualifiicirte Bewerber wollen sich
unter Einreichung ihrer Zeugnisse und ihres Lebenslaufs innerhalb
6 Wochen bei uns melden.
Posen, den 27. August 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Die mit einem jährlichen Einkommen von 900 M. verbundene er¬
ledigte Kreisphysikatsstelle des Kreises Mogilno ist sofort zu besetzen.
Geeignete Bewerber ersuchen wir, sich unter Einreichnng ihrer Zeugnisse
und eines Lebenslaufes binnen G Wochen bei uns zu melden.
Broraberg. den 28. August 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Die Kreiswundarztstelle des Kreises Frankenstein, mit dem Wohn-
I sitz in der Stadt Wartha und einem Jahresgehalt von 600 M. aus der
Staatskasse, sowie einem Jahres-Honorar von 150 M. lur die städtische
Annenpraxis kommt durch Abgang des bisherigen Stelleninhabers zum
1. September d. J. zur Erledigung. Qualilicirte Bewerber, welche die
Physiealspriifung absolvirt haben, sowie auch Medicinalpersonen, welche
I sich zur baldigen Ablegung der Physicatspriifung verpflichten, fordern
! wir auf, sich unter Einreichung ihrer Approbationen und sonstigen Zeug-
! nisse his zum 1. November <1. J. hei uns zu melden,
i Breslau, den 28. August. 1878.
I Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
| Inserate*
| Bekanntmachung.
Die Stelle des Assistenzarztes an der Provinzial-Irren-IIeil- uni
; l'llegeanstalt in Sehwetz, mit welcher ein baares Gehalt von 1200 Mk.
und Diensteuiolumente im Werthe von 825 Mk. jährlich verbunden sind,
i soll sogleich mit einem Arzt, welcher die Staatsprüfung abgelegt bat,
j anderweit besetzt werden.
i Die Anstellung erfolgt auf dreimonatliche Kündigung.
Qualilicirte Bewerber werden ersucht, ihre Meldungen unter Bei-
j fügung ihrer Atteste bis zum 15. September er. hierher einzureichen.
! Danzig, den 18. August 1878.
Der Landes-Direcior der Provinz Westpreussen:
gcz. Dr. Wehr.
Bekanntmachung.
Bei dem hiesigen Stadl krankenhause kommt am 1. Oetober dieses
Jahres eine Assistenzarzt Melle zur Erledigung und ist anderweit aut di-
Dauer von 2 Jahren zu besetzen. Mit derselben ist neben freier Woh¬
nung, Heizung, Befeuchtung, Wäsche und Kost ein jährlicher Gehalt
von 750 Mark verbunden.
Wir veranlassen hierdurch diejenigen Herren Aerzte, welche gesonnen
sind, um die Stelle sich zu bewerben, ihre Gesuche bis zum 5 . September
dieses Jahres bei der Direction des Stadtkrankenhauses (Scheffelstrasac 5,10
einzuroicheri.
Dresden, am 14. August 1S78.
Der Rath
der Königlichen Haupt und Residenzstadt Dresden.
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
BBRUNKR. KLINISCHE
WOCHENSCHUU«-T
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If$i%cci<jh ivn'^o.Uürigo P^wutbcr wollen j&te Approbatioo mväl
saftstigfe Zeugtiäte .au ' Ünt.tr^eich-neten LaAtLgst,'>irij»iidei). •
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Wasserheilanstalt bräfeaberg
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Zeit vjfttn L .Vo-uAWr tiis o. 10 . Knv^w.ber *??& gesucht. (tef.
tJfS&Her/ *tih K. E. ü.> dirridi dk Fv;>ed >1. OL __
£ton Krotrut suchen tv.'r iHte-n w^efpr» A‘iyi^en^tn.t,
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BemiOf WuC^blens; Dr Erlen meyertsche Ä astalt
2., .Sv.fitfmh^r IS.7H.:. für iäriiiüü^' n. Nervenkranke.
Ein Institute-Arzt
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Fiir jimgc Aerztc!
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dVP vY'“(lK>k; Un-y'Q Wwyer.drV-Tn'i'-i A *P
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Ac«r ',<Jctu N’Pdp.Ä-.^ - ('.lit-'c Atr^ty .i
ii i. ph v i »fHiiv v.i>A’i$, V . \V‘iVt'h -y
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Frei« Tiertaljabritch f, M*rk. BeatnUong«» Wkvi&i
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Beiträge v/«Ue wscn portofr« an di« BeüiotSoa
tjg. W* Dorotboenety. 7«. HU rnler un <li« ¥«>’
lagsltncbhsndluut? tob Aujjju*! fUrpck«fi)il in B*i-
lin (K. W- Unter den Lindes ßS.) fliubfudtra.
üin.x,
Organ für praktische Aerzte.
Mit Berücksichtigung der preüssischen Medizinal Verwaltung und Medicinaigesetrgebung
nach amöichen MlttheijitBgen.
Redacteur: Prof. Dr. I. Waldenburg. Verlag von Aagnsl flfrdwald in Berlin.
Montag, deu 16. September 1878.
m 37 .
Fünfzehnter Jahrgang.
Inhalt.' L Reich: Die Töbßmif o*ts* eine Irrfcctinnsi«rankbeit. — B'. Adler Ein DiU von Pemphigus xv'nros. — III. (iotUpc-rn: lieber
-Ozaena und tfjdTt« öihifochc ^kvötjUöTtg-sme'thijde ddrHbem — f-VV : . GeburtsKulütctae •Öveiaffobstekrc n*fch
den Vcffksjiögüii a&s Pro £t iic
•' <)w
y&ihofaih&i tcs^udb^^.r vv . . , ,.............. .. HpHii IHI HHi., -^..,^,..^.. 11 ( 1 MBH
•J(iVi3iyiTBVj)Di«rö}.w. C5«jjcllsebÄ. für Natur- niid Ift-ilkunde iß Hoorö --- Vi BVülU^tDii (GöUsrädts Die fswsteHkr&flkwi i D <te®pßH v
•a'ftaUD^n Freuffttn» t»u 'Jahre 1S7F, — Dawusky: ist uim> Kuhpockn /.um Schutze hunticlnjnd, lind »nt cs ndüiia auf hejtkn Anncü
ta im.pfyr »t — T;-*j»:\ si:r-xh'<r-h(l icho Netizenh — Vli. AiuUlche- M-ttheiHirigeuv — iiiserä'ie.
I« Mt Tttbercdose, ein« Infectinnskrankheit, j wenigen, ciureil ihre Krankheit bedingten UuMirodtürigen, ver-
Voo ; sah Frau Säuger. welche eine sehr diensteifrig? fDKnmme war,
Dr. üabevi Aei«h» H#ux%$wtit m Mülili.om. ! ihren Pieust bis kurz vor ihrem Tode, weldifeT am J“:* duli 1 8.7 b
Mehr nitbr bricht sinh die Anschauung Hahn; dass f erfolgte,
die Tub^mUos^ due Ird^cDoMskrankheit ist. In der ilkbtinig j 1. Beobachtung: Am "24. November J87ä entband ich ui
dieser Anschauung feind in den letzten Jahren zahlreiche expc- ; Neuen bürg: Frau K. wegen vVierlag«? des Kinde* {nifteM ^öil
riinentnIKi pathologische ühtersuuhimgeu von den tfichtl^fen • d«og und Extraktion y/JXt ehn?m kniftignn Knaben. Während
Forschern gemadit wurden., ohne noch bi^ jetkt ?ir hinein Ab- ] ich den £t$twa,. •eihg^treteiier ^Nat-hiblutiiug
djcblnss gekommen zu se*u. Hierin die esperniienUdie F»- 1 «ah ich, da^s die Hebamme langer dom leicht, asphyctisclien
thologlet der kiiöi.scheo Forschung; .y orausgedft wob.) ivaupt- j Kinde durch A,russaug>n mit- ihrem Mnude den 3 fehl ei m .aus den
sächlich deshalb, weil die Kimikcli, welchf' *dr Losung so : ersten .Wegen y.u entfernen und durch nacMolgendo^ Einblason
hedeötiiugsToDer Fragen vor allön benifeD sind, mr Erforschung j von Luft, ebenfalls mit 'Ihrem Mundo, di* • .AH>r.:iwbU wegüngeii
'gernfe de.r Tuberculpse nicht der ! djp.^ ;Kiri(kB : .stärker. ärncuregcm 'versneht^ Das Kind atlno^o.
geeignete Boden *hui. Kieioo ländliche Kreise, in. weichen 1 bald kraftiger, sebrie und bewegte steh wlanteiv Schon damals
die äfiöiojgi^cjböbrigen Lebensyerhältwisse durchfuhr mich der Gedanke^ ob uicbt dicöeä direkte Flinbteou
klarer mi ü .4areb?fehtigor dem Auge ämliciion ßeobaebters | der Luft durch die piithtsische Hebamme dem jurolc gefährlich
sich damethm, bieten |nor?.n günstigere Gelegenheit. So wunie ‘ wcvfbm konnte;, ich fragte nachher die Hebätume. ob sie Öfter
mir Gelegenheit in^ NeiiÄtiburg, mnem kleinen Städtchen des j diese Fiocedur vornehmei sie gab iniy zur Antwort, daK babe
ßrersgaüiei>> nj.»ev die infecithse Natur der l v nt*orculosfi Erfah- sie schon oft gethan nud Immer'' mir . aweckUiSu^igsteti und
rangen zu machen, worüber ich I» folgendem Mitthmlnög machen
werde. Es betrifft nämlich die Beobachtung v on V obortragung
g^eigneivten geiitmfeü,, um asphyetische Kinder znm Athmcn
m brtug^o — Da$ WocKeobett verlief günstig, das Kind schien
der Tuberciilose auf eine. Anzahl Kinder durch eines : in den’ ersten ti; Wachen zu gedeihen t bot; wenigstens keinerlei
phfinnische Hebamme, und zwar auf direetem Wege
von M und: su Mund.
2 ür Otieptjrnng will ich voramsseWcken, d^s Kctmnburg
l?ÖjÖ>; KicTfohner zählt, ^vnmbcii w^Uiäbend^ rggelm%sig gebaut
ist» mit breiten Strassen, mf dem Hoc-hgest,ade dea mchieo:
Bheinufers liegt and seit der Correction des Rh eigültiger
hygieVpischer V^rhättuisse sich erfreut, Die Ste{ V>rtchk<;it rfet
Erschcioimgon von llywohheiu dar. Dann Bag das Kind an
m kränkebi, .wbrde/blä^^s nplgefte äb, Beberte’ jzeitweise, hortete
After; die Üniemicfmhg der ergab die Reichen eines
jßfonchialcatäniis. Auch *lie Terd^mmg wurdo goslbrt. zeit¬
weise trat Erbrechen ein*. Diarrhoe wechselte tm'i Tevstopfimg.
Das Kind wurde unruhiger , Isehrie n>f, bohrt«- mir dem Kopf
hv das Eisern; Zuckungen 4^ G^dtt®n*ke(h> Akf^ärtrsroMen
nicht grosser, als im übrigen Desir,ko. rwischeu 2—;L- 5 g^bwän- ' det Augen, convulsivisrhe 2n»7kfihg^tr ib»f fetrÄ
kc=ö<L An TnheTcnlose stirbt der 7.—>5. Theil aller'GuMtorbuium. \ tractioma! der Nackenmnskeln, ungleicher JN»Is und KcöpDafidu^
Die ?*$h\ ■'der m ersten Lebensjahre gestorbenen Kirmet beträgt -cMb^odicb cbmatoser Zustand Dessen an dem Vor}>omb:Us»?Vn
im .Rdlrcv durclifichtuDrfe.b Df. U\ Niniotdmrg practicircn zwei ( einer ALunhglti> Utbcrenb^H nicht zweifeln. Das Kind ^tnrb
.Me4>amnt^n 9 .welche- unter .‘ich <he Praxis gleicbinässjg thedoif. am ^2. Februar 1*wn Beigefugt sei, da^s die Eltern
Zai Zeit tnmö« j r Doi.itachtnng .practvclrte als Hebammen Frau ‘ *ind, und en-o erb hebe. Am Lage zu TnbemiioM* in de? 'Kmdlit'
länger mul Frau Register,. Letztere 'Whr- gesund; Pro;; SM^ger 1 ubbi itubanden ist.
dagegen war seit dem Wiulgr JI74 '7w brustludemh bei rint-r \\. Am ;L Mili 1^70 sDirh das "?;u'n id;. August D7I g-~
hm.InU 1«7** vorgonnrnmeneu (>liysiculi.sChert rnfgr^tiehpug ihr eg t bur* v tu Kind 51. 1/n^e i$, üaeh Rw^^iienfl jeher K r;tukb>D.-dfOnr.
Brust kontite icli.dfts Vorhanibjusetn mem/erer Guvenvon in fb-:i ; -:w Meningitis niJ'^rcdibSM '.biihA- d^n^vvlbou bronkinor,--' -')^ ,-
t^chten Lunge- nach weisen lind .mich 'davon. fiherzcuger», dü:sk | ivongcu hml rbnnfatis nht cjhnni pritdramaieu 8ta.di.niu eatrtn’ljiJ-
Prau -S. an Auswnrf reidihcber; .»Mtrig-iam.-higer 3pu'ta litt ADt iUchni iRnuchitfh.
öle ■ ■' ■' ■ ■ : .. ^’ÄS'Sää-.:.-':''-
552
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Ne. 37
III. Am 7. Juni 1876 starb ferner das am 7. Februar 1876
geborene Kind Anna K. nach 3 wöchentlicher Kränkheitsdauer,
ebenfalls an Meningitis tuberculosa und unter denselben Sym¬
ptomen wie I und II.
Sämmtliche 3 Kinder waren von der Hebamme Sänger ent¬
bunden worden.
Dieses häufigere Vorkommen von Meningitis tuberculosa
war, zumal in den 3 Fällen die Eltern gesund waren und
tuberculöse Anlage fehlte, und die Krankheit unter ganz
gleichen Symptomen und einleitenden bronchitischen Erschei¬
nungen verlief, auffallend, musste aber noch mehr auffallen,
als der inzwischen in Neuenburg niedergelassene Arzt Haness,
ohne von den früheren Fällen zu wissen, gelegentlich mir die
Mittheilung machte, dass er mehrere Kinder in Neuenburg an
Meningitis tuberculosa verloren habe.
Hierdurch aufmerksam gemacht, revidirte ich die Sterbe¬
scheine der im Jahre 1876 und auch in der 2. Hälfte des
Jahres 1875 verstorbenen Kinder bezüglich der letzten Krank¬
heiten und Todesursachen, verificirte durch Erhebungen bei
den behandelnden Aerzten und den Angehörigen die in den
Sterbescheinen angegebenen Diagnosen, und verglich damit
die Tagebücher der beiden Hebammen. Es stellte sich fol¬
gendes Ergebniss heraus:
Ausser den oben verzeichneten 3 Fällen waren an Menin¬
gitis tuberculosa gestorben:
IV. Das am 15. October 1875 geborene Kind H. S., am
22. Januar 1876. Krankheitsdauer 8 Tage.
V. Das am 19. Februar 1876 geborene Kind Emma R.,
am 3. Mai 1876. Krankheitsdauer 2 Wochen.
VI. Das am 4. April 1876 geborene Kind Olga T,, am
30. Juli 1876. Krankheitsdauer 4 Wochen.
VII. Das am 10. Mai 1876 geborene Kind M. Magdalena St.,
am 29. August 1876. Krankheitsdauer 2 Wochen.
VIII. Das am 28. März 1876 geborene Kind E. Xeva C.,
am 29. September 1876. Krankheitsdauer 3 Wochen.
IX. Das am 4. April 1875 geborene Kind Benjamin F.,
am 11. Juli 1875. Krankheitsdauer 3 Wochen.
X. Das am 6. Mai 1875 geborene Kind Elisabeth 0., am
24. August 1876. Krankheitsdauer 3 Wochen.
Diese sämmtlichen 10 an Meningitis tuberculosa gestorbenen
Kinder sind von der Hebamme Sänger entbunden worden, und
zwar innerhalb des Zeitraums, in welchem Hebamme S. an
den ausgesprochenen Erscheinungen vorgeschrittener Lungen¬
schwindsucht litt, während unter den in der gleichen Zeitperiode
von der anderen Hebamme Regisser entbundenen Kindern kein
einziges Kind an Meningitis tuberculosa oder irgend einer den
Verdacht auf Tuberculöse zulassenden Krankheit gestorben ist
Es wurde ferner durch zahlreiche Erhebungen bei den
Einwohnern, besonders den Frauen Neuenbürgs, die überein¬
stimmende Mittheilung constatirt, dass die Hebamme Sänger
nicht nur die Gewohnheit hatte, bei den neugeborenen Kindern
den im Munde derselben angesammelten Schleim durch Aus¬
saugen mit dem Munde zu entfernen, sondern dass sie auch
in auffallender Weise mit den Kindern „närrisch“ gewesen,
d. h. dieselben zu küssen und zu herzen gewohnt gewesen sei.
Fassen wir die Ergebnisse der gemachten Beobachtungen
zusammen, so lassen sich als unzweifelhaft folgende Thatsachen
festste Ueu:
1. In der Zeit vom Sommer 1875 bis Herbst 1876 (vom
11. Juli 1875 bis 29. September 1876) erkrankten und starben
in Neuenburg an Meningitis tuberculosa 10 Kinder, welche
innerhalb des Zeitraums vom 4. April 1875 bis 10. Mai 1876
geboren worden sind.
2. Bei sämmtlichen 10 Kindern war eine erbliche Anlage
zu Tuberculöse nicht vorhanden.
3. Sämmtliche 10 Kinder wurden von der Hebamme Sänger
entbunden.
4. In der Praxis der Hebamme Regisser starb in der Zeit
vom Frühjahr 1875 bis Herbst 1876 kein einziges Kind an tu*
berculöser Meningitis oder einer andern tuberculösen Krankheit.
5. Die» Hebamme Sänger litt an Lungenphthisis; im Juli
1875 wurde das Vorhandensein von Cavernen und von eitrig¬
jauchigen Sputa constatirt; am 23. Juli 1876 erlag sie der
Krankheit.
6. Hebamme Sänger hatte die Gewohnheit, bei neugebo¬
renen Kindern den Schleim aus den ergtep Wegen durch Aspi¬
ration mit ihrem Munde zu entfernen, auch bei leichten Graden
von Asphyxie Luft einzublasen und überhaupt" die Kinder in
einer Weise zu behandeln, welche die Möglichkeit einer Mitthei¬
lung ihrer Exspirationsluft in die Lungen der Kinder wahr¬
scheinlich macht.
7. Bei den von mir beobachteten 3 Fällen von Meningitis
tuberculosa debütirte die Krankheit mit Erscheinungen von
Bronchitis.
8. Die Meningitis tuberculosa ist keine in Neuenburg en¬
demische Krankheit. In den 9 Jahren 1866 bis 1874 — unter 92
im 1. Lebensjahre gestorbenen Kindern — sind nur 2 an Me¬
ningitis tuberculosa gestorben, im Jahre 1877 unter 12 im ersten
Lebensjahre gestorbenen Kindern nur 1, welches jedoch von
| tuberculösen Eltern stammte.
Auf Grund dieser Thatsachen kann nicht angenommeu
werden, dass hier ein zufälliges cumulirtes Auftreten von Me-
ningealtuberculose, wie solches schon von Virchow beobachtet
wurde, vorliegt, sondern es weisen dieselben mit aller Evidenz
auf eine bestimmte gemeinsame Quelle und Entstehung hin,
als welche allein die von der phthisischen Hebamme ausgehende
directe Infection angesehen werden muss.
Die Ansicht, dass die Tuberculöse eine ansteckende Krank¬
heit ist, ist nicht neu und wurde schon von Morgagni und
andern ausgesprochen (vergleiche Rühle’s Bearbeitung der Tu-
berculose in Ziemssen’s Handbuch); doeh sind diese Angaben
zu vereinzelt und nur auf wenige Beobachtungen und Annah¬
men gestützt. — Eine Beobachtung, wie die vorliegende, steht
bis jetzt einzig da. Ich bin mir zwar wohl bewusst, dass die¬
selbe in mehrfacher Beziehung Lücken und MäDgel hat; es fehlen
genaue Krankheitsgeschichten, es fehlen namentlich Sections-
nacbweise, nicht als ob an der Diagnose der Meningitis tuber¬
culosa ein Zweifel bestände, da die Krankheitsbilder zu bestimmt
und, characteristisch waren und ausser mir noch von andern
Aerzten beobachtet wurden, sondern deshalb, weil es vielleicht
möglich gewesen wäre, aus den Sectionsergebnissen die Etappen¬
wege nachzuweisen, auf welchen das Tuberkelgift innerhalb der
meist 3monatlichen Incubationszeit in den kindlichen Organismus
bis zu den Gehirnhäuten vorgedrungen war.
Nicht allein die , grosse Bedeutung der beobachteten Tbat-
saclien, nicht allein die auf der vorjährigen Naturforscherver¬
sammlung in München gepflogenen interessanten Verhandlungen,
welche mit der infectiösen Natur der Tuberculöse sich beschäf¬
tigen, ferner die von Collegen an mich ergangenen Aufforde¬
rungen zur Veröffentlichung, sondern hauptsächlich eine Reihe
von seit obiger Beobachtung gemachten Erfahrungen, welche die
Ansteckungsfähigkeit der Tuberculöse mir bestätigten, und dem¬
nächst veröffentlicht werden sollen, Hessen mich der Mängel
ungeachtet mit der Veröffentlichung der in Neuenburg gemach¬
ten Beobachtungen nicht länger zögern. Ich zweifle auch, ob
sobald wieder ein Zusammenfluss von Momenten, welcher eine
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16. September 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
553
derartige Entstehung und Beobachtung von Tuberkelinfection
begünstigen könnte, ob eine Reihe solcher wirklich von der
Natur unbewusst, und zwar nicht an unzuverlässigen Versuchs¬
tieren, sondern an Menschen gemachter Experimente erwartet
werden kann. Sicherlich liegt darin ein bedeutsamer und
wichtiger Fingerzeig für die experimentelle Pathologie über die
Art und Weise, in welcher künftig mit den Versuchen, auf
künstlichem Wege durch. Impfung oder Inhalation Tuberkeln
zu erzeugen, vorzugehen sein wird. Soviel ist wohl jetzt schon
daraus za äbfctrahifeä: 1) das# man vorerst die Inhalations¬
versuche an neugeborqppü oder nur ganz jungen Thieren macht,
wo die Aufnahmebedingungen für das Tuberkelgift in die Lungen
besonders günstige zu sein scheinen; 2) dass man nur ein oder
wenige Mai die Versuchstiere einer möglichst directen und
energischen Inhalation des Giftes aussetzt und sie dann unter
guter Pflege weiter leben lässt, um eine möglichst reine Beob¬
achtung der Einwirkung und Weiterverbreitung des Tuberkelgifts
zu erhalten; .3) dass man als Träger des Giftes den möglichst
frischen Inhalt von mit eitrig-jauchigem Inhalt gefüllten Ca-
vernen tuberculöser Lungen wähle, wenn nicht die Möglichkeit
zu directer Inhalation von Mund zu Mund gegeben ist.
, Erst wenn auf diesem Wege genauere Kenntnisse und Er¬
fahrungen über die Tuberkelinfection gewonnen sein werden,
werden die Bedingungen zu erforschen sein, unter welchen auch
bei älteren, erwachsenen Thieren das Tuberkelgift einen gün¬
stigen Culturboden zur Weiterentwicklung findet.
Es ist meine feste Ueberzeugung, dass auf diesem Wege
grosse und sichere Resultate sich erzielen lassen werden, dass,
wenn der Erforschung der ätiologischen Verhältnisse der Tuber-
culose in gleichem Masse wie bisher der physicalischen Dia¬
gnostik das Studium der Aerzte sich zuwenden wird, die Wissen¬
schaft zur Erkenntniss der Natur dieser vielverheerenden
Krankheit fortschreiten und die Zeit nicht fern sein wird, wo
die infectiöse Natur der Tuberculose von den Aerzten ebenso
wenig bezweifelt werden wird, als heut zu Tage ein Arzt die
infectiöse Natur der Puerperalfieber bezweifelt.
II. Ein Fall von Pemphigus acutus.
Von
Dr. Adler in Schleswig.
Am 18. März 1878 wurde Frau Th., 48 Jahre alt, in die
Irrenanstalt bei Schleswig aufgenommen. Patientin, Bauern-
wittwe, in guten Verhältnissen lebend, war bis zum 13. März,
nach Aussage der Angehörigen, gesund gewesen. Sie ver¬
waltete nach dem vor einem Jahre erfolgten Tode ihres Mannes
selbständig die Landstelle und wurde von einem Stiefsohne,
der nach dem Testamente des Vaters später die Stelle erhalten
sollte, unterstützt. Das Verhältniss zwischen . ihr und dem
Stiefsohne war kein gutes; Reibungen und Streitigkeiten blieben
nicht aus. Als nun gar der Stiefsohn plötzlich sich gegen
ihre Zustimmung verheirathet hatte, wurde sie in eine heftige
Gemüthserregung versetzt. Jeder Versuch mit ihr darüber zu
sprechen, brachte sie stets in neue Aufregung. Eine derartige
Auseinandersetzung war voraufgegangen, als Patientin plötz¬
lich am 13. März ohne weitere Vorboten erkrankte. Sie begann
unruhig umherzuwandern, führte abgebrochene, unverständliche
Reden, war nicht im Bette zu halten, machte Entweichungs¬
versuche und trat aggressiv gegen ihre Umgebung auf. Daneben
bestand Schlaflosigkeit und Nahrungsverweigerung.
Bei der am 18. März erfolgten Aufnahme bot Pat. das Bild
einer agitirenden Melancholie. Es bestand eine grosse ängst¬
liche Erregung, die sich in heftigen, scheuen Bewegungen, in
schreckhaftem starren Mienenspiel kund gab. Dabei stösst Pat.
einzelne abgerissene Worte aus, beachtet keine Anrede, versucht
sich loszureissen, drängt nach der Thür, um zu entweichen.
Sie muss sofort isolirt werden. Dann wirft sie alle Kleider von
sich, wandert unstät umher, kriecht bisweilen auf Händen und
Füssen umher, presst die Stirn gegen den Fussboden. Sie bleibt
vollkommen unzugänglich, will keine Nahrung zu sich nehmen,
stösst ein ihr gereichtes Trinkgeschirr mit den Worten zurück:
das ist Gift. — Die Kranke ist körperlich gut entwickelt, von
kräftiger Constitution und reichlicher Ernährung.
Am 21. nimmt Pat. die ihr gereichten Mahlzeiten zu sich,
ist sonst ebensonunzugänglich wie vorheT, hält die Augen fest
geschlossen, kriecht auf dem Fussboden umher und wiederholt
mehrfach das Wort: Tiger.
Am 23. wieder grosse Unruhe, Pat. steht zitternd an der
Thür und versucht jedes mal, wenn diese geöffnet wird, hinaus¬
zudrängen; die Augen fest geschlossen, alle Muskeln stark an¬
gespannt, dabei aber völlige Stummheit.
Am 24. ist Pat. ruhiger und bleibt im Bette liegen; giebt
zum ersten Male einzelne richtige Antworten. Sie hat viel Durst
und trinkt reichlich Milch.
Am 25. bleibt sie im Bette, klagt übeT Mattigkeit und
Gliederschmerzen; viel Durst. Die Füsse zeigen geringes Oedem;
Abends giebt Pat. heftige Schmerzen in den Beinen an, und es
zeigt sich jetzt auf den Füssen und bis zur Hälfte der Unter¬
schenkel hinauf eine Eruption von reichlich linsengrossen Blasen,
die mit heller Flüssigkeit gefüllt und prall gespannt sind.
Am folgenden Tage, den 26., tritt eine rapide Ausbreitung
dieser Blaseneruption ein. Beide Unterschenkel sind dicht ge¬
drängt damit bedeckt, auch auf die Oberschenkel verbreiten sie
sich, und ebenfalls treten schon einige am Rumpfe auf. Pat.
macht den Eindruck einer schwer kranken; sie hat heftige
Schmerzen, mag sich nicht bewegen, weil jede Lage Veränderung
die Schmerzen zu vermehren scheint. Sensorium etwas freier.
Temperatur 38,4 in der Achselhöhle. Schlucken erschwert; Pat.
klagt über Schmerz und Brennen im Halse, mit den Sputis
werden zähe Schleimmassen entleert. Ordin. Acid. mur. inner¬
lich, kalte Umschläge.
Am 27. beginnen die ältesten Blasen zu platzen, und an
deren Stelle erscheint dann das rothe Corium. Diese Stellen
sind kreisrund und sehen aus, als wäre mit einem Locheisen
die Epidermis herausgeschnitten. Grössere Schwäche, heftige
Schmerzen. Temperatur 38,6. Auch auf den Händen erscheinen
einzelne Blasen.
Am 28. erscheint Pat collabirt, Puls sehr klein 96. Pat.
liegt reactionslos da, schmerzhafter Gesichtsausdruck, wenn eine
Lageveränderung gemacht wird. Respiration kurz und mühsam.
Unter zunehmendem Coma erfolgt Abends der Tod.
Section: Die Hautfarbe der mittelgrossen, gutgenährten
Leiche ist im allgemeinen blass, nur an den abhängigen Körper¬
teilen reichliche Todtenflecke. Die unteren Extremitäten sind
bedeckt mit kreisrunden Blasen, die durchschnittlich einen Cm.
im Durchmesser betragen. Auf den Fussrücken und Unter¬
schenkeln stehen diese Blasen dicht gedrängt, einzelne sind ein¬
getrocknet, andere geplatzt; dann zeigt sich das blossgelegte
Corium von blassröthlicher oder grauer Farbe. Die noch un¬
versehrten Blasen entleerten beim Anstich eine wässrige gelb¬
lich-trübe Flüssigkeit. Die Blasen stehen zum Theil so dicht,
dass 3 und 4 aneinander stossen, ohne aber zusammenzufliessen.
Auf den Oberschenkeln stehen sie zerstreuter, ebenso auf der
unteren Bauchhälfte, der übrige Rumpf ist frei. Auf der Kopf¬
haut sind einzelne kreisrunde Borken, die Haare darüber zu-
geklebt.
Nach Entfernung des Schädeldaches zeigt sich die Dura
mater schlaff gespannt, zart, blutreich, im Längssinus dunkel-
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 37
rothes, flüssiges Blut. Die intergyralen Venen strotzend mit
Blut gefüllt, die Pia ziemlich derbe, im Verlaufe der grösseren
Gefässe weisslich getrübt, leicht und glatt ablösbar. Seiten¬
ventrikel erweitert mit klarem Serum. Das rechte Hinterhorn
vollständig obliterirt. Die Gehirnsubstanz auf der Schnittfläche
stark glänzend mit deutlichen und reichlichen Blutpunkten, so
dass die weisse Substanz stellenweise einen röthlichen Anflug
erhält.
Das Unterhautzellgewebe mit sehr reichlichem Panniculus
adiposus versehen. Die Muskeln dunkel, trocken. — Im Herz¬
beutel wenig klares Serum. Herz fest contrahirt, linker Vor¬
hof und Ventrikel enthält eine geringe Menge dünnflüssigen
Blutes, rechter Vorhof und Ventrikel enthält eine grössere Menge
fest geronnenen Blutes. Aorta eng, dünnwandig, misst 5 7* Ctm.
im Umfang.
Die Spitzen der beiden Lungen mit der Brustwand fest ver¬
wachsen, in Ausdehnung einer Wallnuss von narbig eingezogenem,
derbem Gewebe, in welchem viel schwarzes Pigment abgelagert
ist. Sonst beide Lungen von blasser Farbe und normalem Luft¬
gehalte.
Die Leber ziemlich gross, mässig blutreich; Milz etwas ver-
grössert, die weiche dunkle Pulpa über die Schnittfläche her¬
vorquellend. Die normal grossen Nieren sind mässig blutreich.
Die Schleimhaut des weichen Gaumens und Rachens an
einigen Stellen von Epithel entblösst, an anderen hebt sich
dasselbe in zusammenhängenden Fetzen ab. Im Verlaufe des
Oesophagus ist ebenfalls das Epithel in zusammenhängenden
Partien abgelöst, die Schleimhaut darunter stark geröthet. Der
Magen ist ziemlich stark contrahirt und enthält etwas gelbliche
Flüssigkeit, die Schleimhaut stellenweise geröthet, gegen den
Pylorus von grauer Färbung. Dünndarm wie auch Colon ziem¬
lich fest contrahirt, Schleimhaut durchweg geröthet.
Der vorliegende Fall von Pemphigus ist in extenso mit-
getheilt, weil nach dem ganzen Verlaufe und dem Sectionsbe-
funde lediglich die ausgedehnte Hauterkrankung als Ursache des
tödtlichen Ausganges hingestellt werden muss. Aehnliche Fälle
von acutem Pemphigus sind bekanntlich Seltenheiten. Und so
kommt es, dass Hebra bis in die neuste Zeit stets noch Zweifel
gegen die Existenz dieser Krankheitsform geäussert hat, weil
ihm trotz seines massenhaften Materials kein derartiger schul¬
gerechter Fall vorgekommen ist. Allerdings sind die unzweifel¬
haften Fälle in der Literatur selten. Eine eingehende Kritik
derselben sowie genaue Beschreibung eines einschlägigen Falles
findet sich in der Arbeit von Purjesz (Zur Streitfrage über
die Existenz des Pemphigus acutus. Deutsch. Arch. f. klin. Med.
Bd. 17, p. 271 ff.).
Darnach besteht das characteristische dieser Krankheit darin,
dass nach kurzen Prodromen auf vorher intacter Haut
eine massenhafte Eruption von Blasen auftritt unter
schweren Allgemeinerscheinungen, und dass zugleich der¬
selbe Process auf der Schleimhaut des Mundes, Rachens und
Oesophagus sich ausbreitet. Eine gewisse Aehnlichkeit mit
anderen acuten Exanthemen, wie Pocken, lässt sich nicht ver¬
kennen.
In unserem Falle konnte der Beginn der Krankheit bei
der grossen Jactation und Unbesinnlichkeit der Kranken nicht
genau festgestellt werden. Jedenfalls waren die Prodrome von
kurzer Dauer, der Ausbruch der Blasen erfolgte plötzlich. Die
Temperatur, die erst nach der Eruption gemessen wurde, stieg
nicht über 38,6°. Der tödtliche Ausgang trat rasch ein. Es
mag wohl sein, dass der voraufgegangene Aufregungszustand
mit zeitweiliger, Nahrungsverweigerung als schwächende Mo¬
mente anzusehen sind. Aber von irgend welchen Inanitions-
erscheimmgen konnte bei der kräftigen, gut genährten Patientin
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keine Rede sein. Während der letzten Tage nahm sie flüssige
Nahrung, namentlich Milch, genügend zu sich.
Nach alle dem muss in der intensiven Erkrankung der
äusseren Haut wie der Schleimhaut des Rachens und Oesopha¬
gus die Ursache des rasch tödtlichen Ausganges gesucht werden.
Jedenfalls beweist dieser Fall aufs neue, dass die acute Form
des Pemphigus eine höchst schwere Erkrankung ist.
111. Ueber Oiaen and eine einfache Vehandlnngs-
methade derselben.
Von
Dr. JF. ttottstein, Docent an der Universität Breslau.
Seitdem die vervollkommenten Untersuchungsmethoden (Du-
play’sches Speculum, Zaufal’scher Nasenrachentrichter) eine
exacte Inspection der Nasenhöhle und des Nasenrachenraums
gestatten, wird wohl die Ansicht, dass Ozaena stets von mehr
oder minder tief gehenden Ulcerationen begleitet sei, kaum
noch Vertheidiger finden. Mehr Anhänger findet dagegen die
Annahme, dass der für Ozaena characteristische Geruch durch
verhinderte Entleerung und dadurch bewirkte Zersetzung des
Secrets bedingt sei. Zwar geht niemand mehr soweit, wie
Sauvages, der annimmt, dass Punäsie begründet sein könne
durch eine angeborene Engigkeit der Nasencanäle, wie sie bei
stumpfnasigen Individuen, bei Leuten mit eingedrückter Nasen¬
wurzel sich findet, und wo auch ohne Erkrankung der Schleim¬
haut durch Zersetzung der normalen in der Nase befindlichen
und darin allzulange zurückgehaltenen Feuchtigkeitsmenge die
Dysodie oder Fötor entstehe; dennoch legen die meisten Au¬
toren auf die durch irgend eine beliebige Ursache bediugte Re¬
tention des Nasensecrets die grösste Bedeutung zur Entstehung
des Fötors. So sagt König (Lehrbuch der Chirurgie): Sind
irgendwie welche Verhältnisse gegeben, durch welche die Ent¬
leerung eines exquisit purulenten Secrets verhindert wird, so
kommt es zu einem sehr übelriechenden, die Umgebung des
Kranken auf das höchste belästigenden Ausfluss. Auch B. Frän-
kel (Ziemssen’s Handbuch, Respirationskrankheiten Ia) meint,
obgleich er zugiebt, dass Ozaena hauptsächlich bei Ausbildung
der atrophischen Form der chronischen Rhinitis vorkommt,
dass Reste von Hyperplasien häufig Veranlassung geben zu
Stenosen und Retention des Secrets. Nur Michel (Krankheiten
der Nasenhöhle) beschreibt als characteristisch für alle Fälle von
Ozaena die auffallende Geräumigkeit der Nasenhöhle, die haupt¬
sächlich durch Schrumpfung der unteren Nasenmuschel bewirkt
werde. Von der ihm eignen hypothetischen Annahme aus¬
gehend, dass Ozaena auf einer chronischen eitrigen Entzündung
der Nebenhöhlen beruhe, glaubt er indess, dass der intensive
Geruch daher rühre, dass der dünnflüssige, also relativ im
frischen Zustande schon stinkende eitrige Schleim noch weiteren
Zersetzungen unterliegt, weil die Nasenhöhle durch Schnauben
und Schneuzen nur unvollständig entleert werden kann, und
tagelang das Secret darin bleibt. Eine besondere Beziehung
zwischen den auffallend grossen Nasenhöhlen und der Be¬
schaffenheit des Secrets wird nicht hervorgehoben, im Gegentheil
wird gerade der unzureichende pathologische Befund in der Nasen¬
höhle selbst mit als Grund für die Annahme einer Erkrankung der
Nebenhöhlen angeführt. Eine directere Beziehung zwischen Ozaena
und der abnormen Weite der Nasenhöhlen findet Zaufal (Archiv
der Ohrenheilkunde, Bd. XI, S. 194), indem er für den Haupt¬
motor zur Fortschaffung des Nasensecrets den inspiratorischen
Luftstrom erklärt, dessen Wirkung nach physicalischen Gesetzen
um so grösser ist, je enger die Röhren sind, durch welche er
streicht. Dieser Ansicht schliesst sich auch Jacobi an.
Sehen wir, wie sich zu diesen verschiedenen Annahmen
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university ofmichsgan
16. September 1S7S.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
555
die Beobachtungen am Kranken stellen. Ich glaube auf keinen
Widerspruch zu stossen, wenn ich behaupte, es giebt eine
grosse Anzahl von Fällen vollständiger Stenosirung der Nasen¬
höhlen, ohne dass es zum Fötor kommt. Man beobachtet nicht
selten Neubildungen, die die Nasenhöhlen für den Luftstrom
vollständig undurchgängig machen, und wo die Entleerung des
Secrets unter den grössten Anstrengungen stets nur mangelhaft
erfolgt, wo man bei der Inspection zwischen den Neubildungen
in den Nasengängen grosse Mengen zähen, zuweilen auch ei¬
trigen Schleims findet, und wo es dennoch nicht zum Fötor
gekommen ist. Ein gleiches findet man auch bei Fremdkörpern.
Ich habe vor kurzem einen grossen Knopf aus der Nase ent¬
fernt, der 18 Monate in der Nase verweilte, chronischen
Schnupfen, Verstopfung der Nase bewirkte, ohne Spur von fö-
tidem Geruch zu veranlassen. Hiernach scheint mir der Schluss
gerechtfertigt, dass Stenosirung der Nasenhöhlen allein noch
nicht im Stande ist, Ozaena hervorzurufen. Andererseits giebt
es Ozaenakranke mit so weiten Nasenhöhlen, dass man durch
das Duplay’sche Speculum bequem die hintere Rachen wand
sehen kann. Ja noch mehr, ich muss nicht nur mit Zaufal,
Michel u. a. die auffallende Coincidenz der Ozaena mit ab¬
normer Weite der Nasenhöhlen bestätigen, sondern muss con-
statiren, dass bei ungleichem Ergriffensein beider Nasenseiten
wir stets diejenige mit den den Fötor verbreitenden Schleim¬
borken ausgedehnter bedeckt finden werden, welche durch Atro¬
phie der Nasenmuscheln grösser erscheint, und dass wir sicher
sein können, wenn bei demselben Individuum nur eine Seite
afficirt ist, diejenige von normaler Weite zu finden, die von
Fötor frei ist. Endlich sind auch nach meiner Beobachtung
die Fälle die milderen, in denen neben theilweiser Atrophie
noch Reste von Hyperplasie vorhanden sind, und ich kann
B. Fränkel nicht beistimmen, dass gerade durch diese hyper-
plastischen Ueberreste Veranlassung zu Stenosen und Schleim¬
retention gegeben wird. Fragen wir nun, welcher Art der
Causalnexus zwischen Ozaena und der Weite der Nasenhöhlen
ist, so können wir a priori Zaufal’s Annahme nicht be¬
zweifeln, dass der inspiratorische Luftstrom einen Einfluss auf
die Entfernung des Secrets ausübt, und dass dieser Einfluss bei
erweiterten Nasenhöhlen aus physicalischen Gründen vermin¬
dert sei. Indess wenn wir bedenken, dass auf der einen Seite
bei fast vollständiger Undurchdringlichkeit der Nase, wie sie
beispielsweise bei Neubildungen vorkommt, wo also der Luft¬
strom einflusslos auf die Entfernung des Secrets bleiben muss,
selbst bei reichlicher Secretion kein Fötor entsteht, und dass
aut der anderen Seite Ozaenakranke durch häufige forcirte
Exspirationen und Inspirationen durch die Nase, wobei durch
theilweisen Verschluss der Nasenöffnungen, wie es beim Schneu¬
zen geschieht, die Gänge künstlich verengt werden, sich ver¬
gebens abmühen das Secret zu entfernen, so können wir die
einfache Erweiterung der Nasenhöhlen selbst bei Vorhandensein
von vermehrter Secretion nicht als wesentlichen Factor zur
Bildung der Ozaena beschuldigen. Es bleibt nichts übrig, als
in der Beschaffenheit der Schleimhaut sowie des Secrets ein
Moment zu suchen, das uns die Erscheinungen erklären könnte.
Leider lässt uns aus bekannten Gründen die pathologische
Anatomie im Stich, und wir sind einerseits auf die klinische
Beobachtung, andererseits auf analoge Vorgänge an anderen
Schleimhäuten, besonders aber auf die an benachbarten ange¬
wiesen. Wir erwähnten bereits als einen characteristischen
Befund bei Ozaena die Atrophie der Nasenmuscheln, besonders
der unteren; parallel mit dieser Atrophie finden wir aber auch
eine eigenthümliche Veränderung der Schleimhaut. Ich kann
mich hier fast ganz der Schilderung Michel’s anschliessen.
Michel (1. c.) sagt: „Die Schleimhaut liegt überall dem Knochen
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ziemlich fest an, nur am Vorderrande der mittleren Muschel
ist sie bisweilen in ganz unbedeutendem Grade geschwellt. —
Die untere Muschel hat oft eine blasse Farbe, während die
mittlere Muschel ziemlich regelmässig mehr geröthet ist. Die
lebhafte Röthe, die an den Stellen, wo Borken sassen, sofort
nach deren Entfernung bemerkt wird, verliert sich bald von
selbst.“ Mit anderen Worten die Nasenschleimhaut der an
Ozaena erkrankten ist blass, anämisch, atrophisch, und zwar
ist gerade dieses Aussehen am prägnantesten an denjenigen
Stellen, wo das Secret zu Borken eingetrocknet ist, wie man
sich leicht überzeugen kann, wenn man nicht sofort nach der
Entfernung des Secrets, sondern eine kurze Zeit nachher die
Schleimhaut inspicirt.
Ein ganz analoges Verhalten der Schleimhaut finden wir
bei einer Krankheit, die mit Ozaena häufig complicirt ist, und
die Wendt (Ziemssen’s Handbuch, Krankheiten des chylopoe-
tischen Apparats I) unter der Bezeichnung rareficirender,
trockener Catarrh der Nasenhöhle und des Rachens (Atrophie),
Pharyngitis sicca, in vorzüglicher Weise beschrieben hat. Auch
hier erscheint die atrophische Schleimhaut blassröthlich bis
blassgelblich, meist glänzend wie lackirt, glatt gespannt,
trocken. Wendt fand bei der microscopischen Untersuchung
die Schleimhaut nur 0,24 Mm. dick, das Epithel war normal,
das Bindegewebe lang ausgezogen oder wellig angeordnet,
traubenförmige Drüsen waren spärlich, Follikel nicht oder
ganz vereinzelt vorhanden.
Ich glaube, wir gehen nicht zu weit, wenn wir dem ana¬
logen Aussehen der Schleimhaut bei Ozaena eine gleiche
anatomische Veränderung als Ursache voraussetzen, und wenn
wir schliessen, dass durch die atrophische Schleimhaut eine
sei es qualitativ, sei es quantitativ veränderte Secretion mit
ihren Folgen, Eintrocknung des Secrets, Zersetzung desselben
und Fötor bewirkt werde. Man nimmt allgemein an, dass bei
Ozaena die Secretion vermehrt sei, und Michel glaubt grade
in dem Umstand, dass die atrophische Nasenschleimhaut diese
Vermehrung nicht bewerkstelligen könne, eine Stütze für seine
Ansicht zu finden, dass der Schleim aus den Nebenhöhlen
komme. Ein exacter Nachweis für eine Vermehrung der Se¬
cretion ist nicht erbracht und wohl auch schwer zu erbringen:
indess glaube ich, dass diese Annahme überhaupt auf einer
Täuschung beruht, hervorgebracht durch Anhäufung des Secrets
in Folge mangelnder Entfernung desselben. Wir beobachten
auch in dieser Beziehung bei Ozaena denselben Vorgang, wie
bei der Pharyngitis sicca. Obgleich die an letzterer Krank¬
heit leidenden dauernd das Gefühl der Trockenheit im Halse
haben, und obgleich zweifellos eine Verminderung der Secretion
stattfindet, finden wir selten die Schleimhaut frei von Secret,
im Gegentheil, wir finden dieselbe in ihrer ganzen Ausdehnung
mit e?ner mehr oder minder dünnen Schleimschicht bedeckt,
die offenbar daher rührt, dass die geringen Mengen von Schleim-
tröpfchen, die secernirt werden, sofort eintrocknen, weil kein
hinreichendes Nachströmen von Secret erfolgt. Hierdurch er¬
hält der Pharynx das Ansehen, als wäre er mit einer grauen,
wie polirten Firnissdecke überzogen. Diese Schleimhaut haftet
derart fest, dass sie weder durch die Deglutition beim Essen,
noch durch das Leerschlingen, zu dem die Kranken fortwährend
Bedürfniss haben, entfernt wird, und dass man selbst Mühe hat,
sie mechanisch mit einem Spatel abzuheben. In einzelnen Fällen
sah ich den Pharynxschleim zu hornharten Krusten eintrocknen,
die sich von Zeit zu Zeit loslösen und zum Schrecken des
Kranken ausgehustet wurden. Das gleiche beobachten wir bei
der Ozaena. Besichtigen wir etwa 4 Stunden, nachdem wir
durch die Nasendouche sorgfältig alle Borken entfernt haben,
die Nasenhöhlen, so werden wir überrascht sein, wie trocken
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UNIVERSITYOF MICHIGAN
556 BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. No. 37
bereits die Schleimhaut erscheint; sie bietet den Anblick, als
wäre sie mit feinem Mehlstaub bestreut, der Kranke müht
sich vergebens ab, ihn durch Schneuzen zu entfernen, von
einer profusen Secretion ist nicht die Rede. Ueberlässt man
diesen Zustand sich selbst, so vermehrt sich dieser eingetrock¬
nete Schleim, weil nichts entfernt wird, bildet eine dickere
Schicht und wird erst meist nach 4 bis 5 Tagen nach grossen
Anstrengungen von Seiten des Kranken in Form von Krusten
heraus geschafft, die oft fast einen Abdruck der Nasenhöhlen
darstellen und durch ihre Grösse den Anschein hervorrufen,
als würde die Secretion eine profuse gewesen sein. Bemerken
muss ich hierbei allerdings, dass, wie schon B. Fränkel her¬
vorgehoben hat, bei einem und demselben Kranken verschiedene
Stadien der Erkrankung gefunden werden, und dass neben
mehr oder minder ausgebreitetem Schwund der Schleimhaut
auch Hyperämie und Hyperplasie vorhanden sein kann. In
diesem Fall kann die Secretion theilweise vermehrt sein, und
die Kranken entleeren viel flüssigen Schleim; indess auf den
atrophischen Stellen der Schleimhaut geht die Borkenbildung
nebenher in der Weise vor sich, wie ich sie eben beschrieben
habe. Hierbei zeigt es sich recht deutlich, dass nicht die
Vermehrung der Secretion, sondern ihre abnorme Verminderung,
die zur Eintrocknung des Secrets führt, den Fötor bewirkt. In
allen Fällen, wo die gesammte Schleimhaut in das atrophische
Stadium eingetreten ist, ist das flüssige Secret auf ein Minimum
reducirt, der Fötor dagegen ein intensiverer.
Hier kommen wir zu der Frage, wie diese Anschauung
sich mit der allgemein herrschenden Ansicht von dem Zu¬
sammenhang von Ozaena mit Syphilis oder Scrofulose verhält.
Zunächst muss ich nach meinen Beobachtungen mit Michel
und Zaufal feststellen, dass Ulcerationen und Knocheneiterun¬
gen bei Ozaena fehlen können, ja dass dieses Fehlen das con-
stantere ist. dass ferner in einer grossen Anzahl von Ulcera¬
tionen syphylitischen Ursprungs der für Ozaena characteristische
Fötor nicht vorhanden, dass endlich in sehr vielen Fällen von
Ozaena Syphilis und Scrofulose mit Bestimmtheit auszuschliessen
ist. Dagegen habe ich in zwei neuerdings von mir beobachteten
Fällen von syphilitischer Erkrankung der Nase, von denen der
eine mit Ausstossung necrotischer Knochenstücke verbunden
war, Fötor beobachtet, gleichzeitig aber Atrophie der Nasen¬
muscheln, das characteristische Aussehen der Schleimhaut und
die Borkenbildung, wie sie bei einfacher Ozaena vorkommt.
Ob der fötide Geruch schon vorhanden war in den früheren
Stadien der Erkrankung, konnte ich nicht feststellen, halte es
indess nicht für wahrscheinlich, glaube vielmehr, dass die
Ozaena ein constantes Symptom desjenigen Stadiums
der chronischen Rhinitis sei, bei der es zur Atrophie
der Nasenschleimhaut gekommen ist, und bei der
wahrscheinlich durch Untergang von Schleimdrüsen
eine Verminderung und Veränderung der Secretion
der Art erfolgt, dass das Secret durch seine schnelle
Eintrocknung auf der Schleimhaut haften bleibt, durch
die natürlichen Mittel nicht entleert wird und in fö¬
tide Zersetzung übergeht. — Es ist zur Entstehung des
Fötors nicht nöthig, dass die Schrumpfung die gesammte Nasen¬
schleimhaut oder auch nur den grössten Theil ergreift, oft finden
sich neben Atrophie hyperämische und byperplastische Ab*
schnitte. Wo aber auch immer mehr oder minder ausgedehnte
Atrophie der Schleimhaut vorhanden ist, kommt es zur Borken¬
bildung und zum Fötor. Ob auch das umgekehrte der Fall
ist, d. h. ob Ozaena nur bei diesem Process vorkomme oder
ob nicht auch andere pathologische Processe zur Eiterretention
und Zersetzung führen können, will ich bis jetzt nicht bestrei¬
ten, jedoch feststellen, dass in der weit überwiegenden Anzahl
dies nicht der Fall ist.
In vielen Fällen erstreckt sich der atrophische Process
nicht blos auf die Nasenschleimhaut, sondern auch auf die
Schleimhaut des Nasenrachenraums, und oft ist Ozaena com-
plicirt mit Pharyngitis sicca. Letztere kommt übrigens, wie ich
gegen Michel behaupten muss, auch als selbständige Krank¬
heit bei sonst gesunder Nase vor.
Ist meine Auffassung von dem Wesen der Ozaena eine
richtige, so kann von einer radicalen Heilung dieser Krankheit
kaum die Rede sein, weil es uns nicht gelingen kann, die
atrophische Schleimhaut zur normalen Secretion anzuregen. In
der That finde ich die Resultate, die wir durch die verschie¬
densten therapeutischen Eingriffe erlangt haben, wenig günstig.
Man kann mit dem scharfen Löffel oder durch Galvanocaustik
hyperplastische Stücke entfernen, die mangelhafte Secretion
der atrophischen Schleimhaut wird dadurch nicht im geringsten
geändert, der Fötor bleibt derselbe; man kann bei Syphilis
und Scrofulose necrotische Knochenstücke entfernen, Ulcera¬
tionen zur Heilung bringen; ist das Gewebe bereits auch nur
stellenweise in Schrumpfung übergegangen, so bleibt die Borken¬
bildung und der fötide Geruch unverändert. Adstringentien
verschlimmeren den Zustand, wie ich ein gleiches bei der Pha¬
ryngitis sicca erfahren habe. Man kann durch Pinselungen von
.Jod oder Carbolsäure vorübergehend die Secretion anregen,
mit dem Aufhören der Behandlung hört auch der geringe Er¬
folg auf. Ebenso wenig habe ich von der durch Michel so
warm empfohlenen Anwendung von Kali chloricum einen dauern¬
den Nutzen gesehen, jedenfalls nicht mehr, als von der gewissen¬
haften Anwendung der einfachen Nasendouche. Letztere, d. h.
also die sorgfältige Herausbeförderung des Secrets ist die Haupt¬
sache, einen alterirenden Einfluss auf die Art der Secretion
hat sie nicht, auch wenn wir ihr die verschiedensten medica-
mentosen Stoffe zusetzen. Nun unterliegt es zwar keinem Zweifel,
welche grosse Missstände die jahrelange, man kann wohl sageu
lebenslängliche tägliche Anwendung der Nasendouche — denn
nur in diesem Falle ist sie von einigem Nutzen — im Gefolge
hat. Dem Kranken wird sie lästig, und oft genug steht er
resignirt davon ab, und wenn ich auch nicht so oft, wie manche
andere Fachgenossen, Nachtheil für das Gehörorgan von ihrem
Gebrauch gesehen habe, so halte ich sie doch in der Hand
des Laien für keinen harmlosen Heilapparat, den man ihm ohne
weiteres überlassen kann. Deswegen glaube ich, dass wir jeden
Ersatz, dem die Nachtheile nicht anhaften, als erwünscht be-
grüssen können.
Ich hatte bei einem jungen Mädchen von 15 Jahren, bei
der ich durch fast 2 Jahre die verschiedenartigsten Methoden
ohne jeden Erfolg angewandt hatte, feststellen wollen, in wie
weit die Zaufal’sche Ansicht, dass durch die abnorme Weite
der Nasenhöhlen der inspiratorische Luftstrom nicht stark genug
sei, das Secret heraus zu befördern, die richtige sei. Zu diesem
behufe legte ich der Kranken einen Wattentampon gleichsam
als Ersatz der vorderen atrophischen Muschel derart in eine
Nasenhöhle ein, dass immer noch eine Passage für den Luft¬
strom frei blieb, wovon ich mich durch Einführung eines Ca-
theters überzeugte. Als ich nach 24 Stunden den Tampon ent¬
fernte, war ich überrascht von der Wirkung: die Schleimhaut,
die sonst schon nach wenigen Stunden mit Borken bedeckt
war, erschien jetzt feucht, mässig roth, frei von Borken. Wieder¬
holte Versuche bei dieser wie bei andern Kranken brachten
immer denselben Effect hervor, zeigten aber auch, dass nicht
die künstliche Verengerung der erweiterten Nasenhöhlen als
solche durch vermehrte Reibung des Luftstroms an den W'änden
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Original frn-m
UNIVERSETY OF MICHIGAN
16. September 1STS,
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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die Entfernung des Secrets befördere, dass auch nicht der
Abschluss der atmosphärischen Luft, wie man vermuthen könnte,
die Zersetzung des Secrets hintanhalte, sondern dass andere
Momente hierauf einwirken müssten. Ich fand nämlich, dass
das veränderte Aussehen der Schleimhaut nur diejenigen Stellen
betraf, die mit der Watte in directer Berührung waren, dass
beispielsweise in den Fällen, wo die Gesammtschleimhaut in
den atrophischen Process eingetreten war, sich Borkenbildungen
in den hintern Partien der Nase zeigten, wenn die Watte nicht
tief genug eingeführt war. Die entfernte Watte war mit nor¬
malem, gelblichem Schleim durchtränkt, von Fötor keine Spur,
ebensowenig war in der Nasenhöhle von Fötor etwas zu spüren,
selbst dann nicht, wenn vor dem Einlegen der Watte
derselbe vorhanden war, und ich es unterlassen hatte,
die Borken durch die Nasendouche zu entfernen.
Ich nehme an, dass die Watte entweder als mildes Reiz¬
mittel secretionsbefördernd wirkt, oder dadurch, dass sie das
Secret, sofort wenn es aus den Drüsenausführungsgängen auf
die Schleimhautoberfläche tritt, aufsaugt, und seiner Eintrock¬
nung vorbeugt.
Ich habe im Laufe von drei Monaten 15 Ozaenakranke in
dieser Weise behandelt und den Erfolg immer als einen prompten
gefunden. Ich verfahre in der Weise, dass ich zunächst durch
die Nasendouche die Höhle vom Secret befreie, um mich von
der Beschaffenheit der Schleimhaut und von der Ausdehnung
der Erkrankung zu überzeugen. Hierauf wird ein 3 bis 5 Ctm.
langer, etwa daumendicker Wattetampon der Art in eine Nasen¬
höhle eingelegt, dass bei normaler Haltung und Bewcguug des
Kopfes er nicht gesehen wird. Da in sehr vielen Fällen von
Ozaena der untere und mittlere Nasengang durch die Atrophie
der vordem Nasenmuschel in einen weiten Canal verwandelt
ist, so ist diese Einführung .ohne jede Schwierigkeit. Ergiebt
die Inspection, dass einzelne Abschnitte der Nasenhöhle hyper-
plastisch sind, so wird ein entsprechend dünnerer Tampon in
den untern oder mittleren Nasengang eingeführt, je nachdem
sich herausgestellt hat, welcher von ihnen der krankhaft er¬
weiterte ist und die Borkenbildung zeigt. Denn nach meinen
Beobachtungen kommt es auch vor, dass überhaupt nur die
Schleimhaut eines Nasenganges den atrophischen Zustand mit
seinen Folgen zeigt. Für gewöhnlich bleibt der Tampon 24 Stun¬
den liegen. Die Kranken geben an, dass schon nach andert¬
halb bis zwei Stunden die Nase anfängt, feucht zu werden, sie
haben die „langentbehrte Empfindung wie in gesunden Tagen.“
Von Zeit zu Zeit, aber durchaus nicht zu oft, stellt sich das
Bedürfniss ein, das Secret zu entfernen. Dies geschieht — we¬
nigstens bei vielen — ohne dass deswegen die Watte heraus¬
schlüpft, durch Schnäuzen; sind noch Borken zurückgeblieben,
so werden auch diese entfernt. Hat man aus irgend einem
Grunde überhaupt die Nasendouche vorher nicht zur Entfernung
des Secrets angewandt, so wird dieses jetzt ohne weiteres in
kuzer Zeit ohne Mühe auf dieselbe Art vom Kranken heraus¬
geschafft. Wird nach 24 Stunden die Watte entfernt, so zeigt
sich die Schleimhaut feucht und, insofern der Tampon mit der
gesammten erkrankten Schleimhaut in Berührung war, frei von
Borken und ohne Spur von Fötor, und diess selbst dann, wie
ich noch einmal hervorheben muss, wenn vor dem Einlegen
«les Tampons die intensiv stinkenden Borken nicht
entfernt worden waren.
Es ist nicht nöthig, die Watte sofort wieder einzulegen,
sondern man kann 24 Stunden pausiren, und ich lasse deswegen,
wenn beide Seiten erkrankt sind, mit der Tamponade von 24 zu
24 Stunden wechseln. Von irgend einer lachtheiligen oder für
den Kranken lästigen oder auch nur unbequemen Wirkung ist mir
von keiner Seite berichtet; auch während der Nacht bleibt der
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Tampon ohne Beschwerde liegen. Nur wenn die Watte mit
hyperämischen Stellen in Berührung kommt, tritt leichtes Nasen¬
bluten ein, was sich leicht durch Vermeidung solcher Stellen
verhüten lässt. Die Kranken lernen schnell die Watte selbst
in die richtige Lage bringen, und in diesem Falle rathe ich
ihnen einige Stunden des Tages oder bei mildern Formen selbst
die ganze Nacht ohne Tampon zu bleiben. Man fürchte nicht,
dass die Watte vielleicht bei längerem Gebrauch als fremder
Körper entzündungserregend wirken, Blennorrhoe oder Ulcera-
tionen veranlassen werden. Ich habe, wenn ich nach drei¬
monatlicher Anwendung dieser Methode mit ihr zeitweise auf¬
hörte, die Schleimhaut noch ebenso anämisch und leider auch
zur Borkenbildung geneigt gefunden, wie vor der Behandlung,
und ich glaube, wir können, wenn meine Auffassung eine rich¬
tige ist, dass die Ozaena auf einer atrophischen Degeneration
der Schleimhaut beruhe, auch* von dieser Methode keine Radi-
calheilung erwarten: wir können geschrumpfte Schleimdrüsen,
eine entartete Schleimhaut nicht mehr zur normalen Secretion
anregen, und die von mir empfohlene Tamponade macht nur
den Anspruch, eine symptomatische Behandlung für Ozaena zu
sein, wie sie einfacher, gefahrloser und wirksamer kaum ge-
| dacht werden kann. Alle Autoren stimmen darin überein, dass
das erste Desiderat bei Behandlung dieser Krankheit die Lö¬
sung und Entfernung des Secrets sein müsse. Nun gehöre ich
zwar zu denen, die, wie ich schon gesagt, von der Anwendung
j der Nasendouche seltener Nachtheile für das Gehörorgan gesehen
haben; indess glaube ich von Seiten der Fachgenossen, noch
j weniger der Kranken einen Widerspruch zu erfahren, wenn ich
j sage, dass eine mühevollere, bis zur Unerträglichkeit lästige
Behandlungsmethode wie die Nasendouche gerade bei Ozaena
kaum zu denken ist. Mir versicherten Kranke, dass, wenn sie
nicht täglich zu drei verschiedenen Zeiteu je 2 bis 3 Liter Wasser
durch die Nase spritzten, sie den Gestank nicht ganz beseitigen
konnten, und selbst bei dieser sorgfältigen Reinigung erwachten
sie am Morgen nicht frei von Fötor.
Man wird es begreiflich finden, wenn solche Kranke die
ihnen gerathene Tamponade der Nase als eine Erlösung an-
sahen: es machte ihnen keine Mühe und nicht mehr Beschwer¬
den als etwa das Tragen von Watte in den Ohren und wirkt
insofern noch günstiger als die Nasendouche, als sie ausser
dem Fötor durch Hintanhaltung der Borkenbildung auch das
Gefühl des Stirndrucks, des Drucks auf die Tuba, das lästige
Gefühl der Trockenheit im Halse verhindert. Freilich ist be¬
reits die Schleimhaut des Pharynx gleichfalls atrophisch und
zeigt die Charactere einer Pharyngitis sicca, so reicht der aus dem
Nasenrachenraum herabfliessende Schleim nicht hin, den Pha¬
rynx feucht zu erhalten, und die Pharyngitis verlangt nebenher
eine besondere Behandlung. Der Gedanke lag nahe, die Watte
gleichzeitig zum Träger geeigneter medicamentöser Stoffe zu
machen, um in dieser Weise alterirend auf die Schleimhaut
und deren Secretton einzuwirken. Nach den Erfahrungen, die
ich indess seit vielen Jahren mit der localen medicamentösen
Behandlung der uns beschäftigenden Krankheit ebenso wie mit
der ihr verwandten Pharyngitis sicca gemacht habe, glaubte
ich von ihr als nutzlos abstehen zu können. Selbstverständlich
suche ich gegen nebenbei noch vorhandene Hyperämien und
Hyperplasien entsprechend einzuschreiten, wobei ich, wie ich
hier einschalten wilf, gegen die Hypersecretion der Schleimhaut
Einblasung von Salicylsäure (1: Magnes. ust. 2) erprobt ge¬
funden habe; gegen die atrophisch gewordene Schleimhaut be¬
gnüge ich mich, die einfache Tamponade in beschriebener Weise
anzuwenden, und ich kann versichern, dass ich mit den Resul¬
taten in allen Fällen gleichmässig zufrieden war.
-Spiral frcm
UNIVER.SEIT OF MICHIGAN
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
So. 37
IV. Kritiken und Referate.
Stahl: Geburtshilfliche Operationslehre nach den Vor¬
lesungen des Prof. Hegar. Stuttgart, Enke. 1878. S. 185.
Die vorliegende Operationslehre interessirt uns, soweit sie eigen¬
artiges, und von den sonstigen Angaben abweichendes bringt. Ile gar’s
Name garantirt uns, dass’ das vorgetragene nach reiflicher Prüfung in
der Praxis wiedergegeben ist. — In dem allgemeinen Theil gefällt
uns das „Delire des Operateurs“ um so weniger, als das Buch ursprüng¬
lich für Studirende geschrieben war. Diese momentane Geistesstörung
des Geburtshelfers, eine unglückliche Idee Gueniot’s, dürfte, wenn
als Krankhet wirklich anerkannt, vielen Schaden anrichten. Das Ur|heil
Pajot’s (Annal. de Gynecol. Janv. 1876. p. 74) über diesen sonder¬
baren Schwärmer ist zwar hart, aber gerecht: „les deductions fantaisistes
et les jugements erron^s contenus dans cet etrange roman.“ — Be-
herzigenswerth ist der Satz, dass Aerzte, welche mit Infectionsstoffen
in nahe Berührung gekommen sind, der geburtshilflichen Praxis zeit¬
weise fernbleiben; wir müssen auch von uns selbst verlangen, was wir
von den Hebammen fordern.
Im speciellen Theile wird zuerst die künstliche Erweiterung
des Cervicalcanals besprochen. Eine Indication für die Anwendung
der Quellmittel bildet Eclampsie, sobald der Tod vor spontaner Vollen¬
dung der Geburt wahrscheinlich, und andere wehenerregende Mittel keinen
Erfolg versprechen oder schon fruchtlos angewendet worden sind. Es
ist nicht klar ausgedrückt, in wessen Interesse die Operation gemacht
werden soll. — Die manuelle, gewaltsame Dilatation des Cervix ist be¬
sonders angezeigt bei bedeutender Anämie in Folge vorzeitiger Lösung
der normal sitzenden Placenta; bei Plaeenta praevia werden die anderen
üblichen Verfahrungswciscn einen solchen Eingriff entbehrlich machen,
oder ihn wenigstens so lange verschieben lassen, bis die Weite und Dehn¬
barkeit des Muttermundes eine bedeutendere Gewaltanwendung unnöthig
macht. Für die blutige Dilatation des Muttermundes durch Incision ist
Bedingung, dass entweder rur der aussen*, bis zu einem gewissen Grade
geöffnete Muttermund ein Hinderniss bildet, oder dass eine Texturano¬
malie des ganzen Cervix vorhanden ist, die nur durch Einschnitte eine
Erweiterung ermöglicht. Wir vermissen ein Eingehen auf die besonderen
Verhältnisse bei Carcinoma colli uteri, siehe Archiv für Gynäkologie,
Bann V, pag. 377 fl’. — Gestützt auf die Beobachtung, dass Damm¬
risse häutig erst durch Weiterreisen von Scheidenrissen entstehen,
sind an der Freiburger Klinik in letzter Zeit mehrfach nur Scheiden-
incisionen gemacht worden. Man führt hierzu einen Finger zwischen
Kopf und Damm ein und trennt die, im unteren Scheidenabschuitt ge¬
fühlten, gespannten Partien mit einem an der Spitze abgerundeten Messer.
Die Resultate dieser Einschnitte fordern zu weiteren Versuchen auf. —
Um beim künstlichen Blasensprung den Lufteintritt in die Gc-
bäimutterhöhle zu vermeiden, wird die ganze Operation unter Wasser
vorgenommen, durch anhaltende Irrigation der Scheide mit lauwarmem
Wasser und einem Zusatz von Aq. Chlori. — Für den künstlichen
Abort wird die Einführung von Laminaria oder Pressschwamm empfoh¬
len, weil die Ausstossung des Eies in toto wünschenswerth ist. — Zur
Einleitung der künstlichen Frühgeburt verdient der tiefe Blasenstich
Berücksichtigung. — Die Wendung ist ausführlich, aber für den Stu-
direnden nicht übersichtlich genug beschrieben. Mehrmals wurde ab¬
sichtlich ein Arm heruntergezogen, um für die Wendung mehr Platz
im Uterus zu gewinnen; oder selbst, ein Arm im Uterus angeschlungen,
um bei der nachfolgenden Extraction die voraussichtlich schwierige Arm¬
lösung wenigstens theilweise zu umgehen. Die dadurch erzielten Vor¬
theile waren nicht unbedeutend. Ist das Herunterziehen des gefassten
Fusses erschwert, dann benutzt man bei todtem Kinde mit grossem Vor¬
theil eine lange Muzeux’sche Zange. — Bei gewöhnlicher Stellung
der Frucht. Rücken ganz oder mehr nach einer Seite, geschieht die
manuelle Lösung der Arme mit der Hand, deren Volarfläche der Bauch¬
seite entspricht. — Gelingt die Lösung des vorderen Arms in der ge¬
wöhnlichen Weise nicht, so soll der im Becken etwas zurückgedrängte
Rumpf nach der Rücken fläche der Frucht gedreht werden, wobei
also der noch zu lösende Arm bei der Drehung dem Rücken nachfolgt. —
Was die Compression des Kopfes durch die Zange betrifft, so begegnen
wir, wie in den meisten neueren Lehrbüchern, auch hier der Mittheilung,
dass bei einer Compression des geraden sich der quere Kopfdurchmesser
entsprechend verlängert. Ich mache auf meinen Aufsatz „Ueber Zangen-
application bei Beckenenge“ aufmerksam, welcher, weil in Virchow’s
Archiv Band 64 erschienen, den Geburtshelfern weniger bekannt ge¬
worden ist. — Warum soll die Zange nicht auch zur Abkürzung einer
schmerzhaften Geburt in Anwendung kommen, wenn eine Erleichterung
und Beschleunigung des Geburtsacts ohne Gefahr für Mutter oder Kind
möglich istV Wirsehen hierin durchaus nichts unstatthaftes (p. 117). —
Bei den extremsten Graden der Beckenenge dient der Kranioklast
zur Zerstörung der Schädelknochen, bei geringeren Graden ist er ein
vorzügliches Mittel zur Extraction des perforirten Kopfes und verdient
hier entschieden den Vorzug vor dem Cephalotrib. Er ist auch bei sehr
unvollständigem Eintritt des Kopfes in das Becken applieirbar, haftet
sicherer am Schädel, und beim Zug ist dann die Adaption des Kopfes
vollständig dem Druck des Beckens überlassen. — Eine von Hegar voll¬
zogene Hysterotomie nach Kaiserschnitt endete am 4. Tage tödtlich
durch Peritonis scptica. Der Fall war durch Nephritis und Eclampsie
complieirl. — Die Naht ist angezeigt hei Cervical- und Scheidenrissen,
die entweder sehr tief oder mit starken Blutungen verbunden sind, ferner
bei einfachen Dammrissen, welche bis nahe zum Sphincter herangeheu,
und bei complieirten Dammrissen.
Wir empfehlen das Buch Fachgenossen und practisehen Aerzten.
Für den Studirenden, der die Operationen am Phantom durchgemacht
hat, dürfte die gegebene Reeapitulatoin von besonderem Nutzen sein.
_ Cohnstein.
Ueber die Bedeutung und den Gebrauch der Seebäder mit
besonderer Rücksicht auf das Nordseebad Norderney
und die in den letzten zehn Jahren daselbst erzielten Hcilrcsui-
tatc. Von San.-R. Dr. Fromm, erstem Badearzt zu Norderney
und pract. Arzt zu Berlin. Norden und Norderney 1878. Braams.
103 S.
Die vprliegendc Schrift, welche an Laien und Aerzte gleichzeitig
gerichtet ist, entspricht insofern sehr gut dieser doppelten Adresse,
als sie in populärer Form den wissenschaftlichen Standpunkt streng fest¬
hält. In leicht verständlicher, die neuesten baineologischen Forschungen
berücksichtigender Form setzt sie zunächst die Wirkungsweise sämmt-
licher, für den Aufenthalt und die Cur an der See in Betracht kommen¬
den Factoren — Luft, warme Seebäder, kaltes Seebad — auseinander, giefl
in den nächsten C'apiteln einige allgemeine Vorschriften über die Gebrauchs¬
weise des Seebades sowie über das Allgemein verhalten während der Cur.
: stellt dann die verschiedenen Arten der Seebäder, als Ost- und Nordsee-
; bäder, und die letzteren als Küsten- und Inselbäder in ihren Wirkung!*
i unterschieden einander gegenüber und geht endlich speciell in ausführ-
| lieher Schilderung auf die Verhältnisse Nordemey’s ein. Hieran schliefet
j sich eine Skizze der hauptsächlich im Nordseebad zur Behandlung kommen¬
den Erkrankungen. Da dieser Abschnitt ein Resultat zehnjähriger, in einem
der besuchtesten Seecurorte gesammelten Erfahrungen sind — im Jahre
1877 betrug die Frequenz 6000 — so verdient er von Seiten der Aerzte
besonderes Interesse. Wir heben daraus mit Bezug auf manche noch exisii-
renden Streitfragen hervor, dass Verf. bei Chlorose von dem Gebrauche der
Seeluft gute Erfolge gesehen hat; in den letzten Jahren hat sich ihm auch
ein sehr vorsichtiger Gebrauch der kalten Seebäder in dazu geeigneten Fällen
als vortlieilhaft erwiesen. Sehr entschieden rühmt Verf. den Aufenthalt in
Norderney für Serophulose, auch für die vorgeschrittenen, mit Knochcn-
eiterungen verbundenen Formen derselben. Während Verl., wie auch andere
i Autoren, den eigentlichen Magencatarrh vom Gebrauche der Cur aus-
I sehliesst, hat sich ihm dieselbe gegen die unter dem Namen di r Dyspepsie
zusammengefasste Reihe der gastrischen Störungen als äusserst wirksam
i erwiesen. Von den zahlreichen, für die Seebad cur in Betracht kommenden
Frauenkrankheiten will Verf. besonders der Neigung zu Uterinblutungen,
wenn dieselbe auf Schlaffheit der Gebärmutter, wie sie nach Entbindungen
z u rück bleibt, beruht, eine grössere Rolle, in den lndicationen für das Nord¬
seebad zuweisen. Für die noch wenig vorgeschrittenen Formen derphthisr
1 sehen Processe in den Lungen hat sich nach Verf.’s Erfahrungen der Ge¬
brauch der Nordseeluft als vortreffliches Heilmittel bewährt, ja selbst der
Gebrauch von Seebädern — mit grossen Cautelen genommen — sich in
einzelnen Fällen als vortlieilhaft erwiesen. Bluthusten bildet nach Yen.
keine Gegenanzeige für den Aufenthalt am Meere. Emphysem und
Asthma nervosum sind auch nach Verf.’s Erfahrungen sehr dankbare
Objecte der Seeluftcur. Hinsichtlich der Gehörleiden sowohl entzünd¬
licher als nervöser Art, verdient der Aufenthalt an der See, wie Verf.
bei solchen Kranken erfuhr, die neben dem eigentlichen Leiden, welche?
sie an die See führte, auch an einer Gehöraffection litten, nicht das
ungünstige Vorurthcil, welches im allgemeinen dagegen herrscht, Verl
hat keine ungünstige Beeinflussung solcher Leiden, in einzelnen Fällen
sogar vortheil haften Einfluss davon gesehen. Sz.
F. Penzoldt: Blutbefund bei der Werlhof’schen Krankheit.
Sitzungsber. der phys.-med. Soc. zu Erlangen. 11. Febr. 1S7S.
P. beobachtete in 2 Fällen der genannten Krankheit Microcyten im
Blut. Im ersten Fall, der durch blutige Stühle, Purpuraflecken und
starke Oedeme ausgezeichnet war, fand er rothe Blutkörperchen bis zur
Grösse von 5,5 /i , welche zum Theil den weissen sehr ähnlich, körnig
und blasser als normal waren. Bei zunehmender Besserung verschwan¬
den diese Gebilde aus dem Blut, um bei erneuter Purpura wieder auf¬
zutreten. Dabei wurden Körperchen von 4,8 p Grösse beobachtet. In
einem zweiten Falle, der durch Haematurie und Milzschwellung com-
piieirt war, beobachtete P. rothe Blutkörperchen von 4,8 — 6 p im
Blut, die wieder blass und zum Theil mit Delle versehen waren. Die
kleineren Formen waren am stärksten lichtbrechend. Ausserdem fanden
sich im Blut beider Kranken kleine weissliche Körnchen, die möglicher¬
weise als abnorm kleine weisse Blutkörperchen zu deuten sind.
Diese Beobachtungen, welche Verf. bereits vor 3 Jahren machte,
stimmen mit analogen Befunden Traube’s überein, welche derselbe
in seiner Klinik wiederholt demonstrirt, niemals aber veröffentlicht hat.
Litten.
V. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Gesellschaft für Geburtshülfe und Gynäknltgie in Berlin.
Sitzung vom 14. Mai 1878.
Vorsitzender: Herr Ebell.
Schriftführer: Herr Fasbender.
1) Herr Hofmeier: Ueber Nephritis in der Schwanger
schaft.
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16. September 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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Dem Vortrage liegt eine den Journalen der hiesigen Universitäts-
Entbindungs-Anstalt aus den letzten 10 Jahren entnommene Statistik
zu Grunde. — Die Krankheitsbilder, welche die Nephritis in der Schwan¬
gerschaft bietet, sind wesentlich nach 2 Richtungen hin verschieden, je
nachdem nämlich die Entzündung acut aus meist äussem Veranlassun¬
gen auftritt, oder sich allmälig aus bisher noch nicht sicher festgestellten
Gründen (Ueberlastung der Nieren?) entwickelt. Von der ersten, sehr
seltenen Art kamen 3 Fälle zur Beobachtung, davon 2 mit Eclampsie,
alle 3 in Genesung endend. Bei den an der zweitgenannten, mehr
chronischen Form erkrankten trat in \ , der Fälle Eclampsie auf (unter
den letzteren mehr als 50 # /, Mortalität), während bei einem Theil der
überlebenden die Nierenerkrankung post partum weiter bestand. Be¬
sonders die recidivirenden Fälle sind in letzterer Beziehung, wie auch
Litzmann gefunden, besonders gefährlich. Für das Leben der Früchte
ist namentlich noch die Unterbrechung der Schwangerschaft vor dem
normalen Ende von grosser Bedeutung. Sie ist in */i der Fälle des
Herrn Vortragenden notirt, darunter wieder in mehr als der Hälfte in
einer so frühen Zeit, dass die Kinder nicht lebensfähig waren. Aus
diesen Gründen kommt Herr Hofmeier bei der Besprechung der The¬
rapie zu dem Schluss, dass bei frühzeitigem und heftigem Auftreten der
in Rede stehenden Affection an die künstliche Beendigung der Gravidi¬
tät, selbst durch Einleitung des Abortus, zu denken sei.
Der Vortrag w»rd ausführlich in III, 2 der Zeitschrift für Geburts-
feülfe und Gynäkologie veröffentlicht werden.
Herr Veit glaubt, dass nur die acute Form der Nephritis zur
Eclampsie disponire, oder auch wohl eine acute Steigerung der chro¬
nischen, wobei dann eine genaue Urinuntersuchung rothe Blutkörperchen
nachweise. Hiermit stimme auch die Erfahrung überein, dass Eclam-
psien gruppenweise, wahrscheinlich von Witterungs-Einflüssen abhängig
auftreten. Die künstliche Unterbrechung der Schwangerschaft steigere
nicht etwa die Gefahr bezüglich des Auftretens der Eclampsie.
Auf die Bemerkung des Herrn Haussman, dass eine brauchbare
Statistik nur durch eine systematische Untersuchung jeder Schwangeren
gewonnen werden könne und auf dessen Anfrage, ob man Pilocarpin in
Anwendung gezogen, erwidert Herr Hofmeier, dass er eine solche
Untersuchung allerdings an einer bisher noch kleinen Anzahl (150) bei
der Aufnahme und beim Geburtseintiitt durchgeführt und dabei nur
in 1 Falle Nephritis constatirt habe. Das genannte Mcdicament sei
nicht versucht: es beseitige ja auch nur die Hydropsic und sei für
die Schwangerschaft nicht ungefährlich.
Herr Löhlein möchte von dem Herrn Vortragenden bestimmter
ausgesprochen wissen, ob nach ihm die Nephritis in graviditate an und für
sich und ganz allein die künstliche Unterbrechung der Schwangerschaft
indicirc. Nach Herrn Löhlcin’s Ansicht ist dies sicher nicht der Fall.
Seines Wissens gebe cs überhaupt keine einzige innere Krankheit, die
für sich und in jedem Falle die künstliche Einleitung der Frühgeburt
oder des Abortus erfordere. Die Indication werde bei der Nephritis
ebenso wie beispielsweise bei chronischen Herzleiden nicht durch die
Krankheit an sich, sondern nur durch eine bedrohliche Entwickelung
bestimmter Kankheitserscheinungen gegeben, welche der gcwöhnlchen
Therapie nicht weichen, während man voraussetzen könne, dass sie nach
Entleerung des Uteius schwinden oder doch abnehmen würden. Dies
gelte namentlich von den Hydropsien sowie von der durch complicirende
Catarrhe bewirkten Athemnoth. In 2 Fällen von Nephritis, die in der
letzten Zeit der Schwangerschaft entstanden, sah Herr Löhlein nach
der spontanen Geburt Oedeme und Eiweissgehalt rasch abnehmen; doch
war damit in dem einen Falle der nephritische Process noch nicht been
•det, da sich im weiteren Verlaufe die Erscheinungen der Schrumpfniere
entwickelten.
Herr Schroeder: Die Schwangerschaft disponirt ganz besonders
zu Nephritis, und die Affection heilt dann nicht leicht während der
Dauer der Gravidität. Die erhöhten Anforderungen, welche an die Niere
gestellt werden, bedingen diese Neigung zu Erkrankungen. Wenn die
Entzündung in früherer Zeit auftritt, dann ist in hohem Grade Gefahr
für die Entwickelung der chronischen Form vorhanden, die nicht allein
-das Leben der Mutter erheblich gefährdet, sondern auch die Hoffnung
.auf die Geburt eines lebensfähigen Kindes sehr gering erscheinen lässt.
Wird die Schwangerschaft unter diesen Umständen aber bald unter¬
brochen, selbst schonungslos durch die Einleitung des künstlichen Abor¬
tus, dann gestaltet sich die Prognose günstig, und man könne gewiss
.auf diese Weise vielen Frauen das Leben retten. Will man erst auf
gefährliche Symptome warten, dann ist es oft zu spät, und der geeig¬
nete Zeitpunkt für die Hilfeleistung vorüber.
Herr Löhlein erwidert, dass er das zur Zeit vorliegende verwerth-
bare Beobachtungsmaterial nicht für genügend ansehe, um den Einfluss
der Schwangerschaft, namentlich der früheren Monate, auf den nephri-
tischen Process klar zu beurtheilen. Bei diesem mangelhaften Stand
unserer Kenntnisse halte er sich nicht für berechtigt, die Krankheit
schlechtweg als eine Indication zur Einleitung der künstlichen Frühge¬
burt oder gar des Abortus zu bezeichnen.
Herr Schroeder: Jeder kenne eine Reihe von Fällen, in denen
mach Beendigung der Schwangerschaft Heilung der im andern Falle ge¬
fährlichen Nephritis eingetreten. Dies müsse genügen, um die von ihm
vertretene Indication gerechtfertigt erscheinen zu lassen.
Herr P. Rüge sah in einem Falle, in welchem ein College gegen
Nephritis in der Schwangerschaft Pilocarpin angewandt hatte, */* Stunden
nach der Einspritzung Eclampsie auftreten, worauf die Frau bald nach
der Geburt eines todten Kindes unter den Erscheinungen des Lungen¬
ödems zu Grunde ging.
Herr Odebrecht, welcher Herrn Löhlein’s Auffassung beitritt,
verordnete Pilocarpin bei hochgradigem Oedem und Anasarca aus Nephri¬
tis im 6. Schwangerschaftsmonate. Nach 5—6 Tagen waren die Oedeme,
und nach weiteren 8 Tagen auch der Eiweissgehalt nicht mehr vor¬
handen. Darauf wurde im 9. Monate ein schon längere Zeit abgestor¬
benes Kind geboren. Ob das Mittel an dem Tode der Frucht Schuld
getragen, wolle er nicht entscheiden. Er glaube aber nicht, wie Herr
Veit als Möglichkeit hervorhebt, dass das Ableben der Frucht und die
damit gegebene Entlastung der Niere die Heilung der Erkrankung be¬
wirkt habe. Dazu seien die Symptome zu schnell geschwunden.
2) Der Schriftführer verliest einen Bericht über die Thätigkeit der
Gesellschaft vom 8. Mai 1877 bis zum 9. Mai 1878:
In der genannten Zeit fanden 15 Sitzungen statt, mit 10 Vortragen
geburtshilflichen, 8 gynäkologischen und 1 pädiatrischen Inhalts. 5 dieser
Vorträge waren mit Demonstration von Präparaten verbunden. Ausser¬
dem wurden noch 30 Mal Präparate vorgelegt, 5 Mal Kranke vorgestellt
und 2 Mal Instrumente gezeigt. Die am 9. Januar 1877 von der Ge¬
sellschaft gewählte Puerperalfieber-Commission arbeitete eine bezügliche
Denkschrift aus, welche im December des genannten Jahres nach Billigung
durch die Gesellschaft dem Cultusministerium überreicht wurde. Eine
weitere einschlägige Arbeit des Mitgliedes der Commission, Herrn B.,
wird dieser Tage in III, 1 der Zeitschrift für Geburtshilfe und Gynä¬
kologie erscheinen. Am 20. Juni wurde eine gemeinschaftliche Sommer¬
fahrt unternommen. Ihr Stiftungsfest feierte die Geseilschaftam 9. Mai
1877 und am 9. Mai 187S.
1 ordentliches Mitglied ist im Laufe des Jahres gestorben, 1 aus¬
getreten und ein ausserordentliches Mitglied ist verzogen. Dagegen
wurden in der Sitzung vom 8. Mai 1877 4 und in der vom 11. Decem¬
ber 7 ordentliche Mitglieder aufgenommen, so dass die Gesellschaft
einen Zuwachs von 9 Mitgliedern aufweist.
Dem Cassirer wird, nach Revision der Gasse durch 2 Mitglieder,
Decharge crtheilt. Der bisherige Vorstand wird durch Acclamation
wieder gewählt. Als ordentliche Mitglieder werden die Herren Dr. Stropp
und Dr. Loewenstein aufgenommen.
Niederrheinische Gesellschaft für Natir- and Heilkunde in Bonn.
Sitzung vom 25. Februar 1878.
(Schluss.)
Prof. Koester spricht über die mechanischen functionellen
oder compensatorischen Hypertrophien. Die grosse Anzahl
der Hypertrophien, durch welche eine relativ oder absolut verminderte
oder gestörte Function direct oder indirect restituirt wird, und welche
man deshalb compensirende oder vicariirende nennt, lassen sich etwa in
drei Gruppen bringen: 1) Restitution mechanischer Leistungen (com-
pensatorische Hypertrophien des Herzens, der Gefässe, der Musculatur
des Oesophagus, Magens und Darms, der Harnblase bei Stenosen u. s. w.);
2) Restitution einer secretorischen oder chemischen Function (com-
pensatorischc Hypertrophie der Nieren, Leber, Lungen etc.); 3) Ausgleich
von Wachsthums- und Productions - Verhältnissen (compen-
satorisches Wachsthum an den Schädelnähten, Epiphysenlinien, des
einen Hodens nach Exspiration oder Verkümmerung des anderen
(2. Gruppe?), Vergrösserung der Lymphdrüsen nach Exstirpation der
Milz, Vergrösserung der rothen Blutkörperchen nach Blutverlusten u. v. a.).
Zur Erklärung der chemischen und plastischen compensatorischen
Hypertrophien genügen die Anhaltspunkte nicht, für die mechani¬
schen Compensationen jedoch glaubt der Vortragende eine Erklärung
geben zu können. Es handelt sich um Muskel-Schläuche oder Höhlen.
Die Musculatur besitzt je nach Contraction oder Dilatation verschiedenen
Blutgehalt. Auf der Höhe der Contraction wie der Dilatation sind die
Capillaren wegen des äusseren musculären Drucks blutarm; am blut¬
reichsten sind sie zwischen beiden Zuständen (in der Mesosystole). Durch
Injection der Coronararterien unter starkem Druck kann man ein systo¬
lisch contrahirtes Herz in etwa halbe Diastole versetzen.
Wird nun beim Entstehen eines Herzfehlers oder einer Stenose des
Intestinaltractus oder der Harnblase der vor dem Hindemiss liegende
Abschnitt durch Stauung um ein Geringes dilatirt (Mesosystole), oder
kann er sich nicht völlig contrahiren, oder bleibt er längere Zeit als
normal in mittlerer Contractions- bez. DHatationsperiode, so wird er
länger als normal oder selbst permanent in hyperämisehera Zustand sein.
Diese Hyperämie allein kann jedoch nicht die Ursache der Hyper¬
trophie sein, denn sonst müssten alle Gewebe, z. B. das intermusculäre
Bindegewebe, die Magen- und Darmschleimhaut u. a., die gleichfalls
hyperämisch sind, mit hypertrophiren. Es ist aber Thatsache, dass nur
diejenigen Gewebe hypertrophisch werden, deren Function in Beziehung
steht zu dem Hindemiss oder Ausfall, nicht auch die Gewebe, die mit
der mechanischen Leistung direct nichts zu thun haben. (Die That¬
sache, dass nur die functionellen Gewebe hypertrophiren, gilt für alle
compensatorischen Hypertrophien.) Vielmehr kann die Thätigkeit der
anderen Gewebe herabgesetzt sein, und in ihnen können durch die Hyper¬
ämie Degenerationen eingeleitet werden, weil abnorme Assimilationen
stattfinden.
Es ergiebt sich also, dass als zweites Moment zur Erklärung der
compensatorischen Hypertrophien die specifische Function in Be-
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UNIVERSETY OF MICHIGAN
560
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 37
tracht kommt. Wird diese durch die Hyperämie nicht beeinträchtigt,
sondern vielleicht sogar auf das physiologische Maximum gebracht, so
wird durch die Function aus dem in vermehrter Weise zugeführten Er¬
nährungsmaterial eine erhöhte Assimilation erfolgen und damit eine
Hypertrophie. Erst durch die Verstärkung der functioneilen Gewebe
wird deren Leistung verstärkt.
Der Vortragende wendet sich gegen die bisherigen Erklärungsver¬
suche, die sich mit teleologischen Betrachtungen abfanden. Es sei ab¬
solut unrichtig, erklären zu wollen, das Herz hypertrophire. weil wegen
eines Ostienfehlers eine erhöhte Anforderung an die Musculatur gestellt
werde. Wer stelle die Anforderung V! Die Function kann nicht eher
bestehen, als das Organ, dem sie zufällt. Eine über das physiologische
Maximum gesteigerte Function kann nicht eher vorhanden sein, als die
erhöhte Leistungsfähigkeit. Diese wird aber wohl durch die Hypertrophie
geschaffen und nicht umgekehrt.
Hiergegen erlaubt sich Prof. Busch folgende Einwendungen zu
erheben. Zuerst muss er nach seinen chirurgischen Beobachtungen es
nicht als richtig bezeichnen, dass musculöse Schläuche am blutreichsten
sind in der Mesosystole, dagegen sowohl im Zustande der höchsten Con-
traction als auch dem der höchsten Dilatation anämisch sind. Bei der
stärksten Contraction werden diese Organe natürlich anämisch sein, da
das Blut aus den Gefässen mechanisch herausgedrückt wird, umgekehrt
hingegen bei der Dilatation. Wir beobachten die verschiedenen Grade
der Blutfülle am besten an den Därmen bei den Laparotomien. Machen
wir einen Bauchschnitt behufs einer Ovariotomie, so sehen wir die nor¬
malen Därme nur von blass-rosa Färbung, die engeren etwas weisslicher
als die weiteren, und nur diejenigen Theile röthen sich lebhafter, welche
zufällig im Verlauf der Operation dem Reize der Luft ausgesetzt werden.
Oeffnen wir hingegen die Bauchdecken wegen einer inneren Einklemmung,
so sehen wir die oberhalb des Hindernisses gelegenen Darmtheile, welche
das Maximum ihrer Dehnungsfähigkeit in Dicke und Länge erreicht
haben, sämmtlich dunkelroth gefärbt und von hyperämischen Gefässen
durchzögen. Die dunkle Färbung ist um so intensiver, je stärker di«
Dehnung ist, d. h. je näher dem Hindernisse der betreffende Darmtheil
sich befindet.
Aber auch abgesehen von diesem Punkte muss der Umstand, dass
hauptsächlich nur diejenigen Gewebe hypertrophisch werden, deren
Function in Beziehung zu dem Hindernisse sieht, welches überwunden
werden soll, die teleologische Erklärung dieser Gewebsveränderung vor¬
züglicher als die mechanische erscheinen lassen. Die erhöhte Anforderung
an seine Leistungsfähigkeit lässt den Muskel allmälig stärker werden.
Unsere normale Armmusculatur ist einer gewissen Leistung fähig. Stelle
ich höhere Anforderungen an dieselbe, indem ich ausgedehnte Turn-,
Fecht- oder Ruderübungen vornehme, so verstärkt sich dieselbe all¬
mälig immer mehr, so dass schliesslich, wenn die Verstärkung des
Muskelgewebes einen hohen Grad erreicht hat, dessen Leistungsfähigkeit
auch eine viel höhere ist, als im Anfänge. Schon bei den willkürlichen
Muskeln sehen wir also, dass die Natur, wenn ich wirklich grössere An¬
forderungen stelle, die Organe, welche das grössere Bcdürfniss befriedigen
müssen, verstärkt. Ganz dasselbe findet statt bei dem ganz unwillkür¬
lichen Muskel, dem Herzen. Die Anforderungen stellen hier die Gewebe,
welche ein bestimmtes Mass von Blutzufuhr für ihre Ernährung ver¬
langen. Wenn durch einen Klappenfehler die gewöhnliche Action des
Herzens nicht hinreichen würde, dieses Mass von Ernährungsflüssigkeit
zu befördern, so wird das Herz, eben wegen des schreienden Bedürfnisses
zu verstärkter Leistung angehalten, und wieder wegen der verstärkten
Anforderung hypertrophirt der Muskel.
Das gleiche sehen wir bei den zum Theil willkürlichen, zum Theil
unserem Willen entzogenen Muskeln der Blase. Strictur und Prostata¬
leiden bewirken die hypertrophische Entwickelung. Die erhöhte An¬
forderung stellt die Blase selbst, deren Füllung das Bcdürfniss der
Entleerung erzeugt. Im normalen Zustand kommt uns dies Bcdürfniss
zum Bewusstsein, und vom Gehirn aus erfolgt dann der Befehl an die
Blasen musculatur zur Contraction. Vielleicht interessirt es, wenn hier
Beobachtungen mitgetheilt werden, aus welchen hervorgeht, dass dieser
Befehl , nach Unterbrechung der Leitung zwischen Gehirn und Rücken¬
mark auch direct von dem letzterem ausgehen kann. Es giebt freilich
selten Fälle von geheilter Fractur der Rückenwirbel und Fälle von
Wirbelcaries, bei denen im ersteren Falle durch das Trauma, im letzteren
durch das Exsudat im Wirbelcanaie das Rückenmark an einer bestimm¬
ten Stelle so comprimirt wird, dass die Leitung von der Peripherie
nach dem Gehirn und umgekehrt vollständig aufgehoben wird. Im
Anfänge ist in diesen Fällen vollständige Paralyse der unteren Extre¬
mitäten und in Bezug auf die Blase anfangs Retention, später unwill¬
kürliches UrinträufeLn vorhanden. Unter Umständen kommt hier in so
weit eine Heilung zu Stande, dass der untere Abschnitt des Rücken¬
marks gleichsam ein Centralorgan für sich wird, welches nur keine
Nachrichten nach eben gelangen lassen und von oben keine Befehle
empfangen kann. Für die unteren Extremitäten bewirkt dies, dass die¬
selben nicht mehr paralytisch daliegen, sondern zeitweise in unzweek-
mässigen, weil nicht vom Willen beeinflussten, spastischen Contractionen
sich abmühen. Ungefähr wie bei der Charcot’scheii LabraI>clci’ose
stehen die Extremitäten dann in Adduction, leichter Fleet ion und Ein¬
wärtsrollung, und zuweilen sind die Contracturen so fest, dass man den
Beinen die theil weis»! Stützung des Körpers anver trauen kann. Für die
Blase, welche uns hier allein interessirt, hat sich der Zustand in so weit
geändert, dass kein Urinablräufeln mehr stattlimb t. die Blase füllt sich
und wenn sie gefüllt ist. findet eine Urinentb-erung statt, welche der
im normalen Zustande ganz ähnlich ist, mit Ausnahme dessen, dass sie
nicht zum Bewusstsein kommt. Wenn es gelingt, die Patienten hierbei
zu beobachten, so sieht man, dass der Urin in vollem Strahle aus-
getrieben wird, und bei der Untersuchung der Blase findet man sie
nachher leer. Die Füllung der Blase bewirkt also, dass ohne dass das
Gehirn etwas davon erfährt, das abgeschnittene Centralorgan des Rücken¬
marks den Befehl zur Expulsion ertheilt. Stunden lang sind die Pa¬
tienten frei, dann aber müssen .sie, wenn sie nicht durchnässt werden
wollen, genau aufpassen, um gleich den ersten Urinstrahl auffangen zu
können.
VI. Fenilleton.
Die Geisteskranken in den Irrenanstalten Prenssens
im Jahre 1876.
Von
Dr. Alb. Guttstadt.
Für das Jahr 1876 sind die Nachrichten über 20748 Fälle (11151 männ¬
lichen, 9597 weiblichen Geschlechts) aus 125 Irrenanstalten eingegangen.
Die Zahl der Fälle von Geisteskrankheit ist indess nicht identisch mit
de r Zahl der Personen, welche in den Irrenanstalten Heilung und Pfleg-?
suchen, weil es häufig vorkommt, dass die Kranken im Laufe eines
Jahres die Anstalten wechseln. Im Jahre 1875 waren unter den auf-
l genommenen 7,S3 pCt. männliche und S,S7 pCt. weibliche Irre, welche
aus anderen Irrenanstalten überwiesen sind; 1876 ist diese Uebersiede-
lung für 10,35 pCt. der männlichen und für 7,SS pCt. der weiblichen
Geisteskranken unter den aufgenommenen nachgewiesen. Da aber ein¬
zelne Geisteskranke mehr als 2 Anstalten während eines Jahres frequen-
tiren, so ist eine genaue Verfolgung der einzelnen Fälle nothwendig,
wenn die Zahl der geisteskranken Personen in den Irrenanstalten für
das Berichtsjahr festgestellt werden soll. Mit Hülfe der Zählkartcn-
Methode ist dies zum ersten Mal für das Jahr 1876 ausgeführt worden.
Danach betraf die vorhin angeführte Zahl der Fälle 20115 Personen
! (10754 männlichen und 9361 weiblichen Geschlechts). Von diesem
| Jahre an wird daher erst die Frage genau beantwortet werden können,
ob die Geisteskranken in den Anstalten zunehmen oder nicht. Damit
wird aber keineswegs die Streitfrage entschieden sein, ob die Geistes-
I krankheit in der Bevölkerung überhaupt von Jahr zu Jahr eine grössere
| Verbreitung findet. Der Zudrang zu den Irrenanstalten hängt eben von
I mehreren Factoren ab. von denen nur ein Theil durch die Zunahme
der Geisteskrankheit überhaupt beeinflusst werden kann. Auch ist
darauf hinzu weisen, dass ausser den Doppelzählungen noch der Mangel
an Vollständigkeit der Angaben die berührte Frage nicht zur Entschei¬
dung kommen lässt. Die wünschenswerthe Vollständigkeit wird aber
, erreicht werden, nachdem die von dem Minister des Innern und dem
1 Minister der geistlichen, Unterrichts- und Midicinalangelegenheiten an-
j geordnete Erhebung, betreffend die Geisteskranken in den Irrenanstalten,
i seit dein 1. Januar 1877 auch auf diejenigen Irren ausgedehnt worden
ist, welche in Krankenhäusern, Armenhäusern und Sichenaustalten unter-
gebracht sind.
Doch schon für das Jahr 1876 sind hier Fortschritte zu verzeichnen:
denn während 1S75 46 öffentliche und 72 private Irrenanstalten berich¬
teten, sind 1876 52 öffentliche und 73 Privatanstalten dieser Categorie
an der vorliegenden Statistik betheiligt. In den 52 öffentlichen An¬
stalten befanden sich 1876 8033 männliche und 7245 weibliche Irre,
in den 73 Privat-Irrenanstalten dagegen nur 2721 männliche und
2116 weibliche geisteskranke Personen. In beiden Arten von Anstalten
überwiegen also die Männer. Dies Verhältniss gestaltet sich aber ver¬
schieden für die einzelnen Formen der Geisteskrankheit, welche zur
Behandlung gelangt sind, wie folgende Zahlen zeigen. Es wurden in
sämmtlichen preussischen Irrenanstalten 1876 verpflegt
unter 100.00
in. *■
40.68 59.32
40.09 59.91
52.34 47.66
83.63 16.37
wegen
Melancholie.
Manie.
überhaupt
111. w.
. . 1052 1534
. . 11^8 1686
secundäre Seclenstörung . . .
. . 4543
4136
paralytischer Seelenstörung
. . 1047
205
Seelenstörung mit Epilepsie .
. . 837
612
Idiotie, Cretinismus.
. . 1012
631
lmbecilität.
. . 574
433
Delirium potatorum.
. . 525
*11
Zusammen . .
. . 10718
9328
57.76
61,59
42:24
38.41
54.30 45J0
92,76 7:24
53,47 40-.-4
! Ausserdem waren zur Untersuchung ihres Geisteszustandes 10 Mann r
I und 1 Frau in den Anstalten gewesen. Die Beobachtung derselben
l hatte zur Folge, dass 9 Männer und 1 Frau als „nicht geisteskiank'
I entlassen wurden. Als „nicht geisteskrank" müssen ferner 16 Mann r
I und 10 Frauen angesehen werden, welche wegen Delirien in Folgern
! Krankheiten wie Typhus, Pneumonie, besonders der Tirenabtbeiluri- d-.r
| königlichen Charite übergeben worden waren. Davon sind 2 Männer
| gestorben und 1 Frau im Bestand verblieben, während die übrigen
j Personen als geheilt entlassen sind. Für 10 Männer und 22 Frauen
; war die Krankheitsform nicht angegeben worden.
I , Wegen Melancholie und Manie befanden sich demnach mehr Frauen
{ als Männer in den Irrenanstalten, während zu den übrigen Formender
Geisteskrankheit die Männer ein grösseres Contingent gestellt haben.
Dies Verhältniss in den Anstalten ist indess nicht sofort als massgeben-
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Original fro-m
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16. September 187b.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
561
für das Auftreten der einzelnen Forcen der Geisteskrankheit unter der
männlichen und weiblichen Bevölkerung überhaupt zu betrachten; denn
Männer und Frauen sind in Folge von Geisteskrankheit nicht in gleichem
Grade darauf angewiesen, Hülfe und Schutz in den Irrenanstalten zu
suchen. Man braucht sich in der That nur zu vergegenwärtigen, wie
verhältnissmässig wenig die Frauen mit der Aussenwelt in Berührung
kommen, um sich erklären zu können, dass Grössenwahn, excentrisches
Wesen oder ein deprirairter Geisteszustand die Männer viel häufiger als
die Frauen aus der Familie in die Irrenanstalten führen. Unter 100 Geistes¬
kranken, welche 1S76 in diese Anstalten aufgenommen sind, sehen wir
daher die Männer überwiegen. Die Wohlhabenheit scheint hierin noch
einen Unterschied herbeizuführen: denn in öffentlichen Irrenanstalten,
in denen arme Geisteskranke die grosse Mehrzahl bilden, befanden sich
unter 100 aufgenommenen 52 Männer und 48 Frauen, während den
Privat-Irrcnanstalten unter 100 Kranken aus der wohlhabenden Bevöl¬
kerung 59 Männer und nur 41 Frauen zugeführt wurden. Welche
Krankheitsformen es aber sind, die die Aufnahme in die Irrenanstalten
vorzugsweise für Männer oder für Frauen veranlassen, lehrt folgende
Zusammenstellung. Unter 100 oufgenommenen geisteskranken Personen
litten
m. w.
an Melancholie . .. 17,34 28,82
an Manie. 14,65 ' 25,24
an secundärer Seelenstörung. 22,27 27.12
an paralytischer Seelenstörung. 16,36 3,66
an Seelenstörung mit Exnlepsie. 6,06 6,27
an Idiotie, Cretinismus . 4,90 3,52
an Irnbecilität . 3,97 3,88
an Delirium potatorum. 13,69 1,16
an unbekannten Krankheitsformell .... 0,03 —
nicht geisteskrank waren. 0,73 0,33
Zusammen .... 100,00 100,00
Anders ist die Häufigkeit der Krankheitsformen unter den am An¬
fang und am Ende des Jahres befindlichen Kranken. Von 100 Kranken
wurden
behandelt:
am 1. Januar
1S76
m. w.
am 31. Decemb
1S76
m. w.
Wegen
Melancholie.
6,21
11.19
7.55
12,04
Manie .
8,53
14,98
8,89
15.35
secundärer Seelenstörung . .
51,67
51,31
49,90
50,10
paralyt. Seelenstörung . . .
6,61
1,57
6,99
1.54
Seelenstörung mit Epilepsie
8.60
6.65
8,30
6,89
Idiotie, Cretinismus.
1 L,54
3,09
11,31
8,10
Irnbecilität.
5,98
5.71
6,14
5.49
Delirium potatorum.
0.73
0.14
0,78
0,18
unbek. Krankheitsformen . .
0,12
0.33
0,13
0,30
Nicht geisteskrank waren.
0,01
0,03
0,01
0,01
Zusammen . . .
100,00
100,00
100,00
100,00
Als constant zeigt sich hier die Erscheinung, dass bei der Auf¬
nahme die Frauen in Bezug auf 2 Kranheitsfnrmen bedeutend den
Männern nachstehen. Wegen Delirium potatorum sind 1,16 von 100
Frauen, aber 13,69 von 100 Männern aufgenommen, während der Bestand
an dieser Krankheit gleich geringe Zahlen für Männer und Frauen ent¬
hält. Dagegen ist für die Krankheitsform „Paralytische Seelenstörung“,
die in der neuesten Zeit am meisten studirt ist, w’eil sie die ungün¬
stigste Prognose zulässt und doch mit leicht zu übersehenden Symptomen
in den ersten Stadien auftritt, das Yerhältniss zwischen Männern und
Frauen bei der Aufnahme wie im Bestände dasselbe, nämlich wie 5 :1,
d. h. es werden fünfmal mehr Männer als Frauen wegen dieser Krank¬
heit sowohl aufgenommen als überhaupt, in Irrenanstalten daran be¬
handelt. Dieses Verhältnis ist so auffallend und so allein stehend, dass
die Annahme nahe liegt, es sei diese Erscheinung durch selteneres Vor¬
kommen der paralytischen Seelenstörung bei Frauen überhaupt bedingt.
Die Lebensgefahr ist aber für beide Geschlechter in solchen Fällen fast
gleich gross. Doch noch bedeutend grösser ist die Gefährlichkeit dieser
Krankheitsform als die der anderen Formen der Geisteskrankheit; denn
von 100 Verpflegten, welche litten an:
sind gestorben:
na. v.
Melancholie. 7,02 4,89
Manie. 6,47 5,70
secundärer Sehstörung. 5,57 6,09
paralytischer Seelenstörung . . 32,86 30,24
Seelenstörung mit Epilepsie. 10,87 8,17
Idiotie, Cretinismus . 5,93 4,44
Irnbecilität . 5,40 9,52
Delirium potatorum. 9,1.4 7,31
Heilung tritt in den Fällen paralytischer Seelenstörung dagegen
sehr selten ein. Nach den Anstaltsberichten sollen nur 5 Männer
— 0,48 pCt. der Verpflegten und 2 Frauen = 0.98 pCt. während des
Jahres 1876 davon genesen sein. Einige Irrenärzte halten eine Heilung
hier überhaupt nicht für möglich und erklären diese Angaben um des¬
willen für unrichtig, weil die Genesung nicht dauernd sei. ln Folge
der hohen Sterblichkeit schon und auf Grund des Umstandes, dass viele
Paralytiker als unheilbar den Familien und aus den Irren-Heilan¬
stalten den Irren-Pflegeanstalten übergeben werden, ist die Be¬
wegung unter diesen Kranken sehr gross. * Unter den aufgenommenen
Kranken dieser Categorie waren 12,42 pCt. Männer und 11,40 pCt. Frauen
in demselben Jahre bereits m anderen Irrenanstalten gewesen. Alle
übrigen Geisteskranken kamen mit seltenen Ausnahmen direct aus den
Familien in die Irrenanstalten. Nur die mit secundärer Seelenstörung
behafteten übertreffen in dieser Beziehung die Paralytiker, indem unter
100 aufgenommenen dieser Krankheitsform 17,33 pCt. Männer und
13,72 pCt. Frauen ebenfalls in dem Berichtsjahr sich in Irrenanstalten
befunden hatten.
In Bezug auf die Todesursachen ist zum ersten Mal der Versuch
gemacht worden, die Angaben über diejenigen gestorbenen herauszu¬
heben, welche obdueirt worden sind. Es stellt sich heraus, dass von
1260 Todeslällen, die sich in öffentlichen Irrenanstalten iin Berichtsjahr
ereignet haben, 65 pCt. zur Autopsie gelangt sind, während über die
Ursachen von 331 Todesfällen in den Privat-Irrcnanstalten nur in 24 pCt.
der Fälle die Angaben auf Grund einer Obduction gemacht worden sind.
Unter den Todesursachen der gestorbenen Geisteskranken interessiren
vorwiegend die Nachrichten über Selbstmord. Da unstreitig die meisten
Selbstmörder überhaupt Geisteskranke sind, ist zu erwarten, dass in den
Irrenanstall eil bedeutend mehr Selbstmorde sich ereignen, als in der
Gesammtbevöikerung. Unter 100 Gestorbenen waren Selbstmörder:
1875 1876
m. w. m. w.
In den Irrenanstalten. 1,42 0,49 1,73 0,48
in der Gesammtbevöikerung . . 0,81 0,17 1,07 0,23
Diese Ermittelungen entsprechen nicht ganz der ausgesprochenen
Erwartung. Einen wesentlichen Einfluss auf das Vorkommen der Selbst¬
morde in den Irrenanstalten üben die Einrichtungen der Räumlichkeiten
und die Beaufsichtigung der Geisteskranken aus. Darauf wird von den
Irrenärzten naturgemäss besonders Rücksicht genommen. Unter dem¬
selben Einfluss steht auch das Eintreten von Unglücksfällen in den
Irrenanstalten. Doch über das Vorkommen von Verunglückungen unter
den Irren geben die Todesursachen keinen ausreichenden Aufschluss,
da die Krankeitsbezeichnungen ohne Rücksicht auf die Entstehungsweise
angegeben werden. Von anderen Todesursachen dürften folgende einiges
Interesse in Anspruch nehmen, besonders im Vergleich zu ihrem Auf¬
treten in der Gesammtbevöikerung:
Unter 100 Gestorbenen waren
1875 1876
an
gestorben
Altersschwäche
in Irren¬
anstalten
in. vr.
2.74 5,60
in der
Gesaiumt-
bevölkerung
m. •*-.
8,48 11.77
in Irren¬
anstalten
rn. w.
1.02 4.41
in der
Gesanuut-
bevölkerung
m. w.
8,34 11,60
Pocken . . . .
—
—
0,14
0,14
—
—
0,12
0.12
Typhus . . . .
0.88
1.82
2.64
2,90
0,41
1.31
2,52
2,65
n
Ruhr.
0,22
1,98
1,14
1.15
0.82
0,65
0,56
0,56
Brechdurchfall
—
0.16
1,83
1,85
—
—
1.54
1,53
»
Gelenkrheuma¬
tismus . . . .
0,11
0,21
0,21
0.20
0,19
Tuberculose . .
15,57
24.22
12,65
11,52
18.59
26,14
12,53
11.61
Krebs.
1,09
0,83
0.70
1.04
1.43
2,29
0.77
1,15
n
Wassersucht. .
1,31
2,47
2,35
3,76
2,35
3,59
2,44
3,76
Lungen- und
Brustfellent¬
zündung . . .
10.42
6,10
4.20
3.43
12,26
11,60
3,92
3,31
-
Luftröhrenent¬
zündung . . .
3,62
1,48
0,85
0,83
0,72
0,82
1,03
1,01
w
anderen Lun¬
genkrankhei¬
ten .
2,96
2,97
1,62
1,43
0.41
0,65
1,74
1,44
Schlagfluss . .
7,01
6,92
4,66
3,82
5,92
5,72
4,63
3,87
"
Gehirnkrank¬
heiten . . . .
19.53
15,48
1,93
1,57
20,12
10.62
1,95
1,67
Herzkrankheit.
1.86
1,15
0:53
0,64
1,53
2,94
0,59
0,70
Genauere Nachrichten über die Geisteskranken in den Irrenanstalten
Preussens sind im Heft 46 des Quellenwerkes der „Preussischen Sta¬
tistik“ zu finden.
Ist eine Kuhpocke zum Schutze hinreichend, und
ist es nöthig auf beiden Armen zu impfen?
Von
Sanitätsrath Dr. Dawosky zu Celle.
Obschon beide Fragen schon von vielen Seiten ihre Beantwortung ge¬
funden haben, hielt ich mich doch für verpflichtet, auch meine Erfahrung
mitzutheilen, und um so mehr, als durch die Beobachtung, welche das
neue Impfgesetz darbietet, die erstere eine besondere Beleuchtung erhält.
Auch ich habe bei allen Kindern, wo das Resultat der ersten vorge¬
nommenen Impfung nur eine Schutzpocke ergab, thcils am Tage der
Revision, also am 8. Tage, theils auch später 4 bis 8 Wochen nach der
ersten Impfung, eine nochmalige Impfung vorgenommen, allein stets ein
negatives Resultat erzielt. War die eine aufgegangene Kuhpoche voll¬
kommen entwickelt, zeigten sich alle Symptome 'einer echten, guten
Schutzpoeke , dann blieb die am 8. Tage nach der ersten Impfung vor¬
genommene Revaccination gewöhnlich ohne jedes Resultat, und zeigte
sich an den gemachten Einstichen auch nicht die geringste Reac-tion.
Nahm ich die Wiedereinimpfung später vor, dann habe ich wohl in
einigen Fällen eine Röthe an den gemachten Einstichen beobachtet, ja
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562
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 3?
zuweilen selbst ein Knötchen in der Haut gefühlt, allein zu einer voll¬
kommen entwickelten Kuhpocke habe ich es nie kommen sehen. Die
im Aufgehen begriffenen Pocken verkümmerten am 5. und 6. Tage und
gingen abortiv zu Grunde. Der Beweis, den mir das neue Impfgesetz
füi die Schutzkraft einer, aber vollkommen entwickelten Kuhpocke
darbot ist folgender: Ich fand nämlich, dass einige von den zwölfjähri¬
gen, bei denen die Revaccination sowohl beim ersten, als beim zweiten
und dritten Male ohne Erfolg blieb solche waren, bei denen die Impfung
im ersten Lebensjahre nur eine Kuhpocke erzielt hatte. Ich weiss nicht,
ob diese Beobachtung auch von anderen gemacht ist, jedenfalls verdient
sie Beachtung, und spricht dafür, dass eine, aber gut entwickelte und
mit allen Zeichen einer echten Kuhpocke versehene Pustel zum Schutze
hinreichend sei, Was die zweite Frage anbelangt, so kenne ich keinen
Grund, der stichhaltig wäre, um eine Impfung auf beiden Armen zu ver¬
langen. Ist bei Kindern die Impfung als mit Erfolg vorgenomraen zu
betrachten, wenn auf einem Arme sich mehrere gut entwickelte Kuh¬
pocken gezeigt haben, auf dem andern Arm aber die Impfung erfolglos
geblieben ist, dann ist auch kein Grund vorhanden, die Einimpfung auf
beiden Armen zu verlangen. Die Colonne 13 der Impfliste verlangt
auch nur die Zahl der gemachten Impfschnitte oder Impfstiche, ebenso
die Colonne 16 nur die Zahl der entwickelten Pusteln im allgemeinen.
Das Impf - Regulativ für die Provinz Hannover vom 20. Januar 1875
schreibt §. 9 No. 1 vor: Jeder Impfling ist in der Regel auf beiden
Oberarmen an je 4 bis 5 Stellen zu impfen.
Schliesslich möge es mir noch gestattet sein, über das Heranziehen
von Kindern, um Lymphe in den Impfterminen abzugeben, einiges mit-
zutheilen. Schon in No. 35 der Berliner klinischen Wochenschrift vom
Jahre 1872 theilte ich bei Besprechung der Frage, ob die Lymphe Re-
vaccinirter zu Impfungen zu verwenden sei, mein Verfahren mit, um mir
gute, gesunde Lymphe zum Benutzen in den Impfterminen zu verschaffen,
welches ich noch heute in gleicher Weise ausführe. Im Januar und
Februar jedes Jahres suche ich mir diejenigen Kinder auf, die in den
Impfterminen Lymphe abgeben sollen. Ich nehme nur solche von no¬
torisch gesunden und kräftigen Eltern, überzeuge mich durch genaue
Untersuchung von ihrem Gesundheitszustände und trage das Resultat
meiner Untersuchung in eine eigens dazu angefertigte Liste ein. Ich
wiederhole diese Untersuchung alle 8 Tage und registrire den Befund.
Nur von solchen, die hautrein und gesund bleiben, entnehme ich Lymphe.
Eröffne ich den Impftermin, so lasse ich das Kind, welches Lymphe ab¬
geben soll, entkleiden und gebe so den anwesenden Müttern Gelegenheit,
sich von der Gesundheit des Kindes zu überzeugen. Auf diese Weise
erwecke ich Vertrauen zur Kuhpockenimpfung und entferne das von
manchem in den Impftermin mitgebrachte Vorurtheil. Ja ich glaube,
dass auf diese Weise den Gegnern der Schutzpockenimpfung die Haupt¬
waffe, die sie gegen uns schwingen, die Möglichksit der Uebertragung
von Krankheitsstoffen, entwunden werden kann. Für manchen Impf¬
bezirk mag es freilich Schwierigkeiten haben, eine hinreichende Menge ge¬
sunder Kinder zum Abgeben von Lymphe zu gewinnen, und da glaube ich,
müsste die Gemeindekasse herangezogen werden, um eine gewisse Summe
als Prämie für solche Kinder festzusetzen. Besoldet man doch den Impf¬
arzt aus der Gemeindekasse, sollten da nicht auch für einen so wichtigen
und das Wohl der Kinder im Auge habenden Zweck noch einige Mittel
vorhanden sein? Machte man es dabei noch zur Pflicht, dass die be¬
mittelten dem lympheabgebenden Kinde eine kleine Gabe reichten, dann
meine ich, sollte sich mein Vorschlag wohl überall ausführen lassen.
Dem von mancher Seite geforderten Abimpfungsgesetze kann ich meine
Zustimmung nicht geben. Denn angenommen, das Gesetz würde wirk¬
lich zu Stande kommen, und es wäre ausführbar, eine Mutter im Ter¬
mine zum Abgeben von Lymphe zu zwingen, so würde ich mich doch
nicht dazu entschliessen können, von einem Kinde, über dessen Gesund¬
heitszustand ich mich nur durch einmalige Untersuchung überzeugen
könnte, Impfstoff zu entnehmen. Das Hannoverische Gesetz schrieb vor,
dass jede Mutter gezwungen sei, wenigstens für 2 Kinder Impfstoff ab¬
zugeben, allein wie unmöglich hier ein Zwang auszuführen sei, davon
habe ich mich in den ersten Jahren meines Dienstes als Impfarzt selbst
überzeugt. _
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. Die 51. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte
wurde am 11. September in Cassel vom ersten Geschäftsführer, Herrn
Geh. Rath Dr. Stili in g feierlich eröffnet. Einen eingehenden Bericht
über die Versammlung behalten wir uns für die nächsten Nummern vor.
— Hierselbst starb der Kreiswundarzt Dr. Adolf Lion, der durch
zahlreiche forensische und hygieinische Schriften sowie durch sein Hand¬
buch der Medicinal- und Sanitätspolizei in weiten Kreisen seinen Namen
bekannt gemacht hat.
VII. Amtliche Mittheilungen.
Persomalia.
Auszeichnungen: Seine Majestät der König haben Allergnädigst ge¬
ruht, dem Primararzt Dr. med. Standthartner am allgemeinen
Krankenhause zu Wien den Rothen Adler-Orden dritter Classe, dem I
General-Direetor des Civil-Sanilätsdienstes von Rumänien, Professor •
Dr. Capsa zu Bukarest, den Königlichen Kronen-Orden zweiter Classe; i
dem praetisehen Arzt Dr. Gluck zu Bukarest den Rothen Adler- I
Orden dritter Classe; dem praetisehen Arzt und Mitgliede der Sanitats-
Direction zu Bukarest, Dr. Kalindöro, den Königlichen Kronen-Orden
dritter Classe; sowie dem Apotheker Sifft zu Pitesti den Königlichen
Kronen Orden vierter Classe zu verleihen; dem praetisehen Arzt
Dr. Peppmüller zu Halle a./S. die Erlaubniss zur Anlegung des
ihm verliehenen Fürstlich schwarzburgischen Ehrenkreuzes dritter
Classe und dem Dr. Kulp, Mitglied des Internationalen Gesundheits¬
raths in Alexandrien die Erlaubnis zur Anlegung des Grossherrlich
türkischen Medschidje-Ordens dritter Classe zu ertheilen, und dem
praetisehen Arzt, Sanitätsrath Dr. Ferdinand Guttmann zu Ratibor
den Character als Geheimer Sanitätsrath, sowie dem Kreisphysicus und
Director der Provinzial-Hebammen-Lehranstalt Dr. Lietzau in Gum¬
binnen, und dem praetisehen Arzt Dr. Karl August Weiss zu Vilsen
den Character als Sanitätsrath zu verleihen.
Niederlassungen: Dr. Kriesche in Cottbus, Dr. Max Koester in
Hannover.
Verzogen sind: Dr. Beermann von Seidenburg nach Burgdorf,
Dr. Niep er von Göttingen nach Goslar
Apotheken-Angelegenheiten: Der Apotheker Passte hat die
Kyrieleis’sche Apotheke in Duingen gekauft, dem Apotheker Peise
ist die Verwaltung der Schrader’schen Apotheke in Wormditt und
dem Apotheker Doskocil die Verwaltung der Lasch’schen Apotheke
in Alt-Döbern übertragen.
Todesfälle: Kreiswundarzt Dr. Lion in Berlin, Zahnarzt Marter in
Königsberg, Apotheker Schräder in Wormditt und Apotheker Ky re -
leis in Duingen.
Bekanntmaehunfen.
Die Kreisphysicatsstclle des Kreises Neuhaus a. d. 0. ist zur Er¬
ledigung gekommen und daher anderweit zu besetzen. Geeignete Be¬
werber um diese Stelle werden hierdurch aufgefordert, sich spätestens
bis zum 1. October d. J. unter Einreichung ihrer Approbationen und
Zeugnisse bei uns zu melden. Die nach Ablauf dieser Frist etwa noch
eingehenden Bewerbungen bleiben unberücksichtigt.
Stade, den 31. August 1878.
Königliche Landdrostei.
Die Kreiswundarztstelle des Kreises Rummelsburg ist erledigt. Qua-
lificirte Medicinalpersonen werden aufgefordert, sich unter Einreichung
ihrer Zeugnisse und eines Lebenslaufes bei uns binnen 6 Wochen zu
melden.
Cöslin, den 5. September 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Inserate.
Arzt-Gesuch.
Für einen Ort im Regierungsbezirk Marienwerder wird ein tüch¬
tiger Arzt, der der polnischen Sprache mächtig ist, gesucht. Mit dieser
Stelle ist verknüpft ein Fixum von 1500 Mark jährlich und freie Woh¬
nung. Praxis ergiebt je nach persönlichem Auftreten 1800 Mark und
mehr. Apotheke am Platze. Gefällige Offerten werden vermittelt durch
Cassel, Peter Ruhl & Sohn.
Prov. Hessen-Nassau. _
Au der kantonalen
Heilanstalt BurghSlsIl
bei Zürich ist die Stelle eines Volontairarstes zum 1. October er.
zu besetzen. Es können 800—1000 Frs. Remuneration bei vollkommen
freier Station gewährt werden. Meldungen zu Händen der Sanitäts-
direction des Kantons sind an den Unteizeichneten zu richten.
Der Director:
_ Prof. E. Hitzig.
k Arzt gesucht.
In wohlhabender Gegend der Provinz Hannover wird bis Mitte Oc¬
tober d. J. ein junger tüchtiger Arzt gesucht, der mit einiger Thätigkeit
sich eine ausgedehnte Praxis erwerben kann. Der jetzige Arzt ist aus
Gesundheitsrücksichten genöthigt, diese Stelle aufzugeben. Offerten unter
Chiffre II. K. 98 bef. die Expedition d. Ztg.
Die Assistenzarzt-Stelle in Dr. Hirsch berg’s Augenklinik (Berlin,
36 Karlstr.) ist vacant.
Ein junger Arzt mit den besten Zeugnissen, mehrere Jahre als
Assistenzarzt thätig, sucht eine Stelle in einer kl. Stadt oder auf dem
Lande. Fixum erwünscht. Uebernahme kann sofort erfolgen. Gef. Offert,
unter F. F. 97 durch d. Exped. dies. Blattes.
Ein Arzt, 44 ,1., welcher lange in e. gr. Provinzialstadt mit d. best.
Erf. practicirte u. seit einiger Zeit in Berlin wohnt, wünscht sogl. od.
spät, einem hies. Collegen z. assist, od. dessen Praxis zu übernehmen,
ex. g egen Kntschäd. Best. Ref. Adres sen s ub M. 96 in d. Exp. d. Bl.
Ein älterer und erfahrener Arzt, welcher den nächsten Winter
im Süden zu verbringen, beabsichtigt, erbietet sich Kranke als
ärztlicher Begleiter in seinen Schutz zu nehmen. Offerten sub
L. A. 99 b. d. Exped. d. Bl.
Verlag und Eigenthum von August Hirschwald in Berlin. — Gedruckt bei L. Schumacher in Berlin.
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Original fro-rri
UNIVERSITY OF MICHIGAN
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lag« l>nrb baudlang Ton August iUm Siw&ld io Ber-
liu (K. W. Alater den Uudon 68 ) eihaeoden.
Organ fftr praetisclie Aerzte,
■ippiipill^p
Mit BerÜ.cksiclitigqng, der prcmpsisejfiert Mediemalverwaltsnjg imd Medicinalgesetzgebailg
nach amtlichen Mittheilungem
Redacfeur: Prof. Dr. I. WalMurg. Vetlag von August Hirschwald in Berlin.
Montag, den 23. September 1878,
mm.
Fünfzehnter Jahrgang.
■3T Die..geehrten Abonnenten werden ergebenst ersucht, damit in der Znsendnng keine Unterbrechung
eintrete, da* Ahnnaement auf das IV. Quartal 1878 hei den Buch handlangen oder l*«slanstlllteil
baldigst litt ewsera. ftie VerlagsUaudiuHg.
T^fefcUT .V TV w*.düst" •wod?cipw c ^«. .Klfrbk ’A*;$ l!e*m .OeJi. ftvtb Vmi. Di. li utgämatul zu 5iras,vbui^ ,r. ; K. : .r v. d. Y-eiätüi: jTsfl.1 vom äj^tfc&hrr .
^iun.-iiidiralvvi ?!•;Inn. — \\. \, y.H en fl o r t : : Das Mierophtm als diagnostisches fKUfsmtlhL •- III. Derselbe; ITher fy
lU.ii-vt-n'-iiltttritU’öher Kisiidat?;. — IV, ■ Koehlert Zur 'Wirkung; ditsr Taraknuc.h' (IMalU orienlnlis) — \\ UefaräT (Quincke.;
.*;■■-.baclitun^iti über vermeid Afuuuio;). — VI Y'tfimruilangen ärztlicher G&?<di.*ch&ft&R (Bt-rjhitr föüdieinisehe (LseilseMr*
VTf/ FruiiloiorH (DiM M-, Y^mroudötig .äfcfttÄßbßr Natnrfbi^übetr ujtd Äjsi^tß ui tWd : —= tter Fonercs? des Deutschen Vv'VüiyiS/fiif l*ft$n\+
Fights m. Drfedkn •— Sch weitzur: Das Atnussat-lterdcinal zü und der Tod Wut Alphoua AmuäSiM; ;dim
v "ltnt' — Notizen). - V1Ü ArntbeheMitthoflungeij. teamte*
j Lugen F-. 27 Jahro aU r nm Gw.c (liuliilügcn), Bdireibnr,
w/rd hüv i^> Mal .4 SIT. .iau'f diu ; ; K JS«ti k •'-'
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nur kifi-a 'd&ttefrfti&ä'fera.rikbeit gdifigö xa lnilten; Seitdem •.^t/
.er $tet<; gesund. -guw.e»en. Eise tinbgdcatVnde. Kyplio^dliose will.
■kt .schon mit selhi?*^ p^h%, /Spureii; syphÜjtiscder X»t
föctidiv '^tiirg’ends nachKUAywen*
X grgfcstörg (I i. AlaH machte b-iv 'm$ weichiiti» 'feruitil wird
:aüfg'ekJArten, .die .FrtVgpnxev/S^b vavitist mekitr ') j nicht angegeben, eiDen 'Belii^tiünrdy^Tsdcb,• täderri er ; von der
I. Am der medidniseben Klinik des Herrn
tüeh. Batb Pref. Ilr. KussibäuI n Strasshurg i. K.
K/^ihcIier SpinatfÄWdyyß» fclIisHg.
■ *.. ,.• . , , .vW. , f
' Gr. ‘iftefMüttirö r> d. Veidfn,
l. Ä^islent Yr Kluiik.
rmov dexi xablreicbe-js duukleB Viuikteo, welche der \un
Krb ujnter dein Namen• der..Spinalparalyso
(tfkhks «pa»modvc.a Gha.rjpot) fettetet, ejonr <iei* noch
miH* den Ausgängen der io Geueshiig wohl der seUertste
Wi*/di>hli Ti ich i ganz so seDeuy wie bei fmderen Formen der
eiiron/sehen Sp’malparalyse* FnsicbeVej noch drückt Ohaveot*)
/'ich aus: 0 Le rahes spasmm]ii|ue nnc lolscousGtue jiöiif-il
retTograd.ey tan erneut, ou eneore sa maiche pf
Kehler Bröckn iu den Eheia .sprang- und eiue 'hedöqlepde Strecke,
vom Strome fort^erissen wurde, IbirCli Schiffer • Wieder - heraus- •
gezögeh. .ging er ganz, durchnä&st^^ hei heftigem Winde den
$~~4 luloinoier betragenden Weg nach. Yeiner Woliju nrig v Iegte
‘•urayee |>ar i’actlosi. de^ indyons- firdvalieMiqxm?. ..-Je:• /rfgn^f
Fann erwähnt er, d«w- ev die vergehic/jeaartigstoii therapeuti-
-oben F-receduren . s.nto-ubi«.Tnaeu, 'jetioclr ..ntets nur einen. gapÄ
vortib er geh enden Eff net tuu gespima habe.
jgr^t 'titsMpkßil*}. bat iu neuester Zeit eiiicu hierher gehe-
vigen ije.obAcl'tc.t'-uud verbdentlicht, in welchem vollständige
U^iung;, fetv ; .
Aut dfec hresigen niedidrilschen Klinik des Herrn Geh, Kat h
peut-eile ihre ; sich zu Bett mid kattc nm tolg<‘mteu Tage über Ndtmemn im
-.fe b'igfH».re u , | UuterVib und gasiviscUe Keschwevdcn au klagen. Letzterer
g^istTisctie. ^oschwerdei» AM klagen/ Eetztcrer
wegen hat er• heute in .die Klinik aufueln'min lässim/
Au?seT belegter Zunge, rnässtgar Fitirte und Wille des Ab¬
domens war objegitv nichts abnörmes za cointtatfretf, Kein
Appetit v seit 1 Tagen kuin Stuhl T, p. 8S, K, 14, —
Ovd.: ÖL Ric.ifj}, — Infus; Ipecach, mit Säure
H, Mal UeiMe Kucla ^tark»rr Sehweisr: die Sehmmetv
vm Leibe haben oachgeiurs.rjj. FaL klagt über ein Gefübi v,>u
maul hatte irl: Gelogeniieit, einen eben sotchen zu i Druck nvtf der Brust*. kein objcctixer B<}fund t kein Fieber
•'•bon, der 4,{rh jedoch v,.n dem Wustp ha Eschen durch sein j }T Mai. Eaf. Iclügt utter Sch»ocrzC‘tr in der .Ulasetigdgeiid
p^mc-ates Auftreten und die rapide Ausbildeng sämmHicber :| b«4 z.ieheude SgUmeriHU in den Testikeiit. Der Appetit ist gut,
•MTjpWuoe zu ihrer grössten Höhe unterscheidet und ausserdem Stuhlgang . normal v Fat, si*/ht blass mul an gegriffen aus und
i-uh sn manches interessante, bietet, dass seine MitOieilutig | will das Bett nicht v»ula^en.
wohf gvrecliticiiigt ersdiemt. : IS. Mai. .ÜÄu4e. ; w|r«rlo%etpU^tato/au%«p‘öm Pat: i«t
- X-L < * 1* { s ein ideincr äd ämlecher Men^c,h rnit Zfennlich schwächer Mtifyculatur
- ZJ#« ■msser: T liaodbuvh XL II. 2 p. Ü19 nrid T irt.'h p *’a Arrh- Uh<] Fettpolster: der Blick ist frei das Bcösormo) un~
- 4 i benufumer». Seine Kbignu beziehen sieh auf eine cizeuthüTnliehe
Lv V .>n Mur I. mafäd. d/syst. nerv. 1L Auh. IL p. ITT Steifigkeit tu de«. Bmncu. die or zum erst&tf Mal. xn\ gestrigen
CbarO./:-A«it-..ilen, UL iahrgam? (IbTCv y, 7<72. ' Abend verspürt haben will, als er sich zur Lafriüe begab.
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564
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 38
Die Untersuchung des Circulations-, Respirations- und Di¬
gestionsapparates ergiebt nichts abnormes; keine Kopfschmerzen,
überhaupt nirgends schmerzhafte Empfindungen; ruhiger Schlaf.
Aus dem Bett gehoben, versucht Pat., sich an demselben fest¬
haltend, zu gehen, vermag jedoch seine, durch eine spastische
Contraction der gesammten UnterextTemitäten - Musculatur in
starrer Extensionsstellung befindlichen Beine kaum von ein¬
ander zu setzen, noch weniger das Fuss- oder Kniegelenk zu
flectiren; nur mit dem Hüftgelenk können etwas Bewegungen
ausgeführt werden. An beiden Beinen besteht leichter Tremor.
Während des Stehens nehmen die Spasmen an Intensität zu
und Pat. kommt nach und nach immer mehr auf die Zehen
zu stehen.
Beiderseits untergefasst und durch den Saal geführt, lässt
er entweder seine Beine steif und starr wie zwei Stecken nach¬
schleifen, oder er versucht denselben mit Hülfe der Becken-
musculatur in seitlichem Bogen einen Schwung zu geben, so
dass er das Aussehen eines Schlittschuhläufers darbietet.
In das Bett zurückgebracht, lässt er folgendes an sich
beobachten: die gesammte Beinmusculatur ist beiderseits starr
contrahirt und in stetem Tremor begriffen, der jedoch, nachdem
Pat. erwärmt und ruhig geworden ist, erst nach lässt und dann
verschwindet. Wenn auch langsam, so können doch alle ver¬
langten und intendirten Bewegungen ausgeführt werden; passiven
Bewegungsversuchen wird ein mässig starker Widerstand ent¬
gegengesetzt. Nach ungefähr einer halben Stunde nehmen auch
die Contractureu an Intensität ab, und Bewegungen werden jetzt
etwas leichter ausgeführt, obwohl eine paraparetische Schwäche
deutlich bemerkbar bleibt. Dabei empfindet Pat. nirgends
Schmerzen, besonders auch weder spontan, noch bei Druck auf
der Wirbelsäule; eine Störung der Sensibilität, atactische Er¬
scheinungen oder verlangsamte sensible Leitung werden nicht
beobachtet, ebenso wenig trophische oder vasomotorische Sym¬
ptome; die Sphincteren sind intact, die Intelligenz ist frei, kein
Schwindel, keine Pupillendifferenz. Weder Eiweiss noch Zucker
im Urin.
23. Mai. Pat. giebt an, dass in der Ruhe und Wärme
seine Beine zwar weder zitterten, noch steif seien, allein er
könne sie nur mit Mühe wenig von der Unterlage erheben und
nicht über einander legen. Die Anfälle von Tremor und Rigor
treten täglich 2—3 Mal auf, theils angeblich spontan, theils
durch äussere Reize hervorgerufen. Gestern Abend sei ein
solcher ganz besonders heftig gewesen, Pat. sei dabei in starken
Schweiss gerathen und habe sich nach dem Aufhören desselben
auf das äusserste ermattet gefühlt. — Im Moment, wo man
jetzt behufs näherer Untersuchung die Decke aufhebt, beginnt
der Anfall in beiden Beinen, etwas stärker im rechten wie im
linken; Plantarflexion des Fusses hebt denselben am betreffen¬
den Bein für einen Augenblick auf. Uebt man dagegen auf
den N. cruralis unterhalb der Schenkelbeuge einen kräftigen
Druck aus, so erschlafft das betreffende Bein, während das
andere noch heftiger als bisher weiter zittert 1 ). Lässt man
den Pat. das in Extensionscontractur befindliche Bein flectiren,
so gelingt ihm dies zwar auch, ohne dass er seine Hände zu
Hülfe nimmt, allein es geht ausserordentlich langsam und be¬
darf der grössten Anstrengung: Pat. beisst die Zähne aufein¬
ander, und heftiger Schweiss bricht aus. Dies dauerte jedoch
nur so lange, bis Unter- und Oberschenkel gegen einander in
einen Winkel von c. 15° gekommen sind: da lässt plötzlich
der antagonistische Widerstand nach, und beide Tlieile fahren
mit grosser Gewalt an einander, genau wie ein Taschenmesser,
1) Analog' Beobacht um:* a n finden sich ho: Nothnagel (Aroli. für
Psychiatrie u. s. w. VT. p. 332) bei verschiedenen Formen von Myelitis.
an dem man den Widerstand der Rückenfeder überwunden hat.
Die Wad^ liegt jetzt fest der hinteren Partie des Oberschenkels
angedrückt, die Ferse auf den Nates. Uebt man nun einen
Druck auf den N. cruralis aus, so löst sich der Spasmus
sofort und das Bein wird leicht wieder gestreckt. Thut man
dies nicht und lässt den Pat. das contrahirte und flectirte Bein
wieder strecken, so beginnt das vorhin erwähnte Spiel von neuem:
mit der grössten Mühe bringt er dasselbe etwas über die recht¬
winklige Stellung hinaus, und hier fährt es plötzlich mit Heftig¬
keit in die Streckstellung.
Die Sehnenreflexe sind am ganzen Bein hochgradig erhöht,
die Sensibilität nicht herabgesetzt. Die electrische Erregbarkeit
(die Prüfung ist wegen des Tremors und der Contractureu
nur schwer anzustellen) zeigt qualitativ nichts abnormes, quan¬
titativ eine leichte Herabsetzung.
Bis in die Mitte Juni v. J. nahm nun der Zustand des
Kranken an Intensität zu: die paraparetischen Erscheinungen
steigerten sich bis zur vollständigen Paralyse; vom Gehen war
natürlich keine Rede mehr, beim Sitzen im Sessel musste Pat.
sich an den Seitenlehnen festhalten, um, besonders wenn der
Tremor auftrat, das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Zitter-
und Steifigkeitsanfälle traten hie und da spontan, meist jedoch
auf äussere Reize hin, Berührung, Kälte, oder sogar bei blosser
psychischer Erregung oft mehrmals am Tage auf. Dabei zeigte
sich ferner ein auffallender Wechsel der Stimmung: Tage laug
war Pat. heiter und gut gelaunt, voller Hoffnung, andere Mal
ängstlich, aufgeregt, verzweifelt. In solcher Muthlosigkeit machte
er einmal den Versuch, sich mit einer, aus seinem Uringlas her¬
ausgeschlagenen Glasscherbe die Radialarterie aufzuschneiden;
zweimal wusste er sich durch andere Kranke je ein halbes
Liter Branntwein zu verschaffen, das er auf einmal austrank;
bei der Abendvisite fand ich ihn dann sinnlos betrunken im
furchtbarsten Zitteranfall.
Im Juli vorigen Jahres Hessen die Erscheinungen etwas
nach; Patient konnte mit 2 Stöcken, das bekannte Bild des
spastischen Ganges darbietend, im Saale auf und ab gehen.
Im Herbst traten die Anfälle wieder heftiger auf, einigemal
so stark, dass Patient chloroformirt werden musste. Hier und
da zeigte sich bei diesen heftigen Anfällen auch leichter Tremor
in den Armen, einmal war auch während eines Anfalls vorüber¬
gehend die Sprache erschwert.
Manchmal bestand nach den Anfällen Ischuric, die auf ein¬
malige Einführung des Gatheters verschwand. Eiweiss wurde
in dem nach den Anfällen entleerten Urin nie gefunden.
Bei Beginn des Winters musste Pat. wieder das Bett hüten:
die Krämpfe wiederholten sich oft mehrereraal täglich, öfters
mit brennenden Schmerzen in den Kniegelenken und Formica-
tionen in den Unterschenkeln verbunden. Im Anfang des neuen
Jahres stand Pat. wieder auf, ging steif und an den Betten sich
festhaltend im Saal herum. Gegen Ende Januar traten die An¬
fälle wieder etwas häufiger auf, spontan sowohl als auch durch
die leichtesten Reize, selbst psychischer Natur (Schreck, scharfes
Fixiren) hervorgerufen. Da Pat. den letzten Tbeil des Winters
wieder fast stets zu Bett lag, so trat nach und nach eine leichte
Atrophie der Musculatur der Beine auf: an den Armen war
eine solche nicht zu bemerken. Im März und April war Pat.
meist ausser Bett, hatte nur hier und da noch einen Anfall,
der dann meist durch länger dauernde Untersuchung der Sehnen¬
reflexe hervorgerufen war; letztere waren immer noch in hohem
Grade an den Beinen, in massigem Grade auch an den Arnmu
erhöht. Die electrische Prüfung ergab auch jetzt nichts ab¬
normes.
Anfang Mai d. J. hatte Pat. den letzten Anfall. Seitdem hat
er sich von Tag zu Tag gebessert; Ende Mai ging er mit einem
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Google
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
23. September 1S78.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
565
Stock über Treppen und Höfe spazieren, wobei er nur noch
über etwas Steifigkeit in den Kniegelenken und leicht auf¬
tretende Ermüdung klagte.
Am 24. Juni d. J. wurde Pat., nachdem seine Krank¬
heit 13 Monate gedauert hatte, vollständig geheilt aus
der Klinik entlassen; nur noch eine geringe Erhöhung des
Patellarsehnenreflexes erinnerte an das überstandene Leiden.
Den ersten Tag der Freiheit benutzte er dazu, sich in der
Stadt so zu betrinken, dass er durch die Polizei am Abend der
Klinik wieder überliefert wurde. Am folgenden Morgen durch
einen Wärter auf den Bahnhof begleitet, benutzte er einen un¬
bewachten Moment, um ein Fläschchen mit Morphiumlösung
(c. 0,75 Morph.), eines mit Ergotinlösung (c. 2,0 Ergotin), die
er sich aus dem Medicamentenschrank genommen, sowie eine
Lösung von Goldchlornatrium 0,6 : 60, die ihm auf seinen Wunsch
mitgegeben worden war, auszutrinken.
Die erste Wirkung dieses abermaligen Selbstmordversuches
war sehr heftiges Erbrechen, dann wurde ihm auf der Klinik
der Magen ausgepumpt und so lange ausgewaschen, bis das
Waschwasser klar abfloss.
Eine acute Gastritis war die einzige Nachwirkung dieser
Vergiftung; die Alkoholvergiftung vom vorigen Tage jedoch
hatte ein über eine Woche sich erstreckendes Delirium zur Folge:
Pat. w ar sehr aufgeregt, sah Thiere u. s. w. Nach 8 Tagen
war alles vorüber, und Pat. konnte nun endlich in seine Heimath
entlassen werden, von wo er uns die Fortdauer seiner Genesung
kürzlich brieflich gemeldet hat.
Die Behandlung unseres Falles war eigentlich nur eine sym¬
ptomatische und von vornherein darauf gerichtet, die hoch¬
gradig erhöhte Reflexerregbarkeit herabzusetzen. Allein unsere
anfänglichen Bemühungen waren von wenig Erfolg gekrönt:
Bromkali in grossen Dosen, lange Zeit fortgesetzt, blieb voll¬
ständig* erfolglos, ebensowenig nützten Extr. Belladonnae,
laue B äder und die Galvanisation der Wirbelsäule. Von
der Anwendung des Morphium mussten wir nach wenigen Ver¬
suchen abstehen; denn die Krämpfe traten dann nach kurzer
Pause nur mit verstärkter Intensität auf 1 ).
Erreichten die Anfälle eine unerträgliche Höhe, so waren
Clystiere von 2 bis 4 Gramm Chloralhydrat von Nutzen.
Von Mitte April d. J. ab erhielt Pat.: fy Auro-Natr. chlo-
rat. 0,5, Aq. dest. 15,0, MD. ad vitr. nigr. S. Dreimal täglich
15—20 Tropfen.
Im ganzen hat Pat. bis zu seinem Austritt aus dem Spital
5,7 Grrn. Goldchlornatrium genommen.
Unser Fall bietet nun in ausgesprochenster Weise jene Er¬
scheinungen, wie sie von Charcot und Erb für die Tabes
spasmodica angegeben worden sind: Paraparese und spä¬
tere vollständige Paralyse, motorische Reizerscheinungen mit
Streckcontracturen, dazu der meist anfallsweise auftretende
Tremor, sowohl in der Form der Trepidation spontanee als
auch noch besonders als Trepidation provoquee (cf. G har cot
1. c. p. 279). Exquisit waren ferner der spastische Gang und
die gesteigerten Sehnenreflexe, die auf der Höhe der Krankheit
auch in den Armen nachzuweisen waren. Characteristisch waren
auch die negativen Symptome: kaum merkliche Herabsetzung
der electrischen Erregbarkeit, keine Sensibilitätsstörung, keine
Sphincterenaffection, kein Decubitus.
Ueber die anatomische Grundlage des Leidens in unserem
Falle wagen wir uns nicht auszusprechen; nur soviel ist sicher,
dass keine schwere anatomische Läsion am Nerven¬
system, namentlich keine ausgebildete Sclerose in
den Seitensträngen bestanden haben kann, und dass
ferner sich das Leiden bei einem Menschen mit ab¬
normer nervöser Constitution entwickelt hat.
Von den unserem Fall anhaftenden Eigenheiten ist zuerst
der Aetiologie zu gedenken. Unzweifelhaft muss die vielverrufene
„Erkältung“ als veranlassendes Moment beschuldigt werden, denn
gleich nach dem längeren Verweilen im kalten Wasser und dem
weiten, in nasser Kleidung zurückgelegten Heimweg traten Reiz¬
erscheinungen — als welche die damaligen mannigfachen Klagen
des Pat. wohl aufgefasst werden müssen — auf, und am siebenten
Tage war das Krankheitsbild in seinen wesentlichen Symptomen
bereits vollständig vorhanden. Dieses peracute Auftreten und
die rapid darauf folgende Ausbildung sämmtlicher Symptome
zu ihrer grössten Höhe unterscheiden, wie schon eingangs er¬
wähnt, den vorliegenden Fall wesentlich von dem Westphal-
schen, welcher bei schleichender Entwicklung ebenfalls in Heilung
überging.
Eine prognostische Wichtigkeit scheint demnach der Art
der Entwicklung des Leidens nicht zuzukommen.
Eine andere Erscheinung scheint noch der Beachtung werth:
es ist dies das in der Krankengeschichte erwähnte „Taschen¬
messerphänomen“. Dass bei der strammen Contraction der
gesammten Extremitätenmusculatur die Antagonisten jeder ac-
tiven oder passiven Bewegung einen gewissen Widerstand ent¬
gegensetzen müssen, ist klar; unklar dagegen erscheint es, warum
gerade in einer gewissen Winkelstellung des Beins jener anta¬
gonistische Widerstand nachlässt, um sofort, nachdem die inten-
dirte Stellung erreicht ist, in der früheren Stärke wieder auf-
zutreten. Diese Hemmung der reflectorischen Spannung ist
also gerade so vorübergehend wie die durch Druck auf den
N. cruralis bewirkte, und es mag demnach nicht ungerecht¬
fertigt sein, auch hier eine mechanische Reizung, vielleicht eine
kurz vorübergehende Zerrung des Nerven als reflexhemmendes
Moment anzusehen. Das gleiche Phänomen fand ich zweimal 1 )
als in Begleitung von Pott’scher Kyphose vorkommend be¬
schrieben, und es muss wohl hier wie dort als motorische Reiz¬
erscheinung betrachtet werden.
Schliesslich sei noch des günstigen Ausgangs und damit
auch der Therapie gedacht. Der Erfolglosigkeit aller thera¬
peutischer Proceduren, abgesehen von dem palliativen Nutzen
des Chlorais, ist bereits Erwähnung gethan, ebenso dass die
Heilung unter dem andauernden Gebrauch von Goldchlor-
natrium (5,7 Grrn. in 27* Monaten) eintrat. Ohne irgend
etwas präjudiciren zu wollen, möchten wir es doch für gerecht¬
fertigt halten, in analogen Fällen einen Versuch mit besagtem
Mittel, und zwar längere Zeit fort, anzustellen.
II. Das Mierophom als diagnostisches HnlfsmitteL
Von
Dr. Aug. IiAdendorf in St. Andreasberg i. Harz.
Als kaum die ersten Mittheilungen über das Microphon
und dessen Wirkungen erschienen, verhehlten sich wohl nur
wenige Aerzte, dass das kleine Instrument einmal berufen sei,
in der physicalischen Diagnostik eine hoch wichtige Rolle zu
spielen. Mir kam die erste Publication über das Microphon
in deutschen Journalen um so gelegener, als ich mich schon
seit mehreren Monaten vielfach mit Versuchen beschäftigt hatte,
die Schwingungen des Tympanons beim Telephon auf eine
Flüssigkeitssäule zu übertragen und dadurch die Möglichkeit
1) Vergl. hierzu Witkowski, Ueber die Morphiumwirkung, Leipzig,
Hirschfeld, p. 22.
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1) Schede, Langenbeck’s Archiv XII. p. 971. König, Spe-
cielle Chirurgie II. p. 523.
*
Original ffom
UNIVER5ITY OF MICHIGAN
566
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 38
zu gewinnen, dieselbe graphisch darzustellen, Versuche, die bis
jetzt leider alle negativ ausfielen. Auch die Hoffnung, mit dem
Microphon bedeutenderes zu erreichen, schien anfangs eine ver¬
gebliche werden zu wollen, trotzdem ich durch Einschaltung
von zwei Leclanche-Elementen die Geräusche bedeutend ver¬
stärken konnte. Ich konnte durch diese Manipulation zwar das
Athmungsgeräusch einer Kranken durch mehrere Zimmer hin¬
durch hören und Hustenstösse unterscheiden, doch waren die
entstandenen Geräusche so wenig deutlich, dass sie mit den
durch das Stethoscop zu vernehmenden kaum den Vergleich
aushalten konnten. Brauchbare Resultate erhielt ich erst, als
ich mittelst des Stethoscops die Töne direct auf das Microphon
überleitete. Die Sache stellt sich aber in Wirklichkeit weit
complicirter; es sind so vielfach Bedingungen zu erfüllen, ohne
die man entweder vollständig negative oder doch unbrauch¬
bare Resultate erhält. Vor allem sind, um die Geräusche
wesentlich verstärkt zu erhalten, zwei Bedingungen unerläss¬
lich, einmal muss man durch sorgfältige Isolirung des Appa¬
rates jedes störende Nebengeräusch entfernen und zweitens die
entstehenden Töne durch Einschaltung von Elementen ver¬
stärken. Mit meinem Apparate erhielt ich nach mannigfachen
Combinationen die brauchbarsten Resultate durch folgende
Zusammenstellung.
Das Microphon AB (von Detert in Berlin bezogen) habe
ich behufs Isolirung auf eine starke Glasplatte H befestigt, und
zwar hält beide ein Gummiband locker zusammen, weil bei
fester Verbindung, etwa durch Festleimen der Gummifüsse des
Microphons auf der Gla’ssplatte, die Bewegungsgeräusche in
diesen Gummifüsschen störend vernommen werden. An der
verticalen Wand des Microphons ist ein*mit einem breiten
Trichter versehenes hölzernes Stethoscop C in horizontaler
Stellung befestigt. Hauptsache ist nun, dass dasselbe nicht
direct die Wand A berührt, weil dann die Töne bedeutend
schwächer sind und zu sehr durch Nebengeräusche verdeckt
werden. Ich befestigte deshalb dasselbe durch eine Mischung
von Leim und Schellak nur an drei Stellen, um den ent¬
stehenden Schwingungen freieren Zutritt zu der Resonanzplatte
A zu lassen. Leitet man die Töne von diesem Stetho-Micro-
phon direct nach den beiden Telephonen D und E, so sind die
Töne nicht sehr stark, deutlicher werden sie bei Einschaltung
einer Batterie (g). Es lässt sich zwar a priori annehmen, dass,
je stärker der eingeschaltete Strom ist, um so stärker und
deutlicher die Töne zu vernehmen sind, eine Voraussetzung, die
indessen nicht ganz richtig ist; denn man hört bei Einschal¬
tung mehrerer (Leclanche-) Elemente so viel Nebengeräusche,
z. B. die Reibung der Haut an dem Stethoscop und andere,
dass dadurch das zu untersuchende Geräusch vollständig ver¬
deckt wird, während bei einem einzigen Leclanche-Element die
Herztöne noch in einer Entfernung von 2 Zoll vom Telephon
deutlich zu hören sind. Noch stärker hört man die Töne,
wenn man die beiden Telephone nach Schluss der ganzen Lei¬
tung mit den beiden Ohren in Berührung bringt Die Herztöne
sind z. B. so verstärkt, dass sie auch von Schwerhörigen und
Unkundigen deutlich vernommen werden. Von der Verstärkung
der Töne durch das Instrument giebt vor allem der Umstand
einen Begriff, dass man über der Herzspitze deutlich das An¬
schlägen derselben an die vordere Brustwand als schabendes,
kochendes Geräusch vernimmt, über den anderen Herzostien
dagegen die Töne nur einfach hört. Die Töne gewinnen aller¬
dings durch das Instrument eine von der bekannten ziemlich
verschiedene Klangfarbe. So tönen speciell die Herztöne, auf
die sich unsere Untersuchung bis jetzt beschränkt hat, mit
einem stark metallischen Beiklange, der durch die Resonanz-
platte A gegeben wird.
Dass der Apparat noch grosser Vervollkommnung fähig ist,
wird niemand in Abrede stellen. Er leidet in seiner jetzigen
Gestalt besonders an einem grossen Uebelstande, insofern als
er drei Hände verlangt, doch lässt sich hier leicht Abhülfe
schaffen, wenn man die beiden Telephone an einem mit einer
Stellvorrichtung versehenen Handgriffe befestigen lässt. Viel¬
leicht ist es zweckmässig das Stethoscop mit einer Saugvor¬
richtung zu umgeben, durch welche manche Geräusche, z. B.
das oben erwähnte zwischen Haut und Stethoscop entstehende
Reibegeräusch, eliminirt werden könnte. Nach meinen Ver¬
suchen ist es nothwendig, das Stethoscop nicht durch Metalle
mit dem Microphon zu verbinden, sondern durch einen schlechten
Leiter. Ich benutzte als Verbindungsmaterial zuerst Schellak,
darauf eine metallische Verbindung, die mir aber unbrauchbare
Resultate gab, hernach fügte ich einige Gummiplatten zwischen
Stethoscop und Microphon, wobei aber wieder, wenn ich so
sagen darf, Gummigeräusche entstanden, bis ich schliesslich zu
der Verbindung von Leim und Schellak, die vor dem einfachen
Schellak den Vorzug grösserer Haltbarkeit besitzt, gedrängt
wurde. Ein Haupterforderniss ist es ausserdem, die Verbindungs¬
drähte möglichst zu isoliren, wozu sich die mit Gummischläuchen
überzogenen Leitungsdrähte am besten zu eignen scheinen.
UI. Ueber die Dämpfttngscnrveii pleuritischer Exsudate.
Von
demselben.
Wenn auch in den letzten Jahren vielfach Versuche an¬
gestellt sind, um die die Form der pleuritischen Ergüsse bedin¬
genden Momente klar zu stellen — ich nenne hier aus neuester
Zeit besonders Garland 1 ) und Ferber 1 ) — und wenn auch
durch diese Versuche unsere Anschauungen über die Gestalt
der Exsudate in richtigere Bahnen geleitet sind, so scheinen
mir doch jene Fälle von exsudativer Pleuritis, in denen die
Flüssigkeit hinten bedeutend höher steht, nicht durch jene
Versuche ihre Erklärung zu finden. Es sind mir jene Arbeiten
nur nach Referaten bekannt, wonach sich ergeben hat, dass
1) G. M. Garland. Sorae experiments upon the curved line of
dubness witli plcuritic. Boston med. and surg Journal. Sept. 17. 1874.
2) A. Ferber, Die physikalischen Symptome der Pleuritis exsu¬
dativa, eine klinisch-experimentelle Studie Academ. Habilitationssehrin.
Marburg.
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
2$v September
bkkm$kr- tfwwBcgE ^octes§o^at^ : t;
die.■-.Schwere haoplslicVKch b^tiTmnrmi is? für Hie Form tief
Exsudate. V;.avm *&<ii>l kaum die SttfmewK ttiiwu dft* Ur¬
sache -eil), dass, wie fc* ans d«h »iarla ad'sehn» V#mtchvo
erglebt, die iM'u.s;4'k*-fr iss hüb er aiitdiT als hinten; und
nach vor». hftftofltsvl \ «rlfwIK »w! noch viel weniger kann &»£
die Hauptrolle Spielen io dm rilreii näher bbzeirdineten FM 5 er»
mit hinten lut her stehendem Exsudate. Es Ziehen nuii dies«
Exsudate hinten meM nur IxVher $U vorn. Wie ja allgemein
bekannt, sondern sognr • /mfrallend tuädi, dM’avPgv daAs <lje
obere Begrenzungseone s;<u mehr weniger einer Tfyperhn!
liälterf., ja ftiaf eine nrnrhemaumh genaue Hyperbel bildet Der
Beweis für diese Kt-haupt»»#: kttittf mir iwf .-Vin\tfegtstf geliefert
werden, um) h\ es deshalb »MHüeendjg auf die ölwehudg der Hy*
perbej für die Asymptotevi atyC'f>«/nlmfttens'ysrefii /jmVkzng.ehoij.
Fs seir» die A«yidpDden der Hyperbel die beiden geraden
€M Und CM" mit S'b aK :«'»£»* !mri;o-r ,4e;. für jedep Pu bk»,
der Hypürtel wivre dann KM AUself^en*-. <f M v CAidtnafeuaxe,
mithin für djpr Punkt P der Hyperbel J\?i Abgetane * StP tfydi-
oate.;\y4»jn wir diese beide» !n 1 k tgeuaiintmt l>i ö len toi Asym¬
ptoten paxailM gozegcti haben. tn<* Mittelpnviktsgleiebung fi'lr
V Jf X ? r
die Hyperbel -4 — jIy =si — £ würde Muh daiuudi für den
Punkt P Vtöffeu auf
| a* ~ 2x' y* -mr« >/■* a v 4 a* y' y sin 4 — •*.*?•
: cy‘ cnv_.^2 V* 4 h* y G f? s 4 —a' f h*-
Sündern wir jetzt \ »iml y’ au .. ,*o v »halten wir die
I Gleichung -- : -e„C.v'.i,.;'. ■; '4>4''V - ’. :
: li. x‘a (4 sin y* — b* co* p*) — I’V J V' (A 4 Fm 4 4 b 2 00*4.)
; 4 y's (n v sin 4 — b- eo> ;•*) — u - b * v
Wir müssen jetzt die Functionen des. W inkcte ^ durch die.
> beiden Grßikeb a und t> auszudrücken >ubb*ü. f£$ üt v jf& für
! die Asymptoten das in B errichtet# Peipehdik’.l gkn^b der
: hAlbu» Ase, glekn b -t. ? g v r öder
adiin^—b ros fplglic.b aueb u a >ut^ v t eas y-y:0.
V) |) y
Aus der Giejchung tg y ^ - ercjdi? -,b:b -sin y — d;: ?.
Aus der üiejcbung y s — ''
cos y; od'^r da cos y ==: aud C\
b» iif«. f, ui
Oitraus ergifej-d §Tcb
r a* 4> b *'
Setzen wir diese für »iri m*d e. t - gelurülenem Wort he
j hi dir Glviebung tl ein >.•* k\u>di«t
/' &** b* • b' ' V
_, r> , ( ••- — -^ ; - . ü*l.»
NatC.ll tjrtikehnvhg d» r \ ruarcieh*;•»/• uljd J iV-.-i;sehaffunp des
'Nenners vrbält dir CleieUung div bd^ndu Ce^aP'^
'V " . ’ ; 4 > 4 r /•:
I 4 \ ' v ' ä a* 4 l ! ~ oder x * y ' = —'
i *
Die Jaummt- 4 V? *j>t tmch einerti Hndefcn
über die {jAperbtf gl#eh d^r'k Quadrät^ -der' Eveetittrcjt^t. Met
| . .
Hyperbel, gbricb e l C, alW> y. - v ‘ 4^ -4-% thithiu tlas Proilurt alue.
- ' , «t ' ’ , ,. •
CniWatibt birösse. »He. al- 1*«* 1 .*- 1 ?. ii«*v Hyperbel be^eirbtHd; vrifd.
'Ziehet! v 4 um- j^ir.t dttrrh den PuuU P niodeHim ..zwo»
Piü vilvleii vuit A‘ i\ beuK n A>Y*nptuten düs fauieh lv(* und K H,
; su folgt u«y der Aehuücbkjiit -kr Drefvrjce OK ; CK — LE': Llv =
1: b b ^ 14 *2. alko.-0 E v .Erbeben wir 4i»>se. GMcJiutfjg
||IW wu nuti v.-u ;\ $n< * in fVrpctujikei auf die Axe CD..
ppr&Üht PQ, Mud auf ^4 Kftde wiederum vrui P aui? efu
zweiicä fWpenilikel. AW urid buj^jcjmen WW den Imibeh A^ytn-
mm Quadrat, so Vnmrnf V- F, '-
■*:* 4 14
ptotenwinkt! mit y.. 4’ »U .>i« ( r
K. äIso N B ^ x J Cm
Da nmi £ N P A gleich y pb»u i.tt audeter^Lts. §in r = *j^*p ^
N-Ä C
—-, ■ y!s*i|- NA ~ Y" Cm r , mithin V Q ~r sin ^ — y 4 sia^
Ein analoger Abdruck für Ci) lasst sieh mit Hülfe des
Cosinus ündenv es ist cos r =. —~ oder CD — ^ cos Y . and
: BQ ,
obenso c-<» - r — ^ uae? .BQ c= v' r «*s y r ioighch auch CQ --
x v co« y 4 > * dos v,
Bringen wir jybif dic^e für PQ mul: G Q gcfundtsnen Werthc
in die Mirteijniiikisgleicliinig. %k kunnof
•,;-. |^i!ni4f *!n ?*)? Oc; c4y t V f as r )»
l ' . . b 5 -. " ~- _ 1
mler % 4 (t \ sin Y — y ' sin y ) 4 — ,b- ' (V c4' 4 f 'cos.'.y.)' 3 ’ 4.
-4 a» b*.
Nach AuflÜ^oiig <Ü«i» lurmCHicb Miic* Grhi'chuiig tim' i.ü
P 'AG sia fi- — 2 \‘ y 1 sin.^s- 4 y* d Via — U t£ (% s ., cos
;4 ^ y ; ;Cp$V 5 -4 A ; * ^.as' r) ~ — : fi- 3 : J*^ .ödgr ,'r
3desr Uleichung gilt mition tüt ?db- rimki- dev Hyperbel
und lautet in Worte übarsfety.r: für ui * A>.y'mpu>fon als
OfrtfH'bn a te n js y s t« m i'A t d a> pro d not 4 r; b ei de n Co n r -
t d i fJ al e h für a I be T n n ktv «1 e r 11 y pn r b e I g i e 1 c h
j üenken wir urf^ jc^t zwei Glas- oder beliebig andere,
j Platten unter einem kleinen Winkel gciplgt. nüd fjieses System
j th ein Gefäss mit Flü«$igkeit gefiel Dl 4 stejg't die Flüssigkeit
I innerhalb düssalbea, und «war v/irhäH, s^h nach dem Gyse^^
Cüber Cafdllarattractiou dev Hohenstand dei Finssjgkut um,ge-
j 'kehrt. Wie. die Weite der Cypdb'jfrohrchein Mit Hülfe dieses
J. • Bat«te-i' lässt sich leicht beweisen, dass die obere fiegrenzuiigs-.
Üble <b‘r Fl Ossig peil eine llYperl>e 1 inhiet/
Bs’ sin b k d»‘r
06b* nstand der Ftü^
■ ^Igkeit aff der vonle-
rer» Plätte, bb an der
, bihhiten. Schneiden
Wir uns von der. Eckn
a aus auf beiden
Piathpi je, zwei uleiob
grosse Stücke ab r
machen ä 4 o al 4 =
äp und atu ~ a«r.
BftÄSÖCfcfc' K ItälSGW N^OCtfHNSGHft^'T
Uitd errjchteu in V^jVekh .^ivttfidei' ^i^^rerbjeirtiefi Punkten p*r-
pfodiciilärt Ebeiie«, "> *]ä.s>; ?xlsi» d- Und vru; diese Ebenen
darstetUm, sh» -dcll «Och dem jGgsetae über Oapfllar-
röhrdKMi h;; r<vv “• m jri ■; il'. 1 < und aiv sind Üfdi baten für
a£ als- Axe mit a/.iD Änbingspunkt der zVfoeissev Aur der
Ärmlichkeit der Dreieck* erpeh! sich ferner:
U * : rü m rs= i\ I; nm, aiso auch
l s : m v “ a öV > a I oder
i.s . al « m v , anu mifhin diei €«rye bkHyperbel.
Für zwei Dyhmier Bitzes 'öfcRüfz nicht ih ^ö ^lhricter
Form ; doch ist der Fester ein ho kleiner, dass ^r för «StaTh'iuie
nicht in Betracht ^e^oiten werden braue hi $$$ »**
freilich etwas hngnthaüg, *0 das* .wir sie ntir ztitri Thelt. hg
weit ei* für das voll* vvr$U«(hn:vs rioth wendig ist, gehen
werdet*.
Er sei*» dte beiden kreise die Durchschnitte von zwei
sich; .vöjt iüi!C*.o berÜht^Miou Gründern mit detr beiden Mittel^
punfctcn f ot?d g und # m(i ß -zwei beliebige CentnwinkeL
Danii stellt b£ den Abstand der beide« (-Ylinder für den.
Winkei 4< de Ihr den Winkel ß vor, welche beiden Union sich
nach \km CapiliÄcrbiiroliöJigßsetz zu einander mrjgnkehrt Wiß
der flöheostand der Flüssigkeiten verhalten. Es Verhält sich
- s ^ ... „ .... . . he , , .
Ferner ab: ad
Mi«hipÜeiren wir a mit p
;h und p
mit ----- ebenföUs. gleich 1 und formen die Proportion out, so
de
bekommen wir:
. -■■ , ■ hc ß ~
ab v : ad = bc : de.
de w
Soll die Cune vollstän¬
dig einer Hyperbel ent-
sprecken» so rnn^.s b c ß jh*
de a süin. ply / Wertlif? für
bc and de lassen sich
'mit Hülfe trigonnmetrisefo
berechnen.
Es ist he - 4 r>r —^ cf und rf^~
cgTvüs iü.4~ gf &ä£.'& .oder
' ; gleich fi io* ■i -4~. (r ^
ti, . 'Mop ; . ist' ein■ x ; *1« : 4 . -ry
, (t — fl) : f: l«l^r #m v xr
j sin O. LdglirU>*>S % =r ^ j. — | Sill «*,.
mit hin lj 1; -— r — // |/ I — { - s>f» « * »— (t — />) cos a
fuid analog de =' r — 1 > |/ 1 —- ^ ------ j * Ühß* — (r —/>)
and analog de ==
>) . Cos a
Beroebmm wir hiernach 4ti verschiedenbu Fleispieleh die
b-c-.-Ä
Worthe für bc t|nd de, :<o emebr weh, mehr oder
. de na\
wonjger von. X diffenKt, je nachdem die Dtfferön^ i^cho 0 r
. imd p ^ri?s^e|r evter \m& aiidereUoitff je nachdem
die HÜforeri« ^wi^ch-eo v. nn»i p moki oder weniger gfOH» ist.
Verbinden wir diesem Gesetze entsprechend ^wei gewhltn-
licho gorudfy 'LamporteyEnder vbh.jgro^öfl l)ürch-
rncsSeru <0 mit tduaiider, da Hs d«' sich vo» ; infie« livr :bi:rilhre.n,
verlclidjon wir dWdben ab.<* erwa mit back und t»nn«<*n dieses
System aUdfinn ih <fVu mir HelSn&v t<o steigt
die Flüsaigkcit :W beiden Seiten der Hcrührmigstjnie. tmd' die
obere Grenze nimmt abbab! eine hyperbobsche Gurvonfbrm an.
jSu-ji Nt.' Klar. vvean die t.?Apillarrnhrcht'n — und abs
;sh| che habet» wir min ja doii W inkel ^wischoh de.« .beiden
Flhcboi» gedarbt - nach •«•heu x?x enger - werden # der obere
H&lim fee (der H yperbel a u ftb on tspt<tdmhd teuger wird, ■ a\ w
%ich jmdi r (dnor gerade« Linie naheii. 4i\c<$: aUo dadmei» nur in»
lUteren TheVI der Gnrve rUe Aehnltchko'jt mit det Hypyrhß} gre
wählt bleibt, ln. einer «0 Ich et* Cur uv vvird der Ibkrmpu^kt
oder^ allgemoin aiisgodrückt. die Brennl.inie sich dein «Sclus^l.'
der Cürve nühörn,. der Ab stand beider nptb^rt ^idi aU»
kalben jgrbästm Axe, d.. 1*. mit ahdbren Worten.V. ylm Cfem
nähen steh der Parabel,
Wetitr wir es am mectschikheu Organismus zwar »irgejids
«oit regelmäßigen matbem^tischoar Verbältt\issei) zu tliun habet
»ad niemals die an itoreometTi^cheti Rdipera gefund^nea.
setze ohne weiteres anP des meOsdibebeö KArpcT ühettrsgM
kennen, so «ibd die, Verhältnisse gerade bei den Brusf».iTgaüen
dodi ahn^herkd dieselben, wie beim Cylinder, ln sofern ab
wir den starren Thorax und die durch den von den Lungen
Itet auf ihr Jfekb&mfeo Druck allen Uöebeuimltfcn und BVctür*
.sie neu jeur*. folgende Pulmönalpleura haben al«b zwei Fl hebe«,
die et? eiBetn System mit sehr kleinem Winkel vhrlmadeo sind.
Horizontale Durchschnitte de«; t herax ergeben, dass die; Flcurä
tioatalis, abgesehen schwacher als
ein Kreis gekrümmt ist, so düssr als» das ganxe System mehr
weniger jenen oh eit entwickelten (n^Retzeu unterliegt
Habe»-, yrir dprcti diese Gesetze also einerseits die ErklSK
ruTig gefunden für die Tbaisache, dass da^. Exsudat bititeo
höher Riebt; als in d»?r, seitficlHeii ThoraXgeg^nd (WiotricU
Oerl&ch, Niepaeyer 11 , ,t); m "-tritt andererseits an uns di?
ffthge heran, ob die obere 'Gtenze den Exsudates auch wirk¬
lich eine hypcrbolj^che zeigt oder nicht, erne Fragt
mit deren Bbiahüiig (byr experlmoiftellc Beweis für die ehfcü
aufgesteilten- und theorefNcb entwickelten Beliaiiptnnger«
liefert tet. Der sicherste Beweis hierzu wäre alloTdingr der,
eine der ju der Histocheniui gebräuchlichen TißCtioükhü^ig-
keitöii. die sich jedenfalls; .besser, dazu eignen. aD die tt*
hArtemlmj MüsseTh M ifel PleUmrauln zu injidfoü. Und auf dor
Pleura-, selbst die l'urVenforttr zu studirep. Wegen Mangels <h*
htef zu lüithigcn Mattniöls jßiiussie ich stacken .auf einem anderen,
auch für die; Praxis brauchbaren Wege zum Ziele zu .gelangen.--
D^bbrtragt mau die mittüfet der '{dhesMr^ereushtü'b, genau ln»-
stimmten G reusei) des Exsudates mit Viueih Tint^n^iifte auf dk
-Rückonhatit, legt darauf glatt mir! .:g;l«lvcl-uÄ^ig. einen
dü ; m»toG weisaej 0 Papioreft. xcielmet dano hierauf die dhrrk
jätfUeinebd^ f^’urve. 4d erhalt man ülttejft iim
daran die Gültigkeit .jener-■ Gesetze zu entvvickeD». -Schon a pro
uri * fest äich an nehmet, dass wir oiehl VoHst&ndie übereiö'
siimmende BesuUate erhalteo künöen, da wir es ja nicht ülit
mattieiaiafischen Figaren zu thim. hab^ti, sondern aus der Pro*-
der Curve auf eine eberrfslte gekrömifitc Fläche die Kc-
shitate ziebwi Hi4|b»| berütkkichiigen wir aber alle Moment
NdAbdv.'aö wird' Äio Differenz Hö 'mm'itnaL dass wir sic für unsc»*
Zwerdte gleich KtfR amiehtnen küan^Q. An eitlem Beispiele
wird sich dies am leichtesten zeigen lassen,
Tagelöhner Th; ans P, mit linksseitigem. plettritischeD Ex*
Rutiate, L'harHctenÄirt iltncb ^ftermtech»»^ pieäritlsrit^fe Beiheft,
abgesdiv/ächtes Athmen und abgeRehwilchte«
gjebt uw unter Benulxung des oben bczdchuüt^u Weges die
hdfolgcitd^ ÖotvC. an def otjit» sofort ilie ItypefboH^che Fon».
ürketiot Er rnussen demgemäss für alle Pimkfe der Hufve ;dic
Produkte aus den‘ beuie» (J^cdioatoö gieicU aeift. Die Mittel
, Itnie, des Hiidcgrotes, AB; üfdD aber nicht die Abscisjceeavy
dar,, vuideru dieselbe Hegt un» die tniülern hafb^ llrt
• iiuioren liHrkütiWirbel von derseihdi entfernt ini fey ©ebth^
nach der Gnn*v Iüe OnJioatouaxe ist gegeben; i\uwh dü<r.
unteren Lüßgetirand T wir hndofi Rio. unter ZuhilfehÄlihlV.
lanie auf der anderen, geSiuidCD, Seite- der Lage - ;
BKTiL&m HLÖIfiCfiK
23. feyfc&fyiif 1&76.
»— -j-gi“ — H.m:.
An» der .Vergleichung zvthcfcqu f> und g folgt auf dem
selben Wege « = ~J'ß- = 12,4>SL Ebenso ffic c a t=s
vS^J-
für d a . =. 11,47. für e « •-.- 1-1.2$ und für f « 10,8
Auf arithmetisTbeDi Wöge Jiat-&teö o.fäp ÄjlromtUcliü Punkte
der Gnr\r* eine annähernd gleiche Grösse erhalten, deren Zahlen-
wertb wir finden, wenn wir dasselbe, mit der oben angegebenen
MäB?jeiflheit, also mit 4$t& wulÖjdtcirmt BJ& nr.gijfeb.if ^Jeft dann
als grösste Differenz für a 7,5 MÜfittmtar, also ein so kleiner
Werth, dass wir dnMötbeji ubne Bedenken auf'M^uftgstfeÜjer
iiiid Unrßgelmk«sigkeiten in der Thoraxwand Äarüekfubfen
küäoefj. Als arithmetisches Mittel öfhalten wir für * d*m
Werth 11/59, den wir also m den Ordmateii uddimji müssen.
i&Äd dann die •Cöördin&t«, für
& = 15,09 nnd 22.0, <* = 27*99 und 11,t),
b 5= 18.84 und 17,25, f = 31,44 und KM»,
c = 22,30 und U.6. g — 37.30 und 8,14,
d == 25,30 nnu 13.1,
und hieraus die Prodacte für
a * 331,0«. c = 3*23.80, e■= 333,08, g = 331,37.
b = 3*24.00, d ^ :mim r ( msa,
Es. sind also uaokResultate die beliebig gewählten
Punkte &- b, c, d. >;v f nnd g Punkte, der Hyperbel, mithin
auch dte ganze Cmwt Kiti!? Hyperbel. Ziehen -wir aus den
beiden 6re;utwerthe.ü die Wurael und midtijdfcireii dasjt «sollst
mit 4.33, ;?o erg'ebt sich ein Fehler in der Me««iiig von 1,2 Mm.
für jede der beiden Cuordin»ten, eia Fehler. der auch bei der
penibelsten' Messung nicht Immer sf> gering aüsfülit.
' y.|Ks , ''.wiirdb uus. -*u weit rau unserem Ziele ahfübn&o, wollten
wir''jetzt. gftvriÄSfctmasJsexi &ur Com* rot?. die übrigen Gleichungen
für die Ffyp^rl**>l. vj.nt'w.ittelrt: • .Es • wäre aber pvchl minder weil-
vehwefjlg: wollten wir für jeden. etaeln*« Fall die önltigkeit
4e> Gesetzes beweisen. Nur an einem. zweiten Falle mochte
ich dasselbe noch kurz em fuhren. hie nachstehende Cnrve
stammt von dem Knechte A St. .aus Z. täU rechisBoitigem
^eitdiiächeri :Exshdafe A schwachem Broriehtaiäthmen y \ öimh*hV
phrmie tjncV ahgescliWüchtem Stimmfremitus. Es betragen die
sprechend. Coustrnireo wir mit diesen Werthei» das Sysiüm,
ziehen für die verschiedenen Punkte a, b, e, d, «. f und g der
Curve die Coordinaten und theilco dieselbe durch eine beliebig
kleine Massein heit, in imserm Falle 4.33 MHHmeten J ) *q erhalten
wir die Öaardinateu für:
Oie Product« aus diesen Werthen sind aW> für a 74.80.
b = p>;hä, c = 150,22, d = 17 r h47. .* = tv 7 f = 209,^5.
g «= UiMw BMulfate aUertiln^if hiikt' »dt
einander übe rein 7 sie drückeij aber midi -dicht den wahren
Vtertb avh der» l’F.ducKui der i *mrd»mnUm au;x. Aonücrn nur
die ProjecHoo dessdben o?«/ die Phdtedbadtv li^r. Wahre V* urib
für die Äbscnsscn .wird - von dem durch Pr^jcai^m gefundenen
WVrtho nicht w &hr woiir difenrefi, da der Thorax itf der
Kichtuög.vou oben txarb rniUa. im gdnjKea u«r wenig .^krümmt
ist, andFfs dagegen der W^rth ttiv die Ordiii#ten, da d« 1 Kiptieu
und durch sie die Pleura- Cosialfa vou der äußeren Haut, der
Proje#li»Rsfiücjie, durch die nach inndn bin stärker entwickelte
Muskeisciiicht des Kückens, weiter c-mtfenit ist. als in den mehr
•juMwih gelegeiivHi Partien, Nach den aufitoiuischen \urbäH-
nis.se ii wird der Parelleli..*mu>' zwischen der Pleura und der
äuss^rn Haut baujdsächUch g^törc durch die tieferen Kn^teK
mnakeln, deren äfeern ßF^rÄüd^&in*;•••dt*r Mltteiiitiie de,t
Körpers aiembeh parallel Jault, .Göliögt; e« uns uiiri durch
Ilechimng eine Grosse »■«.. ‘finden, die der Prujerliou der
Orditiaten addirt. die Produkte ftus Af^Gssen und Ordinatcn
anhüferdd ^Jefehwertbig maebt damiV die Gültigkeit des
oben entwickelten Ge$üUes auch für diesm> Fall ■ bewiesen. Es
sei dies die GrOsve -a. Knie {ü'nfnebe' HctTfichtung .zeigt. dass
das Ptoduet der Coordinaten für den Punkt, g sudi dem wahren
Werkhe am meisten nähert* vo d4«*8 wir ovv als demselben wjt-
au«eb«ri küauen. Pa das Heckterk j: F fßit d©n?
fOö'hreek. aF da.* Keciiteek u j» .gemmf‘>a«u bat so ergmbt eine
Beiraebttui^ der wahren. Verbdass, wetrü and ei n die
Curv*- eine Hyperboi sei-U '-«dl, (^,|t -f- >e) ho ■{- = |>g -p ei>
sein muss oder -Abo 4* äh bo 4*. o^ (|vg + o.p; oder noch
Eiusctijijng der Zaldeuwerthe und GrdfitUig der Glieder <z
(22.0— 8.8)-22«,80 — 74.->«» Und hieran-
rvh d« f - bedf/iriVten, dfg ’p^i.ec
»jj'y %ikk& W»FO«rb WATiÖkgy.!'
a —
3,4
und
22.0.
V =
16.3 «öd 11.0
b =
7,15
und
17,25.
f =
19.75 iöhI lo.t.
e, ;-ir—
10,7
und
uA
g' =
26,u und «,h,
d'Ä
13 J
yttifi
ta.'i.
570
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Ne. 38
jetzt die Producte aus den Coordinaten, so kommen folgende
Werthe: für
a = 226,60, c == 225,56, e = 226,35,
b = 227,91, d = 226,57, f = 226,47,
folglich sind auch die Punkte a, b, c, d, e und f, Punkte einer
Hyperbel.
Eine Reihe anderer Curven, die von verschiedenen Kranken
aufgenommen wurden, liefert dasselbe Resultat in Bezug auf
die Curve selbst. Dass ihre Lage zu dem Coordinatensystem
individuell verschieden, und das Coordinatensystem selbst nicht
immer gleichwinklig ist, bedarf wohl kaum der Erwähnung.
Was die Lage der Curve zu dem Coordinatensystem anbetrifft,
so zeigen sich selbst an Curven, die von demselben Kranken
stammen, aber zu verschiedenen Zeiten aufgenommen sind, be¬
deutende Unterschiede, während das Coordinatensystem nur bei
verschiedenen Kranken Verschiedenheiten zeigt, wie es schon
die beiden oben gewählten Beispiele erkennen lassen.
Dem in den vorhergehenden Zeilen geführten Beweise kann
ich aber nicht allein blos wissenschaftliches Interesse vindiciren;
auch für die Praxis scheint mir derselbe verwerthbar, und
zwar besonders zur Differentialdiagnose zwischen Pneu¬
monie und Pleuritis. Es ist eine allbekannte Thatsache,
dass es in nicht ganz seltenen Fällen trotz der sorgfältigsten
Untersuchung fast unmöglich ist, beide Krankheiten mit Sicher¬
heit von einander zu unterscheiden, und dass selbst dem ge¬
wiegtesten Kliniker Enttäuschungen auf dem Sectionsboden
nicht erspart bleiben. Nach dem obigen wird die Zahl dieser
Fälle bedeutend verringert; denn es gelingt uns schon durch
die Linearpercussion und die dadurch erhaltene Curve die Dia¬
gnose auf Pleuritis zu stellen, natürlich nur in den reinen un-
complicirten Fällen.
IV. Zar Wirkung der Taralunen (Blatte erientalis).
Von
Dr. Koehler in Kosten.
Die Mittheilung Dr. Bogomolow’s über das Antihydropin
(St. Petersb. medic. Wochenschr. No. 31, 1876) veranlasste
mich zur weiteren Anstellung von Versuchen mit den Tara-
kanen, einem Wurme, der zu der Gattung der Gradflügler,
Familie der Läufer gehört. Dieser dunkelbraune, fast schwarze
Wurm, auch Küchenschaabe (Blatta orientalis) genannt, hält
sich bei Bäckern und in feuchten Küchen auf und zeichnet
sich durch seinen schnellen Lauf aus. Bogomolow’s Unter¬
suchungen mit diesen Würmen, einem Volksmittel bei den
Russen, brachten ihn zu folgenden Resultaten: 1) dass die Urin¬
menge sich vermehrt; 2) die Eiweissmenge im Urin kleiner wird;
3) Oedem und Ascites schwindet; 4) das Körpergewicht abnimmt;
5) die Schweissabsonderung sich in der Mehrzahl der Fälle ver¬
mehrt; 6) dass dies Mittel die Verdauung nicht stört, die
Nieren nicht reizt; 7) dass das Präparat Tein sein muss. Seine
Beobachtungen stützt B. auf 9 Fälle von Wassersucht bei
Herzkrankheiten, bei Leber- und Nierenkrankheiten, in einem
Falle bei Morbus Brigthii mit Pleuritis exsudativa. — Fast in
allen Fällen schwand die Wassersucht nach 10 Tagen, bei
einer täglichen Gabe von 0,3 Grm. der gepulverten Tarakanen.
Sechs Monate nach Bogomolow beschreibt Unterberger
(St. Petersb. medic. Wochenschr. No. 34, 1877) vier Fälle von
Wassersucht nach Scarlatina, einen Fall nach Morbilli mit
Eiweisssecretion, die er ebenfalls mit Tarakanen in Dosen
von 0,18 — 0,3 dreimal täglich behandelte. Wassersucht und
Eiweiss aus dem Urin schwanden in allen Fällen sehr schnell,
bei einer vermehrten Urinsecretion. Unterberger giebt jedoch
nicht an, ob er Schweissabsonderung beobachtet hat. Er hat
aber bemerkt, dass Diarrhoe zutrat, was er einer vermehrten
Transsudation zuschreibt, indem auch er der Beobachtung bei¬
stimmt, dass Tarakanen weder den Darmtractus noch die Nieren
reizen.
Meine Beobachtungen basiren auf 13 Fällen von Wasser¬
sucht verschiedenen Ursprunges, die ich in aller Kürze angebe,
bevor ich zur näheren Betrachtung der Resultate übergebe.
1. K. aus Sierakowo, Wirthsfrau, 62 Jahre alt. Atherosis.
Angina pectoris: Oedem der Beine bis über die Kniegelenke.
Kein Eiweiss im Uriti. Nach Anwendung der ^Tarakanen 3 mal
täglich 0,06 Grm schwand das Oedem, zeigte sich aber bald
wieder und schwand wiederum nach Einnahme dieses Mittels.
Die Kranke starb nach 5 Monaten. Nach jedesmaliger Ein¬
nahme zeigt sich auf der ganzen Körperfläche ein leichter
Schweiss — die Urinmenge vermehrt.
2. P., eine Vogtsfrau aus Strzempin, 27 Jahre alt. Ne¬
phritis post partum. Patientin schwoll nach der Entbin¬
dung; 3 Monate nach derselben sah ich sie zum ersten Male.
Oedem der Füsse, der Bauchdecken und der Hände, die Bauch¬
höhle ist mit Flüssigkeit erfüllt. Der gekochte Urin trübt sich
vollständig und giebt einen Klumpen von Eiweiss. Unter dem
Microscop rothe Blutkörperchen, degenerirtes Epithel, breite
und schmale Cylinder, Detritus. Unter Anwendung von Blatta
mit Ferr. lactic. 3 mal täglich in Gaben von 0,06 Grm. starke
Schweissabsonderung, ohne Erhöhung der Temperatur, die Ürin-
menge ist sehr vermehrt, die Wassersucht schwindet schnell.
Nach 2 Monaten kein Oedem, kein Ascites, sie ist schwach,
sonst fühlt sie sich gesund. — Eiweiss im Urin nicht mehr
nachzuweisen. Nach 7 Monaten kam die Kranke von einer
3 Meilen weiten Entfernung zum ersten Male zu mir, kein Ei¬
weiss im Urin.
3. B., Pferdeknecht, 32 Jahre, aus Granowko. Pleuritis
exsudativa dextr. — Oedem der Füsse. Blatta 0,06 Grm.
3 mal täglich, nach 3 Wochen schwand das öedem und Exsu¬
dat. Schweiss zeigte sich fast gleich nach Einnahme des
Mittels, Urinmenge vermehrt.
4. S., Wirthsfrau aus Kielczewo, 58 Jahre. Anaemia
perniciosa Oedem der Füsse und des Gesichts. Blatt, c.
Ferr. — Das Oedem schwand nicht, die Kranke starb nach
5 Wochen. Schweissabsonderung trat nur selten auf, die Urin-
menge war gar nicht vermehrt.
5. J., 14jährige Postmeistertochter aus Czempin. Insuffi-
cientiamitralis nach acutem Gelenkrheumatismus. Die Füsse
nur am Rücken und im Knöchelgelenk geschwollen — hoch¬
gradiger Ascites seit einigen Monaten. Bei Anwendung von
Blatta in obigen Gaben in Verbindung mit Digitalis, sank der
Ascites in der ersten Woche, in der zweiten Woche liess sich
kein Unterschied nachweisen, in der dritten verringerte sich
die Circumferenz des Leibes, und in diesem Masse blieb der
Leib bis zum Tode, der nach 2 Monaten eintrat. Die Kranke
schwitzte sehr, nach dem Schwitzen fühlte sie sich erleichtert,
der Athem war freier. Die Harnmenge vermehrte sich.
6. A., ein Beamter aus Kosten, 54 Jahre. Pericarditis
exsudativa. Patient erhielt Blatt, c. Digit., schwitzte bedeu¬
tend, wie in anderen Fällen auch hier ohne Erhöhung der
Körpertemperatur und Pulsfrequenz. Urinsecretion war ver¬
mehrt. — Das Exsudat verkleinerte sich. Nach 2 Monaten
gesund.
7. F., ein Breslauer Student aus Jerka, 25 Jahre. Mor¬
bus Brigthii. Hochgradiger Ascites, ebenso im hohen Grade
Oedem der Beine und des Gesichts. Vor der Krankheit, die
man vor 6 Monaten erkannt hatte, ein starker, wohlgenährter,
robuster Mann, jetzt abgemagert, schwach. Nach Erwärmung
des Urins gerinnt fast die ganze Flüssigkeit. Unter dem Mi-
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
23. September 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
571
croscop Hyalin- und Epithelial - Cylinder in grosser Menge.
Blatt, c. Ferr. — Schweiss und Harnabsonderung vermehrt;
doch die Eiweissmenge nahm bis zum Tode, der in 2 Wochen
erfolgte, nicht ab.
8. S., Wirth aus Kielczewo, 81 Jahre alt. Arterio-
scelorosis. — Altersschwäche. Oedem der Fusse und
des Scrotums hochgradig. Nach 2 wöchentlicher Anwendung
von Tarakanen schwindet unter Schweiss und vermehrter Urin¬
menge das Oedem vollständig; doch das hohe Alter brachte
den Tod nach 2 7, Monaten.
9. D., ein 47jähriger Gärtner aus Szczodrowo. Nephri¬
tis. Oedem der Fusse, hochgradiger Kräfteverlust. Eiweiss¬
menge im Reagensglase 4 /i- — In 3 Tagen nach Anwendung
von Blatta c. Ferr. — Ei weissmenge V*- Diese Menge erhielt
sich bis zum Tode, der in 6 Wochen eintrat. Das Oedem ver¬
kleinerte sich. — Schweissabsonderung und Urinmenge vermehrt.
10. St, ein 30jähriger Schneider aus Kosten. Morbus
Brigthii. Eiweiss 7*- Kein Oedem, klagt über Schwäche.
Nach Einnahme von 20 Pillen ä 0,06 Grm. Blattae 3 mal täg¬
lich 1 Pille schwand das Eiweiss — worauf er noch 20 Pillen
verbrauchte, die Abuminurie kam nicht mehr zurück; durch
S Monate wurde der Urin 2 wöchentlich untersucht.
11. Br., Arbeiter aus Strzempin, 50 Jahr. Morbus
Brightii. Ascites und Oedem der Füsse. Eiweiss */*• Patient
erhielt Blatta — wobei er schwitzte und mehr Urin abgab. Die
Eiweissmenge verringerte sich immer mehr bei achttägiger Un¬
tersuchung und schwand in 11 Wochen, in welcher Zeit auch
Ascites und Oedem sich verzog.
12. M., Arbeiter aus Czempin, im Alter von 25 Jahren.
Nephritis. Seit 8 Monaten ist Patient geschwollen, die Ge¬
schwulst schwand 2 mal von selbst, jetzt sind seit 27i Woche
die Füsse geschwollen, Ascites. Der stark gebaute Kranke
klagt über allgemeine Schwäche und Athemnoth mit trockenem
Husten. Eiweiss 7*- Eine grosse Menge Hyalin- und Epithelial-
Cylinder, weisse und rothe Blutkörperchen. Nach 9 Tagen unter
Anwendung des Tarakanenpulvers Eiweiss 7, — nach wiederum
10 Tagen Eiweiss 7* — Ascites und Oedem geringer. Bis zum
Tode, der in 3 Monaten eintrat, verringerte sich die Eiweiss-
menge nicht. Schweiss profus — Harnabsonderung war stets
vermehrt. Während der ganzen Zeit hatte er ziemlich breiigen
Stuhlgang dreimal täglich, Schmerzen im Leibe und in der Nieren¬
gegend empfand er nie.
13. S., Landwirth, 28 Jahr, aus Kielczewo. Nephritis.
Bis zu dieser Zeit (17. December 1877) stets gesund, fühlt sich
jetzt aber sehr schwach, die Oberschenkel schwellen am Tage
an — in der Knöchelgegend war nie Geschwulst. Eiweiss l / t .
Blatt, c. Ferr. Am 23. December 1877 der rechte Oberschenkel
nur ein wenig geschwollen, er hat stark geschwitzt ohne Hitze —
Harnmenge sehr vermehrt. Fühlt sich stärker und wohler.
Nur der Schaum an kochendem Urin zeigt Spuren von Eiweiss
an. Salpetersäure und Picrinsäure rufen keine Gerinnung im
Urine hervor. Reit. Blatt, c. Ferr. — 31. December 1877. Ge¬
schwulst ist geschwunden, Schweiss und Harnmenge vermehrt.
Eiweiss l / t . Reit. Blatt, c. Ferr. — 10. Januar 1878. Der Kranke
hält sich für gesund. Eiweiss 7s- Reit. — Am 21. Januar 1878
kein Eiweis. Reit. — 2. Februar 1878. Kein Eiweis. Aus¬
setzen des Mittels. Am 28. Februar, am 19. März und am
10. April kein Eiweiss im Harne nachzuweisen.
Da ich bestrebt war, in aller Kürze den Verlauf der an¬
gegebenen Fälle darzustellen, muss ich noch hinzufügen, dass
bei keinem von diesen Kranken dies Mittel weder den Darm¬
canal noch die Nieren gereizt hat. Anfangs wurden drei Mal
täglich 0,06 Grm., in den letzten fünf Fällen 0,1 Grm. in Pulver¬
form oder Pillen verordnet Diese Dosis ist kleiner, wie sie
Bogomolow und Unterberger anwandte, da jedoch in allen
Fällen Schweiss und vermehrte Harnsecretion auftrat, so war
eine höhere Gabe nicht augezeigt, obgleich Unterberger bei
einem Falle sich überzeugt hat, dass ein Kind 1,38 Grm. auf
einmal ohne Zufälle eingenommen hat. Die tägliche Bestimmung
der Harnmenge war mir nicht möglich, ich musste meine Beob¬
achtungen auf die Angaben der genau befragten Kranken ba-
siren. Das veränderte Körpergewicht zu bestimmen, war ebenfalls
unmöglich; doch habe ich in allen Fällen Schweissabsonderung
ohne Erhöhung der Körpertemperatur, welche binnen einer
Viertelstunde nach dem Einnehmen eintrat und im Zeiträume
von 27, Stunde aufhörte, beobachtet Obgleich Bogomolow
diese Wirkung nur den russischen Tarakanen zuschreibt, wandte
ich nur die einheimischen an. Die leicht mit Aether oder
Chloroform angespritzten lebenden Würmer werden in diesem
betäubten Zustande getrocknet, in Pulver zerrieben und auf¬
bewahrt. Dieses dunkelbraune Pulver hat keinen Geruch, noch
einen eigenthümlichen Geschmack.
Wenn wir nochmals die Fälle zusammenstellen, so sind die
Tarakanen angewandt worden: Arteriosclerosis 2 Mal — Tod.
Nephritis mit Albuminurie 7 Mal — mit gutem Erfolge 4 Mal.
Pleuritis exsudativa 1 Mal mit gutem Erfolge. Anaemia per¬
niciosa 1 Mal — Tod. Pericarditis exsudativa einmal — mit
günstigem Erfolge.
In allen diesen Fällen wurde constatirt, dass die Schweiss¬
und Harnsecretion vermehrt war, dass die Defaecation zwar
eine breiige, doch nicht wässrige war, dass die Geschwulst
sich verringerte oder ^aber ganz schwand, dass die Kranken
sich stets erleichert fühlten und keine Reizerscheinungen von
seiten der Bauchorgane stattfanden, dass das Eiweiss in den
Fällen, wo es im Urine war, in der Menge abnahm oder ganz
schwand. Bei den Kranken mit Atherosis, bei der an perni-
ciöser Anämie und der an Insufficienz der Mitralis leidenden
zeigte sich das Mittel nur als palliativum — eine bessere Wir¬
kung war bei den Fällen Pleuritis und Pericarditis, wo das
Tarakanenpulver unzweifelhaft die Resorption der Exsudate
beschleunigt hat. Der an Pericarditis leidende gebrauchte
zugleich die Digitalis, die, wenn sie auch nicht eine urintrei¬
bende, so doch die Harnsecretion normirende (Lebert) Wirkung
besitzt; doch der Kranke mit Pleuritis bekam ausser Expec-
torantien kein anderes die Resorption beförderendes Mittel.
Viel wichtiger erweist sich die Anwendung dieses
Medicamentes bei Nephritiden mit Albuminurie. Von
den 7 angegebenen Fällen endeten zwar 3 mit dem Tode; doch
war der Organismus dieser Kranken im höchsten Grade zer¬
rüttet und geschwächt, die Kräfte fast vollständig aufgehoben.
Die Beobachtung No. 2, 10, 11, 13, mit Zurechnung der 6 Fälle
Bogomolow’s und 5 Unterberger’s berechtigen im hohen
Grade zur weiteren Anwendung dieses Mittels, welches sich
ausserordentlich wirksam gezeigt hat. Da im Falle 11 und
13 fast gar keine Erscheinungen von Wassersucht waren und
demnach nicht gegen diese, sondern direct gegen die Albumi¬
nurie dies Mittel gewirkt hat, so muss man es nicht nur bei
Wassersüchten, sondern auch schon dann anwenden, wenn
im Urine Eiweiss nachgewiesen worden ist. Der Mangel
an urintreibenden und Schweiss ohne Erhöhung der Temperatur
befördernden Mitteln (Jaborandi und Pilocarpin haben ihre
Unbequemlichkeiten), der Mangel weiter eines sicheren Mittels
gegen die Brigth’sche Krankheit empfiehlt die Blatta orientalis
zu weiteren Versuchen.
Der Harn wurde stets drei Proben unterzogen: er wurde
gekocht, mit Salpetersäure versetzt und zu einer gesättigten
Picrinsäurelösung zugetröpfelt.
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572
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
V. Referat.
H. Quincke: Weitere Beobachtungen über pernieiÖse An-
aemie. Deutsches Archiv f. kliu. Medicin, Bd. XX, Heft 1 u. 2.
Q. erweitert und vervollständigt seine frühere Mittheilung über per-
niciöse Anaemic (Volk mann’s klin. Vorträge No. 100) durch 11 neue
Fälle, welche in ihrer Gesammtheit der schon früher vom Verf. aus¬
gesprochenen Ansicht, „dass die pemiciöse Anaemie, wie die Anaemie
überhaupt, das Product sehr verschiedener krankhafter Vorgänge ist
und die höchste Potenz der Anaemie darstellt, und dass wir es bei
derselben nicht mit einem einheitlichen Krankheitsprocess, sondern mit
einem pathogenetisch sehr verschiedenen, wenn auch symptomatisch
characteristischen Krankheitsbilde zu thun haben“, eine neue und
breitere Basis geben. Denn unter den veranlassenden Momenten fand
sich bei der „perniciösen Anaemie“ eine ebenso grosse Mannigfaltigkeit,
wie bei den gewöhnlichen Anaemien, und im speciellen ganz dieselben
Schädlichkeiten wie bei diesen. Auch Q. konnte wie Müller u. a.
Blutverluste und Hämopthise in Folge abnormer pathologischer oder
physiologischer Ausgaben (Puerperien, Lactationen, Durchfälle etc.) und
Anhämatose (mangelhafte Blutbildung in Folge gestörter Verdauung)
als erste Ursachen erkennen, auch Q. sah, wie Müller, die Krankheit
scheinbar ohne jede Veranlassung auftreten, und darin eine weitere
Uebereinstimmung mit den alltäglich vorkommenden gewöhnlichen An¬
aemien. Beide Zustände, die gewöhnliche und pemiciöse Anaemie, sind
daher nur graduell verschieden, und es ist eine scharfe Grenze zwischen
beiden nicht nur nicht zu ziehen, sondern es können sogar Uebergangs-
formen von dem einen in den anderen Zustand beobachtet werden, wie
ja auch die Bezeichnung „peraieiös“ nicht gerade eine absolut letale
Prognose in sich begreifen darf, nachdem bereits eine ganze Zahl geheilter
Fälle (Q. hat unter seinen 11 Fällen nur 2 letale) bekannt sind. Von
besonderem Interesse sind die Blutuntersuchungen Q.’s. Sie haben ein¬
mal die Zählung der Blutkörperchen nach der Melassez’schen Methode
und ihre microscopische Untersuchung, sodann die Schätzung der Ge-
sammtblutmasse der Individuen, bei welchen die Transfusion au9geführt
wurde (Methode von Valentin) zum Gegenstand. So ergab sich die
Zahl der Körperchen auf a / 8 —*/ 10 , ja bis auf v„ der Norm vermindert,
und die Gesammtblutmasse auf etwa die Hälfte verkleinert, indem sich
4,34 und 5,0 pCt. des Körpergewichts gegen 8 pCt. in der Norm heraus¬
stellte. Die Veränderung der Form der körperchen wird nochmals
genauer beschrieben und der Name Poicilocytose wegen ihrer an
Form und Grösse so starken Verschiedenheit für diesen Zustand des
Blutes Abgeschlagen. Sie kann sehr stark ausgesprochen sein, nur
andeutungsweise Vorkommen, ja selbst ganz fehlen, ohne diagnostische
oder prognostische Schlüsse zu erlauben, und ist für die pernieiÖse
Anaemie nicht von pathognomonischer Bedeutung. Einigermassen
eharacteristisch dürfte dagegen die im Centrum der Netzhautblutungen
(Q. sah letztere nur in einem Fall fehlen) auftretenden grauen bis
graurothen Flecke, bald scharf abgegrenzten, bald verwachsenen sein,
wodurch sich dieselben von den meisten anderen Netzhautblutungen
unterscheiden. Sie liegen meist in den inneren, dem Glaskörper zu¬
gewendeten Schichten der Netzhaut, und selten zwischen Retina und
Chorioidea. — Die Aveitere Analyse der Fälle bestätigt die früheren
Ergebnisse, ohne zu neuen Gesichtspunkten zu führen. Dies gilt mit
Ausnahme der Transfusion auch von der Therapie. Erstere wurde in
5 Fällen (arteriell) ausgeführt, von denen 2 einen offenbar günstigen
Einfluss erkennen liessen. Die unmittelbar nach der Transfusion ver¬
mehrte Zahl der Blutkörperchen nahm in den folgenden Tagen zwar
wieder ab, doch scheint der Zerfall nur allmälig einzutreten und*,unter
günstigen Bedingungen ein Fortleben der eingespritzten Zellen zum
mindesten für einige Tage, und so gewissermassen eine Sublevation des
Organismus möglich zu sein. In 3 Fällen folgte der Transfusion unmittel¬
bar ein durch Frost eingeleitetes mehrstündiges Fieber. Zweimal fand sich
nach der Transfusion. Eiweiss, Blutfarbstoff und Cylinder im Urin. Hier¬
für giebt Q. die vom Ref. schon 1875 ausgesprochene Erklärung (in der
unter seiner Leitung angefertigten Dissert. von Heinrici, Drei Fälle
von Transfusion) der giftigen Wirkung des gesunden auf das kranke Blut.
Trotzdem hält Q. die Transfusion in massiger Dosis (50—100 Cctm.)
für indicirt, wenn sich auch eine Prognose derselben bei dem heutigen
Stand unserer Kenntnisse noch nicht stellen lässt.
Ewald.
VI. Verhandlugei ärztlicher Gesellschaften.
Berliner medicinisehe Gesellschaft.
Sitzung vom 27. März 1878.
Vorsitzender: Herr von Langenbeck.
Schriftführer: Herr B. Frankel.
Das Protokoll der vorigen Sitzung wird verlesen und angenommen.
Vom Rector der Universität in Paria ist die Gesellschaft cingeladen
worden, bei der Enthüllung des Vo 1 ta-Denkmals am 28. April ver¬
treten zu sein. Der Herr Vorsitzende ersucht Mitglieder, die die Ver¬
tretung der Gesellschaft übernehmen wollen, sich zu melden.
T. Herr Jaques Mayer: Zur Lehre von der Glycogenbildung
in der Leber.
Seitdem Claude Bernard und Heusen unabhängig von einander
das Glycogen in der Leber nachgewiesen haben, wurden zahlreiche Ver¬
No. 38
suche an Thieren gemacht, um die Entstehung und die Bedeutung dieser
Substanz im thierischen Organismus näher kennen zu lernen. Fütterungs
versuche von CI. Bernard, Tscherinoff, Schmidt, Pavy, Luch¬
singer, Salomon, Weiss, Dock u. v. a. haben in Bezug auf die
Bildung des Glycogens in der Leber zu drei verschiedenen Theorien
geführt.
I. Anhydrisirungstheorie, wonach das Glycogen durch Wasserabgabe
des Zuckers entsteht.
II. Ersparnisstheorie, wonach das aus Eiweissderivaten gebildete
Glycogen in der Leber unversehrt erhalten bleibt, indem die dem Körper
zugeführten Kohlenhydrate oder andere leicht oxydirbai e Moleciile anstatt
des ersteren zur Verwendung gelangen.
III. Die Schiff’sche Theorie, wonach das Glycogen in der Leber
aus dem Inosit der Muskeln entsteht.
Was die Bedeutung des Glycogens und sein Schicksal in der Leber
anbelangt, so soll es nach CI. Bernard zu dem Zwecke daselbst ange¬
häuft werden, um allmälig auch unter physiologischen Verhältnissen in
Zucker umgewandelt zu werden und ins Blut überzutreten. Andere
Forscher hingegen nehmen das Glycogen für die Bildung von Fett in
Anspruch.
Wie sehr auch die Ansichten über diesen Punkt auseinander gehen,
und wie wenig namentlich die Anschauungen von Pavy und Bernard
übereinstimmen, im Diabetes mellitus scheint nach der Auffassung des
Vortragenden den An hau fungs Verhältnissen des Glycogens in der Leber
eine wichtige Rolle zuzukomraen.
Nach CI. Bernard wäre es der Sympathicus, unter dessen Einflass
auf synthetischem Wege die Glycogenbildung in der Leber vor sich geht.
Die Vasomotoren des Sympathicus lässt er als Vasoconstrictoren in die
Leber gelangen. Während Schiff durcH Durchschneidung des Rücken¬
marks in verschiedenen Höhen Diabetes zu erzeugen vermochte, fand
Bernard, wenn er das Rückenmark zwischen letztem Hals- und erstem
Brustwirbel \ T erletzte, das Blut und die Leber arm an Zucker, die Leber
andererseits reich an Glycogen.
Der Vortragende erinnert ferner an die neuen Gesichtspunkte, die
uns für die Beurtheilung der Circulations- und Seecretionsverhältnissc
im Organismus durch die Arbeiten von Pflüger, Goltz, Heidenhain.
Luchsiuger und Adamkie witsch erschlossen worden sind, und heb:
insbesondere hervor, dass nach Pflüger, der die Nervenendigungen
der Leber durchforscht hat, die Nervenfasern die Vorgänge in den Drüsen¬
zellen unmittelbar und nicht durch Zwischenglieder, etwa durch Aende-
rungen in derBlutcirculation, beeinflussen, und dass nach Goltz, der
im Rückenmark in seiner ganzen Länge selbständige Centren für den
Gefäss-Tonus gefunden hat, dieser letztere der Hauptsache nach von
gewissen selbständigen Endvorrichtungen abhängt, die in den Gefassen
selbst oder in deren unmittelbaren Nähe liegen.
Er bespricht dann den Plan seiner Arbeit, die er im Laboratorium
der Klinik des Herrn Geheimrath Leyden ausgeführt, und in der er
sich die Aufgabe gestellt hat, den Einfluss der Rückenmarksdurchtrennung
in verschiedenen Höhen auf die Glycogenbildung in der Leber zu prüfen,
und setzt die Methode und die Versuche ausführlich auseinander. -
Es wurden Zuckerinjectionen einer 10°/«igcn Lösung in die Vena jugularis
von hungernden Kaninchen gemacht in vier Versuchsreihen, von denen
jede acht Versuche umfasst. In der ersten Versuchsreihe war da>
Rückenmark intact; in der zweiten war es vorher zwischen fünftem und
sechstem Halswirbel getrennt worden, in der dritten Versuchsreih’?
zwischen letztem Hals- und erstem Brustwirbel und in der vierten end¬
sieh zwischen zweitem und drittem Brustwirbel.
Einige Stunden, nachdem die Injection gemacht worden war, wurde
dem Versuchsthiere der Harn entleert, eine bestimmte Quantität Blut
entzogen, und dann erfolgte die Tödtung durch Halsschnitt.
Aus den quantitativen Bestimmungen des Glycogens, des Blut- und
Harnzuckers ward es nun ersichtlich, welchen Effect der vorhergegangent
Eingriff (die Durchtrennung des Marks) auf die Verwendung des in den
Körperkreislauf gebrachten Traubenzuckers gehabt hatte.
Die Resultate seiner Versuche zusammenfassend, kommt der Ym-
trageude zu folgenden Schlüssen:
I. Glycogenfreie Lebcrzellen können aus dem in den Körperkreislau:
gebrachten Traubenzucker eine beträchtliche Menge Glycogen bilden.
II. Ausser der Leber und dem Blute müssen noch andere Orte im
Organismus vorhanden sein, wo der Zucker als solcher oder in Form
: von Glycogen aufgespeichert wird.
! III. Rückenmarksdurchtrcnnung, gleichviel zwischen fünftem und
! sechstem Halswirbel, zwischen letztem Hals- und erstem Brustwirbel,
zwischen zweitem und drittem Brustwirbel verhindert nicht, dass der in
den Kreislauf des Thierkörpers gebrachte Traubenzucker zum Theile in
demselben zurück gehalten wird und im Stoffwechsel der Gewebe z& r
Verwendung kommt,
IV. Rückcnmarksdurchtrennung zwischen fünftem und sechstem
Halswirbel wirkt in beträchtlichem Grade hemmend auf die Glycogen*
bildung (in der Leber) aus dein in den Körperkreislauf gebrachten
Zucker, ohne jedoch vermehrte Zuckeraiisscheidung im Harn zu ver¬
ursachen.
V. Durchtrennung des Marks zwischen letztem Hals- und erstem
Brustwirbel hat vermehrte Glycogenbildung (in der Leber) aus dem m
den Körperkreislauf gebrachten Blute zur Folge, ohne dass der Zucker¬
gehalt des Blutes vermindert wird.
VI. Durchtrennung des Marks zwischen zweitem und drittem Brust¬
wirbel hat verminderte Glycogenbildung (in der Leber) aus dem in den
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
23. September 1S78.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
573
Körperkreislauf gebrachten Zucker zur Folge und verursacht eine be¬
trächtliche Verwendung des letzteren in den Geweben des Organismus.
(Die ausführliche PubScation dieser Arbeit wird in Pflüger’s Archiv
erfolgen.)
2. Herr P. Guttmann: Ueber physiologische Wirkung und
therapeutische Anwendung des Wasserstoffsuperoxyds,
Der Vortragende hat zu seinen Versuchen eine englische Wasser¬
stoffsuperoxyd-Lösung benutzt, welche seit mehreren Jahren als Bleich¬
mittel technische Verwendung gefunden hat und sich vor den bisherigen
Präparaten des Wasserstoffsuperoxyds durch ihre Unzersetzlichkeit aus¬
zeichnet. Die Haltbarkeit der Lösung ist wohl ohne Zweifel dadurch
erreicht, dass sie sehr verdünnt ist (sie tragt das Etiquet Peroxide of
Hydrogen. 10 Volumes) und dass sie, wie ihre Reaction zeigt, etwas
Säure enthält. Die Lösung ist wasserhell, geruchlos, hat ein spec.
Gewicht von nur 1,006; ihr Gesehmack ist leicht bitter und adstringi-
reni. G. hat sich von der Unzersetztlichkeit dieser Lösung, mit der er
nun schon seit einem Jahre Versuche angestellt hat, überzeugt. Sie
zeigt die bekannte Eigenschaft des Wasserstoffsuperoxyds, beim Contact
mit thierischen sowie mit vielen pflanzlichen Geweben und ebenso im
Contact mit niedrig oxydirten metallischen Verbindungen in Wasser
und Sauerstoff zu zerfallen. Eine entfärbende Wirkung auf das Blut
hat sie nicht, bei Mischung mit derselben blieben die beiden Absor¬
ptionsstreifen des Oxyhämoglobin bestehen.
Injicirt man 4 Cctm. subcutan einem Kaninchen, so bekommt es alsbald
heftige Dyspnoe, clonische Convulsionen und geht unter diesen Erstickungs¬
erscheinungen innerhalb weniger Minuten zu Grande, ebenso — unter
den gleichen, nur etwas weniger stürmischen Erscheinungen — nach
subcutaner Injection von 2 Cctm., ja selbst, wenn nur eine Pravaz-
sche Spritze von nur etwas über */ 4 Cctm. Inhalt an Wasserstoffsuper¬
oxyd einem kleinen Kaninchen subcutan injicirt wird, geht es nach
15—20 Minuten unter Erstickungserscheinungen zu Grunde. Bei der
Obduction der Thiere sieht man in der Vena cava inferior, im rechten
Vorhof und rechten Ventrikel ein mit zahllosen Gasblasen erfülltes,
ganz schaumiges Blut. Das Herz schlägt noch einige Zeit nach dem
Tode fort. — Bei Fröschen, denen man das Herz blosgelegt hat, kann
man nach Injection von Wasserstoffsuperoxyd (subcutan oder in den
Magen) den Eintritt der Gasblasen in das Herz schon mit blossem Auge,
noch besser mit der Loupe sehen. Schon 1 Minute nach subcutaner,
etwas später nach Injection in den Magen, sieht man die ersten Gas¬
bläschen in das Herz und dann in die Aorta eintreten; sehr bald, meist
nach wenigen Herzcontractionen, werden die Gasblasen aus der Aorta
nicht mehr in die feineren Gefässe gepresst, weil sie durch Confluenz
zu gross geworden sind; sie bilden in der Aorta, welche durch die
Luftbläschen ausgedehnt wird, eine kleine, sich nur ein wenig hin und
her schiebende Luftsäule. Durch die einige Zeit hindurch in das Herz
neu nachrückenden, und in die Aorta nicht fortgepressten Gasbläschen,
werden die Vorhöfe ausgedehnt, der Ventrikel erhält wenig Blut und
pulsirt allmälig schwächer; niemals aber kommt es zu einem Stillstand
des Herzens. Nach einiger Zeit verschwinden die Gasbläschen wieder
aus dem Blute, wovon man sich bei Fröschen überzeugt, denen man
24 Stunden nach subcutaner Injection von 1 Ccm. Wasserstoffsuperoxyd
das Herz bloslcgt; man sieht dann durchaus normale Herzpulsationen
und keine Spur von Gasblasen. Nur wenn man zu viel, z. B. 2 Ccm.
injicirt hat, geht auch ein Frosch zu Grande, weil die durch die zahl¬
losen Gasblasen entstehende Circulationshemmung dann zu lange an¬
dauert. — Bei Kaninchen tritt der Tod nach subcutaner Injection von
Wasserstoffsuperoxyd in Folge der Verstopfung der Pulmonal-
gefässe durch die zahllosen Gasblasen ein. Er ist wesentlich identisch
mit dem ebenfalls fast plötzlich eintretenden Tode nach Einfühmng einer
grösseren Menge von Luft in die Jugularvencn. Betreffs der Frage, an
welchen Stellen der Lungenblutbahn die Verstopfung durch die Gas¬
bläschen erfolge, insbesondere, ob die Gasbläschen in die Lungencapillaren
eindringen, hat der Vortragende Versuche in der Weise angestellt, dass
er den Lungenkreislauf an curarisirten Fröschen (mittelst der Holmgren-
schen Vorrichtung) microscopisch beobachtete, vor und nach Injection
von Wasserstoffsuperoxyd. Es zeigte sich, dass nach der Injection von
Wasserstoffsuperoxyd der Lungenkreislauf still stand, dass aber ein Ein¬
tritt von Gasbläschen nicht einmal in die unter dem Gesichtsfelde
liegenden Arterien, geschweige in die Capillaren stattgefunden hatte.
(Nur in einem einzigen Versuche war in einer Arterie grösseren Calibers
eine Luftblase zu bemerken.) Man kann also aus diesen Versuchen
schliessen, dass auch in die Lungencapillaren von Säugethicren Sauer¬
stoffbläschen nicht eindringen; sie sind eben zu gross und bleiben daher
sehon in den Verzweigungen der Pulmonalarterien stecken.
Der Vortragende hat ferner Versuche darüber angestellt, ob es
möglich sei, ein Thier ^ach subcutaner Injection von Wasserstoffsuper¬
oxyd dadurch am Leben zu erhalten, dass ihm gleichzeitig eine Sub¬
stanz von niedriger Oxydation, die aber einer höheren Oxydation fähig
ist, injicirt wird. In 3 Versuchen wurde nun bei Kaninchen auf der
einen Bauchseite Wasserstoffoxyd, und zwar eine Pravaz’sche Spritze —
die niedrigste Dosis, welche nach den Beobachtungen des Vortragenden
noch letal wirkt — injicirt, und gleichzeitig auf der anderen Bauchseite
2 Pravaz’sche Pritzen einer 20° /0 igen Lösung von schwefelsaurem
Eisenoxydul. Die 3 Thiere blieben leben, sie zeigten aber wenn auch
nur mässige Dyspnoe, woraus hervorging, dass Sauerstoffentwieklung
eingetreten war. Controlversuche an Fröschen zeigten nun, dass der
aus dem zerfallenden Wasserstoffsuperoxyd entwickelte Sauerstoff nicht
gebunden wird an das schwefelsaure Eisenoxydul. Denn an blossgelegten
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Herzen von Fröschen konnte G., nachdem auf der einen Oberschenkel¬
seite Wasserstoffsuperoxyd, auf der anderen schwefelsaures Eisenoxydul
(oder auch Jodkalium) gleichzeitig, resp. das schwefelsaure Eisenoxydul
noch etwas früher als das Wasserstoffsuperoxyd, injicirt war, den Eintritt
der Gasbläschen in das Herz sehen. Ob die Zahl derselben bei diesen
Versuchen ebenso gross war, als wenn nur Wasserstoffsuperoxyd — und
nicht gleichzeitig schwefclsaures Eisenoxydul — injicirt war, liess sich
nicht erairen. — Die Erhaltung des Lebens der 3 Kaninchen möchte G.
nicht für einen Zufall erklären; vielleicht wurde ein Theil des ent¬
wickelten Sauerstoffs an das schwefelsaure Eisenoxydul gebunden, in
diesem Falle aber konnte das Leben erhalten bleiben, indem die übrig
gebliebene Menge von Sauerstoff aus dem zerfallenen Wasserstoffsuper¬
oxyd sich unterhalb der Grenze befand, welche letal wirkt, denn nach
den Versuchen von G. wirkt V* Cctm. Wasserstoffsuperoxyd, also */* Pra-
vaz’sche Spritze nicht letal.
Eine andere, sehr interessante Eigenschaft des Wasserstoffsuperoxyds
fand der Vortragende in dessen antiseptischer Wirkung. 10 Cctm.
Ham mit 1 Cctm. Wasserstoffsuperoxyd gemischt, war nach 9 Monaten
nicht in die alkalische Gährang übergegangen. Ebenso ging eine Flüssig¬
keit, die Reste von rohem Fleisch enthielt und nach Wasserstoffsuper¬
oxydzusatz einer hohen Sonnenwärme Tage lang ausgesetzt war, nicht
in Fäulniss über, während dieselbe Flüssigkeit ohne Zusatz von Wasser¬
stoffsuperoxyd nach wenigen Tagen zahlreiche Bacterien zeigte. Auch
Traubenzuckerlösung, welcher Bierhefe und gleichzeitig Wasserstoffsuper¬
oxyd zugesetzt war, ging, trotzdem sie 10 Tage lang einer Temperatur
von 35* C. im Luftbade ausgesetzt gewesen, nicht in Gährang über,
während dieselbe Flüssigkeit ohne Zusatz von Wasserstoffsuperoxyd bei
35* C. schon nach 3 Stunden in Gährang über ging.
Was die therapeutische Wirkung des Wasserstoffsuperoxyds betrifft,
so hatte Stöhr (1867) sehr günstige Erfahrungen in seiner Anwendung
bei weichen Genitalgeschwüren gesehen. Es wurde von multiplen weichen
Schankern auf beide Oberschenkel geimpft, und die auf der einen Ober¬
schenkelseite entstandenen Geschwüre wurden fortdauernd mit einer
mehr oder minder concentrirten Wasserstoffsuperoxydlösung benetzt, die
Geschwüre der anderen Oberschenkelseite dagegen nicht oder in anderer
Weise behandelt Stöhr kam zu dem Resultat, dass die Heilungs¬
dauer des weichen Schankers durch Wasserstoffsuperoxyd abgekürzt wird,
fast um die Hälfte der Zeit, die eine andersartige Behandlung bean¬
sprucht. Die Impffähigkeit des Schanker- und Buboneneiters wird durch
Wasserstoffsuperoxyd vernichtet. G. hat diese Versuche in 6 Fällen von
multiplen weichen Schankern mit dem englischen Wasserstoffsuperoxyd
wiederholt. Eine rasche Heilung trat in 2 Fällen, wo die Kranken fast
ununterbrochen die Schanker mit der Flüssigkeit benetzt erhielten, und
zwar nach 6, resp. nach 7 Tagen ein; in den anderen Fällen, wo die
Wasserstoffsuperoxydlösung nur einige Male am Tage auf die Geschwüre
aufgetragen wurde, liess sich die günstige Wirkung in Bezug auf Ab¬
kürzung der Heilung nicht beobachten. Beim Aufträgen der Flüssigkeit
sieht man zahllose Bläschen sich bilden, die Geschwürsfläche wird weiss.
G. hat ferner das Wasserstoffsuperoxyd in 2 Fällen von Diphtheritis
faucium und in mehreren Fällen von Mundgeschwüren mit Nutzen an¬
gewendet.
Innerlich ist das Wasserstoffsuperoxyd von Richardson (Lancet,
April 1862) in 223 Krankheitsfällen versucht worden; darunter waren
die Hälfte Phthisiker, die andere Hälfte vertheilt sich auf verschiedene
Krankheitscategorien, Anämien, Tussis convulsiva, Bronchitis, Mitralfehler,
Diabetes, Strumen u. a. Er benutzte eine Thenard’sche Solution mit
10 Vol. disponiblem Sauerstoff, also dasselbe Lösungsverhältniss, wie in
dem von G. angewendeten Präparate; es wurde davon 1 Drachme bis
l /i Unze in beliebiger Quantität von Wasser gegeben. Die Wirkung
zeigte sich unter anderem in Verbesserung der Verdauung. Bei Tussis
convulsiva „kürzte es den Paroxysmus ab“, in 3 Fällen von Struma
„brachte es die Anschwellung zum Verschwinden gleich Jod“, in den
späteren Stadien der Phthisis „erleichterte es die Athemnoth“ (?). Bei
Diabetes soll, wie auch Thompson und Gibbon gefunden, der Zucker¬
gehalt danach abnehmen, aber die Harnmenge steigen. Als unangenehme
Wirkung des Wasserstoffsuperoxyds wurde in einigen Fällen profuse
Salivation beobachtet. — G. hat das Wasserstoffsuperoxyd innerlich bis
jetzt in 21 Fällen von chronisch - dyspeptischen Zuständen versucht
(10 Grm. der Lösung auf 200 Wasser, 3—4 Mal täglich einen Esslöffel).
In einigen Fällen war der Erfolg ein ganz eclatanter, nur in wenigen
Fällen war es wirkungslos. Eine Salivation hat G. nie beobachtet; nur
bildet sich durch theilweisen Zerfall des Wasserstoffsuperoxyds schon
im Munde etwas schaumige Flüssigkeit. G. glaubt, das Wasserstoff¬
superoxyd für chronische Catarrbe des Magens empfehlen zu können.
Herr B. Fränkel bestätigt nach seinen Versuchen die ausgezeich¬
nete antiseptische Wirkung des Wasserstoffsuperoxyds, die er aber etwas
schwächer gefunden, als die der Carbolsäure. Therapeutisch habe er
das Wasserstoffsuperoxyd gegen weiche Schanker, allerdings in nicht
genügend strenger Weise, versucht, ohne besondere Erfolge gesehen zu
haben. Dagegen habe es als Mundwasser in einem Falle von Fötor oris
ausgezeichnete Dienste geleistet.
Herr Seligsohn bemerkt, nach den Beobachtungen eines russischen
j Chemikers fände sich Wasserstoffsuperoxyd constant im atmosphärischen
j Niederschlag; es sei deshalb möglich, die sonst dem Ozon zugeschriebene
reinigende Eigenschaft der Luft auf diesen Körper zu beziehen,
l Herr Schwerin hat im Liebreich’schen Laboratorium mit einem
| anderen Präparat desselben Körpers, dem Schering’schen Wasserstoff¬
superoxyd, Versuche angestellt und kann die Ergebnisse der Guttmann-
Qriginal fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
574
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 38
sehen Experimente bestätigen. Bei subeütaner Anwendung einer 10%igen
Lösung gingen Kaninchen erst nach sechs Provaz’schen Spritzen voll
zu Grunde, bei geringerer Dosis wurden sie dyspnoetisch, erholten sich
aber wieder. Bei 6 Spritzen trat der Tod unter den von Herrn Gutt-
mann geschilderten Erscheinungen ein, nur beobachtete Schwerin
vor dem Eintritt der Convulsionen eine Parese der hinteren Extremitäten.
Die Erklärung des Herrn Guttmann über das Eindringen des
Sauerstoffgases in der Circulation stände im Widerspruch mit den Ver¬
suchen von Assmuss und Alex. Schmidt, die 20 Cctm. Luft in die
Venen eines Kaninchens injicirten und kein Vordringen derselben beob¬
achten konnten.
Die interne Anwendung von Wasserstoffsuperoxyd scheinen Kaninchen
eher ertragen zu können wie Hunde. Immer trat Tympanie des Magens
ein; bei Hunden aber schon nach 15 Cctm. convulsorisches Erbrechen
schaumiger Massen. Es sei dies um so erwähnenswerther, als Hunde
durch subcutanc Injection von selbst 20 Cctm. nicht getödtet wurden.
Durch die catalytische Wirkung bildeten sich bei ihnen, wie bei den
Kaninchen, Emphyseme in der Umgebung der Injectionsstelle, es scheine
aber nicht zu einer Resorption unzersetzten Wasserstoffsuperoxyds zu
kommen; denn erst wenn eine gewisse Spannung erreicht sei, scheine
die Zersetzung von Wasserstoffsuperoxyd aufzuhören und dasselbe rein
resorbirt zu werden. So erkläre sich die unschädliche Wirkung der
Injection kleinerer Mengen.
Wasserstoffsuperoxyd im Ueberschuss zu Hühnereiweiss hinzugesetzt
bewirke, dass dieses die Eigenschaft iri der Siedehitze zu gerinnen
verliere.
Herr Steinauer bestätigt nach eigenen Versuchen die Beobachtung
des Herrn Schwerin, dass sich die letale Wirkung der Injection von
Wasserstoffsuperoxyd auf Pflanzenfresser beschränke, während Hunde
davon verschont bleiben. Ein Analogon für die antiseptische Wirkung
des Wasserstoffsuperoxyds biete dieselbe Eigenschaft der Jodsäure, die
Binz kürzlich festgestelt habe.
Herr P. Guttmann: Herrn B. Frankel erwiedere ich, dass
ich — wie schon erwähnt — nach Mischung von 10 Cctm. Harn mit
1 Cctm. Wasserstoffsuperoxyd noch nach 9 Monaten keine Gährung
des Harns beobachtet habe; auch in dem Verhältniss von 20 Harn zu
1 Cctm. Wasserstoffsuperoxyd wurde die Gährung Monate lang verhin¬
dert. Versuche, welche ich gleichzeitig mit Carbolsäure angestellt habe,
zeigten, dass Harn mit l° 0 iger Carboisäurelösung gemischt (in dem
Verhältniss von 10 : 1) nach ebenso langer Zeit ebenfalls nicht in Gäh¬
rung übergegangen war. — Herrn Schwerin erwiedere ich, dass das
Hinstürzen der Kaninchen nach subcutaner Injection von Wasserstoff¬
superoxyd nicht in einer auf die hinteren Extremitäten beschränkten
Parese seinen Grund hat; Thiere, die der Erstickung nahe sind, können
sieh eben nicht mehr auf den Extremitäten halten, sie stürzen hin.
Wenn Herr Schwerin erst nach grösseren Dosen als ich den Tod der
Thiere eintreten sah. so ist vermuthlich das von ihm benutzte Wasser¬
stoffsuperoxyd diluirter als das meinige. — Dass eine geringe Menge
von Wasserstoffsuperoxyd nicht tödlich wirkt, erklärt sich einfach daraus,
dass dann die Menge der sich entwickelnden Sauerstoffbläschen nicht
gross genug ist, um durch plötzliche Verstopfung der Lungenblutbahn
den Kreislauf zu sistiren.
Herr B. Frankel bemerkt, zu seinen antiseptischen Versuchen habe
er je 10 Cctm. desselben frischgelassenen Harnes in verschiedene Reagens-
gläschen gefüllt. Hierzu habe er gesetzt: a) von einer 2%igen Carbol-
säurelösung: 1) 2 Cctm., 2) 4 Cctm., 3; 6 Cctm.; b) von der Wasser¬
stoffsuperoxydlösung (10 auf 40 Aqu. dest.): 4) 1 Cctm., 5) 2 Cctm.,
6) 3 Cctm. u. s. w. Nun sei in 4, also bei Zusatz von 1 Cctm. Wasser-
stoffsupcroxydlösung Gährung eingetreten, bei den übrigen Versuchen
sowohl mit Carbolsäure wie mit Wasserstoffsuperoxydlösung jedoch nicht.
VIL Feuilleton.
Die 51. Versammlung deutcher Naturforscher und
Aerzte in Cassel.
Die 51. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Cassel
wurde am 11. September im Lagersaale der Actienbrauerei eröffnet,
nachdem Abends zuvor die Begrüssung der Gäste daselbst stattgefunden
hatte. Das freundliche Entgegenkommen von seiten der Bewohner
Cassels, welches sich bis hinab zur Jugend erstreckte, die Zuvorkommen¬
heit, durch welche sich letztere beim Empfang der ankommenden auf
dem Bahnhofe auszeichnete, die vielfachen Bemühungen des Comites,
welches es verstanden hat, eilten einfachen Lagerraum, freilich mit einem
Kostenaufwandc von 6000 Mark, in eine elegante Versammlungshalle für
die allgemeinen Sitzungen herzustellen, die mit Emblemen und Guir-
landen i eich lieh geschmückt, etwa 3000 Personen fassen konnte: alles
dies hätte wohl eine zahlreichere Theilnahme verdient, als sie in diesem
Jahre thatsächlich gewesen ist. Soll man diese schwache Betheiligung
als ein Zeichen abnehmenden Interesses an den Naturforschervcrsamm-
lungen auffassen, oder ist sie in rein äusserlichen Momenten zu suchen,
vielleicht in der Ungunst der Zeitverhältnisse, unter denen nicht am wenig¬
sten auch der Arzt leidet. DieseFrage wird sich noch nicht entscheiden lassen,
jedenfalls hat die Zurückverlegung der Versammlung um 8 Tage einen
gewissen Einfluss auf die Frequenz ausgeübt, weil zu dieser Zeit die
Bad**saison noch nicht beendet, und ein nicht geringer Theil der son¬
stigen Besucher im Interesse ihres Berufs oder aus anderweitigen Rück-
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sichten fern bleiben musste. Angemeldet waren bis zum 11. September
höchstens etwa 750 Mitglieder und Theilnehmer, von denen etwa 350
auf Cassel selbst fielen, und die Zahl der später Angemeldeten dürfte
kaum noch 200 erreicht haben.
Die erste allgemeine Sitzung wurde von dem Vorsitzenden Herrn Ge-
heim-Räth Stilling um 9 Uhr mit einer Ansprache eröffnet, in welcher
er darauf hinwies, dass Cassel nicht die grossartigen Institute bedeutender
Universitätsstädte besitze, dass die Versammlung aber darauf von vorn¬
herein verzichtete, als sie Cassel zum Versammlungsorte wählte, weil sie
jenem Wcltweisen gleich auch von sich sagen können, dass sie alles das,
was sie gebrauche, mit sich führe. Es gleiche die Versammlung einer
Anzahl befreundeter Familien, die ausserhalb ihrer Behausung ein Fest
veranstalten, zu welchem jede derselben die besten und schmackhaftesten
Leckerbissen aus ihrer Speisekammer als Gemeingut der Gesellschaft
darbringen. Hierauf gab er einen geschichtlichen Ueherblick über das
wissenschaftliche Leben in Cassel, an dessen gelehrten Anstalten eine
grosse Anzahl berühmter Lehrer wirkten'. Wir erwähnen Papin, den
Erfinder der Dampfkraft, Georg Förster, den Begleiter des Weltum-
seglers Cook, Sam. Thom. v. SÖmmering, Prof, der Anatomie, Chirur¬
gie und Mcdicin, Georg Wilh. Stein den älteren, Huber, den Freund
und Schüler Fr. v. Haller’s, Baidinger, den Botaniker Mönch, den
Naturforscher Raspe, den Geschichtsforscher Joh. v. Müller, Freiherm
v. Knigge. Aus späterer Zeit hat Cassel die Namen der Gebrüder
Jacob und Wilh. Grimm, der Chemiker WÖhl’er und Bunsen, der
Physiker Buff und Kohl rausch u. ä. aufztfweisen. Dfer Redner schloss
mit einem dreifachen Hoch auf den Kaiser.
Hierauf folgte die Begrüssung der Versammlung durch den Ober¬
bürgermeister Herrn Weise.
Geräuschlos nach Eigenart der deutschen Wissenschaft habe die Natur¬
forscherversammlung im vorigen Jahre ihr 50 jähriges Jubiläum gefeiert und
von allen Seiten den wohlverdienten Ausdruck sympathischer Theilnahme
und vollster Anerkennung für ihre Bestrebungen empfangen. Wie ein mit
Ehren reich beladener Jubilar trete sie in die zweite Hälfte eines Jahrhun¬
derts ein zu fortgesetztem Schaffen und Wirken auf dem unermesslichen Ge¬
biete menschlicher Erkenntniss, mit einem Aufwande von Kraft und Energie
des Wollens, mit einer Elasticität und Frische des Geistes, als habe sie in
ihrer unablässigen Beschäftigung mit der Natur derselben das Geheimniss
der immerwährenden Wiederverjüngung, der nie versiegenden Kraft ab¬
gelauscht. Die Stadt Cassel, die alle Zeit bestimmt und überzeugungs-
treu der Tendenz des besonnenen Fortschritts gehuldigt habe, sehe es
gerade jetzt, wo die nationale und freiheitliche Entwickelung des deut¬
schen Vaterlandes eine gefahrvolle Krisis zu bestehen habe, als eine
Erfrischung der politischen Atmosphäre an, in sich eine Versammlung
tagen zu sehen, welche ihrem innersten Lebensprincipe nach die Frei¬
heit und den Fortschritt in den edelsten Formen pflege.
Als Vertreter der höchsten Verwaltungsbehörde begrüsstc der Regie¬
rungspräsident Herr v. Bra Uchi t s e h die Versammlung: Die Beziehungen,
welche zwischen den Staatskünsten und den Naturwissenschaften bestehen,
haben im Vergleich zur Vergangenheit eine gewaltige Aenderung erfahren,
deren grösserer Vortheil auf Seiten der Staatsregierung liege, und es
werde täglich mehr die Pflicht des praktischen Staatsmannes, den Fort¬
schritten der Naturwissenschaften zu verfolgen und im Interesse des Staates
fruchttragend zu verwerthen. Im Hinblick hierauf heisse er die Ver¬
sammlung willkommen.
Nachdem hierauf die Statuten der Versammlung verlesen und eine
Aenderung derselben von keiner Seite beliebt wurde, hielt Herr Prof. Oscar
Schmidt (Strassburg) seinen Vortrag: „Ueber das Verhältniss des
Darwinismus zur Socialdemocratie“. Es sei auf der vorjährigen Ver¬
sammlung in München der Ausspruch gethan worden, dass der Darwi¬
nismus, consequent durchgeführt, im Hinblick auf die Socialdemocratie
eine gefährliche Seite habe. Um diese Ansicht zu widerlegen, unter¬
sucht der Redner zunächst die Principien und Forderungen der Social¬
democratie , wie sie von den Anhängern derselben aus der Entwicklung
der Gesellschaft und des Staates hergeleitet werden, und vergleicht sie mit
den Grundsätzen der Darwinschen Entwicklungstheorie. Man habe be¬
hauptet, das Prineip der Socialdemocratie und des Darwinismus sei die
Umkehrung und Verbesserung von Verkehrtheiten, der Darwinismus weise
jedoch diese Ansicht zurück. Das Prineip desselben sei das der Auslese,
und der Kampf, unter welchem diese Auslese vor sich gehe, schliesse
zwar den Kampf gegen das Unrecht ein; er sei aber ein Kampf des
Rechtes, es sei eine reine Machtfrage, eine unter fortschreitender Yer-
vollkommung sich vollziehende Besiegung des schwächeren, ein Kampf,
der sich in die bestehende Verhältnisse schicke, keineswegs aber wie
die Socialdemocratie auf den Umsturz desselben abziele, da neben der
partiellen Vervollkommung alle jene Bedingungen bestehen bleiben,
welche die Existenz des niederen ermöglichen und nothwendig machen.
Während ferner die Socialdemocratie sich der Auffassung hingebe, dass
alle Menschen von Natur gleich begabt, nur durch die bestehende Un¬
gleichheit ihrer Stellung und die Unnatürlichkeit der bestehenden gesell¬
schaftlichen Verhältnisse eine verschiedene Entwicklung ihrer geistigen
Fähigkeiten erlangten, lehre grade der Darwinismus, dass eine solche
Gleichheit nicht vorhanden sei; er sei vielmehr die wissenschaftliche
Begründung der Ungleichheit. Somit habe die Socialdemocratie den
Darwinismus, wo sie sich auf ihn berufe, nicht verstanden.
Sodann sprach Prof. Hüter (Greifswald); „Der Arzt in seinen Be¬
ziehungen zur Naturforschung und den Naturwissenschaften.“ Der Vor¬
tragende sucht darzuthun, in welchen Punkten die naturwissenschaftlichen
Methoden für den Arzt unzureichend seien, da bei dem heutigen Stande
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
23. September 187S.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
575
der wissenschaftlichen Medicin der Kliniker sowohl als der Arzt mit
Möglichkeiten und Wahrscheinlichkeiten vielfach rechnen müsse. Die
Medicin sei keine Naturwissenschaft, ihr Endziel nicht das Erstreben
der Wahrheit, sie verfolge vielmehr einen egoistischen und humanistischen
Zweck, welcher auf die Erhaltung des Menschen und seiner Arbeitsfähig¬
keit gerichtet sei. Zur Erfüllung desselben bedürfe der Arzt der Natur¬
wissenschaften, es bleibe aber dem subjectiven Denken und der subjec-
tiven Ueberzeugung ein grosser Spielraum, da die Objectivität der me-
dicinisehen Lehrsätze sowohl ihrem Ursprünge wie ihrem Wesen nach
sich nicht mit der Objectivität der fundamentalen Lehrsätze der Physik
messen können. Deshalb müsse er der von Virchow auf der vor¬
jährigen Naturforscherversammlung ausgesprochenen Ansicht, dass die
Lehren der medicinischen Wissenschaften sich entsubjectiviren sollen,
entschieden entgegentreten. Aufgabe des klinischen Unterrichtes sei es,
die Gefahren, welche mit dem subjectiven Denken verbunden sind, be¬
sonders die Gefahr zu beseitigen, dass der Arzt auf die Abwege der
phantastischen Speculation gerathe. Genaue pathologisch - anatomische
Kenntnisse, die experimental-pathologische Forschung und eine kritische
Beobachtung des Verlaufes der Krankheiten könnten hiervor schützen, und
daher empfehle es sich, dass der Arzt bei seiner Fortbildung im prac-
tischen Leben den Naturwissenschaften Rechnung trage: für den jungen
Mediciner sei es von grosser Wichtigkeit, dass er ein höheres Mass natur¬
wissenschaftlicher Vorbildung von der Schule auf die Universität mit¬
bringe, und in dieser Beziehung plädire er für die Zulassung der Real¬
schüler zum medicinischen Studium, wobei die Frage Vorbehalten bleibe,
ob die bestehenden Realschulen nicht einer Reform zu unterwerfen seien.
Eine Verlängerung der Studienzeit sei erwünscht, obwohl wegen finan¬
zieller Schwierigkeiten nicht leicht durchzuführen; dagegen empfehle sich
eine Reform des Studienplanes und möglichste Förderung des experi¬
mental-pathologischen Unterrichtes.
Dieser Vortrag war schon vorher im Buchhandel erschienen und am
Ausgange aus dem Sitzungsraume für 1 Mark käuflich zu haben. Dass
gerade durch diesen Umstand der Vortrag um so mehr kritische Bcur-
theilung fand, ist erklärlich. Uns will scheinen, dass der Subjectivismus
in dei Medicin sich von selbst schon breit genug macht, um nicht noch
einer besonderen Aufmunterung zu bedürfen. Oder sollen wir die Rede
lieber als eine Entschuldigung des Subjectivismus auffassen? dann
möge man aber nicht bei der Entschuldigung stehen bleiben, sondern
daran arbeiten, sich von der Schuld frei zu machen. Das «.Entsubjecti-
viren“ wäre hiernach zwar zur Zeit noch nicht durchführbar; nichts
desto weniger muss cs dem einzelnen wie der Gesammheit das Endziel
ihres Strebens bleiben.
Nach Schluss der Sitzung fand die Constituirung der Seetioncn
statt, deren Zahl in diesem Jahre auf 25 gestiegen war. Dass hiermit
der höchste Grad der Zersplitterung erreicht ist, braucht nicht erwähnt
zu werden, und nur der schwachen Betheiligung der diesjährigen Ver¬
sammlung war es zu danken, dass einzelne Sectionen, z. B. die für
Anatomie und Physiologie, ferner die für pathologische Anatomie und
innere Medicin sich vereinigten.
Am Nachmittag fand unter reger Betheiligung eine gemeinsame
Fahrt nach Wilhelmshöhe zur Besichtigung der Wasserfalle statt.
(Fortsetzung folgt.) G. B.
Der Congress des Deutschen Vereins für öffent¬
liche Gesundheitspflege in Dresden.
Die diesjährige sechste Wanderverversammlung des Deutschen Ver¬
eins für öffentliche Gesundheitspflege, welche vom 6.—10. September in
Dresden abgehalten wurde, stand aus äusseren, nicht aus inneren
Gründen, um etwas gegen die Wucht und Bedeutung der früheren
Versammlungen des Vereines zurück. Terminsverschiebungen und Ter¬
minsverlegungen grosser wissenschaftlicher Versammlungen sind stets
von störendem Einfluss auf den Besuch derselben und damit auch von
herabstimmenden Einfluss auf die Fülle und Reichhaltigkeit der Dis-
cussionen. Königsmanöver und Naturforscher-Versammlung glaubte man
in den engen Mauern der Provinzialstadt Cassel nicht gleichzeitig
hausen lassen zu können, die Naturforscher-Versammlung wurde daher
um S Tage früher und der hygienische Congress noch früher, auf den
6. —10. September, mobil gemacht, und würde er dieser beschleunigten
Aufgabe wohl kaum gewachsen gewesen sein, wenn nicht der bewährte
Organismus des König], sächsischen Sanitätscorps die Schnell-Mobil¬
machung geleitet hätte und aufs beste unterstützt worden wäre durch die
trefflichen sanitären Einrichtungen der Civilmedicinalverwaltung des
Landes Sachsen und seiner Hauptstadt Dresden. Wir werden nicht leicht
eine Stadt finden, die durch eine so reiche Fülle von Institutionen, die
auf der Höhe der Zeit stehen, dem Medicinalbeamten sehenswertbes und
lehrreiches bietet, als Dresden. Der Nutzen der Congressc liegt weniger
in den öffentlichen Versammlungen, als in dem persönlichen Verkehr
der Mitglieder untereinander und in den stillen und fleissigen Vorberei¬
tungen, welche für die Versammlung der Fachmänner getroffen worden
sind. Die Aufgabe, alles sehenswerthe und wichtige übersichtlich und
zugänglich zu machen, bildet die Hauptaufgabe einer wissenschaftlichen
Mobilmachung für die Zwecke eines Congresses, und gerade in diesem
Punkte stand die Dresdener Versammlung an Intensität und Reich¬
haltigkeit ihres Programmes keineswegs hinter den früheren Versamm¬
lungsorten des Vereines zurück. Der Festschriftausschuss, bestehend
aus Stabsarzt Dr. Helbich von der Königl. Sanitätsdircction, Dr. Chaly-
baeus und Stadtbaurath Friedrich hat durch ein äusserst reichhal¬
tiges Sammelwerk: „Sanitäre Verhältnisse und Einrichtungen Dresdens“
mit Beiträgen von 42 Autoren das beste und wissenschaftlich reich¬
haltigste geliefert, was in diesem Genre überhaupt möglich ist, um
Fachleute über alles, was ihnen über die Stadt von 200000 Einwohnern
wissenswerth ist, übersichtlich und eingehend wissenschaftlich zu infor-
miren, und die Spitzen der sächsischen Militär- und Civil - Medicinal-
Behörden, in erster Reihe die Herren Generalarzt Dr. Roth und Geh -
Medicinalrath Dr. Günther, thaten das übrige, um durch lebendiges
Wort und intelligente Führung und Demonstration sämmtlichen Theil-
nehmern des Congresses die Versammlungstage genussvoll und lehrreich
zu machen.
Die Physiognomie der Versammlung zeigte trotz nicht grosser
numerischer Extensität die alte und auf diesen für die Weiterent¬
wickelung der ötfentlichen Gesundheitspflege in Deutschland so bedeu¬
tungsvollen Congressen gewohnte geistige Reichhaltigkeit Viele alte
und wohlbekannt« Streiter und Mitarbeiter sah man wieder in rüstiger
Discussion wirken, so die Herren Geh.-R. Varrentrap und Dr. Spiess
aus Frankfurt, Wasserfuhr aus Strassburg, Medicinal-Inspector Kraus
aus Hamburg, Med.-Rath Pistor aus Oppeln, von Verwaltungsbeamten
die Herren Oberbürgermeister v. Winter aus Danzig und Ehrhardt
aus München. Das Reichsgesundheitsarat war leider nur durch eine
kurze Anwesenheit des Herrn Geheimrath Finkelnburg vertreten, der
in den ersten Tagen des Congresses durch den Schluss der Reichs-
commission für die medicinischen Staatsprüfungen in Berlin zurück¬
gehalten war. Von neu in die Arena des Congresses tretenden Gelehrten
sind zu nennen der Chemiker Prof. Neubauer aus Wiesbaden, der ein
klares und eingehendes Referat über die Weinverfälschungsfrage vom
hygienischen Standpunkt gab, und Prof. Hoffmann, seit kurzem
ordentlicher Professor der Hygiene in Leipzig, der den Chemismus der
künstlichen Nahrungsmittel für Kinder und ihren Nährwerth in höchst
übersichtlicher, durch graphische Darstellungen erläuterter und an¬
ziehender Weise vortrug. Die geistige Ernährung der Nation vom Stand¬
punkt der Hygiene wurde besprochen in einem geistvollen Vortrage
eines Schulmannes, des Herrn Conrcctor Dr. Alexi aus Colmar, der
weittragende Gesichtspunkte über die Reform unserer Gymnasien und
höheren Schulen entwickelte. Kräftig secundirt wurden seine An¬
sichten durch den Dresdener Medicinalbeamten Dr. Chaly baeus, und
wurde beschlossen, das reichhaltige Thema der Geisteserziehung der
Jugend vom Standpunkt der Hygiene, welches im vorigen Congress in
Nürnberg durch einen Vortrag des Herrn Geh.-R. Finkelnburg ein¬
geleitet wurde, auch in späteren Gongressen wieder zum Gegenstände
von gründlichen Special-Referaten und Discussionen zu machen.
Wie der Königlich sächsischen Militair-Medicinalverwaltung das
Hauptverdienst an der Organisation und Schnellmobilrmchung des Con-
gresses gebührt, so konnte ihr bekannter und in allen hygienischen
Kreisen hochgeschätzter Leiter, Generalarzt I)r. Roth die Freude er¬
leben, dass cs ihm, der einstimmig zum Präsidenten des Congresses
gewählt wurde, vergönnt war, eine Fülle des Schaffens und der Frucht
hygienischer Arbeit zu zeigen, wie sie an einem Ort und in einer Hand
kaum je vereinigt sein dürften. Roth hielt als Vorsitzender des Con-
gresscs einen durch zahlreiche Baupläne und technische Erläuterungen
anschaulichen Vortrag über die hygienischen Einrichtungen der grossen
Militairbauten in Dresden, dem der König von Sachsen als Gast der Ver¬
sammlung beiwohnte, und führte Roth die Thcilnehmer 2 Tage später
an Ort und Stelle, um uns die practischen Einrichtungen der neuen In¬
stitute selbst zu zeigen. Ein Coraplex von Bauwerken, wie er gross¬
artiger nicht gedacht werden kann, ist die seit 1873 begonnene und
muthmaasslich erst 1881 vollendete „Cascrnopolis“ 7a Stunde nördlich
von Dresden, Casernenbauten für 7400 Mann, für 2 Infanterieregimenter,
1 Pionirbataillon, 1 Reiterregiment, grosse Stallungen, Militair-Reit¬
institut, Arsenal, Cadettencorps, Centrallazareth, Militairwaschanstalt und
Dampfbäckerei sind theils vollendet, theils im Bau begriffen und gruppi-
ren sich auf einem hochgelegenen Terrain von 3 Kilometer Länge und
3 Kilometer Breite. Das hygienisch neue Princip dieser grossen Ca-
sernenbauten ist das der gänzlichen Trennung von Wohn- und Schlaf¬
räumen der Soldaten, jede Compagnie hat einen riesengrossen vortreff¬
lich ventilirten Schlafsaal für 150 Mann, und einen Complex heller luftiger
Wohnzimmer für die Mannschaften. Ausserdem sind aparte Wasch- und
und Putzräume, sowie Bade-Einrichtungen (Douchen) für die Mann¬
schaften in den Souterrains der Casernen vorhanden, die es gestatten,
100 Mann in der Stunde abzudouchen. Sammtliche Etablissements haben
Centralheizung (Luftheizung) Kelling’sches Ventilationssystem, Süvern-
sches Desinfections- und Entwässerungssystem.
Das erst im Bau begriffene Lazareth für 400 Kranke besteht aus
3 grossen Pavillons und mehreren sehr zweckmässig construirten Isolir-
pavillons, und zeigt als sonst für die Militairärzte in Deutschland nicht
gewohnte Opulenz die Anlage eines Opcrations-Saales für die militair-
ärztlichen Fortbildungscur.se, einen reich ausgestatteten Sections -Saal,
Untersuchungszimmer für clinische Specialuntersuchungen, ein Offizier-
Casino für die sächsischen Sanitätsoffiziere, ein Bibliothekzimmer und
die Vorbereitungen für eine militair-hygienische Versuchs- und Unter¬
suchungs-Station (Laboratorium).
Bereits in vollem Betriebe sind die Militair- Central -Waschanstalt
und die Militairbäckerei. Die grossartigen Waffensammlungen des bereits
fertigen Arsenals, die Wagenreihen des Sanitätsdetachemeiits und Feld-
lazarethe werden bereits zu Demonstrationen bei den in jedem Winter
von Roth ins Leben gerufenen Fortbildungscursen der sächsischen
Militairärzte benutzt.
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Original fro-m
UNIVERSETY OF MICHIGAN
576
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
So. 38
Doch es sind nicht die militairischen Institute allein, denen hier
die Frucht der hygienischen und sanitätstechnischen Wissenschaft zu
Gute kommt, sondern Dr. Roth hält im Interesse der Militair-Hygiene
auch genaue Fühlung mit den sonstigen technischen Central-Instituten
des Landes, dem Polytechnicuin und der hygienisch-chemischen Central¬
stelle Sachsens unter Leitung des Prof. Fleck. Das Polyteehnicum ist
eine mit allem wissenschaftlichen Comfort der Neuzeit ausgestattete fach¬
wissenschaftliche Hochschule, in deren Räumen Roth auch den Militair-
ärzten das Bürgerrecht verschafft hat. In dem Auditorium seiner hygie¬
nischen Vorlesungen, dem mit allen experimentellen Hülfsapparaten
ausgestatteten allgemeinen physicalisch-chemischen Hörsaal des Poly-
technicums hielt Dr. Roth dem Congresse einen höchst anziehenden
Vortrag über die Mittel des hygienischen Unterrichts, der durch eine
Reihe der anschaulichsten und lehrreichsten Experimente über Boden¬
luft, Grundwasser, Luftverunreinigung, Ventilation, Heizung, Lufterneue¬
rung, Schornsteinströmungen, conträre Strömung von Gasen aus Senk¬
gruben in die Häuser, Apparate zur Diagnose der Leuchtgasverunreinigung
von Zimmern etc. eine Fülle der Reichhaltigkeit gewann, dass er allen
Fachgenossen unvergesslich sein wird.
Wenn die Hygiene die werdende Wissenschaft der Zukunft ist, so sind
auch die Mittel zu ihrer practischcn anschaulichen Erlernung und zur
Demonstration ihrer Grundwahrheiten erst im Entstehen begriffen.
Auf den meisten deutschen Universitäten werden theoretische Vorlesungen
über Hygiene gehalten, aber es fehlt das, was ich die hygienische
Klinik nennen möchte, die demonstrative Besichtigung und
Besprechung von vorhandenen öffentlichen Instituten, ihren Ventilations¬
und Heizungseinrichtungen, die Besichtigung von Desinfections- und
Caiialisationseinrichtungen, von Fabriken mit Erläuterung all der
Punkte, über die der hygienische Practiker, der Medicinalbeamte
informirt sein soll, von Krankenhäusern schlechter und guter Construc-
tion, kurz von all* den öffentlichen Anlagen, die der Begutachtung des
Sanitätsbeamten bald mehi bald weniger unterstehen. Nur der Dienst
selbst in seiner grossen oder sehr geringen Reichhaltigkeit bildet jetzt
sehr allinälig den einzelnen Sanitätsbeamten; aber an einer staatlichen,
practischcn Vorschule und wissenschaftlichen Ausnutzung des reich vor¬
handenen staatlichen und öffentlichen Bcobachtungs- und Unter¬
richtsmaterials für Studenten, Aerzte und Medicinalbeamte fehlt cs in
Deutschland fast noch gänzliche. Eine hier ganz isolirt und zufällig
dargebotene hygienische Klinik für den Sanitätsbeamten war denn auch
der Reichthum von gut und vortrefflich eingerichteten öffentlichen In¬
stituten Dresdens, die den Besuchern des Congresses offen standen und
eingehend gezeigt wurden. Ich nenne nur das neue, schöne, selbst mit
Luxus ausgestattete Kinderkrankenhaus, welches der dirigirende Arzt,
Hofrath Dr. Förster demonstrirtc, das Carolakrankenhaus unter Füh¬
rung des Geh. Medicinalrath Dr. Günther, das grosse allgemeine
städtische Krankenhaus von Dresden mit seinen schönen Gärten und
seinen Sttvern ’schen Entwässerungsanlagen, und die vortreffliche Ent¬
bindungsanstalt (deren geschätzter Leiter, Prof. Winckel, leider ab¬
wesend war); das städtische lmpfinstitut, wo Dr. C halybaeus die Kälber¬
impfung demonstrirte. Ich nenne noch als höchst sehenswerth die gross-
artige, in ganz Europa nicht ihres gleichen suchende Gehe’sche Droguerie-
fabrik und Droguenhandlung, welche von den Congressmitgliedern mit allen
lehrreichen Details der Fabrication, die ein königlicher Kaufmann ins
Werk zu setzen vermag, eingehend und wiederholt besichtigt wurden.
Ich nenne ferner das chemische Laboratorim des Polytechnicums, das
Prof. Schmidt demonstrirte. Ich nenne schliesslich die jetzt in säch¬
sischem Staatsbesitz befindlichen grossen Muldener - Hüttenwerke bei
Freiberg in Sachsen, wohin der Congress am letzten Tage seines Zu¬
sammenseins eine Excursion unternahm, und wo wir von den Beamten des
Instituts eingehend demonstrando informirt wurden über die Riesenwerke
der Verhüttung, Schwefelsäurefabrik und Arsenik fabrication (die grösste in
Europa, sie importirt sogar Erze zur Verhüttung aus America. — Die
Freiberger Hüttenwerke beherrschen den ganzen Arsenikmarkt, und subli-
miren in ihren weitausgedehnten unterirdischen Rauchfängen jährlich
lOOOO Centner arsenige Säure). Ferner sahen wir die Hüttenöfen zur
Bleischmelze, Silberschmelze etc., in Freiberg die Modelle für die Montan¬
industrie. Ueberall wurden die Vorsichtsmassregeln für die Arbeiter
und die Umgebung, die sanitätspolizeilich wichtigen baulichen Ein¬
richtungen der Fabrikgebäude practisch demonstrirt.
Möchte der reichliche wissenschaftliche Nutzen, den der Congress
darbot, fortwirken, und namentlich der Weg, den Roth, unser erster
und energischer Reformer, zunächst zur wissenschaftlichen Förderung
des Unterrichts in der Hygiene für die Militärärzte eingeschlagen hat,
auch zur Förderung des Wissens und Könnens der Civilmedicinal-
beamten Früchte tragen und Nacheiferung, ausgedehnte staatliche Unter¬
stützung finden, dann wird sich das Wort bewahrheiten, welches Roth
als Vorsitzender bei dem Festbanquet des Congresses in dem Toast auf
den deutschen Kaiser und den König von Sachsen aussprach: dass auch die
Hygiene immer mehr und mehr berufen ist, an ihrem Theil beizutragen
zur Macht und Grösse und Ehre des Vaterlandes! Max Boehr.
Das Amussat-Denkmal zu Saint-Maixent und der
Tod vou Alphons Amussat dem Sohne.
Von
Dr. Heinrich Schweitzer.
Am 31. Mai dieses Jahres starb in Paris, 57 Jahre alt, Alphonse
Amussat, einer der gediegensten Practiker unter den französischen
Chirurgen der Neuzeit, der Sohn von Jean Zulima Amussat (1796
bis 1856), dem genialen Chirurgen von europäischem Rufe aus der ersten
Hälfte dieses Jahrhunderts.
Die Söhne bedeutender Menschen, sind nicht, wie anderer Leute
Kinder, in der günst’gen Lage, unbemerkt — nichts sein zn können:
sie müssen um jeden Preis auch etwas bedeuten, wenn sie nicht blos
als Folie für ihre Väter zu dienen haben, und wenn man nicht von ihnen
sagen soll, die Natur habe sich in ihnen Ferien gemacht nach der
SchÖpfnng der Erzeuger derselben.
Alphonse Amussat ist das seltene Beispiel eines Sohnes, dem es
gelang, indem er den Namen seines Vaters zur vollsten Anerkennung
brachte, noch, gleichsam als Nebenbenefiz von diesem seinem Haupt¬
geschäfte, sich selbst einen geachteten Namen zu gewinnen.
„Die Chirurgie erfährt eben in Frankreich (so lautete eine von mir
; geschriebene Notiz der allgem. Wiener med. Zeitung vom 24. April 1874)
I eine Würdigung, deren sie sich unter uns bisher noch nicht zu erfreuen
I hatte. Eine Stadt schmückt einmal ausnahmsweise ihren Hauptplatz
I nicht mit dem Monumente einer sogenannten gloire militaire, sondern
I mit dem eines ihrer Söhne, dessen Grösse sich eben nur darin zeigte.
dass er Wunden zu heilen verstand. Die Stadt Saint Maixent (Dep.
j des deux Sevres) ehrt so das Andenken des Chirurgen Amussat.
! Amussat nahm mit einer Arbeit über den Bau der Gallenblase, um
derenwillen er schon vor seiner Doctorpromotion zum Mitgliede der
Pariser Academie der Medicin erwählt worden, den Anlauf zu den
Leistungen, unter denen die auf dem Gebiete der Torsion der Arterien,
der Lithotritie und der Enterotomic lombaire (der künstlichen After-
I bildung) insbesondere eine solche Bedeutung gewannen, dass sie allein ihm
! schon einen Platz unter den genialsten Chirurgen Europa’s sichern mussten.“
i „Amussat gehörte dabei nicht zu den beglückten Entdeckern, die
| schon iin blinden Zutappen ihren Fund machen, und die Confereuzen,
| die er eine Reihe von Jahren in seinem Hause abhielt, und in welchen
j sich die Elite der Fachgenossen *) der ganzen Welt um ihn zu schaaren
I pflegte, waren deswegen zugleich für die jüngeren Chirurgen so lehrreich
; und so ermuthigend, weil er diese in seinen Demonstrationen den penibeln
I Entwicklungsgang seiner Schöpfungen gleichsam mit durchleben liess.“
„Amussat ist bereits 18 Jahre todt, aber sicher lebt die Erinne¬
rung an diese seine Wirksamkeit noch in vielen Co liegen fort. Mögen
diese die Notiz, dass das Journal La Sevre und die mcdicinischen Jour¬
nale von Paris Beiträge zu dem Monumente des grossen Chirurgen in
Empfang nehmen, nicht unbeachtet lassen!“
Da nun aber Saint Maixent ein unbemitteltes Städtchen und daher
auf die Spenden von auswärts angewiesen, diese aber nur langsam und
spärlich einliefen, so musste Amussat natürlich warten. Nicht alle,
die dem Gedächtnisse der Nachwelt durch Monumente einzuprägen sind,
können das. Amussat konnte es, denn schon das Verzeichniss der
Beitragenden wie es uns (in der Union medicale vom März 1874 an)
vorliegt, illustrirtc dessen Ruhm als Arzt. Lehrer und Mensch aere perennius.
So geschah es, dass zahlreiche Spenden von früheren Kranken cin-
liefen, die sich mithin ihres Arztes noch 19 Jahre nach dessen Ableben
(mirabile dictu) dankbar erinnerten.
Ricord fügte seinem Beitrage die Bemerkung hinzu: „Welch grosse
Summe hätte ich nicht beizusteuern, wenn ich nur die Zinsen des Ca-
pitals in Anschlag bringen wollte, das mir Amussat’s Unterricht ein¬
getragen hat!“
Und eine blutarme Gemeinde, die von Exireuil bei St. Maixent,
belastet sich, um sich ihres Helfers in der Noth eingedenk zu zeigen,
in dieser schweren Zeit mit 100 Fr.
So kommt es endlich am Ostermontag dieses Jahres zur Inaugura¬
tion des Monuments (der Bronzebüste Amussats auf einem zierlichen
Piedestal von Marmor). Amadee Latour, der Redacteur en chef der
Union medical, der frühere Sehüler und spätere Freund des Verstor¬
benen, gab einen detaillirten Bericht über diese Festlichkeit in seiner
Nummer vom 1. Juni. Die Leser erfahren hier, wie Amussat der Sohn,
hinter dem Maire und neben der Spitze der Militairbehörde in dem von
Musik geführten Zuge einherschritt, sie ahnen aber nicht, dass ihnen
der Tod dieses glücklichen Sterblichen mitberichtet werden konnte, der
schon am 31. Mai erfolgt war.
Alphonse Amussat hatte in seiner ganzen Veranlagung viel von
seinem Vater: dieselbe Unabhängigkeit des Geistes, dieselbe Scheu vor
allem Schwören ad verba magistri; auch er war allen wohlfeilen Theo¬
rien abhold und wollte sich nur durch mühsame Arbeit sein geistig Eigen¬
thum erwerben. Auch er war ein erfinderischer Geist, aber ohne die
geniale Kühnheit des Vaters, der jedes Gebiet der Chirurgie, das er be¬
trat, wie ein vor ihm uncultivirtes behandelte.
! Bescheiden, wie er war, begnügte sich der Sohn damit, des Vaters
| Arbeiten mit verbessernden Varianten zu versehen (wie in seinen Schriften
’ über das Wasser in der Chirurgie *) und über die Gauterisation der Hae-
! morrhoiden 3 ), oder diese in ein Corpus zu bringen, in eine Art von
] 1) Astley Cooper, Walther, Dieffenbach, Arendt, Valen-
; tin Mott, Graefe der Vater, Seutin, Major, Hodgkin, Middel-
dorpf u. a. Von den noch lebenden Grössen sei hier v. Langenbeck
genannt.
2) Seine Doctordissertat. De l’Emploi de l’eau en Chirurgie (les
j Irrigations continues). Paris. Germer Bailiiere 1850.
3) Arbeiten, die ich in diesen Blättern zur Zeit ausführlich be-
■ sprechen habe.
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UNIVERSETY OF MICHIGAN
23. September 187S.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
577
Chirurgie opöratoire, die nur die genialen Eingebungen seines Vaters
enthalten sollte (ein Unternehmen, das er als den vollsten Ausdruck
seiner kindlichen Liebe betrachtete, das er aber leider nicht zum Ab¬
schluss bringen konnte) oder endlich den Erfindungen anderer durch
den Tribut seiner gewissenhaften und mühevollen Kxperimcntation An¬
erkennung und Verbreitung zu schaffen.
So ist er in Frankreich der Hauptförderer der Galvanocaustik ge¬
worden. Von 1855 *) ab, wo er zuerst der Academie des Sciences über
seine galvanocaustischen Operationen Bericht erstatten konnte, hat er
nicht aufgehört, für die Vervollkommnung dieser Operationsmethode zu
wirken. So hat er den Grenet’schen Apparat wesentlich verbessert,
eine ganze Suite von Instrumenten für die verschiedensten Operations¬
objecte (wie z. B. für die Mastdarmfistel, die Brusttumoren und die
Cauterisation des Gebärrautterhalses) ersonnen 4 ) und schliesslich ein
mit trefflichen Illustrationen versehenes Ensemble-Werk, da9 sich dem
Middeldorpf’schen würdig anschliesst 3 ), herausgegeben.
Wie Vater und Sohn nie ein Hospital zu ihrer Verfügung und mit
der Facultät nie etwas zu theilen hatten, so sannen beide stets darauf,
wie sie mit ihren eigenen Mitteln lehrend und helfend einwirken könnten.
So hat sich denn der Vater unter Louis Philipp ein eigenes Amphi¬
theater für seinen ^anatomisch-chirurgischen Unterricht gebaut (eine Ver-
suchsstättc einer Ecole libre, aus der ihn die Facultät bald vertrieben
hatte), so führte er aus seinen Conferenzen die Zuhörer in seine weit¬
verbreitete Privatpraxis, und so errichtete sich der Sohn ein eigenes
Dispensaire pour les maladies genito-urinaires, und für die Lithiasis ins-
besordere, womit er dem Vater ein neues Monument gründete, da es
ja gerade dessen Forschungen über den Catheterismus rectiligne waren,
welche die Ausführbarkeit der Lithotritie zuerst feststellten.
den Amussat’s zu verkehren; nie bin ich Menschen begegnet, die
post tot discriinina rerum so unbeirrt an ihrer wohlwollenden Schätzung
der Menschheit festhielten.
Wie der Vater war der Sohn die Vorsehung seiner Kranken. Mit
Shakespeare kann man von ihm sagen, wie es im Kaufmann von Venedig
heisst: „Er gab das Leben um zu leben.“
Die chinesische Sentenz, „geniessen ist Vergnügen, aber geniessen
lassen Glück“, war auch seine Devise.
So stimmen wir schliesslich in die tiefempfundenen aber einfachen
Worte ein, die jüngst an seinem offenen Grabe von Dr. de Pi6tra Santa
ausgesprochen wurden: „Solchen Scheidenden ruft man nicht adieu
nach, sondern au revoir.“
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. Die Naturforscher-Versammlung zu Cassel wählte Baden-
Baden zum nächstjährigen Versammlungsort, die Herren DDr. Baum¬
gärtner und Schliep zu Geschäftsführern daselbst.
— Nach einer dem Lyon med. entnommenen Mittheilung des Med.
Times and Gazette vom 31. August d. J. betrug im Jahre 1866 die
Zahl der practicircnden Doctoren der Medicin in Frankreich 11254, die
der Offlcicrs de sante 5568. Im Jahre 1876 dagegen waren nur 10743
Doctoren und 3633 Officiers vorhanden; die Zahl der Practicirenden
hatte also um 2446 abgenoramen.
— Dem Privatdocenten Herrn Dr. Johann Schnitzler in Wien,
Redacteur der Wiener med. Presse, ist der Titel eines ausserordentlichen
Universitäts-Professors verliehen worden.
Alphonse Amussat brachte von Saint Maixent, wo er eben eines
seiner Lebensziele erreicht sah, den Keim zu der Krankheit mit, die ihn
so schnell hinraffte.
Wer in Paris complicirte Lebensaufgaben durchzuführen hat, der
hat vor allem auch sein Leben früh aufzugeben; das erfuhr auch er.
Dabei hielt er sich wie der Vater fern von jeder erschöpfenden Streber¬
agitation. Beide vergeudeten nicht ihre kostbare Zeit mit Antieham-
briren. denn während sie für andere ins Feuer gingen, ward ihnen jeder
Schritt in ihrem eigenen Interesse mühevoll; daher auch der Vater un¬
geachtet seiner weitbekannten Leistungen erst von der Februarrepublik
decorirt wurde, während sich der Sohn dadurch auszeichnete, dass er
es trotz seiner 28jährigen pracrischen Wirksamkeit und seiner bemerkens-
werthen wissenschaftlichen Leistungen niemals ward.
Uebriizens war Alphonse Amussat auf einen frühen Tod vorbe¬
reitet. ,.Voyez yous.“ saute er zu Bastin. dem Freunde, der ihn in
seiner letzten Krankheit besuchte, „commo le Soldat, le mödecin doit
toujours etre pret a mourir; d’ahord tant de chances de mort l’environ-
nent et puis ce n’est pas impunement qu’il s’assied an chevet de tant de
gens qui sou (Trent; lui memo souffre toujours quelquc peu de leur douleur
et le peu de resislance que nous offroits d’habitude ä la maladie, nous
medeeins quand nous vicillissons. n’est peut-etre que le rangen que nous
devons ä la mort pour les existenoes que nous lui avons arrachees.“
Wie nun das wahre Arztwirken nurj applicirtc Menschenliebe be¬
deutet, so ist es klar, dass so opfermüthige Helfer in der Noth der
Krankheit, wie Amussat Vater und Sohn, sich auch stets als sichere
Helfer i n allen anderen Nöthen bewährten.
So waren sie zu sehr durchdrungen von den Mühen und Gefahren
ihres Standes, um nicht treulich zu halten, wie zu wahren Schicksals¬
genossen, zu jedem ihrer Co liegen.
So war der Vater einer der Mitbegründer des Orfila-Vereines zur
Unterst iitzung invalider und hülfsbedürftiger Collegen, und auf dass es
den jüngeren nicht an lohnenden Arbeiten fehle, dafür sorgte er durch
seine letztwillige Stiftung von Preisen, die seit 22 Jahren den besten
Schriften auf dem Gebiete der Experimentalchirurgie zuertheilt werden.
Von seinem Hausstande war das stadtkundig. Seine 3 Schwestern
hatte er wohl verheirathet 4 ), aber doch nicht ausgegeben, denn er hielt
sie sein übriges Leben lang mit ihren Familien bei sich.
Da auch sein Vater, ein seiner Zeit ebenfalls angesehener Practiker
mit ihm leben musste, sc konnte man das Palais Chimay, wo er die
ganze Familie untergebracht hatte, als den Sitz eines wahren Patriarchen
bezeichnen.
Endlich kann ich nur sagen, ich war so glücklich, seit 1850 mit
1) S. mein Schriftchen, Middeldorpf und seine Galvanocaustik
in Paris. Breslau, 1869. S. 12.
2) S. die Abbildungen und Beschreibungen dieser Instrumente in
dem Werke v. B. J. Lapeyre. Notes d’un Journalist.«? sur la Medecine
et la Chirurgie. Paris Delahaye 1875. Seite 105 —138. Die Exposi¬
tionen von Charriere und Colin zeigen übrigens diese wie andere
Instrumente A m u ssa t ’s.
Alph. Amussat. Memoins sur la Galvanocaustique Thermique
avec 44 Fiirures intercalees dans le texte. Paris. Germer Bailiiere
1876. S. die anerkennenden Böurtheil untren in der Centralbibliothek
Är Chirurgie, dein C.-ntmlblatle für medie. Wissenseh. und der Wiener
medioini^chen Wochenschrift im Jahre 1876.
4) l'ilhos, von dem das bekannte. Causticum den Namen trägt und
der auf dem oplithalmiatrischen Gebiete ausgezeichnete noch lebende
Lu eien Beyer waren seine Schwäger.
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VIII. Amtliche flittheilugea.
Personal!».
Auszeichnungen: Seine Majestät der König haben Allergnädigst ge¬
ruht, dem Oberstabsarzt Dr. d’Arrest, Garnisonarzt der Festung
Metz die Erlaubniss zur Anlegung des ihm verliehenen Ritterkreuzes
1. Klasse des Königlich sächsischen Albrechts-Ordens zu erthcilen.
Anstellungen: Der practische Arzt etc. Dr. Aronstein zu Neuen¬
rade ist zum Kreisphysicus des Kreises Waldbroel mit Anweisung
seines Wohnsitzes in Eckenhagen ernannt worden.
Niederlassungen: Dr. von Borzyszkowski in Pelplin, Arzt Vaer-
ting und Dr. Knipp in g in Danzig, Dr. Raettig in Priebus,
Dr. Wehr in Leinefelde, Stabsarzt Dr. Otto Wolf in Erfurt, Arzt
Roth in Hille, Dr. Schotten und Dr. Lange in Cassel, Dr. Mans¬
feld in Brotterode, Arzt Schroeter in Cassel.
Verzogen ist;: Dr. Damcrow von Priebus nach Muskau.
Apotheken-Angelegenheiten: Der Apotheker Schlesinger hat
die Adler-Apotheke in Grünberg, der Apotheker IIoening die Dronk e-
schc Apotheke in Bockenheim und der Apotheker Colmobus die Alt¬
mül ler’sche Apotheke in Bieber gekauft. Dein Apotheker vonSenden
ist die Verwaltung der Virchow’schen Apotheke in Samotschin über¬
tragen.
Todesfälle: Sanitätsrath Dr. Amort in Pelplin, Sanitätsrath Dr. Klap-
roth in Berlin, Dr. Aron und Dr. C. Sachs in Berlin, Dr. Weber
in Gr.-Hartmannsdorf, Kreiswundarzt Dr. Scheffcr in Cassel, Ober-
medicinalrath Dr. Grandidier in Cassel, Kreiswundarzt Weitzmann
in Laucha, Dr. Benno Meyer in Eitorf, Apotheker Virchow in Sa¬
motschin.
Bekanntmachung.
Die Kreiswundarztstelle des Kreises Rummelsburg ist erledigt. Qualifi-
cirte Medicinalpersonen werden aufgefordert, sich unter Einreichung ihrer
Zeugnisse und eines Lebenslaufes bei uns binnen 6 Wochen zu melden.
Cöslin, den 5. September 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Inserate«
Bekanntmachung.
Der eine der beiden hiesigen Aerzte, welcher seit 9 Jahren hier
eine sehr lohnende Praxis hat, beabsichtigt aus Familienrücksichten im
October d. J. den hiesigen Ort zu verlassen. Die Niederlassung eines
tüchtigen Arztes ist daher für die Stadt und Umgegend ein dringendes
Bcdürfniss, was wir mit dem Bemerken zur Kenntniss bringen, dass wir
zur ferneren Auskunftertheilung gern bereit sind.
Falkenburg, Reg.-Bez. Cöslin, 10. Septbr. 1878.
Der Magistrat.
Bekanntmachung.
Die Stelle des Assistenzarztes an der Provinzial-Irren-Ueil- und
Pflcgeanstalt in Schweiz, mit welcher ein haares Gehalt von 1200 Mk.
und DiefKtemolumenl# im Werthe von 825 Mk. jährlich verbunden sind,
soll sogleich mit einem Arzt, welcher die Staatsprüfung abgelegt hat,
anderweit besetzt werden.
Die Anstellung erfolgt auf dreimonatliche Kündigung.
Qualilleirte Bewerber werden ersucht, ihre Meldungen unter Bei¬
fügung ihrer Atteste bis zum 15. September er. hierher einzureichen.
Danzig, den 18. August 1878.
Der Landes-Direetor der Provinz Westpreussen:
gez. Dr. Wehr.
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
578
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 38
Für October wird ein j. Arzt oder Cursist unter günstigen Bedin¬
gungen zur Vertretung gesucht in der Provinz Hessen-Nassau. Off. sub
M. F. 94 d. Expedit, d. Bl. ___
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tiger Arzt, der der polnischen Sprache mächtig ist, gesucht. Mit dieser
Stelle ist verknüpft ein Fixum von 1500 Mark jährlich und freie Woh¬
nung. Praxis ergiebt je nach persönlichem Auftreten 1800 Mark und
mehr. Apotheke am Platze. Gefällige Offerten werden vermittelt durch
Cassel, Peter Ruhl & Sohn.
Prov. Hessen-Nassau. _
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weislich jährlich etwa 7—8000 Mark eingebracht hat, übergeben. Wohnort
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stadt entfernt. Briefe sub H. L. 100 befördert Expedition dieses Blattes.
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im Süden zu verbringen beabsichtigt, erbietet sich Kranke als
ärztlicher Begleiter in seinen Schutz zu nehmen. Offerten sub
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und seit mehreren Jahren practicirt, sucht eine gute Praxis in einer
kleinen Stadt. Gef. Off, unter Dr. F. 93 d. d. Exped. d. Bl, _
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versitätsklinik war, sucht für Anfang Decembcr eine Assistentcnsielle an
einem städtischen Krankenhause. Gefällige Offerten sub W. Z. No. 106
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Gesucht wird, bei einer in grossem Maassstabe und in yortheil-
haftester Gegend (Badeort I. Classe) anzulegenden Kaltwasser-Heilanstalt
ein vermögender, und sich dahin interessirender practischer Arzt. Adressen
sub P. W. 104 befördert die Ex pedition. _
Ein proraovirt. Arzt wünscht die Vertretung eines Collegen zu über-
nehmen. Off, sub J. B. 103 i. d. Exp, d. Bl. __
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Offert, sub A. B. 10 2 an d. Exped. d. Bl. ___
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UNIVERSfTY OF MICHIGAN
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KLINISCHE miOHEM'MlFC
Organ für praetische Amte.
Mit Berücksichtigung der preussischen Medicmalverwaltuiig uiid Medieinalgesetzgcbung
nach amtlichen Mittheiluugen.
Ee4ftcteurv Pret Br, L Wildfobut?. Verlag von August flirstbwaW in Mo.
Montag, den 30. September 1878.
ffl 39 .
Füßfzehiitßr Jahrgang,
B3- Oie geehrte« Ybonnenten werde« ergebenst macht, damit in der Zusendung keine Unterbrechung
eintrete, das Abonnement auf das IV. Quarta! ISIS bei den Bnchhandlnngen oder Postanstalten
baldigst m erneuern. Die Verlagsha&dimig.
Inhalt; \. Witd ufi üeber die Typhusepi&nd« \<m KiotvU. — tl. Bin Fall von Lwtatem des 6. Halswirbels näch vorn mit
&*r.j»^u,ehur,g <ios Rückenmarks — UL v Suk o Ut\ ski; H-ihu;:. au Wthdegu? d-1 fdm.naseheii littftgenschvriod.sue'ht. — IV. Kritik
. 'Q&s-r uh*ani; .Lc^qils du Clinitjutj T< Vciba&dlrJfw;’V!> Umfjob'::f |B^HnQr övettanmehe Gesellschaft). -*r,
VU fWlkAott (Lcbßrt + — I>te 51* Yemfnjöteog d/mtsoher yiäur&t&ht* n»6 Aferae-J« Vom KHagsschau*-
ps.i'r; - Ts^sgcsekicMliehe Nutzen} — VI«. Amtlich* MiUhmluft^iw — loyale.
i. l eber die Typhnsepidemie von Kioten.
■ :■■ v ■'’> ,r . VtVH.
Br WAlder»
Atj der öjwL Klinik in Zülrir:b . •
Durch verKebicdene Gründe sehe ich röich. meiner
ausführlicheren Ajbeit, welche Anfang«* Winiei ef$#h einen soll.
Bäs MjttägtJSS^P bestand hv Suppe». gesottenem lUndfteisch.
Kalbsbraten. .-.»genanuteii >er^chijitfencn Würsten und Schinken;
ausserdem ifi Erdäpfeln. Bohne», Satex, dazu Wein. 'Wasser
: wurde htiv ndif ausnahmsweise. ^etrnnken. nnm er nur sehr
i '-Wenig. und mü Wein vermischt, Öte Fmtwirttohhft hätte der
Metzger und WirfU ubcwomiiiuijf fef huAtzt in« .Klofeti den
vergreifend* . einen' kdwu Al>ri^ iiher die Typliu^eputeinte. ; tL^Üiof zum „Wilden MnUin" and hüH ein F!.d-rb\erkauMc^f^
welche m eh {in da* Klotener Sängerfest änscbfos.'g zu verbifent-\ und Worstm i, •
liehen. E> £tutfct wh d \w kleinere Arbu.it auf die im Znridiei Auf di#>y# hih halte er u\n\ fhell wli&i nrehrruu
OanfAn<pi^l hehatujehwt und iu»r vnti Oerrn Frei U ugUenin Krdher, ^diAv^ioe. J Urixen >;tc. ^rhlHölitet Aüwnlem be-
gütig«t e.herla^t:'nen a7 1’ä.He luel auf ea. :> falle «Offener eog er KalhfieiMdi von einten AfKagern »n 2 Alf dt/>es
ßiäobaehtungs vVok'he ich während 5 Wvchwi in Emhrach- | Fleisch n»d uldge Thiers Wdirem iaur des Th'erärxriv
Eußngejn tu der frax^.v^uHerrn l)r; fjniioiz gemacht habe, Flei^chschäuer vellkomiben : ^t»ud. Bage^fn bekam er swei
Daxu kommen eine Artzahi secmuiHrer Fidle aus dem Züricher j Tagt vor dem Fest yoib |f. in :*etd>acij 4;f ffond
Oantonspjt.'ii Jjsftf Votk Biobrach. Material der aiideren , Kalhfieisch oliue Knochen ve.u Btnevn Thier, welche- ohne An•
Aejrzte und der war mir bis jeixtzeige- m den Fleisr.hscltauex des hei.rcff«»ife» ,Ün‘^.'-':KÖ ; Örti0
einige V^Ftdh.e. von", ZöH«;K '• und Umgebung von Wiutcrthur mid . gestochen worden.
täftff v KiW Wetzikow gpladen waren fm gänzeu btetntg die j : lias Th|«r wollte am Morgen nicht iäsdtw , lag auf dem
Zähl dor Phättheiilnehmer ta 700, nhd ^ eiktankfeeri c.a. (»00. j ■ &tTflftv b^im Berühren äußerte es Schmefx tupl brüllte >phter
Mit nüchternem Magen zo^en - die Verein* aus den um- viel und stark,
hegenden Dörfern am Morgen früh -fläch dem FWstorU üähmeä * Yon diesem Ivatb verkaufte H. die Longen in Beebaeli
um W thx mH nicht geringem Appetit da^ officieile Frühstück ! a. ö Frau fTaub, das Hirn au die ffärreralamiliA Die
du. welches für die einen 'aus Kfdbsfagoüt bestand, für die ; Luogcp hüten, laut Aussage der Frau St., ein »Mgeatinimliche^
später ciurüchcntiei! aus Bratwür-tcij. i «v 3u Lhr war H;xUpt- ! Mild, waren stellenweise wie Mil» anzusehe« und Vanflf nicht
probe, um 12 l T hr HauptauffOhrüog iu de/Kirdie. l'm K Ihr ging : '.appötifbeh, Sire- wurdeo. : jlU llagout gekocht , von . dev
e$ miin M itfagesjien. Thelidetoer. welche ilVipgär hatteW j
iHageren. rueunefüx»er. w'etchw wepig
Vertheilte» das Fleiveh, namerdlich Kalbsbraten und Wütete, an
Knaben tmd .Mädchen. welche .'.um ‘die FesliiüUe.'‘.lienün • sich
tummeltet!, ein l.iüses Banaergeäßb cji k. Letztere bräelMü dAs 5 J
Fleisch nach Hause und theilte« ihren Eitern und Ge^ehmsrerii 5
davon mit. So entstanden auch zahlreiche TypbtisfäUw iu Fa- _j
FurnUic. aus li Fersonv« be^iohcmj. genosiunj btid brachten bpf
alle ii d ij ht glnjcbe n K.tä® kb^its er, s c hi^inu ajg e n h ery pr.
wie wüfäioVliAiyä vdm .$ a mgerie^r erkraületep
BiPfam*rsfan\11ie bekam zu jener Zeit aus der Mutxggr^d-
von B, inehreiv Kälh.shiv»iä n von WelchCitt das ejne gatiz dunkel-,
blau augelaufeB war und tihej roch, so da^ ehtfernt
löiiieiv, wo sonst niemand am fc^i theilgenommen hatte. musste; Die iibngcu boton üichts auffalkud»-■•■, würden gek^ht
Go gle
580
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 39
und gegossen und hatten die nämlichen Erkrankungen
zur Folge.
Die Knochen der Thiere verkaufte H. an einen Knochen¬
händler in Seebach. Dessen Hund frass von denselben
und erkrankte. Einige Tage, nachdem er die Knochen ver¬
speist hatte, nahm er nichts mehr zu sich, trank viel Wasser,
lag viel herum und hatte heftige Zuckungen; nach ca. 8 Tagen
war er wieder vollständig gesund, so dass er, als er zur Beob¬
achtung in die Thierarzneischule Zürich eingeholt wurde, nichts
mehr abnormes bot. Leider willigte sein Herr nicht ein, ihn
zu tödten.
Wie oben angegeben, kam das Fleisch von diesem Kalb
an E. in Kloten und wurde dort in dessen Metzgerei unter¬
gebracht bis zu seiner Verwendung, wahrscheinlich theils zu
Kalbsragout, theils zu Bratwürsten, die schöneren Stücke zu
Braten.
Zu gleicher Zeit, wie die Festbesucher, erkrankten in
Kloten mehrere Leute, welche aus der Metzgerei von E.
rohes Fleisch am Festtag selbst oder den Tag vorher be¬
zogen hatten, zum Theil auch Rindfleisch. Letzteres Factum
bietet eine Erklärung zu der auffallenden Erscheinung, dass
die 43 Pfd. krankes Kalbfleisch beinahe die ganze Masse des
am Feste verzehrten Fleiches inficirt haben müssen, insofern,
als man annehmen darf, das die Infection vor dem Kochen
entweder durch directe Berührung oder durch Vermittelung der
Messer und anderer Instrumente geschah.
Eine Anzahl Personen wurde krank durch Bratwürste,
welche aus der Metzgerei von E. bezogen worden waren. —
Durch rohes Fleisch soll ausserdem ein Krokodil, welches
sich zu jener «Zeit in einer Menagerie in Kloten befand, Bauch¬
weh bekommen haben.
Ausser den Leuten, welche am Festessen theilgenommen
hatten, gab es noch eine ziemliche Anzahl Patienten, die aus¬
sagten, im Hause des E., im „bilden Mann“, Braten oder Brat¬
würste gegessen zu haben, einzelne auch in Privathäusern,
Bratwürste, welche von E. bezogen worden waren. Ausnahms¬
weise behaupten einzelne erkrankte, Rinds- oder Schweinebraten
gegessen zu haben, und zwar Leute, welche das Fleisch kennen,
wie Metzger. Es deutet auch dies auf die oben angegebene
Infectionsweise, da, wie unten angegeben werden soll, während
oder nach dem Kochen diese Fleischsorten nicht mit dem
Kalbfleisch in Berührung kamen.
Die Möglichheit, dass die Epidemie auf einem anderen
Wege als durch das Fleisch entstanden sei, ist auch, abgesehen
von diesen eclatanten Seebacher Fällen, welche sicher auf den
Genuss des kranken Fleisches zurückzuführen sind, nach allen
Seiten ausgeschlossen. Es’ gab damals und eine grosse Reihe
von Jahren vorher weder in Kloten, noch in den anderen
Dörfern, wo nach dem Fest der Typhus so massenhaft und
wie auf einen Schlag auftrat, gar keine Typhusfälle, mit Aus¬
nahme einer einzigen Person, welche zur Zeit des Festes in
Kloten krank lag, von welcher der behandelnde Arzt die Dia¬
gnose nicht sicher stellte. Und jene Person wohnt weit weg
vom Festplatz und von der Metzgerei. — Das Wasser, welches
am Fest zum Kochen, höchst selten auch zum Trinken benutzt
wurde, kommt von der anderen Seite des Dorfes her in eiserner
Leitung von einer Anhöhe herunter.
In der Festküche wurde schon am Abend vor dem Fest
mit Zubereitungen begonnen. Das Kalbfleisch wurde in grossen
Stücken von 10—15 Pfd. in einem Bratofen gebraten, später
in einem hölzernen Aufwaschzober aufgeschichtet, zu unterst eine
Lage Schinken, darüber einige Lagen Kalbsbraten. Das ganze
wurde mit hölzernem Deckel zugedeckt. Am folgenden Morgen
wurde weiter gebraten. Das Fleisch zum Kalbsragout ward
| «schon in Stücken geschnitten, wie sie servirt wurden, am Morgen
in die Küche gebracht und in einem Kupferkessel gekocht,
i Letzterer wurde nachher nur noch für die Bohnen gebraucht,
; nachdem er gut ausgewaschen war. Der Bratofen wurde zu
! nichts anderem benutzt. Die Bratwürste bekamen ihre Toilette
in Extrapfannen, und das Rindfleisch sott in dem Kessel, in
welchem Tags vorher die geräucherten Schinken gar gekocht
worden waren. Es geht aus dem allen hervor, dass durch die
Zubereitung höchstens die Schinken von den Kalbsbraten oder
ein Bratenstück vom anderen inficirt werden konnten. Erkran¬
kungen in Folge blossen Schinkengenusses sind mir nicht be¬
kannt geworden.
3 Tage nach dem Sängerfest wurde in Kloten ein Jugend¬
fest abgehalten, wobei einige hundert Kinder betheiligt waren,
und der gleiche E. war Wirth und lieferte die Bratwürste;
doch von diesen erkrankte niemand. Schon fühlten sich einige
der Sänger unwohl, einzelne waren auch schon ernstlich er¬
krankt, und noch dachte niemand an etwas schlimmes. Am
folgenden Tage mehrten sich dieErkankungen, und es liefen bereits
unheimliche Gerüchte herum, dann folgten Schlag auf Schlag
die Anzeigen von Schaaren neuer Erkrankungen, und mit
Schrecken erfasste die Leute die Gewissheit, wir sind ver¬
giftet. Ein Chaos von Meinungen erhob sich, welcher Art das
Gift wäre. Die einen glaubten an Kupfer, die anderen an
Arsen, dieser behauptete, es sei Milzbrand, jener zog das mira-
culöse Wurstgift an’s Tageslicht. Die meisten schrieben dem
Aufeinanderschichten der warmen Bratenstücke die Schuld zu.
dass sich ein Gährungsgift entwickelt habe. Einer der ersten,
welcher Typhus annahm, war Dr. Unholz in Entbrach, während
viele Aerzte alles andere eher glaubten als dieses. Gab es ja
wissenschaftliche Leute, welche einen vollen Monat später,
nachdem schon mehrere Sectionen gemacht worden, sich von
München den Bericht kommen liessen und in den Zeitungen
veröffentlichten, die Krankheit sei wahrscheinlich kein Typhus.
Und keiner der Herren hatte je einen Patienten untersucht.
Der erste, der den Satz aufstellte, diese Typhusepidemie
von Kloten beruhe auf Kalbs- oder Rindertyphus war
Prof. Huguenin. Die Meinung wurde lange Zeit ungläubig
und kopfschüttelnd aufgenommen, da man bis jetzt nichts
sicheres vom Typhus des Rindviehes gewusst hatte, bis
Schreiber dieses jene Annahme durch sehr wichtige Funde
stützen konnte.
Schon anfangs ward eine bedeutendere Zahl durch die
subjectiven Beschwerden gezwungen, den Arzt zu rufen, so dass
mir vom 6. Tage nach dem Feste mehrere Temperaturmessungen
und vom 7. eine ganze Reihe von Herrn Dr. Unholz in Em-
brach zur Verfügung stehen.
Die grosse Mehrzahl der Leute war an den auf das Fest
folgenden Tagen ganz gesund, einige hatten in Folge allzu vielen
Poculirens in der Festnacht oder am folgenden Tag ein- bis
mehrmaliges Erbrechen, die meisten davon blieben gesund, die
anderen wurden erst später krank als die Durchschnittszahl
und verliefen auch weniger heftig. Eine kleine Zahl bekam
am Tag nach dem Fest mehrmalige dünne Stühle, und auch
bei diesen verzögerte sich der Beginn der Krankheit sichtlich,
und sie nahm eine mildere Form an. In einzelnen Fällen
schloss sich die Erkrankung unmittelbar an den Festtag an,
so dass gar keine Incubationszeit zu beobachten war, in einigen
anderen Fällen beschränkte sie sich auf 1 bis 3 Tage, und dann
trat die Krankheit sofort mit ziemlicher Intensität auf. Fast
sämmtliche vorfrühen Fälle verliefen sehr schwer, und zwei
davon endeten letal. Eine grössere Zahl begann am 4. Tag
nach dem Fest; am 5. und 6. tritt der Culminationspunkt ein.
und nachher sinkt die Zahl rasch. Auf den 5. und 6. Tag
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
30. September 1ST8.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
581
fallen n ach meiner vorläufigen Zusammenstellung 39—40 % der
Gesammtzahl und auf die ersten 8 Tage er. 90 %• Nach dem
8. Tag kommen nur noch wenige frische Erkrankungen und in
der 3. Woche eine einzige.
Ganz gewöhnlich schlich sich die Krankheit mit Müdig¬
keit, etwas Kopfweh, Verminderung des Appetits ein. Häufig
kam Frösteln dazu, so dass die Leute am heissen Sommertag
in dicker Jacke herumliefen und arbeiteten. Die Kinder setzten
sich an die Sonne; einer lud einen ganzen Tag schwere Steine
auf Wagen, „um sich recht zum Schwitzen zu bringen.“ Ge¬
wöhnlich trat mit den ersten Krankheitserscheinungen Ver¬
stopfung ein und machte erst nach einigen Tagen einer mehr
oder weniger starken Diarrhoe Platz. Spontane Diarrhöen an den
ersten Tagen sind sehr wenig angegeben und gehören meistens
schwereren Fällen an. Auch von den in der Folge auftreten¬
den Diarrhöen waren viele durch Medication hervor gerufen.
In einer nicht unbeträchtlichen Zahl leitete sich die Krankheit
mit ein- bis mehrmaligem Erbrechen ein, dagegen war Nasen¬
bluten in den ersten Tagen keine häufige Erscheinung. Starkes
Frieren oder Schüttetfrost am ersten Tag kam selten vor. —
Verhältnissmässig nicht so wenig klagten die Patienten über
ein Gefühl von Schwere auf der Brust, auch wohl über Stechen.
Während nun in der Reihe der leichteren Fälle die Be¬
schwerden sich allmälig steigerten, so dass die Patienten noch
einige Tage ihrer Arbeit nachgingen, heueten, einzelne sogar
das Gras mähten, trotz des Fiebers, stiegen die Erscheinungen
bei dieser anderen Colonne sofort auf bedeutende Höhe. Die
Müdigkeit wurde oft von einem Tage auf den anderen eine so
excessive, dass die Leute sich kaum noch eine Treppe hinauf
schleppen konnten und gehalten werden mussten, um nicht
rücklings herabzufallen. Dazu gesellten sich eigentliche Glieder¬
schmerzen, Gliederreissen, Schmerzen im Rücken und im Kreuz.
Das Kopfweh nahm eine kaum erträgliche Intensität an, die
Patienten scheuten sich vor jedem Licht und dem leisesten
Geräusch. In mehreren Fällen trat ausgeprägter Genickschmerz
auf, verbunden mit Steifigkeit im Nacken; Druck auf den Nacken
war schmerzhaft. Schon am 2. und 3. Krankeitstage fingen
einzelne Patienten an zu deliriren und an weiteren Tagen folgten
andere; die Delirien waren bei einigen ganz furibund, die
Patienten sprangen im Zimmer herum, tanzten und sangen,
rissen an Bett und Tischen und konnten von mehreren Männern
kaum gehalten werden. Sogar die weiblichen Personen wurden
bis zu einem Grade aufgeregt, dass welche im Delirium gegen
ihre Angehörigen schlugen und bissen. Solche Delirien kamen
hie und da 2 Nächte hinter einander vor, den Tag über ver¬
hielten sich die Kranken ruhiger. Bei weitaus den meisten
Fällen beschränkten sich die Delirien auf häufiges Sprechen,
hie und da Aufstehen etc.; sie gingen aus bald von freudiger,
gehobener, bald von melancholischer, ängstlicher Stimmung;
einzelne glaubten, sie werden geschlachtet oder verbrannt und
machten deshalb Fluchtversuche, viele sahen ihren eigenen
Leichenzug. Gegen Ende der ersten Woche traten die cere¬
bralen Symptome mehr in den Hintergrund, das Kopfweh ver¬
schwand gewöhnlich, sobald die lästige Verstopfung durch
Medication oder spontan in mehr weniger leichte Diarrhöen
umschlug. Die Darmsymptome machen sich etwas mehr geltend
als in der ersten Woche, die Stühle sind häufiger dünn, und
bei den schweren Fällen beobachtet man ausgesprochene Typhus¬
stühle. Immerhin fiel auf, auch wie ich von anderen Aerzten
hörte, dass die Diarrhöen viel seltener und in den allermeisten
Fällen weniger anhaltend waren als bei gewöhnlichen Typhus¬
epidemien. Anfangs und Ende der zweiten Woche ist je ein
Fall von Darmblutung zu verzeichnen; der letztere ging Mitte
der dritten Woche mit Tod ab. Bei der Obduction fand man
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Gck >gle
eine reichliche frische Darmblutung, welche intra vitam sich
nicht mehr geäussert hatte. — Aus dem Anfang der zweiten
Woche datiren 2 Fälle von sehr heftigem Nasenbluten; das
Blut schoss aus Mund und Nase zugleich, und bis der Arzt
herbeigerufen war und die Tamponade machen konnte, waren
die Patienten im höchsten Grade anämisch, wie nach einer
sehr reichlichen Darmblutung nicht stärker.
Der weitere Verlauf der Krankheit gestaltete sich in
der Reihe der schwer kranken gleich wie bei gewöhnlichem
Typhus von entsprechender Intensität. In der dritten Woche
der Krankheit nahm das Bild der Krankheit allmälig ein milderes
Aussehen an, namentlich gegen das Ende, und in der vierten
stellte sich nach und nach der Beginn der Reconvalescenz ein.
Bei anderen dagegen hielt sich der Verlauf auch in der dritten
Woche noch in der Höhe, und erst in der vierten wendete er
sich zum besseren; Complicationen konnten den Eintritt der
Reconvalescenz auch weiter hinausschieben. Bei einem später
letal endigenden Fall traten am Ende der dritten Woche noch
sehr reichliche Darmblutungen ein.
Eine Anzahl von ganz leichten Fällen besserten sich schon
in der 2. Woche so weit, dass sie kaum mehr im Bett zu
halten waren, sie sind wohl zu den sogenannten Abortivformen
zu rechnen, wie sie auch bei gewöhnlicher Typhusaetiologie nicht
so selten zu beobachten sind.
Auffallend war bei einer Anzahl von mittelschweren Fällen
die unverhältnissmässig schnelle und starke Abmagerung, die
tiefe Entkräftung, die langsame Reconvalescenz; andere hin¬
wieder erholten sich schneller und leichter.
Die Temperaturcurven zeigen bei einer ganzen Reihe von
Fällen das eigenthümliche, dass sie anfangs sehr rasch steigen
und oft nach 2 Tagen schon ihren Höhepunkt erreichen. Die
Messungen vom 7. Tage nach dem Fest weisen die meisten
Temperaturen von 40 und darüber unter allen Krankheitstagen.
In einer kleineren Reihe von Fällen beobachtet man allmäliges
Steigen der Temperatur. Die Febris continua ist in den meisten
Fällen sehr ausgeprägt, aber von sehr verschiedener Dauer.
Die leichten Grade der Krankheit zeigen «tägige und noch
kürzere, die schwereren dagegen 14tägige und längere. In
vielen Fällen stellen sich nach der continua sofort die starken
Morgenremissionen ein, und die Periode von der continua bis
zur völligen Fieberlosigkeit beschränkt sich bei diesen sehr
häufig auf 8 Tage. Fiebercurven von 4 Wochen Dauer sind
nicht häufig. Die abortiven Fälle sind gewöhnlich in der
2. Woche schon fieberfrei; eine Anzahl leichtere in der 3. Woche.
Temperaturen von 40 und etwas darüber sind nicht selten, es
kommen solche vor von 40,5—40,8; 41 ist wenig beobachtet.
Im Durchschnitt bewegen sich die Curven der continua zwischen
39,1 und 39,8. — Der Puls entsprach im ganzen der Tempe¬
ratur, in einigen Fällen dagegen blieb er mehrmals ziemlich
beträchtlich unter der Höhe, welche sonst der betreffenden Tem¬
peratur zukommt, z. B. 71 und 38,5, 69 und 38,8. — Nach
abgelaufener Krankheit sind die niedrigen Pulszahlen nicht
selten, 50—60, einzelne auch darunter.
(Schluss folgt.)
0. Eia Fall vea Liutin des ft. Halswirbels nach
ran Mit Zerquetsehug des Rftekenarks.
Beobachtet won
Dr. Ham Heynold,
Assistenzarzt am Kreiskrankenstift zu Zwickau i. S.
In diesen Blättern (1877 No. 39) theilte ich bereits einen
Fall von Luxation und Fractur des 6. uud 7. Halswirbels mit,
welchen ich im März 1877 hier beobachtete. Ein Zufall liess
e>
Original fro-m
UNIVERSfTY OF MICHIGAN
582
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 39
mich jetzt einen weitern, ziemlich analogen Fall beobachten,
der mir ebenso wie der erste nicht nur in chirurgischer sondern
auch in allgemein physiologischer Beziehung gewisses Interesse
zu bieten scheint.
ln der Nacht vom 2. zum 3. März 1878 früh 1 Uhr wurde der
verletzte, ein 41 Jahre alter Bergarbeiter, in das Kreiskranken¬
stift gebracht. Nach seiner eigenen Angabe und der Aussage
seiner Kameraden war ihm gegen 10 Uhr Abends bei der Arbeit
im Schacht ein sehr schweres Stück Kohle aus einer Höhe von
ungefähr 7 Ellen auf den Kopf gefallen, und Pat. unmittelbar
darauf bewusstlos zu Boden gestürzt. Der herbeigerufene Arzt
ordnete sofort die Ueberführung ins Krankenhaus an.
Der sehr starke und kräftige Mann ist bei seiner Aufnahme
vollständig bei Bewusstsein, aber an allen 4 Extremitäten ge¬
lähmt, durchaus nicht im Stande, seine Lage zu ändern. Die
untern Extremitäten sind vollständig gelähmt. In der Rücken¬
lage liegen beide Arme horizontal im Schultergelenk ausgestreckt.
Vorderarme in der Ellbeuge vollständig flectirt, Hände und Finger
massig gebeugt. Die einzige Bewegung, welche Pat. mit den
obern Extremitäten ausführen kann, ist eine geringe Rotation
im Schultergelenk, doch entbehrt auch diese Bewegung der
Coordination. Hände und Finger können gar nicht bewegt
werden. Die Muskeln des Gesichts erscheinen in normaler
Stellung; Pat. kann blasen, Pfeifen gelingt nicht vollkommen. Die
Pupillen, von gleicher und normaler Weite, reagiren kräftig auf
Lichteindrücke. Der Kopf wird activ nach rechts und links
gedreht, Beugung activ unmöglich, passiv sehr schmerzhaft und
nur sehr wenig ausgiebig. Der Penis ist halb erigirt. Respi¬
ration schnarchend, nur durch das Zwerchfell und die Bauch¬
muskeln bewirkt. Frequenz 16 — Puls 60. Herztöne rein und
laut. — Untersuchung der Lunge ergiebt grossblasiges Rasseln,
Schnurren und Pfeifen. Leib ist mässig aufgetrieben. Pat. klagt
über sehr heftige Schmerzen im Nacken und Athemnoth.
Prüfung der Sensibilität: Nadelstiche werden an Rumpf und
untern Extremitäten nicht empfunden, auf der Brust bildet die
2. Rippe die obere Grenze der Anästhesie. An den obern Ex¬
tremitäten fühlt Pat. die Nadelstiche ebenfalls nicht; nur auf
der Höhe und äusseren Umfang der Schultern, dem M. deltoi-
deus entsprechend, ist eine sehr verminderte Sensibilität noch
vorhanden. Auf Nadelstiche folgen an den anästhetischen Stelleu
nirgends Reflexe, hingegen ziehen sich die Muskeln auf directes
Klopfen mit dem Percussionshammer sehr energisch zusammen.
Hauttemperatur am Rumpf für die aufgelegte Hand kühl,
obere und untere Extremitäten bez. Hände nnd Füsse fühlen
sich warm an. Temperatur im Anus (7« ständige Messung)
34,35 °.
Bei den Versuchen, die Arme, behufs Temperaturmessung 1 )
in der Axilla, an den Rumpf zu führen, fällt ein gewisser Wider¬
stand auf, indem die Heber des Arms ein geringes Uebergewicht
über die Adductoren besitzen.
Temperatur in der Axilla: 33,2°, zwischen I. und II. Fuss-
zehe des linken Fusses 33,2°; rechte Backentasche 33,7°.
(Ueber den weitern Temperatur verlauf siehe unten.)
Auf den Inductionsstrom reagiren alle Muskeln sehr gut;
1) In Bezug auf den in No. 39, 1877 veröffentlichten Fall sei hier er¬
wähnt, dass die bedeutende Collapstemperatur erst gemessen wurde, nach¬
dem Pat. längere Zeit entkleidet in dem etwas kühlen Operationszimmer
auf dem Tische gelegen hatte und gereinigt worden war. Gerade auf
diesen Punkt wurde jetzt besondere Sorgfalt verwendet, und die ersten
Messungen noch vor dem Entkleiden vorgenommen. Pat. wurde nun im
Gesicht gewaschen und auch nach* dem Entkleiden sofort in wollene
Decken gehüllt.
bei Neigung der Bauchmuskeln mit sehr starken Strömen fühlt
Pat. ein gewisses Schmerzgefühl in der Wirbelsäule. Sehr starke
Ströme rufen auch eine gewisse Empfindung an den obern Ex¬
tremitäten hervor. Im Gesicht und oberhalb der 2. Rippe sehr
deutliche Schmerzen schon gegen ganz schwache Ströme. Sen¬
sibilität schneidet auf dem Rücken in der Höhe des 2.—.3 Brust¬
wirbels ab.
Behufs weiterer Untersuchung wird Pat. auf den Bauch
gelegt, unter den Brustkasten ein Polster geschoben, so dass
der Kopf vorn überhängt! Zunächst fällt die Verkürzung des
Halses auf, über dessen hintere Fläche 3 Furchen (2 sehr tiefe)
ringförmig parallel verlaufen. Der 7. Halswirbel ist deutlich
zu fühlen; nach oben zu schwacher Abfall. Der Kopf kann
selbstständig ziemlich ausgiebig gedreht werden. Beugung des¬
selben nach vorn und hinten und Druck auf die Gegend des
5. und 6. Halswirbels in hohem Grade schmerzhaft. Besondere
Erwähnung verdient noch die Abwesenheit jeder äusserlich sicht¬
baren Verwundung, mit Ausnahme einiger oberflächlicher Haut¬
abschilferungen im Gesicht.
Die Diagnose wird auf Luxation des 5. und 6. Halswirbels
(event. Fractur) gestellt mit Quetschung resp. Zerreissung des
Halsmarks unterhalb des 4. Halswirbels. Pat. wird eben ge¬
lagert. — Narcose und Repositionsversuche bis zu Tagesanbruch
verschoben.
8 U. 50 M. früh Messung, After 36,3°, Axel 36,4, Fuss-
zehen 36,0. Athmung exquisit abdominal, Thorax steht ganz still.
Die Arme liegen mehr dem Rumpfe an, ihre Beweglichkeit
scheint etwas freier, bisweilen werden dieselben unter cloniscken
Zuckungen nach oben geworfen. Sensorium frei. Leib sehr
aufgetrieben; Penis weniger erigirt, als zur Zeit der Aufnahme.
Blase nicht zu percutiren. Pat. hat zum letzten Mal Abends
V 2 10 Uhr Wasser gelassen (vor dem Unglück). Leber beginnt
am obern Rand der 6. Rippe. Narcose 60,0 Chloroform.
Der möglichst narcotisirte Pat. wird in der Bauchlage auf
eine Tischplatte gehoben, so dass der Kopf nach vorn über
die Kante hängt; hierauf wird durch Extension am Kopf nach
oben und Contraextension am Rumpf Einrichtung des luxirten
Wirbels versucht. Bei diesen Manipulationen fühlt mau ein
deutliches Schnappen und Crepitationsgeräusch in der Gegend
des 5. und 6. Halswirbels, doch erscheinen die bei der Streckung
verschwindenden Furchen am Halse stets sofort wieder nach
Nachlass der Streckung. Die Untersuchung vom Munde aus er¬
giebt negatives Resultat, weil der Finger nicht weit genug
vordringt.
Brechen trat nach der Narcose nicht auf. Pat. gelangte
kurze Zeit darauf wieder in den Besitz seines vollen Bewusst¬
seins. Mittag gegen 1 Uhr sehr heftige Dyspnoe und Präcordial-
angst; die Beschwerden mindern sich nach 0,02 Morph, subcut.
und kalten Ueberschlägen über die Herzgegend. Die Athmung
ist ganz exquisit abdominal, ungemein mühsam, Gesicht und
Lippen hochgradig cyanotisch. Ueberall sehr starkes Rasseln,
Lippen ein getrocknet.
Der 7,5 Uhr mittelst des Catheters entleerte Harn, 400,0,
zeigt dunkelrothe Farbe. S. 1031. Kochen und Zusatz von Sal¬
petersäure keine Trübung. Reag. stark sauer. Nach dem Erkalten
sehr reichlicher Niederschlag von harnsauren Salzen. Kein
Zucker.
Gegen Abend nimmt Dyspnoe und Praecordialangst be¬
deutend zu, so dass 8 ü. 3Q M. wiederum 0,02 Morph, injicirt
werden. Hierauf tritt Besserung ein. Die Haut wird brennend
heiss, bis gegen 11. Uhr ist Pat. bei vollem Bewusstsein; dann
beginnt unter heftiger sich immer mehr steigernder Dyspnoe
die Agone, die 11 U. 30. M. mit Tod endet.
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
30. September 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
583
DeT am Morgen der Leiche entnommene Harn, 140,0, rea-
giTt stark sauer, ist dunkelroth gefärbt, S. G. 1024; geringe
Trübung. Das klare Filtrat wird gekocht und mit Salpetersäure
versetzt, wobei eine leichte Trübung entsteht, die nicht ver¬
schwindet.
Stärkerer Bodensatz setzt sich auch nach längerem Stehen
nicht ab. Untersuchung auf Zucker ergiebt kein positives Re¬
sultat.
Luxation des 6. Halswirbels.
Zeit.
T.
P.
R.
Bemerkungen.
2. HI.
10. Nachts.
3. HI.
1. früh.
1. 30.
1. 45.
Axilla
34,4
33,2
60
20
Verunglückt.
Ins Krankenhaus gebracht t
Anus 34,3. Zehen 33,2. Mund. 33,7.
3.
33,8
60
—
4.
34,2
64
—
5.
34,0
72
—
6 .
35,0
68
—
7.
35,8
76
—
8.
36,2
68
—
Anus 36,2.
9.
36,4
—
—
Anus 36,3. Zehen 36,0. Chloro¬
10.
34,6
80
_
form. Repositions versuche.
11.
36,0
84
28
12.
36,0
80
20
Grosse Dyspnoe, Praecordialangst,
1.
36,6
92
24
0,02 Morph.
Besserung des subj. Befindens.
2.
36,4
92
32
3.
36,8
88
28
4.
37,0
92
32
4,45. 400,0 Ham per Katheter.
5.
37,6
100
32
6.
38,0
96
36
8.
39,2
100
32
8,30. Dyspnoe. 0,02 Morph.
9. 30.
39,8
120
32
11.
40,0
130
32
Bewusstlosigkeit, grosse Dyspnoe.
11. 30.
Mort
Sectionsbericht. Section: 4. März, Mittags */ 4 l Uhr.
Die Leiche ist blass, Gesicht und Ohren etwas hlauroth,
Todtenflecke an allen tieferen Partien sehr stark entwickelt.
Beim Abziehen der Kopfhaut findet sich in derselben auf der
Höhe des Schädels eine zwei Markstück grosse Sugillation.
Der Knochen selbst ist weder geröthet noch verletzt. Das
Schädeldach sehr massiv, Spongiosa sehr blutreich. Im Längs¬
blutleiter, in der Gegend der Stirnfontanelle, eine blutig imbi-
birte, markstückgrosse Stelle. Zahlreiche Pacchionische Gra¬
nulationen. Längsblutleiter leer. Venen der weichen Hirnhäute
mässig mit Blut gefüllt. Die Substanz des Gehirns erscheint
durchfeuchtet, auf den Querschnitten erscheint die Rinde etwas
röthlich braun, das Mark von Blutpunkten durchsetzt. Die Ven¬
trikel enthalten mässig reichliche, seröse Flüssigkeit; weder in
der Marksubstanz des Gehirns, noch in der Ganglie finden sich
Extravasate. Das Hirn wird 3 Ctm. unterhalb des unteren
Randes der Brücke abgeschnitten.
Die Medulla erscheint ebenfalls stark durchfeuchtet, weisse
und graue Substanzen nicht sehr deutlich geschieden, auf dem
Querschnitt findet sich dem rechten Hinterhorn entsprechender
Bluterguss von unregelmässiger Begrenzung, der radial vom
Centralcanal nach aussen zieht und, an der breitesten Stelle
etwa 1 Mm. Durchmesser besitzend, sich nach der Peripherie
zu verjüngt. Bei der Ansicht vom Schädel aus erweist sich
der Wirbelkanal mit dunklem, blutigem Serum erfüllt.
In der Bauchhöhle kein flüssiger Inhalt; bei ihrer Eröff¬
nung drängen sich die blassen, sehr stark aufgetriebenen Därme
vor. Zwerchfell steht am unteren Rand der 5. Rippe.
Bei Herausnahme des Brustbeins wird eine Fissur an der
inneren Fläche des Sternums zwischen Handgriff und Körper
constatirt, der knorplige Theil der 3. linken Rippe ist unmittel¬
bar am Brustbein gebrochen; von hier aus zieht eine 2. tiefe
quere Fissur durch das Sternum. In der Umgebung der Frac-
turen starke Blutergüsse, die sich im vorderen Mittelfellraum bis
zu dem stark mit Fett bedeckten Herzbeutel herab erstrecken.
Die Lungen sind an vielen Stellen locker mit dem Brustfell
verwachsen. Kein flüssiger Inhalt in der Brusthöhle. Ebenso
enthält der Herzbeutel nur sehr geringe seröse Flüssigkeit.
Das Herz ist sehr schlaff und gross (12 Ctm. breit zu 14 Ctm.
in der Länge). Rechter Vorhof enthält spärliches Blut und
blutige Gerinnsel, rechte Kammer reichliches dünnflüssiges,
dunkles Blut, ebenso linker Vorhof und Kammer mit reichlich
dunklem Blute gefüllt. Herzfleisch blass; Dilatation aller Ab¬
theilungen des Herzens; Klappen schliessen; an der Aorta ober¬
halb der Klappen einige atheromatöse Stellen. Lungen sind
nirgends infiltrirt, überall lufthaltig; besonders in den unteren
Partien dunkelblauroth; auf dem Querschnitt entleert sich dunkel-
rothe schaumige Flüssigkeit. Geringes Oedem. Beide Lungen
zeigen dünne pleuritische Schwarten älteren Datums. Bronchial¬
schleimhaut sehr stark geröthet und geschwollen, mit blutig
tingirtem, schaumigem Schleim bedeckt. — Die Untersuchung
der Organe des Abdomens ergiebt normale Verhältnisse.
Die Eingeweide des Halses werden in toto entfernt; das
der Wirbelsäule zunächst liegende Zell- und Muskelgewebe ist
stark mit Blut durchtränkt. An der blossgelegten Halswirbel¬
säule fällt sogleich ein gewaltiger, 1 Ctm. breiter Querspalt in
die Augen, dessen obere und untere Begrenzung die breiten
Flächen des 6. und 7. Halswirbels bilden. Der Bandapparat
ist vollständig zerrissen. Der 6. Halswirbel ist sehr beträcht¬
lich nach vorn verschoben; man sieht die unverletzte, mit
Blut imbibirte Dura mater vorliegen, deren Inhalt für den
tastenden Finger sehr weich erscheint. Bei der Präparation
der Wirbelsäule von hinten zeigen sich ebenfalls alle Weich-
theile stark mit Blut durchtränkt. Der Dornfortsatz des 6. Hals¬
wirbels steht sehr weit gegen den 7. nach vorn; zwischen beiden
findet sich eine grosse Lücke. Der 6. Halswirbel ist ganz frei
beweglich. Die Halswirbelsäule wird vom Caput entfernt und
die Brustwirbelsäule in der Höhe des 3. Brustwirbels durch¬
sägt. Die detaillirte Untersuchung ergiebt Zerreissung der
Wirbelbandscheibe zwischen 6. und 7. Halswirbel mit totaler
Luxation des 6. Halswirbels nach vorn, auch die Bänder der
schiefen Fortsätze sind gerissen. Von der rechten, schiefen,
absteigenden Gelenkfläche des 6. Halswirbels ist 1 Q.-Ctm. grosses
Stück abgebrochen. Hierauf werden die Wirbelbogen durch-
trennt und die Medulla herauspräparirt. Die Dura ist nur
mässig imbibirt, nirgends zerrissen. 5 Ctm. unterhalb der
Trennungsstellen vom Cerebrum findet sich eine 4 1 /* Ctm. lange
Stelle, an welcher das Rückenmark, das noch von der Pia
bedeckt ist, bedeutend verschmälert und sehr matsch erscheint,
die ganze Strecke erscheint lebhaft roth. Auf Querschnitten lässt
sich der Bluterguss im Centralcanal und in der Substanz des
Rückenmarks — welche an der bereits erwähnten Stelle nur
noch als röthlicher Brei erscheint — bis 2 Ctm. unterhalb der
Brücke und abwärts bis zum 3. Brustwirbel verfolgen, sich
nach der oberen und unteren Grenze zu verkleinernd.
Es sei an dieser Stelle gestattet, den schon früher mit-
getheilten Fall und den vorliegenden nach dem von Gurlt in
seinem Buche über Knochenbrüche mitgetheilten Schema noch¬
mals in der Kürze zu recapituliren:
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Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF MICHIGAN
584
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Ne. 39
Schema nach Gurlt’s Handbuch der Knochenbrüche.
GeschL
, und
Alter
des
Pat.
Zeit.
Sitz der Ver¬
letzung durch die
Section ermittelt.
Ent¬
stehung
der
Verlet¬
zung.
Zeit zwischen
Verletzung und
Tod.
Anderweitige
gleichzeitige
Verletzungen.
Symptome ur
Ve
örtliche.
mittelbar nach der
rletzung:
allgemeine.
Symptome im
weiteren Verlauf.
S e c t i
Medulla.
o n:
andere
Organe.
22 . m.
Bruch des Proc.
Sturz aus
41
5 Kopfwunden
Hefttige
Dyspnoe; Paralyse d.
Allmäliges Stei-
Totale Quet-
Mangel
1877.
spinös, des VI.
einer Höhe
Stirn-
ohne Fractur
Schmerzen in
Rumpfs und der un-
gen der T. bis
sehung zwi-
einer
30. M.
Halswirb. Durch-
von 8 M.
den.
des Schädels;
der Gegend
teren Extremitäten;
39,0*. Puls bleibt
sehen VI. u.
Schädel-
Spaltung d. Kör-
herab auf
Wunde am
der Schulter,
die oberen Extremi-
langsam 48 bis
VII. Hals-
fractur u.
pers d. VII. Hals-
den Kopf.
absteigenden
starke Ver-
täten gelähmt bis
zum Tod. Klo-
wirhel. Dura
innerer
Wirbels. Luxation
rechten Unter-
kürzung des
auf eine geringe
nische Zuckun-
mit Extrava-
Verlet-
d. VI. Halswirbels
kieferast.
Halses. Un-
Möglichkeit der Ro-
gen der oberen
säten bedeckt,
zungen,
nach vorn.
mögliehkeit
tation im Schulter-
Extremitäten im
nicht verletzt.
geringes
activer Bewe-
gelenk. Anästhesie
Schulter-Gelenk
Blutung in
Lungen-
gung des
der unteren Extre-
sich in mehr-
der Medulla
ödem.
Kopfes; hei
mitäten und des
ständigen Inter-
bis zum III.
passiven Be-
Rumpfes bis zur
vallcn wiederho-
Halswirbel u.
wegungen
Höhe der Brust-
lend. Tod unter
zum 3. Brust-
Crepitation.
warzen; in d. oberen
Erstickungs - Er-
wirbel
Extremit. Empfind-
scheinungen und
reichend.
lichkeit sehr hedeu-
Herzlähmg. Un-
tend herabgesetzt.
mögliehkeit,
T. 30,8°. P. 40.
Wasser u. Stuhl
(Deutl. Pause zwi-
zu entleeren. Pri-
sehen 1. u. 2. Herz-
apisraus.
ton.) R. sehr fre¬
1
quent und ganz un¬
regelmässig, exquisit
abdom. Schlucken
ungestört. Sprache
mühsam u. stockend.
Sensorium ganz frei.
Priapismus.
3. 111
Bruch d. VI. Hals¬
Herab¬
26
Fissur des
Heftige
Dyspnoe, Paralyse d.
Allmäliges Stei¬
Totale Quet¬
Mangel
1878.
wirbels, Abspren-
stürzen
Stun¬
Sternum
Schmerzen im
Rumpfes und der
gen der Tempe¬
schung in
einer
41. M.
gungeines Q.-Cm.
eines
den.
zwischen
Nacken. Dre¬
Extremitäten; ganz
ratur bis 40,0°.
Ausdehnung
Schädel-
grossen Stückes
grossen
Handgriff und
hung des
geringe Beweglich¬
P. 130. R. 32.
von 4* , Cm.
fraetur.
von der rechten
Stückes
Körper;
Kopfes activ
keit der Heber des
Klonische Zuck¬
Bluterguss im
Den
schiefen abstei¬
Kohle, aus
Bruch des
noch möglich.
Arms. Anästhesie
ungen in den
Mark bis zum
Brüchen
genden Gelenk-
7 Ellen
1 knorpligen
Beugung un¬
reicht bis zur 2.
Oberarmen. Un¬
verlängerten
des Ster¬
iläche des VI.
Höhe herab
Theils der l.
möglich.
Rippe. An den obe¬
möglichkeit,
Mark und bis
num ent¬
Halswirbels. To¬
auf den
3. Rippe dicht
passiv sehr
ren Extremitäten d.
Wasser u. Stuhl
zum 3. Brust¬
sprechend
tale Luxation des
Kopf des
am Sternum.
schmerzhaft.
M. deltoideus ent-
zu entleeren. —
wirbel zu ver¬
Sugi Ra¬
VI. Halswirbels
Pat.
an der ent¬
Bei versuchter
i sprechend noch ei¬
Hochgradige Cy-
folgen. Dura
tionen im
nach vorn mit
sprechenden
Einrichtung
nige Erapfindlich-
anose. Verlust
i unverletzt, mit
i Mediasti-
vollständiger Zer-
Stelle eine
Crepitation,
| keit. T. 33,2. P.
des Sensorium
Blut imbibirt,
j num. Ge¬
reissung der Zwi-
2. tiefe quere
starke Ver¬
| 60. R. 20, exqui-
erst 1 Stunde
Extravasate
ringes
schenwirbelband-
Fissur des
kürzung des
i sit abdominal, mit
vor dem Tode.
zeigend.
i Lungen¬
scheibe und des
Sternum.
Halses.
j lautem Rasseln.
Sehr starke Prä¬
ödem.
Bandapparats.
Schlucken ungestört.
cord ialangst. Pri¬
j Sprache unbehin¬
apismus verwan¬
dert. Sensorium ganz
delt sichinüalb-
!
frei. Priapismus.
erection.
1
Im ganzen entsprechen die Symptome dem von allen Autoren
gezeichneten Bilde; eine besondere Aufmerksamkeit verdienen
die niedrigen anfänglichen Oollapstemperaturen, deren Abfall
im ersten Fall bis zu der ungemein niedrigen Höhe von 30,8
reichte. Gerade in dieser Beziehung weichen beide Fälle von
dem vielfach citirten Fall Brodie's ab, wo nach ganz analoger
Verletzung die Temperatur eine excessive Höhe, 111 F. = 44,0 C.,
erreichten. Ich bedauere, dass ich keine genauere Beobach¬
tungen über Schweissabsonderung gemacht habe, da auch dieser
Punkt nach Verletzung des Halsmarkes vielfach interessante
Resultate aufweist.
III. Beitrag zur Aetiologie der chronische! Lungen-
schwindsncht
Ton
Dr. A. von Sokolowskf,
I. Assistenzarzt an der Dr. Brehmer’schen Heilanstalt in Gürbersdorf.
Bis zu Laennec’s Zeiten wurde allgemein angenommen,
dass die Pneumorhagie eine der häufigsten Ursachen der Lungen-
I phthise sei. Laennec 1 ) protestirte energisch gegen diese Lehre:
er stellte die Behauptung auf, dass die Pneumorhagie niemals
Ursache, sondern stets die Folge schon bestehender „Tuber-
culose w sei. Dasselbe, und zwar mit noch mehr Bestimmtheit,
sprach Louis 5 ) aus. Diese von so hervorragenden Autoritäten
ausgesprochene Ansicht galt bis noch vor kurzem als unumstöss-
liche Wahrheit. Erst Felix Niemeyer*) griff dieselbe an und
suchte auf Grund klinischer und necroscopischer Beobachtungen
zu beweisen, dass die Pneumorhagie in vielen Fällen als Ur¬
sache der Phthise anzusehen sei, dass es also mit der früher
beschriebenen „Phthisis ab Haemoptoe“ seine Richtigkeit habe.
Diese Lehre Niemeyer’s wurde seitens der Kliniker sowohl,
wie auch der Experimentatoren vielfach angegriffen. Autoren,
1) Laennec: Traite de l’auscultation raediate. Bruxelles 182S,
p. 283.
2) Louis: Recherches anatomiques, pathologiques et therapeutiques
sur la phthisie. Paris 1843, p. 608.
?) F. v. Niemeyer’s Klinische Vorträge über die Lungenschwind¬
sucht, mitgetheilt von Dr. Ott, Berlin 1867, p. 48—65.
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Go .gle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
30. September 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
585
wie Skoda 1 ), Traube, Lebert 2 ), Pidoux*), Rühle 4 ), Perl
und Lippm&nn 9 ), Buhl 9 ) u. a. richteten sich gegen dieselbe
mit klinischen und experimentellen Gründen und versuchten,
die Richtigkeit der Laennec’schen Lehre nachzuweisen. An¬
dere wieder schlossen sich der Niemeyer’schen Ansicht an:
Jaccoud 7 ), Albutt 8 ), WaldenbuTg*), Bratburg 1 ®), Bäum-
ler 11 ) und andere führen eine Reihe genauer klinischer Beob¬
achtungen zu ihrer Vertbeidigung an; auf experimentellem Wege
fand Sommerbrodt 12 ) zeitige Elemente in den Alveolen und
die Kriterien einer catarrhalischen Pneumonie.
Im Laufe der drei letzten Jahre habe ich in der Brehmer*
sehen Heilanstalt bei dem grossen Material, das mir zur Ver¬
fügung stand, Gelegenheit gehabt, folgende Fälle zu beobachten,
die wohl als reine „Pbthisis ab Haemoptoü“ zu bezeichnen sein
dürften:
I. Fall. J., 30 Jahre alt, Hausknecht, ohne irgend welche
hereditäre Anlage, will niemals krank, im Gegentheil stets
robust und rüstig gewesen sein; auch den Feldzug 1870/71
hatte er mitgemacht, ohne irgendwie an seiner Gesundheit
Einbusse zu leiden, und seiner gewiss anstrengenden Arbeit
als Hausknecht unterzog er sich, ohne je eine Schädigung
seiner Gesundheit bemerkt zu haben. Er ist von mittelgrosser
Statur und zeigt neben stark entwickeltem Knochen- und
Muskelsystem einen sehr gut gebauten Thorax.
Vor ca. 3 Jahren, als ich mich mit spirometrischen Unter¬
suchungen Lungenkranker beschäftigte, zog ich dazu auch
gesunde Menschen heran, unter anderen unseren Patienten.
Derselbe hatte damals eine vitale Capacität von 4200 Cctm.;
und bei der physicalischen Untersuchung seiner Brustorgane
konnte man durchaus keine Veränderungen nachweisen. Im
März 1876 bekam Patient plötzlich in Folge von Ueberan-
strengung (Holztragen, Blasen auf einem Signalhorn) eine mässig
starke Haemoptoe, ohne sich dabei besonders krank zu fühlen.
Am Abend desselben Tages sah ich J.: er war vollständig
fieberlos, und die physicalische Untersuchung zeigte auch dies
Mal keinerlei Veränderung der Lungen. Ich rieth ihm, sieb
ruhig zu verhalten und für die Zukunft seine anstrengende
Beschäftigung aufzugeben. Trotzdem aber nahm er dieselbe
schon am dritten Tage nachher wieder auf, weil „er sich ganz
gesund fühle“ — die Folge davon war, dass noch an dem¬
selben Tage eine dies Mal stärkere Haemoptoe auftrat, welche
sich an den darauf folgenden Tagen mehrmals mit geringerer
Intensität wiederholte. Auch dies Mal untersuchte ich den Pat.
genau und fand wiederum auf den Lungen keine Veränderung;
1) Skoda: Wiener medicinische Presse 1869, pag. 13.
2) Lebert: Klinik der Brustkrankheiten. Tübingen 1873, p. 185.
3) Pidoux: Etudes generales et pratiques sur la phthisie. Paris
1873, pag. 255.
4) Rühle: Handbuch der speciellen Pathologie und Therapie, her¬
ausgegeben von H. v. Ziemssen. Bd. V, 2, pag. 29.
5) Perl u. Lippraann: Virchow’s Archiv, Bd. 51.
6) Buhl: Lungenentzündung, Tuberculose und Schwindsucht.
München 1873.
7) Jaccoud: Traite de pathologie interne. Paris 1875, T. II,
pag. 21.
8) Albutt: Die Ueberanstrengung des Herzens etc., herausgegeben
von J. Seitz, Berlin 1875, pag. 39.
9) Waldenburg: Die Tuberculose, die Lungenschwindsucht und
Scrofulose. Berlin 1869, Hirschwald, pag. 495. — Berliner klinische
Wochenschrift 1875, No. 36, pag. 497.
10) Bratburg: Virchow’s Jahresbericht 1871, pag. 117.
11) Bäu ml er: CaSes of Ilaemoptysis followed by inflamatory changes
in the lungs. Clinical Society’s Transactions Vol. II.
12) Sommerbrodt: Niemeyer-Seitz: Specielle Pathologie und
Therapie. Berlin 1874, Bd. I, pag. 152.
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auch die laryngoscopische Untersuchung und die des Nasenrachen¬
raumes gab keinen Aufschluss über die Quelle der Blutung.
Jetzt erst zog sich Patient von seiner anstrengenden Beschäfti¬
gung zurück; trotzdem zeigten sich von Zeit zu Zeit blutige
Sputa. Gleichzeitig stellten sich Husten und Auswurf ein, und
Patient bemerkte, dass ihm das Treppensteigen schwerer würde;
ausserdem hatte er über unbedeutendes Stechen dicht unter¬
halb der rechten Clavicula zu klagen. Er ging daher auf
meinen Rath zu seinen Angehörigen aufs Land (Riesengebirge).
Im Juli 1876 sah ich den Patienten wieder. Er hatte bei
übrigens sonstigem Wohlbefinden häufig noch blutige Sputa
gehabt; die oben erwähnten Schmerzen waren geschwunden,
etwas Kurzathmigkeit aber und Auswurf geblieben.
Die diesmalige physicalische Untersuchung ergab deutliche
Dämpfung in der regio infraclavicularis dextra, rauhes Exspi-
rium und spärliche kleinblasige Rasselgeräusche. Patient nahm
wieder einen allerdings etwas leichteren Dienst und ging da¬
mit einer allmäligen Besserung seines Zustandes entgegen.
Anfangs Januar 1878 stellte er sich mir wieder vor. Sein all¬
gemeiner Ernährungszustand lässt nichts zu wünschen übrig.
Seit einigen Monaten — so giebt er an —- ist keine Haemoptoe
wieder eingetreten, doch bestand bis jetzt noch immer geringe
Kurzathmigkeit. Bei der Untersuchung zeigt die rechte Infra-
claviculargegend eine deutliche Einsenkung; der Percussionston
ist an dieser Stelle gedämpft; bei der Auscultation lassen sich
neben unbestimmtem Athmen und Bronchophonie nur einige
wenige trockene Rasselgeräusche wahrnehmen.
Dieser Fall ist meiner Ansicht nach sehr bemerkenswerth:
denn er zeigt bei einem vorher ganz gesunden, hereditär nicht
belasteten Individuum trotz seines Aufenthaltes in frischer
Gebirgsluft unter sonst guten hygieinisch-diätetischen Bedin¬
gungen eine in Folge von Ueberanstrengung plötzlich aufgetre¬
tene Haemoptoö, die zu Veränderungen im Allgemeinbefinden
und in den Lungen Veranlassung giebt, welche dem klinischen
Bilde des Anfangsstadiums der gewöhnlichen Lungenphthise
entsprechen.
II. Fall: A., 32 Jahre alt, Dorflehrer, ohne hereditäre
Belastung, giebt an, bis zum 30. September 1874 stets gesund
gewesen zu sein. An gedachtem Tage trat nach langem Singen
in einem heissen Locale plötzlich ein sehr starker Blutsturz
ein, der sich am folgenden Tage mit derselben Intensität wieder¬
holte. Am fünften Tage nachher bekam Patient, der früher
nie gehustet hat, ziemlich starken Husten, ausserdem stellten
sich hohes Fieber, Schwäche und allmälige Abmagerung ein.
Nach vierwöchentlichem Krankenlager fühlte sich Patient, wenn
auch noch erschöpft, so doch so weit gebessert, dass er seinen
Beruf wieder aufhehmen zu können glaubte — Husten und ge¬
ringe Athemnoth waren zurückgeblieben. — Aber schon Mitte
Mai 1875 sah er sich genöthigt, die hiesige Heilanstalt aufzu¬
suchen. Bei der Aufnahme war Patient fieberfrei; sein Kräfte-
und Ernährungszustand war im allgemeinen gut, sein Thorax
schön und vollständig symmetrisch entwickelt. Die Percussion
ergab matten Schall über der rechten Lungenspitze; ausculta-
torisch waren im Bereiche der Dämpfung schwaches bronchiales
Athmen, Bronchophonie und spärliche Rasselgeräusche nach¬
weisbar. Husten unbedeutend, meist trocken. Vitale Capacität
2400 Cctm. Nach ca. 5 monatlichem Aufenthalte in der Anstalt,
wo er neben passender Diät und methodischem Bergsteigen
noch einer hydropathischen Behandlung (Douche) unterworfen
wurde, hatte sich das subjective Allgemeinbefinden soweit ge¬
bessert, dass Patient sich für vollständig gesund hielt. Die kurz vor
seiner Abreise vorgenommene Untersuchung ergab an der oben
näher bezeichneten Stelle jetzt nur noch eine ganz minimale
Dämpfung und rauhes Exspirium.
Origii =il fre
UNIVERSITY OF MICHIGAN
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 39
III. Fall: V. ist 32 Jahre alt, Landwirth und stammt aus
einer angeblich ganz gesunden Familie. Er selbst will bis zum
5. November 1874 niemals krank gewesen sein. An diesem
Tage bekam er unmittelbar nach einem Sturze von bedeutender
Höhe eine starke Lungenblutung; einige Tage nachher stellten
sich Husten, Auswurf und Kurzathmigkeit ein. Patient beachtete
diese Symptome nicht und nahm bald seine gewohnte Be¬
schäftigung und Lebensweise wieder auf. Ungefähr drei Monate
nach jenem Sturze bekam er eine neue Pneumorhagie, welcher
sich dies Mal eine mehrere Wochen andauernde Haemoptoö an¬
schloss. Husten, Auswurf und Kurzathmigkeit traten jetzt mit
grösserer Intensität auf, und da dieselben einer medicamentösen
Behandlung nicht weichen wollten, so suchte V. im Sommer
1875 in der hiesigen Heilanstalt Hülfe. Der im Juni aufge¬
nommene Status praesens war folgender:
Patient ist von kleiner Statur, starkem Knochenbau und
besitzt einen prachtvoll entwickelten Thorax; er ist vollständig
fieberfrei und scheint die Ernährung nicht gelitten zu haben.
In der rechten Infrascapulargegend lässt sich eine beschränkte
Dämpfung constatiren, in deren Bereiche neben zahlreichen klein-
blasigen Rasselgeräuschen bronchiales Exspirium zu hören ist.
Die vitale Capacität beträgt 2800 Ctm. Nach zweimonatlicher
Behandlung waren die localen Erscheinungen, wenn auch nicht
vollständig geschwunden, so doch bedeutend redueirt, und ent¬
zog sich Patient durch die Abreise der weiteren Beobachtung.
IV. Fall: K. ist 34 Jahre alt, Kaufmann, und stammt aus
einer Familie, in welcher niemals Phthise vorgekommen ist. Er
war bis zum 13. Juni 1874 gesund, wo er nach dem Heben
einer sehr schweren Last plötzlich eine bedeutende Pneumor¬
hagie bekam. In den folgenden 8 Tagen hatte er hohes Fieber,
fühlte sich sehr matt und magerte etwas ab. Nachdem das
Fieber nachgelassen hatte, erholte er sich wieder, behielt aber
Husten. Auswurf und Kurzathmigkeit, welche bis zum Juni 1875
andauerten, wo er in hiesiger Heilanstalt Hülfe suchte. Beim
Eintritt zeigte der im allgemeinen kräftige, gut genährte Patient
eine ziemlich ausgebreitete Verdichtung des rechten oberen
Lungeulappens. Er blieb 3 Monate in der Anstalt, und waren
bei der Abreise die Verdichtungserscheinungen nahezu ge¬
schwunden.
V. Fall: Hauptmann S. ist 30 Jahre alt. Sein Vater litt
an einem Lungenleideu, über dessen Character Patient nichts
näheres anzugeben weiss. Er selbst war nie krank, von Jugend
auf Soldat und machte den Feldzug 1866 in voller Gesundheit
mit. Im Jahre 1870 — während des Feldzuges — fiel er vom
Pferde aufs Pflaster; in Folge dieses Sturzes trat, abgesehen
von einer bedeutenden Contusion, sofort eine sehr bedeutende
Lungenblutung ein. Nachdem er einige Wochen im Lazareth
sich aufgehalten, betheiligte er sich wieder am Feldzuga, ob¬
schon der gleich nach dem Blutsturze aufgetretene Husten und
Auswurf geblieben war. Trotz der zunehmenden Intensität dieser
Symptome nahm er an dem Feldzuge bis zum Ende Theil, ver-
liess dann aber den Dienst, um ganz seiner Gesundheit zu
leben.
Im Laufe der 3 folgenden Jahre besuchte er verschiedene
Bäder und Kurorte, ohne jedoch Erfolg zu erzielen. Sein Zu¬
stand wurde allmälig immer schlimmer. Im Sommer 1875 kam
er auch in die hiesige Heilanstalt, und damals fand sich neben
noch leidlichem Ernährungszustände eine bedeutende Zerstörung
in der rechten Lunge. Er blieb viele Monate hier, ohne jedoch
Besserung zu erzielen, ging dann nach Hause und starb wenige
Monate nachher.
VI. Fall: H. ist 27 Jahre alt, Kaufmann, ohne hereditäre
Anlagen und früher stets gesund gewesen. Vor 3 Jahren hatte
er Lues, die, zweckmässig behandelt, in der gewöhnlichen Weise
verlief. Im Juli 1876 bekam er plötzlich nach einem Tanze in
einem heissen, menschenuberfüllten Saale, eine Lungenblntung
und zwei Tage nachher Husten, hohes Fieber und Athemnoth.
Das Fieber liess nach 14 Tagen nach, Patient erholte sich
rasch und kam Anfangs August in die Brehmer’sche Heil¬
anstalt. Die damalige Untersuchung ergab eine geringe frische
Verdichtung der rechten Lungenspitze, unbestimmtes Athmen
und kleinblasige Rasselgeräusche. Der Allgemeinzustand des
Patienten war sehr gut, der Husten unbedeutend und meist
trocken; auch die Athemnoth war gering. Nach achtmonat¬
licher Kur verliesa Patient die Anstalt. Der Husten war ganz
geschwunden und bei einem sehr guten Allgemeinbefinden war
nur eine ganz minimale Schalldifferenz zu Ungunsten der rechten
Spitze und rauhes Exspirium nachzuweisen.
VII. Fall: H. ist 32 Jahre alt, Lehrer und aus gesunder
Familie stammend, bis zum December 1875 stets gesund ge¬
wesen, Damals bekam er in Folge eines Falles auf dem Eise
plötzlich einen Blutsturz, in dessen Gefolge eine mehrere Wochen
andauernde Haemoptoe war; auch Husten und Athemnoth stellten
sich bald ein; ob Patient fieberte, war nicht zu ermitteln. Bei
der Untersuchung im Juli 1876 fand sich rechts eine ziemlich
ausgedehnte Spitzenverdichtung. Patient entzog sich leider bald
meiner weiteren Beobachtung.
VIII. Fall: 0., ein 43 Jahre alter Kaufmann stammt aus
gesunder Familie und ist bis zum Sommer 1874 ganz gesund
gewesen, wo er an einem s^hr heissen Tage in Folge anstrengen¬
den Laufens einen bedeutenden Blutsturz bekam. Patient er¬
holte sich indess sehr bald davon, so dass er seiner gewohnten
Beschäftigung nachging. Allmälig kamen bei ihm aber vor
allem ein bedeutender Husten zum Ausbruch und zeitweise
Haemoptoe. Ich untersuchte den Patienten im December 1375
und fand bei einem recht guten Allgemeinzustande eine geringe
Dämpfung der rechten Lungenspitze, welche auf einen abge¬
laufenen Process zu beziehen sein dürfte.
Diese Fälle zeigen nach meinem Dafürhalten typische
Eigentümlichkeiten von »Phthisis ab Haemoptoe“ und haben
alle das gemein:
1) Blutsturz war die ei*ste Kranheitserscheinung in allen
Fällen. Er trat bei vorher ganz gesunden, kräftig gebauten
und unter guten hygieinisch-diätetischen Bedingungen lebenden
Individuen auf, ohne dass Husten oder andere auf Phthisis
hindeutende Erscheinungen vorhergegangen wären. In allen
Fällen, bis auf den ad V. aufgeführten, fehlte die heredi¬
täre Belastung — mit einem Worte: die Haemoptoe trat als
erstes Krankheitssymptom bei vollständig gesunden Menschen
ein. Sehr instructiv ist in dieser Beziehung der I. Fall; denn
es fand sich dabei, was nicht häufig vorkommt, Gelegenheit,
den Patienten vor dem Auftreten der Blutung zu untersuchen
und den gesunden Zustand der Lungen zu constatiren.
2) Das Alter der Patienten entsprach nicht dem, in welchem
die gewöhnliche Phthisis mit ihren bekannten Symptomen auf¬
zutreten pflegt; denn der jüngste Patient war 27 Jahre alt, der
älteste 40.
3) In allen Fällen war ein mechanisches Moment als Ur¬
sache des Blutsturzes festzuhalten: Anstrengung beim Holz¬
tragen, lange andauerndes Singen an einem heissen Tage im
überfüllten Saale, Sturz aus der Höhe, Heben schwerer Lasten.
Sturz vom Pferde, Fall aufs Eis etc. In allen Fällen trat die
Blutung unmittelbar nach Einwirkung der Ursache ein.
4) Was die nachfolgenden Erscheinungen anlangt, so traten
in 4 Fällen unmittelbar oder doch einige Tage nach dem Blut¬
sturze heftiges Fieber, Husten, Auswurf uud Athemnoth ein.
Symptome, die in der Regel die acuten Processe der Lunge zu
begleiten pflegen. In allen Fällen hörten diese Erscheinungen
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30. September 1S7S.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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bald auf oder verloren doch ihre anfängliche Intensität, und
nahm der Process einen chronischen Character an. In den
4 anderen Fällen verlief er von Anfang an mehr chronisch. In
3 Fällen (ad I, III, V) trat nach einiger Zeit von neuem Hae-
moptoe und damit zugleich eine Verschlimmerung des Zu¬
standes ein.
6) Characteristisch für sämmtliche Fälle ist ferner, dass
der Husten sich bald nach dem Blutsturze einstellte und das
am längsten bestehende Symptom ist.
7) Ein einziger Fall (ad V) hatte einen ungünstigen Verlauf;
in diesem Falle bestand, wie oben erwähnt, eine wenn auch
nicht näher zu bezeichnende hereditäre Anlage. Es ist also
möglich, dass der mechanische Insult uud die darauf folgende
Entzündung die Veranlassung zum Ausbruch des constitutionellen
Leidens gab, das bis dahin latent geblieben war. Andererseits
zeigt der Krankheitsverlauf dieses Falles, dass sich Patient den
Strapazen des Feldzuges aussetzte, bevor er sich von den
Folgen des Blutsturzes ganz erholt hatte — das dürfte schon
an und für sich den ungünstigen Ausgang motiviren.
8) Alle Fälle lehren, dass der Arzt bei solchen Patienten
äusserst strenge darauf halten muss, dass dieselben ihre frühere,
mit Anstrengung oder Aufregung verbundene Lebensweise nicht
eher wieder aufnehmen, bevor die sogar subacuten Erschei¬
nungen gänzlich geschwunden sind. Zweckmässig ist es, den
Patienten auf einige Zeit in gute Gebirgsluft oder, wenn die
Verhältnisse das nicht gestatten sollten, aufs Land zu schicken.
IV. Kritik.
Leqons de Clinique medicale. Par le Dr. H. Bernheim.
Paris, 1S77.
Das vorliegende Werk kennzeichnet seinen Verfasser (der seiner
Zeit den von dem jüngst verstorbenen Prof. Hirtz ausgeschlagenen
Lehrstuhl in Nancy angenommen hatte) als einen mit umfangreichstem
Wissen, vorurteilsfreiem kritischen Vermögen und durchaus ungewöhn¬
lichem Lehr- und Darstellungstalent begabten Kliniker. — Für uns
hat das Werk um so mehr Bedeutung, als wir in ihm den Standpunkt
der französischen Fachgenossen gegenüber einigen äusserst wichtigen,
die deutsche Pathologie und Therapie beherrschenden Fragen repräsen-
tirt finden, und dieser Umstand mag eine eingehendere Besprechung
rechtfertigen.
Der erste, der Pneumonia fi brinosa gewidmete Abschnitt giebt
eine eingehende Begründung für die Lehre, dass die fibrinöse Pneumo¬
nie den Infectionskrankhciten zuzuzählen sei. (Diese Vorlpsungen waren
bereits im Jahre 1873 gehalten!) Er betont das NicMkchritthalten der
Allgemeinerscheinungen mit den localen und die Unmöglichkeit, das
typische anatomische Bild der rothen Hepatisation experimentell oder
traumatisch zu erzeugen. — Wirklich kritische Tage giebt es nicht;
doch ist Neigung zur Defervescenz zwischen 5. und 9. Tage vorherrschend.
Betreffs der Therapie werden die in Frankreich sonst en vogue seienden
Antimonialien verworfen.
Die Digitalis coupirt die Pneumonie absolut nicht, sie beeinflusst
das Fieber temporär, vermag aber den Verlauf der Krankheit nicht zu
alteriren; schon seit 1850 in Deutschland in Gebrauch, hat sie erst
seit den neueren Arbeiten von Hirtz die Beachtung der französischen
Acrzte gefunden. Bern heim betont mit Hirtz, dass — entgegen den
Traube’schen Ansichten — die Digit, im Fieber die arterielle Spannung
erhöht; er hält sie daher nur bei geschwächter Herzaction für indi-
cirt. — Sehr hoch wird der Werth des Chinin veranschlagt.
Wunder nimmt es uns, dass Verf. keine Erfahrung über die Wirkung
kühler Bäder in der Pneumonie besitzt — ja noch mehr, dass er ihre
Anwendung wegen schädlicher Wirkung auf das Herz (!) fürchtet, und
meint, sie seien nicht berufen, sich in Frankreich Eingang zu verschaffen.
B. fürchtet doch vor allem die Adynamie des Herzens, er hält die Pneu¬
monie für eine Infectionskrankheit, macht aber nicht den naheliegenden
Schluss, dass gerade das Fieber es ist, welches rapide Herzschwäche bedingt;
seine Furcht vor Syncope im Bade ist durchaus unbegründet; wir haben
diese theoretischen Bedenken? durch unsere practische Erfahrung längst
beseitigt.
II. Klinische und therapeutische Beobachtungen über
Pneumothorax.
Pneumothorax mit Perforation — aus jedweder Ursache — kann
spontan heilen; die Fistel schliesst sich nach 1—2 Monaten durch Pleura¬
erguss mit Pseudomerabranen, oder durch Compression in Folge des
pleuritischen Ergusses, oder durch Pseudomembranen allein mit Ver¬
schmelzung der beiden Pleurablätter. Ist gleichzeitig Tuberculose vor¬
handen, so kann diese eine sehr langsame Entwicklung eingehen, und
selbst stationär bleiben, doch ist ein günstiger Einfluss des Pneumo¬
thorax auf die Tuberculose nicht vorhanden. — Folgt auf den Pneumo¬
thorax ein Erguss, so warte man 1—2 Monate, bis sich die Lungenfistel
geschlossen hat; ist dann keine Resorption erfolgt, so schreite man zur
Thoracocentese. Bei eitrigem Erguss sind wiederholte Punctionen meist
erfolglos, Punctionen mit nachfolgender Jodinjection reussiren mitunter.
Ist selbst der Schluss der Lungenfistel noch nicht bestimmt eingetreten,
so darf man doch zur Punction und Jodinjection schreiten. Bei eitrigem
Ergüsse etablire man eine Pleurafistel durch Schnitt. — Folgt ein pleu-
ritischer Erguss einem Pneumoth., so bleibt er meist lang serös; wird er
dann eitrig, so tritt keine Zersetzung des Transsudates ein. Zieht aber
ein Empyem secundär eine Lungenfistel nach sich, so tritt meist fötide
Zersetzung des Eiters ein.
III. Schwere Functionsstörungen des Herzens ohne
Klappenfehler sind schon von Corvisart beobachtet; den durch
Da Costa, Seitz und E. Levy für dieselben eingeführten Namen
„Ucberanstrengung des Herzens“ glaubt B. verwerfen zu müssen, da er
die Anschauung einer ätiologischen Einheit involvirt, die de facto nicht
vorhanden sei. Das bestehende Band der unter den verschiedensten
Verhältnissen auftretenden Functionsstörung ist das Symptom der Herz¬
schwäche und ihrer Folgen, daher der von Beau gewählte Name „Asy¬
stolie“ treffend erscheint. Dem ist aber entgegen zu halten, dass eine
Asystolie im Sinne Be au’s, dies eine Symptom, bei allen Herzaffec-
tionen zu treffen ist, auch bei den sogenannten „organischen“ Herzleiden;
will man die letzteren daher durch die Nomenclatur ausgeschlossen wissen,
so muss man schlechterdings eine Bezeichnung wählen, die nur den in
Frage stehenden Störungen zukommt, und das Wort „Ueberanstrengung“
erfüllt diesen Zweck, sofern es nichts weiter aussagt, als dass das Herz
gelegentlich mehr zu leisten hatte, als ihm seine anatomische Disposition
erlaubte. — Wenn Legroux feststellte, dass unter den Frauen die mit
sitzender Lebensweise das grösste Contingent für diese Affectionen liefern,
so ist damit noch nicht erwiesen, dass selbige nicht gelegentlich in die
Lage kämen, eine Mehranforderung an ihr Herz zu steilen — mehr,
so möchte ich vielmehr schliessen, als ihr Herz gewohnt ist, zu
leisten, und als sie deshalb unbeschadet ertragen können.
17 sehr ausführlich geschilderte Beobachtungen haben zu folgenden
Resultaten geführt: Hauchende oder schabende Geräusche am Herzen —
selbst mit Katzenschnurren — sind Zeichen von bestehenden Rauhig¬
keiten an den Ostien oder auf den Klappen, ohne dass damit Insuffi-
cienz oder Stenose erwiesen wäre. Leise hauchende Geräusche können
Zeichen einfacher Hypertrophie oder rein functioneller Störungen des
Heizens sein — ohne KJappenaffeetion. Solche Affectionen geben zu
acuter Asystolie Veranlassung und treten sehr verbreitet auf. Diese
Functionsstörungen zeigen sich 1) aus Veranlassungen, die direct oder
indirect auf eins der zahlreichen Organe der Innervation des Herzens
wirken, 2) aus solchen, die auf die Gefässe des grossen oder kleinen
Kreislaufes wirken 3) aus Ursachen, die das Herz selbst treffen, und
zwar das Endocard oder Pericard (Rheumatismus, Alcoholismus, Athe-
l’ose etc.) oder das Myocard (Fieber, Cachexien, Gifte etc.). — Ist die
Functionsstörung vorübergehend, so bleibt das Herz anatomisch intact,
ist sie anhaltend oder sich oft wiederholend, so kommt es zur Hyper¬
trophie und Dilatation oder zur Fettentartung; meist tritt Hypertrophie
ein, doch arbeitet ein hypertrophisches Herz nicht nothwendig mehr als
ein gesundes; dabei kann das Allgemeinbefinden absolut ungestört sein.
Manchmal indess, ebenso wenn Fettdegeneration eingetreten ist, tritt
das Bild der Herzschwäche und ihrer Folgen, wie bei einem Klappen¬
fehler, hervor. Diese primäre einfache Hypertrophie kann Klappenaffec-
tionen nach sich ziehen, gewöhnlich sclerotische Verdickung an den
Rändern der Mitralis und Tricuspidalis in der Höhe des Sehnenan¬
satzes, oder auch miliare Excreseenzen an den'Rändern der Aorten¬
klappen, wodurch intra vitam wahrnehmbare Geräusche entstehen; doch
werden nur ausnahmsweise hierdurch Stenose oder Insufficienz geschaffen.
IV. Uebcr die Digitaliswirkung auf das Herz giebt Verf.
eine lange historisch - kritische Uebersicht. Er behauptet, dass es die
motorische Kraft des Herzens und die Irritabilität seines Heramungs-
nervensystems steigert; bei mittlerer Dosis ist der Puls verlangsamt —
und der Blutdruck gesteigert; die Wirkung auf die Vasomotoren und
die Tunica muscularis der Gefässe ist nicht genügend experimentell be-
thätigt. — Es ist daher ernstlich davor zu warnen, das Mittel bei erhöhter
arterieller Spannung anzuwenden; sobald die durch die venöse Stauung
gesetzten Veränderungen in chronischen unheilbaren Zustand kommen
(Anasarca, Atherose, bei Alteration des Myocards), ist auch eine Wir¬
kung der Digitalis nicht mehr zu erhoffen. Contraindicirt ist sie bei
Degenerationen des Herzens und bei unüberwindlichen Hindernissen im
kleinen Kreisläufe, die die Asystolie herbeiführen.
Der fruchtbarste Abschnitt des Werkes ist der
V. Ueber die Entwicklung des Fiebers im Typhus und seine
Aenderung durch antipyretische Behandlung.
Wir stossen hier gleich auf die gewiss vielen deutschen Aerzten
befremdend erscheinende Aeusserung, dass der Temperatur allein durch¬
aus nicht die prognostische Bedeutung zukomme, wie zumeist angenommen
wird. Vor allem wird auf die Existenz eines normalen Fiebers der Con-
valescenz aufmerksam gemacht — welches ohne jede nachweisbare Organ¬
erkrankung, Ursache andauernden Marasmus’ sein kann; dasselbe (mit
Recidiv, Recrudescenz und Nachkrankheiten nicht zu verwechseln, gewiss
häufig für solche genommen (Ref.)) kann bedeutend länger andauern,
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 39
als die Krankheit selbst. — Prognostisch wichtiger ist für B. entschie¬
den der Puls, und das gewiss mit bestem Rechte; es ist an der Zeit,
dass gegen das schematische Behandeln der Typhen nur nach dem Ther¬
mometer Front gemacht wird: das Factum, dass hohe Temperatur ohne
jede Erscheinung von seiten des Nervensystems, und niedrige Tempe¬
ratur mit hochgradigem Betheiligtsein des Centralnervensystems gar
häufig vorkomme, Erscheinungen, die durchaus nicht immer auf die
„Individualität“ des Kranken zurückgeführt werden können, sollten schon
längst darauf hingeleitet haben, dass Infection und Fieber nicht iden¬
tisch sind. Ferner ist auf das nicht unwichtige Factum aufmerksam
zu machen, dass das Fieber der Convalescenz oft höhere Tempera¬
turen aufweist, als die ursprüngliche Krankheit, und doch nie mit
nervösen Erscheinungen verknüpft ist. Nicht das Fieber bringt die
letzteren zu Wege, sondern die Infection. — Auch in betreff der Beur-
theilung der Dauer des Typhus giebt das Thermometer keinen zu¬
verlässigen Anhalt: bei continuirlich hohem Fieber kann doch früh¬
zeitige Entfieberung eintreten. — So steht denn B. auch therapeutisch
auf einem überaus rationellen Standpunkte. Die Hydrotherapie hat
sich in Frankreich erst seit Anfang dieses Jahrzehntes Eingang verschafft.
B. ist auch keiner von denen, die da auf jeden Fall im Typhus abkühlen:
„Je ne suis pas refrigärateur ä outrance“ sagt er. Erst wenn die Tem¬
peratur sich Tage lang Morgens und Abends auf 40 hält, oder schwere
nervöse Erscheinungen bei zeitweisem Ansteigen der Temperatur auf
40 oder darüber vorhanden sind, erst dann badet er (20° — 10 Minuten
lang). Im übrigen ist ihm die Sache nicht so brennend, das Fieber an
sich fürchtet er nicht. — Die Resultate, die er von der Hydrotherapie
dabei gehabt, sind ganz vorzüglich. Wenn die nervösen Erscheinungen,
die doch vom Fieber durchschnittlich unabhängig sind, doch durch die
abkühlenden Bäder so günstig beeinflusst werden, so liegt das wahr¬
scheinlich daran, dass das inficirende Agens in der Wärme stärker auf
die Centralorganc einwirkt, als in der Kälte. Betreffs der Wirkungsweise
der Kälte gesteht B. rückhaltlos ein, dass die Thatsachen im augen¬
scheinlichsten Widerspruche mit allen Theorien stehen, lediglich weil
alle unsere Fiebertheorien zu wenig begründet sind. Nihil magni facias
mera hypothesi aut opinione.
Der Wirkungsweise der Digitalis im Typhus wird eine eingehende
Schilderung gewidmet; sie wirkt direct auf die der Wärmeregulirung
vorstehenden Centralapparate. — Die Darstellung der Fiebertheorien ist-
vortrefflich. Ich will dabei erwähnen, dass nach den Untersuchungen
von M. Ritter eine Vermehrung des Harnstoffes im Fieber nicht ge¬
funden wurde: während nämlich beim normalen Harn die Methoden
von Liebig, Yvon und Millon gleiche Resultate geben, zeigt sich,
dass Liebig’s Methode beim febrilen Harn die doppelte Quantität er-
giebt., als die beiden anderen: daher sollen die abweichenden Angaben
fast aller Autoren, die ausschliesslich nach Liebig arbeiteten, herrühren.
VI. Ueber congestive Zustände in den Lungen beim
acuten Gelenkrheumatismus.
Die von den meisten Autoren beschriebenen Fälle von Complica-
tionen des acuten Gelenkrheumatismus mit Pneumonie, Pleuritis, Bronchi¬
tis etc. sind nach Vcrf. auf folgenden Vorgang zurückzuführen: Zuerst
Abschwächung des Percussionsschalles und des Vesiculärathmens in
der linken Lungenspitze; dann verlängertes, stellenweise hauchendes
Exspirium, schliesslich — sehr spät — feuchtes Rasseln mit schlei¬
migem Sputum; das will sagen: Congestion in der linken Spitze,
dann in beiden Spitzen, das Parenchym weniger lufthaltig, die Alve¬
olen z. Th. durch starke Hyperämie der Wandgefässe verwischt. Dann
vollständige Luftleerheit der Alveolen; ihr Lumen verschwindet wegen
oxeossiver Ausdehnung der Gefässe (daher stellenweise Bronchialathmen).
Besteht diese Congestion fort, so kommt es zu sero - sanguinolenter
Exsudation in die Bronchien und Alveolen mit Proliferation ihres Epi-
theliums (feuchte Rasselgeräusche). — Diese Reihenfolge ist allemal
dieselbe. — Characteristisch ist die Variabilität dem Orte nach —
analog dem Wandern der Gelenkaffection. — Die physikalischen Er¬
scheinungen der Hyperämie wechseln und verschwinden gewöhnlich bald;
doch können die Folgeerscheinungen, der Exsudation angehörend, nach
Heilung der Gelenkaffection noch fortbestchen.
In einer Reihe von Fällen fehlen jegliche Functionsstörungen seitens
der Lungen, nur die physicalische Untersuchung zeigt das Bestehen
der Lungencongestion an (daher fleissig beim Rheum. artic. acut, den
Thorax untersuchen!). — (Ref. wendet diesen Affectionen seit ca. einem
Jahre seine Aufmerksamkeit zu und kann versichern, dass frühzeitig in
Behandlung kommende Fälle durch unausgesetzte Anwendung des Natr.
salicylie. derart coupirt werden, dass es zur Exsudation niemals kommt;
einige Male, in denen die Hyperämie der Lungen dem Ausbruch der
Gelenkaffection vorherging, und die daher für beginnendes Engouement
imponirten, wurden durch Natr. salicylie. innerhalb 24 Stunden geheilt;
das Aussetzen des Mittels hatte nach 2 Tagen einen Widerausbruch der
Lungencongestion mit acuter Gelenkschwellung zur Folge, die dann
beide durch fortgesetzten Gebrauch des Medicamentes innerhalb 10 bis
14 Tagen vollkommen beseitigt wurden.)
Das wichtigste habe ich zu referiren gesucht; vieles interessante
namentlich in den beiden Abschnitten über „Functionsstörungen des
Herzens ohne Klappenaffection“ und über das „Fieber im Typhus“ ist
dringend zu empfehlen, im Original nachgelesen zu werden. Die Aus¬
stattung des Buches ist, wie bei allen von Baillere herausgegebenen
Werken, musterhaft. Eugen Pick.
V. VerhuuUugea ärztlicher fieseüsehaftei,
Berliner ■edicinische Gesellschaft.
Sitzung vom 3. April 1878.
Vorsitzender: Herr v. Langenbeck.
Schriftführer: Herr Ries.
Das Protocoll der letzten Sitzung wird verlesen und angenommen.
Als Geschenke für die Bibliothek sind eingegangen von Herrn
Lender: Die Kräfte der freien Luft im Januar 1877 und von Herrn
Behrend eine Anzahl Hefte verschiedener medicinischer Zeitschriften.
Tagesordnung.
1) Herr Wiss: Therapeutische Mittheilungen.
Der Vortragende bemerkt zunächst im Anschluss an frühere Mit¬
theilungen, dass er Baisamum Pqruvianum äusserlich unverdünnt an¬
wende, indem er die Wunden damit begiesse oder darin getränkte Com-
pressen auflege; die Wirkung sei namentlich eine'schmerzstillende, die
Plasticität, also die schnelle Heilung befördernde, nicht minder aber
auch eine antiseptische, so dass derselbe wohl die Carbolsäure, mit der
man in letzter Zeit nicht mehr allgemein zufrieden sei, zu ersetzen
vermöge.
Für die innere Anwendung benutze er eine Emulsion von 8 Grm.
Balsam auf im ganzen 250 Grm., als Corrigens 30 Grm. Zimmtsyrup;
die Wirkung sei, wie ihm auch von einem auswärtigen Collegen be¬
stätigt worden, hei chronischem Lungencatarrh eine ausgezeichnete;
ireilieh sei selbst bei der genauesten physicalischen Untersuchung nicht
immer festzustellen, ob nur Catarrh, nicht auch Tubercuiose vorhanden sei,
da auch die begleitenden Erscheinungen der Abmagerung, Schweisse etc.
sich bei längerer Dauer des Catarrhs zuweilen einstellten, bei Tuberkeln
aber sei Bals. peruv. ohne Wirkung.
Herr Wiss theilt sodann, zum Hauptgegenstande seines Vortrages
übergehend, seine Behandlungsweise der Diphtheritis mit: Chinin, sulph.
0,40—0,60, Amm. mur. 6, auf 90 Wasser und 30 Syr. Cort. Aurant,
2stündlich 1 Kinderlöffel zu nehmen; er habe dabei unter den vielen
von ihm namentlich in Baltimore behandelten Fällen keinen einzigen
tödtlichen Ausgang gesehen, das Fieber und die Halserschcinungen ver¬
schwänden in einigen Tagen, namentlich werde auch die Ausbreitung
auf den Larynx verhütet; bei zurückbleibender Schwäche oder protra-
hirtem Verlauf wende er Liquor Ferri sesquichlorati 3 Mal täglich
10 Tropfen in Zuckerwasser an, das bei protrahirten Fällen vorkommende
Wiederauftreten der weissen Plaques sei wohl auf eine erneute Infection
aus der Tiefe des subraucösen Zellgewebes heraus zu schieben, in welches
die Bacterien sehr tief eingebettet gefunden worden seien. Wo man
nicht Bacterien nachweisen könne, werde wohl die Infection durch die
Zoogloea, die von Cohn entdeckte und von Weigert in den fibrinösen
Coagulationen des diphtheri tischen Croups nachgewiesene Ausscheidungs¬
materie der Bacterien, erfolgt sein.
Zur Anwendung des Chinins habe ihn die wesentlich zymotische
Natur der Diphtheritis veranlasst, neuerdings sei auch durch Brown
experimentell nachgewiesen worden, dass Chinin die Entwicklung der
Bacterien hemme. Das Ammonium muriaticum sei von ihm gewählt
worden in der durch die Erfahrung, dass hauptsächlich catarrhalisck
afficirte der Ansteckung unterliegen, begründeten Ueberzeugung, da>$
die Diphtheritis wesentlich auf catarrhalischcr Basis zur Entwicklung
komme. Plinigermassen analog sei die Beobachtung, dass Kugelbacterien
sich nicht auf frischen rohen Eiern, die als gesundes Gewebe wider¬
standsfähig seien, aber sehr leicht auf gekochten weiter entwickelten.
Der Liquor ferri sesquichlorati schliesslich leiste bei den Schwäche¬
zuständen nach gelbem Fieber, die denen nach Diphtheritis sehr ähnlich
seien, gute Dienste.
Schliesslich bemerke er, dass nach seinen und der amerikanischen
Aerzte Erfahrungen die Entwicklung der bösartigen Diphtheritis durch
die Ausdünstungen von Rinnsteinen, Latrinen etc. sehr begünstigt
werde.
2) Herr A. Frankel: Zur Lehre von der acuten Phosphor¬
vergiftung.
(Der Vortrag ist in der BerL klin. Wochenschr. erschienen.)
In der an den Vortrag sich knüpfenden Discussiou bemerkt
Herr Riess, dass die Beobachtungen des Herrn Frankel mit den
von ihm selber nach Veröffentlichung seiner Arbeit gemachten Er¬
fahrungen vollständig übereinstimmen, allerdings sei der Befund von
Tyrosin in irgend bedeutender Menge verhältnissmässig selten gewesen,
in 25 Fällen 6 Mal, deshalb sei es auch nicht auffallend, dass unter
den damals veröffentlichten 7 Fällen kein solcher gewesen; wohl aber
sei die Möglichkeit des Vorhandenseins von Tyrosin aus theoretischen
Gründen zugestanden, dasselbe auch im Blut und Harn phosphorver¬
gifteter Thiere nachgewiesen worden. In anatomischer Beziehung stehe
er aber auf dem alten Standpunkte; die kleine Phosphorleber lasse sieb
noch sehr wohl von der atrophischen Leber unterscheiden, so dass auch
ohne das Vorhandensein von Leucin und Tyrosin die Diagnose mit
grosser Wahrscheinlichkeit werde gestellt werden können.
Herr Ewald hebt hervor, dass die von Herrn Frankel gefundene
Harnstoffmenge von 22 Grm. pro die die von Bunsen bei Gesunden er¬
mittelte noch um 3 Grm. übersteige; rechne man die Menge des in dem
Leucin und Tyrosin enthaltenen Stickstoffes hinzu, so ergebe sich, dass
der Stoffwechsel, statt darniederzuliegen, in erhöhtem Masse vor sich
gegangen sei.
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UNIVERSETY OF MICHIGAN
30. September 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
£89
Herr A. Frankel hebt hervor, er habe nur constatiren wollen, dass
s ein Eall der erste sei, der eine Bestätigung des Thierexperimentes beim
Menschen gebe, er habe im Gegensätze zu Schultzen und Riess ge¬
funden, dass trotz der reichlichen Bildung von Tyrosin und Leucin
noch ein erheblicher Bruchtheil von Stickstoff ausgeschieden werde,
theils als Harnstoff, theils in Form von Aminosäuren; es zeige dies,
dass ein rapider Zerfall der Gewebe stattfinde, welcher wohl gesteigerten
Stoffwechsel, aber nicht gesteigerte Oxydation bedeute.
VL fewlletm.
Jiebert -}■.
Hermann Lebert*), dessen Tod wir vor einigen Wochen meldeten,
wurde am 9. Juni 1813 zu Breslau geboren, wohin sich seine in Berlin
ansässigen Eltern auf kurze Zeit der Kriegsverhältnisse wegen begeben
hatten. Seine Schulbildung erhielt er auf dem hiesigen Gymnasium zum
grauen Kloster, studirte Medicin und mit besonderer Vorliebe Natur¬
wissenschaften zunächst in Berlin, später in Zürich, wohin ihn Schön¬
lein’s Ruf zog, und wo er 1834 promovirte. Mehrfache Reisen in der
Schweiz wurden zu eifrigen botanischen Studien verwerthet und gaben
zu vielen freundschaftlichen Anknüpfungen die Grundlage, so dass
Lebert das Schweizer Land besonders lieb gewann. Er liess sich des¬
halb auch, nachdem er in den nächsten 1 1/ 2 Jahren in Paris, damals das
Centrum wissenschaftlicher Medicin, seine Studien besonders unter Du¬
puytren und Louis vervollkommt hatte, in Bex im Canton Wadt
Anfang 1838 als Arzt nieder. Um indess nicht durch die bald sehr
ausgedehnte und anstrengende Praxis in Bex und in dem benachbarten
Lavey von der wissenschaftlichen Bahn vollständig abgelenkt zu werden,
beschloss er nach einigen Jahren, seinen Aufenthalt zwischen Bex und
Paris zu theilen und brachte deshalb die Winter von 1842—43, 1843—44
und 1S44 — 45 in Paris zu, wo, nachdem die ersten dem fremden sich
gegenüberstellenden Schwierigkeiten durch tüchtige Leistungen über¬
wunden waren, er bald eine feste Position und einen grossen Kreis von
Freunden sich eroberte. Neben den eigentlich medicinischen Studien
widmete er sich in Frankreich besonders vergleichend anatomischen Ar¬
beiten, zu der ihm eine im Regierungsaufträge mit Robin unternommene
Reise an die Nordküste Frankreichs besondere Anregung gab. Nachdem
er noch den Winter 1845 — 46 in Berlin zugebracht hatte, liess er sich
Ende des letztgenannten Jahres gänzlich in dem ihm vollkommen heimisch
gewordenen Paris nieder und lebte dort wissenschaftlichen Arbeiten und
einer sich immer grösser gestaltenden Praxis bi* zum Jahre 1853. In
diesem Jahre trat er die ihm angebotene Professur der medicinischen
Klinik in Zürich an, um diese Stelle sechs Jahre später mit der ent¬
sprechenden Professur in Breslau zu vertauschen. Im Jahre 1874 endlich
zog er sich wieder als Arzt an den ersten Ort seiner ärztlichen Thätigkeit,
nach Bex, zurück und hat hier, in Vevey und Nizza die letzten Jahre
seines Lebens zugebracht.
Die literarischen Früchte dieses bewegten Lebens sind sehr zahlreich
gewesen. Lebert zählt in seiner irn Jahre 1869 publicirten Selbstbio¬
graphie, der wir das thatsächliche dieses Nachrufes entnommen haben,
101 Nummern grösserer Werke und sonstiger wissenschaftlichen Abhand¬
lungen auf. Seitdem ist diese Zahl durch weitere Arbeiten, von denen
ein grosser Theil in der Klinischen Wochenschrift veröffentlicht wurde,
ansehnlich vermehrt worden. Seine Arbeiten lassen sich der Materie
und der Form nach in drei Abtheilungen bringen: die eine umfasst
die naturwissenschaftlichen, physiologischen und vergleichend-anato¬
mischen Arbeiten, welchen er sich ganz besonders im Beginn seiner
Laufbahn widmete: es gehört hierzu u. a. seine Dissertation, welche über
die Gentianeen der Schweiz handelte (De gentianis in Helvetia spontc
nascentibus), ferner eine Arbeit über die Mundorgane der Gasteropoden
und die interessanten Beobachtungen über die Pilzkrankheit der Fliegen.'
Eine zweite Reihe umfasst die grossen medicinischen Werke: bekannt
sind besonders unter diesen sein grosser pathologisch-anatomischer Atlas
(Anatomie pathologique generale et speciale, 2 Volumes en grand in
folio et 2 Volumes du meme format de 200 planches gravees en acier
et colorees, Paris, Bailliere. 1854—62), ferner das Handbuch der prak¬
tischen Medicin, die „Allgemeine Pathologie und Therapie“, „die Grund¬
züge der ärztlichen Praxis“, „die Krankheiten der Blut- und Lymphge-
fässe “ in Virchow’s Sammelwerk, das Werk über die Cholera, die
Arbeit über die scrophulösen und tuberculösen Krankheiten, über den
Krebs u. a. m. Eine dritte Reihe endlich umfasst Abhandlungen über
einzelne Gegenstände der Medicin, pathologischen Anatomie und experi¬
mentellen Pathologie, sowie eine grosse Zahl easuistischer Mittheilungen.
Unter den experimentell pathologischen Arbeiten sind von besonderem
Interesse die Studien über Impfung der Tüberculose. Lebert hat be¬
kanntlich hier eine Wandlung seiner Anschauungen durchgemaeht, indem
er, zuerst Vertreter des Villemin’schen Standpunktes von der Specifi-
cität der Tuberculose, innerhalb kurzer Zeit durch sorgfältige mit Wyss
angestellte Experimente sich versicherte, dass durch die verschiedensten
übergeimpften Stoffe miliare Entzündungsproducte entstehen könnten.
*) Sein ursprünglicher Name war Lewv, den er später in Lebert
umänderte.
Sehr zahlreich sind auch seine pathologisch-anatomischen Abhandlungen,
sie betreffen besonders die einzelnen Arten des Carcinom, die Uterus¬
myome, Aneurysmen etc. In seinen letzten Jahren sind die klimatischen
Verhältnisse der südlich gelegenen Orte, in denen er sich aufhielt,
Gegenstand mehrfacher Arbeiten gewesen.
Eine kurze Uebersicht über das literarische Schaffen Lehert’s lässt
als charakteristisches Merkmal desselben das Streben erkennen, zwischen
Naturwissenschaften und Medicin innigen Zusammenhang herzustellen und
die Methoden der letzteren auf die Medicin anzuwenden. Lebert er¬
weist sich so als ein echter Schüler Schönlein’s. Ganz besonders ist
hervorzuheben, dass er zu den ersten gehörte, welche das Mikroskop für
die pathologische Anatomie verwerteten, und wenn auch die von ihm
zuerst eingeschlagene Richtung, hei welcher er für die verschiedenen
Tumoren verschiedene specifische Gebilde entdecken zu können glaubte
— eine Richtung, die in neuester Zeit in der Lehre von den Riesenzellen
als specifischen Bestandtheiien der Tuberkel eine neue Auflage erlitten hat
— später sich als nicht haltbar erwies, so bleibt doch sein hohes Ver¬
dienst ungeschmälert, dem Mikroskop in der Pathologie als einer der
ersten die Wege geebnet zu haben.
Seine Vielseitigkeit, mit welcher ein unermüdlicher Fleiss sich ver¬
band, bekundet sich in seinen Schriften in bewundernswerter Weise.
Freilich lässt sich nicht leugnen, dass namentlich in letzter Zeit durch
die aussergewöhnlichc Extensität seiner Arbeiten diese häufig an Tiefe
verloren. Den Höhepunkt seines Schaffens erreichte er in seinem Pariser
Aufenthalte besonders durch die Herausgabe seines grossen pathologisch-
anatomischen Atlas, und es gab eine Zeit, wo er als der hervorragendste
Vertreter deutscher Medicin in Frankreich galt, ja wo die Franzosen ihn
sogar gern als einen der ihrigen und zwar als einen ihrer bedeutendsten
in Anspruch nahmen. Seine Lehrbücher zeichnen sich durch ihren prak¬
tischen Gehalt und die Fülle eigener Erfahrungen aus. Seine Leistungen
haben ohne Zweifel das Verdienst, zur exacten naturwissenschaftlichen
Behandlung der Pathologie und der klinischen Medicin wesentlich bei¬
getragen und und unser positives Wissen auf vielen Gebieten ansehnlich
vermehrt zu haben. Sz.
Die 51. Versammlung deutscher Naturforscher und
Aerzte in Cassel.
(Fortsetzung.)
Die beiden nächsten Tage, der 12. und 13. September, waren den
Sectionssitzungen gewidmet, über die wir an einer späteren Stelle im
Zusammenhänge berichten werden; eine Festvorstellung im Schauspiel¬
hause, zu welcher des beschränkten Raumes wegen in anerkennenswerther
Weise, im Gegensatz zu früheren Versammlungen, nur die auswärtigen
Gäste zugelassen wurden, bot am Abend des ersten Tages, ein Fest¬
banket am Abend des zweiten den Naturforschern die wohlverdiente
| Erholung von schwerer Arbeit.
I Am 14. September fand die zweite allgemeine Sitzung statt. Der Vor-
! sitzende suchte die Indemnität für die durch äussere Verhältnisse nothwen-
! clig gewordene Zurückverlegung der Versammlung nach, er erbat ferner für
: das Comite die — freudig dargebotene — Ermächtigung, dem gerade an¬
wesenden deutschen Kaiser den Gruss der Versammlung zu übermitteln.
Ein Enkel Oken’s, der als Jurist in Heidelberg lebt, richtete in einem
Schreiben an das Comite die Aufforderung, die Initiative für eine Bio-
I graphie seines Grossvaters zu dessen am 1. August 1879 statt findenden
100 jährigem Geburtstage zu ergreifen, und bot seine Mithilfe hierzu an,
cs wurde dieser Gegenstand jedoch nach allgemeinem Beschluss der
I nächstjährigen Versammlung überwiesen. Allgemeine Befriedigung rief
I ein Antrag hervor, nach welchem die in den Sitzungen gehaltenen Vor-
I träge zuerst dein Tageblatte zur Veröffentlichung überwiesen werden
I sollten. Die Ereignisse des ersten Sitzungstages hatten ohne Zweifel
! die gerechtfertigte Veranlassung hierzu abgegeben, und es wurde trotz
I eines Protestes von Oscar Schmidt (Strassburg) im Sinne des Antrages
! entschieden.
Hierauf fand die Wahl des nächstjährigen Versammlungsortes statt.
Einladungen waren von Baden-Baden und Magdeburg eingegangen; ohne
Debatte und mit Einstimmigkeit entschloss man sich für den ersten
Ort und wählte zu Geschäftsführern die Herren Dr. Baumgärtner und
Dr. S c, h 1 i e p.
Mit Spannung sah man dem letzten Gegenstände entgegen, der vor
der Tagesordnung seine Erledigung finden sollte. Es war dies ein von
Herrn Dr. B. Fränkel (Berlin) eingeganger und von zwei Berliner Aerzten
mitunterzeiclineter Antrag: „Die 51. Versammlung deutscher Natur¬
forscher und Aerzte wolle den § 1 der Statuten dahin interpretiren,
dass Damen als Mitglieder oder Theilnehmer nicht zuzulassen seien.“
Dieser Antrag war dadurch veranlasst worden, dass in der Section für
innere Medicin und pathologische Anatomie eine Dame aus London
einen Vortrag angemeldet hatte und trotz des Protestes von seiten des
Antragstellers zum Worte zugelassen werden musste, weil sie sieh im
Besitze einer Theilnehmerkartc befand, und zudem eine Entscheidung
über Zulassung oder Zurückweisung nach der Meinung des Vorsitzenden
nur in der allgemeinen Sitzung getroffen werden konnte, ln der Be¬
gründung seines Antrages führte Herr Fränkel aus: Es trete an die
Versammlung die Frage heran, ob es zweckmässig sei, dass die Damen,
bisher eine stets gern gesehene Zierde der Naturforscherversammlunge n,
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Original frn-rri
UNIVERSETY OF MICHIGAN
590
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 39
aus ihrer passiven Rolle heraustreten und an dem öffentlichen Treiben
der wissenschaftlichen Verhandlungen theilnehmen sollen. Hierdurch
werde ein novum geschaffen, welches eine Statutenveränderung noth-
wendig mache, da in denselben nur von Naturforschern die Rede sei.
In Bezug auf die vorliegende Frage gingen die Ansichten aus einander;
während die einen, in der Ueberzeugung von der zu geringen Bedeut¬
samkeit des vorliegenden Ereignisses, es für zweckmässig halten, dasselbe
mit Stillschweigen zu übergehen, sei er mit der anderen Partei der
entgegengesetzten Ansicht, es frage sich für ihn, ob die Damen sich
ungefährdet allen den Stürmen aussetzen können, welche die Erörterung
wissenschaftlicher Fragen naturgemäss mit sich bringe, ob sie in dem
Lorbeer, welchen die Wissenschaft ihrem Kämpfer um die Stirne winde,
ein genügendes Aequivalent für alle die Nachtheile finden würden,
welche diesen Kampf für sie herbeiführen. Er müsse die Frage vernei¬
nen und habe daher seinen Antrag gestellt, von dem er jedoch wünsche,
dass er nicht in der diesjährigen, sondern erst in der nächsten Versamm¬
lung zur Verhandlung gelange, was mit allgemeiner Zustimmung accep-
tirt wurde.
Es folgte nunmehr der Vortrag des Herrn Prof. Aeby (Bern):
„lieber das Verhältnis der Microcephalie zum Atavismus“.
In seiner interessanten und mit grossem Beifall aufgenommen Dar¬
legung geht der Vortragende von der Definition des Atavismus aus,
welcher kurzweg als „Rückschlag“ bezeichnet werden könne, und worunter
man eine einer früheren Entwicklungsperiode entsprechende Formeigen-
thümlichkeit verstehe. Diese in der Thierwelt durch genügend zahl¬
reiche Beispiele bekannte Erscheinung habe beim Menschen noch kein
analogon aufzuweisen, doch könne jederzeit das Auffinden neuer
Thatsachen und das fortgesetzte Durchforschen der Erdschichten die
geforderten Formen bringen. Der Versuch, die Microcephalie als eine
solche atavistische Form hinzustellen, sei nicht gerechtfertigt und beruhe
auf irrthümlichen, z. Th. voreingenommenen Anschauungen. Denn
wäre die Microcephalie als Atavismus aufzufassen, so müssten die bis¬
her vorliegenden Fälle von Microcephalen entweder unter sieh gleich¬
artig sein und somit einem bestimmten Typus aus der Stamm ent wicklung
entsprechen, oder wenigstens unter einander in einem gewissen Aehn-
lichkeits- und Entwicklungsverhältnisses stehen und sich als Formen
repräsentiren, die einer einheitlichen nach einer und derselben Richtung
sich fortbildenden Stammentwicklung entsprächen. Dies sei jedoch nicht
der Fall; vielmehr handle es sich bei der Microcephalie nur um eine
eigenartige Verkleinerung des Gehirns und der. Schädelkapsel, während
der übrige Körper, abgesehen von gewissen individuellen Schwankungen
physiologischer Art, regelrecht gebildet sei, namentlich habe sich die
frühere Annahme, dass die Wirbelsäule eine von der menschlichen ab¬
weichende Form, eine „affenartige* Krümmung besitze, als irrthiimlich
erwiesen. Bei den Microcephalen handele cs sich um eine Beeinträch¬
tigung des Seelenlebens, sie alle seien in verschieden hohem Grade
blödsinnig, und da die physiologische Untersuchung fruchtlos geblieben,
sei der ganze Streit auf dem Gebiete der Morphologie geführt worden.
Die Aehnlichkeit des Mierocephalenschädels mit dem Schädel der Affen
sei nur eine äusserliehe, man müsse ihn überhaupt aus der Reihe der
normalen Schädel streichen, da er bei jedem Individuum eine besondere
Eigenthümlichkeit besitze und sich nicht, wie es die Annahme des
Atavismus erforderlich mache, dem Rahmen eines ordnenden Gesetzes
füge. Die Symmetrie derartiger Schädel sei äusserst willkürlich be*
handelt, ihre Segmente ungleichmässig und vom Typus des normalen
Säugethiersehädels abweichend, sie seien in der mannigfachsten Weise
verbogen und zerknittert und auch die Gehirne in der verschiedensten
Art verschoben und verzerrt gewesen, so dass sie vom Menschenhim
ebenso verschieden waren, wie von dem des Affen.
Man habe die Bezeichnung der Microcephalie als Atavismus dadurch
zu retten gesucht, dass man sie als ein Stchenbleiben auf foetaler Ent¬
wicklungsstufe bezeichnete. Abgesehen von dem geringen Werthe eines
derartigen Nachweises seien auch die beigebrachten Thatsachen um
so weniger beweisend, als sich der stets betonte Punkt, nämlich das
Frei liegen der Insel an sich bei der Entwicklung des Gehirns eine gar
zu nebensächliche Rolle spiele. Zudem aber sei noch nie ein Microcephalen-
gehirn aufgefunden worden, das einer foetalen Periode entsprochen j
habe, sie hätten sich vielmehr sammtlich, an einer bestimmten Stelle
von der normalen Entwicklungsbahn entgleist, eigenartig fort entwickelt.
Somit stelle die Microcephalie eine Hemmungsbildung, eine patho¬
logische Erscheinung dar, wie Klebs zuerst ausgesprochen habe, die wahr¬
scheinlich auf abnorme Druckverhältnisse während des Foetallebens,
vielleicht auch auf entzündliche Vorgänge zurückzuführen sei.
Hierauf hielt Herr Prof, de Bary (Strassburg) seinen Vortrag:
„Feber Symbiose“. Mit diesem Namen bezeichnet der Vortragende |
das Zusammenleben zweier Organismen, von denen der eine auf den j
andern angewiesen ist oder beide in einem gegenseitigen abhängigen j
Verhältniss von einander stehen, in der Art, dass sie durch den Zu¬
sammentritt in ihren Lebensbedingungen modificirt werden, womit dann
auch ein Einfluss auf die Form und die Fortentwickelung der Arten
gegeben ist.
Indem er in Bezug auf das Thierreich auf das Buch van Benedcn’s
„Die Schmarotzer des Thierreichs“ hinweist, erörtert er die verschiedenen
Formen der pflanzlichen Symbiose, die er durch interessante Beispiele
erläutert. Die bekannteste Form ist die des vollständigeen Parasitismus,
I Ealle sei der Parasit ohne den Wirtb existenzunfähig und könne dabei
, auf eine besti mmte Species als Wirth angewiesen sein, andererseits gebe
: es Parasiten, denen in der Wahl des Wirthes ein grosser Spielraum ge-
: lassen sei, ja die unter Umständen auch ohne den Wirth eine selbst¬
ständige Existenz führen können. Die Beziehungen zwischen beiden
Symbionten können antagonistische sein, d. h. auf gegenseitiger Be¬
kämpfung beruhen, indem der Gast den Wirth entweder durch Entziehung
seiner Lebenssäfte oder durch Anregung pathologischer Processe zu Grunde
richtet; sie können aber auch andererseits eine gegenseitige Förderung
bedingen (Mutualismus), wie -das besonders bei Flechten, beispielsweise
beim isländischen Moose, vorkomme. Diese Flechten beständen aus einer
symbiotischen Vereinigung von Algenarten mit Pilzen, von denen die
letzteren jene zwar bewirthen, ohne dieselben aber existenzunfähig seien,
während die ersteren ohne ihren Wirth selbstständig leben können: es
lebe der Wirth hier gewissermassen auf Kosten der Gäste, jedoch ohne
denselben eine Schädlichkeit zuzufügen. Eine weitere Form der Sym¬
biose sei der Commensualismus: kleinere Organismen siedeln sich auf
oder neben einem grösseren an, um von dem überschüssigen Nahrungs¬
material, welches dieser für sich herbeischafft, ihr Dasein zu fristen. Es
kommen auch Fälle vor, wo zwei Organismen sich vereinigen, ohne dass
das Verhältniss ihrer wechselseitigen Existenzbedingungen ersichtlich
wird, während endlich zahlreiche Uebergänge dieser Formen Vorkommen.
Da in vielen Fällen die Verhältnisse der Symbiose experimentellen Ein¬
griffen zugänglich sind, so sei damit eine neue experimentelle Basis für
die Begründung der Descendenztheorie geschaffen.
Klebs endlich in seinem Vortrage: „Ueber Cellularpathologie und
Infectionskrankheiten“, mit dem die zweite allgemeine Sitzung abschloss,
bringt sehr wenig positives. Fast sein ganzer Vortrag ist eine scharfe
Polemik zuerst gegen Häckel, dann gegen Virchow. Häckel hat
ihm viele unbewiesene Behauptungen aufgestellt, die ihm für das Grosse
z. Th. gefährlich erscheinen; Virchow beharrt nach Klebs zu sehr
auf dem althergebrachten und schliesse sich gegen alle neueren Theo¬
rien ab. Die Virchow’sche Cellularpathologie habe sich längst als
absolut unzulänglich zur Erklärung der meisten Krankheitsprocesse er¬
wiesen. Für die Therapie sei sie ganz fruchtlos gewesen. Besonders
die Infectionskrankheiten seien vom Standpunkte der Cellularpathologie
ganz unverständlich, die mycotische Theorie habe erst Licht in die
Sache gebracht, an sie schlössen sich auch die neueren therapeutischen
Methoden an.
Ob eine derartige rein polemisirende Ausführung ohne jeglichen
positiven Hintergrund in der allgemeinen Sitzung der Naturforscherver¬
sammlung am Platze war, und ob Klebs nicht darin die von ihm so
scharf getadelten Bahnen Iläckel’s, nur nicht in so grossartigem Sinne,
selbst betritt, ist eine Frage, die sich jedem Zuhörer aufdrängen, und
die den Erfolg seiner Rede sehr in Frage stellen musste.
Wenn auch von Virchow’s System die fortarbeitende Wissen¬
schaft vieles niedergerissen und anderes • wesentlich umgestaltet hat —
Schicksal, das früher oder später ein jedes System ereilt — so hat
doch unter der Herrschaft der Cellularpathologie auf allen Gebieten
unseres Wissens und nicht am wenigstens auch in der Therapie — denn
der Aufschwung, den die verschiedenen localen Behandlungsmethoden
bei localen Krankheiten während der letzten Jahrzehnte gewonnen,
steht damit in engem Zusammenhang — ein so immenser Fortschritt
stattgefunden, dass die Epoche der herrschenden Cellularpathologie sich
ihr glänzendes Denkmal in der Geschichte unserer Wissenschaft für
alle Zeiten gesetzt hat. Und was will Herr Klebs ihr jetzt gegenüber¬
stellen ? eine schon oft in verschiedener Gestalt dagewesene Theorie von
der parasitären Natur der Krankheiten. Wenn die letztere auch schon seit
lange für viele Krankheiten unbestritten ist, und die Neuzeit zu diesen noch
eine Reihe anderer theils wirklich hinzugefügt hat, thcils ohne ge¬
nügende Beweise hinzuzufügen droht, so bleibt es doch für jeden Un¬
befangenen ein Hirngespinnst, die vorliegenden Fakta so zu verallge¬
meinern, um ein ganzes System darauf aufbauen zu woUen. Und ein
solches System erhebt allen Ernstes den Anspruch, sich auf den Platz
der entthronten Cellularpathologie setzen zu wollen, Sapienti sat.
(Fortsetzung folgt.) G. B,
Vom Kriegsschauplatz.
Von
Dr. O. Heyfelder.
19.
Kars, den 10./22. Juli 1878.
Der Weg von Alexandropol nach Kars führt anfangs über kahle
Berge, dann durch bebaute Felder an einigen armenischen Auls vorbei,
doch die letzten 3 4 des Weges über ein Hochplateau, das, ganz mit gutem
Graswuchs bedeckt, soweit das Auge reicht keinen Baum, kein Haus,
kein Wasser, sondern nur seine grünen Graswellen zeigt; zeitweilig ist
eine ganze Strecke weiss von Stipa pennata, oder violett von Rittersporn,
oder gelb von Verbascum thapsus. Letztere Pflanze erfüllt an einzelnen
Stellen die Luft mit ihrem kräftigen Aroma, andere Strecken duften
süsslich von Mellilotus; im ganzen streicht derselbe Wind, der Alexan¬
dropol täglich nach Mittag heimsucht, nur in verstärktem Massstabe,
über diese Hochebene. Trotz Juli und kräftigem Scheinen der asiatischen
wo ein Organismus seinen ganzen Entwicklungs- und Lebensprocess in Sonne war cs Morgens 4 Uhr so kalt, dass uns die Finger erstarrten,
oder auf einem anderen, einer anderen Species angehörigen Organismus j Wenige Werst von Kars senkt sich das Plateau zur Ebene, von welcher
durchmacht; hierbei finden verschiedene Verhältnisse statt: in einem 1 Kars zu den felsigen Höhen aufsteigt, die es beschützen. In weitem
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30. September 181$*
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
591
Umkreis umgeben die berühmten Forts die orientalisch gebaute, male¬
rische Stadt. Der Katstschei durchfliesst Stadt und Ebene, an seinem
Ufer, am Westende der Stadt, steht ein Feldhospital No. 56 in Zelten.
Fünf Werst weiter, ebenfalls am Flusse, liegen die vereinigten Feld¬
hospitäler No. 56 und 58 unter dem Oberarzt Dr. Stahlberg, bekannt
als Vorstand einer Cumyss-Curanstalt in Samara und in Zarskoe-Selo.
Die Zelte sind im Viereck aufgestellt; zur Seite in Kibitken wohnt das
ärztliche und Administrativ-Personal. Im nahen Fluss baden Kranke
und Gesunde; die Stelle ist geschützt und doch nicht so heiss wie Kars;
die Flora ist reich und eigenartig. Die Gesundheitsverhältnisse gut,
während in Kars die massenhaften, allzu nahe gelegenen Kirchhöfe sich
unangenehm bemerklich machen, und der Staub in den Strassen den
Augen und Lungen lästig fällt. Warum man die staubigen, engen,
labyrinthischen Strassen aus dem nahen Fluss nicht spritzt, verstehe
ich nicht!
In dem vereinigten Feldhospital ist eine Officiersabthcilung theils
in grossen Krankenzelten, theils in kleinen Officierswohnzolten. Ich
habe diese Zelte in meiner Schrift über die Lager von Chalons und
Krassnoe Selo (Berlin 1866) ausführlich beschrieben. Komme daher hier |
nicht mehr darauf zurück. Als Extrazulage standen hier, wie im Lager I
der 110. Division, einzelne eroberte türkische Zelte. Dieselben sind
konisch, von undurchdringlicher Leinwand, äusserst zierlich und ebenso i
praktisch. Sie setzen aber den orientalischen Gebrauch voraus, dass j
man auf einem Teppich ausgestreckt schläft und auf seinen eigenen j
Fersen sitzt. Sowie Bettstellen. Stühle oder Tische in demselben auf¬
gestellt werden , so verliert das runde und relativ kleine Zelt allzu viel (
Raum und kann nur 1 — 2 Personen beherbergen. Sic gleichen erstens dem |
primitiven Zelt der Nomaden und Orientalen überhaupt, und erinnern |
specioll an die französischen konischen Zelte. Auch in diesen befinden
sich bekanntlich weder Bettstellen, noch anderes Mobiliar, sondern nur |
Matten als Unterlage des Bettzeugs. Am Tage aber sind die leichten 1
Matrazen und Kissen gerollt und an der Peripherie des Zeltes wie Polster¬
kissen aufgestellt. Die Krankheiten im vereinigten Hospital waren die¬
selben wie bei uns; nur sah ich zu meinem Erstaunen keinen einzigen
Typhusfall mehr, während solche in unser Hospital bis zum heutigen
Tage ohne Unterbrechung eintieten. Auf Wunsch des Oberarztes voll- j
führte ich eine Operation, d. h. exstirpirte 4 neorotische Metatarsal- |
knoehen bis zur Epiphyse bei einem durch Typhus und den localen
Process sehr heruntergekommenen Individuum. Wieder fünf Werst weiter, j
an der nach Erzerum führenden Strasse, auf etwas erhöhtem, vom Fluss |
abgewendeten Terrain, steht die 40. Division, welche sich bei der Ein- !
nähme von Kars so ausgezeichnet hatte. Viele ihrer verwundeten '
Officiere waren durch ineine Hände gegangen, andere zählten von früher
zu meinen Bekannten. So ritten wir denn auch zu ihnen hinüber, um
so mehr, als ein Arzt mich zur Consultation aufl'orderte. Die 4 Regi¬
menter stehen auf 2 Hügeln hinter einander und neben einander in Zelten.
Am Fluss sind die Küchen und Wäschereien der Mannschaft. Das
eigentliche Lager beschattet kein Baum, kein Berg. Von dem Augen¬
blicke an, wo die Sonne aufgeht, bis zu ihrem Niedergänge, um 8 Uhr
Abends, muss das Auge das helle Lieht, der Organismus die Hitze
ertragen. Gleichwohl ist der Gesundheitszustand gut und leiden nur
einige wenige Soldaten an Conjunctivitis und Trachom. Bei der Divi¬
sion befindet sich ein Divisionslazarcth, welches jedoch erst in diesen
Tagen eröffnet wird.
In der Stadt und Festung Kars befindet sich kein Lazareth, kein
einziger Kranker mehr. Dagegen besuchte ich das türkische Militair-
krankenhaus direct vor der Stadt, welches jetzt leer sieht, in welchem
aber bis zum Anfang April unsere Kranken gelegen hatten. Ein massives
steinernes Gebäude in Hufeisenform, Hochparterre, mit hoch angebrachten
Fenstern, grossen Sälen, welche durch die ganze Breite des Gebäudes
gehen und durch Küchen, kurze Corridore, Apotheken etc. unterbrochen
und von einander getrennt werden. Es machte einen sehr guten Ein¬
druck, ist aber durch die Nähe der Kirchhöfe wohl auf längere Zeit
contraindicirt. Ungefähr auf dem halben Wege zwischen Kars und
Alexandropol in Saim steht ebenfalls ein Feldhospital; da es jedoch
nicht an unserer Strasse lag, so mussten wir von seinem Besuch ab-
strahiren. Die Fahrstrasse ist keine Chaussee, sondern ein durch den
Gebrauch entstandener Fahrweg, auf der Hochebene meist <ranz gut,
an den Abhängen aber steinig und uneben, für den Transport von
Kranken wie von Geschützen höchst unvollkommen. Die Regierung hat
den Bau einer regelrechten Chaussee zur Verbindung der beiden Festungen
bereits beschlossen.
Alexandropol, ? ■ ’ 187S.
2. August
Die unter meiner Leitung vereinigten Hospitäler No. 3, 35 und 36 ]
haben Platz für 600 Kranke, enthielten deren jedoch im Anfang über 700.
Der Personalbestand ist folgender: 1 Oberarzt, 3 Oberstabsärzte, 6 Stabs¬
ärzte; doch muss bemerkt werden, dass sich unter letzteren auch solche
Civilärzte befinden, welche für Kriegszeit in Militairdienst eintreten.
Ferner seit den letzten Wochen 3 Studenten der Medicin von der
Charkower Universität, 7 barmherzige Schwestern (die 8. ist zur Cur nach
Pjatiporsk abgegangen), 18 Feldscheerer, ferner 4 Pharmaceuten, von
denen einer Vorstand der Apotheke, 1 Buchhalter, 1 Receptarius und
1 Gehülfe ist. Da das Rechnungs- und Rechenschaftswesen mit grosser
Ausführlichkeit geführt wird, so fehlt es denselben nicht an reichlicher
Beschäftigung. Als Bedienungs- und Bewachungsmannschaft besitzt das
Hospital ein Commando von 300 Mann. Die directe Aufsicht über diese i
und die Administration führt der administrative Chef, der Smotritel,
auf deutsch Aufseher, welchem 2 Commissare, 2 Buchhalter und eine
Anzahl Schreiber beigegeben sind. Die Anstalt hat einen eigenen Geist¬
lichen und ein Kirchenzelt.
Plan des grossen Lagers.
ca ca
ir f
a. Grosse Krankenzelte, b. Kirchenzelt. c. Operationszelt.
d. Kibitken für Kranke, d'. Kibitken der barmherzigen
Schwestern, d". Kibitken der Aerzte. e. Kleine Zelte,
f. Aborte.
Dem administrativen Comite, welches sich ein Mal wöchentlich
versammelt, priisidirt der Oberarzt, ebenso den mcdicinischen Versamm¬
lungen, welche ich in meiner Wohnung wöchentlich ein Mal am Abend
abhalte. In denselben werden interessante Fälle besprochen, neue
Mittel vorgezeigt, Sectionsprotocolle verlesen, gemeinschaftliche Inter¬
essen erwogen und Massregeln beschlossen. Man stellt Operations-
resultate vor, untersucht untaugliche und Simulanten, ehe letztere an
die eigentliche militair-medicinisehe Commission übergehen. Diese be¬
steht bei unserem, w r ie bei jedem grösseren Militairhospital und ent¬
scheidet, ob die Leute nach überstandener Krankheit oder Verwundung
auf l Jahr nach Haus entlassen, oder vom B’rontdicnst befreit, oder
gänzlich untauglich erklärt werden sollen.
Die Kranken und das Personal sind in 52 grossen, in 23 kleinen
Zelten, in 35 Kibitken und in 12 steinernen Gebäuden untergebracht
Die letzteren bilden eine Gruppe auf und um den sogenannten Kosaken¬
posten, die Zelte stehen theils zu einer kleinen Stadt vereinigt auf der
grasbewachsenen Ebene hinter demselben, theils in zwei kleinen Gruppen
am Abhang der Hochebene gegen die Stadt Es ist also das Prineip
der Decentralisation im Rahmen der zu einem grossen ganzen concen-
trirten 3 Hospitäler möglichst durchgeführt Die letztere Gruppe ent¬
hält in Kibitken eine kleine Augenabtheilung (22 Mann), in Zelten die
wenigen Brustkranken, die wir überhaupt haben, und nächst dem eine
Anzahl Wohnungen für Aerzte und Studenten, ebenfalls in Kibitken.
Die nach amerikanischem System in echelonirten Dreiecken aufgestellten
Zelte enthalten 2 therapeutische, 2 chirurgische und eine Convales-
eentenabtheilung; in den Kibitken liegen Scorbutische, Intestinalcatarrhe,
Dysenterie. Die Typhusabtheilung befindet sich in einem steinernen Ge¬
bäude, also gänzlich isolirt von allen anderen Kranken und ebenso von
den Wohnungen der Soldaten, Beamten und Aerzte. Das Gebäude ist
wahrhaft musterhaft zu nennen. Asphaltböden gestatten die Ausübung
der Hydrotherapie in ausgedehntem Masse, bleiben immer kühl, lassen
sich leicht reinigen und begünstigen weniger als Holzböden das Unge¬
ziefer, an welchem Armenien, wie der Orient überhaupt, so reich ist
Sonst ist das Typhushaus nach demselben Plan gebaut, wie alle 4 im
Winter mit Kranken belegten Pavillons. Sie stehen einzeln und sind
im Viereck gruppirt. Ein centraler kurzer Korridor trennt jedes Ge¬
bäude in zwei Hälften, jede Hälfte zerfällt in Vorzimmer mit 2 kleinen
Wohnzimmern und einem Hauptsaal, in welchem im Winter 120 Kranke
lagen, jetzt aber kaum 60 untergebracht sind. Tag und Nacht sind die
Fenstern offen, wird der in einem Anbau angebrachte Abort desinficirt,
die grösste Reinlichkeit beobachtet. Die Convalescenten wandern aus
diesem Hause in das Lager, resp. die Convalescentenabtheilung, nach¬
dem ihre Leibwäsche und Kleidung erneuert, die bisherigen Sachen aber
in der Typhusabtheilung zurückgelassen werden. Die Uniformen und
eigene Wäsche der Soldaten werden, ehe sie dieselbe zuriickerhalten,
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Original fro-rri
UNIVERSITY OF MICHIGAN
592
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 39
einer gründlichen Desinfection unterzogen. In einem ähnlichen Pavillon
ist jetzt die Apotheke nebst dem dazu gehörigen Personal untergebracht;
in demselben befindet sich auch die Kanzlei des Oberarztes und die
Wohnung des medicinischen Secretärs. Der dritte Pavillon steht leer.
Der vierte beherbergt auf einer Seite die Kanzlei und die Wohnungen
der Administrativbeamten, auf der anderen unseren gemeinschaftlichen
Speisesaal, der auch abendlichen geselligen Versammlungen dient. Jeden
Dienstag spielt eine Militärmusik auf dem Rasenplatze unseres Zelt¬
lagers zunächst für die Kranken; doch pflegt sich das gesammte Perso¬
nal darum zu versammeln, und kommen an dem Tage nicht selten
Gäste aus der Stadt, der Festung und aus den benachbarten Hospitälern
von Karaklyss und Tschutschura. Unter den Besuchern unserer An¬
stalt hatten wir die Freude, auch zwei Helden des armenischen Feld¬
zuges, General Tergukassof und General vonSeback, zu begrüssen,
letzterer bekanntlich ein Preusse von Geburt.
Das Hochplateau um uns her war im Monat Mai und Juni eine
blumenreiche Steppe, belebt durch Herden von Kameelcn, Eseln, Saum¬
pferden, Schafen und Rindern. Jetzt dörrt die Vegetation allmälig ab,
und die Staffage ist verschwunden. Nach Mittag erheben sich perio¬
dische Winde meist von Ost nach Nordost, welche zwar die Trockenheit
vermehren, zugleieh aber das an Kirchhöfen so überreiche Land kräftig
ventiliren. Im übrigen aber ist der Sommer weder so heiss noch so
trocken wie im vergangenen Jahre. Daher auch die Intestinalcatarrhe,
welche 1877 während der Sommermonate regierten, dies Jahr bei weitem
weniger häufig auftreten. Endlich können wir auch für Ahxandropoi
das Aufhören der Typhusepidemie constatiren.
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. Vom Kaiserlichen Gesundheitsamt geht uns der gedruckte
Wortlaut der auf die Revision der ärztlichen Prüfungs-Vorsch rif-
ten in Deutschland bezüglichen Vorschläge Preusse ns, sowie der auf
Grundlage dieser Vorschläge gefassten Beschlüsse der zu dem Zwecke
einberufenen Sachverständigen-Commission mit der Anheimgabe der Ver¬
öffentlichung zu. Leider fehlt es uns an Raum, das ziemlich voluminöse
Actenstiick vollständig abzudrucken. Dagegen behalten wir uns vor,
auf die wesentlichen Punkte desselben eingehend zurückzukommen. Von
einem hochgeschätzten Freunde unserer Wochenschrift, der zu den com-
petentesten Beurtheilern dieser Frage gehört, ist uns schon für eine
der nächsten Nummern eine Besprechung des Gegenstandes in Aussicht
gestellt. Wir bemerken, dass die Commission zur Revision des ärztlichen
Prüfungswesens unter dem Vorsitz des Herrn Geh. Rath Dr. Finkeln¬
burg tagte, dass als Rcgierungscommissare die Herren Geh. Räthe
Dr. G ö p p c r t, Dr. Kersandt und W eymann, sowie die Herren General¬
ärzte Dr. Mehl hausen und Dr. Schubert fungirten, und dass folgende
Herren ihr als Mitglieder augehurten: DDr. Binz, Bockendahl. Für¬
bringer, Hirsch, v. Holder, IIof man n, Jürgenscn, v. Kö 11iker,
Lewin, Pfeiffer (Darmstadt), Pfeiffer (Weimar), Roth, Vix,
Wallichs, v. Ziemssen, Zinn.
— Dr. Johann Baptist Ul lersperger in München ist am
14. September im Alter von 81 Jahren gestorben. Derselbe hat eine
Reihe von Schriften verfasst, unter denen wir besonders hervorheben:
Die Contagiosität der Lungenphthise (Neuwied und Leipzig 1869). Er
erwarb sich ein besonderes Verdienst dadurch, dass er die spanische
und portugiesische Literatur eifrig verfolgte und, was in derselben
wissenswerthes geleistet wurde, in Deutschland bekannt macht. So ver¬
dankt ihm die lvlin. Wochenschrift (No. 3. 1876) die Mittheilung über
Araroba und Goa-Pulver, welche viele andere Arbeiten auf diesem Ge¬
biete hervorgerufen und zu werthvollen therapeutischen Resultaten, be¬
treffend den Gebrauch der Chrysophansäure bei Hautkrankheiten, geführt
hat. Bis in sein hohes Greisenalter hinein war Ullersperger strebsam
und thätig.
— Die durch Bartels’ Tod erledigte Professur der medicinischen
Klinik in Kiel ist Herrn Prof. Quincke übertragen worden. Derselbe
wird indess die neue Stelle nicht früher antreten, als bis sein Nach¬
folger in Bern ernannt sein wird, so dass es noch zweifelhaft ist, ob er
schon während des Wintersemesters die Kieler Klinik wird leiten können.
— Vom Herrn Kreisphysicus Dr. Werner in Sangerhausen geht
uns folgende Mittheilung zu:
Ich erlaube mir, Ihrem geschätzten Blatte Nachricht von derVer-
urtheilung eines Arztes zu einem Monat Gefängniss wegen
eines lapsus calami auf einem Recepte zu geben, welcher letz¬
tere, vom Apothekerlehrling, der das Medicament anzufertigen hatte,
übersehen, die Ursache zur fahrlässigen Tödtung der Patientin wurde.
Dass der unglückliche Ausgang passiren konnte, dazu gehörte eben der
unerhörte Umstand, dass der Apothekenbesitzer einen jungen Mann als
Gehülfen engagirt batte, welcher in Wirklichkeit nur 1 1 , Jahre Lehr¬
ling gewesen war, dann längere Zeit in eiraem kaufmännischen Geschäfte
Dienste genommen hatte, und auf eine Annonce von ihm in der phar-
maceutischen Zeitung, die seiner Angabe nach den Anfangspassus ent¬
hielt: „Ein junger Kaufmann, welcher das Apothekergeschäft erlernt
hat u. s. w.“, sich als Gehülfe mit 600 M. Salair und freier Station
anstellen liess; dazu gehörte ferner der unerhörte Umstand, dass der
Apothekenbesitzer diesen jungen Mann als „Mitarbeiter“ annahm, ohne
ihn nach seinen Attesten zu befragen und ohne ihn beim Kreisphysicus
anzumelden. Hätte ein ordnungsmässig gebildeter, nur einigermassen
gewissenhafter und vorsichtiger Apothekergehülfe das Recept, das corpus
delicti, zur Anfertigung der Arznei in die Hand bekommen, so hätte
derselbe der Instruction der Apotheker-Ordnung gemäss ohne Zweifel
das Recept vor der Anfertigung dem Arzte zur Correctur zugestellt, und
das Unglück wäre verhütet worden.
Der Thatbestand ist folgender: Dr. B. in R. verschreibt einer hy¬
sterischen Patientin, welche an Schlaflosigkeit leidet, folgendes Recept:
Chloralhvdr. 15,0, Tr. op. spl. 15, Aq. dest. 60,0. DS. Des Abends den
3. Theil als Clystier. Das Recept enthält in „Tr. op. spl. 15“ den
Flüchtigkeitsfehler. Der Arzt hat im Sinne: 15 gtt., und der Apotheker¬
lehrling fertigt ohne weiteres die Arznei mit 15,0 Opiumtinctur an.
Hätte der Arzt aus Versehen 15,0 geschrieben, so hätte das Gesetz dem
Apotheker wohl nichts anhaben können, da die Ueberschreitung der
Maximal-Dosen für letzteren nur bei „innerem Gebrauch“ in Frage kommt
und ihm bei seinem Bildungsgänge die Wirkung des Opiums in Clystier-
form vom Gesetz nicht zugemuthet- werden kann. Die ganze Verant¬
wortlichkeit hätte dann den Arzt allein getroffen. Die blosse Zahl 15
neben den übrigen Gewichtsbestimmungen in Decimalen im qu. Recept
musste aber dem Apotheker auffällig erscheinen, und er musste, nament¬
lich da es sich um einen Arzneistoff handelte, welchen er als different
kennen musste, und welcher in so grosser Menge vom Arzte wohl nur
ganz ausnahmsweise verordnet wird, des §. 2 h. Tit. III. der Apotheker-
Ordnung eingedenk sein, welcher lautet: „Wenn dem Apotheker in den
verschriebenen Recepten ein Irrthum oder Verstoss von der Art, dass
davon ein Nachtheil für den Patienten zu besorgen sei, bemerklich
werden sollte, so hat er sogleich dem Arzte, welcher das Recept ver¬
schrieben, seine Bedenklichkeit und seine Zweifel bescheiden zu er¬
öffnen u. s. w.“
Neben dem Arzte, welcher, wie schon gesagt, einen Monat Gefäng-
niss-Strafe erhalten hat, ist der Apothekenbesitzer zu 2, der Apotheker¬
lehrling zu 3 Monaten verurtheilt worden.
Zu einiger Beruhigung für die vielbeschäftigten Collegen, welchen
ein Lapsus beim Receptschreiben leicht passiren kann, erlaube ich mir
anzuführen, dass die Staats - Anwaltschaft beim Arzte darauf Gewicht
gelegt hat, dass dieser, welcher das Recept auf Bericht in seiner
Wohnung geschrieben hatte, zur Zeit nicht überangestrengt gewesen ist.
— Sterblichkeit in Berlin in
vom 28. Juli vom 4. bis
bis 3. August 10. August
den Wochen:
vom 11. bis vom 18. bis
17. August 24. August
vom 25. bis
31. August
Ueberhaupt: .
darunter an:
575
588
614
601
613
Masern.
6
3
5
3
1
Scharlach .
13
14
13
12
16
Pocken.
—
1
—
—
—
Rothlauf .
3
2
—
—
—
Diphtherie.
20
13
20
24
22
Eitervergiftung.
3
—
1
—
2
Kindbettfieber.
—
3
2
4
1
Typhus .
8
10
11
5
10
(Tvphas-ErkrtnhKgei .
27
24
27
35
28)
Dvsenterie.
4
5
8
10
4
Gelenkrheumatismus
—
1
1
2
1
Syphilis.
—
3
4
1
1
Gewaltsamer Tod ....
13
11
8
9
17
darunter Selbstmord.
6
7
2
5
10
Hinrichtung .
—
—
1
—
—
Lebensschwäche.
37
23
34
29
29
Atrophie der Kinder
14
10
8
11
9
Abzehrung.
17
25
24
33
43
Scropheln .
2
2
—
4
3
Altersschwäche.
17
14
6
12
10
Krebs.
21
14
14
12
13
Wassersucht .
3
1
2
2
2
Herzfehler.
12
4
7
6
5
Hirnhautentzündung
6
9
10
7
4
Gehirnentzündung ...
13
12
10
8
10
Apoplexie .
12
18
14
9
14
Tetanus und Trismus
6
8
5
7
5
Zahnkrämpfe.
2
4
2
9
4
Krämpfe.
37
44
51
41
45
Kehlkopfentzündung
6
5
9
5
1
Croup.
3
1
1
3
4
Pertussis.
1
6
—
2
7
Bronchitis.
9
13
11
11
9
Pneumonie .
15
20
23
15
15
Pleuritis.
3
—
1
3
1
Phthisis.
59
73
60
53
57
Peritonitis.
3
7
6
4
&
Folge v. Entbindung
1
1
—
3
2
Diarrhoe .
57
50
63
64
67
Brechdurchfall.
Magen- u. Darment¬
92
81
106
108
96
zündung .
Magen- und Darm¬
1
5
1
6
4
katarrh .
9
9
15
5
11
Nephritis.
3
6
12
7
5
unbekannt.
2
1
—
—
—
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Original from
UNIVERSITY OF MICHIGAN
30. September 1S7S.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
593
Lebend geboren m.
435
436
410
460
419
w.
403
415
426
403
373
darunter ausserehe-
lich m.
65
49
40
52
35
w.
44
46
47
53
45
Todt geboren m.
18
16
16
18
17
w.
li
18
9
10
13
darunter ausserehe-
lich m.
5
5
4
6
3
w.
3
3
2
1
3
Sterbliclikeitsz.'l
29,1
29,7
31,3
30.3
30,9
Geburtenziffer >p. M.
42,3
43,0
42.3
43,5
39,9
Todtgeborne J
1,5
1J
1,3
1,4
1,5
Thermometerstand:
Tagesmittel...
13.69
17,11
15,33
13,82
14,90
Abweichung .
— 1,46
2,18
0,13
— 0,19
1,27
Barometerstand .
27"
27"
27"
27"
27"
11,39'"
11,74'"
8,38"'
10,78'"
9,22'"
Dunstspannung .
4,79"'
5,61'"
5,22"'
4,19'"
5,20'"
Relative Feuchtigkeit
76 pCt.
68 pCt.
72 pCt.
69 pCt.
75 pCt.
Himmelsbedeckung .
6,6
5,7
7,0
7,0
4,7
Höhe d. Niederschläge
in Summa.
23,50
M5_
_
6,07
Pariser Linien.
VII. Amtliche Mittheilnngen.
Personali».
Auszeichnungen: Seine Majestät der König haben Allergnädigst ge¬
ruht, aus Anlass Allerhöchst Ihrer Anwesenheit in der Provinz Hessen
Nassau dem Kreisphysicus Dr. Eisenach zu Rotenburg den Rothen
Adler-Orden vierter Klasse zu verleihen und den Kreisphysicus Dr. Noll
zu Hanau und den Kreisphysicus Dr. Span gen berg zu Schlüchtern
zu Sanitätsrätben zu ernennen; ferner haben seine Majestät Aller¬
gnädigst geruht, dem Sanitätsrath Dr. raed. Donop in Eberswalde
und dem leitenden Arzt am Deutschen Krankenhause in Constantinopel
Dr. med. Mordtmann den Rothen Adler-Orden vierter Klasse, sowie
dem Medicinalrath Dr. Hermann Cohen in Hannover den Character
als Geheimer Sanitätsrath zu verleihen.
Anstellungen: Der practisehe Arzt Dr. Gutsmuths zu Geiithin ist
zum Kreisphysicus des Kreises Jerichow II und der pract. Arzt etc.
Dr. P a p end i e c k zu Rastenburg zum Kreiswundarzt des Kreises Rasten¬
burg ernannt worden.
Niederlassungen: Dr. Porapotzki in Berlin, Arzt Gustav Niemann
in Emsbüren, I)r. West holt und Dr. Brüning in Siegen, Dr. Veit¬
kamp in Elberfeld, Dr. Weyland in Gladbach, Dr. Fischer in
Viersen, Dr. Baumann in Aachen. Zahnarzt Engelhardt in
Düsseldorf.
Verzogen * sind: Dr. Eislen von Berlin nach Frankfurt a. /M.,
Dr. Schwechten von Berlin nach Alt-Ruppin, Dr. Serres von Berlin
nach Minden, Dr. Ti 1 essen von Greifswald nach Saarlouis.
Apotheken-Angelegenheiten: xVpotheker Franz Schneider, bis¬
her Königl. Hofapotheker, hat die concessionirte neue Apotheke in der
Kurfürstenstrasse zu Berlin eröffnet. Der Apotheker Gust. Nithack
hat die väterliche Apotheke in Obemigk und der Apotheker Fürst
die Ungewitter’sche Apotheke in Odenkirchen gekauft. Dem Apo¬
theker Knorz ist die Verwaltung der Filial-Apotheke in Neunkirchen,
dem Apotheker P lasse die Verwaltung der Filial-Apotheke in Hallen¬
berg übertragen. Der Apotheker Degen hat die Verwaltung der Apo¬
theke in Hovestadt übernommen.
Todesfälle: Dr. Franke in Berlin, Dr. Kothe in Fehrbellin, Kreis¬
wundarzt Dr. Schmitz zu Rheinbach.
Bekanntmachung.
Die Kreis - Wundarztstelle des Kreises Rummelsburg ist erledigt.
Qualificirte Medicinalpersonen werden aufgefordert, sich unter Einreichung
ihrer Zeugnisse und eines Lebenslaufes bei uns binnen 6 Wochen zu
melden.
Cöslin, den 5. September 1878.
Königliche Regierung. Abteilung des Innern.
Inserate«
Bekanntmachung;.
Der eine der beiden hiesigen Aerzte, welcher seit 9 Jahren hier
eine sehr lohnende Praxis hat, beabsichtigt aus Familienrücksichten im
October d. J. den hiesigen Ort zu verlassen. Die Niederlassung eines
tüchtigen Arztes ist daher für die Stadt und Umgegend ein dringendes
Bedürfniss, was wir mit dem Bemerken zur Kenntniss bringen, dass wir
zur ferneren Auskunftertheilung gern bereit sind.
Falkenburg, Reg.-Bez. Cöslin, 10. Septbr. 1878.
_ Der Magistrat. _
Für Gera bei Elgersburg i. Thür, wird ein Arzt gesucht. Nähere
Auskunft ertheilt bereitwilligst der
Gemeindevorstand daselbst.
L Hasse.
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Gck igle
Vacante Assistenzarzt-Stelle.
Am städtischen Krankenhause in Altona ist die Stelle eines
Assistenzarztes zum 1. December d. J. anderweitig zu besetzen.
Die Emolumente dieser Stelle bestehen in einem jährlichen Gehalt
von 600 M. neben freier Station im Krankenhau.se.
Qualificirte Bewerber wollen ihre Gesuche innerhalb 3 Wochen
hierher einreichen.
Altona, den 17. September 1878.
_ Der Magistrat. _
Für Aerzte.
In einem Orte der Prov. Hannover, 3000 Einwohner zählend, in
reicher Marschgegend und in der Nähe der Nordsee, wird die schleunige
Niederlassung eines rührigen Arztes dringend gewünscht. Frank. Offer-
ten unter Lit C. B. 110 bes. die Exped. d. Bl.
Assistenzarzt-Stelle gesucht.
Ein junger strebs. Arzt, gesetzten Characters, sucht Stellung als
Assistent an einem Krankenhause. Eintritt kann sofort erfolgen. —
Offert, sub A. B. 102 an d. Exped. d. Bl. _
Praxis-Gesuch.
Ein junger Arzt, welcher mehrere Jahre als Assistent an Kranken¬
häusern, später als Landarzt thätig war wünscht eine einträgliche Praxis
zn übernehmen. Offerten sub J. Z« 9904 befördert Budolff Mosie,
Berlin S. W. _
Ein Arzt sucht in einer kleineren oder mittelgrossen Stadt mit guter
Umgegend lohnende Praxis. Fixum erwünscht. Offerten sind bis zum
1. November c. in der Expedition unter II. H. 101 niederzulegen.
Ein junger Arzt, der seit 6 Jahren in einem kleinen Badeort
(2700 Einw., gute Umgebung, 300 Curgäste, Pllegeanstalt scrophulöser
Kinder) allein practieirt, wünscht aus Rücksicht auf den Gesundheits¬
zustand seiner Frau seine sehr einträgliche Praxis gegen die Praxis
eines Collegen im Süden, womöglich in einem klimatischen Curorte, zu
vertauschen. Offerten sub P. L. 109 der Exped. d. Bl.
Ein verheiratheter pract. Arzt, welcher sich mehrere Jahre mit der
Behandlung von Augen- und Lungenkrankheiten speciell befasst hat,
wünscht sich an einer Privatheilanstalt zu betheiligen, am liebsten in
Süd-Deutschland. Fr. Off. unter E. D. 108 bes. d. Exped. d. Ztg.
E. Arzt, verh., mit den besten Empfehlg., seit einiger Zeit in Berlin
sesshaft, w. einem hiesigen Collegen zu assist. oder dessen Praxis zu
übernehmen, ev. gegen Entschädig. Adr. sub K. L. 111 in d. Exp.
Einem jüngeren Collegen will ich meine Praxis, welche mir nach¬
weislich jährlich etwa 7—8000 Mark eingebracht hat, übergeben. Wohnort
ist Eisenbahnstationsort, Stunde per Bahn von der Provinzial-Haupt-
stadt entfernt. Briefe sub H. L. 100 befördert Expedition dieses Blattes.
Vertretung sub M. F. 94 ist besetzt.
Gesucht wird, bei einer in grossem Maassstabe und in vortheil-
haftester Gegend (Badeort I. Classe) anzulegenden Kaltwasser-Heilanstalt
ein vermögender, und sich dahin interessireuder practischer Arzt. Adressen
sub P. W. 104 befördert die Expedition.
Für junge Aerzte!
Ein nicht unbedeutendes Sortiment sehr gut gehaltener physikali¬
scher, chirurgischer und geburtshülflicher Instrumente sind in Folge des
Todes eines noch jungen Arztes für einen massigen Preis zu verkaufen.
Verzeichnisse und nähere x\ngaben stehen zu Diensten.
_ Kaufmann A. Nippe, Crossen a. d. Oder.
Wegen meiner Uebersiedelung nach Oeynhausen beabsichtige ich
mein in Eisleben belegenes Haus mit Garten etc. sofort an einen Arzt
zu verkaufen, den ich zugleich in die seit 15 Jahren hier von mir be¬
triebene Praxis ein führen würde.
Eisleben, 17. September 1878. _ Dr. V tri ft
Eine ältere, zuverlässige Dame, die schon seit Jahren als Be-
schliesserin fungirte, sucht eine ähnliche Stellung in einem Kranken¬
hause oder Heilanstalt. Näheres durch Dr. Eyselein, Pension f. Nerven-
leidende, Blankenburg am Harz. _
San Remo.
Vom 15. October ab practicire ich wieder in San Remo.
Bad Reinerz, im September 1878. Dr. Secchi.
_ Wohnung: Villa Luigia, Corso Garibaldi.
Mentone«
Mitte October nehme ich meine ärztliche Praxis in Mentone wieder auf.
_ Dr. VOW Crti.
Mentone.
W T ie alljährlich nehme ich meine ärztliche Praxis am 10. October
wieder hier auf. _ Dr. B. Stiege»
Vom 15. October ab werde ich wieder in S&H RfHftO practiciren.
Sedeil, 8. September 1878. Df< BröMüg.
Original from
UNIVERSITY OF MICHIGAN
594
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 39
Verlag von August Hirschwald in Berlin.
Soeben ist erschienen:
Ueber die Entwickelung
des medicinischen Studiums.
Rede von Prof. Dr. E. Leyden.
_ 1878. 8. Preis: 1 M. _
Am 15. October nehme ich meine Winterpraxis in Sanremo wieder auf.
Lippspringe, im September 1878. _ Dr. von Bruun.
Cur- u. Wasser-Heilanstalt Dietenmiihle
in den Kuranlagen von IJITinQVkQilaTi Geschützte Lage.
Gleichmässiges Klima. ff lvSDa»U.cn» Comfortable Einrichtung.
Wasser-, Blde- and Diüt-Cirun. Römische Dampf-, Fichtennadel- und
alle Arten künstlicher Mineralbäder. Heilgymnastik, Massage, Electrotherapiu,
cumpriairte Luftfaider (Glocken). Physiologisches Heilverfahren. Car das
gaaxe Jahr. Arzt im Hause.
_ Director: Dr. med A. Ziiheisoi, practicirender Arzt. _
Wasser-Heilanstalt Laubbach
bei Cebleu am Rheii.
Das ganze Jahr hindurch geöffnet. Kalte und warme Bäder, Elek¬
trotherapie.
_Hausarzt: Dr. A. Maurer. Inspector: F. Herrmann.
Soolbad und Traubencurort
Dürkheim in der Pfalz.
Eröffnung der Traubencur am 10. September.
Die Ourverwaltung.
Maison de santC.
Sollte ein Arzt gesonnen sein in nächster Nähe von Leipzig, resp.
Halle, eine Anlage, ähnlich wie das Maison de saute’des Geheirarath
Dr. Lewinstein in bchöneberg bei Berlin, zu errichten, so bietet sich
durch einen, für diesen Zweck wie geschaffenen Grundstiicks-Complcx
mit Gärten, Sälen. Gesellschaftsräumen, vielen Einzelwohnungen etc.
billise Gelegenheit zur sofortigen Verwirklichung. Der Besitzer ist
ausserdem gewillt in jeder Weise das Unternehmen mit zu fördern und
insonderheit jegliche Beihülfe in administrativer Hinsicht zu gewähren.
Adressen werden unter Chiffre K. W. 500 [»ostlagernd Leipzig er¬
beten.
Die Heilanstalt (ehemals von Dr. Klein hals) für
§crophel und Hautkrankheiten zu Bad Creuz-
nach ist für Herbstcuren (Traubencur) und Wintercuren
wohl eingerichtet. Auskunft ertheilt Dr. Sohultz.
Vom Staate approb. Heilanstalt für Heilgymnastik, Ortho¬
pädie ii« Massage von Fr. Becker in Berlin, Königgrätzerstr. 103,
empfiehlt sich den Herren Aerzten Zwecks gefälliger Zuweisung Kranker
und Gebrechlicher. — Mit ausgezeichnet guten Erfolgen 14 Jahre in
Cassel, 4 Jahre in Hannover und seit 1871 in Berlin.
Der zusammenlegbare Operations- und Untersuehungstiseh nach Dr.
Retslag (Deutsches Reichspatent 187S) ist stets bei mir auf Lager und
zum Preise von 75 Mark (inc-1. Kissen) zu haben.
Berlin S. W. E. Jahnle, Schlossermeister.
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sowie alle in dies Fach schlagende Artikel lief. bill. bei grösst. Genauigkeit
C. P. Schumacher, Friedrichshagen b. Berlin. Preislisten auf Verlang, freo.
R. H. PAULCKE, Engel-Apotheke, LEIPZIG.
Generalvertretung der Hunyady - Läszlö - Bittersalzquelle
in Budapest
Die grosse Zahl von Ofener Bitterwässern und die von ein¬
zelneu Quellenbesitzern öffentlich ausgefochtene Polemik, welche die
stärkste und beste sei, machen dem Arzte und Laien die Wahl schwer.
Thatsächlich ist- unter den verschiedenen Quellen, die alle auf demselben
Rayon liegen, kein grosser Unterschied und richtet sich der Gehalt an
Salzen nach der mehr oder minder guten Construction der Brunnen,
sowie ob das Wasser bei trockener Witterung oder nach starken Regen¬
güssen geschöpft ist. Der neue Brunnenbau der Hinyidy-LäSZlÜ-Dlullt
wird als mustergültig geschätzt und giebt daher die beste Gewähr für
die Gleichmässigkeit ihres nach vergleichender Analyse stärksten Ge¬
halts an Salzen. Um jedoch eine ganz genaue Dosirung zu ermöglichen,
lässt die Verwaltung der Nunyidy - Lätzlü - Oaelle aus ihrem Mineralwasser
ein Extract in Form eines weissen leichtlöslichen Pulvers an der
Quelle selbst hersteilen, welches sämmtliche wirksame Bestandteile
derselben enthält. Einer Dose Inhalt stimmt mit dem einer Flasche
Bitterwasser überein, 1 Kaffeelöffel = 1 Glase. Oie Vorzüge des Huuyady-
Uszlü-Extracts vor jedem Bitterwasser bestehen ausserdem in der An¬
nehmlichkeit, dass jenes in Oblate oder in jedem Getränk genommen
werden kann — somit von besonderem Werthc für Alle, welche Wider¬
willen gegen Bitterwasser hegen —, und dass die kleine Dose auch auf
Reisen bequem bei sieh zu führen ist. Preis der Dose 50 Pfennig. —
■aflHerren Aerzten stehen Proben gratis nnd franco zn Oieosten.
I
Bessclstras.se 14.
Verbandgyps,
von mehreren Aerzten geprüft und empfohlen und in Krankenhäusern
bereits eingeführt, versendet in Säcken von 50 und 75 Kilo zum Preise
von 2 Mark 25 Pfennig pro. 50 Kilo, exeluse Sack.
Richard Lessmann.
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UNIVERSETY OF MICHIGAN
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Organ für practischö Aorzte
Mit BerÜ.ck^kbtigurig <W preußischen Medicinalverwaitung and Modicinalgesftzge'bung
;f v u •.. »ach amtlichen MittheilaiigeiL
Verlag von August HirsfimaM m Serfooi
Redakteur: Prof. ftr i.
Montag, den 7. October 1878.
m 4 <x
Fünfzehnter Jahrgang.
Tohalt: L Bfuwti? 'Mifnr (Seicht9 j*mmp f, IXOMmmj des ibwn&ba. flritag. ~
(äerMfus). — ItL idä fr»dl W. SvJuihvk’S AugcnMinih tu Bydapesti Im j;t
II. "Wälder: Ikd-ier die 'Trphim^uivimV von Hinten
lieber die iWh&n-Billig der Blutergüsse- in der Vordemn
1 . Mimischer Gmchtskrftmpf. ttehomg de» Faeialh,
Mi'fgtflhfctil VON ■, x.;v." Vir-
Dt. .Baum« dtaäizv Am .^•faijvlae.ireüt zu. Druirig.. :
Fra« Petermaun ans Marie« borg;) 35 Jahr alt, stammt ihrer
Angabe «ftcJi .ms- gnaun4er Familie, hat Ah> KimJ vielfach ge-
kränkelt, ema eifliebßehere Krankheit nUvbt d dreh gemacht.
Mit ? 0 Jahrea wntiv sie iitrd ersten Mai moii^trmrt Adel? träte?«
djo treu Eisel^öbraucb^ immer unre
Mtii-i“ um! spärlich auf. im Ä L«l‘envjäln* mH einem phtl:
Regel etwa* über eine Miaute. -Die Inte walle waren ganz frei,
Ap den Coirvulsionen partieipirten, mit Aufnahme <iei Mtiscu*
tatnr des Ohres, sümmtlighe vom Facialis in nervi rtn Muskeln.
Das Verhalten des weiche« Gaumens konnte während des Au-
falls nicht festge.steiH werden. Bei sehr heftigen Anfällen zeigten
$lch auch leichte ZücJumgfm des rechten Mundwinkels.
iu-xor letztem Umstand hemir« tilgte die Kranke Söhr, dä
:0e kUj Vveiiei schreiten -des Feheis auf die rechte GesrehtshMfriv
iurc-etete, und sie wünschte daher ><?bülieh* eine Beseitiguiji: du es
f ege^- : ieideurv gegen Wiehes .sich Kisun Und andere Tutiiefr, NürOOfiOä,
iihtlii- r Jod und Bromkali. galvanischer Strom Und AhieilUngeü gann
ri&oJn*« Manne verheirat bet, ghhar me «ach jähriger Ehe em wirkuxgrin* gezeigt hat tun. Ich schlug ihr daher die Nerv^o-
Kind, welches >doek sehen 7 Vminn später Mi Lungern ca ta erb dafaiiojip vor, und die Öja>rati<*i< w urde dann «nch Km Ä0-. Juli
m 'Ghinde ging. Seit jf«*r Zeit w n;,- rächt wiüder \ & ^ *'i folgetider Weise ausgeführt. • ri.-h. umgäh nnh r srrmig
••-dnvauü'er geweden. Während der Uw?h .Leh^sjahrc ihres • anti>epti<dien (huiteleo das Oiivläppclien mit eim-U) iudhkn iv.
ttu S&hr* t*7i* vvrstuthenen hat dt 4t» Hau- -t.v.ul ihrmigen. BogeiischnUt. und fügte vou der cunveXe.sriiü Strfle
Aa*fcbrmv4idi ♦»ikaltw*! ««>! der Nälmmsehuie j dieses Mögend noch euieu 1 Cfm. laugen, tkm iha^rkiufera-st
h» :n;»h v iu.a«>ge.setgt nrhUtfrii müsse-«. Kuri-.e Zeit vor dttm parallel laufenden ScMU ’tiaeji «hwäris hinzu. Durch Zurück-
To<h* v^r nwmmdjr urwa *> .Ddiiv«, h«:kn.u» Gc tdUi-n ' schlagen dm so geduldeten di;ej khdncu LjU>j-«-u. wnrd;- d«.r *>her*> :
n«ncli ihrer Ansicht durch Verdanungs>tü t u \ ig:: hcrvuin?ortiff??ie.t) l utfang der PHtotis h*«•^gelegt,... dm ^udatu-i' uni emm« 4chafh.<u
AnfaB, wehdmr ^di.ön dmiHuhmn Tage tfreinm!. } Biik^hen nach o«mu ? von««' und «u«4»en .ih^eiMÜum werden
nach drmwftob^nitieh^r freier Pause noch einmal wiederhuke, , kotmt-c. Der Nerv lag nun rrtd da, im vmliepmdcn Fall aUor-
^efr jvnwZeit aber Qkbi ht^ Gl eich; üa*'h diesem
Anhüt {»c-Ftierk^ ^ic, .■ das^ sied!-d?»vM^äfcefii -Mt linken
GrMChf.shülftfi anfidlswwe omtnOrirteu. Znniodist tnvchränkteu
rieh du>.sh Zuclcun^cn auf '^dic Angeblidhr, xogön ate bald aacli
ijffuiid und (Ciiuv in Di^se (bmvutrioneu
wiede r'lwd'teh fr ich slte : 1 —ä Minuten und träten dabei so h.ritig
artf. d.-uHrf sie, ohut »u'gtmHvch sclilncrzbaft an «u/in. der Kranken
sehr UiMifc* Ofden luul. indem .sie sste am Einsehlafefr verhindeTteü,
auch ihren Ktäftegnstand altmätig reduoirieu.
Ö^r der der leidlich wohlgenährten, blassen,
wen« amdv nicht miffäiiig anamuschen Kranken fand ich Uterus
und Eier stocke gesund, bütitcrn nicht'dmckeinpfindlich, Peri
cu^-iim und Ausculration zeigten an Bmst» und Bauchorganeh
kv'i/m AlmnrmiTät. Die Kl mpMrhsim warer? nirgends gesell wo Ihm,
%\. ZAhne gHf.^ Tl.rack auf die AastrÜt^eUeii Sf‘t». • infrnor-
'• ' sdprmvr'bita’Ös and meutalis erregte kebiCn Schmerz,
ding.s von einet iu gleicher fUehtung .verlaufendeh Vene b^rJc^t,
Welche znx Seite gehoben werdeu musste. Der Nerv zeigte
sidfa dunkel gerOthet, jedoch anscheinend nicht verdickt. Ich
fasste denselben zwischen die Branchen einer Tnrsiouspiuceüe
and (juetschtid ib». zbeöilich stärk y während i^h Ihu gleichzeitig
von seiner Unterlage aVhoh. Vier bis fünf klebjfe AFlhrinn-
ästdiea hatten noterlmmkü werden mÜsjseu ^ die Wurulv würde
öchlie-sslich mit.Catgnthcftw». verschlossen und ein amisujitischer
Druckverbaml angelegt.
Gleie.h' nach der Operation zeigte sieh--.die büke Gesichts-
hälfte 'gelahmt, der 'Mundwinkel hing herab, die Lids|id|te stand
offen and koiiüteTiicht. geschlossen werden. ^ersöliwand
diese Lähmung nach etwa einer halben Stuiniovdaie dass die
Gonvulslotten vidi wieder eingestellt hätten. Narb acht Tagen
konnte die l > ath?«tin mH per pmnam verklebter AVvod»- m ihre
Heimath oBtlasshii worden.; Shü stellte sich f»ir vor eintguu
TüLgeo vor. w^d fa^k $&M- vom Oiirlä^p.üieii bedeckt
:-§hcffe,-wtofd-ei r v-4wf^k ffeiiselbea die Aütärta fü;\ : )Ö6tH(«;.AT i öfee'7l)ft'f?ltt 4 *'.
fest. TOesc leUteren w»ederto:dreti sich Mn. regetrmissig, alle ; und daher von niemand ■ bemerkt, der nicht auädimckJfcb auf
i — :•? Minuten, und dauerten it» w.echseUnUo- Intensität iu der I di^dbe aufmerksam göiriacbt wird, :Dle Cou.vnbiflw.eß amd nicht
Go gl
e
596
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Ne. 40
wiedergekehrt, und so ist die Kranke, wie es scheint, von ihrem
Leiden definitiv und ohne jeden Nachtheil befreit.
Ich habe zu der vorstehenden Krankengeschichte nur wenig
hinzuzufügen. Was die Aetiologie des Falles anbetrifft, so glaube
ich annehmen zu dürfen, dass es sich bei den epileptiformen
Anfällen, welche dem ersten Auftreten des Gesichtskrampfs
vorangingen, nur um eine etwas stark ausgeprägte Form von
vertige stomacal gehandelt hat. Bei dem letzten dieser An¬
fälle, an welchen sich das erste Zucken der Augenlider ziem¬
lich unmittelbar angeschlossen zu haben scheint, kann vielleicht
ein Trauma auf die Gegend der Austrittsstelle des Nerven ein¬
gewirkt haben, oder aber es haben beide Processe überhaupt
nichts mit einander gemein. Das spätere Ausbleiben dieser
epileptiformen Anfälle erklärt sich leicht durch ein vorsich¬
tigeres diätetisches Verhalten der durch ihren Zustand schwer
geängstigten Patientin. Ein centrales Leiden kann, wo der
mimische Gesichtskrampf, wie hier, ganz isolirt auftritt, wohl
mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Bei der Untersuchung
der Patientin liess sich aber, wie erwähnt, weder eine consti-
tutionelle Krankheit, noch ein peripherer Reiz als ätiologisches
Moment des Krampfes ausfindig machen. Die Röthung des
Neurilems, welche bei der Blosslegung des Nerven constatirt
wurde, beweist ja auch zur genüge, dass dieser selbst erkrankt
war, und dass somit die locale Therapie ihre Berechtigung
hatte.
Was nun den Erfolg der Operation anbetrifft, so glaube
ich, dass das Hervorziehen des Nerven aus dem Foramen stylo-
mastoideum und die dadurch bewirkte Befreiung der erkrankten
und durch den Druck des Knochenrandes in Reizzustand er¬
haltenen Partie des Nerven, sowie die Substituirung derselben
durch einen mehr centralwärts gelegenen, wahrscheinlich intact
gebliebenen Nervenabscbnitt den öperationseffect hauptsächlich
bedingt hat. Ich kann aber nicht läugnen, dass ich, im Gegen¬
satz zu Vogt bei der Lecture der bisher publicirten Fälle von
Nervendehnung sowie der Vogt’schen Experimente den Ein¬
druck empfangen habe, als ob ausser dieser durch die eigent¬
liche Dehnung hervorgerufenen Verschiebung und Lockerung des
Nerven in seiner unmittelbaren ‘und mittelbaren Umhüllung
auch die directe Örtlich begrenzte Quetschung der Nervenfasern
selbst für die prompte Wirkung des operativen Eingriffs von
wesentlicher Bedeutung ist. Je zaghafter in den bisher ver¬
öffentlichten Fällen mit dem Nerven umgegangen wurde, desto
unsicherer scheint mir der unmittelbare Effect der Operation
gewesen zu sein, und ich halte es daher auch für ziemlich irre¬
levant, ob man den Nerven zwischen den Fingern oder den
Branchen einer Pincette erfasst, gleich viel ob dieselben mit
Gummi armirt sind oder nicht, oder ob man, wie es Verneuil
empfohlen hat, den Nerven zwischen Finger und Hohlsonde
zusammenpresst. Es liegt in der Natur der Sache, dass dieser
Factor der localen Insultirung des Nerven um so mehr in
Rechnung gezogen werden muss, je kleiner das Operationsfeld,
je kürzer die blossgelegte Nervenstrecke und je dünner der
Nervenstamm ist, an welchem man zu manipuliren hat.
Ich kann mich der Ansicht nicht verschliessen, dass die
Nervendehnung nach den ersten so überraschenden und all¬
seitiges Aufsehen erregenden Publicationen Billroth’s und
v. Nussbaum’s schon eine weit reichere Literatur aufzuweisen
haben würde, wenn nicht manche derartige Operation in Folge
der zu subtilen Behandlung des Nerven erfolglos verlaufen
wäre. Die Furcht vor der Lähmung ist jedenfalls, ungerecht¬
fertigt, da diese, wo sie wirklich eintritt, sich in kürzester Zeit
wieder verliert.
Davon abgesehen, beweist aber der vorliegende Fall jeden¬
falls, dass der mimische Gesichtskrampf, ein Leiden, welches
bis jetzt selbst die bewährte Geduld der Electrotherapeuten in
den weitaus meisten Fällen auf die härteste Probe gestellt
hat, in der beschriebenen Weise leicht und ohne entstellende
Narbe operativ beseitigt werden kann.
II. lieber die Typhusepidemie von Kloten.
Von
Dr. Wälder»
Assistenzarzt an der med. Klinik in Zürich.
(Schluss).
Die Untersuchung des Patienten ergab das ganz gewöhn¬
liche Resultat. Die Zunge präsentirte sich entweder mit dickem,
pelzigem, weissem Belag, oder in schweren Fällen braun, borkig,
Lippen und Zähne ebenfalls mit braunem Belag versehen. Häufig
kam dem untersuchenden ein starker, widriger Foetor ex ore
entgegen.
Roseolae wurden bei weitaus der grösseren Zahl der Pa¬
tienten constatirt; sie verbreiteten sich bei einigen in ganz
ungewöhnlicher Anzahl über Rumpf und Extremitäten, nament¬
lich an deren inneren uud vorderen Seite. Hier und da er¬
blickte man welche am Vorderarm und Unterschenkel. Bei
mehreren Kranken bildeten sich förmliche Knötchen, welche
wohl 1 Mm. über die Hautoberfläche hervorragten. Solche
Eruptionen blieben viel länger als die gewönlichen Roseolae
und hinterliessen bräunliche Flecken, welche sehr lange sichtbar
waren. Sehr viele Roseolae trugen in der Mitte ein kleines
Schippchen. Reichliches Exanthem und namentlich diese Knöt¬
chen entsprachen in mehreren Fällen auch sehr intensiver
Krankheit; doch kamen starke Eruptionen auch bei mittleren
Graden der Krankheit vor. In 5 Fällen beobachtete ich die
taches bleuätres und sah 2 dovon, welche dieselben sehr reich¬
lich trugen, letal enden.
Der Bauch war gewöhnlich mehr oder weniger aufgetrieben,
starker Meteorismus nicht gerade häufig. Ileocoecalsclimerz
wurde nicht bei allen, aber doch bei den meisten bemerkt.
Die Milz wurde bei allen Fällen, die man auf der Höhe
der Krankheit untersuchte, vergrössert gefunden, wenn sie nicht,
wie bei einzelnen älteren Kranken, durch starkes Lungenemphy¬
sem verdeckt war. Im allgemeinen erreichte sie ganz un¬
gewöhnliche Grösse, sogar bei den leichten Krankheitsgraden;
mehrmals wurden 19—21 Ctm. gemessen. Trotzdem war die
Milz selten schmerzhaft bei der Palpation, weiche bei einer
Reihe von Fällen ganz leicht auszuführen war.
Von Interesse mag es sein, dass sich bei den meisten
Patienten, welche ich darauf untersuchte, die äusserlichen
Lymphdrüsen geschwollen fanden; die Leistendrüsen am häufig¬
sten, Cubital- und Nackendrüsen etc. weniger häufig. In der
Apyrexie verschwanden die Drüsen wieder.
Complicationen kamen im ganzen nicht gerade in grosser
Mannigfaltigkeit vor. Vor allem sind diejenigen der Respira-
tionsorgane zu nennen, und unter diesen dominiren die Bronchi¬
tiden. Leichte Grade von Bronchitis waren häufig, schwere
fanden sich weniger; immerhin gab es einige sehr intensive
Fälle. Hypostasen sind sehr wenige zu verzeichnen, Pneu¬
monie nur in 2 Fällen, bei einem noch mit exsudativer Pleuritis
complicirt. Ausserdem entstand eine exsudative Pleuritis nach
Schmelzung einer .Cruralthrombose.
Unter Complicationen von seiten des Herzens und Gefäss-
systems kann ich nur einige Thrombosen der Unterschenkelvenen
angeben. Bei einem Patienten, welcher nach reichlichen Darm¬
blutungen Gangrän des Penis und Scrotum bekam, fand mau
bei der Obduction vollständige Thrombosirung der beiderseitigen
Venae hypogastr. bis in ihre Verzweigungen. — Nephritis
typhosa wurde wenig beobachtet.
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UNIVERSETY OF MICHIGAN
7. October 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
597
Unter den dieser Arbeit zu Grunde liegenden Fällen be¬
finden sich 2 gravidae, die eine im 4. Monat mit leichtem
Verlauf, die andere im 5 Monat. Letztere abortirte am 10. Tage
der Krankheit, verlor sehr viel Blut, bekam dann Endometritis
und peritonitische Symptome, genas aber schliesslich.
Die Menses waren in einigen Fällen anteponirt, und zwar
bis auf 14 Tage; gewöhnlich waren sie dabei nicht verstärkt,
doch kamen sie in einzelnen Fällen auch sehr reichlich vor.
Recidive finde ich in 4 Fällen verzeichnet; sie liefen in
kurzer Zeit und ziemlich leicht ab. Man beobachtete dabei frische
Milzschwellung und Roseola. Ein Recidiv hatte den Tod zur
Folge. Der betreffende Patient machte vorher nur eine ganz
kurze Abortivform durch, wurde nach einigen Tagen fieberfrei,
stand auf und bekam nach fast 5 Tagen Apyrexie wieder Fieber,
frische Milzschwellung und Roseola. Der Verlauf war sehr
schwer, von vielen Delirien, hohem Fieber und starken Darmer¬
scheinungen begleitet. Schliesslich trat eine Darmperforation ein,
und der Kranke, ein 16j. Knabe, starb an allgemeiner Peritonitis.
Als Nachkrankheiten kann ich anführen je 1 Ischias,
1 Pleuritis sicca und 1 Periostitis des linken Radius.
Die secundären Fälle haben bei dieser Epidemie um so
grössere Wichtigkeit, weil erst sie die vielen Zweifel, die nicht
einma.1 den pathologisch anatomischen Befund als voU-
gültigen Beweis für die Typhusnatur der Krankheit gelten Hessen,
von der Richtigkeit der Diagnose überzeugten. Wie schon oben
angegeben, stehen mir bis jetzt 27 zur Verfügung. Das Acten-
material kann übrigens bis jetzt überhaupt noch nicht als ab¬
geschlossen betrachtet werden, da sich immer noch einzelne
Nachzügler zeigen.
Die Infection dieser Patienten geschah auf die gewöhnliche
Weise, sei es, dass diese Leute primär kranke verpflegten,
im gleichen Bett schliefen, die Stühle derselben entfernten,
Bettzeug wuschen, oder vom Abtritt aus etc. Mehrfach waren
die secundären Fälle heftiger, als die sie inficirenden primären,
dies namentlich da, wo die Leute im gleichen Bett schliefen;
in anderen Fällen sah man das umgekehrte.
Der Verlauf dieser secundären Fälle ist ganz genau der
eines gewöhnlichen Typhus. Im ganzen sind es mittlere Grade.
Bis jetzt kam eine Darmblutung vor, sonst keine schweren
Symptome. Die cerebralen Erscheinungen treten milder auf,
als in der primären Epidemie. Viel seltener kommt die den
primäTen Kranken so lästige Verstopfung vor; auch haben sich
keine so ausserordentlich reichliche und intensive Eruptionen
des Typhusexanthems gezeigt; dagegen ist die Milzvergrösserung
ebenfalls sehr bedeutend. Auch hier beobachtete ich die
Schwellung der äusserlichen Lymphdrüsen. — Todesfälle von
secundär erkrankten sind noch nicht vorgekommen.
Abzuwarten ist nun. ob in den Dörfern, wo der Typhus
hingetragen worden ist, durch diese eine Reihe von Erkran¬
kungen der Boden inficirt wurde, und ob von letzterem aus
die Seuche in Zukunft endemisch bleiben wird.
An dieses kurze Gesammtbild der Krankheit möchte ich
noch die Sectionsprotocolle von 4 Fällen anschHessen, deren
Verlauf ich bis zum Tode verfolgt habe.
I. Felix Benninger in Bth. Embrach, 28 Jahre. Beginn
der Erkrankung am 3. Juni, Tod am 20. Juni 1878.
Obduction 19 Stunden post mortem. (Prof. Eberth.)
Keine Starre, schlanker Körper. Abdomen etc. aufgetrieben,
nach unten etwas cadaverös gefärbt. Musculatur dunkel,
trocken, ebenso Musculatur des Abdomens; äusserlich nichts
von glasiger Entartung. Im rechten Pleurasack ca. 4 Unzen
klare, stark blutig tingirte Flüssigkeit; gleicher Inhalt links.
Im rechten Herzen schlaffe Cruorgerinnsel und Faserstoff,
wenig flüssiges Blut. Links nur wenig flüssiges Blut. Endo-
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card leicht imbibirt. Herzfleisch besonders links von hellgrau¬
brauner Farbe mit Stich ins gelbliche. Aus dem linken Bronchius
entleert sich blutig tingirte, schaumige Flüssigkeit. Kleine Hä-
morrhagien unter der Pleura. Nahe dem unteren Rand des
unteren Lappens eine kleine, pflaumengrosse, schwarzrothe,
hämorrhagische Infiltration. Auch in der rechten Pleura kleine
Hämorrhagien. Sonst Oedem und Hyperämie.
Leber. Im Längendurchmesser verkürzt, schlaff, sehr feucht,
von hellbrauner Farbe, blass; wenig Blut in Gefässen. Läppchen¬
zeichnung etwas verwachsen.
Oberfläche der Milz mit eitrig fibrinösem Belag bedeckt.
Länge 16 Ctm., Breite 10 Ctm., grösste Dicke 4 Ctm. Parenchym
feucht, kirschroth. Malpighische Körper klein. Nahe dem
oberen Rand ein von gelbem Saum begrenzter, die ganze Breite
und Dicke einnehmender, schwarzbrauner Infarct. Mesenterial¬
drüsen besonders am Coecum stark injicirt, markig infiltrit.
Linke Niere löst sich leicht aus der Capsel, in der Breite
etwas vergrössert. An der Oberfläche eine kleine Gruppe hirse¬
korngrosser, von rothen Höfen begrenzter Abscesse, die sich
durch Rinde und Pyramide erstrecken. Niere feucht, sehr blas«,
graugelb. Pyramiden etwas hellviolett injicirt.
Rechte Niere bietet im ganzen gleichen Befund, nur fehlen
Abscesse.
Schleimhaut des Magens blass, stellenweise etwas fleckig
injicirt.
Schenkelvenen frei. Leistendrüsen vergrössert, etwa bohnen-
j gross.
Schleimhaut des Jejunum feucht, graugelb, blass. Ca.
1 % Fuss vom Pylorus bereits blutig tingirter, dünnbreiiger
| Inhalt. Schleimhautfalten hier stärker injicirt, besonders in
1 den Kämmen. Weiter nach unten flache Hämorrhagie in der
Mucosa und blutige Imbibition derselben. Dunkelkirsehrothe
! hämorrhagische Infiltration der Mucosa bis über er. 4' über der
j Klappe. Hirsenkorngrosse Follikel. Befund gleich bis ca.
| V, Fuss über der Klappe, wo die ersten ca. linsengrossen,
| frischen, von leicht markig infiltrirten Rändern begrenzten Ge-
; schwüre auftreten. Ueber der Klappe grosse, von wulstigen
Rändern begrenzte Geschwüre mit reinem Grunde. Dicht über
| der Klappe findet sich ein apfelgrosses, durch dünnen Stiel
aufsitzeudes polypöses Hämatom. Im Colon ascendens und
Coecum viel schwarzrothes, dickes Blut. Hämorrhagische In¬
filtration der Schleimhaut unbedeutend. Schwellung der Soli¬
tären. Gegen Colon descendens nimmt Blutung ab.
Hydrops meningeus, keine Hämorrhagien.
I Anatomische Diagnose: Blutig seröser Erguss in den Pleura¬
höhlen. Oedem und Hyperämie der Lungen. Bronchitis. Milz¬
tumor; hämorrhagischer Milzinfarct. Punktförmige Nierenab-
scesse. Hochgradige Darmblutungen. Geringe markige Infiltration
der Peyer’schen und solitären Follikel mit frischer Ulceration.
Keine Schorfe. Starke hämorrhagische Infiltration des unteren
Dünndarmes und des ganzen Dickdarmes. Hydrops meningeus,
Hirnödem, Hirnanämie.
II. Barbara Benninger, 26 Jahre, in Bth. Embrach, er¬
krankt 5. Juni, gestorben 20. Juni.
Obduct. 19 Stunden p. m.
Keine Starre. Musculatur dunkel, gerade Bauchmuskeln
von gleicher Farbe, ohne das Bild der glasigen Entartung. —
Unter dem Endocard des linken Ventrikels eine flache, 2 linsen¬
grosse, dunkelrothe Hämorrhagie; eine gleich grosse Blutung
unter dem Epicard des linken Ventrikels. — Blutig tingirtes.
schaumiges, serös schleimiges Secret im Bronchus. — Oedem
und Hyperämie.
Leber im Längendurchmesser verkürzt, schlaff, feucht, hell¬
braun, Centren mässig injicirt. Läppchen etc. verwaschen.
Original from
UNIVERSfTY OF MICHIGAN
598
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 40
Milz 16 Ctm. lang, Breite 8 Ctm., Dicke 5 Ctm. Pulpa
weich, kirschroth; Malpighi’sche Körper klein. — Mesenterial¬
drüsen einige mässig geschwollen, mit fleckig violetter Injection
der Schnittfläche. Ziemlich beträchtliche Schwellung der Coecal-
drüsen.
In den unteren Partien des Colon descendens zahlreiche
linsengrosse Geschwüre mit gereinigtem Grund, neben Gruppen
solcher, die noch mit graugelben Schorfen besetzt sind. Schleim¬
haut blass, nach oben sehr zahlreiche, kirschkern-linsengrosse
markige Infiltrationen. Schleimhaut darüber stark injicirt. Un¬
mittelbar über der Klappe hochgradige Infiltration der Peyer¬
sehen Haufen, die stellenweise mit graugrünen, sehr fest ad-
härenten Schorfen bedeckt sind. Solitäre Follikel zu hirse¬
korngrossen Knötchen vergrössert. Ca. 4 Fuss über der Klappe
Infiltration der Pey er’sehen Follikel geringer, die der solitären
fast vollkommen verschwunden. — Aus dem Rectum entleert
sich flüssiges Blut mit Cruor. Bis unmittelbar über dem Anus
linsengrosse, markige Infiltration. Frische Geschwüre, einige
mit kleinen Schorfen.
Anatomische Diagnose: Lungenödem. Hyperämie der Lunge.
Markige typhöse Infiltration des Dünn- und Dickdarms mit
Verschorfung. Hämorrhagie des Rectums. Ovarialcyste. Milz¬
tumor.
III. Conrad Benninger, 14 Jahre, Gst. Embrach. Recid.
14. Juni, gestorben 3. Juli. (In Eis conservirt.)
öbduct. 31 Stunden p. m. Prof. Eberth.
Anatomische Diagnose: Trübung der Arachnoidea, Hydrops
meningeus. Lungenödem, Hyperämie. Kleine Lungenhämorrha-
gie. Geringe Milz Schwellung. Anämie der Bauchorgane. Ad-
härirende Peritonitis. Perforation des Processus vermiformis. —
Ausgedehnte retrocoecale und retrorenale Eiterung. Necrose
des Zellgewebes. Subseröser Abscess der vorderen Bauch wand.
Vernarbte, nicht sehr zahlreiche kleine Geschwüre des Dick¬
darmes. — Anämie. Bauchiger Abscess im intermusculären Zell¬
gewebe des rechten Oberschenkels.
IV. Graf, Heinr., 43 Jahre, U. M. Embrach. Erkrankt
2. Juni, gestorben 8. Juli 1878.
Obduct. 24 Stunden p. m. C. Wälder.
Anatomische Diagnose: Doppelseitige, frische, leicht hä¬
morrhagische Pleuritis. Oedem und Hyperämie der unteren
Lungenlappen. Dilatation und Verfettung des Herzens. — Zahl¬
reiche Typhusgeschwüre im Dünndarm, zum Theil vernarbt,
zum Theil in beginnender Vernarbung oder in Granulation.
Milztumor. Verfettung der Leber, Schwellung der Nieren.
Gangrän des Penis und Scrotum, grosse gangränöse Abscedi-
rung in den Bauchdecken. — Aeltere feste Thrombose der beider¬
seitigen Venae hypogastricae und ihrer Verzweigungen. Eitrige
Abscedirung in der Prostata. — Starke allgemeine Anämie.
Da der Typhus des Rindviehes, wie es scheint, noch nicht
nachgewiesen ist, da ferner von dem unglücklichen Kalb keine
sterblichen Ueberreste mehr aufgebracht wurden, von welchen
aus man auf die Natur seiner Erkrankung hätte rückschliessen
können, da man endlich nicht einmal den Weg fand, auf
welchem das Thier hatte inficirt werden können, so war auch
die Annahme, dass die Epidemie auf einem typhuskranken
Kalb beruhe, immerhin nur eine Hypothese, eine Vorhersagung,
wie die Sache sich entwickeln müsse. Schreiber dieses war
so glücklich, durch die Entdeckung und sichere Constatirung
zweier Fälle von Kalbstyphus und den mehr als nur
wahrscheinlichen Nachweis, dass dieselben direct von Menschen¬
typhus abhängen, die Richtigkeit jener Annahme so weit er¬
härten zu können, dass ein Zweifel daran wohl nicht mehr
möglich ist. Denn auf Grund dieser 2 Fälle darf man wohl
mit Sicherheit sagen, dass der Typhus des Menschen mit dem
Typhus des Rindviehes identisch ist, dass also eine Uebertra-
gung im umgekehrten Sinne sehr gut möglich und in zahl¬
reichen Fällen wahrscheinlich schon vorgekommen ist.
Auf einem noch sehr spät gemachten Krankenbesuche bei
dem Patienten Heinr. Graf in U. M. Embrach klagten mir
dessen angehörige, dass sie im Verlauf von 4 Tagen schon
das 2. Kalb hätten tödten müssen. Die Krankheit des 1. Thieres
wurde von dem Schlächter (Viehhändler und „Bauernmetzger“,
nicht Thierarzt) als Milzbrand erklärt. Dasselbe war schon
verscharrt. Das 2. wurde soeben ausgehäutet; auf meinen
Wunsch wurde der Cadaver geöffnet. 7 Wochen alt.
Sämmtliche Gelenke frei. Fleisch von normaler, blassrother
Farbe. Lungen und Herz normal. — Milz um ca. y, vergrössert,
von dunkelrother Farbe, guter Oonsistenz. Malpighi’sehe Kör¬
per und Trabekeln deutlich sichtbar.
Leber normal. — In der linken Niere mehrere punkt- bis
linsengrosse Hämorrhagien, sowohl in Pyramiden als Rinde.
Rinde nicht geschwollen.
2 Retroperitonealdrüsen frisch markig geschwollen, ziem¬
lich stark injicirt. Weitere Retroperitonealdrüsen waren nicht
zu finden. — Mesenterialdrüseu sehr bedeutend geschwollen,
von dunkellivider Farbe. Am grössten und stärksten injicirt sind
die der unteren Dünndarmhälfte entsprechenden Drüsen, wo
in der Darraschleimhaut sich auch die grössten Veränderungen
i zeigen.
Sämmtliche Pey er’sehe Haufen stark markig geschwollen,
von der übrigen Schleimhaut sich scharf abhebend, von mehr
oder weniger starker, livieler Injection. Am grössten und am
stärksten geschwollen sind die Haufen im unteren Theil des
Dünndarmes. Sie verlaufen in der Längsachse des Darmes
gegenüber dem Ansatz des Mesenteriums, sind in den oberen
Darmpartien schmal, unten nehmen sie fast dessen ganze Breite
ein. Eine Pey er’sehe Platte findet sich am Anfang des Blind¬
darmes gegenüber der Klappe, ist von dunkellivider Farbe,
Grösse ca. die eines Zwei-Frankstückes. Nirgends Zeichen von
Verschorfung. — Keine einzelnen Follikel sichtbar. — Die
Darmserosa normal; keine Auflagerungen.
Anatomische Diagnose: Starke Schwellung und Injection
der Peyer’schen Haufen im Dünndarm. Schwellung der Retro-
peritoneal- und Mesenterialdrüsen. Geringer Milztumor. — Typhus
im Beginn. — Das Kalb war am 27. Morgens noch ganz munter
gewesen, Abends wollte es nicht mehr trinken, lag am Boden
wie todt. Keine Diarrhöen. Am 28. Juni Morgens gestorben.
Das 4 Tage vofher abgegangene Thier bot intra vitam ganz
dieselben Erscheinungen. Zum Ausgraben des Cadavers war es
leider zu spät wegen eingetretener Fäulniss.
Unter dem Viehstand des Heinr. Graf waren schon viele
Jahre keine Krankheiten mehr vorgekommen; ausser den beiden
Kälbern war auch sonst kein Stück weder vorher noch nachher
krank. Es war schon längst kein frisches Vieh mehr einge¬
führt worden, kein Fremder hatte den StaU betreten. Das
Wasser bekamen die Kälber direct von der Röhre eines laufenden
Brunnens.
Der Patient, Heinr. Graf, hatte im Anfang der Krankheit,
vom 3. bis 10. Juni, sehr starke Diarrhöen, 4 bis 7 Stühle
täglich; dabei besorgte er bis zum 9. Juni immer noch die
Stallgeschäfte. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass Patient
im Drang einmal einen Stuhlgang in den Stall in die Nähe
der Kälber setzte. — Etwas sicheres konnte ich nicht mehr
herausbringen, da man dem Kranken diesen Verlust aus Rück¬
sicht auf seinen Zustand verschweigen musste. Ueberdies war
er zu jener Zeit häufig verwirrt.
Ein 2. Fall von Kalbstyphus kam mir kurse Zeit darauf
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7. October 187S.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
599
auf dem Hofe zu Gesicht, wo die Geschwister Benninger an
Typhus gestorben waren. A’uch hier konnte absolut kein anderer
ätiologischer Puukt gefunden werden, als eben diese 2 Menschen-
typhen, und zwar war hier speciell die Obduction der beiden
Kranken die Gelegenheitsursache für die Infection des Kalbes
geworden. Bei der Section wurde der Brunnentrog durch das
Auswaschen der bei derselben gebrauchten Zober mit Blut
stark beschmutzt. Er wurde zwar innen ausgeputzt, an der
Aussenseite nicht, so dass eine halbe Stunde nach Vollendung
der Section, als der Knecht Wasser für das Kalb holte, noch
viele Blutflecken zu sehen waren. Wahrscheinlich trug der
Knecht nun Blut an den Hosen in den Stall, und das Thier
leckte dieselben ab; es hatte von jeher die Gewohnheit, alles
zu belecken.
Genau 10 Tage nach diesen Obductionen erkrankte das
Thier und wurde 4 Tage darauf getödtet. Dasselbe war 4 Wochen
alt. Genau der pathologisch - anatomische Befund wie beim
ersten, etwas weniger intensiv. — Microscopisch unterscheiden
sich diese Kalbsdärme durch nichts von einem menschlichen
im gleichen Stadium der Krankheit.
111. Ans Prof. W. Schnick’s Angenklinik zn Budapest.
Heber die Behandlung der Blutergüsse in der vorderen Augenkammer.
Von
Dr. Joseph linre, pract. Arzt in Gyoma (Ungarn),
gew. Assistent an der genannten Klinik.
Es muss bei dem heutigen Stande der klinischen Augen¬
heilkunde, bei der grossen Anzahl der Beobachter, wahrlich
ganz eigenthümlich berühren, wenn eine häufiger auftauchende
Frage, die ganz gewiss schon den meisten practischen Augen¬
ärzten mehr weniger Kopfzerbrechens verursachte, entweder
ganz ungelöst bleibt, oder aber eine Beantwortung erhält, die
unsere auf Grund und Ursache der Dinge gerichtete Sehnsucht
durchaus nicht befriedigen kann. Eine solche häufig vor¬
kommende «nd besonders dem viele Cataractenoperationen
ausführenden Oculisten reichen Stoff zum Nachdenken und
Experimentiren liefernde Frage ist auch die folgende: Was
soll zur Entfernung der durch Hyphaema (Bluterguss in der
vorderen Kammer) bedingten Unannehmlichkeiten geschehen?
Je tiefer der Einblick, den wir in die Complicationen der
auf und in dem Bulbus vorkommeuden entzündlichen Processe
gewinnen, desto deutlicher müssen wir die Rolle würdigen,
welche der Uvealtractus (Choroidea, Corp. ciliare, Iris) bei
diesen Erkrankungen spielt, desto deutlicher sehen wir den
Platz, welchen derselbe in der oft nicht enden wollenden
Rolle der pathologischen Erscheinungen einnimmt, und desto
fester muss die Ueberzeugung in uns werden, dass, da die
gefährlichsten Veränderungen in diesem Theile des Auges vor
sich gehen, wir auch hauptsächlich und nach Möglichkeit den¬
jenigen Theil unseres therapeutischen Eingreifens vervollkomm¬
nen müssen, welcher auf dieses Gebiet gerichtet ist.
Es ist z. B. nur ein Ausdruck dieser Ueberzeugung, wenn
H. Noyes die Wecker’sche Iridotomie (in ihrer neueren,
modificirten Form) einen „surgical triumph" nennt, und Mooren
sie für ebenso wichtig hält, als die Graefe’sche Iridectomie
gegen Glaucom; denn diese Operation lässt uns für das Leben
-des Auges so unendlich wichtige Veränderungen und solche
Erkrankungen des Uvealtractes beherrschen, denen gegenüber
unsere bisherigen Mittel einen nur sehr problematischen Werth
besitzen.
Bluterguss in die vordere Kammer, oder das sogenannte
Hyphaema ist, als ein bei gewissen, besonders aber bei trau¬
matischen Erkrankungen, ^ler Iris und des Corp. ciliare vor-
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kommender und — was noch wichtiger — durch sein längeres
Bestehen noch weitere Störungen verursachender Umstand,
gewisslich einer grösseren Aufmerksamkeit, als ihm bis jetzt
zu Theil wurde, würdig.
ln folgendem will ich, gestützt auf die Ergebnisse, welche
die auf der Budapester Universitäts-Augenklinik während der
Zeit meiner Assistentschaft daselbst gesammelten Erfahrungen
mir lieferten, und welche Prof. Schulek so freudlich war,
mir behufs Publicirung zu überlassen, zur Kenntniss sowie
zur genaueren Bestimmung der Behandlung desselben einige
meiner Ansicht nach genügend positive und zu Folgerungen
berechtigende Daten liefern.
Um zu erfahren, wie die einzelnen Oculisten über diesen
Process denken, wäre es überflüssig, alle auffindbaren Aeusse-
rungen zu sammeln; um so mehr, als, wenigstens in den Lehr¬
büchern, ein tiefes Schweigen über diesen Gegenstand bewahrt
wird. Die meisten thun zwar des Hyphaema kurz Erwähnung,
doch kann man aus den Aeusserungen keines einzigen Autors
entnehmen, dass er dasselbe für eine so wichtige Complication
hält, um mit derselben ernstlich zu rechnen. Die neueste und
die grösste Aufmerksamkeit verdienende Publication über diesen
Gegenstand, die Wecker’sche Arbeit im Gräfe-Sämisch’schen
grossen Handbuche, enthält einen so apodictisch gehaltenen
Ausspruch, der — wenn man ihn als übereinstimmende An¬
sicht sämmtlicher Oculisten ansehen könnte — das überraschende
unserer weiter unten zu veröffentlichenden Erfahrungen sowie
unseres Vorgehens noch mehr zu heben im Stande wäre.
Wecker 1 ) sagt nämlich folgendes:
»Reine Blutansammlungen in der Vorderkammer sind mit
dem Namen Hyphaema bezeichnet worden. In der allergrössten
Mehrzahl der Fälle beobachtet man den Blutaustritt nach einer
traumatischen Einwirkung aufs Auge, viel seltener erfolgt spon¬
taner Bluterguss in die Vorderkammer ohne Verletzung des
Augapfels. Die Blutansammlung bei Verletzung mit Eröffnung
der Vorderkammer kann auf zwei Arten zu Stande kommen;
es kann das Blut von aussen in die Kammer hineindringen,
oder es kommt durch den plötzlich nachlassenden Druck bei
rapidem Ausfliessen des Kammerwassers zu einer Zerreissung
I der Irisgefässe. Die Ausführung der Paracentese giebt häufig
! genug bei unruhigen Patienten Gelegenheit, diese Art Blutungen
zu constatiren.
»Bedeutende Blutungen, wie man sie nach Anprallen von
Korkpfropfen, Peitschenhieben u. s. w. beobachtet, sind nicht
wegen der Langsamkeit, mit welcher sich die Blutansammlung
aufsaugt, zu fürchten, sondern wegen der tieferen Verletzungen,
die zunächst dem Beobachter durch sie verdeckt werden, und die
häufig später als Linsenluxation, Choroidealzerreissungen u. s. w.
erkannt werden. Abgesehen aber von diesen concomitirenden
Verletzungen treten in Folge der Verletzung oft unmittelbare
Reizerscheinungen in der Iris auf, die sich hinter dem an¬
gesammelten Blute der Beobachtung um so mehr entziehen, als
ihre Gegenwart die Absorption des Blutaustritts oft sichtlich
verzögert.
»Die Behandlung selbst bedeutender Hyphaema’s hat sich
auf Einträufelung von Atropin und Druckverband zu beschrän¬
ken. An eine Entleerung des Blutes selbst darf, wenn die
Ansammlung desselben eine sehr bedeutende ist, nicht gedacht
werden, denn es würde eine neue Blutung sogleich das Blut,
welchem man Ausgang verschafft, ersetzen, indem die rasche
Herabsetzung des Augendruckes unfehlbar zu neuen Zerreissun-
gen der Gefässe Veranlassung geben würde.“
Aus den hier citirten Stellen erhellt unzweifelhaft, dass
1) Handbuch d. ges. Augenheilkunde etc., IV. Bd., S. 572 u. ff.
Original fro m
university of michigan
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. «k»
Wecker die durch den Bluterguss verursachte secundäre, nicht
von der Originalverletzung herrührende, den Heilungsverlauf
jedoch erheblich beeinträchtigende Reizung (obzwar sie ihm
gewiss nicht unbekannt sein kann) für belanglos, sowie dass
er die künstliche Entfernung des Blutes für geradezu nicht
zweckentsprechend hält.
Arlt 1 ) meint: „Die Aufsaugung des Blutes lässt sich
wahrscheinlich nicht beschleunigen, obwohl der Rath, weingeist¬
haltige Umschläge mit Zusatz von Tinct. flor. Arnicae anzu¬
wenden, nicht gerade abzuweisen sein möchte. Unnöthig da¬
gegen ist, bei einfachem Haemophthalmus anterior die Eröffnung
der Kammer, um das Blut zu entleeren. Nur wenn zugleich
Zeichen von Haemophthalmus posterior vorhanden sind (schlech¬
ter Lichtsinn, erhöhte Spannung) und die Resorption lange
zögert, wird man zu vorsichtiger und langsamer Entleerung
des Blutes aus der Kammer schreiten müssen.“ j
In dem Aufsatze Becker’s über die Erkrankungen der !
Linse finden wir gelegentlich der Abhandlung der Staaropera-
tionen, sowie der Nachbehandlung derselben an mehreren j
Stellen 2 ) Bemerkungen, welche sich auf die im Bulbus, und so- !
mit auch auf die in der Kammer auftretenden Blutungen be¬
ziehen, dieselben nach ihrer Ursache und Bedeutung classificiren,
und gedenkt er überhaupt dieses Gegenstandes am ausführlich¬
sten unter allen Autoren. i
Wir finden bei ihm eine ganz ausführliche Beschreibung
der bei Staarextractionen, Verwundungen und der in ähnlichen j
Fällen später spontan auftretenden Blutungen; die letzteren, j
welche seiner Ansicht nach aus der peripheren Lage der
Wunde bei der Gräfe’schen Extraction zu erklären sind, hält
er, wenn sie nicht durch Wundsprengung hervorgerufen wurden,
für um so gefährlicher, je weniger Gewissheit wir uns darüber
verschaffen können, ob der Patient sein Auge verletzt hat oder
nicht, denn die unmittelbare Ursache der Blutung sei daun
entweder 1) die durch Verschluss der früher offenen Wunde
erzeugte Spannung, oder 2) eine Iritis, welche er nur als
scheinbare Folge, in Wirklichkeit aber als Ursache der Blu¬
tung ansieht, oder endlich 3) die perniciöse Neigung zu Blu-
tnngen, die wir, besonders bei recidivirenden Blutungen annehmen
müssen. Welches Vorgehen eine solche Blutung erheischt, was
bei hartnäckiger Anwesenheit von Blut in der Kammer zu thun
sei, darüber sagt er kaum etwas aus, obzwar wir — wie man
weiter unten ersehen kann — in seiner Arbeit werthvolle
theoretische und practische Daten finden, welche deutlich für
die durch Punction zu bewerkstelligende Entfernung solcher
Blutextravasate sprechen.
Die Frage ist von allergrösstem Interesse dann, wenn wir
das Auge nach der Cataractoperation von jedem entzünd¬
lichen Process befreien, aber zugleich von jederlei Verletzung
oder operativem Eingriff verschonen wollen. Die Zahl der auf
unserer Klinik beobachteten Fälle, in welchen ein entweder |
noch von der Operation zurückgebliebener oder später dahin
extravasirter Bluterguss lange in der Kammer verweilte, ist
nicht unbedeutend, und wir erinnern uns unter derselben kaum
eines Falles, in welchem der Reizungszustand des Auges da¬
durch nicht erheblich gesteigert worden wäre, und konnten wir,
wenn derselbe eine Zeit lang so bestand, das Schwinden der
Iritis oder was noch schlimmer, der Cyclitis, nie vor Resorption
des ergossenen Blutes beobachten.
Es gereichte dieser Umstand zur Festigung der Ueber-
zeugung in uns, dass die Becker’sche Behauptung betreffs
des Causalnexus zwischen Blutung und Iritis nur für manche
1) Uebei die Verletzungen des Auges, Wien 1875, S. 27.
2) Gräfe-Säm isplijs UandbuclL V. Bd., 344, 372 etc.
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Fälle ihre Richtigkeit besitzt, in den meisten Fällen aber um¬
gekehrt so steht: dass die Ursache der fortbestehenden
Iritis eben das Blutextravasat ist, und zwar müssen wir
das um so mehr glauben, weil der Blutung, welche in den
meisten Fällen Folge einer Verletzung war, da ja manchmal
Blut noch von der Operation her zurückgeblieben, nicht immer
eine Farbveränderung der Iris oder das Auftreten von Hyper-
aemie in ihrem Parenchym voranging, endlich aber, weil häufig
nur nach längerem Bestände des Hyphaems sich Reizungs¬
erscheinungen einstellten. Und was am wichtigsten ist:
die Entfernung des Blutes war in den meisten Fällen
genügend, letztere vollständig zu beseitigen. Unsere
weiter unten mitzutheilenden Erfahrungen, welche wir bei Be¬
handlung von nicht nur nach Cataractoperationen, sondern
auch bei chronischen Iritiden, Glaucomen etc. und bei nach
oder ohne operative Eingriffe eingetretenen Blutungen gesammelt,
sind deshalb nach zwei Richtungen hin von grösserer Wichtig¬
keit: erstlich, weil sie klarlegen, dass die unrichtige Behaup¬
tung bezüglich der sicheren Reproduction des Hyphaema’x nach
Entleerung des Extravasates auf einem Vorurtbeil oder auf
übermässiger Behutsamkeit beruht, zweitens darum, weil si<*
beweisen, dass wir gewisse Unannehmlichkeiten, ja Gefahren,
welche in der Anwesenheit eines Hyphaema’s ihre Ursache finden,
durch eine geringe, ganz unschuldige Operation zu beseitigen
im Stande sind.
Bevor ich mich darüber in weitere Auslassungen verbreite,
will ich der Fälle, welche die obige Behauptung begründen
sollen, kürzlich Erwähnung thun.
1. M., Josefine, 42 Jahre alt (1875, No. 64), Glaucoma
absol. o. d. chron. o. s. Den 27. November Iridectomie au
beiden Augen. In der Vorderkammer des rechten Auges blieb
Blut zurück. Den 1. December Punction, worauf die früher
| vorhandenen Schmerzen aufhörten, und schleunige Genesung
| eintrat. (Das entleerte Blut ist flüssig in allen Fällen.)
i 2. F., Katharina, 55 Jahre alt (1875, No. 165) Glaucoma
chron. o. d. Den 27. April Iridectomie am rechten Auge, am
nächsten Tage viel frisches Blut in der Kammer; das Auge
j durch 17 Tage fortwährend hart und gereizt; Punction am
! 17. Mai. Kein Schmerz, das Auge blass, den 18. war auch
das wenige zurückgebliebene Blut verschwunden, und die Härte.
! welche während der Anwesenheit des Blutes in der Kammer
fortwährend bestand, vollkommen gewichen.
3. K. J., 30 Jahre alt (1876, No. 138), Iritis recidivans o. s.
Starke Ciliarneuralgie, gesperrte enge Pupille, weiches Auge.
Iridectomie den 18. März. In der Gegend des Coloboms eine
Zeit lang weniges Blut, welches sich später senkte. Am
27. März neue Blutung, welche die Kammer bis zur Hälfte
füllt; Ursache unbekannt. Punction am 28. März. Ein kleiner
Theil des flüssigen, lichten Blutes blieb zwar noch lange in
der Pupille zurück, doch schwanden sämmtliche Reizungs¬
erscheinungen in einigen Tagen vollständig. Nach der zweiten
Iridectomie ungestörter Verlauf.
4. S., Johann, 21 Jahre alt (1876, No. 160), Cicatrix
ectatica et glaucoma secundar. o. s. Iridectomie den 8. April.
Die Kammer völlig mit Blut gefüllt, dessen Hälfte jedoch bis
Abend resorbirt war. Den 10. April neuerlich Schmerzen.
Bulbus härter. Am 11. die Kammer ganz mit Blut erfüllt;
wegen continuirlicher Schmerzen Punction den 15. April, durch
welche die Kammer vollkommen frei ward. Abends keine
Reizung, weiches Auge. Heilung ungestört.
5. D., Johann, 20 Jahre alt (1876, No. 193), Sclerectasia
partialis anter. o. d. In Folge Eindringens eines fremden
Körpers vor einem Jahre starke Entzünduug, Erblindung; die
Sclera bildet eine blaue, circa mandelgrosse Beere; Pupille
Original from
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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7. October 1878.
weit, Lichtempfindung keine. Bulbus hart, seine Ectasirung
wachsend. Iridectomie den 9. Mai. Starke äussere und innere
Blutung; die Kammer blieb mit Blut gefüllt, welches, da die
Wunde sich nicht gut schloss, manchmal hinaustropfte. Punction
am 16. Trotz aller Bemühungen blieb eine grössere Menge
Blut zurück. Starke gleichförmige Reizung und Hyphaem durch
10 Tage; den 20. neuerliche Punction, durch welche aber¬
mals nur ein Theil entfernbar war; doch reinigte sich die
Kammer darauf langsam, schwand die Injection, und plattete
sich die sclerale Ectasie ab. Bei der Entleerung war am
Grunde der Kammer eine mehrere Mm. hohe, braunrothe,
schrumpfende Exsudatmasse bemerkbar. (Vielleicht die Ursache
des so hartnäckigen Hyphaema’s, oder vielleicht Blutcoagulum?)
6. H., Katharina, 30 Jahre alt (1876, No. 200), Occlusio
pup. et glaucoma secund. o. s. Ausgang einer vor einem Jahre
abgelaufenen Iritis. Die Iris wölbt sich kugelförmig nach vorne,
Bulbus hart, Pupille verschlossen, Lichtempfindung keine. Iri¬
dectomie am 13. Mai, schwer ausführbar, breiter Ausschnitt,
starke Blutung. Den nächsten Tag noch viel Blut in der
Kammer, welches sich auch später kaum vermindern will;
Bulbus hart, stark injicirt. Punction den 20. Mai, durch welche
nur wenig dunkel gefärbtes, dickflüssiges Blut entleert ward.
Der Zustand besserte sich nicht, darum neuerliche Punction
am 25. Mai, mittelst welcher zwar der grösste Theil des Blutes
entfernt wurde; doch verblieb in der Kammer eine compacte
gelbliche Exsudatmasse, w'elche durch die enge Einstichsöffnung
nicht entfennt werden konnte. 4 Tage darauf war das Auge
beinahe blass, das Colobom breit, schwarz, der Schmerz sowie
auch die Härte total verschwunden. ä
7. F., Johanna, 60 Jahre alt (1875, No. 239), Cataracta
matura o. s. Extraction nach Gräfe den 15. Juni, auf welche
geringe Reizung erfolgte; die Kammer war einige Tage hin¬
durch frei. Am 18. Juni Morgens fanden wir die Kammer mit
Blut angefüllt, das Auge schmerzhaft, injicirt, den äusseren
Winkel der Wunde offen. Injection und Schmerzhaftigkeit
Hessen nicht nach, das Blut senkte sich, ein breites Hyphaema
bildend, welches nach dem 6. Juli unverändert sichtbar war.
Entleerung des Blutes durch Punction, die Kammer war am
nächsten Tage ganz frei, und das Auge heilte ruhig und ohne
Zwischenfall. V = 20 / 70 -
8. E., Gabriel, 65 Jahre (1875, No. 762), Catar. hyper-
matura o. s. Extraction nach Gräfe am 3. Juli, gelegentlich
welcher ein breiter Kapselfetzen und etwas Blut zurückblieb;
am 7. Juli spontane Blutung in die Kammer, ein schmales
Hyphaema bildend. Den 8. Juli traf Patient das Auge im
Schlafe, worauf dasselbe schmerzhaft ward, und die Kammer
sich mit Blut anfüllte. Auf kalte Umschläge legten sich zwar
die Schmerzen, doch war kein Abnehmen des Blutes bemerkbar.
Punction am 14. JuH; es entleerte sich rothbraunes, flüssiges
Blut, doch verblieb noch ein Theil in der Kammer. Die
Reizungserscheinungen Hessen zwar nach, doch wurde das
zurückgebliebene Blut nur sehr langsam resorbirt; Iris war
etwas gelblich, eine schwächere Injection noch lange bemerk¬
bar. Eine zweite Punction war nicht ausführbar.
9. J. M., 61 Jahre (1876, Spital d. Frauenvereines), Catar.
hypermatura o. d. Extraction nach Gräfe am 22. Juli, ge¬
legentlich welcher Blut in der Kammer zurückblieb, welches
sich senkte und dann 6 Tage unverändert stehen blieb; Form
der Pupille unregelmässig, Iris dunkel, das Auge schmerzhaft,
geringe Reizungserscheinungen. Punction am 28. JuH, worauf
die Kammer frei wurde, nur in der Fläche der Pupille war
eine zarte geringe Röthe bemerkbar; Schmerz und Injection
Hessen nach; Verlauf normal.
10. J., Stephan, öö^-J^hre alt (1*876, Spital d. Frauen-
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Vereins), Cataract. o. d. matura. Extraction nach Gräfe den
5. Juni. In der Kammer verblieb viel Blut in Form grosser
Coagula, doch zeigten sich keinerlei Reizungserscheinungen.
Ein grosser Theil des Blutes senkte sich auf den Boden der
Kammer. Nachdem dasselbe bis 12. Juni keinerlei Verände¬
rungen einging, wurde es am genannten Tage mittelst Punction
entleert, so dass nur in der Fläche der Pupille ein Knäuel
zurückblieb. Die damals verengte Pupille erweiterte sich den
3. Tag darauf, und ging die Heilung anstandslos vor sich.
11. H., Paul, 54 Jahre alt (1876, No 187), Catar. nond.
penitus mat. o. d. Den 16. Mai Extraction nach Gräfe. Den
18. Morgens die Kammer mit Blut gefüllt,, trotzdem Patient
jedwede Verletzung leugnet. Bei Applicirung von kalten Um¬
schlägen wurde ein Theil des Blutes resorbirt, doch blieb un¬
gefähr ein Viertel der Kammer noch immer mit Blut angefüllt,
welches sich dort stabilisirte; Pupille gehörig weit, Injection
massig, Iris jedoch missfarbig. Punction am 25. Mai, durch
welche das Blut vollständig entleert wurde, und nach welcher
das Auge schnell heilte. 6 Tage nach der Punction war kaum
eine geringe Ciliarinjection bemerkbar.
12. K., Therese, 56 Jahre alt (1876, No. 169), Catar. nond.
pen. matura o. d. Extraction nach Gräfe den 9. Mai, 3 Tage
hindurch enge Kammer, geringe Keratitis striata; den 14. Mai
Abends stellten sich plötzlich heftige Schmerzen (wahrscheinlich
in Folge einer Verletzung) ein, und war die Kammer mit Blut
angefüllt gefunden, welches auch in der Wunde bemerkt werden
konnte. Unter Anwendung von Umschlägen geringe Besserung,
auf welche eine geringere Chemose, sowie Steigerung der Schmer¬
zen erfolgten. Punction am 18. Mai, durcli welche nur ein Theil
des Blutes, welches dunkel und flüssig war, entleert werden
konnte. Schmerz und Chemose verschwanden sogleich,
das Auge blieb massig injicirt. Das zurückgebliebene Blut ad-
härirte der Fläche des Coloboras. Neuerliche Punction am
25. Mai, nach welcher in der Pupille noch immer etwas Blut
verblieb. Am 1. Juni war die Pupille schwarz, um die Cornea
eine sehr geringe Injection.
13. S., Johann, 72 Jahre alt (1876, No. 174), Catar. hyper-
mat. o. s. Extraction nach Gräfe den 27. Mai, gelegentlich
welcher in der Kammer Blut verblieb, welches aber den nächsten
Tag grösstentheils resorbirt wurde. Den 30. Mai frisches Blut
in der Kammer; Schmerzen im Auge. Nachdem bis 4. Juni
das Blut sich nicht verminderte, Punction an demselben Tage.
Die Cornea collabirte des geringen intraoculären Druckes wegen.
Abends: Kammer frei und tief; den 5. Juni die Pupille weit, in
in ihrer Fläche eine röthliche Secundaria sichtbar. Später nahm
die Iris, bei starker conjunctivaler Secretion eine gelblich-grüne
Farbe an, die Pupille ward enger, die Ciliargegend schmerz¬
haft, und stellte sich, da eines starken, entzündlichen Nach-
staares wegen das Sehen schlecht blieb, die Nothwendigkeit
einer Nachoperation ein.
14. 0., Gabriel, 62 Jahre alt (1875, No. 69), Catar. nond.
penitus mat. o. d. (Nach der schon früher am linken Auge
vorgenommenen Extraction wurde auch eine Kammerblutung
beobachtet, doch schwand das Blut spontan in einigen Tagen.
V = *•/„.) Extraktion nach Gräfe, 5 Tage darauf Zeichen
einer Cyclitis, am 7. Tage spontane Blutung. Auf energische
Antiphlogose grosse Linderung; in der ganzen Ausdehnung der
Pupille ein dünner, entzündlicher Nachstaar, das Blut ein
schmales Hyphaema bildend. Behufs Eröffnung der Pupille
wurde in der 6. Woche die Iridotomie, nach Wecker’s älterer
Methode, vorgenommen. In Folge der Schnitte trat eine sehr
abundante Blutung ein, welche die Kammer vollständig anfüllte.
Das Blut verminderte sich zwar langsam, doch war noch am
1(). Tage ein so hohes Hyphaem vorhanden, dass nnr ein sehr
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Universum of michigan
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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geringer Theil der OefiFnung gesehen werden konnte. Um diese |
Zeit wurde die Function vorgenommen. Anstatt des Blutes — 1
welches während des Liegens langsam verschwand — 1
entleerte sich dünner, blutig gefärbter Glaskörper. Die Wunde
heilte gut, die OefiFnung in der Iris war klein aber frei; Finger
wurden gut gezählt. Wenn Patient eine aufrechte Hal¬
tung einnahm, herumging, ergoss sich dunkles Blut j
in die Kammer und behinderte das Sehen; legte er
sich aber, so ward die Kammer alsbald frei von Blut,
welches also stets nach rückwärts in den Glaskörper
floss. 19 Tage darauf, während welcher Zeit das so beweg¬
liche Blut sich kaum verminderte, wurde dasselbe bei einge- j
nommener Sitzstellung durch eine neuerliche Punction ent- j
leert, wobei auch etwas Glaskörper mitging. 2 Tage hindurch I
war die Kammer frei, die Iris normal gefärbt, als sich am :
3. Tage ein 2 Mm. hohes, frisches Hyphaema einstellte, welches I
wir jedoch, da das Auge bald blass wurde, unberührt Hessen, j
V. nur 7t 00 . !
Ein vollkommen analoger Fall war der des Fr. Anton,
bei dem wir ebenfalls keine Punction Vornahmen, und dessen j
ich hier nur nebenbei Erwähnung thun will. Wegen chronischer
Iritis wurde bei demselben die Iridectomie gemacht, und ein
Jahr darauf die Staarextraction; im Verlaufe der Heilung bil¬
dete sich öfters Hyphaem, doch war das Blut stets
dunkel gefärbt, verschwand während des Liegens, um in
aufrechter Lage stets von neuem zu kommen, und verminderte
sich langsam, bis es vollkommen resorbirt wurde *).
(Schluss folgt.) I
IV. Kritik.,
Lehrbuch der Ohrenheilkunde für practische Aerzte und
S t u d i r e n d e, von Prof A dain Politzer. 2 Bände. I. Band.
Mit 106 Holzschnitten. Stuttgart. ISIS. Ferdinand Enke.
Wenn der Verf., der auf dem Gebiete der Ohrenheilkunde eine so
hervorragende Stellung einnimmt, und mit zu den Begründern der
modernen Otiatrie gehört, es unternommen hat, über die Disc-iplin,
welche er in einer grossen Reihe von Jahren auf’s fruchtbringendste
bearbeitet hat, ein Lehrbuch zu schreiben, so musste von vorn herein
erwartet werden, dass die neue Leistung sich den bisherigen bahn¬
brechenden Arbeiten des Verfassers würdig anschliesst. Diese Erwartung
wird durch den Inhalt des vorliegenden Buches vollkommen gerecht¬
fertigt.
Der vorliegende erste Band wird grossentheils durch den allgemeinen
Theil ausgefüllt. Die Anatomie und Physiologie des Schallleitungs¬
apparates finden, gestützt auf eine grosse Anzahl der gelungensten Ab- j
bildungen eine ausserordentlich klare und leicht fassliche Darstellung,
und wird der an und für sich manchen vielleicht trocken erscheinende ,
.Stoff dadurch anregend geschildert, dass überall die practisck wichtigen 1
Gesichtspunkte hervorgehoben werden. Eine eingehende Beschreibung :
erfahren sodann die durch Entzündungsvorgänge bedingten Structur-
veränderungen der Mittelohrschleimhaut, hauptsächlich insofern durch ;
dieselben Schallleitungshindernisse entstehen, und werden die histolo- t
gischen Veränderungen der erkrankten Mittelohrauskleidung durch vor¬
zügliche Illustrationen erläutert. Bei Besprechung der Untersuchungs- ;
methoden werden ausführlich erörtert: die mechanischen Wirkungen der |
in die Trommelhöhle eingeleiteteii Luftströme, um deren Erkläruug sich
Politzer durch seine experimentellen Untersuchungen nicht minder :
verdient gemacht hat als durch die Entdeckung einer uns jetzt unent¬
behrlich erscheinenden Methode der Lufteintreibung ins Mittelohr, des I
bekannten, seinen Namen tragenden Verfahrens. Einen interessanten
Abschluss des allgemeinen Theiles bilden die allgemeinen Bemerkungen
über Actiologie, Dauer und Verlauf der Ohrenkrankheiten und die Ana- |
lvse der wichtigsten Krankheitssymptome, von welchen besonders die
Bedeutung der subjectiven Geräusche für die Prognose festgestellt wird. I
. Der specielle Theil beginnt, abweichend von anderen Lehrbüchern, |
mit den Erkrankungen des Trommelfells, und kommen in dem vor- ;
liegenden ersten Bande ausserdem noch zur Besprechung die acute
Mittelohrentzündung und die Mittelohrcatarrhe, denen sich eine kurze
Schilderung der Krankheiten der Nase und des Nasenrachenraumes an-
schliesst. Die Schilderung der Krankheitsprocesse ist eine ausserordent-
I) Mitgetheilt in meinem ersten Ausweise über unsere Staaropera-
tionen, in der Ungar. Fachzeitung: „Orvosi IJexilap“, Beilage für Augen- j
heilk., 1876, No. 3. " 1
lieh klare und vollständige, und werden die verschiedenen Krankheits-
erscheinungen entsprechend der reichen Erfahrung des Verf.’s aufs
eingehendste besprochen. Von überraschend schöner Ausführung sind
die dem Texte beigegebenen, sehr zahlreichen Trommelfellbilder. Bei
Besprechung der Trommelfellrupturen findet specielle Berücksichtigung
die gerichtsärztliche Beurtheilnng derselben. Im Kapitel über die
Mittelohrcatarrhe^ in welchem die in der Regel mit Unwegsamkeit der
Ohrtrompete verbundenen Exsudationen ins Mittelohr geschildert werden,
beanspruchen die für die Diagnose wichtigen Trommelfellbefunde, um
deren Feststellung und Vcrwerthung sich P. schon durch seine früheren
Arbeiten verdient gemacht hat, besonderes Interesse. Entsprechend
ihrer Wichtigkeit weiden die Krankheiten des Nasenrachenraumes und
der Nasenhöhle mit Rücksicht auf die Erkrankungen des Mittelohres
in einem besonderen Abschnitte besprochen, und werden sowohl die
Untersuchungsmethoden als die pathologischen Verhältnisse und die
therapeutischen Eingriffe in kurzer bündiger Form, ohne etwas wichtiges
ausser Acht zu lassen, geschildert.
Ohne Vernachlässigung der älteren Literatur finden in dem trefflich
ausgestatteten Buche die neueren Arbeiten über Ohrenheilkunde ein¬
gehende Berücksichtigung. Wenn sich P. bisweilen nach der einen
oder anderen Seite hin entscheidet, so ist die Kritik, die geübt wird,
immer motivirt und saehgemäss. Das ganze, 372 Seiten umfassende
Buch zeichnet sich dadurch aus, daiss überall die eigene scharfe Beob¬
achtung und die grosse practische Erfahrung P.’s zur Geltung kommt,
und dürfte dasselbe seinem Zwecke, ein Lehrbuch zu sein für practische
Aerzte und Studirende, die sich mit der Ohrenheilkunde bekannt machen
wollen, vollkommen entsprechen, und wird auch derjenige mannigfache
Anregung finden, der mit dem Gebiete bereits vertraut ist.
Hartmann.
V. VerhaadlangeB ärztlicher Gesellschaften.
Berliner medicinische Gesellschaft
Sitzung vom 1. Mai 1878.
Vorsitzender: Herr Bardeleben.
Schriftführer: Herr Senator.
Das Protocoll der letzten Sitzung wird verlesen und angenommen.
Als Gäste sind anwesend: Herr Dr. Fürstenberg aus Wiesbaden,
Dr. Cohn aus Franzensbad.
Neu aufgenommen als Mitglieder sind die Herren DDr. Stabsarzt
Kannenberg, Bauer, Lindner, Brettheimer, G. Kalischer,
Seydel, Sponho Iz jun., Danneil.
Als Geschenke für die Bibliothek sind eingegangen: 1) von Herrn
Dr. Berg: Aerztlieher Bericht über das Bad Reinerz pro Saison 1877.
Separat-Abdruck aus der deutschen Zeitschrift für pract. Medicin 187S,
No. 14; 2) von Herrn Dr. Lender: Messungen der Kräfte der freien
Luft im Februar d. J.
Die Gesellschaft besehliesst ihr Mitglied, Herrn Geh. San.-Rath
Dr. Friedberg zu seinem 50jährigen Doctorjubiläura durch eine Depu¬
tation beglückwünschen zu lassen. Zu Mitgliedern dieser Deputation
werden die Herren He noch, Citron, Falk, B. Frankel und Ries
gewählt.
Tagesordnung:
1. Herr Seligsohn: Demonstration microscopischer Prä¬
parate. Herrn S. wurde vor mehreren Wochen ein lOjähriges Mädchen
vorgestellt, aus dessen Munde sich nach ihrer eigenen und ihrer Eltern
Angabe allabendlich zu einer bestimmten Stunde Würmer entleeren
sollten, gleichzeitig wurde die Speichelseeretion vermehrt, welcher zugleich
mit den verkriechenden Würmern beständig weggewischt werden musste.
Der Vorgang datierte mehrere Stunden, am Tage war nichts zu bemerken.
Diese eigenthiimliche Affection bestand bereits mehrere Monate. Die
von den Eltern in grosser Menge mitgebrachten Würmer, welche Herr S.
vorlegtc und raicroscopisch demonstrirte, erwiesen sich als Oxyuris-
Weibchen, und es handelte sich demnach um eine allabendlich erfol¬
gende Auswanderung derselben. Die Pat. begab sieh später in die
Königliche Universitätspoliklinik, und zwei Practicanten haben sich der
dankenswerthen Mühe unterzogen, an 2 verschiedenen Abenden das Her¬
vorkommen der Würmer selbst zu beobachten so dass die Thatsache,
welche Herr S. anfänglich für sehr unwahrscheinlich gehalten hatte,
durchaus sicher gestellt ist. Die von Herrn S. eingeleitete Behandlung,
nämlich Anwendung von Knoblauchclystieren wurde von dem Director
der Poliklinik. Herrn Prof. Jos. Meyer noch durch die innerliche Dar¬
reichung von Knoblauch erweitert, und zwar mit vollständigem Erfolg.
Der Fall ist von einem der Practicanten, Herrn Po mp er in seiner Disser¬
tation beschrieben und darin durch Ausschliessen aller anderen Möglich¬
keiten der Beweis, dass die Thiere nur aus dem Magen oder dem an¬
liegenden Theil des Oesophagus in die Mundhöhle gelangt sein können,
geliefert. Der Fall ist wohl als ein Unicum zu betrachten. Der Herr
Verfasser der Dissertation spricht zwar die Vermuthung aus, dass viel¬
leicht früher, wo man für die Spul- und Springwürmer häufig den ge¬
meinsamen Namen Ascaris gebraucht habe, unter den Fällen von As¬
caris-Wanderung sich auch solche von Oxyuris-Wanderung befunden
haben, doch glaubt Herr S. dass eine Verwechselung beider nicht wohl
stattfinden könne.
2. Hierauf stellt Herr P^JIeymann einen Fall von Sprachstörung
vor, welchen er als phoniseben Krampf der falschen Stimm-
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
7. October 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
603
bänder bezeichnen möchte. Es treten nämlich bei jedem Phonations¬
versuch die falschen Stimmbänder dicht aneinander, ähnlich wie ein
solches Verhalten der wahren Stimmbänder früher von StÖrck beob¬
achtet worden ist. Mit Rücksicht auf das Vorkommen von Muskelfasern
in den falschen Stimmbändern erscheint die Annahme eines Krampfes
derselben nicht unmöglich. Das Eintreten desselben wäre etwa den
Krämpfen bei den sogenannten Beschäftigungsneurosen (Schuster-,
Schreibekrampf etc.) analog.
3. Herr Paul Güter bock hält den angekündigten Vortrag: Ueber
eigentümliche Gelenkerkrankungen bei ganz jungen Kin¬
dern.
Nach ausführlicher Mittheilung von 4 einschlägigen Krankengeschich¬
ten sucht der Herr Vortragende darzuthun, dass es sich um hereditär¬
syphilitische Gelenkleiden gehandelt. Hierfür sprächen, abgesehen von
den Erfolgen der mercuriellen Therapie, das Vorkommen von anderen
gleichzeitigen Erscheinungen der ererbten Lues, namentlich von Epi-
physärerkrankungen, G. glaubt indessen nicht, dass man es immer
mit einer directen Abhängigkeit der von ihm beobachteten Gelenkleiden
von solchen Epiphysenaffectionen zu thun hat, sondern erachtet, dass
diese Gelenkleiden verschiedener Dignität seien. Er hebt dabei hervor,
dass hereditär-syphilitische Gelenkleiden bislang nur selten beschrieben
seien und vergleicht in eingehender Weise die Erfahrungen früherer
Autoren, namentlich Taylor’s mit seinen eigenen. (Der Vortrag wird
in etwas erweiterter Form im Arch. für klin. Chirurgie veröffentlicht
werden.)
VI. Feuilleton.
Die neue Prüfungsordnung für Aerzte nach den
Beschlüssen der Sachverständigen-Commission.
Nach zwölftägiger Sitzung hat die vom Reichskanzler einberufene
Commission ihre Arbeit , welche einer Amendirung des preussischen
und des deutschen Entwurfes galt, beendet. Die Commission bestand
aus den Herren: Vorsitzender: G.-R. Finkelnburg. Regierungs-
Commissare: G.-R. Wey mann, G.-R. Kersandt, G.-R. Göppert.
G.-A. Mehlhausen, G.-A. Schubert, Mitglieder: Prof. Binz-Bonn,
M.-R. Bockend ah l-Kiel, Prof. Hirsch-Berlin, Prof. Le win-Berlin,
Kr.-Ph. Wal lichs-Altona, G.-R. Zinn-Eberswalde, Prof. v. Kol¬
li k er - Würzburg, Prof. Jürgcnsen-Tübingen, Prof. v. Ziemssen-
Miinheen, Prof. Hofmann-Leipzig. G.-A. Ro th - Dresden, O.-M.-R.
v. Hö Ld er-Stuttgart, Privatdoc. Fürbri nger- Heidelberg, O.-M.-R.
Pfeiffer-Darmstadt, M.-R. Pfeiffer-Weimar, M.-R. Vix-Metz. Dem
einen waren zu viel, dem anderen zu wenig, einem anderen wieder nicht
die richtigen Practiker darin. Wir beschränken uns auf die Notiz,
dass von den siebzehn stimmenden Mitgliedern (die fünf Regierungs-
Commissare stimmten nicht mit) die Mehrzahl der ärztlichen Praxis
angehört. Man war deshalb wohl befähigt, die Bedürfnisse der prac-
tischen Thäiigkeit vorzutragen und zu vertheidigen, und die Theoretiker
und Beamten der Regierung hatten reichlich Gelegenheit, sich darüber
unterrichten zu lassen. Andererseits konnte aber eine solehe Commission
nur dann sachgemässe und ausführbare Dinge beschliessen, wenn eine
lange Erfahrung im Examiniren ihr zur Verfügung stand, und darum
war es nothwendig, dass das academische Element in ihr überwog. Es
wird zudem stets ein Wagniss sein, viel beschäftigte ärztliche Practiker
auf vierzehn Tage an einem fremden Ort fesseln zu wollen. Die Inter¬
essen für ihre wichtigen und schweren Fälle sind stärker und müssen
es sein , als eine solche vorübergehende Pflicht; aber dabei kann keine
Behörde mit Bestimmtheit auf das Zusammenbleiben einer Commission
bis zu Ende rechnen, und das muss sie doch von vornherein.
Die Vorschläge der Commission bilden einen wesentlichen Fort¬
schritt gegenüber den amtlichen Vorschlägen. Dabei ist jedoch nicht
zu verkennen, dass letztere grosses Lob verdienen. Sie zeugen, be¬
sonders der preussische, von tüchtiger Arbeit. Es war gewiss keine
Kleinigkeit, aus dem Widerstreit der verschiedensten schriftlichen, amt¬
lichen und academischen Gutachten heraus, die richtige Linie zu ziehen.
Wo der preussische Entwurf dieselbe nicht gezogen hat, da scheint es
uns, als habe er dieses nur deshalb nicht vermocht, weil ein wichtiger
Hauptgedanke seinen Autor beherrschte, der nämlich, jede Mehrbe¬
lastung des Examinanden, jede Anhäufung von unfruchtbarem Wissen
in ihm zu vermeiden. Wer wollte ihn tadeln, wenn er in diesem Be¬
streben nicht das richtige traf, wo es so schwer zu treffen ist, ohne den
Werth des Examens zu schädigenV
Vielleicht leitete den Autor auch diese Rücksicht dazu, die von
mancher Seite angestrebte Competenz der Facultäten in der Prüfungs¬
frage nicht zu verstärken. Man kann die Sache aber drehen und wenden,
wie man will, so lange das Examen nur in einer Universitätsstadt ab¬
gelegt wird, wird die Facultät sein eigentlicher Inhaber sein; denn nur
sie ist im Besitz der persönlichen Kräfte und materiellen Mittel, um
den vielgestaltigen Proeess durchzuführen. Es verschlägt dabei so gut
wie nichts, dass man ihr noch zwei oder drei practische Aerzte zulegt.
Die Erfahrung weist nicht viel corrigirendes von ihrem Einfluss auf.
Die- Facultäten dagegen haben ein dem ganzen nützendes moralisches
Anrecht an die Prüfung. Schon die alte academische Lernfreiheit,
welche von vielen Studirenden nur als ein Privileg des Nichtsthuns an¬
gesehen wird, bedarf des Gegengewichts: der Wegfall fast aller Zwangs-
collegien verlangt das nämliche, und die moderne Freizügigkeit im
Universitätsleben würde bei vielen Studirenden ein fortdauerndes Umher¬
ziehen bedingen, wenn nicht im Hinblick auf die persönliche Bekannt¬
schaft mit den Examinatoren das Bedürfnis zur Geltung käme, irgend
an einer Stelle dem Geist einen ruhenden Pol zu bieten. Die Prüfung
in der Hand der Facultät sichert den Einfluss auf den Fleiss und gegen
die Zerfahrenheit. Und da nun weiter die ordentlichen Mitglieder der
Faeultäten wohl am besten in der Lage sind, über die persönlich rich¬
tige Besetzung der einzelnen Examinationsstellcn zu urtheilen, so scheint
uns das Amendement der Commission in § 3: es solle die Facultät in
Bezug auf die Zusammensetzung des Prüfungskörpers mit ihrem Rath
gehört werden, ganz sachgemäss. Die Herren Minister können ja dann
noch immer entscheiden, wie sie wollen, — eine Möglichkeit, von welcher
sie den Facultäten gegenüber in verneinender Weise bekanntlich oft
genug Gebrauch machen.
Unendlich viel Papier ist verschrieben worden über die Frage, ob
man den zukünftigen Acrzten gestatten solle, ihre Studien an einer
Realschule zu vollenden. Die Commission hat sich entschieden gleich
den beiden anderen Entwürfen, freilich nicht ohne dass aus ihrer Mitte
ein heftiger Anlauf zur Erstürmung der Position gemacht worden sein
soll. Wir wollen hier die verwickelte Frage nicht discutireii, was das
richtige ist. Wir freuen uns nur aus der Resolution der Sachverstän¬
digen zu erfahren, dass das preussische Cultusministerium die bestimmte
Zusage ertheilt hat, den verknöcherten Gymnasial unterricht durch
grössere Beachtung der Mathematik und Naturwissenschaften neu zu
beleben. Das kann natürlich nur auf Kosten der übertriebenen rein
philologischen Anforderungen im Griechischen und Lateinischen ge¬
schehen, und darf nicht geschehen auf Kosten der Lectüre der alten
Classiker und der Pflege der vaterländischen Sprache und Literatur.
In Folge jener Zusage hat man dann auch von der Durchführung der
Debatte über das angestrebte Recht der Realschulen abgestanden, und
wenn die preussische. Regierung ihrem Versprechen baldigst greifbare
Form zu verleihen im Stande ist, so dürfte diese Frage für lange von
der Tagesordnung verschwunden sein. Eine volle klassische, von Ein¬
seitigkeiten befreite Bildung soll also auch das Eigenthum unserer zu¬
künftigen Aerzte verbleiben.
Die vielbesprochene Dauer des medicinischen Studiums war vom
preussischen Cultusministerium im mildesten Sinne aufgefasst worden.
Für die Mehrzahl der Studirenden sollte es nämlich bei den jetzigen
sieben Semestern sein Bewenden haben. Wir sagen absichtlich sieben:
denn es ist bekannt, dass das eine Semester, in welchem der Studirende
mit der Waffe dient, nicht den mindesten Raum lässt für Collegion-
besuch oder Arbeit. Selbst wenn die Zeit dazu vorhanden ist, so fehlt
unter den Eindrücken der Caserne und des Exercirfeldes jeglicher
Sinn. Die Commission setzte acht Semester an, indem sie den bis¬
herigen ein neuntes hinzufügte. Fassen wir diese neun Semester und
das lernere eine, welches der junge Arzt als solcher bei der Truppe zu
verbringen hat, zusammen, so kommt genau die nämliche Zeit heraus,
die er bis zur Einführung des einen Halbjahrs unter der Waffe, also
bis vor wenigen Jahren, zu verbringen hatte. Der Widerspruch gegen
diesen Beschluss der Commission, von welcher Seite er auch gekommen
sein mag und noch kommen wird, scheint uns daher vollkommen un-
gerechtferligt. Eher noch, als bei den jetzigen sieben Semestern zu
bleiben, hätte man wünschen müssen, dass durch Annahme der Ziffer
10 ein thatsächliches 9. Semester geschaffen worden wäre. Es war das
von süddeutscher Seite her wirklich beantragt, man entschied sich
jedoch, und zwar mit Recht, dagegen. Noch sind zwei Ungleichheiten
zu erwähnen, welche aus der Neuerung der Commission hervorgehen.
Zuerst, dass die nichtmilitärpflichtigen Mcdiciner ohne Zweifel ein Se¬
mester zugelegt bekamen. Aber sie bilden die Minorität und sind
schon an und für sich durch das Freisein von den Militärlasten höchst
günstig gestellt. Zweitens hat die Commission den militärärztlichen
Bildungsanstalten in Berlin die „acht“ Semester concedirt. Sie nahm
dabei Rücksicht auf deren Organisation, welche die Studirenden zu
grösserem Fleiss anhält und ihnen die leichtere Möglichkeit der prac-
tischen Ausbildung gewährt. Der obligatorische Zusatz des einen Se¬
mesters würde der Pepiniere eine Erhöhung ihres Budgets von einem
Neuntel nothwendig machen. Das liesse sieh nur auf dem nothwen-
digen, aber schwerfälligen Weg der parlamentarischen Bewilligung er¬
langen und würde zu Complicationen führen, welche möglicherweise die
Wiederherstellung des früheren achten Semesters für die Civilmediciner
ganz in Frage stellen dürfte.
Wer sein Tentamen physicum oder, wie es jetzt heisst, die ärzt¬
liche Vorprüfung zeitig bestanden hat, besitzt das Rocht, durch eine
halbjährliche practische Thätigkeit an einer guten öffentlichen Heil¬
anstalt ein Halbjahr seines Universitätsstudiums zu ersetzen. Wir
hoffen, dass der Bundesrath diesen Beschluss annehmen wird. Er
bildet eine Erleichterung für den Studirenden und führt ihn frühzeitig
in die practische Anschauung ein. Eine weitere Erleichterung liegt in
dem Paragraphen, welcher den Beginn der Prüfung nicht nur für den
1. November, sondern auch für den 1. April zulässt, so dass also
niemand das Semester über unthätig auf die Zulassung zu warten
braucht. Man hat von unüberwindlichen Schwierigkeiten geredet, welche
diese Anordnung, in betreff des anatomischen Materials mache. Wir
glauben dicht an deren Existenz, denn ebensogut wie man im Sommer
chirurgischen Operationscurs — und das geschieht an vielen Universi¬
täten — an frischen Leichen halten kann, ebenso leicht wird der gute
Wille des Anatomen auch das Material liefern können und müssen für
die Prüfung, wozu er da ist, und wofür er honorirt wird. Nicht die
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
604
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 40
Bequemlichkeit des academischen Lehrers ist die Hauptsache, sondern
die Rücksichtnahme auf die Lebensir.teressen der Candidaten.
§ 4 bestimmt noch, dass der Zulassungsverfügung an den Candi¬
daten ein Abdruck der Examinationsordnung, natürlich unentgeltlich,
beizufügen sei. Es scheint uns ganz in der Ordnung, dass auf diese
Weise jeder Candidat genau über den Gang und die Anforderung des
Examens unterrichtet wird.
Gehen wir von den allgemeinen Vorschriften zu den Einzelheiten
über, so bietet sich hier der Besprechung werthes so viel, dass es nicht
leicht ist, die hervorragendsten Punkte auszulesen, ohne etwas wichtiges
zu übergehen.
Der preussische Entwurf hat den sog. Situs wieder hergestellt, und
die Commission hat ihn acceptirt. Die Gründe sind uns unbekannt,
weshalb das frühere Reglement ihn abgeschafft hatte. Die topographi¬
sche Anatomie ist ein practisch ausserordentlich wichtiges Gebiet, dessen
Verständnis bei der Demonstration des Situs am besten dargethan
werden kann. Aber ebenso nothwendig wie diesen Prüfungsabschnitt,
ebenso entbehrlich halten wir die Betonung der Embryologie in Ab¬
schnitt 3 des nämlichen Paragraphen. Was der Arzt auch von wissen¬
schaftlichem Gesichtspunkte aus in der Embryologie zu leisten hat,
kann recht bequem in dem physiologischen Examen untergebracht
werden. Bei dem Beschluss der Commission muss man an die Gefahr
denken, dass die subtilsten Dinge der embryologischen Gewebelehre
zur Auftischung gelangen. Die mögen für den Fachmann äusserst
schön und anmuthig aussehen, der practische Arzt fängt damit auch
nicht das geringste an.
Der Physiologie sind in dem Entwürfe genau zwei Zeilen gewidmet.
Hoffen wir, dass die physiologischen Prüfer an dieser Kürze und Knapp¬
heit sich ein lobenswerthes Beispiel nehmen. Es liegt zu nahe, dass
auf diesem rasch sich erweiternden Gebiete jeder Forscher gern sein
eigenes Ross tummelt und von dem Examinanden erwartet, dass auch
er cs zu reiten verstehe. Gar viele Dinge der heutigen Physiologie
sind sicher von nur ephemerer Lebensdauer, andere bieten für die
ärztliche Thätigkeit absolut nicht den kleinsten Anhalt dar. Welchen
Zweck hat es da, den Kopf des Candidaten mit auswendig gelernten
Theoreticis zu beladen? Unsere Physiologie hat in ihrer prächtigen Ent¬
faltung genug der Thatsachen ans Licht gefördert, welche für den
Arzt von Interesse und von Nutzen sind. Möge der Examinator bei
ihnen verbleiben und mit den übrigen sich recht tüchtig für sich allein
beschäftigen.
Aehnliches dürfen wir, die Beschlüsse der Commission in der IJand,
von der pathologischen Anatomie sagen. Bei aller Hochachtung vor ihrer
modernen Gestaltung wird man doch nicht verkennen wollen, dass ihr
microscopischer Theil eine Fülle der Unklarheiten, der Widersprüche,
der Streitobjeete und der ungelösten Fragen in sich birgt. Was soll
der zukünftige angehende Arzt damit an fangen, wenn er heute eine
histologische Auflassung, des Examinators wegen, sich einzuprägen hat,
welche im nächsten Jahre schon sich als ein menschliches und darum
verzeihliches Phantasiegebilde, als eine optische Täuschung, als eine
verkehrte Deutung seitens seines Lehrers erweist? Man braucht nur
die pathologisch-anatomische. Literatur in den betreffenden Zeitschriften
zu verfolgen, um sich zu überzeugen, dass die Motive unserer Warnung
nicht übertrieben sind. Wir nehmen es niemandem übel, wenn er sein
Fach für das bei weitem wichtigste von allen anderen Fächern hält,
aber ebenso wenig wird man es der Kritik eines unbeteiligten übel
nehmen wollen , wenn sie vor bedenklichen Conscquenzen eines solchen
Selbstbewusstseins zu warnen wagt.
Sprachlich haben wir an der Fassung von Absatz 2 des § 8 noch
etwas auszusetzen. Der preussische Entwurf hatte gesagt: „Ueber eine
Aufgabe aus der allgemeinen Pathologie. . . Auskunft zu geben.“ Die
Commission beschloss: „Eine Aufgabe aus der allgemeinen Pathologie
zu erledigen.“ Dieser Ausdruck scheint uns nicht glücklich gewählt
zu sein. Eine Aufgabe erledigen setzt ein mechanisches Thun, die Aus¬
führung einer Arbeit u. s. w. voraus, was doch ganz bestimmt hier
nicht gemeint sein, wohl aber von einem inquisitorischen Examinator
so gedeutet werden kann. Wollte die Commission sich klar ausdrücken,
so hatte sie lediglich bei den Worten des preussischen Entwurfs zu
verbleiben.
In § 10 (Chirurgie) finden wir die erfreuliche Neuerung, welche
auch für die anderen klinischen Stationen gilt, dass die Clausur, welche^
etwas sein sollte, was sie niemals war, abgeschafft werden soll, dass
ferner, und zwar ebenfalls für die anderen Stationen, der Examinator
zu bestimmen hat, ob der Candidat seine Krankenbeobacht ung von neuem
beginnen muss, falls der überwiesene Kranke vor Ablauf der sieben
Tage aus der Behandlung ausscheidet. Im übrigen hat sich von den
früheren Einrichtungen nichts besonders geändert, hier ebenso wenig
wie in der folgenden Prüfung, in der Ophthalmiatrie. Man könnte viel¬
leicht als ein Plus für die Augenheilkunde ansehen, dass der Candidat
auch noch an anderen Krankheitsfällen als gerade an dem einen, über !
den er schriftlich berichten muss, seine Befähigung zur Erkenntniss j
der Augenkrankheiten nachzuweisen hat. Indess hat die Commission, i
nm ein Uebermass der Forderungen zu verhüten, das Wort „Grundzüge“
der Augenheilkunde eingefügt. Haben wir den Sinn des ganzen richtig ;
verstanden, so soll es wohl heissen: der junge Arzt muss alles gelernt j
haben, was nothwendig ist um in acuten Fällen ein Auge, wenn über¬
haupt möglich, zu retten; dagegen braucht er nicht gelernt zu haben, j
was der Specialist in der Stadt alles wissen und können muss, welchem |
er die Fälle zuschickt, die einen Aufschub ganz gut ertragen. Dafür
würden auch wir gestimmt haben.
Die medicinische Station hat durch den, wie wir erfahren, ein¬
stimmigen Beschluss der Commission eine veränderte Ueberschrift und
ebenso etwas veränderten Inhalt bekommen. Sie heisst jetzt: die medi¬
cinische und pharmacologische Prüfung. In dem rein klinischen
Theile hat sich ausser dem vorher bei der Chirurgie erwähnten nichts
geändert, dagegen ist das Rcc-eptiren am Schluss desselben sehr ver¬
einfacht. Nichtbestehen in demselben bedingt ferner nicht mehr wie
früher die Wiederholung der ganzen Station; aber es schliesst sich ein
mündliches Examen in der Arzneimittel- und Giftlehre dem Reeeptiren
an. Es heisst von diesem Examen ausdrücklich, dass die für einen
Arzt erforderliehen Kenntnisse zu verlangen sind, das Wörtchen „nur
steht zwar nicht da, geht aber deutlich aus dem Sinne hervor. Auch
hier soll der Candidat vor allerlei giftigen Subtilitäten geschützt werden,
welche zu verlangen für den toxicologischen Forscher ebenso verlockend
sein mag, wie für die Examinatoren der anderen Fächer.
Weil die Verhältnisse der Personenfrage an den verschiedenen Facul-
täten etwas verschieden liegen, kann einem dritten Examinator dieser
Prüfungsabschnitt übertragen werden, so dass die Kliniker davon ent¬
bunden sind. Es scheint uns das zweckmässig zu sein. Macht man
den Pharmacologen in seiner Stellung verantwortlich für das Wissen
der Siudirenden in dem gerade für die Praxis so wichtigen Fach, und
erfüllt er diese Verantwortung, so wäre es ein Unrecht, ihn nicht ebenso
als ständigen Examinator in seiner Disciplin anzusehen wie den Ana¬
tomen oder Physiologen. Vorausgesetzt, dass die Aerztc in Pharmaco-
logie und Toxicologie überhaupt Bescheid wissen sollen, schafft der
Vorschlag der Commission dadurch keine Mehrbelastung für den Exami¬
nanden, er entfernt aber, weil der Pharmacologe ernstes Interesse an d-.r
Vorschriftsmäßigen Ausführung dieses Abschnittes haben muss, das bisher
an vielen Orten übliche Verfahren, wonach der Examinator die Recepie
und Maximaldosen dictirt, sich sofort in seine mehr oder weniger gol¬
dene Praxis zurückzieht und die abgeschriebenen Formeln und Düs-.-n
hernach als Beweis des selbständigen Wissens seiner Examinanden den
Acten beilegt. Die Ausführung des Vorschlages der Commission seitens
der Regierungen wird auch eine bessere Schulung unserer jungen Aerste
in der pharmacologischen Chemie anbahnen helfen. Wer Zusehen will,
wie es damit steht, dem empfehlen wir unter anderm die Lectüre eines
Artikels in der Pharmaceutischen Zeitung, 1878 vom 23. August, unter
der Ueberschrift: „Explosive Medikamente“. Wenn der Pharmaeeat
hier die Aerzte ein wenig verspottet, so ist das leider nicht unveidient.
In der pharmacologischen Pflanzenkunde sieht es nicht anders aus. Die
Vorlesungen über Chemie und Botanik vermögen die Einzelheiten nicht
zu bieten, welche zusammen mit der Pkarmacodynamik die Arzneimittel¬
lehre ausmachen. Eine Remedur wird nur von den — wir wiederholen,
gemässigten — Forderungen des Examens ausgehen; aber diese werden
in der Hand der meisten Kliniker stets eine Illusion bleiben. Sollte
man bei der Ausführung des den facultativen dritten Examinator be¬
treffenden Satzes das schematische Bedenken der Ungleichheit in den
einzelnen Commissionen des deutschen Reiches geltend machen, so er¬
innern wir an § 5, Absatz, der ärztlichen Vorprüfung, wonach unwider¬
sprochen und ganz in der Ordnung der Zoologe oder der Anatom die
Zoologie examiniren kann, je nach den örtlich obwaltenden Verhältnissen.
x\ls eine gute Neuerung haben wir noch zu erwähnen, dass auch
die Kranken der Poliklinik zu dem medicinisch-klinischen Examen ver¬
wertet werden dürfen. Schon der preussische Entwurf hatte diese
Bestimmung aufgenommen. An manchen Kliniken giebt. es acute Fälle
fast nur in der StadtkJinik, und da sich an ihnen die Summe der Kennt¬
nisse des Examinanden ohne Zweifel am besten erproben lässt, da ferner
die Hemmung der Clausur wegfällt, so kann jene Massregel nur förder¬
lich auf den inneren Gehalt des Examens einwirken. Die besondere
Erwähnung der Kinderkrankheiten in dem Entwurf der Commission wird
zwar an vielen Kliniken ein todter Buchstabe bleiben; immerhin be-
grüssen wir wenigstens die Erwähnung dieses Faches, in dessen Grund¬
lagen unsere meisten jungen Aerzte zu ihrem eigenen grossen Schaden
und zu dem noch grösseren der Patienten roh und unerfahren sich er¬
weisen, als einen Fortschritt.
Die Geburtshülfe und Gynaecologie zeigen eine wesentliche Aende-
rung nicht. Dagegen finden wir eine solche in § 14, welcher die Psychia¬
trie und Hygiene an geht.
Wir begreifen nicht, wie man über die Nothwendigkeit, von dem
Arzt die Grundzüge der Irrenheilkunde zu verlangen, noch im Zweifel
sein kann. Ebenso gut müsste man die ganze Augenheilkunde streichen,
und das wird doch heute niemandem mehr einfallen. Häufig genug leider
sind die unheilbar gewordenen Fälle, welche dem Mangel am einfachsten
Wissen seitens des behandelnden Arztes ihre Unheilbarkeit verdanken. Die
beginnenden Zustände werden von ihm entweder verkannt, oft gar nicht
beachtet oder mit verkehrten Massregeln behandelt. An eine rasche
Uebersiedelung in eine wohleingerichtete Heilanstalt denkt er nicht, weil
er weder die Tragweite seines Nichtsthuens, noch den Segen einer ge¬
regelten Behandlung zu bemessen weiss. Und vorher sollte er das auch?
Auf der Universität hat ihn niemand über derartige Dinge unterrichtet,
in dem Examen hat niemand sie ihm abverlangt. So geht er, in ihnen
unwissend durch und durch, in die Praxis hinaus, er selbst ein wahres
Unglück für diejenigen, welche geisteskrank ihm in die Hände fallen.
Die Tobsucht ist das einzige Ding, das er kennt, weil er selbst in seiner
Jugend vielleicht einige Mal getobt hat, und da sind der verderb-
Digitized b'
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
7. October 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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liehe Aderlass, Fesseln und Einsperren, zuweilen auch höchst unpassend
ausge wählte Betäubungsmittel seine Medieamente. All dem gegenüber
verlangt der neue Entwurf nur das allerbescheidenste. Er sieht ganz
ab von dem klinischen Examen am Kranken selbst, weil leider noch
nicht an allen Hochschulen Irrenanstalten sich befinden; er verlangt
höchstens fünfzehn Minuten zur mündlichen Prüfung über einfache Dinge
der Psychiatric, und den Segen davon wird hoffentlich auch der Bundes¬
rath den geisteskranken Personen in Deutschland gewähren. Für den
Studirenden wird dadurch eine kleine Mehrbelastung geschafft, aber wir
sehen nicht ein, wie sie abgewandt werden soll. Dafür erhält der an¬
gehende Arzt eine für ihn wie für die Patienten unentbehrliche kleine
Summe von Kenntnissen mit auf den Weg, und die „Mehrbelastung“ wird
ihm diesen Weg nicht schwerer machen;
Von der Hygiene ist zu bemerken, dass sie aus der Form der
früheren Schlussprüfung, worin sie ein ziemlich unwirksamer Anhang
war, in eine eigene kleine Station von ebenfalls fünfzehn Minuten über¬
gehen soll. Die Hygiene ist so viel gelobt und besungen worden in
unserer Zeit, dass es nicht nöthig ist, noch etwas hinzuzufügen. Hoffen
wir, dass sie das rechtfertigen wird durch zahlreiche derartige Leistungen,
wie einige Forscher, besonders in England und Deutschland, sie dar¬
bieten. Man kann ihr dann den festen Fass, welchen sie hoffentlich
auch nach Beschluss des Bundesraths im Staatsexamen fasst, gerne
gönnen, wenn schon das Bedenken derer nicht ganz ungerechtfertigt ist,
die da sagen, diese Wissenschaft sei noch sehr jung und unfertig. Für
den Studirenden kann es übrigens keine Belastung genannt werden,
wenn er gelernt haben soll, wie gewisse Punkte der Chemie, Physik,
Physiologie und Pathologie, die ihm alle schon bekannt sein müssen ;
in einer spcciellen Gruppirung ein specielles und auf einen einheitlichen
Gegenstand gerichtetes Bild formiren. So die Lehre von der mensch¬
lichen Kleidung, der Wohnung, der Nahrung, den Ursachen, oder besser
gesagt, Bedingungen der Seuchen u. s. w. Auf sie alle passt das eben
gesagte, und ihre genaue Kenntniss ist unseres Erachtens für den prac-
tischen Arzt ungleich nöthiger, wie gar manches Kapitel aus der patho¬
logischen Anatomie oder aus der Nervenphysik. .
In §. 17 finden wir eine neue Bestimmung, welche zum Schutz
der schwachen Examinanden und zur Dämpfung der etwas zu starken
Examinatoren aufgerichtet zu sein scheint. Es ist die kurze Angabe
der Gründe, womit letzterer das Durchfallenlassen in dem Protocoll
schriftlich motiviren soll. Schade, dass die Commission nicht ein wenig
weiter ging. Man hätte verlangen sollen, der Examinator habe wörtlich
die Fragen oder technischen Aufgaben niederzuschreiben, wegen deren
Nichtbeantwortung oder Nichtbeherrschung er den Oandidaten durch¬
fallen liess. Das hätte eine wirksame Controlle seitens der Regierung
ermöglicht und unvernünftigen Examinatoren das Handwerk gelegt,
während jetzt, wenn nur die neue Bestimmung in Kraft tritt, einige
allgemeine Redensarten aus der Feder des Examinators in dem unter¬
stellten Falle ziemlich unwirksam bleiben müssen. Ueberall in dem
ganzen Entwurf drängt man nach Präcision und Durchsichtigkeit. Warum
that man es hier nicht, wo es so leicht hätte geschehen können? Für
die Nothwendigkeit davon könnten wir mit drastischen Beispielen auf¬
warten.
An das Gegcntheil, an den Schutz der leidenden Menschheit vor
laxen und zuhörerbedürftigen Examinatoren, erinnert uns ein späterer
Paragraph, worin es heisst: dem Reichskanzler werden von der Behörde
die Verzeichnisse der in dem abgelaufenen Prüfungsjahr approbirten
mit den Prüfungsacten eingereicht. Es scheint uns das den Sinn zu
haben, dass die Reichsbehörde geziemend über die gleichmässige Aus¬
führung des Examens bei allen Prüfungscommissionen wachen soll. Diese
Ueberwachung sollte nach dem Vorschläge einiger Facultäten durch
einen besonders dazu angestellten, umherreisenden Reichscommissar statt¬
finden. Man hat das aber nicht ausgeführt oder zur Ausführung vor¬
geschlagen, weil man nicht die richtige Form finden konnte, in welcher
jener Reichsrevisor wirksam geworden wäre. Seit mehreren Jahren wurde
von einigen Facultäten Klage über die Leichtigkeit geführt, womit an
andern Orten das ärztliche Staatsexamen bestanden werden könne.
Die angeschuldigten Facultäten wehrten sich dagegen mit aller Kraft.
Es ist uns nicht bekannt geworden, wie die Sache verlief, ob man die
Anschuldigungon beweisen könnt« oder nicht. Allgemein zugegebene
Thatsache ist es ja, dass einige Gegenden Deutschlands sich durch ihre
„Gemüthlichkeit,“ auszeichnen. Es wäre nicht mehr wie menschlich,
wenn diese sonst schätzenswerthe Eigenschaft, von welcher dierudesse
prussienne unvortheilhaft absticht, auch in die Formen und den Gehalt
der Examina sich einschliche. Der Staat natürlich hat kein Recht, die
Gemüthliehkeit auf diesem Boden aufkommen zu lassen, er zieht den
nordischen Ernst und Pflichteifer mit Recht vor. Die vorzuschreibende
Einlieferung der Acten nun an den Reichskanzler ermöglicht mit Leich¬
tigkeit die Aufstellung einer jährlichen vergleichenden Statistik über
den Ausfall des Examens an den verschiedenen Orten. Die Qualität
der Examinanden wird im ganzen deutschen Reich überall so ziemlich
dieselbe sein. Ergiebt sieh also aus den Zahlen, dass die eine oder die
andere Facultät einen aussergewöhnlich hohen Procentsatz von bestan¬
denen hat, so mag das ein Fingerzeig werden, welcher zu einer genaueren
Beobachtung der betreffenden Verhältnisse führt, und zu einer Remedur
auffordert. Wie dieselbe gegebenen Falles von Seiten der Reichsregierung
ins Werk zu setzen wäre, da ja jeder einzelne Staat bei uns ein grosses
Mass von innerer Selbstständigkeit besitzt, vermögen wir augenblicklich
nicht zu sagen; aber wir vertrauen der Staatskunst unserer Reichs¬
behörden genug, dass sie auch hier ein richtiges „quos ego!“ zu finden
wüssten. Wir denken dabei z. B. an die Veröffentlichung derartiger
Zustände. Es braucht auf solche Schäden nur einmal correct, nach¬
drücklich und von autoritativer Stelle hingewiesen zu werden, und man
wird sich zusammennehmen. Das hat die Geschichte der Doctorprorao-
tionen noch vor einigen Jahren deutlich bewiesen. Es giebt keine bessere
Hüterin von Zucht und Sitte, als das volle Licht der Oeffentlichkeit.
Damit mag aber nicht gesagt sein, dass es nicht auch noch andere und,
wenn nöthig zur Executive, nachdrücklichere Mittel gebe.
Dem Reichskanzler soll nach dem Wunsch der Commission auch
die Bestimmung überlassen bleiben, welche ausserdeutsche Universitäten
als vollwichtig anzusehen seien, damit der Studirende einen Theil seiner
obligatorischen neun Semester auf ihnen verbringe, diesen Theil also
bei der Zulassung angerechnet bekomme. Wir würden im Interesse der
Möglichkeit einer umfassenderen Bildung und in Rücksicht auf den
immer mehr anzustrebenden kosmopolitischen Character der Wissen¬
schaften für uns, d. h. die Mediciner, unbedenklich Dorpat, die öster¬
reichischen, holländischen, schweizerischen und mehrere andere fremde
Universitäten hierher zählen, ebenso entschieden aber eine ganze Reihe
verwerfen, weil sie von der Universität nur den Namen tragen. So
wird es die Reichsregierung dann wohl auch halten.
Die Gebühren für die gesammte Prüfung betragen 205 Mark, dem¬
nach 1 Mark mehr als nach der Ordnung von 1869. Ihre Vertheilung
erscheint uns etwas ungleich. So z. B. empfängt der Physiologe für
sein Examen, das er von seinem Sopha aus in Schlafrock und Pantoffeln
abhalten kann, 12 M., während der pathologische Anatom für den Weg
zum Leichenhause und das Ueberwachen der Section nur 10 M. empfängt,
der Psychiater für die gleiche Thätigkeit wie die des Physiologen nur
7 Mark. Da jedoch die Allgemeinheit von diesen Dingen nicht berührt
wird, so soll es nicht unsere Sorge sein, wie sich hier Gleichheit schaffen
lässt. Am wenigsten lässt sich die moralische Verantwortung hono-
riren, welche ein gewissenhafter Examinator auf seinen Schultern lasten
fühlt, und das Honorirtwerden seiner Arbeit tritt ihr gegenüber in den
Hintergrund.
Betreffs des bisherigen Tentamen physicum, das in Zukunft den
passenden Namen führen soll: ärztliche Vorprüfung, ist es in allen
wesentlichen Stücken beim alten geblieben. Wir gehen deshalb darauf
nicht ein. Gelobt sei hier nur das Beibehalten aber zugleich feste Be¬
grenzen der Zoologie und Botanik. Von der ärztlichen Hauptprüfung
Hesse sich noch mancherlei zur Besprechung heranziehen, was wir jetzt
übergangen haben, um nicht zu lang zu weiden. Vielleicht haben wir,
das hier gesagte vertheidigend, darauf zurück zu kommen. Der Ent¬
wurf ist ja in die Oeffentlichkeit hinein geworfen, und wird hier bei
den kritischen Bestrebungen unserer Zeit gewiss tüchtig zerzaust werden,
und die, welche ihn wie wir im grossen und ganzen loben, wahrschein¬
lich mit. Man wird vielleicht mehr an ihm zu tadeln finden, als wir
trotz des schärfsten Zuschauens vermochten. Das wird in uns den
Wunsch nicht verkleinern, der Bundesrath möge dieses Werk ernster
und sachkundiger Arbeit bis auf die wenigen von uns gemachten Aus¬
setzungen unverändert ins Leben treten lassen. n.
Tagesgesehichtliche Notizen.
Berlin. Ein langjähriger Freund des am 29. August er. im
57. Lebensjahre zu Oeynhausen verstorbenen Badearztes Sanitätsrath
Dr. Julius Braun (vergl. No. 36 d. W.) giebt uns als Nachruf folgende
Characteristik des dahingeschiedenen: Ein feingebildeter, liebenswürdiger
College, ein glücklicher, vielbeschäftigter Arzt, ein genialer Mann, der
in fast allen Zweigen menschlichen Wissens, insbesondere in den schönen
Künsten zu Hause war, und der sich als Schriftsteller in seiner Berufs¬
wissenschaft, wie als Dichter und Kunstkritiker einen ehrenvollen Namen
errungen hat. Sein bedeutendstes Werk, die dem heutigen Standpunkte
der Medicin streng angepasste Balneotherapie, ist bereits in 3. Auflage
vergriffen und schon in 2 fremde Sprachen übertragen. Nicht weniger
Aufsehen erregte die vorzügliche metrische Uebersetzung der Hölle von
Dante und das derselben beigefügte geistreiche Vorwort: Der Dichter
und seine Zeit. Braun war ein ganzer Mann, trotz langjähriger Ge¬
brechlichkeit mit klarem Geiste nach der Lösung hoher Probleme
strebend und ringend, eine edel und harmonisch angelegte Natur, ein
Freund alles schönen, ein Feind alles gemeinen. Friede seiner Asche —
Ehre seinem Andenken! M.
— Nach der Statistik des neuesten Universitätskalenders betrug
im Sommersemester 1878 die Zahl der Medicin-Studirenden an den ein¬
zelnen Universitäten: Wien 658. Würzburg 475, München 456, Dorpat
387, Berlin 346, Leipzig 335, Greifswald 233, Zürich 184, Freiburg 181,
Breslau 178, Strassburg 168, Tübingen 164, Graz 161, Bonn 154,
Bern 137, Königsberg 135, Erlangen 132, Halle 117, Göttingen 114,
Marburg 110, Giessen 108, Heidelberg 103, Kiel 92, Jena 87, Basel 70,
Rostock 39.
— Wir haben bereits vor einiger Zeit gemeldet, dass der frühere
Gymnasialdirector Herr Geh. Hofrath Dr. Perthes eine Unterrichts¬
und Erziehung«-Anstalt, genannt Fridericianum, in dem klimatischen
Curort Davos zu errichten beabsichtigte. Der Plan ist nunmehr seit
dem 1. August c. ins Leben getreten, und wird die Anstalt bereits von
7 Zöglingen, zu denen voraussichtlich in den nächsten Wochen noch
5 bis 6 andere hinzukommen werden, besucht: 4 derselben werden zum
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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Abiturienten- oder zum Einjährig-Freiwilligen-Examen vorbereitet. Die
Anstalt, von einem bewährten Fachmann geleitet, kommt einem dringenden
Bedürfniss entgegen, indem gerade für das jugendliche Alter ein Aufent¬
halt im Höhenklima häufig nicht nur therapeutisch, sondern auch pro¬
phylaktisch von Nutzen ist, und die Rücksicht auf die geistige Er¬
ziehung oft genug von dem sonst erwünschten Klimawechsel zurück¬
gehalten hat.
VII. Amtliche Hittheihngen.
Personal!».
Auszeichnungen: Seine Majestät der König haben Allerguädigst ge¬
ruht, dem Apotheker und Magistrats-Beigeordneten Sinogowitz zu
Braunsberg den Königlichen Kronen-Orden 4. Classe und dem pract.
Arzt Dr. Gaul in Stolp den Character als Sanitäts-Rath zu ver¬
leihen.
Anstellungen: Der Arzt Dr. Gustav Jacobson in Greifenhagen ist
zum Kreis-Physicus des Kreises Greifenhagen und der pract. Arzt Dr.
Siehe mit Belassung seines Wohnsitzes in Alt-Döbem zum Kreis-
Wundarzt des Kreises Kalau ernannt worden.
Niederlassungen: Dr. Loebker in Greifswald, Dr. Kornblum in
Wohlau, Stabsarzt Dr. Assmann in Wohlau, Dr. Leppmann in
Leubus, Dr. Wolter in Cöln.
Verzogen sind: Ober-Stabsarzt Dr. Mae der von Wohlau nach
Diedenhofen, Dr. Stern von Leubus nach Hi iburghausen.
Apotheken - Angelegenheiten: Der Apotheker Liese hat die
Engel’sche Apotheke in Brauweiler gekauft; dem Apotheker Haack
ist die Administration der Gal’sehen Apotheke in Ehrenfeld über¬
tragen worden.
Todesfälle: Bezirks-Physicus Sanitäts-Rath Dr. Schroeder in Berlin,
Dr. H. Hartung in Berlin, Kreis-Wundarzt Brekenfeld in Richten¬
berg, Apotheker Engel in Brauweiler.
Bekanntmachungen.
Die Kreiswundarztstelle des Kreises Franzburg und Stadtkreises
Stralsund, mit dem Wohnsitz in Stralsund, ist erledigt. Qualificirte
Bewerber haben sich unter Einreichung ihrer Zeugnisse binnen 6 Wochen
bei uns zu melden.
Stralsund, den 14. September 1878.
Königliche Regierung.
Die Kreiswundärztstclle des Kreises Wohlau, mit dem Wohnsitze
in Winzig und einem Jahresgehalt von 600 M., ist erledigt und soll
anderweit besetzt werden. Qualificirte Bewerber um diese Stelle, sowie
auch Medicinalpersonen, welche zwar die Physicatsprüfung noch nicht
abgelegt haben, sich zur Ablegung derselben aber bereit erklären, for¬
dern wir auf, sich unter Einreichung ihrer Approbationen und sonstigen
Zeugnisse, sowie eines kurzen Lebenslaufes, bis zum 20. November er.
schriftlich bei uns zu melden.
Breslau, den 10. September 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Die Kreiswundarztstelle des Kreises Schroda mit einem jährlichen
Gehalte von 600 M. ist erledigt. Qualificirte Bewerber wollen sich unter
Einreichung ihrer Zeugnisse und ihres Lebenslaufes innerhalb 6 Wochen
bei uns melden.
Posen, den 24. September 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Die Kreiswundarztstelle des Kreises Ruppin ist erledigt und soll
der neu anzustellendc Kreiswundarzt in Alt-Ruppin seinen Wohnsitz
nehmen. Diese Stadt ist mit einer Apotheke versehen, jedoch ist ein
Arzt daselbst nicht ansässig; über die weiteren örtlichen Verhältnisse
wird der Magistrat einem auf die Kreiswundarztstellc reflectirenden Arzte
bereitwillig Auskunft geben. Qualificirte Bewerber fordern wir auf, sich
unter Vorlegung ihrer Zeugnisse und einer kurzgefassten Lebensbeschrei¬
bung bis zu Ende November d. J. bei uns zu melden.
Potsdam, den 20. September 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Die Kreiswundarztstelle des Kreises Nicder-Bamim ist durch den
Tod des bisherigen Inhabers derselben erledigt. Für die Verwaltung
einer Physikatsstelle qualificirte Aerztc, welche sich um diese Stelle
bewerben wollen, fordern wir auf, sich unterEinreichung ihrer Qualifi-
cationszeugnisse und einer kurzgefassten Beschreibung ihres Lebens¬
laufes bis zum 1. November d. J. bei uns zu melden. Bewerber, welche
in Bernau, Oranienburg oder Liebenwalde ihren Wohnsitz nehmen wollen,
werden vorzugsweise berücksichtigt werden.
Potsdam, den 20. September 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Inserate«
Vacante Assistenzarzt-Stelle.
Am st&dtisohen Krankenhause in Altona ist die Stelle eines
Assistenzarztes zum 1. December d. J. anderweitig zu besetzen.
Die Emolumente dieser Stelle bestehen in einem jährlichen Gehalt
von 600 M. neben freier Station im Krankenhause.
Qualificirte Bewerber wollen ihre Gesuche innerhalb 8 Wochen
hierher einreichen.
Altona, den 17. September 1878.
_Der Magistrat._
Die 3. Assistenzarztstelle ist zu besetzen. Gehalt 1000 Mark
bei freier Station.
Nähere Auskunft ertheilt Dr. We9er daselbst, Maison de santä
. Schöneberg-Berlin.
Ein Badearzt, anfangs der Vierziger, erbietet sich zur Uebemahme
einer ärztlichen Praxis während der Wintermonate. Offerten unter
A. Z. 115 an die Expedition der Kl. Wochenschrift. _
Ein Dr. med. sucht auf einige Wochen einen Landarzt unter beschei-
denen Bedingungen zu vertreten. Adressen unter N. 114 d. d. Exp, d. Bl.
Ein jüngerer Arzt, der sehr gute Zeugnisse aufzuweisen ;<hat und
schon practisch thätig war, sucht eine Stelle, womöglich mit Fixum.
Offert, in d. Exped. sub H. S. 113. _
Ein junger Arzt, gegenwärtig Assistent an einem hiesigen Kranken¬
hause, wünscht vom December an die Assistenz oder Vertretung eines
älteren hiesigen Collegen zu übernehmen. Gef. Offerten unter R. 116
durch die Exped. d. Bl.
Mrtzza-lVrftce (Alpes Maritimes).
Wegen Krankheit verhindert zur bevorstehenden Wintersaison nach
Nizza zu gehen, habe ich Herrn Dr. C. Zürcher, pr. Arzt und Geburts¬
helfer öaselbst, erbeten, die an mich gewiesenen Kranken in seine ärzt¬
liche Behandlung zu nehmen.
Heidelberg, October 1878. ___ Dr. A. Rehberg .
Or. m«d. H. Mahr (Astmaitnshaisefi) practicirt während der Winter-
monate in Wiesbaden. (Electrotherapie und Massage.) _
In Montreux
finden 1 bis 2 einzeln stehende honette Wintercuristen familiäre Unter-
kunft. Anfragen an Br. Steiger, Kurarzt. _
Anleitung und Nachhülfe bei wissenschaftlichen, raediciiiischen, ins¬
besondere klinischen und microscopischen Untersuchungen und
Arbeiten ertheilt der Unterzeichnete.
BERLIN, W ilhelmstr. 82, II (Sprechst. 4—5). Dr. Bobinski.
In der Nähe Berlins finden gemülhskranke Damen unter ärztlicher
Behandlung von 150 Mark an gute und liebevolle Aufnahme. Das Nähere
ertheilt gütigst
Dr. Mendel
in Pankow.
Berliner Fabrik für medicinische Verbandstoffe.
Seit dem 1. October befindet sich meine Fabrik, der ich mich nach
Verkauf meiner Apotheke ausschliesslich widme, in meinem Hause,
Spandauerstr. 3—4, und empfehle ich meine Fabrikate in bekannter
Zuverlässigkeit und Güte zu billigsten Preisen.
Max Kalmemann.
_ Lieferant f. Be rliner Hospitäler.
Hierdurch beehre mich den Herren Aerzten anzuzeigen, dass ich die
hiesige Schwan-Apotheke, Spandauerstr. 77, und das damit verbundene
Versandtgeschäft für Lymphe und sämmtliche neuere Medicamente von
Herrn Max Kahnemann käuflich erworben und am 1. October c. über¬
nommen habe. C. Kaumane,
früherer Besitzer der Apotheke zum goldenen
Adler, Alexandrinenstr. 41.
(Ein gesendet.)
Geh. Hofrath Prof. Dr. B. Fresenius in Wiesbaden schreibt über
„Saxlehners Hunyadl Jänos Bitterwasser“ am Schlüsse seiner Analyse: „ Das
«Hunyadi Jänos“ Wasser nimmt also in Betreff seines Gehaltes an festen
Bestandteilen überhaupt, wie an schwefelsaurer Magnesia und schwefel¬
saurem Natron insbesondere unter sämmtlichen Bitterwässern den ersten
Rang ein; seine Wirkung — als die eines reinen Bitterwassers — wird
unterstützt durch einen relativ hohen Gehalt an Säure abstumpfender
kohlensaurer Magnesia und nicht alterirt durch die Anwesenheit grösserer
Mengen von Chlormetallen. Der Gehalt des „Hunyadi Jänos“ Wassers
an freier und halbgebundener Kohlensäure ist wie der aller Bitterwässer
zwar an und für sich nicht gross, aber doch relativ nicht unbedeutend
und trägt jedenfalls dazu bei, den Geschmack des „Hunyadi Jänos“
Wassers in günstiger Weise zu beeinflussen.“ _
Ein gebrauchter pneumatischer Apparat nach Waldenburg (neuestes
Modell) wird zu kaufen gesucht. Offerten sub Dr. IC. 112 an die Exp. d. Bl.
Verlag und Eigenthum von August Hirschwald in Berlin. — Gedruckt bei L. Schumacher in Berlin.
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Di» Berlinar KHöi*cbe Wochenschrift orsobolai jeden
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Orgaii für praetiselie Aerzte.
Mit Berücksichtigung der praissischtsn Medkmalverwultuiig und Medicinalgesetzgebung
aacb amtlichen Mitthciliuigen.
Redaetcur: Prof. Dr. L. Waldenburg.. Verlag -von Augitsl Uirsrliwald in Berlin,
Montag, den 14. October 1878.
m 41.
Pün&ekiter Jahrgang.
I 1 Nn (j m;> nj»: 1 :n hi.-s* IPui- und Kitnv.rürm. — li, Ri'i«»t ii )?.*■; h; i>k.v <h-\ LiiiSäpBi&W A&up IV LumA in vkrmdnmcen bd Ilern i*
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N ti<- tu i-Ydo- gewaltige-» Anftrdfmnu »h* ns} — VI,. i&rtfidiej t »c-.-.r Usdiutto-p vl^xlij^^'diciaisrtoo GrscUscAaft —
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^ewrdmticlien BÜ& dor EiterÄeüon untor^Uieden, wie *.s Lei "
jenem KrTinken d<**r Fall wf»r ? <Ue i'rnduefe de>, KuUüuduY^- ,
prüCf.^evt UDtel^udivüi u>id mit dem blute Verfiel dien
s-u köcineitv Wenn ein solcher Vetgleicli auch' rukhf Ahmä !
Weitere.s ah en t^f chei dend ei> Experiin en t um onieh für die Cohn- !
Lei m‘:-v:hf'Lehre hetracluet weiden darf, Sn erliiUt ihkto jeejen- .;
fkll§ durch. denYelLeii das üläteriai. daK zin Beuvtüeilup^ ftfeer 1
Leiire., higher Lhfli^t und, de^eu tuizoiänglichkejt wöhl von
aiemuod c,d**agiiet wird, eiuen tl»ats;if:Llidien. Zuwachs.
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Grfiswjund 'dif»'; : C5v>at’yädilit , ät der Fdememc, als auch das; Ver- .
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Innrer den hirhure« fs-lnt/mllcn />nrirk.-Jaudeii. Ilm* äuiuatieriid
reg’dtö.'tasig kuglige fieStAjt m A ti(l audi t^i der Entervuchung auf
geheiztem M’hjeettisd^* koiuv auÜAltige Vorjaideruiig, und war
' kh spnrir an$ser ‘S.tairde% eme durch amührdde Edrmverätuies
rufigeu <i?ii kumieebende ViTalifot dieser Geidide huch/mweisen.
n<\» Zuratz v»«a verdümiter R<s:gsaure änderte «ich ihr Aus«
Yehe.ii in' d^r'hrkarmteit \\ i-ise; v/irher mattglddüetod, roiji blauen
. L.ibriyseii', <>Kne doiifliehe < »rUimliruviU, vertu reu d<‘-. n,nter der*
VEi'iiiWijrkÄhg- def : Sätore ihr ,,stürkai;e> Liehtiirecixuiig«Vermögen
dem Medlnm, tomg^heii pr h mit wn*«r
y.eharf i, düukl cd GiintnorÜuie, die wbhl aia der
epHsithe An .drm-k «mer KeniiH> ; mlnu»i gelten .di'ofty. und mg-
n : uiebuiifru e-ue kLeeige Tiubimg; kurz das bdd enkspi'Äch
''•ÄfeÄ^nn iiöem einfac&n müden lieni ohne protoplasfiiafL^dib
Ünihiiliuiig Wahrend diese Eleinente in grosser Zahl jedes
’M -'.-hf^üdd erfüllen, finden «ich nur liie und da ZiAstfeot. :,o
däs^ . es meiMttnjs einige,n Suchr nÄ b^darj.. '•u'm'.-^i.o
gr^pr^ Zöllen <tm 4 «tcvItai-JiAittlieh d,U 1 S MmV Äiurch‘meH ; ser,:
■m rttrfef ganzen Er.Mduduungv \ve\m gt wobnlieber* iarbioseh.
UlritEtdlm mt^prbAhMild, mit J^ut etitwiektHkm . Rfdtöpfasiüa,
itim&r&f odkr t^pulmtü^L mit bnl: ;• tor : eatuiäf&.'.
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eines Brif&i^hs zitaammeh|Sejagprten iverners.', 4iü; arnoboideri
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 41
Zustande kuglig sich zusammenballend, nahmen sie einen Durch¬
messer von beiläufig 0,012 Mm. an, quollen jedoch bei Behand¬
lung mit verdünntem Glycerin noch etwas auf (bis zu 0,02).
Zur Lichtbarmachung der Kerne erwiesen sich Färbungen mit
Anilin und Haematoxylin, wie ich sie in gleicher Weise auch
bei der Untersuchung des Blutes verwandte, besonders brauch¬
bar, und es konnte hiernach keinen grelleren Contrast geben, j
als ihn die gleichmässig grossen, runden, freien Kerne der Blut- i
körperchen gegenüber den sehr variablen, vielgestaltig geglie- j
derten, in eine grosse Plasmakugel eingeschlossenen Kerngebilden
der Exsudatflüssigkeit darboten. Nach Zellen, welche den klei- j
nen Lymphkörperchen des Blutes entsprachen, habe ich in j
letzteren vergeblich gesucht, selbst wenn ich die nach ]
Abtrocknung der Wundfläche frisch hervorquellenden 1
Secrettropfen untersuchte. !
Erwähnt sei noch, dass ich auch in den catarrhalischen Spu-
tis des Kranken zwar zahlreiche typische Eiterkörperchen und j
grosse, von feinen schwarzen Pigmentkörnchen erfüllte Bund- j
zellen mit einem oder mehreren Kernen, aber keine kleinen j
einkernigen Lymphkörperchen auffand. I
Welche Deutung ist diesen Befunden zu geben? Will man j
mit Cohn he im daran festhalten, dass alle Eiterzellen extra-
vasirte w 7 eisse Blutzeljen sind, so wird man entweder aimehmep
müssen, dass die kleinen Lymphkörperchen des Bluts sich bei
der Entzündung zur Gefässwand nicht wie die übrigen farb¬
losen Blutzellen, sondern vielmehr analog den rothen Blut- j
körperchen verhalten, insofern sie keine Kandstellung im Blut- ;
ströme einnehmen und demnach auch nicht penetriren, oder
man wird auf Veränderungen recurriren müssen, welche die |
extravasirten Lymphkörperchen alsbald nach ihrem Durchtritt
durch die Gefässwandungen (oder während desselben?) in Be¬
zug auf Grösse, amöboide Fähigkeit, Kcrnbildung erleiden.
Von dem grösseren oder geringeren Grade der Wahrscheinlich¬
keit, welche man diesen Hypothesen beizumessen geneigt ist,
wird es abliängen. ob man nicht vielmehr der dritten möglichen
und, wie mir scheint, sehr nahe liegenden Erklärung den Vor¬
zug geben wird, dass nämlich der Ursprung der Eiterzellen
nicht unbedingt auf Zellen des Blutes zurückzuführen ist. Einen
Anhaltspunkt dafür, dass ein Theil der in der Vesicator-
flüssigkeit Vorgefundenen Eiterzellen einer productiven Thätigkeit
der Gewebe ihren Ursprung verdankte, lieferten mir gewisse
in ihr enthaltene Epithelflocken, deren Zellen zwar noch deut¬
lich als solche in ihren Umrissen kenntlich waren, in deren
Centren sich jedoch statt eines Kernes je ein von hellem Hofe
umgebenes, einem contractilen Eiterkörperchen jedenfalls sehr
ähnliches Gebilde befand. Ich beabsichtige, die Bedeutung
dieser eigenthümlich veränderten Epithelien zum Gegenstände
weiterer Untersuchungen zu machen.
Schliesslich führe ich beiläufig eine Beobachtung, welche
ich bei den mehrfach vorgenommenen Blutuntersuchungen des
Kranken constatirte, an, da sie der in neuerer Zeit von ver¬
schiedenen Seiten vermuthungsweise geäusserten Ansicht, dass
die Leukaemie in letzter Instanz auf eine Infection des Blutes
zurückzuführen sei, das Wort zu reden scheint. In den frisch
(wenn auch allerdings ohne Anwendung specieller Cautelen gegen
parasitäre Verunreinigungen) untersuchten Blutstropfen fielen mir
sehr zahlreiche, theils frei liegende, lebhaft sich bewegende, theils
auf Fäden perlschnurartig aufgereihte feinste Körnchen auf,
die offenbar von den gewöhnlichen bekannten Körnchenbildun¬
gen des Blutes durchaus verschieden waren, dagegen lebhaft
an kleine Micrococcen erinnerten.
II. Heber die Loealisatioa acuter Lungenerkraakaagea
bei Hemiplegisehen.
Von
Dr. Ottomar Rosenbachi
Privatdocent an der Universität zu Breslau.
Eine Reihe übereinstimmender Beobachtungen, die ich in
den letzten Jahren in betreff der Localisation von acuten Lungeu-
krankheiten bei halbseitigen Lähmungen nach Gehirnblutungen
zu machen Gelegenheit hatte, veranlasst mich, da meines
Wissens über den Sitz von intercurrenten Lungenaffectionen bei
Hemiplegisehen keine Angaben in der Literatur existiren, und
da das vou mir beobachtete Verhalten entschieden ein auf¬
fallendes ist, meine Befunde den Fachgenossen vorzulegen, um
Sicherheit darüber zu erlangen, ob es sich bei meinen Beob¬
achtungen um ein blosses Zusammentreffen zufälliger Momente
oder um ein annähernd constantes Gesetz handelt.
Mit Rücksicht auf eine verhältnissmässig grosse Reihe vou
einschlägigen Fällen glaube ich zu dem Schluss berechtigt zu
sein, dass acute Lungenkrankheiten (croupöse Pneumonie, Pleu¬
ritis, Bronchopneumonien), welche bei Hemiplegisehen eintreten,
stets die gelähmte Seite befallen. Mein Beobachtungsmaterial
bezieht sich auf 11 Fälle von Lungenerkrankuugen, die sowohl
in ihrem klinischen Verlaufe keinen Zweifel an der Diagnose
zuliessen, als auch zum grossen Theil durch die Autopsie nacli-
zuweisen waren. Es befinden sich unter diesen Fällen 4 Fälle
von croupöser Pneumonie der rechten und der linken Lunge, der
Ober- und der Unterlappcn, 4 Fälle von exsudativer Pleuritis
(der rechten und der linken Seite) und 8 Fälle von Broncho¬
pneumonie (Verschluckungspneumonie). Ausserdem kenne ich
noch eine Reihe von Fällen aus Sectionsprotocolleu , in denen
sich Veränderungen der beschriebenen Art nur in der einer
frischeren oder älteren Hirnblutung gegenüberliegenden Lunge
vorfanden; in einer Beobachtung war bei einer linksseitigen
Hirnblutung ein nur auf die rechte Lunge beschränktes Oedein
(seröse Pneumonie?) zu constatiren. '
So sehr auch dies Verhalten, dass die gelähmte Seite auch
eine verminderte Resistenzfähigkeit besitzen und deshalb leichter
zu Erkrankungen disponirt sein müsse, a priori plausibel er¬
scheint, und so sehr es auch in gewisser Beziehung mit experi¬
mentellen Ergebnissen von Brown - Sequard, Schiff und
Nothnagel, die nach Hirnverletzungen Blutungen in den ver¬
schiedensten Organen der entgegengesetzten Körperhälfte auf-
treten sahen, sich im Einklang befindet, so wird man es doch
gerechtfertigt finden, wenn ich vorläufig nur auf dieses fast
gesetzmässige Verhalten hinweise und die Möglichkeit im Auge
behalte, dass es sich hier doch vielleicht um eine zufällige
Coincidenz handeln kann, und dass die kranke Seite nicht aus¬
nahmslos, sondern nur viel häufiger von acuten Lungenerkran¬
kungen befallen wird. Jedenfalls ist die Thatsache, dass bei allen
Hemiplegisehen meiner Beobachtung, welche überhaupt Lungen¬
erkrankungen acquirirten, stets nur die Lunge der afficirten
Körperhälfte befallen wurde, eine sehr frappante.
Die Disposition zu Erkrankungen scheint der Lunge noch
sehr lange zu verbleiben, denn selbst bei Individuen, bei denen
seit dem Auftreten der Körperlähmung schon Jahre vergangen
waren und bei solchen, bei denen die Lähmungserscheinungen
bis auf ein minimum verschwunden waren, so dass nur die
Anamnese und eine sehr genaue Untersuchung eine frühere
Hemiplegie diagnosticiren Hessen, wurde die früher erkrankte
Körperhälfte der Sitz der Lungenerkrankung. Ferner scheint
nur diejenige Gehirnerkrankung, die zu einer halbseitigen
Lähmung führt, die Disposition für die Lungenerkrankung
abzugeben. In einem Falle, bei dem nach den Angaben des
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
14. October 1878.
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Kranken in früherer Zeit eine linksseitige Hemiplegie bestanden
haben sollte, von der sich durch die Untersuchung noch sehr
schwache, aber ganz deutliche Residuen (Facialisparese, Fehlen
der Reflexe) nachweisen Hessen, befiel eine croupöse Pneumonie
den linken Unterlappen, und die Section des an dieser Affec-
tion zu Grunde gegangenen Mannes zeigte neben einem grossen
alten Herde im Linsenkern und Streifenhügel rechts auch einen
nicht unbeträchtlichen Herd im linken Linsenkern. Ich glaube,
dass dieser Fall trotz der doppelten Localisation und vielleicht
gerade wegen derselben zu Gunsten meiner Annahme spricht,
denn der linksseitige Herd war eben vollkommen symptomlos
verlaufen.
Was nun die Erklärung der eigenthümlichen Localisations-
verhältnisse auf der gelähmten Seite anbetrifft, so kommen bei
derselben einige interessante Momemte zur Erwägung. Woher
rührt, wenn wir annehmen, dass die Lungenerkrankung einer
verminderten vitalen Energie, einer geringeren Resistenzfähig¬
keit der gelähmten Theile gegen irgend ein feindliches Agens
ihren Ursprung verdanke, jene Schwäche der Organe her?
Sollen wir hier trophische Störungen annehmen? und welcher
Art sind dieselben? Es ist hier nicht der Ort, auf diese viel
discutirte Frage näher einzugehen, denn alle bis jetzt herbei¬
gezogenen Erklärungsversuche für die oft so frappanten Ver¬
änderungen, die die einzelnen Gewebe der gelähmten Körper¬
hälfte erfahren, sind doch nur entweder Hypothesen oder
Umschreibungen; denn trophische Nerven sind nicht sicher
nachgewiesen, und mit der Annahme von vasomotorischen Stö¬
rungen, Verlangsamungen der Circulation etc. können wir, ab¬
gesehen davon, dass ihr Zusammenhang mit einseitigen Hirn¬
erkrankungen nicht ganz nachweisbar ist, nur in den seltensten
Fällen auskommen. Ich möchte hier nur auf einen Punkt
aufmerksam machen, der mir nicht genügend bei der Erklärung
der sog. trophischen Störungen bei Gehirnherden gewürdigt
zu sein scheint, obwohl ihm gewiss eine grosse Bedeutung
zukommt: es ist dies das Verhalten der Reflexe auf der
gelähmten Seite. Ich *) habe im Anschlüsse an die Mittheilung
von Jastrowitz*) über das Fehlen der Cremasterreflexe bei
Hemiplegien darauf aufmerksam gemacht, dass auch der Reflex
von der Bauchhaut auf die Bauchmuskeln auf der gelähmten
Seite aufgehoben ist, und dass sich auch eine Betheiligung der
glatten Musculatur auf der afficirten Körperhälfte constatiren
lässt. Es findet sich neben einer ganz geringen Abschwächung
der directen Erregbarkeit der glatten Muskeln fast stets eine
sehr bedeutende Herabsetzung ihrer reflectorischen Erreg¬
barkeit. Während sich auf sanftes Streichen in der Umgebung
die Mammilla der gesunden Seite stark erigirt, bleibt die der
kranken entweder ganz schlaff oder sie zieht sich ganz lang¬
sam und erst bei starken Reizen zusammen. Dasselbe Ver¬
halten lässt sich an den Hautmuskeln nachweisen; bei Ein¬
wirkung der Kälte oder bei sonstigen sensiblen Reizen bildet
sich eine Gänsehaut nur auf der gesunden Seite aus. Es lässt
sich leicht einsehen, dass diese Herabsetzung der Reflexerreg¬
barkeit in dem Hautorgan, die meist ganz unabhängig von
Sensibilitätsstörungen ist, oder mit einer minimalen Alteration der
Sensibilität verläuft, von sehr grossem Einflüsse auf die Ver¬
hältnisse der Hautdecken sein muss, und wir werden wohl nicht
fehlgreifen, wenn wir diesem Verhalten einen gewissen Antheil
an den trophischen und Circulationsstörungen (Reflexe auf die
Hautgefässe) der gelähmten Theile einräuraen. Ebenso sind
bei Hemiplegischen gewisse andere Reflexvorgänge gehemmt.
Der Patient kann die Augen ganz fest willkürlich schliessen
1) Archiv f. Psvch. u. Nervenkrankheiten, Bd. VI, 845.
2) Berl. kl. Wochenschrift, 1875, S. 4*28.
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(in vielen Fällen wird die Lidspalte der gelähmten Seite bekannt¬
lich weniger fest verschlossen); nähert man aber den Finger
dem Auge eines solchen Kranken, während man ihn auffordert
die Augen offen zu halten, so bemerkt man, dass sich das
Auge der erkrankten Seite erst verhältnissniässig später,
gewöhnlich erst dann, wenn man schon die Wimpern oder
die Cornea berührt, schliesst, während auf der gesunden Seite
der Lidschluss schon bei einer gewissen Entfernung erfolgt.
So kann man ferner meist die Conjunctiva und Cornea der
kranken Seite berühren, während man an der gesunden
Seite durch Lidschluss daran verhindert wird. Ferner scheint
es, als ob Hemiplegische bei Kitzeln der Nasenschleimhaut der
gelähmten Seite schwerer zum Niesen gebracht werden als bei
Reizung auf der anderen Körperhälfte; sicher aber ist in den
allermeisten Fällen der Reflex von der Nasenschleimhaut
und ebenso vom äusseren Gehörgange auf die Gesichts¬
muskeln beträchtlich herabgesetzt oder ganz aufgehoben. 1 )
Es handelt sich auch hier, wie ich nochmals bemerken will,
nur um die einseitige Hemmung von Reflexen, nicht um
Abschwächungen der Sensibilität, denn die Kranken empfinden
Berührungen auf beiden Seiten entweder vollkommen gleich,
oder nur ganz unmerklich verschieden.
Mit Rücksicht auf die veränderte Reflexerregbarkeit lassen
sich wohl, wie erwähnt, nicht nur verschiedene trophische Stö¬
rungen einfach erklären, sondern wir können die Herabsetzung
der Reflexthätigkeit auf der gelähmten Seite auch zur Erklärung
des Auftretens von bronchopneumonischen Herden, die sich ja,
wie ich beobachtet zu haben glaube, zuerst und vorzugsweise
in der Lunge der afficirten Körperhälfte zu zeigen pflegten, ver-
werthen. Da diese kleinen Pneumonien stets fremden, in die
Lunge aspirirten Substanzen (Schleim, Speisebrocken) ihren Ur¬
sprung verdanken, da sie mit einem Worte Verschluckungs-
Pneumonien sind, so ist a priori nicht einzusehen, warum die
eine Lunge vorzugsweise befallen wird, weil ja die Fremdkörper
in beide Hauptbronchen auf gleiche Weise hineingelangen können.
Die Lage des Kranken kann an der vorzugsweisen Be¬
theiligung der einen Lunge nicht schuld sein, da hemiplegische
im Beginn der Erkrankung gewöhnlich auf dem Rücken, in den
späteren Stadien meist auf der gesunden Seite zu liegen pflegen,
so dass also eher Gelegenheit zu einer Betheiligung der Lunge
der nicht gelähmten Körperhälfte gegeben wäre. Hier müssen
eben andere Momente einwirken. Mit der blossen Annahme,
dass die Lunge der gelähmten Seite eine pars minoris resistentiae
sei, so sehr dieselbe auch in vielen Fällen die einzige Erklärungs¬
möglichkeit bleiben wird, kann man sich doch nicht durchweg
begnügen, und wir müssen versuchen, andere Momente zur Deu¬
tung herbeizuziehen.
Wenn es erlaubt ist, Analogieschlüsse zu machen, so könnte
man vielleicht eine Herabsetzung der Reflexthätigkeit in den
Luftwegen der kranken Seite für die Erklärung verwerthen.
Findet eine solche in den Bronchen wirklich statt, wie an der
Haut und an den Schleimhäuten, so ist es erklärlich, dass Fremd-
1) Dieses Verhalten der genannten Reflexe (Nasen-, Ohr- und nament¬
lich Augenreflex), der Haut- und Mamillarreflexe, sowie des Cremaster¬
reflexes lässt sich während des comalösen Stadiums bei Hemiplegien und
auch noch in späterer Zeit mit Vortheil für die Diagnose des Sitzes der
Lähmung verwerthen. Mein Freund, Herr Prof. Oscar Berger, hat auch
schon seit längerer Zeit, wie er mir mittheilte, diesem Verhalten der
Gesichtsreflexc seine Aufmerksamkeit geschenkt und dasselbe für die
Diagnose im Coma verwerthet. Ein anderes hierher gehöriges Factum,
welches Berger beobachtet hat, ist ebenfalls von grossem Interesse für
die Pathologie der Hemiplegie. Berger fand, dass in mehreren Fällen
bei Hemiplegischen, welche Jodkalium gebrauchten, sich das Jodexan¬
them (Acne) auf der gelähmten Seite zuerst einstellte.
«
Original from
UNIVERSITY OF MICHIGAN
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 41
körper, die in die Lungen gelangen, doch auf der einen oder
anderen Seite verschieden wirken müssen. Während sie nämlich
in der gesunden Lunge sofort die heftigsten Hustenstösse erre¬
gen und durch diese eliminirt werden, rufen sie in der Lunge
der erkrankten Seite kein oder einen geringen Reflex hervor
und können darum ungestört ihre schädliche Wirkung entfalten.
Dazu kommt noch, dass sowohl die willkürliche als die reflec-
torische In- und Exspiration auf der erkrankten Seite in den
allermeisten Fällen meist ganz erheblich in ihrer Extensität
gelitten hat, dass auch die Exspirationsmuskeln bei Husten-
stössen weniger energisch agiren, wie man dies deutlich an
den Bauchmuskeln hemiplegischer beim Pressen und Husten
beobachten kann. Alle diese Momente werden mehr oder minder
das Entstehen von Lungenaffectionen auf der afficirten Körper¬
seite begünstigen können.
Das Zustandekommen einer croupösen Pneumonie und einer
Pleuritis wird allerdings den Erklärungsversuchen noch manche
Schwierigkeit machen; man muss hier eben einfach die That-
sachen registriren und sich mit den eben erwähnten Versuchen
einer Deutung begnügen. 1 )
Ich möchte hier noch darauf hinweisen, dass das Verhalten
der Reflexe durchaus nicht in allen Fällen das gleiche ist, sondern
es sind die Differenzen zwischen beiden Körperhälften bald
grösser, bald geringer; auch sind nicht immer alle Reflexe in
gleicher Intensität gestört. Bei vorsichtiger Prüfung wird man
aber stets Verschiedenheiten in der Reflexthätigkeit constatiren
können.
Zum Schluss will ich noch erwähnen, dass die geringere
Intensität der Thoraxbewegungen auf der gelähmten Seite beim
unwillkürlichen, reflectorischen Athmen nur einen gewissen
Grad einseitiger Beflexhemmung repräsentirt und nicht direct
eine Lähmung der Rumpfmusculatur anschliessen lässt. Wir
können nur annekmen, da hemiplegische willkürlich den Thorax
erweitern können (während die relative Differenz in der Aus¬
dehnung breiter Brusthälften fortbesteht), da ferner auch die
Bauchpresse nicht völlig dem Einflüsse des Willens entzogen
ist, dass neben der Hemmung des reflectorischen auch eine
gewisse Beschwerung des willkürlichen Actes der Athmung
durch eine erschwerte Uebertragung des Willensimpulses auf
das Athmungscentrum besteht, ohne dass die Leitung ganz
unterbrochen ist, wie zwischen Gehirnrinde und Extremitäten.
Die hier in Betracht kommenden Fragen, die Erklärung der
zu beobachtenden Differenzen auf beiden Körperhälften ist von
nicht zu unterschätzender Wichtigkeit für die Frage von der
Möglichkeit einer Locaiisation im Gehirn, und es ist wohl mög¬
lich, dass eine befriedigende Deutung der eben erwähnten Mo¬
mente in vielen Beziehungen für dieselbe förderlich sein wird.
III. Ein nener Gebärmatterhalter.
Von
Dr. med. Stephan» pract. Arzt in Ilsenburg.
In Rücksicht auf die vielfachen Leiden in Folge von Dis¬
location der Gebärmutter und in Rücksicht darauf, dass sämmt-
liche bis jetzt bekannten Instrumente, die dazu bestimmt sind,
diese Leiden zu mildern und zu heilen, sehr mangelhaft sind,
1) Es mag hier bemerkt werden, dass bei der Pneumonie und Pleu¬
ritis wohl hauptsächlich die Herabsetzung der Reflexerregbarkeit der
glatten Muskulatur, in specie an den Gefässen, in Frage kommt, da ja
hier der Entzündungserreger wohl in den Gefässen circulirend gedacht
werden muss. Gewiss spielen aber auch die mechanischen, oben ge¬
schilderten Verhältnisse am Thorax eine wichtige Rolle bei der Locaii¬
sation der Entzündung.
hat Verfasser ein Instrument construirt, und möchte es den
Collegen zur Anwendung empfehlen, welches bedeutende Voi-
theile hat vor allen bis jetzt bekannten derartigen Instrumenten.
Das Instrument ist brauchbar bei allen Verlagerungen der
Gebärmutter.
Fig. 1.
Es besteht aus 2 Theilen, einem oberen elastischen, dem
eigentlichen Gebärmutterhalter, und einem unteren, einem Draht¬
stiele, der mittelst eines Gummischlauches, in welchen er durch
einen Schlitz eingeführt wird, an dem oberen Theile befestigt
wird (Fig. 1 und 2), zwar so, dass der Gummischlauch ver¬
möge seiner Elasticität die Enden des Drahtstieles in zwei am
oberen Theile befindliche und durch Gummi bedeckte Metall¬
hülsen hineindrängt.
Fig. 2.
Gebärmutter von der Seite gesehen.
Der in einer Ebene mit dem Stiele liegende hintere Bogen
kommt in das hintere Scheidengewölbe zu liegen und stützt
die rückwärts gelagerte Gebärmutter; der andere vordere Bogen
kommt in das vordere Scheidengewölbe zu liegen und stützt
die vorwärts gelagerte Gebärmutter. Der Scheidentheil der
Gebärmutter kommt also zwischen die beiden Bogefi zu liegen.
Die beiden unteren seitlichen Bogen a und b, Fig. 3, stützen
sich beiderseits auf die Schambeine und machen das Instrument
brauchbar bei Vorfall der Gebärmutter. Der untere Stiel ver¬
hindert eine Verschiebung des Instrumentes innerhalb der Scheide;
er hat eine nach vorn convexe Krümmung (Fig. 2), an welcher
Krümmung er den Harnröhrenwulst zwischen seine beiden Bran¬
chen fasst; nach unten ist er zurück gebogen, damit er das
Urinlassen nicht behindert. Fig. 3 und 4.
Für manche Fälle von Verlagerung der Gebärmutter ist
es nun zweckmässig, dem Instrumente eine etwas andere Form
zu geben; so thut man gut, b ei Retroflexio uteri den Drahtstiel
so einzuführen, dass die erwähnte convexe Krümmung nach
hinten sieht; man ändert durch Einlegen des Instrumentes m
dieser Form die Retroflexio uteri in eine Retroversio mit hoeb-
Digitized b'
Google
Original from
UNIVERSITY OF MICHIGAN
14 October 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
611
stehendem Fundus uteri um; dabei verschwinden die Beschwerden,
welche in Folge der Retroflexio vorhanden waren. (Kreuz¬
schmerzen, Stuhldrang, schmerzhafte Periode mit starkem Blut¬
verluste etc.)
Fig. 4.
Gebärmutterhalter, wie er liegt in der Scheide von der Seite gesehen.
Wollte man nämlich bei Retroflexio uteri das Instrument
in der in Fig 2 gezeichneten Form einlegen, so würde der
hintere Bogen das hintere Scheidengewölbe gerade nach oben
drängen; den Stützpunkt für den Uterus kann man aber auf
diese Weise nicht höher anbringen, als an der Knickungsstelle
des Uterus. In Folge dessen wird die Knickung nicht beseitigt,
weil sich der obere Theil des Uterus über den hintern Bogen
hinweg nach hinten legt. (Dieses ist auch der Fall bei den
mit Gummi überzogenen Kupferdrathringen, wenn sie bei Retro-
flexion angelegt werden.) Anders ist die Sache, wenn man den
Drathstiel in der zuletzt erwähnten Weise in den Gummischlauch
einführt und am oberen Theile des Instrumentes befestigt; bei
dieser Form desselben verlängert der hintere Bogen das
hintere Scheidengewölbe nach hinten, der obere Theil des
Uteruskörpers kommt auf den hinteren Bogen zu liegen, der
Muttermund kommt auf die von Gummi bedeckten Metallhülsen
zu liegen, der vordere Bogen aber und die Bauchpresse, welche
auf die vordere Wand des Uterus wirken, beseitigen die
Digitized b'
Google
Fig. 5.
Knickung; wir bekommen eine Retroversio mit hochstehendem
Fundus uteri, eine Stellung, die, wenn auch seltener, doch vor¬
kommt, ohne dass man sie pathologisch nennen könnte, da sie
gar keine Beschwerden mit sich bringt.
Für andere wenige Fälle mit Prolapsns des Uterus und
der hinteren Scheidenwand ist es angebracht, den Drahtstiel
so zu krümmen und am oberen Theile des Instrumentes zu
befestigen, dass dasselbe die Form von Figur 6 erhält; durch
diese Form wird eine unter obigen Bedingungen vorkommende
Drehung des Instrumentes um seine verticale Axe verhindert.
Figur 6.
Gebärmutterhalter mit gekrümmten Stiel für Vorfall der Gebärmutter
und der kinteren Scheidenteand.
Um das Instrument breiter und grösser zu machen, zieht
man die Enden des Drahtstieles etwas auseinander; um es
kleiner zu machen, drückt man sie zusammen.
Um das Instrument in die Scheide einzuführen, drückt man
die beiden seitlichen Bogen zuerst etwas nach vorn, dann von
den Seiten her etwas zusammen; das Instrument wird dadurch
verschmälert und lässt sich leicht in die Scheide einführen;
nachdem es eingeführt ist, nimmt es vermöge seiner Elasticität
seine ursprüngliche Gestalt wieder an (Fig. 3 und 4), der vor¬
dere und hintere Bogen fassen von selbst den Muttermund
zwischen sich, während die beiden seitlichen Bogen ein Heraus¬
gleiten aus der Scheide verhindern.
Um den Gebärmutterhalter aus der Scheide zu nehmen,
wird der unten geschlitzte Gummischlauch über das untere
Ende des Drahtstieles zurückgeschoben, dieser herausgezogen
2
Original from
UNIVERSITT OF MICHIGAN
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(Fijr. 5) und nachher an einer Seite des Gummischlauches der
obere Theil des Instrumentes aus der Scheide gezogen, oder
man zieht einfach am Stiele und dreht denselben zugleich um
seine Längsaxe, durch welche Drehung der obere Theil des
Instrumentes schmäler wird.
Beides, das Einführen und Wegnehmen des Instrumentes,
kann die Patientin selbst machen, wie Verfasser aus Erfah¬
rung weiss; allerdings ist es nöthig, dass sie von einem Arzte
in der Handhabung des Instrumentes unterrichtet wird.
Die Wirkung des Instrumentes ist eine überraschende und
jede leidende Frau, die es einmal getragen hat, wird sich nicht
wieder davon trennen wollen. Es hält die Gebärmutter in
richtiger Lage, und wird selbst bei den stärksten An¬
strengungen beim Tragen überhaupt nicht gefühlt, giebt
jedem Drucke von Seiten der Baucheingeweide nach, um wieder
beim Nachlassen des Druckes seine richtige Lage einzunehmen,
kann zu jeder Zeit weggenommen, gereinigt und wieder ein¬
geführt werden.
Die Construction des Instrumentes passt sich den anato¬
mischen und physiologischen Verhältnissen der Scheide und
des Uterus an.
Die Scheide ist in ihrer natürlichen Form ein von vom
nach hinten platt gedrückter Schlauch, unten eng, oben weit;
an ihrem oberen Ende ragt der unteren Theil des Uterus in
dieselbe hinein und bildet mit dem Scheidengrunde ein vor¬
deres und hinteres Scheidengewölbe. Die Form des Instru¬
mentes kann für diese natürliche Form der Scheide nicht
passender sein; dazu gestattet dasselbe den zu dem Scheiden-
theil des Uterus von den Seiten her tretenden Gefässen freien
Zutritt, so dass keine Circulationsstörungen im Uterus ent¬
stehen können, wie es bei manchen anderen Instrumenten für
gleiche Zwecke der Fall ist.
Der Uterus ferner ist nicht fest eingemauert in das kleine
Becken; volle und leere Blase und Mastdarm, der Druck von
seiten der Bauchpressen bringe ihn von Zeit zu Zeit in eine
andere Lage. Die Elasticität des Instrumentes gestattet diese
veränderte Lage und folgt den Bewegungen des Uterus, soweit
diese physiologisch sind; den pathologischen Bewegungen wirkt
sie entgegen.
Diese Elasticität des Instrumentes ist endlich auch die
Ursache, warum dasselbe so leicht zu handhaben ist.
Das Instrument ist vom 3. Juli 1877 im deutschen Reiche
patentirt; die alleinige Fabrication hat Verfasser der Firma
Jul. Marx Heine u. Co., Gummi-Waaren-Fabrik in Leipzig über¬
tragen.
IV. Ans Prof. W. Sehnlek’s Augenklinik zu Budapest.
Ueber die lehandlng der Blatergim ia der Tarderei Aageiluusner.
Von
Dr. Joseph Im re, pract. Arzt in Gyoma (Ungarn),
gew. Assistent an der genannten Klinik.
(Schluss.)
15. Sz., Johann, 37 Jahre alt (1876 No. 73), Seclusio pup. d.
Iris höckerig, Pupille gesperrt. Iridectomie den 18. Februar,
bei welcher sich die Iris schwer lostrennbar zeigte, und die
Kammer mit Blut gefüllt blieb; die Blutmasse verringerte sich
bis Abend, nahm bis Morgens jedoch wieder zu. Schmerzen,
starke Injection vorhanden. Nachdem das Hyphaema bis 27. Fe¬
bruar keine Veränderung eingelien wollte, wurde die Function
vorgenommen, durch welche nur ein Theil des Bluts entleert
werden konnte, während der andere Theil mit gelblich gefärbten
Exsudatmassei] untermischt zurückverblieb, und erst im Laufe
von weiteren 12 Tagen schwand. Pas unmittelbare Resultat
^r Function war sehr gering.
16. Sz., Carl, 50 Jahre alt (1876 No. 92), Iritis chron.
et Catar. tumescens o. d. Iridectomie den 8. Januar; starke
Blutung, gute Wundheilung. Nachdem Patient das Auge ver¬
letzt, den 14. Januar ein 6 Mm. hohes Hyphaema bemerkbar.
Zur Entleerung desselben am 18. Punction, bei welcher das
flüssige Blut vollkommen entleert, die Kammer total frei ge¬
macht wurde; Injection und Schmerz Hessen langsam nach.
(Patient war wegen geistiger Störungen besonders unruhig, wo¬
durch eine doppelte Ursache zu Blutungsrecidiven vorhanden war.)
17. R., Nicolaus, 46 Jahre alt (1876, Sp. d. Frauen Vereines),
Catar. o. s. Extraction nach Gräfe, darauffolgende starke Iritis,
endlich nach einer Verletzung starkes Hyphaema; der starken
Schmerzen wegen musste alsbald die Punction vorgenommen
werden. 3 Tage darauf bildete sich eine starke Cyclitis, und
vereiterte die Cornea, von der Mitte ausgehend. Die Punction
war in diesem Falle vollkommen resultatlos, allerdings wurde
durch dieselbe auch kaum etwas Blut entleert.
Durch die obigen Fälle, deren Zahl ich, wenn der Raum
es gestatten würde, noch um einige aus der Privatpraxis ver¬
mehren könnte, wird mit voller Positivität folgendes bewiesen:
1) Die Behauptung derjenigen Autoren, welche sagen, das
in die Kammer ergossene Blut würde nach der, mittelst Punc¬
tion bewerkstelligten Entfernung desselben, allsogleich durch
neu hinzugekommenes ersetzt, stützt sich mehr auf aprioristi-
sches Raisonnement, als auf durch Beobachtungsfacta begrün¬
dete Ueberzeugung. Unsere Daten beweisen es zur Genüge,
dass dies — wenigstens bei entsprechender Behandlung — durch¬
aus nicht immer der Fall zu sein pflegt. Natürlich kann hier
nur von den nach Operationen eingetretenen Hyphaemen die
Rede sein. In wie fern unsere Behauptung auch bezüglich anderer,
und zwar bei den verschiedenen Verletzungen, sowie bei den
besonders durch die Franzosen häufig erwähnten, auf haemor-
rhagischer Diathese beruhenden Hyphaemen Giltigkeit besitzt,
darauf könnten wir nur auf Grund der Analogie und nur in
f Bezug auf gewisse Fälle folgern. Soviel ist jedenfalls gewiss,
dass bei dem nach einer Operation und anfangs gutem Heilungs¬
verlaufe durch Schlag hervorgerufenen Hyphaema eine neuer¬
liche Blutung weit mehr zu befürchten ist, als nach einem in
nicht operirtem Auge entstandenem, und dass, wenn die
Entleerung des Blutes dort so treffliche Erfolge liefert, die¬
selben gewisslich auch hier nicht ausbleiben würden.
2) Werden durch die Entleerung des ergossenen Blutes
(oder, um im allgemeinen zu sprechen, durch die Eröffnung der
Kammer) in vielen Fällen die vorhandenen Schmerzen, die bul-
bäre Injection und Härte, total und sogleich beseitigt, und be¬
sitzt dieselbe somit positiven Heilungswerth.
Und 3) hat die kleine und ungefährliche Operation, welche
die Entleerung des Blutes zum Zwecke hat, nie auch nur den
geringsten Schaden gestiftet.
Prof. Schulek wurde zu den ersten Versuchen nicht etwa
durch langwierige theoretische Folgerungen, sondern durch den
Zweifel an der Wahrheit der überall und neuestens auch durch
Wecker ausgesprochenen conventionellen Meinungen bewogen,
und konnten, nachdem die Eröffnung der Kammern sieb auch
in um vieles weniger pressanten Fällen als eine ganz unschul-
| dige Sache erwiesen, da die Anwesenheit eines Hyphaems den
Heilungsverlauf um vieles langweiliger und langwieriger ge¬
staltet, nachdem endlich die Ueberzeugung der Oculisten, dass
I die exspectative Methode bei Behandlung der Nach- und Folge*
• krankheiten der Operationen ein sehr gefährliches Princip sei,
! von Jahr zu Jahr an Festigkeit gewinnt, die ersten Versuche
1 mit vollster Berechtigung und, wie obige Daten beweisen, auch
i mit entsprechendem Erfolge angestellt werden,
i Wenn wir nur einfach die Ursachen der Blutungen erwägen,
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
so wird mindestens der grössere Theil derselben derartig sein,
dass sie die Function entweder gestatten oder geradezu postu-
liren. Wir können uns nämlich folgende Fälle denken: ent¬
weder 1) es bleibt etwas Blut in der Kammer von der während
der Operation stattgehabten Blutung zurück (Iridectomie), oder
2) wird die Blutung verursacht durch den nach der Operation
eintretenden Congestionszustand und durch die nach ßecker 1 )
darauf sehr häufig folgende Verhärtung, mit einem Worte, durch
eine Art glaucoraatösen Zustaud, oder sie wird 3) durch eine locale
Oongestion in der Iris oder dem Corp. ciliare, den Anfang und
das Fortbestehen einer Entzündung bedingt; die Blutung könnte
ferner 4) bedingt sein, durch das Freiwerden von früher in
die Wunde eingeklemmt gewesenen Irispartien, ein Umstand,
der wahrscheinlich noch nach 1 — 2 Tagen eintreten kann;
5) wäre eine Ursache der Blutung jedwede Verletzung, vielleicht
auch combinirt mit einem der unter den frühem Punkten er¬
wähnten Zustände. Endlich können 6) Fälle Vorkommen, wo
in eiuem operirten Auge, jedoch von der Operation unabhängig,
oder auf spontane Weise Blutungen in die Kammer stattfinden,
Fälle der sogenannten „Neigung zu Blutungen“.
Beleuchten wir nun des näheren, welche Wahrscheinlichkeit
der Umstand hat, dass die Ursache der Blutung, das verletzte
Gefäss z. B., sich nicht schloss, oder welche der, dass die Ent¬
leerung der Kammer, bei Fortbestand der Blutungsursache, zur
neuerlichen Füllung derselben beitragen solle.
Wenn sich noch während der Operation aus der Iris, oder,
was seltener der Fall sein dürfte, aus durchschnittenen Con-
junctivalgefässen Blut in die Kammer ergoss und daselbst ver¬
blieb, so kann diese Ursache gewiss nicht allzusehr in die Ferne
wirken, denn die verletzten Gefässe verschliessen sich alsbald
so fest, dass der durch die Punction erzeugte Drucknachlass
auf dieselben nicht anders als auf andere Gefässe wirken kann;
wir müssen deshalb die Gebilde, welche die Seiten der Kammer
bilden, nach einigen Tagen für relativ intact halten, und dürfen
eine Hämorrhagie hier ebensowenig fürchten als unter anderen
Verhältnissen. Wenn aber ein Bluterguss nach der Operation
deshalb eingetreten, weil in Folge eines glaucoraatösen Anfalles
aus den Lumina der durchschnittenen aber schon geschlossenen
Gefässe Blut entwich, so muss, weil dies bei nicht geschlossener
Operationswunde nicht Vorkommen kann, und weil eine Druck-
verminderung hier (wenigstens für die Zeit, bis die operative
Reizung und Oongestion, welche die Drucksteigerung verur¬
sachten, verschwinden, womit auch der glaucomatöse Zustand
sein Ende erreicht) von so grosser Wichtigkeit ist, dass behufs
Erzielung derselbeu sogar die wiederholte Sprengung der Wunde
empfohlen wurde, in diesem Falle die Entleerung des Blutes,
schon zur Erreichung dieses Zieles als dringend nothwendig
erscheinen; ja ich muss die Punction sogar, unseren Erfahrungen
nach, in ihrer Ausführung für einen kaum schwierigeren, aber
gewisslich weit schonenderen Eingriff, als die forcirte Wund¬
sprengung erklären; das Resultat aber ist — ein und dasselbe.
Am gefährlichsten ist der Zustand und die Präcisirung des
therapeutbischen Vorgehens am schwierigsten dort, wo das Hy¬
phaema neben Iritis besteht, und es zweifellos ist, dass die
letztere dasselbe verursachte. Es kann nicht geleugnet werden,
dass in diesem Falle relativ die grösste Aussicht dazu vorhan¬
den ist, die Blutung werde sich nach der Entleerung, wegen
Auflockerung des gesammten Iris-Parenchyms und somit auch
der Gefässe, wiederholen. Wenn ich jedoch auch verschweigen
1) S. 362 des citirten Werkes. Nach Becker entwickelt sich in
Folge der Operation unbedingt eine erhöhte Spannung, bezüglich
welcher die offene Wunde eine regulatorische Rolle spielt; nur wenn
sich die Wunde schliesst, kann sich Glaucom entwickeln.
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' wollte, dass wir dies auch in solchen Fällen nicht beobachteten,
da wir natürlicherweise einen gewissen Abfall der entzündlichen
Erscheinungen abwarteten, bevor wir eingriffen, so glaube ich
doch, dass man des Vortheils wegen, welchen die Entfernung
eines grösseren Hyphaemas bietet, den ohnedies keine grössere
Gefahr, als eben die Möglichkeit eines neuen Hyphaemas in sich
bergenden Versuch, wohl kühnlich wagen könne. Wenn die
Entleerung — was in solchen Fällen von grösster Wichtigkeit
ist — durch eine kleine Oeffnung und in gehörigen Pausen ge¬
schieht, so ist eine neue Blutung nicht wahrscheinlich und der
gewonnene Vortheil nach 2 Richtungen hin von grosser Wich¬
tigkeit. Es öffnet sich nämlich erstens das Terrain vor uns,
auf welchem wir, wenn nothwendig, Eingriffe vornehmen können,
die für die Existenz des Auges von entscheidender Wichtigkeit
sind, und deren Zeitpunkt, wenn wir die Resorption des Blutes
abwarten wollten, vielleicht schon vorüber wäre, zweitens liegt
es ja, wenn wir auch von einem die Iris angehenden operativen
Eingriff, z. B. von der Iridotomie ganz absehen, wenigstens in
unserer Macht, den entzündlichen Process unmittelbar zu beob¬
achten. Das Hyphaema kann aber auch, wie wir das öfter
zu erfahren in der Lage waren, ein bedeutendes Hypopion mas-
kiren, welches die Punction eo ipso indicirt; endlich ist es wenig¬
stens meine feste Ueberzeugung, dass aus dem ergossenen Blut
j in gewissen, wenn auch nicht häufigen Fällen sich Fibrinmasson
| auf den Pupillarrand (auf die Linsenkapsel, nach Umständen
| auf den Nachstaar) niederschlagen, welche für die Seclusion
der Pupille oder für die Verdickung des entzündlichen Nach-
staares von der grössten Bedeutung sind. Dies erhellt auch
mit prägnanter Deutlichkeit aus einem traurig verlaufenen Falle
meiner Privatpraxis; es trat nämlich bei einem 83jährigen Is¬
raeliten nach einer complicirten Staarextraction schlechten Ver¬
haltens wegen Seclusion ein. Ich vollzog die Iridotomie zwei¬
mal mit der neuen Wecke r’schen Pincettenscheere; beide Male
entstand ein grosser, dunkler Spalt, doch alsbald wurde die
Kammer mit Blut erfüllt, welches sich von den Rändern nach
j der Pupille zu zwar verminderte, dort aber einen linsengrossen
| Knäuel bildete, welcher nach 5—6 Tagen die Blutfärbung verlor
(reines Fibrin?) und dann eine die Oeffnung abermals ver-
schliessende Membran schuf, oder bei Bildung derselben we-
j nigstens stark betheiligt war.
Was die weiteren 4 Möglichkeiten betrifft, so verhalten sie
sich sämmtlich der ersten analog; im 5. Falle hängt alles davon
ab, wie beschaffen das Auge ist, welches durch eine Verletzung
betroffen wurde; heilte dasselbe ohne Zwischenfall, ohne dass
entzündliche Reizung hinzugetreten wäre so ist die Punction (na¬
türlicher Weise immer vorausgesetzt, dass das Blut spontan nicht
I schwinden will) umsomehr indicirt, weil das Blut in solchen
| Fällen gewöhnlich massenhafter, und Reizungszustände durch
dasselbe, gleichwie durch die Anwesenheit eines fremden Körpers,
um so sicherer eintreten. Nachdem das in einem gesunden
(nicht operirten) Auge in Folge von Verletzungen aufgetretene
Hyphaema in den meisten Fällen schnell resorbirt wird, so
müssen wir, sobald dies nicht stattfindet, irgend eine Abnormi¬
tät in der Girculation der Kammer annehmen. Dass die Per-
j sistirung des Blutes nicht etwa in einem unvollkommenen Ver-
I Schluss der Irisgefässe ihre Ursache findet, wird, glaube ich,
| dadurch genügend erwiesen, dass kein Blut mehr aus ihnen
fliesst, dass das ergossene Blut dunkelfarbig wird, sowie durch
manches andere. Oder haben wir irgend einen Grund anzu¬
nehmen, dass das langsame Sinken des intraoculären Druckes
noch nach mehreren Tagen dieselben Gefässlumina so leicht
| zu öffnen im Stande sei? Dann müssten Bewegungen des Pa-
| tienten, das Befühlen des Bulbus etc. nothwendiger Weise den-
i selben Effect hervorrufen. Was die 6. Möglichkeit anbelangt,
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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so ist das Vorhandensein derselben heute noch kaum diagnosti-
cirbar, und bin ich meinerseits von der Indifferenz der Ope¬
ration als solcher, so sehr überzeugt, dass ich selbe, sobald sie
nur anderweitig angezeigt, selbst bei prägnanter Neigung zu
Blutungen des zu operirenden, vorzunehmen keinen Augenblick
zaudern würde.
Der Schaden den das Hyphaema verursacht, wird zwar
nicht immer leicht augenscheinlich, andererseits sind aber die
in anatomischer und physiologischer Hinsicht etwa bestehenden
Abnormitäten, welche die Resorption des Blutes — die doch
oft in einigen Stunden vollkommen vor sich geht — in gewissen
Fällen längere Zeit hindurch verhindern, vollständig unbekannt.
Und doch wäre es diesbezüglich nothwendig, ganz klar sehen
zu können, damit unser Vorgehen einerseits vollkommen rationell
sei, sowie, damit wir andererseits betreffs der Indicationen nie
irren.
Etwas näher sind wir dem Verständniss der Nichtresorption
des Kammerblutes und der daraus resultirenden Schäden durch
zwei Arbeiten gerückt, welche Max Knies 1 ) veröffentlichte.
In der einen erhält er als Resultat seiner Versuche, dass
das in die Kammer injicirte Blut dort Gerinnsel bilde, welche
die Blutkörperchen aus sich hinauspressen, und auf welche noch
ausserdem aus der Kammerflüssigkeit Niederschläge gesetzt
werden. Die diffusionsfähigen Substanzen werden dann theil-
weise durch die Cornea hindurch sehr schnell resorbirt, das
Fibrin zerfällt langsam und schmilzt. Die Blutkörperchen zer¬
fallen und gelangen so zur Resorption. Als Hauptader dieser
Rbsorptionsvorgänge muss der Fontana’sche Raum angesehen
werden (Lig. pectinatum), wie dies auch Leber bewies und
Knies in seiner zweiten Arbeit practisch illustrirt. Es hat
nach dieser Publication die grösste Wahrscheinlichkeit für
sich, dass das Glaucom in vielen Fällen die Folge einer um
den Schlemm’schen Canal sich ab wickelnden Entzündung ist.
Wenn wir uns nun die beim Hyphaema statthabenden Verhält¬
nisse vergegenwärtigen, so muss es uns allsogleich klar werden,
dass sowohl Fibringerinnsel, als auch die sich herniedersenken¬
den Blutkörperchen die Gegend des Lig. pectinatum impermeabel
machen können. Wenn sie die zur Resorption dienenden Gewebs-
interstitien auch nicht direct mechanisch verschliessen, so können
wir uns leicht vorstellen, dass dort durch dieselben solche Ge¬
websveränderungen veranlasst werden (z. B. Organisirung eines
Theiles des ergossenen Blutes o. ä.), welche der Resorption un¬
überwindliche Hindernisse in den Weg legen können. Es ist
natürlich, dass über diese Fragen nur weitere Versuche und
microscopische Untersuchungen endgiltig entscheiden können;
doch gewinnen schon jetzt zwei Dinge Wahrscheinlichkeit für
sich: 1) dass die Ursache einer allzu langsamen Resorption des
Blutes in Veränderungen des Lig. pectinatum zu suchen sei,
2) dass das Vorhandensein auf den Boden der Kammer nieder¬
gesunkener Blutkörperchen durch Hervorrufung solcher Ver¬
änderungen einen bleibenden Schaden fürs Auge bedingen kann.
So können wir es auch verstehen, weshalb die Resorption
des Blutes bei Anwesenheit von Hypopyon so ausnehmend
langsam vor sich geht, und wird dadurch noch ausserdem ein
anderer Vortheil der Punction klar gelegt, nämlich der, dass
durch dieselbe im Grunde der Kammer vorhandene Massen
einigermassen aufgelockert, und die Resorptionswege freier
gemacht werden können.
Es ist unnöthig zu beweisen, dass das Hyphaema nur in
sehr wenigen Fällen von Belanglosigkeit ist. (Am gefährlichsten
1) Max Knies, die Resorption von Blut in der vorderen Aügen-
kamraer. Virchow% Archiv, 02. Bd. IV. Heft. S. 537. Derselbe:
Leber das Glaucom, Graefe’s Archiv. XXII. Bd. 3. Abthl.
ist es jedenfalls, wenn es nach Operationen, z. B. nach Ex¬
tractionen, zurückbleibt.) Wird das Blut schnell resorbirt, so
kann es zu keinerlei Besorgnissen Veranlassung geben, zeigt
es aber noch nach 5 — 6 Tagen kaum eine Verminderung, so
dürfen wir positiv auf irgend eine Verschlimmerung im Laufe
der Heilung gefasst sein. Wir konnten keinen Fall beobachten,
in dem, bei längerer Anwesenheit von Blut in der Kammer, die
Heilung des Auges Fortschritte gemacht hätte; es war im besten
Falle wenigsten ein Stillstand des Heilungsverlaufes bemerkbar.
Doch sahen wir beinahe in jedem Falle entweder Verengerung
der Pupille, Empfindlichkeit der Ciliargegend, Farbenverände¬
rungen der Iris oder noch vehementere Erscheinungen, nämlich
Chemose, Verhärtung oder grosse Schmerzen, auftreten. Es
kamen Fälle vor, und diese hatten wir besonders häufig Ge¬
legenheit zu beobachten, bevor die Vornahme der Punction in
solchen Fällen uns so zu sagen zur Gewohnheit wurde, in denen
die oben erwähnten Veränderungen nicht parallel mit der Blu¬
tung, also in Folge derselben Ursache, welche die Blutung
hervorrief, auftraten, sondern sich langsam, als mit nichts
anderem in Causalnexus zu bringende Folge der Blutung ent¬
wickelten. Dass unserer Annahme die Berechtigung jedenfalls
nicht abgesprochen werden kann, wird dadurch genügend be¬
wiesen, dass nach der Entleerung in vielen Fällen die unan¬
genehmen Erscheinungen schnell verschwanden.
In Berücksichtigung dieser Facta könnten wir die Indi¬
cationen für die Entleerung des Hyphaemas in folgen¬
dem formuliren:
1) Die Punction ist sogleich vorzunehmen, wenn
nach der Operation, an welchem Tage immer, eine grössere
Menge, sei es nun spontan oder in Folge von Verletzung, in
die Kammer ergossenen Blutes vorgefunden wiTd, die Spannung
des Auges (glaucomatöser Zustand) zunimmt;, die Schmerzen
des Patienten hochgradig werden, und vielleicht auch die Licht¬
empfindung unvollkommen ist.
2) Die Punction kann vollzogen werden in allen
diesen (nicht unter Punkt 1 gehörenden) Fällen, in welchen
das Kammerblut bei entsprechender Behandlung (Ruhe, Um¬
schläge etc.) in 5—6 Tagen nicht vollkommen resorbirt wird;
unvermeidlich wird sie aber, wollen wir anders nicht
durch unser Zaudern empfindlichen Schaden stiften, wenn ein
entzündlicher Process, sei es nun mit der Blutung gleichzeitig
oder während des Fortbestehens derselben, später auftritt und
fortschreitet.
Als Contraindication der Operation können ceteris paribus
nur Cornealeiterungen oder eitrige Iridocyclitis angeseheo
werden.
Die Art und Weise der Ausführung der Punction
ist mit Bezug auf den Erfolg von der grössten Wichtigkeit, und
kann nur ein, wie bei unseren Fällen beobachtetes, vorsich¬
tiges und schonendes Vorgehen auf Gelingen rechnen. Der
Patient wurde meist liegend, seltener in sitzender Stellung,
ohne jeden Fixirungsapparat (nur bei sehr unruhigen Kranken
wurde zur Fixirung der Bulbus die Pincette in Anspruch ge¬
nommen) operirt; die Lider wurden durch den Assistenten
mittelst der Finger fixirt, was oft der Operateur mit dem linken
Daumen selbst that, sodann geschah der mittelst einer schmalen
gewöhnlichen Lanze vorgenommene Einstich, welcher 1 bis 2
bis 3 Mm. über dem unteren Cornealrande, je nach der Tiefe
der Kammer, in mehr weniger schiefer Richtung geführt wurde;
jetzt wurde die Lanze, bei gleichzeitiger Senkung ihres Schaftes,
langsam herausgezogen. Diese Behutsamkeit im Vorgehen, die
Vermeidung jedes Druckes, sowie die Kleinheit und schiefe
Richtung der Wunde mochten wohl die Ursache sein, dass das
in allen Fällen flüssige Blut sich einigemale durchaus nicht
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sogleich entleeren wollte, was jedoch natürlicher Weise nur ein
neuer Vortheil ist, da dann von einer plötzlichen Druckver¬
minderung nicht einmal die Rede sein kann. Dann wurde
mittelst eines schmalen und genügend flachen Daviel’schen
Löffels ein in mehreren Pausen behutsam gesteigerter sanfter
Druck auf die untere Wundlippe ausgeübt, so dass das Blut
sich nie in einer Strömung ergoss. Dies ist der wichtigste
Umstand. Es geschah einigemal, dass wegen allzu schiefer
Richtung des Stichcanales, wahrscheinlich weil die inneren
Wundlippen nicht gehörig klafften, das Blut sich selbst auf
Druck nicht gleich entleerte; in solchen Fällen wurde die Spitze
des Löffels bis ganz in die Kammer vorgeschoben, worauf das
Blut stets auszufliessen begann.
Einige Fälle wurden beobachtet, in denen selbst auf wieder¬
holtes Drücken sich kein Blut entleerte. In diesen fanden wir
später, nach Verschwinden des Blutes, stets entzündliche Exsu¬
date gewisslich mit dem Fibrin des Blutes vermengt in der
Kammer, wodurch es erklärlich wurde, warum das ganze sich
durch die kleine Wunde nicht entleeren konnte.
Die Nachbehandlung ist dieselbe wie nach anderen kleineren
Operationen, höchstens muss der strengen Beobachtung von
Ruhe eine grössere Aufmerksamkeit zugewendet werden. Uebri-
gens wird die gesammte Nachbehandlung von der Natur des
Grundübels abhängen.
Wir leben der vollsten Ueberzeugung, dass auch andere in
ähnlichen Fällen, auf ähnliche Weise vorgehend, zu denselben
Resultaten gelangen werden (auf der Budapester Augenklinik
wurde die Punction im letztvergangenen Jahre abermals in
8 Fällen mit vollkommen befriedigendem Resultate ausgeführt),
ja, dass diese einfache Operation im Stande sein wird, einen
unangenehmen Umstand mehr unschädlich zu machen und uns
ein Mittel in die Hand zu geben, welches besonders im Interesse
der Erhaltung und Integrität der wegen Cataracta operirten
Augen von hervorragender Wichtigkeit ist.
Y. Referate.
Ueber die Beziehungen der Augen zum wachen und schla
fenden Zustande des Gehirns und über ihre Verände¬
rungen bei Krankheiten.
Im Schlafe stehen nach den Beobachtungen von W. Sander (Archiv
f. Psychiatrie, Bd. IX, Heft 1) nicht, wie man allgemein annimmt, die
Bulbi nach innen und oben gerollt, sondern sie nehmen, wenigstens bei
erwachsenen, eine Art Gleichgewichtsstellung ein mit parallelen, in die
Feme gerichteten Sehaxen; beim Einschlafen indess und beim unvoll¬
ständigen Erwachen bewegen sich die Bulbi langsam nach oben und
innen. Nur bei abnorm tiefem Schlafe und im Coma, z. B. bei Epi¬
leptischen nach schweren Anfällen, sieht man die Bulbi pendelnde und
dabei nicht immer associirte Bewegungen machen. Bei schlafenden
Kindern scheinen diese wechselnden Stellungen nach Rählmann und
Witkowski gewöhnlich zu sein. Hinsichtlich des Pupillendurchmessers
während des Schlafes ist, wie allgemein angenommen, auch nach Verf. Beob¬
achtungen sicher zu constatiren, dass derselbe sehr klein, kaum stecknadel¬
gross erscheint. Dieser Durchmesser wird nun, wie dem Verf. weitere Beob¬
achtungen zeigten, bei jedem Reize, namentlich sensiblen oder acustischen,
dgr den Schlaf verflacht, aber nicht vollständig unterbricht, vorübergehend
erweitert; ruft ein sehr starker Reiz, z. B. sehr lautes Anrufen, Erwachen
hervor, so erweitert sich die Pupille selbst bei intensivem einfallenden
Lichte sehr stark, um erst allmälig, wenn die Gedanken sich gesammelt
haben, auf den der Lichtintensität entsprechenden Durchmesser zurückzu¬
gehen. Bei soporösen Zuständen findet jene Erweiterung auf Reize sehr
wenig oder gar nicht statt. Die Secretion an der vorderen Fläche des Auges
zeigt sich beim Schlafe in der Art verändert, dass die Cornea mit einer
zähen schleimigen Flüssigkeit bedeckt ist und den spiegelnden Glanz
verliert: es deutet dies auf eine veränderte Beschaffenheit des von den
Secretionsorganen des äusseren Auges — Thränendriise und die kleinen
Drüsen der Bindehaut — abgesonderten Secrets, die als abhängig von
der durch den Schlaf veränderten cerebralen Innervation anzusehen ist.
Diese Secretionsverlinderung findet sich bekanntlich ganz ähnlich bei
den sterbenden und von psychopathischen Zuständen besonders bei dem
sogenannten acuten Delirium, bei dem das müde Auge mit der son¬
stigen beständigen Unruhe einen frappanten Gegensatz und eine
«ehr üble Prognose bildet. Das Zustandekommen des im Schlaf ein¬
tretenden Verengungszustandes der Pupille ist nach Verf. als Folge
eines Reizes, der beim Schlaf im Gehirn in Wirkung tritt, anzuschen: ihn
im Gegentheil als durch ein Fehlen des gewöhnlichen Reizes verursacht
aufzufassen, ist deswegen nicht gestattet, weil ja eigentlich durch den
Wegfall des Lichtes eine Erweiterung stattfinden müsste, und dass eine
solche nicht eintritt, nur durch die Annahme einer activen Contraction
erklärt werden kann. Jedenfalls geht aus allen, besonders mit Heran¬
ziehung der bekannten Veränderungen, welche das Auge des wachenden
durch psychische Einflüsse des Schreckes oder der Freude erfährt, her¬
vor, dass die Zustände des Gehirns als des psychischen Organes auf
gewisse wechselnde Erscheinungen des Auges einen durch die Bahnen
des Oculomotorius und Sympathicus vermittelten Einfluss ausüben, der
wahrscheinlich ein directer unmittelbarer ist. Von den Psychosen ver¬
dient hinsichtlich des Verhaltens der Pupillen besonders, wie bekannt, die
allgemeine Paralyse eine besondere Beachtung. Verf. hält die dabei
vorkommende Differenz der Pupillen für ein für die paralytische Er¬
krankung sehr wichtiges Symptom, welches nur selten bei anderen
Geisteskranken oder bei Geistesgesunden auftritt. Sehr häufig ist auf
der Seite der engeren Pupille auch gleichzeitig Ptosis '— wenn auch oft
geringeren Grades — vorhanden, seltener verbindet sich die weitere
Pupille mit einem Hervortreten des Bulbus, mit weiterer Lidspalte; in
einzelnen Fällen zeigt das Auge mit der engeren Pupille ein matteres
Aussehen. Während des Schlafes zeigen die differenten Pupillen ein
verschiedenes Verhalten: in einzelnen Fällen zeigen beide Augen gleich¬
zeitig in der normalen Weise verengte Pupillen; viel häufiger aber ist
zu beobachten, dass beide Pupillen sich im Schlafe gar nicht oder nicht
der Norm entsprechend verkleinern; endlich ist es nicht selten, dass
die im Wachen weitere Pupille im Schlafe auch weiter bleibt, während
die Pupille der anderen Seite sich verengt. Es ergiebt sich hieraus,
dass die Antwort auf die viel discutirte Frage, welche von den Pupillen
eigentlich die kranke sei, die verengte oder die erweiterte, keine ein¬
fache sein kann. In zwei Fällen trat erst im Schlafe überhaupt eine
Pupillcndifferenz ein; bei solchen Paralytischen, die beiderseits hoch¬
gradige Myosis zeigten, trat nicht selten im Schlafe eine, wenn auch ge¬
ringere Erweiterung ein. Verglichen mit der Accommodation und Conver-
genz und dem Lichtreiz, welche gleichfalls die Pupille verengen wie der
Schlaf, fand sich, dass der letztere bei der Paralyse viel häufiger eine
der Norm nicht entsprechende Wirkung auf die Pupillen der Paraly¬
tiker ausübt, als jene Factoren, bei denen vielmehr die Reaction sehr
häufig die normale bleibt. _
Zerreissung des Zwerchfells in der rechten Seite in Folge
gewaltiger Auftreibung des Magens.
Nach der Mittheilung von Bremme (Vierteljahrsschrift für gericht¬
liche Medicin Bd. XXIX, Heft 1) erkrankte ein Mann, nachdem er
grössere Mengen Kartoffelsuppe, die mit starkem Essigzusatz bereitet
war, genossen und gegen die danach eintretenden Beschwerung wiederholt
doppeltkohlensaures Natron genommen hatte, an heftigen Leibschmerzen
und starb einige Stunden danach plötzlich, nachdem vorher Würge¬
bewegungen eingetreten waren. Es fand sich bei der Section ausser dem
sehr stark aufgetriebenen Magen das Zwerchfell hochstehend und in dem
rechten Rippentheil desselben ein Spalt von c. 25 Ctm. Länge und
15 Ctm. Breite, durch welchen das Diaphragma bis zum Rückgrat von
der Rippenwand getrennt wird, und nebst vielen Dünndarmschlingen
auch die Leber in die Brusthöhle eingetreten ist. Im Magen und Duo¬
denum sowie im Kehlkopf und im linken Bronchus finden sich grosse
Mengen der genossenen Kartoffelsuppe. Verf. glaubt, dass der Riss so
zu Stande gekommen, dass durch das Freiwerden einer grossen Menge
Kohlensäure der Magen übermässig ausgedehnt und seine Oeffnungen
verlegt wurden, dass bei den Würgebewegung^n das nach oben übermässig
gedehnte Zwerchfell eingerissen und nach dieser Druckentlastung der
Mageninhalt hinaufgestiegen und eingeathmet wurde, und der Tod auf
diese Weise plötzlich erfolgte.
VI. Verhaadlimgei ärztlicher Gesellschaft«».
Berliier «edieinisehe fiesellsefcaft
Sitzung vom 8. Mai 1878.
Vorsitzender: Herr Henoch.
Schriftführer: Herr E. Küster.
Das Protocoll der vorigen Sitzung wird verlesen und genehmigt.
Von der Smithsonian Institution ist ein Dankschreiben ein¬
gelaufen für Uebersendung des Bandes 8 unserer Verhandlungen.
Für die Bibliothek sind eingegangen: 1) Lender, Die Spectral-
analyse und die Mineralwässer. 2) M. Bartels, Ueber Traumen der
Harnblase. Separatabdruck aus Lan ge nbeck’s Archiv.
Vor der Tagesordnung erhalten das Wort:
1) Herr Salomon zur Vorstellung eines 21jährigen Tischlergesellen,
welcher neben Empfindlichkeit der Wirbelsäule und Schwäche der Beine
an den verschiedensten Körpergegenden eine Menge kleiner Tumoren
von Linsen- bis Erbsengrösse aufweist, zum Theil in rosenkranzförmiger
Anordnung und meistens symmetrisch. Solche Geschwülste finden sich
zu beiden Seiten des Halses, in der Occipitalgegend, an der Vorder¬
seite des Rumpfes, an Ober- und Unterschenkeln. An den Armen bemerkt
man ausserdem noch eine diffuse Verdickung der Nervenstämme; der
N. ulnaris bildet einen federkieldicken Strang. Die Diagnose lautet auf
multiple Neurome und ist dieselbe durch Exstirpation eines solchen
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nc. 41
Tumors gesichert worden. Die microscopische Untersuchung ergab
fibröses Gewebe, durch welches doppelt contrurirte Nervenfasern hin¬
durchlaufen. — Gerhardt betrachtet Schmerzlosigkeit als pathognostisch
für multiple, Schmerzen als characteristisch für solitäre Neurome. Erstere
Angabe ist nicht zutreffend, da im vorliegenden Falle Schmerzen vor¬
handen sind. Die Affection schreitet rasch weiter, da viele Geschwülste
bereits unter den Augen des Redners entstanden sind. Pat. ist übrigens
etwas demens, gedächtnissschwach, der Schädel plump, Gesichtsausdruck
leer. Die Wirbelsäule ist vom 4.—6. Brustwirbel empfindlich, und ist
man vielleicht berechtigt, an Neurorac auch innerhalb des Wirbelcanals
zu denken.
2) Herr L e w i n stellt 2 Fälle von Erythema exsudativum s. multi-
forme vor. Die Krankheit hat ein Prodromalstadium, eine Acme und
ein Stadium der Nachkrankheiten. Zunächst treten Digestionsstörungen
und Schlaflosigkeit auf. Im zweiten Stadium entstehen Flecken symme¬
trisch auf beiden Körperhälften, besonders auf planconvexen Flächen.
Ein solcher Fleck wandelt sich in eine Papel um, dann entsteht ein
Ring und auf dem Ringe Bläschen, Pusteln, Krusten, auch grössere
Infiltrate (E. nodosum) und Hämorrhagien (Peliosis rheuraatica Schön-
leinii). Zugleich ist Fieber vorhanden, welches nach dem Ausbruch
einen wechselnden Character annimmt, entweder remittirend oder terrassen¬
artig ansteigend. Ebenso treten Schmerzen auf, local oder nach dem
Kreuze irradiirend; diese Schmerzen können auch nach dem Verschwin¬
den des Exanthems fortbestehcn. — Als Nachkrankheiten sind zu nennen
Conjunctivitis, Klappenfehler, Tuberculose.
Was die Natur des Leidens an betrifft, so ist die rheumatische Grund¬
lage von der Hand zu weisen; auch kann es sich Dicht um Embolien
handeln, da sonst das symmetrische Auftreten unerklärlich sein würde.
L. sieht als Grundlage eine Erweiterung der Blutgefässe an mit Exsu¬
dation, welche auf eine Erkrankung der Gefässnerven zurückzuführen
ist. Dafür spricht der symmetrische Sitz; die Constitution und das
Alter, indem es sich immer um jüngere, schwächliche, anämische oder
chlorotische Personen handelt, bei denen die Gefässnerven schlecht er¬
nährt sind; endlich der Reizstrich, d. h., streicht man mit dem Finger¬
nagel über die Haut, so bildet sich ein weisser Strich von rothen
Säumen eingefasst. Es ist fernerhin von Wichtigkeit, dass bei zahl¬
reichen Erkrankungen des Centralnervensysteras Erytheme verschiedener
Art beobachtet worden sind Als ätiologisches Moment sieht L. ein
Virus an und hält die Krankheit für contagiüs in ähnlicher Weise, wie
Scharlach und Masern. Auffallend ist, dass das Leiden am häufigsten
bei Frauen mit Erkrankungen der Harnröhre auftritt und ist ein Zu¬
sammenhang höchst wahrscheinlich.
Tagesordnung.
1) Discussion über den Vortrag des Herrn P. Güterbock:
Ueber eine eigenthümliche Gelenkerkrankung bei jungen
Kindern,
Herr Lcwin: Bei unserer verhältnissmässig geringen Kenntniss
über syphilitische Gelenkerkrankungen sind wir Herrn Güterbock für
seinen Vortrag zu Dank verpflichtet. Derartige Kranke kommen nicht
zu den Syphilidologen, weil weder die Eltern noch die Aerzte sie für
syphilitisch halten. Schon dieser Umstand allein muss uns zur Vor¬
sicht mahnen. Die Beobachtungen von Herrn G. betrafen kleine Kinder,
aber weder Neugeborene noch Erwachsene, es ist mir darnach wahr¬
scheinlich, dass es sich um Syphilis tarda gehandelt, habe Freilich
hat in einem solchen Falle von später Syphilis, welchen ich vor einigen
Jahren hier vorstellte, Herr Henoch Zweifel erhoben, ob Syphilis vor¬
handen sei, und ob überhaupt eine Syphilis tarda existire. Wir müssen
demnach in jedem einzelnen Falle nach Criterien suchen, welche alle
Zweifel zu zerstören im Stande sind. Solche Criterien sind 1. der
Nachweis der syphilitischen Erkrankung der Eltern. Derselbe ist
bekanntlich sehr schwer, da weder die Aussagen zuverlässig, noch
die stattgefundenen Curen beweisend sind. 2. Es müssen syphilitische
Erkrankungen vorangegangen sein, welche Spuren hinterlassen haben,
oder es müssen noch Coinplicationen wahrzunehmen sein. Da die Sy¬
philis nicht springt., d. h. nicht auf die Knochen übergeht, bevor sie
nicht die Schleimhäute afficirt hat, so müssen vorangegangene Krank¬
heiten des Pharynx, des Auges u. s. w. entschieden Spuren hinterlassen.
Wie weit dies bei den Kranken des Herrn G. der Fall war, weiss ich
nicht. 3. Der anatomische Befund. Wir hätten nachzuweissn, dass
hier wirklich eine syphilitische Gelenkerkrankung vorliegt. Dieser Nach¬
weis ist indessen sehr schwierig, wie ein yorkommniss aus einer anderen
medicinischcn Gesellschaft beweisen mag. Es wurde ein Präparat von
gummöser Knochensyphilis vorgelegt, bei welchem ich die Frage stellte,
ob ein anamnestischer Anhalt vorhanden sei. Trotzdem diese Frage
verneint wurde, bekämpfte man meine Zweifel; aber auch Virchow
hat sich später gegen die Annahme der Syphilis erklärt. 4. Ex juvan-
tibus et nocentibus, aus der Wirksamkeit des Quecksilbers einen Schluss
zu ziehen, dürfte etwas unsicher sein.
Wenn wir uns nun fragen, ob wir Analogien zu den von Herrn G.
mitgetheiJten Fällen besitzen, so habe ich auf 2 Punkte aufmerksam
zu machen. Rieh et und Fol »in haben der Acadcmie 4 Fälle von
syphilitischen Gclenkerkrankungen eingereicht, ferner sind von Lance-
reaux und Guerin sehr hübsche Fälle beschrieben. In allen diesen
Fällen fanden sich umschriebene Verhärtungen, niemals kam es zur
Eiterung, wie Gummigeschwülste überhaupt nur dann in Eiterung über¬
gehen, wenn sie misshandelt werden, während sie übrigens verfetten. —
In einer zweiten Gruppe, der sog. Dactylitis gummosa, welcher Fälle
von Nelaton, Archambauld, Bergh, Bäumler, Volkmann u. a.
zuzuzählen sind, kam es allerdings mehrfach zur Eiterung, aber es ist
auch in einzelnen dieser Fälle allgemeine Syphilis mit Sicherheit nicht
immer nachgewiesen worden.
Ich schliesse mit einer persönlichen Bemerkung. Mir ist es in
Bezug auf Priorität mehrfach schlecht ergangen, so auch in Bezu* auf
syphilitische Epiphysenerkrankungen, als deren erster BesehreibeHhrr
G. Wegner genannt worden ist. Ich habe im Jahre 1S6S 3 Fälle unter
dem Namen „gummöse Periostitis“ veröffentlicht. Im Jahre l.S7o hat
dann Herr Wegner eine vorzügliche Arbeit über den mieroscopischen
Befund bei diesen Erkrankungen geschrieben, und in dieser Hinsicht
erkenne ich seine Priorität an, während ich einen relativen Anspruch
auf Priorität ebenfalls machen zu können glaube.
Herr Henoch: Da ich von Herrn Lew in provocirt worden bin
so muss ich erklären, dass ich bei der Vorstellung des genanntes Falles
mich nicht apodictisch gegen Syphilis tarda ausgesprochen habe. Nur
glaube ich nicht daran, dass eine Syphilis, welche vorher niemals Er¬
scheinungen gemacht hat, erst im 10. oder 11. Jahre in die Erscheinung
tritt, sondern bin zu der Annahme geneigt, dass die ersten Formen
der Syph. hereditaria übersehen worden, oder dass es sich gar um
acquirirte Syphilis handelt, wie wir es auch in diesem Alter schon häufig
genug in Krankenhäusern beobachten können. Gegenüber dem Prioritäts¬
anspruch des Herrn Vorredners will ich erwähnen, dass ich bereits im
Jahre 1864 in meinen Beiträgen zur Kinderheilkunde einen Fall beschrie¬
ben habe, in welchem bei einem syphilitischen Kinde eine Epiphyse#*
Schwellung am Humerus geheilt wurde. Diese Epiphysenschweilung
hatte eine Paralyse des Armes zur Folge gehabt.
Zum Vortrage des Herrn G. muss ich bemerken, dass mir unter
einer sehr grossen Zahl von syphilitischen Kindern solche Fälle doch
überaus selten vorgekommen sind, wenngleich sie etwas häufiger geworden,
seitdem man genauer auf sie achtet; indessen waren immer gleichzeitig
andere Erscheinungen der Lues vorhanden. Einen einzigen solchen Fall
habe ich zur Section bekommen, in welchem die periostitischen Auf¬
lagerungen sehr deutlich wahrzunehmen waren. Ausser diesen Epiphysen-
schwellungen langer Röhrenknochen kommt aber bei kleinen Kindern
noch eine olivenförmige Anschwellung der Fingerphalangen neben ver¬
schiedenen characteristischen Erscheinungen der Lues vor. Ich habe
dieselben vielleicht zweimal gesehen. In dein einen Falle, der mir bis
zur Heilung treu blieb, konnte ich beobachten, dass unter Anwendung
i des Quecksilbers diese Schwellungen sieh vollständig zurückbild' t».n
Taylor in Newyork hat einen gleichen Fall veröffentlicht. Dagegen
weiss ich aus der ganzen grossen Reihe von Kindern meiner Praxis nur
einen einzigen anzuführen, welcher mit den von Herrn G. mitgethvilten
Fällen von Gelenkaffection Arhnlichkeit hat. Es handelte sich um eine
Epiphysenschwellung an Radius und Ulna bei gleichzeitiger Anchylose
des Ellenbogengelenks, welches einige Fisteln aufwies. Unter mercu-
rieller Behandlung schwanden alle Erscheinungen, das Gelenkleiden aber
blieb: doch habe ich den späteren Verlauf nicht beobachten können. Der
Erfolg der mercunelien Behandlung ist demnach für mich nicht von
so geringer Wichtigkeit für die Beurtheilung, wie für Herrn Lewin.
sondern er bildet ein achtenswerthes Criteriuin. Immerhin sind solche
Fälle aber enorm selten.
Herr P. Güter bock: loh bedauere, dass Herr Lewin meinen
Vortrag nur partiell gehört, indem dann seine Bemerkungen über den¬
selben wohl anders gelautet haben würden. Zur Sache möchte ich
nochmals aussprechen, dass auch ich der Diagnose Syphilis hereditaria
sehr skeptisch gegenüber gestanden bin, ehe ich mich zu derselben ent¬
schloss. Als eine Stütze dieser Diagnose will ich nachträglich nur noch
das in dem Fall 2 beobachtete Recidiv der Ellenbogengelenkaffection
hervorheben, welches genau ebenso verlief, wie diese Affection das erste
Mal, und auch ganz denselben Mitteln wich. In wie weit man, wie
Herr Lew in es gethan, berechtigt ist, in meinen Fällen von Syhhihs
tarda zu sprechen, muss ich um so mehr zweifelhaft lassen, als die von
mir behandelten Kinder alle nur 1 a Jahr, 3 sogar nur wenige Wochen
alt waren und eine Contiuuität mit anderen und früheren luetischen
Erkrankungen meistentheils wenigstens angedeutet war. Die von Herrn
Lewin angeregte delicate Prioritätsfrage betreffend, erlaube ich mir
zuzugestehen, dass ich die früheren Beobachtungen des Herrn Lewin
wohl kenne, wie dies ja aus meinem Vortrage hervorging, dennoch aber
die Epiphysenerkrankung mit dem Namen Wegner’s bezeichnet habe.
Zu meiner Entschuldigung mag dienen, dass von letzterem die erste
ausführliche systematische Arbeit über qu. Erkrankung herrührt, un<l
auch fremde Autoren dieselben kurzweg die Wegner’sche zu nennen
pflegen.
Herr Henoch glaubt, dass in den Güterbock’schen Fällen von
Syph. tarda keine Rede sein könne, da die hereditäre Syphilis überhaupt
frühestens nach 8 Wochen zum Vorschein komme.
Herr Lewin stimmt dem bei. Er habe gegen die Fälle des Herrn
Güterbock keine Zweifel gehabt, doch sei Vorsicht unter allen Um¬
ständen geboten.
2) Herr Wernicke; Ueber das Bewusstsein. (Der Vortrag
wird besonders erscheinen.)
Infeland’sehe fieselisehaft in Berlin.
Sitzung vom 25. Januar 1878.
Nach Verlesung und Annahme des Protocolls der letzten Sitzung
wird die Witterungs- und Krankheits-Constitution von Mitte Decbr. 1877
bis Mitte Januar 1878 festgestellt.
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
14. Oetober 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
617
Der Schriftführer erstattet hierauf den Jahresbericht, und der Herr
Cassirer berichtet über den Stand der Gasse.
Auf Vorschlag des Herrn J. Badt wird der bisherige Vorstand
durch Acclamation wieder gewählt. Derselbe besteht aus den Herren
Steinthal Vorsitzender, Mühsam Schriftführer, Cahen Cassirer,
Ravoth, Tob old, Beisitzer.
Herr Weigersheim: Einige Mittheilungen über Bluter¬
krankheit.
Der Herr Vortr. bespricht eingehend die Geschichte der Krankheit,
sowie deren Literatur, unter der er namentlich die Arbeiten von Nasse,
Wachsmuth, Schönlein und Grandidier hervorhebt, lässt sich
über die Aetiologie aus, hinsichtlich deren die Heredität nach dem über¬
einstimmenden Urtheilc aller Autoren und seinen eigenen Erfahrungen
die Hauptrolle spielt. Die Symptomatologie anlangend sind die Blu¬
tungen und Anschwellungen der Gelenke das wichtigste und zugleich
auch ominöseste Zeichen. Er bespricht die Art dieser Blutungen und
Gelenkschwellungcn, lässt sich des 'weiteren über die blaue Farbe aus,
welche für Schön lein die Veranlassung war, die Krankheit in seine
Gruppe der Cyanosen einzubeziehen. Bei Sectionen sind die ver¬
schiedensten Organe verändert gefunden worden, Milz, Gefässe, Herz —
Offenbleiben des Foramen ovale —, daher auch das Wesen der Krank¬
heit noch nicht aufgeklärt ist. Die Therapie hat sich hauptsächlich
auf die Prophylaxe zu erstrecken und Ehen unter solchen Familien
und namentlich mit Frauen aus Bluterfamilien zu untersagen. Der
Vortr. macht auf das eigenthümliche Factum aufmerksam, dass die
Ehen von Blutern ungemein fruchtbar sind. Gegen die Blutungen ist
die Therapie ziemlich unwirksam: die Leute bluten, bis sie ohnmächtig
werden, sterben oft im Collaps, erholen sich aber auch nach einer
Attaque mitunter rasch. Der Herr Vortr. hat eine Bluterfamilie bis
in’s 3. Geschlecht beobachtet und giebt deren Stammbaum.
Itzig R.,
über 50 Jahr alt, am Bluten gestorben.
David R., Louis R.,
nicht geblutet, hat bis 20 Jahre
ist todt. geblutet, aber
aufgehört, lebt
noch, trinkt
1 Flasche Wein
täglich.
Moses R.,
hat geblutet,
verschollen.
Adolf R.,
Nasenbluten,
am Bluten
gestorben,
52 Jahre alt
Antonie,
blutete, 13 Jahre
alt gestorben.
Rosalie F. Hannchen B.
geb. R., geb. R.,
nicht geblutet, nicht geblutet,
48 Jahre alt ge¬
storben.
3 Töchter, — — 1 — ^
z. Th. verhei- Nichtblutende
rathet, nicht- Kinder,
blutend.
lebt, 62 Jahre alt.
Cäcilie L.
geb. R.,
blutet noch,
56 Jahre alt.
H. L.,
blutet nicht,
21 Jahre alt.
Emil L.,
18 Jahre alt,
fängt an zu
bluten.
Herr Steinthal berichtet ebenfalls über eine von ihm beobachtete
Bluterfamilie und weist namentlich darauf hin, dass eine Frau aus
dieser Familie an starker Menstruation und Ecchymosen während derselben
litt, was Herr Seemann nicht als zur Hämophilie gehörend ansehen
kann, da bei sonst gesunden Frauen häufig während der Menstruation
Exantheme und namentlich Ecchymosen Vorkommen können.
Sitzung vom 22. Februar 1878.
Das Protocoll der vorigen Sitzung wird verlesen und angenommen.
Dem Andenken des verstorbenen Collcgen Haseloff widmet der
Herr Vorsitzende Worte ehrender Erinnerung.
Herr Saul mann spricht hierauf über die Wirkung der Salicylsäure
und deren Präparate. Der Herr Vortr. erörtert die Wirkungen der
Salicylsäure und deren Salze bei innerer Anwendung sowohl als Anti-
pyreticum, wie als Specificum bei acutem Gelenkrheumatismus und kann
die in der Literatur enthaltenen Angaben aus eigener Erfahrung be
stätigen. Auch bei Blasencatarrh sei es von vorzüglicher Wirkung; er
giebt vom Natr. salicylicum 6,0 auf 150 Wasser pro die.
Die günstige Wirkung bei Blasencatarrhen bestätigen die Herren
Cahen — auch nach Steinzertrümmerungen — und Badt. Herr
Cahen findet es ausserdem ausserordentlich wirksem bei Meteorismus
und Flatulenz; hier ist eine Gabe von 0,5 Acid. salicylicum oder
1,0 Natr. salicylicum mehrmals am Tag» angemessen.
Herr Albu hält es auch bei chronischem Gelenkrheumatismus für
nützlich; immer jedoch erheische die Anwendung des Mittels grosse
Vorsicht; er habe nach 0,5 Acid. salicyl. bei einem 11jährigen Knaben
und 1,0 bei einer Frau starken Collaps gesehen.
Herr Seemann meint, dass, da das Mittel durch Erhöhung des
Blutdrucks und Steigerung der Secretioncn wirke, namentlich bei Herz¬
kranken die grösste Vorsicht geboten sei.
Sitzung vom 29. März 1878.
Herr T obold hält einen demonstrativen Vortrag über die „mano¬
metrische Flamme als diagnostisches Hülfsmittel bei ein¬
seitigen Stimmbandlähmungen.“ Der Vortrag ist in der Deutschen
medic. Wochenschrift milgetheilt.
Demnächst spricht HerrTobold über die electrische Beleuch¬
tung innerer Höhlen des lebenden animalischen Körpers.
Er weist hierbei auf die ersten Versuche Bozzini’s hin, welcher in
seiner Schrift „der Lichtleiter vom Jahre 1807“ einen Apparat mit
einfacher Kerzenbeleuchtung beschreibt und dabei die Möglichkeit der
inneren Beleuchtung von Mastdarm, Scheide, Schusskanälen etc. nach¬
weist. Herr Tobold demonstrirt nun das zur Erzeugung electrischer
Lichtquellen noch wenig bekannte secundäre Element von Plantö,
welches aus zwei spiralförmig gewundenen, von einander iseflirten Blei¬
platten besteht, die in einem Standglase mit angesäuertem Wasser ein¬
gestellt und mit Deckel und Polklemmen versehen sind. Dies Element
erzeugt selbst keinen Strom, es ist nur als Condensator zu betrachten,
dessen Ladung durch 2 Bunscn ’sche Kohlenplatten-Elemcnte bewerk¬
stelligt wird, also die von der Ladungssäule während eines gewissen
Zeitraumes angesammelte Eleotricität für jeden Augenblick bereit hält.
Die mit solchem sccundären Element in Verbindung gesetzten Instru¬
mente, von Trouvu in Paris gearbeitet, lassen einen vor einem ganz !
kleinen Reflector befindlichen Platindrath intensiv erglühen und ermüg- |
liehen somit eine durchaus bequeme Einführung in die inneren Höhlen
des Körpers (Mastdarm, Scheide, Mundhöhle etc.) und eine äusserst
grelle Beleuchtung der betreffenden Wandungen.
Sitzung vom 20. April 1878.
Nach Verlesung und Annahme des Protocolls der letzten Sitzung
wird die Witterungs- und Krankheits-Constitution der letzten 2 Monate
festges teilt.
Herr v. F oll er hält hierauf den angekündigten Vortrag; Ueber
animale Vaccinationen.
Nach Gesellschaftsbeschluss wird über denselben, sowie über die
sich anschliessende Discussion ein besonderes Referat, dass HerrZülzcr
übernommen hat, erscheinen.
Sitzung vom 31. Mai 1878.
Nach Verlesung und Annahme des Protocolls der vorigen Sitzung
wird die Witterungs- und Krankheits-Constitution von Mitte April bis
Mitte Mai festgestellt.
Herr Mühsam demonstrirt das vom hiesigen Instrumentenmacher
Locwy patentirte Pronationsbruchband mit federnder Pelotte und hebt
dessen Vorzüge hervor. Seiner Ansicht schliesst sich Herr Loewen-
thal, der es ebenfalls warm empfiehlt, an.
Herr Apotheker Dr. Friedlaendler hält hierauf einen mit Demon¬
strationen verbundenen Vortrag über einige neuere Mcdicamente und
Präparate.
VII. Feuilleton.
Die Curorte der Riviera di ponente in ihrem
therapeutischen Werthe in Bezug auf Klimatologie
und Seebäder.
Von
weiland Geheimrath Professor Dr. Lebert in Nizza.
(Schluss.)
Bleibt nach Hirnblutungen grosse allgemeine Schwäche mit Apha¬
sie, mit der eigenthümlichen kindischen Verstimmung der Apoplectiker
zurück, so kann ein Aufenthalt an der Riviera günstig auf das Allgemein¬
befinden und die Euphorie der Kranken wirken, ohne auf den örtlichen
Process merklich anderen Einfluss zu üben, als die Zeit.
Man sieht in Nizza, Cannes und Mentone jährlich eine gewisse Zahl
Gelähmter täglich in ihrem vom Diener gestossenen Wagen herumfahren,
ohne dass jedoch die klimatische Cur auf das Rückenmark einen speciell
günstigen Einfluss übte. Rheumatische und hysterische Lähmungen des
Rückenmarks heilen hier, wie überall. Degenerative Processe können bei
langsamem Verlaufe durch Verbesserung des Allgemeinbefindens, durch
Leben im Freien, durch Minderung der fulgurirenden Schmerzen eine
vorübergehende Erleichterung finden.
Mehr aber kann der gewissenhafte Arzt gewiss nicht in Aussicht
stellen.
Somit kann also die Riviera bei peripherischen Neurosen, besonders
wenn sie mit Anämie und Schwäche verbunden sind, günstiges leisten,
hat aber in der Behandlung der Krankheiten des centralen Nervensystems
eine nur untergeordnete Bedeutung.
Auch für die Krankheiten der Verdauungsorgane haben wir keine
specielle Wirksamkeit. Gastralgien und Magencatarrhe leichteren Grades
werden überhaupt durch Reisen und Ortsveränderung nicht selten günstig
modificirt. An der Riviera können sich die Kranken viel mehr im Freien
aüfhalten und viel mehr Bewegung machen als im Norden, was aller-
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618
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 41
dings ein Vortheil ist. An schweren Magenkrankheiten leidende, an
hochgradiger Dyspepsie, an Ulcus chronicum, an Carcinom Erkrankte
sollen nicht hierher geschickt werden. Chronische Darmcatarrhe ohne
tieferen Grund werden mitunter rasch günstig durch den Aufenthalt
im warmen Klima modificirt. Von Leberkrankheiten weiss ich keine
einzige, fiir welche die Riviera besonders passte.
Das gleiche gilt von den Milzkrankheiten.
Von Krankheiten der Harnorgane sind chronische Nephritis mit
Albuminurie, Nierenschrumpfung, speckige Nierendegeneration nicht für
die Riviera geeignet. Diabetiker sieht man viele an der Riviera, und
befinden sie sich relativ wohl, ja es ist wahrscheinlich, dass ihr Leben
durch die klimatischen günstigen Verhältnisse nicht selten verlängert
wird. Man schicke sie jedoch nicht in die klimatischen Curorte, wenn
bereits grosse Zuckerraengen sich bei der besten Diät aus dem Organismus
selbst bilden, und wenn die Untersuchung Lungenphthise erkennen lässt.
Der Einfluss des milden Winterklimas und der begleitenden guten
Hygiene, so wie die marine Hydropathie ist auch auf Krankheiten der
Geschlechtsorgane ein günstiger. Ich will dahingestellt sein lassen, was
das Klima bei männlicher Impotenz zu leisten im Stande ist. Dagegen
ist die Cur entschieden nützlich für. viele Frauenkrankheiten. Schliessen
wir Krebs und Cancroid aus, so bleiben uns die vielen leichteren
Erkrankungen des Collum uteri, die Schleimhautcatarrhe der Vagina
und des Uterus, die mannigfachen, von den Uterinnerven ausgehen¬
den Nervenstörungen, und kann eventuell eine passende örtliche Be¬
handlung die übrige unterstützen. Sehr gute Dienste leisten auch hier
kalte Abreibungen, Sitzbäder, lnjectionen mit Seewasser und Douchen,
dann vom ersten Frühling, vom 1. April an, Bäder in der Sec, sowie
noch spät im Herbst.
Ich habe mich bemüht, in dem vorhergehenden die Indieationen
und Gegenanzeigen der klimatischen Cur der Riviera in kurzen Zügen !
auseinander zu setzen und hoffe, dadurch wenigstens einen Ueberbliek
des wichtigsten und wisssenswerthesten gegeben zu haben. Auch wird
bei Gelegenheit der Indieationen der Seebäder der Riviera diese Uebcr-
sieht noch vervollständigt werden.
C. Ueberdic g ünstigstc Zeit des Aufenthalts an der Riviera ;
für klimatische Curen und über die nothwendigen Vorsichts-
. massregcln.i 1
Die beste Zeit der Ankunft an der Riviera ist Ende October. Bis
dahin ist es noch sehr warm in vielen Stationen, und findet man die
W i n t e rein rieh tim gen vorher noch sehr unvollkommen. Nicht selten ist
vorher eine Uebergangsstation, besonders lür Nordländer, gut. Schon in
Süddeutschland finden sich im Herbst sehr geeignete Localiläten, wie .
Wiesbaden, Baden-Baden, Badenweiler. Sehr passend in jeder Hinsicht
ist der Aufenthalt am Genfer See, besonders in Vevey, in Clärens, in
Montreux, in der ganzen dortigen Bucht. Das gleiche gilt von Bex.
Auch an den italienischen Seen, dem Luganer See (ethnographisch
schweizerisch, geographisch italienisch), dem Lago maggiore, dem Garda-
See, dem Como-See finden sich viele schöne und passende Zwischen¬
stationen.
Jst nun die Ankunft für Ende October oder Anfangs November
am geeignetsten für die Riviera, so können die letzten Monate des Jahres
und der Januar noch sehr gut als Anfang einer guten Wintcrcur dienen,
wenn die Kranken nicht haben früher reisen können oder nicht so krank
sind, um einen längeren Aufenthalt nöthig zu haben.
Was nun über die Dauer des Aufenthaltes betrifft, so ist die will¬
kürlichste Feststellung des Winterendes für den 1. April eine medizi¬
nisch gewiss nicht richtige. Wer Anfangs April in den Norden, oder
selbst in die verschiedenen Länder Mitteleuropas zurückkehrt, findet ge¬
wöhnlich noch viel schlechtes und rauhes Wetter, so dass die zweite
Hälfte des Mai oder wenigstens seine zweite Woche die eigentlich
günstige Zeit zur Abreise ist. So schön an der Riviera der Frühling
ist, so selten und ausnahmsweise ist er es anhaltend in Nord- und in
Mitteleuropa. Der ganze Mai ist aber wieder ein guter Monat für eine
Mittelstation, wenn man ihn nicht zu Seebädern an der Riviera benutzen
will, die jedenfalls nicht selten vortheilhafteste Endcur.
Schon in Montreux habe ich oft mit Staunen gesehen, wie wenig
vorsichtig die Kranken waren, und wie sie glaubten, in einem wärmeren
Klima Vorsicht entbehren zu können. In noch viel höherem Grade
habe ich dieses Vorurtheil in Nizza kennen gelernt. Und doch giebt
es kein Klima, in welchem nicht ein sehr vorsichtiges Leben geboten
wäre, was die Engländer in Bezug auf Indien und ihre sonstigen süd¬
lichen Colonien schon längst wissen, und ihre Soldaten dort noch viel
vorsichtiger halten, als in England.
Die Riviera, mit ihrem sonnenreichen, milden Klima, macht viel
mehr Vorsichtsmassregcln nothwendig, als man es auf den ersten Blick
glauben sollte. Den mir von Anfang an anvertrauten Kranken habe ich
dies von den ersten Besuchen an klar zu machen mich bemüht, und
ihnen die von mir angerathenen hygienischen Vorsichtsmassregeln recht
ans Herz gelegt.
Hat nun der Arzt schon über die Wahl der Wohnung zu entscheiden,
und ist Schwächeren, wirklich Kranken, ganz besonders eine Wohnung
in einem der geschützteren Stadtviertel zu rathen, so ist anderseits
darauf zu sehen, dass für den Winter der Haupttheil der Wohnung,
und besonders das Schlafzimmer nach der Sonnenseite gelegen seien.
Selten ist seihst unter diesen günstigen Bedingungen in den Zimmern
eine gleich massige Wärme zu erhalten. So manche heizen freilich an
der Riviera im Winter wenig oder gar nicht. Die meisten Patienten
aber können die Feuerung von November bis März gar nicht entbehren
Die Zimmerwärme muss eine constante sein und zwischen 12 — lö°" r!
(15 und 18 — 19° C.) schwanken. In der Nacht kann sic freilich vor¬
übergehend etwas mehr herabgehen. Beim Anfstehen aber muss das
Zimmer angenehm warm sein. Oft reichen die Camine nicht aus, und muss
der Kranke alsdann dringend einen kleinen Ofen verlangen, eventuell
miethen, was sehr leicht ist. Es ist dies auch öconomisch eine bedeutende
Ersparniss.
Die Betten sind in Bezug auf Decken und Matratzen gewöhnlich
gut. Der Nordländer aber vermisst oft mit dauernder Unbehaglichkeit
ein leichtes Federbett auf den unteren Körpertheilen. Auch dieses muss
man ernst und dringend verlangen, sich eventuell selbst zu verschaffen
suchen. Es ist nie gut, zu warm zugedeckt zu sein. Im Bette aber
soll man sich in gewohnter Weise behaglich fühlen, was nicht der Fall
ist, wenn die Wirthe, mit den leichten Edredons (Daunenfederbett) gei¬
zend, sie durch ein Uebermass schwerer Decken zu ersetzen suchen.
Der Zimmerwärme entsprechend sei auch am Morgen die Kleidung
etwas wärmer als bei Tage. Beim Ausgehen sei man nicht zu leicht
gekleidet. Im October, April und Mai passt fast die Sommerkleidung
des Nordens. Im eigentlichen Winter passt nicht die warme Winter¬
kleidung, wohl aber die mittelwarme des Herbstes Mitteleuropas, und
nehme man beim Ausgehen, besonders Nachmittags, einen Shawl, einen
Paletot mit, um sich wärmer zu kleiden, wenn man im Freien sitzen
will, oder wenn nach Sonnenuntergang eine Abkühlung eintritt. Auch
Abends gehe man, wenn das Ausgehen überhaupt erlaubt ist, warm ge¬
kleidet aus.
III. Die Riviera in Bezug auf südliche Seebäder; innerer
Gebrauch des Seewassers nach einer besonderen Methode.
A. Die Riviera mit den Stationen südlicher Seebäder.
In dem Masse als die Hygiene die hohe Stellung in der Therapie
errungen hat, welche ihr zukommt, hat sich der Gebrauch der Seebäder
immer mehr verallgemeinert. In der Thal fassen sie vereint drei wich¬
tige Elemente in sich: Klimatologie, Balneotherapie und Hydropathie.
Um so auffallender ist es, dass man sich, mit wenigen und seltenen
Ausnahmen, fast nur mit den Nord- und Ostseebädern beschäftigt, in
den Specialwerken aber die südlichen, und namentlich die des Mittel¬
meeres nur kurz und vornehm abgefertigt hat.
Es scheint uns dies um so weniger rationell, als diese Bäder leicht
zu erreichen sind und schon jetzt von den sehr vielen an der Riviera
im Herbst, im Winter, im Frühling lebenden Fremden, und zwar oft
mit gutem Erfolge, benutzt werden, was meine Erfahrung vollkommen
bestätigt.
Die Riviera repräsentirt auch hier sehr gut die südeuropäischen
Seebäder. Ich glaube daher eine Lücke auszufüllen, wenn ich dieselben
etwas näher bespreche.
Die Seebäder des Mittelmeers haben noch den Vortheil, bei der
nur rudimentären Ebbe und Flutli, zu allen Tageszeiten und namentlich
täglich zur gleichen Zeit das Baden zu gestatten.
Während die nördlichen Seebäder nur von Mitte Juni bis Mitte
September zur Kur brauchbar sind, kann au der Riviera, besonders in
den dazu eingerichteten Seebädern von Cannes, Nizza und Mentone, di
Kur bereits Anfang April begonnen werden, und dauert die Saison bl-
Anfangs, selbst bis Mitte November. Das Baden den ganzen Winter
hindurch ist keineswegs dort ganz selten, gehört aber zu den Ausnahme«.
Die Möglichkeit, in der See zu baden, erstreckt sich also durchschnitt¬
lich fast über zwei Drittel des Jahres.
Fremde benutzen die warmen Sommermonate mit Recht am wenig¬
sten, während die Italiener mit besonderer Vo r liebe nur im Juli und
August baden. Theils spielt hier die Mode und die Gewohnheit eine
gewisse Rolle, theils ist in der That in Italien im Sommer die Meeresküste
immer noch erträglicher, angenehmer und kühler als das Binnenland, und
ist für alpine Sommerfrischen in Italien viel weniger gesorgt als in der
Schweiz und in Tirol. Jedoch fangen auch hier die Seealpcn, sowie
die Gebirge in der Nähe von Turin an, eine Reihe seh? guter Berg-
Stationen für den Sommer zu bieten.
Man hat den südlichen Seebädern eine zu hohe Temperatur vorge¬
worfen. Indessen hat das Mittelmeer nicht über 14 —16° G. im April.
16—18° C. im Mai, 18—22° C. im Juni, wohl höher im Juli und August,
durchschnittlich nicht 22—24° C. übersteigend, während October und No¬
vember noch 18—20° C. bieten, da mit vorrüekender Jahreszeit die See re¬
lativ wärmer wird. Ausser im Spätherbst existirt beinahe-immer eine gewisse
Gieichmässigkeit zwischen Luft- und Seewärme. Aber selbst die hohen
Sommertemperaturen bleiben hinter der Wärme unserer kühlsten und
kühlendsten Acratothermen, wie Laudeek und Jobannisbad, zurück. Und
doch habe ich die stärkende und günstige Wirkung derselben in Breslau
eft bestätigt. Die relativ kühleren Frühlingsbäder der Riviera sind den
Badenden besonders angenehm und nützlich.
Man stellt sich auch das Mittelmeer von fern viel zu ruhig vor.
Herrlich zum Baden und Schwimmen ist die spiegelglatte See; diese
aber ist die Ausnahme. Etwas Wellenschlag besteht meistens, und ist
dieser nicht selten stark, ja so intens, dass die meisten Badenden Tage
lang nicht wagen, in die See zu gehen.
Dass auch die Riviera-Cur durch die Combination der klimatischen
und der marinen nur an Ausdehnung der Indieationen und Erfolge ge¬
winnen kann, ist selbstverständlich.
Ist im südlichen Seebade der erste Eindruck auch der der Kalte,
so. ist doch die Reaction, selbst bei Schwächlichen, viel mehr und viel
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14. Oetober 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
619
häufiger eine vollständige als im Norden. Während im Frühjahr kurze
Bäder, Immersionsbäder, oder Bäder von wenigen Minuten die Regel
sind, kann der Aufenthalt in dem Masse als die See sich erwärmt ein
längerer sein, und die mittlere Dauer von 5— 10 Minuten nicht un¬
merklich übersteigen, V 4 ja \ 2 Stunde dauern.
Auch die chemische Zusammensetzung des Mittelmeers verdient volle
Aufmerksamkeit; es ist das an den verschiedenen Salzen reichste Europas,
was besonders auch ins Gewicht fällt, wenn es sich um den inneren
Gebrauch des Seewassers in Form eines künstlichen Mineralwassers
handelt.
Nehmen wir die Analyse von Malaguti, welche mit der von Lau-
rens und anderen übereinstimmt, als Ausgangspunkt, so haben wir im
mittleren 4% fester Bestandtheile, eine höhere Zahl als in den übrigen
europäischen Meeren. Unter den Salzen herrschen die Natronsalze vor,
die Magnesiasalze sind noch in ziemlicher Menge vorhanden, während
Kalk- und Kalisalze in geringer Menge bestehen, und die Brom-, Jodsalze,
ohne beträchtlich zu sein, doch noch in nicht unbedeutender Menge da
sind. Wenn das Kochsalz fast % einnimmt, so kommt ebenfalls fast V«
auf Chlormagnesium und schwefelsaure Magnesia. Die Salze des Mittel¬
meeres sind daher auch mehr als die anderer Meere zum inneren Ge¬
brauche geeignet, was sich jedoch für die Ostsee z. B. durch grössere
procentische Mengen leicht aus gleichen lässt.
In Bezug auf die Wahl der Localität sind offenbar die Seebäder
der französischen Riviera, Cannes, Nizza, Mentone, die weitaus geeignet¬
sten. Das ganze Jahr offen, gut organisirt, stets sorgsam überwacht,
bieten sie noch den Vortheil, dass im Winter das sonst müssige Bade¬
personal sehr gut zu kalten Abreibungen verwerthet werden kann, was '
für die erste Zeit ihrer Anwendung geschickt gemacht werden muss.
In Bordighera, in San Remo, in Alussio, in Pegli, in Seetris.
und vielen anderen Orten sind ebenfalls brauchbare Seebäder. Be¬
sonders gehört Pegli zu den angenehmsten, hat jedoch den bereits
gerügten Nachtheil, erst im Juni* für das Baden eingerichtet zu
sein, was von allen diesen Seebädern zwischen San Remo und Genua
gilt. Dadurch sind sie für die italienische Fashion bequem, für die
vielen Fremden der Riviera aber nur für kurze Zeit brauchbar. Schon
der Juni ist an der Riviera sehr warm. Wie wenige Frermfci aber würden
im Juli und August dort aushalten! Hat mich doch auch von Biarritz
die Sommerhitze vertrieben.
Die speciellen Indicationen südlicher Seebäder sind zwar im all¬
gemeinen denen der nördlichen und mitteleuropäischen sehr analog, be¬
dürfen aber noch einiger Erläuterungen.
Vor allem passen die südlichen Stationen für Kranke, welche gegen
atmosphärische Einflüsse sehr empfindlich sind. Nicht weniger geeignet
sind sie für die, welche brustschwach, oder durch erbliche Anlage prä-
disponirt, grosser Schonung und einer südlichen klimatischen Cur be¬
dürfen. Ich habe auch schon erwähnt, dass ich Phthisiker, bei denen
der Krankheitsprocess still sieht, kein Fieber vorhanden ist, das All¬
gemeinbefinden befriedigend ist, gern in der See baden lasse. Auch
hier gehört Stärkung gewiss zu den rationellsten Mitteln der Prophylaxe
in Bezug auf Rückfälle. j
Chlorose und Anämie werden schon an und für sich an der Riviera j
mit Erfolg behandelt, und haben, bei dem herrlichen Klima, dem Leben '
im Freien, der guten Hygiene, unter Hinzuziehung innerer Mittel, wie }
Eisen- und Arsenpräparate eine schnellere und günstigere Wirkung als
unter weniger günstigen hygienischen Umständen. Für alle diese Zustände 1
sind die südlichen Seebäder sehr nützlich. Wo nur eine Sommercur
nöthig ist, ziehe ich die nördlichen Seebäder als gründlicher eingreifend
und energischer stärkend vor. Wo aber das wärmere Klima indicirt ist,
combinirt man es sehr passend im Winter mit kalten Abreibungen, im
Spätherbst und im Frühjahr mit Baden in der See.
In noch höherem Grade sind speciell südliche Seebäder indicirt,
wenn die Anämie Folge andauernder Säfteverluste oder Blutungen ist,
deren Ursache gehobeu werden kann, oder gehoben ist. Ebenso passen
die Seebäder bei aus verschiedenen früher angegebenen Ursachen Ge¬
schwächten, bei Convalescenten schwerer Krankheiten, geistig Ueber-
müdeten. Indessen müssen die Kranken schon einen gewissen Kräfte-
vorrath vorher an der Riviera gesammelt haben und am besten vorher
eine Zeit lang kalte Waschungen oder Abreibungen gemacht haben. In
allen diesen Fällen seien die Seebäder kurz, 1 — 3 — 5 Minuten, und
sonst sorgsam zu überwachen. Man vergesse nicht, dass in allen solchen
Zuständen die Wärmebereitung gelitten hat, die Erwärmung und Reac-
tton nach der initialen Abkühlung der Seebäder eine weniger lebhafte
und rasche ist, als im Normalzustände. Deshalb sind Wärme der Luft,
des Wassers, des Klimas hier sehr nützlich. Ueberdies sind derartige
Patienten auch sehr zu Erkältungen geneigt, deren Folgen dann oft
weiter gehen, als man geglaubt hat, daher auch schon deshalb die Noth-
wendigkeit grosser Vorsicht im Anordnen der Bäder.
Für rachitische und sonst schwächliche Kinder erlaubt die wärmere
Luft täglich längeren Aufenthalt an der freien Luft, welche an der Ri¬
viera, besonders der französischen, auch relativ selten durch Regen
unterbrochen wird; nur meide man sorgsam jeden längeren Aufenthalt
an der Sonne. Diese Kinder lässt man im Winter laue Seebäder nehmen
und im Frühjahr kurze Bäder in der See, welche ich jedoch im all¬
gemeinen unter 5 Jahren nicht rathe.
Von Scropheln gilt für südliche, wie für nördliche Seebäder, was
ich schon vor vielen Jahren in meinem Werke über scrophulöse und
tuberculöse Krankheiten gesagt habe, dass besonders die Anlage, die
Diathese und leichteren Localisationen für das Seebad passen. Freilich
haben die Indicationen des Klimas der Riviera hier eine viel weitere
Ausdehnung. Man gehe jedoch auch in der Furcht der Seebäder bei
ernsteren Formen der Scrophulose nicht zu weit. Während sie bei
intenseren Knochen- und Gelenkkrankheiten, mit reichlicher Eiterung und
Fieber durchaus nicht passen, werden sie nützlich, sobald z. B. Knochen-
altcrationen in der Periode der Reparation begriffen sind. Aber auch
den schwerer erkrank+en kann ein langer Aufenthalt an der See, mit
zeitweisen Curen lauer Seebäder, bei sonst passender Behandlung in
unseren Stationen der Riviera gut thun.
‘ So vorsichtig ich im Anrathen der Seebäder bei ausgesprochenem
Rheumatismus, bei intenser Neuralgie bin, so sehr rathe ich die süd¬
lichen und später die nordischen Seebäder, wenn nach gehobener Loca-
lisation die rheumatisch - neuralgische Anlage, oft auf Hautsehwäche
beruhend, zu bekämpfen ist. Das gleiche gilt für die an häufigen Ca-
tarrhen in Folge von grosser Neigung zu Erkältungen leidenden. Wäh¬
rend der Localisation passt kein Seebad; gegen die zu Grunde liegende
Anlage aber sind kalte Abreibungen und Seebäder entschieden nützlich.
In Bezug auf Nervenkrankheiten verweise ich auf das bei den all¬
gemeinen Indicationen der klimatischen Curorte gesagte, und füge nur
noch hinzu, dass ich schon seit Jahren derartige Kranke mit Erfolg nach
Nizza geschickt habe. Indessen sind manche Patienten lieber in einer
anderen Station, und so beobachtet man gerade für Neurosen und neu¬
rotische Complicationen anderer Krankheiten nicht selten eine gewisse
Wanderlust von einer Station zur anderen. Ganz besonders günstig
wirken die Seebäder bei den mehr atonischen Neurosen und bei den
mit Anämie complicirten. Auf die convulsivischen Formen der Hysterie
ist mir günstiger Erfolg nicht bekannt, wohl aber für die anästhetischen
und lähmungsähnlichen Zustände, sowie für die complexeren Formen,
welche man unter dem Namen der Spinalirritation zusammen gefasst hat.
Ungleich ist ihre Wirkung in der Hypochondrie und bei den an ha¬
bitueller Hemikranie leidenden.
Für Gebärmutterkrankheiten passen die südlichen Seebäder nur in
den leichteren Formen. Günstig wirken sie auf Menstruationsstörungen
junger Mädchen, auf Amenorrhoe und besonders auch auf den viel wich¬
tigeren Zustand der zu profusen Menstruation, welche bald Folge der
Chlorose ist und dann auch den Gebrauch des E*isens innerlich nöthig
macht, bald von Anfang an als profuse Menstruation existirt und durch
die periodischen Verluste schwächt, nervös macht und so zu ernsteren
Neurosen prädisponirt. In diesen Fällen lasse ich schon im Winter
kalte Sitzbäder mit Seewasser nehmen, sie bis 15—20 Minuten fort¬
setzen, zur Zeit der Regeln unterbrechen, um dann mit dem Frühling
die Seebäder beginnen zu lassen. Mit diesen fange man schon im
Herbste an und setze sie so lange als möglich fort, wenn die Kranken
zur Wintercur bereits mit diesen zu starken Regeln früh genug an¬
kommen. Selbstverständlich muss man sich bei Frauen überzeugen,
dass die stärkeren Blutverluste nicht mit Polypen, Fibroiden etc. Zu¬
sammenhängen.
Günstig wirken unsere Seebäder, je nach Umständen durch Injec-
tionen oder Vaginaldouchen mit Seewasser unterstützt, bei den ver¬
schiedenen Formen der Leukorrhoe in Folge- von Utero-Vaginalcatarrh,
bei Neuralgien des Uterus und der Ovarialgegend, -welche letztere ich,
beiläufig bemerkt, seit 1861, seit der zweiten Auflage meines Handbuches
der praktischen Mcdicin beschrieben habe, und welche man in neuerer
Zeit wieder entdeckt hat. Auch die Neurosen, welche Folge von ge¬
ringen Flexionen und Versionen sind, werden günstig modificirt.
So sehr Seebäder durch Metrorrhagien geschwächte Patientinnen
stärken, so vorsichtig sei man in ihrer Anwendung bei noch bestehenden,
nicht unbeträchtlichen Blutungen und verbiete die Seebäder, wenn sich
als Gründe nicht operirbare Fibrome, Cancroid oder Carcinom heraus¬
steilen.
B. Ueber den inneren Gebrauch des Seewassers der Riviera in
Form eines künstlichen Mineralwassers.
Es ist interessant, dass eins der frühesten Werke über das See¬
wasser von Richard Russely 1 ) sich besonders mit seinem inneren Ge¬
brauch gegen Lymphdrüsenerkrankungen beschäftigt. Der genfer Arzt
Odier hat im Anfang dieses Jahrhunderts das Seewasscr warm empfohlen,
und zwar besonders gegen Dyspepsie und leichtere Erkrankungen der
Verdauungsorgane. Später empfahl Lefrangois in Dieppe warm seine
innere Anwendung und nicht minder dringend Guastalla in Italien.
Noch liessen sich hier viele andere Autoren anführen. Immer aber
scheiterten wieder diese Versuche an dem höchst unangenehmen Ge¬
schmack des Seewassers, so dass sein innerer Gebrauch allinälig wieder
in Vergessenheit gerathen ist.
Da nun aber das Seewasser eine Zusammensetzung bietet, wie eine
Reihe unserer besten und kräftigsten Mineralwässer, so lag der Gedanke
nahe, seinen Gebrauch durch Verbesserung des Geschmacks wieder in
die Praxis cinzuführen. Ich glaubte meinen vor zwei Jahren gemachten
Vorschlag, das Seewasser in stark kohlensaurem Wasser nehmen zu
lassen, neu, fand jedoch später, dass schon 1842 Pasq ui er, ein Apo¬
theker in Feramp 2 ), die gleiche Idee gehabt hat, welche übrigens nahe
liegt. Jedoch scheint mir die Pasquier’sche Methode, das gereinigte
Seewasser mit Kohlensäure zu sättigen, nicht geeignet und ein viel zu
starkes Mineralwaser zu liefern. Ein ähnliches Wasser hatte Poscetto 3 )
1) De tabe glandularum, sive de usu aquae marinae in morbis
glandularum, Oxford 1750.
2) Gazette mödicale de Paris 1842.
3) Guida igienica dei bagni di mare, Genova 1862, p. 72.
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Original fro-m
UNIVERSETY OF MICHIGAN
620
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
in Pegli von Negrotte bereiten lassen; jedoch ist es auch dort, als zu
concentriri, nicht mehr angewendet worden.
Die von mir vorgeschlagene Methode geht viel weiter in der Ver-
werthung des Seewassers, während von diesem relativ merklich geringere
Mengen in Gebrauch kommen, welche natürlich viel besser zu nehmen
sind, als reines kohlensaurcs Seewasser.
Das Seewasser wird in grösserer Entfernung vom Ufer und in einer
gewissen Tiefe genommen, erst einfach und dann über Kohle filtrirt.
Dadurch werden die wenigen organischen Beimischungen weggeschafft,
und trägt später die Kohlensäure zu seiner langen Erhaltung bei.
Kochen würde alles organische am sichersten zerstören, aber dann
würden Brom und Jod entweichen und vielleicht die Salze in ihren
Verbindungen verändert werden. Ein merklicher Nachtheil würde aber
daraus nicht entstehen. Nun enthält das Wasser des Mittelmeeres im
mittleren 4 pCt. der Salze. Von diesen sind Chlornatrium, Chlor-
magnesium und schwefelsaure Magnesia die IJauptbestandtheile, dann
folgen Chlorkalinm, Jod- und Bromnatrium in kleiner Menge und eben¬
falls in geringerer Menge kohlensaurer Kalk.
Am besten ist es, das kiinstiche Mineralwasser in einer guten Fabrik
kohlensauren Wassers in Form von Siphons bereiten zu lassen. Jedoch
ist auf das Metall und die Bereitung des Verschlusses besondere Sorg¬
falt zu verwenden.
Nehmen wir als mittlere Menge eine Flasche kohlensauren Wassers
von 500 Grm., so haben wir ein leicht die Verdauung förderndes Wasser,
welches vielleicht unter Umständen bei Tisch getrunken werden kann,
wenn wir 25 oder 50 Grm. Seewasser, also 1—2 pCt. Salze auf 500 Grm.
kohlensauren Wassers hinzulugen. Wollen wir ein stärkeres Mineral¬
wasser haben, so setzen wir zu 400 Grm. kohlensauren Wassers 100,0 See¬
wasser hinzu und so können wir bis auf 200,0 für 300,0 kohlensauren
Wassers bereiten lassen. Mit 2—3 Nummern zu 1 — , / r> , 2 ;S bat man
Mineralwasser verschiedener Stärke. Hat nun das stärker dosirte Mineral¬
wasser einen weniger angenehmen Geschmack, so kann man denselben
durch Zusatz von Milch, einem auch sonst passenden Zusatze, ver¬
bessern. Für Kinder und sonst im Geschmack sehr empfindliche kann
man statt der Milch Himbccrsyrup zuseizen lassen.
Da man nun bereits so ein vortieftliches marines Mineralwasser besitzt,
kann man seine Anwendung noch viel weiter ausdehnen, wenn man es
für Krankheiten der Verdauungsorgane durch Zusatz von 1—2 Grm.
doppelt kohlensauren Natrons mehr alkalisch macht. Will man bei
scrophulösen oder syphilitischen Erkrankungen die umstimmende Wir¬
kung noch erhöhen, so kann man ein Mineralwasser mit 0,6—1,0 Jod¬
kalium auf 500,0 des marinen Mineralwassers bereiten und des Morgens
nüchtern glasweise viertelstündlich trinken lassen.
Von vornherein müsste man auch hier dem jetzt beinahe verlassenen
Vorurtheil entsagen, vor allem abführende Wirkung zu erzielen. Ich
habe von Kissingen, von Marienbad, von Carlsbad stets bessere Wir¬
kungen erzielt, wenn sie wenig oder gar nicht abgeführt, höchstens
eröffnend gewirkt haben, als wenn die purgirende Wirkung mehr in
den Vordergrund getreten ist. Das gleiche wird wohl auch von dem
marinen Mineralwasser gelten. Ein bis zwei leichte, nicht wässrige
Stühle täglich entsprechen vollkommen dem Zwecke.
Dass dieses mit Seewasser zu ‘/ t0 , 1 5 , 2 3 zusammengesetzte Mineral¬
wasser nicht nur die Cur des Seebades unterstützen, sondern auch fern
von der See und zu allen Zeiten seine Anwendung finden kann, ist
selbstverständlich.
Lieber die Indicationen dieser kräftigen Brunnen kann natürlich
die Erfahrung, nach zahlreichen und sorgsam angestellten Versuchen,
allein entscheiden. Als Ausgangspunkt der Versuche könnten allerdings
die rationellen Indicationen dienen. Diese wären: chronische Reiz¬
zustände der Athmungsorgane, Gongestivzustände nach inneren Organen,
Neigung zur Verstopfung, zu Trägheit der Verdauungsorgane, atonische
Dyspepsie, dyscrasische und dystrophische Zustände verschiedener Art,
besonders Scrofulose etc.
Die Dosen müssen natürlich je nach der Toleranz und der Wir¬
kung modificirt'werden. Man kann mit einem Glase von 50, selbst
100 Grm. anfangen und allmälig bis auf eine halbe oder ganze Flasche
von 500 Grm. am Morgen steigen.
Ich glaube, dass hier der marinen Therapie ein neues, nicht un¬
beträchtliches Material der Verwerthung eröffnet ist. Erst allmälig aber
wird sich die Gebrauchweise und die Heilwirkung des marinen Mineral¬
wassers mit einiger Bestimmtheit feststellen lassen.
Als einen grossen Vortheil aber sehe ich es schon jetzt an. nicht
nur das Klima der Riviera ärztlich zu verwerthen, sondern auch durch
Combination desselben mit mariner Hydropathie, mit Seebädern, mit
innerem Gebrauch des marinen Mineralwassers den Wirkungskreis dieses
schönen Landes merklich erweitern zu können.
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berl in. Von Herrn Dr. Wulff in Eutin sreht uns folgende Notiz zu:
Am 27. Septbr. er. wurde ich früh Morgens aufs Land gerufen zu einer
Gebärenden, mit der Nachricht von der Hebamine, dass eine Fusslage
vorhanden sei und die Geburt nicht fortsehreiten wolle. Bei meiner
Ankunft an Ort und Stelle fand ich das Kind bis auf den Kopf aus-
gestossen, nachdem dasselbe nach Aussage der Hebamme bereits eine
kurze halbe Stunde in dieser Situation verharrt habe, und cs bis jetzt
nicht möglich gewesen sei, die Extraction zu vollenden. Es gelang mir
bald die Eni wieklung des Kopfes, jedoch war natürlich die Frucht ab-
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No. 41
gestorben. Die in jeglicher Beziehung kräftig entwickelte nnd normal
gebaute Mutter hatte, obgleich seit der Geburt des letzten Kindes be¬
reits 8 Jahre vergangen waren, nicht im geringsten durch die soeben
beendete Geburt gelitten, und befand sich unmittelbar nachher und bis
jetzt vollkommen wohl. Der Anblick des Kindes überraschte: Es
machte den Eindruck, als ob es etwa V 4 Jahr alt wäre, war absolut
j proportionirt und zeigte neben auffallender Körperlänge eine ausser¬
ordentlich reichliche Entwicklung des Fettpolsters und der Muskeln.
Der Kopf war sehr gross, aber den Verhältnissen entsprechend. Auf
dem Lande, ohne Tasterzirkel, konnte ich nur das Gewicht und die
Länge des Kindes bestimmen und den Umfang des Kindskopfes im
frontooccipitalen Durchmesser: Das Gewicht betrug 8250 Grm. (16' 2 pf.) ;
die Länge des Kindskörpers 62 l a Ctm.; der Kopfumfang iUj Ctm.
Das Kind (männl.) war nicht über die Zeit hinaus getragen, die Mutter
glaubte vielmehr, es sei noch 1 Monat zu früh geboren: doch lag hierin,
wegen der deutlich vorhandenen Zeichen der Reife, ein Irrthura vor.
Nebenbei erwähnte die Mutter, dass sie früher bereits 3 Mal geboren
habe und alle Kinder so gross, ja eins wohl noch grösser gewesen sei
Wenn dies auch auf Täuschung beruhen mag, da das Urtheil nur nach
dem Ansehen, nicht nach Wägungen abgegeben war, so ist man doch
wenigstens berechtigt, auch bei den anderen Kindern eine sehr starke
Entw icklung anzunehinen. und dies ist um so auffallender, als die Mutt>r.
wenn auch kräftig entwickelt, doch nicht übermässig gross ist und der
Vater kaum die mittlere Grösse eines ausgewachsenen Mannes erreicht
und nur einen sehr mässig entwickelten Pannicul. adip. besitzt. — Den
vorliegenden Fall glaube ich der Oeffentlichkeit übergeben zu müssen,
da ich, soweit mir augenblicklich die Literatur zu Gebote steht, einen
' ähnlichen nicht angeführt finde: Schroeder (Lehrbuch) führt an, dass
bei 364 Kindern eigener Beobachtung das schwerste 4950 Grm. wog,,
dass ferner Hecker unter 1096 Kindern nur 2 fand, deren Gewicht
i zwischen 5000 und 5500 Grm. betrug. Klein Wächter (Grundriss)
■ sagt: „Im Mittel ist das Gewicht der ausgetragenen Frucht 280i> bis
3920 Grrn.: die Länge schwankt zwischen 474—527 Mra., doch werden
auch Kinder geboren, die bis 606 Mm. lang und bis 5041 Grm. schwer
sind.“ D’Espine und Picot (Grundriss, deutsch v. Ehrenhaus}
führen die Untersuchungen von Altherr in Basel an. der unter 480
! Kindern nur bei einem einzigen ein Gewicht von 4500—5000 Grm. fand
i Den Kopfumfang im Frontooccipital-Durehmesser giebt Schroeder an
zu 34 l 2 Ctm.: Klein wach ter zu 342—369 Mm. — Fehling (Stirn¬
fontanelle und Horizontalumfang des Schädels im Arch. f. Gyniik., Bd.
VII, 3) führt als grössten Umfang 37,5 Ctm. an (bei einer Länge des
Kindes von 53 Ctm. bei einer I para). — Aus den angeführten Zahlen
ergieht sich, dass das von mir beobachtete Kind an Gewicht das von
Hecker beobachtete von 5500 Grm. noch um 2750 Grm., an Läng' 1
das von Kleinwachtef angeliihrte von 606 Mm. noch um 19 Mm., an
fronlooccipitalem Kopfumfang das von Fehling angeführte Kind von
37,5 Ctm. Umfang noch um 4 Ctm. übertrifft.
— Gutachtliche Aeusserung der Königl. w issenschatt-
! liehen Deputation für das Med icina 1 wesen über das Gesuch
j des Dr. X. hiersei bst, die Behandlung der Sch ul kurzsichtig*
! keit betreffend. In augenärztlicher Beziehung hat die Wissenschaft*
| liehe Deputation ein für weitere Kreise bemerkenswerthesUrtheil abgegeben.
Im Beginn dieses Jahres richtete ein hiesiger Arzt an den Herrn Cultus-
| minister das Gesuch, ihm die Gelegenheit zu gewähren, an einem hiesigen
! Gymnasium unter Beistand der Lehrer durch Behandlung der Augen der
! Schüler den practischen Beweis zu liefern, dass die Entwicklung der
Kurzsichtigkeit bei den gegenwärtigen Sehuleinrichtungen sich auf <in
minimum beschränken, ja vielleicht ganz verhindern lasse. Es wurde
dies Gesuch auf Grund der Anschauung vorgetragen, dass die Schu-
kurzsichtigkeit im Beginn eine scheinbare, durch Aecommodationskrami i
vorgetäuschte sei, und dass eben ein solcher Krampf eine wirklich:
Kurzsichtigkeit begleiten und höher erscheinen lassen könne, als sie in
Wirklichkeit ist. Durch eine mehrmonatliche Behandlung mit Atropinen-
träuflungen würde der Accommodationskrampf und so die erste Ursacl.:
des Entstehens wirklicher Myopie w eggeschafft, ausserdem die wirklich
vorhandene Myopie auf ihren richtigen Grad zurückgeführt. Die gu -
achtliche Aeusserung der wissenschaftlichen Deputation (1. Referent Her
v. Langenbeck) bezeichnet zwar weitere Untersuchungen nach difcfcf
Richtung hin für wünsehenswerth, kann aber, da die Atropinbehandlur.
keineswegs eine schon bewährte Heilmethode ist, besonders noch keine An¬
sicht bei den Augenärzten sich darüber gebildet hat, ob die Erfolge die' - '
Behandlung dauernde sind, sowie bei den thatsächlich mit diesem Vor¬
fahren verbundenen Unbequemlichkeiten für die Patienten eine Beein¬
flussung der Atropinbehandlung durch die Regierung zur Zeit niriit
anempfehlen. Sie ist. vielmehr der Ansicht, dass dieselbe vorläufig ledig¬
lich der freien Initiative der einzelnen Patienten resp. deren Anu *
hörigen überlassen werden müsse. (Eulenberg’s Vierteljahrschr-t
Bd. 29, lieft 2.)
I — Leber die im Jahre 1S76 in Preussen auf Trichin• n
i und Finnen untersuchten Schweine. Durch die ministeriei'p
j Verfügung vom 15. Juni 1876 wurden die Regierungen und Lap' 1 *
drosteien beauftragt, über die während des Jahres 1876 in ihrem V r *
waltungsbezirke vorgekommenen trichinösen und finnigen Schweine na<n
Anleitung eines vorgeschriebenen Schemas zu berichten. Die Resiilttg'
der Berichterstattung wurden von Eulenberg (Vierteljahrsschrift
gerichtliche Meüicin, 'Bd. XXVIII, lieft 1) mitgetheilt,: wir entneh¬
men den Berichten folgende Zahlen, indem wir bemerken, dass d"'
Flcischschau in den Regierungsbezirken Schleswig, Cüln. Aachen uni
Original frn-rri
UNIVERSITf OF MICHIGAN
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
621
14. October IS TS.
Coblenz, sowie in Berlin noch nicht obligatorisch ausgeführt wird,
in der Landdrostei Aurich erst später die bezügliche Polizeivorschrift
erlassen wurde, im Reg.-Bez. Stettin nur in der Stadt De mm in die
microscopische Fleischschau später eingeführt wurde, im Reg.-Bcz.
Oppeln nur in Gleiwitz die Fleischbeschau obligatorisch ist. Von 172S595
Schweinen wurden SOG trichinös befunden, und zwar vertheilt sich diese
Zahl auf 35S Gemeinden. Die Zahl der trichinös befundenen amerika¬
nischen Speckseiten und Schweinefleischpräparate beträgt 220. Die Zahl
der finnig befundenen Schweine betrug 4705. Die Zahl der amtlichen
Fleischbeschauer beträgt 11915. Es kommt somit etwa 1 trichinöses
Schwein auf 2000 untersuchte, jedoch ist das Verhältniss in den ein¬
zelnen Regierungsbezirken ein sehr verschiedenes, es gestaltet sich in
Broraberg z. B. wie 1 : 323, und im Kreise Gnesen dieses Bezirkes so^
gar wie 1:141, im Königsberger Reg.-Bez. wie 1:149, in Posen wie
1:207, alle anderen Bezirke sind weit günstiger gestellt. Hinsichtlich
der Finnen ist durch die oben mitgetheilten Zahlen bestätigt, was von
Lewin neuerdings wieder hervorgehoben wurde, dass der Cysticercus
mit am häufigsten unter allen menschlichen Parasiten gefunden wird !
und bei den mannigfachen Gefahren, die durch denselben hervorgerufen |
werden, betreffs der Prophylaxe, doppelt Beachtung verdient. Das j
Verhältniss der finnigen zu den untersuchten Schweinen stellt sich wie j
1 :367. Die meisten finnigen Schweine lieferte der Reg.-Bez. Danzig |
(1 : 66), Königsberg (1 : 69), demnächst Liegnitz (1 : 136), Breslau, Brom- I
berg. Düsseldorf, Frankfurt a. 0., Osnabrück, Hannover, endlich Posen
(1 :337). Die übrigen Bezirke zeigten weit günstigere Verhältnisse.
Doch werden auf jene Zahlen noch weit mehr, als auf die Trichincn-
befunde die mehr oder weniger sorgfältige Art der Untersuchung von
Einfluss gewesen sein. Dass auch bei Wildschweinen Trichinen vor- j
kommen, wurde in einem Falle in Lippspringe bestätigt. Bei der In-
fection des Wildschweines spielt vermuthlich ebenfalls die Ratte eine
Rolle. * i
— Beiträge zur M ed i c i n al s t a t i st i k des Pre ussisclie n j
Staates und zur Mortalitätsstatistik der Bewohner desscl
ben für das Jahr 1876. Heft 46 des amtlichen Quellenwerkes der
„Preussisehen Statistik“, Verlag des Kgl. statistischen Bureaus. I
Berlin 1878. 4. 380 Seiten. 9 M. — Wie das Heft 43 des amtlichen Quellen- j
Werkes der Preussischen Statistik, so enthält auch das vorliegende Heft Ar- j
beiten der medicinalsiaiistischen Abtheilung des Kgl. preussischen Bureaus.
In 4 Abschnitten gelangen zur Darstellung: l. Die Verunglückungen mit
tödtliehem und nicht tödtliehem Ausgange. II. Die Selbstmorde. III. Die :
Statistik der Irrenanstalten. IV. Die Todesursachen in Combination mit den
Altersklassen der Gestorbenen. Die Einleitung aus der Feder des I)r. med. j
Glittst ad t bring! die historische Entwicklung des statistischen Materials 1
für die einzelnen Abschnitte. Hervorzuheben ist besonders, dass die
Statistik der Todesursachen durch die Angabe der Lebenden nach Alters- 1
klassen. berechnet für den 1. Januar 1876. und durch die Mittheilung I
der Zahlen für die im Jahre 1876 lebend- und todtgeborenen eine I
grosse Vervollständigung erfahren hat. Als Quellenmaterial sei dies j
umfangreiche Werk allen denjenigen bestens empfohlen, welche medicinal- j
statistische Studien treiben.
— In der Woche vom 1. bis 7. September sind hier 619 Personen '
gestorben. Todesursachen: Masern 1, Scharlach 19, Roth lauf 2, I
Diphtherie 17. Kindbett lieber 1, Typhus 6 (Erkrankungen an Typhus !
25 m. 13. w.) , Dysenterie 7, Gelenkrheumatismus 1, Syphilis 4, inine- j
ralischo Vergiftungen 2 (1 Selbstmord), Sturz 4, Erschlossen 4 (Selbst- |
morde), Ersticken 1, Erhängen 2 (Selbstmorde), Ertrinken 2 (Selbst- 1
morde), Lebensschwäche 38, Abzehrung 28, Atrophie der Kinder 7,
Scropheln 3. Altersschwäche 14, Krebs 13, Wassersucht 1, Herzfehler 12,
Hirnhautentzündung 5, Gehirnentzündung 10, Apoplexie 7, Tetanus
und Trismus 4, Zahnkräinpfe 3, Krämpfe 58, Kehlkopfentzündung 2,
Croup 2, Pertussis 3, Bronchitis 14, Pneumonie 13, Pleuritis l,Phthisis 64,
Peritonitis 7, Diarrhoe 59, Brechdurchfall 96, Magen- und Darment¬
zündung 15, Nephritis 5, Krankheiten der Blase 2, andere Ursachen 56,
unbekannt 1.
Lebend geboren sind in dieser Woche 427 m., 414 w., darunter
ausserehelich 58 m., 44 w; todtgeboren 9 m., 20 w., darunter ausser-
eholich 2 m., 5 w.
Die durchschnittliche Sterblichkeit während dieser Woche beläuft
sich auf 31,2 pro Mille der wahrscheinlichen Bevölkerungszahl, die ent¬
sprechende Geburtenziffer auf 42,4 pro Mille (beide Summen mit Aus¬
schluss von 1,5 pro Mille Todtgeborenen).
Witterung: Thermometerstand: 14,65 R., Abweichung:
1,76 R. Barometerstand: 28 Zoll 1,31 Linien. Dunstspannung:
4,88 Linien. Relative Feuchtigkeit: 71 pCt. Himmelsbedeckung:
5,1. Höhe der Niederschläge: 4,4 Pariser Linien.
YI1I. Amtliche fflittheilnngen.
Pertonalla.
Auszeichnungen: Seine Majestät der König haben Allergnädigst ge¬
ruht, dem Oberstabsarzt 2. Klasse und Regimentsarzt beim Rheinischen
Dragoner-Regiment No. 5, Dr. Kühne, den Rothen Adler-Orden
4. Klasse, dem Generalarzt 2. Klasse und Corpsarzt vom XI. Armee-
Corps, Dr. Kukro den Königl. Kronen-Orden 2. Klasse, dem Königl.
Oberstabsarzt 1. Klasse und Regimentsarzt beim Hessischen Füsilier-
Regiment No. 80, Dr. Neubauer, den Königlichen Kronen-Orden
3. Klasse, dem Stadtphysicus, Geheimen Medicinal-Rath und Professor,
Dr. Li man zu Berlin und dem Bezirksphysicus, Sanitätsrath Dr. Lew in
ebendaselbst das Kreuz der Ritter des Königlichen Haus-Ordens von
Hohenzollern zu veleihen.
Niederlassungen: Dr. Rehfeldt in Märkisch Friedland, Dr. Teut-
scher in Mohrin, Dr. Nave in Gr. Hartman nsdorf, Ober-Stabs- und
Regimentsarzt Dr. Hoeche in Mühlhausen i. Th.
Verzogen sind: Dr. Pompctzki von Mk. Friedland nach Berlin,
Assistenzarzt Dr. Moriz von Graudenz nach Strehlen, Dr. Heiden¬
hain von Loecknitz nach Coeslin, Dr. Peters von Muskau nach
Paris, Dr. Muche von Gleiwitz nach Peiskretscham, Arzt Rummler
von Peiskretscham nach Woischnik, Ober-Stabs- und Regimentsarzt
Dr. Opitz von Mühlhausen i./Th. nach Altona.
Todesfälle: Dr. Koppe in Cottbus, Sanitätsrath Dr. Moser in Coes¬
lin, Kreiswundarzt Weitzmann in Laucha, Apotheker Lieder in
Pr. Friedland. _
Militär- Aerete.
27. September. Dr. Bode, Stabs-Arzt des 5. Thüringischen Infant.-
Regmts. No. 94, zum Oberstabsarzt 2. CI. und Regmts.-Arzt des
3. Brandenburg. Inf.-Regts. No. 20, Dr. Berndgen, Assist.-Arzt 1. CI.
vom 1. Westiäl. Inf.-Regt. No. 13, zum Stabs- und Bats.-Arzt des
2. Hannov. Inf.-Regts. No. 77, Dr. Krosta, Assist.-Arzt 1. CI. vom
1. Sehles. Husaren-Regt. No. 4, zum Stabsarzt beim medic.-ehirurg.
Friedrich-Wilhelms-Institut — befördert. Die Assist.-Acrzte 1. CI. der
Res.: Dr. Schneider, vom 2. Magdeburg. Landw.-Regt. No. 27,
Dr. Eigen, vom Res. Landw.-Bat. No. 39, Dr. Weigert, vorn 4. Magde¬
burg. Landw.-Regt. No. 67 — zu Stabsärzten der Res. befördert.
Die Assist.-Aerzte 1. CI. der Landw.: Dr. Schlüter, vom 2. Westfäl.
Landw.-Regt. No. 15, Dr. Josephson. vom 4. Westfäl. Landw.-Regt.
No. 17, Dr. Hoffmann, vom 1. Nassau. Landw.-Regt. No. 87. Dr. Krause,
vom 2. Oberschles. Landw.-Regt, No. 23, Dr. Kremnitz, vom Res.
Landw.-Regt. No. 35, Dr. Küpper, vom Res. Landw.-Bat. No. 39,
Dr. Hynitzsch, vom 3. Magd. Landw.-Regt. No. 66. Dr. Harwart, vom
7. Ostpreuss. Landw.-Regt, No. 44, Dr. Bille, vom 7. Pommer. Landw.-
Regt. No. 54, Dr. Schwengers. vom 6. Rhein. Landw.-Regt, No. 68,
Dr. Dabis, vom 6. Thür. Landw.-Regt. No. 95, Dr. Loretz, vom Res.
Landw.-Bat. No. 80, Dr. Schmitz, vom 6. Rhein. Landw.-Regt. No. 6S,
Dr. Dirska, vom 4. Niederschles. Landw.-Regt. No. 51, Dr. Rapmund,
vom 1. Hannov. Landw.-Regt. No. 74, Dr. Weissenfels, vom Res.
Landw.-Bat. No. 34, Dr. Zipper, vom 4. Brand. Landw.-Regt, No. 24,
Dr. Kersten, vom 4. Rhein. Landw.-Regt. No. 30, Dr. Üssowidzki, vom
7. Brand. Landw.-Regt. No. 60 •— zu Stabsärzten der Landwehr be¬
fördert, Dr. Ott, königl. bair. Assist.-Arzt 2 CI. a. D., im preuss.
Sanitätscorps, und zwar als Assist.-Arzt 2 CI., mit einem Patent vom
3. Mai 1876, beim Train-Bat. No. 15 an gestellt, Dr. Lange. Stabs¬
arzt von der Unteroff.-Schule in Potsdam, als Oberstabsarzt 2. CI.
mit Pens, und der Unif. des Sanitätscorps, Dr. Herz, Assist.-Arzt 1. Kl.
vom 4. Brandenburg. Inf.-Regt. No. 24 mit Pens., Dr. v. Hasel berg,
Stabsarzt der Landw., Dr. Dümke, Stabsarzt der Landw., Dr. Hirsch,
Stabsarzt der Landw., Dr. Krug, Stabsarzt der Landw.. Dr. Heinrich,
Assist.-Arzt 1. Kl. der Landw. — der Abschied bewilligt. Dr. Kessler,
Stabs- und Bats.-Arzt des Füs.-Bats. 2. Hannov. Inf.-Regts. No. 77,
zu den Aerzten der Landwehr des 2. Bad. Landw.-Regts. No. 110 über¬
getreten. _
Ministerielle Verfügung.
Auf den gefälligen Bericht vom 26. Juni d. J.,
betreffend die von der Königlichen Regierung zu Stettin angeregte
Frage der Stempelpflichtigkeit der Concessionen für Fleisch¬
beschauer,
erwidern wir Ew. Excellcnz, bei Rückgabe der Anlagen, ganz ergebenst,
dass die amtlichen Verfügungen, durch welche Fleischbeschauer gemäss
§ 36 der Gewerbeordnung mit öffentlicher Glaubwürdigkeit Behufs der
Controle der obligatorischen Fleischschau, soweit diese polizeilich an¬
geordnet ist, bestellt werden, unbedenklich dem Stempel von 1 M. 50 Pf.
unterliegen, weil sie eine Art vöti Concessionen darstellen und weil,
selbst wenn dies verneint werden sollte, doch die Position „Ausfertigen 44
des Stempeltarifs vom 7. März 1822 darauf Anwendung finden würde.
Ew. Excellenz ersuchen wir im Anschluss an die Circularrescripte vom
4. Januar 1875, 6. April und 26. Juli 1877 ganz ergebenst hiernach
die Regierungen (resp. Landdrosteien) gefälligst mit entsprechender
Anweisung zu versehen.
Berlin, den 26. September 1878.
Der Minister der geistlichen, Der Minister für Der Minister des
Unterrichts- u. Medicinal- Handel, Gewerbe Innern.
Angelegenheiten. u. öffentliche Arbeiten. Im Aufträge:
Im Aufträge: Im Aufträge:
Greiff. Ribbeck. Stüve.
Der Finanz-Minister.
Im Aufträge: Hasselbach.
Bekanntmachungen.
Die Kreisphysicatsstelle des Kreises Recklinghausen ist vacant. Qua-
lificirte Bewerber um diese Stelle werden hierdurch aufgefordert, sich
unter Einreichung ihrer Approbation, des Fähigkeitszeugnisses zur Ver¬
waltung einer Physicatsstelle, sowie sonstiger Zeugnisse und eines aus¬
führlichen Lebenslaufes bis zum 31. October d. J. bei un 9 zu melden.
Münster, den 28. September 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
622
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 41
Die Kreiswundarztstelle des Kreises Querfurt ist wieder zu besetzen.
Geeignete Bewerber wollen sich unter Einreichung ihrer Zeugnisse und
eines kurzgefassten Lebenslaufes innerhalb 6 Wochen bei uns melden.
Bei der Wiederbesetzung werden die Wünsche der Bewerber hinsichtlich
der Wahl des Wohnsitzes in einer der Städte des genannten Kreises
thunlichst Berücksichtigung finden.
Merseburg, den 27. September 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Die Kreiswundarztstelle des Kreises Warendorf ist vaeant. Quali-
ficirte Bewerber um diese Stelle werden hierdurch aufgefordert, sich
unter Einreichung ihrer Approbation, des Fähigkeitszeugnisses zur Ver¬
waltung einer Physicatsstelle, sowie sonstiger Zeugnisse und eines aus¬
führlichen Lebenslaufes bis zum 15. November d. j. bei uns zu melden.
Münster, den 30. September 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Summarisohe Ueberaicht
der im Prüfungsjahr 1877—1878 bei den Königl. preussischen medici-
nischen und pharmazeutischen Prüfungs-Commissionen geprüften Doctoren
und Candidaten der Medicin und Candidaten der Pharmazie.
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I. Doctoren und Candidaten
der Medicin
sind aus dem vorigen Jahre wieder in
die Prüfung getreten.
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neu eingetreten.
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zusammen:
70
27
33
2o
47
37
21
36
24
315
davon haben die Prüfung als Arzt be-
standen
mit der Censur: gut.
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25
12
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16
12
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„ „ „ : vorzüglich gut .
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24
15
251
nicht bestanden, resp. zurückgetreten:
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64
II. Candidaten der Pharmazie
sind aus dem vorigen Jahr wieder in die
Prüfung getreten.
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1
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neu ein getreten.
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16
139
zusammen:
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~9
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davon haben die Prüfung als Apotheker
bestanden
mit der Censur: genügend . . .
2
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* n : gut . . . ...
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„ „ „ : sehr gut . . .
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zusammen:
21
12
27
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18
2
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~16
139
nicht bestanden, resp. zurückgetreten:
1
2
2
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1
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1
—
2
9
Inserate*
In der Heilanstalt zu Pankow ist die Stelle eines Assistenzarztes
zu besetzen. Gehalt neben freier Station 1200 Mark.
Dr. Mendel.
Zur Assistenz und Aushülfe b. wissenschaftl. Arbeiten wird e. Me-
diciner v. einem Specialisten gcs. Gcuaue Adressen abzugeben poste
restante Dr. L., Kaiser hof Postamt. _
Von sehr beschäftigtem Provinzialarzte wird unter günstigen Be¬
dingungen möglichst sofort ein Assistenz-Arzt gesucht. Näheres auf
Offerten unter 0. G. 110 an die Exp. d. Bl. _
Ein im verheirat he ter Arzt sucht Praxis, am liebsten in der Nähe
von Berlin oder einer anderen grossen Stadt. Adressen erbeten bei
Rudolf Messe, Fried riehst r. 66 untm F. F. 531. __
Reisebegleiter.
Ein pract. erfahrener Arzt (gute Referenzen) sucht Stelle als solcher.
Offert, sub B. A. 120 Expedition.___
Ein junger Arzt, der sich von angestrengter Praxis erholen will
wünscht als Reisebegleiter nach dem Süden zu gehen. Get. Offert!
sub A. M. 118. p. Exp. d. Bl.
Auf Wunsch einiger Herren Collegen werde ich neben den foü
sischen Cursen in den Wintermonaten (von Mitte November ab) auch
einen klinischen Cursus der Psychiatrie für Aerzte (Abend¬
stunden) halten. Anmeldungen erbitte ich schriftlich oder mündlich.
Berlin, den 1. October 1878. Dr. Willi. Sander,
Wallncrtheaterstr. 29.
Ein junger Arzt, gegenwärtig Assistent an einem hiesigen Kranken-
hausc, wünscht vom Dccembcr an die Assistenz oder Vertretung eines
älteren hiesigen Collegen zu übernehmen. Gef. Örterten unter R. 116
durch die Exped. d. Bl.
Dr. raed. H. Mahr (Astmannahauten) practicirt während der Winter¬
monate in Wiesbaden. (Eleetrotherapie und Massage.)
Vom Anfang October 1878 werde ich wieder in Nervi anwesend sein.
_ Dr A. ScJiettUf
Meine Wohnung während des Winters in RTervi ist Castello
Ponzone. _ Dr. H. J. Thomas-Baden weiler.
Dr. v, We ndt practicirt diesen Winter in Rom« Via Gregoriana
No. 7, II. _
Dr. A. Christeller ( Schweiz) nimmt am l. October 1.S78
seine Praxis in Bordighera-Riviera wieder auf und wohnt im Grand
M6tel de Bordighera._
(Riviera.) Bordighera. (Italien.)
Herrlicher Winteraufenthalt im „Palmeitland“ zwischen San
Remo und Mentone.
Eisenbahnstation: Bordighera.
Grand Hötel de Bordighera.
Inmitten eines prachtvollen Palmengartens mit schönen Glasgallerien
als Wandelbahnen. Ausgezeichnete Küche. Aeusserster Comfort. Deutsch-
sprechende Bedienung. Pensionspreise für längeren Aufenthalt \\>n
7—0 Frs. inclusive Nordzimmer und von 10—12 Frs. inclusive ?iit-
zimmer. Elegant inöblirte eigene Villas zu vermiethen. Dieses wunder¬
schön gelegene Etablissement wird nach schweizerischem System geführt
durch den sich bestens empfehlenden Besitzer:
_A. Angst (von Zürich).
Winter nt At io n.
Schweiz.
Wiesen.
(Ct. Graubünden.)
4800' ü. M.
W Inter Station.
Schweiz.
Alpiner Luftkurort,
welcher sich bei gleicher Höhe vor Anderen durch das milde Klima
in völlig geschützter Lage auszeichnct, und durch genaue Beobach¬
tungen nachgewiesen wurde, dass die Temperaturschwankungen vor-
hältnissmiissig sehr gering sind, somit Wiesen als Herbst- und
Winteraufenthalt bestens empfohlen werden kann, was von den
ersten medicinischen Autoritäten anerkannt ist.
Hdtel und Pension Bellevue.
Grosser comfortabler Neubau mit Ofenheizung in den Zimmern
und in den absehliessbaren Corridoren. Hydranten, Closets, Bäder,
Veranden, Schlittschubbahn. Arzt im Hause. Post- und Telegraphen¬
station an der Landwasserroute. Dirccte Postverbindung mit Chur
(5 Std.) und mit Davos (2 Std.). Pension incl. Zimmer, Beleuch¬
tung, Bedienung und Heizung per Tag 4' 2 —7 Frs.
Freundliche Aufnahme und beste Verpflegung zusichernd, em¬
pfiehlt sich ergebenst der Eigenthümer:
Hans Bernhard.
SussdorlF’s Tupelo-tents
(Xyssa aquatica),
angefertigt von Geo. Tiemann & Co. New-York, bester Ersatz für Pres>-
schwämme u. Lauiinaria, nur zur beziehen von Wilhelm Tasch, eh r.
Instrumentenmach. u. Bandagist. Berlin N. W., Neustädtische Kirch-
Str. 5. ___
Berliner Fabrik für medicinische Verbandstoffe,
Berlin C., Spandanerstr. 3 und 4,
empfiehlt ihre Präparate zu den billigsten Preisen.
Neu: Sämmtliehe Präparate nach Dr. Paul v. Bruns jun.
Fixirle Carboljute nach Dr. Munnich ejtc.___
Ein junger Arzt, der bereits seit 4 Jahren die Praxis mit bestem
Erfolg ausLieübt hat, sucht Familienverhältnisse halber eine anderweitige
rentable Thätigkeit in einer mitttleren oder kleineren Stadt am liebsten
in Mitteldeutschland. Gef. OlTert. sub U. V. W. 117 d. d. Exped. d. Bl.
Druckfehler-Berichtigung.
In der vorigen Nummer S. 605 in dem Aulsa.z über den bntwun
zur ärztlichen Staatsprüfung muss es statt „rudesse prustenm
heissen: „ r a i d e u r prussienne“. n -
Verlag und Eigenthum von August Uirschwald in Berlin. — Gedruckt bei L. Schumacher in Berlin.
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Original from
UNIVERSETY OF MICHIGAN
Dia CwUner jeden
Montag Ui d*» bWrU vof* ***ig*ti*n.* sf'Äefcn tr >.
Prai* viertel)äbrhch 6 Ma*^- Ü^rt’ Um^n o»itnu*i
*U« StodMjiMitiftjon «#?1 Po*t- WWfceu an.
Beiträge foüö man pottofyet an die Endactio®
(K W. Dorotbpoiiiitr y9.> ödnt *« «Be V«r*
lagsi-Dot«I:;w'fUutic- tön Amfrist FirftdiWÄld in Dar-,
lin tN'. W. D»t«* öuu Linden 6S.j' «insanden.
.mmi.WIII'.NSC
Organ für practLsclie Aerzte,
Mit BerüGköichtigung der preussischeii Modichialverwaltting und McdicinMgesetzgobnng
naeh amtliche« Mittlieilnageii,
Redacteur; Prot Br. L
Verlag von August HirsdiwaM in Berliti
Montag, den 2L October 1878-
m 42.
Fünfzehnter Jahrgang.
Inhah; L Mart iw: Kur Tfcciapir ikr i'h?-r»*Metritk — II. cU ?i c & ru H»: Zur tAuund-d; de» Mensfrtial*K\.iiiük , ft»*' >uvi dei UrbcM-tn nach '
’ ÜtBt*-v'iirv{.mlyfur un Motte-* umuoI - lll. Seiger: lUniVrce- um«’ Ueui'b. - iV * «V'fjr t l «;l*fcr '■./■ ßlÜ&&
V. krihfc (Lö$j£ftni lieber thir des lUofethfeekiai Sbi&tums — CwbaJr6iu>‘ lieber dk AtftgSt&tia
•< i I ' irtscb n V >rv.. — ' VT. Vyrluuidiunnen . : irz t 1 tvh**r- (h>s, »Gebote h (B»:f■rhi«?-» mediumi'j^by <»<;,«•■!I-wl'uÜ — t.b^Mseliajp b)>
fi : f ‘o ) U5 «i (i lü. ' i ':V m Utriin — Wtcm mr wiss»hyrhHÖ hebe 'JleUVuBüt ?.\i Jtwhngshefp t Vt.) ■-■■ VlL Fg&Ültriofi (Riali*£ti
’/c.’ s.vjt.MjV: üh-r bi». fn*j§i/.'äiir»iTVbnj« m IVussen — Tasi*.sge*»dm*iO}eUtf AölGenT —. VI fl. Amthelu- MU!hGluugim, -• fusbrate.'
L Kur Therapie der ttoiniHlltH Hdritii
(Vortrag y io derr gxH&kologmelieü üer Natuy-
ior^rlterverätamojlung *u bari^.)
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IV i der #rii bexitigr *jj Ta^. «och nicht allgemein ülw'V-
riustimmrnde« Deünirutig .desxett. wav wta,» uttfer chnV
njca verstehe^ S'di, )<t ,j-. gebotet, däs* ich .'.«machst
mich darüber «♦?SHpjrecJbei :vras ich h\ foiguideni daninfer > »'V-
staifdi'D ^issvn vr tII. .Icü P^k- aufVr Mvtnlb> elironnia alle die
Palü‘ \>xi\ Bindcgmv^byüyi-ortrf’^Iue tti^s Uert^ /!.. .»fnui*-», i»vi
üeh^u .OrgÄU ü.« aOeii seiiieD TUtbd^n Bijebr ed« vj-rniigec
-ifdt.e v\h>L JLicig iv. : ^rbi- noch ?,n dem
‘ fctA&Vm hhurwrJier Aii^ocJcr-rttrrg'''.a'ijd se<rfA>r OurcMVuchtuog
sWü, oder bereits' .ici dem hiniriruH'i* ’kmrrjnd.'iüuJtriit-r s» hrnm-
!»}.a*»g:. .Wejiu nun auch 'gf.wr*).n.vlirii : - dieser )'v»k;os>’ das gaiwse
C»fga-ii •ergreife, so siotl', üieiuer-A hmWu nadh döcb auch uod»
iJkjeDfgeT/ FiUlr hierher »sir rvdmt*n, ]n deiten die
Utpcrtruitiiit Mch vorzugsweise >«« CervU entwickeSt dbiI hrer
. wiVti^nrgi hpAoriders d(e Muf{Hia»uuid,sypp.tUt Yergrfesfcit uuil uni*
•/». -ialUd. w<»bei denjlu dsciilpduhaiitidveriug .üUdit blos Vv. - .->1
«hr Uage dieses The des, ^miwu auch der ihn vouug.s-
weise von der Scheide :«ti£ Irijftynden Keixe und Trimite m tief-
\<riiidonuigt'b di»|icmirr; Oas sind meines Eraehteo«'
u\ kiüxeu Zügen d<e iudimde. Hej ehron'kriier Me.tribV, denen
•ivü mit «>def ohije eluhdtebde Euticilitdaugsprucdsse sowohl bei
rieii (xirenlrn \mu*UiYUi<Gyu des nicht pnerperalon tlferhs begegtien.
aUo bei Lage- find (>e^ralt r \ f erAnder,mrgun, bei auurmnleo Men»
s^ro.afioiie jl wpd >t*xüe\\eu l-’unetioiuyn »uni verwitudten Ursachen,
aH auch gmot l^sondtws hei der uuYoUstfuuljgcü puerperalen
Involdtunj — der ^eltc*nmi Fülle endlich nicht /.n vergessen, iü
db:»en dergletclien Vojäinlefungeii nh wirkliche EiitzümitingB'
producta sid.» üüs »drieb aciiteji Metritii^ henyj^dldpu.
Wenn dies dfr Ctrmidlage der vielgestaltigen Symptom^ 1 ,
dds^ru ( 1Kt; s / Was ihh unter chrdniMiaV- Meffitiw hier v«r»taä(len.
WisKeie wilU so mn## ich uoch bei einer Chinpikratiu« • einuft
.\»,c -cMw'k verweilen, die bi der iieuev^y'Zeit cu4 eine besniidö^e;
thvlepföug srewormen hat — ich memo rUe Vendidr ritngcti der
>ehbdmha(U. be^v.nder.s de.s Cmix nml der l’ortlo vagn«alis.
idt tvtl! (Jamü nicht Sowohl auf die mehr flacbenhafteiv Forme»
»jrf c>io ntüö/^er, U e^ip et atiait, de reu Cb.hu cidetiz tbi> cbrouisclicW ife
trmv ,kVii» >o r*-?elniä^sige*. Vorkotnmeu ist, hibweisen^ viebn^br
'mochte' ich hier jene Obortladhtüvtrauderiingen hetonea, • dip triau
früher ah Ejmsjouwr* ^) s Kctrop'ion Oder Eversion bexitkh^te«
Ure^gi Prkrar, kn Eigen hüben mein es Erachtens durch die Cuter-
^«chmigeu v «nt i lat f B u f e. ood J. Veit *;) ctue wesen flVob And eie
Bedeutung etbültefi. Kuhm man früher an, dass diese Veräudenm»
göh sich wesentlich vhb»T gan» 1p ikw fibcfü^clje des ei%aukten
Tbeiles abspioleo... so lebt en die durch, jene Unt^rwhungeü augv-'.
regtvu weiteren Ue«;jfUrhtnngeii gaUÄ HberAengemf. dks.v jmu* iueist.;
pap:Haren WucbePtuJgeü mtC jhrefc dfüA'igen ^^uljibiftttgeu iu stv
rmufai^w itud ; r^rtiä'reu.. Äus'»'t.ftlpu:ug ; en. ß&f in das unter ihney
io^sude 'Gewebe lun-eii’ wacluwii. da.^s onu-e die>vc N'.oibijduUg
das Biyde» und Alaskelg&webe nt eifere foridauvridlftü U&k~
Yv-rsetat wird, dass die sohebduifen Abscl/nürmjgeu
■.solcher drüsiger Aiis>«tulpmjg>*n plduUeti hier und da. als
tlri»-*'*♦* Eletncipe in den TTeruswandmfgen mift.mcli»:>i. um (iie
bcKun sieh oir»o rUa^senhafU' liiiubigcw^bshypertrophU* eutwirkelt.
Aber wditer nöp*r. (He giosst-n Epitheben jhnei ddisigen Ans-
.sb'Upuiigeu, lvgcn den Gedanken un maligne Entartung nahe.
Und die Annahme dieser letaleren ».eii.-mi sirb in ma:h viel
sproeheudCrer Weisealadurdi klinisch v.\i rech?fert|gebGdüs^ bei
leiciiten Tratimoo, )*< i geringfügigen ^cliädliddceiten dm von
soicheij Aiustnl'pnugiiii uötl Tirüjmiunßablld'uogeu tmtecmiürcto
Stcdie riw.Ö b erflaclie, ; dle olineüju schou ^el 1 ist duvdiwaehsei.i Hi,
aasfrillt, s-ola-sdam! eui.-fMib^taii/.vertust entsteht mit «evfeoss-i.» n
barten Wandungen, die '.stark absondenu bei Berührung: i eicht
bloten und auf euuw detheir wcdtliin iuftlta;l/tori Lnterlagv liegen.
Dieses Bild, da^ klmiscli vom Hardoniu nicht xu uuferschehlcu
ist. muss microstopiscb .stivng davon gescliiedeu werden..; s.>
langi? ausgesprochen* cavclnOfliato^ Fdemente darin hAdeu urul
diss-uuinirte Zellenlmnfeu nicht naohxuwvi^en s5n<L Dass. solo.ho
Uebi.'rgange aber vielfach früher oder später sich aöjatölhm
können, ist nach cin/chien Boobarbtuiigeu ujeht au (»ezweliy-ln,
eine TbatAache. W'el«die die cbronlsche Jtfcti'itw |AQgüiiwTihcli. in *
einem ganz anderen Uchte erscheinen liGGtG
Halten wir nun daran Aist, dass es sich bei dci chronisdieu
MetfiMü um eine tiefgreifende Ihubihlung d^s G'öWcheb fjes ganzen
üerus huiid« ir. du-e. dann in der fferei die. ghdGrodcii oder
voififo* »‘"krankte SfJdeirnhauf eine tiefge|,on ; do und köii r -e.;.weg>
) : x t: tHd'u. Gybb b. 11 ,
415,
Co- gle
624
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
immer gutartige Veränderung erfährt, dann können wir nicht dar¬
über erstaunt sein, dass die bisher landläufige locale Thera¬
pie — von der überaus wichtigen allgemeinen will ich hier
ganz absehen — nur ganz ausnahmsweise einen dauernden Er¬
folg aufzuweisen hat. Von der rein medicamentösen Local¬
therapie bleibt auch heute noch, wo zahlreiche neue Aetzmittel
zur Verfügung stehen, so wenig dauerndes und so wenig durch¬
greifendes zu erwarten für eine gründliche Umbildung des hy¬
pertrophischen Bindegewebes, dass jenes viel citirte Dictum von
der Unheilbarkeit der chronischen Metritis auch heute noch voll¬
auf zu Recht besteht, nämlich so lange wir nur mit medicamentö¬
sen Applicationen dagegen zu Felde ziehen. Etwas mehr Erfolg
weist die lange fortgesetzte Depletion des Uterus auf, aber auch
ihre Resultate sind theils nicht ohne allerlei Uebelstände erkauft,
theils von zweifelhafter Dauer. Die besten Erfolge sieht man
bei diesen Behandlungsweisen in denjenigen Fällen, in welchen
nach erzielter Verminderung des chronischen Schleimhautca-
tarrhes Gravidität eintrat, und sich dann unter dem Einfluss
der puerperalen Involution die Bindegewebshypertrophie zurück¬
bildete. Dass wir nun eine der puerperalen Involution analoge,
durch fettige Metamorphose des hypertrophirten Bindegewebes
erfolgende Umbildung auch auf künstlichem Wege, nämlich
durch die Amputation des Collum herbeizuführen im Stande
sind, hat schon 1864 C. Braun 1 ) gezeigt. In den sechs von
ihm damals veröffentlichten Fällen war die Verkürzung des
Uterus und die Verkleinerung seiner Wandungen nach Am¬
putation auch nur eines kleinen Theils der Portio in kurzer
Frist und in microscopisch nachweisbarer Form eingetreten.
Die Braun’sehen Beobachtungen, die sich an die bekannten
Lisfranc’schen anlehnten, sind dann von einer Anzahl von
Operateuren bestätigt worden, und nach und nach hat diese
Indication auch in so weit Eingang in die Lehrbücher gefunden,
dass man zur Herbeiführung der Rückbildung der Bindegewebs¬
hypertrophie bei Metritis chronica als ultima ratio gewisser-
massen die Absetzung eines Theiles des Collum angerathen findet.
— Diese Operation hat bei der circulären Hypertrophie der
Vaginalportion mit oder ohne Vergrösserung des Uteruskörpers,
bei Elongation und Coincität des Cervix, bei Stenose und endlich
ganz besonders als Voroperation bei Prolapsoperationen in der
neueren Zeit so grosse Erfolge aufzuweisen, dass bei den
genannten Leiden heut zu Tage niemand Bedenken tragen
wird, die Amputation des Collum auszuführen. Diese Am¬
putation des Collum scheint dagegen bei Metritis chronica
nur noch wenig ausgeführt zu sein, obwohl sie durch die
Braun’sehen Fälle schon hinreichend empfohlen und auch
später von keiner Seite in ihrer Wirkung für die Heilung des
sonst als unheilbar betrachteten Leidens angezweifelt worden
ist. Vielmehr enthalten die grösseren Zusammenstellungen über
Amputatio colli von Spiegelberg 2 3 ), Hegar*), Kehrer 4 ) die
volle Bestätigung nachhaltiger und entscheidender Wirkung dieser
Therapie bei der chronischen Metritis. Auch mir drängte sich
das Verlangen nach einem wirklichen Heilmittel der chronischen
Metritis mehr und mehr auf, und so habe ich, nachdem ich
vorher mich lange auf die rein medicamentöse Localtherapie,
dann auf die localen Blutentziehungen beschränkt, jetzt nicht
erst Zeit und Kräfte der Patienten zu derartigen, wenn über¬
haupt so doch sehr unsicher wirkenden Medicationen ver¬
wandt, sondern sofort — vorausgesetzt, dass nicht entzünd¬
liche Processe in der Umgebung noch fortbestanden — zur
1) Z. d. Ges. d. Aerzte in Wien. XX. Jahrg. Bd. I. 1864. S. 43.
2) Archiv f. Gyn. Bd. V. S. 437.
3) Odebrecht, B. d. Ges. f. Geb. z. Berlin. Bd. III. S. 220.
4) Archiv f. Gyn. Bd. X. S. 431.
No. 42
Amputatio colli gegriffen, sowohl dann, wenn der mehr oder
weniger stark verdickte Uterus noch weich und succulent war
als auch dann, wenn schon die narbigte Schrumpfung einge¬
treten. Nur die Fälle habe ich ausgenommen, in welchen die
puerperale Subinvolution noch frischen Datums war, und in
denen die dabei üblichen, resorbirenden Localapplicationen
noch wirklichen Erfolg versprachen. Auf diese Weise habe ich
unter 109 Absetzungen der Portio ! ) 72 Mal wegen Metritis
chronica operirt. Gestatten Sie mir, mit wenigen Worten diese
Fälle Ihnen kurz zu skizziren. Von diesen 72 Fällen hatte
ich die erstere Hälfte längere Zeit hindurch in der bisher üb¬
lichen Weise behandelt. Fast in allen Fällen fanden sich die
eingangs erwähnten Veränderungen der Schleimhaut, 9 von
ihnen boten klinisch vollkommen das Bild des Carcinom, zer¬
fallende Uleerationen auf weithin indurirter Grundlage, übler
Geruch der sanguinolenten Secrete, und oft wiederkehrende
profuse Blutungen, und trotzdem war microscopisch die Dia¬
gnose auf Carcinom nicht zu begründen. In allen Fällen war
der Längen- und Dickendurchmesser des Uterus mehr oder we¬
niger beträchtlich vergrössert, in den meisten war das Collum,
besonders die Mutterlippen, in hervorragender Weise an der
Bindegewebshypertrophie betheiligt. Die Symptome bestanden
in meist profuser Secretion, unregelmässiger, abnormer Men¬
struation, heftigen Schmerzen im Schooss und Kreuz, Verdauungs¬
beschwerden und den viel gestalteten Befindensstörungen, die
sich so häufig bei Metritis chronica finden. Das abgetragene
Stück schwankte zwischen 5 und 4 Ctm. Nach einer nur 7 Mal
durch geringe Reactionserscheinungen gestörten Reconvalescenz,
wobei die Pat. die ersten 7—8 Tage im Bett zubrachten, fand sich,
dass der Uterus mehr in seinem Längendurchmesser verkürzt war,
als um das abgeschnittene Stück. Es konnte nicht bezweifelt
werden, dass durch die Reaction des ganzen Organes schliesslich
eine über denselben in toto ausgedehnte Umwandlung erfolgt war,
welche den Längendurchmesser dann noch um 1—2 Ctm. weiter
verkürzte. Mit dieser Veränderung vollzog sich in der Regel
gleichzeitig eine Abnahme des Dickendurchmessers; endlich
kehrte, allerdings erst später, auch die Consistenz des Uterus
zur Norm zurück, und damit verschwanden fast durchgehend«
alle jene objectiven, und meist auch die subjectiven Be¬
schwerden der Patienten. Dass auch die subjectiven Klagen
in der überwiegenden Mehrzahl aufhörten, will ich weniger be¬
tonen, das ist ja eine Erscheinung, die wir nach den ver¬
schiedensten Curen beobachten, auch wenn deren unmittelbares
Resultat kein befriedigendes gewesen. Endlich muss ich noch
erwähnen, dass auch in 3 Fällen lange bestehende Sterilität
nach der durch die Amputation angeregten Involution, und wie
ich wohl sagen darf, durch die damit erzielte Heilung behoben
erschien: die Zahl ist klein, aber in Anbetracht dessen, dass
jene Amputationen meist erst innerhalb der letzten 2 Jahre
ausgeführt sind, doch immerhin nicht zu unterschätzen.
Vergleiche ich nun diese Resultate mit den früheren auf
andere Weise erzielten, so muss ich die Amputatio colli uteri
allen anderen Behandlungsweisen der Metritis chronica durch¬
aus vorziehen: sie führt rascher und sicherer zum Ziel, da wo
jene oft genug ganz im Stiche Hessen; sie ist, mit aller Vorsicht
1) Von den 109 Amputationsfällen war 26 Mal Carcinom die Indi¬
cation, 8 Mal isolirte Hypertrophie der Muttermundslippe resp. Er¬
krankungen der Schleimhaut derselben, 3 Mal wurde die Amputation
als Vorbereitung für Prolapsoperationen ausgeführt. Von den 109 sind
2 gestorben, eine Carcinompatientin, die durch vorausgegangene Blu¬
tungen in hohem Grade geschwächt war, und eine wegen Metritis chro¬
nica operirte, welche am 4. Tage nach der Operation unter dem Bilde
des Typhus erkrankte und in der 3. Woche zu Grunde ging. Die Sec-
tion konnte nicht gemacht werden.
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21. October 1S78.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
625
ausgeführt, kaum gefährlicher als die anderen Behandlungs¬
methoden dieses Uebels, bei denen ja auch ab und zu bedenk¬
liche Complicationen nicht fehlen. Der Amputation werden
endlich nur in den seltensten Fällen grosse Schwierigkeiten
entgegentreten, deren üeberwindung bei einiger Uebung nicht
schwer erscheint, so dass diese Therapie auch in der Praxis
von nicht streng klinisch ausgebildeten Gynäkologen ausgeführt
werden kann. Naturgemäss muss man erwarten, dass, je grösser
das abgetragene Stück ist, je tiefer die dabei nöthigen Schnitte
die Uterusgefässe treffen, um so energischer die Umwandlung
des hypertrophischen Bindegewebes hervorgerufen wird. Es
wird demnach eine kegelförmige Ausschneidung nothwendig
sein, und deshalb werden der Ecrasseur und die galvanokau¬
stische Schlinge hierbei kaum am Platze sein. Nur die Ope¬
ration mit dem Messer gestattet die wünschenswerthe Freiheit
in der Bestimmung der Grösse und des Umfangs des zu exci-
direnden Stückes. Da möglichst viel ausgeschnitten werden
soll, sind meines Erachtens hierfür weder die Simon’sche
kegelmantelförmige Ausschneidung, noch auch die Kehrer’sche
Methode zu verwerthen. Es bleibt nur die Hegar’sche trichter-
< förmige Excision. Und da hierbei das eine Mittel zur Blutstillung,
die Cauterisation der Wundflächen, wegen der gelegentlichen Nähe
des Peritoneum doch bedenklich sein dürfte, so muss das andere
Blutstillungsmittel, die Ueberhäutung, möglichst durchgeführt
werden. Die Methode von Sims hat, soviel ich weiss, jetzt
keine Vertreter in der Literatur; fast allgemein ist für diese
Fälle die Methode von Hegar angenommen, die in den ver¬
schiedensten Modificationen zur Anwendung kommt. Auch ich
habe sie bei meinen ersten 45 Amputationen befolgt und war
damit recht zufrieden, sowohl was den unmittelbaren Zweck, die
Blutstillung anbetrifft, als auch der späteren Gestaltung des
Muttermundes und die Involution des hypertrophischen Bindege¬
webes. Aber auch sie hat doch einige Mängel, die gelegentlich
recht beschwerlich sind. Es ist oft recht schwer den Rand der
Vaginalschleimhaut mit der Cervicalschleimhaut in innigen Con-
tact zu bringen; die Nähte schneiden durch, es giebt unbequeme
Blutungen, die Cervicalschleimhaut reicht nur für eine kleine
Strecke an dem vorderen und hinteren Rande aus. Dann bleibt die
prima intentio aus, es giebt zuweilen kleine Nachblutungen, die,
bald bemerkt, allerdings leicht zu stillen waren. Schliesslich aber
bleibt das herabgenähte Stück Cervicalschleimhaut, vielleicht in
Folge der Berührung mit der Scheidenabsonderung, fortdauernd in
einem gereizten Zustand, sie secernirt stark und blutet leicht bei
der Berührung. Das sind nach meiner Ansicht Mängel, die
besonders dann ins Gewicht fallen, wenn wir bedenkan, wie
gerade die Veränderungen der Schleimhaut eine lästige Zugabe
des anzugreifenden Uebels der chronischen Metritis sind, und wenn
wir gerade von dieser erkrankten Schleimhaut ein möglichst
grosses Stück beseitigen wollen. Diesen Schwierigkeiten geht man
aus dem Wege, wenn man in folgender Weise operirt. Die Pat.
wird in die hohe Steiss-Rückenlage gebracht, nachdem sie vor¬
her narcotisirt ist. Der Damm wird mit einem kurzen Simon-
sphen Speculum zurückgedrängt, die Scheide gehörig desinficirt.
Eine Kugelzange fasst den Cervix dicht unter der Blasen¬
insertion, eine andere dicht unter der des hinteren Scheiden¬
gewölbes. Mittelst beider wird der Uterus nach Möglichkeit
herabgezogen; je leichter dies erfolgt, um so besser, doch lässt sich
eventuell auch in der Tiefe so operiren. Die Ausschneidung
des trichterförmigen Stückes erfolgt in der bisher üblichen
Weise, wobei man im Nothfall den ganzen Cervix auslöst, je
nach der sich bietenden Indication. In der Tiefe des so ent¬
standenen Trichters fühlt man leicht den Rand des Cervicalcanals.
Dicht vor diesem wird zunächst an dem vorderen Theil der Wund¬
fläche eine Nadel quer unter der Oberfläche hindurch geführt, die
ein Stück dieser Wundfläche fasst, das auf beiden Seiten die Breite
des Cervicalcanals etwas überschreitet. Durch die Schliessung
dieser Naht, zu der ich nur Seidenfäden benutze, entsteht in
der Längsaxe des Cervix eine Falte, die sich nach oben in den
Cervicaleanal erstreckt. Dann wird eine zweite Nadel etwa
einen halben Centimeter nach aussen von der Mittellinie von
der Vaginalschleimhaut aus eingestossen und unter der vorderen
Wundfläche fortgeführt, bis etwa an die erste Sutur heran,
unter die linke Seite der vorhin gebildeten Falte, hier aus¬
gestochen, auf der Falte der anderen Seite wieder eingestochen
und nun rechts etwa l / i Ctm. neben der Mittellinie auf der
Vaginalschleimhaut ausgestochen. Durch die Schliessung dieser
Sutur, deren Knoten aussen auf die Vaginalschleimhaut zu liegen
kommt, entsteht ein Wulst, der etwa der vorderen Lippe ent¬
spricht. In ganz gleicher Weise wird dann an der hinteren Wund¬
fläche Falte und Lippenwulst gebildet. Dann lassen sich leicht die
seitlichen Theile in der
alten Weise vereinigen.
Es entsteht so ein
Stumpf, in desssn Mitte
sich ein klaffendes Ori-
ficium befindet, dessen
Lippen ganz von Vagi¬
nalschleimhaut über¬
zogen sind. Das Offen¬
bleiben dieses neuge¬
bildeten Cervioalcana-
les erscheint durch die
Falten hinreichend ga-
rantirt, die lang ab¬
geschnittenen Fäden
müssen zur grösseren
Sicherheit noch bis zuletzt liegen bleiben. Die Entfernung der
Nähte nahm ich durchschnittlich vom 8.—10. Tage an vor, so lange
bleiben die Patienten im Bett. Waren bis dahin Carboiwasser¬
einspritzungen gemacht, so wurden dann solche mit Jodtinctur
in schwacher Concentration vorgenommen und damit durch¬
schnittlich in weiteren 10 Tagen eine vollständige Ueberhäu¬
tung und Verheilung des Stumpfes herbeigeführt. Der so ge¬
bildete Stumpf zeigt deutliche Muttermundslippen, in den so
operirten 38 Fällen von Amputationen (diese Methode kam auch
bei solchen Operationen aus anderen Indicationen zur Anwen¬
dung) war der Cervicaleanal jeder Zeit durchgängig.
Als Vorzüge dieses Verfahrens hebe ich besonders hervor,
dass man dabei besonders von der Schleimhaut soviel als irgend
nöthig entfernen kann, ohne die Nath zu erschweren, dass die
Blutstillung eine sichere und leichtere ist, dass die Operation
bei einiger Uebung in kurzer Frist, bei einigermassen beweg¬
lichem Uterus genügen 10—15 Minuten, vollendet sein kann,
so dass es einer Constriction zur Blutstillung während der
Operation kaum bedarf. Die Verheilung erfolgt prompt und
sichert einen der normalen Portio möglichst ähnlichen Stumpf
mit klaffenden, nur von Vaginalschleimhaut überzogenen Lippen.
Ich sehe also in der Amputatio colli uteri das beste Mittel
für die Behandlung der chronischen Metritis, das auch in den
frühen Stadien derselben anzuwenden ist. Unter den Methoden
der Operation vindicire ich der eben beschriebenen deswegen Be¬
rechtigung, weil sie betreffs der Grösse des zu excidirenden
Stückes freien Spielraum lässt, auch bei wenig beweglichem
Uterus ausführbar ist, und besonders deshalb weil sie gestattet,
von der Schleimhaut gerade den hauptsächlich erkrankten
Theil möglichst vollständig zu entfernen. Der Stumpf nach
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626
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Ne. 4*2
dieser Methode entspricht sowohl in der Lippenbildung als in
der Ueberhäutung am meisten dem normalen Verhalten der
Vaginalportion.
II. Zur Casuistik der Menstraal-Exantheme nid der
Urticaria nach Blutegelanwendang an Mntternnnd.
(Nach einem Vortrag in der Dresdner gynäcologischen
Gesellschaft.)
Von
Dr. Justus Schramm,
Oberarzt der gynäcolog. Abtheilung im Carolakrankenhause zu Dresden.
In dieser Wochenschrift (No. 50, 1877) hebt Stiller in
seinem Aufsatze „über Menstrual-Exantheme“ mit Recht hervor,
dass in den Lehrbüchern der Gynäcologie die Beziehungen der
Menstruation zu einigen Hautaffectionen wenig gewürdigt worden
und allein in dermatologischen Schriften Berücksichtigung ge¬
funden haben. Von Gynäcologen hat meines Wissens nur
Scanzoni 1 ) die werthvollen Beobachtungen Hebra’s über den
Zusammenhang gewisser physiologischer und pathologischer
Processe der weiblichen Sexualorgane mit einzelnen krankhaften
Veränderungen der Haut bestätigt und weitere interessante
Erfahrungen über den Einfluss plötzlicher Reizungen der Geni¬
talien auf die Haut veröffentlicht. Bekanntlich sah er nach
leichter Untersuchung mit dem Finger oder mit dem Spcculum
Exantheme entstehen, sowie nach Application von Blutegel am
Muttermund mehr oder minder verbreitete Urticaria auftreten.
Das erneute Interesse, welches man in jüngster Zeit den
mit der Menstruation in Connex stehenden Hautaffectionen zu¬
wendet (Stiller 2 ), Wilhelm 3 )), wird die kurze Mittheilung
zweier Beobachtungen nicht ungerechtfertigt erscheinen lassen,
zumal die erste noch prägnanter als in Stiller’s Fällen den
innigen Zusammenhang der Genitalsphäre mit der Haut darlegt,
und in ätiologischer Hinsicht für die Entstehung des Erythema
exsudativum erwähnenswert!) sein dürfte.
1. Fall. Fräulein F., 36 Jahre alt, Directrice in einem
Wäschegeschäft, eine grosse hagere Brünette von anämischen
Aussehen, kam am *23. September 1877 wegen starker Schmer¬
zen während der Periode und eines in dieser Zeit auftretenden
Hautausschlages in meine Behandlung. Als Kind war sie stets
gesund gewesen. Von ihrem 17. Lebensjahre an menstruirte
sie regelmässig und ohne Schmerzen. Vor etwa 7 Jahren hatte
sie bei Eintritt der Regeln das Grab ihres Vaters besucht,
und eine Zeit lang trotz nasskalter Witterung auf dem Leichen¬
stein gesessen. In der Nacht darauf stellten sich bereits
unangenehme Empfindungen im Becken ein, die sich am fol¬
genden Tage in heftige Uterinalkoliken verwandelten und fortan
bei jeder Periode wiederkehrten. Gleichzeitig erschienen auf
der Rückenfläche beider Hände vereinzelte braunrothe, linsen¬
grosse Knötchen, die. nach ca. 8tägiger Dauer wieder ver¬
schwanden, um bei der nächsten Menstruation an anderen
Stellen des Handrückens von neuem aufzutreten. Im Lanfe
der Zeit verbreiteten sich die Hauteruptionen, dem Grade der
Dysmenorrhoe entsprechend, noch auf andere Körpertheile.
Ausser auf den Händen entwickelten sich noch am Halse und
besonders auf den grossen Schamlippen, unter unbedeutendem
Jucken, linsen- bis erbsengrosse Knötchen und Papeln (letztere
in geringerer Zahl) von blass- und braunrother Farbe. Dicht
hinter den Ohren waren bisweilen einzelne rosenrothe, unregel¬
1) Chronische Metritis, 1863, p. 146. Lehrbuch der Krankheiten
der weiblichen Sexualorgane, 1867.
2) 1. c.
3) Berl. klinische Wochenschrift, 1S78, No. 4.
mässig begrenzte Hautinfiltrate sichtbar. Gewöhnlich bildeten
sich auch auf der Zunge einzelne hirsekorngrosse Knötchen, die
sehr bald in Bläschen übergingen.
Mit diesen Eruptionen stand jedesmal eine circumscripte
Schwellung des Orificium urethrae in Verbindung, so dass die
Harnentleerung sehr schwierig und schmerzhaft wurde, und
erst nach Beendigung der Periode in normaler W'eise vor sich
gehen konnte. Hörten die Schmerzen auf, so begann auch
die Abschwellung der Harnröhrenmündung, desgleichen die
schnelle Resorption der Knötchen und der über das Hautniveau
ragenden Flecke, unter Zurücklassung einer fast kreisförmigen
Hyperaemie. Dagegen dauerte die Rückbildung der grossen
Papeln meist einige Monate, in welcher Zeit die Dysmenorrhoe
wieder frische Efflorescenzen hervorrief.
Die Exploration des Sexualapparates ergab, neben ziemlich
starkem Uterinal- und Vaginalcatarrh, einen etwas anteflectirten
Uterus von normaler Grösse und Empfindlichkeit. An den übri¬
gen inneren Organen liess sich nichts abnormes nachweisen.
Auch war mit Sicherheit eine luetische Erkrankung der Haut
und der Genitalien auszuschliessen.
Als ich Pat. das erste Mal sah, konnte der geschilderte
Hautausschlag in vollster Blüthe beobachtet werden. Die dar¬
auf eingcleitete Behandlung, in Gebrauch von Eisenpräparaten.
Injectionen und methodischer Einführung der Sonde bestehend,
erzielte nach 8 Wochen eine Abnahme der heftigen dysm -
norrhoischen Beschwerden und dem zu Folge eine sichtliche
Verringerung der Efflorescenzen. Ende December traten die
Regeln gänzlich schmerzlos und ohne Hauteruptionen auf, nur
am 3. Tage nach grosser körperlicher Anstrengung machten
sich von neuem mässige Uterinalkoliken bemerkbar, die da<
Erythem an den Handrücken wieder zum Vorschein brachten.
Die Application eines Mayer’schen Ringes führt zur vollstän¬
digen Beseitigung der Dysmenorrhoe und des sie begleitenden
Hautausschlages, so das Pat. am 3. Februar aus der Behand¬
lung entlassen werden konnte, und bis jetzt (Mitte Juni) von
allen lästigen Erscheinungen befreit ist.
Am nächsten Tage bot sich mir abermals die Gelegenheit,
ein in Beziehung zur Menstruation stehendes Exanthem (Urti¬
caria rubra) zu beobachten.
2. Fall. Fräulein H., 35 Jahre alt, mittelgross, von plithi-
sischem Habitus, menstruirte stets regelmässig, aber stark und
anhaltend. Der ziemlich profusen Menses und der psychischen
Hyperaesthesie wegen, suchte Pat. in den ersten Tagen diese'
Jahres bei mir ärztliche Hülfe. Ich fand £n der rechten Lungen¬
spitze den Percussionsschall gedämpft, bei der Auscultation
unbestimmtes Athmen. Die Genitaluntersuchung erwies den
Uterus hochgradig retroflectirt, vergrössert, wenig beweglich
Nach vorausgeschickter, sehr mühsamer Aufrichtung des l'terns
wurde Mitte Januar ein Pessarium von Hodge eingelegt. Am
Abend des 4. Februar, zur Zeit der bereits in Abnahme be¬
griffenen Periode, consultirte sie mich auf dringende Veran¬
lassung ihrer Angehörigen, welche auf dem Rücken der Bat.
einen rothen Ausschlag bemerkt hatten und irgend eine an-
steckende Hautkrankheit befürchteten. Das Exanthem ^ar
Tags zuvor erschienen und ihrer Ansicht nach ein Nesselaus¬
schlag ohne Bedeutung, der seit Jahren bisweilen in den letzten
Tagen der Periode aufträte und bald wieder verschwände. Iro-
schläge von Kartoffelstärke hätten stets das heftige Jncken
und Brennen gelindert. Mitunter habe sich während der Regel
eine ödematöse Anschwellung der linken Augenlider gezeigt.
Die genaue Besichtigung des Rückens erwies zwischen den
Schulterblättern und auf beiden Achseln ein Exanthem unter
der Form streifenartig geordneter, feiner, rother Knötchen, die
eine dem Anschein nach gleichmässige Röthe bildeten, uud
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21. October 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
627
starkes Jucken und Brennen verursachten. Nach Verlauf von
3 Tagen war der Ausschlag spurlos verschwunden. Der weite¬
ren Beobachtung entzog sich Pat. durch Abreise in die Heimath.
Es sei mir gestattet, hier noch einen kürzlich beobachteten
Fall von acuter recidivirender Urticaria in Folge von Blutegel¬
anwendung an die Vaginalportion anzureihen, der bei der spär¬
lichen Literatur über diesen Gegenstand einiges Interesse bean¬
spruchen dürfte.
Frau M., 29 Jahre alt, von zarter Constitution, war als
Kind ausser einem mässigen Grad von Pityriasis simplex, die
sich während der Dentition zu entwickeln begann, stets gesund.
Seit dem 14. Jahre ist sie regelmässig menstruirt Zwei Jahre
später, gelegentlich einer Alpentour, setzte sie sich während
der Periode einer Durchnässung der Füsse aus. Von dieser
Zeit an litt Pat. an heftiger membranöser Dysmenorrhoe,
welche von einem namhaften Gynäcologen erfolglos behandelt
worden war und schliesslich durch das erste Wochenbett voll¬
ständige Heilung fand. Die rasch auf einander folgenden Ge¬
burten von 4 Kindern verliefen normal, hinterliessen jedoch
eine Retroflexion des Uterus mit chronischer Metritis, was
anfangs nur ein stärkeres Fliessen der Menses zur Folge hatte,
mit den Jahren aber noch mannigfache Beschwerden im Unter¬
leib als schmerzhaftes Ziehen, Druck und Schwere im Becken
verursachte. Im Bereich der Verdauungsorgane keine Störung
mit Ausnahme öfterer Cardialgien. Nach jedem Wochenbett
konnte eine auffällige Besserung des Hautübels constatirt werden,
bis die leichte Abschuppung der Haut fast gänzlich aufhörte.
Eigentümlicherweise war die Haut von je her trotz der Pity¬
riasis in hohem Grade reizbar, so dass nur wenige Mücken¬
stiche genügten, um reflectorisch eine ziemlich universelle
Urticaria hervorzurufen.
Am 23. April er. Nachmittags wurden der chronisch ent¬
zündlichen Erscheinungen wegen, an dem äusserst empfind¬
lichen und vergrösserten Uterus 2 Blutegel gesetzt, die eine
starke Nachblutung verursachten. In den folgenden 4 Nächten
erschienen nun ohne Fieberbewegungen, auf dem Rücken und
beiden Oberschenkeln, in überwiegender Anzahl fünfpfenniggrosse,
rothe Urticariaquaddeln, die sich des Tags über verloren, des
Nachts aber in regelmässigem Typus unter heftigem Jucken
und Brennen sich erneuten und zuletzt vollständig verschwanden.
Ausser mässigen, kurzandauernden Anfällen von gastrischer
Neuralgie, die sich täglich zu einer bestimmten Nachmittags¬
stunde einstellten, war das Wohlbefinden nicht gestört.
Gehen wir nun in Kürze zu einer epicritischen Beleuch¬
tung der vorliegeuden Fälle über, so haben wir zunächst in
der ersten Beobachtung, ausser den characteristischen Erschei¬
nungen des Erythema exsudativum, noch die Localisation ein¬
zelner Infiltrate in der Zunge und in der Umgebung der Harn¬
röhrenmündung, welche eigentlich nicht in den Rahmen des
von Hebra 1 2 ) gegebenen Krankheitsbildes passen. Bei längerer
Dauer des Uebels können aber nach Tanturri 4 ) auch die
Schleimhäute befallen werden. Hierbei möchte ich darauf
hinweisen, dass die Harnröhrenaffection sich nur auf die Zeit
•der Menses beschränkte, und lediglich in ursächlichem Zu¬
sammenhang mit der Dysmenorrhoe stand. Es liess sich
weder eine Urethritis noch eine andere Erkrankung der Harn¬
röhre constatiren, die, nach Lewin’s 3 ) Beobachtungen, in einer
1) Lehrbuch der Hautkrankheiten, 1874, p. 240.
2) Contribuzioni patologica e clinica interno all* Eritema multiforme.
-essudativo par Vincenzo Tanturri (II Morgagni 1878, Dispensa IV
e V, Aprile e Maggio. Ira Auszug: Deutsche Ztschrft. f. pract. Med.)
No. 13, 1878.)
3) Berl. klinische Wochenschrift, 1876, No. 23.
gewissen Anzahl von Fällen, zur Entstehung des Erythema
exsudativum Veranlassung gab. Während in Stiller’s Fällen
das Exanthem bald einige Tage vor Beginn der Periode, bald
vicariirend für diese erschien, ist hier die Dysmenorrhoe das
directe causale Moment für die Erzeugung der Hauteruptionen
und der Schleimhautinfiltrate. Dies kann um so weniger einem
Zweifel unterliegen, als ja von der jeweiligen Stärke des ört¬
lichen Reizes die entsprechende Verbreitung der Efflorescenzen
über grosse und kleine Hautstrecken abhing, und die Besserung
und Heilung der Dysmenorrhoe von einer Verringerung und
dem gänzlichen Schwinden des Ausschlages gefolgt war.
Die Frage, in welcher Weise man sich die Pathogenese
dieses Exanthems zu erklären habe, ist fast von allen neueren
Autoren in gleichem Sinne beantwortet worden. Namentlich
ist die Ansicht Lewin’s, dass das Erythema exsudativum als
Ausdruck einer vasomotorischen Reflexneurose zu betrachten
sei, mit Ausnahme von Tanturri 1 ), allgemein angenommen,
und wird sie durch den in Rede stehenden Fall wiederum
gestützt.
In betreff des zweiten Falles, der nur eine kurze Beob¬
achtungszeit umfasste, wäre wenig zu bemerken. Da die Pat.
nur über starkes Jucken und Brennen zu klagen hatte und kein
Symptom darbot, das den Verdacht auf eine acute contagiöse
Dermatose hätte erregen können, so musste ihrer Diagnose
„Nesselausschlag“ zugestimmt werden, welcher hier unter der
Form der Urticaria rubra erschienen war. Obgleich dieser
Ausschlag nicht bei jeder Periode, aber doch stets zu jener
Zeit nach längeren und kürzeren Pausen auftrat, so spricht
dies wohl unzweifelhaft für eine durch die Menstruation her¬
vorgerufene Hautaffection.
Endlich möchte ich noch einige Punkte des letzten Falles
in’s Auge fassen. Berücksichtigt man zuerst die geringe Zahl
der in der Literatur verzeichneten Fälle von Urticaria nach
Blutegelanwendung am Muttermund, so scheint diese Haut¬
erkrankung nach solchen Veranlassungen sehr selten vorzu¬
kommen. Diese Annahme stände aber mit den Erfahrungen
Scanzoni’s im Widerspruch, der es befremdend findet, dass
seine Angaben bezüglich der Häufigkeit dieses Phänomens von
anderen Gynäcologen nicht bestätigt wurden. Anknüpfend an
die Beobachtungen Scanzoni’s beschrieb Leopold 4 ) einen
Fall von Urticaria febrilis nach Application von Blutegeln am
Kreuzbein und lieferte damit den Beweis, „dass den Uterin¬
nerven speciell kein gesonderter Einfluss auf diese Hautaffection
zukomme.“ Noch deutlicher ist dieser Vorgang in meinem
Falle, wo an einem und demselben Individuum, sowohl
die Reizung der Uterinnerven, als auch das unmittelbar auf die
Haut wirkende verhältnissmässig sehr geringe Irritament eines
Mückenstiches, auch an entfernteren durch die Kleidung ge¬
schützten Körperstellen zahlreiche Urticariaquaddeln erzeugte,
die erwiesenermassen nicht allein in Folge directer Reizung
mehrerer parasitischen Thiere, sondern auf reflectorischem Wege
als Reaction einer einzigen Verletzung der Haut entstanden waren.
Was die Dauer der Urticaria nach Blutegelanwendung an¬
längt, so betrug sie in Scanzoni’s Fällen höchstens zwei
Tage, während sie in vorstehendem Falle in regelmässigen
Intervallen viermal des Nachts recidivirte und dann erlosch.
Dass der Ausbruch der Urticariaefflorescenzen nur um jene Zeit
erfolgte, erklärt sich durch die Gewohnheit der Pat. sich des
Nachts warm zuzudecken; lehrt uns doch Hebra, dass der
Nesselausschlag unter Einwirkung künstlicher Wärme nach
längeren oder kürzeren Zeiträumen wieder hervortreten kann.
1) 1. c.
2) Archiv für Gynäkologie, Bd. VII, p. 560.
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628
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 42
Schliesslich dürfte nicht oft die Beobachtung gemacht
worden sein, dass die sensibeln Nerven des Magens auf Blut¬
egelreiz an der Vaginalportion durch deutlich ausgeprägte,
intermittirende Schmerzparoxysmen reagirten.
III. Borwatten- nd BerpheRolverbände.
Von
Dr. Eduard Seiger, Arzt in Berlin.
Die Nachfolge auf dem von Li st er gezeigten Wege des
aseptischen Verbandes hat über die Eigenschaften der betreffen¬
den Verbandstoffe und Desinfectionsmittel, ebenso über die
Modificationen, welche sie in Form und Verwendung zulassen,
zu einer Menge kleiner Beobachtungen geführt, die den sie
machenden Aerzten zu unbedeutend erschienen sind, sie anders
als im Gespräche mitzutheilen. Es scheint aber, dass der¬
gleichen Beobachtungen auf diese Weise zum Theil von neuem
aus dem Bewusstsein verschwinden und so verloren gehen;
andererseits könnten sie, wenn allgemein bekannt, trotz ihrer
Unbedeutenkeit unter Umständen doch recht nützlich werden.
Es wäre demnach wohl zweckmässig, „solche Kleinigkeiten“ in
Zeitschriften häufiger mitzutheilen, als in der That geschieht.
Es ist die Borsäure, welche in dieser literarischen Hinsicht
besonders stiefmütterlich behandelt ist, obwohl sie gerade für
die gewöhnlichen Bedürfnisse des practischen Arztes, wie Benno
Crede 1 2 3 * * ) mit Recht hervorhebt, Vortheile bietet. Nur schade,
dass die Aufmerksamkeit sich zu sehr auf das Borlint, zu wenig
auf die Borwatte gelenkt hat.
Unter Borwatte verstehe ich nicht sowohl das von Crede
a. a. 0. erwähnte, dem Borlint ganz analog hergestellte Prä¬
parat, sondern eine extemporirte feuchte Borwatte.
Zu ihrer Bereitung ist eine lOprocentige wässrige Borsäure¬
lösung völlig genügend und 10 Procent Borsäure werden von
Wasser bei 50° R. gelöst, bleiben auch beim Erkalten bis gegen
35® R. hin noch kurze Zeit fast völlig in Lösung.
Bei einer Temperatur von etwas über 40° R. kann man
ohne unangenehme Empfindungen die Watte *) mit den Fingern
aus der Borlösung, in der man sie eingeweicht hat, heraus¬
nehmen, kann sie ebenso ohne Schmerz für den Kranken, selbst
an empfindlichen Körperstellen anwenden.
Dabei macht sich noch eine wesentlich durch die Einwir¬
kung der hohen Temperatur von 40° R. bedingte Wirkung be¬
merklick; ich meine die der Stillung kleiner Blutungen aus den
Wundrändern. Nimmt man den nassen warmen Wattebausch
nicht zu dünn im Verhältniss zu der zu durchwärmenden blu¬
tenden Gewebsmasse, und bedeckt ihn sofort mit einer genü¬
genden Lage trockener Watte, so findet eine so dauernde und
hohe locale Erhitzung statt, dass die blutstillende Wirkung der
Erwärmung auf 40 # R., die wir als eine erste Stufe localer
Entzündung auffassen müssen, zur vollen Entfaltung kommt.*)
Da, wo nicht eine besondere Rücksicht auf erhöhte Empfind¬
lichkeit geboten ist, also an dem überwiegend grössten Theile
der Körperoberfläche und bei der grösseren Zahl künstlicher
oder zufälliger Verletzungen thut man gut, die Watte etwas
höher temperirt als 40 9 R. aufzudrücken, um eines raschen
Erfolges sicher zu sein. *
In vielen Fällen kann die so angewandte nasse Borwatte
1) Berl. kl in. Wochenschrift 1877, S. 309.
2) Unter Watte ist hier durchweg die als v. Bruns’sche Verband¬
watte verkäufliche gereinigte und entfettete Watte verstanden.
3) Vgl. Dr. Carl Richter: Ueber Auspülung der Gebärmutterhöhle
mit 40° R. warmem Wasser bei Blutungen im Wochenbette. Zeitschr.
Geburtshülfe u. Gynäcologie Stuttgart 1878. Bd. 2, S. 284—331.
sofort zum definitiven Verbände liegen bleiben, vorausgesetzt,
dass die Wundgegend in gehöriger Ausdehnung zuvor hin¬
reichend desinficirt war. Denn eine gründliche Reinigung z. B.
der umgebenden Haut und Abwaschung mit 5procentigem Phenol¬
wasser vermag auch der warme lOprocentige Borwattenverband
nicht zu ersetzen.
So viel vom Verbände mit lOprocentiger nasser, heisser
Bor watte.
Watte ist ein Verbandmittel, dessen Gebrauch durch seine
Eigenschaft das Wundsecret zurückzuhalten sehr eingeschränkt
wird. Borsäure vermag diese Eigenschaft zu ändern, und zwar
sowohl zu erhöhen als zu vermindern
Tränkt *man einen mit einer Zange gehaltenen Wattebausch
gründlich in einem 15- bis 20 procentigen Borwasser, 1 ) lässt
ihn dann frei in der Luft bis gegen 35 bis 40° R. sich ab¬
kühlen und breitet ihn nun bis weit über die Umgebung einer
secernirenden Wund- und Geschwürfläche oder einer kurz zuvor
mit dem Messer angelegten Oeffnung eines nicht völlig ent¬
leerten Abscesses aus, fixirt ihn durch übergelegte trockene
Bindentouren, so findet man bei seiner Abnahme nach 12 oder
mehr Stunden eine so eng begrenzte Retention des Secrets
unter dem Verbände, wie diese durch Watte ohne Borsäure
nicht bewirkt wird. Kaum dass die von auscrystallisirter Bor¬
säure steife Wattendecke in einer der Wundfläche unmittelbar
anliegenden Schicht etwas Secret in sich aufgenommen hat.
Aber auch seitlich hat bei einigermassen fester und schneller
Anlegung eines solchen warmen, von Borsäurecrystallen starren¬
den Wattebausches keine Verbreitung des Secrets stattgefunden,
vielmehr adhärirt die Borwatte nach wochenlangem Liegen noch
mit der Festigkeit eines Heftpflasters an der Haut, so dass
man sie von ihrer Haftfläche beim Verbandwechsel abreissen
muss, was aber keineswegs die unangenehmen Empfindungen
der Entfernung eines klebenden Pflasters zu machen scheint.
Eine Läsion der so verbundenen Wundfläche findet beim Ab¬
reissen dieses Verbandes nicht statt, da sie durch stagnirendes
Secret von ihm getrennt sich vorfindet.
Nachdem ich die beiden Eigentümlichkeiten des 20pro-
centigen nassen Borwattenverbandes, erstens das Secret absolut
am Durchdringen zu hindern, und zweitens sicher festzuhaften,
kennen gelernt hatte, suchte ich aus ihnen Nutzen zu ziehen.
Bis jetzt haben sich mir drei Richtungen der Verwendung
dieses Verbandes eröffnet.
1) Aseptischer Verschluss von Stichöffnungen, z. B. nach
Spülung eines Gelenkes;
2) Aseptischer Verschluss nicht sofort total entleerbarer
Abscesse;
3) Aseptische Fixirung leicht verschieblicher Verbände.
Dieser letzte Punkt dürfte der einzige sein, der etwa der
Erläuterung durch ein Beispiel bedürfte.
Im Januar dieses Jahres wollte ich eine spielkartengrosse,
unter typischem Listerverbande bereits durch eine Woche als
aseptisch bewährte Geschwürsfläche an der Aussen Seite des
rechten Oberschenkels eines alten mageren Mannes mit einem
Verbände versehen, der dem Patienten längeres Gehen in frischer
Luft gestattete und nur alle< Woche einmal controlirt werden sollte.
Ein Versuch, mittelst des Lister’schen Gazeverbandes unter
Zuhülfenahme von Watte, Pflasterstreifen und Binden dies zu
erreichen, misslang. Schon nach 5 Tagen war der Verband
verschoben, und eiterte die Geschwürsfläche in einer die Aseptie
ausschliessenden Weise. Kein Wunder bei der dicht unter dem
Trochanter gelegenen Wundfläche. Nach Herstellung der Aseptie
mittelst 8 % Chlorzinklösung und Waschung der Umgebung mit
1) Dies setzt eine Temperatur der Flüssigkeit von über 60® R. voraus.
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UNIVERSETY OF MICHIGAN
21 October 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT
629
5% Phenolwasser wurde nun ein typischer Borverband nach
List er mit Protectiv und Borlint aufgelegt. Letzteres über¬
ragte den Wundrand nur wenig, wurde aber bis weithin auf
die Haut von einem hochprocentigen nassen Borwattenverbände
überdeckt, den trockene Watte und Flanellbinden in seiner Lage
erhielten. Patient trat dann sofort einen längeren Weg an,
während der Verband im Erstarren und Trocknen begriffen war.
Nach Verlauf von 10 Tagen fand sich der Verband unver-
schoben, ringsum .festhaltend, die Wundfläche auf die Hälfte
reducirt, mit minimaler Secretion vor.
Sehr willkommen ist mir die in Rede stehende Form des
Borwattenverbandes bei Verschwärungen am Kopfe der Kinder
gewesen. Hier wendete ich mit Vorliebe die Lister’sche Bor¬
salbe an. Ueber die mit ihr bestrichene Gazeplatte, welche die
Wundränder wenig überragte, wurde die warme zwanzigprocen-
tige Borwatte ausgebreitet und durch trockene Watte und
Binden fixirt. Nach zwölf Stunden konnten die Binden wie
die meisten Theile der trockenen Watte entfernt werden. Erst
nach 8 bis 15 Tagen nahm ich dann den immer noch fest
haftenden ßorverband ab.
In welchen concreten FäUen jene oben angegebenen drei
Arten der aseptischen Occlusion und gleichzeitigen Fixation
anderen Methoden des Verbandes wirklich vorzuziehen seien,
muss ich natürlich der Erfahrung und dem Urtheil jedes Chir¬
urgen überlassen, glaube aber, dass sich von geeigneten Fällen
in grossen Anstalten bald ganze Reihen herrausstellen werden.
Hier kommt es mir nur darauf an, die besonderen Eigen¬
schaften der nassen hochprocentigen warmen Borwatte so kennen
zu lehren, dass sich andere Aerzte veranlasst finden, von ihnen
an geeigneter Stelle Anwendung zu machen.
Borsäure vermag aber auch die Durchlässigkeit
der Watte für Wundsecrete so weit zu erhöhen, dass
die üble Eigenschaft der Watte jene Secrete zurückzu¬
halten nicht zur Geltung kommt. Die Bedingungen hierzu
sind in einem Verbandverfahren gegeben, dass ich unter der
Bezeichnung des nassen Borphenolverbandes sofort an
einem Beispiele erläutern werde.
Frau H. bekam im diesjährigen Sommer im Verlaufe puer¬
peraler Septhämie eine Embolie in den linken Fuss. Etwa
14 Tage nach deren Eintritt war der letztere bedeutend ge¬
schwollen und zeigte tiefe Fluctuation an der Plantarfläche.
Es war nicht anzunehmen, dass der Eiter in diesem Falle sich
einfach auf eine Incision hin sofort völlig entleeren werde.
Auch die Wichtigkeit einer dauernden Aseptie bis zur vollendeten
Heilung war sowohl für das Leben der Patientin, wie für die
Erhaltung der Function des Fusses nicht zu unterschätzen.
Gleichwohl hielt ich mich für befugt, weder Drainage im ge¬
wöhnlichen Sinne, noch den typischen Li st er verband in An¬
wendung zu ziehen, sondern statt dessen folgendes oft bewährte
Verfahren.
Nachdem die Plantarfläche des Fusses gereinigt und schliess¬
lich mit dem bereiten Borphenolwasser *) gewaschen war, wurde
sie theilweise mit einer mit demselben Wasser getränkten dünnen
Wattenschicht bedeckt, eine Incision von ca. 2 Cm. Länge ge¬
macht und über diese jene Wattenschicht dann auch hinüber¬
gedeckt, so dass der nunmehr in reichlichem Strome erfolgende
Erguss von Eiter und Gewebsfetzen unter jener Decke hervor¬
quoll. Als der Eiter zu strömen aufgehört hatte, wurde, ohne
die Wundöffnung je frei zu lassen, die nasse Wattenschicht
1) Borphenolwasser nenne ich eine fünfprocentige Borsäurelösung
in Wasser, welches zwei bis fünf Procent Carbolsäure zugesetzt sind:
im vorliegenden Falle waren es speciell zwei Procent der letzteren. Vgl.
die Formel am Ende dieses Aufsatzes.
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fortgezogen und an ihre SteUe eine ebenso getränkte frische,
etwas dickere geschoben. Bei dieser Gelegenheit war es nicht
schwierig, ohne die Wunde der Luft auszusetzen, eine kleine
Quantität getränkter Watte bis in die Abscesshöhle einzuführen. —
Es folgte die Einhüllung des grössten Theiles des Fusses in
eine ca. 1 Ctm. dicke getränkte Wattenschicht und darauf eine
comprimirende Einwicklung des ganzen mittelst einer durchaus
nicht aseptischen Leinenbinde.
Nach zwanzig Stunden wurde der Verband gewechselt, d. h.
nach Abnahme des beschriebenen genau in derselben Weise ein
neuer anlegt. Die ausgeflossene, sowie die beim Verband¬
wechsel ausfliessende Eitermenge war eine reichliche; Unter¬
lage, Binden und Watte zeigten sich durchtränkt.
Da natürlich ein so angelegter Borphenolverband nach
wenigen Stunden nicht mehr nach Carbolsäure riecht, so ge¬
stattet er die Wahrnehmung selbst eines schwachen Fäulniss-
geruches. Ein solcher Hess sich an den Binden, an den Watten¬
schichten aber nirgend wahrnehmen.
Beim abermaligen Verbandwechsel nach weiteren 26 Stunden
zeigte sich zwar der Verband und seine Umgebung reichlich mit
Secret durchtränkt, aus der Abscesshöhle aber entleerten sich
auf Druck nur wenige Tropfen seröser Flüssigkeit. Eine dritte
Umhüllung mit nasser Borphenolwatte blieb mehr als eine
Woche liegen, worauf die Heilung vollendet war.
Wäre dieselbe dünne Wattendecke etwa mit Carbolwasser
getränkt aufgelegt worden, so würde sie wahrscheinlich genügt
haben den Abscessiuhalt zum grössten Theile zurückzuhalten
und derselbe wäre in die Binden nicht hindurchgedrungen, auch
dürfte der Verlauf ein weniger günstiger gewesen sein. Aber
nicht nur, dass die Watte nach ihrer Tränkung mit Borphenol¬
wasser den Eiter nicht zurückhielt, war sie auch im Stande
die Umgebung der Wunde durch eine länger dauernde Ein¬
wirkung der Carbolsäure auf dieselbe gründlich zu desinficiren
| und trotz starker Durchtränkung des Verbandes mit Eiter diesen
| in seinen tieferen Schichten aseptisch zu erhalten,
j Wie lange diese letztere Fähigkeit des nass angelegten
! Borphenolwattenverbandes dauert, richtet sich fast lediglich
j nach dem Grade der Durchtränkung mit Wundsecret. — Wird
j dies in so geringer Menge abgesondert, dass es nur die untersten
Lagen durchdringt, so kann der Verband wochenlang trocken
liegen, ohne dass septische Erscheinungen auftreten.
! Der nasse Borphenolwattenverband wurde von mir ur¬
sprünglich zu ganz anderem Zwecke, als dem, Wunden asep¬
tisch zu erhalten, angewendet.
Er entstand, indem ich Carboisäurelösungen, die mittelst
Watte auf septische Wundflächen applicirt werden soUten, um
diese aseptisch zu machen, deshalb mit Borsäure versetzen liess,
damit nach Resorption und Verflüchtigung der Carbolsäure
nicht sofort der noch nicht völlig getilgte septische Vorgang
wieder von neuem sich entwickele, und damit jene Verbände
etwas länger liegen bleiben konnten. Erst als ich gesehen, wie
effectiv dies Verfahren war, wandte ich es für den Verband
aseptischer Wunden an.
Wenn auch Lister weder Watte noch Carbolsäure in seinen
Borverbänden 1 ) anwendete, so kann man doch nicht leugnen,
dass der nass angelegte Borphenol watten verband auf denselben
Principien beruht, die Lister leiteten bei Ausführung seiner
Borverbände. Dass ich mich unter dem Borphenolverbande des
Protectiv bediene in allen Fällen, wo es von Nutzen sein kann,
bedarf kaum der Erwähnung. In letzterer Zeit habe ich von
der die Innenseite der Eierschalen auskleidenden Haut, welche
1) Li st er’s Borverband. Uebersetzt von Lin dpaintner. München.
1877.
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630
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
ich zum Gebrauch in fünfprocentigem Plenolwasser aufhob, als
Protectiv Gebrauch gemacht.
Da der nasse Borphenolverband, werde er nun mit Watte
oder mit anderen Stoffen ausgeführt, sich ganz besonders für
die gewöhnlichen Vorkommnisse der ärztlichen Praxis empfiehlt
weil er so enorm bequem in seiner Asführung ist, so beschliesse
ich diese Mittheilung mit einigen Andeutungen, wie sich seine
Anwendung gerade auf diesem Gebiete der kleinen chirurgischen
Alltäglichkeiten, die der Practiker weder dem Chirurgen von
Fach noch einer Anstaltspflege überweist, gestaltet.
Acid. borici 5,0, Acid. carbol. cryst. 2,0, Aq. dest.
calid. q. s. ad 100,0, MDS. Aeusserlich.
Diese Verordnung und dazu 10,0 v. Bruns’sche Watte,
eine Binde und allenfalls etwas Guttaperchapapier ist genügend
für alle Vorkommnisse der angedeuteten Art. Damit lässt sich
beispielsweise ein Panaritium sowohl fomentiren, als nach ge¬
schehener Incision behandeln, für die die Haut durch das voran¬
gegangene Borphenolfoment aseptisch gemacht ist. Dasselbe
gilt für die Fomentation und Eröffnung irgend welcher Abscesse,
für jede Incision, die aus irgend einem Grunde zu machen ist
und den ihr folgenden Verband.
Wie auch Geschwüre und septische Wundeu lediglich mit
denselben Hilfsmitteln sich behandeln lassen, ist oben berührt.
Für die Behandlung von Verletzungen, Verbrennungen, Ver¬
schwärungen innerhalb des Präputialsackes empfielt sich auf
die Dauer mehr die Anwendung in lOprocentigem warmem
Borwasser getränkter Wattenflocken, da der wiederholte Reiz
der Carbolsäure an dieser Stelle unvortheilhaft und empfindlich
ist. Dasselbe gilt von gewissen Stellen der weiblichen Ge-
schlechtstheile und bei manchen nässendeü Hautausschlägen
der Kinder.
IV. lieber ein neues Arzneiexanthem.
Von
Dr. Fr»nas Freudeiiberg, pract. Arzt in Königswinter.
In No. 25 des gegenwärtigen Jahrgangs dieser Wochen¬
schrift wird über das von Prof. Leube beobachtete Auftreten
eines Nesselexanthems mit gleichzeitiger Albuminurie nach einer
Dosis von Acid. salicyl. 4,0 und über die daraus entnommene
Folgerung referirt, dass ein entschiedener Zusammenhang zwi¬
schen Nierenfunction und Haut statt habe. Gegen Ende des
verflossenen Winters habe ich ebenfalls, jedoch ohne gleichzeitige
Albuminurie und erst nach mehrtägiger Darreichung von Sali-
cylsäure Hautveränderungen entstehen sehen, die ich nicht
umhin konnte, mit dem betreffenden Arzneimittel in directe
Verbindung zu bringen.
W. Jansen, 60 Jahre alt, aus Königswinter, wurde wegen
eines Carbunkels am Nacken ins hiesige Hospital aufgenommen.
Ich machte tiefe Incisionen und spühlte die Wunde entsprechend
aus. Weil das Fieber jedoch eine abendliche Höhe von 39,5
bis 40 behauptete, so gab ich dem Patienten 5 Tage hinter¬
einander eine tägliche Dosis von Acid. salicyl. 5,0 in getheil-
ten Portionen, die ich pretii causa statt des salicylsauren
Natrons mit Alkalien zusammen reichen liess. Am 6. Tage
bemerkte ich Morgens beim Verbandwechsel, dass der ganze
Rücken des Patienten mit frischen Petechien und Ecchymosen
bedeckt war, von denen einzelne die Grösse eines Fünfmark¬
stückes hatten. Die Farbe war lebhaft roth, der Rand un¬
gleich, zackig. Dabei klagte Patient über Brennen und Jucken
an den betreffenden Stellen. Unter dem bei mir noch frischen
Eindruck der vorigjährigen Publicationen über Chininexantheme
stehend, dachte ich sofort an einen Zusammenhang zwischen
der Salicylsäure und dem vorliegenden Exanthem, und ich liess
demgemäss die Salicylsäure sofort aussetzen. Jedoch ging die
No. 4*2
einmal hervorgerufene Erscheinung zunächst noch weiter, indem
am folgenden Tage auch noch die Brust, die Schultern, die
Oberarme, Hüften und Oberschenkel mit zahlreichen, jedoch
weniger ausgedehnten Sugillationen bedeckt waren. Am folgen¬
den Tage wurden die zuerst aufgetretenen Ecchymosen blasser,
und bald darauf begann die Epidermis über denselben sich
abzuschuppen. Dieser Vorgang dauerte weit über 8 Tage, und
zwar fiel die Haut nach und nach an allen erkrankten Partien
in grossen Fetzen ab. Die letzte Zeit hindurch hatte die Me¬
diation in Acid. hydrochl. bestanden.
Jetzt, wo alles wieder zur Norm zurückgekehrt war, bekam
Patient von neuem zur Controlle Acid. salicyl. 5,0 pro die in
Kapseln — und wiederum folgte die nämliche Erscheinung:
Blutunterlaufungen und nachfolgende Abschuppung, ähnlich der
bei Scharlach gewöhnlich auftretenden. Das zweite Exanthem
war, sei es weil ich sofort nach Beginn desselben, schon am
zweiten Tage der Application von der Salicylsäuredarreichung
abstand, sei es weil der Organismus sich an die Schädlichkeit
zn gewöhnen anfing (cfr. pag. 329 d. J. 1877 d. Wochenschrift),
weniger intensiv.
Auffallend ist es, dass bei der ausserordentlich ausgedehn¬
ten Salicylsäureanwendung, welche in letzter Zeit statt gehabt
hat, ähnliche Fälle noch nicht beobachtet worden sind, was
zur Annahme führen muss, dass die betreffende Erscheinung
eine sehr seltene ist. Dazn steht die hier vorliegende hämorrha¬
gische Form als solche unter den Arzneiexanthemen auch noch
als die seltenste da. So war das Exanthem auch qualitativ
von dem durch Leube beobachteten verschieden, denn während
es sich hier um Blutergüsse handelte, beobachtete Leube nach
einer Dosis von Natr. salicyl. 4,0 zunächst Albuminurie mit
Nesselausschlag, und sodann auf dieselbe Dosis einfache Urti¬
caria. Natürlich ist es der letzte Fall, den ich am meisten
neben den meinigen zu stellen berechtigt bin. Ich erinnere
nur an die Angabe des Prof. Köbner, dass solche Unterschiede
in der Erscheinungsform bei Arzeiexanthemen durchaus nicht
zu den Seltenheiten gehören. Man kann sie ein characteristi-
cura derselben nennen, weil es sie vor den übrigen Exanthemen
auszeichnet.
In dem von mir beschriebenen Falle war, wie eine zufällig
während des Exanthemausbruchs vorgenommeue Harnunter¬
suchung ergab, kein Eiweiss im Urin enthalten.
Schliesslich bemerke ich noch, dass das betreffende Indi¬
viduum marastisch und blutarm war, sowie durch häufigem
wenn auch nie excessives Nasenbluten eine gewisse Diathesis
haemorrhagica anzeigte.
Ob man nun nach der vorliegenden Beschreibung in diesem
Falle ein echtes Arzneiexanthem oder nur eine vereinzelte Idio-
syncrasie sehen will, so verleiht ihm doch jedenfalls die gleich¬
zeitige Beobachtung Leube’s eine gewisse allgemeinere Bedeu¬
tung. Indess bei der verhältnissmässig grossen Seltenheit der
Arzneiexantheme überhaupt ist die Bezeichnung „Idiosyncrasie“.
welche man ja bei der jedenfalls viel häufiger vorkomtnendeu.
auf den Genuss von Erdbeeren, Krebsen etc. folgenden Urticaria
stets gebraucht, auch hier kaum von der Hand zu weisen.
V. Kritik«
Uober die Entwicklung des medicinischen Studiums. Rede,
gehalten zur Feier des Stiftungstages der militärärztlichen Bildung*
anstaLten am 2. August 1878 von Dr. E. Leyden, Geb. Med.-
Rath, ord. Professor der Mcdicin an der Universität zu Ikrlir-
Berlin. 1878. Hirsch wald.
Ueber die Aufgaben der pathologischen Anatomie. Vertrag..
gehalten beim Antritt des Lehramtes an der Universität Leip^i
am 11. Mai 1876 von Julius Cohnheim. Leipzig. 1S78. Voltc ■
Beide vorliegende Reden sind mit Bezug auf die jetzt vielfach d:v
cutirten Fragen des medicinischcn Unterrichts von Interesse, wenn auc
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21. October 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
631
nach verschiedenen Richtungen hin. Leyden bespricht die Geschichte
des medicinischen Unterrichts und der Examina von den ersten kleinen
Anfängen nach Gründung der ersten Universitäten bis zur Breite des
jetzigen Zustandes und verweilt besonders bei den preussischen Uni¬
versitäten, speciell bei der Berliner Universität. Einige der angeführten
Zahlen sind von besonderem Interesse. Bei der Gründung der ersten
preussischen Universitäten, Frankfurt und Königsberg, betrug die Zahl
der Professoren der medicinischen Faeultät ein oder zwei, von welchen
der eine practische, der andere theroretische Medicin las, wozu bald als
dritte Professur diejenige für Anatomie trat. Bei der Gründung der Uni¬
versität Berlin 1810 bestand die Faeultät aus 6 ordentlichen Professoren,
1 Extraordinarius und 7 Privatdocenten; von diesen 14 Docenten wurden
insgesammt 35 Vorlesungen gehalten. Im Jahre 1878 beträgt die Anzahl
der Ordinarii 13, der Prof, extraord. 18, der Privatdocenten 43, des ge-
sammten Lehrpersonals also 74; die Zahl der angebotenen Vorlesungen
beträgt 164. In einem der Militäracademie angehörigen Studienplan vom
Jahre 1811 wird die Durchschnittszahl der Stunden für die Studirenden
auf 4 l 2 pro Tag angesetzt bei 62 Lectionen, in dem Studienplan der
medicinischen Faeultät vom Jahre 1868 bei 70 Lectionen auf 6 bis
7 Stunden. Die am meisten jetzt besprochene Frage, ob bei dem jetzigen
Umfange der Wissenschaft das im Examen gestellte Pensum vergrössert
werden müsse, verneint Verf. Er ist der Ansicht, dass wir an der
Grenze des zu leistenden angelangt sind, dass eine gründliche Kennt-
niss der Specialitäten und des für den Medicinalbeamten nothwendigen
nicht Gegenstand der Examenforderungen sein könne, er betont, dass es
vielmehr im Interesse der Ausbildung liege, nicht die ganze Arbeitskraft
des Studirenden für das Examenpensum in Anspruch zu nehmen, sondern
ihm daneben Müsse zu lassen, nach individueller Neigung zu studiren.
Eine Verlängerung der Studienzeit hält Verf nicht für absolut geboten,
besonders mit Rücksicht auf die dadurch für das medicinischc Studium
vergrosserten Schwierigkeiten; auch glaubt Verf., dass in der That acht
gut angewandte Semester zur Bewältigung des Pensums ausreichend
seien. Den Anspruch der Realgymnasien, dass die aus ihm hervor¬
gehenden Schüler zum medicinischen Studium zugelassen werden, hält
er für nicht unberechtigt; erst nach diesem Zugeständnis würden sich
die besten Elemente auf diesen Schulen einfinden, während bisher die
Kategorie der strebsamsten sich fernhielt, und erst dann würde eine
Entwicklung der Leistungsfähigkeit dieser Anstalten, in welchen ja auch
die klassischen Studien mehr als bisher gefiegt werden könnten, mög¬
lich sein.
Den Umfang und die Bedeutung einer derjenigen Disciplinen, die
erst vor 10 Jahren als eigentliche Examengegeristände herangezogen
wurden, der pathologischen Anatomie, hebt in geistreicher und für ihn
bezeichnender Weise Cohn heim in seinem Vortrage hervor. Verf.
vindicirt der pathologischen Anatomie die Aufgabe, die Continuität
zwischen der normalen Anatomie und Physiologie einerseits, den kli¬
nischen Disciplinen andererseits herzustellen, und er legt deshalb bei
dieser Disciplin das Hauptgewicht nicht auf die Dienste, welche sie der
Wissenschaft und der Klinik dadurch leistet, dass durch sie erst scharfe
Krankheitsbestimmungen möglich werden, oder dass sie das klinische
Krankheitsbild controlirt, sondern auf den Werth, welcher ihr als patho¬
logische Physiologie, als der Wissenschaft zukommt, durch welche die
Befunde in ihrem ursächlichen Zusammenhänge erklärt werden. Denn
kein pathologisch - anatomischer Befund sei eindeutig, jeder lasse viel¬
mehr — im Gegensatz zu den normal-anatomischen •— eine ganze
Reihe verschiedener, aber doch zutreffender Schilderungen zu, und fordere
deshalb sofort zu dem Bestreben heraus, den Vorgang, durch den er
entstanden, auch zu erklären, und so erst der Beschreibung vollen Werth
zu geben. Dieser Aufschluss über das pathologische Geschehen könne
auch durch die genaueste klinische Beobachtung nicht gegeben werden,
sondern erst durch ein Mittel, welches die Bedingungen des Geschehens
direct zu prüfen und zu verändern gestattet, durch das Experiment.
„Ohne das Experiment giebt es keine wissenschaftliche Pathologie, aber
auch keine pathologische Anatomie mehr.“ Nur wenige Processe, zu
welchen vorzüglich die Geschwülste, ein grosser Theil der Missbildungen
und die Regenerationsvorgänge gehörten, könnten durch ein sorgfältiges
Studium der anatomischen Details erforscht werden; bei der Erforschung
aller übrigen Vorgänge könne auf das Experiment nicht verzichtet werden.
So überbrücke in der That die pathologische Anatomie die Kluft zwischen
Physiologie und Klinik nnd erobere sich die Höhe voller Wissenschaft¬
lichkeit und einen Platz als ebenbürtige Schwester der klinischen Disci¬
plinen. Sz.
VI. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Berliner Medi einfache Gesellschaft
Sitzung vom 22. Mai 1878.
Vorsitzender: Herr v. Langenbeck.
Schriftführer: Herr B. Frankel.
Das Protocoll der vorigen Sitzung wird verlesen und angenommen.
Für die Bibliothek sind eingegangen: Bericht über den Berliner
Hülfsverein für genesene Gemüthskranke, 1878, und von Herrn J. Hirsch-
berg 4 Separat-Abdrücke von von ihm verfassten ophthalmologischen
Journalaufsätzen.
Herr Hen o ch berichtet über die Deputation der Gesellschaft,
die Herrn Friedberg am vergangenen Sonntag zu seinem 50jährigen
Doctor-Jubiläum Glück wünschte und spricht Namens des Jubilars
dessen Dank der Gesellschaft aus.
1) Vor der Tagesordnung demonstrirt Herr Curschinann Präpa¬
rate, die eine Diastase der Musculi recti abdominis zeigen.
Ein nicht seltener gelegentlicher Befund bei Untersuchung des
Unterleibes ist die Diastase der Muse, recti abdominis. Massigere Fälle
derselben pflegen wenig Berücksichtigung zu erfahren. Da wo man der
Anomalie Beachtung schenkt, wird meist der Schluss gezogen, dass es
bei den betreffenden Individuen sich früher längere Zeit hindurch um
eine physiologische oder pathologische Ueberausdehnung des Bauches
(Schwangerschaft, Unterleibstumoren, Ascites) gehandelt habe. Es kann
in dieser Weise sein, und geschieht sehr vielfach, dass der Arzt dies
Zeichen mit benutzt zu den wichtigsten diagnostischen und prognosti¬
schen Schlüssen.
Dem gegenüber möchte ich Ihnen an einem Präparat, welches ich
heute früh von der Leiche eines 7jährigen Kindes gowann, und an
einigen von früher her schon conservirten, demselben ähnlichen Präpa¬
raten, zeigen, dass diese Abnormität auch unter anderen bisher kaum
beachteten Umständen nicht ganz selten vorkommt: als leiseste An¬
deutung einer Missbildung der Bauch wand, in fast constan-
ter Verbindung mit einer Anomalie des Brustbeins.
Wenn Sie das Ihnen heruragereichte frische Präparat einer Betrach¬
tung würdigen wollen, so sehen Sie an demselben die Muse, recti ab¬
dominis auf der Strecke zwischen Nabel und Brustbein sehr beträchtlich
auseinander gewichen. Auch im Leben wölbten die Eingeweide bei
gewissen Stellungen des Kindes die dünne Bauchhaut an dieser Stelle
als bedeutenden länglichen Wulst, vor. Sie sehen nun an diesem Prä¬
parat mit der Diastase der Recti eine Spaltung des Proc. xiphoideus
in zwei Spitzen zusammenfallcn. und wenn Sie die anderen Präparate
untersuchen, so sehen Sie an ihnen genau dasselbe: Zweitheilung des
Schwertknorpels und Diastase der Recti abdominis vom Brustbein bis
zum Nabel hin. Seitdem ich vor etwa einem Jahr die ersten Beobach¬
tungen dieser Art gemacht, habe ich bei hunderten in meinem Kranken¬
haus behandelter Personen auch auf die Conformation des Schwertknorpels
und der Bauehdecken geachtet, und ich kann sagen, dass ich in allen
Fällen von nachweislich nicht später erworbener, auf dic
Strecke zwischen Brustbein und Nabel beschränkter Dia¬
stase der Muscul. recti dieselben vergesellschaftet fand
mit einer mehr oder weniger ausgcbildeten Zweitheilune
des Schwertknorpels. Auch umgekehrt lässt sich behaupten, dass
mit weitaus den meisten Fällen von Spaltung des Schwertknorpels ein
solches Auseinanderweichen der geraden Bauchmuskeln bis zum Nabel
hin, zum mindesten angedeutet, zusammentrifft. Ueber den Nabel hin¬
aus habe ich, wie ich ausdrücklich hervorheben will, die fragliche Dia¬
stase bisher nicht reichen gesehen.
Die Constanz des Zusammentreffens der Spaltung des Proc. ensifor-
mis und der Diastase schliesst die etwaige Annahme eines zufälligen
Verhältnisses aus. Man kommt vielmehr ohne weiteres zu der nahe
liegenden Interpretation, dass es sich hierbei, so zu sagen, um die
leiseste Andeutung einer Entwicklungshemmung, einer Bauchspalte,
handelt. Wie bekannt, schliessen sich beim Embryo ja nicht allein
die Bauchdecken von beiden Seiten her, sondern auch das Brustbein
entwickelt sich aus zwei seitlichen Hälften, die später der Länge nach
zusammenwachsen. Die so häufige Spaltung des Proc. xiphoideus und
die damit verbundene Diastase der Recti würden so eine bei vielen
Menschen durch das ganze Leben persistirende Spur dieses Entwicklungs¬
vorganges darstellen.
M. H.! Es ist kein Zweifel, dass die Kenntniss dieser Verhältnisse
uns eine Anzahl theils chirurgischer, theils geburtshülfiicher, theils
interner Anomalien in ein anderes Licht setzt. Für die Chirurgie
scheinen mir die fraglichen Beobachtungen interessant bezüglich der
Aetiologie der Bauchhernien, resp. der Brüche der Linea alba. Ich
selbst habe bis jetzt schon mehrere Fälle gesehen, wo neben dem in
Rede stehenden Zustand kleine Fettbrüche der Linea alba sich‘zeigten,
und in den letzten Tagen sind mir zwei Fälle begegnet, wo die neben
Spaltung des Proc. xiphoideus bestehende Diastase der Muse, recti mit
einer wirklichen Hernie der Linea alba complicirt war. Für die interne
Medicin und die Gynäcologie erwächst aus unseren Beobachtungen die
Mahnung, die als Spur einer Entwicklungshemmung aufzufassende, und
dann fast ausnahmslos mit Spaltung des Schwertknorpels vergesell¬
schaftete Diastase der Muse, recti nicht mit der gewöhnlich später
erworbenen Form zu verwechseln, welche durch länger dauernde, phy¬
siologische Ueberausdehnung des Bauches bedingt zu sein pflegt.
Tagesordnung.
2) Herr Köbner: Klinische, experimentelle und thera¬
peutische Mittheilungen über Psoriasis.
Nachdem der Vortr. die verschiedenen, heut zu Tage sich gegen¬
überstehenden ätiologischen Ansichten über das Wesen der Psoriasis
erwähnt, nachdem er ferner über ihre Frequenz in verschiedenen Ländern
und in verschiedenen Gesellschaftsklassen nach seinen Zusammenstellun¬
gen aus dem Breslauer Hospital, seiner früheren dortigen Poliklinik und
der Privatpraxis, sowie über ihre Heredität statistische Angabe gemacht,
und sie mit denjenigen anderer Autoren verglichen hatte, berichtet er
über die Resultate einer grossen Anzahl von Experimenten über die
künstliche Hervorrufung von Psoriasis, zu welchen er durch
einen merkwürdigen, im Mai 1872 der Schlesischen Gesellschaft zu
Breslau von ihm vorgestellten Fall veranlasst wurde. Dieselben werden
durch vorgezeigte Abbildungen, welche die Entwicklungsgeschichte
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
solcher absichtlich erzeugter psoriatischer Figuren zeigen, illustrirt.
Nach einigen angeführten Beispielen verwerthete sie Herr Köbner auch
zur Differentialdiagnose gegenüber dem squamösen Syphi¬
lid, das fälschlich „Psoriasis“ syphilitica genannt werde. Aber auch
bei Individuen mit blosser Prädisposition beobachtete K. eine trauma¬
tische Entstehung der Psoriasis, besonders unter begünstigenden Allgemein¬
zuständen, welche er durch eine Reihe klinischer Erfahrungen als ein¬
flussreich erläutert. Nachdem sich nun die schon in dem erwähnten
Vortrage 1872 l ) von ihm als eigenthümlich hervorgehobene Vulnerabi¬
lität durch die bisher gebräuchliche Therapie, wie er sowohl klinisch
als experimentell kennen gelernt hat, doch nur auf eine gewisse Zeit¬
dauer herabsetzen lässt, begrüsste Herr KÖbner in der von B. Squire
vor wenigen Monaten empfohlenen Chrysophansäure ein höchst
wirksames Arzneimittel. An einem der vorgestellten Kranken werden
ihre Wirkungen im Vergleich mit einem zweiten Kranken, welcher
ebenso lange Sulut. arsen. Fowleri braucht, demonstrirt. Doch werden
auch nach dem neuen localen Mittel nach K.’s Beobachtungen Recidive
nicht ausbleiben. (Der Vortrag erscheint anderweitig in extenso.)
3) Discussion über den Vortrag des Herrn Wernicke: lieber
Bewusstsein.
Herr Mendel führt gegen den in seiner Abwesenheit gehaltenen
und noch nicht im Druck vorliegenden Vortrag des Herrn Wernicke,
soweit dessen Bemerkungen seine früheren Ausführungen betreffen, an,
dass er mit den meisten Psychiatern statt der Platonischen drei
Functionen des Gehirns, Denken, Willen und Gemüth, deren zwei
supponirt habe, nämlich Denken und Gemüth. An Stelle dessen habe
Herr Wernicke behauptet, er habe Willen und Gemüth als solche an¬
genommen. Er beschränke sich auf diese Bemerkung, da er über diesen
Gegenstand bereits einen Vortrag angemeldet habe.
Herr Wernicke: Wenn er auch Herrn Mendel falsch citirt habe,
so müsse er doch in der Sache seinen Widerspruch aufrecht erhalten.
Denn auch Intelligenz und Gemüth könnten nicht so getrennt werden,
dass man sie als Functionen verschiedener Localitäten des Gehirns, die
selbständig erkranken könnten, auffassen dürfe.
4) Discussion über den Vortrag des Herrn Köbner.
Herr Lewin: Er habe Fälle beobachtet, in denen eine Psoriasis
mit allen Criterien der Psoriasis vulgaris bei Syphilitischen aufgetreten
sei und auch die Heilung durch antisyphilitische Curen einen Zusammen¬
hang dieses Leidens mit Syphilis dargethan hätte. Es könne deshalb
die Trennung von Syphilis und Psoriasis in der Allgemeinheit, wie dies
Herr Köbner thue, nicht aufrecht erhalten werden.
Heredität der Psoriasis habe er in einigen Fällen mit aller Sicher¬
heit nachweisen können.
Statt des Wortes „Vulneratilität“ möchte er lieber das Wort Dispo¬
sition setzen. Die Individuen antworteten auf dieselben Reize verschieden,
und es gebe solche, die eine Disposition zur Psoriasis hätten. Die
Psoriasis stände unter dem Einfluss der trophischen Nerven, dafür spräche
die Symmetrie des Vorkommens, die Gleichzeitigkeit anderer trophischen
Störungen, das von Herrn Köbner angeführte Auftreten nach Processen,
die eine Umwälzung der Ernährung bedingten, Schwangerschaft etc.
und anderer Umstände, die er hier übergehen müsse. Was die Thera¬
pie anlange, so habe er von Chrysophansäure wohl gehört, aber ihres
Preises wegen auf der Klinik noch keine Versuche damit gemacht.
Eine Besserung nach 14 Einreibungen sei jedoch kein glänzender Erfolg,
und halte er ähnliches mit Oleum cadinum erzielt. Vor der Hand glaube
er, werde man gut thun, bei der Anwendung des Arsens zu verharren.
Herr Köbner: Er habe nicht bestreiten wollen, dass eine wirk¬
liche vulgäre Psoriasis auch bei Syphilitischen vorkomme, im Gegentheil
er habe sogar gemischte Formen gesehen. Nur seien dieselben durch
die bekannten Eigenthümlichkeiten diagnostisch zu differenziren.
Was die Disposition anlange, so sei dieselbe eine durchaus eigen-
thiimliche; mail könne die Haut sehr vieler Menschen verwunden, ohne
dass es je, wie in den erwähnten Fällen, gelinge, Psoriasis zu erzeugen.
Er glaube, dass die Figuren, die er in Abbildungen vorgezeigt und
in denen Psoriasis entstanden sei, ausreichten, um zu beweisen, dass ein
Nerveneintluss auf die Entstehung derselben nicht gedacht werden könne.
Was die Symmetrie anlange, so habe er einen Fall beobachtet, in dem
die Verbreitung der Psoriasis absolut symmetrisch gewesen sei, der aber
dadurch seine Erklärung finde, dass die Psoriasis da auftrat, wo der
Baunscheidt’sche Apparat angewendet war, dies aber jedes Mal
symmetrisch geschah. _
Gesellschaft für Geiartshilfe and Gynäkologie ln Berlin.
Sitzung vom 9. Juli 1878.
Vorsitzender: Herr Schroeder.
Schriftführer: Herr Fasbender.
Eine Reihe von Schriften, welche für die Gesellschaft eingegangen
sind, werden vorgelegt.
1) Demonstration von Präparaten.
Herr Schroeder zeigt einen Uterus, den er zugleich mit beiden
Ovarien nach der Freund’schen Methode wegen weit vorgeschrittenen
Carcinoms exstirpirt hat. Der linke Eierstock war in eine nach links
hinten gelegene derbe Resistenz eingehüllt gewesen, der rechte im Beginn
cystomatöser Degeneration gefunden worden. Heute (am 8. Tage) be¬
findet sich die Operirte wohl.
1) Vergl. 50. Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft f. vaterl.
Cultur pro 1872, p. 210.
No. 42
Herr Martin demonstrirt ebenfalls das Präparat einer totalen
Gebärmutter-Exstirpation nach Freund, die er bei einer 35 jährigen
Frau wegen Krebs vorgenommen. Die Parametrien waren frei, hingegen
hatte sich das Corpus hart angefühlt. Die Infiltration erwies sich denn
auch nach der Operation bis zur Mitte des Uteruskörpers hinauf¬
reichend. Der letale Ausgang erfolgte am 3. Tage, wahrscheinlich
septisch.
2) Herr Schülein: Ueber Cervicalschwangerschaft.
Der Herr Vortragende hat im Laufe eines Jahres in der hiesigen
geburtshülflichen Universitäts-Klinik 3 einschlägige Fälle beobachtet nnd
verfügt ausserdem noch über einen 4., den ihm Herr Veit mittheilte.
Symptome waren die des drohenden Abortus, während die objective
Untersuchung den fest contrahirten Uteruskörper auf dem kugelig aus¬
gedehnten Cervix aufsitzend ergab. Nach Erörterung der differentiellen
Diagnose (Haematometra, Tumorenbildung am Cervix) kommt Herr
Schülein auf die Aetiologie zu sprechen und nennt hier in erster
Linie abnorme Enge des Muttermundes. Daher auch grössere Häufig¬
keit der Cervicalschwangerschaft bei Erstgebärenden, obgleich Verände¬
rungen im Gewebe der Portio, Narben, Verwachsungen sie auch bei
Mehrgebärenden herbeiführen können. — Die Möglichkeit des Weiter¬
wachsens des Eies, jedoch nur für sehr kurze Zeit, ist vorhanden, wenn
dessen Ernährung mittelst eines :m Uteruskörper sitzenden Stieles fort¬
dauert. Die Therapie hat die Entfernung des Eies zur Aufgabe, die
mit dem Finger auszuführen ist, wenn nöthig (in seinen 4 Fällen 2 mal)
nach Voranschickung von seitlichen lncisionen.
Herr Veit bemerkt, dass im ganzen 3 ausgesprochene Fälle von
Cervicalschwangerschaft zu seiner Beobachtung gekommen, 1 bei einer
Mehrgebärenden, 2 bei Erstgebärenden.
Herr Martin hält das in Rede stehende Vorkommniss für nicht so
selten. Er will nur eine Beobachtung mittheilen, die er bei einer
44jährigen Frau machte, die bis dahin in 2 Ehen steril gewesen.
Nachdem sie eine Woche lang Wehen gehabt, war der Cervix zur Form
eines kleinen Apfels gedehnt, auf demselben ein Aufsatz von der Gestalt
etwa eines Daumens. Muttermund nicht zu entdecken. Narcotica. Darauf
entwickelte sich am anderen Tage ein Orificium, aus dem ein Ei hervor¬
geholt wurde, welches durch einen schwer abzutrennenden Strang mit
der Wand der Uterushöhle in Verbindung stand.
Herr Ebell, der auch mehrere hierher gehörende Beobachtungen
gemacht, legt ätiologisch auf die Festigkeit dieser Verbindung ein
wesentliches Gewicht. Er fand in einem Falle den äusseren Muttermund
10 Groschen gross, in der Cervicalhöhle, die nach oben trichterförmig
zulief, ein Ei von 3 */* Ctm., welches nach unten dicker, nach der Uterus¬
höhle hin an einem sehr festen Stiele hing, der bis zu seiner Ansatz¬
stelle in der Gegend des linken Tubarostiums zu verfolgen war.
Herr Schroeder hebt hervor, dass gewiss häutig Uebergangslälle
zwischen den gewöhnlicheren Formen des Abortus und dein, was man
als Cervicalschwangerschaft bezeichne, vorkämen.
Auf eine Bemerkung des Herrn Löwenstein, welcher die Fest¬
stellung der Grenze zwischen Abortus und Cervicalschwangerschaft be¬
rührt, sagt Herr Löhlein, man möchte die Bezeichnung Cervical¬
schwangerschaft lieber fallen lassen und dafür den Ausdruck „polyprn-
fürmige Eier“ oder „Ovulum-Polypen“ gebrauchen. Herr Paul Ru. r e
verlangt für die Diagnose Cervicalschwangerschaft ein im Cervix beob¬
achtetes weiteres Wachsthum des Eies, und Herr C. Rüge definirt <1#
Unterschied zwischen Abortus und Cervicalschwangerschaft (oder, wie»#
meint, besser Cervicalabortus) dahin, dass bei dem letztgenannten Vor¬
gänge die Thätigkeit des Uterus zu Ende sei, eine Auffassung, in
welcher Herr Schroeder ihm beitritt.
3) Herr Be nicke: Enucleation eines cervicalen Myoms.
Patientin, 20 Jahre alt, hat seit 1\ 2 Jahren unregelmässige Blu¬
tungen, oft 6—8 Wochen lang, dabei Beschwerden beim Urinlassen b:s
zur Harnverhaltung. Mittelgrosses, sehr anämisches Mädchen. Introitus
vaginae sehr eng, daher genauere Untersuchung nur in Narcose möglich.
Der erhobene Befund wird durch eine Zeichnung deutlich gemacht, Es
musste trotz anscheinend sehr deutlicher Fluctuation der in der Scheide
liegenden Geschwulst, die zunächst den Gedanken an eine Haemato¬
metra bei doppeltem Uterus hervorrief, die Diagnose nach der inneren
und combinirten Untersuchung auf ein weiches Myom gestellt werden,
das von der rechtem Wand des Cervix in die Scheide hinabgewachsen
war. Uterus über dem Beckeneingang links von der Mittellinie deutlich
mit Anhängen fühlbar. Aeusserer Muttermund etwa in der Hohe des
Beckeneinganges. Scheide enorm ausgedehnt, Wandungen ganz glatt,
Diagnose wird bei der Operation bestätigt. Operation durch Enu¬
cleation der Geschwulst, Schnitt durch die Schleimhaut an der linken
Seite, Entfernung einzelner Stücke des weichen Myoms, der grössere
Rest wird dann aus der Scheide allmälig herausgezogen und ausserhalb
die Enucleation leicht vollendet. Blutung während der l 1 /, Stunden
dauernden Operation mässig. Blutung aus den obersten Partien des
Sackes durch einige Massenligaturen gestillt. Dann wird der ganze Sack
abgeschnitten, und werden rechts vom äusseren Muttermund die beiden
Wund flächen durch 6 Nähte vereinigt.
Weiterer Verlauf durchaus günstig. Keine Nachblutung, kein Fieber.
Nähte werden am 9. Tage entfernt, Wundränder sind gut vereinigt,
Portio ziemlich gut gebildet, Uterus jetzt an seiner normalen Stelle.
4) Herr Wilhoft aus New-Orleans demonstrirt seine Methode zur
Anfertigung von Hartgummi-Pessarien.
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UNIVERSETY OF MICHIGAN
21. October 137b.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
633
Verein für wissenschaftliche Heilkunde in Königsberg i. Pr,
Sitzung vom 5. November 1877.
Vorsitzender: Herr Med.-Rath Prof. Dr. Hildebrandt.
Schriftführer: Herr Prof. Dr. Jaffe.
1) Herr Burow stellt einen Kranken vor, bei welchem sich ein
Osteom der Orbita ganz spontan in toto exfoliirt hatte — ein Natur-
heilungsprocess, wie er in analogen Fällen nur sehr selten beobachtet
sein dürfte.
Herr Burow bericheet ferner über einen todtlich verlaufenen Fall
von Epithelialcaneroid des Kehlkopfs, bei welchem die Laryngofissur mit
nachfolgender galvanocaustischer Zerstörung der Geschwulstmassen, unter
Anwendung der Trendelenburg ’schen Tamponcanüle ausgeführt wurde.
Ueber die Ursache des am dritten Tage erfolgten Todes liess sich
nichts ermitteln.
2) Herr Schiefferdecker giebt statistische Mittheilungen über
die Mortalitäts- und Geburtsverhältnisse Königsbergs.
3) Herr Seydel spricht über die Ruhrepidemie in Königsberg von
Mitte Juli bis September h. a.
Sitzung vom 19. November 1877.
Vorsitzender: Herr Med.-Rath Prof. Dr. Hildebrandt.
Schriftführer: Herr Prof. Dr. Jaffe.
1) Herr Baumgarten spricht über chronische Arteriitis und
Endarteriitis, mit besonderer Berücksichtigung der von Heubner sog.
luetischen Erkrankung der Gehirnarterien. (Das wesentliche des Vor¬
trages ist in dem gleichnamigen Aufsatz enthalten, der im Maiheft von
Virchow’s Archiv erschienen ist.)
2) Herr Hildebrandt schliesst an den Bericht über einen schweren
Infectionsfall bei einer Ilpara einen Vortrag über Prophylaxe des Puer¬
peralfiebers an.
In Königsberg seien Puerperalfieber-Todesfälle unverhältnissmässig
häufig; zwar geben die Listen auf 9 Monate nur 27 davon an, doch ist
das unrichtig, da einige der hierher gehörigen Todesfälle anders rubricirt
sind. Es sind dem Vortragenden verschiedene kleine Epidemien bekannt
mit vielen Todesfällen. Die Anstalten in Deutschland haben eine ganz
geringe Mortalitätsziffer, höchstens 3 pCt.: im hiesigen Institut stellt
sich dieselbe auf 2 l / s pCt, im letzten Jahre war sie noch geringer. Der
Zweck des Vortrags ist, die Mittel zur Verhütung derartiger schwerer
Fälle zu besprechen.
Das Puerperalfieber entstehe entweder durch Selbstinfection oder
durch Infection von aussen. Zur Selbstinfection führen restirende Ei-
theile oder stagnirende Lochien. Bei jeder Entbindung soll daher der
Arzt die Eitheile genau besichtigen und das fehlende herausholen.
Ist Jauchung vorhanden, so sollen Spülungen vorgenommen werden mit
einem Trichter-, Gummischlauch-, Glasrohrapparat. Benutzt werden da¬
bei Carboisäurelösungen von 1—2 pCt., 30° warm, in Quantitäten von
1—2000 Gramm.
Die Diagnose der Retention von Lochien ist zu stellen aus dem
Fieber, das nur zu leicht übersehen wird, da es später eintritt, als
die Zeit der ärztlichen Besuche; daher muss die Temperatur täglich
mindestens 2 mal gemessen werden.
Diese Selbstinfectionen treten gewöhnlich erst am 4.-7. Tage auf;
diejenigen Fälle dagegen, wo die Infection von aussen kommt, kommen
weit früher, foudroyanter zum Ausbruch mit Schüttelfrost, Oedem der
Genitalien, Parametritis, Peritonitis u. s. w. — Diese schweren Fälle
können nur als durch die Hebammen verbreitet gedacht werden. Dies
beweisen z. B. auch die oben erwähnten Epidemien. Die Prophylaxe
ist in dieser Hinsicht jetzt äusserst erschwert, da die Hebammen seit
der Gewerbefreiheit von Aufsicht befreit sind. Für jeden Fall sind vor¬
zusehen 1. Carboisäurelösung, 2. Carbolöl; 3. soll die Hebamme einen
Metallcatheter besitzen, der in Carbollösung liegt; 4. sollen die Klystier¬
spritzen durch Trichter und Glasrohr ersetzt werden; 5. soll die Heb¬
amme von jedem Puerperalfieberfall fern gehalten und durch eine andere
Wärterin ersetzt werden.
Sitzung vom 3. December.
Vorsitzender: Herr Med.-Rath Prof. Dr, Hildebrandt.
Schriftführer: Herr Prof. Dr. Jaffe.
1) Herr A. Magnus giebt ein Referat über die kürzlich erschienene,
dem K leb s’schen Lehrbuch der patholog. Anatomie ein verleibte Ab¬
handlung über die patholog. Anatomie des Gehörorgans.
2) Herr Meschede spricht über respiratorische Stimmbandparalyse
und referirt über einen von ihm beobachteten und zur Heilung ge¬
brachten (in dem Burow’schen laryngoseopischen Atlas, abgebildeten)
Fall), der die gewöhnlichen Erscheinungen dieser Affection darbot. Sub-
cutane Injectionen von Strychnin (0,001—0,003 pro dosi) führten zu
völliger Heilung. Ein nach 4 Monaten aufgetretene9 Recidiv wurde
glücklich beseitigt.
Im Anschluss hieran berichtet Herr Julius Schreiber über den
im vorigen Jahre von Herrn Naunyn hier vorgestellten Kranken mit
respiratorischer Paralyse. Die Affection war, nach einem Stillstand von
3 Monaten, recidivirt und ist man jetzt auf eine eigenthümliche Er¬
scheinung bei der Kranken aufmerksam geworden, nämlich die, dass bei
willkürlichen tiefen Inspirationen oder bei Einathmung cemprimirter
Luft die respiratorische Dyspnoe aufhört und ruhiges Athmen eintritt.
Hierauf Neuwahl des Vorstandes. Die Herren Professoren
Jaffe uno Berthold erklären, eine event. Wiederwahl nicht annehmen
zu wollen. Es werden wiedergewählt die Herren: Prof. Hildebrandt,
als Vorsitzender, Dr. Samuels on, als Stellvertreter desselben. Neu¬
gewählt werden die Herren: Prosector Dr. Baum garten, als Secretair,
Dr. Emil Magnus, als Kassirer.
Sitzung vom 17. December 1877.
Vorsitzender: Herr Med.-Rath Prof. Dr. Hildebrandt.
Schriftführer: Herr Prosector Dr. Bau mg arten.
1) Herr Julius Schreiber spricht über Pulsanomalien mit be¬
sonderer Berücksichtigung des sog. Pulsus paradoxus. (Der Vortrag
wird demnächst ausführlich an anderer Stelle veröffentlicht werden.)
2) Herr Seydel spricht zunächst über das Verhalten der Schwan¬
geren und Wöchnerinnen auf Java nach ihm von einer eingeborenen
Javjinesin gemachten Notizen.
Die Schwangeren werden von den Hebammen, die sich im Inneren
des Landes aus den älteren Frauen, in den Städten aus einer guten
holländischen Schule in Batavia recrutiren, vor der Geburt gar nicht,
während derselben nur auf ihren ausdrücklichen Wunsch untersucht
resp. berührt. Die Function der Hebamme besteht nur in Empfang¬
nahme des Neugeborenen. Gleich nach der Geburt begiebt sich die
Wöchnerin in ein Bad, am Tage kühl, in der Nacht (damit kein Fieber
eintrete) lauwarm, legt nach dem Bade eine vielköpfige Leibbinde,
deren Enden über dem Abdomen goknüpft werden, an, und wird mit
einem aromatischen Kräuterdecoct eingerieben (Abdomen und Schenkel);
das Bad wird täglich ein bis zwei mal wiederholt, ebenso die Einreibung.
Am dritten Tage steht die Wöchnerin, die ürigens ihr Kind stets stillt,
auf. Die Hebamme knetet am Ende der vierten oder sechsten Woche
den Leib gehörig, und von da an werden die Bäder ausgesetzt. Unregel¬
mässige Geburten scheinen sehr selten zu sein.
Hierauf legt derselbe 2 Fälle von besonders grossen doppelseitigen
Ovarialcysten bei Neugeborenen vor.
Ferner berichtet Herr S. über folgenden Fall:
Fräul. S., nie menstruirt, litt seit einiger Zeit an hochgradiger
Anämie. Medication: Chinin mit Eisen. Eines Tages stellten sich bei
der Kranken ganz plötzlich eklamptische Anfälle ein, in denen
sehr schnell der Tod erfolgte. — Section: Hochgradige Anämie aller
Organe, ohne sonst palpable Veränderungen. (Mageninhalt noch zu
untersuchen.) Die Ventrikel des Gehirns mit einer ganz ungewöhnlich
grossen Menge ganz klarer Flüssigkeit erfüllt. Gehimsubstanz stark
ödematös.
Der Vortragende stellt die Erkrankung zu den seltenen Fällen von
primärem acuten Gehirnödera.
Herr Hirsch sen. möchte den Fall der jetzt so vielfach discutirten
pernieiösen Anämie zurechnen.
Herr Seydel: Der Kräftezustand sei doch zu gut gewesen, um
diese Annahme plausibel zu machen.
Herr Hirsch sen.: Es sei ja nicht nöthig, dass ein solches, die
letale Katastrophe herbeiführendes Symptom immer erst zu einer Zeit
auftrete, wo der Kräfteverfall bereits weit vorgeschritten sei.
Herr Seydel bedauert, dass keine Blutuntersuchung vorliege, um
über die Gültigkeit der Diagnose „pemieiöser Anämie“ zu entscheiden.
VII. Feuilleton.
Zur Statistik Aber die Geisteskranken in Preussen.
Von
Dr. Siebter,
II. Arzt der provinzialständischen Irrenanstalt Hildesheim.
Jede Zusammenstellung von Zahlen und Namen in statistischem
Gewände hat etwas bestechendes, und besonders, wenn es sich um ein
Gebiet handelt, in dem der Leser nicht genau Bescheid weiss, scheint
es diesem, als wenn damit die fragliche Sache nunmehr erledigt ist.
Aehnlich wird es wohl vielen mit dem Aufsatz des Herrn Dr. Albert
Guttstadt, über die Geisteskranken in den Irrenanstalten Preussens
im Jahre 1876, No. 37 dieser Zeitschrift, gehen; es ist aber in der That
nichts mehr als eine Nebeneinanderstellung von Additions- und Divi-
sions-Exempeln, zu deren Grundlage die in ihren wesentlichen Bestand¬
teilen leider vollständig unzulänglichen Zählkarten gedient haben.
Wenn wir zunächst von der Irrenstatistik nur verlangen, dass sie
uns einen Aufschluss darüber geben soll, ob die Zahl der Geisteskranken
relativ zu- oder abnimmt, so ersehen wir aus dem angezogenen Aufsatz,
dass vorläufig davon noch ganz abgesehen werden muss, denn die Geistes¬
kranken in Kranken- und Armenhäusern, wie in Siechenanstalten sollen
erst am 1. Januar 1877 gezählt werden. In den Anstalten letzter beider
Categorien aber stecken massenhaft Geisteskranke, und da diese haupt¬
sächlich den leichteren Formen der Dementia (mit fehlenden Erregungs¬
zuständen) angehören, ist es doch noch sehr fraglich, ob sie ihrer
grossen Mehrheit nach als Geisteskranke auf der Zählkarte erscheinen
werden.
Wir werden demnach trotz alledem niemals auf diese Weise die
Zahl aller Geisteskranken in Preussen in den nächsten Jahren überhaupt
erfahren; erst wenn so viel Plätze für diese Kranken in Irrenanstalten
selbst vorhanden sind, dass sie nicht mehr in Krankenhäusern, Armen-
und Siechen-Anstalten stecken bleiben, erst dann ferner, wenn die wirt¬
schaftlichen Verhältnisse derartig sein werden, dass die Gemeinden und
sonstige Nutritoren ihre Geisteskranken in Armen- und Siechen-Anstalten
nicht auffallend viel billiger verpflegen, wie in Irrenanstalten — dann
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
634
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 4t
erst werden wir ein richtiges Bild über die Erkrankungen auf psychi¬
schem Gebiet erwarten dürfen. Ich will heute nur ganz kurz darauf
hindeu ten. in welch ungleich anderen Verhältnissen England (incl.
Schottland) in betreff der Irren-Unterbringung in für diese Kranke ein¬
gerichteten Anstalten dasteht : bei einer Bevölkerung von ca. 27 Millionen
stehen dort einige 60.000 Plätze zur Verfügung, während in Preussen
auf ca. 24 Millionen Einwohnern ca. 20,000 Plätze kommen.
Darin stimme ich mit Buttstädt überein, dass der Zudrang zu
den Irrenanstalten von einer Menge Factoren abhängt und nicht allein
durch die Zahl der vorhandenen Geisteskranken bedingt wird. Meiner
Kenntniss nach, und ich bin jetzt bereits in der vierten grossen Pro¬
vinzialanstalt beschäftigt, sind es hauptsächlich zwei Umstände — von
anderen kleineren abgesehen — welche den Zudrang Kranker zu den
Irrenanstalten hemmen. Erstens giebt es bei uns noch genug unbe¬
schäftigte Menschen, welche in der Familie geisteskranke Mitglieder
derselben behüten und warten können, und zweitens sind fast allgemein
die Aufnahmebedingungen derart erschwerend und umständlich, nament¬
lich für die Landleute, den schwerfälligeren und grössten Theil der
Bevölkerung, dass sie eher die Aufnahme eines Kranken verzögern, als
erleichtern.
Was nun die statistische Zusammenstellung nach Krankheitsformen
betrifft, so ist sie leider kaum zu verwerthen!
Es ist in der That schwer zu verstehen, dass die Zählblättchen,
nachdem sie endlich eingeführt, einmal z. Th. eine vollständig veraltete
Krankheitseintheilung brachten, dann aber Rubriken, die nothwendig
beliebigen Deutungen den weitesten Spielraum Hessen.
Um nur das eine anzuführen, so ist bereits 1865, also 10 Jahre
vor der Entstehung der Zählblättchen, von Sn eil eine klinisch xvohl
begründete dritte primäre Form ausser der Melancholie und Manie de-
monstrirt und auch allgemein anerkannt worden. Ferner sind auf den
Zählkarten „secundäre Seelenstörungen. Idiotie, Cretinismus, Imbecillität“
so vage Bezeichnungen, dass Zahlen, die in diese Rubriken geschrieben
werden, auf einen präcisen wissenschaftlichen Werth jedenfalls keinen
Anspruch machen können; ganz schlimm ist es auch mit: „Delirium
potatorum“, denn ist hier nur das reine Delirium gemeint, so vermag
ich nicht einzusehen, warum von Gattstadt die Deliranten im Typhus,
der Pneumonie und dergleichen stark fieberhaften Krankheiten aus der
Statistik, welche uns hier beschäftigt, ausgeschieden werden; soll dar¬
unter aber auch chronischer Aleoholismus subsumirt werden, was viel¬
fach bei der Ausfüllung der Zählkarten in der That geschieht, so ist
die Confusion erst recht gross.
Doch ist hier nicht der Ort, auf dies trübe Thema näher einzu¬
gehen, ich will nur zu Gunsten meiner Anschauung die Worte einer-
anerkannt bedeutenden Autorität anführen. Prof. Westphal nämlich
schreibt an d-n im September 1877 zu Nürnberg tagenden Verein deut¬
scher Irrenärzte (Allgem. Zeitschrift f. Psychiatrie, 34. lkl., pag. 751):
„Was zunächst die Krankheitsformen (13) betrifft, so sind die jetzt
in Zählblättchen aufgeführten meiner Meinung nach durchaus un¬
brauchbar. Die secundäre Se*tenstörung, in der bisher aufgefassten
Weise, ist nicht haltbar, es fehlt die primäre Verrücktheit; unter Mo¬
lar cholie werden meist die differentesten Dinge subsumirt u. s. w.
Da sich eben jeder etwas anderes bei diesen Dingen denkt, so bin ich
dafür, sie ganz fallen zu lassen “ u. s. f.
Ich denke, dies beweist, genug!
Die statistischen Ergebnisse in betreff der paralytischen Seelen-
stürung bei Männern und Frauen sind nichts neues; man weiss sehr
wohl, dass die Frauen seltener daran erkranken, wie die Männer, die
Krankheit selbst aber meistens unter einem anderen Bilde verläuft, und
nur hin und wieder ein durchaus typischer Fall, wie ihn die progressive
Paralyse männlicher Irren darbietet, zur Beobachtung kommt. Wurde
doch früher von einzelnen Forschern (Neumann) die Dementia para-
lytica beim weiblichen Geschlecht überhaupt geleugnet.
Nicht ganz erklärlich ist es mir, dass in den öffentlichen Irren¬
anstalten mir 65 pCt. zur Autopsie gelangen sollen. In den ca. 175
Todesfällen, die mir bis jetzt in Irrenanstalten vorgekommen sind, wurde
in einem einzigen Falle die Section nicht gemacht.
Die Hoffnung, dass diese Zeilen das Interesse der Aerzte erregen,
deren Beruf sie nicht ausschliesslich auf die Psychiatrie hinweist, haben
mich veranlasst, hier meine Bedenken gegen die besprochenen statisti¬
schen Auslassungen mederziilegen, und erscheint mir die Angelegen¬
heit vom allgemein ärztlichen Standpunkt auch zu wichtig, als dass sie
in den wenigen Fachschriften für den grössten Theil der Collegen be¬
graben liegt.
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. In der Woche vom 8. bis 14. September sind hier 603 Per¬
sonen gestorben. Todesursachen: Scharlach 19, Rothlauf 1, Diph¬
therie 18, Eitervergiftung 4, Kindbettfieber 2, Typhus 12 (Erkrankungen
an Typhus 34 m., 20 w.), Dysenterie 10, Wcchselfieber 1, Gelenk¬
rheumatismus 3, Vergiftung 1, Sturz 3, Erhängen 2 (Selbstmorde),
Lebensschwäche 22, Abzehrung 30, Atrophie der Kinder S. Alters¬
schwäche 12, Knbs 12, Wassersucht 3, Herzfehler 5, Hirnhautentzün¬
dung 10, Gehirnentzündung 12, Apoplexie 10, Tetanus und Trismus 7,
Zahnkrämpfe 4, Krämpfe 53, Kehlkopfentzündung 5, Croup 4, Per¬
tussis 4, Bronchitis 8, Pneumonie 13, Pleuritis 2, Phthisis 64, Peritonitis 1,
Abortus 1, Diarrhoe 63, Brechdurchfall 92, Magen- und Darment¬
zündung 2, Magen- und Darmcatarrh 17, Nierenentzündung 1*2, andere
Ursachen 47, unbekannt 4.
Lebend geboren sind in dieser Woche 458 m., 407 w., darunter
ausscrehelich 54 m., 48 w: todtgeboren 18 m., 18 w., darunter ausser-
ehelich 4 ra., 4 w.
Die durchschnittliche Sterblichkeit während dieser Woche beläuft
sich auf 30,4 pro Mille der wahrscheinlichen Bevölkerungszahl, die ent¬
sprechende Geburtenziffer auf 43,6 pro Mille (beide Summen mit Aus¬
schluss von 1,8 pro MiUe Todtgeborenen).
Witterung: Thermometerstand: 14,43 R., Abweichung:
2,44 R. Barometerstand: 28 Zoll 0,63 Linien. Dunstspannung:
4,83 Linien. Relative Feuchtigkeit: 71 pCt. Himmelsbedeckung:
5,0. Höhe der Niederschläge: 0,1 Pariser Linien (am 10,).
VIII. Antliche Mittheilangen.
Personalia.
Niederlassungen: Dr. Wodtke in Reichenbach, Kreis Pr. Holland,
Dr. Pflug in Seeburg, Arzt Michaelis in Liska-Schaaken, Arzt
Hassenstein in Sensburg, Dr. Louis Wolff in Gnesen, Dr. von Wi-
kaczarnowski in Lewin, Arzt Dittrich in Borgholzhausen, Dr.
Unckel in Hörde, Dr. Behse und Dr. Fütterer in Ellrich, Dr.
Sudhof in Bergen, Dr. Ebert in Sontra.
Verzogen sind: Oberstabsarzt Dr. Aefner von Erfurt nach Fried¬
land a./Alle, Arzt Weszkalnys von Liska-Schaaken nach Kraapisch-
ken, Dr. Wilhelm Kalau von Hofe von Weilburg nach Insterburg,
Dr. Basset von Brieg nach Gr. Glogau, Dr. Serres von Berlin nach
Minden, Dr. Pi stör von Oldendorf nach Carlshafen.
Apotheken-Angelegenheiten: Der Apotheker Gutzeit hat die
Schulz’sehe Apotheke in Labiau, der Apotheker Tacht die Sehultz-
schc Apotheke in Memel gekauft und der Apotheker Lins die Hassen-
kamp’schc Apotheke in Frankenberg gepachtet.
Todesfälle: Dr. Eichelbaum in Königsberg i./Pr., Arzt Feiler in
Bladiau, Dr. Siehr in Insterburg, Kreis-Physicus Saniiäts - Rath
Dr. Seiberg in Rinteln, Dr. Simons in Soest, Dr. Merz in Hanau.
Bekanntmachung*
Die Kreiswundarztstclle des Kreises Orteisburg, mit dem Wohnsitze
des Beamten in der Stadt Willenberg, ist noch nicht besetzt. Wir
fordern qualificirtc Bewerber um diese Stelle auf, sich unter Einreichung
der erforderlichen Zeugnisse und des Lebenslaufes bis zum 1. Decem-
ber er. bei uns zu melden und bemerken, dass die Stadt Willenberg
dem neu anzustellenden Kreiswundarzte für ärztliche Behandlung der
Ortsarmen eine Remuneration von 360 Mark jährlich zusichert.
Königsberg, den 7. October 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Inserate.
Verlag von August Hirschwald in Berlin.
Neu erschienen:
Archiv für klinitche Chirurgie. Herausgegeben von Geh. Rath Prof. Dr.
B. v. Langenbeck, redigirt von Prof. Th. Billroth und Prof.
E. Gurlt. XXIII. Bd. 1. Heft. Mit 4 lithogr. Tafeln und Holz¬
schnitten. gr. 8. 9 M.
Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten. Herausgegeben von >Ed
P rofessoren v. Gudden, Leyden, Meyer, Th. Mevnert und
Westphal. IX. Band. 1. Heft. Mit 1 lithogr. Tafel. gr.S. 5 M. 6a
Busch, Stabsarzt Dr. H., Grösse, Gewicht und Brustumfang von Soldaten.
Studien über ihre Entwicklung und ihren Einfluss auf die mili¬
tärische Tauglichkeit. Mit 6 Holzschnitten, gr. 8. 2 M.
Herwig, Dr. R. , Ueber Schiffshygieine an Bord von Auswandererschiflen
unter Berücksichtigung der Sce-Sanitätsgesetzgebung von Bremen und
Hamburg, England, Frankreich, Italien und Nord-Amerika, gr. &
1 M. 60.
Keppler, Dr. Fr., Die acute Saponinvergiftung und die Bedeutung des
Saponins als localen Anästheticums durch das physiologische FiXperi-
ment an sich selber dargestellt. (Sep.-Abdr.) gr. 8. 60 Pf.
Kirchner, Dr. M., Die Entdeckung des Blutkreislaufs. Historisch-kritische
Darstellung, gr. 8. 2 M.
Cd. Martin’s Handatlas der Gynäkologie und Geburtshülfe, herausgegeben
von Docent Dr. A. Martin. Zweite verbesserte Auflage. (94 Tafeln..-
4°. 20 M.
Orth, Prof. Dr. J., Compendium der pathologisch-anatomischen Diagnost.k
nebst Anleitung zur Ausführung von Übductionen. Zweite ver¬
mehrte und verbesserte Auflage, gr. 8. 10 M.
Wemich, Docent Dr. A., Geographisch-medicinische Studien nach den
Erlebnissen einer Reise um die Erde. gr. 8. IQ M.__
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gewiesen. Adressen sub F. B. 121 durch d. Exped . "d. Bl. _ _
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Verlag und Eigenthum von August Hirschwald in Berlin. — Gedruckt bei L. Schumacher in Berlin.
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UNIVERSETY OF MICHIGAN
IKs CdtHstf. JUiriij»Oh<» P.-scJitun jeden
Öonfcag' \r. tW Stärke 7dr. wenifrsu.es U B^ßn/ffr. -i.
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i>\ W. T^ws’t&tfisäkrr* 'fö, aö * odn« - /a» <$ie ^
U(?«biiC}[)tvi«dJno^ von \u£n^ ÜirfrTftWld in Bet--
lic VN, W, Cöl*r den Luide« 6 ?.\) ejussmdau-
W
Organ für praetische Aerzte,
Mit Berücksichtigung dtr preüssiaehen Medicißulvcrwaltiirig und MfedieinK.lgeset2gebuTJg
nach amtlichen MüfiiOlungeiK
Rerlacteur: Prof. Dr. L. WalWnrg.' Verjag von >Vu?hsI Hirsiiiwald in
Montag, den 28. October 1878.
m 43 ,
Fünfzehnter Jahrgang.
i. au? dür niodirnmehfjii PniifcWik it» Haik: ii^hnri und R[ie>^uc-ri Kir. FaiP vvn peri&fliAcuor Hänovlobinurie. - U. KCnig:
Zur Operation des Etnpvj^n^ —- TH. Ha usmann: Wichtigem au-: der feschiehte und Tlirmpk-dor Keo.d«;kvc.. umc b«->onö‘T'-r D-Tiich-
*iehtigüh$- «1er ' hym [>hdrusenUunofen und tieren Behandlung mit •mothoiiisolivir j»icrV>iK- Einreibunaä - IV Fant hei*. Bin unter
dem Kinlhisäe voi dihiorAÜlj’diVit atid' OromhiaH gebebter Tetanus traninatieus. -- V. Knpk • \pt%tiwx •<£ MhjWro ürfo fty BenjanüU
Ward Rirhard$’!n\ — VI. Ad.humMunßcu ärztlicher GeMdkrhäfteu (DeDiuo-r medizinische GeydlsdwiH■■ ■-- Acrzt lieber Verein zu
Marburg' — Allgemeiner juftillnhcr AevF»« in - Cola); — VII. l^nilkrtm {bdire-ke; Krakele- Brinnorun^t» an oim-n Wmtcrauhmibatt
im Süden — Die &L Yer^ißUilügp dtäfttfebej* ^Naturforscher. und in Oass&L Knlgegiuitf^ ' ^^p®chiditlrjibB Nstiaiuij. —
Will. AmtUflM Mh<bklgr,gOri, ^ Tnstiratd
I. Ans «Irr medidnisrlieii Poliklinik in linde.
El» fall vüu periodischer lUateglobitiuxit*.
ilifgiHhetU T r i
]Pi\, |& Ä. Kolter« ujt 1 Dr. 0, Kfie*fffH*iv
As!vl<?<: iif.'ii der Poliklinik. .
>iacü^(ehtfr!il tht*iJjQo wir Aiu.e Bmibaditung mit. die aller--
«ach.tdcb t Utrftu Alj^jd|üiBs gefundei! bat; imlekfmn ist
corläufiär du -lieber nicht zu erwarten. Und die. Seltenheit
ä$A 'ÖH'BuvfHtidrrs f&pßjil dah^r,: sdue Ven'iffe.utUcbung iiVticJt in
«ie? jetzigen te->taH reehUVatigeiL
W ir habul» dn« Kt ankert. debsim Gesdiirhte kurz mltgcillfdlt
'Werden soll, seit: fast einem fahre io Ih-liainlbmg: er war leider
nfo m bewbgen ^uih'-'in dir.: Klinik äufiiehmeii tn la^en, und
«o tretet niftUriicli die |>öltkfinb?Äe Benbarditung mnnebe .Lrick»?ü
Der Arbeiter W. S nuk, Halle. Cr2 Jabre alt ? %tötüißt von
gesunder, iiioplf lebender Satter und eineru an HhÜilse vor-
Atorfe-ti^n Vater. ^e»ne 4 Üe^hwister hibeu ijncb -Tue an
Krankbeiten gelitten. Hittient >e.U»st ist in »einer Jiigeiiil hnnVev
gesund gewesen und erfreute sich: eiuei .^ebr krdfügeit
Körperbaues. Tai Jahre 1 ST 1 kam . er wegen l'lcu*. wolle und
Bitbu dexter zum ersten Male m iritlicbe flebabdlnng, wurde
aber bald geheilt entlasst». f m Winter i^7A ‘er eine* Tages
bei stärker Kulte auf freiem Felde, der^ikwtigett Zugluft .aus-
gesetzt, mit OrBhen hesehdfttgt, als tbn auf einmal ein „Kribbeln^
üherkam/ iHkrb als hätte ei die Baut voll Ameisen, ’ Sehr
bald darauf misste er den Spaten weg legen, denn es befiel ihn
■ein suuderbäft^ Gefühl der Müdigkeit; musste sich dehne?)
unijf stnvrkeu, und es «tyg ibir» 'in Armen irnd Beinen, ^elir
bald darauf verlor er, wia Mm Arbertsgenokse ihm witthudto.
iu< nm-tnale iöldiaft rothe Ge>wht^farhe und wurde fahl und
1 >tes\ irazM gnsöllte 4ieb iiochv^fn iTäbtaen und ein <<v vöteu-
^i-Ve§ KältegüfAlii, da,^^ er vprFiovt mit lieh Zähnen klapperte,
LWn den Ktwt -vemefbeu, zrcang er <ieh zu neuer arfge-
-itfLUigter Thärigkeit irn r :«rahtib, musst« jodud» .schon nach .einer
hhjju/it Stunde dieselbe ;a«fgebeti s da *t sie tmiz. ,n\l\‘-v An-
-r • uguug nicht mehr lektea kormte. Er trat zur Feite um A'?h
an^uruhen und einmal zu urioireo. Als er dabei aber gewahr
wurde; dass sein Harn roih-sebwaiz, fct blutabu’Udi aussab,
ging rv eilends nach Hause .uud legte sich tu Bett. Riev
.*e|p:u\tbv vs ihn nach eirtev Weile vor Frost, und im Lvibc
Co gle
. y> rumortc' ? es, daim aber wurih* warm vind mfath vielleicht,
•auch Au .Si’hwf'.iss, Am änderen Morgen bei sein er Alntrer sein
blasses AusKobeu m\f K und sie Hess ihn nur mit Widersffabelt
/uif Arbeit geben. ^
Seit die^dv Äeit bi4 ,xum Beginn, .-d^f.. .’
Pafiem ein ganz aufieret Menseit gewesen als fnlluTi fort-
während sehlapp« unlustig zur Arbeit., «»f{ auch zimi E-seth von
tabler Farbe und *jcp frostig, dass er das Hefplil der Kait*^
uameutUc.li an Finder- üjoj Fu«ss;pifew, .uiBiuals ganz los wird
und forlwsUtrend Fntcr^etig trägt. er bis dahiri
einmal dem jSiun^n. nach gekannt batte. tu demselben Winter
3 47o hatte S. oucti viele ganz ahnfichr Anteile wk «lor veipiS
srbrihssBcti trat bei ciliew cherielben ancb noch Ibfuvtbetjemmuqg
auf. und diese .tvvuug ihn ärztliche Hülfe zu mähen. WVlobe.
Üiaguo»o der Arzt, ggatvllt, ist ans unbekätviit gublietreri; gfmng
die Öeklemmwigen •• vorüber, aD*rL^..';wnijt^' wkder': arp-
fangen zu arUeum Da er sich jydneh. in Folge .seiner Fro.*d»g :
keit uiebt ent^dltbc^bn konnte im. Freien kn arlveit:^^ na Hm
er FteUtmg .m einer Zuckersiederei, die er auch bis zu diouma
| Sommei Jnne gehabt hat.
| In> Jahre J S 7:3 waren die Aninlle in (lesen doch wieder so
i heftig und der Urin so stark - kaffecfftrbig. dass er mit ■'einer
' Probe des Urins tum Kassenarzte ging, tim vod ihm Hülfe zu
fordern Dieser erklärte die Anfälle für Gailen«leiultpHk und
i vto-ordnete eine Karlsbader - Wasser - Cur. AU. Fätient jedor.b
• n/U einer Frohe tmcb dun klaren. Urin^ als tfjss ^rste älal bet"
d« m Arzt cts' chma, gbvubce dieser es mit einend 8*aoitäntevi .of
| thtm zu HaWtf und fuhr ihn grob an, wie tu sich onterst^mr:
j koufn». ihn mit Lack ritze owzbtfer betrögen zu wuHeu.
; UirAnfäUe waren in di^gr £<p IB?7) ifn wÄrit-
lioheu ticujH Wie «mfangB- Kipmal überfiel ihn *me
Afi%|Ueg aH är weut von Keiner AV.ohfmfVg entibrnt war.
&* Iftun e?. dä;^ Rit/.estadiüm schon mvterwegs »MbtrOt.
Obwohl vr «rar n<nht schnell giüg, fing er so heftig an cu
schwimm, dase atb Kldd'u- durchnusst wurde«, f m Ad» etiva.s.
; K« ärbojt}«. t»-at är ln Sehönko tljiij Zog hier die Aülmerk-
; sajiikvii rtll^y Auwcsojivbni auf sieb, detiu vm> seinen GiiWlvnj
; .»floss es nur so/v — Oft' war nach den Anfälleu seine OnsfobD-
ferbr eiim m v gelbe. d a^s er dar auf Kit». Vom alle«
1 Leuten vervvnnvbnt aogcnubd ward«.-.. Er $&Ü)kt erkiärte mc-h
die starke Vurlurbung durd» »Ue grosse Hdse. der ^r'bei seiner
636
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Beschäftigung als Zuckersieder Tag für Tag ausgesetzt ist. —
Als ein Symptom, welches in den ersten Jahren nur selten
auftrat, in den letzten aber bei keinem Anfalle fehlte, ist Brust¬
schmerz zu verzeichnen. Das Herannahen eines Anfalles er¬
kennt Patient stets mit Sicherheit zuerst an dem Ziehen in
allen Gliedern, welches nie fehlt. Seit dem Jahre 1876 labo-
rirt S. übrigens noch an einem anderen Leiden, nämlich an
hartnäckigen Neuralgien, die bald die obere, bald die untere
Extremität und bald den Rumpf befallen und sehr heftig sind.
(Vielleicht muss zu ihrer Erklärung mit in Rechnung gezogen
werden, dass Patient ziemlich starker Potator schon seit Jahren
ist.) Zu Anfang traten die Neuralgien als Ischias auf und
trieben Patienten zuerst in die chirurgische Klinik, dann zu
einem Electrotherapeuten und zuletzt, als alles vergeblich ge¬
wesen war, in unsere klinische Behandlung. Das Leiden war
namentlich linkerseits Nachts oft so heftig, dass er laut schreien
musste. Er wurde mit Schröpfköpfen behandelt, und der Erfolg
war ein vortrefflicher. Der Barbier, welcher das Schröpfen
besorgte, bemerkte, S. müsse ein viel flüssigeres Blut haben
als andere Menschen, denn es wolle bei ihm gar nicht zum
Stehen kommen.
Im December 1877 kam Patient zum ersten Male mit der
Klage über seinen Urin zu uns; er hatte sich tief in seinen
Rockkragen verkrochen, obwohl es gar nicht sehr kalt war,
und brachte eine grosse Flasche völlig schwarzen Urins mit.
Bei dem nun genau aufgenommenen Status praesens ergab sich
kurz folgendes: S. ist ein kräftig gebauter Mann von mittlerer
Grösse. Die Haut des ganzen Körpers, namentlich aber die
des Gesichts, ist eigenthümlich gelbbraun. Die Scleren sind
deutlich ikterisch. Das Fettpolster des Körpers ist überall
vorhanden, scheint aber früher reichlicher entwickelt gewesen
zu sein. Hals kurz, gedrungen; Thorax gut gewölbt; Herz und
Lungen ergeben die normalen Auscultations- und Percussions¬
resultate. Leber steht normal und ist nicht vergrössert; ebenso
die Milz. Linkerseits ist der Aussenrand des Quadratus lum-
borum auf Druck empfindlich. In der Regio pubica fällt eine
Hernie auf, deretwegen Patient vom Militär freigekommen ist. ;
Der Augenhintergrund ist normal. Der Urin wurde damals
microscopisch und chemisch untersucht, reagirte alkalisch (war
nicht mehr frisch) und enthielt viel dunkel gefärbtes Eiweiss, j
viel Cylinder und Phosphate. Patient gab au, 2 Tage vorher !
einen typischen Anfall gehabt zu haben. Obwohl er nun an¬
gewiesen wurde, beim nächsten Aufalle sofort zur Klinik zu
kommen, gelang es uns doch erst Ende März 1878 Urin zu
bekommen, der erst 12 Stunden alt war und an Dunkelheit
dem ersten gleichkam. Er hatte das spec. Gewicht 1029, rea¬
girte deutlich sauer, enthielt viele hyaline Cylinder, aber keine
Blutkörperchen und keine Crystalle (also auch keine Oxalate!).
Im Spectralapparat gab er das Spectrum des Oxvhaemoglobins;
beim Kochen wurde viel rothbraun gefärbtes Eiweiss abge¬
schieden. Drei Tage später war der Urin noch braungelb und
hatte das spec. Gewicht 1028, enthielt aber keine Cylinder
mehr und nur noch wenig Eiweiss. Noch 2 Tage später unter¬
schied er sich in nichts von normalem Urine.
Am 10. April 1878 war S. Vormittags an der Saale be¬
schäftigt, als ihn ein Regenguss überraschte. Obwohl er sofort
nach Hause ging, stellte sich doch schon unterwegs das patlio-
gnomonische Ziehen und Frieren ein, und 30 Minuten später
wurde die erste schwarze Harnportion entleert, deren Unter¬
suchung dieselben Resultate gab, welche die erste des vorigen
Anfalls gegeben hatte. Die Entfärbung des Harns ging dies¬
mal schneller vor sich als vorher, indem bereits 48 Stunden |
No. 43
Eine neue Attaque konnte jetzt nicht stattfiuden. indem
S. wegen eines ulcus molle und eines abscedirenden Bubo’s für
lange Zeit nicht viel aus seiner Wohnung herauskam. Mittler¬
weile war es auch warmes, trocknes Wetter geworden und die
Wahrscheinlichkeit eines Anfalles dadurch ohnehin sehr ver¬
ringert. Diese Zeitperiode benutzten w T ir um zu versuchen, ob
sich nicht durch innerlich gereichte, auf die Dissolution der
rothen Blutkörperchen einwirkende Mittel sich artificiell ein
Anfall hervorrufen liess. Zu diesem Behufe erhielt S. zunächst
Thymolpillen, und zwar 3 Tage lang je 0,6 und dann 5 Tage
lang je 1,0 Thymol. Irgend welche Veränderung des Urins
trat aber weder während, noch nach dieser Zeit auf. Die
Fortsetzung dieser Versuche wurde zunächst dadurch unter¬
brochen, dass S. Magendrücken in Folge des Thymols und
später linksseitige Intercostalneuralgie bekam.
Am 15. Juni wurde das „Experimentiren" wieder auf¬
genommen, und zwar erhielt S. jetzt 200 Grm. Glycerin, stünd¬
lich 1 Esslöffel, an 2 Tagen hintereinander. Obwohl Patient
dies alles mit der grössten Gewissenhaftigkeit einnahm, blieb
der Urin wieder ganz unverändert. Während des Mouats Juli
und in der letzten Hälfte des Juni hob sich unter dem regel¬
mässigen Gebrauch von Ferr. oxyd. sacchar. sol. das Allgemein¬
befinden des Patienten in erfreulicher Weise, namentlich da er
aus Mangel an Arbeit sich mit Nichtsthun beschäftigte. Das
Unterhautfettpolster ist jetzt wieder vortrefflich, die Schlaffheit
der Glieder ist verschwunden, und die fahle Gesichtsfarbe hat
sich ins rothbraune umgewandelt.
Wir begnügen uns mit der Schilderung des eben gegebenen
'thatsächliclien Befundes und Hervorhebung einzelner Punkte,
die uns von besonderem Interesse erscheinen.
Es handelt sich bei unserem Kranken um eine exquisite
„intermittirende Hämoglobinurie“, wie sie neuerdings von Licht¬
heim (Rieh. Volkmann’s Sammlg. klin Vortr. No. 134) und
j dessen Schüler Aug. Franz (Diss. Breslau 1877) eine ein¬
gehende Bearbeitung erfahren hat. Wenn man die von den
genannten Autoren gezeichneten Krankheitsbilder mit dem unsri-
gen vergleichen will, so findet man eine fast bis ins kleinste
gehende Uebereiustimmung, sowohl im ganzen als in einzelnen
Tlieilen. Auch unser Kall betrifft, wie die von Lichtheini
beobachteten und aus der Literatur zusammengestellteu. ein
männliches Individuum; die veranlassende Ursache gaben auch
hier mit der grössten Sicherheit starke Erkältungen, ohne da»
wir sagen können, worin die Wirkung derselben eigentlich zu
suchen ist; auch bei unserem Kranken traten während der
warmen Witterung keine Anfälle auf. Jeder Paroxysmus hat
mit den in den Loschen Fällen auftreteuden die grösste Aehn-
lichkeit, und vielleicht den einzigen Unterschied von jene!
bildet das sehr reichliche Vorkommen von hyalinen Cylinderii
im Harn; doch kann dies selbstverständlich keinen Grund gegen
die Zusammengehörigkeit beider abgeben. — Bemerkenswerth
bei unserem Kranken sind vielleicht auch die sehr hartnäckigen
und heftigen Neuralgien.
Wir beobachten unseren Patienten selbstverständlich fort¬
dauernd, mit möglichster Discretion, um seinen Argwohn nicht
zu erregen; sobald wir in der Lage sind, etwas interessante'
von ihm berichten zu können, werden wir Gelegenheit dazu
nehmen, und wollen mit dieser kurzen Mittlieiluug einstweilen
nur zu der in Deutschland bisher recht spärlichen Casnistik
beitragen.
Weiterer Reflexionen über das Wesen der intermittireudeu
Hämoglobinurie wollen wir uns natürlich enthalten: es sind
solche in umfassender Weise von Lichtheim 1. c. angestellt
später keine Spur
weisen war.
von Farbstoff oder Eiweiss mehr nachzu-
worden, und wir könnten denselben nichts hinzufügeu. N cr
mit Rücksicht auf eine kürzlich im „Centralblatt für die medici-
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Original fro-m
UNIVERSETY OF MICHIGAN
28. October 187S.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
637
nischen Wissenschaften“ No. 27 referirte holländische Dissertation
(van Rossem, over paroxysmale Haemoglobinurie. Amster¬
dam, 1877), die uns nicht zugänglich ist, möchten wir bemerken,
dass es für Lichtheim’s Fälle und für den unsrigen nicht
thunlich erscheint, folgende vom Yerf. als möglich hingestellte
Erklärung anzunehmen: es handle sich um eigentliche Hämat¬
urie, d. h. wirkliche Blutbeimengung zum Harn, und erst in
der Blase werde durch reichlichen Gehalt an Oxalaten das
Hämoglobin in Folge der Auflösung der rothen Blutkörperchen
frei. Die Auflösung würde wohl kaum so schnell erfolgen, dass
gar keine Blutkörperchen mehr zu finden wären — und unser
Kranker entleerte Öfters die erste ürinportion schon sehr bald
nach dem Beginn des Anfalles, noch im Froststadium, und
ausserdem spricht, wie L. ausführt, die pseudo-icterische Fär¬
bung der Conjunctiva etc. sehr für eine Durchtränkung der
Gewebe mit hämoglobinhaltigem Serum. Ferner sprechen auch
namentlich die von L. herangezogenen Vergleiche mit experi¬
mentellen Ergebnissen (Transfusion etc.) ungemein für eine
Auflösung von Blutkörperchen, d. h. Hämoglobinbildung schon
innerhalb des Blutes.
Schliesslich wollen wir noch erwähnen, dass vielleicht ein
von Ultzmann (lieber Hämaturie. Wiener Klinik, 1878) be¬
richteter Fall hierher gehört. U. erwähnt denselben nur sehr
kurz und scheint überhaupt auf die Hämoglobinurie an sich
wenig Werth zu legen. Den eben erwähnten Fall, eine ältere
Dame betreffend, rechnet er zu „einer Combination von Hämo¬
globinurie mit parenchymatöser Blutung“, welche nicht selten
sein soll. Ist dieser Fall, was aus der kurzen Schilderung
nicht klar hervorgeht, als reine Hämoglobinurie aufzufassen,
so wäre er nebst einem von van Rossem (1. c.) beobachteten
der einzige bei einem weiblichen Individuum constatirte.
Uebrigens scheint uns der von van Rossem gebrauchte
Namen der paroxysmalen Hämoglobinurie dem der periodischen
Hämoglobinurie vorzuziehen zu sein; bei periodisch pflegt man
an eine bestimmte Regelmässigkeit in der Wiederkehr zu denken,
weiche bei dem in Rede stehenden Kranken nicht zur Beobach¬
tung kommt.
11. Zar Operatioa des Empyems.
Von
Prof. Dr. König in Göttingen.
Ich halte die Frage der Empyemoperation für so wichtig,
dass ich mir erlaube, Ihnen als Illustration für meinen kleinen
in Ihrem geschätzten Blatt veröffentlichten Aufsatz noch die
folgende, in mehrfacher Richtung belehrende Beobachtung mit-
zutheilen. Ich thue das um so lieber, als ja meine ganze Be¬
schreibung der Methode einer antiseptischen Empyemoperation
sich bis dahin nur auf wenige, allerdings sehr beweisende Beob¬
achtungen (2 Fälle von Baum, ein von mir beobachteter) stützte.
Eine 20 jährige Dame hatte angeblich im Winter d. J. eine
acute Pleuritis überstanden. Im Juli zur Erholung nach einer
Sommerfrische geschickt, wurden abendliche Fieberbewegungen
constatirt. Mehrere Male traten sogar Schüttelfröste ein, und
der hinzugezogene Arzt wies ein linksseitiges Empyem nach.
Dass es sich in der That um eine Flüssigkeitsansammlung
im linken Pleuraraum handelte, war aus der Dämpfung, die
besonders in den unteren Partien intensiv war, nicht minder
wie aus dem starken Verdrängtsein des Herzens nach rechts,
dem zum Theil fehlenden, zum Theil bronchialen Athmungs-
geräusch leicht zu erweisen. In der Lungenspitze hörte man
bei nur leichter Dämpfung noch vesiculäres Athmungsgeräusch.
Die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um einen eitrigen Er¬
guss handelte, konnte begründet werden durch die steil hectischen
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Fiebercurven, wie durch ein mässiges, schmerzhaftes Oedem,
welches in der Axillarlinie die Gegend der 6.-7. Rippe einnahra.
Tuberculose oder tuberculöse Anlage konnte nicht nach¬
gewiesen werden. Dagegen war der Fall in operativer Be¬
ziehung ein besonderer dadurch, dass es sich um eine nicht
unerhebliche, alte, langgestreckte Dorsalscoliose nach rechts
handelte. In Folge derselben waren die Intereostalräume der
linken Seite sehr erheblich zusammengerückt.
Am 14. Aug. wurde, nachdem durch Punction die An¬
wesenheit eines Empyems noch vollkommen sicher gestellt war,
die Eröffnung des Thorax durch Schnitt vorgenommen. Ich
stand in diesem Falle wegen der ungünstigen Verhältnisse der
Rippen bei der bestehenden Scoliose von einer ganz auf der
Rückfläche des Thorax anzulegenden Oeffnung ab. Wohl aber
musste ich sofort mich dazu entschliessen, wegen der Näherung
der Rippen ein Rippenstück zu reseciren. Den Schnitt führte
ich auf die 6. Rippe unter der Achsel, etwa 3 Ctm. von der
Axillarlinie nach hinten. Trotzdem, dass ich nach Abhebung
des Periostes ein Stück von reichlich 2 Ctm. entfernte, erwies
sich dasselbe fast als zu klein, so sehr rückten die resecirten
Enden der Rippe zusammen (Scoliose). Die Pleura wurde sodann
angeschnitten, und etwa 2 Liter dicken gelben Eiters entleert.
Darauf wusch ich die Pleurahöhle mit lauwarmer Salicylsäure-
lösung aus, und führte ein kleinfingerdickes kurzes Drainage¬
stück ein. Die Kranke wurde mehrfach, während sie auf der
linken Seite lag, an den Beinen erhoben und so der letzte Rest
von Erguss aus der Brusthöhle entleert. Die Operation, welche
selbstverständlich unter antiseptischen Cautelen, wie früher be¬
schrieben, gemacht war, wurde mit Anlegung eines Listerverbands
beschlossen. Patientin wurde in linker Seitenlage zu Bett
gebracht, und täglich mehrere Male, ohne dass der Verband
gewechselt wurde, in dieser Lage an den Beinen emporgehoben,
damit das Secret recht frei in den Verband ausfliessen konnte.
Das Fieber fiel sofort ab, um nicht wieder aufzutreten,
die gastrischen Erscheinungen schwanden, der Appetit kehrte
| wieder.
Schon nach 2 Tagen athmete der grösste Theil
j der Lunge wieder. Der Wechsel des Verbandes geschah für
die ersten Tage täglich, bald aber konnte derselbe 3 und 4 Tage
* liegen. In der dritten Woche war das Drainrohr herausgefallen
und nicht wieder eingeführt worden. Meine Befürchtungen, dass
I durch diese in meiner Abwesenheit begangene Unterlassungs-
I sünde ein Recidiv herbeigeführt werden würde, erwiesen sich als
' irrig. Am 24. September wurde der Listerverband, welcher
zuletzt 12 Tage gelegen hatte, definitiv entfernt.
Das Herz schlug an normaler Stelle; nur auf der Rückfläche
im unteren Theil des Thorax hat der Percussionsschall noch
eine leichte Differenz von dem der anderen Seite. Vesiculär-
athmen ist auf der ganzen Thoraxhälfte vorhanden.
Am 30. September konnte ich die Kranke, deren Körper¬
gewicht erheblich zugenommen hatte, geheilt entlassen.
Das Interesse, welches sich an diesen Fall knüpft, liegt
einmal in der raschen Beseitigung eines seit fast */ 4 Jahr
bestehenden Empyems durch antiseptische Operation.
Es liegt aber für mich ein weiteres Interesse darin, dass ohne
Ausspülung mit starker Carboisäurelösung dieses Re¬
sultat erreicht wurde. Die Seitenlagerung und das zum Zweck
vollkommenen Eiterausflusses wiederholte Aufheben der in Seiten¬
lage befindlichen Patienten an den Beinen ist gewiss für den
Fall, dass man Schnitte in der Seite des Thorax macht, zu
empfehlen.
Original fro-m
UNIVERSITf OF MICHIGAN
638
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 43
1IL Wichtiges aus der Geschichte und Therapie
der Scrofulose, mit besonderer Berücksichtigung der
Lymphdr&sentumoren und deren Behandlung mit metho¬
discher Schmierseife-Einreibung.
Von
Dr. Raphael Hausmann, Curarzt in Meran (Tirol).
Die Lehre von der Scrofulose ist für den practischen Arzt
von grosser Bedeutung, denn die Massnahmen werden je nach
der Auffassung des Grundwesens dieser Krankheit verschieden
sein, wofür das letzte Decennium besonders einen sehr wich¬
tigen Beweis ergiebt.
Wenn wir in allerkürzesten Zügen die Geschichte ‘) der
Scrofulose uns recapituliren, so sehen wir, wie innig dieselbe
mit der Tuberculose zusammenfällt, wobei zu Zeiten die Tuber-
culose, zu Zeiten wieder die Scrofulose in den Vordergrund tritt.
Die bereits von Hippocrates erwähnten xoipadeq“ 1 2 3 ) — sro-
fulae übersetzt — später struma bezeichnet, weisen bereits auf
die auch heut noch als scrofulös benannten Erkrankungen der
Halslymphdrüsen hin. Dagegen ist, wie Virchow 8 ) dargelegt
und Waldenburg 4 ) durch überzeugende Belegstellen erörtert,
das von Hippocrates und zum Theil von seinen Nachfolgern
gebrauchte Wort tpußa lange Zeit mit „tuberculum“ übersetzt,
nichts weniger als dieses, sondern bezeichnet „circumscripte
Eiterherde“; noch näher erklärt Waldenburg 4 ) die xowads.q als
langsam sich entwickelnde Tumoren, die <pupara als schnell zur
Eiterung kommende. 5 )
Erst mit Franciseus Deleboe Sylvius 1614—1672) findet
sich die Annahme, dass in den Lungen sowohl, wie in ver¬
schiedenen anderen Organen im normalen Zustande sehr kleine
nicht sichtbare Drüschen vorhanden sind, welche bei einer
gewissen (scrofulosen) Körperconstitution wachsen,
sich vergrössern, vereitern. Solent enim illa tubercula c. aetate
augeri atque sensim ad suppurationem pergere. 6 ) Offenbar
hat Sylvius bei der Verfolgung der unsichtbaren Drüschen
die Miliartuberculose in ihrer Entwicklung beobachtet und
zuerst den Zusammenhang von Tuberkeln (dies sind die an¬
geschwollenen Drüsen) mit Scrofulose ausgesprochen und zu¬
gleich die Identität der Lungentuberculose mit Scrofulose in
seiner Weise angenommen. Von den Nachfolgern wurde diese
Anschauung, besonders von Morton 7 ), acceptirt, der den Zu¬
sammenhang von Tuberkeln und Drüsen, von Phthisis und
Scrofulose anerkennt, aber auch andere Arten von Phthisis
zulässt: durch Verstopfung der Lunge mit Blutwasser, durch
Unterdrückung alter Geschwüre oder der Menstruation. Erst
mit Stark, der in einer, genau 15 Jahre nach seinem Tode
erschienenen Arbeit (1785) die Miliartuberkeln ausführlich be¬
schreibt, und mit Thomas Reid, dem man die Verbreitung
von Starkes Beobachtungen verdankt, wird die Tuberculose
von der Scrofulose völlig getrennt, die normal in den
Lungen vorhandenen, aber dem Auge entgehenden Lymphdrüsen
läugnet Reid entschieden als unerwiesen. C ul len wieder
1) Mit besonderer Benutzung des geschichtlichen und experimen¬
tellen Abschnittes von: Waldenburg, Die Tuberculose, die Lungen¬
schwindsucht und Scrofulose. Berlin, 1869.
2) cf. Birch-Hirschfeld. Ziemssen’s Lehrb., Bd. 13. S. 7 u. ff.
3) Virchow’s Archiv, XXXIV 1865.
4) Waldenburg 1. c., S. 12, 13 u. ff.
5) Hippocrat Opera. Edit. Kühn, Lipsiae 1825. De glandulis,
pag. 296.
6) Waldenburg 1. c., pag. 30.
7) Richard Morton, Phthisiologie, 1780 u. Waldenburg 1. c.,
pag. 54 u. ff.
(1709—1790) lässt die aus den ulcerirten Tuberkeln hervor¬
gehende Materie eine besondere Schärfe besitzen, ähnlich der
Art, welche die Scrofeln hervorbringt. (Specifisches Scrofel-
gif‘-)‘)
Späterhin tritt immer deutlicher die Prävalenz der Scro¬
fulose über die Tuberculose hervor, so dass mit Kortum die
Lungenschwindsucht (scrofulose Drüsen kommen auch in den
Lungen vor) als eine scrofulose secundäre Erscheinung betrach¬
tet wird. (Hufeland.)
Baillie (1794), auf Stark’s Beobachtungen näher ein¬
gehend, leugnet die Identität der Tuberkeln mit Drüsen, lässt
die grossen Lungenknoten aus Confluenz von Miliartuberkeln
hervorgehen und bezeichnet die später sog. käsige Substanz
als scrofulöse Materie, deren Inhalt er mit der Substanz der
wirklichen Tuberkeln für gleich hält. Für ihn ist der Tuberkel
ein abgerundeter Tumor mit scrofulöser Materie. Die scrofu¬
löse Materie Bailli’s nennt Portal, als der erste, „tuberculos“,
identisch mit dem Inhalt scrofuloser Drüsen, eine bis in die
neueste Zeit hineinreichende Bezeichnung, und nicht nur Knoten
und Knötchen, sondern auch lymphatisches Exsudat, lymphatische
Verhärtung, scrofulose Lymphdrüsen, — alles ist tuberculos,
eine hereditäre scrofulöse Afifection. Vetter (Wien, 1802) er¬
kennt trotz der Aehnlichkeit der scrofulosen (käsigen) Materie
in den Lungen mit der in scrofulosen Drüsen weder ihre scro¬
fulose Natur an, noch nennt er sie tuberculos. Er nennt sie ein¬
fach käsig.
Mit der Tuberculosenlehre BayleV) (1774—1816) erreicht
unsere Frage für lange Zeit eine entschiedene Wendung: er
führt den Namen Miliartuberkel ein, lehrt ihren gleich¬
artigen Character, mögen sie in den verschiedensten Organen
Vorkommen, führt den Namen „tuberculose Diathese“
ein; jede käsige Ablagen!ng ist Tuberkel, und während
er das Wesen der Tuberculose als Scrofulose ansieht, führt
er den Namen „tuberculos“ für scrofulös ein. Nun¬
mehr trat Laennec 8 ) auf. Es ist bekannt, wie gewaltig
der Einfluss seiner Lehre wurde, wie sie Wurzel fasste und
bis in unsere Tage wie ein Dogma von fastallen Seiten an¬
erkannt wurde. Er nimmt Bayle’s tuberculöse Materie auf.
indem er, wie dieser, vom Miliartuberkel ausgeht, dessen Um¬
wandlung bis zur käsigen Masse, resp. Erweichung verfolgt
(consequenter Weise nennt er käsig degenerirte, carcinoma-
töse Geschwülste ebenfalls tuberculös), lässt aber den Be¬
griff der Scrofulose vollkommen in dem der Tuber¬
culose aufgehen, so dass Scrofeln tuberculos entartete
Drüsen sind, eine Auffassung, welche später Louis vollkommen
annimmt, ebenso wie er mit Laennec (1781—1826) den ent¬
zündlichen Ursprung der Tuberculose und der tuberculöseD
Materie bekämpft gegen Broussais und dessen Anhänger,
während noch in Deutschland die alte Scrofulosenlehre beson¬
ders durch Joh. Friedr. Meckel aufrecht erhalten wurde. (Die
Miliartuberkeln galten als scrofulose Knoten, scrofulose Materie,
aber nach französischem Muster „tuberculose Materie“ genannt.)
Mit dem Ausspruche Schön lein’s*), „man hat in neuerer Zeit
Scrofelmaterie und Tuberkel mit einander verwechselt. Die
erstere ist eine käsige Materie ohne vorhergegangene Neubildung,
1) Cuilen, Anfangsgründe d. pract. Arzneikunst. Deutsch ISft).
Waldenburg 1. c., p. 47.
2) Waldenburg 1. c., p. 60.
3) Laennec’s Abhandlung von d. Krankheiten der Lunge u. des
Herzens etc. Uebersetzt v. Friedr. Ludw. Meissner. 2 Theile. Leipzig-
Aug. Lehnhold, 1832.
4) Dr. J. L. Schönlein’s, Prof, in Zürich, allgem. u. specielle
Pathol. u. Ther. St. Gallen. 4. Auflage. 1839.
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
*2S. October 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
639
letztere eine wahre Afterorganisation, ein mit einer Hölle ver¬
sehener Knoten oder Knötchen« — war die Trennung von
Tuberculose und Scrofulose auf das deutlichste wieder
ausgesprochen. Gegen die Anschauung eines Laennec aber
vermochte sogar ein Schönlein, dessen Forschungen später
in denen eines Virchow neue Begründung fanden, nichts we¬
sentliches auszurichten, ebensowenig wie die zahlreichen che¬
mischen Untersuchungen, auf die man grosse Hoffnung gesetzt
hatte, im Stande waren, besondere Stoffe für die einzelnen
„Krasen« zu finden.
Mit Lebert’s 1 ) (1844) „Tuberkelkörperchen«, dem Er¬
kennungsmittel des Tuberkelstoffes, schien in Uebereinstimmung
mit der klinischen Erfahrung, „dass die Tuberculose einen ganz
anderen Verlauf nehme, als die Scrofulose« — der Weg voll¬
kommen geebnet. Diese, nach Reinhardt (1847)*) aber auch
aus geschrumpften Eiterzellen hervorgehenden, nicht specifi-
schen Körperchen, fand Lebert in käsiger Masse und dem¬
nach gab es für ihn keine scrofulöse Materie, sondern eine
tuberculöse, keine Drüsenscrofeln, aber Drüsentuberkeln. Kli¬
nisch, aber nicht anatomisch gab es eine Scrofulose, welche
eine Prädilection für oberflächlich gelegene Körperpartien hat,
für Haut, Sinnesorgane, Knochen, Gelenke.
In dieser Zeit des heftigsten Kampfes trat Virchow ent¬
scheidend und lichtend hervor. — Er hatte zunächst, und zwar
schon zugleich mit Reinhardt*) nachgewiesen, dass die tuber¬
culöse (käsige) Materie sehr oft nichts als einfacher, ein¬
gedickter Eiter sei, der tuberculöse Process der Lungen sehr
häufig auf entzündlichem Vorgang beruhe; läugnet aber nicht^
dass es, wie auch die Lehre von Laennec annimmt, eine auf
Neubildung beruhende, primär sich entwickelnde (graue) Miliar-
tuberculose giebt, welche später die käsige Metamorphose ein¬
geht. Weiterhin präcisirte er genauer die bisherige „tuberculöse
Materie« als „käsige Materie«, den Vorgang selbst als „käsige
Metamorphose« (Tyrosis nach Craigie). Die Verkäsung ist
eine der verschiedenen Arten der rückgängigen, die Gewebe
ertödtenden Metamorphose, coordinirt der fettigen, wachsartigen
Metamorphose, der Verkalkung.
„Tuberkel« wurde ausschliesslich der als Neubildung auf¬
tretende Miliartuberkel genannt, so dass es eine Hetero-
plasie mit Ausgang in Verkäsung giebt (Tuberkel) und eine
Hyperplasie mit Ausgang in Verkäsung (Drüsenscrofeln).
So wurde von Virchow die Tuberculose von der
Scrofulose deutlich geschieden. Noch mehr! Virchow
giebt eine die gesammte Scrofulose, die sog. scrofulose
Diatkese erklärende Characteristik, und zwar findet er sie in
geringer Widerstandsfähigkeit der Gewebe gegen Störungen, in'
grösserer Vulnerabilität der Theile und Pertinacität derselben,
beruhend auf Schwäche einzelner Theile oder Regionen, be¬
sonders der lymphatischen Organe, Unvollständigkeit
in der Einrichtung der Drüsen. Die scrofulöse Entzün¬
dung ist dabei ausgezeichnet durch besonders reichliche Zellen¬
wucherung.
Die Folgezeit brachte durch Versuche an Thieren eine andere
Richtung zur Erörterung unserer Fragen, Impfversuche, deren Re¬
sultate zum Theil früher schon mit „aus dem menschlichen Ca-
daver entnommenen Beweismitteln 4 )« grosse Aehnlichkeit hatten.
Die vielerwähnte Buhl’sche Theorie nennt die acute Miliartuber-
1) Lebert. Müller’s Archiv 1844 u. besonders Tratte pratique
des maladies scrofuku.ses et tuberculeuses. Paris. 1849.
2) Arch. f. pathol. Anat. Bd. 1. 1847.
3) Waldenburg, 1. c., p. 112 u. ff.
4) von Buhl: Lungenentzündung, Tuberculose, Schwindsucht.
München, 1873, S. 114.
culose eine specifische „Resorptions-« und Infectionskrankheit,
wobei als erster Satz hingestellt wird: „Die Grundlage für die
Entwicklung der Miliartuberculose ist ein käsiger Herd« . . .
„Das erste Beweismittel, dass käsige Herde den Ausgangspunkt
bilden, liegt in der fast constanten Anwesenheit eines oder
mehrerer käsiger Herde im Körper.« (Von 84 Fällen [1859]
wurde 7mal ein käsiger Herd nicht gefunden.) C. E. Hoff¬
man n 1 ) geht so weit, das Nichtauffinden eines käsigen Herdes
bei der Section nicht gelten zu lassen, weil die Anamnese das
frühere Bestehen desselben höchst wahrscheinlich mache, Die
Specifität jedoch wird von Ho ff mann nicht zugegeben, die
Resorptionstheorie von ihm aber ebenso, wie von vielen ande¬
ren angenommen. Es ist nun das Verdienst Niemeyer’s,*)
die bereits viel früher*) von Buhl erörterte Frage weithin in
das ärztliche Publicum gebracht zu haben. Er erkennt eben¬
falls einen käsigen Herd als das primäre für die grösste An¬
zahl der Fälle an, erst secundär bilden sich eigentliche Miliar¬
tuberkel; er weicht aber von der ^uhTschen Theorie ab, indem
er die Wirkung des käsigen Herdes eine meist locale sein lässt,
bekämpft die Specifität der Tuberculose und eines eigentüm¬
lichen Virus des käsigen Herdes. 4 )
Bevor wir nun den Zusammenhang der Scrofulose und
Tuberculose weiter verfolgen, wollen wir die Impfversuche und
deren Resultate erwähnen 5 ). Schon Kort um hatte „Scrofelgift«
aber resultatlos geimpft, ebenso Hebreard (1802), Salm ade
(1805), Lepelletier (1816), Goodlad (1829); Laennec ver¬
letzte sich bei der Untersuchung tuberculöser Wirbelknochen,
wobei sich an der Sägerinde des linken Zeigefingers ein kleiner,
gelblicher, roher „Tuberkel« entwickelte. Alb ers (1834) berich¬
tet 5 Fälle von Impfung von Tuberculose an der Hand bei
einer Section. Mal in (1839) referirt 2 Fälle von Hunden einer
phthisischen Frau, welche deren purulente Sputa frassen und
bei deren Section beide Lungen durch Suppuration sich zer¬
stört ergaben, rechts fand man grosseCavernen. Cruveilhier’s
Versuche mit mechanischer Reizung (1826): Eröffnung der
Trachea, darauf Injection von Mercur in die Luftwege etc. er¬
gaben ihm, dass jede purulente Entzündung Formation eines
Tuberkels veranlasse. Klenke (1843) erklärt als der erste
die Tuberculose für impfbar. Buhl 8 ) berichtet, dass auch er
schon im Jahre 1856 und später 1859 Impfversuche an Ka¬
ninchen, jedoch mit unzureichendem Erfolge angestellt. Panum
(1862) fand wie Cruveilhier tuberkelähnliche Knötchen bei
seinen über Embolie angestellten Versuchen. Der eigentliche
Entdecker der Impfbarkeit der Tuberculose ist Ville-
min (1865). Die Materie zum Impfen entnahm er von Miliar¬
tuberkeln und käsig pneumonis«hen Herden, auch Sputa von
Phthisikern injicirte er subcutan, ebenso Blut derselben, immer
erzielt er Tuberculose, und demnach ist ihm alles, was Tuber¬
culose ergiebt, wieder Tuberculose, also sog. scrofulose Drüsen
sind meist tuberculös. Von grosser Wichtigkeit waren nun
die von Lebert 7 ) und Wyss meist an Hunden, also gegen
Tuberculose sehr immunen Thieren ausgeführte Experimente
theils mit Masse von Miliartuberkeln oder pneumonischen Her¬
den oder peribronchitischen, Injection von Eiter ins Blut, Queck¬
silber in die Trachea, wobei Lebert zu dem Resultate kam:
1) Deutsches Arch. f. klm. Med. IV, 1. 1867.
2) Klinische Verträge über Lungenschwindsucht v. Dr. Ott, Berl.
kl in. Wochenschrift No. 49, 51, 52, 53, 1866 u. 1867 1. 3, 5, 6.
3} Zeitsehr. f. rat. Modi ein, 1857.
4) Waldenburg, 1. c., p. 450.
5) Nach Waldenburg, 1. c., p. 179 ff.
6) Buhl, 1. c., p. 114.
7) Virchow’s Arch., Bd. 40. 1867. Sept.- u. Oct.-Heft.
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640
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Tuberkel sind weder pathologisch noch anatomisch
specifiseh, sind Entzündungsproducte, und Wyss dabei
die mechanische Grundlage, nämlich die capilliiren Em¬
bolien von umgewandelten Entzündungsproducten als das einzig
wesentliche für das Zustandekommen der Tubercu-
lose hervorhebt.
Unter den Experimentatoren in dieser Frage nimmt nun
Waldenburg 1 ) eine sehr hervorragende Stelle ein. Seine sehr
Beobachtungen wurden angestellt mit frischen, zahlreichen grauen
und erweichten Tuberkeln, mit käsig pneumonischen Producten,
Caverneninhalt, mit nicht tuberculösen käsigen Substanzen
(Scrofelmaterie), eingedicktem Eiter, catarrhalischen Sputis,
Spirituspräparaten von Tuberkeln und käsigen Lymphdrüsen
etc. und ergaben folgende Sätze:
Impfung mit nicht tuberculösen, nicht käsigen Substanzen,
mit chemisch veränderten catarrhalischen Sputis sind nicht
minder erfolgreich als Impfung wirklicher Tuberkel und käsiger
Materie.
Impfung indifferenter Stoffe ergaben seltener Tuberculose
als Impfung mit Tuberkeln, käsiger Substanz, Sputis und Eiter.
Und im Anschlüsse an seine Experimente gelangte Walden¬
burg zu seiner Theorie, »die Miliartuberculose ist eine Resor¬
ptionskrankheit (Buhl), entsteht durch Aufnahme sehr fein
vertheilter corpusculärer Elemente in den Kreislauf, Ablagerung
derselben unter Knötchenbildung in zahlreichen zerstreuten
Punkten verschiedener Organe.“
W T ir haben somit einen Causalnexus zwischen Scrofulose
und Tuberculose (käsige Lymphdrüsen) gewonnen, wobei die
Scrofulose nicht eine auf einem specifischen Gifte, sondern eine
aut Constitutionsanomalie beruhende Krankheit (Virchow) ge¬
nannt werden kann.
Eine Anzahl anderer übergehend führen wir als sehr wich¬
tig an Wilson Fox (1868), welcher bei 117 Meerschweinchen
und 12 Kaninchen durch Impfung mit Tnberkeln, wie anderen
Stoffen (Baumwollfaden) Tuberculose erzielt.
Noch bis in die jüngsten Tage wird der Beweis fortgeführt,
dass es mit den verschiedenartigsten Substanzen möglich ist,
Tuberculose zu impfen, dass, wie Cohnheim und Fränkel
nachwiesen, sogar die blosse Erregung eines Entzündungs- und
Eiterungsprocesses genüge, Tuberculose bei Kaninchen und
Meerschweinchen zu erzeugen. Hochwichtig ist die Entdeckung
meines Freundes und Collegen Dr. Tappeiner 2 3 ), dass bei
Hunden durch Einathmung, d. h. Inhalation fein zerstäub¬
ter cavernöser Sputa Tuberkeln erzeugt wurden. Doppelt
wichtig, weil, wie ich schliesse, endlich einmal experimentell
die directe Ansteckung eingeathmeter, mit phthisischen Massen
verunreinigter Luft nachgewiesen, und ein neuer Beweis für
die Theorie von Waldenburg (Wyss?) gegeben ist.
Die meisten der oben erwähnten Experimente waren an
Kaninchen und Meerschweinchen angestellt worden, bei Thieren
also, welche grosse Neigung zur Verkäsung eitriger Entzündungs¬
herde haben, und deshalb fing man an, die Beweiskraft dieser
Versuche zu bezweifeln und unterzog deshalb die fraglichen
Objecte, käsige Herde und Tuberkeln, einer genauen microsco-
pischen Untersuchung.
Am deutlichsten nun ist der Standpunkt der neuesten Rich¬
tung characterisirt in den eigenen Worten eines der hervor¬
ragendsten Forscher: Rindfleisch,*) »Lymphdrüsenerkran-
kung. Es handelt sich um die bekannten käsigen Intumescenzen
der Lymphdrüsen, welche von allen älteren Autoren als patho-
1) 1. c., p. 248—283.
2) Bericht der Naturforscher-Versammlung in München 1877.
3) Ziemssen’s Hdb. d. spec. Pathol. u. Ther., Bd. V. 2, p. 158.
No. 43
gnomonisches Product der Scrofulose angesehen und bezeichnet
worden sind. Virchow hat sich diesen Autoren in sofern
angeschlossen, als er das Wesen der Veränderung in
einem rein hyperplastischen, also noch in das Gebiet
der Entzündung fallenden Zustande erblickt und die
tuberculose Qualität der Tyromata ausdrücklich in
Abrede stellt. Ich bedauere in diesem Punkte widersprechen
zu müssen. Ich habe mich durch wiederholte Nachunter¬
suchung völlig von der Richtigkeit der Angabe Schüppel’s
überzeugt, wonach die „scrofulöse“ Drüse in allen
Fällen eine »echt tuberculöse“ Drüse ist.“ Dabei
stützt sich Rindfleisch nicht allein auf den Befund von
Riesenzellen, »weil er, noch weniger wie Schüppel, von
der pathognomonischen*) Bedeutung dieser Zellen
überzeugt ist, sondern ganz besonders auf das Resultat seiner
Forschungen, wonach das frisch veränderte, noch nicht käsige,
aber bereits grau durchscheinende Parenchym einer scrofulösen
Lymphdrüse nicht bloss von einigen Riesenzellen, sondern factisch
von einer oft sehr grossen Zahl ächter Tuberkel durchsetzt ist.
Dagegen ist wesentlich, dass Schüppel selbst einfach hyper¬
plastische Lymphdrüsenprocesse, als der Tuberkelentwick¬
lung vorausgehend, nicht ganz in Abrede stellt. Er theilt*)
einen Fall mit, bei dem nur Hyperplasie, keine Tuberkelentwick¬
lung, aber auch keine Verkäsung sich vorfand — 1. Stadium
der scrofulösen Drüsenschwellung hyperplastischer Natur.
In diese von Schüppel eingeschlagene, von Rindfleisch
schärfer gekennzeichnete Bahn trat eine Reihe von Forschern
ein, welche, wie Friedländer, noch weiter gingen, so dass
dieser zum Ausspruch gelangte: alle wichtigeren scrofulösen
Erkrankungen gehen mit Tuberkelbildung einher.
Wenn wir diesen geschichtlichen Abriss überblicken, so
erkennen wir, welchen Schwankungen die Lehre von der Scro¬
fulose von Anfang an bis heut unterworfen war, und der
Practiker kann sich deshalb schwer dem Stande der jetzigen
pathologisch-anatomischen Anschauungen fügen und die Scro¬
fulose, deren Bild ihm aus vielen Fällen vorschwebt, ver¬
bannen.
Vor allem tritt ihm vor die Seele die Anschauung von
Virchow, der als Grundlage von Scrofulose eine pathologische
Constitution, Schwäche einzelner Theile oder Regionen, ins¬
besondere ihrer lymphatischen Organe, Unvollständigkeit der
Drüsen, annimmt, er wird ferner gemahnt an die von Walden¬
burg*) hervorgehobenen Constitutionsanomalie und deren De¬
finition von Scrophulose, nach welcher die in abnormer Weise
(Virchow) zur Erkrankung neigenden Lymphdrüsen eine locale
.Disposition zur Verkäsung besitzen. Er wird ferner hingeführt
auf Buhl-Waldenburg’s Resorptionstheorie, und selbst die
Anschauung der Neueren verdammt ihn nicht zur verzweifelndeu
Unthätigkeit; denn sogar nach den Anschauungen eines aller
dings gemässigten Anhängers von Rindfleisch und Schüppel-
nach Beobachtungen von Birch-Hirschfeld (und Armauer
Hansen) 4 ) erfolgt die Verkäsung der sogenannten scrofulösen
Lymphdrüsen nicht ausschliesslich auf dem Wege der Tuber
culose; es giebt vielmehr, wie Schüppel selbst erwähnt, aus¬
gesprochene hyperplastische Erkrankungen der Drüsen, und
auch die oberflächlichen Haut- und SchleimhauterkrankuDgeD
1) v. Buhl, 1. c. p. 100: „Es giebt Tuberkellymphome, in welchen
man während jeden Zeitraumes ihres Bestehens, vergeblich nach einer
Riesenzelle sucht.“
2) v. Ziemssen. Bd. 13. Birch-Hirschfeld. S. 45.
3) 1. c. p. 176.
4) Birch-Hirschfeld. Scrofulose. Ziemssen’s Lehrb., 13. Bd.,
2., S. 48.
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
28. October lS'lb-
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
641
der Scrofulose ergeben keinen besonderen anatomischen Cha-
racter *).
Das Wesen der Scrofulose, als einer Constitutionsanomalie
wurde, um einiges auch darüber zu erwähnen, im Laufe der
Zeit verschiedentlich ausgelegt. Es wurde in Schärfe der
Lymphe, Ueberhäufung von Bildung derselben, Schwäche des
Lymphsystems, abnormer Blutzusammensetzung, in specifischem
Virus, in Dilatation der Saftcanäle und Eindringen von Monaden
in dieselben (Hüter) gesucht, endlich in einem Missverhältniss
in der Blutmenge zu den festen Körperbestandtheilen und der
Erblichkeit.
Als Gelegenheitsursachen zur Anregung der vorhandenen
Constitutionsanomalie nehmen wir als die wichtigsten heraus:
Art der Ernährung, Verderbniss der Luft (Zuchthausscrofeln),
feuchtes Klima, feuchte Wohnung und mit Rücksicht darauf,
dass bei Fütterungsversuchen mit Milch perlsüchtiger Kühe
(nach Schüppel stimmen Perlknoten und Tuberkel im Bau
überein*)) Lymphdrüsenerkrankungen sehr häufig sind, könnte
auch Scrofulose nach Genuss solcher Milch, wiewohl noch nicht
sicher erwiesen, angenommen werden. Die viel angeklagte Vacci-
nation, nach welcher scrophulöse Erscheinungen bisweilen her-
vortreten, beweisen zunächst nichts, als dass ein mechanischer
Reiz die schlummernde Krankheit erweckte.
Wie vielfältig und wechselnd die Anschauungen über den
pathologischen Begriff und das Wesen der uns beschäftigenden
Krankheit auch sein mögen, so muss uns z. B. der eine
Satz Rühle’s: »Die Scrofulose aus der Welt schaffen, hiesse
in der Schwindsuchtstherapie grosses leisten,“ er mag immer¬
hin ein pium desiderium enthalten, dieser einzige Ausspruch
müsste uns anregen, der Scrofulose mit aller Macht ent¬
gegen zu treten, um so mehr, als gerade jetzt sich wieder
Stimmen erheben gegen locale Behandlung, speciell gegen die
Exstirpation der scrofulösen Drüsentumoren. Von den malignen
Lymphdrüsenerkrankungen (Lymphosarcom), den malignen Lym¬
phomen (Billroth), welche mit der Scrofulose nichts ge¬
mein haben, sehen wir ab. Sie unterscheiden sich von scro¬
fulösen Drüsenerkrankungen ganz besonders durch ihr rasches
Wachsthum, ihre geringe Neigung zur Verkäsung und
ihren stets malignen Verlauf, durch Generalisation der Geschwulst¬
bildung im Lymphdrüsenapparat, Milzvergrösserung, raschen
Kräfteverfall und Erfolglosigkeit der operativen Behandlung.
Und über die allgemeine Therapie sagt Rühle*) in kurzen
Worten ganz vortrefflich: „Da zu der besonderen Disposition
für Phthise die Scrofulose gehört, so ist gerade dieser in der
Kindheit und so lange sich Spuren derselben später zeigen, die
grösste Aufmerksamkeit zu widmen . . . Hier soll nur davon
die Rede sein, in so manchem Einzelfall das durchzusetzen, was
als allgemeines Ziel der öffentlichen Gesundheitspflege schwer
zu erreichen. Man wird das frühe Bewohnen neuer Häuser,
Kellerwohnungen nicht verbieten können, wie viel Menschen in
einem gegebenen Raume zusammen schlafen — aber könnte
man es nur! Doch in manchem Fall wird man dazu beitragen
können, dass solche Beförderung der Scrofulose vermieden werde,
dass eine vernünftige Ernährung, Genuss frischer Luft, Bäder»
Leberthran, Eisenpräparate in ausreichender Consequenz ange¬
wendet und so die Scrofulose vertilgt wird. Auch die chirur¬
gische Behandlung zugänglicher Drüsenschwellungen, welche
nach allen solchen Allgemeinbehandlungen nicht weichen, die
Exstirpation, wie sie schon vielfach gemacht worden, ist von
diesem prophylactischen Gesichtspunkte zu empfehlen!“
Nehmen wir diese Worte zur Norm bei unserem therapeu¬
tischen Verfahren, so haben wir Wege genug gegen den Feind
loszugehen und werden dabei eine sehr grosse Aufmerksamkeit
gerade den Drüsentumoren zu^nden. 1 )
Die Tumoren der Mesenterialdrüsen sind freilich jedem
directen Eingriffe unzugänglich, indess sind die Beobachtungen
der pathologischen Anatomen noch immerhin tröstlich, und so
erwähnt Rindfleisch*) über die Schicksale der käsig ge¬
wordenen Lymphdrüsen, dass man an den Mesenterial¬
drüsen fast immer eine nachträgliche Verkleinerung
durch Resorption der noch vorhandenen flüssigen Be¬
standteile, nicht selten auch Kalkablageruug und
Petrification beobachtet. Und ebenso führt dieser Autor an
derselben Stelle an, dass Virchow eine vollständige Resolution
des käsigen Materials beobachtet habe, wobei wahrscheinlich
eine periphere Verflüssigung und Aufnahme der Flüssigkeit in
die durch collaterale Hyperämie erweiterten Blutgefässe der
Kapsel — die erwünschteste Rückbildung — stattgefunden.
(Schluss folgt.)
IV. En nter 4ea Eiaflasse vaa Chleralhydrat aad
Bramkali geheilter Tetanus tranmaticns.
Mittheilung von
Sanitäts-Rath Dr. Panthel zu Ems.
Vor drei Jahren habe ich einen unter der Einwirkung von
Chlorhydrat und Bromkali schnell und glücklich verlaufenen
traumatischen Tetanus beschrieben; heute kann ich einen zweiten
Fall, der in acutester Form mit der grössten Heftigkeit auftrat
und bei der oben genannten Behandlung ebenfalls glücklich
endete, mittheilen.
Daniel Gr., ein gesunder Arbeiter von Ems, 40 Jahre alt,
Hess mich am 29. Juni v. J. zu sich rufen. Als ich in sein
Zimmer eintrat, wurde er grade von einem tetanischen Anfalle
der heftigsten Art, in der Form des Opisthotonus befallen, was
sich schon seit einigen Stunden in kurzen Zwischenräumen
wiederholte. Ich erfuhr, dass der Mann vor einger Zeit durch
die Kappe eines schief getretenen Stiefels sich eine Wunde am
Knöchel der rechten Tibia zugezogen, dass er aber trotzdem
den Stiefel täglich benutzte. Die halb eiternde, halb mit einem
leichten Schorfe bedeckte Wunde hatte die Grösse einer Mark.
In Folge obiger Einflüsse hatte sich bereits seit 5 Tagen Tris¬
mus eingestellt, der jetzt kaum noch die Einführung von etwas
Milch gestattete; das Schlingen war sehr mühsam, die Sprache
erschwert und undeutlich.
Die Diagnose unterlag keinem Zweifel, ich hatte einen
traumatischen Tetanus in acuter, heftiger Form vor mir.
Pat. bekam, wie in dem früher beschriebenen Falle, Chloral-
hydrat und Bromkali abwechselnd, alle zwei Stunden etwa
zwei Grm. Ich komme später hierauf zurück. Die günstige
Einwirkung war diesmal eine weit raschere als in dem frühe¬
ren Falle. Während ich dorten in den ersten drei Tagen nur
einen Stillstand, ein Gleichbleiben constatiren konnte, indem
die in der Natur der Krankheit liegende Zunahme an Intensität
und Häufigkeit der Anfälle nicht erfolgte, und erst vom vierten
Tage an ein entschiedener Nachlass sich zeigte, war in diesem
Falle schon nach 24 Stunden ein merklicher Nachlass, nament¬
lich der Heftigkeit, der Schmerzhaftigkeit der Anfälle, unver¬
kennbar. Unter steter Fortsetzung der genannten Behandlung
1) Ibidem p. 44.
2) Ueber die Identität der Tuberculose und Perlsucht. Virch.
Arch. 1872 und Waldenburg 1. c. p. 395.
3) Rühle 1. c. p. 124.
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1) Beherzigenswerth ist der Hinweis von J. Braun in dessen Balneo¬
therapie S. 232 auf den Gebrauch der bei Scrofulose vernachlässigten
Karlsbader Cur.
2) Rindfleisch. Lehrb. der pathol. Gewebelehre. 1873. S. 176.
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642
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 43
nahmen die Anfälle allmälig an Heftigkeit und Häufigkeit immer
mehr ab und minderten sich bis zum sechsten Tage der Art,
dass ich mit Sicherheit auf Heilung rechnen konnte. Sie währ¬
ten jedoch in leichterem Grad^noch etwa acht Tage, wurden
namentlich durch jeden Versuch einer Bewegung fast constant
hervorgerufen, jedoch nur auf Augenblicke. Leichte Anfälle
erfolgten in längeren Zwischenräumen auch noch in der dritten
Woche, wo der Trismus ziemlich geschwunden war. In der
vierten Woche war nur noch grosse Regidität der Nacken¬
muskeln und der Beugemuskeln der Beine vorherrschend, so dass
sich der Kranke nur mit fremder Hilfe und unter ziemlich
heftigen Schmerzen erheben konnte. Difcse Contraction der
hinteren Halsmuskeln mit andauernder Rückwärtsbeugung des
Kopfes war auch noch in der fünften Woche bemerkbar.
Zu Anfang der dritten Woche der Krankheit, wo die eigent¬
lich tetanischen Anfälle so weit verschwunden waren, trat eine
neue Erscheinung auf, nämlich ein unendlich heftiger, in Zwi¬
schenräumen von halben bis ganzen Stunden wiederkehrender
Schmerz zwischen der sechsten und siebenten Rippe rechter-
seits mit dem Gefühle der grössten Oppression der Brust. Diese
Anfälle bestanden ganz unabhängig von den zeitweise noch
auftretenden leichten, eigentlich tetanischen Resten, hatten
übrigens eine so unverkennbare Aehnlichkeit mit ihnen, dass
ich sie für eine mit der Hauptkrankheit zusammenhängende,
localisirt tetanische Erscheinung auffassen musste. Sie währten
bei allmäliger Abnahme bis zu Ende der vierten Woche.
Völlig freien, schmerzlosen Gebrauch seiner Muskeln er¬
langte Pat. erst mit der sechsten bis siebenten Woche.
Pat. nahm in den ersten 14 Tagen seiner Krankheit im
ganzen 90 Grm. Chloralhydrat und ebenso viel Bromkali. Spä¬
ter weniger, je nachdem Anfälle sich einstellten, namentlich
zur Bekämpfung des IntercostalSchmerzes. Eine unangenehme
Nebenwirkung konnte ich nicht beobachten; nur Eingenommen¬
heit des Kopfes und leichtes, mehrere Tage anhaltendes Phan¬
tasien während des Schlafes können erwähnt werden. Dies
trat gegen Ende der dritten Woche ein; auf Ansprache zeigte
sich das Sensorium stets völlig frei.
V. Kritik.
Diseases of Modern Life by Benjamin Ward Richardson
M. D., M. A., F. R. S. etc. Third Edition. London, Macmillan
and Co., 1876.
Hervorragend unter den Aerzten Londons und den Sanitariem Eng¬
lands durch wissenschaftliche Thätigkeit, umfassendes Streben und phi¬
losophische humane Bildung steht Benjamin Richardson da, der
Verf. des obigen, im besten Sinne populären Buches, das in allen Leih¬
bibliotheken der Hauptstadt zu finden ist und schon als Muster eng¬
lischer Sprache und classischer Darstellungsweise auch dem deutschen
Publicum empfohlen werden kann. R.’s lange Erfahrung als Schrift¬
steller und Redner — er ist ein sehr gesuchter Sprecher in wissenschaft¬
lichen Versammlungen und Vereinen — seine selbstständigen natur¬
wissenschaftlichen Forschungen und — last, not least — seine histo¬
rischen Studien in der Medicin und Culturgeschichte, befähigen ihn
ausserordentlich, fachwissenschaftliche Resultate in wirksamer Weise dem
Vcrständniss der Massen entgegen zu bringen. Ein populärer Autor
im Schiller’schen Sinne — pour faire apprendre par coeur — zeigte in
der scheinbaren Leichtigkeit und Einfachheit der Form den Gehalt und
die Beherrschung des Inhalts. R.’s Sprache ist weder schwülstig noch
geziert, glänzend oder kunstvoll verwickelt. Sie ist eher knapp, streng,
puritanisch. Le style c’est 1’homme; wer den Mann in seinem Studir-
zimmer sieht, wird lebhaft an ein Rembrandt’sches Gemälde erinnert.
Die gelehrte, practische, dabei ideal gesinnte Tüchtigkeit des nieder¬
ländischen und altenglischen Wesens in die moderne Wissenschaft und
freie Forschung übertragen, das ist Benjamin Richardson’s Gepräge,
seine Diction geprägte Goldklumpen, eine gewichtige, aber handtier-
liche Münze. Hören wir z. B. w r as er über die Nomenclatur der Krank¬
heiten sagt: „Die Benennung dieser Gruppen von Phänomenen ist un¬
systematisch und der Ausdruck zufälliger Eingebung. Die Bewegungen
eines Thiercs, der Tanz von Fanatikern vor dem Schrein eines Heiligen,
die Empfindung des StranguLirtscins oder Erstickens, die Strömung
eines Flusses, das Brennen eines Feuers, die Wirksamkeit eines
Schlages, Worte oder Bezeichnungen dieser Art, wie Krebs, St. Veits¬
tanz. Angina, Catarrh, Entzündung, Apoplexie, und andere ebenso fan¬
tastisch, doch oft gezwungen, haben seit den ältesten Zeiten die Namen
für Krankheiten gegeben — Namen, welche selbst für technische sprach¬
liche Zwecke unvollkommen, aber ganz unbrauchbar für die höhere Ent¬
wicklung der medicinischen Forschung und Praxis sind. Mit der Zeit
wird man die ganze Lehre der Benennung krankhafter Erscheinungen
in eine andere Form umzugiessen haben. Der Ausdruck „Krankheit“
wird eine Einheit umfassen — die Abweichung von einem annähernd
festen Massstabe der Gesundheit, ausgedrückt in einer Reihe detinir-
barer Phänomene, von denen jedes auf eine Modification eines natür¬
lichen oder physiologischen thierischen Processes zurückzuführen ist.
Jeder Reihe von definirten Phänomenen wird man dann einen einfachen
Namen geben, der entweder die physiologische Störung selbst, auf der
die unnatürlichen Symptome beruhen, oder die Ursache der Störung
bezeichnet. Vor 17 Jahren schrieb ich einen Vorschlag dieser Art in
der Hoffnung, dass die alte und rohe Methode der Benamung specieller
Krankheitserscheinungen, die jede Gruppe zu einer ontologischen Ein¬
heit stempelt, aussterben würde. Unglücklicherweise war eine solche
Hoffnung zu vorzeitig. In den letzten Jahren gerade ist der Irrthum
noch bedeutend gewachsen; die alten Götzenbilder bleiben auf ihren
Altären, und man hat neue hinzugefügt, ebenso endlos grotesk, wie alle,
die je vorher da waren.“ Liegt in dieser revolutionären Anschauung
nicht in nuce die auch iu Deutschland sich Bahn brechende pathologisch-
physiologische Richtung mit ihren exacten Methoden und empirischen
statt der metaphorischen Definitionen?
In Bezug auf die Natur der „zymotischen“ Krankheiten steht R.
bekanntlich, wie er noch neulich wieder erklärt hat, entschieden auf
j Seite der chemischen Auffassung gegenüber der Keimtheorie oder den
Bacterienglauben. Er hält an der Erzeugung und Regeneration des Con-
tagiums aus der Körpersubstanz fest. Fraglich ist es, ob seine Hypo¬
these der „glandulären“ Secrction eines in allen Fällen specifischen
Giftes, aus den Körpersäften, namentlich von den Schleimhäuten aus,
analog dem Schlangengift in biologischer Entstehung und Wirksamkeit,
eine durchweg gültige sein kann. Die Aehnlichkeit septischer Gifte mit
Pflanzenalkaloiden ist ja ebenfalls sehr plausibel nach den bisherigen
Forschungen. Ich will jedoch den Autor selbst reden lassen: „Ich habe
gesagt, dass die specifischen Gifte durch extreme Verdünnung mit
Wasser zerstört worden (bekanntlich ja auch Pockeneiter Ref.); sie werde
ebenfalls durch Hitze, doch nicht unter 212° F., dem Siedepunkte des
Wassers, und selbst nicht alle dabei zerstört. Gewisse chemische Agen-
tien zerstören sie, nämlich feuchter, ozonisirter Sauerstoff, reines Chlor,
Jod, Brom, salpetrigsaure Dämpfe und schweflige Säure. Ich schliesse
auch, dass sie von Sonnenlicht zerstört werden, denn ich fand, dass
dies mit dem Gift der cobra geschieht. Andererseits sind sie haltbar.
Aeusserste Kältegrade, besonders mit Trockenheit dabei, erhalten sie
auf unendlich lange Perioden.“ Ferner: „Die Krankheiten dieser Klasse,
erzeugt durch ein organisches Gift, sind meiner Ansicht nach Drüsen¬
krankheiten. So ist Scharlach eine Krankheit der Lymphdriisen
Masern der Schleimhautdrüsen, typhoides Fieber der geschlossenen In-
testinalfollikei, Cholera der Schleimdrüsen des Magens und der offenen
Intcstinaidrüsen, gelbes Fieber der Leber. Ich schliesse, dass die Drüsen-
complication, wie man sie nennt, bei diesen Krankheiten regelmässig,
nicht zufällig ist, und dass aus den Secretionen der afficirtcn Driisen-
gewebe das reproductive Gift gebildet wird.“ S. 91 heisst es: „Woher
kamen diese organischen Giftpartikel ursprünglich? Ich antworte, von
den kranken thierischen Organismen seihst. Ich meine, dass die niedern
Thiere oder die Menschen zuweilen in so widrige Bedingungen versetzt
sind, dass ihre Secretionen organische Wechsel erlitten, durch die sie
giftig wurden. So sehen wir eine einfache Entstehungsweise für diese
Pestfactoren, welche einer jeden specifischen Seuche ein specifisches Gift
giebt. Ja, ich glaube, wir können einen Schritt weiter gehen. Ich halte
es nach einem schlagenden Factum, das ich einst beobachtete, für möglich,
dass durch einen geistigen Eindruck das nervöse Element der Absonde¬
rung beim Menschen so modifieirt werden kann, dass eine Flüssigkeit
von specifisch alterirter und giftiger Qualität secemirt wird.“ An an¬
derer Stelle (S. 154) ist der bemerkenswerthe Fall eines 11jährigen, ge¬
sunden Knaben erwähnt, der durch den Angriff eines bösen Hundes
erschreckt, diabetisch wurde und in 3 Monaten starb. Die Zuckerruhr
nach nervösen Affectionen dürfte der R.’schen Theorie von der glan¬
dulären, durch das Nervensystem beeinflussten Gifterzeugung allerdings
als Stütze dienen, obwohl der Verf. selbst diese Brücke nicht benutzt
hat. Sehr interessant sind seine Bemerkungen über den Einfluss des
Luftdruckes, die Theorie des „Nervenäthers“ berührt dabei die höchsten
cosmischen Mysterien. Helmholtz hat, soviel ich weiss, einmal
geäussert, dass eine Erkältung eine sehr alltägliche Erscheinung sei, dass
man sich aber über das Wesen derselben völlig im unklaren befinde. Inner¬
halb der Tropen, da wo Ozon, über 75° Y .erwärmt, nach Richardson’s
und Dr. Wood’s Experimenten keine reizende, catarrherzeugende Wirkung
auf die respiratorischen Schleimhäute mehr hervorbringt, habe ich nie —
und ich habe 6 Mal beide Tropenzonen gekreuzt und monatelang in den
südlichen Tropen verweilt — einen reinen Erkältungscatarrh gesehen.
Mit Bezug auf Bronchitis, Pneumonie, Pleuritis, Croup, und in zweiter
| Linie Rheumatismus, Gicht, C-arbunkel, Erysipelas und andere Leiden
! sagt nun R.: „So finden wir in den Perioden, in welchen nach meinen
Zusammenstellungen diese Krankheiten am häufigsten sind, atmosphä¬
rische Zustände mit characteristisch niedrigem Barometerstände, extremer
Luftfeuchtigkeit und einer Temperatur von 45° bis 50° F., also genau
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3S. October 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
C43
die Bedingungen, unter denen experimentell am leichtesten Fieberwärme
des Körpers erzeugt wird, also auch die genannten Krankheiten markirt,
wie sie durch Fieber, als das leitende Symptom sind. Es sind eben
Bedingungen, die ungünstig für die gleichmässige Vertheilung der thie-
rischen Wärme durch Ausdünstung und Strahlung sind, und wenn wir
in Betracht nehmen, dass während der Monate (des Winters), in welchen
sie vorherrschen, der Körper rascher abzehrt (an Gewicht verliert) als
zu anderen Zeiten (als im Sommer, wie durch Milner’s Wägungen im
Gefangenhause zu Wakefield erwiesen wurde), so haben wir die prädis-
.ponirenden Elemente sowohl für unabhängiges Auftreten von Fieber¬
erscheinungen, wie auch für ihre Exacerba+ion, wenn sie durch andere
äussere Agentien erregt sind.“ Die Erkrankungen durch Alkohol und
'Tabaksgenuss, durch geistige Ueberanstrengung, Mangel an Schlaf oder
unterbrochenen Schlaf, fehlerhafte Kleidung, Art der Beschäftigung,
„moralische Ansteckung“, unreine Luft, Genuss von Opium, Chloral,
Thee und Cafifee im Uebermass, heftige Leidenschaften und physische
Ueberanstrengung sind in skizzenhafter, aber durchdachter Zeichnung
geschildert. Dem Gladiatorenthum aller Zeiten sind folgende Bemer¬
kungen gewidmet: „Nirgend giebt es einen Beweis, ein Symptom dafür,
-dass die Cultivirung grösserer Körperkraft die Langlebigkeit eines Indi¬
viduums oder die Lebenszähigkeit einer Race begünstigt hat. Die Beob¬
achtungen, die von den Aerzten der Griechen, Römer, Araber und den
italienischen Schulen betreffs übermässiger physischer Anstrengungen
und den damit verknüpften Krankheiten gemacht sind, lassen nur die
eine zweifellose Interpretation zu, dass solche Anstrengung frühzeitigen
Verfall und frühen Tod bringt. Die Thatsachen, welche in modernen
Zeiten aus der biologischen Statistik dieses Landes (das Buch ist
Dr. William Farr gewidmet) und der Frankreichs und Preussens ab¬
zuleiten sind, führen alle zu dem unvermeidlichen Schluss, dass Fern¬
bleiben von excessiven physischen Strapazen Gesundheit und langes
Leben bringt, und dass in jedem Lande innerhalb seiner Bevölkerung
der Werth eines Lebens günstig durch Verringerung der physischen
Leistungen (expenditure) beeinflusst wird. Die schlagendste Thatsache
in dieser Hinsicht bietet die Geschichte der jüdischen Race ... In
keiner Periode der Geschichte dieses wunderbaren Volkes entdecken wir
die leiseste Annäherung an ein System, das studirte Entwicklung phy¬
sischer Leistungen bezweckt. Seit sie besiegt waren, haben sie nie aus
•eigener Wahl Waffen getragen oder Auszeichnung durch militärische
Thaten gesucht; während ihrer vielen Pilgerschaften haben sie nur selten
Veranlassung gehabt, an den öffentlichen Turnieren der Länder, die sie
bewohnten, Theil zu nehmen; ihre eigenen Vorschriften und hygienischen
Gesetze, vollkommen in anderen Einzelheiten, sind unbestimmt mit
Bezug auf die Entwicklung grosser Körperkraft oder hoher Statur, und
die Thatsache bleibt, dass sie als ein Volk niemals das gezeigt haben,
was man hohen physischen Massstab nennt. Während der vielen schwe¬
ren Verfolgungen, die sie litten, war nichts so sehr zu ihren Ungunsten,
als ihre scheinbare körperliche Schwäche. Und doch steht die unum-
stössliche Wirklichkeit da, dass diese Race nicht bloss Jahrhunderte
lange Verfolgung ohne Vernichtung überstand, sondern dass sie heute,
wie sie fortbesteht, über die Erde in verschiedenen Ländern und unter
•den mannigfaltigsten socialen und natürlichen Bedingungen zerstreut,
von allen civilisirten Racen die erste an Vitalität bleibt“ ... S. 22: „Sie
herrschen, und sie fechten weder, noch sterben sie dahin.“ — Dem
practischen Arzt, wenn er „duly seasoned in his work“ ist, d. h. ein
gewisses Alter erreicht hat — wir wissen ja, dass die ersten vierziger
Jahre eine Art Entscheidung dafür bringen — stellte R. eine günstige
Prognose. „Ich habe keinen Zweifel, und ich spreche aus umfangreicher
Erfahrung über sie und ihre Lebensweise, dass alles in allem die Mit¬
glieder der äsculapischen Familie (Fratemity) die freudigste (cheerfullest)
und glücklichste (happiest) aller Schichten der Gesellschaft sind. Ich
habe unter ihnen nicht einen Fall von Melancholie gekannt; selten habe
ich eine ausgesprochene Hypochondrie beobachtet, und obwohl sie sich
mitunter einbilden, Krankheiten am eigenen Leibe entdeckt zu haben,
welche in Wirklichkeit nicht vorhanden sind, so irren sie doch weit
öfter darin, dass sie nicht auf sich selbst achten und sich behandeln
.zu lassen aufschieben, bis sie an ernstlicher Krankheit leiden. Sie ziehen
es vor „to die in harness“, und ihr Wunsch wird gewöhnlich erfüllt.“
Wir wollen dem Vicepräsidenten des Sanitary Institute of Great Britain
wünschen, dass sich ihm das dunkele Pantheon erst spat offene, damit
er Zeit gewinne, mehr Bücher zu schreiben, welche so „delightful rea-
ding“ und eine civilisatorische That sind. H. Senftleben.
VI. Verhudlngea ärztlicher Gesellsehaftea.
BerUaer aedielniuhe Gesellschaft.
Generalversammlung am 5. Juni 1878.
Vorsitzender: Herr Henoch.
Schriftführer: Herr Senator.
Das Protokoll der leizten Sitzung wird verlesen und genehmigt.
Herr Geh. Rath Dr. Friedberg hat an die Gesellschaft ein Dank-
-schreiben gerichtet für die Absendung einer Deputation zu seinem
-50 jährigen Doctor-Jubiläum.
Herr Lender hat eingesaudt: Geognostische Bemerkungen über
-das Quellengebiet der Mineralquellen von Kissingen und Bocklet, an¬
gestellt vom Ober-Bergrath Dr. Gümbel.
Für die Bibliothek ist cingegangen: San.-Rath Dr. Fromm: Ueber
die Bedeutung und den Gebrauch der Seebäder, mit besonderer Rück¬
sicht auf das Nordseebad Norderney. 1878.
Der Vorsitzende erstattet den Bericht über die Thätigkeit
der Gesellschaft in dem abgelaufenen Vereinsjahr. Die Zahl
der Mitglieder ist seit dem Ende des vorigen Jahres bis heute von 414
auf 437 gestiegen.
Es wird hierauf zur Erneuerung des Vorstandes durch Wahl ge¬
schritten. Zu Vorsitzenden werden die Herren v. Langenbeck, Barde¬
leben, Henoch wiedergewählt; zu Schriftführern die bisherigen Herren:
B. Frankel, E. Küster, Ries, Senator; zum Kassenführer: Herr
Klein; zum Bibliothekar: Herr Falk. In die Aufnahme-Commission
wurden gewählt die Herren Goldbaum, Güterbock, v. Haselberg,
Körte, Leyden, Mor. Meyer, Riedel, Riese, Siegmund, Weg¬
scheider sen., Jul. Wolff.
Herr Westphal hält dann den angekündigten Vortrag: Ueber
Metalloscopie. (Derselbe ist ausführlich in No. 30. dies. Wochenschr.
erschienen).
Herr Bernhardt: Was das Zurückkehren der Sensibilität betrifft,
so kann diese nachVulpian und anderen auch durch denelectrischen
Pinsel zurückgebracht werden, so namentlich bei Hirnkranken. Ferner
ist nicht blos bei Frauen, sondern auch bei Männern, wie Herr West¬
phal schon erwähnt hat, namentlich bei Alcoholisten, durch Anwendung
von Metallen die Hemi-Anästhesie gehoben worden. Die Anwendung
anderer Substanzen, welche keine electrischen Ströme hervorrufen sollen,
betreffend, so bemerke ich, dass, wie ich einem Artikel in Poggen-
dorff’s Annalen neulich entnommen habe, auch Nichtleiter, wie Glas,
Wachs, Lack etc., electrische Ströme entwickeln können*), dass also
durch den Erfolg von Nichtmetallen die Ansicht, dass electrische Ströme
im Spiele seien, nicht widerlegt wird, obgleich ich selbst nicht der An-
sicht bin, dass bei Anwendung solcher niehtmetallischer Platten, wie
sie Herr Westphal aufgelegt hat, electrische Ströme wirksam sind.
Man kann sich vorsteilen, dass durch einen starken sensiblen Reiz die
gleichsam schlummernde Sensibilität wieder erweckt wird. Ist z. B. ein
Krankheitsherd im Hirn vorhanden, welcher die motorischen Fasern zer¬
stört, so können benachbarte sensible Bahnen, ohne zerstört zu sein, in
ihrer Function eine Zeit lang so gehemmt werden, dass Anästhesie vor¬
handen ist, aber sie können durch einen energischen Reiz dann wieder
gleichsam erweckt und functionsfähig werden. Auch die Hysterie ist
ja zweifelsohne eine psychische Affection, und möglicherweise handelt
es sich bei der Rückkehr der Sensibilität dabei auch um ein solches
Erwecken schlummernder Fasern durch irgend einen Reiz.
Herr Remak: Wie Herr Westphal schon mitgetheilt hat, ist in
Paris besonders durch Regnard die Meinung vertreten worden, dass
bei dem Auflegen von Metallen auf die Haut electrische Ströme erzeugt
werden, und solche von einer bestimmten minimalen Stärke gerade wirk¬
sam seien. Dabei ist mir ein Umstand nicht klar. Es ist nämlich un¬
möglich, ehne ganz besondere Vorsichtsmassregeln am Menschen längere
Zeit eine so genau abgestufte, am Galvanometer genau messbare Strom¬
stärke in gleicher Weise aufrecht zu erhalten. Es sind aber noch andere
Experimente ausgeführt worden, welche doch für eine electrische Wir¬
kung sprechen. Vigouroux hat nämlich bei einem wirksamen Metall,
z. B. Gold, den Einfluss desselben dadurch aufzuheben versucht, dass
er ein anderes Metall, Silber, auf das erste legte. Wurde dann wieder
auf das Silber Gold gelegt, so trat die Wirkung, die Aufhebnng der
Anästhesie, wieder hervor. Es sollen also immer nur die Endglieder
der Reihe von verschiedenen Metallen in Betracht kommen. Allerdings
wird nun diese Ansicht dadurch erschüttert, dass nach den Erfahrungen
des Herrn Westphal es keine Idiosynkrasie gegen bestimmte Metalle
giebt. Auch ist es unwahrscheinlich, dass so verschiedene Gegenstände,
wie sie Herr W. in Anwendung gezogen hat, bei einer und derselben
Person immer Ströme von derselben Stärke, welche gerade die wirksame
sein soll, erzeugen, und es dürften daher wohl die von Herrn W. an¬
geführten Momente, namentlich der Einfluss des Drucks, mehr in Betracht
kommen. Ich möchte die Anästhesie Hysterischer nicht mit der bei
Herderkrankungen sich findenden Anästhesie identifleiren, und glaube,
dass man vorläufig gut thut, die Hysterie und anatomische Erkrankungen
auseinander zu halten, um so inehr, als Gharcot bei anderen Sensi¬
bilitätsstörungen, wie z. B. bei Tabes, von den Metallen nicht den ge¬
ringsten Erfolg sah.
Herr Westphal: Auf die Angabe des Herrn Bernhardt über
die Wirksamkeit des faradischen Pinsels bei Auästhesien in Folge pal-
pabler Läsionen, welche ja hinlänglich bekannt ist, bemerke ich, dass
ich eben deswegen ausdrücklich die Unwirksamkeit desselben bei den
hysterischen Anästhesien hervorgehoben habe. Man kann auch, wie ich
glaube, bei Anwendung dieser Platten von einem energischen Reiz nicht
sprechen. Von den durch Herrn Remak angeführten eigenthümlichen
Beobachtungen Vigouroux’ habe ich in Paris gehört, gesehen habeich
sie aber selbst nicht. Was die Untersuchungen Regnard’s betrifft, so
habe ich in meinem Vortrage bemerkt, dass ich mich einer Kritik der¬
selben enthalten müsse, da mir über seine Methoden näheres nicht be¬
kannt geworden war.
*) Jos. Thomson (Philos. Mag. (5) HI, referirt in Beiblätter zu
den Ann. der Phys. u. Chem., I. Stück 7. 1877. S. 404) giebt an, dass
Glas 4- war gegen Wachs, Harz, Parafin und Schwefel. Letzterer —
gegen Zink und Vulkanit. In einer anderen Versuchsreihe war Glas
Siegellack — geladen.
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644
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 43
Amtlicher Verein in Harburg.
Sitzung am 14. November 1877.
Nachdem Herr Prof. Schmidt-Rimplcr über die Thätigkeit des
Vereins im vergangenen Jahre berichtet und Herr Dr. Aböe den
Rechnungsabschluss vorgelegt hat, findet die Neuwahl des Vorstandes
statt. Es wurden wieder gewählt: Herr Schmidt-Rimpler zum Vor¬
sitzenden, Herr Lahs zum stellvertretenden Vorsitzenden und Herr
Ab6e zum Schriftführer.
Herr Prof. Beneke demonstrirt darauf das Präparat eines neu¬
geborenen Kindes, das an den verschiedensten Korpertheilen mehr
weniger grosse Angiome zeigt. Eine besonders grosse Geschwulst, die
auch einzelne sarcomatöse Partien enthält, sitzt am Unterkiefer.
Herr Prof. Horstmann spricht über die beste Methode der Weg¬
schaffung menschlicher Excremente und erklärt sich für Abfuhr
und ein Tonnen-System, ähnlich wie es in Heidelberg eingeführt ist.
Sitzung am 5. December 1877.
Herr Dr. v. Heusinger berichtet über die Verhandlungen des
Aerzte-Tages in Nürnberg.
Herr Apotheker Siebert lenkt die Aufmerksamkeit auf die aus¬
gedehnte Reclame, welche in letzter Zeit mit den Guyot’schen Theer¬
kapseln getrieben wird. Von anderer Seite wurde betont, dass der
uncontrollirte Gebrauch derselben Anlass zu Verfilzungen und unver¬
daulichen Ballen im Darmcanal geben könne.
Herr Prof. Dohrn spricht über die das Geschlecht bedingen¬
den Ursachen.
Die neueren Untersuchungen haben sich darauf beschränkt, die
Bedingungen festzustellen, unter denen das eine oder das andere Geschlecht
zu Stande kommt, dagegen hat man mehr und mehr eingesehen, dass
der letzte Grund der Wachsthumsrichtung, durch welche das eine Mal
eine männliche, das andere Mal eine weibliche Frucht zur Entwicklung
kommt, unserer Erkenntniss verschlossen bleiben wird. Insbesondere
hat man sich bemüht, die Zeit zu ermitteln, in welche wir den Anstoss
zur Geschlechtsdifferenzirung zuruckverlegen müssen, und es sind hier¬
über 3 verschiedene Meinungen laut geworden.
Nach der ersteren derselben wäre jedes Ei im Anfang geschlechtslos
und bekäme sein Geschlecht erst im Laufe der Entwicklung. Für diese
Ansicht konnte man zweierlei geltend machen, 1) die Thatsache, dass
wir mittelst des Microscops in den frühsten Entwicklungsstadien eine
Geschlechtsdifferenz nicht nachzuweisen vermögen, und 2) das Verhalten
der Acardiaci nach der von Claudius darüber gegebenen Darlegung.
Beides ist erschüttert worden. Je weiter die microscopische Forschung
drang, und die Präparationsmethoden sich vervollkommneten, um so
mehr musste man annehmen, dass der weiteren Zurückverfolgung der
Geschlechtskennzeichen wohl nur eine Grenze gesetzt sei in der Mangel¬
haftigkeit unserer technischen Hülfsmittel. Betreffs der Acardiaci aber
hat man ziemlich allgemein die Claudius’sche Anschauung verlassen,
dass der stärkere Zwilling dem schwächeren sein eigenes Geschlecht in
dem Augenblick aufpräge, wo seine Gefässe mit der Blutbahn seines
Zwillingsbruders in Anastomose treten. Man ist hierin vielmehr der
Ansicht Ahlfeld’s beigetreten, dass die Acardiaci mit ihrem Zwillings¬
bruder von Anfang an in demselben Chorion gelegen haben, und daher
beide einem und demselben Ei entsprossen sind.
Eine zweite Ansicht, welche von Ahlfeld vertreten wird, ist die,
dass das Geschlecht präformirt sei, indem es bereits im Eierstock weib¬
liche und männliche Eier gebe, deren weitere Entwicklung durch das
befruchtende Sperma nur ihren Anstoss erhalte. Für diese Anschauung
scheint die Thatsache zu sprechen, dass sehr oft Zwillinge geboren
werden von verschiedenem Geschlecht. Ein zwingender Beweis liegt
hierin nicht, denn man kann sich das erwähnte Factum auch der Art
deuten, dass das Sperma den einen Zwillingskeim nicht gleicher Weise
trifft, als wie den anderen, vielleicht selbst sehr nahe dem ersteren be¬
findlichen, und dass hiervon die Verschiedenartigkeit des Geschlechtes
herrühre.
Die dritte Ansicht geht dahin, dass im Augenblicke der Befruch¬
tung das Geschlecht bestimmt werde. Man stellt sich dabei vor, dass
dem Manne die Tendenz inne wohne, eine männliche Frucht, dem Weibe
diejenige, eine weibliche Frucht zu produciren. Die Beobachtung von
Hermaphroditen giebt für die Annahme einer solchen Tendenz kräftigen
Anhalt, denn beim Menschen ist noch kein einziger Fall von Herm¬
aphroditismus der Art constatirt worden, dass zweifellos männliche und
weibliche Geschlechtsdrüsen in demselben Individuum functions fähig
vorhanden waren. Man findet vielmehr an diesen allein massgebenden
Theilen nur die Merkmale eines Geschlechts. — Des weiteren aber ergiebt
folgende Betrachtung für die vorstehende Ansicht gewichtige Stütze.
Wenn die Bestimmung des Geschlechts bei der Befruchtung geschieht,
so muss der wechselseitige Einfluss der Eltern hierbei nachweisbar sein.
Das zeigt sich nun in der That, denn die von Hofacker, Sadler und
Göhlert darüber gegebenen, zum Theil grossen Zahlwerthe stimmen
darin überein, dass in Ehen, in welchen der Mann älter ist als die Frau,
mehr Knaben, in Ehen, in welchen der Mann jünger ist als die Frau,
mehr Mädchen geboren werden. Es ist ferner constatirt worden, dass
bei alten Erstgebärenden ungewöhnlich viele Knaben producirt werden.
Beides lässt sich dahin deuten, dass in der Fülle der Kraft bei beiden
Geschlechtern die Productionsfähigkeit ihres eigenen Geschlechtes am
häufigsten hervortritt; beim Manne aber müssen wir die Zeitepoche, mit
welcher wir dabei zu rechnen haben, viel weiter ausdehnen als bei der
Frau. Es lässt sich endlich auch die bekannte Thatsache damit ver¬
einen, dass bei Israeliten die Geburtslisten einen so auffälligen Knaben¬
überschuss ausweisen. Da diesen erst eine Zeit lang nach Ablauf der
Menstruationstage die Cohabitation gestattet ist, so kann das weibliche
Ei dann schon seine Fähigkeit, das eigene Geschlecht zu produciren,
gegenüber dem männlichen Sperma gemindert haben.
Die vorstehende, von Mairhofer vertretene Ansicht ist meines
Erachtens diejenige, für welche zur Zeit die meisten Gründe geltend
gemacht werden können.
Ueber die nähere Weise, wie man sich dabei die Geschlechts-
production zu denken habe, lassen sich nur Vermuthungen aufstellen.
Man könnte z. B. sich vorstellen, dass je nach der Menge der auf das
Ei eindringenden Spermatozoen der Befruchtungsvorgang zugleich zur
Aufprägung des männlichen Geschlechtes für das Ei führe oder nicht.
Sitzung am 9. Januar 1878.
Der Entwurf einer Standes-Ordnung, die sich im ganzen der Karls¬
ruher anschliesst, wird angenommen und die Indrucksetzung beschlossen.
Herr Prof. Beneke spricht Jiber die Petri’schen Fäcalsteine und
zeigt ihre Verbrennung.
Sitzung am 6. Februar 1878.
Herr Prof. Mannkopff bespricht unter Vorlage von Präparaten
und schematischen Zeichnungen einen Fall von weitverbreiteter
Carcinose (Scirrhus), in welchem als Ausgangspunkt mit
grosser Wahrscheinlichkeit die Pleura angesehen werden darf.
Diese Anschauung rechtfertigte sowohl der Verlauf, wie der anatomische
Befund, namentlich die Aehnlichkeit mit der von Rokitansky (Pathol.
Anat. III., p. 39) gegebenen Beschreibung des primären Pleura-Krebses.
Die carcinomatöse Erkrankung des Brustfelles wurde in obigem Falle
wegen der ziemlich allmäligen Entstehung eines vorzugsweise die vorderen
Theile der linken Brusthälfte einnehmenden abgekapselten Exsudates
bei einer cachec-tischen, 51jährigen Frau zuerst nur vermuthet, dann
wegen hämorrhagischer Natur des durch Punction entleerten Ergusses
und wegen des späteren Auftretens nach und nach sich beträchtlich
vergrössernder, harter Lymphdrüsentumoren in der linken Achselhöhle
und an anderen Körperstellen immer wahrscheinlicher, und schliesslich
durch das Erscheinen unzweifelhafter Krebsknoten in der äusseren Decke
des linken Thorax sicher. (Der Fall wird nächstens in einer in Marburg
erscheinenden Dissertation von Au gen er genauer besprochen werden.)
Herr Beneke demonstrirte einige Curven, betreffend die Kinder¬
sterblichkeit in verschiedenen Städten und in den verschiedenen
Jahreszeiten.
Herr Prof. Schmidt-Rimpler berichtet über einen eigentüm¬
lichen Fall von Oedema malignum der Lidhaut des linken
Auges.
Patient hatte am 23. Januar mit einem Holzast einen Stoss gegen
die linke Wange, dem Jochbein entsprechend, erhalten. Am nächsten
Abend waren die Lider so geschwollen, dass das Auge nicht mehr ge¬
öffnet werden konnte. Dabei Schüttelfrost und heftige Kopfschmerzen.
Bis zum 27. nahm die Geschwulst nach der linken Gesichtshälfte immer
mehr zu und reichte bis hinter das Ohr. Alsdann Hessen die Kopf¬
schmerzen nach. Am 28. zeigten sich in der Lidhaut Ulcerationen.
Am 31: Beide Lider des linken Auges noch stark geschwollen, das
obere hängt herab und überragt das untere. Am oberen zwei grosse
Geschwüre (zusammen 2,5 Ctm. in horizontaler Ausdehnung lang und
circa 0,5 Ctm. in verticaler breit; in der Mitte eine kleine Hautbriicke),
am unteren eins; die Ränder sind unterminirt, grauer, diphtheritis-
ähnlicher Belag. Die tiefer auf der Wange gelegene Stoss-Wunde war
glatt, die Ränder nicht belegt. Das Auge ist unversehrt. Die ganze
linke Kopfhälfte geschwollen und leicht fluctuirend; die Haut geröthet,
nicht abschuppend; hinter dem Ohr ein Eczem. Die Drüsen sind nicht
geschwollen. Appetit schlecht, sonst Befinden gut; Temperatur Morgens
37,9. Am nächsten Tage wurde hinter dem Ohr in die Kopfhaut eine
Incision gemacht, aus der sich massenhafter diffus verbreiteter Eiter
entleerte. In ca. 14 Tagen hatte sich die Hautgeschwulst verloren,
und die Vernarbung der Lidulcerationen war erfolgt. Eine Wund-
Infection konnte nicht nachgewiesen werden.
Allgemeiner ärztlicher Verein in Coln.
Sitzung vom 11. März 1878.
1) Das Protocoll der letzten Sitzung wird verlesen und genehmigt.
2) Herr Preisendörfer stellt einen 82jährigen mit Carcinom
des Larynx behafteten Patienten vor.
Vortr. weist auf das relativ seltene Vorkommen dieser Affection hin
und betont insbesondere, dass bis jetzt in der Literatur kein Fall von
Larynxcarcinom bekannt geworden sei, der in so hohem Alter vorkam.
Die subjectiven Beschwerden des Patienten, dessen Leiden seit etwa
4 Monaten bestehen soll, sind gering: Kratzen im Halse, Schmerzen
beim Schlingen, zeitweise Schmerzen im linken Ohre. Im Rachen nichts
abnormes, dagegen zeigt der Spiegel, dass die Epiglottis stark ge¬
schwollen, verdickt und theilweise ulcerirt ist; dieselbe zeigt insbesondere
an ihrem freien Rande kleine Höckerchen. Starke Schwellung beider
Aryknorpel; vom rechten Sinus pyriformis ist nichts mehr zu sehen.
Rechtes Lig. aryepiglotticum stark ulcerirt. Das ganze Kehlkopfinnere
wird eingenommen von einer missfarbenen, grauschwärzlichen, ulcerirten
Tumormasse; Stimmbänder sind nicht zu sehen, doch ist die Stimme
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28. October 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
645
fast vollständig rein. Am linken Unterkieferwinkel eine etwa pflaumen¬
grosse infiltrirte Drüse. Ueber den weiteren Verlauf wird später be¬
richtet werden.
3) Herr Samelsohn demonstrirt im Anschlüsse an einen früher
vorgestellten Fall von Choriodealsarcom, das im glaucomatösen Stadium
entfernt worden war, zwei Bulhi, von denen der eine im ersten Stadium,
d. h. bevor noch glaucomatöse Drucksteigerung eingetreten, der andere
im dritten Stadium des Durchbruchs durch Cornea und Sclera die
Enuncleation zur Folge gehabt hatte. Diese drei Bulbi stellen somit
die gesammte Entwickelungsreihe der klinischen Typen des Sarcoma
chorioidea dar, welche S. mit Hinweis auf die allgemeine pathologische
Bedeutung der intraoculären Tumoren kurz recapitulirt.
4) Herr E. Barden he wer demonstrirt einen auf der inneren Ab¬
theilung des Hospitals beobachteten Fall von Leberabscess. Das
Präparat entstammt einem Patienten, welcher vor acht Jahren nach Ost¬
indien ging. Vorher gesund, keine heriditäre Belastung, keine Lues. Im
Sommer 1877 erkrankte er, 31 Jahre alt, an „Hepatitis“; nachdem die
acuten Symptome vorübergegangen, blieb eine chronische Leberver-
grösserung zurück. Im November stellte sich Dysenterie ein. Ira
December entwickelte sich in der Medianlinie des Bauches, oberhalb
des Nabels eine Geschwulst, welche, indem sie weicher und fluctuirend
wurde, nach rechts und unten sich senkte. Leibschmerzen, andauernd
zahllose dysenterische Stühle Geringer Husten mit einigen zäh-schlei¬
migen Sputis. Im Januar, als der erwähnte Tumor deutlich fluctuirte,
entwickelte sich in der Medianlinie oberhalb des Nabels ein zweiter
Tumor, der sich langsam unter Schmerzen vorwölbte. — Pat. gelangte
am 9. Februar 1878 zur Aufnahme in das Hospital.
Er zeigt atrophische Musculatur, schlaffe, in hohen Falten erheb¬
bare, blassgraue, feuchte Haut; keine Lymphdrüsen-Schwellungen. Am
Herzen nichts abnormes, an den Lungen nur vereinzelte Rhonchi, be¬
sonders hinten, nachweisbar, Temperatur erhöht, Puls frequent, klein,
sehr leicht unterdrückhar. — Abdomen etwas aufgetrieben. In der
Medianlinie, in der Mitte zwischen Processus ensiformis und Nabel, ein
rundLichen Tumor von der Grösse eines halben Apfels, nach allen
Seiten gieichinässig sich abflachend, bei Palpation schmerzhaft, von
prall-elastiscser Consistenz; Haut darüber wenig verschiebbar. Rechts
in der Verlängerung der vorderen Axillarlinie, etwas unterhalb der
Nabelhöhle, ein etwas kleinerer Tumor, weniger schmerzhaft bei Palpa¬
tion, mit sehr deutlicher oberflächlicher Fiuctuation, über welchem die
Haut sich nicht verschieben lässt. 3 Centimeter unterhalb des letzteren
Tumors ist ein scharfer Rand durch die dünnen Bauchdecken fühlbar,
welcher sich eine Strecke weit nach hinten verfolgeu lässt, vorne nach
der Mittellinie zu ansteigt, den Nabel kreuzt und sich unter dem linken
Rippenbogen verliert. Dieser Rand und ebenso die Tumoren verschieben
sich kaum merklich bei der Athmung. Von der 5. Rippe nach abwärts
bis zu dem erwähnten Rande gedämpfter Schall und vermehrte Re¬
sistenz. Milzdämpfung 8 : 6 Centimeter, Spitze fühlbar. 12 mit Blut
und Schleim untermischte Diarrhöen; am Anus mehre Hämorrhoidal¬
knoten. Harn spärlich, sauer, 1013, ohne Albumen.
An den folgenden Tagen weniger Diarrhöen, kein Blut darin.
Abendliche Temperaturerhöhungen bis über 39,0° C. Sehr geringe
Appetenz, profuse Nachtschweisse. t
Am 16. Februar Incision des kleineren, tiefer gelegenen Tumors,
welcher an der vorderen Bauchwand fest adhärent ist und ganz ober¬
flächlich liegt. Es entleert sich übelriechender Eiter. In die eröffnete
Höhle dringt der Finger 6 Centimetor tief ein; sie hat ganz glatte
Wandungen. — Punction des oberen Tumors nach Präparation bis zur
Leber, welche mit der vorderen Bauchwand nur locker verklebt ist.
Es entleeren sich grosse Mengen einer übelriechenden, rothbraunen, mit
Fetzen und Brocken untermischten Masse (Eiterzellen, rothe Blut¬
körperchen, Hämatoidin-Crystalle, Leber-Tröpfchen.) Ausspülungen
mit Saiicylwasser, Verband nach Lister.
.Am 17. ist die untere Höhle collabirt, es entleret sich wenig pus
bonuxn. Incision der oberen, Entleerung wie gestern; der eingeführte
Finger erreicht die hintere Wand nicht; Wandungen rauh trabeeuiär.
Am 16. sank die Temperatur zur Norm: doch stieg sie an den
folgernden Tagen in remittirendem Typus bis fast zur früheren Höhe;
kein& Appetenz, starke Schweisse, Collaps, Delirien. Am 26. Tod.
Bei der Section steht das Zwerchfell rechts im 3. Intercostalraum,
links an der 5. Rippe. Die kleinere Höhle ist collahirt, leer; liegt
ausserhalb der Leber, in den Bauchdecken; doch führt von ihr aus ein
schmaler Gang nach oben zu der gleich zu erwähnenden grösseren
Höhle, von welcher das Ende des Ganges durch einen schmalen Saum
vom Narbengewebe getrennt ist. Um die andere Incisions - Oeffnung
herum ist die Leber nach allen Seiten mehrere Centimeter an der Bauch¬
wand adhärent; die Höhle misst 11 Centimeter in allen Durchmessern
und liegt halb im rechten, halb im linken Leberlappen; die Wandungen
mit fetzigem, bröckligem Gewebe bedeckt; das angrenzende Gewebe derb,
graugelb infiltrirt. Leber 26, 29, 11 Centimeter, Oberfläche glatt, blau
marmorirt, das Gewebe teigig, zeigt an mehren Stellen hellgelbe Flecke,
deren Oberfläche etwas eingesunken ist und deutliches Fluctuationsgefühl
bietet. Auf dem Durchschnitt erweisen sich diese Flecke als Abscesse,
von der Grösse einer Erbse bis zu der einer Kirsche. Die grösseren
enthalten in der Mitte zerfliesslichen Eiter. Das übrige Lebergewebe
besteht aus sehr grossen Acinis mit dunkelrothem Centrum und hell¬
gelber breiter Peripherie. Microscopisch sind die Leberzellen vergrössert,
zeigen körnige, trübe Schwellung, die Interstitien verbreitet, mit zahl¬
reichen Kernen. — Der Dickdarm zeigt schon in seinem Anfangstheile
Ulcerationen, z. Th. nur ausgefallene Solitär-Follikel, theils oberfläch¬
liche und tiefer greifende Ulcerationen, dazwischen blaurofh injicirte,
stark pigmentirte Stellen; näher am After werden die Veränderungen
immer hochgradiger; die ganze Wand verdickt, grosse Snhstanzverluste,
glattes Narbengewebe. An den übrigen Organen nichts besonderes.
Anschliessend an diesen Fall werden die Aetiologie der Leber-
abscesse, insbesondere ihr Zusammenhang mit der Dysenterie, die Dia¬
gnose und die Therapie derselben besprochen.
VII. Feuilleton.
Kritische Erinnerungen an einen Winteraufenthalt
im Süden.
Von
Oberstabsarzt Dr. Staroke.
Durch ein schweres Magenleiden war ich im Winter 1877/1878 ge-
nöthigt, den Süden aufzusuchen. Soviel als möglich hatte ich mich mit der
einschlagenden Literatur bekannt gemacht und mir einen Beobachtungs¬
plan vorgezeichnet, und doch wie anders gestalltete sich das Bild der
Vorstellung gegenüber dem der Wirklichkeit. Wie viele Umstände fallen
für den Kranken ins Gewicht, die in den Büchern keine Berücksichtigung
fanden, weil sie ja dem gerühmten Curorte schaden könnten. Mir
scheint, dass die Contraindicationen der einzelnen Orte lange nicht mit
demselben Eifer berichtot und beachtet werden, wie die Indicationen.
Im allgemeinen gilt auch heute, was Fanny Lewald vor zehn Jahren
in ihrem noch sehr lesenswerthen Buche: „Sommer und Winter am
Genfer-See“ schrieb: „Ich wundere mich, wie wenig die meisten Aerzte
von den klimatischen Curorten verstehen“. Die Aerzte sollten sich
ähnlich wie die Generalstabsofficiere üben, das Terrain zu studiren in
seinen Einflüssen auf die Gesundheit und in gleicher Weise sich die
geographischen und topographischen Karten zur plastischen Vorstellung
bringen. Der Anblick eines westöstlich verlaufenden Höhenzuges muss
sofort den Gedanken erwecken, dass die südlich davon gelegenen Ort¬
schaften nicht nur sich des Schutzes vor den Nordwinden erfreuen,
sondern dass sie auch im Regenschatten liegen, dass sie ferner eine
mildere Lufttemperatur als die nördlich gelegenen haben, da die Berg¬
wand die heissen Strahlen der Mittagssonne begierig auffangt und frei¬
gebig austheilt. Bei vorherrschendem Nordwind müssen die südlichen
Landschaften relativ trocken sein, da ja der Wind seine Feuchtigkeit
an der kalten Nordscite, wie an einer kühlen Fensterscheibe nieder¬
schlägt. Hat man sich so eine annähernde Vorstellung von dem all¬
gemeinen Character des Klimas gemacht, dann gilt es auf Grund der
Reisebücher, der persönlichen Berichte ärztlicher Rathgeber, einen Cur-
ort und Curplan zu erwägen, dann gilt es, sich nach den hygienischen
Einrichtungen umzusehen, die von den Menschen gemacht wurden.
Denn God made the country but man the town, Art der Wohnung, Be¬
köstigung, Sorge für Wege etc. Auf Grund solcher Betrachtungen
möchte ich meine Erinnerungen an die von mir besuchten Curplätze,
Montreux am Genfer-See und die Riviera mittheilen.
Das Schema des klimatischen Curortes des Südens zeigt eine hohe
Bergwand gegen Norden, welche sich amphitheatralisch aufbaut und
sich an beiden Seiten buchtartig um die Wohnorte zusammenzieht, auf
diese Weise Schutz gegen die rauhen Nordwinde darbietend, während
nach Süden der Ring offen bleibt und die Sonne in vollem Masse ein-
treten lässt. Eine grosse Wasserfläche davor übernimmt die Aufgabe,
zu grelle Temperatursprünge zu verhüten. Dieses Schema wiederholt
sich überall am Genfer-See wie an der Küste des Mittelländischen Meeres,
im grossen Golfe von Genua, wie in den kleinen Meerbusen und Buchten,
denen San Remo, Bordighera, Mentone, Nizza, Cannes ihren Ruf ver¬
danken. Ueberall handelt es sich nur um die geringen Unterschiede,
ob die Seitenwände östlich oder westlich mehr vorspringen und so
Ost- und Westwinde abhalten, aber auch die Sonne früher oder später
ein- und austreten lassen. Je tiefer man in die Bucht eindringt, desto
grösser ist der Windschutz, desto mehr begiebt man sich aber auch in
den östlichen Schatten, und man wird wohl erwägen müssen, ob der
Nachtheil des Windes nicht wesentlich aufgewogen wird durch den
früheren und längeren Genuss der Sonnenluft und Sonnenwärme. Ich
möchte glauben, dass man im allgemeinen die Windstille eines Orts
zu sehr betont und dadurch die Patienten zur Verweichlichung verfuhrt.
Wind garantirt überall Reinheit der Luft. Den Wind als solchen hat
niemand zu fürchten, sondern nur den Wind in seiner Combination
mit Kälte, mit Trockenheit, mit Staub. Welche Rolle der Feuchtig¬
keitsgehalt der Luft spielt, kann man am besten an der Riviera
erkennen, hier wo die Trockenheit der Atmosphäre, des Bodens einen
Grad erreicht, den man im regenreichen Norden gar nicht ahnen kann.
Erblickt man zum ersten Male ein vollständig ausgetrocknetes Flussbett
von der Breite unserer Spree, erfüllt mit Steingeröll, statt eines Wasser¬
weges eine staubige Landstrasse, statt zum Waschen und Spülen viel¬
mehr zum Trocknen und Bleichen dienend, so vermuthet man, dass der
eigentliche Fluss durch Menschenhand abgeleitet sei, bis man sich
überzeugt, dass überhaupt kein Wasser vorhanden ist. Es gehört
geradezu zu dem Character der italienischen Landschaft, dass man
überall bemüht ist, Wasser herbeizuleiten, oft durch die wunder¬
barsten, mühevollsten Anlagen und Maschinen, während man bei uns
gezwungen ist, Wasser fortzuleiten, zu drainiren. Wegen der Trocken¬
heit fehlt der Graswuchs, fehlen die Wiesen, da die Gramineen zu ihrem
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646
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 43
Gedeihen reichliche Niederschläge bedürfeu, deswegen vermisst das Auge
die lieblichen Matten, an deren gesättigtem Grün man sich in der
Schweiz nicht satt sehen kann. Man erschrickt ordentlich bei dem
Anblick der kahlen Felsen mit ihren tiefbraun-violetten Farben, welche
wohl den Maler enthusiasmiren, dem Hygieniker und Patienten aber
gleich grauenvoll imponiren. Hat man selbst unter der Trockenheit
gelitten, hat man Tage, Wochen, Monate nach einem Regentropfen ge¬
schmachtet (beispielsweise hatten wir in diesem Winter von Januar bis
April buchstäblich keinen Regen), hat man immer wieder die Lippen
angefeuchtet, durch Räuspern den Eingang der Luftwege benetzt, hat
man die auffällige Trockenheit der Haare, die Risse der Haut, die Ab¬
nahme des Schweisses und des Urins an sich selbst beobachtet, dann
kommen von selbst die Gedanken, ob ein solcher Luftzustand den vielen,
besondere den mit Kehlkopfkrankheiten behafteten Brustkranken zu¬
träglich sein kann. Wer aber zu Wagen die berühmte Staatschaussee
an der Küste, die Corniche längs des Ufers befahren hat oder als
Spaziergänger von den undurchdringlichen gelbbraunen Staubwolken ein¬
gehüllt wurde, von einem Staube, wie er sich bei uns höchstens auf dem
Sommerwege einer Chaussee nach wochenlanger Dürre bildet, der wird
sofort die Erklärung dafür haben, dass nach dem Zeugnisse der am
meisten interessirten, der Curärzte selbst nur die Hälfte der Winter¬
patienten einen Vortheil von ihrem Aufenthalt im Süden hat, ja dass
ein Stillstand des Leidens schon als berühmter Erfolg gepriesen wird.
Die Combination von Staub und Lufttrockenheit ist an der Riviera di
Ponente ein so verderblicher Factor, dass die nordischen Collegen immer
wieder zu Rathe gehen sollten, ehe sie Kranke dorthin dirigiren. Jeden¬
falls gehören Leute mit Kehlkopfserkrankungen, Reizbarkeit der Luft¬
wege, Neigung zu Lungenblutungen dahin nicht!
Leider werden genaue Beobachtungen über Dunstdruck und Feuch¬
tigkeitsgehalt nur spärlich registrirt, wie es denn überhaupt au einem
einheitlichen, gemeinschaftlichen Plane für die meteorologischen Beob¬
achtungen fehlt. Wie die Zeit für die Schweiz als Stunde von Bern,
für Italien von Rom, für Frankreich von Paris massgebend ist, so dass
man bei einer Reise von Genf durch den Mont-Cenis nach Genua an
einem Tage dreimal seine Uhr stellen muss, so beobachten auch die
verschiedenen Stationen ganz nach eigenem Gutdünken, ohne auf die
nächsten Nachbarn Rücksicht zu nehmen. Die Zeit der Beobachtung
variirt an allen Plätzen. Nimmt man die Mittagsbeobachtung als mass¬
gebend für das Mittel, so erregt dies leicht getährliehe Irrthüwor.
Ueberall sollte man die für die Patienten wichtigste Zeit des Anfangs
und des Endes des Luftgenusses, 9—10 Uhr Vormittags und 4—5 Uhr
Nachmittags speciell berücksichtigen, und weniger auf die Mit t<-l grossen
Gewicht legen als auf die Extreme, denn diese werden den Kranken
so leicht gefährlich, vor ihnen muss gehütet und gewarnt werden. Diese
Extreme werden auch für die klimatologi.sche Stellung der einzelnen
Curorte von grösserer Bedeutung werden als die Mitlol, nur muss man
sic nach einem bestimmten Plane, nach gemeinschaftlich festgestellter
Methode beobachten.
Auch in anderer Beziehung wäre ein gemeinschaftliches Zusammen¬
gehen der Interessenten wünschenswert!!. Die gegenseitige Herabsetzung
so nahe an einander liegender Orte wie San Remo, Bordighera, Mentone,
Nizza vorwirrt und macht unwillkürlich gegen alle misstrauisch. Ebenso
würde es den Curorten gewiss zum Sogen gereichen, wenn die Aerzto
an den Curorten selbst inehr zusammenhielten. Ueberall vermisst man bis
jetzt, in Montreux wie-an der Riviera, eine Curcommission, welche
die sanitären Zustände des Ortes zu überwachen hätte und an welche
Beschwerden dirigirt werden könnten. So ist z. B. die Sprengung der
Wege trotz des entsetzlichen Staubes überall mangelhaft, in San Remo
aber beliebte es der örtlichen Macht, die höchst primitiven Versuche,
den Staub zu beseitigen, grade in den Vormittagsstunden, wo die luft-
hungerigen Patienten auf den Strassen wandelten, vornehmen zu lassen.
Fast überall sind für die Gesunden Bänke aufgestellt, zum Genuss
schöner Aussichten einladend, aber für die Kranken an windgeschützten,
zugfreien Plätzen sucht man vergeblich einen Ruhesitz. Die Cabinets
d’aisanee, auf die in deutschen Curorten, in Plantagen und Anlagen
die gemalten Hände verständnissinnig hindeuten, vacant im Süden, ob¬
gleich mir mehrfach Fälle bekannt geworden sind, wo das schleunige
Enteilen nach Hause von den verderblichsten Folgen wurde. Ein Cur-
salon, der zur Vereinigung aller fremden Patienten an einem Orte,
behufs Annäherung und Verkehr Gelegenheit böte, ist bis jetzt nirgends
vorhanden. Freilich erhebt man auch keine Curtaxc, aber wie gern
würden die meisten Winterfreinden ihren Beitrag entrichten, wenn ihnen
dafür gemeinnützige Annehmlichkeiten geboten würden. Alles dies ist
um so auffallender, als die meisten der Curärzte an den Stationen selbst
Genesung suchen oder gefunden haben, so dass man annehmen müsste,
sie hätten als Patienten mehr als hinreichend die Calamitäten gefühlt,
um als Aerzto auf die Abstellung zu dringen. — Die Curinteresson
finden in den Municipien fast nirgends Vertretung, so erklärt es sieh, .
dass die Städte lange nicht in dem Masse Midi entgegenkommend ver¬
halten. wie dio Frequenz und der Zufluss der Fremden zuniinmt; daraus
entnimmt man. dass alles wunderschön ist und keiner Abänderung ,
bedarf. Ganz besonders vermisst man diese öffentliche Fürsorge in der
Anlage und Beaufsichtigung der Spazierwege. In Montreux z. B. i
war wahrend dos TFcmiber und Januar soviel Kis und Schnee auf den '
Promenaden, dass man nur mit Hülfe sehr starker Beigst iefef. und mit
eisenbcschlagenen Stöcken sich vor dem llinabgleitcn auf den steil j
absteigenden Strassen halten konnte. Von Aufeisen, Sandstreuen, Schnee- i
fegen wusste die Stadtverwaltung nichts. Das Befahren der Spazierwege '
mit kleinen Bergschlitten war allgemeines Volksvergnügen und brachte
manchen Patienten zu Fall. Ebene Wege für Schwache sind überall
sehr rar, zumal an der Riviera. Die armen Brustkranken sind sehr
oft zu ihrem Nachtheil genöthigt, die steilen, steinigen Weinbergswege
I hinaufzukeuchen. Der köstliche Strand wird als Platz zur Luftcur fast
| nirgends benutzt, weil es an Sitzgelegenheit fehlt. In dieser Beziehung
möchte ich auf die Sitzkörbe unserer Nordseebäder hinweisen, die an
der Riviera den Luftgenuss nicht allein ermöglichen, sondern auch zu
dem günstigsten Heilfactor werden lassen müssten. Das Sitzen in der
sonnigen, relativ feuchten Meeresluft müsste ein köstliches Gegengewicht
| bilden gegen den Aufenthalt auf der staubigen Strasse und in den
mangelhaft gelüfteten Wohnungen und Salons. Auch von Obrigkeits
I wegen sollten Anordnungen zur Ausführung gelangen, die die Naclit-
l ruhe für die Curinvaliden garantirten und das ewige Lärmen der
j Fuhrleute, Peitschenknallen, Singen, Zurufen zur Nachtzeit inhibirten.
j Die grossen Hotels und Pensionen liegen grösstentheils an der grossen
j Staatsstrasse und leiden zumal in der Carnevalszeit in hohem Masse
| von dieser nächtlichen Unruhe. Den Wirthcn und Pensionsvorstehern
kann die Sorge für die Ruhe des Hauses im Interesse der Invaliden
nicht genug ans Herz gelegt werden. Leider denken dieselben mehr an
die Behaglichkeit der mehr consumirenden Gesunden als an die Nach¬
theile, welche sie den Patienten zufügen, obgleich die Reclame überall
auf die Vorzüge der Räume für Kranke hinweist. In Wirklichkeit
trennen hölzerne Wände die Zimmer von einander, so dass jeder intime
Laut sich den Nachbarn mitthcilt; der Gebirgsschritt der schweizerischen
Dienstboten dröhnt vom C-orridor in die Stuben, und wehe, wenn in
einer Pension die Clavierseuche herrscht! Unerbittlich und schonungs¬
los dringt das fehlerhafte Spiel in die entlegensten Räume und zerfleischt
die Nerven des Ruhesuchenden. Wer derartigem Privatvergnügen aus
dem Wege gehen kann, selbst mit Aufopferung seiner Bequemlichkeit,
ist glücklich zu schätzen, aber wer ans Bett gefesselt solchen Unfug
über sich ergehen lassen muss, wird die Erfindung des Claviere min-
j destens als teuflisch bezeichnen. Am schlimmsten sind die Hotels. wie
in Pallanza mit grossem, hallenartigen Mittelraum, welcher als gemein-
schattlicher Versammlungsort dient. Hier hallt jedes Gciäusch, das
ewige Klappen der Thören durch den ganzen Raum und durch tönt
unbarmherzig die Zimmer, in welchen schlaflose, von Schmerzen geplagt«,
in ihren Nerven zitternde Kranke ans Bett gefesselt sind. Es ist sehr
zu bedauern, dass im allgemeinen die grossen Hotels grössere Unruhe
bitten, aber bessere Verpflegung, kleinere umgekehrt, schlechtere Ver¬
pflegung und grössere Ruhe. Immerhin ist der letzte Factor ein so
wichtiger, dass man bei der Auswahl der Wohnung nicht vorsichtig
genug sein kann. Schon wegen der mangelnden Ruhe gehören bett¬
lägerig# Kranke oder solche, die nur die Vermut hung zu lasset», dass sidr
das Zimmer hüten müssten, nicht in die klimatischen Curorfe. Dort
soll man sich im Freien aufhalten. Bett läge rige sind unter
allen Umständen zu Hause im Norden besser aufgehoben,
als in dem exce 1 len testen Hotel des Südens. Zu Bett- und
Zimmercuren sind diese nirgends eingerichtet. Nach der Möglichkeit
und Gelegenheit zur Luftcur sind die Winterstationen allein zu beur-
theilen: der Aufenthalt im Freien muss soviel als möglich angestrebt
und begünstigt werden. Nach Luft und Sonne sehnt sich der Kranke,
von dem belebenden Frühlingshaucbc erhofft er Genesung und Stärkung.
Der Aufenthalt im Freien ist für ihn um so wichtiger, als ihm im
Hotel oder der Pension meist dasselbe Zimmer als Wohn- und Schlaf¬
raum dient.
Nach diesen allgemeinen Betrachtungen wende ich mich nun zu
den speciellen kritischen Notizen über die einzlenen Curorte, von denen
ich Montreux im December und Januar besuchte, um dann des chroni¬
schen Winters müde, an die warmen Gestade des mittelländischen Meeres
zu eilen.
Montreux ist bekanntlich nur der Sammelname für eine Reihe von
kleinen Ortschaften, leider unter getrennter Verwaltung uud mit ver¬
schiedenen Interessen, an der gemeinsamen nördlichen Küste des Genfer
Sees. Dadurch dass im Norden eine mehr als 2000 Fuss hohe Berg¬
wand Schutz gegen Wind und Regen gewährt, dass ferner von Osten
und Westen zwei Vorgebirge die Bucht begrenzen, wird es erklärlich,
dass in dem amphitheatralisch aufgebauten, terrassenartig aufsteigenden
Montreux oft sich kaum ein Lüftchen bewegt, während der vorliegende,
nahe See von tüchtigen Wellen gepeitscht wird. Der Nordwind hat
kaum Zutritt oder erscheint schwach reflectirt, parallel mit dem Seeuft-r
als Westwind. Er ist unter dem Namen Bise gefürchtet und hat in
dem benachbarten Genf und in Lausanne, die beide sehr exponirt liegen,
zuweilen solche Härte, dass die Strassen völlig leer werden und sich
jedermann vor einem Gange ins Freie fürchtet. Die Grenze des Schutzes
vor der Bise ist zwischen Clärens und Vevey. Spaziergänger sollten
hier dm Quaiweg längs des Seeufers entschieden meiden, zumal ihnen der
sehöue, windgeschützte, sonnige Weg auf der halben Höhe der Berg¬
wand zwischen Montreux und Clärens Gelegenheit zur Bewegung in der
annuithirrsten Weise darbietet. Ueber Clärens hinaus sollte man nur
bei ganz sicherem Wetter gehen, da der Contrast zwischen Wärme und
Kälte, zwischen Stille und Sturm oft gewaltig ist. Wer seiner Gesund¬
heit wegen sich darin ergeben muss, innerhalb der Grenze von Montreux
zu bleiben, hat noch die Wahl zwischen dem sonnigen, am Seeufer ge¬
legenen, ebenen Vernex und Clärens und dem noch wärmeren, geschütz¬
ter gelegenen, eigentlichen (Kirch-) Montreux. Das letztere verdankt
seiner Anlehnung an die Bergwand seine höhere Temperatur und seine
capitosen Weine. Für schwache Kranke mit Athemnoth darf nicht über-
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28. October 1S78
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
647
sehen werden, dass die Strassen vom Ufer zum Hauptplatz an der Kirche,
die etwa 1186 Fuss hoch über dem Meeresspiegel liegt, sehr steil an- |
steigen, und im Winter oft kaum passirbar sind. Zudem fehlt es dort j
überall an Wagen, um zum Luftgenuss zu fahren. NB. sind Wagen
in Montreux sehr theuer. Die Nebenwege, besonders die sonnigen Wein¬
bergspfade zeigen gewöhnlich die Symptome des regen Stoffwechsels der
Eingeborenen in so abschreckender „Häufigkeit“, dass man sie zumal in
Damengesellschaft kaum betreten kann.
Wenn man an einen klimatischen Wintereurort die Anforderung
stellt, dass der Patient mehrere Stunden des Tages im Freien sich auf¬
halten und womöglich sitzend zubringen kann, so verdient Montreux
gewiss nicht unter die Winterslationen gerechnet zu werden: !
Wir hatten von Mitte December bis Ausgangs Januar durchgehends Tem- j
peraturen unter Null, Morgens waren die Fenster mit Eisblumen bedeckt,
an meinem nach Süden gelegenen Fenster zeigte der Thermometer wieder- i
holt 7° Reaumur Kälte! Während die Berliner Zeitungen von Wärme
und Frühlingsluft berichteten, hörten wir hier Schlittengeläut, sahen ,
wir weit und breit Berg und Thal mit Schnee bedeckt, die Wege mit |
dicken Eiskrusten, an Dächern und Brunnen die prächtigsten Eiszapfen,
die ich je gesehen. Wer solche Kälte wochenlang durchgemacht, hält »
es ordentlich für Hohn, wenn ein Curarzt (Steiger: Montreux, Stutt- j
gart 1876) schreibt, ein Pelz sei hier vollständig überflüssig. Ich rathe !
jedem Kranken, sich von Hause aus mit solchem Kleidungsstück zu ver¬
sehen. Spazierfahrten in offenem Wagen sind sonst kaum möglich. Der
Spaziergänger bedarf freilich nur tüchtiger warmer Oberkleider, aber wer
wollte damals auf den glatten, nassen, mit schmelzendem Schnee be¬
deckten Wegen lange gehen. Im December vor dem Sehneefall hatten !
wir gewöhnlich entsetzlichen Staub, der den armen Lungenkranken [
manchen Hustenstoss abnöthigte. Sprengen war wohl in Aussicht gc- j
stellt , kam aber nicht zur Anwendung. Sollte noch jemand über die
Winternatur Montreux’s in Zweifel sein, der höre, dass Schlittenfahren
mit z.u den allgemeinsten Vergnügungen gehört, an denen Alt und Jung
specicrllen Gefallen finden, dass Pelzmützen ein Stück nationaler Be- j
kleidmng sind, dass ein Pelzhändler einen wohlassortirten Laden hat, j
dass endlich eisiger Nebel nicht zu den Seltenheiten gehörte. Auch von j
Lebert wird angegeben, dass sich der Winter 1875 76 durch seine Nebel
auszeichnete. Natürlich wäre dies nur ausnahmsweise gewesen. Aber
diese Ausnahmen spielen in dem Behagen der Kranken eine sehr grosse
Rolle. Wir armen Patienten, die wir sehnsüchtig immer wieder nach
dem verheissenen Frühling fragten, wurden immer mit den Ausnahmen
getröstet, selbst der älteste Mann mit seinem schlechten Gcdächtniss
erinnerte sich nicht etc. Lebert 1 ) giebt ferner selbst zu, dass das
Frühlingswetter sehr variabel sei „mais quand il fail beau c’est un sejour
enchanteur“. Ich glaube, er hätte vielmehr sagen sollen „s’jl faitbeau“;
jedenfalls ist es nicht zu lockend zu hören: Les retours imprevus de
froid, de neige meme, exigent une grande prudence. Das mögen sich
die College» gesagt sein lassen, die Montreux als Winterstation und
Uebergangsort empfehlen. Man hört auch wohl davor warnen, sich vom
Norden her mit Federbetten auf die Reise zu begeben. Ich für meinen
Theil und zahllose meiner Mitpatienten hätten sich glücklich geschätzt,
in dem Besitz einer tüchtigen Feder-Bettdecke. Die üblichen kleinen
Plumeaux drücken nur den Mangel aus. Wenn Steiger a. a. 0. p. 69
von „einem bischen Kälte“ spricht, so halte man nur die oben citirten
Kältegrade damit zusammen, und wenn behauptet wird, der Winfer sei
in Montreux weniger fühlbar, so vergleiche man die gleiche Temperatnr
im Norden mit seinen vorzüglichen Schutzmitteln gegenüber den sehr
mangelhaften Erwärmungseinrichtungen im sogenannten Süden. Ich kann
wenigstens die in dem oben citirten Buche als ausreichend genannte
Zimmertemperatur von 15° C. = 12° R. für mich und die meisten Nord¬
deutschen, zumal für blutarme, nicht für zweckmässig erachten. Lebert,
Her Montreux’s Vorzüge so sehr herausstreicht, muss in diesem Lobe
erschüttert sein, da er sich trotz freier Wahl während des letzten
Winters in Nizza aufhiclt.
Wer wirklich in Montreux zu überwintern entschlossen ist, der ver¬
sehe sich mit allem nordischen Comfort, und doch wird er sich in den
unregelmässig und unzweckmässig erwärmten Zimmern unbehaglich
fühlen. Ich gebe vollständig zu, dass an schönen Tagen der Aufenthalt
in der windstillen, sonnigen klaren Luft trotz der Kälte zu den herr¬
lichsten Genüssen des Lebens gehört, aber dieser Genuss ist kein con-
stanter, und ihm folgt meist das volle winterliche Missvergnügen des
Zimmerlebens, wenn er nicht gar mit sehr schweren Erkältungen erkauft
wird. Ich habe im Norden nie so intensive Grippen, Nasen- und
Bronchialcatarrhe, Anginen gesehen wie in Montreux. Die gewöhnliche
catarrhalische Coryza wurde hier oft zu sehr lästiger Rhinitis. Aber
«auch Diphtheritis gehört dort nicht zu den Seltenheiten, ebenso be¬
drohte uns im letzten Winter eine sehr ausgebreitete Masernepidemie.
(Fortsetzung folgt.)
1) Montreux et ses Environs. 1877. Eine Sammlung der Arbeiten
■berufenster Sachverständiger und Interessenten, in welcher alles wissens-
•werthe unter Beifügung vieler Illustrationen zusammen gestellt ist.
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Die 51. Versammlung deutscher Naturforscher und
Aerzte in Cassel.
(Fortsetzung.)
Wenden wir uns nun dem umfangreichen Materiale zu, welches in
den Sectionen von allen Seiten herbei geschafft wurde, so können wir
bei der Beschränkung, welche dem Berichterstatter in Bezug auf den
Raum auferlegt ist, nur das hauptsächlichste und auch das nur in
grossen Umrissen wiedergeben.
In der Section für innere Medicin theilte Herr Dr. Wernich
(Berlin) seine Erfahrungen über die Behandlung schwerer tropischer
Dysenterien mit Ipecacuanha mit. Dieselben stimmen nur zum Theil
mit den Angaben englischer und americanischer Aerzte überein, da die
von ihnen empfohlenen grossen Dosen des Mittels von 2—4 Gramm nur
bei schlecht genährten Personen mit Atonie des Darracanals erfolgreich
angewandt werden konnten, während eine ungeschwächte Energie des
Darmes und starker Tenesmus eine Contraindication abgaben, Styptica
aber sich geradezu als gefährlich erwiesen.
Herr Prof. Mann köpf sprach über peripherische isehaemische Läh¬
mung, die er bei einer an acutem Gelenkrheumatismus mit Insufficienz
der Mitralklappe leidenden Person beobachtet hatte. Hier waren durch
embolischc Verstopfung peripherer Gefässstämme Lähmungserscheinungen
an den Unterschenkeln aufgetreten, die trotz der Herstellung eines
ausreichenden Collateralkreislaufes bestehen blieben und, wie die Section
erwies, auf einer parenchymatösen interstitiellen Neuritis mit gleich¬
zeitiger Myositis beruhten.
Herr Prof. Klebs (Prag) glaubt das Syphiliscontagium entdeckt
zu haben und zwar in Gestalt von Spaltpilzen, die er als einen con-
stanten Befund der syphilitischen Initialsclero.se angetroffen hat. Er
züchtete diese Pilze, die er als Helico-Monaden bezeichnet, und machte
mit diesen Impfversuche an verschiedenen Thiercn, von denen nur die
an zwei Affen ein positives Resultat gaben. Bei dem einen Affen zeigten
sich etwa fünf Wochen nach der Impfung circumscripte Anschwellun¬
gen in der Mundhöhle, aus denen sich unreine Geschwüre mit in-
durirter Umgebung entwickelten. Die Section, zwei Wochen später,
ergab ausgedehnte käsige Einlagerungen zwischen Dura mater und
Schädeldach, theils käsige, theils bindegewebige Infiltration der Lunge
mit Auflagerungen auf der Pleura, endlich mehrere erbsengrosse Kno¬
ten in den Nieren, theils käsig, theils fibrös. Beim zweiten Affen
entwickelten sich sechs Wochen nach der Impfung unter Fieber Pa¬
peln am Kopf, Gesicht und Hals, die später ohne Ulceration sich
zurückbildeten. Sowohl in den käsigen Herden des ersten Thieres
wie in dein Blute und anderen Präparaten des zweiten konnten micro-
scopisch dieselben bewegliche Stäbchen darstellenden Pilze gefunden
werden, wie im Hunter’schcn Knoten des Menschen. Herr Birch-
Hirschfeld warf ein, dass es sich hier wohl mehr um Tuberkel ge¬
handelt haben könne, denen die Affen sehr leicht ausgesetzt seien,
und wir müssen diesem Einwandc eine um so grössere Berechtigung zu¬
erkennen, als der Vortragende einerseits über den Befund an der Impf¬
stelle nichts anführte, derselbe also, wie es scheint, ein negativer war,
andererseits aber die fraglichen Knoten schon wenige Wochen nach
der Impfung aufgetreten waren, was in Bezug auf die Gummiknoten
beim Menschen bisher noch absolut keineAnalogie gefunden hat.
Herr Prof. Senator (Berlin) hat nach Verabreichung der Benzoe¬
säure in grossen Dosen von 4 Gramm mit einer Steigerung bis auf
8—10 Gramm den acuten Gelenkrheumatismus in kurzer Zeit und ohne
Complication von seiten des Herzens heilen sehen. Er fand dies Mittel
selbst in den Fällen wirksam, wo die Salicylsäure ihre Wirkung ver¬
sagte, und hält die parasitäre Natur des acuten Gelenkrheumatismus
nicht für unmöglich. Prof. Klebs hat noch weit grössere Dosen des
Mittels, in einem Falle selbst 50 Gramm im Laufe zweier Tage, ohne
nachtheilige Folgen verabreicht; nach seinen Erfahrungen wird im all¬
gemeinen \ pro Mille des Körpergewichts ganz gut vertragen.
Zur Messung des von der Körperoberfläche ausdunstenden Wasser¬
dampfes construirte Herr Dr. Erhardt (Rom) ein Instrument, das mit
Benutzung der hochgradig hygroscopischen Eigenschaft der Gelatine die
Verdunstung von jeder beliebigen Hautstelle anzeigt und misst Ein
Leimblättchen von 5 Ctm. Länge und bestimmter Dicke ist mit einem
Ende in einem Rahmen befestigt, während das andere sieh unter dem
Einfluss der Wasserausdunstung hebt und je nach der Grösse seiner
Elevation, die an einem graduirten Kreissegment abgelesen werden kann,
den Grad der Verdunstung angiebt.
Herr Prof. Ebstein (Göttingen) sprach über Incontinenz desPylorus,
d. h. das Unvermögen desselben den Magen vom Darm sicher abzu-
schliessen. Die ihm im normalen Zustande eigene und experimenteU
nachweisbare Schlussfähigkeit werde durch Erkrankungen, namentlich
durch Carcinome aufgehoben, was sich in der Weise demonstriren lasse,
dass man den Pat. eine gewisse Quantität doppelt-kohlensauren Natrons
und vorher die entsprechende Menge Weinsäure in Wasser gelöst nehmen
lasse. In diesen Fällen entsteht alsdann nicht, wie in normalem Zu¬
stande eine umschriebene Aufblähung des Magens, sondern allgemeiner
Tympanites, und es sei wahrscheinlich, dass auch manche Falle acuter
Tympanie bei Hysterischen auf eine durch nervöse Krampfzustände des
Magens bedingte Incontinenz des Pylorus zurückzuführen sei.
Herr Prof. Bollinger hält das Molluscum contagiosum für eine
durch Gregarinen bedingte Krankheit und für identisch mit den am
Kamm der Hühner zuweilen vorkommenden Knotenbildungen. Die Grega-
Qriginal fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
648
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 43
rinennatur der Molluscum-Körperchen hat er zwar noch nicht nachge¬
wiesen, glaubt aber, dass ihm dieser Nachweis gelingen werde.
In der Section für Chirurgie besprach Herr Dr. Schwalbe
(Magdeburg) die Methoden der Kropf behänd lung.
Herr Dr. Riedel (Göttingen) hat in 19 Fällen von Schenkelfrac-
turen 8 Mal Eiweiss, öfter noch Cvlinder und Fett im Urin gefunden,
und hält es nicht für unwahrscheinlich, dass das aus dem Blutextrava¬
sat an der Fracturstelle ausgepresste Blutserum als Fibrinferment wirke,
und die Ursache der Eiweiss- resp. der Cylinderausscheidung bilde.
Herr Dr. Ranke (Groningen) berichtet über Ansteckung einer
Mutter von ihrem mit hereditärer Syphilis behafteten Kinde, dessen
Vater 11 Jahre zuvor inficirt, weder zur Zeit der Zeugung noch später
Spuren manifester Syphilis zeigte, während die Mutter im Verlaufe der
letzten und einer früheren Schwangerschaft vollkommen gesund geblie¬
ben war.
Herr Prof. Hüter hat die Reverdin’sche Transplantationsmethode
mit Erfolg zu plastischen Zwecken verwandt. Durch Ucberpflanzung
behaarter Hautstückchen gelang ihm die Herstellung einer Augenbraue
nach Exstirpation einer lupösen Partie, er Spricht die Erwartung aus,
dass es durch die Ueberpflanzungsmethode vielleicht gelingen werde, an
einer durch Rhinoplastik hergestellten Nase auch die Spitze besser mar-
kiren zu können, als es bisher möglich war. Zur Erreichung dieses
Zweckes hat er mehrere Läppchen auf einander gepflanzt, nachdem das
vorher angeheilte wund gemacht worden war.
Herr Dr. Sachs (Cairo) hat aus einer kindskopfgrossen Geschwulst
am Knie einer Negerin eine 95 Ctm. lange Filaria Medinensis nebst einer
Unzahl von Embryonen sich entleeren sehen. Die Entwicklungsgeschichte
dieses Parasiten vollzieht sieh nach ihm in der Weise, dass die Em¬
bryonen von Personen, die mit derartigen Abscessen behaftet sind, beim
Baden in das Wasser kommen, sich hier in einen häufig vorkommenden
kleinen Krebs (Cyclops) einbohren, und nachdem sie in ihm einige Ent¬
wicklungsphasen durchgemacht haben, mit ihm durch das Trinkwasser
in den Magen und von hier aus in das Unterhautzellgewebe gelangen,
wo sie sich zur Filaria entwickeln. Das in Egypten gleichfalls häufig
vorkommende Distoma haematobium giebt häufig Veranlassung zu Hae-
maturie und Blasensteinen ab, indem der weibliche Wurm in der Nähe
der Blase seine Eier deponirt, die sich durch den an ihnen befindlichen
Stachel durch die Schleimhaut bohren und Abscedirungen und Ulce-
rationen hervorrufen, andererseits sich alsbald mit Harnsalzen incru-
stiren.
Herr Prof. König (Göttingen) hat bei scrofulösen Gclenkleiden
häufig das Vorhandensein von Tuberkeln constatiren können, ein Befund,
der von Hüter sowie von Ranke bestätigt wurde. G. B.
(Fortsetzung folgt.)
Entgegnung
auf den Aufsatz in No. 42 dieser Ztg.: Zur Statistik über die
Geisteskranken in den Irrenanstalten von Dr. Richter.
Herr Dr. Richter sieht sich veranlasst, Bedenken gegen die Irren¬
anstalts-Statistik auszusprechen in einer Weise, die durchaus nicht
bestechend genannt werden kann, da die historische Entwicklung dieser
Statistik so auffallend ignorirt wird. Sein Ilauptbedenken trifft die
Krankheitsformen des Irrseins, welche auf den Zählkarten zur Erhebung
der in Rede stehenden Nachrichten vorgedruckt sind, indem er sagt:
„Es ist in der That schwer zu verstehen, dass die Zählblättchen, nach¬
dem sie endlich eingeführt, einmal z. Th. eine vollständig veraltete
Kra nkheitseintheilung beachten, dann aber Rubriken, die noth-
wendig beliebigen Deutungen den weitesten Spielraum liessen.“ Dass
eine vollständig veraltete Krankheitseintheilung der Irrenanstalt-Statistik,
die seit dem 1. Januar 1875 besteht, zu Grunde liegen soll, ist ein
Ausspruch, der von competenter Seite bcurtheilt werden mag. Hier
möge er nur durch folgende historische Angaben beleuchtet werden:
Der Vorstand des Vereins der deutschen Irrenärzte (Nasse. Lähr,
L. Meyer, Westphal, Zinn) beantragte im Deceinber 1873 die offi-
cielle Einführung der Zählkarten, deren Inhalt in der Versamm¬
lung zu Wiesbaden 1873 definitiv festgestellt ist, und bittet
um Genehmigung seines Antrages unter Berücksichtigung
des Umstandes, dass dje Vorschläge aus einer schwer zu
erreichen den Einigung der vorher in ihren Ansichten diver-
girenden (Irrenärzte hervorgegangen sind. Am 10. Februar
1875 verhandelte die statistische Central-Commission, die aus je 2 Ver¬
tretern der verschiedenen Ministerien und aus je 3 Mitgliedern des
Abgeordneten- und Herrenhauses besteht, über die Zählkarten, welche
der Verein der deutschen Irrenärzte ausgearbeitet hat. Als psychiatri¬
scher Sachverständiger war Herr Prof. Westphal zugezogen worden.
Die Krankheitseintheilung wurde selbstverständlich keiner Kritik unter¬
worfen, da der Verein der deutschen Irrenärzte und der anwesende
Sachverständige dieselben zu vertreten hatten, cfr. Zeitschrift des Kgl.
statistischen Bureaus 1874, S. 201, Heft 43 und 46 des amtlichen
Quellenwerkes der preussischen Statistik.
Herr Dr. Richter, der, wie er sagt, bereits in der 4. grossen
Provinzial-Anstalt beschäftigt ist, müsste den Verhandlungen des Vereins
der deutschen Irrenärzte doch schon vor 1S77 seine Aufmerksamkeit
schenken. Dr. Guttstadt.
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. Der würdige Präsident der Hufe 1 and’schen Gesellschaft
Herr Geh. Rath Dr. Steinthal feierte am 22. October in voller Rüstig¬
keit und Geistesfrische seinen achtzigsten Geburtstag. Collegen, die
ihn hoehverehren, und Personen aller Kreise, die ihm ihre Dankbarkeit
und Liebe bezeugen wollten, wetteiferten mit einander, um dem edlen
Greise, der noch jugendlich denkt und fühlt, den Tag zu einem hohen
Feste zu gestalten. Die IIufeland’sche Gesellschaft überreichte ihm
seine vorzüglich gelungene Büste, die sie hat modelliren lassen, und
welche in den Sitzungen der Gesellschaft von nun an aufgestellt werden
soll. Die Berliner ärztliche Unterstützungskasse, deren Vorsitz Herr Stein¬
thal seit länger als einem viertel Jahrhundert mit unermüdlichem Eifer
führt, hat durch einige ihrer Mitglieder einen Fonds gesammelt, auf
Grund dessen der Jubilar statutenmässig zum bleibenden Ehrenmitgliede
des Vereins ernannt, und durch welchen ihm ein treues Andenken an
seine Verdienste um denselben — in Form einer S teinthal-Stiftung
— für alle Zeiten gesichert wird. Möge der hochverehrte Jubilar noch
recht lange in rüstiger Kraft des schönen Tages sich erinnern!
— Herr Dr. Lichtheim, seit ca. 1 Jahr Prof. c. o. in Jena, ist
an Quincke’s Stelle zum Professor ord. und Director der medicinischen
Klinik in Bern ernannt worden.
— Veranlasst durch die Mittheilung des Herrn Dr. Wulff in No. 41
der Berl. klin. Wochenschr., theilt uns Herr Dr. Mayer in Rheinbach
folgendes mit: Am 5. October habe ich hier ein Kind zur Welt beför¬
dert, welches mir durch seine Grösse und Schwere in hohem Masse auf¬
fiel. Die sofort veranstaltete Wägung ergab ein Gewicht von über 15 Zoll¬
pfund. Das Kind (Knabe) war wohl proportionirt und machte den
Eindruck eines mehrere Monate alten Kindes; am 5. Tage starb es plötz¬
lich an Krämpfen. Messungen habe ich leider keine vorgenommen.
Die Mutter (Mehrgebärende) ist klein, jedoch sehr kräftig gebaut. Ab¬
gesehen von einem kleinen Dammriss, war sie sofort nach der Geburt
ganz munter und verrichtet heute schon kleine Hausarbeiten.
— Dem Vernehmen nacli ist der Regierungs - Medicinalrath Herr
Dr. Pi stör aus Oppeln zum Mitglied des Reichs-Gesundheitsamts er¬
nannt, Der Director dieses Amtes, Herr Dr. Struck ist erkrankt und
geht auf 6 Monate nach dem Süden. Die Geschäfte desselben übernimmt
in Vertretung Herr Geheimer Regierungsrath Dr. Finkelnburg.
— In der Woche vom 15. bis 21. September sind hier 621 Per¬
sonen gestorben. Todesursachen: Masern 5, Scharlach 17, Roth-
lauf 2, Diphtherie 19, Eitervergiftung 3, Kindbettfieber 4, Typhus 10
(Erkrankungen an Typhus 24 m., 24 w.), Dysenterie 4, Gelenkrheu¬
matismus 1, Syphilis 1, mineralische Vergiftung 1 (Selbstmord), Ueber-
fahren 1, Sturz 3, Erhängen 1 (Selbstmord), Ertrinken 2 (1 Selbstmord),
Lebensschwäche 48, Abzehrung 25, Atrophie der Kinder 4. Scropheln 5.
Rhachitis 1, Altersschwäche 11, Krebs 14, Wassersucht 5, Herzfehler 6,
Hirnhautentzündung 10, Gehirnentzündung 10, Apoplexie 11. Tetanus
und Trismus 5, Zahnkrämpfe 5, Krämpfe 40, Kehlkopfentzündung 8,
Group 2, Pertussis 4, Bronchitis 17, Pneumonie 23, Pleuritis 3, Phthisis 51.
Peritonitis 6, Diarrhoe 66, Brechdurchfall 86, Magen- und Darment¬
zündung 4, Magen- und Darmcatarrh 16, Nephritis 10, Folge der Ent¬
bindung 1, andere Ursachen 50.
Lebend geboren sind in dieser Woche 443 m., 429 w.. darunter
ausserehclieh 57 m., 49 w: todtgeboren 17 m., 12 w., darunter ausser-
ehelich 2 m., 3 w.
Die durchschnittliche Sterblichkeit während dieser Woche beläuft
sich auf 31,3 pro Mille der wahrscheinlichen Bevölkerungszahl, die ent¬
sprechende Geburtenziffer auf 43,9 pro Mille (beide Summen mit Aus¬
schluss von 1,5 pro Mille Todtgeborenen).
Witterung: Thermometerstand: * 12,OS R., Abweichung:
1,12 R. Barometerstand: 27 Zoll 10,44 Linien. Dunstspannung:
4,11 Linien. Relative Feuchtigkei t: 73 pCt. Himmelsbedeckung:
5,7. Höhe der Niederschläge: 6,35 Pariser Linien.
VIII. Amtliche Mittheilmgea.
Personal!«*.
Auszeichnungen: Seine Majestät der König haben Allergnädigst ge¬
ruht, dem Kreisphysicus, Geheimen Sanitätsrath Dr. Drccker zu
Recklinghausen den Königlichen Kronen-Orden dritter Klasse zu ver¬
leihen, dem Geheimen Medicinalrath und Professor Dr. Esmarc-b an
der Universität in Kiel die Erlaubniss zur Annahme des ihm ver¬
liehenen Kaiserlich Russischen St. Annen-Ordens dritter Klasse und
des Kaiserlich Russischen St. Stanislaus-Ordens zweiter Klasse mit
dem Stern zu ertheilen, so wie dem Medicinalrath und ordentlichen
Professor an der Universität zu Breslau, Dr. Otto Spiegelberg den
Character als Geheimer Medicinalrath zu verleihen.
Anstellungen: Der seitherige Kreisphysicus, Sanitätsrath Dr. mei-
Bode in Hofgeismar ist zum Kreis-Wundarzt des Stadtkreises Kassel
ernannt worden.
Niederlassungen: Arzt Hermanu Meyer in Gülzow, Dr. Bernbari
Heidenhain in Stettin.
Verzogen sind: Dr. A. Heidenhain von Löcknitz nacbCoesliu,
Dr. Baumann von Aachen nach Worms.
Apotheken - Angelegenheiten: Der Apotheker Köpscb hat die
Tacht’sche Apotheke in Gülzow, der etc. Stroschein dieBoebrig-
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Gck igle
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UNIVERSETY OF MICHIGAN
28. Oedober 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
649
sehe Apotheke in Lobsens, und der etc. Thill die Philipps’sch
Apotheke in Eupen gekauft.
Todesfälle: Kreis-Physikus Sanitätsrath Dr. Knop in Leobschütz,
Dr. Lietzmann in Stettin, Dr. Heuser in Kaiserswaldau, Dr. Zoell-
ner in Cottbus, Dr. Gatz in Büsbach.
Inserate.
Erklärung.
Ein in der letzten Zeit auswärts häufig auftretendes Gerücht, ich
hätte meine hiesige ärztliche Thätigkeit gatweder eingeschränkt oder
gänzlich aufgegeben, veranlasst mich zu der ausdrücklichen Erklärung,
dass ich nach wie vor meine Praxis in der bisherigen Weise ausübe.
Aachen, im October 1878. Dr. Reumont,
_ K. Geh. Sanitätsrath.
Arzt für die Cap-Colonie gesucht.
Ein Arzt in der Cap-Colonie, welcher nach einem dortigen Auf¬
enthalte von 17 Jahren nach Europa zurückkehren will, wünscht seine
sehr einträgliche Praxis einem jüngeren Collegen zu übertragen.
Uebernahme möglichst noch in diesem Jahre. Bedingungen sehr
günstig. Nähere Auskunft durch
Bremerhaven. _ jOlcrkt & Meyer.
Ein junger tüchtiger Arzt, fiüher Assistenzarzt an einer der grössten
Krankenanstalten Deutschlands, der sehr gute Zeugnisse, sowie beson¬
dere Empfehlungen seitens berühmter Professoren besitzt, sucht eine
Assistenzarzt-steile an einer psychiatrischen Station. Offerten sub
J. 0. 123 an die Exped. d. Bl ._
Ein Arzt,
seit mehreren Jahren in einer Stadt Süddeutschlands thätig, bestens
empfohlen, ersucht IUI. Collegen oder Amtsvorstände um Mittheilung
einer erledigten oder bald sich zu erledigenden ärztl. Stelle, ist auch zu
längerer Stellvertretung bereit. Gef. Offerten durch die Exped. sub
C. R, 122. _‘_
Andauernder Krankheit halber will ich meine langjährige
poliklinische und gesammte sonstige Praxis an einen Collegen abtreten.
Kaufpreis 1000 Rmk. Dr. Schulze, Oberarzt a. D., pract. Arzt etc.,
Spittelmarkt 11.
Eine Praxis in schönster Gegend des Rheines ist abzugeben. Jahres¬
einkommen 7000 Mark. Bedingung: Uebernahme einer neuerbauten
Villa. Anzahlung 15000 Mark. Der Rest auf unkündbare Hypothek.
Näheres sub <1. 6746 durch Rud. Messe, Frankfurt a. M.
Ein junger approbirter Arzt, bisher Hausarzt an einem grösseren
allgemeinen Krankenhause, sucht einen älteren Herrn Collegen zu ver¬
treten. Geburtshül fliehe Praxis erwünscht. Adressen unter X 121 post¬
lagernd Ei len bürg. _
Ein erfahrener Arzt, tüchtiger Chirurg und Geburtshelfer, wünscht
eine Landpraxis in schöner und wohlhabender Gegend zu über¬
nehmen. Er würde geneigt sein, zugleich ein convenireiules Besitz'
thum — Haus und Garten — zu erwerben.
Gefällige Offerten vermitteln Peter Ruht <fe Sohn in Cassel.
Ein Arzt sucht in einer kleineren oder mittelgroßen Stadt mit guter
Umgegend lohnende Praxis. Fixum erwünscht. Offerten sind bis zum
1. November c. in der Expedition unter H. H. 101 niederzulegen.
Praxis-Gesuch.
Ein junger Arzt, welcher mehrere Jahre als Assistent an Kranken¬
häusern, später als Landarzt thätig war wünscht eine einträgliche Praxis
zu übernehmen. Offerten sub J. Z. 9904- befördert Rudolf Rosse,
Berlin S. W. ___
Reisebegleiter.
Ein pract. erfahrener Arzt (gute Referenzen) sucht Stelle als solcher.
Offerten sub B. A. 120 an d. Exped. d. Bl.
Ein junger Arzt, der sich von angestrengter Praxis erholen will,
wünscht als Reisebegleiter nach dem Süden zu gehen. Gef. Offert.
sub A. M. 118. p. E xp, d. Bl. __
Ein Badearzt, anfangs der Vierziger, erbietet sich zur Uebernahme
einer ärztlichen Praxis während der Wintermonate. Offerten unter
A. Z. 115 an die Expedition der lvl. Wochenschrift.
Auf Wunsch einiger Herren Collegen werde ich neben den foren¬
sisch en Cursen in den Wintermonaten (von Mitte November ab) auch
einen klinischen Cursus der Psychiatrie für Acrzte (Abend¬
stunden) halten. Anmeldungen erbitte ich schriftlich oder mündlich.
Berlin, den 1. October 1878. Dr. Willi. Sander,
Wallnerthealerstr. 29.
Wegen meiner Übersiedelung nach Oeynhausen beabsichtige ich
mein in Eisleben belegen«** Haus mit Garten etc. sofort an einen Arzt
zu verkaufen, den ich zugleich in die seit 15 Jahren hier von mir be¬
triebene Praxis einfübren würde.
Eisleben, 17. September 1878. Dr. Voigt.
Ein Dr. med. sucht auf einige Wochen einen Landarzt unter beschei-
denen Bedingungen zu vertreten. Adressen unter N. 114 d. d. Exp, d. Bl.
San Remo.
Vom 15. October ab practicire ich wieder in San Remo.
Bad Reinerz, im September 1878. Dr. SfCthi#
Wohnung: Villa Luigia, Corso Garibaldi.
. ~~ Mentone.
Mitte October nehme ich meine ärztliche Praxis in Mentone wieder auf.
_ Dr. von Cibe.
Vom 15. October ah werde ich wieder in Süll RPMO practiciren
Soden, 8* September 1878. Dr. Brökiiig.
In Montreux
finden 1 bis 2 einzeln stehende honette Wintercuristen familiäre Unter-
kunft. Anfragen an Pr. Steiger, Kurarzt. _
_____ _ “~~~ — ~
Aufnahme von Pensionären in’s Haus.
Or. Jetten.
| _ Villa Vento.
| Or. med. H. Mahr (Astmannthaaten) practicirt während der Winter-
j monate in Wietbaden. (Electrotherapie und Massage.)
| Vom Anfang October 1878 werde ich wieder in Nervi anwesend sein.
j _ Dr. A. Schctcllg
I Meine Wohnung während des Winters in UTervi ist Castello
| Ponzone. _ Dr. H. J. Thoma9-Badenweiler.
Dr. v. Wendt practicirt diesen Winter in Rom 9 Via Gregoriana,
j No. 7, II. __
' Dr. A. Christeller (S chweiz) nimmt am 1. October 1878
| seine Praxis in Bordighera-Riviera wieder auf und wohnt im Grand
j MOtel de Bordighera, _
Vom 15. October an practicire ich wieder in San Remo. Wohnung:
: Villa Corradi. Dr. Goltz. — Ems. _
1 Mentoite.
| Unterzeichneter wird von Anfang October an in Mentone practiciren,
! und ist erbütig, einigen Patienten in seiner Familie Aufnahme zu ge¬
währen. Grosse Villa in hübschem Garten. Anfragen an
Dr. Jessen in Rendsburg.
Am 15. October nehme ich meine Winterpraxis in Sanremo wieder auf.
Lippspringe, im September 1878. Dr. von Brunn.
! (Riviera.) Bordighera. (Italien.)
Herrlicher Winteraufenthalt im „Falinenland** zwischen San
Remo und Mentone.
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UNIVERSETY OF MICHIGAN
650
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 43
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laren, 2 Systemen (4 u. 7), 400 malige Vergrüsserung,
36 Mk., 3 Ocularen, 3 Systemen (4, 7, 9), 800malige
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sionssystem No. 10, Vergrösserung 1000 Mal, 75 Mk.
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Wilhelms-Universität.
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I tage unerledigt bleiben.
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
Pie BerHo«* WAifi0Baebrift eracbemi
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jh^l* rietibriicti & &»rTt. IJw»fcp1iucfi$>n n^kraau
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JilTXkX: UJJ TTWV.t.l.JJ 11 k.
Organ für practisehr Aerzte.
Mit Berücksichtigung der preussiachen Medizinal Verwaltung und Mcdidnalgesetzgebung
nach amtlichen KittheiloDgon.
Verlag von August fiirsthwaW in Hwlm.
Redacteur: Prof. Dr. L.
Montag, den 4. November 1878.
m 44 .
Fünfzehnter Jahrgang.
Inhalt: I. MottHbr-Warnek: Zur Behandlung; der tMphtheruis vor und imiii - der Tracheotomie. — l.U Ja 4 f 4: fön Fall von Biraiyüis
Hacterukö* acuta. — IIf, Haasmamu; Vuchtdges aus der Gcstfhickre und. Therapie det Surofuta:, mit harmdiuru B-unek^iehtigun«' der
L^Uiphdni-Heüui rooren und deren-B?bu-ndlüug mit roetliodisclier-SchitueuseiltvKwireiUung.(Seid tm): — IV Kmümn-und. ivrieiom -(Riege L-
lieber dto IfedfcäitiTig der Pulsunwrsuchuns — Hiebei: Znt %iöptniwatolo0o ; und'-Theorie der Bieiköiih ; — Zwei PiiJlo von hoch-
gradi^ei ,h»»1o formin tuslcut-imiX — V. Verhandlungaji ärztlicher GeseKsehafUiti (Geswischan für Geburt shiilh: um? GmälniooD in
BerliU ■— ^iuderrheirieche Gesellschaft für .Natur- uiul Heilkunde m DomGF — YI. Feuitkboi rSdarvher^luyti^tdm Frinueruhgen an
einen 'Whfiferaufetilhält' iih)Suiten plürtsetzansrj— VII. • A.mUu ! .h»i '.
I. 2 m Behandlung der Itiphtheritis vor und nach
der Tracheotomie.
Sach au <k-r ipciian, Klinik zu Kiei gemachten fJenbachtungec
V«*». ’ , - , .
•Dr. Äu^Iler-W»rit^jte, PracL Arist tu Du-McM*.
Id den letzten Jaüt.eii ist über oi*>^reft DegeoTtedd nn >
endlich ‘viel, geschrieben uml ^ind so njf7ühH?e Mcdternneutc:
• -gegfeü das iur'hlitbaro Leiden der Diphtlmxte heute aL -ehr wirk-
sara «LtigejiwsöÄy mhrgeÄ'Äte vfttLg ürDGrk&imV er $ »>r1%
dass es nicht z« ver^nmlem ist. «eno sich ein gewisser !>I»er~
ffoms geften das Ijehenuass der diesen Ghironktand .bntreföujdeu
Lectore eragosteüf und dazu eine Lohtet hat, das ,fet
füglich voü herüftUier m*d ünboTofcm-t Seite stets gum üz em¬
pfohlene wieder fcö yartmplujn tnd stellt mnjn daun;
wie m viele derjenigen, die sich tieeifen*, uns mit nciuui MedB
camenten zur Heiligung de? Seuche ku he^lHckeit. oft *Tjb, eiö-
lache ThatK.fi die, dass die Uiphthmbs kerne locale Krankheit:
shnxlectt eine ail^eiaeavc lutectiütisferhnkffö t fst, fllfe' \^tjahr,' ;
nach Durcbseiidiiina: des Ildrpers in iduhteren «dar schwerere!«
Locaim&rionep üoeUihentirt, tratre atxsscr: Acht Iö^süö; h*ihi man,
; dasF säe ö'löW!lihtl 1 pti^' mhein Mittel, wdöltes local applrdtt efc
fache KadDihdiphtherie in hesdtigfen venua«'. min du ^jtedüeara
jiegfeti ;tJle ^^rmeu der WpMhvtte und cp zu h ajaui — wie sollen
da uiciit die ^mpfehlangen rdiertini-s erwecivdi, wie >nlf
da Vertradew zu dpm tivmn aulketniaeul VHetnu ich trotz all ödem
wage, diesem vjd hosprocheumi m d v\dlfeavbeizten Ö^|repStaud
mrch einmal ampwgrd.fep. und lüdn^n damit vteHeicht schon «her
und iil>ef iVteh ,€ollcgrdn rorauftikren, so ^rhteht c* m der
Erwagtiu^v. dfiRiK man utefnal.s mit der Bekanntmachuu^ vnu Brtah-
riMipreif ztu*ÄekhaUdi «fdl. Wcwu man ife tkh(s*teu$m% hat, das?
durnb die^elKen dendnn Alentehhnit tihnrhanpt nih:Zu
xiif. achAeji v «rmag. Es gesclneht fern er irrr .Anged^oken <Urs n.
vF:-- taun früherer ,■ leider für di?> Wissenschaft .uud für seine
tim ipuigst vi^xetireüden Srhülci zu frühe dem Tode verfallener
Fhcf, Hi*yr GtdiomirMh Barteln, mir mehrfach den Wi-c-oh
ausdrudfte, dio ^nust^en Itesultutv, welche yvh in dvr. rncfUn-
TiiFcUeu Kllriik äü Kid im. i*itkt \ e.Tllo^D»^n rfaiire nach süöe-
lieh gearnlerter itehandlnngyitiieUiode die Di ph th eilt Lj im
zu früherem daiircn, crkicltoy, vernftcntlioht >:u sehen.
>»> mufli'ii dnilü dieirv Zoileii hingeuormmni' -Werden zugleich mit
;a!s .efiitf Ennoertriig an das Wirken des Alarmes, dem das Stroben
nach Erkenntnis stets das Höchste war : Win denn sein. Wahl-
sprach lautete: Suc.lier die ErkcnntmVs und fraget nicht., .was'
sie nutzet; an dem Manu, der «ein Lof^n der Wissenschaft bis
Zum letzten ÄtheiHZuge geweiht hat und Wie viele ith^nret he-
deutcmlen Aw?üreu nnd Lehrer m einem Alter ans diesem Lehen
^ertesen wurde, m dem er noch m der ^ufftmngf dmm*-htig:te,
die vielen Fragen, die er unermüdKch, in sich erwog und
deren Erkennen er dachfor^rhtc.. für die 5iti reifen
Frdchfen weiden wurden.
Im vtehre 18^0 verüffentifciltk Bat:t e in im liemtscöett Afchiv
für k ! » ui ?cj»e Med i ein seine BnohanhfuiJfren iihn r das A ult roten
dev häutigen Bräune in der BrnvinZ. Fchl«?wi^Holstein. Diese
Arbeit, obwohl eine der testen imd eja^u.hends.trti^ d-'o bis da-
hin litmr die^on G^gen^taml ^hsrhrtehefj warmr und die Zewjg-,
oks ^ieht \on der sehartVa Bk>ha<htuvrers^abe und dom großen
Srimmo.lflekse ’iJ>/?«' Anfors. hat. wie *?<*. .seluhut. iloch Im ^atrz-en
weui^ Beachtim^ pHnnd^t}-, Wer .si> ln v st wird tvMdeh. das^
BarftrW schon ♦iamaU Aü^kht^n- $)Vr dte Krankheit Stiügßtx 1 ^
flri« sie auch jetzt mx*L Hn^Tt^seu und pßni^ü dir ^rläu%etj shnf.
I»ie in der gouanuten ArheD.. aoter-telIrm Briucifdou fiik die Be¬
handlung: der jdphthorif hut Bartel - bis aau»ep da? tvmk
dal»re?.-'X-t>7f5-tieibehhlted', wenn kÄh 4tewt McD»odc, tv‘-»o u-h
zeugen .W3?ÄJ«v -mich w^nigrer gilns^i^v Bekriftntk crzikbv aU -er Fje
Ins zunv döhrf? 18hi> -emteiri bnttiu Bti- befand ;da.riin dass, bei
eiu/adier KachcinhphtbeDe.i neben äusserbchciu und in mV» »ehern
ßübraueji v(ui Ek, Kali chloric. xuni Gurgeln «pd E.tattefoon
(in l* Lüsong ; sunolbch i TTieelöflffel)* Än^ertlem -örtbc-he l o>-
}»uJven»?)g^n.mit Tannin -.oder Alarm, auch iKügöiitegnw uuf Lmui-
Bmmkaiiufrtlüsiirigijf» ah^ewawdt wumteu. Iteivfin'epdirr vu|nr;
schon be.dvnfdichot LörJiix^thünÄe und Kort^.ihreiteii rfe diBb-
tlierib.Hcliei< iu*e»c<Msos itnf Trachea ’iind Brouchteu wurden- -a.n^v.i-
aIcu» hniie Dosen von Ln.g, Bydrargyn. rin. (snindl. 'Ihr*
b.s. m pvc *iie und darüber.) eiugcncben und sonst .svm-
phitnafiNrh verfahmn Luter' -alten Lq^tandHi. s&U>$t hoi uns-
sieiits!o^oii Piilicn. wnrrk a-D lelztcs yedv.riv'-c'r^f
bei hegiuuendev Äsidiyxih- ^Vte Ttaeh'e.ott>te*e jiospfführt, ltn
Gegensatz zu vi^ten Anterctf der Zeit, welche die
Tmchijotorniß ii^^lärV.- h^ä b ßlplif lterte Tut weder veew t?rten
odci sie doch nur ieo ai>cbri:>e:>d äifö?idl!sVVdten j alh u nu-
^ewandt wissen woben, Imhligte lia.rtef-s der Ansicht, dass an»
€52
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 44
jeden Fall dies letzte uns zu Gebote stehende Mittel zu ver¬
suchen sei und machte er es seinen Assistenten geradezu zur
Gewissenspflicht, die Tracheotomie, wenn nöthig, nie zu unter¬
lassen. Das Material für die Tracheotomie, die fast immer
schon kurz nach der Aufnahme ins Hospital nöthig war, wurde
geliefert von Kindern jeden Alters, welche meistentheils den
ärmsten Volksschichten angehörten und sich häufig in einer
geradezu elenden Körperverfassung befanden. Ein grosses Con-
tingent stellten die Kinder der sogenannten Ziehmütter, Frauen,
welche die unehelichen Kinder für geringes Entgelt zu sich
nehmen und weder mit Liebe noch mit einer Spur von Gewissen¬
haftigkeit derselben sich annehmen. Dass unter solchen Um¬
ständen schwerlich gute Resultate für die Tracheotomie zu er¬
zielen waren, liegt wohl auf der Hand, und erwähne ich dies
ausdrücklich, um einem Vergleich mit den Ergebnissen solcher
Anstalten vorzubeugen, in denen für die Tracheotomie die Pa¬
tienten je nach Alter, Körperzustand und nach dem Grade der
diphtheritischen Localisationen ausgesucht werden. Es wurde
stets die Tracheotomia sup. und zwar in voller Chloroform-
Narcose ausgeführt. Lag die Schilddrüse vor, so wurde sie
meist an ihrem oberen Rande in der benöthigten Ausdehnung
losgetrennt oder auch direct quer durchschnitten und dann mit
breiten Wundhaken tamponirt, was nach Einführung der Canüle
in die Trachea dann diese besorgte, nötigenfalls durch strammes
Anziehen der zur Befestigung der Canüle dienenden Gummi¬
schnur erzielt wurde. Die Wunde wurde nach Anlegung der
Naht mit einem in Carbolöl getauchten Leinwandläppchen, das
mit einem Schlitz für die Canüle versehen war, bedeckt und
dann ständig ein feuchtes Läppchen von feinem Tüll auf die
Canülenöffnung gelegt, um auf diese Weise das Incrustiren der
diphtheritischen Massen innerhalb der Canüle zu verhüten. Er¬
wähnen mussich noch, dass Bartels den Unterschied zwischen
häutiger Bräune, Croup und Diphtheritis gänzlich hatte fallen
lassen und den ganzen Krankheitsprocess unter dem Namen
Diphtheritis zusammenfasste, mochten nun nur die Rachenge¬
bilde, der Kehlkopf, Luftröhre und Bronchialverzweigungen ein¬
zeln oder insgesammt befallen sein. Er machte seine Schüler
stets darauf aufmerksam, dass ein Krankheitsprocess, der, ob¬
wohl er sich an jedem Punkte der Luftwege primär localisiren
könne, nachweisbar oft von den Rachengebilden nacheinander
auf Kehlkopf, Trachea und Bronchien sich fortsetze, nothwendig
ein einheitlicher sein müsse und dass das Product desselben
in den verschiedenen Bezirken des Respirationsapparates nur
daher verschieden sei, weil er auf Schleimhäuten sich ausbreite,
deren verschiedene und verschieden massig geschichtete Epithe-
lien anders geartete Gebilde zu produciren, als auch zwischen
sich und auf sich entstehen zu lassen vermöchten. Das Wort
Croup hatte Bartels nur als Bezeichnung für ein Symptom
der Diphtheritis, nämlich für den characteristischen Husten,
als Crouphusten beibehalten. Ich schicke dies voraus, da meine
Ansichten in derselben Anschauung beruhen und das nachfol¬
gende betreffenden Falles in diesem Sinne aufzufassen ist.
Beleuchte ich nun zunächst das der medicinischen Klinik
in Bezug auf die Diphtheritis zu Gebote stehende Material, so
wurden vom Jahre 1867, wo der Bericht von Bartels schliesst,
bis zum Jahresschluss 1877 im ganzen an Rachen-, Kehlkopf-,
Bronchial-Diphtherie behandelt 131 Fälle, und zwar nahm die
Frequenz derselben von 2 Fällen des Jahres 1867 bis zu 24
im Jahre 1877 zu. Von diesen 131 (71 männliche, 60 weib¬
liche Individuen) starben 73 und wurden hergestellt 58. Was
die Localisation der Krankheit in Bezug auf die einzelnen Ab¬
schnitte der Respirationswege anbetrifft, so waren von reiner
Rachendiphtherie befallen 27 Personen. Es bestätigte sich die
alte Erfahrung, dass die nicht progrediente Diphtherie des
Rachens mehr erwachsene Individuen als Kinder heimsucht und
meist schnell zur Genesung gelangt. Denn von den 27 Befalle¬
nen waren 23 über 15 Jahre alt und nur 4 unter 10 Jahren.
Im Durchschnitt konnten die Patienten am 10. Tage sämmt-
lich geheilt entlassen werden. An Diphtherie der Rachen¬
gebilde und des Kehlkopfs, bei denen jedoch die Tracheotomie
umgangen werden konnte, wurden 15 Individuen behandelt,
von diesen keines über 11 Jahre alt. Es standen 4 im ersten,
4 im zweiten, 4 im sechsten bis achten und 3 im eilften Lebens¬
jahre. Sämmtliche 15 Fälle kamen zur Genesung. An Kehl¬
kopf- und Bronchialdiphtherie litten 83 Patienten. Bei allen
83 musste wegen hochgradiger Larynxstenose die Tracheotomie
ausgeführt werden. Mit Ausnahme eines Falles, welcher ein
Mädchen von 17 Jahren betraf, standen sämmtliche Tracheoto-
mirten im kindlichen Alter von 8 Monaten »bis zum 12. Jahre, und
zwar befanden sich unter denselben 50 Knaben und 33 Mädchen.
In Bezug auf das genauere Altersverhältniss führe ich an, dass
2 unter einem Jahr alt waren (8 und 9 Monat), 5 standen im
ersten, 17 im zweiten, 18 im dritten, 12 im vierten, 7 im
fünften, 11 im sechsten, 6 im siebenten, 3 im achten Lebens¬
alter und 2 zwischen dem zehnten und zwölften Jahre. Von
den 83 Tracheotomirten gingen zu Grunde 66 und genasen 17.
Unter den 17 Genesenen waren 9 Mädchen und 8 Knaben im
Alter von 2 bis 6 Jahren. Die 66 Gestorbenen gingen zum
grössten Theil an Asphyxie oder allmäligem Collaps, 2 an com-
plicirendem Typhus, 1 an complicirender Meningitis, 5 an Wund¬
diphtherie zu Grunde. Das Zahlenverhältniss der Tracheotomien
und der durch dieselben am Leben erhaltenen vertheilt sich
auf die einzelnen Jahre folgendermassen;
Tracheotomien: Davon starben: Davon genasen:
1867
2
1
1
1868
7
7
—
1869
4
4
—
1870
3
2
1
1871
4
4
—
1872
3
2
1
1873
10
9
1
1874
7
6
1
1875
12
10
2
1876
14
11
3
1877
17
10
7
Summa
83
66
17
Die noch übrig bleibenden 6 Fälle betrafeu sämmtlich Er¬
wachsene, welche in mehr oder weniger hochgradig moribundem
Zustande, an ausgesprochener Diphtheritis des gesammten Re¬
spirationsapparates leidend, in das Hospital gebracht wurden
und schon am ersten oder zweiten Tage zu Grunde gingen.
Bei allen unterblieb die Tracheotomie, da der Exitus nicht
durch Laryngeal-, sondern durch Bronchialstenose erfolgte. In
der grössten Mehrzahl der Fälle, welche zur Tracheotomie ge¬
langten, war der Laryngealdiphtheritis die der Rachengebilde
vorausgegangen. In einer grossen Zahl derselben waren die
Nasalwege, in zweien der Gehörgang und das äussere Ohr, und
in einem die Labia majora in Mitleidenschaft gezogen. Von
Complicationen der Diphtheritis mit anderen Krankheiten finden
Erwähnung 5 Fälle mit Masern, 2 mit Typhus, 1 mit Menin¬
gitis, 2 mit Syphilis acquis. Diese complicirten Fälle endeten
alle letal, und im besonderen die mit Syphilis complicirten
ganz rapide. Da letztere beiden Fälle den Anlass zur Um¬
änderung der bisherigen Behandlungsmethode gaben, so werde
ich auf dieselben später noch zurückkommen. Nur in einem
Fall kam es zur Abscedirung der Halsdrüsen beiderseits, doch
gelangte derselbe, obwohl er ein schwächliches Mädchen betraf,
zur Heilung. Von Nachkrankheiten zeigten sich bei den Gene-
Digitized b'
Google
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
4. November 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
653
senen nur in wenigen Fällen leichte, der Therapie schnell
weichende ac. parenchymatöse Nephriten; fast in allen traten vor¬
übergehende Deglutitionsbeschwerden auf, nur in einem Falle
blieb eine Lähmung der Erweiterer der Glottis respirat. zurück,
welche vier Monate hindurch das Tragen einer Canüle erfor¬
derte.
Wie ich schon oben bemerkte, wurden bei den schwereren
Formen der Diphtherie stets forcirte Quecksilberinunctionen vor
und nach der Tracheotomie vorgenommen. Bartels war da¬
durch ein grosser Verehrer dieser Therapie geworden, dass
gerade die wenigen tracheotomirten Fälle, welche er in den
ersten Jahren nach dem Auftreten der Epidemie in Kiel durch¬
gebracht hatte, stets, wie freilich auch die letal geendeten, mit
forcirten Quecksilbereinreibungen von ihm behandelt worden
waren. Er erklärte sich die Wirkung des Quecksilbers auf den
diphtheritischen Krankheitsprocess durch den antiparasiticiden
Einfluss desselben, indem er eine direct deletäre Einwirkung
des in die Körpergewebe aufgenommenen Quecksilbers auf die
Diphtheritis erregenden und verbreitenden Krankheitskeime an¬
nahm. Trotz seiner Vorliebe für diese Therapie verhehlte er sich
jedoch die mancherlei Nachtheile, die das Mittel mit sich führte,
nicht. Aus den miT zu Gebote stehenden Krankenberichten
muss ich denn auch'entnehmen, dass das Quecksilber, in diesen
grossen Dosen dem kindlichen Organismus so schnell einverleibt,
doch wohl mehr znm bösen als zum guten Ausgange beigetragen,
und die unter dessen Anwendung genesenen Fälle wohl weniger
auf Rechnung der günstigen Wirkung des Quecksilbers geschrie¬
ben werden können. Ich finde nicht so selten blutige Diarrhöen,
heftige Epistaxis, starke Hauthämorrhagien und böse Stomatiten
erwähnt, Complicationen, die bei an und für sich schon elenden
und durch die Krankheit noch mehr entkräfteten Kindern ja
unbedingt sehr in die Wagschale fallen müssen. Dass sie eben
nur Folgen des Quecksilbers gewesen sind, ist wohl zweifellos,
wenigstens sind mir in den 2 1 /* Jahren, während welcher ich
an der Klinik thätig war und während deren im Anfang nur
sehr gelinde, später gar keine Quecksilbereinreibungen mehr
gemacht wurdeu, niemals solche Blutungen zu Gesicht gekommen.
Von dem Glauben an die günstige Wirkung des Queck¬
silbers gegen Diphtherie kam Bartels dadurch endlich ganz
zurück, dass zwei Kinder, welche während mehrerer Wochen
im Hospital an acquirirter Syphilis mit Inunetionscuren und
innerlichen Gaben von Hydrarg. jodat. flav. behandelt worden
waren, im Hospital selbst an Diphtherie erkrankten und trotz der
Tracheotomie sehr schnell starben. Da ich weiss, dass die
Quecksilbereinreibungen bei der Behandlung schwererer Diph-
theritisformen noch sehr beliebt sind, so gebe ich die beiden
in Bezug auf diese Therapie interessanten Fälle nachstehend
kurz wieder:
1) Dorothea Siegel, 4 Jahre alt, aus Kiel, war von dem
Kindermädchen wahrscheinlich per Oscula luetisch inficirt worden.
Bei der Aufnahme des gesund und blühend aussehenden Kindes
zeigten sich in beiden Mundwinkeln tiefe Rhagaden mit stark
indurirtem Grunde und geschwüriger Umgebung. Neben indo¬
lenten Drüsenschwellungen am Halse und Kinn, waren im Ent¬
stehen begriffene Condyl. lata circa anum et vaginam vor¬
handen. Das Kind erkrankte am 60. Behandlungstage, nach¬
dem die Symptome der Syphilis durch den Gebrauch von
Ung. Hydrarg. ein. 2,5 pro die und Hydrarg. jodat. flav. 0,01
3 mal täglich bis auf geringe Drüsenvergrösserungen am Halse
beseitigt waren, spontan an Diphtherie. Trotz energischer
Handhabung der erwähnten Therapie schritt der Process so
rapide fort, dass schon am Morgen nach dem Auftreten der
Krankheit die Tracheotomie erforderlich wurde, und schon am
Abend der Tod durch Asphyxie eintrat. Die Section ergab
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eine vollständige Austapezirung der Luftwege mit festen Mem¬
branen, welche sich bis in die feinsten Bronchialverzweigungen
erstreckten. Die Krankheit verlief mit anhaltend hohem Fieber.
2) Frieda Fuchs, 1 Jahr alt, aus Kiel, war vermuthlich
durch Versuch der Pädrastie seitens eines im Hause wohnenden
Matrosen mit Syphilis inficirt worden. Das Kind zeigte bei
der Aufnahme characteristische Einrisse, Erosionen und Ge¬
schwürsbildung rings um die Analöffnung, sowie indolente
Bubonen in den Leistenbeugen. Am 51. Behandlungstage acqui-
rirte das Kind Rachendiphtherie. Schon am nächsten Morgen
erforderte die Laryngeal-Stenose die Tracheotomie, und schon
am selben Abend endete das Kind asphyctisch. Die ganze
kurze Krankheit verlief — gewiss ein sehr seltener Fall —
ohne die geringste Temperaturerhöhung. Auch hier ergab die
Section eine vollständige Ausfüllung der Respirationswege bis
in die feinsten Bronchiolen mit sehr festen und massigen Diph-
theritismembranen.
Durch diese beiden Fälle wurden wir belehrt, dass das
Quecksilber auf die die Diphtheritis erregenden Krankheits¬
keime ganz wirkungslos sei, im Gegentheil liess der rapide
Verlauf eher auf einen, vielleicht durch die in Folge der Cur
bedingte geringere Resistenzfähigkeit des Körpers, ungünstigen
Einfluss schliessen. Bei der regelmässig und so lange fort¬
gesetzten Inunctionscur, bei der nur allmälig geschehenden
Ausscheidung des Quecksilbers aus dem Körper mussten doch
in sämmtlichen Geweben der beiden Patienten entschieden noch
grössere Mengen des Medicamentes aufgespeichert sein und
diese hätten, sollte dasselbe eine antiparasitische Wirkung auf
den diphtheritischen Process besitzen, die in den Körper auf¬
genommenen Krankheitserreger vernichten müssen.
Seit dieser gegen Ende des Jahres 1876 gemachten Beob¬
achtung standen wir, und nicht zum Nachtheile der Patienten,
vom Gebrauch des Quecksilbers gegen die Krankheit ganz ab,
und führte ich im Einverständniss mit meinem Chef bei den
Tracheotomirten — gegen die localisirte Rachendiphtherie konnte
die frühere Behandlung ungeändert beibehalten werden — neben
der symptomatischen eine rein mechanisch-locale Behandlung
ein. Diese bestand im wesentlichen in der Anwendung der
continuirlichen Inhalationen durch die Canüle und in dem
Gebrauch des elastischen Catheters.
(Schluss folgt.)
II. Eil Fall von Paralysis ascendens aenta.
Von
Dr. Th. Jaffe in Frankfurt a. M.
Bei der verhältnissmässig geringen Zahl genau beobach¬
teter Fälle von Landry’scher Paralyse erscheint mir die Schilde¬
rung eines genau beobachteten Falles mittheilenswerth, zumal
eine Constanz characteristischer Symptome bei dieser eigen¬
artigen Affection noch keineswegs festgestellt ist.
In Rücksicht hierauf möge die Schilderung des nachstehen¬
den, von mir beobachteten Krankheitsfalles gerechtfertigt er¬
scheinen — wenn auch nach tödtlichem Verlauf desselben die
Obduction leider unterbleiben musste.
W. M., ein junger Kaufmann von 25 Jahren, der vor eini¬
gen Wochen hierher übergesiedelt war, erbat sich am 2. Ok¬
tober 1877 meinen ärztlichen Rath, weil er sich seit zwei Tagen
unwohl fühle. Er leide an Durchfall, fühle sich schwach und
empfinde in beiden Beinen ein eigenthümliches Gefühl von
Schwere, welches so zugenommen habe, dass er heute ausser
Stande sei, das Bett zu verlassen.
Anamnestisch gab er an, dass er aus gesunder Familie
stamme, und dass er bis auf einen starken Bronchialcatarrh,
Original from
UNIVERSfTY OF MICHIGAN
65
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 44
an dem er vor einem Jahre mehrere Wochen gelitten, stets
gesund gewesen war.
Vor drei viertel Jahren bekam er ein Schankergeschwür,
das sehr langsame Fortschritte in der Heilung machte. In einem
Krankenhause wurde er einer Inunctionskur unterworfen, welche
der Patient nach einigen Wochen unterbrach und erst wieder
aufnahm, als secundäre Erscheinungen — roseola auf der Brust
und den Armen — sich zeigten.
Seit sechs Monaten ist er davon befreit und hat bei sorg¬
fältiger Beobachtung keinerlei verdächtige Symptome wahrge¬
nommen.
Bis vor zwei Tagen fühlte er sich ganz gesund; noch Tags
vorher ging er, wiewohl es ihm schwer wurde, seiner Beschäf¬
tigung nach.
Auf Befragen, ob er einen Anlass für die Entstehung der
Erkrankung wüsste, gab er an, dass er in den letzten Wochen
ungewohnt stark in venere excedirt habe.
Status praesens. Der Patient ist gross, von gracilem
Körperbau, der Thorax lang und schmal. An den Respirations¬
und Circulationsorganen ist nichts abnormes nachweisbar. Der
Puls ist kräftig, von normaler Frequenz, Temperatur nicht er¬
höht. Beide Beine liegen schlaff da, und können vom Patienten
weder bewegt noch gehoben werden. Zuckungen werden nicht
wahrgenommen. Die Reflexerregbarkeit an denselben ist auf¬
gehoben.
Die Sensibilität ist nirgends gestört. Der Patient giebt
die Anzahl der Finger, mit denen er an den Beinen berührt
wird, genau an. Stecknadelstiche werden überall gleich deut¬
lich empfunden. Auch subjective Sensibilitätsstörungen, wie
Taubheit oder Pelzigsein der unteren Extremitäten werden vom
Patienten nicht wahrgenommen. Die Hände werden gut be¬
wegt, der Händedruck ist kräftig.
Im Rücken werden keine Schmerzen empfunden. Dorufort-
sätze auf Druck nicht schmerzhaft.
Im Laufe des Tages klagte der Patient über einen drücken¬
den Schmerz auf der Brust.
Nach einer Morphiuminjection trat Beruhigung und Schlaf ein.
Zweiter Tag. Der Patient giebt an, dass er sich wohler
fühle.
Der Durchfall hat auf Darreichung einiger Gaben Tinct.
Opii simpl. aufgehört. Die untern Extremitäten sind activ un¬
beweglich, während sie bei passiven Bewegungen keinen Wider¬
stand zeigen.
Bei Anwendung des Inductionsstromes zeigen die Nerven
und Muskeln sowohl der oberen als der unteren Extremitäten
normale Erregbarkeit. In den Händen hat sich ein Gefühl von
Schwere eingestellt. Der Händedruck ist schwächer als gestern.
Die Sensibilität ist ungestört. Temperatur normal.
Am dritten Tag hat die Parese der oberen Extremitäten
so zugenommenn, dass der Patient den Löffel nicht mehr halten
kann und deshalb gefüttert werden muss. Seit zwölf Stunden
ist kein Urin gelassen worden. Mit dem Catheter wird die
stark gefüllte Blase entleert. Subjectives Wohlbefinden, Tem¬
peratur normal.
Jetzt war das Bild der aufsteigenden Paralyse mir deutlich.
College Hirschberg, welcher den Patienten jetzt sah, erhielt
den gleichen Eindruck, und wir entschlossen uns, da wir in
der vorhergegangenen Syphilis den einzigen Anhaltspunkt für
therapeutische Massnahmen fanden, zur innerlichen Darreichung
von Kalium jodatum und zur Application des galvanischen Stroms
längs der Wirbelsäule.
In den nächsten drei Tagen nahmen die paretischen Er¬
scheinungen stets zu. Die unteren Extremitäten blieben ganz
unbeweglich, in den oberen geringe Beweglichkeit. Die Finger
standen in Beugestellung. Die Harnretention bestand fort, so
dass stets die Application des Catheters nothwendig war. Die
Respirationsbewegungen waren sehr oberflächlich, ein deutliches
Auf- und Absteigen des Zwerchfells konnte nicht wahrgenommen
werden.
Die faradische Erregbarkeit der gelähmten Theile hatte
ganz merkbar abgenommen. Die Erregbarkeit gegen den gal¬
vanischen Strom war eine geringe.
Die Sensibilität blieb vollkommen erhalten. Von Stö¬
rungen der Hirnfunctionen konnte nichts bemerkt werden. Das
Sensorium blieb vollkommen frei. Appetit gut. Temperatur
normal.
Auf Application eines hohen Wasserclystiers täglich eine
reichliche Stuhlentleerung.
Da der Patient Nachts unruhig war, und öfter eine Ver¬
änderung seiner Lage wünschte, so erhielt er auf seinen Wunsch
von nun an allabendlich eine Morphiuminjection.
Am sechsten Tage der Erkrankung — am 8. October —
hatte Herr Prof. Erb aus Heidelberg die Freundlichkeit, den
Patienten zu untersuchen. Die oberen und unteren Extremitäten
waren activ ganz unbeweglich. Die galvanische Erregbarkeit
der gelähmten Nerven und Muskeln, welche Herr Prof. Erb
prüfte, war äusserst gering, die faradische fast aufgehoben.
Dagegen wurden durch Klopfen der Muskeln leichte Zuckungen
ausgelöst. Die Reflexerregbarkeit an den gelähmten Theilen
war aufgehoben.
Das Symptom der Sehnenrefljexe wurde nicht wahrge¬
nommen.
Die Sensibilität der Haut, sowie das Muskelgefühl waren
vollkommen erhalten. Die Extremitäten zeigten keine Abmage¬
rung. Die Waden waren bei Druck etwas schmerzhaft. Kein
Decubitus.
Dabei war das subjective Befinden des Patienten ein auf¬
fallend gutes. Das Sensorium war frei. Intelligenz ungestört.
Herr Prof. Erb glaubt, die Prognose nicht absolut ungünstig
stellen zu müssen. Ebenfalls in Rücksicht auf die vorherge¬
gangene Lues wurde eine Schmierkur begonnen, das Jodkali
weiter fortgegeben und die Wirbelsäule mit einem Priesnitz-
schen Umschläge bedeckt. Von der Anwendung des constanten
Stromes wurde abgesehen.
Fast schien es, als ob der in den nächsten Tagen einge¬
tretene Stillstand der Lähmungserscheinungen den Uebergang
zur Besserung abgeben sollte. Die Temperatur überstieg nur
an zwei Abenden die Norm und erreichte 38,0 und 38,2°.
Die Prüfung der electrisehen Erregbarkeit gab den gleichen
Befund, wie zuletzt. Der Eintritt der Entartungsreaction d. b.
die Steigerung der Muskelerregbarkeit gegen den galvanischen
Strom konnte in den letzten Tagen nicht nachgewiesen werden.
Am 10. Krankheitstage, dem 12. October, bekam der Patient
plötzlich Athembeschwerden. Als ich nach etwa einer Stunde
den Patienten sah, fand ich ein acutes Lungenödem, das rasch
zunahm und in wenigen Stunden den Tod des Patienten her¬
beiführte.
Es sei mir gestattet, aus dem eben geschilderten Krankheits¬
bilde, das im grossen ganzen den meisten der bekannten Fälle
von Landry’scher Paralyse entspricht, einige interessante Ge¬
sichtspunkte hervorzuheben.
Was zunächst die Entstehung der Krankheit in unserm
Falle anlangt, so ist es zum mindesten sehr zweifelhaft, ob die
vorhergegangene Lues als Krankheitsursache anzusehen ist. Da¬
gegen spricht der Mangel specifischer Symptome, ferner der
kurze Zeitraum von fünf Monaten, der zwischen derselben ußd
der jetzigen Erkrankung lag, und endlich wohl auch die Wir*
kungslosigkeit der antisyphilitischen Kur. Für die Möglichkeit
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
4 . November 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
655
einer Intoxication irgend welcher Art fand sich kein Anhalt.
Eher wären die ungewohnt starken Excesse in venere — wie
anch der Patient glaubte — als Krankheitsursache anzuschul¬
digen.
Die Vorboten, welche der Erkrankung vorhergingen, waren
von kurzer Dauer und zeigten nichts characteristisches für die
Erkrankung.
Die Reihenfolge der Lähmungserscheinungen entspricht
dem in den meisten der bekannten Fälle beobachteten Typus.
Eine Sphincterenlähmung wurde nicht beobachtet. Die
bis zum Tode bestehende Urinverhaltung ist wohl als die Folge
von Lähmung des Detrusor vesicae aufzufassen. Unwillkürliches
Hamträufeln wurde nicht wahrgenommen.
Characteristisch war das Intactbleiben der Hautsensibi¬
lität und des Muskelgefühls, wie der Mangel jeder subjec-
tiven Empfindung von Störungen der Sensibilität.
Eine Atrophie der gelähmten Theile, wie sie bei der
Polyomyelitis stets beobachtet wird, war nicht eingetreten.
Am interessantesten jedoch ist wohl das Verhalten der ge¬
lähmten Theile gegen den electrischen Strom. Während
Anfangs die Muskeln und Nerven prompt auf schwache Induc-
tionsströme reagirten, nahm die Erregbarkeit stets ab. Am
sechsten Krankheitstage war sie erloschen, und die Reaction
der Muskeln und Nerven gegen den galvanischen Strom war
eine äusserst schwache.
Das Phänomen der Entartungsreaction konnte am vorletzten
Tage bei hierrauf gerichteter Untersuchung noch nicht nach¬
gewiesen werden.
Da einige Autoren das Erhaltensein der electrischen
Erregbarkeit an den gelähmten Nerven und Muskeln für die
aufsteigende Paralyse als pathognomonisch ansehn, so erscheint
diese Beobachtung besonders erwähnenswerth.
Die Steigerung der mechanischen Muskelerregbarkeit
wurde auch hier, wie in früher mitgetheilten Fällen beob¬
achtet.
Vasomotorische Störungen wurden nicht wahrgenommen.
Hervorzuheben ist auch das Ausbleiben des Decubitus.
Das Aufgehobensein der Reflexthätigkeit und das Aus¬
bleiben des Phänomens der Sehnenrefiexe wird durch die Unter¬
brechung der motorischen Leitung erklärt.
Auffallend ist endlich, wie wenig das Allgemeinbefinden
des Patienten gestört war. Auf den Eintritt von Symptomen
der Bulbärparalyse wurde genau geachtet, doch niemals
zeigten sich auch nur Andeutungen derselben wie Schluck¬
beschwerden oder Störungen der Sprache. Bis zur letzten Stunde
waren die Gehirnfunctionen des Patienten intact, und sein Sen-
sorium frei. Der tödtliche Ausgang der Krankheit ist wohl
auf die Lähmung der Athmungsmusculatur, welche zur Lungen¬
hyperämie und Hypostase führte, zurückzuführen.
Die Krankheit verlief unter kaum nennenswerten Tempe¬
raturerhöhungen und erreichte die Dauer von zwölf Tagen.
Die Lähmungserscheinungen nahmen in den ersten sechs
Tagen rapid zu, um dann einen Stillstand zu machen.
Das rapide Fortschreiten der Lähmung und der aufsteigende
Character derselben musste uns auf die Diagnose der Para¬
lysis ascendens acuta führen.
Durch Entziehung der Section entging uns leider die Be¬
rechtigung der interessanten Streitfrage näher zu treten, ob dem
prägnanten Krankheitsbild der Paralysis ascendens acuta ein
eigenartiger Process zu Grunde liegt, oder ob dasselbe der ihm
ähnlichen Polyomyelitis anterior acuta unterzuordnen ist.
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111. Wichtiges aas der Geschichte and Therapie
der Scrofnlose, mit besonderer Berücksichtigung der
Lymphdrüsentnmoren and deren Behandlung mit metho¬
discher Schmierseife-Einreibung.
Von
Dr. Raphael Hausmann« Curarzt in Meran (Tirol).
(Schluss.)
Drüsen, einfach intumescirt, sind in vielen Fällen leicht,
in anderen wieder schwer zur Norm zurückzuführen, und gerade
diese Drüsen schon sind es, welche als Herde späterer Degene¬
ration angegriffen werden sollten; und selbst käsig degenerirte
Drüsen sollten, wo ein Eingriff mit dem Messer nicht möglich,
in irgend einer Weise, wenn irgend möglich, local angegriffen,
beseitigt werden. Von diesem Standpunkte aus sind verschiedene
Wege eingeschlagen worden, von denen wir bei der Häufigkeit
der Erkrankung einige wichtige, als mit Erfolg angewendet,
in’s Gedächtniss zurückrufen wollen.
1866. Journal für Kinderkrankheiten von Fr. J. Beh-
rend und Hildebrand, Bd. XLVI, Januar, S. 385.
Ri cord macht in seinem Berichte aus den Verhandlungen
der Academie der Medicin in Paris auf ein Verfahren des Dr.
Prieur in Gray aufmerksam. Es wird darzuthun gesucht, dass
metallisches Jod Drüsenanschwellung zertheilt, ohne Haut¬
schorfe zurückzulassen. Man legt auf die aufgeschwollenen
Drüsen kleine Lamellen von metallischem Jod, welche mit einer
Schicht Watte umgeben sind. Es verdunsten unter der Wärme
die Jodlamellen 0,01 auf 1 Q.-Ctm. Watte gleichförmig zertheilt,
welche mit einem Blatt Gelatine bedeckt wird, so dass die
Joddämpfe nicht entweichen. 24—48 Stunden bleibt der Verband
liegen. Es entsteht eine mit trübem, eitrigen oder blutigen
Serum gefüllte Blase. Seit 10 Jahren hatDr. P. 120 Kranke
behandelt und ca. 300 Drüsen im Zeitraum von 6 bis
12 Wochen geheilt.
1871. Berliner klinische Wochenschrift No. 31 und
Brit. med. Journal 7. Januar 1871.
Lawson Tait in Birmingham. Die vereiternde Halsdrüse
wird durch die Pravaz’sche Spritze punctirt, nie 2 mal an
derselben Stelle, die Nadel wird schief in die Geschwulst ein¬
gestochen und in Intervallen von 1—10 Tagen die Aspirations¬
methode ausgeführt.
1873. Schmidt’s Jahrb., Bd. 161, S. 276 upd Presse
med., XXV, 51, 1873, Brüssel.
Um die entstellenden Narben am Halse zu vermeiden, nach
spontaner Eröffnung der Lymphdrüsenabscesse, wendet Prof.
Crocq rechtzeitige Punction mit einer durchbohrten Explorativ-
nadel an oder mit Explorativ-Troicar. Nach der Punction
wird das Instrument entfernt und der Eiter durch
Druck auf die Geschwulst entleert. Bei grossen Abscessen
werden gleichzeitig 2—5 Punctionen an verschiedenen Stellen,
die Operation täglich oder 2täglich wiederholt. Es bleibt keine
Spur von Narbe. Prof. C. hat in 10 Jahren die besten
Erfolge erzielt, ohne Ulceration. Er zieht diese Methode
der von Dr. Lawson, Lorinser und anderen geübten Aspi¬
rationsmethode vor. Für uns hat diese Methode den doppelten
Werth: Verdickung resp. Verkäsung des Eiters zu hindern und
Eröffnung und Narben zu vermeiden.
1874. Berliner klinische Wochenschrift No. 10 (Vortrag,
gehalten in der Berl. med. Gesellschaft.)
Dr. Moritz Meyer führt an, dass constanter Strom percu-
tan durch Hindurchleiten mit möglichst grossen Mengen Elec-
tricität durch die Geschwulst, oder Nadeln mit negativem Pole
verbunden, ein geführt und der positive Pol in der Nähe der
Geschwulst festgehalten (Electropunctur, Jodstrom durch die
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 44
Geschwulst, Beer in Wien), bekannte Massnahmen zur Ver¬
kleinerung von Drüsengeschwülsten seien. Eine mehr als kopf¬
grosse steinharte Geschwulst hat M. in 273 Sitzungen bei je
1 — 1 1 2 stündlicher Dauer, innerhalb drei Jahre auf ein Brueli-
theil reducirt. — Nun liess er den intensivsten Strom eines
Du ßois’schen Schlittenapparates eine Minute erst hindurch¬
gehen, und in diesem, wie in anderen Fällen erzielte M., mit
häufigen in einer Sitzung angewandten Unterbrech¬
ungen, bei Lymphdrüsentumoren in wenigen Minuten durch
Spaltung eine Verkleinerung der Tumoren, selbst wenn sie
als Periostosen erschienen. — Gewiss ein sehr zu beachtender
therapeutischer Weg.
1875. Schmidt’s Jahrb. Bd. 167 und Med. Times and
Gaz., 29. Mai.
Morell Mackenzie behandelt 27 Kranke an Halsdrüsen¬
tumoren hypodermatisch mit Acid. acet. Pharmac. anglic.,
wobei 7 — 8 Tropfen einmal wöchentlich angewendet werden.
Fünf heilen vollkommen durch Resorption (!), die anderen
heilen durch Eiterung. Schon die fünf geheilten geben Ver¬
anlassung, die Methode zu beachten.
1876. Schmidt’s Jahrb. Bd. 171, S. 67, und Lancet II.,
16. September 1875.
Messenger Bradley injicirte 5—6 mal von gewöhnlicher
Jodtinctur5—10 Tropfen in sogenannte scrofulose, nicht eiternde
Lymphdrüsen und berichtet die vollkommene Heilung eines ab¬
gekapselten wallnussgrossen Drüsenturaors unterhalb des Unter¬
kiefers.
1877. Schmidt’s Jahrb. Bd. 173, S. 172, und Phil, and
surg. Reporter 34, p. 144, June 3., 1876.
J. A. Dibveil injicirte in das Centrum einer eigrossen
Halsdrüse eines 16jährigen Mädchens 4 mal in 30 Tagen je
15 Tropfen Jodtinctur. Am Schluss wurden mittelst Aspiration
drei Spritzen von einer klaren, mit leichten Flocken unter¬
mischten Flüssigkeit entleert. Die so entstandene Höhle wurde
sofort wieder mit Jodtinctur ausgefüllt und in den Stichcanal
ein Stück Leitungsdraht eingelegt, um neue Einstiche zu um¬
gehen. Von jetzt ab wurde jeden dritten Tag noch 3 bis
4 Wochen lang eingespritzt, darauf der Draht herausgezogen
und jede Behandlung ausgesetzt. Ohne Entstellung geheilt.
Von den eben angeführten Methoden localer, neben allge¬
meiner Behandlung wird die eine oder die andere oder mehrere
combinirt .angewendet werden können; wenigstens verlohnt es
sich, deren Werth hie und da zu prüfen, ebenso wie es wichtig
erscheint, nachfolgende Methode auf empirischem Wege in Bezug
auf Heilung scrofuloser Drüsen zu beobachten, da deren Resul¬
tate, allerdings auf anderem Gebiete, viel versprechend sind.
1877. Berl. klin. Wochenschr. 27 und Med. Jahrb. 1877,
Heft 2.
Wi ni wart er (Bill roth’s Klinik). Bei malignen Lymphomen
(W. trennt diese vom Sarcom der Lymphdrüsen), bei einfacher
Hyperplasie der Lymphdrüsen, welche zu colossalen Tumoren,
resp. Metastasen in inneren Organen, und sich selbst überlassen
unter Kachexie zum Tode führen, wird Arsenik innerlich und
subcutan angewendet. Es wurde Verkleinerung, ja Ver¬
schwinden der Tumoren beobachtet. Innerlich Sol. Fowleri
c. Tinct. ferr. pomat. oder Ferr. oxyd. dialysat. in steigender
Dosis Morgens und Abends je 5 Tropfen nach der Mahlzeit mit
einem Esslöffel Roth wein. Im Durchschnitt werden 25 bis 30
bis 40 Tropfen langdauernd gegeben, wobei Arsen nie plötzlich
abzubrechen ist. Injection mit reiner Sol. Fowleri, ein Theil-
strich, oft 2—3 Einspritzungen am Tage. Eintretende Schlaf¬
losigkeit wird mit Bier und Bromkali bekämpft. Neben Bi 11-
roth. Czerny, Winiwarter hat auch Esmarch Resultate
verzeichnet.
Wir gelangen nun zu einer in der jüngsten Zeit veröffent¬
lichten Methode zur Heilung chronischer Lymphdrüsenleiden,
deren Werth ein sehr bedeutender ist; es ist die von Ober-
Stabsarzt Dr. Kappesser in Darmstadt empfohlene „metho¬
dische Schmierseife-Einreibung*.
1877. Berl. klin. Wochenschr. No. 6 beschreibt Kapp¬
esser vier von ihm beobachtete Fälle, auf die wir ihrer Wichtig¬
keit wegen ganz besonders verweisen, und die, weil sie den
Lesern dieser Wochenschrift bekannt, wir nicht näher wieder
zu geben brauchen.
Diese vier Fälle von ausgedehnten Lymphdrüsentumoren
neben anderen schweren scrofiilosen Erscheinungen und deren
Heilung mit einem so einfachen, bequem anzuwendenden Mittel,
wie die Einreibung von Schmierseife, veranlasste mich, Controll-
versuche anzustellen, wozu mir gerade in jener Zeit gute Gelegen¬
heit geboten war.
Ausgehend von der Anschauung, dass gerade die Lymph¬
drüsentumoren mit ihrer Neigung zur Verkäsung bei scrofulosen
Individuen die eigentliche Brutstätte späterer Tuberculose ist,
und dass eine Verflüssigung von der Peripherie aus und in
dieser Weise eine Heilung von Grund aus nicht in das Bereich
der Unmöglichkeit gehöre, dass ferner der gesammte, selbst
ausgebreitete, wie immer afficirte scrofulose Drüsentumoren-
Complex durch die Einreibungsmethode auf einmal in Angriff
genommen werden könne, wählte ich zunächst ein Individuum,
welches Jahre lang schon an scrofulosen Drüsentumoreu,
intern und extern antiscrofulos, aber stets resultatlos be¬
handelt worden war.
1. Fall. Herr Dr. Pacully, Ratibor, schildert mir den
Kranken am 22. Februar 1878 als fiebernd, mit mässigem
Catarrh beider Lungen, an grossen Halsdrüsentumoren leidend.
Die von mir aufgenommene Anamnese ergiebt:
L. K., 12 Jahre alt, ist das neunte Kind sehr gesunder
Eltern. Vor 16 Jahren zogen dieselben von der Stadt auf das
Land in ein neugebautes Haus, welches noch vollkommen nass
war. Alle Kinder erkrankten rasch, die 2 jüngeren fingen zu
siechen an, starben an „catarrhalischen Erkrankungen*, die 2 äl¬
testen, meist im Freien sich aufhaltend, erholten sich, blieben
gesund, die 2 jüngsten bekamen Drüsenerkrankungen und starben
später au Schwindsucht. Auch L., der 4 Jahre nach dem Um¬
zuge in diesem bis heut noch feucht gebliebenen Hause geboren
wurde und die ersten 2 Lebensjahre ununterbrochen daselbst
zubrachte, erkrankte damals schon an zerstreuten Halsdrüsen¬
geschwülsten. — Vom 5. Jahre an wurde er mit Jodbepinselungen
und Soolbädern behandelt, wobei das Uebel stationär blieb.
Vom 10. Jahre an musste der Knabe „seine Curen unterbrechen*,
in die Stadt der Schule wegen übersiedeln, bekam wieder eine
feuchte Wohnung und die Drüsen fingen an sich sicht-
lichzu vergrössern. Endlich wurde ihm eine trockene Woh¬
nung verschafft, und es scheint, als ob damals wieder, und zwar
„ohne Behandlung* die Drüsen sich verkleinert hätten. Bis
Weihnachten 1877 strengte sich der Knabe in der Schule sehr
an, bekam plötzlich hohes Fieber, beiderseitigen Lun gen catarrh,
complicirt mit Magen-Darmcatarrh und die Drüsen entwickelten
sich im Laufe von zwei Monaten rings um den Hals herum zu
solch colossaler Grösse, dass „Erstickung befürchtet wurde und
die Drehung des Halses nur unter grossen Schwierigkeiten und
Schmerzen erfolgen konnte*.
Noch fiebernd, mit Spitzen catarrh an der rechten Lunge,
fand ich den kleinen, elend, blass, aufgedunsen erscheinenden,
kraftlosen Knaben bei dem ersten Zusammenkommen, Ende Fe¬
bruar 1877.
Die Hals- und Nackendrüsen fanden sich nach allen
Richtungen, tauben- bis gänseeigross, hart, unbeweglich.
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4. November 1S7S.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
657
Milz normal. Magen- und Darmcatarrh waren durch die hei-
mathliche ärztliche Pflege bereits gehoben. Ich liess der ge¬
naueren Controlle wegen trotz der anfänglich nicht geringen
Ein wände der sehr geängstigten, unglücklichen Mutter alle
äußerlichen Antiscrofulosa fort, beschränkte mich auf sehr
kleine Dosen des daheim bereits begonnenen Leberthrans, und
suchte das in diesem Falle, wie leider noch in vielen andern
vielfach verschmähte, unschätzbare Heilmittel, reine, frische
Luft bei Tag und Nacht zur gehörigen Würdigung zu bringen.
Vom 13. März an wurde die Einreibungscur mit Schmier¬
seife in den ersten 8 Tagen 2 Mal vorgenommen, in den nächsten
8 Tagen jeden 2. Tag, vom 1. April an jeden Tag, es geschah
dies, weil der Patient keinerlei Beschwerden bei der Application
empfand.
Die Besserung stellte sich augenscheinlich ein. Bis zum
4. Mai wurde die Cur, also 6 Wochen angewendet und dabei
waren drei Dosen ä 120 Grm. verbraucht worden.
Als ich den Knaben entliess, sah er blühend und kräftig
aus, er konnte stundenlange Spaziergänge unternehmen. Lungen
gesund. Die Halsdrüsengeschwülste sind auffallend
kleiner, sind beweglicher, gespalten. Die Ausdehnung
derselben nach allen Dimensionen um sicher */* ge-
rin ger, die Massdifferenz rings um Hals und Nacken
beträgt gegen früher 10—12 Centimeter. Leider wurde
auf dringenden Wunsch der Mutter, welche „nun ins Soolbad“
wollte, die Cur unterbrochen. Dieser Fall ist ein in ätiologischer,
wie therapeutischer Hinsicht sehr interessanter. Wir erkennen
unter anderem daraus deutlich, wie feuchte Wohnungen eine
hervorragende Ursache zur Entstehung der Scrofulose werden,
wie durch Verlassen derselben scrofulöse Drüsenerkrankungen
sistiren können, was uns hier vor allem wichtig, wie einfluss¬
reich die Schmierseife-Einreibungen selbst bei veralteten scro-
fulösen Drüsenerkrankungen sich erweisen, wo die verschiedensten
anderen Methoden vollkommen im Stiche liessen.
Es ist gewiss schwer, eine genügende Erklärung für die
heilende Wirkung der Schmierseife auf die Lymphdrüsener-
krankung der Scrofulosen zu geben. Vielleicht giebt einen
Anhalt dafür das, was Husemann 1 ) über die Wirkung der
Schmierseife mittheilt: „Sapo viridis s. Kalinus s. niger. Schmier¬
seife, grüne Seife, gewonnen von verschiedenen festen und flüssi¬
gen Fetten mittelst Kalilauge ist eine Verbindung verschiedener
Fettsäure mit Kali und enthält ausserdem Glycerin und über¬
schüssiges Kali als Carbonat. Auf die äussere Haut eingerieben
bewirkt sie: Lösung der Epidermis und durch das in
ihr enthaltene freie Kalicarbonat bei nicht völlig un¬
verletzter Haut, Reizung der darunter liegenden Par¬
ti en.“ Nicht völlig intacte Hautstellen fand ich nach einigen
Einreibungen bei genauer Nachforschung ohne besondere Schwie¬
rigkeit. „Leichte Einwirkung ergiebt Hautröthung, härtere, Haut¬
entzündung . . . Schmierseife ist ein Hauptmittel ... wo es
sich um Entfernung hyperplastischer Epidermis handelt, aber
selbst bei Hypertrophie und Neubildung von Binde¬
gewebe im Stande, die Krankheitsproducte zu erreichen
und zu zerstören.
Während ich in dem 1. von mir beobachteten Falle das
Prototyp eines sogenannten rein scrophulösen Individuums mit
Halsdrüsentumoren ohne weitere Complication vor mir hatte,
repräsentirte der 2. Fall bereits einen Phthisiker mit
Hals- und Achseldrüsengeschwülsten.
G. W., 18*/ 4 Jahre alt, Sohn gesunder Eltern, bekam im
14. Jahre an der rechten Seite des Halses im Laufe der nächsten
1) Handbuch der gesammten Arzneimittellehre v. Theodor Huse¬
mann. 1874. S. 232 ff.
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2 Jahre an Zahl und Umfang immer mehr zunehmende Drüsen,
nachher Hüsteln, endlich wurde Kehlkopfcatarrh coustatirt.
Mai 1877 verfiel Patient in eine Pleuropneumonia sinistra, von
welcher Zeit an zeitweilig Fieberanfälle und Stechen an der
linken Brustseite zurückblieben. Zugleich fanden sich auch auf
der linken Seite des Halses und der linken Achselhöhle Drüsen.
Im Laufe des Winters hatte Patient, den ich im October 1877
mit linksseitigem Infiltrat im 2. Intercostalraum,
Lymphdrüsentumoren am Halse und der linken Achsel
überkam (Prof. Sommerbrodt, Breslau) eine wiederholte Pneu¬
monie links, hinten, oben, und später eine Pleuritis exsud.,
beide mit unvollkommener Heilung, überstanden, inzwischen
waren die Drüsen sehr gewachsen, stetiges Fieber und Diar-
rhoeen waren eingetreten. Da trotz grösster Sorgfalt und der
gewöhnlichen therapeutischen Massnahmen sich das Gesammt-
bild von Woche zu Woche verschlimmerte und die Prognose
sehr ungünstig gestaltete, richtete ich meine Hauptaufmerksam¬
keit gegen die Drüsentumoren und unternahm die Einreibungs¬
car mit Schmierseife. Ich liess sie tägUch vornehmen, und
auch hier war nach sechswöchentlicher Cur der Erfolg ein sehr
befriedigender. — Die Drüsen waren wesentlich kleiner,
waren zerfallen, beweglich, Fieber war geschwunden,
ebenso das Exsudat links unten, nicht aber die In¬
filtration. Die Kräfte waren gehoben, das Aussehen
besser als vor der Cur.
Hier war mit dem Heilungsvorgange in den Hals- und
Achseldrüsen eine günstige Einwirkung auf die Vorgänge in
Brust- und Bauchhöhle und endlich auf den Gesammtzustand
offenbar nicht zu verkennen.
3. Fall. Frl. X., 27 Jahre alt, deren Vater an Krebs (?),
und deren ältere Schwester vor kurzem an Tuberculose ge¬
storben, deren Mutter noch sehr rüstig, leidet schon seit ihrer
Kindheit an Halsdrüsentumoren, welche bis vor 5 Jahren, wo
sie bereits 3 Jahre brustkrank war (eine genaue Anamnese ist
nicht zu erreichen), stationär blieben. Seitdem sind die Ge¬
schwülste trotz klimatischer und anderer Curen enorm gewach¬
sen, manche haben geeitert und sich spontan geöffnet. Pa¬
tientin, von phthisischem Habitus, mit grosser Caverne im linken
oberen Lungenlappen, sieht sehr elend aus, fiebert, ist appetit¬
los. Menstruation regelmässig. Sie übt die ihr 2 Mal wöchent¬
lich vorgeschriebene Einreibungscur mit Schmierseife anfangs
sehr unbeholfen und unzuverlässig aus; es ist nach 3 Wochen
keine Einwirkung wahrzunehmen. Nach ernsterem Vorgehen
und bei einen Tag um den anderen ausgeübtem, wieder 3 Wochen
angewandtem Verfahren ist deutlich an einigen, und zwar
an den zuerst entstandenen Drüsen Zerklüftung und
grössere Beweglichkeit und Verkleinerung nachweis¬
bar, dabei entschiedene Hebung der Kräfte und Besserung
des Aussehens. Auch das Fieber ist, aber nur einige Tage ge¬
schwunden. Die Patientin ist zu ferneren regelmässigen Ein¬
reibungen nicht zu bringen.
In diesem .Falle, wo offenbar vielfach käsige Producte
schon abgelagert und schwere consecutive Erkrankungen schon
eingetreten, war die Wirkung der Schmierseife sehr unwesent¬
lich, aber immerhin noch nachweisbar, ein Beweis für die Be¬
rechtigung deren Anwendung in Fällen, wo überhaupt Lymph-
drüsenerkrankungen und in Folge deren oder zugleich
mit diesen Lungenphthisis, oder, wie im 2. Falle, ausserdem
noch Darm- und Mesenterialdrüsenerkrankungen sich eingestellt
haben. Ein
4. Fall fiel ganz ungünstig aus. Er betraf die fast 17jäh¬
rige Tochter ganz gesunder Eltern, deren andere 8 Kinder voll¬
kommen, wie sie selbst, gesund sind. Das Mädchen, deren
Menses seit einem Jahre ausgeblieben, hat seit zwei Jahren
2 *
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Ne. 44
aasgebreitete Drüsentumoren am Halse and unter der linken
Achselhöhle; die Drüsen sind seit einem Jahre nicht mehr ge¬
wachsen, aber Patientin ist seit dieser Zeit brustkrank. Das
Mädchen erscheint wie ein Kind von 13 —14 Jahren, ist erd¬
fahler Farbe, hinfällig, schwach bei ihrer Aufnahme in Meran,
Anfangs März 1877. Die physicalische Untersuchung ergiebt
ein Infiltrat an der rechten Lunge bis zum 4. Intercostalraum,
mit einer Caverne in Foss. supraclav. bis zum 3. Intercostal¬
raum reichend. Beides, vom sowohl, wie hinten. Characte-
ristisch ist die Art des Fiebers, wie es sich in Meran gestaltete;
Patientin ist Tage hindurch vollkommen fieberfrei, beginnt dann
plötzlich wieder gewöhnlich mit sehr hoher Temperatur (ca. 38,5
bis 40* R.) zu fiebern und bleibt dann ungefähr eine Woche in
diesem Zustande, worauf in kurzem wieder normale Temperatur
durch Tage eintritt. — Patientin wurde ebenfalls, und zwar
2 Monate der Einreibungscur unterworfen, aber ohne jede
Einwirkung aufDrüsen und Fiebererscheinungen. Wenn sich
die Kranke hier, und zwar noch auffallend erholte, so wage
ich doch diese Einwirkung nicht der Schmierseife, sondern den
klimatischen Verhältnissen zuzuschreiben. Möglich, dass die
Einreibungscur nur insofern eine Wirkung erzeugte, als sie die
Hautcultur unterstützte. Doch dazu hätten Abreibungen mit
Wasser schon ausgereicht. In der Natur der Drüsenaffec-
tion, die gewiss nicht einfach scrofulös ist, liegt hier
das Hinderniss gegen die Wirkung der Schmierseife.
Zum Schlüsse sei noch einmal hervorgehoben, dass es uns
geboten erscheint, allen, auch den geringfügigsten scrofulosen
Erkrankungen und nicht zum wenigsten denen der Lymphdrüsen
unsere vollste Aufmerksamkeit zuzuwenden, dass wir, neben
allgemeiner und innerer Behandlung, die externe resp. locale
durchaus nicht vernachlässigen, um so mehr als gerade die
Gefährlichkeit der Drüsentumoren ins Auge fällt und diese Affec-
tion vielfach, wie oben gezeigt, günstig angegriffen werden kann.
Zu den neuesten, wichtigsten Erscheinungen auf dem Gebiete
der Scrofulosen-Therapie gehört offenbar die Einreibung mit
Schmierseife.
Wenn Kappesser fragt, ob sie auch in weiteren
Altersstufen sich bewährt, so kann ich dies bejahen.
Seine Patienten waren l # / 4 bis 9 Jahre alt, die meinigen 12,
18, 27 Jahre und ich hatte unbestreitbare Erfolge. Ich
kann noch hinzufügen, dass veraltete Drüsentumoren, der eine
meiner Patienten litt 10 Jahre daran, mit Erfolg damit behan¬
delt werden können.
Auf die Frage, ob und welchen Einfluss das Medicament
auch bei anderen chronischen Entzündungen wichtiger innerer
Organe habe, so kann ich wohl aus Fall 1 und 2 sagen, dass
Erkrankungen der Lungen, der Pleura, des Darmes vielleicht
auch der Mensenterialdrüsen (consecutives Fieber) günstig beein¬
flusst werden, insofern sie Complicationserscheinungen der Hals¬
drüsenerkrankungen sind.
Endlich scheint es mir, als ob der günstigste Angriffspunkt
für dieses Heilmittel rein scrophulose Lymphdrüsen sind.
Fraglich und unwahrscheinlich ist es, dass methodische, an
Applicationsstelle und Zeit gebundene Anwendung nothwendig ist.
IV. Kritiken und Referate.
Riegel: Ueber die Bedeutung der Pulsuntersuchung (Volk¬
raa nn’s Sammlung klinischer Vorträge, No. 144—145).
In dem vorliegenden Vorträge giebt. Verf. ein Bild der durch die
Sphygmographie gewonnenen Ergebnisse über die Variationen des Pulses
unter den verschiedenen physiologischen und pathologischen Bedingungen.
Verf. ist im Stande, der ganzen Darstellung eigene Beobachtungen zu
Grunde zu legen, und hat ja auch bekanntlich seit längerer Zeit dieses
Gebiet an verschiedenen Orten durch selbständige Untersuchungen wesent¬
lich erweitert. Verf. führt zunächst ein ausführliches Bild des Normal¬
pulses vor, wobei auch dem Greisenpulse und der durch die Athmung
geschehenden Veränderungen des Pulses ausführliche Betrachtung ge¬
schenkt wird. Hieran schliesst sich zunächst die Schilderung des in
seiner Spannung herabgesetzten Pulses, also besonders des Fieberpulses,
und des durch Arzneimittel — Amylnitrit und Pilocarpinum muriatii-
cum — veränderten. Es folgt die Betrachtung des durch erhöhte
Gefässspannung veränderten Pulsbildes, des Bildes also, wie es u. a. in
sehr characteristischer Weise bei der Beikolik entsteht. Endlich werden
in sehr ausführlicher und instructiver Weise die Pulsveränderungen bei
den verschiedenen Herzfehlern besprochen, und hieran noch einige Bilder
des von Arythmie des Herzens beeinflussten Pulses gefügt. Die ganze
Darstellung wird von sehr zahlreichen Curvenzeichnungen begleitet, und
der Leser gewinnt in der That ein sehr übersichtliches Bild von den
wichtigsten diesem Gebiete angehörigen Forschungsresultaten.
Riegel: Zur Symptomatologie und Theorie der Bleikolik.
(Deutsches Archiv für klinische Medicin, Bd. XXI, Heft 2 u. 3).
Durch zahlreiche sphygmographische Untersuchungen — von F rank
begonnen, vom Verf. fortgesetzt — ergab sich als characteristisches Merk¬
mal des Pulses in der Bleikolik erhöhte Gefässspannung, nicht im Sinne
einer Verengerung des Gefdssrohres, wie Hen le es wollte, da der Puls nicht
abnorm klein und Stauungserscheinungen in den Venen fehlen, sondern be¬
dingt durch erhöhten Tonus der Gefässwand; demgemäss verkleinerte Rück-
stosselevation, während die Elasticitätselevationen deutlicher werden und
zum Theil höher gegen den Curvengipfel vorrücken: in sehr exquisiten
Fällen ist die Gipfelkuppe auffallend breit, der Puls characterisirt sich
als hochgradiger Pulsus tardus. Die Pulsfrequenz ist während des An¬
falles fast ausnahmslos herabgesetzt, die Grösse des Pulses zeigt nichts
characteristisches, sie ist jedenfalls im allgemeinen nicht besonders
gering, sondern wird erst bei länger andauerndem Leiden, entsprechend
der dann vorhandenen Anämie, herabsetzt. Die erwähnte Beschaffenheit
des Pulses geht nun, wie zahlreiche dahin angestellte Untersuchungen
zeigten, parallel den Schmerzanfällen: je intensiver der Kolikschmerz,
desto intensiver auch die Erhöhung der Gefässspannung, während in
der schmerzfreien Zeit das Pulsbild ein normales sein kann. Gleich¬
zeitig zeigte sich hinsichtlich der Harnausscheidung als Gesetz, dass
die Menge des ausgeschiedenen Harnes sich mit den Schmerzanfällen
vermindert: die Verringerung ist den höhergradigen Formen sehr erheb¬
lich, die gesammte 24 ständige Menge betrug oft kaum 200 Cctm. Alle
diese Erscheinungen würden sich nun in einfacher nicht weiter er-
läuterungsbedürftiger Weise durch eine gemeinschaftliche Ursache, durch
die erhöhte Erregung der vasomotorischen Nerven erklären. Hinsicht¬
lich der Entstehung des Schmerzes wäre mit Rücksicht auf die grosse
Empfindlichkeit der Geiässnerven anzunehmen, dass dieselbe direct durch
die Gefässspannung, nicht erst als Folge derselben aufträte. Dieser
gemeinschaftliche Zusammenhang der Symptome wird experimentell durch
die Versuche mit Amylnitrit und Pilocarpinum muriat. bestätigt: Von
beiden Mitteln ist es bekannt, dass sie die Gefässspannung herabsetzen, ohne
die sensiblen Nerven zu beeinflussen und durch beide wird, wie Versuche
von Frank, Verf. und Bardenhewer zeigten, gleichzeitig Schmerz
und Pulsspannung in der Bleikolik herabgesetzt. Auch die mangelnde
Peristaltik, die Stuhlverstopfung, würde durch die durch den Gefäss-
krampf erzeugten Anämie sich erklären lassen. So würde also nach
Verf. den Veränderungen des Gefässsystems eine wichtige Rolle in dem
Symptomenbilde der Bleikolik zufallen, wenn auch nicht in dem Sinne
früherer Beobachter (Henie, Hitzig), nach welchen das Blei direct
eine Wirkung auf die Gcfässmusculatur haben sollte, sondern mehr im
Sinne Heubels, welcher gewisse Theile des centralen und peripheri¬
schen Nervensystems durch das Blei afficirt werden und erst secundär
die am Pulse und Darm beobachteten Erscheinungen hervorgehen liess.
Zwei Fälle von hochgradiger Jodoformintoxication.
Im dresdener Stadtkrankenhause erkrankten nach der Mittheilung
von Oberländer (Deutsche Zeitschrift für practische Medicin, No 37
d. J.) zwei weibliche Individuen, die an inveterirter Lues litten, an
Vergiftungssymptomen nach innerlicher Darreichung von Jodoform. Die
eine der beiden Kranken batte innerhalb 80 Tagen 42,0 Jodoform — in
Pillen zu 0,1 pro dosi — verbraucht, als sie an Schwindel, Schwäche
und Doppeltsehen erkrankte, nach ca. 2 Tagen in tiefem Schlaf verfiel,
der 1 Va Tage später von einem heftigen Exaltationszustande abgelöst
wurde, welcher mit heftigsten Kopfschmerzen, Irrereden und Angst¬
gefühlen verbunden war. Ein Zustand grosser Mattigkeit, wobei bei Geh-
und Stehversuchen die Kranke ins Schwanken geräth, folgte, um nach
oiner nochmaligen plötzlichen Steigerung der Erscheinungen — es traten
grosser Schwindel, starke Kopfschmerzen und ausgeprägtes Doppeltsehen
hervor — allmälig zu verschwinden, nachdem im ganzen ca. 14 Tage erheb¬
lichere Intoxications-Erscheinungen angedauert hatten. In dem zweiten
Falle, der eine 69jährige Person betraf, trat der Intoxicationszustand auf,
nachdem 5 Gramm Jodoform in 7 Tagen genommen waren. Der letztere
zeigte sich in einem 5 Tage anhaltenden vollständigen Schlafzustand, der
erst ganz allmälig, unter Zurückbleiben starker Schwindel- und Schwäche¬
empfindung für mehrere Wochen, verschwand. Diese Beobachtungen
würden die in letzter Zeit besonders von Binz hervorgehobene narco-
tische Wirkungsweise des Jodoform bestätigen. Sz.
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4. November 1878,
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
659
V. Verhandlung» ärztlicher Gesellschaften.
Gesellschaft Kr Geburtshilfe ui tyiikaUgie ia Berlin.
Sitzung vom 28. Mai 1878.
Vorsitzender: Herr Schröder.
Schriftführer: Herr Fasbender.
I. Demonstration von Präparaten.
Herr Martin legt a) ein Ovariaicystom vor, welches er nach ein¬
getretenen Erscheinungen von Spontanruptur operativ entfernt hatte.
Risssteile zu sehen;
b) ein sehr geschrumpftes Ovarium, welches bei einer 28jährigen
Frau sehr heftige Schmerzen zur Zeit der Menstruation veranlasst hatte
und aus massenhaften Verwachsungen herausgeschält werden musste;
c) ein zerfallenes faustgrosses Myom, welches nach Incision des
Muttermundes manuell herausgenommen werden konnte.
Herr C. Rüge demonstrirt:
1) Einen Ovarialtumor mit einer gänseeigrossen Parovarialcyste, im
3. Schwan gerschaftsmonate entfernt.
2) Präparate von doppelseitigen Dermoidcysten. Einer der Tu¬
moren hatte im Douglas ’schen Raum versteckt gelegen und war wegen
untrennbarer Verwachsung nicht herausgenommen. Die zu diesem Tumor
gehörige Tube war nur 2 Ctm. lang, endete in narbigem Bindegewebe.
(Narbenamputation derselben.)
3) Doppelseitige Tumoren, die zwischen den Blättern der Ligg. lata
gelegen hatten. Auch hier war die linke Tube nur einige Centimeter
lang und schien durch Narbenzüge amputirt, sie endete blind.
4) Einen Ovarialtumor (rechtes Ovarium), der bei Gangraen der Cyste
(starke Achsendrehung) operirt worden. Das linke Ovarium und Lig.
ovarii fehlten, wahrscheinlich, wie Herr Rüge meint, war durch die im
letztem Wochenbett bestandene Peri- und Parametritis, bevor der Uterus
mit den Anhängen sich zur normalen Stellung begeben, das Ovarium
eine Handbreit oberhalb des Beckeneingangs verlöthet und später los¬
gelöst , denn es fand sich an dieser Stelle eine kleinapfelgrosse Ge-
schwu Ist, mit entfärbtem Blut gefüllt, die als Ovarienrest zu deuten war.
h) Eine Placenta mit einer über faustgrossen Cyste an der Innen¬
fläche (Blutextravasat).
Herr Sch rode i zeigt 6 frisch exstirpirte Cysten einer Scheide.
H. Der Herr Vorsitzende legt eingesandte Abbildungen vor, welche
von Chiara an gefrorenen Leichen gewonnen wurden und den Vorgang
der Selbstentwickelung illustriren.
III. Herr Veit: Ueber Indicationen und Contraindicationen der
Wendung.
Ist bei Querlage die äussere Wendung nicht mehr ausführbar, so
soll nach des Herrn Vortragenden Ansicht im allgemeinen nicht ohne
weiteres die Methode nach Braxton Kicks in Betracht kommen. Bei
dieser Lage wird das Leben des Kindes erst spät bedroht; viel grösser
ist die Gefahr, wenn man bei mangelhafter Vorbereitung der Weich-
theile wendet und dann einen Fuss anzieht. Man warte bis zur ge¬
hörigen Erweiterung des Muttermundes, um alsdann die innere Wendung
mit der ganzen Hand auszuführen. Dies gelingt in der Narcose noch
in später Zeit; die so gefährliche Cervixdehnung ist bei Querlage sehr
selten, weil der äussere Muttermund nicht eingeklemmt wird. Das Zu¬
warten hat weiter den Vortheil, dass man dadurch der Möglichkeit der
Evolutio spontanea einen grösseren Spielraum gewährt. Es giebt übrigens
Fälle, in denen bestimmte Anzeigen die Ausführung der W’endung
wegen Querlage auch bei Früchten unter dem 8. Monate und bei Foetus
sanguinolenti verlangen. P. Müller gehe in diesem Punkt zu weit.
Es wird die Stellung der Embryotomie erörtert und hervorgehoben, dass
Tetanus uteri (weil dabei der Cervix nicht gedehnt) nicht eine Contra-
indicÄtion der Wendung abgebe. Bei Querlage soll man, abgesehen von
Plac. placenta, besonders dann auch bei engem Muttermund die Wen¬
dung ausführen, wenn nach Abfluss des Fruchtwassers bei fehlerhaften
Wehem sich dieser Zustand im Verlaufe von 2 mal 24 Stunden nicht
ändert, weil alsdann die grossen Gefahren der Zersetzung zu fürchten
sind, und man hoffen dürfe, nach Herstellung einer Geradlage eine
bessere Wehentbätigkeit zu sehen.
Herr Veit giebt dann die sehr günstigen Resultate, die er in
26 Fällen von Wendung wegen engen Becken und in anderen wegen
Nabelschnurvorfalls bei engem Becken gehabt hat, und betont daneben die
weniger guten Erfolge, welche die Operation aufweist, wenn sie bei
engem Becken im Interesse der Mutter ausgeführt werden muss.
Die Cervixdehnung ist eine Contraindication der Wendung, und sie
wird bei engem Becken am häufigsten beobachtet. Bei hinterer Scheitel¬
beineinstellung kommt die Ausweitung des Mutterhalses einseitig vor
und ist dann um so gefährlicher; auch bei Kopflage mit Vorfall von
Hand und Fuss findet man die Cervixdehnung wegen des erschwerten
Eintrittes. Hier kann man den Fuss anziehen oder später noch den
zweiten herunter holen. Im allgemeinen ist unter den in Rede stehenden
Verhältnissen an die Verkleinerung des Kindes zu denken.
Bei Placenta praevia will der Herr Vortragende event. nach An¬
wendung der Kolpeuryse bis zur Erweiterung des Muttermundes auf
2 Finger-Breite zunächst die Blase sprengen und erst, wenn hierauf die
Blutung nicht steht, zur Wendung nach Braxton Hicks schreiten.
In seltenen Fällen ist die Wendung bei Eclampsie indieirt. Wie
in allen gefahrdrohenden Zuständen der Mutter ist bei engem Cervix
das Accouchement foree in der Weise auszuführen, dass man nicht die
ganze Hand nimmt, sondern die combinirte Methode nach Braxton
Hicks in Anwendung zieht.
Sitzung vom 25. Juni 1878.
Vorsitzender: Herr Schröder.
Schriftführer: Herr Löhlein.
1. Demonstrationen.
a) Herr Schröder zeigt einen nach Freund exstirpirten Uterus
vor. Die Operation wurde vorgenommen wegen Carcinoma colli uteri.
Die Degeneration betraf nicht die Portio vaginalis, welche im Gegen-
theil intact erschien, sondern eine höher gelegene Partie des Canals, sie
ging ausserdem nicht von der Schleimhaut aus, sondern war von Anfang
als derbe, knotige Infiltration des Parenchyms aufgetreten. Bei der
Operation wich Herr Sch. insofern von Freund’s Vorschriften ab, als
er die beiden oberen Ligaturen in eine vereinigte und ausserdem den
vorderen und hinteren Wundrand durch kurz abgeschnittene Nähte
vereinigte, so dass der Ausgang völlig verschlossen war.
Die Section hat keine genügende Erklärung des 15 h. post oper.
eingetretenen letalen Ausganges gegeben, da sich ausser geringer Ver¬
fettung des Herzens und etwas blutig seröser Flüssigkeit im Sacc. periton.
nichts wesentliches vorfand.
b) Herr Thiede demonstrirt den Uterus einer an Eclampsie 7. h. post
pari verstorbenen Neuentbundenen. Das Präparat lässt die Grenze
zwischen Cavum corporis und Can. cervicalis deutlich erkennen, das
erstere ist 22 Ctm., der Halscanal 7 Ctm. lang, vom Körpertheil bildet
die untere ebenfalls 7. Ctm. lange Partie das „untere Uterinsegment“.
Durch eine flache Furche von einander getrennt waren die beiden
letzteren schon macroscopisch durch die verschiedene Färbung unter¬
schieden, die unterste erschien dunkel, blauroth, die obere heller, durch¬
scheinend. Die microscopische Untersuchung lehrte, dass nur die untere
Partie ziemlich intacte Epithelauskleidung besass, während die mittlere
Partie Eihautauskieidung hatte. Es folgt hieraus, dass der Cervix
factisch 7 Ctm. über dem äusseren M.-M. endigte. Es würde dies
mithin den Küstner’schen Angaben über dieses Verhältnis bestimmt
widersprechen.
2. Discussion über den Vortrag des Herrn Veit.
Herr A. Martin kann sich mit Veit’s Bemerkungen über die
combinirte Wendung nicht einverstanden erklären. V. habe die Gefahr¬
losigkeit der Wendung mit der ganzen Hand überschätzt, aus seinen
Mittheilungen sprächen jedoch die Fälle von Ruptur und Parametritis
entschieden gegen diese Gefahrlosigkeit. — Ferner müsse er sieh gegen
das Zuwarten bei Querlagen im allgemeinen erklären, indem er es für
besser halte, frühzeitig eine Längslage herzustellen, sowie gegen die
Empfehlung der Wendung bei Kopflage und engem Becken. Bezüglich
der Technik spricht er sich gegen die Herabholung des Fusses ohne
Wegschiebung des vorliegenden Kopfes aus. Man soll die hierauf zie¬
lenden Versuche nicht sogleich aufgeben. Bei Plac. praevia halte er es
für gerathen gleich zu wenden.
Herr Veit entgegnet, dass er sich bezüglich der Plac. praev. mit
Martin nicht im Widerspruch befände; auch er wende hier, wenn der
Kopf nicht vorliege, gleich nach der Blasensprengung, sobald der Canal
für 2 Finger durchgängig sei. Die Entscheidung bezüglich der Weg¬
schiebung des vorliegenden Kopfes überlässt er der individuellen Auf¬
fassung. Was die combinirte Wendung betrifft, so habe er sich im
wesentlichen gegen Braxton Hicks’ Methode gewandt. Martin rat he
ja auch 4 Finger einzuführen, und das sei von seiner Methode nicht
sehr verschieden.
Herr Martin verwahrt sich dagegen, dass er die Einführung von
4 Fingern als das gewöhnliche Verfahren bezeichne, gewöhnlich be¬
schränke auch er sich auf 2 Finger.
Herr P. Rage glaubt, dass Herr Veit nicht berechtigt sei, jede
exsudative Parametritis, wie er es gethan, ohne weiteres auf Infection
zurückzuführen.
Herr Schröder erklärt dagegen, dass auch er die parametritischen
Exsudate sämmtlich für infectiös halte. Auch die grösseren, sogenannten
gutartigen Exsudate treten in den Kliniken hauptsächlich dann auf,
wenn der Gesundheitszustand überhaupt ein schlechter ist.
3. Die Gesellschaft wählt eine aus den Herren P. Rüge und
Guttmann bestehende Commission zur Vorbereitung einer gemeinschaft¬
lichen Sommerfahrt.
Niederrheinisehe Gesellschaft für Natar- mmi Heilkunde in Bann«
Sitzung vom 20. Mai 1878.
Generalarzt Dr. Mohnike zeigte der Gesellschaft ein wohlgebautes,
gesundes Kind weiblichen Geschlechtes vor, dessen eine Körperhälfte,
von dem Kopf an eine dunkle, schwarzlichrothe Färbung zeigt. Das
Kind ist so geboren. Herr M. behält sich vor, diesen Fall an einem
anderen Orte ausführlicher zu besprechen.
Dr. Moritz Nussbaum spricht über die Niere der Wirbel-
thiere.
Aus seinen Untersuchungen über die Entwicklung der Nierenorgane
hei den Teleostiern und Batrachiern hebt der Vortragende, anlehnend
an die durch Rosenberg, Goette und Fürbringer entdeckten That-
sachen, folgendes hervor.
Bei Embryonen der Forelle enden die Wol ff’schen Gänge blind
am hinteren Leibesende, das sie erst später, zu einer blasenartigen An-
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660
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Schwellung vereinigt, durchbrechen. Das Lumen dieser Excretionsorgane
ist vor der Bildung des Glomerulus schon mit Crystallen harnsaurer
Salze angeführt, so dass auch durch die Entwicklungsgeschichte höherer
Thiere, wie durch das bei niederen Thieren bekannte Verhalten der
Niere erhärtet wird, dass der Glomerulus eine seeundäre Bildung, und
die eigentliche Drüsenthätigkeit an die Zellen sich knüpft.
Die Bildung des Glomerulus anlangend, fand sich als erst beobach¬
tetes Stadium ein grosser einfacher Sack mit Blutkörperchen gefüllt, und
durch einen engen Hals mit der Aorta zusammenhängend, auf der Aussen-
fläche von niedrigen cubischen Epithelien überkleidet, die continuirlich
in das Epithel des vorderen gewundenen Abschnittes des Wolff’schen
Ganges übergingen. Weitere Untersuchungen müssen lehren, ob diese
Anlage des Glomerulus durch actives Wachsthum des Welff’schen
Ganges in die Aorta hinein oder durch primäre Wucherung der Aorten¬
wand entsteht. Jedenfalls ist so viel aus dem vorliegenden Material mit
Sicherheit zu schliessen, dass das bipolare Wundernetz des Glomerulus
durch Wucherung seiner Aussenwand zu Stande kommt, indem die
zuerst genau kreisförmige Begrenzung des sackartigen Glomerulus ohne
wesentliche Vergrösserung seines Volums immer buckliger wird. In
Uebereinstimmung damit bildet der epitheliale Ueberzug des fertigen
Glomerulus keinen einfachen glatt begrenzten Sack, sondern die einzelnen
Capillaren sind jede für sich vom Epithel der Bowmann’schen Gapsel
überzogen. Dies liess sich mit Bestimmtheit an den Glomerulis von
Petromyzon marinus, Perca fluviatilis, Raja clavata, Galeus canis, Rana
esculenta, Pelobates fuscus und anderen Batrachiern nach weisen.
Das Epithel im gewundenen vorderen Abschnitt des Wolff’schen
Ganges wimpert von einer gewissen Zeit an, indem die Cilien aus den
zuerst nackten Zellen hervorsprossen. Die bleibende Niere entsteht
am hinteren Leibesende durch Sprossenbildung des Wolff’schen Ganges.
Bei den Batrachiern ist, wie durch die Untersuchungen Goette’s
und Fürbring er’s bekannt geworden, der Glomerulus nicht in den
Anfangstheil des Wolff’schen Ganges (Vomiere) eingelagert. Hier
fungirt die ganze Bauchhöhle gleichsam als Bowmann’sche Capsel
und ihr Inhalt wird durch drei wimpernde Trichter (Rana fusca) in die
Vorniere befördert. Die Zellen dieser Trichter sind von schwarzem
körnigen Pigment ganz erfüllt, und nur an glücklich zerzupften Zellen
bekommt man den grossen homogenen Kern zu sehen. Die Cilien dieser
Zellen sind sehr lang und schlagen gegen den breiten Abschnitt des
Vornierencanales, der später als die Trichter ebenfalls einen Wimper¬
besatz seiner Zellen zeigt; hier sind die Cilien kurz; die Zellen gleichen
denen im sog. 2. Abschnitte der Harncanäle in der bleibenden Batrachier-
niere. Diese entsteht durch Wucherungen vom Peritoneum her, die, zu
Schläuchen formirt, mit dem Wol ff’schen Gange sich verbinden (Goette,
Fürbringer). Die Entwicklung beginnt bei Rana fusca am hinteren
Leibesende und schreitet von da nach vorn vom.
Versuche über die Secretion der Vomiere schlugen fehl, doch gelang
es, die Gallencapillaren in der sich entwickelnden Leber und weiterhin
die Gallenblase mit indigschwefelsaurem Natron erfüllt zu sehen, wenn
den jungen Quappen von Rana fusca dieses Pigment per Os einverleibt
worden war. Der Ductus choledochus flimmert bei Larven und er¬
wachsenen Fröschen; nur sind beim fertigen Thier Gruppen von Schleim¬
zellen unter die Flimmerzellen gemischt; ähnlich wie es an vielen anderen
Orten beobachtet wird.
(Schluss folgt.)
VI. Feuilleton.
Kritische Erinnerungen an einen Winteraufenthalt
im Süden.
Von
Oberstabsarzt Dr. Staroke.
(Fortsetzung.)
Eine ganz besondere Schädlichkeit liegt in dem Zusammenhäufen
der Menschen in den Pensionen. Wer irgendwie Unterhaltung sucht,
ist auf die schrecklichen Salons angewiesen, deren Cubikraum dem
Zwischendeck eines Auswandererschiffcs naehgemessen wurde. Hier
versammeln sich die Bewohner des Haupthauses und der Dependenzen,
oft raucht der Kamin, blakt die Petroleumlampe, jedenfalls leidet
man bald unter den Emanationen der vielen Menschen, von denen
die Norddeutschen meistens ganz besonders darauf bedacht sind, alle
Oeffnungen, die Zugluft eindringen lassen könnten, hermetisch zn
schliessen. Dieselben Menschen, welche es als eine unerhörte Zu-
muthung zurückweisen würden, sich in gemeinschaftlichem Waschwasser
die Hände zu waschen, athmen mit der grössten Sorglosigkeit die
schmutzige Exspirationsluft ihres nahen Nachbars. Nervöse Personen
werden gewiss diesen Aufenthalt unter musicirenden, plaudernden,
klatschenden Erwachsenen, spielenden, lärmenden Kindern nicht zu den
glücklichsten rechnen. Brustkranke schaden sich hier offenbar. Man
spricht sehr laut, athmet schlechte Luft und verdirbt, was man durch
den Spaziergang in der sonnigen Winterluft gewonnen hatte. In unserer
Pension in Montreux kamen mehrfach Fälle von Haemoptoe vor, die
sich allein den Salons und dem Wohnen in den engen, nicht zu lüften¬
den, mit rauchenden Oefen ausgestatteten Zimmern zuschreiben liessen.
Ein anderer Grund zu Erkrankungen findet sich in den gewaltigen
No. 44
uns Nordländern unter unserem Wolkenhimmel ganz unverstäudliehen
Temperaturdifferenzen im Freien. Steiger 1. c. erwähnt, die Maximal- und
Minimaltemperaturen schwankten in Montreux während 24 Stunden um
12 bis 16° C., während des Tages jedoch nur um 5°. Dagegen muss ich
in sofern Einspruch erheben, als schon auf der nächsten Seite von dem
Verfasser hervorgehoben wird, dass zwischen sonnigen und schattigen
Stellen eine Temperaturdifferenz von 12° C. bestände. In der That ist
der Gegensatz zwischen Schatten und Sonne oft ganz erstaunlich. Wer
erhitzt und transpirirend aus dem hellen warmen Sonnenschein in den
Schatten eines Hauses, eines Baumes tritt, wird wie mit Eisesschauer
übergossen, oft so unvermittelt plötzlich, dass z. B. der Schatten eines
Baumstammes harte Eiskrystalle zeigt, während wenige Centimeter davon
der Boden weich und schlammig ist. Wer an diese unmittelbaren
Uebergänge aus Kalt in Warm nicht jederzeit denkt, bringt sich von
dem Spaziergänge leicht eine Erkältung nach Hause.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch der Fahrten auf dem
bezaubernd schönen Genfer-See gedenken, dessen klares Wasser auf
viele viele Faden Tiefe den reinen, jeden Gedanken an Malaria ver¬
scheuchenden Grund erkennen lässt, dessen tiefes Blau eigenartig zur
Spazierfahrt lockt. Die grosse Wärme des Wassers, das sich im kälte¬
sten Winter auf -f- 4° C. hält und nie gefriert, erzeugt einen so empfind¬
lichen Niedersturz der kalten Luft von den eisigen, schneebedeckten
Bergnachbarn, dass Erkältungen die regelmässigen Folgen sind. Angel-
versuchc, Kahnpartien, Dampfbootfahrten bestrafen sieh trotz des schön¬
sten Wetters mit Schnupfen und Consorten.
Zu rühmen ist in Montreux die fast ausnahmslos vortreffliche
Pensionskost, doch haben bisher alle Bemühungen der Curärzte, das
Mittagsmahl auf eine Tageszeit zu legen, welche der Patient so wie so
zu Hause zubringt, keinen Erfolg gehabt. Man isst überall um 1 bis
Vj 2 Uhr und sitzt bis gegen 2 1 /* Uhr zu Tisch, gerade zu einer Zeit,
welche die günstigste Gelegenheit darböte, zur Einathmung der warmen,
schönen, windstillen Mittagsluft. Nach Tisch haben nur wenige Leute
die Energie, Spaziergänge zu unternehmen. Man sollte um 11 Uhr ein
leichtes Mahl servilen und auf 5 Uhr das Diner verlegen, dann könnte
man die besten Stunden des Tages im Freien sein, mit tüchtigem Appetit
zurückkehren und hätte nach der Mahlzeit im Zimmer Zeit genug zum
Verdauen.
Als einen ganz besonderen Mangel muss man bezeichnen, dass trotz
der grossen Fremden- und Krankenfrequenz fast keine Pension eine
ordentliche Gelegenheit zu Bädern darbietet; ja die meisten Wirthe
sehen es höchst ungern, wenn in die Wohnzimmer von ausserhalb warme
Bäder gebracht werden. Man ist eben für die gesunden, nicht für kranke
Consumenten eingerichtet.
Für den Sommer und Herbst, zur Zeit der Traubenkur, wüsste ich
mir keinen angenehmeren Aufenthalt zu denken, als in dem ganz aus¬
gezeichnet eingerichteten und geleiteten Hotel auf Glion, auf der Höhe
der Bergwand, welche Montreux Schutz gewährt, während sic selbst vor
rauhen Winden von dem grossartigen Dent de Jaraan und seinen Nachbarn
gehütet wird. Auf diesem 2289 Fuss hohen Bergplateau geniesst man
eine aus den erhabensten reinsten Bergeshöhen entstammende Luft, die
man nur mit Bergkrystall vergleichen kann; von dort schwelgt der
Blick auf den Genfer See und geniesst ein Schauspiel von so grossartiger
Naturschönheit, wie es kaum in der Welt irgendwo wieder zu finden
sein dürfte. Jeder, dem es vergönnt war, von diesem Punkte herabzu¬
schauen auf die Wunder des Leman, wird mit Sehnsucht und Be¬
geisterung daran zurückdenken. Da hat man das Gefühl der Erquickung,
der Stärkung, des Erhabenseins über alles irdische Ungemach. Wer
auf Ilöhencurorte speculirt, wird hier gewiss Gewähr finden, sonst steht
ihm auch das 1200 Fuss (3490) höhere, nicht fern gelegene Les Avants
mit seinem prächtigen Hotel, in dem herrlichsten Alpenhochthal zur
Verfügung. Hier sind die köstlichen Quellen, aus welchen Glion und
Montreux herrliches Wasser reichlich zufliesst. In dieser absolute
Windstille muss sich jeder Brustkranke wohl fühlen, so lange cs warm
ist, d. h. bis Mitte September, dann tritt der Winter ein mit seinen
Eisosschaucrn. Uebrigens überwinterte dort diesmal eine englische Fa¬
milie, aus 12 Personen bestehend.
Fasse ich meine persönlichen Erfahrungen über Montreux zusammen,
so lasse ich demselben jede Gerechtigkeit widerfahren für den späten
Frühling, tür den Herbst bis Mitte November, dann aber kann
ich nur davor warnen, Montreux als Wintercurort zu benutzen und zu
verordnen. Nach Mitte November fordere man categorisch von den Our-
invaliden die Abreise nach den sonnigen Gestaden Italiens. Jetzt, wo
die Fahrt durch den Mont Cenis von Genf bis Genua nicht ganz
24 Stunden m bequemen Wagen in Anspruch nimmt, wo bei rechtzeitiger
Bestellung Schlafwagen zur Verfügung stehen, da sollte man weder die
Kosten noch die Anstrengungen erwägen gegenüber den unendlichen
Vorzügen des gesicherten Aufenthalts in warmer, sonniger Luft.
In Genua, der Grenze zwischen Riviera di Levante und di Ponente
fühlt man sich ordentlich berauscht von den Schönheiten des Südens,
mit seinen Orangen, Citronen, Palmen, Agaven, Blüthen und Früchten,
Blumen und Wohlgerüchen, vor allem von dem herrlichen blauen Him¬
mel, der sich spiegelt in dem Azur des köstlichen Meeres. Hier steht
nun aber der Kranke wie Hercules am Scheidewege. Nach Osten lockt die
Levante mit Nervi, Spezzia, Pisa, nach Westen Pegli, Savona, San Rem°-
Bordighera, Mentone, Nizza. Jeder Curort offerirt unübertreffliches,
jeder streicht sich auf Kosten des anderen heraus. Am meisten lobt
jeder seine Wärme. Und doch beträgt die Differenz der Wärme an der
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4. November 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
661
ganzen Küste nicht so viel, wie die, der sich jeder Patient im Laufe
eines Tages überall aussetzen muss. Wahrend die Sonne in uns über¬
raschender Weise die Atmosphäre durchdringt, herrscht wegen der starken
Ausstrahlung in die klare Luft des Nachts solche Kälte, dass die Morgen
recht frisch sind. Aber dieser grosse Unterschied zwischen Morgen und
Mittag tritt im Laufe des Tages ganz zurück gegen den Contrast zwischen
Schatten und Sonne. Nach L i pp ert *) betragt diese Differenz an der ganzen
Riviera im Winter c. 23,6° C., im Frühjahr 25,8® C. In Sonnenteropera-
turen von einigen 30® schwelgt der Fremde, ihretwegen kam er ja aus dem
rauhen Norden mit seinem Nebel und Schnee. Der vorsichtige Italiener
meidet die Sonne, wie aus zahlreichen Sprichwörtern bekannt, und fühlt
sich in Folge dessen lange nicht so unbehaglich bei Eintrit der kalten
Jahreszeit. Der nordische Patient verweichlicht sich systematisch in der
Sonne, und wirft hinterher dem tückischen Klima seine ewigen Erkältun¬
gen vor, während er sich selbst wegen des Missbrauchs des Klimas an-
klagen sollte. Die Wärmetemperaturen sind an der ganzen Riviera
nahezu die gleichen; so ist es denn nicht zu verwundern, dass bei dem
zunehmenden Fremdenzufluss immer neue Curorte sich ctabliren, sobald
ein speculativer Wirth für Unterkommen sorgt und ein schriftstellemder
Arzt die nöthige Curbrochüre verfasst. Grosse Beachtung verdient das auf¬
strebende Beaulieu, zwischen Nizza und Monaco, wo eine, petite Afrique
genannte, Bucht am besten auf die klimatischen Vorzüge hindeutet
Aber auch andere Orte, z. B. Comigliano, Rapallo, Arenzano, Alassio
rüsten sich zum Empfange der nordischen Zugvögel und mit Recht.
Denn die Ufer mit ihren vielen windsicheren Buchten locken überall zur
Ansiedelung.
Besonders auffallend ist wohl jedem, der zum ersten Male diese
Küste besucht, dass er dort kein eigentliches Seeklima findet;
der ewig blaue Himmel, der heitere Sonnenschein, der Mangel an
Wolken, an Feuchtigkeit, an Regen, die heissen klaren Tage, die kalten
thauloseu Nächte entsprechen nicht im entferntesten den Anschauungen,
die wir von der Ostsee und Nordsee mitbringen. Der enorme Salzgehalt
des MIeerwassers, 4°/ 0 ! hindert sehr stark die Verdunstung, während
andererseits die aufsteigenden Wassergase nur spärlich dem Lande zu¬
getrieben werden, da der Landwind von den rauhen Nachbarhöhen nach
dem warmen Gestade vorherrscht. Man mache sich über die Wirkungen
der Seeluft als solcher keine Illusionen; die einzelnen Uferorte streiten
sich in der Beziehung auch nicht um den Vorrang, sondern gewöhnlich
um die die nordischen Curgäste am meisten interessirende Wärme. Um
diese zu charakterisiren ist man eifrig bemüht, tropische Pflanzen zu
•acclimatisircn. Ganz besonders legt man Werth auf das Gedeihen des
Citronenbaumes, da dieser der weichlichste unter den Agrumen ist; ich
fand dieselben in Nizza wie bei Genua in gleicher Schönheit. Wer
Palmen für Wintercurorte bezeichnend hält, wird Bordighera für den
besten Platz erklären. Hier giebt es Gärten mit mehreren Hundert der
•elegantesten Stämme, überall ragen sie in den blauen Aether und wiegen
träumend ihre Wedel in der balsamischen Luft. Von hier aus werden
zur Feier des Palmsonntags tausende der graeiösen Mittelblätter an die
katholischen Kiichen Roms und Oberitaliens gesandt. Aber Palmen
findet man auch, freilich von Bordighera verpflanzt, in Nizza, und zwar
als Promenadenbaum, und in Pegli bei Genua ist eine vollständige
Palmensammlung in dem Garten des Hotels und in der schönen Villa
Palla vicini.
Auf die Warme allein lege ich keinen besonderen Werth, sonst
müsste die südliche Küste des mittelländischen Meeres ganz besonders
heilkräftig sein, aber die französischen Hospitalberichte melden, dass die
Tuber culose in Algier sehr häufig ist, und Phthisis V* aller Todesfälle
herbelführt. Entscheidend für die Salubrität ist allein Wärme und
Reinheit der Luft (Mangel an Staub und Malaria), in Combination mit
dem ixöthigen Feuchtigkeitsgehalt. Darin besteht aber ein principieller
Gege nsatz zwischen den beiden Gestaden. Verfolgt man den
westostlichen Zug der Seealpen, so sind dieselben im Westen bei Nizza
Am weitesten von der Küste entfernt, nähern sich gegen Osten hin immer
mehr denselben, um bei Genua mit beträchtlicher Höhe so nahe an das
Ufer zu treten, dass nur ein schmaler Strich als Strandgegend übrig
bleibt- Die Niederschläge, welche an der kalten Wand den Südwinden
entnommen werden, kommen daher der Küstengegend nur dicht bei
Genua zu Gute, während die westlicher gelegenen Orte San Remo,
Mentone und gar Nizza dieser Erquickung verlustig gehen. Der regen-
bildende Einfluss der Alpes maritimes macht sich bis gegen Savona hin
bemerkbar, und äussert seine Heilwirkung auf die mit Kehlkopfsleiden,
Lungenblu tungen behafteten Kranken am meisten in der Nachbarschaft
Genua’s. Nizza und Cannes liegen aber auch gegen Westen in dem
Wind und Regenschutz der Sevennen resp. des Estörelhöhenzuges und
leiden in Folge dessen an excessiver Trockenheit. Gleiche Verhältnisse
erklären den Feuchtigkeitsgehalt der Atmosphäre an der Riviera di
Levante. Hier bildet der Apennin die Wind- und Regenwand, vor
welcher sich die Wassergase der Westwinde verdichten, und Nervi, Spezzia,
Pisa das feuchte Clima mittheilen, welches für die erethischen Formen
der Phthisis als heilbringend gerühmt wird.*)
Was den Windschutz an betrifft, so lehrt ein Blick auf die Karte,
dass der tiefste Punct des Golfs nicht genau der Hafen von Genua ist,
sondern dass derselbe etwas westlich davon in der Gegend von Voltri
1) Das Klima von Nizza. Berlin 1877. 2. Aufl.
2) Ich mache auf die gleiche Betrachtung aufmerksam, die aus der
in der No. 74 des diesjährigen Jahrgangs der Zeitschrift für Erdkunde
mitgetheilten Regenkarte von Europa sofort in die Augen springt.
liegt. Kurz vor Voltri bildet das Ufer noch einen kleineren Meerbusen,
und hier ist der eigentliche Scheidepunct der beiden Ri vieren, und hier
liegt das durch seine Hesperidengärten berühmte Pegli. Dieser Ort,
durch seine Lage besonders windsicher, nimmt gewissermassen an den
Vorzügen beider Gestade Theil; der grössere Feuchtigkeitsgehalt, ohne
die Extreme Pisas, lässt Pflanzen gedeihen, die man anderwärts ver¬
geblich sucht. Die benachbarten Hügel sind mit der Seefichte und den
malerischen Doldenpinien bestanden, Oel- und Mandelbäume überziehen
die Anhöhen weit hinauf, in den Schluchten der zahlreichen kleineren
Thäler mit ihren sprudelnden Bächen fand ich eine grosse Mannig¬
faltigkeit von Farrenkräutern, denen ich sonst vergeblich nachforschte.
Diese lieblichen landeinwärts ziehenden Thäler bieten durch ihre köst¬
lich erfrischende Luft den glücklichsten Aufenthalt für die Kranken,
welche die Sonne und der Staub von der Landstrasse verscheuchte.
Wer auf die gleichen Nebenthäler bei San Remo und Mentone hin weist
vergisst, dass die dortigen nur auf höchst anstrengenden, mit losen
Steinen gepflasterten, nur für Esel gangbaren Wegen zu erreichen sind,
während hier theils ebene, theils ganz allmälig ansteigende Pfade, zum
Theil inmitten der liberal offenstehenden grossartigen Parks der genue¬
sischen Aristokratie, zu den malerischsten Aussichten auf das Meer und
die genuesischen Terrassen leiten. Die landschaftliche Schönheit dieser
Panoramen kann ich nicht besser bezeichnen als durch den Umstand,
dass auf der diesjährigen Kunstausstellung allein drei Bilder paradiren,
welche Ansichten aus der unmittelbaren Umgebung Peglis darstellen.
(791 A. von Waldenburg, 311 Hertel, 604 Rheinemann.) Der
Namen der Villa Pallavicini mit ihrem Zaubergarten und Camelien-
reichthum lockt Jahr aus Jahr ein tausende von Besuchern aus allen
Ländern an. Diese wundervollen Spaziergänge bilden auch den be¬
sonderen Vorzug Peglis vor dem fast in gleicher Entfernung von Genua
östlich gelegenen Nervi. Dort ist es nur ein schmaler, höchst unbe¬
quemer Weg auf dem Felsgestade, welcher in der Ebene, ausser dem
Hotel- und einem Privatparke, die Bewegung im Freien gestattet. Die
zu weiterer Aussicht führende Strasse nach St. Hilario ist so steil, dass
sie nur bei sehr guten Brustorganen zum Ziele führt. Der Weg führt
ausserdem eine lange Strecke zwischen haushohen, kellerartige, nass¬
kalte Luft aushauchenden Mauern, die jeden Fernblick verhindern und
Kranken nicht genug zu widerrathen sind. Schwerkranke, die sich an
dem Aufenthalt in dem Hötelgarten genügen lassen, sind freilich in
Nervi vortrefflich untergebracht, aber sollten solche Kranke überhaupt
nach dem Süden gehen, denen ihre Gesundheit Hausarrest auferlegt. ?
Wenn ich oben von Windschutz sprach, so meine ich natürlich
nur Schutz vor den grossen Luftströmungen; eine locale Luftbewegung
findet man überall an der Küste hervorgebracht durch die Wärmediffe¬
renz des Meeres und an den bergigen Ufern. Da die letzteren in der
Nacht sehr stark abkühlen, so erhebt sich Landwind, während nach
10 Uhr Morgens, wenn die Uferränder von der Sonne erhitzt sind, See¬
wind eintritt. Dieses Wechselspiel, welches wie das grosse Winddrehungs¬
gesetz die Richtung der Umdrehung der Uhrzeiger befolgt, begünstigt die
Reinigung und Auffrischung der Luft. Hat der nächtliche Seewind etwas
Feuchtigkeit gebracht, schillert der Rasen von Thauperlen, durchdringt
die Sonne den schwachen Nebel, der an den Bäumen hängt, duften
Veilchen in dichten Büscheln uns entgegen, dann hüpft das Herz selbst
in der Brust des Hypochonder und dankt seinem Schöpfer, dass er ihn
an diese gesepete Küste führte. Der Unterschied zwischen dem rauhen,
nebligen, stürmischen Winter des Nordens und dem sonnigen, milden
Frühling des Südens kann gar nicht krass genug gedacht werden. — Im
allgemeinen fürchten die Kranken den Wind viel zu sehr, sie entziehen
sich demselben bis zur Verweichlichung, vergessen durchaus, da-ss in
der steten Verdunstung des Wassers der Haut, die durch den Luftzug
begünstigt wird, ein grosser Heilfactor liegt, wichtig für die Resorption
und Ausscheidung krankhafter Produete. Ganz besonders möchte ich
die Aufmerksamkeit lenken auf die wohlthätige Entlastung der Nieren
bei Zuständen von Polyurie, wie sie chronische Nierenentzündung, amy-
loide Processe, Diabetes begleitet, auf die günstige Wirkung bei Blasen¬
leiden, endlich auf die Wunden bei Anämischen.
(Schluss folgt.)
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. In der hiesigen physiologischen Gesellschaft, Sitzung vom
18. October, gedachte der Vorsitzende Herr Geh.-Rath Prof. Du Bois-
Reymond des dahingeschiedenen Mitgliedes Dr. Carl Sachs, und
verlas, daran anknüpfend, folgende Aufforderung:'
„Am 18. August d. J. fand Dr. med. Carl Sachs, Assistent am
physiologischen Institut der berliner Universität, bei Besteigung des
Monte Cevedale in Tirol den Tod. Die Wissenschaft erlitt in ihm einen
höchst schmerzlichen Verlust. Nachdem er sich wunderbar früh durch
physiologisch-histologische Untersuchungen ausgezeichnet hatte, deren
Bedeutung durch einen Facultätspreis anerkannt wurde, entsandte im
Herbst 1876 die königliche Academie der Wissenschaften zu Berlin den
erst zweiundzwanzigjährigen Jüngling auf Alexander von Humboldt’s
Spuren nach Venezuela zur Erforschung der Gymnoten. Den Gefahren
solcher Reise glücklich entgangen, sollte es ihm nicht vergönnt sein,
deren wissenschaftliche Ergebnisse den Fachgenossen in geschlossener
Vollendung vorzulegen. Aus eifrigstem Schaffen riss den begabten und
begeisterten Jünger der Physiologie ein jäher Tod. Die Unterzeichneten
Freunde des Verewigten, die ausser dem vielversprechenden Gelehrten
in ihm auch den liebenswürdigen, edelgesinnten und bescheidenen jungen
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
662
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 44
Mann hoctischätztcn, haben beschlossen sein Andenken durch einen
Grabstein zu ehren, welcher seine Ruhestätte bei Bormio zieren soll.
Sie erlauben sich hierdurch zur Betheiligung an einer für diesen Zweck
bestimmten Sammlung ergebenst aufzufordern. Baumann. Boerner.
E. du Bois-Reymond. Christiani. G. Fritsch. Gad. Hirsch¬
berg. H. Kronecker. H. Michaelis. 1 ) Senator. Th. Weyl.“
Ferner berichtete der Vorsitzende über den Ertrag der im Schosse
der Gesellschaft für das Denkmal Claude Bernard’s veranstalteten
Sammlung, welche sich auf 526,50 Mark beläuft Die Versammlung
beschloss, diesen Betrag aus der Gesellschaftscasse zur runden Summe
von 600 Mark zu ergänzen.
— Im Anschluss an die Ernennung Lichtheim’s zum Professor
der inneren Klinik in Bern erfahren wir, dass nächst Herrn Prof. Licht-
heim Herr Dr. Ewald hierselbst von der Facultät einstimmig an
zweiter Stelle in Vorschlag gebracht worden war.
— In der Woche vom 22. bis 28. September sind hier 621 Per¬
sonen gestorben. Todesursachen: Scharlach 32, Pocken 1, Roth-
lauf 2, Diphtherie 23, Eitervergiftung 3, Kindbettfieber 4, Typhus 13
(Erkrankungen an Typhus 30 m., 33 w.), Dysenterie 9, Gelenkrheu¬
matismus 1, mineralische Vergiftung 1 (Selbstmord), Delirium tremens 1,
Brandwunden 1, Sturz 5, Erschiessen 1 (Selbstmord), Schnittwunde 1
(Selbstmord), Ersticken 1, Erhängen I (Selbstmord), Lebensschwäche 32,
Abzehrung 33, Atrophie der Kinder 9. Scropheln 2, Altersschwäche 13,
Krebs 9, Wassersucht 2, Herzfehler 6, Hirnhautentzündung 8, Gehirn¬
entzündung 11, Apoplexie 14, Tetanus und Trismus 2, Zahnkrämpfe 2,
Krämpfe 33, Kehlkopfentzündung 8, Croup 6, Pertussis 3, Bronchitis 9,
Pneumonie 21, Pleuritis 6, Phthisis 54, Peritonitis 3, Eierstocksgeschwulst
1, Diarrhoe 46, Brechdurchfall 52, Magen- und Darmcatarrh 17, Ne¬
phritis 6, andere Ursachen 41, unbekannt 1.
Lebend geboren sind in dieser Woche 460 m., 430 w., darunter
ausserehelich 63 m., 62 w: todtgeboren 13 m., 14 w., darunter ausser-
ehelich 3 w. r
Die durchschnittliche Sterblichkeit während dieser Woche beläuft
sich auf 27,7 pro Mille der wahrscheinlichen Bevölkerungszahl, die ent¬
sprechende Geburtenziffer auf 44,8 pro Mille (beide Summen mit Aus¬
schluss von 1,4 pro Mille Todtgeborenen).
Witterung: Thermometerstand: 10,40 R., Abweichung:
— 0,40 R. Barometerstand: 27 Zoll 10,44 Linien. Dunstspan¬
nung 3,74 Linien. Relative Feuchtigkeit: 77 pCt. Himmelsbe¬
deckung: 6,1. Höhe der Niederschläge: 0,05 Pariser Linien (am
23. September).
1) Herr Dr. phil. Hugo Michaelis, Berlin W., Potsdamer-Str. 134a,
hat die Einsammlung der Beiträge übernommen.
VII. Amtliche Mittheilungen.
Personal!».
Auszeichnungen: Seine Majestät der König haben Allergnädigst ge¬
ruht, dem Assistenzarzt 1. Classe Dr. Villaret bei dem General¬
und Corps-Arzt des IX. Armee-Corps die Erlaubniss zur Anlegung
des ihm verliehenen Ritterkreuzes 2. Classe des Herzoglich sachsen-
ernestinischen Hausordens zu erthcilen.
Niederlassungen: Dr. Windelschmidt in Cöln, Dr. Schultz und
Dr. Firle in Bonn, Dr. Brack in Niederlahnstein.
Verzogen sind: Arzt Laudowicz von Grätz nach Gnesen, Dr.
Krusewitz von Himmelpforten nach Neuhaus a./O., Dr. Einstmann
vou Oederquart nach Neuhaus a./O., Dr. v. Platen von Bonn nach
Tübingen.
Apotheken - Angelegenhei ten: Der Apotheker Glaser hat die
Voss’sche Apotheke in Sachsenhausen, der Apotheker Lange die
Schenk'sehe Apotheke in Biedenkopf gekauft. Dem Apotheker
Grave me y er ist die Verwaltung der Wrede’schen Apotheke in
Beverstedt, dem Apotheker Simon die Verwaltung der Filial-Apo-
theke in Niederselters und dem Apotheker Schüler die Verwaltung
der Hartrath’schen Apotheke in Brüggen übertragen worden.
Todesfälle: Generalarzt a. D. Dr. Mette in Stettin, Kreis-Wundarzt
Dr. Kunze in Kosten, Dr. Steinkamp und Dr. Leske in Düsseldorf.
Bekanntmachungen.
Die Krcisphysicatstclle des Kreises Hofgeismar ist zur Erledigung
gekommen. Qualificirte Medieinalpersonell, welche sich um diese Stelle
bewerben wollen, wollen ihre desfallsigen Gesuche mit den nöthigen
Zeugnissen und einem Lebenslauf innerhalb 6 Wochen bei uns ein-
reichen.
Cassel, den 16. October 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Bewerber um die durch das Ableben des seitherigen Inhabers zur
Erledigung gekommene Kreis-Physicatsstelle für den Kreis llinteln werden
aufgefordert, ihre deshalbigen Gesuche innerhalb G Wochen unter Bei¬
fügung der nöthigen Zeugnisse und eines Lebenslaufes an uns einzu¬
reichen.
Cassel, den 17. October 1878.
Königliche Regierung.
Die mit einem etatsmässigen Gehalt von Neunhundert Mark jähr¬
lich verbundene Kreisphysicatsstelle des Kreises Leobschütz ist erledigt.
Qualificirte Bewerber können sich unter Einreichung ihrer Zeugnisse
und des Lebenslaufs binnen 4 Wochen bei uns melden.
Oppeln, den 23. October 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Die Kreis-Wundarztstelle des Kreises Tecklenburg ist vacant. Quali¬
ficirte Bewerber um diese SteUe werden hierdurch aufgefordert, sich
unter Einreichung ihrer Zeugnisse und eines ausführlichen Lebenslaufs
bis zum 1. D cember er. bei uns zu melden.
Münster, den 18. October 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Die Kreis-Wundarztstelle des Kreises Buk mit einem jährlichen
Gehalte von 600 M. ist erledigt. Qualificirte Bewerber wollen sich unter
Einreichung ihrer Zeugnisse und ihres Lebenslaufs fnnerhalb 6 Wochen
bei uns melden.
Posen, den 22. October 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Inserate.
Verlag von August Hirschwald in Berlin.
Lehrbuch
der
speciellen Chirurgie
für
Aerzte and Studireade
von
Dr. Franz Hoenftg,
odr. Professor der Chirurgie und Director der chirurgischen Klinik in Gottingen.
Zweite Auflage. Zwei Bände.
1878. gr. 8. Mit 351 Holzschnitten. 40 M.
Arzt für die Cap-Colonie gesucht.
Ein Arzt in der Cap-Colonie, welcher nach einem dortigen Auf¬
enthalte von 17 Jahren nach Europa zurückkehren will, wünscht seine
sehr einträgliche Praxis einem jüngeren Collegen zu übertragen.
Uebernahme möglichst noch in diesem Jahre. Bedingungen sehr
günstig. Nähere Auskunft durch
Bremerhaven. _■_ Diirkt I Mtf r.
Volontär«Arzt gesucht ^
An der Bezirksirrenanstalt Stephansfeld bei Brumath (Eisass) ist
die Stelle eines Voluntärarztes Mitte November zu besetzen. Gehalt
bei vollständig freier Station 600 M. Verpflichtung auf 1 Jahr. Mel¬
dungen sind zu richten an den Director
_ Dr. Stark. _
Im Flecken Lehnin, mit 2000 Einwohnern und 17 nahe umliegen¬
den Dörfern, ist das Bedürfniss für einen 2. Arzt sehr gross, und wird
sich derselbe hei seiner event. Niederlassung einer baldigen zahlreichen
Kundschaft zu erfreuen haben.
Lehnin, im October 1878.
__ Der Ortsvorstand. __
In der Heilanstalt Thonberg bei Leipzig ist; zum 1. Januar die
2. Assistentenstelle zu besetzen. Gehalt 1200 Mk. bei freier Station.
_ Dr. Gönti.
Ein sehr beschäftigter Arzt in einer Provinzialstadt sucht unter gün¬
stigen Bedingungen einen jüngeren Collegen als Assistenten. Offerten
unter U. T. 124 an Exp. d. BL
Ein jüngerer Arzt, der sich als mehrjähriger Assistent an der Nerven-
abthei lang einer Klinik hauptsächlich mit üTeuropathologie, Elek¬
trotherapie etc. beschäftigt hat, wünscht eine Stellung als dirigi-
render oder theilhabender Arzt an einer Heilanstalt seines Specialfaches
(Kaltwasserheilanstalt) zu übernehmen. Offerten sub M. G861 an Rudolf
Mosse, Frankfurt a./M.
Ein Badearzt, anfangs der Vierziger, erbietet sich zur Uebernahme
einer ärztlichen Praxis während der Wintermonate. Offerten unter
A. Z. 115 an die Expedition der Kl. Wochenschrift. _
Den verehrten Herren Collegen hiermit zur Anzeige, dass ich vom
1. November ab in Sanremo practicire. Behandlung Lungenleidender ver¬
mittelst Stickstoffinhalationen nach der Methode von Dr. Treutler in
Blasewitz. __ Dr. Porten
Mein Cursus der Laryngoscopic beginnt Dienstag den 5. November.
Zu dem nächsten (Anfangs Januar) nimmt noch Meldungen entgegen
Berlin W., Leipzigerstr. 122. Dr. A. Böcker,
früh. 1. Assistent b. Prof. v. Bruns.
Br. v. Wendt practicirt diesen Winter in Rom* Via Gregoriana,
No. 7, II.
Verlag und Eigenthum von August Hirschwald in Berlin. — Gedruckt bei L. Schumacher in Berlin.
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Di« Berliner KlimsüK» v jeden
Mout&g in <i«r SDvrltö \H tfrsfö3 $r. l<-.
PreiB nfcrt«lj4br\V?l} $ SD«A X < e« , te^ l 'ir.jfeo -üelim&p
all« BaoiiiaiX'Uim&üji und Pöst>\ji*t&H<H5 ae«.
Beitrag« wo»? men portofrei an die Redactioa
(N. % Darolheeuht; 7ft. TS,) oder an die Ver-
lagöbnchhanrlloTig tou August Iltrechwald in Ber¬
lin (K. W. Unter den Linden 68) eim.«fldan;
VI
Organ für practiscke Äerzte.
Mit Berücksichtigung der. pmissischen Medicinsivenvaitung und Medicinalgesetzgebung
nach amtlichen Mittheitangen.
Redacteur: Prof. Ör. L. Waidpnbfl«. Verlag von Aiigust Hirscliwald in Beifit
Montag, äen H, November 1878«
ü
45 .
Fünfzehnter Jahrgang.
Inhalt: i. SöhoeUri Bin Beitrag zur'Xeurctounia o-ptico-4Ji(aris; — fl. öaflky: BekaruJhifig öUrouischbr Oittyrackl^öige^hwÜT^ durch
BxrlBpaiuiuijgsnähto. — ÜB JlausswannZur BüJmuHiUrtg. tfttitö&r* Brustwait^Ä. •,— IV. pcfRvfbe: tlcbor dir .örtlich.^ Behandlung
der • Gebänaut.terbluiurigen .utofl Eotsüiidutigc». im WoHienheite. — V r . Muelier Warneb: Zur Behandlung der Diphthtvntfs vor und
noch der Tracheotomie .(Schluss).' - —. VI. Kritik (v. W u>i w&rlc.r: Beiträge zut .Statistik der Oarojriotne, mit besonderer ^Rücksicht auf
die dauernde. Heilbarkeil dtirnh operative. Behändl.uv>g). . — VH» Verhandlungen ärztlicher GoscdlÄchafüm (Berliner mydw’iuisvijv Gesell¬
schaft). — VIII. Feuilleton fStarckel Kriti&oW Br*.ot«?.|0ogctt im twu WißturaßfcntWrU uh Süden {Schlot] . — Messungen der
Käq,erlange — Tagesguschicbt Linke. Notizen).. ••— IX. ‘ AMtlwfi*. Mitfheilongtm, — Inserate.
I. Ein Beitrag xur Neiirotomia optico-ciliariü
.' • ' ■: %W .. -; .. - -
In. H ,.Äehoeler m Berlin.
Seif von -Grafe siüd zwei Methoden für die Buffermuig
von Cysticereeü ans den Ueler gelegenen Gebilden des Aug¬
apfels bis auf den hmdxgwn Tag. öb'l-lct*« Gufweder wird das
EiAtumtO nach Ausführung der von {Tr&fVkcfKm Lijnoarejstrac-
Bcm durch die x ordere Eannsmr e*iibuB<len mle* nach Arde*
g\\p f % ei per Srlcrab/ffmirig diroei dem Gki<lü*rper t-.vtrabirt.
V^nGrUftf cultivim in -SäitfSn lef&tVW Jahr?» mtt Vorliebe die
erster© Methode ^in ein er fast eAeliGi Veit Woip“ cf. AtTh. f.
(‘pbtk... Bü. XiY, Ah Hi. ö. p 145) nml rexurvirtc die iytzfere
•nwD .für. -Wo der Glask?lrper i?ehoii Sitz tiurider Eite*,
ni^^proee^e geworden war, üml die Lage des Eötozoohä Aich
nicht; mit-Siel«erkeif verrätb (cf. Bd. LX> Abth. p 44). tt.ic-
xtofü daC er^tere V.etfahm* bei Entbindung eiher durch kehligen
Linse tdekt ; iH.r bedeutend schwieriger ist, sondern dev Eingriff
als solcher an einem in der ftegol schon tmfzüudlüdi gerei^n n
Auge ein- ünvergkdrhiick schwererer Ist. So bevorzugte v öü GrAfa
dock Zu ft« Th eil mag: ein litibewu^Uvx BöstrCbeu das
Gebiet für seine mndibeirte LinearextraclioD müglfek^^ Er¬
weitern dafür mifkestlmmend gewesen sein, v»u .allem jedoeif,
leitete ihn die richtige Erkenp.tuiss von der Gefahr gfZs::^er»;r..'
. überladener ScleralVerletzungen.. u de«n : hei doni
>c!erabchnith *0 er liier zur sickeren Zwed^Tiefühurig
unthweridig ist, wird man nur &msc.rs>t .sEltcdr.eiwbs . anderes
aU ßju pbtbi^ii8ihe«. Auge erhalton^. So Kchlimnj liegen nun
!n utir am Tngv die Cb^JiCeu für den SclcTalsdmift unter ih-
• d'dxfhtüti§’ ^frwiswr Voii?ie^raa^tät^elii\ntckt mehr. Wird für
• ; pr Adüptafion der Scloralwtmdründer durch mericHf/uale
Sch tdttfÜliiTmg dxibr durch BiudehaetsTötirreii Sorge getfagoti, sc?
alten, sirh die Auftgengo d«» OperaHrj» in der feegel sehr
\ — Hinsichtlich der ferneren, bei letzterem Verfahren
die Wundhe.ilmig ohne SHirumpfung kediageuden Vorgänge
m.oclit-e irh Ziuu Belegt» dafür auf die von iJr. K rehs ver-
-ffonilichfe Ihsst-rtaHou: „1 elmv die Heilung perforirohdef Selb*
- VfflWöudeti mit uiitl »ohne Bipdehautlappen naeJl an Ka*f»pcUen
Geführten iAperimenten v: (Ikrlin, 1-S77:.• Verlag von G.
coli ii.de) verweisen.
.Trotz alledem giebt es Bälle vöri Oysfinnrceu uti Auge v
welche sieb Weder tut die Linearextractlou, iuk’Ii für die Ent¬
fernung per Scleram eigenen, in welchen die Patienten eine
&H>hfcnmg des gesunden Auges verlange» und doch zu einer
'BümdoaliPö des erkrankten ihre Einwilligung verweigern. In
einem solchen Falle hake ich zu einem, zuvor jedoch in diesem
GebitJto Tfieht atvgewaiidtei) Hiilfsmittel meine Zuflucht genomnten:
Herr Carl J v . Jidire alt, Ingenieur, an* Sparern borg bei
Teltow gebürtig, hätte Im Ocf/doiv 1077 an seinem linken Aoge
eines Morgeus ein nlbf'kev f^Dramerü heirterkf. welches bald ver¬
schwend U.aoo traten nach e.iuigeu Tag au mehrere srhw.'i'-ze
• Punkte im Cvcuehtsfclde aus deren Zahl, langsam -wuchs.., bis
z«; Weikfiachterj ein zärter Xebei alle G^geniitändo ihm vter-
hüllte. !to lanuor I s7 h wurde ein subrytinai gelegener Oy'tT
jcctciis Tm eTkranktftB Auge in eine? u-KI»nik
entdeckt und ndttalst Mertdiotialschuitt die Betera eröffnet.
;vl3ler-vör.sueh fiel jedook frucbt!o*T aus Am 11. März
d. J. trat Patient ih meiner Poliklinik auf. |)er dam ab protve-
cnfUdo Befund wa? fojggttflw*; Binde hont leicht gmitboit, kiope
Uuhtsclicu, kein TbrAireuträiifehu ausser einer zarten pericor-
.lmaieu Injecrioo eiTdiekt- .man lateral in einem Ahstando von
er. . Bf .Mm: von il>*m Umkos ein wenig iiher dom bori a cofd?ler<
Meridian der Cornea eine stärkere ohetflächlicbe Bindehaut-
vasemhirisatioM, enUprechend oinem meridioualen Wulste auf der
Fclera. Corncaf klar, PiipiHen^aetüm trag, die Iris erweitert
sieh auf Atropin mu langsam los auf mittlere Weite. Linse,
durchsichtig fm GläskorfHU liegen zur Peripherie hin klumpig
gckaltte schwarze Flocken und nach oben und aussen eine
staubförmige ausire de hüte Trübung präretinal.. Im umgekehrten,
Iblde erscheint die Pupille hypcrämisdi, Ketzliautgelasse weit.
Sö.ch öbed: und amteFo mdaprgciitrnd dftm ßind,i0häntwi i Isfa: er-
blickt män ihm' ä;?*agedu,!inte Ä 7 ctihautablösung' und zerstreut
grosse siihrefijmIo Blothiwkw Durch den diffiisen G!askOrp.*r-
mjhd (olutti moi auxsco) IsindUrch glückt, a* unter, grossen
Muhen unter der 'Netzhrmt ^n 1 (»fit. sorrara hin die Contourea
dm* bläuHoh geilen Cy^ovjvusi.la-a- zu erkeiimu»- In der darüber
gelegenen Netzhont HX cm Tu:-}fach vpnVTettes Systeib' v.m C. ; -
fätismn oirchtbaig de.sgleichim ^chf m>ifi ln dmivijäc.lprniegupdeii'
Glas kür [mtsc hieb ten VavculftrUätioib rr«>tz di^cs Befüoties he-
.frägt die Sehschärfe c. f , ('mit (-p : 30) Sn XL in 14*. %n \ ‘ Jt
in 4"). Öb> Tension tlessBulbu.*? ist nicht krankhaft vmoiiuicrt.
und besteht ein ati$gedehnter Gesich^feld^lefect nach untvm
.und Tunen..
Go» gl«
664
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Am 3. April des Jahres stellte sich Patient aufs neue mit
grösster Sorge um beide Augen vor. Seit kurzem ist die Seh¬
schärfe des linken auf Fingerzählen in 1—2' gesunken. Dabei
besteht Schmerzhaftigkeit auf Druck in der oberen Ciliargegend,
Lichtscheu, heftige pericorneale Injection, und stellte sich bei
leichter Lichscheu hin und wieder ein Flimmern auf dem ge¬
sunden Auge ein. Auf Atropin erweitert sich das von reich¬
lichen Gefässen durchzogene Irisgewebe des linken Auges nur
sehr partiell und lässt zahlreiche hintere Synechien zu Tage
treten. Ophthalmoscopisch hat sich auf demselben das Bild
jetzt dahin verändert, dass die Ablösung der Netzhaut bedeu¬
tend gewachsen und der staubförmige Glaskörperuebel oben
und aussen so stark geworden ist, dass die Lage des Cysti¬
cercus sich nicht mehr mit Sicherheit bestimmen lässt. Tension
subuormal. — Da Patient von der ärztlichen Kunst nicht nur
Schutz für das gesunde Auge, sondern auch die Erhaltung der
Form des erkrankten aufs dringlichste fordert, so war meine
Stellung im vorliegenden Falle, wo die Cyclitis bereits aufge¬
treten war, eine äusserst schwierige. Zu allen Eingriffen er¬
klärte sich Patient zwar bereit, ja verlangte die Vornahme
derselben sogar, aber stets nur unter der Einschränkung, dass
er nicht entstellt und dadurch im Erwerbe behindert würde.
Nach langem Schwanken wählte ich zu dem Zwecke die Durch¬
schneidung des Sehnerven und der Ciliarnerveu (Neurotomia
optico - ciliaris). Ausschlaggebend für die Einwilligung des
Patienten war schliesslich das Argument, dass im Falle des
Misslingen« diese Operation im Gegensatz zu allen Extractions¬
versuchen, bei welchen die Enucleation eventuell das Schluss¬
glied gebildet hätte, die letzte bliebe. Desgleichen war für
denselben von bestimmendem Einfluss, dass durch eine künst¬
liche Schaale, selbst im Falle die Erhaltung der Bulbusform
nicht glückte, so am besten der Fehler verdeckt werden könne.
Am 4. April tenotomirte ich den Rectus externus des
linken Auges, fasste den Muskel und die darüber gelegene Con-
junctiva in die Catgutsutur und durchschnitt mit einer nach
der Fläche gebogenen Scheerc den Sehnerv und die Ciliar¬
nerven. Nachdem ich das durchschnittene Nervenende durch
Rotation des Bulbus mir zur Ansicht gebracht hatte, vernähte
ich den Muskel und liess c. 10 Minuten lang den Augapfel
mittelst Schwamm bei geschlossenen Lidern comprimiren. Die
nach der Durchschneidung eingetretene Blutung war eine ge¬
ringe, dementsprechend auch die Protrusion des Bulbus eine
sehr massige und die Stellung beider Augapfel zu einander eine
correcte.
Ophthalmoscopisch liess die zehn Minuten nach der Durch-
schueidung vorgenommene Untersuchung leider das Detail an
dem Sehnerveneintritt nicht erkennen, da ein diffuser Bluterguss
im Glaskörper die Ansicht maskirte. Dagegen trat in der Peri¬
pherie die Ablösung der Netzhaut deutlich hervor. In den Durch¬
messern der auf der abgelösten Netzhaut, entsprechend dem Sitze
des Cysticercus, verlaufenden Gefässen war keine bemerkenswerthe
Aenderuug sichtbar. Nach Anlegung eines strammen Verbandes
legt sich Patient zu Bett. Schon nach drei Tagen verlässt
derselbe nach Ablauf der unerheblichen Reactionserscheinungen
dasselbe. Der Exophthalmus ist geschwunden, Stellung beider
Bulbi zu einander correct; nur nach aussen ist der Beweglich-
keitsdefect für das linke Auge noch ein bedeutender. Tension
des Bulbus — 2, brechende Medien klar. Nachdem am 4. Tage
Patient den Verband abgelegt hat, tritt auf der Cornea ein
wenig nach auswärts von dem Scheitel derselben eine c. 2 Mm.
im Durchmesser betragende, rundliche Trübung auf. Der grau-
weisse Ton derselben gewinnt langsam mehr und mehr au
Sättigung. Am 5. Tage beträgt dieselbe bereits c. 3 Mm. im
Durchmesser und exulcerirt ihre Oberfläche flach. Nach Ver-
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No. 45
Ordnung von Priesnitz’schen Umschlägen und gleichzeitigem
Verschlüsse des Auges durch einen Verband demarkirt sich die
Trübung, um in den nächsten acht Tagen stetig abzunehmen.
In der Zeit hat sich auch der Substanzverlust ersetzt und
lässt nur ein leicht grauer Hauch den abgespielten Process er¬
kennen. Selbst letzterer verschwindet mit der Zeit soweit, dass
nach 1—2 Monaten kaum noch focal etwas davon erkannt
wird. Patient selbst hat von diesem Vorgänge nichts empfunden.
Mit fortschreitender Genesung gleicht sich auch der Beweg-
lichkeitsdefect nach aussen bis auf einen unbedeutenden Rest
aus und steigt die Tension des Bulbus fast bis zur Norm. Die
j Hornhaut ist und bleibt insensibel und hat desgleichen der
Bulbus seine Empfindlichkeit auf Druck verloren. Die Weite
der Pupille ist eine mittlere, und haben alle Mydriatica, wie
Myotica ihre Einwirkung auf dieselbe cingebüsst. Diese letztere
Thatsache dürfte als Beitrag für die Lehre von der Muskelirri¬
tabilität von Bedeutung sein. So rein wie hier liefert der
Organismus kaum zum zweiten Male die Versuchsbedingungen,
um diese für die Physiologie so wichtige Frage zu lösen.
! In Folge des Eintrittes der Keratitis xerotica verzögerte
sich die ophthalmoscopische Besichtigung des Auges nach der
Operation. Erst am 14. Tage wurde Patient zum ersteu Male
wieder ophthalmoscopirt. Der Sehnerveneintritt erscheint, soweit
er erkennbar ist, massig blass. Die Retinalgefässe, welche sieb
j zur Peripherie hin zu verbreitern scheinen, sind spärlich und
lassen sich Arterien von Venen nicht unterscheiden. Nach oben
und aussen erblickt man einen Theil der Papille, verdeckend
eine weit in den Glaskörper vorragende grau-weisse Trübung,
und in derselben eingeschlossen eine schwärzliche Masse (ge¬
ronnenes Blut). Zur Peripherie hin nimmt man jetzt die
Netzhautablösung und den Cysticercus in überraschender Klar-
| heit war. Demnach hat sich der Glaskörpernebel vor dem-
! selben gelichtet oder gesenkt. Im übrigen zeigt das uphtbal-
moscopische Bild keine Veränderung zu dem vor der Durch-
sebneidung beobachteten, und fehlt jede Spur einer abnormen
Pigmentirung der Netzhaut. Trotz häufig wiederholter Be¬
trachtung ist mir nicht klar geworden, wie die Speisung der
Netzhaut durch die Gefässe jetzt erfolgt, und bleibe ich daher
bei der Wiedergabe des Wahrgenommenen stehen, ohne mich
zu früh in gewagten Erklärungen versuchen zu wollen *).
Nach drei Wochen wird Patient als genesen, frei von allen
Beschwerden, entlassen, und ist jetzt nach Verlauf mehrerer
! Monate das gesunde vom kranken Auge bei äusserer Betrach¬
tung nicht mehr zu unterscheiden. Demnach war in diesem
Falle der erstrebte Zweck erreicht und der Cysticercus völlig
gefahrlos für das gesunde Auge im insensiblen Bulbus ein¬
geschlossen worden.
Nach meinen bisherigen Erfahrungen über die Neurotomia
optica-ciliaris, welche ich bereits 30 Mal auszuführen Gelegen¬
heit fand, möchte ich jetzt in folgenden Fällen die Neurotomie
statt eines Extractionsversuches zu wählen geneigt sein: 1) muss
die Sehschärfe auf mindestens Fingerzählen in nächster Nähe
oder noch tiefer gesunken sein und dabei das nicht erkrankte
Auge sehtüchtig sein; 2) muss bereits cyclitische Reizung da¬
gewesen sein oder noch dasein; 3) würde ich jeden Versuch
einer Extraction als unerlaubt verwerfen, wenn schon auf dem
1) Ebensowenig, wie mir, ist es Dr. Behring (cf. Dissertati-n
1878. G. Schade. Ucber die Neurotomia optico-ciliaris) fegitzusit'll#
geglückt, woher die Netzhaut nach der Sehn e rvend u ich sc h n •' i d un£ mit
Blut versorgt wird. Grüning giebt an (cf. Arch. f. Augen- und Ohren¬
heilkunde 1877, p. 36), unmittelbar nach der Durchschneidung die öe-
fässe mit Blut gefüllt erblickt zu haben. Zu vergleichen ist ienu‘ r
auch der Bericht von I)r. H. Pagenstecher (Arch. f. Ophth., Bd. X\.
Abth. 1, p. 223-243).
Original fro-m
UNIVERSITf OF MICHIGAN
11. November 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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gesunden Auge die ersten Anfänge einer sympathischen Reizung
sich bemerkbar machten. Demnach dürften für die Extraction
vorzüglich nur die frischesten Fälle, wo vor Eintritt der Cyclitis
noch ein grosser Bruchtheil der Sehschärfe erhalten ist, zu
reserviren sind.
Solange keine totale Eiterinfiltration innerhalb des Bul¬
bus sich ausgebildet hat, wird derselbe seiner Form nach
bei der Neurotomie wohl in der überwiegendsten Mehrzahl der
Fälle, wenn nicht immer zu erhalten sein. Voraussetzung da¬
für bildet jedoch die Berücksichtigung gewisser Vorsichtsmass-
regeln. Vor allem muss durch gleichmässige Digitalcompression
nach der Durchschneidung ein stärkeres Anwachsen des Exoph¬
thalmus vermieden und ferner auf sorgfältigen Lidschluss wäh-
reud der ersten Tage geachtet werden (Feuer). Nur das zu
frühzeitige Ablegen des Verbandes verschuldet beim Patienten
im vorliegenden Falle die Keratitis neuroparalytica s. xerotica.
Seit ich anlässlich dieses Zufalles mit besonderer Sorgfalt auf
den Lidschluss achte, ist mir keine K. xerotica mehr vorge¬
kommen, trotzdem bereits nachher in 16 Fällen die Neurotomie
von mir ausgeführt worden ist. Sollte jedoch in vereinzelten
Fällen die Erhaltung der Form des Bulbus bei der Neurotomie
nicht erzielt werden können, so ist dieses Missgeschick durch
die Prothesis einer passenden Schale meist völlig ausgeglichen.
In jedem Falle entgeht Patient einer nachträglich nach der
Extraction eventuell noch vorzunehmenden Enucleation, resp.
im Verweigerungsfalle der Herausnahme des Auges, den trüben
Chancen einer sympathischen Uebertragung cyclitischer Reizzu¬
stände auf das gesunde Auge. i
Da in der Berliner klin. Wochenschrift (cf. No. 17, 20, 22. j
1877) die ersten Fälle der Neurotomia optico-ciliaris, welche !
von mir ausgeführt wurden, besprochen worden sind und auch
von anderer Seite hier Stellung zur Frage genommen ist (cf.:
Ueber sympathische Augenleiden von Professor Dr. Schweigger
No. 20, 1877), so sei es mir auch hier zum Schlüsse meiner
Mittheilung vergönnt, eine geschichtliche Entwicklung dieses
Operationsverfahreus zu geben. Einen Theil der aufgeführten
Quellen verdanke ich den entgegenkommenden Bemühungen
meiner Collegen Dr. Hirschberg und Professor Schweigger. j
Der erste, welcher den Sehnerven zur Verhütung sympathischer
Ophthalmie zu durchsclmeiden vorgeschlagen hat, ist meines j
Wissens Professor von Gräfe (Arch. f. Ophth. Bd. III, Abth. 2, j
pag. 454) gewesen. „Wäre es nun sicher, dass es sich hierbei
um ein substantielles Leiden des Sehnerven handelte, so könnte
man allerdings an einen wahrhaft nervösen Einfluss als Hebel
der sympathischen Affection denken, man würde in der schon
zur Lösung so vieler dunkler Fragen angerufenen Commissura
arcuata anterior des Chiasma vielleicht eine anatomische Basis
für eine solche Anschauung zu finden meinen. Anmerkung:
Um hierüber ins klare zu kommen habe ich vorgeschlagen, in
ähnlichen Fällen statt der Exstirpatio bulbi die Durchschnei¬
dung des Nervus opticus zu machen. Es hätte dies unter
geeigneten Umständen zugleich den Vortheil einer Erhaltung
des Bulbus. Dieser Vorschlag ist, soviel ich weiss, von Dr.
A. Weber in Darmstadt zuerst ausgeführt worden.“ Zu den
nach Mooren (Ueber sympathische Gesichtsstörungen, Berlin
1869, pag. 145) gerade nicht zahlreichen Nachahmern dieses
Verfahrens gehört Rheindorff. Hirschberg (cf. Centralblatt
f. Augenheilkunde, Juli 1878) entnehme ich folgendes Citat aus
der preisgekrönten Monographie Rheindorff’s aus dem Jahre
1865. „Je considerai que Paffection del’oeil droit (Neuroretinitis,
Pericornealinjection, hochgradige Sehstörung, hartnäckig, seit
Monaten vergeblich behandelt) etait sous la dependance de celle
de l’oeil gauche et puis que la malade ne voulait pas se
laisser pratiquer l’excision de cet oeil, je me bornai ä faire
la section du nerf optique de ce cote. Quatre jours apres l’ope-
ration la vue de l’oeil s’etait amelioree de quatre numeros de
Jaeger. Heilung dauernd.“ Ausser diesem dürfte es trotz der
seltenen Ausführung der Operation noch ein oder den anderen
Fall geben, wo in Folge der Sehnervendurchschneidung, wenn
gleichzeitig die erkrankten Ciliarnerven, wiewohl nur unabsicht¬
lich, durchtrennt wurden, eine dauernde Beseitigung aller Reiz¬
zustände erzielt worden ist. Dass dieses letztere Accidenz je¬
doch nicht im Operationsplane ein geschlossen liegt, sondern
durch die Sehnervendurchschneidung sogar cyclitische Reiz-
zustände wach gerufen werden, das lehrt der von Landes¬
berg publicirte Fall (cf. Arch. f. Ophth. Bd. XV, Abth. 1, pag.
204). Wie die nachträglich nothwendig gewordene Enucleation
erwies, war hier der Sehnerv völlig durchtrennt worden,
und traten trotzdem nach der Neurotomie eine für das ge¬
sunde Auge so gefahrvoll sympathische Ophthalmie des ope-
rirten auf, dass letzteres alsbald nach 3 Wochen entfernt werden
musste. Ergiebt sich aus dem soeben aufgeführten bereits bei
einiger Aufmerksamkeit die fundamentale Verschiedenheit zwi¬
schen der Neurotomie des Opticus und der Neurotomia optico-
ciliaris, so dürfte dieselbe noch schärfer gekennzeichnet werden
durch die ablehnende Haltung von Gräfe’s derselben gegen¬
über in einer späteren Zeit (cf. klin. Wochenschrift 1867, pag.
320). „Ueber Durchschneidung des Opticus. Diese Operation
habe ich früher statt der Enucleatio bulbi empfohlen da, wo
sympathische Ophthalmie droht. Es war zu einer Zeit, wo man
noch dazu neigte, die Sehnerven als Leiter der sympathischen
Affection zu betrachten. Jetzt wo man diese Rolle auf die
Ciliarnerven überträgt, und zwar mit guten Gründen, ist auch
jener Empfehlung der Boden entzogen und es könnte sich, wenn
man die Enucleation umgehen will, nur um Durchschneidung
der Ciliarnerven bandeln. Sümmtliclie Ciliar nerven mit
Erhaltung des Bulbus zu durchsclmeiden wird füglich
unthunlich sein, dagegen kann ein Theil derselben, für
dessen Auswahl die Schmerzempfindung des erblindeten Auges
eine Richtschnur giebt, sowohl extra scleram. als intra scleram
durchschnitten werden. Die Umstände wegen deren ich Ihnen
heute die Opticusdurchscbneidung empfehle, sind ganz anderer
Art. Es kommen zuweilen an erblindeten Augen so quälende
Licht- und Farbenempfindungen vor, dass wir einzuschreiten
Grund haben und musste ich mehrmals mich derentwegen zur
Enucleation des Bulbus anschicken.“ — Dieser letzteren Empfeh¬
lung ist Landesberg bei seinem schon früher besprochenen
Falle gefolgt.
Wenn demnach Vignaux in seiner Monographie (De l’oph-
thalmie sympathique etc. par Vignaux, Paris 1877) die These
aufstellt: „De Gräfe indiqua encore de couper le tronc du
nerf optique dans l’orbite, il avait saus doute pour but de cou¬
per ainsi les nerfs ciliaires,“ so geht aus dem soeben mit-
getheilten gerade unzweifelhaft hervor, dass von Gräfe nie¬
mals alle Ciliarnerven extra scleram zu durchschueiden em¬
pfohlen hat. Ob dieser Vorschlag, alle Ciliarnerven zu durch -
schneiden, welchen Rondeauschon 1866 gemacht hat (cf. Gaz.
med., p. 442, 1876), jemals ausgeführt worden ist, ist mir nicht be¬
kannt. Ebenso, wie v. Gräfe, würde ich jedoch denselben ohne
gleichzeitige Sehnervendurchschneidung zum Ersatz der Enuclea¬
tion empfohlen, als „füglich unthunlich“ bezeichnen. Von einer
Sehnerven-Ciliarnervendurchschneidung ist hingegen bei v. Gräfe
nirgends die Rede, wahrscheinlich weil ihm, wie allen übrigen
seiner Zeit, die Erhaltung des Bulbus auf insensible Weise unmög¬
lich erschienen ist. Desgleichen mag die Furcht vor einer Wieder¬
vereinigung der durchschnittenen Ciliarnerven, weiche bei der
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666
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Ne. 45
bei der Neurotomie des Opticus geübten Technik nicht un¬
begründet war (Mooren führt [1. c.] einen Fall von Arlt aus
der Zeitschrift der Wiener Aerzte, neue Folg. 11, pag. 152 auf,
wo letzterer sich nach einer vorgekommenen Durchschneidung
thatsächlich von einer Wiedervereinigung der Ciliarnerven über¬
zeugt hat), wie die leichte Technik der Enucleation nicht ohne
Einfluss auf sein Verhalten in der Frage gewesen sein. 1 ) Was
die nach Ablehnung der Sehnerven-Ciliarnervendurchschneidung
extra scleram aufgestellten Vorschläge von Gräfe zur Verhütung
sympathischer Entzündung anbetrifft, so ist deren Schicksal
folgendes:
Die partielle Neurotomie der Ciliarnerven extra scleram
auszuführen ist Sn eilen (cf. Arch. f. Ophth., Bd. XIX, Abth. 1,
pag. 251) in einem Falle geglückt. Weitere Fälle derart sind
mir nicht bekannt. Ein im Wesen der Sache liegendes enges
Indicationsgebiet, wie vor allem eine nicht wegzustreitende
Unsicherheit, entweder nicht genug gethan zu haben, oder selbst,
wenn instantan der erstrebte Zweck erreicht war, bei wandern¬
dem Druckschmerz etliche Male womöglich das Verfahren
wiederholen zu müssen, dürften an der Singularität der Aus¬
führung überwiegend betheiligt sein. Den anderen Gedanken
von Gräfe’s der intraoculären Durchschneidung der Ciliar¬
nerven hat E. Meyer in Paris zur Begründung eines eigenen
Operationsverfahrens entwickelt. Eine weitere 2 ) Verbreitung
in der Praxis hat dasselbe jedoch nicht gefunden, da ihm, wie
bereits Mooren (1. c.) nachweist, die Gefahren des älteren
Him ly- W illiam’sclien Verfahrens im erhöhtem Massstabe an¬
haften.
Nach alledem können wir von Gräfe trotz aller ingeniö¬
sen Vorschläge in der Richtung n'cht als Förderer der Neuro-
tomia optico-ciliaris auffassen. Im Gegentheil erscheint uns
bei möglichster Objectivirung des Urtheils gerade die Stellung
von Gräfe’s es zu verschulden, dass nach Aufgabe der Neu¬
rotomie des Opticus die Enucleation der Nervendurchschneidung
den Rang ablief.
Verletzungen der Augen, bei welchen nach Zerreissung der
Sehnerven und der Ciliarnerven ein aus der Augenhöhle hervor¬
gedrängter Bulbus reponirt und sorgfältig vernäht mit Erhaltung
der Form einheilte (cf. Boucheron 1. c.), wie auch die von
Knopp und nach dem Vorbilde Knopp’s von Gräning 3 ) mit
dem gleichen Erfolge (cf. Arch. f. Augen- und Ohrenheilkunde
1877, pag. 36) ausgeführte Ausschälung von Sehnervenge¬
schwülsten, stellten die Möglichkeit der Ausführung der Neu-
rotomia oplico-cilioris selbst mit Erhaltung der Bulbusform zwar
fest, doch sind dieselben nicht in dem Sinne ausgenutzt worden.
Erst Boucheron war derjenige, welcher zuerst planmässig
durch Thierexperimente die Möglichkeit einer Erhaltung des
Bulbus nach Durchschneidung des Sehnerven und der Ciliar¬
nerven auf insensible Weise erwies (Gaz. med. 1876, pg. 442).
Nach seinen Studien an der Leiche schlägt derselbe vor,
folgendermassen am Menschen zur Verhütung sympathischer Ent¬
zündung in allen den Fällen, wo es nicht zur Vereiterung des
Bulbus kommt, vorzugehen: „Zwischen dem M. rect. sup. und
rect. int., einen Centimeter von der Cornea entfernt, dureh-
1) Auch J. Maats in seiner untei Donders gearbeiteten Disserta¬
tion (De sympathische Aandoeningen von het oog: Utrecht 1865) urtheilt
ähnlich über die Sehnervendurchschneidung: Bij de gemakkelijke uitover
baarheid en de onschadelijkheid der enucleatio bulbi schynt dese
doorsnijding gcene aanbeveling tc verdienen, te minder, wijl het te voor-
zien is, dat enkele nervi ciliares aan de doorsnijding zullen ontsnoppen.
2) Secondi in Genua und Lawrence in London haben gleich¬
falls das Verfahren Meyer’s ausgeübt, (cf. Centralbatt, pag. 130. 1878).
3) Ein gleicher Fall liegt noch von Mauthner und von H. Pagen-
steclier (Arch. für Ophth. Bd. XV. x\bth. 1) vor.
schneidet man die Conjunctiva und die Tenon’sche Capsel. Da¬
rauf dringt man mit einer gekrümmten Scheere zwischen der
Tenon’schen Capsel und der Bulbusoberfläche vor. Indem man
nun das Auge nahe bei der Hornhaut mit einer starken Haken-
pincette fasst und nach vorne zieht, spannt man den Sehnerv,
bis die Branchen der Scheere einen harten Strang berühren
nnd durchschneidet denselben. Ebenso werden die Ciliarnerven
und Ciliargefässe mit einigen Sehnervenschnitten durchtrennt
Die geringe Blutung wird leicht durch Compression des Aug¬
apfels gestillt.
Will man ganz sicher gehen, dass kein Ciliarnerv undurch¬
schnitten geblieben ist, so vergrössert man die Eingangs wunde
und fasst mit Hülfe einer zweiten Pincette die Sclera in ihrem
hinteren Abschnitte. Dann ist es leicht, dieselbe nach vorn zu
rollen und so sich das durchschnittene Nervenende zur Ansicht
zu bringen.“
Boucheron hat, wie hervorgehoben werden muss, dieses
Verfahren an der Leiche ersonnen. Dass derselbe es auch
am Menschen wirklich ausgeführt hatte, dafür liegt bisher keine
Publication vor. (Anmerkung: Nach einer privaten Mittheiluug
des Herrn Collegen Dr. E. Meyer aus Paris soll B. die Opera¬
tion auch am Menschen ausgeführt haben. Jedenfalls sind seine
Resultate wohl nicht derartige gewesen, um denselben zu einer
Publication derselben zu veranlassen. Sein Vorschlag ist nicht
nur mir, sondern allen Berliner Collegen völlig unbekaunt ge¬
blieben, wie der Verlauf der Debatte in der medicinischen Ge¬
sellschaft lehrt (Berl. klin. Wochenschr. 1878, 1. c.). Auch die
deutsche ophthalmologische Presse, soweit sie mir zugänglich
war, hat diesen Vorschlag unbeachtet gelassen. Ob der Mangel
practischer Erfahrung am Menschen dieses Uebergehen ver¬
schuldet, oder die aphoristische Form der Mittheilung ein Ueber-
sehen ermöglicht, mag und kann ich nicht entscheiden.)
Al ein Verfahren, mit welchem ich ohne Kenntnis* der
Boucheron’schen Arbeit in die Oeffentlichkeit trat, lehnt sich
in der Technik dem seinigen anfänglich sehr an, später jedoch
dem von Landesberg bei der Sehnervendurchschneidung geüb¬
ten. In der bereits mehrfach erwähnten Sitzung der medici¬
nischen Gesellschaft vom 21. Januar 1878 berichtete ich ah
erster über mehrere Fälle von Sehnerven- und Ciliarnerven¬
durchschneidung am Menschen. Dass das Indicationsgebiet.
welches ich für dieselbe aufstellte, nicht zuweit gegriffen war.
und dieselbe bestimmt ist die Enucleatio bulbi mit Ausnahme
der Fälle maligner Tumoren völlig zu verdrängen, scheint die
Erfahrung der jüngsten Zeiten nach den mir zufliessenden Mit¬
theilungen zu bestätigen. Im Gegensätze dazu müssen die alteu
Durchschneidungen des Opticus, die intraoculäre Neurotomie
der Ciliarnerven als Verfahren bezeichnet werden, welche ver¬
schwindend selten ausgeübt die Ausschälung des Bulbus fast
uneingeschränkt floriren Hessen.
Mooren (1. c.) sagt in seiner Monographie über sympa¬
thische Gesichtsstörungen: „Es scheint nicht, dass diese Ope¬
ration ausser durch A. Weber von vielen anderen Ophthalmo¬
logen ausgeführt ist. In keinem Falle möchte ich glauben, dass
sie ihren Zweck erreichen kann“ etc. — Männern, wie Professor
Cohn in Breslau, welche im Besitze einer grossen ophthalmo-
logischen Statistik sich befinden, dürfte es leicht werden, z»
bestimmen, ob diese Aufnahme der Neurotomia optico-ciliaris
vom 9. Sept. 1876 oder vom 21. Januar 1878 an datirt, und
ob überhaupt vor dem letzteren Datum eine Sehnerven-Ciliar*
nervendurchschneidung zum Ersätze der Enucleation von irgend
einem Collegen ausgeführt worden ist.
Was das von Professor Schweigger (doch wohl erst nach
dem 21. Januar 1878?) in Anwendung gezogene Verfahren au*
betrifft, so sei zum Schluss erwähnt, dass ich in demselben
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Original fro-m
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11. November 1S78.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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nichts erblicke, was ihm den Werth einer besonderen Methode
verleihen könnte. Ob man den M. rect. extr. oder M. rect. int.
tenotomirend den Sehnerven und die Ciliarnerven von aussen
oder innen durchschneidet, halte ich für gleichgültig. Zwar
mag sich der Sehnerv beim Zugänge von innen straffer spannen,
doch wird dieser geringfügige Vortheil durch die unbequeme
Handhabung der Instrumente von der Nase aus reichlich auf¬
gewogen.
Daher wird wohl dieser Aenderung nur vom Gesichtspunkte
individueller Liebhaberei ihr Gebrauchswerth zugemessen werden
dürfen. Rühmend hingegen möchte ich noch hervorheben,
dass Professor Schweigger der erste meiner hiesigen Special-
collegen gewesen ist, welcher den Gedanken der präventiven
Neurotomia optico-ciliaris zur Verhütung sympathischer Erkran¬
kung im weitesten Massstabe acceptirt und aufs eingehendste
begründet hat.
11. Schaiding chronischer Unterschenkelgeschwüre
durch Entspannngsnähte.
Von
Assistenz-Arzt Dr. CtafTky in Kiel.
Wohl einem jeden Hospitalarzte, vorzugsweise häufig aber
dem Militärärzte kommen chronische Unterschenkelgeschwüre
zur Beobachtung, deren Resistenz gegen alle therapeutischen
Bestrebungen in gar keinem Verhältniss zu ihrem Character
steht. Es sind das Hautgeschwüre, die, meist vor der inneren
Tibiafläche liegend, oft 3 bis 4 Wochen und mehr, selbst bei der
rationellsten Behandlung, zu ihrer Heilung erfordern, trotzdem
sie nicht auffallend gross sind, gute, im Niveau der Haut lie¬
gende Granulationen zeigen, und die Umgebung frei von Vari-
cositäten ist. — Hat man aber das Geschwür endlich zur
Heilung gebracht und den Patienten nach schonenden, allmälig
immer ausgedehnteren Gehversuchen entlassen, so — kommt
er nach 8 Tagen mit demselben Geschwür wieder ins Hospital.
Die Ursache dieser Erscheinung beruht wohl nach der all¬
gemeinen Ueberzeugung auf der grossen Spannung der Haut,
durch welche eine fortwährende Zerrung an dem Geschwür
selbst in der Ruhe, vielmehr aber noch bei Bewegungen aus¬
geübt wird.
Diese Spannung kann man heben durch die Circumcision,
ja, aber man setzt neue Geschwüre, die schliesslich doch nach
Retraction der Narben den alten Zustand wieder eintreten lassen.
Ich habe die Heilung zu erzielen gesucht durch Bildung
von subcutanen Narben, deren Retraction einzig und allein in
der gewünschten Richtung wirkt, und die das Geschwür nicht
nur heilen, sondern es auch geheilt erhalten sollen und zwär
durch dauernde Entspannung und Fixation zugleich.
Das Princip ist dasjenige der von Gaillard angegebenen
Entropiumnaht. Ausgeführt wird die kleine, sehr reinliche Ope¬
ration folgendermassen:
Man lässt durch einen Gehülfen zwischen Daumen und
Zeigefinger beider Hände in der Längsrichtung des Unterschen-
Fäden angelegt.
kels eine Hautfalte, auf deren Höhe das Geschwür liegt, erheben
und stark von den unterliegenden Theilen abziehen. Sodann
stösst man etwa */ 4 Ctm. oberhalb des oberen Geschwürsrandes
eine gerade Nadel mit einem carbolisirten Seidenfaden an der
Basis der Falte durch und circa 2 Millimeter daneben wieder
zurück und knotet die Enden zusammen, so dass die Hautfalte
stehen bleibt. Eine gleiche Naht — der Gehülfe darf inzwischen
die Hautfalte nicht loslassen — legt man etwa 3 / 4 Ctm. unter¬
halb des Geschwürs an.
Nach 40 bis 50 Stunden werden die Nähte entfernt; die
Hautfalte sinkt langsam zurück, die Stichcanäle eitern und
stossen etwas necrotisches Unterhautfettgewebe aus; die sich
bildenden Narben retrahiren sich und entspannen dauernd das
Geschwür.
Statt der carbolisirten Seide Catgut anzuwenden, halte ich
nicht für rathsam, weil ja ein Durchschneiden der Nähte be¬
absichtigt wird; dagegen empfehle ich die antiseptische Be¬
handlung, da ich ohne dieselbe in einem Falle am 2. und
3. Tage fieberhafte Erscheinungen beobachtet habe, die aller¬
dings den Erfolg nicht beeinträchtigten.
Die Entfernung der Nähte hat
wegen der erfolgenden Anschwellung
der Haut ihre Schwierigkeiten; die¬
selben sind indess leicht zu ver¬
meiden, wenn man ein zweites Fäd-
chen an der Seite, wo der Knoten
nicht liegt, unter dem einschnören-
den Faden durchlegt.
Sollte man selbst den ganzen Knoten abschneiden, so zieht
man den Faden leicht mit Hülfe des zweiten Fädchens aus
dem Canal hervor.
Selbstverständlich hat man darauf zu sehen, dass man die
Suturen nur durch das Unterhautfettgewebe legt und nicht
tiefere Theile durchsticht.
Der Patient fühlt von der kleinen Operation kaum etwas,
wenn man vorher einige Minuten eine Kältemischung auf die
Haut applicirt hat.
Wenn ich die vorstehenden Zeilen schon jetzt veröffent¬
liche, so geschieht es, um das Verfahren der Prüfung der Herren
Collegen anheimzugeben, da mir selbst zur Zeit wenige Fälle
zu Gebote stehen.
Ich habe es bis jetzt zweimal mit gutem Erfolg ausgeführt.
In dem einen Falle heilte ein vor der Tibia liegendes, 3 Ctm.
langes, 1 Ctm. breites Geschwür, das aus einer leichten Con-
tusion hervorgegangen, 4 Wochen lang ohne Erfolg im Lazareth
behandelt war, unter einem Schorf, der sich nach Anlegung
der Nähte am 1. Tage bildete, ohne einen Tropfen Eiters.
Id. Zur Behandlung wunder Brustwarzen«
Von
Dr. Haussmann in Berlin.
Der von Herrn Stabsarzt Dr. Steiner (d. Wochenschr. No. 27)
veröffentlichte Aufsatz ist mir leider erst in den letzten Tagen be¬
kannt geworden, und komme ich deshalb so spät dazu, meinen
ersten (No. 14 d. Wochensch.) mit einigen Worten zu vertreten und
zu ergänzen. Herr Steiner, welcher die von mir ermittelte Wir¬
kung der Carbolsäure (5 °/ 0 ) auf die wunden Brustwarzen in allen
Punkten bestätigt, empfiehlt dieselbe oder eine 6%ige Lösung
nicht durch die von mir gebrauchten Umschläge, sondern durch
einen Pinsel täglich ein- bis zweimal aufzutragen, in der Ueber¬
zeugung, durch sein Verfahren das von mir angestrebte Ziel,
»die Mündungen der feinsten Lymphgefässe zu durchdringen, <c
sicherer und vollkommener zu erreichen. Gegen diese tech-
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
66 S
nische Aenderung — die von Herrn Dr. Bernhardi (diese
Wochenschrift No. 26) erwähnte Salbenform (0,5 auf 10,0) ist
meinem Ideengange nach ebenso, wie das von Herrn Steiner
zuerst verwendete Carbolöl das Gegentheil einer Verbesserung,
da das Fett oder Oel das Durchtränken der wunden Stellen
mit der Lösung offenbar erschwert — Hesse sich nichts ein¬
wenden, obgleich die von mir verordneten 5 % igen Umschläge
sogar noch ein etwas stärkeres Brennen als die 6 % gen Ein¬
pinselungen nach den Angaben des Herrn Steiner verursachten,
also unzweifelhaft auch die wunden Stellen der Brustwarzen
ätzten, aber es scheint Herrn S. entgangen zu sein, dass
ich durch meine Methode etwas mehr als bloss eine Aetzung
und Zerstörung der etwa in die wunden Stellen eingedrungenen
organischen Stoffe oder parasitären Keime angestrebt und diesen
Plan bei der Unmöglichkeit, einen streng aseptischen Verband
anzulegen, durch die nach jedem Säugen des Kindes zu erneuern¬
den Umschläge durchzuführen gesucht habe. Am Schlüsse
meines Aufsatzes habe ich ausdrücklich uüd in gesperrter
Schrift hervorgehoben, dass die von mir angewendeten Um¬
schläge ermöglichen, „nicht nur einzelne durch den kindlichen
Mund, sondern eben alle durch die Wöchnerin oder den Arzt,
die Wärterin mit ihren Händen oder Schwämmen u. s. w. auf
die wunde Brustwarze übertragenen vermehrungsfähigen, para¬
sitären Keime oder infectiösen organischen Stoffe irgend welcher
Art sofort zu zerstören“. Dieses „sofort“ auszuführen, ist
aber bei dem vod Herrn Steiner eingeschlagenen Verfahren
ausgeschlossen, und eben deshalb ist es mir nicht auffällig,
dass er die von mir als die stärkste gebrauchte Carbolsäure-
lösung als die schwächste hier zulässige ansieht. Es verblei¬
ben ja die übertragbaren Stoffe, welche etwa zwischen den
ein bis zwei von ihm täglich gemachten Einpinselungen auf
die wunden Steilen gelangen, so ausreichend lange dort, dass
die mit der Carbolsäure ausgeführte nächste Aetzung ein¬
mal auch zu spät kommen kann, um einem Vorschreiten der
Infection vorzubeugen. Wissen wir ja, dass die Bespülungen
der Gebärmutterhöhle mit der Carbolsäure im Wochenbett mit¬
unter auch zu spät kommen und dann das Weiterschreiten
der Infection nicht mehr verhüten können, und ist es ja ferner
ein in der Chirurgie anerkannter Grundsatz, die aseptische
Behandlung nicht einen Augenblick zu unterbrechen. Nur weil
die letztere hier nicht mit aller Strenge durchgeführt werden
kann, beschränke ich mich darauf, die wunde Brustwarze ausser
der Zeit, in welcher sie vom Kinde benutzt wird, durch dauernd
liegende Umschläge vor jeder Infection zu schützen, zu welcher
ihre häutige Berührung von den verschiedensten Seiten einen
nur allzu reichlichen Anlass bietet. Wenn nun auch die Mehr¬
zahl dieser Uebertragungen durch die nöthige Vorsicht ver¬
mieden werden kann, so giebt es doch eine Quelle der Ver¬
unreinigung der Brustwarzen, welche hier mit einigen Worten
besprochen werden soll, da es in der Regel sehr schwer ist,
sie ganz zu beseitigen und ihrer meines Wissens nirgends
gedacht wird: ich meine die Verunreinigung der wunden Brust¬
warze durch die von der Überfliessenden Milch durchnässte
Wäsche der Wöchnerin. Grade in den ersten Wochen, in
welchen die wunden Brustwarzen am häufigsten beobachtet
werden, trinken die meisten Säuglinge noch wenig, und es ist
etwas nicht ungewöhnliches, dass die reichlich abgesonderte
Milch 1 bis 2 Stunden nach ihrem letzten Anlegen die Wäsche
nnd selbst die Kleider der Frau durchdringt. Dies kehrt in
24 Stunden 6—8 Mal wieder, und so taucht, da nur wenige
Frauen so oft als nöthig die Vorlage durch eine neue ersetzen,
die wunde Brustwarze eigentlich ununterbrochen in eine Lache
alter Milch. Nun braucht man nur ein einziges Mal gesehen
zu haben, wieviel der kleinsten parasitären Organismen sich
No. 45
schon in wenigen Stunden auf offen stehender ungekochter Kuh¬
milch bei eiuer Wärme von 30° C. entwickeln — diese wird am
Körper überschritten, und ausserdem begünstigt die zuckerreichere
Muttermilch die Keimung der Parasiten — um zuzugeben, dass
' einer so andauernden parasitären Invasion gegenüber eine ein-
oder zweimal täglich ausgeübte starke Aetzung hie und da
einmal nicht ausreichen wird; Misserfolge nach dieser Methode,
welche Herr Steiner zwar nicht zu verzeichnen hat, könnteu
nicht überraschen, da er nicht den geringsten dauernden Schutz
ins Auge fasst. Wollte man auch nur dieser Verunreinigung
der Brustwarzen allein Vorbeugen, so sind die von mir mit
vollem Bedacht empfohlenen Umschläge unentbehr¬
lich, und möchte ich auf deren dauernden Gebrauch in keinem
Falle verzichten, wenn auch eine ausserdem täglich zweimal
vollzogene Bepinselung der wunden Stellen geeignet ist, die
Heilung der wunden Brustwarzen noch mehr zu sichern.
Es würde zu weit führen, hier die anderen und zum Theil
sicher weit bedenklicheren Infectionsquellen der Schrunden der
Brustwarzen ebenso ausführlich zu besprechen, zumal deren
bereits von mir erwähnter Ursprung in der Regel leicht zu
ermitteln ist: der Erfolg der von mir geübten Behandlung
spricht durchaus zu Gunsten der von mir angeführten Ursachen
ihrer zögernden Heilung und bestimmt mich deshalb in jedem
neuen Falle allen etwa nicht be- oder erkannten Infections-
ursachen nachzuspüren, und .theils durch deren Aus¬
schliessung, theils aber auch durch die andauernde
Desinfection der Wunde ihre Vernarbung zu erstreben.
Es dürfte manchen interessiren, dass, w T ie ich vor kurzem
gelesen habe, schon vor Jahrhunderten fäulnisswidrige
Stoffe zur Verhütung wunder Warzen am Ende der Schwanger¬
schaft angewendet wurden, und theile ich deshalb die hierauf
bezügliche Stelle mit. Schenk von Grafenberg (Observationum
medicarum rararum Tomus I, Francfurt 1600, observ. 311.
S. 540) schreibt: „E pura cera calices duos, instar calicum
glandium, aut digitalium (ut vocant) effingit, tantae scilicet
amplitudinis, ut papillas complecti possint. Postea in illos ca¬
lices guttulas resinae abietis infundit et papillas admovet
suum cuique, et ita eas tegit. Ne vero calices decidant, thora-
cem ’ lineum artificiose ad id paratum adhibet. Quod si quan-
doque decidant, et resina effundatur, vel si resina absumatur,
novas guttas ut prius infundit. Totis autem tribus ultimis ge¬
stationis uteri mensibus, septimo nimirum, octavo et noDO. calices
ut dictum est, praeparatos, die simul et nocte gestandos dicit.
atque ita fieri, ut neque mulieres illae, quae papillarum
malum illud antea sensissent, sensurae sint insequente
puerperio: neque illae, quae prius non senserant
Omnes enim praeservare, sive antea laboraverint.
sive non tum in se ipsa tum in aliis multis se bene
expertam esse. Haec a matrona accepi“.
IV. Ueber die Artliehe Behandlung der Gebäraatter*
blutnngen und finteindangen im Wneheabette.
Geschichtliche Aufzeichnung
von
demselben.
So vielfach die Gebärmutterblutungen im Wochenbette jetzt
durch Einspritzungen von heissem Wasser und die Wochenbett¬
fieber durch intrauterine Injectionen geheilt werden, so können
doch die von den verschiedenen Autoren gemachten Angaben
über diejenigen, welche diese Behandlungsweise zuerst erprobt
haben, nicht als richtig angesehen werden, da sie von anderen
schon früher beschrieben worden sind, und theile ich zum Be¬
lage das nachstehende mit:
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
11. November 1S7S.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
669
1. Bonnet 1 ) (l’Union medicale IV, 4, 1850; ref. Schmidts
Jahrbücher LXV. S. 332) hat meines Wissens zuerst bei einer
im Wochenbette an einer Unterleibsentzündung erkrankten Frau
Einspritzungen in die Gebärmutter selbst gemacht, trotz denen
indess die Frau fünf Tage darauf starb. Der augenblickliche
Erfolg war so günstig, dass er sie beim nächsten Falle wieder¬
holen wollte. Da ich das Original nicht habe einsehen können,
so vermag ich nichts näheres über die Beschaffenheit der Lö¬
sung mitzutheilen.
2. Auch die Heisswassereinspritzungen gegen die Gebär¬
mutterblutungen verdanken wir einem Franzosen und zwar
Trousseau (Gazette des höpitaux 1853, No. 33, S. 135), dessen
Behandlung der Blutungen der weiblichen Geschlechtsorgane
an 2 Fällen, einem Krebs und einer Frühgeburt illustrirt wfrd.
Man liest: „Chez la seconde malade, la perte s’est arretee
assez rapidement aussi, quoique un peu plus tard. Chez eile,
M. Trousseau emploie concurrement avec l’ergot de seigle
les injections vaginales d’eau simple ä une tempöra-
ture aussi elevee que possible. Voici l’idee physiologique
qui a conduit cet honorable professeur ä les mettre en pratique.
Si Fon trempe ses mains dit-il, pendant quelques minutes, l’une
dans Feau de 40°, Fautre dans de l’eau de 0°, et qu’on les
retire au bout d’un certain temps, on pourra constater, qu’elles
ont subi une reaction en sens .oppose, celle plongee dans Feau
froide etant devenue chaude,.le contraire ayant eu lieu pour
celle qui a ete plongee dans Feau chaude; il en est de meme
pour l’uterus, ou l’hemorrhagie pourra etre arretee pendant un
court espace de temps par Fapplication du froid, mais qui re-
paraitra bientöt sous Finfluence d’une reaction favorable ä la
reproduction. Par Fapplication du calorique, on favorise bien,
il est vrai, momentanement la congestion hemorrhagique, mais
au bout d’un certain temps, cette excitation en vertu
de laquelle se produit Fhemorrhagie diminue et celle-
ci cesse faute de mouvement fluxionnaire."
Depres (Bulletin de Therapeutique, 1869, Mai) gebrauchte,
wie ich schon früher (Zeitschrift für Geburtshilfe, Band II,
Heft II. S.-A. S. 27) angegeben habe, Heisswassereinspritzungen
(35—40° C.) gegen verschiedene Leiden der Geschlechtsorgane,
machte sie aber ebenso wie Trousseau nur in die Scheide.
Zur Behandhug der Diphtheritis vor and nach
der Tracheotomie.
Nach an der medicin. Klinik zu Kiel gemachten Beobachtungen
von
Dr. BlueUer-Warnelc, pract. Arzt zu Bielefeld.
(Schluss).
Was zunächst die Inhalationen anbetrifft, so machte ich
stets den Versuch mit denselben auch vor der Tracheotomie
bei solchen Kindern, bei denen wohl starke inspiratorische
Behinderung von Seiten des Kehlkopfs vorlag, jedoch noch keine
Anfälle von Orthopnoe aufgetreten waren. Viel Nutzen hatte
ich mir hiervon nicht versprochen und trat derselbe auch nur
in sehr geringer Weise zu Tage, da von einer ganzen Reihe
so behandelter Fälle des Jahres 1877 nur einer auf diese
Weise zur Genesung gelangte, ohne dass die Tracheotomie
jiothwendig wurde. Neben äusserlicher Application von Eis
auf die Kehlkopfgegend, wurde kräftiger Wein, kalte Milch
und stündlich ein Theelöffel einer 5 # / 0 igen Kali chloricum-
Löstmg verabreicht. Schon nach den ersten Anfällen von Or¬
thopnoe — wenn die Kinder nicht, wie häufig, überhaupt im
asphyctischen Zustande gebracht wurden — führte ich die
Tracheotomie aus, um auf diese Weise einem unnöthigen Kräfte-
consum vorzubeugen und die Folgen der zunehmenden Kohlen-
säureintoxication zu vermeiden. Nach der Tracheotomie w r urde die
Wunde, wenn sie mit diphtheritischen Massen in Contact ge¬
kommen war, mit 5 # / 0 ger Carbollösung ausgetupft und nach An¬
legung der Naht mit Balsam. Peruvian. getränkt, und unter die
Canüle ein mit demselben Balsam befeuchtetes doppeltes Läppchen
feiner Leinwand gelegt, das nur eine runde Oeffnung für die Canüle
trug. Sodann wurden die Kinder den ganzen Tag über, mit Aus¬
nahme der Zeit, wo etwa ein Bad erforderlich war, dem Spray
des Inhalationsapparates ausgesetzt. Die Handhabung dieser
kleinen, bekannten Apparate ist, seitdem man nicht mehr Glas¬
sondern Metallröhrchen als Ansatz an den Kessel gewählt hat,
ausserordentlich angenehmer und leichter geworden, ausserdem
auch billiger, da die grosse Zerbrechlichkeit der Glasansätze
die Anwendung zu einer kostspieligen machte. Zum Inhaliren
durch die Canüle wandte ich nach vielfachen Versuchen mit
Salicyl-, Kalk-, Borax-, Terpenthinöl- etc* Lösungen eine l°/ 0 ige
Kochsalzlösung an, weniger weil ich dieser vor den anderen
besondere Wirksamkeit zuerkennen konnte, als vielmehr, weil
sie leicht und billig in grossen Mengen herzustellen ist und
bei ihrer Anwendung jede Reizung der äusseren Bedeckungen
und der Schleimhäute wegfällt. Nach meinem Dafürhalten
kommt es bei dem Gebrauch der Inhalationsapparate haupt¬
sächlich auf die Zuführung einer mit Wasserdampf geschwänger¬
ten Luft, weniger auf die directe Einwirkung von mit dem
Wasserdampf in die Luftwege eingesogenen Medieamenten an,
da durch letztere eine Auflösung der diphtheritischen Mem¬
branen doch nicht erzielt werden wird. Aber die Incrustirung
der diphtheritischen Massen innerhalb der Canüle und in gerin¬
gerem Grade innerhalb der Luftröhre und der Brochien, auch
die Lösung und Ausstossung grösserer Membranen, kann durch
die Inhalationen erreicht werden. Doch den Hoffnungen und
Erwartungen, welche Herr Dr. Pauly 1 ) an die Einführung der
Inhalationen durch die Canüle in die Behandlung gegen Diph¬
theritis knüpft, kann ich nach meinen Erfahrungen nicht voll
beistimmen. Ich habe gesehen, dass bei perpetuirlicher An¬
wendung des Inhalationsapparates der diphtheritische Process
unaufhaltsam auf Trachea und Bronchien fortschritt, dass Com-
plicationen mit Catarrhal-Pneumonie nicht verhütet werden
konnten, ja dass Fälle, bei denen ausser dem Larynx nur noch
die Trachea befallen war und an der Bifurcationsstelle die
Ausschwitzungen aufhörten, trotz steter Anwendung des Spray¬
nebels unbedingt in Folge von Anhäufung incrustirter Pfröpfe
in der Trachea zu Grunde gegangen wären, wenn letztere
nicht mit dem Catheter losgelöst und herausbefördert worden
wären. Ich habe ferner beobachtet, dass die Abstossung
grosser, zusammenhängender Membranen, wie sie oft bei An¬
wendung der Inhalationen vorkommt, meistens ein schlechtes
Prognosticum bildet, da die temporär freien Stellen sich fast
immer schnell wieder mit neuen und festen Membranen bedecken.
Nur in den Fällen, in welchen schon bald nach der Tracheo¬
tomie eine Verflüssigung der diphtheritischen Producte eintritt,
leistet der Inhalationsapparat wesentliches, indem er zur schnelle¬
ren Verflüssigung und zur leichteren Expectoration beiträgt.
Angenehm sind die Inhalationen den Patienten fast immer, und
lernen selbst kleine Kinder schnell diese Annehmlichkeit schätzen,
so dass sie sich von selbst gern mit der Canülenöffnung in
den Spraynebel des Apparates legen; angenehm für den Arzt
1) Bereits angeführt in der nach Absendung dieses Artikels mir
bekannt gewordenen, jüngst erschienenen 3. Auflage der Pathologie und
Therapie des Wochenbettes des Prof. Win ekel.
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1) S. No. 8 der Berliner klin. Wochenschrift d. J.:
Tracheotomie“.
2 *
„Beiträge zur
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 45
sind sie immer, weil sie die Verstopfung der Canüle mit In-
crustationen verzögern.
Ich erwähnte, dass trotz steter Anwendung des Inhalations¬
verfahrens die Fälle von Laryngeal- und reiner Tracheal-
diphtherie durch Bildung von incrustirten Pfröpfen in der
Trachea zu Grunde gegangen wären, wenn diese nicht entfernt
worden wären. Es lässt sich dies auf ebenso einfache Weise
wie mit einer langen Feder, aber mit ganz anderem Erfolge
und auf wirksamere Weise, als durch das Aspiriren vermittels
des Catheters ausführen; ausserdem schützt das zu schildernde
Verfahren vollkommen vor der Gefahr der Infection, wie sie
bei dem Aspirationsverfahren für den, der diesen Act vornimmt,
ganz unbedingt vorhanden ist 1 ) (Prof. Bartels selbst hatte
sich früher auf diese Weise Diphtheritis zugezogen). Man
nimmt nämlich einen weichen, je nach dem Alter des Patienten
feineren oder stärkeren Mercier’schen oder einfachen franzö¬
sischen Catheter, taucht ihn, um ihn noch geschmeidiger zu
machen, in recht warmes Wasser, trocknet ihn schnell ab und
geht, nachdem man die Canüle entfernt hat, nöthigenfalls auch
durch diese hindurch, in die Trachea tief bis zur Bifurcations-
stelle ein, macht einige Drehuugen mit dem Catheter und zieht
ihn dann schnell wieder hervor. Auf diese Weise werden nicht
nur incrustirte Pfröpfe losgelöst und, theils am Catheter haftend,
theils mit den erregten Hustenstössen, sondern oft auch ganze
tapetenartige Auskleidungen entfernt. Führen die ersten Ver¬
suche nicht gleich zur Entfernung der manchmal ausserordent¬
lich zähen und fest haftenden Pfröpfe, so wird nach jedes¬
maligem Ein- und Ausführen des Catheters dem Patienten,
dessen Kopf bei diesen Manipulationen im Schosse des Arztes,
dessen Körper auf dem Schosse der Wärterin ruht, ein in recht
warmes Wasser getauchter und gut ausgepresster Schwamm
über die Wund-, resp. Canülenöffnung gelegt, wodurch bei
mehrmaligem Wiederholen fast stets eine vorzügliche Lockerung
der zähen Massen bewirkt wird. Auf diese Weise erzielte ich
ganz eclatante Erfolge bei zwei Tracheotomirten, bei denen
neben dem Larynx nur die Trachea befallen war und die
Krankheit an der Bifurcationsstelle aufhörte. Trotz ständiger
Inhalationen trat bei allmälig zunehmender Athmungsnoth stets
nach 2—3 Stunden starke Dyspnoe mit hochgradiger Cyanose
auf. Ging ich dann mit dem Catheter ein, so konnte ich jedes¬
mal, freilich oft nach langen Bemühungen und häufigem Auf¬
legen warmer Schwämme, einen festen gelatineartigen Pfropf
entfernen, der aus einer breiteren Basis und 2 kleinen, zapfen¬
artigen Ausläufern bestand und nach dessen Entfernung mit
einem Schlage die Athmung vollkommen frei wurde. Es war
aus der Formation des Pfropfens zu ersehen, dass derselbe
gerade die Theilungsstelle der Bronchien einnahm und durch
1) Herr Dr. Pauly, der in seinem oben angeführten Aufsatze die
Hüter’sche Methode der Aspiration mit dem Catheter sehr empfiehlt,
bemerkt, dass er dieselbe jetzt stets gleich nach der Tracheotomie aus¬
führe, also in einem Zeitpunkte, wo die Trachea meist mit reichlichen
flüssigen Massen und locker haftenden Membranen angefüllt ist und
eine Autoinfection sehr leicht statthaben kann. Es ist mir der Nutzen
gerade in diesem Zeitpunkt vollkommen unklar, denn stets wird man
mit einer langen Feder dasselbe erreichen. Mir wenigstens ist unter
den 30 Tracheotomien, die ich ausführtc, kein Fall — wenn nicht
schon Respirationsstillstand eingetreten war — vorgekommen, in dem
gleich nach der Operation nicht eine Taubenfeder völlig hingereicht
hätte, die in der Trachea angehäuften Massen zu entfernen. In allen
Fällen aber, in denen schon Respirationsstillstand eingetreten, wird zum
Wiederanregen der Athmung wohl kaum die Aspiration der Massen mit
dem Catheter genügen, sondern werden diese schneller mit einer Feder
zu beseitigen und dann sofort die Einleitung der künstlichen Respira¬
tion vorzunehmen sein.
hineinragen in beide bei allmäligem wachsen unbedingt zur
Erstickung hätte führen müssen. Dass solche fest geronnenen
und fest haftenden Massen durch Aspiration mit dem Catheter
überhaupt entfernt werden könnten, kann ich mir nicht denken,
stets aber führt der Versuch dazu die tückische Gefahr der Infec¬
tion für den Aspirirenden mit sich. Bei dem geschilderten Verfah¬
ren kommt die Lockerung des zäh-weichen Pfropfes wesentlich
durch Eindringen des Catheters in denselben zu Stande, doch ver¬
mag man auch, wenn dies nicht zum Ziele führt, durch Vorbeigehen
an dem Pfropf mit einem feinen Catheter in den rechten oder
linken Bronchus hinein und durch darauf folgendes schnelles
Zurückziehen des Catheters den wandständig anhaftenden Pfropf
mit zu fassen und so zu lockern, dass ein kräftiger Hustenstoss
ihn hinausschleudert. Dass man die grösseren Bronchien mit
einem feineren Catheter noch eine ganze Strecke weit von den
diphtheritischen Massen reinigen kann, davon haben wir uns
oft bei der Section solcher Patienten überzeugt, bei denen der
diphtheritische Process sich auf die feinsten Bronchien fort¬
gesetzt hatte, somit das Verfahren ohnmächtig war. Es war
dann stets die Trachea frei und die Bronchien in Ausdehnung
von 1 — 1 Vj Zoll vollständig gereinigt, oder es war, wenn das
Product der Diphtherie aus festen, tapetenartigen Ausschwitzun¬
gen bestand, in diesen eine der Stärke des Catheters ent¬
sprechende freie Rinne vorhanden, und erst an deren Ende
Verschluss des Bronchiallumens durch die starken Membranen.
Man könnte nun vielleicht die Befürchtung hegen, dass die
mit dem Catheter losgelösten diphtheritischen Massen gegen die
Bifurcationsstelle oder in die Bronchien gepresst werden und
auf diese Weise durch plötzlichen Verschluss des Lumen’s
Asphyxie herbeiführen könnten. Diese Befürchtung hat sich
niemals bestätigt. Stets wurden die Pfröpfe, wenn sie der Ca¬
theter nicht mit herauszog, durch Hustenstösse hervorgeschleu¬
dert. Es ist ja an und für sich auch kaum denkbar, dass so
leichte, eben gelockerte Massen sich gleich so festsetzen sollten,
dass sie dem stets noch in den Lungen vorhandenen Quantum
der inspirirten Luft bei heftiger Exspiration widerstehen könnten.
Auch Arrosionen und Blutungen der Trachea werden in Folge
des Catheterismus nicht hervorgerufen. Wenn Verletzungen der
Trachea oder der Bronchien durch denselben bewirkt werden
sollten, müsste die Ausführung schon von sehr harter und un¬
geschickter Hand geschehen. : Bei uns ist kein Fall der Art
vor gekommen.
Während mithin das Verfahren keine Nachtheile auf¬
weist, bietet dasselbe in den Fällen, in welchen der diphthe¬
ritische Process nebst dem Larynx sich auf die Trachea und
das Anfangsstück der grossen Bronchien beschränkt, unleug¬
bare Vortheile, ja es ist dann geradezu ein lebensrettendes.
Neben diesem Hauptpnnkt hat es für sich, dass es 1) den Arzt
vor der Autoinfection, wie sie beim Aspirationsverfahren vor¬
liegt, schützt, und 2) so leicht auszuführen ist, dass es im
Nothfall jede tüchtigere Pflegerin schnell lernen und ausführen
kann. Aus dem letzten Punkte ergiebt sich denn zugleich, dass
die Methode nicht nur in einem Hospitale, in dem stets ein
Arzt zur Stelle ist, durchgeführt werden kann, sondern auch in
der Praxis, und daher entschieden Berücksichtigung verdient.
Leider gehören die Fälle von Diphtherie, in denen die
Krankheit nicht auf die feineren Bronchien übergreift, zu den
selteneren. Und gegen ein Fortschreiten auf diese ist die Me¬
thode ohnmächtig, es sei denn, dass sie durch stetes Freihalten
der oberen Luftwege in den Fällen, in welchen mit dem lang¬
samen Fortkriechen des diphtheritischen Processes auf die
feineren Bronchien eine Lösung und Verflüssigung der gesetzten
Membranen fast Hand in Hand geht, nütze. Gegen die Diph¬
therie der feineren und feinsten Bronchiolen steht uns überhaupt
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
11. November 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
671
kein Mittel zu Gebote und, wenn solche Fälle doch zur Genesung
gelangen, so vermögen wir nicht zu sagen, durch was für Um¬
stände der Ausgang in Heilung zu Stande gekommen ist. Auch
wir haben gegen diese Fälle, neben der Anwendung der In¬
halationen und des Freihaltens der Trachea mittelst des Ca-
theters, die vielfach gerühmten Mittel versucht, jedoch ohne
dass ich vom Natr. salicyl., vom Natr. benzoic., vom Natr.
biboracic., vom Kali chloric. etc. irgend nachweisbaren Nutzen
gesehen hätte. Da alle diese Mittel den Appetit mehr oder
weniger schnell den Patienten nehmen, so habe ich nach vielen
vergeblichen Versuchen zuletzt diese gerühmten Specifica ganz
fortgelassen und mich darauf beschränkt, durch Milch, kräf¬
tigen Wein und Campher die Herzthätigkeit so lange wie mög¬
lich anzuregen, um auf diese Weise vielleicht den Patienten
das Ende der Krankheit überdauern zu lassen. Nur als Anti-
pyreticum bewies sich das Natr. salicyl. in Dosen von 1,50 bis
3,0 bei kräftigeren Kindern, neben der Anwendung protrahirter
lauer Bäder, recht nützlich.
Zum Schluss möchte ich mir noch ein Wort über die Be¬
handlung der Trachealwunde erlauben, die bei uns ebenfalls
geändert wurde. Früher wurde letztere gleich nach der Ope¬
ration mit Carbolöl bestrichen und mit einem Läppchen feiner
Leinwand, das einen schlitzförmigen Spalt für die Canüle erhielt,
bedeckt. Mehrmals am Tage wurde die Wunde gereinigt, neu
bestrichen und erforderlichen Falles ein neues Läppchen auf¬
gelegt. Trotz der grössten Sorgfalt und Reinhaltung der Wunde
konnten wir bei diesem Verfahren das öftere Auftreten bös¬
artiger Wunddiphtheritis nicht verhindern, so dass hie und da
Kinder, bei denen die Diphtheritis der Luftwege längst ab¬
gelaufen war, noch an der Wunddiphtherie zu Grunde gingen.
Ich versuchte nun gegen Ende des Jahres 1876, nachdem ich
die günstige Einwirkung des Balsam. Peruvian. auf den Heil-
process frischer Wunden kennen gelernt, diesen auch zur Be¬
deckung der Trachealwunde zu verwerthen. Mittelst einer
weichen Feder rieb ich die ganze Wundspalte und deren
Umgebung mit dem Balsam ein und deckte die Wunde mit
«inem ebenfalls in den Balsam getauchten Läppchen feiner
Leinwand in doppelter Lage, das ich ausserdem nur in der
Mitte mit einem runden, für die Canüle passenden Ausschnitt
versah, um so jeden Contact des ausgehusteten diphtheriti-
sch en Secretes mit der Wunde zu vermeiden. Da der Balsam
schnell eintrocknet, so muss er mehrmals am Tage neu auf¬
gestrichen werden. Seitdem ich diese Behandlung der Tracheo-
tomiewunde eingeführt, ist in der Klinik kein Fall mehr an
Wunddiphtherie zu Grunde gegangen, wohl aber traten hie und
da noch leichte Verfärbungen der Wunde, vereinzelt auch mit
diphtheritischen Belägen, die in geringe Tiefe griffen, auf.
Letztere verloren sich stets sehr schnell, wenn ich ein- oder
zweimal am Tage etwas gepulvertes Jodoform aufstreute. Es
trat dann immer eine schnelle Abstossung des diphtheritischen
Belages ein und unter demselben lag dann eine reine granu-
iirende Wundfläche vor, die sich bald schloss. Dass man zur
Vermeidung der Wunddiphtherie versuchen muss, die immerhin
die Wunde reizende Canüle so bald wie möglich zu entfernen,
versteht sich von selbst. Zeigen sich die Spuren der Verfär¬
bungen an der Wunde, so muss die Canüle jedenfalls mehrmals
täglich eine Stunde herausgenommen werden, da man sie wegen
der schnellen Verengerung der Wundspalte länger nicht gut
fortlassen kann. Ich entfernte die Canüle meist schon am
zweiten Tage nach der Operation, an welchem sie stets einer
gründlichen Reinigung unterzogen wurde, auf möglichst lange
Zeit. In allen günstig verlaufenden Fällen konnte sie durch¬
schnittlich am fünften Tage ganz fortgenommen werden.
Da ich überzeugt bin, dass die gegen frühere Jahrgänge
glänzenden Erfolge des Jahres 1877 bei der Behandlung schwerer
Formen der Laryngeal-, Tracheal- und Bronchialdiphtherie,
indem von 17 schweren tracheotomirten Fällen 7 am Leben
erhalten wurden — auch das im Jahre 1878 Erreichte berech¬
tigt für fernerhin zu gleich guten Hoffnungen — allein dem
geänderten Behandlungsverfahren zuzuschreiben sind, so glaube
ich dasselbe zur Nachahmung empfehlen zu dürfen. Wenn
alles geblieben wie vordem, wenn sowohl das Krankenmaterial
dasselbe, als auch der Character der Epidemie bösartig wie
früher geblieben — selbst im Jahre 1877 starben mir noch
fünf Tracheotomirte an Bronchialdiphtherie nach einander —
und nur die Behandlungsweise eine andere geworden ist, so
kann man, sollte ich meinen, die Erreichung günstigerer Resul¬
tate als vordem nur durch die letztere erzielt haben. Und
Bartels selbst war der erste, der dies freimüthig anerkannte.
VI. Kritik.
Beiträge zur Statistik der Carcinome, mit besonderer
Rücksicht auf die dauernde Heilbarkeit durch opera¬
tive Behandlung. Nach Beobachtungen an der Wiener chir¬
urgischen Klinik des Prof. Dr. Th. Billroth von Dr. Alexander
von Winiwarter, Privatdocenten etc. Mit einem Vorworte von
Dr. Th. Billroth. Stuttgart, bei Ferdinand Enke. 1878. gr. 4.
VIII u. 308. pp.
Verf. hat auf Anlass seines Lehrers Billroth alle in dem 8jährigen
Zeitraum von 18G8—1875 (incl.) sowohl in der Privatpraxis wie in der
Klinik beobachteten Krebsfälle einer statistischen Bearbeitung unter¬
worfen. Hierdurch sollte theils das klinische Bild der einzelnen, je
nach den Localitäten verschiedenen Krebsformen genauer wie bisher
fixirt, andererseits durch Verfolgung des Schicksals der Kranken nach
der Operation der Werth dieser in Bezug auf das Endresultat festgestellt
werden. Die Darlegung der wirklich erfolgten Heilung noch so weniger
Fälle erschien gegenüber der bis vor kurzem herrschenden Ansicht von
der Unheilbarkeit des Krebses um so nöthiger, als, wie Verf. mit Recht
betont, heut die Diagnose „Krebs“ mit viel mehr Genauigkeit wie früher
abgegeben werden muss. Für die Billroth’schen Fälle hat aber ausser¬
dem der Nachweis der operativen Heilung des Krebses einen besonderen
Werth noch dadurch, dass sich unter den hierher gehörigen Patienten
eine ungewöhnliche Menge von weit vorgeschrittenen, meist aus den
halb cultivirten Gegenden Ost-Europa’s stammenden Erkrankungen findet,
und diese selbst bei sehr zweifelhaften Chancen noch operativ behandelt
worden sind. Natürlich war es häufig sehr schwer, bei einem so
erheblichen Contingent fernen Ländern angehöriger Leidender etwas
über den Decursus morbi nach der Operation zu erfahren, zumal da die
einschlägigen Mittheilungen oft von medicinisch ganz unwissenden Laien
ausgingen. Desto mehr ist aber auch die mühevolle Arbeit des Verf.’s
anzuerkennen, indem durch diese ein bis jetzt noch von keinem anderen
erreichtes colossales Krebsraaterial von 548 Fällen nicht nur in be¬
friedigender Weise geordnet, sondern auch gleichsam mundgerecht für
einen grösseren Leserkreis gemacht worden ist. Verf.’s Werk in seiner
jetzigen Form wird, wie wir mit Sicherheit voraussetzen können, die
Basis für andere analoge Untersuchungen in der nächsten Zeit abgeben,
und ebenso auch einen der Ausgangspunkte für die Krebsdebatte auf
dem kommenden Chirurgen-Congress bilden.
Wenn wir dennoch, um auch unserer kritischen Pflicht zu genügen,
zuvörderst einige Punkte in den Vordergrund bringen werden, in welchen
wir entweder nicht mit Verf. übereinstimmen, oder ihm Irrthümer nach-
weisen zu müssen glauben, so geschieht dieses in dem Bewusstsein, dass
dadurch die Werthschätzung des v. Winiwarter’schen Buches durch¬
aus nicht alterirt wird. Lediglich von diesem Standpunkte aus soll als
ein vielleicht nur formelles Bedenken hier das Fehlen einer kurzen und
präcisen Definition dessen, was Verf. unter „Krebs“ versteht, an¬
geführt werden. So schwierig eine solche Definition ist, immerhin wird
ihr Mangel gestatten, dass von manchen die krebsige Natur einzelner
FäUe Verf.’s etwas angezweifelt werden wird, besonders wenn (wie es
ausnahmsweise ein paar mal vorgekommen) eine microscopische Diagnose
nicht gestellt wurde.
Was im übrigen die statistische Verwerthung des vorliegenden
Materiales betrifft, so ist Verf. bei dieser überall mit der rühmlichsten
Sorgfalt vorgegangen. Dennoch wird es schwer, ihm in allem beizu-
pflichten, wie z. B. in dem Principe, auch aus kleinen und kleinsten
Zahlen gewonnene procentarische Verhältnisse ohne Rücksicht auf die
Wahrscheinlichkeitsgesetze zu verrechnen. Wohl reicht die General¬
summe aller Krebsfälle Verf.’s aus, um in ihrer Gesammtheit ohne viel
Einschränkungen statistisch verwendet zu werden; auch die Ziffern der
vom Verf. aufgestelltcn Hauptgruppen sind vielleicht noch hierfür ge¬
nügend. Indem aber letztere weiter in verschiedene Unterabtheilungen
zerfallen (je z. B. nach Heilbarkeit oder Unheilbarkeit, Eintritt von
Recidiven der betreffenden Krebsform), gelangt man schliesslich zu so
winzigen Zahlen, dass man mit ihnen keine Statistik mehr treiben kann.
Vielleicht wäre hier einfach ein „non liquet“ statt der mühsamen Be-
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rechnungen seitens des Verf.’s auszusprechen gewesen, besonders da auch
ein Zusammenzählen aus so kleinen Summen berechneter Procentzahlen
aus nahe liegenden Gründen eigentlich nur geringen Werth hat. Verf.
scheint dieses ebenso, wie Ref. gefühlt zu haben, denn am Ende der
Arbeit gelangt er hinsichtlich der hier u. a. in Frage kommenden Ober¬
kieferkrebse zu dem bemerkenswerthen Schluss, dass, wenn auch in
seiner Zusammenstellung dieser kein einziger Fall als geheilt zu er¬
achten war, es doch ein gewagtes Raisonnement wäre, die Unheilbarkeit
derselben zu behaupten.
Sehr interessant sind die Vergleiche, welche Verf. zwischen der
Gesammtzahl seiner Fälle und anderen Statistiken anstellt. Hier wäre
jedoch eine Verrechnung der verschiedenen Posten, aus denen die zu
vergleichenden Summen bestehen, sehr erwünscht gewesen, damit man
wirklich gleiches mit gleichem neben einander stellen konnte. Man wird
daher etwas skeptisch gestimmt, wenn Verf. für sein Material weit gün ¬
stigere Heilungsprocente (29,21) berechnet, als sie von Bergmann
(18,47), Thiersch (11,76) und Billroth selbst in Zürich (16,95) in
früheren Statistiken gefunden worden waren, zumal da mehrfach vorher
durch Verf. betont worden ist, dass eine grosse Serie von vorn herein
ungünstigen, weit vorgeschrittenen Fällen in seiner SamNniung enthalten
ist. Wir werden übrigens später sehen, dass letztere ebenso wenig wie
die eben genannten fremden Statistiken alle Krebsformen vollständig
in sich schliesst.
Eine besondere Bemerkung verdienen Verf.’s Angaben über die
wechselnde Frequenz der verschiedenen Krebsformen in den i
verschiedenen Altersklassen. Verf. bringt hier nur die absoluten
Zahlen, statt dass er dieselben auf die Summe der von der betreffenden
Altersklasse überhaupt am Leben befindlichen Individuen verrechnet.
Es würde dieses namentlich die Ansicht Verf.’s über das Vorkommen
der Mammacaicinome erheblich modificiren, und beispielsweise für die
nach den climacterischen Jahren auftretenden derartigen Geschwülste
mindestens ebenso grosse Procentzahlen darthun, wie für die im früheren
Alter entstandenen. Es ist einleuchtend, dass auf solche Weise noch einige i
andere der vom Verf. berechneten Zahlenreihen zu corrigircn sind; da |
indessen die Ziffern Verf.’s an und für sich durchaus richtige, so ist
dieses nur eine kleine weitere Mühe für denjenigen, welcher das Buch !
Verf.’s überhaupt zu seinem Studium machen will. Wir werden daher j
hierauf nicht weiter zurückkommen, und wenden uns nunmehr der |
speci eilen Analyse des Werkes zu. Dasselbe ist in 13 Kapitel i
geteilt, entsprechend ebenso vielen durch ihre Localität sich unter¬
scheidenden Krebsformen. Jedes dieser Kapitel wird durch eine ta- >
bellarische Uebersicht der einzelnen in dasselbe gehörigen Fälle ein- |
geleitet. Wir finden hier besondere Rubriken, ausser für das Nationale, !
das Datum der Erkrankung resp. Aufnahme in die Behandlung, für j
den Sitz und die Ausdehnung des Carcinoms und der etwaigen Drüsen- j
Infiltrationen, für die operative Behandlung u. dgl. in,, auch noch ;
für die Recidiverkrankungen resp. Art und Behandlung dieser, sowie I
über den weiteren Verlauf und Ausgang des Leidens. Bei den |
Mammakrobscn, deren Summe nicht weniger als 178 (darunter 3 bei
männl. Patt.) beträgt, sind überdies die Tabellen getrennt für die
Nicht-Operirten, für die an den Folgen der Operation Verstorbenen, für
die nach erfolgreichen Operationen den Recidivgcschwülsten erlegenen,
für die trotz letzterer noch nicht gestorbenen oder verschollenen, und
endlich für diejenigen Kranken weiblichen Geschlechts, welche bis Ende j
März 1876 nach erfolgreicher Operation ohne Recidiv lebten, oder frei I
von Carcinom durch anderweitige Erkrankungen zu Grunde gegangen |
sind. Das Rcsume dieser verschiedenen Tabellen ist, dass die 170 Mamma- ,
carcirome bei weiblichen Kranken sich auf 27 Nichtoperirtc (von denen
bereits 18 gestorben) und 143 Opcrirte vertheilen. Von diesen letzteren
sind an den Folgen der Operation gestorben 84 (23,7%), an Recidiv
gestorben 55 (38,4%), mit Recidiv lebend oder unbekannt 35 (24,4 %),
und jetzt geheilt oder frei von Krebs an anderweitigen Krankheiten ge¬
storben 19 (13,3%). Es ist unmöglich, dass wir hier die weiteren
Ausführungen Verf.’s über diese verschiedenen Categorien des Brust- ■
krebses im Auszuge reproduciren können. Nur hervorheben wollen wir, I
dass es hier, wie in den folgenden Kapiteln, wohl keinen auf die Krebs- !
frage bezüglichen Punkt giebt, welchen Verf. nicht an der Hand des
ihm zur Disposition stehenden Materiales auf das genaueste erörtert. Mit
gutem Gewissen wird sich hier der minder erfahrene Praetiker in
schwierigen Fällen Rath holen, der chirurgische Specialist seine eigenen
Beobachtungsreihen ergänzen können. Wir selbst möchten inzwischen
den Leser auf einige der wichtigeren Punkte der Ausführungen Verf.’s
aufmerksam machen. Zunächst dürfte intercssiren, dass die Actio- I
logie des Brustkrebses doch nicht so arm an Thatsachen ist, wie i
manche a priori glauben. Neben anderen ursächlichen Verhältnissen
spielt Mastitis eine hervorragende Rolle (unter 114 Fällen 24 mal)
insofern, als sie in der Brustdrüse einen Locus minoris resistentiae
setzt, weniger, indem sie direct zu Carcinom führt, da Verf. nur in
3—4 Fällen eine sogenannte Mastitis carcinomatosa gravidarum et lac-
tantium sich entwickeln sah. Auch für traumatische Einwirkungen ver¬
mag Verf. einige Mab' unmittelbare Beweise beizubringen, und macht
er es nicht unwahrscheinlich, dass auch das Tragen zu enger Schnür-
leiber hierher gehört. Dagegen muss Verf. die Heredität als aetiolo-
gischcs Moment des Brustkrebses sehr einschränken, indem dieselbe nur
5 Mal unter 170 Fällen mit Sicherheit nachgewiesen ist. — In dem
Abschnitt von der Symptomatologie des Brustkrebses dürfte die
Seltenheit frappiren, mit welcher Verf. einen reinen Scirrhus mammae
zu constatiren vermochte. Derselbe hatte in den 10 einschlägigen
Fällen keineswegs immer den sonst als characteristisch angesehenen indo¬
lenten Verlauf. Unter den Zahlenhelegen, welche Verf. für die Verwach¬
sung der Krebsgeschwulst mit der Haut, ihre Eintrittszcit u. dgl. beibringt,
ist Cancer en cuirasse 4 mal notirt. (Verf. denkt sich übrigens die
Weiterbildung des Krebses hier und in anderen Fällen durch Prolife¬
ration längs der Blutgefässe vor sich gehend.) — Aus der naturgemäss
sehr eingehenden Erörterung der Lymphdrüsenbethei ligung (wel¬
che bei der ersten Aufnahme unter 159 verwerthbaren Fällen nur
52 mal nicht beobachtet wurde, und welche den Krankheitsverlauf vom
Beginn bis zur ersten Aufnahme im Mittel von 18,2 Monate auf 14,7,
im ganzen aber von 50,4 auf 29,2 Monate herabgesetzt hat) erscheint
erwähnenswert, dass Verf. in seinen Fällen aus dem Sitz des primären
Carcinomes nicht auf die besonders früh oder vorzugsweise oft auf¬
tretende Drüsenaffection zu schliessen vermochte. Dagegen weist er
nach, dass ausser einem Stillstand der Drüsenaffection ein rein sympto¬
matischer (nicht krebsiger) Character derselben in vereinzelten Fällen
darzuthun ist. Die sich au die Lymphdrüsenerkrankung anschliessende
Besprechung der Metastasen des Brustkrebses ist insofern etwas
dürftig, als nur relativ wenige Scctionsprotocolle Verf. Vorlagen, indem
sehr viele Pat. in ihrer Heimath ohne nachfolgende Autopsie gestorbeu
sind. Hinsichtlich der schwierigen Berechnung der Dauer der Ge¬
sa m mterkran k ung auf das Original verweisend, in welchem die
Differenzen Verf.’s mit den von Sir James Paget gebrachten Zahlen
auf die relativ seltenen Operationen von mit Drüsenschwellungen ver¬
bundenen Krebsen in England zurückgeführt werden, kommen wir
zur Behandlung des Brustkrebses. Es wurden im ganzen 192
Operationen (davon 9 Cauterisationen) bei 143 Kranken verrichtet,
so dass ca. V, der Bat. mehr als 1 mal, einzelne sogar 3—4 mal operirt
worden sind. Es starben 34, davon 30 an accidcntellen Wundaffectionen
(16 an Erysipel), ein Verhältniss, welches Verf. für später durch Ein¬
führung des Lister’schen Verbandes an Stelle des bisher meist offenen
Verfahrens bessern zu können glaubt. Als Operation der Zukunft be¬
schreibt Verf. die Exstirpation mit typischer Ausräumung der
Achselhöhle nach Vo 1 k man n. Schliesslich wollen wir aus dem von
den Recidiven handelnden Abschnitt hervorheben, dass die meisten
derselben von ungenügender Exstirpation abhängen, daher bereits oft
schon im 1. Monat nach dieser auftreten. Verf. hält zwar Recidive
später als nach 3 Monaten für fraglich, fixirt aber nach dem Vorgänge
anderer Autoren den Termin der definitiven Heilung auf drei
Jahre, für letzteren indessen nur 8 Fälle (=4,7% der Gesammtzahl),
darunter die Hälfte mit Drüsenexstirpation beibringend.
Den Krebsen der Brustdrüse schliesst Verf. die der Haut und
Schleimhaut des Gesichtes (itiel. Bulbus und Augenlider) an.
Obschon ihre Gesammtzahl 278 (darunter nur 52 weibliche Patienten
wegen Ueberwiegcn der Männer unter den an Lippen- und Zungen-Krebs
Leidenden) beträgt, so sind doch die einzelnen Unterabtheilungen sehr
klein, wenn man sie wie beim Krebs der Brust nach ihrer Heilbar¬
oder Unheilbarkeit, nach dem Eintritt eines Recidives vor oder nach
der Operation oder nach dem Ausgange dieser in weitere kleine Gruppen
trennen wollte. Die Procentangaben, welche Verf. macht, beziehen
sich daher in den seltensten Fällen auf ein wirkliches Hundert von
Fällen, häufig nicht einmal auf Zehner, und verweisen wir in dieser
Hinsicht auf unsere früheren Bemerkungen, welche wir über die Un¬
sicherheit des Werthes der auf solche Weise erhaltenen Ziffern gemacht.
Aus dem resümirenden Schlusscapitel Verf.’s über die Haut krebse
des Gesichtes als diejenigen krebsigen Erkrankungen, welche sich
durch ungewöhnlich langsamen Verlauf, die seltene Erkrankung der
Lymphdrüsen und das Fehlen der Cardnommetastasen gemeinsam aus¬
zeichnen , heben wir als besonders interessante Thatsache die Ver¬
schiedenheit der Altersklasse, in denen die einzelnen hierhergehörigen
Krebsformen die grösste absolute Frequenz zeigten, hervor. Wir geben
Verf. Recht, dass trotz der relativ wenigen Beobachtungen, es kein
blosser Zufall ist. dass er Carcinoma des Bulbus und der Lider in der
höchsten Zahl in dem Decennium vom 36.—45. Jahre, jene der Unter¬
lippe zwischen 46 und 55, jene der Nase zwischen 56 — 65 und endlich
die der Stirn und Wangen zwischen 65—75 Jahren fand. Hinsichtlich
der Frequenz der einzelnen Krebsformen findet sich eine Differenz
zwischen Verf.’s und Berg mann’s Zusammenstellung, indem die Unter¬
lippenkrebse in dieser ca. 60%, in jener aber nur ca. 34° 0 unter allen
Gesichtskrebsen betragen. Entsprechend ihrem meist mehr oberfläch¬
lichen Character ist die Exstirpation von Gesichtskrebsen ein relativ
leichter Eingriff. Unter 167 Operirten starben nur 16 (9,5 pCt.), da¬
runter die Hälfte an Erysipel allein oder mit Pyaemie (1 Fall). Das
Heilungsprocent berechnet Verf. nach den früher an gedeuteten Prin-
cipien auf 40,2 (nur 22,33 bei Bergmann), bei den Lippenkrebsen
allein auf 63,46 (23,84 bei Bergmann). Der hier von Verf. ausge¬
sprochenen Annahme, dass ein Thcil derjenigen, über deren Endschicksale
nichts bekannt ist, ebenfalls geheilt geblieben, können wir indessen in
der vorliegenden Form nicht vollständig bcipllichten. Die weiterhin für
die Dauer der Erkrankung bei den an Recidiv des Gesichtskrebses ver¬
storbenen operirten Fälllen berechnete Mittelzahl beträgt fast 5 Jahre,
bei den inoperablen Kianken aber über 6 Jahre.
Bei den nun folgenden Zungenkrebsen iinponirt zunächst die
Grösse des aus 46 Fällen bestehenden Materiales. Nach Auseinander¬
setzung der Entstehung des Zungenkrebses aus den Plaques opalines,
welche bei 10 Pat. eine Rolle gespielt, gelangt Verf. zu den Operationen,
welche 57 mal bei 42 Pat. ausgeführt wurden, und bei welchen die der
Bi llroth’schcn Schule eigentümlichen Eingriffe besonders eingehend
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11. November 1878.
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berücksichtigt werden, so namentlich die prophylactische Ligatur der
A. lingualis, welche 18 mal (darunter 2 mal beiderseitig) ausgeführt
worden, die bei 13 Kranken verrichtete Exstirpation von der Reg. supra-
hyoidea aus, und die Galvanocaustik (für welche Yerf. in Form des roth-
giühenden Platindrahtes bei schwächlichen Individuen und bei der Noth-
wendigkeit, eine ungewöhnlich grosse, nicht durch dieNathzu schließende
Wundfläche zu erzeugen, sich ausspricht). Die Sterblichkeit nach den
Billroth’schcn Zungenexstirpationen war eine hohe, nämlich 42,8 pCt.
(18 : 42). Nach Verf. starben die Kranken entweder durch fortgeleitete
Entzündung und Sepsis oder an eiteriger Bronchitis und Pneumonie.
Letztere fasst Verf. als Fremdkörperpneumonie auf, bedingt durch den
in Folge der Operation behinderten Schlingact. Bei der fortgeleiteten
Entzündung und Sepsis kommt namentlich häufig Wunddiphtheritis
nebst diplitheritischer Phlegmone vor. Gegen diese beiden Compli-
cationen räth Verf. prophylactisch vorzugehen, wenn möglich die Mund¬
höhle durch Vernähen des Zungenstumpfes mit der Schleimhaut abzu-
schliessen und streng nach List er zu behandeln oder aber, wenn dieses
nicht durchführbar, alles offen zu lassen, nachdem vorher die Wund-
flächcn durch Chlorzinklösung oder Liq. ferri sesquichl. bestrichen und
dadurch die offenstehenden Bindegewebsspalten geschlossen sind. Ist
einmal Wunddiphtheritis da, so erweist sich ein die erkrankten
Stellen bedeckender und in desinficirender Flüssigkeit (essigsaure Thou-
erde, Neurin etc.) getauchter Charpietampon noch am wirksamsten. Die
brettharten diphtheritischen Phlegmone will Verf. cataplasmircn und
wenn Eiter da ist, incidiren; zur Bekämpfung der Schluckpneumonie
empfiehlt er dagegen schon vorher die Tracheotomie zu machen und
die Trendelenburg’sehe Tamponcanüle einzuführen. Aus dem die
Endresultate der Zungenoperationen behandelnden Abschnitt ergiebt
sich, theils in Folge der Malignität der Zungencarcinome im allgemeinen,
theils durch den Umstand, dass ungewöhnlich viel schwere und weitge¬
diehene Fälle sich in die Behandlung Bi Uro th’s begeben haben, nur
eine geringe Zahl der definitiven Heilungen, nämlich 4, darunter über¬
dies nur 1 mal eine längere als 2jährige Heilungsdauer. Dagegen ver¬
mochte die Operation die mittlere Krankheitsdauer wesentlich zu ver¬
längern, nämlich von 13 Monate auf 20| Monat, wobei die erstere Ziffer
für die nicht operablen, resp. nicht operirten Fälle noch entschieden
zu hoch ist.
Wir haben das Capitel von den Zungenkrebsen etwas ausführlicher
referirt, weil dasselbe zu den Specialitäten der Bi Uro th’schen Schule
gehört. Kürzer können wir über das nächste Capitel hinweggehen, in
welchem die Krebse der Schleimhaut der Mundhöhle (excl.
Zunge), Kiefer. Tonsillen. Sublingual- und Submaxi 11ar-
dr iisen, sowie Nasei sch leim haut zusammengestellt sind. Bei
der Mannigfaltigkeit der hierher gehörigen Fälle ist es aber unmöglich,
bestimmte typische Formen des Befundes, des Verlaufes und der opera¬
tiven Behandlung darzuthun. Von den 51 vom Verf. hier berücksich¬
tigten Fällen waren beiläufig 13 inoperabel, von den übrigen 38 starben
14 in Folge der Operation, nämlich 7 an accidcntellen Wundkrankheiten
(2 an Erysipel, 3 an Pyacmie, 2 an Wunddiphtheritis). Definitiv geheilt
blieben 5.
Von den nun folgenden Capiteln schliesst jedes immer nur relativ
wenige Fälle in sich. So finden wir von den Krebsen der Parotis nur
G (darunter je 3 bei männlichen und bei weiblichen Pat.) Fälle mit
5 Operationen (f 1), von den durch ihre raschen und zahlreichen, wohl
von dem leichten Hineinwuchern der Neubildung in grosse Getassstämme
abhängigen Metastasen ausgezeichneten Schi 1 ddrüsonkrebscn 5, von
den bis dahin noch keiner operativen Behandlung unterworfenen Krebsen
des Oesophagus und Pylorus nur 9 und von den Krebsen des La-
ryn x nur 1 (den bekannten, von Gussenbauer berichteten Fall von
Keh lkopfexstirpation) aufgeführt. Verhältnissmässig grösser ist die Zahl
der Hoden krebse, nämlich 12 (darunter 1 bei einem 11 Monat alten
Kinde, und 3 bei Cryptorchen). Drei der Hodenkrebse waren theils
wegen zu weit auf dem Samenstrang reichender Verbreitung, theils
wegen Betheiligung der Retroperitonealdrüsen inoperabel, bei 1 endete
die Castration durch Peritonit, circumscripta und Thrombose der Schenkel¬
venen tödMich. Ausdrücklich zu bemerken ist, dass überall die Schwierig¬
keit der Trennung der Carcinome des Hodens von sonstigen Neubildungen
dieses Organes durch eine genaue microscopische Analyse der exstirpirten
Geschwülste überwunden worden ist.
Dass in dem Capitel von den Krebsen der äusseren Geschlechts-
t heile nur 4 weibliche Kranke berücksichtigt worden sind, und Billroth
ferner in 8 Jahren nur 6 (beiläufig völlig hoffnungslose) Fälle von
Gebärmutterkrebsen zu sehen bekommen, beruht auf der Existenz
von Specialabtheilungen für Frauenkranke im allgemeinen K. K. Kran¬
kenhause zu Wien. Auch von Krebsen der anderen Organe der Bauch¬
höhle, finden wir aus gleichem Grunde nur 2 Fälle von Peritonealcar-
ci n o m aufgeführt, in welchen beiden der Versuch einer Exstirpation durch
Laparotomie (mit schnell tödtlichem Ausgang) gemacht wurde. Besondere
Erwähnung verdient hier noch ein Krebs der Prostata, weil bei
diesem ebenfalls ein operativer Versuch der Entfernung der Geschwulst
durch Auslöffeln auf dem Wege der Sect med. unternommen worden.
Mit dem Hinweise auf die durch eine grosse Zahl inoperabler Fälle
ausgezeichneten Mastdarmkrebse, ferner auf die meist auf trauma¬
tische Ursachen zurück führbaren Carcinome der Extremitäten und
die sehr seltenen, sich bei Verf. nur auf 3 belaufenden Hautkrebse
des Stammes eilen wir zu einigen Schlussbemerkungen, und
wollen zunächst darauf aufmerksam machen, dass (wie schon oben an¬
gedeutet) trotz der Grösse des vorliegenden Krebsmaterials dasselbe
dennoch einzelne Formen nur sehr schwach vertreten zeigt, andere aber
ganz vermissen lässt, wie z. B. die Carcinome der behaarten Kopfhaut,
der Blase, den sog. Schornsteinfegerkrebs u. a. m. In wie weit hier neben
dem Zufall die Existenz von Specialkliniken und andere Gründe wirksam
gewesen sind, lässt sich nicht immer sagen. Man muss aber Verf. völlig
zustimmen, wenn er die von ihm dargethanen numerischen Beziehungen
nur bei den Krebsen des Gesichts, der Mamma, der Extremitäten und
des Rumpfes als den factischen Verhältnissen entsprechend anerkennt,
und zwar mit der von ihm selbst betonten Einschränkung, dass diese
Beziehungen weder für Wien, noch für eine andere bestimmte Localität,
sondern nur für die Billroth’schc Hospital- und Privatpraxis als
massgebend zu erachten sind. Dass Verf. hierdurch seinen eigenen
Schlussfolgerungen eine gewisse Reserve auferlegen muss, ist ohne wei¬
teres klar. So vermag Verf. z. B. aus dem selteneren Vorkommen des
Brustkrebses bei Bäuerinnen unter seinen Pat. keineswegs direct auf
eine grössere Seltenheit dieser Krebsform auf dem Lande überhaupt zu
schlossen, da das Missverhältnis der Bäuerinnen zu den Städterinnen
blos durch äussere Ursachen bedingt sein kann. Leicht könnten wir
noch mehr Punkte anführen, in denen die Einseitigkeit des Materials
zu einer Einengung der Consequenzen Verf.’s führen muss, wir geben
jedoch zu, dass für die Begründung der specieilen Aetiologie des
Krebses die Beschränkung auf einige wohl studirte Formen der Krank¬
heit kein Nachtheil, eher ein gewisser Vorzug ist. Gern schliessen
wir uns hier den wohl erwogenen Ausführungen Verf.’s an, namentlich
stimmen wir ihm Bo 11 gegenüber darin bei, dass ebenso wohl wie ein¬
malige Reize, auch permanente, speciell permanenter Druck Anlass zur
Krebsentwicklung werden kann.
Indem wir wegen des sonstigen Inhaltes des Schlussresume’s Verf.’s
th eil weise auf bereits oben gesagtes verweisen können, enden wir unsere
Analyse des vorliegenden Buches. Wir wünschen durch dieselbe nicht
nur den spcciellen Fachgenossen, sondern auch /weiteren Kreisen Anregung
zur Lectüre des verdienstvollen Werkes gegeben zu haben, und halten
uns hierzu um so eher berechtigt, als die Form der Darstellung Verf.’s
eine gute, und störende Druckfehler — trotz der vielen Tabellen — nur
in bescheidenem Masse Vorkommen. P. G.
VII. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Berliner medleinhehe Gesellschaft
Sitzung vom 29. Mai 1878.
Vorsitzender: Herr Ilenoch.
Schriftführer: Herr Ries.
Vor der Tagesordnung demonstrirt Herr Retslag einen Operations¬
und Untersuchungstisch, der sich vermöge der compendiüsen Form, die
er beim Zusammenlegen annimmt, und seines geringen Gewichts sowohl
für das Sprechzimmer eines jeden Arztes als auch zum Mitnehmen in
die Wohnung des Kranken eignet.
Tagesordnung:
1) Herr L. Löwe: Ueber Befruchtung. (Der Vortrag ist in
der Berliner klinischen Wochenschrift veröffentlicht worden)
Auf eine Anfrage des Herrn B. Fränkel bemerkt Herr Löwe,
dass die grundlegenden Beobachtungen an durchsichtigen Eiern von
Seefischen, namentlich von Rochen und Heringen, ebenso auch an
Pflanzendem, von Schenck in Wien aber auch an den Eiern der Ka¬
ninchen und Meerschweinchen gemacht worden seien.
2) Herr Litten: Experimentelles auf dem Gebiete der
Nieren-Physiologie und Pathologie.
I. Die Frage, oh durch arterielle Drueksteigerung Albuminurie er¬
zeugt wird, ist noch immer nicht als erledigt zu betrachten. Namentlich
wird die Ansicht Bartels, als ob die Albuminurie bei der intersti¬
tiellen Nephritis vorzugsweise oder allein der Druckzunahme im arte¬
riellen Gefässystem ihre Entstehung verdanke, durch andere pathologische
Thatsachen (z. B. durch das Fehlen von Albuminurie in Fällen von
amyloider Nierenentartung mit Undurchgängigkeit vieler Gefässbezirke)
widerlegt, und es scheint plausibler, vorzugsweise die Gefässerkrankung
bei der Schrumpfniere für die Eiweissausscheidung verantwortlich zu
machen. Der Vortragende unternahm eine erneute Prüfung dieser Frage,
indem er dem arteriellen Druck künstiieh steigerte und alsdann das
Nierensecret, welches aus Ureteren-Canülen abfloss, auf Eiweiss unter¬
suchte. Entgegen den Versuchen Robinson’s fand er keine Albumi¬
nurie bei Verschluss der Art. aorta unterhalb des Abgangs der Nieren-
arteuen, selbst nach Unterbindung des Truncus coeliacus und der Art.
meser. sup. Allerdings stieg der mittlere Blutdruck in der Carotis nur
wenig und glich sich namentlich auch allmälig aus. Dagegen trat Albu¬
minurie in der grössten Mehrzahl der Fälle auf, wenn der Vortragende
den Blutdruck durch Injectionen von Strychn. nitr. steigerte. Der Druck
stieg bei diesen Versuchen oft bis auf das doppelte der ursprünglichen
Höhe. Ebenfalls trat Albuminurie auf nach Injectionen von U ins Blut
und nach Einspritzungen von Kalisalpeter. Selbstverständlich wurden
nur die Versuche benutzt, bei denen nach der Aufbindung der Hunde
(nur an diesen wurde experimentirt) der Ham eiweissfrei gefunden wurde.
Häufig genügte die Muskelaction, welche während des Aufbindens der
Hunde stattfand, um Eiweiss im Harn auftreten zu lassen, während
der vorher durch Catheterisation erlangte Ham eiweissfrei gewesen war.
Die häufig wiederholte Unterbrechung der künstlichen Respiration stei¬
gerte zwar den Blutdruck jedesmal, ohne aber Albuminurie zur Folge
zu haben, wahrscheinlich weil die Drucksteigerung nicht lange genug
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anhielt. Als Grund für die Albuminurie bei Strychnininjcctionen glaubte
der Vortragende die Contraction der kleinen Nierengefässe ansehen zu
müssen, welche die Folge der Einwirkung des Giftes auf das vasomo¬
torische Centrum ist. Die Albuminurie wäre alsdann durch die Gefäss-
veränderung der Capillaren, welche aus der Ischämie resultirt, in hin¬
reichender Weise erklärt , gerade so wie in den bekannten Versuchen
M. Hermann’s, welcher Albuminurie auftreten sah nach Compression
der Nierenarterie. Indess haben weitere Versuche die Unrichtigkeit
dieser Erklärung ergeben. Wenn man bei strychninisirten Thieren die
natürliche (Selbst-) Injection vomimmt, so färben sich sämmtliche Or¬
gane mit Einschluss der Nieren vollständig, eine Thatsache, welche
lehrt, dass selbst bei Reizung des vasomotorischen Centrums die Gefässe
für das strömende Blut durchgängig sind. Das bei den genannten
Versuchen, wodurch Albuminurie erzeugt wurde, gemeinsame ist die
arterielle Drucksteigerung; dennoch wagt der Vortragende nicht,
diese Drucksteigerung in letzter Reihe für das Zustandekommen der
Albuminurie verantwortlich zu machen, obwohl er eine andere Erklä¬
rung für dieselbe zu geben nicht im Stande ist.
II. bespricht der Vortragende die Circulationsverhältnisse in den
Nieren: Wenn man unter Cautelen die Nierenvenen vom Rücken aus
bei Kaninchen unterbindet, so gelingt es, die Thiere wochcn-, ev. monate¬
lang am Leben zu erhalten. Die Folge dieses Eingriffes ist Atrophie
des betreffenden Organes. — Totaler Verschluss der Nierenarterie er¬
zeugt bei diesen Thieren ausnahmslos Nccrose, welche in 24 Stunden
spätestens eingetreten ist. Gelingt es, unter antiseptischer Behandlung
die Thiere länger am Leben zu erhalten, so findet man nach 8—14 Tagen
das Organ klein, weich, während die Capsel über demselben geschrumpft
ist. Bei Schnitten durch dasselbe ergiebt sich, dass das Parenchym in
einen Brei verwandelt ist, in welchem man aber sehr wohl die Nieren-
bcstandtheile noch erkennen kann. Glomeruli sowol wie Harnkanälchen
erscheinen bei microscopischer Betrachtung zum Theil ganz intact. Wenn
man ferner Arterie und Vene gleichzeitig ligirt, so beginnt das an¬
fangs ganz anämische Organ alsbald zu schwellen und hat in 2 bis
3 Stunden das anderthalbfache der ursprünglichen Grösse erreicht:
gleichzeitig ist das Organ um 50% und mehr schwerer geworden und
auf der Schnittfläche tief dunkelblutroth, fast schwarz gefärbt. Micro-
scopisch erkennt man, dass die Harnkanälchen zum grossen Theil mit
rothen Blutkörperchen erfüllt sind. Es fragt sich, woher stammt das
Blut, welches die Volum- und Gewichtszunahme dei Niere unter diesen
Umständen bedingt. Dass es sich dabei nur um arterielles Blut han¬
deln könne, liegt auf der Hand und wird überdiess noch durch folgenden
Versuch bewiesen: Wenn man beiderseits Arterie und Vene ligirt und
auf eiuer Seite den Splanchnicus durchreisst, so schwillt die Niere dieser
Seite noch mehr an und wird noch um einige Gramm schwerer, als die
der anderen Seite. Auch folgender Versuch führt zu gleichem Resultat:
Wenn man auf einer Seite Arterie und Vene ligirt und alsdann eine
Lösung von indigschwefelsaurcm Natron in die Von. jugularis injicirt,
so findet sich an der operirten Niere constant ein blauer Saum zwischen
der Rinde und der Grenzschicht des Marks. Obwohl unter diesen Ver¬
hältnissen kein Tropfen Urin secernirt wird, findet sich eine mehr oder
minder gelungene Kernfärbung der Epithelien der tubuli contorti. Dass
diese als ein Secretions Vorgang aufzufassen ist, wodurch der blaue Farb¬
stoff ausgeschieden wird, darüber kann kein Zweifel obwalten; es muss
daher arterielles Blut sein, welches nach Unterbindung der Arterie den
Farbstoff der Niere zuführt. Woher stammt dieses Blut? Man hat früher,
namentlich auf Lud wig’s Arbeiten gestützt, angenommen, dass die Capsel-
gefässe der Niere noch Blut zuführen, wenn die Arterie unwegsam
geworden. Dass dies der Fall ist, lehrt jede Injection; indess kann
man sich sehr leicht experimentell davon überzeugen, dass dies nicht
der einzige Weg ist. Man unterbinde das zu- und abführende Nieren*
gefass und ziehe alsdann die Nierenkapsel von dem Organ so ab, dass
letzteres (ganz nackt darliegt — eine Operation, welche durchaus ohne
Blutung verläuft — so wird man die Niere ebenso oder fast ebenso ge¬
schwollen finden, als in dem Grundversuch, bei welchem nur die Gefässe
unterbunden wurden. Dieser Versuch, welcher bei jeder Wiederholung
das nämliche Resultat gab, lehrt, dass noch andere arterielle Anasto-
mosen existiren müssen, als diejenigen, welche durch die Nierencapsel
verlaufen und mit den Art. suprarenalis, diaphragm., lumbal, in Zu¬
sammenhang stehen. Diese Anastomosen müssen vom Nierenbecken,
d. h. vom Ureter aus zur Niere treten und entstammen den Art. sper-
mat. Man kann diese letzteren ausschalten, wenn man den ganzen
Hilus abbindet (arter. -f vena -f- ureter). Bleibt aber alsdann die
Capsel erhalten, so schwillt das Organ ebenfalls an, und erreicht fast
dieselben Dimensionen, wie im ursprünglichen Versuch. Hieraus geht
hervor, dass die Niere nach Unterbindung der Art. ren. sowol von der
Capsel, als vom Ureter aus noch ziemlich reichliche und annähernd
gleichwerthige Blutzuflüsse erhält. Dass eine aus der Capsel losgelöste
Niere, deren Hilus abgebunden ist, anämisch wird und keine Volum¬
vermehrung erkennen lässt, bedarf kaum der Erwähnung. Es scheint
die Thatsache, dass eine Niere, deren Arterie ligirt ist, unrettbar der
Necrose anheimfällt, im Widerspruch zu stehen mit den Ergebnissen
dieser Versuche, denen zu Folge das Organ noch bedeutende arterielle
Zuflüsse erhält. Die Niere ist normal auf einen sehr bedeutenden
Blutwechsel angewiesen, wie dies schon aus dei Grösse ihrer Arterie
hervorgeht; dass die relativ unbedeutenden Zuflüsse, welche ihr nach
Ausschluss der Arterie auf anastomotischen Wege zugehen, das Organ
nicht in seiner Integrität erhalten können, ist uns verständlich, seitdem
wir durch Cohnheim’s Versuche wissen, wie sehr die Organe des
Ohaltigen Blutes bedürfen, um in ihrer Integrität erhalten zu werden.
Eine vollständige Anämie, ja selbst nur eine bedeutende Verminderung
des arteriellen Blutes bringt die Gefässe eines Organes sehon nach
wenigen Stunden zur Desorganisation. Doch gelingt es im vorliegenden
Fall sehr leicht, auch experimentell den Grund für das Zugrundegehen
der Nieren nachzuweisen. Wenn man eine Art. u. Vena renalis unter¬
bindet und alsdann mit einem die Capillaren durchdringenden Farbstoff
die künstliche Injection ausführt, so gelingt es nur die interstitiellen
Capillaren stellenweise zu injiciren, während die Glomeruli ungefärbt
bleiben. Hieraus geht hervor, dass die letzteren nach Abschluss der
Art. renalis kein Blut mehr bekommen, während die Rindencapillaren
mit den genannten Stromgebieten anastomosiren, d. h. mit anderen Worten,
dass die Art. renalis für die Glomeruli eine anatomische, für die Rinden¬
capillaren eine functioneile Endarterie ist. Hierdurch wird es auch
vollständig verständlich, dass Nieren, deren Art. und Vene ligirt sind,
kein Harnwasser, wol aber noch den blauen Farbstoff des Indigearmins
ausscheiden.
III. Der dritte Gegenstand, welchen der Vortragende zur Sprache
brachte, bezog sich auf die Bildung und Entstehung gewisser Arten von
Cylindem. Wenn man Kaninchen die Nierenvenen unterbindet und die
Thiere längere Zeit erhält, so findet man sehr viele Sammelröhren mit
hyalinen oder körnigen Cylindern vollgestopft, während der Epithelial¬
besatz derselben vollständig erhalten ist. Sehr bald nach der Opera¬
tion scheiden die betreffenden Thiere einen ciweisshaltigen Harn aus,
der die erwähnten Cylinder häufig in reichlicher Menge enthält. Die
Epithelien der Rinde, namentlich die der gewundenen Harnkanälchen,
zeigen dabei eine eigenthümliche Veränderung in so fern, als viele von
ihnen durch Imbibition von Eiweiss aufquellen und hyaline plasmatische
Kugeln darstellen, welche sich loslösen und in den Harnkanälchen liegen
bleiben, oder wenn Harnsecretion noch stattfindet, nach abwärts gespült
werden. Vortragender ist der Ansicht, dass diese degenerirten Zellen
es sind, welche durch Zusammenkleben die cylindrischen Gebilde dar-
stcllen, die sich in den Sammelröhren vorfinden. Ob daneben noch
eine „Secretion“ der Zellen stattflndet, der Art, dass die hyalinen
Kugeln an einer Stelle ihrer Peripherie bersten und ihren Inhait aus-
fliessen lassen, bleibt dahin gestellt; indess sah der Vortragende Bilder,
welche dafür zu sprechen schienen. Das Epithel der Tub. contorti ist
einer Regeneration fähig; bleibt diese aus, was häufig genug der Fall
ist, so collabiren die Harnkanälchen. — Dieser Modus der Entstehung
von Harncylindern hat grosse Aehnlichkeit mit dem Vorgang, wie ihn
Aufrecht kürzlich nach Unterbindung der Ureteren bei Kaninchen
beschrieb.
Herr Senator: Die von Herrn Litten über den Einfluss des er¬
höhten Blutdrucks angestellten Untersuchungen scheinen mir sehr wich¬
tig, weil sic eine seit langer Zeit streitige Frage zum Austrag bringen;
denn obgleich von Robinson an wiederholt die Aortenunterbindungen
unterhalb der Nierenarterien und fast stets ohne Albuminurie gemacht
wurden, ist doch immer wieder behauptet worden, dass blos durch
arterielle Drucksteigerung Eiweiss im Harn erscheinen könne. Ich halte
mich schon vor Jahren gegen diese Auffassung ausgesprochen (Virchows
Archiv, LX), und dabei ist zu bedenken, dass so gewaltige Druck¬
steigerungen, wie sie im Experiment erzeugt werden, plötzlich bei Men¬
schen wohl kaum Vorkommen werden. Indessen muss man doch einen
Unterschied zwischen gesunden und kranken Nieren machen, denn in
letzteren, und besonders bei der hier in Betracht kommenden Nieren-
cirrhose sind, wie neuerdings Thoma gezeigt hat, die Gefässe abnorm
durchlässig, und es lässt sich sehr wohl denken, dass unter solchen
Umständen auch eine massige Drucksteigerung Albuminurie bewirkt, die
bei gesunden Nieren dies nicht thut. Damit stimmen ja auch die kli¬
nischen Erfahrungen über die Wirkung von Ueberanstrengungen, Excessen
etc. bei Nierensehrumpfung überein.
Was die Versorgung der Nieren mit Blut betrifft, so ist aus den
Worten des Herrn Vortragenden nicht zu entnehmen gewesen, ob er bei
seinen Unterbindungsversuchen die Nieren nur von der Fettkapsel be¬
freit hat, oder, wie wohl anzuuehmen ist, auch von der eigentlich fibrösen
Kapsel, denn im ersteren Falle würde z. B. noch die Arteria suprarenalis,
welche ganz erhebliche Verzweigungen zu den Nieren schickt, intact
geblieben sein.
Was endlich die hyalinen Harncylinder betrifft, so habe ich mich
ebenfalls schon lange für die Abstammung derselben von den Niercn-
epithelien ausgesprochen, und zur Begründung dieser Ansicht unter
anderem eine, wie mir scheint, sehr beweisende Thatsache angeführt,
nämlich, dass solche Cylinder im Ham, der kein Eiweiss enthält, Vor¬
kommen können. Ich weiss nicht, wie man dann diese Cylinder anders
sich entstanden denken soll, als dass sie von den Epithelien secernirt,
oder durch Umwandlung derselben hervorgegangen sind.
Herr Litten: Die von einigen nach Unterbindung der Aorta ge¬
fundene Steigerung des Blutdrucks habe ich nicht bestätigen können;
ich habe bei meinen eigenen Versuchen keine Eiweissausscheidung nach-
weisen können, was ja auch mit der Ansicht vieler Autoren vor mir
übereinstimmt.
Dass bei Menschen colossale Blutdrucksteigerungen, die acht viel
hinter den durch Strychnin erzeugten zurückstehen, eintreten können,
ergiebt sich aus den Untersuchungen eines Klinikers, auf die ich jetzt
nicht näher eingehen kann. Dass nach starken Bewegungen Albuminurie
sich zeigen kann, habe ich schon angedeutet, indem ich davon sprach,
dass sie schon beim Aufbinden der Huudc vorkomme; dieselbe stellt
sich zuweilen nach epileptischen Insulten, auch, wie Leube nach-
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UNIVERSETY OF MICHIGAN
11. November 1S78
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
675
gewiesen hat, nach anstrengenden Märschen bei sonst ganz gesunden
Soldaten ein.
Dass grössere Durchlässigkeit erkrankter Gefässe Albuminurie zur
Folge hat, ist ganz natürlich. Nach meinen Versuchen muss ich eben¬
falls bezweifeln, dass bei Nierenschrurapfung die Albuminurie auf die
Steigerung des Blutdrucks allein zu beziehen sei; die Hauptrolle spielen
dabei die krankhaften Veränderungen der Gefässe.
Was die Arteriae suprarenales betrifft, so geben diese allerdings
ebenso wie die Art. diaphragm. und lumb. Blut zur Niere, aber mit der
Unterbindung des Nierenfetts und der Kapsel sind sie sämmtlich von
mir ausgeschlossen worden.
Herr Guttmann: In Betreff der Entstehung der Harncylinder
möchte ich auf die Versuche von Weissgerber und Perls hinweisen;
dieselben erhöhten den Blutdruck in den Nieren durch Zuklemmung
ihrer Hauptvenen, doch nur so, dass der Blutabfluss zwar gehindert,
aber nicht vollkommen aufgehoben war und fanden dann constant in
den Harncanälchen bei ganz intactem Epithelium Cylinder, besonders
fibrine. Sie schliessen daraus, dass die Epithelien an der Bildung der
Harncylinder nicht betheiligt, diese vielmehr als Transudationsproduktc
aus dem Blute zu betrachten sind.
Herr Seemann: Eiweiss findet sich auch nach profusen Diarrhöen,
wo der Blutdruck sicher, statt gesteigert, vermindert ist; demnach
scheint die Ernährungsstörung in den Harncanälchen die Hauptursache
der Eiweissbildung- zu sein.
Herr Litten: Allerdings findet sich auch bei Cholera Albuminurie.
Die Bemerkung des Herrn Guttmann ist für meine Versuche nicht
zutreffend, da ich die Nierengefdsse ganz unterbunden, jene Herren sie
nur verengert haben. Auch habe ich nicht von Fibrinoy lindern, die
allerdings nur aus dem Blut stammen können, gesprochen.
Herr Guttmann: Meine Bemerkungen waren nicht gegen Herrn
Litten gerichtet, sondern sollten sich den Ausführungen des Herrn
Senator anschliessen.
Herr Martin: Bei einer Patientin, der ich wegen unerträglicher
Schmerzen eine Wander-Niere exstirpirt habe, zeigte sich schon in den
ersten 6 Stunden nach der Operation Albumen in dem vorher voll¬
ständig normalen Harn; bei der microscopischen Untersuchung fanden
sieb keine Cylinder und Blutkörperchen; letztere zeigten sich am zweiten
Tage bei stärkerem Albumingehalt neben grossen Plattenepithelien,
Cylinder konnten auch später nicht gefunden werden. Allerdings wurde
der Befund durch einen am Ende der ersten Woche auftretenden Blasen-
catarrh getrübt. Nachdem die Reconvalesconz vollständig erfolgt war,
fand sich auch kein Albumen mehr vor.
VIII. Feuilleton.
Kritische Erinnerungen an einen Winteraufenthalt
im Süden.
Von
Oberstabsarzt Dr. Starcke.
(Schluss.)
Nun noch einige specielle Notizen über einzelne Curplätze. Weit¬
aus die beste und billigste Verpflegung, die sich manchmal bis zum
kulinarischen Raffinement steigert, fand ich in dem Grand Hotel in
Pegli, dessen Besitzer Herr Lau dry wohl den meisten Berliner Collegen
durch sein Sommerhötel auf Engelberg in der Schweiz rühmlichst be¬
kannt ist. Mir ist es geradezu unverständlich, wie vor einiger Zeit in
der Reclam’schen „Gesundheit“ von Prof. Schleiden in Jena ausser
auf Pegli’s köstliche Lage und Vorzüge noch auf die primitiven Gast¬
hauseinrichtungen mit ihrer italienischen Küche hingewiesen werden
konnte. Das Hotel ist ein grandioser Pallazzo der alten genuesischen
Familie Lomellini mit grossartigem, hallenartigem Vestibül, das Menu
übertraf stellenweise die Kochkunst Poppenberg’s und Hiller’s, was doch
gewiss etwas sagen will. Zur weitern Begründung meines Lobes möchte
ich an führen, dass Pegli die eigentliche Piazza della salute, der Gesund¬
heitsort Italiens ist; mehrere Mitglieder der Königlichen Familie (die
jetzige Königin Margherita z. B.) verdanken dem Aufenthalt in Pegli
ihre Wiederherstellung, der Leibarzt Dr. Trompeo weiss nicht genug
davon zu rühmen, ^Professor Lebert hielt es nach einem Aufenthalte
mit seiner Familie für seine Pflicht zu empfehlen, cet endroit delicieux
comme vue Station climaterique surpassant toutes les autres de l’Italie.
Ich kann mich dieser Empfehlung aufs wärmste anschliessen und führe
nur an, dass ich anfangs nur 3 Tage dort -zu bleiben beabsichtigte um
von der Mont Cenis-Reise auszuruhen, dann aber durch die vortrefflichen
Einrichtungen des Hotels und die herrlichen Spazierwege in köstlicher
Luft fünf Wochen festgehalten wurde, um später immer wieder zu be¬
dauern, dass ich nicht länger verweilte, als ich die Nörgeleien anderer
Gasthäuser an der westlichen Riviera kennen gelernt hatte. So war
man z. B. in San Remo ganz gegen Landesgebrauch gezwungen, in Gold
zu bezahlen, während man im übrigen Italien und in Pegli Papiergeld,
d. h. mit einem Unterschied von ungefähr 9 —10% nimmt. Auch
scheint mir Pegli die günstigste Stelle für die Umwechselung deutscher
100 Markscheine wegen der vielfachen Beziehungen Genua’s zu Deutsch¬
land zu sein. Nicht zuletzt sollte ich rühmen, dass seit einem Jahre dort der
frühere eidgenössische Oberfeldarzt, der bekannte Specialarzt für Brust¬
krankheiten aus dem Schweizer Bade;Weissen bürg, Herr Dr. Schnyder,
seinen Winteraufenthalt nimmt. Derselbe hat früher in Pisa und in
Nizza residirt und behauptete mir nach seiner vollen Ueberzeugung.
dass Pegli die Vorzüge beider Orte vereine, dass er aber auf die relativ
hohe Luftfeuchtigkeit Pegli’s das bedeutendste Gewicht lege.
(S. Schnyder, Reisebriefe aus dem Süden. Correspondenzblatt für
Schweizer Aerzte. 1878.)
Neuerdings wird Pegli mit Genua durch eine Pferdebahn verbunden,
ob zum Vortheil der Kranken muss ich dahingestellt sein lassen. Ich
möchte glauben, dass die Entfernung der Stadt heilsamer ist als die
Nähe; der Besuch der dortigen Kirchen, Paläste und Gallerien, das
Verweilen in den engen, eisig-zugigen, aller Hygiene hohnsprechenden
Gassen möchte ich durchaus widerrathen. Ueberhaupt kann man die
Patienten nicht genug warnen vor allen Excessen. Was im Norden ge¬
fährlich wirkt, wird auch im Süden nicht ungestraft unternommen. Die
abendlichen Zusammenkünfte in den menschenerfüllten Salons, Tanzen
in staubigen, heissen Räumen, Ausfahrten, die bis in die Nacht hinein¬
dauern, der Besuch der Theater und Concertlocale, der Frühschoppen
nach deutscher Art in tabaksraucherfüllten Bierhäusern, das Kneipen
nach dem Abendbrot sind Uebertretungen allgemein gültiger, inter¬
nationaler hygienischer Gesetze, die sich selbst mit Körperstrafe ahnden.
Von Pegli begab ich mich nach San Remo, diesem seit dem
Kriege von Deutschen so bevorzugten Curort, dass in der diesmaligen
Saison fast die Hälfte aller Fremden Deutsche waren. San Remo theilt
alle Vorzüge der übrigen Orte, den Windschutz, die Wärme, doch
sind seine speci fischen Heilein wirk ungen durchaus unbegrün¬
det. So erklärt es sich, dass alle Reisebeschreibungen und Schilde¬
rungen der Besucher mit den Worten anfangen: „Jeder ankommende
Fremde ist zuerst enttäuscht - . An dieser Enttäuschung leide ich auch
heute noch. Die Verpflegung ist in allen Hotels mangelhaft, was wohl
mit den Schwierigkeiten der Herbeischaffung der Lebensbedürfnisse bei
dem geringen Ackerbau der Umgegend zusammenhängt. So erklären sich
angeblich auch die hohen Preise, die für die Wohnung gefordert werden.
Einen hervorzuhebenden Vorzug hat San Remo in der Anwesenheit
mehrerer allgeschätzter deutscher Aerzte, deren Namen eine sorgfältig
geleitete Specialbehandlung garantirt. Ihre Erfolge würden noch ecla-
tanter hervortreten, wenn nicht fast die Hälfte der hierher gesendeten
Patienten nur fälschlicherweise hierher dirigirt wären. Beachteten die
Hausärzte mehr die grosse Lufttrockenheit 1 ), so würden nicht so
viel^ Lungenbluter, Kehlkopfkranke, floride Tuberculöse zu ihrem Schaden
hier sein, sondern Magenkranke, Reconvalcscenten von äusseren Leiden,
mit Resten plcuritischer Exsudate, mit blennorrhoischen Processen der
Bronchialsehleimhaut, ferner diejenigen Nierenkranken, bei welchen die
Beschränkung der Harnmenge und Eiweissausseheidung so oft Wunder
wirkt, endlich die Rheumatiker, Gichtische, die grosse Zahl der Hy¬
pochonder, der Nervenkranken würde unter dem lachenden Himmel,
unter welchem wie in dem alten Syracus jeder Tag seinen Sonnen
schein hat, an dem herrlichen Meeresufer, unter dem Zauber der Oliven¬
haine Gott loben und danken.
Sehr zu bedauern ist, dass die staatlichen Behörden sieh so wenig
für San Remo zu interessiren scheinen, sonst müsste in ganz anderer
Weise für die Spazierwege gesorgt werden. Der giardino publico, die
strada della Imperatrice di Russia genügen auf die Dauer wohl nur
wenigen schwer Kranken. Die schwachen Anfänge eines sanft ansteigen¬
den Weges, welchen man jetzt projectirt, deuten recht den Mangel an.
Der Aufenthalt am Strande ist durch nichts annehmlich gemacht und
doch würde der sehr schützende, weit in die Bucht vorspringende Molo
ein sehr geeigneter Platz sein für Aufstellung eines Glashauses, einer
Wandelbahn, von Schutzkörben für alle Lufthungrigen, deren Athmungs-
organe der Schonung bedürfen. In San Remo fällt es besonders auf.
wie sehr die Kranken jede Luftströmung fliehen, wie sehr sie sich in
der Prallsonne verweichlichen, wie sie schaudern, wenn sie bei einem
Spaziergange den eisigen Schatten der Häuser passiren müssen. Ein hy-
dropathisches Etablissement und ein heilgymnastisches Institut führen ein
klägliches Dasein und doch könnten gerade sie durch wohlgeleitete Haut¬
pflege, durch methodisch geförderte Muskelarbeit zu sehr wesentlichen
Heilfactoren gemacht werden. Für San Remo würde ich ferner bei dem
Mangel an einem geselligen Vereinigungspunkt die Anlage eines Skating¬
rink womöglich im Jardin publique empfehlen.
Aerztliche Collegen, die San Remo passiren, mache ich auf die
Leproserie aufmerksam, ein grossartiges, mit allem Comfort ausge¬
stattetes Hospital auf der Höhe des Stadtberges, worin ich etwa 16 ty-
1) Im Mittel 65%, nach Goltz 62% relat. Feuchtigkeit. Ich finde
aus diesem Winter in den Osservazione meteorologiche della Stazione
di San Remo, welche durch die vorzügliche Pharmacia internationale des
Herrn Vacchieri veröffentlicht und in liberalster Weise jedem Inter¬
essenten zur Verfügung gestellt werden, mehrfach Angaben, die sich
40% nähern. In der kleinen Schrift des in San Remo hochgeschätzten
Dr. Daubeny: The climate of San Remo, London, 1865, ist die mittlere
Luftfeuchtigkeit auf 45% angegeben. Aus dem sehr hübsch geschrie¬
benen Buche Sulla spiazze del mare con alcuni cenni sulla stazione ma¬
ritima di San Remo Reggio Emitia 1877 von Dr. Cougnet Alberto
entnehme ich die Angabe, dass die Feuchtigkeit schwanke im Mittel
zwischen 60 ai 70° con un minimum che e il 17 (!) ed un maximum
che b il 94°. Framjois Onetti, Arzt in San Remo (Le climat de
San Remo, Marseille, 1876) sagt, der mittlere Feuchtigkeitsgehalt sei
50—60%, und zwar kämen die grössten Schwankungen vor im Winter¬
halbjahr von October bis März; auch sei Thau selten und wenig be¬
merkbar.
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 45
pische Fälle von Lepra tuberculosa mutilans fand. Sie stammen zum
Theil in mehreren Generationen aus den schluchtenartigen Thälem bei
Ventimiglia. Als ich diese Ortschaften aufsuchte, konnte ich weder in
dem Bau der Häuser, noch in der Beschäftigung und den Gewohnheiten
der Einwohner eine specielle Schädlichkeit, finden die nicht auch sonst in
den dunkeln, gar nicht ventilirten, kellerartigen Wohnstätten anderer Orte
ohne Lepra vorkäme. Wer viel hereditäre Syphilis z. B. in der City
in London gesehen hat, kann gewiss nicht den Eindruck loswerden,
dass es sich hier um verwandte pathologische Processe handelt. Die
gleichzeitige Erkrankung der Haut, der Augen, des Gaumens, der Knochen,
die Abstossung der Phalangen (Onychia, Dactylia syphilitica) haben für
mich nichts unterscheidendes. Auffallend freilich bleibt das frühe Aus¬
fallen der Augenbrauen und Wimpern, welches den Gesichtern etwas
ganz frappirendes im Ausdruck giebt. Aber sollten hier nicht vielleicht
locale eigenthümliche Schädlichkeiten, eigenthümliche Gewohnheiten
einwirken, die an anderen Stellen die Localisation resp. die Eruption
des Processes anregen. Die Kranken wurden dort gar nicht specifisch
behandelt, sondern nur verhältnissmässig generös verpflegt, da man
sich angeblich überzeugt hatte, dass Jodkalium und Mercur ohne heil¬
samen Einfluss wären.
Gleiche Indicationen wie für San Remo stelle ich für das wenige
Kilometer entfernte Bordighera, welches an landschaftlicher Schön¬
heit ersteres weit übertrifft. Hier ist der Sammelpunkt der Maler und
Aquarellisten, hier sollte aber auch der Sammelplatz vieler mühseligen
und beladenen menschlichen Zugvögel sein, die auf den Windschutz
nicht allzu grossen Werth legen. Bordighera ist augenblicklich der
Gegenstand grosser Landspecuiationen, an denen sich besonders Pariser
Bankhäuser betheiligen, nachdem Mr. Garnier, der Architeet des Schön¬
baues, der Erbauer der grossen Oper in Paris, sich an der entzücken-
densten Bellevue, die man sich unter Palmen, Myrthen und Orangen
denken kann, eine prachtvolle Villa erbaut hat. Die Speculanten haben
ganz richtig erkannt, dass die sog. Marina, die Hauptstrasse am Strande,
wo augenblicklich die grossen Hotels gelegen sind, für Kranke des
Windes wegen nicht der geeignete Platz ist. Man baut deswegen die
neue Krankenstadt: auf den Abhängen schützender Hügel, mitten unter
Oliven, die der Luft sicher den Staub und die Trockenheit nehmen.
Sehr wohlthuend bemerkt man hier auch die Theilnahme der Stadt,
die zu den neuen Anlagen eine sich von der staubigen Haupts! rasse
abzweigende, Ruhe suchende Strasse gebaut hat. Gerade als Muster für
andere Curorte empfehle ich das neue Buch über Bordighera. in welchem
Meteorologen, Aerzte, Künstler auf die klimatischen und landschaft¬
lichen Schönheiten und Vorzüge des Orts in polyglotter Zusammen¬
stellung hinweisen.
Kino besondere. Berühmtheit hat Bordighera durch seine Palmen,
welche in einer von allen Nordländern ungeahnten Fülle ohne specielle
Pflege gedeihen und der ganzen Landschaft, ich möchte sagen, den
Character des heiligen Landes mittheilen. Manch«; Punkte erinnern
frappant an die Schilderungen des alten Testamentes. Schon jetzt hat
Bordighera derartigen Fremdenzuspruch, dass du; bestehenden Hotels
immer überfüllt sind, was freilich zum Theil mit ihrer vortrefflichen
Leitung gegenüber denen in San Remo zusam menhängt.
Zum Schluss noch einige Notizen über Nizza. Die Stadt und der
Strand hab«;n alle Naehtheile, die ich von den übrigen Orten der Riviera
zeichnete; dagegen bietet die nächste Nachbarschaft landeinwärts, be¬
sonders die villengeschmückten Ortschaften Cimies und Carabacel wunder¬
volle Heilgelegenheiten. Ich verweise in der Beziehung auf das in zweiter
Auflage erschienene Buch unseres Landsmannes Dr. Lippert: „Das
Klima von Nizza 4 . Berlin. Hirschwald. 1877. Hier findet man
auch Indicationen und Contraindicationen der einzelnen Bezirke sehr
ausführlich geschildert. Betonen möchte ich nur den darin enthaltenen
Satz: „Wer aber an Schlaflosigkeit, grosser Nervosität, zu schnellem
Puls, Lungentuberculose mit Disposition zu Blutspeien leidet, der muss
landeinwärts ziehen“. Die Rauhigkeit der Luft, der eisige Wind, der
gewaltige Staub wird an nichts besser erkannt, als an den armen zer¬
zausten, wie mit Staub bestreuten Palmen und Eukalyptus. Vergleicht
man gerade die letzteren in dem Acclimatisationsgarten von Nizza mit
den prächtigen Exemplaren in der Villa Pallavicini in Pegli oder in
Bordighera, so fallen jedem Arzte die armen Patienten ein, welche in
ähnlicher Weise in ihrer Gesundheit zersaust werden können. Auch
möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass sowohl die Stadt als nament¬
lich die vielfachen schluchtartigen Thäler der Umgebung, zu denen man
Vergnügungsfahrten zu unternehmen pflegt, der Vallon St. Andrö, vallöe
des fleurs, St. Philippe nicht frei von Malaria sind, ln diesen tiefen,
nasskalten, feuchten, mit Moos und Farren bedeckten Erdausspülungen
stagnirt Sumpfluft. Sie brachte mir seihst eine heftige Malarianeuralgie.
Auch die Spaziergänge am Paillon mit seinen oft plötzlichen eisigen
Nordstürmen, die nach Lippert „den Brustranken das Zuhausebleiben
auferlegen“, können nicht vorsichtig genug unternommen werden. Leider
concentrirt sich gerade hier das gesellige Leben, die öffentlichen Con-
eerte, hier ist der Hauptplatz für die Aufzüge des Carnevals mit seinen
grossartigen Prachtschaustellungen. Hier holt sich mancher Leidende,
der dem Vergnügen nachjagte, den Tod aus der grausamen Hand des
verlockenden Klimas. Nizza ist für gesunde das Eldorado eines Winter-
aufenthalts, das weltstädtische Leben, der raffinirte Luxus der Hotels,
die Nähe des berüchtigten, aber paradiesisch schöngelegenen Montecarlo
in Monaco, die grossartigen Wettrennen, der an Pracht und Mannig¬
faltigkeit der ausgelassenen Darstellungen unübertroffene C&rneval ver¬
einigen hier viele Tausende der beau und demi monde.
Ich verliess Nizza Ende März, um dem Schema gemäss nach den
gerühmten oberitalienischen Seen zu gehen, zur vorschriftsmässigen
Uebergangstation. 0, wäre ich doch an der Riviera geblieben! Nach
den Mittheilungen der zurückgebliebenen Freunde gab es auch dort
Sturm und zeitweilig Schnee und Regen, aber dann auch wieder Sonne
und Wärme. Aber welch eisiger Hagelschauer empfing mich in Mailand,
wie fror ich auf dem Lago maggiore, auf der schauerlichen Fahrt nach
Pallanza. Sicher ist April noch nicht die Zeit, wo man die Riviera
verlassen sollte. Ist es hier kalt und windig, so steigern sich die Un¬
annehmlichkeiten mit jedem Schritt, den man nordwärts thut. Will
man sicher sein, den richtigen Zeitpunkt für den Uebergang über den
Mont Cenis zu treffen, so lasse man sich in der Endstation Pegli bei
Genua nieder und warte hier in dem schönen Hötelgarten, vor Wind
und Sturm geschützt, bis auch im Norden der Frühling eingekehrt ist
Mit Sehnsucht dachte ich an dieses Heim, als ich in Pallanza in dem
zwar recht grossartigen, aber für Kranke ganz ungeeigneten hallen¬
artigen Hotel bettlägerig krank wurde. Der Lärm des Hauses ist durch
nichts von den Zimmern abzuhalten. Anderen Leidenden und ihren
Beratbern zur Warnung will ich aber in Bezug auf die dortigen Preise
mittheilen, dass jede Mahlzeit, die auf das Zimmer gebracht wird, nicht
nur um mehrere Gänge gekürzt, sondern noch extra mit einem halben
bis 2 Francs besteuert wird. Ich bezahlte somit täglich ausser meiner
Pension, in welcher der Servis schon eingeschlossen war, für die
Krankheit extra 4 Francs. Ein Liter Milch kostete \\ Francs,
1 Teller Milchsuppe 1,25. Das mag den Patienten gesagt sein, die etwa
einer Milchcur wegen die dortige klimatische Station aufsuchen. Rei
sehr viel grösserem Comfort war der Aufenthalt an der Riviera überall
billiger und wohlthätiger. Mögen Touristen sich in Pallanza recht wohl
fühlen, Kranke werden dort nicht an richtiger Stelle sein, trotz aller
Zcitungsreciame.
Messungen der Körperlänge.
In Folge der von mir vor Jahresfrist ausgesprochenen, auch in
dieser Wochenschrift abgedruckten Bitte, dass sich möglichst viüe
Collegen an einer regelmässigen Messung der Körperlänge möglichst
zahlreicher Individuen beiderlei Geschlechts vom 1. — 20. Lebensjahre
betheiligen möchten, um in dieser Weise eine auf grosse Zahlenreihen
basirto Wachsthumsgesehiehte des Menschen zu ermöglichen, sind mir
zahlreiche Zuschriften mit dem Ersuchen um Mittheilung des von mir
benutzten Schemas für die Aufzeichnungen zugegangen.
Ich erlaube mir heute, den verehrten Herren Collegen die erfreu¬
liche Mittheilung zu machen, dass der Direcior des König!. preu?>.
statistischen Bureaus, Herr Geh. Reg.-Rath I)r. Engel, in dankbarst
anzu^rkennender Weise seine Bereitwilligkeit ausgesprochen hat. die
abgeschlossenen Messungs-Protoeolle auf dem Künigl. statistischen Bureau
sammeln und daselbst eventuell zusammenstellen zu lassen. Es ist
damit eine dauernde Centralstelle für die Sammlung der fraglichen Be¬
obachtungen gewonnen, und bei dem gewichtigen Interesse, welches
Herr Geh. Reg.-Rath Dr. Engel der Aufgabe zuwemlet, darf ich mir
wohl den Ausspruch des Wunsches gestatten, dass diesem Interesse, so
wie dem der Wissenschaft, durch zahlreiche Betheiligung an den Arbeit«-»
entsprochen werden möchte. — Ein jeder Arzt wird, sei es in der eigen*;»
Familie oder in weiteren Kreisen, Gelegenheit haben, sich an den
Messungen zu betheiligen.
Die Messungen werden an einem in Centimeter getheilten Gestell
in der Weise vorgenommen, dass den mit unbekleideten oder höchstens
mit Strümpfen bekleideten Füssen an dasselbe hinantretenden Kindern
u. s. w. ein flaches Winkelmass der Art auf die Scheitelhöhe gelegt wird,
dass der eine Schenkel desselben dem Gestell, der andere der Scheitelhöhe
anliegt. Messungen mit dem Lineal geben durch nicht rechtwinklichtes
Auflegen desselben leicht Fehler von 1—2 Ctm. — Die Messungen sind
regelmässig und genau am Geburtstage der zu Messenden und nach
Ablauf eines jeden neuen halben Lebensjahres vorzunehmen.
Meine einfachen Schemata haben folgende Einrichtung:
Messungen der Körperlänge.
Name: .
geboren den ... ..-*.>**>>.18—
Datum
der
Messung
Lebens¬
alter
Körper¬
länge
in Ctm.
Zu¬
nahme
Datum
der
Messung
Lebens¬
alter
Körper-
längo
in Ctm.
Zu¬
nahme
1 Jahr
H Jahr
2 Jahr
2 4 Jahr
11 Jahr
12% Jahr
12 Jahr
124 Jahr
u. s. w. u. s. w. bis zum vollendeten 20. Lebensjahre.
Eine Ausdehnung bis zum 25. Lebensjahre würde noch erwünschter
sein. Name und Wohnort des Beobachters ist jeder abgeschlossenen
Tabelle hinzuzufügen.
Das Schema, in Form eines Oetav-Briefbogens von festem Papier,
nimmt auf der 2., 3. und 4. Seite „Bemerkungen über in den einzelnen
Halbjahren etwa überstandene Krankheiten, den Gesundheitszustand im
allgemeinen, Schulbesuch und Ferienzeit, Eintritt der Pubertät
u. s. w.“ auf.
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11. November 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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Ein Exemplar der Schemata erhalten die Eltern oder Angehörigen i
der zu Messenden, damit die Messungen bei eintretendem Wobnungsorts- I
Wechsel fortgesetzt werden können, und das Interesse der Eltern u. s. w. j
für die Messungen rege erhalten wird; ein zweites Schema (Duplicat)
bleibt in der Hand des Beobachters, und würde dieses nun nach
Vollendung der Messungen an das Künigl. statistische Bureau in Berlin
S.W. Lindenstrasse 31 32 einzusenden sein.
Es bedarf kaum der Bemerkung, dass auch solche fortlaufende j
Messungen willkommen sein werden, welche nicht gerade mit Abschluss t
des ersten, sondern mit einem späteren Lebensjahr beginnen.
Denjenigen Herren, welche meine gedruckten Schemata zu benutzen I
wünschen, bin ich gern bereit gegen Einsendung von 0,50 M. 25 Exem- I
plarc derselben übersenden zu lassen. Prof. Beneke. I
Tagesgeschiehtliche Notizen.
Berlin. Ein geschätzter College, Herr Dr. Jaffe hierselbst, feierte, j
78 Jahre alt, am 8. November sein 50jähriges Doctorjubiläum. Er |
gehört zu den ältesten Mitgliedern der Hufeland’schen Gesellschaft, :
und der Vorsitzende derselben könnte ihm wohl das seltene Zeugniss I
ausstellen, dass er kaum je in einer Sitzung derselben gefehlt hat. j
Stets treu, strebsam und aufopfernd in seinem Berufsleben, verdient er
im höchstem Masse die Theilnahme, welche ihm bei seinem seltenen *
Feste von allen Seiten gezollt wurde. j
— Dasselbe schöne Fest feierte am 20. September d. J. Herr Me di- |
cinalrath Dr. Cohen in Hannover. Die Nachrieht ist uns verspätet zu- ,
gegangen, so dass wir dem liebenswürdigen und hoch geachteten Colleger.,
der sich um die Hebung des ärztlichen Standes und um die öffentliche
Gesundheitspflege grosse Verdienste erworben hat. und der mit noch
jugendlichem Eifer allen Fortschritten der Wissenschaft folgt und selbst ,
arbeitend sie im practischen Leben zu verwerthen weiss, erst nachträg- j
lieb unsere Glückwünsche darbringen können. j
— In der Woche vom 20. September bis 5. October sind hier 1
594 Personen gestorben. Todesursachen: Scharlach 26, Rothlauf 1,
Diphtherie 28, Kindbettfieber 2, Typhus 12 (Erkrankungen an Typhus
23 m.. 18 w.), Dysenterie 6, Carbunkcl 1, Syphilis 1, Vergiftungen 2,
Brandwunden 1, Sturz 4 (davon 1 Selbstmord), Schussverletzung 3
(davon 2 Selbstmorde), Erhängen 5 (Selbstmorde), Ertrinken 1 (Selbst¬
mord), Lebensschwäche 34, Abzehnjng 39, Atrophie der Kinder 12,
Scropheln 3. Altersschwäche 17, Krebs 11, Wassersucht 3, Herzfehler 10* I
Hirnhautentzündung 0, Gehirnentzündung 6, Apoplexie 13, Tetanus und
Trismus 8. Krämpfe 33, Kehlkopfentzündung 11. Croup 6, Pertussis 8,
Bronchitis 12. Pneumonie 22, Pleuritis 2. Phthi.sis 64, Peritonitis 6,
Diarrhoe 44, Brechdurchfall 46, Magen- und Darmcatarrh 16, Nephri¬
tis 5, Krankheit der Blase 2, andere Ursachen 58, unbekannt 1.
Lebend geboren sind in dieser Woche 444 m., 412 w., darunter
ausserehelich 6») m., 49 w: todtgeboren 15 m., 18 w., darunter ausser-
ehelich 2 m., 5 w.
Die durchschnittliche Sterblichkeit während dieser Woche beläuft
sich auf 29.9 pro Mille der wahrscheinlichen Bevölkerungszahl, die ent¬
sprechende Geburtenziffer auf 43,1 pro Mille (beide Summen mit Aus¬
schluss von 1,7 pro Mille Todtgeborenen).
Witterung: Thermoraeterstanti: 9,89 R., Abweichung:
— 0,22 R. Barometerstand: 28 Zoll 0,88 Linien. Dunstspan¬
nung 3,42 Linien. Relative Feuchtigkeit: 73 pCt. Himmelsbe¬
deckung: 6,1. Höhe der Niederschläge: 1,175 Pariser Linien.
11. Amtliche Mittheilnngen*
Personal ia.
Auszeichnungen: Seine Majestät der König haben Allergnädigst ge¬
ruht, dem Geheimen Sanitätsrath Dr. Steinthal in Berlin die Schleife
zum Rothen Adler-Orden dritter Klasse, sowie dem pract. Arzte etc.
Dr. Lazarus Jaffe in Berlin und den Kreisphysikern Dr. Graffunder
zu Lübbecke und Dr. Tietze in Arnswalde den Character als Sani¬
tätsrath zu verleihen.
Niederlassungen: Dr. Heinrici in Elbing, Dr. Nathan Simon in
Danzig, Dr. Pacykowski in Pelplin, Dr. Marechaux in Naum¬
burg a./S., Arzt Ileise in Osterfeld, Dr. Rehse und Dr. Fuctterer
in Ellrich, Dr. von Sassen in Langensalza, Dr. Bieharz in Sig¬
maringen.
Verzogen ist: Dr. Giebelhausen von Ellrich nach Eisleben.
Apotheken-Angelegenheiten: Apotheker Rothe hat die Schulz-
sche Apotheke in Frankenstein, Apotheker Pulvermacher die
Kühl man n’sche Apotheke in Breslau, und der Apotheker Weiss
die Schroeder’sche Apotheke in Schmiedeberg i. Sachs. gekauft.
Dem Apotheker Marx ist die Administration der Wittwe Eckert-
schen Apotheke in Zoppot übertragen worden.
Todesfälle: Dr. Gottfried in Treuenbrietzen, Dr. Liebeskind in
Kelbra.
Bekanntmachungen.
Die mit einem Gehalte von 900 M. dotirte Kreisphysicatsstelle des
Kreises Ostpriegnitz wird mit dem 1. Januar k. J. durch Ausscheiden
des bisherigen Inhabers erledigt. Bewerbungen um dieselbe sind unter
Vorlegung einer Lebensbeschreibung und der Befähigungsatteste binnen
6 Wochen bei uns anzubringen. Als künftiger Amtssitz sind die Städte
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Gck igle
Kyritz (7 km. von der Station Zernitz der Berlin-Hamburger Eisenbahn),
event. Pritzwalk (31 km. von der Station Glöwen derselben Bahn) in
Aussicht genommen.
Potsdam, den 30. October 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Die Kreiswundarztstelle des Kreises Reichenbach mit einem Jahres¬
gehalt von 600 M. ist erledigt und soll anderweitig besetzt werden.
Qualificirtc Bewerber, welche auf diese Stelle reflectiren, fordern wir auf,
sich binnen 6 Wochen unter Beifügung ihrer Approbationen und son¬
stigen Zeugnisse bei uns zu melden.
Breslau, den 14. October J878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Die mit einem jährlichen Einkommen von 900 M. verbundene Kreis¬
physicatsstelle des Kreises Mogilno ist sofort zu besetzen. Geeignete
Bewerber fordern wir auf. sich unter Einreichung ihrer Zeugnisse und
eines Lebenslaufes binnen 6 Wochen bei uns zu melden.
Bromberg, den 30. October 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Die Kreiswundarztstelle des Kreises Hiinfeld ist noch erledigt und
soll wieder besetzt werden. Qualificirtc Medicinalpersonen, welche sich
um dieselbe bewerben wollen, haben ihre Gesuche mit Lebcnlauf und
Zeugnissen binnen 8 Wochen bei uns cinzureichen.
Cassel, den 29. October 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Die mit einem jährlichen Einkommen von 600 M. verbundene Kreis¬
wundarztstelle des Kreises Inowrazlaw ist sofort zu besetzen. Geeignete
Bewerber fordern w r ir auf, sich uuter Einreichung ihrer Zeugnisse und
eines Lebenslaufes binnen 6 Wochen bei uns zu melden.
Bromberg, den 30. October 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Inserate.
Erklärung.
Ein in der letzten Zeit auswärts häufig auftretendes Gerücht, ich
hätte meine hiesige ärztliche Thätigkoit entweder eingeschränkt oder
gänzlich aufgegeben, veranlasst mich zu der ausdrücklichen Erklärung,
dass ich nach wie vor meine Praxis in der bisherigen Weise aus übe.
Aachen, im October 1878. Dr. Renmont,
__K. Geh. Sanitätsrath.
Volontär-Arzt gesucht*
An der Bezirksirrenanstalt. Stephansfeld bei Brumath (Eisass) ist
die Stelle eines Vuluntärarztes Mitte November zu besetzen. Gehalt
bei vollständig freier Station 600 M. Verpflichtung auf 1 Jahr. Mel¬
dungen sind zu richten an den Director
_ Dr. Stark.
Einem Arzte, der sich in Laufenselden, Amt Langen-Schwalbach,
niederlassen will, wird aus Gemeindemitteln ein Fixum von 1200 Mark
gewährt. Näheres bei Bürgermeister Meilinger daselbst.
Assi stenzArzt-Steil e.
Bei der inneren Abtheilung des hiesigen Bürgerhospitals wird mit
dem 3. Januar 1879 eine Assistenzarzt-Stelle, welche mit freier Station
und einem Jahresgehalte von 600,00 R.-M. dotirt ist, vacant.
Die Herren Aerzte, welche auf diese Stelle, bei welcher keinerlei
Privatpraxis gestattet ist, reflectiren, wollen ihre desfallsigen Gesuche
unter Beifügung ihrer Approbation als Arzt, Wundarzt und Geburts¬
helfer, sowie ihres Curriculum vitae spätestens bis zum 1. December c.
bei der untorzeichneten Stelle einreichen. Persönliche Vorstellung ist,
wenn auch nicht nöthig, doch erwünscht.
Cöln, den 28. October 1878.
Die Armcn-Deputation.
_ Pelman. _
Arzt - Gesuch.
In einer mit sehr wohlhabender Umgebung freundlichen kleinen
Stadt Sachsens findet ein tüchtiger und thätiger verheiratheter Arzt
sehr lohnende Praxis. — Einkommen circa 5400 M. Näheres auf Franco-
Offerten durch die Expedition sub H. S. 125.
Zum 1. Januar ist die Stelle des zweiten Assistenzarztes in der
Maison de sante Schöueberg-Berlin zu besetzen. Nähere Auskunft cr-
theilt Dr. Weg er ebendaselbst. _
Bekanntmachung.
Die Stelle eines Assistenz-Arztes in unserem Kranken-Hospital zu
Allerheiligen, mit welcher ein Jahres-Einkommen von 900 Mark nebst
freier Wohnung und Beheizung verbunden ist, soll zum 1. Januer 1879
anderweit besetzt werden. Approbirte Aerzte, welche gesonnen sind,
sich mn diese Stelle zu bewerben, wollen ihre schrittlichcn Meldungen
nebst Qualifications-Zeugnissen binnen drei Wochen bei uns einreichen.
Breslau, den 30. October 1878.
Die Direction
dee Kranken-Hoipital za Allerheiligen.
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
678
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 46
Verlag von August Hirschwald in Berlin.
Sö eben erschien die Schiussabtheilung, so dass nun vollständig
vorlicgt:
Jahresbericht
über die
Leistungen und Fortschritte
in der
eesammten Medicin.
Unter Mitwirkung zahlreicher Gelehrten
herausgegeben von
Rud. Virchow und Aug. Hirsch.
XII. Jahrgang. Bericht für das Jahr 1877.
2 Bände (6 Abtheilungen). Preis des Jahrgangs 37 R.-Mark.
Soeben erschien:
Compendium
der pathologisch •anatomischen
Diagnostik
nebst Anleitung zur Ausführung von
Obductionen
ron
Prof. Pr. «Voll. Orth.
Zweite Auflage . 1878. gr. 8. Preis 10 M. _
An dem neuen städtischen Krankenhause zu Wiesbaden soll vom
1. Januar 1879 ab ein Assistenz-Arzt und ein Volontär-Arzt angestellt
werden. Der Assistenz-Arzt erhält 600 M. Gehalt bei freier Station
(excl. Leibwäsche) und muss sich auf mindestens ein Jahr verpflichten.
Der Volontär-Arzt erhält nur freie Station und hat wenigstens für ein
halbes Jahr ein festes Engagement einzugehen.
Bewerbungsgesuche sind bis zum 1. December an den Unterzeichneten
zu richten.
Wiesbaden, den 1. November 1S78.
Der Oberbürgermeister
_ L a n z. _
Wegen Abgang des jetzigen ein Assistenz-Arzt gesucht zur Unter¬
stützung in einer Praxis mit Hospital und erheblicher Geburtshülfe.
Fr.-Offerten postlagernd sub F. P. 28 Nippes bei Cöln. _
Ein junger tüchtiger Arzt, früher Assistenzarzt an einer der
grössten Krankenanstalten Deutschlands, der sehr gute Zeugnisse,
sowie besondere Empfehlungen seitens berühmter Professoren besitzt,
sucht eine Assistenzarztstelle an einer psychiatrischen Station.
Offerten sub J. 0. 123 an die Exped. d. Bl.
Ein Arzt wünscht in Berlin die Praxis eines Collegen zu über¬
nehmen oder einen solchen längere Zeit zu vertreten. Adr. erbeten sub
N. G. 741 „Invalid endank“, Markgrafenstr. 51a. _
Ein junger Arzt, welcher mehrere Jahre als Specialist für Hais¬
und Ohrenkrankheiten practicirt hat, sucht eine Stellung als Arzt in
einem besuchten Bade oder klimatischen Curorte. Gefällige Nachrichten
werden unter K. D. 127 an die Expedition dieses Blattes erbeten.
Ein erfahrener Arzt, der für einige Zeit genöthigt ist, in Berlin
sich aufzuhalten, wünscht die Vertretung eines Collegen zu übernehmen.
Die Exped. dieses Bl. befördert Adressen sub H. II. 128. _
Ein erfahrener Arzt,”tüchtiger Chirurg und Geburtshelfer, wünscht
eine Landpraxis in schöner und wohlhabender Gegend zu über¬
nehmen. Er würde geneigt sein, zugleich ein convenirendes Besitz¬
thum — Haus und Garten — zu erwerben.
Gefällige Offerten verm itteln Peter Ru hl & Sohn in Cassel. _
Ein Dr. med. sucht auf einige Wochen einen Landarzt unter beschei¬
denen Bedingungen zu v ertreten. Adressen unter N. 114 d. d. Exp, d. Bl.
ln Montreux
linden 1 bis 2 einzeln stehende honette Wintercuristen familiäre Unter-
kunft. Anfragen an Pr. Steiger, Kurarzt. _
Mentonc.
Aufnahme von Pensionären in’s Haus.
Or. Jette«.
'__ Villa Vento.
Vom 15. October an practicire ich wieder in San Remo. Wohnung:
Villa Corradi. Dr. G oltsE • — Eins. _
Am 15. October nehme ich meine Winterpraxis in Sanremo wieder auf.
Lippspringe, im September 1878. Dr. VM BfMn.
Verlag und Eigenthum von August Hirschwald in
Anleitung und Nachhülfe bei wissenschaftlichen, • medicinischen,
insbesondere klinischen und microscopischen Untersuchungen und
Arbeiten ertheilt der Unterzeichnete.
Berlin, Wilhelmstrasse 82 , II. Bl. Robinski
Mein hygienisches Practicum (Demonstration der wichtigsten hy¬
gienischen yntersuchungsmethoden nebst practischen Uebungen) findet
in diesem Semester am Dienstag und Sonnabend, Abends von 6—8 Uhr,
im kleinen Hörsaal des chemischen Laboratoriums, Georgenstrasse 34,
statt. Anfang: Sonnabend, den 16. November.
Anmeldungen bei Herrn Bauermeister im chem. Labor.
Dr. med. C. Flügge, Privatdocent,
_ Berlin, Botanische Gartcnst r. 2.
Eine gebildete Frau, die fast ein Jahr Schwester, und mit jeder
Art Krankenpflege und den Handleistungen bei Operationen vertraut ist,
möchte privatim die Pflege in einer Klinik, unter Leitung des Arztes,
übernehmen. Meldungen unter: Krankenpflege — in der Exp. d. Bl.
Die Heilanstalt Villa Emilia
bei Blankenburg in Thüringen
nimmt jederzeit kranke Herren und Damen auf, welche an allgem.
Nervosität, Hypochondrie, Hysterie, Anämie, Ernährungsstörungen,
Rheuma, rheumatische u. a. Lähmung, sowie an einfacher melancho¬
lischer Verstimmung leiden. — Prospecte stehen den Herren Collegen
zu Diensten. Dr. Schwabe,
Grossherzogi. S. Medicinalrath.
Zar Answahl anter den Bitterwässern.
Ser Geh. Ober-Medizinalrath Herr Pro£ Sr. FEEBICHS
in Berlin
sprach am 30. Juli 1877 in seiner Klinik bei Gelegenheit der Vor¬
stellung eines Falles von günstig verlaufenem Ileus, veranlasst durch
Coprostase, über die Anwendung der Bitterwässer Folgendes:
„Es ist nothwendig,“ sagte er, „bei ihrer Verordnung die Unter¬
schiede zu beachten, welche in der chemischen Zusammensetzung
und in der von dieser abhängigen Wirkungsweise begründet sind.“
„Will man lediglich durch vermehrte Absonderung der Drüsen des
Darmrohres den Inhalt desselben verflüssigen und entleeren, so sind
alle mehr oder minder brauchbar, je nach ihrem Gehalt an Bittersalz
und Glaubersalz; die ungleiche Conccntration lässt sich ausgleichen
durch die grössere oder kleinere Gabe.“
„Sie dürfen indess in dieser Weise nur vorübergehend
eingreifen, weil bei anhaltendem Gebrauche die Vorgänge der Ver¬
dauung und Blutberoitung wesentlich beeinträchtigt werden
und bei schwächlichen, blutarmen Individuen das Allgemeinbefinden er¬
heblich geschädigt werden kann, um so leichter, je concentrirter das
Wasser und je stärker sein Einfluss auf die Darmschleimhaut ist.“
„Wesentlich anders gestaltet sich die Wirkung, wenn
grössere Mengen Kochsalz neben den genannten Salzen
vorhanden sind, wie im Friedrichshaller Bitterwasser; hier kommt
der günstige Einfluss des Chlornatriums auf die Vorgänge der Digestion
und der Diffusion, sowie auf den Stoffwandel im Allgemeinen zur
Geltung; die Wirkung ist eine mildere, auoh bei längerem Ge¬
brauche weniger erschöpfende und demnaoh nachhaltigere.
Die Brunnen-Direction Friedrichshall
(b. Hildburghausen)
_ C. Oppel d? Co. __
~ St Andreasberg im Harz.
2000' hoch.
Auf Anregung des Unterzeichneten haben sich die hiesigen Herren
Lehrer entschlossen, eine Pension für Kinder (Knaben und Mädchen),
denen vom Arzte ein Gebirgsaufenthalt verordnet wird, einzurichten.
Dem entsprechend ist der möglichst ausgedehnte Genuss der reinen
Gebirgs- und Waldluft das oberste Princip, erst in zweiter Reihe ran-
girt der Unterricht. Der Plan zu dieser Pension ist derartig entworfen,
dass die Kinder zu 2 oder 3 in den Familien der Herren Lehrer unter¬
gebracht und von diesen unterrichtet werden. Die Anzahl der täglichen
Unterrichtsstunden wird vom Arzte bestimmt und soll zunächst nicht
mehr als zwei betragen, doch können die Knaben bis zur Tertia eines
Gymnasiums gebracht werden. Bäder werden zum Theil im Hause ver¬
abfolgt. Der Pensionspreis geht von 750 M. aufwärts, je nach den An¬
forderungen. Nähere Auskunft ertheilt Dr. Lidcadorf.
Hierdurch beehre mich den Herren Acrztcn anzuzcigen, dass ich die
hiesige Schwan-Apotheke, Spandauerstr. 77, und das damit verbundene
Versandtgeschäft für Lymphe und sämratliche neuere Medicamente von
Herrn Max Kahnemann käuflich crw’orbcn und am 1. October c. über¬
nommen habe. C. KiiHSt»
früherer Besitzer der Apotheke zum goldenen
Adler, Alexandrinenstr. 41.
Berlin. — Gedruckt bei L. Schumacher in Berlin.
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 46
der hiesigen Klinik im Jahre 1855 angestellt. In der 2. Auflage
seines Handbuches findet sich bei Besprechung der Therapie
der Malariakrankheiten die Angabe, dass das neutrale schwefel¬
saure Chinidin „ein dem Chinin an Wirksamkeit fast voll¬
kommen gleichstehendes Präparat“ ist. Diese Empfehlung des
Chinidins von Seiten Wunderlich’s l ) ist in viele Lehrbücher
übergegangen. Nach den oben gemachten Angaben über die
Nomenclatur der Chinaalkaloide erscheint es mir aber im aller¬
höchsten Grade wahrscheinlich, dass das von Wunderlich
erwähnte Chinidin eben das Chinidin Pasteur’s, mithin unser
jetziges Conchinin gewesen ist. Aus welchen Gründen Wunder¬
lich später von der Anwendung des Chinidins (Conchinins)
wieder zurückgekommen ist, ist mir nicht bekannt. In den
letzten 10 Jahren ist auf der Leipziger Klinik vor den jetzigen
Versuchen das Mittel niemals gebraucht worden.
Auch sonst scheinen Versuche mit Conchinin nur vereinzelt
angestellt worden zu sein, bis in den letzten Jahren auf An¬
regung von Jobst in Stuttgart an mehreren Orten grössere
Erfahrungen darüber gesammelt worden sind. Besonders ver¬
dienen hier erwähnt zu werden die Mittheilungen von Machia-
velli*) über die bei der Malariabehandlung mit Conchinin in
den italienischen Militairspitälern erzielten Resultate, welche
sehr günstig ausgefallen sind. In Deutschland sind besonders
auf der Klinik des Herrn Prof, von Ziemssen in München
bereits seit mehreren Jahren vielfache und erfolgreiche Versuche
mit Conchinin angestellt worden.
Auf der hiesigen mediciuischen Klinik des Herrn Geheim¬
rath Prof. Wagner ist seit dem Herbst vorigen Jahres zuerst
nur vereinzelt, in dem letzten Halbjahre häufig in geeigneten
Fällen Conchinin angewendet worden. Diese, im ganzen jetzt
gegen 50, waren besonders Intermittensfälle und Abdominal-
typhen, ausserdem aber noch Fälle von Pneumonie, Erysipel,
Puerperalfieber und Phthisis pulmonum. Das von uns gebrauchte
Conchinin war von Jobst bezogen worden und von tadelloser
Reinheit. Der Preis desselben betrug 30 Mark für 100 Grm.,
war also um l 3 geringer, als der Preis des Chinins, von dem
damals 100 Grm. 4(> Mark kosteten.
Ich beginne mit der Mittheilnng unserer Erfahrungen über
die Wirkung des Conchinins beim Abdominaltyphus. Die¬
selben sind am meisten geeignet, die vortrefflichen antipyreti¬
schen Wirkungen des Conchinins zu zeigen, weil die Beurtheilung
aller künstlich hervorgerufenen Temperaturerniedrigungen gerade
bei dem meistens typischen Fieberverlauf des Abdominaltyphus
am sichersten geschehen kann. Die Zahl .der Typhen, bei
welchen wir Conchinin gegeben haben, beträgt 17. Dieselben
wurden alle ausserdem mit kalten Bädern behandelt und das
Conchinin meist nur dann verordnet, wenn entweder irgend
eine Contraindication gegen die Bäder bestand, oder die letzte¬
ren zu häufig wiederholt werden mussten. Besonders oft geschah
die Anwendung des Conchinins in der Weise, dass die Kranken
am Tage gebadet wurden und Abends bei entsprechend hohem
Fieber eine Dosis Conchinin bekamen, wodurch die Temperatur
gewöhnlich so erniedrigt wurde, dass die Nachtruhe der Kranken
nicht durch die Bäder unangenehm unterbrochen zu werden
brauchte. Auch dem Wartepersonal wurde hierdurch natürlich
eine Erleichterung verschafft. Wir haben das Conchinin fast
ausschliesslich in gelöster Form gegeben, in welcher seine
Wirksamkeit grösser zu sein scheint, als wenn es in den für
1) Ein Theil der W u n de rl ich 'sehen Beobacht uJJg*-n ist benutzt
worden in der Diss-Thit i<»i \■ n Spitzncr, de vi et mu Chinidini sulfur.
■J II soliäto di cnehinina nelle infe/.ioni da malaria nuovo contri-
butu def «betör M a c hi a v e 11 i l'avlo. Milano IS78.
die Kranken freilich angenehmer zu nehmenden Limousin’schen
Capsein verabreicht wird. Unsere gewöhnliche F'ormel ist:
Conchinini sulfur., Acid. sulf. dil. ana 1,0—2,0, Aq. Menthae
piperit. 10,0; MDS. auf einmal zu nehmen. Als Geschmacks-
corrigens diente zuweilen noch der Zusatz von 0,2—0,3 Tct.
Zingiberis.
Man sieht aus obiger Formel, dass die zu verabreichende
Dosis Conchinin durchaus nicht grösser zu sein braucht, als
die entsprechende Dosis Chinin. Die am häufigsten angewen¬
dete Dosis war 1,5 Grm., deren Erfolg gewöhnlich so befriedi¬
gend ausfiel, dass wir uns nur selten genöthigt sahen, zu grösseren
Dosen zu greifen.
Die hauptsächlichste Wirkung des Conchinins beim Abdo¬
minaltyphus besteht in der fast constant eintretenden, oft
sehr beträchtlichen Erniedrigung der Körpertempera¬
tur. Das Mittel ist in dieser Beziehung dem Chinin und sali-
cylsauren Natron im wesentlichen durchaus gleich zu stellen.
Wir haben zu wiederholten Malen bei demselben Kranken ab-
I wechselnd Conchinin und Chinin angewendet und dabei mehrere
Male vom Conchinin sogar ausgiebigere und anhaltendere Wir¬
kungen beobachtet. In anderen Fällen freilich war eines der
anderen antifebrilen Mittel wirksamer — Verschiedenheiten,
welche ja schon lange hinreichend bekannt sind.
ln den meisten Fällen beginnt nach der Verabreichung
einer vollen Dosis Conchinin die Körpertemperatur kurze Zeit
danach zu sinken. Nur in einigen Fällen haben wir in der
ersten Stunde nach dem Einnehmen des Mittels noch eine ge¬
ringe Steigerung um 0°,2 — 0°,3 beobachtet, an welche sich
, daun der definitive Temperaturabfall anschloss. In andern
j Fällen endlich bleibt die Temperatur noch 1 — 1 V 2 Stunden
auf derselben Höhe stehen, um dann allmälig zu sinken. Die
i Zeit, in welcher die durch das Conchinin überhaupt erzielte
I niedrigste Temperatur erreicht wird, ist in den einzelnen Fällen
I sehr verschieden, was theils natürlich von der Schwere des
■ Falls, theils von individuellen, nicht näher zu ermittelnden Ura-
[ ständen abhängt. Im allgemeinen dauert das Sinken der Tem-
! peratur ca. 8—12 Stunden, nach welcher Zeit die niedrigste
| Temperatur erreicht ist. Oft sinkt hierbei die Temperatur in
| den ersten Stunden viel rascher, als in den folgenden, doch
kann auch das umgekehrte Verhalten Vorkommen. Nicht selten
wird der schon begonnene Temperaturabfall etwa in der Mitte
durch eine kleine neue Steigerung der Eigenwärme (bis zu 0°,5)
unterbrochen. Die Gesammtgrösse der erzielten Temperatur¬
erniedrigung nach einer Dosis von 1,0—1,5 Grm. beträgt im
Durchschnitt 2°—2°,5. Bei sehr hartnäckigem Fieber ist die
Wirkung zuweilen geringer, in anderen Fällen häufig aber viel
beträchtlicher. Wir haben wiederholt Temperaturerniedrigungen
um 3°,5 —4 # , einmal um 4°,5 beobachtet.
Von Wichtigkeit ist es, dass die Eigenwärme, nachdem sie
durch Conchinin zur Norm oder wenigstens annähernd zur Norm
zurückgeführt ist, in der Mehrzahl der Fälle nicht rasch, sondern
langsam wieder in die Höhe steigt. Die Zeit, nach deren Ab¬
lauf die Temperatur erst wieder ihre ursprüngliche Höhe erreicht,
i kann in günstigen Fällen 24 — 3G Stunden, ja noch länger an-
I dauern. Doch kommen natürlich auch hierin grosse Verschieden¬
heiten vor. Auch das Wiederansteigen der Temperatur ist häufig
durch erneute kleine Senkungen unterbrochen. Es schliesst sich
1 gewöhnlich an das vorherige Sinken der Temperatur unmittel-
i bar an. doch haben wir mehrmals auch ein bis über 2 Stunden
andauerndes, fast constantes Verweilen der Eigenwärme auf
dem erreichten niedrigen Funkt beobachtet, ehe das Wiederan-
steigon derselben begann. Füllt dieses Wiederansteigen in eine
, Zeit, wo die spontane Morgenremission beim Abdominaltyphus
1 einzutreten pflegt, so fällt diese fast immer besonders tief aus.
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Go gle.
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
18. November
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
681
Aber auch wenn die Temperatur vorher schon ihre frühere
Höhe wiedererreicht hatte, beobachtet man nicht selten eine
ausgesprochene Nachwirkung des Conchinins auf den Ausfall
der nächstfolgenden Morgenremission.
Um den Umfang dieser Mittheilung nicht unnütz auszudehnen,
beschränke ich mich zum Belege für die eben angeführten That-
sachen auf die nähere Anführung nur einiger besonders präg¬
nanter Beobachtungen.
1. H. K., 17 Jahr alt. Schwerer Abdominaltyphus. 19. Juni
(13. Tag der Krankheit). 1 Uhr Nachm, bei 40°,4 Verabreichung
von 1,5 Conchinin. Darauf stündliche Temperaturmessungen
im After:
1 Uhr Nachm. 40®,4. — 2 ü. 39®,5. — 3 U. 39 0 ,3. — 4 U.
39 °,2. — 5 U. 38°,8. — 6 U. 38®,5. — 7 U. 37°,8. — 8 U.
37 ®,6. — 9 ü. 37®,8. — 10 ü. 37®,5. — 12 U. 37®,5. — 2 Uhr
Morgens 38°,2. — 4 ü. 39®.0. — 6 ü. 39®,2. — 8. U. 39®,4.
— 10. U 38®,5. — 1 Uhr Nach. 38°,6. — 4 U. 39°,2. — 7 U.
40®,3.
2. Dieselbe. 22. Juni (16. Krankheitstag). Abds. 10 Uhr
bei 40®,5 Temp. 1,5 Conchinin. Darauf: 11 Uhr Abds. 39 °,0.
— 12 U. 39®,6. — 2 Uhr Mrgs. 38®,5. — 4 U. 37°,5. — 6 U.
370 , 0 . — 7 U. 36°,5. — 8 U. 37° 4. — 10 U. 37®,5. — 1 Uhr
Nachm. 37 °,5. — 4 U. 38 ",0. — 7 U. 39°,2. — 10 U. 39°,8.
— 1 ü. Morgens 39°,6. — 4 U. 39 °,6. — 7 U. 38®,8. — 10 U.
39®,5. — 1 U. Nachm. 40°,4.
3. M. S., 18 J. Schwere Recidive eines Abdominaltyphus.
Am 9. Oct. (37. Krankheitstag) um 1 Uhr Morgens bei 40°,4
Temp. 1,0 Conchinin. Darauf um 3 U. 40®,2. — 5 U. 39°,6.
— 7 U. 38°,7. — 9 U. 37®,8. — 10 U. 37®',7. — 11 U. 38°,1.
— 12 ü. 38®,3. — 1 U. 39 °,0. — 2 T. 39°,6. — 3 U. 40°,4.
4. Dieselbe. Am 10. Oct. um 1 Uhr Morgens 1,0 Conchi¬
nin bei 40®,4. Darauf 3 U. 39°,7. — 5 ü. 39°,0. — 7 U. 38°.0.
— 9 U. 37®,8. — 11 U. 38°,4. — 1 U. 39®,2. — 4 U. 40°,4. j
5. E. G., 40 Jahr. Schwerer Abdominaltyphus. Am 30. Sept.
(22. Krankheitstag) Ab. 7 Uhr 1,0 Conchinin bei 40°,0. Da¬
rauf um 9 U. 39®,4. — 11 ü. 38°,6. — 1 U. Mrgs. 38°,0. —
3 U. 37",5. — 5 U. 37°,2. — 7 ü. 37®,0. — 10 U. 36°,5. —
1 U. Nachm. 37®,2. — 4 U. 38°,0. — 7 U. 38°,5. — 10 ü.
39°,0. Am andern Morgen Remission bis 37°,4. Erst am Nachm,
darauf wieder 39®,8.
6. A. H., 16. J. Schwerer Abdominaltyphus. Am 27. Sept.
(20. Krankheitstag) 1,5 Conchinin bei 40®,0 Temp. um 4 Uhr
Nachm. Darauf 5 U. 39®,7. — 6 U. 39 ®,5. — 7 ü. 39®,3. —
8 U. 39 ®,0. — 9 U. 37®,8. - 10 U. 37®,7. - 1 U. Morgens
37®,2. — 3 ü. 37®,4. — 5 U. 37°,6. — 7 U. 37®,8. — 10 U.
38®,5. — 1 Uhi Nachm. 38®,6. — 4 U. 39®,0. Erst am Nachm,
des nächsten Tages (29. Sept.) wieder 40®,0 Temp.
Gleichzeitig mit dem Abfall der Temperatur tritt fast stets
ein Sinken der Pulsfrequenz ein, doch ist dieses nur selten
besonders stark. Ob hierbei eine directe Einwirkung des Conchi¬
nins auf die Herzinnervation stattfindet, oder ob die Vermin¬
derung der Pulszahl blos von der Temperaturerniedrigung ab¬
hängt, lässt sich nicht entscheideu. Thatsache ist, dass durch¬
aus kein constanter Parallelismus zwischen der Wirkung des
Conchinins auf die Eigenwärme und seinem Einfluss auf die
Pulsfrequenz stattfindet. Bei gleich starker Temperaturdefer-
vescenz kann die Pulszahl das eine Mal gleichzeitig nicht un¬
beträchtlich sinken (um 20—30 Schläge in der Minute), während
sie ein anderes Mal auf annähernd der gleichen Höhe bleibt, j
Von den sonstigen Nebenwirkungen des Conchinins ist
in erster Linie das Erbrechen zu erwähnen, welches nach un¬
seren Erfahrungen, besonders bei Typhuskranken, nach dem
Einnehmen grösserer Dosen von Conchinin häufiger eintritt, als
ausbleibt. Dabei ist aber der Umstand sehr wichtig, dass es
nur ausnahmsweise unmittelbar nach der Darreichung des Mittels,
vielmehr meistens erst */*— V* Stunde, ja häufig sogar erst
1—3 Stunden später eintritt. Daher wird durch das Erbrechen
die Wirkung des Conchinins in den meisten Fällen nicht beein¬
trächtigt, weil letzteres offenbar sehr rasch resorbirt zu werden
scheint. Wir haben nur selten Veranlassung gehabt, nach dem
Erbrechen die Dose Conchinin zu wiederholen, da meist trotz
des Erbrechens die Wirkung auf die Temperatur ebenso ecla-
tant eintrat, wie in den Fällen, wo gar kein Erbrechen eintrat.
Immerhin ist das Erbrechen, welches anscheinend nach dem
Chinin und salicylsauren Natron etwas weniger häufig eintritt,
eine unangenehme Nebenwirkung, da es den Kranken das Me-
dicament verleidet. Verschlucken von Eispillen nach dem Ein¬
nehmen des Conchinins hilft durchaus nicht immer, eben so
wenig der Zusatz von sogenannten Corrigentien. Am besten
ist noch die gleichzeitige Darreichung von etwas Opium oder
Morphium, gegen welche sich aber gerade bei Typhösen einiges
einwenden lässt. Bei andern Kranken aber geben wir oft mit
j dem erwünschten Erfolge nach dem Conchinin einige Tropfen
Opiumtinctur. Noch sicherer aber kann das Erbrechen ver-
| mieden werden, wenn man nicht zu grosse Dosen Conchinin
i anwendet. Während die Kranken nach 1,5 Grm. Conchinin
! in der Regel erbrechen, geschieht dieses weit seltener bei 1,0 Grm.
I Ich habe absichtlich oben einige Beispiele für die durchaus
nicht unbeträchtlichen Temperaturerniedrigungen angeführt,
welehe man schon durch Darreichung von blos 1,0 Conchinin
erzielt. Freilich ist die Wirkung dann weniger lange an¬
haltend und man muss event. die Dose eher wiederholen, hat
dabei aber den Vortheil, dem Kranken oft jede unangenehme
Nebenwirkung zu ersparen.
Andere Nebenerscheinungen, ausser dem Erbrechen, traten
nach der Darreichung des Conchinins relativ nur selten ein.
Insbesondere klagen die Kranken nur ganz ausnahmsweise über
Ohrensausen. Stärkere Schweisse haben wir nie beob¬
achtet. Die Einwirkung auf das Sensorium ist gleichfalls ge¬
wöhnlich gering. Empfindlichere Kranke klagen zuweilen über
leichte Benommenheit. Collapserscheinungen haben wir nur
in einem Fall und hier unter besonderen Umständen gesehen.
Eine 32jährige Typhuskranke, welche bereits zu wieder¬
holten Malen mit bestem Erfolge Conchinin erhalten hatte, nahm
auf eigene Hand eine Lösung von 4,0 Conchinin in 60,0 Wasser,
| welche neben ihrem Bette stand und zu einem Clysma be¬
stimmt war. Sie bekam sofort starkes Erbrechen und bald
ausgesprochene Collapserscheinungen. Am anderen Tage hatte
sie sich aber anscheinend wieder erholt. Da trat ganz plötz¬
lich ohne jede bekannte Veranlassung Bewusstlosigkeit und
Aussetzen des Pulses und der Respiration ein. Es gelang
letztere wieder in Gang zu bringen, die Bewusstlosigkeit blieb
aber anhaltend, die Temperatur stieg sehr in die Höhe, be¬
wegte sich in den nächsten Tagen zwischen 40,5® und 41,5®.
Nach 7 Tagen starb die Kranke, ohne je wieder zu sich ge¬
kommen zu sein. Die Section ergab sehr tiefe und zahlreiche
Typhusgeschwüre im Darm, im Gehirn aber bis auf einige
kleine Blutungen an der Innenfläche der Dura mater einen
ganz negativen Befund. Hiernach wird es freilich mindestens
zweifelhaft bleiben, ob dem Conchinin wirklich an dem Aus¬
gange eine Schuld beigemessen werden kann. Immerhin warnen
wir dringend vor der unvorsichtigen Anwendung zu grosser
Dosen. Es ist ein verbreiteter Irrthum, dass doppelt starke
Dosen der antifebrilen Mittel auch eine doppelt starke Wirkung
auf das Fieber ausüben, und wir halten auch die Darreichung
sehr grosser Dosen von Chinin (3,0 — 5,0) und anderen diffe¬
renten Mitteln, wie sie an einigen Orten geschieht, für nicht
ganz unbedenklich.
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
682
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 46
Endlich mag noch erwähnt werden, dass wir mehrfach ver¬
sucht haben, dass Couchinin in Klystierform zu geben. Die
bisherigen Resultate sind aber nicht besonders befriedigend
ausgefallen, da die Resorption vom Dickdarm aus weit lang¬
samer vor sich zu gehen scheint. Geringere antipyretische
Effecte nach Klystieren, welche 2—3 Grm. Conchinin enthielten,
wurden mehrmals beobachtet, so dass es immerhin wunschens-
werth erscheint, weitere Versuche in dieser Beziehung anzu¬
stellen.
Die Wirkung des Conchinins bei Intermittens haben wir
in 20 Fällen erprobt, darunter 6 Fälle von Intermittens quoti-
diana und 14 Fälle von Tertianfieber. Alle diese Fälle
wurden mit Conchinin in durchaus gleicher Weise,
wie durch Chinin, geheilt. Bei Intermittens ist die An¬
wendung des Conchinins meist angenehmer, als beim Abdominal¬
typhus, da die Kranken in der Regel kräftiger und weniger
empfindlich sind. Trotzdem tritt aber auch bei den Intermittens-
kranken nicht selten nach der Darreichung des Conchinins
Erbiechen ein, welches indessen auch hier die Wirkung meist
nicht beeinträchtigt. Gewöhnlich geben wir 6—12 Stunden
vor dem zu erwartenden Anfall 1,5—2,0 Conchinin in Lösung.
Darnach bleibt der Anfall zwar häufig noch nicht aus, ist aber
meist schon deutlich durch das Mittel beeinflusst, d. h. die
höchste erreichte Temperatur ist niedriger, als in den früheren
Anfällen, die subjectiveu Empfindungen des Kranken beim Anfall
geringer. Eine Wiederholung derselben oder einer etwas kleineren
Dose vor dem nächsten Anfall hat bis jetzt in allen Fällen
den Eintritt desselben vollständig gehindert. In fast allen
Fällen haben wir dann noch mehrere Tage lang 0,5—1,0 Con¬
chinin täglich in Capsein oder Pillen fortgegeben. Eine Reeidive
trat, so weit wir die Krauken in Beobachtung behalten konnten,
nur ein einziges Mal ein und wurde rasch wieder beseitigt.
Beim Erysipel, der croupösen Pneumonie und dem
Puerperalfieber wirkt das Conchinin in durchaus entsprechen¬
der Weise, wie beim Abdominaltyphus. Das Fieber bei der
Lungenphthisis dagegen zeigt auch diesem Mittel gegenüber
seine bekannte Resistenz. Nur bei mehr continuirlichem Fieber-
verlauf ist man im Stande durch Conchinin deutliche Tempe¬
raturerniedrigungen zu erzielen, während das hektische remitti-
rende oder intermittirende Fieber bei der Phthisis meist nur
wenig und vorübergehend beeinflusst wird.
II. Zar Operation des Empyems.
Von
. Prof. W. Roser in Marburg.
Die Mittheilung des Herrn Collegen König in No. 43
dieses Blattes veranlasst mich zu der Fragestellung: Wie er¬
klärt man sich die Wiederentfaltung der comprimirten
Lunge bei offeustehender Brusthöhle?
Die Verkleinerung des entsprechenden Thoraxraumes durch
Zusammenrücken der Rippen, Heraufrücken des Zwerchfells,
Hinüberrücken des Mediastinums reicht für die Fälle solcher
Art zur Erklärung nicht aus; das Factum aber, dass die Lungen
bei offener Brusthöhle sich allmälig wieder mit Luft zu füllen
und zu entfalten vermag, ist wohl allen Klinikern bekannt,
welche Rippenresection beim Empyem gemacht haben. Man
sieht die Kranken täglich besser athmen, man überzeugt sich,
wenn auch mit Verwunderung, dass die Lunge der kranken
Seite wieder respirirt, obgleich ein fingerbreites oder mehrere
Finger breites Loch die Luft im Pleuraraum ein und austreten
lässt. Man muss sich also fragen, wie kann eine Lunge athmen,
wenn die Pleurahöhle offen steht?
Ich glaube die Erklärung des Factums in dem successiven
Verwachsen der Lunge, vom Hilus aus nach der Peripherie
fortschreitend, suchen zu müssen, und ich habe diese Erklärung
schon seit einigen Jahren, wenn solche Fälle in der Klinik yot-
kamen, den Zuhörern durch die beifolgende Zeichnung wahr¬
scheinlich zu machen gesucht.
Angenommen die Lunge liegt bei den Operirten ungefähr
so, wie dies die Figur im Querdurchschnitt darstelit, so beginnen
wohl, nach vollständiger Entleerung des Eiters, alsbald die
Verwachsungen am Hilus durch sprossendes Bindegewebe. Diesen
Verwachsungen entsprechend kann sich die Lunge beim Ein-
athmen wieder ein wenig anfüllen, entfalten und vorschieben.
Die jungen Verwachsungsfäden contrahiren sich, und es schiebt
sich der Verwachsungswinkel hierdurch etwas weiter vor. Hier¬
mit ist die Verwachsung der nächstfolgenden Partie erleichtert,
das sprossende Bindegewebe formirt sich auch hier und mit
mit demselben Erfolg für Annäherung und Entfaltung der Lungen.
So geht es fort, bis der ganze Raum durch Wiederentfaltung
der Lungen ausgefüllt ist. Man lässt natürlich die äussere
Wunde sich schliessen, wenn sie nur noch einige Tropfen Serum
zu zeigen pflegt.
Nach der Ausfüllung des Raumes und der Verschliessung
der Fistel sieht man wohl meistens die Wiederentfaltung der
Lunge noch zunehmen; es ist ja eine bekannte Wahrnehmung,
dass die pleuritischen Scoliosen zum Theil wieder verschwinden,
und dass manche an Empyem Operirte die Symmetrie des
Thorax, die am Anfang durch das Zusammenrücken der Rippen
so sehr gestört war, wieder erlangen. Man hat wohl anzu¬
nehmen, dass das junge Bindegewebe der Verwachsungsfäden
und ebenso die auf dem Ueberzug der Lunge entstandenen
Bindegewebsplatteu zum Schwinden sehr disponirt sein mögen
und demnach der Lungenentfaltung kein so absolutes Hinder¬
niss gewähren, wie man dies ehemals in allen solchen Fällen
voraussetzte.
Ich habe auf die bewundernswerthe Fähigkeit der Lunge
zur Wiederentfaltung schon im Jahre 1864 bei einem Vortrage
vor der Giessener Naturforscherversammlung (Archiv der Heil¬
kunde Bd. VI, S. 33 und 35) aufmerksam gemacht.
III. Jauchiger Pyopnenmotherax. Radicaloperatiw.
Heilnag.
(Aus einem Vortrage, gehalten in der Gesellschaft der Aerzte
zu Mannheim, Frühjahr 1878.)
Von
Dr. R. drohe, Armenarzt, Vorsitzender der Gesellschaft.
Mit Recht hebt Ewald 1 ) hervor, dass nur grössere, zu¬
sammenfassende und aus einer Hand stammende Beobachtungs¬
reihen die Frage entscheiden können, zu welcher Zeit, in welchem
Masse und mit welcher Aussicht bei pleuritischeD Exsudaten
ein operativer Eingriff vorgenommen werden soll. Aber darin
geht Ewald offenbar zu weit, wenn er die Veröffentlichung
1) Ewald, Zur operativen Behandlung pleuritischer Exsudate.
Charite-Annalen, I. Jahrgang.
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18. November 1818.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
683
einzelner Fälle gewissermassen beklagt, welche den Eindruck i
von dem Erfolge der Operation nur fälschten. Will es ja !
manchmal der Zufall, dass dem einzelnen practischen Arzte
ein Fall zur Behandlung kommt, wie solcher während einer
Reihe von Jahren selbst in grösseren Anstalten kaum beob¬
achtet wird, und ist auch der Vortheil auf Seite des prac¬
tischen Arztes, dass er meist in der Lage ist, seine Patienten
längere Zeit, auch nach Ablauf der Krankheit, noch im Auge
zu behalten, während sie dem Kliniker, besonders in grösseren
Anstalten, für immer entschwinden.
Uebrigens befindet sich unter den 26 Fällen, die Ewald
mit der Incision behandelte, kein einziger dem unsrigen ana¬
loger Fall, denn Fall XII kann nicht angezogen werden, da
hier ein Empyema necessitatis vorhanden mit schliesslich letalem
Ausgange.
Ebenso wenig finde ich einen ähnlichen Fall unter den
17 Fällen, die Quincke 1 2 ) 1872 veröffentlichte, auch nicht unter
den 24 Fällen von Lebert 4 ).
Fräntzel 3 ) führt unter seinen 11 geheilten Fällen, die mit
Incision behandelt wurden, 2 Fälle von jauchigem Pyopneumo-
thorax an.
Einen dem mehligen ganz analogen Fall finde ich in der
seinerzeit bahnbrechenden Arbeit von Kussmaul 4 ) (III. Fall),
der günstige Ausgang veranlasste ihn zu folgendem Ausspruch:
„Insofern es sich hier um einen durch die Operation geheilten, i
jauchigen Pyopneumothorax handelt, der aus inneren Ursachen
und bei unverletzter, äusserer Brustwand sich bildete, steht
unsere Beobachtung fast einzig da.“ Allerdings geschah dieser I
Ausspruch im Jahre 1868, und haben sich in dem letzten De- i
cennium die Fälle gemehrt. Doch ist ihre Zahl gerade nicht I
i
übermässig gross. So ist in Virchow-Hirsch’s Jahresbericht
pro 1876 kein Fall von geheiltem Pyopneumothorax erwähnt,
der dem unsrigen jetzt mitzutheilenden analog ist.
Ernst St., 58 Jahre alt, Schreinermeister, von mittelkräf¬
tiger Constitution, erkrankte den 6. Januar fieberhaft mit Stechen
in der rechten Seite, besonders in der Gegend der Brustwarze
und heftigem Husten.
Percussion ergab keine Veränderung. Auscultation weist
ein auf die Umgebung der rechten Brustwarze beschränktes
Reibungsgeräusch nach. — Fiebererscheinungen mässig. Abend¬
temperatur 38,5. Puls 90. Zunge etwas belegt, Appetit gering.
Durst vermehrt. Urin wenig, dunkelroth.
Erst den 8. Januar konnte ein rechtseitiges pleuritisches
Exsudat nachgewiesen werden, das sich vorn bis zur Höhe der
Brustwarze, hinten bis zum Winkel der Scapula erstreckte.
Fieber hat abgenommen. Abendtemperatur 38. Puls 80. Zunge
weniger belegt. Urin heller, reichlicher. Normaler Stuhlgang.
Die stechenden Schmerzen nur noch in mässigem Grade vor¬
handen, ebenso der Husten. Appetit wenig. Schlaf unruhig.
So blieb sich der Zustand bis zum 15. Januar im wesent¬
lichen gleich.
In der Nacht vom 15. zum 16. Januar trat eine wesent¬
liche Aenderung in dem Zustande des Kranken ein. Unter
starken Hustenanfällen wurden die stechenden Schmerzen bis
zur Unerträglichkeit gesteigert und konnten durch Application
von Blutegeln und Morphiuminjection nur wenig gemindert |
werden. Grosse Dyspnoe.
Patient muss aufrecht sitzen. 40 Respirationen. Tempe¬
ratur 39,5. Puls 112. Vermehrte Schweissbildung. Harn wenig.
1) Berliner Klin. Wochenschrift. IX. Jahrgang.
2) Berliner Klin. Wochenschrift, X. Jahrgang.
3; Ziemssen, Spec. Pathologie und Therapie, IV. Bd.
4) Deutsches Archiv für klinische Mcdicin, IV. Bd.
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dunkelroth, enthält etwas Eiweiss, grosser Durst. Zunge be¬
legt, trocken. Es stellen sich Diarrhöen ein.
Am 16. Januar ergab die physicalische Exploration die
unverkennbaren Symptome des Pyopneumothorax. Rechts vorn
von oben bis zur 6. Rippe sehr sonorer, tympanitischer Schall
mit metallischem Klange, von da nach abwärts vollkommen
leerer Schall. Rechts hinten oben tympanitischer Schall bis
zum Angulus scapulae, von da nach abwärts leerer Schall.
Der Stimmfremitus rechts vorn und rechts hinten aufgehoben,
während er früher hier bestand.
Auscultation ergiebt: Fehlen jedes Respirationsgeräusches,
nur an den Lungenspitzen vorn und hinten hört man unbe¬
stimmtes Athmungsgcräusch.
In den folgenden Tagen steigern sich die allgemeinen und
subjectiven Symptome. Es treten starke Fröste ein mit nach¬
folgender grosser Hitze und starkem Schweisse. Die Tempe¬
ratur ist sehr erhöht. Morgens meist über 39 und Abends 40
und darüber. Puls meist über 120. Respiration 30—36. Sehr
quälender Husten. Appetit fehlt, sehr grosser Durst. Zunge
sehr belegt, fuligiuüs. Dünne, typhusähnliche Stühle. Wenig
Schlaf. Musitirende Delirien. Der Kranke fühlt sich sehr
elend und schwach. Der Zustand hat grosse Aelinlichkeit mit
Typhus.
Ordination: Morphiuminjection, Chinin, kräftige Brühe,
Bordeaux-Wein.
Da oben erwähnte Erscheinungen trotz der angewendeten
Mittel keine Besserung zeigen, vielmehr die täglich wieder-
kehreuden FieLcranfälle, die seit einigen Tagen blutigen Stuhl¬
gänge, der heftig andauernde Husten, die Dilirien die Kräfte
des Kranken in erschreckender Raschheit consumiren, so dass
mit Bestimmtheit der Exitus letalis zu befürchten, wird die
Operation durch den Schnitt als letztes Fettungsmittel be¬
schlossen; dieselbe wird den 25. Januar 11 Uhr Vormittags
unter freundlicher Assistenz meines geehrten Collegen l)r. Bidder
und Oberstabsarzt Dr. Müller vorgenommen, nachdem die Probe-
punction eine schmutzig-graue, mit Luftbläschen gemischte,
äusserst stinkende Jauche entleert hatte.
Der Schnitt wurde im 6. Intercostalraum zwischen Mammil-
lar- und Axillarlinie in einer Länge von 6 Ctm. angelegt, die
Weichtheile wurden schichtenweise durchschnitten, die Pleura
blossgelegt, eingestochen und mit einem geknöpften Bistouri bis
zu 4 Ctm. erweitert. Zuerst dringt unter Zischen eine nach
Schwefelwasserstoff riechende Luft aus der Wunde, und dann
entleert sich unter starken Hustenstössen 1500 Cctm. jener
äusserst stinkenden, missfarbigeu Jauche.
Die microscopische Untersuchung ergiebt:
Zerfallene, in fettiger Metamorphose begriffene Eiterkörper¬
chen, geschrumpfte Blutkörperchen, Pigmentkörnchen, feine
moleculäre Kügelchen, Cholestearintafeln und Crystalle von phos¬
phorsaurer Ammoniak-Magnesia. Nachdem die Jauche ent¬
leert und die Pleurahöhle zuerst mit lauem Wasser und dann
mit 1% Carbollösung mittelst eines Irrigators sehr sorgfältig
ausgespühlt war, wurde die vom Geh. Rath Zeroni 1 ) angege¬
bene, neusilberne Canüle eingelegt, die mir in diesem Falle
sehr gute Dienste leistete. Die Temperatur war vor der Ope¬
ration 39,5, 2 Stunden nachher 38. Die Pleurahöhle wird regel¬
mässig alle 3 Stunden mit einer 1% Carbollösung ausgespült.
26.—31. Januar. Der Eiter nimmt eine bessere Beschaffen¬
heit an, ist nicht mehr missfarbig und nicht mehr so übel¬
riechend. Da aber der Kranke über einen sehr lästigen Carbol-
gesclimack im Munde klagt, und der Urin eine schwärzliche
1) Das pleuritische Exsudat und diu Thoräeoccn’-'se von Dr. Zuroni.
Mannheim 1876. S. 69.
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UHRLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 4t'.
Farbe annimmt, also die Symptome von beginnender Carbol-
intoxication sich zeigen, so wird die Thymolsäure, V 2 : 1000 zur
Ausspülung verwendet, 3 stüdlicb; Temperatur 37,5—38, Puls 00.
Die vorher trockene, borkige Zunge wird feuchter. Appetit
stellt sich ein, Schlaf, Allgemeinbefinden besser.
Ord. Chinin, kräftige Brühe, täglich 1 Flasche Rothwein.
1.—15. Februar. Besserung macht Fortschritte. Temperatur
meist 37. Puls noch immer etwas beschleunigt. Urin hellgelb,
reichlich. Eiter hat normalen Geruch und Farbe.
Microscopische Untersuchung ergiebt: Normale Eiterkör¬
perchen, wenig farbige und farblose Blutkörperchen. Allgemein¬
befinden gut. Schlaf. Wenig Husten. 4stündliche Ausspülung
mit Thymol säure.
15. Februar bis 1. März. Da sich kein Eiter mehr ent¬
leert und die mit dem Irrigator eingeflösste Flüssigkeit klar
abläuft, wird am 19. Februar die Canüle aus der Wunde ent¬
fernt und nicht mehr ausgespült; ;im 20. Februar mehrere
dünne Stuhlgänge mit blutigem Schleim. Zunge wird trocken.
Vermehrter Durst. Appetitlosigkeit. Trüber, dunkelrother Urin.
Abendtemperatur 40, Puls 120.
Ord. Chinin tannic., Abends Opium. Kräftige Brühe. Ma- !
dcirawein. ^
Da angenommen wird, dass sich noch in der Tiefe stagni- j
render Eiter befinde, wird ein Nelaton’scher Oatheter tief J
eingeführt und durch denselben missfarbiger, übelriechender !
Eiter entleert. Die Ausspülungen werden täglich 3—(5 mal
vorgenommen. Die Canüle bleibt liegen. j
1.—15. März. Der durch den N e laton’.sehen Catheter ent¬
leerte Eiter ist noch immer etwas übelriechend und dünn. Die j
Diarrhoe ist seltener, kein Blut. Die Temperatur durchschnittlich
38, Puls noch immer etwas beschleunigt, 86—90. Allgemein- j
befinden bessert sich. Appetit tritt ein. Schlaf.
Ord. Chinin. Opium. Kräftige Brühe. Wein.
15. Marz bis 1. April. Da sich auch durch den Nelaton-
schen Catheter kein Eiter mehr entleert, wird die Canüle ent¬
fernt. Temperatur normal. Puls 80—85. Zunge rein. Appetit
sehr gut. Aussehen besser. Wunde beginnt sich zu schliessen.
Patient ist täglich mehrere Stunden ausser Bett.
1.—21. April. Besserung schreitet rasch vorwärts. Appetit
sehr gut. . Ernährung nimmt sichtlich zu. Gegen Mitte April
ist die Wunde vollständig geschlossen. Patient ist den grössten
Theil des Tages ausser Bett.
Die gegen Ende April vorgeuommene physicalische Unter¬
suchung ergiebt: Percussion rechts vorn von der Clavicula bis
zur 7. Rippe sonor, von da nach abwärts etwas gedämpft.
Dem entsprechend hört man von der Lungenspitze bis zur
7. Rippe deutliches Vesiculärathmen, weiter unten schwaches,
undeutliches Athmungsgeräusch. Rechts hinten ist der Per¬
cussionston von der Spitze der Lunge bis unter den Winkel
der Scapula sonor, nach abwärts etwas dumpf. Auscultation
ergiebt vesiculäres Athmen bis zur Angulus scapulae, nach
abwärts sehr undeutliches Athmungsgeräusch.
Die Messung des Thorax ergab kaum eine Differenz zwi¬
schen den beiden Hälften. Thorax auf der rechten Seite fast
unmerklich eingezogen. Wirbelsäule nicht verbogen.
Vom 1. Mai bis Mitte Juni hielt sich Patient in Baden zur
Erholung auf. Er kehrte wesentlich gekräftigt zurück. Im
Herbste konnte Patient wieder seinen Beruf aufnehmen und
ist seitdem gesund geblieben, obgleich bereits 2 Jahr 5 Monat
seit der Operation verflossen sind.
Der grösste Zweifler wird in diesem Falle den günstigen
Ausgang dem Brustschnitt zuschreiben müssen. Der Schnitt
entfernte die verderbliche, stinkende Jauche, deren Gegenwart
die Constitution unseres Kranken rasch aufzureiben droht. Doch
mit der Operation ist nicht alles getlian, das punctum saliens
ist die Nachbehandlung.
Von der grössten Wichtigkeit für den günstigen Aushaus:
unseres gewiss höchst bedenklichen Falles halte ich 1) das
Einlegen und consequente Liegenlassen der Metallcanüle, wo¬
durch die Wunde offen gehalten und das Aneinanderrückeu der
Rippen vermieden wird. Würde dies in allen hierher gehörigen
Fällen energisch durchgeführt, so würde manche Rippenresection
nicht nothwendig gewesen sein. 2) Das häufig wiederholte (an¬
fangs 3 stündliche) und sorgfältige Ausspülen der Pleurahöhle
mit desinficirender Flüssigkeit, sei es nun Carbolsäure oder
Thymolsäure. Letztere hatte jedenfalls den Vorzug, dass der
beabsichtigte Zweck erreicht wurde, ohne Intoxicationserschei-
j nungen hervorzurufen.
Bei der Behandlung des Empyems durch den Schnitt kann
ich nur mit voller Ueberzeugung dem Ausspruche PeyrotV)
beistimmen: I/operation de la Pleurotomie n : est rien en eile
meme, le soins consecutifs sont tout.
IV. In Veranlassung des neuen diagnostischen Symptoms
von Darmperforation.
Aus der therapeutischen Hospitalklinik der Warschauer
Universität.
Von
Prof. Dr. P. Lewifzky in Warschau.
1. Franz Kowalski, Soldat des Feuerwehr-Oommandos.
27 Jahr alt, wurde am 15. September 1875 in die Klinik auf-
genommen, klagte über allgemeine Schwäche, Leibschmerz, be¬
sonders rechts, und Kopfschmerz.
Die Anamnese ergiebt nichts besonderes. Die gegenwär¬
tige Krankheit begann am 7. September mit Leibsehmerzen und
Durchfall. Am folgenden Tage traten zeitweilig Schüttelfröste
auf und am Abend starker Kopfschmerz; der Durchfall dauerte
fort. Dieser Zustand zog sich eine Woche hin, wobei der
Kranke seine Beschäftigung fortsetzte, bis die allmälig immer
mehr zunehmende allgemeine Schwäche ihn veranlasste, sich in
I
die Klinik aufnehmen zu lassen.
| Der Kranke ist gross von Wuchs, von kräftigem Körperbau,
| die Muskulatur gut entwickelt und ziemlich viel Fett im Unter¬
hautzellgewebe vorhanden. Die Haut ist trocken, elastisch, am
Bauch bräunlich gefärbt, auf ihr sieht man an vielen Stellen
kleine, glänzende Narben, in Folge überstandener natürlicher
Pocken. Auf dem Bauch, zum Theil auch auf der Brust, sieht
man einige kleine gleichmässig dunkle Flecken, die auf Druck
nicht schwinden.
Der Brustkasten ist symmetrisch, der Typus der Athmung
gemischt. Unter beiden Schlüsselbeinen heller, tiefer, nicht
tympanitischer Ton. Der Bezirk des hellen Tones über dem
rechten Schlüsselbein beträgt mehr als 4 Ctm. Die untere Lungen¬
grenze ist rechts in der Mammillarlinie an der 6. Rippe, in der
Axillarlinie am unteren Rande der 7. Rippe und hinten an der
Wirbelsäule am oberen Rande der 11. Rippe. Der Bereich des
hellen Tones über dem linken Schlüsselbein beträgt 3 l /, Cen-
timeter. Die Herzdämpfung beginnt an der 4 Rippe. Der Herz-
stoss ist nicht sichtbar, bei der Palpation schwach, befindet
sich im 5. Intercostalraum, nach innen von der Mammillarlinie.
Die Herztöne sind rein, der Puls 100 in der Minute, voll, weich,
leicht comprimirbar, scharf dicrotisch. Athemfrequenz 26;
Temperatur 40,2°.
Bei der Auscultation hört man nichts besonderes, mit Aus-
1) Etudes experimentales et eliiiiques sur la Pleurotomie par
J. Pcyrot. Paris 1876.
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IS. November 1STS.
GS5
nähme der unteren, hinteren Brustfläche, wo man scharfes
Yesiculärathmen und zeitweilig pfeifendes Rasseln hört. Der
Kranke hustet von Zeit zu Zeit; Auswurf ist wenig vorhanden.
Die Milzdämpfung beginnt am oberen Rand dey 8. Rippe,
nach vorn geht die Dämpfung zweifingerbreit über die mittlere
Axillarlinie.
Der Leib ist massig [aufgetrieben, besonders im unteren
Theil, bei der Palpation elastisch und in der Ileo-Coecalgegend
schmerzhaft. In dieser Gegend finden sich gurgitirende Ge¬
räusche. Bei der Percussion ist der Ton überall gleichmässig
tief, tympanitisch.
Die Zunge ist trocken und mit einer bräunlichen Kruste |
belegt. Täglich 2—3 flüssige Ausleerungen, Erbsensuppe ähnlich.
Die tägliche Urinmenge beträgt 800 Ccent. Specif. Gew.
1022; der Urin ist klar, gesättigt, ohne Bodensatz, von stark
saurer Reaction, zeigt Spuren von Eiweiss (giebt mit concen-
trirter Pikrinsäurelösung leichte Trübung).
Auf Grund dieser Untersuchung, namentlich wegen des
hohen Fiebergrades, des Ausschlages, der Milzvergrösserung
(wenn auch sich die unteren Grenzen der Milz und Leber des
Meteorismus wegen nicht bestimmen liessen) wegen des Ileo-
Coecalgurrens und der Schmerzhaftigkeit dieser Gegend, der
häufigen Ausleerungen mit dem characteristischen erbsensuppen¬
artigen Aussehen, des Bronchialkatarrhs und des hohen Dicro-
tisinus des Pulses, der allmäligen Entwicklung des Krankheits-
processes mit häufig wiederholten Schüttelfrösten, bei stark
ausgeprägter allgemeiner Schwäche — musste man annehmen,
dass wir es mit Abdominaltyphus zu thun hatten, und zwar in
der Mitte der zweiten Woche seines Verlaufes.
Verordnet: Kalte Bäder, nach der Methode Ziemssen’s,
zweimal täglich, in der Zwischenpause häufige Abwaschungen
des ganzen Körpers mit kaltem Wasser und Essig, eben solche
Umschläge auf den Kopf, Abreibungen des Zahnfleisches und
der Zunge mit einer Lösung von doppelt kohlensaurem Natron.
Innerlich: Chinin, muriat. zu 10 gran zweimal täglich; Bouillon
und Milch.
17. Sept, (12. Tag der Krankheit) Patient hat gut ge¬
schlafen, aber die Schwäche ist bedeutend. Einige flüssige
Ausleerungen. Zunge stark belegt; massiger Durst. In den
Lungen die früheren Erscheinungen. Meteorismus. Temperatur
am Abend dieses Tages 41,6°. Pulsfrequenz 108. Nach dem
Bade Temperatur 41,0°. Puls 88.
18. Sept. Hat ruhig geschlafen. Vier Ausleerungen, ganz
flüssig, gelblich. Stimme heiser; Husten etwas vermehrt; Aus¬
wurf erschwert. Kein »Schmerz in der Ileo-Coecalgegend; Leib
weniger aufgetrieben. Sonst alle Erscheinungen wie früher.
Temperatur Morgens 39.4°, Puls 100. Athemfrequenz 25.
4 Uhr Nachmittags Temperatur 41,1°, Puls 100,
nach dem Bade „ 40,8°, „ 80,
7 Uhr Abends „ 40,8°, „ 96,
nach dem Bade „ 40,0°, „ 80.
19. Sept. Morgens Temperatur 39,0°, Puls 80, Athmung 26.
Klagen über Ohrensausen, sonst alles wie früher. j
4 Uhr Nachmittags Temperatur 40,4°, Puls 100, |
nach dem Bade „ 39,8°, „ 84,
7 Uhr Abends * 40,8°, „ 96,
nach dem Bade „ 40,1 °, „ 80.
20. Sept. Unruhiger Schlaf; drei Ausleerungen, ganz flüssig,
gelblich. Die Stimme schwach, heiser. Schwerhörigkeit, Puls
klein, leicht comprimirbar, Dicrotismus schwach ausgeprägt;
Herztöne rein, aber schwach. Füsse uud Hände fühlen sich
kühl an; grosse Mattigkeit; im Verlauf der Nacht einige leichte
Schüttelfröste; Milzgrenzen unverändert. Urinmenge 600 Ccmtr.
deutliche Eiweissreaction. Temperatur 38,8°, Puls 100, Ath-
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mung 26; das kalte Bad wurde ausgesetzt, Chinin fortgebraucht,
ausserdem Wein. Abends Temperatur 40,2 r '.
21. Sept. Morgentemperatur 39,2°, Puls 100. Starker
Husten. Das Chinin wurde ausgesetzt, Ipecacuanha - Infus.,
Wein. — Abendtemperatur 39,8, Puls 92.
22. Sept. Hat wenig geschlafen. Drei flüssige Ausleerungen.
Grosse Schwäche. Husten ziemlich stark; etwas mehr Auswurf
als früher. Bauch wenig aufgetrieben, nicht schmerzhaft. An
der rechten Seite der Brust, hinten und unten leichte Dämpfung.
Starke Abmagerung. Morgentemperatur 39,0°, Abendtempera¬
tur 40,0°, Puls 92.
23. Sept. Bauch schwach aufgetrieben, etwas schmerzhaft.
Einige flüssige Ausleerungen, in denen durch das Microscop
Blutkörperchen auf gefunden wurden. In der letzten (vierten)
Ausleerung fand sich fast ganz frisches Blut. Husten; der
Kranke vermeidet aber, soviel als möglich, zu husten, weil er
dabei stets Schmerz in der rechten Seite des Bauches hat.
Temperatur 38,6°, Puls 88, Athmung 28. Verordnet: Kalte
Umschläge auf den Leib. Innerlich: Magist. Bismuthi graua 3,
opii puri grani '/ 4 . Drei Pulver täglich.
24. Sept. Morgentemperatur 40,4 ü . Puls über 100, klein.
Gesicht bleich. Starker Husten. Stimme schwach, kaum ver¬
nehmbar. In der Nacht einige Schüttelfröste. Sehr starker
Schmerz im Leibe. Aufs neue blutige Ausleerungen. Leib
nicht aufgetrieben. In der Ileo-Coecalgegend, die bei Berührung
sehr schmerzhaft, ist der Percussionsschall sehr dumpf.
Abendtemperatur 40,2°, Puls 10s, fadenförmig. Athem¬
frequenz über 30. Gesicht sehr bleich, eingefallen. Leib stark
aufgetrieben. Bei der Percussion der vorderen rechten Brust¬
hälfte in der Parasternal- und Mammillarlinle nicht tympanitischer
Lungenschall, beginnend an der 4. Rippe und unmittelbar über¬
gehend in hell tympanitischen Schall, der an dieser Stelle die
ganze Lebergegend einnimmt und weiterhin in eben denselben
Schall des Bauches übergeht. Bei starker Percussion erhält
man im ganzen Bereich des tympanitischen Schalles, der sich
über dem rechten, aber auch in der Medianlinie und über dem
linken Leberlappen befindet, einen metallisch klirrenden Schall
(klatschender Schall). Unterhalb der Ileocecalgegend und ebenso
an der Seite wird der Ton vollständig dumpf.
Am Bauche hört man, genau an der Grenze des tympani¬
tischen Schalls gegen den dumpfen, etwas ein entferntes Bron-
chialathmen. In dem Masse als man das Stethoskop nach oben
zu nach der Lebergegend bewegt, wird dieses Athemgeräusch
immer deutlicher, und zwei Fingerbreit vor dem rechten Rippen-
rande nimmt es einen hell amphorischen Anklang an. In der
Lebergegend, wo sich der hell tympanitische Percussionsschall
befindet, hört man dieses amphorische, bronchiale Athmen am
stärksten, wobei die Inspiration stärker und die Exspiration
etwas schwächer ist. In der Achselhöhle und vorn rechts an
der Brust, über dem tympanitischen Schall hört man ziemlich
starkes gewöhnliches Bronchialathmen; nach unten an der Stelle
wo der tympanitische Schall sich befindet, geht es unmittelbar
in das amphorische Bronchialathmen über, von dem oben die
Rede war.
Am 25. September Morgens starb der Kranke. Diagnose:
Typhus abdominalis. Peritonitis ex perforatione cum meteorismo
peritonei.
Section am 26. September (Prosector Dr. Przewoski).
Körper gross von Wuchs; Haut ziemlich dünn, gelblich grünlich,
an den unteren Extremitäten, zum Theil auch an den oberen
etwas bläulich. An der hinteren Körperfläche diffuse Leichen¬
flecke. Aus dem Munde fliesst schaumige, blutige Flüssigkeit.
Im Unterhautzellgewebe wenig Fett. Muskulatur gut entwickelt.
Bei Eröffnung der Bauchhöhle entweicht mit Zischen eine grosse
Original fro-m
UNiVERSiTY OF MICHIGAN
6SG
B KRUX KR KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Menge Gas. Die Därme sind von Gas ausgedehnt, normal ge¬
lagert. Die Leber ist stark gegen die Wirbelsäule verdrängt.
Die Muskeln sind auf dem Durchschnitt trocken. dunkel-
roth, der Rectus abdoininis auf dem Durchschnitt ähnlich ge¬
räuchertem Fleisch, ebenso auch die Mm. adductores femoris.
Auf der Zunge dicker bräunlicher Belag. Die Mandeln et¬
was vergrössert, ebenso die Folliculardrüsen an der Zungen¬
wurzel. Die Schleimhaut des Kehlkopfes ist geröthet, verdickt,
mit Schleim bedeckt. Am Rande des rechten wahren Stimm¬
bandes, ebenso am hinteren Theil des linken oberflächliche
Geschwüre. Die Lymphdriisen längs den grossen Halsgefässen
sind vergrössert, geröthet. Die Lungen collabiren wenig. Das
Herz ist fast ganz bedeckt. Die linke Lunge ist mit der Brust¬
wand durch bandförmige Adhäsionen verwachsen, ihr Umfang
ziemlich bedeutend, die Farbe blass; sie ist überall durchgängig
ohne Verdichtungen, auf dem Durchschnitt trocken, nur im hin¬
teren Theil des unteren Lappens roth und feucht. Die rechte
Lunge ist gleichfalls verwachsen und im selben Zustande, wie
die linke. Die Lungenarterie ist von Blutfarbstoff imbibirt. Die
Schleimhaut der Bronchien ist stark geröthet, verdickt, mit
Schleim bedeckt. Das Pericardium ohne besondere Veränderung
Das Herz ist von gewöhnlicher Grösse, der linke Ventrikel
ziemlich stark contrahirt. Die Muskulatur des Herzens ist auf
dem Durchschnitt trübe, Endocardium und Wand der Aorta
blutig imbibirt.
Das Peritoneum ist in seiner ganzen Ausdehnung stark ge¬
röthet, trübe, verdickt, hie und da mit kleinen Blutextravasaten
besät und in seiner ganzen Ausdehnung mit kleinen Fibringe¬
rinnseln bedeckt, durch welche auch einige Darmschlingen unter
einander verklebt sind. Im kleinen Becken befindet Sich un¬
gefähr ein Pfund trüber, blutig-eitriger Flüssigkeit. Die Milz
ist bis auf das dreifache vergrössert, auf der Schnittfläche dunkel
roth, locker. Die Leber ist etwas vergrössert, ihre Oberflächo
glatt, die Consistenz ziemlich weich, die Schnittfläche trübe und
die Läppchenzeichnuug undeutlich. Die linke Niere ist etwas
vergrössert, ihre Oberfläche glatt, die Kapsel löst sich leicht
ab; die Rindensubstanz ist verdickt, etwas blass und trübe.
Dasselbe findet sich auch in der rechten Niere. Die Harnblase
ist contrahirt.
Die Schleimhaut des Dünndarms ist überall stark geröthet,
verdickt und mit Schleim bedeckt. Im Ileurn sind die Peyer-
scken Drüsen entweder bedeutend markartig infiltrit, oder an
ihrer Stelle befinden sich umfangreiche, unregelmässig längs¬
ovale Geschwüre, mit erhöhten, weichen, markartig infiltrirten
Rändern, und gleichfalls weichem, unebenen, tiefliegendem Grunde,
der bis zur Muskelschicht reicht. Diese anatomischen Verän¬
derungen finden sich auch an vielen solitären Drüsen. In dem
mittleren Theil des Geschwürgrundes einer Peyerschen Drüse, die
10 Zoll von der Valvula Bauhini entfernt ist, befindet sich ein
rundlicher, gelblicher, erbsengrosser necrotischer Schorf, der
in seinem halben Umfange abgelöst ist und so Perforation dieser
Stelle bedingt. Das Peritoneum der Umgegend ist im Umfange
einiger Centimeter mit Fibringerinnseln bedeckt, gemischt mit
gelblichen Kothbröckelchen. Im Coecum und Colon ascendens
befinden sich gleichfalls kleine rundliche typhöse Geschwüre
mancher solitären Drüsen. Die Mesenterialdrüsen sind stark
vergrössert, geröthet, markartig weich. Die Schleimhaut der
übrigen Theile des Darmkanals und .des Magens ist geröthet
und mit Schleim bedeckt.
II. Domicella Markowska, 15 Jahre alt, wurde am 15. März
1875 in bewustlosem Zustande in die Klinik gebracht.
Die Anamnese ist sehr dürftig; es ist nur bekannt, dass Pa¬
tientin seit einer Woche erkrankte und vorher immer gesund war.
No. 46
Die Kranke ist von gutem Körperbau, der panniculus adiposus
genügend entwickelt. Die Haut ist trocken, ihre Temperatur,
dem Gefühle nach, bedeutend erhöht. Auf der Haut des Bauches
und der Extremitäten sieht man Petechien und in der Kreuzbein-
und innern rechten Schienbeingegend beginnenden Decubitus.
Die Herzgrenzen sind normal, die Herztöne rein. Die Leber¬
dämpfung beginnt in der Mammillarlinie an der 5. Rippe, in der
Axillarlinie an der 6. Rippe. Die Lebergegend ist bei der Per¬
cussion schmerzhaft. Die Milzdämpfung beginnt in der Axillar¬
linie an der 7. Rippe und geht nach vorn 1 V, Centimeter über
die Grenze der mittleren Axillarlinie. Die unteren Grenzen der
Leber und Milz sind nicht zu bestimmen. Bei der Percussion
der Lungen unter beiden Schlüsselbeinen sind die Schallver-
hältnisse normal; hinten rechts, fast vom Schulterblatt an,
Dämpfung. Bei der Auscultation hört man überall pfeifendes
Rasseln. Hinten rechts, an der Stelle der Dämpfung und seit¬
lich in der Axillarlinie Bronchiaiathmen.
j Der Leib ist stark aufgetrieben und giebt im ganzen Um-
i fange einen tympanitischen Schall von gleicher Höhe. Ileo-
Coecalgurren. Bei der Untersuchung mit dem Stethoskop hört
man in der Ileo-Coecalgegend etwas wie entferntes Bronchiai¬
athmen, Inspiration und Exspiration mit schwach amphorischem
Anklang, die Exspiration viel schwächer. Indem [man das Ste¬
thoskop nach oben, nach dem rechten Hypochondrium zu, bewegt,
wird dieses Athemgeniusch immer deutlicher, die Exspiration
stärker, verliert über der Leber den amphorischen Character,
; und verschwimmt darauf mit dem Bronchiaiathmen, das man
in der Axillarlinie und dem hintern Theil der rechten Brust¬
hälfte hört.
Die Kranke liegt in völliger Erschöpfung, stöhnt bei jeder
Bewegung. Die Zunge ist trocken, mit einer Kruste bedeckt,
die Augen halbgeöffnet, stille Delirien.
Auf Grund der Ergebnisse der Untersuchung kann man au-
uehmeu, dass w T ir es mit Abdomiiial-Typlms zu thun haben, uud
zwar in der Mitte der zweiten Woche seines Verlaufes. Die
Erscheinungen von seiten der rechten Lunge muss mau als
hypostatische Pneumonie auffassen.
Verordnet: Chinin sulf. zu 4 gran zweimal täglich. Ab¬
waschungen des ganzen Körpers mit kaltem Wasser uud Essig;
Bouillon, Wein.
17. März. Drei flüssige Ausleerungen, gelblich. Trockner
Husten. Die ganze Nacht Delirien. Von seiten der Lungen
dieselben Erscheinungen. Starker Meteorismus. Morgentempe¬
ratur 40,0°, Puls 112, Athmung 32. Abendtemper. 41,2°, Puls
124, Athmung 32.
18. März. Unfreiwillige Ausleerungen. Auscultatorisehe Er¬
scheinungen in der Ileo-Coecalgegend wie oben. Morgentemp.
39,0°, Puls 124, Athmung 28. Abendtemp. 40,8°, Puls 128,
Athmung 30.
19. März. Dieselben Erscheinungen. Pulsus dicrotus. Mor¬
gentemp. 40,0°, Puls 136, Athmung 32. Abendtemp. 40,6, Puls
144, Athmung 32.
20. März. Starke Delirien. Unfreiwilliger Stuhl uud Urin;
von seiten der übrigen Organe dieselben Erscheinungen. Morgen¬
temp. 40,0°, Puls 136, Athmung 34. Abendtemp. 40,0°, Puls
140, Athmung 36.
21. März. Comatöser Zustand. Temperatur 39,4°, Puls
160, Athmung 40. Abends starb die Kranke.
Section. 22. März. (Prosector I)r. Przewoski).
Körper von mittlerer Grösse. Wenig Fett im Uuterhaut-
zellgewebe. Muskeln gut entwickelt, roth, trocken. Auf dem
Kreuz Decubitus.
Die Lungen collabiren. Die linke Lunge frei, ihr unterer
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UNIVERSETY OF MICHIGAN
18. November 1S1$.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
687
Lappen auf dem Durchschnitt dunkelroth, ziemlich derb, leicht
zerreisslich. Die Schleimhaut der Bronchien ist geröthet und
mit Schleim bedeckt. Die rechte Lunge mit der Brustwand ver¬
wachsen, ihr unterer Lappen verdichtet, dunkelroth, auf dem
Durchschnitt fliesst dickliche, klebrige Flüssigkeit aus.
Herzbeutel und Herz zeigen keine bemerkenswerthen Ver¬
änderungen.
Die Milz ist um das doppelte vergrössert, auf der Schnitt¬
fläche dunkelroth, ziemlich locker. Ungefähr in der Mitte be¬
findet sich eine nussgrosse Höhle mit durchsichtigem, gelblichen
Inhalt. Die Leber ist etwas vergrössert, ihre Oberfläche glatt,
die Läppchenzeichnung deutlich. Beide Nieren sind vergrössert,
die Rindensubstanz verdickt, blass.
Die Schleimhaut des Dünndarms ist geröthet, verdickt, die
splitären Drüsen vergrössert, jede Hanfkorn gross, viele im Cen¬
trum necrotisch und mit Galle imbibirt. Die Peyer’schen Drüsen
sind vergrössert, markartig infiltrirt und gleichfalls stellweise
necrotisch. Die Schleimhaut des Dickdarms ist geröthet, die
solitären Drüsen stellweise vergrössert, gelblich gefärbt.
(Schluss folgt.)
V. Kritik.
Geographisch-medicinische Studien nach den Erlebnissen
einer Reise um die Erde von Dr. A. Wernich, Docent für
spezielle Pathologie und Therapie an der Universität Berlin.
Berlin, 1878. Hirschwald. 423 S.
Eine Berufung als Lehrer für innere Medicin und Gynäkologie an
die „medicinisch-chirurgische Academie“ in Tokio (Yedo), die Verf. im
Sommer 1874 erhielt, die Reise dorthin, welche — Ende September be¬
gonnen — ihn über Amerika Ende November ans Ziel führte, ein
zweijähriger Aufenthalt in Japan, die Rückreise endlich, welche in einem
Zeiträume von sieben Monaten den Yerf. über Indien und Suez in die
Ileimath zurückbrachte, das sind die äusseren Umstände, welche dem
Yerf. Gelegenheit zu seinen Studien boten. Schon äusscrlich fordern
die verschiedenen Abtheilungen derselben — durch den verschieden
grossen Antheil des Raumes, welcher ihnen im Buche zugemessen wird —
zu einer Unterscheidung auf, nämlich in diejenigen, welche sich auf den
Aufenthalt in Japan beziehen, und diejenigen, welche dem übrigen Theil
der Reise gewidmet sind. Während den auf Japan bezüglichen Mitthei¬
lungen die Energie eigener, längerer Beobachtungen deutlich iiine wohnt,
handelt es sich bei den übrigen mehr um Eindrücke flüchtiger Natur,
um aphoristische, besonders Klima und Gesundheitsverhältnisse betreffende
Notizen, die zum Theil allerdings späterhin durch darauf bezügliche Studien
vertieft werden konnten.
Als Form der Arbeit ist in sehr glücklicher Weise diejenige der
fortlaufenden Reisebeschreibung beibehalten, wobei der Aufenthalt in
Japan die Stelle einer längeren Beobachtungsstation einnimmt. Durch
jene Form bleibt dem ganzen jene Unmittelbarkeit und Frische des
ursprünglichen Eindrucks bewahrt, welche auch Beobachtungen von ge¬
ringerer Wichtigkeit für den Lesenden Anziehungskraft verleiht. Der
Leser identificirt sich gewissermassen mit dem Reisenden und beob¬
achtet mit demselben Interesse wie dieser alles, was dem Auge des
Arztes auffällt, giebt sich aber auch mit ihm der Fülle anderer Ein¬
drücke hin. welche den dafür empfänglichen auf einer solchen Fahrt über¬
rascht, erfreut und belehrt ur.d die Reise selbst unvergesslich macht.
Gleich auf der Fahrt nach New-York bieten Seekrankheit und Schiffs-
hygieine — die nach Verf. auf den grossen Post-Passagierschiffen einen
hohen Grad der Vollkommenheit erreicht hat — für Beobachtung uud
Beschreibung anregende Objecte; in New-York nehmen besonders Klima,
die sanitäre Gesetzgebung und das Hospitalw'esen das Interesse des
Reisenden in Anspruch; vieles findet Beifall, manches wird in seiner Treff¬
lichkeit angezweifelt, so ganz besonders der Werth der vielen, durch ihren
Umfang und die anscheinende Präcision ihrer Ergebnisse so imponirenden
medicinisch-statistischen Reports, manches geradezu streng getadelt,
so die Stellung der Aerzte an den Hospitälern, welche vielfach durch
Hineinragen fremder, besonders religiöser Einflüsse, in ihrer Würde und
Wirksamkeit beeinträchtigt wird. Sehr scharf w r ird auch die mangel¬
hafte Ausbildung der Aerzte auf den amerikanischen Universitäten ge¬
rügt. Die dann folgende Reise auf der Pacific-Bahn nach San Francisco
wird mit grosser, die landschaftliche Scenerie trefflich wiedergebender An¬
schaulichkeit geschildert: eine wesentliche Einwirkung auf sein körper¬
liches Befinden durch die sieben Tage und sieben Nächte dauernde
Eisenbahnfahrt hat Verf. nicht wahrgenommen. Auf der Reise über
den stillen Ocean geben unter der mannigfach zusammengesetzten Schiffs-
gesellschaft. ganz besonders die opiumrauchenden Chinesen Gelegenheit
zu interessanten Beobachtungen Anlass; da Verf. später in Shangai seine
darauf bezüglichen Beobachtungen vermehren konnte, so ist er im Stande,
uns ein anschauliches Bild der Wirkungen dieser Gewohnheit zu geben,
welches in manchem von den gewöhnlichen Schilderungen abweicht.
Nach Japan gelangt der Reisende am 2G. November 18-74. Hier
häuft sich das zur Darstellung geeignete Beobachtungsmaterial. Verf.
entwirft uns ein abgerundetes Bild der klimatischen Verhältnisse des
Landes, des körperlichen und geistigen Zustandes seiner Bewohner.
Die ausführliche Darstellung der Nahrungsverhältnisse, der Racenab-
stammung, die allgemeine Schilderung des Typus des japanischen Mannes
und Weibes, des Familienlebens der Japaner giebt den Uebergang zur
eingehenden Besprechung gewisser Fragen, die noch jetzt im Vorder¬
gründe der Discussion stehen. Es sind dies zunächst die geschlecht¬
lichen Verkehrs-Verhältnisse der Japaner, sowohl der ehelichen, als der
ausserehelichen; dieselben werden vom Verf., wie uns scheint mit Erfolg,
gegen die schweren Vorwürfe, die man gegen sie vielfach erhoben hat,
vertheidigt. Selbst die grosse Ausdehnung der Prostitution und der sie
begleitenden Syphilis in den japanischen Häfen kann nach Verf. nicht
als Vorwurf gegen die Sittlichkeit der Japanerinnen herangezogen werden,
sondern beruht auf gewissen äusseren Verhältnissen, auf der Lage der
Häfen, der mangelhaften polizeilichen Controle und anderen Umständen.
Sehr ausführlich ferner äussert sich Verf. auf Grnnd seiner Er¬
fahrungen über die wichtige B'rage, welche Hoffnungen sich in Wirklich¬
keit an die neuen Culturbestrebungen in Japan knüpfen dürften. Mehrere
psychische uid geistige Eigenthümlichkeiten der Japaner scheinen sich
nach Verf. einem wirklichen Fortschritt trotz aller Bemühungen einzelner
Personen entgegenzustemmen. Es ist dies zunächst eine gewisse Schwäche
der körperlichen Constitution, an der die eiweiss- und besonders fettarme
Nahrung — überwiegend Reis ohne weiteren Zusatz — einen wesent¬
lichen Antheil der Schuld trägt. Es gehört dazu ferner, wie Verf. be¬
sonders an seinen Schülern beobachten konnte, ein gewisser Defect des
Denkvermögens; es wird den Japanern schwer, Schlüsse, auch einfacher
Natur zu ziehen, zu combiniren; es besteht die Neigung, sich überdas
Begreifen der Dinge durch blosses Auswendiglernen hinwegzuhelfen: bei
den Studireuden der Medicin schien bei allem vorhandenen Fleisse die
Denkkraft gleichsam zu versagen, wenn es galt, bei einem klinischen
Fall die erlernten Untersuchungsmethoden ausfindig zu machen und
eine Diagnose logisch zu entwickeln. Es tritt endlich einer kräftigen
Entwicklung hindernd entgegen die den Orientalen überhaupt eigen-
thümliche Geringschätzung des einzelnen Individuums, jene Resignation
auf ein Ergebniss der eigenen Arbeit, wie sie sich in politischer Be¬
ziehung in dem Mangel jeden Bedürfnisses nach Freiheit und eigener Ver¬
antwortlichkeit kund giebt. Es fehlen der Trieb und die Ziele des
Ehrgeizes und somit ein wesentlicher Stachel zum Fortschritt, Diese
Momente stehen bedeutsam gegenüber den Tugenden der Japaner, ihrer
Selbstbeherrschung, ihrer Fähigkeit ein geordnetes Familienleben zu
führen, der Milde ihrer übrigen Triebe, ihrer Kunstfertigkeit und Nach¬
ahmungsfähigkeit; indess hält Verf. die Vortheile, die den Japanern aus
der Einführung eines schnellen und sicheren Verkehrs im Lande, aus
dem Bekanntwerden mit den Schätzen moderner Naturwissenschaft und
der Einrichtung einer milderen Gesetzgebung erwachsen sind, schon jetzt
für einen sicheren und fruchtversprechenden Besitz. — Eine ausführ¬
liche zusammenfassende Besprechung finden selbstverständlich die Krank-
heitsve-rhäjtnisse der Japaner. Verf. hat bereits in mehreren anderen
Arbeiten seine Beobachtungen und Erfahrungen hierüber mitgetheilt; über
eine derselben, welche die Nationalkrankheit der Japaner, die Kakke-
Krankheit, sehr ausführlich behandelt, ist in dieser Wochenschrift bereits
referirt worden. (No. 33 d. J.) Es werden nach einander die consti¬
tutioneilen und die Infectious-Krankheiten, unter welchen die Malaria-
infoctionen und die weitverbreitete, wenn auch nicht in den abschreckend¬
sten Formen sich zeigende Lepra eine grosse Rolle spielen, eingehend
besprochen; als Anhang dieser Capitel wird eine Uebersicht der alt-
japanischen Heilmittel gegeben. Eine besondere Darstellung erfahren
im Zusammenhänge mit der Schilderung der japanischen Frau die
ebenfalls bereits anderweitig behandelten gynäkologischen Krankheits¬
formen, sowie Schwangerschaft, Entbindung, Wochenbett und die künst¬
lichen Aborte, welche man bekanntlich eine sehr grosse Rolle in den
sexuellen Verhältnissen der Japaner spielen liess. Verf. constatirt,
dass Aerzte die Erregung des Abortus nie öffentlich und absichtlich
ausgeführt haben, dass dieselbe vielmehr in den besseren Klassen für
eine grosse Schande gilt, und dass das Gesetz den Abort verbietet;
dass auch die Häufigkeit des heimlichen Aborts gewissen übertreibenden
Berichten gegenüber wesentlich einzuschränken sei. — Ein sehr anziehend
geschriebenes Capitel endlich behandelt das Leben der Fremden in Japan,
ihre socialen, ihre Morbilitäts- und Mortalitätsveihältnisse. Es wird hier
im ganzen kein sehr erfreuliches Bild dieser Existenz entwickelt, kein
solches wenigstens, welches einen länger dauernden Aufenthalt selbst
in diesem vielfach bevorzugten Lande wünschenswerth machen würde.
Seine Rückreise — welcher ein Streifzug in einem Theil des inneren
Japan vorausgeht — nimmt Verf. über die chinesische Küste, Cochinchina,
Singapore, Batavia, Ceylon, Aegypten. Er verwendet dazu ca. 7 Monate;
das giebt ihm Zeit, in den grösseren Städten die Hospitäler zu besuchen,
um sich über die medicinischen Krankheitsformen zu orientiren, und
auch sonst Umschau zu halten über die sanitären Verhältnisse der
Orte und über anderes den Arzt und Naturforscher interessirendes.
In China widmet er u. a. dem künstlich missgestalteten Frauen-
fusse eine Betrachtung: auf Grund der Kenntnisse, die wir durch
Kehrer, Fehling u. a. über den Einfluss des Gehens auf das weib¬
liche Becken kennen gelernt haben, und bei der starken Verbreitung
der Rachitis in China erscheint es ihm wahrscheinlich, dass die alten
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UNIVERSfTY OF MICHIGAN
688
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 46
chinesischen Gesetzgeber im Interesse der Population die Verstümmlung
der Füsse als ein besonderes Regime für die Frau, durch welches
das Gehen beschränkt werden sollte, angeordnet haben. Die Tole¬
ranz gegen erhebliche Verwundungen fällt in China und noch mehr
in Cochinchina auf; in dem letztgenannten Lande wird besonders das
Geschwür von Cochinchina der Betrachtung unterzogen; Verf. glaubt,
dass seiner Entstenung nichts specifisches zu Grunde liege, sondern
dass es eine ähnliche Actiologie habe, wie unser Unterschenkelgeschwür,
aber durch gewisse in Klima und Volksconstitution liegende Verhält¬
nisse in ungünstiger, zum Phagedaenismus neigender Weise beeinflusst
werde. Ein Abstecher nach Batavia wird von Singapore gemacht in
der Absicht, sich durch eigene Anschaung in den dortigen Hospitälern
von der Identität der Beri-Beri mit der japanischen Kak-Ke zu über¬
zeugen; eine Identität, deren sich nunmehr Verf. im vollsten Masse zu
versichern im Stande war. Auch den tropischen Lebererkrankungen,
speciell dem Leberabscess wird eingehend Beachtung und Besprechung
gewidmet. Nach einem kurzen Aufenthalte in Ceylon gelangt Verf.
über Aden und Suez nach Aegypten. Von den zahlreichen medicini-
sehen, dieses Land betreffenden Bemerkungen verdient besonders die
Warnung hervorgehoben zu werden, welche Verf. hinsichtlich der Ver¬
wendung Aegyptens als klimatischen Curort bei Lungenschwindsucht aus¬
spricht. Er erinnert daran, dass die relative Immunität Aegyptens gegen
Tuberculose eine Fabel ist, und das Urtheil vieler an Ort und Stelle
beobachtender Aerzte längst über den günstigen Einfluss fremden Lungen¬
kranken gegenüber den Stab gebrochen hat. Ks sei auch selbst bei
flüchtigem Einblick schwer zu begreifen, wie bei dem „erbarmungs¬
losen Staube“, den jeder Wüstenwind hervorruft, eine heilsame Wirkung
auf kranke Respirationswerkzeuge eintreten könne. In einem Schluss¬
abschnitt: „Ueber Ziele und Grenzen der menschlichen Adaptionsfähig¬
keit 1 * wird ein interessantes und bisher wenig bearbeitetes Oapitel der
Physiologie und Pathologie kurz gezeichnet, und dabei der Werth der
historisch-geographisch-pathologischsn Forschung besonders hervorge¬
hoben.
So bringt das Buch eine ansehnliche Menge von Natur- und Menschen-
beobachtungen, von metorologischen und medicinischen Studien, und
zwar diese beiden Gattungen — da das Auge des Reisenden sie mit
einer Art Nothwcndigkeit stets gleichzeitig anschaut — stets in enger
Verkettung, stets in ihrer gegenseitigen Abhängigkeit dargestellt. Eng
ist hiermit das Bestreben verbunden, welches sich als rother Faden
durch diese Beobachtungen hindurchzieht und welches vom Verf. auch
als für die künftigen geographisch-pathologischen Studien als wichtiges
Moment bezeichnet wird: dasjenige, was man bisher als specifisch bei
den Krankheiten fremder Länder in Form und Auftreten bezeichnet hat,
auf bestimmte Eigenschaften des Klima und der Constitution der Indi¬
viduen zurückzuführen, die Resultate der Beobachtung von dem zufälligen
zu befreien und sie mit heimisch-bekannten Krankheitsgruppen und
klinischen Bildern in Verbindung zu setzen. Dass bei der grossen
Schwierigkeit, massgebendeBeobachtungen in fremdenLändern
anzus teilen, das Urtheil des einzelnen — zumal da, wo die Beob¬
achtung eine relativ flüchtige war — nicht überall den Werth des
absolut richtigen beanspruchen darf, dieses Umstandes ist sich Verf.
wohl bewusst; es ist klar, dass es hierzu der Arbeit vieler bedarf, dass
aber jedes nach Objectivität strebende Urtheil fordernd und anregend
wirken wird.
Schliesslich verdient die Form der Darstellung des ganzen eine
besondere Erwähnung. Zahlreich durchwoben mit Schilderungen land¬
schaftlicher Scenerien, für welche Verf. ein ausgesprochenes Talent be¬
kundet, mit zahlreichen Bemerkungen über Menschentypen und Sitten
und anderen Zeugnissen genauer, stets aufmerkender Beobachtung —
bildet das Buch eine anregende uDd fesselnde, auch für nichtärztliche
Kreise sich eignende Lectüre. Sz.
VI. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Niederrheinische Gesellschaft für Natu- and Heilkunde in Bann.
Sitzung vom 20. Mai 1878. (Schluss.)
Professor Binz spricht über den Mechanismus der Eiter¬
bildung und den Antheil des Blutsauerstoffs an demselben.
Schon 1867 hatte ich die Beobachtung mitgetheilt, dass farblose
Blutzellen, in einem Capillargefässe liegend, wohin einige Zeit hindurch
rot he Zellen ihren Weg nicht nehmen, kuglieh und ruhig verharren,
ohne durch die Gefässwand auszutreten; dass die Extravasation aber sofort
besännt, sobald die rothen Körperchen an den farblosen vorbeistreifen
(Arch. f. pathol. Anat. 59, 293). Zwei späten: Beobachter (Zahn und
Heller) haben das b stätigt. In dein kurzen Zeitraum, welcher zwischen
dem Stillliegen der farblosen Zellen und ihrer Auswanderung vorhanden
ist. kann sieh in den Dispositionen sonstiger Art nicht leicht etwas
g'-UndiTt haben. Der Blutdruck ist zum mindesten nicht geringer in
dem Cnpillarir-Mitese ---worden, eine „Alteration der Gelässwand“ konnte
sich in solcher Zeit ohne nachweisbare Ursache wohl kaum entwickeln,
und die Strömung, welche vorher Null war, ist cingvleit« 1 worden und
,-s hat sich damit ein wichtiger Factor sogar ungünstiger für das Be¬
harren der farblosen Zellen an dem Urt des Austrctens gestaltet.
Ich schloss daraus und ans einigen anderen Thatsaehrn. dass der
Fauerstoff des 0\yhämogiobin und die \--n ihm voranhisso-ii Lebens-
ersebeinungen der farblosen Zellen unentbehrlich seien zutn Entstehen
der sogenannten Extravasation. Diese sei also kein rein physikalische-,
auf Blutdruck und grösserer Durchlässigkeit der (xefässwand allein
beruhender Vorgang, wie Cohn heim seit mehreren Jahren lehrt.
Die Betheiligung des Sauerstoffs sei das bisher fehlende Glied zur
zwanglosen Erklärung der von dem genannten Forscher constatirten
Thatsache. Im Einklang damit stand, dass sich durch Chinin, während
die Circulation ganz wohl erhalten bleibt, der Auswandcrumrsprocess
am Froschmesenterium einschränken und sogar unterdrücken lässt. Das
Chinin lähmt aber specifisch die farblosen Zellen innerhalb des Blutes,
ohne dass das Herz eine Lähmung zu erfahren braucht, eine Thatsachi*
welche, von 7 andern Beobachtern bestätigt wurde, zuletzt von Seiten
der pathologisch - anatomischen Instituts in Heidelberg (Arch. f. path
Anat. 71. 364).
Cohn he im hat nun meine Erklärung damit verneint, dass er sagt
(Vorlesungen 1877. 238), wenn durch Zuklemmen der Hauptarterie
eines Entzündungsheerdes der Blutstrom angehalten werde, so höre die
Auswanderung augenblicklich auf, einfach weil kein Druck mehr da sei.
Es bcAvei.se das die Richtigkeit der Auffassung von Hering, dass die
sogenannte Auswanderung „lediglich ein Filtrationsvorgang“ sei, der
nichts zu thun habe mit spontanen Locomotionsvorgängen des eontrae-
tilen Protoplasmas.
Dieser Einwand scheint mir widerlegt zu werden durch Betrachtern::
der Vorgänge bei dem isolirten Zuklemmen der Vene des beobachteten Ent¬
zündungsherdes (Arnold, Arch. f. path. Anat. 58. 204). Der Gcsammt-
effect auf die Entzündung ist der gleiche: augenblicklich hört die Aus¬
wanderung auf. Aber der Blutdruck ist noch immer da wie vorher. Auch
die „Alteration der Gefässwand“, welche Cohn heim unterstellt, ist
nicht kleiner geworden, ja so bedeutend wird sic bald, dass sogar ein--
mächtige Diapcdesis der rothen Körper entsteht, während die „wand¬
ständigen“ (cf. Arnold, 216 und 229) weissen Blutkörper in Ruhe
verharren und nur gelegentlich von den rothen nach aussen hin mit¬
geschleudert werden. Es muss also etwas anderes sein, als der Blut¬
druck. was den weissen das inerte Verharren an der Gelässwand dictirt.
und dieses andere finde ich sowohl bei der arteriellen wie ven-b-n
Stauung in den chemischen Veränderungen, welche das Blut, eintre-
schlossen in Gefässwände, erfährt. Es verliert hier seinen disponiblen
Sauerstoff und beladet sich mit Stollwechselproducten, von denen die
Kohlensäure das bestgekannte ist. Abwesenheit also des normalen Reizes,
wie anfangs von dem stagnirenden Capillargefdss beschrieben, und An¬
wesenheit eines als solches constatirten Protoplasmagiftes sind die beiden
ausreichenden Ursachen zum Verständnis des Stillstandes der Entzün¬
dung. gleichviel ob der Blutdruck gleich Null oder im Status quö ist.
Vielleicht könnte man gegen diese Deutung den Einwand ver¬
bringen, dass mit dem Umschnüren der Vene die typische Randstellun^
der farblosen Zellen aufhöre, sie also der Wand nicht mehr adhärirten.
Das geschieht mit einem Theil unzweifelhaft, ein anderer The-il aber
bleibt an der Wand liegen, „wandständig, in der Wandschicht gelegen,
wandständig gestellt“, wie die betreffenden Angaben von Arnold
a. a. 0. lauten, und diese an der Wand gebliebenen Zellen sind ebenso
unbeweglich, ebenso verharrend innerhalb des Gefässes, wie die von der
Wand abgeschwemmten. Aber selbst das Wegtreten dei farblosen Zellen
von der Wand, wenn es wirklich die Regel wäre, beweist, dass wir bt-i
der Stauung und also auch beim freien Strom mit dem Sauerstoff <R-s
Blutes zu rechnen haben. Die Fähigkeit des Haftens ist eine Lebens-
cigenschaft jener Gebilde. Sobald man sie mit irgend etwas vergiftet,
haften sie nicht mehr an der Unterlage fest, sondern geben der leisest-,-:i
Strömung nach, welche sie passiv weiter treibt. Das Krstickungsblut
des abgeklemmten Gefässes wirkt genau wie sonstige verdünnten Gifte.
Darum sind die Zellen dort wie hier rund, tetanisch, zur kleinsten Form
zusammengezogen und können durch die Pulsationen der aufgehaltener
Blutsäule leicht von der Gefässwand abgelöst und unter die rothen
Elemente hineingetrieben werden. Den „kugligen“ Zustand der Zellen
während der venösen Stauung erwähnt Cohn heim selber (bei Virchow.
41. 226), ohne ihn zu erklären.
Lässt sich nun weiter eine Versuchseinrichtung treffen, in welcher
die amöboiden Bewegungen der Zellen schon innerhalb des Gefässes
eine Hemmung erleiden, ohne dass sonst die geringste giftige Einwirkung
auf andere Factoren sich geltend macht, so gewinnt meine angefochtcn--
Erklärung eine neue Stütze. Man muss zu diesem Zweck irgend welch- 1
Dämpfe wählen, welche örtlich sich leicht anwenden lassen, nachdem
man dieselben an den isolirten Zellen in der feuchten Kammer auf ihr. 1
rasche Giftigkeit geprüft hat. Es würden sich dazu verschiedene Bing"
eignen, ich blieb bei denen des schon einmal und zwar unter der Leitung
von Huifinga zu einem anderen Zweck darauf geprüften Eucalypti
(Mees, Archiv f. klin. Med. 13. 640). Das Mesenterium des Frosch-'
über einem Glasring ausgebreitet, auf dessen Boden ein starker Tropi “
des klaren, liehtdurchlassenden Kohlenwasserstoffs sich befindet, tec-"
- - natürlich bei voller Unversehrtheit des Herzens — bis zu 48 Stund ••
ohne Eiterbildung, während bei einem danebenliegendcn Controlfr -:-'-’- 1
die genannte Membran dicht von den extravasirten Zellen bedeckt i' : -
llnd damit der Einwand nicht Platz greife, die Kucalyj»toldiimpf# 'dt e
eine zusammenziehende. die Gefässwand verdichtende Einwirkung au! -h-
Gewebe aus, wurden eigens Messungen der Ausdehnungen mit
Glasmikrometer angestelll. Keinerlei Einfluss war sichtbar. Die Messung-»
ergaben weder abweichende Verengerung n->ch Erweiterung. Was nrn
aber von der Einwirkung des Eucalypto] wie der des Chinin aui R'
farbl'iM-n Zellen selber weisb. reicht zur Erklärung des Verhiitens J-r
Eiterbildung vollkommen aus. Man hat dabei nicht nöthfg zu der
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18. November 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
689
doppelten Hypothese zu greifen, die Extravasation entstehe deshalb I
nicht, weil das Eucalyptol der „Alteration der Gefässwand“ cntgegen-
tretc. Nimmt man aber an, wofür einige Thatsachen zu sprechen
scheinen, die Anlagerung der lebensthätigen farblosen Körper an die
zarte Gefässwand bedinge eine beginnende Brüchigkeit derselben, und
sie sei die weitere Ursache des unter dem Einfluss des Blutdrucks und der
kriechenden Bewegungen stattfindenden Austrittes bei der gewöhnlichen
Eiterbildung, so wäre die Wirkung des Eucalyptol abermals wieder eine
auf das lebende Protoplasma der genannten Elemente sich erstreckende.
Man mag di«* Sache von irgend welcher Seite her betrachten, überall
wird man finden , dass eine ungezwungene und auf alle Variationen des
Versuches von Cohn heim sich beziehende Erklärung nur möglich ist,
wenn man die von einem ventilirten Blut abhängende Vitalität der
Eiterelemcntc mit hcranzieht. Ihr unter dem Einfluss des Blutsauerstofl's
sich äusserndes Leben ist nicht die einzige Ursache des Antretens bei
der Entzündung, aber es ist eine der unerlässlichen Ursachen dieses
Vorganges. Dass aber eine krankhafte „Alteration der Gefässwand“ nicht
das hauptsächlich bedingende der Extravasation farbloser Körperchen ist,
beweist allein schon die von Recklinghausen bewiesene Thatsache,
dass bei Froschlarven in ganz normalem Zustand, ohne jedes Trauma,
deren Austritt geschieht.
Die Einzelheiten über die vorgetragenen neuen experimentellen
Untersuchungen sind im Archiv f. pathol. Anat. 73. 181., Juniheft von
1878 niedergelegt. Hier seien noch einige Gesichtspunkte therapeuti¬
scher Art ungefügt. Zuerst dürfte es wol sicher sein, dass eine zuver¬
lässige Therapie der Entzündung nur möglich ist, wenn wir erst den
Hergang der Eiterbildung in seinen einzelnen Phasen und Ursachen genau
durchschauen. Gelingt es meinen Untersuchungen, auch den letzten
Zweifel darüber zu heben, dass in der ganzen Kette der Stimulus des
Blutsauerstofl's auf die farblosen Zellen ein Hauptglied ist, so wird die
Therapie der Entzündung hier einen ihrer Angriffspunkte zu suchen
haben. Andere Glieder bekämpft sie bewusst schon lange mit anderen
Muss regeln: Das Stocken der Strömung mit örtlichen Blutentzieliungen,
die Steigerung der Zufuhr mit Druckverbänden u. s. w. Es tragt sich,
was gegen die spontane Locomotion äusserlich und innerlich geschehen
kann. Die Anwendung der ätherischen Oele znr Verhütung des Eiters
an einer entzündlichen, d. h. erst congestionirten Stelle ist alt. Will man
eine drohende Eiterung her vor rufen, so bedeckt man den Entzündungs¬
herd mit einem Träger feuchter Wärme von 40 bis 50° C.: will man
aber die Entzündung zur Zcrtheilung bringen, so applicirt man ätherisch¬
ölige Dinge der verschiedensten Formen, wovon gepulverter Kampfer in
Watte gestreut eins der häufigsten zu sein scheint. Wol die meisten
unserer officinellen ätherischen Oele, wenn sic frisch destillirt sind,
wirken lähmend auf die weissen Blutzellcn ein: vom Kampfer habe ich
früher mich selbst überzeugt. Noch in einer Verdünnung von 1 : 2000
färbt er sie dunkel, schwarz gekörnt und macht sie kuglig, freilich
nur vorübergehend, denn beim Verdunsten des Kampfers erlangen die
Zellen ihre ßewegungsfähigkeit wieder. Die ätherischen Oele besitzen
ferner die Eigenschaft, durch die Epidermis hindurch in die Haut ein¬
zudringen, mithin oberflächlich gelegene Entzündungsherde zu erreichen.
Und innerlich genommen kommen sie insofern an dieselben, wo sie auch
etablirt sein mögen, heran, als viele von diesen Kohlenwasserstoffen
sich nur langsam und schwer im Organismus so verändern, dass sie zu
indifferenten Verbindungen werden. Alles das, zusammen mit den Re¬
sultaten des Huizinga’schen Laboratoriums und von mir betreff der
Einwirkung der Eucalyptoldämpfe auf das zu Entzündung disponirte
Froschmesenterium oder Mesometriura lässt die von unseren Vorfahren
oft gerühmte entzündungswidrige Kraft aromatischer Droguen vielleicht
wichtiger erscheinen, als es die mit ihrer Negation vielfach über das
Ziel hinausschiessende moderne Heilmethode anerkennen will. Ich brauche
oben nur anzudeuten, dass in vielen Fällen die Anwendung sehr nie¬
derer Wärmegrade ebenfalls zur Lähmung jener die Gefässwand per-
forirenden Gebilde dient; aber das Eis ist zur Erfüllung dieses Zweckes
nicht überall anwendbar, und darum dürften anders geartete Heilmittel
neben ihm in Betracht zu ziehen sein. Das sehr mild wirkende und
in Folge der bedeutenden Anpflanzungen von Eucalyptus globulus in
Südeuropa immer billiger werdende Eucalyptol (im neuesten Catalog
von H. Traumsdorff in Erfurt finde ich 10 Grm. mit 2 Mk. 70 Pf.
aufgeführt) gehört wol in erster Reihe dazu.
Piof. von la Valette St. George theilte die Resultate seiner
Untersuchungen über dieSpermatogene.se bei den Säugethieren
mit. Auf der Innenfläche der Drüsencanälchen fand er zwei Arten von
Zellen, deren eine grosse Kerne mit glänzenden Kernkörperchen führt,
während die andere kleinere, oft mit undeutlichen Zollgrenzen, die !
erstere einzubetten bestimmt ist — Ursamen — und Follikelzellen. Die j
Spcrmatogonien vermehren sich durch Theilung und bilden Zellen- j
knospen — Spcnnatogemmen, welche als kürzere oder längere sä ulen- '
artige Gebilde in das Lumen des Canälehens hineinwachsen. .Die Zellen, f;
aus welchen die Samenknospen bestehen, producircn. in der vom Redner j
beschriebenen Weise als Spcrmatoeyten die Samenkörperchen. Zwischen :
die radiär auf die Achse des Canälehens zustrebenden Spermatogemmen* !
setzt sich das Gewebe der Follikelzellen fort, indem es die Samen- •
knospen mehr oder weniger deutlich einhüllt und «regen einander ab- ;
grenzt. Bei der Theilung der Spcrmatogonien behufs Umwandlung zu !
Spcrmatoeyten bleibt stets ein Kern mit einem Saume von Protoplasma,
der Innenfläche der Membrana propria dicht anliegend, in dein periphe¬
rischen Ende der Spermatogemme zurück, und wird dort von den Follikcl-
zellen einge^chlosseii und in seiner Lage gehalten.
Es ist das im wesentlichen derselbe Entwicklungsmodus, welchen,
der Vortragende bei den Amphibien und vielen wirbellosen Thieren auf¬
gefunden und beschrieben hat, der, seiner Meinung nach, als Gesetz der
Spermatogenesc sich allgemeine Geltung verschaffen wird.
Prof. Busch theilt einige Stellen aus der Antrittsvorlesung des Herrn
Maas in Freiburg mit, welche ihm zufällig erst jetzt zu Gesichte ge¬
kommen ist (Berl. klin. Wochenschrift 1878, No. 2). In dieser wird
zum Gegensätze gegen die rationelle Empirie von einer Art der Empirie
gesprochen, welche „theils kritiklos, theils unwissend das post hoc
und propter hoc verwechselt, der Wissenschaft fern liegt und zur directen
Quacksalberei führt“, ln einem Athem werden hierbei neben den be¬
rüchtigten Mitteln Serapions gegen Epilepsie (Kamcelhirn, Schildkröten¬
blut), neben dem Besprechen der Rose etc. auch die Behandlungen des
Hautkrebses mittelst Alkalilösungen genannt. Redner glaubt sich be¬
rechtigt, gegen eine derartige Kritik, welche ohne Prüfung eines Gegen¬
standes eine Behauptung in die Welt sendet, gegen welche jeder Forscher
schutzlos ist, öffentlich Verwahrung einzulegen. Er glaubt sich deswegen
dazu berechtigt, weil ausser Herrn Volk mann, welcher mit diesem
Mittel den beginnenden Theerkrebs beseitigt hat, gerade er es gewesen
ist, welcher dieses Verfahren gegen einige Fälle des Hautkrebses der
Alten empfohlen hat. Diese Behandlung ist nicht empfohlen worden
nach einem planlosen Probiren mit äusseren Mitteln, sondern sie ent¬
stand aus einem Gedankengange, wie er jeder rationellen Empirie zu
Grunde liegen muss. Bei einer Form des Epithelialkrebses, dem Schurn-
steinfegerkrebse, ist es bewiesen, dass er hervorgeht aus einer ursprüng¬
lich ganz localen Haulaffection, welche durch einen chemischen Reiz
bewirkt wird. Bei vielen Hautkrebsen der Alten sehen wir als erste,
mit unseren Sinnen wahrnehmbare , Veränderung eine Ueberproduction
von Epidermis, welche scheinbar ein ganz locales Uebel ist. Geschieht
nichts gegen diese Epidermisanhäufung, so kann sich ein local und all¬
gemein zerstörender Krebs entwickeln. Auch das Microscop zeigt uns
in den jüngsten Stellen des Epithelialkrebses zunächst nur eine Ver¬
mehrung der Epithelialzellen. Da nun eine alkalische Lösung das beste
hornlüsondc Mittel ist, so lag es nahe, zu prüfen, ob man mit dieser
Lösung beginnende Hautkrebse heilen könnte. Wenn die Probe auf das
Exempol nicht gelungen wäre, so wäre daraus zu folgern gewesen, dass
eine Prämisse falsch gewesen, nämlich die, dass auch in denjenigen
Formen, in welchen wir als erste Veränderung eine Ueberproduction
von Epithelialzellen erkennen, diese erste Veränderung nicht das wesent¬
liche ist, und dass eine andere, unserer sinnlichen Wahrnehmung bis
jetzt entzogene Ursache dem Uebel zu Grande liegen muss. Glücklicher¬
weise hat der Erfolg für sehr viele Fälle auch die Richtigkeit dieser
Prämisse erwiesen.
Zuin Beweise, was eine aus solchem Gedankengange entstandene
„Quacksalberei“ nutzen könne, wird ein Patient vorgestellt, welcher seit
4 Jahren einen zerstörenden Epithelialkrebs der Nase hat, und welcher
seit mehr als einem Monat nur mit Sodalösung behandelt ist. Wie man
aus der vorhandenen jungen Narbe erkennt, erstreckte sich das Geschwür
ursprünglich von dem linken Nasenflügel bis auf das Septum und auf
dem Rücken bis zum Ansätze an den knöchernen Theil, und reichte bis
zum Ansätze des rechten Flügels. Ebenso erkennt man aus der Narbe,
dass die Epithelstolonea am linken Nasenflügel und an der Spitze bis
in die Knorpel hinein sich erstreckt haben-, denn es sind deutliche
Knorpeldefecte vorhanden. Gegenwärtig ist alles verheilt bis auf eine
kleine Stelle am rechten Nasenflügel, an weicher man den Character
des Uebels noch gut erkennen kann, und welches wahrscheinlich auch
der Exstirpation verfallen wird, da seit 14 Tagen keine Veränderung
zur Heilung zu bemerken ist. Während aber durch Exstirpation des
ganzen Geschwüres ein Defect geschaffen worden wäre, welcher nur durch
eine grössere plastische Operation sich mangelhaft hätte ersetzen lassen,
ist jetzt nur eine kleine keilförmige Excision nöthig, welche einen kleinen
Einkniff hinterlassen wird.
Leider sind wir bei den meisten Formen der Carcinome nicht im
Stande, den Nachweis ihrer Entstehung aus einer anfangs verhältniss-
raässig unschuldigen Localaffcction zu führen, wo wir dies aber zu thun
im Stande sind, wie bei einigen Formen der Hautkrebs . da ist uns
auch die Möglichkeit gegeben, durch eine prophylactisehe Therapie,
welche im Beginn des Uebels angewendet wird, der Eni Wicklung der
zerstörenden Neubildung vorzubeugen.
VII. Fewlletoi.
Baisamum antarthriticum Indiern»
von
Dr. H. 11 i r s c b , Apotheker zu Frankfurt a./M.
Die Untersuchung des genannten, in No. 26 dieser Wochenschrift
empfohlenen „Balsams“ hat ergeben, dass derselbe in seinen physicali-
sc.hcn und chemischen Eigenschaften eine ganz ausserordentliche Ucber-
einstimmung mit dem durch trockene Destillation des (Fichten-) Harzes
gewonnenen, als Maschinenschmieröl dienenden Harzöl (oder ITarz-
thran) zeigt.
Beide Körper besitzen ein spezifisches Gewicht, welches dem des
Wassers sehr nahe kommt, was für eine Substanz von den sinnlichen
Eigensehafteu eines feilen Üeles höchst auffallend ist. JVide verhalten
sich ge een Wasser und gegen Lösungsmittel wie A leohol. Acthei*, Benzin,
Schwefelkohlenstoff, fette und aetherische Oele etc. gleich. Beide geben
mit Bleioxyd, schon ohne Erhitzung und binnen wenig Minuten eine
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 46
feste, pflasterartige Verbindung. Beide sind frei von Glycerin. Beide
lassen sieh durch kohlensaures Natron in eine leichtlösliche Seife und
in ein indifferentes Oel zerlegen. Die aus der Seife abzuscheidende
Säure ist in beiden Fällen eine feste Ifarzsäurc, welche gegen Lösungs¬
mittel und gegen Bleioxyd ein ganz übereinstimmendes Verhalten zeigt.
Ebenso besitzt das aus beiden isolirte indifferente Oel das gleiche, dem
des Wassers sehr nahe kommende specifische Gewicht und dasselbe
Verhalten gegen Lösungsmittel; es giebt in beiden Fällen weder mit
Bleioxyd eine feste Verbindung, noch wird es durch ätzende Alkalien
verseift, auch nicht bei tagelangem Kochen.
Beide Körper unterscheiden sich durch ihren Geruch. Das
Harzöl riecht häufig, aber keineswegs nothwendiger Weise, mehr oder
minder nach Theer und Kienöl, kann jedoch ohne sonderliche Mühe
von diesem Geruch befreit und ganz geruchlos hergestellt werden. Der
„Baisamum antarthriticum“ besitzt in hohem Grade den widerlichen
Geruch ranzigen Fettes, der auf einen Gehalt an freien Fettsäuren, die
vielleicht zum Theil thierischen Ursprungs sind, zurückzuführen ist. j
Dieser, auch anderweitig naehgewiesene, in quantitativer Hinsicht unter¬
geordnete Gehalt an Fettsäuren ist das wesentlichste Unterscheidungs¬
merkmal zwischen dem „Baisamum antarthriticum“ und dem Harzöl;
doch bietet die absichtliche Vermischung dieses letzteren mit solchen
stinkenden Fettsäuren, wie sie z. B. aus den zur Wollwäsche benutzten
Seifen laugen durch Mineralsäuren abgeschieden werden, nicht die geringste
Schwierigkeit.
Es dürfte zunächst der Entscheidung der Fachgelehrten, namentlich
der Botaniker, Pflanzenphysiologen und Pharmacognosten anheim zu geben
sein, ob eine annähernd aus 1 Th. Harzsäure, 2 Th. einer ölartigen, aber
nicht verseifbaren Substanz und etwas Fettsäure bestehende Flüssigkeit
als ein unmittelbares Pflanzenproduct (welches sie nach Versicherung
des Liferanten sein soll) bek ann 1 ist oder auch nur m ö g 1 i ehe rwei s e
und unter Mitberücksichtigung etwaiger atmosphärischer Einflüsse als
ein solches betrachtet werden kann.
Wenn aber diese Entscheidung verneinend aus fällt, dagegen eine
absichtliche Täuschung zu erweisen ist, oder auch ohne ein wirkliches
Zugeständnis angenommen werden darf, so wird man das Raffinement
bewundern müssen, mit dem eine solche Mystificatiou, resp. der Import
einer solchen Substanz unter falschem Namen und ihre Einführung zu
medic ini.scb.cn Zwecken bewirkt wurde, und darin eine neue eindring¬
liche Warnung vor der Aufnahme von Mitteln unbekannten oder zweifel¬
haften Ursprungs und Wesens — vulgo Geheim mittein — erblicken.
Einen ausführlichen Bericht über Gang und Ergebnisse der Unter¬
suchung des „Balsams“ bringt das Novemberheft des Archivs dorPharmaeie.
Berichtigungen.
Seit einer längeren Zeit mit der Sammlung des literarischen Mate¬
riales fiir eine demnächst erscheinende kleine Brochtire beschäftigt,
lese ich erst jetzt, dass m ine geschichtlichen Angaben über die Heiss-
wassereinspritzungen bei Gebärmuttcrblutungen, welche ich vor nahezu
einem Jahr gefunden, aber aus Mangel einer passenden Gelegenheit nicht
veröffentlicht hatte, inzwischen von Runge (Archiv für Gynäkologie,
XIII, S. 137) angeführt worden sind, und ist hiernach meine Angabe
zu berichtigen. Dr. Haussmann.
In dem Referat des Vortrages des Herrn Prof. Hildebrandt in
No. 42 d. Bl. Zeil. 10 lies statt 2 1 V/o-
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. In der Woche vom 6. bis 12. October sind 557 Personen
gestorben. Todesursachen: Masern 1, Scharlach 27. Rothlauf 1,
Diphtherie 25, Eitervergiftung 2. Kindbettfieber 5, Typhus 14 (Erkran¬
kungen an Typhus 24 m., 29 w ), Dysenterie 6, Garbunkel 2, Gelenk¬
rheumatismus 1, Syphilis 2, Diphtherie des Darmes 1, Vergiftungen 1,
Brandwunden 1, Sturz 5 (davon 1 Selbstmord), Folge von Operation 1,
Erhängen 3 (Selbstmorde), Lebensschwäche 35, Abzehrung 37, Atrophie
der Kinder S, Altersschwäche 11, Krebs 10, Wassersucht 3, Herzfehler 3,
Hirnhautentzündung 9, Gehirnentzündung 12, Apoplexie 15, Tetanus und
Trismus 6. Zahnkrämpfe 6, Krämpfe 29, Kehlkopfentzündung G, Croup 9,
Pertussis 7, Bronchitis 14, Pneumonie 24, Pleuritis 4, Phthisis 58,
Peritonitis 8. Folge der Entbindung 1, Gebärmutterleiden 1, Diarrhoe 32,
Brechdurchfall 32. Magen- und Danucatarrh 12, Nephritis 9, andere
Ursachen 53. unbekannt 5.
Lebend geboren sind in dieser Woche 410 m., 388 w., darunter ausser-
ehel. 50 m., 4t“> w: todtgeboren 19 m., 18 w.. darunter ausscrehel. 7 m., 2 w.
Die durchschnittliche Sterblichkeit während dieser Woche beläuft
sich auf 28 pro Mille der wahrscheinlichen Bcvölkeningszahl, die ent¬
sprechende Geburtenziffer auf 40,1 pro Mille (beide Summen mit Aus¬
schluss von 1.9 pro Mille Todtgeborenen).
Witterung: T h e r m o in e t e rs t and: 10,97 R., Abweichung:
2,GO R. Barometerstand: 27 Zoll 11,43 Linien. Dunst span- !
nung 3,91 Linien. Relative Feuchtigkeit: 76 pCt. II iinme l.s be -
deckung: 5,4. Höhe der Niederschläge: 1.30 Pariser Linien.
YI11. Amtliche Mittheilungen.
Perionnlia.
Auszeichnungen: Seine .Majestät der König haben Allergnädigst ge- j
ruht, dem Übcr-Medieinal-Direeior Dr. med. Gramer zu Kassel, Mit- 1
glied des Medicinal-Collegiums der Provinz Hessen-Nassau, den Rothen
Adler-Orden dritter Classe mit der Schleife und dem Arzt Lic. med,
Schlüter zu Pinneberg den Königlichen Kronen-Orden vierter Classe
zu verleihen.
Abstellungen: Der Kreis-Physikus Dr. Mi che Isen in Soldin ist aas
dem Kreise Soldin in den Kreis Waldenburg versetzt worden.
Niederlassungen: Arzt Wcszkalnys in Kraupischken, Arzt Herz
in Guben, Dr. Mund und Dr. Landsberg in Goerlitz, Pr. Rei-
raann in Lüben, Arzt Knopf in Probsthain, Arzt Robert Müller
in Linden bei Hannover, Dr. Hecker in Harsewinkel, Dr. Schnelle
in Wolbeck, Dr. Graffelder in Münster, Dr. Murdfield in Waders¬
loh, Dr. Langenkamp in Datteln, Zahnarzt Schneider in Liegnitz.
Verzogen sind: Kreis-Physikus a. D. Dr. Schüller von Lüb-.n
nach Trachenberg, Arzt Petrik von Modlau nach Bunzlau, Kreis-
Physikus a. D. Dr. Lehrs von Hammerstein nach Berlin, Dr. Wis-
niewski von Me wo nach Osche, Dr. Pflug von Seeburg nach Wald¬
breitbach, Dr. Veitkamp von Wolbeck nach Elberfeld, Dr. Westholt
von Harsewinkel nach Lippstadt, Dr. Leineweber von Wadersloh
nach Halle a. S., Dr. Elperting von Neuenkirchen nach Rheine.
Apotheken-Angelegenheiten: Der Apotheker Fromm hat die
Jo ach im’sehe Apotheke in Skaisgirren, der Apotheker Blew die
Anderson’.sehe Apotheke in Angermiinde, der Apotheker Fahren-
holz die Fe uerabe nd’sche Apotheke in Frankfurt a. 0., der Apo¬
theker KiesendahL die Frost’sche Apotheke in Sellnow, der Apo¬
theker Kossmann die Niklewicz’sche Apotheke in Gollantsch
gekauft. Dem Apotheker Beno Ld ist die Administration der Biitow-
schen Apotheke in Flatow, dem Apotheker Böhmer die Administration
der Licder’schen Apotheke in Pr. Friedland, dem Apotheker Kessel
die Administration der Filial-Apotheke in Horst und dem Apotheker
Becker die Administration der Filial-Apotheke in Gescher über¬
tragen worden.
Todesfälle: Medicinalratli Dr. Folger in Münster, Dr. Triitsehel
in Freckenhorst, Dr. Wurlitzer in Breslau, Dr. Herrn. Schulzein
Berlin, Dr. Patzack in Liegnitz, Arzt Sehefer in Penzig, Dr. Cebu
in L i c b a u, Apotheker Schultz in Memel.
Bekanntmachungen.
Die Kreis wundarztstelle des Kreises Kosten, mit einem jährlichen
Gehalte von GOO M., ist erledigt. Qualifieirte Bewerber wollen sich unter
Einreichung ihrer Zeugnisse und ihres Lebenslaufs innerhalb G Wochen
bei uns melden.
Posen, den 30. October 1S78.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Inserate*
Verlag von August Hirschwald in Berlin.
Soeben erschien und ist durch alle Buchhandlungen zu beziehen:
Medicinal - Kalender
für den Preussischen Staat
auf das Jahr 1990.
Mit Genehmigung
Sr. Exccllenz des Herrn Ministers der geistl., Unterrichts- und
Medicinal - Angelegenheiten
und mit Benutzung der MinisteriaBActen.
Zwei Theiie.
I. Th. als Taschenbuch elegant in Leder gebunden. II. Th. brochirt,
Preis 4 M. 50 Pf. (I. Theil mit Papier durchschossen 5 M.)
Frische Gort. rad. Granator. habt- empfangen und bin durch
periodische Zusendungen in Stand gesetzt, dieselben stets frisch abzugcbcn.
Capsules mit \ und \ Grm. Acid. benzoic- sublim., bei deren Ge¬
brauch der nachhaltig kratzende Geschmack fort lallt, habe an fertigen
lassen, und stellt sieh der Preis für dieselben nicht höher als fiir dis-
pensirtc Pulver.
Berlin, 30. October 1878. Apotheker O. Kaumann,
Spandaucrstr. 77.
C. E. Pfister,
Üfechaniciifi und Bandagist, Lieferant künstlicher Gliedmassen
für das königliche Bezirks-Gommando, die Kaiser-Wilhelms-Stiftung und
die Victoria-National-Invalirlen-Stiftung
in Berlin, Friedrichs-Str. 215,
empfiehlt sein seit 1855 gegründetes
Specialgeschäft künstlicher Füsse und üände,
orthopädischer Maschinen und Bandagen. Die practischen Erfahrungen-
die er sich durch den eigenen Gebrauch eines künstlichen Beines Hin¬
durch Anfertigung vieler hundert künstlicher Gliedmassen gesamm^i
hat i sind ihm für die Begründung seines .Systems, dein allseitige Are
erkennung zu Theil geworden ist, von grossem Nutzen gewesen. P •
anerkannten Vorzüge der Dauerhaftigkeit und Leichtigkeit seiner künst¬
lichen Gliedmassen sind in neuester Zeit durch wesentliche Verbesse¬
rungen bedeutend erhöht worden.
Verlag und Kigeuthum von August Hirschwald in Berlin. — Gedruckt bei L. Schumacher in Berlin.
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DU» Bwlmwr JQwriseti* ©r»ofeeiß^ Jeden
SiönWsf iö <for Spuk* -von \i Bfyjsit, gy. ;.
PfÄii A StWk'. ÖMt. ii!>nt.’öO nuLm^n
aJle l’nchb^BAinügu« nod JPo*t- V»«*t»1t&n an/
Organ für praotisdie Aerzte.
Mit Bedicksiehtigung der preussischen Merljcmaiverwalturig und Medicinalge^etzgcbung
nach amtlichen Mittheilmsgeii.
Redacteur: Prof. I)r i. Waldenburg. Verlag yoh itupsi Birsctpld in Min.
Montag, den 25 . November 1878 . $ff 47 , Fönföehnter Jahrgaag«
. lviiüH: I. ^«patein*. Suni AAinpm und Moipkiatn Antidot*? - IT Lewi t.s*:.y: Iw XAraibesimug de? m-iK a ebainiw&ädicu :^ysi?|iTowj>i von
.' Iurüi[jyr!i.T-dU-*ii (S-dihi^), — Ul ApufVn?/- ./hu QtsüisfTk der 'jnfoHiwvin OTOmuiyGOTs. IV;' [>> , ■.,{>,. r,-1.*.-.**- ■ t.»er> Fall- •v«/ , ü
«iin^'dri.^.tn/.Sf.h'Äif^n (JJyp^rbfdni.sU Umiavu'äh*)- — V: Wald-/uivü>^: Pubuhr mul P.ji.-. — Vi; K;di:rat r£ur Ateiäitaüifcrapi^ —
Vif. VefUAhdiyii^n (u'^Micher (h^oilssdiaften (Ymeis! fiit vTssensehiUüi'T»!' fteitku-iyhVzÜ P ?r:} — YUL 1 «#?üi j• Hnjiioei 1 ;
m.d vu»'’ üu»«*i tat — ragosgeaiflueh 11 iotao ¥>m«*ak - IX ImbVu'; \lvA.Vüuyv. -
I. Sind ifrdpiff jisd .11or|ihinm Antid«te. ? drr.ckwj li»*». >s-t d»«* Atropin m)«* Murpkj«ai-»«rjiifi^
■ van ft* bet gfclr heutiger Eiuvt v r1eihung des Bugeuuumßüed
D; A«I. liMupstel«, ) Antidot« erst nach Jäherer Üteti? t5*lUjc& ui* AlitiV
AvosKiviv; um ^ .I.ihüiinrs'-füjhijital in denn. dieses Antidot? Wusste ich auch, -ja-.- bei derselben Thier-
ii< ummer Stellung als Assistenzarzt des htwsL/m» St Jo- 1 species je; nach dem Gewicht.. Alter. Gochlccht, ja mich der
bpme&;r> H[o&fütah* hatte ich /üihifiger fietaf'qjihett', Atmpin und Kae« unÜ rUd* JjtidiGdmUdat suhl \ erschiedrüe Hfopföuglicbkoit
ä^fcüuuni pUneUzeifitr angewandt zu <mboiu So erliieUco von iihwaltcr, «>t wpr ich bemüht, defeh Auswahl onudiiehst gleich-
starkem Hustenreiz e^placte Kranke v*wii? tuhercuikso' Hub- artiger Thier/ imd Iv-i.-'A'n/n U-Mlou für eine Gewicht ~
vidtytfii mit Husten üud s t A t k e uN y e l»G c h w <d JM$ p häufiger Atr<** elidaut fteXi ^tMemieuUnp K.> iv uni eil
pip tiör/i AinrpIiiUm zusnundeh. tu ne ftutapu^lecfe* Wirkung u\^v nck>tr a*trJ< freien Hmaieti stieres« ivn
is«- rufr dahei uiemaü :mfpoüüio«i. im Ut‘eeuTiK , »l. *** «-ehieii onr. die beiri*,ft»‘]nleri H»ft« suhnilaii ln*i^i*l«raeht und her der str-ii^eu
;us ni» üeiüe Mittel‘deli iurtemutÄteie in teiicreie^tiritöiung be- Herj(kachnjbg üeliea dtm Veränderungen tfwr V:ürii!ate’»u, j[:/*S|»i-
luedijn dieser Ftev.jduiM^ nnt ihm Üe^ultaten der experi- rati*»n >aid tUjh’r> J)ti*»u lif k suiiüei's die mm T^de et forü-rlicliC
tneT.relin<; Arbeiten; um >. W,dr Mttc,ti<‘ll. W. Kv» j n uud J H*mj- hr-m.-ptet : Üüiaodvnauwmetierhr Vf'Mide wunhuj UJülil
Xi- U- Mnur^houÄe* ve m u : n m • (•nmi*j%. Erlenojeyer. ; dngnst-.dh\ ' weit-.es- uimedglielt w;»r. die^nthni xvdüveml der langen-
vo/i Beze 1*1. H a f h y; h •>>..:•! d! .;ü , ivo & *n g; ft e es e. - Daitci meiner Versuche »Jurr !iz*if*H*Trn. 1
Ü.ch.. Cotonö. v»m ‘Aideben Ferchern auf Grund ihrer thdh ; Zunü/-k<t musst»; ieli du.; bteitirften k'tdlru l»a<*.•;»} p'lr
dm 31uU'»'u* iK ; Äum prösM-trii Tlmil afu*i au ^ersehtedeuei) Thier^ . Atropin mtd Morphium kcnpriu s ie rr* ies>.u <1 u t’m Ah^-
aituH auuestv-llPui Vei'sieMir nur einig«; wdtige eine)» gewissen pin ui> sehr hedeutt‘udv : lelr brädiirv’dned 1 weih liehen: Hunde
Geuenat/. für eiuxulm vmph»me d«r Vergiftung zu lassen. v;:ih- j voo > ’ ? Kilt», im Alter vm» 1 ' , .hthron, muerhalh nrht 8tumUni.
rcud audeit* s»»s;ai* eine Verstärkung der von dem einen Mittel j 0,0tU7 AtrdjijuiMn vulfur. dureh di i uj.ee tiunepe-u; !u*:. f'b*
ßr^jheinmigen durch das r andere Gifr b«bl»- gkdch im lfegbm d^r Iujerti»»m l i) Vk‘)i Mydr*a$w nalnn,
reiftet .hab'eii. bi« X‘um vfdligun Versahwimievi 4vf b:l< v.u. Ke-piratf'»h sowie
Trutz' der M/mge der demnach einen Antagjmisnms vo»p Gitfmlhtinn wurden, iHltvilings xeitUdi versrlue«ien. bpseldeuhipt;:
jAlvopiu ru»d Marphimu mehr oder weniger unbedingt verwerfruilen das Tbmr wnr nng» lu-u-r agitirb wie *y< sieh durch' •be;<t:ijV«/:.j •-
gründlichen Fursdiungeü wurde diesem noch \oo mancher JSeMe !n*kvrö*s Sciuv-im und starke Mmskekivtlne zidgtw '■L*«sa:e»ntn«l>p
«Jas..Wort geredet-'-und /.wpr yun'.ufswe.i-* ctuf casm-dGche- Mir- erschien diMi Tiiior fa*t norma.l.
th»'iiunpei) bin., die zur de:v behaupteten dienen Vier Tage; spAUT wurde •lemstdbe.) 11pern mnerhath
solltea. Erst in j unguter. Zeit hat auch umer den Experiment . u .Sinn den ‘umer v/esentfirh tien^di^m SymphmuMi w»o \orW
tötoreö der erwähnte Aut« P »u i s mies -seinen Vertlieidigor in Binz • 1.0 Atropin heigv:hu»clit. Ibns Thier hatte darauf rdneMi V/>o
gtjfänden . dcÄsen Ausmht'se<m.‘.>bdiülcr'He.'uhach und Auer melmieu trang', erholte «ich jedoch bis zum 'Odgem.hurTfii-u-"
Haeh durch gemeinsame Ver-ncl.e zu stutzen suchen. 1 wieder,
Ehe etwas über ibe iKfenfH Arbeiten ver laut ein, war ich j Nunmehr musste ich doch wohl A'hmMlei. vergehen nmi.
dnmd heecfmt'tigt.. mir durch: möglichst einfach gehaltene Ym'- nachdem inmrhali» ü stunden Syo Airepifi injient w.’imn,
si'uCjkv ein X ’rthcjX über die interes^aute und- höchst b»?- : traf b.rst «fei; .Tod w'tui AVAhruipi dc-yf 'Veisnches wkroti d[e
fi«ei«»um£sv.iile Trage zu ld|d»Mb Ich li'-ss mir nämlich die e\- : Symptome-; mA-sige Ere«pn*.uz d«o AHnimziige und Heivtrontrae-
pL-rinw.iirell«’ lo-.vjuvortm.g der viufachon Frage angelegni» sein: timum. ««»niseh kleuisei.e K»’ampfe. Erbrechen, . Kniirn»; */i? jpg
STud Ä1;r.npin und Morphin Antidbt«>. kann wirk- ; farigs fAtpiHe 1 i'»imöit. -Ecute; des Vut^iicfes ihre
lieh eine Ah.opiu Vergiftung duy«*b Morphium oder um ; .normale V/tin* au. On Temju-rainr sank auf .iX
^eUeh-vi ei n v M » rp b i h m \ re; i f tu n g durch. Atropin a uh | tkd dm: fintf'im'p Hosi** müsste ich a.n eiu*'.b«>:«'>nflm:It*um.m ; -
Arehuhv e werden, oder, wi,.- dje Stelle iV Zalilerf -.sicfi ans- } tat her dem getbdtenM) 'filiere «hmkeii; ich. «!e- : l<;;. : !b
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■Biutriffp i^oUe ma« portofrei ia »ik< ßoäactipo
iS. W. DoMbwMistr. ??, ~üj fid^r/ tn .Aj*' V«?-'
]«Up»bfiehb*n«nw!p Ton \.ugrirt in B*f-
Ua (K. W. Unter' deu tahjlou €.#.) «Oi&imÄNi»
692
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 47
den Versuch an einem 9 Monate alten weiblichen Pudel von 7 Kilo
Gewicht. Doch auch diesen gelang es erst durch 4,5 Atropin
zu tödten; während des Versuches war die Iris vollständig
retrahirt, die Respiration accelerirt, die Circulation mässig be¬
schleunigt; auch hier treten clonisch-tonische Krämpfe auf und
sinkt die Temperatur'bis 34,1° C.
Obwohl das angewandte Präparat prompte Pupillenreaction
ergab, dachte ich nunmehr doch, es entfalte nicht die gehörige
Wirksamkeit; ich zog deshalb das vorzügliche Simon’sche
Atropin in Anwendung bei einem männlichen jungen Spitz
von 10 Kilo. Unter seinem Einflüsse wurde die Pupille er¬
weitert, jedoch später wieder verengert, die Circulation sowie
durchgängig die Athmung beschleunigt; der Hund hat sehr häufig
Würgebewegungen und Kollern, wird zuerst sehr unruhig, schläft
später, welcher Schlaf bald durch häufige, fast stets mit Dysurie
verbundene tonisch-clonische Krämpfe unterbrochen wird. Durch
die letzteren steigt die Temperatur auf 39,0° C. Da schon
3,0 Atropin genügten, den Hund zu tödten, so war die
Annahme einer stärkeren Wirksamkeit des Simon’schen Atro¬
pin vollkommen gerechtfertigt, doch ist die Dosis noch immer
eine sehr bemerkenswerthe.
Bei einem analogen Vorversuche mit Morphium fand ich
als tödtliche Dosis für einen männlichen Hund von 4 1 / 2 Kilo
2,4 Gramm. Die Athemfrequenz wurde etwas vermindert, der
Puls beschleunigt, die Temperatur auf 34,4° C. herabgesetzt.
Während das Sensorium nur wenig benommen war, traten clo-
nische und tonische Krämpfe ein, die auch den Tod herbei¬
führten.
Nachdem so die tödtliche Dosis der Einzelmittel festgestellt
war, schritt ich zur combinirten Anwendung.
Ein dem Hunde der ersten drei Versuche sehr ähnliches
Thier, weil von derselben Race, demselben Alter und Gewicht,
wurde innerhalb 2 ! / 4 Stunden durch Injection von 3,0 Atropin
und 2,0 Morphium getödtet. Das primär vergiftende Atropin
hatte dieselben Erscheinungen hervorgebracht, wie sie im Anfang
der früheren Versuche beobachtet wurden; nach der Darreichung
von Morphium fällt die entstehende Narcose, sowie Beruhigung
der Athmung auf; es treten Zuckungen auf, die durch später
gereichtes Atropin sowie Morphium nur stärker werden; die
Temperatur sinkt auf 33,8° C.
In dem folgenden 8. Versuche wurde einem Pudelhund
von 8 Kilo zuerst Morphium beigebracht. Die anfangs
verengerte Pupille war erweitert. Circulation und Respiration
nicht wesentlich verändert, das Sensorium nicht benommen,
sehr häufig Zuckungen. Diese wurden nach Einverleibung von
Atropin immer stärker, und gingen bei weiterem Gebrauche
von Morphin und Atropin in sehr schnell aufeinander folgende
tonische Krämpfe über, denen stets starke clonische Krämpfe
und eine Zeit sehr erschwerter Athmung folgten. Dadurch
Temperatur 41,6 0 C. Der Tod erfolgte innerhalb 3 Stun¬
den nach Einverleibung von 1,4 Atropin und 1,9 Mor¬
phium.
Der 9. Versuch lässt keine anderen wesentlichen Verschie¬
denheiten von dem eben angeführten erkennen, als dass schon
durch geringe Gaben Morphium völlige Narcose bewirkt wurde;
er wurde angestellt an einem jungen Hunde von 3 ‘/„ Kilo;
innerhalb 2 ‘/ 4 Stunden bewirkten bei ihm 2,3 Atropin
und 2,2 Morphium den Tod. Die Temperatur betrug vor
dem Tode 26,8“ C.
Im 10. Versuche wurde die narcotisirende Wirkung des
Morphium wieder vermisst, obwohl die Respiration ruhig wurde
und auch blieb, nachdem Atropin gegeben war; mit den Kräm¬
pfen war meistens Dysurie verbunden. Die Temperatur betrug
gegen Schluss des Versuches 35,0 0 C. Der Tod erfolgte inner¬
halb 27V 4 Stunden nach 3,0 (Simon’sches) Atropin und
3,0 Morphium.
Ueberblicken wir noch einmal die Resultate der Versuche,
so erscheinen die Symptome der Vergiftung durch Atropin oder
Morphium allein identisch mit denen, die auch von anderen
Beobachtern gefunden und allgemein bekannt sind; nur dürfte
die prognostisch wichtige Erscheinung, wenn sie sich auch beim
Menschen findet, weniger bekannt sein, dass bei Atropinvergiftung
gegen das Absterben hin die vorher erweiterte Pupille wieder
enger sich zeigen kann. Ganz besonders interessiren die in
den Versuchen gefundenen kleinsten letalen Dosen. Sie betragen
auf je 100 Grm. des Hundes berechnet von: Atropinum sul-
furicum 0,07, Atropinum sulfuricum (Simon) 0,03, Morphium
hydrochloricum 0,053.
Nehmen wir diese Werthe einmal als feststehende an und
berechnen nach dem Gewichte die letale Dosis der Einzelgifte
für die einzelnen Versuche und stellen alsdann die bei com-
binirter Anwendung wirklich verbrauchten Dosen jenen gegen¬
über, so ergiebt sich:
Die letale Gabe des Einzel- Thatsächlich erfolgte der
mittels hätte sein müssen: Tod bei combinirter An¬
wendung nach:
Im 7. Versuche:
Atropin 7,0
*
3,0
Morphium 4,5
Im 8. Versuche:
2,0
Atropin 5,6
1.4
Morphium 4,24
Im 9. Versuche:
1.9
Atropin 1,855
2,3
Morphium 2,45
Im 10. Versuche:
2,2 ‘)
Atropin 2,43
3,0
Morphium 4,293
3,0
Die Zahlen im 7. und 8. Versuche sprechen direct für eine
CumulativWirkung, während Versuch 9 und 10 wenigstens die
Annahme eines Antagonismus nicht gestatten.
Die Symptome der combinirten Vergiftung sind folgende:
1) Die Pulsfrequenz ist meist erhöht.
2) Die Athmung ist meist ruhig und nicht beschleunigt.
3) Die Pupille erscheint bei zuerst erfolgender Morphium¬
vergiftung zunächst verengert, später sowie in allen
übrigen Fällen stark erweitert.
4) Die Temperatur ist häufig sehr herabgesetzt.
5) Es treten in allen Fällen immer dieselben Erschei¬
nungen unwillkürlicher Muskelcontractionen in grosser
Stärke auf.
Aus der Vergleichung dieser Befunde ergiebt sich, dass
durch gleichzeitige Darreichung von Morphium die
Ertragung von Atropin in wesentlich grösserer Dosis,
als sie nach dem entsprechenden Vorversuche als le¬
tale angenommen werden musste, nicht erreicht werden
konnte, obwohl die Dosis des Gegenmittels an und
für sich keine deletären Wirkungen ausüben konnte;
dasselbe gilt mutatis mutandis für die Behandlung
der Morphium Vergiftung durch Atropin. Doch nicht
allein wird die Ertragung einer vergiftenden Dosis durch den
„Antagonisten” nicht ermöglicht, nein, in mehreren Fällen er¬
reicht sogar die Summe der von beiden Substanzen ver-
1) Den etwas stärkeren Atropingebrauch im 9. und 10. Versuche
erklären die detaiHirten Protocolle, die in meiner Dissertation: „Ueher
die gleichzeitige Wirkung von Atropin und Morphium, Bonn, 1S78.“
nachgesehen werden können.
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25. November 187b.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
693
brauchten Quanta nicht einmal die Dosis, welche von
Atropin oder von Morphium allein zur Tödtung er¬
forderlich gewesen sein würde.
Diese Erscheinung macht es wahrscheinlich, dass die Mittel
vereint gegeben eine Cumulativ - Wirkung entfalten. Unter¬
stützt wird diese Ansicht durch den Umstand, dass keines der
beiden Alkaloide in dem in meinen Versuchen hervorstechendsten
Symptome, den theils klonischen, theils tonischen Krämpfen,
eine Aenderung zum besseren bewirkt, dass vielmehr bei Mor¬
phium-Vergiftung ebensowohl durch Atropin, als bei Atropin-
Vergiftung durch Morphium stets ein« Verstärkung derselben
hervorgerufen wurde. Daneben entfaltet dann jedes der beiden
Gifte noch die ihm eigenthümlichen Wirkungen: Morphium
narcotisirt und setzt die Zahl der Athemzüge herab, eben¬
sowohl bei Gegenwart von Atropin wie ohne dieses; Atropin
beschleunigt die Zahl der Pulse bei gleichzeitiger Morphium-
Einwirkung ebenso sehr wie ohne diese. Die Temperatur ist
durchgängig niedriger als bei einfacher Vergiftung.
Können und dürfen die Resultate dieser Hundeversuche,
namentlich was die Höhe der Gabe betrifft, nicht direct auf
den Menschen übertragen werden, so muss doch aus der Aehn-
lichkeit in dem Symptomencomplex der Vergiftung beim Menschen
und Hunde die Berechtigung zu dem Schlüsse hergeleitet werden,
dass Atropin und Morphium im allgemeinen Antidote
nicht sind, und daher eine antidotäre Behandlung zwi¬
schen beiden Mitteln bei desfallsigen Vergiftungs¬
fällen zu verwerfen ist.
Bei einzelnen Symptomen der Vergiftungen, so z. B. be¬
züglich des Verhaltens der Pupille ist gleichwohl ein gewisser
Antagonismus anzunehmen.
II. h Verailassug des Menen diagnostisches Symptoms
von Damperforation.
Aus der therapeutischen Hospitalklinik der Warschauer
Universität.
Von
Prof. Dr. P. Eiewitzky in Warschau.
(Schluss.)
III. Jan Koljasinski, Tagelöhner, wurde im bewusstlosen Zu¬
stande am 25. September 1875 in die Klinik gebracht.
Der Kranke ist .nicht im Stande auf Fragen zu antworten.
Dürch seine Frau erfuhr man, dass er schon vor vier Wochen
an blutigem Durchfall erkrankt, bereits im Hospital behandelt
wurde und das Hospital vor einer Woche verlies», obgleich der
Durchfall noch fortdauerte.
Der Kranke ist hoch von Wuchs und stark abgemagert,
liegt mit halb geöffneten Augen und athmet schwer und häufig.
Das Gesicht ist stark cyanotisch. Husten mit blutigem Auswurf.
Bei der Percussion der Lungen beträgt der Bezirk des hellen i
Schalles über dem rechten Schlüsselbein 5 Ctm. Der Percussions- |
schall dieser Gegend hat tympanitischen Anklang. Vorn, vom
3. Intercostalraum an tritt absolute Dämpfung auf. Hinten,
von der Mitte des Schulterblattes derselben (rechten) Seite und
in der ganzen Axillarlinie gleichfalls Dämpfung. Bei der Per¬
cussion der linken Seite beträgt der Bereich des hellen Schalles
unter dem Schlüsselbein 3 Ctm. An der vorderen Brustfläche
nur im 4. Intercostalraum und am oberen Rande der 5. Rippe
unbedeutende Dämpfung. Der Herzstoss ist weder sichtbar,
noch fühlbar; die Herztöne sind rein, der 2. Ton der Lungen¬
arterie accentuirt.
Bei der Auscultation der linken Lunge hört man zeitweilig
pfeifendes Rasseln und in' der rechten Lunge überall im Bereich
der Dämpfung scharfes Bronchialathmen, gleich über und unter
dem Schlüsselbein ronchi sonori.
Der Leib ist stark aufgetrieben. Bei der Percussion überall
gleichmässig niedriger tympanitischerPercussionsschall. Schmerz¬
haftigkeit bei Berührung. Der Anus geöffnet, es fliesst eiter-
artige Flüssigkeit aus. Bei der Auscultation hört man so¬
wohl in der Ileo-Coecalgegend als auch im rechten
Hypochondrium Bronchialathmen mit deutlich ampho¬
rischem Anklang. Ebenso hört man auch Bronchial¬
athmen, aber ohne amphorischen Anklang sub scro-
biculo cordis und über der Leber, und indem man
das Stethoscop nach oben, zur Lunge zu, bewegt, geht
es unmittelbar in das Bronchialathmen der Stellen,
an denen man Dämpfung hört, über.
Auf Grund der Untersuchung war es leicht anzunehmen,
dass wir es mit Dysenterie zu thun hatten, die in die chronische
Form übergegangen war, und dass in dem dadurch geschwächten
Organismus sich Pneumonia crouposa (cachecticorum) der mitt¬
leren und unteren rechten Lungenlappen entwickelt hatte. Ver¬
ordnet: Wein.
Der Zustand des Kranken verschlimmerte sich allmälig.
Am Abend desselben Tages trat Coma ein und am folgenden
Morgen starb er.
Section am 27. September (Prosector Dr. Przewoski):
Körper gross von Wuchs, stark abgemagert, fast ohne Fett im
Unterhautzellgewcbe. Musculatur mässig entwickelt, blass.
Die Lungen collabiren wenig. Die rechte Lunge fast im
ganzen Umfange frei, etwas vergrössert, in den vorderen Theilen
emphysematös. Der untere und mittlere Lappen verdichtet.
Diffuse Verdichtung; diese Stellen sind roth, leicht zerreisslich
und es fliesst aus ihnen eine trübe, rothe, dicke Flüssigkeit aus.
Die Schleimhaut der Bronchien ist geröthet. Die linke Lunge
ist leicht verwachsen, in den vorderen Theilen blass, flaumig,
der hintere Theil des Unterlappens verdichtet, auf dem Durch¬
schnitt roth, leicht zerreisslich, es fliesst gleichfalls dicke, trübe
Flüssigkeit aus.
Das Herz ist von gewöhnlicher Grösse, welk, die Musculatur
blass, das Endocardium im ganzen Umfange mit Blutfarbstoff
I imbibirt.
Die Milz ist etwas vergrössert, derb, dunkelbraun.
Die Leber von gewöhnlicher Grösse.
Beide Nieren sind etwas vergrössert; die Kapsel lässt sich
leicht abziehen, die Rindensubstanz ist blass, etwas verdickt.
Die Harnblase contrahirt.
Die Dünndarmschleimhaut ist etwas geröthet, mit Schleim
bedeckt und in geringem Abstand vom Coecum grau pigmentirt.
Die Schleimhaut des Rectum und übrigen Dickdarms ist
(aber je mehr nach oben, desto weniger) bedeckt mit alten dys¬
enterischen Geschwüren, so dass im Rectum und S romanum
die noch erhaltene Schleimhaut Inseln bildet. Die Wände des
Dickdarms sind bedeutend verdickt und pigmentirt, Ränder und
Grund der Geschwüre dick.
In dem ersten der drei obigen Fälle war im Leben An¬
häufung von Gas in der Bauchhöhle vorhanden, in den beiden
übrigen mehr oder weniger starker Meteorismus des Darm¬
canals.
Bekanntlich wurde im Jahre 1869 aus der Klinik des Prof.
Botkin (Berliner klin. Wochenschrift 1869, No. 20 — 21) von
Dr. T schudnowsky ein Fall von Abdominaltyphus mit Darm¬
perforation und nachfolgendem Gasaustritt in die Bauchhöhle
publicirt, wo im Leben im rechten Hypochondrium, im Bezirk
zwischen der 8. Rippe und der Crista ossis ilei amphorisches
Geräusch zu hören war, vollständig zusammenfallend mit den
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694
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 47
Athembewegungen; bei der Inspiration war es länger und stärker,
bei der Exspiration kürzer und schwächer. Da dabei in den
Lungen kein Bronchialathmen zu hören war, so war damit die
Möglichkeit genommen, das Geräusch im rechten Hypochondrium
als aus den Lungen fortgeleitet aufzufassen, und war es noth-
wendig anzunehmen, dass es an derselben Stelle, wo es gehört
wurde auch entstand, und zwar durch beständiges Strömen von
Gas aus der Bauchhöhle in den Darm (durch eine Perforations¬
stelle) und zurück, entsprechend den Veränderungen des Raumes
der Bauchhöhle bei den Athembewegungen des Zwerchfells.
Wenn es auch Dr. Tschudnowsky nicht gelang, diese Ansicht
auch auf experimentellem Wege zu bestätigen, so muss man
dennoch eine solche Entstehung des erwähnten Geräusches für
sehr möglich halten. Aber ähnliche auscultatorische Erschei¬
nungen in der Bauchhöhle kann man bei sehr verschiedenartigen
Krankheitsprocessen beobachten, und wie unsere Beobachtungen
beweisen, muss man sie auf andere Weise erklären.
Unser erster Fall ist ganz ähnlich dem, der Veranlassung
zu der oben erwähnten Publication aus der Klinik des Prof.
Botkin bot. Auch hier waren die Symptome der Darmper¬
foration mit nachfolgendem Gasaustritt in die Bauchhöhle und
Entwicklung von Peritonitis scharf ausgeprägt. Auch hier beob¬
achtete man ganz ebenso im rechten Hypochondrium amphorisches
Athemgeräusch, die Inspiration kürzer und schwächer. Auf
Grund des vollständigen Fehlens der Leberdämpfung in der
Sternal- und Mammillarlinie und des hier vorhandenen metallisch
klirrenden Percussionsschalles konnte man mit der grössten
Wahrscheinlichkeit auf Anwesenheit von Gas in der Bauchhöhle
schliessen. Andererseits brachte das Vorhandensein von Bronchial¬
athmen an derselben Stelle auf den Gedanken, ob diese Erschei¬
nung nicht eben jenes „neue Symptom von Darmperforation"
sei, von dem oben die Rede war. Aber schon bei der Be¬
schreibung dieser Erscheinung während des KrankheitsVerlaufes
wurde darauf aufmerksam gemacht, dass dieses im rechten Hy¬
pochondrium hörbare amphorische Bronchialathmen unmittelbar
in gewöhnliches Bronchialathmen überging an der Stelle der
vorderen Fläche der rechten Brusthälfte, w r o der tympanitische
Ton verschwand und nicht tympanitischer Lungenschall auftrat.
Folglich ist vor allem die Frage: ist dieses amphorische Bronchial¬
athmen nicht transitorisch — mit anderen Worten: ist nicht die
Basis der rechten Lunge die Quelle der Entstehung dieses
Bronchialathmens, wobei in Folge besonderer günstiger Um¬
stände, dieses Athmen, als fortgeleitetes, auch im rechteu Hy¬
pochondrium zu hören ist. Die Resultate der Section konnten
diese Frage nicht entscheiden, übrigens sprachen sie eher gegen
die locale Entstehung dieses Geräusches, d. h. gegen Entstehung
in der Bauchhöhle; denn in unserem Falle waren keine so
günstigen Bedingungen für den Uebertritt von Gas aus der
Peritonealhöhle in den Darm und wieder zurück vorhanden,
wie in dem Falle von Dr. Tschudnowsky, nämlich — in dem
letzteren Fall war die Oeffnung in dem Geschwür rund und
ziemlich breit, während in unserem Falle der necrotische Ge¬
schwürsboden noch nicht völlig abgetrennt war, so dass sich
nur au der Hälfte des Umfanges des Geschwürsgrundes eine
sehr schmale Spalte gebildet hatte, die den freien Durchgang
von Gas in den erwähnten Richtungen wenig begünstigte.
Somit war es zur Lösung der Frage unumgänglich uöthig,
Zuflucht zu Experimenten an Thieren zu nehmen. Ich führe
hier nur einen eiuzigen Versuch an, dessen Beweiskraft so klar
ist, dass es fast w-eiter keines Commentars bedarf.
Bei einem Kaninchen wurde die Tracheotomie gemacht
und darauf durch eine Kautschuckröhre einige Tropfen ver¬
dünnter Essigsäure in die Lungen gebracht. Nach einiger Zeit
zeigte sich in beiden Lungen reichliches feinblasiges Rasseln.
Bei der Auscultation der ganzen Oberfläche des Bauches war
nicht das geringste während der Athmung zu hören. Darauf
wurde in die Bauchhöhle des Kaninchens eine genügende Menge
Luft gebracht. Sofort verschwand die Leberdämpfung und an
ihre Stelle trat heller tympanitischer Schall auf. Besonders
an dieser Stelle, aber ebenso auch fast überall an der Ober¬
fläche des Bauches, war bei der Auscultation helles, feiablasi-
ges, amphorisches Rasseln zu Hören. An der Stelle, wo der
tympanitische Schall (über der Leber) in den nicht tympaniti-
schen Lungenschall übergeht, verschwindet der amphorische
Character des Rasseins und man hört nur gewöhnliches, fein¬
blasiges Rasseln. Dieses Raf-seln ist an der ganzen Bauch¬
oberfläche und in der Lunge nur bei der Inspiration hörbar.
Die Erklärung dieser Erscheinungen ist sehr einfach. So¬
bald sich Luft in der Bauchhöhle ansammelt, nimmt sie, in
der Rückenlage, vorzugsweise die Lebergegend ein und verdrängt
die Leber nach der Wirbelsäule zu. Eine directe Folge davon ist,
dass die Luft in der Bauchhöhle von der in den Lungen fast nur
durch das Zwerchfell getrennt ist. Wenn jetzt in der angrenzenden
Lungenschicht irgend welche ausgeprägtere auscultatorische Er¬
scheinungen auftreten (Rasseln, Bronchialathmen), so können sie
leicht auf die benachbarte, in der Bauchhöhle eingeschlossene Luft¬
schicht übertragen worden und dabei amphorischen Anklang
annehmen. Folglich sind die Erscheinungen, die wir unter ähn¬
lichen Bedingungen beobachten, ganz denjenigen analog, bei
denen das Bronchialathmen der comprimirten Lunge bei Pneumo¬
thorax seinen amphorischen Character erhält.
Wenn wir jetzt die Erscheinungen, die wir beim Kanincheu
auf experimentellem Wege erhalten haben, mit jenen klinischen
Beobachtungen vergleichen, als deren Typus unsere erste Beob¬
achtung gelten kann, so können wir nicht umhin, zwischen
ihnen eine grosse Aehnlichkeit zu bemerken. Wie aus dem
Sectionsprotocoll ersichtlich, befinden sich beide Unterlappen
der Lungen im Zustande der Hypostase, veranlassen so die Ent¬
stehung des Bronchialathmens. Im Leben existirten übrigens
noch andere Ursachen der Entstehung des Bronchialathmeus
in den Lungen. Bei der Beschreibung des Krankheitsverlaufes
wurde erwähnt, dass schon von der 4. Rippe an der niclit-
tympanitische LungÄischall unmittelbar in tympauitischeu Schall
übergebt. Dieser Umstand weist darauf biu, dass der Druck
durch Gasanhäufung in der Bauchhöhle stark war und das
Zwerchfell in Folge dessen hoch stand. Bei so bedeutendem
Druck musste die Lunge comprimirt sein, und eben das ist eine
weitere Ursache für Entstehung von Bronchialathmen. Aber
da in diesem Falle, ebenso wrie in dem Versuch mit dem Ka¬
ninchen, nur das Diaphragma allein das Gas in der Bauchhöhle
von der Lunge trennte, so ist es begreiflich, dass das Bronchial¬
athmen in diesen Gasraum fortgeleitet werden und amphori¬
schen Character annehmen musste — uud das ist der Grund,
weshalb es überhaupt in einem gewissen Bezirk der Bauchhöhle
hörbar war.
Aber ausserdem können, wie die beiden anderen hier an¬
geführten Beobachtungen zeigen, ähnliche Erscheinungen vou
seiten der Bauchhöhle, auch unterer anderen dem ersten Fall
ähnlichen Bedingungen auftreten. Und in der That — weder
in der zweiten noch in der dritten Beobachtung war eine Gas¬
anhäufung in der Bauchöhle vorhanden, während bei der Aus¬
cultation im rechten Hypochondrium amphorisches Bronchial¬
athmen gehört wurde, wenn auch nicht so stark, wie im ersten
Falle, und augenscheinlich hierher aus der Lunge, besonders
aus der rechten, fortgeleitet. Wie die Sectionsberichte nach-
weisen, waren in beiden Fällen die unteren Lappen der Lungen,
besonders rechts, verdichtet, wodurch auch die Entstehung des
Bronchialathmens in der entsprechenden Lungenstelle bedingt
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25. November IS7S.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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war. Aber wie konnte dieses Bronchialathmen sich auf die i
Bauchhöhle ausbreiten? Der einzige Umstand, der eine Rolle j
bei der Erklärung dieser Erscheinung spielen konnte, und der ■
in so hohem Grade in beiden Fällen beobachtet wurde — ist
Meteorismus der Därme. |
Diese Erscheinung ist ziemlich schwer zu erklären, deshalb
muss man auch hier seine Zuflucht zu Experimenten nehmen.
Wenn wir bei einem Thiere vermittelst eines Blasehalges
durch einen elastischen Catheter den Dickdarm mit Luft an- j
füllen, so erzeugen wir hiermit künstlich die Erscheinungen des
Meteorismus des Dickdarms.
Bei einer Katze wurden vorher, durch Einspritzung einiger
Tropfen verdünnter Essigsäure in die Luftröhre, zahlreiche
Rasselgeräusche in der Lunge erzeugt, und darauf durch den
Anus der Dickdarm mit Luft gefüllt. Das Rasseln war in der
Magengegend gut hörbar, ebenso auch im rechten Hypochon-
drium.
Mir scheint, dass man am bequemsten diese Erscheinung
in der Weise erklärt, dass unter gewissen Bedingungen, nament¬
lich bei Meteorismus des Darmcanals, besonders wenn auch zu¬
gleich der Magen eine genügende Menge Gas enthält, auscul-
tatorische Erscheinungen der Lungen leicht auf den benach¬
barten Magen und von dort auf den Dickdarm fortgeleitet werden.
Wie die Beobachtungen an Kranken und an Thieren zeigen, ist
zur Entstehung dieser Erscheinungen, ausser dem Meteorismus
des Darmcanals, nothwendig, dass die Auscultationserscheinungen
von seiten der Lungen stark ausgeprägt sind, d. h. dass ent¬
weder Rasseln, oder starkes Bronchialathmen vorhanden sind ?
weil das gewöhnliche vesiculäre Athmen nicht so weit fortge¬
leitet werden kann.
Ausserdem können noch andere Umstände vorhanden sein,
welche eine solche Fortleitung von in den Lungen entstandenen
Geräuschen auf die Därme noch mehr erleichtern. So z. B. in
den Fällen, wo der untere Lappen der rechten Lunge verdich¬
tet ist und zugleich das Colon transversum, wie das zuweilen
bei Meteorismus beobachtet wird, in den Raum zwischen Leber
und unterem Rippenrand gelangt, kann das Bronchialathmen
aus der rechten Lunge leicht und stark auf diesen von Gas
ausgedehnten Darm und von dort auf die benachbarten Darm¬
schlingen fortgeleitet werden, sowie auch die Fälle, wo Gas in
die Bauchhöhle austritt und in den Lungen entstandene Ge¬
räusche direct auf diesen Gasraum übertragen werden.
Doch wie dem auch sei, dieses Symptom ist immer am
stärksten ausgeprägt bei Bedingungen zu Gasanhäufung in der
Bauchhöhle ~(Meteorismus peritonei).
Was nun die diagnostische Bedeutung dieses Symptomes
betrifft, so müssen wir vor allem die Frage aufstellen, ob es
überhaupt irgend einen diagnostischen Werth haben kann, und
ferner ob dieses Symptom nicht auf Gasansammlung in der
Bauchhöhle hinweisen kann. Da dieses Symptom am deutlichsten
bei Gasanhäufung in der Bauchhöhle ausgeprägt ist, so kann
man ihm nicht absprechen, dass es bei der Diagnose der Darm¬
perforation eine gewisse Rolle spielen kann. Und in der That,
wenn dieses Symptom zugleich mit vollständigem Verschwinden
der Leberdämpfung in der Parasternal- und Mittel-Linie vor¬
kommt und an dieser Stelle tyrapanitischer Schall auftritt, so
kann es als bestätigender Beweis für Darmperforation dienen.
Wenn wir jetzt den Werth beider Symptome, d. h. des
vollständigen Verschwindens der Leberdämpfung in der Median-
und Parasternallinie mit Auftreten tympanitischen Schalles an
dieser Stelle (in der Rückenlage), und der Fortleitung des
Athemgeräusches auf das rechte Hypochondrium, in Beziehung i
auf Diagnose von Darmperforation mit einander vergleichen — I
so müssen wir unbedingt dem ersteren den Vorzug geben, weil I
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wir aus Versuchen an Thieren und Beobachtungen an Kranken
wissen, dass in den unteren Lungenlappen entstandene Geräusche
schon bei Meteorismus des Darmcanals auf das rechte Hypochon¬
drium fortgeleitet werden und dort amphorischen Character an¬
nehmen können; dieser Umstand aber muss den Werth dieses
Symptomes jedenfalls in hohem Grade vermindern.
III. Zur Casuistik der infectiösen Osteomyelitis.
\on
Dr. Apolant, pr. Arzt in Berlin.
Ein Fall bezeichneter Krankheit ist von mir schon im
Februar des Jahres 1877 beobachtet worden. Die Veröffent¬
lichung unterblieb bisher, weil die damals genau geführten
Tabellen durch Versehen des Vaters der Patient, abhanden
gekommen sind, und die unvollständigen Angaben mir nicht
genügend erschienen, um den Fall für die Publication reif
erscheinen zu lassen. Indess glaube ich, dass auch der in
Kürze erzählte Fall als Beweis des häufigeren Vorkommens in
Berlin (entgegen Lücke) werth ist der Casuistik eingereiht
zu werden. Auch aus dem Grunde ist derselbe von Interesse
dass er neben dem in einer der früheren Nummern der Berliner
klin. Wochenschrift erzählten einer der wenigen ist, welche zur
Heilung gelangten, und dass die Therapie, die angewandt
wurde, wohl schon oft empfohlen, aber nicht häufig angewandt
worden ist.
Zu der 10 Jahre alten Tochter eines Beamten, H. M., wurde
ich am 25. Februar gerufen. Die Anamnese ergiebt, dass die¬
selbe bisher gesund, auch von gesunden Eltern stammt, dass
sie vor etwa 10 Tagen beim Springen einen Fehltritt gethan,
ohne zuerst irgend wie Unbequemlichkeit zu spüren, dass sie
dann einige Tage später zuerst über Schmerzen am linken Fuss-
gelenk, dann am linken Hüftgelenk und zuletzt am linken Knie¬
gelenk, sowie über Durst und Hitze zu klagen angefangen hätte.
Auch sei Frost aufgetreten. Objectiv zeigt die Kleine ein bleiches,
zartes Aussehen, ein Temperatur von 39,5 0., beschleunigten
Puls, somnolenten Habitus, Anschwellung am linken Kniegelenk,
welches auf Druck spontan schmerzhaft erschien. Zu der Dia¬
gnose: „acuter Gelenkrheumatismus" wurde ich um so mehr
bewogen, als mir zuerst von dem Fehltritt nichts mitgetheilt
worden war, und ich verordnete demgemäss Salicylsäure, welche
auch am nächsten Morgen eine bedeutende Abnahme der Tem¬
peratur, sowie am 27. Februar auch eine geringere der Schmer¬
zen zu Wege brachte.
Als am 28. Februar mit der Höhe der Gabe nachgelassen
wurde, stieg auch wieder die Temperatur an, wie sich auch
die Schmerzen verstärkten, welches beides jetzt nicht mehr
der Salicylsäure wich. Morg. Temp. 39,0, Ab. Temp. 39,5.
Als ich am 1. März die linke Kniegegend genauer untersuchte,
fand ich, dass nicht nur das Gelenk, sondern auch die Gegend
oberhalb derselben teigig geschwollen, sowie dass der Druck
auf letztere Gegend sehr schmerzhaft war. Die Vergrösserung
des Umfanges gegen die entsprechende Stelle des rechten Beines
betrug 4 Ctm. Verordnung: kalte Umschläge, mit der Diagnose:
Osteomyelitis infectiosa. Da die Schmerzen wie die Geschwulst
sich nicht minderten, und ich die Rettung nur noch von tiefen
Incisionen hoffte, so wurde Herr Geh-Rath Dr. Wilms am
2. März zugezogen, welcher bereitwilligst, nach Bestätigung
der Diagnose, die Operation vornahm und zwei Incisionen ent¬
sprechend den Muscularseptis an der Aussen- und Innenseite
des Oberschenkels machte. Dieselben gingen bis auf den Knochen
und ergaben eine Entleerung von etwas über einen Theelöffel
missfarbigen Eiters. Das Periost zeigte sich von der Gegend
der Incision, die ungefähr 5 Ctm. oberhalb des Kniegelenks
2
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 47
geschah, bis zu den Condylen vollständig abgelöst. Es wurde
eine Cautscliukrülire eingelegt und die Behandlung mit Salicyi-
säurevvatte unter den sonstigen antiseptischen Cautelen weiter
fortgeführt. Am nächsten Tage sank die Temperatur auf 38,0,
resp. 38,5 C. Ab.
Am 6. März stieg die Temperatur Abends auf 39,5, fiel
am nächsten Morgen auf 39,0, erhob sich indess in den nächsten
Tagen auf 40, resp. 40,5' und behielt mit kurzen Unterbrechungen
(d. h. geringen Erniedrigungen und Erhöhungen) diesen Rhyth¬
mus bis zum 12. März bei, an welchem Tage das Thermometer
des Abends auf 41,8 stieg.
Es wurde versucht, die Temperatur durch Salicylsäure in
grossen Dosen herunter zu drücken, was aber nur um höchstens
0,5 C. gelang; man war indess genöthigt, auch hiervon abzu¬
stehen und sich zum Chinin zu wenden, weil profuses Nasen¬
bluten eintrat. Die Nahrung beschränkte sich auf Brühe, Hafer¬
schleim, Milch und Wein in verhältnissmässig grossen Gaben.
Drei Tage nach dem letztgenannten Datum, an welchem das
Kind dem Tode verfallen zu sein schien, ein cyanotisches Aus¬
sehen hatte, bemerkte man ein nach dem Fusse zu wanderndes
Erysipelas, welches nach Erreichung des Endpunktes wieder
aufstieg, indess am 24. März sein Ende erreichte, um dann
allmälig abzublassen. Dasselbe wurde mit Theereinreibung und
Watteeinwicklung behandelt.
Von da ab fiel die Temperatur auf 37,5 und 37 C. und
hielt sich mit einigen Unterbrechungen auf dieser Höhe. Die
Heilung selbst ging dann regelmässig von statten, ohne dass
ein Knochen sich abstiess, und war vorläufig Mitte Mai mit
»Schluss der äusseren Wunde beendet, während die innere schon
drei Wochen früher verheilt war. Die Kleine wurde auf das 1
Land geschickt und erholte sich dort ganz prächtig. Auch die ,
Function des durch die Narben etwas gebeugten Beines stellte i
sich wieder her.
Im Januar 1878 wurde ich wieder zugerufeu, da unter ;
massigem Fieber Schmerzhaftigkeit an der alten Stelle sich i
eingestellt hatte. Ich fühlte Fluctuation an der äusseren Narbe
und incidirte, worauf nach geringer Eiterentleerung die Tem¬
peratur sank. Mit der Sonde glaubte ich, indess nur einmal,
rauhen Knochen zu fühlen. Die Wunde schloss sich ohne wei¬
teres im Februar. Im März eröffuete ich an der inneren Narbe
einen kleinen Abscess, der schliesslich im April zur Heilung kam.
Im Mai bildeten sich ohne Temperatursteigerung an der
äusseren Narbe, sowie unterhalb derselben kleine Abscesse,
welche beide durch Schnitt eröffnet wurden, und von denen
durch den unteren, mehr der Kniekehle nahen ein arrodirtes,
etwa 1 Ctm. langes, 7* Ctm. breites und ein noch kleineres
stecknadelknopfgrosses Stückchen Knochen zu Tage gefördert
wurde. Die Wunden schlossen sich im Juni und sind seit dieser
Zeit geschlossen geblieben. Die Function ist völlig normal,
obwohl der betreffende Oberschenkel den bisherigen Erfahrungen
gemäss etwas länger als der andere ist.
Ich glaube aus diesem Fall schliessen zu dürfen, dass man
nicht früh genug operiren dürfte; denn wenn hier auch kein so
ungeheuer eingreifender Process im Knochen stattgefunden hat,
so ist es für mich nicht fraglich, dass ein solcher platzge-
griflfen hätte, wenn nicht so früh operirt worden wäre. Auch
glaube ich diesen Process auf die Zerrung oder Erschütterung
des Knochens an der Grenze der Dia- und Epiphyse zurück¬
führen zu müssen.
IV. lieber einen Fall von einseitigem Schwitzen
(Hyperhidrosis nnilateralis).
Von
demselben.
Wenn auch derartige Fälle nicht so selten mehr sind, wie
Berger (Virch. Archiv, Bd. LI, S. 427) angiebt, so sind sie
immerhin noch selten genug, um der Mittheilung werth zu sein.
Berichtet siud solche von Seguin (Schmidt’s Jahrbücher,
Bd. 156, No. 11, S. 159), von 0. Berger (Virchow’s Archiv,
Bd. LI, S. 427) von Guttmann (Berliner klin. Wochenschrift,
Bd. XII, No. 32, 1875), von Külz (Schmidt’s Jahrbücher,
Bd. 166, No. 6, S. 284), von Nitznadel (Dissertat. Jena 1867),
von Koch (dito).
Der von mir beobachtete Fall schliesst sich ziemlich genau
an den von Berger beobachteten an.
A. Sch., 20 Jahre alt, Dienstmädchen, erinnert sich nicht
je krank gewesen zu sein, klagt darüber, dass seit mehreren
Jahren auf der rechten Gesichtshälfte der Schweiss herunter-
rinne, während die linke trocken bleibe. Objectiv zeigt sich
dieses auch bestätigt und zwar derart, dass die Schweissecre-
tion genau in der Mittellinie aufhört. An den übrigen Körper-
theilen, in den Achselhöhlen, an den Handflächen, an den Fuss-
sohlen dagegen ist die Schweissecretion auf beiden Seiten gleich-
mässig.
Die Röthung des Gesichts ist auf beiden Seiten gleich stark
ausgeprägt, in Bezug auf Sensibilität mit Hülfe des Aesthesio-
meters kein Unterschied nachweisbar, die Pupillen gleich weit
und in gleicher Weise auf Licht reagirend; Temperatur nach¬
weislich nicht diflferirend.
Es ist noch zu erwähnen, dass das Mädchen ausser über
Brustschmerzen, die auf keiner objectiven Grundlage beruhen,
über nichts zu klagen hat, auch gesunde Gesichtsfarbe hat.
Auf eine Mitbetheiligung des ganzen Sympathicus ist aus
obigem Falle nicht zu schliessen; von Interesse ist derselbe
vielleicht mit Bezug auf die physiologischen Versuche von
Luchsinger, Nawrocki uud Adamkiewicz, da derselbe
darauf hinzuvveisen scheint, dass die Schweissinnervation nicht
von einem centralen Punkte ausgeht.
Therapeutisch ist erwähnenswerth, dass Atropin innerlich
| gereicht auf einige Zeit die Schweisssecretion, indess ohne dauern¬
den Erfolg beschränkte.
V. Pulsuhr and Pols.
Von
Prof. Dr. L. Waldenburg.
Seit meiner ersten Mittheilung über die Pulsuhr im April
vorigen Jahres (No. 17 und 18 dieser Wochenschrift 1877) war
ich unablässig bemüht, sowohl das Instrument als auch die
angiometrische Methode überhaupt mehr und mehr zu vervoll¬
kommnen. Nachdem ich nunmehr mit der Verbesserung des
Instrumentes *) zu einem gewissen Abschluss und durch dasselbe
bereits zu einer Reihe von Resultaten gelangt bin, will ich
nicht länger mit der weiteren Berichterstattung zögern. Ich
glaube mich um so mehr hierzu veranlasst, als, wie mir schien,
der Gegenstand bisher nicht diejenige Aufmerksamkeit gefunden
hat, die er nach der fundamentalen Bedeutung, welche ich ihm
vindiciren zu müssen meine, verdient, und als es sehr wohl
erklärlich ist, dass ein jeder, ehe er einer neuen Methode seine
Zeit und Mühe widmet, vorher Ergebnisse derselben, welche zu
weiterem Arbeiten ermuthigen, kennen lernen will.
1) Dasselbe wird von Herrn Wind 1 er hiersei bst, W. W. Dorothccii-
Strasse 3, angefertigt.
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25. November 1S7S.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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Der einzige, der meines Wissens dem Gegenstand eine ein¬
gehende kritische Beachtung schenkte, war Lepine in der
Revue mensuelle de med. et de chir. (Paris, 1877, p. 624).
Für das Aussprechen dessen, was er an der Pulsuhr auszu¬
setzen hat, kann ich ihm nur dankbar sein; denn die Dis-
cussion bewirkt Klärung der Sachlage. Zunächst gebe ich zu,
dass das Instrument verhältnissmässig complicirt ist. Trotz
aller Mühe, die ich mir gab, ist es mir nicht gelungen, es zu
vereinfachen, wenn ich nicht wesentliche Vorzüge aufgeben
wollte. Gelingt es einem anderen, ein Instrument herzustellen,
das wesentlich einfacher ist und dennoch dasselbe leistet, um
so besser; denn nicht auf die Construction des Instrumentes,
sondern auf das Princip, welches durch dasselbe sich Geltung
verschaffen soll, kommt es vornehmlich an. Indess möchte ich
doch nach den Erfahrungen, die ich selbst gemacht, mir die
Bemerkung erlauben, dass es vorläufig lohnender sein dürfte,
mit den vorhandenen Hülfsmitteln weiter zu forschen und Re¬
sultate zu sammeln, als Zeit und Mühe auf die Modification
meines Instrumentes oder die Erfindung neuer zu verwenden l ).
Ein zweiter Einwand bezieht sich auf die zu starke Rei¬
bung, die in Folge des Räderwerkes an der Pulsuhr entstehen
soll. Dazu bemerke ich, dass das Räderwerk nur an dem¬
jenigen Theile des Instrumentes angebracht ist, welcher die
Spannung misst, und hier ist die zur Geltung kommende
äussere Kraft, die sich ja meist auf mehrere hundert Gramm I
beziffert, eine so grosse, dass der geringe durch die Reibung j
gesetzte Verlust dagegen nicht in Betracht kommt. Wo in der
Tliat Reibung zu vermeiden ist, nämlich an demjenigen Hebel¬
arm, resp. Zeiger, welcher den Pulsbewegungen zu folgen und
deshalb seine volle Empfindlichkeit bewahren muss, da ist kein
Rad eingeschaltet und die Reibung thatsächlich auf ein minimum
reducirt.
Endlich kommt ein dritter und principieller Einwand von
Marey, der in der Tliat auf fast alle bisherigen Sphygmo-
graphen sich bezieht, den ich aber gerade bei meinem Instrument,
was Lepine übersehen, beseitigt habe. Ich glaubte in meiner
ersten Arbeit in betreff dieses besonders wichtigen Punktes
deutlich genug gewesen zu sein, will aber jetzt noch einmal etwas
näher darauf eingehen.
Die meisten bisherigen Sphygmographen besitzen Pelotten,
welche an Breitendimension diejenige der meisten Radialarterien
übertreffen; sie drücken also nicht mit ihrer ganzen Ober¬
fläche auf das Blutgefäss, sondern nur in einer Ausdehnung,
die dem unbekannten Breitendurchmesser des Gefasses ent¬
spricht, also mit einer variablen Kraft. Haben wir beispiels¬
weise unter einer Pelotte von 6 Mm. Breite und a Mm. Länge,
bei 100 Gramm Belastung, Arterien von 2 Mm., 3 M., 6 Mm.
Durchmesser, so drücken diese 100 Gramm ceteris paribus auf
1) Wege giebt es sehr viele, um ein Princip, wenn es einmal ge¬
funden, zur Ausführung zu bringen. Ich könnte eine ganze Reihe der¬
selben angeben, auf welchen dasselbe, was die Pulsuhr bezweckt, zu
erreichen wäre. Welcher von den verschiedenen Wegen aber der beste,
ist schwieriger zu entscheiden. Ich selbst war seit lange damit be¬
schäftigt, ein einfaches, compendiöses und wohlfeiles Instrument von
anderer Construction als die Pulsuhr für den Gebrauch des practischen
Arztes herzustellen; allein dem Ziele fast nahe, hatte ich immer wieder
mit neuen Schwierigkeiten, die freilich mehr in der Ausführung als im
Princip lagen, zu kämpfen, so dass die Arbeit jetzt, halb vollendet,
ruht. Vielleicht nehme ich sie später wieder auf. Bemerken möchte ich
aber, dass wenn das neue Instrument in Wirklichkeit so ausfällt, wie
ich es mir theoretisch construirt, es zwar die genannten Vozüge vor :
der Pulsuhr voraus haben, aber dafür an Exactität der Leistung für
wissenschaftliche Untersuchungen höchst wahrscheinlich gegen dieselbe
zurückstehen wird.
! eine Gefässoberfläche von 2a, 3a, 6a Q.-Mm.; je kleiner
j die Oberfläche, auf welche sich dasselbe Gewicht vertheilt,
I um so grösser ist der Druck, dieser verhält sich demnach in
! dem genannten Beispiel wie 6:3:2, d. h. dieselben 100 Gramm
Gewicht drücken auf ein Gefäss mit 2 Mm. Durchmesser gerade
3 mal so stark wie auf ein Gefäss mit 6 Mm. Durchmesser.
So einfach wie dieses Schema, liegt zwar die Sache in Wirk¬
lichkeit nicht: es kommt noch der Druck hinzu; der durch das
Hinüberragen der Pelotte über die Arterienwandung an dem
Widerstand der Weichtheile verloren geht; es kommen . ferner
noch die Dicke der Arterienwandung und andere gewichtige
und sehr schwierige Momente hinzu, welche ich mir zu er¬
forschen zur Aufgabe gemacht, und auf die ich bei Gelegenheit
zurückkommen werde. Genug, so viel geht aus der bisherigen
Deduction hervor: das erste Erforderniss, um bei gleicher Be¬
lastung unter allen Umständen auch mit gleichem Druck zu
messen, ist, dass die Pelotte so klein, namentlich so schmal
sei, dass sie’ auch stets auf der Arterie in ihrer ganzen Aus¬
dehnung aufruht. Dies habe ich bereits in meiner ersten Arbeit
(p. 18 des Sep.-Abzugs, p. 249 2. Spalte der Klin. Wochcnschr.)
mit ähnlichen Worten wie hier ausgesprochen und begründet.
Marey’s Einwand trifft mit vollem Recht seinen eigenen Sphy-
I gmographen und die nachfolgenden, nicht aber meine Pulsuhr,
bei der ich gerade diesen principiellen Fehler auszuschliessen
von vorn herein bedacht war.
In meiner früheren Mittheilung erwähnte ich eines Jones’
sehen Instrumentes, das mir bis dahin unbekannt war. Herr Col¬
lege Schliep in Baden-Baden war so freundlich, mir ein sol¬
ches, das sich mit Unrecht Sphygmometer nennt, zur Ansicht
und Prüfung zu übersenden. Dasselbe bestellt aus einer Feder,
welche sich in einer cylindrisclien Hülse von ca. 15 Mm. Durch¬
messer und ca. 12 Otm. Länge befindet; mitten durch die Feder
| geht ein Stab, welcher die Hülse nach unten und oben durch-
| bohrt, an seinem untersten Ende eine ovale Pelotte von 13 Mm.
i Länge und 8 Mm. Breite trägt und, wo er unten in die Hülse
| eintritt, eine vorspringende Leiste besitzt, die beim Hinauf-
1 schieben die Feder nach oben drückt und sie, da sie aus der
Hülse nicht heraus kann, comprimirt. Eine Scala von 50 zu
50 bis 800 giebt an, um wieviel die Feder zusammengedrückt
ist. Das Instrument wird mit der Pelotte auf den Puls auf¬
gesetzt und ein Druck auf denselben ausgeübt, wodurch die
Feder entsprechend comprimirt wird. Peripherisch von der
Pelotte ruht gleichzeitig der Finger tastend auf dem Pulse, und
so wie der Druck so weit gesteigert ist, dass der Finger den
Puls nicht mehr fühlt, dann nimmt man an, dass der Puls
comprimirt ist und liest den Druck an der Scala ab.
Dieses Instrument besitzt den Vorzug der primitivsten Ein¬
fachheit; nur Schade, dass es absolut unbrauchbar ist. Ganz
abgesehen davon, dass eine genaue Einstellung mit der Hand
überhaupt unmöglich ist, dass dem tastenden Finger die Ab¬
schätzung des verschwindenden Pulses überlassen bleibt, besitzt
es den oben berührten principiellen Fehler der zu grossen Pe¬
lotte; und dieser Fehler lässt sich nicht etwa dadurch repa-
riren, dass man die Dimensionen derselben verkleinert, denn
würde man dies versuchen, so könnte das Instrument überhaupt
nicht mehr functioniren: die Pelotte muss ja so breit sein,
damit sie den Puls für den gleichzeitig tastenden Finger aufs
vollständigste unterdrückt, sie muss also das Gefäss an Breite
überragen. Folglich sind die groben Fehler vorhanden, die ich
oben auseinandersetzte, und wenn das Instrument bei dem einen
200 Gramm, bei dem anderen 500 Gramm anzeigt, so können
unter Umständen jene 200 Gramm einen höheren Druckwerth
repräsentiren als bei diesem die 500 Gramm. Im übrigen fand
ich das sogenannte Sphygmometer bei practischen Versuchen
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 47
so mangelhaft, dass es nur bei relativ schwachem Pulse gelang,
denselben zu unterdrücken, für kräftige Pulse war es über¬
haupt nicht ausreichend. Indess diese Mängel Hessen sich ja
beseitigen, ständen nicht jene theoretischen Bedenken dem
Grundprincipe dieses Instrumentes überhaupt entgegen.
Ich komme nunmehr zu den Verbesserungen, die ich mit
der Pulsuhr vorgenommen oder doch anstrebte. Zunächst habe
ich die Hundert-Theilung sowohl am kleinen wie am grossen
Zeiger durchgeführt, so dass 100 Mm. 'Weg am kleinen Zeiger
100 Mm. Weg am grossen — wenn kein Widerstand an der
Pelotte entsprechen, und das 100 Mm. Zeigerbewegung genau
1 Mm. Pelottenbewegung repräsentiren. Ferner habe ich die
Feder so einrichten lassen, dass 100 Mm. Weg des kleinen
Zeigers bei vollem Widerstand gegen die Pelotte, resp. 100 Mm.
Differenz zwischen kleinem und grossem Zeiger, 100 Gramm
Belastuug entsprechen. Auf diese Weise wird jedes Umrechnen
vermieden, und die Zahl der Millimeter-Differenz zwischen i
kleinem und grossem Zeiger ist zugleich die Zahl der Be-
lastung in Gramm. Dagegen ist es mir nicht gelungen, eine i
einheitliche Scala zwischen grossem und kleinem Zeiger herzu-
stellen, resp. die spiralige Scala des ersteren in eine gleich- ;
massige, kreisförmige des letzteren zu verwandeln. Versuche, :
den Faden des Instrumentes durch einen Rechen zu ersetzen,
führten zu keinem diesem letzteren günstigen Resultate, und
ich kehrte deshalb wieder zu der ersten Construction zurück.
Der Faden besitzt freilich den Uebelstand, hygroscopisch zu
sein: hierdurch wechselt der Nullpunkt des Instrumentes, d. h.
der Ort, an welchem beide Zeiger sich decken, ein wenig-
Dies ergiebt für die Beobachtung zwar keine Fehler, wenn man j
die Differenz in Abzug bringt; aber sicherlich wäre es besser,
wenn man dieselbe vermeiden könnte. Ich zweifle nicht daran,
dass, wenn erst ein grösseres Bedürfniss nach derartigen In¬
strumenten sich geltend machen wird, auch grössere Sorgfalt
von seiten der Mechaniker auf alle subtilen Einzelheiten der
Construction überhaupt wird verwendet werdeu können, und [
was speciell diesen Punkt betrifft, so gebe ich die Hoffnung j
nicht auf, dass eine sehr feine Metallkette sich wird finden
lassen, event. direct zu diesem Zwecke wird gearbeitet werdeu
können, welche den Seidenfaden mit Vortheil ersetzt.
Von grösster Bedeutung erschien es, festzustellen, welches
die beste Form und Grösse der Pelotte sei; denn es ist
klar, wie oben auseinandergesetzt, dass das Resultat der Messung
in Bezug auf den Druck in einem directen Abhängigkeitsver- ;
hältniss zu der Grösse und Form der Pelotte, d. h. zu dem
Flächeninhalt der dem Druck ausgesetzten Gefässoberfläche
steht, und da es wiinschenswerth ist, dass sämmtliche Messungen
sich auf dieselbe Flächeneinheit beziehen, so war das erste Er¬
forderniss, wie dieselbe am besten zu normiren sei. Es waren
die mühevollsten und zeitraubendsten Untersuchungen, die ich
anzustellen hatte, und die mich schon zur Zeit meiner ersten
Arbeit, wie ich damals auführte, beschäftigten, um auf empi¬
rischem und experimentellem Wege zum Ziele zu gelangen.
So viel stand, wie gesagt, von vorn herein fest, dass die
Pelotte möglichst schmal sein müsse, damit sie unter allen
Umständen oder wenigstens in der grössten Zahl der zur Unter¬
suchung kommenden Fälle auf der Oberfläche der Arterien
Platz finde, dieselbe nicht überrage. Da die Pulsuhr zugleich
den Durchmesser des Gefässes misst, so lässt sich überdies in
jedem einzelnen Falle feststellen, ob dieses Verhalten zutrifft,
und ist so vor Fehlern geschützt. Ferner muss die Pelotte |
eine Form haben derart, dass ihr ganzer Flächendurchmesser I
zur Druckwirkung kommt. Sodann ist. w r as ganz besonders
wichtig, darauf zu achteu, dass sie nach Grösse und Form |
empfindlich auf den Puls reagirt, einen möglichst hohen Aus- f
schlag desselben angiebt und andererseits wieder das Still¬
stehen des Pulses, so wie derselbe zusammengedrückt, am
sichersten nach weist. Endlich darf die Pelotte auf der Haut
nicht einschneiden und Schmerz erregen. Ich benutzte zur Prü¬
fung Pelotten von 3 Mm. Breite und 6 2 / s Mm. Länge, 2 Mm. Breite
und 5 Mm. Länge, 1 Mm. Breite und 5 Mm. Länge, theils mit ebener
Oberfläche und scharfen Rändern, theils mit abgerundeten Kanten,
theils elliptoid; ferner versuchte ich kugelförmige Pelotten von
1 Mm., 2 Mm., 3 Mm. Durchmesser. Ich will hier nur das Endresul¬
tat der zahlreichen Versuchsreihen, die ich nicht allein an mensch¬
lichen Pulsen, sondern auch an elastischen, mit Wasser oder
Quecksilber gefüllten, unter verschiedenem Druck stehenden
Schläuchen ausführte, mittheilen. Die nähere Begründung dieser
sowohl wie der späteren in Frage kommenden Ergebnisse muss
ich mir für eine spätere Arbeit an einem anderen Orte Vorbe¬
halten, da mir in dieser Wochenschrift nicht Raum genug zu
Gebote steht. Sämmtlichen Anforderungen entspricht am besten
eine elliptoide Pelotte von 2 Mm. Breiten- und 5 )lm.
Längeudurchmesser, und beziehen sich alle Resultate, welche
ich hier mittheilen werde, auf Versuche, die mit dieser Pelotte
ausgeführt sind. Es wäre wünschenswerth, dass diese Pelotte
auch anderen Beobachtern so lange als Norm diene, bis vielleicht
festgestellt wird, dass eine andere Form oder andere Grössen¬
dimensionen mehr Vorzüge darbieten. Der Flächendurchmesser
der genannten Pelotte beträgt 10 Q.-Mm., passt demnach sehr
gut in’s Decimalsystem, und Berechnungen werden dadurch er¬
leichtert. Die Pelotte ist schmal genug, um auf den weitaus
meisten Pulsen Platz zu finden; denn nur wenige Radiales haben
einen geringeren Durchmesser als 2 Mm., und wo dies der Fall,
wird es ja durch die Messung festgestellt, und die Druck-
berechnung ist hiernach zu corrigiren. Die Pelotte lässt sich
ferner bequem auf dem Pulse einstellen, sie ergiebt einen vor¬
trefflichen Ausschlag und steht verhätnissmässig prompt still,
so wie der Puls zusammengedrückt ist. In diesem letzten
Punkte unterscheidet sie sich besonders vortheilhaft von den
kugligen Pelotten. Endlich wegen ihrer elliptischen Beschaffen¬
heit verursacht sie auf der Haut kein Einschneiden und auch
sonst keinen besonders lästigen Druck.
Will man nur einfach die Füllung, Grösse und Spannung
des Pulses messen, so gelingt die Messung grösstentheils ziem¬
lich leicht und schnell, und nur in manchen Fällen, besonders
bei fetten Personen, begegnet man besonderen Schwierigkeiten.
Um überall sicher zum Ziele zu gelangen, handelt es sich
darum, die Methode der Messung präcise festzustellen. Die-
ist der wichtigste Theil der Aufgabe, die zu lösen ist. Fasst
mit jeder neuen Versuchsreihe, die ich anstellte, gestaltete
i sich auch die Untersuchungsmethode immer vollkommener; aber
j dennoch glaube ich mich noch keineswegs am Ziele, und es
wird die Aufgabe immer erneuter Untersuchungen sein, endlich
die beste Methode festzustellen.
Das Verfahren, welches ich jetzt zu üben pflege, ist fol¬
gendes: Zunächst zeichne ich mit einem schwarzen Stifte 1 ) die¬
jenige Hautstelle, an welcher die Radialis am besten zu fühlen
ist, und auf welcher die Pelotte zu ruhen bestimmt ist. Sodann
setzt sich die zu untersuchende Person in eine bequeme Stellung,
welche sie während der ganzen Dauer der Untersuchung fest¬
zuhalten hat, an die Ecke eines Tisches, auf welcher die Puls*
uhr steht, und legt den linken Arm in die Schiene derselben.
1) Will man vergleichende Versuche an demselben Individuum zu
verschiedenen Zeiten, z. B. vor und nach einem Bade, um die Wirkunu
desselben auf die Circulation zu studireu, aus führen, so dürfte e> sich
empfehlen, die Hautstelle durch Argent. nitr. anzuzeichnen, damit jeder
mal genau dieselbe Stelle gemessen werde.
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25. November 1S7S*
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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Arm und Hand müssen fest, nicht hohl, aufruhen; der Ellbogen
wird, wo nothwendig, durch einen Sandsack gestützt. Sodann
werden durch ein Band, welches an den Vorsprüngen der Schiene
mehrfach herumgeschlungen wird, Arm, Hand und Finger fixirt.
Nun wird das Instrument, wie ich es ursprünglich beschrieben,
in seiner Längs- und Seitenrichtung so eingestellt, dass die Pe-
lotte genau über der angezeichneten Hautstelle sich befindet.
Man verzichte aber auf eine genaue Einstellung der Berührung
am Nullpunkt, weil dies sehr viel Zeit raubt und keinerlei Vor¬
theile hat; beginne vielmehr das Drehen am Schlüssel, wenn die
Berührung zwar nahe bevorstehend, aber noch keine vollständige
ist: man schafft sich dadurch einen beliebigen anderen Nullpunkt,
der sich im Verlaufe des Versuches, wie wir sehen werden, von
selbst ergiebt. Bevor man den Schlüssel in Bewegung setzt, also
die eigentliche Messung beginnt, brauche man den Kunstgriff, an
der grossen Schraube, welche die Uhr nach unten bewegt, nach¬
dem die Berührung der Pelotte mit der Haut bereits erfolgt ist,
weiter zu drehen; man überzeugt sich hierdurch sehr schnell, ob
die Pelotte richtig auf der Arterie eingestellt ist und wird später
beim Messen nicht, mit grossen Zeitverlusten, enttäuscht. Ist
nämlich die Pelotte richtig eingestellt, so beginnen sofort, nach¬
dem man die Schraube über die Berührung hinaus gedreht hat,
am grossen Zeiger ausgiebige Pulsbewegungen, die der Grösse
des Pulses entsprechen; hat man schlecht eingestellt, so bleiben
die Pulsbewegungen aus oder sind nicht ausgiebig genug, und
man muss von neuem richtig einstellen, bis man den grösst-
möglicben Ausschlag erhält. Durch Uebung und Erfahrung j
wird diese vorläufige Abschätzung bald erlernt. j
Hat man sich auf diese Weise von der richtigen Einstellung
der Pelotte überzeugt, so dreht man die Schraube wieder so¬
weit zurück, dass die Zeiger auf Null stehen und dass noch
keine vollkommene Berührung der Pelotte mit der Haut statthat.
Nunmehr beginnt die eigentliche Messung. Man drehe am
Schlüssel, so dass beide Zeiger vorwärts rücken und notire den
Stand des kleinen Zeigers von 100 zu 100, oder besser von
50 zu 50 und den dazu gehörigen mittleren Stand des grossen
Zeigers; die Differenz beider giebt den jedesmal vorhandenen
Druck in Gramm an. Nachdem die Pelotte die Haut berührt,
beginnen die Ausschläge des Pulses am grossen Zeiger — in
lOOfacher Vergrösserung — sichtbar zu werden, und man no¬
tire jedesmal neben dem Stand des grossen und kleinen Zeigers
und der Differenz beider die Grösse des Pulsausschlages. Bei i
fortgesetztem Drehen am Schlüssel wird der Pulsausschlag immer
grösser, bis er endlich sein Maximum erreicht, das man neben
dem zugehörigen Stand beider Zeiger notirt. Bei zunehmendem
Druck wird das Maximum noch mehr oder weniger lange fest- |
gehalten, bis endlich, wenn noch weiter am Schlüssel gedreht,
also der Druck weiter gesteigert wird, eine Verkleinerung des
Ausschlags eintritt. Der Puls erscheint sodann kleiner und
kleiner, bis er endlich bei einem bestimmten Drucke verschwindet.
Auch hier werden die Zahlen notirt. Es verschlägt nichts, wenn
über das Ziel hinaus gedreht wird, indem dann der Ueberdruck
zur Compression der Weichtheile dient. Hier ist es nun vor-
theilhaft, das Instrument einige Minuten ruhen zu lassen, damit
der volle Ueberdruck möglichst lange auf den Weichtheilen
laste. Es wird durch diesen Kunstgriff dasselbe in viel besserer
Weise erzielt, was ich bei jneinen früheren Experimenten, wie
in meiner ersten Publication mitgetheilt, durch eine der Messung
vorangehende Compression der Weichtheile bezweckte.
Diese letztere, wenn sie nicht sehr lange, mindestens V 4 Stunde,
und sehr energisch ausgeführt werden kann, wird hierdurch
überhaupt entbehrlich.
Gewöhnlich rückt der grosse Zeiger unter dem vorhandenen
Drucke, auch ohne dass weiter gedreht wird — auch wenn
der Kranke keine Bewegungen macht — allmälig noch mehrere
Theilstriche vor, ohne dass Pulsation vorhanden; indem der
vorhandene Ueberdruck die Compression der Weichtheile all¬
mälig mehr und mehr steigert, resp. die Pelotte tiefer in die
Weichtheile einsenkt. (Das gleiche Phänomen beobachtete ich
auch bei Experimenten an elastischen Schläuchen; es ist also
unabhängig von Bewegungen des Kranken und von der Blut¬
bewegung, womit selbstverständlich nicht geleugnet werden
soll, dass auch durch diese am Zeiger Bewegungen entstehen
können und namentlich bei unruhigen Patienten ganz gewöhn¬
lich entstehen.)
Nachdem nun die Pelotte mehrere Minuten still gestanden,
dreht man zuerst langsam so weit zurück, bis die ersten Pul¬
sationen sich wieder zeigen, und notirt diesen Stand. Sodann dreht
man etwas schnell, ohne wieder Zahlen zu notiren, den Schlüssel
soweit zurück, bis die allmälig grösser gewordenen Pulsaus¬
schläge wieder schwächer geworden und endlich vollkommen
sistiren. Diesen letzten Stand notirt man von neuem, und hier¬
mit ist das Experiment beendet, wenn man nicht noch die viel
schwierigere Blutdruck-Bestimmung anfügen will, auf die ich
besonders zurückkommen werde. Ich drehe deshalb ziemlich
schnell, ohne durch Notirungen Zeit zu verlieren, zurück, damit die
Compression der Weichtheile nicht während dessen rückgängig
und dadurch das Resultat getrübt werde; aber auch nicht allzu
schnell darf dies geschehen, da auch einige Zeit verstreicht,
bis die Arterie sich von der Compression erholt hat.
Ein concretes Beispiel wird am besten die Methode erläutern:
Dasselbe betrifft einen mässig kräftigen, über mittelgrossen, liage-
ren Studenten der Medicin, A.
(Messung am 6.
December 1877.)
Stand des
Stand des
Differenz bei¬
Ausschlag des
kleinen Zei¬
grossen Zei¬
der = Druck¬
gr. Zeig, in Mm.
gers in Mm.
gers in Mm.
werth in Grm.
Pulsgrösse in
7... Mm.
0
0
0
0
50
45
5
Kleine Spur.
100
90
10
1
150
125
25
5
200
105
35
7
250
205
45
10
300
245
55
12
350
285
65
12
400
330
70
0
500
370
130
2
000
420
180
1
700
450
250
Spur.
750
470
280
do.
800
500
300
do.
890
515
rückt auf.
375
0
»
525
365
0
Nach einer Pause wird nunmehr langsam zurückgeschraubt,
bis wieder Pulsbewegung eintritt. Dies geschieht bei:
830 525 305 Spur.
Nunmehr ziemlich schnelles Zurückdrehen, bis zum Ver¬
schwinden des Pulses; dieses tritt ein bei:
30 25 5 0
Das Resultat aus diesen Zahlen wird folgendermassen be¬
stimmt:
1. Durchmesser oder Füllung des Arterienrohrs.
Der höchste Stand des grossen Zeigers, bei dem noch eine
Spur von Puls sichtbar, war 525; am Nullpunkt, bei dem der
Puls bereits gleich Null, war der Stand desselben Zeigers 25.
Folglich ist der Weg, den der grosse Zeiger vom Boden der
Arterie, an dem .der Puls gerade begann, bis zu ihrer Ober¬
fläche, wo er wieder erlosch, = 525 — 25 = 500 Mm.; dies
entspricht einem Pelottenw r ege, resp. Arteriendurchmesser von
genau 5,00 Mm.
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700
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Ne. 47
2. Spannung der Arterie. Der Druck der Feder,
welcher gerade ausreichend war, um den Puls zu unterdrücken?
ist gleich dem Stand des kleinen Zeigers minus dem des grossen
in Gramm zur Zeit der völligen Compression, resp. wo nach
völliger Unterdrückung des Pulses sich die erste Spur desselben
wieder zu zeigen beginnt. In dem vorliegenden Beispiel beträgt
der Druck 830 — 525 = 305 Gramm. Hiervon sind 5 Gramm
abzuziehen, als diejenige Differenz, welche noch am Nullpunkt
zwischen beiden Zeigern bestehen blieb. Sie bezeichnet in der
Hauptsache den Druck, welcher zur Zeit noch auf die Com¬
pression der Weichtheile verwendet ist. Zugleich gewährt sie
die erwünschte Correctur für etwaige Unregelmässigkeiten im
Stand beider Zeiger zu einander, wie sie durch die Hygroscopie
des Fadens und vielleicht auch noch durch manche andere
Störungen hervorgerufen werden können. Es war also, um die
Arterie zu comprimiren, ein Druck erforderlich von 305 — 5 Grm.
= 300 Gramm. Dies ist der Werth der Arterienspannung —
ein complicirter Begriff, den ich bei Gelegenheit meiner Mit¬
theilung über die Bestimmung des Blutdruckes zu entwirren
veruchen werde.
3. Grösse des Pulses. Diese wird bezeichnet durch das
Maximum des Ausschlags, welchen der grosse Zeiger liefert;
sie beträgt in unserem Falle 12 Mm., was einem wirklichen
Werthe von 0.12 Mm. entspricht, ln wie weit dieser Werth
mit dem wahren Werthe der Pulshühe identificirt werden darf,
oder welche Einschränkungen für die Vergleichung hier statt¬
haben, auf diese ausserordentlich schwierige Frage, die theils
mathematisch, theils experimentell zu lösen ist, kann ich für
heute nicht eingehen. Nur so viel möchte ich bemerken, dass
die durch die Pulsuhr erhaltenen Werthe mir der Wirklichkeit
näher zu kommen scheinen als die durch andere Instrumente
gewonnenen. Vornehmlich wird das Hinaufschnellen über das
Ziel, wie es bei den Hebelsphygmographen statthat, bei meinem
Instrumente vermieden, und deshalb sind die von mir gefundenen
Ausschläge im Verhältnis^ zu der Vergrösserung bei weitem
kleiner, als beispielsweise die von Vierordt mit seinem In¬
strument notirten. Möglich, dass sie wegen des höheren Wider¬
standes zu klein sind. Ich muss die Frage vorläufig in suspenso
lassen. Die Bedeutung dieser Zahlen zur Bestimmung der Puls¬
grösse, wenn man sie auch nur als relativen Werth gelten
lässt, bleibt trotzdem bestehen, da das eine ja niemals zu leug¬
nen ist, dass sie eine Function der Pulsgrösse darstellen, und die
einschränkenden Momente bei der Vergleichung verschiedener
Messungen unter einander immer die gleichen bleiben.
Aus dem eben mitgetheilten Beispiel ist zugleich ersichtlich,
dass um ein rein practisches Resultat zu erhalten,
man sich die Messung noch viel bequemer und nament¬
lich viel weniger zeitraubend einrichten kann. Man
braucht eben nicht von 50 zu 50 zu messen und die Zahlen zu
manche neue wissenschaftliche Gesichtspunkte auffinden lassen,
für welche sich der untersuchende Arzt in den Tabellen ein
auch für spätere Zeiten verwerthbares Material schafft. Ich
habe mich in dieser Hoffnung nicht getäuscht, wofür ich an
einer anderer Stelle Beweise liefern werde. Hier will ich nur
auf einen Punkt als practisch wichtig aufmerksam machen:
Betrachtet man in der obigen Tabelle vergleichsweise das
Fortschreiten des grossen neben dem des kleinen Zeigers, so
bemerkt man, dass ungefähr in der ersten Hälfte der Beob¬
achtung auf 50 Weg des kleinen Zeigers etwa 35—45 Weg
des grossen Zeigers kommt. Ist die Arterie erst stärker com-
prirairt, so rückt der grosse Zeiger viel langsamer vor, etwa
nur um 15—30 auf 50 des kleinen Zeigers. Nähert sich die
Pelotte demjenigen Punkte, wo die Arterie nicht mehr fern von
ihrer vollständigen Compression ist, so wird das Vorrückeu des
grossen Zeigers noch mehr verringert: während der kleine Zei¬
ger von 800 auf 890 vorrückte, ging der grosse nur von 500
auf 515, allmälig auf 525. Würde man nach völliger Com-
pressiou der Arterie noch weiter gedreht haben, so würde der
grosse Zeiger noch viel langsamer weiter rücken, nur 10 auf
100 und weniger. Dies zu wissen, ist von Wichtigkeit, um
sich in manchen Fällen, namentlich bei fetten und robusten
Personen, über das Ende des Experimentes nicht zu täuschen.
Es kommt nämlich bei diesen nicht selten vor, dass die Arterie
bereits comprimirt ist, und dennoch zitternde Bewegungen im Zei¬
ger vorhanden sind, die man für Pulsationen halten kann; man
schraubt dann leicht weit über das Ziel hinaus, um diese zu
unterdrücken; aus dem trägen Vorrückeu des grossen Zeigers
im Verhältnis! zu dem des kleinen (1 : 10 oder auch weniger)
kann man dann seinen Fehler erkennen und repariren. Ich gebe
gern zu, dass es in manchen derartigen Fällen schwierig wird,
zu einem exacten Resultat zu gelangen; hoffentlich wird es
einer verbesserten Methode gelingen, auch diese Schwierigkeiten
zu überwinden. Vorläufig ist so viel daraus zu lernen, dass
man zum Zweck fortgesetzter wissenschaftlicher Experimente
sich nicht solche Individuen aussuchen wird, bei denen diese
besonderen Schwierigkeiten der Untersuchung vorliegen.
Aus der Füllung, Grösse und Spannung des Pulses lassen
sich noch andere Momente von grosser Wichtigkeit erschlossen:
4. Blutvertheilung im Körper. Setzen wir so lange,
bis weitere Untersuchungen oder mathematische Berechnungen
den Gegenstand zum Abschluss und die nothwendige Correctur
unserer Zahlen gebracht haben werden, die mit der Pulsuhr
gewonnene Pulsgrösse gleich der wirklichen, so lässt sich fol¬
gendes deduciren: Die Pulsgrösse ist der Werth, um welchen
bei jeder Herzsystole der Durchmesser der Arterie auf ihrer
Wellenhöhe gegen das Wellenthal vergrössert wird; sie gewinnt
erst ihre Bedeutung durch die Vergleichung mit dem Gcsammt-
durchmesser der Arterie, oder mit anderen Worten, es handelt
notiren, sondern man kann sich damit begnügen, allein die drei
in der Tabelle fett gedruckten Reihen aufzufinden und nieder¬
zuschreiben. Man drehe dann einfach, nachdem richtig ein¬
gestellt, zuerst langsam vor, so lange der Puls noch an Grösse
zunimmt, bis man das Maximum desselben erreicht, und notirt
die dazu gehörigen Zahlen. Sodann drehe man schnell weiter
bis zum Erlöschen des Pulses, sodann nach einer Pause wieder
zurück, bis der Puls wieder beginnt, notire auch hier die Zahlen
und beende dann das Experiment, wie oben, den Nullpunkt
aufsuchend. In den drei notirten Reihen hat man dann die¬
jenigen Zahlen, die man für das Resultat braucht. Ich habe
diesen viel kürzeren Weg bisher nicht eingeschlagen, weil ich
der Ansicht bin, durch den Entwurf ausführlicher Tabellen in
gleichem Sinne, wie das angegebene Beispiel zeigt, werden sich
sich vornehmlich um das Verhältniss der Pulsgrösse zur
Arterienfüllung. Setzen wir den mit der Pulsuhr gefundenen
Durchmesser der Arterie = a und die Pulsgrösse = b, so ist
der Flächendurchschnitt der Arterie während der Systole der-
a* Tr
selben = —; während der Diastole, wo der Durchmesser
= a -f- b ist, ist der Flächendarchschnitt =
(a + b)’;
Die Differenz zwischen beiden, d. h. die Flächenvergrösserung
des Gefässdurchschnitts während der Gefässdiastole beträgt
demnach .* _ Jül*. = ( a? + 2ab -f-b’) , - «jf
4 4 4
(2ah 4- b 2 ) .
= -—,-. Es verhält sich demnach der Gefässdureh-
4
. Es verhält sich demnach der Gefässdureh-
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
25. November 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
701
.schnitt in der Gefässsystole zu dem Zuwachs, welcher bei der
, , . a 2 * (2ab + b 2 ) * t /6> .
Diastole hinzukommt, wie —-— : -j-= a 3 : (iaö
-f- b 2 ). Nun ist der Werth b 2 im Yerhältniss zu 2ab stets ein
verschwindend kleiner (so in unserem obigen Beispiel ist b = 0,12,
also b 2 = 0,0144, während a = 5,0, also 2ab = 2.5,0.0,12
= 1,2 ist) und kann deshalb bei der Berechnung vollkommen
vernachlässigt werden; das obige Verhältniss gestaltet sich dem¬
nach sehr einfach wie a*: 2ab = a: 2b.
Halten wir uns wieder an dem obigen concreten Beispiel:
Hier ist a = 5,00, b = 0,12. Es verhält sich demnach der
Gefässdurchschnitt während der Gefässsystole zu dem, was
während der Gefässdiastole an Flächendurchschnitt hinzukommt,
wie 5,00 : 2 . 0,12 = 5,00 : 0,24 = 20,8 : 1. Da nun der
Gefässdurchschnitt den Grad der Gefässfüllung angiebt, so lässt
sich das gewonnene Resultat ungefähr so ausdrücken: auf der
Höhe der Pulswelle ist der Puls um g -, also ca. um
voller als während des Wellenthals.
Diese Zahlen geben uns einen relativen Anhalt über das
Verhältniss des Blutinhaltes der Herzkammern zu dem
der Arterien und der Blutgefässe überhaupt.
Der Kreislauf ist bekanntlich so regulirt, dass in einer
Zeiteinheit eben so viel Blut aus der linken Herzkammer in die
Arterien abfliesst, wie dem rechten Yorhof aus den Venen zu-
fliesst, und dass dem entsprechend der rechte Ventrikel eben
so viel Blut zugeführt erhält, wie die Lnngen an den linken
Yorhof und dieser wiederum an die linke Kammer abgeben.
Durch äussere Anlässe und Krankheiten kann dieses Verhältniss
nur ganz vorübergehend gestört werden, sehr bald muss wieder
das normale Verhalten eintreten, wenn das Leben überhaupt
bestehen soll. Was aber wandelbar ist und durch Krankheiten
so wie durch äussere Eingriffe auf die Dauer oder für längere
Zeit verändert werden kann, das ist die Blutvertheilung in
den verschiedenen Körper Organen. Ich habe in meiner
pneumatischen Therapie ‘) diesen Gegenstand, der für die Patho¬
logie und Therapie von der allergrössesten Bedeutung ist und
bis vor kurzem nicht im mindesten richtig gewürdigt wurde,
eingehend behandelt. Ich habe dort gezeigt, wie unter dem
Einfluss von Krankheiten, besonders Klappenfehlern am Herzen,
so wie unter bestimmten therapeutischen Eingriffen zunächst das
Verhältniss von Zufluss und Abfluss nur für Momente gestört
wird, wie sich aber sehr bald ein Kreislaufsgleichgewicht,
wie ich es nannte, einstellt, ein Kreislaufsgleichgewicht unter
veränderten Bedingungen, und zwar unter solchen geänderter
Blutvertheilung. So kann beispielsweise bei Stenose der Mitral¬
klappe nur ganz vorübergehend, während die Stenose sich aus-
Lildet oder während stenosirende Nachschübe oder andere Schäd¬
lichkeiten eintreten, ein Missverhältnis zwischen Zufluss von
Venen- und Abfluss von Arterienblut stattfinden, wodurch die Lun¬
gen mit Blut überfüllt werden. Bald muss, unkr dem Anwachsen
der Widerstände im kleinen Kreislauf, ein Kreislaufsgleichgewicht
sich herstellen derart, dass in demselben Verhältniss wie dem lin¬
ken Ventrikel und von diesem den Körperarterien eine verminderte
Blutmenge mit jeder Systole zufliesst, auch in der gleichen Zeitein¬
heit von den Venen nach der rechten Herzhälfte, sowie von den Lun¬
gen trotz ihrer Ueberfüllung wieder in den linken Vorhof eine gleich
verminderte Blutmenge strömt. Nur ist die Blutvertheilung eine
andere geworden, und die Lungen, der rechte Ventrikel, das linke
Atrium oder bei grösserer Störung auch die Körpervenen undCapil-
laren sind mit Blut überfüllt auf Kosten des Arterienumfanges.
1) Die pneumatische Behandlung der Respirations- und Circulations-
krankheiten eic. Berlin 1875. Verlag v. August Hirschwald. p. 240 ff.
In gleicher Weise lässt sich auch die nach Insufficienz der
Mitralklappe bei vollständiger Compensation auftretende Dila¬
tation und Hypertrophie nicht nur des linken Vorhofs und der
rechten Herzhälfte, was ja längst geschehen, sondern auch
die Hypertrophie des linken Ventrikels aufs einfachste
erklären, ohne dass man zu den gewundenen Hypothesen,
die von anderer Seite zu Hilfe gezogen wurden, seine Zu¬
flucht zu nehmen braucht. Nachdem nämlich durch die
Rückstauung des Blutes in deü linken Vorhof und in die
Lungen eine Dilatation und consecutive Hypertrophie des linken
Vorhofs und der rechten Herzhälfte eingetreten, hat sich ein
Kreislaufsgleichgewicht derart ausgebildet, dass der kleine
Kreislauf auf Kosten des grossen überfüllt ist. Der dilatirte
rechte Ventrikel vermag seinen vermehrten Blutinhalt nicht
vollständig zu entleeren wegen der Widerstände, die die Rück¬
stauung des Blutes im linken Vorhof und in den Lungen er¬
fährt; dagegen hat der gleichfalls dilatirte linke Vorhof bei
seiner Systole für seine Entleerung in die linke Kammer —
wenn nicht gleichzeitig auch Stenose besteht — keinerlei Wider¬
stände zu überwinden, und somit erhält der linke Ventrikel in
seiner Diastole eine gegen die Norm vermehrte Blutmenge zu¬
geführt. Wenn er nun auch bei seiner Systole nur einen Theil
dieses Blutes in die Arterien sendet, einen anderen Theil ins
Atrium regurgitiren lässt, so hat er doch immer eine gegen
die Norm vermehrte Blutmenge zu bewältigen, und die Folge
hiervon ist zunächst Dilatation des Ventrikels und, ist der
Herzmuskel noch kräftig genug, Hypertrophie desselben. Durch
diese Hypertrophie des dilatirten linken Ventrikels kann eine
mehr oder weniger vollständige Compensation des Herzfehlers
zu Stande kommen, indem der kräftig arbeitende und stärker
gefüllte Ventrikel trotz der Regurgitation doch eine grössere
Blutmenge als zuvor in die Aorta treibt. Der Abfluss des Blutes
aus dem kleinen in den grossen Kreislauf wird nunmehr, zumal
unter erhöhter Druckkraft der hypertrophischen Herzhälften, ver¬
mehrt, und es stellt sich ein neues Kreislaufsgleichgewicht her,
das der Norm mehr oder weniger nahe kommt. 1 )
Ein anderes Beispiel ist die Wirkung der comprimirten Luft:
beim Beginn der Einathmung comprimirter Luft wird, wie ich
gszeigt, eine vermehrte Blutmttige den Körperarterien gegen früher
zugeführt, eine verminderte Blutmenge fliesst aus den Venen in
den rechten Vorhof ab; aber sehr schnell tritt ein Kreislaufs¬
gleichgewicht ein, derart dass entsprechend dem veränderten
Umfang der grossen ab- und zuführenden Gefässe die Vermin¬
derung der abfliessenden der der zugeführten Blutmenge pro¬
portional bleibt, ganz wie in der Norm, nur die Blutvertheilung
ist eine andere geworden; der grosse Kreislauf hat Blut auf
Kosten des kleinen gewonnen.
Diese Beispiele mögen zeigen, von wie eminenter Wichtig¬
keit es ist, das Verhältniss zwischen Arterien- und
Herzfüllung zu kennen, resp. zu wissen, in welchem Verhält¬
niss frisches Blut aus dem Herzen mit jeder Systole zu dem in
den Arterien schon vorhandenem Blute hinzukommt, resp. durch
die Capillaren und Venen wieder abfliesst. Dieses aber lehrt
uns, wie wir gesehen, die Vergleichung der Pulsfülle mit der
Pulsgrösse. Mag die letztere, wie wir sie durch die Messung
fanden, auch noch nicht identisch sein mit der wahren Puls¬
grösse: ein relatives Verhalten bleibt immer bestehen, und dies
allein reicht hin, um die Bedeutung desselben für die ver¬
gleichende Beobachtung sicher zu stellen.
Ein Umstand besonders ist es noch, welcher, neben der
Blutmenge, die mit jeder Systole in die Arterien strömt, einen
wesentlichen Einfluss auf die Höhe der Pulswelle ausübt, dies
1) Yergl. meine pneumatische Therapie p. 318.
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702
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 47
ist das Verhältniss der Spannung der Arterienwandung zum ! der stärksten Belastung, bei welcher dasselbe noch beobachtet
Blutdruck. Ceteris paribus wird bei geringer Wandspannung
die Pulswelle höher sein als bei stärkerer Spannung der Arterien¬
wandung. Das Verhältniss zwischen Arterieninhalt während
der Diastole zu dem während der Systole wird dabei ein gleiches
bleiben, da es nur von den relativen Blutmassen abhängt; aber
die Form und Grösse der Welle und dem entsprechend das
Verhältniss zwischen Wellenberg und Wellenthal wird ver¬
schieden sein, je nach dem Verhältniss des Blutdrucks zur
Wandspannung der Arterien. Leider ist auf diesem Gebiete
meines Wissens noch sehr wenig gearbeitet. Ich hoffe, dass
mit Zuhülfenahme der beiden genannten Factoren, Blutdruck
und Arterienwandspannung — deren Feststellung mittelst der
Pulsuhr mir gelungeu ist — aus der Fülle und Grösse des
Pulses die genaue mathematische Berechnung der Proportion
des Arterieninhaltes zwischen Systole und Diastole ausführbar
sein wird. Bis dahin mögen die obigen Zahlen als Annäherungs-
werthe dienen.
5. Relati ve Gesch windigkeit des Blutumlaufs. Mul-
tipliciren wir die ad 4 gewonnene Zahl mit der Pulsfrequenz,
so erhalten wir ein ungefähres Bild von der relativen Ge¬
schwindigkeit des Blutumlaufs im Körper. Setzen wir wieder
das obige Beispiel, so sehen wir, dass mft jeder Systole an¬
nähernd des Arterieninhaltes sich erneuert. Bei 84 Pulsen
in der Minute würde demnach in dem betreffenden Individuum
das Blut viermal während einer Minute, also 1 mal in 15 Se-
eunden seinen Umlauf durch den Körper beenden.
Selbstverständlich bedürfen diese Zahlen noch der gleichen
Correcturen, die ad 4 in extenso erörtert sind.
6. Pulskraft und Pulsarbeit. Vierordt*) hat den
Begriff „Kraft des Pulses“ als das Aequivalent der mechanischen
Leistung der Pulswelle festgestellt. Diese Pulskraft berechnet
sich aus dem Product der Hubhöhe und des gehobenen Ge¬
wichtes. Die Hubhöhe entspricht der Wellenhöhe, d. h. der
Grösse des Pulses, das gehobene Gewicht ist dasjenige Gewicht,
welches zur Zeit des Maximums der Pulsgrösse auf der Arterie
lastete. ^
Benutzen wir zur Erläuterung wieder das obige Beispiel:
Das Maximum der Pulsgrösse 12, d. h. reducirt 0,12 Mm.,
wurde erreicht, als der kleine Zeiger auf 350, der grosse auf
285 stand, also ein Druck von 350 — 285 = 65 Gramm auf
der Arterie lastete. Der Puls war demnach im Stande 65 Gramm
0,12 Mm. hoch zu heben. Seine Kraft lässt sich demnach be¬
stimmen auf 65.0,12 = 7,80 Gramm-Millimeter. Multiplicirt
inan diese Zahl noch mit der Pulsfrequenz, so hat man die
„relative Arbeit des Pulses“ (Vierordtj in einer Minute.
Selbstverständlich lassen sich die die Pulskraft angebenden
Zahlen verschiedener Individuen nur mit einander vergleichen,
wenn allen der gleiche Flächenraum der Pelotte zu Grunde
liegt, in unserem Falle 10 Q.-Mm.
Ich verzichte auf den Versuch, wie verlockend er auch ist,
weitere Cousequenzen an den Gegenstand anzuknüpfen. Die¬
selben werden sich später von selbst ergeben, wenn erst von
vielen berufenen Seiten nach dieser Richtung hin weiter ge¬
arbeitet wird.
Bemerken muss ich noch, dass nicht selten, nachdem das
Maximum der Pulshöhe bei einer gewissen Belastung erreicht
ist, dieses Maxiraum noch bei einer grösseren Belastung an¬
dauert. Um deshalb richtige Zahlen für die Pulskraft zu er¬
halten, muss man das Maximum der Pulsgrösse (Hubhöhe) mit
1) Vierordt: Die Lehre vom Arterienpuls etc. Braunschweig.
1855. p. 166.
wird, multipliciren.
7. Die Dicrotie des Pulses, sowohl die normale wie die
pathologische, ist an der Pulsuhr ausserordentlich deutlich zu
beobachten; ebenso lässt sich ungefähr bestimmen, auf welcher
Höhe des absteigenden Wellenschenkels, im Verhältniss zu seiner
Länge, die Dicrotie eintritt.
Ganz vorzüglich ist jede Art von Irregularität des
Pulses an der Pulsuhr wahrzunehmen. Schon die durch
die gewöhnliche Athmung bedingten regelmässigen
Schwankungen der Pulscurve sind deutlich ausgeprägt;
zumal wenn man bei allmälig zunehmendem, resp. abnehmendem
Druck prüfend untersucht, wird man immer an einem Punkte
ankommen, an welchem der Einfluss der Athmung auf den Puls
aufs deutlichste zur Anschauung gelangt. Ganz besonders ist
die Wirkung tiefer Inspirationen und Exspirationen stets in die
Augen springend.
Pathologische Irregularitäten kommen aufs präciseste zur
Anschauung, nicht blos Aussetzen des Pulses oder veränderter
Rhythmus, sondern vornehmlich auch Unregelmässigkeiten in
der Pulsgrösse und in der Pulsspannung, die bei einiger Mühe
auch messbar sind. Je nachdem die Irregularitäten bei ver¬
schiedenem Druck in die Erscheinung treten, lassen sich noch
mancherlei Schlüsse ableiten, auf die ich indess, um mich nicht
in Details zu verlieren, nicht weiter eingehen will. Es genügt
mir, auf die Mannigfaltigkeit der Erscheinungen hingewiesen
zu haben, die bei der Untersuchung mit der Pulsuhr uns ent¬
gegen treten. Die wissenschaftliche Verwerthung derselben
muss freilich weiteren mühevollen Studien überlassen bleiben.
(Schluss folgt.)
VI. Referate.
Zur Metallotherapie.
Mit Bezug auf die Metalloscopie und Metallotherapie (vergl. d. W.
No. 10 und No. 30 d. J.) bringt ein zweiter Bericht der früher ge¬
nannten Commission — bestehend aus den Herren C har cot, Luvs
und Dumontpallier — welche ihren Bericht am 10. August der
Societe de Biologie erstatteten, interessante neue Mittheilungen. Es
werden zunächst in demselben einige Thatsachen berichtet, welche
dazu geeignet sind, die von Burq behaupteten Erscheinungen der
eigentlichen Metallotherapie, d. h. der therapeutischen Wirkung der
inneren Darreichung des Metalles, für welches die Metalloscopie die
Idiosyncrasie eines bestimmten Individuum ergeben hat, zu unterstützen.
Zwei seit mehreren Jahren hysterische Patientinnen der Salpetriere,
welche die heftigsten Erscheinungen der Krankheit boten, erhielten das
bei ihnen metalloscopisch geprüfte Gold in Form von Chlorgoldnatrium,
und zwar von einer 1% Lösung jeden Tag 10 — 20 Tropfen. Schon
nach 1 Woche waren die Krankheitserscheinungen geringer und nach
4—6 Wochen dieselben zum Theil, besonders die Anästhesie und Muskel¬
schwäche, die Unregelmässigkeit der Menses, die Appetitlosigkeit, ver¬
schwunden, zum Theil ganz erheblich vermindert, so die hysterischen
Convulsionen, die Leukorrhoe, gleichzeitig sei eine wesentliche Besserung
des Ernährungszustandes und des psychischen Verhaltens eingetreten.
Eine dritte Kranke erhielt das für sie metalloscopisch geprüfte Kupfer zu¬
nächst in Form von Pillen (Bioxyde hvdratu de euivre), und zwar 2 Centigr.
2 bis 4 mal am Tage, dann als Kupferwasser von Saint-Christau, welches
die sehr geringe M ,e von 5 Milligr. im Liter enthält: hiervon trank
die Kranke zwei Glaser täglich. Trotz der minimalen eingeführten Dose
zeigte auch diese Kranke nach Verlauf von 4 Wochen eine ebenso inten¬
sive Besserung als die erst erwähnten. Achnliche, wenn auch nicht
so ausgesprochene Resultate wurden in anderen Fällen erhalten. Be¬
merkenswerth ist. dass in jenen Fällen mit dem Nachlass der Behand¬
lung auch das Befinden wieder Rückschritte machte. Die chronische,
| hysterische Disposition wurde übrigens durch die Behandlung nicht ge-
1 ändert. Es zeigte sich dies daran, dass bei diesen Personen, wenn ihnen
j „ihr Metall“ auf die Haut applicirt wurde, Anästhesie und Amyosthenie
vorübergehend wieder hervorgerufen werden konnte (Anesthesie de retour).
Diese Anästhesie war eine vollständige, sie erstreckte sich über den
ganzen Körper und wurde in 20—35 Minuten hervorgerufen. Schwache
galvanische Ströme, sowie auch statische Eleetricität in schwacher Ver-
1 Wendung hatte dieselbe Wirkung. Es wurden bei dieser Gelegenheit
noch einige interessante Beobachtungen gemacht. Sehr merkwürdig
war, dass wenn man auf die Haut eines Individuums, das z. B. auf
I Gold reagirte, über dem Goldstück ein Silberstück applicirte, jene oben
i erwähnte Anesthesie de retour nicht erschien. Andererseits wurde
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25. November 18755.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
703
diejenige Anästhesie und Aesthesie, die durch ein Goldstück bereits
hervorgebracht war, persistirend gemacht, wenn man auf das Goldstück
ein Stück anderes Metall legte. Es ergab sich, dass dies ein Metall
sein musste, auf welches die Patientin sonst nicht reagirte (ein neu¬
trales Metall). Nach Vigouroux, der diese letzterwähnten Experimente
anstellte, wäre hier eine physicalische Einwirkung des einen Metalls auf
das andere anzunehmen. Interessant ist, dass wenn dies neutrale Metall
nicht auf das wirksame gelegt, sondern unterhalb des wirksamen —
dem Ende z. B. des Vorderarms am nächsten — angebracht wurde,
die metalloscopischen Erscheinungen die gewöhnlichen waren, dass da¬
gegen bei Application des neutralen Stückes oberhalb des activen —
also dem Centrum näher als das letztere — die Sensibilität nicht ver¬
ändert, die Wirkung gleichsam gehemmt wurde. Umgab man ferner
den einen Vorderarm der Untersuchungsperson mit einem Armband,
welches aus goldenen Platten bestand, und den anderen mit einem aus
silbernen Platten — dem neutralen Metall — bestehenden Armband,
so wurde die Anesthesie de retour verhindert, um sofort nach Weg¬
nahme des silbernen Armbandes aufzutreten. — Nach allem schliesst
die Commission, als deren Berichterstatter Herr Dumontpallier
fungirte, dass auch die Metallotherapie, wie die Metalloseopie eine
1 hatsächliche Basis habe und weitere Forschungen verdiene. Sie schlägt
gleichzeitig vor, die Mittheilungen Burq’s zur Bewerbung um den Preis
Godard zuzulassen. (Gazette med. No. 35, 36, 37, 1878.)
Vll. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Verein für wlsse«s«haftllehe Heilkunde m Königsberg i. Pr.
Sitzung vom 6. Januar 1878.
Vorsitzender: Herr Med.-Rath Prof. Dr. Hildebrandt.
Schriftführer: Herr Prosector Dr. Baumgarten.
1) Herr Burow spricht über 2 Fälle von papillären Ge¬
schwülsten der Stimmbänder, deren anatomische Bilder in seinem
laryngoscopischen Atlas, Fig. 3 und 4 wiedergegeben sind. In dem einen
der Fälle trat merkwürdigerweise nach 11 Jahren eine Recidive ein.
Herr Burow stellt die betreffende Pat. selbst vor und demonstrirt die
mit dem Kehlkopfspiegel sichtbaren Veränderungen.
2) Herr Kupfer spricht über die Schleimhaut des mensch¬
lichen Magens. — Eine genauere Untersuchung derselben liegt nicht
vor; die postmortale Selbstverdauung macerirt das Epithel, fieberhafte
Krankheiten zerstören die Belagzellen; es ist daher sehr schwierig, frische,
gesunde Menschenmagen zu erhalten. K. hat 3 Fälle von absolut
frischen und gesunden Magen des Menschen genau untersucht. Die beid n
ersten Magen enthielten das Oberllächenepithel in continuo intact; im
3. Fall war dasselbe gewissermassen wie abgesprengt vorhanden. Die
Drüsen waren jedoch auch im 3. Fall vollständig der Art, wie sie Rollet
vom normalen Hundemagen beschreibt. Die glatte Oberfläche der Magen¬
schleimhaut ist vielfach unterbrochen durch die Magenri ffe und die
Magengruben: nach Ile nie fehlt auf den Riffen das Epithel; jedoch
ist dies entschieden nicht der Fall. Das Epithel ist ein exquisit cy-
lindrisches. Die Zeichnungen, die Krause von demselben giebt, sind
nicht co itc et. Während an Alkoholpräparaten sich die Zellen als oben
offen und ganz klar zeigen, bieten sich bei Osmiumsäurebehandlung
durchaus geschlossene Zellen dar; man muss also annehmen, dass
der Alkohol eine Destruction der Gebilde bewirkt bat. Die Epithel-
schicht für sich allein misst 150 mm. Das Epithelium hat zwei Zonen:
Die obere Zone, welche den grössten Theil einnimmt, wird von vielen
als „Schleim“ bezeichnet; sie besteht jedoch nicht aus reinem Schleim,
sondern vielmehr aus einem modifieirten Protoplasma, für welches K.
den allgemeinen Namen „Paraplasma** vorgeschlagen hat; die untere Zone
ist echt protoplasmatisch und enthält den Kern. In den Gruben liegt
der Kern ganz an der Basis der Zelle; ausserdem kommen hier wirklich
me i st B e c h erzeHen vor.
Unter der Epithelschicht liegt die Drüsenschicht der Mueosa.
: Nicht, wie man angegeben hat, nur eine Drüse mündet in jede
Grube, sondern fast constant vier Drüsen. An der Cardia und am Py-
lorus ist dies Verhältnis« allerdings nicht regulär: hier mündet oft nur
eine Drüse in den Grubenraum. — Im obersten, zugleich engsten Ab¬
schnitt der Drüsen zeigt sich ein Saum von cubischen Zellen; im mitt¬
leren Abschnitt fanden sich bei den beiden ersten der oben erwähnten
Fälle, wie Heidenhain angiebt, sowohl Haupt- als Belegzellen; im
3. Fall waren aber, der Angabe Rollet’s entsprechend, keine Haupt¬
zollen auffindbar: im Fundus waren stets beide Categorien vorhanden.
Die Pyloruszone ist durch eine mächtige Entwicklung der Gruben
ausgezeichnet; die Drüsen hatten daselbst keine Beleg (Laab-) zellen,
sondern nur eine Sorte von Zellen, die K. aber doch nicht ganz mit
Hauptzellen identificiren möchte. Die Drüsen winden sich hier eigen-
thümlich auf, so dass das Bild wahrer Knäueldrüsen entsteht;
ausser diesen fand K. aber noch einfache Schläuche vor, über deren
Bedeutung zu sprechen er sich vorbehält.
3) Herr Naunyn spricht zunächst über den schon von Herrn
Schreiber gelegentlich erwähnten Fall von Lähmung der Stiminritzen-
erweiterer, de; dadurch merkwürdig war, dass bei absichtlich aus¬
geführter tiefer Inspiration die Erscheinungen des Stridors aufhörten.
Dieses Verhältnis« legte cs mähe, ein in methodischer Einathmung be¬
stehendes Heilverfahren anzuordnen, welches von bestem Erfolge be¬
gleitet war.
Herr Hirsch sen. erinnert hierbei als Analogie an die Fälle von
Faeialparalyse, wo die automatischen Bewegungen sistirt waren, der
Wille aber noch Bewegungen auszulösen vermochte.
Sodann spricht Herr Nauny n über einen Fall von Tumor medullae
spinalis, welcher als solcher während des Lebens diagnosticirt worden
war. Das klinische Bild bot den ausgeprägten Symptomencomplex der
sogenannten Brown-Sequard’schen Lähmung dar.
Drittens referirt Herr Naunyn über die Behandlung chronischer
Dickdarmcatarrhe mittelst des He gar’sehen Trichterapparates. Ein
Fall, der schon das Bild der sogenannten pernieiösen Anämie darbot,
war nach wenigen dieser Ausspülungen fast vollkommen zur Heilung
gebracht worden. In 12 Fällen war nur einmal gar kein Erfolg, 11 mal
war derselbe ein sehr guter oder guter. Leider entzogen sich sämmt-
liche Fälle nach spätestens mehreren Wochen der Beobachtung, so dass
über die definitive Heilung kein Urtheil gewonnen werden konnte.
VIII. Fewlleton.
Corsica und seine Kurorte.
Von
Dr. 0. H. Brunner in Berlin.
Der Ruf, welchen sich Ajaccio als klimatischer Kurort seit einigen
Jahren auch in Deutschland erworben hat, dürfte es vielleicht manchem
Co liegen wünschenswerth erscheinen lassen, etwas mehr darüber zu er¬
fahren, als die balneologischen Handbücher enthalten. Wenngleich ich
nun selbst diesen Kurort aus eigener Anschauung nicht kennen gelernt
habe, so ist es mir doch möglich gewesen, aus den eingehenden und
uninteressirten Mittheilungen eines den höheren Ständen angchörigen
Patienten, welcher den letzten Winter auf meinen Rath dort mit so
gutem Erfolge und zu so grosser eigener Befriedigung zugebraeht hat,
dass er die Kur im nächsten Winter wiederholen wird, sowie aus drei
Brocliüren, welche mir derselbe von dort mitgebracht hat, ein recht an¬
schauliches Bild von den medicinisch-topographischen Verhältnissen
nicht allein Ajaccio’s, sondern auch der ganzen so interessanten Insel
zu gewinnen. Diese Brocliüren sind folgende: 1) La Corse et son re-
crutement, etudes historiques, statistiques et medicales par le Di. Costa.
Paris, 1873. 176 S. 2) Bains de Guagno, Rapport sur le service de
sante pendant la saison thermale de 1871, von demselben Autor. Ajaccio,
1S73, 42 S. Sowie 3) Guide du voyageur eil Corse avec indications sur
la Station hivernale d’Ajaccio 1874 75, 164 S. — Aus diesen wohl wenig
bekannten Schriften und den oben erwähnten Mittheilungen meines
Patienten nun will ich zunächst versuchen, in folgendem eine kurze
medicinisch-topographische Skizze der Insel zu entwerfen, vrelche von
um so grösserem Interesse sein dürfte, als daraus hervorgeht, dass die
Insel auch einen grossen Reichthum an Mineralquellen besitzt, die mir
ebenso wenig, wie die klimatischen Vorzüge bis jetzt hinreichend und
allgemein genug gewürdigt zu sein scheinen.
Die fast durchweg gebirgige und felsige Insel liegt zwischen 41 und
43° N. B., hat einen grössten Längendurchmesser von 183 und einen
grössten Breitendurchmesser von S4 Kilometern, und bildet ein französi¬
sches Departement mit nur 260,000 Einwohnern, so dass es hinsichtlich
der Dichtigkeit der Bevölkerung unter den französischen Departements
erst die 79. Stelle einnimmt. Durch eine Gebirgskette, welche sich in
mehrfachen Krümmungen im allgemeinen von Norden nach Süden er¬
streckt, wird die Insel in eine grössere westliche und eine kleinere öst¬
liche Hälfte getheilt, welche hinsichtlich der geologischen Formation
sowohl wie der Bodenbildung wesentliche Verschiedenheiten darbieten.
Die höchsten Spitzen dieser die Wasserscheide bildenden Kette, der
Monte Cinto (2804 m.), der Monte Rotondo (2764 m.) und der Monte
d’Oro (2653 m.) sind 8 Monate des Jahres hindurch mit Schnee bedeckt
und meist in Wolken gehüllt. Die ganze westliche Hälfte der Insel und
ihr südlicher Theil bestehen aus Granit und verwandtem Urgestein:
Porphyr, Syenit, Diorit etc., während die östliche Hälfte und das Nord-
kap der Uebergangsperiode angehören: Talkschiefer, Kalk, Marmor etc.
Gross ist der Mineralreichthum der Insel, besonders der östlichen
Hälfte, obwohl die Minen wegen Kapitalmangels nicht ausgebeutet
werden. Es finden sich: Schwefelantimon, Eisen, silberhaltiges Blei und
Kupfer, Anthracit und Braunkohle. Spuren vulkanischer Thätigkeit
sind jedoch nirgends vorhanden, wenn man nicht etwa die zahlreichen
mineralischen Thermalquellen als solche ansehen will. Die Östliche
Küste ist ziemlich geradlinig, flach und sumpfig, die westliche zerklüftet,
reich an Häfen und Buchten, schroff und felsig. Ihrer Bodenformation
entsprechend bietet die Insel auf einem relativ kleinen Flächenraume
fast alle Klimate der Erde dar, so dass man von ihr, wie die arabischen
Dichter vom Libanon, sagen kann, dass sie den Winter auf dem Kopf,
den Frühling auf den Schultern und den Herbst im Busen trägt, während
der ewige Sommer zu ihren Füssen ruht. Im allgemeinen kann man je
nach der Höhenlage ein alpines, ein gemässigtes und ein subtropisches
Klima unterscheiden. Die alpine Region beginnt in der Höhe von etwa
1800 m., ist fast gar nicht bewohnt, trocken, kalt und stürmisch, und
hat ungefähr das Klima Norwegens, während das in der gemässigten,
am meisten bevölkerten Gegend zwischen 600 und 1800 in. Elevation
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Gck igle
Original fro-rri
UNIVERSETY OF MICHIGAN
704
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 47
etwa dem der Bretagne und Burgunds entspricht. Schnee und Eis
stellen sich hier oft schon im November ein und schmelzen zuweilen
2 bis 3 Wochen lang nicht; die Temperaturdifferenzen sind zwar nicht
sehr gross, aber häufig. Die untere Region endlich entspricht in klima¬
tischer Beziehung den unter gleicher Breite gelegenen Küstengegenden
Italiens und Spaniens. Das Thermometer steigt hier im Sommer auf
18 bis 26° im Schatten, und fällt im Winter nur selten und immer
nur auf wenige Stunden auf 1—2* unter 0; die Tage sind warm, die
Nächte aber kühl, die Luft feucht. Regen fällt hauptsächlich im Sommer,
im Jahr 22 bis 23 Zoll, d. h. 2 Zoll mehr als in Paris, läuft aber
schnell ab. Einen Ersatz dafür bildet der Thau, welcher die Vegetation
grün erhält. An der Ostküste herrschen Ost- und Südost-, an der West¬
küste West- und Südwestwinde vor. Erstere, von denen besonders der
Südostwind als Sirocco gefürchtet ist, sind feucht und belästigen den
Körper ungemein, während die Westwinde kühler, trockner und er¬
frischender sind. Den klimatischen Verhältnissen entsprechend ist die
obere, alpine Region, einige verkrüppelte Tannen abgerechnet, fast vege¬
tationslos; die mittlere zeichnet sich vor allem durch ihre üppigen
Kastanien- und Nussbaumpflanzungen, sowie die zahlreichen Wälder von
Stein- und Korkeichen, Lerchen, Fichten und Weymouthkiefern aus,
während die Olive noch bis 1200 M. hinaufreicht. In der unteren sub¬
tropischen Küstengegend endlich finden sich alle Producte der wärmeren
und subtropischen Zone: Wein, Orangen, Feigen, Granaten, Aloe, 25 bis
40 Fuss hohe Oelbäume und an geschützten Stellen sogar fruchttragende
Dattelpalmen. Selbst das Zuckerrohr, Kaffe, Krapp und Indigo würden
hier mit Erfolg cultivirt werden können, und seit einigen Jahren ver¬
spricht die Cultur des blauen australischen Gummibaumes (Eucalyptus
globulus) die günstigsten Resultate, hoffentlich auch hinsichtlich der
Beschränkung der grössten Geissei der Insel, der Malaria. Der Boden
ist hier an einzelnen Stellen so fruchtbar, dass ein französischer In¬
genieur mit einem Schein von Recht zum Minister Choiseul, dem er
über die Insel Bericht erstattete, sagen konnte, man brauche nur einen
Stock in den Boden zu stecken, und er würde Wurzel schlagen.
Weniger reich als die Flora ist die Fauna der Insel. Die Haus¬
siere sind ebenso wie das Wild: Hirsche, Wildschweine, Hasen und
Füchse durchschnittlich sehr klein, ihr Fleisch jedoch schmackhaft. Ein
der Insel eigenthümliches Thier ist der Mouflon, eine sehr hurtige
Gazellenart, die nur in den höheren Gebirgsrcgionen lebt und sich 30
bis 40 Fuss tief auf ihre Hörner herabfallen lässt, ohne sich zu ver¬
letzen, Vom Geflügel sollen sich besonders die Amseln durch ihr saftiges
und würziges Fleisch, dessen aromatischer Geschmack dem Genuss der
Myrthenbeeren zugeschrieben wird, auszeichnen.
Die reissenden Gebirgswässer liefern vorzügliche Forellen, das aller¬
dings im Verhältniss zum atlantischen Ocean fischärmere Meer Sardinen,
Thunfische, Aale, Seezungen und vorzügliche Austern. Giftige Thiere
scheinen gar nicht oder doch nur sehr selten vorzukommen. Costa
verzeichnet nur eine Vipernart, der Verfasser des „Guide“ dagegen eine
rothe Ameise und eine Spinne, deren Stiche selbst tödtlieh werden
können sollen. Da jedoch zugleich Opiumpillen als ein sicheres Gegen¬
mittel bezeichnet werden, so wird es wohl nicht so ängstlich damit sein.
Die grösste Geissei der Insel ist die Malaria, welche dort mit einer
seltenen, ganz ausserordentlichen Heftigkeit zu wüthen scheint, so
zwar, dass in einzelnen Gegenden kein einziger Bewohner davon ver¬
schont bleibt und ein Aufenthalt von 2 Nächten genügt, um das Fieber
zu acquiriren. Costa bezeichnet sie denn auch als die wesentlichste,
ja fast alleinige Ursache aller derjenigen Krankheitszustände, welche
die Militärdienstunfähigkeit begründen. Ein grosser Theil der flachen
und sumpfigen Ostküste, wie z. B. die Ebene von Aleria, wird dadurch
geradezu unbewohnbar gemacht}, und die daselbst vorherrschenden Ost¬
winde führen die giftgeschwängerte Luft durch die Flussthäler selbst in
höhere Regionen hinauf. Ungleich weniger hat die steilere und deshalb
relativ gesundere Westküste davon zu leiden, obwohl es auch hier ver¬
einzelte, sehr berüchtigte Localitäten giebt. Die schädliche Wirkung
dieser so intensiven Malaria auf den allgemeinen Gesundheitszustand
wird noch dadurch erhöht, dass ein grosser Theil der ärmeren Berg¬
bewohner genöthigt ist, im Sommer der Ernte und Viehzucht wegen
in die fruchtbare Ebene herabzusteigen und sich dort Monate lang und
zwar gerade in der fieberreichsten Zeit von Mai bis September aufzu¬
halten. Wenn trotzdem Corsica hinsichtlich der Militärdienstbrauchbarkeit
seiner Bewohner unter allen französischen Departements die erste Stelle
einnimmt, so spricht dies gewiss in hohem Grade für die sonstige
Salubrität der Insel. Andere en- und epidemische Krankheiten scheinen
denn in der That auch selten zu sein, namentlich auch Cretinismus
wenig oder garnicht vorzukommen. In den höheren Regionen sind, wie
überall, entzündliche Krankheiten vorherrschend. Die Kindersterblichkeit
in den ersten 5 Lebensjahren beträgt 64 pro Mille, in Frankreich da¬
gegen 73 bis 74.
Nach dieser allgemeinen naturwissenschaftlich und medicinisch-
topograpischen Skizze der ganzen Insel sei es mir nun vergönnt, in
folgendem eine kurze Beschreibung von Ajaccio als klimatischem Cur-
orte und den Heilquellen Corsicas zu geben.
Ajaccio, Hauptstadt der Insel und des Departements, mit 16545 Ein¬
wohnern, liegt am Grunde und an der nördlichen Seite einer Bucht
der Westküste am Fusse einer etwa eine Meile breiten und c. 230 M.
hohen, übrigens bis zum Gipfel mit Wein und Getreide bebauten, steil
zum Meere herabfallenden Landzunge. Durch diese Lage ist es gegen
die wegen ihrer Stärke und niedrigen Temperatur am meisten ge¬
fürchteten Nord Westwinde (Mistral) so ziemlich geschützt, jedoch bahnen
sich dieselben doch durch die Thaleinschnitte zuweilen ihren Weg bis
in die Stadt, erreichen sie dann aber nur erheblich abgeschwächt und
fast als Nordwinde. Gegen die meist feuchten und frischen Westwinde
liegt die Stadt vollkommen offen, während Nord- und Ostwinde nur
selten und schwach fühlbar sind. Die wegen ihrer belästigenden feuchten
Wärme gefürchteten Südwinde (Sirocco) sind im Winter äusserst selten,
so dass mein Patient sie garnicht kennen lernte. Der Vortheil dieser
gegen die allgemeinen und am meisten belästigenden Luftströmungen
geschützten Lage wird keineswegt geschmälert sondern nur erhöht durch
die mässige Land- und Seebrise, welche hier mit einer seltenen Regel¬
mässigkeit, fast wie auf den Antillen, weht und sowohl der Einwirkung
der Sonnenstrahlen wie der nächtlichen Ausstrahlung des Bodens tempe-
rirend entgegenwirkt. Während es auf der anderen Seite der Insel
regnet, und Schnee im Gebirge fällt, ist die Witterung in Ajaccio und
seinem Golf mild und still. Die täglichen Temperaturschwankungen
sind gering und wenig fühlbar. Nur mit Sonnenuntergang tritt regel¬
mässig eine auffallende Temperaturerniedrigung ein, welche etwa 1 / 2 bis
1 Stunde lang andauert und von den Patienten durch Aufsuchen der
Zimmer zu meiden ist. Der wärmste Theil in der Umgebung Ajaccio’s
liegt am Meeresufer. Hier ziehen sich viele, wenige Hundert Schritt
lange Hügel von dem inneren der Landzunge traversenartig senkrecht
gegen das Meeresufer herab und bilden kleine, vollständig geschützte
Tbäler, welche sämmtlich als Gärten angebaut sind, in denen neben
Wein, Mandeln und Oliven, Orangen, Citronen und selbst Datteln reifen.
Das Regenwasser zieht schnell in den Boden ein, so dass man schon
eine Stunde nachher ausgehen kann, ohne Feuchtigkeit und Schmutz
fürchten zu brauchen. Die speciellen Witterungsverhältnisse gehen aus
der folgenden Zusammenstellung der in dem sechsjährigen Zeitraum
von 1868 bis 1874 in den 7 Saisonmonaten gemachten Beobachtungen
hervor.
Thermometer im Schatten
Barometer
n 2
p «iS
und nördlich
er Lage
25 M. über
d. Meeres-
ca
eo£
•ä c 'S
g % jg
Witterung im
Allgemeinen
Maxima
Minima
Monat
Spiegel
M ^3 *
cS
^ 2 tu
3
Mittel
Morgens
Mittags
Abends
Morgens
Mittags
Abends
Maxima
Minima
Mittel
p <8
2
K? 3
M«lO
ganz kla
•§
S
.S
"3
bedeckt
Regen
Octobr.
16,5
23
30
26
7,5
10,2
8,4
762
744
758
73,5
12
6
6
6
Novbr.
11,5
20
24
18,2
6,5
9,7
8
767
742
758
75
13
5
6
6
Decbr.
8,5
15
21
17
1,5
5,6
3
766
738
758
75
12
6
7
6
Januar
8,5
13
18
14
1
5,3
2,6
771
747
759
76
15
5
6
5
Febr.
9
17
19
17
3,5
10
6
772
739
759
77
15
4
6
3
März
10,5
18
22
18,5
3
11
5
768
739
755
78
12
6
9
4
April
13
18
23
19
6
14
3,5
764
746
758
79
15
5
7
4
(Schluss folgt.)
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. Der vor kurzem ausgegebene „Medicinal- Kalender
für den preussischen Staat auf das Jahr 1879“ zeigt für
den, welcher denselben mit dem vorjährigen vergleichend durchmustert,
wieder zahlreiche Vermehrungen und Verbesserungen. Im Calendarium
gewähren uns wieder eine Reihe von Namen, deren Gedenktage neu
hinzugekoramen sind, einen Einblick in die Verluste, die uns das Vor¬
jahr an hervorragenden Männern unseres Faches gebracht hat: die
Namen Wunderlich, Stokes, E. II. Weber, Claude Bernard,
Jul. Rob. Mayer (Rokitansky ist leider, wohl durch ein Versehen,
weggclassen), die wir neu verzeichnet finden, zeigen, dass diese Ver¬
luste im verflossenen Jahre ganz besonders schwere gewesen sind. In
die durch die neuesten Erwerbungen der pharmaceutischen Therapie
vervollständigte Ucbersicht sämmtticher wichtiger Arzneimittel sind
jetzt die Arzneidosen für die subcutanen Injectionen und Inhala¬
tionen — ausser ihrer Zusammenstellung in besonderen Tabellen —
vollständig eingereiht worden: in der „Anleitung zur diagnostischen
Harnuntersuchung“ hat die Prüfung auf Indican eine Stelle gefunden,
auch die anderen Prüfungsmethoden, z. B. die auf Zucker, einen Zuwachs
erhalten. Die im vorigen Jahre neu hinzugekommene „praetische An¬
leitung zur chemischen Trinkwasseruntersuchung“ ist aufs neue durch -
gesehen und bearbeitet worden. Dass auch das „Verzeichniss der vor¬
züglichsten Brunnen- und Badeörter“ wieder eine sehr sorgfältige Re¬
vision erfahren hat, dafür sprechen eine grosse Reihe Veränderungen
und Zusätze, die in diesem Abschnitte zu linden sind. Im zweiten
Theile des Kalenders finden sich unter den das „Civil-Medicinalwesen
betreffenden Verfügungen etc.“ einige besonders wichtige, so die Ab¬
änderungen, welche die Impfforraulare nach Bundesrathsbeschluss vom
5. September d. J. erhalten haben, die Circular-Verfügung vom 3. Juni
1878, betreffend die Reiteration von Recepten, das Gutachten der wissen¬
schaftlichen Deputation betreffend die Untersuchung der Speckseiten
und des Schweinefleisches auf Trichinen u. a. m. Aus dem statistischen
Materiale des II. Theiles theilen wir folgende Zahlen mit. Die Zahl der
Aerzte betrug bei einer Einwohnerzahl von 25742404 pro 1878 8223,
pro 1877 8125, die der Wundärzte 149, resp. 156, die der Zahnärzte
251, resp. 253 (die der letzteren zeigen also eine kleine Abnahme), die
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
25. November lS^*
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
705
der Apotheker 2421, resp. 2403. In Berlin betrug die Zahl der Aerzte
pro 1878 907, pro 1877 888, die Zahl der Wundärzte stieg auf 11 gegen
9 des Vorjahres, die der Zahnärzte sank dagegen auf 49 gegen 54 des
Vorjahres, die Zahl der Apotheken ist auf 70 gegen 64 des Jahres 1877
angewachsen.
— In der Woche vom 13. bis 19. October sind hier 540 Personen
gestorben. Todesursachen: Masern 1, Scharlach 23, Diphtherie 37,
Kindbettfieber 3, Typhus 9, Ruhr 3, Gelenkrheumatismus 1, Syphilis 2,
mineralische Vergiftung 1 (Selbstmord), Brandwunden 1, Sturz 3, Er-
schiessen 1 (Selbstmord), Stichwunde 1 (Selbstmord), Folge von Opera¬
tion 1, Erhängen 2 (Selbstmorde), Ertrinken 1, Lebensschwäche 32,
Bildungsfehler 3, Atrophie der Kinder 8, Abzehrung 25, Altersschwäche
8, Krebs 9, Wassersucht 3, Herzfehler 9, Hirnhautentzündung 7, Gehirn¬
entzündung 7, Apoplexie 21, Tetanus und Trismus 11, Zahnkrämpfe 7,
Krämpfe 36, Kehlkopfentzündung 9, Croup 6, Pertussis 6, Bronchitis 24,
Pneumonie 23, Pleuritis 3, Phthisis 52, Peritonitis 5, Diarrhoe 32,
Brechdurchfall 32, Magen- und Darracatarrh 11, Nephritis 8, Blasen¬
leiden 2, andere Ursachen 51, unbekannt 1.
Lebend geboren sind in dieser Woche 429 m., 411 w., darunter ausser-
ehel. 46 m., 67 w: todtgeboren 18 m., 18 w., darunter ausserehel. 4 m., 1 w.
Die durchschnittliche Sterblichkeit während dieser Woche beläuft
sich auf 27,1 pro Mille der wahrscheinlichen Bevölkerungszahl, die ent¬
sprechende Geburtenziffer auf 42.2 pro Mille (beide Summen mit Aus¬
schluss von 1,8 pro Mille Todtgeborenen).
II. Amtliche Mittheilungeii.
Perflonalia.
Auszeichnungen: Seine Majestät der König haben Allergnädigst ge¬
ruht, dem Marine-Assistenzarzt 2. Classe Dr. Fischer den Königlichen
Kronen-Orden 4. Classe und dem Sanitätsrath Dr. med. Gottlieb
Eduard Hildebrandt zu Berlin den Character als Geheimer Sanitäts¬
rath zu verleiben.
Anstellungen: Der seitherige Kreiswundarzt Dr. med. Andr6e zu
Stade ist zum Kreisphysicus des Kreises Neuhaus a./d. Oste und der
Arzt Dr. med. Herwig zu Minden zum Kreiswundarzt des Kreises
Lehe ernannt worden.
Niederlassungen: Dr. Runge, Dr. Hirschberg, Dr. Lehrs,
Dr. Lange, Dr. Wernich, Dr. Diester weg, Dr. G lauert,
Dr. Greve, Dr. Moericke, Dr. Schmetzer, Dr. Cohn, Dr.
Schmeisser, Dr. Weyl, Dr. Conrad und Arzt Fabian in Berlin,
Dr. Schwechten in Owinsk, Dr. Aron in Zdunv, Dr. Chodkiewicz
in Storchnest, Dr. Schnelle in Brackwedc, Dr. Sippel in Gemünden,
Dr. Breitbarth in Borken, Arzt Sch mi thu isen in Aachen, Dr.
Wallach in Düren, Zahnarzt Polomski in Posen.
Verzogen sind: Dr. von Sassen von Berlin nach Langensalza,
Arzt Laudowicz von Grätz nach Gnesen, Arzt Toraaszewski von
Storchnest nach Rawitsch, Dr. Heinemann von Gemünden nach
Frankenberg, Arzt Schroeter von Cassel nach Wiehlen, Zahnarzt
Engelhardt von Berlin nach Celle.
Apotheken-Angelegenheiten: Apotheker Kaumann hat dieKah-
nemann’sche Apotheke in Berlin, Apotheker Haemmerlein die
Rademacher’sche Apotheke in Berlin, Apotheker Philippona die
Ring 1 .sehe Apotheke in Berlin, Apotheker Eggebrecht die Struwe-
sche Apotheke in Bergen a. R., Apotheker Heinrichsdorff die
Rothe’sche Apotheke in Brätz, Apotheker Sievers die Stamm’sche
Apotheke in Kassel gekauft. Dem Apotheker Jasinski ist die Ad¬
ministration der Brandenburg’schen Apotheke in Posen übertragen
worden.
Todesfälle: Sanitätsrath Dr. Klapproth, Dr. Aron und Dr. Har¬
tung in Berlin, Kreiswundarzt Hartmann in Treptow a./T., Kreis¬
wundarzt Dr. Kuntze in Kosten, Kreisphysicus Sanitätsrath Dr. Sel-
berg in Rinteln, Apotheker Stamm in Kassel.
Bekanntmachungen.
Das Kreisphysikat in Tönning, Kreis Eiderstedt, ist vacant. Gehalt
900 M. ohne Pensionsberechtigung. Gesuche sind unter Nachweisung
der Befähigung binnen 6 Wochen bei uns einzureichen.
Schleswig, den 13. November 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Die Kreiswundarztstelle des Mansfelder Seekreises, mit dem Wohn¬
sitze in Eisleben, ist erledigt. Geeignete Bewerber wollen sich unter
Einreichung ihrer Zeugnisse und eines kurz gefassten Lebenslaufes inner¬
halb 6 Wochen bei uns melden.
Merseburg, den 13. November 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Die Kreiswundarztstelle für den Stader Marschkreis (Aemtcr Frei¬
burg und Jork) ist anderweit zu besetzen. Aerzte, welche das Physikats-
examen bestanden haben oder sich verpflichten, dasselbe binnen zwei
Jahren zu absolvircn, werden aufgefordert, sich unter Einreichung ihrer
Zeugnisse innerhalb 4 Wochen bei uns zu melden. Die nach Ablauf
dieser Frist etwa noch eingehenden Bewerbungen bleiben unberück¬
sichtigt. Dass der Kreiswundarzt sich am Sitze des Kreisphysikus nieder¬
lässt, ist zwar wünschenswert, jedoch können auch Bewerber, welche
an einem anderen Orte des Kreises wohnen, Berücksichtigung finden.
Stade, den 7. November 187S.
Königliche Landdrostei.
Inserate«
Bekanntmachung.
Bei der Pro vinzial-Irreh-Anstalt zu Schwetz ist die Volontairarzt-
stelle zu besetzen.
Die Bedingungen der Anstellung und die mit der Stelle verbundenen
Emolumente sind bei dem Unterzeichneten zu erfahren. Junge Aerzte
werden ersucht, ihre Bewerbungsgesuche hierher einzurcichen.
Danzig, den 6. November 1878.
_ Der Landes-Director der Provinz Westpreussen. _
In einer Stadt Westpreussens, 3000 Einw., findet ein jüngerer Arzt
sofort Praxis. Frank. Offerten sub D. S. 129 bef. d. Exped. d. Bl.
Für Aerzte.
Die Stelle eines Arztes hierselbst ist erledigt. — Der Bezirk, auf
den sich die Praxis ausdehnt, zählt pr. pr. 6000 Seelen, darunter die
hiesige Stadt mit 1250 und auf 15 Minuten Entfernung ein Ort mit
nahe 1100 Seelen, meist ackerbautreibende Bevölkerung. Der bisherige
Arzt bezog 1100 Mark Fixum. Apotheke ist hier vorhanden. Nächster
Arzt 2 Meilen entfernt.
Auf die Stelle ruflectirende Herren Aerzte wollen sich baldgefdlligst
an den Unterzeichneten wenden.
Hallenberg, Kreis Brilon, den 13. November 1878.
Der Amtmann:
_ Linke. _
Bekanntmachung,
die Niederlassung eines Amtes betreffend.
Für die Landgemeinden Breitenbrunn, Rittersgrün, Breitenhof und
Steinheidei, mit einer Gcsammtbevölkerungszahl von ungefähr 5200 Seelen,
macht sich nach dem Ableben des Wundarztes Rebentrost in Breiten*
brunn die baldige anderweite Niederlassung eines Arztes mit dem Wohn¬
sitze in Breitenbrunn dringend erforderlich.
Dem künftigen, in Breitenbrunn wohnhaften Arzte ist eine Staats¬
beihilfe im Betrage von jährlich 600 Mk. und ein von den beteiligten
Gemeinden bewilligtes Sustentationsquantum von jährlich 250 Mk. gewähr¬
leistet worden.
Die Unterzeichnete Königlich Sächsische Amtshauptraannschaft, wie
der Unterzeichnete Königliche Bezirksarzt bringen solches zur Kenntniss
der Herren Aerzte, erbitten sich etwaige Anmeldungen und erklären
sich zu weiterer Auskunftsertheilung gern bereit.
Schwarzenberg, am 18. November 1878.
Königlich Sächsische Amtshauptmannschaft. Der Königliche Bezirksarzt.
_ Freiherr Blniig. _ Dr. W. Hem.
Allgemeines Krankenhaus
ZU
Hamburg
sucht einen Assistenzarzt» der am 1. Januar 1879 antreton kann.
Meldungen und Testimonia gefl. an den stellvertret. Hospitalarzt
_ Dr. Blilir.
Assistent f. m. Augenklinik gesucht zum 1. Decemb. Gehalt 900 M.
Freie Wohnung. Cocln. Dr, Georg Schmitt. _
Ein Arzt
will einem Collegen seine gute Praxis in einer Gymnasialstadt
gegen eine mässige haare Vergütigung übergeben, aber sofort.
Offerten sub A. B. 131 d urch d. Exped. d. Blattes. _
Für einen thätigen Arzt bietet sich sichere Existenz in Gniewkowo.
Umgegend deutsch; Aussicht auf vacante Kreiswundarztstelle. Nähere
Auskunft der Ma gistrat. _
Ich suche für den Winter einen jungen Arzt als Assistenten.
Dr. Praetorlnt in Catzeneinbogen (Nassau).
Ass|stenzarztǤtelle.
Bei der inneren Abtheilung des hiesigen Bürgerhospitals wird mit
dem 3. Januar 1879 eine Assistenzarzt-Stelle, welche mit freier Station
und einem Jahresgehalte von 600 R.-M. dotirt ist, vacant.
Die Herren Aerzte, welche auf diese Stelle, bei welcher keinerlei
Privatpraxis gestattet ist, refiectiren, wollen ihre desfallsigen Gesuche
unter Beifügung ihrer Approbation als Arzt, Wundarzt und Geburts¬
helfer, sowie ihres Curriculum vitac spätestens bis zum 1. December c.
hei der Unterzeichneten Stelle einreichen. Persönliche Vorstellung ist,
wenn auch nicht nöthig, doch erwünscht.
Cöln, den 28. October 1878.
Die Armcn-Deputation.
_ Pc 1 man. _
Arztstelle
in No. 45 sub II. S. 125 besetzt; den Herren Bewerbern besten Dank!
Ein unverheirathetcr Arzt, früher Assistent einer Universitätsklinik,
dem sehr gute Zeugnisse zur Seite stehen, wünscht eine Stellung als
Assistenzarzt, am liebsten an einem gyideologischen Institut oder einer
Poliklinik. Gef. Offerten su b D. B. 133 durch die Expedition des Blattes.
Ein junger Dr. :ned., pract. Arzt, seit 2 Jahren Assistenzarzt einer
Universitätsklinik, wünscht ungefähr von Mitte Januar ab einen älteren
Herrn Collegen zu vertreten. Offerten unter M. S. No. 132 durch die
Expedition d. Blattes.
Digitized b)
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Original fru-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
706
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 47
Verlag von August Hirschwald in Berlin.
Soeben erschien und ist durch alle Buchhandlungen zu beziehen:
Medicinal - Kalender
für den Preussischen Staat
auf das Jahr 189B.
Mit Genehmigung
Sr. Excellenz des Herrn Ministers der geistl., Unterrichts- und
Medicinal - Angelegenheiten
Md mit BeimtZMg der Ministerial-Acten.
Zwei Theile.
I. Th. als Taschenbuch elegant in Leder gebunden. II. Th. brochirt.
Preis 4 M. 50 Pf. (I. Theil mit Papier durchschossen 5 M.)
Im Verlage Ton Friedrich Wreden in Braunflchweig
ist soeben erschienen und in allen Buchhandlungen zu haben:
Die
Hautkrankheiten
für
Aerzte und Studirende darge stellt
von
Dr. Qustav Bohrend,
pract. Arzte ii Berlin.
Mit 28 Holzschnitten.
Preis: Geheftet M. 8. Gebunden M. 9.
Der Verfasser, seit einer Reihe von Jahren auf dem Gebiete der
Dermatologie practisch thätig, hat in dem vorliegenden Buche in ge¬
wandter Form eine ebenso gründliche wie anschauliche Darstellung der
Hautkrankheiten geliefert, indem er das in der Literatur vorhandene
Material gesammelt und dem Bedürfnisse der Aerzte und Studirenden
entsprechend in möglichst objectiver Weise zusammengestellt hat. So
füllt das Buch eine Lücke in der medicinischen Literatur aus und dürfte
dem angehenden Mediciner ein ebenso sicherer Führer als dem Practiker
ein treuer Rathgeber sein.
Ein seit 4 Jahren auf dem Lande practicirender Arzt, der sich
schon als Student mit Vorliebe der Augenheilkunde gewidmet und eine
Dissertation über S geschrieben hat, sucht behufs specieller Ausbildung
eine Assistentenstelle in einer grösseren Augenklinik.
Adressen in der Expedition des Bl. sub P. H. 130. _
Ein junger
Arzt,
der bereits drei Jahre auf dem Lande practicirt hat, sucht einen lohnen¬
deren Wirkungskreis. Gell. Offert, unter E. U. 575 an die Annoncen-
Expedition von Haxsenstein <fc Vogler in Leipzig erbeten.
Ein jüngerer Arzt, der sieh als mehrjähriger Assistent an der Nervcn-
abtheilung einer Klinik hauptsächlich mit Neuropathologie» Elec-
trotherapie etc. beschäftigt hat, wünscht eine Stellung als dirigi-
render oder theilhabender Arzt an einer Heilanstalt seines Specialfaches
(Kaltwasserheilanstalt) zu übernehmen. Offerten sub M. 6861 an Rudolf
Mosse, Frankfurt a. M. _
Eine gebildete Frau, die fast ein Jahr Schwester, und mit jeder
Art Krankenpflege und den Handleistungen bei Operationen vertraut ist,
möchte privatim die Pflege in einer Klinik, unter Leitung des Arztes,
übernehmen. Meldungen unter : Krankenpflege — in der Exp, d. Bl.
.. ~~~~ ~ Mentoiie. ~ "
Aufnahme von Pensionären in’s Haus.
_ Dr. Jetten,
Am 15. October nehme ich meine Winterpraxis in Sanremo wieder auf.
Lippspringe, im September 1878. Dr. von Brunn.
Den verehrten Herren Collegen hiermit zur Anzeige, dass ich vom
1. November ab in Sanremo practicire. Behandlung Lungenleidender
vermittelst Stickstoffinhalationen nach der Methode von Dr. Treutier
in Bl asewitz. _ Dr. Porten.
Or. med. H. Mahr (AitHanuthausen) practicirt während der Winter-
monate in Wiesbaden. (Electrotherapie und Massage.)
Br. A. Chrimteller (Schweiz) nimmt am 1. October 1878
seine Praxis in Ilordighera-Riviera wieder auf und wohnt im Grand
H&tel de Mordighera.
— Dr. Richard Schmitz aus Neuenahr practicirt wie alljährlich
in Bordighera und wohnt Hotel d’Anglcterre._ _
Rechnungen pro Hundert 1 M. 75 Pf.
zum Gebrauch für die Herren Aerzte, liefern auf schönem Briefpapier.
Bei Entnahme von mindestens 300 Stück wird die Rechnung genau nach
ein gesendetem Schema mit Namen, Stand und Wohnort gedruckt. Bei
der Bestellung bitten wir den Betrag heizufügen.
Kr o tose hin, Prov. Posen. B. L. Monasch & Co.
Eine Privat-Anstalt für Nerven- und Geisteskranke (Berlin) ist zu ver¬
kaufen. Adressen Berlin LI irsehwald’schc Buchhandlung sub R. K. 134.
Winterkur zu Aachen,
wirksam bei chronischem Rheumatismus und Gicht, bei Haut¬
krankheiten, Lähmungen, Contracturen der Glieder, Steifheit
der Gelenke, bei den üblen Folgen der Knochenbrüche, der
Quetschungen und Verwundungen, bei chronischen Vergiftungen
mit Blei oder Quecksilber, bei Resten von Syphilis und bei
Scropheln. Acht besteingerichtete Bäderhäuser mit heizbaren
Zimmern. Douche-Dampfbäder, Theater, Concerte und andere
Unterhaltungen. Mildes Winterklima. Prospecte gratis. Aus¬
kunft giebt die Bade-Direction.
Winter-Kurort. — Meran in Südtyrol.
1076' ü. d. M., vorwaltend trockenes, gemässigtes Alpen-Klima;
grösste Windstille» meist heiterer Himmel, reine Gebirgsluft, muster¬
hafte Einrichtungen; Bäder, pneumatische und Inhalations-
Anstalt; comfortable Wohnungen. Preise für einzelne Zimmer 10 bis
40 Fl. monatlich, für Pension mit Zimmer 2 bis 4 7* Fl. täglich.
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Dr. J. Pircher, Kurvorsteher.
St. Andreasberg im Harz.
2000' hoch.
Auf Anregung des Unterzeichneten haben sich die hiesigen Herren
Lehrer entschlossen, eine Pension für Kinder (Knaben und Mädchen),
denen vom Arzte ein Gebirgsaufenthalt verordnet wird, einzurichten.
Dem entsprechend ist der möglichst ausgedehnte Genuss der reinen
Gebirgs- und Waldluft das oberste Princip, erst in zweiter Reihe ran-
girt der Unterricht. Der Plan zu dieser Pension ist derartig entworfen,
dass die Kinder zu 2 oder 3 in den Familien der Herren Lehrer unter¬
gebracht und von diesen unterrichtet werden. Die Anzahl der täglichen
Unterrichtsstunden wird vom Arzte bestimmt und soll zunächst nicht
mehr als zwei betragen, doch können die Knaben bis zur Tertia eines
Gymnasiums gebracht werden. Bäder werden zum Theil im Hause ver¬
abfolgt. Der Pensionspreis geht von 750 M. aufwärts, je nach den An¬
forderungen ertheilt Dr. Ladentforf.
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Charlottenburg. Dr. Sponholz.
Verlag und Eigenthum von August Hirschwald in Berlin. — Gedruckt bei L. Schumacher in Berlin.
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Original fru-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Dtd BwHnsr KHnisoi» WojOienifthnft Erschein t j«d»Q
HoMag to AftrMarlr* *t>n v»anig*Wna 14 ficgen gr. 4 .
?reis TWttaljAhj'lid» 6 Mark. ße*teifan£#B nähmen
alle ÜncKb&ad) sogen uad Po«- sa».
BERLINER
Beiferlge - wolle man portofrei an die Kedaciion
(T3. W, Dordtheeastr. TS: 7JM oder an die Tet-
ie^ebnekbaBdlpnür »ob Au~n?t Hirsehwald in üar-
11 b (JS T . W. Datei den Linden 68.) eineenden.
KLINISCHE AV0C1IENSCIIEIFT
Organ für praetische Aerzte«
Mit Berücksichtigung der preussischen Medicinalverwaltüng und Medicmalgesetzgebung
nach amtlichen Mittheilungen,
Redacteur: Prof Dr. L. Waldenburg. Verlag von August HirschwaM in Berlin.
Montag, den 2, Decetnber 1878.
3W 48 .
Fünfzehnter Jahrgang,
Inhalt; T. Leyden; lieber spastische Spinailäbinuag v — IL Halber: Süheniane Z.tiTruis«Viti^.dhi Urethra an» Foriaaeum durch Stoss. Para-
ecjotesis eeaicae ormariae. Eröffn ang eines am Perinäeura emstaadenen Ahsct#s«jj, bfefpjßg. — Ht '^•^jjienbu.fg: Pulsnhr .und.-Pol*
(Schluss). — IV. Rnirrmh (fiutt-man a :• Jahrbuch far pmetischo Aerzte) ~~ V. YvOMudtun^fi .iiczt-lichej; (fesnUschaffen (Allgemeiner
ärztlicher Verein in Oüin). — VL Feuilleton (Brunner: Cörsica Und säinn Kmorit- [Schlass] - Ta-g^sgesehicht-liche Notizen). —
VII. Amtliche MltthaUaugcn. — Inserate
U lieber spastische Spiaatliihmattg.
(»rtraig, /gfcbälteh. m ifat Berliner jnoüicini^ch-psyohologisdten
G^etUciiaid.)
Von
JE. X» eitlen*
M- Tif K*i*t raeme Absicht, Ihnen heute meine A» nieten
imü ErfaLrmigeK -über denjenigen; Sywptumfttt^OoropWx yotzu*
rmut.ni. welchen W, Erb mit dom JSatei* .Njctsti.sehen Spüiai-
par&Iy^AN öharoot r»|t (fein _$arhte der. Tate’.- späsmodina
JbÄfcgt hat Id* bin hfemi um sv muht veranlagt, als ich
. bereite vor telirtefi Jahreti in merour KUfek der Kucken-
m o rkAkr&nk heite»b (II. p. 44$) > kürz nachdem die ,erste PnbVo
Nation von Erb erschienen war,’isieinett Standpitökt mit wenigen
Worten kwid gegeben« meine damaligen Bemerkungen aber. itnWir<
Strom# dur Laiaatederose fürtgexlfeeu. so pit wie onbe&ohivt
geblieben ?imi Ila teb glaubt; damals aaSgesprbffbüpp
Auffassung auch heute noeb aufrecht erbaUeu zu ■ sollen- so
schien es mir nicht ungeeignet. .diese« Gegenstandvier -sich
eiiies allgetfietüvb Tüter^tes.' de? Aerte erfreut hier as'r Be-
spröcbung zu bringen. Ich Werde. mich dabei freilich nicht
tun an! eigene Beobacht«pgen beraten, sondern auch Kritik
an fremde „ütdtesen; allein ich glttybu, dgss heut zu
..Tage- eviic oidgetiyc Kritik wohl am Platze fei.- da «ich in der
Lehre \nn den Effckeumai‘k^kranbbettetc ^ß'eowävtf^ eU ■ge-
wisst«-' hi’hetmUi^iteu geltend macht, welche« die wahre ikdea-
tiuig der gewmmenen Thatsacheu iü- m.ti Xa : ls.cb<»s;-iJciM..-zu -.stelleiv.
droht.
Wie lhoen bekannt* bat W, Erb im Jahre 1^7-5 r<mY$l m
der Wanderversam/nluhg der Nerven* nad Irrenärzto vm Heppen¬
heim: ^Lebev aVnen wenig hekaAmteu spinalen Symptomen-
.cori!tplas i, ' > #Aüeo Vo7t,r.ag welcher in dem ProtncoB
dieser A er^amniE?n^r und bald darauf auch in der Berliöer kltob
Kclitm Woolürirso/i t i/1 (i M7A No, 2b) reröffeullicht worden ist, hi
diesem Vortrag hat Erb über eine KeiJu 1 von Füllen spinaler
%rk rat»kul\u \ > vn eh t et-, wc?<• be von der progressiven spinalen
Paralyse, und der Tabes abgesomlert wordmi mussten, ■) deren
1) In dum. späteren Aufsatz« in Vi rcho^’s Archiv drück? sic-h der
Autor .bßstfjumv-r. aus und tagt: w dass • siel» dieser cyiaptomeu comp lex.
ia wesentliiiheu Buhkicn vou der Tabes» Üt-i mu!U]-l.-r, Sdurose, von der
tmnsvYUsäteti uad anderen Fonovii dar clhl'ÖU^aheü' BSüdkßttiJMkrks-
totikhjuttih. üiitctscheidet tt
i patjndogi^clie Ahfttontie fr»/.vhtih unch nicht bekannt sei. Eh
, handele sich on? cinr chroihsrlje Rückenraark^kratikhoit, w cd che
S hüniig. aller öjeht immer init ^eüsibien Kirizuiurscrsdit-inmigea.
I; regfilmässig: mit ^cüwäehe pjüd Ermüdung der unteren Extre-
! n\itäten fmgfxi.h^.-'r’feösttv'.-»iüh' bald Bcdzer^clieinnngeti mi- motu-
j risglum iTebiete (Tttriihergbhrodeinampfhaftr Zurkungon. Muskel-
| spamuinger.. selbst Krämpfe und Coutracturen) • biözugeselBeu.
! Am diesem eigv-nthiluijichari tJharactor det motnrisetei Syniptome
rosultttn der diaracteTistiHClie .Gang (>* j>a s t i* <• h v r G a ng: ß r b).
;!• Tmc Batfeuteii schleppen die .kl^bmi ; :.rnif.. 4'ük Fü^stmieri
am Btidtyn und sfco^i^eti leicht ?Ui. Bei jedem STchritt mächeo
sie eine leicht hapfeude Bewegung ganzen Körptu-s. bedingt
durch eine refiectörische {Jcmiracfer der Wtulcnt^feskcdö. Später
gehen Hie auf den Zcfaön und haben die Neigung vorniiherzu-
läileh. Im ^tdtereä V^flaüf der Krätikheit uimüit die BchwAr3i?>
der ufiteTen Extreuiitäleu und die bfeifigkeit dei AIuskeln iti, m
dass da» Gehen stärk lietijäderfeiittiblii^älieh mirahgUch wird, üud
die Patienten nun genötüig«. sind, »m Bett zu liegen.- zuerst mit
steifgestreckten Ifeiucni m Extciisicmscuiitractür.; die aber weifen
hin tu. Flei»hms«3uiitracpdr;: ; iU)ergtjheir -kann. Ausser den Muskel-
Spannungen ritt onclTbcnicidcimHWarili: die aüfflUletide Steigerung
dt^r tSahneiindlexe, sowie der ßpife|JHie spinale, ferner das Fehlen
' der;; cior BlAaeii- und der G^$c-b1efc}jfe--
«chwichei Uwsdofe welche dieiser Kraukbcit
zu Grunde liegt* itwär nicht - bekannt*, doch geben die Unter-
iucbunge.n voti Dka .Äßlaltfeponite dafür, ciue *Schirose.
in den So ii;nsrräug^n des 0 öokvnfnarks (Laferalscleiose)
••m.vermäfhe». In dcji ^päteAeü aapfMliTlicheü Pubiicatione-u üb'#;
dii?.?efe Gegi&r^^riit ’ 1 ) hät ßrii niete wesentlich p&aek mehr
tegebraebtv uut* H&h Krank heit» bilii dorch eine Seihe von
eyldüterty van. «ißpoü frmiieh kein# dü rch
dfe Äutojvstc vnrv.olfetämligt war., Hinsichtlich der ..ändthmfechen
Grundlage M!(3£|£* aeiüe öNge> AfeiTOÜthnn^ tnit %immv %w arr
sieht anJVecbU ? )
Hiermit lehnte teh.Erb an die Lehre von der sytruijetrischeu
i) A T i'rrhow' , 9 Archiv Bei 70 1^71, in v. ZUth-s^ßn's &ammci-.-
werk.: W. Erb, Handbuch <fer RüjjkeumAckskr;inkhei-Irti.
:2) Yir.Che Vf’s Airhiv, p. ^ ^gjjär^hihdniQkes: «und wenn sich
weiterhJü hofahssleUeTi wir.dv»kwk -^tnpfftmetihild wirklich zu der
Scflerose der Scitetemnge• gdiptt — worftit.ich m-c'ine»H^tla kaum
zweifio“' •— etc.
Go gle
708
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 48
Lateralsclerose des Rückenmarks an, welche Charcot seit einigen
Jahren vorgetragen hatte, und welche mit so vielem Beifalle
vom ärztlichen Publicum acceptirt war. Seit 1865, besonders seit
1870 hatten sich die Studien des berühmten französischen Au¬
tors mit Vorliebe der primären symmetrischen Seitenstrangsclerose
zugewandt, von welcher Form L. Türck bereits 1855 einige
Sectionsbefunde publicirt hatte, welche aber seither nicht wieder
beschrieben worden war. Charcot wiederholte zuerst 1865,
dann 1870 diesen anatomischen Befund und suchte das kli¬
nische Krankheitsbild desselben zu construiren. Er unterschied
zwei Formen dieser Lateralsclerose, die eine mit gleichzeitiger
Erkrankung der grauen Vorderhörner (Sclerose laterale amyotro-
phique), die andere ohne solche, die einfache bilaterale Seiten¬
strangsclerose. Für die erste Form hatte Ch. das Ihnen wohl-
bekante Krankheitsbild aufgestellt, welches im wesentlichen
characterisirt ist als Paralysie des quatre membres aveo rigidite
et amyotrophie. Für die zweite einfache Form hatte er kein
klinisches Krankheitsbild verzeichnen können. Für diese Lücke
bildeten nun die Beobachtungen von Erb eine willkommene
Vervollständigung: sie lehnten sich an die Lehre von der symme¬
trischen Lateralsclerose an, indem sie die Symptome der Rigi¬
dität (spastische Symptome) als ein characteristisches Zeichen
der Seitenstrangaffection betrachteten. Charcot hat denn auch
die Publicationen von Erb mit grosser Befriedigung begrüsst
und sie in allen Stücken acceptirt. Er hat daraus ein beson¬
deres Symptomenbild gemacht und als Tabes spasmo d i ca 1 )
bezeichnet, welches nicht wesentlich von der Beschreibung
Erb’s abweicht, nur wird es bestimmter dahin praecisirt, dass
nicht die einzelnen Symptome, welche auch bei anderen chro¬
nischen Rückenmarkskrankheiten Vorkommen können, 2 ) an und
für sich, sondern ihre Grappirung und Entwicklung das charac-
teristische der neuen Krankheitsform ausmachen. Namentlich sei
diese Form, im Gegensatz zur chronischen Myelitis (Sclerose),
dadurch ausgezeichnet, dass sie sich allmälig fortschreitend
entwickelt und auf die Motilität beschränkt bleibt, bei voll¬
kommener Integrität der Sensibilität und der Sphincteren.
Mit dieser Lehre von der Tabes spasmodica war demnach
der Anspruch verbunden:
1) Dass ein neues Symptomenbild chronischer Spinalaffec-
tionen gewonnen sei (characterisirt durch eigenthümliche spasti¬
sche Symptome in den afficirten Muskelgruppen), welches in
wesentlichen Punkten von der disseminirten und transversalen
Sclerose sowie der Tabes dors. abweicht und von diesen ge¬
sondert werden müsse;
2) dass zwar nicht mit absoluter Sicherheit, aber doch mit
grosser Wahrscheinlichkeit die einfache primäre Lateralsclerose
als anatomische Grundlage dieser Krankheitsform erkannt sei.
Der zweite Punkt war augenscheinlich die Hauptsache,
das Punctum saliens. Dies hat sich auch darin gezeigt, dass
im ärztlichen Publicum ziemlich allgemein diese spastische Form
schlechtweg als Lateralsclerose bezeichnet wurde. Die einzelnen
Symptome, aus denen das Krankheitsbild der Tabes spasmo¬
dica construirt ist, waren bereits früher hinreichend bekannt.
Erb hat auch in dem ausführlichen Aufsatze in Virchow’s
Archiv gesagt, dass seine neue Krankheit bereits eine gewisse
Vorgeschichte habe, allein er führt als solche nur die anatomi¬
schen Beobachtungen von Türck und Charcot über primäre
1) Progres möd. 1875/76. Le$ons p. 275. — Betons: These.
Versailles 1876. Etüde sor le tabes dorsal spasmodique.
2) „Nicht ein einziges Symptom gehört der Tabes spasmodica eigen-
thümlich an; die Diagnose wird nicht sowohl aus den einzelnen Sympto¬
men als ans ihrer Vertheilung und Entwicklung gestellt.“ Charcot:
V. Le$on: Du tabes dorsal spasmodique.
Seitenstrangdegeneration an. Charcot hat in seiner Vorlesung
angegeben, dass der eigenthümliche Gang bereits Olli vier be¬
kannt gewesen, denn er schildert denselben bei einigen Formen
von chronischer Myelitis in ganz ähnlicher Weise wie Erb. Nicht
erwähnt ist hierbei, dass auch in dem ersten Theile meiner
Rückenmarkskrankheiten (Abschnitt Symptomatologie) dieser
Art des Ganges gedacht ist 1 ). — Die Muskelspannung selbst,
sowohl die Rigidität, wie die Contracturen sind bei Gehirn-
und Rückenmarkskrankheiten, besonders seit Bouchard und
Charcot sie mit der Seitenstrangdegeneration in Zusammen¬
hang gebracht hatten, vielfach studirt und besprochen worden.
Ein ferneres interessantes Symptom, welches ebenfalls hierher
gehört, die sogenannte Epilepsie spinale, wurde 1860 von
Brown-Sequard in seinen Lectures on Paralysis of the lower
extremities Philadelphia 1860 in der bekannten classischen Weise
beschrieben und als ein Zeichen der dorsalen Myelitis angesehen 2 ).
Weniger bekannt ist, dass auch Seguin die spastische Paralyse
als eine besondere Form geschildert hat, unter dem etwas schwer¬
fälligen Namen der Tetanoid Pseudoparaplegia*). Hier¬
mit bezeichnet der Autor Fälle von Functionsstörung der Unter¬
extremitäten ohne eigentliche Lähmungserscheinungen, bei denen
vielmehr die scheinbare Paraplegie abhängig ist von einem to¬
nischen Contractionszustande der Muskeln. Die Sensi¬
bilität ist, wenn überhaupt, jedenfalls nicht in erheblichem Grade
gestört, dagegen besteht Taubheitsgefühl, vor allem erhöhte
Reflexerregbarkeit (Epilepsie spinale). Die Ursache dieser Affec-
tion ist, wie Seguin fand, meist eine Compression der Vorder¬
hälfte des Rückenmarkes in der Cervical- oder Dorsalpartie
durch erkrankte Wirbel oder Tumoren.
Was mich selbst betrifft, so hatte ich der spastischen
Symptome (Rigidität und Muskelspasmen) bereits im ersten
Theile meiner Rückenmarkskrankheiten gedacht und meine Mei¬
nung dahin geäussert, dass sie, bei verschiedenen diffusen Pro¬
cessen der motorischen Partien des Rückenmarks Vorkommen.
Weiterhin sind sie in der Symptomatologie der chronischen Mye¬
litis (Sclerosis stricte sic dicta; spinale Form der Sclerose) als
Symptome, die zu dieser Form gehören, angeführt und be¬
sprochen worden. Als besondere Krankheitsform habe ich sie
nicht behandelt und auch eine enge Beziehung zur Seitenstrang¬
sclerose nicht anerkannt.
Gegenüber der Lehre von der amyotrophischen symme-
1) 1. c. I, p. 121: „Ganz verschieden davon (sc: dem atactLschcn
Gang) ist der Gang vieler Formen von chronischer Myelitis, bei welchen
der Gang steif und schwerfällig, offenbar mühsam ist; dies ist sehr
häufig bedingt durch Contracturen einiger Muskeln, z. B. der Adductoren,
welche mit Mühe überwunden werden, ein freies Heben der Beine, ein
freies Ausschreiten nicht erlauben. Bei längerem Gehen steigern sich
die Contracturen, so dass diese oft sehr eigenthümliche Steifig¬
keit des Ganges mehr und mehr zunimmt.“ Auch im II. Theil ist
dieser Gang bei der chronischen Myelitis (Sclerose) nochmals eingehend
besprochen und dabei Olli vier citirt.
2) 1. c. Lect. HI, pag. 59: „Die Myelitis, welche auf eine kleine
Strecke der Dorsalgegend in ihrem mittleren Theile beschränkt ist, ge¬
hört nicht zu den Seltenheiten. Das am meisten characteristische Sym¬
ptom derselben besteht in häufigen Anfällen sehr heftiger, krampfartiger
Bewegungen in den unteren Extremitäten. Spontan oder auf einen äussern
Reiz werden die Unterextremitäten heftig bewegt, werden vollkommen
steif, zuweilen werden sie in Flexion heraufgezogen, so dass die Ferse
an die Hüfte stösst, zuweilen werden die Zehen heftig durch einen Krampf
der Mm. adductores gegen einander gezogen; etc. — in der Regel beweist
dies, dass die Entzündung oberhalb der Lumbar-Anschwellung gelegen ist*
3) Description of a peculiar paraplegiform. affection. Arch. of scient
and. pract- Med. New-York 1873 No. 2, referirt im Centralblatt f. d. med.
W. Auch C. Westphal hat in seiner Arbeit über die Sehnenreflexe
dieser Beobachtung von Söguin Erwähnung gethan.
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
2. December 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
709
frischen Seitenstrangsclerose habe ich mich überhaupt reservirt
veralten und, ohne den Erfahrungen anderer zu nahe zu treten,
doch hervorgehoben, wie mich meine eigenen Beobachtungen und
Untersuchungen zu abweichenden Anschauungen geführt hatten.
Diesen meinen Standpunkt habe ich vor kurzem, gestützt durch
neue Untersuchungen nicht nur aufrecht erhalten, sondern siche¬
rer und bestimmter formuliren können 1 ).
Auch in Bezug auf den Erb*sehen Symptomen-Complex
und seine vermuthlichen Beziehungen zur einfachen symmetri¬
schen Lateralsclerose hatten mich meine eigenen und die aus
der Literatur geschöpften Erfahrungen, wie ich sie in meiner
Klinik der Rückenmarkskrankheiten dargestellt habe, zu ab¬
weichenden Ansichten geführt. Die Symptome waren mir, über¬
einstimmend mit den Beobachtungen von Brown-Sequard,
im Zusammenhänge mit circumscripten (chronischen) Erkran¬
kungen des Rückenmarkes, besonders in seinem Dorsaltheile
erschienen, und ich hatte eine nicht wesentlich verschiedene
Schilderung der Symptome für die chronische Myelitis (Sclerosis
stricte sic dicta) gegeben. Dieser meiner Ansicht habe ich in dem
Capitel über die symmetrische Lateralsclerose durch eine kurze
Anmerkung Ausdruck gegeben, welche noch während des Druckes
eingrefügt werden konnte, 1. c. II. p. 445: „Natürlich können
nur anatomische Untersuchungen entscheiden, ob diese Vermuthung
(1. c. von Erb) richtig ist. Indessen möchte ich doch bemerken,
dass Erb’s Fälle mir besser zur chronischen Myelitis zu passen
scheinen, denn die Muskelrigidität ist, wie die obigen Fälle er¬
kennen lassen, ein häufiges Symptom der chronischen Myelitis
verschiedener Partien. Die besonderen Bedingungen dieser Ri¬
gidität scheinen noch sehr dunkel. Allerdings wird man auf
eine Erkrankung der motorischen Partien des Rückenmarks und,
da die Ernährung solcher Muskeln oft ganz intact ist, ohne Be¬
theiligung der grauen Substanz, also in der That der weissen
Vorder- und Seitenstränge zu schliessen haben, wahrscheinlich
aber in Form eines Herdes, nicht einer funiculären Degeneration/*
Ueber diese meine entgegenstehende Ansicht hat sich Erb
in seiner späteren Publication kurz hinweg gesetzt, indem er
(Virch. Arch. Separat-Ab. p. 8) sagt: „Leyden zweifelt an
der Zusammengehörigkeit (des fraglichen Symptomen-Compexes)
mit der Lateralsclerose, vermuthet vielmehr, dass es sich um
eine Herderkrankung im Dorsalmark handelt. Gegen diese An¬
sicht, die kaum einer ernstlichen Widerlegung bedarf (!), da
sie mit dem von mir geschilderten Symptomenbande kaum (!)
zu vereinigen ist 1 3 ), hat 0. Berger schon ein Reihe von
Gründen angeführt/* Sucht man nach dieser Reihe von Gründen,
so findet man bei Berger 1 ) folgende Sätze: „Ich möchte dem
gegenüber die ungleich grössere Wahrscheinlichkeit einer
funiculären Sclerose mit Entschiedenheit aufrechterhalten**, und:
„Abgesehen von dem meist symmetrischen Verlaufe der Krank¬
heit und von dem für eine Reihe von Fällen klinisch nachge¬
wiesenen allmäligen Fortschreiten des Processes nach aufwärts,
abgesehen von dem gezwungenen (?) der Annahme einer gerade
1) Vgl. meinen Aufsatz: Ueber die progressive amyotrophische Bulbär-
paralyse und ihre Beziehungen zur symmetrischen Seitenstrangsclerose.
Arek. f. Psych. etc. VHI. Heft 3. 1878. p. 641—688.
2) Die Voraussetzung, welche Erb p. 51 ausspricht, dass die Mye¬
litis transversa regelmässig auch von sensibler Lähmüng verschiedenen
Grades, Blasenschwäche, Decubitus begleitet sein müsse, ist durchaus will¬
kürlich, es sei denn, dass man unter Myelitis transversa eine Erkrankung
des ganzen Querschnittes verstehen wollte, was ebenfalls willkürlich
wäre. Vielmehr ist es hinreichend bekannt, dass die sensiblen Symptome
bei der chronischen Myelitis gegen die motorischen an Wichtigkeit zurück¬
treten und selbst ganz fehlen können.
3) Zur Pathologie und Therapie der Rückenmarkskrankheiten. Zeit¬
schrift f. pract. Med. 1877.
nur diesen bestimmten Querschnittsantheil umfassenden Dege¬
neration erscheint es mir vor allem deshalb naturgemässer, eine
System-Sclerose zu supponiren, da gerade für diese Anschauung
die hervorragenden Forschungen Flechsig’s eine wissenschaft¬
liche Grundlage geschaffen haben/* — Man wird diesen Gründen
wohl kaum eine grosse Beweiskraft zuschreiben können, übri¬
gens sind sie keineswegs mit apodictischer Sicherheit vorgetragen
und beanspruchen doch nur eine grössere Wahrscheinlichkeit für
die Meinung des Verfassers.
Von den Autoren, welche in der Folge über dieses Thema
schrieben, hat sich gerade in Deutschland eine verhältnissmässig
grosse Anzahl der Lehre von der primären Lateralsclerose, in
ihrem ganzen Umfange, rückhaltslos angeschlossen, ohne jedoch
den immer noch ausstehenden Beweis einer Autopsie beibringen
zu können. Ich nenne unter diesen zuerst 0. Berger 1 ),
ferner F. Richter in Sonneberg 1 ), Seeligmüller in Halle*),
R. Schulz 4 ) in Braunschweig und neuerdings Stofella in
Wien *). — Aber es hat doch auch nicht an solchen Stimmen ge¬
fehlt, welche nicht mit der vorgetragenen Lehre überein¬
stimmten. Namentlich erwähneich C. Westphal, welcher sich
im letzten Bande der Charite-Annalen, 1877, p. 379 ebenfalls gegen
die Charcot-Erb’sche Lehre von der Lateralsclerose ausge¬
sprochen hat. „Der Beweis dafür, dass dieses Krankheitsbild in
der That auf primärer Sclerose der Seitenstränge beruht, ist bis¬
her von niemand geführt, ja man darf wohl noch die Frage auf¬
werfen, ob nicht dasselbe Krankheitsbild mit demselben Verlauf
der Erscheinungen auch bei sehr verschieden localisirten Rücken¬
markskrankheiten Vorkommen kann.** — Kürzlich ist noch aus
Kussmaul’s Klinik in Strassburg von Dr. v. d. V t eIden 6 ) ein
Fall von spastischer Paralyse mitgetheilt, welcher innerhalb
13 Monaten vollkommen geheilt wurde, und von welchem der
Verf. nur soviel als sicher behauptet, dass ihm keine schwere
anatomische Läsion im Nervensystem, namentlich keine ausge¬
bildete Sclerose in den Seitensträngen könne zu Grunde gelegen
haben.
Bei diesem Stande der Frage musste die schliessliche Ent¬
scheidung noch von der pathologischen Anatomie erwartet
werden. Ehe ich auf diesen Theil unseres Gegenstandes ein¬
gehe, muss ich einige Worte über den pathologisch-anatomischen
Begriff der Lateralsclerose vorausschicken, zumal ich finde,
dass derselbe nicht mehr überall richtig festgehalten wird.
Die Bezeichnung Lateralsclerose ist an sich durchaus nicht
präcise genug, um einen bestimmten anatomischen Process zu
kennzeichnen; sie bedeutet eben nur eine sclerotische Degene¬
ration der Seitenstränge im Rückenmark. Allein nach der histo¬
rischen Entwicklung der Lehre von der Lateralsclerose kann
darüber kein Zweifel sein, dass man unter dieser Bezeichnung
die primäre systematische (funiculäre) Seitenstrangsclerose zu
verstehen hat, welche sich nach einer ganz besti mm ten Bahn
verbreitet (der Pyramiden-Seitenstrangbahn: Flechsig’s). Die
primäre Lateralsclerose ist von vornherein von Cbarcot mit
der secundären absteigenden Degeneration Türck’s, die sich
in Folge von Herderkrankungen des Gehirns entwickelt, ver-
1) Ein Fall von Sclerosis lateralis amyotrophica. Kunze’s Deutsche
Zeitschrift f. pract. Med. 1876. 16—19 und: Zur Pathologie und Thera¬
pie der Rückenmarkskrankheiten. Ebendaselbst 1877.
2) Zur Sclerose der Seitenstränge des Rückenmarks. Deutsch. Arch.
f. klin. Med. 1876. XVII.
3) Deutsch, med. Wochenschrift 1876. 16 und 17.
4) Mehrere Fälle von Lateralsclerose. Arch. der Heilkunde. 1877.
3 u. 4. p. 352.
5) Wien. med. Wochenschrift. 1878.
6) Berliner Klin. Wochenschrift, 1878, 38.
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710
BßftLlNKR KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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glich««, «öd auch die SyniptomatcdQgie geht von der zuerst
T»>n' Bouebard ausgesprochene« Amd-eht aus;,-'.dass die kr
bfemipiectteche« Gliedern auftretende Mu&kölSteifigkeit und Con¬
tra ctur von dar eeeündären Lat liiälsc lernst* abhängig s$L Wenn !
dabei von der prtmsteu Lateral sei erose im Brno« wn C har-
cot •■■und Erb die Bette ist, so kann \\m '•diejwj.ig-e vete .'
standen werden *teh analog der aUsteigcoadbo Degene¬
ration •nach' der Pyramiden seifen bahn erstreckt. .'Diese Bahn
ist eine sehr bestimmtemir verhalte issihAHstg geringen Ab'
welcbmigem und VVtftoiöö.eu imterWörfeü; cs üftm« date* -heaii-
sprAcht. weiden, da/is dun* fjThraßküög, welche in diu&jfür SptpeL
zur Seitenyti’angstteufee gerechnet werden :«>!!< die*Fdbe Ver¬
breitung erkennen l&fök. und selbst wenn ste sich mit anderen
&rfcr&ukmig$he&i£ke.u- coutptirireü Sollte, so musste doch immer
jicer Typ«* m charäeteristiseiien F^rm anverkeun-
fesr bleiben.
Die Vvrbrmiting der absteigenden itege«erä$|oü ist jmn eine
ganz he:diiüimt. Sie Legion! in den PypamideustriMigeii der
%v-1 . Md tb^jf^viich vtti xfer
Ä Pv&md<teukreuzung in «wei BüpdbL das
, .-■* ;3r» ; eido kfomVte bteHD aut' tierseii»er» ,$e,Bo
W .?-^ um] nimmt, eine ?ot>im woorger schmale
Zone das innere??,; t <*rd erst ran ges ein,’
das zweite Stäritere fiiiudel gebt auf den
Hintebsdt-eiisJtr-aug: der HÜderen Beite
über; uw hier äSdv «ehr eonsteotö
L'agerut*g ünd Y erbreihte & ra. behaupte«.
Im 0alV U3^d oberen BrU^ttfcile (7-)
niuunt \bv^FPartiF ; deu HteDteteHensDang
ein in Form eibcsTh^ifecks* dessen »Spitze
gegen die Bgais das HiUterbörns gerich¬
tet, y<vij. der grauen SnhstJtnx ^bef durch
tik* Substantiv reticularis getrennt ist;
r .dfebteitjF Basis bf l$fet:eiLe ßdMjj^ftäydeir
V cripfieriV na hezu parajfel e: Linie, wo Ich c
aber durch, .eine nicht ganz ünbefrach?hclie Schicht von dev Peri¬
pherie mitten»! .bleibt, Die hinten* Linie. <te* Dreiecks steht
von der AuÄseuiinie das gtaifefr /Hu'dferhoms e;m . Sthykchen ab;
Und die vordere Linie, entspricht etwa dem Acipiator des
Querschnitts, Im tieferen UriLstthcü (1>V rühk* dieser Strang
mehr nach hinten, lehnt sich bist ganz ab das Hinterhorn und
erreicht mit der Bau* hast die Peripherie, im Lendentheite
nimmt derselbe ganz erheblich än Min^e ab und bildet tun
klemes Dreieck v wetehes ipn der Baste au Pmupberie. mit
der Spitze an die graue SgbftUnX tj(sk HiiuerhofUS reicht, nach
hinten sich ah clfts HiriterW« anUdmt, narb vorne aber dem
Aeqoätbr bei weitem nicht erteichf. —• Däs innere (Türvk’sohe)
. V<u<!erutra ugb.fi « d.d, dessen Stärke erbebj.teb wechselt, nimmt
vou oben nach unter» ab und versebwi.udet bereits im 'mittleren.
BmsttheBe, „ •" \
Wenn dies die Yerlmütuhg der secwiääröii absteigenden
Sateiistraogdcgeitetaliot: ist. so bkteu die Fälle primärer blla-
tenlter Sclfer ose kaum damit eine vollkcrftmieue, lieber -
einotimmdng; Sehr ge w» ihn Beb, sind dlf: hite^piuaien Kasern
dFr Vorder- mul SeiteiHttüuge tilit bctheiligt (abgesehen ynd
der grauen Substanz); älfehf» die>c Variation verdeckt doch nicht
den Typus der Degenerstioh, t»ihm rieh die bei weitem stärkste
A^ction genau 4er 1‘yTäniiden-Seitenstraugbahn ansoliiicsKt tind
für die rnaerosCnpwcW BetTticbtnng als typische »Seitünstrang-
degeneration alleiu in das Auge fallt. Solche Fälle typischer
primärer SeitenstiaugdegeDerntion sind imhn -mv ml gleich*
xeitigjc?r Atrophie der multiplen GanglinzeBen in dnn gräuvu
Vurdrrhdru^rn constatiri worden. Das Vorkomnten d^r soge¬
nannten einfachen Lateraisclcrose ist überhaupt uicbt: zweifellos
lieber' gestellt. Demi die eittzig^n Fälle, welche - dazu gezählt
werilnn können und welche Audi der Autor als solche L-
t rach tot. HUid die voo C, West p 1» a l bereits in V i r t k Ardi.
Bd Seiteüstrangdegenmr&fibüeo m Röckefimark'
von G^teökvHnkeb., welche an paralytischem ßlödsuin gehtrt^
hatteji- Diese Beobaebtungen sind deshalb nicht gauz • elo-
deutig, weit gleichzeitig eine GebiTuaffection^ wenn auch keine
eigentliche Horderkraakuag iv$ Geh^tts bestand; übrigens war
bei diesen Krank^i ni<3.bts von apa^tLscher Paralyse m eote
atatiren gewe?seb.
Es. kann hier mveh die Fra^e aufgoworfoit werden, ob eine
primäre Lat^raLsderose oiuseitig auftrdei^ und ob sie partiell
bestehen, z. \i nur auf d?c uwtete Hälfte des Bückenumrk^
beschränkt kann. Von cht erstenui VarbreitungüWfUee ist
mir bisher kein Beispiel bekannt geworden; dock Ft »o ja
sWdfulioj;, dass- tie’r Typus der Degruetation sich ^inseitig m
detseihmi 1‘rädiki; markireu würde wie doppeNeitig. j^ügrii
ist es sehr aweifelhaff , ob eine, pftrtifeite Verbreitung in Äs
eben ge-nauntvii ^inne «kmkbar ist,, denn der Typus der *y$&-
tdAiiSc’heÄ uüpi luntcularen Degeneration Wäre, damit yerlureii
ergangen. Eine solche ltescbxäükong dor Festenstrungdvgenes
r at kn wörd e WakWi^&^J^CbkfSft- Jfffel^isrfeaäln^.
dos sBück^Tiniätkjs int ßrusttheilo hißdcatoii, dü(i -üb Wdufftr
chier • ?»ehr -tir^nuten Untemiclmng, wenn ei« solches Verhaln
ross ;iüsgesdih>3^en "Mn»l cide partidk primäre .LöteraiKier*:"*'*
eryri^en werden solltc, Wie leicht mat» hier Irrtbümeru imte:r-
wvnfen kt. TUrgegtmwärtigt.e mir eine Beobachtung, die ich noch
tu S.irässburtc machte. Eine GÖjAhrige Frau, wÄb.e seit Jabt
liivd Tag ko mp er hocljgfAdigeu >^ra plegic Hti; ^tärb wh
id^tpndigom . AptentbaH im iJonpital am L. December lK7o in
Folge ViUi Hydrops uud Lungen^nipbyMfm, Die Autepsit fugHb
bei mi 3 cn*f;tv;piscbev tTittrvudiung in der .»mteryn HäHte «Jc>
Rückenmark^ biiateralef typische Boden^tiAög^lerose. Die *p-
tcre lintcr^ncbung abm* nach dor Erhäriöng Hess Pbcrbsih
dieser Degöueratto?; eteoo oiyclltischeu • Herd, . im DorsalniarJcr
erkenaen , Welcher an Tu- und Extensität ?pcbt sehr bedeunud
war ond skh w«?de.r dbreh Et'W.cicimüg Hoch Verfärbiiog kutul
gegeben hatte; ‘
i^tT dieser lltyßöition der Latertilscle-rose gehon 'wir ubrkö
die Prüfung der bisher gewonnenen anatowisciiftn Tbatsaciieti
(Schluss teigt.)
11. S«be«t«H« ZerrcissBuj' der Cretbra am Per?»*«»»
durch Stoss. Paraceatesis vesiea« arinariae. EröffsuHS
eines am Periaaettm eulstandenen Abscesses. Deitong.
V •>«
Dir Adolph Hnlbey in W^l.n.
Am ]%. August ES7*2, Vormittags tl Öhr, wurde ich,
20 Min von Herborn liegende Dorf IL p^ssivetid, zb äütpi .-
Fühneamilf, L. BtnrB. verlaugL, der bäiebhn durch einen Wägen
eine Veriekmig erlitten batte.
i>erseib& w&r im Alter ton : 'M ■fahtm,' [ümtrh&mtheK v,fh
mittlrer Grfee, airlit '.sfehr kr.itDIg. Er- erzählte mir, et b-‘ fV
bergab die Soferanba hinten an seinem Wagen Mgwhmuh
da sei fhtn der eine Sebeerbaum dös dicht hinter ihm fhlgexuiöri
Wagens von bniten. AWi^rfien die Beim ftef den Damm auf^v
fahren, und habe er. m Folge- im&.i*. sefi? .heftige Sckcnnm-.
xamal. er in der finkeu Leisteügegehd Auch hehr heftig
öit Hemmscbraubc Kcioeü eigenen Wagens gedrückt wonivn >ci.
Kat* nah sehr bkldt adhv baÖö. &ü.b3f^^äbitv. söfh BuD
war langsam und dünn, ich iten^elbyu Hrfcli -.?b s tkleidön
Go gle
2. December 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
711
und auf’s Bett legen, Wunde fand sich nirgends, aber mitten
auf dem Damm war die Haut in ziemlicher Ausdehnung bläu¬
lich gefärbt, und es war eine Geschwulst vorhanden, welche
bei Druck sehr schmerzte. In der Gegend des linken abstei¬
genden Schambeinastes war ebenfalls Schwellung mit starkem
Schmerz vorhanden; es war dies die Stelle, wo C. wider die
Hemmschraube seines eigenen Wagens gedrückt worden war.
Ein Knochenbruch der Beckenknochen liess sich nicht entdecken.
Aus der Mündung der Urethra floss Blut, so dass also mit
Sicherheit auf eine Verletzung derselben geschlossen werden
musste. Pat. hatte 3 Stunden zuvor zum letzten Mal Urin
gelassen, und konnte jetzt keine Harnentleerung zu wege bringen,
als er auf meinen Wunsch den Versuch machte.
Ich verordnete kalte Umschläge auf den Damm, und be¬
suchte den verletzten, da ich keinen geeigneten Catheter bei
mir hatte, um 1 Uhr wieder, um eine Sondirung der Harnröhre
vorzunehmen. Aber alle Versuche, um in die allem Anschein
nach quer abgerissene Urethra mittelst eines Catheters zu
gelangen, scheiterten, obwohl dazu Metallcatheter und elastische
Catheter mit und ohne Mandrin in verschiedener Stärke benutzt
wurden. Die dabei stattfindende Blutung war ziemlich stark,
und gab ich deshalb den Versuch auf, um ihn nach einigen
Stunden nochmals zu erneuern. — Gab man dem Catheter eine
etwas schiefe Stellung, so konnte man an der Stelle der Ver¬
letzung die Spitze unter der Haut viel näher fühlbar machen,
als bei normalen Verhältnissen.
Die kalten Aufschläge wurden weiter fortgesetzt und ausser¬
dem noch einige Blutegel an den Damm gesetzt. Die Blutung
aus der Urethra stillte sich darauf bald.
Ein gegen Abend nochmals gemachter Versuch mit einem
Catheter in die Blase zu gelangen, hatte ebenfalls keinen Erfolg.
Am 14. August Morgens früh machte ich, da C. heftige
Schmerzen klagte, nochmals mit Herrn Collegen Dr. Wider¬
stein einen Versuch, einen Catheter einzuführen, es wurde
auch ein dünnerer Catheter dazu benutzt, aber ebenfalls um¬
sonst.
Als im Verlauf des 14. August nun auch spontan keine
Urinentleerung erfolgte, consultirte ich nochmals mit Herrn
Collegen Dr. Widerstein, und beschlossen wir, da die Blase
jetzt bis handbreit unter dem Nabel stand, den Blasenstich
zu machen.
Die Urethrotomia externa schien uns wegen der bedeuten¬
den Quetschung in der Umgegend der Urethra keine Sicherheit
dafür zu bieten, dass Pat. den Urin sofort ungehindert auf die¬
sem Wege würde entleeren können. Schwierig würde diese
Operation wohl nicht gewesen sein, da man die Spitze des
Catheters ja bis dicht unter die Haut bringen konnte.
Pat. hatte jetzt 28 Stunden keinen Urin gelassen, und stand
die Blase, wie schon oben bemerkt, bis handbreit unter dem
Nabel. C. wurde quer ins Bett gelagert, die zwei Beine auf
Stuhle gestellt und eine */< Zoll oberhalb der Symphysis oss.
pub. in der Linea alba sich befindende Stelle bezeichnet, in
die ich dann den Troicart mit der Concavität nach unten bis
auf 2 */ a Zoll Tiefe einstiess. Nach Ausziehen des Stilets ent¬
leerten sich ungefähr 1 ‘/ 2 Liter blutig gefärbten Urins. Die
Canüle wurde mit einem Korkstückchen verstopft und dann
mittelst Bändern, welche am Kreuz zusammengebunden wurden,
befestigt, nachdem noch vorher unter dem Schild derselben eine
kleine Unterlage von Leinwand angebracht worden war.
Pat. fühlte sich nach der Operation sehr erleichtert, und
verlief die nächste Nacht ziemlich gut. Das Korkstückchen
wurde mehrmals entfernt, und lief der Urin gut in eine unter-
gebaltene Schale ab.
Am 15. August war der Zustand des Pat. recht befriedi-
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gend, die Fiebererscheinungen waren nur gering. Der Urin
wurde durch die Canüle alle 3 Stunden entleert.
Der 16. bis 22. August verliefen gut. Wenn sich auch
Fiebererscheinungen einstellten, so waren dieselben doch nur
gering. Auf natürlichem Wege erfolgte indessen in dieser ganzen
Zeit keine Urinentleerung. An der Stelle der Contusion am
Damm bildete sich stärkere Schwellung, und wurde es bald
deutlich, dass sich dort ein Abscess bildete. Die Blasenstichs-
canüle drang häufig tiefer als 2 1 / 2 Zoll in die Blase ein und
musste durch Unterlagen hervorgehoben werden. Dieselbe wurde
mit zarten Federn zeitweise gereinigt, aber nicht entfernt.
Da sich am 23. August durch den Catheter von der Stelle
der Zerreissung her Eiter entleerte, und auch die Fluctuation am
Perinaeum deutlicher wurde, machte ich dort eine ergiebige
Incision, worauf sich ziemlich viel Eiter entleerte und Pat. auch
sehr bald durch die Wunde urinirte. Vorerst liess ich die Ca¬
nüle noch liegen, da Pat. aber über heftige Schmerzen in dem
Blasenstichscanal klagte, wurde sie entfernt und die Stelle mit
einem Verband versehen.
Am 24. August urinirte C. durch die Incisionswunde und
befand sich ziemlich wohl.
Am 25. August zeigte sich bei Abgang des Urins heftiger
Schmerz, und im Laufe des Tages stellte sich Harnträufeln ein.
Da durch diese fortwährende Beschmutzung der Bettwäsche
Decubitus sehr zu fürchten war, wurde ein Gummikissen, das
mit einem Urinrecipienteu verbunden war, untergelegt, was sehr
gute Dienste that.
Am 26. August legte ich wegen des so unangenehmen
Harnträufelns einen elastischen Catheter ein, den es mir mit
Hülfe eines in die Wunde am Damm eingeführten Fingers ziem¬
lich leicht gelang in die Blase einzuführen. Abends aber,
nachdem der Urin mehrere Stunden durch den elastischen Ca¬
theter entleert worden war, trat in der Incisionswunde auf
einmal eine heftige Blutung hellrothen (anscheinend arte¬
riellen) Blutes auf, die auf manuelle Compression sich stillte.
Die Blasenstichswunde hatte sich unterdessen schon ge¬
schlossen.
Am 27. August Morgens trat wieder heftige Blutung aus
der Wunde auf, und es musste dieselbe tamponirt werden.
Nach der Tamponade bildete sich an der durch die Hemm¬
schraube gequetschten Stelle links eine Geschwulst, so dass
dort jedenfalls ein mit der Incisionswunde communicirender
Abscess bestehen musste. Als einige Zeit tamponirt war, lief
auch Blut durch die Urethra ab, wobei sich der Penis förmlich
stellte. — Die Blutung stand auf die Tamponade, der Urin
war aber durch den Tampon gehindert vollkommen gut durch
den elastischen Catheter abzulaufen, er lief vielmehr neben
demselben her. Dazu gesellten sich auch sehr heftige Schmerzen
und Fiebererscheinungen. Der Kranke erhielt Morphium und
Chloralhydrat, wodurch denn doch für Stunden Schlaf herbei¬
geführt wurde.
Am 28. August bestanden immer noch sehr heftige Schmer¬
zen fort, der elastische Catheter konnte nicht mehr länger
liegen gelassen werden. Ausserdem floss auch nur ein geringer
Theil des Urins durch denselben ab. Der Tampon musste
wegen der Gefahr neuer Blutung vorerst noch liegen bleiben.
Am 29. August wurde der Tampon wieder entfernt, es
trat keine neue Blutung auf, und lief der Urin jetzt wieder
unten durch die W 7 unde ab, konnte aber nicht willkürlich ge¬
lassen werden; jedenfalls war eine Erschlaffung des M. sphincter
vesicae vorhanden. Patient hatte in dieser Zeit heftiges Fieber,
und zeigte das Thermometer besonders Abends eine hohe
Temperatur.
Am 30. August trat wieder starke Blutung ein, welche
2
Original frnm
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Ne. 48
durch Tamponade mit Feuerschwamm gestillt wurde, wonach
aber heftige Schmerzen auftraten. Die Blutung zeigte jedesmal
hellrothe Farbe, und musste sie jedenfalls aus einem grösseren
Aste der Art. pudenda kommen, und beschloss ich bei längerer
Fortdauer der Blutung das verletzte Gefäss direct zu unter¬
binden. Pat. war übrigens durch die starken Blutverluste sehr
heruntergekommen und hatte schlechten Appetit.
Am 1. September trat plötzlich vollständige Retentio
urinae auf, der Harn lief auch nicht durch die untere Wunde
ab, es gelang aber leicht einen elastischen Catheter in die
Blase einzuführen. Derselbe wurde liegen gelassen, und lief
der Urin gut durch ihn ab. Der Tampon wurde noch ferner
liegen gelassen. Gegen die heftigen Schmerzen, die besonders
der Tampon in der Wunde hervorrief, wurden fortwährend
Morphium und Chloralhydrat in Anwendung gebracht.
Am 2. September wurde der Tampon entfernt, worauf
der Urin wieder neben dem Catheter ablief.
Weil auch sehr heftige Schmerzen auftraten, wurde auch
der elastische Catheter wieder weggenommen.
Am 3. und 4. September trat keine Blutung auf, C.
erholte sich auch wieder etwas und bekam mehr Appetit, der
bis dahin ganz darnieder gelegen hatte. Der Urin lief gut
durch die Wunde ab.
Am 5. und 6. September ging es immer besser, das
Fieber wurde viel geringer.
Am 7. September wurde, da die Urinentleerung durch
die Wunde mangelhaft war, ein neusilberner Catheter No. 7
eingeführt, was leicht gelang. Abends trat aber wieder heftige
Blutung auf, welche ein Heilgehülfe in meiner Abwesenheit
durch Tamponade stillte. Die Charpie wurde diesmal mit etwas
Liquor ferr. sesquichlorat. versehen.
Am 8. September wurde der Tampon wieder entfernt,
ohne dass neue Blutung eintrat.
Am 9. September war das Allgemeinbefinden wieder
besser, der Appetit ziemlich gut.
Am 11. September trat nochmals ohne alle Veranlassung
eine starke Blutung auf; ich konnte aber, da es mir im Augen¬
blick an Assistenz fehlte, die beabsichtigte Unterbindung des
Astes der Art. pudenda nicht vornehmen, sondern musste wieder
tamponiren.
Dies war denn auch die letzte Blutung, welche sich im
ganzen fünfmal in sehr bedeutender Heftigkeit wiederholt und
das Leben des Patienten in grosse Gefahr gebracht hatte.
Am 13. September war das Allgemeinbefinden recht gut,
und das Fieber nur ganz gering.
Am 15. September war die Eiterung in der Wunde noch
ziemlich stark, aber gar kein Fieber mehr vorhanden. Der Urin
konnte jetzt auch gut gehalten werdeu. Der Appetit war
recht gut.
Am 18. September war gar kein Harnträufeln mehr vor¬
handen, der Urin wurde willkürlich durch die Wunde gelassen.
Am 23. September kam es C. vor, als wenn schon manch¬
mal beim Urinlassen einige Tropfen durch die Mündung der
Urethra entleert würden.
Am 26. September konnte der Catheter No. 7 gut ein¬
geführt werden, und es entstand dabei keine Blutung mehr.
Pat. erholte sich jetzt zusehends und konnte schon im Zimmer
herumgehen.
Vom 28. September an wurde täglich ein Catheter No. 7
eingeführt und am 2. October, zu welcher Zeit die Wunde
am Perineum geschlossen war, wurde mit Einführen von Strictur-
sonden begonnen. Zuerst wurden geknöpfte, die sich von hinten
nach vorne verschmälerten, benutzt.
Am 8. October konnte auch ein schon etwas stärkerer
Catheter (No 9) eingeführt werden.
Am 29. October war der Harnstrahl schon recht kräftig,
und Pat. hatte sich vollkommen erholt, er konnte schon ziemlich
weite Märsche machen.
Anfangs December wurde zu einer stärkeren Strictursonde
von Messing in der Form eines Catheters (No. 10) übergegangen.
Gegen Ende des Jahres wurde No. 11 genommen.
Das Einführen dieser Strictursonde wurde noch in Zwischen¬
räumen fortgesetzt bis Anfang Februar 1873, in welcher Zeit
der Harnstrahl vollkommen kräftig und normal war, und sich
auch nach längerem Unterlassen des Sondirens keine Verenge¬
rung der Urethra mehr zeigte.
So war also C. nach 7 Monaten vollkommen wieder her-
gestellt, nur klagte er mir nach einiger Zeit, dass er befürchte,
impotent zu werden, trotzdem er sich sonst ganz wohl fühle.
Ich dachte anfangs, dass sich auch diese Function wieder
einstellen würde, aber im Laufe des Jahres 1873, wo ich C.
mehrmals sprach, trat in dieser Beziehung keine Besserung ein.
Im Sommer 1874 theilte mir C. nochmals mit, dass er
noch immer keine Erectionen habe, dass aber des Nachts öfter
Samenergiessungen ohne Erection stattfänden; auch fehle der
Geschlechtstrieb eigentlich nicht, nur käme es zu keiner Erection.
Eine wirkliche Probe seiner Cohabitations-Fähigkeit hatte bei
ihm aber weder vor noch nach der Verwundung stattgefunden.
Im Falle nun auch diese nicht den gewünschten Erfolg hätte,
wäre C. wohl zum Cölibat verdammt.
Schwer scheint es mir aber, die Impotenz zu erklären, da
die Ductus ejaculatorii am Collum seminale doch jedenfalls nicht
durch Narben obliterirt sein können, da C. behauptet, häufig
Samenergiessungen ohne Erection nächtlich zu haben. Die ein¬
zige Erklärung wäre die, dass es sich bei diesen Pollutionen
nicht um Sperma-Flüssigkeit, sondern mehr um Prostataschleim
handelt, und dass durch die Eiterung, die sich bis in den Blasen¬
hals erstreckte, die Ductus ejaculatorii doch wirklich oblite¬
rirt sind.
III. Pülsnhr und Puls.
Von
Prof. Dr. 1t. Waldenburg.
(Schluss.)
Ich lasse nunmehr die Resultate, welche ich aus einer Reihe
von Pulsmessungen gewonnen habe, in aller Kürze hier folgen.
Ich verzeichne nur diejenigen Resultate, welche mit dem In¬
strument in seiner jetzt vorliegenden vollendeten Form und mit
der ellipsoidähnlichen Pelotte von 5 Mm. und 2 Mm. Durch¬
messer gewonnen wurden, und welche mir zur Zeit der Messung
fehlerfrei erschienen. Nun hat sich freilich im Verlaufe der Zeit
meine Untersuchungsmethode allmälig verbessert, und manches
Resultat wäre vieUeicht bei einer vollkommneren Untersuchungs¬
methode modificirt worden. Aus diesem Grunde und weil über¬
haupt eine noch bei weitem lange nicht genügende Zahl von
Messungen vorliegt, unterlasse ich es, allgemeine Schlüsse aus
meinen Beobachtungen zu ziehen. Der aufmerksame Leser wird
sich daraus von selbst ein ungefähres Bild des Verhaltens der ein¬
zelnen Pulswerthe bei Gesunden und Kranken construiren können;
aber auch dieses ungefähre Bild möchte ich vorläufig noch nicht
als den Ausdruck relativer Durchschnittswerthe gelten lassen,
I und ich verzichte ausdrücklich darauf, schon jetzt solche fest¬
zustellen, weil, wie gesagt, die Zahl exacter Beobachtungen,
j aus denen sie abzuleiten wären, noch viel zu klein ist. Mit
Fleiss habe ich unter die Messungsresultate anscheinend gesunder
Personen auch diejenigen aufgenommen, welche extreme Zahlen,
Digitized by
Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
2. Decembcr
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
713
1S7&.
d. h. solche, die von den übrigen sehr wesentlich abweichen,
darboten. Wenn es mir auch möglich schien, dass hier ein
Messungsfehler vorlag, so war derselbe doch zur Zeit der
Messung nicht ersichtlich gewesen, und principiell wollte ich
mich von jeder nachträglichen Interpretation fern halten. In
diesen Fällen war es übrigens auch denkbar, dass in der That
eine Pulsabnormität vorlag, die auf Constitutionsanomalie oder
auf anderen unbekannten Circulationsbedingungen beruhte.
Tabelle I.
Ergebnisse an gesunden 1 ) Männern.
Name und Alter.
Bemerkungen.
Fülle,
resp.
Durch¬
messer
des
Pulses
(a).
Mm.
Span¬
nung
des
Pulses
(s).
Grm.
£*g
g
3
3*2-
“ » s
öS e 1
Mm.
Relative
Füllungs¬
differenz
zwischen
Systole u.
Diastole
d. Arterie
(?)
Kraft des Pulses.
Hubhöhe (Pulsgrösse)
mal gehobenem
Gewicht.
Grm.-Mm.
1. Rst., Stud.
med. ca. 22 J.
5,35
245
0,11
1/24,3
0,11.90 = 9,90
2. As. desgl.
5,00
300
0,12
1 21
0,12.65 = 7,80
3. Hmb. desgl.
6,20
555
0.11
1 28,2
0,11.110= 12,10
4. Krs". Sind,
med!, 19 J.
5,90
390
0,10
129,5
0,10.90 = 9,00
5. Sehr., Stud.
med., 29 J.
4,50
520
0,12
1/19
0,12.57 = 6,84
6. Sehr., Stud.
med., 24 J.
4,82
433
0,07
134,3
0,07.90 = 6,30
7. Rss., Stud.
med.. 22 J.
6,3
510
0,08
1 39,4
8. Sk., Mechani¬
ker, ca. 30 J.
3,70
354
0,05
1.37
0,05.215 = 10,75
9. X., Mechani¬
ker. ca. 27 J.
5,81
473
0,06
1/48
0,06.90 = 5,40
10. Kb., Diener,
38 J.
5,60
516
0,07
1 40
0,07.160 = 11,40
11. Dr. med. Gr.,
29 J.
4,56
;
343
0,05
1/45,6
0,05.159 = 7,95
12. Dr. med.Vat..
ca. 40 J. "
4,40
307
0,09
1 24,4
0,09.205 = 18,45
13. Dr. med. Sch.,
ca. 45 J.
4,18 1
622
0.06
1/34,8
0,06.130 = 7,80
14. Dr. med. VI..
ca. 45 J.
4,79
176
0,04
1.60
0,04.95 = 3,80
15. Dr. phil. Bit.,
ca. 30 J.
(Pharyngitis)
4,35
345
0,10
1 21,7
0,10.135 = 13,5
16. Dr. phil. Prt.,
32 J. (Pha
ryngo-Laryn-
gitis.)
5,40
473
0,07
1/38
0,07.150 = 10,50
17. Jcb., Schau¬
spieler, 21 J.
(Pharyngitis) 1
; 4,50
641
0,06
1/37
0,06.205 = 12,30
18. And., Maler.
27 J. (Pha-
ryngo-Laryn¬
gitis.)
5,61
656
0,06
146
0,06.205 = 12,30
19. Rfl., Sänger.
36 J. (Pha-
ryngo-Laryn-
gitis.)
5,80
555
0,10
1/29
0,10.120= 12,00
20. Arndt, Buch¬
binder, ca. 30
J. (Pharyngo-
Larvngitis.)
4,70
312
0,04
1/58,8
0,04.105 = 4,20
21. Skr', ca. 30 J.
alt, Schnei¬
der (schwäch¬
lich F., Pha-
lyngo-Laryn¬
gitis). •
3,50
280
0,04
1/43,7
0,04.105 = 4,20
22. Schrfb., 20 .).
alt, Kaufm.
4,70
608
0,04
1/59
0,04.105 = 4,20
1) Gesund ist in dem Sinne aufzufassen, dass die betreffenden an
keiner AlTection eines wichtigen Organes, namentlich an keiner, welche
die Respiration und Circulation beeinflusst, litten. Manche hatten Pha¬
ryngitis oder Laryngitis, andere eine phonische Paralyse der Stimmbänder,
was dann in der Liste bemerkt ist.
(schwächlich
— Pharvng.
23. Phlt., 21 J.,
3,86
224
0,08
1/24,1
0,08.95 = 7,60
Kaufm. (sehr
schwächlich,
später phtbi-
sisch).
24. Fnz., 17 J.
4,90
382
0,07
1/35
0,07.140 = 9,80
(Litt früher
an Asthma,
nach pneu¬
matisch er Be-
handlungseit
länger als 1 J.
| ohne Anfall).
Tabelle H.
Ergebnisse an gesunden 1 ) Frauen.
Name und Alter.
Bemerkungen.
Fülle,
resp.
Durch¬
messer
des
Pulses
(a).
Mm.
Span¬
nung
des
Pulses
(s).
Grm.
a Grössed Pulses, resp.
g flöhe d. Pulswelle (b),
* redueirt auf Mm.
Relative
Füllungs¬
differenz
zwischen
Systole u.
Diastole
d. Arterie
(?)
Kraft des Pulses.
Hubhöhe (Pulsgrösse)
mal gehobenem
Gewicht.
Grm. - Mm.
25. Fraulf., 23 J.
3,2S
242
0,05
1/32,8
0,05.140 = 7,00
26. Fraulf., 27 J.
3,90
242
0,06
1/32,5
0,06.130 = 7,80
2Z Frau Tr., ca.
30 J. (Pha¬
ryngitis).
4,52
432
0,07
1/32
0,07.150= 10.50
28. Frau Wld.,
65 J.
4,50
370
0,04
1/56
0,04.195 = 7,80
29. Frl. Mw, 35
J. (l'aralys.
chord. voc.
phon. Hyste-
ria.)
3,04
146
0,09
1/17
0,09.120 = 10,80
30. Frl.Schb.. 26
J. (Paresis
phon. chord. !
voc. sin). |
3,85
570
0,03
1/64
0,03.190 = 5,70
31. Frau Pt., 30
J. (sehr kräf- |
tig, Lucs).
4,33
376
0,14
1/15,5
0,14.120=16,80
32. Frl. Sch., 23 i
J. (Lues). j
3.22
368
0,035
|
1/46
0,035.75 = 2,625
33. Fr. Lnd.,39 J. |
(Hemicranie). 1
3,50
255
0,04 !
1/43,7
0,04.150 = 6,00
34. Dieselbe, un- [
mittelb. nach 1
Einathmung
von Amyl-
nitrit. |
4,45
375
0,05
1 44,5
0,05.140 = 7,00
Tabelle III.
Ergebnisse an gesunden Kindern bis zur Pubertät.
Name und Alter.
Bemerkungen.
Fülle,
resp.
Durch¬
messer
des
Pulses
(a).
Mm.
Span¬
nung
des
Pulses
(s). 2 )
Grm.
er.
o
e
s> £
CB «—
3 %
■
Z ^ it
OPÜ
Mm.
Relative
Füllungs¬
differenz
zwischen
Systole u.
Diastole
d. Arterie
m
Kraft des Pulses.
Hubhöhe (Pulsgrösse)
mal gehobenem
Gewicht. *)
Grm. - Mm.
35. PaulKb., 6 J.
alt, -kräftig.
1,17
93
0,03
1/19,5
0,03.55 = 1,65
36. Franz Kb.. 7
J. schwäch!,
1,80
60
0,04
1/22,5
0,04.50 = 2,00
37. Rst., 12 1 2 J.
kräft., mittel-
gross.
2,92
118
0,05
1/29,2
0,05.60 = 3,00
1) wie ad I.
2) Wo der Durchmesser des Pulses kleiner als 2' Mm. ist, müsste
die Spannung und demgemäss auch die Pulskraft dem entsprechend um¬
gerechnet werden. Ich unterlasse die Umrechnung, weil die übrigen
hierbei noch in Betracht kommenden Factoren, so besonders der Widei-
stand der Umgegend der Arterie unbekannt sind.
o*
Digitized by Lsoosie
Original from
UNIVERSITY OF MICHIGAN
714
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 48
38. James Lw.,
13 1 /* J., ziem¬
lich , kräftig.
2,86
157
0,03
1/47,6
0,03.80 = 2,40
39. Martha Lw.,
14 J., noch
nicht entwick.
2,80
170
0,05
1/28
0,05.30 = 1,50
40. Sm., 14*/ 4 J.,
kräftig, gross
(zuweilen
nächtliches
Asthma).
3,11
269
0,05
1/31,1
0,05.70 = 3,50
41. Bich., 15 J.,
kräftig, mit¬
telgross.
4,01
342
0,06
1/33,4
0,06.115 = 6,90
42. Hll., 15 J.,
kräftig, mit¬
telgross.
3,45
285
0,06
1 1/28,8
0,06.80 = 4,80
43. Ad.Lw., 16 J.
mässig kräft.
3,94
199
0,10
1/19,7
0,10.65 = 6,50
Name und]
Alter.
44. Bmgt.J
47 J.
45. Zchw.
48 J.
46. Schrt.,1
24 J.
47. Hlzb.,
45 J.
48. Zwk.
24 J.
49. Frau
Strm.,
63 J.
Krankheit.
Insuffic.
valv. Aor-
tae u. Hy-|
pertroph.
cordis.
do.
do.
(gut com-
pensirt).
[Insuff. valv,
Aortae.
Compensa-
tions-Stö-
rung.
[Stenosis et|
insuffic.
[valv. Aor¬
ta«. Hyper-]
troph. cor*
dis.
Stenosis
ostii ven.
sin.
Tabelle IV.
Ergebnisse an Kranken.
TT
Fülle,
resp.
Durch¬
messerl
des
Pulses
(a).
Mm.
6,15
5,90
6,05
6,85
3,50
3,05
Span¬
nung
des
Pulses
(s).
2
H3
CV-n
m -Q
42 £
Pi
m
T 3 CO ,
, '’Ö
a g.ts
:© *5 o
s-i :o 3
oa-o
Grm. Mm.
938
600
1097
695
1112
255
0,16
0,13
0,10
0,09
0,035
0,025
|Slj
sj -e
fl
2 ^
*a 'o
^3 4S
&> 5
§ 3
3 5
B
> ü
1/19,2
1/23
1/30,2
1/38
1/50
1/61
Kraft des Pulses.
Hubhöhe (Puls¬
grösse) mal geho¬
benem Gewicht.
Grm.-Mm.
0,16.110 = 17,60
0,13.165 = 21,45
0,10.230 = 23,0
0,09.61=5,49
0,035.175 = 6,12
0,025.135=3,375
Pat. athmet seit 5 Wochen an meinem pneumatischen Apparat
eomprimirte Luft ein. Seitdem ist unter erheblicher Besserung des All-
gemeinbefindcs der Puls für den tastenden Finger wesentlich voller, ge¬
spannter und grösser geworden, ausserdem hat sich die frühere Irregu¬
larität verloren. Die obigen Pulswerthe sind demnach durch die
pneumatische Behandlung bereits beeinflusst und waren zu Anfang ent¬
schieden beträchtlich kleiner.
4,21
528
0,055
1/38
1,70
181
1
1
0,02
1/42,5
10,055.187=10,28
50. Dieslb.j do.
11 Tage später, nach
fortgesetzter pneuma¬
tischer Behandlung u.
unmittelbar nach dem
Gebrauch der compri
mirten Luft aus dem
transportablen pneu¬
matischen Apparat, bei
vollkommnem Wohl¬
befinden.
51. Frl. Stenosis
Wlf., ost. ven.
15 J. sin.
Pat. athmet seit 3 Wochen eomprimirte Luft am pneumatischen
Apparat ein. Auch hier ist unter wesentlicher Besserung aller Krank-
0,02.150 = 3,00
heitssymptome und des Allgemeinbefindens der Puls bereits vollkommen
regelmässig und für den tastenden Finger viel voller, gespannter und
grösser als zuvor geworden. Die Messung hätte demnach zu Anfang
sicherlich viel kleinere Zahlen als die obigen ergeben.
0,04.78 = 3,12
52. Dieslb.| do.
11 Tage später, nacl
fortgesetzter pneuma
tischer Behandlung u
unmittelbar nach Ein
1,94
190
0,04
1/24,2
athmung der compri-
mirten Luft aus dem
transportablen pneu¬
matischen Apparat.
Weiter vorgeschrittene
Besserung aller Sym¬
ptome.
53. Agth.
Stenosis
2,50
100
0,01
1/125
Fsch.,
13 J.
ost. ven.
sin.
Asthma
Grosse Schwankungen in der H
der Grösse des Pulses und der
Arterie.
54. Ln.,
Leichte
3,10
193
0,06
1/25,8
17 J.
gut com-
pensirte
Stenosis
ostii ven.
sin., ohne
Symptome.
55. Rbsk.,
Stenosis
3,36
| 459
0,02
1/84
41 J.
ostii ven.
1
sin. und
Puls
nach allen Richtungen sehi
wahr¬
scheinlich
auch Ste¬
nosis ostii
arter. sin.
56. Frl.
Insuff.
4,30
190
0,05
1/43 |
Bkwk.,
valv. mi¬
18 J.
tral., zur
Zeit voll¬
kommen
compen-
sirt.
57. Diesel¬
Insuff.
2,80
283
0,03
1/46,7
be 11
valv. mitr.
Monate
Compen-
später.
sationsstö-
rung, in d.
Besserung
begriffen.
58. Frau
Insuff.
7,50
1030
0,09
1/41,7 (
Frbl.,
valv. tricu-
42 J.
spid., gut
compens.
59. Grnd.,
Pericardi-
3,60
360
0,04
1/45
63 J.
tische Ad-
haesionen.
60. Frl.
Beginnen¬
2,75
197
0,03
1/45,8 C
Zrn.,
der Morb.
23 J.
Basedowii
in d. Re-
convale-
scenz von
61. Brdn.,
Typhus.
Phthiss
2,81
164
0.05
1/23,1
47 J.
pulm.
62. Kch.,
do.
1,88
104
0,04
1/23,5
29 J.
63. Drng..
do.
3,96
209
0,08
1/24,8
38 J.
64. Wdf.,
22 J.
do.
4,50
310
0,04
1/56,2
65. Ptzld..
Phthisis
4,57
593
0,04
1/57
22 J.
pulm. et
66. Frl.
laryng.
Phthisis
2,78
138
0.04
1/35
Jngm.,
20 J.
pulm.
67. Frl.
do.
3,95
405
0,05
1/39,5
Schfr.,
17 J.
68. Frau
Alte ge¬
3,95
597
0,07
1/28 0
Csr.,
heilte chro¬
35 J.
nische
Pneumon.
69. Schrr.J
Pleurit.
4,00
313
0,04
1/50 (
18 J. |
Schwarte.
0,01.85=0,85
0,06.80=4,80
0,02.280 = 5,60
0,05.65=3,25
0,03.220 = 6,60
0,09. 170 = 15,30
0,05.85 = 4,25
0,04.60 = 2,40
0,08.75=6,00
0,04.100=4,00
0,04.70 = 2,80
0,04.70 = 2,80
0,05.68 = 3,40
0,04. 160 = 6,40
Digitized b)
Google
Original frn-rri
UNIVERSSTY OF MICHIGAN
2. December 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
715
70. Mchd., Emphys. 5,60 860 0,06 1/46,6 0,06.185 = 11,10
36 J. pnlm.
71. Frl. do. 4,75 706 0,09 1/25,4 0,09.185 = 16,66
Nrhf.,
26 J.
72. Frau Asthma 3,75 154 0,04 1/46,9 0,04.75 = 3,00
Grwd., nervosum,
35 J. Emphys.
pulm.
Seit länger als 1 V,
Jahren, bei zeitwei¬
sem Gebrauch des
pneumatischen Appa¬
rates, kein Anfall; nur
einmal eine Andeu¬
tung desselben. (An¬
fälle früher sehr heftig
und. ausserordentlich
hau fig, meist alle 3 bis
4 Wochen.) Die
Krankheit bestand seit
5 Jahren. Vor 14 Ta¬
gen Zwillngsgeburt.
73. Dieselbe, ca. 7, 6,28 469 0,07 1/45 0,07.170=11,90
J. später, kurz nach
einem leichten asthm.
Anfall, dem ersten seit
2 Jahren.
74. Lhm.. 144 J. 3,05 370 0,02 1/76 0,02.35 = 0,70
Asthma bronch. Em- *
phvs. pulm.
75. Derselbe. 6 3,12 129 0,04 1/39 0,04.75 = 3,00
Wochen später, nach
pneumatischer Be¬
handlung, gegenwärtig
frei von Dyspnoe.
76. Frau Schnf., 40 2.74 183 0,03 1/45,7 0,03.102 = 3,06
J. Strictura tracheae.
Dies sind die nackten Zahlen. Ich enthalte mich, wie ge¬
sagt, jeder Schlussfolgerungen aus denselben.
Nur auf die diametralen Gegensätze zwischen den Puls-
werthen der Insufficienz der Aortenklappen und der Stenose
des Ostium venosum sinistrum, die sich der Natur dieser Leiden
nach auch erwarten Hessen — wenn auch nicht in so grossen
Extremen — möchte ich hinweisen.
Einige Bemerkungen muss ich auch noch hinzufügen, um
an einzelnen der gewonnenen Facta einen Massstab bereits be¬
kannter Thatsachen anzulegen.
Ueber einen Punkt liegen bereits exacte Untersuchungen
vor und zwar anatomische Messungen an Leichen: nämlich über
den Durchmesser der Arterien. Nach C. Krause, dem
sich Henle 1 ) anschliesst, gehört die Art. radialis ihrem Kaliber
nach der Ordnung IV mit einem mittleren Durchmesser von
3,5 Mm. an, der aber nach Henle selbst „vielfachen Wechseln“
unterworfen ist. Nun kommt dabei aber in Betracht, dass dieses
Mass an den leeren Arterien der Leiche gewonnen ist. Ich habe
vielfach an elastischen 8chläuchen von etwa gleichem Lumen
und gleieher Dicke wie die Art. rad. experimentirt und fand,
1) Henle: Handbuch der systematischen Anatomie des Menschen.
2. Auflage, Braunschweig, View eg 1876. Bd. III. 1. Abtheilung, Ge-
fässlehre. p. 71 und 143.
wie schon a priori zu erwarten, dass wenn sie mit einer Flüssig¬
keit — Wasser oder Quecksilber — unter einem gewissen Drucke
gefüllt werden, sie entsprechend dem letzteren sich mehr und
mehr ausdehnen, und dass ein Druck der Flüssigkeit, wie er
etwa dem an grossen Thieren gefundenen Blutdruck, oder dem,
wie er am Menschen geschätzt wird, gleich kommt, das Lumen
des Schlauchs bereits sehr erheblich, ungefähr um V« erweitert *).
Fügen wir zu dem obigen, an der Leiche gewonnenen Masse
von 3,5 Mm. noch den vierten Theil, als durch die Ausdehnung
des Arterienrohrs vermöge des Blutdruckes am lebenden Menschen
bewirkt, hinzu, so erhalten wir als ungefähres Durchschnitts-
mass ca. 4,4 Mm., welches höchst wahrscheinlich noch unter
dem Einfluss der Blutwärme vergrössert wird. Vergleichen wir
diese Zahl mit den an gesunden erwachsenen Menschen durch
die Pulsuhr gewonnenen Werthen, so sehen wir, dass sie kaum
erheblich von denselben, wollten wir einen Durchschnittswerth
aus ihnen feststellen, abweicht. Berechnen wir nämlich aus Ta¬
belle I und II (mit Ausschluss von No. 34, wo Amylnitiit-
Wirkung vorhanden) das Mittel des Arteriendurchmessers, so
erhalten wir 4,6; die Mittelzahl bei den Männern beträgt nach
Tabelle I 4,9, die bei Frauen nach Tabelle II 3,8, aus diesen
beiden Zahlen würde sich das Mittel auf 4,3 beziffern. Trotz
dieser Uebereinstimmung des Pulsuhrergebnisses mit dem ana¬
tomischen Befund würde ich es dennoch für durchaus verfrüht
halten, bereits eine Feststellung der normalen Werthe vorzu¬
nehmen, aus den Gründen, die ich oben anführte. Vorläufig muss
noch viel, sehr viel gearbeitet werden, ehe man sich dazu ent-
schliessen darf. Nur so viel darf man wohl schon jetzt ohne
Scrupel aussprechen, dass wo erhebliche Abweichungen von
jenen Zahlen — 4,4 Mm., oder besser 4—5 Mm., und zwar nahe
an 5 Mm. bei Männern, nahe an 4 Mm. bei Frauen — constatirt
werden, eine Abnormität mit Sicherheit anzunehmen ist.
Ich möchte diese Gelegenheit nicht vorübergehen lassen,
um auf die grosse Bedeutung hinzuweisen, welche meines Er¬
achtens den Untersuchungen und Bestrebungen Beneke’s zu¬
kommt, der durch genaue Wägungen und Messungen des Körpers
und seiner einzelnen Organe, einen Einblick in die Verschieden¬
heit der Constitutionen und in Anomalien derselben zu er-
schliessen sucht. Beneke und seinen Schülern verdanken wir
in dieser Beziehung auch eine grosse Reihe von Messungen des
Umfangs der grossen Gefässstämme an Leichen von an den
verschiedensten Erkrankungen gestorbenen, aus denen er bereits
eine Reihe wichtiger Schlüsse abzuleiten unternehmen konnte*).
Es wäre zu wünschen, dass diese Untersuchungen von vielen
Seiten Nacheiferung fänden.
Endlich habe ich noch einige Daten über das Verhältniss
der mit jeder Systole in die Arterien einströmenden Blutmenge
zu der gesammten Blutmasse anzuführen. Nach Bischoff wird
die gesammte Blutmenge des menschlichen Körpers auf ungefähr
Vit des Körpergewichts geschätzt. Die Blutmenge, welche mit
jeder Systole aus dem linken Ventrikel in die Aorta strömt,
lässt sich nach Volkmann auf etwa 7m des Körpergewichts
berechnen. Hieraus folgt, dass jede Systole V 40# : l / l 9 — 1 «/ 40 o= 1 /*o>«
der gesammten ßlutmenge den Arterien zuführt, dass also 30,8
Herzcontractionen zum Umlauf des gesammten Blutes erforder¬
lich sind.
1) Bei Veröffentlichung der Einzelheiten meiner Messungen und Ex¬
perimente werde ich auch auf diese Masse näher zurückkommen.
2) Beneke: Die anatomischen Grundlagen der Coustitutionsano-
malien des Menschen. Marburg, Elwcrt’sche Buchhandlung 1878. —
Ruckert: Ueber die Lumina der arteriellen Gefas 9 e. Inaug. Dissert.
1870. Marburg. — Kimpen: Ein Beitrag zur Lehre \on der Weite der
arteriellen Gefasse und deren Beziehung zu einzelnen Kiankheitsformen.
Inaug. Dissert. 1874. Marburg.
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
716
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 48
Von wie vorzüglichen Autoren diese Zahlen auch stammen,
so hüte man sich doch, dieselben für mehr als blosse Schätzungen,
die nur auf Untersuchung weniger hierzu verwendeter Individuen
beruhen, anzusehen, und es ist noch sehr die Frage, ob bei
einem sehr grossen Untersuchungsmaterial, wie es erforderlich
ist, um einen gültigen Durchschnittswerth festzustellen, die obigen
Zahlen wirklich dem Durchschnitt gesunder Personen entsprechen.
Mir will nach meinen Messungen scheinen, dass schon bei Ge¬
sunden jene Werthe viel variabler sind, als man gewöhnlich
annimmt, oder mit anderen Worten, dass eine ziemlich grosse
Breite der Variation innerhalb der Grenzen des gesunden besteht.
Um wie viel mehr müssen jene Werthe bei Krankheiten variiren!
Man braucht nur die grossen Verschiedenheiten des Rauminhalts
der Herzventrikel bei einzelnen Erkrankungen mit einander zu
vergleichen, um hiervon überzeugt zu werden.
Auch hier wäre es verlockend, die Durchschnittszahl der
2b
von mir an der Pulsuhr für — gewonnenen Werthe mit dem obi-
a
gen von den Physiologen erforschten Werthe (1/30,8) zu ver¬
gleichen. Sie kommt diesem in der That ausserordentlich nahe;
denn sie beträgt für Tabelle I und II zusammengenommen
0,03098 = 1/32,3, für die Männer allein 0,03035 = 1/32,8, für
die Frauen allein 0,03267 — 1/30,6, für den Durchschnitt beider
0,03151 == 1/31,7.
Es erübrigt mir nur noch, über die Bestimmung des Blut¬
drucks mittelst der Pulsuhr, den schwierigsten Theil meiner
Aufgabe, Mittheilung zu machen. Ich spare mir dies für eine
besondere Arbeit auf.
IV. Referat.
Jahrbuch für prac-tische Aerzte (Fortsetzung von Graevell’s
Notizen). Unter Mitwirkung von Fachgelehrten herausgegeben von
i)r. Paul Guttmann, Doeent an der Friedrich-Wilhelms-Univer-
sität zu Berlin. Erster Band. Zweite und dritte Abtheilung.
Berlin 1878. Hirschwald. 751 S.
Das nunmehr in seinem ersten Jahrgange vollständig — auch mit
Namen- und Sachregister — vorliegende „Jahrbuch für practische Aerzte“
bestätigt in seiner Gesainmtheit vollkommen das günstige Urtheil, welches
nach dem Erscheinen der ersten Abtheilung hier ausgesprochen werden
konnte. (Vgl. d. Wochenschrift No. 1!) d. J.). Die zweite und dritte
Abtheilung enthält: Allgemeine Ernährungsstörungen, referirt von Perl,
Krankheiten der Respirationsorgane, referirt vom Herausgeber, des Circu-
lationsapparates von demselben, der Digestionsorgane, referirt von Le-
winski, der Harn- und männlichen Geschlechtskrankheiten von dem¬
selben, Krankheiten des Nervensystems, referirt von Eulenburg,
Psychiatrie, referirt von W. Sander, Hautkrankheiten, referirt von 0.
Simon, Kinderheilkunde, referirt von P. Wallmüller, Gynaekologie,
bearbeitet von Cohnstein, Geburtshülfe von demselben, Chirurgie von
Julius Wolff, Augenheilkunde, referirt von Scheeler, Ohrenheilkunde,
referirt von Schwabach, Zahnheilkunde, referirt von Ilollaender
(Halle), Thierheilkunde, referirt von Schütz, öffentliche Gesundheits¬
pflege, referirt von Baer in Berlin, Staatsarzneikunde und gerichtliche
Medicin, referirt von W. Sander, endlich medicinische Statistik und
Geographie, referirt von A. Oldendorff. Auch die vorstehend aufge¬
zählten Referate sind wie die des ersten Bandes für den Gebrauch des
prac-tischen Arztes in Auswahl und Darstellungswei.se in bester Weise
berechnet, und die in den Jahrbüchern im Gegensätze zu den früheren
„Notizen“ eingeführte Neuerung, dass die einzelnen Referate über die
einzelnen Disciplinen nicht lose an einander gereiht, sondern als ein
in sich zusammenhängendes ganzes behandelt werden, macht sieh auch
in den vorliegenden Schlussahtheilungen aufs vorteilhafteste geltend.
Die Berichte tragen im ganzen ein einheitliches Gepräge und unter¬
scheiden sich nur darin, dass in manchen die Kritik weniger oder gar-
nicht, in andern — z. B. in den Referaten über Psychiatrie, über Krank¬
heiten der Digestions- und Sexualorgane, über Gynaekologie und
Geburtshülfe — stärker hervortritt, ln dieser Beziehung wird indes»
individueller Neigung gern ein gewisser Spielraum zu lassen sein. Dass
über eine Arbeit von zwei verschiedenen Berichterstattern referirt wurde,
haben wir nur einmal gefunden. (Vgl. S. 378 u. 412.) Wir wieder¬
holen schliesslich das bereits früher ausgesprochene, dass das Jahrbuch,
welches fb-in Praetiker ein vollständiges Bild der wichtigeren Leistungen
auf den verschiedenen Gebieten der ärztlichen Wissenschaft iiefen, einem
wirklichen Bedürfnis» entspricht, und dass die neue Form, in welcher
es nunmehr aufgetreten ist, dazu beitragen wird diesem Bedürfniss in
vollstem Masse Rechnung zu tragen.
Y. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Allgemeiner ärztlicher Verein in Cöln.
Sitzung vom 8. April 1878.
1) Das Protocoll der letzten Sitzung wird verlesen und genehmigt
2) Herr Birnbaum: Ueber Uterinnaht. Der Vortrag wird an
anderer Stelle veröffentlicht werden.
3) Herr Riegel: Ueber Blutdruckschwankungen in Folge
von Stenose der grossen Luftwege.
Vortr. theilt die Resultate einer grösseren gemeinschaftlich mit
Herrn Tuczek an Kaninchen vorgenommenen Versuchsreihe mit, die
der,' Frage über den Einfluss der Stenose der grossen Luft¬
wege auf die Grösse der respiratorischen Blutdruckschwan-
kungen galt. Vortragender hatte früher (siehe diese Wochenschrift
1876 No. 47) an mit Stenose der grossen Luftwege behafteten Kranken
gefunden, dass die respiratorischen Druckschwankungen der
Pulscurvc um so grösser wurden, je hochgradiger die Ver¬
engerung und darum auch die Dyspnoe war. Mit Abnahme der
Stenose schwanden dann auch die Druckschwankungen an der Pulscurve
allmälig wieder. Behufs Controllirung dieser am Krankenbette gemachten
Beobachtungen unternahm Vf. eine Reihe von Blutdruckversuchen
an Thieren, deren Luftröhre bald stärker, bald weniger verengert wurde.
Hierbei zeigte sich als c-onstantes Ergebniss, wie die vorgelegten Blut-
druckcurven beweisen, dass in dem Masse, als die Luftzufuhr
behindert wurde, die respiratorischen Blutdruckschwan¬
kungen grösser wurden und umgekehrt. Beide, d. h. Grosse
der Behinderung der Luftzufuhr und Grösse der respiratorischen Blut¬
druckschwankungen gingen einander stets parallel. Diese experimen¬
tellen Resultate stimmen aufs vollkommenste mit den vom Vf. zuerst
gefundenen klinischen Thatsachen überein. Die ausführliche Mitteilung
dieser Versuche wird demnächst erfolgen.
Sitzung vom 29. April 1878.
1) Das Protocoll der letzten Sitzung wird verlesen und genehmigt
2) Herr Servacs trägt einen Fall von Ca rein om des Pancreas
mit jahrelanger äusserst heftiger Neuralgia coeliaca und Melliturio vor,
welcher in den letzten drei Monaten eine braune Färbung der Haut¬
decken (Bronzed-skin) zeigte. Der Fall wird demnächst in extenso ver¬
öffentlicht werden.
3) Herr Preisendörfer demonstrirt das Präparat eines Kehl-
kopfcarcinoms, das von dem in einer der früheren Sitzungen vor¬
gestellten Patienten stammte. Tn den letzten Lebenstagen war die Ge-
schwulstmas.se vom freien Rande des Kehldeckels her ulcerirt. Die
Kehlkopfgebilde, mit Ausnahme der Kpiglottis, sind intact. Die obere
Fläche des Kehldeckels, insbesondere rechts, ist eingenommen von einer
grauschwärzlichen, missfarbenen Geschwulstmasse mit theiis schmierig
zerfallender Fläche, theiis warzenähnlichen festeren Gebilden, die Um¬
gebung derb infiltrirt. Die untere Fläche der EpiglcDtis mit Ausnahme
der Ränder noch glatt und von normal aussehender Schleimhaut über¬
zogen. Die ulcerirte Tumormasse geht auch auf den Zungengrund über.
4) Herr Schniewind jun. Demonstration einer Doppelmiss-
bildung. Vortr. zeigt eine Zwillingsfrucht von etwa 2 Monaten, her¬
rührend von einem am 10. April er. erfolgten Abortus. Die Embryonen
sitzen sich gegenüber, und sind beide mit der Unterbauchgegend, etwa
vom Nabel bis zum Becken herab, mit einander fest verwachsen; jeder
Embryo ist 2 \ Ctm. gross und gleich weit entwickelt. Die Placenta.
wenigstens handtellergross, dick, fleischig, entspricht dem 4. Schwanger-
schaftsmonate, und wärd die Frage erörtert, wie die entwickeltere Pla¬
centa. mit dem offenbar geringeren Alter der Zwillingsfrucht in Einklang
zu bringen sei. Vortr. glaubt, dass mit Wahrscheinlichkeit ein früheres
Absterben der Zwillingsfrucht anzunehmen sei, während die Placenta
bei intactcm Ei sich noch weiter entwickelt habe. Zum Schlüsse er¬
läutert Vortr. kurz die bestehende Lehre der Genese solcher Doppcl-
raissbildungen.
YI. Feuilleton.
Corsica und seine Kurorte.
Von
Dr. 0. H. Brunner in Berlin.
(Schluss.)
Zur Erläuterung dieser immerhin nicht ganz ausreichenden Tabelle
ist noch zu bemerken, dass sic diejenigen Maxima und Minima enthält,
welche während des ganzen sechsjährigen Zeitraumes beobachtet wurden.
Innerhall) desselben sank das Thermometer iin Januar nur an 1 Tagt
auf 1° und an 2 Tagen auf 2", im März nur an 1 Tage auf 3". Mein
l’aticnt beobachtete in dem ausnahmsweise kalten Winter 1875 im
Januar 12,7 als Max., 6,3 als Minim.; im Februar 13,6 als Max., 3,8 als
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2. December 187b.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
717
Minim.; im März 16,6 als Max., 4,5 als Minim.; im April 17,5 als Max.,
7,5 als Minim. Am 5. Mai verliess er der schon zu belästigenden Hitze
wegen die Insel und begab sich nacli Bex.
Hiernach gehört Ajaccio zu den feuchten Wintercurorten,
d. h. zu einer und derselben Categorie klimatischer Curorte wie Madeira,
Algier, Palermo, Catania, Rom, Pisa und Venedig. Der Winter ist
wärmer als in den 3 letztgenannten Orten, die täglichen Temperatur-
schwankungen sind geringer als in Pisa und Algier, der Feuchtigkeits¬
gehalt der Luft ist constanter als in Rom, Sieilien und Algier, die Zahl
der Regentage geringer als in Palermo, Rom und Pisa. Das Winter¬
klima Ajaccio’s rangirt somit unmittelbar hinter dem Madeira’s, ja es
ist diesem vielleicht vorzuziehen, weil es nicht so erschlaffend wirkt.
Indicirt ist es in den ersten Stadien der Lungenschwindsucht, bei reiz¬
baren Individuen mit entzündlicher Disposition, massigen Fieberzuständen
und sparsamer Secretion, dagegen contraindicirt bei Cavernenbildung.
Noch bemerke ich, dass Malariafieher während des Sommers und in den
niedrig gelegenen feuchten Stadtheilen zwar in grosser Verbreitung
herrschen, jedoch im Winter den Curgästen, zumal den in den höher
gelegenen Stadttheilen wohnenden, wenig gefährlich sind. Mein Patient,
ein ruhiger und nüchterner Beobachter, theilte mir nun noch folgende
Details mit, die von einigem practischen Interesse sein dürften und
jedenfalls den grossen Vorzug völliger Unparteilichkeit haben.
Am geeignetsten für die klimatische Cur ist die Zeit vom November
bis März. Da jedoch der November und März windig und selbst stür¬
misch sind, so ist empfindlichen Patienten im Hinblick auf die Seereise
zu empfehlen, sich schon Mitte October dort einzufinden und nicht vor
Ende April abzureisen. Eine directe Verbindung Ajaccio’s mit dem
Festlande fiudet nur von Marseille aus, und zwar jeden Mittwoch Abends
5 Uhr und jeden Freitag statt. Die Dauer der Seereise beträgt 16 bis
20 Stunden. Sonst existiren noch regelmässige Darapfschiffverbindungen
zwischen Bastia einerseits und Livorno, Genua und Nizza andererseits,
allein diese Routen sind trotz der kürzeren Seereisen von 6 bis 7 Stunden
doch nicht zu empfehlen, und zwar deshalb nicht, weil die Entfernung
von Bastia nach Ajaccio noch 152 Kilometer beträgt, die in ziemlich
unbeqnemen und meist überfüllten Wagen zurückgelegt werden müssen,
ausserdem aber die 16 bis 20 Stunden lange Reise über einen 1137 M.
hohen Pass führt, der im letzten Winter selbst bis Mitte März ein¬
geschneit war. Nach Marseille fährt man am schnellsten, wenn auch
am theuersten, von Berlin aus via Paris per Jagd- resp. Curierzug in
47% Stunden, etwas billiger und langsamer über Frankfurt, Genf und
Lyon. Die Route Frankfurt, Mühlhausen, Beifort, Dijon, Lyon ist wegen
äusserst mangelhafter Anschlüsse und häufigen Wagenwechsels nicht zu
empfehlen.
Bezüglich der Wohnung sind besonders das Hotel Germania und
die Privat legis am Cours Grandval zu empfehlen. Die Heizvorrichtungen
sind wie überall im Süden unzureichend, so dass vornehmlich auf süd¬
liche Exposition der Zimmer zu achten ist. Vom Januar bis
März steigt die Zimmertemperatur Morgens und Abends selten über
12—13° C., so dass etwas Feuerung nothwendig ist. Das Hotel Ger¬
mania zeichnet sich vor allen übrigen durch seine Zimmer mit südlicher
Lage, ausserdem aber auch durch Ruhe, reine und staubfreie Luft,
sowie die Alleeanpflanzungen in seiner unmittelbarsten Nähe, Reinlich¬
keit. und gute Betten aus. Auch die Verpflegung ist schmackhaft und
kräftig; Rebhühner, Krammetsvögel, Sardinen und verschiedene Obst¬
sorten erscheinen fast täglich auf der Tafel. Die Kuhmilch dagegen
ist schlecht und wegen ihrer starken Verdünnung fast ungeniessbar,
etwas besser ist die Ziegenmilch. Die meist vorn Festlande bezogene
Butter aber ist gut und wohlschmeckend. Die Verkehrssprache in der
Stadt ist die französische, Unannehmlichkeiten haben Deutsche nicht
zu befürchten. An öffentlichen Vergnügungen und Zerstreuungen fehlt
es zwar, jedoch nicht an einer reichen Auswahl schöner Spaziergänge
auf den guten, nicht staubigen Landstrassen und in den Weinbergen,
auf denen der allerdings meist fehlende Schatten im Winter auch ent¬
behrlich ist. Die Vegetation ist während des Winters reich und üppig.
Die Orangenbäume tragen während des ganzen Winters Früchte und
Blüthen, im Januar sieht man blühende Feldblumen und Cacteen, im
Februar blühende Mandelsträuche. Leider existirt nur eine Badeanstalt
in der Stadt und gar keine Douchen. Die Zahl der Curgäste betrug
im^letzten Winter ca. 120, worunter etwa 20 aus Deutschland.
Kosten: Reise von Berlin über Genf nach Marseille 146 Mark, von
Marseille nach Ajaccio 26 Mark. Hotel Germania: Zimmer 1 1 / 2 bis
5 Francs, Verpflegung mit Wein 7 Francs. Die übrigen Hotels sind
erheblich billiger, aber auch viel weniger empfehlenswerth. Hiernach
ist das Leben nur wenig theurer als in der Schweiz und Tirol, dagegen
erheblich billiger als in den übrigen transalpinischen Curorten, nament¬
lich auch denen der Riviera di Levante und Ponente. Neben diesem
wichtigen Vorzug, welchen die Insel in Ajaccio als einem der besten
klimatischen Curorte besitzt, ist sie auch reich an Mineralquellen,
so dass die Frage nahe liegt, ob sich dieselben nicht in Verbindung
mit dem heilkräftigen Klima zur Bekämpfung einzelner Complicationen
der Schwindsucht zweckmässig verwerthen lassen. Bisher sind dieselben
im allgemeinen nur. von den Einwohnern und der Garnison benutzt worden,
auch fehlt es in der Mehrzahl wohl noch an dem wünschenswerthen und
in einigen selbst an dem nothwendigsten Comfort. Nach der gebräuch¬
lichen Kinthcilung kann man dieselben eintheilen in Schwefel- und
Stahlquellen. Schwefelbäder, welche benutzt werden, giebt es 9.
Ihre Temperatur schwankt zwischen 14 und 64°. Da bei den Schwefel¬
quellen weniger der Gehalt an Schwefelwasserstoff als an Salzen die
Wirkung bedingt und letzterer meist ein relativ geringer ist, so kann
die Mehrzahl hinsichtlich ihrer Wirksamkeit einen Vergleich mit den
Schwefelbädern Deutschlands nicht aushalten. Die einzige Ausnahme
macht St Antoine de Guagno. In der folgenden Aufzählung ist der
Gehalt an den wichtigsten Bestandteilen durch die Zahl der Gramme
angegeben, welche in 1000 Gramm des Wassers enthalten sind.
St. Antoine de Guagno, 63 Kilometer von Ajaccio entfernt,
besitzt 2 Quellen von 50 bis 55 °, die 83000 Liter in 24 Stunden liefern.
Sie enthalten 9,252 Grm. Chlomatriura, 0,48 schwefelsauren Kalk,
0,33 schwefelsaures Natron, 0,06 Schwefelnatrium und 0,087 kohlen¬
saures Natron. Besonders empfohlen bei inveterirtem Rheumatismus,
Flechten, Syphilis, chronischen Entzündungen aller Art, Scropheln, Con-
tracturen nach Schussverletzungen etc. In 30 Fällen von sehr invete-
rirter Syphilis wurden 1871 16 Heilungen und 12 Besserungen erzielt,
allerdings, wie gewöhnlich, durch gleichzeitige Anwendung von Mercu-
rialien. Das Klima ist mild. Die Durchschnittstemperatur beträgt im
Juni 15,5. Juli 23,9, August 21,9, September 20,2. Wein, Oliven und
Kastanien gedeihen daselbst noch. Der Ort besitzt ein allerdings im
Verfall begriffenes Militair-Hospital. in welchem 1871 noch 135 Kranke
behandelt wurden, Saison: 1. Juni bis 30. September.
Pietrapola, 10 Quellen, die wärmsten und reichlichsten der Insel,
so dass täglich gegen 2000 Bäder gegeben werden können. 39 bis 64°.
Sie enthalten: 0,2 doppelt kohlensauren Kalk und Magnesia, 0,08 kohlen¬
saures, kieselsaures und schwefeIsaures Natron und 0,06 Chlornatrium
und werden innerlich sowie äusserlich angewandt, besonders bei inve¬
terirtem Rheumatismus, Flechten und Syphilis. Lage ländlich und
wildromantisch. Etablissement mit mehreren Logirhäusern, Piscinen
und Badecabinettcn. Saison: 1. Mai bis 30. Juni und 20. August bis
30. October, in der Zwischenzeit wegen der nahen Sümpfe der Ostküste
zu meiden. Ganz ähnlich, aber noch schwächer sind Guitera mit viel
fieier Kohlensäure und Stickstoff, aber mangelhaften Badeeinrichtungen,
sowie Caldo nie eia, welches namentlich hei Hysterie, Leueorrhoe und
nervösen Leiden aller Art mit Erfolg angewandt werden soll.
Von grösserer Wichtigkeit aber ist 01 meto oder Baraci, beson¬
ders für fremde Curgäste, weil es in einem Thale der Westküste gelegen,
auch im Winter und Frühjahr benutzt werden kann. Be: einer Tem¬
peratur von 32° enthält das Wasser 0,2 Chlornatrium und Chlorkalium,
0,03 doppelt kohlensaurer Kalk und 0,3 kohlensaures Eisen und Eisen¬
oxydhydrat. Die Quellen entspringen auf Torfboden, so dass auch Schlamm¬
bäder gegeben werden, die mit Vortheil bei der progressiven motorischen
Ataxie angewandt werden sollen. Ein Bade-Etablissement ist gegenwärtig
im Bau begriffen.
Die übrigen Schwefelthermen der Insel, wie Baldarango bei Urba
lacone und Tallano sind noch nicht analysirt. Zu erwähnen wären nur
noch die Wässer von Puzzichello, welche bei einer Temperatur von
nur 14° als kalte Schwefelwässer bezeichnet werden können. 0,414 kohlen¬
saurer Kalk, 0,414 kohlensaure Magnesia, 0,368 Chlormagnesium, 0,220
schwefelsaurer Kalk, 0,220 Schwefelsäure Magnesia, 0,258 Chlornatrium.
Das stimulirend und eröffnend wirkende Wasser wird innerlich und
äusserlich mit Vortheil angewandt bei inveterirten Hautkrankheiten,
Mercurialismus etc. Wenn jedoch behauptet wird, dass es die Eigen¬
schaften von Creuznach und Marienbad in sich vereinige, so ist dies
: edcnfalls im Hinblick auf den weit geringeren Gehalt an festen Bestand-
tbeilen und namentlich auch an Glaubersalz eine arge Uebertreibung.
Nicht minder reich ist die Insel an Stahlquellen, welche insofern
von grosser localer Bedeutung sind, als sie ein so wirksames Heilmittel
gegen die Pest der Insel, das Malariasiechthum, gewähren. Sie werden
daher hauptsächlich bei Alterationen der Blutbildung, ausserdem aber
auch bei der Gicht, sowie bei chronischen Gebärmutter- und Nieren¬
leiden mit Erfolg angewandt. Ihr Eisengehalt variirt zwischen 0,02 und
0,028, ist also auch ungleich geringer als der der Stahlquellen des Con-
tinents, besonders Deutschlands und Belgiens. Ausserdem enthalten sie
besonders doppelt kohlensauren Kalk 0,2 bis 1,2, Ohlomatrium 0,21 bis
0,31 und sehr viel freie Kohlensäure. Die reichlichsten sind die von
Orezza, welche 145,000 Liter in 24 Stunden liefern und auch viel
versandt werden. Ungleich weniger reichlich sind die von Porta, Alesani
und dem sehr frequentirten Lucciana. Die Saisonraonate sind Juli und
August.
Ueberblicken wir nun noch einmal diesen Quellreichthum, so muss
jedenfalls zugegeben werden, dass derselbe bei einer grossen Anzahl von
Kraukheiten mit Nutzen angewendet werden kann, und unter diesen be¬
finden sich mehrere, die nicht selten mit der Lungenschwindsucht com-
plicirt Vorkommen. Dahin gehören namentlich Syphilis, chronische Haut¬
ausschläge und Uterusleiden. Besonders sind es die Schwefelquellen,
welche erfahrungsmässig gegen diese Leiden wirksam, sind. Fällt nun
die Saison bei der Mehrzahl derselben auch in die Sommermonate, in
welchen Brustkranken der Aufenthalt auf der Insel nicht zu empfehlen
ist, so giebt es doch auch einige darunter, welche auch in der kühleren
Jahreszeit gebraucht werden können, wie besonders Baraci im Winter
und Frühjahr, und Pietrapola bis Ende October. Will man daher Ge¬
brauch davon machen, so dürfte es sich empfehlen, solche Kranke schon
Mitte September nach Corsica zu schicken, dort sofort die indicirte Bade-
cur gebrauchen und demnächst den Winter in Ajaccio verleben zu lassen,
In geeigneten Fällen würde ich keinen Anstand nehmen, einen solchen
Curplan zu empfehlen.
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71S
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 48
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. Das Archiv der Heilkunde, redigirt von Prof. E. Wag¬
ner in Leipzig (früher unter Mitwirkung von Wunderlich, Roser
und Griesinger), hat mit der Herausgabe des letzten Jahres-Heftes zu
bestehen aufgehört. Die Redaction und Verlagshandlung zeigt dies
mit den lakonischen Worten an: „die seit Jahren vereinten Anstrengungen,
sowohl der Redaction als der Verlagshandlung, dem Archiv der Heil¬
kunde einen grösseren Abonnentenkreis zu verschaffen, waren ohne
Erfolg. Es begegneten sich daher beide in dem Wunsche, diese Mühe
aufzugeben. Dieses Doppelheft (5 und 6) des XIX. Bandes ist demnach
das letzte, welches die geehrten Abonnenten erhalten.“ Wir bedauern
lebhaft, dass ein an vortrefflichen Arbeiten so reiches Journal, das zum
Aufschwünge unserer medicinischen Wissenschaft so wesentlich mit¬
gewirkt hat, diesem Schicksal verfallen ist.
— Ein für den Arzt sehr wichtiges Obertribunals-Erkennt-
niss wird von der Allgem. Medic. Centralzeitung folgendermassen mit-
getheilt: Ein hiesiger Arzt begleitete einen Kranken nach Görlitz
und liquidirte hierfür neben den Unkosten M ei len ge 1 der auf Grund
der Medicinaltaxe vom 21. Juni 1815. Die Zahlung wurde verweigert,
weil Eisenbahnreisen der Medicinaltaxe noch unbekannt gewesen seien
und darauf das dort gedachte Meilengeld nicht anwendbar sei. Der Arzt
klagte, und das hiesige Stadtgericht verurtheilte den Verklagten zur
Zahlung, während das Kammergerieht den Kläger abwies. Das Ober-
Tribunal hat jedoch das zweite Erkenntniss vernichtet und das des
Stadtgerichts bestätigt, weil die Medicinaltaxe ergiebt, dass mit der Zu¬
billigung der Meilengelder nicht lediglich die wirklich verauslagten
Kosten der Beförderung abgegoiten werden sollen, dass der Arzt die
Meilengelder fordern darf, ohne nachzuweisen, welcher Beförderungs¬
mittel er sich bedient hat, ob er die Reise mit eigenen Pferden, mit ge-
miethetem Gespann, mit der Post oder wie sonst zurückgelegt hat. Ist
nun durch die Einführung des Betriebes von Eisenbahnen, welcher
bei Erlass der Medicinaltaxe von 1815 nicht in Betracht gezogen werden
konnte, ein schnelleres und billigeres Beförderungsmittel geschaffen, so
kann darin kein Grund gefunden werden, die bestehende gesetzliche
Vorschrift für aufgehoben oder für unanwendbar zu erachten. Wenn
ein Arzt zur Begleitung eines Kranken aufgefordert wird, so ist damit
nicht gemeint, dass er wie ein Transporteur, wie ein Krankenwärter
Dienste leisten soll, sondern es wird eine ärztliche Thätigkeit von ihm
gefordert.
— (Eingesendet.) An dem Herbstcyclus der Fortbildungs-
curse für pract. Aerzte, welcher am 2. d. M. zu Ende ging, haben
nahezu an fünfzig Collegcn Theil genommen.
Von hiesigen Aerzten waren es wiederum nur sieben, welche sich
betheiligten, allerdings diesmal an neun Cursen. Die bei weitem grösste
Mehrzahl der Hörer vertheilte sich nicht nur auf alle Provinzen Preusscns,
sondern auch auf alle Länder Deutschlands, mit Ausnahme Würtembergs
und Badens. Dafür sandte uns, gleichsam als Ersatz, die deutsche Schweiz
(Luzern) einen Vertreter.
Einer Anzahl Aerzten, zum Theil Ausländern, musste die dermalige
Theilnahme widerrathen werden, weil bei der Anmeldung die Cursenfrist
fast zur Hälfte bereits abgelaufen war.
Die zu Stande gekommenen Curse sind folgende: Pathologische Ana¬
tomie mit Sectionsübungen, normale und patholog. Histologie, Herren
DDr. Jürgens und Grawitz; innere Medicin (Auscultation und Per¬
cussion), Herr Dr. Litten; Laryngoscopie, Herr Profossor Fraentzel;
Augenheilkunde, Herr Dr. Hirschberg; Gynäkologie, Herr Professor
Schroeder; Psychiatrie, Herr Dr. Sander; gerichtliche Medicin, Herren
Prof. Liman und Dr. Falk; Electrotherapie, Herr Dr. Bernhardt;
Chirurgie, Herr Dr. Julius Wolff; Ohrenheilkunde, Herr Dr. .Traut¬
mann; Gesundheitspflege, Herr Dr. Zülzer. Die Curse über Kinder¬
heilkunde, Zahn- und Mundkrankheiten, Syphilis und Hautleiden, sowie
über Physiologie kamen nicht zu Stande weil zu den ersteren dreien
nur je zwei und zur Physiologie nur ein Hörer sich gemeldet hatten.
Wie aus vorstehendem ersichtlich, wurde gerichtliche Medicin von
vorn herein von zwei Lehrern vorgetragen, Die Herrn DDr. Jürgens
und Grawitz mussten wegen Ueberfüllung die Stundenzahl ver¬
doppeln, um einen Parallelcurs herzustcllen. In den übrigen Cursen
überschritt die Anzahl der Hörer vielfach die als Maximum festgestellte
Ziffer, in einem (Gynäkologie) selbst um ein so bedeutendes, dass bei
rechtzeitig vorhandener Uebersicht unbedingt ein Nebencars hätte ein¬
gerichtet werden müssen. Leider konnte diese durchaus nothwendige
frühe Uebersicht bislang, darum nicht gewonnen werden, weil die Herren
Collegen theils nicht alle, gleich anfangs, über Art und Zahl der zu
hörenden Curse schlüssig waren, theils längere Zeit die Curse besuchen
konnten und besuchten, ohne Vorwissen des Ordners. Dem soll fortan
abgeholfen werden, einereeits durch jedesmalige Versendung eines mit
allen erforderlichen Einzelangaben versehenen Cursenverzeichnisses, an¬
dererseits durch Einführung von Eintrittskarten. Diese dem Vortragen¬
den persönlich eingehändigt, werden zugleich die nüthige Honorar-Con-
trolle hersteilen.
Die wachsende Theilnahme, deren sich das Cursensystem, trotz
der damit verbundenen Opfer aller Art, zu erfreuen hat, bezeugt, dass
dasselbe einem wirklich vorhandenen Bedürfnisse entspricht. Es dürfte
daher die Hoffnung nicht ungerechtfertigt erscheinen, dass es mit der
Zeit gelingen werde, eine von allen sachlichen und persönlichen Zufällig¬
keiten unabhängige Anstalt zu begründen, welche den Aerzten Gelegen¬
heit giebt. jeweilen dem Studium der Medicin in abgekürzter und ver¬
dichteter Form erneuert obliegen zu können.
Meldungen zum nächsten Frühjahrscyclus der ärztlichrn Fortbildungs-
curse, über welchen später noch nähere Anzeige erfolgen wird, nimmt
nach wie yor entgegen Dr. M. Rosenberg, W., Mathäikirchstr. 28.
Meldungen dagegen zu bestimmten einzelnen Cursen während der
akademischen Semestralvorlesungen sind an die betreffenden Herren Uni¬
versitätslehrer unmittelbar zu richten.
— Aus St, Petersbnrg wird uns mitgetheilt: Nach 16 monatlicher
Abwesenheit ist Staatsrath Dr. Heyfelder, Chirurg-Consultant der
Kaukasusarmee und Oberarzt der vereinigten Feldhospitäler No. 3, No. 35
und No. 36 aus Tiflis in Petersburg wieder eingetroff'en. Am 1,/13. No
vember gaben die Petersburger Aerzte ihren vom Kriegsschauplatz heim¬
gekehrten Collegen ein sollennes Diner, an welchem etwa 500 Aerzte
theilnahmen.
— Veröffentlichungen d. Kais. Gesundheitsamt No. 46:
Nachrichten über das Ausland. Den Pocken erlagen in London während
der Berichts woche wieder 9 Personen gegen 3 der voran gegangenen Woche.
Als neu erkrankt wurden 37 Personen gemeldet, der Bestand an Pocken¬
kranken in den Hospitälern stieg auf 121 von 112 der Vonvoche. Auch
in Budapest stieg die Zahl der Blatterntodesfälle auf 10, in Warschau
auf 17, in Petersburg auf 34: in Wien sank sie auf 6, in Odessa auf 2.
Aus Paris, Venedig, Barcelona wurden nur einige vereinzelte Todesfälle
gemeldet. — In Rio de Janeiro wütheten die Pocken noch mit grosser
Heftigkeit; in der Zeit vom 16. bis 30. September er. erlagen denselben
301 Personen; dem gelben Fieber in derselben Zeit nur 5.
Nach fernerweiten amtlichen Bekanntmachungen sind in der Guber-
nialstadt Radom, ausser den bis zum 5. September d. J. verbliebenen
8 Pockenkranken, bis zum 13. September 6 Personen erkrankt. Von
der Gesammtzahl von 14 Kranken sind genesen 8, gestorben 3, und
krank verblieben 3 Personen.
In der Stadt Turck, Gouvernement Kaliseh, sind zu den am 13.
September d. J. verbliebenen 28 Pockenkranken 10 hinzugekommen, und
von der Gesammtzahl von 38 kranken Personen bis zum 19. September
13 gestorben und 25 krank verblieben.
Im Gouvernement Petri kau ist in den Städten: Czentochau, Brzeziny
und in dem Dorfe Wodzyrek, Kreises Petrikau, die Pockenkrankheit aus-
gebrochen. In diesen Orten, so wie in Lodz, im Vorwerk Prusiecko und
in dem Dorfe Gutkowice, wo sie ebenfalls herrscht, sind bis zum 18.
September d. J. von der Gesammtzahl von 53 Kranken 20 gesund ge¬
worden, 12 gestorben und 21 kranke Personen verblieben.
Das Scharlachfieber gewinnt in London allmälig melr an Aus¬
dehnung, während es in Liverpool und Birmingham nachzulassen scheint.
In den Städten Plotzk und Prasnysz und in der Colonie Biala,
Kreises Plotzk, sind zu den am 10. September verbliebenen 1-4, am Schar¬
lachfieber erkrankten Personen, bis zum 24. September 39 hinzugekommen,
von der Gesammtzahl der erkrankten 53 Personen 19 gesund geworden,
12 gestorben und 22 krank verblieben.
Aus New-Orleans wird die weitere Abnahme des gelben Fiebers
gemeldet. In der am 20. October er. beendeten Woche starben jedoch
noch immer 207 Personen daran.
Laut Bekanntmachung des Königlich dänischen Justizministeriums
vom 24. October d. J. sind die Quarantäne-Vorschriften, welche für die
aus St. Petersburg, Kronstadt, Riga oder Helsingfors in Kopenhagen
ankommenden Schiffe seiner Zeit erlassen waren, ausser Kraft gesetzt.
— In der Woche vom 20. bis 26. October sind hier 525 Personen
gestorben. Todesursachen: Masern 5, Scharlach 35, Diphtherie 36,
Rofhlauf 4, Kindbettfieber 4, Typhus 5 (Erkrankungen an Typbus 10 m.,
10 w.), Ruhr 3, Syphilis 2, Delirium tremens 1, mineralische Vergiftung 1
(Selbstmord), Ueberfahren 1, Sturz 3, Ersticken 1 (Mord), Erhängen 4
(Selbstmorde), Ertrinken 4 (davon (3 Selbstmorde), Lebensschwäche 31,
Scropheln 3, Atrophie der Kinder 3, Abzehrung 19, Altersschwäche 23,
Krebs 11, Wassersucht 1, Herzfehler 9, Hirnhautentzündung 9, Gehirn¬
entzündung 6, Apoplexie 11, Trismus 9, Zahnkrämpfe 6, Krämpfe 27,
Kehlkopfentzündung 9, Croup 9, Pertussis 7, Bronchitis 16, Pneumonie 22,
Pleuritis 2, Phthisis 53, Peritonitis 6, Diarrhoe 26, Brechdurchfall 23,
Magen- und Danncatarrh 8, Nierenerkrankungen 6, andere Ursachen 57,
unbekannt 1.
Lebend geboren sind in dieser Woche 421 m., 388 w., darunter ausser-
ehel. 38 m., 48 w: todtgeboren 17 m., 12 w., darunter ausserehcl. 3 m., I w.
Die durchschnittliche Sterblichkeit während dieser Woche beläuft
sich auf 26,3 pro Mille der wahrscheinlichen Bevölkerungszahl, die. ent¬
sprechende Geburtenziffer auf 40,5 pro Mille (beide Summen mit Aus¬
schluss von 1,5 pro Mille Todtgeborenen).
Witterung: Thermometerstand: 9,42 R., Abweichung: 2,36 R.
Barometerstand: 27 Zoll 7,58 Linien. Dunstspannung: 3,69 Linien.
Relative Feuchtigkeit: 81 pCt. Himmelsbedeckung: 7,6. Höhe
der Niederschläge: 4,675 Pariser Linien.
V11. Amtliche Mittheilungen.
Personal!».
A(uszeichnungen: Seine Majestät der König haben Allergnädigst ge¬
ruht, dem Geh. San.-Rath Dr. Brück zu Osnabrück den Rothen
Adler-Orden 3. CI. mit der Schleife, dem Unterarzt a. D. Gronc.ki,
bisher beim Niederschles. Train-Bat. No. 5, den Rothen Adler-Orden
4. CI., dem Bade-Inspector a. D. Wundarzt Zinkernagel zu Linden
bei Hannover den Königl. Kronen-Orden 4. CI. zu verleihen.
Anstellungen: Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht:
den ordentl. Professor an der Universität zu Bern Dr. H. Quincke
zum ordentl. Professor in der medicinischen Facultät der Universität
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UNIVERSfTY OF MICHIGAN
2. December 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
719
zu Kiel und zugleich zum Medicinalrath und Mitglied des Medicinal-
Collegiums der Provinz Schleswig-Holstein zu ernennen.
Niederlassungen: Dr. Niemann in Emsbüren, Dr. Sippel, Dr.
Thisquen und Arzt Eiselen in Frankfurt a. M., Dr. Mestrum in
Nassau, Dr. Nieden und Dr. Lehmann zu Bonn, Dr. Draeck in
Wesel, Dr. Sechtem in Düsseldorf, Dr. Thomashoff in Gerresheim.
Verzogen sind: Dr. Hahn von Bonn nach Waldbreitbach, Dr.
Mumm von Grefrath nach Südlohn, Dr. Peipers von Solingen nach
Frankfurt a. M.
Apotheken-Angelegenheiten: Apotheker Seeher hatdieGnoth-
sche Apotheke in Inowraclaw, der etc. Schmidt die Rolshoven’sche
Apotheke in Gemünd nebst Filial-Apotheke in Urft, und der etc.
Christenn die Brand’sche Apotheke in Burladingen gekauft. Dem
Apotheker Weise ist die Administration der Lade’schen Apotheke
in Wiesbaden, dem etc. Wuth die Administration der Wuth’schen
Apotheke in Diez nebst der Filial-Apotheke in Miehlen, und dem etc.
Orland die Administration der Wittwe Krause’schen Apotheke in
Carden übertragen worden.
To d e sfä 11 e: Geh. Sanitätsrath Dr. Ri e d e 1 in Berlin, Arzt Dr. Fugger
in Naumburg a. S. _
Bekanntmachungen.
Das Kreisphysikat in Tönning, Kreis Eiderstedt, ist vacant. Gehalt
900 M. ohne Pensionsberechtigung. Gesuche sind unter Nachweisung
der Befähigung binnen G Wochen bei uns einzureichen.
Schleswig, den 13. November 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Die Krciswundarzt-Stelle des Kreises Heilsberg ist noch nicht be¬
setzt. Wir fordern qualificirte Bewerber um diese Stelle hiermit auf,
sich unter Einreichung der erforderlichen Zeugnisse und des Lebens¬
laufs bis ult. December er. bei uns zu melden.
Königsberg, den 15. November 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Die Kreiswundarztstelle des Kreises Neidenburg ist noch nicht be¬
setzt. Wir fordern qualificirte Bewerber um diese Stelle hiermit auf,
sich unter Einreichung der erforderlichen Zeugnisse und des Lebenslaufs
bis ult. December er. bei uns zu melden.
Königsberg, den 15. November 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Inserate.
In hiesiger im Kreise Herzogthum Lauenburg liegender Stadt sind
gegenwärtig nur drei Aerzte vorhanden. Es ist dringend wünschenswerth,
dass ein vierter Arzt sich hier niederlässt, der voraussichtlich hin¬
reichende Beschäftigung finden wird.
Der Magistrat.
Ich suche einen Assistenten (bei freier Station Honorar monatlich
120 Mark) Dr. Vogt Rixdorf, Berlin. _
Für eine im vorigen Jahre eiöffnete Privat-Irren-Anstalt in der Nähe
Hamburgs wird ein dirigirender und theilhabender Arzt gesucht. Adressen
befördert die Exped. d. Bl. sub B. H. 137.
Bekanntmachung;.
Bei der Provinzial-Irren-Anstalt zu Schwetz ist die Volontairarzt-
stelle zu besetzen.
Die Bedingungen der Anstellung und die mit der Stelle verbundenen
Emolumente sind bei dem Unterzeichneten zu erfahren. Junge Aerzte
werden ersucht, ihre Bewerbungsgesuche hierher einzureiohen.
Danzig, den 6. November 1878.
_ Der Landes-Director der Provinz Westpreussen. _
Allgemeines Krankenhaus
zu
Hamburg
sucht einen Assistenzarzt, der am 1. Januar 1879 antreten kann.
Meldungen und Testimonia gefl. an den stellvertret. Hospitalarzt
_ Dr. Glittf.
Für einen th&tigen Arzt bietet sich sichere Existenz in Gniewkowo.
Umgegend deutsch; Aussicht auf vacante Kreiswundarztstelle. Nähere
Auskunft der Magistrat. _
Ich suche für den Winter einen jungen Arzt als Assistenten.
Dr. PfaetoriB» in Catzen ein bogen (Nassau).
Assistent f. m. Augenklinik gesucht zum 1. Decemb. Gehalt 900 M.
Freie Wohnung. Coeln. Dr. Cmi? SclHrttl. _
Ein Arzt, seit 10 J. approbirt, sucht, weil noch Reconvalescent,
nachdem er bereifs mehrere Monate vertreten hat, während des Winters
Beschäftigung, am liebsten in einem Krankenhause, bei sehr massigen
Ansprüchen. Offerten erbeten in der Exped. d. Z. sub P. G. 138.
Ein psychiatrisch gebildeter Arzt, der seit 4 Jahren in einigen An¬
stalten thätig war, und dem verschiedene Zeugnisse von Universitäts¬
professoren zur Seite stehen, wünscht wieder in einer Anstalt einen Be¬
rufskreis. Adressen durch die Exped. d. Bl. sub K. J. 136.
Bin pract. Arzt
in einer Stadt Mitteldeutschlands thätig, mit guter Praxis (10—11000 M.
Einn.) sucht, Familienverhältnisse halber, Thätigkeit in einem anderen
Orte, am liebsten durch Tausch mit einem Collegen. Briefe u. F. A.
135 bes. d. E. d. B. _
Ein junger
Arzt,
der bereits drei Jahre auf dem Lande practicirt hat, sucht einen lohnen¬
deren Wirkungskreis. Gefl. Offert unter E. U. 575 an die Annoncen-
Expedition von Haasenstein <fc Vogler in Leipzig erbeten.
Den verehrten Herren Collegen hiermit zur Anzeige, dass ich vom
1. November ab in Sanremo practicire. Behandlung Lungenleidender
vermittelst Stickstoffinhalationen nach der Methode von Dr. Treutier
in Blasewitz. _ Dr. PtfttH.
’ Or. med. H. Mahr (Attzaimtkaiten) practicirt während der Winter-
monate in Wicsbadei. (Electrotherapie und Massage.)
. Br. A. Chrlsteller (S ehweiz) nimmt am 1. October 1878
seine Praxis in Bordighera-Riviera wieder auf und wohnt im Qrand
Hdtel de Bordighera. _
Dr. Richard Schmitz aus Neuenahr practicirt wie alljährlich
in Bordighera u nd wohnt Hotel d’Angleterre._
(Riviera.) Bordighera. (Italien.)
Herrlicher Winteraufenthalt im „Palmenland** zwischen San
Remo und Mentone.
Eisenbahnstation: Bordighera.
Grand Hötel de Bordighera.
Inmitten eines prachtvollen Palmengartens mit schönen Glasgallerien
als Wandelbahnen. Ausgezeichnete Küche. Aeusserster Comfort. Deutsch-
sprechende Bedienung. Pensionspreise für längeren Aufenthalt von
7—9 Frs. inclusive Nordzimmer und von 10—12 Frs. inclusive Süd¬
zimmer. Elegant möblirte eigene Villas zu vermiethen. Dieses wunder¬
schön gelegene Etablissement wird nach schweizerischem System geführt
durch den sich bestens empfehlenden Besitzer:
_ A. Angst (von Zürich).
Wasser-Heilanstalt Laubbach
bei Coblenx an Rhein.
Das ganze Jahr hindurch geöffnet. Kalte und warme Bäder, Elek¬
trotherapie.
_Hausarzt: Dr. A. Mäurer. Inspector: F. Herrmann.
W interstation.
Schweiz.
Wiesen.
(Ct. Graubünden.)
4800' ü. M.
WInter Station.
Schweiz.
Alpiner Luftkurort,
welcher sich bei gleicher Höhe vor Anderen durch das milde Klima
in völlig geschützter Lage auszeichnet, und durch genaue Beobach¬
tungen nachgewiesen wurde, dass die Temperaturschwankungen ver-
hältnissmässig sehr gering sind, somit Wiesen als Herbst- und
Winteraufenthalt bestens empfohlen werden kann, was von den
ersten medicinischen Autoritäten anerkannt ist.
Hötel nnd Pension Bellevue.
Grosser comfortabler Neubau mit Ofenheizung in den Zimmern
und in den abschliessbaren Corridoren. Hydranten, Closets, Bäder,
Veranden, Schlittschuhbahn. Arzt im Hause. Post- und Telegraphen¬
station an der Landwasserroute. Directe Postverbindung mit Chur
(5 Std.) und mit Davos (2 Std,). Pension incl. Zimmer, Beleuch¬
tung, Bedienung und Heizung per Tag 4 1 /*—7 Frs.
Freundliche Aufnahme und beste Verpflegung zusichernd, em¬
pfiehlt sich ergebenst der Eigenthümer:
Hans Bernhard.
St. Andreasberg im Harz.
2000' hoch.
Auf Anregung des Unterzeichneten haben sich die hiesigen Herren
Lehrer entschlossen, eine Pension für Kinder (Knaben und Mädchen),
denen vom Arzte ein Gebirgsaufenthalt verordnet wird, einzurichten.
Dem entsprechend ist der möglichst ausgedehnte Genuss der reinen
Gebirgs- und Waldluft das oberste Princip, erst in zweiter Reihe ran-
girt der Unterricht. Der Plan zu dieser Pension ist derartig entworfen,
dass die Kinder zu 2 oder 3 in den Familien der Herren Lehrer unter¬
gebracht und von diesen unterrichtet werden. Die Anzahl der täglichen
Unterrichtsstunden wird vom Arzte bestimmt und soll zunächst nicht
mehr als zwei betragen, doch können die Knaben bis zur Tertia eines
Gymnasiums gebracht werden. Bäder werden zum Theil im Hause ver¬
abfolgt. Der Pensionspreis geht von 750 M. aufwärts, je nach den An¬
forderungen. Nähere Auskunft ertheilt Dr. Lldesdarf.
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
iPRUDEtPflSTIUEN
imU SCHOTTtÄNOER
Bmtänm- KLINISCHE WOCHENSCäHte
Ein . 'seltener Fund,
Vire.hbw.> Äjfohtv für paih«?h>g. Aus*. etc.. Cd. i —73, 'corä^kt,-
tadellos., •v'tihe jegiirbv.n Makel, sauber gn'bünden mit Goldniel. ,-j v^rk!
OJfetten mit Preisa$ga. , bß. üj!i.ef M, 31X4' an lludpH Mo?tfC in
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nach dessen Tode vermehrt Und .ucm birauägegeheu
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Verlag 1 ?on Alfred !d>reiiU, L hi p % i g , SfejfOärkt
Klimatische!* Kurort Aroo
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das* ich von Anfang Qotober bi« Biiüe ÜUftr« iß .4rc«r als Arzt
hmzirci -lind; ?ü jeder'•Auskunft über die rinrligciJ VcrluiUnissc gerne
bereit bin. Dr. JWßf ScfirtÜSßf,
Privat-Doccßf an der K. K. tltmersi&f zu Wien.
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(Bruikutlml Münclieu).
Br,Iteinbaeberi H^Hverfiilkreib emo.glüokliche^
auf streng Wi^micb^tUctuj Grundsätze und Erfahruugen gestützt«?
Gombioatinn der TMetigsnttZ^hcn Wasser- und Schroth’seben DiiU-
Our mit .Beiztebuuz. aller j£?4i«fe« Natur faul stören, bei valfeb«i-
digstcr BerikksreiRis^ng- Üesi Krankheiteliitlcs. und der strengsten.-
Individualistrumr «rfzidt but vielen ? namentlich auch bei Herz.-*.
Magen-, Leber- und Uftt&tmma*kßkmvkiicitan» Gicht, Hautleid^
Skrophelu, .^erVösitäiLj »Scbwachezirsiunden gewisser Art, MedfciöX.
Vergiftung,'■-aüsstfrufdpntl.ivito HeüftrfoLgß. Xteinbaeher’s SchnftüK
gehen Auskunft und sind wie auch dßr AnsiAlts-PrOspoct von der
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Prei>. &j. V 20,
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£*$*Uprtfe*ta Von CA ttönch in Horts* a. Da.
2. December 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
721
Verlag von F. C. W. Vogel in Leipzig.
Soeben erschien:
Dr. Johann Steiner’s
Compendium
der
K inderkrankheiten
für
Studirende und Aerzte.
Dritte vermehrte Auflage.
Neu bearbeitet von
Dr. L Fleitchnami und Dr. MaxiM. Herz
in Wien.
gr. 8. 29 Bogen. 9 Mark.
Jahresberichte
über die Fortschritte
der
Anatomie und Physiologie.
Mit Anderen herausgegeben
von
Dr. F. Hofmann und Dr. 6. Schwalbe
Prof, in Leipzig. Prof, in Jena.
SECHSTER BAND
Literatur 1877.
II. Abtheilung: K n t w i cke 1 un trsges chieh tc.
Anatomie der wirbellosen Thiere.
G Mark.
III. Abtheilung: Physiologie.
8 Mark.
I. Abtheilung: Anatomie. 10 Mark.
Jede Abtheilung dieses Band's ist auch einzeln käuflich.
Verlag der M. Rieger’schcn Univ. Buchhandlung
(Gustav Himmer) in München.
(Zu beziehen durch alle Buchhandlungen.)
Soeben erschien:
Annalen der städt. allgemeinen Krankenhäuser zu München. Unter
Mitwirkung der Oberärzte und klinischen Assistenzärzte der
einzelnen Abtheilungen und des patholog. Instituts verfasste
Berichte und Abhandlungen, herausgegeben von Dr. Hugo
von Ziemssen, Univers.-Professor und Director des städt.
allgeni. Krankenhauses links der Isar. I. Band 42 Bogen
in gr. 8°. mit 9 Tafeln und 26 Abbildungen. 1878. Preis
M. 20. — .
Gesundheitslehre für Gebildete aller Stände, herausgegeben auf
Veranlassung des k. b. Obermedicinal-Aiissclmsses von Dr.
Friedrich Erismann. 27 Bogen, 8°. Preis M. 3. —.
Empfohlen vom k. b. Ministerium d. I. für Kirchen-
und Schulangelegenheiteu, sowie von den k. bayr., k. k.
österr.-ungar., k. Württemberg, und grossherzogl. bad.
Ministerium des Innern. Bei ihren Vorlesungen den Hörern
empfohlen von Herrn Prof. v. Pettenkofer am k. hygien.
Institut zu München und von Herrn Generalarzt Dr. Roth
am k. Polytechnikum in Dresden.
In dem Verlage von AD. BONZ & COMP, in STUTTGART
ist soeben erschienen u. durch alle Buchhandlungen zu beziehen:
lieber die Localisationen der Gehirnkrankheiten. Vorlesungen,
gehalten in der Faculte de Medeeine zu Paris im Jahre 1875
von J. M. C har cot, Professor an der medicinischen Facul-
tät zu Paris, Arzt an der Salpetriere etc. etc. Ins Deutsche
übertragen von Dr. Berthold Fetzer, Kgl. württemb. Stabs¬
arzt. I. Abtheilung mit 45 in den Text gedruckten Holz¬
schnitten. gr. 8°. broch. Preis M. 3. —.
Neier Verlag der I. LaipfPsehen BnckhaadWuig ii Tübingen.
Scbwartzer, Dr. Otto, Die Bewusstlosigkeitszustände als
Strafausschliessungsgründe im Sinne der neuesten deutschen,
österreichischen und ungarischen Strafgesetzgebung, gr. 8.
geh. _ Preis M. 3. —.
Mein soeben ausgegebener Lager-Catalog 74 D enthält die
Caltargesehiehte u4 Ciritiititei
der Sedicin und Naturgeschichte
in Druckschriften, flieg. Blättern, Bildern, Autographen und Monumenten.
(Geschichte der Medicin, Biographien, alte Medicin, Anatomie, Chir¬
urgie, Geburtshülfe, Homöopathie, Pest, Seuchen, Volkskrankheiten, Sy¬
philis, Bäder, Heilmittel, Gifte, Kräuterbücher etc.) 2959 No.
Exemplare des Cataloges sind zu beziehen.
J. M. Heberl« (H Lenpertz’ Sühne) in Ml«.
Soeben erschien und steht auf Verlangen gratis und franco zu
Diensten:
Katalog No. 148: IVIedlc. vergleichende Anatomie und
Ph ysiol ogie. Thierheftlknnde. 1481 Nummern.
Ankauf ganzer Bibliotheken und einzelner Werke.
Sohlesische Buchhandlung.
(E. Franck.)
_ Breele«. _
Verlag von Max Cohen & Sohn (Fr. Cohen) in Bonn:
Bäder- Lind Brunnenlehre
zum Gebrauche für Aerzte und Studirende
von Dr. L.. Lehmann,
Sanitätsrath und Brunnenarzt in Oeynhausen (Rehme).
Preis 10 Mark.
Der Verfasser bietet hier gegenüber der bisher üblichen Behandlungs¬
weise ein nach physiologischer Topik angeordnetes systematisches
Lehrbuch der Balneotherapie. Das Werk ist eine Materia balneologica
als Parallele der Materia medica. Gewöhnliche mineralische, sowohl na¬
türliche, als künstliche Bäder, sämmt liehe Badeforraen und Methoden,
Brunnen-, Molke-, Kumys-Traubenkuren, die namhaften Kurorte der Welt
etc. werden in einer bisher nicht geleisteten Vollständigkeit und
Ucbersichtl ich keit dargestellt, dem Studirenden als erwünschte
Orientirung, dem Erfahrenen als Kritik und Aufklärung. Die neuesten
Forschungen wurden eben so sorgfältig benutzt, als Weitläufigkeit und
namentlich Expositionen über pathologisches Detail und pathologische
Anatomie vermieden. Eine in lfi Kapiteln beigefügte balneothcrapeu-
tische Klinik, sowie ein ausführliches Krankheits-Mittel- und Kurorts-
registcr ermöglichen, dass in einem gegebenen Falle selbst der beschäf¬
tigtste Arzt ohne Zeitverlust über die zweckmässigste Balneotherapie ent¬
scheide._
In der J. S tau dinger’sehen Buchhandlung in Würzburg
erschien soeben:
Rede zur Einweihung des neuen pathologischen Institutes
in Würzburg, d. 2. Nov. 187S gehalten von Dr. Rindfleisch,
Professor der Universität u. Director des Institutes. Preis 30 Pf.
Berjmann, Dr. J., üeber die Zusammensetzung der Glandula
submaxillaris aus verschiedenen Drüsenformen und deren
functioneile Structurveränderungen. Mit 2 litliogr. Tafeln.
_ Preis 7 M.
Soeben erschien u. durch alle Buchhandlungen zu beziehen:
I Pansch, Dr. A., Prof. a. d. Univ. Kiel, Die Furchen und
| Wülste am Grosshirn des Menschen. Mit 3 litliogr.
Tafeln, gr. 8°. Preis M. 2,40.
Berlin. Verleg von Rob ert Oppenheim.
Dr. Jul. Petersen, Hauptmomente
in der geschichtlichen Entwickelung
der medicinischen Therapie.
Verlag von Andr. Fred. Höst & Sohn in Kopenhagen.
Preis 9 Mrk., geb. 10 Mrk. 50 Pf.
„— Das begeisterte Loh, welches jüngst von hervorragender Seite
(Geh.-B. Prof. Billroth) her dem Autor und seinem Buche gespendet
worden ist, erscheint in keiner Weise übertrieben, denn es dürfte unter
den literarischen Producten unserer Zeit sich wohl nur Weniges finden,
was nach Form, Inhalt und Tendenz in ähnlicher Weise, wie die vor¬
liegende Arbeit, den Stempel der Meisterschaft an sich trüge.“
(Jenaer Litztg.)
*— Wir haben dasselbe mit grossem Nutzen und mannigfacher
Belehrung gelesen und können es daher jedem Fachgenossen aufs
Wärmste empfehlen.“ _ (Allg. med. Centralztg.)
Verlag von August Hirschwald in Berlin.
Handbuch
der
Militair-Gesundheitspflege
von
Dr. W. Uth, und Dr. Ridtlf Lex,
K. Siche. Generalarzt. K. Prenas. Obentabsamt.
3 Statt. Mit 237 Holzschnitten. 1872/77. 50 M.
Tnirnlr
der
Rückenmarks-Krankheiten.
Von
Dr. B. Leyden,
o. 6. Prof, an der Universttit Berlin.
Zwei Bände. Mit 26 zum Theil farbigen Tafeln.
1874/76. gr. 8. 44 M.
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Original from
UNIVERSITY OF MICHIGAN
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BERUNER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Nö. 48
; y*$bg im £uguät HirschwaId m Bor 1 in.
Sb? b'i.ti hi. ^ ^hkn vigr
D ie Farbenblindheit
and doreu Erkemumg.
Mach Dr. i, ttaae rn Nterwvgen,
•nbiTsvut von Di , ft, Slfi^Tv
MB Tatedte p\ * ye.Im inten. 5 Mirk,
Der WitönjSUi^.ii-s. mittelst ’dtb P,ya. tekjvtete Tabtllft (Wt*]tproben)
m rintai'h, un i sri Oplikhalundorgen, hauptsächlich. pf&<r-
Kiuotetei" mul Miinncärzt'ßn urigvteg<nVtlich emjteku.
Jahrbuch.
ftlr practische Aerzte.
Üftta- MthOriuui* von Facbgelchj|&(
frtttttusgGtfebOu. von
O r. Faul CSulfinarin«
1 . Barift. Ji Scliifi.^-AbDurilun^.
Püftis. des Jahrganges ; {drte TT MB -
Die Jlateadieu in der Walirneltnmiig.
Rode am 'S -/''August 1878 ^halten, überarbeitet upd mit
Z-üsatefm veWohftft
von flr* II* Ifelmholtic
vg$ 4 'iProW £j TkJttjplsr.
Filülae Pcschier N : o f Ü
OöDtra taeDiam soll um.
• PRtengmsfr Chjtfttfljh, Fdi$i 5 ( IglsteyC DßSf&m? am! Koussin
PeäC'h'itfr cnl-baDeriiiv, ^ v
■ iBbi Weitem BiM,äwwrmu*H&}';. $s; bödjlrt
blnm Gebräu oh. tyrU.nr uüd tet^vu tete diu teilten .sehr
laifdit nehmen, OMvc itfurlMfili dl&pciH Kracht* in wn^en zu
erregen, tefltferwm sie den rttmiwurni mit 2ic»f»f nof uin "Mai. Jede
Doste ist mit. «n.-Tuiut f Gebrauebsanw» teiutg vörtehnm ' Anünakr Und Hu-
ritariisiHe- Lrjuphe, Ergeten. tetetete , Ätezitefn- Hier Art, Per Bravais
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verendet dufrlu
W. He«ciitf«rX y K^ebltrümienjilnv/ Nt». 1 . Wn/>tedon.
[n einem der bodeutelvislen Badeorte WüHtombor^s, nahe der Haupt¬
stadt mit dieser per Eisen- und Pferdebahn aut\S Minuten verbunden,
ist bin sobr SGbdnsvs und znr ßnüchtung einer är^Hichvo JÜinifc vor-
treffiieh getu^ttntAs Arfwesliiti öiii jjrathiveilem ^ehaUigen Harten, zu
hygiebistbeiT 'Zweulteix, brrcits t?efassten Mineral- and Su^»vifts &.i -Quellen
im Baus prrisvrüfdig auf eine beliebige Reihe von - Jahren* zu verpacVueu.
Bemerkt, w i.rd.' dass- dieses Anwesen seit seiner Cr nVtnluug- ui deu IS^f Jahren
eine m ed j r.mls obd Gn hl grübe, wir,, und dass beacmdei? eure Klinik für
Eramuikrankheiton alle Aussicht aah PrUsj/enUt hafte.,
fleiecfÄttten beliebst sich zu vrenden an, den derioitigtn ßigea-
, thbmer Herrn ÄM'.fcteä in VAonstaC. auch ist Dr. Renz m Stultcan
" gAgfie in fvikcrcV Auskunft: bereit;_
Maisou de saute.
Sollte ein Arzt gesbmnm sein Di nächster N.alu* von Leipzig, resp.
Halte, ui m Anlage, 'äbuübii wte .fe’-Ma.i«on' de s^ntu des Geheimrath
Low: nsi.-ü/iM bei Iterbu, zu errichten, so bietet sich
durch einen. Qr- du ..3011 Zweck w- geSehafftnon GrmutsiQcL-s-Complex
mb >flälrt^hA ,sy^ö.r-eEmzet^rohnüngem. «iV?.
• biHte»*. GvlvueohfUr ttiv s.-u v «t ti^on Verwu'l»Urlluug, Der Besitzer ist
O.O.SS, rd.vn >cw>iD. jeder Wmso tlas Cnternehtncn mir zu tenhun und
tnsondrainiM fein hülfe "in Hutiteht z.n gewähmr.
A rfsxpm W *düii ,un L r.bi ffirr .it W . ßi% f pn^tlhgenyt Leipzig: erbeten.
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Auf 6otte W Sj.-atte f t Amte Ur vnn: ivütnj -.müss
t • ri*D-" heissen ; uib'psfmUUtn.1 iehe;
Deriin. ^ GedrueklLv Heliuma.eber in- Befliö.
Göigli
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ifoRfcag ja der starke n>n .wciugSKii* ß?‘gan gr. t,
Preis vi«rtaljährijo)i 6 MärV, Btfst£iU{in£«n nahmen
alle Bncbiandlaagsn nnä Posi-Ajuitalio» *a.
m
mm
Bmhrige wolle men portofrei *a die ß^dnctiott
CX.M Dorot7%< TiU Tuf*U an die V*r~
lürw-twald in Ber¬
lin (>l W. ffktcr ä #6 iifüiiot fjß>y tinäenditti.
für praetisdie Amte.
Mit Berücksichtigung der (ireüssischeii jdedicinai Verwaltung und Mediciaalgeaetzgebuilg
nach amtlichen Mitlkeüiungen»
Redaetenr: Prof, flr L WaWcjbrg. Verlag vpri Aiigast llirsdtwalil in Berlin.
Montag, deu 9. December 1878,
m 49 .
Fünfzehnter Jahrgang
In hal t
>i ' L 916in i V Ün* Sphy^mophon, ein »euer e1eC&Meiej»b t »tuscher Apparat zur f/iägaosr der Iler?- und Pulsiiöwe|ön^Oö. — II. Le y/len:
UfcbSr ApastUehe Spinatlähnning (Schluss). — III, Urbaolsrhi tsrhi .Wanderung eir.»>* ton dt-.: M und l» üble in den Ph*tmn gelaugten
Hafer*R.bpejiaste.s durch die Oh.rirompete-’ die Paukenhöhle und. durch das m d^n äusseren t5ehölg»ng — W 1 . La udun:
Bin ea^niis tisch er Beitrag mt Aetiyjogie der Nasen Wu Inn gen — V YUifemtxi (T nutihinu; f>i? eiwb<4urheh fekfatitcuhgen des Getför-
orgatis — Zur Frage - über die fcehtonite?) des Typhus — Zetroissung der Müs dureh Musk.»üac-f:ion — Zurdichaudlung des ICrhrcch-reas
der Schwangeren). — VI. Verhandlungeu ärztlicher üdstdlsehafteu (Betline? ttfcduriwsfciiü • fes^Usckaft).. ” VII,. Büüilirdnn (Bericht über
die Erkrankung der 0ro:«hdrAogii»r>h:en in. .Drtrmspidt *- Die 51.. fe&iTnwIhng deutscher • Nfctamr?itkf- und Aj^tp- iß Cassel. —
7m m Etat — Tagesgösehichthehe Notizen), - VU1 A tätliche Mmhoilutigra. - Inserate.
I. Bas Sphvginophnn, fein neuer electro-telepbunisther
Apparat zur Diagnose der Herz- und Pulsbewegungen
Vr. S. Th mein
Die inedicinKclto Diagnostik hat; j feigste r Zeit aus» den
»'pocivenuidiemien; mmn Lehren dhr. Phyvjfc sofort einen reich¬
lichen NüÄzöi.» gezogen y and, haben rfhsiö Bläiter kürzlich übet
die Anwendung des Microphon^ von &£»ten des Herrn Tboiö- .
- ö : i? m dihvrurjrisch'dia^iosiiscbftt* Zwenken tlurcb •Veriaitte.juii|f
des Hcrro ProfVssior Maas in FreiLurg einen integranten Öc-
rieht gühra»!.hL, - ; :.
Herr Pnt>fesswr M a&.y geht von den Tho m p snu Aeheh
Mifcäeito&gen a as u n d hat. indem er an das gwo^übrbe Mi-
ernphon eine Sonde anselirmdüe und mit demselben ß^jdora-
Dünen vomiüehnma sieh bemühte, wohl das friricip des Demi
Thompson zu verwerthen jedutdrgh) .niner zu praeth.
seheTj Zwecken mehr sehr geeigueteii Weise. Wenn mau üfun*
unh an das gewöhUche Microptiop. wie es in Nummer 30 dieses
litattes ist. euie Sonde brifetstigt, f?o i? 5 t erstens durch
d ie -Chfll®^ Schvräokuag deö Kohl^aä^^ vielen Nebengeräüöchen
Eihgaog Tri das börerlde DItV ge^iliTr, wie seif in Harr Maas
angegeben, amlerereeitv aber kann man 5 wenn der Stift des
ATicroplions in Folge gewisser Lagen d^s. fatienteu eine wage-
rechte Stellung erhalt, gar nichts mehr hüten, weil das Kohlen-;
stühchen dann mit '-beiden Spitzen audiegt und keine eigenen
Hehwlnginjgcn rauht; mach m konn. Auch ist die Art und Weise
<jt?r HaniShabung iirklet ve^hAwinklig aufemantley stehender
HrnÜrheij als Handgriff einer Untersnchungssonde doch etwas ;
uiihaiidUeh, Diesem Mis^dtande sind d*c Pamer Iavtrümenton-'
macher Chardin und Frager in gliinzendcr Weüe begegnet,
indem sie dar» In Big. 1 ahgehildetc M/cmpbon, in «ehr kleiner
Gestalt in den runden Griff einet SMo^onde
welcher ca. H (Heu. lang Kt npd I V« Otm. Dutckme^er hat,
initbin äelit b<^usm in der Hand liegt. An dfcmti
alle tnögiieheri Bonden: BteiiKoMen* W r umlsdtid©o., ^terussoralcm,
8c b luudsondeu U- dgL restgeschranbt vr erden. \Svtm man auf
v.iu Brettchen veTscliiedenh Stoffe aneinander klebt, x. B. fapier,
8 Tiieh, HoU, KÄocbßn. Ak-talL Gte At<v mpl msa ‘fthrt
brit dem %de der Chard>pnV(dn?u äfrnde in Strirh to|;~
sam üher .tJbKe v^rschfuderitin Ma^t^rräfoö Mo weg* An kami hei i
einige^ Einübtiög alsbald die Aufeiuanderfnlge der Stoffe durch j
das Geb/ir bezoiebnet werden, olrae dass bedeutende störende
Nebenwirkimgen da* ürtheil beeimrnehTi'gen.
Kürzlich legte in der Acadeittib des Sciences äh Fari^ Herr
Du MonceI eiu zur gleichen Categorie gehörige^ Instni<uer*r
vor. welches aiis.fwm Mrtrey v wheu Trooiraelö be«teht, deren
ekm.'mit de-ni. ; KubUuB^Lebeti.-mifesf Alierophod« ii». Verbindung
mhl Jede Veründcrung des Luftdruckes iü beiden Trommelß,
i Wvdebt-durch Bcidänehe. mit einander verbunden sind, wird dem
. Mierupbori uqd \foi dieseju dem Teiegiho« in Form eines he*
Geräusebei übermrttelt. In der nämlichen 8iDrnng
I der Acddemie demötistririe Herr Du AIon o e) ein weiteres neues
i Iqstruraeut von EaHsoi?. .dh^. ißkrdphoui«die Tassimetcr, einen
, Apparat zur Messung ffer VAriätiontm ou-
| endlich kleiner Diff^mizen dc^ Lnfniruckes
i oder der Temperatur. Auch dfAsos j,nitro^
| ipent kami in der niedicini^chcri Diagnostik
eycntiiCli Verwemlang Finden.
Der gleicbe Fehler, weiClmr dom \üji~
gangs erwahköm M aas Hellen eyplorative;ti
Micropbon^ aTuhaftet, beciütrLichfigt auch
obige Instrümente/ sowie das von DL La*
dend orf in No. M dieser Bl Atter besahira-
bene mid abgchildete stethoscopische Mb
crophou, denn auch hier sttid gleiche .Fehler
yorhauden. welche in der UnlwindJichkeit .
des Apparates uiid dun liierau» heryorguh«?n -
den Nebengerünscbeu bostclich. Die Idee.,
de«: Herrn l» a d enr.€o r f, das Sietboseop mit
dem .Microphoit io ^cybiödpüg: tü LriWgen,
«ehr dankeus^ertk griff die¬
selbe auf und, gebe in Fig, 1 emc mit einem
Stuthoscop verbmidßöh, etwas {rractischero
ardcrnpbomseJie Vmtichturtg in % natör-
lieh er GröJiae w-teder, die sMjl jeder sehr
leicht machen lassen kann. Solche Kt nach
dem Principe der Herren fe h a r4 ih und
Prayer, deren Mteoplmn wir pheo Vr-
Wohnten, nvd weklm mit Untcrsucbuhgs-
softdeu auf gleicbe Weise vu Verbindung
gebracht wm^ comstruirt. A zeigt
schilderte Mcrophon'Kchc Vofrichmng, BO ^^ ^
das Stetbpscop mit dem an das Mmropbon
./
ttKftUNEH WÖCBflNSCHKlFT.
kleine?» Cylibder f x auf welcher« auch jede zu |
chiruf g?sehen ^wecken dteemie L 7 n temichungs&Giide anfgesDcfci j
werden kann. Um das Instrument zu benuteun , wärd xd Iches j
wie, gewöhn lieb bei € auf die Herzgegend aufgi^utzt and bei j
D mit dem in eine galvanische Leitung eingeJ4ebaitei^tr 1%te^hoiie j
verbunden. Die Erschütterungen de« StethofcsApn von amten des j
Herzens bei 0 werden dem kleinen in die c\tk?insehe Oapsd ;
rg ein geschlps » c uen Mteophone E übermittelt und von diesem [
wiederum dem Telepbou als ton zu geführt
iii dem Griffe enthaltene Microplipn besteht auk «wel •
kleinen Kohlenstückcheii, einem auf eine Hartgnmmiptätle lest- j
geschraubten kleinereü Gylindei (Fig. I, a) ürui einem zwischen
zwei feinen MetaMsiijftchen (h) balaueireudeu grosseren Kubfeu- [
Stückchen (cd). Letzteres ist in «einer Mitte durch eine sehr }
feine vibrirende Spiralfeder s mit dem einen 1‘ole n eiries Lei !
tüngsdrahtes verbunden, wahrend das kleinen' 1 teste Kokte-Lj
Stucke htm a mit. deia Lejt»iö.g$dr&bte m in Verbindung steht- j
\Venb uuh irgend eine Bewegung önf «litiiwale Afteopboti !
ein wirkt, «o -setzt «ich das zwischen den Metalbtiftvn b wbri- '
rendc Kohlen st ückcben cd sofort in die der Bewegung analoge 1
Sc^wiß.|niUr üiid verwandelt dieselbe durch V^ruiiftciung des j
Teiepltons in fcha'r&Cteristijicbe Töne. .1
lüji nenne die betröftede Comhinatlrui de* mit *
dein uiodiliüirtcu MicTOphuii b nnoscoi» w , weil dieser Apparat \
n.fojit mir zur Exploration der Herztöne dient, sundern mitiaHeu \
üi^^^i]i.js.*ta"utisi.eKrfe6ii verbnbden werden kami. j
weiche ihren diagnostischen Werth gleichsam tuit sprühender :
Stimme dem Hörer zur Kenntniss bringen solle«.
Trotzdem man uuu mit diesem Apparate dief 'fernste Be^ j
wegungHditferenzen, w elche m unfassbar kleinen SfhwmguugeU:-
das tiokk- ustäbchedu des A|Jari>pHotn» erschüttern, mitielsi -dir#’-j
Teleph uns hört, »«>■? Utarl dnch irumeriiiu rusch mit gro^ör ]
Aufmerksamkeit die Geran^v;|j4.)»feenzet! erst studircu, um zu !
einem günstigen diagüostiscbim jöjMiJtafce zu. gelungen, .
VVL jvn buiu v|c}| nun klar ibnekt; wo rauf eiginittick die ;1
eigenartige?! a£u*ij*dm» Em ju-itmnge« ■ in dem tuit deiH'Micro* 1
pbciö ucrbntidurom Telephon beruhnö, ;H* ^iud es die rascheren !
xnD?; we-orgm- raschen Loterhreehmigon des eteri‘r>?*Sheo Strome«.
wil.'ln; in'der >1 nt all platt»; il»*V lVlrphons m’ hörbare Sidiw'm*. 1
gütigen iimgexöfVt und dc<r’ Edjphnduug ubufct^ittidf [
weniem .|>i^ Sb^rukgei), weiche YorJcnnirffan können.. uutyL *ije ,
wir gesehen haben, immer rrni die .Folge von mmr jHf&ugrowft
Empfind 15ckk*dt der Strom ubfatbrceWig. Für bindimthto Unter- !
^uchüngVpidbl^PV>* da.sM** tc.b mir pm>. dürfte M besser sein. I
die L nt^i'brechnng de« elnvtri«cheu auf eine wenisfer ' j
feine Weisel obpc Micröplmu. 7.u beweTk^ttdligeü. nrn solche ,
miUc*isl de> TeltpJmu- i*Hfejö ebenst gut hörbar zu tökekw-' f
B»i mcine-o be:e(>lkbyu: \<*r^ucheii fand ich min in der Thab ;
da>.> jrnUTi Mt fhagno^tisclirn Zwecken gar kein'Mior».phon nötkig :
bat>.b, ' das Telephcm allein, ^nntcr Anw‘$udupg em«s •;
eigneten .federnd,eu Stro m nnterbtdebers srdlkoTnmuf) ausreinht., :
um die‘ ndijimal^teu Bewcgnngep im ?u,ftn^cliticbe.ii Körper be^^er j.
und deutlicher hörbar m mache« ah mit dem iMicrojihmi. Als j
liehpiel ffjthfe ich den Tul^schlag tin, dessen Bewegung amu* !
whui man den ifmbalpuh mit d*m Telephon und meinem
Apparni durch emc Drahtleitung iu Aerhitidun^ setzt., so lauf
im Tol»*pln«ti hntt. dass:, wenn in eibeiu Zimmer nur ejuiger-
masaen ituhi* herrscht, mau die Töne, ohne das In5»tnmiwt; auh
0i*i tn luingen, im ganzen Zimmer vornehmen kann, und zwii/ .
milcht Mch nirdd allein ein ein fache r T’ulssddag. bnrbuV oder
bei der Dnppelschlägiglieit der meisten i'ui-e. «pn DoppelscbiAg.
soiUleru vn.n sen.irmtit bei vielmi Firisen fat?>e Cut^r^chlage;
Um ridriiy ver^tandfeu m Weidcng g?b^- kdx : ittbci( dte Ab**
bildting aweier Fulscurven (Fig. i), wie ii*h äbäfek ^ « r tF'dtes^n
Blattern acliua vor einigen Jahren i/ei Gelegettheifder ite^elirH-
Tig. 2.
burig der vou mir urfundeueD Fkotüsphygiöogropliie puldicirt
habe. ■. . ■ i , ; ^ ■ " : , ■; '.'..' ■ ' '• -' : L;'L' ^: ■
Mao sieht an de^rtr Ftibeo auf die anfsteigende fiystoU
eiUe Diastobi -w^che■■*#©? UnterahtheibiUgru kfri\ cot-
Hprechrrud den ^rjp dom Herzen beeiuSu^stou ^cijwbiguagött,
dWS • A rterieoro 1 j r c< während der Jliastokv Diese i.'-nb;»alttM-
imigoii .mul, .AvrWite mna mit detri föhlemVmi^ Finger kanin
rlmgnosti«iCet4 kufiu. und die urfter Tm^täMvu öUi wieittiges
Argument zu irgefid .einer Diagnose gebet) khnoon. hö)t raan
mittelst des Telephons m de«Bich und scharf LegTenzt, wie
«albst die Ze-khimtig des phygmogrupken den Eindruck uickt
harter wig<}ef^'ogöDöü Es ffit in uev That er-
staunlicliw rnit welcher Feinheit der ibftereüÄlriiug ’nud' W- \ct-
nebmlich diese Fulstöue durch das Teh phon dem ^>ltr zngrfnUrt
werden.
. Der vop tß|r ^iu diesem Behufu cUn^trul'rte • A-ppjfmt;.•
einfach, Icb.^chfiallu'. nämlich, wie dies die beige^elx^äe AV
bilduog z^igt, ein kleiuts mdfalli^cbes federnd^ Kn öpfeben «iu
•das-Handgelenk an' di*. 8te|b?. v.*« die KumaUs axn föhlbarsicu
isf; •über diesem Kpnpfc)iCfi liefibdot >irb. oih kiüioer'^fT^l. dcr
wiederum ein tociallisdms KnOpnh^n trägt, das mit tue er leinen
Platinspiizö anuirt ist urid w.elckes man mvUcN einer Aficrümeier*
schraube dem auf der Arterie aolsituenden Kiu>pfckt?ii UÄlifin
'kaiin. f )\\s <jtifere K nÖpfchem isi iu|f dem pvMGvcm- |bv)e, >ks
obere npt »le?u pegathTn Ppjo Kleineiiieu \xi Verbiudung
gebi-ac.bt. 'Der. ubere Stift ist natürlich von dem oute ww
Kfiöj^bihen rrielaOmch isulirt. s« . dr^ii der electriköbo ÄLumö
nliue Beruitnmg von Stift und Knopf eiehf gcschlns-sen ist. Die
'Seblies-umg de;- \Sfvmv» kette nimmt nun der f*,nD .selb«! vsn*. 'und
•zwar wird der Strem durch die feinsten Bövrogungvö d- ■*. Ai
roh res in nuhimaten längerer: oder kilrz*rmr Zelt ntn^rbrodte.
iöid diesn i pjb^rbt^kdn^ii weiden otpetii in, ’UMhHeiriing
mniueokkHnnUsrU Telephone luitja t.Jie.ilt, und dort tu TruiMeb wiü*
gwngi’i mvr.ie -ctv;?
Figur 3
■aS a ~
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. ihstruirnöiiit vi itü-et-c r>as klAfnc
IpvVtröufcntdieu Ä wird mittelst. des Gumunteido^ a» welches
Co^ -gle
9. December 1S7S.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
725
kürzer und länger gestellt werden kann, aufgeschnallt, die Klemm- |
schraube f wird mit dem positiven Pole des Elementes B durch
einen Leitungsdraht verbunden; von dem negativen Pole des
Elementes geht der Leitungsdraht nach dem Telephon 0 und
von diesem zu dem kleinen Pulsapparate nach der Klemm¬
schraube b zurück. Das Metallknöpfchen c ruht auf der Ra-
dialis, das Knöpfchen d mit seiner feinen Spitze befindet sich
darüber und kann mittelst der Micrometerschraube e dem
Knöpfchen c auf ein Minimum genähert oder von demselben
entfernt werden. Der Grund dieser Vorrichtung ist die ver¬
schiedene Lage der Radialis bei verschiedenen Menschen; liegt
die Radialis tiefer, so muss natürlich das obere Knöpfchen dem
unteren durch die Micrometerschraube folgen. Bei e ist noch
eine kleine Stellschraube angebracht, um nach der Einstellung
zu flxiren. Wenn nun der Apparat in Gang gesetzt wird, so
nähert der Pulsschlag das Knöpfchen c dem Stiftchen d und
während dieser minimalen Bewegung wird eine mehrmalige
Unterbrechung des electrischen Stromes in ganz geringen Zeit¬
intervallen vorgenommen, welche so gering sind, dass sie Schwin¬
gungen entsprechen, die sich in der Hörplatte des Telephons als
Töne characterisiren, und zwar machen sie ganz genau den Ein¬
druck lauter Herztöne, wie man solche mit einem auf das Herz
aufgesetzten Stethoscop bekanntlith sehr leise wahrnimmt. Die
in unseren Curven (Fig. 2) abgebildeten Pulse machen auf
das Ohr folgenden Eindruck: man hört jedesmal tim ti ti —
tim ti ti entsprechend dem Dicrotismus der Curven.
Will man diese feinen Bewegungen des Arterienrohres hören,
so muss natürlich dor Stift d (Fig. 3) äusserst genau mittelst
der Micrometerschraube e eingestellt sein, was sich, nach eini¬
ger Uebung im Auf- und Abschrauben der genannten Vor¬
richtung, rasch erlernt. Ich habe in Figur 3, in der Mitte des
Bildes den Apparat zum besseren Verständnisse in */ 4 natürlicher
Grösse gesondert abgebildet.
Das gleiche Instrument kann man auch auf die Herzgegend
mittelst eines längeren Bandes, welches sich um den Brustkorb
herum zieht, aufschnallen, ebenso auf die Carotis, auch auf an¬
dere Körpertheile, bei welchen man eine Minimalbewegung
mittelst des Gehöres controliren will. Die Einschaltung einer
grösseren Anzahl von Telephonen in den Leitungsdraht, um
mehrere Personen an der Untersuchung zu betheiligen, ist über¬
flüssig, da die Puls- und Herztöne durch ein einziges Telephon
bei genügender Stärke des electrischen Stromes im ganzen Zimmer
gehört werden.
Bei Einschaltung mehrerer Elemente oder einer stärkeren
Batterie werden die Töne sehr laut. Je mehr Elemente an¬
gewandt werden, desto lauter ist der Höreffect. Sehr starke
Ströme aber beeinträchtigen die Feinheit des Experiments, weil
die Funken an der Unterbrechungsstelle am Pulse auf eine zu
weite Entfernung schon überspringen würden.
Es machen in der That die mittelst meines neuen Instru¬
mentes zu erzielenden Resultate auf eine Gesellschaft von Zu¬
hörern einen überwältigenden, gleichsam geisterhaft zu nennen¬
den Eindruck, der besonders durch die Qualität der im ganzen
Zimmer hörbaren Herztöne des zu untersuchenden Individuums
in Erstaunen setzt. Ich betone nochmals, um Verwechselungen
vorzubeugen, dass das betreffende Princip ein neues ist und nichts
mit den oben erwähnten microphonischen Apparaten gemein hat,
und gerade deshalb auch alle dem Microphone anhaftenden Stö¬
rungen ausgeschlossen sind.
Ich habe dieses Instrument analog der Bezeichnung Sphyg-
mograph, zeichnender Pulsmesser, Sphygmophon, den
sprechenden Pulsmesser genannt.
Der im Deutschen Reiche und im Auslande patentirte Appa¬
rat ist in Folge seiner Einfachheit sehr billig darzustellen (vom
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Mechaniker Hillger, Johanniterstrasse No. 3 in Frankfurt a./M.
mit Telephon und Leitungsdrähten für 20 Mark zu beziehen)^
so dass zu erwarten steht, dass derselbe sich bald unter den
practischen Aerzten eingebürgert haben wird; in vielen Fällen
dürfte er die stethoscopische Diagnose nicht nur unterstützen,
sondern auch oftmals überflügeln; für den klinischen Unterricht
insbesondere wird das Sphygmophon dadurch ein treffliches
Unterstützungsmittel werden, dass einer grossen Anzahl von
Zuhörern gleichzeitig die Herz- und Pulsaction des Patienten
demonstrirt werden kann.
II. Ueber spastische Spiaallnhmung.
(Vortrag, gehalten in der Berliner medicinisch-psychologischen
Gesellschaft.)
Von
E. Leyden,
(Schluss). ,
In seiner Abhandlung in Virchow’s Archiv beruft sich
Erb zur Stütze seiner Hypothese auf eine Beobachtung, welche
Westphal 1 ) in seinem Aufsatze über die Sehnenreflexe mit-
getheilt hat, und bei welcher deutliche spastische Symptome be¬
standen hatten. Sie ist überschrieben als Paralyse mit Zuckungen,
Muskelspannungen und gesteigerten Sehnenreflexen mit Sensibi¬
litätsstörungen. Bei der Necropsie ergab sich Sclerose der
Seitenstränge und geringe Sclerose der inneren Partien der
Hinterstränge. Die Degeneration der Seitenstränge war ziem¬
lich symmetrisch und erstreckte sich auch fast über das ganze
Rückenmark; allein es genügt ein Blick auf die beistehende von
Westpbal gegebene Zeichnung (Fig. 2), um sich Fig. 2.
zu überzeugen, dass von der typhischen Lateral-
sclerose hier keine Rede ist, dass e9 sich viel¬
mehr um peripher gelegene Partien der Seiten-
stränge handelte, welche den Aequator nach vorn
und hinten ziemlich gleichmässig überragen. Diese
Partien entsprechen keinen (bisher bekannten) bestimmten Faser¬
zügen, sondern characterisiren sich nur als peripher gelegene
Inseln, so dass der Fall meiner Ansicht nach der peripheren
(chronischen) Myelitis (Perimyelitis ehronica) augehört.
Wenn dieser Fall, obgleich er spastische Symptome darbot,
nicht eigentlich zur Tabes spasmodica gehört, so sind seither
zwei Fälle publicirt worden, welche den Befund der Necropsie
bei dieser Krankheit direct darthun sollen.
Der erste Fall ist mit anerkennenswerther Offenheit bereits
von Gharcot selbst mitgetheilt. Der eine deijenigen Fälle,
bei welchen Gharcot selbst die Diagnose auf Tabes spasmo¬
dica gestellt hatte, und welcher als Typus dieser Krankheit
z. Th. der Schilderung zu Grunde gelegt war (der 4. Fall aus
der These von Betous) ist mit Tod abgegangen. Das Resultat
der Autopsie ist bereits kurz in einer Anmerkung zu der Vor¬
lesung über die Tabes spasmodica, dann ausführlicher in einem
Aufsatz von Pitres*) mitgetheilt. Die Autopsie hat nicht das
1) Ueber einige Bewegungserscheinungen an gelähmten Gliedern.
Arch. f. Psych. Bd. V, p. 823.
2) Contribution ä l’etude des anomalies de la Sclerose en plaques
disseminees. Revue mensuelle 1878, p. 592. — In diesem Aufsatze
sind zwei Fälle mitgetheilt, welche sieh bei der Autopsie als disse-
minirte Sclerose ergaben, von denen der erste als Sclerose latörale amyo-
trophique, der zweite als Tabes spasmodica diagnosticirt war. Obgleich
beide Fälle von dem Autor als Anomalien der Sclerose en plaques an-
gesprochen werden, so darf ich sic doch als eine Bestätigung meiner
eigenen Ansichten begrüssen, da ich, wie bekannt, angegeben, das von
Charcot für die Sclerose lat. amyotroph. gezeichnete Krankheitsbild
bei Fällen diffuser disserminirter Sclerose (insbesondere der Sclerosis cervi-
Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
726
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
erwartete Resultat der Seitenstrangsclerose ergeben, sondern zer¬
streute sclerotische Herde, welehe die untere Etage des Peduncu-
lus cerebri, die Pyramide des Bulbus rhachidicus und am Rücken¬
mark im Halstheil die Hinterstränge, im unteren Dorsaltheil die
Seitenstränge befallen hatten. ‘) Diese Autopsie hatte also gegen
die Lehre von der Lateralsclerose entschieden. Allerdings
meinen die Autoren, dass die Diagnose nicht richtig gestellt
war, und dass einige Symptome von Blasenschwäche und Sen¬
sibilitätsstörungen bestanden, welche bei grösserer Aufmerk¬
samkeit hätten lehren können, dass es sich nicht um eine
Tabes spasmodica, sondern eine chronische Myelitis gehandelt
habe. Allein man kann doch nicht umhin, die rigoröse An¬
forderung, dass Sensibilität und Sphincteren ganz intact sein
müssen, für wilkürlich zu erklären. An so geringen Differenzen
kann der Unterschied zweier ganz verschiedener Krankheiten
unmöglich haften, und wenn ein hervorragendes Symptom in
enger Beziehung zu einer bestimmten anatomischen Läsion
stehen soll, so kann doch eine geringfügige Complication von
Sensibilitätsstörungen nicht die ganze Sache umstossen: die
fragliche anatomische Läsion könnte complicirt, aber sie müsste
doch immer in ihrem Typus erkennbar sein.
Vor kurzem ist nun in einem zweiten Falle die Autopsie
einer Tabes spasmodica aus Wien mitgetheilt, und zwar von
Dr. Carl Ritter von Stofelia*). Dieser Fall könnte um so
eher als eine Bestätigung der Erb’schen Lehre von der Lateral¬
sclerose angesehen werden, als die Autopsie von Prof. Kl ob
selbst gemacht ist; sie ergab: eine graue Degeneration
(Sclerose der Franzosen) der beiden Seitenstränge des
Rückenmarks, und zwar vorzugsweise (!) in ihren
hintern Abschnitten. Weiter wird aber angegeben: Am
deutlichsten war diese Degeneration im unteren Brust- und
Lendensegmente ausgesprochen, während der Halstheil sich
nur wenig verändert zeigte. Was die Ausdehnung der Erkran¬
kung im Breitendurchmesser anlangt, so geht dieselbe im Brust-
und Lendenabschnitt des Rückenmarks nach aussen bis an die Pia
Meninx und nach innen und hinten bis an die Hinterhörner
der grauen Substanz hinan. Microscopisch wurde das Rücken¬
mark in Folge eines unliebsamen Zwischenfalles zwar nicht
untersucht, indessen waren die macroscopisch vorhandenen Ver¬
änderungen so characteristisch, dass an der Richtigkeit der
pathologisch - anatomischen Diagnose nicht gezweifelt werden
konnte.
Diese Beobachtung ist bereits von Dr. Ricklin (Gaz. med.
1878, 27, 29 und 31) kritisirt und als ungenügend erkannt, da
die Untersuchung des Gehirns fehlt (es handelte sich um eine
alte Person) und die microscopische Untersuchung unterblieben
ist. Es ist klar, dass ein solcher Fall nicht genügen könnte,
um eine schwebende Frage zu entscheiden, selbst wenn das
Resultat der macroscopischen Untersuchung ganz unzweidentig
wäre; das ist hier aber nicht der Fall. Die macroscopische
calis) beobachtet zu haben, und da ich ferner die Symptome der spasti¬
schen Paralyse für die chronische Myelitis (SclSrose) insbesondere des
Dorsaltheils in Anspruch genommen habe.
1) Die Krankengeschichte dieses Falles ergiebt in der Ueberschrift
folgendes Programm: 45 jähriges Mädchen von guter Gesundheit. Beginn
der Krankheit vor zwei Jahren; beide Unterextremitäten sind gleichzeitig
ergriffen. Progressive Rigidität. Hydropathische Behandlung. Vorüber¬
gehende Besserung. Zwei Jahre später stellen sich auch in den oberen
Extremitäten Muskelcontracturen ein. Keine allgemeinen Symptome.
Heftige Contractur und Adduction der unteren Extremiläteu; hervor¬
gerufene Trepidation. Die Bewegungen der oberen Extremitäten abge¬
schwächt. — Halb-Contractur der Bauchmuskeln. Sensibilität erhalten.
2) Ein Fall von Seitenstrangsclerose des Rückenmarks. Wien,
med. Wochenschrift 1878. 21, 22, 24.
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Gck igle
No. 49
Untersuchung hat eine Verbreitung der [grauen Degeneration
ergeben, welche der typischen Seitenstrangdegeneration in keiner
Weise entspricht. Diese letztere erstreckt sich durch das ganze
Rückenmark, ist im oberen Theile am stärksten und verjüngt
sich nach unten zu einem kleinen Keile; hier aber war die
Degeneration fast nur im Brust- und Lendensegmente aus¬
gesprochen und nahm eine Ausdehnung ein, welche die typische
Lateralsclerose nie besitzt. Sie reichte im Brusttheil bis an
die Peripherie, während die typische hier von der Peripherie
zurückweicht. Im Halstheil scheint sie so geringfügig gewesen
zu sein, dass der Bezirk nicht einmal angegeben wird, während
die typische hier am stärksten entwickelt ist. Hierzu kommt,
dass erfahrungsgemäss solche Degenerationen stets weiter reichen,
als es für die frische macroscopische Beobachtung erscheint,
und dass die Erhärtung in Chromsäure höchst wahrscheinlich
auch hier eine grössere Verbreitung ergeben hätte. Somit folgt
also, dass diese Beobachtung nicht nur nicht genügt, um einen
Beweis für die Theorie der Lateralsclerose zu liefern, sondern
man kann mit Bestimmtheit behaupten, es ist keine typische
Lateralsclerose gewesen, sondern eine Sclerose (chronische
Myelitis), die vorherrschend den unteren Theil des Rückeumarks
eingenommen hat 1 )
Wenn ich nunmehr zu meinen eigenen neuern Erfahrungen
übergehe, so habe ich zu bemerken, dass mir eine Reihe von
Beobachtungen zu Gebote stehen, welche Krankenbeobachttrag /
und Autopsie mit nachfolgender microscopischer Untersuchung
umfassen, und welche bei Lebzeiten die Symptome der spastischen
Paralyse dargeboten hatten. In dem einen Falle bestand zu
einer gewissen Periode der Krankheit exquisite Streck-Contrac-
tur und Rigidität, später bildeten sich hier, wie in den andern
Fällen, Flexions-Contracturen aus. Alle diese Fälle aber, die
letal verliefen, waren gleichzeitig Paraplegien hohen Grades, zum
Theil mit secundärer Atrophie der gelähmten Muskeln, mit
Sensibilitäts- und Blasen-Affectionen verbunden. Die Autopsie
ergab überall chronische (resp. protrahirte) Myelitis in ver¬
schiedener Form und Verbreitung, wobei die Dorsalpartie allein
oder gleichzeitig mit anderen Theilen des Rückenmarks befallen
war. Diese Fälle, über welche ich bei anderer Gelegenheit
ausführlich zu berichten gedenke, stellen also nicht eigentlich
Beispiele der Tabes spasmodica dar, aber das characteristische
Symptom war doch vorhanden, und man sollte meinen, dass
die erwartete anatomische Läsion, auch wenn sie complicirt war.
erkennbar hätte bleiben müssen.'
Ausser diesen Untersuchungen habe ich nun aber auch viel¬
fach den Complex der spastischen Spinalparalyse in Fällen
gesehen, welche nicht zum Tode führten, bei denen aber mehr¬
fach eine sichere anatomische Diagnose gestellt werden konnte.
Diese Fälle waren verschiedener Art:
1) Traumatische Myelitis. In den späteren Stadien
traumatischer Myelitis bilden sich oft Muskelspasmen und Con-
tracturen aus. Besonders interessant war mir ein Fall von
1) Ich erwähnte schon oben, dass die Bezeichnung Lateralselerose
zu Missverständnissen Veranlassung geben kann, und dass mitunter be¬
liebige Degenerationen der Seitenstränge mit diesem Namen bezeichnet
werden. Ausser dem gegebenen Beispiel nenne ich noch einen Fall von
J. Prevost (Genese) Arch. d. Physiologie IV, p. 764); Ataxie locoroo-
trice — Sclerose des cordons postörieurs compliqude d’an sclerose symme-
trique des cordons latöraux. Die Complication betrifft hier keines-
weges, wie man vermuthen könnte, die Pyramiden-Seitenstrangbahn, son¬
dern die Peripherie der hinteren Seitenstränge (die Kleinhirnbahn
Flechsig’s). Es ist durchaus nothwendig, eine präcise Nomenclatur
einzuführen und vor der Hand die Bezeichnung der Lateralselerose auf
die typische Pyramidenfaserbahn zu beschränken.
Original from
UNIVERSITY OF MICHIGAN
9. December 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
727
Schuss in die Lendenwirbelsäule von vorn her, in Folge dessen
eine exquisite spastische Paraplegie entstanden war, so hoch¬
gradig, dass Pat. auf den in steifer Extensions-Contractur be¬
findlichen Beinen ohne Unterstützung nicht stehen, geschweige
denn gehen konnte. Im Bette waren einige spontane Bewegungen
möglich; die gut genährten Muskeln boten die exquisiteste Ri¬
gidität dar. Dass es sich hier um eine circumscripte Erkrankung
des Lendenmarkes gehandelt habe, kann gar nicht bezweifelt
werden.
2) Compressions-Myelitis durch Wirbelcaries- und
Rückenmarkstumoren. Fälle der ersteren Art sind ziemlich
häufig (vgl. Seguin). Die Rückenmarkstumoren betreffend, so
habe ich bereits als Assistent von Traube einen exquisiten
Fall von spastischer Paraplegie gesehen, der letal endete und
eine Compression des Rückenmarks durch einen Tumor im
unteren Dorsaltheile darstellte, per |Fall ist von mir in den
Charite-Annalen 1863 mitgetheilt und in Traube’s gesammelten
Abhandlungen II p. 1005—1012 abgedruckt.
3) Spontane Myelitis: Da über diese Fälle gerade die
Discussion schwebt, ob sie zur (chronischen) Myelitis oder Seiten¬
strang-Degeneration zu rechnen sind, so unterlasse ich die An¬
führung einzelner Beobachtungen.
4) Die spinalen Lähmungen nach acuten Krank¬
heiten zeigen sehr gewöhnlich die Form der spastischen Para¬
lyse mit Rigidität, Extensions- und Flexions-Contractur. Dass
die Lähmung nach Typhus zu Muskelspasmen und Cantracturen
neigt, habe ich bereits früher bemerkt. Neuerdings habe ich
die spastische Paraplegie gesehen nach Typhus (ein sehr ex¬
quisiter Fall, den ich im Sommer gesehen, befindet sich jetzt
in Behandlung des Herrn Senator im Augusta-Hospital), ferner
nach Pocken, nach Febr. recurrens und nach Intermittens. —
Hieran schliessen sich die puerperalen Lähmungen, von denen
ich zwei Fälle mit exquisiter Extensions-Contractur gesehen habe.
Aus den bisherigen Erfahrungen über die anatomische Grund¬
lage der spinalen Lähmungen nach acuten Krankheiten ist
so viel bekannt ,dass ihre häufigste Form der disseminirten Scle-
rose angehört, von Seitenstrangsclerose ist bisher nichts be¬
kannt. Die Wahrscheinlichkeit spricht daher auch in den übri¬
gen] Fällen für jene Form von Myelitis.
5) Die syphilitischen Lähmungen nehmen nach meinen
Erfahrungen sehr gewöhnlich die Form der spastischen Para¬
plegie an, und ich möchte diesj für die typische Form der sy¬
philitischen Rückenmarksaffectionen halten. Die Intensität der
spastischen Symptome ist verschieden]; ich habe aber selbst die
exquisitesten Formen der Art gesehen. — Auch die pathologische
Anatomie der syphilitischen Lähmung ist nicht abgeschlossen,
indessen kann ich mich doch auf einen von mir selbst unter¬
suchten Fall berufen 1 ), welcher periphere Myelitis im unteren
Brusttheile mit Obliterationen einer kleinen Arterie ergab.
6) Endlich habe ich noch Fälle zu erwähnen, welche acut
oder subacut verliefen, und sich aufsteigend über das ganze
Rückenmark verbreiteten. Sie sind wenigstens mit grosser Wahr¬
scheinlichkeit als Meningitides oder Perimyelitides zu bezeichnen
und können leicht in Heilung übergehen. Es ist bekannt, dass
Muskelspasmen ein gewöhliches Symptom der Meningitis epi¬
demica sind, so dass sich diese Beobachtungen anschliessen.
Der grösste Theil der acut verlaufenden und in Heilung über¬
gehenden spastischen Paralysen dürfte hierher zu rechnen sein.
Nach dieser Darlegung der bisher vorliegenden Thatsachen,
sowie meiner eigenen Erfahrungen komme ich in betreff der
spastischen Spinalparalyse zu folgenden Schlüssen:
1. Die spastische Lähmungsform (characterisirt durch Rigi¬
dität der Muskeln, Muskelspasmen, Epilepsie spinale, erhöhte
Sehnenreflexe, Extensions- und Flexionscontracturen) ist ein
ziemlich häufiges Symptom bei Rückenmarkskrankheiten ver¬
schiedener Art, sie stellt aber keine eigene Krankheitsform dar.
2. Sie kommt bei acuten und subacuten Rückenmarks¬
affectionen vor, und ist bei diesen unter Umständen einer voll¬
ständigen Heilung fähig. Derartige Fälle sind theils diffuse (auf¬
steigende) Meningitis und Perimyelitis (Myelomeningitis), theils
circumscripte Perimyelitis.
3. Bei der acuten Myelitis l ) (der spontanen, traumatischen
und Compressions-Myelitis) entwickelt sich das Symptom in
den ersten Stadien der Krankheit der Regel nach nicht, dagegen
tritt es sehr gewöhnlich im zweiten (protrahirten oder chroni¬
schen) Stadium dieser Fälle ein. Ebenso ist es in den späteren
Stadien der Compressions-Myelitis resp. bei der langsamen
Rückenmarks-Compression häufig.
4. Am häufigsten wird die spastische Lähmungsform bei
der chronischen Myelitis (Sclerose) beobachtet, sei es, dass sie
in einem oder in mehreren Herden auftritt, von denen aber einer
zwischen Hals- und Lendenanschwellung zu liegen pflegt. In
diesen Fällen ist die Peripherie der weissen Vorder- und Seiten¬
stränge in grösserer oder geringerer Ausdehnung befallen, es
handelt sich also um eine (chronische) Leucomyelitis oder
Myelomeningitis von verschiedener Ausdehnung. Eine bestimmte
Beziehung zu der Seitenstrangsclerose ist bisher nicht nach¬
gewiesen.
5. Wollte man die Fälle von chronischer Myelitis, welche
sich langsam progressiv entwickeln und von Sensibilitätsstörung
und von Blasenlähmung frei bleiben, als besondere Krankheits¬
form absondern, so würden sie dem entsprechen, was als Tabes
spasmodica bezeichnet wird. Allein der Ausdruck Tabes ist,
wie Erb mit Recht bemerkt, in der deutschen Literatur durch
ihre historische Entwicklung für die Degeneration der Hinter¬
stränge verbraucht, und die Gegenüberstellung der Tabes atactica
und Tabes spasmodica hätte nur dann Bedeutung, wenn auch
die letztere auf einer systematischen Strangsclerose beruhte.
Diese Fälle bilden aber trotz der auffälligen Symptome kein abge¬
sondertes Krankheitsbild, weder anatomisch, noch symptoma¬
tisch. Anatomisch gehören sie der chronischen Myelitis (Leuco¬
myelitis) an, welche nach Stadium und Verbreitung wechselnde
Symptome bietet, symptomatisch ist weder der allmälige Beginn
noch das Fehlen der sensibeln Symptome characteristisch,
denn dieselben Processe, wenigstens dieselben anatomischen Lä¬
sionen, sehen wir nach acutem Anfänge, nach wiederholten
Schüben und nach progressivem Verlaufe eintreten. Das Fehlen
der Sensibilitätsstörungen ist zufällig, von der Lage und Ver¬
breitung der Krankheitherde abhängig. Endlich im weiteren
Fortschritte des Processes können die spastischen Symptome
wieder verloren gehen.
Zum Schlüsse möchte ich mir noch erlauben, mit einigen
Worten auseinander zu setzen, auf welche Weise, meiner Ansicht
nach, die spastischen Symptome zu Stande kommen.
Man kann die Rückenmarkslähmungen (ebenso gut aber
auch cerebrale und periphere Lähmungen) nach dem Zustande
der gelähmten Muskeln in zwei grosse Gruppen theilen, a) solche
bei welchen dieselben schlaff sind, den Tonus verloren haben,
sich leicht nach allen Richtungen bewegen lassen, wobei die
Lage der Glieder einfach von der Schwere abhängt: schlaffe
oder atonische Lähmung; b) in solche, bei welchen die
Muskeln ihren normalen, in der Regel sogar einen erhöhten
1) Charite-Annalen 1878.
1) Vgl. meine Klinik der Rückenmarkskrankheiten 13, p. 169 und
171 (spastische Symptome und Contracturen).
2
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
7 28
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 49
Tonus haben, wobei sie geneigt sind, sich zusammenzuziehen,
zu verkürzen und ihrer Dehnung einen zähen ^Widerstand ent¬
gegensetzen: tonische oder spastische Lähmung. Die
erste Form kommt unter Bedingungen zu Stande, welche den
Tonus aufheben; die zweite unter solchen, welche ihn steigern.
Wenn wir nun den sensibeln (oder centripetal leitenden) Nerven¬
fasern einen wichtigen Einfluss auf den Muskeltonus einräumen,
wozu wir nach den Untersuchungen von L. Herrmann und
Cohnstein, auch nach E. Cyon’s Experimenten, über den
Einfluss der hinteren Wurzeln auf die Erregbarkeit der vorderen,
wohl berechtigt sind, so lassen sich die pathologischen That-
sachen in befriedigender Weise erklären.
Die atonische Lähmung beobachtet man: 1) bei ausge¬
dehnter Atrophie der sensiblen Fasern (Hinterstränge und
Wurzeln) in der Ataxie 1. pr., ein Punkt, auf den ich bereits
in meiner Monographie 18C3 hingewiesen habe. Der Zustand
der Muskeln in der Tabes dorsalis ist der schlaffe, atonische,
womit natürlich nicht ausgeschlossen ist, dass ausnahmsweise
auch ein tonischer eintreten kann. 2) Die Erkrankungen der
grauen Substanz unterbrechen den Zusammenhang der hinteren
und vorderen Wurzeln durch Atrophie der Ganglienzellen, ohne
die Sensibilität selbst zu beeinträchtigen. Es ist daher begreif¬
lich. dass die atrophischen Lähmungen, die aus einer intensiven
Atrophie der grauen Substanz hervorgehen, zu den atonischen
gehören. Geringere Erkrankungen der grauen Substanz, ins¬
besondere des interstitiellen Gewebes sind nicht selten mit
einem tonischen Zustande der Muskeln verbunden. — 3) In
Fällen, wo die Erregbarkeit der Medulla spinalis, vornehmlich
der grauen Substanz, stark vermindert ist, sehen wir ebenfalls
atonische Lähmung auftreteu. Dies ist der Fall im Beginn
acuter myelitischer und besonders traumatischer Rückenmarks-
affectionen. Hier nehmen wir mit Goltz eine Hemmung in der
Function der unterhalb der Läsion gelegenen Rückenmarks¬
abschnitte an, so dass die Reflexactiou erlischt oder stark
herabgesetzt ist, und ebenso der Tonus der Muskeln. Dasselbe
ist der Fall im letzten Stadium schwerer Rückenmarkskrank¬
heiten, wo die Erregbarkeit, man möchte sagen, die Vitalität des
unterhalb der Läsion gelegenen Muskelstückes erlischt, in der
Regel mit allgemeinem Kräfteverfall. Wir sehen daher jetzt
die schlaffe Muskellähmung ausgebildet, während vorher vielleicht
deutliche tonische Lähmung bestand. Diese Thatsache ist Char-
cot nicht unbekannt geblieben, er giebt ebenfalls an, dass die
spastischen Symptome sub finem wieder verloren gehen können.
Umgekehrt sehen wir die tonische oder spastische
Muskellähmung eintreten, unter Verhältnissen, welche den reflec-
tori.schen Einfluss der sensibeln Fasern erhöhen. Dies kann
geschehen: 1) durch erhöhte Erregbarkeit der motorischen
Faser: neuritische, periphere Lähmung; 2) durch erhöhte Rei¬
zung der sensibeln W’urzeln, neuritische oder meningitische
Processe; 3) durch theilweise oder gänzliche Unterbrechung der
Willens-Leitung vom Gehirn aus, bei erhaltener oder selbst ge¬
steigerter Uebertragung der Reflexe durch die graue Substanz.
Dieses Verhältniss trifft schon zu bei cerebralen hemiplectischen
Lähmungen, aber auch hier besteht im Anfang meist eine ato¬
nische Lähmung; erst mit der Erholung findet sich der Tonus,
die Reflexerregbarkeit stellt sich ein und steigert sich. Be¬
sonders um die Zeit, wo sich in den gelähmten Gliedmassen
neuritische, oft mit grossen Schmerzen verbundene Vorgänge
entwickeln, beginnen sich Muskelspasmen und Contracturen zu
zeigen. Welchen Antheil dabei die absteigende Seitenstrang¬
degeneration hat, erscheint noch zweifelhaft. — Aehnlich ist
nun das Verhältniss bei myelitischeu Herden, welche die Willens-
leitung vom Gehirn unterbrechen, aber die Uebertragung der
Reflexleitung durch die graue Substanz intaet lassen (Leuco-
myelitis). Wie bemerkt, tritt jedoch bei acuten Processen
erst in einem protrahirten zweiten Stadium die Erholung des
unteren Rückenmarksabschnittes soweit ein, dass sich Spasmen
und Ciontracturen ausbilden; bei chronischen Processen ist ihre
Entwicklung unmerklich und allmälig.
H Solche Processe nähern sich mehr oder weniger dem viel¬
fach auch experimentell studirten Verhältnisse, wo das Rücken¬
mark durch einen queren Schnitt in zwei Theile getheilt ist:
die Erscheinungen, welche hier folgen, sind namentlich von
F. Goltz mit Sorgfalt und Scharfsinn studirt. Der Operation
folgt ein Stadium, wo das abgetrennte Rückenmarksstück sehr
wenig erregbar ist. Dann aber, nach mehreren Wochen oder Mo¬
naten erholt es sich und wird so lebendig, dass es so zu sagen ein
Thier für sich, das Hinterthier, bildet. Die Reflexe sind äusserst
lebhaft, nicht selten bilden sich Flexions-Contracturen aus (ich
selbst sah einmal bei einem so operirten Hunde Extensions-
Contractur der Hinterbeine). Beim Menschen entsprechen diesem
Experimente am besten jene Fälle mit vollständiger oder hoch
! gradiger Compression, bei welchen spastische Symptome sehr
gewöhnlich, oft in exquisitester Weise ausgebildet sind. Die
| Leucomyelitis schliesst sich an, indem sie den Verkehr zwischen
j Ober- und Unterkörper durch sclerotische Zusammenschnürung
der weissen Stränge hemmt, ohne ihn ganz zu unterbrechen.
; dabei aber weiter unterhalb die Vitalität des Lendenabschnittes
1 mehr oder weniger intaet lässt.
Diese Erklärung scheint mir den vorliegenden Thatsacheu
am besten zu entsprechen, doch soll damit nicht präjudicirt
sein, dass noch andere Verhältnisse hinzukommen, welche die
I Entwicklung von Muskelspasmen und Contracturen begünstigen
j können. Namentlich zwei Punkte möchte ich in dieser Be¬
ziehung noch nennen, ohne ihren Einfluss speciell zu analysiren.
nämlich a) die Mitbewegungen durch Irradiation des Willens-,
resp. Refleximpulses und b) die absteigende Neuritis und Mye-
titis, welche veränderte Ernährung in den Muskeln selbst liervor-
bringt, welche aber keineswegs für das Zustandekommen der
Muskelspasmen eine constante oder nothwendige Vorbedingung ist.
111. Wanderung eines ron der Mundhöhle in des
Pharynx gelangten Hafer-Rispenastes durch die Ohr¬
trompete, die Paukenhöhle and dnreh das Trommel-
feü in den äusseren Gehörgang.
Von
Dr. Victor Urbantschitgch,
Docenten für Ohrenheilkunde an der Universität in Wien.
In No. 31 d. J. 1877 findet sich in dieser Wochenschrift ein
sehr interessanter Fall von Schalle beschrieben, in welchem
während der Application der Nasendouche mittelst einer Caut-
8chuckspritze, ein in derselben befindlicher Cautschuckspahn durch
die Ohrtrompete in die Paukenhöhle geschleudert und nach In-
cision des Trommelfelles extrahirt wurde.
Im nachfolgenden will ich eine einschlägige Beobachtung
mittheilen, welche ich im Jahre 1877 (Juni — August) an der
allgemeinen Poliklinik in Wien angestellt habe.
Frau Anna Inquart, 51 Jahr alt, kam am 16. Juni in meine
Ordination. Patientin gab an, dass sie am 16. Mai ein Hafer-
Aehrchen von dem Rispenaste abgebissen und dabei den Rispena't
verschluckt hätte. Unmittelbar darnach empfand sie an der
rechten Seite, in der Gegend des Zungengrundes eiu heftige
Kratzen und Stechen, welches im Verlaufe der nächsten Tage
allmälig nach aufwärts in den oberen Rachenraum wanderte.
Bei jeder Kaubewegung, ja sogar bei jedem stärkeren Drucke
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9. December 1S7S
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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auf den geschlossenen Unterkiefer steigerten sich diese Empfin- !
düngen im Pharynx zu intensiven Schmerzen, wogegen die Schling- |
bewegungen nicht die geringsten Beschwerden verursachten.
Innerhalb der folgenden 3 Wochen nahmen die Schmerzen |
stets zu und wurden immer höher gegen das rechte Ohr em- j
pfunden, bis sie am Ende der 3. Woche in der Tiefe des Ohres |
auftraten. — Im Beginn der 4. Woche entstand am rechten Ohre j
eine geringe Schwerhörigkeit, und Patientin bemerkte zeitweise j
ein „Knattern“ im Ohre;, es stellte sich ferner eine schmerz- |
hafte Anschwellung an der unteren und vorderen Wand des |
Gehöreinganges ein, sowie eine bedeutende Empfindlichkeit am ,
Tragus, welcher nicht die leiseste Berührung vertrug.
Der Zustand der Patientin war zu dieser Zeit ein äusserst
qualvoller geworden.
In Folge der Schmerzen bei den Kaubewegungen, vermochte
Frau I. nur flüssige Nahrung zu geniessen und auch diese nur
in geringen Quantitäten, indem seit dem Eindringen des Rispen¬
astes in die Rachenhöhle eine vollkommene Appetitlosigkeit
eingetreten war. Patientin fühlte sich ferner ausser Stande in
liegender Stellung zu schlafen, wegen der unerträglichen Schmer¬
zen, die bei einem jeden derartigen Versuche im Rachen
und im Ohre erfolgten. Dazu gesellten sich in der 4. Woche
der Erkrankung abendliche Fieberanfälle, welche zu wieder¬
holten Malen von Delirien begleitet waren.
Am Anfang der 5. Woche, am 15. Juni, zeigten sich des ^
Morgens die Schmerzen in der Tiefe des Ohres heftiger als je, i
und Patientin, welche ihr Leiden stets mit dem Rispenaste in !
Verbindung brachte, fühlte, wie sie angab, deutlich, dass sich j
der Rispenast im Ohre „quer gestellt“ habe und sich „spiesse“. !
An demselben Tage Nachmittags trat im rechten Ohre plötzlich
die Empfindung eines heftigen Knalles auf, worauf sich Blut und
Eiter aus der Wunde ergoss. Seitdem wurden die Schmerzen
in der Tiefe des Ohres etwas massiger, excacerbirten jedoch
zeitweise, besonders bei jeder stärkeren Kaubewegung.
Am folgenden Tage, den 16. Juni kam die Patientin zu
mir in die Poliklinik. Die Untersuchung ergab eine hochgradige
Schwellung des Tragus und eine fluctuirende Geschwulst an der
unteren Wand des äusseren Geliörganges nahe dem Ohrein¬
gange. Wegen der bedeutenden Schmerzhaftigkeit der Wan¬
dungen des Ohreinganges konnte nur eine flüchtige Besichtigung
des Trommelfelles mittelst eines engen Trichters stattfinden,
wobei ich unterhalb des Umbo eine kleine rundliche Perforation
in dem bedeutend geschwollenen und theilweise mit Epithelial-
Schollen bedeckten Trommelfell constatirte. Dagegen war es
mir nicht möglich, den Rispenast aufzufinden, welchen Patientin
mit voller Bestimmtheit als im Ohr befindlich angab.
Bei der Anwendung des Politzer’schen Verfahrens, welches
der Patientin keine Schmerzen erregte, entstand ein Perforations-
Geräusch, ohne dass dabei Eiter aus der Paukenhöhle durch
die Lücke des Trommelfells in den äusseren Gehörgang gelangt
wäre. Die vorgenommene Eröffnung des Abscesses im Ohrcanale
bewirkte nur eine geringe Erleichterung der Schmerzen. Nachträg¬
lich traten an den Schnitträndern des Abscesses kleine Granula¬
tionen auf, welche innerhalb der nächsten Wochen, ungeachtet
der Touchirungen mit Lapis in Substanz und Bepinselungen mit
Tinct. Opii crocata, stets grösser wurden. Im übrigen blieben
trotz jeder Behandlung die Schmerzen im Ohre, sowie der ob-
jective Befund des Trommelfells vollkommen unverändert.
Am 20. Juli Morgens fühlte Patientin in der Tiefe des Ohres
stechende Schmerzen und äusserte sich gegen ihre Familie, dass
sie uun deutlich fühle, wie der Rispenast langsam nach aussen
dringe. Die Tochter der Frau J. bemerkte im Inneren des
äusseren Gehörganges einen dünnen, dunklen Körper, welchen
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sie nach 3stündlichen Extractions-Versuchen mittelst einer Haar¬
nadel glücklich heraus beförderte, und der in der That als jener
Rispenast erkannt wurde, welcher 9 Wochen früher in den
Pharynx gelangt war. Derselbe wurde mir überbracht und
zeigte sich als ein Rispenast von 3 Ctm. Länge; der Ast, welcher
nach der bestimmten Aussage der Patientin vollkommen gerade
in die Rachenhöhle gekommen war, erschien nunmehr Sförmig
gekrümmt. Die am Hafer-Rispenaste bekanntlich vorhandenen,
gegen die Aehrchen gerichteten kleinen Zähne waren nur mehr
spurweise vorhanden, indess ich sie an einem anderen mir von
der Patientin überbrachten frischen Exemplare deutlich vorfand.
Das Wandern des in den unteren Pharynxraum gelangten
Rispenastes nach oben in das obere Cavum pharyngeale spricht
wohl dafür, dass der gegen die Aehrchen gelegene Theil des
Astes in der Rachenhöhle nach abwärts zu liegen kam, indem
zufolge der Stellung der Zähnchen nur auf diese Weise, während
der Bewegungungen der Rachenwandungen, ein Aufwärtsschreiten
des Rispenastes möglich ist.
ln unserem Falle war der immer höher gelangende Rispen¬
ast in die Rachenmündung der Ohrtrompete eingedrungen und
von hier aus gegen die Paukenhöhle vorgeschritten. Es
erklären sich damit auch die von der seitlichen Pharynx¬
partie in die Tiefe des Ohres ausstrahlenden Schmerzen, wie
solche auch durch Sondirungen des Tubar - Canales hervor¬
gerufen werden. Die während der Anwesenheit des Rispen¬
astes im Pharynx und in der Tuba sich einstellende totale
Appetitlosigkeit, kann zum Theile auf einen Reizzustand der
betreffenden Vagus-Aeste bezogen werden, wie in gleicher Weise
auch die bei Fremdkörpern im äusseren Gehörgange auftreten¬
den Erscheinungen von üebligkeit und Erbrechen auf eine Irri¬
tation des Ramus auricularis nervi vagi zurüchzuführen sind.
Einmal in der Tuba befindlich, musste der Rifpenast bei den
Bewegungen der knorpelig membranösen Tuba weiter gegen
die Paukenhöhle Vordringen, also sowohl bei dem Schlingacte,
als auch bei Kaubewegungen, und zwar kommt bei den letzteren
der von Weber-Liel zuerst nachgewiesene Einfluss der Sehnen¬
faserzüge des Muse, pteryg. int. auf die Bewegung der Tuba in
Betracht*).
Merkwürdiger Weise traten bei der Patientin nur in Folge
der Bewegungen des Unterkiefers intensive Schmerzen auf,
wogegen das Schlingen nicht die geringsten Beschwerden her¬
vorrief.
Bei der Länge des Rispenastes (3 Ctm.) musste sich der
nach unten gelagerte Theil noch in der knorpelig membranösen
Tuba befinden, indess das obere Ende bereits an eine Wan¬
dung der Paukenhöhle, vielleicht direct an das Trommelfell stiess
und die Empfindung hervorrief, als ob sich im Ohre etwas
„spiesse“. Durch den Druck von seiten des Rispenastes konnte
auch eine Durchbohrung des Trommelfells bewirkt werden,
umsomehr als der nach empfundenem Knalle, also nach zu
stände gekommener Perforation der Membrana tympani auf¬
getretene Ausfluss von Eiter, auf eine durch den Fremdkörper
bereits früher hervorgerufene eiterige Mittelohrentzündung hin¬
weist, welche in den meisten Fällen zu eiuem Durchbruch des
Trommelfells führt.
Die als Knattern bezeichnete intermittirende, subjective
Gehörsempfindung konnte durch kleine Bewegungen des Rispen-
astes entsanden sein, möglicher Weise aber auch dnreh eine in
Folge der Erkrankung des Mittelohrs bedingte Drucksteigerung
auf die Labyrinth-Flüssigkeit. (In einem von Fleischmann
1) S. Weber-Liel: Ueber das Wesen und die Heilbarkeit der
häufigsten Form progressiver Schwerhörigkeit. Berlin, 1S73. Hirschwald.
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 49
(s. unten) beschriebenen Falle, in welchem sich eine Gersten¬
granne im Tubarcanale befand, wurden von dem betreffenden
Patienten ebenfalls Ohrengeräusche angegeben.)
Bei der starken 3 förmigen Krümmung des Rispenastes
könnte eine von der Patientin angeblich deutlich empfundene
Querlage desselben in der Paukenhöhle thatsächlich stattge¬
funden haben, und bei dieser für seine Weiterwanderung sehr
ungünstigen Stellung, wäre es auch erklärlich, warum der
Rispenast trotz der vorhandenen Trommelfell-Lücke durch längere
Zeit in der Paukenhöhle verweilte. Es ist hier noch zu be¬
rücksichtigen, dass bei der oben erwähnten starken Abnützung
der Zähnchen, welche der extrahirte Rispenast darbot, auch
seine fortschreitenden Bewegungen in entsprechend abnehmender
Stärke erfolgen mussten.
Erst nach eingetretener Stellungsveränderung des Rispen¬
astes, welche die von der Patientin angegebenen Schmerzen in
der Tiefe des Ohres verursachte, war es demselben möglich
geworden allmälig durch die Perforationsöffnung in den äusseren
Gehörgang zu gelangen.
In Anbetracht der steten Bewegungen des Trommelfelles,
und da der Rispenast vielleicht noch mit andern durch die Schall¬
wellen bewegten Theilen der Paukenhöhle in Berührung stand,
ja, wie oben bemerkt, höchst wahrscheinlich die knorpelig-mem-
branöse Tuba noch nicht vollkommen verlassen hatte, so ist
damit seine allmälige Wanderung durch die Perforations-Oeffnung
des Trommelfelles gegen den Ohreingang wohl erklärlich.
Mit der Extraction des Rispenastes aus dem äusseren Ge¬
hörgange waren auch sämmtliche Beschwerden der Patientin
verschwunden, die Lücke des Trommelfelles schloss sich binnen
einer Woche per primam intentionem, und das Gehör ging ad
integrum zurück. Interessanter Weise nahm auch die Entzündung
an der unteren Wand des Gehöreinganges rasch ab, und die
polypösen Wucherungen, welche durch 5 Wochen den energischen
Touchirungen mit Lapis widerstanden, ja sogar trotz dieser stets
an Grösse zugenommen hatten, gingen nunmehr binnen 14 Tagen
beinahe vollkommen zurück. Ich muss hierbei betonen, dass
in den letzten Wochen vor der Extraction des Rispenastes kein
eitriger Ausfluss aus der Paukenhöhle bestand, welcher zu einer
Verunreinigung und daher zu einer Reizung der Wunde am j
Ohreingange hätte führen können. Andererseits ist aber das, !
nach Entfernung des Rispenastes rasche Zurücktreten der Ent-
zündungserscheinungen im äusseren Ohre höchst auffällig, und
es dürfte hier wohl die Annahme gerechtfertigt sein, dass es
sich in unserem Falle um eine trophische Störung gehandelt
habe, besonders da bereits Toynbee bei Erkrankungen des
Mittelohres sympathische Entzündungen des äusseren Ohres
häufig beobachtete (s. Toynbee. Die Krankheiten des Gehör¬
organes, übersetzt v. Moos. Würzburg. 1863. S. 73).
Anmerkung. Das allmälige Einwandern eines Fremd¬
körpers in den Tubarkanal finde ich in der Literatur in 2
Fällen verzeichnet. So fand Fleischmann, (Hufeland’s und
Osann’s Journal der path. Heilkunde 1835; s. Lincke’s Samm¬
lung. 2. H. S. 183. 1836) bei der Section eines Mannes, welcher
durch lange Zeit am linken Ohre an subjectiven Gehörsempfindun¬
gen gelitten hatte, eine Gerstengranne, die aus der Rachen¬
mündung der Ohrtrompete hervorragte und sich bis in die
knöcherne Tuba hinein erstreckte. In einem Falle von Andry
war ein Spulwurm durch die Ohrtrompete in die Pauken¬
höhle eingedrungen. — Einen merkwürdigen Fall, in welchem
eine Nähnadel in entgegengesetzter Richtung durch das äussere
und mittlere Ohr wanderte, wie bei unserer Patientin der
Rispenast, beschreibt Alb er s in Lo der’s Journal Bd. I. S. 151
(s. Lincke’s Samml. 2. H. S. 182. 1836). Derselbe betraf
ein Mädchen, welches sich eine Nähnadel in den äusseren
Gehörgang eingeführt hatte und diese einige Wochen später er¬
brach. Die in den äusseren Gehörgang vollkommen gerade
eingedrungene Nadel, erschien später bogenförmig gekrümmt
(sowie auch in unserem Falle der ursprünglich gestreckte Ris¬
penast bei seiner Wanderung eine S förmige Krümmung er¬
litten hatte).
IV. Ein casuistischer Beitrag* zur Aetiologie der
Nasenblutnngeii.
Von
Dr. Itaudon in Elbing.
Schwere und selbst Jahre hindurch anhaltende Nasenblatun¬
gen sind so häufige Vorkommnisse ärztlicher Praxis, dass sie
an und für sich ein grösseres Interesse wohl kaum zu bean¬
spruchen haben. Gleichwohl stehe ich nicht an, einen diesbe¬
züglichen Fall hier mitzutheilen, weil die Ursache für die Blutun¬
gen ohne Zweifel, wenigstens in unserer Gegend, eine überaus
seltene und selbst in ganz vortrefflichen und neuern Hand¬
büchern, die, wie das von Ziemssen herausgegebene 1 ), wohl
den Anspruch auf Ausführlichkeit erheben dürfen, als solche
nicht angegeben ist. Ich möchte daher glauben, dass diese
Quelle für Entstehung der Nasenblutungen bisher seitens der
' Autoren unbeachtet geblieben ist.
Der Fall betrifft einen in der hiesigen Schichau’schen Fabrik
beschäftigten Arbeiter, den Schlossergesellen M. Derselbe ist
42 Jahre alt, von schlankem Körperbau und will bis auf die
gewöhnlichen Kinderkrankheiten, die er alle glücklich überstand,
stets gesund gewesen sein. Im Jahre 1870 machte er den
französischen Feldzug mit, lag 18 Wochen vor Metz und wurde
später nach der Normandie commandirt. Sehr bald nach dem
Feldzuge erkrankte Patient an einem Leberleiden verbunden
mit Schmerzhaftigkeit der Lebergegend, Icterus und gastrischen
Störungen. Seine Arbeiten konnte Patient, wenn auch mit Mühe,
verrichten. Diese Lebererscheinungen bestanden auch im Jahre
1874, demjenigen Zeitpunkte, in welchem Patient in die Schichau-
sche Fabrik als Arbeiter eintrat. Als derselbe in diesem Jahre
wieder schwerer erkrankte, wurde meine Hülfe requirirt. Der
Patient klagte damals über starke Schmerzen im rechten Leber¬
lappen; die Leber war nur wenig vergrössert, bei Druck auf
dieselbe wurde ein lebhafter Schmerz geäussert. Die Zunge
war stark belegt, Appetit vollständig aufgehoben. Fieber, 110
Pulse, 39,5 Temperatur. Die Diagnose wurde auf Perihepatitis
gestellt. Ich verordnete nur eine leichte Blutentzieliung, kalte
Umschläge, gab innerlich Calomel mit Op. ana 0,03, und Hess
später, als die entzündlichen Erscheinungen und dem ent¬
sprechend das Fieber sich gemildert hatten, ein Rheum-Infus
mit Kal. carb. und zuletzt Karlsbader Salz brauchen.
Trotz der Beseitigung des entzündlichen Leidens blieb ein
leichter Icterus zurück, der auch zur Zeit der Abfassung dieser
Zeilen, Ende September, noch nicht vollständig gewichen ist
Freilich konnte sich der Kranke nicht erholen, ja es trat aus
bald zu erwähnenden Gründen ein grosser Schwächezustand ein.
Eigenthümlich nämlich diesem Krankheitsverlaufe waren die
Nasenblutungen, die sich sehr bald nach der ersten Erkrankung
| des Patienten im Jahre 1871 dem Leberleiden zugesellten, jeden¬
falls aber später als dieses aufgetreten sind. Die Blutungen
dauerten fast ununterbrochen 7 Jahre, zeigten sich zuerst schwach
besonders in den Vormittagsstunden, wurden dann immer stärker
und traten gewöhnlich zweimal am Tage auf. Gleichzeitig hatte
! 1) Vergleiche daselbst den Abschnitt: Krankheiten der Nasenhöhle
1 und des Rachens von Wen dt, Band VII. 1.
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9. December 1S78.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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Patient über ein schmerzhaftes Druckgefühl in der linken Nasen¬
höhle zu klagen. Die Untersuchung derselben vermittelst des
Speculums ergab nichts ausser einer mässig entzündlichen
Schwellung der betreffenden Naseuschleimhaut, während die der
rechten Nasenhälfte als gesund bezeichnet werden musste. Es
wurden Injectionen von Essig-Eiswasser und Styptica bei dem
innern Gebrauch von Schwefelsäure und Ergotin ohne Erfolg
verordnet. Die als ultimum refagium empfohlene und anzu¬
wendende Tamponade der Nasenhöhle wurde nicht gemacht,
weil der Patient gegen dieselbe energischen Einspruch that. In
der Pfingstzeit dieses Jahres, als das Druckgefühl im oberen
{linken) Nasentheile, entsprechend der Nasenwurzel, ein sehr
starkes war, entleerte Patient plötzlich nach einem heftigen
Niesakte einen Parasiten aus dem linken Nasenloche, der bei
oberflächlicher Betrachtung einem kleinen Regenwurm nicht un¬
ähnlich war und mit dem unteren etwas veijüngteren Schwanz¬
ende sehr lebhafte Bewegungen machte. Das Thier, das mir
sofort überbracht wurde, bewahrte ich in Wasser auf, und als
ich nach 3tägiger Abwesenheit von Elbing dasselbe mir wieder
ansah, lebte es noch und machte auch dieselben eigenthümlichen
Bewegungen.
Nach Herausstossung dieses Thieres genas der Kranke dem
Anscheine nach vollständig. Die Blutungen sistirten sofort, und
auch von sonstigen krankhaften Erscheinungen wäre nichts zu
merken, wenn nicht eine leichte ikterische Hautfärbung bei
übrigens gesundem und blühendem Aussehen und gutem körper¬
lichen Befinden auch jetzt noch auf ein vorhandenes Leberleiden
hindeutete.
Was nun den Parasiten, der mir vollständig unbekannt war,
anlangt, so schickte ich ihn an Herrn Professor Benecke in
Königsberg zur näheren Untersuchung. Derselbe hatte die Güte
mir sofort mitzutheilen, dass das Thier eine Milbe aus der Ab¬
theilung der Linguatuliden, das sogenannte Pentastoma Taenioi-
des sei ! ). Dasselbe bewohnt im entwickelten Zustande die
Stirn- und Nasenhöhlen des Hundes, Wolfes, Fuchses, selten
•des Pferdes und der Ziege, mitunter, und zwar in manchen
Gegenden sehr häufig, auch des Menschen. (Alexander v. Hum¬
boldt sah dasselbe auch in der Lunge der Schlangen). Die
Jugendformen leben eingekapselt in der Brust- und Bauchhöhle
einiger Pflanzenfresser, die gelegentlich an der Einwanderung
der im Darm aus ihren Eihüllen befreiten Embryonen zu Grunde
gehen. Mitunter ist die Leber in hochgradiger Weise zerstört.
Nachdem die eingekapselten Thiere einige Metamorphosen durch¬
gemacht haben, bohren sie sich aus der Kapsel heraus, wan¬
dern eine Zeit lang im Körper ihres Wirthes umher, und kapseln
sich, wenn er daran nicht stirbt, wieder ein. Werden sie dann
mit dem Fleisch des Wirthes roh genossen, so wandern sie ge¬
legentlich nach den Stirn- und Nasenhöhlen, liegen dann dort
ziemlich ruhig, und ihre Eier gehen mit dem Nasenschleim ab.
Wie sie in den Menschen kommen, bei denen sie unter Um¬
ständen auch in der Leber sich vorfinden (Neger), ist nicht
•ermittelt.
Epicrise. Wie der genannte Parasit in unsern Patienten
gekommen ist, ist nach obigem schwer festzustellen, vielleicht
würde die unregelmässige Lebensweise während eines Feldzuges,
1) Für diejenigen, die sich besonders für die Naturgeschichte dieses
Thieres interessiren, will ich bemerken, dass wir Leuckart eine vor¬
treffliche Monographie: Bau und Entwickelungsgeschichte der Pentasto-
men 1860 verdanken. Ferner vergleiche man Küchenmeist9r: die
Parasiten 1855, woselbst man auf Seite 362 ff. das betreffende nach-
lesen kann. Die Abbildung des Thieres findet sich auf Tafel YII
Figur 11 und 13.
der häufige Genuss roher und verdorbener Lebensmittel die Ein¬
führung solcher Thiere leichter ermöglichen als in gewöhn¬
lichen Zeiten.
Es ist zweifellos, dass der Parasit im Stande war die ge¬
fährlichen, weil fast 7 Jahre lang andauernden Nasenblutungen
hervorzurufen, denn mit seiner Herausstossung war das Uebel
beseitigt. Was diesen Krankheitsfall aber zu einem besonders
lehrreichen macht, ist wohl der Umstand, dass die Leberer¬
krankung mit grosser Wahrscheinlichkeit der Einwanderung des
Pentastoma ihre Entstehung verdankt, die dann aufhörte, als
durch Einkapselung der Thiere eine weitere schädliche Einwir¬
kung auf das Organ nicht mehr möglich war. Die Richtigkeit
dieser Annahme vorausgesetzt, lernt man ferner aus dem Falle,
dass der Parasit wohl ernste Erkrankungen und Zufälle, auf
die Dauer aber nicht in ernster Weise das Leben der Patienten
zu gefährden vermag.
Selbstverständlich ist es sehr schwer aus dem Vorhanden¬
sein so gewöhnlicher Krankheitserscheinungen wie Icterus oder
Nasenblutungen, auf die Infection mit Pentastoma Taenioides
zu schliessen. Vielleicht aber könnte die Coexistenz einer Leber¬
krankheit und lang andauernder Nasenblutungen verbunden mit
einem schmerzhaften Druckgefühl in den Nasen- oder Stirnhöhlen
die Diagnose wahrscheinlich machen.
Y. Referate.
Die embolischen Erkrankungen des Gehörorgans von
F. Traut mann. (Archiv für Ohrenheilkunde Bd. XIV. Heft 2.)
Die Thatsache, dass nach eitriger Mittelohrentzündung nicht selten
Sinus-Thrombose und durch deren Zerfall Embolien in den verschieden¬
sten Körperstellen Vorkommen, ist bekannt. Dass aber das Gehörorgan
in zweiter Linie befallen, bez. thrombotisches Material von einer anderen
Körperstelle aus in das Gehörorgan getrieben wird, war, abgesehen von
einigen kurzen, von Tr. im Anfänge der Arbeit citirten Mittheilungen
bisher nicht sicher erwiesen. Um das Vorkommen dieses Processes dar-
zuthun, theilt er zunächst dreizehn Sectionen mit, von denen er zwölf
in einem Jahre im Berliner pathologischen Institut zu machen Gelegen¬
heit hatte, und schliesst hieran auch für Nicht-Specialisten wichtige
Notizen. Als Ursache des intraaurietären embolischen Processes fanden
sich in elf von den mitgetheilten Fällen vorzugsweise auf den Klappen
des Herzens mehr weniger hochgradig entwickelte verrucöse Excrescenzen
in Folge primärer oder secundärer Endocarditis.
Im Nasenrachenraum fanden sich zweimal, im Mittelohr im ganzen
viermal die dem embolischen Processe angehörigen Erscheinungen, ent¬
weder vereinzelt oder in ihrer Gesammtheit, nämlich Emboli, Blutüber¬
füllungen resp. feinkörnige Verstopfungen einzelner Gefäss-Provinzen,
punct- bis linsenförmige Hämorrhagien, Gerinnsel. Das Labyrinth, resp.
Arteria basilaris und auditiva interna waren stets frei. — Von den
übrigen Organen zeigte am constantesten Blutungen: die Retina; paren¬
chymatöse Entzündung: die Nieren; Infarcte: die Milz. — Das leichte
Zustandekommen des embolischen Processes im Mittelohr bezieht Tr.
zuerst mit vollem Recht auf den bequemen Eintritt des thrombotischen
Materials in die Arteria auricularis post, und die durch den Ramus
tympanicus einen Theil des Mittelohrs versorgende Art. stylomastoidea;
während der vielfach gekrümmte Verlauf der vertebralis den Eintritt
desselben in die basilaris resp. auditiva int. erschwert. Da der Ram.
tymp. der Art. stylomast, die Zellen des Proc. mast., den hintersten
Theil der Paukenschleimhaut und die Schleimhautplatte des Trommel¬
fells versorgt, so sind, wie sich aus den Sectionen ergab, grade diese
Theile der häufigste Sitz des embolischen Processes. Wenn trotzdem
nur fünfmal unter 13 Fällen sich embolische Erscheinungen an den ge¬
nannten Puncten vorfanden, so hat das seinen Grund zum Theil in dem
variabeln, nicht selten hohen Ursprünge der Art. aur. post, aus der
Carotis. Je höher dieselbe nämlich entspringt (gewöhnlich 4 Ctm.
unterhalb des For. stylom. aus der hinteren Seite der Carotis, etwas
nach innen), desto stumpfer wird der Abgangswinkel, desto mehr er¬
schwert die Fortleitung thrombotischen Materials und vice versa. Das
analoge Verhalten erklärt beiläufig die häufigen Embolien im Gebiete
der Art. ophthalmica und Art. foss. Sylvii, der Fortsetzung der Art.
Carotis int. —
Die plötzlich entstehende Schwerhörigkeit und analoge Seh-
störung, welche nicht selten entweder schon während der Schwanger¬
schaft oder während des Puerperiums eintreten, bezieht Tr. gewiss mit
vollem Recht auf die durch die qu. Vorgänge begünstigte Disposition
zu Recidiven der Endocarditis, deren recente Form, wie seine Sectionen
darthun, stets den embolischen Process im Ohre vermittelte. — Diese
Thesis gewinnt noch mehr an Wahrscheinlichkeit, da durch Virchow
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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(Chlorose u. s. w. IS72) nachgewiesen ist, d.^s das Herz der Frauen zu
Endocarditis und Fett-Metamorphose disponirt. Gleiche Verhältnisse
finden sich hei Phthisikern. (Section 9.) — Unter den 13 Fällen fan¬
den sich neun, in denen eine Eiterung an einer anderen Körperstelle
stattfand, so dass man die Endocarditis als seeundär, durch die Eite¬
rung vermittelt ansehen konnte: andererseits drei, in denen weder ein
Trauma, noch eine Eiterung an einem anderen Punkte vorhanden war,
also die primäre Entstehung derselben motivirt erscheint. — Mikrosko¬
pisch bestehen die Auflagerungen auf den Klappen aus Fibrin und Mi-
crococcen. Die letzteren verleihen ihnen ein trübes, gelbes, opakes
Aussehen und ihren specifischen gefährlichen Charakter. Die Micro-
coccen werden in die feinsten Gefässc getrieben und erzeugen Nekrose
und Blutung. Da man Hämorrhagien des Trommelfells und Mittelohrs
schon bei Lebzeiten zu diagnosticiren im Stande ist, so empfiehlt Tr.
bei jeder Endocarditis das Gehörorgan zu untersuchen, auch wenn
keine Functionsstörung vorliegt, da punetförmige Hämorrhagien Func¬
tionsstörung nicht zur Folge haben. Da die einbolisch zu Stande ge¬
kommene Hämorrhagie des Mittelohrs immer mit letalen cmbolischen
Erkrankungen anderer Organe verbunden ist, so berechtigt sie ebenso
zu einer ungünstigen Prognose, wie die analoge Hämorrhagie im Augen-
hintergrunde. — In differentiell-diagnostischer Beziehung führt T r. noch
an, dass Hämorrhagien und Gerinnsel im Mittelohr auch au ft roten:
1) bei parenchymatöser Nephritis, 2) bei Angina diphtheritica. Ein
Fall der ersten Art, beobachtet von Tr. und Schwartze, wurde von
letzterem in» Arch. f. 0. (Bd. IV. Seite 12) veröffentlicht. Einen 2 teil
berichtet Tr. in dieser Arbeit. In beiden handelte es sich wahrschein¬
lich um eine durch Diapcdesis vermittelte Blutung. Embolische !
Erscheinungen waren nicht vorhanden. Zum Schluss folgt die Erzäh- i
lung eines Falles von Angina diphtheritica, bei dem hämorrhagische
Infiltration der Paukenschleimhaut und Gerinnsel in der Paukenhöhle j
sich vorfanden. Jacoby-Breslau.
Zur Fra ge ii 1>er die Mischf o rinen des Typhus.
In 4 Fällen von Abdominaltyphus und einem Fall von exanthe-
matischem Typhus, welcher einzelne Cliaractere der Febril recurrens
zeigte und somit klinisch zu den sogenannten Milchfarmen gerechnet
wurden, gelang es Borodulin in der Ilotkin’schen Klinik bei Blut¬
untersuchungen auch die Anwesenheit von Spirillen im Blute zu ent¬
decken und so die Thatsache, dass es sfeh wirklich mn Mischformen
handele, wirklich festzustellen. Die Eigenthüinlichkciten, die auf
Recurrens .hinweisen, waren ungewöhnliche Tempcraturschwankungen,
Schweisse. nur schwach angedeutetes Benommensein des Scnsoiiums,
klinisch sehr scharf hervortretende Vergrösserungen der Leber und Milz,
ferner gleich zu Anfang des Abdominal- und Flecktyphus auftretende
primäre, zinnoberfarbene Patac.hien. In einem der beschriebenen Fälle,
der zum Exitus letalis führte, zeigte die Section im wesentlichen den
Befund des Typhus abdominalis. Die Spirillen fanden sich um so zahl¬
reicher, je mehr sich die Form der Erkrankung der reinen Recurrens
nähert. (Petersburger med. Wochenschrift No. 2S, 1878.)
Zerreissung der Milz durch M n s k c lac t i o r..
Zwei Fälle von Ruptur der — wie die Section erwies — bereits
durcli Malariainfeeticn vergvü.sscrten Milz durch eine plötzliche Bewegung
theilt S tone (British med. Journal vom 28. September 1878) mit. Sie
betrafen zwei Indianerinnen der Insel Mauritius, wo sehr heftige Malaria¬
krankheiten endemisch sind. In dem einen Falle machte das Weib eine
plötzliche Bewegung, um ein Gelass mit Wasser, welches sie auf dem
Kopfe trug, vor dem Uebergiesscn zu bewahren; in dem anderen machte
die Frau eine plötzliche Bewegung, um vor einem Schlage ins Gesicht aus¬
zuweichen. Bei beiden Personen folgte der Tod in kürzester Zeit. In beiden
Fällen zeigte die rupturirte, vergrößerte Milz eine sehr zarte Kapsel.
Zur Behandlung des Erbrechens der Schwangeren.
Die vor wenigen Jahren (vgl. d. Wochenschrift No. 27, 1875) von
Copeman mitgetheilte Beobachtung, dass durch sanfte Erweiterung
des Os uteri das hartnäckigste Erbrechen bei Schwangeren unmittelbar
gestillt würde, wird von demselben Autor durch Mittheilung einer Reihe
eigener und fremder Beobachtungen neuerdings bestätigt (British med,
Journal vom 28. September 1878). Tn den angeführten fünf Fällen,
unter welchen zwei die Gattinnen von Aerzten betreffen, war die
Wirkung drs Verfahrens eine sehr schnell eintretende, fast unmittelbare,
so dass von dem Eingriff an die Speisen zurückbehalten und die meist
im höchsten Grade angegriffenen Patientinnen in einen guten Ernährungs¬
zustand gebracht wurden: ein zufälliges Zusammentreffen kann also
ausgeschlossen werden. Sz.
VI. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften.
Berliner Medieinisehe Gesellschaft
Sitzung vom 19. Juni 1878.
Vorsitzender: Herr v. Langenbeck.
Schriftführer: Herr B. Frankel.
Der Vorsitzende dankt für seine Wiederwahl, die er anzu¬
nehmen bereit ist.
Das Protocoll der vorigen Sitzung wird verlesen und angenommen.
Zum Dolegirteil für den VI. deutschen Aerzte-Vereinstag wird Herr
B. F rän k e 1 ernannt.
Für die Bibliothek sind als Geschenk eingegangen: 1) aus dem
Nachlass unseres verstorbenen Mitgliedes Herrn Staberoh Liebreich’s
ophthalmologischer Atlas. 2) Verhandlungen der physik.-medicin. Ge¬
sellschaft zu Würzburg, XII. B., 1. und 2. Heft.
Die Bibliothek soll, wie im vorigen Jahre vom 15. Juli bis 15. Sep¬
tember 1878 nur am Mittwoch und Sonnabend Nachmittags von 5—7 Uhr
geöffnet sein.
I. Herr Israel: Ueber einige neue Erfahrungen auf dem
Gebiete der mycotischen Erkrankungen des Menschen.
M. II.! Die Wichtigkeit der Frage nach den Beziehungen der Micro-
organismen zur Aetiologie mancher Infectionskrankheiten veranlasst mich
zu der Mittheilung einiger Beobachtungen und Untersuchungen auf diesem
Gebiete, welche ich im letzten Jahre gemacht habe. Sie betreffen Pilze,
deren Vorkommen im ihierisehen Organismus bisher nicht bekannt war,
und welche durch ihre characteristische Form und Entwicklungsweise
besser geeignet sind als die überall vorkommenden Microcoocen, Aufschluss
zu geben über ihre Verbreitungswege im menschlichen Körper, und einige
Schlussfolgerungen über ihre pathogene Dignität zu erlauben. Ich bitte
die folgenden Mittheilungen nur als eine erläuternde Skizze zu den Prä¬
paraten und den Zeichnungen aufzufassen, indem ich die Herren, welche
sich für den Gegenstand interessiren, auf die demnächst erscheinende
ausführliche Bearbeitung in Virchow’s Archiv verweise.
Die erste und wichtigste Beobachtung betrifft eine 39jährige Frau,
welche im Mai vorigen Jahres mit allen Zeichen der Prämie in das hie¬
sige jüdische Krankenhaus aufccnoraincn wurde. Sie war im vorangehen¬
den Sommer mit der Brust auf eine Brettkante gefallen, kränkelte seit
dem unbestimmt, bis im Herbst die Krankheit eine ernstere Wendung
nahm, indem atypische Schüttelfröste mit nachfolgenden Schweissen auf¬
traten: die bis zur Zeit ihrer Aufnahme; sich in unregelmässigen Inter¬
vallen wiederholten. Geraume Zeit nach dem ersten Auftreten der Schüttel¬
fröste entstanden multiple Abscesse an den verschiedensten Stellen der
Körperoberlläche, deren jeder bei der Eröffnung einen stinkenden Eiter
entleert haben soll. Wir fanden bei der Aufnahme Rumpf und Extre¬
mitäten bedeckt mit einer Unzahl von Abscessen verschiedenster Grösse.
Am Herzen war nichts abnormes zu finden. Die linke Thoraxhälfte war
etwas enger als die rechte, athmete etwas weniger ausgiebig, uud zeigte
Dämpfung über dem unteren Theil des Unterlappens der linken Lung*.
Genauere Lungeimntersuchung war wegen schmerzhafter Abscesse der
Brustgegend untlmnlieh. — Während des dreiwöchentlichen Hospital¬
aufenthaltes kamen unter irregulären Frösten immer neue Abscesse hinzu.
Milz und Leber schwollen erheblich an, wurden sehr schmerzhaft. Icterus
stellte sich ein und unter peritonitisclien Erscheinungen ging die furcht¬
bar herabgekommene Person zu Grunde.
Wir hatten die Diagnose auf Pyämie gestellt : und da wir nach heu¬
tigen Anschauungen die Primärerkrankung in einem Organe suchen
mussten, das mit der Atmosphäre communicirt, so konnten bei Aus¬
schluss jeder Primärerkrankung der äusseren Körperoberlläche und des
Genitalapparates nur die Lungen oder der Darm als Ausgangspunkt der
Erkrankung in Betracht kommen. Die grossere Wahrscheinlichkeit sprach
1 aus verschiedenen Gründen für einen primären Lungenherd, doch blieb
das nur eine wahrscheinliche Vermuthung.
Gleich am Tage der Aufnahme cröffnelc ich einen grossen Abscess
l der Fossa supraspiuata, in der sicheren Erwartung, den gewöhnlichen Mi-
! erocoecus in dem Eiter zu finden. Zu meinem Erstauen aber fand ich
etwas ganz von bisher bekannten Eiterqualitäten abweichendes, was
meine Aufmerksamkeit im höchsten Grade fesselte. Der schleimig zähe
Eiter von höchst widrigem Gerüche war wie besäet mit hellgclblieh bG
! bräunlich gefärbten Körnchen von Hirse- bis Molinkorngrüsse. Dieselben
Hessen sich mit der Nadelspitze leicht herausheben; sic hatten eine
drüsige Oberfläche und waren von talgartiger Consistenz. Die microsco-
i pische Untersuchung lehrte, dass jedes dieser Kölner ein Pilzrasen von
i gleich zu beschreibender Qualität war. Genau dieselben Gebilde mit
denselben macroscopischen und microscopischcn Eigenschaften und in
derselben Reichlichkeit fand ich nun in allen den zahlreichen Abscessen
der Körperoberfläche, welche ich während des Lebens der Kranken er-
öffnete * und, wie ich gleich hinzufügen will, in den säramtlichen un-
[ zähligen Abscessen der inneren Organe, welche durch die Section zu¬
gänglich gemacht wurden. Ein ich Ihnen die microseopische Constitution
der Pilzhaufen schildere, will ich Sie in Kürze mit dein Sectionsresultate
bekannt machen. — Die Abscesse der Körperoberfläche waren
theils klein und circumscript, von Kirschen- bis Nussgrösse, im subcu-
tanen Gewebe gelegen, theils stellten sie buch tage Höhlen dar, welch*
sich auf grosse Strecken im intermusculären Gewebe der Extremitäten
verbreiteten. Der Ausgangspunkt der ganzen pyämischen Erkrankung
wurde im Unterlappen der linken Lunge gefunden, woselbst sich,
inmitten von fibrös indurirlcm Gewebe, zwei grosse Höhlen fanden, jede
von etwa einer Unze Inhalt, der zu mindestens gleichen Theilen aus
Pilzconglomeraten wie Eiter bestand. Mit demselben Inhalte erfüllt
lagen in ihrer Umgebung viele kleinere Spalten und Hohlen, welche als
cxulcerirte Bronchiectasien durch die Anwesenheit von Cylinderepithel
erkannt werden konnten. Sonst waren keine Herde in beiden Lungen
zu finden. Der Klappenapparat des Herzens war intact.
Die Bauchhöhle enthielt reichlich flbrinös eitriges Exsudat. —
Die sehr vergrösserte Milz war von massenhaften Abscessen bis zu
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9. December 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
733
Apfelgrösse durchsetzt, deren jeder reichlich erfüllt war mit den Pilz-
körnern. Die Nieren zeigten in der geschwollenen Corticalsubstanz
viele kleine Abscesse, — keinen einzigen ohne die Pilzconglomeratc. In
den Dünndärmen und dem Coecum ca. 15 linsen- bis erbsengrosse sub-
mucöse Abscesse, sämmtlich dicht vollgestopft mit dem Pilzmateriale.
Die stark geschwollene Leber lässt auf Durchschnitten überall
eiterige Flüssigkeit aus den Lumina der feineren Pfortaderäste hervor¬
quellen. Bei Schnitten durch das gehärtete Organ erkennt man meist
schon mit blossem .Auge, dass die vielgenannten hirsekorngrossen Pilz-
conglomerate die feinen Pfortaderäste verstopfen, und dass sich rings
um jeden solchen Pilzembolus eine Eiterung etablirt hat.
Sehen wir uns nun die Pilzkörner genauer auf ihre mieroscopische
Constitution an. Zerdrückt man eines vorsichtig unter dem Deckglase,
und betrachtet es mit schwacher Vergrösserung bei durchfallendem Lichte,
so sieht man eine etwas unregelmässig begrenzte bräunlich-gelbe, matt¬
glänzende Masse, umgeben von einer schmalen, ringförmigen, dunklen
Zone. Letztere erweist sich bei stärkerer Vergrösserung aus Eiterkörpern
zusammengesetzt, zwischen denen man feine Fäden erkennt, die hier und
da an der Peripherie des Präparates eine kleine Strecke weit hervor¬
ragen.
Wälzt man ein solches Pilzkom vorsichtig auf dem Objectglase, so
befreit man es von der Eiterschicht, und man sieht dann bei leisem
Druck mit dem Deckgläschen von der Peripherie des dunklen Haufens
feine, hier und da wellige Fäden ausstrahlen, zwischen denen man am
Rande des Objectes eigenthiimliche, stark glänzende, keulenförmige Ge¬
bilde erkennt. Wenn man dann das Korn zerreibt oder stark zerquetscht,
so erkennt man seine Zusammensetzung aus drei morphologisch ver¬
schiedenen Bestandteilen. Die Hauptmasse des Korns wird gebildet
von langen, ausserordentlich blassen ungegliederten Pilzfäden, von
äusserstcr Feinheit, welche fast nie gradlinig verlaufen, sondern meist
wellig und streckenweise korkzieherartig gewunden sind. Die Fäden
zeigen häufig echte dichotomische Verzweigung, die einzelnen Zweige
können sich wieder dichotomisch theilen. Diese Fäden nun, eng verfilzt
oder büschelförmig nebeneinander laufend, nach der Peripherie meist
radiär angeordnet, bilden das Myeelium. In die Matchen dieses Filz¬
werks infiltrirt liegen Körnchen, theils von der Grösse der Microeoceen
und sehr schwach licbtbrechend. theils stark glänzend und in diesem
Falle grösser als Microeoceen und oft unregelmässig in der Form, von
mehr eckigem Contur. Streckenweise findet man nur Rasen von Mycel-
fäden ohne Körnchen, streckenweise ausgedehntere Körnehenlager ohne |
Fäden, wobei stets die stark glänzenden groben Körnchen verstreut
unter den blassen kleineren sieh finden. !
Die Oberfläche solchen Haufens nun ist dicht besetzt mit den J
merkwürdigsten Gebilden in Gestalt sehr stark glänzender bimförmiger
oder keulenförmiger Körper, welche radiär an geordnet sämmtlich das
schmalere Ende dem Haufen zuwenden. Bei sorgsamer Präparation er- |
kennt man ihren Zusammenhang mit Fäden, die aus dem Rasen hervor- i
gehen; die Fäden werden an ihrem peripheren Ende zunächst glänzend j
und schwellen dann bimförmig an, so dass man diese bimförmigen Ge- I
bilde als Conidien bezeichnen kann, d. h. als Zellen, welche endständig j
von Pilzfäden ab ge schnürt werden. Diese Conidien nun machen ver- I
schiedcne Veränderungen durch. Zunächst zeigen sie Quertheilumr in j
Segmente verschiedener Zahl und Grösse; und die einzelnen T hei Ist iicke |
werden frei. Sodann zeigen sie Sprossung. Längstheilung und Abschnü- j
rung. Durch diese Vorgänge entstehen höchst merkwürdige und bizarre I
Formen, welche ich Ihnen am besten an der Tafel demonstrire. Sie ;
sehen hier die seitliche Knospung einer solchen Zelle, hier das Product j
von scheinbarer Längsfurchung, welche Zwillings- und Drillingskörper
hervorbringt; endlich beachten Sie diese merkwürdige Figur, welche einer I
Hand mit ausgespreizten Fingern ähnelt. — Ich will Sie mit weiteren
botanischen Details nicht behelligen und erwähne kurz als Resultat
meiner Beobachtungen über die Entwicklungsgeschichte des Pilzes, dass
die Mycelfäden aus den feineren Körnchen hervorwachsen, und dass die
Fäden wieder Fortpflanzungsz- 1 len zweierlei Art produeiren. Einmal
schnüren sie endständig und seitlich Sporenkörnchen ab, zweitens schwillt
ein Theil von ihnen endständig zu den bimförmigen Zellen an. Diese
werden frei, machen Sprossungs- und Abschnürungs- uud Theilungs-
vorgänge durch, deren Endresultat die Production von glänzenden, un¬
regelmässig gestalteten Schollen, Klumpen und grösseren Körnern ist.
Diese produeiren wieder die feinen blassen Körnchen. aus welchen, wie
wir gesehen haben, die Fäden hervorgehen. Die genaue mieroscopische
Untersuchung der Organe nun hat einen klaren Einblick gewährt in die
Art und Weise, wie die Propagation der Pilze von den primären Lungen¬
herden aus erfolgt ist, und wie das Wachsthum der in die metastatisch
ergriffenen Organe gelangten Pilzmassen zu Stande gekommen ist.
Von den 3 Bestandtheilen der Pilzconglomeratc sind es ausschliess¬
lich die feinsten Körnchen, welche durch die Circulation in die ver¬
schiedener: Organe, des Körpers geführt worden sind, und erst aus diesen
einfachen Kömehenmetastasen haben sich, wie man Schritt für Schritt
durch das Mieroscop nachweisen kann, die Pilzconglomeratc von der
vorher beschriebenen complicirteren Constitution entwickelt.
(Schluss folgt.)
. Jtll. Feuilleton.
Bericht Aber die Erkrankung der Grossherzog¬
lichen Familie in Darmstadt.
Darmstadt, den 25. November 1878.
Der Ausbruch von epidemischer Diphtherie in der Gross¬
herzoglichen Familie dahier hat allgemeine Theilnahme erregt. Die
vorliegenden Thatsachen sind aber auch wissenschaftlich insbesondere
in ätiologischer Beziehung interessant.
Prinzessin Victoria (16 J. a.) erkrankte am 6. November und wurde
sofort, nachdem der behandelnde Arzt dieselbe zum ersten Male gesehen
hatte von allen übrigen Mitgliedern der Grossherzoglichen Familie iso-
liit. Die Prinzessin war in diesem Augenblicke noch vollkommen fieber¬
frei; die linke Tonsille und eine Lymphdrüse an derselben Seite des
Halses waren geschwollen. Nur ein schmaler (ca. 2 Mm. breiter und
ca. 1 Ctm. langer) weisslicher Streifen zwischen der Tonsille und dem
vorderen Gaumenbogen erregte den Verdacht, dass eine diphtheritische
Erkrankung in der Ausbildung begriffen sei. Am folgenden Tage be¬
stand vollkommen ausgeprägte Diphtherie mit Auflagerungen, welche
beide Tonsillen in ihrer ganzen Ausdehnung bedeckten.
In der Nacht vom 11. auf den 12. November erkrankte Prinzessin
, Alix (6 J. a.), 5 l 2 Tage später wie Pr. V. Es waren sogleich bei der
i ersten Untersuchung vollständig charaeteristische. gelblichweis.se Auf-
I Lagerungen auf beiden Tonsillen zu bemerken, welche sieh später über
| die ganze Oberfläche derselben verbreiteten. Dabei waren die Lymph-
driisen auf beiden Seiten des Halses am Unterkieferwirbel leicht ge¬
schwollen.
Im Laufe des 12. Nov. erkrankte Prinzessin Marie (4 J. a.) an einer
sehr bösartigen Form. Die Krankheit begann mit starkem Fieber (40° C.);
erst 2 Stunden später waren Auflagerungen zu bemerken. Dieselben
| waren zuerst längere Zeit missfärbig (ecchymosirt) und verbreiteten sieh
| bald über beide Tonsillen, die Uvula, die Rachenhöhle und einen grossen
i Theil des weichen Gaumens. Die Geschwulst nahm rasch zu, so dass
[ die Tonsillen und die Uvula sich unmittelbar berührten. Die Lymph-
' drüsen am Halse schwollen so stark an, dass sieh die Haut des Halses
in gleichem Niveau mit der der Wangen befand. — Der Tod erfolgte
in der Nacht vom 15. auf den 16. November rasch und unerwartet durch
Erstickung in Folge eines plötzlichen mechanischen Verschlusses der
Stimmritze. Bis 15 Secunden vor dem Eintritt desselben war das Athmen
vollkommen frei und die Stimme vollständig rein gewesen. Die beob¬
achteten Erscheinungen machen es höchst wahrscheinlich, dass der Ver¬
schluss der Stimmritze durch eine weiter oben gebildete, abgelüste
und aspirirle Membran bewirkt worden ist.
In der Nacht vom 12. auf den 13. November erkrankte Prinzessin
Irene (12 J. a.), 6 1 Tage später wie Pr. V., und am Nachmittag des
13. November der Erbgrossherzog Ernst Ludwig (10 .T. a.). Bei beiden
war die örtliche Erkrankung in ähnlicher Weise wie bei Prinzessin Marie
entwickelt, und ist gegenwärtig in der Abheilung begriffen. Prinzessin
Victoria und Alix sind seit mehreren Tagen genesen.
Am 14. November erkrankte S. K. II der Grossherzog (8 Tage
später wie Pr. V. 2 1 2 Tage später wie Pr. A.). Die Auflagerungen be¬
deckten die beiden stark angeschwollenen Tonsillen. Aß der linken
Tonsille war der diphtheritische Process an einer Stelle tiefer greifend,
so dass sich hier gegenwärtig noch ein kleines Geschwür befindet.
Von siimmtliehen Mitgliedern der Grossherzoglichen Familie sind
nur I. K. 11. die Grossherzogir. und Prinzessin Elisabeth verschont ge¬
blieben. Die Epidemie hat sich auf die herrschaftliche Familie beschränkt.
Von der zahlreichen im Palais wohnenden Dienerschaft und dem im
neuen Palais verkehrenden Personal der Hofhaltung (ea. 60 Köpfe) ist
niemand erkrankt. Auch unter den im unmittelbaren Umgang mit den
isolirten Patienten stehenden Personen, insbesondere von den Kranken¬
pflegerinnen des Alice-Frauenvereins ist bis jetzt keine Erkrankung vor¬
gekommen.
Es ist hiernach vollkommen klar, dass, (abgesehen von dem ersten
Falle, alle späteren Erkrankungen durch unmittelbare Ansteckung ent¬
standen sind. Die Uebertragung hat offenbar durch Küsse stattgefunden.
Wie und von wem die Prinzessin Victoria infieirt wurde, ist bis
jetzt unbekannt geblieben. — Es ist von den Unterzeichneten Aerzten
eine sorgfältige Untersuchung der hygienischen Verhältnisse des ganzen
von der Grossherzoglichen Familie bewohnten, 1864 erbauten, neuen
Palais angestellt worden. Dieselbe lieferte, wie zu erwarten war, durch¬
aus keine Anhaltspunkte für die Annahme einer autochihonen Ent¬
stehung der Krankheit in diesem Gebäude. Es erscheint dagegen im
höchsten Grade wahrscheinlich, dass der erste Erkrankungsfall, ebenso
wie die übrigen, durch Ansteckung entstanden ist. Nachdem man
durch eine grosse Reihe von Beobachtungen nachgewiesen hat, dass die
Diphtherie nicht selten in so leichter Form aufzutreten pflegt, dass der
mit dieser Affection behaftete sich nicht krank, sondern nur unpässlich
fühlt, und deshalb keine Veranlassung hat, seine gewohnte Beschäfti¬
gung zu unterbrechen oder einen Arzt zu Rathe zu ziehen; nachdem
man weiss, dass solche leichte Fälle nichts destoweniger durch Ansteckung
bösartige Formen hervorzurufen im Stande sind: kann die Erkrankung
von Prinzessin Victoria nicht als unerklärbar betrachtet werden.
Es lässt sieh die weitere Frage aufwerfen, ob das Gebäude, in
welchem die Grossherzogliche Familie wohnt, vielleicht zu einer stärkeren
Entwicklung des eingesehleppten Krankheitsgiftes Veranlassung gegeben
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734
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 49
haben könnte? — Die hygienische Beschaffenheit des neuen Palais ist
so gut, dass wir diese Frage unbedingt verÄinen müssen. Die Inten¬
sität und Extensität dieser Familien-Epidemie müssen wir folgenden
Ursachen zuschreiben:
1. der Intensität des eingeschleppten Infectionsstoffes, weil bei
Prinzessin Victoria die diphtheritischen Membranen sogleich nach ihrem
Auftreten ein missfarbiges (ecchymosirtcs) Aussehen darboten;
2. der unmittelbaren Uebcrtragung des Ansteckungsstoffes durch
Küsse;
3. der Beschaffenheit der Rachenschleimhaut und der Tonsillen
der inficirten, da die Erkrankten alle sehr häufig an acuten und chro¬
nischen Affectionen dieser Organe gelitten haben.
Wenn wir demnach die hygienischen Einrichtungen des neuen Palais
von jeder Mitschuld an einer Steigerung der hier herrschenden Epidemie
freisprechen müssen, so können wir dies nicht in gleicher Weise bezüg¬
lich der sanitären Beschaffenheit der Stadt Darmstadt. Es ist bekannt,
dass mangelhafte Städtereinigung die stärkere Entwicklung und grössere
Verbreitung aller Infectionskrankheiten befördert. Darmstadt gehört,
wie die Statistik nachweist, zu den grösseren Städten in Deutschland,
welche sich durch eine niedrige Sterblichkeitsziffer vortheilhaft auszeich¬
nen. Dies ist auch im gegenwärtigen Augenblick der Fall. Auch die
Sterblichkeit durch Diphtherie ist gegenwärtig hier nicht grösser, wie
in vielen anderen deutschen Städten. Demungeachtet müssen wir es
als eine unabweisbare Pflicht des Stadtvorstandes bezeichnen: durch
eine den Anforderungen der Hygiene entsprechende Städtereinigung die
Gesundheitsverhältnisse von Darmstadt so zu verbessern, wie dies nach
dem gegenwärtigen Stande der öffentlichen Gesundheitspflege möglich ist.
Dr. Eigenbrodt. Prof. Dr. Oertel. Dr. Jäger.
Die 51. Versammlung deutscher Naturforscher und
Aerzte in Cassel.
(Schluss.)
In der gynäkologischen S e cti o n theilte Herr L e o p o 1 d (Leipzig)
die Resultate seiner Untersuchungen über das skoliütische und kypho-
skoliotisch-rachitische Becken mit; er fand, dass die Skoliose das rachiti¬
sche Becken vorwiegend im Beckeneingang verändere, und zwar die rachi¬
tischen Zeichen nicht nur nicht verwische, sondern zu denselben noch
eine Verengerung im schrägen Durchmesser hinzufüge, so dass bei rechts¬
seitiger Skoliose der Brustwirbel die linke Seite, bei linksseitiger die
rechte zusammen gedrückt wird, während das rachitische Becken durch
eine Kyphoscoliose eine Vergrüsserung der Conjugata vera in seinem
Eingänge erfährt, so dass letzterer mehr rund wird und eine Trichter¬
form annimmt.
Herr A. Martin (Berlin) empfiehlt bei der chronischen Metritis,
bei der es zur Bindegewebshypertrophie mit Vergrüsserung und Defor-
mirung des Uterus, sei es seines Körpers oder des Cervix, gekommen
ist, die Amputation des letzteren. Er hat dieselbe 72 mal mit gutem
Erfolge ausgeführt und stets eine Rückbildung des hypertrophischen
Gewebes eintreten sehen. Kehrer (Giessen), Schröder (Berlin), Ols-
hausen (Halle) schliessen sich den Ausführungen des Vortragenden
an, während Kugelmann (Hannover) bezweifelt, dass eine so häufige
Indication zur Operation vorhanden sei.
Herr Müller (Bern) hat die Wirkung des Pilocarpin auf den puer¬
peralen Uterus studirt; er fand, dass die nach demselben eintretenden
Contractionen längere Pausen einhielten, als bei Ergotin, während es
zum Zwecke der künstlichen Frühgeburt sich gänzlich wirkungslos erwies.
Die bisher aufgestellten Theorien über die Verlangsamung des
Foetalpulses während der Wehenthätigkeit findet Kehrer (Giessen)
nicht stichhaltig. Dass die Steigerung des intrauterinen Druckes zur
Erklärung nicht ausreicht, haben seine Versuche an Tritonenlarven er¬
geben: er findet den Grund der Verlangsamung in einer mechanischen
Reizung der Vaguskerne, die ihrerseits durch den Druck des Schädels
und partielle Compression desselben bedingt werden.
Nach C. Rüge bestehen die Granula bei der Vaginitis granulosa
aus einem stark gefässreichen Granulationsgewebe, nicht, wie man bisher
annahm, in einer Veränderung von Follikeln, da nach seinen Unter¬
suchungen die Scheide keine solche besitze.
Herr Zweifel (Erlangen) widerlegt den Einwand, welchen L. Meyer
gegen die von ibm in Vorschlag gebrachte Spätabnabelung des Kindes
erhoben hat. Durch seine Methode, welche darin besteht, dass man
erst die FIntfernung der Placenta vornehme und durch Compression der¬
selben mit beiden Händen das in ihr befindliche Blut gegen das Kind
hin drücke, bevor die Abnabelung stattfindet, habe er eine Blutersparniss
für das Kind um 81 Gramm erzielt.
Herr Kocks (Hamburg) demonstnrte einen exstirpirten Uterus mit
drei Ovarien; an einem Vortrag von Dr. Veit über Carcinom des Uterus
schloss sich eine Discussion in Bezug auf die Exstirpation dieses Organes,
für welche Herr Schröder (Berlin) den Namen der F'reund’schen
Operation vorschlug. Herr Dorn demonstrirte Hymcnalpräparate. Herr
Schwarz (Göttingen) sprach über Ovariotomie bei Kindern und über
Inversion des Uterus durch Neubildungen, Herr Breiskv (Prag) über
Haematometra bei hoehliegender breiter Scheidenatresie, Herr JIofmei er
(Berlin) über Nephritis acuta gravidarum, Herr Baum gär tu er (Baden
Baden) demonstrirte ein Präparat von Pyo-Salpingitis, Object einer mit
günstigem Erfolge durchgeführten Castratiou; von P. Müller (Bern)
wurde eine Discussion über die noch immer nicht gelöste und streitige
Frage vom Verhalten des Cervix in der Schwangerschaft angeregt.
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Herr Landau (Berlin) legte Quellstifte von Tupelo vor, Herr Zwei¬
fel demonstrirte eine Uterusdouche zum Ersatz der gewöhnlichen Wund¬
irrigation, ferner ein Saugfläschchen mit Einrichtung zum Selbstabsaugen,
Herr Rothe (Altenburg) endlich einen Dammschutzlöffel.
Von anderen Vorträgen in den Sectionen erwähnen wir noch kurz
den des Prof. Lichtheim über erworbene Lungenatelectase, Birch-
Hirschfeld zur localen Charakteristik des Abdominaltyphus, Prof.
Dr. Kohlschütter über die Messung der Intensität der Herztöne,
Dr. Seemann (Berlin), über die Wirkung der Carboisäureinhalationen
bei Keuchhusten.
In der dritten allgemeinen Sitzung sprach Prof. Fick (Würzburg),
„Ueber die Wärmeentwicklung im Muskel“. Aus seinen kürzlich ver¬
öffentlichten Versuchen über Muskelwärme suchte er einige Folgerungen
in Bezug auf die ErnährungsVorgänge zu ziehen. Aus diesen Versuchen
geht hervor, dass im günstigsten Falle kaum etwas mehr als l / 5 von der
durch chemische Kräfte im Muskel bei seiner Thätigkeit geleisteten Ar¬
beit zu mechanischen Effecten, % dagegen ausschliesslich zur Wärme¬
erzeugung verwandt werden. Da nun anderweitig erwiesen sei, dass hei
der im menschlichen Körper von chemischen Anziehungskräften geleiste¬
ten Arbeit zu Zeiten energischer Muskelthätigkeit gleichfalls nur 1 - nach
aussen mechanisch wirksam sein könne, so gelange man zu dem Schlüsse,
dass zu Zeiten energischer Muskelthätigkeit ausserhalb des Muskelgewebes
kein namhafter Betrag von Verbrennungen stattfinde, bei welchem che¬
mische Kräfte Arbeit leisten. Daher können auch bei Zeiten relativer
Muskelruhe, also während des gesammten normalen Lebens Verbrennungs
processe ausschliesslich nur im Muskel verlaufen, weil man sonst an¬
nehmen müsste], dass der gesammte Ernährungsprocess der Gewebe bei
relativer Ruhe einen anderen Verlauf nehme als zu Zeiten angestrengter
Muskelthätigkeit.
Hiernach habe man sich von dem Processe, durch welchen die in
die Säftemasse aufgenommenen Nahrungsstoffe in Auswurfsstoffe ver¬
wandelt werden, folgende Vorstellung zu machen: Im Blute, in der
Leber und anderen Organen gehen dieselben nur synthetische und
Spaltungsproces.se ein, bei denen im ganzen wohl ebensoviel chemische
Anziehungskräfte überwunden als wirksam werden. Insbesondere würde
wohl von dem assimilirteu Eiweiss ein stickstoffhaltiger Bestandtheil ab¬
gespalten , der alsbald den Körper als Harnstoff verlasse, die übrig-
bleibenden kohlenstoff- und wasserstoffreichen Verbindungen dagegen
wandelten nach und nach in das Muskelgewebe ein, wo fast ausschliess¬
lich der Verbrennungsprocess stattfinde, und erst die kolossalen Yer-
wandtsc-haftskräfte zwischen den durch die Athmung aufgenommenen
Sauerstoffatomen und den Kohlenstoff- und Wasserstoffatomen zur Wir¬
kung gelangen, wo diese enorme Anziehungskraft erst wirklich Arbeit
leiste.
HerrRadde, Kaiserl. russischer Staatsrath in Tiflis, sprach hierauf
über die Chewsureu, einen wilden Volksstamm im Kaukasus, der sich
zum Christenthum bekennt, in seinen Bräuchen jedoch vollkommen
heidnisch ist. Die Chewsuren wohnen in Dörfern, sie sind ausser¬
ordentlich kriegerisch und im Gebrauch der Waffen geübt und verrichten
ihre religiösen Culte in heiligen Hainen, in denen ihre Altäre er¬
richtet sind.
Dr. Stilling (Kassel) endlich behandelte in seinem Vortrage „den
Farbensinn und die Farbenblindheit“, er stellt die Entwicklung der
Lehre von den Grundfarben und ihrer Empfindung dar und beleuchtet
die Prüfungsmethoden der letzteren. Die bisherigen Methoden, welche
darin bestanden, farbige Muster sortiren oder Spectralfarben vergleichen
zu lassen, seien ungenügend, da den Farbenblinden bestimmte Farben¬
empfindung, keineswegs aber die bestimmten Ausdrücke der Normal-
farbensichtigcn fehlen, und sie daher für eine ihnen vorgelegte Farbe
diejenige Bezeichnung wählen, die ihrer Erfahrung nach von anderen
für dieselbe gebraucht wird. Ein sicheres Resultat bei der Untersuchung
Farbenblinder könne nur durch Benutzung von Contrastfarben erhalten
werden, die sich am zweckmässigsten durch farbige Schatten erzeugen
lassen. Auf diesem Wege gelange man zu einer Eintheilung der Farben¬
blinden in 1) Roth-Grünblinde, 2) Blau Gelbblinde, 3) Totalfarbenblinde,
während die auf einer älteren Theorie beruhende Eintheilung in Roth-
blinde, Grünblindo und Violetblinde den practisehen Erfahrungen nicht
entspreche.
Hierauf sprach der zweite Geschäftsführer Herr Dr. Gerl and Worte
des Abschieds. Kassel, welches 8 Tage hindurch den Mittelpunkt der
deutschen Wissenschaft gebildet habe, hätte an sich in wissenschaftlicher
Beziehung wenig geboten, indess die Versammlung habe alles nöthige
selbst herbeigeschafft und bei einem Rückblick auf die Verhandlungen er¬
halte man die beste Antwort auf die in jüngster Zeit so vielfach ven-
tilirte Frage, ob die Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte
mit Nutzen weiter bestehen könne, oder ob sie, wie die märchenhafte
Schlange Göthes, von dem eingenommenen Golde der Resultate ihrer
Forschung gesättigt, in ihre einzelnen glänzenden Bestandtheile zerfallen
solle, wenn auch zur Errichtung und zum besseren Gedeihen eines grösse¬
ren ganzen. Zwar hätten sich einzelne Specialwissenschaften abgezweigt,
andere aber den Versuch hierzu wieder aufgegeben, während andererseits
von der Versammlung einige Congresse herangezogen worden seien, die
sonst für sich getagt haben, so dass die 51. Naturforscherversammlung
mit Zuversicht in die Zukunft schauen könne.
Nachdem Prof. Klebs den Geschäftsführern und der Stadt Kassel, er-
steren für die mühevolle Waltung, letzterer für den freundlichen Empfang
den Dank der Versammlung ausgesprochen hatte, schloss der Vorsitzende
Herr Stilling die letztere. G. B.
Original fru-m
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9. Decembcr 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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Zum Etat.
Zur Beförderung der mcdicinischen Wissenschaft sind
für das Etatsjahr 1879/80 von der Regierung folgende Mehrbeträge be¬
antragt:
UniversitätKönigsberg: 1. Für die Klinik für Augen¬
krankheiten, Dotationserhöhung zu sachlichen Ausgaben.
2. für das physikalische Institut, einschliesslich 1200 M.
Remuneration eines Assistenten und 750 M. Lohn eines Dieners
Universität Berlin: 1. Für das anatomisch - zooto-
mische Institut zur Umwandlung einer Dienerstelle in eine
Präparatorstelle (künftig wegfallend).
2. für das botanische Institut, einschliesslich 1350 M.
Remuneration eines Assistenten, sowie 1080 M. Besoldung und
240 M. Wohnungsgeld-Zuschuss eines Dieners.
3. für die geburtshülfliche Klinik in der Charitö 1350 M.
Remuneration für einen Assistenten und 1620 M. für Unter¬
richtsmittel und Instrumente.
Universität Greifswald: 1. Für die chirurgische Poli¬
klinik, einschliesslich 360 M. zur Verbesserung des Lohnes
des Wärters....
2. für das Universitäts-Krankenhaus, Dotationserhöhung
UniversitätBreslau: 1. Für einen ausserordentlichen
Professor der Chemie, Gehalt und Wohnungsgeld-Zuschuss,
künftig wegfallend.
2. für den botanischen Garten, Dotationserhöhung in
Folge Fertigstellung des neuen Gewächshauses.
Universität Halle: 1. Zuschuss an die Provinz Sachsen
für den an der Provinzial-Irrenanstalt in Nietleben zu er-
theilenden Unterricht . 2400 *
2. für das anatomische Institut zur Erhöhung der säch¬
lichen Ausgaben . 800 *
3. für das physiologische Institut zur Verstärkung des
Fonds für Zeichnungen und Bücher. 150 „
4. für die chirurgische und die geburtshülflich-gynäkolo-
gis che Klinik, Dotationserhöhung. 25000 *
5. Mehrbedarf an Wohnungsgeld-Zuschüssen in Folge
VeTsetzung der Stadt Halle in eine höhere Servisclasse. 8424 „
Universität Kiel: 1. Für das pharmakologische Institut
Dotationserhöhung. 410 *
2. zum Ersatz des Zinsenausfalls in Folge Verwendung
von Kapitalien zum Neubau des chemischen und physiolo¬
gischen Instituts und des zoologischen Museums. 4814 „
Universität Göttin gen: 1. Für das pllanzen-physio-
logische Institut, Erhöhung des Fonds zu sachlichen Ausgaben
in Folge der Beziehung des neuen Institutsgebäudes. 600 „
2. für das mineralogische und geologisch-paläontologische
Institut, Dotationserhöhung in Folge der Beziehung des neuen
Institutsgebäudes. 843 „
Universität Bonn: 1. Dienstaufwands-Entschädigung
für den Diener des pathologischen Instituts . 300 „
2. für das pharmakologische Institut, Dotationserhöhung 480 „
3. für die chirurgische Klinik zur Gleichstellung des
Lohnes der Wärterinnen mit dem Lohn der Wärterinnen in
den anderen Kliniken. 360 „
4. Mehrbedarf an Wohnungsgeld-Zuschüssen in Folge
Versetzung der Stadt Bonn in eine höhere Servisclasse . 10032 „
Zur Verbesserung der Besoldungen der Lehrer überhaupt
an sämmtlichen Universitäten. 15959 „
Zusammen 103582 M.
Einmalige und ausserordentliche Ausgaben.
Universität Königsberg: Zum Neubau der chirur¬
gischen Klinik, 3. Rate . 300000 M.
Universität Berlin: Zu klinischen Bauten auf dem
Grundstück Ziegelstr. 5 bis 9 (früher 3 bis 6) 2. Rate .... 500000 „
Zum Neubau eines Gebäudes für das Herbarium und
■botanische Museum, 2. und letzte Rate . 222000 „
Zur Herstellung und Einrichtung von Auditorien und
von Räumen für die wissenschaftlichen Sammlungen im Uni¬
versitätsgebäude . 25000 „
Zum Neubau einer geburtshülfliehen und gynäkologi¬
schen Klinik auf den Grundstücken Ziegelstrasse 10 bis 12
und Artilleriestrasse 13 bis 16 und zwar:
a) Zum Ankauf der gedachten Grundstücke. 1200000 „
b) Zu den Baukosten, 1. Rate. 300000 „
Universität Breslau: Für das neue Gewächshaus
im botanischen Garten, Ergänzungsrate. 5950 „
Universität Halle a./S.: Zum Neubau eines Ge¬
bäudes für die Anatomie, 3. und letzte Rate. 140000 „
Zum Neubau eines Gebäudes für das pathologische In¬
stitut, 2. und letzte Rate. 83000 „
TJniversitätKiel: Zum Neubau des zoologischen Mu¬
seums, 2. und letzte Rate. 95500 *
Zum Neubau der Anatomie, 2. und letzte Rate. 24200 „
Universität Göttingen: Zur Deckung der Kosten
der Reorganisation des pathologischen Instituts. 9433 „
Zur inneren Einrichtung des neuen Gebäudes für das
pflanzen-physiologische Institut und zu Umzugskosten für
dasselbe. 10000 M.
Nach dem Etat für das Jahr 1879/80 sind die Bcsoldungsverhältnisse
8000
2530
M.
»
Königsberg
Berlin
Greifswald
Breslau
Halle
Kiel
Göttingen
Marburg
Bonn
720
«
Professoren der
Medicin
ordentliche:
10
14
8
8
10
7
12
10
9
ot> <U
"
darunter künftig
wegfallend
1
—
—
—
1
—
1
1
—
2970
Besoldung in M.
"
von
1800')
3600 2 )
4000
4000
3500
4200
3600
3908
4500
bis
6000
7500
5700
7200
7500
6000
7500
6000
7200
1 OCA
ausserordent -
lobU
QQ cn
n
liehe:
4
10
4
4
2
4
7
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4
OÖDU
"
darunter künftig
wegfallend
—
—
—
—
—
—
2
1
, 1
O01 A
Besoldung in M.
OZIU
n
von
1800
1500
1200
1800
2000
2400
600
1800
1500 s )
1 7AA
bis
3000
3000
2400
2500
2400
2S50
3000
2800
3600
1 <UVJ
ohne Gehalt:
5
9
1
10
4
1
1
1
2
Danach giebt es 88 ordentliche Professuren derMedicin, von
denen 4 künftig wegfallen. Das Minimum des Gehaltes beträgt 1800 M.
in Königsberg, das Maxiraum 7500 M. in Berlin, Halle und Göttingen.
Ausserordentliche Professuren mit einer Besoldung sind 42 vor¬
handen, davon sollen jedoch 4 künftig nicht mehr besetzt werden. Das
kleinste Gehalt wird in Göttingen gezahlt (600 M.), das grösste in Bonn
(3600 M.). Ausserdem sind im Etat aufgeführt 34 ausserordentliche
Professoren, die keinen Gehalt beziehen. Was die Privat-
docenten betrifft, die, da sie ohne Gehalt sind, im Etat nicht erwähnt
werden, so fügen wir hinzu, dass ihre Zahl in Königsberg 8, Berlin 43,
Greifswald 6, Breslau 11, Halle 8, Kiel 6, Göttingen 7, Marburg 5,
Bonn 9, an allen Universitäten zusammen 103 beträgt.
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. Ueber die Verhandlungen der Sachverständigen-Com¬
mission zur Revision der ärztlichen Prüfungsvorschriften
vom 26. August bis 7. September er. ist jetzt von dem Vorsitzenden der
Commission, Herrn Geh.-Rath Dr. Finkelnburg ein ausführlicher ge¬
druckter Bericht erschienen, der viel bemerkenswerthes enthält. Der
Raum gestattet uns nicht, den umfangreichen Bericht, den zu veröffent¬
lichen uns anheimgegeben, in unserer Wochenschrift zu publiciren, und
wir dürfen um so mehr darauf verzichten, als in betreff des Endresultates
alles wissenswerthe unseren Lesern aus dem Artikel in No. 40. d. W.
bekannt geworden ist.
— In Erlangen verschied am 24. November der bekannte Chemiker
v. Gorup-Besanez im 63. Lebensjahre, — In Würzburg starb plötz¬
lich am 12. November der Professor der Ophthalmologie Dr. Robert
von Welz.
— Die balneologische Section der hiesigen GeseUschaft für Heil¬
kunde hat beschlossen, am 24. und 25. Januar 1879 in Berlin öffent¬
liche Sitzungen abzuhalten, wozu die auswärtigen Fachgenossen ein¬
geladen werden. Anmeldungen nimmt der Vorsitzende der Section,
Herr Sanitätsrath Dr. Thilenius und der Schriftführer, Herr Dr. Brock
(Berlin SO., Schmidtstr. 42) entgegen.
— Das bisher von Knapp, Moos und Mauthner herausgegebene
Archiv für Augen- nnd Ohrenheilkunde wird zweckmässigerweise
künftig in zwei getrennten Abtheilungen erscheinen: die eine unter dem
Titel „Archiv für Augenheilkunde“, redigirt von Knapp und Hirsch -
berg; die andere als „Zeitschrift für Ohrenheilkunde“, redigirt von
Moos.
— Das Kaiserliche Gesundheitsamt (No. 41) veröffentlicht: Die
Verbreitung der Rotz-Wurmkrankheit in Preussen während
der Zeit vom 1. April 1877 bis 31. März 1878. Die Verbreitung
der Rotz-Wurmkrankheit in Preussen hat sich gegen das vorhergehende
Jahr (1. April 1876 bis 31. März 1877) nicht erheblich geändert, wie
die nachstehende Vergleichung zeigt.
Berichtsj. 1876/77. Berichtsj. 1877/78.
Erkrankt. 3061 2963 Pferde.
Gestorben. 142 138 „
Auf polizeiliche Anordnung getödtet . 2307 2496 „
Auf Veranlassung der Besitzer getödtet 291 221 „
Die bedeutendsten Verluste erlitten die nachstehend genannten Kreise.
Gestorbene und getödtete Pferde.
Kreis Inowraclaw, Reg.-Bez. Bromberg.145
Stadt Berlin.•. 97
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1) 1 Ordin. wird durch 1 Extraord. versehen. — 2) 1 Ordin. vacat,
— 3) 1 Extraordin. vacat.
Original frorri
UNIVERSETY OF MICHIGAN
736
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 49
Kreis Königsberg (Land), Reg.-Bez. Königsberg ... 74
„ Stuhm, Reg.-Bez. Marienwerder. 64
„ Danzig (Land), Reg.-Bez. Danzig 59
„ Culm, Reg.-Bez. Marienwerder. 55
* Angerburg, Reg.-Bez. Gumbinnen . 50
„ Thorn, Reg.-Bez. Marienwerder. 50
,, Strassburg, Reg.-Bez. Marienwerder. 4S
„ Osterode, Reg.-Bez. Königsberg. 48
„ Fisehhausen, Reg.-Bez. Königsberg. 46
„ Bromberg (Land) Reg.-Bez. Bromberg. 45
„ Posen (Land), Reg.-Bez. Posen. 44
„ Wongrowitz, Reg.-Bez. Bromberg. 42
„ Friedland, Reg.-Bez. Königsberg . 42
„ Memel, Reg.-Bez. Königsberg. 40
— In der Woche vom 27. Octbr. bis 2. Novbr. sind 516 Personen
gestorben. Todesursachen: Masern 1, Scharlach 27, Diphtherie 27,
Eitervergiftung 1, Kindbettfieber 3, Typhus 8 (Erkrankungen an Typhus
16 in., 9 w.), Dysenterie 3, Gelenkrheumatismus 1, Syphilis 3, Brand¬
wunden 2, Sturz 3, Erhängen (Selbstmorde), Lebensschwäche 27, Ab¬
zehrung 32, Atrophie der Kinder 9, Altersschwäche 9, Krebs 21, Wasser¬
sucht 8, Herzfehler 5, Hirnhautentzündung 7, Gehirnentzündung 6, Apo
plexie 7, Tetanus und Trismus 9, Zahnkrämpfe 4, Krämpfe 24, Kehl¬
kopfentzündung 13, Bräune 6, Pertussis 3, Bronchitis 9, Pneumonie 30,
Pleuritis 5, Phthisis 70, Peritonitis 7, Diarrhoe 23, Brechdurchfall 20,
Magen- und Darmcatarrh 7, Nephritis 7, Diabetes 3, andere Ursachen 62,
unbekannt 1.
Lebend geboren sind in dieser Woche 402 m., 397 w., darunter ausser-
ehelich 49 m., 52 w: todtgeboren 12 m., 21 w., darunter ausserehclich
3 m., 4 w.
Die durchschnittliche Sterblichkeit während dieser Woche beläuft
sich auf 25,8 pro Mille der wahrscheinlichen Bevölkerungszahl, die ent¬
sprechende Geburtenziffer auf 39,9 pro Mille (beide Summen mit Aus¬
schluss von 1,7 pro Mille Todtgeborenen).
Witterung: Thermometerstand: 5,36 R., Abweichung:—0,35.
Barometerstand: 27 Zoll 9,13 Linien. Dunstspannung: 2,59 Linien.
Relative Feuchtigkeit: 80 pCt. Himmelsbedeckung: 7,0. Höhe
der Niederschläge: 0,625 Pariser Linien.
V1U. Amtliche Hittheilugen.
Personal!».
Auszeichnungen: Seine Majestät der König haben Allergnädigst ge*
ruht, dem Geheimen Sanitätsrath Dr. Gustorf zu Berlin den Rothen
Adler-Orden vierter Classe zu verleihen.
Anstellungen: Der practische Arzt Dr. Pogge in Stralsund ist zum
Kreiswundarzt des Kreises Franzburg und des Stadtkreises Stralsund
ernannt worden.
Niederlassungen: Dr. Kaphengst in Treuenbrietzen, Dr. Kuhnt
in Falkenburg.
Verzogen ist: Dr. Kaulbars von Falkenburg nach Königsberg i./Pr.
Apotheken-Angelegenheiten: Apotheker L o o s e hat die W ölte rs-
dorf’sche Apotheke in Wirsitz gekauft.
Todesfälle: Dr. Schaffranek in Lipine, Dr. Wahlstab in Halle a./S.
Bekanntmachung.
Das Kreisphysicat in Tönning, Kreis Eiderstedt, ist vacant. Gehalt
900 M. ohne Pensionsberechtigung. Gesuche sind unter Nachweisung
der Befähigung binnen 6 Wochen bei uns einzureichen.
Schleswig, den 13. November 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Sterblichkeit in Berlin im M«ut September 1878.
Todesursachen: Masern 4 m., 2 w.; Scharlach 49 m., 47 w.;
Pocken 1 m.; Rose 4 m., 3 w.; Rachenbräune 46 m., 37 w.; Eiter¬
vergiftung 3 m., 7 w.; Kindbettfieber 13 w.; Nervenfieber 20 m., 26 w.;
Ruhr 13 m., 16 w.; Kaltes Fieber 1 w.; Acuter Gelenkrheumatismus
5 m., 1 w.; Syphilis 2 m., 3 w.; Mineralische Gifte 2 m., 3 w.; Trunk¬
sucht 1 m.; Schwämmchen 6 m., 4 w.; Verbrennung 1 m., 1 w.; Ueber-
fahren 1 m.; Sturz und Schlag 14 m., 3 w.; Schussverletzung 5 m.;
Schnitt-, Stich-, Bisswunde 1 m.; Ersticken 2 m.; Erhängen 7 m.,
1 w.; Ertrinken 3 m., 1 w.; Lebensschwäche der Neugeborenen 87 m.,
60 w.; Bildungsfehler 1 w.; Zahnen 7 m., 7 w.; Englische Krankheit
1 m., 2 w; Schwindsucht der Kinder 18 m., 12 w.; Drüsenabzehrung,
Scrofulosis 6 m., 7 w.: Erschöpfung 65 m., 63 w.; Altersschwäche
18 m., 36 w.; Druckbrand 1 w.; Krebs und Geschwülste 16 m., 37 w.;
Bluterkrankung, Haemophil. 1 m.; Blutmangel, Anaeinia 1 in., 6 w.;
Weissblütigkeit, Leukämie 1 m.; Wassersucht 7 m., 5 w.; Zuckerkrank¬
heit, Diabetes mellitus 1 m.; Blutschwärsucht, Furunculosis 3 m.,
4 w.; Zellgewebeentzündung, Phlegmone 4 m., 4 w.; Sonst. Krankh.
d. Haut u. d. Zellgewebe 3 m., 1 w.; Entzündung der Knochen und
Gelenke 5 m., 5 w. Herzbeutelentzündung, Pericarditis 1 m.; Herz-
vergrösserung 1 ro., 1 w.; Herzfehler, Vitia cordis 12 m., 22 w.; Herz¬
lähmung 8 m., 9 w.; Arterienkrankheiten 1 m.; Hirnhautentzündung
21 m., 15 w.; Tubercul. Hirnhautentzündung 2 w.; Gehirnwassersucht
3 m., 1 w.; Gehirnentzündung 24 m., 22 w.j Gehirnschlag, Apoplexia
29 m., 17 w.; Gehirnlähmung 10 m., 8 w.; Rückenmarksentzündung
2 m.; Rückenmarksschwindsucht 1 m., 1 w.; Rückenmarkslähmung
1 m.; Eclampsie der Schwangeren etc. 1 w.; Fallsucht, Epilepsie u.
Veitstanz 1 m.; Starrkrampf, Tetan. et Trism. 12 in., 10 w.; Sonstige
Krämpfe 102 m., 98 w.; Ohrenkrankheiten 1 m.; Kehlkopfentzün¬
dung 9 m., 17 w.; Croup 4 m., 11 w.; Keuchhusten 4 m., 11 w .-
Acute Bronchitis 10 m., 4 w.; Chronischer Bronchialkatarrh 16 m .
22 w.Lungenentzündung, Pneumonia 39 m.. 37 w.; Lungenschwind¬
sucht, Phthisis p. 144 m., 104 w.; Lungenblutsturz, Haemoptoe
4 m., 5 w.; Lungenemphysem 7 m., 2 w.; Lungenlähmung 14 m.,
20 w.; Brustfellentzündung, Pleuritis 12 m., 2 w.; Brustwassersucht
1 w.: Luftaustritt in d. Brusthöhle 1 m.; Krankh. d. Ohrspeicheldrüse
1 w.; Unterleibsentzündung 7 m., 12 w.; Brüche 2 m., 2 w; Darm-
verschluss, Ileus 1 m., 3 w.; Magenkatarrh 6 m., 10 w.; Magenge¬
schwür 2 w.; Magenverengerung 1 in., 1 w.; Bluterbrechen 1 w.;
Durchfall 134 m., 114 w.; Kinderdurchfall 3 m., 2 w.: Brechdurch¬
fall 180 m., 157 w.? Magen- und Darmentzündung 3 m., 6 w.;
Magen- und Darmkatarrh 36 m., 30 w.; Unterleibsschwiudsucht 1 m.,
2 w.: Gelbsucht 1 in., 2 w.; Leberentzündung 3 m.; Chronische Leber¬
atrophie 5 m., 1 w.; Entzündung der Ilarnwege 1 w.; Sonstige Leiden
der Blase und der männlichen Geschlechtstheile 1 m.; Uraemia 1 w.;
Bright’sche Krankheit 19 m., 12 w.; Fehlgeburt, Abortus 1 w.; Folgen
der Schwangerschaft und Entbindung 1 w.; Eierstockskrankheiten 1 w.;
Unbestimmte Todesursachen 3 m., 2 w.; Summa 1334 m., 1228 w.
Davon waren alt: Bis 1 Jahr 678 m., 597 w.; über 1 bis 2 Jahr
116 m., 119 w.; über 2 bis 3 Jahr 41 m., 37 w.; über 3 bis 4 Jahr
30 m., 31 w.; über 4 bis 5 Jahr 15 m., 17 w.; über 5 bis 10 Jahr
37 m., 37 w.; über 10 bis 15 Jahr 14 m., 17 w.; über 15 bis 20 Jahr
19 m., 18 w.; über 20 bis 25 Jahr 30 in., 31 w.; über 25 bis 30 Jahr
40 m., 36 w.; über 30 bis 40 Jahr 80 m., 67 w.; über 40 bis
50 Jahr 80 m., 4S w.; über 50 bis 60 Jahr 62 m., 46 w.; über 60
bis 70 Jahr 50 m., 61 w.; über 70 bis 80 Jahr 30 m., 50 w.; über
80 Jahr 12 m., 16 w.
Temperatur. Mittlere Temperatur 12 # ,75R. = 15,94 C. Abweichung
vom 25jährigen Mittel 1,13 R. = 1,41 C. Wärmster Tag: 6. September
mit 16,67 R. = 20,84 C. Kältester Tag: 23. September mit 7,87 R. =
9,84 C. Absolutes Maximum (am 6. September) 20,8 R. = 26,0 C.
Absolutes Minimum (am 22. September) 5,6 R. = 7,0 C. Luftdruck:
Mittlerer Stand: 27" 11"' 70. Abweichung vom 30jähurigen Mittel
(1848—1877) — 0,33. Beobachtetes Maximum 28" 3'" 41 am 11. Sep¬
tember 2 Uhr Nachm, bei N. Beobachtetes Minimum 27" 7'" 50 am
16. September 2 Uhr Nachm, bei S.W. Dunstspannung: Mittlere
Dunstspannung 4'" 33. Beobachtetes Maximum 6,50 am <>. September
10 Uhr Abds. Beobachtetes Minimum 2,50 am 22. September 10 Uhr
Abds. Relative Feuchtigkeit: Mittlere 73 pCt ^Beobachtetes
Maximum 95 pCt. am 25. und 26. September 6 Uhr Morg. Beob¬
achtetes Minimum 44 pCt. am 19. September 2 Uhr Nachm. Nieder¬
schläge: 9 Tage mit Regen, 1 Tag mit Hagel. Höhe der Nieder¬
schläge in Pariser Linien 11,3. Abweichung vom 16jährigen Mittel
(1848 bis 1863) — 4,82. Windrichtung: Zahl der beobachteten
Winde: 18 N., 3 NO., 7 0., 14 SO., 29 S., 10 SW., 6 W., 3 NW.
Mittlere Windrichtung 9® 10' von S. nach 0.
Inserate«
In hiesiger im Kreise Herzogthum Lauenburg liegender Stadt sind
gegenwärtig nur drei Aerzte vorhanden. Es ist dringend wünschenswerth,
dass ein vierter Arzt sich hier niederlässt, der voraussichtlich hin¬
reichende Beschäftigung finden wird.
Ratzeburg, den 18. November 1878.
Der Magistrat.
Für einen Fabrikort in Schlesien wird sofort ein junger Arzt gesucht,
welcher neben dem fiixirten Gehalt von 600 Mark noch eine lohnende
Praxis im Orte sowohl wie in der bevölkerten Umgegend findet. Adr.
sab E. E. 141. _
Gesucht
ein Arzt für hiesigen Ort. Auf denselben, wie auf die vorhandene Apo¬
theke ist die Bevölkerung der Stadt und Umgegend mit ca. 7 bis 8000
Seelen angewiesen. Für Armenpraxis wird ein Fixum von 150 Mk. gewährt.
Schweinitz, Reg. Bez. Merseburg im November 1878.
Der Magistrat.
Arzt-Gesuch.
Gemeinde Oedelsheim a. d. Weser, Reg. Bez. Cassel, sucht einen
jungen Arzt. Fixum 300 Rm. Apotheke am Orte. Nähere Auskunft
ertheilt
Bürgermeister
_ Steinweyer. _
Bei der Kftnigl. Sächsischen Irren-Heilanstalt Sonnenstein bei Pirna ist
die Stelle des ZWOitaa Assistenzarztes in Baldigem anderweit zu besetzen.
Bewerber um solche Stelle wollen ihre Gesuche mit den erforder¬
lichen Zeugnissen über ihren Studien-Gang bei Unterzeichneter Anstalts-
Direction einreichen; auch würde persönliche Vorstellung erwünscht sein.
Das diesfallsige Gesammt-Diensteinkommen beträgt zunächst 1800 M.
jährlich.
Sonnenstein, am 30. November 1878.
Die Direction.
Or. Leasing.
Digitized b)
Google
Original frorn
UNIVERSITY OF MICHIGAN
9. December
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
737
Für eine im vorigen Jahre eröfl'ncte Privat-Irren-Anstalt in der Nähe
Hamburgs wird ein dirigircnder und theilhabender Arzt gesucht. Adressen
befördert die Exped. d. Bl. sub B. H. 137,| _
Für Aerzte«
Durch den Abzug des bisherigen Arztes ist der hiesige Ortsvorstand
veranlasst, einen neuen Arzt mit dem Wohnsitze zu Treis a./L. zu en-
gagiren.
In dem Orte selbst, mit ca. 1100 Einwohnern, befindet sich eine
Apotheke mit Post, und können daselbst zu benehmende Bestimmungen
nachgewiesen werden.
Ausserdem bieten noch eine Anzahl naheliegendei Ortschaften eine
ausgiebige Praxis. Reflectanten wollen baldgefalligst wegen der gegen¬
seitigen Verpflichtungen mit dem Unterzeichneten in Benehmen treten.
Treis a. L. im Grossherzogthum Hessen, 1 */* Stunde von der Main-
Weser-Bahn, Station Loller.
Den 29. November 1878.
Grosshl. Bürgermeister in Treis a./L.
__ Bcnncr. _
Praxis-Abgabe.
Praxis von nachweislich 5—6000 M. (darunter 1200 M. Fixa) Um¬
stände halber sofort abzugeb. gegen Uebcrnahme der noch bis Oct. ge-
mieth. Wohnung. Gefl. Off, sub B . M. 1 40 an die Exped. _
Ich beabsichtige meine sehr einträgliche Praxis in der Vorstadt einer
Provinzial-Hauptstadt, durch Pferdebahn mit einander verbunden, einem
verheiratheten Collegen zu übergeben. Uebemahme eines vorzüglich
gebauten, mit Garten versehenen, in der besten Lage der Stadt gelegenen
Wohnhauses erwünscht, resp. Miethung der inne gehabten grossen Fa-
milien-Wohnung. Offerten sub G. D. 139 durch die Expedition d. Blattes.
Ein vielbeschäftigter x\rzt in der unmittelbaren Nähe Berlins sucht
einen Assistenten (bei freier Station Honorar monatlich 120 Mk.). Adressen
befördert d. Exp. d. Bl. sub V, 142.
Für einen thätigen Arzt bietet sich sichere Existenz in Gniewkowo.
Umgegend deutsch; Aussicht auf vacante Kreiswundarztstelle. Nähere
Auskunft der Magistrat.
Ein psychiatrisch gebildeter Arzt, der seit 4 Jahren in einigen An¬
stalten thätig war, und dem verschiedene Zeugnisse von Universitäts-
Professoren zur Sciie stehen, wünscht wieder in einer Anstalt einen Be¬
rufskreis. Adressen durch die Exped. d. B l. sub K. .1. 136. _
Dr. Med. H. Mahr (Aasnannshaesen) practicirt während der Winter¬
monate in Wiesbaden. (Electrotherapie und Massage.)
Dr. Richard Schmitz aus Neuenahr practicirt wie alljährlich
in Bordighera und wohnt Hoiel d’Angleterre.
Am 15. October nehme ich meine Winterpraxis in Sanremo wieder auf.
Lippspringe, im September 1878. _ Dr. VOi Bman.
(Riviera.) BOr<Mgll6r£iL (Italien.)
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schön gelegene Etablissement wird nach schweizerischem System geführt
durch den sich bestens empfehlenden Besitzer:
___ A. Angst (von Zürich).
St Andreasberg im Harz.
2000' hoch.
Auf Anregung des Unterzeichneten haben sich die hiesigen Herren
Lehrer entschlossen, eine Pension für Kinder (Knaben und Mädchen),
denen vom Arzte ein Gebirgsaufenthalt verordnet wird, einzurichten.
Dem entsprechend ist der möglichst ausgedehnte Genuss der reinen
Gebirgs- und Waldluft das oberste Princip, erst in zweiter Reihe ran-
girc der Unterricht. Der Plan zu dieser Pension ist derartig entworfen,
dass die Kinder zu 2 oder 3 in den Familien der Herren Lehrer unter¬
gebracht und von diesen unterrichtet werden. Die Anzahl der täglichen
Unterrichtsstunden wird vom Arzte bestimmt und soll zunächst nicht
mehr als zwei betragen, doch können die Knaben bis zur Tertia eines
Gymnasiums gebracht werden. Bäder werden zum Theil im Hause ver¬
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KLINISCHE MOCNENSCimiFE
Organ ftir practisclie Aerzt&
Mit Berücksichtigung der preussiscben Mecliein&lverwalttnvg und Medicinalgeaetzgebung
nach amtliches! Myttheiliingen.
Redacteun Prot Dr. I. Wafdenbarg. Verlag von August liirscbwatd in BerBn.
Montag, den 16 . Deoember 1878 .
m 50 .
Fünfzehnter Jahrgang.
Inhalt:./'I .....Aus der mcdieiiuschen Abtheilüngdes Cu liier .BCirgerböspitals: Riegu! uod Tutzek: 7nr Syiuptomfölogi* der .Stenose der grossen
Luftwegs. — U. Nieden: lieber IV.rapGräiBrvetüncfdnyjgeu (RypeipyrttriA und Aß^reiie), bedingt durch Yferlet^mig des Äalsrückeu-
märkvs. — Hl. Peinkert; Ein Pali von Ycistoachvng .der .thri*vri?öeKkuk;. f.V* Kritik (A. Kränke)! UotnimmeBe Beiträge zur
Pathologie» und Physidiogie Von L-. Traube). — V: Vßrhajidlüngßii ärzilicKurGAHfitUöliafteh (Berliner füfcdieitt,Ische JGeseU^öhäft). V-
YJ FeuiUetort fCörreöpDndenM auB, London). — $ag£sgesphiok9iclU)» 3?öiWni|* Yjtl. Arottiehv 2fött&e&l(!i)g$Ti. — liiy»erat%.
I« Ae« der medieinbtUeii Alitheilmig At% tAlaer
Sfirgerliöspitai^
£«r STTO^tömaUliKie 4er 4tt grossen Uftwege.
Vd ** ■ ' V ' *’ ' V* :
Friw*» Wtteffcl und Fr»»® T«tc*ek.
In einer fruhereii Arbeit gleicher lleberschrift *) hat elfer
eine von utis (R iegel) mehrere ‘Fälle von Stenose der großen
Luftwege mitgetheilt, m denen eine beträchtliche Zunahme der
weüteL das* fc Auf- und Absteigen der sphygniograpfiischeii
Curve nofeh keineswegs mit Sicherheit im Sinne einer Steige-
rüfeg und Erniedrigung des. arteriefieu Mittefarucks gedeutet
werfet könne, da auch durch andere Ursachen, so sc. Ö. durch
Storni«gen im Veum- und Gapillar.system eine Aenderuog der
Hfihe fe Zfeichenhebols ve.raqiasst. werden könne. Sind äuch
die VerSuchsbedingungßo hei Ätifpahme dfer Zeichnungen aö der
A. radialis weit gßtfsöfe, »)s bei Besatzung der Carotis, an
der KlofficnstewiczScifie Versuche ansteUte, so lässt sich
respiratorischen ßJutdruck-Khwanknngen mittelst des Sph.ygmd- j doch nicht Rtugfe». fett*/ auch hier tnapcherJei Fehlm|üelten
grapheu und insbesoüdere ein T'arallelgebeß doi 4 Grösse dieser : sich emseb teufen' Ifewew* >> dass man noch keineswegs atu?
Drockschwankuugeu mit dem Grade der Stenose n&ehfewiysoü Ljjft- 4 *dt.•,.Riäkän'" 'üttif Riefen der sphygawgrapUischeu : Curve
werden konnte. Mit dm* Verminderung' der. dyspöp^wchetv Efei fe &in& Zu- und Abnahme te artemlimi ÄRteltkucks zu
seheinuGgeu nahmen auch diese respiratorischen Drucksdnvan- scküess.eu berechtigt ist So hat< um rmr beispielsweise einen
küDgen der Curve mehr und mehr ab, um endlich bat v.AUIgem ver^ochsfehU-r 211 erwähnen, KnoIP) noch jüngrvi darauf auf-
Sistir»Mi der »>yspnoe wieder zv? achwind^U.' „Demnach schei n en tnerkaap/ gemacht, dass man bei üntcrmichtme Tön liegenden
— so fastete die damals au» diesen Unterisuchuifgen geangene Indlvidwen während .sehr langer tiefer lääprraiioii sorgfältig
BciilossJfolgerujDg —bei Yereugerong der grosssen Luft wsge daTÄiif fridrri«rksam sein Bauns**', dfi.ss der Kranke die Rucken-
die reapfratorischen Schwadkungen do^ Blutdrucks h$p eiohalte. , Bei aßi^ieher Nägung desselben nach der Seite
gleicheu Rchritt zu halfen mit dem Grade dieser öe- des Sphygmugr&phmt apM vorkomsuen, ma» mi
h imierung.^
In der That schienen dio damals mitgfetheilteu Resultate
so sehr den pliysiologischen Thatsachen coniorm, »lass eine
weitere Prüfung kaum not Ing erschien. Wemrv wie allgemein
auerkaitnU die normaler Weise vorkoftime/idmi reypiratormche«
Verfaufe der Inspiration im starke» Ähsinkeri der Fidscurven-
reihe mit er heb) klier Verkfei uemri^ r sogar gänzliches Ver-
sdiwindeu der Pai#welle erhalte. liurch ünter.*uchüüg der au-
deceu AV radialas und durch Lö^uweojrsel kauft ßAan sich davon
dbemugwi, dass diese. eine Ort-
ScUwanküngerl der Rlutdrnckcnrreu aus rei?j TuecbüiUÄchfia Ver- | liehe dwh die Lagö bedingt?*;'‘i^ch^'öwng ist, die mit Wahr-
bältnissao, aus den hei ln- und Exspiration veyäiidertön Druck**
verhältuisseu iu der Thnraxhohle wenn nicht auaschliessiidi..
sö doch in erster Kejhe dfeh erklhren. dann steht vm erwartdn,
das« bei Rnhimlerung des Lah^mtrittes in die- Laugen durch
Stenosen der grossen Luftwege, da hier die . respiratorkicho
Druckd ifferouz viel betracht lieber • gewordeu, diese r>ruckschvvan-
kungeu ■ ausgeprägter worden: ■ b-.
Iödfexs, ho wahrscheinlicli auch von vorne herein das damals
gewonnene Bosuliht war und dörntn die ‘vöiHgP
Ueberelnslimimoig der um Kmoke0beite. gowinnv-mn» fosuBate
mit dein theoretisch erwarteten war* .so Hessen rieb doch —
die* ve>r!u*h)b.‘ü Wir uns nicht — mn? ? e h erd ei. $ in wäm d e gegen.
v <• h 1 0h• lge?.‘ 1 -r»Pi. v-rimben. Vor allem konnte man ein-'
;• .1) R- digse
i ihre Eotstehjoug
verdankt*).
W ir sehen HclbstverstäiHllich ab -vijp. -•"• •
.• wie-durch Ycrsi-hiebuog des Rphygsnogrupheß, durch Mu>k>*l-
•j. »paiinungeii uhd dergieichfen mehT veraulrisaf wenieJK wie ; ine
aber glinchwohi in mouch^u F.dien eint scheuibarc [rinck-
| ändornug vicüoicht vorgetäuscht haben mögen.
I) h'Vüttngshöru/htc dör it ■tcad,, der Wris. IM. L.KXIV. Ab<h. UL
l
iL Airlj. f. u, i’ha»Ud. iV. *.i. <h HA.
•*'>/ • i• »liuSes ut .»• ri-.Mäj *ÄtMind,nid^ V* » <fdi;r»lÄÖf
• fe ..'i»af n;op*p;c-‘ifrovittjehe. 'Kbtidi' 1^4. : Al hunM* ioi Jährn
• •*!S5Ä..‘äil^rofenfes»ivw<.gcjüAChf AdcbXt.'Vrklöri^ einer
j;rii )&'? Riüöt ; ütoitin'.a:- /ht: A siib-
j ciHvt.31 davri» *.t;^ -tark hnbij?;;- er-.?-' ÜJppri*
Qx-gle
740
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 50
Wenn wir auch von unseren oben erwähnten klinischen
Untersuchungen uns sagen zu können glaubten, dass die dort
beobachteten intensiven und mit der Athmung synchronen
Schwankungen der Curven in der That auf Rechnung von re¬
spiratorischen Aenderungen des arteriellen Druckes zu setzen
seien, da die erwähnten Versuchsfehler und Täuschungen mit
aller Sorgfalt vermieden worden waren, so erschien doch zur
Sicherstellung eine directe experimentelle Prüfung wünschens-
werth. Es erschien eine solche Prüfung um so wünschenswerther,
als die klinische Untersuchung niemals mit derjenigen Sicher¬
heit den Grad der Stenosirung der Luftwege zu erkennen ver¬
mag, wie wir ihn bei willkürlich gestalteter Verengerung am
Thierexperiment zu präcisiren vermögen.
Wir haben darum in unserem Laboratorium eine grosse
Reihe von Blutdruckversuchen an Kaninchen, denen eine
bald stärkere, bald geringere Stenosirung der Luftröhre erzeugt
war, angestellt. Diese Versuche, die zum Theil schon vor
zwei Jahren angestellt wurden, wurden in der Weise angeord¬
net, dass den Thieren, die, um willkürliche Bewegungen aus¬
zuschalten, leicht narcotisirt waren, die Tracheotomie gemacht,
sodann eine Trachealcanüle eingelegt und in die eine Carotis
eine Canüle eingesetzt wurde, die vermittelst eines Rohres mit
einem Fick’schen Federmanometer in Verbindung gesetzt war.
Die Feder des letzteren zeichnete an einer rotirenden Trommel
die Blutdruckcurve, während die Athembewegungen gleichzeitig
durch ein auf das Epigastrium aufgelegtes Brondgeest’sches
Luftkissen, das mittelst eines Gummischlauches mit einem
Marey’schen tambour enregistreur in Verbindung stand, auf
derselben Trommel, direct unter der Blutdruckcurve, notirt
wurden. Mit der Trachealcanüle wurden, je nachdem eine
stärkere oder geringergradige Stenose der Trachea beabsichtigt
war, Glasröhrchen, deren Enden ein bald engeres, bald weiteres
Lumen zeigten, in Verbindung gesetzt. So konnte ohne die
mindeste Erschütterung durch Einschieben eines bald weiteren,
bald engeren Glasrohres eine bald nur gering-, bald mittel-,
bald hochgradige Verengerung des Tracheallumens erzeugt
werden, während die dabei statthabenden Aenderungen des
Blutdrucks synchron mit der Athmungscurve continuirlich an
der rotirenden Trommel gezeichnet wurden.
Das Resultat aller dieser sehr zahlreichen Versuche war
ein absolut einheitliches. In allen unseren Versuchen ergab
sich in voller Uebereinstimmung mit den früher erwähnten
klinischen Resultaten des einen von uns (R.), dass, während
die respiratorischen Schwankungen des arteriellen Mitteldrucks,
so lange die Trachealmündung gänzlich offen gelassen wurde,
nur äusserst gering, oft kaum nachweisbar waren, in dem
Masse, als die Luftröhre durch Einlegung von Röhren
mehr und mehr verengt wurde, die respiratorischen
Druckschwankungen in gleichem Masse an Amplitude
Zunahmen.
Wiederholt stellten wir die Versuche in der Art an, dass
wir in allmälig aufsteigendem Rhythmus die Luftröhre immer
mehr verengten und dann gradatim wieder zu immer weiterem
Lumen übergingen. Stets war hier die zu verschiedenen Zeiten,
aber bei derselben Enge des Tracheallumens gezeichnete Blut¬
druckcurve in Bezug auf die Grösse dieser Schwankungen
durchweg die gleiche.
Dass die hier beobachteten wellenartigen Erhebungen in
der That Effecte der Respiration, also eigentliche respirato¬
rische Schwankungen des Blutdrucks sind, geht schon aus
ihrer grossen Regelmässigkeit hervor. Bekanntermassen giebt
es an den Blutdruckcurven nur zwei Arten wellenartiger Er
hebungen, kürzere Wellen, die den einzelnen Athembewegungen
entsprechen, das sind die in Rede stehenden respiratorischen
Schwankungen, und längere, sog. Traube’schen Wellen, die
gewöhnlich mehre Athembewegungen umfassen. Weitere wellen¬
artige Erhebungen kommen bei directer Messung des Blutdrucks
im Gefässrohr nicht zur Geltung.
Zur Sicherstellung des Abhängigkeitsverhältnisses der in
Frage stehenden Druckschwankungen von der Respiration haben
wir indess, wie oben bemerkt, unter der Blutdruckcurve gleich¬
zeitig die Athemcurve in der früher erwähnten Weise auf der
Trommel gezeichnet. Dadurch ist die directe Synchronie der
Athmung und dieser Wellen sicher gestellt.
Ohne hier näher auf die m neuerer Zeit von Physiologen
und Klinikern vielfach discutirte und verschieden beantwortete
Frage nach den genaueren zeitlichen Verhältnissen der ein¬
zelnen Phasen dieser Druckschwankungen und der Athmung
einzugehen, wollen wir nur erwähnen, dass sich auch in unseren
Versuchen in Uebereinstimmung mit den Resultaten EinbrodtV)
ergeben hat, dass das Maximum des Blutdrucks in den Anfangs-
theil der Exspiration, das Minimum in den Anfangstheil der
Inspiration zu liegen kommt. Dabei zeigte sich ferner, dass
bei offenem Tracheallumen oder nur geringer Stenose der An¬
fangstheil der Inspiration noch von einem Sinken des Blut¬
drucks, dem erst im weiteren Verlaufe sich ein Steigen des
Druckes anschloss, begleitet war. Im Beginne der Exspiration
stieg die Curve noch etwas oder erhielt sich doch kurze Zeit
noch auf der Höhe, um im weiteren Verlaufe der Exspiration
einem Absinken des Blutdruckes Platz zu machen. Das Mini¬
mum des Druckes fiel demnach hier in den Anfangstheil oder
die Mitte der Inspiration. Dagegen fand bei höRergradiger
Stenose eine Aenderung dieser zeitlichen Verhältnisse insofern
statt, als dann das Maximum des Druckes häufig auf die Höhe
der In-, das Minimum auf die Höhe der Exspiration, resp. den
Beginn der Inspiration fiel. Während sonst der Anfangstheil
der inspiratorischen Curve noch von einem leichten Sinken des
Druckes begleitet war, begann hier bei den höhergradigen
Stenosen meistens sofort mit dem Beginne der Inspiration der
Druck zu steigen. Vielleicht dürften diese Resultate die Diffe¬
renzen der von den einzelnen Autoren gewonnenen Resultate
in etwas zu erklären vermögen. Näher auf diese zeitlichen
Verhältnisse einzugehen, entspricht nicht der uns hier gestell¬
ten Aufgabe. Nebenbei sei noch erwähnt, dass in Ueberein-
stimmung mit den jüngst mitgetheilten Resultaten ZuntzV)
auch in unseren Dyspnoeversuchen häufig jede intensivere
Steigerung des mittleren Blutdruckes vermisst wurde; dagegen
nahm, wie uns eine genauere Ausmessung der Curven lehrte,
in dem Masse, als die Stenose beträchtlicher und demgemäss
die respiratorischen Druckschwankungen grösser wurden, die
Pulsfrequenz ab, die Höhe der einzelnen Pulswellen dagegen zu.
Endlich zeigte sich hier keineswegs auf der Höhe der In¬
spiration oder etwa entsprechend dem tiefsten Sinken der Curve
eine beträchtlichere Abnahme der Pulsgrösse. Es bestätigte
sich auch hier, was bereits die früheren sphygmographischen
Bilder 3 ) gelehrt hatten, dass die Hauptveränderung des Gefäss-
systems bei Stenosirung des Tracheallumens nicht sowohl in
der Form des Einzelpulses, in einem besonders hochgradigen
Pulsus paradoxus, als vielmehr in dem dem Grade der Steno¬
sirung entsprechenden stärkeren Hervortreten der respirato¬
rischen Druckschwankungen gelegen ist.
Zur Bestätigung des gesagten führen wir von unseren
zahlreichen Versuchen nur Bruchstücke zweier Versuche an. Die
erste Curvenreihe (Curve I), die von einem grossen kräftigen
1) Sitzungsberichte d. K. Acad. d. Wissensch. II. Abth. Bd. 40. 1SG0.
2) Pflüger’s Archiv f. Physiologie, Bd. XVII.
3) S. diese Wochenschrift 1876. No. 47. Curve III—V.
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BERLINER KLINISCHE WCwröKNSCDKW’T.
14 Oe'Rcnv^i;
•Ouriv Vfw
Kabitfcfc?« ist, stellt in der oberen
Durve B die Slutdruckschwankirti^n, in der
unteren A die Athmungscurven dar: m tets-
trren entspricht der ansteigende Schenket
der In*, der absteigende der Exspiration. l)as
Curve.nsdflck N stellt, den Normaltfceil der
Blutdruck- und Atbenvarve dar, ist also
bei völlig unbehinderter Atbnmng gewonnen,
Das Curvenstdck I zeigt Blutdruck und Atfi-
mting bei geringer. IT bei stftrkerrt* ff! hvk
■n.o«*h stärkerer Verengerung des ' Trachea!-
’iiTncrii».
Die JL (’urrfimreihe (Curve 11) ^&n?xat von
‘■iariem etwa« kleineren TMere. Auch hier steift
.ii e obere Onrve tH) die Blutdniekcörve, die
untere (A) die »ugelitmge und genau, syn¬
chron g?j:eieii»ete Atkmiu»g«ct»fvii dar. Wie
io (’nrve I ist auch hier N der Nomaithcit
der Tterve» ! i«t bti geringer, II b«? stär*
kerer Ver<mg«rmig der Trachea grezeiebnet
Einer spedellereu Eriäufeeraug durften diese
Bilder nach dem früher Gesäße» oiiumohr
kauin noch bedürfen. Dieselben zeigen aufs
unzweideutigste diu Hkhtigktiit des früher
ani Grund theorelbjcb^r Er#i*$uageB find kii-
üjiefiei Bedachtaö^xtelftoui Satze«,
dass bei Stenosen der grossen Luft-
w ege d i*l*t *U pirat o f £* «heu öeh \y ti h k uh -
Ö - W/; 4 \fefrtV> ; cur,re.
£*>: Äthinwfg&uUT
Corf« IT, r— B — ÖTutdniekeurve. A Albmmmscurve.
den fr film v n ii uns unt^efbeiltoi) einen „erheblichen Gegensatz
um deswillen m foulet» glaubt, waiI „ein hochgradige^ Hervor*
treten dieser respiratorischen Einflüsse auf den Puls (1\ para*
döxUs) durchaus Olcfo. ad diehj.sliör an seipeiri XustandekffBnnet?
onthig gehaUertim Befragungen, (schwielige Sfedia^tino-r^nfrar*
djtis lünkt 'Sfeaose der Luftwege) geknöpft *>ei‘% seist
deui autgogfefc^halten; datfft ÄcnderutigeiV der Fivroi Aiad Grft.SÄe
der- Fdr‘xeipHi>«?.s fD, ;• paradpsd*) itml resjdratorisehe Druck-
sthwabktVtfgeti kwne-weg* okhmebo Begriffe sind. Beide können
$r*n des ölntdrucks größer werden, und dass Ihre
(Vrössenziuuhme paratief, geht dem Grade der Steno-
sirurig des Luftrolires,
Ein Eh» wand durfte nunmehr, da durch die <i »rette Messung
»nn Gefik«ro‘hr die graduelle Steigerung nachgewiesen >D kaum
mehr deckbar sein.
Wenn Sowmerbrodt*) zwischen seinen jEr/sihmigeü und
\) IjW o'i’h^nvfl)ritt iS77 No. 4J.
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742
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Ne. 50
coincidiren, müssen es aber keineswegs stets. Dass aber unter
Umständen auch sonst wo ohne Stenose der grossen Luftwege
respiratorische Druckschwankungen mittelst des Sphygmographen
nachgewiesen werden können, ist eine längst bekannte That-
sache. Wir verweisen ausser zahlreichen Curven anderer Au¬
toren nur beispielsweise auf bereits vor langer Zeit mitgetheilte
Curven 4 ) des einen von uns.
Wenn endlich Fraentzel 1 2 ) sich gelegentlich des Referates
der mehrerwähnten Arbeit des einen von uns (R.) zu dem Aus¬
spruche veranlasst sieht, dass der Sphygmograph nur ein Bild
von der Form der Pulswelle gebe, dass man aber damit den
Druck in den Gefässen nicht bestimmen könne, so dürfte wohl
heut zu Tage, da zahlreiche geübte Untersucher Druckschwan¬
kungen mittelst des Spygmographen nachgewiesen haben, dieses
Bedenken kaum mehr in Frage kommen. Dass hier leicht
Täuschungen möglich sind, dass auch aus anderen Ursachen
Druckschwankungen vorgetäuscht werden können, haben wir
oben des näheren bereits auseinander gesetzt. Den Schluss
aber, den Fraentzel weiterhin zieht, dass der Satz darum
nicht begründet sei, „dass die respiratorischen Schwankungen
des Blutdrucks gleichen Schritt halten mit dem Grade der Ver¬
engerung“, glauben wir durch die vorstehend mitgetheilten
Resultate unserer Blutdruckversuche als widerlegt betrachten
zu dürfen.
Wenn wir darum den bisher bekannten Symptomen der Steno-
sirung der grossen Luftwege die dem Grade dieser Stenosirung
parallel gehende Grössen-Zunahme der respiratorischen Druck¬
schwankungen hinzuaddiren, so verhehlen wir uns nicht, dass der
Nachweis dieser am Krankenbette auch heute noch grosse
Schwierigkeiten bietet, dass, wie wir oben des genaueren er¬
örtert, leicht Täuschungen und Verwechslungen mit auf anderem
Wege erzeugten Schwankungen möglich sind. Gleichwohl glauben
wir das in Rede stehende Symptom mit Recht als ein that-
sächlich vorhandenes, wenn auch manchmal vielleicht schwer
nachweisbares den bisher bekannten hinzuaddiren zu dürfen.
IL Heber Tenperatnrreräaderugen (Hyperpyreiie
and Apyreiie), bedingt durch Verletzung des Hals-
räekenmarkes.
Von
Dr. A. Mieden in Bochum.
Die Beobachtung, dass in Fällen von Fracturen oder Luxa¬
tionen der Halswirbelsäule mit Läsion des Rückenmarkes ausser
anderem sich dieses Leiden manifestirt durch ganz characte-
rische und erhebliche Veränderungen der Körpertemperatur,
indem sowohl eine jede Fiebercurve weit übersteigende
Temperatur-Erhöhung (Hyperpyrexie), als auch andererseits
eine von jeder Norm abweichende Temperatur-Ernie¬
drigung (Apyrexie) constatirt wird, scheint im Auslande, Eng¬
land und Frankreich, eine häufiger gemachte und mitgetheilte
zu sein, als die deutsche Literatur uns Fälle gleicher Gattung
aufweist.
Ich glaube, es wird darum nicht ohne Interesse sein, wenn
ich in Kürze drei Fälle dieser Verletzung, die ich in meiner
früheren Praxis als Hausarzt des deutschen Hospitals zu
London zu behandeln Gelegenheit hatte, an dieser Stelle mit¬
theile.
Der eine von diesen wurde von mir schon i. J. 1873 in
der Clinical Society of London vorgetragen und findet sich in
den Transactions of the Clinic. Soc. 1873, p. 75 mitgetheilt.
1) Diese Wochenschrift 1876. No. 26, Fig. II. No. 47, Fig. IL
2) Virchow-Hirsch’scher Jahresbericht pro 1876, II., S. 150.
Ich referire in kurzem über meinen damaligen Vortrag, da
er wohl nicht in die deutsche Literatur übergegangen ist.
Patient, John Dent, 60 Jahre alt, ein Droschkenkutscher,
fiel beim Herabsteigen von einer Leiter aus den oberen Räumen
seines Stalles so unglücklich, dass er vornüber die letzte Hälfte
der Leiter herabsteigend mit voller Gewalt mit den ausge¬
spreizten Händen gegen die gegenüberstehende Wand geschleu¬
dert wurde und hier zusammenfiel. Bewusstlos für eine Stunde,
wachte er bald auf und fühlte heftigen Schmerz in seinem
Rücken und zugleich eine gänzliche Unbeweglichkeit und Gefühl¬
losigkeit seines Körpers von den Armen abwärts. Erbrechen
trat nicht ein. — Beim Eintritt in das Hospital constatirte ich
bei einem robusten, gesunden, seiner geistigen Kräfte voll¬
kommen mächtigen Individuum, welches nur bei passiver Lage¬
veränderung und Bewegungen des Körpers über heftigen Schmerz
in seinem Nacken klagte, eine gänzliche Paralyse und Anästhe¬
sie des Körpers unterhalb der Arme und der unteren Extremi¬
täten. Die Trennungslinie zwischen normaler Perception und
vollkommener Gefühllosigkeit für tiefe Nadelstiche sowohl als
auch kräftige electrische Reizung begann im 3. Intercostalraum
beiderseits und verlief in gleicher Höhe über die obere Partie
des Schulterblattes. Ebensowenig konnte von dieser Grenze
aus eine active Bewegung mit irgend einer Muskelgruppe im
Bereich des unterliegenden Körpergebietes ausgelöst werden
während die Musculatur des Kopfes, Halses und der oberen
Extremitäten noch der freien Willkür unterworfen waren, wenn
auch bei derartigen Bewegungen stets heftige Schmerzäusserung
im Nacken erfolgte. Die Respirations-Thoraxmuskeln waren
gleichfalls unthätig, die Oeffnung geschah lediglich durch Zwerch¬
fel lcontraction. Die Blase war gefüllt, der Penis in halber
Erection.
Objective Symptome einer stattgehabten Verletzung Hessen
sich nicht nachweisen. Die Wirbelsäule zeigte keine Deviation,
nur fand sich die Haut über dem Dorsalwirbel leicht abge¬
schilfert und gequetscht, Druck auf diese Stelle war sehr
schmerzhaft.
Die Diagnose wurde auf eine wahrscheinlich durch Luxation
bedingte Verletzung der Halswirbelsäule, resp. des Halsmarkes
unterhalb der zum Plexus brachialis abgehenden Nervenzweige,
also der des 7. Halswirbels gestellt. Die Behandlung bestand,
da von einer Reposition keine Rede sein konnte, in ruhiger,
horizontaler Lagerung.
Die Temperatur in der Achsel, gleich nach der Aufnahme,
circa 10 Stunden nach der Verletzung gemessen, betrug 35,1 C.,
der Puls, 52 p. M., war regelmässig und kräftig, die Athmung
rein abdominell 18 p. M. Der Urin, durch Catheter entleert,
war eiweiss- und zuckerfrei.
3 Tage hindurch blieben die Symptome ziemlich gleich.
Pat. war stets heiter und aufgeräumt, erfreute sich eines guten
Appetites und wurde nur zeitweilig durch heftige unwillkürliche
Bewegungen seiner oberen Extremitäten belästigt, die oft plötz¬
lich ruckweise nach oben geschleudert wurden. Die Tempe¬
ratur stieg bis zum Anfang des 3. Tages langsam bis 37,0®,
während Puls und Athmung gleicherweise zu 68, resp. 18 p. M.
Von diesem Zeitpunkte an begann die Temperatur langsam
an dem nächsten Tage zu der Tiefe von 35,4 zu sinken, die das
Thermometer beim ersten Besuche nachwies, der volle und
kräftige Puls sank auf 52, die Respiration auf 16 Athemzüge p. M-
Der Appetit und das Allgemeinwohlbeflnden blieb gut, die Stuhl-
entleerungen waren nur durch Clysmata zu erzielen.
Am 6. Tage nach der Verletzung hielt sich die Körper¬
wärme auf demselben Grade, 35,0, um in der folgenden Nacht
auf 32,3 plötzlich zu sinken, ohne dass in dem körperlichen
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16. December 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
743
oder geistigen Befinden des Pat. irgend eine Veränderung zu
beobachten gewesen wäre.
Am Abend desselben Tages erneutes Fallen der Tempe¬
ratur auf 31,1. Pat klagte nur über ein Kältegefühl in der
linken Seite, ohne dass indess bei der Temperaturmessung ein
Unterschied zwischen beiden Seiten hätte constatirt werden
können. Puls 42. R. 14 p. M.
Am 8. Tage stieg die Wärme von 30,1 am Morgen um 0,4
auf 30,5 am Abend, während der Puls schwächer war, 40 p. M.,
auch die Exspirationen von Rasselgeräuschen begleitet waren.
Pat. erfreut sich noch immer eines guten Appetites und ist
seiner geistigen Functionen vollkommen mächtig. Der Zustand
blieb der gleiche, während die Temperatur langsam sank auf 29,1.
Erst am Morgen des 10. Tages der Beobachtung, des 11.
-der Verletzung, nachdem Pat. in der Nacht gut geschlafen und
noch prompt, wenn auch etwas mühsam, auf alle an ihn ge¬
richteten Fragen antwortete, und die Temperatur auf 27,2
heruntergegangen war, begann die Anschoppung in den unteren
Lungenlappen beider Flügel stärker zu werden. Die Respiration
wurde immer schwerer, die Exspirationen von langgezogenen
Rasselgeräuschen begleitet und unregelmässig. Pat. wurde mehr
-und mehr apathisch, öffnete schwer, wenn angeredet, seine
Augen. Die Cyanose im Gesicht nahm zu, die Temperatur sank
auf 27,0, worauf nach kurzer Zeit der Tod erfolgte.
Ich mass die postmortale Temperatur noch 4 Stunden lang
und fand eine Steigerung in 15 Minuten auf 27,3, der dann
ein langsames Abfallen derselben folgte.
Die Section ergab bei dem Individuum mit durchaus nor¬
malem Körpergewebe eine Luxation des ersten Dorsalwirbels
und 7. Halswirbels mit theilweiser Zerreissung der Bänder und
spontan stattgehabter Reposition der Wirbel, während der ent¬
sprechende Theil des Rückenmarkes sich in eine gänzlich ge¬
quetschte Masse umgewandelt fand. Die Dura zeigte ein aus¬
gebreitetes Hämatom, die oberliegende Partie des Halsmarkes
starke hyperämische Injection, wärend die unterliegende Partie
<ies Rückenmarkes anämisch war. Das Mark der Stelle der
Luxation stellte eine weiche, röthlich graue, zerfliessende Masse
-dar, die microscopisch sich als ein aus zerriebenen Nerven¬
fasern und Ganglienzellen, vermischt mit zahlreichen weissen
und rothen Blutkörperchen gebildetes Gemenge ergab. Die
Lungen zeigten ödematöse Pneumonie in ihren unteren Theilen,
zahlreiche Blutextravasate. Die übrigen Organe waren normal.
Die Verletzung bestand also in einer reinen Luxation des
ersten Dorsalwirbels' nach vorne, die bei der Heftigkeit des
Sturzes zur gänzlichen Zerreissung der seitlichen Bänder geführt,
«las Mark dieser Stelle durch die Dislocation zerquetscht hatte
und ebenfalls wieder durch den Contrecout in seine erste
Stellung zurückgeschleudert worden war.
Beobachtungen von Temperatur - Erniedrigung nach
derartigen Verletzungen finden sich nicht häufig, keine bis
jetzt, so weit mir bekannt, die ein Sinken der Temperatur auf
den Grad von 27,2 constatirt hat, bei welchem Grade von
Körperwärme die geistigen und erhaltenen körper¬
lichen Functionen noch ihren regelmässigen Gang
zeigten.
Wunderlich 1 ) beobachtete als den tiefsten Stand des Ther¬
mometers den von 32,0 C., in einem Fall von Cholera Asiatica.
Die Temperaturen wurden in diesem Falle der Sicherheit
halber von mir mit 3 vorher geprüften Thermometern an 3 ver¬
schiedenen Stellen des Körpers, Achsel, After und Mund, ge¬
messen, die des Afters tabellarisch verzeichnet, und ergab es
sich, dass zwischen Achsel und Rectum eine Differenz von 0,55°
1) Das Verhalten der Eigenwärme in Krankheiten, p. 5. Leipzig. 1870.
zu Gunsten letzteres und zwischen Achsel und Mund eine solche
von 0,27* C. zu Gunsten ersterer vorlag.
Häufiger sind die Fälle von abnorm hoher Temperatur
nach Verletzung der Halswirbelsäule. Es folgt 1 Fall meiner
Beobachtung.
E. Arens, 23 Jahre alt, Bierkellner, stürzte am 22. Juli 1873
beim Versuche, eine 46 Stufen hohe Leiter fortzutragen, mit
derselben derart, dass dieselbe nach hinten fiel, er das Ueber-
gewicht bekam, in die Knie stürzte und mit der Leiter über
ihm auf den Boden auf den Rücken fiel. Pat. verlor keinen
Augenblick sein Bewustsein, fühlte nur geringen Schmerz im
Nacken, vermochte indess nicht mehr sich aufzurichten, da
er den vollständigen Gebrauch seiner Unterextremitäten verloren
hatte. Pat. erzählte bei seiner Aufnahme haarklein die näheren
Umstände seines Unglücksfalles und klagte nur über Schmerzen
im Nacken bei Bewegungen, sowie über ein grosses Schmerz¬
gefühl in seinen Armen.
Pat. ist ebenfalls ein robustes, untersetzt gebautes Indivi¬
duum, ohne objective Symptome einer Verletzung. Alle Proc.
spinosi stehen in einer geraden Linie, nur ist der Zwischenraum
zwischen 1. und 2. Brustwirbeldornfortsatz weiter als normal;
Dislocation und Fractur ist nicht nachzuweisen. Vom 3. Inter-
costalraum an ist indess eine totale Anästhesie der Haut auf
electrische Reize vorhanden, sowie auch gänzliche Immobilität
der willkürlich zu bewegenden Organe. Nur die Arme, den Hals
und Kopf vermag Pat. frei zu bewegen. Gemüthlich ist Pat.
stark aufgeregt und spricht viel. Temperatur circa 1 */* Stunden
post factum 37,8, Puls 84; die rein abdominale Respiration
weist 16 Athemtfüge p. M. nach. Die Haut fühlt sich warm an.
Die Temperatur beginnt jetzt rasch zu steigen, nach 1 Stunde
38,8, Puls 104, nach 2 Stunden 40,4. Pat. klagt über vielen
Durst. Das Schlucken erregt Schmerzempfindung im Halse.
Gemüthliche Aufregung dauert fort.
Nach 4 Stunden T. 41,5, P. 140, 32; 1 Stunde später
T. 41,8, P. 160, 40; nach 6 Stunden T. 42,6, P. 148, 50. Die
Haut fühlt sich heiss, jedoch feucht an, Pat. hat selbst kein
Gefühl von dieser Körperhitze.
10 Stunden p. factum steigt die Temperatur auf 43,0. Pat.
beginnt zu deliriren, hustet häufig, ohne reichlich expectoriren
zu können. Die Athemzüge werden immer stärker, von gross-
blasigen Rasselgeräuschen begleitet, der Puls ist unzählbar, und
*/ 4 Stunden nachher tritt unter plötzlichen Collapserscheinungen
der Tod bei einer Temperatur von 43,4 ein.
Die postmortale Temperatur stieg nur noch um wenige
Zehntel-Grade in den nächsten Stunden, um dann sehr lang¬
sam und gleichmässig zu sinken.
Die Section ergab an der Oberfläche des linken unteren
Lungenlappens einen dreieckig gestalteten Riss des Lungen¬
gewebes, reichlichen Blutaustritt in dasselbe, sowie auch in
die Pleurahöhle. Das Gewebe der Lunge selbst ist matsch,
der untere Lappen ohne Luftgehalt, die oberen Lappen normal.
Ein Rippenbruch, entsprechend dieser Stelle, kann nicht con¬
statirt werden. Ausser leichter Fettentwicklung am Herzen,
in der Herzmusculatur, sowie der Leber finden sich alle Organe
normal. In der Thoraxhöhle springt der untere Theil der
Halswirbelsäule vor, man fühlt hier Rauhigkeiten und Crepitation
bei Druck auf diese Stelle. Es findet sich eine Zerreissung
der Cartilago intervertebralis des 6. und 7. Halswirbels, so dass
dieselben dem oberen Wirbelkörper noch anhaften, zugleich
mit einem Fragment des Wirbelkörpers des 7. Halswirbels.
Der Process. transvers. dexter ist fracturirt, die Wirbelsäule
nach vorne dislocirt. Reposition derselben ist trotz stark an¬
gewandter Extension nicht möglich, da sich der Process. de-
scendens inf. sin. des 6. Wirbels über den Proc. ascendens
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744
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 50
super, des 7. Halswirbels gelegt hat und dadurch Amobilität
erzeugt. Das Ligamentum longitud. anter. ist nicht zerrissen,
unter der Dura liegt ein starkes Hämatom, ebenso findet sich
in der grauen Substanz ein grosser Bluterguss, die weisse Sub¬
stanz ist in einen leicht zerfliessenden, röthlich grauen Brei
umgewandelt Das Gehirn und Mark oberhalb des 6. Hals¬
wirbels stark hyperämisch, von kleinen Blutextravasaten durch¬
setzt, während der übrige Theil des Rückenmarkes ein anämisches
Ansehen darbietet.
Die Verletzung war demnach eine ganz dem ersten Falle
ähnelnde, nur um ein weniges näher dem Cerebrun zu gelegen;
die Symptome im Verhalten der Körpertemperatur die reinen
Extreme, während die Allgemeinsymptome bei beiden Patienten
den gleichen Character zeigten.
Der 3. Fall meiner Beobachtung hält zwischen diesen beiden
die Mittelstrasse inne, und scheint den Uebergang zwischen ihnen
uns vermitteln zu können.
Robert Hill, 37 Jahre alt, Bahnarbeiter kommt am 22. Octo-
ber 1872 in meine Behandlung. Pat. ist bei einem Eisenbahn¬
brückenbau beschäftigt und stürzte von einem 16 Fuss hohen
Brette derart auf das Pflaster, dass er senkrecht, mit dem Kopf
zuerst herabfallend, unten aufschlug, hier in einander knickte
und hinsank. Er vorlor das Bewusstsein nicht, fühlte gleich
nach dem Sturze heftige Schmerzen im Nacken und war nicht
mehr im Stande, auch nur ein Glied zu rühren. Pat. blutete
stark aus eiuer Stirnwunde und wurde gleich dem Hospitale
übergeben. Er war bei seiner Aufnahme seiner geistigen
Kräfte vollkommen mächtig, erzählt genau den Vorgang des
Uuglücksfalles und klagt namentlich bei Bewegungen seines
Kopfes und Halses, sowie auch beim Schlucken über heftige
Nackenschmerzen, deren Ort er in der Gegend des 4. Hals¬
wirbels angiebt. Die tiefe Stirn-Kopfwunde wird vereinigt,
ein Schädelbruch ist nicht, vorhanden. Die Halswirbelsäule
zeigt eine Verkürzung in der Längslinie, die Gegend des 4. Hals¬
wirbels erscheint etwas vertieft; Druck auf diese Stelle ist
ausserordentlich schmerzhaft; Crepitation kann auch bei activer
oder passiver Bewegung des Halses nicht gefühlt werden. Pat.
kann activ seinen Kopf und Hals frei, wenn auch stets mit
Schmerzen hin- und herbewegen. Doch sind diese Bewegungen
nebst geringem Auf- und Niederziehn der Schulterblätter die
einzigen, die Pat. mit seinem Willen auszuführen im Stande
ist. Sämmtliche 4 Extremitäten sind vollkommen gelähmt;
ebenso ist Pat. vom 2. Intercostalraum an anästhesirt für jeg¬
liche Art Reizungen der oberflächlichen Haut, sowie tiefer
liegender Schichten. Die Athmung kann nur durch Zwerchfell-
contractionen bewirkt werden, und fühlt Pat. Brustbeklemmung
durch das mangelnde Vermögen, den Schleim ordentlich expec-
toriren zu können. Die Temperatur, in der Achselhöhle gemessen
ist 33,4. Der Puls regelmässig und hat 48, R. 18 p. m.
Die Beobachtung des ersten Falles hatte mir die Frage
nahe gelegt, ob nicht der Grund des starken Temperaturabfalles,
da die Wärmeproduction beim Intactsein der vegetativen Func¬
tionen des Körpers eine ziemlich normale sein müsste, in einer
vermehrten Wärmeabgabe durch die grosse anästhetisch ge¬
wordene Körperoberfläche zu suchen sei.
Ich versuchte deshalb jetzt, nachdem mich das Thermo¬
meter wiederum von einer unter aller Norm vorhandenen Körper¬
temperatur des Individuums belehrt hatte, die Wärmeabgabe
des Körpers auf ein Minimum zu reduciren, indem ich Pat. zuerst
nackt in wollene Decken einschlagen und diese wiederum von j
oben bis unten mit heissen Wärmflaschen umgeben liess, und |
dann Körperwärme und Bettwärme stetig mit einander verglich.
Allein die Temperatur sank trotzdem nach 2 Stunden schon
uf 33,2 und nach weiter 2 Stunden auf 32,Ü, der Puls auf 40,
die Respiration auf 14 p. m., um von jetzt ab wieder langsam
zu steigen, so dass sie 8 Stunden nach der Verletzung wieder
auf den erst beobachteten Grad von 33,3 gestiegen war, der
Puls sich auf 54, die Respiration auf 22 hob. Pat. fühlt sich
wohler, nahm reichlich erhitzende Getränke und klagte nur
über heftige Nacken sch merzen.
Des Versuches halber wurden jetzt die wärmenden Bett¬
flaschen eine Zeit lang entfernt, der Pat. seiner wollenen Decken
entkleidet und leichter bedeckt beobachtet. Die Temperatur
sank indess dem entsprechend, resp. unserer Annahme der raschen
und vermehrten Wärmeabgabe des Körpers analog nicht, in
raschem Verhältniss; der Körper verlor durch diese intensive
Abkühlung nur um 0,4° innerhalb einer Stunde; um dann nach
erfolgter neuer Einbettung 10 Stunden post factum auf 35,6 zu
steigen. Die Haut ist kühl und trocken.
Die Körperwärme steigt langsam und gleichmässig, hat
13 % Stunde nach der Verletzung 37,3 erreicht, Puls 76, Resp. 24
p. m. Am Abend desselben Tages beginnt Pat. unruhig zu
werden, über Brustbeklemmung und Athemnoth zu klagen, wäh-
die Temperatur auf 38,4 steigt. Die Athemzüge werden immer
reichlicher, von Rasselgeräuschen begleitet, Expectoration ist
nicht möglich. Pat. beginnt leicht zu deliriren, sinkt dann bei
einer Temperatur von 38,9 in ruhigen Schlaf. Der Puls ist
unregelmässig und schwach, die Athmung wird unregelmässig;
in 19 V 2 Stunde post factum tritt der Tod unter den Symptomen
der Herzparalyse bei 39,2 Thermometerstand ein.
Nach 17 Stunden findet sich die Temperatur des Cadaver.
trotz sehr kühler Umgebung im Leichenhause, noch 26,5. Bei
der Section wird eine Fraetur des 3. Halswirbelorganes, nebst
Zerreissung des 4. Halswirbelkörpers in 3 Fragmenten consta-
tirt. Ebenso ist der Proc. transvers. sup. ascend. der rechten
Seite des 4. Wirbels abgesprengt. Der Wirbelcanal ist in seiner
Continuität verschoben, das Mark dieser Stelle ist zertrümmert
und in eine grauröthliche Masse umgow T andelt, deren Einzel-
formation nicht mehr deutlich erkennbar ist. Hirn- und Rücken¬
mark ist stark hyperämisch, weitere Abnormitäten sind nicht
nachzuweisen.
Dieser Fall ist insofern von Interesse, als er uns beide
Eigenthümlichkeiten im Verhalten der Körpertemperatur auf-
weist, indem dieselbe, die Temperatur 2 Stunden post factum
gemessen, entschieden mit 33,3 die Bezeichnung Apyrexie ver¬
dient und die dann erfolgende Steigerung der Wärme innerhalb
weniger Stunden auf die Fieberhöhe von 39,2 uns wohl die
Vermuthung nahe legen kann, dass, wäre der Tod noch nicht
eingetreten, wir nach kurzer Zeit d§n Zustand der Hyperpyrexie.
wie bei dem zweiten Falle, hätten beobachten können.
Der besseren Uebersicht halber stelle ich die 3 Curven-
tafeln zusammen:
I. J. D. Luxation des 1. Brustwirbels.
6. October. M.: T. 35,1, P. 52, R. 18. — Ab.: T. 35.3,
P. 56, R. 18.
7. October. M.: T. 36,0, P. 60, R. 16. — Ab.: T. 36,2.
P. 64, R. 18.
8. October. M.: T. 37,0, P. 68, R. 20. — Ab.: T. 36,5.
P. 64, R. 18.
9. October. M.: T. 35,4, P. 52. R. 16. — Ab.: T. 36.4,
P. 60, R. 14.
10. October. M.: T. 35,4, P. 52, R. 14. — Ab.: T. 35,4.
P. 56, R. 14.
II. October.’ M.: T. 35,0, P. 46, R. 16. — Ab.: T. 35,0.
I». 44, R. 16.
12. October. M.: T. 32,3, P. 42, R. 14. — Ab.: T. 31,1,
P. 42, R. 14.
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16. Dcccmber 1^78.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
745
13. October. M.: T. 30,1, P. 42, R. 12. — Ab.: T. 30,5,
P. 40, R. 12.
14. October. M.: T. 29,5, P. 36, R. 12. — Ab.: T. 29,1,
P. 34, R. 10.
15. October. M.: T. 27,2, P. 30, R. 10. — +, T. 27,0.
2. E. A. Luxation des 7. Halswirbels.
22. Juli. 7%, Uhr Ab.: T. 38,8, P. 84, R. 16. — 8 Uhr
Ab.: T. 40,0, P. 100, R. 20. — 9 Uhr Ab.: T. 40,5, P. 112,
R. 20. — 11 »/ 4 Uhr Ab.: T. 41,5, P. 140, R. 32. — 12 i / i Ufer
Ab.: T. 41,8, P. 160, R. 40.
23. Juli. 1% Uhr M.: T. 42,5, P. 148, R. 50. — l*/ 4 Uhr
M.: T. 42,6, P. 148, R. 50. — 3 V, Uhr M.: T. 42,9, P. 142,
— 4 */ 4 Uhr M.: T. 43,4.
3. R. H. Luxation und Fractur des 4. Halswirbels.
22. October. 8 Uhr M.: T. 33,4, P. 48, R. 18. — 11 Uhr
Vm.: T. 33,2, P. 42, R. 16. — 12«/, Uhr Nm.: T. 32,0, P. 40,
R. 14. — 2% Uhr Nm.: T. 33,3, P. 54, R. 22. — A% Uhr
Nm.: T. 35,5, P. 57, R. 22. — 6 Uhr Nm.: T. 35,7. — 7»/, Uhr
Ab.: T. 37,3, P. 76, R. 24. — 9 Uhr Ab.: T. 38,4, P. 86,
R. 32. — 11 Uhr Ab.: T. 38,9, P. 86, R. 36.
23. October, 1 Uhr M.: f, T. 39,2.
17 Stunden p. m. T. 26,5.
Fragen wir uns nun, sind wir nach den jetzt bekannten
Thatsachen der Temperatur-Erniedrigung in den einen, der Tem¬
peratur-Erhöhung in den anderen Fällen als Folgen gleich statt¬
gehabter Verletzung der Hals-Wirbelsäule resp. Markes, im Stande,
eine Erklärung des Grundes dieser so auffälligen Erscheinung
zu geben? so müssen wir behaupten: nein. Zahlreich sind aller¬
dings die Versuche, zahlreich die Beobachtungen pathologischer
Befunde, doch ebenso zahlreich auch die Ansichten der einzelnen
Forscher und Beobachter betr. der Causa dieser Temperatur¬
veränderungen, tot capita, tot sensus. i
Wollte man aus unseren wenigen Fällen einen Schluss ziehen, !
so könnte man glauben, die Localität der Verletzung würde
ein ursächliches Moment abgeben für die Art des Temperatur- j
zustands des Körpers, dass je tiefer das Rückenmark zerstört
wird, ein Abfall der Körperwärme, je höher, eine Zunahme der I
Temperatur beobachtet werde.
Chossat und Tscheschichin, ersterer auf Grund von
Beobachtungen am Krankenbette, letzterer nach Experimenten :
am physiologischen Untersuchungstische, sind derselben Ansicht.
Letzterer stellt die Ansicht auf, dass Durchschneidung des tiefer
gelegenen Halsmarkes stets Sinken der Temperatur, Durch¬
schneidung der Med. oblongata nahe dem Pons Varolii immer
Erhöhung derselben zur Folge habe. Würde dieses Factum
seine Richtigkeit haben, so würde seine darauf begründete
Theorie von einem die Körperwärme producirenden Centrum
recht einleuchtend sein, welches im Halsrückenmark seinen Sitz
hat und in Contre-Balance gehalten wird von einem im Klein-
gehim gelegenen antagonistischen Centrum. Findet darnach
eine Verletzung des Halsmarkes statt, so tritt letzteres in un¬
beschränkte Wirksamkeit: die Temperatur des Körpers muss j
sinken. Wird hingegen die Med. oblongata resp. die nahe dem
Kleinhirn gelegenen Theile des Markes verletzt, so hat das Wärme
producirende Centrum des Halsmarkes allein Giltigkeit; wir
finden den Körper in Hyperpyrexie. Allein auch hier wieder
ist leider „grau alle Theorie“. Andere Forscher fanden das
grade Gegentheil, und nach einer Zusammenstellung, die ich
in meinem ersten Vortrag gemacht, ergab sich, dass Steigerung
der Temperatur beobachtetet wurde von Tscheschichin 1 ) nach
1) Reichert*s Archiv für Anatomie 1866. II. p. 151. Deutsches
Archiv für klinische Medicin 1867. II. 6. p. 588. !
! Verletzung des oberen Halstheils der Wirbelsäule, von H. Weber *)
| nach Läsion des (3. — 4.) Markes des 3.—4. Halswirbels, von
Symon*) nach solcher des 4. — 5. Wirbels, von Brodie*) des
j 5. — 6., von Hutchinson 4 ) und Budge*) des 7. Hals- und
| 1. Dorsalwirbels, während Abfall der Temperatur coustatirt
j wurde nach Verletzung ganz derselben Stelle des Hals- und
Rückenwirbelmarkes, von Chossat*), Claude ßernard 7 ) und
Tscheschichin 8 ). Meine 3 Fälle agregiren sich diesen beiden
Gruppen, und lassen uns diese Erfahrungen nicht zur Ueber-
zeugung gelangen, dass die Localität der Verletzungen von diffe-
renzirendem Einflüsse auf die Temperatur des Körpers sein
könne. Ebensowenig hat Experiment und Beobachtung er-
j geben, dass der Grad der Verletzung von bestimmendem Ein-
! fluss sein könne. Claude Bernard erklärt Zerstörung der sen-
I sitiven Fasern des Markes für die Ursache der Steigerung,
j solche der motorischen Fibrillen für die Curve des Sinkens der
' Temperatur im Körper. So plausibel auch diese Theorie des¬
halb erscheinen mag, weil bei Aufheben der gesammten Muskel-
thätigkeit des Körpers natürlich der höchst bedeutende Factor
der Wärmeproduction durch die Muskelcontraction in Wegfall
kommt, so stehen doch dieser Beobachtung wiederum andere
gegenüber, wie die von Brodie*), Chossat und Tscheschi-
chin die Temperatur-Erniedrigung auch nach Zerstörung der
sensitiven Fasern constatireu. Sowohl die letale Zerstörung
des Halsmarkes auf experimentellem Wege hat einmal Brown-
Sequard 10 ) und Schiff 11 )) unter ganz gleichen Verhältnissen
Erhöhung derTemperatur, Hyperpyresie, ein ander Mal, (Chossat,
Tscheschichin) erhebliches Sinken der Temperatur im Gefolge
gehabt.
Also weder die Localität noch die Qualität der Verletzung
des Halsmarkes ist im Stande uns ein genügendes Causalmoment
für das Entstehen solch abnormer Wärmezustände im Körper
abzugeben. Gewiss liegen tiefere pathologisch-physiologische
Zustände und Veränderungen zu Grunde, die zu erforschen und
kennen zu lernen ein näheres Eingehen erfordert, in die ge¬
waltigen Eingriffe, die durch die Verletzung in die physiolo¬
gischen Functionen der sämmtlichen Organe des Körpers gesetzt
worden sind. Vor allem wird dazu gehören, zuerst einmal genau
das Verhältnis« der Wärme-Production zu der Abgabe in der¬
artig derangirten Körpern experimentativ festzustellen, ehe man
berechtigt ist, weitere Hypothesen über die Genese der Erschei¬
nung mit einiger Sicherheit aufzustellen.
ID. Ein Fall von Verstauchung der Halswirbelsäule
Ton
Kreiswundarzt Dr. li. Penkert in Artern, Prov. Sachsen.
Im Anschluss an den in der Sitzung der Berliner medici-
nischen Gesellschaft am 6. December 1876 gehaltenen und in
No. 12 der Berliner klinischen Wochenschrift referirten Vortrag
1) Clinical Society’s Transactions I. p. 163. 1868.
2) Archiv für Heilkunde II. p/ 547.
3) Medico Chirurg. Transact. XX. p. 118- 164. 1837.
4) London, Hospital reports of 1866.
5) Medie. Zeitschrift von dem Verein für Heilkunde in Preussen.
XXII. p. 179.
6) Chossat: Memoire sur rinfluence du syst, nerveux sur la chaleur
annimale. Paris 1820.
7) Comptes rendus. XXXIV. p. 472. 1852. Legons sur la pliysiol.
et la path. du systene nerv. 11. p. 490. 1858.
8) loc. com.
9) Philosophical Transactions. p. 48. 1811.
10) Experimental researchcs 1853. p. 77.
11) Untersuchungen zur Physiologie des Nervensystems, p. 226. 1855.
Difitized
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
746
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 50
von Küster über Wirbelluxation erlaube ich mir folgenden, des
gewiss seltenen Vorkommens halber interessanten Fall einer
Halswirbeldistorsion mitzutheilen, wobei ich nach Barde¬
leben unter Distorsion eine unvollkommene und vorübergehende
Verschiebung der Gelenkenden gegen einander, eine unvollstän¬
dige Verrenkung, welche sogleich ohne Zuthun der Kunst re-
ducirt wird, verstehe.
Am 10. Juli vorigen Jahres fiel der 7£jährige C. T. aus V.
rücklings von einem kleinen mit Heu beladenen, ungefähr manns¬
hohen Wagen auf einen harten, sonst glatten Weg hinab, so
dass Kopf und rechte Rückenhälfte zuerst aufschlugen. Bei
völlig klarem Bewusstsein, jedoch regungslos und unfähig auf¬
zutreten, fanden ihn nach kurzer Zeit seine in der Nähe be¬
schäftigten Angehörigen. Er klagte über heftige Schmerzen
im Nacken, im rechten Arme und Beine und erschwerte Be¬
weglichkeit dieser Extremitäten. Am nächsten Tage erst gerufen,
fand ich den Pat. von mittelgrossem Körperbau, mager, in der
Rückenlage befindlich, mit ruhigem Verhalten. Der Puls war
voll, machte 76 Schläge in der Minute, Temperatur war normal,
Respiration ruhig, aber flach wegen der Schmerzen. Die Haupt¬
klagen waren über heftigen Schmerz im Genick und an der
ganzen rechteu Körperhälfte mit Ausnahme des Kopfes, der
vorderen Seite des Halses und des oberen Brusttheiles bis etwa
zum 2. Intercostalraume. Die Sensibilität zeigte sich bei Prü¬
fung durch Nadelstiche im ganzen Bereiche der schmerzhaften
Körpertheile stark erhöht, sowohl auf der Vorder- als der
Rückseite, vollständig normal dagegen war sie im Ausbreitungs¬
bezirke des in der Höhe vom 1.—4. Halswirbel sich von der
Medulla spinalis abzweigenden Plexus» cervicalis, entsprechend
den oben erwähnten schmerzfreien Regionen. Der Temperatur-
sinn war ebenfalls abnorm, indem versuchsweise aufgelegte
kalte nasse Tücher als heisse Umschläge empfunden wurden.
Die Prüfung des Drucksinnes ergab unsichere Resultate, indem
bei dem Auflegen von kleinen, verschieden schweren Gegen¬
ständen der Schmerz das Urtheil trübte. Die Motilität in der
rechten oberen Extremität war gemindert, letztere war zwar
noch willkürlich beweglich, doch unfähig, einen stärkeren Hände¬
druck auszuüben. Der linke Arm zeigte ganz normales Ver¬
halten. Das rechte Bein konnte nur schwer gebeugt oder
gestreckt werden, leichter das linke; doch war die Motilität
auch hier beeinträchtigt, die Sensibilität nur gering erhöht.
Entleerung von Harn und Faeces hatte seit der Verletzung
nicht stattgefunden. Uebelkeit und Erbrechen waren nicht vor¬
handen. Die übrigen Organe des Körpers Hessen bei der phy-
sicalischen Untersuchung keine Abnormität constatiTen. Bei
der genaueren Untersuchung des Nackens und Halses vermochte
der in richtiger gerader Stellung befindliche Kopf eine Drehung
nach rechts nur schwer auszuführen, nach links leicht; immer¬
hin war sie nach beiden Seiten willkürBch möglich. Eine
abnorme Schwellung war nicht aufzufinden. Bei der Palpation
der nach keiner Seite deviirten Wirbelsäule empfand Pat. nur
Schmerz in der Gegend der Processus spinosi des 4. und 5. Hals¬
wirbels, bei tiefem Drucke hierselbst fühlte man ein Crepi-
tiren, ähnlich dem Schneeballknirren, nicht wie von fracturirten
Knochen herrührend. Ferner fand sich ein localer Schmerz
auf Druck, entsprechend der Gelenkverbindrng der Processus
obliqui dextri des 4. und 5. Halswirbels. Die Inspection und
Palpation des Pharynx liess keine Deviation der Halswirbel
erkennen.
Auf Grund des Fehlens dieser, ferner beim Vorhandensein
des Hauptsitzes der localen Schmerzen, entsprechend den Pro¬
cessus spinosi und obliqui dextri des 4. und 5. Halswirbels,
ferner bei der geraden Stellung und Drehungsmöglichkeit des
Kopfes nach beiden Seiten musste zunächst eine Luxation der
Halswirbelsäule ausgeschlossen werden. Die geringe Wahr¬
scheinlichkeit einer Fractur eines Halswirbelbogens, die an und
für sich schon selten vorkommt, konnte negirt werden durch
die angegebenen Sitzstellen des grössten Schmerzes auf directen
Druck. Gerade dieses Symptom musste zur Annahme einer
durch den Fall bedingten Distorsion zwischen dem 4. und
5. Halswirbel führen, bei der eine Dehnung oder Zerreissung
der an den Processus spinosi fixirten Bandmassen mit erfolgen
muss, vielleicht auch ein Abbrechen dieser Knochentheile in
geringem Umfange, worüber die Untersuchung wohl nur schwer
einen absolut sicheren Aufschluss ergeben kann.
Bei der Diagnose einer Verstauchung wurden Blutegel an
den schmerzhaften Stellen applicirt, darauf eine Binde mit ein¬
gelegter steifer Pappschiene angelegt. Eis war nicht zu be¬
schaffen.
12. Juli. Die Sensibilität in der rechten Körperhälfte ist
noch mehr gesteigert. Puls und Temperatur wie gestern. Beweg¬
lichkeit des Kopfes hat zugenommen, die der betreffenden Extremi¬
täten abgenommen. Die Blase muss durch den Catheter geleert
werden. Einreibung von Ungt. Hydrargyri einer., innerlich Mor¬
phium.
Am 13. Juli fand ich die bestehende Hyperästhesie wie
Tags zuvor auf der rechten Seite, in mässigem Grade auch
links, dagegen die Motilität der unteren Extremitäten vollständig
aufgehoben. Im rechten Beine klagt Patient über Ameisen¬
kriechen. Blase und Mastdarm sind völlig gelähmt. Die Tempe¬
ratur ist mässig erhöht bei vorhandenem Durste und Husten.
Auf den hinteren Partien der Lungen erhebliche Rasselgeräusche.
Es wurde ein Infus Ipecac. mit Liq. Ammon, anisat gereicht.
15. Juli. Temperatur 39,5, Puls 98, Respiration beschleu¬
nigt. Die physicalische Untersuchung der Brust ergiebt eine
über die ganze Lunge mit Ausnahme der Spitze ausgebreitete
fibrinöse Pneumonie, auch vorn, gegen welche Chinin, Wein
und Senegadecoct verordnet wurde. Sensibilität und Motilität
verhielten sich wie am 13. Juli.
Am 20. Juli erst war die Temperatur wieder auf 37,2
zurückgegangen, Puls 76. Die Hyperästhesie ist vermindert,
die Sensibilität jedoch immer noch erhöht. Am linken Beine
hat sich die Motilität wieder zu zeigen begonnen, rechts können
nur die Zehen bewegt werden; auch die Motilität des rechten
Armes hat zugenommen. Blase und Mastdarm müssen noch
künstlich entleert werden. Die Beweglichkeit der Halswirbel¬
säule ist völlig normal und fast schmerzlos.
23. Juli. Die Hyperästhesie ist nicht mehr vorbauden, der
Temperatursinn ist normal. Das linke Bein kann bei nur
mässiger Unterstützung des Oberschenkels und gebeugtem Knie
gestreckt werden, in etwas geringerem Grade auch das rechte;
auch die Motilität des rechten Armes ist gebessert Patient
hat bereits, unterstützt von einem anderen, stehen können. Auf
dem Kreuzbeine hat sich Decubitus ausgebildet.
Die weitere Behandlung bestand in Anwendung der Faradi-
sation der paretischen Extremitäten und Darreichung von Robo-
rantien, wobei in verhältnissmässig kurzer Zeit der Decubitus
geheilt, die Lungen vollständig ad integrum restituirt wurden;
Blasen- und Mastdarmlähmung schwanden.
Im October waren die Lähmungserscheinungen soweit ge¬
bessert, dass Patient an einem Stocke im Freien ging, nur im
Arme klagte er noch über Schwächegefühl, namentlich ver¬
mochte er nicht die Hand fest zuzumachen. Gegenwärtig nimmt
er wieder leichte Arbeiten auf dem Hofe vor.
Der Verlauf der Krankheit hat die ursprünglich gestellte
Diagnose bestätigt. Es reiht sich daher der Fall den Angaben
von Stromeyer an, nach denen bei einem Sturze auf den Kopf
die Bänder der Halswirbel auch zerreissen können, ohne dass
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6. December 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
747
eine Luxation eintritt, worauf durch Quetschung des Rücken¬
markes der Tod schneller oder später erfolgen, jedoch auch
Heilung eintreten könne. Die Quetschung der Medulla spinalis
und die daraus resultirenden, unmittelbar darauf folgenden
Sensibilitäts- und Motilitätsstörungen können aber doch nur
durch eine vorübergehende Dislocation der Halswirbel, also
durch eine wirkliche Verstauchung, bewirkt sein. Die Zunahme
der Lähmungserscheinungen bis zur vollständigen Paralyse am
4. Tage nach der Verletzung, sowie ihr verhältnissmässig schnelles
Wiederverschwinden sind wohl aus dem Blutaustritte und der
folgenden entzündlichen Schwellung der verletzten Bandapparate
und ihrer Umgebung und dem dadurch hervorgebrachten Druck
auf die Medulla zu erklären.
IV. Kritik.
Gesammelte Beiträge zur Pathologie und Physiologie von
L. Traube. Dritter Band: klinische Untersuchungen, enthaltend
die Tagebücher und den sonstigen wissenschaftlichen Nachlass
des Autors. Nach dessen Tode bearbeitet und herausgegeben von
Dr. A. Frankel. Berlin 1878, bei A. Hirschwald. 8. S. 638.
Bereits zu seinen Lebzeiten hatte L. Traube die Herausgabe eines
•dritten Bandes seiner gesammelten Abhandlungen geplant, welcher die
noch restirenden, schon publicirten, aber zerstreuten Abhandlungen,
sowie eine Anzahl neuer umfassen sollte. Zur Ausführung dieses Planes
ist Traube nicht mehr gekommen. Als er von schwerer Krankheit
gebeugt, auf diesen Plan verzichten musste, hat er seinem Schüler und
Neffen, Dr. A. Frankel die Aufgabe übertragen, das Werk, welches er
selbst nicht mehr vollenden konnte, in seinem Sinne auszuführen. Dieser
dritte Band der gesammelten Abhandlungen, den wissenschaftlichen
Nachlass des berühmtenjKlinikers umfassend, liegt jetzt vollendet vor uns.
Alle diejenigen, welchen das Bild Traube’s in seiner Eigenthümlichkeit
als klinischer Lehrer und Arzt noch gegenwärtig und lieb ist, Schüler,
Freunde und Collegen werden dieses Vermächtniss, man möchte sagen,
diese letzte That des verstorbenen Meisters, nicht nur um ihres wissen¬
schaftlichen Werthes willen, sondern auch aus persönlichen Gefühlen,
mit bosonderer Freudo und Pietät begrüssen. Sie werden daselbst
freilich nur wenige grössere zusammenhängende Untersuchungen finden,
aber aueh in den kleinen Beobachtungen und Aufzeichnungen werden
sie die „unverrückbar festgehaltene“, wissenschaftliche Methode wieder¬
erkennen, durch welche Traube sich einen so hervorragenden Platz
in der Geschichte der deutschen Medicin erworben hat; sie werden
ferner daselbst den nimmer ruhenden, den schaffenden und denkenden
Forschergeist, sic werden in Form und Ausdruck so manche Anklänge
an Traube’s individuelle Persönlichkeit wiederfinden. So ist dieser
dritte Stand in vielfacher Hinsicht willkommen und wichtig, ebensowohl
als Werk von bleibendem wissenschaftlichen Werthe, wie als Abschluss
der literarischen Thätigkeit Traube’s.
y Wer das Leben und die Wirksamkeit Traube’s mit einigem Inter¬
esse verfolgt hat, wird nicht ohne stille Bewunderung auch aus den
Arbeiten dieses dritten Bandes erkennen, mit welchem unermüdlichen
Fleisse er bis zu seinem letzten Athemzuge gearbeitet hat. Bis zuletzt
war er mit eigenen experimentellen Untersuchungen beschäftigt, welche
wenn auch nicht abgeschlossen, doch schon sehr wichtige Resultate ergeben
Latten. Bis zuletzt war er bestrebt, die Erfahrungen und Beobachtungen,
zu welchen ihm zumal in den letzteren Jahren seine ausgedehnte ärzt¬
liche Thätigkeit reiche Gelegenheit bot, für die Wissenschaft zu ver-
werthen, indem er aus ihnen theils neue Thatsachen zu eruiren, theils
.l3ätze von allgemeiner Geltung zu abstrahiren suchte. In dieser Hinsicht
sind die hinterbliebenen Tagebücher Traube’s ein ebenso interessantes,
wie wichtiges Document darüber, in welcher Weise und mit welcher
Treue der Autor, nicht nur in seiner Hospitalthätigkeit, sondern auch
in den weit schwierigeren Verhältnissen der Privatpraxis, studirte und
beobachtete. Mit treuem Fleisse pflegte er am Abend des arbeitreichen
Tages die wichtigsten Beobachtungen, welche sich ihm dargeboten, in
kurzen markigen Zügen zu verzeichnen und epicritische Bemerkungen in
Form von Erfahrungssätzen anzuschliessen, welche häufig eine eminent
practische Bedeutung haben. In solcher Weise sind diese kurzen fragmen¬
tarischen Aufzeichnungen eine wahre Fundgrube ärztlicher Weisheit und
Erfahrung, welche gerade der am besten schätzen und verwerthen wird,
welchem bereits ähnliche Erfahrungen zu Gebote stehen. Freilich konn¬
ten nicht alle diese Bemerkungen von gleich bedeutendem Werthe sein;
indessen, soweit sie eben der Herausgeber ausgewählt und dem Werke
einverleibt hat, sind sie theils als eigene neue Beobachtungen, theils
als Bestätigungen oder Verbesserungen früherer Ansichten, von ent¬
schiedenem und bleibendem Werthe.
Der Inhalt dieses 3. Bandes zerfällt in 2 Theile. Der erste, kleinere,
nur 158 Seiten umfassend, enthält Arbeiten des Verf., welche bereits
in zerstreuten Journalen veröffentlicht, aber noch nicht in die gesammel¬
ten Werke aufgenommen waren. Unter den klinischen Untersuchungen
dieses Theiles heben wir die Bemerkungen über Pulsus bigeminus, über
den Doppelton in der Arterie cruralis bei Insufficienz der Aortenklappen,
über Sclerose des Aortensystems u. a. m. als besonders wichtig herver.
Der zweite Theil, welcher ganz neue, bisher noch nicht publicirte Ar¬
beiten Traube’s enthält, ist viel umfangreicher und umfasst in 480 Seiten
eine Anzahl von einzelnen Beobachtungen und Abhandlungen. Unter
den Originalarbeiten betrifft die wichtigsten: neue Untersuchungen über
den Spitzenstoss und Arterienpuls (fragmentarische Notizen betreffend
ein neues Verfahren der graphischen Darstellung des Spitzenstosses und
Arterienpulses, bereits am 3. April 1872 in der Berliner medicinischen
Gesellschaft vorgetragen): obwohl nicht abgeschlossen, haben diese Unter¬
suchungen doch die neue wichtige Thatsache gebracht, dass die von
Marey gefundene dreitheilige Beschaffenheit des Spitzenstosses auf eine
in Absätzen erfolgende Contraction des Herzmuskels zurückzuführen
sei, und dass eine Reihe von Erscheinunpen am Pulse, welche bisher
der fortschreitenden Wellenbewegung oder ihrem Rückstoss zugeschrieben
wurden, von der raodificirten Herzcontraetion herrühren.
Nächst diesen experimentellen Untersuchungen ist im wesentlichen
neu die Lehre von der serösen Pneumonie, welche in mehreren
Aufsätzen (79, 80, 81) abgehandelt wird. Verf. versteht darunter ein
entzündliches Lungenödem und unterscheidet drei Formen seines Auf¬
tretens; 1) als acutes Lungenödem beider Lungen, 2) im zweiten Stadium
der croupösen Pneumonie, 3) selten als eine von vom herein auf einen
Lungenlappen beschränkte Affection.
Der grösste Theil der übrigen Nummern enthält Bemerkungen im An¬
schluss an Beobachtungen, häuptsächlich aus dem Gebiete der Lungen-,
Herz- und Nicrenkrankheiten, also den Gebieten, auf welchen Traube’s
Autorität unbestritten war. Diese Bemerkungen und Sätze sind nicht
bloss in diagnostischer und pathologischer Hinsicht wichtig, sondern
gerade vorzugsweise finden sich auch zahlreiche therapeutische Sätze,
vor allen Dingen über die Anwendnng der Digitalis, über die Therapie
der Lungenblntungen, des Asthma, der Polyarthritis rheumatica etc.
Die einzelnen BemerKungen, oft kurz und fragmentarisch, meist in Sätze
gefasst, haben mifunter etwas dogmatisches, allein stets sind sie das
Ergebniss reicher Erfahrung und sorgsamer Prüfung.
Die Beobachtungen über Herzkrankheiten enthalten ausser dia¬
gnostischen Bemerkungen über einzelne Pulsphänomene, über Compen-
sation und Compensationsstörung eine Anzahl kurzer Abhandlungen
über Angina pectoris (weakened heant, cardiales Asthma), eine Krank¬
heitsform, deren Wesen, Verlauf und Behandlung bisher noch so viele
Lücken darbietet, und mit welcher sich Traube in seinem ictztcn
Lebensjahren mit besonderer Vorliebe beschäftigt hat. Gerade hier finden
sich beachtungswerthe practische Bemerkungen über die Anwendungs¬
weise der Digitalis.
Ueber die Lungenkrankheiten liegen eine sehr grosse Anzahl
kleiner Abhandlungen vor, welche sich an frühere Arbeiten des Ver¬
fassers anschliessen, welche somit die Fortschritte, resp. Aenderungen
seiner Ansichten und Erfahrungen überschauen lassen, ln dieser Gruppe
finden wir Angaben über die diagnostische Bedeutung der Sputa, über
Lungenbrand, melanotische Phthise, über Asthma u. s. f.; auch die schon
oben berührte seröse Pneumonie schliesst sich hier an. Von hervor¬
ragender practischer Wichtigkeit sind einige Abhandlungen über Hae-
moptoe, ihre Behandlung und ihr Verhältniss zur Lungenphthise. Traube
tritt hier den Lehren entgegen, welche nicht lange vorher Niemeyer
in einer Reihe klinischer Vorträge veröffentlicht hatte und welche in der
ärztlichen Welt viel Anhang gefunden. In diesen Vorträgen wurde die
Haemoptoö nicht als Symptom einer bereits in der Entwicklung begriffe¬
nen Lungenphthise, sondern, auch wenn sie gelegentlich entstanden, als
häufige Ursache derselben dargestellt. Dieser Lehre tritt Traube ent¬
gegen und betrachtet auch die primäre Haemoptue als ein Symptom
der schon in Entwicklung begriffenen Lungenaffection.
Sehr beachtungswerth sind ferner die Beobachtungen über Nieren¬
krankheiten (haemorrhagische, suppurative Nephritis, Schrumpfniere
und Uraemie). Die Ansichten, zu welchen Traube über diese Punkte
schliesslich gekommen, sind dem ärztlichen Publicum weniger bekannt,
als seine sonstigen Arbeiten, wohl zum Theil aus dem Grunde, weil
Traube gerade hier nicht einen fertigen Abschluss seiner Ansichten
gewonnen und in einigen Punkten sich selbst in dogmatischen Schranken
verfangen hatte. Darüber ist, wie mir scheint, ein Theil der von ihm
objectiv festgestellten Thatsachen vergessen oder missverstanden worden
und es wird heutzutage mitunter als eine entgegenstehende Ansicht ge¬
schildert, was T r. zuletzt acceptirt oder selbst constatirt hatte. Obgleich
er sich allerdings lange sträubte, hat er zuletzt eine einfache desqua¬
mative (nicht interstitielle) Nephritis anerkannt und die Entwicklung der
Herzhypertrophie bei chronischer Nierenschrumpfung durch neue Beob¬
achtungen dargethan.
Wir übergehen, um nicht zn weit zu werden, die Punkte, welche die
Infections-, Unterleibs- und Nervenkrankheiten betreffen, ohne deshalb
ihren Werth gering anzuschlagen.
Es ist das Verdienst des Herausgebers, dass er diesen reichen Inhalt
der Hinterlassenschaft Traube’s der Mit- und Nachwelt zugänglich ge¬
macht, dass er mit Takt und Sachkenntniss dasjenige aus den Tage¬
büchern ausgewählt, was der Bedeutung des Verf. würdig und für die
Wissenschaft von bleibendem Werthe ist. Er hat ferner in sehr ge¬
schickter Weise die Anordnung der einzelnen kleinen Abhandlungen so
getroffen, dass die zusammengehörigen Gegenstände auch zusammen¬
gestellt und chronologisch geordnet sind, so dass man die Entwicklung
und Vervollkommnung der Ansichten Traube’s über die einzelnen Fragen
historisch verfolgen und zugleich von den Anschauungen, die er zuletzt
festgehalten, leicht Einsicht gewinnen kann. Ueberdies hat der Heraus-
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
74S
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
geber (ein Beweis ebenso für sein Veretändniss, wie für seine grosse
Pietät gegen den Antor) Form und Ausdrucksweise in so charakte¬
ristischer Weise zu wahren gewusst, dass wir Traube selbst werden zu
hören meinen, und dass uns seine Individualität in diesem 3. Bande
ebenso ungetrübt entgegeutritt, wie in den beiden ersten, deren Heraus¬
gabe er selbst besorgt hat.
Wir haben nun aber diesen 3. Band nicht nur für sich, sondern
als einen The.il , als den Abschluss der gesammelten Werke Traube’s
anzusehen. Die Gesammtheit der Arbeiten dieses bedeutenden Mannes
liegt nun vor uns, nicht alles, was von seiner rastlosen Thätigkeit übrig
geblieben, denn auch in mündlioher Ueberlieferung lebt seine Lehre
fort, doch das, was am längsten dauern nnd in der Geschichte der
Deutschen Medioin stets einen bedeutenden Platz unter den classisohen
Werkon behalten wivd. Unvergänglich wird der Werth dieser gesammelten
Werke sein, durch die unübertroffene Methode sowohl der experimen¬
tellen Forschung, wie der klinischen Beobachtung, durch die Wichtig¬
keit der Fragen, welche der Verf. in Angriff genommen und zu deren
Lösung er selbst die wichtigsten Beiträge geliefert, endlich durch
die Anregung, welche er in weiteren Kreisen zu wissenschaftliehen
Unter8uohungen gegeben hat. Bemerkenswerth wird es auch bleiben,
wie derselbe Geist, welche die ersten Arbeiten Traube’s beseelte,
sich bis in die letzten unverkennbar erhalten hat. Es ist nioht richtig,
wenn mau gesagt hat, er arbeitete in den letzten Jahren seiner wissen¬
schaftlichen Laufbahn anders, als in den ersten. Der aufmerksame Leser
wird vielmehr von Anfang bis zu Ende denselben Hauoh unermüdlichen
Strebens nach Erkenntniss und Wahrheit verspüren und überall die¬
selbe Schärfe des Denkens, dieselbe Methode der Untersuchung, ja die¬
selbe Individualität der Ausdnicksweise und Darstellung erkennen. —
Die Ausstattungsweise des 3. Bandes ist dieselbe, wie die der beiden
ersten, würdig der bekannten Verlagsbuchhandlung. E. Leyden.
V, »rhudUage« festlicher Gesellschaft«».
Berliner «edtotitefhe Geselhehaft
SitzuijLg vom 19. Juni 1878.
(Schluss.)
Zunäohst sind diese Körnchen von den primären Höhlenbildungen
der Lunge, welche man als ulcerirte Bronchiectasien auffassen muss, in
die Lymphbahncn des entsprechenden Unterlappens gewandert, welche
dicht von ihnen erfüllt sind; durch die Lymphbahnen sind sie m die
Blutcirculation gerathen und mit dem arteriellen Blutstrom in fast alle
Organe verschleppt worden. Hier haben sie sich in den feinen Gefässen
angesiedelt und weiter entwickelt. Den Modus dieser Entwicklung kann
ich Ihnen am klarsten an den Zeichnungen und Präparaten erläutern,
die von der Niere gewonnen sind. Da findet man zunächst Glomerulus-
schlingen uud Vasa afferentia infarcit von den Pilzkömchen. Im zweiten
Stadium der Entwicklung sehen 9ie von den Kömehenhaufen an der
Peripherie in radiäTer Anordnung Fäden auswachsen. In einem dritten
Stadium treten neben den Fäden an der Peripherie die bimförmigen
glänzenden Körper auf, und endlich wird durch das Auswachsen der
meisten Körnchen des Haufens zu Mycelfäden, und Hervorspriessen der
Conidien an der ganzen Peripherie, der ursprüngliche, embolisirte, gleich-
massige Kömchenhaufen zu einem microscopisehen hirse- bis mohnkom-
grossen Pilzklumpen, von der Constitution wie wir sie in allen Abs-
oessen des Körpers gefunden haben. — So wie hier beschrieben, ist der
Vorgang in allen afficirtcn Organen, mit Ausnahme der Leber, woselbst
die Embolien von der Pfortader her erfolgt sind, und zwar nicht durch
Körnchenhaufen, sondern durch ganz entwickelte Pilzconglomerate, die
von der Milzvene in die Pfortader gelangt sind. — Als einen wichtigen
Umstand, der bei der Beurthcilung der pathogenen Dignität der Pilze
eine wichtige Rolle spielt, muss ich hervorheben, dass durchwegs in der
Umgebung derjenigen metastatisohen Pilzinfarete, welche nur aus Körnchen
bestehen, jede entzündliche Veränderung fehlt, während dieselbe in Ge¬
stalt von Eiterung niemals in der Umgebung deijenigen Pilzhaufen
vermisst wird, welche deutliche Vegetation zeigen, indem sie Fäden und
Conidien hervorbringen. Andererseits fand man keinen unter den hun¬
derten von Abscessen, weder im Leben noch nach dem Tode, in welchem
die Pilze vermisst worden wären.
Haben wir somit ein klares Bild gewonnen, sowohl von den Wegen,
auf welchen die Generalisation des Pilzes im Körper zu Stande gekommen
ist wie von der Art seines Wachsthums und seiner Weiterentwicklung
in den Metastasen, so bleibt noch die Frage zu beantworten, woher die
Pilze gekommen sind, die sich in dem Ausgangspunkte der Infection,
in dem Lungenherde fanden. Waren sie als trockene Keime in der
Luft schwebend, durch die Athmung in die Bronchien gelangt, oder
waren sie etwa aus der Mundhöhle, der Brutstätte so vieler Micro-
organiamen, aspirhrt worden?
Die Frage konnte an dem eben besprochenen Falle nicht entschie¬
den werden, da wir versäumt hatten, (He Mundhöhle und die Zähne
genauer zu untersuchen. Da führte mir der glückliche Zufall einen
Kranken zu, der mich auf die richtige Fährte brachte. Dieser Mann
hatte in Folge von Caries dreier Backzähne der rechten Unterkiefer¬
hälfte oft an Parolis und submaxillaren DrüsenschweHungen gelitten.
Das letzte Mal nahm die Schwellung der Subraaxillargegend grössere
Dimensionen an, und als er sieh mir 1 */* Monate nach Beginn der letzten
Entzündung zeigte, fand ich eine ftuotuirende Schwellung fast der ganzen
No. 5G
rechten Seite des Halses, von dem Schlüsselbein bis zur Höhe des Zungen¬
beines. Der durch Incision entleerte stinkende Eiter enthielt zu meinem
Erstaunen genau dieselben hirse- bis mohnsamengrossen Pilzkörner wie
der vorige Fall, in derselben Reichlichkeit, und von ganz derselben
microscopischen Constitution, die ich vorhin erläutert habe. Die Ent¬
stehungsgeschichte dieses Abscesses liess kaum einen Zweifel, dass er
seinen Ausgangspunkt von den cariösen Zähnen genommen hatte, nnd
darum war es mir höchst wahrscheinlich, dass auch die in ihm gefun¬
denen Pilze aus den cariösen Zähnen stammten. — Um diese Ver-
muthung auf ihre Richtigkeit zu prüfen, wandte ich meine Aufmerksam¬
keit den von den Zähnen erzeugten Abscessen zu; - und zwar um zu¬
nächst festzustellen, ob überhaupt Pilze in ihnen eine Rolle spielen,
sodann um zu untersuchen, ob die etwa gefundenen Pilze identisch
wären mit den in den entsprechenden cariösen Zähnen vorkommenden.
Beides ist mir gelungen. In einer grossen Reihe von Zahnabscessen,
die ich im Laufe des Jahres untersuchte, habe ich Pilze gefunden, and
unter ihnen einmal noch die in den beiden ersten Fällen beschriebenes*
In der Mehrzahl der Fälle enthielten die Abscesse Elemente der Lep-
tothrix buccalis, Micrococcen und Bacterien, wie sie in den cariösen
Zähnen gewöhnlich Vorkommen, und zwar oft in macroscopisch erkenn¬
baren kleinen Klümpchen. $ie interessantesten Pilze aber, welche von
allen bisher im Körper gesehenen abweichen, fand ich in einem Unter-
kieferzahnabscess, und gerade hier habe ich nach Extraction des Zahnes
den Nachweis führen können, dass der Wurzelcanal desselben vollge¬
stopft war mit denselben merkwürdigen Elementen, die der Abscesseiter
enthielt. Es handelte sich um hirse- bis mohnsamengrosse Klümpchen,
von denen ein Theil ans grossen kugligen Sporensäcken bestand, ein
anderer aus feinsten Körnchen und Fäden mit den prachtvollsten —
vielfach quergetheilten Conidien. Ich habe ein Präparat davon auf¬
gestellt und gehe Ihnen die Abbildungen herum, aus welchen Sie gleich¬
zeitig die anderen wunderbar gestalteten Pilzformen ersehen werden,
die in demsetben Abscesse sich fanden. Damit unterlag es keinem
Zweifel, dass die in den Zahnabscessen gefundenen Pilze ihren Ursprung
aus denen der cariösen Zähne herleiteten. Da wir nun 2 Mal den Pilz,
der bei der Pyämie eine so grosse Rolle gespielt hat, in Zahnabsoeawn
gefunden haben, so folgt daraus die Möglichkeit, dass auch in dem
Pyämiefalle die Pilze zunächst in cariösen Zähnen genistet haben und
von da in die Bronohialectasien aspirirt worden sind, deren Uloeration
zum Ausgangspunkt der Allgemeininfcction geworden ist.
Was lehren nun diese Beobachtungen bezüglich der Rolle, welche
die pflanzliehen Organismen in den betreffenden Krankheiten spiel«?
Betrachten wir zunächst den Pyämiefall, so wird an ihm sofort das eine
klar, dass von dem Pilze die Localisation, die topographische Vertheihag
der Metastasen bestimmt wird. Wo ein metastatischer Abscess vorhanden
ist, und sei er auch mioarosoopisch klein, finden sich constant die Pik¬
klampen. Die Auflassung dieser Thatsaehe könnte eine zweifache sein.
Entweder ist zuerst der Abscess da, und die im Blute circulirend«
Sporen siedeln sich in demselben an, weil sie daselbst die geeigneten
Nahrungsbedingnngen finden — oder der Pilz ist eher da als die eitrige
Entzündung, und letztere ist als unmittelbare oder mittelbare Consc-
quenz seiner Anwesenheit zu betrachten. Diese Alternative war in den
bisher beobachteten Pyämiefällen, in denen nur Micrococcen eine Rolle
spielten, schwer zu entscheiden, denn auf die Ubiquität dieser Pflanzen
sich stützend, nahmen viele ihr normales Vorkommen im Blute an, und
Hessen dieselben sich überall da üppig entwickeln, wo aus irgend einer
anderen Ursache Entzündungen entstanden, deren besondere Prodnete
geeignet waren, das Fortkommen der Parasiten zu begünstigen. Unser
Fall macht eine solohe Erklärung hinfällig. Denn zunächst kann bei
einem Pilze wie dem unsrigen, den man noch nie gesehen hat. von einer
Ubiquität nicht wohl die Rede sein; ferner weist die anatomische Unter¬
suchung exaot die Wege nach, auf welchen die Sporen des Pilz« v<®
den Lungenherden aus in die Circulation gelangt sind.
Ist somit jede Erklärung der Erscheinuugen durch die Ubiquität
der Pilze unhaltbar, so ist damit noch nicht die Frage nach der zeit-
weisen Aufeinanderfolge der PilzansiedeLung und der metastatisefce»
Entzündung gelöst Diese Frage beantwortet unser Fall mit dem häu¬
figen Befunde von Pilzembolie in den Glomerulussehlingen der Niere
ohne jegliche Entzündung und Eiterung in der Umgebung — Beweis,
dass die Pilze eher da sind, als die Entzündung. Dazu kommt nun
die interessante Thatsaehe, dass Entzündung und Eiterung nur an den
Stellen vorhanden war , wo der Pilz Vegetation zeigte in Gestalt ven
Fäden oder bimförmigen Conidien, dass dagegen entzündliche Verände¬
rungen in der Umgebung stets fehlten, so lange die Pilze auf der Stufe
einfeoher Körachenaggregate verharrten. Geht also sicher die Ansiede¬
lung des Pilzes der Entzündung voran, und ist Fntzündung und Eite¬
rung nur da vorhanden, wo der Pilz höhere Vegetationsformen entwickelt,
so darf man mit Wahrscheinlichkeit schliessen, dass eben die Vegetation
der Pflanze eine Bedingung für das Entstehen der Entzündung abgiebt.
Ist demnach eine pathogene Bedeutung unseres Pilzes für den vor¬
liegenden Krankheitsfall nicht von der Hand zu weisen, so ist als zweite
Frage zu beantworten, ob wir ihn als den speoifischen Erreger dieser
Krankheit zu betrachten haben, d. h. ob er, und kein anderer im Stande
ist, ohne Conourrenz anderer Noxen, dieses Krank ho itsbild hervorzu¬
bringen. Diese Frage muss die Anhänger eines speoifischen Pyämiepikes
in ei® arges Dilemma bringen. Denn während bisher nur der Micw-
coccus für den specifischen Erzeuger der Pyämie proclamirt wurde, bin
ich in der Lage, einen ganz neuen Pilz zu präseatiren, der mit min¬
destens derselben Berechtigung, wie in allen anderen Pyämiefillen der
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16. December 187S.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
749
Micrococcus, verlangen darf, als der specifischc Krankheitserreger unseres
Pyämiefalles zu gelten. Wir hätten somit zwei durchaus verschiedene
Microorganismen, von welchem jeder den gleichberechtigten Anspruch
erheben könnte, als der specifische, d. h. der alleinige Erzeuger ein und
•derselben Krankheit betrachtet zu werden. Das ist, wie jeder sieht, ein
Unding. Ist also unser Krankheitsfall eine Pyämie, woran nach dem
klinischen und dem Sectionsbefunde nicht zu zweifeln, ist ferner mein
Pilz verschieden von dem Micrococcus, wovon Sie sich überzeugt haben,
dann muss man sowohl dem Micrococcus wie meinem Pilze jede Be¬
rechtigung absprechen, für den specilischen oder alleinigen Erzeuger der
Pyämie zu gelten.
Wenn es aber dennoch zweifellos ist, dass den pflanzlichen Micro¬
organismen eine sehr wesentliche Wirksamkeit bei den pyämischen Pro¬
cessen zukommen kann, wie wir das für unseren Pilz vorher gezeigt
haben, und es für die Schizomyceten durch anderweitige Erfahrungen
•dargethan ist, so bleibt nur nach Verwerfung eines specifischen Einflusses
eine Erklärung für ihre Wirksamkeit übrig, nämlich die, dass sie als
Träger und Reproductoren eines Krankheitsgiftes wirken. Eine solche
Vorstellung lässt bequem die Annahme zu, dass verschiedene Pilze
•dasselbe Gift, identische Pilze verschiedene Gifte an sich zu binden
vermögen. Nur so kann man es verstehen, dass einerseits verschiedene
Microorganismen bei identischen Krankheiten 'sWkommen können, wie
wir es hier für die Pyämie gezeigt haben, dass andererseits dieselben
Pilze bei Krankheiten gesehen werden können, die so verschieden von
einander sind, wie eine Pyämie, eine Pflegraone am Hals und ein Ober-
kieferzahnabscess.
Resumiren wir zum Schlüsse in wenigen Sätzen die allgemeinen
“Gesichtspunkte, die sich aus dem Studium unserer Pilzfälle ergeben
haben, so würden dieselben lauten:
1) Das Wachsthum und die Vermehrung der Pilze in den Organen
des lebenden Körpers ist nach gewiesen.
2) Es findet eine innige Wechselwirkung zwischen Vegetations¬
processen der Microorganismen und Entzündung in den Metastasen statt.
3) Die Ansiedelung der Pilze in den metastatisch erkrankten Or¬
ganen geht der Entzündung voran.
4) Das Krankheitsgift ist an die Pilze gebunden.
5) Die Pilze sind aber nicht das Krankheitsgift selbst, denn
6) dieselben Pilze können sich bei verschiedenartigen Erkrankungen
finden, ebenso wie
7) gleichartige Erkrankungen unter Wirkung verschiedener Pilze
zu Stande kommen können. Also müssen
8) gleichartige Pilze verschiedene Krankheitsgifte, differente Pilze
•die gleichartigen Krankheitsgifte fixiren können.
II. Herr Julius Wo 1 ff: „Ueber die Abkühlung und Elevation
als Blutersparungsmethode.“
Der Vortr. hat gefunden, dass die Temperatur der geschlossenen
Hohlhand durch blosse Elevation des Armes um 5 und unter Umständen
noch mehr volle Thermometergrade zum Sinken, durch Herabhängen¬
lassen des Armes um eben so viel zum Steigen gebracht werden kann.
Er fand ausserdem, dass man durch eine geeignete Form der Abküh¬
lung (am besten durch Handbäder von ca. 20° C.) die Gefässe der Hand
in einen stundenlang andauernden Contractionszustand versetzen kann.
Diese Beobachtungen hat der Vortr. practisch zu verwerthen gesucht.
Kühlt man ein zu operirendes Glied vor der Operation 1 / 4 — Vs Stunde
hindurch durch Irrigationen mit kaltem Wasser ab, und hält man das
Glied während der Narcose und während der ganzen Dauer der
Operation in die Höhe, so kann man unter Umständen fast ganz
blutleer operiren, und in jedem Falle ausserordentlich viel Blut ersparen.
Bei Amputationen geht auf diese Weise während der Operation
selber nur wenig mehr, während der Unterbindungen lange
nicht so viel, alles in allem aber in der Regel weniger Blut
verloren, als bei Ausführung der Constriction.
Das Verfahren ist bisher vom Vortr. in 7 Fällen, und vom Herrn
•Geheimrath Bardeleben in 1 Falle mit Erfolg erprobt worden.
VI. Feuilleton.
Correspondenz aus London.
London, Mitte November.
Factoren der Volksgesundheit und Racenconstitution. — Alcohol als
Diäteticum. — Fettnahrung und Rothwein im Scorbut und als Präventiv
•desselben. — Revision der Brittischen Pharmacopöa.— Das beste Milchvieh.
Dr. William Farr hat neulich auf dem social Science congress die
■schon früher demonstrirte Thatsache betont, dass die Mortalität einer
Bevölkerung gleichen Schrittes mit der Dichtigkeit der Bewohnerzahl
.auf derselben Fläche zunimmt. Die „Roukeries“ oder Dohlennester, wie
die engen Proletarierquartiere Liverpools genannt werden, contrastiren
gegen ländliche Distrikte mit einer 3fach grösseren Sterblichkeitsziffer.
In anderen grossen Städten und in London bestehen ähnliche Verhält¬
nisse zwischen den Vorstädten mit isolirten Villas, dem platten Lande
und den engen Stadttheilen. Trophische und contagiöse Processe müssen
natürlich durch Uebervölkerung beeinflusst werden, ein triviales Factum,
das jedoch ein Grundprincip für die Action des „medical statesman“
repräsentirt, welchem auch „the Lancet“ vor kurzem einen Leitartikel
gewidmet hat. Professor Huxley, der philosophisch vergleichende
Anatom, hat vor einigen Wochen bei einer öffentlichen Gelegenheit sich
dahin geäussert, dass er nicht an den physischen Tod von Nationen
glaube. Er sei der Ansicht, dass die alte englische Race ebensoviel
Lebenskraft wie vor zwei Jahrhunderten besässe, nur dass mit ent¬
sprechender Beseitigung des Unkrauts ebenso gute Producte derselben
wie früher erzeugt werden würden. Als moralisches Unkraut bezeieh-
nete er — Mangel an Ehrlichkeit, Santimentalität und Luxus. Gar ihm
in seine Censur des plutocratischen Englands zu folgen, lassen sich
vom physischen Standpunkt einige pro’s und contra’s für die englische
Volksconstitution aufstellen. Seit Jahrhunderten sind keine Kriege
über dies Land hinweggezogen, weder feindliche Heere haben darin als
Besatzung geweilt, noch sind durch massenhafte Aushebungen und
Truppen Dislocationen, Racen- und Familien • Kreuzungen begünstigt;
dagegen hat eine starke Männerauswanderung nach anderen Welttbeilen
stattgefunden, während alljährlich tausende, meistens rüstige Männer
vom Continent herüber kamen und sich hier heimisch machten; London
ist auf diese Weise ein Land oder vielmehr eine Bevölkerung sui generis
geworden, weit mehr als Berlin oder selbst Paris. Die Einwanderung
nach Grossbrittannien von anderen europäischen Ländern wird gegen¬
wärtig auf etwa 40000 jährlich geschätzt. Die Einwanderung aus den
ländlichen Districten in die städtischen Municipalbezirke hat in England
den Grad erreicht, dass in den letzteren */* der gesammten Bevölkerung
wohnen. In den ersteren finden sich nur die Sitze der Eigenthümer
von Latifundien, deren Pächter, eine bisher politisch und moralisch
durchaus abhängige Classe von sehr mässiger Geistescultnr, und eine
stagnirende Arbeiterbevölkerung, deren sesshafte monotone und körper¬
liche Lebensart weder geistige Anregung, noch Racen- und Famillen-
kreuzung begünstigte. „La superbe aristoeratie anglaise“ ist noch nicht
erloschen, aber was Generationen von Geldheirathen, Primogenitur und
Luxus zu Wege gebracht haben, sieht man in den classischen Typen
von „Vere de Vere“ abgebildet, mit welchen „Punch“ seine Leser
amüsirt. Auch in physischer Hinsicht ist an „my lords“ und den
„upper ten tliousand“ nicht spurlos vorübergegangen, was der jetzige
Premier in seiner Sturm- und Drangperiode als den Fluch der englischen
Politik bezeichnete: Dutch finance (holländische Finanzwirthschaft),
Venetian politics (wighistischer Nepotismus) und French wars! Was
die AgriculturbevÖlkerung anlangt, so ist nicht zu übersehen, was vor
2 Jahren Althaus in seinen „Lectures on the diseases of the nervous
System“ hervorgehoben hat, die auf Grund der „annual Reports of the
Registrar-General on disease and death in England and Wales“ fussen.
„J have thus been en abled to deal, nol with hundreds er thousands,
but with hundreds of thousands of cases, extending not only over a fen
years, but over a considerable period in the life of the nation“ sagt
Althaus. Und er ist zu dem Resultate gekommen, dass „Nerven¬
krankheiten nicht, wie gewöhnlich behauptet wird, frequenter in den
grossen Städten sind, sondern vielmehr in ihnen weniger häufig, als
auf dem platten Lande, und dass ihr Vorkommen möglicherweise mäch¬
tig durch die Race beeinflusst wird“. Ferner, „dass das Geschlecht
beträchtlichen Einfluss auf die Erzeugung von Nervenkrankheiten hat;
denn obwohl die weibliche Bevölkerung in diesem Lande die männ¬
liche an Zahl übertrifft, überwiegen die Todesfälle unter den männlichen
in Folge von Nervenaffectionen constant an Zahl die in der weiblichen
aus dieser Ursache; die männliche Ziffer ist 12,94 und die weibliche
11,62 pCt.“ Affectionen des Centralnervensystems sind aber, wie die
neuere Physiologie und experimentelle Nervenpathologie dargethan haben,
gerade diejenigen, welche mit der grössten Sicherheit vererben. Er¬
fahrene Irrenärzte, Criminalisten und freibeobachtende Romanschriftsteller
können dazu zahlreiche Beispiele liefern: „Was kann wohl die Ursache
gewesen sein, ist immer und immer wieder die Frage, die an den Arzt
von einem besorgten Vater oder einer Mutter gerichtet wird, die zur
selben Zeit in ihrer Physiognomie, ihrem Geiste oder in ihrer Denkart
und Empfindungsweise den unverkennbaren Beweis liefern. Wenn der
Arzt kurz und aufrichtig antwortete, so würde er erwiedem; „Eine
pathologische Entwicklung Ihrer eigenen Natur!“ — sagt Dr. Henry
Maudsley in seinem interessanten Buche: „Responsibility in mental
disease“. Die Familiengeschichten der Julischen Cäsaren, der Carolinger,
der Bourbonen, der Stuarts zeigen die VererbuDg typischer Nervencon-
stitutionen in höheren „couches sociales“ als die der Ackerarbeiter.“
Sowohl für die Uebervölkerung der Städte, wie für den stagnirenden
Pauperismus der Landbevölkerung giebt es kein besseres Mittel, als
einen Wechsel der Sonne — die schon von John Stuart Mi 11 em¬
pfohlene Massenauswanderung. Lord Beaconsfield hat eben jetzt die
Hände voll, um seine Türken zu erziehen, und sich fern im Osten —
in Hongkong, pour encourager les Chinois — eine Statue setzen zu
lassen; aber ein Mann wie Gladstone mit einem Genie für Finanzen und
Leitung populärer Bewegungen, würde, out of office, von seinen home¬
rischen Reden und Beschäftigungen Zeit genug sparen können, um sich
an die Spitze einer solchen Organisation für methodischen Exodus nach
dem Westen zu stellen. Friedrich der Grosse, dessen volkswirthschaft-
liche Ansichten seiner Erziehung als Hülfsarbeiter bei der „Kriegs- und
Domainenkammer“ entsprachen, erklärte jeden, der einen Bauer zum
Auswandern überredete, für ebenso strafbar wie den, welcher einen Sol¬
daten zur Desertion aus Reih’ und Glied verleitete. Des alten Fritz
Ideen über „Rittergüter“ haben sich jedoch im modernen Europa nach
Jena nicht mehr bewährt.
Um den „Nerv“ der Nation zu stählen, wird die Temperanzbewegung,
d. h. die Sache der Mässigkeit in alkoholischen Getränken möglichst von
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750
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 50
der Geistlichkeit und von vielen um die Sache des Volkes verdienten
Mitgliedern der Aristocratie gefördert. Vor einem Anathema gegen allen
Genuss von Spirituosen und Wein haben wohl sehr mit Recht mehrere
Aerzte neuerdings gewarnt, so der hochgeschätzte Sir James Paget 1 ).
Nicht genug zu loben ist jedoch das unter den Auspicien von Lord
Shaftesbary vor sich gehende Bestreben, die Schnaps- und Bierkneipen
(gin palaces) durch Volkscaffe’s (coffee palaces) zu ersetzen. Als durch¬
aus billigens werth muss es auch angesehen werden, dass auf vielen
grossen Dampferlinien jede Verabreichung von Rum und anderen Spiri
tuosen an die Mannschaft, wie auf der americanischen Marine, untersagt
ist. Wie wichtig dies namentlich in den Tropen ist, weiss ich aus
eigener Erfahrung, selbst wenn man die Gefahr der colique seche durch
Vergiftung mit schlechtem bleihaltigen Rum ausschliesst. Was gelegent¬
lich hier über gewohnheitsgemässes privates „Kneipen“ von Studenten,
besonders Medicinem in Zeitungen gesagt ist, erinnert mich an meine
eigenen Beobachtungen vor 25 Jahren auf deutschen Universitäten, wo
der „Corpssöffel“ oft das Larvenstadium für die dyspeptischen Bureau-
cratenkäfer bedeutete. „La soupe fait le soldat“ sagen die Franzosen.
Die Gewöhnung von alkoholischen Excessen liegt in nuce bei den meisten
Menschen in der regelmässigen Darreichung einer gut bereiteten und
mannigfaltigen Nahrung. Das hat man in England soweit begriffen,
dass man für die weibliche Arbeiterbevölkerung Hochschulen eröffnet
hat, wie sie für die Soldaten schon seit den Crimkriegen existirt haben
und hoffentlich auch für die Schiffsköche bald Ids Leben treten werden.
Die älteren Medicinalstatistiken der anglo-indischen Armee bewiesen, dass
verheirathetc Soldaten, denen ihre Frauen die Nahrung bereiteten, in
weit geringerem Grade an „alkoholischen“ Krankheiten und an Dysen¬
terie und Leberkrankheiten litten, als die unverheirateten.
(Schluss folgt.)
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. Im Anschluss an den in unserer Wochenschrift erschie¬
nenen Artikel über Corsica und seine Curorte von Brunner wird es
unseren Lesern von Interesse sein zu erfahren, dass ein bewährter deut¬
scher Arzt, Herr San.-Rath Dr. Valentin er aus Salzbrunn, der sonst
während des Winters in Rom zu practiciren pflegte, sich gegenwärtig
in Ajaccio aufhält und auch künftig im Winter dort zu verweilen
gedenkt.
— In der Woche vom 3. bis 9. November sind hier 462 Personen
gestorben. Todesursachen: Masern 2, Scharlach 22, Rothlauf 2,
Diphtherie 34, Eitervergiftung 1, Kindbettfieber 2, Typhus 6 (Erkran¬
kungen an Typhus: 16 m., 13 w.), Dysenterie 3, Gelenkrheumatismus 1,
Syphilis 3, mineralische Vergiftungen 2 (Selbstmorde), Kohlengasvergif¬
tung l, Brandwunden 1, Sturz 1, Erschiessen 1 (Selbstmord), Erhängen
2 (Selbstmorde), Ertrinken 1 (Selbstmord), Lebensschwäche 25, Abzeh¬
rung 17, Atrophie der Kinder 5, Scropheln 3. Altersschwäche 11, Krebs 10,
Wassersucht 4, Herzfehler 9, Hirnhautentzündung 7, Gehirnentzündung 8,
Apoplexie 25, Tetanus et Trismus 8, Krämpfe 29, Kehlkopfentzündung 16,
Croup 3, Keuchhusten 3, Bronchitis 9, Pneumonie 24, Pleuritis 1, Phthi-
sis 53, Peritonitis 5, Diarrhoe 10, Brechdurchfall 9, Magen- und Darm¬
katarrh 10, Magen- und Darmentzündung 2, Nierenerkrankungen 2, an¬
dere Ursachen 63, unbekannt 2.
Lebend geboren sind in dieser Woche 422 m., 434 w., darunter
ausserehelich 59 m., 73 w.; todtgeboren 13 m., 15 w., darunter ausser-
ehelich 2 m., 2 w.
Die durchschnittliche Sterblichkeit dieser Woche beläuft sich
auf 23,1 pro Mille der wahrscheinlichen Bevölkerungszahl, die ent¬
sprechende Geburtenziffer auf 42,7 pro Mille (beide Summen mit Aus¬
schluss von 1,4 pro Mille Todtgebornen).
Witterung: Thermometerstand: 2,80 R., Abweichung:
— 1,76 R. Barometerstand: 27 Zoll 7,84 Linien. Dunstspannung:
2,14 Linien. Relative Feuchtigkeit: 83 pCt. Himmelsbedeckung:
7,6. Höhe der Niederschläge: 0,225 Pariser Linien fam 4. November).
1) Sir Wilfried Lawson, das bekannte langjährige Mitglied des
Unterhauses, gewinnt allmälig immer mehr Anhänger in der Logislatur
für seine „Permissive Bill“, wonach die Versammlungen der steuer¬
zahlenden Gemeindemitglieder das Recht erhalten sollen, innerhalb ihrer
Bezirke mit % Majorität Schankgerechtigkeiten (public house licences)
zu ertheilen oder zu verweigern. 246 Mitglieder, d. h. Graduirte, der
Londoner Universität haben neulich eine Aufforderung an den Vertreter
der Universität im Unterhause, Mr. Robert Loise, unterzeichnet, für
diese Bill zu stimmen. Wenn einmal die Reformation der Deut- !
sehen Universitäten in Angriff genommen wird, wird inan in vielen |
Stücken die volksthiimlicbe Einrichtung der schottischen Hochschulen I
und die Verfassung der Londoner modernen Universität mit Nutzen :
adoptiren. Die letztere repiasentirt ein Zweikammersystem mit Senat j
und „Convocation“ der Graduirten. Wo es sich um wichtige Vcrwal- 1
tungsmassregeln, Statutenänderungen und Wahl des Vertreters im Unter¬
hause handelt, kann der Senat nicht ohne die „Convocation“ vorgeherj.
Das Veto der letzteren hat erst kürzlich die Verleihung von Diplomen
der medicinischen Facultät an Frauen verhindert.
Verlag und Eigenthum von August Hirschwald in
V1L Amtliche MittheilugcH.
Personal!».
Auszeichnungen: Seine Majestät der König haben Allergnädigst ge¬
ruht, dem practischen Arzte Dr. Jüdell zu Niedermarschaehl im
Amte Winsen a. d. Luhe den Rothen Adler-Orden vierter Klasse und
dem Kreiswundarzt Dr. Frankel zu Neustadt O./Schl. den Character
als Sanitätsrath zu verleihen.
Anstellungen: Der seitherige Kreiswundarzt Dr. Wiedemann zu
Königsberg N./M. ist zum Kreisphysicus des Kreises Osterbarg und
der practische Arzt Dr. Schulz in Schlochau zum Kreiswundarzt
des Kreises Gumbinnen ernannt worden.
Niederlassungen: Die pract. Aerzte: Gatz in Prechlau, von Ma¬
li nowski in Landsberg (Reg.-Bez. Oppeln), Dr. Tusczewski in Ni¬
kolai, Kampf in Teuchem und Dr. Wocker in Erfurt.
Verzogen sind: Die practischen Aerzte: Assistenzarzt Dr. Racine
von Wittenberg nach Brandenburg a./H., Dr. Fiedler von Nicolai
nach Laurahütte, Kreiswundarzt a. D. Dr. Voigt von Eisleben nach
Oyenhausen, Kreiswundarzt a. D. Patzschke von Gefell nach Schle¬
sien, Dr. Goetz von Suhl nach Bremen, Dr. Reitemeyer von Erfurt
nach Ischia, Dr. Münnich von Goerlitz nach Heidersdorf, Stabsarzt
Dr. Haberkorn von Strassburg L/E. nach Glogau und Dr. Posca
von Salzdetfurth nach Gross Düngen, sowie der Zahnarzt Berendt
von Frankfurt a./M. nach Thom.
Apotheken-Angelegenheiten: Der Apotheker Schnuppe hat die
Administration der Casten’schen Apotheke abgegeben und ist letz¬
tere in den Besitz des Apothekers Erdmann übergegangen. Der
Apotheker Kamnitzer hat die Michalowski’sche Apotheke in
Loebau gekauft. Der Apotheker W iss mann hat an Stelle des ab¬
gegangenen Apothekers Boemer die Administration der Lieder’schen
Apotheke in Pr. Friedland übernommen. Der Apotheker Helmke
hat die Neide’sche Apotheke in Lublinitz, der Apotheker Todt-
mann die En de’sehe Apotheke in Grottkau und der Apotheker
Schuchardt die Koerner’sche Apotheke in Lauchau gekauft, sowie,
der Apotheker Boehmer die Schmidt*sehe Apotheke in Rothen¬
burg O./L. Die Verwaltung der Apotheke in Sensburg hat der Apo¬
theker Rothe an Steile des Apothekers Wolter übernommen und
letzterer hat die Schober’sche Apotheke in Lyck gekauft.
Todesfälle: Die pract. Aerzte: Dr. Zeit fuchs in Teuchern u. Sanitäts¬
rath Dr. Danziger in Berlin.
Bekanntmachung.
Die Kreiswundarztstelle des Kreises Demmin mit dem Wohnsitze in
Treptow a./Toil. ist durch den Tod des bisherigen Inhabers erledigt.
Diejenigen approbirten und pro physicatu oder als gerichtliche Wund¬
ärzte geprüfte Aerzte, welche sich um diese mit einem etatsmassigen
Gehalte von jährlich „600 M.“ dotirte Stelle bewerben wollen, werden
hierdurch aufgefordert, ihre Approbationen und sonstigen Zeugnisse
sowie einen Lebenslauf innerhalb 4 Wochen bei ans einzareichen.
Stettin, den 3. December 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Inserate.
Arzt - Vacam.
In Castellaun, Regb. Coblenz, ist seit 1. Decbr. die Stelle eines
Arztes vacant. Baldige Besetzung ist sehr erwünscht. Nähere Auskunft
ertheilt gern Bürgermeister Schaidt, Castellaun.
Apotheker Wtytf, Castellaun. Dr. Schwalesbach, Grefrath b. Rempen.
Die Gemeinde Lauten, im sächs. Erzgebirge, in freundlicher Lage,
Eisenbahnstation, Einwohnerzahl ca. 3000, sucht hierdurch einen Arzt,
der zugleich Geburtshelfer sein muss. Abgesehen von dem von der
Gemeinde gewährten Fixum, im Betrage von 750 Mark für die Armen*
Impfpraxis, sowie der Staatsbeihülfe von 180 Mark, ist von den Nach¬
bargemeinden Benrsbach, Bockau und anderen ebenso nahen Dörfern,
sowie den Städten Schwarzenberg und Aul den früheren hiesigen Aerzten
reichliche Beschäftigung geboten gewesen.
Für die jährlich mindestens 200 auszustellenden Gesundheitsatteste
für hiesige Handelsleute stehen weitere 200 Mark Einnahme in sicherer
Aussicht. Apotheken fehlen in den hiesigen Landgemeiden.
Obwohl den auswärtigen Aerzten in ihrer Praxis Abbruch gethan
werden könnte, so halten wir doch die Kostspieligkeit bei jetziger Pa-
tienten-Behandluiig, sowie die Zeitersparniss für unsere Nachbarärzte
für eine genügende Begründung dieses Gesuches.
Hierauf Retlectirende wollen sich direct an die Vertretung der hie¬
sigen Gemeinde wenden, wenn möglich persönlich Rücksprache nehmen.
Lauter, d. 8. Decbr. 1878. Der Gemein de rat b.^
Ein jüngerer Arzt, der durch Assistenz an einem grossen Kranken¬
hause und mehrjährige Landpraxis reiche Erfahrung, namentlich auch
in Chirurgie und Geburtshilfe gewonnen hat, sucht einen Platz in wohl¬
habender Gegend, wo er ein ausgiebiges Feld für seine Thätigkeit findet.
Chiffre J. W. 145 Exp. d. Bl.
Berlin. — Gedruckt bei L. Schumacher in Berlin.
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Ko. 50
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No, 50
In hiesiger im Kreise Herzogthum Lauenburg liegender Stadt sind
egenwärtig nur drei Aerzte vorhanden. Es ist dringend wünschenswert^
ass ein vierter Arzt sich hier niederlässt, der voraussichtlich hin¬
reichende Beschäftigung finden wird.
Ratzeburg, den 18. November 1878.
Der Magistrat.
"" Für einen Fabrikort in Schlesien wird sofort ein junger Arzt gesucht,
welcher neben dem fiixirten Gehalt von 600 Mark noch eine lohnende
Praxis im Orte sowohl wie in der bevölkerten Umgegend findet. Adr.
sub E. E. 141. _
Bei der Kftolgl. Sichsischoa Irrt a-Nei bestatt StaatastaiR bei Pirat ist
die Stelle des ZWtitaa Assistenzarztes in Baldigem anderweit zu besetzen-
Bewerber um solche Stelle wollen ihre Gesuche mit den erforder.
liehen Zeugnissen über ihren Studien-Gang bei Unterzeichneter Anstalts-
Direction einreichen; auch würde persönliche Vorstellung erwünscht sein.
Das diesfallsige Gesammt-Diensteinkommen beträgt zunächst 1800 M.
jährlich.
Sonnenstein, am 30. November 1878.
Die Direction.
_ Or. Lesslag. _
~ Für einen th&tlgen Arzt bietet sich sichere Existenz in Gniewkowo.
Umgegend deutsch; Aussicht auf vacante Kreiswundarztstelle. Nähere
Auskunft der Magistrat. __
Für Aerate.
Durch den Abzug des bisherigen Arztes ist der hiesige Ortsvorstand
veranlasst, einen neuen Arzt mit dem Wohnsitze zu Treis a./L. zu en-
gagiren.
In dem Orte selbst, mit ca. 1100 Einwohnern, befindet sich eine
Apotheke mit Post, und kann daselbst lohnende Beschäftigung nach¬
gewiesen werden.
Ausserdem bieten noch eine Anzahl naheliegender Ortschaften eine
ausgiebige Praxis. Reflectanten wollen baldgefälligst wegen der gegen¬
seitigen Verpflichtungen mit dem Unterzeichneten in Benehmen treten.
Treis a. L. im Grossherzogthum Hessen, 1 ‘/, Stunde von der Main-
Weser-Bahn, Station Loller.
Den 29. November 1878.
_ Grosshl. Bürgermeister in Treis a./L. Benner. _
Für Gera bei Elgersburg i. Thür, wird ein Arzt gesucht. Nähere
Auskunft ertheilt bereitwilligst der
_ Gemeindevorstand daselbst. L. Hasse.
Ein älterer und erfahrener Arzt, welcher den nächsten Winter
im 8Aden zu verbringen beabsichtigt, erbietet sich Kranke als
Amtlicher Begleiter in seinen Schutz zu nehmen. Offerten sub
L. A. 99 b. d, Exped. d. Bl. _
Zur Leitung einer Kaltwasser- und Natar-HallaRStalt in günstigster
Lage des Riesengebirges wird ein in dem Fache erfahrener Arzt, event.
mit Capitalbetheiligung gesucht. Meldungen genauer Angabe der frühe-
ren Verhältnisse zu richten an die Expedition dies. Blattes sub A. F. 143.
Ein junger Arzt, vor 2 Jahren approbirt. der alle seine Examina
mit Auszeichnung bestanden hat, sucht eine klinische Assistentenstelle
für Ostern. Gef. Anträge unter Nep. 144 durch die Exp, d. Bl. _
Seinen verehrten Herren Collegen und zahlreichen Freunden in
ärztlichen Kreisen theilt der Unterzeichnete hierdurch mit, dass die seit
3 Jahren unter seiner ärztlichen Leitung stehende VRR Rössiag’scht Hall*
aaatalt
eu fSSrbersdorf In Schlesien
keineswegs eingegangen ist, sondern dass dieselbe am ersten Juni 1878
darch Kaaf ia iaa Baste das Uatartalchaataa Iborgfag.
Die Anzahl der Wiatarcarglata beläuft sich, vom ersten Ocober d. J.
ab gerechnet, bis jetzt auf einige 60, und finden neue Ankömmlinge
unter denselben Bedingungen wie bisher freundliche Aufnahme in der
Anstalt, die seit Juni h. a. den Namen des Unterzeichneten führt.
Mehrfache Neubauten (u. a. eine 90 Meter lange, das Grundstück
abschliessende, vollständig geschützte Golonade mit Musikhalle und
Seitenpavillons) und die wesentliche Erweiterung der das Curhaus und
die dazu gehörige Villa umgebenden Anlagen, durch welche die Ver¬
bindung mit dem nahe gelegenen Wald hergestellt wurde, verrathen
auch äusserlich das rasche Emporblühen der jungen Anstalt, die in
diesem Jahre mit nahezu 400 Curgästen ihre bisher höchste Frequenz
erreichte.
Prospecte stehen den Herren Collegen jeder Zeit zur Disposition.
_ Dr. Theodor Bdnpler, dirig, Arzt.
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Carbelgaze (sehr weich und geschmeidig), Silicylgaze (10 u. 5 % ig),
Beazohgaze (10 u. 5°/„ig), Sallcyfwatte (10 u. 5 % ig), Salicyljata (10 u.
5 ü „ig), Beazotwatte (10 u. 5°. 0 ig), Benzodjate (10 u. 5%ig).
V ortheile: Genauer Gehalt an Carbolsäurc, Benzoesäure, Salicyl-
säure, gänzliche Unmöglichkeit des oft lästigen Ausstäubcns.
Diese Verbandstoffe liefert in vorzüglicher Qualität sehr billig
Ble Internationale Verbandstoff-Fabrik in Schaffhausen
und ihre bekannten Vertreter in Leipzig, München, Carlsruhe, Brüssel,
Rotterdam, London, Paris, Rom, Wien, Moscau, Stockholm, Copenhagen.
8t Andreasberg im Harz.
2000' hoch.
Auf Anregung des Unterzeichneten haben sich die hiesigen Herren
Lehrer entschlossen, eine Pension für Kinder (Knaben' und Mädchen),
denen vom Arzte ein Gebirgsaufenthalt verordnet wird, einzurichten.
Dem entsprechend ist der möglichst ausgedehnte Genuss der reinen
Gebirgs- und Waldluft das oberste Princip, erst in zweiter Reihe ran-
girt der Unterricht. Der Plan zu dieser Pension ist derartig entworfen,
dass die Kinder zu 2 oder 3 in den Familien der Herren Lehrer unter¬
gebracht und von diesen unterrichtet werden. Die Anzahl der täglichen
Unterrichtsstunden wird vom Arzte bestimmt und soll zunächst nicht
mehr als zwei betragen, doch können die Knaben bis zur Tertia eines
Gymnasiums gebracht werden. Bäder werden zum Theil im Hause ver¬
abfolgt Der Pensionspreis geht von 750 M. aufwärts, je nach den An-
forderungen. Nähere Auskunft ertheilt _ Dr. Ladaadort
Verlag von F. C. W. Vogel in Leipzig.
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OY- ..Vj , Y;-‘ '. ’ojrt NaV^mlvr iHl^} .ftt '. 4 ie-Zw'*'Xkm^A?fe i pn
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PiY'is*
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UHfn.pN,, l deii Piuiici, if. i
Ci «s m III i -Wtta r^o -Fabrik,
CKBR, SACHS
'tp ' jh'i.-iitübipi! frAtiiY* Und
\V.r-*K;tyA r>« . ; ,p!te-»^l »Ibv)'. \ i»l* lUi-UMU AfiÜl^l/ Ut Ary HaMpBft/lk
qveMe, Aviv SfccbfenrDitfffl, u-ird m hV>-4» v-.n
•pY.M'iM-U I‘i YO m
XU M o ii -'O i3!;K)
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ila (S, W v CM*» »1*?u i.ofetofc 0« > *w»«n»«n
Organ für praktische Aerzte.
Mit Berücksichtigung der prosaischen Medicinalvenraltung und Medicinalgesetzgebimg
nach amtliche« Mittheilangen.
Redacteur; Prof Br. L. Waldenburg, Verlag von August ffirseMd in Berlin.
Montag, den 23, Deoember 1878.
m 5i.
Fünfzehnter Jahrgang.
Die geehrten Abonnenten werden ergefcensf ersucht, damit, iw der Za&endnag keine fJfeterHmhaag
eintrete, das Abonnement auf das I. fyu»rtal 1879 bei den Bwrlthantllnftgen oder Postiitistalteil
baldigst zu erneuern. Die Yerlagshatidlung.
InfiaTtj
f. <\u:« der fandren Ahtheilung SUiiitiseijurr Ail&cineiueit Ib-anlteuhausts <m' Jhrliy:. ${$■??: behef Din noyt^.Syiiiprr.Ki ri\«r Ilenbeuid-
vm tv;t.*!.?uiiu, — If. Wag h * y: Zur B.tfbamKtifis Fmyy&iüo. —- Ul G '•>.< >• h <•;: XöcS%ütiä«ptistihP6 Ibhtiudlao:.? yl.-s fctapyons »ln
Kaldör/—. IV*. Kritik (ft-oth n agp ( und st» arür Handbuch.stet Arptw.iiBjticUfKr8 .•.'ÖMc-h heim. i^hrbatüi der •jVmtuiläftfelhdi i» —
K .‘i;(riet; Gnmd.ns;-! der. ra.ak»pia m.»Aioa für pp>ktiÄcbd Aerzte und 8uj»ürer.'L}. V. .VerhaiulVmigu« ärztlichem i.TßscU^rtha^'.n (bedmer
iriedKimM’hc OcscIE? hilft). - VI . FeuilUdon (Zin Fr-Ar des fiOjähr. !.->ions*iubiUiumy .riss 0 'iiw.litty.t L VI., Leibarzt;Kr MajesticdenKa.stTr-
mhijfejiigs; < k-hpiiaettraih? Dt . y. L a n er— CfUiV;.9p.ond^Tiji qjU London *— l.. $rö€fzf.n\. r~ V\j Ajifrtl..Mit:theirm^en. — thscrate.
L Att» der itHierea Afethei!nfi£ des Städtisch**« Allge-
»innen Kranhniha*isei* m tterti».
fcto* cio nettes Symptej» der 8e*ik'öidver^ae h*uftg,
i. ftt**«*
Es ist bekannt, fJa^s nach unm* <m,.b teilengcii Eriaüruniron
4U‘ %H£chic dpy-. hori cards in dfeb ^rfö^fen llälftfc tter
der bestiTnmfen 1 iiasncr***- entzieht. Sämmtiicho ?tl^ cha’
rft-CterMsd» füv dir <.1!te augeselmcn Symptome, vor allem .dir
nt* erster tarne bovuite systolische Einziehung der Thnja\wamb
.-AUid .weit dAvitri t'ntfejrnt, ofumtant zu seih; nmi die MtflirzAlii
l 7 <sr M*a$iatejtmchieu wjrd durch die Obduction, oft
narbgi'wti-'jcu. L'nd ducli t--l Lei dem unaiM;-
bfeiUichntL ElnÜ0'Ä* dmr HurzbeuttdPörwaeMijTlg ailmätig
aui die fhnvjnms.k.uiafui mid HerzAethni ;aubüht. ihre früh/.iii.ttg'e
Uijtgpo/Ä,l> <>h eih<* nichtige. Es i,*.f dAhör v..u ^ro^etij VL’i.rth.
umh ®rVcb*r^fai»g?n r welche mir in Äü^htthnipfälhm durch
div Den'cgttii^syucdiie btü'rvdrge-Orfen werden, zn. aAnünd 16. uwi
wöioügiieii dneeh die Vieirüftiglrot? der Synuptome daA WaV
. 'M. rnaa,g^*f € Mi' Wtsjösftn. Ahv ein derartigem*
nidit teobaehtet^. ddUßJfer^s- der Ferieavtlk'U-
vAtr^aehjvUifig ’ gtaöht* ich ?Lün ; üA«h den inj fqtgfepden hehdilint)e-
uintL mir oreioei ■A'b.t : ltv.-ii«.*\'> dun ^fadr, Aüg. Krankenh^n;ses bc-
vbachmum FailKn driY Auftrei^i» blnes Mc>;tl iklvt n^e s der
ü».- rytofir. (r^.vp. b»L Vitia v >rdis der ffersgerad^che), (j^r-
v o r gor; ii f e > i d u r crii *.E..fe o n K tu i m n a <e}i ba r.t ix i\ M ti £ eil.-
-zxi 7hbA.^mv
/ fc «eftV >:un.ii^lhKt «Jter .d;rsi% tnit »Sftction .ypt«rcli 0 iic Fall, der
.-tiif&iv ';AülBfteyk^j»kelt ai,ti d$v; «rwännKi §yinpk«n hiulejjkte,
kurz augn.t’uurt:
H. K.. I!rui>‘,bt.‘Oe?. will von frühester Kindheit an.
MW. Oeiffcht ein tdauliche^ AnuiöhöVi . r ^li(abi liufi^u: und nach
kvi ueiiidieü Aostrenguti^en ■nt Herzklopfen und KurzaUrtTtiektöt
titHrionirt mim L'l Leb.e.ut^jalirc übernfumi ev einep
kurzen acuten </»denkThotiiuaili?mws, im Winter 1^7^ ! JHTF* eine
p tvueheut liehe Kränk beit mit Stichen ip der Heni^PgeiidL
l^Hpaüu und Üe«)c*men der Haine und de?; Leihen, fteitü
dem bifeh Neigung au Hemticheo ünd PalpitaHonöp lii £r*
{»i'tbtem Orade xtirück; wieder »uftTet.eüdo Oedeme der ITnter-
v*vtienütäten führten den Kranken Ende Februar 1S77 in das
Stodt. K funken haus. — Hier faiohob^ich r.:p- ll t v-
yevHoderor^iMi: Vwgr<L^erum; beider Heiv.h:i,ift»>si; Her^diinipbmp‘
nach beiden £,eiien vefbreitert. oben an d ( ei' X Iftppe be^iuK^bd,
die Uu mamunll. nach link^ um ü Qn«Srünger.. .uarit rieu
rechten Steimnlraml um Pj t Ctm. übef^^emi^ im-
i : P* fnterooKtalrann^ »Jiffris. nuduliremb imi’ anfangs ifudcijHiöbPL
; später dentKch werdender <y»^.u 11 t«-nber•IjDb i Ky nlpjtobef
linkem und rechtem Ventrikel und Aogtb vin
, ii^ches und ImLere.s dm^tidbehes Oeräu^Ph ueb<>n poch hurb^rco
* Toner». }b)|,s klein. weViig ge^prtmrt bt^ldibmnijrt. — Vmu
%uiptomeu bst' reicbüeber Ctehüjr 4»*y flriu? an Adbüpieb
und körnigen Vylindern zu ^nvahnea, — Im K^ittlcejjbaikso
Ij^scrfe, ,<.it h da?f ^frflpdcn, Uöd <^detru>*
da^s der Ktank** im Monat April fciomlieb wobi nmher^*be;;.
kAunte. hbmtuertk ^'cb Ahn zu Aofra/gf^ MAi unrep Fkbor
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Oedeme urtd Knitti t ’«*n.*j j»-. Am 11 \\‘v »o» d^r-eibv bj
der M-v^rim utr fobiviftb' pm»;n1 linmliohet» lv»v?n , 'H*iiMr» , V)■ D:*r
Ma^e.-p, i-t vtark aufg»‘t.rfel»eii; seiov einen f ml»i bell trmpa-
bitisebeo T'ffV peLentb' l'ereu.sKiuti die füovvrf.ü;r
uugjdabr 5ti iSabt'JbLlvo. ^cbt*ri fn ^tbigef f*|trfknr^iu’^l l>1<
i* Mera'j vqju Körper rips Kvank^tt i.*r«immt n-n.i d» nt -’fj »♦ r/ ••
chv 1 lnli u>, f o 1 gen de *“ <g»•: ut b ii m Hc U t y mpa n \ ti - r hp 1 o.o »:.-
bei <b v r AtK^uft^tfvtrr ibbt marf die^eib^ aiA r»}U ^UHjfeDO
Mefallldaiig. h^glelipte Hotztöne ߣag£ dm- Heiz-Emi^on-
Magen-Orenze und weüer 7|deh utgtoi übev d v ordcreii \\
ditclte. fHe jpiKicftlixcUi*- Touhobe dos MntaHkbnig^. «mtypriolit
g^tiftd der de^ tyfUpunitijK'beb Mü^ebsdinile^. oben h ui
A%r)iert Lidi. dar Metallkiang Hcbodh hier diu) Her^tbuo Und
fietjiüsdie m alter Vfjbtß^ börbnr, — IfaA 1‘üänuajtyft de?f Mefallv
kJruigtjc . am Herzen htch sieb den grössten ThW] de< tßjj0
hher: nur vpflortu die Tone Allfüalig hm hie Hiuz-
MCfitrU wurde iihmcc uudullrender. der IbiT^ • ja^eudtn; unü
;. H^hWDchcr. I m s Vjir Abe-ml's. fand sich der .Krank», tu Aemse.
da 0 ’ menUiscite IChupoi wai \ er^cliwuudwi.? utä 8 V, Kh r ^r**
> fulgt^ obiT Tml.
\ Hm bim iitbiifussirendch Pmikte Her Sjccfiuu >uid folgprnäe *
Her fand sigh entiprechend dem im Leben gebotener*
1.811^^4^ nctatt.S'cb; fbt-H gärige Hhkfe Hiy[RTchAb*]rituu eiiineliuumd
and mit der kleinen. Kurvatur Bowb einem Theile der gy<»>se» t
; Cnrvafcur und A'orderfiärhtj deia. ^yfehfell «pg anjregend.
752
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Der Herzbeutel lag in grosser Ausdehnung (18 Ctm. in der
Breite und 15 1 /* in der Höhe) vor und war mit beiden Lungen
durch strangförmige Adhäsionen verbunden; er war ferner in
abnormer Ausdehnung und straff mit dem Diaphragma
verwachsen, und es bestand in der ganzen Ausdehnung des
Herzens feste Synechie beider Pericardialblätter. Ausser¬
dem wurde Dilatation und Hypertrophie beider Herzhälften,
besonders der rechten, zahlreiche endocarditische Excrescenzen
an Mitral-, Tricusp.- und Aortenklappen und weites Offenbleiben
des Foramen ovale constatirt.
Es erscheint unzweifelhaft, dass in diesem Falle das me¬
tallische Phänomen durch Resonanz der Herztöne im ecta-
tischen Magen entstanden und durch die Pericardialver-
wachsung begünstigt worden ist. Ein anderer resonanz¬
fähiger, mit Gas gefüllter Hohlraum, als der Magen, war in
der Umgebung des Herzens überhaupt nicht vorhanden. Nun
sind aber metallisch im Magen resonirende Herztöne eine grosse
Seltenheit, wie kürzlich auch Leichtenstern l ) hervorgehoben
hat. Das Zustandekommen der Resonanz hängt vom Zusammen¬
treffen verschiedener begünstigenden Momente ab, zu denen die
Grösse der consonirenden Höhle, welche zur Tonhöhe des ur¬
sächlichen Klanges in einem passenden acustischen Verhältnis
stehen muss, und die Stärke der Herztöne gehören. In dieser
Beziehung waren bei vorliegendem Falle gewiss die kurz vor
dem Tode eintretende Tympanie des Magens sowie die aufge¬
regte Action des hypertrophischen Herzens begünstigende Mo¬
mente; sollten aber diese Umstände allein zur Erzeugung der
Erscheinung ausreichen, so wäre es mehr als auffallend, dass
unter den vielen Fällen, wo namentlich bei Agonisirenden
Tympanie des Magens uud der Därme zu aufgeregter und ver¬
stärkter Herzaction hinzukommt, dieselbe nicht öfter beobachtet
wird. — Dagegen war in unserem Falle ein anderes die Reso¬
nanz begünstigendes Moment, nämlich das enge Aneinander¬
liegen des schallgebenden Organes mit dem conso¬
nirenden, in aussergewöhnlich guter Weise bewirkt durch die
abnorme Fixirung des Herzens mit dem Pericard und
Diaphragma, welchen» letzteren die gespannte Magenwand
dicht anlag. — Ob man auch die Herzbewegung hierbei mit ins
Spiel ziehen muss, lasse ich unentschieden: man kann daran
denken, dass in Folge der straffen Fixirung von Herz, Pericard
und Zwerchfell eine bestimmte Stelle des letzteren bei jeder
Systole und Diastole vorgezogen, resp. relaxirt werden musste,
und hierdurch gleichsam eine rhythmische Percussion der Magen¬
wand stattfand; doch ist diese Annahme zur Erklärung des
Phänomens jedenfalls nicht nöthig, sondern das Factum einer
Resonanz der im Herzen entstehenden Klänge im dicht anliegen¬
den Magen hierzu ausreichend, — Nach allem sehe ich daher
für diesen Fall das Entstehen der Metallklänge bei der
Herzbewegung als Symptom der Verwachsung der Peri¬
card i alb lätter zugleich mit straffer Adhäsion des äusseren
Pericards am Diaphragma an.
Seit dem Vorkommen dieses Falles habe ich 2 weitere
Beobachtungen von Metallklang der Herztöne (resp. Herz¬
geräusche) gemacht. Sind dieselben auch ohne Obduction und
ohne unzweifelhaftes Symptom der Pericardialverwachsung ge¬
blieben, so weist doch in beiden eine Reihe von Gründen auf
die Wahrscheinlichkeit einer Synechie hin, so dass ich mich für
berechtigt halte, in diesen beiden Fällen eine Bestätigung für
meine Deutung jenes ersten zu sehen.
Der eine Fall betraf einen 27jähr. Schneider, 0. W., der
am 8. Decbr. 1877 in das Städt. Allgem. Krankenhaus aufge-
1) Ueber einige physicalisch-diagnostische Phänomene. Deutsches
Arch. f. klin. Med. Bd. 21. Heft 2 u. 3.
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No, 51
nommen wurde. Er wollte vor etwa 4 Jahren eine kurz dauernde
acute Krankheit, deren Hauptsymptom Herzklopfen war, über¬
standen haben, dann im ganzen gesund gewesen sein bis zum
September 1877, wo das Herzklopfen, allmälig stärker werdend,
wieder eintrat und bald eine dauernde Beschäftigung unmöglich
machte, da es schon nach leichtester Anstrengung sich zu starken
Paroxysmen steigerte. — Bei der Untersuchung des Thorax er¬
gaben sich die Lungen normal, der Spitzenstoss auffallend weit
medianwärts liegend, nämlich im 4. und 5. Intercostalraum über
2 Ctm. nach innen von der Mammillarlinie, die relative Herz¬
dämpfung ebenfalls erst hier beginnend, nach rechts ein wenig
über den rechten Sternalrand reichend. Einziehung der Herz¬
spitze war nicht vorhanden. Bei der Auscultation hörte man
an der Herzspitze und deren Umgebung, namentlich nach der
Medianlinie und nach unten zu, den ersten Ton von einem
deutlichen musikalischen Metallklang begleitet, der
jedoch nicht bei allen Contractionen gleich deutlich war, viel¬
mehr öfters fehlte. In letzterem Falle war ein ganz leichtes
hauchendes Geräusch neben dem ersten Ton hörbar. Der dia¬
stolische Ton war frei. Bei aufrechter Haltung des Patienten
wurde das metallische Klingen constanter und intensiver, als
in der Rückenlage; bei aufgeregter Herzaction (nach wieder¬
holtem Auf- und Niederbewegen des Körpers) nahm es an Deut¬
lichkeit sehr zu. Dagegen hatte rechte wie linke Seitenlage
auf das Phänomen keinen Einfluss. Bei den Seitenlagen fiel
nebenbei auf, dass der Herzstoss wie auch die Grenzen
der Herzdämpfung sich nicht verrückten. Die Respira¬
tionsbewegungen beeinflussten den Befund ebenfalls nicht wesent¬
lich. — Ah den übrigen Herzostien waren die Töne rein, nicht
metallisch klingend, der 2. Pulmonalton leicht accentuirt. An
den Halsgefässen war nichts auffallendes zu finden, der Radial¬
puls von mittlerer Spannung, bisweilen etwas aussetzend. Die
übrigen Organe zeigten nichts abnormes, der Magen keine nach¬
weisbare Ectasie.
Die geschilderten Erscheinungen blieben in den nächsten
8 Tagen ziemlich constant. Der Metallklang des systolischen
Ventrikeltones machte ganz den Eindruck einer Magen-Con-
sonanz, was auch dadurch bewiesen wurde, dass er regel¬
mässig wenigstens mehrere Centimeter nach unten und
aussen von der Herzspitze noch laut zu vernehmen
war, während er nach oben die 4. Rippe nicht überschritt —
Um durch Aenderung des Mageninhaltes das Phänomen zu alte-
riren, wurde wiederholt versucht, den Magen theils durch ein¬
gegebene Brausemischung mit Kohlensäure, theils durch die
Magensonde mit Flüssigkeit zu füllen, doch ergaben diese Ver¬
suche, bei denen sich allerdings der Patient sehr ungeberdig
anstellte, kein deutliches Resultat. — Vom 18. Decbr. an nahm
das metallische Klingen schnell ab und war in der Folgezeit
nicht mehr deutlich hörbar. Das schwache Mitralgeräusch und
der leicht accentuirte 2. Pulmonalton blieben noch länger be¬
stehen, wurden aber sehr undeutlich. — Das subjective Befin¬
den des Kranken war anfangs ein ungünstiges, die Klagen über
Dyspnoe und Herzpalpitationen, die sich öfter zu beängstigen¬
den Paroxysmen steigerten, constant. Von Ende December an
besserten sich diese Beschwerden so, dass der Kranke am
15. Januar 1878 in ziemlich gutem Befinden entlassen wurde.
Es musste in diesem Falle eine ganz leichte Mitralinsuffi-
cienz angenommen werden. Doch erklärte diese allein das
Symptomenbild und die anfangs so starken Beschwerden nicht.
Schon letztere, besonders die hartnäckigen Herzpalpitationeu
wiesen auf das Bestehen einer anderweitigen Herzaffection, und
zwar beim Mangel prägnanter Symptome am wahrscheinlichsten
einer Pericardial-Synechi e hin; und diese Wahrscheinlich¬
keit wird gestützt durch die Anamnese, welche eine vor Jahren
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23. December 1878.
BERLINER KT,INISCHE WOCHENSCHRIFT.
753
Überstundene, einer Pericarditis gleichende Krankheit er¬
wähnt; ferner durch die abnorm medianwärts verschobene
Stelle des Herzchocs und den Mangel der Herzverschie¬
bung bei Seitenlage, welche Symptome durch die Annahme
einer Herzbeutelverwachsung mit straffer Fixirung des äusseren
Pericard’s am Diaphragma (wie im ersten Falle) gut erklärt
werden. — Es liegt somit nahe, anzunehmen, dass auch hier
der Metallklang des systolischen Herztones durch eine Verwach¬
sung, die Herzwand und Magenwand in möglichst
nahe Berührung brachte, im Entstehen begünstigt wurde.
Aehnlich verhielt sich der 3. Fall, der einen 22jähr. Weber,
R. R., betraf, welcher am 3. Januar 1878 in das Städt. Allg.
Krankenhaus kam. Derselbe hatte im Jahre 1870 einen acuten
Gelenkrheumatismus überstanden; 1874 stellten sich Herzklopfen
und Kurzathmigkeit ein, die sich allmälig besserten, aber zu
Ende des Jahres 1877 unter rheumatoiden Beschwerden und
Oedemen des Gesichts und der Unterschenkel wieder verschlim¬
merten. Er trug die ausgesprochenen Zeichen einer Mitralin-
sufficienz: Statt des 1. linken Ventrikeltones bestand ein lang¬
gezogenes Geräusch, das in den ersten Tagen einen scharf bla¬
senden Character trug; der 2. Pulmonalton war stark klappend;
die Herzdämpfung reichte von der linken Mammillarlinie bis
1 Ctm. über den rechten Stemalrand hinaus; der Herzchoc war
diffus, am stärksten in der Mammillarlinie des 5. Intercostal-
raumes; der Puls mässig gespannt, beschleunigt, unregelmässig.
Am Abdomen keine Abnormitäten, auch keine besondere Ectasie
des Magens; Urin mit den Characteren des Stauungsurins, stark
eiweisshaltig.
Während die übrigen Herzsymptome bei der langen Beob¬
achtungsdauer im wesentlichen constant blieben, wechselte das
systolische Mitralgeräusch in eigenthümlicher Weise seinen Cha¬
rakter. Nach wenigen Tagen des Krankenhaus-Aufenthaltes
zeigte es nämlich einen auffallenden Metallklang, der zwar
nicht bei allen, aber doch bei vielen Herzcontractionen deutlich
war, während bei den dazwischen liegenden Systolen das scharf
blasende Geräusch bestehen blieb, auch der 2. Ton dauernd
normalen Klang behielt. Die Intensität und Constanz des Me¬
tallklanges wechselte nach den einzelnen Tagen sehr; nament¬
lich war derselbe bei aufgeregter Herzaction, z. B. nach starken
Bewegungen, deutlicher und häufiger als sonst. Die Körper¬
stellung schien keinen besonderen Einfluss auf das Phänomen
auszuüben. Dabei fiel auch hier auf, dass in den Seiten-
lagen die Percussionsgrenzen des Herzens sich gar nicht
änderten. — Der Ort, an welchem das metallische Geräusch
gehört wurde, war nicht auf die Stelle des Herzchoc’s beschränkt,
sondern zog sich längs des unteren Herzrandes medianwärts bis
in die Nähe des Sternum, sowie nach unten bis dicht an
den Nabel hin, während nach oben der Metallklang in kurzer
Entfernung von der Herzspitze verschwand. Schon diese Aus¬
dehnung des Klanges wies auf seine Entstehung durch Magen -
consonanz hin; ausserdem stimmte auch hier die musikalische
Tonhöhe mit der des percutorisehen Magentones. Der Versuch,
durch Kohlensäure-Auftreibung des Magens den Metallklang zu
verstärken oder zu alteriren, wurde auch hier einige Male ohne
deutlichen Erfolg gemacht. — Die Respiration hatte anfangs
auf die auscultatorischen Herzerscheinungen keinen Einfluss;
später bildete sich das eigenthümliche Verhältniss heraus, dass
an der Stelle des Herzchoc’s der metallische Klang des
systolischen Geräusches auf der Höhe der Inspiration undeut¬
lich wurde, resp. sich ganz verlor, um bei der Exspiration
und in der Athempause in alter Deutlichkeit wiederzukehren;
dass dagegen an einem etwa 7 Ctm. medianwärts ge¬
legenen Punkte gerade umgekehrt der Metallklang während
der Inspiration am lautesten war, während der Exspiration
fast ganz verschwand. — Einen eigenthümlichen Wechsel der
Erscheinungen bot im Laufe der Beobachtung endlich auch der
Puls: Während derselbe anfangs einfach unregelmässig war,
zeigte er späterhin vorübergehend den deutlichen Character des
Pulsus alternans, noch später (im Juni) mit zunehmender
Deutlichkeit das Symptom des Pulsus paradoxus, so dass
bei jeder tieferen Inspiration der periphere Puls (am deutlich¬
sten an der rechten Radialis) sofort klein wurde, oft ganz ver¬
schwand. — Die subjective Besserung des Patienten, namentlich
die Abnahme der Dyspnoe ging dabei langsam von statten, so
dass Anfangs Juli die Entlassung erfolgen konnte, Das metal¬
lische Geräusch verlor mit Zunahme der Besserung an Constanz,
so dass es schliesslich oft eine Reihe von Tagen nicht gehört
wurde; doch tauchte es bis zuletzt ab und zu bei einzelnen
Herzschlägen auf.
Es bestand also hier eine lange Zeit hindurch ziemlich con¬
stant ein im Magen metallisch resonirendes, durch Mitral-
insufficienz bedingtes systolisches Herzgeräusch. Dass
ausser dem endocardialen Process eine Pericardialverwachsung
vorhanden war, ist zwar auch in diesem Fall nicht bestimmt
zu beweisen, da zuverlässigere Symptome (wie systolische Ein¬
ziehung oder diastolisches Abschwellen der Halsvenen) wie im
vorigen Falle fehlten; doch spricht auch hier für diesen Zu¬
stand eine Anzahl von Punkten: Zunächst liegt in dem über¬
standenen Gelenkrheumatismus auch für eine Pericarditis
eine genügende Aetiologie vor. Ferner verschoben sich auch
hier die Herzgrenzen in den Seitenlagen nicht. Auch das
eigenthümliche Phänomen, dass das Metallgeräusch an ver¬
schiedenen Stellen des unteren Herzrandes durch In- nnd
Exspiration gegentheilig beeinflusst wurde, lässt sich wohl
am besten durch eine abnorme Fixirung des Herzens am
Diaphragma erklären, welche je nach Hochstand oder Tief¬
stand des Zwerchfelles entweder die Herzspitze oder eine mehr
medianwärts gelegene Stelle des unteren Herzrandes dem Zwerch¬
fell und somit auch dem Magen am dichtesten anliegen Hess.
Endlich sind es auch die in diesem Falle beobachteten Puls¬
phänomene, welche die Wahrscheinlichkeit der Herzbeutel¬
synechie vermehren: Denn wenn auch dem vorübergehend
beobachteten alternirenden Puls nach neuen Erfahrungen keine
tiefere diagnostische Bedeutung zugelegt werden kann, so ist
doch ein so prägnanter paradoxer Puls, wie er hier durch
eine Reihe von Wochen in zunehmender Stärke vorhanden war,
bisher fast nur bei Mediastinitis oder Pericarditis, z. Th.
gerade bei Pericardialverwachsung beobachtet worden.
Fassen wir die beschriebenen 3 Fälle kurz zusammen, so
haben wir somit in allen die Erscheinung einer offenbar im
Magen stattfindenden metallischen Resonanz Yon Herz¬
tönen oder Herzgeräuschen und gleichzeitig einer entweder
constatirten oder wenigstens mit Wahrscheinlichkeit zu vermuthen-
den Verwachsung der Pericardialblätter mit fester
Fixirung des äusseren Pericard’s am Diaphragma.
Das begünstigende Moment, welches diese Verwachsung für die
Entstehung der Resonanz herbeiführt, liegt, wie oben angedeutet,
meiner Meinung nach in der möglichst innigen Annäherung
zwischen Herz- r.nd Magenwand. Dass trotzdem das
Phänomen in den Fällen inconstant, z. B. bei dem ersten Falle
nur kurz vor dem Tode hörbar war, spricht nicht gegen die
Erklärung und kann bei der Complicirtheit der für das Zu¬
standekommen solcher Consonanz nöthigen Bedingungen, die
ebenfalls oben schon erwähnt und auch von Leichteustern
(1. c.) besonders betont ist, nicht Wunder nehmen. So wurde
in dem ersten Falle ausser durch die Pericardialverwachsung
auch durch die vor dem Tode eintretende Magenectasie und
die bestehende Herzhypertrophie die Entstehung des Metall-
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754
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 51
klanges begünstigt und dadurch in einer Stärke erzeugt, die
das Phänomen auf weitere Entfernung hörbar machte, ein
Umstand, der in den anderen Fällen fehlte. — Dass aber die
übermässige Ausdehnung des Magens nicht zur Entstehung der
Erscheinung erforderlich ist, zeigen eben letztere beiden Fälle,
bei denen überhaupt keine Magenectasie nachweisbar war,
übrigens auch durch künstliche Aufblähung des Magens das
Symptom nicht verstärkt oder erzeugt werden konnte. — Weiter
zeigen diese beiden Fälle, dass sehr gut der erste Herzton
oder ein systolisches Geräusch metallisch klingen kann,
ohne dass der diastolische Ton gleichen Character zeigt, und es
kann dieser Umstand der Erklärung keine Schwierigkeit bieten,
wenn man ausser anderem den vom Diaphragma und Magen
weiter entfernten Entstehungsort des 2. Herztones ins Auge fasst
Wie leicht unter Umständen die scheinbar günstigsten Be¬
dingungen für eine Resonanz der Herztöne bestehen können,
ohne dass eine solche zur Erscheinung kommt, dafür waren
mir 2 Fälle von Phthisikern instructiv, die ich beinahe gleich¬
zeitig mit dem 1. Falle zu beobachten Gelegenheit hatte: bei
beiden fand sich in der Obduction eine etwa hühnereigrosse,
sehr regelmässig gestaltete und ausgeglättete Caverne der linken
Lunge, welche dem vorderen Rande derselben so nahe lag, dass
nur eine dünne Schicht sie vom Pericard trennte; die eine nahm
überdies mit ihrem unteren Theile die über das Herz gelagerte
Lingula ein; ausserdem fixirten Adhäsionen in beiden Fällen
Pleura und Pericard; trotzdem war hei längerer Beobachtung
in keinem von beiden Fällen auch nur ein Mal Metallklang am
Herzen gehört worden.
Es darf also in einschlägigen Fällen keine Constanzdes
Symptomes erwartet werden, und auch eine einzige oder nur
selten wiederholte Beobachtung von Metallklang eines Herz¬
tones oder Herzgeräusches kann nach den vorliegenden Erfah¬
rungen, besonders wenn schon andere Symptome auf die Mög¬
lichkeit einer Herzbeutelverwachsung hinweisen, für die Diagnose
einer solchen verwerthet werden. Ich brauche kaum zu erwähnen,
dass selbstverständlich abnorme, in der Umgebung des Herzens
befindliche Höhlen, wie Lungencavernen, Pneumothorax und
Pneumopericard auszuschliessen sein müssen.
Wie tiefe diagnostische Bedeutung das Symptom hat, hängt
von der relativen Häufigkeit seines Vorkommens ab, und der
Zweck dieser Mitteilung ist daher, zur weiteren Beachtung
des etwaigen Zusammentreffens von metallischen Herz¬
klängen mit Herzbeutelverwachsunng aufzufordern.
II. Znr Behandlung der Empyeme.
Von
Dr- W. Wagner (Stadt Königshütte).
Die glänzenden Erfolge, welche das Lister’sche Verband-
verfahren in der Behandlung grosser Abscesse, in specie der
grossen Gelenke aufzuweisen hat, legen es wohl jedem Chir¬
urgen nahe, auch die Empyeme nach denselben, oder wenigstens
ähnlichen Grundsätzen zu behandeln.
Ich glaube deshalb, dass dies jetzt schon in einer grossen
Anzahl von Fällen geschehen ist, jedoch ohne dass dieselben
zur Veröffentlichung gelangten, wenigstens sind bis jetzt nur
vereinzelte Mittheilungen (namentlich von König in dieser
Wochenschrift) in den Zeitschriften zu finden.
Drei Fälle von Empyem bei Erwachsenen, sowie ein vierter
bei einem Kinde, welche ich in letzter Keit mit günstigem Er¬
folge operirte, und bei denen ich den Listerverband anwandte,
dürften deshalb, zumal sie auch im übrigen noch manches in¬
teressante bieten, der Beschreibung werth sein.
Fall 1 betrifft einen 27jährigen Coaksarbeiter, der am
22. Juni 1877 in das hiesige Knappschaftslazareth aufgenommen
wurde.
Früher, abgesehen von häufigem Herzklopfen, stets gesund,
war er am Tage vorher mit Hitze und Kopfweh erkrankt.
Der Status praesens ist folgender: Schlechte Ernährung,
schlaffe Musculatur. Auf der Haut des Rumpfes und der Ex¬
tremitäten grosse Mengen linsengrosser, blassrother Flecke.
Sensorium etwas benommen. In den Lungen kein Catarrh.
Herzdämpfung etwas verbreitert, Spitzenstoss 1,5 Ctm. ausser¬
halb der Mammillarlinie weit ausgedehnt sicht- und fühlbar. An
der Mitralis bei verstärktem ersten Ton ein systolisches Ge¬
räusch. Puls leicht dicrotisch, regelmässig 92. Temp. 40,5,
Milz 15,0, 10,0 Ctm. Leber nicht vergrössert. Unterleib auf
Druck nicht empfindlich. Zunge sehr trocken, wenig belegt,
Stuhl angehalten, Urin eiweissfrei. Diagnose: Flecktyphus, Mi-
tralisinsufficienz älteren Datums. Bis zum 10. Tage war der
Verlauf der Krankheit ein normaler, da trat in der Nacht ein
Schüttelfrost mit Seitenstechen auf. Die am folgenden Morgen
vorgenommene Untersuchung der Lungen ergab Dämpfung von
der Mitte des rechten Schulterblattes nach abwärts. In den
oberen Partien ist lautes Bronchialathmen, in den untersten
abgeschwächtes unbestimmtes Athmen hörbar. In den oberen
Theilen der Achselhöhle Reibegeräusche. Fremitus oben ver¬
stärkt, unten schwächer. Sputum blutig. Temp. 41,0. Dia¬
gnose: Pneumonie mit starker Betheiligung der Pleura.
Während die Pneumonie am 7. Tage unter mässigem Fieber¬
abfall zur Resolution kam, blieb bei einer Temperatur von
38 — 39,5 eine Dämpfung in den unteren Partien der rechten
Brustseite bestehen, über der bei entferntem Bronchialathmen
der Fremitus beinahe vollständig verschwunden ist. Die Probe-
punctiou ergiebt gelbliche, seröse, leicht getrübte Flüssigkeit,
welche Eiterkörperchen in mässiger Menge enthält.
Bis zum 21. August, also 19 Tage nach dem Beginne der
Pneumonie war bei einer Temperatur von Morgens 38, Abend>
38,5 — 39 der Befund folgender geworden.
Pat. ist sehr herabgekommen, das Allgemeinbefinden und
der Kräftezustand ist ein so schlechter, dass er fast gauz im
Bette zubringt. Grosse Athemnoth, rechte Thoraxhälfte be¬
deutend mehr ausgedehnt als die linke (46 Ctm. gegen 41 Ctm.)
Die Intercostalräume stark vorgewölbt, leichtes Hautödem. Die
Dämpfung beginnt an der 3. Rippe vorn und geht so wagrecht
nach hinten. Athemgeräusch über der Spitze laut bronchial,
unten entfernt bronchial. Fremitus ganz aufgehoben. Herz
bedeutend nach links verdrängt, Spitzenstoss 5 Ctm. ausserhalb
der Mammillarlinie, Puls unregelmässig, etwa jeder fünfte Schlag
aussetzend, 92, Temp. 39. Die Probepunction ergiebt rein eitrige
Flüssigkeit.
Am folgenden Tage wurde nach vorheriger Reinigung des
Thorax zuerst in der vorderen Axillarlinie im 5. I C R unter
Spray ein ausgiebiger Einschnitt gemacht, dom die sofortige
massenhafte Entleerung von Eiter folgte, alsdann durch eine
Sonde handbreit von der Wirbelsäule der 8. I C R aufgesucht
und eine Gegenöffnung gemacht. Aus beiden Oeffnungen ent¬
leeren sich nahezu 5 Liter weisslichgelben, flüssigen Eiters.
Alsdann wird durch den Thoraxraum eine Drainröhre von Klein¬
fingerdicke durchgezogen und durch Einstich von Carlsbader
Nadeln befestigt. Jetzt wird die Brusthöhle mit etwa vier Litern
3% Carbollösung durchgespült, die Drains mitKrüllgaze bedeckt,
und darüber ein Listerverband mit Wattepolstern gelegt. In
den ersten 24 Stunden muss der Verband, da sich noch grössere
Mengen Eiter entleeren, dreimal erneuert werden. Temp. 38.
Puls vollkommen regelmässig 96. Von da ab wird der Verband
täglich einmal gewechselt und dabei 1 Liter 2% Carbollösung
durchlaufen lassen.
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23. December 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
755
Die Secretion ist schon am 4. Tage beinahe serös, die
Carboilösung fliesst klar ab.
Nach acht Tagen werden die Ausspülungen unterlassen,
und der durchgezogene Drain mit 2 kleinen vertauscht. Die Se¬
cretion ist jetzt so unbedeutend, dass der Verband nur jeden
2. bis 3. Tag gewechselt zu werden braucht. Fieber ist absolut
nicht vorhanden.
Am 2. October, also 40 Tage nach der Operation, wurden,
nachdem schon 14 Tage lang kein Secret mehr ausfloss, die
Drains entfernt.
Drei Tage nachher ist der Befund folgender, nachdem in
dieser Zeit beide Wunden vollständig verheilt waren.
Allgemeinbefinden sehr gut, Ernährung besser als bei der
Aufnahme. Beide Thoraxhälften haben denselben Umfang, die
rechte bleibt noch leicht zurück. Athemgeräusch überall gleich
vesiculär, nur in den untersten Partien der Achselhöhle noch
etwa? abgeschwächt, ebenso der Fremitus. Der Spitzenstoss
des Herzens ist jetzt 2 Ctm. ausserhalb der Mammillarlinie, sonst
Befund wie eingangs.
Acht Tage später kehrt Pat. zu seiner Arbeit zurück und
ist gesund geblieben.
Fall 2. C. S., 36jähriger Arbeiter wurde am 17. October
1877 in das hiesige Knappschaftslazareth aufgenommen Er
will früher stets gesund gewesen sein.
Vor 12 Tagen erkrankte er zu Hause mit Hitze, Kopfweh
und Seitenstechen, mässigem Husten und schleimigem, weissem
Auswurf. Ein von einem Schäfer verordnetes Pflaster besserte
den Zustand nicht, so dass Pat. Hülfe im Lazareth suchte.
Von subjectiven Beschwerden ist Kopfweh, Seitenstechen
links, sowie Athemnoth zu erwähnen. Pat. ist von kräftigem
Knochen- und Körperbau. Sensorium leicht benommen. Die
Athemfrequenz 36 — 40. Die linke Thoraxhälfte bleibt beim
Athmen zurück.
Von der 5. Rippe in der linken Mammillargegend nach ab¬
wärts und wagerecht nach hinten befindet sich absolute Dämpfung,
über der kein Fremitus fühlbar. Athemgeräusch oberhalb der
Dämpfung laut bronchial, nach unten kaum hörbar, unbestimmt.
Die Probepunction ergiebt eine beinahe rein weisse, viel Eiter¬
körperchen haltende Flüssigkeit. Ueber der rechten Thorax¬
seite nichts besonderes. Herz stark nach rechts verdrängt, so
dass der Spitzenstoss im 5. I 0 R nahe am Sternum sich be¬
findet. Temp. Morgens 38,8, Abends 40,2, Puls 120, voll, etwas
hart. Diagnose: Empyem, welches sich, wie es scheint, ohne
vorhergegangene andere Krankheit sehr raseh entwickelt hat.
Es wird schon am folgenden Tage zur Operation in der¬
selben Weise wie bei Fall 1 geschritten, und damit 1800 Qrm.
Eiter ohne specifischen Geruch entleert, mit 3*/ 0 Carbollösung
ausgespült und wie oben verbunden.
In den ersten 2 Tagen muste 3 resp. 4 mal der Verband
erneuert werden, da sich massenhaft blutig seröser Eiter ohne
jede Spur von Geruch entleerte. Dabei wurde jedoch täglich
nur einmal ausgespült. Die Temperatur war am 2. Tage Abends
38,2, Puls 94. Acht Tage lang wurde ausgespült, alsdann die
durchgezogene Drainröhre entfernt, und mit zwei Stücken ver¬
tauscht. Die Untersuchung der linken Lunge ergiebt mässig
vollen Percussionsschall bis unten hin, mit schwach vesiculärem
Athmen und deutlich fühlbarem Fremitus. Die linke Thorax¬
hälfte hebt sich beinahe vollkommen gut. Die Secretion ist
sehr unbedeutend, serös. Temp. normal, Allgemeinbefinden gut.
Am 18. November, also am 31. Tage nach der Operation
werden, da schon seit über acht Tagen keine Secretion mehr
vorhanden, die Drains entfernt Die Wunden schliessen sich in
2 Tagen. Einige Tage später wölbte sich die hintere Narbe etwas
vor, und entleert sich bei Einstich ca. ein Esslöffel synovia-
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ähnlicher Flüssigkeit. Von da ab schliesst sich die Wunde
dauernd, und wird Pat. am 30. November geheilt entlassen.
Die beiden Thoraxhälften zeigen kaum irgend welche Differenz,
nur ist links unten Schall, Fremitus und Athemgeräusch kaum
merklich abgeschwächt. Pat. geht in die Arbeit und ist voll¬
kommen gesund geblieben.
Fall 3. C. H., 44 J., Gastwirth, war am 10. November
1877 mit Schüttelfrost, Seitenstechen, blutigem Auswurf erkrankt.
Gleichzeitig war vom Tage der Erkrankung an ein sehr starker
Kräfteverfall eingetreten. Am 5. Tage wurde ich consultativ
zugezogen und fand folgendes:
Pat. ist sehr matt, klagt Kopfweh und Seitenstechen, Puls
130, klein. Temp. 40 — 40,5. Die Untersuchung des Thorax
ergiebt links von der Spina scapulae ab Dämpfung bis in die
Achselhöhle hinunter. In letzterer etwas Reiben zu hören. Das
Athmungsgeräusch ist über der ganzen gedämpften Seite etwas
abgeschwächt, ebenso der Fremitus, der jedoch nirgends ganz
fehlt. Nur an der Spitze der Scapula hört man lautes Bronchial-
athmen. Sputum blutig. In der rechten Lunge am Herzen und
in den übrigen Organen nichts besonderes.
Diagnose: Pneumonie mit Pleuritis.
Es wurden dem Pat. kalte Bäder, Wein und als stärkeres
Excitans subcutane Injectionen ganzer Spritzen Campher und
Aether ana verordnet.
Am 9. Tage der Krankheit fiel die Temperatur etwas ab
(Abends 39,2), der Auswurf wurde gelblich, der Kräftezustand
hob sich. In der linken Lunge ist der Zustand wenig verändert,
nur ist an der Spitze der Scapula bei unbestimmtem Athmen
deutliches Crepitiren hörbar. Die Dämpfung besteht fort. Von
jetzt ab hat Pat. meist Morgentemperaturen von 38 — 38,6,
Abends 39 — 39,8. Puls 100—112. Allgemeinbefinden etwas
besser. In den Lungen ist der Zustand am 18. November fol¬
gender. Es besteht links eine aus den obersten Partien der
Achselhöhle wagerecht nach hinten und vorn hinziehende
Dämpfung, über der ganz abgeschwächtes Vesiculärathmen zu
hören und beinahe kein Fremitus zu fühlen ist.
Die Lage des Herzens scheint wenig verändert, wenigstans
ist der Spitzenstoss 2 Ctm. innerhalb der Mammillarlinie zu fühlen.
Die Diagnose eines pleuritischen Exsudats war klar, doch
dachte ich weniger an eitriges als an ein seröses.
Die Probepunction mit der Pravaz’schen Spritze wurde
erst am 24., bis zu welchem Tage der Zustand unverändert ge¬
blieben war, gemacht. Sie ergab rein eitrige, beinahe völlig
weisse Flüssigkeit.
Am folgenden Tage wurde zur Operation geschritten. Zu¬
erst wurde im 6. I C R in der Mitte der Achselgegend ein aus¬
giebiger Einschnitt gemacht, aus dem sich jedoch nur ca. 150 Ccm.
Eiter entleerten. Die Dämpfung in den hinteren Partien blieb
bestehen. Eine eingeführte Sonde stiess etwa in der hinteren
Axillarlinie auf ein elastisches Hinderniss.
In der Ueberzeugung, dass der Empyemsack ausserordentlich
viel mehr Eiter enthalten müsste, und dass wir es wohl mit
einem durch pleuritische Schwarten in zwei Hälften getheilten
Exsudate zu thun hätten, wurde im 8. ICR handbreit von der
Wirbelsäule ein zweiter Einschnitt gemacht, aus dem sich dann
ca. 1000 Grm. Eiter entleerten, gleichzeitig mit demselbem be¬
sonders beim Husten grosse Mengen weissgelber, weicher, fibri¬
nöser Massen.
Sodann wurden beide Höhlen mit 3% Carbollösung aus¬
gespült. Sie zeigten auch beim Ausspülen keine Communication.
In beide Wunden wurden Drains der dicksten Sorte und von
6 Cm. Länge eingelegt und befestigt 1 ).
1) ln den ersten paar Tagen befestigt man der Sicherheit halber
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No 51
In der folgenden Nacht trat ein bedrohlicher Collaps auf,
der durch Campher- und Aetherinjectionen beseitigt wurde-
Den Grund desselben zeigte der während der Nacht entleerte
Garbolurin.
In den nächsten Tagen wurde deshalb täglich nur mit
1 % Lösung ausgespült.
Die Secretion war dabei mässig und serös-eitrig.. Nach
acht Tagen wurden die Ausspülungen ausgesetzt und nur die
Drains noch eingeführt.
Die Temperatur war bis dahin nahezu normal geworden |
(Abends 37,8), das Allgemeinbefinden, der Appetit besser. Die
Secretion der vorderen Wunde war nach 14 Tagen gleich Null,
die der hinteren sehr mässig. Nach Weglassen des vorderen
Drains heilte die Wunde in einigen Tagen definitiv zu.
Beim Wiedereinführen des hinteren Drains stellten sich jetzt
auf einmal eigenthümliche Collapszufälle ein: dem Pat. wurde
es schwindlich, schwarz vor den Augen, der Puls blieb aus,
das Bewusstsein schwand für einige Minuten, bis er sich dann j
nach kurzer Zeit wieder erholte. j
Da sich diese Zufälle stets beim Einführen wiederholten, I
so entschloss ich mich, das Drain zu entfernen, zumal die Se¬
cretion rein serös, über der ganzen linken Seite der Schall, das
Athemgeräusch und derFremitus nur etwas abgeschwächt waren.
Die Wunde heilte zu, doch bekam der schon lange fieber- I
freie Pat. auf einmal wieder abendliche Temperaturen von 39. |
Nach acht Tagen platzte die Narbe wieder auf, 100 Grm. Eiter i
entleerend. Ich versuchte jetzt mit einem elastischen Catheter
in die Wunde einzugehen: sobald ich in die Brusthöhle kam, j
trat der oben erwähnte Collapsanfall auf, ebenso beim Ein- i
führen eines ganz dünnen Drain. Es blieb also nichts anderes j
übrig, als der Sache ihren Lauf zu lassen. Der Vorsorge halber
wurde jedoch ein Carboijuteverband angelegt, der erst gewech¬
selt wurde, wenn die geschlossene Wunde wieder Eiter ent¬
leerte. Dies geschah noch dreimal in Zwischenräumen von vier
bis zehn Tagen. Am 15. Januar schloss sich die Wunde jedoch
definitiv. Die einige Wochen später nochmals vorgenommene
physicalische Untersuchung ergab beinahe vollkommen gleiche
Ausdehnung beider Thoraxhälften, links ist in den unteren
Partien Schall, Athemgeräusch und Fremitus noch nachweisbar
abgeschwächt. Pat. ist noch etwas matt, im übrigen ist das
Allgemeinbefinden gut. Drei Monate später sah ich Pat. blühend
und gesund seinen gewohnten Geschäften wieder nachgehen.
Bekanntlich ist die Prognose der Empyeme bei Erwachsenen
im ganzen ungünstiger als bei Kindern. Es fällt uns deshalb
in allen drei Fällen die verhältnissmässigkurze Behandlungs¬
dauer, der nahezu fieberlose Verlauf und die vollstän¬
dige Restitutio in integrum auf.
Fall I bietet etwas bemerkenswerthes durch die Aetiolo-
gie, sowie durch die Complication mit einer Mitralinsufficienz.
Der aussetzende Puls, der sofort nach Entleerung des Exsu¬
dates regelmässig wurde, lässt sich wohl durch Annahme eines
directen Drucks des Exsudates auf die Herznervenendigungen
leicht erklären.
Fall 2 ist ätiologisch wohl als acut entstandenes Empyem
ohne vorausgegangene andere Erkrankung aufzufassen, der sonst
nichts besonderes bietet.
Interessanter ist Fall 3, erstens durch die innerhalb der
Thoraxhöhle entstandene Scheidewand von Pseudomembranen.
Soweit mir die Literatur bekannt, finde ich keinen ähnlichen
Fall verzeichnet. Es mögen ja : wol sehr häufig solche Ver¬
die Drains am besten durch Einstechen von Carlsbader Nadeln, welche
auf beiden Seiten die Haut mitfassen. Der dadurch verursachte Schmerz
ist sehr unbedeutend.
wachsungen Vorkommen, aber selten wird wohl durch dieselben
die vollständige Abscheidung eines Empyemsackes in zwei
Höhlen zu Stande kommen, oder wenn letzteres selbst der Fall,
bei Entleerung der einen Höhle kaum die Scheidewand so stark
sein, dass sie dem Drucke der gefüllten Höhle der entleerten
gegenüber widerstehen kann. Aehnliche Fälle wie dieser, können
zu Fehlern in der Diagnose und besonders der Therapie führen,
besonders wenn man die grössere Höhle zuerst ansticht. Für
mich war in diesem Falle kein Irrthum möglich, weil die Däm¬
pfung hinten, nach Entleerung der geringen Eitermassen fort-
bestand und die Probepunction hier Eiter nachgewiesen hatte.
Der Widerstand gegen die eingeführte Sonde, die allerdings
gewöhnlich in den Empyemsäcken keinen Widerstand findet,
war von geringem diagnostischen Werth, da derselbe auch durch
die hinten fixirte Lunge bedingt sein konnte.
Hätte ich die grössere, also in diesem Falle die hintere
Höhle zuerst eröffnet, und wäre ich nicht gewohnt gewesen,
zwei Schnitte anzulegen, so würde ich sicherlich die unverhält-
nissmässig viel kleinere vordere Höhle uneröffnet gelassen haben.
Ob dies von besonders schlimmen Folgen begleitet gewesen
wäre, bezweifle ich, da der zweite Abscess wohl doch über kurz
oder lang durch die Pseudomembranen durchgebrochen wäre,
doch hängt dies dann doch immer noch von der Stärke der
Schwarten ab. In zweifelhaften ähnlichen Fällen kann immer
die Probepunction an einer etwas hohen Stelle wohl den sicher¬
sten Aufschluss geben.
Auf die nur geringe Eiteransammlung in der vorderen Höhle
ist dann auch die auffallende Thatsache zurückzuführen, dass
das Herz nicht verdrängt war.
Sehr unangenehm waren ferner die eigenthümlichen Collaps¬
zufälle, deren Ursache wohl in Reflexen von Seiten des Vagus
zu suchen ist. Jedenfalls verzögerten dieselben die Heilung um
mehrere Wochen.
Wenn ich auch in diesen drei Fällen mich, was Verband,
Desinfection etc. anlangt, vollständig an Lister gehalten hatte,
so wich ich doch in einem wesentlichen Punkte davon ab, und
zwar darin, dass ich mich nicht mit einer einmaligen Aus¬
spülung begnügte, sondern acht Tage lang ausspülte.
Ich ging dabei von dem Gedanken aus, dass die Lunge
eine Zeit lang braucht, um wieder völlig die Abscesshöhle
auszufüllen, und man dieses „Zusammenklappen“ der Abscess-
wände nicht wie z. B. bei den grösseren Gelenken durch Com-
pression befördern kann, ferner dass die Abflussverhältnisse
hier nicht so günstig sind wie bei anderen Abscesshöhlen, und
dass man deshalb stagnirende Eiterreste von neuem durch Aus¬
spülen entfernen müsse. Dazu kam noch das ermunternde Re¬
sultat des ersten Falles.
Eine Bemerkung König’s *) auf dem diesjährigen Chirurgen-
congress, dass er einen Empy^mfall in sehr kurzer Zeit unter
Lister mit einmaliger Ausspülung geheilt habe, veranlasste
mich, den nächsten Fall ebenfalls auf solche Weise zu behan¬
deln. Die Gelegenheit hierzu fand sich bald.
Ein Kind von 5 Jahren war vor ca. 6 Wochen fieberhaft,
angeblich an einer Pneumonie erkrankt. Von da an fieberte es,
war appetitlos und magerte fortwährend ab.
Bei dem sehr schlecht genährten Kinde fällt auf den ersten
Blick die starke Vorwölbung der linken Thoraxhälfte auf, welche
beim Athmen sich nicht mitbewegt.
Die physicalische Untersuchung sowie die Probepunction
ergaben ein Empyem, welches bis zur spina scapulae reicht,
1) Diese Arbeit war schon abgeschlossen, als König’s Arbeit in
No. 25 dies. Wochensrhr. erschien, nur war ich genöthigt, dieselbe wegen
einer mehrmonatlichen Reise liegen zu lassen.
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
757
23. Decembcr 1878.
das Herz stark nach rechts verdrängt; der Eiter ist beinahe
rein weiss, von mittlerer Consistenz. Temp. 39,5 Mitt., Puls 128.
Durch einen Schnitt im 8. Intercostalraum, 2 Finger breit
von der Wirbelsäule, werden ca. 500 Gramm Eiter von indiffe¬
rentem Gerüche entleert. Darauf wird mit einer 2 % ig en Carbol-
lösung so lange ausgespült, bis dieselbe klar abfliesst, ein dickes
Drain eingelegt und befestigt. Die in Aussicht genommene
primäre Kesection eines Stückchen Rippe konnte ich unterlassen
da ohne dies ein Drain der dicksten Sorte eingeführt werden
konnte. Darüber Listerverband mit Wattestreifen. Da das Kind
nicht im Krankenhause bleibt, sondern nur täglich einmal dahin
gebracht werden kann, so wurden darüber noch mehre Lagen
Carboljute befestigt. Am anderen Tage ist kein Secret bis
durch die Jute durchgedrungen; doch wird der Verband ge¬
wechselt und zeigt nur mässige Mengen dünnen, weisslich ge¬
färbten Serums. Temp. 38,0. Am folgenden Tage ist die
Secretion noch geringer, so dass der nächste Verband 2 Tage
liegen kann, ohne dass mehr als einige Gramm dünner Flüssig¬
keit darin zu finden sind. Der 4. Verband lag 4 Tage, ohne
dass mehr als ein etwa thalergrosser Fleck in den inneren
Verbandtheilen sichtbar war. Die Drainröhre war, jedenfalls
durch die Unruhe des Kindes, welches in dieser Zeit schon
herumlief und spielte, herausgefallen und die Wunde völlig
geschlossen. Die physicalische Untersuchung ergab schon bei¬
nahe völlige Wiederausdehmingsfähigkeit der Lunge, soweit
nachzuweisen, keine »Spur von Exudat mehr.
Der Vorsorge halber legte ich noch einen Carboijuteverband
über, der am 13. Tage nach der Operation entfernt wurde: die
Wunde blieb definitiv geschlossen, das Kind ist fieberfrei, sein
Appetit, sein Allgemeinbefinden ausgezeichnet.
Von diesem Resultate, der definitiven Heilung eines
Empyems in 9 Tagen, war ich denn doch mehr als über¬
rascht. Wenn der Zufall es nicht gethan, ich selbst hätte nicht
gewagt, die Drainröhre schon zu entfernen.
Zu berücksichtigen bleibt immerhin, dass wir es hier mit
einem Kinde zu thun hatten, dessen Lunge wol in viel kürzerer
Zeit den leer gewordenen Brustraum wieder völlig ausfüllt, als
die des Erwachsenen.
So gering die Anzahl der von mir im Laufe des letzten
Jahres behandelten Empyemfälle auch ist, so glaube ich doch
zu ihrer Veröffentlichung berechtigt zu sein, da ausser einer
Arbeit von Baum jun. und der genannten von König bis jetzt,
so viel mir bekannt, über die Anwendung des Lister’schen Ver¬
fahrens bei Empyemen nichts veröffentlicht ist.
Die Grundsätze, die wir nun nach diesen allerdings gerin¬
gen Erfahrungen aufstellen könnten, und von denen ich mich
in ferner vorkommenden Fällen leiten lassen würde, wären
etwa iolgende:
Sofortige ausgiebige Oeffnung, sobald die Dia¬
gnose eines eitrigen Exsudates sicher steht, und zwar
an der tiefsten Stelle (im 8. I.C.R. nahe der Wirbelsäule).
In Fällen wie 3 wäre natürlich ein Doppelschnitt nöthig.
Ausspülen mit 2—3%iger Carbollösung, bis die¬
selbe völlig klar abfliesst.
Einlegen und sorgfältig^ Befestigung eines dicken
Drains 1 ). Sind die Rippen zuweit aneinander gerückt, so¬
fortige Resection mit Erhaltung des Periosts. Nach Ueber-
decken des Drains mit Krullgaze Listerverband, der die
ganze Thoraxhälfte umfasst und rings umsäumt ist mit
1) Ob hierzu eine „ganz besonders zu diesem Zweck“ erfundene
Canüle oder ein einfaches Gummirohr benutzt wird, halte ich für voll¬
kommen gleichgültig, ebenso wie (ich das Messer auch für das beste
„Thoracotom“ halte.
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Salicylsäurewattestreifeu, darüber, besonders in den unteren
Partien, zumal in den ersten Tagen Carboljute.
Würde die Secretion in den ersten Tagen serös, so würde
ich eine nochmalige Ausspülung für unnöthig halten; bliebe sie
über 8 Tage eitrig oder würde gar putrid, dann würde ich
öftere Ausspülungen einer 2—3%igen Carbollösung anwenden,
von deren Unschädlichkeit ich vollkommen überzeugt bin.
Sobald die Secretion gleich Null wird, kann man getrost
die Drainröhre weglassen, muss jedoch der Vorsorge halber
auch nach geschlossener Wunde noch 8 Tage einen aseptischen
Verband tragen lassen, um bei möglichem Wiederaufbrechen der
Narbe die Thoraxhöhle vor der directen Berührung mit der
äusseren Luff zu schützen.
Die ganze Behandlung des Empyems lässt sich, glaube ich,
in ein paar Worte zusammenfassen:
Das Empyem ist ein Abscess und will als solcher
behandelt sein.
Nachschrift. Während des Druckes dieser Arbeit kam
mir noch folgender Fall von Empyem zur Behandlung.
Fünfjähriger Junge mit */* Jahre alter Empyemfistel im
rechten 6. I.C. R., etwas nach aussen von der Mammillarlinie,
spontan durchgebrochen.
! Thorax rechts etwas eingesunken, in der Achselhöhle Däm-
! pfung bis zur 5. Rippe, hinten bis zur spina scapulae, kein
Athemgeräusch, keiu Fremitus. Die Fistel, welche kaum für
eine dicke Sonde durchgängig, wird gespalten und ein 3 Ctm.
langes »Stück von der 7. Rippe resecirt. Man gelangt jetzt nach
hinten in eine Abscesshöhle, welche sich bis gegen den Angulus
hin erstreckt. Die hintere Dämpfung besteht jedoch fort.
Probepuuction — Eiter. Eröffnung im 8. I.C.R. Resection
eines Stückes der 9. Rippe. Entleerung von ca. 300 Gramm
Eiter. Es besteht kein Zusammenhang zwischen beiden Ab-
scessen. Behandlung wie in obigen Fällen.
Nach 6 Wochen Schluss der Fisteln. Lunge vollständig
ausdehnungsfähig, der Knabe blühend und gesuud — wurde am
8. November in der Versammlung „des ärztl. Vereins des ober-
schles. Industriebezirks" vorgestelll.
III. Zur utiseptischea Behandlung des Empyems der
Kinder.
Von
Dr. Ctoschel, pract. Arzt u. chir. Krankenhausarzt in Nürnberg.
Es ist in No. 25, Jahrgang 1878 dieses Blattes von Prof.
König ein Fall von Brustschnitt bei Empyem unter antisepti¬
scher Wundbehandlung beschrieben worden, welcher geeignet
ist, diese Behandlungsweise für die fragliche Operation eindring¬
lich zu empfehlen. Die im Monat März d. J. operirte kleine
Patientin genas rasch und vollständig, ohne von der sonst
nothwendig gewesenen Behandlung mit täglich mehrmals wieder¬
holten Ausspülungen belästigt worden zu sein. Prof. König
nennt diese Methode die einfache Consequenz dessen, was wir
Chirurgen jetzt bereits seit Jahren zur Behandlung anderweitiger
Höhleneiterungen thun, und vermuthet, dass andere Collegen
diese Behandlung gleichfalls schon geübt haben. Ich kann das
nur bestätigen, indem ich Ende April d. J. einen 1 Jahr alten
Knaben und in den folgenden Monaten wegen Empyem noch
3 Kinder im Alter von 3 und 4 Jahren mit vorzüglichem Erfolg
unter Lister’schen Cautelen und ohne Ausspülungen behandelte.
Ich veröffentliche diese Fälle im folgenden deshalb, weil in
letzter Zeit wieder einfache Paracentese bei empyemkranken
Kindern vor dem Brustschnitt der Vorzug gegeben wurde, und
auch aus anderen seitdem erschienenen Veröffentlichungen her-
2 *
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UNIVERSITf OF MICHIGAN
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 51
vorzugehen scheint, dass die Lister’sche Behandlung beim Brust¬
schnitt noch versäumt wird, und endlich aus einem Grunde,
welchem ich für die Kinderpraxis eine grosse Bedeutung zu¬
schreibe: es wurden meine 4 Fälle sämmtlich ohne jede des-
inficirende Ausspülung, auch ohne Ausspülung bei der
Operation selbst, in verhältnissmässig kurzer Zeit und mit
sehr günstigem Verlauf zur vollständigen Ausheilung gebracht,
Die Fälle sind folgende:
1. Hans Nieberlein, 1 Jahr alt, das erste Kind ganz ge¬
sunder Eltern, gestillt, hat im Alter von 7, Jahr eine rasch
günstig verlaufende lobäre Pneumonie durchgemacht, seitdem
gesund und normal entwickelt.
Am 25. März d. J. erkrankte der Knabe wiederholt an einer
Pneumonie des linken Unterlappens, welche anfangs ziemlich
leicht verlief, am Ende der ersten Woche zu einem kritischen
Temperaturabfall führte, an den sich auch die Erscheinungen
der Lösung der pneumonischen Infiltration anschlossen: im Lauf
der zweiten Woche jedoch begann das Kind weiter zu fiebern
und es liess sich bald ein pleuritisches Exsudat derselben Seite
nachweisen. Das Exsudat stieg langsam, aber stetig unter
massigem Fieber, das Kind tabescirte dabei sichtbar, Dyspnoe
zunächst gering, im weiteren Verlauf aber oft bedrohlich. Am
Ende der 3. Woche der Pleuritis war der ganze linke Brust¬
raum von Exsudat erfüllt, die Lunge ganz nach ihrer Wurzel
zurückgezogen, das Herz in die rechte Brust gedrängt, die
linke Thoraxhälftc enorm ausgedehnt, die Rippen weit ausein¬
andergedrängt. Es war nun der Zeitpunkt gekommen, wo es
dringende Pflicht geworden, die exspectative Behandlung mit
der operativen zu vertauschen, wozu auch die Eltern nach eini¬
gem Wtderstreben, da sie die Gefahr vor Augen sahen, ihre
Einwilligung gaben. Es wurde zunächst durch Function mit
der Pravaz’schen Spritze die eitrige Beschaffenheit des Exsu¬
dates festgestellt, dann nach vorheriger sorgfältiger Desinfection
des Operationsfeldes unter Carbolspray im 6. Intereostalraum
etwas hinter der Axillarlinie ein spitzes Bistouri eingesenkt
und die Wunde mit dem geknöpften Messer bis zu 3 Cmt. er¬
weitert. Das nicht Chloroformirte Kind schrie und hustete und
presste den massenhaften eitrigen Inhalt der Brusthöhle gemischt
mit Fibringerinnseln und Blutklumpen mit grosser Gewalt her¬
aus. Nachdem der eitrige-Ausfluss allmälig sistirte, wurden 3
etwa 5 Cmt. lange, gänsekieldicke Drains eingeführt und dann
mit Listergazecompressen, welche den ganzen Thorax umgaben
und Salicylwatte von ziemlicher Mächtigkeit und gleichfalls
rings um den Brustkorb verbunden. Das Kind athmete sofort
ruhig und zeigte nachdem der erste Schmerz überwunden, am
selben Abend noch sehr erfreuliche Euphorie. Das Fieber wich
staffelförmig bis zum 4. Tag, wo das Kind fieberfrei wurde.
Der 1. Verband lag 24 Stunden, der 2. schon 48 Stunden und
schon nach 14 Tagen konnte der Verband eine volle Woche
liegen bleiben, am Ende der 3. Woche wurde das noch liegende
letzte Drainrohr, welches auch schon gekürzt worden war und
bereits von den Granulationen durchwachsen wurde, vollends
entfernt, und nach weiteren 8 Tagen, im ganzen 4 Wochen
nach der Operation, war die Wunde tief eingezogen und ge¬
schlossen. Die Lunge hatte sich inzwischen vollständig wieder
ausgedehnt, das Herz schlug wieder an der normalen Stelle,
keine Deformität weder des Thorax noch der Wirbelsäule war
eiugetreten; der Ernährungszustand des Kleinen hatte sich
rapid gehoben. Das Kind ist bis heute gesund geblieben.
2. Schon am 14. Mai erhielt ich Gelegenheit, diese Opera¬
tion abermals auszuführen. Es handelte sich um ein 3 7* jäh¬
riges Mädchen H., Stationsmeistertöchterchen in Nürnberg.
Dasselbe früher immer gesund, Kind ganz gesunder Eltern,
erkrankte Ende Januar 1878 unter Husten und Fieber; der
hinzugerufene Arzt diagnosticirte croup. Pneumonie. Nach
14 Tagen sei das Kind wieder fieberfrei gewesen und nach
Verordnung eines kräftigenden Regimes zunächst aus der Be¬
handlung entlassen worden. Das Kind sei indess appetitlos
geblieben und abgemagert. Am 27. Februar wurde Herr
Dr. Stepp gerufen und constatirte: Abmagerung bedeutend,
welke Haut, Temperatur nur gegen Abend auf 38,5 ansteigend.
Linke Thoraxhälfte hinten bis zur Spina scapulae und vorne
bis zur 3. Rippe herauf absolute Dämpfung und aufgehobene
Respiration, oben verschärftes Athmen, linke Seite bleibt bei
der Inspiration gegen rechts bedeutend zurück. Diagnose
Pleuritis exsudativa. Im Laufe des März und April wurden
verschiedene Resorbentia und Diuretica, Bäder, feuchte Wicke¬
lungen versucht ohne jeden Erfolg. Das Kind tabescirte mehr
und mehr, fieberte wieder stärker. Am 1. Mai zeigten sich
! in der linken Parasternallinie im sechsten Intercostalraum
; eine fluctuirende Vorwölbung, und jetzt waren endlich die
j Eltern zu einem operativen Eingriff zu bewegen. Von Herrn
j Dr. Stepp zur Operation aufgefordert, vollzog ich dieselbe am
14. Mai. Nach Constatirung der eitrigen Beschaffenheit des
Exsudates durch Punction mit der Pravaz’schen Spritze wurde
in der Narcose unter Carbolspray eine ca. 3 Ctm. lange In-
cision im 6. Intercostalraum etwas hinter der Axillarlinie ge¬
macht und dann sofort die Spaltung der fluctuirenden Geschwulst
hinzugefügt. Nach genügendem, durch Seitwärtswenden des
Kindes unterstützten Abfluss des Eiters wurden, wie im ersten
Fall, angeschlungene Drainröhren eingeschoben und der Lister-
sche Verband umgelegt. Der Verband wurde — jedesmal unter
Carbolspray — in den ersten 4 Tagen täglich gewechselt bei
ziemlich starker Secretion. Vom 18. Mai ab blieb der Verband
je 2 Tage, vom 24. Mai je 3 Tage, am 13. Juni wurden die
Drainröhren entfernt, am 15. Juni schon waren die lncisions-
wunden geschlossen.
Die Temperatur kehrte sofort nach der Operation dauernd
zur Norm zurück, Allgemeinbefinden hob sich überraschend
schnell, wenige Tage nach der Operation lief das Kind schon
mit seinen Geschwistern im Zimmer umher. Das Secret blieb
immer unzersetzt. — Nach erfolgter Heilung konnte constatirt
werden, dass sich die Lunge wieder vollständig entfaltet hatte
und dass nur eine ganz geringe Einziehung der linken Thorax¬
hälfte zurückgeblieben war.
3. Fall. Der 3 7*jährige Knabe des Oberförsters S. in
Unterferriden erkrankte am 1. Februar d. J. an croupöser Pneu¬
monie, nachdem er bis dahin immer gesund gewesen und sich
kräftig entwickelt hatte. Eltern beide gesund. Nach den Mit¬
theilungen des behandelnden Arztes, Dr. Neundeibel von Alt¬
dorf gesellte sich bald zu der Pneumonie ein pleuritisches Ex¬
sudat. Der Verlauf war ein äusserst schwankender, doch kam
es nie zu völligem Wohlbefinden und zur vollständigen Resorp¬
tion des Exsudats. So schleppte sich der Zustand hin, bis Ende
Mai das Exsudat rasch anstieg und das Kind durch heftiges
Fieber ausserordentlich consumirt wurde. Am 16. Juni sah ich
das Kind zum ersten Mal auf Ersuchen des Herrn Dr. Neun-
deibel.
Der Knabe war auf das äusserste abgezehrt, fieberte heftig,
war ganz appetitlos und schlaflos, athmete sehr mühsam, die
Fingerspitzen kolbig aufgetrieben. Linke Thoraxhälfte enorm
ausgedehnt, Herz weit nach rechts verdrängt, Bauch aufgetrieben.
Puls sehr klein und frequent. Auscultation und Percussion er¬
gaben ein die ganze linke Thoraxhälfte ausfüllendes Exsudat,
ziemlich starken Catarrh der rechteu Lunge.
Obgleich aus der Anamnese und aus diesem Befunde mit
Sicherheit auf Empyem geschlossen werden konnte, wurde doch
mit der Pravaz’schen Spritze etwas von dem eitrigen Inhalt
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23. December 1&7&.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
759
des Thoraxraumes herausgezogen, um den ängstlichen Eltern
die Nothwendigkeit der Operation möglichst klar zu machen.
Am 17. Juni wurde denn auch der Brustschnitt in der Chloroform-
narcose und unter Lister’sehen Cautelen vollzogen. Enorme
Eitermasse entleerte sich aus der in gleicher Weise und am
gleichen Ort, wie in den anderen Fällen, angelegten Wunde.
Nach Einlegung mehrerer Drainröhren wurde der Li st er’sehe
Verband um den ganzen Thorax herumgelegt. Der weitere Ver¬
lauf war nicht so glatt als wie in den beiden ersten Fällen.
Durch Verschlüpfen der Drainröhren wurde mehrmals der Eiter¬
abfluss gehemmt und dadurch sofort Fieber erzeugt. Die Se-
cretion blieb auch lange reichlich. Herr Dr. Neundeibel setzte
jedoch mit grosser Ausdauer und vollständigem Erfolg in Bezug
auf die Asepsis des Secrets die Li ster’sehe Behandlung fort,
hob nach gemachter Erfahrung über die üble Wirkung des Ver-
schlüpfens des Drains diesen Missstand dadurch, dass er kleine
Hölzchen quer durch das hervorstehende Endstück des Drains
steckte. Trotz aller Störungen hob sich jedoch das Allgemein¬
befinden in vorzüglicher Weise, so dass ich den Knaben, der
schon lange mit seinem Verband mit den Gameraden im Garten
und Feld herumgesprungen war, Anfangs October kaum mehr
erkannte. Zu dieser Zeit war die Secretion fast versiegt, die
noch offene enge Fistel führte nicht mehr in den Pleuraranm,
die Lunge hatte sich vollständig ausgedehnt und der Catarrh
deT rechten Lunge war ganz verschwunden. Eine Deformität
des Thorax oder der Wirbelsäule nicht vorhanden. Die Folgen
der lange dauernden Stauung im kleinen Kreislauf waren aus¬
geglichen. Das Kind erfreute sich des besten Appetits und
hatte die alte Körperfülle wieder erlangt.
4 Fall. Derselbe wurde mir von Herrn Dr. Sturm in
Mögeldorf zugewiesen: betraf einen 4jährigen Knaben, der früher
gesund, im Juni d. J. von Pleuropneumonie befallen wurde. Ich
sah das Kind am 23. Juli und constatirte ein die ganze linke
Thoraxhälfte ausfüllendes eitriges Pleuraexsudat, ziemlich be¬
trächtliche Abmagerung. Operation wie in den obigen Fällen
in Chloroformnarcose. Die Drains wurden gleich beim Ein¬
legen durch Versicherungsnadeln vor dem Einschlüpfen bewahrt.
Verlauf wie in Fall 1. Vier Wochen nach der Operation voll¬
ständige Ausheilung ohne alle Folgezustände.
Aus diesen Fällen ziehe ich nun folgende Schlüsse: 1. Bei
leichten Fällen führt die unter Lister vollzogene Operation
des Brustschnittes bei Empyem der Kinder ebenso schnell,
ebenso gefahrlos und wenig belästigend, aber viel
sicherer zu vollständiger Genesung, als wie die Paracentese.
2. Bei veralteten Fällen ist der Brustschnitt allein indicirt
und verliert durch die Lister’sche Behandlung jede Gefahr
und jede Belästigung für die kranken Kinder. Da desinficirende
Ausspülungen, wenn nicht schon auffallende Zersetzung vor der
Operation besteht, vollständig, auch bei der Operation un-
nöthig sind, so fällt jede Gefahr der Intoxication durch Carbol-
säure etc. fort.
3. Bei der Nachbehandlung unter Lister ist Fieber mit
viel grösserer Sicherheit zu vermeiden, als bei der offenen Be¬
handlung mit Ausspülungen. Die günstigen Folgen für das
Allgemeinbefinden treten sehr rasch ein.
4. Bei Vermeidung der Ausspülung versiegt die Secretion
rascher.
5. Das Einlegen von gewöhnlichen Drains genügt voll¬
ständig, metallene Canülen sind überflüssig, meistens auch Re-
sectionen von Rippenstücken.
IV. Kritik.
Nothnagel und Rossbach, Proff. in Jena und Würzburg, Hand¬
buch der Arzneimittellehre. Dritte gänzlich umgearbeitete
Auflage. Berlin, 1878, August Hirschwald.
Buchheim, Dr. Rudolf, Prof, der Univ. in Giessen, Lehrbuch der
Arzneimittellehre. Dritte Auflage. Leipzig, 1878, Leo¬
pold Voss.
Koehler, Dr. Hermann, Prof, der Univ. in Halle, Grundriss der
materia medica für praktische Aerzte und Studirende.
Mit besonderer Berücksichtigung auf die Pharmacopoea Germanica
bearbeitet. Leipzig, 1878, Veit u. Co.
Ich kann mir keine undankbarere Aufgabe denken, als ein Lehr¬
buch der Arzneimittellehre zu schreiben. Die Gesichtspunkte, aus denen
sie zu erfassen, sind wohlfeil wie Brombeeren, — und doch ist das ein¬
zige, was aus allen „Systemen“ gemeinsam herausschaut, nichts als
Systemlosigkeit; eine erdrückende Fülle von Material, von tausend¬
jähriger Erfahrung und tausendjähriger — Tradition aufgehäuft, tausend¬
mal gesichtet und geprüft, — und doch das alte oft unentbehrlich, das
neue nicht immer gut; das Bestreben anerkannt, endlich einmal mit
dem Schutt aufzuräumen und dem echten reine Bahn zu halten, — und
doch die Pein des Goldgräbers, der zehnmal den Boden umschaufelt,
weil er sich fürchtet, unter der Spreu noch zu viel Weizen übersehen
zu haben.
So hochnothpeinlich also meiner Meinung nach die Aufgabe ist, so
habe ich mich trotzdem stets gewundert, dass sie niemals oder wenig¬
stens nur äusserst selten in einer befriedigenden Weise gelöst, in einer
practischen Art erledigt worden ist. Vielleicht könnte das nur ein
idealer Geist prästiren: er müsste von einer souveränen und unbestech¬
lichen Kälte, von der subtilsten Objectivität sein, er müsste der radi-
calste Kritiker, der vornehmste Sachkenner sein, — und so ganz neben¬
bei müsste er auch ein ungeheures historisches, physiologisches, patho¬
logisches, chemisches, pharmakologisches, vielleicht auch psychologisches
Wissen aufzuweisen haben, und das alles in präciser, knapper, treffen¬
der Sprache darzulegen wissen. Ein idealer Geist! Denn der Hexensab-
bath, den das Vorurtheil und das Missverständnis und die inexacte
Beobachtung auf dem Berge der materia medica immer noch aufführen,
verlangt den vollen Muth des Mannes, die Thatkraft des Titanen und
das volle Licht des modernen Gelehrten. Nicht nach rechts und nach
links zu sehen, müsste jener kühne Reformator wagen, geradeaus auf sein
Ziel lossteuern, in der Hand das Experiment, im Tornister die gereifte
und bewährte Empirie.
So lange er nicht erschienen ist und seine dictatorische Weisheit
in einem massig dicken Buche zusammengefasst hat, werden wir uns
wohl zufrieden geben müssen, wenn wir riesige Volumina als Arznei¬
mittellehren vor uns haben, ja wir werden uns noch über den geringen
Umfang wundern, wenn wir erwägen, dass die Arzneiverordnungs¬
lehre, die allein einen Riesenband darstellt, und die Phar makogno-
sie, welche auch nicht klein auftritt, in ihnen in nuce enthalten sein
müssen, und dass die eigentliche, auf physiologischer Basis aufgebaute
Arzneimittellehre eine unendliche Reihe grosser Monographien umfasst.
Und dabei kommen die Lücken unserer Kenntniss der Aufgab: zu stat¬
ten; was soll werden, wenn die Wirkung jedes Arzneimittels auf jedes
Organ klargestellt sein, wenn die fortschreitende Physiologie eine Organ¬
gruppe, wie das Gehirn, in die Einzelorgane sondern wird, wenn mit
einem Worte jedes Arzneimittel naturhistorisch und physiologisch voll¬
ständig erforscht sein wird?! Und was ist alles ein „Arzneimittel“, oder
vielmehr: was ist es nach der vulgären Sprache nicht?! Muss denn
wirklich jedes Nahrungs- oder Genussmittel, obwohl wir unter ihnen ja
die besten Arzneimittel haben, hier seine Stelle and seine ausführliche
Bearbeitung finden? Muss wirklich der ganze Tross irgend einmal ver¬
wandter, aber stets nur im „Arzneischatze“ geduldeter Ueberlieferungs-
mittel conservirt werden? Hat man doch kein Sub- und kein Object aus
den drei Naturreichen für zu schlecht gehalten, als dass es nicht einmal
Aufnahme gefunden, von der „Dreckapotheke“ des Bibergeil und Con-
sorten, bis zur Ochsengalle! Eine recht ausführliche und niohts unter¬
schlagende Arzneimittellehre ist sonach eine kleine Pharmacopöe und
Pharmakognosie, ferner ein Nachschlagebuch für Physio- und nament¬
lich für Pathologen, eine Fundgrube für die Kenntniss aller Lebens¬
mittel, zum Theil auch der Gebrauchsmittel, und — last not least —
ein culturhistorisches Zeugniss medicinischer Wege und — Abwege.
Um es kurz zu sagen: ich würde eine Theiluug der Arbeit für
die beste Arbeit halten und bin ketzerisch genug, zu behaupten, dass
mehrere Bücher, die sich in die sehr gut trennbaren Aufgaben der
Arzneimittellehre, wie sic bisher aufgefasst wurde, speciell vertiefen
würden, mehr gelesen und deshalb mehr leisten würden. Wer liest
eine Arzneimittellehre? Wer kann sie lesen? Bis auf die nicht immer
beneidenswerthen Referenten betrachtet sie jeder Arzt als ein Sammel¬
werk und ein Nachschlagebuch, als eine Art medicinisches Conversations-
lexicon. Und was den Studirenden betrifft, du lieber Gott! der weiss
sich, wenn es hoch kommt, an Compendien — wollte er sich nur immer
zu den besten, namentlich den vorzüglichen „Grundzügen der Arznei¬
mittellehre“ von Binz halten! — leider aber oft schon an den ad
usum delphini, i. e. für’s Examen geschriebenen niedlichen Büchelchen
in Taschenformat genügen lassen!
Es liegen uns drei Arzneimittellehren zur Beurtheilung vor; alle
zusammen kommen der Lösung der oben präcisirten Aufgabe nahe, jede
einzeln repräsentirt zwar ein schön Stück originale Leistung, eine an-
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Original fru-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 51
sehnliche Mehrung des positiven Wissens, eine Reihe neuer Gesichts¬
punkte, aber — es befriedigt eben keine ganz. Auf 2000 Seiten gross
Octav, zum Theil mit engem Druck, — wieviel des Wissens, des Fleisses,
der Vorarbeit, der Arbeit steckt darin, und doch wie schwer wi**d es.
dem Forscher in seinen Spuren nachzugehen und mit ihm vorwärts zu
schreiten!
Das Buch von Nothnagel und Rossbach verdient an erster
Stelle hervorgehoben zu werden. Die früheren Auflagen, von Noth¬
nagel allciu edirt, hatten berechtigtes Aufsehen erregt durch die Knapp¬
heit der Darstellung, durch die Weisheit in der Beschränkung des Mate¬
rials, durch die Energie, mit welcher in den Wust des von je kritiklos
mitgeschleppten eine Bresche gelegt wurde. Es war ihm noch nicht
genug. Die vereinten Verfasser erkannten das Punctum saliens, erfass¬
ten die Aufgabe ziemlich so, wie ich sie oben dargestellt, und schufen,
wie sie selbst sagen, „ein g..nz neues Buch“. Und ein gutes Buch, das
ist gewiss! Denn reiche Belehrung überall, selbständige Gesichtspunkte,
genaue Markirung der Lücken, zahllose originale Versuchsresultate durch¬
ziehen das Buch. Der grössere Antheil fiel Rossbach zu: von ihm
rühren „die physio- und pharmakologische Betrachtung aller Stoffe,
sämmtliche Ueberblicke und Einleitungen zu den Hauptgruppen und die
durchaus umgeänderte Anordnung und Eintheilung“ her, während Noth¬
nagel die therapeutische Anwendung (also die pathologische Seite), die
Behandlung der Vergiftungen, sowie die Präparaten lehre geliefert hat. Die
Verff. erklären selbst, principiell mit den unnöthigen und unzweckmässigen
Präparaten, sowie mit dem Ballast veralteter, aus der Alchymistenzeit
stammender Benennungen aufräumen zu wollen, und man merkt ihnen
auch an, dass sie es ernst und redlich damit meinten, — aber der Schalk
der Tradition sitzt ihnen doch im Nacken, und wenn auch eine Reihe
gern vermisster Mittel wirklich fehlt, so sind doch noch viele aufge¬
nommen, deren Aufnahme nur mit Entschuldigungen möglich war. Mein
verehrter Lehrer Mitscherlich pflegte in seiner milden Weise Natur¬
geschichte und Anwendung so manchen Mittels scheinbar unschuldig zu
erzählen, bis er dann zu schliessen pflegte: „Das Mittel ist kein Mittel
gegen . . . man giebt pro dosi . . . .“ Die Verff. haben allerdings mit
dem schlimmsten ein Ende gemacht, aber wenn sie „den unglaublichen
Wust verrotteter Mittel und fadenscheiniger Indicationen endlich einmal
un nach sicht lieh (hört!) entfernen“ wollten, so können wir ihnen
zwar bestimmen, dass sic „in dieser Beziehung keineswegs zu weit, ge¬
gangen“ sind, meinen aber, dass sie noch nicht weit genug gegan¬
gen sind! Wenigstens finden sich in jedem Capitel immer noch Super-
ilua, Schlepper, gleichsam Stimmvieh, um dem leitenden Mittel als Relief
für die Bildung einer Ordnung zu dienen; aber es ist wahr: wir finden
überall freimüthige und selbständige Ansichten rücksichtslos vertreten.
Dagegen hätte das Buch* welches gegen die früheren Auflagen be¬
trächtlich vergrüssert erscheint, viel sparen können, wenn nicht die Nah¬
rungs- und Genussmittel lehre einen so breiten Platz in ihm gefunden
hätte. Die Verff. stehen hierin gerade auf dem entgegengesetzten Stand¬
punkte wie lief., und meinen, die Vereinigung der Nahrungsmittel- mit
der Arzneimittellelire gerade für ein nothwendiges Postulat halten zu
müssen. Sic gehen allerdings nach meiner Meinung viel zu weit, wenn
sie die Arzneimittellehre als denjenigen Theil der physiologischen Wissen¬
schaft definiren, „der sieh mit den Reactionen des gesunden und kran¬
ken Organismus gegen alle (V!) chemisch wirkenden Stoffe beschäftigt.“
Danach gehören freilich Anilin und Nitrobenzol in das Werk hinein
(S. 453), aber wir wundern uns nur, dass nicht auch Nitroglycerin und
1000 andere „chemisch wirkende Stoffe“ aufgeführt werden. Demgegen¬
über können wir die Auslassung des Wassers nur als einen offenbaren
Mangel bezeichnen.
Entsprechend jener Definition ist die Eintheilung vorwiegend auf
chemischer Grundlage erfolgt, welche die Verff. zugleich als die mög¬
lichst beste physiologische ansehen. Mögen sie darin auch Recht haben,
— der innere Zusammenhang und die übersichtliche Aufeinanderfolge
leiden darunter, das Buch zerfällt in viele Einzelbände. So ist z. B.
die ganze Theorie der Abführwirkung der Mittelsalze schon beim Kalium
(S. 18) gegeben, obwohl die Salze selbst ihrer chemischen Gruppirung
gemäss weit auseinander stehen. Dagegen ist die Ausführlichkeit
des physiologischen Theils der Glanzpunkt des Werkes und ge¬
wiss kein geringer Vorzug; es ist eine Fülle vonThatsachen zusammen-
gestcllt, und wo sie nicht existirte, von den Verff. experimentell neu
geschaffen worden, es sind mit strengster Wissenschaftlichkeit alle De¬
tails ins erschöpfendste behandelt Wenn wir an diesem Theil etwas
auszusetzen haben, so ist es höchstens seine Breite, seine oft zu grosse
Ausführlichkeit, die, wie es scheint, namentlich den Nervinis zu Gute
kam (Vorliebe Nothnagel’s?), jedoch auch bei den Themen des Sauer¬
stoffs, Eisens, Kochsalzes etc. zu wahren rein physiologischen Abhand¬
lungen über das Blut u. s. w. geführt hat. Auch der therapeutische
Theil leidet öfters an schleppender Breite. Neu und grundlegend sind
namentlich die vielen Experimente Rossbach’s zur Klarstellung des
Einflusses der Alkaloide auf die Muskelsubstanz. Dass eine Ueber-
sicht der Bade- und Trinkwässer gegeben ist, wird dankbar anerkannt
werden, wie auch namentlich die äusserst umfassende Zusammenstellung
der gesammten pharmakologischen Literatur. Die Sprache ist
einfach, aber lliessend und bestimmt und klar, und nur hie und da ist
eine Behauptung zu weitgehend (cf. S. 144: „Morb. Basedowii“ und
Ferrum fangen an, sich deckende Begriffe zu werden) oder ein offenbarer
Widerspruch vorhanden (so S. 541, wo die Sassaparilla als „vollständig
überflüssig“ erwähnt und doch bald darauf „die Behandlung mit ihr
bei invetcrirter Syphilis oft überraschend gut wirkend“ genannt wird-
oder S. 639, wo das Opium als gänzlich entbehrlich und durch Morph,
vollständig ersetzbar angegeben und zugleich in elegisch-feierlicher Apo¬
strophe verabschiedet wird, um schon S. 640 als antidiarrhoicum wieder
in seinen Rang und seine Bedeutung neben dem Morphium eingesetzt
zu werden).
Suchen wir jetzt noch eine kurze Auslese aus dem reichen Schatz
wissenswürdiger Details zu geben, die in dem Buche angehäuft sind.
Wir stimmen den Verff. darin bei, dass Kali chloric. missbräuchlich
und mit viel zu vielen Illusionen angewendet werde, möchten jedoch
hinsichtlich seiner Anwendung bei Diphtheritis faucium weniger ab¬
sprechend urtheilen. Edlefsen’s bewährter Vorschlag des K. chlor,
bei Blasenkatarrh ist noch nicht erwähnt. Inhalationen von Salmiak-
Lösungen werden (in Uebereinstimmung mit Waldenburg) bei acu¬
ten Katarrhen der Luftwege empfohlen. — Zinkoxyd bei Epilepsie
der Kinder oft erprobt gefunden, wo Bromkalium nicht geholfen hatte.
— Das Eisen scheinen uns die Verff. etwas zu überschätzen; sie finden,
es „bleibt keine andere Wahl“, als die Umwandlung der woissen BIut-
körperchen in rothe unter der Mitwirkung des Eisens anzunehmen (S. 135).
Es ist wahr, dass Rabuteau’s chlorotisches Mädchen unter Eisengebrauch
gesund wurde, — aber auf wie lange? fragt jeder Praktiker. Dem Eisen
wird die Rolle des Blutkörperchenbildners und Sauerstoffträgers vindi-
cirt (S. 137), es wird neben dem Hämoglobin (S. 136: „Ham. und
Eisen“) an allen Oxydations-, d. i. Lebensprocessen aller Organe bethei¬
ligt erachtet; aber es soll nur in dieser Weise wirksam sein, und Vir-
chow’s Theorie von der Reizwirkung des Eisens auf manche Organ« 1
wird also nur in dem Rahmen der Hämoglobinwirkung anerkannt. Gross».:
Dosen werden widerrat heil; mit 0,1 bis 0,2 2 bis 3 mal täglich reiche
man vollständig aus, und wird die Application während oder unmittel¬
bar nach dem Essen anempfohlen. Fcrr. lact. sei nicht leichter ver¬
daulich als die anderen Präparate; Tinct. terr. pomat. könne kaum zur
Erzielung einer Eisenwirkung benutzt werden, weil sie nur sehr weni«:.
nämlich 0,7 pCt. Eisen enthalte. — Bei der Wirkung des Quecksilbers
geben die Verff. derjenigen Theorie den Vorzug, welche das Körperge¬
webe vom Mittel unberührt bleiben und nur das syphilitische Gift neu-
tralisirt werden lässt, welche also eine speci fi sehe Beziehung statuirt.
Das zweckmässigste Präparat ist Quecksilberchlorid (Sublimat), nur dürfe
es innerlich nicht in der ätzenden Form der Pillen, sondern nur in
sehr dünner Lösung gereicht werden (0,001 auf 100 aq.). Die noch in
früheren A uflagen ein p fohlenc M e r c urkur bei ac-utesten Entzün¬
dungen behufs Coupirung derselben wird jetzt ausdrücklich verworfen
und die Empfehlung widerrufen. Auf die graue Quecksilber¬
salbe besonderen Werth zu legen, sehen sich die Verff. nicht veran¬
lasst, sie führen sie nur widerwillig und unter dein Drucke der that-
sächlichen Beliebtheit des Präparats auf, namentlich weil die Dosirung
bei ihrer Anwendung im höchsten Masse unbestimmt ist. Bezüglich der
Wirkungsweise aeeeptiren die Verff. K irchgiiss er ’s Erklärung, wonach
bei der Schmierkur des Hg. weniger durch die Haut, als vielmehr durch
die Athmungsorgane aufgenoramen wird. — Dem Bismuthum sub-
nitricum wird vollständig der Krieg erklärt und seine Ausscheidung
aus dem Arzneischatze befürwortet, da es auch — entgegen der Traube-
schen Empfehlung — bei den Diarrhöen in Folge Dickdarm-Catarrhs
nichts besonderes leiste. — Im Bromkali wird dem Br.-Componenten
der wesentliche Effect gerettet und ein vortreffliches Sedativum verthei-
digt, das oft nur deshalb nicht wirke, weil es in zu kleinen Mengen
(also unter 5,0!) gegeben wurde. Erwähnt ist auch die locale Application des
Mittels bei Operationen im Kehlkopf behufs localer Anästhesirung.
Da das Bromkalium zugleich im geringen Masse die Temperatur herab-
setzt, so empfiehlt es sich namentlich gegen Schlaflosigkeit und Unruhe
Fiebernder. Zur hauptsächlichen Anwendung dient es, da seine Wir¬
kung bei Hysterie vielmehr schädlich (!) als nützlich sei, bei Epilepsie,
nur verlangen die Verff. einen langen Gebrauch und tägliche Dosen von
5—15—20 Grm., allmälig ansteigend. Im übrigen heben die Verff. das
Bromnatriura als noch zweckmässiger hervor, weil es bei durchweg
gleicher Leistung trotz langen Gebrauchs keine Herzalteration herbeilühre.
— Die Wirkung desChlorals wird abweichend von Liebreich, also
nicht durch Abspaltung von Chloroform, erklärt; bekanntlich besteht über
diese Frage noch offener Streit, der sich jetzt gegen Liebreich’s An¬
schauung zu neigen scheint, seit Falck das Chloral im Harn als Chlo-
ralsäure wiedergefunden hat. S. 409 heisst es bei Gelegenheit der Ge¬
genwirkung des Chlorals gegen Strychnin, dass „natürlich“ umgekehrt
die Chloralwirkung nicht durch Strychnin aufgehoben werden kann.
Wir finden dies nichts weniger als „natürlich“, sind vielmehr der Mei¬
nung, die auch Liebreich längst vertritt, dass Strychnin als Antidot
egen Chloral in Betracht kommen könne. In Uebereinstimmung mit
er jetzigen Reactionsrichtung werden kleine Dosen Chloral für aus¬
reichend gehalten. — Bei Besprechung der Antiseptica zeigen sich
die Verff. als getreue Lobredner und begeisterte Anhänger des Li steri¬
schen Verfahrens, ohne zu verhehlen, dass dasselbe bisher lediglich auf
Hypothesen „dahinschreitet“. Die Wirkung der Salicylpräparate gegen
den acuten Gelenkrheumatismus halten sie für specifisch und für fast
so zuverlässig, als die des Jodkali gegen Tertiär-Syphilis oder die des
Chinins gegen Malaria. Terpenthinöl wird als ein Mittel nachgewiesen,
das die Erregbarkeit des Centralncrvensystems, des Athmungs- und Kreis¬
laufsapparats, sowie die Körpertemperatur herabsetzt; ähnlich das
Baldrian öl. Sehr erfreut waren wir. dass dem Moschus endlich
— und zwar in allen hier vorliegenden Büchern! — energisch der Krieg
erklärt, dass „die Beibehaltung dieser ekelhaften Substanzen als der
modernen Medicin im höchsten Grade unwürdig“ bezeichnet wird. Traube
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Original fröm
UNIVERSETY OF MICHIGAN
23. December 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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war unter den Gläubigen der letzte Mohikaner, 9eine Schüler werden
jedoch in der Praxis einer nach dem anderen abtrünnig geworden sein.
Alles, was man vom Moschus erwarten könnte, erreicht man vom Kampfer
stärker, nachhaltiger, angenehmer, billiger! — Aeusserst klar und von
grösster, grundlegender Bedeutung ist die Darlegung der Alkaloide,
ein Meisterwerk an Uebersicht und exacter Beweisführung, jedoch nicht
frei von Schematismus. Die besondere Beeinflussung des Eiweisses durch
die Alkaloide, die Herabsetzung und das vollständige Aufhören der
Oxydationsprocesse in der Zelle würden auch als Wirkung der Alkaloide
eine starke chemische Veränderung der Applicationsstellen aufweisen
lassen, wenn diese nicht eine eigenthümliche Affinität zum Nerven¬
gewebe hätten und also grösstentheils dort gebunden würden. Könn¬
ten Aetzkali, Schwefelsäure u. s. w. ebenso auf das centrale Nerven¬
gewebe einwirken, würden sie nicht vorher 9chon in der Magenschleim¬
haut, dem Blute etc. festgehalten, so müssten sie die gleiche Wirkung
ausüben. Im Widerspruch mit der allgemeinen Auffassung befinden
sich die Thesen, welche die Verfasser bezüglich des Antagonis¬
mus der Alkaloide aufstellen (cfr. oben bezüglich des An¬
tagonismus zwischen Chloral und Strychnin); sie behaupten
namentlich, dass das erregende Gift unter keinen Umständen die vor¬
hergegangene Wirkung des lähmenden aufhebt, dass auch das lähmende
<Iift die Wirkung des vorhergegangenen erregenden nur insoweit suspen-
<lirt, dass das Organ, nunmehr gelähmt, seine Erregung und Reizbarkeit
verliert. Es wird also nur ein „einseitiger“ physiologischer Anta¬
gonismus zugegeben, nur das lähmende Gift kann das durch erhöhte
Reizbarkeit bedrohte Organ retten, nicht umgekehrt, und auch das
nur, wenn die Darreichung des lähmenden Antidots „in kleinsten Ga¬
ben und mit äusserster Vorsicht“ geschehe. Wir erwähnen diese von
den Verff. scharf hervorgehobenen Punkte mit besonderer Ausführlich¬
keit, weil sie zum Angelpunkt einer umfangreichen wissenschaftlichen
Discussion werden könnten; aber wir müssen gestehen, dass uns die Be¬
weise für diese Behauptungen nicht erbracht scheinen, ja dass sogar
practische Wahrnehmungen ihnen widersprechen.
Chinin bringt dem Eiweiss der Zelle, mit dem es sich verbindet,
eine grössere Widerstandskraft gegen den Sauerstoff mit, also eine ge¬
ringere Oxydir- und Zersetzbarkeit, es setzt also den N-Umsatz herab
und wirkt durch Minderung der Wärmeproduction temperaturmin¬
dernd. Jedoch kann die Herabsetzung der Temperatur auch mit ver¬
anlasst sein durch nervöse Einflüsse (Minderung des Blutdrucks) und
durch Beeinträchtigung oder Vernichtung der fiebererregenden
Ursachen. Die letztere Annahme würde sofort erklären, warum Chi¬
nin nur bei manchen fieberhaften Zuständen die Temperatur herab¬
setzt, nicht bei allen, und nicht im gesunden Zustande.
In Bezug auf Caffee sind die Verff. sehr rigoros, sie wollen ihn
bis zum 10. Lebensjahre gänzlich verboten wissen, was wenigstens bei
•der unter uns landesüblichen Bereitung übertrieben erscheint. Sie sind
„entschieden der Ueberzeugung, dass der Caffeegenuss einer der vielen
Tactoren ist, welche-eine neuropathische Anlage heranziehen, eine etwa
ererbte entwickeln helfen“. Wir nicht! Wenigstens in dieser unbe¬
dingt apodictischen Fassung nicht. — S. 627 begegnen wir der etwas
absoluten Anschauung, als ob Morph, bei Krampfwehen kräftiger Kreis¬
sender „nach einer vorangeschickten Blutentziehung“ günstiger wirke.
Auch das Verbot des Morph, bei Fieberdelirien (S. 624 u. 629) gilt in
•den Augen moderner Beobachter weniger absolut. Die ausführliche Be¬
sprechung aller einzelnen Krankheiten, gegen welche Morph, symptoma¬
tisch als schmerzstillend mit mehr oder weniger Recht gegeben wird,
erscheint uns überflüssig (S. 628—631); einzelne Details dürften von
ärztlicher Seite sogar bisweilen Widerspruch finden. Bei Haemoptysis
wird Morph, warm empfohlen, um den Hustenreiz aufzuheben. Die
Stellung, welche die Verff. dem Opium anweisen, gab uns schon oben
Anlass zu einer Bemerkung; wir möchten nur noch bemerken, dass die
practischen Aerzte die ersten Lebensjahre als absolute Contraindica-
tion nicht anzusehen vermögen und kleine Dosen auch bei ganz jungen
Kindern zu verordnen oft genöthigt sind.
Beim Apomorphin hätten wir der von Jurasz constatirten und
.auch anderweitig bestätigten expectorirenden Wirkung eine Erwäh¬
nung gewünscht. — Gegen die günstige Wirkung subcutaner Morph.-
Injectionen bei Atropinvergiftung verhalten sich die Verff. noch
sehr zweifelnd und abwehrend; dass sie bei Morph.-Vergiftung zum
Versuch kleiner Atropindosen rathen (S. 644), steht zu ihrer oben ent¬
wickelten Theorie in krassem Widerspruch. — Von Strychnin wird
für die Behandlung aller Lähmungen mit Recht abgerathen und auch
betont, dass selbst kleine Dosen durch cumulirende Wirkung in unvor¬
hergesehener Weise wirken können.
Die Glycoside der Digitalis, Scilla und Helleborus werden
als eigentliche Herzgifte abgesondert: sie bedingen Störungen des
Bewusstseins u. s. w. nur auf indirectem Wege, und ihr eigentliches
Angriffsgebiet ist das Herz; der Puls wird langsamer, der Blutdruck
steigt, zuletzt tritt Herzstillstand und Lähmung auch der quergestreiften
Muskeln des Körpers ein. Die Kernbestandtheile der Digitalis sind im¬
mer noch zu unsicher, als dass sie den Gebrauch der Blätter selbst er¬
setzen könnten. Die Digitalis ist besonders indicirt, wenn bei Erkran¬
kungen des Herzmuskels eine Schwäche desselben eintritt, dagegen
contraindicirt bei abnorm hoher Spannung im Arteriensystem; die De¬
tails sind klar und erschöpfend behandelt und verbreiten sich wiederum
über die Anwendung in aUen möglichen Krankheiten. Die Vorsicht,
welche bei der Behandlung mit Digitalis geboten ist, wird wiederholt
eingeschärft und unter anderem gesagt: „ein damit Behandelter muss
täglich, womöglich zwei Mal, gesehen werden“.
Das Werk von Buchheim erfreut uns vor allen Dingen durch
einen „allgemeinen Theil“, dessen Mangel wir bei dem erstbespro¬
chenen Buche schmerzlich vermissen. Es kann an so mancher Erörte¬
rung, namentlich im physiologischen Theil der einzelnen Wirkungsdar¬
legungen, gespart und gekürzt werden, wenn ein solcher „allgemeiner“
Theil vorausgeht und die wichtigsten Principien klarstellt. Er kann
sogar den Mangel einer Uebersicht und eines Systems der Arzneimittel
selbst vergessen machen, wie auch Buch he im die letzteren einfach in
41 „Gruppen“ ordnet, ohne viel über innere Zusammengehörigkeit der¬
selben unter einander zu reflectiren. Allerdings bleiben es dann eigent¬
lich disjecta membra, die man vor sich hat (Amylnitrit bildet z. B. eine
„Gruppe“ für sich!), und gerade Buch heim, der seine Aufgabe als
eine wesentlich theoretisch und wissenschaftlich erklärende präcisirt,
hätte das Brückenschlägen muthig versuchen sollen. Ohne Inconsequenz
braucht es ja dabei nicht abzugehen, denn in der That lässt sich beim
Systematisiren der Arzneimittel „ein gewisser Grad von Willkür nicht be¬
seitigen, so lange die Wissenschaft selbst noch unvollkommen ist“. B.
sammelt eifrig die Thatsachen, beschränkt sich aber oft auf die — aller¬
dings sehr sorgfältige, oft sogar ängstliche — Registrirung, ohne in eine
abwägende Würdigung einzutreten. Auch die Formeln und Formen der
einzelnen Medicamente werden eigentlich nur angegeben und aufgeführt;
sehr selten wird ihr Werth oder Unwerth kritisch beleuchtet. So ent¬
steht ein gelehrtes Repertorium, dem es jedoch oft an Uebersichtlichkeit
fehlt, und die etwas stiefmütterlich bedachte streng physiologische Ge-
sammtbetrachtung der Mittel einer Gruppe reicht nicht aus, um in die
Confundirung der Specialbefunde stets die volle Klarheit zu bringen.
Auch ist die therapeutische Nutzanwendung leider nirgends von der
physiologischen Darlegung abgegrenzt. Die Sprache ist kiar und präcis
und entschädigt oft in eirfem knappen Satz für eine Fülle breiter Aus¬
einandersetzungen: das Buch ist dadurch trotz seiner Kürze voll¬
ständig.
Einige Details seien auch hier hervorgehoben. Im Bromkalium
wird der Brom-Component nicht anerkannt (S. 128), ein haltbarer
Grund für seine besondere Wirkung nicht gefunden. Beim Chloral
wird ebenfalls die Liebreich’sche Spaltungstheorie als unwahrscheinlich
erwiesen. Eigenthümlich denkt ßuehheim über die Behandlung der
Syphilis durch Quecksilber, welchem er keine specifische Wirkung
beimisst; der Körper scheine durch Hg nur in einen Zustand zu gelan¬
gen, welcher der Weiterentwicklung, vielleicht auch der Weiterexistenz
der Syphilis hinderlich ist. Dass die Sublimatinjectionen „häufig“ Ab-
scesse verursachen, ist ein Irrthura, der immer noch weit verbreitet ist.
B. hält Calo me 1 sonderbarer Weise für das zweckmässigste Hg-Präpa-
rat gegen Syphilis; er meint, dass man zu seiner Anwendung „mit dem
Fortschreiten der Wisseuschaft mehr und mehr zurückkommen und ihm
den Vorzug vor allen Hg-Präparaten einräumen“ werde. Wir können
dieser Hoffnung nicht beipflichten. Denn wenn auch das Auftreten des
viel beklagten Speichelflusses auch uns nicht als eine gar so sehr zu
meidende Folge der Cur gilt, so sind doch die Nebenwirkungen des
Calomeis (auf den Darm) so lästig, die Dosirung des wirklich zur Re¬
sorption gelangenden Quantums so ungenau, weil individuell und selbst
bei demselben Individuum temporär verschieden, — dass eine allgemeine
Behandlung der Syphilis mit Calomel kaum zu erwarten ist. Im Kindes¬
alter dagegen findet das Mittel auch bei der Cur der Syphilis eine aus¬
gebreitete Anwendung.
Die Nahrungs- und Genussmittel hat auch Buch heim nicht aus-
lassen zu dürfen geglaubt; gehört denn aber der Phosphor wirklich
schon unter die „Arzneimittel“, und wenn auch er, — mit welchem
Rechte das Kohlenoxyd??
Koehler’s Buch hat Vorzüge und Nachtheile ziemlich ausgeprägt
neben einander. Es ist kurz und meist von derber, rücksichtsloser,
energischer, stellenweis ausfallender Sprache; eingestreute historische,
oft pikante Notizen machen die Lectüre vielfach interessant, sind jedoch
an anderen Stellen nur Ballast. Die Darstellung ist nicht frei von einer
gewissen Schwerfälligkeit, die durch das viclgetheilte, ganz zersplitterte
„System“ noch vermehrt wird. Die Arzneimittel werden in 4 Glassen
mit 12 Ordnungen und 50 Rubriken eingetheilt, welche alle langathmige
Titel führen (z. B. „organodecursorische“ und „organodepositorische“
Mittel!) und durch a, b, c und wieder a, ß , y sich aufs neue ver¬
ästeln. Die eigenen Untersuchungen des Verf., meistens mit grosser
Sorgfalt und von originalen Gesichtspunkten aus unternommen, geben
dem Buche sein ganzes Gepräge, und wenn das auch ein unbestreitbarer
Vorzug ist, so hat es doch den Nachtheil, dass diese eigenen Ansichten
allzusehr im Vordergrund stehen und das ganze beherrschen. Schon
äusserlich markirt sich dies: die liegenden Typen sind mit einer Ver¬
schwendung verwandt, welche das Auge irritirt und das gleichmässige,
ruhige Lesen einigermassen erschwert; ein sparsamerer Gebrauch der¬
selben ist für künftige Auflagen sicher empfehlenswerth. Auch ist trotz
der knappen Zusammendrängung des Stoffs noch manches entbehrlich;
wir wissen z. B. nicht, wozu die ganze Abhandlung über die feinere
Structur und Function des Sympathicus in dieses Buch aufgenommen
werden musste (S. 103 ff.)?! Dagegen dürfte eine ausführlichere Be¬
sprechung der Alkaloide dem Zwecke mehr entsprechen.
Von Details hätten wir sehr viele zu erwähnen, beschränken uns
jedoch auf das folgende. Das Terpenthinöl wird als eins der sichersten
Gegengifte gegen Phosphor aufs neue bestätigt; man muss das hundert-
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Ne. 51
fache Gewicht des Oels reichen und zwar in Gallertkapseln und von
altem, stark O-haltigen Oel, da frisch rectificirtes und chemisch reines
Oel nutzlos ist. Die günstige Wirkung schreibt Köhler der Bildung j
einer „terpenthinphosphorigen Säure“ zu. Seit der Vergiftung dürfen
nicht mehr als höchstens 11 Stunden verflossen sein, wenn das
Gegenmittel noch wirken soll. Auch sonst vindicirt Köhler dem Ter¬
pen thinöl eine grosse Rolle und hält es für eins der schätzenswerthesten
Arzneimittel. — Die Wirkung des Chinins wird lediglich auf die Beein¬
flussung des vasomotorischen Nervensystems zurück ge führt. Dass beim
Wechselfieber schon gleich nach Ablauf des Anfalls die heiLende Dosis
gereicht werden solle, treibt die Lehre von der Benutzung der Apyrexie
auf die Spitze. — Bei der Behandlung der Diphtheritis geht der
Verf. eigene Wege, und sah sowohl von der localen Bepinselung mit
Liquor-ferri-Lösungen (1 ä 4 aq. S. 23) „augenfälligen Erfolg“, wie er
die Schütz *sche Brom-Bromkali-Inbalation für die „unbestreitbar wich¬
tigste Anwendung des Broms in Infectionskrankheiten“ hält (S. 248),
wie er auch endlich „vorsichtigen Einreibungen grauer Salbe in die
obere Halsgegend“ bei Diphtherit. eine überraschende Wirkung zuschreibt,
welche „durchaus unerklärlich, aber bewährt“ sei (S. 271). Wirklich??
— Höchst drastisch berührte uns die Erfahrung, dass der Hallenser
Prof, der Arzneimittellehre den Lister’schen Verband, welchen zu
erwähnen er sich veranlasst sieht, absolut nicht kennt, wohl auch keine
correcte, wenigstens keine moderne Beschreibung darüber gelesen hat!!
Da hätte er sich doch bei seinem Collegen Volkmann informiren
können! Oder glaubt Köhler wirklich, dassLister immer noch seine
Schlemmkreide-Carbolpaste, wie er sie vor 10 Jahren hatte, benutzt und
seine Gaze damit imprägnirt?! „Schliesslich“, so heisst es S. 464, „wird
eine Lage Guttaperchapapier (protective silk) darüber gelegt“. Das Pro-
teetive ist kein Guttaperchapapier und kommt nicht „schliesslich“ auf
den Verband, sondern bekanntlich direct auf die Wunde! Auch wird
das Catgut nicht „vor dem Gebrauch in Carbolöl“ gelegt“, sondern be¬
findet sich dauernd darin! Es ist Unrecht, dass sich der Verf. solche
schwere Irrthümer zu Schulden kommen lassen konnte! — Unter den
Pep sin-Präparaten vermissen wir die Liebreich’sche Essenz. — Der
Wunderlich’schenBehandlung der Typhus-Kranken (im allerersten
Stadium) mit grossen Dosen Calomel redet Verf. sehr das Wort, und
hat er „den augenfälligsten Heilerfolg sehr oft“ dabei beobachtet.
Eine eigentümliche und — wir können nicht anders sagen — heraus¬
fordernde Stellung nimmt Vf. in der Behandlung der Syphilis durch
Sublimat ein. Dass er letzteren am liebsten in Pillenform oder als
Liquor van Swieten (S. 284 steht „van Schwieten“, — wohl nur ein
lapsus calami) anwendet, darüber lässt sich streiten, aber dass es mit
den subcutanen Injectionen einen „betrübenden Ausgang“ (S. 285) ge¬
nommen hat, ist wohl kaum im Ernste zu behaupten. „Dieselben“,
heisst es dort, „hatten so häufig Phlegmone und stürmische Allgemein¬
erscheinungen (sic!) ira Gefolge, dass sie an ihrer Pflanz- und Ausbil¬
dungsstätte, der Charitä zu Berlin, höheren Ortes strengstens verboten
wurden.“ Wer lacht da? Woher bezieht Köhler seine Informationen?
Oder ist jener Ukas, von dem wir bisher nichts haben verlauten hören,
in neuester Zeit etwa ergangen? Das kann nicht sein, die deutsche
Wissenschaft lässt sich glücklicherweise keine Commandos „höheren
Ortes“ ertheiien, selbst wenn dieser „Ort“ von Köhler inspirirt wäre!
Auch mit der Besprechung des Chloroforms (S. 443 ff.) können
wir uns durchaus nicht einverstanden erklären, besonders wo praktische
Regeln in Frage kommen. Köhler unterscheidet vier Stadien der Nar¬
kose: im 1. besteht das Bewusstsein noch dunkel fort, im 2. erlischt
es, im 3. ist die Muskelerschlaffung complet, im 4. (ärztlich nie beab¬
sichtigten!) kommt es zu Coma. Stadium I wird nun empfohlen: bei
kleinen Operationen, schmerzhaften Verbänden, bei der Entfernung von
Fremdkörpern, beim Kathetcrismus; Stadium III. bei Anwendung des
Cauterium actuale oder potentiale, bei der Nagel-Exstirpation, sehr er¬
schwertem Katheterismus, Taxis von Hernien und Einrichtung von Luxa¬
tionen. Alle anderen Operationen, darunter die langwierigsten, ein¬
greifendsten, mühsamsten und schmerzhaftesten werden in das 2. Stadium
verwiesen!! Dazu gehören alle Amputationen, Resectionen, plastische
Operationen, ferner die Steinoperationen, „Nervendurchschneidung“, Ar¬
terienunterbindung, „gewaltsame Beugung steifer Gelenke“ (No. 11 des
Registers), Operationen am Cranium! Alles dies soll operirt werden,
ohne dass das 3. Stadium, welches Verf. selbst als das der Muskeler¬
schlaffung bezeichnet, erst eingeleitet zu werden braucht. Die Practiker
dürften anders darüber denken! Bei Operationen der Blasenscheiden¬
fistel, der Tracheotomie und bei den meisten Augenoperationen hält
Verf. die Ansichten über die Chloroformirung für getheilt. Was die
ersten beiden Operationen betrifft, so zweifelt heute niemand mehr an
der Erlaubtheit und vollen Zweckmässigkeit des Chloroforms, und auch
bei den Augenoperationen ist die Scheu vor Erbrechen, das ja meistens
verhütet werden kann, nicht mehr so durchschlagend.
Die ausgezeichnete Gewandtheit, mit welcher sich Köhler auf dem
Gebiete der Chemie bewegt, und weiche auch in seinem Buche überall
aufs wohlthuendste zu Tage tritt, hat es wohl veranlasst, dass er den
practischen Regeln bei der therapeutischen Anwendung seine Aufmerk¬
samkeit weniger widmete. So sicher demnach der Boden ist, auf dem
sein physiologisches Raisonnement zu ruhen pflegt, so sind die Folge¬
rungen oft doch nicht ohne weiteres anzuerkennen, obwohl sie in be¬
stimmtester Form auftreten. Landsberger (Posen).
V. Verhradlugea ärztlicher Gesellschaftea.
Berliner MedieinUehe Gesellschaft.
Sitzung vom 26. Juni 1878.
Vorsitzender: Herr von Langenbeck.
Schriftführer: Herr E. Küster.
Tagesordnung.
Herr B. Fränkel: Die Anwendung der empfindlichen
Flamme zur Erkennung der Erkrankungen des Stimmorgans.
Der Vortr. erklärt den König*sehen Apparat der manometrischen
Flamme und deraonstrirt die durch denselben gebildeten Flammenbilder
der Vocale. Da diese in vollkommener Schöne nur von reinen und
gesangsgeübten Stimmen gebildet würden, während ermüdete, heisere
oder gar aphonische Stimmen wesentliche Abweichungen des Bildes be
dingten, wie dieses schon König hervorgehoben habe, so könne man
vermittelst dieses Apparates Heiserkeit sehen. Der Apparat sei aber so
empfindlich und so vielen Einflüssen unterworfen, dass es nicht thun-
lich sei, vermittelst desselben die Heiserkeit in verschiedene Grade ab-
zutheilen, wie dieses Klemm vorschlage. In dieser Beziehung leiste
das Ohr mit seiner specifisohen Energie erheblich mehr. Eine andere
practische Verwendung habe der Apparat durch Gerhardt gefunden.
Dieser Forscher habe denselben benutzt, um den Stimmfremitus sicht¬
bar zu machen, namentlich den Stimmfremitus über den 8childknorpeln
zu demonstriren. Er habe dieses besonders gethan, um einen in dieser
Gesellschaft geschehenen Ausspruch des Vortragenden zu entkräften,
wonach letzterer die von Gerhardt als Symptom der einseitigen Stimm¬
bandlähmung hervorgerufene Abschwächung des Stimmfremitus auf der
gelähmten Seite über den Schildknorpeln als ein von dieser Erkrankung
abhängiges Zeichen in Abrede stellt. Vortr. betont, dass man, um dies
zu prüfen, nur Fälle von reiner Stimmbandlähmung ohne anderweitige
Gewebsveränderungen verwenden dürfe; dass auch bei Stimmgesunden
kleine Differenzen des Stimmfremitus am Larynx gefunden würden, und
dass die Palpation äusserst vorsichtig gemacht werden müsse. Wolle
man die manometrische Flamme zum Vergleich des Stimmfremitus be¬
nutzen, so sei es nothwendig, statt der einen Flamme, die Gerhardt
nach einander zur Anwendung bringt, zwei Flammen gleichzeitig zu
verwenden; da nur dieses einen sicheren Schluss zulasse. Vortr. stellt
darauf eine Patientin mit einseitiger Stimmbandlähmung vor und ersucht
die Versammlung, die Palpation zu machen und vermöge derselben die
Diagnose zu stellen, auf welcher Seite die Lähmung sei. Viele Herren
treten heran und geben divergente Urtheile ab. Von einigen wird der
Stimmfremitus für gleich stark auf beiden Seiten erklärt, andere fühlen
eine Abschwächung links, wieder andere eine solche auf der rechten
Seite. Herr Tobold, der heran tritt, erklärt mit aller Sicherheit eine
Abschwächung rechts zu fühlen, wie dieses der Stimmbandlähmung in
der That entspricht. Der Vortr. demonstrirt darauf, dass auch rechts ein
deutliches Vocalbild vermittelst der empfindlichen Flamme erzeugt wird.
Herr Tobold stimmt dem Vortragenden darin bei. dass es gar nicht
möglich sei, den Grad der Heiserkeit darzustellen, wie es Klemm ver¬
sucht hat. Den Aufsatz von Gerhardt über die fehlende Vibration des
Kehlkopfes an der Seite des gelähmten Stimmbandes habe er nur seinem
allgemeinen Inhalt nach gekannt. Die empfindliche Flamme suchte Redner
in der Weise zu verwerthen, dass er das Rohr mit einem Resonator
versah. Ein besonderes Ansatzstück am andern Ende ist entbehrlich;
setzt man das Endstück des Schlauches oder ein Mundstück recht
scharf auf den Schildknorpel nnd lässt forcirte Töne sprechen oder
zählen, so fühlt oder hört man deutlich die Vibrationen auf der gesunden
Seite, welche an der kranken fehlen. Die Mehrzahl der Stimmband¬
lähmungen ist linksseitig, doch kommen auch rechtsseitige vor, wie
in dem vorliegenden Falle. Der Apparat des Herrn Fränkel habe
mehrere grosse Mängel, zunächst den, dass es sehr schwierig sei, sauer¬
stofffreies Gas zuzuleiten. Es fehle dem transportirten Gas stets der
weisse Theil der Flamme, wenn man nicht vorher stundenlang Gas durch
das Rohr habe strömen lassen, um jede Spur von Sauerstoff zu ent¬
fernen. Fernerhin geschehe es leicht, dass die Flamme durch die Ro¬
tation des Spiegels ausgelöscht werde, und dürfte deshalb eine dazwischen
eingefügte Glastafel nützlich sein.
Herr Fränkel meint, die Mangelhaftigkeit des Apparates könne
unmöglich zum Vortheil der gelähmten Seite auscchlagen. Das forcirte
Sprechen scheine für die Vibration des Schildknorpels von keiner Be¬
deutung zu sein. Trotz aller Sorgfalt habe er sich bisher nicht von
der Richtigkeit der Behauptung überzeugen können, dass Stimmband¬
lähmung die Vibration aufhebe.
Herr Tobold hat einen künstlichen Kehlkopf construirt, die eine
Seite von Holz, die andere von Pappe und über die Stimmritze eine
Guramimembran gespannt. Beim Antönen bekam man auf der Holzseite
kein oder nur ein sehr schwaches Flammenbild, während auf der Papp¬
seite ein deutlich gezacktes Bild entstand.
Herr Fränkel kann diesen Versuch nicht als Gegenbeweis an-
erkenuen, da sich mit Aenderung der Leitung auch die Vibrationen ver¬
ändern müssen. Ein gelähmtes Stimmband auf der einen, ein ungelähmns
auf der andern lässt sich experimentell nicht nachahmen.
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23. December 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
763
YI. Feuilleton.
Zur Feier des 50jährigen Dienstjubiläums des
Generalarzt 1. €1., Leibarzt Seiner Majestät des
Kaisers und Königs, Geheimenraths Dr. v. Lauer
am 12. December 1878.
Das Leben eines Mannes zu beschreiben, der „seine göttliche Mission
darin erkannte, möglichst viel zu leisten, aber wenig von sich zu
sprechen“ 1 ), hat seine grossen Schwierigkeiten. Will man ihm nach
allen Seiten gerecht werden, so kommt man mit dem innersten Wesen
desselben in Conflict, da seine ausgezeichnete und auszeichnende Be¬
scheidenheit jeden Panegyrikus verbietet. Und doch gestaltet sich noth-
wendig jede Betrachtung dieses Lebens zu einer Lobrede, da es nur
rühmendes zu verkünden gilt.
Wer es verstanden hat, durch 50 Jahre treu seinem Könige und
Vaterlande zu dienen, ist allgemeiner Achtung und Hochschätzung werth ;
wer aber davon 34 Jahre ununterbrochen sich dem ersten deutschen
Fürsten als immer sicherer ärztlicher Berather bewährte, der muss auch
ein vortrefflicher Mensch, der muss ein ganzer Mann sein. Unwillkür¬
lich regt er dazu an, seinem Werden und Wachsen nachzuforschen. Muss
er dabei gefeiert werden, so möge seine Bescheidenheit auch der all¬
gemeinen Werthschätzung und der unbegrenzten Hochachtung des ganzen
ärztlichen Standes ihr Recht einräumen und gestatten: wessen Herz voll
ist, dessen Mund geht über.
In der Familie eines evangelischen Predigers erblickte Gustav Lauer
am 10. October 1808 in Wetzlar das Licht der Welt zu einer Zeit, wo
auch ein Predigersohn, der immer noch nicht genug gewürdigte Johann
Görke, an der Spitze des preussisclien Militärmedicinalwesens stand.
Vom elterlichen Hause empfing der Jüngling den religiösen Sinn, die
wahrhaft ethische Frömmigkeit, von dem Gymnasium die Vorliebe für
classische Studien, die er noch heute pflegt, aus der Göthe-Wertherstadt
folgten ihm aber auch die Musen und blieben ihm selbst unter den
Stürmen des Lebens und in dem Lärmen des Krieges treu.
Mit tüchtiger Vorbildung bezog er 1825 das inedicinisch-chirurgische
Friedrich-W’ilhelms-Institut in Berlin und promovirte hier 1830 mit einer
Dissertation, die den Titel führt: Q.uaedam de sanguinis differentia in
morbis. Sie war für die damalige Zeit so bedeutend, dass sie auch
deutsch in den Hecker’schen Annalen erschien. Mit dieser Arbeit be¬
ginnt seine semiotische Lehrthäiigkeit, der er späterhin viele heisse
Nachmittagsstunden als Privatdocent an der hiesigen Universität opferte.
Das Friedrich-Wülhelms-Institut kann stolz sein auf diesen Schüler und
schreibt diesen Namen mit goldenen Lettern auf seine Ehrentafel.
Nach einer Thätigkeit als Charitechirurg, die er in Veranlassung der
Vertretung eines erkrankten Co liegen am 12. December 1828 begann, bis
1830, als Compagniechirurg im 11. Infanterie-Regiment bis 1833, im
1. Garde-Regiment zu Fuss bis 1836 wurde Lauer Pensionärarzt im
Friedrich-Wilhelms-Institut und als solcher nach Hamburg zu dem dor¬
tigen allgemeinen Krankenhause abcommandirt. Die wissenschaftliche
Anregung, welche dem jungen Arzte hier zu Theil wurde, muss sehr
bedeutend gewesen sein; noch heute erklingen die Erinnerungen an diese
Zeit und werden noch jetzt mit Vorliebe als Lehrsätze citirt. Auf diese
Basis wurden die Beobachtungen und Erfahrungen gestellt, die die fol¬
gende Thätigkeit eines Stabsarztes an der Charite in den Jahren 1839
bis 1843 in reichem Masse sammeln liess. So ausgerüstet kam der zum
Regimentsarzt ernannte zum damaligen 2. Dragoner-Regiment nach
Schwedt und nach wenigen Monaten zu dem jetzigen Kaiser Alexander
Garde-Grenadier-Regiment No. 1 nach Berliu. Als solcher zog er den
Blick des damaligen Prinzen von Preussen, des jetzigen Kaisers und
Königs Majestät auf sich. Durch die Sicherheit des ärztlichen Ur-
theils, durch rastloses Hingeben an den Beruf, durch die bescheidenste
Selbstlosigkeit gewann er den Beifall und das Vertrauen des hohen Herrn
schon nach kurzer Zeit in dem Grade, dass derselbe 1844 sich ihn als
Leibarzt erwählte. Wenn jemals ein Vertrauen ein berechtigtes war,
so war es dies. War jemals eine Wahl eine glückliche, so war es diese.
Fast ein Menschenalter hindurch hat der jetzige würdige Jubilar dem
Könige als unermüdlicher, aufmerksamer, für alles sorgender Arzt mit
selten eigener Aufopferung gedient. Die preussische Armee ist vorzugs¬
weise berühmt durch die ideale Begeisterung für das Herrscherhaus,
aber vor allem muss dieses Mitglied der Armee bezeichnet werden als
der Repräsentant der unveränderlichen Hingebung, der höchsten Ver¬
ehrung für die Person seines Kriegsherrn, seines fürstlichen Clienten.
Das Band, welches Herrscher und Arzt vereint, ist wahrhaftig kein ma¬
terielles, sondern unbedingtes Vertrauen und sichere Werthschätzung
auf der einen Seite und grenzenlose Berufstreue, die frei ist von Selbst¬
sucht und Eigennutz, auf der anderen sind die Glieder dieser Kette.
Napoleon nannte in seinem Testamente seinen Leibarzt Larrey le plus
vertueux, que j’ai connu. Sollte das nicht auch der Sinn des eigenen
Handschreibens sein, mit welchem Kaiser Wilhelm den Jubilar an seinem
Ehrentage auszeichneto?
Als Leibarzt begleitete Herr von Lauer den König von Preussen,
den Kaiser von Deutschland auf allen Reisen im In- und Auslande, auf
allen Kriegszügen nach Böhmen, nach Frankreich. Er stand ihm dicht
zur Seite, als bei Königgrätz, als bei Gravelotte die historischen Kugeln
das Heldenhaupt des kaiserlichen Heerführers bedrohten. Mit tiefster
Besorgniss und nicht der eigenen Gefahr gedenkend, blickte er in der
1) Dr. Lauer: Gesundheit, Krankheit, Tod. Berlin 1865. pag. 20.
Schlacht auf die geheiligte Person, deren leibliches Wohl und Wehe ihm
anvertraut war, und die auf dem Kampfplatze nur zu oft die nothwendige
Vorsicht ausser Acht liess. Und als an dem schrecklichen Tage von
St. Privat der heissgeliebte eigene Sohn von tödtlichen Kugeln getroffen
war, da überliess er ihn fremder, leider, leider vergeblicher Fürsorge, um
selbst der von ihm als Nothwendigkeit erkannten Pflicht, der Sorge für
den König, zu folgen. Wer wollte sich solcher Aufopferung fähig fühlen!
Dazu gehört mehr als die gewöhnliche Philosophie, dazu gehört ein felsen¬
fester Character. So ist der Name von Lauer unvergänglich verbunden
mit all den gewaltigen Ereignissen, welche sich an die Person unseres
ruhmreichen Herrschers knüpfen. Mit welcher Umsicht und Sorgfalt der
Leibarzt aber auf die kleinsten Züge des kaiserlichen Befindens achtet,
wie er in aller Stille vorsorglich an alles denkt, was dem theuren Haupt
zum Heil gereichen könnte, das lehrt ein Blick in die Reiseapotheke, in
welcher sich alles vorfindet, was in irgend einer denkbaren Weise die
Gesundheit des Kaisers fördern könnte.
Als in diesem Jahre das furchtbarste geschah, der aus allen Schlach •
ten unversehrt hervorgegangene Held in seiner eigenen Hauptstadt meuch¬
lerisch bedroht und getroffen wurde, da war es von Lauer, der nicht
Rast noch Ruhe kannte, Tag und Nacht sich sorgte und mühte. Ihm
gelang es im Verein mit den anderen bewährten Helfern das theure
Leben aus grosser Gefahr zur alten Rüstigkeit, zu ewig jugendlicher
Frische zurückzu führen. Müssen wir alle ihm hierfür uns zu tiefstem
und immer neuem Danke verpflichtet fühlen, so steigert sich unsere
Hochachtung und Verehrung bei dem Gedanken, wie oft der Arzt an
dem Lager des Königs gefesselt wurde, wenn das Herz des besorgten
Gatten ihn in das eigene Heim rief. Aerztc schätzt man wohl ihrer
Theilnahme für anderer Leiden, ihres fühlenden Herzens wegen. Hier
ist ein Herz, welches das eigene Leiden mit gewaltiger Kraft bekämpft,
um sich für fremdes Leid zu opfern. Ist das ein grösserer Arzt oder
ein grösserer Mensch? Jedenfalls-ein Mann von der grenzenlosesten Hin¬
gebung, frei von jeder Selbstsucht, eine leuchtende Zierde des ganzen
ärztlichen Standes.
Diese Selbstlosigkeit ist wohl der hervorragendste Zug in “der gan¬
zen jetzt 50jährigen Wirksamkeit des Mannes, dessen Ehrentag wir
feiern. Sie ist es auch wesentlich, welche die richtige Würdigung des
Arztes von Lauer so schwierig macht. Aber Zeugniss von seiner
eminenten Tüchtigkeit legt nicht bloss die Stellung als Leibarzt, als
Corps-Generalarzt ab, davon zeugt ebenso eine sehr zahlreiche Clientei.
die in dem Gefühl medicus ipse Optimum medicamen mit unbeding¬
tem Vertrauen an ihm festhält, wenn auch der Leibarzt oft genug den
Hausarzt entführt. Nicht viele opera tragen den Namen des Autors
von Lauer; aber die Collegen, die mit ihm consultirten, wissen genug
zu erzählen von seinem Scharfblick, von der Ruhe des Urtheils, von dei
Tiefe des Wissens, mit welcher er nicht nur die classischen Autoritäten
des Alterthums citirt, sondern mit dem er auch die neuesten Fortschritte
der wissenschaftlichen Heilkunde verfolgt und fördern hülft.
Die Stellung eines Privatdocenten bekleidet Cr seit dem 15. März
1845, so dass er jetzt als ältester Docent in dem Lectionscataloge geführt
wird. Eine Prof cssur für Semiotik und allgemeine Therapie übernahm
er 1854 an der medicinisch-chirurgischen Academie für das Militär und
wurde im gleichem Jahre zum Geheimen Sanitätsrath ernannt. Als
Regimentsarzt wusste er sich die höehste Anerkennung und Liebe zu
verschaffen, so dass, als er 1864 von dem Kaiser Alexander-Regiment
Abschied nahm, um zum Generalarzt des Gardecorps zu avanciren, das
Offieiercorps ihm ein kostbares Geschenk darbrachtc, ihn aber auch heute
noch mit der alten Anhänglichkeit als Regimentskameraden verehrt.
Wer nur immer als untergebener mit dem Corpsgeneralarzt in Verbin¬
dung tritt, weiss gewiss sein wohlwollendes Entgegenkommen, seine
Freundlichkeit und Milde zu rühmen und ist sicher, dass seine Ent¬
scheidungen von bewährter Einsicht, aber auch von Toleranz und
Schätzung wahren Verdienstes geleitet werden. Unseren Jubilar als
Freund, als stillen Wohithäter würdigen zu wollen, versagt die Feder.
Sein Haus, in welchem «ich zu geselligem Verkehr sehr oft hohe Beamte
des Staates, des Hofes, Officiere, Gelehrte, Künstler, immer aber edle
Menschen versammeln, schmückt er selbst am meisten. Als ihn 1866
der König nobilitirte, war er ein adliger im edelsten Sinne des Worts.
Seine zahlreichen Orden schmücken ihn als den Ritter, welcher ein
Muster der Humanität und des Patriotismus den poetischen Heroismus
verbindet mit der wissenschaftlichen Stellung des Gelehrten. Wer die¬
selben alle aufzählen wollte, müsste die Ordensliste sämmtlicher Staaten
aufführen. Der ihm aus Veranlassung der glücklichen Wiedergenesung
Seiner Majestät des Kaisers mit einer die wärmste Dankbarkeit aus¬
drückenden Cabinetsordre verliehene Stern der Comthure des Hohen-
zollemschen Hausordens bezeichnet eine wohlverdiente Ehre, wie sie
vor ihm kaum einem Mitgliede des ärztlichen Standes zu Theil wurde.
Ueber die zahlreichen Ovationen, Geschenke, Adressen, Gratulationen
von den allerhöchsten Personen sowie aller Kreise, die zu dem Jubilar
früher in irgend eine Beziehung getreten sind, haben die Tagesblätter
ausführlich berichtet
Die Sanitätsofficiere des Gardecorps vereinigten sich am Sonn¬
abend, den 14. zu Ehren ihres hochverehrten Chefs zu einem glän¬
zenden Diner im Englischen Hause. Leider war Seine Exceilenz der
Generalstabsarzt der Armee durch Krankheit verhindert an dem Feste
Theil zu nehmen, statt seiner erfüllte der Jubilar mit bewegtem Her¬
zen selbst die Ehrenpflicht, den ersten Toast auf den allergnädigsten
Kriegsherrn auszubringen. Ihn selbst feierte der älteste Sanitätsofficier
des Gardecorps, der greise Generalarzt Dr. Puhl mann, Regimentsarzt
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764
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 51
des Garde-Husaren-Regiments, welcher schon vor Jahren sein eigenes
Jubiläum in wunderbarer körperlicher und geistiger Frische gefeiert
hat. Unter den folgenden Toasten, welche der allgemeinen Verehrung
vielseingen Ausdruck gaben, erregte stürmischen Applaus das schwung¬
volle Hoch des Generalaiztes des Königlich Sächsischen Armeecorps
Dr. Roth, welcher die Glückwünsche S. Königl. Hoheit des Prinzen
Georg von Sachsen und des Sächsischen Sanitätscorps überbrachte und
darauf hinwies, dass der Tag zu einem Nationalfeste werde, wo aus jeder
deutschen Brust das Gefühl des innigen Dankes für die treue Pflege
des Schirmherrn der deutschen Einheit entströme. Gleicher allgemeiner
Zustimmung erfreute sich der Toast des zeitigen Dekans der hiesigen
medicinischen Facultät, Generalarztes und Geheimraths Dr. Barde¬
leben, welcher in dem Jubilar nicht bloss den ältesten Privatdocenten,
sondern auch den hochgeschätzten Arzt pries. Dass die bewährten Mit¬
helfer, die Generalärzte Dr. von Langenbeck, schon seit Schleswig 1848
im engsten Freundschaftsverhältniss, und Geheimrath Wilms, in ihrem
glänzenden Ehrenschmuck, sowie zahlreiche hochgestellte Militärärzte,
die aus weiter Ferne zu dem Jubeltage gekommen waren, die Tafelrunde
zierten, sei als selbstverständlich erwähnt. Noch lange wird das An¬
denken an diese schöne Feier in den Herzen der Theilnehmer bewahrt
werden.
In seinem Vortrage „über den vorherrschenden Character der Krank¬
heiten der jetzigen Generation“ meinte Herr von Lauer mit Hippo-
krates „das Leben des Individuum sei eine Krankheit“. Möge ihm diese
Krankheit noch eine recht langwierige sein, und möge er noch lange
Zeit ohne Exacerbationssymptome und ohne Abnahme seiner heute
bewundernswerthen Kraft der hierin seinem hohen Klienten ähnliche
jugendliche Greis bleiben als Leuchte und Vorbild ritterlicher Humani¬
tät, rastloser Pflichterfüllung, als glänzender Leitstern des ärztlichen
Standes. Stareke.
Correspondenz aus London.
(Schluss.)
Ich hatte vor 2 Jahren Gelegenheit, eine „rumänische Entdeckung“
auf ihren Werth zurückzuführen: die therapeutische Anwendung der
Schwitzbäder bei Wechsel- und Sumpffiebern, die seit langer Zeit in
Nordamerica bekannt und z. B. auch von den Africareisenden Sir Sa¬
muel Baker und Henry Stanley mit Erfolg practicirt wurde. Die
neuerdings dort „entdeckte“ Aetiologie des Scorbut im Mangel an Fett
in der Nahrung ist ebenfalls eine „alte Geschichte“, die alle erfahrenen
Kriegsärzte u. a. längst gekannt haben. Florence Nightingale, deren
Verdienste kaum genügend anerkannt sind, sagt in „Notes on Nursing“:
„In den Krankheiten die durch schlechte Nahrung erzeugt sind, wie scor-
butische Dysenterie und Diarrhoe, verlangte des Patienten Magen oft,
und er verdaute sie, nach Dingen, die sicher nicht in Diätformen für
Kranke und besonders solche Kranke vorgeschrieben wurden. Es sind
dies Früchte, Pickles, Eingemachtes, Pfefferkuchen, Schinkenfett oder
Speck, Rindertalg, Butter, Milch. Diese Fälle habe ich nicht als ein¬
zelne, sondern zu zehnen und hunderten gesehen. Und des Patienten
Magen war im Rechte und das Buch im Unrecht. Die Sachen, nach
denen er sich sehnte, können wesentlich in zwei Categorien rubricirt
werden — Fett und vegetabilische Säuren“ (p. 40). Schweinespeck,
Kartoffeln und Sauerkraut in genügender Menge und Butter, Käse und
Rothwein verhüten den Scorbut auf deutschen und französischen Schiffen.
Eine interessante Beobachtung in dieser Beziehung wurde mir vor eini¬
gen Monaten in der Capstadt mitgetheilt. Unter den 8 — 900 in dem
dortigen Strafgefängniss sitzenden Farbigen befinden sich sehr viele re¬
bellische Kaffem von der Ostküste — unter ihnen mehrere Geheime
Regierungsräthe des noch immer nicht eingefangenen Häuptlings Kreli.
Viele dieser Kaffem, die zu Hause an reichlichen Genuss von Milch,
besonders saurer Milch, gewöhnt sind, litten an Scorbut, obwohl sie
täglich mit */ 4 Pf. frischem Rindfleisch, grünen frischen Suppenkräutem
und frischem Brode verpflegt wurden. Alle Collegen, welche einen Feld¬
zug mitgemacht haben, werden ähnliches gesehen haben. Dass es den
römischen Soldaten nie an Essig, Oel und Wein fehle, war ja bekannt- j
lieh eine Sorge seines Heerführers. Der verstorbene Parkes, nach dem |
das hygienische Museum ira hiesigen University College benannt ist,
schrieb schon vor 14 Jahren: „Es ist jetzt sicher, dass mit derselben
Diät, giebt man in einem Falle Rothwein, im anderen Rum, die Leute
im letzteren scorbutisch werden, lange vor denen, die Wein erhalten.
Dies ist eine wichtige Thatsache, und in einem Feldzuge sollte man die
Austheilung von Rothwein nie unterlassen.“ England ist kein Wein
producirendes Land, aber mit Australien, Südafrica und Cypern in '
seinem Besitz, sollte es seiner Marine und seinen Heeren nie die Wolil-
that einer Verpflegung mit Wein vorenthalten. In der russischen Armee
war es immer Sitte, gelegentlich durch Branntwein Muth für Actionen
zu erzeugen. Auch Napoleon hatte bei Jena, wo nach dem Zeugniss
eines englischen Diplomaten preussische Infanteriecorps „like tiyers“
fochten, es für nöthig befunden, seine Cavallerie halbbetrunken zu machen. '
Heut zu Tage wird jedoch kaum eine civilisirte und gut genährte Armee —
schon wegen der Präcisionswaffen — durch Spirituosen den Muth er¬
zeugen wollen, den die Engländer mit „Dutch courage“ bezeichnen.
Die Theorie der Scorbuterzeugung, auf die ich nächstens noch einmal
zurückkommen will, hat durch Dr. Ralfe, dirigirenden Arzt am seamen’s-
hospital in Grennwich in einer neueren Arbeit Förderung erfahren. Er
Ut eine verminderte Alcalescenz des Blutes für pathognomonisch. Es I
stimmt das sehr gut mit der Bedeutung der pflanzensauren Alkalien als
Präventiv- und Heilmittel, indem, wie schon Parkes andeutete, letztere
zu Trägern für die auszuscheidende Kohlensäure und Fleisch milchsaure
werden, die Pflanzensäuren aber als Respirations- und Muskelfutter (zur
Bildung des Hämoglobins und der „inogenen“ Substanz der Muskeln?)
verbraucht w r erden.
Unter den Pharmaceuten Grossbrittaniens hat eine Agitation für
Revision der 1876 promulgirten British Pharmacopoea (mit einigen 1874
gegebenen Zusätzen) begonnen. Merkwürdigerweise befanden sich in
der Redactionscommission derselben nur Aerzte, kein Pharmaceut ex
professo. Das „Pharmaceutical Journal“, Organ der „Pharmaceulical
Society of Great Britain“ spricht sich mit einiger Schüchternheit, aber
ohne Zweifel mit voller Berechtigung folgendermassen aus; „es wird
geltend gemacht, dass der Apotheker ein natürliches (iuherent) Recht
hat, eine Hand in der Ausarbeitung der Pharmacopoe zu haben, welche
das Gesetz sein soll, durch welches er in der Ausübung seiner Kunst
controlürt werden soll. Es ist unzweifelhaft viel Kraft (cogency) in
diesem Argument, und wir glauben, dass man es in keiner Weise aus
den Augen verlieren sollte.“ Obw r ohl d?e Pharmacopoe im ganzen sehr
brauchabr ist, wird doch mit Recht die chemische Sprache als veraltet,
und die Pharmakologie als theilweise unpractisch bezeichnet. Von dem
Pulv. Glycyrrhiz. com. der Brit. Pharmacop. sagt ein Liverpooler Apo¬
theker, dass es nur der „Schatten“ des Kurella’schen Pulvers der Preuss.
Pharmakopoe sei (cs fehlen ihm Schwefel und Fenchel) und dass eröOPfd.
von letzterem für eine Unze von ersterem verkaufe. „Medical men as a
rule do not prescribe it.“ Die Einführung einiger neueren, besonders
antiseptischen Mittel, wird natürlich befürwortet, doch warnen auch er¬
fahrene Pharmaceuten vor dem zu viel. Eine Optative Einführung des
metrischen Gewichtes dürfte sich ebenfalls empfehlen, ebenso die in der
americanischen Union gegenwärtig so beliebte Methode nauseose Mittel
in gefrorenem Zustande zu verabreichen. Für diejenigen, welche sich
die Beschaffung guter Milch, die ja für Säuglinge zugleich Medicament
ist, angelegen sein lassen, dürfte es interessant sein, dass nach einer
Verhandlung in der British Dairy Farmer’s Association, der beiläufig
bemerkt ein Oberst präsidirt, die Shorthorns, die bekannte, jetzt 100 Jahre
alte Culturrace, die von den alten Durharn’s abstammt, als Milchvieh
vor allen anderen, besonders auch vor den holländischen Kühen den
Vorzug verdienen. Sie fressen langsam und geben 20 — 24 Quart Milch
täglich. Diese schönen, friedlichen Wiederkäuer nehmen auch in den
Milchwirthschaften Americas und den englischen Colonien immer mehr
und mehr die erste Stelle ein. Ich selbst habe ihre Einführung auf
der gemeinsamen landwirthsch. Academic Waldau beobachtet. Sie ge¬
deihen jedoch nicht so gut bei ausschliesslicher Stallfütterung, sondern
verlangen eine gute, ruhige, nicht zu nasse Weide. Die Gefahr, welche
der kindlichen Gesundheit durch das Aufpäppein mit „condensirter
Milch“ droht, erhält ja täglich neue Hlustrationen. S—n.
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. Der Central-Ausschuss der ärztlichen Bezirksvereine zu Berlin
— 8 Vereine mit 430 Mitgliedern — hat beschlossen, einen gemeinsamen
Ehrenrath mit dem nächsten Jahre ins Leben zu rufen und zu diesem
Zwecke sämmtlichen betheiligten Aerzten folgende Satzungen zugehen
lassen: § 1. Die durch den Central-Ausschuss vertretenen ärztlichen
Bezirksvereine in Berlin bilden, um die Ehre des ärztlichen Standes und
ihrer Mitglieder zu wahren, einen gemeinsamen Ehrenrath. § 2. All¬
jährlich wählt jeder Bezirksverein 2 Mitglieder seines Ehrenraths als
ordentliches Mitglied und als Stellvertreter in den gemeinsamen Ehrenrath.
Die Namen der gewählten Mitglieder werden bei Jahresanfang den Vor¬
sitzenden der Vereine zur Veröffentlichung in denselben mitgetheilt.
§ 3. Der gemeinsame Ehrenrath wählt aus seiner Mitte einen Vorsitzen¬
den und einen Stellvertreter desselben für das Geschäftsjahr. § 4. Der
Vorsitzende beruft den Ehrenrath zusammen. Zur Sitzung desselben
ist jedes ordentliche Mitglied und sein Stellvertreter einzuladen. Jeder
Verein hat jedoch nur 1 Stimme. Zur Beschlussfähigkeit ist es noth-
wendig, dass jeder zum Central-Ausschuss gehörende Verein durch ein
Mitglied seines Ehrenraths vertreten ist. Findet Beschlussunfähigsten
statt, so entscheidet über dieselbe Sache die demnächst einberufenc
Versammlung ohne Rücksicht auf die Anzahl der vertretenen Vereine.
Der Beschluss erfolgt, mit Ausnahme des Falles, dass der Antrag auf
Ausschluss eines Mitgliedes aus den Bezirksvereinen vorliegt (§ 10).
durch Stimmenmehrheit. Bei Stimmengleichheit entscheidet der Vor¬
sitzende. § 5. Der Ehrenrath tritt in Thätigkeit: 1. bei Differenzen
zwischen Mitgliedern verschiedener Bezirksvereine, 2. auf Anrufen eines
Nicht-Mitgliedes gegen ein Mitglied der im Central-Ausschuss vertretenen
Vereine. 3. bei Differenzen zweier Aerzte, die, obgleich nicht Vereins-
raitglieder, das Urtheil des Ehrenraths verlangen. Anhang: Differenzen
zweier Aerzte, die demselben ärztlichen Bezirksverein angehören, unter¬
liegen nach wie vor der Entscheidung des Khrenraths ihres Vereins.
§. 6. Der Ehrenrath ist berechtigt, auf Anrufen eines Mitgliedes der
im Central-Ausschuss vertretenen Vereine in Fällen, wo es sich um Ver¬
letzung der Ehre und Würde desselben handelt, ein Gutachten abzu¬
geben. §. 7. Jedes Mitglied der im Central-Ausschuss vertretenen Ver¬
eine hat im Fall einer Klage sich vor dem Ehrenrath zu verantworten
und dem Urtheile desselben sich zu unterwerfen. Der Austritt eines
angeklagten Mitgliedes aus seinem Bezirksverein kann das vor dem Ehren¬
rath gegen dasselbe eingeleitete Verfahren niemals unterbrechen. §. 8. Die
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23. December
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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Verhandlungen des Ehrenraths sind geheim und mündlich. Zeugen können
vorgeladen werden. Die Vorstände der einzelnen Vereine sind verpflichtet,
etwaigen Aufforderungen des gemeinsamen Ehrenraths zur Aufklärung
von Thatsachen u. s. w. nachzukommen. Das ungerechtfertigte Aus¬
bleiben einer Partei (§. 7) hindert die Vornahme der Verhandlung nicht.
§. 9. Das Urtheii lautet auf: 1. Freisprechung; 2. Verweis; 3. Ausschluss
des Mitgliedes aus dem betreffenden Bezirksverein. §. 10. Ein Beschluss
des Ehrenraths ad 9,3 muss mit Stimmeneinheit gefasst sein. Derselbe
ist schriftlich unter genauer Angabe des Thatbestandes, der Begründung
des Urtheils, dem Vorsitzenden des Central-Ausschusses zur Ueber-
mittelung an den betreffenden Bezirksverein einzureichen. §. 11. Die
durch den Ehrenrath entstehenden Kosten werden vom Central-Ausschuss
bestritten.
— Für die öffentlichen Sitzungen der balneologischen Section
der Gesellschaft für Heilkunde ist vorläufig folgende Tagesordnung fest¬
esetzt: Freitag, den 24. Januar 1879 Abends: Begrüssung der Mitglie-
er und Theilnehraer. Sonnabend, den 25. Januar: Vorträge und
Discussion über folgende Themata: 1) Therapie der Tabes dorsualis (kli¬
matische Kurorte, Hydrotherapie, Electrothcrapie, Balneotherapie); 2) The¬
rapie der chronischen Metritis (Indication der Soolbäd-r); 3) die Wirkun¬
gen der Leibesübungen, besonders auf Musculatur und Nervensystem.
Nachmittags: 1) Vorschläge für gemeinschaftliche Beobachtungen;
2) Einfluss bestimmter Thermen auf den Stoffwechsel. — Gemeinschaft¬
liches Souper. Sonntag, den 26. Januar: 1) Balneotherapie der chroni.
sehen Krankheiten der Athmungsorgane. — 2) Baineotechnische und
Standes-Angelegenheiten. Nachmittags 5 Uhr: Gemeinschaftliches Diner.
— An Stelle CI. Bernard’s ist Herr Marey zum Mitglied der
Acad6mie des Sciences gewählt worden. Er erhielt 40 Stimmen von 59.
Die mcdicinische Section der Acadömie hatte ihre Candidaten in folgen¬
der Reihenfolge vorgeschlagen: Gubler, Charcot, Marey, Paul Bert,
Moreau.
— Der Privatdocent der pathologischen Anatomie Herr Dr Ziegler
in Freiburg ist zum ausserordentlichen Professor ernannt worden.
— In der Woche vom 10. bis 16. November sind hier 501 Personen
gestorben. Todesursachen: Masern 1, Scharlach 29, Rothlauf 2,
Diphtherie 22, Eitervergiftung 2, Kindbettfieber 8, Typhus 7 (Erkran¬
kungen an Typhus: 24 m., 21 w.), Syphilis 1, Delirium tremens 4, mine¬
ralische Vergiftung 1, Kohlengasvergiftung 1 (Selbstmord), Brandwunden 2,
Ueberfahren 1, Sturz 3, Erschiessen 2 (Selbstmorde), Erhängen 1 (Selbst¬
mord), Lebensschwäche 30, Abzehrung 14, Atrophie der Kinder 5, Scro-
pheln 3. Altersschwäche 14, Krebs 11, Wassersucht 7, Herzfehler 8, Hirn¬
hautentzündung 13, Gehirnentzündung 11, Trismus 4, Zahnkrämpfe 5,
Krämpfe 35, Kehlkopfentzündung 4, Croup 10, Pertussis 7, Bronchitis 21,
Pneumonie 30, Pleusitis 4, l'hihisis 63, Peritonitis 4, Eierstockswasser¬
sucht 1, Folge der Entbindung 1, Diarhoe 10, Brechdurchfall 9, Magen- u.
Darmkatarrh 8, Nephritis 7, Diabetes 3, andere Ursachen 56, unbekannt 2.
Lebend gebeten sind in dieser Woche 394 ra., 336 w., darunter I
ausserebelich 59 m., 54 w.; todtgeboren 19 m., 15 w., darunter ausser-
ehelich 6 m.. 2 w. ...
Die du:ehsebniuliehe Sterblichkeit dieser Woche beläuft sich ,
auf 25 pro Mine der wahrscheinlichen Be\ölkerungszahl, die ent- j
sprechende Gehn neu?--Ter auf 42 pro Mille (beide Summen mit Aus- |
Schluss von 1,7 pro M.He Todtgebomen). i
Witterung: Tbermometerstand: 4,32 R., Abweichung:
1,87 R. Barometerstand: 27 Zoll 7,80 Linien. Dunstspannung:
2,29 Linien. Relative Feuchtigkeit: 78 pCi. Bimmelsbedeckung:
6,4. Böhe der Niederzell läge in Summa: 3,55 Pariser Linien.
VII. Awtlirlie MittheilangeB.
Personal!».
Auszeichnungen: Seine Majestät der König haben Allergnädigst ge¬
ruht, dem practischen Arzte, Königlich Würtembergischen Hofrath
Dr. med. Theodor Stein zu Frankfurt a./M. die Erlaubnis« zur An¬
legung des ihm verliehenen Ritterkreuzes des Königlich belgischen
Leopold - Ordens und des Komthurkreuzes des Königlich spanischen
Ordens Isabella’s der Katholischen zu ertheilen und dem pract. Arzt
etc. Dr. med. Ringers zu Overath im Kreise Mülheim a./Rh. den
Character als Sanilätsrath zu verleihen.
Anstellungen: Der Kreisphysicus Sanitätsrath Dr. Böhm zu Luckau
ist aus dem Kreise Luckau in den Kreis Magdeburg versetzt. Der
pract. Arzt etc. Dr. Gustav Rudolph Dreck er in Recklinghausen ist
zum Kreisphysicus des Kreises Recklinghausen, der seitherige Kreis¬
wundarzt Dr. Kribben in Aachen zum Kreisphysicus des Landkreises
Aachen und der pract. Arzt etc. Dr. Gutkind mit Belassung seines
Wohnsilzes in Mittenwalde zum Kreiswundarzt des Kreises Teltow er¬
nannt worden.
Niederlassungen: Dr. Hennig in Königsberg i./Pr., Dr. Ludwig
iu Mittelwalde.
Verzogen sind: Dr. Weintraub von Schöneberg nach Bladiau im
Kreise Heiligenbeil, Dr. Greven von Meinertzhagen nach Bardenberg
im Landkreise Aachen, Dr. Holl weg von Loevenich nach Lengerich.
Apotheken-Angelegenheiten: Der Apotheker Carl Schmidt hat
die Rolshofer’sche Apotheke in Gemünd mit der Filial-Apotheke
in Urft gekauft.
Todesfälle: Kreisphysicus Sanitätsrath Dr. Kretzschmar in Belzig,
Apotheker A. Weiter in Stolberg.
Bekanntmachungen.
Die Kreiswundarztstelle des Kreises Wreschen mit einem jährlichen
Gehalte von 600 Mark ist erledigt. Qualificirte Bewerber wollen sich
unter Einreichung ihrer Zeugnisse und ihres Lebenslaufs innerhalb
6 Wochen bei uns melden.
Posen, den 9. December 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Behufs definitiver Wiederbesetzung der mit einem Gehalte von
600 M. jährlich dotirten vacanten Kreiswundarztsteile des Kreises Ziegen¬
rück, mit dem Wohnsitze des Inhabers in Gefell, fordern wir qualificirte
Bewerber auf, ihre Gesuche unter Beifügung der Befahigungs- und Füh-
rungs-Atti ste, sowie eines Lebenslaufes binnen 6 Wochen bei uns ein-
zureiehen. Wir bemerken gleichzeitig, dass von dem Herrn Minister der
geistlichen etc. Angelegenheiten dem Inhaber der gedachten Stelle für
Wahrnehmung der in den vier voigtländischeu Enklaven des Kreises
vorkommenden officiellen sanitätspolizeilichen Geschäfte eine weitere
jährliche Remuneration von 300 M. in Aussicht gestellt worden ist, so
weit es die bezüglichen Fonds gestatten.
Erfurt, den 9. December 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Die Kreiswundarztstelle des Kreises Tecklenburg ist vacant. Quali¬
ficirte Bewerber werden hierdurch aufgefordert, sich unter Einreichung
ihrer Zeugnisse und eines ausführlichen Lebenslaufes bis zum 20. Januar
fut. bei uns zu melden.
Münster, den 4. December 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Die mit 600 M. dotirte Kreiswundarztstelle des. Kreises Schivelbein
ist zu besetzen. Qualificirte Medicinalpersonen werden aufgefordert, sich
innerhalb 6 Wochen unter Einreichung ihrer Zeugnisse und eines Lebens¬
laufes bei uns zu melden.
Cöslin, den 9. December 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Inserate.
Bin Arzt gesucht.
ln Beckingen — Eisenbahnstation bei Saarlouis — wird ein Arzt
gewünscht. Demselben kann ein festes Einkommen von 1200 M. jähr¬
lich, und zwar 600 M. als Districts- und Armenarzt und 600 M. als
Gewerkschaftsarzt, bestimmt zugesichert werden. Ausser einer lohnenden
Privatpraxis steht ein weiteres Fixum in Aussicht.
Reflectanten belieben unter Angabe ihrer Qualification und ihrer
bisherigen Stellen sich bei dem Unterzeichneten zu melden.
Beckingen a. d. Saar, den 15. December 1878
_ Knebel, Landrath. _
Iu Flöha bei Chemnitz wird ein Arzt gesucht, da der bisherige weg¬
zieht. Flöha ist wichtiger Centralpunkt für Eisenbahnen und Chausseen,
Sitz der Amtshauptmannschaft und anderer Behörden und bietet einen
angenehmen Wirkungskreis.
Gemeindevorstand Lange in Flöha,
Volont Airarzt.
Die Stelle eines Volontairarztes an der ProvilZial-IrreR-Heil-AllStalt zu
Leibis (Maltsch a./O.) (600 Mk. Gehalt, eventuell 450 Mk. Zulage, Kost
der Pensionaire, Wohnung, Beleuchtung und Heizung) ist sofort zu be¬
setzen. Meldungen an den Director, Sanitäts-Rath Dr. Jug.
Die Stelle eines Extern-Assistenten an der inneren Station und
Poliklinik des Augusta-Hospitals ist von Neujahr ab zu besetzen. Mel¬
dungen nimmt an Prof. Senator, Berlin, Hegelplatz 7.
Arzt - Vac anz.
In Castellaun, Regb. Coblenz, ist seit 1. Decbr. die Stelle eines
Arztes vacant. Baldige Besetzung ist sehr erwünscht. Nähere Auskunft
ertheilt gern Bürgermeister Scbllidt, Castellaun.
Apotheker Mayer, Castellaun. Dr. Schzalenbach, Grefrath b. Rempen.
Die Gemeinde Lauten, im sächs. Erzgebirge, in freundlicher Lage,
Eisenbahnstation, Einwohnerzahl ca. 3000, sucht hierdurch einen Arzt,
der zugleich Geburtshelfer sein muss. Abgesehen von dem von der
Gemeinde gewährten Fixum, im Betrage von 750 Mark für die Armen-
Impfpraxis, sowie der Staatsbeihülfe von 180 Mark, ist von den Nach¬
bargemeinden Benrsbach, Bockau und anderen ebenso nahen Dörfern,
sowie den Städten Schwarzenberg und Aul den früheren hiesigen Aerzten
reichliche Beschäftigung geboten gewesen.
Für die jährlich mindestens 200 auszustellenden Gesundheitsatteste
für hiesige Handelsleute stehen weitere 200 Mark Einnahme in sicherer
Aussicht. Apotheken fehlen in den hiesigen Landgemeiden.
Obwohl den auswärtigen Aerzten in ihrer Praxis Abbruch gethan
werden könnte, so halten wir doch die Kostspieligkeit bei jetziger Pa-
tienten-Behandlung, sowie die Zeitersparnis für unsere Nachbarärzte
für eine genügende Begründung dieses Gesuches.
Hierauf Reflectirende wollen sinh direct an die Vertretung der hie¬
sigen Gemeinde wenden, wenn möglich persönlich Rücksprache nehmen.
Lauter, d. 8. Decbr. 1878. Der Gemeinderath.
□ igitized by Gck >gle
Original fru-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
766
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 51
Verlag von August Hirschwald in Berlin.
S oeben erschien:
Archiv
für
Klinische Chirurgie.
Herausgegeben
von
Dr. B. Ton Langenbeck«
Geheimer Ober-Medicinal-Rnth und Professor,
redigirt von
Dr. Blllroth« und Dr. Gurlt«
Professor in Wien. Professor in Berlin.
XXIIL Band. 2. Heft.
_ Mit 2 Tafeln und Holzschnitten, gr. 8. Preis 5 M, _
Centralblatt
für
Nervenheilkunde, Psychiatrie und gerichtl. Psychopathologie,
herausgegeben und verlegt von
Dr. med. A. Erlenmeyer in Bendorf bei Coblenz.
Alle 14 Tage eine Nummer von l 1 /* Bogen.
Abonnement vierteljährlich 3 Mark bei Post und Buchhandel.
Das Blatt ist allgemein anerkannt worden, und hat eine ausserordent¬
liche Verbreitung gefunden. (Auflage jetzt schon über 1000.) Probe¬
nummern kostenfrei.
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Soeben ist erschienen und durch jede Buchhandlung zu beziehen:
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im Kriege
von Professor Dr. Ernst Bergmann in Wiirzburg,
ehern. Consultant-Chirurgen der Kaiserl. russ. Donau-Armee.
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Bearbeitet von
Br. med, Ernst Fischer,
Privatdocent der Chirurgie an der Universität Strassburg i. E.
Mit 147 in den Text gedruckten Holzschnitten,
gr. 8. geh. Preis 5 Mark.
"Fiir Aer*te.
Durch den Abzug des bisherigen Arztes ist der hiesige Ortsvorstand
veranlasst, einen neuen Arzt mit dem Wohnsitze zu Treis a./L. zu en-
gagiren.
In dem Orte selbst, mit ca. 1100 Einwohnern, befindet sich eine
Apotheke mit Post, und kann daselbst lohnende Beschäftigung nach¬
gewiesen werden.
Ausserdem bieten noch eine Anzahl nahcliegendei Ortschaften eine |
ausgiebige Praxis. Reflectanten wollen bald gefälligst wegen der gegen- j
seifigen Verpflichtungen mit dom Unterzeichneten in Benehmen treten. |
Treis a./L. im Grossherzogthum Hessen, 1 1 / 5 Stunde von der Main-
Weser-Bahn, Station Loller.
Den 29. November 1878.
Grosshl. Bürgermeister in Treis a./L. Benner.
Für einen Fabrikort in Schlesien wird sofort ein junger Arzt gesucht, |
welcher neben dem fiixirten Gehalt von 600 Mark noch eine lohnende
Praxis ira Orte sowohl wie in der bevölkerten Umgegend findet. Adr.
sub E. E. 141. __
Für einen thätigen Arzt bietet sieh sichere Existenz in Gniewkowo.
Umgegend deutsch; Aussicht auf vacante Kreiswundarztsteile. Nähere j
Auskunft der Magistrat,
Ein jüngerer pr. Arzt wünscht einem älteren kränklichen Collegen
bei entsprechendem Honorar in der Praxis bchiilflich zu sein. Gef.
Adressen erbeten sub K. Z. 147 durch die Exp. d. klin. Woch.
Dr. Richard Schmitz aus Neuenahr practicirt wie alljährlich
in Rordighera und wohnt Hotel (FAngleterre.
Am 15. October nehme ich meine Winterpraxis in Sanremo wieder auf.
Lippspringe, im September 1878. Dr. VOH Brunn.
Eine gebildete Frau (Wittwe), die 4 Jahre einer Privat-Frauenklinik
vorgestanden, bei Operationen und Nachbehandlung Bescheid weiss, auch
zur Accoucheinentpflege geprüft ist, sucht ähnliche Stellung. Gell. Offert,
unter E. R. 146 durch die Exp. d. Bl.
Den Herren Aerzten die ergebene Mittheilung, dass mit
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jetzt dienen kann.
Berlin, C. Sinon’s Apotheke.
Ein fast neuer Krankenfahrstuhl und eine gute Badewanne sind
billig zu verkaufen. Unter den Linden 62—63, 1 Treppe bei Herrn
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nach Anleitung des Professor Dr. Tromm er, wird in den 3 Sorten:
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Niederlagen in den meisten Specerei- <fc Delicatessenhandlungen.
Niederlagen in Apotheken werden gesucht. _
Institut für Schwedische Heilgymnastik«
Hannover. Georgsplatz 1. B.
Gute Pensionate.
_6 von Cedtfscbjtld
Die hochgeehrten Herren Aerzte
dürfte es interessiren, weiche wichtigen Vorzüge
unser, einer ganz besonderen Traubengattung an¬
geh örige, durch zehnjährige Pflege entwickelter ungari¬
scher Sanitätswein (Vinum lningaricum Tokayensc)
für die diätetische und arzneiliche Verwendung dar¬
bietet, nachdem wir dafür Sorge getragen, dass uns
laut Vertrag vom October 1863 für gedachte Zwecke
stets ein und derselbe Ausbruch der aufeinanderfolgenden Jahrgänge zur
Verfügung steht.
Um besonders aber den Herren Aerzten eine Garantie zu bieten,
j dass es uns hierbei stets um die geeignete qualitative Species zu thun
I ist, haben wir es bei der jetzt zum Verkauf gekommenen 1868er Ernte
1 ebenfalls nicht unterlassen, die neueste chemische Analyse von den
i Herren Professoren Dr. Fresenius und Dr. Neubauer in Wiesbaden,
! sowie Herren Professor Dr. Sonnenschein und Dr. Ziurek in
; Berlin, als die bei den Behörden vereidigten Sachverständigen, den ver-
j schiedenen Flaschengrössen zu 75 Pf., 1,50 Mk. und 3 Mk. unter unserer
Firma und Schutzmarke beizufügen.
Indem wir uns erlauben, Sie hiermit um Ihr freundliches Wohl¬
wollen durch gütige Empfehlung unseres, während einer langen Reihe
von Jahren zur Anerkennung gekommenen medicinischen Ungarweins
gefl. aus den bekannten Depots der meisten Städte Deutschlands er¬
gebenst zu bitten, zeichnen Hochachtungsvoll
*Tixliixs Lubowsky & Co.,
Wein-Grosshanilun? in Berlin, Markgrafeustr. 32.
Felsenkellereien in Tokay und Oedenburg.
Seinen verehrten Herren Collegen und zahlreichen Freunden in
[ ärztlichen Kreisen theilt der Unterzeichnete hierdurch mit, dass die seit
I 3 Jahren unter seiner ärztlichen Leitung stehende VOR Rössing'tche Heil¬
anstalt
xii GSrbersdorf in Schlesien
keineswegs eingegangen ist. sondern dass dieselbe am ersten Juni 1878
durch Kauf in den Besitz des Unterzeichneten Berging.
Die Anzahl der Wintercurgäste beläuft sich, vom ersten Ücober d. J.
ab gerechnet, bis jetzt auf einige Hu, und finden neue Ankömmlinge
unter denselben Bedingungen wie bisher freundliche Aufnahme in der
Anstalt, die seit Juni h. a. den Namen des Unterzeichneten führt.
Mehrfache Neubauten (u. a. eine 90 Meter lange, das Grundstück
abschliessende, vollständig geschützte C’olonade mit Musikhalle und
Seitcnpavillons) und die wesentliche Erweiterung der das Curhaus und
die dazu gehörige Villa umgebenden Anlagen, durch welche die Ver¬
bindung mit dem nahe gelegenen Wald hergestellt wurde, verrathen
auch äusserlich das rasche Emporblühen der jungen Anstalt, die in
diesem Jahre mit nahezu 400 Curgästen ihre bisher höchste Frequenz
j erreichte.
! Prospectc stehen den Herren Collegen jeder Zeit zur Disposition.
j_ Dr, Theodor Römpler, ding. Arzt.
| Druckfehler-Berichtigung.
| In No. 50, S. 742, Z. 29 v. ob. links: Athmung statt Öffnung. —
i 1. c., Z. 34 v. ob. links: zuzusetzen: 1. vor Dorsalwirbel. — S. 744.
I Z. 22 v. unt. rechts: anästhetisch statt anästhesirt. — S. 744, Z. 29
v. ob. links: Ilalswirbelorganes statt Halswirbelbogens. — S. 745, Z. 22
v. unt. rechts: Tscheschechin statt Tsheschichin. — S. 745, Z. 16 v.
ob. links: Causa statt Curve. — S. 745, Z. 24 v. ob. links: totale
statt letale.
Verlag und Eigenthum von August Hirschwald in Berlin. — Gedruckt bei L. Schumacher in Berlin.
Digitized b)
Google
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
3Dfe Berliner KtttitaJIie WoeheneArift erscheint j«den
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lagsbachhandlung Ton August Hirschwald in Ber¬
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Organ für practisclie Aerzte.
Mit Berücksichtigung der preussischen Medicinalverwaltung und Medicinalgesetzgebung
nach amtlichen Mittheilungen.
Redacteur: Prot Br. I. Waldenburg. _ Verlag von August Hirschwald in Berlin.
Montag, den 30. December 1878. 52 . Fünfzehnter Jahrgang.
®»e geehrtes Abensestes werden ergebenst ersucht, damit in der Zasendung keine Unterbrechung
eintrete, das Abonnement auf das I. Quartal 1878 bei den Bnehhandlnngen oder Postanstalten
baldigst m ernenern._ Die Yerlagshandlnng.
IjlhaU . i Heubach- Antagouismus zwischen Morphin und Atropin. - II. Riegel und Tuczek: Zur Symptomatologie der Stenose der
Inhalt. I.* - ft . £ __ g nI Becker: Noch einmal die Unterscbenkelgeschwüre. — IY. Kaatzer: Fremdkörper im Ohre. — V. Pfuhl:
Fin Fall von Heufieber — VI Kritiken und Referate (Behrend: Die Hautkrankheiten — Pierson: Compendium der Electrotherapie —
retro-nharvngeale). — VII. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften (Verein für wissenschaftliche Heilkunde zu Königsberg i. Pr.).
— VIII Feuilleton (Wegner: Noch einmal Diphtheritis — Tagesgeschichtliche Notizen). — IX. Amtliche Mi tteilungen. — Inserate.
L Antagonismus zwischen Morphin und Atropin#
Von
Dr. Hans Heubacli in Bonn.
In Bd. VIII, Seite 31*—49 des Archivs für experimentelle
Pathologie und Pharmacologie habe ich die Resultate experi¬
menteller Untersuchungen niedergelegt, welche ich zum Theil
in Gemeinschaft mit Herrn Dr. Auerbach nach Anregung von
Herrn Prof. Binz anstellte. Sie ergaben als Resultat dieses:
1) Bei Hunden, welche durch Morphium bis zur tiefsten
Narcose mit Depression der Athmung und des Blutdrucks ver¬
giftet worden waren, gelang es, durch kleine Gaben von Atropin
(0,001—0,00G) die beiden lebenerhaltenden Functionen so zu
heben, dass in der kymographischen Curve der Unterschied
höchst deutlich hervortrat.
2) Bei derselben Thiergattung zeigten kleine Gaben von
Morphium (0,05), wenn durch Atropin (0,35) ein heftiger
Erregungszustand des Gehirns, der bis zu allgemeinen Krämpfen
ging, hervorgerufen worden war, einen beruhigenden Einfluss.
Ich schloss also aus diesen Versuchen die Möglichkeit, die
Versuchsbedingungen so zu stellen, dass ein gegenseitiger Anta¬
gonismus, der die Hauptlebensfunctionen des Thieres umfasst,
unzweifelhaft zu Tage tritt.
Prof. Binz resumirte') nach genauer Discussion der Ver¬
suche und der Casuistik folgendermassen:
„Nach alle dem schlicsse auch ich mich der Meinung an, dass wir
im Atropin ein antagonistisches Medicament gegen das Morphin besitzen.
In der Literatur finde ich mehrfach den „Antagonismus“ geleugnet, j
während man die erfolgreiche Bekämpfung mehrerer Theilerscheinungen !
der Morphinintoxication gerne zugiebt. Wie man sieht, kommt es in
dieser Streitfrage nur auf die Ausdehnung des Begriffes an. Wer von
dem Antagonisten eine runde Aufhebung der entgegenstehenden Potenz
wie von Plus und Minus verlangt, der hat Recht mit dem Widerspruch,
wenn es sich um Morphin und Atropin handelt. Am Krankenbette sind
die Dinge aber nicht so mathematisch zugeschnitten. Hier dürfen wir
mit dem Gegensatz, der in einigen wichtigen Lehensfunctionen sich
geltend macht, wohl zufrieden sein. Untergeordnete Symptome mögen
bestehen bleiben oder sogar stärker werden. Das Lehen gewinnt Zeit,
und das Gift verschwindet mehr und mehr aus dem Körper. Es ist
1) Bei Gerhardt, Handbuch der Kinderkrankheiten III. 1. pag.
409 und 419.
selbstredend, dass man sich heim kindlichen Alter vor zu starken Gaben
des Antidots noch mehr zu hüten hat, als beim Erwachsenen“,
und anknüpfend an den letzten Versuch, worin der mit Atro¬
pin und Morphium behandelte Hund am Leben blieb, während
seine Schwester von gleichem Wurf an Atropin allein zu Grunde
ging:
»Für sich allein würde ein Versuch, wie der oben mitgetheilte,
nicht viel beweisen, so schlagend sein Verlauf auch ist. Er stützt
jedoch die therapeutischen Erfahrungen seit Horst 1661, erhält durch
sie seine volle Bedeutung als eines auf den Menschen wohl anwendbaren
Experimentes und berechtigt zu dem Schluss: Vorsichtige Gaben
Morphin können die von dem Atropin veranlasste lebensgefährliche Er¬
regung der Nervencentren herabsetzen“.
Dem gegenüber erklärt nun Dr. Knapstein 1 ) auf Grund
von Experimenten, welche er auf Anregung und unter thä-
tiger Mitarbeit von Herrn Prof. Obernier 2 ) angestellt hatte:
„In meiner Stellung als Assistenzarzt des hiesigen St. Johannes-
Hospitals hatte ich häufiger Gelegenheit, Atropin und Morphium gleich¬
zeitig angewandt zu sehen. So erhielten von starkem Hustenreiz ge¬
plagte Kranke sowie tuberculöse Individuen mit Husten und starken
Nachtschweissen häufiger Atropin und Morphium zusammen. Eine anta¬
gonistische Wirkung ist mir dabei niemals aufgefallen, im Gegentheil,
es schien mir, als ob beide Mittel sich unterstützten. In Ueberein-
stimmung befinde ich mich in dieser Beziehung mit den Resultaten der
experimentellen Arbeiten von S. Weir Mitchell, W. Kccn und
G. R. Moorchouse, von Onsum, Camus, Erlenmeyer, von Be-
zo 1 d, Harter* Gscheid 1 en, Koning, Reese, Fröhlich, Corona,
von welchen Forschern auf Grund ihrer theils am Menschen, zum
grösseren Theil aber an verschiedenen Thierarten angestollU-n Versuche
nur einige wenige einen gewissen Gegensatz für einzelne Symptome der
Vergiftung zulassen, während andere sogar eine Verstärkung der von
dem einen Mittel hervorgerufenen Erscheinungen durch das andere Gift
beobachtet haben. Trotz der Menge der demnach einen Antogonismus
von Atropin und Morphium mehr oder weniger unbedingt') verwerfenden
gründlichen Forschungen wurde diesem noch von mancher Seih*, das
Wort geredet und zwar vorzugsweise auf casuistische Mittheilungen hin,
die zur Bestätigung des behaupteten dienen sollten. Erst in jüngster
Zeit hat auch unter den Experimentatoren der erwähnte Antagonismus
seinen Vertheidiger in Binz gefunden, dessen Ansicht seine Schüler
Heubach und Auerbach durch gemeinsame Versuche zu stützen
suchen.“
Herr Dr. Knapstein findet es angezeigt, in wenig höf-
1) Berliner klinische Wochenschrift 1878, pag. 691, No. 47. „Sind
Atropin und Morphium Antidote?“
2) Knapstein, Inaug. Diss. Bonn 1878. S. 52.
Digitized by
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF MICHIGAN
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. 52
76S
licher Weise die Versuche seines ehemaligen Lehrers und seiner
beiden Universitätsgenossen den „gründlichen“ Versuchen der
genannten Autoren gegenüber zu stellen. So ungewöhnlich
ein solches Verfahren nun auch ist, es hätte niemanden von
uns Dreien veranlassen können, gegen die Knapstein’sche Arbeit
Einsprache zu erheben, wenn sie in der Berliner klinischen
Wochenschrift mit seinen Versuchsprotocollen gegeben
worden wäre. Jeder Mediciner hätte sich dann ein Urtheil
selber bilden können, und wir brauchten nicht besorgt zu sein,
wie es ausfalle. Das Resume aber allein ohne den Boden
dazu mag leicht solche Täuschungen über den Werth und die
Gründlichkeit der Knapstein’schen Opposition hervorrufen,
dass es wohl geboten erschien, seine Experimente einer sach¬
lichen Analyse zu unterziehen, damit man sehe, wie weit der
Autor zu seinem „definitiven“ Schluss 1 2 3 4 ) und zur Verurtheilung
unserer Versuche berechtigt ist. Ich bemerke dabei, dass ich
alle mir bekannt gewordenen Thier-Arbeiten über diesen Gegen¬
stand a. a. 0. bereits besprochen habe.
I. Die Literatur in Knapstein’s Arbeit.
Vier falsche Behauptungen treten in erster Reihe hervor.
Die Amerikaner Mitchell, Keene und Morehouse werden
zu den Gegnern des Antagonismus gezählt. Das ist nicht der
Fall, wie ich einer eingehenden Analyse 3 ) ihrer, mir im Original
nicht zu Gebote stellenden Arbeit entnehme:
„Die drei amerikanischen Aerzte liessen beide Alkaloide in subeu-
taner Form auf eine ausgedehnte Reihe von fieberfreien Personen, theils
Nerven leidende, theils Reconvalescenten, einwirken, ohne dass diese er¬
fuhren, um was es sich handelte. In Betracht wurden gezogen die
Circulation, das Herz, die Iris, das Gehirn, der Darmcanal, die Harn¬
blase, die Schleimhaut von Mund und Rachen und die sensiblen Nerven.
Als Gesammtresultat ergab sich (ich berichte nach Fromm hold, da
mir die amerikanische Originalarbeit nicht zu Gebote steht), dass die
für die Morphiumwirkung charakteristischen Erscheinungen von Seiten
des Gehirns, die Schläfrigkeit und der Stupor, durch Atropin gemildert
oder beseitigt, dass die von Atropin allein hervorgerufenen Symptome,
der Kopfschmerz, die Phantasien, die Gehör- und Sehstörungen durch
Morphin entfernt werden; dass die Wirkung auf die Iris gegenseitig
aufgehoben werden kann; dass das eine Mittel die Athmung verlang¬
samt, das andere die Lueits Verlangsamte wieder hebt und umgekehrt,
und dass endlich in der Darmperistaltik der Antagonismus zuweilen
ebenfalls hervortritt. Kein Antagonismus zeigte sich ihnen am Herzen,
an der Blase, im Munde und an den sensiblen Nerven. Mehrfach fand
hier sogar eine Verstärkung der giftigen Wirkung des zuerst beige¬
brachten Alkaloides durch die des anderen statt“.
Dass diese Darstellung vollkommen zutrifft, kann der Oppo¬
nent auch aus zwei anderen Referaten ersehen. Man liest bei
Winter 4 ) mit Rücksicht auf die Gehirnfuuctionen:
„Auch in dieser Reziehung zeigte sich ein Antagonismus zwischen
beiden Giften: die für die Opiumwirkung charakteristischen Erscheinun¬
gen von Seiten des Gehirns wurden durch Atropin gemildert und be¬
seitigt und ebenso durch das Morphin die durch Atropin erzeugten, je¬
doch ist es sehr schwer, zwischen beiden Mitteln ein richtiges Gleich¬
gewicht herzustcllen, da ausserdem noch der Einfluss des Atropin von
grösserer Dauer ist“,
und bei Husemann 5 6 ):
„Die von Morphium und Atropin bewirkten Hirnerscheinungen kön¬
nen wechselseitig durch Anwendung des anderen bezwungen werden.“
Dass die amerikanischen Forscher die Sache zum Theil
ungeklärt und an manchen Punkten zweifelhaft liessen, beruht
natürlich auf ihrem Versuchsmaterial, dem Menschen. Von
einer „mehr oder weniger“ unbedingten Gegnerschaft aber
ist nach dem citirten bei ihnen keine Rede.
Erlenmeyer*) hatte einen mit Atropin vergifteten Pa¬
tienten mit Morphineinspritzungen behandelt; er spricht sich
1) Unbedingt ist unbedingt; ein „mehr der weniger“ giebt’s da nicht.
2) Inaugural-Diss.. Bonn 1878: Ueber die gleichzeitige Wirkung
von Atropin und Morphium, pag. 51.
3) Gerhardt, Handbuch der Kinderkrankheiten. III., 1., p. 417.
4) Schmidt’s Jahrbücher, Bd. 128, S. 176.
5) Canstatt’s Jahresbericht. 1S65. Bd. 5. S. 123.
6) Berliner Klin. Wochenschrift. 1866. No. 2. S. 15.
über unser Thema am Schlüsse seines Aufsatzes folgender-
massen aus:
„Was nun die narkotische Wirkung beider betrifft, so hat nament¬
lich Dr. Camus durch verschiedene Experimente den Beweis führen
wollen, dass sie keine Gegenmittel seien, sondern sich in ihrer Wirk¬
samkeit unterstützten. Er hat seine Versuche an Kaninchen und Sper¬
lingen gemacht und von diesen Thieren seinen Schluss auch auf den
Menschen ausgedehnt. Ohne über die Zulässigkeit dieses Schlusses mich
weiter auszulassen (doch kann ich nicht unterlassen, daran zu erinnern,
wie verschieden bei den einzelnen Thieren die Fähigkeit ist, die Narco-
tica zu ertragen), muss ich jedoch bemerken, dass Dr. Camus seine
Experimente nicht in richtiger Weise angestellt hat, indem er in jedem
einzelnen Falle das Gegenmittel, welches doch selbst wieder ein gefähr¬
liches Gift ist, in zu grosser Dosis gegeben hat. Wenn er also sagt,
er habe durch das Gegenmittel keine Aufhebung der narkotischen Wir¬
kung des Mittels gesehen, die Thiere seien also trotz des Gegenmittels
am Gift gestorben, so muss ich ihm nach meiner Ueberzeugung erwidern,
dass dieselben nicht am Gift, sondern am Gegengift gestorben sind.
Diese Versuche von Camus haben gar keine Beweiskraft: überhaupt ist
dieser Theil der Frage noch nicht durch exacte Beobachtungen beant¬
wortet.
Einzelne Erfahrungen am Krankenbett, die ich in Verbindung mit
mehreren anderen Co liegen zu machen Gelegenheit hatte, scheinen mir
dafür zu sprechen, dass zwischen beiden Mitteln auch in dieser Be¬
ziehung ein Antagonismus besteht. Einzelne sehr sensible Damen
zeigten nämlich, sowohl nach kleinen Dosen Atropin, als andere nach
kleinen Dosen Morphium sehr bedenkliche Symptome der Narcotisirung,
welche immer durch das entsprechende andere Alkaloid rasch beseitigt
wurden. Auch Eulenburg hat ähnliche Beobachtungen gemacht be¬
züglich des Atropins.
Wir dürfen also die oben aufgeworfene Frage dahin beantworten,
dass Atropin und Morphium sich in Bezug auf die Pupille und die
X e rven contra (Nareose)als Antagonisten verhalten, dass sie
sich aber in Bezug auf die Sensibilität, auf die Score Gon der Schleim¬
häute und das Verhalten der Circulationsorgane (Puls) gegenseitig unter¬
stützen, während in Bezug auf RespiraGons- und Digestionsorgane ein
bestimmtes Urtheil noch nicht ausgesprochen werden kann.“
Wenn Erlenmeyer sich schon so verurtlieilend aussprach
über die grossen Dosen von Garaus, was würde er wohl, wenn
er noch lebte, zu den Colossalgaben von Knapstein sagen,
welche wir nachher uns noch anzusehen haben werden?
Bezold l ) gehört ebenfalls nicht zu den „mehr oder weni¬
ger unbedingten Gegnern“, wie aus der von mir bereits früher
ausführlich mitgetheilten Stelle hervorgeht. Hier nur >eiu
Schlusssatz:
..Die Wirkung des einen wird durch die Wirkung des anderen Giftes
nur im Anfang und bei kleinen Dosen neutralisirt, bei grösseren Gaben
summiren sich die schädlichen Wirkungen beider, sodass nur mit Vor¬
sicht und unter Beschränkung das eine als Gegengift für das ande re
brauchbar sein dürfte.“
Bezold arbeitete nur an Kaninchen, bei welchen der An¬
tagonismus aus von mir früher erwähnten Gründen weniger
hervortritt, und dennoch giebt er ihn zu. Vorsicht und Be¬
schränkung haben auch Binz und ich empfohlen. Zwischen
der Anschauung Bezold’s und der unsrigeu besteht also kein
Gegensatz.
G scheid len 4 ) hat in seiner Arbeit über Morphium, welche
Knapstein pag. 15 als die hierhergehörige citirt, kein Wort
davon gesagt, dass er Gegner des Antagonismus sei. Das ein¬
zige, was er überhaupt davon berührt, lautet ganz anders:
„bei sehr grossen Vergiftungsdosen (Morphium) folgt der Injection
des Giftes eine sofortige Erregbarkeitsabnahme. Es unterscheidet sich
dadurch das Morphium vom Atropin. Während bei der Vergiftung mit
Atropin eine Verminderung in der Erregbarkeit der Nerven ohne vor¬
hergehende Steigerung eintritt, sehen w f ir hier der Erregbarkeitsabnahmc
eine Steigerung vorhergehen, und nur in den Fällen, wo colossale Dosen
von dem Gifte gegeben wurden, findet eine sofortige Abnahme statt.“
Diese sechs Bundesgenossen fallen also ans der Reihe der
von Knapstein sich zur Seite gestellten „gründlichen“ gründ¬
lich fort — es waren nicht die schlechtesten unter ihnen.
Die Bestimmtheit des literarischen Urtheils von Knapstein
über die Gründlichkeit der Gegner meiner Anschauung erweckt
1) Sitzungsberichte der physikalisch-medicinischen Gesellschaft in
Würzburg für das Gescllschaftsjahr 1865 66. S. 6.
2) Ueber die physiol. Wirkungen des essigsauren Morphium. Unter
suchungen a. d. phys. Laborat. in Würzburg. 1869. II. Theil. S. 13
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30. December 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
769
bei dem Leser des Aufsatzes in der Berliner klinischen Wochen¬
schrift nothwendig die Meinung, Knapstein habe sich die be¬
treffenden Aufsätze im Original oder doch wenigstens in grösse¬
ren Referaten angesehen. Schon die Proben, welche ich von
den eben behandelten Autoren gab, zeigen deutlich, wie es mit
Knapstein’s literarischen Kenntnissen über diesen Gegenstand
bestellt ist. Aus seiner Dissertation geht hervor, dass er die
naturgemäss nur sehr kurzen Auszüge von v. Boeck nicht nur
benutzt — was er übrigens in der Dissertation sagt — sondern
wörtlich ab geschrieben hat.
Als Probe gebe ich hier die erste beste Stelle. Für sämmt-
liche andere Gewährsmänner, deren Gründlichkeit Knapstein
bekanntlich studirt hat, trifft dasselbe zu.
Bei v. Boeck heisst es Seite 548 :*)
„Auch Erlenmeyer stellte an Kranken Versuche an und fand,
dass die Pulsfrequenz der Atropinwirkung entspricht und nicht der
Morphinwirkung, dass vielleicht in Bezug auf die Athmung ein Gegen¬
satz existire, und dass in Bezug auf die Pupille ein wirklicher Antago¬
nismus stattfinde, was auch Graefe bestätigt hatte.“
Knapstein schreibt Seite 14:
Erlenmeyer fand durch seine Versuche an Kranken, dass die
Pulsfrequenz der Atropin Wirkung und nicht der Morphiumwirkung ent¬
spreche, dass in Bezug auf die Athmung vielleicht ein Gegensatz existire
und in Bezug auf die Pupille wirklicher Antagonismus; das letztere
wurde auch durch v. Graefe bestätigt.“
Ich bitte, die von mir vorher citirte Schlussstelle aus
Erlenmeyer’s Arbeit mit dem vorstehenden zu vergleichen.
Es wird daraus hervorgehen, dass Knapst ein, der den gründ¬
lichen Character jener Arbeit mir gegenüber aufspielt, das
Original derselben nie vor Augen hatte, nur den dürftigen
Auszug bei v. Boeck. Und damit man nicht etwa meine, es
handele sich hier um zwei verschiedene Aufsätze Erlenmeyer’s,
steht bei Knapstein Seite 14 unten genau das Citat, wie ich
es vorher angegeben.
II. Die Methode von Knapstein’s Arbeit.
Knapstein richtet, seine Versuche so ein, dass er von der
„absolut letalen Dosis“ ausgeht.
Ich will hier übergehen, was sich alles gegen diese Me¬
thode einwenden lässt. Sicher ist, was Husemann 2 ), ihr Haupt¬
vertreter, sagt:
„Man kann Täuschungen nur dadurch entgehen, dass man die Zahl
der Beobachtungen möglichst vervielfacht, und ohne eine grössere An¬
zahl von Versuchen wird man überhaupt kein Urtheil über die Brauch¬
barkeit eines Antidots zu fällen vermögen.“
Knapste in macht sich das viel leichter. Das Tödten von
zwei Thieren mit Atropin, von einem mit Morphium — wie
beides geschah, werde ich gleich erörtern — genügt ihm, um
sofort bei fünf anderen Hunden die vermeintlich gefundenen
Massstäbe zu benutzen. Von diesen fünf ist der eine ein „Hund“,
der zw eite ein „Pudel“, der dritte wieder ein „Hund“, der vierte
ein „Spitz“ und der fünfte nochmals ein „Hund“. Jeder, der
die verschiedene Wiederstandsfähigkeit der verschiedenen Racen
und Alter gegen narcotisehe Gifte kennt, wird wissen, wieviel
es werth ist, wenn eine solche bunte Reihe von Versuchstieren
bei dieser Methode figurirt, welche die Thiere als nur ihrem
Gewicht nach verschieden ansieht.
Gehen wir nun über zur Betrachtung der einzelnen Ver¬
suche. Es sind deren zehn.
I. Ein weiblicher „Hund“ von 8 */ t Kilo, l 1 /* Jahre alt.
Knapstein macht diesem Thier innerhalb 8 Stunden nicht
weniger als 61 Injectionen von Atropin, und zwar in der Dosis
von 0,0002 bis 0,001. Nur ganz am Ende bekommt das Thier
ein Mal 0,01. Das Resultat dieses Versuches war im wesent¬
lichen, dass das Thier am folgenden Morgen beim Anfassen
1) v. Ziemssen Handb. d. spec. Pathol. u. Therap. Bd. XV.
2) Arch. f. experiment. Pathol. u. Pharmacol. Bd. VI, S. 352.
knurrte und mit gutem Appetit frass. Das Aufstehen sowie
Gehen war langsam und schwerfällig, wobei es zweifelhaft
bleiben kann, ob letzteres von dem ganz überflüssigen acht¬
stündigen Aufgebundensein herrührt, oder vom Atropin.
Die zahlreichen Injectionen minimaler Quantitäten Atropin
hatten natürlich keinen Erfolg, weil es bekannt ist, dass Thiere
viel weniger empfindlich auf Atropin reagiren, als der Mensch.
Es lässt sich nur annehmen, dass Knapstein davon*) nichts
gewusst hat, sonst hätte er wohl kaum sich dazu verstehen
können, bis Mitternacht über diesen fruchtlosen Injectionen zu
sitzen. Der ganze Versuch hat also nicht die mindeste Bedeu¬
tung und sagt uns nicht das geringste neue, ungeachtet er in
der Dissertation Knapstein’s drei volle Seiten einnimmt.
II. Dasselbe Thier, 4 Tage später. Die diesmaligen Dosen
sind etwas heroischer. Es werden innerhalb nahezu 6 Stunden
42 Injectionen gemacht, die meisten von 0,02, eine Minderzahl
von 0,04. Etwas besonderes passirt dabei nicht. Nach dem
Losbinden ist das Thier schwach auf den Beinen. Auch dieser
ganz ergebnisslose Versuch nimmt nahezu drei Seiten der Disser¬
tation ein.
III. Folgender (!) Tag, dasselbe (!) Thier. — Beim expe-
rimentiren mit narcotischen Giften an Thieren ist es eine der
ersten Regeln, das gleiche Thier nur in weiten Zeitabständen
zum Versuch zu benutzen. Schon die grosse Toleranz der
Thiere gegen solche Gifte, noch mehr aber die Erfahrung, dass
sie ungemein rasch an dieselben sich gewöhnen, gebietet das
für jeden Versuch, der auf Exactheit Anspruch machen will.
Herrn Knapstein war auch das nicht bekannt, und so werden
dann diesem Thier heute 8 Grm. Atropin in 5 Stunden, ver¬
theilt auf 30 Injectionen. eingespritzt. Die grosse Mehrzahl
der Quantitäten besteht aus je 0,25, einige Mal sind es 0,5.
Wie stark die Concentration der Lösung war, wird von dem
Experimentator nicht angegeben, wahrscheinlich weil er glaubte,
dass das vollkommen gleichgültig sei. Es ist das ein grosser
Irrthum. Die Geschwindigkeit der Aufsaugung hängt wesent¬
lich ab von der Grösse der Resorptionsfläche und sie wird be¬
stimmt von der Menge des mit eingeführten Wassers. Will
Knapstein sich meine Protocolle ansehen, so wird er finden,
dass überall diesen Verhältnissen Rechnung getragen ist, und
will er ferner experimentelle Resultate über die Differenz der
Wirkung dieses ihm nebensächlich erscheinenden Punktes kennen
lernen, so wolle er die unten citirte Stelle 2 ) nachlesen.
Höchst auffallend ist nun in diesem Versuch folgendes:
das Thier hat bereits 4,5 Atropin im Leibe. Da treten „all¬
gemeine clonische Krämpfe“ auf. Unbarmherzig werden ihm
sogleich hinterher wieder 2 mal 0,25 Atropin beigebracht.
„Oeftere und stärkere clonische, manchmal unterbrochen durch
allgemeine tonische Krämpfe“, heisst es dann. Abermals 2 mal
0,25 Atropin. „Permanente clonische Krämpfe, welche in einen
starken tonisch-clonischen Krampfparoxysmus übergehen.“ Nun
sollte man meinen, hätte das unglückliche Thier doch genug,
und der Experimentator liesse es ruhig verenden, oder wartete
doch wenigstens zu seiner Belehrung ab, ob das geschehe.
Aber nein! innerhalb 20 Minuten wird dem Thier nun wieder
1,25 Atropin eingepumpt. Jetzt „hören die Athembewegungen
fast auf“, aber noch keine Ruhe zum Sterben ist ihm gegönnt.
Um 6 Uhr 40 Min. bekommt es abermals 0,25, und um 6 Uhr
45 Min. wird es dem Experimentator dann endlich klar, dass
das Thier „in einem bemerkbaren Verfall“ begriffen sei. Er
1) Jedes Handbuch der Toxicologie theilt das mit. Man vgl. z. B.
Husemann, Pflanzenstoffc. 1871. S, 442.
2) Husemann: Arch. f. experiment. Pathologie u. Pharmacologie.
Bd. VI., S. 359 u. ff.
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BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
i So. 52
bringt ihm aber noch ein ganzes Gramm Atropin innerhalb
35 Minuten bei, zählt dieses aber bei der Endrechnung nicht
mit. 8 Gramm hat das Thier im ganzen bekommen, 1 Gramm
wird nicht mitgerechnet, 7 Gramm sind also die Dosis letalis
für diesen merkwürdigen Hund.
Auf Seite 17 der Dissertation feiert Knapstein dieses Er¬
eigniss mit den Worten:
.,Das Atropin betreffend, habe ioh durch mehrere Versuche die frap¬
pante Thatsache festgestellt, dass ein Hund von S 1 /* Kilo zu seiner Ver¬
giftung wenigstens 7 Gramm Atropin bedurfte.“
Frappant ist diese Thatsache, aber in einem anderen Sinne,
als der Autor meint.
IV. Weiblicher „Pudel“ von 7 Kilo, 9 Monate alt, erhält
innerhalb 38 Minuten 3 Gramm Atropin in Dosen von je 0,5.
Eine Viertelstunde später sind „die Herzcontractionen bereits
so schwach, dass es zur Auffindung der Töne längerer Zeit be¬
durfte“. 120 „flache Atbemzüge“ in der Minute. Aber immer
mehr Atropin muss hinein, innerhalb der nächsten 40 Minuten
noch ganze 1,5 Gramm (wie aus der Summirung Seite 45 der
Dissert. hervorgeht), wenngleich, inzwischen schon wieder klo¬
nische Krämpfe auftreten, und das Thier bereits so herunter
ist, dass es nicht mehr schreien kann. Erst als die klonischen
Krämpfe „ständig“ werden, hört das Einspritzen auf, und das
Thier verendet 41 Minuten nach Einspritzen des letzten halben
Gramms Atropin, welches bei dem darniederliegenden Kreislauf
ebenso wenig wie die zwei vorhergehenden auch nur resorbirt
zu sein brauchte.
V. Ein „Hund“ von 4 l / s Kilo, also ein kleines Thier, er¬
hält binnen 1 Stunde 23 Min. 2,4 Gramm Morphium. Wenn
man bedenkt, dass diese Dosis das zweihundertvierzigfache
von dem ist, was einen 17 mal schweren Menschen binnen
kurzem zu tiefem Schlaf bringt, so muss man sie als eine un¬
geheure betrachten. Noch mehr tritt dieser Character hervor,
wenn man zusieht, in welcher Weise der erste Theil von 0,8
auf das kleine Thier einwirkt. Der Puls steigt von 104 auf
160, die Athemfrequenz sinkt von 56 auf 24, die Temperatur
von 37,8 auf 35,6 — alles das innerhalb 33 Minuten. Ein
sachkundiger Experimentator hätte auch hier innegehalten mit
der Bestimmung seiner Dosis letalis minima, Knapstein da¬
gegen injicirt noch weiter 1,5 Morphium. Lange schon sind
„allgemeine Zuckungen“ aufgetreten. Abermals 0,1 Morphin!
und erst, als minutenlang tonischer Krampf entsteht, wird keine
Einspritzung mehr gemacht.
Von den grundlegenden Versuchen habe ich kurz noch zu
erwähnen No. IX:
Ein junger „Spitz“ von 10 Kilo bekommt 3,0 Atropin in
15 Einspritzungen, jede zu 0,2 innerhalb 10 Stunden. Mitter¬
nacht ist wieder herangebrochen, und nur das schützt das Thier
vor weiterem Ueberflutheu mit Einspritzungen, denn immer ist
es noch nicht todt. Der Spitz wird sich selbst überlassen und
am Morgen um 6 Chr todt gefunden. „Körper noch warm.“
Die Verschiedenheit der Methode, nach welcher hier einer¬
seits und in Versuch III —V andererseits die letale Dosis er¬
reicht wird, liegt auf der Hand. Dort wird das Einspritzen
fortgesetzt bis nahe zum Eintritt des Todes, hier verendet das
Versuchsobject erst mehrere Stunden nach Einverleibung der
letzten Dosis des Giftes. Wie viel hätte sich in den 5 Stunden
noch injiciren lassen? und bis zu welcher Höhe wäre damit
die letale Dosis gestiegen? So ging es in Versuche III — V,
und um das noch recht übersichtlich vorzuführen, hier die Zu¬
sammenstellung. Die 1. Columne giebt die Versuchsnummer,
die 2. das Gift, die 3. das Zeitquantum, zwischen letzter Gabe
und Tod, die 4. giebt die „kleinste l&ale Dosis^J auf eia .Kilo
Körpergewicht:
1
2
3
4
IU
Atropin
8 Minuten
0,32
IV
41' Minuten
0,64
V
Morphium
15 Minuten
0,53
IX
Atropin
5 — $ Stunden
0,30
So sind die Grundlagen beschaffen, auf weloifon die eigent¬
lichen Versuche, VI, VII, VIII und X aufgebaut werden, wahoh»
beweisen sollen, dass die von Binz, mir und .Auerbach aus¬
gestellten Behauptungen falsch sind. Es wird nach alle denn
nicht erforderlich sein, die letzt genannten Versuche hier eben¬
falls diesmal zu analysiren.
Um den auffallenden Unterschied/ in der Wirkung zwisohen.
III und IV und IX zu erklären, greifti Knapst»in zu den An¬
nahme, er habe auf beiden Seiten mit einem verschiedenem
Atropin, sulfuric. gearbeitet, dort mit: einem schwachen, hier
mit einem „kräftigen“ (Sv 38 der Dissertation). Mir scheint
der Unterschied in der Zeit, welche man den 3,0 Grm. üi; IU
und IV nicht, in IX wähl gelassen hat, zur Erklärung mehr
wie auszureichen. Das Arbeiten mit Präparaten, wovon nach.
Knapstein’s eigener Annahme das eine sicher kein reines.
Atropin war 2 ), und das neben einander laufende Verwertlien,
beider Reihen schliesst einen Fehler der Methode ein, der si&
noch frappanter machen würde, als sie nach, dem bisherigen;
es schon ist. Die beiden mit dem „kräftigen“ Atropin* also
dem richtigen, angestellten Versuche IX und X sind zu wenig
an Zahl — selbst wenn ihre Methode correct wäre, um* etwas
zu beweisen; und die sechs vorhergehenden Versuche sind dem¬
nach mit einem Atropin angestellt, das alles mögliche noch
nebenher sein konnte, und deshalb sind sie noch viel weniger
beweisend.
Characteristisch ist folgende Stelle bei Knapstein auf
S. 31 der Dissertation:
„Was die nun folgenden Versuche, bei welchen gleichseitig Atropin
und Morphium gegeben wurde, von denen anderer Experimentatoren
unterscheidet, sind die angewandten hohen Gaben. Der Grund dieses
meines Verfahrens liegt auf der Hand: wollte ich erforschen, ob die Ver¬
giftung durch eines der beiden Mittel durch das andere aufgehalten
werden könne, so musste ich auch wirklich die hohen Dosen, wie ich
sie erst als vergiftend durch meine vorhergehenden Versuche kennen
gelernt hatte, anwenden, und mich nicht auf Minimal-Quantitäten be¬
schränken, bei deren Behandlung jedes noch so unschuldige oder ver¬
kehrte Mittel als Antidot hätte erscheinen müssen. Dass ich dann bei
der Behandlung der Vergiftungen durch die „Antidote“ auch diese in
grossen Gaben anwandte, wird für Morphium weniger auffallen, weil ja
bei Atropinvergiftung grosse Gaben Morphium verlangt werden; dass ich
aber auch bei Behandlung der Morphium gegen den Usus grössere
Dosen Atopin anwandtc, hielt ich angemessen und gestattet, weil einer¬
seits die angewandten Gaben der vergiftenden Substanz eine stärkere
Dosis des „Gegengiftes“ verlangten, andererseits das bei der antidoten
Behandlung gereichte Quantum Atropin niemals so bedeutend war, dass
es nach den früheren Versuchen eine wesentliche Schädigung hätte be¬
wirken können.“
Ich verweise auf die von mir durch gesperrten Druck her¬
vorgehobenen Worte. Da ist dann zuerst zu bemerken, dass
die angegriffenen Autoren nie etwas von „grossen“ Gaben Mor¬
phium gesagt haben. Man vergleiche oben S. 767. — Und was
die „gegen den Usus grösseren Dosen Atropin“ Knapstein’s
angeht, so traut man beim Lesen dieser Stelle seinen Augen
kaum. Knapstein findet, dass grosse Dosen Atropin als
Gegengift nichts taugen, und deshalb polemisirt er gegen die¬
jenigen, welche von demselben Gegengift kleine Dosen in Thier¬
versuchen prüfen und für den Menschen empfehlen! — Biu*
sagt ausdrücklich a. a. 0. S. 421:
1) Berliner klinische Wochenschrift No. 47, S. 692, zweite Spalte.
2) S. 46 der Dissertation: „Diese entschieden höhere Wirksamkeit
des Simon’schen Atropin gegenüber dem die Atropinwirkungen ja noch
sehr gut ergebenden Marquart’schen, wird* nebenbei bemerkt, durch
den höheren Preis des ersteren compensirt. Das Simon’sche Atropin
kostet pro Grm. 3,65 Mkv, das Marq’schuarte 1,00 Mk.“
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No. 52
welche durch dies Verfahren erzielt sind, mag ich nicht in Ab¬
rede stellen, aber das kann ich behaupten: die Landbevölkerung
unserer Provinz wird nie dazu bewogen werden, täglich zum
Arzt zu gehen und sich verbinden zu lassen, denn ehe sie ein
solches Opfer an Zeit und Geld bringen, werden die entfernter
wohnenden Patienten lieber ihr „offenes Bein“ weiter tragen.
Ueberlassen wir aber den Patienten das Verbinden mit
Empl. merc. et. saponat., so werden die Erfolge bald ausbleiben,
da es mehr auf die sorgfältige Anlegung des Verbandes, als
auf die Zusammensetzung des Verbandstoffes ankommt.
Weil es rein mechanische Momente sind, welche die Heilung
der Ulcera cruris verhindern, so glaube ich, dass wir nicht nach
specifischen Mitteln, sondern nach einem Verbände suchen sollen,
welcher jene Momente ausschliesst und nur selten erneuert zu
werden braucht. Diese Bedingungen aber werden nach meiner
Ansicht am vollkommensten durch den in No. 47 1877 näher
beschriebenen Heftpflasterverband erfüllt.
IV. Fremdkörper im Ohre.
Kurze Notiz
TOM
Dr. Kaatzer in Visselhövede.
Die Veröffentlichung des Collegen Schwerin in No. 48
dieser Wochenschrift über Fremdkörper im Ohre bringt mir
folgenden Fall in die Erinnerung, der mir vor ungefähr 4 Jahren
vorgekommen ist.
Der Dienstknecht eines Bauern kam eines Morgens zu mir
mit dem Anliegen, sein linkes Ohr zu besichtigen, das ihn seit
gestern sehr schmerze. Es bot sich mir ein eigenthümlicher
Anblick dar. Das Ohr war ganz dicht vollgepfropft mit leben¬
den, abwechselnd nach vor- und rückwärts sich bewegenden
Würmern, der Brut der gewöhnlichen dicken Brummfliege,
welche im Schlafe wahrscheinlich in das Ohr hineingekrochen
und ins Ohrenschmalz ihre Eier abgelegt hatte. Es gelang
mir mit der Pincette nur ca. 6 Stück herauszuziehen; der
Versuch, die ganze MeDge, die ich auf 700 schätzte, zu um¬
gehen und sie hinauszufördern, misslang stets, weil die Thiere
bei jeder Berührung alle den Rückzug tief in das Ohr hinein
bis zur Unsichtbarkeit antraten. Von einem tieferen Eingehen
mit Löffelchen oder anderen Instrumenten glaubte ich Abstand
nehmen zu müssen. Der arme Mensch jammerte über fürchter¬
liche Schmerzen.
Ich machte nun Einspritzungen von Seifenwasser, blies
Tabaksrauch hinein, jedoch ohne Erfolg. Einträufelungen von
Chloroform ins Ohr bewirkten weder Besserung noch Erleich¬
terung. Ich schickte ihn fort mit der Bitte, nach Verlauf einer
Stunde wieder zu kommen. Auch da war der Zustand derselbe:
die Thiere, sich in einem fort bewegend, waren sichtbar, zogen
sich jedoch bei der geringsten Berührung zurück. Ich band
ihm nun eine Scheibe holländischen Käse vor das Ohr und gab
ihm den Rath, sich damit zu Bett zu legen. Am anderen Morgen
kam er freudig wieder und ich fand das Ohr bis auf einiges
Ohrenschmalz vollkommen leer und rein. Um das Stückchen
Käse hatte er sich nicht weiter gekümmert; ob dieses die Ur¬
sache des Erfolges gewesen ist, wage ich nicht zu entscheiden.
V. Ein Fall von Heufieber.
llitgetheilt von
Gymnasiallehrer Fritz Pfühl in Posen.
Am 10. Juni wurde in Posen folgender Fall von Heufieber
beobachtet:
Eine junge Dame von 22 Jahren hatte am Morgen eines
warmen, trockenen und windigen Tages eine Promenade ins
Freie gemacht. Etwa 2 l / s Stunde nach der Rückkehr stellten
sich die bekannten Symptome, starker Schnupfen mit bedeuten¬
dem Ausfluss aus der Nase, Augenschmerzen, Anschwellen der
Conjunctiva, Kopfschmerzen und allgemeines Unbehagen, ein.
Nach etwa 4 Stunden milderten sich die Erscheinungen und
gaben sich ganz nach ebenso langer Zeit.
Der microscopische Befund dieses Falles bot einiges neue,
was hiermit mitgetheilt wird.
Das Taschentuch, welches am Abend gebraucht war, wurde
mit Wasser befeuchtet und nach einiger Zeit ausgedrückt. Die
verhältnissmässig zahlreichen Pollenzellen, welche von Grami¬
neen, vielleicht auch von Plantago-Arten herzurühren schienen,
waren nicht mehr körnig, sondern hyalin, was ich in einem
mir zugänglichen Referat der Cannstatt’schen Jahresberichte
1875, II. 1, pag. 14 ebenfalls finde, übrigens ganz wie es Lühe
beschreibt, stark lichtbrechend, meist ovoid oder bimförmig.
Mit Jod färbten sich diese Körper sofort vollständig blau
und nicht, wie gewöhnlich Graspollen, zunächst gelb, und dann
im Inhalte blau. Es scheint also nicht bloss der Inhalt, son¬
dern auch die Membran durch das Secret der Nase modificirt
w r orden zu sein.
Auch die Augen wurden, jedoch erst am folgenden Tage
mit einem reinen Läppchen ausgewaschen und auch diese Flüssig¬
keit untersucht. Es ergab sich hierbei dasselbe Resultat; nur
w r aren die Pollenkörner nicht so verändert, als durch das Nasen-
secret. Sie waren hin und wieder noch körnig und färbten
sich auf Zusatz von Jod auch nicht sofort blau, sondern erst
gelb, doch dann sogleich blau. Parallelversuche zeigten, dass
der Pollen durch das Secret, der Nase und den Speicheldrüsen
nach einigen Stunden eine ähnliche Modification erfährt. In
der Nähe des Spazierweges, w r as noch zu bemerken wäre,
wuchsen von Pflanzen, die auf Windbefruchtung angewiesen
sind — denn nur solche können hierbei ja in Betracht kommen —
namentlich Dactylis glomerata, Phleum pratense, Cocleria cri-
stata, Anthoxantum odoratum, Hordeum murinum, einige Poa-
und Plantago-Arten.
VI. Kritiken and Referate.
Die Hautkrankheiten, für Aerzte und Studirendc, dargestellt von
Dr. Gustav Behren d, pract. Arzte in Berlin. Mit 28 Holz¬
schnitten. Braunschweig, Verlag von Friedrich Wreden. 1879.
Bei dem grossen Umfange, welchen nicht nur die einen Theil des
Virchow’sclien Handbuches der speciellen Pathologie ausmachende Ab¬
handlung von Hebra und Kaposi über Hautkrankheiten, sondern auch
das bekannte Neumann’sche Buch namentlich in seinen letzten Auf¬
lagen erreicht hat, ist ein dermatologisches Werk, das bei geringerem
Volumen besonders die Bedürfnisse des Practikers zu berücksichtigen
im Stande ist, ein längst gefühltes Bedürfniss. Indem Verf. in seinem
vorligcndem Buch gerade dieses Bedüfniss vor Augen gehabt, ist es ihm
gelungen, eine in der That fühlbare Lücke in der Literatur der Haut¬
krankheit in einer in vielen Hinsichten durchaus befriedigenden Weise
auszufüllen. Es ist dabei ganz natürlich, dass Verf. seiner Darstellung
nirgends den Stempel neuer Erfindungen oder Entdeckungen gegeben,
sondern sich namentlich in formeller Hinsicht meistentheils an don Alt¬
meister Hebra angeschlossen hat. Andererseits haben wir es aber hier
keineswegs mit einer einfachen Rccapitulation und Compilation fremder
Arbeiten zu thun; jedes einzelne Capitcl legt vielmehr Zeugniss ab,
dass Verf. die Erfahrungen, welche er selbst als Leiter einer Poliklinik
für Hautkrankheiten und Arzt des grossen hiesigen Gewerkkrankenvereins
zu sammeln vermochte, zu Gunsten seines Zweckes, die bisherige Literatur
der Hautkrankheiten im Interesse des angehenden wie des fertigen Prac¬
tikers kritisch zu sichten, in ausgedehntestem Masse verwerthet hat.
Vielleicht ist hierbei der pathologisch-anatomische Theil der Dermatologie
an einzelnen Stellen zu kurz gekommen; desto mehr verdient aber
hervorgehoben zu werden, dass der therapeutische Abschnitt des Werkes
allen an denselben zu stellenden Anforderungen entspricht.
Gehen wir nun zu dem speciellen Inhalt des Behrend'sc-hen
Buches über, so ist zunächst zu bemerken, dass derselbe, soweit sich
prima vista übersehen lässt, ziemlich vollständig ist, zümal da in einem
besonderen Anhänge auch die syphilitischen Hautleiden mit ihrer Diffe¬
rentialdiagnostik von den ähnlichen nicht-syphilitischen Affectionen eine
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30. December 1878.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
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Stelle gefunden haben. Im übrigen zerfällt das ganze in einen speciellen
und einen allgemeinen Theil, und können wir aus dem letzteren namentlich
das Kapitel von der allgemeinen Therapie der Dermatonosen wegen der
klaren, durchaus auf das praktische gerichteten Form der vom Verf. ge¬
wählten Darstellung lobend erwähnen. Sehr dankenswerth ist ferner
die freilich etwas aphoristisch gehaltene Einleitung über die Anatomie und
Physiologie der Haut. Den Schluss des Werkes macht ein 10 Seiten
langes Sachregister aus, welches neben dem ausführlichen Inhaltsver¬
zeichnis« sehr zur Brauchbarkeit desselben beitragen wird. — Die Aus¬
stattung ist bei dem bescheidenen, sich nur auf 8 Mark belaufenden
Preise eine völlig genügende zu nennen. P. G.
Compendium der Electrotherapic von Dr. med. R. H. Pierson,
pract. Arzt in Dresden. Zweite umgearbeitete Auflage.
Mit 13 Holzschnitten. Leipzig. Abel. 189 S.
Das Compendium der Electrcthcrapie von Pierson, welches im
Jahre 1875 in erster Auflage erschien, jetzt bereits in zweiter Auflage
vorliegt, ist für den Gebrauch des Praetikers sehr zweckmässig einge¬
richtet. Es bringt in fünf Abschnitten — physicalische Vorbemerkungen,
Elect-rophysiologie, die electrischen Apparate, die Methoden der Anwen¬
dung der Klectricität und Electrotherapic — alles für den Practiker
wesentliche in Bezug auf Physik, Physiologie und Therapie dieses
Zweiges der Heilkunde, und zwar in knapper, aber leicht verständlicher
und wissenschaftlicher Form. Die zweite Auflage ist im Vergleich zur
früheren erheblich vermehrt worden, besonders sind die physicalischcn
Vorbemerkungen neu durchgearbeitet worden; ferner sind in dem Ab¬
schnitt über die electrischen Apparate die relativ grosse Zahl der in
den letzten Jahren neu beschriebenen Apparate ausführlich aufgenommen
worden, und endlich hat der Abschnitt über Electrotherapic ebenfalls,
dm vielfachen Bereicherungen der letzten Jahre entsprechend, eine neue
Bearbeitung erfahren. Als eine sehr willkommene Zugabe der neuen
Aullage muss schliesslich die Jlinzufügung von Holzschnitten angesehen
wenb-n, welche die Beschreibung der Apparate wesentlich unterstützt.
II aemat oma rctro-phary ngea 1 e.
In drei Fällen von Struma — einmal bei einem kräftigen Mann,
ein andermal bei einem 18jährigen Jüngling, endlich bei einer 7*2 jäh-
rigen Fiau — b.obaehfete Stork gleichzeitig eine Geschwulst der hin¬
teren .Rachenwand, welche weich, schmerzlos, nicht pulsirend war, fast
bis zum Zungengrunde reichte, und einen Zusammenhang mit Wirbel¬
leiden nicht erkennen licss. Beim Einstich in diese cystenähnlichc An¬
schwellung. welcher nur in den beiden ersten Fällen geschah, ergossen sich
grosse Mengen zuerst hollen, dann dunkelen Blutes. Die Blutung wurde
durch langt.- dauerndes Andrücken eines in Chloreisen getauchten Charpie-
pfropfes, welcher mit einem Faden versehen war. gestillt. Die Geschwulst
wurde in der Folge in beiden Fällen kleiner, und die Schling- und Sprech-
beschwerdon, welche bei allen Patienten in sehr bedeutendem Grade
vorhanden waren, verringerten sich nach der Inci.sion in sehr erheblicher
Weise; gleichzeitig nahm auch die Struma an Grösse deutlich ab. Da
in diesen beiden Fallen die letztere nachweislich lange Zeit dauernd
comprimirt worden war, bei dem einen Bat., einem Offieier, durch den
Uniformkragen, bei dem andern aus ästhetischen Rücksichten, so liegt
es nahe, sich das Zustandekommen dieser retropharyngealen llämotome
so zu denken, dass durch die an dem äusseren Halse stattfmdende Com-
pres.sion die Rachengcfässe in beträchtlicher, zur Geschwulstbildung
führenden Weise ausgedehnt wurden.
(Wiener med. Wochenschrift, No. 46, 1878.)
VII. Verhandlungen ärztlicher Gesellschaften«
Verein für wissenschaftliche Heilkunde in Königsberg i. Fr.
Sitzung vom 4. Februar 1878.
Vorsitzender: Herr Med. Rath Prof. Dr. Hildebrandt.
Schriftführer: Herr Prosector Dr. Baum garten.
1) Herr v. Ilippel spricht über Transplantation an der Cornea
Nachdem v. II. sich überzeugt, dass seine früheren Versuche über Ein¬
pflanzung einer Cornea arteficialis schliesslich für den Erfolg daran
scheitelten, dass die Glasfenstern durch jedweden Insult leicht heraus¬
fielen, wurden die Experimente mit Ucberpflanzung von Hundehornhaut
in die menschliche von neuem und zwar mit verbesserten Methoden auf¬
genommen. Es zeigte sich, dass der bisher angewendete Mathieu’sche
Trepan den nöthigen Anforderungen nicht entsprach; cs wurde deshalb
ein eigens construirter Apparat verwendet, welcher vor dem Mathieu-
schcn den Vorzug hat, dass er nicht eine nach oben schlagende Feder
besitzt, sondern eine starke Uhrfeder innerhalb der Kapsel enthält,
welche den Trepan, ohne dass er dabei gehoben wird, in Bewegung
setzt. Die Kronen liess v. H. mit ganz glatter Schneide anfertigen, so
dass sie die Form der Hcurteloup’schen Cylinder haben. Mittelst
dieses Instrumentes kann man sogar ans der Schweinscomea bei ganz
geringem Druck ein Stück excidiren.
Zu den Transplantationsversuchen wurden bis jetzt nur Hundehorn¬
häute verwendet; es empfiehlt sich, den Bulbus des Thieres zu luxiren,
da eine Fixation selbst mit 2 Pincctten unmöglich ist. Die excidirte
Cornealschuibe legt sich nun vollkommen fest in das mit demselben
Trepan geschaffene Loch der leucomatösen Menschenhornhaut.
2) Herr Bert hold I spricht über einen Fall von Microphthalmus
und Microcornea, der von den gewöhnlichen durch Fehlen der Iris ab¬
weicht. Die Linse ist luxirt; cs erscheinen schwarze Fäden in der Ge¬
gend des Corpus ciliare, welche mit der Linse flottiren. Der Augen¬
hintergrund erscheint fahl: Genaueres lässt sich nicht cruiren. Der
Sehnerv wurde nicht gesehen.
Das Mädchen hat 7 normal gebildete Geschwister; ein Bruder ist
mit Ectopia vesicae geboren.
3) Herr Burow stellt die Patientin geheilt vor, an welcher er in der
Sitzung vom 7. Januar ein grosses Larynxpapillom demonstrirte. Der
Fall ist in so fern von Interesse, als die Patientin vom Vortragenden
vor 12 Jahren von 2 gestielten Larynxpolypen operirt, wurde (siehe
Burow’s Atlas, Taf. VII. Fig, 3—5), und bis vor \' 2 Jahre gesund
geblieben war, wie inzwischen angestellte Untersuchungen sicher stellten.
Die Entfernung der Neubildung war theils mit der Störk ’.sehen Guillo¬
tine, theils mit dem Mackenzie’schen Schabeisen erfolgt. Die Einlei¬
tung der Sch rotte r’schen localen Morphiumnarcose hatte unangenehme
und Tage dauernde Intoxicationserscheinungen im Gefolge, obgleich alle
Cautelen beobachtet worden waren.
Herr Burow sprach ferner über einen Fall von B lasen nabe 1-
fistel bei einer Frau, unter Vorzeigung des betr. Sectionspräparates.
Die Patientin, deren genauere Geschichte veröffentlicht werden wird
war nach einem Abort an Peritonitis mit abgekapseltera eiterigen Ex¬
sudat erkrankt, welches sich sowohl nach Blase, als Nabel einen Weg
bahnte, und so schliesslich eine Fistel darstellte, der Art, dass man
eine Sonde von der Urethra durch Blase, Fistel und Nabelöffnung hin¬
durchführen konnte. Eine Heilung war nicht möglich gewesen, vielmehr
die Patientin an allgemeiner Peritonitis zu Grunde gegangen. — Der
Vortragende glaubte einen offen gebliebenen Urachus mit Bestimmtheit
ausschliessen zu müssen, und es war ihm nicht g lungen, ähnliche Fälle,
ausser einigen nur ungenau beschriebenen der älteren Zeit aufzufinden.
4) Herr Laue spricht über Herstellung von billigem Verbandmaterial,
bestehend aus Jute, präparirt mit Carbol-Colophonium-Spiiitus. Herr L.
referirt über 27 Fälle, bei welchen ira Krankenhaus der Barmherzigkeit
die angewendeten Verbände aus diesem Material hergestellt wurden.
Sitznng vom IS. Februar 1878.
Vorsitzender: Herr Med.-Rath Prof. Dr. Hi 1 de b ran dt.
Schriftführer: Herr Prosector Dr. Baum garten.
1) Herr von Witt ich spricht zunächst über Tclephonisiren des
stromprüfenden Froschschenkels und demonstrirt die hierhergehörigen
bekannten Experimente von du Bois-Reyrnond und Goltz. Herr
von Witt ich zeigt, dass der Froschschenkel zuckt, wenn man in das
Telephonmundstück die Vocale u, o, a hineinsprioht, dass er dagegen
ruhig liegt «»der minimal zuckt, wenn inan die Vocale e und i angiebt.
Er vermuthet den Grund dieser Erscheinung darin, dass beim Aus¬
sprechen von e und i viel Luft seitlich vom Mundstück des Telephon
entweiche. Es lieet nahe, das Resultat des du Boi s’schen Versuches
auf dieselben Verhältnisse zurückzuführen.
Ferner spricht Herr von Witt ich über die Wiedergabe des Stimm¬
gabeltones durch das Telephon und Verwenduug dieses Factums in der
Otiatrik zu otometrischen Zwecken.
Drittens demonstrirt Herr von Witt ich die Versuche, welche die
Resorption durch die Haut bei Fröschen beweisen (cf. Central¬
blatt für med. Wissenschaften 1878, No. 3) und widmet dabei einigen
der bisherigen Angaben darüber eine kritische Besprechung.
2) Herr Scliie fferdec ker spricht über die Mortalitäts Ver¬
hältnisse der Stadt während des letzten Vierteljahres, woran sich
ein Bericht über Krankheitsbewegung* und Mortalität von seiten der
Herren Institutsdirigenlen Prof. Naunyn und Dr. Meschede, sowie
der Herren Armenärzte DDr. Bertholdll, Falkner, Wedel, Rupp,
Gentzen, Rapp old anschliesst. Hierauf giebt Herr Schiefferdecker
noch einen Bericht über das ganze Jahr 1877, hebt hervor, dass
die absolut grösste Sterblichkeit die Respirationskrankheiten (Winter)
und die Darmkrankheiten (Sommer) geben. Die Mortalitätsziffer wachse
nicht einfach proportional der Bevölkerung, sondern stärker. Die Zahl
der Todesfälle an Phthise bleibe sich über viele Jahre hin ganz gleich.
VIII. Femlletta.
Noch einmal Diphtheritis.
Von Dr. Wegner in Spantekow bei Wegezin.
Obwohl die kraftvolle Einleitung in dem ersten Aufsatz der No. 44
dieser Wochenschrift das sichere Vertrauen durchblicken lässt, dass „nun¬
mehr die Diphtheritis-Frage erledigt ist“, um mich der Worte des
Collegen Richter bei Gelegenheit einer anderen Frage in No. 42 zu be¬
dienen, so kann ich doch nicht umhin, etwas aus meinen bisherigen Er¬
fahrungen über Diphtherie mitzutheilen, zumeist vregen eines Falles, in
dem durch eine eigenartige Therapie ein Vater seinen kranken Sohn rettete.
Ich bin Arzt inmitten einer Anzahl von 24 grösseren und kleineren
Dörfern. Diphtheritis stirbt in diesem Bezirk nicht aus, doch tritt sic
mit Ausnahme eines grossen Bauerndorfes, von dem ich unten noch
sprechen werde, nur sporadisch auf. Von den ungefähr 30 Fällen, die
ich ira letzten Jahre in diesen 23 Ortschaften behandelte, ist mir nur
ein kleines 2jähriges Mädchen gestorben, das ich schon asphyktisch
antraf, als ich gerufen wurde. Das Actzmittel, das ich anwendete, be¬
stand aus Salicylsäure, angerührt mit 3procentiger Carbolsäure, nach
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774
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
No. £»*
einer Vorschrift meines Lehrers, des Prof. Mosler; und ich kann
diesem Aetzmitte'l nur gutes nachrühmen. Indessen lege ich auf die
äussere Behandlung in der Diphtherie unendlich wenig Gewicht, desto
mehr aber auf die innere, und da die Diphtheritis eine Infections-
krankheit ist, so behandle ich die Patienten eben so wie beim Typhus,
mit den stärksten Chiningabön. Nur dadurch glaube ich ein günstiges
Resultat erzielt zu haben. Es hat auf mich den Eindruck gemacht, als
ob die meisten Patienten nicht an der localen Affection, sondern an
inneren Complicationen, namentlich des Herzens sterben. Selbst in einem
Falle, wo schon Erbrechen und heftiger Schmerz in den Kniegelenken
eino-etreten war, wo also nach Hueter die „Monaden“ schon in die Ge¬
lenke eingedrungen waren, gelang es mir noch durch collossale Chinin¬
gaben das Kind zu retten.
Mit Wehmuth denke ich nur an das oben erwähnte grosse Bauern¬
dorf. Denn hier tritt die Krankheit so epidemisch und so heftig auf,
dass fast alles vergebens ist und die Gutsituirten den Ort sofort ver¬
lassen. Von allen Behandelten blieben nur 2 übrig; die meiste Schuld
trao-en wohl die ungünstigen hygienischen Verhältnisse, feuchter Boden,
schlechte Wohnungen, viel Proletariat u. s. w.
Die Form ist die gangränöse; die Schleimhaut stirbt schnell ab und
verbreitet einen äusserst üblen Geruch. Auch trotz der sorgfältigsten
Aetzungen geht der Process immer weiter, v om weichen, sogar Uber den
ganzen°harten Gaumen, nicht zu reden von den gewöhnlichen Stellen.
Eben so wenig nützten starke Chiningaben hier. In diesem Dorfe war
es auch, wo ein Vater seinem 14jährigen, in höchster Athemnoth da¬
liegenden Sohne ein volles Weinglas von Arrac vorhielt, mit den Worten:
„Doa Jung, drink, dat bringt Luft.“ Der Sohn gehorcht. Nun, denkt,
jeder, müsse etwas ausserordentliches passiven. Mit nichten! Nach fünt
Minuten fragt der hoffnungsvolle Sohn: „Vatter, wat wir dat? giw mi
doavon noch’n Glas.“ Die gleich darauf eintretende gewaltige Gefäss-
aufregung giebt ihm die Kraft, mächtige Membranen auszuhusten, und
von Stund an tritt Erleichterung und Besserung ein. Dabei will ich
erwähnen, dass die 12jährige Schwester 2 Tage vorher an gangränöser
Diphtheritis mit innerer Complication (Herzdiphtheritis, Herzlähmung) zu
Grunde gegangen war. Alle Chiningaben hatten die Catastrophe nicht
hintan halten können. Der Bruder hatte jegliche Mcdicin verweigert
und das Aetzen nicht geduldet — hatte also ohne jede ärztliche Hülfe
diese Krankheit in ihrer heftigsten Form überstanden. Gegenüber solchen
Erfahrungen heisst es, bescheiden von seiner Kunst zu denken und nicht,
wie es jetzt Mode zu werden scheint, mit Statistik Krankheiten heilen
zu wollen, d. h. mit Hülfe von imposanten statistischen Zahlen umum-
stössliche’ Regeln für die Behandlung einer Krankheit aufzustellen.
Prof. Hueter hat nach meiner Ansicht in seinem Vortrag auf der letzten
Naturforscherversammlung vollkommen Recht, wenn er den Zweck der
Medicin für einen egoistischen und humanistischen hält. — Der Arzt
ist am Krankenbette nicht Statistiker, sondern aussei seiner Stellung
als Arzt vor allem Mensch. .
-\ls Curiosum will ich zum Schluss anführen, dass in meiner Nach¬
barschaft noch ein Arzt lebt, der einen Wunderbalsam gegen diphthe-
ritische Plaques erfunden hat und damit viel Furore macht. Nach An¬
gabe eines Co liegen soll die Masse zumeist aus Jod und Brom bestehen.
Doch wer sollte dem betreffenden Arzte es verargen, denn die Dummen i
werden nicht alle, und „dei dummen hiir Rügen dei meisten Tutten“ j
agt Fritz Reuter. 1
Tagesgeschichtliche Notizen.
Berlin. Die im Jahre 1874 von Kunze begründete, seit 2 Jahren j
von B. Frankel redigirte „Deutsche Zeitschrift tiir praetische j
Medicin“ hört mit dem Ende dieses Jahres zu erscheinen auf. Mit l
anerkennenswerther Offenheit giebt Herr Dr. B. Frankel selbst als ,
Hauptmotiv für den ihm „nicht leicht gewordenen Entschluss“ den Um-
stand an, „dass trotz des inneren Wachsthums der Zeitschrift doch un- ,
verkennbar für dieselbe ein wesentliches Bedürfniss nicht besteht, und J
ihr \ufhoren keine allgemein fühlbare Lücke in der medioinischen Li- j
teratur hervorrufen wird.“ — Herr Dr. Wittelshöfer begleitet m |
seiner Wiener Wochenschrift die Nachricht von dem Authoren der genau« ;
ten Zeitschrift sowie des Archivs tiir Heilkunde in einem tieflenden Con-
trast zu dem angegebenen, damals noch nicht veröffentlichten Motiv —
mit folgender humoristischen Bemerkung: „Wir bezweifeln nicht, dass
alsbald “vier neue medicinische Fachblätter entstehen werden, um die j
„„Lücken““ auszufüllen, und werden nicht erstaunt sein, wenn dies —
in Wien geschieht.“ !
— Dem Herrn Kanzleirath II. Brauser, Bureau-Vorsteher der De- j
hei men Medieinal-Itegistratur des Ministeriums für geistliche, Unterrichts- j
und Mcdicinal-Angelegenheiten, ist in wohlverdienter Anerkennung seiner !
langjährigen Verdienste der Character als Geheimer Kanzlei-Rath ver- I
liehen worden. _
II. Amtliche Hittheilungen.
Personal ia.
Auszeichnungen: Seine Majestät der König haben Allergnädigst ge¬
ruht, dem Generalarzt 1. Klasse Dr. vonLangenbeck ä la suite
des Sanitäts-Corps den Stern zum Rothen Adler-Orden zweiter Klasse
mit Eichenlaub, dem Generalarzt 1. Klasse Dr. Wilms ä la suite des
Sanitäts-Corps den Königlichen Kronen-Orden zweiter Klasse mit dem
Stern, dem Leibarzt, Generalarzt 1. Klasse Dr. von Lauer, Corps-
Arzt vom Garde-Corps den Stern der Comthuer des Königlichen flaus-
ordens von Hohenzollern, dem Sanitätsrath Dr. med. Davidson zu
Breslau und dem Assistenzarzt 1. Klasse Dr. Ti mann in der etats-
mässigen Stelle bei dem General- und Corpsarzt des Garde-Corps den
Rothen Adler-Orden vierter Klasse, und dem Stabsarzt Dr. Br über ger
vom medicinisch-chirurgisehen Friedrich-Wilhelras-Institut den König¬
lichen Kronen-Orden dritter Klasse zu verleihen, sowie dem Stabs¬
arzt Dr. Uhl beim 1. Rheinischen Infanterie - Regiment No. 25 die
Erlaubniss zur Anlegung des ihm verliehenen Ritterkreuzes 2. Klasse
mit Eichenlaub des Grosherzoglich badischen Ordens vom Zähringer
Löwen zu ertheilen.
Niederlassungen: Dr. Page in Cottbus, Dr. Overweg in Frank¬
furt o. 0., Dr. Focke in Bramsche, Dr. Mayer in Rheinbach.
Apotheken-Angelegenheiten: Apotheker Roth hat die Hellmar¬
sche Apotheke in Friedrichsfelde, der Apotheker Kloz die Zeusch-
ner’sche Apotheke in Lübbenau, der Apotheker von Reppert die
Diel’sehe Apotheke in Triebel gekauft. Dem Apotheker Schmidt
ist die Administration der Wittwe Eckert’schen Apotheke in Zoppot
und dem Apotheker Wittfeld die Administration der Filial-Apotkeke
in Bilstein übertragen worden.
Todesfälle: Kreisphysikus, Sanitätsrath Dr. Juncker in Bromberg,
Kreisphysikus, Geheimer Sanitätsrath Dr. Dolscius in Wittenberg,
practischer Arzt Dr. D. Lichtenstein in Berlin.
Die Aufführung der Kinderpoliklinik in Bonn auf Seite 26 des
zweiten Theiles des Medicinal-Kalenders pro 1879 beruht, wie sich her-
ausgestellt bat, auf irrthümlicher Angabe.
Bekanntmachungen.
Die mit 600 M. dotirte Kreiswundarztstelle des Kreises Schivelbein
ist zu besetzen. Qualificirte Medicinal-Personen, die auf diese SteUe
reflectiren, werden aufgefordert, sich innerhalb 6 Wochen unter Ein¬
reichung ihrer Zeugnisse und eines Lebenslaufes bei uns zu melden.
Cöslin, den 9. Dccember 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Die Kreiswundarztstelle des Kreises Schroda, mit einem jährlichen
Gehalte von 600 M. ist erledigt. Qualificirte Bowerber wollen sich unter
Einreichung ihrer Zeugnisse und ihres Lebenslaufes innerhalb 6 Wochen
bei uns melden.
Posen, den 13. December 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Die mit einem Einkommen von 900 M. dotirte Physikatsstelle des
Kreises Darkehmen ist vom 1. Januar fut. ab erledigt. Qualificirte Be¬
werber werden aufgefordert, sich unter Beifügung ihrer Zeugnisse und
eines kurz gefassten Lebenslaufs in 6 Wochen bei uns melden.
Gumbinnen, den 12. December 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Die durch die Ernennung des bisherigen Inhabers zum Kreis¬
physikus erledigte Kreiswundarztstelle im Königsberger Kreise, nörd¬
lichen Antheils, mit dem Wohnsitze in der Stadt Königsberg und einem
Jahresgebalte von GOO M. soll wieder besetzt werden. Qualificirte
Medieinalpersonen, welche sich um diese Stelle zu bewerben beabsich¬
tigen, werden hierdurch aufgefordert, sich unter Einreichung ihrer Zeug¬
nisse binnen 6 Wochen bei uns zu melden.
Frankfurt a. 0., den IG. December 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern.
Die durch die Versetzung des bisherigen Inhabers in den Kreis
Magdeburg erledigte Kreisphysikatsstelle des Luckauer Kreises, mit dem
Wohnsitze* in der Stadt Luckau und einem Jahresgehalte von 900 M.
soll anderweit besetzt worden. Zu diesem Zwecke werden qualificirte
Bewerber aufgefordert, sieb unter Einreichung 1) der Approbation als
practischer Arzt, Wundarzt und Geburtshelfer, 2) des Fähigkeitszeug¬
nisses zur Verwaltung einer Physikatsstelle, 3) sonstiger über die bis¬
herige Wirksamkeit sprechender Atteste, 4) eines ausführlichen Lebens¬
laufes binnen G Wochen bei uns zu melden.
Frankfurt a. U., den 17. December 1878.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern._
Inserate«
An der Sauitätswache der Oranienburger Vorstadt wird Anfangs
Januar die Stelle eines zweiten Arztes vacant. Honorar 900 M. jährlich.
Schriftl. Meldungen wolle m an iu d. Hirsehwald’scli. B uchh. niederlegeu .
Arzt-Besuch
für Praxis a. d. Lande in Westfalen in der Nähe einer grösseren Stadt.
Gfl. Briefe bef. d. Exped. unter N. L. 148. _
Dieser Nummer liegt der Titel und Inhalt, sowie Sach- and.
Namen-Begister des Jahrgangs 1878 bei. _
Verlag und Eigenthum von August Hirschwald in Berlin. — Gedruckt bei L. Schumacher in Berlin.
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Sach- und Namen-Register.
1. Sach-Register.
A.
Abnabelung des Kindes 734.
Abscess, retrorenaler, nach Muskelzeireissung
durch angestrengtes Heben 8.
Absccsse, retrocostale, Resection der Rippen bei
solchen 113.
Accomodationslähmung, einseitige mit Mydriasis
auf syphilitischer Basis 302.
Acidum salicylicura s. Salicylsäure.
Acne rosacca, Therapie derselben 51.
Aerztetag, 6. deutscher in Eisenach 485.
Aerztliehe Bezirksvereine in Berlin 26. 201.216.
357. 764.
— Fortbildungscurse 110. 326. 454. 718.
Aerztlicher Verein zu Marburg 122. 339. 355.
643.
Albuminkörper, eigentümlicher im Ham 85.
Albuminurie bei Urticaria 369.
Alkohol als Diäteticum 749.
Alkoholismus, Wirkung desselben auf den Orga¬
nismus 545.
Allgemeiner ärztlicher Verein in Köln 109. 141.
215. 385. 529. 645. 716.
Amaurose während Schwangerschaft und Wochen¬
bett 64.
Amenorrhoe, Melancholia religiosa bei derselben
483.
Amyloidentartung der Nieren, zur Lehre von
derselben 313. 335.
Anaemie, pernieiöse über dieselbe 139. 562.
Anaesthetieum, Bedeutung des Saponin als eines
solchen 475. 493. 511.
Aneurysma der Aorta 79. 446. 462. 475. 498.
Antiseptischer Verband, Vorschläge zu einem
solchen 425.
Antiseptisches Verfahren bei bereits bestehen¬
der Sepsis 247.
Anzeigepflicht derAerzte bei gemeingefährlichen
Krankheiten 310.
Aorta, Aneurysma derselben 79. 446. 462. 475.
498.
Aortensystem, angeborene Enge desselben mit
consecutiver Vergrösserung des Herzens 325.
Apoplectiker mit Herzfehlern, Beitrag zur Be¬
handlung der Lähmungen solcher 137.
Apyrexie und Hyperpyrexie, bedingt durch Zer¬
quetschung des Halsrückenmarks 742.
Argyrie innerer Organe 385.
Arsen, Bettendorf’s Reagens auf dasselbe
353.
Arterien, periphere, zur Kenntniss der Schaller-
schuntmgen an denselben 297.
Arzneiexantheme nach Salicylsäure 369. 630.
Arzneimittellehre, Lehrbücher derselben 759.
Arzt, über die Vorbildung desselben für seinen
Beruf 574.
— Jahrbuch für solche 716.
— neue Prüfungsordnung für dieselben 592.
603. 735.
I Asphyxie durch Ertrinken, Wiederbelebung durch
den Fränkel’schen pneumatischen Apparat
77.
Asthma, Behandlung desselben mit Jodkalium
und Jodaethyl 121.
Atavismus, Verhältniss der Microcephalie zu dem¬
selben 590.
Ataxie, cerebellare, über dieselbe und über La¬
tenz der Kleinhirnerkrankungen 205.
Athetose 369.
Atlas, laryngoskopischei 92.
Atropin und Morphium, sind dieselben Antidote?
692. 767.
Auge, Oedema malignum der Lidhaut desselben
644.
— diabetische Erkrankungen desselben 41.
— Enucleation desselben 245. 292.
— zur pathologischen Anatomie desselben 249.
— Beziehungen desselben zum schlafenden und
wachenden Zustande des Gehirns und über
seine Veränderungen bei Krankheiten 615.
— s. a. Cornea.
Augenheilkunde, Beiträge zu derselben 306.
Augenkammer, dritte, über das Vorhandensein
einer solchen 80. 93. 183. 198.
— vordere, Wirkung von Fremdkörpern in der¬
selben 258.
-Behandlung der Blutergüsse in derselben
599. 612.
Augenleiden, sympathische 281.
Augusta-Hospital, fünf Jahre in demselben 65.
Auscultation mit hohlen und soliden Stethos¬
kopen 297.
B.
Bäder- und Brunnenlehre 120.
Bajonettstich durch den Unterleib 319.
Baineologische Section der Gesellschaft für Heil¬
kunde, öffentliche Sitzungen derselben 765.
Baisamum antarthriticum 383. 689.
Bandwurm, Semen cucurbitae maximae dagegen
212 .
Barth, Jean Baptiste, necrologische Bemerkungen
über denselben 80.
Becken, kyphotisches und kyphoscoliotisch-rachi-
tisches 734.
— schräg-verengtes ankylotisches 80.
— schiefe 355.
Beckenendelagen, Verkleinerung des Kopfes bei
solchen 387.
Befruchtung 505.
Beleuchtung, elcctrische innerer Körperhöhlen
617.
Belladonna gegen Collaps 395.
Benzoesäure bei acutem Gelenkrheumatismus 647.
Beriberi-Krankheit, Untersuchung über die japa¬
nische Varietät derselben 497.
Berieselungsanlagen bei Gennevilliers bei Paris,
Entpestung der Seine durch dieselben 231.
Berlin, Uni\ ersität daselbst während des Winter¬
semesters nebst Bemerkungen über das medi-
cinische Studium und die medicinische Praxis
10. 389. s. a. Universitäten.
— ärztliche Bezirksvereine daselbst s. diese.
— ärztliche Unterstützungskasse 142.
— Mortalitätsstatistik daselbst in jeder Nummer
am Schluss der tagesgeschichtlichen Notizen.
Berliner medicinische Gesellschaft 9. 24. 38. 52.
79. 93. 139. 153. 182. 197. 214. 245. 275.
291. 321. 369. 385. 436. 453. 497. 516. 546.
572. 588. 602. 615. 616. 673. 732.
Berliner medicinisch - psychologische Gesellschaft
121. 153. 257. 306. 402. 467.
Bindearm, Verlauf der Fasern desselben 402.
Blase, Haarnadel im Bindegewebe zwischen ihr
und der Scheide 415.
— Paracentese derselben wegen Zerreissung der
Harnröhre am Damm 710.
Blasen-Nabelfistel, Fall davon 773.
Blasenscheidenfistel als Complication von Schwan¬
gerschaft und Geburt 288.
Blatta orientalis, Wirkung derselben 566.
Bleikolik, Symptomatologie und Theorie der¬
selben 658.
— Pilocarpin bei derselben 109.
Bleilähmung und subacute atrophische Spinal¬
lähmung Erwachsener 252. 273.
Blennorrhoe der Nasen-, Kehlkopf- und Luft¬
röhrenschleimhaut, zur Casuistik derselben 149.
Blinde im Reg.-Bez. Potsdam und Frankfurt,
Bericht über dieselben 321.
Blitzschlag, Shok in Folge desselben 215.
Blut, eine einfache Methode der Untersuchung
desselben auf Spirillen 452.
— Untersuchung seinesHaemoglobingehaltes 184.
320. 473.
— Antheil des Sauerstoffes desselben bei der
Eiterbildung 688.
— Befund desselben bei der Werlhof’schen
Krankheit 558.
Blutdruckschwankungen wegen Stenose der grossen
Luftwege 716. 739. 771.
Blutkörperchen, weisse und Eiterzellen 607.
Bluttransfusion s. Transfusion.
Blutungen, syphilitische 140.
— der Nase, zur Aetiologie derselben 730.
— s. a. Haemorrhagie, Metrorrhagie.
Borwatten- und Borphenylverbände 628.
Bromkalium und Chloralhydrat, Tetanus trauma-
ticus durch dieselben geheilt 641.
Bronchiectasie, Fall davon 153.
Bronchus, Extraction eines Kirschkerns aus dem¬
selben 355.
Brunnen- und Bäderlehre 120.
Brust, Stichwunde derselben mit Lungen Vorfall 91.
— Schussverletzungen derselben, Resection von
5 Rippen und der Clavicula 340.
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
776
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Register.
Brust- und Unterleibsorgane, Untersuchung der¬
selben 93.
Brustwarzen, wunde, Behandlung derselben 189.
339. 384. 393. 667.
Bulbus, Enucleation desselben 245. 292.
C.
Cannabis Indica gegen Migräne 213.
Carbol-Colophonium-Spiritus und Jute zur Her¬
stellung eines billigen Verbandmateriales 773.
Carbolismus, letaler, bei einem 6jährigenKinde 8.
— aeuter 157. 412.
Carbolsäure, Injection von solcher in die Scheide
und den Uterus bei Wöchnerinnen 25.
— giftige Eigenschaft derselben bei chirurgischer
Anwendung 248. 260.
— bei wunden Brustwarzen 189. 384. 393. 667.
— s. a. Brustwarzen.
Carcinome, Aetiologie derselben 8.
— des Uterus 231.
— des Cervix uteri durch Ausschneidung entfernt
402.
— des Oesophagus mit Perforation in die Aorta
530.
— des Kehlkopfs 644. 716.
— zur Statistik derselben mit Beziehung auf
ihre Heilung durch operative Behandlung 671.
— Behandlung derselben mit Alkalien 689.
Carcinose, Fall von ausgebreiteter 644.
Central nervenapparat, über Psammome an dem¬
selben 97.
Cervicalschwangerschaft, über dieselbe 633.
Charite-Annalen 196.
Chirurgen-Congress 154. 216. 247. 258. 276. 308.
340. 355.
Chirurgie, operative, Beiträge zu derselben 416.
Chirurgische Therapie, die Grundlagen derselben
13.
Chloralhydrat per Clysma 489.
— bei rundem Magengeschwür 214.
— bei Tetanus trauraaticus 641.
Chorioidea, Sarcom derselben 045.
Chrysophansäure gegen Hautkrankheiten 401.
Coccobacteria septica, Vorkommen derselben in
einem Zahnabscess 191.
Collaps, Belladonna dagegen 395.
Conception, Erleichterung derselben durch Er¬
weiterung des Muttermundes mit Press-
schwamm 468.
Conchinin, Anwendung und antiseptischc Wirkung
desselben 679.
Congress, internationaler medicinischer 124.
— des deutschen Vereins für öffentliche Gesund¬
heitspflege in Dresden 575.
Contagium bei Syphilis 647.
Contentiv-Verbände, aseptische 340.
Controlstation für Lebensmittel, Errichtung einer
solchen für Berlin 9.
Cornea, Transplantation derselben 773.
Corsica und seine Curorte 703. 716.
Cranioklast, ein neuer 231.
Croup, Inhalationen nach demselben 508.
Cucurbitae maximae semen, gegen Bandwurm 212.
Cyankaliumvergiftung mit Ausgang in Genesung
57.
Cysten der Vagina 483.
D.
Darm s. Dickdarm, Invaginatio.
Darmausleerungen, Beitrag zur Kenntniss der
eigenthümlich verzweigten Gerinnsel in den¬
selben 528.
Darmfistel, Demonstration eines Präparates 9.
Darmperforation, über das neue diagnostische
Symptom derselben 684. 695.
Darwinismus, Beziehungen desselben zur Social-
democratie 574.
Degeneration, graue, Symptome derselben 402.
Dermoidcyste des Üvarium 231.
Diabetes, phosphatischer lo2.
— anatomische Veränderungen des Sympathicus
bei demselben 1S2.
Diabetische Erkrankungen des Auges 41.
Diekdarm-Catarrhe, Behandlung derselben mit
dem Hegar’schen Trichterapparat 703.
Dienstjubiläum, 50jähriges des Geheimrath Dr.
v. Lauer 763.
Digitalis, über die Wirkung derselben 587.
Diphtheritis 773.
— Collaps nach derselben 258.
— Inhalationen bei derselben 508.
— Behandlung derselben vor und nach der
Tracheotomie 631. 669.
— Erkrankung der Grossherzoglichen Familie
in Darmstadt 733.
Diphtheritische Lähmungen, Veränderungen des
Nervensystems bei solchen 52.
Distoma haematobium 648.
Docenten, medicinische, zwei Actenstücke, betref¬
fend den klinischen Unterricht derselben 184.
326.
— Berliner, Statuten und Petition des Vereines
derselben 200. 326.
Dysenterie, Behandlung derselben mitlpecacuanha
647.
E.
Ecchinococeus der Leber und Durchbruch in die
Luftwege 367.
Ecchinococcuscyste, anterenale, operativ geheilt
317.
Eclampsic im 6. Monat der Schwangerschaft 194.
386.
Eierstock s. Ovarien.
Eisen, Ablagerung desselben in einzelnen Orga¬
nen des Körpers 108.
— Zustand und Wirkung desselben im gesun¬
den und kranken Organismus 417.
Eisenoxydulhaltige Moorbäder, therapeutische In-
dication solcher 254.
Eiterbildung, Mechanismus derselben und An-
theil des Blutsauerstoffes an derselben 688.
Eiterung, über den Gang der Temperatur bei
derselben 309.
Eiweissausscheidung im Harn gesunder Menschen
466.
Eleeiricität, statische, und Magnetismus, Wirkung
derselben auf die hysterische Hemianaesthesie
354.
Electroden, Fixation derselben 48.
Electrotherapie, Compendium derselben von Pier¬
son 773.
Elephantiasis vulvae bei einem Kinde 401.
Ellenbogengelenk, Exarticulation desselben 258.
Embolische Erkrankungen des Gehörorganes 731.
Empvem, anliscptische Behandlung desselben
361. 637. 754. 757.
— Behandlung desselben bei Kindern 540. 757.
— Operation desselben 637. 682. 754. 757.
Endocarditis, maligne, über solche 93.
Enterotomie, Fall davon 260.
Entbindungen, abnorme, Genitalien nach solchen
275.
— s. a. Beckenendelagen, Geburt, Wendung.
Entpestung der Seine durch die Berieselungsan¬
lagen bei Genevilliers bei Paris 231.
Entzündungen, acute, Aetiologie und Therapie
derselben 247.
— im Wochenbett, Behandlung derselben 668.
Enucleatio bulbi 245. 292.
Epilepsia vasomotoria, über dieselbe 379. 397.
Erbrechen der Schwangeren 182. 483. 732.
Ergotin subcutan bei Ma9tdarmvorfall 8.
— schnelle Heilung einer Polyurie durch den
Gebrauch desselben 214.
Erlrinken, Wiederbelebung eines dadurch schein-
todt gewordenen Kindes mittelst des Frän-
kel’schcn pneumatischen Apparates 77.
Erysipelas, experimentelle und anatomische Unter¬
suchungen über dasselbe 309.
— Behandlung desselben auf der Chirurgen Kli¬
nik in Greifswald 345. 363.
Erythema nodosum 49.
Eselinrailchanstalten Hollands, über dieselben
483.
Eserin. Anwendung desselben in der augenärzt¬
lichen Praxis 355.
Exarticulation im Hüftgelenk, Fall davon 24.
— im Kniegelenk 259.
— im Ellenbogcngclcnk 258.
Exspirationsgeräusch, abormes 52.
Exstirpation des Uterus, eine neue Methode der¬
selben 275. s. a. Uterus.
Extrauterinschwangerschaft. Fall davon 66 183.
F.
Farbenblindheit und Farbensinn, über dieselben.
734.
— gestickte Buchstaben, zur Diagnose dersel¬
ben 291.
Febris intermittens s. Intermittens.
Fettbildung aus Kohlehydraten 469.
Fettherz, über dasselbe, 221. 237. 546.
Fettnahrung und Rothwein im Scorbut 749.
Fibroid, Entfernung eines verkalkten des Uterus
durch Zertrümmerung 401.
Fibula, Osteotomie derselben und der Tibia
198.
Fieber, Simulation desselben 33. 465.
Fieberverhältnisse bei Scharlach 24.
— bei Typhus 587.
Filaria Medinensis, über dieselbe 648.
Finnen, über die auf dieselben im Jahre 1S76
in Preussen untersuchten Schweine 620.
Flamme, empfindliche zur Erkennung der Er¬
krankungen des Stimmorgans 762.
Flassverunreinigung in Deutschland 339.
Foetaipuls, Verlangsamung desselben während
der Wehenthätigkeit 734.
Fractur s. Kniescheibe, Knochenbruch sowie die
verschiedenen Knochen.
Frankreich, Zulassung fremder Aerztc zur Praxis
daselbst 404.
Fremdkörper im Uterus 323.
— im Ohr 728. 772.
— im Bronchus 355.
Frucht, Austreibung einer solchen conduplicato
corpore bei Zwillingsgeburt in zweiter Becken-
endlage 165.
Function, bilaterale, über dieselbe 467.
G.
Galvanocaustik, Anwendung derselben 536.
Gangraena pulmonum s. Lungenbrand.
Gase, permanente Verflüssigung derselben 153.
Gastralgien, Behandlung derselben mit der in
neren Magendouche 41.
Gaumen- und Oberkieferdefecte, künstlicher Er¬
satz derselben 109.
Gebärmutter s. Uterus.
Gebärmutterblutungen s. Metrorrhagie.
Gebärmutterhalter, ein neuer 610.
Geburt bei utcrus septus und vagina septa 183.
354.
— bei drohender Uterusruptur 354.
— Ovarialgeschwüiste als Hindemiss derselben
231. 275.
— und Schwangerschaft, Blasenscheidenfisteln
als Complication derselben 288.
— s. a. Beckenendelagen. Entbindungen. Wöch¬
nerinnen. Zwillingskind.
Geburtshülfe für Aerzte und Studirende 139.
— operative, Leitfaden derselben 93. 558.
Gefässe, Veränderungen derselben bei Morbus-
Brightii 256.
Gehirn, abnormes 257.
— s. a. Centralnervenapparat, Hirn, Kleinhirn.
Gehirnmodelle 122.
Gehörgang, embolische Erkrankung desselben
731.
— knöcherner, Bruch desselben durch Hufschla^
320.
Geisteskranke in den Irrenanstalten Preussens
während des Jahres 1876 560. 590. 633. 648.
— s. a. Irre.
Gelbfieber in Amerika 531.
Gelenkentzündung, über scrofulöse und tuber-
culöse 309. 648.
Gelenkerkrankungen syphilitische bei Kindern
616.
— Klinik derselben 37.
Gelenkneuralgien, zur Lehre von denselben 356.
Gelenkrheumatismus, acuter, congestive Zustände
der Lunge bei solchem 58S.
— Benzoesäure bei solchem 647.
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
Register.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
777
GenitocruralfaUe, die Haut derselben als Brut¬
stätte von Oxyuris vermicularis *257. j
Genu valgum, Operation desselben 277. 30S. i
Geographisch-medicinische Studien nach den Er- '
iebnissen einer Reise um die Erde 687.
Gerinnsel, eigenthümlich verzweigte in den Darm-
ausleerungeu 528.
Geschlecht, über die dasselbe bedingenden Ur¬
sachen 644.
Geschwülste, papilläre der Stimmbänder 703.
Geschwüre, Behandlung derselben 138. 771.
Gesellschaft für Geburtshilfe und Gynäkologie
in Berlin 25. 66. 80. 153. 183. 231. 275.
354. 401. 417. 468. 558. 632. 659.
Gesellschaft für Heilkunde, die öffentlichen Sitzun¬
gen der balncologischcn Section derselben 765.
Gesiclitskrainpf, mimischer 595.
Gesundheitspflege, öffentliche, Handbuch der¬
selben 369.
Gewohnheitstrinker, Statistik derselben 123.
Glaucom, über dasselbe 52.
Globulimeter, Mantagazza’s 193.
Glotiis, Stenose derselben durch mangelhafte Er¬
weiterung derselben 140.
Glottiserweiterer, beiderseitige Lähmung dersel¬
ben mit Ausgang in Heilung 349. 703.
Glycogenbildung in der Leber, 572.
Gvnaekologische Gesellschaft in Dresden 322. !
‘ 482. !
Gvpseorset. Sayre’sches bei Pott’scher Kyphose |
* 258.
Haarnadel im Bindegewebe zwischen Blase und
Scheide 415.
Ilaasensc-harte, Operation derselben 8.
Haematocelc rctrovaginalis extraperitonealis 482.
Iiaematoma retropharyngeale 773.
Haematometra, einseitige bei uterus bicornis 184.
473.
Ilaemoglobingehalt des menschlichen Blutes,
Untersuchung desselben 320.
Haemoglobinurie, Fall davon 635.
Haemorrhagie, submucöse des Kehlkopfs 177.
— syphilitische 140.
— des Pancreas, Todesfall in Folge einer solchen
213.
Haferrispenast, Wanderung eines solchen vom
Pharynx durch die Tuba, Paukenhöhle,
Trommelfell in den äusseren Gehörgang 728.
Halswirbel, sechster, Luxation desselben und Zer¬
quetschung des Rückenmarks 581.
Halswirbelsäule, Fall von Verstauchung derselben
745.
Halsrückenmark s. Rückenmark.
Hand, spontane Subluxation derselben 356. 547.
Harn, eigenthümlicher Albuminkörper in dem¬
selben 85.
— Einfluss des Schlafes auf die Absonderung
desselben 416.
— Anleitung zur Analyse desselben 109.
— Nachweis des Quecksilbers in demselben
durch Messingwolle 332.
— Eiweissausscheidung in demselben bei gesun¬
den Menschen 466.
Haut, Rcsorbtion derselben bei Fröschen 773.
Hautkrankheiten, für Aerzte und Studirende dar¬
gestellt 772.
Helouan, Schwefelthermen daselbst 142.
Hemianaesthesie 284. 300.
— Wirkung des Magnetismus und der statischen
Electricität auf dieselbe 354.
Hemianopsie 182.
Hemiplegische, Lokalisation acuter Lungener¬
krankungen bei denselben 608.
Hernien, zeitliche (Alters-) Vertheilung derselben
8 .
— Radicalopcration derselben 340.
Herpes, eigenthümliches Vorkommen desselben
355.
Herz, schwere Functionsstörungen desselben ohne
Klappenfehler 587.
Herzbeutelverwachsung, ein neues Symptom der¬
selben 751.
Herzbewegung, Diagnose derselben vermittelst des
Sphygmophon 723.
Herzhypertrophie, Beziehung derselben zu Nieren¬
leiden 369.
— in Folge angeborener Enge des Aortensystems
525.
— über mechanische, functionclle oder compen-
satorische 559. 701.
Heufieber, Fall davon 772.
Hirnhaut, über einige beraerkenswerthe Ver¬
schiedenheiten derselben beim Menschen 529.
Hirnkranke, Spiegelschrift bei solchen 6. 436.
Holtfeucr: Verwundung desselben durch den
Meuchelmörder Nobiling 403.
Hufeland’sche Gesellschaft 198. 616.
Hufelan d’sche Stiftungen, 27. Jahresbericht
über dieselben 96.
Hufschlag, Bruch des knöchernen Gehörganges
durch solchen 320.
Hydrocelen in den verschiedenen Lebensaltern 8.
Hydrops adiposus pleurae 347.
Hydrotherapie, neue Erfahrungen auf dem Gebiete
derselben 198.
Hyperhidrosis uni lateralis, über dieselbe 696.
Hypcrpyrexie und Apyrexie bedingt durch Zer¬
quetschung des Rückenmarks 742.
Hysterische Hemianaesthesie, Wirkung des Magne¬
tismus und der statischen Electricität auf
dieselbe 354.
J.
Jahrbuch für practische Aerzte 274. 716.
Idiotismus, Fall davon 153.
Ileotyphus s. Typhus abdominalis.
Impfärzte, über die Stellung derselben 168.
Impffrage, über dieselbe 53.
Impfung mit animaler Lymphe 168. 232.
— Ergebniss derselben während des Jahres 1876
187.
— über dieselbe 232. 233. 561.
— s. a. Vaccination.
Indigo, Nierenstein aus demselben 365.
Inhalationen von Stickstoff 163.
Initialsclcrose syphilitische, über Excision der¬
selben 24.
Innervation, Einfluss derselben auf den Stoff¬
wechsel der Muskeln 141.
Inturmittens in der Schwangerschaft 324.
Intertrigo im Kindesalter, Behandlung derselben
213.
Invagination des Darmes, geheilte, bei einem
8monatlichen Kinde 377.
Jodaethyl, Behandlung des Asthma mit demsel¬
ben 121.
Jodkaliura und Jodaethyl, Behandlung des Asthma
mit demselben 121-
Jodoform, zum Gebrauch desselben 152. 482.
Jodoformintoxication, zwei Fälle hochgradiger
658.
Ipecacuanha, Behandlung der Dysenterie mit sol¬
cher 647.
Irre, weibliche, Kampfer gegen die Schlaflosigkeit
derselbeh 148. 416.
Irrenärzte und Neurologen, dritte Wanderver¬
sammlung derselben 326.
Irrenanstalten Preussens, die Geisteskranken in
denselben während des Jahres 1876 560. 590.
633. 648.
Jute und Carbol-Colophonium - Spiritus, Herstel¬
lung eines billigen Verbandmateriales aus
solchen 773.
K.
Kaffee, Beitrag zur Kcruftniss der Bestandteile
desselben 466.
Kaltwasserbehandlung bei Ileotyphus 231.
Kampher gegen die Schlaflosigkeit weiblicher Irren
148. 416.
Kehlkopf, Exstirpation desselben 8. 308.
— Entfernung von Neubildungen in demselben
durch Laryngotomie 92.
— Exstiqjation eines Polypen desselben 135.
— zur Casuistik der Blennorrhoe der Schleim¬
haut desselben 149.
— Verengerung desselben durch membranartige
Narben in Folge von Syphilis 175.
Kehlkopf, submuköse Haemorrhagie desselben 177.
— Galvanokaustik bei Stenose desselben 536.
— Carcinom desselben 644. 716.
— Die empfindliche Flamme zur Erkennung dci
Krankheiten desselben 762.
— s. a. Glottis, Luftwege.
Kiemenfisteln am äusseren Ohr 182.
Kind, abnorm grosses 620. 648.
Kinder, Schwerhörigkeit derselben bei Nasen¬
rachenkatarrh 191.
Kindesmord in einem melancholischen Angstan¬
fall 257.
Kirschkern, Extraction eines solchen aus dem
Bronchus 355.
Kleinhirnerkrankungen, über Latenz derselben
und über cerebellare Ataxie 205.
Klimatologie und Seebäder der Riviera di ponente
499. 516. 530.
Klinik und Poliklinik v. Langenbeck’s 1875 76
8 .
Klumpfuss, operative Behandlung desselben 276.
Kniegelenk, Resection desselben 259.
Kniephänomen, Untersuchungen über dasselbe
240. 257.
Kniescheibe, Behandlung der Fractionen derselben
276.
Knochenbrüche und Verrenkungen 37.
— Urin bei solchen 648.
Knochenentzündung s. Osteomyelitis.
Knochengeschwülste, Fälle davon 276.
Knochenmark, Veränderung desselben bei expe¬
rimentell erzeugter Entzündung eines Knochens
173. 276.
Königsberg i. Pr., Mortalitätsverhältnisse daselbst
773.
Körperlänge, Messungen derselben 676.
Körpertemperatur, abnorm niedrige, Vorkommen
derselben 401.
Kohlehydrate, Fettbildung aus solchen 469.
Kohlensäurehaltige Getränke, Wirkung derselben
416.
Kopf, Verkleinerung desselben bei Beckenende¬
lagen 387.
— hängender, Operation an demselben 49S.
Krankheiten, gemeingefährliche, Anzeigepflicht
der Aerzte bei solchen 310.
Kreuznach, die Kurmittel desselben in physikali¬
scher und physiologisch-chemischer Beziehung
228. 241.
Kriegs-Sanitäts-Ordnung vom 10. Januar 1878
545.
Kriegsschauplatz, von demselben 25. 94. 187.
261. 292. 387. 418. 590.
Kuhpocken-Impfung s. Impfung, Vaccination.
Kurzsichtigkeit der Schüler, Behandlung dersel¬
ben 620.
Kyphose, Pott’sche, Gvpseorset bei derselben 258.
L.
Lähmungen, diphtheritische, Veränderungen des
Nervensystems bei solchen 52.
— bei Apoplectikern mit Herzfehlern, Beitrag
zur Behandlung solcher 137.
— spinale, acute atrophische Erwachsener 252.
273.
— der Glottiserweiterer und Ausgang in Heilung
349.
— peripherische isehaemische 647.
— s. a. Hemiplegie.
v. Langenbeck’s Klinik und Poliklinik 1875 76.
8 .
Laparotomie, über dieselbe nach dem Lister-
schen Verfahren 357.
Laryngoscopischer Atlas 92.
Laryngotomie zur Entfernung intralaryngealer
Neubildungen 92.
Larynx s. Kehlkopf.
v. Lauer, 50jährigen Dienstjubiläum desselben
763.
Lebensversicherung für Aerzte 469.
Leber, Glycogenbildung in derselben 572.
Leberabscess, Fall davon 645.
Leichenschau, obligatorische 123. 248.
Lepra tuberosa, Fall davon 257.
Leukaemie, myelogene 69. 87. 115. 131.
Lidhaut, Oedcma malignum derselben 644.
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Original fru-m
UNIVERSfTY OF MICHIGAN
778
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Register.
Lister’sches Verfahren s. antiseptisches Ver¬
fahren etc.
Lithopaedion, Fall davon 401.
Lithotomie s. Steinschnitt.
Liederalbum für Mediciner von Supinator brevis
326.
Louis und seine Schule, Bemerkungen über die¬
selben 80.
Lufteintritt in den Magen Neugeborener, über
denselben 521.
Luftröhrenschleimbaut, zur Casuistik derBlennor
rhöe derselben 149.
Luftwege, grosse, Stenose derselben 716. 739. 771.
Lunge, Vorfall derselben bei einer Stichwunde
der Brust 91.
— congestive Zustände derselben bei acutem
Gelenkrheumatismus 588.
— Localisation acuter Erkrankungen derselben
bei Hemiplegischen 60S.
Luugenbrand, über die Vorgänge bei demselben
und den Einfluss verschiedener Arzneimittel
darauf 354.
Lungenschwindsucht s. Schwindsucht, Tubercu-
lose.
Lymphdrüsen leiden, chronische, methodische
Schmierseifeneinreibungen gegen solche 73.638.
655.
M.
Macroglossa congenita bei einem lOmonatlichen
Kinde 8.
Magen, Lufteintritt in denselben bei Neugeborenen
521.
— Zerreissung des Zwerchfells in Folge acuter
Auftreibung desselben 615.
— über die Schleimhaut desselben 703.
— Sondirung desselben 41.
— s. a. Pylorus.
Mlgendouche, Behandlung der Gastralgien mit
derselben 41.
Magengeschwür, rundes, Behandlung desselben 214.
Magnetismus und statische Electricität, Wirkung
derselben auf die hysterische Hemianaesthesie
354.
Mascmepidemie im Kreise Culm 39.
Massenerkrankung in Wurzen im Juli 1877. 291.
Mastdarmvorfall, Ergotin bei solchem 8.
Med er er, zur Erinnerung an denselben 13.
Medicinalkalender für den preussischen Staat für
das Jahr 1S79 704.
Medicinalstatistik Preussens 621.
Mediciner, Lieder-Album für solche von Supinator
brevis 326.
Medicinisches Studium, Bemerkungen über das¬
selbe und über die medicinische Praxis -10.
— — über die Aufgaben desselben 630.
Melancholia religiosa bei Amenorrhoe 483.
Melancholischer Angstanfall, Kindesmord während
eines solchen 257.
Menstrual-Exantheme 49. 623.
Messingwolle zum Nachweis des Quecksilbers im
Harn 332.
Metalioseopie 129. 441. 496. 643. 702.
Metritis, chronische, zur Therapie derselben 623.
734.
Metrorrhagien und Entzündungen im Wochenbett,
Behandlung derselben 668.
Milchvieh in London 749.
Meteorologische Beobachtungen, Bemerkungen
über solche 67.
Microcephalie, Verhältniss derselben zum Atavis¬
mus 590.
Microphon, Anwendung desselben zu diagnosti¬
schen Zwecken 535. 565. 723.
Microphthalmos, Fall davon 773.
Migräne, Behandlung derselben 213.
Milchspiegel, Heusner’scher 123.
Milch zur intravenösen Injection statt der Blut¬
transfusion 369.
Miliartuberculo.se, acute 400.
Militärärzte, Dienstverhältnisse derselben im Frie¬
den 545.
Milz, Zerreissung derselben durch Muskclcontrac-
tion 732.
Milzbrand, Mechanismus des Todes bei Ein¬
impfung desselben 51.
Missbildung, Beschreibung einer solchen 515.
Molluscum contagiosum 647.
Moorbäder, schwefelsaures Eisenoxydul enthal¬
tende, therapeutische Indicationen derselben
254.
Morbilli s. Masern.
Morbus Brightii, Veränderung der Gefässe bei
demselben 256.
Morphium und Atropin, sind dieselben Antidote?
692. 767.
Mortalitätsstatistik s. Berlin, Königsberg i. Pr.,
Preussen.
Musculi cricoarytaenoidei, beiderseitige Lähmung
derselben mit Ausgang in Heilung 349.
Muskeln, Einfluss der Innervation auf den Stoff¬
wechsel derselben 141.
— Fall von Necrose derselben 340.
— Wärmeentwickclung in denselben 734.
Muskelzerreissung durch angestrengtes Heben,
retrorenaler Abscess nach solcher 8.
Mutterkorn, Anwendung desselben in der Geburts¬
hülfe 153.
— Schüdelfractur bei normalem Becken, bedingt
durch Darreichung desselben 468.
Mutterlaugen, über dieselben 324.
Muttermund, Erweiterung desselben zur Erleich¬
terung der Conception 468.
j Mydriasis und Accomraodationslähmung auf syphi-
i litisehcr Basis 302. 1
: Myom, weiches des Ligamentum latura 275.
! — cervicales, Enuclcation eines solchen 633.
! Myositis, infectiüse, über solche 437.
Myxoedema 466.
N.
Nabelbhitung, syphilitische 140.
Narben, membranaruge des Kehlkopfs in Folge
von Syphilis 175.
Nasenblutungen, Beitrag zur Aetiologie derselben
730.
Nasendouche, zur Anwendung derselben 177.
Nasenpolyp, Fall davon 215.
Nasenrachencatarrhe, Schwerhörigkeit der Kinder
bei solchen 191.
Nasenschleimhaut, zur Casuistik der Blennorrhoe
derselben 149.
Natron salieylicum gegen Migräne 213.
— s. a. Salicylsäure.
Naturforscherversammlung 51. in Cassel 404.
419. 574. 589. 647. 734.
Nccrosen, embolische, über dieselben 340.
— der Muskeln, über dieselben 340.
Nephritis, parenchymatöse, Pilocarpin dagegen 529.
— während der Schwangerschaft 568.
Nervensystem, Veränderungen desselben bei diph-
theritisehen Lähmungen 52.
Nervus ischiadicus, Naht bei Verletzung des¬
selben 8.
— opticus, Beitrag zur Neurotomie desselben 663.
Neugeborene, Wägungen derselben 482.
— Lufteintritt in den Magen derselben 521.
— Abnormes Gewicht solcher 620. 648.
Neuralgie des Gesichtes durch Nervenresection
geheilt oder gebessert 269.
— der Gelenke, über dieselbe 356.
— Optico-eiliaris, Beitrag zu derselben 663.
Neurologen und Irrenärzte, dritte Wanderver¬
sammlung derselben 326.
Niederrheinische Gesellschaft für Natur- und
Heilkunde in Bonn 198. 547. 559. 659. 688.
Niere, über dieselbe bei den Wirbelthieren 659.
Nieren, zur Lehre von der Amyloidentartung
derselben 313. 335.
— zur Pathologie derselben 453.
Nierenleiden, Gefahr der wirksamen Arzneimittel
bei solchen 436.
— Beziehung der Ilerzhypertrophie zu denselben
369.
— s. a. Morbus Brightii.
Nierenphysiologie und Pathologie, experimentelles
auf dem Gebiete derselben 673.
Nierenstein aus Indigo 365.
Norderney, über die Wirkung der Seebäder daselbst |
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o.
Oberengadin, Sommerfrische daselbst 454.
Oberkiefer- und Gaumendefectc, künstlicher Ersatz
derselben 109.
Oberkieferplatte mit drei Zähnen verschluckt
255.
Oberschenkel, Resection des Kopfes mit Hilfe
des vorderen Längsschnittes 276.
Oederaa malignum der Lidhaut 644.
Oesophagus, Carcinora desselben mit Perforation
in die Aorta 530.
Ohr, äusseres, Kiemenfisteln an demselben 182.
— Fremdkörper in demselben 728. 772.
Ohrenheilkunde, Lehrbuch derselben 602.
Omphalorrhagia syphilitica 140.
Ophthalmologie, Geschichte derselben 165.
Orthopaedie 37.
Opticus s. Nervus opticus.
Operations- und Untersuchungstisch, zusammen¬
legbarer 368.
Osteomyelitis, Exarticulation im Hüftgelenk wegen
solcher 25.
— Aetiologie und Therapie derselben 247.
— primäre, infectiöse, über dieselbe 542. 695.
Osteotomie der Tibia und Fibula 198.
Ovariotomien, über'dieselben 11. 20. SO. 145.
209. 224. 275. 324. 516.
— bei Kindern 734.
Ovarium, Geschwülste desselben als Geburtshin-
derniss 231. 275. 659.
— Dermoidcystc desselben 231.
— Bildungsanomalien desselben 483.
Oxyuris vermicularis, die Oberhaut der Genito-
cruralfalte als Brutstätte derselben 257.
Ozaena, über eine einfache Behändlungsweff#
derselben 587.
P.
Pancreas, Todesfall in Folge von Haemorrhagi
desselben 213.
Papilläre Geschwülste der Stimmbänder, zwei Fälle
davon 703.
Paralyse, acute aufsteigende 23. 653.
Pathologie, allgemeine von Cohnheim 77.
— und Physiologie, Traube’s gesammelte Bei¬
träge zu derselben 747.
Pathologische Anatomie, über die Aufgaben dei-
selben 630.
Paukenhöhle, Wanderung eines Haferrispenastes
vom Pharynx durch die Tuba in dieselbe 728.
Pemphigus acutus, über denselben 551.
Perubalsam, innere Anwendung desselben 588.
Pepton, über dasselbe 17.
Pflanzen, fleischessende, zur Ernährung derselben
291.
Phosphorvergiftung, zur Lehre von derselben 265.
588.
Pharraacopöe, brittische, Revision derselben 749.
Physiologie des Menschen 37.
Pilocarpin bei Bleikolik 109.
— bei Pleuritis 529.
— Wirkung auf den puerperalen Uterus 734.
— Anwendung desselben in der augenärztlichen
Praxis 355.
Pleura-Exsudate, zur Diagnostik derselben 160.
— Dämpfungscurven derselben 566.
Pleuritis, Beobachtungen über dieselbe 100.
— Pilocarpin, dagegen 529.
Pneumatischer Apparat, Frankel’scher, Wieder¬
belebung eines durch Ertrinken scheintodten
Kindes mit demselben 77.
Pneumonie, syphilitische 35.
— und Pleuritis, Beobachtungen über dieselben
100 .
— contagiöse 384.
— in Folge von Unfällen, ohne Verletzung 384.
— croupöse, Behandlung derselben 387.
Pneumothorax, klinische und therapeutische Beob¬
achtungen über denselben -587.
Polvp des Kehlkopfes, Exstirpation eines solchen
‘135.
Polyurie, schnelle Heilung einer solchen durch
Ergotingebrauch 214.
Potatoren s. Gewohnheitstrinker.
Original from
UNIVERSITY OF MICHIGAN
Register.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
779
Praxis, medicinische und über das raedicinische
Studium 10.
Preussen, Mortalitätsstatistik daselbst 293. 621.
Prüfungsordnung, neue für Aerzte in Deutsch¬
land 592. 603.
Psammome am Centralnervenapparat 97.
Psoriasis, 632.
— Chrysophansäure gegen dieselbe 401.
Psychiatrie, Bedeutung der freien Behandlung
für dieselbe 122.
— Stellung derselben zur Gesammtmedicin 490.
Psychosen, allgemeine Grundsätze bei Behandlung
derselben 29. 54.
Psychiatrische Mittheilungen 435.
Puerperalfieber, Prophylaxe desselben 4. 633.
Puls 696. 712.
Pulsuhr 696. 712.
Pulsuntersuchung, über die Bedeutung derselben
658.
— das Sphygmophon als diagnostisches Hiilfs-
mittel derselben 723.
Pulsus paradoxus 109.
Purpura syphilitica 140.
Pylorus, Incontinenz desselben 647.
Pyopneumothorax, jauchiger, RadicalOperation
desselben 682.
Q.
Quecksilber, Nachweis desselben im Harn durch
Messingwolle 332.
Quecksilberchlorid-Chlornatrium, über seine snb-
cutane Anwendung 59.
R.
Raccuconstitution und Yolksgesundheit in Eng¬
land 749.
Radicaloperation der Hernien 340.
Ranula, Galvanokaustik bei solcher 536.
Reichsgesundheitsamt, Etat desselben 95. 155.
201. 216.
— Veröffentlichungen desselben 110. 155. 187.
277. 310. 437.
Resection der Rippen bei retrocostalen Abscessen
113.
— der Scapula durch ein Trauma 152.
— des Kniegelenks 259.
— des Schenkelkopfes mit Hülfe des vordem
Längsschnittes 276.
— von 5 Rippen und der Clavicula wegen Schuss¬
verletzung der Brust 340.
Resorbtien der Haut bei Fröschen 773.
Rippen, Resection derselben bei retrocostalen Ab¬
scessen 113.
— Resection derselben und der Clavicula wegen
Schussverletzung der Brust 340.
Riviera di ponente, therapeutischer Werth der¬
selben in Bezug auf Klimatologie und See¬
bäder 499. 516. 530.
Röhrenknochen, Veränderungen des Markes der¬
selben bei experimentell erregter Entzündung
eines derselben 173.
Rothwein und Fettnahrung bei Scorbut 749.
Rotz, subacuter, beim Menschen 74.
— über die Erkrankungen an demselben in
Preussen während des Jahres 1877 735.
Ructus, über den Mechanismus desselben 521.
Rückenmark, experimentell erzeugte Sclerose
desselben 121.
— Zerquetschung desselben durch Luxation des
6. Halswirbels 581.
— Temperaturveränderung durch Zerquetschung
desselben 742.
S.
Säuren, Einfluss derselben auf den thierischen
Organismus 416.
Salicylsäure, Urticaria nach dem Gebrauch der¬
selben 369.
— Petechien beim Gebrauch derselben 630.
— über die Wirkung derselben 617.
— bei Gelbfieber 531.
— bei Scarlatina maligna 76.
Sandbäder, warme, Vorzug derselben 399.
Saponinvergiftung, acute 475. 493. 511.
Sarcom der Chorioidea, Fall davon 645.
Sarcomatöse Geschwulst der Wirbelsäule 382.
Sauerstoff des Blutes, Antheii desselben bei der
Eiterbildung 688.
Scapula, Resection derselben durch ein Trauma
152.
Scarlatina s. Scharlach.
Schallerscheinungen der peripheren Arterien, zur
Kenntniss derselben 297.
Scharlach, Fieberverhältnisse bei demselben 24.
— bösartiger, geheilt durch Salicylsäure 76.
— Incubation desselben 452.
Scheide, Carbolinjectionen in dieselbe bei Wöchne¬
rinnen 25.
— Haarnadel im Bindegewebe zwischen ihr und
der Blase 415.
Schlaf, Einfluss desselben auf die Hamabsonde-
rung 416.
Schlaflosigkeit weiblicher Irren, Kampher gegen
dieselbe 148. 416.
Schleimhaut des Magens, über dieselbe 703.
Schlingbeschwerden 529.
Schmierseifeneinreibungen, methodische, gegen
chronische Lvmphdriiscnerkrankungen 73.
638. 685.
Schulkurzsichtigkeit, Behandli ng derselben 620.
Schussverletzung der Brust, Resection von 5
Rippen und der Clavicula wegen solcher 340.
Schwangerschaft, Eclampsie iin 6. Monat dersel¬
ben 194.
— und Geburt, Blasenseheidentisteln als Com-
plication derselben 288.
— Intermittens während derselben 324.
— unstillbares Erbrechen während derselben
184. 483. 732.
Schwangerschafts-’Wochenbettsamaurose 64.
— Nephritis während derselben 568.
Schwefelthermen von Helouan 142.
Schweine, über die im Jahre 1876 auf Trichinen
und Finnen untersuchten 620.
Schwerhörigkeit der Kinder bei Nasenrachen-
catarrh 191.
Schwindsucht, Beitrag zur Aetiologie derselben
584.
Schwitzen, einseitiges, über dasselbe 696.
Sclerose, syphilitische, über Excision derselben
24.
— des Rückenmarkes, experimentell erzeugte 121.
Scorbut, Fcttnahrung und Rothwein bei dem¬
selben 749.
Scrofulöse Gelenkleiden, Tuberkel bei solchen
648.
Scrofulose, aus der Geschichte und Therapie der¬
selben 638. 655.
Secale comutum s. Mutterkorn.
Seebäder und Klimatologie der Reviera di po¬
nente 499. 516. 530.
— in Norderney, Wirkung derselben 558.
Seife s. Schmierseifeneinreibungen.
Semen Cucurbitae maximae gegen Bandwurm
212 .
Sepsis, antiseptisches Verfahren nach Eintritt der
selben 247.
Shok in Folge von Blitzschlag 215.
Siderosis s. Eisenablagerung.
Simulation von Fieber 83.
Sommerfrische in Oberengadin 452.
Spätabnabelung des Kindes 734.
Spermatogenese bei Säugethieren 689.
Sphygmophon zur Diagnose der Herz- und Puls¬
bewegung 723.
Spiegelschrift bei Hirnkranken 6.
Spina bifida, Fälle davon 122.
des Blutes auf solche 452.
Spinallähmung, acute atrophische, Erwachsener
252 273. ~t
— spastische 563. 707. 725. - r N
Spirillen, eine einfache Methode der Untersuchung
Spondylitis, Beiträge zur mechanischen Behand¬
lung derselben 409. 433. 449.
Sprache, Verbesserung derselben nach der Ura-
noplastik 357.
— coupirte, Fall davon 429.
Staarextractionsmethode, eine einfache 149.
Steinschnitt, hoher, Nachbehandlung bei solchem
119.
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Google
Steisslagen, Behandlung derselben 258.
Stenose des Kehlkopfs und der Trachea 716. 739.
771.
— Galvanokaustik dagegen 536.
Stethoscope, hohle und solide, Bemerkungen über
die Auscultation mit. denselben 297.
Stichwunde der Brust. Lungenvorfall bei solcher
91.
Stickstoffinhalationen 163.
Stimmbänder, papilläre Geschwülste derselben
703.
Stimmbandparalyse, respiratorische 633.
Stimmorgan, die empfindliche Flamme zur Er¬
kennung der Erkrankungen desselben 762.
Stimmritze s. Glottis.
Stomatoplastik 356.
Struma, Fall von angeborener 417.
Strumitis, Aetiologie und Therapie derselben 247.
Strychnin, Tod nach subcutaner Injection des¬
selben 8.
Studium, medicinisches und über die medicini-
sehe Praxis 10.
i Subluxationen, spontane, der Hand 356.
, Sublimatlösung gegen Intertrigo 213.
j Süden, kritische Erinnerung an einen Winter¬
aufenthalt daselbst 645. 660. 675.
Sympathicus, anatomische Veränderungen dessel¬
ben bei Diabetes 182.
Symbiose, über dieselbe 590.
Synthetische Processe in Thierkörper 373.
Syphilis haemorrhagiea 140
— Verengerung des Kehlkopfs durch membran-
artige Narben in Folge derselben 175.
— Accommodationslähmung mit Mydriasis durch
dieselbe bedingt 302.
— Contagium derselben 647.
Syphilitische Initialsclerose, über Exision dersel¬
ben 24.
— Blutungen 140.
— Pneumonie 35.
— Gelenkerkrankung bei Kindern 616.
— Infection einer Mutter durch ihr eigenes Kind
678.
T.
Tabes dorsali.s, über ein frühes Symptom der-
i selben 1.
I — — Symptomatologie derselben 51.
Tarakanen, Wirkung derselben 566.
Telephonisiren des stromprüfenden Froschschen-
kels 773.
Temperamente, über die körperliche Grundlage
derselben 324. 388.
Temperatur, über den Gang derselben bei Eite¬
rungen 309.
— Veränderung derselben, bedingt durch Ver¬
letzung des Halsrückenmarks 742.
Tetanus traumaticus unter dem Einfluss des
Bromkalium und Chloralhydrat geheilt 641.
Therapie, chirurgische, über die Grundlagen der¬
selben 13.
Thoracotom 457.
Thymol als Antisepticum 247.
Tibia, Osteotomie derselben und der Fibula 198.
Trachea, Galvanokaustik bei Stenose dcrselben536.
— s. a. Luftwege.
Tiacheotomie 104.
— Inhalationen nach derselben 508.
— Behandlung der Diphtherie vor und nach
derselben 631. 669.
Trichinen, über die im Jahre 1876 auf solche
untersuchten Schweine 620.
Transfusion, intravenöse Injection von Milch bei
derselben 369.
Transplantation, Reverdin’sche 648.
— an der Cornea 773.
Trommelfell, Perforation desselben durch einen
vom Pharynx durch die Tuba und die Pauken¬
höhle gewanderten Haferrispenast 728.
Trunksucht und Verbrechen 403.
Tuberculose, eine Infectionskrankheit 551.
— locale, bei scrofulösen Gelenkleiden 648.
— s. a. Schwindsucht.
Tuberculum dolorosum, über eine eigenthümliche
Form desselben 547.
Typhus abdominalis, Kaltwasserbehandlung des¬
selben 231.
Original fru-m
UNIVERSITY OF MICHIGAN
780
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Register.
Typhus abdominalis, über die Epidemie in Klo-
ten 579. 596.
— recurrens, über denselben 529.
— Entwickelung des Fiebers bei demselben 587.
— zur Frage Uber die Mischformen desselben
732.
U.
Unterschenkelgeschwüre, Behandlung derselben
durch Entspannungsnähte 667.
Urethra, Zerreissung derselben am Damme, Para-
centhese der Blase 710.
Universität in Berlin, über dieselbe während des
Wintersemesters 10.
-im Sommersemester 389.
— s. a. Docenten.
Universititäten, deutsche, Frequenz derselben 293.
— zum Etat derselben 735.
Unterleib, Bajonettstich durch denselben 319.
Unterleibsorgane, Untersuchung derselben 93.
Unterschenkel, Exarticulation desselben 259.
Unterschenkelgeschwüre s. Geschwür.
Untersuchungstisch, zusammenlegbarer 368.
Uranoplastik, Verbesserung der Sprache nach
derselben 357.
Urticaria mit Albuminurie 369.
— nach Anwendung von Blutigeln am Mutter¬
mund 626.
Uterus, Carbolinjectionen in denselben bei Wöch¬
nerinnen 25.
— septus und vagina septa, Geburt bei solchen
183. 354.
— bicornis, einseitige Haematometra bei solchem
184.
— Carcinom desselben 231.
— eine neue Methode der Exstirpation desselben
275. 417. 45S. 633. 659. 734.
— Fremdkörper in demselben 323.
— bei drohender Ruptur desselben 354.
— Entfernung eines verkalkten Fibroids des¬
selben durch Zertrümmerung 401.
Uterus einer Neuentbundenen 659.
— puerperaler, Wirkung des Pilocarpin auf den¬
selben 734.
— Inversion desselben durch Neubildungen 734.
V.
Vaccination, animale, über die Nolhwendigkeit
der allgemeinen Einführung derselben 168.
— — Bericht über die Wirksamkeit des Insti¬
tutes für dieselbe 232.
— — s. a. Impfung.
Vagina septa und Uterus septus, Geburt bei
solchen 183. 354.
— Cysten derselben 483.
Vaginitis granulosa 734.
Vaguslähmung 215.
Verbandmaterial, Herstellung eines solchen aus
Jute und Carbol-Colophonium-Spiritus 773.
Verein für wissenschaftliche Heilkunde in Königs
berg in Pr. 257. 632. 703.
Verrenkungen 37.
— s. a. Subluxation.
Verstauchung der Halswirbelsäule, Fall davon 745.
Verunreinigung der Wasserläufe, Gutachten der
wissenschaftlichen Deputation über dieselbe
233.
Volksgesundheit undRacenconstitution in England
749.
Voraitus s. Erbrechen.
W.
Wärmeentwickelung im Muskel 734.
Wahnsinn, moralischer 214.
Wasserläufe, Gutachten der wissenschaftlichen
Deputation über die Verunreinigung derselben
233.
Wasserstoffsuperoxyd,physiologische Wirkung und
therapeutische Anwendung desselben 573.
Wehenthätigkeit, Einfluss des Pilocarpin auf
dieselbe 734.
— Ucber die Veränderung des Foetalpulses während
derselben 734.
Wendung, die Indicationen und Contraindicationen
derselben 659.
Werlhof’sche Krankheit, Blutbefund bei der¬
selben 558.
Wiederbelebung eines durch Ertrinken schein-
todten Kindes mit dem Frankcl'sehen pneu¬
matischen Apparate 77.
Wintcraufenthalt im Süden, kritische Erinnerun¬
gen an einen solchen 645. 660. 675.
Wirbelsäule, sarcomatöse Geschwulst derselben
382.
— s. a. Halswirbelsäule.
W'irbelthiere, über die Niere derselben 659.
Wochenbett, Behandlung der Gebärmutterblu¬
tungen und Entzündungen in demselben 668.
Wochenbetts- und Schwangerschaftsamaurose 64.
Wöchnerin, wann soll dieselbe das Bett verlassen V
329.
Wundbehandlung 8.
— Methoden derselben 293.
Wurmabscess, Fall davon 51.
Wurzen, Massenerkrankung daselbst 291.
Z.
Zähne, künstliche, verschluckte 255.
Zahnabscess, Vorkommen der Coccobactcria sep-
tica in einem solchen 191.
Zwerchfell, Zerreissung desselben in Folge acuter
Auftreibung des Magens 615.
Zwillingskind, Knickung und Austreibung de 1 -
selben duplicato corpore bei zweiter Becken -
|nd läge 165.
2 . Namen-Register.
A.
Adamkicwicz 17. 467.
Adler 551.
Aeby 590.
Albert 416.
Alberts 317.
Albrecht 452.
Al butt 385.
Alexander 302.
Amussat f 389. 576.
Apolant 695. 696.
Arndt 529.
Auspitz 24.
B.
Baer 403. 545.
Barde Leben 25. ‘J93.
Bardenhewer 109. 529. 645.
Bartels + 373.
Bart hold 109.
de Bary 590.
Baum 595.
Baumeister 109.
Becker, E. 771.
Becquerel f 83.
Bohrend, G. 140. 772.
Beneke 675.
Ben icke 153. 183. 633.
Berger, 0. 51.
Bernard, Cl. f 95. 109.
Bernhardi 384.
Bernhardt 129. 252. 273.
Bernheim 587.
Bert hold 773.
Binswanger 379. 397.
Binz 466. 688.
Birnbaum 165. 387.
Bögehold 347.
Braun, J. f 548. 605.
Bröking 212.
Brosius 435.
Brudi 515.
Brunner 703. 716.
v. Bruns 92. 425.
Buchheim 759.
Buchwald 6.
Burow 92. 703. 773.
1 Busch 173. 547.
j Busch, F. 403.
C,
Cailletet 154.
Challand 213.
Chauvet 436.
Cohnheim 77. 630.
Cohnstein 288.
Gramer 122.
Curschmann 139. 153.
Czerny 357.
D
Davis 214.
Dawosky 561.
Dejerine 52.
Dietl (Krakau) + 68.
Dohrn 644.
Doutrelepont 19S.
E.
Ebel 354.
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Gck igle
Original fru-m
UNIVERSfTY OF MICHIGAN
Register.
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Ebstein 647.
Ehrmann t ^$3.
Eidam 508.
Elias 540.
Ewald 109. 231. 256. 339. 369. 417. 572.
F.
Fester 97.
Fieber 269.
Fick 734.
Filehne 354.
Finkelnburg 231.
Fleischmann + 68.
Flemming 399.
Förster 483.
Frankel, A. 265.
Frankel, B. 141. 762.
Frankel, Ernst 458.
Freuden berg 630.
Freund 275. 417.
Frey 429.
Fromm 558.
Fürbringer 85. 332.
G,
GatVky 667.
Geipel 77.
Göschei 757.
Goltdammer 231.
Gorup-Besanez + 735.
Gottstein 557.
Graevell t 548.
Grödel 137.
Grohe 682.
Gussenbauer 356.
Guttraann P. 93. 274. 498. 573. 716.
Guttstadt 590. 648.
H.
Hack 135.
Halbey 710,
Hamilton 37.
Hartmann 191.
Hausmann 638. 655.
llaussmann 189. 191. 468. 667.
v. Hebra 51.
Hcnoch 24.
Hertzka 214.
Heubach 353. 767.
v. Heusinger 122. 355.
Heyfelder 25. 94. 187. 261. 292. 387. 418. 590.
Heynold 581.
Hildebrandt 633.
Hill, Beckeley 152.
v. Hippel 773.
Hirsch 165. 689.
Hirschberg 182. 249. 306.
Hirtz + 83.
v. Holder 383.
Hofimann E. + 26.
Hofmeier 354. 568.
Hopmann 109.
Hünicken 382.
Hueter 37. 308. 574. 648.
Hueter, H. 345. 363.
J.
Jacob 254.
.Tacubasch 100. 319. 320.
Jaffe 653.
Jany 41.
.Im re 599. 612.
Jones 182.
K.
Kaatzer 772.
Käuffer 323. 482.
Kapesser 73.
Katz 321.
I Katz L. 367.
Kehrer 734,
Keppler 475. 493. 511.
Kirschstein 123.
Klebs 647.
Knapstein 692.
Knauth 152.
Knövenagel 525.
Kobert 635.
Koch 356.
Kocher 247.
Kocks 734.
Köbner 632.
Köhler 566. 759.
König 247. 309. 637. 648.
Köster 559.
Kolaczeck 308.
Krishaber 52.
Krönlein 8.
Kühn 384.
Külz 122.
Küssner 635.
Küster 65. 248. 258. 260.
Küstner 329.
| Kupfer 703.
! Kurz 193.
L.
Ladendorf 565. 566.
Landsberger 759.
v. Langeubeck 258. 259.
Langenbuch 412.
Lapierre 385.
Laudon 76. 730.
Laue 773.
Lebert SO. 499. 516. 530. + 501.
Lehmann L. 120.
Lehnerdt 401.
Leut 339.
Leopold 734.
Losch ik 119.
Leube 466.
Lewitzkv 6S4. 695.
Leyden 79. 121. 221. 237. 457. 546. 630. 707.
725.
v. Liebig 469.
Lion f 562.
Litten 93. 313. 332. 453. 673.
Lobstein 483.
Löbisch 109.
Löwe 80. 183. 505.
Lorcntzen 51.
Lossen 113.
Ludewig 377.
Lücke 340.
M.
Maas 13.
Madelung 356. 547.
Malbranc 41.
Mandelbaum 138.
Man köpf 644. 647.
Martin 80. 93. 209. 224. 401. 623.
Mass 535.
Mayer, Robert f 187
Mayer, Jaques 572.
Mehlhausen 196.
Mendel 214. 402.
Menzel + 293.
Meschede 349. 633.
Meusel 276.
Mever, Ad. 496.
Michel 215. 529.
Michelson 257.
Moleschott 482.
v. Mosengeil 340.
Mracek 482.
Müller, Franz 284. 300.
Müller-Warnek 57. 631. 669.
Münster 258.
Murchison 452.
781
N.
Naunyn 257. 258.
Neumann, E. 69. 87. 115. 131. 607.
Neumann, J. 401.
Nicaise 436.
Nieden 742.
Nothnagel 205. 759.
Nussbaum 659.
O.
Oberländer 658.
Oberst 157.
Oestreich 232.
Ord 365. 466.
P.
Paget 182.
Passavant 357.
Pauly 104. 340. 514.
Pcnkert 745.
Penzoldt 48. 558.
Pfuhl 772.
Picket 154.
Pierson 773.
Plssin 232.
Politzer 602.
Poniklü 182.
Preisendörfer 644. 716.
Quincke, 108. 416. 473. 562.
R.
Rabow 213.
Ralfe 152.
Raspail f 26.
Ravoth f 141.
Rcgnault + 83.
Reich, H. 551.
Reudu 214.
Retslag 368.
Rheinstädter 194. 386.
Richter 633.
Riedel, E. 545.
Riedel (Göttingen) 648.
Riedingcr 277.
Riegel 387. 658. 716. 739. 771.
| Ries 751.
I v Rokitansky t 454. 468.
Rosenbach 160. 608.
[ Roser 355. 682.
! Rossbach 759.
Roth 324. 388.
Roth, Otto 528.
I Rüge, C. 231.
I Rüge, P. 66. 231. 401.
S.
' Sachalin 35.
i Sachs, Carl + 518. 661.
Sachs (Cairo) 648.
Samuelson 258.
Sander, Friedr. f 277.
Sander W. 153.
Sandreczky 149.
i Schätzke 213.
■ Schaper f 201.
1 Scheby-Busch 74.
j Schede 276.
| Scheele 446. 462. 475.
Schiefferdeeker 773.
Schmidt, Oskar 574.
j Schmidt-Rimpier 355. 644.
! Schmidthuiscn 151.
| Schneider (Königsberg) 340.
1 Schölcr 245.
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782
BERLINER KLINISCHE WOCHENSCHRIFT.
Register.
Schramm 324. 483. 626.
Stropp 53.
Schröder 145. 184. 231. 275. 402.
Strümpell 679.
Schülein 25. 633.
Süssbach 198.
Schüler 233.
Siissmann 49.
Schüller 20.
Schultz, A. 67.
T.
Schweigger 52. 281.
Schweitzer 576.
Scriba 409. 433. 449.
Tacke 465.
S6e 121.
Tetz 542.
S6guin 213.
Thiede 659.
Semon 365.
Thiersch 30S.
Sellerbeck 33.
Tillmans 308.
Senator 297. 369. 647.
Tobold 617.
Servaes 215.
Toussaint 51.
v. Sokolowsky 584.
Trautmann 731.
Solger 628.
Treutier 163.
Soltsien 255.
Tschiijew 240.
Sommerbrodt 175. 177.
Tuczek 215. 739. 771.
Spanier 490.
Spiegelberg 138.
xr
Stahl 558.
V.
Starcke 489. 645. 660. 675.
Stein S. Th. 723.
Veit 183. 231. 417. 468. 659.
Steiner 38. 393.
v. d. Velden 23. 563.
Stephan 610.
Vigouroux 354.
Stern 59.
Völkel 91.
Stilling 734.
Voigt 1S8.
Stöhr 416.
Voltolini 536.
Stork 773.
Stokes, W. f 54.
Verlag und Eigenthura von August Hirsehwald in Berlin. — Gedruckt
W.
Wagner, W. 754.
Waldenburg lü. 77. 696. 712.
Wälder 579. 596.
Walther 416.
Weber 64.
Weber, Ernst Heinrich + 82.
Weber, Reinhard 395.
Wcber-Liel 177.
Wegncr 308. 773.
Weissgerber 521.
Wells, Spenser 11.
Wernich 497. 647. 687.
Wertheimber 213.
Westphal 1. 402. 441.
Wilhelm 49.
Wille 29.
Winckel 483.
v. Winiwarter 671.
Wimmer 228. 241.
Wiskemann 320.
Wiss 588.
Wittich 148.
Wolff, J. 498.
Wolzenderf 436.
Z.
Zeissl 482.
Zuntz 141.
Zweifel 4. 734.
bei L. Schumacher in Berlin.
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